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C. G.

J U N G
G ESA M M ELTE W ERK E
V IE R Z E H N T E R
BAND
Ergänzungsband
C .G. JUNG

MYSTERIUM
CONIUNCTIONIS
U N T E R S U C H U N G Ü B E R D IE
T R E N N U N G U N D ZU SA M M EN SETZU N G
D E R S E E L IS C H E N G E G E N S Ä T Z E
IN D E R A L C H E M IE

ERGÄNZUNGSBAND

«A U R O R A C O N SU R G E N S »
E IN D EM TH O M AS VO N A Q U IN Z U G E S C H R IE B E N E S D O K U M E N T
D E R A LC H E M IST ISC H EN G EG EN SA TZPRO BLEM A TIK
V O N D R . M.-L. V O N F R A N Z

W A L T E R -V E R L A G
O L T E N U N D F R E I B U R G IM B R E IS G A U
U R S P R Ü N G L I C H H E R A U S G E G E B E N ALS
P S Y C H O L O G I S C H E A B H A N D L U N G E N X II V O N C . G . J U N G
( M Y S T E R I U M C O N I U N C T I O N I S III)

D IE D R U C K L E G U N G D IE S E S W ERKES
ER FO L G T E M IT U N T E R S T Ü T Z U N G D ES S C H W E IZ E R IS C H E N
N A T IO N A LFO N D S Z U R F Ö R D E R U N G D E R
W ISSE N SC H A FT L IC H EN FO R SC H U N G

M CM LXXIII

Alle Rechte Vorbehalten


© Walter-Verlag AG, Olten 1971
Satz und Druck: Tschudi & Co. AG, Glarus
Einbandarbeiten: Walter-Verlag, Buchbinderei Heitersheim

ISBN 3-530-40799-2
IN H A L T
Seite

I. E IN O R D N U N G DES T E X T E S

1. Einleitung 1
2. Die Überlieferung 3
3. Die Quellen 4
4. Das Datierungsproblem 20
5. Die Handschriften 22
6. Die Textgestaltung 25

II. AURORA CON SURGENS / DER T E X T

1. Beginn des Traktates des Seligen Thomas von Aquino:


«Die aufsteigende Morgenröte» 30
2. W as die Weisheit ist 38
3. Von denen, die diese Wissenschaft nicht kennen und leugnen 40
4. Vom Namen und Titel dieses Buches 44
5. Von der Anspornung der Unwissenden 46
6. Die erste Parabel von der schwarzen Erde, in der die sieben
Planeten ihre W urzeln schlugen 48
7. Die zweite Parabel von der Wasserflut und dem Tode, den
das W eib hereingebracht und auch vertrieben hat 56
8. Die dritte Parabel vom ehernen Tor und dem eisernen Riegel
der babylonischen Gefangenschaft 60
9. Die vierte Parabel vom philosophischen Glauben, der auf
der Dreizahl beruht 66
10. Die fünfte Parabel vom Schatzhaus, das sich die Weisheit
auf dem Felsen erbaute 84
11. Die sechste Parabel vom Himmel und der W elt und der
Anordnung der Elemente 102
12. Die siebte Parabel vom Gespräch des Liebenden mit der
Geliebten 114
INHALT

Seite
III. KOM M ENTAR

Allgemeines 131
Kommentar zu Kapitel I 132
Kommentar zum zweiten Kapitel 178
Kommentar zum dritten Kapitel 184
Kommentar zum vierten Kapitel 186
Kommentar zum fünften Kapitel 192
Kommentar zur ersten Parabel ( 6. Kapitel) 200
Kommentar zur zweiten Parabel ( 7. Kapitel) 231
Kommentar zur dritten Parabel ( 8. Kapitel) 250
Kommentar zur vierten Parabel ( 9. Kapitel) 268
Kommentar zur fünften Parabel (10. Kapitel) 308
Kommentar zur sechsten Parabel (11. Kapitel) 334
Kommentar zur siebenten Parabel (12. Kapitel) 358

IV. IST T H O M A S V O N A Q U IN D E R V E R F A S S E R DER


«A URORA C O N S U R G E N S » ? 407

Ergänzungen zum Apparat 435

Autoren- und Textregister 445

Sachregister 461
VORW ORT

rofessor C. G. J ung hat den vorliegenden alchemistischen Traktat,

P die «Aurora consurgens», entdeckt, und wieder ans Licht gebracht.


Von ihm erhielt ich den Auftrag, die vorliegende Herausgabe vorzu­
nehmen, wofür er mir die Photokopien der Manuskripte und zudem sein
ganzes umfangreiches, in Bibliotheken kaum zugängliches Material über
Alchemie zur Verfügung stellte. Hierfür und für seine weitere große
H ilfe und Förderung bei der Arbeit möchte ich ihm an dieser Stelle
meinen herzlichsten Dank aussprechen. Was die Hypothese betrifft, daß
der Text die letzten Worte des Hl. T homas von A quin wiedergeben
könnte, so muß ich hervorheben, daß ich mich in erster Linie um die
alchemiegeschichtliche und psychologische Einordnung des Textes be­
müht habe und mir bewußt bin, daß mir zu einem solchen Übergriff in
die Hagiographie die gründlicheren Kenntnisse fehlen - aber leider
zwingt der Text selber zu diesem Querschnittsverfahren durch getrennte
Fakultäten. Es handelt sich daher auch in meinem Schlußkapitel um
nichts weiteres als die Erörterung einer H ypothese, die ich in der Hoff­
nung vorlege, daß weitere Forschungsergebnisse die Frage werden ab-
klären helfen.
Wichtiger scheint es mir zu sein, daß dieser bedeutende Text an sich,
von wem immer er stammt, zugänglich und bekannt werde.
Ich möchte ferner Fräulein Dr. Melanie Staerk an dieser Stelle für
ihre H ilfe bei der Herstellung des Registers herzlich danken.

Im März 1957 Dr. M.-L. v. Franz


I

E IN O R D N U N G DES TEXTES

1. E I N L E I T U N G

IE C. G . J ung in «Psychologie und A lch em ie» d argelegt h a t 1,


sind die frühen lateinischen T e x te des A bendlandes noch,
wie die früheren griechischen und arabischen alchem istischen
W erk e, aus einer H altu n g heraus geschrieben, in w elcher der A lchem ist,
das göttliche G eheim nis der M aterie suchend, sein eigenes U nbew ußtes
in das ihm unbekannte W e se n des Stoffes p ro jiz ie rt 12345. D ah er sind diese
frühen T exte für uns heute w ertvollste D okum ente fü r die Sym bol­
bildung im allgem einen und insbesondere des Individuationsprozesses
gew orden 3, w ährend ihr chem ischer In h alt m eh r nur historisch noch
von Bedeutung ist. Schon unter diesen frühen T e x te n , die v or der Spal­
tung der A lchem ie in Chem ie einerseits und H erm etik andererseits g e­
schrieben sind, gibt es solche, in denen m eh r τά φυσικά und andere, in
denen m ehr τά μυστικά im V ord ergrun d stehen 4, d. h. solche T e x te , die
eher «chem isch» und andere, die eher «psychologisch» w ichtig sind. Z u
denjenigen T exten , die fast ausschließlich psychologisch bedeutsam sind,
gehört der nachfolgende T raktat, die «A u ro ra C onsurgens», w elcher
auch innerhalb der zeitgenössischen alchem istischen L iteratu r inhaltlich
und stilistisch ein U nikum darstellt. J u n g h at zuerst die Bedeutung
dieses Traktates entdeckt und in «Psychologie und A lch em ie» kurz dar­
gelegt 5. W äh ren d andere T e x te nur bisweilen konventionelle Stellen
der H l. Schrift nebenbei zitieren, ist dieser T rak tat fast gänzlich aus
Bibelzitaten zusam m engesetzt, auf deren «alchem istischen» Sinn durch
dazwischengew obene klassische Alchem istenzitate angespielt w ird, so

1. Rascher 1944.
2. Vgl. ebda. p. 337 ff. und p. 349 ff.
3. Vgl. ebda. p. 349 ff.
4. Vgl. ebda. p. 334.
5. Vgl. ebda. p. 510-516.
2 E I N O R D N U N G DES T E X T E S

daß man annehmen muß, daß der Autor mit «seiner Alchemie», was
immer er darunter verstand, ein religiöses Erlebnis oder - psychologisch
formuliert - eine unm ittelbare E rfahrung des U nbew ußten zu beschrei­
ben oder zu gestalten versuchte. Daß die Schrift «blasphemisch» sei, ist
ein Urteil späterer «aufgeklärter» Jahrhunderte 6 - mir selber jedenfalls
scheint es unzweifelhaft, daß der Verfasser völlig ernst und ergriffen
ein «mysterium ineffabile» ausdrücken wollte.
Es ist nicht Zufall, daß diejenigen Schriften und Stellen des Alten
Testamentes besonders häufig angeführt sind, in denen die geheimnis­
volle Frauengestalt der Sapientia D ei eine zentrale Rolle spielt, und daß
diese gnostische Figur mit Maria und der «Seele im Stoffe» identifiziert
und in den Mittelpunkt gerückt ist. D ie Anima als Vermittlerin des
Erlebnisses des Unbewußten tritt als erster Inhalt über die Schwelle und
übermittelt jene Bilder des Unbewußten, welche die im Bewußtsein
vorherrschenden kirchlich-christlichen Vorstellungen kompensieren 7.
Angesichts der heute erfolgten «Declaratio sollemnis» kann man nicht
umhin, diese Glorifikation einer weiblichen göttlichen Gestalt auch als
eine prophetische Vorahnung einer kommenden Entwicklung anzusehen.
Hinter dieser Frauengestalt in der Aurora aber tut sich andeutungsweise
jener Abgrund der Nigredo, d. h. des Schattens und des chthonischen
Menschen auf, dessen Integrierung die Ethik schon seit einiger Zeit
beunruhigt. Allerdings ist das Problem der Dunkelheit, wie Text und
Kommentar erweisen werden, in der Aurora zwar berührt, aber nicht
gelöst worden.
Die Überlieferung nennt T homas von A quin als Verfasser der
Schrift - eine so überraschende und zunächst fernliegend scheinende
Zuschreibung 8, daß sie bisher nie ernst genommen wurde. Dies ist unter
anderem dem Umstand zuzuschreiben, daß man bisher die Bedeutung
der Schrift nicht gesehen hat. Das Für und W ider der Zuschreibung soll
nicht hier, sondern erst nach der Kommentierung und historischen Ein­
ordnung des Textes erörtert werden. W er immer jener Verfasser ge­
wesen sein mag, so ist es wohl ein Mensch gewesen, dem sich ein über­
wältigender Inhalt des Unbewußten offenbart hat, welchen er nicht im
üblichen kirchlichen Stil, sondern nur mit H ilfe der alchemistischen

6. V gl. Psychologie und Alchemie, p. 510.


7. Vgl. Psychologie und Alchemie, Einleitung.
8. Vgl. ebda. p. 511.
EINORDNUN G DES TE XTE S 3

Symbolwelt zu umschreiben vermochte. D ie Schrift blieb von einem


Hauch der Seltsamkeit und «Einsamkeit» umgeben, der wohl damals
den Verfasser selber berührt und isoliert hat.

2. D IE Ü BERLIEFERU N G

in eNeuveröffentlichung des als «Aurora Consurgens» oder «De


E Alchimia» und auch «Liber Trinitatis» betitelten Traktates recht­
fertigt sich schon durch den Umstand, daß diese bedeutende Schrift
kaum bekannt geworden ist, weil sie bisher nur in einem einzigen sel­
tenen Abdruck in der Sammlung des J o h a n n e s R h e n a n u s , «Harmoniae
imperscrutabilis Chymico-Philosophicae sive Philosophorum Antiquo­
rum Consentientium Decades duae», Frankf. 1625 (apud C. Eifridum ),
und in einigen verstreuten Handschriften erreichbar war.
Der Nachwelt besser erhalten blieb nur der sog. zweite T eil der
«Aurora», der in dem Sammelwerk «Artis Auriferae, quam Chemiam
vocant, Volumina duo», Basel 1593 und 1610, und in weiteren Aus­
gaben größere Verbreitung fand. Dieser zweite Teil ist jedoch m. E. ein
von an derer H an d v erfaß ter K om m en tar zum ersten T eil. Neben sei­
nem völlig anders gearteten Stil beweisen dies die Wiederholung von
Zitaten aus dem ersten T e il 1, die Nennung des im ersten Teil nie mit
Namen angeführten A l b e r t u s M a g n u s 2 und auch die für einen Kom­
mentar typischen Einleitungsworte: «In praelibatis ostensum est 3 . .».
Auch ist noch im Rosarium philosophoru m nur der erste Teil zitiert 4.
Im Gegensatz zum völlig originellen, bekenntnishaften, poetisch-rheto­
rischen Stil des ersten Teiles hat der zweite einen prosaisch lehrhaften
Charakter, der dem zeitgenössisch üblichen Stil alchemistischer Traktate
folgt. Die Tatsache, daß in diesem zweiten Teil eine personifizierte
«Mater Alchemia« auftritt, daß G e b e r oft zitiert ist und die medizini­
schen Konsiderationen stärker im Vordergrund stehen, scheinen mir

1. z. B. die Sentenz: «Irrisio scientiae est causa ignorantiae». Und ein Citat von
A v ic en n a (vgl. Artis. Aurif. I Basel 1610, p. 147), von Alphidius (ebda. p. 140)
u. a. m.
2. ebda. p. 153.
3. Im Vorhergehenden wurde gezeigt . . .
4. R o sa r iu m P h ilo s o p h o r u m Artis Aurif. 1610 II. J. Ruska weist das R o sa r iu m zuerst
dem 14., später 15. Jahrhundert zu.
4 E I N O R D N U N G DES TEXTES

ev tl. als A bfassungszeit au f das 1 4 . oder 1 5 . Jah rh u n d ert hinzuweisen.


D ieser K om m en tar, d er allerdings schon in den H and sch riften des
1 5 . Jahrhunderts dem ersten T e il angegliedert erscheint, w urde vom
H erausgeber der «A rtis A u riferae» usw ., C o n r a d W a l d k ir c h , g etren n t
publiziert, weil der erste T e il, w ie er sagt 5, eine P ro fan ieru n g d er christ­
lichen M ysterien in ihrer A nw endung auf die A lchem ie darstelle. In
ähnlicher A rt m ag der T e x t schon frü h er A n stoß erregt haben und d a­
her zur Seite geschoben w orden s e in 6, trotzdem er zw eifellos ein bedeu­
tendes D okum ent der m ittelalterlichen A lchem ie darstellt.

3. D IE Q U ELLEN

6 D IE m eisten A lchem isten-Z itate der A u ro ra, die d er V erfasser fast


im m er m it N am ensangabe an fü h rt, konnten identifiziert w erden.
N u r ein sehr allgem einer, einem « A l p h o n s u s » zugeschriebener Satz
und eine Q uelle, die im D ru ck als «L ib er quintae essentiae» an gefüh rt
ist, sowie einige M o r ie n u s - und CALID-Zitate w aren m ir nicht auffind­
bar. B ei den nachw eisbaren Q uellen handelt es sich durchwegs um früh-
lateinische W erke und zw ar größtenteils um lateinische Ü bersetzungen
arabischer T raktate. Z u diesen gehört in erster L in ie das W e rk Lumen
luminum, das später auch unter dem T itel A r i s t o t e l i s D e perfecto
Magisterio kursierte oder dem A rab er R a z i zugeschrieben w u r d e . A ls

5. ebda. p. 118.
6. Er wird allerdings ohne Quellenangabe in späteren Werken manchmal citiert.
1. Ein «De p e r fe c t o M a g is te r io » ist im III. Band des T h e a tr u m C h e m ic u m von 1659,
p. 128, ebenso in J. J. Mangeti Bibliotheca Chemica Curiosa Vol. I, p. 630 ff. abgedruckt.
Dort verweist der Autor auf sein «L u m e n lu m in u m » ( !), sodaß es sich keineswegs um
wirkliche Identität handelt, vielmehr scheint der Autor des «De perfecto Magisterio»
gewisse Partien des «Lumen luminum» übernommen zu haben. Auch im Consilium Con-
iugii, Mangeti Bibliotheca Chemica Curiosa II, p. 235, ist derselbe Satz wie der Schluß­
satz des Kapitels der Aurora mit gleichen Worten citiert. Vgl. Anm. zum Text. - Vgl.
hiezu ferner M. B erthelot, La Chimie du Moyen-Age Bd. I. p. 145, 269, 234, 312
und Vol. II. p. 311 ff. und p. 273. E. v. Lippmann, Entstehung und Ausbreitung der
Alchemie. Berlin 1919, 1923, und 1954. (3 Vols.) Vol. I. p. 489. - M. Steinschneider.
Die europäischen Übersetzungen aus dem Arabischen bis Mitte des 17. Jahrh. Sitzungs­
berichte der k. und k. Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Classe, Bd. 149, Wien
1904. Vgl. ferner J. Ruska, Tabula Smaragdina a. a. O. p. 192, Anm. 5, er bezweifelt
wohl zu Unrecht, daß diese Schrift auf ein arabisches Original zurückgeht: «Dies auch
sonst häufig genannte Buch soll von Gerhard von Cremona übersetzt sein. Auch
F. W uestenfeld vermutet (Abh. der Göttinger Gesellsch. d. Wissensch. 1877,
E I N O R D N U N G DE S T E X T E S 5

W e rk des A ristoteles w ird diese S ch rift bereits bei T homas von


C hantimpre an gefüh rt, u nd letzterer ist bei V incent de B eauvais e r­
w ä h n t 2, so daß sie schon v or M itte des 1 3 . Jah rh u n d erts in lateinischer
F o rm verbreitet w ar 3. In d e r A u ro ra sind n u r einige allgem einere Sen­
tenzen daraus zitiert 4. D es w eiteren stam m en verm utlich auch d ie w eni­
gen A n fü h ru n gen d er Tabula Smaragdina nicht aus einem O riginal,
sondern aus diesem «Lu m en lum inum », d a die Sentenzen m it den genau
gleichen Einfü h ru n gsw orten an gefü h rt w erden 5 .D a m it ist das ganze
Ü berlieferungs- und D atierungsproblem d er Tabula Smaragdina fü r
unsere Z w ecke unw ichtig 6. A u ch der von der A u ro ra als A usspruch des
M orienus an gefüh rte Schlußsatz des dritten K ap itels stam m t verm u t­
lich aus diesem T e x t und n ich t direkt aus einem M ORIENUS-Traktat 7.
Ebenfalls bereits zu B eg in n des 1 2 . Jah rh u n d erts allgem ein als hohe
A u to rität bekannt und v e rb re ite t 8 w ar die Turba philosophorum 9, w el­
che einige M ale in der A u ro ra an gefü h rt w ird . F ü r die G eschichte dieses
interessanten T raktates verw eise ich au f J . R uskas A rb eit. V o n den v er­
schiedenen ARISTOTELES-Zitaten stam m t eines aus der echten Schrift,
de anim a II, lectio 8 . Schon v o r 1 2 1 5 bestand hievon eine griechisch­
lateinische Teilübersetzung, die in A lfred von Sareshels W e rk e n be­
nützt i s t 10. E in e arabisch-lateinische Ü bersetzung w urde (n ach 1 2 1 7 )
von M ichael S c o t u s v e rfe rtig t 11. D as A u rorazitat form u liert die Stelle

Bd. X X I I, p, 75 ), daß kein arabisches Original zugrunde lie g t. . . » Aber so einfach ist
die Sache nicht, es lie g e n arabische Quellen vor. Vgl. L. T horndike, History of Magic
and Experimental Science. New York, 1929. Vol. II p. 252 sq.
2. Vgl. Christoph F erckel, Thomas von Chantimpré über die Metalle, in Studien
zur Geschichte der Chemie. Festgabe E. Ο, v. Lippmann, ed. J . Ruska, Berlin 1927, p. 76.
3. Vgl. Lynn T horndike, 1. c. Vol. II p. 458 sq. Nach F. Pelster, Krit. Studien
zum Leben und zu den Schriften Alberts des Grossen. Freiburg i. Br. 1920, p. 98 ff.
ist das «Speculum» zwischen 1241-1264 entstanden und fortlaufend erweitert worden.
Die erste Fassung war 1241 vollendet. 1264 starb V incent v . B eauvais. Das Speculum
naturale ist vor 1241 verfaßt worden. (ebda. p. 99.)
4. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 79.
5. So die Worte «et hoc innuit H ermes in suo secreto». Vgl. Theatr. Chem. 1659
Vol. III, p. 80.
6. Vgl. J. Ruska, Tabula Smaragdina, Heidelberg 1926, p. 186 ff.
7. Vgl. Anm. zum Text, Ende Kap. 3.
8. Vgl. E. v. Lippmann, Alchemie, Bd. I, p. 484.
9 . Vgl. J. R uska , Turba philosophorum, Berlin 1931, bes. pp. 13 und 46.
10. Vgl. Charles H. Haskins, List of Textbooks from the close of the Twelfth
Century. Harvard Studies in d ass. Phil. Vol. X X , 1909, p. 86.
11. Vgl. A. H. Querfeld , Michael Scotus und seine Schrift De secretis naturae. Diss.
Leipz. 1919. p. 7. Vgl. G eorge Sarton, Introduction to the History of Science. Washing-
6 E I N O R D N U N G DES T EXT ES

wie die älteren Übersetzungen - näher sogar an diejenige vor W ilhelm


von M oerbeke gebräuchliche Version sich anlehnend 12 -,d. h. so wie
sie z. B. noch T homas von A quin vorlag 13, der in seinem De-anima-
Kommentar noch, wie Albertus M agnus, eine ältere Übersetzung ver­
wendete Diese Tatsache spricht entscheidend für eine frühe Datie­
rung der Aurora, da diese älteren Übersetzungen nach 1280 bald ganz
außer Gebrauch kamen 15.
D e r Schlußsatz des elften K apitels stam m t aus den pseudo-A ristote­
lischen Secreta Secretorum 16, einer frühlateinischen Ü bersetzung des

ton 1950 Vol. II p. 561 und p. 579 ff und die dort angegebene Literatur. Vgl. ferner
Ch. H. Haskins, The Sicilian translators of the 12. Cent. etc. Harvard Studies in Class.
Phil. Vol. X X I 1910. bes. p. 85.
12. Die «vetus translatio» der Bibi. Mazarinea 3462 Paris, X III. Jahrh. fol. 21 v sq.
formuliert: «Ignis autem augmentum in infinitum est, quousque est combustibile, natura
autem constantium omnium terminus est ratio magnitudinis et augmenti. Haec autem
animae sunt et non ignis et rationis magis quam materiae sunt. Die neue Übersetzung
W ilhelm von Moerbekes hat hier (Paris Bibi. Nat. 6296 X III. Jahrh. fol. 247 v):
Ignis vero augmentum in infinitum est quousque fuit combustibile. Natura autem con­
stantium omnium terminus ratio est et ratio et magnitudinis et augmenti. Haec autem
animae sunt, non ignis et id rationis magis quam materiae. Vgl. zu den Versionen das
Corpus Philosophorum Medii Aevi, Aristoteles Latinus Codd. von G eorgius Lacombe
Pars. I Rom. 1939 p. 50 ff. Noch neuere Übersetzungen ersetzen das W ort «augmenti»
durch actionis oder accretionis (S ophianus).
13. Vgl. z. B. T homas von Aquin, De anima lib. II lect. 8. S. Thomae A. Opera
Paris 1660 Vol. III p. 60: Illud igitur quod est causa determinationis magnitudinis et
augmenti est principalis causa augmenti. Hoc autem non est ignis. Manifestum est enim
quod ignis augmentum non est usque ad determinatam quantitatem sed in infinitum exten­
ditur si in infinitum materia combustibilis inveniatur. Manifestum est igitur quod ignis
non est principale agens in augmento et alimento sed magis anima. Et hoc rationabiliter
accidit quia determinatio quantitatis in rebus naturalibus est ex forma quae est princi­
pium speciei, magis quam ex materia. Anim a autem cooperatur a d elem enta qu ae sunt
in corpore vivente sicut forma ad materiam. Magis igitur terminus et ratio magnitudinis
et augmenti est ab anima quam ab igne.
14. Vgl. F. Pelster S. J., Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts
des Großen, Freiburg i. Br., 1920, p. 150, p. 87 und p. 133 ff- und G. Sarton 1. c.
II. p. 829 ff.
15. Pelster i . c. p. 106.
16. Ich benützte die Ausgabe von 1528 ohne Angabe des Druckortes (vermutlich
Lugduni), De proprietatibus originalium et lapidum. Vgl. auch L. T horndike History
etc., Vol. II, p. 267, und R. Foerster, De Aristotelis quae feruntur secreta secretorum
Commentatio, Kiliae 1888; über Handschriften und Ausgaben der Pseudo-Aristotelischen
Schriften vgl. Clemens Baeumker, Der Platonismus im Mittelalter, München 1916,
p. 42; «Centralblatt für Bibliothekswesen», VI, 1889, p- 1-22 und p. 57-76, und
M. Steinschneider, Die hebr. Übersetzungen des Mittelalters und die Juden als Dol­
metscher, Berlin 1893, p. 245 f. und p. 248-250, und derselbe: Die europ. Übersetzung,
a. a. O. Wien, Bd. 151 und 149, p. 41-42, und ders.: Die pseudoepigraph. Lit. des
E I N O R D N U N G DES T E X T E S 7

gleichnam igen arabischen Traktates (Sirr-al-asrâr ) . D e r medizinische


T eil dieser S ch rift w urde von J ohannes H ispalensis schon in der ersten
H ä lfte des 1 2 . Jah rh u n d erts übersetzt 17. D an n fo lg te E n d e des 1 2 . oder
zu B eginn des 1 3 . Jah rh u n d erts eine Ü bersetzung von einem P hilipp
(v o n T rip o li oder S alern o ) l8, dessen genauere Identität noch um stritten
ist. Jedenfalls aber m uß die D atieru n g der lateinischen V ersion zwischen
1 1 5 0 - 1 2 2 0 angesetzt w erden. R oger B acon h at zu dieser S chrift, die
er fü r echt hielt, einen eigenen K o m m en tar v e r f a ß t 19. A lbertus M a­
gnus zitiert das W e rk ebenfalls als ein W e rk v o n A ristoteles.
E in weiteres ARISTOTELES-Zitat: «M it diesem Stein ist nicht g u t
k äm p fen », konnte ich nicht w örtlich w iederfinden, eventuell handelt es
sich um eine freie W ied ergab e des Satzes d er «Secreta» v o m Steine
A ich ah at: «U n d es kann ein M ensch nicht käm p fen m it einem , d er die­
sen in der H an d h at.» D e r T e x t der «Secreta» zeigt näm lich g ro ß e V a ria ­
tionen in den M anuskripten und D rucken. D ie ebenfalls A ristoteles
zugeschriebene Sentenz, daß «die glorifizierte E rd e C oagulum h eiß e»,
stam m t verm utlich aus Seniors S ch rift (s . u .) und erscheint d ort als
ein Z itat von M aria der J uedin 20. E s ist eine schon in d er arabischen
L iteratu r beliebte und verbreitete Sentenz. W ie d er erw ähnte, Calid zu­
geschriebene Schlußsatz d er A u ro ra beweist, ist au f d ie A utorennam en
nicht viel V erlaß , d. h. es kursierten die M anuskripte in jen er Z e it o ft
unter verschiedenen N am en .
D as HERMES-Zitat v om «Säen des G oldes in die w eiße B lättererde
(= S ilb ererd e)» ist ebenfalls ein solcher verbreiteter Spruch und findet
sich u . a . bei Senio r 21 (= M ohammed ibn U mail at -T amimi ). A u ch

Mittelalters, p. 83-84. J . Ruska, Tabula Smaragdina a. a. O. p. 186 und F. W uesten-


feld, D ie Übersetzung, arab. Werke ins Lateinische seit dem 11. Jahrh., 1877, p. 81.
Vgl. ferner M. G rabmann, Forschungen über die lateinischen Aristotelesübersetzungen
des 13. Jahrh. in: Beiträge zur Gesch. der Philos. des Mittelalters 1916, Bd. 17,
Heft 5-6 , p. 246 f., p. 143-144, p. 175-176, p. 186-187. Vgl. ferner U eberweg-
B aumgartner, Grundriß der Geschichte der Philosophie der patristischen und scho­
lastischen Zeit. 10. Aufl., p. 369: Die Schrift hieß auch «Theologie des Aristoteles»
oder «De secretiori Aegyptiorum philosophia». Vgl. ferner J ourdain, Recherches cri-
tiques sur l’age et l’origine des traductions latines d’Aristote Paris 1643 und V alent.
Rose, De Aristotelis librorum ordine et auctoritate, Berlin 1854, p. 183-185.
17. Vgl. T horndike, History a. a. Ο. II, p. 269.
18. Vgl. T horndike l. c. II, p. 270.
19. J . Steele cit. bei T horndike a. a. Ο. II, p. 268.
20. D e Chemia a. a. O. p. 34-35.
21. De Chemia ebda.

2 Ju ng: Mysterium III


δ E I N O R D N U N G DE S T E X T E S

bei zwei w eiteren Z itaten ist dies d er F a ll, daß ich sie u n ter einem ande­
ren A utorennam en auffinden konnte. E s kann das m it Ü berlieferungs­
feh lern Zusammenhängen oder m it d en o ft vagen A utorenzuschreibun­
gen dieser frühlateinischen T rak tate. E in HERMES-Zitat konnte ich nicht
direkt auffinden, näm lich den Satz, daß d er Lapis eine ew ige Speise sei,
d er viele tausend Ja h re lan g die M enschen ernähren k ö n n te 22. D erselbe
Satz findet sich auch im Consilium Coniugii 23 un d im Rosarium philo­
sophorum 24, in letzterem ist er aber verm utlich der A u ro ra entnom m en.
E in ähnlicher G edanke findet sich im «B u ch der A lau n e und Salze 2s»,
näm lich daß der M ercurius d em M enschen zur E rh altu n g eines unend­
lich langen Lebens ausreiche.
D ie alchem istischen T rak tate v on A vicenna (I bn Sina 980-1037)
«D e M ineralibus» und « D e d e recta ad H asen reg em Epistola» un d die
«D eclaratio Lapidis Physici F ilio suo A boali 2i» w erden zw ar allgem ein
nicht als echte W e rk e I b n S in a s angesehen 27, w aren aber au f jeden F a ll
u m die M itte des 1 3 . Jah rh u n d erts in lateinischer Sprache bekannt und
verbreitet, d a sie im «Speculum » des V incent d e B eauvais und in
A l b e r t des G rossen «D e m ineralibus» an gefü h rt s in d 2S.
V o n C a l id (angeblich dem berühm ten O m ajadenprinzen K h a l id

ib n Y a z id (8 . Ja h r h u n d e r t)2», der nach der Legende griechische alche-


m istische T rak tate ins A rabische übertragen ließ 3°, und der schon als

22. Text 1. Kapitel, Anfang.


23. Ars. Chemica 1566, p. 1 1 6 , Mangetus, Bibi. Chem. II, p. 244-245: prout dicit
H ermes sufficiet homini per mille millia annorum et si quotidie duo millia hominum
pasceres non egeres; tingit enim in infinitum. Cf. item ebda. coi. 2: Assiduus: Nisi hic
vapor ascendet nihil habes ex eo quia ipse est opus et absque quo nihil.
24. Manget, Bibi. Chem. II, p. 92 a und Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 866.
25. ed. J. Ruska, Berlin 1935, p. 92.
26. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 875.
27. Vgl. E. v. Lippmann, Alchemie Bd. I, p. 405 f. und II, p. 15 und p. 28. und
Vol. III unter «Avicenna». Und J. Ruska, Die Alchemie des Avicenna. «Isis» Vol. X X I ,
1934 p. 14 sq. bes. p. 45.
28. Vgl. die Traktate in Artis. Aurif. 1610, Pars I, p. 240 ff. Theatr. Chem. 1659,
Bd. IV , p. 875 und p. 866. Vgl. auch M. B erthelot, Moyen-Age a. a. Ο. I, p. 293. Die
Epistola ad Hasem wird auch von Albertus M agnus ( ? ) in: De rebus metallicis
Lib. III, cap. 4 (Cöln 1569, p. 201) angeführt.
29· Vgl. E. v, Lippmann, Alchemie I, p. 357-359 und II, p. 122. J . Ruska. Die
arab. Alchem. I, p. 11-12 (Heidelberger Akten N r. 6 ) und ders. Tabula Smaragdina
a. a. O. p. 49.
30. J . Ruska, Arab. Alchemisten II, hat erwiesen, daß dies wahrscheinlich reine
Legende ist.
E I N O R D N U N G DES T EXT ES 9

Q uelle in S e n io r s W e rk ( 1 1 . Jah rh u n d ert) genan n t w ird, ist in der


A u ro ra eine Schrift an gefüh rt, w elche m eistens als eine lateinische F ä l­
schung angesehen w ird 31, näm lich der L iber trium verborum, dem der
Schlußsatz der A u ro ra entnom m en ist 3*. E in anderes CALID-Zitat wie
«E rw ärm et die K älte des E inen m it der W ä rm e des A n d ern » ist in m ei­
ner gedruckten A usgabe und der von dieser stark abweichenden Fassung
in M anget33 n ich t w örtlich nachw eisbar und ist eine Sentenz von so
allgem einem Inhalt, daß sie von überallher stam m en könnte 34. D e r
w eitere in der A u ro ra als CALiD-Zitat an gefüh rte G edanke von der
H egu n g des Em bryo im M utterleib durch die Elem ente und P laneten ist
bei M o h a m m e d ib n U m a il js zitiert und ist daher zw eifellos arabisches
G edankengut. E in weiteres CALiD-Zitat d er A u ro ra: «D rei D in g e sind
notw endig, näm lich G eduld, Bedächtigkeit und geschickte H andhabung
der W erk zeu ge», ist in den erhaltenen gedruckten zwei CALiD-Traktaten
nicht zu finden, doch ist der Satz in den «Secreta A lchim iae» (T h e a tr.
C hem . 1 6 5 9 , B d . III, p. 2 7 8 ) , einer dem T homas von A q u in zuge­
schriebenen Schrift als AviCENNA-Zitat an gefüh rt: «Q uom odo tandem
fit substantia una, u t dicit A v ic e n n a , habere oportet patientiam m oram
et instrum entum .» In d er A u ro ra ist «instrum entum » durch «aptitudo
instrum entorum » ersetzt, was an einen A usdruck in A v ic e n n a s echtem
«L ib er sextus naturalium » erin nert 3«. D e m A u to r d er «Secreta A lch i­
m iae» scheint die A u ro ra bekannt gew esen zu sein 37.
R u s k a d ü rfte rech t haben, daß die g edruckt vorliegenden C a l i d -
S chriften späte K om p ilation en sind; was dem A u to r d er A u ro ra davon
vorlag, w aren verm utlich verstreute T rak tate, die u n ter verschiedenen
anderen N am en kursierten.

31. E. v. Lippmann, Alchemie, Vol. I, p. 357, Anm. 6.


32. Artis Auriferae etc. 1610, I, p. 228 ff. Vgl. E. v. Lippmann, Alchemie a. a. O.
II, p. 148-149. Holmjard J., Soz. Chem. Ind. X L IV 75 (1 925).
33. Vol. II, p. 189.
34. Vielleicht stammt sie von dem Tractat: K halid Rex et Morienus Romanus.
II. Version, welche D . W . Singer Catalogue etc. 1. c. Vol. I p. 64, Nr. 67 anzeigt, leider
konnte ich diese Version nicht einsehen.
35. De Chemia, p. 88.
36. Avicenne perhypatetid etc. Opera. Venetiis 1508, fol. 3: ergo ipsa vis animae
habet alias vires . . . quae omnes operantur ad hoc ut perveniat aptitudo instrumento­
rum ad perfectiones secundas ipsius animae . . .
37. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 279 steht nämlich der dem letzten Aurora-
Kapitel entnommene und in diesem Zusammenhang sinnlos wirkende Satz: «Inprimis
etiam diebus oportet mane surgere et videre si vinea floruit. . . »
10 E IN O R D N U N G DES TEXTES

Etw as Ä hnliches ist auch d er F a ll m it dem A u ro ra -Z ita t: «Q u i p atien ­


tiam n on habet m anum ab opere suspendat», w elches M o r ie n u s in den
M und g eleg t ist. Dieses steht näm lich g erad e in d er F ortsetzu n g der
oben genannten «Secreta A lch im iae» als ein W o r t des G e b e r : «P atien ­
tiam , quia secundum G ebrum festinantia a D iab olo est: Ideo qui p atien ­
tiam n on habet ab operatione m anum suspendat.» D e r A usdruck «festi­
natio enim e x parte D iaboli est» steht zw ar bei M o r i e n u s j ® sowie eine
M ah n u ng zur G eduld und H offnung des M o r ie n u s an C a l id » , so daß
in der A u ro ra die V erw echslung davon herkom m t, daß an dieser D ia ­
logstelle C a l id spricht i°. D em T ra k ta t «Secreta A lch im iae» entspre­
chend findet sich das W o r t w irklich auch in d e r Summa perfectionis
des G e b e r «*, einer S ch rift, v on w elcher E . D a r m sta ed ter ί2 verm utet,
sie sei im 1 2 . oder 1 3 . Jah rh u n d ert in Süditalien oder in Spanien ent­
standen. Sie scheint aber V in c e n t v o n B e a u v a is , A lbertus M agnus

und R o g e r B a c o n noch nicht u n ter dem N a m e n G e b e r bekannt g e ­


wesen zu sein « . Ich glaube, daß die T eile dieser S ch rift vorh er anonym
kursierten oder A v ic e n n a und C a l id zugeschrieben w aren, und daß
sie erst später den A utorennam en G e b e r erhielten. W ie D a rm sta ed ter

verm utet, d ü rfte es sich u m einen A u to r handeln, d er sich v or d er K irch e


in acht zu nehm en hatte und darum anonym blieb. F alls das Z ita t der
A u ro ra aus der Summa perfectionis stam m en sollte, so w ußte d er A u to r
der A u ro ra um diese A nonym ität, w ahrscheinlicher ist es aber, daß
dem A u to r der A u ro ra G e b e r nicht bekannt w ar und daß er diese A u s­
sprüche noch aus kursierenden sog. A v ic e n n a - und M oRiENUs-Trak-
taten schöpfte.

38. Manget I, p. 512. W ie R cjska betont, (Arab. Alchemisten I, p. 4 1 , A n m . 2)


ist dieses arabische Sprichwort ungeheuer verbreitet, kann also überall Vorkommen.
39. ebda. Et maxime sapientem timere aliquid non decet. Nam si timuerit cito despe­
rabit. Quod si desperaverit eius animus vacillabit. . . Ad haec subrisit Rex (scii. Calid )
et ait: Nunc vere scio quod nisi homini praestat Deus patientiam crudeliter confunditur.
Festinatio enim ex parte Diaboli est etc.
40. Vielleicht bestätigt dies Ruskas Ansicht, daß die Schriften meist unter dem
Namen Calid kursierten und erst im 13. bis 14. Jahrh. mit Morienus verbunden wurden.
Die Literatur zu diesem Fragencomplex findet sich bei D . W . Singer, Catalogue etc.
Vol. I p. 62—63.
41. Vgl. Cap. 12 in De Alchimia 1541, p. 17, und Manget I, p. 562: Qui patien­
tiam non habet manus ab opere suspendat quia impediet eum festinantem credulitas . . .
Ad hanc tria necessaria sunt patientia mora et instrumentorum aptatio.
42. Die Alchemie des Geber, J . Springer-Verl. Berlin 1922, p. 5.
43. ebda. p. 6 -7 und p. 134 Anm.
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 11

A u ch ein anderer A usspruch, der in d er A u ro ra dem M o r ie n u s zu-

geschrieben w ird, der Schlußsatz des dritten K apitels, findet sich zw ar


nicht in der uns bekannten S ch rift des M o r ie n u s , ist uns aber bei
Petrus B onus 44 und verschiedenen anderen (z . B . im Consilium Con-
iugii) als ein Lumen-luminum-21t2X erhalten 4i.
D ie MoRiENUS-Sentenzen «H offe und hoffe, so w irst du zum Z iel 1«

gelan gen» und « W e r die Seele em porsteigen läßt, w ird ihre F arb en
sehen» konnte ich nicht nachw eisen 4«.
D e r A usspruch hingegen: «Schon haben w ir die Schw ärze en tfern t» 17

usw ., findet sich tatsächlich im dritten A bschnitt des uns erhaltenen


MoRiENUS-Traktates 47, d. h. in dem jenigen T eil, der au f arabische V o r­
lagen zu riick geh t 48. J . R u s k a 49 sieht die Schrift als G anzes fü r eine
lateinische Fälsch u n g an, glaubt jedoch, daß der erw ähnte dritte A b ­
schnitt au f arabische G rundlagen zurückgeht. Gewisse Z itate finden sich
auch bei A b u ’ l Q a s i m , dem offenbar im 1 3 . Jah rh u n d ert ähnliche Q uel­
len Vorlagen s°. D aß d er dritte A bschnitt von anderer H erk u n ft ist als
die zwei ersten, scheint auch durch die T atsach e bewiesen, daß er in
H and sch riften gesondert vork om m t und nur teilweise m it dem gedruck­
ten T e x t übereinstim m t

44. Pretiosa Margarita Novella ed. Lacinius, p. 42. Vielleicht stand es in der mir
nicht zugänglichen Schrift. Morienus, Secretum maximum ad Flodium, erwähnt bei
M. Steinschneider I, 1904, p. 40-41.
45. Nicht erhalten in der De-perfecto-Magisterio-Version.
46. Aber im Liber Alphidii, Cod. Ashmole 1420 fol. 1 ff. und im «Consilium coniugii»
findet sich folgendes A lphidius- bzw. Assiöuus-Zitat (Manget II, 245 item Ars. Chemica
1566, p. 108 f f .) : «Nisi hic vapor ascendet, nihil habes ex eo quia ipse est opus et absque
eo nihil. Et sicut anima corpori ita est ipse qui fit Quelles.» Die Seele ist auch bei Senior
und in der Turba als Vapor bezeichnet. Vgl. auch C la n g o r B u c c in a e , Artis Auriferae.
1610. Pars I. p. 317. Außerdem ist zu betonen, daß dieser gedruckte MoRiENus-Traktat
von gewissen Handschriftenversionen stark abweicht, so z. B. vom Cod. Ashmole 1450,
fol. 49. Oxford Bodleian Libr. Questiones Calid Regis ad Morienum Romanum.
47. Artis Aurif. 1610, Pars II, p. 22.
48. Näheres siehe E. v. Lippmann, Alchemie Bd. II, p. 148-149. Vgl. ferner
J . H olmyard, Soc. Chem. Ind. X L IV , 75 (1925) und R. Reitzenstein, Alchemistische
Lehrschriften und Märchen bei den Arabern, Religionsgeschichtliche Versuche und Vor­
arbeiten, Bd. X IX , Heft 2, Gießen 1923, p. 63 ff.
49. Arabische Alchemisten, Heidelberg 1924, Teil I, p. 35 ff.
50. Vgl. E. v. Lippmann, Alchemie 1. c. Vol. II, p. 149.
51. So z. B. im Ms. Ashmole 1450, fol. 49 in Oxford, Bodleian Library. Incipit:
Questiones Calid Regis ad Morienum Romanum. Von diesem Ms. stand mir eine
Photokopie zur Verfügung. Vgl. auch zu diesen Fragen D. W . Singer, Catalogue etc.
Vol. I p. 62 sq.
12 E I N O R D N U N G DES T E X T E S

18 J . R u s k a vermutet, daß die gedruckte Version von einem Mönch des


13. oder 14. Jahrhunderts geschaffen wurde 52. Demnach ist es sehr be­
deutsam, daß das, was dem Autor der Aurora als Schriften des M o r i e -
n u s vorlag, nicht jene heute bekannte Fassung sein kann, sondern daß

ihm noch Vorstadien der Kom pilation Vorlagen. Damit müßte die
Aurora früher als die von Ruska vermutete Zeit der Kom pilation (13.
bis 14. Jahrhundert ) anzusetzen sein. In diesen noch nicht zum heutigen
Text zusammengesetzten Schriften dürften auch jene zwei M o r i e n u s -
Sentenzen, die ich nicht mehr nachweisen konnte 53, gestanden haben.
19 Sicher um eine arabische Quelle handelt es sich bei dem Autor
A l p h i d i u s , dessen Aussprüche in der frühmittelalterlichen Literatur all­
gemeine Berühmtheit erlangten. D ie ungedruckte Schrift war mir in
einer Version im Oxforder Cod. Ashmole 1420 (Bodleian library,
fol. l f f . ) zugänglich. Es ist dieselbe Schrift, die auch L. T h o r n d ik e
in «Speculum», Journal o f Medieval Studies, July 1936, n° 3, p. 378, als
im Cod. Riccard. 1165, fol. 163a - 166b, in Florenz vorhanden signali­
siert « . In letzterer Version fehlen viele Stücke, die im Codex Ashmole
1420 enthalten sind. Letzterer enthält auch alle die in der Aurora zitier­
ten Stellen. Leider sind meines Wissens noch keine arabischen Origi­
nale dieses interessanten Traktates publiziert» .
20 J. F e r g u s o n 16 verweist A l p h i d i u s ins 12. Jahrhundert, doch dürfte
diese Datierung nur für die lateinische Übersetzung seiner W erke gel-

52. Ruska glaubt auch, daß die Vorrede von Robert v . Chester von 1144 gefälscht
sei, jedenfalls gehört sie nicht zu d ie s e r Compilation.
53. Spera et spera et sic consequeris und Qui animam (suam) ascenderit, eius colores
videbit. Dies erinnert immerhin an den Ausspruch des III. Abschnitts: Quicumque
animam dealbaverit et eam rursum ascendere fecerit et corpus bene custodierit et ab eo
omnem obscuritatem abstulerit etc. ipsam in corpore infundere poterit. Et in hora con-
iunctionis maxima miracula apparebunt. (Artis Auriferae 1610 1. c. p. 24.) In der
Schrift Cod. Ashmole 1450 fol. 53, steht hingegen: Quicumque animam dealbaverit et
eam sursum ascendere fecerit et corpus a combustione bene custodierit e tc .. . . animam
poterit a corpore extrahere et ipsum corpus obscurum relinquitur et in hora coniunc-
tionis maximum apparebit miraculum.
54. Dasselbe Incipit: Scito fi li . . . Ich möchte an dieser Stelle P. A. A lb a r e d a , dem
Praefekten der Vatikanischen Bibliothek herzlichst für seine diesbezüglichen Auskünfte
danken. Vgl. auch L. T h o r n d ik e , Hist, of Exp. Science etc. Vol. III. p. 43.
55. Vgl. auch D orothy W aley Singer, Catalogue of Latin and Vernacular Aich.
Manuscripts. Brussels (Lamertin) 1928-1930, 3 Vols., p. 127, und J. Ruska, Turba
a. a. O. p. 339.
56. J. F erguson, Bibliotheca Chemica, Catalogue of the Alchemistic Books in the
Collection of James Young, Glasgow 1906, Vol. I, p. 27.
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 13

ten. E r w ar au f jeden Fall bereits A lbertus M agnus bekannt. E s ist


w ahrscheinlich, daß A lphidius m it dem bei Senior ( 1 0 . Jah rh u n d ert)
zitierten A lcides oder A ssiduus identisch ist 57. A n anderen O rten er­
scheint er als A sphidus, was M . B erthelot als ein ursprüngliches
A sklepios deutet s*.
D ie Idee, d aß der Lapis ein H aus m it v ier W ä n d e n sei, findet sich
schon bei Senior u nd g e h t w ohl au f die V ision des Z osimos vom M a r­
m ortem pel aus einem w eißen Stein zurück J».
E in klareres B ild als v on A lphidius haben w ir von dem als Senior
zitierten A u tor 6°. E s handelt sich u m den A rab er M uhammed ibn U mail
at -T amimi (ca . 9 0 0 -9 6 0 ), dessen O riginalsch rift «Silberwasser und
Sternenerde» (la t. D e C h em ia) von E . Stapleton und M . H idayat
H usain Shams al-’U lamar im zw ölften B an d d er «M em oirs of the
A siatic Society o f B e n g a l» , C alcutta 1933, ediert w u rd e 41. S tapleton

57. De Chemia, p. 111.


58. La Chimie au Moyen Age III, p. 16. Erhalten ist ein «Liber Methaurorum» oder
«De Lapide philosophico» in einem Ms. Bodl. Digby 1 6 4 13. Vgl. M. Steinschneider,
Die europ. Übers, etc., 1905, p. 4, und Carini, Rivista Sic. V II 176. Zeile 4. - Eine
größere Partie über das Schatzhaus der Al chemie, das mit vier Schlüsseln geöffnet werden
kann, auf das wohl der Schlußsatz des 10. Kapitels der Aurora anspielt, ist im Consilium
c o n iu g ii seu d e M assa Solis et Lunae (vgl. über diese Schrift M. B erthelot, Moyen
Age I, p. 249, und J . Ruska, Turba a. a. O. p. 343) unter dem Namen Assiduus zitiert,
(abgedruckt in Ars Chemien 1566, p. 55 ff, bes. p. 1 0 8 -1 0 9 ): Nota de domo thesaurorum
de qua dixit author in primo. Assiduus loquitur de ea sic: ergo fili locum huius lapidis
tibi ostendam . . . »
Ebenso wird bei T heob. de H oghelandes De Alchimiae Difficultatibus (Manget
I, p. 340) folgendermaßen zitiert: Unde Alphidius in Clav. Phil. Hanc scientiam habere
non potes quousque mentem tuam Deo purifices et sciat Deus te habere mentem con­
tritam - und später: Et Alphidius (in Clav. Phil.) Si humilis fueris eius Sophia et
Sapientia perficietur. - Da diese Fassungen weder mit der Aurora noch dem Consilium
coniugii noch dem Rosarium übereinstimmen und T heob. de Hoghelande den Titel
Clavis Philosophorum angibt, dürfte ihm noch die der Aurora zugrundeliegende Schrift
Vorgelegen haben. Ebenda findet sich auch ein Teil des auf p. 30 wiedergegebenen Alphi-
Dius-Zitates: Et. Alphid. (in Clav. Phil.) Cum dicut lapis noster ex vilis re est in oculis
hominum pretio carente fastidita quam homines pedibus conculcant in viis. — Somit ist
die Oxforder Version auch identisch mit der auch als Clavis philosophorum citierten
Schrift.
59. Vgl. M. B erthelot, Coli, des Aich. Grecs. III, I, 3.
60. Ich benützte «De Chemia», eine undatierte Ausgabe, von der J . Ruska vermutet,
sie stamme von Perna, Basel 1560-1570. (Vgl. Isis, Quarterly Review of History of
Science etc. ed. G. Sarton 1935, Bd. 24, Nr. 67, p. 320 f .) Sie ist auch in J . J . Manget
und im Theatr. Chem. von 1622 und 1660 abgedruckt.
61. Vgl. auch die Besprechungen von J. Ruska in «Isis» 24 1. c. Vgl. auch D . W . Sin ­
ger, Catalogue a. a. O. Vol. I, p. 122. Nr. 136.
14 E I N O R D N U N G DES T EXT ES

signalisiert das V orhandensein w eiterer W e rk e desselben A u to rs 61. Im


A bendland bekannt w urde er nur durch d ie eine S ch rift *3, deren A b ­
drucke alle auf eine Fassung zurückgehen, desgleichen verm utlich auch
die M a n u s k r ip te D e m e n ts p r e c h e n d stehen auch die SENIOR-Zitate
d er A u ro ra nahe an der O riginalversion. D a die Ü bersetzung I b n R o s c h d
(A v erro es, g est. 1 0 9 8 ) erw ähnt, d ü rfte sie etw a dem 1 2 . oder B eginn
des 1 3 . Jah rh u n d erts zugew iesen w e rd e n 6*. S e n i o r , d .h . M uh a m m ed

ib n U m a il h a t auch A n m erk u n gen zur Turba v e rfa ß t und scheint der


schiitischen Sekte nahegestanden zu haben; denn einer seiner Freu nd e,
A bu l H a sa n A l i ib n A bd u lla 6
234566, w urde (n ach dem F ih rist) u m seines
Glaubens w illen in B agd ad v e rb ra n n t6?. M u h a m m e d ib n U m a il selber
lebte sehr zurückgezogen und w ar ein ausgesprochener M ystiker. E r
hatte dem entsprechend einen nicht im bedeutenden Einfluß au f den V e r­
fasser der A u ro ra, w elcher ihn o ft an fü h rt.
23 Nicht nachweisen konnte ich das ALPHONSUS-Zitat «nur der sei ein wah­
rer Freund, der einen in der N o t nicht verläßt». In den erhaltenen Schrif­
ten des A l p h o n s u s , Rex Castiliae686
, jedenfalls konnte ich nichts Derarti­
0
7
9
ges finden, auch sind die ihm zugeschriebenen Traktate unecht6»und spät.
>4 Ebenfalls unauffindbar w aren m ir die Z itate, w elche nach dem D ruck
aus einem «L ib er quintae essentiae» stam m en sollen 7°; in den H an d -

62. Stapleton 1. c. p. 126-127 u. a. eine «Verbindung der Geister», «Erklärung des


umhegten Geheimnisses und verborgenen Wissens», «Das Buch der Lampe», «Buch der
Schlüssel (oder des Schlüssels) von der großen Weisheit», «Das verborgene Buch»,
«Klärung von Rätseln», «Die erwählte Perle», «Buch der Kapitel» usw. und ver­
schiedene Gedichte auf Däl, Rä, Mim, Nün, Läm usw. reimend. Vielleicht ist noch ein
zweites Werk Seniors unter dem Titel «Clavis maioris Sapientiae» (Manget, Bibi. Chem.
1, 503-507) übersetzt worden, falls dieser Traktat mit dem arabischen «Buch der
Schlüssel von der großen Weisheit»: Kitäb Mafätih al-Hikmat al-'Uzmä identisch sein
sollte, was leider bisher noch nicht untersucht worden ist (vgl. Stapleton, Memoirs
1. c. p. 126, Anm. 1).
63. Evtl, stammt allerdings auch die «Clavis maioris Sapientiae» von ihm, s. o. Fn. 62.
Sie ist sonst als Werk eines A rtephius zitiert.
64. Vgl. D . W . Singer, Catalogue 1. c. I, p. 122.
65. Vgl. Stapleton 1. c. p. 126.
66. Vgl. Stapleton l.c . p. 1 2 3 .
67. Ebda. p. 124.
68. Vgl. über diesen E. v. Lippmann, Aich. 1. c. I, p. 498 und F erguson I, p. 24.
69. Vgl. E. V. Lippmann, 1. c. wonach Alfons, König von Castilien, gegen die Alche­
mie eingestellt war.
70. Es handelt sich um folgende Stellen: erstens, daß das Feuer durch seine Wärme
alle irdischen Teile durchdringt und verfeinert und das Materielle daran verzehrt, da
E I N O R D N U N G DES T EXT ES 15

Schriften ist dasselbe W e rk als L ib er sextus σχΜ und oc-/u bezeichnet,


im W ie n e r M anuskript als Liber sexagesim ae r1 und im zw eiten T e il der
A u ro ra als liber s e x t a r i u s .
In schwierige Problem e fü h rt endlich das Z itat, das in den H a n d ­
schriften als A usspruch eines Speculator figuriert. Es handelt sich um
eine T extp artie, die m it A usnahm e des ersten Satzes «D erisio scientiae
est causa ignorantiae» in drei W e rk e n von R oger B acon (1214 bis ca.
1 2 9 2 ) auftaucht, im «O pus m aius» pars I, cap. I V ; im «C om pendium
Studii 73 », cap. 3, und in der «Epistola de secretis artis et naturae et de
nullitate m agiae», cap. V I I I 74, einem W e rk , dessen E chtheit angefoch-
ten ist, das aber L ynn T horndike fü r eine K om p ilation aus echten
Schriften h ält 7j. A . G . L ittle fü h rt es unter seinen echten Schriften
an 7<\ B acon zitiert das Sprichw ort, m an solle dem E sel keinen Lattich

es, solange es Stoff habe, der passiven Sache seine Form einprägen wolle. Text p. 75.
Ferner, daß die Luft die Erde öffne zur Aufnahme der Kraft von Feuer und Wasser.
(Text p. 77.) Dann der Ausspruch: Du siehst ein wunderbares Licht in der Finsternis.
(Text p. 79.) Vielleicht frei nach Albertus Magnus, De mineral. Lib. I Tract 2.
qui vere dicitur carbunculus et ideo ille qui vere speciem suam attingit lucet in tenebris
sicut noctiluca. Ferner: Da ich mich nicht genug wundern konnte über die große Kraft
dieser Sache, die ihr vom Himmel eingegeben war. Und endlich: Wenn der Stein des
Sieges hergestellt ist, werde ich zeigen, wie man daraus Smaragde usw. macht, welche
an Farbe usw. die natürlichen übertreffen (Text p. 95 ).
71. Einmal im Cov. Rhenovac auch als pfih oo2. Ein Liber sacerdotum ist im zwei­
ten Teil der Aurora erwähnt. Vgl. hiezu M. B erthelot, Moyen Age, I, p. 179 ff. Oder
ist es der bei VrNCENT de B eauvais angeführte (Lib. 7. cap. 96) Liber de septuaginta?
72. Artis Aurif. 1610 I, p. 156-157: De tertio scribitur quod lapides in gemmas pre­
tiosas transmutat, ut superius allegatum est in libro sextario ubi dicitur quod lapides
Jacinti, Coralli rubei et albi, Smaragdi, Chrysoliti, Saphyri ex ipsa materia formari pos­
sunt. Et in charta sacerdotum traditur quod ex christallo carbunculus sive rubinus aut
topazius per eam fieri potest qui in colore et substantia excellunt naturales.
73. ed. Jebb Venet. 1750, p. 5.
74. ed. Brewer, tom. I, p. 543.
75. 1. c. Vol. II. p. 630.
76. A. G. Little , Roger Bacon Essays. Oxford Clarendon Press 1914, p. 395, The
work consists of ten or eleven chapters, the last five of which Charles considered doubt-
ful (Fußnote: Apparently merely because they are «enigmatic». But see the ingenious
explanation by Lieut. Coi. Hirne, Gunpowder and Ammunition 1904, p. 141-142.)
addressed perhaps to W illiam of Auvergne (died 1248) or to J ohn of London whom
Charles identifies with J ohn of Basingstoke (died 1252). - In «Sanioris medicinae
magistri D. Rogerii B aconis Angli de arte chymica scripta etc.» Frkf. 1603, konnte
ich nichts auf die Aurora Bezügliches finden. Dort finden sich aber bemerkenswerter­
weise p. 7: Excerpta de libro Avicennae de anima I und p. 36: Explicit exempla cum
laude Deo et exempla dico Abhuali Principis cognomine Avicennae ad Hasen Regem
patrem suum de re tecta.
16 E I N O R D N U N G DES TEX T ES

geben, w o ihm doch D isteln genügten, als einen A usspruch des A u l u s


G e l l iu s , «N octes A tticae», w o sich jedoch diese Stelle nicht findet 77 .
A u ch sonst h at m an sie bisher nirgends gefunden 78; das Sprichw ort figu­
riert aber u. a. in einem Inquisitionsbericht über die W ald en ser und
scheint som it einfach ein verbreitetes V olkssprichw ort gewesen zu sein 79 .

U n ter den alchem istischen Schriften R o g e r B a c o n s ist unter anderem


ein T rak tat erhalten « D e A lch em ia», der in der Ausgabe des M an ge-

T U S 8° Speculum Alchim iae h eißt. D as A u ro ra-Z itat ist d ort nicht v o r­


handen, doch könnte trotzdem das «Speculator» d ort «Speculi autor»
heißen und dam it in verhüllter F o rm auf B a c o n zielen. D ie kleineren
T rak tate B a c o n s gehören fast alle seiner früheren Lebenszeit a n 78908l8234, sind
jedoch leider bisher noch nicht bezüglich ihrer E ch th eit und verm utli­
chen A bfassungszeit untersucht w o rd e n 81. W e n n die D edikation der
«Epistola de secretis naturae» echt ist, w äre diese S ch rift schon v o r 1 2 4 9
abgefaßt. Es ist fern er in diesem Zusam m en h an g zu bem erken, daß
B a c o n bei der A n fü h ru n g d er ganzen P artie als Q uellen an fü h rt: A r i ­
s t o t e l is secreta secretorum (ein e S chrift, die B a c o n fü r echt h ielt 8s)
und A . G e l l iu s , w obei letztere A n g ab e aber nicht stim m t. E r m u ß also
dieses Z ita t geschrieben haben, ohne den O rig in altext v o r A u g en zu
haben, so wie e r auch sonst fü r unexak te A n gaben bekannt ist (w eshalb
er besonders gern e andere, u. a. A l b e r t u s M agnus und T homas von

A q u in in dieser H in sicht kritisierte 8·ι!). D e r A u to r d er A u ro ra verm ei­


det den F e h le r entw eder unbew ußt o d er aus besserem W issen . In der
A u ro ra steht außerdem eigentlich ein G em isch d er beiden BACONStellen,

77. Vgl. M artin H ertz Ausgabe des G ellius, Berlin 1885, Einleitung zum 2. Band,
p. X X X V III, auch p. X X X I X .
78. C. E. Georges, (Hertz 1. c. p. X X X V III, Fußnote) verweist auf Lucilius. CXLI,
p. 157. L. M. ex Hieronymi ad Chromatium, wo es heißt: secundum illud quoque de
quo semel in Vita Crassum ait risisse Lucilius «similem habere labra lactucam (de
asino Fr.) carduos comedente».
79. Vgl. Chr. Hahn, Ketzergeschichte des Mittelalters, Bd. II, p. 257, ein Bericht
des Inquisitoren W . Mapeus, De nugis Curialium etc. de secta Waldensium X X X I
Ms. Bibi. Bodl. 851, wo Mapeus sagt: igitur proposui levissima, quae nemini licet
ignorare sciens quod asino, cardones edente dignam habent labra lactucam.
80. Tom. I, p. 6 l3 .
81. Vgl. L. T horndike, a. a. O. Vol. II, p. 630 ff.
82. Vgl. den Artikel in der Encyclopaedia Britannica von R. Adamson.
83. Vgl. L. T horndike, History a. a. O. Vol. II, p. 633.
84. F. Pelster, Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des
Großen. Freiburg i. Br. 1920, p. 50. L. T horndike a. a. O. Vol. II, p. 642-643.
E I N O R D N U N G DES T EXT ES 17

insofern diese lauten: im O pus maius 1, 4 : in quo etiam dicit (scii.


G e l l i u s ) stultum est asino praebere lactucas cum ei sufficiant cardui etc.,
in d er Epistola de Secretis, cap. 8 , hingegen 8s; A tq u e ipsem et A r i s t o ­
teles enim dicit in libro secretorum quod esset fra cto r sigilli coelestis
qui com m unicaret secreta naturae et a r tis . . . C aeterum in h oc casu dicit
A . G e l l iu s in lib . N o ctiu m A tticaru m de collatione Sapientium quod
stultum est asino praebere lactucas cum ei sufficiant cardui. Im C om ­
pendium Studii endlich sagt B a c o n : « D a m an nicht die P erlen der
W eish eit v or die Säue streuen soll nach dem E v . M atth . 7 . 6 . und es
dum m ist, einem Esel Lattich zu geben, w enn ihm D isteln genügen, wie
in diesem F a ll A u l u s G e l l iu s schreibt im B uch der A ttischen N äch te
usw .» In der A u ro ra erscheinen all diese Z itate kom biniert, das A r i s t o -
T E LE S-Z itat m it dem Eselsprichw ort und m it M atth . V II , 6 . E s lä ß t sich
hieraus der Schluß ziehen, entw eder: daß B a c o n und dem V erfasser der
A u ro ra eine gem einsam e Q uelle (gen an n t Speculi au to r?) vorlag, aus
der R o g e r B a c o n w illkürlich bald diese, bald jene K om bination
zitierte. Eine andere M öglichkeit w äre, daß d er A u to r d er A u ro ra alle
Stellen in den Schriften B a c o n s kannte und kom binierte, oder d aß er
die Epistola de secretis usw. im K o p f h atte, das Z ita t bezüglich der V e r­
fasserschaft des G e l l iu s k orrig ierte und m it d er Stelle M atth . V II, 6 ,
seinem Stil (ein e r M ischung v on Bibelzitaten und alchem istischen Sen­
ten zen ) entsprechend erw eiterte.
E in w eiterer Fragenknäuel w ird durch eine T extstelle d er A u ro ra kon-
stelliert, die leider au f einer unsicheren Ü b erlieferu ng der H an d sch rif­
ten beruht. E s handelt sich um ein SENiOR-Zitat im zw eiten K ap itel, wo
es h eiß t: die Sapientia D e i w erde n u r von dem jenigen erkannt, «der
weise und scharfsinnig und erfinderisch ist im Ü berlegen, indem die
Geister geklärt worden sind aus dem L iber aggregationum 86». Statt
aggregationu m steht im späteren D ru ck und in d er späteren Leydener
H an d sch rift: e x libris agnitionum - also: «aus den B üchern der E rk en n t­
nisse». D ie O riginalstelle bei S e n i o r hingegen lautet: «aus den überlie­
ferten B ü ch ern , w elche die Philosophen verborgen haben». V erm utlich
ist d ie spätere V ersion von D ru ck und Leydener C o d ex eine K orrek tur,
w elche eine A n gleich u n g an das S e n i o r - Z ita t erstrebt und w elche des­
halb vorgen om m en w urde, w eil m an das W o r t «Liber aggregationum»

85. Vgl. auch die Variante Theatr. Chem 1622, Vol. V, p. 956.
86. Vgl. Text p. 37.
18 E I N O R D N U N G DES T E X T E S

n ich t m eh r verstehen konnte. N u n existiert aber tatsächlich ein Liber


aggregationis seu Secretorum unter den Schriften des A lbertus M a­

g n u s, w elches eine A useinandersetzung m it aller M ag ie von Pflanzen,


T alism anen usw . und auch der A lch em ie enthält. D iese S ch rift g eh ö rt
in eine G ruppe von drei A ufsätzen: «E xp erim en ta A l b e r t i » (o d e r eben
Secreta A l b e r t i oder L ib er aggregationis b en a n n t), «De mirabilibus
mundi» und «De secretis mulierum», die alle u m ihres okkulten oder
«obszönen» Inhaltes w illen fü r unecht erklärt w orden sind, obw ohl sie
zu seinen m eist verbreiteten Schriften gehörten *7. V o m Liber aggreg a­
tionis existieren H and sch riften aus dem 1 3 . Jah rh u n d ert, von «D e m ira­
bilibus m undi» allerdings erst aus dem 1 4 . Jah rh u n d ert, doch w urden
beide W e rk e schon in den frühesten D ru ck en zu sam m engestellt88. D e r
W id erstan d dagegen - näm lich diese Schriften als echt anzusehen -
kom m t hauptsächlich davon, daß m an bisher den In h alt als «unseriös»
und schlecht ansah, doch h at L y n n T h o r n d ik e m it R echt h erv org e­
hoben, daß die darin vertretenen A nschauungen keineswegs zu den­
jenigen von A l b e r t s des G r o s s e n unbestritten echten W e rk e n in
W id ersp ru ch s te h e n 8s>. A uch h at er betont, daß w ir keinerlei stichhaltige
stilistische oder quellenkritische Gründe haben, diese W erke dem A lber­
tus abzusprechen 9°, dennoch lä ß t T h o r n d ik e schließlich die F ra g e
offen 9*. E r bem erkt nur noch, daß « D e mirabilibus m undi» «noch näher
an den üblichen Stil d er W e rk e A l b e r t s herankäm e». D iese letztere

87. Vgl. allgemein darüber Lynn T horndike, History 1. c. Vol. II, p. 720.
88. Vgl. den Gesamtkatalog der Wiegendrucke Leipz. 1925, Bd. I, Nr. 617 ff. Schon
in den frühesten Abdrucken von Ferrara 1471, Straßburg 1478, Bologna 1478, Reut­
lingen 1483, Speyer 1483, Köln 1485, sind diese Schriften unten jenem Titel zusam­
mengestellt.
Bei einem ALBERTUS-Biographen des 15. Jahrhunderts, Rudolf von N ymwegen,
(Legenda litteralis Beati Alberti Magni Köln 1490, P. 3 c. 7 ) findet sich folgende Notiz:
Frater H ermannus DE M ynda Saxo genere . . . in libro historiarum, qui De mirabilibus
mundi inscribitur, libro quarto de vita domini Alberti sub brevi, verborum compendio
multa comprehendit, quae suis in locis nostro opusculo inserta sunt. Franz Pelster,
Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des Großen, Freib. i. Br. 1920
p. 33 hält diese Schrift für verschollen, d. h. nicht identisch mit dem vorliegenden Tractat.
Er vermutet, der Autor dieses verschlossenen D e mirabilibus mundi heiße H ermann von
Lerbecke. W ie dies mit den Secreta Alberti zusammenhängt, ist mir undurchsichtig.
89. T horndike History II, p. 724 ff.
90. Vgl. ebda. p. 725 ff.
91. Vgl. die ganze Frage und die Literatur pro et contra die Verfasserschaft Alberts
in: J . R. Partington: Albertus Magnus on Alchemy, «Ambix» Journal of the Soc. for
the Study of Alchemy and Early Chemistry. Vol. I. 1. (1 937).
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 19

Schrift aber enthält nun eine theoretische A useinandersetzung m it dem


W esen der M ag ie von so überragender B edeutung, daß w ir im K o m ­
m en tar noch näher d arau f eingehen müssen.
Zunächst ist festzuhalten, daß in den ältesten und bekannten H a n d ­
schriften der A u ro ra w irklich Liber aggregationum steht, da w o S e n io r
von «B üchern, w elche die Philosophen verborgen hab en », spricht, so
daß der A u tor offenbar m eint, der Liber aggregationu m sei ein solches
w esentliches und geheim zuhaltendes B uch. D ie in dieser Schriftsam m ­
lung vertretenen A nsichten über das eigentliche W e se n der A lch em ie
passen m . E . v öllig in den G edankenzusam m enhang d er A u ro ra, so daß
ich geneigt bin, die Lesung aggregationum bzw. aggregationis beizube­
h alten. D as B uch soll näm lich nach d er A u ro ra zu einer vorbereitenden
K läru n g des G eistes und zur B efäh ig u n g , subtile U nterscheidungen zu
m achen, dienen. N u n enthält, w ie g esagt, d er T ra k ta t « D e mirabilibus
m u n d i», der dem «L ib er aggregationis» in den Inkunabeln im m er zuge­
ord net ist, eine prinzipielle Auseinandersetzung mit dem W esen aller
Magie inklusive der A lchem ie und e rfü llt som it in d er T a t die in der
A u ro ra inhaltlich erfo rd erte R olle ?2.
Zusam m enfassend ergibt sich bezüglich d er Q uellen der A u ro ra fo l­
gendes B ild : A lle nachw eisbaren Z itate (neben den Bibelstellen) w ie
die Z itate aus S e n i o r , A l p h i d i u s , der Turba, D e perfecto magisterio,
A r i s t o t e l i s Secreta secretorum , G r e g o r dem G r o s s e n , sind gewissen­
h aft und korrekt zitiert. D a ß bezüglich M o r ie n u s - und CALID-Zitaten
keine Ü bereinstim m ung m it den heute erhaltenen T e x te n sich nach-
weisen läßt, beruht verm utlich auf der Tatsache, daß diese W e rk e erst
nach der A bfassung der A u ro ra in die heutige F o rm gebrach t w urden.
V o n den fehlenden N achw eisen hoffe ich, daß es anderen Forsch ern
gelingen m öge, die Stellen zu finden und so das B ild der Q uellen, die der
A u to r der A u ro ra benützte, zu vervollständigen.

92. Schwierig bleibt es, die Tatsache einzuordnen, daß die Tractate «Secreta Alberti»
und «De mirabilibus» etc. bis heute nur in späten Handschriften und in den Inkunabel­
drucken als «Liber aggregationis» zusammengefaßt auftauchen, auch als «Speculum
secretorum» und «Practica» bezeichnet (vgl. T horndike, Vol. II, p. 569-570), in den
früheren uns bekannten Handschriften hingegen getrennt erscheinen, doch müssen sie
wohl schon früher unter diesem einen Titel zusammengebracht worden sein, da die
frühesten Inkunabeldrucke verschiedenster Druckorte sie alle konsequent unter diesem
Titel zusammenstellen. (Vgl. die Angaben bei T horndike II, p. 721.) Als verwandte
«current works» erwähnt T horndike (ebda. p. 569-570) eine «Semita recta» und ein
«Speculum secretorum Alberti» Ms. 138 aus dem 15. Jahrhundert in Bologna.
20 E I N O R D N U N G DES T EXT ES

4 . D A S D A T IE R U N G S P R O B L E M

a n ich t alle Q uellen (besonders d er L ib er quintae essentiae) von

D m ir nachgew iesen w erden konnten, läß t sich kein abschließendes


U rteil über die Entstehungszeit der A u ro ra fällen . A lle nachweisbaren
Q uellen sind frü h e lateinische T rak tate oder Ü bersetzungen arabischer
Schriften, von denen keine später als in die M itte des 1 3 . Jahrhunderts
anzusetzen sind. D ies spricht fü r ein relativ hohes A lte r d er A u ro ra,
besonders auch w eil A u toren , w ie A r n a l d u s de V ii x a n o v a ( 1 2 3 5 bis
1 3 1 1 ) und R a y m u n d u s L u l l u s ( 1 2 3 5 - 1 3 1 5 ) , die fast in allen T ra k ­
taten der späteren Z e it figurieren, in d er A u ro ra nicht erw ähnt w erden.
Lynn T h o r n d ik e h a t allerdings in seiner «H isto ry o f M a g ic and
E xp erim en tal Science» die A u ro ra dem 1 5 . Jah rh u n d ert zu gew iesen 1.
M einer A n sicht nach stim m t aber diese D atieru n g n u r fü r den II. T e il.
In letzterem sind A l b e r t u s M agnus ( 1 1 9 3 - 1 2 8 0 ) und G e b e r erw ähnt,
w elche im ersten T eil nicht zitiert sind \ D a ß das A u ro ra -Z ita t des A r i ­
sto te les D e anim a II. 8 . sich an die alten Ü bersetzungen anlehnt,
spricht fü r ein höheres A lte r. A us dem V erh ältn is des S p e c u l a t o r -
GELLius-Zitates m it den ähnlichen Stellen in R o g e r B a c o n s Schriften
w erden sich erst w eitere Schlüsse ziehen lassen, w enn das P roblem der
E ch th eit und D atieru n g der kleinen Schriften B a c o n s abgeklärt sein
w ird. A u f jeden F a ll weist die V erw an d tsch aft der Z itate a u f die Z eit
B a c o n s , d. i. das 1 3 . Jah rh u n d ert, hin.
E inen term inus ante quem fü r die D atieru n g der A u ro ra könnte das
Rosarium philosophorum bieten, falls letztere S ch rift in ihrer D atieru n g
sicher stünde, da sie die A u ro ra, und zwar nur den ersten Teil, an fü h rt 3.

1. Vol. IV , 1934, p. 335: «Some anonymous works, distinguishable by their tities


may also probably be assigned to the fifteenth Century, such as the «Soliloquy of Philo-
sophy» or «The Burst of Dawn» 25 . . . The latter Treatise gives four reasons for its
title and then seven parables of which the last is a confabulation of the lover with his
beloved. Its second part is in 3 chapters on astro n o m y , arithmetic and the natural process
of first doctrine. Note 25 Vienna 5230, 1565 AD fols 239r-2 4 9 v. Incipit Aurora con­
surgens: Venerunt mihi . . . sanguine menstruali per cursum eius. (S. Marco IV 25)
Valentini;i.li X V I. 4. 1475 AD fols 65r- l 6 l r. W ith the same title and incipit: The
latter part of the work was printed in Artis Auriferae I 185.»
2. Vgl. über diese Autoren u. a. J. R uska, Tabula Smaragdina, p. 186 ff.
3. Artis Aurif. 1610, II, p. 149. Mangetus Bibi. Chem. a. a. O. Vol. II. p. 87 ff. Dies
liefert keinen B e w e is , wohl aber eine weitere Evidenz dafür, daß der I. Teil von anderer
Hand und früher ist als der II.
E I N O R D N U N G DES T E X T E S 21

L eid er ist die D atieru n g des « Rosariums» um stritten: M . B e r t h e l o t


verlegt es in die M itte des 1 4 . Jah rh u n d erts «, J . R uska stim m te zuerst
z u », m einte aber später, es in die M itte des 1 5 . Jah rh u n d erts ansetzen
zu m ü ssen 6, doch fü h rt er d afü r keine entscheidenden A rg u m en te an 7.
E in e A nspielung au f den A n fa n g d er A u ro ra findet sich in d er 33

Schrift, die als «C om positum de Com positis» unter dem N am en des


A lbertu s M agnus abgedruckt i s t 8. In sofern es in d er A u ro ra zum
durchgehenden Stil geh ö rt, biblische Z itate anzuwenden, w ährend es
h ier nur in der V o rred e der F a ll ist» und der T e x t nachher in einen
prosaisch-naturw issenschaftlichen T o n übergeht, ist anzunehm en, daß
dieser T eil des ALBERTUS-Traktates von der A u ro ra und nicht um gekehrt
abhängig ist. 34
F ern er ist die A u ro ra in J o h . VON M en n en s A u reu m V ellus sive
Sacra V atu m Philosophia (g e d r. A ntw erpen 1 6 0 4 ) z itie r t10, w ährend
J o h . G r a s s e u s in seiner A rca A rcan i ( 1 7 . Jah rh u n d ert) 11 nur indirekte
K en n tnis des T i t e ls 12 besaß, den T e x t aber nicht kannte o ; hingegen
w ar er verm utlich noch seiner Q uelle, dem A ugustinerm önch D eg en -

HARDUS b e k a n n t1«. D ie S a l o m o n T r is m o s in (u m 1 4 9 0 ) zugeschrie-

4. La Chimie du Moyen-Age I, p. 234.


5. Tabula Smaragdina, a. a. O. p. 193.
6. Turba, p. 342. ebenso T h o r n d ik e 1. c. Vol. IV p. 56.
7. Die Citierung der Aurora in M ichael M aiers Symbola aureae mensae 1617, p. 65,
stimmt mit dem R o sa r iu m überein und dürfte daher von dort stammen.
8. Theatr. Chem. 1659 Vol. IV , p. 825 ff.
9 . Es heißt dort: Et ideo scientiam quam sine fictione didici sine invidia communico,
qua invidia latescente (sic) deficit, quoniam talis homo non erit particeps amicitiae
Dei. Omnis sapientia et scientia a Domino Deo est, sed hoc quocumque modo semper
a Spiritu Sancto e s t. . . Itaque qui habet aures audiendi: tantam gratiam Deificam audiat
secretum, quod mihi desponsatum gratia Dei et indignis nullatenus revelat. . .
10. Theatr. Chem. 1622, Vol. V , p. 267.
11. Theatr. Chem. 1661, Vol. V I, p. 314.
12. Manget II, p. 594: 19 A u r o r a c o n su r g en s in T u r b a ( ! ) Ecce etc. Kein Aurora-
Citat.
13. Seine Anklänge könnten durch den C la n g o r B u c c in a e vermittelt sein, dessen Autor
die Aurora kannte: Artis Aurif. 1610 Pars I, p. 148 dasselbe Sextarius-Citat 1 Vgl. auch
pp. 309, 311, 325.
14. M anget II, p. 593. Magister D egenhardus Augustini Ordinis Monachus: verus
lapidis possessor in suo libro de Via Universali a i t . . . Est donum Spiritus Sancti. In
ipso latet mysterium veniendi ad thesaurum sapientum. Et hoc est plumbum Philoso­
phorum, quod plumbum aeris appelant, in quo splendida columba alba inest, quae sal
metallorum vocatur, in quo magisterium operis consistit. Haec est casta sapiens et dives
illa regina ex Saba velo alba induta, quae nulli nisi Regi Salomoni se subicere volebat.
Nullius hominis cor haec omnia satis scrutari potest.
22 E I N O R D N U N G DES TEX T ES

bene S ch rift «Splendor Solis» ist voll v on d er A u ro ra entlehnten P a r­


tien, n ennt aber nicht den T ite l der A u ro ra 'J.
3s Ferner halte ich es für beinahe unzweifelhaft, daß G e o r g e R i p l e y
die Aurora kannte. Er nennt sie zwar nicht mit Titel, aber sein Liber
duodecim portarum enthält Zuviele gleiche Bibel- und SENIOR-Zitatkom-
binationen, um unabhängig zu sein lS.
i6 W e n ig e r eindeutig liegt der F a ll beim «A quarium Sapientum '7»,
doch halte ich es fü r m öglich, daß evtl, diesem A u to r die A u ro ra vorlag.
A u ch J a k o b B o e h m e s A u ro ra scheint m ir nicht unabhängig von der
A u ro ra consurgens zu sein, w enn B o e h m e auch, wie im m er, das G e­
lesene sehr frei neugestaltete und gleichsam n u r zur Am plifikation seiner
eigenen inneren Erlebnisse heranzog.
37 Im groß en G anzen ist d ie A u ro ra, sow eit ich ersehen konnte, in der
späteren L iteratu r w enig bekannt, w eil sie offenbar zu w eit vom üblichen
alchem istischen Stil abwich und nicht verstanden w urde. Z u sam m en ­
fassend läß t sich sagen, daß fü r die A u ro ra als T erm inus a quo etwa
1 2 3 0 , als T erm inus ante quem die M itte des 1 5 . Jah rh u n d erts ( Rosa­
rium , R i p l e y ) gelten m uß. Ich selber neige dazu, sie etwa in die M itte
bzw. zweite H ä lfte des 1 3 . Jahrhunderts anzusetzen.

5 . D I E H A N D S C H R IF T E N

3* T7 in vollständiges M anuskript des Traktates befindet sich in der Biblio-


1 j theque N ation ale in P aris, L a t N r . 1 4 0 0 6 : fo l. l v- 1 2 v: «Incipit
tractatus A u ro ra consurgens Intitulatus»; fo l. 1 2 v fo lg t d er zw eite T ra k ­
tatteil '. D ie H and sch rift, die m ir in einer P hotokopie zur V erfü g u n g

15. ed. J . K . London. Kegan Paul. In der Quellenangabe des anonymen Herausgebers
fehlt die Aurora.
16. Manget II, p. 280 col. 2. oder Opera Omnia Chemica, Cassel 1649 ed. Köhlers.
2 . B. Vers 3: Efficias ut sapientia sit tua soror et ut Prudentia sit tua amica, item
Vers 3, 6, 8 (lapis triunus) bes. 9, p. 159: quousque exsiccata fluminibus (hac enim
operatione abierunt flumina in siccum iuxta Psalmistam . . . p. 259 dasselbe Senior-
Citat p. 300. Scriptum enim est: constituisti terminos qui praeteriri non possunt auf
die menschliche Lebensdauer bezogen, wie in der Aurora 1
17. Musaeum Hermet. Frankfurt 1678, p. 83.
1. Es folgen weitere alchemistische Traktate, die wichtigsten sind der Liber secre­
torum des Calid , die Correctio fatuorum von B ernardus M agnus, die Rotatio elemen-
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 23

stand, geh ört u n gefäh r dem 1 5 . Jah rh u n d ert an und stam m t aus der B iblio­
theca M . S. S. C oisliniana (o lim S eg u en o n a), w elche H e n r i du Cam­
po u t, duc de C o i s l i n , P air de F ran ce, dem K loster St. G erm ain des
Pres im Ja h re 1 7 3 2 verm acht h a tte 2. D as M anuskript ist sehr sauber und
lesbar geschrieben und enthält au f den ersten zwei Seiten am R ande die
W ied erh olu n g der zitierten Eigennam en und kurze Inhaltsangaben. Sie
ist im A p p arat m it P an gefüh rt, K o rrek turen als P 2 .
2 . In seinen Lesungen P am nächsten verw andt ist eine H an d sch rift 39
in W ie n von der österreich isch en N ationalbibliothek, C od. N r . 5 2 3 0 ,
w orin unser T rak ta t auf fo l. 2 3 9 r beginnt m it «Incipit aurora consur­
gens» bis fol. 2 4 8 v, w o der zweite T eil an fän gt, der nur verkürzt w ieder­
gegeben ist, bis fo l. 2 4 9 v. D an n folg en Rezepte. D e r vorhergehende
T rak tat endet: E xp licit lapidarius raym undi m agici 1 4 6 7 , 16 . Junii. E r ­
w ähnt ist die H an d sch rift in L y n n T h o r n d ik e : A H istory o f M ag ic and
E xp erim ental Science 1 9 2 3 , 1 9 3 4 , V o l. IV , p . 3 3 5 3. D iese H and sch rift
ist im A p p arat als V (V indobonensis) an gefüh rt, seine R andkorrektu­
ren als V 2 .
3. Z u r selben G ruppe v on M anuskripten (e in Stam m baum ließ sich 40

nicht hersteilen ) g eh ö rt auch die H an d sch rift in der M arcian a in V en e­

torum des A lanus, eine Collectio ex nobili libro Margaritae pretiosae Novellae des
P etrus B onus, das Buch «Flos regis», die «Propositiones Maximae in Arte Alchimae»
des A lbertus M agnus, die «Epistola Avicennae ad Hazen philosophum», der «Liber
intitulatus Lilium evulsum e spinis», das «Problema» von JOH. T honensis, ein Collo­
quium magistri cum discipulo, die «Herba incognita ortalona von Joh. T honensis sowie
Rezepte und kleine Traktate.
2. Vgl. die Beschreibung und Untersuchung der Handschrift in L. D elisle , Inventaire
des Ms. de St. Germain des Pres p. 124 ff. und in C orbett , Catalogue des Ms. alchimi-
ques latins, Bruxelles 1939 Vol. I p. 178-179.
3. Codex 5230. Es ist eine Sammelhandschrift auf Papier, 222 x 159 mm, in braunem
Kalbsledereinband mit Holzdeckeln. Außer den zahlreichen chemischen Abhandlungen
enthält die Handschrift auch viele Zeichnungen, die zum Text gehören (chemische Sym­
bole, Darstellung von chemischen Versuchen). Die einzelnen Teile des Ms. stammen aus
verschiedenen Zeiten des 15. u. 16. Jahrhunderts. Es kommen die Jahreszahlen 1465,
1467, 1481 und 1516 vor. Vgl. «Tabulae Codicum Manuscriptorum . . . in Bibi. Palat.
Vindobonensi asservatorum ed. Acad. Caes. Vindob. Vol. IV W ien 1870 p. 67. Vgl.
auch Lynn T horndike und P earl K ibre Catalogue of Incipits of Medieval scientific
writings in Latin. Cambridge 1937 unter «Venerunt m ih i. . . » Fortsetzungen zu dieser
Publikation finden sich im «Speculum» A Journal of Medieval Studies Vol. X IV Jan.
1939 Nr. 1: L. T horndike : Additional Incipits of Medieval Scientific writings, und der­
selbe in Vol. X V II July 1942 N r. 3: More Incipits etc. T horndike datiert die Hand­
schrift 1505 (History etc. Vol. 4 Fußnote 25).

3 Ju n g : Mysterium III
24 E I N O R D N U N G D E S TEX T ES

d i g 45, die im A p p arat als M figuriert, K o rrek turen als M 2 . Es handelt


sich um den C od. 4 m em br. 215 ( J . V alentinelli), Bibliotheca M anu-
scrip taad S . M arci V en etiaru m 1 8 7 2 , V o l. V , A bschn. X V I 4 , p ag. 5 5 5 )
aus dem Ja h re 1 4 7 5 . D e r T ra k ta t steht fo l. 6 5 r—I 6 l r: Incipit tractatus
A u ro ra consurgens tract. duo und ist außerordentlich lesbar und so rg ­
fältig geschrieben.
4. Ebenfalls von g u ter Q ualität, aber leider unvollständig, ist die
H an d sch rift der Z entralbibliothek in Z ü rich , der C od ex Rhenoviensis
1 7 2 , der aus dem K loster Rheinau stam m t, und den P ro f. C. M o lberg j

ins 1 5 . Jah rh u n d ert verw eist. E r ist im A p p arat als R h, K orrek turen als
R h 2, an gefüh rt und beginnt gegen Schluß des 9 . K apitels der A u ro ra
m it dem W o r t - «sitates tollit de corpore . . . » D ie H an d sch rift enthält
w eitere, alchem istische T ra k ta te 67
. Sie stam m t von einer einzigen H and ,
h at rote T ite l und vereinzelte blaue und goldene Initialen und ist außer­
dem mit sehr schönen symbolischen Bildern illustriert. D ie Beziehung
der B ild er zum T e x t ist allerdings relativ locker.
5. M it denselben B ildern in schlechterer W ied erg ab e versehen ist
auch der C od ex Vossianus Chem icus N r . 2 9 ( 5 2 0 ) der U niversitäts­
bibliothek von Leyden (a ls L a n g e fü h rt), d er etw a dem 1 6 . Jah rh u n d ert
angehören d ü rfte und relativ nachlässig geschrieben ist. D e r T ite l lautet
d ort: «T ractatus qui dicitur Thom ae Aquintatis de A lch im ia m odus
extrah end i quintam essentiam L ib er A lchim iae, qui a nonnullis dicitur
A u ro ra consurgens latine scriptus cum figuris.» E s folgen w eitere alche­
m istische A bhandlungen τ. D e r C od ex steht dem späten D ru ck in seinen
Lesungen am nächsten und ist fü r die T exth erstellu n g nur selten von
Bedeutung.

4. Erwähnt bei L. T horndike, History etc. Vol. 4 p. 335 Note 25. Ich erhielt M it­
teilung über diese Handschrift durch die Freundlichkeit von Prof. A. M. Albareda,
von der vatikanischen Bibliothek. In A. G. L ittles Initia operum Lat. quae saeculis
X III, X IV , X V attribuntur, Manchester 1904 ist keine Aurorahandschrift erwähnt.
5. Vgl. den Katalog der Ms. der Zentralbibliothek 1 . Teil: Mittelalterl. Handschrif­
ten von Leo Cunibert M olberg , 1951, p. 246.
6. So: Albertus Magnus: Kallisthenus unus de antiquioribus . . . dicit. 2. Questio
curiosa de natura solis et lunae, Petrus de Z olento, Secreta Hermetis, Jo . de Gar-
landia , Clavis sap. maioris. Auszüge aus G ebers Schriften, Aurea massa, Visio
Arislei und weitere Tractate. Näheres vgl. C. Molberg 1. c.
7. So ein deutscher Traktat des Albertus Magnus, die «Schemata» des Gratus,
eine Abh. de Lapide. Recepte, das Elucidarium testamenti Raymundi Lulli, Lexikali­
sche Notizen etc.
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 25

6 . U nzuverlässig und außerdem voll g ro ß er Lücken ist das M an u ­


skript der Universitätsbibliothek von B o log n a M s. 7 4 7 (Ja h r 1 4 9 2 ) ,
dessen K enntnis ich der freundlichen M itteilu n g von D r. G. G old­
s c h m id t verdanke. Ich benützte eine Photokopie, die als B im A p p arat
figuriert. E s enthält unseren T rak tat auf den fo l. 9 7 u- 1 2 0 r m it dem T ite l:
Incipit aurea m ora quae dicitur A u ro ra consurgens vel liber trinitatis
com positus a Sancto T h o m a de aquino. Besonders gegen Schluß enthält
dieser nachlässig geschriebene T rak tat so viele Auslassungen, daß ich sie
im A p p arat nicht m ehr anführte. V oilständigkeitshalber sind diese au f
p . 4 3 7 ff. zu finden.
7. Schließlich ist auch noch unter D der A bdruck im A p p arat an ge­
fü h rt nach einer Photokopie des E xem p lares im B ritish M useum der
«Elarm oniae im perscrutabilis Chym ico-Philosophicae sive Philosopho­
rum A ntiquorum C onsentientium D ecades duae» apud C on r. Eifrid u m ,
Fran co fu rti 1 6 2 5 , p ag. 1 7 5 ff. In cip it: «B eati T homae de A q u in o
A u ro ra sive A u rea H o ra .» E s fehlen die K apitelüberschriften. D iese
V ersion zeigt Spuren v on g eleh rter Ü berarbeitung (w o h l v or dem
D ru ck ) im Sinne einer hum anistischen K o rrek tu r des Lateins und A n ­
gleichung an die V u lgatazitate, die in den M ss. viel freier zitiert s in d 8.
A u ch enthält der T e x t W ied erh o lu n g en , die w ohl in den T e x t geratene
Randglossen d arstellen ». D asselbe g ilt fü r den M arcianus und kom m t
vereinzelt auch in P und R h vor.

6 . D IE T E X T G E S T A L T U N G

a die H and sch riften P , Μ , V ziem lich g leich w ertig w aren und bald

D die eine oder andere bessere Lesungen enthielt *, konnte ich m ich
nicht eindeutig au f eine derselben stützen, sondern m ußte sie g leich m äß ig

8. Beispiele sind p. 30, Zeile 10, das «ut intelligat» statt des schwerverständlichen «et
intelligit», p. 38, Z. 5, wo ein aus vacabit verdorbenes vocabit mit «te» ergänzt wurde,
p. 38, Z. 8-9, wo die religiös anstößige Bezeichnung der Alchemie als sacramen­
tum in sanctuarium abgeändert ist, p. 46, Z. 11, wo durch «volens» die Lesung der
Infinitive erleichtert werden sollte, p. 68, Z. 6-7 , die Glosse quod philosophus vult
esse, weil die Gleichsetzung der alchemistischen Triade mit der Trinität offenbar Anstoß
erregte usw.
9. z. B. p. 64, Z. 11, salvabitur et salvus vocabitur.
1. M ist z. B. besser p. 42, Z. 13, p. 44, Z. 14, p. 46, Z. 2. P ist besser p. 40, Z. 12
und 13, V ist einzig richtig ρ. 32, Z. 8, p. 38, Z. 5 vacabit.
26 E I N O R D N U N G DES T EXT ES

berücksichtigen. A u ch R h w ar im zw eiten T eil ebenso w ichtig als die an ­


deren. B ei V ulgatazitaten w urde der B ib eltext nicht im m er als ausschlag­
gebend betrachtet, da der A u to r frei oder m it bew ußt nüancierten A b ­
w andlungen zitiert. M an ch e Stellen stam m en w ohl auch aus der M e ß ­
liturgie, da o ft dieselben Bibelzitate gleich kom biniert erscheinen. D a
der A u to r m it dem Sinn der Bibelzitate bew ußt spielt, m ag es fü r den
Leser reizvoll sein, seine W o rte m it den in den F uß n o ten angebrachten
O riginalstellen zu vergleichen. A n d ere spätere V ersionen, z. B . das lange
Z itat aus der A u ro ra im «Rosarium philosophorum » (N ä h e re s s. u .) ,
w urden nur konsultiert, w enn eine K on jek tu r notw endig sch ie n 2.
46 N ich t au fgefü hrt im A p p arat sind die g röß eren Auslassungen in B ,
V ariationen in der Schreibung der N am en und einm alige unbedeutende
Schreibfehler, doch w erden diese vollständigkeitshalber v or dem R egi­
ster auf gefü hrt.
47 E in e Übersetzungsschw ierigkeit bildete die W a h l des deutschen
Bibeltextes, w eil einerseits die V erw en d u ng der relativ unbekannten
m odernen V ulgataübersetzungen nicht angezeigt schien, und anderer­
seits es doch w ünschensw ert w ar, daß dem L eser das A nklingen an be­
kannte Bibelstellen, w ie es im L atein d er F a ll ist, erhalten bleibe. Leider
weichen die Lutherbibel und die Z ü rch er Bibel o ft so w eit von der V u l­
g ata ab (in d em sie a u f den hebräischen T e x t zu rü ck g eh en ), d aß alche-
m istische A nspielungen, die au f dem W o rtla u t d er V u lgata fußen, v er­
loren gegan gen w ären. D ah er habe ich die Ü bersetzung im P rinzip an
die Lutherbibel angelehnt, aber doch bisweilen die V u lg ata selber direkt
übersetzt, in den F u ß n o ten aber den L u th ertext und in K lam m ern die
w örtliche V ersion an gefüh rt.
48 D a m ein M anuskript O ktober 1 9 5 5 dem V e rla g zugestellt w urde,
konnte die neuere Literatu r von diesem Zeitpunkt an nicht m eh r berück­
sichtigt w erden.

2. So p. 32, Z. 10 «operationes» für «comparatione».


AURORA C O N SU R G E N S
Z E IC H E N E R K L Ä R U N G

P - Codex Parisinus, Bibi. N at. Latin. N o. 1 4006.


P2 - Korrekturen zweiter Hand in P.
V - Codex Vindobonensis, Öster. National-Bibliothek N o. 5230.
V2 - Korrekturen zweiter Hand in V.
M - Codex Marcianus Venetiarum (Valentinelli, V , 5 5 5 )
M2 - Korrekturen zweiter Hand in M .
Rh - Codex Rhenoviensis 172, Zentralbibl. Zürich
Rh2 - Korrekturen zweiter Hand in Rh.
B - Codex der Universitätsbibi. Bologna N o. 7 4 7 .
L - Codex Vossianus, Chem. 5 2 0 Leyden, Universitätsbibi. N o. 2 9 .
L2 - Korrekturen zweiter Hand in L.
D - Abdruck in: «Harmoniae Imperscrutabilis etc.», Frankfurt, 1625
[ ] - vom Edit. getilgt
() - vom Edit. ergänzt
( ) - Varianten einzelner Codices, die zu gut waren, um nur im Apparat
angeführt zu sein
cv> - längere, nicht zitierte Partie von - bis
coni. - Coniectur
om. - Auslassung
add. - Zufügung
codd. - alle Manuskripte.
II

DER TEXT
(lateinisch und deutsch)

I. Incipit tractatus Aurora consurgens intitulatus.

II. Quid sit sapientia.

III. De ignorantibus et negantibus hanc scientiam.

IV. De nomine et titulo huius libri.

V . D e irritatione insipientum.

V I. Parabola prima de terra nigra in quam septem planetae radicaverunt.

V II. Parabola secunda de diluvio aquarum et morte quam femina intulit et


fugavit.

V III. Parabola tertia de porta aerea et vecte ferreo captivitatis Babylonicae.

IX . Parabola quarta de fide philosophica quae numero ternario consistit.

X . Parabola quinta de domo thesauraria quam sapientia fundavit supra


petram.

X I. Parabola sexta de coelo et mundo et sitibus elementorum.

X II. Parabola septima de confabulatione dilecti cum dilecta.


I. B E A T I T H O M A E D E A Q U IN O
A U R O R A S IV E A U R E A H O R A . I N C I P I T T R A C T A T U S
A U R O R A CON SURG EN S
IN T I T U L A T U S

m ihi om nia bona p ariter cum i l l a 1 sapientia a u s tri2345,

V
en eru n t

quae foris praedicat, in plateis d at vocem suam, in capite turba­


ru m clam itat, in foribus p ortaru m urbis p ro fe rt verba sua dicens 3 :
A cced ite ad m e et illum inam ini et operationes vestrae non confunden­
tu r 4 ; omnes qui concupiscitis m e divitiis meis adim plem ini K V enite
(e rg o ) filii, audite m e, scientiam D ei docebo v o s 67
. Q uis sapiens et intel-
ligit hanc 7, quam A l p h i d i u s dicit hom ines et pueros in viis et plateis
praeterire et cottidie a ium entis et pecoribus in sterquilinio co n cu lca ri8.

7. orbis - PVM / 10. «ergo» add. D I 10. ut intelligat D , et intelligens B, intelliget V

1. Sap. 7, 11: Venerunt autem mihi omnia bona pariter cum illa et inumerabilis
honestas per manus illius . . . Cf. Ordo missae, ed. P. A. Schott, Freiburg, 19. Aufl.
p. 554.
2. Cf. Matth. 12, 42: Regina austri surget in iudicio . . . Cf. Ordo missae I. c. p. 165.
Cf. Zach. 9, 14: Deus in tuba canet et vadet in turbine austri. . .
3. Prov. 1, 2 0 -2 2 : Sapientia foris praedicat, in plateis dat vocem suam, in capite
turbarum clamitat, in foribus portarum urbis profert verba sua dicens: Usque quo
parvuli diligitis infantiam?
4. Ps. 33, 6: Accedite ad eum (sc. Dominum) et illuminamini et facies vestrae non
confundentur. Cf. Ordo missae 1. c. p. 425.
5. Eccli. 24, 26-30: Transite ad me omnes qui concupiscitis me et a generationibus
meis implemini. . . Qui audit me non confundetur. Cf.Ordo missae 1. c. p. 727.
6. Ps. 33, 12: Venite filii, audite me, timorem Domini docebo vos. Cf. Ordo missae
1. c. p. 425.
7. Hos. 14, 10: Quis sapiens et intelliget ista intelligens et sciet haec? Quia rectae
viae D om ini. . . Cf. Ordo missae 1. c. p. 458.
8. Liber A lph id ii . M s . Ashmole 1420. Oxford, fol. 18: homines pedibus concul­
cant in viis et aqua prolongant cuius Dei vilissime gratia, fol. 21: Thezaurizatum est in
viam ejectus vileque et carum. . . quae homines ac pueri in viis praetereunt. Vgl. auch
das C o n s iliu m C o n ju g ii. Ars Chemica 1566 1. c. p. 88: A ssiduus : Et scito fili quod
hunc lapidem de quo hoc archanum extrahitur Deus non emendum praecio posuit
quoniam in viis ejectus invenitur ut a paupere et divite haberi possit.
Et ibidem p. 6 2 -6 3 : Quidam (dixerunt lapidem) vile et carum et stercore tectum
ad quod vix poterit perveniri quod homines ac pueri in plateis et viis praetereunt.
Cf. item R o sa r iu m P h ilo s o p h o r u m . Manget: Bibliotheca Chemica, Lib. III, p. 88b—89a:
Scito quod hunc lapidem, de quo hoc arcanum agitur, Deus non posuit magno pretio
I. B E G I N N D E S T R A K T A T E S D E S S E L IG E N T H O M A S V O N
A Q U IN O . « D IE A U F S T E IG E N D E M O R G E N R Ö T E » (A U R O R A ),
W I E D A S B U C H I N D E R K U N S T H E IS S T , G L E IC H S A M A L S
E I N E B A L D IG E « G O L D E N E S T U N D E » (A U R E A H O R A )

E
s kam m ir zugleich alles G ute m it ih r % jener W eish eit des Süd­
windes 2, w elche draußen k lagt und sich hören lä ß t au f den G as­
sen, w elche ru ft v orn u n ter dem V o lk und in dem E in g an g des
T ores der Stadt ihre W o rte redet 3 : K o m m t h er zu m ir und laß t euch er­
leuchten, und eure O perationen w erden nicht zu Schanden w erden L Ih r
alle, die ihr m ein begehrt, w erdet von m einen R eichtüm ern erfü llt L
K o m m t also her, Söhne, h öret m ir zu, ich w ill euch die W issensch aft
G ottes le h re n 6. W e r ist weise und versteht diese 7 , von d er A l p h id iu s
sagt, daß Erw achsene und K in d er auf W e g e n und in den Gassen daran
Vorbeigehen, und daß sie täglich von den Z u gtieren und dem V ieh im
Straßenkot zertreten w e rd e 8? U n d S e n i o r sagt: N ich ts ist äußerlich ge-

1. Weish. 7. 11: Es kam mir aber alles Gute (wörtl. zugleich) mit ihr und unzäh­
liger Reichtum in ihrer Hand . . . Vgl. Meßbuch, herausgegeben von P. A. Schott ,
Freiburg i. Br., 19- Aufl. p. 554.
2. Vgl. Matth. 12, 42: Die Königin von Mittag (wörtl. des Südens oder Südwindes)
wird auftreten am jüngsten G ericht. . . Meßbuch a. a. O. p. 165.
Vgl. Zach. 9, 14: Der Herr wird die Posaune blasen und wird einhertreten im
Wetter von Mittag (wörtl. im Wirbel des Südwindes).
3. Sprüche 1, 20-22: Die Weisheit klagt draußen und läßt sich hören auf den
Gassen, sie ruft in dem Eingang des Tores, vorn unter dem Volke, sie redet ihre Worte
in der Stadt: W ie lange wollt ihr unverständig sein? . . .
4. Ps. 34, 6: Welche auf ihn sehen, die werden erquickt und ihr Angesicht wird nicht
zu Schanden. Meßbuch a. a. O. p. 425.
5. Jes. Sirach 24, 26-30: Kommt her zu mir alle, die ihr mein begehrt und sättiget
euch von meinen Früchten. W er mir gehorcht, der wird nicht zu Schanden. Meßbuch
a. a. O. p. 727.
6. Ps. 34, 12: Kommt her Kinder, höret mir zu, ich will euch die Furcht des Herrn
lehren. Vgl. Meßbuch a. a. O. p. 425.
7. Hos. 14, 10: W er ist weise, der dies verstehe? und klug, der dies merke? Denn
die Wege des Herrn sind richtig . . . Vgl. Meßbuch a. a. O. p. 458.
8. Vgl. Liber A lphidii philosophi etc. cod. Ashmole Bodleian-Bibr. Oxford.
Ashmole 1420, fol. 18 und 21. Vgl. R o s a r iu m P h ilo s o p h o r u m y Manget: Bibi. Chem.
Lib. III, p. 88b-89a: Wisse, daß Gott diesen Stein, von dem dies Geheimnis handelt,
billig käuflich sein ließ, da man ihn auf die Straße weggeworfen findet, sodaß er von
Armen und Reichen erlangt werden kann. Vgl. ebenda II, p. 594b. Vgl. ferner C o n -
32 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

i E t S e n i o r : N ih il ea aspectu vilius et nihil ea in natura pretiosius, et Deus


etiam eam pretio em endam non posuit H an c S a l o m o n pro luce habere
proposuit et super om nem pulchritudinem et salutem ; in com paratione
illius lapidis pretiosi virtutem illi n on co m p a ra v it*910. Q uoniam om ne
5 aurum tam quam arena exigu a et velut lutum aestim abitur argentum
in conspectu illius, et sine causa non est. M elio r est enim acquisitio
eius negociatione argenti et auri purissim i. E t fructus illius est p re­
tiosior cunctis opibus huius m undi et om nia, quae desiderantur, huic
non valent com parari. L ongitudo dierum et sanitas in dextera illius, in
io sinistra vero eius g lo ria et divitiae infinitae. V iae eius operationes p u l­
chrae et laudabiles non despectae neque deform es et sem itae illius m od e­
ratae et non festinae, sed cum laboris diuturni in sta n tia 11. L ign u m vitae
est his, qui apprehenderint eam et lum en indeficiens, si tenuerint b e a tiI2,

1. «et» nihil — om. BD LV / «nihil» om. MP / 2. composuit B / 3. operatione B,


compositione M, operationibus L / 4. «virtutem» om. M PBL / 5. arenam et exiguum
VPM, arena etiam exigua D / 6 . causa non melior est enim DB, sine causa non est
melior. Est M / 7. ,Et’ om. VMP. / 8. operibus DLMP / 9. valeant MP / 9. illius: eius
DL om. B / 10. ,operationes’ conieci e Rosario, comparatione codd. om. B, comparatione
eius V / 12. diurni VMP / 13. apprehendunt MPV, apprehenderunt L /

emendum, quoniam in via eiectus invenitur, quatenus tam a paupere quam a divite
haberi possit. . . (ibid. II, p. 594b: Nam A lphidius dicit hoc secretum pretio non
comparari sed inveniri proiectum in v ia . . . ) Cf. item R osinus ad Sarratantam, Artis
Auriferae 1610 a. a. Ο. I, p. 188, M orienus Romanus De transmutatione metallorum
ebda. II, p. 25, A vicenna, Declaratio Lapidis Physici Filio suo Aboali, Theatrum Chemi-
cum 1659, Vol. IV, p. 875. Vgl. zu dieser ganzen ersten Partie C. G. J ung : Psychologie
und Alchemie, 1944, p. 412-414.
9. Cf. Senior : De Chemia libellus antiquissim us... Argentorati 1566, p. 117:
. . . Philosophus filius Hamuel Zadith extraxit a fundo eorum margaritas praetiosas
et ostendit tibi manifeste et aperte hoc secretum caelatum quod appropriavit dominus
gloriosus huic lapidi vili et inpraeciabili et est praeciosius in mundo et vilius. Cf. R o s.
P h il. 1. c. p. 102. Cf. ibid. p. 106: . . . de quo dixit Viemon: Proiicitur in sterquiliniis
hoc est, est vile in oculis omnis ignorantis.
10. Cf. R o s. R h ii. p. 100.
Cf. Sap. 7, 7: . . . venit in me spiritus sapientiae et praeposui illam regnis et sedibus
et divitias nihil esse duxi in comparatione illius nec non comparavi illi lapidem
pretiosum, quoniam omne aurum in comparatione illius arena exigua et tamquam
lutum aestimabitur argentum in conspectu illius . . . Cf. Ordo missae 1. c. p. 554.
11. Cf. P etrus B onus: Pretiosa Margarita n o v e lla ... ed. Lacinius, Veneti 1546,
p. 45: . . . et tu quidem exerciteris ad illud cum laboris instantia maxima et cum
diuturnitate meditationis immensae, cum illa enim invenies et sine illa non.
12. Prov. 3, 14-18: Melior est acquisitio eius negociatione argenti et auri primi et
purissimi fructus eius. Pretiosior est cunctis opibus et omnia quae desiderantur huic
non valent comparari. Longitudo dierum in dextera eius et in sinistra illius divitiae
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 33

rin ger und nichts ist in der N a tu r w ertvoller als sie, und G ott h at sie
auch nicht fü r G eld käuflich w erden lassen Sie ist es, die S a l o m o n als
L euchte zu brauchen (verk ü n d ete) und die er über alle Schönheit und
alles H eil gestellt hat, und im V ergleich zu ih r hat er den W e r t des
Edelsteins ihr nicht g le ich g e ste lltI0. D enn alles G old ist im V ergleich
zu ihr w ie gerin ger Sand, und Silber ist w ie L eh m gegen sie einzuschät­
zen, und dies nicht ohne G rund, denn sie zu erlangen ist besser als der
E rtra g von reinstem G old und Silber. U n d ihre F ru ch t ist w ertvoller als
alle R eichtüm er dieser W e lt, und alles, was du w ünschen m agst, ist ihr
nicht zu vergleichen. Langes Leben und G esundheit sind in ihrer R ech ­
ten, und in ihrer Linken sind R uhm und unendlicher Reichtum . Ihre
W e g e sind schöne und lobensw erte W e rk e , nicht verächtlich oder h äß ­
lich, und ihre P fad e sind m aßvoll und nicht hastig, sondern m it der
Beharrlichkeit ausdauernder A rb eit v erb u n d e n 11. Sie ist ein B au m des
Lebens fü r alle, die sie erfassen, und ein nie erlöschendes L ich t. Selig
sind die sie verstanden h a b e n 12; denn die W eish eit G ottes w ird niem als

s iliu m C o n ju g ii , Ars. Chemica 1566 a. a. O. p. 88 = dieselben Stellen vom Autor A ssi­


duus . Vgl. ferner R osinus ad Sarratantam, Artis Auriferae a. a. Ο. 1610, ρ. 188. M orie-
nus Romanus. De transmutatipne metallorum ebda II. p. 25. Ferner A vicenna, Decla­
ratio Lapidis Physici Filio suo Aboali, Theatrum Chemicum, 1659, Vol. IV, p. 875.
Vgl. zu dieser ganzen ersten Partie C. G. J ung, Psychologie und Alchemie, 1944,
p. 412—4 l4 .
9. Vgl. Senior : De Chemia antiquissimus lib e llu s ... Argentorati 1566, p. 117:
. . . der Philosoph Zadith, Sohn Hamuels, hat von deren Grund wertvolle Perlen
extrahiert und dir offen und klar dies verborgene Geheimnis gezeigt, das der ruhm­
reiche Gott diesem wertlosen und unschätzbar wertvollen Stein beigegeben hat und
er ist in der W elt völlig wertvoll und völlig billig (zugleich). - Und R o s. p h il. 1. c.
p. 106: Davon sagt Viemon: Man wirft es weg auf den Mist, d. h. es ist wertlos in den
Augen aller Ignoranten.
10. Vgl. R o s. P h il. p. 100.
Vgl. ferner Weish. 7, 7: . . .und mir kam der Geist der Weisheit. Und ich hielt
sie teurer denn Königsreiche und Fürstentümer, und Reichtum hielt ich für nichts
gegen sie. Ich verglich ihr keinen Edelstein, denn alles Gold ist gegen sie wie geringer
Sand und Silber ist wie Kot gegen sie zu rechnen. Vgl. Meßbuch a. a. O. p. 554.
11. Vgl. P etrus B onus: Pretiosa Margarita novella. . . ed. Lacinius, Veneti 1546,
p. 45: Du aber arbeite daran mit größter, beharrlicher Anstrengung und langem, gren­
zenlosen Meditieren, mit ihm wirst du es finden und ohne es nicht.
12. Sprüche 3, 13-18: Wohl dem Menschen, der Weisheit findet und dem Men­
schen, der Verstand bekommt! Denn es ist besser sie zu erwerben, als Silber, und ihr
Ertrag ist besser als Gold. Sie ist edler denn Perlen, und alles, was du wünschen
magst, ist ihr nicht zu vergleichen. Langes Leben ist zu ihrer rechten Hand, zu
ihrer Linken ist Reichtum und Ehre. Ihre Wege sind liebliche Wege und alle ihre
Steige sind Friede. Sie ist ein Baum des Lebens allen, die sie ergreifen und selig
34 T H O M A E D E A Q U I N O AURORA

i quia scientia D ei num quam peribit, u t A l p h id iu s testatur, ait enim : Q ui


hanc scientiam invenerit, cibus erit eius legitim us et sem piternus *3 . E t
H erm es atque ceteri (ph ilosop h i) inquiunt, quod si viveret hom o habens
hanc scientiam milibus annis, om nique die deberet septem m ilia hom i-
5 num pascere, num quam egeret *4. H o c affirm at S e n i o r dicens; quia
esset ita dives, sicut ille, qui habet lapidem u , de quo elicitur ignis, qui
potest dare ignem cui vult et inquantum vult et quando vult sine suo
d e fe c tu *1345l617. H o c idem vult A r i s t o t e l e s in libro secundo de anim a, cum
dicit: O m nium natura constantium positus est term inus m agnitudinis et
io augm enti ^ ignis vero appositione com bustibilium crescit in in fin itu m l819.
Beatus hom o, qui invenerit hanc scientiam et cui affluit prudentia haec
[S a tu rn i] J9; in omnibus viis tuis cogita illam et ipsa ducet gressus tu o s 20.

1. testatur: dicit BD, om. L / 2. legitimus: longaevus YP, longus M / 3. ceteri: alii B
G e b e r , Ros. / «inquiunt» om. B / «philosophi» add. DL / 4. deberet pascere: pasceret
BDL / 5. numquam: non BD L / confirmat BD L / 6. Quia esset: Est enim hic BD L /
7. ,sui’ BDL / 10. appositionem D, compositione P / 11. «cui» om. MP / prudentia
haec M PVB, «haec» om. L, providentia Saturni D / 12. ducit M PV /

et gloria. Viae eus viae pulchrae d i omnes semitae illius pacificae. Lignum vitae est
his, qui apprehenderint eam et qui tenuerit eam beatus.
13. Liber A lphidii 1. c. Scito fili quod qui hanc invenit scientiam et victum inde
habuerit cibus eius legitimus erit. Und: quod thesaurus Dei numquam perit nec deficit.
Item citatur in R o s a r io P h ilo s o p h o r u m , Manget: Lib. III, p. 100b-101a: Qui hanc
scientiam invenerit cibus erit eius legitimus et sempiternus (item M. M aier Symbola
Aureae Mensae p. 65).
14. Cf. C o n s iliu m C o n ju g ii, A r s Chemica 1566, p. 116: . .. n e c est necesse ut
reiteretur, prout dicit Hermes: Sufficiet homini per mille millia annorum et si quo­
tidie duo milia hominum pasceres non egeres, tingit enim in infinitum. Cf. item D e
A lu m in ib u s e t S a lib u s , R uska , Berlin 1935, p. 59: (Mercurius) Et si quis junxerit
me fratri meo vel sorori meae vivet et gaudebit et ero sufficiens ei usque in aeternum
et si viveret millies millenos.
15. R o s a r iu m P h iL Manget: Lib. III, p. 92a: Hermes et Geber: Qui hanc artem
semel perfecerit, si deberet vivere mille millibus annis et singulis diebus nutrire
quatuor milia hominum non egeret. Hoc confirmat Senior dicens: Est ita dives habens
lapidem, de quo Elixir fit, sicut qui habet ignem potest dare ignem cui vult et quando
vult et quantum vult sine suo defectu et periculo.
16. R o s. P h il. Manget: Lib. III, p. 92a.
17. Anonymus in R o s a r io , ibidem p. 102a, positus est certus terminus . . .
18. D e A n im a B 4. 4 l6 a : ή μέν του πυρός αΰξησις εις άπειρον, εω ς αν η τό
καυστόν, των δέ φύσει συνισταμένων πάντων έστ'ι πέρας και λόγος μεγέθους τε
καί αύξήσεως* ταΰτα δέ τής ψυχής άλλ’ ου πυρός, καί λόγου μάλλον ή ύλης.
19. Prov. 3, 13: Beatus homo qui invenit sapientiam et cui affluit prudentia.
20. Prov. 3, 5 -6 : Habe fiduciam in Dominum . . . In omnibus viis tuis cogita illum
et ipse diriget gressus tuos . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 35

vergehen, w ie A l p h id iu s bezeugt, indem er sagt: W e r einm al diese


W eish eit gefunden hat, dessen rechtm äßige und ew ige Speise w ird sie
sein J3. U n d H e r m e s und die übrigen Philosophen sagen m, daß w enn
ein M ensch im Besitz dieses W issens 10 0 0 Ja h re lan g lebte und täglich
7 0 0 0 M enschen ernähren m üßte, er dennoch niem als M an gel leiden
w ürde. D ies bestätigt S e n i o r , w enn er sagt: E in solcher sei so reich,
w ie jener, der den Stein besitzt **, aus dem m an F eu er schlägt, so daß
er Feu er geben kann, w em er w ill und w ieviel er w ill und w ann er w ill,
ohne eigenen V e rlu s t16. D as G leiche m eint A r i s t o t e l e s im 2 . Buch
«V o n der Seele», w enn er schreibt: A llen natürlichen D in gen ist eine
B egren zu n g ihres U m fanges und ihres W ach stu m s gesetzt Σ7 , das F eu er
hingegen w ächst durch N ach legen von brennbarem Stoff ins U n en d ­
liche l8. W o h l dem M enschen, der diese W issen sch aft findet und dem
diese K lu gh eit (d es Satu rn ) zufließt G edenke ihrer in allen deinen
W e g e n , und sie selbst w ird deine Schritte le n k e n 20. W ie S e n i o r sagt:
Es w ird sie aber nur der verstehen, der weise ist und scharfsinnig und
erfinderisch im Ü berlegen, indem die G eister geklärt w orden sind aus

sind, die sie halten. Vgl. auch das S p ec u lu m S a p ie n tia e des Bischof Cyrillus , ed.
J. G. G raesse, Tübingen 1880. p. 5-7.
13. Cod. Ashmole 1420. Vgl. auch das R o s a r iu m P h ilo s o p h o r u m ,. Manget, Lib.
III. p. 100b-101a. Und M. M aier , Symbola aureae Mensae 1. c. ρ. 65. \
14. C o n s iliu m C o n ju g ii , Ars. Chemica 1566, p. 116: Und man braucht es nicht
wiederholen, wie ja Hermes sagt: Es wird einem Menschen während tausendmal
tausend Jahren genügen und wenn du täglich zweitausend Menschen ernährtest, wür­
dest du keinen Mangel leiden; denn es «färbt» in Ewigkeit weiter.
15. R o sa r iu m P h il. Manget: III, p. 92a: Hermes und Geber: W er diese Kunst
einmal vollendet hat, wenn er eine Million Jahre leben müßte und täglich 4000
Menschen ernähren müßte, würde er nicht Mangel leiden. Dies bestätigt Senior, indem
er sagt: W er den Stein hat, aus dem das Elixir gemacht wird, ist so reich, wie der,
der Feuer hat, solches geben kann, wem er will, und wann er will und wie viel er
will, ohne eigenen Verlust oder Gefahr.
16. R o s. P h il. Manget: III, p. 92a.
17. ebenda p. 120a.
18. D e A n im a B 4. 4l6a.
19. Sprüche 3, 13: Wohl dem Menschen, der Weisheit findet und dem Menschen,
der Verstand bekommt. . . (wörtl. dem Verstand zufließt.)
20. Sprüche 3, 5 -6 : Verlaß dich auf den H errn. . . gedenke an ihn in allen deinen
Wegen, so wird er dich recht führen (wörtl. selber deine Schritte lenken).
36 T H O M A E D E A Q U I N O AURORA

U t Senior dicit: Intelligit eam autem sapiens et subtilis et ingeniosus


arbitrando, quando clarificati fuerint anim i ex libro ag g reg atio n is21.
T u n c omnis fluens animus sequitur concupiscentiam s u a m 22234567, beatus qui
cogitat in eloquio m eo 23. E t Salomon: F ili, circum da eam gutturi t u o 2*
et scribe in tabulis cordis tui et invenies; dic Sapientiae: soror m ea es et
prudentiam voca am icam tu a m 2*; cogitare nam que de illa sensus est
valde naturalis et subtilis eam perficien s16. E t qui vigilaverint constanter
p ropter eam , cito erunt se c u ri2?. C lara est illis intellectum habentibus
et num quam m arcescet nec deficiet; facilis videtur his, qui eam sa p iu n t28,
quoniam dignos se ipsa circuit et in viis ostendit se hilariter et in om ni
providentia o c c u rrit2*; initium nam que ipsius verissim a est natura, cui
non fit fraus.

1. Intelliget BDL / 2. animum P, cum M, om. B / «aggregationis» conieci, aggrega­


tionum MP, congregationum V, ex libris agnitionum BDL / 4. Et: etc. D om. BL /
«tuo» om. MPV / 9. marcescit M PVBD /11. prudentia MP scientia L / occurret M PV /
verissima est cui natura PVB / 12. sit B /

21. Cf. De Chemia. Senioris antiquissimi libellus, Argentorati 1566, p. 11:


. . . intelliget ipsam ingeniosus, subtiliter arbitrando quando fuerint clarificati animi ex
libris relictis, quos occultaverunt philosophi. . . Cf. item Ps. A ristoteles , Secreta
Secretorum 1528: Quoniam illi qui fuerunt velocis apprehensionis et intellectus eorum
fuerunt clarificati ad suscipiendam scientiam investigaverunt. Cf. liber aggregationis
seu secretorum A lberti M agni, H. Quenteil, Köln ca. 1485 (Incunabel).
22. S enior : De Chemia, 1. c. p. 12: Facta ignota (scii, praeparatio) propter hoc
ne cognoscat omnis animus concupiscentiam suam. Fluit quod videntes dicant.
23. ibidem p. 9' Beatus qui cogitat in eloquio meo, nec dignitas mea ipsi negabitur
nec vilescet per ca[r]nem infirmatus Leo.
24. Prov. 3, 3 -4 : Misericordia et veritas te non deserant, circumda eas gutturi tuo
et describe in tabulis cordis tui et invenies gratiam et disciplinam bonam coram Deo . . .
25. Prov. 7, 3 -4 : ...s c r ib e illam (scii, sapientiam) in tabulis cordis tui. Dic
sapientiae: soror mea es, et prudentiam voca amicam tuam ut custodiat te a muliere
extranea . . .
26. Cf. P etrus B onus: Pretiosa margarita novella, 1. c. p. 53: Et quia veritas
nihil aliud est, quam adaequatio intellectus ad res ipsas, et p. 100: Et ars eodem
modo ut natura operatur.
27. Sap. 6, 16-18: Cogitare ergo de illa sensus est consummatus et qui vigilaverit
propter illam (scii, sapientiam) cito securus erit. Quoniam dignos se ipsa circuit
quaerens et in viis ostendit se illis hilariter et in omni providentia occurrit illis.
Initium enim illius verissima est disciplinae concupiscentia. . .
28. Sap. 6, 13: Clara est et quae numquam marcescit sapientia et facile videtur
ab his, qui diligunt eam et invenitur ab his, qui quaerunt eam . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA 37

dem Lib er ag g reg atio n is2I. D an n näm lich g erät jeder G eist in Flu ß und
fo lg t seinem B e g e h re n 22 - selig ist, w er über m eine W o rte nachdenkt 23 !

U n d S a l o m o n : M ein K in d , hänge sie um deinen H als und schreibe sie


au f die T afeln deines H erzens, und du w irst finden 24 . Sprich zur W e is ­
heit: D u bist m eine Schwester! und die K lu gh eit nenne deine F reu n ­
din 2*. D enn über sie nachzudenken ist ein völlig der N a tu r entsprechen­
des und feines (subtiles) W ah rn eh m en , das sie (d ie W e ish e it) zur V o ll­
endung b rin g t z6. U n d diejenigen, die ständig ihretw egen w achbleiben,
w erden bald geborgen s e in 2?. Sie ist klar fü r die, w elche Einsicht be­
sitzen, und sie welkt und vergeh t nie. Sie erscheint denen leicht, die um
sie w issen 2δ, denn sie geht ja selbst um her und sucht, w er ihrer w ert sei,
und erscheint ihm voll Freu de unterw egs und eilt ihm in aller V orau s­
sicht entgegen. D en n ihr A n fa n g ist die w ahrste N a tu r, von der kein
B etru g kom m t.

21. Vgl. Senior : De Chemia. Straßburg, 1566, p. 11: Es versteht sie, der der erfinde­
risch ist durch subtiles Überlegen, wenn die Geister geklärt worden sind aus den
überlieferten Büchern, die die Philosophen verborgen haben . . . Vgl. Ps. A ristoteles .
Secreta secretorum 1528. Cap. De Hora eligendi. . . Es handelt sich um den Liber
Aggregationum des A lbertus M agnus, ed. H. Quenteil, Köln ca. 1485. Näheres
vgl. Kommentar.
22. Vgl. Senior, De Chemia 1. c. p. 12: Es (de Tinctur) wurde verborgen, damit
nicht jeder Geist sein Begehren erkennen könne. Er «fließt» (dann), wie die Sehenden
wohl sagen würden.
23. Vgl. ebenda p. 9: Selig ist, wer über meine Worte nachdenkt, dann wird ihm
meine Würde nicht verweigert werden und der Löwe wird nicht vom [Fleische]
(Hunde) geschwächt verderben.
24. Sprüche 3, 3-4 : Gnade und Treue (wörtl. Mitleid und Wahrheit) werden dich
nicht verlassen. Hänge sie an deinen Hals und schreibe sie auf die Tafel deines
Herzens, so wirst du Gunst und gute Zucht finden, die Gott und den Menschen gefällt.
25. Sprüche 7, 3-4 : Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester! und nenne
die Klugheit deine Freundin . . .
26. Vgl. P etrus B onus: Pretiosa margarita novella a. a. Ο. p. 53: Die Wahrheit
ist nichts anderes als die Angleichung des Verstehens an die Dinge selbst, - und
p. 100: Die Kunst verfährt auf dieselbe Art wie die Natur.
27. Weish. 6, 16-18: Denn nach ihr trachten, das ist die rechte Klugheit (wörtl.
über sie nachzudenken ist ein vollendeter Sinn) und wer ihretwegen wacht, darf
nicht lange sorgen (wörtl. wird geborgen sein). Ja sie begegnet und gibt sich selbst
zu erkennen denen, die sie gerne haben. W er sie gern bald hätte, bedarf nicht viel
Mühe, er findet sie vor seiner Tür auf ihn warten. . . denn sie geht umher und
sucht wer ihrer wert sei und erscheint ihm gern unterwegs und hat acht auf ihn,
daß sie ihm begegne (wörtl. und eilt ihnen in aller Vorsehung entgegen). Denn ihr
Anfang ist der wahrste Wunsch nach Z u cht. . .
28. Weish. 6, 13: Denn die Weisheit ist schön und unvergänglich und läßt sich
gerne sehen von denen, die sie liebhaben und läßt sich finden von denen, die sie suchen.
38 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

I II. Q U ID S IT S A P IE N T IA

S
i ergo nunc delectam ini sedibus et sceptris regalibus, ut in p erp e­
tuum regnetis, diligite lum en scie n tia e 1 om nes et perquirite, qui
literis naturae estis insigniti, vobis enim sapientiam om nium antiquo-
j rum exq u ir< e)t sapiens et in prophetis vacabit et in versutias parabola­
ru m si(m u l) introibit occulta proverbiorum exquiret et in absconditis
parabolarum co n versab itu r234. Q uid scientia sit et quem adm odum facta
sit referam et non abscondam a vobis. E st nam que donum et sacram en­
tum D ei atque res divina, quae m axim e et diversim ode a sapientum ser­
io monibus typicis est occultata. Q uare p ono in lucem scientiam eius et non
praeteribo (v e rita te m ) neque cum invidia tabescente 3 iter habebo, quo­
niam ab initio nativitatis hanc investigavi et ignoravi quoniam m ater
om nium scientiarum esset illa, quae m e antecedebat. E t innum erabiles
honestates m ihi condonavit, quam sine fictione didici et absque invidia
15 com m unicabo et non abscondendo honestatem illius 4 . E st enim thesau-

5. «exquiret» conieci, «exquirit» D, exquerit L, requiris P, requirit M V / vocabit


MPL, vocabit te D, versutiis vocabit L / 6. «simul» conieci, sinum MP, suarum D LVB /
8. reseram DL / 8.-9. sanctuarium Deitatis res divina est maxime D, sanctuarium Dei
atque res divina quia maxime L / 10. semitam M PB / 11. «veritatem» addidi / 14.-15.
invidia non abscondendo honestatem illius communicabo L / 15. communico V, com­
municando BM V / abscondo V / illius «praeservando» add. VP, «praesumendo» add.M /

1. Sap. 6, 22-23: Si ergo delectamini sedibus et sceptris, o reges populi, diligite


sapientiam, ut in perpetuum regnetis. Diligite lumen sapientiae omnes qui praeestis
populis.
2. Eccli. 39, 1-3 : Sapientiam omnium antiquorum exquiret sapiens et in prophetis
vacabit. . . et in versutias parabolarum simul introibit. Occulta proverbiorum exquiret
et in absconditis parabolarum conversabitur.
3. Sap. 6, 24-25: Quid est autem sapientia et quemadmodum facta sit referam et
non abscondam a vobis sacramenta Dei, sed ab initio nativitatis investigabo et ponam
in lucem scientiam illius et non praeteribo veritatem neque cum invidia tabescente
iter habebo.
4. Cf. Alberti Magni Compositum de Compositis, Theatr. Chem. 1659. Vol. IV .
p. 825: Et ideo scientiam quam sine fictione didici sine invidia communico, qua invidia
labescente ( ! ) deficit, quoniam talis homo non erit particeps amicitiae Dei. Omnis
sapientia et scientia a Domino Deo est, sed hoc quocumque modo semper a Spiritu
Sancto e s t. . . Itaque qui habet aures audiendi tantam gratiam Deificam audiat secre­
tum mihi desponsatum gratia Dei et indignis nullatenus revelat.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 39

II. W A S D IE W E I S H E I T IS T

Γ \ 7 Τ enn ihr also jetzt G efallen habt an T h ro n und K önigszepter, so


W liebt das L ich t der W issensch aft, au f daß ihr ew iglich h e rrs ch e t*,
und ergründet sie alle, die ihr euch in der N aturgelehrsam keit auszeich­
net: D enn fü r euch erforscht der W e ise alles W issen der A lten , und er
w ird bei den Propheten seine Z eit verbringen und m it dir in die F a ll­
stricke der G leichnisse eindringen, das V erb orgen e der W eisheitssprüche
erforschen und bei den dunklen Stellen der Parabeln v e rw e ile n 2. W a s
also die W issensch aft ist und w ie sie h ergestellt w ird, w ill ich verkündi­
gen und nicht vor euch geheim halten. D en sie ist eine G abe und ein
Sakram ent G ottes und eine göttliche Sache, die von den W eisen am
allerm eisten und auf die verschiedenste A rt in B ildern verhüllt w urde.
D eshalb w ill ich ihre W issensch aft ans L ich t bringen und nicht (a n der
W a h rh e it) Vorbeigehen, noch w ill ich m it dem g iftigen N e id zu tun
haben 3; denn von A n fa n g an, seit m einer G eburt, habe ich sie gesucht
und w ußte nicht, daß es die M u tter aller W issenschaften sei, die m ir
voranging. U n d sie h at m ir unendliche W e rte geschenkt, und ich habe
sie ohne Falsch erlernt und w erde sie ohne N e id m itteilen, ohne ihren
W e r t geheim zuhalten 4 . D en n sie ist ein unerschöpflicher Schatz fü r

1. Weish. 6, 22-23: Habt ihr nun Gefallen und Thron und Zepter, ihr Herrscher
der Völker, so habet die Weisheit in Ehren auf daß ihr ewiglich herrschet. . .
2. Jesus Sirach 39, 1-3 : W er sich aber darauf geben soll, daß er das Gesetz des
Höchsten lerne, der muß die Weisheit aller Alten erforschen und in den Propheten
studieren. Er muß die Geschichten der berühmten Leute merken und denselben nach-
denken, was sie bedeuten und lehren. Er muß die geistlichen Sprüche lernen und in
den tiefen Reden sich üben. (W örth: Die Weisheit aller Alten wird der Weise
erforschen und bei den Propheten seine Zeit verbringen . . . und er wird zugleich in
die Tiefen der Gleichnisse eindringen, das Verborgene der Sprichworte erforschen
und in den dunklen Stellen der Parabeln verweilen.)
3. Weish. 6, 24-25: Was aber Weisheit ist und woher sie komme (wörtl. wie
sie entstanden ist), will ich euch verkündigen und will euch die Geheimnisse (wörtl.
Sakramente Gottes) nicht verbergen, sondern forschen von Anfang der Kreatur (wörtl.
der Geburt) und will sie öffentlich zu erkennen geben (wörtl. ihr Wissen ans Licht
bringen) und will die Wahrheit nicht sparen (wörtl. übergehen). Denn ich will mit
dem giftigen Neid nichts zu tun haben, denn der hat nichts an der Weisheit.
4. Vgl. A lberti M agni Compositum de Compositis. Theatr. Chem. 1659. Vol.
IV. p. 825.4

4 Jung: Mysterium III


40 T H O M A E D E A Q U I N O AURORA

rus infinitus omnibus 5, quem , qui hom o invenit, abscondit et prae


gaudio illius d ic it567: Laetare Jerusalem et conventum facite omnes qui
diligitis m e, gaudete cum laetitia, quia D om inus [D e u s } pauperum suo­
rum miseritus est 7. E tiam S e n i o r dicit: E st enim lapis, quem qui cognos­
cit ponit super oculos suos qui vero non, in sterquilinium pro jicit illu m 89,
et est m edicina, quae fu g at inopiam , et post D eum hom o n on habet
m eliorem 9.

III. D E IG N O R A N T IB U S E T N E G A N T IB U S
H A N C S C IE N T IA M

gloriosam scientiam D ei et doctrinam sanctorum et secretum

H
anc

philosophorum ac m edicinam m edicorum despiciunt s tu lti1 cum


ign oren t quid sit. H i nolunt benedictionem et elongabitur ab e is 2 nec
decet im peritum scientia talis quia om nis, qui est eam ignorans, est eius

3. «Deus» add. DL / 4. Etiam: Et M BD L / 6. et mediam quam (V : quae) fugat


inopia M PV illum mediamque fugat B / 13. scientiam talem MP, sapientia talis B D /

5. Sap. 7, 12-14: . . . e t laetatus sum in omnibus quoniam antecedebat me ista


sapientia et ignorabam quoniam horum omnium mater est. Quam sine fictione didici
et sine invidia communico et honestatem illius non abscondo. Infinitus enim thesaurus
est hominibus, quo qui usi sunt participes facti sunt amicitiae Dei. Cf. Ordo missae
1. c. p. 534.
6. Math. 13, 44: Simile est regnum caelorum thesauro abscondito in agro: quem
qui invenit homo abscondit et prae gaudio illius vadit et vendit universa quae habet
et emit agrum illum. Cf. Ordo missae 1. c. p. (6 8 ).
7. Ordo missae 1. c. p. 195: Laetare Jerusalem et conventum facite omnes, qui
diligitis eam: gaudete cum laetitia, qui in tristitia fueritis . . .
Cf. Jes. 66, 10: Laetamini cum Jerusalem et exsultate in ea omnes, qui diligitis eam,
gaudete cum ea gaudio universi, qui lugetis super eam.
8. Cf. Senior : De Chemia, 1. c. p. 63: . . . lapidem, quem qui cognoscit ponit illum
super oculos suos et qui non cognoscit proiicit illum.
9. Cf. C o n s iliu m C o n ju g ii , Ars. Chemica 1566, 1. c. p. 119: Et alibi dicit (Senior):
et post Deum non habes aliam medicinam. Ipsa est enim aurum sapientum, quod
fugat paupertatem. Cf. item A vicenna, Declaratio Lapidis Physici Filio suo A boali,
Theatr. Chem. 1659. Vol. IV . p. 879: E tjia e c est vera hominum et metallorum medi­
cina laetificans ac transformans nec post Deum est alia, quae fugat paupertatem.
1. Prov. I. 7: Sapientiam et doctrinam stulti despiciunt. . .
2. Ps. 108, 18: Et dilexit maledictionem et veniet ei, et noluit benedictionem et
elongabitur ab eo.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 41

alle und w enn ein M ensch ihn findet, so verb irgt er ihn und sagt in
seiner Freu d e über d en selb en 5
67: F reu e dich, Jerusalem , versam m elt euch,
ihr alle, die ihr m ich liebet, seid fröhlich in Freu den , alle, denn der
H e rr und G ott hat sich seiner Elenden erbarm t 7. A uch S e n i o r sagt: Es
gibt näm lich einen Stein, den jeder, der ihn kennt] über seine A ugen
legt und ihn beileibe nicht au f den M ist w i r f t 89; und es ist das H e il­
m ittel, welches die N o t vertreibt, und nach G ott besitzt der M ensch
kein besseres ?.

III. V O N D E N E N , D IE D IE S E W IS S E N S C H A F T
N IC H T K E N N E N U N D L E U G N E N

ruhm reiche W issensch aft G ottes und L eh re der H eiligen, die­

D
ie s e

ses G eheim nis der Philosophen und H eilm ittel der Ä rzte verachten
die T o ren % weil sie nicht wissen, was es ist. Sie verschm ähen den Segen,
und so w ird er auch fern e von ihnen b leib en 2; auch geziem t eine solche
W eish eit einem U nkundigen n ich t; denn jeder, der sie nicht kennt, ist

5. Weish. 7, 12-14: (Es kam mir aber alles Gute mit i h r . . . ) Ich war in allen
Dingen fröhlich, das macht die Weisheit ging mir darin vor, ich wußte es aber nicht,
daß solches von ihr käme (wörtl. daß sie von allem dem die Mutter sei). Einfältig
(wörtl. ohne Falsch) habe ich sie gelernt und mild (wörtl. ohne Neid) teilte ich sie
mit, ich will ihren Reichtum nicht verbergen. Denn sie ist ein unendlicher Schatz und
die ihn gebrauchen, werden Gottes Freunde (wörtl. teilhaftig der Freundschaft Gottes).
Meßbuch a. a. O. p. 554.
6. Math. 13, 44: Abermals ist gleich das Himmelreich einem verborgenen Schatz
im Acker, welchen ein Mensch fand und verbarg ihn und ging hin vor Freuden über
denselben und verkaufte alles was er hatte und kaufte den Acker. Meßbuch a. a. O.
p. (6 8 ).
7. Meßbuch a. a. O. p. 195: Freue dich, Jerusalem, versammelt euch, ihr alle, die
ihr es liebet, seid fröhlich in Freuden alle, die ihr in Trauer w äret. . .
Cf. Jes. 66, 10: Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über sie alle, die ihr
sie lieb habt, freuet euch mit, ihr alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.
8. Vgl. S enior : De Chemia, p. 63: . . . den Stein, den jeder, der ihn kennt, über seine
Augen legt, wer ihn aber nicht kennt, wegwirft.
9. C o n s iliu m C o n ju g ii. Ars. Chemica 1566, a. a. O. p. 119: Und anderswo sagt er
(S enior ): Und nach Gott hast du keine andere Medizin. Sie selber ist nämlich das
Gold der Weisen, welches die Armut vertreibt. Vgl. ebenso A vicenna, Declaratio
Lapidis Physici Filio suo A boali. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 879.
1. Sprüche 1, 7: Die Ruchlosen (wörtl. Toren) verachten Weisheit und Lehre.
2. Ps. 109, 17: Er wollte den Segen nicht, so wird er auch ferne von ihm bleiben.
42 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

inimicus et non sine causa. A it enim Speculator: D erisio scientiae est


causa ignorantiae, nec sunt asinis dandae lactucae, cum eis sufficiant
(ca rd u i) 3, neque panis filiorum m ittendus est canibus ad m anducandum
neque m argaritae inter porcos sunt sem inandae 4, nec tales derisores sunt
participes [in c ly ta e ] huius scientiae: hic enim fracto r esset sigilli coe­
lestis qui arcana huius scientiae revelaret indignis *; neque in grossum
corpus introibit spiritus sapientiae huius nec insipiens potest eam p e r­
cipere p ropter rationis suae perversitatem ; quia non sunt sapientes locuti
insipientibus, qui enim cum insipiente loquitur cum dorm iente loqui­
t u r 34567. M orienus (e n im ) ait: Si om nia vellem enodare p ro ut se habent,
nullus um quam u ltra prudentiae locus esset, cum insipiens sapienti
aequaretur; neque sub globo lunari aliquis m ortalium paupertate noverca
(in ed iaru m ) angustias defleret 7, quia stultorum num erus est infinitus in
hac scien tia 8.

1. «Et non sine causa ait» V D / 3 . «cardui» coni, carabe M VP caribe B caules DL /
2. sufficiunt MP / 5. «inclytae» add. DL / 8. parvitatem BD L / 10. «enim» add. L / enu-
dare MPV / 13. «inediarum» conieci, medias et angustias B medias PVM BD, modicis L /

3. Cf. Fratris R ogerii B achonis Anglici, De Mirabili potestate artis et naturae


Libellus. Artis Auriferae 1610. II. p. 327 sq. et p. 340. Item Epistula R ogerii B achonis,
Theatr. Chem 1622. Vol. V. p. 956: Ipsemet enim dicit in secreto secretorum, quod
esset fractor sigilli coelestis qui communicaret secreta naturae et artis adjungens quod
multa mala sequuntur eum, qui occulta detegit et arcana revelat. Caeterum in hoc casu
dicit A ulus G ellius in libro Noctium Atticarum de collatione sapientum, quod stul­
tum est asino praebare lactucas cum ei sufficiant cardui.
4. Math. 7, 6: Nolite dare sanctum canibus: neque mittatis margaritas vestras ante
porcos . . . Cf. Ordo missae, p. 400.
Math. 15, 26: Non est bonum sumere panem filiorum et mittere canibus. Cf. Ordo
missae pp. 166, 400,
5. A ristoteles , Secreta secretorum, 1528. fol. V ,2: Ego sane transgressor essem
divinae gratiae et fractor coelestis secreti occultae revelationis, quapropter tibi sub
attestatione divini judicii illud detego sacramentum eo modo quo mihi revelatum . . .
6. Eccli. 22, 9: Cum dormiente loquitur, qui enarrat stulto sapientiam . . ,
7. Cf. P etrus B onus, Pretiosa Margarita Novella l.c . p. 42: Idem (scii. Rasis )
in lumine luminum: Si enim omnia prout se habent, vellem enodare, nullus ultro pru­
dentiae esset locus, cum insipiens sapienti aequaretur. Neque sub lunari circulo quis­
quam mortalium paupertate noverca inediarum ulterius defleret angustias. Cf. item
C o n s iliu m C o n ju g ii , Ars Chem. 1566, 1. c. p. 50. Item D e A r te C h e m ic a , Artis Auri­
ferae 1610, I. p. 374. Identisch mit dem M arsilio F icino zugeschriebenen Tractat in
Manget 1. c. II. p. 172. cap. V II. Cf. T heobaldus de H oghelande, De Alchimiae
Difficultatibus, Manget 1. c. I p. 347.
8. quod stultorum est infinitus numerus, cf. B ischof C yrillus , Speculum Sapien­
tiae, ed. Grässe. Titel s. a. Seite. /
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 43

ihr Fein d und dies nicht ohne G rund. Es sagt näm lich S p e c u l a t o r 2a:
D ie V erh öh nu n g der W issensch aft ist die U rsach e der Ignoranz, und
m an soll den Eseln keinen L attich zu fressen geben, w o ihnen doch
D isteln genügen 3? auch soll m an das B ro t der K in d er nicht den H unden
vorw erfen und P erlen vor die Säue au sstre u e n 4, und niem als w erden
solche Spötter dieser ruhm reichen W issen sch aft teilh aftig sein, denn
der bräche das Siegel des H im m els, der die G eheim nisse dieser W issen ­
schaft U nw ürdigen offenbaren w ü rd e *; auch w ird der G eist dieser
W eish eit nicht in einen groben K ö rp e r eindringen können, noch kann
sie ein T o r erfassen infolge der V erd reh th eit seines V erstandes. D ie
W eisen haben näm lich nicht fü r die D um m en gesprochen, denn w er m it
einem T o ren redet, der redet m it einem S ch lafen d en 6. M o r ie n u s sagt
näm lich: W e n n ich alles enträtseln w ollte, w ie es sich w irklich verhält,
dann w äre nirgends m ehr R aum fü r die K lu gh eit, denn der D um m e
w äre dem W eisen gleichgestellt, und kein Sterblicher unter dem K reise
des M ondes w ürde m ehr, w enn ihn die A rm u t stiefm ütterlich behan­
delte, die Q ual seines H ungers beweinen 7, w eil die Z ah l der T o re n u n ­
endlich g roß ist in dieser W iss e n s ch a ft8.2

2 a. Ein sonst nicht nachweisbarer Autor.


3. Vgl. Roger B acon: De mirabili potestate artis et naturae. Artis Auriferae 1610.
1. c. II, p. 340 und Rogerii B aconis Epistula. Theatr. Chem. 1622. Vol. V. p. 956.
4. Math. 7, 6: Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben und eure Perlen
sollt ihr nicht vor die Säue werfen. Vgl. Meßbuch p. 400.
Math. 15, 26: Es ist nicht fein, daß man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es
vor die Hunde. Meßbuch p. 166, 400.
5. Vgl. Aristoteles Secreta secretorum 1528, fol. V (2).
6. Jesus Sirach 22, 8: W er mit einem Narren (wörtl. Toren) redet, der redet mit
einem Schlafenden.
7. Vgl. denselben Ausspruch des Rasis im Lumen luminum, zitiert in Petrus
B onus: Pretiosa Margarita novella, 1546 a. a. O. p. 42, und ebenso: C o n s iliu m C o n ju g ii,
Ars. Chemica 1566, p. 50, auch als RASiszitat. Ebenso: D e A r te C h im ic a , Artis Auriferae
1 6 1 0 ,1, p. 374 (als RASiszitat).
8. Vgl. J. G. Graesse: Die beiden ältesten Fabelbücher des Mittelalters des Bischofs
Cyrillus Speculum Sapientiae und des Nicol. Pergamenus Dialogus Creaturarum.
Tübingen 1880, p. 27.
44 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

IV . D E N O M IN E E T T I T U L O H U IU S L IB R I

H
u iu s autem volum inis titulus A u ro ra consurgens baptizatur, et hoc
quatuor de causis: P rim o aurora dicitur quasi aurea hora, sic haec
scientia habet h oram in finem aureum recte operantibus. Secundo aurora
est m edium inter noctem et diem rutilans in colore duplici, scii, rubeo
et citrino, sic haec scientia dat colores citrinos et rubeos, qui sunt m edii
inter nigru m et album. T e rtio quia in aurora ab omnibus infirmitatibus
nocturnalibus patientes allevantur et quiescunt, sic in aurora huius scien­
tiae omnes odores et vapores m ali m entem laborantis inficientes deficiunt
et senescunt, u t Psalm us ait: A d vesperum dem orabitur fletus et ad m atu ­
tinum la e titia *. Q uarto et ultim o aurora dicitur finis noctis et principium
diei vel m ater solis, sic nostra aurora in rubedine sum m a est finis totius
tenebrositatis et fugatio noctis, longiturnitatis hiem alis illius, qui in ea
am bulat, si non caverit, o ffen d etu r2. D e illa nam que scriptum est: E t n o x
nocti indicat scientiam , dies diei eructat verbum 3 et n o x sicut dies illu­
m inabitur in deliciis suis 4.

3. et scientia haec V / horas et finem M PV horam finem L / 7 .-8 . omnes infirmitates


nocturnales (M naturales) patientis (M parientes) BVPM / 10. vesperam DL / 14. cavet
P caveat M, cavit V / 16. «in deliciis suis» om. M PV etc. B /1234

1. Ps. 29, 6: Ad vesperum demorabitur fletus et ad matutinum laetitia.


2. Joh. 11, 9 -1 0 : Respondit Jesus: Nonne duodecim sunt horae diei? Si quis ambu­
laverit in die, non offendit, quia lucem huius mundi videt, si autem ambulaverit in
nocte offendit, quia lux non est in eo. Cf. Ordo missae p. 205.
3. Ps. 18, 3: Dies diei eructat verbum et nox nocti indicat scientiam.
4. Ps. 139, 12: . . . et nox sicut dies illuminabitur in deliciis meis. Cf. Ordo missae
p. 295: O vere beata nox, quae sola meruit scire tempus et horam, in qua Christus ab
inferis resurrexit! Haec nox est, de qua scriptum est: Et nox sicut dies illuminabitur:
ex nox illuminatio mea in deliciis suis.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 45

IV . V O M N A M E N U N D T I T E L D IE S E S B U C H E S

T itel dieses Buches w urde «die aufsteigende M o rgen rö te» g e ­

D
er

tau ft und zw ar aus vier G ründen: Erstens h eiß t M orgen rö te (a u ro ra )


gleichsam «goldene Stunde» (au rea h o r a ); und so h at auch diese W is ­
senschaft eine (gü n stig e) Stunde zu einem goldenen Z iel fü r diejenigen,
die das Opus rich tig bewerkstelligen. Zw eitens ist diese M o rgen rö te das
M ittlere zwischen N a ch t und T a g , und sie leuchtet in zwei Farben, n äm ­
lich G elb und R ot, und ebenso erzeugt auch diese W issensch aft die
gelbe und rote Farb e, welches die m ittleren sind zwischen Schwarz und
W e iß . D rittens (h e iß t das B uch s o ), w eil in der M o rgen rö te die K ra n ­
ken von allen nächtlichen Leiden erleichtert w erden und einschlafen,
so verschw inden und verduften auch in der M o rgen rö te dieser W issen ­
schaft alle üblen G erüche und D äm p fe, die den G eist des Laborierenden
infizieren, wie es im Psalm h eiß t: D en A bend lang w ährt das W e in e n ,
aber des M orgens ist F r e u d e I. V iertens und letztens bedeutet die M o r­
genröte das E n d e der N a ch t und den A n fa n g des T ages, oder die M u t­
ter der Sonne, und so ist auch unsere M orgen rö te im H öhepunkt der
R ötung das E n d e aller Finsternis und die V ertreib un g der N a ch t, jener
w interlichen D auer, in der einer, w enn er darin w andelt und sich nicht
in acht nim m t, anstoßen w ir d 234. V o n ihr h eiß t es in der S ch rift: U n d
eine N a ch t tut die W issensch aft kund der andern und ein T a g sagt das
W o r t dem andern 3? und die N a ch t w ird lichthell w ie d er T a g in ihrer
W o n n e 4.

1. Ps. 30, 6: Den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens ist Freude.
2. Joh. 11, 9 -1 0 : Jesus antwortete: Sind nicht des Tages 12 Stunden? W er des
Tages wandelt, der stößt sich nicht, denn er sieht das Licht dieser W elt, wer aber
des Nachts wandelt, der stößt sich, denn es ist kein Licht in ihm. Meßbuch p. 205.
3. Ps. 19, 3: Ein Tag sagt’s (wörtl. das W ort) dem andern, und eine Nacht tut’s
(wörtl. das Wissen) kund der andern.
4. Ps. 139, 12: . . . und die Nacht leuchtet wie der Tag (in meiner W onne). Meß­
buch p. 295: O wahrhaft selige Nacht, die allein gewürdigt worden, Zeit und Stunde
zu erfahren, da Christus vom Reiche der Toten erstanden! Dies ist die Nacht, von der
geschrieben steht: Die Nacht wird lichthell wie der Tag, und die Nacht ist meine
Leuchte bei meiner W onne!
46 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

V . D E IR R IT A T IO N E I N S IP IE N T U M

u m q u id sapientia non clam itat in plateis et prudentia dat vocem in

N libris sapientum dicens: O viri, ad vos clam ito et v o x m ea ad filios


in telligen tiae1: Intelligite insipientes et anim advertite parabolam et in­
terpretationem verba sapientum et aenigm ata e o ru m 2345; sapientes enim
usi sunt diversis locutionibus in assim ilatione de om ni re 3, quae est
supra terram , et sub globo lunari m ultiplicaverunt parabolas in hac
scientia. A udiens autem sapiens [sa p ie n te s] sapientior erit et intelliget,
intelligens sapientiam hanc possidebit illam . H aec est sapientia, regina
scilicet austri, quae ab O riente dicitur venisse, u t aurora consurgens 4,
audire intelligere nec non videre [v o le n s ] sapientiam Salomonis * et data
est in m anu eius potestas h on or virtus et im perium 6y ferens regni coro-

2. «non» om. PVBLD / 5. verborum M PBV / 8. «sapientes» add. D, «sapientem»


add. L, «sapientum» M / 9 - 1 0 . quae regina austri. . . dicitur venisse MPV, scilicet
quae . . . B / 11. volens» add. DL /

1. Prov. 8, 1-6: Numquid non sapientia clamitat et prudentia dat vocem suam . . .
in mediis semitis stans iuxta portis civitatis . . . dicens: O viri ad vos clamito et vox
mea ad filios hominum, intelligite parvuli astutiam et insipientes animadvertite: Audite,
quoniam de rebus magnis locutura sum . . .
2. Prov. 1, 5 -7 : Audiens sapiens sapientior erit et intelligens gubernacula possidebit.
Animadvertet parabolam et interpretationem verba sapientum et aenigmata eorum. Timor
Dei principium sapientiae. Sapientiam atque doctrinam stulti despiciunt.
3. Cf. P etrus B onus Pretiosa margarita novella 1. c. p. 54: Lilium: Nostri lapidis
tot sunt nomina, quot sunt res vel rerum vocabula. Et A lphidiu S: In hoc opere est
parabolarum diversitas et nominum . . . ut ab imperitis celent. . .
4. Cant. 6, 9: Quae est ista, quae progreditur quasi aurora consurgens pulchra ut
luna, electa ut s o l. . . ? Cf. Ordo missae p. 720, 751, 789-
5. Math. 12, 42: Regina austri surget in iudicio cum generatione ista et condemnabit
eam, quia venit a finibus terrae audire sapientiam Salomonis et ecce plus quam Salomon
hic. Cf. Luc. 11, 31, et Ordo missae p. 165.
6. Ordo missae p. 108: Ecce advenit Dominator Dominus: et regnum in manu eius
et potestas et imperium. Cf. Maleach. 3.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 47

V . V O N D E R A N S P O R N U N G D E R U N W IS S E N D E N

(a ls o ) nicht die W eish eit öffentlich am W e g e und läß t nicht

R
u ft

die K lu gh eit sich h ören in den B ü ch ern der W eisen , indem sie sagt:
O h ihr M än n er, ich schreie zu euch und ru fe zu den Söhnen des V e r­
stehens 1: M erk t ihr U nw issenden und nehm t zu H erzen die Parabel und
ihre D eutung, die W o rte der W eisen und ihre R ä ts e l2345. D ie W eisen
haben näm lich verschiedene A usdrücke gebraucht in A n gleich u n g an
alle D in ge auf E rd en 3 und haben unter dem K reise des M ondes die
Parabeln verm ehrt in dieser W issensch aft. W e n n aber ein W e ise r die
W eisen h ört, so w ird er wissender w erden und verstehen, und w enn er
diese W issensch aft versteht, so w ird er sie besitzen. D as ist die W eish eit,
d .h . die K ön igin des Südwindes, w elche von Sonnenaufgang (v o m
O rien t) gekom m en sein soll, gleich der auf steigenden M orgenröte 4, um
die W eish eit Salomons zu hören und zu begreifen und auch zu sehen *,
und es ruht in ihrer H an d M ach t, E h re, K ra ft und H e rrs c h a ft6. U n d

1. Sprüche 8, 1-6: Ruft nicht die Weisheit und die Klugheit läßt sich hören?
Oeffentlich am Wege und an der Straße steht sie. An den Toren der Stadt, da man zur
Türe eingeht schreit sie: O ihr Männer, ich schreie zu euch und rufe den Leuten.
Merkt ihr Unverständigen auf Klugheit und ihr Toren nehmt es euch zu Herzen! . . .
2. Sprüche 1, 5-6 : W er weise ist, der hört zu und bessert sich (wörtl. wird weiser
werden) und wer verständig ist, der läßt sich beraten, daß er verstehe die Sprüche und
ihre Deutung, die Worte der Weisen und ihre Beispiele (wörtl. Rätsel).
3. Vgl. Petrus B onus Pretiosa Margarita novella a. a. O. p. 54: Es sagt Liliu m :
Von unserem Stein gibt es so viele Namen als es Dinge gibt oder Bezeichnungen von
Dingen. Und Alphidius: In diesem W erk besteht eine (große) Verschiedenheit der
Parabeln und Bezeichnungen . . . um es vor den Unerfahrenen zu verbergen.
4. Hohes Lied 6, 9: (Meßbuch) W er ist diese, die dort hervortritt, gleich der auf­
steigenden Morgenröte, schön wie der Mond, auserlesen wie die Sonne. . . ? Meßbuch
p. 751, 789, 720.
Hiob 3, 9: (wörtl. . . . noch den Aufgang der kommenden Morgenröte).
Vgl. auch Meßbuch p. 720: Die aufglänzende Morgenröte am Himmel der Erlösung
und Gnade aus deren Schoße sich tausendfach sie überstrahlend die Sonne erhebt
ist M aria. . .
5. Math. 12, 42: Die Königin von Mittag (wörtl. des Südwindes) wird auftreten am
Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen, denn sie kam vom
Ende der Erde, Salomons Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr denn Salomons
Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr denn Salomo. Vgl. Lukas 11, 31. Meß­
buch p. 165.
6. Meßbuch p. 108: Siehe, es ist gekommen der Herrscher, der Herr, die Königs­
würde ruht in seiner Hand und Macht und Herrschaft. Vgl. Maleachi 3.
48 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

nam in capite suo radiis duodecim stellarum rutilantem 7, tam quam


sponsa ornata viro s u o 789 habensque in vestim entis suis scriptum litteris
aureis graecis, barbaris et latinis: Regnans regnabo et regnum m eum non
habebit finem ? omnibus invenientibus m e et perquirentibus subtiliter
ingeniose et constanter io.

V I. P A R A B O L A P R IM A D E T E R R A N IG R A ,
I N Q U A M S E P T E M P L A N E T A E R A D IC A V E R U N T

s p i c ie n s a longe vidi nebulam m agn am totam terram denigrantem ,

A quae hanc exhauserat m eam anim am tegentem et <quia> aquae intra­


veran t usque ad eam , quare putruerunt et corruptae sunt a facie inferni
inferioris et um bra m ortis, quoniam tem pestas dim ersit m e r; tunc coram
m e procident A ethiopes et inim ici m ei terram m eam lin g e n t2. Ideo non
est sanitas in carne m ea et a facie iniquitatis m eae conturbata sunt om nia

2. sponsam ornatam M PVD / 3.-4. regni mei non est finis BDL / 4. et per alios
perquirentibus facientibus D, percipientibus M PVB / salubriter M PV / 9. quae: qui
PVBL, q_ M / exhausit B, exhauserit MPLV / anima M / regentem MPV, tingentem L /
«quia» coni, q M, q B, et quae aquae intraverint P, intraverunt M VB, aquae quae intra­
verant D, aquae quae intraverunt L / 10. quare: quae D, quia VL /

7. Apocal. 12, 1: Mulier amicta sole et luna sub pedibus eius et in capite eius
corona stellarum duodecim. Cf. Ordo missae p. 539.
8. ibidem 21, 2: Vidi sanctam civitatem Jerusalem novam; descendentem de coelo . . .
sicut sponsam ornatam viro suo.
9. Luc. 1, 32-33: . . . et regnabit in domo Jacob in aeternum et regni eius non erit
finis. Cf. Ordo missae p. 48.
10. Cf. R o sa r iu m R h ii. Manget: Lib. III, p. 103 b: Salomon Rex: Haec filia, ob
quam Regina austri ab Oriente dicitur venisse ut aurora consurgens audire et intelligere
et videre sapientiam Salomonis posset et data est in manu eius potestas, honor, virtus
et imperium et florens regnis corona in capite suo radiis septem stellarum rutilantium,
tamquam sponsa ornata a viro suo habens in vestimentis suis scriptum literis aureis
Graecis et Barbaris et Latinis: Ego sum unica filia sapientum stultis penitus ignota.
Ueber die Abwandlung dieses Zitates vgl. C. G. J ung : Psychologie und Alchemie,
1944, p. 412-414.
1. Ps. 68, 2 -4 : Salvum me fac Deus: quoniam intraverunt aquae usque ad animam
meam. Infixus sum limo profundi et non est substantia. Veni in altitudinem maris et
tempestas dimersit me. Laboravi clamans raucae factae sunt fauces m eae. . . C f. Ordo
missae p. 146.
2. Ps. 71, 9: Coram illo procident Aethiopes et inimici eius terram lingent.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 49

sie träg t eine K önigskrone aus den Strahlen von zw ölf leuchtenden
Sternen auf ihrem H au p t 7, w ie eine B rau t, die fü r ihren B räutigam g e­
schm ückt i s t 789. U n d auf ihren G ew ändern hat sie eine goldene In sch rift
auf G riechisch, Frem dländisch und Lateinisch: A ls K ö n ig in w erde ich
herrschen und meines Reiches ist kein E n d e 9 fü r alle, die m ich finden
und scharfsinnig (su b til) erforschen m it Erfindungsgeist und B e h a rr­
lichkeit io.

V I. D IE ERSTE PARABEL VON D ER SCH W A RZEN ERD E,


IN D E R D IE S IE B E N P L A N E T E N IH R E W U R Z E L N S C H L U G E N

on w eitem betrachtend sah ich eine g ro ß e W o lk e , w elche die ganze

V E rd e schwarz überschattete, indem sie diese auf gesogen hatte, die


m eine Seele bedeckte, und w eil die W asser bis zu ihr (d e r Seele) einge­
drungen w aren, weshalb sie fau lig und verderbt w urden vom A nblick
der untersten H ölle und v om Schatten des T od es, da die F lu t m ich er­
säuft h a t r. D ann w erden die Ä thiopier v or m ir niederfallen, und m eine
Fein d e w erden m eine E rd e le ck e n 2. D eshalb ist nichts Gesundes an m ei­
nem Leib, und vor dem A nblick m einer Sündhaftigkeit sind m eine G e-

7. Offenbarung 12, 1: (Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel): ein Weib
mit der Sonne bekleidet und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupte
eine Krone von zwölf Sternen.
8. ebenda 21, 2: Und ich Johannes sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem . . .
herabfahren als eine geschmückte Braut ihrem Manne (wörtl. wie eine Braut für ihren
Bräutigam geschmückt ist). Meßbuch p. 72.
9. Lukas 1, 33: . . . und er wird ein König sein über das Haus Jakobs ewiglich und
seines Königreichs wird kein Ende sein. Meßbuch p. 48.
10. Vgl. R o sa r iu m P h il. Manget: Bibi. Chem. Lib. III, p. 103 b; Ueber die Abwand­
lungen dieses Zitates vgl. die Ausführungen in C. G. J ung : Psychologie und Alchemie
1944, a. a. O .p . 412-414.
1. Ps. 69, 2 -4 : Gott hilf mir, denn das Wasser geht mir bis an die Seele. Ich ver­
sinke in tiefem Schlamm, da kein Grund ist, ich bin im tiefen Wasser und die Flut
will mich ersäufen (wörtl. hat mich ersäuft). Ich habe mich müde geschrien, mein Hals
ist heiser. Meßbuch p. 146.
2. Ps. 72, 9: Vor ihm werden sich neigen die Aethiopier und seine Feinde werden
Staub (wörtl. Erde) lecken.
50 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA

i ossa m ea 3. E rg o laboravi p er singulas noctes clam ans, raucae factae sunt


fauces m eae: quis est h om o, qui vivit sciens et intelligens, eruens ani­
m am m eam de m anu inferi 4 ? Q ui m e elucidant habebunt vitam (a e te r­
n am ) * daboque ei edere de ligno vitae, quod est in paradiso et sedere
s m ecum in solio regni m e i 34567. Q ui m e effoderit sicut pecuniam et acqui­
sierit sicut thesaurum 7 et lacrim as oculorum m eorum non turbaverit
vestim entum que m eum non a rris e rit89, cibum et potum m eum non intoxi-
caverit, atque cubiculum requiei m eae stupro non foedaverit, necnon
totum corpus m eum , quod est valde delicatum non violaverit atque supra
io om nia anim am m eam [siv e co lu m b am ], quae est sine feile tota pulchra
( e t) decora, in qua m acula non est qui m ihi sedes et thronos non laese­
rit, cuius am ore langueo, ardore liquesco, odore vivo, sapore convalesco,
cuius lacte nutrim entum suscipio, am plexu iuvenesco, osculo spiraculum
vitae recipio, cuius condorm itione totum corpus m eum exinanitur, illi

3.-4. «aeternam» add. DL / 10. «sive columbam» add. M PV / 13. amplexo MPDL,
amplexus et oscula investigio spiraculum L, investigo D / osculum M PVDL / spiritum
MPB, spiritui V / 14. «exinanitur» coni, exinanito DL, exitanito MP, excitamento V /

3. Ps. 37, 4 -6 : Non est sanitas in carne mea a facie irae tuae. Non est pax ossibus
meis a facie peccatorum meorum . . . Putruerunt et corruptae sunt cicatrices meae a facie
insipientiae meae . . .
Ps. 6, 3-4: Sana me Domine, quoniam conturbata sunt ossa mea et anima mea tur­
bata est valde.
4. Ps. 88, 49: Quis est homo qui vivet et non videbit mortem: eruet animam suam
de manu inferi.
5. Eccli. 24, 30-31: . . . qui operantur in me non peccabunt, qui elucidant me vitam
aeternam habebunt. Cf. Ordo missae p. 727.
6. Apoc. 2, 7: Vincenti dabo edere de ligno vitae, quod est in Paradiso Dei mei.
ibidem 3, 21: Qui vicerit dabo ei sedere mecum in throno meo.
7. Prov. 2, 3-5 : Si enim sapientiam invocaveris et inclinaveris cor tuum prudentiae,
Si quaesieris eam quasi pecuniam et sicut thesauros effoderis illam, tunc intelliges timo­
rem Domini et scientiam Dei invenies.
8. Cf. T u r b a P h ilo s o p h o r u m ed. J . Ruska, Berlin 1931 (Springer) p. 132: Omnes
huius scientiae investigatores operis nummi et auri arcanum est tenebrosa vestis et nemo
novit, quae philosophi in libris suis narraverunt absque lectionum et tentationum fre­
quentatione ac sapientum inquisitione.
9. Cantic. 4, 7: Tota pulchra es amica mea et macula non est in te. Cf. Ordo missae
p. 540: Tota pulchra es, Maria: et macula originalis non est in te.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA 51

beine erschrocken 3. D ah er habe ich m ich m üde geschrien in allen N ä c h ­


ten, m ein H als ist heiser gew orden: W e r ist der M ensch, der da lebt,
wissend und verstehend, und der m eine Seele aus der H an d der U n te r­
w elt errettet4? W e r m ich erleuchtet, w ird das [e w ig e ] Leben h ab en *,
und ich w ill ihm zu essen geben von dem H olz des Lebens, das im P a ra ­
diese ist und ihn teilhaben lassen am T h ro n meines R e ich e s34567. W e r m ich
ausgräbt wie Silber und m ich erw irbt wie einen Schatz 7 und die T rän en
m einer A ugen nicht trübt und m ein G ew and nicht v e rsp o tte t89 und
m eine Speise und T ran k nicht v ergiftet und m ein R uhelager nicht durch
H urerei entw eiht und auch m einem K ö rp er, der sehr zart ist, nicht G e­
w alt antut und vor allem , w er m eine Seele, die ohne Bitterkeit ganz
schön und rein ist, und an der sich kein M akel findet nicht verletzt,
und m eine Sitze und T h ro n e nicht beschädigt - er, nach dessen Liebe ich
lechze, in dessen G lut ich zerfließe, von dessen D u ft ich lebe und an
dessen G eschm ack ich gesunde; von dessen M ilch ich m ich nähre, und
in dessen Liebesum arm ung m ein ganzer Leib vergeht - , ihm w erde ich

3. Ps. 38, 4 -6 : Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor deinem Drohen und
ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde. . . Meine Wunden stinken und
eitern vor meiner Torheit.
Ps. 6, 3-4 : Herr sei mir gnädig, denn ich bin schwach, heile mich Herr, denn meine
Gebeine sind erschrocken und meine Seele ist sehr erschrocken (wörtl. verwirrt).
4. Ps. 89, 49: W o ist jemand, der da lebt und den Tod nicht sähe? der seine Seele
errette aus des Todes Hand (wörtl. aus der Hand der Unterwelt) ?
5. Jesus Sirach 24, 30-31: W er mir gehorcht, der wird nicht zu Schanden, und
wer mir folgt, der wird unschuldig bleiben (wörtl. wer in mir seine Werke tut, wird
nicht sündigen, die mich erleuchten, werden das ewige Leben haben). Meßbuch p. 727.
6. Offenb. 2, 7: W er überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Holz des
Lebens, das im Paradiese Gottes ist.
ebenda 3, 21: W er überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl
(Thron) zu sitzen . . .
7. Sprüche 2, 4 -5 : So du sie (die Weisheit) suchest wie Silber und nach ihr for­
schest (wörtl. sie ausgräbst), wie nach Schätzen, alsdann wirst du die Furcht des Herrn
verstehen und Gottes Erkenntnis finden.
8. Vgl. T u r b a P h ilo s o p h o r u m ed. J. Ruska, Berlin 1931, p. 207: Alle Erforscher
dieser Wissenschaft, das Geheimnis des Silbers und des Goldes ist ein dunkles Gewand
und niemand lernt verstehen, was die Philosophen in ihren Büchern erzählt haben,
ohne häufiges Lesen und Anstellen von Versuchen und Befragung der Weisen.
9. Hohes Lied 4, 7: Du bist allerdings schön, meine Freundin, und ist kein Flecken
(wörtl. Makel) an dir. Meßbuch p. 540: Ganz schön bist du Maria, und der Makel der
Erbsünde ist nicht in dir.
52 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

vero ero in p atrem et ipse m ihi in filiu m IO, sapiens, qui laetificat p at­
r e m 11, hunc quem prim um pono et excelsum prae regibus terrae et in
aeternum servabo illi testam entum m eum fid e le I21345. Si autem dereliquerit
legem m eam *3 et in viis meis non am bulaverit et m andata praedicta non
custodiverit, [ n i l ] proficiet inimicus in eo et filius iniquitatis [ n o n ] ap ­
ponet nocere i l l i 14, si autem in viis meis am bulaverit, tunc non tim ebit a
frigoribus nivis. Om nibus enim dom esticis suis erit indum entum u , bys­
sus et purpura et ridebit in die illa dum satiabor et apparuerit glo ria m ea,
quia consideravit semitas meas et panem otiosum non c o m e d itl6. Ideo

2.-3. terrae in aeternum. Servabo MP, «terrae et» om. V / 3.-4. «dereliquerit legem
meam et» om. MPV, dereliquerunt L / 4. «et mandata . . . in viis meis ambulaverit»
om. M PV / ambulaverint L / 7. nivis: o nobis MP, o vobis V, nimis L, om. B / 9. quia:
qui PV /

10. Hebr. 1, 5: Ego ero illi in patrem et ipse erit mihi in filium, item I Chron. 17, 13.
Cf. Ordo missae p. 83. Cf. item: Apoc. 21, 7: Qui vicerit, possidebit haec, et ero illi
Deus et erit mihi filius. Cf. A lphidius in Petrus B onus: Pretiosa Margarita novella,
1. c. p. 40: Adhuc etiam noverunt quod deus fieri debebat homo, quia in die novissima
huius artis in qua est operis complementum generans et generatum fiunt omnino unum:
et senex et puer et pater et filius fiunt omnino unum. Cf. item T u r b a T h ilo s , ed.
Ruska 1. c. p. 161: Dico quod ille senex de fructibus arboris comedere non c e s s a t...
quousque senex ille iuvenis fia t. . . ac pater filius factus est.
11. Prov. 29, 3: Vir qui amat Sapientiam laetificat patrem suum.
12. Ps. 88, 27-28: Ipse invocabit me: Pater meus es tu: Deus meus et susceptor
salutis meae. Et ego primogenitum ponam illum excelsum prae regibus terrae. In aeter­
num servabo illi misericordiam meam et testamentum meum fidele ipsi.
13. Ps. 88, 31-33: Si autem dereliquerint filii eius legem meam et in iudiciis meis non
ambulaverint, si iustitias meas profanaverint et mandata mea non custodiverint, visitabo
in virga iniquitates eorum . . .
14. Ps. 88, 22-23: Manus enim mea auxiliabitur ei et bracchium meum confortabit
eum. Nihil proficiet inimicus in eo et filius iniquitatis non apponet nocere ei. Cf. Ordo
missae p. (4 ).
15. Prov. 31. 21-22: Non timebit domui suae a frigoribus nivis, omnes enim dome­
stici eius vestiti sunt duplicibus. Stragulatam vestem fecit sibi, byssus et purpura indu­
mentum eius. Cf. Ordo missae p. [6 6 ].
16. Prov. 31, 25-27: . . . et ridebit in die novissimo, os suum aperiet sapientiae et
lex clementiae in lingua eius. Consideravit semitas domus suae et panem otiosa non
comedit. Cf. Ordo missae p. [6 7 ].
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 53

V ater sein, und er w ird m ir Sohn s e in I0; weise ist, w er den V ater er­
freu t11, ihn, den ich zum Ersten m ache zuallerhöchst v or den K ön ig en auf
E rd en und dem ich ew iglich m einen Bund bew ahren w e rd e I2. W o er
aber m ein G esetz verläß t d und nicht in m einen O rdnungen w andelt
und m eine erw ähnten G ebote nicht h ält, so soll ihn der F ein d über­
w ältigen, und der Sohn der Bosheit soll ihm durch seinen W id erstan d
schaden *4. W e n n er hingegen in m einen O rdnungen w andelt, so w ird
er die K älte des Schnees nicht fürchten, denn seine H ausgenossen w er­
den K leid er haben, Leinw and und P u rpur U n d an jenem T a g e w ird
er lachen, da ich gesättigt sein w erde und m ein R uhm zutage treten
w ird, weil er auf m eine W e g e A ch t hatte und nicht das B ro t der F a u l­
heit aß l6. D ah er w urden die H im m el über ihm auf getan, und wie D on -

10. Hebr. 1, 5: Ich werde sein (wörtl. ihm) Vater und er wird mein (wörtl. mir)
Sohn sein, ebenso I Chron. 17, 13. Vgl. Meßbuch p. 83. Vgl. ferner Offenb. 21, 7: W er
überwindet, der wird es alles erben und ich werde sein (wörtl. für ihn) Gott sein und
er wird mein (wörtl. für mich) Sohn sein. Vgl. A lphidius in P etrus B onus: Pretiosa
margarita novella a. a. O. p. 40: Sie (die Alten) wußten auch, daß Gott Mensch werden
mußte, weil am jüngsten Tag dieser Kunst, an dem die Vollendung des Werkes ist,
das Erzeugende und das Erzeugte völlig Eines werden: der Greis und der Knabe, der
Vater und der Sohn werden völlig Eines. - Vgl. T u r b a P h ilo s . ed. J . Ruska, p. 246:
Ich sorge, daß jener «Greis» von den Früchten jenes Baumes nicht aufhört zu essen . . .
bis jener Greis ein Jüngling wird . . . sodaß der Vater zum Sohn geworden ist.
11. Sprüche 29, 3: W er Weisheit liebt, erfreut seinen Vater . . .
12. Ps. 89, 28-29: Und ich will ihn zum ersten Sohn machen allerhöchst unter den
Königen auf Erden. Ich will ihm ewiglich bewahren meine Gnade und mein Bund soll
ihm fest bleiben.
13. Ps. 89, 31-33: W o aber seine Kinder mein Gesetz verlassen und in meinen
Rechten nicht wandeln, so sie meine Ordnungen entheiligen und meine Gebote nicht
halten, so will ich ihre Sünde mit der Rute heimsuchen . . .
14. Ps. 89, 22-23: Meine Hand soll ihn erhalten und mein Arm soll ihn stärken.
Die Feinde sollen ihn nicht überwältigen und die Ungerechten sollen ihn nicht dämpfen
(wörtl. Nichts wird der Feind an ihm vermögen, der Sohn der Bosheit ihm nicht scha­
den). Meßbuch p. [ 4 ] .
15. Sprüche 31, 2 1 -22: Sie fürchtet nicht für ihr Haus, nicht den Schnee (wörtl. die
Kälte des Schnees), denn ihr ganzes Haus (wörtl. alle ihre Hausgenossen) hat zwie­
fache K leid er. . . feine (wörtl. weiße) Leinwand und Purpur ist ihr Kleid. Meß­
buch p. [6 6 ].
16. Sprüche 31, 2 5 -27: Kraft und Schöne sind ihr Gewand und sie lacht des kom­
menden Tages (wörtl. sie wird lachen am letzten Tage). Sie schaut wie es in ihrem
Hause zugeht und ißt ihr Brot nicht mit Faulheit (wörtl. sie hatte Acht auf den Wandel
ihres Hauses und aß ihr Brot nicht müßig). Meßbuch p. [6 7 ].
54 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

aperti sunt coeli super eum et v o x intonuit *7 illius, qui habet septem
stellas in m anu s u a 17l81920, qui sunt septem spiritus missi in om nem terram
praedicare et testificari. Q ui crediderit et bene baptizatus fu erit salvus
erit, qui vero non crediderit, condem nabitur. Signa autum eorum , qui
crediderint et bene baptizati fuerint sunt haec dum discernit coelestis
rex super eos ^ a, nive dealbabuntur in Selm on et pennae colum bae d ear­
gentatae et posteriora dorsi eius in pallore auri 2°. T alis erit m ihi filius
d ilectu s21 ipsum videte, speciosum fo rm a p rae filiis h o m in u m 2223, cuius
pulchritudinem Sol et L una m ira n tu r22a. Ipse vero est privilegium am o­
ris et heres in quem confidunt hom ines 23 et sine quo nihil possunt facere.
Q ui autem aures habet audiendi audiat, quid dicat spiritus doctrinae

3. testificare MPL, om. B / 4. eos PL / 5. «sunt» om. L / discurit MP, cernit L /


6. «eos» coni, eam DL, eum MPV / dealbuntur L, dealbantur M / Salomon D, Selo-
men M / 7. mihi: noster D / 8. spectaculum fore M, om. B / pro D / 9. admiratur D /
9.-10. amoris: amborum P, amborum amorum M / 10. sine quo nihil potest fieri sine
quo nihil possunt (V : potes) facere MPV /

17. Apoc. 4, 1: . . . ecce ostium apertum in caelo et a vox prima, quam audivi tam­
quam tubae loquentis mecum dicens . . . Cf. Ps. 17, 14: Intonuit de coelo Dominus et
Altissimus dedit vocem suam et apparuerunt fontes aquarum. Cf. Ordo missae p. 376.
18. Apoc. 1, 4: . . . et a septem spiritibus, qui in conspectu throni eius sunt.
1 ,6 : . . . et habebat in dextera sua stellas septem . . .
2, 1: Haec dicit, qui tenet septem stellas in dextera su a. . .
3, 1: Haec dicit, qui habet septem Spiritus Dei et septem stellas . . .
19. Mare. 16, 16-17: Qui crediderit et baptizatus fuerit salvus erit, qui vero non cre­
diderit condemnabitur. Signa autem eos, qui crediderint haec sequentur: In nomine meo
daemonia eiicient. . . Cf. Ordo missae p. 358.
20. Es muß sich eher um eine Mehrheit handeln, da eine solche sowohl im vorherge­
henden wie nachfolgenden Satze vorausgesetzt ist. Es handelt sich wohl um die Vorstel­
lung eines postmortalen, verklärten Zustandes, in welchem die Erlösten als Jungfrauen
(Taube) dem Lamme folgen. (Vgl. Apoc. 7, 14: . . . et laverunt stolas suas et dealba­
verunt eas in sanguine Agni, - und Apoc. 14, 4: Virgines enim sunt. Hi sequuntur
Agnum . . .)
21. Ps. 67, 14-15: Si dormiatis inter medios cleros pennae columbae deargentatae
et posteriora dorsi eius in pallore auri. Dum discernit coelestis reges super eam nive
dealbabuntur in Selmon Mons Dei mons pinguis . . . Vielleicht eine Anspielung auf die
«Columba deargentata» des H ugo v . St . V ictor , Migne, P. L. tom. 177 col. 17 fif.
Libellus cuiusdam ad Rainerum corde benignum qui Columba deargentata inscribitur.
Incipit de tribus columbis: Si dormiatis inter medios cleros . . .
21. Cant. 5, 16: . . . talis est dilectus meus . . .
22. Ps. 44, 3: (Epithalamium christianum, sponsus Christus): Speciosus forma prae
filiis hominum. Cf. Ordo missae p. 101.
22a. Cf. H onorius v . Autun , Expos, in Cant. P. L. 172 col. 380: mirantur.
23. Baruch 3, 18: . . . et aurum, in quo confidunt homines. Cf. Ordo missae p. 363.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 55

n er ertönte die Stim m e *7 Jenes, der da die sieben Sterne in seiner H and
hält, welches die sieben G e is te r 18 sind, die in alle W e lt ausgesandt w ur­
den, um zu weissagen und Zeugnis abzulegen. W e r da glaubt und rich ­
tig g etau ft w urde, der w ird selig w erden, w er aber nicht glaubt, der
w ird verdam m t w erden. D ie Zeichen derjenigen aber, die da geglaubt
haben und richtig getau ft w orden sind, sind d ie 1? (w en n der him m lische
K ö n ig über sie r ic h te t): vom Schnee w erden sie w eiß w erden am Z al-
m on und die Fed ern der T aube silberglänzend und ihre Schw ingen h in ­
ten am Rücken im G oldglanz stra h le n d 20. E in solcher w ird m ein g e ­
liebter Sohn se in 21, sehet ihn an, w ie er schön an G estalt ist vor allen
M en sch en k in d ern 22, ihn, den Sonne und M ond bewundern. E r ist aber
das V o rrech t der Liebe und der Erb e, auf den die M enschen ihr V e r­
trauen setzen 23 und ohne den sie nichts tun können. W e r aber O hren
hat zu hören, der höre, was der G eist der W issensch aft den Söhnen der

17. Offenb. 4, 1: Darnach sah ich und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel und
die erste Stimme, die ich gehört hatte mit mir reden wie eine Posaune, die sprach:
. . . Vgl. Ps. 17, 14: Vom Himmel donnerte der Herr, da zeigten sich Wasserquellen.
Meßbuch p. 376.
18. Offenb. 1, 4: . . . und der da kommt und von den sieben Geistern, die da sind
vor seinem Stuhl.
1, 16: . . . und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand . . .
2, 1: Das sagt, der da hält die sieben Sterne in seiner Rechten . . .
3, 1: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne . . .
19. Mark. 16, 16-17: W er da glaubet und getauft wird, der wird selig werden, wer
aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die da folgen werden
denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie Teufel austreiben. . .
Meßbuch p. 693.
20. Ps. 68, 14-15: Wenn ihr zwischen den Hürden läget, so glänzte es wie der Taube
Flügel, die wie Silber und Gold schimmern. Als der Allmächtige die Könige im Lande
zerstreute, da ward es helle wo es dunkel war . . . (Zürcher B ibel): Flügel der Taube
überzogen mit Silber und ihre Schwingen mit gelbem Golde! Als der Allmächtige
Könige daselbst zerstreute, fiel Schnee auf dem Zalmon. Ein Gottesberg ist der
Basansberg . . .
Vgl. Offenb. 7, 14: . . . und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider
hell (wörtl. weiß) gemacht im Blut des Lammes. Und 14, 4: . . . denn sie sind Jung­
frauen, und folgen dem Lamme nach, wohin es geht.
21. Hohes Lied 5, 16: Ein solcher ist mein Freund; mein Freund ist ein solcher,
ihr Töchter Jerusalems!
22. Ps. 45, 3: Du bist der Schönste unter den Menschenkindern (wörtl. an Gestalt
vor den Menschenkindern), holdselig sind deine Lippen . . . Meßbuch p. 101.
23. Baruch 3, 17: . . . und Gold . . . darauf die Menschen ihr Vertrauen setzen. Meß­
buch p. 363.5

5 Jung: Mysterium III


56 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

filiis d iscip lin ae*12345* de septem stellis, quibus opus divinum peragitur. Quas
Senior trad it in libro suo, capitulo Solis et Lunae, dicens: Postquam
feceris illa septem quae divisisti per septem stellas (e t dedisti septem stel­
lis) <et> novies purgasti donec videantur m argaritae (in sim ilitudine)
haec est d ealb atio 2

V II. P A R A B O L A S E C U N D A D E D IL U V IO
A Q U A RU M E T M O RTE,
Q U A M F E M IN A IN T U L IT E T F U G A V IT

uando conversa fuerit ad me multitudo maris1 et torrentes inunda-


V y verunt2 super faciem meam et sagittae pharetrae meae sanguine ine­
briatae fuerint 3 et torcularia mea optimo vino fragraverint* et horrea mea
frumento tritici repleta fuerint et sponsus cum decem virginibus sapien­
tibus in thalamum meum introierit * et postea venter meus a tactu dilecti

1. percipitur L, tradidit BV, om. MP / 3. feras illas P, feras illa M / «divisisti» coni,
dividisti D, dimisisti MPVBL / et dedisti opem stellis M, et septem dedisti septem
stellis D, om. B / 4. novem D (der arab. Text: novem statt septem) / purgati M, com-
purgasti L, purgasti eas B / in similitudinem D, om. M PV / 5. dealbo M, dealbationem
D / 10. et pharetrae MP, om. L / sanguineae M PV / 11. inebriati D / «fuerint» om.
M PV / fragraverunt MPL / 12. frumenti MPV, frumentis B / repletum fuerit L, repleta
fuerit M / sponsum MP /13. «in» om. BDL / introiverit DL / tacta MP /

24. Apoc. 2, 7: Qui habet aurem audiat, quid Spiritus dicat Ecclesiis: . . . Cf. Math.
11, 15: Qui habet aures audiendi audiat. . .
25. Cf. S enior : De Chemia, 1. c. p. 10/11: Posteaquam feceris illa septem quae divi­
sisti per septem stellas purgasti et hoc tritum minute donec videantur sicut margaritae
in similitudinem, haec est dealbatio. Cf. Memoirs of the Asiatic Society of Bengal. Stap -
leton . Bd. X II, p. 149-150.
1. Jes. 60, 5: Tunc videbis et afflues, mirabitur et dilatabitur cor tuum, quando con­
versa fuerit ad te multitudo maris fortitudo Gentium venerit t ib i. . . Cf. Ordo
missae p. 109.
2. Ps. 77, 20: Quoniam percussit petram et fluxerunt aquae et torrentes inundaverunt.
Cf. Jona 2, 3 -6 : . . . de ventre inferi clamavi et exaudisti vocem meam. Et proiecisti me
in profundum, in corde maris et flumen circumdedit me . . . Omnes fluctus tui super me
transierunt. . . circumdederunt me aquae usque ad animam, abyssus vallavit me pelagus
operuit caput meum . . .
3. Deut. 32, 42: Inebriabo sagittas meas sanguine . . .
4. Prov. 3, 10: . . . e t implebuntur horrea tua et vino torcularia redundabunt.
Cf. Ordo missae p. 437, et Joel 2, 24, Ordo missae p. 383.
5. Cf. Math. 25, 1 et sq.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 57

L eh re von den sieben Sternen sagt 24, durch die das göttliche W e rk v oll­
bracht w ird. V o n diesen spricht S e n i o r in seinem B uch, im K ap itel von
Sonne und M ond folgen d erm aß en : N ach d em du jene Sieben 24% die du
durch die sieben Sterne eingeteilt und den sieben Sternen zugeordnet
hast, hergestellt hast, und sie neunm al g erein igt hast, bis daß sie aus-
sehen w ie Perlen - das ist die W e iß u n g 2K

V II. D IE Z W E I T E P A R A B E L V O N D E R W A S S E R F L U T U N D
D E M T O D E , D E N D A S W E I B H E R E IN G E B R A C H T U N D A U C H
V E R T R IE B E N H A T

\ \ 7 Γ en n sich die M en ge des M eeres zu m ir gew andt h a t 1 und die


W Ström e sich über m ein A ntlitz ergossen h a b e n 2 und die P feile
m eines K öchers vom B lute trunken sein w erden 3, und w enn m eine K e l­
ter vom besten W e in e duften und m eine Scheunen m it W eizen g efü llt
sein w e rd e n 4? und w enn der B räutigam m it den zehn Ju n gfrau en in
m ein G em ach eingetreten ist 5, und darnach m ein Leib von der B e ­
rührung meines G eliebten angeschw ollen sein w ird, und w enn der Rie-

24. OfFenb. 2, 7: W er Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sag t. . .
Vgl. Math. 11, 15 usw.
24a. Nämlich Metalle.
25. Vgl. Senior : De Chemia a. a. O. p. 10/11; und Memoirs of the Asiatic Soc. of
Bengal, Vol. X II, p. 149-150: Nachdem du jene sieben (Metalle) hergestellt hast, die
du durch die sieben Sterne eingeteilt hast und sie gereinigt hast und zwar sorgfältigst
zerrieben, bis daß sie aussehen wie Perlen, das ist die Weissung.
1. Jes. 60, 5: . . . dein Herz wird sich wundern und ausbreiten, wenn sich die Menge
dem Meer (wörtl. des Meeres zu dir bekehrt (wörtl. gewandt) hat und die Macht der
Heiden zu dir kommt. Meßbuch p. 109.
2. Ps. 78, 20: Siehe er hat wohl den Felsen geschlagen, daß Wasser flössen und
Bäche sich ergossen . . .
Vgl. Jonas 2, 4: Du warfest mich in die Tiefe mitten im Meer, daß die Fluten mich
umgaben, all deine Wogen und Wellen gingen über mich.
3. Deut. 32, 42: Ich will meine Pfeile mit Blut trunken machen . . .
4. Sprüche 2, 10: So werden deine Scheunen voll werden und deine Kelter vom
Most übergehen (wörtl. vom Weine überströmen). Meßbuch p. 437 und Joel 2, 24,
Meßbuch p. 383.
5. Vgl. Math. 25, 1 ff.
58 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

i m ei intum uerit et pessulum ostii m ei dilecto apertum fu e rit67, et post­


quam iratus H erodes m ultos pueros in B ethlehem Ju d aeae occiderit et
Rachel omnes filios suos p loraverit 7 et lum en in tenebris exortu m fu e­
rit 89et Sol justitiae de coelo apparuerit 9, tunc veniet plenitudo tem poris,
s in qua D eus m ittet filium s u u m IO1, sicut locutus est, quem constituit h ere­
dem universorum , p er quem fecit et sa e c u la XI, cui d ixit olim : Filius meus
es tu, ego hodie genui t e 121345: cui m agi ab oriente tria m unera pretiosa
obtulerunt *3; in die illa, quam fecit D om inus, exultem us et laetem ur in
ea quia hodie afflictionem m eam D om inus u respexit et redem ptio-
io nem m is itl617, quia regnaturus est in Israel. H od ie m ortem quam foem ina
intulit foem ina fugavit et claustra inferni fracta sunt; m ors enim u ltra
non dom inabitur *7 nec portae inferi amplius praevalebunt adversus e a m l8,
quia drachm a decim a, quae perdita fu erat est inventa et ovis decim a ultra

1. intimuerit P / 2. iratus «fuerit» add. L / 2. Judaeae: iude M PV / occidit P /


4. tunc: dune MP / venierit M / 5. quo DL / «quem» om. L / 6. cui: qui PDLV /
10. Hodie: Homini D / 11. confracta BD / 12. dominabitur «illi» add. L / inferni vel
inferi VP, vel inferni M 2, inferni D / 13. ultra: atque MPV /

6. Cant. 5, 6: Pessulum ostii mei aperui dilecto meo, at ille declinaverat atque
transierat. . .
7. Cf. Math. 2, 16-18 et Ordo missae p. 98.
8. Ps. 111, 4: Exortum est in tenebris lumen rectis . . . C f. Ordo missae p. 721: Felix
es sacra Virgo Maria . . . quia ex te ortus est sol iustitiae Christus Deus.
9. Maleachi 4, 2: . . . et orietur vobis timentibus nomen meum Sol iustitiae.
10. Gal. 4, 4: At ubi venit plenitudo temporis, misit Deus Filius suum. Cf. Ordo
missae p. 101.
11. Hebr. 1, 2: Novissime diebus istis locutus est nobis in Filio, quem constituit
heredem universorum, per quem fecit et saecula . . . Cf. Ordo missae p. 82. Cf. A vicenna
Declaratio Lapidis PhysicPFilio suo Aboali. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 876.
12. Hebr. 1, 5: Cui enim dixit aliquando Angelorum: Filius meus es tu, ego hodie
genui te. Cf. Ordo missae p. 72.
13. Cf. Math. 2, 11.
14. Ps. 117, 24: Haec dies, quam fecit Dominus exultemus et laetemur in e a . . .
Cf. Ordo missae p. 316, 329.
15. Cf. Gen. 31, 42 (Jacob): afflictionem m e a m ... respexit Deus.
16. Ps. 110, 9: Redemptionem misit populo suo . . . Cf. Ordo missae p. 341.
17. Rom. 6, 9: Scientes quod Christus resurgens ex mortuis iam non moritur, mors
illi ultra non dominabitur. Cf. Ordo missae p. 326, 344.
18. Math. 16, 18: . . . e t super hanc petram aedificabo ecclesiam meam et portae
inferi non praevalebunt adversus eam . . . Cf. Ordo missae p. 510.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 59

gel m einer T ü re fü r m einen G eliebten geöffnet w orden i s t 67, und nach­


dem H erodes in seinem Z o rn e viele K in d er von B ethlehem in Judaea
erm ordet, und R achel all ihre K in d er beweint haben w ird 7, und w enn
das L ich t in der Finsternis auf gegangen i s t 89und die Sonne der G erech ­
tigkeit vom H im m el erschienen sein w ird dann w ird die Z eit erfüllet
sein, in der G ott seinen Sohn senden w ir d IO, w ie er gesagt hat, w elchen
er gesetzt h at zum Erben über alles, durch w elchen er auch die W e lt
gem ach t h a t 11 (u n d ) zu dem er einst sprach: «D u bist m ein Sohn, heute
habe ich dich g e z e u g t 121
345»; dem auch die M ag ier vom M orgen lan de drei
kostbare G aben darbrachten *3. A n jenem T a g e , den der H e rr gem acht
hat, lasset uns freuen und fröh lich darinnen sein w eil heute der H e rr
m ein E len d angesehen h a tu und die E rlösun g s a n d te 16, da er herrschen
w ird in Israel. H eu te h at das W e ib den T o d , den es hereinbrachte, auch
w ieder vertrieben, und die R iegel der H ö lle sind zerbrochen. D e r T o d
w ird näm lich h in fo rt nicht herrschen i7, und die P fo rten der H ölle sollen
sie fürderhin nicht ü b erw ältigen 18; denn die zehnte D rach m e, welche v er­
loren w ar, ist gefunden, und das hundertste Schaf ist in der W ü ste wie-

6. Hohes Lied 5, 6: Da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg (wörtl. Ich
habe den Riegel meiner Tür dem Geliebten geöffnet, doch er war weg.)
7. Vgl. Math. 2, 16-18 und Meßbuch p. 98.
8. Ps. 112, 4: Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis. Vgl. Meßbuch
p. 721: Selig bist du heilige Jungfrau Maria, weil aus dir ist aufgegangen die Sonne
der Gerechtigkeit, Christus unser Gott.
9. Maleachi 4, 2: Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne
der Gerechtigkeit. . .
10. Gal. 4, 4: Da aber die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von
einem Weibe . . . Meßbuch p. 101.
11. Hebr. 1, 2: . .. h a t er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den
Sohn, welchen er gesetzt hat zum Erben über alles, durch welchen er auch die W elt
gemacht hat. Meßbuch p. 82. Vgl. A vicenna : Declaratio Lapidis Physici Filio Aboali.
Theatr. Chem. 1659, IV, p. 876.
12. Hebr. 1, 5: Denn zu welchem Engel hat er jemals gesagt: Du bist mein Sohn,
heute habe ich dich gezeugt. Meßbuch p. 72.
13. Vgl. Math. 2, 11.
14. Ps. 118, 24: Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, lasset uns freuen und
fröhlich darinnen sein . . . Meßbuch p. 316, 329.
15. Gen. 31, 42: Aber Gott hat mein Elend und meine Mühe angesehen.
16. Ps. 111, 9: Er sendet eine Erlösung seinem V o lk e ... Vgl. Meßbuch p. 341.
17. Röm. 6, 9: . . . und wissen, daß Christus von den Toten erweckt, hinfort nicht
stirbt, der Tod wird hinfort über ihn nicht herrschen. Meßbuch p. 326, 344.
18. Math. 16, 18: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine
Gemeinde und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Meßbuch p. 510.
60 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA

i nonaginta in deserto est restaurata et num erus fratru m nostrorum de


lapsu angelorum est plenarie integratus *?. O portet te ergo hodie fili g au ­
dere, quia amplius non erit clam or neque ullus dolor, quoniam priora
tran sieru n t20. Q ui habet aures audiendi audiat quid dicat spiritus doc-
5 trinae filiis disciplinae de foem ina quae m ortem intulit et fugavit, quod
philosophi innuunt his verbis: A u fer ei anim am et redde ei anim am ,
quia corruptio unius est generatio a lte riu s21 hoc est: priva ipsum hum ore
corrum pente et augm enta hum ore connaturali, p er quod erit ipsius p e r­
fectio et vita.

I0 V III. P A R A B O L A T E R T I A
D E PO RTA A ER EA E T V EC TE FERREO
C A P T IV IT A T IS B A B Y L O N I C A E

u i portas aereas et vectes meos ferreos c o n fre g it*1 candelabrum

Q quoque m eum de loco suo m o v e rit23nec non vincula carceris tene-


iy brositatis dirupuerit atque anim am m eam esurientem , quae cucurrit in
siti oris sui adipe frum enti et <de> petra m eile cibaverit 3 ac peregrina-

1. nonaginta: nona MPV, de qua L / 6. Infer L / 7. hoc est priva ipsum: hoc primo
cum L, corr. L2 / 7.-8. humorem corrumpentem M PV / 8. «cum» humore add. L / cum
naturali MP / 11. ferrae L / 13. meas ferreas DL / 15. disrumpit M PB / 15.-16. in siti:
in sit M / 16. «de» coni. / cibavit M PV / atque DL /

19. Cf. Luc. 15, 1-10; Cf. item Ordo missae p. 414-415.
20. Apoc. 21, 4: . . . et mors ultra non erit neque luctus neque clamor, neque dolor
erit ultra, quia prima abierunt. Cf. Ordo missae p. [7 3 ].
21. Cf. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chemica, 1566, p. 259: Quia corruptio unius est
generatio alterius secundum Philosophos. Stammt aus dem arab. Tractat: Le livre de
la terre et de la pierre, B erthelot: Chimie du Moyen Age, III, p. 223. Wird u. a.
zitiert von T homas v . Aquino, Summa Pars I qu. 118 art. II, und A lbertus M agnus,
De lapide Philosoph. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 355.
1. Jes. 45, 2-3 : Ego ante te ibo et gloriosos terrae humiliabo: portas aereas conteram
et vectes ferreos confringam et dabo tibi thesauros absconditos et arcana secretorum . . .
Cf. Ordo missae, p. 61.
2. Apoc. 2, 5: Venio tibi et movebo candelabrum tuum de loco suo, nisi poeniten­
tiam egeris.
3. Ps. 80, 17: Et cibavit eos ex adipe frumenti et de petra meile saturavit eos.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 61

der heim geholt, und die Z ah l unserer B rüd er vom Engelssturz ist w ieder
vollständig ergänzt w orden *9. A lso sollst du dich heute freuen, m ein
Sohn, denn h in fo rt w ird keine K la g e noch Schm erz m eh r sein, denn
alles Frü h ere ist vergangen 2°. W e r O hren h at zu hören, der höre was
der G eist der L eh re den Söhnen der W issensch aft sagt, von dem
W e ib , das den T o d hereinbrachte und ihn vertrieb, was die P h ilo ­
sophen m it folgenden W o rte n andeuten: N im m ihm die Seele w eg und
gib ihm die Seele w ieder zurück, denn die Zersetzung des Einen ist die
E rzeu gu n g des A n d e rn 19202I, das bedeutet: beraube ihn seiner zersetzenden
Feuchtigkeit und m ehre ihn m it seiner ihm von N a tu r eigenen F eu ch tig ­
keit, w odurch seine V ollen d u ng und sein Leben entstehen w ird.

V III. D IE D R I T T E P A R A B E L
V O M E H E R N E N T O R U N D D E M E IS E R N E N R IE G E L
D ER B A B Y L O N IS C H E N G E F A N G E N S C H A F T

meine ehernen P fo rte n sprengt und m eine eisernen R iegel

W
er

z e rb rich t1 und auch m einen Leuchter von seiner Stätte b e w e g t2


und die Fesseln meines K erkers der Finsternis sprengt und m eine lech­
zende Seele, die dahineilt im D u rst ihres M undes, m it dem M ark e des
W eizens und m it H o n ig aus dem Felsen speist 3, und w er m einer W a n -

19. Vgl. Lukas 15, 1-10 und Meßbuch p. 414-415.


20. Offenb. 21, 4 -5 : . . . und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei,
noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen. Meßbuch p. [7 3 ].
21. Vgl. C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars Chemica 1566, p. 259. Das Wort stammt aus dem
arab. «Buch über die Erde und den Stein». M. B erthelot : Chimie du Moyen Age,
III, p. 223.
1. Jes. 45, 2-3 (Meßbuch p. 6 1 ): Ich werde vor dir hergehen und die Herrlichkeiten
der Erde demütigen, eherne Pforten sprengen und eiserne Riegel zerbrechen. Und ich
gebe dir versteckte Schätze . . .
2. Offenb. 2, 5: W o aber nicht, werde ich dir bald kommen und deinen Leuchter
wegstoßen von seiner Stätte, wo du nicht Buße tust.
3. Ps. 80, 17: . . . und ich würde sie mit dem besten Weizen (wörtl. dem Mark des
Weizens) speisen und mit Honig aus dem Felsen sättigen. Meßbuch p. 374.
62 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA

tioni m eae g ran de coenaculum praeparaverit 4, u t in pace dorm iam et


requiescant super m e septem dona spiritus sancti [m is e ritu s ]. Q uia con ­
gregabunt m e de universis terris, ut effundant super m e aquam m u n ­
dam 5, et m undabor a delicto m axim o et a daem onio m e rid ia n o 4567, quia a
planta pedis usque ad verticem [ca p itis] non est (in v en ta) sanitas 7. Ideo
ab occultis et ab alienis sordibus meis m e m u n d ab u n t89, postea om nium
iniquitatum m earum non recordabor, quia u n xit m e D eus oleo laetitiae 9
ut inhabitet in m e virtus penetrationis et liquefactionis in die resurrec­
tionis m e a e 10, quando ( a ) D eo g lo ria b o rI]C. Q uia generatio haec advenit
et p ra e te rit12 donec veniat qui m ittendus est *3 qui et au fert iugum cap ti­
vitatis nostrae, in qua sedebamus septuaginta annis super flumina Baby-

1. praeparavit M PV / 2. quiescam M VD, quiescunt L, requiescam P / «super me


septem» om. DL / «miseritus» add. D / 3. ut: et M PV / 4. emundabor M VBDL / «a»
daem. om. BDL / 5. «capitis add. B / «inventa» om. M PVB / 8.-9. refectionis M PV /
9. quando: quantum MPDL, cum B / «a» add. D, cum V / Domino DL /

4. Luc. 22, 12: (Paschamahl) Et ipse ostendet vobis coenaculum magnum stratum
et ibi parate . . .
5. Ezech. 36, 25: Congregabo vos de universis terris et adducam vos in terram
vestram. Et effundam super vos aquam mundam et mundabimini ab omnibus iniqua-
mentis vestris . . . Cf. Ordo missae p. 364.
6. Ps. 90, 6: . . . non timebis . . . ab incursu et daemonio meridiano . . . Cf. Ordo
missae p. 159.
7. Jes. 1, 6: A planta pedis usque ad verticem non est in eo sanitas . . .
8. Ps. 18, 13-14: Ab occultis meis munda me Domine et ab alienis parce servo tuo.
9. Ps. 44, 8: Propterea unxit te Deus Dominus tuus oleo laetitiae prae consortibus
tuis . . . Cf. Ordo missae p. 679.
10. Cf. Ordo missae 1. c. p. 334: Alleluja, Alleluja. Vgl. Math. 28: In die resurrec­
tionis meae dicit Dominus, praecedam vos in Galileam. Vgl. Joh. cap. 20: Post dies
octo ianuis clausis, stetit Jesus in medio discipulorum suorum et dixit: Pax vobis.
Alleluja.
11. Cf. Pretiosa Margarita novella, 1. c. p. 39: Unde dicit Rasis in quadam epistola:
Cum hoc autem scilicet lapide rubeo magnificaverunt se philosophi super alios et
vaticinati sunt futura . . . Ita quod cognoverunt diem iudicii et consumationis saeculi
debere venire et mortuorum resurrectionem in ipsa, in qua una quaeque anima suo
primo corpori coniungetur et de caetero ab invicem non separabuntur in perpetuum. Et
erit tunc omne corpus glorificatum ad incorruptibilitatem translatum et ad luciditatem
et subtilitatem fere incredibilem et penetrabit omne solidum, quia eius natura tunc erit
natura spiritus sicut corporis.
12. Eccl. 1, 4: Generatio praeterit et generatio advenit; terra autem in aeternum stat.
13. Gen. 49, 10: Non auferetur sceptrum de Juda et dux de femore eius, donec
veniat, qui mittendus est et ipse erit expectatio gentium . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 63

derung einen g roß en Speisesaal bereitet 4, dam it ich in Fried en ruhen


kann, und die sieben G aben des H eiligen Geistes über m ir ruhen, der
h at sich m einer erbarm t. D en n m an w ird m ich von allen Landen her
sam m eln, um reines W a sse r über m ich zu sprengen, auf daß ich rein
w erde * von größ tem V ergeh en und v om D äm on des M itta g s 6, denn
von d er Fuß soh le bis aufs H au p t ist nichts Gesundes an m ir gefunden 7.
So also w ird m an m ich von m einer verborgenen und nicht zugehörigen
F eh l re in ig e n 8 und dann w erde ich m ich an all m eine Sünden nicht m ehr
erinnern, da m ich G ott gesalbt hat m it Freu den öl *, auf daß die F ä h ig ­
keit des Eindringens und des Verflüssigens in m ir w ohne am T a g e m ei­
n er A u fe rste h u n g IO, w enn ich in G ott verherrlicht sein w e rd e 11. D enn
dies G eschlecht k om m t und v e rg e h tI2, bis derjenige kom m t, d er gesandt
w erden soll *3, und aufhebt das Jo ch m einer G efangenschaft, in der w ir

4. Luk. 22, 12: (Paschamahl) Und er wird euch einen großen Saal zeigen, der mit
Polstern versehen ist; daselbst bereitet es.
5. Hesekiel 36, 24-25: Denn ich will euch aus den Heiden holen und euch aus
allen Landen versammeln und wieder in euer Land führen. Und will reines Wasser über
euch sprengen, daß ihr rein werdet; von allen euren Unreinigkeiten und von allen
euren Götzen will ich euch reinigen. Meßbuch p. 364.
6. Ps. 91, 6: (und du wirst dich nicht fürchten) vor der Pestilenz, die im Finstern
schleicht und vor der Seuche, die im Mittag verderbt (wörtl. dem Daemon des Mit­
tags) . . . Meßbuch p. 159.
7. Jes. 1, 6: Von der Fußsohle bis aufs Haupt ist nichts Gesundes an ihm . . .
8. Ps. 19. 13-14: Verzeihe mir (reinige mich von) die verborgenen Fehle! Bewahre
auch deinen Knecht vor den Stolzen (= Fremden) . . .
9. Ps. 45, 8: Darum hat dich Gott, dein Gott, gesalbt mit Freudenöl mehr denn
deine Gesellen. Meßbuch p. 679.
10. Vgl. Meßbuch a. a. O. p. 334: Math. 28: Am Tage meiner Auferstehung, spricht
der Herr, will ich euch vorangehen nach Galilaea, Alleluja V. (Joh. c. 20) Nach acht
Tagen da die Türen verschlossen waren, stand Jesus in der Mitte seiner Jünger und
sprach: Friede sei mit euch! Alleluja.
11. Vgl. Pretiosa Margarita novella a. a. O. p. 39: Weshalb Rasis in einem Briefe
sagt: Mit diesem . . . roten Stein haben sich die Philosophen über alle erhöht und die
Zukunft geweissagt. . . Z. B. wußten sie daß der Tag des Gerichtes kommen müsse
und an ihm die Auferstehung der Toten, wo jede Seele mit ihrem früheren Körper ver­
bunden werden wird . . . Dann wird jeder Körper verklärt und zur Unverweslichkeit
überführt sein und zur Durchsichtigkeit und einer fast unglaublichen Feinstofflich­
keit (subtilitas) und wird jedes feste Ding durchdringen, weil seine Beschaffenheit
dann die des Geistes, so wie eines Körpers, sein wird.
12. Prediger 1, 4: Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde bleibt
aber ewiglich.
13. Gen. 49, 10: Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, noch der
Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis daß der Held komme (wörtl. bis derjenige
kommt, der gesandt werden soll), und demselben werden die Völker anhangen.
64 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA

Ionis I415; ibi flevimus et suspendimus organ a nostra, p ro eo, quod elevatae
sunt filiae Sion et am bulaverunt extento collo et nutibus oculorum ibant
et plaudebant et pedibus suis com posito gradu incedebant. D ecalvabit
ergo D om inus verticem filiarum Sion et crines earum n u d a b it**, quia
de Sion exibit lex et verbum D om ini de Je ru s a le m l61
7. In die illa quando
apprehenderunt septem m ulieres virum unum dicentes: Panem nostrum
com edim us et vestimentis nostris cooperim ur *7, quare non defendis san­
guinem nostrum , qui effusus est tam quam aqua in circuitu Je ru s a le m 18 ?
et divinum receperunt responsum : A d h u c sustinete m odicum tem pus,
donec num erus fratru m nostrorum im pletus sit, qui scriptus est in libro
h o c 1?; tunc om nis, qui relictus fu erit in Sion salvus v o ca b itu r20, cum
abluerit D om inus sordem filiarum suarum Sion spiritu sapientiae et

2. nutibus: mittibus P, mitibus M / oculis V / 5. rex L / 6 . apprehendent D /


7. comedemus MP / 9- temporis L / 12. abluit MD / «suarum» om. VDL / spiritus
M PV / «et» om. P /

14. Ps. 136, 1-3: Super flumina Babylonis, illic sedimus et flevimus cum recorda­
remur Sion. In salicibus in medio eius suspendimus organa nostra . . . Cf. Ordo missae
p. 471. Cf. Liber Quartorum P l a t o n is , Theatr. Chem. 1622, V, p. 144: Sedentes super
flumina Eufrates sunt Caldaei . . . priores, qui adinvenerunt extrahere cogitationem.
15. Jes. 3, 16-17: (Et dixit Dominus) pro eo quod elevatae sunt filiae Sion et
ambulaverunt extento colle et nutibus oculorum ibant et plaudebant, ambulabant pedibus
suis et composito gradu incedebant. Decalvabit Dominus verticem filiarum Sion et
Dominus crinem earum nudabit.
16. Jes. 2, 3: Quia de Sion exibit lex et verbum Domini de Jerusalem. Cf. Ordo
missae p. 57.
17. Jes. 4, 1-2: Et apprehendent septem mulieres virum unum in die illa dicentes:
Panem nostrum conedemus et vestimentis nostris operiemur . . . aufer opprobrium
nostrum. Cf. Ordo missae p. 363.
18. Ps. 78, 3: Effuderunt sanguinem eorum tamquam aqua in circuitu Jerusalem.
Cf. Ordo missae p. 97.
19. Cf. Apoc. 6, 9 -1 1 : Vidi . . . animas interfectorum propter verbum D e i . . . dicen­
tes: Usque quo Domine sanctus et verus non iudicas, non vindicas sanguinem nostrum
de iis, qui habitant in terra? Et datae sunt illis singulae stolae albae et dictum est illis
ut requiescerent adhuc tempus modicum donec compleantur conservi eorum et fratres
eorum, qui interficiendi sunt sicut et illi.
20. Jes. 4, 3-4: Et erit: Omnis qui relictus fuerit in Sion et residuus in Jerusalem sanc­
tus vocabitur omnis qui scriptus est in vita Jerusalem. Si abluerit Dominus sordes
filiarum Sion et sanguinem Jerusalem laverit de medio eius in spiritu iudicii et spiritu
ardoris . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA 65

w ährend siebzig Jah ren saßen über den W assern zu Babel dort w ein­
ten w ir und hingen unsere H a rfe n auf, darum , w eil die T ö ch ter Zions
stolz w aren und gingen m it aufgerichtetem N ack en und m it den A u gen
W in k e gaben und schwänzelten und m it tänzelnden Schritten einher­
gingen. D aher w ird der H e rr den Scheitel der T ö ch ter Zions kahl
m achen und w ird ihren H aarschm uck w egnehm en u, denn von Z io n
w ird das Gesetz ausgehen und des H erren W o r t von Je ru s a le m 16. A n
jenem T ag e, an dem sieben W e ib e r einen M an n ergreifen w erden und
sagen w erden: W ir haben unser B ro t gegessen und bedecken uns m it
unseren K leid ern *7, weshalb verteidigst du unser B lu t nicht, das wie
W asser vergossen ist um Je ru s a le m l8? U n d die göttliche A n tw o rt em p­
fangen haben: H arre t noch eine kleine Z eit aus, bis daß die Z ah l unserer
B rüd er, die in diesem Buch angegeben w ird, vollständig ist x*, w er dann
übrig sein w ird zu Z io n , der w ird gerettet heißen, w eil dann der H e rr
den U nflat der T ö ch ter Zions abgewaschen h a b e n 20 w ird durch den
14. Ps. 137, 1-2: An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an
Zion gedachten. Unsere Harfen hingen wir an die Weiden, die daselbst sind. (Meßbuch
p. 4 71). Möglicherweise liegt darin auch eine Anspielung auf die «Chaldaei» des Liber
Quartorum P l a t o n is , Theatr. Chem. 1622, V, p. 144: Die, die über den Strömen des Eu-
frat sitzen, sind die Chaldäer . . . die ersten, die erfanden, wie man das Denken extrahiert.
14a. Vulgata: plaudebant = klatschten. L u t h e r übersetzt «schwänzten».
15. Jes. 3, 16-17: Und der Herr spricht: Darum, daß die Töchter Zions stolz sind
und gehen mit aufgerichtetem Halse, mit geschminkten Angesichtern einhertreten
(wörtl. mit den Augen Winke geben) und schwänzen und haben köstliche Schuhe an
ihren Füßen (wörtl. mit tänzelnden Schritten einhergehen). So wird der Herr den
Scheitel der Töchter Zions kahl machen und der Herr wird ihr Geschmeide (wörtl.
Haarschmuck) wegnehmen.
16. Jes. 2, 3: Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herren W ort von
Jerusalem. Meßbuch p. 57.
17. Jes. 4, 1: . . . daß sieben Weiber werden zu der Zeit einen Mann ergreifen und
sprechen: W ir wollen uns selbst nähren und kleiden, laß uns nur nach deinem Namen
heißen, daß unsere Schmach von uns genommen werde. Meßbuch p. 363.
18. Ps. 79, 3: Sie haben Blut vergossen um Jerusalem her wie Wasser. Meßbuch p. 97.
19. Vgl. Offenb. 6, 9 -1 1 : . ·. sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die erwürgt
waren um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses willen . . . Und sie schrien
mit großer Stimme und sprachen: Herr . . . wie lange richtest du nicht und rächest
unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen? Und ihnen wurde gegeben einem jegli­
chen ein weißes Kleid und ward zu ihnen gesagt, daß sie ruhten noch eine kleine Zeit,
bis daß vollends dazu kämen (vollständig gemacht würden) ihre Mitknechte und Brü­
der, die auch sollten noch getötet werden, wie sie.
20. Jes. 4, 3-4: Und wer da wird übrig sein zu Zion und übrigbleiben zu Jerusalem,
der wird heilig heißen, ein jeglicher, der geschrieben ist unter die Lebendigen zu Jeru­
salem. Dann wird der Herr den Unflat der Töchter Zions waschen und die Blutschulden
Jerusalems vertreiben von ihr durch den Geist, der richten und ein Feuer anzünden wird.
66 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

in tellectu s21; tunc decem iugera vinearum faciunt lagunculam et triginta


m odii sementis faciunt m odios t r e s 22. Q ui intelligit hoc, non com m o­
vebitur in aeternum 23. Q ui habet aures audiendi audiat, quid dicat spiri­
tus doctrinae filiis disciplinae de captivitate Babylonica, quae septuaginta
durabat annos, quam philosophi insinuant his verbis: M ultiplices sunt
septuaginta praeceptorum altern atio n es 24.

I X . P A R A B O L A Q U A R T A D E F I D E P H IL O S O P H IC A ,
Q U A E N U M E R O T E R N A R IO C O N S IS T IT

u i fecerit voluntatem patris m ei et eiecerit hunc m undum in m un­

Q dum, dabo illi sedem m ecum in throno regni m e i 1 super solium


D avid et super sedes tribus Is ra e l2. H aec est voluntas patris m ei, ut
cognoscant ipsum esse verum [D e u m ] et non alium , qui dat affluenter

1. et: sed P / tres triginta MP / 2. «faciunt» om. MP / 5. durabit M / «sunt» om.


M PV / altercationes P, operationes V, om. M / 9 - 1 0 . in hunc modum D, om. L /
10. «mecum» om. MP / 12. «Deum» add. D / dat. ditat DL / effluenter PL, affiren-
tur M /

21. Eccli. 15, 5: . . . et adimplebit illum spiritu sapientiae et intellectus. Cf. Ordo
missae p. 91.
22. Jes. 5, 10: Decem enim iugera vinearum facient lagunculam imam et triginta
modii sementis facient modios tres. Vae, qui consurgit. . .
23. Ps. 124, 1: Qui confidunt in Domino sicut mons Sion: non commovebitur in
aeternum . . . Cf. Ordo missae p. 80 et 197.
24. Cf. Pretiosa Margarita novella 1. c. p. 45: R asis in libro septuaginta praecepto­
rum . . . Es gab im Mittelalter eine dem R azi zugeschriebene Schrift: Liber divinitatis
oder Septuaginta, die auch unter dem Titel Liber Alternationum praeceptorum R asis
philosophi in Alkimiam etc. hieß und auf eine Schrift von G eber zurückgeht. Vgl.
M. St e in s c h n e id e r , Die europäischen Übersetzungen aus dem Arabischen bis Mitte
des 17. Jahrhunderts. Sitzgsber. der kais. Akad. der Wiss. (phil-hist. CI.) W ien 1905,
p. 28, und B e r t h e l o t ΜΑ. III p. 34.
1. Math. 12, 15: Quicumque enim fecerit voluntatem Patris mei . . . ipse meus frater
et soror et mater est. Cf. Ordo missae p. 556.
Apocal. 3, 31: Qui vicerit dabo ei sedere mecum in throno m e o ... Cf. Ordo
missae p. 622.
2. Jes. 9, 7: Super Solium David et super Regnum eius sedebit. . .
Math. 19, 28: Vos qui secuti estis me . . . Sedebitis . . . super sedes duodecim iudi-
cantes duodecim tribus Israel. Cf. Ordo missae p. 545.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 67

G eist der W eish eit und E in s ic h t21. D an n w erden zehn A ck er W ein b erg
einen E im er geben und d reißig M alter Samen drei S ch effel22234. W e r dies
versteht, w ird unerschütterlich bleiben in Ew igkeit 2K W e r O hren h at
zu hören, der höre, was der G eist der L eh re den Söhnen der W issen ­
schaft sagt von der babylonischen G efangenschaft, w elche siebzig Jah re
dauerte, und auf w elche die Philosophen m it folgenden W o rte n hin-
w eisen: V ielfältig sind die A bw andlungen der siebzig V o rsch riften 24.

I X . D IE V IE R T E P A R A B E L V O M P H I L O S O P H IS C H E N
G L A U B E N , D E R A U F D E R D R E IZ A H L B E R U H T

"V V T er den W ille n tut meines V aters, und diese W e lt in die W e lt


W hinausw irft, dem w ill ich geben, m it m ir auf dem T h ro n meines
Reiches zu sitzen 1 über dem Stuhl D avids und den Stühlen des V olkes
Is ra e l2. D ies ist der W ille m eines V aters, auf daß m an erkenne, daß
er w ahr sei und kein anderer, d er da gib t im U eberfluß und ohne Z ö -

21. Jes. Sirach 15,5: (Vulgata wörtl.) . . . und erfüllte ihn mit dem Geiste der W eis­
heit und Einsicht. Meßbuch p. 37.
22. Jes. 5, 10: Denn zehn Acker Weinberg sollen nur e in e n Eimer geben und ein
Malter Samen soll nur ein e n Scheffel geben.
23. Sprüche 10, 30: Der Gerechte wird nimmer mehr umgestoßen (wörtl. in Ewig­
keit unerschütterlich bleiben). Meßbuch p. 80 und 197 nach Ps. 124, 1: Die auf den
Herrn vertrauen sind wie Sions Berg; nicht wanken wird in Ewigkeit, wer wohnet
in Jerusalem.
24. Nach der Pretiosa Margarita novella a. a. O. p. 45 verfaßte R asis ein «Buch der
siebzig Vorschriften». Es gab im Mittelalter eine dem R a z i zugeschriebene Schrift,
der Liber divinitatis oder Septuaginta, die auch unter dem Titel Liber Alternationum
praeceptorum R asis philosophi in Alkimiam etc. auf eine Schrift von G eber zurück­
geht. Vgl. M. St e in s c h n e id e r , Die europäischen Übersetzungen aus dem Arabischen
bis Mitte des 17. Jahrh. Sitzgsber. der k. k. Akademie der Wiss, phil.-hist. Classe, Wien,
1905, p. 28 und B e r t h e l o t M. A. III, p. 34.
1. Math. 12, 50: Denn wer den W illen tut meines Vaters im Himmel, der ist mein
Bruder, Schwester und Mutter.
Offenb. 3, 21: W er überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu
sitzen, wie ich überwunden habe und mich gesetzt mit meinem Vater auf seinen Stuhl.
2. Jes. 9, 7: . . . auf daß seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende
auf dem Stuhl Davids . . .
Math. 19, 28: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet sitzen auf 12 Stühlen und
richten die 12 Geschlechter Israels. Vgl. Meßbuch p. 545.
68 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA

et non im properat in omnibus gentibus 3 in veritate, et filium eius uni­


genitum , D eum de D eo, lum en de lum ine, et Spiritum Sanctum ab
utroque procedentem 4, qui aequalis est patri et filio in D eitate, nam in
p atre m anet aeternitas, in filio aequalitas, in Spiritu sancto (e st) aeterni­
tatis aequalitatisque connexio; quia sicut dicitur qualis pater, talis filius,
talis et Spiritus Sanctus et hi tres unum sunt * [q u o d philosophus vult
esse] corpus spiritus et a n im a 34567, quia omnis perfectio in num ero ternario
consistit, hoc est m ensura, num ero et pondere 7. N a m p ater a nullo est,
filius a patre est, Spiritus Sanctus ab utroque est procedens, quoniam
p atri attribuitur sapientia, qua om nia regit et disponit suaviter, cuius
viae investigabiles sunt et incom prehensibilia iu d icia 8. Filio attribuitur

1. in veritate: unitate P, om. B /4. «est» add. M / 6.-7. «quod philosophus vult esse»
add. BDL / 7. spiritum et animam BDL / trinario VP / 10. quae D /

3. Jac. 1, 5: Si quis autem vestrum indiget sapientia postulet a Deo, qui dat omnibus
affluenter et non improperat.
4. Credo: Credo in unum Deum, Patrem omnipotentem, factorem coeli et terrae visi­
bilium omnium et invisibilium. Et in unum Dominum Jesum Christum, Filium Dei
unigenitum. Et ex Patre natum ante omnia saecula. Deum de Deo, lumen de lumine,
Deum verum de Deo vero. Genitum, non factum, consubstantialem Patri: per quem
omnia facta sunt. Qui propter nos homines et propter nostram salutem descendit de
coelis. Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine: et homo factus est. Cru­
cifixus etiam pro nobis . . . Et in Spiritum Sanctum Dominum et vivificantem qui ex
Patre Filioque procedit. Qui cum Patre et Filio simul adoratur et conglorificatur . . .
5. Ordo missae p. 33-34: Domine sancte, Pater omnipotens, aeterne Deus. Qui
cum unigenito Filio tuo, et Spiritu Sancto, unus es Deus, unus es Dominus: non in
unius singularitate personae, sed in unius Trinitate substantiae. Quod enim de tua gloria,
revelante te, credimus, hoc de Filio tuo, hoc de Spiritu Sancto, sine differentia discretio­
nis sentimus. Ut in confessione verae sempiternaeque Deitatis et in personis proprietas,
et in essentia unitas, et in maiestate adoretur aequalitas. Ordo missae p. 648 / et 334:
Tres sunt qui testimonium dant in coelo: Pater Verbum et Spiritus Sanctus et hi tres
unum sunt. Et tres sunt qui testimonium dant in terra: Spiritus, aqua et sanguis et hi
tres unum sunt.
6. Se n io r : De Chemia, p. 45: Ars nostrum est sicut homo habens spiritum, animam
et corpus. Proptera dicunt sapientes: Tria et tria sunt unum. Deinde dixerunt in uno
sunt tria et spiritus anima et corpus sunt unum et omnia sunt ex uno.
7. Sap. 11, 21. Omnia fecit Deus in pondere et mensura et numero.
8. Rom. 11, 33: O altitudo divitiarum sapientiae et scientiae Dei: quam incompre­
hensibilia sunt iudicia eius et investigabiles viae eius. Cf. Jes. 45, 15. Cf. Ordo
missae p. 391.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 69

gern 3 bei allen V ölk ern in W a h rh e it, und sein eingeborener Sohn, G ott
von G ott, L ich t vom Lich te, und der H eilige G eist, der von beiden aus­
geht, der dem V ater und dem Sohne gleichkom m t an G öttlichkeit. D enn
im V ater ist die Ew igkeit, im Sohne die G leichheit und im H eiligen
G eist die V erbindung von Ew igkeit und G leichheit. Es h eiß t näm lich:
wie der V ater, so der Sohn und so auch der H eilige G eist 4, und diese
D rei sind Eins 5, näm lich K ö rp er, G eist und S e e le 6; denn alle V o ll­
endung beruht au f der D reizahl, d. i. M a ß , Z ah l und G ew icht 7. D enn
der V ater stam m t von keinem , der Sohn kom m t vom V ater, und der
H eilige G eist geht von beiden aus; dem V ater w ird näm lich die W e is ­
heit beigegeben, durch die er alles m ilde lenkt und ordnet, dessen W e g e
unerforschlich und dessen G erichte unbegreiflich sin d 8; dem Sohne w ird

3. Jakobus 1, 5: So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott, der
da gibt einfältig jedermann und rückets niemand auf (wörtl. im Überfluß und ohne
Zögern) so wird sie ihm gegeben werden.
4. Apost. Glaubensbekenntnis: Ich glaube an einen Gott, den allmächtigen Vater . . .
Und an einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn und aus dem Vater gebo­
ren von Ewigkeit her, Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahren Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht erschaffen, einer Wesenheit, mit dem Vater, durch den alles gemacht ist,
der wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen ist vom Himmel,
Fleisch geworden durch den Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau, und Mensch gewor­
den i s t . . . Und an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebendigmacher, der vom Vater
und Sohne ausgeht, der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und verherr­
licht wird . . .
5. Meßbuch p. 33-34: Heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, der du mit
deinem eingeborenen Sohne und dem Heiligen Geiste ein einiger Gott, ein einiger Herr
bist, nicht in der Einzigkeit einer Person, sondern in der Dreifaltigkeit einer Natur;
denn was wir nach deiner Offenbarung von deiner Herrlichkeit glauben, dasselbe glau­
ben wir auch von deinem Sohne, dasselbe von dem Heiligen Geiste, ohne Verschieden­
heit in der Unterscheidung, so daß in dem Bekenntnis der wahren und ewigen Gottheit
in den Personen die Eigentümlichkeit in der Natur die Einheit und in der Majestät
die Gleichheit angebetet wird . . . Meßbuch p. 334 und 648: Denn drei sind die Zeugnis
geben im Himmel: Der Vater, das W ort und der Heilige Geist und diese drei sind Eins.
Und drei sind, die Zeugnis geben auf Erden: der Geist, das Wasser und das Blut, und
diese drei sind Eins.
6. Vgl. S e n io r : De Chemia a. a. Ο. p. 45: Unser Erz hat wie der Mensch Geist,
Seele und Körper. Deshalb sagen die Weisen: Drei und Drei sind Eins. Ferner sagten
sie: In Einem sind Drei, und: Geist, Seele und Körper sind Eins und Alles ist aus Einem.
7. Vgl. Weish. 11, 21: Aber du hast alles geordnet mit Maß, Zahl und Gewicht.
8. Röm. 11, 33: O welch eine Tiefe des Reichtums, beides der Weisheit und Erkennt­
nis Gottes! W ie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine W ege!
Vgl. Jes. 45, 15. Vgl. Meßbuch p. 391.
~0 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

veritas ?, ipse enim apparens id quod non erat assumpsit, perfectus D eus
et hom o existens ex hum ana carne et anim a rationali, qui praecepto
patris cooperante Spiritu S a n c to 910 m undum peccato [p a re n tu m ] p erd i­
tum restauravit. Spiritui Sancto datur bonitas, quo terrena fiunt coelestia
et hoc tripliciter: baptizando flumine sanguine et flammis: flumine vege­
tando et abluendo, quando squalores omnes abluit expellendo fum osi-
tates de animabus, sicut dicitur: T u animabus vivificandis aquas foecun-
d a s 11. N a m om nium vegetabilium nutrim entum est a q u a 121345, unde cum
aqua de coelo descendit inebriat terram *3 et terra per eam vim suscipit
om ni m etallo im m inentem *4, ob hoc postulat eam dicens: E m itte spiri­
tum tuum , h oc est aquam et creabuntur et renovabis faciem terrae, quo­
niam inspirat terram quando facit eam trem ere et tangit m ontes et fu m i­
gan t u . C um autem sanguine baptizat, tunc nutrit, ut dicitur: A qua
sapientiae salutaris p otavit m e l6, et iterum : Sanguis eius vere est

1. ipso D LV / «apparens» coni, enim apparente DL, om. B, omnia operante illud
M PV / «non» om. PB / absumpsit M / 2. humana natura rationae subsistens B / quae
VP / 3. «parentum» add. DL / 4. qua DL / 5. haec MD / flumine flaminee et sanguine
M PVB, «et flammis» add. MV, flamen L / 6. expellit P / «atque» fum. MP / 7. de: ab
M PB / 10. ob: ab PV, ad M / 11. «Et» quoniam PV / 13. fumigabunt DL / 14. verus D,
om. P /

9. Cf. Ordo missae p. 29: . . . quo Unigenitus tuus in tua tecum Gloria coaeternus
in veritate carnis nostrae visibiliter carnalis apparuit. . .
10. ibidem p. 22: Domine Jesus . . . qui ex voluntate Patris cooperante Spiritu Sancto
per mortem tuam mundum vivificasti. . .
11. Cf. N otc er u s B a l b u l u s : Hymnus in die Pentecostes. (M ig n e P. L. C X X X I
coi. 1012-1013). Tu animabus Vivificandis Aquas foecundas, Tu aspirando Das spiri­
tales Esse homines. Cf. item Benedictio fontis. Ordo missae, p. 300/301.
12. Cf. Se n io r : De Chemia, p. 70: . . . et dixit H e r m es : . . . vita cuiuslibet rei est
aqua et aqua suscipit nutrimentum hominum et aliorum . . .
13. Jes. 55, 10: Et quomodo imber . . . non revertitur sed inebriat terram et infundit
eam . . .
Ps. 64, 10: Visitasti terram et inebriasti eam. Cf. Ordo missae p. 540.
14. Cf. T u r b a 1. c. p. 140: . . . quousque lapis fiat, quem tunc invidi nuncupant lapi­
dem omni metallo imminentem.
15. Ps. 103, 30-32: Emittes spiritum tuum et creabuntur et renovabis faciem terrae.
Sit gloria Domini in saeculum, laetabitur Dominus in operibus suis. Qui respicit terram
et facit eam tremere, qui tangit montes et fumigant. Cf. Ordo missae p. 365.
16. Eccli. 15, 3: Cibabit illum pane vitae et intellectus et aqua salutaris sapientiae
potavit illum. Cf. Ordo missae p. 776.
T H O M A E D E A Q U I N O AU R O R A 71

die w irklich gew ordene W a h rh e it zugeordnet 9, denn indem er in E r­


scheinung trat, h at er etwas, was er nicht w ar, angenom m en, völlig G ott
und zugleich M ensch von m enschlichem Fleische und vernunftbegabter
Seele; der auf G eheiß des V aters und unter M itw irku n g des H eiligen
G e iste s 10 die W e lt, die durch die Sünde der E ltern v erloren w ar, erlöst
hat. D em H eiligen G eist w ird die G üte zugeschrieben - E r, durch den
alles Irdische him m lisch w ird und dies dreifach: indem er im Flusse,
im B lu t und in Feuerflam m en tauft. Im Flusse w irkt er belebend und rei­
nigend, indem er allen Schmutz abwäscht und alles R auchige von den
Seelen entfernt, wie es h eißt: D u befruchtest die W a sse r zur Belebung
der S e e le n XI. D enn das W a sse r ist die N a h ru n g alles L e b e n d ig e n I2, w es­
halb auch das W asser vom H im m el herabfließend die E rd e berauscht *3
und sie dadurch jene K ra ft erhält, w elche jedes M etall auflösen kann *4.
D eshalb verlangt sie nach ihm und sagt: Sende aus deinen G eisthauch,
d. i. das W asser, und sie w erden neu geschaffen; und neu gestaltest du
das A ngesicht der E rd e, denn er haucht seinen O dem in die E rd e, w enn
er sie erbeben läß t, und w enn er die B e rg e anrührt, so rauchen s ie u .
W e n n er aber im B lu te tauft, dann w irkt er ernährend, w ie es h eiß t:
D as W asser heilbringender W eish eit h at m ich g e trä n k t l6, u n d : sein B lu t

9. Meßbuch p. 29: . . . dein Eingeborener gleich ewig mit dir . . . in der W irklich­
keit unseres Fleisches im Leibe sichtbar erschienen ist.
10. Meßbuch p. 22: Herr Jesus, . . . der du nach dem Willen des Vaters, unter Mit­
wirkung des Heiligen Geistes durch deinen Tod der W elt das Leben gegeben h ast. . .
11. N o tk er D er St a m m l e r : Pfingstlied. (M ig n e P. L. C X X X I col. 1012-1013.)
Du beseelst Leben zu geben des Wassers Flut, Du beseelst Menschen zum Leben durch
deines Atems Glut. Vgl. auch die Benedictio fontis, Meßbuch p. 300/301.
12. Vgl. Se n io r : De Chemia, p. 70: Und Hermes hat gesagt: . . .D as Leben aller
Dinge ist im Wasser und dieses nimmt die Nahrung der Menschen . . . auf.
13. Jes. 55, 10: Denn gleich wie der Regen . . . feuchtet (wörtl. berauscht) die Erde
und macht sie fruchtbar . . . also soll das W o r t. . . auch sein.
Ps. 65, 10: Du suchest das Land heim und wässerst es (wörtl. machst es trunken).
14. (Ich übersetze imminere = drohen hier als «auflösen können».) Vgl. T u r b a
a. a. O. p. 218: Bis daß es ein Stein wird, den dann die Neider den Stein nennen, «der
jedes Metall bedrängt».
15. Ps. 104, 30-32: Du lässest aus deinem Odem, so werden sie (neu) geschaffen,
und du erneuerst die Gestalt der Erde . . . Er schaut die Erde an, so bebt sie; er rührt
die Berge an, so rauchen sie. Meßbuch p. 365.
16. Jes. Sirach 15, 3: (Vulgata w örtl.): und mit dem Wasser heilbringender W eis­
heit tränkte er ihn. Meßbuch p. 776.

6 Jung : Mysterium III


72 T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA

potus *7, quia sedes anim ae est in sanguine, ut S e n i o r dicit: M ansit autem
ipsa anim a in a q u a 17l8, (q u ae [h o d ie ] sibi similis est in caliditate et hum i-
d ita te 1*,) in qua consistit om nis v it a 20. C um autem flammis baptizat,
tunc infundit anim am et dat perfection em v ita e 2I, quia ignis dat form am
et com plet totum , ut dicitur: Inspiravit in faciem eius spiraculum vitae et
factus est hom o, qui prius erat m ortuus in anim am viv en tem 2223. D e prim o,
secundo et tertio testantur philosophi dicentes 23: aqua tribus mensibus
foetum in m atrice [co n s e rv a t] fovet, aer tribus secundis nutrit, ignis
tribus tertiis [ e t ] custodit. In fan ti num quam patebit ortus, donec hi
menses consum antur, tunc nascitur et a sole vivificatur, quoniam ipse
vivificator est om nium m ortuorum . U n d e praedictus spiritus pro pter

2.-3. (quae hodie oo humiditate) add. D L / 3. Cum: Quando MPD / flumine P,


flamine MV, flumen L / 7. «et secundum» D / 8. «conservat» add. DL / 9. «et» add.
DL / Infans MPV / exitus vel ortus L / 10. consumentur BDL / 11. «mortuorum»
om. DL /

17. Joh. 6, 56: Caro enim mea vere est cibus et sanguis meus vere est potus. Cf. Ordo
missae p. 398, 401.
18. Se n io r : De Chemia, p. 31: . . . mansit ipsa (scii, anima) in aqua sibi simili quae
pater est eius in praeparatione. . . tunc nominaverunt animam et sanguinem aeris . . .
19. ibidem p. 19: Intendit quod terra suscipit animam in aqua existentem per illud
quod habet ex anima in spiritu atque similis est animae, quae est aqua.
20. ibidem p. 31: Et sicut aer est vita uniuscuiusque rei, similiter aqua eorum est
caput operis . . . et sicut aer est calidus et humidus similiter aqua eorum est calida et
humida et est ignis lapidis . . .
ibidem p. 33: Aer vero ex aqua e s t. . . et ex ambobus consistit vita uniuscuisque rei.
Cf. item C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, p. 60.
ibidem p. 58: Anima facta calida et humida in natura sanguinis et aeris . . .
21. ibidem p. 44: . . . cum spiritu humido . . . et ipse est reductor ad corpus suum
quod vivificabit post mortem suam per hanc vitam. Postea nulla erit mors. Proptera
quod vita infunditur sicut spiritus corpori.
22. Gen. 2, 7: . . . et inspiravit in faciem ei spiraculum vitae et factus est homo in
animam viventem.
23. Manget, 1. c. lib. III, p. 135, b: Igitur sciendum quod tribus mensibus aqua
foetum in matrice conservat. Aer quoque tribus mensibus fovet ignis vero totidem
custodit. Igitur infanti numquam patebit egressus, quousque aeris flatus exhauriat.
Cf. item C a l id : Liber trium verborum. Artis Auriferae 1610, p. 228/229. Cf. item
C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, 1. c. p. 203 et 233.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 73

ist der w ahre T ran k *7; denn der Sitz der Seele ist im B lu te, w ie S e n io r
sagt: E s verblieb aber die Seele selber im W a s s e r l8, das ihr ähnlich ist
in der W ä rm e und F e u ch tig k e it^ und in dem alles Leben b e ste h t20.
W e n n er aber in Feuerflam m en tauft, dann flößt er die Seele ein und
verleiht die V ollen d u ng des L e b e n s21. D enn das F euer gibt G estalt und
vollendet das G anze, w ie es h eiß t: U n d er blies ihm ein den lebendigen
O dem ins A n tlitz, und also w ard der M ensch, der v orh er to t gewesen
w ar, eine lebendige S e e le 22. D ie erste, zw eite und dritte W irk u n g be­
zeugen die Philosophen, indem sie sagen 23: D as W asser bew ahrt den
Foetus w ährend drei M onaten im M utterleibe, die L u ft h egt und n äh rt
ihn drei M onate lang, und in den letzten drei M onaten bew acht ihn das
Feuer. U n d das K in d w ird niem als ans L ich t kom m en, bevor diese
M on ate verstrichen sind; dann aber w ird es geboren und von der Sonne
belebt, denn diese ist das Belebende aller toten D in ge. A us diesem
G runde h eiß t es von dem erw ähnten G eist in folge der V ortrefflichkeit

17. Joh. 6, 55-56: Denn mein Fleisch ist die rechte (wahre) Speise und mein Blut
ist der rechte (wahre) Trank. W er mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibt
in mir und ich in ihm. Meßbuch p. 401.
18. Se n io r : De Chemia p. 31: Sie (die Seele) verblieb aber im Wasser, das ihr
ähnlich ist und das ihr Vater ist in der Praeparation. . . so nannten sie die Seele auch
«Blut der Luft».
19. ebenda p. 19: Er meint, daß die Erde die Seele, die im Wasser ist, aufnimmt
durch jenes, was er aus der geistigen Seele hat, die der Seele gleicht, welche das
Wasser ist.
20. ebenda p. 31: Und wie die Luft das Leben jedes Wesens bedeutet, so ist auch
ihr (der Philosophen) Wasser die Hauptsache des Werkes . . . und wie die Luft warm
und feucht ist, so ist auch das Wasser warm und feucht und ist das Feuer des Steins.
ebenda p. 33: Die Luft aber kommt aus dem W a s s e r ... und aus diesen beiden
besteht das Leben eines jeden Wesens. (Vgl. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem.
1566, p. 60).
ebenda p. 58: Die Seele ist warm und feucht geworden in der Art des Blutes und
der Luft.
21. ebenda p. 44: . . . mit dem feuchten Geist, . . . und dieser ist der, der (die Seele)
zu ihrem Körper zurückführt, den er nach seinem Tod durch dieses Leben belebt. Nach­
her wird kein Tod mehr existieren, weil das Leben eingeflößt wurde, wie der Geist
dem Körper.
22. Genesis 2, 7: Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß und
er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase (wörtl. Antlitz). Und also ward
der Mensch eine lebendige Seele.
23. Vgl. Manget, Buch III, p. 135 b; und Calid: Liber trium verborum. Artis Auri­
ferae 1610, a. a. O. Basel, p. 228/229 und C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars Chem. 1566 a. a. O.
p. 203 und 233.
74 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

excellentiam sui septiform is m u n e ris2* dicitur habere septem virtutes


operando in terram : P rim o calefacit terram (u t patet in calce) frigid itate
m ortuam et aridam . U n d e p ropheta: C oncaluit co r m eum intra m e et
operatione m ea exardescit ignis 2K E t in libro Q uintae essentiae: Ignis
suo calore penetrando et subtiliando omnes partes terrestres m ultum
m ateriales et m im ine form ales consum it; quam diu enim ignis m ateriam
habet, non cessat agere volens rei passivae im prim ere suam form am .
Et Calet m in o r : C alefacite frigiditatem unius caliditate alte riu s26. E t
S e n i o r : F acite m asculum super foem inam , hoc est calidum super frig i­
dum 27. Secundo extinguit intensum ignem im pressum in ad u stio n e28,
de qua P roph eta: E xarsit ignis in synagoga eorum et flamma com bussit
peccatores in t e r r a 2?, hunc ignem extin guit suo tem peram ento unde sub­
ditur: In aestu tem peries 3°. E t C a l e t m in o r : E xtin gu ite ignem unius

2. ut in calce V, ut patet in tale M, om. DL / 6.-7. ignis in materiam non cessat


agere DL / 7. «volens» om. LV, vultus P / passae MPV, posse L / 8. «Et» Cal. om.
M PVB / «Ut» Sen. D / 9. «et» hoc DL / 10. in tersum M, intensivum D, extensum V,
extensivum L / impressum: in ipsum P /

24. Ordo missae p. [1 4 2 }: Veni Creator Spiritus: Tu septiformis munere . . .


25. Ps. 38, 4: Concaluit cor meum intra me et meditatione mea exardescet ignis.
Cf. Ordo missae p. 608.
26. Cf. C a l id : Liber trium verborum in Artis Auriferae. Basilea 1610. 1. c. p. 2 2 6 /
227: Opportet ergo quod frigidum et humidum recipiant caliditatem et siccitatem quod
erat in occultum et fiant una substantia. Cap. I.: Hic est liber Trium verborum, liber
lapidis pretiosi, qui est corpus aereum et volatile, frigidum et humidum . . . et in eo
est caliditas, siccitas frigiditas et humiditas, alia virtus in occulto et alia in manifesto.
Quod ut illud quod est in occulto fiat manifestum et illud quod est manifestum fiat
occultum per virtutem Dei, et caliditatem ut siccitas. . . caliditas et siccitas destruit
frigidum et humidum aquosum et adustivum virtute divina. . . p. 228: . . . sed virtute
Dei fieri potest cum molli temperamento et moderativo termino ignis. Cf. item T u r b a
1. c. p. 110.
27. Se n io r : De Chemia, 1. c. p. 33: Proiicite foeminam super masculum et ascendet
masculus super foeminam, et p. 96: Commisce calidum cum frigido . . . Masculus est
calidus et siccus foemina autem est frigida et humida. Cf. item Margarita Pretiosa
novella 1. c. p. 123 et C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars Chem. 1566, p. 86: Facite masculum
super foeminam et ascendet masculus super foeminam.
28. Cf. A u r o r a C o n s u rg e n s I I , Artis Aurif. 1610, I, p. 148: Dicitur etiam occisio
sive mortificatio ratione vitae vegetabilis et ordinatae et accidentis hoc est caloris impressi.
29. Ps. 105, 17-19: Aperta est terra et deglutivit Dathan, et operuit super congre­
gationem Abiron. Et exarsit ignis in synagoga eorum, flamma combussit peccatores. Et
fecerunt vitulum in Horeb . . .
30. Ordo missae p. 370: In labore requies, in aestu temperies, in fletu solacium.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 75

seiner siebenfältigen G a b e z*, daß er sieben K rä fte besitze bei seiner E in ­


w irkung auf die E rd e: Erstens erw ärm t er die E rd e, die vor K ä lte tot
und kahl ist, (w ie m an es zum Beispiel beim (u n g elö sch ten ) K alk sehen
k a n n ), weshalb der P ro p h et sagt: Es glühte m ein H erz in m ir und F euer
entbrannte bei m einem W e rk e 2K U n d im B uch von der Quintessenz
h eiß t es: D as Feuer d ringt ein und verfein ert durch seine W ä rm e , und
es verzehrt alle erdhaften und allzu m ateriellen und form losen B estand­
teile. Solange näm lich das F eu er Stoff hat, h ö rt es nicht auf zu w irken,
indem es der passiven Substanz seine F o rm einprägen w ill. U n d Caled
minor sagt: E rw ärm t die K ä lte des Einen durch die W ä rm e des A n d e­
r e n 26; ebenso sagt Senior: V erfertig t das M ännliche über dem W e ib ­
lichen, und das h eiß t das W a rm e über dem K alten 27. Zw eitens löscht
der G eist das (ein m a l) ausgedehnte innew ohnende F eu er (g e ra d e )
durch die E n tzü n d u n g 28, w ovon der P ro p h et sagt: U n d F eu er w ard
unter ihrer V ersam m lu ng angezündet, und die F lam m e verbrannte die
G ottlosen auf E r d e n 2*; er löscht dieses F euer in seinem eigenen inneren
M aß , weshalb angedeutet w ird : In der H itze G lühen ist Kühlung 3°.

24. Meßbuch p. [1 4 2 ]: Veni Creator Spiritus: Du siebenfältiger Gaben P fa n d ...


25. Ps. 39, 4: Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe und wenn ich daran denke,
werde ich entzündet. (Meßbuch p. 60 8 ): Es glühte mein Herz in mir und Feuer brannte
bei meinem Sinnen.
26. Nicht wörtlich nachweisbar. Bezieht sich aber wohl gedanklich auf C a l id s Liber
trium verborum in Artis Auriferae, Basel 1610, p. 226/227: Es muß also das Kalte und
Feuchte die Wärme und Trockenheit aufnehmen, die im Verborgenen war und zu einer
Substanz werden . . . Cap. L: Dies ist das Liber Trium verborum, das Buch des wert­
vollen Steins, der ein luftiger, flüchtiger Körper ist, kühl und feucht . . . und in ihm
ist Wärme, Trockenheit, Kälte und Feuchtigkeit; die eine Eigenschaft ist im Verbor­
genen, die andere manifest. Sodaß das was verborgen ist, manifest werden muß, und
das was manifest ist, verborgen durch die Kraft Gottes und so daß die Kälte wie die
Trockenheit (werden soll) . . . Die Wärme und Trockenheit zerstört das Kalte und
Feuchte Wässerige und Verbrennbare durch göttliche W irk u n g ... p. 228: ...a b e r
dies kann durch die Wirkung Gottes geschehen mit sanfter Mäßigung und gemäßigter
Begrenzung des Feuers. Vgl. auch T u r b a P h ilo s o p h o r u m a. a. O. p. 175.
27. Se n io r : De Chemia, p. 33: W erft die Frau über den Mann und der Mann wird
über die Frau steigen . . . p. 96: Mische das Warme mit dem Kalten . . . Der Mann ist
warm und trocken, die Frau hingegen kalt und feucht. Vgl. ebenso Margarita Pretiosa
novella, a. a. Ο. p. 123 und C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chem. 1566, a. a. O. p. 86.
28. Zur Textgestaltung vgl. A u r o r a C o n s u rg e n s I I , Artis Auriferae 1610, I, p. 148.
29. Ps. 106, 17-19: Die Erde tat sich auf und verschlang Dathan und deckte zu
die Rotte Abirams. Und Feuer ward unter ihrer Rotte (wörtl. Versammlung) angezün­
det, die Flamme verbrannte die Gottlosen. Sie machten ein Kalb am Horeb . . .
30. Meßbuch p. 370: Sequenz an Pfingsten: Veni Sancte Spiritus: Ruhe in der Arbeit
Mühn, Kühlung in der Hitze Glühn, Trost in Tränen und in Schmerz . . .
76 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

i frigid itate alterius. E t A vicenna: Res, in qua est adustio, prim um quod
resolvitur, ex ea est virtus ignea, quae lenior et dignior est, quam virtutes
aliorum elem entorum 31. T ertio m ollificat, id est liquefacit duritiem te r­
rae et resolvit partes eius condensas et m ultum com pactas, de quo scribi-
5 tur: Im ber sancti spiritus liquefacit 3*. E t P roph eta: E m ittet verbum suum
et liquefaciet eam, flabit spiritus eius et fluent aquae 33. E t in libro Q uintae
essentiae scribitur, quia aer poros partium terrae adaperiet ad suscipien­
dam virtutem ignis et aquae. E t alibi scribitur: M u lier solvit viru m et
ipse figit eam , hoc est spiritus solvit corpus (e t m ollificat) et corpus spi­
ro ritum indurat. Q uarto illum inat, quando omnes tenebrositates tollit de
corpore, de quo canitur: H orrid as nostrae m entis p u rga tenebras 34?

accende lum en sensibus ” , et P roph eta: fu it eis d u x tota nocte in illum i­


natione ignis 36 et tunc n o x sicut dies illum inabitur. E t Senior: E t facit
om ne n igrum album et om ne album rubeum , quia aqua dealbat et ignis
ij illum inat 37. N a m lucet in colore u t rubinus per anim am tingentem , quam

2. ex: in D / 3. alterum M PV / liquescit M PV / 5. Imber: Geber P, in libro B /


liquefecit me MP / Emittit DL, emitte M / 6. ea D BLV / flavit BD LV / 9. solvit: molli­
ficat M VB / (et mollificat) add. DL / 10. - sitates: Incipit Rh / 10.—11. quod omnis
tenebrositas tollitur MP / 12. ei M PV / lux D / 15. quas MPV, aquam B /

31. A v ic e n n a : De re recta ad Hasen regem epistola (Theatr. Chem. 1659, vol. IV,
p. 8 6 6 ): Et scivimus quod res in qua est adustio, cum decoquitur primum quod de ea
resolvitur est virtus ignea, quae est in ipsa, quoniam est levior et dignior vaporatione et
separatione, quam virtus reliquorum elementorum.
32. Cf. Eccli. 39, 9: . . . et ipse tamquam imbres mittet eloquia sapientiae suae.
Cf. Ordo missae p. [4 1 ].
33. Ps. 147, 18: Emittet verbum suum et liquefaciet ea, flabit spiritus eius et fluent
aquae. Cf. Ordo missae p. 365.
34. Cf. N o tc er u s B a l b u l u s : Hymnus in die Pentecostes. (M ig n e P. L. C X X X I,
coi. 1012-1013): Spiritus alme, Illustrator hominum, Horridas nostrae Mentis purga
tenebras. Cf. Ordo missae 1. c. p. 53 et 173.
35. Ordo missae p. [1 4 3 ]: Veni Creator Spiritus: Accende lumen sensibus, Infunde
amorem cordibus . . .
36. Ps. 77, 14: Et deduxit eos in nube diei et tota nocte in illuminatione ignis.
Cf. Sap. 10, 17: . . . e t fuit illis in velamento diei et in luce stellarum per noctem.
Cf. Ordo missae p. 680.
37. Se n io r : De Chemia, p. 63: et tingit omne nigrum et facit album et tingit omne
album et fa c it rubeum et ideo res magnificatur . . .
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 77

U n d Caled minor: L ösch t das F eu er des Einen durch die K ä lte des
A n d ern . U n d A vicenna: E s gibt ein D in g , in w elchem die Entzündung
vorhanden.ist, und das erste, was sich {b eim K o ch e n ) herauslöst, ist eine
Feu erk raft, w elche m ilder und w ürdiger ist, als die K rä fte aller anderen
E lem ente 31. D rittens w eicht der G eist auf, d. h. er verflüssigt die H ärte
der E rd e und löst deren allzu dichte und kom pakte T eile auf, w ovon
geschrieben steht: D e r R egen oder G eist verflüssigt 3*. U n d der Proph et:
E r w ird sein W o r t aussenden und sie verflüssigen, sein G eisthauch w ird
w ehen und die W asse r w erden ström en 33. U n d im B uch von der Q uint­
essenz steht geschrieben, daß die L u ft die P oren der erdigen T eile öffnet,
dam it sie die K ra f t des Feuers und des W assers aufnehm en können.
U n d andersw o h eiß t es: D ie F ra u löst den M an n auf, und dieser m acht
sie gerinnen, d. i. der G eist löst den K ö rp e r auf und m acht ihn weich,
und der K ö rp er läß t den G eist fest w erden. V iertens erleuchtet der
G eist, da er dem K ö rp e r alle D unkelheit nim m t, w ovon der H ym nus
h andelt: Reinige die schauerlichen Finsternisse unseres Geistes 34? die
Sinne laß erleuchtet sein 35. U n d der P ro p h et *6: E r fü h rte sie die ganze
N a ch t im Leuchten des Feuers, und dann w ird die N a ch t lichthell wie
der T a g w erden. A uch Senior sagt: U n d es m acht alles Schwarze weiß
und alles W e iß e ro t 37? da das W a sse r w eiß m acht und das Feuer L eu ch t­
k raft verleiht. D en n er leuchtet in der F arb e w ie ein R ubin durch die

31. A v ic e n n a : De re recta ad Hasen regem epistola. Theatr. Chem. 1659,


Vol. IV , p. 866.
32. Vgl. Jes. Sirach 39, 9: . . . und wie Regen wird er die Reden der Weisheit ent­
senden. Meßbuch p. [4 1 }.
33. Ps. 147, 18: Er spricht, so verschmilzt es, er läßt seinen Wind wehen, so taut
es auf. (W örtl.: Er wird sein W ort aussenden und es verflüssigen, sein Geisthauch
wird wehen und die Wasser werden strömen.) Meßbuch p. 365.
34. N o tk e r B a lb u lu s (M ig n e P. L. C X X X I col. 1012-1013) Pfingstlied. Meß­
buch p. 53 und 173.
35. Meßbuch p. [1 4 3 }: Veni Creator Spiritus: Die Sinne laß erleuchtet sein. Gieß
unsern Herzen Liebe ein . . .
36. Ps. 78, 14: Er leitet sie des Tages mit einer Wolke und des Nachts mit einem
hellen Feuer (wörtl.: im Leuchten des Feuers).
Weish. 10, 17: . . . und ward ihnen des Tages ein Schirm und des Nachts eine Flamme
wie das Gestirn. Meßbuch p. 680.
37. Se n io r : De Chemia p. 63: . . . und es färbt alles Schwarze und macht es weiß
und es färbt alles Weiße und macht es rot und so wird die Substanz verherrlicht.
78 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

acquisivit ex virtute ignis; p ro p ter h oc ignis dicitur tinctor 38. E t in libro


Q uintae essentiae: V ides m irabile lum en in tenebris 39. E t in libro T u rb ae
philosophorum scribitur, quod si nubes superficiem dealbaverint, procul
dubio eorum intim a dealbabuntur 4°. E t M o r ie n u s ait: Ja m abstulimus
n igru m et fecim us album , cum sale [ e t ] anatron 4% id est cum spiritu.
Q uinto separat purum ab im puro, quando om nia accidentia anim ae re­
m ovet, quae sunt vapores scii, odores m ali sicut dicitur: quod ignis sepa­
rat heterogenea et cum ulat hom ogenea *2. O b hoc P roph eta: Ig n e m e
exam inasti, et non est inventa in m e iniquitas 43, et idem : Transivim us
p er ignem et aquam , eduxisti nos in requiem et refrig eriu m 44 . Et H er­
m es: Separabis spissum a subtili, terram ab igne 45 . A l p h i d i u s : T e rra
liquefit et in aquam vertitur, aqua liquefit et in aerem vertitur, aer lique-

2. essentiae «dicit» add. MP / Videns PV / 3. superfaciem ML / dealbaverit MD /


4. «Et» om. M PVB / 5. «et» an. add. MPVRhLB / 7. malos M PVBD / 9- exanimasti
L / 10. «in requiem et» om. M PB / 12. liquescit M PVB / aer liq. etc. om. P /

38. Se n io r : De Chemia p. 66: Et quod dixit Rubinus per hoc vult Animam tingen­
tem propter quod acquisivit virtutem ex i g n e . . . Cf. p. 35; Anima tingens latet in
aqua . . . alba.
39. Vgl. evtl. A l b e r t i M a g n i , De rebus metall. Cöln 1569, lib. I cap. 1. p. 65:
Carbunculus . . . lucet in tenebris sicut noctiluca, item p. 126: Carbunculus lucet in
tenebris sicut carbo et talem vidi ego.
40. T u r b a 1. c. p. 120: (Parmenides): . . . e t scitote quod si superficies dealbetur
intima eius dealbabuntur. Et si (R u sk a : aeris) superficiem nubes dealbaverunt procul
dubio intima dealbabuntur.
41. M o r ie n i Romani: De Transmutatione metallorum, in Artis Auriferae, II, Basi-
leae 1593, p. 31: (Datin dicit ad Euthicen . . . ) : Jam abstulimus nigredinem et cum
sale [a]natron, id est sale nitri et almizadir, cuius complexio est frigida et sicca, fiximus
albedinem.
42. Cf. Pretiosa Margarita novella, l.c . p. 86: quia calor homogenea congregat et
segregat etherogenea, et C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chemica 1566, p. 252: Ignis enim
hetherogenea separat et homogenea cumulat. Cf. A l b e r t i M a g n i , De mineralibus et
rebus metallicis, Cöln 1569. lib II. cap. 2, p. 98: . . .calorem ignis et quod congregat
homogenea et disgregat etherogenea sicut dictum est in II. metheor.
43. Ps. 16, 3: Igne me examinasti et non est inventa in me iniquitas. Cf. Ordo
missae p. 694.
44. Ps. 65, 12: Transivimus per ignem et aquam, eduxisti nos in refrigerium.
45. T a b u la S m a r a g d in a , ed J . Ruska, p. 2: Separabis terram ab igne, subtile a spisso,
suaviter cum magno ingenio.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 79

färbende Seele, die er aus der K ra ft des Feuers erhielt 3», deshalb h eiß t
das Feu er auch das Färbende. U n d im B uch von der Quintessenz h eiß t
es: D u erschaust ein wunderbares L ich t in der Finsternis 39. U n d in der
T u rb a Philosophorum steht, daß, w enn einm al die W o lk e n die O ber­
fläche w eiß gem acht haben, ohne Z w eifel auch das In n ere w eiß w erden
w ird 4°. U n d M o r ie n u s sagt: Schon haben w ir das Schw arze beseitigt
und das W e iß e hergestellt m it dem Salz [A ]n a tr o n , d. h. m it G eist 4*.
Fün ften s scheidet der G eist das R eine v om U n rein en , da er alle A cciden-
tien der Seele beseitigt, welches sind die D äm p fe oder üblen G erüche;
so wie es heißt, daß das F eu er das V erschiedenartige tren nt und das
G leichartige zusam m enhäuft 4*. D eshalb sagt der P ro p h et: D u hast
im Feu er m ich erprobt, und U n rech t fand sich nicht an m ir 43 . U nd
ebenso sagt er: W i r sind durch F eu er und W a sse r hindurchgegangen,
und du hast uns zur R uhe und Erquickung g efü h rt 44 . U n d H e r m e s sagt:
D u w irst das D ich te vom F ein en scheiden, die E rd e vom F eu er 4*. U n d
A l p h i d i u s : D ie E rd e w ird flüssig und w andelt sich in W a sse r; das W a s ­
ser w ird flüssig und w andelt sich in L u ft; die L u ft w ird flüssig und w an-

38. Senior: De Chemia p. 66: Und wenn er «Rubin» sagt, so meint er die färbende
Seele, da sie ihre Kraft aus dem Feuer erworben hat. Vgl. p. 35: Die färbende Seele
ist im weißen Wasser verborgen.
39. Vgl. ähnlich (nicht wörtlich) Albertus Magnus, De rebus metallicis, Cöln
1569 üb. I cap. 1. p. 65 und p. 126.
40. Vgl. T u r b a a. a. O. p. 190: Und wenn die Wolken die Oberfläche (R uska: des
Kupfers) geweißt haben, so wird ohne Zweifel (auch) das Innere geweißt werden.
41. M orienus Romanus: Von der Verwandlung der Metalle in Artis Auriferae,
II, Basel, 1593, p. 31: (Datin sagt zu Euthice . . . ) : Schon haben wir die Schwärze ent­
fernt und mit dem Salz [A]natron, d. h. mit dem Salz des Nitrum und Almizadir, dessen
Beschaffenheit kalt und trocken ist, die Weissung verfestigt. Anatron = an-natron = ara­
bisch Natron.
42. Vgl. Pretiosa Margarita novella, a. a. O. p. 86, und C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars
Chemica 1566, a. a. O. p. 252.
43. Ps. 17, 3: (wörtl.) Du hast im Feuer mich erprobt, und Unrecht fand sich nicht
an mir. Meßbuch p. 694.
44. Ps. 66, 12: (wörtl.) W ir sind durch Feuer und Wasser hindurchgegangen und
du hast uns zur Erquickung geführt.
45. T a b u la S m a r a g d in a , ed J . Ruska, p. 3.
80 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

fit et in ignem vertitur, ignis liquescit et in terram vertitur glorificatam *6.


Super hoc dicit R a s i s , quod p erfectae praeparationis operationem p rae­
cedit quaedam rerum purificatio, quae a quibusdam adm inistratio vel
mundificatio nuncupatur, a quibusdam rectificatio et a quibusdam ablutio
vel separatio nuncupatur. Ipse enim spiritus, qui est septiform is m u­
nere 47 puriores partes separat ab im puris, ut abiectis im puris partibus
opus cum puris com pleatur 48. E t hanc quintam virtutem innuit H e r m e s
in suo secreto, cum dicit: Separabis terram ab igne, subtile a spisso sua­
viter ( e t c .) 49. Sexto infima exaltat, quando p ro fu nd am anim am et occul­
tam in visceribus terrae ad faciem ducit, de quo P roph eta: Q ui educit
vinctos in fortitudine sua *°. Iteru m : Ed u xisti anim am m eam ex inferno
inferiori E t Jesaias: Spiritus D om in i levavit m e >2. E t philosophi: Q ui­
cum que occultum fecerit m anifestum 53 totum opus novit et qui novit

1. « -fit et in ignem vertitur» om. P, «ignis liq. 0 0 glorificatam» om. DLRhB /


7. quartam v. MP, «virtutem» om. M / 8. cum: et MP / a grosso a spisso V /9. «etc.»
add. DRh /11. Item DL, vel B /

46. Die eingeklammerte Version steht in P statt des vorhergehenden Satzes. Vgl.
C la n g o r b u c c in a e , Artis Auriferae 1610, I, p. 317: Dicit Assiduus philosophus: Ignis
coagulatur et fit aer, aer coagulatur et fit aqua, aqua vero coagulatur et fit terra. Ecce
enim in unam naturam convenerunt inimici. Cf. item C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars. Chem.
1566, p. 288 et 29 und Excerpta ex D emocrito v . Nicol. Flamel Theatr. Chem. 1604,
I, p. 891: . . . elementa transmutantur . . . ignis fit terra, terra aqua, aqua aer, aer aqua,
aqua terra, terra ignis etc.
47. Ordo missae p. [ 1 4 3 ] : Veni creator spiritus: Tu septiformis munere, Digitus
paternae dexterae . . .
48. Cf. A r ist o tel es , De perfecto magisterio. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 79:
Praecedit autem operationem perfectae operationis quaedam rerum purificatio quae a qui­
busdam mundificatio a quibusdam administratio a quibusdam rectificatio a quibusdam
ablutio et a quibusdam separatio nuncupatur. Ipsa enim puriores rerum partes disgregat
ab impuris ut gravioribus abiectis partibus cum levioribus opus compleatur. Cf. item
Manget: Bibi. Chem. III, p. 134 a, S c a la p h ilo s o p h o r u m , item partim A r ist o tel is Trac-
tatulus, Artis Auriferae 1610, I, p. 233 et R o sa r iu m eod loco. II, 271 et A lb ertu s
M a g n u s . De lapide Philos. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 847.
49. T a b u la S m a r a g d in a , ed. R u ska , 1. c. p. 2. Cf. p. 20 Annot. 4.
50. Ps. 67, 7: Qui educit vinctos in fortitudine.
51. Ps. 85, 13: . . . eruisti animam meam ex inferno inferiori.
52. Jes. 6 l, 1: Spiritus Domini super me . . . Cf. Luc. 4, 18; Ordo missae p. 685.
Cf. Ezechiel 3, 14: Spiritus quoque levavit me . . .
53. Cf. A v ic e n n a : Declaratio Lapidis Physici Filio suo Aboali, Theatr. Chem. 1659,
IV, p. 878.
T H O M A E DE A Q U I N O A UR ORA 81

delt sich in Feuer, (d as F eu er w ird flüssig und w andelt sich in verklärte


E rd e ) *6. H ierau f B ezu g nehm end sagt R a s i s , daß der eigentlichen
(u n d ) endgültigen Z ubereitung eine gewisse R einigung der Substanzen
vorangeht, w elche von M anchen B ehandlung oder Säuberung, von A n ­
deren R ichtigstellung, und noch von A n d eren A bw aschung oder Schei­
dung genannt w ird. D e r G eist selber näm lich, der von siebenfältiger
W irk u n g ist 47, tren n t die reinen B estandteile von den unreinen, dam it
das W e rk dann nach A usscheidung der unreinen B estandteile m it den
reinen d u rch gefü h rt w erden k a n n 48. U n d eben diese W irk u n g m eint
H erm es, w enn er in seinem «G eheim nis» sagt: D u w irst die E rd e vom
Feu er scheiden, das Fein e vom D ichten und zw ar gelinde, u s w . 49 . Sechs­
tens erhöht der G eist das N ied rig e, da er die tief im E rd in n ern v er­
borgene Seele an die O berfläche em p orfü h rt, w ovon der P ro p h et sagt:
D er die G efangenen hinausführt in seiner Stärke 5°, und auch: D u hast
m eine Seele hinausgeführt aus der tiefsten H ö lle A u ch Jesaias sagt:
D er G eisthauch des H e rrn h at m ich em porgehoben » . U n d die P h ilo ­
sophen: W e r im m er das V erb orgen e sichtbar m achen k a n n » , d er ver- 4678950123

46. Die eingeklammerte Version steht in P. statt des vorhergehenden Satzes. Vgl.
C la n g o r b u c c in a e , Artis Auriferae a. a. Ο. 1610, p. 317, und C o n s iliu m C o n iu g ii,
Ars Chemica 1566, a. a. O. p. 228/229 und Excerpte des N ie. Flamel aus D emokrit.
Theatr. Chem. 1604, I, p. 891.
47. Vgl. Meßbuch, p. [1 4 3 ]: Veni creator spiritus: Du siebenfältiger Gabenpfand,
Du Finger an des Vaters Hand . . .
48. Vgl. Aristoteles, De perfecto magisterio, Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 79
und Manget: Bibi. Chem. III, p. 134 a, S c a la p h ilo s o p h o r u m . Ebenso teilweise Aristo­
telis Tractatulus, Artis Aurif. 1610, I, p. 233 und das R o sa r iu m ebda II, p. 271.
49. T a b u la S m a r a g d in a , ed. R uska, a. a. O. p. 3- Vgl. p. 20, Anm. 4.
50. Ps. 68, 7: Der die Gefangenen (hin)ausführt zu rechter Zeit (wörtl. in seiner
Stärke).
51. Ps. 86, 13: . . . du hast meine Seele errettet aus der tiefen Hölle.
52. Jes. 61, 1: Der Geist des Herrn ist über mir . . .
Ezechiel 3, 14: Da hob mich der Wind (wörtl. Geist) auf . . .
53. Vgl. Avicenna: Declaratio Lapidis Physici Filio suo Aboali. Theatr. Chem.
1659, IV, p. 878.
82 T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA

nostrum cam bar (i. e. ign em ) hic [n o s te r] philosophus est h. M orie-


nus : Q ui anim am [s u a m ] sursum levaverit, eius colores videbit. E t
A lphidius: N isi hic vapor ascenderit, nil habebis eo ” , quod p er ipsum
et cum ipso et in ipso totum s6 opus fit. Septim o et ultim o inspirat,
quando suo flatu corpus terrenum spirituale facit, de quo canitur: T u
aspirando das spiritales esse hom ines *7. Salomon: Spiritus D om ini re ­
p levit orbem terraru m *8. E t P roph eta: E t spiritu oris eius om nis virtus
eorum E t Rasis in lum ine lum inum : N o n possunt gravia nisi levium
consortio levigari (n e c levia nisi com binatione graviu m ad im a detru­
d i) 54678960. E t [ i n ] Turba: F acite co rp ora in co rp o re a 61 et fixum volatile; haec
autem om nia nostro spiritu peraguntur et adim plentur, quia ipse solus

1. «i. e. ignem» add. MP / «noster» add. DRhLV / philosophus: filius DRh2 /


2. «suam» add. D / 5. «dicitur vel» canitur add. MPV, dicitur B / 8. «Rasis in» om.
MPVB, «et Rasis» om. B / 9. (nec levia 0 0 detrudi) add. RhLD / 10. «in» add. RhLB /

54. T u r b a , 1. c. p. 130: Qui ergo scit cambar philosophorum occultum, iam ei est
notum arcanum. Cambar wird oft in der T u r b a erwähnt und ist die arab. Transkription
für griechisch: kinnabaris = Zinnober. Vgl. R uska : T u r b a , 1. c. p. 28. Cf. C o n s iliu m
C o n iu g ii, Ars Chem. 1566, 1. c. p. 198.
55. Cf. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, 1. c. p. 121: als Assiduuscitat: Nisi
hic vapor ascendet, nihil habes ex eo quia ipse est opus et absque quo nihil. Et sicut
anima corpori ita est ipse, qui fit quelles. Cf. R o s a r iu m p h il. Artis Aurif. 1610, II,
p. 247: Albertus: Nisi anima corpus suum exierit et in coelum sursum ascenderit, nihil
proficies in hac arte.
56. Alphidius Cod. Ashmole 1420 1. c. fol. 26: Nisi hic vapor ascendat nihil habe­
tis eo quod ipse est opus et per ipsum et in ipso absque quo nihil fit. cf. Ordo missae,
p. 19/20 Nobis quoque peccatoribus . . . Per ipsum et cum ipso et in ipso est tibi Deo
Patri omnipotenti in unitate spiritus sancti omnis honor et gloria. Cf. Rom. 11, 33-36:
Quoniam ex ipso et per ipsum et in ipso sunt omnia. Ipsi gloria in saecula. Arnen.
57. N otcerus B albulus, Hymnus in die Pentecostes (M igne P. L. C X X X I coi.
1012-1013): Tu animabus vivificandis aquas fecundas. Tu aspirando das spiritales
esse homines.
58. Sap. 1, 7: Quoniam spiritus Domini replevit orbem terraru m ... Cf. Ordo
missae p. 366.
59. Ps. 32, 6: Verbo Domini caeli firmati sunt et spiritu oris eius est omnis virtus
eorum. Cf. Ordo missae p. 380, (7 8 ).
60. Aristoteles: De perfecto magisterio, Theatr. Chem. 1659, III, p. 79: Et hoc
dedit H ermes intelligere in suo secreto . . . dicens: Separabis terram ab igne et subtile
a spisso. Quia non possunt gravia nisi levium consortio levigari nec levia nisi combina­
tione gravium ad ima detrudi. Cf. item Avicenna: Declaratio Lapidis Physici Filio suo
Aboali. Theatr. Chem. 1569, IV , p. 880 et Manget, Lib. III, p. 129 a; R o s a r iu m p h il.,
II, et p. 133 b.
61. Cf. T u r b a , 1. c. p. 141, 155, 151.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 83

steht das ganze W e rk , und w er unseren C am bar *4 (d . i. F e u e r) kennt,


d er ist (u n se r) Philosoph. A u ch Morienus sagt: W e r die (sein e) Seele
em porsteigen m acht, der w ird ihre F arb en sehen. U n d A lphidius: W e n n
dieser D am p f nicht aufsteigt, dann w irst du nichts erreichen denn
durch ihn und m it ihm und in ihm geschieht das ganze W e rk . Sieb­
tens und letztens verleiht er lebendigen G eist (in spiriert e r ) , da er durch
seinen H auch den irdischen K ö rp e r geistig m acht, w ovon es h eiß t: D u
lässest die M enschen geistig w erden durch deinen Anhauch 57. U nd
Salomon: D er G eist des H e rrn erfü llte den Erdkreis *8. A u ch der P ro ­
phet sagt: U n d durch den G eisthauch seines M undes besteht all ihre
P rach t w. U n d Rasis sagt im «Lum en L u m in u m »: D as Schw ere kann nur
m it dem Leichten vereint zum A ufsteigen gebracht w erden und das
Leichte nur in V erbindung m it dem Schw eren in die T ie fe hinabge­
drückt w e rd e n 60. U n d in der T u rb a heißt es: M ach t die K ö rp e r u nkör­
perlich 61 und das Feste flüchtig; dies A lles w ird aber m it unserem G eist
ausgeführt und vollendet, denn er allein kann rein m achen, was von 54678901

54. Vgl. T u r b a , a. a. O. p. 205: W er also den «verborgenen Zinnober» (cambar)


der Philosophen kennt, dem ist das Geheimnis schon bekannt. Cambar wird oft in der
T u r b a erwähnt und ist die arab. Transkription für griech. kinnabaris, Zinnober. Vgl.
Ruska, a. a. O. p. 28. Vgl. auch C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. a. a. O. p. 198.
55. Vgl. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, a. a. O. p. 121. Wenn dieser Dampf
nicht aufsteigt, wirst du nichts erreichen. Deshalb, weil er selber das Opus ist und ohne
ihn nichts geschieht. Vgl. auch R o s a r iu m p h il. Ars Aurif. 1610, II, p. 247, den Aus­
spruch des Albertus Magnus.
56. Cod. Ashmole 1420 fol. 26. 1. c. Vgl. die Worte des Priesters beim Schluß der
Bitte um Gemeinschaft der Heiligen i. d. Messe. Meßbuch p. 20: Durch ihn und mit
ihm und in ihm ist dir O Gott allmächtiger Vater in Einheit mit dem heiligen Geiste
alle Ehre und Herrlichkeit. Amen. - Vgl. Röm. 11, 34-36: Denn von ihm und durch ihn
und in ihm ist alles. Ihm sei Ehre und Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
57. N otker der Stammler: Pfingstlied. (M igne P. L. C X X X I c. 1012-1013.)
58. Weish. 1, 7: Denn der Weltkreis ist voll Geistes des Herrn. Meßbuch, p. 366.
59. Ps. 33, 6: Die Himmel sind gemacht durch das W ort des Herrn, und all ihr
Heer (wörtl. ihre Pracht) durch den Geist (hauch) seines Mundes. Meßbuch p. 380 (7 8 ).
60. Vgl. Aristoteles: De perfecto Magisterio. Theatr. Chem. 1659, III, p. 79 und
Manget: Bibi. Chem. III, p. 129 a und 133 b (R o s a r iu m I I ) .
61. T u r b a , a. a. O. p. 220/221 und p. 236.
84 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

est, qui potest facere m undum de im m undo conceptum se m in e 6z. N o n n e


dicit scriptura: Lavam ini in eo et m undi esto te63. E t ad N aam an (S y ru m )
dictum est: V ad e et lavare septies in Jo rd an e et m undaberis N a m ipse
est unum baptism a in ablutionem peccatorum , ut fides et P roph eta testan­
t u r 6*. Q ui habet aures audiendi audiat, quid dicat spiritus (san ctu s)
doctrinae filiis disciplinae de spiritus septiform is virtute, quo om nis
im pletur scriptura, quod philosophi insinuant his verbis: D istilla septies
et separasti ab hum iditate corrum pente.

X . P A R A B O L A Q U I N T A D E D O M O T H E S A U R A R IA ,
Q U A M S A P IE N T IA F U N D A V I T S U P R A P E T R A M

a p ie n t ia aedificavit sibi dom um *, quam quis introierit salvabitur et


S pascua in v en iet*1234teste propheta: Inebriabuntur ab ubertate dom us
tuae 3, quia m elior est dies una in atriis tuis super m illia 4. O quam beati,

2. «Syrum» add. Rha / 4. absolutionem D / 5. «sanctus» add. D / 6 . spiritu MRhL /


virtutis D / 7. septies: semel Rh 2 / 9. thesaurizaria MP / 10. «firmam» petr. add. L,
«supra petram» om. M PV /12. testante MPV /13. tuis: eius RhDML, tuis corr. eius V /

62. Job. 14. 4: Quis potest facere mundum de immundo conceptum semine? Nonne
tu, qui solus es? Cf. Ordo missae: Orationes ante missam dicendae: Sed scio veraciter
et credo ex toto corde. . . quia potes me facere dignum, qui solus potes mundum
facere de immundo conceptum semine et de peccatoribus iustos facis et sanctos.
63. Jes. 1, 16: Lavamini, mundi estote. . .
64. IV. Reg. 5, 10: Vade et lavare septies in Jordane et recipiet sanitatem caro
tua atque mundaberis.
65. Apost. Credo. Ordo missae p. 8: . . . et in unum baptisma in remissionem pecca­
torum . . . Cf. Mare. 1,4; Luc. 3, 3; Acta Ap. II, 38; Eph. IV, 5.
1. Prov. 9. 1-5: Sapientia aedificavit sibi domum, excidit columnas septem. Immo­
lavit victimas suas, miscuit vinum et proposuit mensam suam. Misit ancillas suas, ut
vocarent ad arcem et ad moenia civitatis: Si quis est parvulus, veniat ad me. Et insi­
pientibus locuta est: Venite, comedite panem meum et bibite vinum, quod miscui
v o b is ... Cf. Ordo missae, p. 788. Cf. Senior, De Chemia, 1. c. p. 21: Dixit filius
Hamuel author huius operis: Feci inimicos in carmine figurarum . . . quas praedixi fuisse
in gremio sapientis . . . sedentis iuxta hostium thalami in domo quam sibi aedifica­
verat . . . p. 107: Lapis est sicut domus cum suis 4 parietibus et tecto . . .
2. Joh. 10, 9: Ego sum ostium. Per me si quis introierit salvabitur et ingredietur
et egredietur et pascua inveniet. Cf. Ordo missae p. 379.
3. Ps. 35, 9: Inebriabuntur ab ubertate domus tuae et torrente voluptatis tuae
potabis eos.
4. Ps. 83, 11: . . . quia melior est dies una in atriis tuis super millia . . . Cf. Ordo
missae p. 444.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 85

unreinem Samen em pfangen w u rd e 62. Sagt nicht die S ch rift: W asch et


euch in ihm , und ihr sollt rein sein *3. U n d zu N aem an w urde gesagt:
G eh und tauche dich siebenmal im Jo rd an , und du w irst rein w e rd e n 6*.
D en n es gib t eine T a u fe zur A bw aschung d er S ü n d en 6*, wie der G laube
und d er P rop h et bezeugen. W e r O hren h at zu hören, der höre, was der
(h eilig e) G eist d er L eh re den Söhnen der W issen sch aft von der W i r ­
kungskraft des siebenfältigen Geistes sagt, von dem die ganze Schrift
erfü llt ist, was die Philosophen m it folgenden W o rte n andeuten: D estil­
liere siebenmal, und dann hast du die Scheidung von aller verderblichen
Feuchtigkeit vollzogen.

X . D IE F Ü N F T E P A R A B E L V O M S C H A T Z H A U S
D A S S IC H D IE W E I S H E I T A U F D E M F E L S E N E R B A U T E

ie W eish eit baute sich ein H aus x, w er in dieses eingeht, der w ird

D selig w erden und W e id e fin d en 2 nach dem Z eugnis des P roph eten :
Sie w erden trunken sein vom Ü berfluß deines H auses 3 ; denn besser ist
ein T a g in deinen V o rh öfen , als tausend andere 4 ! O h w ie glückselig

62. Hiob 14, 4: Kann wohl ein Reiner kommen von den Unreinen? Auch nicht einer
(W örth: W er kann das rein machen, was von unreinem Samen empfangen wurde? Nicht
du allein?) Vgl. Meßb.: Vorbereitende Gebete: Ich weiß wahrlich und glaube von ganzem
Herzen, daß du mich würdig machen kannst, der du allein rein machen kannst was von
unreinem Samen empfangen wurde und aus Sündern Gerechte und Heilige machst.
63. Jes. 1, 16: Waschet, reiniget euch, (seid rein), tut euer böses Wesen von meinen
Augen . . .
64. IV. Könige 5, 10: Gehe hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir
dein Fleisch wieder rein werden.
65. Apost. Credo. Meßb. p. 8: Ich bekenne eine Taufe zur Nachlassung der Sünden. . .
1. Sprüche 9, 1-5: Die Weisheit baute ihr Haus und hieb sieben Säulen (aus),
schlachtete ihr Vieh und trug ihren Wein auf und bereitete ihren Tisch und sandte ihre
Diener aus, zu rufen oben auf den Höhen der Stadt: W er unverständig ist, der komme
zu mir! und zum Narren (Toren) sprach sie: Kommet, zehret von meinem Brot und
trinket meinen Wein, den ich schenke . . . Vgl. Meßbuch p. 788. Vgl. Senior: De Chemia
p. 21: Es sagte der Sohn Hamuels, der Autor dieses Werkes: Ich habe mir Feinde
gemacht im Gedicht der Figuren, von denen ich sagte, sie seien im Schoß eines Weisen
gewesen, der beim Eingang des Gemaches saß im Hause, das er sich erbaut hatte, p. 107:
Der lapis . . . ist wie ein Haus mit seinen 4 Wänden und dem Dache.
2* Joh. 10, 9: Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden
und wird ein und aus gehen und Weide finden. Vgl. Meßbuch p. 379.
3. Ps. 36, 9: Sie werden trunken von den reichen Gütern (wörtl. Überfluß) deines
Hauses und du tränkest sie mit Wonne als mit einem Strom.
4. Ps. 84, 11: . . . denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser denn sonst tausend!
Meßbuch p. 444.
86 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

qui habitant in dom o h ac in ea nam que qui petit, accipit et qui quaerit
invenit et pulsanti a p e rie tu r 5
67.N a m Sapientia stat ad ostium dicens: Ecce
sto ad ostium et pulso, si quis audierit vocem m eam et aperuerit ianuam ,
introibo ad illum et ipse ad m e et satiabor cum illo et ipse m ecum 7. O
quam m agn a m ultitudo dulcedinis tuae, quam abscondisti introeuntibus
dom um h a n c 89, quam oculus n on vidit nec auris audivit nec in co r h om i­
nis ascendit D om u m hanc reserantibus erit ea quae decet sanctitudo
et utique longitudo d ie ru m I01, quia fundata est supra firm am p e tr a m XI,
quae non potest scindi nisi ungatur optim o sanguine h irc in o 1213vel p e r­
cutiatur v irg a m osaica ter, ut aquae effluant largissim ae, ita u t omnis
populus viroru m ac m ulierum bibat χ3; et amplius non sitient neque esu-

2. Ecce: Ego V P / 5. «ab» introeunt, add. L / 6. quae VP, quem M / 7. «erit ea» ora.
M PVB / 10. fluant M PVB /

5. Ps. 83, 5: Beati qui habitant in domo tua Domine, in saecula saeculorum lauda­
bunt te. Cf. Ordo missae p. 515.
6. Math. 7, 7 -8 : Petite et dabitur vobis, quaerite et invenietis, pulsate et aperietur
vobis. Omnis enim qui petit, accipit, et qui quaerit inveniet et pulsanti aperietur . . .
Cf. Ordo missae p. 352.
7. Apoc. 3, 20: (angelus Laodiceae ecclesiae): Ecce sto ad ostium et pulso, si quis
audierit vocem meam et aperuerit mihi ianuam, intrabo ad illum et coenabo cum illo
et ipse mecum . . .
8. Ps. 30, 20: O quam magna multitudo dulcedinis tuae, quam abscondisti timentibus
te. Cf. Ordo missae p. 619.
9. I. Cor. 2, 9: . . . quod oculus non vidit nec auris audivit nec in cor hominum
ascendit, quae praeparavit Dominus iis, qui diligunt eum.
10. Ps. 92, 5: Domum tuam decet sanctitudo, Domine in longitudinem dierum. Cf.
Ps. 22, 7: . . . ut inhabitem in domo Domini in longitudinem dierum.
11. Math. 7, 24: Assimilabitur viro sapienti, qui aedificavit domum suam supra
firmam petram . . .
12. Levit. 16, 18: Cum autem exierit ad altare quod coram Domino e s t. . . sump­
tum sanguinem vituli atque hirci fundat super cornua eius per gyrum . . . C f. Senior:
De Chemia p. 9: Igitur desinet lux mea quoniam capient. . . a pinguedine. . . absque
sanguine hircorum et discernit verum a falso. Cf. item p. 78-79.
13. Num. 20, 11: Cumque elevasset Moyses manum percutiens virga bis silicem,
egressae sunt aquae largissimae . . .
Exod. 17, 6: Percuties petram et exibit ex ea aqua, ut bibat populus . . .
T H O M A E DE A Q U I N O A UR ORA 87

sind die, w eiche in diesem H ause w ohnen 5, denn w er da bittet, der


em pfängt, und w er sucht, der findet, und w er anklopft, dem w ird au f­
g e ta n 6. D ie W eish eit steht näm lich am T o re und spricht: Siehe, ich
stehe vor der T ü r und klopfe an; so jem and m eine Stim m e hören w ird
und die T ü r auftut, zu dem w erde ich eingehen und er zu m ir, und ich
w erde das M ahl m it ihm halten und er m it m ir 7. O h w ie g roß ist die
Fü lle deiner Süßigkeit, die du verborgen hältst fü r die, die dieses H aus
ersch ließ en 8, eine Süßigkeit, wie sie kein A u g e gesehen hat und kein
O h r g eh ört hat und in keines M enschen H erz gekom m en ist 9, D ie dieses
H aus aufschließen, w erden H eiligkeit und zudem die F ü lle der T a g e
e rla n g e n I0, die ihnen zusteht, denn es ist au f einen starken Felsen g e­
b a u t11, der sich nur m it bestem Bocksblut spalten l ä ß t 12, oder w enn er
dreim al m it dem Stabe des M oses geschlagen w ird, au f daß ihm viel
W asser entström e und das ganze V olk , M än n er und Frau en, trinke J3,

5. Ps. 84, 5: Wohl denen (Selig sind), die in deinem Hause wohnen, Herr, Meß­
buch p. 515.
6. Math. 7, 7 -8 : Bittet und ihr werdet empfangen, suchet, so werdet ihr finden,
klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt, und wer da sucht,
der findet, und wer da anklopfet, dem wird aufgetan. Meßbuch p. 352.
7. Ofifenb. 3, 20: Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme
hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl (wörtl.
Mahl) mit ihm halten und er mit mir.
8. Ps. 31, 20: W ie groß ist deine Güte (wörtl. Herr, die Fülle deiner Süßigkeit),
die du verborgen hast für die, so dich fürchten. Vgl. Meßbuch p. 619.
9. I. Cor. 2, 9: Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines
Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.
10. Ps. 93, 5: Heiligkeit ist die Zierde deines Hauses (wörtl. Deinem Hause gebührt
Heiligkeit) O Herr, ewiglich (wörtl. in die Länge der Tage).
Ps. 23, 6: (W örtl. so gibst du ihm langes Leben immer und ewiglich). Meß­
buch p . 731.
11. Math. 7, 24: . . . den vergleiche ich dem klugen Mann, der sein Haus auf einen
(starken) Felsen baute . . .
12. Levit. 16, 18: W örtl.: Und wenn er herausgeht zum Altare des Herrn, soll er
vom Blute des Kalbs und des Bockes nehmen und es auf des Altares Hörner ausgießen
im Kreise . . . Vgl. Se n io r : De Chemia, a. a. O. p. 9: Mein Licht möge versagen, da sie
nehmen werden . . . vom Fetten . . . ohne Bocksblut, und es unterscheidet das Wahre
vom Unwahren. Vgl. auch p. 78-79.
13. Num. 20, 11: Und Moses hob seine Hand auf und schlug den Fels mit dem
Stab zweimal. Da ging viel Wasser heraus, daß die Gemeinde trank und ihr Vieh.
Exod. 17, 6: . . . da sollst du den Fels schlagen, so wird Wasser herauslaufen, daß
das Volk trinke.

7 Jung : Mysterium III


88 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

rient m. Q uicum que dom um hanc aperuerit sua scientia, in ea inveniet


fon tem vivum indeficientem et iuvenescentem **, in quo quis baptizatus
fuerit, [ h i c ] salvus e r i t 14
1617nec am odo senescere potest. P ro ch d olor pauci
5
[ta m e n eam ] reserant, qui parvuli sunt et u t parvuli sapiunt *7; si autem
enarraverint illa qui parvuli sunt et sedilia viginti quatuor seniorum ipsis
usurpaverint, procu l dubio dignitate eorum et grad u dom um a p e rie n t 1819
ita u t facie ad faciem ^ oculo ad oculum om nem claritatem solis et lunae
speculabuntur, absque autem ipsis m inim e valebunt. Q ui enim habent
claves regni coelorum quodcum que ligaverint et solverin t20; fiet ita. N a m

3. «hic» add. M PV / 4. «tamen eam» add. D / eis reseratur D / 5. quae M PVL /


si autem ipsis qui parvuli sunt enarraverint i ll a . . . D / sedecim M PV, seniorem M /
6. gradus ipsius domus M PV / aperirent P, aperuerunt M / 8. absque hoc autem ipsi
RJhL / 9. quaecumque P, quemcumque M, quidcumque Rh /

14. Apoc. 7, 16: . . . non esurient neque sitient amplius nec cadet super illos sol.
Cf. Ordo missae p. 735. Cf. item Jes. 49, 10 et Joh. 4, 13-14: Omnis qui bibit aqua
ex hac sitiet iterum, qui autem biberit ex aqua quam ego dabo ei non sitiet in aeternum.
Sed aqua quam ego dabo ei fiet in eo fons aquae salientis in vitam aeternam.
15. Cf. Sach. 13, 1: In die illa erit fons patens domui David . . . in ablutionem pecca­
toris . . .
16. Mare. 16, 16: Qui crediderit et baptizatus fuerit salvus erit.
17. Ps. 118, 130: Declaratio sermonum tuorum illuminat et intellectum dat par­
vulis . . .
I. Cor. 13, 11: Cum essem parvulus loquebar ut parvulus, sapiebam ut parvulus . . .
18. Cf. Ps. 106, 32: Exaltent eum . . . et in cathedra seniorum laudent eum. Cf. Ordo
missae p. 510.
Cf. Apoc. 4, 4 sq.: Et in circuitu sedis sedilia vigintiquattuor: et super thronos vigin-
tiquattuor seniores sedentes circumamicti vestimentis albis et in capitibus eorum coronae
aureae. . . 10: procidebant vigintiquattuor seniores ante sedentem in throno et adora­
bant viventem . . . 5,6: Et vidi, et ecce in medio . . . seniorum agnum stantem tamquam
occisum habentem cornua septem et oculos septem, qui sunt septem spiritus Dei missi
in omnem terram . . . 5, 8: seniores . . . habentes . . . phialas aureas plenas odoramento­
rum . . . Cf. Ordo missae p. 787.
C f. Senior De Chemia (Epistola Solis ad lunam crescentem) p. 8. (Luna d icit):
...exaltabim ur, quando ascend(er)imus ordinem seniorum, lucerna lucis infundetur
lucernae meae et (ex) te et (ex) me (fit) sicut commixtio vini et aquae dulcis . . . cum
intraverimus domum amoris coagulabitur meum corpus . . . respondit Sol: . . .
19. I. Cor. 13, 12: Videmus nunc per speculum in aenigmate: tunc autem facie ad
faciem . . . Cf. Ordo missae p. 140.
20. Math. 16, 19: Et tibi dabo claves regni coelorum. Et quodcumque ligaveris super
terram, erit ligatum in coelis, et quodcumque solveris super terram, erit solutum in
coelis. Cf. Ordo missae p. 511.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 89

und es w ird sie fürderhin nicht m ehr hungern noch d ü rste n 1*. W e r
im m er dieses H aus öffnet, w ird in ihm eine lebendige, unversiegliche
und verjüngende Q uelle finden u , durch die jeder, der darin getau ft
w ird, selig w ir d 16 und in Z u k u n ft nicht m eh r altern kann. A b er, oh
weh, n u r w enige können es erschließen, die w ie K in d er sind und wie
K in d er klug sind *7; w enn diese aber, die K in d er sind, (sich ) jene D in ge
m itteilen und die Stühle der vierundzw anzig Ä ltesten fü r sich in Besitz
nehm en, so w erden sie zw eifellos m ittels ihrer W ü rd e und ihrem Stand
das H aus ö ffn en 18, so daß sie von A ngesicht zu A ngesicht, A u g e in
A u ge die volle H errlichk eit von Sonne und M ond schauen w erden
ohne diese (Ä ltesten ) aber w erden sie nichts ausrichten. D ie näm lich
die Schlüssel des H im m elreiches innehaben, w erden alles, was sie bin­
den w erden, auch lö s e n 20, das w ird so geschehen. D en n diese folg en

14. Offenb. 7, 16: Sie werden nicht mehr hungern und dürsten . . . Vgl. ferner
Jes. 49, 10 und Joh. 13-14: W er von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten,
wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht
dürsten. . . sondern wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, der in das ewige
Leben quillt.
15. Vgl. Sach. 13, 1: Zu der Zeit wird das Haus David einen freien offenen Born
haben wider die Sünde.
16. Mark. 16, 16: W er da glaubet und getauft wird, der wird selig werden . . .
17. Ps. 119, 130: Wenn dein W ort offenbar wird, so gibt es den Einfältigen W eis­
heit und Verstehen.
I. Cor. 13, 11: Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie
ein Kind . . .
18. Ps. 107, 32: . . . die sollen . . . ihn bei der Gemeinde preisen und bei den Alten
rühmen.
Offenb. 4, 4 ff: Und um den Stuhl waren vierundzwanzig Stühle und auf den Stühlen
saßen vierundwanzig Älteste mit weißen Kleidern angetan und hatten auf ihren Häup­
tern goldene Kronen . . . 4, 10: Und d a . . . fielen die vierundzwanzig Ältesten nieder
vor dem, der auf dem Stuhl saß und beteten an . . . 5, 8: da fielen. . . die vierund­
zwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm und hatten ein jeglicher. . . goldene Schalen
voll Räucherwerk. Meßbuch p. 787.
Vgl. Se n io r : De Chemia. . . Epistola Solis ad lunam crescentem, p. 8 (Der Mond
sagt): W ir werden durch den Geist erhöht werden, w en n w ir d i e R e ih e d e r Ä ltes te n
e r s tie g e n h a b e n , dann wird die Leuchte deines Lichtes sich in meines ergießen und aus
dir und mir wird gleichsam eine Mischung von W ein und süßem Wasser entstehen . . .
19. I. Cor. 13, 12: W ir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort,
dann aber von Angesicht zu Angesicht. Meßbuch p. 140.
20. Math. 16, 19: Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben, alles was
du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein und alles was du
auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein. Meßbuch p. 511.
90 T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA

ipsi sequuntur agnum quocum que ie r it21. H uius autem dom us decor
est inenarrabilis, p lateae et m uri eius e x auro purissim o, p ortae vero
eius nitent m argaritis atque gem m is p re tio sis222345lapides vero eius angu­
lares sunt quatuordecim tenentes virtutes principales totius fundam enti.
Prim us est sanitas, de qua P roph eta: Q ui sanat contritos corde et alligat
contritiones eorum 23, et philosophi: Q ui utitur eo hom inem vigoroso
corp ore co n se rv a t2«. Secundus est hum ilitas de qua scribitur: Q uia re­
spexit hum ilitatem ancillae s u a e 2*, ecce enim ex hoc beatam m e dicent
omnes generationes. E t P roph eta: D om inus erigit e liso s 26. E t A r i s t o t e ­
les ad A lexan d ru m : C um isto lapide non est bonum pugn are 27. A l p h i -
d iu s dicit: Si hum ilis fu erit, eius sapientia perficietur 27a. T ertius est
sanctitas, de qua P roph eta: C um sancto sanctus e r is 2829. E t iterum : sanc­
titas et m agnificentia in sanctificatione e iu s 2?. E t A l p h i d i u s : Scito, quod

6. «hominem» om. RhLD / 7. conservatur RhLD / 10. purgare RhLDB / 12. Cum
sanctis MP /

21. Apoc. 14, 4: Hi sequuntur Agnum quocumque ierit. Cf. Ordo missae p. 96.
22. Apoc. 21, 10 fif: . . . et ostendit mihi civitatem sanctam Jerusalem . . . habentem
portas duodecim . . . Et murus civitatis habens fundamenta duodecim . . . Et erat struc­
tura muri eius ex lapide iaspide, ipsa vero civitas aurum mundum simile vitro mundo . . .
Et duodecim portae duodecim margaritae sunt. . . et platea civitatis aurum mundum . . .
23. Ps. 146, 3: Qui sanat contritos corde et alligat contritiones eorum. Cf. Ordo
missae p. 136.
24. Cf. A u r o r a co n su rg . I I , Artis aurif. 1610, I, p. 141: Illa tinctura hominem laeti­
ficat et cor hominis sanat, ut Senior dicit et reddit hominem hilarem et juvenilem et
vigorose corpus conservat.
25. Lucas 1, 48: Quia respexit humilitatem ancillae suae; ecce enim ex hoc beatam
me dicent omnes generationes. Cf. Ordo missae p. 305.
26. Ps. 144, 14: Allevat Dominus qui corruunt et erigit omnes elisos.
27. Cf. Aristoteles Secreta Secretorum 1528 fol. X X I X . De Lapide Alchahat:
et non potest homo proeliari cum habente ipsum in manu. Et fol. X X X : est alia arbor,
qui istam secum portaverit, erit laetus probus et audax, cum isto non est bonum luctari
vel litigare vel pugnare . . .
27a. Cf. T heobaldus de H oghelande De Alchimiae Difficultatibus, Manget.
1. c. I p. 340: Et Alphidius (in clav. Phil.) Si humilis fueris eius Sophia et Sapientia
perficietur, sin autem, eius dispositio penitus te latebit.
28. Ps. 17, 26: Cum sancto sanctus eris et cum viro innocente innocens eris.
29. Ps. 95, 6: Confessio et pulchritudo in conspectu eius. Sanctimonia et magnifi­
centia in sanctificatione eius. Cf. Ordo missae p. 693.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 91

dem Lam m e w ohin es g e h t 21. D e r Schmuck dieses H auses ist aber u n ­


beschreiblich: seine M auern sind aus lauterem G olde, und seine T o re
funkeln von Perlen und E d elstein en 22; seine Ecksteine aber sind vier­
zehn an Z ah l und enthalten die G ru nd k räfte des ganzen Fundam entes.
D er E rste ist die G esundheit, w ovon der P roph et sagt: E r heilt die zer­
brochenen H erzens sind und lindert ihre Schm erzen 23, und die P h ilo ­
sophen: W e r ihn (d en Stein) gebraucht, w ird den M enschen in voller
K ö rp erk raft erh a lte n 2*. D er Z w eite ist die D em ut, von der es h e iß t2*:
D enn er h at die D em ut seiner M ag d angesehen. Siehe, von nun an
w erden m ich selig preisen alle G enerationen. U n d der P roph et spricht:
D er H e rr richtet auf alle, die niedergeschlagen s in d 26. U n d A r i s t o ­
teles sagt in seiner Schrift an A lexan d er: M it diesem Stein ist nicht
gu t käm pfen 27. A u ch A l p h i d i u s sagt: W e n n einer dem ütig ist, so w ird
seine W eish eit V ollen d u ng erlangen. D e r dritte ist die H eiligkeit, von
w elcher der P roph et sagt: M it dem H eiligen bist du h e ilig 28; und auch:
H eiligkeit und M aiestät in seiner H e ilig u n g 2?. U n d A l p h i d i u s : W isse,

21. Offenb. 14, 4: Diese sinds, die mit Weibern nicht befleckt sind - denn sie sind
Jungfrauen - und folgen dem Lamme nach, wo es hingeht. Meßbuch p. 96.
22. Oflfenb. 21, 10 ff: Und ich . . . sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem von
Gott aus dem Himmel herabfahren . . . Und sie hatte eine große Mauer und hatte zwölf
Tore . . . Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine . . . Und der Bau ihrer Mauer
war von Jaspis und die Stadt von lauterem Golde gleich dem reinen Glase . . . Und die
Grundsteine der Mauer um die Stadt waren geschmückt mit allerlei Edelgestein . . . Und
die zwölf Tore waren zwölf Perlen und ein jeglich Tor war von e in e r Perle und die
Gassen der Stadt waren lauteres Gold . . .
23. Ps. 147, 3: Er heilt die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Schmer­
zen . . . Meßbuch p. 136.
24. Vgl. A u r o r a co n s. l l . Teil. Artis Aurif. 1610, a. a. O. p. 141: Jene (die Tink­
tur) erfreut den Menschen und heilt sein Herz und macht, wie Senior sagt, den Men­
schen heiter und jugendlich und erhält seinen Körper kraftvoll.
25. Lucas 1, 48: . . .denn er hat die Niedrigkeit (Demut) seiner Magd angesehen.
Siehe von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder (Generationen). Meß­
buch p. 305.
26. Ps. 145, 14: Der Herr erhält alle, die da fallen und richtet auf alle, die nieder­
geschlagen sind.
27. Vgl. A ristoteles Secreta Secretorum 1528, fol. X X I X . Vom Stein Aichahat:
Und ein Mensch kann nicht kämpfen mit einem, der diesen Stein in der Hand hält,
s. auch fol. X X X .
28. Ps. 17, 26: M it dem Heiligen bist du heilig und bei den Frommen bist du
from m . . .
29. Ps. 96, 6: . . . es gehet gewaltig und löblich zu in seinem Heiligtum, (wörtl.:
Heiligkeit und Majestät in seiner Heiligung). Meßbuch p. 693.
92 T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA

i hanc scientiam habere non poteris, nisi m entem tuam D eo purifices, hoc
est in corde om nem corruptionem deleas 3°. E t T u rb a: V oluptates reliqui
et D eum exoravi, u t aquam m ihi m undam ostenderet, quam novi esse
m erum acetum 3*. Q uartus est castitas, de qua legitu r: Q uem cum am a-
5 vero m unda sum , (cu m tetigero casta su m ) 3». Cuius m ater v irg o est
et p ater non concubuit, quia lacte virgineo pastus est etc. 33. U n d e A v i-
cen n a in mineralibus dicit: Q uidam ingeniosi utuntur aqua, quae lac
virginis d ic itu r 34. Q uintus est virtus, de qua dicitur: V irtus orn at ani-

1. sanctifices D / 5. (cum tetigero casta sum) add. MPV / 5.-6. «Cuius mater oo
pater non» om. MPV / 6. concumbit MPB /30124

30. A lphidius , Cod. Ashmole 1420, fol. 15: Inspice Fili in libro meo et mandatum
meum respice atque monitionem meam. Et scito quod sapientiam istam habere non potes
quousque mentem tuam Deo purifices et sciat te Deus habere certum animum et
creatori tuo fidelitatem quod thesaurus Dei numquam perit nec deficit. Cf. item. C o n ­
s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, 1. c. p. 56: Hanc enim scientiam inquirentibus
necessarium est habere mentes purificatos a Deo, cum sit donum et secretum Dei. Cf.
item R o sa r iu m , Manget, Lib. III, p. 91 b: Scito fili quod istam scientiam habere non
potes, quousque mentem tuam Deo purifices et sciat Deus te habere certum animum ac
rectum et tunc Mundo dominari te faciet. Cf. T heobaldus de H oghelande, De Alchi-
miae Difficultatibus, Manget. 1. c. I. p. 340: Unde A lphidius (in clav. P hil.): Hanc
scientiam habere non potes, quousque mentem tuam Deo purifices et sciat te Deus habere
mentem contritam.
31. T u r b a 1. c. p. 125: F loritis : Acetum est acerrimum, quod facit esse merum spi­
ritum . . . Et iuro vobis per Deum, quod multo tempore in libris investigavi. . . et Deum
oravi ut, quid est, me doceret. Exaudita autem oratione mundam aquam mihi demonstra­
vit, quam novi merum esse acetum.
32. Cf. Math. 9, 21-22.
33. Alphidius, Cod. Ashmole 1420 1. c. fol. 26: Cuius mater virgo est et pater non
concubuit. Cf. das ALPHiDiuscitat bei Petrus B onus, Pretiosa Margarita Novella
1. c. p. 40: Hic lapis in viis projectus, est in nubibus exaltatus, in aere habitat, in flumine
pascitur et in cacumine montium quiescit, cuius mater virgo est, cuius pater foeminam
nescit. Item im L i b e r d e m a g n i L a p id is c o m p o s itio n e e t o p e r a t io n e , Theatr. Chem.
1659- Vol. III. p. 37 und p. 44. Item ais AssiDUUScitat im C o n s iliu m C o n ju g ii
l.c .p . 205, 64, 150.
Cf. Margarita pretiosa novella, 1. c. p. 40: __ iudicaverunt deum cum homine fieri
debere unum et hoc factum fuit in Christo Jesu et virgine matre eius . . . Et ostendit
deus hoc exemplum miraculosum philosophis in hoc lapide.
34. Avicennae Mineralia, in Artis Auriferae, 1610, p. 240: Est autem res quaedam,
qua utuntur quidam ingeniosi cum volunt rem siccam coagulare, quae componitur ex
duabus aquis et dicitur lac virginis. Item in D e C o n g e la t io n e e t C o n g lu tin a tio n e la p id is .
Theatr. Chem. 1659. IV . p. 883. Und Aristoteles, Secreta secretorum 1528. cap. De
mineralibus. Item ais Assmuuscitat im Theatr. Chem. 1659. III. p. 37.
T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA 93

daß du diese W issen sch aft nicht haben kannst, falls du nicht deinen
G eist fü r G ott reinigst, d. h . im H erzen alle V erderbnis auslöschest 3°.
U n d in der T u rb a h eiß t es: Ich habe die w eltlichen F reu den zurückge­
lassen und zu G ott gebetet, er m öge m ir das «reine W asser» zeigen, von
dem ich w ußte, daß es lauterer E ssig sei 31 . D e r vierte ist die K euschheit,
von der zu lesen ist: W e n n ich ihn liebe, w erde ich rein sein, und w enn
ich ihn berühre, w erde ich keusch sein 32; ihn, dessen M u tter ju n g fräu ­
lich ist und dessen V ater ihr nicht beiw ohnte, da er von Ju n gfrau en ­
m ilch 33 ern äh rt w urde usw. W esh alb A v ic e n n a in seiner Schrift über
die M inerale sagt: Gewisse erfinderische Leute gebrauchen ein W asser,
welches Ju n gfrau enm ilch genan n t w ird 34 . D e r fü n fte ist (w irk en d e)

30. Cod. Ashmole 1420.1. c. fol. 15 1. c. Vgl. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1506,
a. a. O. p. 56: Für die, welche dieses Wissen suchen, ist es nötig, daß sie von Gott gerei­
nigte Gemüter haben, da es ein Geschenk und Geheimnis Gottes ist. Vgl. ebenso R o s a ­
riu m , Manget, Buch III, p. 91 b: Wisse mein Sohn, daß du diese Wissenschaft nicht
haben kannst, bevor du nicht deinen Geist für Gott reinigst, d. h. daß du im Herzen
alle Verderbnis auslöschest.
31. T u r b a , a. a. O. p. 198: F loritis (S ocrates ) : Und ich schwöre euch bei Gott,
daß ich lange Zeit in den Büchern geforscht habe, um zu der Wissenschaft dieses
einzigen Dinges zu gelangen und daß ich Gott gebeten habe, mich zu lehren, was es
ist. Nachdem er aber meine Bitte erhört hatte, zeigte er mir das «reine Wasser», das
ich als den lauteren Essig erkannte.
32. Vgl. Math.- 9. 21-22.
33. Cod. Ashmole 1420 fol. 26 l.c . Vgl. Alphidius in Petrus B onus, Pretiosa
margarita novella, a. a. O. p. 40: Dieser auf die Straße hinausgeworfene Stein ist in die
Wolken erhöht, er lebt in der Luft, auf den Gipfeln der Berge, er dessen Mutter jungfräu­
lich ist und dessen Vater die Frau nicht kennt.
Vgl. ebenso das Zitat des Assiduus in C o n s il. C o n iu g . Ars Chem. 1566,
p. 205, 64, 150.
Vgl. Margarita pretiosa novella a. a. Ο. p. 40: . . . s i e urteilten, daß Gott mit dem
Menschen Eins werden müsse und dies ist geschehen in Jesus Christus und seiner jung­
fräulichen Mutter. Und Gott hat dies, als ein wunderbares Beispiel, den Philosophen
in diesem Stein offenbart.
34. Avicenna, Mineralia, in Artis Auriferae, 1610, p. 240: Es gibt eine Sache, die
gewisse erfinderische Leute gebrauchen, wenn sie etwas Trockenes coagulieren wollen;
sie ist aus zwei Wässern zusammengesetzt und wird Jungfrauenmilch genannt. Ebenso
in O e C o n g e la t io n e e t C o n g lu tin a tio n e L a p i d i s . Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 883
und Aristoteles, Secreta secretorum 1528, cap. De Mineralibus.
94 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

i m am . E t H ermes: E t recipit virtutem superiorum et inferiorum plan eta­


rum et sua virtute penetrat om nem rem solidam 35 . E t in libro Q uintae
essentiae dicitur: C um non suffecissem m irari de tan ta rei virtute sibi
coelitus indita et infusa 3*. Sextus est victoria, de qua H ermes: E t vincet
s om nem rem solidam et lapidem pretiosum 35. E t J ohannes in A p o ca­
lypsi: V incenti subtile dabo m anna absconditum et nom en novum quod
os D om ini nom inavit 37. E t in libro Q uintae essentiae: C um autem ope­
ratus fuerit lapis victoriae, sm aragdos j aspides et veros chrysolithos cum
lapide ex ea m ateria facere inform abo, qui in colore, substantia et virtute
10 naturales praecellunt et excedunt etc. 38. Septimus est fides, de qua legi­
tu r: Fides salvat hom inem 39, quam nisi quisque habuerit, salvus esse
non poterit. Fides est intelligere, quod non vides 4°. E t T u rb a: E st invisi­
bilis quem adm odum anim a in hum ano corp ore 41. E t in eodem dicitur:
D u o videntur, terra scilicet et aqua, alia vero non, scilicet aer et ignis *2.

1. recepit D, recipiet RhL / 3. mirari: amanti PV, om. M / sibi: soli MP / 4. induta
MP / vincit MPLRh / 5. «solidam» om. MPB / pretiosum «et subtilem» add. V / 6. sub­
tilem M, om. PVB / 8. veros: achites M PV / Crisoliton M PV / 9. «materia» coni,
manante DRh, manente MPLV om. B / informabo: Rubinos M PV / 10. «etc.» om.
MPL / 12. intelligentia D V / intra P, intus M / «Et» om. M PV /3567894012
35. Cf. T a b u la S m a ra g d in a ed J. Ruska, p. 2: Ascendit a terra in coelum, iterumque
descendit in terram, et recipit vim superiorum et inferiorum. Sic habebis gloriam totius
mundi. Ideo fugiat (fugiet) a te omnis obscuritas. Hic est totius fortitudinis fortitudo
fortis: quia vincet omnem rem subtilem, omnemque solidam penetrabit.
36. Cf. A u r o r a co n su r g en s I I , Art. Aurif. 1610, I, p. 151: Quod non sit natus neque
nascitur in futurum qui hanc scientiam posset complere sine natura, natura quidem
quae coelitus est indita rebus et infusa. Cf. Aristoteles Secreta secretorum. 1528. fol.
X X V I. 2.
37. Apoc. 2, 17: Vincenti dabo manna absconditum et dabo illi calculum candidum
et in calculo nomen novum scriptum quod nemo scit, nisi qui accipit.
38. Cf. A u r o r a co n s. I I , cap. 22, Artis Aurif. 1610, p. 157: ut superius allegatum
est in libro Sextario, ubi dicitur: quod lapides Jacinti Coralli rubei et albi Smaragdi
Chrysoliti Saphyri ex ipsa materia formari possunt: Et in charta Sacerdotum traditur,
quod ex chrystallo, carbunculus sive rubinus aut topazius per eam fieri potest qui in
colore et substantia excellunt naturales item.
39. Cf. inter alia Math. 9, 22: Fides tua te salvam fecit.
40. Joh. 20, 29: Beati qui non viderunt et crediderunt. Cf. Ordo missae p. 336.
Cf. T homas Aquinatis Summa theol. Prima secundae Quaest. 72 Art. 73: quia fides est
de his, quae non videntur.
41. T u r b a 1. c. p. 141: Hic enim spiritus, quem quaeritis, ut eo quodlibet tingatis,
in corpore occultus est et absconditus, invisibilis quemadmodum anima in humano
corpore. - (Hierin nicht mit dem Ms. der Vadiana übereinstimmend.)
42. T u r b a 1. c. p. 117: In his (scii, elementis) est arcanum absconditum, quorum
duo tactum habent (et) aspectum apud visum largiuntur, quorum opus et vi[rtu]s
sciuntur, quae sunt terra et aqua, alia autem duo elementa nec videntur nec tanguntur . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 95

K ra ft, von der es h eiß t: D ie K ra f t ziert die Seele. A u ch H e r m e s sagt:


U n d er n im m t die K ra f t d er oberen und unteren Planeten in sich auf,
und durchdringt m it seiner K ra f t alle festen D in g e 35. U n d im B uch
von der Quintessenz h eiß t es: D a ich m ich n ich t genu g w undern konnte
über die g ro ß e W irk u n g sk raft der Sache, die ihr vom H im m el her ein­
gegeben und eingeflößt w orden w ar 36. D e r sechste ist d er Sieg, w ovon
H erm es lehrt: U n d er (d e r L ap is) besiegt jedes feste D in g und sogar
den Edelstein 35. U n d J o h a n n e s sagt in der O ffenbarung: W e r über­
w indet, dem w ill ich das feine (su b tile) und verborgene M an n a geben
und einen neuen N am en , den der M und des H e rrn genan n t h at 37. U n d
im B uch von der Quintessenz steht: Sobald einm al der Stein des Sieges
hergestellt ist, w erde ich lehren, wie m an m it dem Stein aus dieser M a te ­
rie Sm aragde, Jaspise und echte Chrysolithe m achen kann, die an Farb e,
Substanz und K ra f t die natürlichen Edelsteine überflügeln und über­
treffen usw. 38. D er siebte ist der G laube, von dem zu lesen steht: D e r
G laube erlöst den M enschen und w er ihn nicht besitzt, kann nicht
selig w erden. G lauben bedeutet V erstehen dessen, was m an n ich t sieht 4°.
U n d in der T u rb a steht: E r ist unsichtbar w ie die Seele im m enschlichen
K ö rp er 41 , und ebenda h eiß t es: Z w ei Elem ente kann m an sehen, näm lich
E rd e und W asser, die anderen aber nicht, näm lich L u ft und F eu er 42.3567894012

35. Vgl. T a b u la S m a ra g d in a , ed. J. Ruska, p. 3.


36. Vgl. A u r o r a c o n s. II, Artis aurif. 1 6 1 0 ,1, p. 151 und A ristoteles Secreta secre­
torum 1528 fol. X X V I 2.
37. Offenb. 2, 17: W er überwindet, dem will ich zu essen geben von dem verbor­
genen Manna und will ihm geben einen weißen Stein und auf dem Stein einen neuen
Namen geschrieben, welchen niemand kennt, denn der ihn empfängt.
38. Vgl. A u r o r a co n s. I I , cap. 22, Artis Aurif. 1610. I, p. 157.
39. Vgl. Math. 9, 22: das W ort Jesu: Dein Glaube hat dir geholfen (wörtl. dich heil
gemacht).
40. Vgl. Joh. 20, 29: Selig die nicht sehen und doch glauben. Meßbuch p. 336.
41. T u r b a a. a. O. p, 220: Und dieser Geist, den ihr sucht, um damit irgend etwas
zu färben, ist im Körper verborgen und unsichtbar versteckt, wie die Seele im mensch­
lichen Körper.
42. T u r b a a. a. O. p. 185: In ihnen (den Elementen) ist nämlich ein Geheimnis
verborgen, indem zwei von ihnen tastbar sind und beim Schauen einen Anblick gewäh­
ren, von denen Wirkung und Kraft bekannt sind, nämlich Erde und Wasser, während
die beiden andern Elemente weder gesehen noch getastet werden . . .
96 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

E t P a u l u s : Q ui crediderit in eum , n on confundetur, n am non creden­


tibus est lapis offensio et p etra s c a n d a li 43. E t E vangelium : Q ui non cre­
diderit, iam iudicatus est 44. O ctavus est spes, de qua dicitur: F irm a spes
laetificat res, spes p ro m ittit sem per finem bonum . E t M o r ie n e s : Spera
et spera et sic consequeris. E t P roph eta: Sperate in eum om nis co n gre­
gatio populi 4J, in eum speraverunt patres nostri et liberati sunt 46. N on u s
est caritas, de qua A postolus: C aritas om nia suffert. C aritas non agit
perperam 47. E t E vangelista: E g o diligentes m e diligo 48. Q ui om ni tem ­
p ore diligit, hic amicus est 49. E t A l p h o n s u s ( r e x ) : H ic est vere amicus,
qui te non deserit, cum om ne saeculum tibi deficit. E t G r e g o r iu s s°:
Probatio dilectionis est exhibitio operis. E t J o b : O m nia, quae hom o
habet dabit p ro anim a sua h oc est p ro lapide isto. N a m qui p arce
sem inat parce et m etet *2; et qui non fu erit socius passionis non erit co n ­
solationis *3. D ecim us est benignitas, de qua dicitur: N escis, quod beni-

1. «in eum» om. PV, omnino M / «non» bis om. MP / 2. ostensio P, offensionis
D V / 3. Firma fides RhDL / 9 . amicus est «meus» add. D / «rex» add. M / 13. compas­
sionis D / 14. cons. «socius» add. D / «est» om. PL /4356789012

43. Rom. 9, 33: Ecce pono in Sion lapidem offensionis et petram scandali et omnis
qui credit in eum non confundetur. Cf. Ordo missae p. 331.
44. Joh. 3, 18: Qui credit in eum non iudicatur, qui autem non credit, iam iudicatus
est. C f. Ordo missae p. 376.
45. Ps. 61, 9: Sperate in eo omnis congregatio populi, effundite coram illo corda
vestra.
46. Ps. 21, 5: In te speraverunt patres nostri, speraverunt et liberasti eos. Cf. Ordo
missae p. 229.
47. I. Cor. 13, 7: Charitas . . . omnia suffert, omnia credit, omnia sperat. . .
I. Cor. 13, 4: Charitas ...n o n aemulatur, non agit p erp eram ... Cf. Ordo
missae p. 140.
48. Joh. 14, 21: Qui autem diligit me, diligetur a Patre meo, et ego diligam eum
et manifestabo ei meipsum. Prov. 8, 17: Ego diligentes me diligo. Cf. Ordo missae p. 586.
49. Prov. 17, 17: Omni tempore diligit, qui amicus est.
50. Gregorius Magnus, In Evang. Homilia X X X . (Opera ed. Parisiis 1636.
Tom II. coi. 409 D ) Probatio dilectionis est exhibitio operis.
51. Hiob 2, 4: Ait Satan: Pellem pro pelle, et cuncta quae habet homo dabit pro
anima sua. Cf. Math. 16, 26: Aut quam dabit homo commutationem pro anima sua?
Cf. Ordo missae p. (9 ).
52. II. Cor. 9, 6: Hoc autem dico, qui parce seminat, parce et metet. Cf. Ordo missae
p. 693. Cf. Albertus Magnus, De lapide Philos. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 845.
Nam quaecumque seminaverit homo, haec et metet.
53. II. Cor. 1, 7: Ut spes nostra firma sit pro vobis: scientes quod sicut socii passio­
nis estis, sic eritis et consolationis.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA 97

U n d Paulus sagt: W e r an ihn glaubt, w ird nicht zu Schanden w erden,


denn fü r die, w elche nicht glauben, ist der Stein ein A n sto ß und ein
Fels des Ä rgernisses 43. U n d im E vangelium h eiß t es: W e r nicht glaubt,
der ist schon gerich tet 44. D e r achte ist die H offnung, von d er es h eiß t:
Feste H offn u n g beseeligt das W e rk , die H offnung verspricht im m er
ein gutes E nde. U n d Morienus sagt: H offe und hoffe, und so w irst du
zum Z iel gelangen. U n d d er P ro p h et: H offet au f ihn, das ganze V o lk 45,

auf ihn hofften unsere V ä te r und w urden b efreit *6. D e r neunte ist die
Liebe, von w elcher d er A postel sagt: D ie Liebe v erträg t alles, sie handelt
nie verkehrt 47 . U n d der E van gelist: Ich liebe, die m ich lieben 48. W e r
allezeit liebt, der ist ein F reu n d 49. U n d A lphonsus sagt: D e r ist w irk­
lich ein Freu n d , der dich auch dann nicht v erläß t, w enn die ganze W e lt
von dir abfällt. U n d Gregor spricht: D e r P rü fstein d er Liebe ist das
V orw eisen des W erk es. U n d H iob: A lles, was ein M ensch h at, w ird er
fü r seine Seele hingeben s*9 d. h . fü r diesen Stein, denn w er kärglich
sät, der w ird auch kärglich ernten 5% und w er nicht des Leidens teil­
h aftig w ar, w ird auch nicht des Trostes teilh aftig w erden *3 . D e r zehnte 4356789012

43. Römer 9, 33: Siehe da, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen
Fels des Ärgernisses; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden.
Meßbuch p. 331.
44. Joh. 3, 18: W er an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt,
der ist schon gerichtet; denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes
Gottes. Meßbuch p. 376.
45. Ps. 62, 9: Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute( wörtl. das ganze V olk), schüttet
euer Herz vor ihm aus . . .
46. Ps. 22, 5: Unsere Väter hofften auf dich, und da sie hofften halfst du ihnen
aus (wörtl. wurden sie befreit). Meßbuch p. 229.
47. I. Cor. 13, 7: (Die Liebe) verträgt alles, sie glaubt alles . . . sie duldet alles . . .
I. Cor. 13, 4: Die Liebe eifert nicht, sie treibt nicht Mutwillen (wörtl. sie handelt
nicht verkehrt), sie blähet nicht auf. Meßbuch p. 140.
48. Joh. 14, 21: W er mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden
und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. Sprüche 8, 17: Ich liebe, die mich
lieben. Meßbuch p. 586.
49. Sprüche 17, 17: Ein Freund liebt allezeit, und als ein Bruder wird er in der
Not erfunden.
50. G reg o r d e r G rosse , In Evang. Homilia. X X X Opera, Parisiis 1636, Vol. II,
col. 4091) wörtl. gleich.
51. Hiob 2, 4: Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Haut für Haut, und
alles was ein Mensch hat, läßt er für sein Leben (wörtl. wird er für seine Seele hingeben).
52. II. Cor. 9, 6: W er da kärglich sät, der wird kärglich ernten. Meßbuch p. 693.
53. II. Cor. 1, 7: . . . und unsere Hoffnung steht fest für euch, dieweil wir wissen,
daß, wie ihr des Leidens teilhaftig seid, so werdet ihr auch des Trostes teilhaftig sein.
98 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

i gnitas (D e i) te ad poenitentiam ducit. Benignus est iudex, reddere uni­


cuique iu xta opera sua N a m benignitas reddit bonum p ro m alo m a x i­
m um p ro pauco, sed bonitas p ro bono reddit bonum , parvum p ro parvo.
U ndecim us est patientia, de qua dicitur: Si vis vincere, disce pati. E t
5 A postolus: P e r patientiam et consolationem scripturarum spem habea­
m us u . E t M o r ie n e s : Q ui patientiam n on habet m anum ab opere sus­
p endat *6. E t C a l e d m in o r : T ria sunt necessaria, videlicet patientia,
m ora et aptitudo instrum entorum π. E t A postolus: Patientes estote, quia
adventus D om in i appropinquabit etc. *8. D uodecim us est tem perantia,
de qua scribitur, quod om nia n u trit et fo vet et in sanitate conservat.
Q uam diu enim elem enta sunt in tem perantia, anim a in corp ore delecta­
tur, cum autem discordant, anim a in eo abhorret habitare. N a m tem pe­
ran tia est elem entorum m ixtio adinvicem , ut calidum cum frigid o, sic­
cum cum hum ido tem peretur; et ne unum excedat aliud philosophi
u sum m o studio prohibuerunt dicentes: Cavete, ne arcanum fu g iat
cavete, ne acetum in fum um v e rta tu r54567896o, cavete, ne regem et u xorem suam

1. «Dei» add. L, Divinitatis MP / «te» om. M, Dei est quae te L / poenitentiam:


praemium M PV 2 / 6. Et: etc. DRh, om. L / 7. suspendit M PVL / «videlicet» om.
BPV D / 9. «etc» om. MPVL / 12. discordant in eo abhorret anima D BP / 15. «Cavete»
om. MP / fugiet BLRh, fuget P, fumiget M / 16. «cavete» om. PM /

54. Rom. 2, 4: . . . ignoras, quoniam benignitas Dei ad poenitentiam te adducit?


Rom. 2, 6: Dei, qui reddet unicuique secundum opera eius. Cf. Ps. 61, 13.
55. Rom. 15, 4: Quaecumque scripta sunt, ad nostram doctrinam scripta sunt, ut
per patientiam et consolationem Scripturarum spem habeamus. Cf. Ordo missae p. 50.
56. Cf. R o s a r iu m , Manget Lib. III, p. 114 a.
Cf. item T homas de A quino : Thesaurus AI chemiae Secretissimus, Theatr. Chem.
1659, Vol. III, p. 278: . . . Quia secundum Gebrum festinantia a Diabolo est. Ideo
qui patientiam non habet, ab operatione manum suspendat.
57. R o s a r iu m , Manget, lib. III, p. 114 a: Ad hanc tria necessaria sunt, scilicet patien­
tia, mora et instrumentorum aptatio.
Cf. T homas de A quino : Thesaurus AI chemiae Secretissimus, Theatr. Chem. 1659,
Vol. III, p. 278: Quomodo tandem fit substantia una, ut dicit A vicenna : habere opportet
patientiam, moram et instrumentum.
58. Jac. 5, 8: Patientes igitur estote et vos et confirmate corda vestra quoniam adven­
tus Domini appropinquavit.
59. T u r b a p h il. ed. J . Ruska 1. c. p. 126: . . . et cavete, ne arcanum fum iget. . . (Cod.
N. Vadiana 390: fugiet). Cf. ibidem p. 128: Observate ergo vas ne compositum fu g iat. . .
60. Ibidem: p. 199 . . . et cavete ne acetum in fumum vertatur et pereat.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 99

ist die G üte, von der es h eiß t: D u w eißt nicht, daß dich G ottes G üte
zur B u ß e leitet. ( W i e ) gü tig ist der R ichter zu geben einem jeglichen
nach seinen W erk en h! D enn die G üte gibt Gutes fü r Schlechtes, G rö ß ­
tes fü r G eringes, (d ie bloße G utartigkeit hingegen gibt Gutes fü r G utes,
G eringes fü r G erin g e s). D e r elfte ist die G eduld, von der es h eiß t:
W e n n du siegen w illst, so lerne dich gedulden. U n d der A postel: D u rch
die G eduld und T ro st der Schrift m ögen w ir H offnung haben A u ch
M orienus sagt: W e r keine G eduld h at, der lasse seine H änd e vom
W e rk und Caled minor: D rei D in g e sind von N ö te n , näm lich G e­
duld, B edächtigkeit und geschickte H andhabung der W erk zeu g e π. U n d
der A postel: Seid geduldig, denn die A n k u n ft des H e rrn ist nahe usw. *8.
D e r zw ölfte ist das G leichm aß, von dem geschrieben steht, daß es alles
nährt und h egt und in G esundheit bew ahrt. Solange näm lich die E le ­
m ente im G leichm aß sind, fü h lt sich die Seele im K ö rp e r w ohl, aber
sobald sie uneins w erden, dann h aß t sie es, in ihm zu verw eilen. D enn
das G leichm aß ist eine solche gegenseitige V erm isch u n g der Elem ente,
daß das W a rm e m it dem K alten und das T rocken e m it dem Feuchten
im G leichgew icht bleibt. U n d die Philosophen haben m it größ tem
N ach d ru ck geboten, daß keines das Ü bergew icht über ein anderes be­
käm e, indem sie sagten: G ebt A ch t, daß das G eheim nis nicht ent­
w eicht **, habt A ch t, daß sich der Essig nicht in R auch v e rw a n d e lt54567896o,
habt A ch t, daß ihr nicht etw a den K ö n ig m it seiner G attin durch allzu

54. Röm. 2, 4 -6 : Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet? . . .des
gerechten Gerichtes Gottes, welcher geben wird einem jeglichen nach seinen Werken.
Vgl. Ps. 62, 13.
55. Röm. 15, 4: Was aber zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben
auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben. Meßbuch p. 50.
56. Vgl. R o sa r iu m P h il. Manget, Buch III, p. 114 a.
Vgl. dasselbe als Ausspruch G ebers in T homas von Aquino, Thesaurus Alchemiae
secretissimus. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 278.
57. Vgl. R o sa r iu m , Manget, Buch III, p. 114 a. Vgl. T homas von Aquino: The­
saurus Alchemiae Secretissimus. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 278 und G eber,
Summa Perfectionis cap. 12 in De Alchimia 1541. p. 17.
58. Jak. 5, 8: Seid ihr auch geduldig und stärket eure Herzen, denn die Ankunft
des Herrn ist nahe.
59. Vgl. T u r b a p h il. ed. J. Ruska, a. a. O. p. 200: . . . und hütet euch, daß das «Ge­
heimnis» zu rauchen beginnt. Ebenda p. 202: Beobachtet also das Gefäß, damit die
Zusammensetzung nicht entweicht.
60. Ebenda p. 199: . . . und habet Acht, daß der Essig sich nicht in Rauch verwan­
delt und zugrunde geht.
100 T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA

fugetis nim io ig n e 61, cavete om ne, quod est e x tra m odum , sed super
ignem putredinis hoc est tem perantiae p on ite quousque sponte iungan-
t u r 6l6345. Tredecim us est spiritualis disciplina sive intellectus, de quo A p o ­
stolus: L ittera occidit, spiritus autem vivificat 6K R enovam ini spiritu m en ­
tis vestrae et induite [n o v u m ] hom inem 64, h oc est intellectum subtilem 6*.
Si spiritualiter intellexeritis, spiritum utique cognoscetis. U nusquisque
vestrum opus suum p ro b e t66, utrum sit perficiens an deficiens. Q uae
enim hom o sem inat eadem et m etet 67. O quam m ulti n on intelligunt
dicta sapientum , hi perierunt pro pter eorum insipientiam , quia carue-
runt intellectu spirituali et nihil invenerunt p raeter laborem . Q uartus­
decimus lapis est oboedientia, de qua scribitur: O boedientes estote vestris
superioribus68 sicut.C hristus factus fu it oboediens p atri usque ad m or-

1. fugietis MPVLRh / 4. spiritu: spiritus M PD / 5. «novum» add. B V / 8. «O» om.


M PVD / 9 . quia: qui PV / 9 - 10 . caruerunt: non curaverunt V / 10 . intellectum spiri­
tualem LV /

61. Ibidem p. 138: . . .requiem eis constituite et cavete ne fugetis eos comburendo
nimio igne. Veneramini regem et suam uxorem et nolite eos comburere.
62. Liber Alphidii etc. Cod. Ashmole 1420.1. c. fol. 10: Deinde super ignem pone
putredinis quousque sponse iungantur et omne corruptum emendatur.
63. II. Cor. 3, 6: Littera enim occidit, Spiritus autem vivificat. Cf. Ordo missae p. 438.
- Wird schon von Olympiodor zitiert (B erthelot. Aich. Grecs, II, IV, Vol. I. p. 94.)
64. Ephes. 4, 23-24: Renovamini autem spiritu mentis vestrae et induite novum
hominem . . . Cf. Ordo missae p. 467.
65. Cf. Pretiosa margarita novella, 1. c. p. 38: . . . et hoc (fixio et permanentia
animae et spiritus) per adiectionem lapidis occulti, qui sensu non comprehenditur, sed
intellectu solum per inspirationem vel revelationem divinam aut per doctrinam scien­
tis . . . et dixit Alexander : duo sunt in hac arte ordines, scilicet aspectus oculo intel­
lectusque corde, et hic lapis occultus est qui proprie dicitur donum Dei, et hic est lapis
divinus occultus sine cuius commixtione lapidi annihilatur alchemia, cum ipse sit ipsa
alchemia . . . Et hic lapis divinus est cor et tinctura auri quaesita a philosophis.
66. Gal. 6, 4: Opus autem suum probet unusquisque et sic in semetipso tantum
gloriam habebit. . . Cf. Ordo missae p. 443.
67. Gal. 6, 8: Quae enim seminaverit homo, haec et metet. Cf. Ordo missae p. 443.
Cf. item R o sa r iu m P h il. Manget, III, p. 107 b. Ps. Aristoteles. Item Pretiosa Marga­
rita novella, 1. c. p. 116-117.
68. Hebr. 13, 17: Oboedite praepositis vestris et subiacete eis . . . Cf. Ordo missae
p. 658.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 101

heißes F eu er in die F lu ch t j a g t 61, hütet euch v or allem , was das M aß


überschreitet; sondern legt sie vielm ehr über das Feuer der Fäulnis, d. h.
der M äß igu n g, bis daß sie sich von selber v erb in d en 626345. D e r dreizehnte
ist die geistige D isziplin oder Einsicht, von der der A postel sagt: D e r
Buchstabe tötet, aber der G eist m acht lebendig 63. E rn eu ert euch durch
den G eist eures inneren W esen s und ziehet den neuen M enschen a n 64,
d. i. das subtile V erstehen 6*. W e n n ihr auf eine geistige A rt versteht,
dann w erdet ihr sicherlich den G eist erfahren. E in jeglicher unter euch
p rü fe sein eigen W e r k 66, ob es zur V ollen d u ng oder zur Z erstöru n g
gereicht. W a s näm lich der M ensch säet, das w ird er auch ernten 67. O h
wie V iele verstehen die W o rte der W eisen nicht; sie alle gingen an
ihrem eigenen U nverstand zugrunde, weil sie das geistige V erständnis
nicht hatten, und sie fanden nichts außer A rb eit und M ühe. D e r v ier­
zehnte Stein ist der G ehorsam , von dem geschrieben steht: Seid g eh o r­
sam euren V o rg esetzte n 68, so wie Christus seinem V ater gehorsam w ar

61. Ebenda p. 216: . . . verschaffet ihnen Ruhe und hütet euch, sie in die Flucht zu
schlagen, indem ihr sie im zu heißen Feuer verbrennt. Verehret den König und seine
Gattin und wollet sie nicht verbrennen.
62. Alphidius s. Cod. Ashmole 1420. 1. c. fol. 10 1. c.
63. II. Cor. 3, 6: Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. Vgl.
Meßbuch p. 438. - Wird schon von Olympiodor zitiert (B erthelot: Aich. Grecs,
I I ,I V , V o l.I .p . 9 4 ).
64. Ephes. 4, 23: Erneuert euch aber im Geist eures Gemütes (Zürcher Bibel: durch
den Geist eures inneren Wesens) und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott
geschaffen i s t . . . Meßbuch p. 467: Erneuert euch im Geiste eures Gemütes . . .
65. Vgl. Pretiosa Margarita novella, a. a. Ο. p. 38: ...u n d dies (die Festmachung
und Dauer von Seele und Geist) geschieht durch die Beifügung des verborgenen Steins,
der nicht sinnlich wahrnehmbar ist, sondern nur im Geist durch göttliche Eingebung
oder Offenbarung oder durch Belehrung eines W issenden. . . und Alexander hat
gesagt: es gibt in dieser Kunst zwei Ordnungen, erstens die Wahrnehmung durch das
Auge und zweitens die Einsicht durch das Herz, und dies ist der verborgene Stein, der
eigentlich ein Geschenk Gottes bedeutet und das ist der göttliche Stein, ohne dessen
Beimischung zum Stein die Alchemie annulliert wird, da er die Alchemie selber i s t . . .
Und dieser göttliche Stein ist das Herz und die Tinctur des Goldes, die die Philosophen
suchen.
66. Gal. 6, 4: Ein jeglicher aber prüfe sein eigen Werk, alsdann wird er an sich selber
Ruhm haben . . . Meßbuch p. 443.
67. Gal. 6, 7: Denn was der Mensch säet, das wird er ernten. Meßbuch p. 443. Vgl.
auch R o s a r iu m , Manget, III, p. 107 b, und Pretiosa Margarita novella, a. a. O. p. 116-117.
68. Hebr. 13, 17: Gehorchet euren Lehrern (wörtl. Vorgesetzten) und folget ihnen
(wörtl. seid ihnen untertan) . . . Meßbuch p. 658.
102 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

i tem 69. Sic oboedite praeceptis et dictis sapientum , tunc om nia prom issa
eorum vobis oboediunt et proveniunt D eo D om in o annuente. Q ui habet
aures audiendi audiat, quid dicat spiritus doctrinae filiis disciplinae de
dom o, quam fundavit sapientia super quattuordecim lapides angulares 7°,
5 quam vigintiquattuor seniores clavibus regni coelorum reserant et quam
S e n i o r in p ro lo go libri sui declaravit: U b i p onit quod <est> aquila in
tecto et diversarum in lateribus im agines proprietatum 7*. E t A l p h id iu s
in libro suo dicit de dom o thesaurizaria, quam docet quattuor clavibus
posse reserari, quae sunt quattuor elem enta ?*12.

IO X I. PA R A BO LA SEX T A D E CO ELO E T M U N D O
E T S IT IB U S E L E M E N T O R U M

ui de terra est, de terra loquitur, qui de coelo venit super omnes


e s t l. H ic iam etiam locatur terra p ro principio elem entorum , coeli
vero p ro tribus superioribus denotantur [p rin c ip iis ], quare libet pauca
is de terra et de coelo p erorare, cum ipsum sit principium et m ater aliorum
elem entorum testante P roph eta: Initio tu D om in e terram fundasti et
opera m anuum tuarum sunt c o e li2, id est aqua, aer et ignis. N a m a terra

5. reservant MP / 6. dicit seu ponit L / «est» coni. / 7. et «etc» Alph. MPB, «Et»
om. V / 8. thesaurorum M, thesaurariorum PBV, thesaurisariaram L, thesaurarcha D /
dicit BDLRh / 13. pro primum P, corr. P2 / 14. «principiis» add. D / libent P, libentur
V / 15. procreare PV, parare M / principium: primum L, om. B / 17. «et» om. LBRh /

69. Phil. 2, 8: Humiliavit semetipsum factus oboediens usque ad mortem, mortem


autem crucis . . . Cf. Ordo missae p. 247-248.
70. Ordo missae p. 445: Duodecim fructus Spiritus. (Gal. 5, 16-24.)
71. Cf. Senior: De Chemia, 1. c. p. 3 et sqq.: Jntravi. . . in domum quandam sub­
terraneam . . . et vidi in tecto imagines novem aquilarum pictas . . . et in pariete domus
a dexteris et a sinistris intrantis imagines hominum stantium, pro ut possent esse per­
fectiores et pulchriores induti diversis vestimentis et coloribus . . . Cf. p. 109: Est enim
lapis Aquilae . . .
72. Cod. Ashmole 1420 fol. 22-24. Größere Fragmente der Lehre des Schatzhauses
von Alphidius finden sich auch im C o n s iliu m C o n iu g ii. Ars. Chem. 1566, a. a. O.
p . 108 ff .
1. Joh. 3, 31: Qui desursum venit super omnes est. Qui est de terra de terra est et
de terra loquitur. Qui de caelo venit, super omnes est.
2. Ps. 101, 26-27: Initio tu Domine terram fundasti, et opera manuum tuarum sunt
coeli, ipsi peribunt, tu autem permanes. Cf. Ordo missae p. 83.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 103

bis zum T o d e 6*. So gehorchet auch ihr den V orsch riften und W o rte n
der W eisen , dann w erden all ihre V ersprechungen euch zu W ille n sein
und in E rfü llu n g gehen, falls es G ott der H e rr erlaubt. W e r O hren hat
zu hören, der h öre was der G eist der L eh re den Söhnen der W issen ­
schaft sagt vom H aus, das sich die W eish eit au f dem Felsen erbaute, auf
den vierzehn Ecksteinen 7°, w elche die vierundzw anzig Ä ltesten m it den
Schlüsseln des H im m elreiches erschließen, und das Senior im P ro lo g
seines Buches klar darlegte, w o er die A d ler auf dem D ach e und die
B ild er der verschiedenen Eigenschaften au f den Seiten anordnete 7*.
A u ch A lphidius spricht von einem Schatzhause, das, w ie er lehrt, m it
vier Schlüsseln geöffnet w erden kann, welches sind die vier E lem ente 7*.

X I . D IE S E C H S T E P A R A B E L V O M H IM M E L U N D D E R W E L T
U N D D ER A N O R D N U N G D ER ELEM EN TE

er von der E rd e ist, der redet von der E rd e, der vom H im m el


kom m t, de* ist über a l l e *. Schon h ier w ird die E rd e ebenfalls als
das G rundprinzip der Elem ente hingestellt, die H im m el hingegen ste­
hen fü r die drei oberen Prinzipien, weshalb also Einiges von der E rd e
und dem H im m el gesagt sein m öge, da jene das G rundprinzip und die
M u tter der anderen Elem ente ist, w ie der P ro p h et bezeugt: D u hast im
A n fän ge, oh H e rr, die E rd e gegründet, und die W e rk e deiner H änd e
sind die H im m e l2, d. i. W asser, L u ft und F euer. D en n von der E rd e

69. Phil. 2, 8: . . . er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja
zum Tode am Kreuz.
70. Vgl. Meßbuch p. 306 und 445: Die Früchte des Hl. Geistes: Liebe, Freude,
Friede, Geduld, Milde, Güte, Langmut, Sanftmut, Treue, Mäßigung, Enthaltsamkeit,
Keuschheit.
71. Vgl. Se n io r : De Chemia p. 3 ff.: Ich kam in ein unterirdisches H aus. . . und
sah auf dessen Dach die Abbildungen von neun Adlern . . . und auf den Wänden des
Hauses zur Rechten und zur Linken des Einganges die Bilder von Menschen, die da­
standen . . . bekleidet in verschiedenfarbigen Gewändern . . . p. 109: Der Lapis ist näm­
lich die Adler . . .
72. Cod. Ashmole 1420 fol. 22-24. Fragmente der Lehre vom Schatzhaus von A l p h i ­
d iu s finden sich auch im C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars. Chemica 1566, a. a. O. p. 108 fif.
1. Joh. 3, 31: Der von oben herkommt, ist über alle. W er von der Erde ist, der
ist von der Erde und redet von der Erde; der vom Himmel kommt, der ist über alle.
2. Ps. 102, 26-27: Du hast vormals (im Anfang) die Erde gegründet und die Himmel
sind deiner Hände Werk. Sie werden vergehen, aber du bleibest. Meßbuch p. 83.

8 Jung : Mysterium III


104 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA

elem enta m oriendo separantur et ad eam vivificando revertuntur 3, quia


a quo res habet com poni, in illud habet resolvi testante sacro eloquio:
H om o cinis est et in cinerem revertetur 4. T alem cinerem praeceperunt
philosophi com m isceri aqua perm anente, quae est ferm entum auri, et
aurum eorum est corpus scilicet terra, quod vocavit A ristoteles coagu­
lum , cum sit coagulans aquam , quae est terra sanctae prom issionis *, in
quam iussit H ermes filium suum sem inare a u ru m 3
4567, ut pluvia viva ascen­
deret de eo et aqua ipsum calefaciens ut Senior dicit: Cum que volue­
rint extrahere hanc aquam divinam , quae est ignis, calefaciunt igne suo,

2. compositionem P, composi M / 5. est: in M / 7. ut: et V D / 8. de eo et aqua: de


ipsa aqua MPV / ut: et etc. MP, om. V / 9. quam DML, quem M 2 /

3. Cf. M orienus Romanus: De Transmut. met. Artis Aurif. 1610, II, p. 19: Hermes
quoque ait: Terra est mater elementorum: de terra procedunt et ad terram revertuntur.
Cf. item Margarita pret. nov. 1. c. p. 107: H ermes : terra est elementum et de terra
omnia facta sunt et ad terram convertuntur. Moyses: terra est mater elementorum, omnia
de terra procedunt et ad terram convertuntur. Sic recitat Morienus: Haec autem terra
est corpus et fermentum . . .
4. Gen. 3, 19: . . . quia pulvis es, et in pulverem reverteris . . . Cf. Ordo missae, p. 146.
Eccli. 17, 31: . . . et omnes homines terra et cinis . . .
Hiob 34, 15: Deficiet omnis caro simul et homo in cinerem revertetur.
5. Cf. Mos. II, 13, 5. Cf. Ordo missae p. 328.
6. Cf. Senior: De Chemia 1. c. p. 34-35: Secundo quod vocat terram benedictam
sitientem et cinerem, qui est fermentum. Auri aqua est fermentum et corpora sunt terra
eorum et fermentum huius aquae divinae est cinis, qui est fermentum fermenti. Quod
vocavit Maria sapiens in quodam loco librorum suorum Coagulum, cum sit coagulans
aquam illorum, in terra eorum, quae est corpus secundum . . . Et de hoc cinere et de
hoc corpore . . . dixit Hermes filio suo: Semina aurum in terra alba foliata.
p. 25: Mundus inferior est corpus et cinis combustus ad quem reducunt Animam
honoratam. Et cinis combustus et anima sunt aurum sapientum, quod seminant in terra
sua alba . . . p. 40: Nominaverunt. . . cinerem . . . et aquam mundam, quia mundata est
a tenebris animae. Cf. p. 115. Cf. item R o s a r iu m , Manget, III, p. 102 a: Hermes: Semi­
nate aurum vestrum in terram albam foliatam, quae per calcinationem facta est ignea,
subtilis, aerea. Et ibidem p. 105 b: Seminate ergo animam in terram albam foliatam,
quoniam ipsa retinet eam quoniam cum ascenderit a terra in coelum iterumque descen­
derit in terram recipiet vim inferiorum et superiorum . . .
Cf. Aristotelis tractatulus, Artis Aurif. 1610, p. 238: Terram dealbate et igne cito
sublimate quousque exeat ex ipsa spiritus, quem in ea invenies, qui dicitur avis Hermetis.
Hunc cinerem ne vilipendas, quoniam ipse est diadema cordis tui et permanentium cinis,
corona victoriae et coagulum lactis . . . Hic est ergo cinis extractus a cinere et genitum
philosophorum, terra alba foliata in quam seminandum est aurum. Unde dicit Hermes:
Extrahe e radio suam umbram et faecem, quae ipsum interficit, et seminate aurum in
terra alba foliata . . .
7. Cf. Senior: De Chemia p. 108: Et de illo cinere ascendit pluvia viva et vivificans,
quae descendit de coelo . . . Cf. item p. 65-66 et p. 38.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 105

trennen sich die Elem ente im T o d e, und zu ihr kehren sie zu ihrer N e u ­
belebung zurück 3, denn w oraus ein D in g seine Zusam m ensetzung h er
hat, darin m uß es sich naturgem äß auch w ieder auflösen, w ie der g ö tt­
liche A usspruch bezeugt: D e r M ensch ist A sche und w ird w ieder zu
A sche w erden 4 . Solcher A rt ist näm lich die A sche, die nach der V o r­
schrift der Philosophen m it dem ew igen W a sse r verm ischt w erden soll.
Dieses W asser aber ist das F erm en t des G oldes, und «ihr G old» ist der
K ö rp er, näm lich die E rd e, w elche A ristoteles G erinnungsm ittel (c o a ­
g u lu m ) nannte, da sie das W a sse r gerinnen läßt. D ieses ist die E rd e des
verheißenen Landes 3, in die H ermes seinem Sohn befahl das G old zu
sä e n 6, auf daß lebendiger R egen aus ihm (d e m G o ld ) au f steige 7 und
W asser, das es erw ärm t, so w ie auch Senior sagt: W e n n sie (d ie P h ilo ­
sophen) näm lich dieses göttliche W asser, w elches F eu er ist, heraus­
ziehen w ollen, erhitzen sie es m it ihrem F eu er, welches W a sse r ist, das

3. Vgl. M o r ien u s Romanus: De Transmutat, metall. Artis Aurif. 1610, II, p. 19.
Vgl. ebenso Margarita pret. nov. a. a. O. p. 107: H er m e s : die Erde ist ein Element,
und aus der Erde ist alles entstanden und wandelt sich auch zu Erde. Moses: die Erde
ist die Mutter der Elemente, alles geht aus der Erde hervor und kehrt wieder zur Erde.
4. Gen. 3, 19: Denn du bist Erde (Staub) und sollst zu Erde (Staub) werden.
Jes. Sirach 17, 31: Alle Menschen sind Erde und Staub (Asche).
Hiob 34, 15: . . . und der Mensch würde wieder zu Staub (Asche) werden.
5. Vgl. Moses II, 13, 5; Meßbuch p. 328.
6. Vgl. Senior : De Chemia p. 34-35: Zweitens weil er die gesegnete durstige Erde
auch Asche nennt, welche das Ferment ist. Das Wasser des Goldes ist das Ferment und
die Körper (Minerale) sind deren Erde und das Ferment dieses göttlichen Wassers ist
die Asche, welche das Ferment des Fermentes ist. Dieses nannte die weise Maria irgend­
wo in ihren Büchern auch Gerinnungsmittel (coagulum), da es das Wasser jener (Kör­
per) gerinnen macht, in deren Erde, welche den zweiten Körper darstellt. Und betreffs
dieser Asche und diesem Körper sagte Hermes zu seinem Sohn: Säe das Gold in die
weiße Silbererde . . . Vgl. ferner p. 115 und p. 25: Die untere W elt ist der Körper und
die verbrannte Asche, zu welcher sie die geehrte Seele zurückführen und verbrennen.
Asche und die Seele sind das Gold der Weisen, das sie in ihre weiße Erde säen,
p. 4 0 : Sie nannten . . . die Asche . . . auch reines Wasser, weil es gereinigt ist von den
Finsternissen der Seele. Vgl. A ristotelis tractatulus. Artis Aurif. 1610, p. 238: Weißet
die Erde und sublimiert sie im Feuer, bis von ihr ein Geist ausgeht, der in ihr ist und
der «Vogel des Hermes» genannt wird. Diese Asche achte nicht gering, da sie das Dia­
dem deines Herzens ist und die Asche der dauernden Dinge, die Krone des Sieges und
das Coagulum der M ilch . . . Diese Asche aus der Asche extrahiert und das Erzeugte
der Philosophen ist die weiße Erde in welche das Gold gesät werden soll. Weshalb
Hermes sagt: Entziehe dem Strahl seinen Schatten und den Bodensatz der ihn tötet und
säe das Gold in die weiße geblätterte Erde . . .
7. Vgl. Senior: De Chemia p. 108: Und von jener Asche steigt lebendiger und bele­
bender Regen auf, der vom Himmel kam . . . Vgl. ebenso p. 65 f. und 38.
106 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

i qui est aqua, quem m ensurati sunt usque in finem et occultaverunt p ro p ­


ter insipientiam fa tu o ru m 89. E t super hoc iuraverunt om nes philosophi,
ne in aliquo loco scriptotenus pon eren t lucide, sed attribuerunt glorioso
D eo, u t revelaret cui vult et prohiberet a quo vult 9, quia in ipso est
5 m agnum sophism a et obscuritas sapientum . C um que calo r illius ignis
ipsi terrae advenerit, solvitur et fit aqua torrens id est vaporans, deinde
revertitur ad fo rm am suam p riorem terrestrem io. Ideo p er aquam terra
m ota est et coeli distillaverunt super e a m 11 et melliflui facti sunt p er
totum m undum et enarrant glo riam e iu s I2. H aec enim g lo ria soli intelli-
genti est cognita, quom odo de terra facti sunt coeli i314, p ro eo terra in
aeternum p erm anet et coeli fundantur supra eam , testante P roph eta: Qui
fundasti terram super stabilitatem suam, non inclinabitur in saeculum
saeculi. Abyssus vestim entum eius, super ipsam stabunt aqua, aer ignis *4,
nec non volucres coeli habitabunt in ea, rigantes ipsam de superioribus
i 5 elementis, ut de fructu operum ipsorum satiaretur, u t quia in centrum

2. propter insipientes MPV / 3. «in aliquo loco» om. M PV / tribuunt BDLRh /


4. revelet DLRh / voluerit. . . velit DLRh / prohibeat M B / 6. solvetur LRh / 9. et: ut
BDLRh / 10. quomodo: Qno MP, quoniam DL / 12. declinabitur M PV / 13. ipsum
RhL / «et» ignis add. DL / 15. ut: et BV / ipsorum: suorum DLRh / «satiaretur» coni,
satiabitur Codd. / ut quia: utique B /

8. Senior: De Chemia p. 68: Cumque volunt illa(m ) extrahere calefaciunt cum igne
"suo, quem mensurati sunt illi et occultaverunt et cum invenit illam calor . . . ignis
solvitur et fit aqua currens.
9. Cf. Senior: De Chemia p. 92: . . . et hoc est secretum super quo iuraverunt quod
non indicarent in aliquo libro nec aliquis eorum declaravit hoc, et attribuerunt illud
deo glorioso ut inspiraret illud cui vellet et prohibeatur a quo vellet. . .
Cf. item C o n s iliu m C o n iu g ii. Ars Chem. 1566, 1. c. p. 49 et De Arte Chimica, Artis
Aurif. 1610, I, p. 174.
10. Cf. ibidem p. 68: . . . cum ihvenit illam (scii, aquam congelatam) calor illius
ignis solvitur et fit aqua currens. Cum\ autem praeparata fuerit revertitur ad formam
suam priorem et congelatur. . .
11. Ps. 67, 9: Terra mota est et enim caeli distillaverunt a facie Dei Sinai, a facie
Dei Israel.
Ps. 95, 4 -5 , . . . vidit et commota est terra. Montes sicut cera fluxerunt a facie
D om ini. . . Cf. Jes. 64, 1.
12. Ps. 18, 2: Caeli enarrant gloriam D om ini. . . Cf. Ordo missae p. 59.
13. Cf. Prov. 8, 22-35; (Ordo missae p. 493.)
14. Ps. 103, 5 -6 : Qui fundasti terram super stabilitatem suam, non inclinabitur in
saeculum saeculi. Abyssus vestimentum amictus eius, super montes stabunt aquae.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 107

sie genau, bis zum E nde (des W e rk e s) bemessen haben und verborgen
halten w egen der U nw issenheit der T o r e n 89. U n d zudem haben alle P h i­
losophen geschw oren, es nirgends schriftlich k lar anzugeben, sondern
sie haben es dem R uhm e G ottes überlassen, daß er es jeweils offenbare,
w em er w olle und fernhalte von w em er w o lle t; denn in ihm w ohnt
groß e K lu gh eit und die H eim lichkeit der W eisen . W e n n nun die H itze
jenes Feuers sich der E rd e selber nähert, löst diese sich auf und w ird
ein brodelndes, d. h. verdam pfendes W asser, nachher aber kehrt sie zu
ihrer früheren E rd gestalt zurück io. D ah er ist durch das W a sse r die E rd e
in Bew egung geraten, und die H im m el troffen über i h r 11 und flössen
dahin wie H on ig durch die ganze W e lt und erzählen ihre E h r e I2134. D iese
E h re erkennt aber nur derjenige, der w eiß, w ie aus der E rd e die H im ­
m el geschaffen w orden s in d ^ , und um dessentwillen bleibt die E rd e
ew ig bestehen, und die H im m el gründen sich auf ihr, nach dem Z e u g ­
nis des Propheten: D er du die E rd e gegründet hast au f ihrer Festigkeit,
und sie w ird nicht w anken im m er und ew iglich; die T ie fe ist ihr K leid ,
und au f ihr w erden sich W asser, L u ft und F eu er aufschichten *4, und
auf ihr w erden auch die V ö g el des H im m els w ohnen, die sie von den
oberen Elem enten her besprengen, da sie (d ie E rd e ) von der F ru ch t

8. Senior: De Chemia p. 68: Wenn sie jenes Wasser ausziehen wollen, erwärmen
sie es mit ihrem Feuer, das sie bemessen haben und verborgen haben, und wenn die
Wärme des Feuers auf jenes (coagulierte Wasser) trifft, löst es sich auf und wird flie­
ßendes Wasser.
9. Vgl. Senior: De Chemia p. 92: ...u n d dies ist ein Geheimnis, von dem sie
geschworen haben, es in keinem Buche anzugeben, und keiner von ihnen hat es je
erklärt und sie haben es dem Ruhme Gottes überlassen es einzugeben wem er wolle
und fernzuhalten, von wem er wolle. Vgl. ebenso C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars Chemica,
1566, a. a. O. p. 49 und De Arte Chimica, Artis Aurif. Γ610, I, p. 174.
10. Vgl. ebenda p. 68: Wenn die Hitze jenes Feuers es (das congelierte Wasser)
findet, löst es sich auf und wird zu fließendem Wasser. Wenn es aber präpariert sein
wird, kehrt sie zu ihrer früheren Gestalt zurück und wird fest.
11. Ps. 68, 9: Da erbebte die Erde und die Himmel troffen vor G o tt. . .
Ps. 96, 4: . . . die Berge sind sein. (W örtl. Berge zerschmelzen wie Wachs vor dem
Herrn). Vgl. Jes. 64, 1.
12. Ps. 19, 2: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Feste verkündigt seiner
Hände Werk. Meßbuch p. 59.
13. Vgl. Sprüche 8, 22-35; Meßbuch p. 493. Die «Weisheit» war dabei, als Gott
die Erde schuf. (Das Zitat nimmt zu viel Raum.)
14. Ps. 104, 5-6 : . . . der du das Erdreich gegründet hast auf seinem Boden (wörtl.
Festigkeit), daß es bleibt immer und ewiglich, mit der Tiefe bedecktest du es, wie mit
einem Kleide und Wasser standen über den Bergen. (Vgl. Zürcher Bibel.)
108 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA

i terrae septem planetae radicaverunt et virtutes ibi reliquerunt, unde in


terra est aqua germ inans diversa genera colorum et fructuum et educens
panem et vinum laetificans cor hom inis nec non producens foenum
ium entis et herbam servituti hominum u . H aec inquam terra fecit lu-
5 n a m 15
1617in tem pore suo, deinde ortus est s o l v a l d e m ane una sabbato­
rum 1819 post tenebras, quas posuisti ante ortum solis in ipsa et facta est
<nox>. In ipsa enim pertransibunt omnes bestiae s i l v a e q u i a term inum
posuisti eis, quem non tran sg red ien tu r 20 usque ad album , sed ordina­
tione sua perseverant [d ie s ] usque ad rubeum , quia om nia serviunt ter-
10 r a e 21 et dies annorum eius sunt septuaginta a n n i 22234 ingredientes super
ipsam , quia est portans om nia verbo divinitatis suae 23 u t in libro T urbae
philosophorum scribitur: T e rra , cum sit ponderosa, om nia su ffert2«, quo­
niam est fundam entum totius coeli, p ro eo quod ipsa apparuit arida in
elem entorum separatione. D ein d e via est in m ari rubro sine impedi-

4. In quam terram MPV / facit MPVL / 5. uno RhD / 7. «nox» coni / quia: qua
MPB / 9. «dies» add. BDLRh / rubrum P, album B / 11. verba MP / 14. praeparatione
PV/

15. Ps. 103, 12-14: Super ea volucres coeli habitabunt, de medio petrarum dabunt
voces. Rigans terram de superioribus suis: de fructu operum tuorum satiabitur terra,
producens foenum iumentis et herbam servituti hominum. Ut educas panem de terra
et vinum laetificet cor hominum. Cf. Ordo missae p. 441.
16. Ps. 103, 19: Fecit lunam in tempora, sol cognovit occasum suum.
17. Ps. 103, 22: Ortus est sol et congregati sunt (scii, bestiae) et in cubilibus suis
collocabantur.
Cf. Pret. Marg. nov. 1. c. p. 112: Ex quibus omnibus liquide patet quomodo sol et
luna sunt eiusdem naturae et quod luna praecedit solem et ordinatur ad ipsum et
quomodo sol est occultus in luna et quomodo de ventre lunae sol extrahitur. Ideo dixit
Senior quod sol est oriens in luna crescente.
18. Mare. 16, 1-2 : Maria Magdalena et Maria Jacobi et Salome emerunt aromata . . .
Et valde mane una sabbatorum veniunt ad monumentum orto iam sole. Cf. Ordo
missae p. 312.
19. Ps. 103, 20: Posuisti tenebras et facta est nox, in ipsa pertransibunt omnes
bestiae silvae . . .
20. Ps. 103, 9: (Montes et valles) ...Term in u m posuisti, quem non transgredien­
t u r ...
21. Ps. 118, 91: Ordinatione tua perseverat dies . . . quoniam omnia serviunt tib i. . .
22. Ps. 89, 10: Dies annorum nostrorum in ipsis septuaginta anni.
23. Hebr. 1, 3: F i l i o . .. qui cum sit splendor gloriae, et figura substantiae eius
portansque omnia verbo virtutis suae . . . Cf. Ordo missae p. 82.
24. T u r b a ed. Ruska 1. c. p. 112: . . .terra autem cum sit ponderosa et spissa, fert
omnia, quae regit ignis.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 109

ihrer W e rk e satt w erden w ird, w eil ja die sieben Planeten ihre W u rzeln
in die E rd e senkten und ihre K rä fte d ort zurückließen; weshalb sich
nun in der E rd e das W asser findet, das die verschiedenen A rten von
Farb en und Frü ch ten keim en läß t und das B ro t hervorbringt und den
W e in , der das H erz des M enschen erfreut, das auch G ras wachsen läßt
fü r das V ieh und G ew ächse fü r den B ed arf der M enschen D iese E rd e
also ist es, die den M ond gem acht hat zu seiner Z e i t 151617, dann aber g in g
die Sonne auf *7, sehr früh am ersten T ag e der W o c h e l819, nach der F in ­
sternis, die du auf E rd en gesetzt hast vor Sonnenaufgang, und (s o ) en t­
stand die N ach t. In ihr streifen vorbei alle T ie re des W ald es da du
ihnen eine G renze gesetzt hast, die sie nicht überschreiten w e rd e n 20 bis
zum W e iß e n ; sie w erden vielm ehr in ihrer O rd nu n g verharren bis zum
R oten, da alles der E rd e d ie n t21, und ihr Leben w ähret siebzig J a h r e 22234,
die über sie hinw eggehen, da sie A lles trä g t durch das W o r t ihrer G ö tt­
lichkeit 23, wie auch in der T u rb a geschrieben steht: D ie E rd e träg t A lles,
da sie schw er ist 24, w eil sie das Fun d am en t des ganzen H im m els bildet,

15. Ps. 103, 12-15: . . . an denselben «Wassern» sitzen die Vögel des Himmels . . .
du befeuchtest die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte (wörtl. von
deiner Werke Frucht wird satt die Erde), du lassest Gras wachsen für das Vieh und
Gewächs zu Nutz den Menschen, daß du Brot aus der Erde bringst und daß der
W ein erfreue des Menschen Herz . . . Meßbuch p. 441.
16. Ps. 103, 19 ff.: Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen (wörtl.
zu den Zeiten), die Sonne weiß ihren Niedergang . . .
17. Ps. 104, 22: Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich (die Tiere) davon . . .
Vgl. Pretios. Marg. Nov. a. a. O. p. 112: Woraus klar hervorgeht, daß Sonne und Mond
von derselben Natur sind und der Mond der Sonne vorausgeht und sich an sie reiht
und wie die Sonne im Mond verborgen ist und wie sie aus seinem Leib extrahiert
wird. Deshalb sagt Senior, daß die Sonne aufgeht im zunehmenden Mond.
18. Markus 16, 2: Und sie kamen zum Grabe am ersten Tage der Woche sehr früh,
da die Sonne aufging. . .
19. Ps. 104, 20: Du machst (die) Finsternis, daß es Nacht wird (wörtl. und es wird
Nacht). Da regen sich (wörtl. in ihr gehen vorbei) alle wilden Tiere (des Waldes).
20. Ps. 104, 9: Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht (die sie nicht
überschreiten) . . .
21. Ps. 118, 91: Es bleibt täglich nach deinem W ort (wörtl. der Tag verharrt in
deiner Ordnung), denn es muß dir alles dienen.
22. Ps. 90, 10: Unser Leben währet 70 Jahre (wörtl. die Dauer unserer Jahre währt
70 Jahre) und wenns hoch kommt so sinds 80 Jahre.
23. Hebr. 1, 3: . . . und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen W ort (wörtl. der durch
das W ort seiner Kraft alles trägt). Meßbuch p. 82.
24. T u r b a p h il. ed. Ruska, a. a. O. p. 178: . . . die Erde aber, da sie schwer und dicht
ist, alles trägt, was das Feuer regiert.
110 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

m e n to 2*, quoniam hoc m are m agnum et sp atiosu m 2


26 percussit petram
5
et effluxerunt aquae [m e ta llin a e ], deinde abierunt in sicco flumina 27,
quae laetificant civitatem D e i 2829301; cum hoc m ortale induerit im m ortali­
tatem et corru p tio vivorum incorruptelam . T u n c fiet serm o utique qui
scriptus est: A b sorp ta est m ors in victoria, ubi est o m ors victoria t u a 2??
U b i abundavit delictum tuum , ib i(n u n c ) superabundat et g ratia 3 ° . N a m
sicut in A d am om nes m oriuntur, ita et in C hristo omnes [h o m in e s]
vivificabuntur 3% quoniam quidem p er hom inem m ors et p er [Je s u m ] ip­
sum resurrectio m ortuorum advenit 3*. N a m prim us A d am et filii eius de
elementis corruptibilibus exordium sum pserunt, ideo necesse fu it co m ­
positum corrum pi, secundus vero A d am , qui dicitur hom o philosophicus
de puris elem entis in aeternitatem transm eavit. Ideo quod e x sim plici

2. fluxerunt BPV / «metallinae» add. RhDL / 5. Abscondita M PV / «in» om.


MPVRhDL / mortis victoria D, haec mors victoria L / «o» om. M PVD / «tua» om.
MP / 6. «nunc» add. MP / abundat RhL / «et» om. M PV / 7. «et» om. PL / et in: de
M / «homines» add. MP / 8. ipsum: Jesum MPVRh / 12. quod: quia D, om. M /

25. Sap. 19, 7: Nam nubes castra eorum obumbrabat et ex aqua, quae antea erat,
terra arida apparuit et in mari rubro via sine impedimento et campus germinans de pro­
fundis nimio.
26. Ps. 103, 25: Hoc mare magnum et spatiosum manibus.
27. Ps. 104, 41: Dirupit petram et fluxerunt aquae, abierunt in sicco flu m in a ...
Jes. 48, 21: . . . et scidit petram et fluxerunt aquae.
28. Ps, 45, 5: Fluminis impetus laetificat civitatem Dei. Cf. Ordo missae p. 534.
29. I. Cor. 15, 53-55: Oportet enim corruptibile hoc induere incorruptionem et
mortale hoc induere immortalitatem. Cum autem mortale hoc induerit immortalitatem,
tunc fiet sermo, qui scriptus est: Absorpta est mors in victoria. Ubi est mors victoria
tua? Cf. Ordo missae p. 314.
30. Rom. 5, 20: . . .U bi autem abundavit delictum, superabundavit gratia.
31. I. Cor. 15, 21-22: ...q u o n iam quidem per hominem mors, et per hominem
resurrectio mortuorum. Et sicut in Adam omnes moriuntur, ita et in Christo omnes
vivificabuntur.
32. I. Cor. 15, 21: Quoniam quidem per hominem mors et per hominem resurrectio
mortuorum.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 111

darum weil sie trocken erschien bei der T ren n u n g der Elem ente. D a
w ard ein W e g im R oten M eer, ohne H in d e rn is2*, da dieses g ro ß e und
w eite M e e r 16 den Felsen erschütterte, und die m etallischen W ä sse r her-
ausflossen. D arau f verschw anden im T rocken en die Ström e 27, w elche
die G ottesstadt e rfre u e n 25672829301; w enn dies Sterbliche angezogen haben w ird
die U nsterblichkeit und dies V erw esliche des Lebendigen die U n v er-
w eslichkeit, dann w ahrlich w ird das W o rt in E rfü llu n g gehen, das g e ­
schrieben steht: D e r T o d ist verschlungen in den Sieg, oh T o d , w o ist
nun dein S ie g 2?? W o deine Sünde m ächtig w ar, da ist jetzt auch die
G nade noch viel m ächtiger 3 °. D enn gleich w ie in A d am alle sterben,
also w erden sie in C hristo alle lebendig gem ach t w erden 31. D a zw ar
durch einen M enschen der T o d , aber auch durch ihn (Je su m ) die A u f­
erstehung der T o ten gekom m en ist 32. D enn der erste A d am und seine
Söhne sind aus vergänglichen Elem enten entstanden, deshalb m ußte das
Zusam m engesetzte auch notw endigerw eise w ieder zerfallen, der zweite
A d am hingegen, w elcher der philosophische M ensch genannt w ird, ist
aus reinen Elem enten entstanden und g in g daher in die Ew igkeit ein.
W a s näm lich aus einfacher und reiner Substanz besteht, bleibt unzer-

25. Weish. 19, 7: . . . da zuvor Wasser stand, sah man trockenes Land hervorkom­
men; da ward aus dem (wörtl. im) Roten Meer ein W eg ohne Hindernis und aus den
mächtigen Fluten ein grünes Feld.
26. Ps. 104, 25: Das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelts ohne Zahl große
und kleine Tiere.
27. Ps. 105, 41: Er öffnete den Felsen, da flössen Wasser heraus . . .
Jes. 48, 21: Er riß den Fels, daß Wasser herauskam.
28. Ps. 46, 5: (w örtl.): Des Stromes Wogenschwall erfreut die Gottesstadt. (Meß­
buch p. 534).
29. I. Cor. 15, 54: Wenn aber dies Verwesliche wird anziehen die Unverweslich-
keit, und dies Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden
das Wort, das geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in den Sieg, Tod wo ist
dein Stachel, Hölle wo ist dein Sieg? Vgl. Meßbuch p. 314.
30. Röm. 5, 20: . . . W o aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade
viel mächtiger geworden.
31. I. Cor. 15, 22: Denn gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie in
Christo alle lebendig gemacht werden.
32. I. Cor. 15, 21: Sintemal durch einen Menschen der Tod und durch einen Men­
schen die Auferstehung der Toten kommt.
112 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA

et pura essentia constat, in aeternum m anet 33. U t S e n i o r dicit: E st unum ,


quod num quam m oritur, quoniam augm entatione perpetua perseverat 34,
cum corpus glorificatum fu erit in resurrectione novissim a m ortuorum ,
unde fides testatur carnis resurrectionem et vitam aeternam post m o r­
tem 35. T u n c A d am secundus dicit p riori et filiis suis: V en ite benedicti
patris m ei, percipite regnum aeternum , quod vobis paratum est ab o ri­
gin e operationis *6, et com edite panem m eum et bibite vinum , quod
miscui vobis j7, quia p arata sunt vobis om nia. Q ui habet aures audiendi
audiat, quid dicat spiritus doctrinae filiis disciplinae de A d am terreno
et A d am coelesti, quod philosophi insinuant his verbis: Q uando habueris
aquam de terra, aerem de aqua, ignem de aere, terram de igne, tunc
plene habes artem (n o stra m ) et p erfecte [ e t c ] 38.

1. unum: vivum RhL / 2. augmentatio M PV / 4. unde: ut RhLD / 7. reparationis


VPD, temperationis M, mundi scii, operationis B / 8. «vobis» om. RhL / 9. «de» om.
M PV /10. innuunt MP /12. «nostram» add. DLRh / «et perfecte» om. M PVDB / «etc»
add. Rh. /345678

33. Cf. I. Cor. 15, 45-47: Factus est primus homo Adam in animam viventem,
novissimus Adam in spiritum vivificantem . . . Primus homo de terra, terrenus: secun­
dus homo de coelo coelestis.
Cf. T u r b a 1. c. p. 115-116: Ex quatuor autem elementis pater noster Adam et filii
eius, (scii.) ex igne aere aqua simul et terra creati sunt. Intelligite, omnes sapientes,
quod omne, quod ex una creavit Deus essentia non moritur usque in diem iudicii.
Mortis enim definitio est compositi disiunctio . . . ex duobus autem, tribus vel quatuor
unumquodque compositum separari necesse est, quod est mors.
34. Senior: De Chemia p. 7 1 -72: Item unum quod non moritur, quamdiu fuerit
mundus, et vivificat quodlibet mortuum. Cf. item C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chemica,
1566, 1. c. p. 66.
35. Apost. Credo: Et exspecto resurrectionem mortuorum. Et vitam venturi saeculi.
Arnen. Cf. Ordo missae p. 9-
36. Math. 25, 34: Tunc dicet rex his, qui a dextris eius erunt: Venite benedicti Patris
mei, possidete paratum vobis regnum a constitutione mundi. Cf. Ordo missae p. 161,
324, 629 etc. - Zitiert als Schlußsatz von Aristoteles De perfecto magisterio. Theatr.
Chem. 1659, Vol. III, p. 70 ff.
37. Prov. 9, 4 -5 : Et insipientibus locuta est (Sapientia): Venite, comedite panem
meum et bibite vinum, quod miscui vobis.
38. Cf. A ristoteles Secreta secretorum, 1528, fol. X X V II. De proprietatibus ori­
ginalium lapidum: Quum igitur habueris aquam de aere et aerem ex igne et ignem ex
terra hunc habebis plene artem.
Cf. R o sa r iu m , Manget Lib. III, p. 101 b: De istis quatuor elementis dicit A ristoteles
in libro de regimine principiorum: Cum habueris aquam ex aere et aerem ex igne et
ignem ex terra, tunc plenam habebis artem Philosophiae: et hic est finis primae compo­
sitionis. Cf. Art. Aurif. 1610, p. 785.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 113

störbar in Ew igkeit 33. So wie auch S e n i o r sagt: E in Einziges gibt es, das
niem als stirbt, d a es in beständiger Z u n ah m e w eiterlebt 34, w enn der
Leib verklärt sein w ird bei der A u fersteh u n g der T o ten am jüngsten
T a g e ; weshalb auch der G laube die A u fersteh u n g des Fleisches und das
ew ige Leben nach dem T o d e bezeugt 35. D an n w ird der zw eite A d am
zum ersten A d am und dessen Söhnen sagen: K o m m t h er, ihr G esegneten
m eines V aters, ererbet das ewige R eich, das euch bereitet ist von A n b e­
gin n der O peration 36; esset m ein B ro t und trinket den W e in , den ich
euch gem ischt habe 37, da dies alles fü r euch bereitet ist. W e r O hren hat
zu hören, der höre, was der G eist der L eh re den Söhnen d er W issen ­
schaft vom irdischen und vom him m lischen A d am sagt, w orau f die
Philosophen m it folgenden W o rte n anspielen: W e n n du W a sse r aus
der E rd e, L u ft v om W asser, F eu er von der L u ft und E rd e von dem F eu er
erlangt haben w irst, dann besitzest du unsere K unst, ganz und v oll­
kom m en, usw. 38.3
45678

33. Vgl. I. Cor. 15, 45: W ie es geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, «ward
zu einer lebendigen Seele» und der letzte Adam zum Geist, der da lebendig macht.
Vgl. T u r b a a. a. O. p. 182-183: Aus vier Elementen aber sind unser Vater Adam
und seine Söhne geschaffen, nämlich aus Feuer, Luft, Wasser und Erde. Verstehet all
ihr Weisen, daß alles, was Gott aus einer Substanz geschaffen hat, nicht stirbt bis zum
Tag des Gerichts. Denn die Definition des Todes ist «Auflösung des Zusammen­
gesetzten».
34. Senior : De Chemia, a. a. Ο. p. 71-72: Ebenso gibt es eines, das nicht stirbt,
solange die W elt besteht, und es belebt alles Tote. Vgl. ebenso C o n s iliu m C o n iu g ü ,
Ars Chemica, 1566, a. a. O. p. 66.
35. Apost. Credo: (Meßbuch p. 9 ) : Ich bekenne eine Taufe zur Nachlassung der
Sünden und erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen W elt.
Amen.
36. Math. 25, 34: Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt
her ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbe­
ginn der W elt! Meßbuch p . 162, 324, 629 usw. Vgl. den Schlußsatz von A r is t o t e l e s :
De perfecto magisterio, Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p . 70 ff.
37. Sprüche 9, 4: (Die Weisheit sprach): Kommt, zehret von meinem Brot und
trinket den Wein, den ich schenke (wörtl. für euch gemischt habe), verlasset das unver­
ständige Wesen . . .
38. Vgl. A r is t o t e l e s : Secretum secret. 1528, fol. X X V II. De proprietatibus ori­
ginalium lapidum, und R o sa r iu m , Manget, Lib. III, p. 101 b: . . . es sagt A r isto teles
im Buch von dem Verfahren mit den Urelementen: Wenn du erst Wasser aus Luft,
und Luft aus Feuer und Feuer aus Erde erlangt hast, dann hast du die ganze philoso­
phische Kunst und dies ist das Ende etc. Vgl. Artis Auriferae 1616, II, p. 185.
114 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA

X I I . P A R A B O L A S E P T IM A D E C O N F A B U L A T IO N E
D IL E C T I C U M D IL E C T A

o n v e r t im in i ad m e in toto corde v e s tro 1 et nolite abiicere m e, eo

C quod n ig ra sum et fusca, quia decoloravit m e s o l 2345 et abyssi ope­


ruerunt faciem m eam 3 et terra infecta et contam inata est in operibus
m eis 4; quia tenebrae factae sunt super eam * p ro eo, quod infixa sum in
lim o p rofu nd i et substantia m ea non est a p e rta 67
. P ro p terea de profundis
clam avi 7 et de abysso terrae voce m ea ad vos om nes, qui transitis p er
viam . A tten d ite et videte m e, si quis sim ilem m ihi in v e n e rit89, dabo in
m anu sua steliam m atutinam ?. E cce enim in lectulo m eo p er noctem
quaesivi consolantem et non in v e n iI0, vocavi et nem o respondit m ih i.» -

5. «in» om. MP / operationibus D / 8. vos: eos MP / 11. non: neminem MP /

1. Joel 2, 12: Nunc ergo dicit Dominus: Convertimini ad me in toto corde vestro
in ieiunio et in fletu et in planctu.
2. Cant. 1, 4 -5 : Nigra sum sed formosa filiae Jerusalem sicut tabernacula Cedar,
sicut pelles Salomonis. Nolite me considerare, quod fusca sim, quia decoloravit me
Sol, filii matris meae pugnaverunt contra me . . .
3. Cf. Jona 2, 6: Circumdederunt me aquae usque ad animam, abyssus vallavit me,
pelagus operuit caput meum . . .
4. Ps. 105, 38: Et infecta est terra in sanguinibus et contaminata est in operibus
eorum . . .
5. Luc. 23, 44: . . . et tenebrae factae sunt in universam terram . . . Cf. Mc. 15, 33.
6. Ps. 68, 3: Infixus sum in limo profundi et non est substantia, veni in altitudinem
maris, et tempestas dimersit me. Cf. Ordo missae p. 249.
7. Ps. 129, 1: De profundis clamavi ad te Domine, Domine exaudi vocem meam.
Cf. Ordo missae p. 130, 474 etc.
8. Thren. 1, 12: O vos omnes qui transitis per viam, attendite et videte, si est dolor,
sicut dolor meus . . . Cf. Ordo missae p. 6 l4 , 569.
9. Apoc. 2, 28: . . . dabo illi stellem matutinam . . .
10. Ps. 68, 21: Et sustinui, qui simul contristaretur, et non fuit, qui consolaretur et
non inveni. . . Cf. Ordo missae p. 244, 615.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA 115

X I I . D IE S IE B T E P A R A B E L V O M G E S P R Ä C H
D E S L I E B E N D E N M I T D E R G E L IE B T E N

Λ Χ 7Τ en d et euch zu m ir von ganzem H e rz e n 1 und verw erfet m ich


W nicht, darum w eil ich schwarz bin und dunkel, denn die Sonne
h at m ich so v erb ran n t 23
45; und die A b grü nd e haben m ein A n tlitz bedeckt 3
und die E rd e ist verdorben und verunreinigt in m einen W e rk e n 4, indem
Finsternis w ard über ihr *, da ich versunken bin im Schlam m e der T ie fe
und m eine Substanz nicht erschlossen w orden i s t 67
. D ah er ru fe ich aus
der T ie fe 7, und aus dem A b gru nd der E rd e spricht m eine Stim m e zu
euch A llen , die ihr vorübergehet auf dem W e g e : H abet acht und
schauet m ich an, ob jem als einer von euch einen fand, der m ir g le ic h t89,
so w ill ich ihm den M orgen stern in die H an d geben D en n siehe des
N ach ts auf m einem L ag er suchte ich einen T rö ster und fand k e in e n I0,
ich rief, und niem and gab m ir A n tw o rt.» - «D ah er w ill ich auf stehen

1. Joel 2, 12: Doch spricht auch jetzt der Herr: Bekehret (wendet) euch zu mir
von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen und mit Klagen . . .
2. Hohes Lied 1, 5-6 : Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems,
wie die Hütten Kedars, wie die Teppiche Salomons. Sehet mich nicht an, daß ich so
schwarz bin, denn die Sonne hat mich so verbrannt. . .
3. Jona 2, 4 ff: Du warfst mich in die Tiefe mitten im Meer, daß die Fluten mich
umgaben; alle deine Wogen und W ellen gingen über mich . . . Wasser umgaben mich
bis an mein Leben, die Tiefe umringte m ich . . . Ich sank zu der Berge Gründen, die
Erde hatte mich verriegelt ewiglich . . .
4. Ps. 106, 38: . . .daß das Land (wörtl. Erde) mit Blutschuld befleckt ward und
verunreinigten sich mit ihren Werken . . .
5. Luk. 23, 44: (Kreuzigung) Und es ward eine Finsternis über das ganze Land.
6. Ps. 69, 3: Ich versinke im Schlamm der Tiefe, da kein Grund ist; ich bin im
tiefen Wasser . . . Meßbuch p. 249.
7. Ps. 129, 1: Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir, Herr erhöre meine Stimme. . .
Meßbuch p. 130, 474 usw.
8. Klagelieder 1, 12: Euch sage ich allen, die ihr vorübergehet (am W ege): Schauet
doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sei, wie mein Schmerz. Meßbuch p. 6 l4 .
9. Offenb. 2, 28: . . . und ich will ihm geben den Morgenstern.
10. Ps. 69, 21: Ich warte, obs jemand jammere, aber da ist niemand, und auf Tröster,
aber ich finde keine. Meßbuch p. 244, 615.
116 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA

«Surgam ergo et introibo civitatem ; p er vicos et plateas q u a e re n s11 m ihi


unam desponsare virginem c a s ta m I2134, p u lch ram facie, pulchriorem co r­
pore, pulcherrim am veste, u t revolvat lapidem ab ostio m onum enti m e i *3
et dabit m ihi pennas sicut colum bae et volabo cum ea in coelo *4 et dicam
tun c: V ivo ego in aeternum u et requiescam in ea, quia astitit [re g in a ]
a dextris meis in vestitu deaurato circum data varietate. A udi ergo filia
et vide et inclina aurem tuam ad preces m eas, quia concupivi toto cordis
desiderio speciem tu a m l6178. O locutus sum in lingua m ea, notum fac m ihi
finem m eum et num erum dierum m eorum , quis est, ut sciam quid desit
m ihi, quoniam m ensurabiles posuisti om nes dies m eos et substantia m ea
tam quam nihilum ante te *7. T u es enim ipsa, quae introibit p er aurem , per
regionem m eam , et ero indutus stola purpurea ex te et e x m e p rocedam
tam quam sponsus de thalam o s u o lS, quia circum dabis m e vernantibus

1.-2. «facie pulchriorem corpore pulcherrimam» om. MP / 3. revolvet PVRhL /


4. dabo MPV / 5. «regina» add. BD / 1 0 . meos; tuos RhBDL / 11. aurem: auream
portam D / 13. quae circumdabit MPV, circumdas L /

11. Cant. 3, 1-2: In lectulo meo per noctes quaesivi, quem diligit anima mea, quae­
sivi illum et non inveni. Surgam et circuibo civitatem per vicos et plateas quaeram
quem diligit anima mea quaesivi illum, et non inveni. Cf. Ordo missae p. 671.
12. II. Cor. 11, 2: Despondi enim vos uni viro virginem castam exhibere Christo.
13. Mare. 16, 3: Et dicebant ad invicem: Quis revolvet nobis lapidem ab ostio monu­
menti? . . . Cf. Ordo missae p. 312.
14. Ps. 54, 7: Ex dixi: Quis dabit mihi pennas sicut columbae et volabo et requies­
cam? Cf. Marg. pret. nov. 1. c. p. 123: Et quia foemina est alba fugiens . . . masculus
vero est rubeus persequens foeminam et retinens . . . dixerunt: Foemina habet alas,
masculus vero non. Cf. item Senior 1. c. p. 38.
15. Deut. 32, 40: Levabo ad coelum manum meam et dicam: Vivo ego in aeter­
num . . . Cf. Ordo missae p. 363.
16. Ps. 44, 10-11: Astitit regina a dextris tuis in vestitu deaurato circumdata varie­
tate. Audi filia et vide et inclina aurem tuam . . . et concupiscet rex decorem tuum,
(quia concupivit Rex speciem tuam). Cf. Ordo missae p. 567, 674.
17. Ps. 38, 5-6 : Locutus sum in lingua mea, notum fac mihi Domine finem meum.
Et numerum dierum meorum quis est, ut sciam quid desit mihi. Ecce mensurabiles
posuisti dies meos et substantia mea tamquam nihilum est ante te.
18. Ps. 18, 6: In sole posuit tabernaculum suum: et ipse tamquam sponsus proce­
dens de thalamo suo. Cf. Ordo missae p. 60.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 117

und herum gehen in der Stadt; in den G assen und Straßen w ill ich
su ch e n XI, daß ich m ir eine reine Ju n g frau v e r m ä h l e s c h ö n von A n t­
litz, schöner von W u ch s und noch schöner von K leid u n g, dam it sie den
Stein von der T ü re m eines G rabes w älze χ3, und sie w ird m ir F lü g el
geben, w ie die d er Taube, und ich w erde m it ih r am H im m el dahin­
fliegen x4. D a w erde ich sagen: Ich lebe ew iglich x* und w erde in ihr
ruhen, da sie m ir zur R echten steht in goldenem G ew ände, gehü llt in
bunte P rach t. H ö re also, oh T o ch ter, sieh und neige dein O h r m einen
B itten , denn ich habe m ich von ganzem H erzen nach deiner Schönheit
g e se h n t 1
23451617. D en n ich rede in m einer Sprache: T u e m ir kund m ein E nde
und welches die Z ah l m einer T a g e sei, au f daß ich erkenne, was m ir
m angelt, denn alle m eine T a g e hast du begrenzt, und m eine Substanz ist
wie nichts v or d ir D u bist es näm lich, die eingehen w ird durch m ein
O hr, durch m ein G ebiet, und ich w erde gekleidet w erden in ein P u rp u r­
gew and (d a s) aus dir und aus m ir stam m t, und w erde hervorkom m en
wie ein B räutigam aus seiner K a m m e r l8, denn du w irst m ich m it fu n ­
kelnden Edelsteinen von frü h lin g h after Frisch e schm ücken und m ir an-

11. Hohes Lied 3, 1-2: Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele
liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Ich will aufstehen und in der Stadt umgehen
auf den Gassen und Straßen suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand
ihn nicht. Meßbuch p. 671.
12. II. Cor. 11, 2: . . . daß ich eine reine Jungfrau Christo zubrächte.
13. Mark. 16, 3: (Frauen am Grabe). Und sie sprachen untereinander: W er wälzt
uns den Stein von des Grabes Tür? Meßbuch p. 312.
14. Ps. 55, 7: O hätte ich Flügel wie Tauben, daß ich flöge und wo bliebe, (wörtl.
Und ich sprach: W er wird mir Flügel geben, wie die der Taube, und ich werde fliegen
und ruhen?) Vgl. Marg. pret. nov. a. a. O. p. 123: Und weil die weiße Frau flüchtig
ist, der rote Mann aber die Frau verfolgt und zurückhält, haben die Philosophen gesagt:
Die Frau hat Flügel, der Mann hingegen nicht. Vgl. auch Senior a. a. O. p. 38.
15. Deut. 32, 40: Denn ich will meine Hand in den Himmel heben und will sagen:
Ich lebe ewiglich . . . Meßbuch p. 363.
16. Ps. 45, 10-12: Die Braut steht zu deiner Rechten in eitel köstlichem Gold
(wörtl. goldenem Gewand gehüllt in bunte Pracht). (Vgl. Meßbuch p. 615, 674.)
Höre, Tochter, sieh und neige dein Ohr, so wird der König Lust an deiner Schöne haben
(wörtl. denn der König sehnte sich nach deiner Anmut). Meßbuch p. 567.
17. Ps. 39, 4 -5 : Aber Herr lehre mich, daß es ein Ende mit mir haben muß usw.
(W örtl. Ich rede mit meiner Zunge. Aber Herr tue mir kund mein Ende und welches
die Zahl meiner Tage sei, daß ich erkenne, daß ich vergänglich bin, denn du hast
meine Tage begrenzt (meßbar gemacht) und meine Substanz ist wie nichts vor dir.
18. Ps. 19, 5 -6 : Er hat der Sonne eine Hütte an ihnen gemacht. . . und dieselbe
geht heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer . . . Meßbuch p. 60.
118 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

i atque coruscantibus gem m is et indues m e vestim entis salutis et laetitiae ^


ad expugnandas gentes et om nes inim icos, nec non coron a aurea expressa
signo sanctitatis m e ornabis et stola iustitiae circum dabis m e 1920 atque
annulo tuo subarrabis m e nec non calceam entis aureis calceabis m e. H aec
5 om nia faciet am ica m ea p erfecta, pu lch ra nim is et decora in deliciis
su is2I, quia viderunt eam filiae Sion et reginae atque concubinae eam
lau d av eru n t222345. O regina supernorum , surge p ropera [a m ica m e a ] sponsa
m ea 23, dic [d ile c ta ] dilecto tuo, quae qualis vel quanta es, p ropter Sion
non tacebis nec p ro p ter Jeru salem quiescas 24 loquere m ihi, audit ( te )
io enim dilectus tuus: - «A u d ite omnes gentes, auribus percipite, qui habi­
tatis o rb e m 2*: dilectus meus rubicundus locutus e s t 26278m ihi, petiit et im ­
petravit. E g o sum flos cam pi et lilium convallium % ego m ater pulchrae
dilectionis et [tim o ris e t] agnitionis et sanctae s p e i2δ. E g o vitis fructi-

1. induens B, indueris V / vestimento Rh, D / 2. ex purgandas Rh D, pugnandas L /


gentes et omnium gentium et nationum (D : hoc loco) inimicos nec non corona RhLD,
om. P / «et» inimicos add. M / 3. «iustitiae» om. M PV / 3 - 4 . «atque annulo cv>
calceabis me» om. M PV / 6. concubinae V 2, columbinae MPV, columbae RhDL, om. B /
7. «amica mea» add. D / 8. «dilecta» add. RhL / 9. «te» add. D / loquere quae audit
dilecto tuo MPV, cetera om. MP / 10. Audite «haec» add. VL / 13. «timoris» add. V /

19. Jes. 61, 10: Gaudens gaudebo in Domino . . . qui induit me vestimentis salutis
et indumentis iustitiae circumdedit me, quasi sponsum decoratum corona et quasi spon­
sam ornatam monilibus suis. Cf. Ordo missae p. 493, 549.
20. Eccli. 45, 14: Corona aurea super mitram eius expressa signo sanctitatis et gloria
honoris . . . Cf. Ordo missae p. 549.
21. Cant. 7, 6: Quam pulchra est et quam decora charissima in deliciis!
22. Cant. 6, 8: . . .Viderunt eam filiae Sion et beatissimam praedicaverunt reginae
et concubinae et laudaverunt eam.
23. Cant. 2, 10: En dilectus meus loquitur mihi: Surge, propera amica mea, columba
mea . . . Cf. Ordo missae p. 539.
24. Jes. 62, 1: Propter Sion non tacebo et propter Jerusalem non quiescam, donec
egrediatur ut splendor iustus eius . . .
25. Ps. 48, 2: Audite haec omnes Gentes; auribus percipite omnes qui habitatis
orbem . . .
26. Cant. 5, 10: Dilectus meus candidus et rubicundus electus ex millibus.
27. Cant. 2, 1: Ego flos campi et lilium convallium, sicut lilium inter s p in a s ...
28. Eccli. 24, 24: (Sapientia loquitur): Ego mater pulchrae dilectionis et timoris
et agnitionis et sanctae sp ei. . . Cf. Ordo missae p. 727.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 119

ziehen die G ew änder des H eils und der F reu d e ^ zur Bezw ingung der
Stäm m e und aller Fein d e. D u w irst m ich auch m it der goldenen K ro n e
aller V ölk er und N ation en schm ücken, versehen m it dem Z eichen der
H e ilig k e it20 und m ich in das K leid der G erechtigkeit hüllen; du w irst
m ich m it deinem R in ge dir anverloben und m ich auch m it goldenen
Schuhen bekleiden. D ies alles w ird m eine vollendete G eliebte, die
Schönste und H errlichste von allen, tun in ihrer W o n n e 21, da sie die
T ö ch ter Zions sahen und die K ön igin n en und N eben frauen sie gelobt
h a b e n 22. O h K ön ig in der oberen W e lt, m ache dich eilig auf, m eine
Freundin, m eine B rau t 23, sprich du, Liebste, zu deinem G eliebten, w er
und von w elcher A rt und von w elcher G röß e du bist; um Z ions w illen
w irst du nicht schw eigen, und um Jerusalem s w illen sollst du nicht inne­
halten m it m ir zu re d e n d , denn dein G eliebter h ört, was du sagst: -
« H ö rt zu, ihr V ölk er alle, m erket au f alle, die ihr den Erdkreis bew oh­
n e t 2*: m ein roter F re u n d 26 h at zu m ir gesprochen, er h at gebeten, und
seine B itte w urde erfü llt: Ich bin die B lu m e des Feldes und die Lilie
in den T älern 27, ich bin die M u tter der schönen Liebe, der Erkenntnis
und der heiligen H o ffn u n g 28. Ich bin der W einstock, der w ohlriechende,

19. Jes. 61, 10: Ich freue mich im Herrn, denn er hat mich angezogen mit Kleidern
des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet wie ein Bräutigam . . . und wie
eine B rau t. . . Meßbuch p. 549.
20. Jes. Sirach 45, 14: (wörtl.) Eine goldene Krone war auf seinem Haupte, ver­
sehen mit dem Zeichen der Heiligkeit, die Herrlichkeit seiner W ü rd e. . . Meß­
buch p. 549.
21. Hohes Lied 7, 7: W ie schön und wie lieblich bist du, Liebe voller Wonne
(in W onne).
22. Hohes Lied 6, 9: Da sie die Töchter (Zion) sahen, priesen sie dieselbe selig
und die Königinnen und Kebsweiber (Nebenfrauen) lobten sie.
23. Hohes Lied 2, 10: Sieh mein Freund spricht zu mir: Stehe auf, meine Freundin,
meine Schöne . . . Meßbuch p. 539.
24. Jes. 62, 1: Um Zions willen will ich nicht schweigen und um Jerusalems willen
will ich nicht innehalten, bis daß ihre Gerechtigkeit aufgehe . . .
25. Ps. 49, 2: Höret zu, alle Völker, merket auf alle, die ihr in dieser Zeit lebet
(wörtl. den Erdkreis bewohnet).
26. Hohes Lied 5, 10: Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren unter vielen
Tausenden.
27. Hohes Lied 2, 1: (wörtl.) Ich bin eine Blume des Feldes und eine Lilie in
den Tälern.
28. Jes. Sirach 24, 33: (wörtl.) Ich bin die Mutter der schönen Liebe und Frucht
der Erkenntnis und heiligen Hoffnung. Meßbuch p. 727.

9 Jung : Mysterium III


120 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA

ficans suavitatem odoris, et flores m ei fructus honoris et h o n estatis2?.


E g o lectulus dilecti m ei, quem sexaginta fortissim i am bierunt, omnes
tenentes gladios suos super fem ur suum p ropter tim ores nocturnales 3°.
E g o tota pulchra et absque m acula 31 respiciens per fenestras prospiciens
p er cancellos dilecti mei 3% vulnerans cor suum in uno oculorum m eorum
et uno crine colli mei 33 . E g o odor unguentorum super om nia arom ata
arom atizans et sicut cinnam om um et balsam um et m yrrha electa 34. Ego
virgo prudentissim a 35 progrediens quasi aurora valde rutilans electa ut
sol et pulchra ut Luna 36 absque quod intrinsecus latet 37 . E g o cedrus exal­
tata et cypressus in m onte S ion 3g? ego corona, qua coronatur dilectus
meus in die desponsationis ipsius et laetitiae 39, quia unguentum effusum
est nom en m eum 4°. E go funda D avid, cuius lapis G oliae m agnum ocu-

2. Sexaginta: se MP, om. B / 5. uno: ictu RhDL / 6. meo MP / 11. «meus» om. MP /
quia «sicut» add. BD / 12. cuius lapis Goliae: quare MP, quia V /2930145678

29. Eccli. 24, 23: Ego quasi vitis frutificans suavitatem odoris et flores mei fructus
honoris et honestatis. Cf. Ordo missae p. 727. cf. Joh. 15, 1: Ego sum vitis v e r a ...
30. Cant. 3, 7 -8 : En lectum Salomonis sexaginta fortes ambierunt ex fortissimis
Israel omnes tenentes gladios, uniuscuiusque ensis super femur suum propter timores
nocturnos . . . Cf. Ordo missae p. 549.
31. Cant. 4, 7: Tota pulchra es amica mea et macula non est in te. Cf. Ordo missae
p. 540: Tota pulchra es Maria et macula originalis non est in te.
32. Cant. 2, 9: . . . en ipse stat post parietem nostrum respiciens per fenestras pro­
spiciens per cancellos. Cf. Ordo missae p. 650.
33. Cant. 4, 9: Vulnerasti cor meum soror mea sponsa . . . in uno oculorum tuorum
et in uno crine colli tui.
34. Eccli. 24, 20: Sicut cinnamomum et balsamum aromatizans odorem dedi quasi
myrrha electa dedi suavitatem odoris. Cf. Ordo missae p. 699.
35. Cf. Math. 25, 1-13; et Ordo missae p. [58/59].
36. Cant. 6, 9: Quae est ista quae progreditur, quasi aurora consurgens, pulchra ut
luna, electa ut s o l. . . Cf. Ordo missae p. 789.
37. Cant. 4, 1: . . . .Oculi tui columbarum absque eo quod intrinsecus latet. Cf. Ordo
missae p. 549.
38. Eccli. 24, 17: Quasi cedrus exaltata sum in Libano et quasi cypressus in monte
Sion. Cf. Ordo missae p. 699.
39. Cant. 3, 11: Egredimini et videte filiae Sion regem Salomonem in diademate quo
coronavit eum mater sua . . . in die desponsationis illius et in die laetitiae cordis eius . . .
(parans crucem Salvatori suo. Ordo missae p. 548).
40. Cant. 1, 2: Oleum effusum nomen tuum . . .
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 121

liebliche F rü ch te träg t, und m eine B lüten sind aus E h re und A nstand


h erv o rg eb rach t2?. Ich bin das Ruhebett m eines G eliebten, um das sich
sechzig Starke reihen, die alle ihr Schw ert um ihre H ü fte tragen, w egen
der Schrecknisse in den N äch ten 3°. G anz schön bin ich und ohne
M akel *l; ich sehe durch die Fenster und schaue durch die G itter meines
G eliebten 3* und verw unde sein H erz in einem m einer A ugen und in
einem H aar meines N ackens 33. Ich bin der D u ft der Salben, und m ir
entström t W o h lg eru ch über alle G ew ürze, wie Z im m et und Balsam und
die erlesene M yrrh e 34. Ich bin die K lü gste der Ju n gfrau en 35, die h er­
vortritt gleich der leuchtenden M orgen rö te, auserw ählt wie die Sonne
und schön w ir der M ond 36, ohne das, was sich innen birgt 37. Ich bin
w ie die hochgew achsene Z ed er und die Zypresse auf dem B e rg Z io n 3«,
ich bin die K ron e, m it der m ein G eliebter am T a g e seiner H ochzeit
und seiner Freu de gekrönt w ird 39, da m ein N a m e eine ausgeschüttete
Salbe ist 4°. Ich bin die Schleuder D avids, deren Stein das g roß e A u ge

29. Jes. Sirach 24, 23-24: (wörtl.) W ie ein Weinstock trug ich wohlriechende,
liebliche Früchte und meine Blüten entstammen Ehre und Anstand. Meßbuch p. 727.
30. Hohes Lied 3, 7 -8 : Sieh um das Bett Salomons her stehen 60 Starke aus den
Starken Is r a e ls ... (w örtl.): ein jeder hat das Schwert um seine Hüfte wegen der
Schrecknisse in den Nächten. Ein Prunkbett ließ sich festigen der König Salomon. . .
dessen Fußgestelle machte er aus Silber, dessen Lehnen aus Gold, dessen Polster aus
Purpur. Meßbuch p. 549.
31. Hohes Lied 4, 7: Du bist allerdinge schön, meine Freundin, und ist kein Flecken
an dir. Vgl. Meßbuch p. 540: Ganz schön bist du Maria und der Makel der Erbsünde
ist nicht in dir.
32. Hohes Lied 2, 9: Sieh, er steht hinter unserer Wand, sieht durchs Fenster und
guckt durchs Gitter. Meßbuch p. 649/650.
33. Hohes Lied 4, 9: (wörtl.) Du hast mein Herz verwundet meine Schwester, liebe
Braut, mit deiner Augen einem und einem Haar deines Nackens.
34. Jesus Sirach 24, 20: (w örtl.): W ie Zimmet und würziger Balsam gab ich Duft.
W ie erlesene Myrrhe gab ich lieblichen Wohlgeruch. Meßbuch p. 669.
35. Vgl. Math. 25, 1-13. Meßbuch p. [58/59].
36. Hohes Lied 6, 10: W er ist (diese) die (dort) hervorbricht wie die (aufstei­
gende) Morgenröte, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne. Meßbuch p. 789.
37. Hohes Lied 4, 1: (w örtl.): Deine Augen sind Taubenaugen, ohne das, was sich
innen birgt. Meßbuch p. 549.
38. Jes. Sirach 24, 17: Ich bin hochgewachsen wie eine Zeder auf dem Libanon
und wie eine Zypresse auf dem Gebirge Hermon (Zion). Meßbuch p. 699.
39. Hohes Lied 3, 11: Gehet hinaus und schauet a n . . . den König Salomo in der
Krone, damit ihn seine Mutter gekrönt hat am Tage seiner Hochzeit und am Tage der
Freude seines Herzens. Meßbuch p. 549.
40. Hohes Lied 1, 3: . . . dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe . . .
122 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

i lum (e ru it) et caput eius dem um abstulit 4 *. E g o sceptrum dom us Israel


et clavis Jesse *z, qui aperit et nem o claudit, claudit et nem o aperit 43. E g o
sum illa vinea electa, in quam pater fam ilias m isit h ora prim a, secunda,
tertia, sexta et nona operarios suos dicens: Ite et vos in vineam m eam
5 et quod iustum fuerit dabo vobis h ora duodecim a 44. E g o sum illa terra
sanctae prom issionis, quae fluit lacte et m eile 45 et faciens fructus suavis­
simos tem poribus suis; quare omnes philosophi m e com m endaverunt et
sem inaverunt in m e aurum eorum et argentum et gran um ipsorum in-
combustibile. E t nisi gran um illud cadens in m e m ortuum fuerit, ipsum
10 solum manebit, si autem m ortuum fuerit affert fructum triplicem 46: p ri­
m um quidem faciet bonum in terram bonam , scilicet m argaritaru m ,
secundum bonum quia in m eliorem scilicet foliorum , tertium in m ille-
cuplum quia in terram optim am scilicet auri 47 . E x his enim fructibus
gran i (h u iu s) cibus vitae conficitur, qui de coelo descendit. Si quis e x eo
15 m anducaverit, vivet sine f a m e 48. D e illo nam que pan e edent pauperes
et saturabuntur et laudabunt D om inum , qui requirunt eum et vivent

1. «eruit» add. D / demum: denique P, demumque M, om. V / de domo M PV /


3. qua PRhLM / 5. «duodecima» coni, secunda DRhL, nona MPV, om. B / 6 . sancta
RhDL / fructus «suos» add. MP / 7. quare: quia RhDL / 8. «in me» om. LV /
9 - 1 0 . «ipsum solum c\d fuerit» om. VLB M, corr. M 2 / 14. «huius» add. RhB / 15. «et»
sine add. MP / illa PL / 16. requirent RhL /41235678

41. Cf. I. Samuel 17, 49-51.


42. Cf. Jes. 11, 1: Et egredietur virga de radice Jesse et flos de radice eius . . .
Cf. Rom. 15, 4 -1 3 : Ordo missae p. 51 und 58. Cf. Senior: De Chemia, p. 10: Sol
est clavis cuiuslibet ianuae . . . Cf. item p. 17.
43. Apoc. 3, 7: . . . Qui habet elavem David, qui aperit et nemo claudit, claudit et
nemo aperit.
44. Cf. Math. 20, 1 sq. et Ordo missae p. 132.
45. Exodus 13, 5: Introduxit vos Dominus in terram fluentem lacte et meile. Cf. Ordo
missae p. 315, Cf. Exod. 3, 8: et educam in terram, quae fluit lacte et meile . . . Cf. Ordo
missae p. 440. Cf. Mos. 26, 1-11. (Ordo missae p. 385).
46. Joh. 12, 24-25: Amen amen dico vobis: nisi granum frumenti cadens in terram
mortuum fuerit, ipsum solum manet, si autem mortuum fuerit multum fructum affert.
Cf. Ordo missae p. 694, 217.
47. Cf. Senior: De Chemia, 1. c. p. 51: Quidam vero eorum nomina variant, ut hoc
ex tribus terris, quarum prima est margaritarum, secunda terra foliorum, tertia terra
est terra auri. Cf. item p. 106.
48. Joh. 6, 33: Panis enim Dei est, qui de coelo descendit et dat vitam mundo.
Joh. 6, 51—52: Ego sum panis vivus qui de caelo descendi. Si quis manducaverit hoc
pane vivet in aeternum. Cf. Ordo missae p. 381. Cf. Ps. 78. 23-24.
T H O M A E DE A Q U I N O AURORA 123

G oliaths ausschlug und schließlich sogar seinen K o p f ab riß4i. i ch bin


das Szepter des H auses Israel und der Schlüssel Jesse der auftut, und
niem and schließt zu; der zuschließt, und niem and tut auf 43. Ich bin
jener erlesene W ein b erg , in w elchen der H ausvater zur ersten, zweiten,
dritten, sechsten und neunten Stunde seine A rbeiter sandte, indem er
sprach: G ehet auch ihr in m einen W ein b erg , und zur zw ölften Stunde
w erde ich euch geben, was recht ist 44. Ich bin jenes Lan d der göttlichen
V erh eiß u ng, darin M ilch und H o n ig fließt 45 und das süßeste Frü ch te
trägt zu seiner Z eit. D aru m haben m ich alle Philosophen em pfohlen und
haben ihr G old und Silber und ihr unverbrennbares Sam enkorn in m ich
gesät. U n d w enn dieses W eizenk orn nicht in m ich fällt und erstirbt, so
bleibt es allein, w o es aber stirbt, so bringt es d reifache F ru ch t 46: zum
ersten w ird es zw ar gute F ru ch t tragen, da es in gute E rd e, näm lich
Perlenerde (gesät w u rd e ), zum zw eiten w ird es (eb en falls) gute F ru ch t
bringen, da es in bessere E rd e fiel, näm lich Silbererde, und zum dritten
w ird es tausendfache F ru ch t bringen, da es in beste E rd e, näm lich G old ­
erde (gesät w u rd e) 47 . Aus den Frü ch ten dieses W eizenkornes w ird n äm ­
lich die Speise des Lebens gem acht, die vom H im m el kom m t 4*. W e r
davon ißt, der w ird leben ohne zu hungern. V o n diesem B ro t w erden
näm lich die A rm en essen und gesättigt w erden, und sie w erden den
H errn preisen, die ihn suchen, und ihre H erzen w erden leben in E w ig-
41. Vgl. I. Samuel 17, 49-51.
42. Vgl. Jes. 11, 1-5 : Es wird eine Rute (Reis) hervorgehen aus dem Stamm Isais
(wörtl. der Wurzel Jesse). Vgl. Römer 15, 4 -14. (Meßbuch p . 51, 58). Vgl. Se n io r
a. a. O. p. 101: Die Sonne ist der Schlüssel zu jeder Türe . . .
43. Offenb. 3, 7: . . . der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand
schließt zu, der zuschließt und niemand tut auf.
44. Vgl. Math. 20, 1 ff. und Meßbuch p. 132.
45. Exod. 3, 8: . . . und sie ausführe . . . in ein gutes und weites Land . . . darin
Milch und Honig fließt. Vgl. Exod. 13, 5 u. 5. Mos. 26, 1-11. (Meßb. p. 315, 385, 44 0 ).
46. Joh. 12, 24: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Es sei denn daß das Weizenkorn
in die Erde falle und ersterbe, so bleibts allein, wo es aber erstirbt, so bringt es viele
Früchte. (Meßbuch p. 217, 694.)
47. Vgl. Se n io r : De Chemia, a. a. Ο. p. 51: Manche von ihnen aber verwenden
verschiedene Bezeichnungen, wie z. B. von 3 Erdarten, deren erste ist «Perlenerde»,
die zweite «Silbererde» und die dritte «Golderde». Vgl. ebenda p. 106.
48. Joh. 6, 33: Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt
der W elt das Leben.
Joh. 6, 51: Ich bin das lebendige Brot, (der ich) vom Himmel (herab) gekommen
(bin). W er von diesem Brot essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Meßbuch p. 381.
Ps. 78, 23-24: (wörtl.) Des Himmels Türen öffnete der Herr und ließ für sie zur
Speise Manna regnen und Brot des Himmels gab er ihnen. Meßbuch p. 379.
124 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA

i corda eorum in saeculum 49. E g o do et non resum o, ego pasco et non


deficio, ego securo et non paveo, quid plus referam dilecto m eo? E g o
sum m ed iatrix elem entorum , concordans unum alteri: illud, quod cali­
dum est frigesco et viceversa, et illud, quod siccum est hum ecto et vice-
5 versa, et illud, quod est durum mollifico et viceversa. E g o finis et dilec­
tus meus principium *°, ego totum opus et tota scientia in m e occulta­
tur ego lex in sacerdote et serm o in propheta et consilium in sapiente *2.
E go occidam et vivere faciam et non est, qui de m anu m ea possit eruere^.
E g o p orrigo os dilecto m eo et com pressit ipsius ad m e ego et ipse unum
10 sumus n, quis nos separabit a caritate *6? N ullu s et nem o, quia fortis est
ut m ors dilectio nostra *?.» - «O dilecta, im m o perdilecta, v o x tua sonuit
in auribus m eis, quae dulcis est *8, et odor tuus super cuncta unguenta
preciosa^. O quam pulchra es f a c ie 495012367860, pulchriora ubera tua v in o 6oa,
soror sponsa, oculi tui piscinae in E se b o n 6l, capilli tui aurei, genae tuae

1. «in saeculum» om. M PV / 2. saturo MP / 5. durum mollifico: asperum lenifico


MPV / 7. ego: et MP / 9. «porrigo os» om. M PV / 11. «immo» om. M PDB / 12. in­
sonuit MP / «in» om. RhDL / 13. a facie P, in facie V / pulchriora: pulchra PVD /
vino: unica PV /

49. Ps. 21, 27: Edent pauperes et saturabuntur et laudabunt Dominum, qui requi­
runt eum: vivent corda eorum in saeculum saeculi.
50. Apoc. 1 ,8 : Ego sum Alpha et Omega, principium et finis, dicit Dominus Deus . . .
51. Cf. Mercurius in R a z i . De alum, et salibus, ed. Ruska p. 59: Et ego sum totum
ipsum absconditum et in me latet sapientia abscondita.
52. Jer. 18, 18: ...n o n enim peribit lex a sacerdote neque consilium a sapiente
neque sermo a propheta.
53. Deut. 32, 39: Videte quod ego sim solus et non sit alius Deus praeter me:
Ego occidam et ego vivere faciam, percutiam et ego sanabo et non est qui de manu
mea possit eruere.
54. Cf. Cant. 1, 1: Osculetur me osculo oris sui . . .
55. Joh. 10, 30: Ego et pater unum sumus. Cf. Ordo missae p. 214.
56. Rom. 8, 35-39: Quis ergo nos separabit a charitate Christi? . . . Certus sum quia
neque mors neque vita . . . poterit nos separare a charitate Dei, quae est in Christo Jesu
Domino nostro.
57. Cant. 8, 6: . . . quia fortis est ut mors dilectio, dura sicut infernus aemulatio.
Cf. Ordo missae p. 616, 672.
58. Cant. 2, 14: . . . sonet vox tua auribus meis, vox enim tua dulcis et facies tua
decora. Cf. Ordo missae p. 539, 650.
59. Cant. 4, 10: . . . odor unguentorum tuorum super omnia aromata . . .
60. Cant. 4, 1: Quam pulchra es, amica mea, quam pulchra es!
60a. Cant. 4, 10: Quam pulchra sunt mammae tuae, soror mea sponsa, pulchriora
sunt ubera tua vino . . . odor unguentorum tuorum super omnia aromata.
61. Cant. 7, 4: Oculi tui sicut piscinae in Hesebon . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 125

keit 49. Ich schenke und ford ere nicht zurück, ich gebe Speise ohne jem als
zu versagen, ich biete Schutz und fürchte m ich nie - was soll ich m einem
G eliebten noch weiteres sagen? Ich bin die M ittlerin zwischen den E le ­
m enten, die eines m it dem andern versöhnt: was w arm ist, kühle ich ab;
was trocken ist, m ache ich feu ch t; was h art ist, w eiche ich auf und u m ­
gekehrt. Ich bin das Ende, und m ein G eliebter ist der A n fa n g *°; ich bin
das ganze W e rk , und die ganze W issensch aft liegt in m ir verborgen. Ich
bin das Gesetz im Priester und das W o r t im Propheten und der R at im
W eisen u. Ich kann töten und lebendig m achen, und da ist niem and, der
aus m einer H and errette *2. Ich biete m einem G eliebten den M und, und
er küßt m ich » _ er und ich sind Eins u - w er w ill uns scheiden von der
Liebe n ? N iem an d , w eit und breit - denn stark w ie der T o d ist unsere
L i e b e t .» - «O h Liebste, V ielgeliebte, deine Stim m e tönte in m eine
O hren, und sie ist süß π, und dein D u ft übertrifft alle kostbare W ü rz e *8.
W ie schön bist du von A ngesicht w, deine B rüste sind lieblicher denn
W e i n 6°, du m eine Schwester, m eine B rau t, deine A u gen sind w ie die
T eiche zu H e sb o n 4
9501236786l, deine H aare sind w ie G old und deine W a n g e n w ie
E lfenbein, dein Schoß ist w ie ein M ischkrug, der nim m er des Getränkes

49. Ps. 22, 27: (wörtl.) Es werden essen die Armen und gesättigt werden, den Herrn
werden preisen, die ihn suchen, und ihre Herzen werden leben in Ewigkeit.
50. Offenb. 1, 8: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott
der Herr . . . Vgl. Das Buch der Alaune und Salze, ed. Ruska p. 59.
51. Jer. 18, 18: (wörtl.) . . .denn nie wird vergehen das Gesetz im Priester, noch
der Rat im Weisen, noch das Wort im Propheten.
52. Deut. 32, 39: Ich kann töten und lebendig machen, ich kann schlagen und kann
heilen, und ist niemand, der aus meiner Hand errette.
53. Hohes Lied 1, 2: Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes, denn seine Liebe
ist lieblicher als Wein.
54. Vgl. Joh. 10, 30: Ich und der Vater sind eins. Meßbuch p. 214.
55. Röm. 8, 35-39: W er will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder
Angst? Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben . . . mag uns scheiden von der
Liebe Gottes die in Christo Jesu ist unserem Herrn.
56. Hohes Lied 8, 6: . . . denn die Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist
fest wie die Hölle . . . Meßbuch p. 616, 672.
57. Hohes Lied 2, 14: (wörtl.) Laß mich dein Angesicht schauen, laß deine Stimme
in meine Ohren tönen, denn deine Stimme ist süß und dein Angesicht hold. Meß­
buch p. 539, 650.
58. Hohes Lied 4, 10: . . . und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Würze.
59. Hohes Lied 4, 1: Siehe meine Freundin, du bist schön, siehe wie schön bist du!
60. Hohes Lied 4, 10: Deine Liebe (wörtl. Brüste) sind lieblicher denn W ein . . .
61. Hohes Lied 7, 5: Deine Augen sind wie die Teiche zu Hesbon am Tor
Bathrabbims . . .
126 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA

i eburneae, venter tuus sicut crater tornatilis non indigens p o cu lis61, vestes
tuae candidiores nive, nitidiores lacte, rubicundiores ebore antiquo 63, to ­
tum que corpus tuum cunctis est delectabile atque desiderabile. F iliae Je ru ­
salem, venite et videte et ea, quae vidistis narrate, dicite, quid faciem us
5 sorori nostrae, quae parvula est et ubera non habet in die allo cu tio n is 64 ?
Pon am super eam fortitudinem m eam et apprehendam fructus illius et
erunt eius ubera sicut botri v in e a e 6*. V en i m i dilecta et egrediam ur in
agrum tuum , m orem ur in villis, m ane surgam us ad vineam , quia n o x
praecessit et dies ap p rop in q uab it62634566; videam us si floruit vinea t u a 67, si
io flores tui fructus parturierunt. Ibi dabis ori m eo ubera tua et ego om nia
p om a nova et vetera tibi se rv a v i68, fru am u r ergo ipsis et utam ur bonis
tam quam in iuventute celeriter, vino pretioso et unguentis nos im plea­
mus et non p raetereat flos, quin ipsis nos coronem us, p rim o liliis, deinde
rosis, antequam m arcescant. N u llu m p ratum sit, quod non pertranseat
μ luxuria nostra. N e m o nostrum exsors sit luxuriae nostrae, ubique relin-

1. crater tornatilis: tractus cortelis MP, tornalis D / 5. In die allocutionis c\d


ponam MP, ablactationis V, allocutionis V 2 / 8. surgemus MP / 10. flores fructus tui
MPD / 11. servam MP, servabo D / 13. praetereat nos floribus ipsis convenimus nos
MP / deinde: demum DRhL / 14. marcescunt ML / Nullum: non M PV / pctum MPL,
peccum Rh / 15. expers RhDL, exosus MP, exsors RI12 V /

62. Cant. 7, 2: Umbilicus tuus crater tornatilis numquam indigens poculis. Venter
tuus sicut acervus tritici, vallatus liliis.
63. Thren. 4, 7: Candidiores Nazaraei eius nive, nitidiores lacte rubicundiores ebore
antiquo saphiro pulchriores . . .
64. Cant. 8, 8 -9 : Soror nostra parva et ubera non habet: quid faciemus sorori nostrae
in die quando alloquenda est ? . . . Si murus est aedificemus super eum . . .
65. Cant. 7, 8: D ixi: ascendam in palmam et apprehendam fructus eius et erunt
ubera tua sicut botri vineae . . .
66. Rom. 13, 12: Nox praecessit, dies autem appropinquavit. Abiiciamus ergo
opera tenebrarum et induamur arma lucis.
67. Cf. T homas de Aquino: Thesaurus AI chemiae secretissimus. Theatr. Chem.
1659, Vol. III, p. 279: In primis etiam diebus oportet mane surgere et videre si vinea
floruit. . .
68. Cant. 7, 11-13: Veni, dilecte mi, egrediamur in agrum, commoremur in villis
mane surgamus ad vineas, videamus si floruerit vinea, si flores fructus parturiunt, si
floruerunt mala punica. . . Ibi dabo tibi ubera m ea. . . In portis nostris omnia poma
nova et vetera, dilecte mi, servavi tib i. . . Cf. Marg. pret nov. 1. c. p. 101: . . . et terra
quae dicitur mater elementorum . . . et haec est arbor aurea, de cuius fructu, qui come­
derit, non esuriet umquam.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 127

m a n g e lt6z, deine K leid er sind reiner denn d er Schnee, k larer denn M ilch
und rötlicher als altes Elfenbein 63, und deine ganze G estalt ist fü r alle
schön und begehrensw ert. K o m m t her, ihr T ö ch ter Jerusalem s und sehet
und verkündet, was ihr gesehen habt; sagt m ir, was sollen w ir fü r unsere
Schwester tun, die so klein ist und noch keine B rüste hat am T a g e der
W erbung^? Ich w ill m eine Stärke über sie breiten und nach ihren
Frü ch ten greifen , und ihre Brüste-w erden sein wie Traub en am W e in ­
stock 6K K o m m also, meine G eliebte, laß uns auf dein F eld hinausgehen
und in den G ehöften weilen, frühm orgens w ollen w ir aufstehen zum
W ein b erg , da die N a ch t vorgerückt ist, und der T a g bald n a h t66. W ir
w ollen nachsehen, ob dein W e in b e rg B lüten t r u g 6?, und ob deine B lü ­
ten F ru ch t getragen h a b e n 68, dort w irst du m ir deine Brüste reichen,
und ich selber habe fü r dich alle alten und neuen Frü ch te aufbew ahrt;
an ihnen w ollen w ir uns also erfreuen und ohne Z ö g ern alle G üter g e ­
nießen, dieweil w ir jun g sind. M it köstlichem W e in und Salben w ollen
w ir nicht kargen, und keine B lu m e soll uns entgehen, uns dam it zu be­
kränzen: zuerst m it Lilien und nachher m it Rosen, eh sie verwelken. A n
keiner W iese soll unsere Lust Vorbeigehen, und keiner von uns allen
bleibe unserer Fröhlichkeit ferne. A llenthalben w ollen w ir Z eichen
unserer Fröhlichkeit zurücklassen, denn dies ist unser T eil und unser 6234578

62. Hohes Lied 7, 3: Dein Schoß ist wie ein runder Becher (wörtl. Mischkrug),
der nimmer des Getränkes mangelt.
63. Klagelieder 4, 7: Ihre Fürsten waren reiner denn Schnee und klarer denn Milch,
ihre Gestalt war rötlicher denn Korallen (wörtl. als altes Elfenbein).
64. Hohes Lied 8, 8: Unsere Schwester ist klein und hat keine Brüste. Was sollen
wir unserer Schwester tun, wenn man nun um sie werben wird ?
65. Hohes Lied 7, 9: Ich sprach, ich muß auf den Palmbaum steigen und seine
Zweige ergreifen. Laß deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock.
66. Röm. 13, 12: Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen, so
lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes.
67. Vgl. T homas de Aquino: Thesaurus Alchimae secretissimus. Theatr. Chem.
1659, Vol. III, p. 279- (Derselbe Satz inmitten rein chemischer Rezepte.)
68. Hohes Lied 7, 12-14: Komme mein Freund, laß uns aufs Feld hinaus gehen und
in den Dörfern (Gehöften) weilen, daß wir früh auf stehn zu den Weinbergen, daß
wir sehen ob der Weinstock sprosse und seine Blüten aufgehen. . . da will ich dir
meine Liebe geben . . . und über unserer Tür sind allerlei edle Früchte. Mein Freund,
ich habe dir beide heurige und vorjährige, behalten. Vgl. Marg. pret. nov. a. a. O.
p. 101: . . . und die Erde, welche «die Mutter der Elemente» heißt, . . . und diese ist
der goldene Baum; wer von dessen Frucht ißt, der wird niemals hungern.
128 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA

quamus signa laetitiae, quia haec est pars nostra ut vivam us in coitus
nostri am ore cum gaudio et tripudio dicentes: E cce, quam bonum et
quam iucundum est habitare duobus in unum 7°. Faciam us ergo nobis
tria tabernacula, tibi unum , m ih i secundum , filiis nostris tertium 7 % quia
funiculus trip le x difficile rum pitur 7 *. Q ui habet aures audiendi audiat,
quid dicat spiritus doctrinae filiis disciplinae de desponsatione dilecti ad
dilectam . N a m sem en suum sem inaverat, quod m aturescat p er eum tri­
p lex fructus, quod auctor triu m verborum dicit esse tria verba pretiosa,
in quibus to ta occultatur scientia, quae danda est piis videlicet pauperibus
a prim o hom ine usque ad ultim um 73 .

1. coitus: interitus MP, terris interitus V / 2. «nostri» om. DRhL / 3. «est» om.
MRhD / «nobis» om. DL / 4. nostris: meis D. om. M PV / 6 .-7 . cum dilecta M P /
7 . seminat qui M PV / 8. esse: ecce MP / 9. est: sunt DRh / «piis» om. M PV / «vide­
licet» om. M / 10. ultimum «hominem» add. RhDL /6970123

69. Sap. 2, 5 sq.: (dixerunt luxuriantes): Umbrae enim transitus est tempus nostrum
et non reversio finis nostri, quoniam consignata est et nemo revertitur. Venite ergo et
fruamur bonis, quae sunt et utamur creatura tamquam in iuventute, celeriter: Vino
pretioso et unguentis nos impleamus et non praetereat nos flos temporis. Coronemus
nos rosis antequam marcescant, nullum pratum sit, quod non pertranseat luxuria nostra.
Nemo nostrum exsors sit luxuriae nostrae, ubique relinquamus signa laetitiae, quoniam
haec est pars nostra et haec est sors.
70. Ps. 132, 1: Ecce quam bonum et quam iucundum habitare fratres in imum.
Cf. Ordo missae p. 475, 638.
71. Math. 17, 4: . . . Si vis faciamus hic tria tabernacula tibi unum, Moysi unum et
Eliae unum. Cf. Ordo missae p. 174-175.
Cf. et Apoc. 21, 2 -3 : Et ego Johannes vidi sanctam civitatem Jerusalem novam des­
cendentem de coelo . . . et audivi vocem magnam de throno dicentem: Ecce tabernacu­
lum Dei cum hominibus et habitabit cum eis.
72. Eccles. 4, 12: Vae soli, quia cum ceciderit non habet sublevantem s e . . . Et si
dormierint duo fovebuntur mutuo: unus quomodo calefiet? Et si quispiam praevaluerit
contra unum duo resistunt ei: funiculus triplex difficile rumpitur.
73. C a l id : Liber trium verborum. Artis Auriferae 1610, 1. c. p. 228: Et haec sunt
tria verba pretiosa occulta et aperta, data non pravis non impiis non infidelibus, sed
fidelibus et pauperibus a primo homine usque ad ultimum.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 129

Los 6*, daß w ir in liebender V erein igu n g leben und im fröhlichen R eigen
verkünden: Sieh, w ie g u t und lieblich ist es, zu zweit in E in em zu w oh ­
nen 7°! W ir w ollen uns darum hier drei H ütten bauen; dir eine, m ir die
zweite, und unseren Söhnen die dritte 7 1, da ein dreifaches Seil schw er­
lich zerreißt 7 *. W e r O hren h at zu hören, der höre was der G eist der
L eh re den Söhnen der W issensch aft von der V erm ählu n g des Liebenden
m it der G eliebten sagt. D en n er hatte seinen Samen gesät, auf daß d rei­
fache F ru ch t daraus reife; von w elcher der A u to r der drei W o rte sagt,
es seien dies drei kostbare W o rte , in denen die ganze W issensch aft ver­
borgen liege, die den From m en , d. h. den A rm en w eiterzugeben sei vom
ersten M enschen bis zum letzten 73.»6
970123

69. Weish. 2, 5 ff. (wörtl.) Unsere Zeit ist, wie ein Schatten dahinfährt, und wenn
wir weg sind, ist kein Wiederkehren; denn es ist fest versiegelt, daß niemand wieder­
kommt. So kommt denn und lasset uns die vorhandenen Güter genießen und unseres
Leibes brauchen, dieweil wir jung sind. Mit köstlichem W ein und Salben wollen wir
nicht kargen, und keine Frühlingsblume soll uns entgehen. Mit Rosenknospen wollen
wir uns bekränzen, ehe sie verwelken, alle Fluren voller Lust durchstreifen. Keiner
von uns bleibe unserer Ausgelassenheit fern, allenthalben wollen wir Sinnbilder unserer
Fröhlichkeit zurücklassen, denn dies ist unser Teil und unser Los.
70. Ps. 133, 1: Siehe, wie fein (gut) und lieblich ists, daß Brüder einträchtig bei­
einander (wörtl. in Einem beisammen) wohnen. Meßbuch p. 475, 638.
71. Math. 17, 4: (Verklärung Christi): Herr, hier ist es gut sein! W illst du, so
wollen wir hier drei Hütten machen, dir eine, Mose eine und dem Elia eine. Vgl. Meß­
buch p. 174-175. Vgl. auch Offenb. 21, 2 -3 : Und ich Johannes sah die heilige Stadt,
das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabfahren. . . Und ich hörte eine
große Stimme. . . die sprach: Siehe die Hütte Gottes bei den Menschen! und er wird
bei ihnen wohnen.
72. Prediger 4, 10-12: W eh dem, der allein ist. Wenn er fällt, so ist kein anderer
da, der ihm aufhelfe. Auch wenn zwei beieinander liegen, wärmen sie sich; wie kann
ein einzelner warm werden? Einer mag überwältigt werden aber zwei mögen wider­
stehen; und eine dreifältige Schnur reißt nicht leicht entzwei.
73. Calid : Liber trium verborum. Artis Auriferae 1610, a. a. Ο. p. 228: Und dies
sind drei wertvolle Worte, verborgen und offen zugleich, die gegeben sind nicht für die
Verkehrten, nicht für die Gottlosen und nicht für die Ungläubigen, sondern für die
Gläubigen und Armen vom ersten Menschen bis zum letzten.
III

KOM M ENTAR

A L L G E M E IN E S

m an diesen T e x t unm ittelbar au f sich w irken, so fällt die

L
a esst 49

erregte poetisch-rhetorische Sprache au f, die völlig von dem übli­


chen Stil alchem istischer T rak tate des M ittelalters abweicht. Eine
F lu t von lose aneinandergereihten biblischen und alchem istischen Z ita ­
ten ergieß t sich in ungebrochenem Flusse. D ie A nschauung oder « T h e o ­
rie» des V erfassers ist zunächst unersichtlich, obw ohl m an fü h lt, daß er
sich um den A usdruck eines sinnvollen Erlebnisses bem üht. Ist er ein
A lchem ist, der die Bibelsprache usurpiert, oder ist er ein K leriker, der
sich der alchem istischen Sym bolsprache bedient, um U ngew öhnliches zu
gestalten? W a s kann überhaupt einen M enschen veranlassen, etwas D e r­
artiges zu schreiben? W e n n m an die «A u ro ra» nicht als überhaupt u n ­
verständlich in die V ergessenheit zurücksinken lassen w ill, in der sie
bisher existierte, so kann m an w ohl n u r einen W e g beschreiten, näm lich
annehm en, daß der A u to r deshalb keine k lar verständliche A nschau­
u n g v orträgt, weil er keine hat, und daß er sich um die stammelnde B e­
schreibung eines unbewußten Inhaltes, der in sein Bewußtsein einge­
brochen ist, bem üht.
In sofern ist die obige F ra g e : w ar er A lchem ist oder K leriker, g ar nicht 50

rich tig gestellt, denn w ie C. G . J ung in «Psychologie und A lchem ie» g e ­


zeigt hat, ist der A lchem ist ein M ensch, der das «göttliche G eheim nis»,
das G eheim nis des U nbew ußten sucht, das er in die M aterie projiziert,
und in diesem Sinne ist jeder ein A lchem ist, der sich u m eine indivi­
duelle, unm ittelbare G estaltung eines Erlebens der U nbew ußten bem üht.
D as völlige Feh len jeglicher «technischer» T extp artien läß t m ich v er­
m uten, daß d er A u tor kein laborierender A lchem ist w ar, oder daß er in
diesem T e x t keine praktischen A bsichten hatte - er hat die Symbole
nicht durch P rojektion in den Stoff «geschaut», sondern inhaltlich er­
lebt, aber ihr W esen w ar solcherm aßen, daß n u r die vorhandene alche-
132 KOMMENTAR

m istische Symbolik eine H ilfe bot, das U naussprechliche zu gestalten;


die B ildersprache der M ystik und der kirchlichen Symbolik genügte
offenbar nicht - aus G ründen, die sich noch erweisen w erden. D e r p oe­
tisch-rhetorisch gehobene Stil und die logisch gelockerten Z usam m en­
hänge weisen au f eine starke E rreg u n g hin, die ein offenbar numinoses
Erlebnis begleitet. Z itate und G edanken überstürzen sich, so daß der
Eindruck der Id een flucht entsteht. L etztere geht aber nicht ins G renzen­
lose, sondern kehrt im m er w ieder zu ihrem T h em a zurück. A uch flnden
sich kein e A n zeichen von schizophren en Sinnunterbrechungen. Es b e ­
steht dagegen d ie M ög lich keit eines hypom anischen Zustandes. Leider
ist vom A u to r nichts Sicheres bekannt. So kann m an auch nicht wissen,
ob d ieser hypom anische Zustand einen Ausschnitt aus einer manisch-
depressiven Psychose dar st eilt, od er ob d ie Erregung psychogener N atur
und a u f d ie inhaltliche P roblem atik zurückzuführen ist.
A ngesichts eines solchen D okum entes läß t sich w ohl nicht anders
vorgehen, als das G anze w ie ein P rodukt des U nbew ußten und som it
m ethodisch w ie einen Traum anzugehen und durch Am plifikation der
B ild er den Sinn des K on textes zu erm itteln. D abei könnte sich zeigen,
daß die scheinbar lose K ette symbolischer A nspielungen, genau w ie ein
T rau m , einen konsequenten Sinnzusam m enhang au f weist und sogar ein
psychisches D ram a von bedeutender F olgerich tigk eit w iderspiegelt.

K O M M E N T A R Z U K A P IT E L 1

as erste K ap itel dient der D arstellu n g einer mystischen F rau en ­


gestalt, w elche zunächst als personifizierte «Sapientia D ei» oder
«Scientia D ei» a u ftritt τ. In einem g ro ß angelegten G em älde ist diese
weibliche göttliche H ypostase durch viele Aussagen und V ergleiche
am plifiziert. Z unächst tritt die F ig u r der «Sapientia D ei» in der gleichen
Personifikation auf, wie sie uns aus den «Sprüchen», «Jesus Sirach», und
der «W eish eit Salom onis» bekannt ist. In der Patristik w urde sie m ei-

1. Vgl. zu diesem Begriff G. G. J u n g , Psychologie und Alchemie, 1944, p . 511.


Parallelen zu dieser Gestalt sind auch die «Mater Alchimia» im II. Teil der Aurora
(Artis Auriferae etc. 1610, 1. c. I, p. 119 ff.) oder die «Mater Naturae» im N o v u m
L u m en C h e m ic u m im M u sa eu m H e r m e iic u m , Frkf. 1678, p . 599 ff.
KOMMENTAR 133

stens auf Christus als dem präexistenten Logos g e d e u te t2, oder m an


interpretierte sie als G esam theit der «rationes aeternae» (ew igen P lä n e )
oder sich selbst wissenden U rsach en (causae prim ordiales) oder der
exem plaria (V o rb ild e r) ideae (Id e e n ) prototypi (U rb ild e r) im G eiste
G ottes 3 . Sie galt auch als «archetypus m undus», nach dessen V orbild
G ott die Schöpfung verw irklichte 4, und durch den er sich Seiner Selbst
bew ußt w ird K D ie Sapientia D ei ist som it die Summe der archetypi­
schen B ild er im G eiste G o tte s 6. A n d ere patristische D eutungen der
biblischen Personifikation sind ihre G leichsetzung m it der Seele Christi
oder noch häufiger m it M aria 7 .
In m oderner psychologischer D eutung erscheint die Sapientia D ei als
eine w eibliche Personifikation des kollektiven U nbew ußten. Es handelt
sich dem nach zu B eginn des T extes um d ie B eschreibung einer numino-
sen Begegn u n g m it d er A nim a, deren Einbruch in seine Bew ußtseins-
sphäre d er A utor zu bew ältigen versucht. D ie sublime, beinahe göttliche
2. Vgl. 2 . B. H onorius von Autun, Quaest. et Respons. in Prov. et Eccles. Migne
P. L. tom. 172 col. 313: Sapientia foris praedicat - Christus Jesus qui est Dei virtus
et Dei Sapientia . . . in foribus portarum urbis sanctae Ecclesiae etc. Und G. T hery,
Le commentaire du livre de la sagesse de maitre Eckhardt. Archives d’histoire doctri­
nale et litteraire du moyen-äge, tom. III-IV , 1928-1929, hier: tom. IV, p. 364.
3. Vgl. J oh. Scotus Erigena De Divis. Nat. II. 18: primordiales causae se ipsas
sapiunt, quoniam in sapientia creatae sunt aeternaliterque in ea subsistunt; ebda II.
2 0 : Simul enim pater et sapientiam suam genuit et in ipsa omnia fecit, ebda II. 31: . . . ad
similitudinem Dei et Patris, qui de se ipso Filium suum, qui est sapientia sua, gignit,
qua se ipsum sapit. cit. nach W . Preger, Gesch. der deutschen Mystik im Mittelalter.
München 1874, Vol. I. p. 161.
4. Vgl. Hugo de St . V ictor, Annot. elucid. in Evang. Joannis (P reger, 1. c. I.
p. 2 38): Unde et a Sapientia Dei omnia et vitam et esse habent. . . quia iuxta sapien­
tiam Dei, quae vita omnium est factum est, omne quod factum est. Hoc enim exemplar
Dei fuit, ad cuius exemplaris similitudinem totus mundus factus est, et est hic ille
a r c h e ty p u s m u n d u s , ad cuius similitudinem mundus iste sensibilis factus est. Auch
Alanus de I nsulis vertritt ähnliche Anschauungen.
5. J oh. Scotus Erigena, De divis, nat. II. 31: sapientiam suam . . . quä se ipsum
sapit.
6 . Vgl. T homas von Aquin, Summa I, 443, cit. M. Grabmann, Thomas v. Aquin.
1. c. p. 95. Vgl. auch Summa (editio Leonina Bd. V, pars prima, Quaest. 56, Art. 2:
In verbo autem Dei ab aeterno extiterunt non solum rationes rerum corporalium, sed
etiam rationes omnium spiritualium creaturarum. (Diese «rationes» sind auch dem
Geist der Engel eingeprägt.) Quaest. 72, Art. 2: (Die menschliche Sapientia hingegen
ist eine) intellectualis virtus. (Sie) considerat divina secundum quod sint investigibilia
ratione humana. Vgl. auch ebda. Quaest. 72, Art. 3: Et primo quidem quantum at intel­
lectum adduntur homini quaedam principia supernaturalia quae divino lumine capi­
untur et haec sunt credibilia, de quibus est fides.
7. Vgl. z. B. H ugo de St . V ictore, Migne P. L. tom. 176, col. 848.
134 KOMMENTAR

B edeutung, w elche die A n im a hier erhält, läß t darau f schließen, daß


zuvor eine U nterschätzung ihres W esen s im B ew ußtsein geherrscht
hatte, die nun durch die Erhabenheit des Bildes kom pensiert w ird.
D e r ganze A n fa n g dieses K apitels klingt beinahe w örtlich an die E in ­
leitung eines Jugendw erkes A l b e r t s des G r o s s e n «D e laudibus M a ­
riae 8» an, in w elcher A l b e r t u s die gleichen Bibelstellen, w elche die
A u ro ra zitiert, zum Preise M arias zusam m enstellt M ir scheint hierin
die A u ro ra von diesem verm utlich echten W e rk A l b e r t s nicht unab­
h än gig zu s e in I0, allerdings m it dem U nterschied, daß unser V erfasser
dieselbe w eibliche G estalt w eiterhin noch m it der «Seele im Stoff» und
dem «Filius philosophorum » bzw. «lapis» gleichsetzt, w odurch er sie
aus dem rein kirchlichen R ahm en hinaushebt und in die Erlebnissphäre

8 . Alberti Magni, Opera ed. Borgnet Vol. 37, p. 3 ff. Über die Echtheit dieser
Schrift vgl. F r . Pelster, Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts
des Großen. Freib. i. Br. 1920, p. 108-109 ff. Nach Ansicht anderer wird dieses Werk
Richard von St . Laurent zugesprochen. Vgl. U lr . D aehnert, Die Erkenntnislehre
des Alb . Magnus, Leipz. 1934, p. 233.
9. Vgl. auch Q u a est. s u p e r E v . CLXIV , Opera ed. B orgnet Vol. 37, p. 244. Er
sagt dort u. a.: . . . im Haus der Weisheit befände sich die Medizin gegen die Wunden
der Sünde, und dies sei die Jungfrau Maria gewesen, die sich Salomo zum Haus machte,
(p. 244). Maria sei die Mutter, die Salomo mit der Krone krönte, sie ist das apokalyp­
tische Weib mit den zwölf Sternen, sie ist die Civitas Dei, und sie ist « die Frau, die
den Mann umhüllen wird» (Jes. X X X I , 22) p. 246. Sie ist die «Aurora illumina­
tionis» (p. 369).
10. Im Kapitel: De fide philosophica (etc.) der Aurora sind auch einige ähnliche
Zitate wie in der Einleitung des Albertus vorhanden. Letztere lautet (Borgnet
Bd. X X X V II, pag. 545): «Omnis sapientia a Domino Deo est: et cum illo fuit semper
et est ante aevum (Eccli I. 1). Quicumque ergo diligit Sapientiam apud ipsum quaerat
et ab ipso petat, quia ipse dat omnibus affluenter et non improperat (Jacob. 1, 6 ). Ipse
est enim altitudo et profunditas omnis scientiae et thesaurus totius sapientiae: quo­
niam ex ipso et in ipso et per ipsum sunt omnia (Rom. 11, 36). Et sine voluntate
eius nihil potest fieri. Ipsi honor et gloria in saecula saeculorum. Arnen.
Unde in principio mei sermonis invoco eius auxilium, qui est fons et origo omnium
bonorum, ut ipse per suam bonitatem et pietatem dignetur parvitatem scientiae meae
supplere per gratiam sui spiritus sancti, ut per meam doctrinam lumen quod in tenebris
latet manifestare valeam et errantes ad semitam veritatis perducere . . .
Cum in multas regiones et plurimas provincias nec non civitates et castella causa
scientiae, quae vocatur Alchimia, maximo labore perlustraverim et a litteratis viris et
sapientibus de ipsa arte ab ipsis diligenter inquisierim, ut ipsam plenius investigarem
et cum scripta omnia perscriberem et in operibus ipsorum saepissime persudarem, non
inveni tamen verum in his, quae libri eorum affirmabant. . . Ego vero non desperavi . . .
quousque, quod quaerebam, inveni non ex mea scientia sed ex Spiritus Sancti gratia.
Unde cum saperem et intelligerem quod naturam superaret, diligentius vigilare coepi
in decoctionibus . . . etc
KOMMENTAR 135

der naturw issenschaftlich orientierten, experim entellen A lchem ie ein­


fü gt. D adu rch ist sie dem individuellen m enschlichen Erleben n äh er­
gerückt.
Es ist überhaupt nicht unwesentlich, sich zu erinnern, daß das 13 . Ja h r­
hundert, dem die A u ro ra verm utlich angehört, diejenige Z e it ist, in der
die M arienverehrung in zunehm endem M aß e an B edeutung gew ann,
was psychologisch au f ein aus dem kollektiven U nbew ußten auftauchen­
des B edürfnis schließen läßt, daß eine w eibliche G estalt als R epräsen­
tantin der A n im a des M annes und des Selbst der F rau in der rein p atriar­
chal-m ännlichen T rin ität einen Platz erhalte. A b er im G egensatz zur
Entw icklung im D og m a haben w ir h ier im vorliegenden alchem istischen
T e x t ein individuelles unm ittelbares Erscheinen dieses archetypischen
Bildes einer w eiblichen göttlichen G estalt v o r A ugen.

Text: Es kam mir zugleich alles Gute mit ihr, jener W eisheit des Südwin­
des, welche draußen klagt und sich hören läßt auf den Gassen, welche ruft
vorn unter dem Volk und in dem Eingang des Tores der Stadt ihre W orte
redet: «Kommt her zu mir und laßt euch erleuchten und eure Operationen
werden nicht zu Schanden werden. Ihre alle, die ihr mein begehrt, werdet von
meinen Reichtümern erfüllt. Kommt also her, Söhne, höret mir zu, ich will
euch die Wissenschaft Gottes lehren.»

D ie Sapientia ru ft in w erbenden W o rte n die M enschen zu s ic h 11 und


verspricht ihnen das H eil und g ro ß e R eichtüm er, wobei der biblische
H in tergrun d ihrer W o rte andeuten soll, daß ihre Schätze geistig-seeli­
scher N a tu r s e ie n I2. D eshalb betont auch der V erfasser der A u ro ra in
der Fortsetzung, daß die Sapientia w ertvoller sei als der Erw erb von
reinstem G old und Silber.
Sie w ird fern er als die «W eish eit des Südens» oder «Südwindes»
(au stri) bezeichnet und dadurch m it der biblischen «regina austri», d. h.
der Königin von Saba gleichgesetzt *3, w elche in der alchem istischen T ra -

11. Vgl. Meister Ekharts Commentar zu dieser Stelle, T hery 1. c. Vol. III., 1928,
p .4 2 5 : Die Sapientia ist die e i n e perfectio in der alles andere Gute miteinbeschlos­
sen ist.
12. Dies entspricht dem sonst oft zitierten Ausspruch: Aurum nostrum non est
aurum vulgi. Cf. Senior , De Chemia 1. c. p. 12-13. Ähnlich unterscheidet Origenes ,
in Cant. Cant. lib. II ein Gold, das die natura intelligibilis et incorporea darstelle vom
gewöhnlichen Gold.
13. Vgl. Matth. 12, 42.

10 Jung : Mysterium III


136 KOMMENTAR

dition (w ie auch S a l o m o n ) *4 als die V erfasserin alchym ischer W e rk e


g alt und m it Maria der Jüdin, «der Schw ester M osis», identifiziert
w u r d e 16. In der Patristik g ilt die K ö n ig in von Saba als eine Präfiguration
M ariae. A ndererseits ist nach der H erm eneutik der K irch en väter die
«regina austri» auch ein B ild der Ecclesia als der «regina» und «concu­
bina C hristi *7 », w elch letzterer auch selber als « re x austri» bezeichnet
w ir d lS, ja, die A nspielung identifiziert diese weibliche G estalt sogar m it
G ott selber, «der einh erfährt im W irb e l des Südwindes l*». D e r Süd­
w ind g ilt auch als ein Symbol des H eiligen G e iste s20, w elcher die G e­
m ü ter der A userw ählten «sieden» m acht und bewirkt, daß sie das G ute,
nach dem sie streben, auch verw irklichen. D ie G leichsetzung des H eili­
gen Geistes m it dem Südwind besteht verm utlich, w ie J u n g b e to n t2I,
w egen der heißen und trockenen E ig en sch aft dieses W in d es. D e r H e i­
lige G eist ist feu rig und bewirkt die E xaltatio n . E r w ärm t alles m it dem
F eu er der L ie b e 22. N ach G r e g o r dem G r o ssen ist der «auster» «das
geheim ste Innere der H im m elsheim at G ottes, w elche der H l. G eist er-

14. Vgl. z. B. die Sprüche des Suleiman im «Buch von der Palme» des Abu Aflah
ed. G. Scholem, Jerusalem, 1927. Vgl. ferner E. v. Lippmann, Alchemie, Bd. I, p. 12
und p. 111, 156, 309, 265.
15. J . Ruska. T u r b a a. a. O. p. 272. Sie ist als B ilqis erwähnt, als Königin von
Aegypten und soll u. a. ein Buch verfaßt haben mit dem Anfang: «Nachdem ich auf
den Berg gestiegen w a r. . . » Vgl. auch E. J . Holmyard A bu ’l -Qasim al’I raqi. I s is
V III, 1926, p. 407.
16. Vgl. M. B erthelot. La Chimie au moyen äge. Paris 1893. Vol. III. p. 28.
Vol. I. p. 242. III, 125 und E. v. Lippmann, Alchemie, 1. c. Vol. I. p. 46.
17. Honorius v . Autun, Expositio in Cant. Cant. Migne, P. L. tom. 172,
col. 352-354.
18. Vgl. den Endkampf des guten «Rex austri» und des bösen «Rex aquilonis» in
der «Concordia» V cap. 93 des Gioacchino da Fiori cit. Chr. v . Hahn, Geschichte der
Ketzer im Mittelalter. Stuttgart 1850. Bd. III. p. 311-313. Ich zitiere im Folgenden
G ioacchino da Fiori fast immer nach Hahns Auszügen, da ich mir keine zuverlässige
Ausgabe der Werke Gioacchinos verschaffen konnte.
19. Zach. 9, 14.
20. Vgl. z. B. Gregorius Magnus, Expos, mor. Lib. X X V I I in Trigesim. septim.
caput Job, Paris 1636, tom. I und: Expos, in Cant. Cant. cap. 5, tom. II, col. 30 c:
Per Austrum vero calidum scii, ventum Spiritus Sanctus figuratur, qui dum mentes
electorum tangit ab omni topore relaxat et ferventes facit, ut bona, quae desiderant, ope­
rentur.
21. Psychologie und Alchemie a. a. O. p. 524.
22. Vgl. auch Gioacchino da Fiori, Concord. V, cap. 93, Hahn a. a. O. Vol. III,
p. 312: Filia namque regis austri ( q u i in c o e lis re g n a t e t in c a lid is a m o r e s p ir itib u s )
etc. u. p. 391: ((n o n ) desinit nos igne charitatis accendere ad amandum et (u t)
in c a lo r e sp ir itu s sa n c ti operari valeamus etc.
KOMMENTAR 137

fü llt» *3. In der arabischen A lch em ie h eiß t der Sublim ationsprozeß «der
g roß e Südw ind», w om it die Erh itzu n g der R etorte und ihres Inhaltes
gem eint i s t 2*. A us solchen Am plifikationen geht hervor, daß die Sapien­
tia in unserem T e x t als ein weibliches Pneuma charakterisiert ist, welches
den V erfasser bei seinem W e rk anfeuert und inspiriert. Sie ist ein «G eist
der W a h rh e it» , der ihn erleuchtet. D ie Anima erscheint hier somit nicht
als persönlicher Inhalt, sondern in ihrer äberpersönlichen kollektiven
Bedeutung, als eine w eibliche E rgänzu n g des Gottesbildes se lb e r2*. Ihre
feurige N atu r erklärt den erregten Z ustand des A utors.

T ext: W er ist weise und versteht diese, von der A lph id iu s sagt, daß 59
Erwachsene und Kinder auf W egen und in den Gassen daran Vorbeigehen,
und daß sie täglich von den Zugtieren und dem Vieh im Straßenkot zer­
treten werde.

D as ALPHiDius-Zitat sagt von derselben G estalt aus, daß sie von den 60
Ignoranten im Straßenkot zertreten w erde, was psychologisch au f die
T atsach e hinw eist, daß diese w eibliche Personifikation des Unbewußten
von den vorherrschenden Kollektivanschauungen verworfen wird, und
m it ihr auch der Lapis, d. h. der K eim des Individuationsprozesses er­
stickt i s t 234526. D ie an sich von den A lchem isten außerordentlich häufig

23. Expositio moral, in nonum caput Job Lib. I X cap. 6: Opera Paris 1636, Tom I.
col. 308: Interiora ergo austri sunt occulti illi angelori m ordines et secretissimi patriae
coelestis sinüs, quos implet calor spiritus sancti. . . Γ 4 per diem quasi in meridiano
tempore ardentius solis ignis accenditur, quia conditoris claritas mortalitatis nostrae
iam pressa caligine manifestius videtur et velut sphaerae radius ad spatia altiora se
elevat: quia de semetipsa veritas subtilius illustrat. Ibi lumen intimae contemplationis
sine interveniente cernitur umbra mutabilitatis. Vgl. auch K norr v . Rosenroth Kabbala
denudata Bd. I p. 266: Meridies est Chesed, unde maiores nostri: Quicumque vult
sapiens fieri convertat se ad meridiem.
24. Ebda: E. J. Holmyard: «Kitäb al-ilm al-muktasab. . . by Abu’l-Qasim
Muhammad I bn Ahmad al-’I raqi ρ. 43: « .. .but what of the Speech of Hermes in
which he says: ,The great Southwind when it acts makes the clouds to rise and raises
the cloud of the sea’. He said, if the powdering is not successful the compound will
not ascend into the top of the retort, and even if it does ascend it will not pour into
the receiver. It is necessary to mix with it the first and second waters before it will
ascend to the top of the retort. ,That’, he said, ,is the Great South W ind?’ He said:
,Yea, O King’» etc. Vgl. auch hiezu I s is V III, 1926 p. 403 ff.
25. Auch nach der Weisheit Salomonis V II. 25 f. ist die Sapientia ein «Hauch» und
zugleich eine Emanation des ewigen Lichtes (Vapor est enim virtutis Dei et emanatio
quaedam est Caritatis Dei sincera . . . Candor est enim lucis aeternae (Vulgata).
26. In der lat. Übersetzung Rufins und des Hieronymus von Origenes. In Cant.
Cant. lib. III heißt es: Verbum enim Dei et «sermo scientiae non in publico et palam
138 KOMMENTAR

zitierte Sentenz bezieht sich näm lich sonst fast im m er au f den Stein der
W eisen selber 27, so daß d er A utor offensichtlich bew ußt die Sapientia
D ei m it dem Stein identifiziert. D ieselbe G leichsetzung findet sich auch
in einem ALEXANDER-Zitat bei P e t r u s B o n u s , der in seiner «Pretiosa
M argarita N o v ella» s a g t28, das W e rk geschehe «durch die H in zu fü gu n g
des g eh eim en Steines, d er m it den Sinnen nicht fa ß b a r sei, sondern allein
durch den Intellekt, durch Inspiration oder göttliche O ffenbarung oder
durch die L eh re eines W issenden . . . es gebe in dieser K unst zwei K a te ­
gorien : das Anschauen durch das A u ge und das V erstehen durch das
H erz, und d ies ist d er verborgen e Stein, der eigentlich ein G eschen k
G ottes bedeutet, und das ist der göttliche Stein, ohne dessen Beim ischung
zum Lapis die A lchem ie nicht bestehen könnte, da er ja d ie A lch em ie
selber i s t . . . U n d dieser göttliche Stein ist das H erz und die T in k tu r des
G oldes, w elche die Philosophen suchen.» H ie r ist also der Stein als
etwas Unsichtbares beschrieben, näm lich als ein von G ott geschenktes
V erstehen, und die A lchem ie ist nichts anderes, als eben diese Einsicht.
Sie ist « γνώσις ». Aus dieser A u ffassu n g heraus ist es zu begreifen,
wieso der V erfasser der A u ro ra die biblische Sapientia D ei als U rh eb erin
und Z ielvorstellung des alchem istischen O pus hinstellen kann.

Text: Und Senior sagt: «Nichts ist äußerlich geringer und nichts ist in
der Natur wertvoller als sie, und Gott hat sie auch nicht für Geld käuflich
werden lassen. Sie ist es, die Salomon als Leuchte zu brauchen verkündete
und die er über alle Schönheit und alles Heil gestellt hat, und im Vergleich
zu ihr hat er den W ert des Edelsteins ihr nicht gleichgestellt. Denn alles Gold
ist im Vergleich zu ihr wie geringer Sand, und Silber ist wie Lehm gegen sie
einzuschätzen» usw.

positus neque conculcandus pedibus» apparet, sed cum quaesitus fuerit, invenitur . . .
Möglicherweise war diese Stelle dem Autor der Aurora bekannt.
27. Vgl. J. J. Manget, Bibliotheca Chemica curiosa II, p. 88 b. Vgl. auch T u r b a
p h ilo s o p h o r u m ed. Ruska p. 122, 142 und 165 und «Buch der Alaune und Salze», ed.
Ruska, 1. c. p. 56.
28. Theatr. Chem. 1622, Bd. V, p. 647: . . et hoc per adiectionem lapidis occulti
qui sensu non comprehenditur sed intellectu solum per inspirationem vel revelationem
divinam aut per doctrinam scientis . . . et dixit Alexander : duo sunt in hac arte ordines
scilicet aspectus oculo intellectusque corde, et hic lapis occultus est, qui proprie dicitur
donum Dei, et hic est lapis divinus occultus sine cuius commixtione lapidi annihilatur
alchemia, cum ipse sit ipsa alchemia . . . Et hic lapis divinus est cor et tinctura auri
quaesita a philosophis.
KOMMENTAR 139

D iese T extp artie form u liert das bekannte P arad oxo n , daß die scientia
oder der Lapis sow ohl völlig w ertlos seien, als auch einen W e r t darstel­
len, der alle w eltlichen G üter überragt, wobei von neuem betont ist, daß
es sich um ein «aurum non vulgi» handelt. D ie p arad oxe Form u lierun g,
daß der Stein w ohlfeil und w ertvoll zugleich sei, findet sich schon in den
ältesten griechischen T exten . Z o s im o s sagt vom S te in 2?: er sei «verachtet
und viel geehrt, nicht geschenkt und von G ott geschenkt». Ä hnliche
P arad oxien finden w ir auch bei den K irchenvätern in ihren Aussagen
über Christus; so z. B . bei E p h r a e m S y r u s 3°, w elcher sagt, Christus
habe im M ist geschlafen, und jener M ist sei dann zur Ecclesia gew orden
( s i c ) , w elche die B itten der M enschheit an G ott ausspricht, und die
A llegorien (typ i et figurae) C hristi seien sein «thesaurus absconditus et
vilis», sein verborgener und w ohlfeiler Schatz, der die g röß ten W u n d e r
enthalte 31. Psychologisch verstanden bedeutet dies nichts anderes, als
daß die symbolischen B ilder in der K irch en leh re über Christus, d. h. die
Rezeptionserscheinungen der psychischen M a trix 3% gleichsam die v er­
achtete und doch w ertvollste «prim a m ateria» unseres Glaubens sind 33 .

Bedeutsam ist auch, daß T homas von A q u in in seinem K o m m en tar 2


9301

29. M. B erthelot, Collection des Anciens Alchimistes Grecs. Paris 1887-1888.


III. II. 1. Vol. I. p. 114 und III. V I. 6. Vol. I. p. 122. Vgl. auch die T u r b a (Ruska
p. 122): res . . . quae ubique invenitur, quae lapis est et non lapis, vilis et pretiosa,
obscura celata et a quolibet nota. Und p. 165: Quam mira est philosophorum diver­
sitas . . . et eorum conventus in hac paula re vilissima qua regitur pretiosum. Et si
vulgus . . . istud paulum et vilissimum scirent, non vilipenderent. Vgl. auch p. 142 und:
Das Buch der Alaune und Salze (Ruska a. a. Ο. p. 56 ). Et dixerunt alii quod ipsum
arsenicum est lapis gentium vilis pretii et repudiatus et deiectus per fora et per ster­
cora et balnea. Vgl. auch B erthelot la Chimie au moyen äge. III. p. 116. in: Le livre
Ostanes dieselben Sentenzen.
30. Hymni et Sermones, ed. Th. Lamy, Mechliniae 1902, Bd. II, p. 508: Si recumbis
capite super petram dividunt et rapiunt eam, si dormis in sterquilinio illud fit Ecclesia
ad fundendas preces.
31. Ebda. Hymnus de resurrectione Christi 21, 6. (Bd. II p. 7 70): Figuris vestitur,
typos portat. . . thesaurus eius absconditus et vilis est, ubi autem aperitur mirum visu . . .
32. Vgl. C. G. J ung, Aion. Zch. 1951, p. 263 fif.
33. Vgl. ferner H onorius v. A utun zum Psalmwort 112: Sic Dominus humilia
respicit sic de stercore erigit pauperem: Was von Menschen verworfen wurde, das ist
unserem Herrn genehm . . . Siehe, so wird nämlich der wertvolle Edelstein, der im Mist
verborgen liegt, aus der Kloake des Weltgestankes erhoben und in das königliche Dia­
dem, das von feurigen Steinen funkelt, an leuchtender Stelle eingesetzt. Speculum de
mysteriis Ecclesiae, Migne P. L. tom. 172, col. 1032.
140 KOMMENTAR

zum H ebräerb rief 1 . 1 . 9 . hervorhebt, daß gerad e die «corp ora vilia»
zur D arstellu n g der G ottheit besonders geeignet seien 34.

63 D iese «m ateria vilis» sind, psychologisch gesehen, die im Individuum


unm ittelbar aus dem U nbew ußten auftauchenden B ild er und Symbole,
die noch nicht von einem urteilenden, diskrim inierenden K ollek tiv ­
bewußtsein gerichtet, gedeutet und um gew andelt w orden sind - w irk­
lich eine «prim a m ateria» jedes religiösen Erlebens, die aber tragisch er­
weise im m er w ieder von den vorherrschenden K ollektivm einungen «im
Straßenkot zertreten w ird ».

64 T ext: Langes Leben und Gesundheit sind in ihrer Rechten und in ihrer
Linken sind Ruhm und unendlicher Reichtum. Ihre W ege sind schöne und
lobenswerte W e rk e . . . und ihre Pfade sind maßvoll und nicht hastig, sondern
mit der Beharrlichkeit ausdauernder Arbeit verbunden. Sie ist ein Baum des
Lebens für alle, die sie erfassen, und ein nie erlöschendes Licht - selig sind,
die sie verstanden haben; denn die Weisheit Gottes wird niemals vergehn,
wie A lphidius bezeugt, indem er sagt: « W er einmal diese W eisheit gefunden
hat, dessen rechtmäßige und ewige Speise wird sie sein. Und H erm es. . .
sagt: daß wenn ein Mensch im Besitz dieses Wissens 1000 Jahre lang lebte
und täglich 7 0 0 0 Menschen ernähren müßte, er dennoch niemals Mangel
leiden würde.

65 H ierin schildert der A u to r die Sapientia w eiterhin im R ahm en der


biblischen Personifikation: er preist sie als U rh eb erin des langen Lebens
und der G esundheit, als B au m des Lebens, als ew ige und unerschöpf­
liche Speise der M enschheit, als unauslöschlisches L ich t und als ewiges
Feuer. A ll diese B ild er sind archetypisch und spielen sow ohl in der
alchem istischen L iteratur, als auch bei den K irch en vätern eine g roß e
R olle 35.345

34. Vgl. V ictor W hite, St. Thomas’ Conception of Revelation, Dominican Studies,
Blackfriar Publications St. Giles. Oxford, Vol. I. 1948, No. 1, p. 11. Vgl. auch S. Bo-
naventura. In I. Sent. 3, 3 ad 2m. Creature possunt considerari ut res vel ut signa.
Im Übrigen liebte es auch der Lehrer von T homas, Albert der Grosse, alchemisti-
sche Begriffe in seine Bibelexegese einzustreuen. Vgl. auch Albertus Magnus, Quaest.
super Evangel. C L X IV (ed. Borgnet vol. 37, p. 242): Transite usw. Aqua cisternae huius
est Christus qui est fons vitae saliens in vitam aeternam. Vgl. überhaupt für die alche­
mistischen Gleichnisse des Albertus bei seiner Bibelinterpretation ebda: crediderunt
{Christum) non Deum esse, et qui fuit aurum mundissimum crediderunt esse cuprum.
Vgl. ferner p. 243.
35. Unser Text weist in dieser Anfangspartie eine auffallende Verwandtschaft der
Zitatzusammenstellung mit der Einleitung des Albertus Magnus zugeschriebenen
KOMMENTAR 141

In der A lchem ie ist der B aum in erster Linie ein B ild fü r die sich im 66
W an d lu n gsp rozeß allm ählich entfaltende p rim a m ateria, die «sich sel­
ber genu g ist**». F ü r seine B edeutung sei h ier im Prinzip auf J u n g s
A u fsatz «D er philosophische B au m 37» verw iesen: der B au m symboli­
siert den Individuationsprozeß in seinen A spekten des G elebtwerdens
wie der Bew ußtw erdung, der γνώσις *8.

Mariale auf, was wir für die Erwägung, ob St . T homas als Verfasser in Frage komme,
festhalten müssen. - Albertus, ed. Borgnet vol. 37, p. 1. Mariale sive Quaestiones
super Evangelium Prooemium:
Clara est et quae nunquam marcescit sicut scriptum est. Sap. V I 13-17 et facile
videtur ab his qui diligunt eam et invenitur ab his qui quaerunt illam. Praeoccupat qui
se concupiscunt, ut illis se prior ostendat. Qui de luce vigilaverit ad illam non labo­
rabit, assidentem enim illam foribus suis inveniet. Cogitare ergo de illa est sensus con-
sumatus et qui vigilaverit propter illam cito securus erit. Quoniam dignos se ipsa Cir­
cuit quaerens et in viis ostendit se illis hilariter et in omni providentia occurit illis.
Item scriptum est Eccles. X X V 29 et seq: Qui edunt me adhuc esurient et qui bibunt
me adhuc sitient. Qui audit me non confundetur, et qui operantur in me non peccabunt.
Qui elucidant me vitam aeternam habebunt. - Über die Echtheit dieses Jugendwerkes
vgl. F. Pelster S. J. Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des
Großen, Freiburg i. Br. 1920, p. 108 ff.
36. So heißt es bereits in den griechischen «Orakeln des Apollo» (M. B erthelot,
Coli. Aich. Grecs IV, V II 2 vol. I, p. 276) - das göttliche Wasser erhebe sich «wie ein
jungfräulicher Lorbeer zum Deckel des Gefäßes empor», und ähnlich beschreibt auch
Z osimos, wie sich das Wasser im Schalenaltar des Kosmos wie ein Baum entfalte und
Blüten und Früchte trage (ebda IV, I p. 261). Auch in der arabischen Literatur spielt
der Baum eine große Rolle, so heißt es bei Abu ’l -Qasim (Kitäb al-’ilm al Muktasab . . .
ed. Holmyard, Paris 1923, p. 2 3 ): Die prima materia komme von einem einzigen Baum,
der in den Westlanden wachse . . . und dieser Baum wachse auf der Meeresoberfläche
wie eine Pflanze auf der Erde, und wer von den Früchten dieses Baumes ißt, dem
gehorchen die Menschen und Geister, und es ist dies auch der Baum, von dem Adam
(Friede sei mit ihm !) nicht essen durfte, und als er es dennoch tat, wurde er deswegen
von seiner Engelgestalt in Menschengestalt gewandelt. Und dieser Baum kann sich
auch in die Gestalt jeglichen Tieres wandeln. - Bei den Arabern findet sich auch die
platonische und orphische Idee vom Menschen als einer umgekehrten Himmelspflanze
wieder. Vgl. O. K ern, Orphicor. Frgm. Berlin 1922, p. 244, Nr. 298 a: « ψυχή δ’άνθρώ-
ποισιν άπ’αΙΑέρος έρρίζω ται». Vgl. auch Senior, De Chemia 1. c. p. 76: «Der Stein
der Weisen wird in sich selber hergestellt und aus ihm kommen die Wurzel, die Zweige,
die Blätter, Blüten und Früchte; denn e r is t w ie ein B a u m , dessen Äste, Blätter, Blüten
und Früchte au s ih m s e lb e r s ta m m e n , und die durch ihn existieren und zu ihm gehören,
und er ist das Ganze und aus ihm stammt das Ganze.»
Vgl. auch einen solchen Ausspruch von Ephraem Syrus, Hymni et Sermones ed.
Th. Lamy, Mechliniae 1902. Vol. II. p. 538: Maria et arbor unum sunt. Agnus in ramis
pendebat. . . Das Kreuz ist der Baum des Lebens, lignum vitae (1. c. p. 612).
37. Von den Wurzeln des Bewußtseins, Zürich 1952, p. 353 ff. und derselbe: Psy­
chologie und Alchemie, p. 119 ff-, p. 333 ff. und p. 474-476.
38. Für eine ähnliche Auffassung des Wortes Gnosis vgl. G illes Q u is p e l , Gnosis
als Weltreligion, Zürich 1951, p. 17: «Gnosis ist mythische Projektion der Selbsterfah-
142 KOMMENTAR

67 A u ch die Gleichnisse, in denen die W eish eit als ewiges L ich t und nie
ausgehende «rechtm äßige Speise» bezeichnet w ird, bedürfen w ohl kei­
n er w eiteren Erklärung 39. Es ist dam it d er substanzhafte geistige Z u ­
strom von Inhalten aus dem U nbew ußten symbolisiert, der nach A n ­
schauung der A lchem isten aus dem «lum en naturae» dem A depten zu­
fließt und als eine göttliche Erleuch tu n g em pfunden w ird 4°. D ie Sapien­
tia w irkt dadurch auch w ie ein Feuer, das unerschöpflich w eiter zündet.

68 Text: Dies bestätigt S e n io r , wenn er sagt: «Ein solcher ist nämlich so reich
wie jener, der den Stein besitzt, aus welchem man Feuer schlägt, so daß er
Feuer geben kann, wem er will und wieviel er wi l l . . . ohne eigenen Verlust.»
Das gleiche meint A r is t o t e l e s im II. Buch «Von der Seele», wenn er schreibt:
«Allen natürlichen Dingen ist eine Begrenzung ihres Umfanges und ihres
Wachstums gesetzt; das Feuer hingegen wächst durch Nachlegen von brenn­
barem Stoff ins Unendliche.»

69 D ie Partie ist ein Z ita t aus der echten aristotelischen Schrift «D e


A n im a». A r i s t o t e l e s hebt d ort (bei der W id erleg u n g anderer T h e o ­
rien ) hervor, daß die Seele oder V ern u n ft die U rsach e jeder B eg ren ­
zung des W ach stu m s seien, nicht aber das F euer. D ie Seele sei das
G renzensetzende und dadurch die F o rm des K örp ers. Im M ittelalter
w urde diese A u ffassu n g w eiter ausgebaut. T homas von A q u in z. B.
faß t die.Seele nicht nur als « F o r m ^ » des K örp ers auf, sondern fü r ihn
ist sie eine F o rm , w elche sow ohl Substanzialität (eigentliches Sein) be­
sitzt, als auch solche m itteilt 42. Sie kann von sich aus schöpferisch wirken

rung.» In JUNGscher Terminologie könnte man vielleicht eher sagen: Gnosis ist mythi­
sche Projektion der Erfahrung des Selbst, d. h. des Individuationsprozesses.
39. Vgl. z. B. «Das Buch der Alaune und Salze», ed. J. Ruska, Berlin 1935, p. 92,
wo der Mercurius von sich sagt: «Wenn jemand mich mit meinem Bruder und meiner
Schwester verbindet, wird er leben und sich freuen, und ich werde ihm in Ewigkeit
genügen, auch wenn er tausendmal tausend Jahre lebte.»
40. Vgl. zu der Geschichte dieses Begriffes C. G. J ung, «Theoretische Überlegungen
zum Wesen des Psychischen» in «Von den Wurzeln des Bewußtseins» 1. c. p. 544 ff.
41. «Form» ist hier im aristotelischen bzw. thomistischen Sinn gebraucht. Vgl.
A. D. Sertillanges, Der Hl. Thomas von Aquin, Hellerau 1928, p. 124 sq.
42. Vgl. hiezu allgemein Etienne Gilson, L’esprit de la Philosophie medievale.
Paris. Vrin 1932, I, p. 188 und Anmerkungen. Es ist der «Intellectus», der eine unkör­
perliche Substanz bildet, der sich die Körpermaterie organisiert und formt (ebda. p. 191)
indem er bzw. die Seele mit den Elementen cooperiert. Vgl. De anima II, lect. 8. A n im a
a u te m c o o p e r a t u r a d e le m e n ta , quae sunt in corpore vivente sicut forma ad materiam.
Hiezu sagt T homas, Summa theol. I, 75, 2 Resp.: Nihil autem potest per se operari
KOMMENTAR 143

und ist damit ein «ens in actu 43». D ie an sich formlose Materie empfängt
ihr aktuelles So-Sein nur insoweit sie durch die Seele Form erhält 44.
Im Lichte solcher Auffassungen ist es klar, daß auch die Sapientia
D ei unseres Textes nich t als eine P ersonifikation der in d iv id u ellen Seele
anzusehen ist, denn der Autor vergleicht sie mit einem Feuerstein, der
unerschöpflich Feuer spenden kann 45? und betont, daß zwar alle natür-

nisi quod per se subsistit. Non enim est operari nisi entis in actu . . . Relinquitur igitur
animam humanam, q u a e d ic itu r in te lle c tu s v e l m en s, e s s e a liq u id in c o r p o r e u m et s u b ­
sis te n s. Und: Summa I, 86, 1: Sic ergo ex ipsa operatione intellectüs apparet quod intel­
lectivum principium unitur corpori et forma. Und Summa theol. I, 75, 6 Resp.: Esse
autem convenit per se formae, quae est actus. Unde materia secundum hoc acquirit «esse
in actu» quod acquirit formam, secundum hoc autem accidit in ea corruptio, quod sepa­
retur forma ab ea.
43. Actuell Seiendes.
44. Daher eint sich die Seele zu dem Zweck mit dem Körper, um ihrem Wesen
(natura) entsprechend wirken (operari) zu können. Summa theol. I 89. 2. Resp.: Et ideo
ad hoc unitur (anima) corpori ut sic operetur secundum naturam suam. - In all diesen
Definitionen ist T homas (wie A lbertus) weitgehend von A vicenna abhängig. Vgl.
derselbe De anima cap. 1: «Dicemus igitur nunc: quod anima potest dici vis v e l p o t e n t ia
comparatione affectionum quae emanant ab e a . . . potest etiam dici perfectio hac com­
paratione sci. quod perficitur genus per illam et habet esse per illam etc.» Die Seele
ist «finis et perfectio» jeder Sache: «Ergo ipsa est vis animae habentis alias vires, quarum
una haec est, quae omnes operantur ad hoc ut perveniat a p titu d o in stru m e n to r u m a d
p e r fe c t io n e s se c u n d a s ip s iu s a n im a e .»
Dieselbe De-Anima-Stelle wie in der Aurora ist, nebenbei bemerkt, auch im Kom­
mentar zur Weisheit Salomonis des M eister E ckhart angeführt, welcher seinerseits
Vieles von St . T homas übernommen hat. (Vgl. G. T hery , Le commentaire de Maitre
Eckhardt sur le livre de la Sagesse (fin). Archives d’Histoire doctrinale et litteraire du
Moyen-äge. 1930, p. 237. T hery konnte die De-Anima-Stelle nicht finden. Er sagt:
«Nous n’avons pas retrouve ce texte.» Er legt dort u. a. dar, daß die Bewegung des
Himmels die allerschnellste im Kosmos sei, dessen Dinge aber doch Grenzen besitzen.
Gott hingegen, der in keiner Bewegung oder realem Wirken gefangen sei, sei noch
schneller. Insofern aber auch die Seele mit ihrer imaginatio sich etwas noch schnelleres
als die Himmelsbewegungen vorstellen könne, bestehe zu Recht jenes W ort des
H l . A ugustinus, daß die Seele etwas Größeres sei als der ganze Kosmos. Vgl. T hery
a. a. O. p. 238. Igitur ratione quä motus est et magnitudo sive dimensio, utpote prior
forma in materia, ut optime ait Commentator De substantia orbis (A verroes) infinita
sunt, et ob hoc omni mobili potest esse mobilius, Deus igitur cum sit infinitus non
receptus in aliquo omni motu et operacione potest operari seu movere velocius. Volens
igitur Sapiens ostendere occulte et subtiliter Dei infinitatem et ipsius Sapientiae ait
optime: «Omnibus mobilibus mobilior est Sapientia» . . . Rursus etiam imaginatio
quae circa magnitudinem versatur potest imaginari quolibet magno maius, etiam celo.
Unde per hoc A ugustinus libro De quantitate animae probat animam esse maiorem
toto mundo.
45. Dies ist sonst auch eine Allegoria Christi. Vgl. C. G. J ung, Psychologie und
Alchemie. 1. c. p. 481.
144 KOMMENTAR

lichen Dinge eine Begrenzung ihrer Ausdehnung (also Form) haben,


aber nur gerade das Feuer nicht. Der Feuerstein ist daher ein Bild für die
Sapientia D ei in ihrem Verschiedensein von den Formen und geform ­
ten Dingen, und zwar ist sie von ihnen dadurch unterschieden, daß sie
unendliches Leben mitteilen kann, ohne sich selber je zu erschöpfen 4*.
Ihre W irkung zielt nicht (wie die der Seele) auf Einzelformung hin,
sondern ist endloser Ausbreitung fähig. Sie gibt den Urimpuls zum Sein
und zur Erkenntnis in unendlich vielfacher und möglicher W ieder­
holung und ist als ein unerschöpflich kraftspendendes Prinzip unbe­
grenzter W irkung fähig. Sie wirkt also über persönlich, d. h. jenseits des
Individuums und weist letzterem als Ordnungsprinzip den W eg. Sie
lenkt nämlich, wie der nachfolgende Satz unseres Textes sagt, die Schritte
des Alchemisten. Damit ist bestätigt - was wir schon vorher hervorge­
hoben hatten - , daß diese weibliche Gestalt psychologisch nicht dem
persönlichen Aspekt der Anima des Mannes entspricht (mittelalterlich
gesprochen nicht der anima humana als «forma corporis») 47? sondern
daß sie eine rein archetypische Animagestalt ist: der weibliche Aspekt
des Gottesbildes 48. A ls Archetypus ist sie tatsächlich Form ohne Begren­
zung, ewig und doch in imendlich vielen Einzelfällen manifest und
wiederholbar.4
8
7
6

46. Vgl. die vorhergehende Partie in der Aurora cap. 1. Vgl. hiezu z. B. T homas
von A quin, Summa theol. I, 25. 3. Resp.: Esse autem divinum, super quod ratio divinae
potentiae fundatur, est e s s e in fin itu m n o n lim ita tu m a d a liq u o d g e n u s en tis, sed prae-
habens in se totius esse perfectionem.
47. Vgl. hiezu A lbertus M agnus , De anima, II, 4, worin er die Ansicht gewisser
Zeitgenossen widerlegt, wonach die Seele eine «virtus ignis» sei: quia solus ignis inter
omnia corpora et aliter virtute propria et augmentatur. . . per appositionem crema-
bilium. Und T homas von A quin z u A ristoteles , De anima II, lectio 8: Illud igitur
quod est causa determinationis m a g n itu d in is e t a u g m e n ti est principalis causa augmenti.
Hoc autem non est ignis. Manifestum est enim quod ignis augmentum non est usque
determinatam quantitatem, s e d in in fin itu m ex te n d itu r, s i in in fin itu m m a te r ia c o m b u ­
sti b ilis in v en ia tu r. Manifestum est igitur quod ignis non est principale agens in augmento
et alimento s e d m a g is a n im a . Et hoc rationabiliter accidit quia determinatio quantitatis
in rebus naturalibus es t e x f o r m a , quae est principium speciei magis quam ex materia.
Anima autem cooperatur ad elementa quae sunt in corpore vivente sicut forma ad
materiam. Magis igitur terminus et ratio magnitudinis et augmenti est ab anima quam
ab igne.
48. Das Feuer ist nach A lbertus M agnus, De anima II, 4 : «inter omnia elementa
maxime incorporeus et spiritualis». Nach H onorius von A u t u n , Elucidarium. M igne
P. L. tom. 172, coi. 1113, ist die Natur der Engel ein «spiritualis ignis» (Hebr. I. 7 .).
Das «ewige Feuer» ist ein Symbol Christi (E phraem Syrus , Hymni et Sermones
1. c. Vol. I, p. 350).
KOMMENTAR 145

D er Vergleich der Sapientia mit dem Feuer ist in diesem Zusammen­


hang kein zufälliger, sondern spielt auch auf die Konzeption des «ignis
occultus» oder «ignis noster» der Alchemisten an, wofür ich auf die
Ausführungen von J u n g in «Psychologie und Alchemie» verweisen
möchte 49. Es handelt sich um ein symbolisches Feuer, dessen Bedeutung
wohl am ehesten durch den Begriff der «psychischen Energie» wieder­
gegeben werden könnte *°. D ie Flamme oder das Feuer ist nämlich ein
verbreitetes Seelensymbol und als Bild der psychischen Energie scheint
es in vielen primitiven Religionen als etwas Göttliches verehrt worden
zu sein. Es spielt dann eine ebenso zentrale Rolle im religiösen Leben
jener Völker, wie für uns das Gottesbild. (Gott zeigt sich ja Moses im
brennenden Dornbusch, und Christus wird als das «ewige Feuer» be­
zeichnet *2.) Spätere Kapitel unseres Textes kommen dementsprechend
auch auf die Feuersymbolik des Heiligen Geistes zu sprechen.
D ie archetypische Vorstellung einer kosmischen, göttlichen «bewußt­
seinsfähigen» Energie ist im Mittelalter nicht nur in gewissen Symbolen
des Heiligen Geistes enthalten, sondern lebte auch, teilweise unter modi­
fiziertem Aspekt, im Begriff des «intellectus agens» (νους ποιητικός)
wieder auf. Diese Idee und die um sie entstandenen Diskussionen er­
scheinen mir psychologisch so bedeutsam, daß ich auf sie näher ein-
gehen möchte.
D ie Quelle der mittelalterlichen Anschauung über den Begriff des
«intellectus agens» bildete in erster Linie Ibn Sina (A vicenna)^. Nach
dessen Auffassung entsteht nämlich das Erkennen dadurch, daß der
Mensch die Einwirkung der sog. «intelligentia agens» (aktiven Intelli­
genz) empfängt, welch letztere eine kosm ische h Realität ist, deren A u s -4
3
12
0
5
9

49. p. 174, 175, 320 etc.


50. Vgl. C. G. J ung, Die psychische Energetik und das Wesen der Träume,
1948, p. 49 ff.
51. Vgl. C. G. J ung, Psychologie und Alchemie. 1. c. p. 360, Anm. 3.
52. So sagt ein nichtkanonisches Logion: «Wer mir nahe ist, ist nahe dem Feuer,
wer mir ferne ist, ist ferne dem Reich.» Origenes. In Jer. Hom. X X . 3. cit. nach
C. G. J ung, Psychologie und Alchemie, p. 273. Vgl. auch J ungs dortige Erläuterungen,
auch über den dunklen Aspekt dieses Feuers, p. 232. Der Heilige Geist ist ebenfalls
ein Feuer (Pfingstwunder!).
53. Ich gehe auf den aristotelischen νους ποιητικός hier nicht weiter zurück, weil
A vicenna der Hauptvermittler für die vorliegende Zeit war. Vgl. besonders E. Gilson,
Pourquoi St. Thomas a critique St. Augustin. Archives d’Hist. doctrinale et literaire du
Moyen-Age. Vol. I. 1926/27, p. 559, bes. p. 7.
54. d. h. in der Natur vorhandene.
146 KOMMENTAR

Strahlung mit derjenigen des Lichtes verglichen werden könnte h . Diese


Intelligentia wohnt in den Planetensphären und ist eine außerseelische,
in der Natur vorhandene Grundkraft und Wurzel des menschlichen Er -
kennens s6 (weshalb auch die Erkenntnislehre bei A v ic e n n a nach peri-
patetischer Tradition zur Physik gehört ). W enn die menschliche Seele
mit dem «intellectus agens» in Berührung kommt, so wird sie «den­
kend», und wenn sie sich «in genialer Vermutung» bis zu ihm erhebt,
dann strömt eine heilige K raft in sie ein, welche die Prophetie bewirkt.
A l b e r t d e r G r o s s e und M a i m o n i d e s übernahmen zunächst diese V or­
stellung nur wenig verändert ^ während W il h e l m v o n A u v e r g n e *8
und andere sie völlig ablehnten. Vom psychologischen Gesichtspunkt
aus betrachtet erscheint mir die Vorstellung sehr bedeutend. Der «intel­
lectus agens» im Kosmos bei A v ic e n n a entspricht nämlich der Idee
eines bewußtseinsähnlichen Sinnes im objektiven physikalischen Natur­
geschehen w und entspricht damit J u n g s Begriff eines «absoluten
W issens»6o.

55. Vgl. B. H aneberg, Zur Erkenntnislehre von Ibn Sina und A lbertus Magnus,
Abh. der K. Bayr. Akad. der Wiss. I. C. Bd. X I, Abt. 1. München 1866, p. 9.
56. Es gibt eigentlich nach A vicenna viele solche Intelligentiae, die die einzelnen
Planetensphären beherrschen; die welche auf den Menschen einwirkt, ist die sublunare
Intelligenz. E. Gilson, Pourquoi St. Thomas 1. c. p. 38-49. Vgl. ferner allgemein
M. Grabmann: Mittelalterliche Deutung und Umbildung der aristotelischen Lehre vom
νους ποιητικός Sitzgsber. d. bayr. Akad. der Wiss. Phil.-hist. Abtl. 1936, Heft 4 passim.
57. Vgl. H aneberg a. a. O. p. 59. Vgl. ferner das AviCENNA-Citat bei P etrus
H ispanus, dem nachmaligen Papst J ohann x x i . cit. aus E. Gilson, Les sources greco-
arabes de l’augustinisme avicennisant. Archives d’histoire doctrinale et literaire etc.,
p. 106: Quintus modus (cognoscendi) est cognoscere rem per elevationem et abstrac-
tionem ipsius animae. Et de hoc modo elevationis nusquam loquitur Philosophus, sed
A vicenna de hoc modo loquitur in libro de anima ubi dicit, quod intellectus duae sunt
facies. Una est, quam habet intellectus ad virtutes inferiores secundum quod intellectus
agens recipit a possibili. Alia est quam habet intellectus per abstractionem et elevatio­
nem ab omnibus condicionibus materialibus et hanc habet per relationem ad Intelligen-
tiam influentem. Et q u a n d o a n im a s ic e s t e le v a t a , Intelligentia ei multa detegit. Unde
dicit A vicenna quod recolit praeterita et praedicit futura et potest nocere per malum
oculum suum. Unde dicit A vicenna quod oculus fascinantis facit cadere caniculam
in foveam et s ic e le v a n tu r illi, q u i su n t in e c s ta s i ut r e lig io s i c o n t e m p la t iv i e t m a n ia c i
e t p h r e n e t ic i, et h o c m o d o a n im a c o g n o s c it P rim u m e t s e ip s a m p e r es se n tia m p e r r e fle ­
x io n e m s u i ip s iu s s u p r a se.
58. E. Gilson, Pourquoi St. Thomas 1. c. p. 58.
59- Man könnte «intellectus agens» mit «schöpferischer Sinn» übersetzen.
60. Vgl. C. G. J ung, Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge.
In J ung-Pauli, Naturerklärung und Psyche. Zürich 1952, p. 79 und 91. Dieser νους
KOMMENTAR 147

Nach A v ic e n n a ist. nun das menschliche Ich dem «intellectus agens» 74


gegenüber receptiv eingestellt61. W ir wissen heute, daß tatsächlich jedes
Denken im Ichbewußtsein jenes «absolute Wissen» verdunkelt, und
daß es eines «abaissement du niveau mental» bedarf, um an jenes «Wis­
sen» heran zu kommen.
T h o m a s v o n A q u in modifizierte den Begriff des «intellectus agens» 7s
als Idee einer kosmischen, außerpersön lichen Macht, indem er die Tätig­
keit des abstrahierenden Denkens einem innerseelischen menschlichen
(modern interpretiert: im Unbewußten befindlichen) «intellectus agens»,
den er ein «natürliches Licht» nannte, zuschrieb, den andern Aspekt,
nämlich als einer außermenschlichen Q u e lle der Erleuchtung, hin­
gegen identifizierte er mit Gott oder der Sapientia D e i62. Für die
subtileren Einzelheiten seiner Auffassung möchte ich auf die her­
vorragende Arbeit von E. G il s o n verweisen. Er formuliert 63: «D ieu
illumine nos ämes autant qiTil les a douees de la lumiere naturelle
gräce a laquelle elles connaissent, et qui est celle meme de l ’intellect
agens. Ce dernier est veritablement toujours en acte, mais Tarne pos-
sede en outre un intellect possible, et eile ne connait actuellement elle-

ποιητικός scheint mir derjenige westliche Begriff zu sein, der der chinesischen Idee des
«Tao» am nächsten kommt. (In der Antike wäre auch noch das Feuer H eraklits als
Parallele zu erwähnen.)
61. Nach Avicenna wäre das die «intelligentia in potentia» und «consideratio vel
cogitatio». E. Gilson, Pourquoi St. Thomas 1. c. p. 41-42.
62. E. Gilson, Pourquoi St. Thomas etc., p. 61 ff. Vgl. auch M. Grabmann, Die
mittelalterlichen Aristotelesübersetzungen etc. 1928, p. 112-113, und E. Gilson, Les
sources 1. c. p. 107. A lbertus Magnus schloß sich dann hierin nachträglich St . T homas
an (H aneberg, p. 31). Vgl. auch die Ansicht von Roger Bacon. Auch er unter­
scheidet einen intellectus, der auf die Seele aktiv einwirkt und einen passiv-aufneh-
menden intellectus innerhalb der Seele. Der intellectus agens wirkt als Erleuchtung
gleichzeitig beim Aufnehmen der «species» durch den passiven Intellekt. Er fügt bei:
und alle alten Weisen und die bis heute blieben, sagten daß dies (der intellectus agens)
Gott sei. Das Resultat des Aufnehmens der Species durch den menschlichen Intellekt
und der aktiven Einwirkung Gottes schafft die s c ie n tia . Vgl. Opus Tertium cap. X X III.
ed. Brewer : Nam omnes moderni dicunt quod intellectus agens in animas nostras et
illuminans eas est p a r s a n im a e ita quod in anima sunt duae partes: agens, scii, et possi­
bilis; et intellectus possibilis vocatur qui est in potentia ad scientiam et non habet eam
de se, sed quando recipit species rerum et agens influit et illuminat ipsum, tunc nascitur
scientia in eo . . . Et omnes sapientes antiqui et qui adhuc remanserunt usque ad tempora
nostra dixerunt quod fuit Deus. Vgl. M. Grabmann, Die mittelalterliche Lehre
etc. 1. c. ρ. 10.
63. ebda p. 62-63.
148 KOMMENTAR

meme qu’en vertu du concours de son intellect possible 6* avec son intel-
lect agens 6K »
Der «intellectus agens» bewirkt im A kt der Kontemplation eine Be­
rührung mit der Sapientia Dei, wodurch eine Assimilierung des mensch­
lichen Geistes an Gott Zustandekommen kann6 666
5
6
4 . In dieser Theorie von
7
St . T homas wird der νους ποιητικός d. h. das «absolute Wissen» partiell
dem menschlichen Wesen integriert. Diese thomistische Aufspaltung
des Nous-Begriffes bedeutet, psychologisch betrachtet, einen Bewußt­
seinsfortschritt. Meistens, wenn ein unbewußter Inhalt bewußt wird,
wird er zunächst auf geteilt, d. h. ein Teil des Inhaltes tritt in Assoziation
zu dem vom Ich zentrierten Bewußtseinsfeld, der andere verbleibt im
Unbewußten und wird deshalb meistens in außerseelische Bereiche
projiziert. D er abendländische Intellekt, der in der Zeit der Scholastik
sich entwickelte, scheint auch auf diese A rt entstanden: damals wurde
ein Stück «vorbewußten Denkens» zu einer Operation des Subjektes
erklärt, der Rest verblieb vorbewußt und somit ins Nicht-Menschliche
projiziert, d. h. personifiziert im «metaphysischen» W esen der Sapientia
Dei. W ichtig ist dabei, daß dieser im außermenschlichen Bereich ver­
bleibende Teil nicht mehr, wie noch bei A vicenna, ein rein männlicher
Begriff (intellectus) blieb, sondern neuerdings mit der Sapientia D ei
identifiziert wurde: er gerät, psychologisch gesprochen, in den Bereich
des archetypischen Animabildes.
Der innerseelische Teil des «intellectus agens» ist nach T homas im­
stande, im Kontakt mit der Sinneserfahrung je n e ersten P rin zip ien zu
erzeugen, auf denen der Mensch das System der Wissenschaften errich­
ten kann. Er kann seine Wahrheiten darum formulieren, weil er mit der
göttlichen Urwahrheit in Partizipation steht 6?\ «anima humana cognoscit

64. Der «intellectus possibilis» entspräche dem modernen Begriff des Bewußtseins.
65. Vgl. hiezu auch G. Siewerth : Die Apriorität der menschlichen Erkenntnis nach
T homas von A quin, «Aus dem Symposion». Alber-Verlag Freib.-München undatiert,
bes. p. 105-106.
66. Summa theol. Prima secundae Quaest. 3, Art. 5: Tertio idem apparet ex hoc
quod in vita contemplativa homo communicat cum superioribus scii, cum Deo et angelis,
quibus per beatitudinem assimilatur. . . Assimilatio intellectus speculativi ad Deum est
secundum unionem vel informationem. Der innerseelische intellectus agens ist nach
T homas ein Geschenk Gottes.
67. Wörtl. nach E. Gilson, Philosophie Med. a. a. O .p . 145: A partir de St . T ho­
mas d ’aquin nous sommes en possession d’une lumiere naturelle, celle de Tintellect
agent. . . Comme l’intellect aristotelien eile est capable au contact de l’experience sen-
KOMMENTAR 149

in rationibus aeternis, per quarum participationem omnia cognoscimus.


Ipsum enim lumen intellectuale, quod est in nobis, nihil est aliud quam
quaedam participata similitudo luminis increati, in quo continentur ratio­
nes aeternae68.» D ie Erleuchtung fällt also nicht nur gleichsam «von
oben» auf den an sich blinden Menschen herab, sondern es ist nach
St . T homas dem Menschen ein lumen intellectuale eingeboren, das
durch «teilhabende Ä hnlichkeit » die Urprinzipien der Erkenntnis erfas­
sen kann. Darauf beruht z. B. die Prophetie. Nach St . T homas gibt es
zwei Grade von Prophetie: eine erste, die sich auf das bezieht, was alle
wissen, und eine zweite, die nur den Vollendeten (perfecti) zuteil wird
und die höheren Mysterien betrifft 69. Letztere gehört zur Sapientia Dei.
Ebenso gibt es zwei Formen der Wahrheitserkenntnis: erstens eine speku­
lative Erkenntnis, die darin besteht, daß jemandem göttliche Geheim­
nisse offenbar werden und zweitens eine «affektive Erkenntnis», welche
die L iebe zu Gott im Menschen hervorruft und zum donum Sapientiae
gehört 7°. Die Sapientia enthält daher die höheren Mysterien als der
Glaube 71.
Diese Ausführungen sind geeignet, das Wesen der Sapientia D ei in 78

sible d’engendrer les principes premiers a l’aide desquels eile construira progressivement
ensuite le Systeme de Sciences etc.
68. Summa theol. I. 84. 5. Resp. Übersetzung: «Die menschliche Seele erkennt näm­
lich in d e n e w ig e n I d e e n , durch deren P a r tic ip a tio n wir Alles erkennen. Denn das
intellektuelle Licht in uns ist nichts Anderes, als eine teilhabende Ähnlichkeit am uner-
schaffenen Licht, in dem die ewigen Ideen (Archetypen) enthalten sind.»
69. Summa II. II. 171 prolog. Prophetica revelatio se extendit. . . et ad quantum
ad ea, quae proponuntur omnibus credenda, quae pertinent ad fidem et quantum ad
altiora mysteria, quae sunt perfectorum, quae pertinent ad Sapientiam. Die revelatio ist
eine «passio». De ver. 12. 7-8 und Summa I—II, 173. 2 a. Vgl. V ictor W hite
l .c .p .7 .
70. Summa, (editio Leonina.) Pars I Quaest. 64 Art. 1. Duplex est cognitio veri­
tatis, una quidem quae habetur per gratiam, alia vero quae habetur per naturam. Et
ista quae habetur per gratiam est duplex: una quae est speculativa tantum sicut cum
alicui aliqua secreta divinorum revelantur, alia vero, quae est affectiva producens amo­
rem Dei et haec proprie pertinet ad donum Sapientiae. Vgl. hiezu V ictor W hite,
St. Thomas' Conception of Revelation. Dominican Studies Blackfriar Publications
St. Giles-Oxford, Vol. I, Jan. 1948, No. 1, p. 5.
71. In anderem Zusammenhang unterscheidet St . T homas auch eine perfecte Pro­
phetie: cum ergo aliquis cognoscit se moveri Spiritu Sancto - hoc proprie ad prophe­
tiam pertinet, cum autem movetur sed non cognoscit, non est perfecta prophetia sed
quidam in stin ctu s p r o p h e t ic u s - Summa Theol. II. II. 9. 171. ad 4. Die geringere Pro­
phetie geschieht: per quendam instinctum occultissimum quem nescientes humanae
mentes patiuntur, (ebda. a. 5.)
150 KOMMENTAR

der Aurora, ihren Aspekt als völlig überpersönliche Macht zu be­


leuchten 72.
Der Begriff des «intellectus agens» deckt sich psychologisch weit­
gehend mit der JuNGschen Auffassung einer «Luminosität» (eines däm­
merhaften Bewußtseins) der archetypischen Inhalte im Unbewußten,
wobei J u n g zum Schluß kommt, daß die Archetypen entsprechend der
kosmischen Funktion des νους, einen nicht-psychischen (psycho'iden)
Aspekt besitzen müssen, der sie sogar als anordnende Faktoren im physi­
kalischen Zeit-Raum-Kontinuum erscheinen läßt 73. W ir erinnern uns,
daß dasjenige, was St . T h o m a s «intellectus divinus» oder die Weisheit
Gottes nennt, bei A v ic e n n a den Charakter einer objektiv in der Schöp­
fung vorhandenen Macht hatte, als «intellectus agens» oder «intelli -
gentia influens». W enn wir diesen Begriff in moderne psychologische
Termini zu übersetzen versuchen, so würde dies nichts anderes bedeuten,
als daß in der Natur und im kollektiven Unbewußten eine Art von
objektivem Bewußtsein oder Geist, zum mindesten potentiell, existiert,
von dem sich das individuelle Ichbewußtsein erst sekundär herleitet und
auch dadurch jed e Erweiterung erhält, daß es von ihm «erleuchtet»
wird. Dies stimmt überraschend mit den Tatbeständen überein, welche
uns von der Tiefenpsychologie her bekannt sind und die J u n g in seinem
Aufsatz «Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen» dar­
gelegt hat 74. Bei näherer Untersuchung erweisen sich die Inhalte des
Unbewußten tatsächlich nicht als in völlige Dunkelheit getaucht - von
einem solchen Aspekt des Unbewußten könnte ja auch nichts ausgesagt
werden - , sondern nur als relativ unbewußt, so wie andererseits auch die
Inhalte des Bewußtseins uns kaum je vollständig in all ihren Aspekten

72. Vgl. ferner die interessante Definition des «intellectus» bei Gundalissinus,
«De immortalitate animae» in: Beiträge zur Geschichte der Philos. im Μ. A. Bd. III
(1897) p. 35: virtus intellectiva non habet finem in operatione, non habet finem in tem­
pore (was völlig mit dem «Feuer» in der Aurora coinzidiert). Vgl. auch ebda. p. 31:
Quod si dixerit quis, quia intellectus omnino non est forma nec habens formam, et
ideo impossibile est ipsum agere: respondemus quia intellectus in se ipso, in esse suo
et in specie sua, f o r m a est. Quemadmodum h u m o r cry sta llin u s aut spiritus visibilis in
esse suo formatum est et tamen ad lucem et colores quodam modo materiale - sic et
intellectus ad omnia intelligibilia quae sunt extra se. Neque agit in quantum est mate­
riale, hoc modo scii, ex essentia sua, sed per formam . . .
73. Theoretische Überlegungen etc. «Von den Wurzeln des Bewußtseins» 1. c.
p. 543 fif. und C. G. J ung - W . Pauli, Naturerklärung und Psyche. 1. c. p. 67 ff.
und 78 ff.
74. In: «Von den Wurzeln des Bewußtseins», Zürich 1952, p. 497 ff.
KOMMENTAR 151

bewußt, sondern auch teilweise unbewußt sind 75. Der unbewußte Z u ­


stand eines psychischen Inhaltes ist daher nur als relativ anzusehen, und
wir dürfen uns nicht vorstellen, daß dem Licht des Ichbewußtseins eine
völlige Dunkelheit des Unbewußten gegenübersteht76. Auch das Licht
des Bewußtseins hat vielmehr, wie J ung betont 77, viele H e llig k e its ­
grade, und der Ichkomplex viele Abstufungen seiner Betonung. A u f
animalischer und primitiver Stufe herrscht z. B. eine b lo ß e «lum inosi-
tas», so wie auch auf infantiler und primitiver Stufe das Bewußtsein
keine Einheit ist, indem es noch von keinem festgefügten Ichkomplex
zentriert wird, sondern da u n d dort au f flackert, wo es äußere und innere
Ereignisse, Instinkte und Affekte gerade wachrufen. Ebenso ist auch

75. Man wäre demnach zunächst versucht, das Unbewußte sogar als einen nicht prin­
zipiell vom Bewußtsein verschiedenen psychischen Zustand anzusehn, doch die Erfah­
rung beweist, daß der Zustand der unbewußten Inhalte doch nicht ganz der gleiche ist,
wie der der bewußten. W ie J ung ausführt, werden z. B. gefühlsbetonte Complexe in
ihrer ursprünglichen Form conserviert; sie erhalten sogar den unbeeinflußbaren Zwangs­
charakter eines Automatismus und schließlich nehmen sie «d u r c h S elb s ta m p lific a tz o n
einen archaisch-mythologischen Charakter und damit Numinosität an. Vorgänge im
Unbewußten pflegen sich der zugrundeliegenden Instinktform anzunähern und die den
Trieb kennzeichnenden Eigenschaften anzunehmen, nämlich Unbeeinflußbarkeit, Auto­
matismus, all-or-none-reaction» etc. J ung fährt fort: «Diese Eigentümlichkeiten des
unbewußten Zustandes stehen im Gegensatz zum Verhalten der Komplexe im Bewußt­
sein. Hier werden sie korrigierbar, d. h. sie verlieren ihren automatischen Charakter und
können umgestaltet werden. Sie streifen ihre mythologische Hülle ab, spitzen sich perso-
nalistisch zu und, indem sie in den im Bewußtsein stattfindenden Anpassungsproceß
hineingeraten, rationalisieren sie sich, so daß eine dialektische Auseinandersetzung mög­
lich wird. Der unbewußte Zustand ist daher offenkundig doch ein anderer als der
bewußte.» (1. c. p. 539 ff.)
76. «Das Unbewußte bedeutet demnach ein anderes Medium als das Bewußtsein.
In den bewußtseinsnahen Bezirken ändert sich allerdings nicht viel, denn hier wechselt
hell und dunkel zu häufig. Es ist aber gerade diese Grenzschicht, welche für die Beant­
wortung unseres großen Problems von Psyche = Bewußtsein von größtem Werte ist.
Sie zeigt uns nämlich, wie relativ der unbewußte Zustand ist, und zwar ist er der­
maßen relativ, daß man sich sogar verlockt fühlt, einen Begriff wie «Unter-Bewußtsein»
zu verwenden, um den dunklen Seelenteil richtig zu charakterisieren. Ebenso relativ
ist aber auch das Bewußtsein, denn es gibt innerhalb seiner Grenzen nicht ein Bewußt­
sein schlechthin, sondern eine ganze Intensitätsskala von Bewußtsein. Zwischen dem
«ich tue» und dem «ich bin mir bewußt, was ich tue» besteht nicht nur ein himmel­
weiter Unterschied, sondern bisweilen sogar ein ausgesprochener Gegensatz. Es gibt
daher kein Bewußtsein, in welchem das Unbewußtsein überwiegt, wie ein Bewußtsein,
in welchem die Bewußtheit dominiert. . . So gelangen wir zu dem paradoxen Schluß,
daß es keinen Bewußtseinsinhalt gibt, der nicht in einer anderen Hinsicht unbewußt
wäre . . . » 1. c. p. 540.
77. l.c .p . 543.

11 Jung : Mysterium III


152 KOMMENTAR

noch auf höherer und höchster Stufe das Bewußtsein keine völlig inte­
grierte Ganzheit, sondern vielmehr unbestimmter Erweiterung fähig 78.
Aus diesem Grunde wird der psychische Hintergrund unseres Be­
wußtseins in Träumen und Visionen oft durch den Sternenhimmel, durch
ein Lichtermeer, viele leuchtende Augen auf dunklem Grund oder ähn­
liche M otive symbolisiert, und auch in der alchemistischen Bildersprache
spielt dieses M otiv der Luminositäten eine wichtige Rolle, als die sog.
«scintillae» (Funken), «oculi piscium» (Fischaugen) oder bei P a r a ­
celsus und D orn - als der «innere Sternenhimmel 79». In der Aurora
selber tritt dasselbe M otiv als Bild von «Perlen» oder der «Planeten in
der Erde» ebenfalls später auf.
Praktisch bedeutet die Luminosität der Archetypen nichts anderes, als
daß letztere nicht nur die Formen und den Sinn unserer Instinkte dar­
stellen, sondern gleichzeitig eine Art von «eigener bewußtseinsähnlicher
Intelligenz» entwickeln, die nicht mit derjenigen des Ich-Bewußtseins
koinzidiert; infolgedessen vermittelt ein im Unbewußten eines Indi­
viduums konstellierter Archetypus Einfälle, Vorstellungen, Erkennt­
nisse, Inspirationen, ahnungsvolles Wissen um Dinge, die es «eigent­
lich» nicht wissen könnte80.
Insofern die Sapientia D ei bei den Scholastikern als die Summe der
«rationes aeternae» (ewigen Ideen) definiert ist, stellt sie, wie erwähnt,
eine weibliche Personifikation des kollektiven Unbewußten dar, und in­
sofern sie die «rationes» alle in Eines zusammenfaßt, ist sie auch eine
weibliche Erscheinungsform der Imago D ei (d. i. des Selbst) in der
menschlichen Seele8l. In der Aurora aber ist diese psychische W irklich­
keit nicht etwa theoretisch dargestellt, sondern unmittelbar erlebt . Das
Erscheinen der Sapientia D ei bedeutet psychologisch einen überwälti­
genden Einbruch des Unbewußten, wobei der inspirierende, erleuch­
tende Aspekt dieses Geschehnisses vom Autor zunächst begeistert ge­
priesen wird.
78. «Man tut daher wohl daran, sich das Ichbewußtsein als von vielen kleinen Lumi­
nositäten umgeben zu denken.» (1. c. p. 543.)
79. 1. c. p. 544 ff.
80. Oft ist ferner in Träumen und anderem unbewußtem Material ein Zentrum des
«inneren Sternenhimmels» dargestellt, z. B. ein «größeres Licht» unter den andern, eine
Zentralsonne etc., d i e d e m A r c h e ty p u s d e s S e lb s t e n ts p r ic h t , dem Regulationszentrum
der gesamten psychischen Vorgänge. (1. c. p. 548 ff.)
81. Vgl. auch das von J ung über die Sapientia Dei Gesagte in «Antwort auf Hiob».
Zürich 1952 passim.
KOMMENTAR 153

Text: «W ohl dem Menschen, der diese Eigenschaft findet und dem diese 83
Voraussicht (des Saturn) zufließt. Gedenke ihrer in allen deinen W egen, und
sie selbst wird deine Schritte lenken.»

Das W ort «des Saturn» ist hier vermutlich die Glosse eines späteren 84
alchemistischen Autors, die nachträglich in den gedruckten Text auf­
genommen wurde. Diese Prudentia Saturni meint dasselbe wie die Sa­
pientia oder Scientia, welche dem Alchemisten begegnet. Das W ort
«Saturni» deutet an, daß die Sapientia aus dem Stoff selbst (Saturn -
Blei = prima materia828) dem Autor zufließt.
3

Text: W ie S e n io r sagt: «Es wird sie (die Sapientia) aber nur der ver- 85

stehen, der weise ist und scharfsinnig und erfinderisch im Überlegen, indem
die Geister geklärt worden sind aus dem Liber aggregationis. Dann nämlich
gerät jeder Geist in Fluß und folgt seinem Begehren - selig ist, wer über
meine W orte nachdenkt!»

Bei S e n io r wird dasselbe Geheimnis, das in der Aurora in der Sapien- 86


tia D ei personifiziert erscheint, als «tinctura» bezeichnet, und letztere
ist als dasjenige definiert, was Dinge aus dem potentiellen ins aktuelle
Sein überführen kann 83, d. h. nach arabischer philosophischer D enk­
weise, als die schöpferische Essenz Gottes und der Seele. Diese wird -
nach S e n i o r - erst dann «frei», d. h. wirksam, wenn der Alchemist sein
Denken durch subtiles Meditieren «geklärt» hat.
Für einen mittelalterlichen Menschen des christlichen Kulturberei- 87
ches war diese typisch islamisch-mystische Vorstellung nicht ohne wei-

82. Dem Saturn ist das Blei zugeordnet, in welchem nach alchemistischer An­
schauung oft das Geheimnis verborgen liegt. Im Blei, d. i. der Arkansubstanz wohnt ein
Dämon (O lympiodor, ed. Berthelot, Coli. Aich. Grecs. II. IV, 3 8 -3 9 , Vol. I, p. 9 2 - 9 3 )
oder eine Seele, welche befreit werden will. Sie ist bei Z osimos als Jungfrau dargestellt
(ebda. III, X X X IV , 1, Vol. I, p. 206 und X L II, Vol. I, p. 2 1 3 ). Auch bei dem späten
Autor H. K unrath, Von Hylealischem Chaos, 1597, p. 194 ff. ist der Mittelpunkt der
W elt «der uhralte Saturnus . . . das geheimnisreiche Blei der Weisen». Mylius , Philo­
sophia Reformata, 1622, p. 142, nennt das Blei «Wasser der Weisheit». Und
J oh. Grasseus sagt (Arca Arcani, Theatr. Chem. 1659, IV, p. 314, cit. J ung, Psycho­
logie und Alchemie, p. 4 6 3 ) das Blei als prima materia sei «die strahlend weiße Taube»,
welche Salz der Metalle genannt werde. «Sie ist jene keusche weise und reiche Königin
von Saba, vom weißen Schleier verhüllt, welche sich nur dem König Salomon ergeben
wollte.» W ie J ung bereits (Psychologie und Alchemie, p. 4 6 3 ) erörtert hat, dürfte
Grasseus den Aurora-Text gekannt haben.
83. De Chemia 1. c. p. 1 1 -1 2 . Vgl. Stapleton , Memoirs 1. c. p. 150.
154 KOMMENTAR

teres assimilierbar; denn nach seiner Auffassung kommt nur Gott allein
unmittelbare Schöpferkraft zu: nur Er kann potentiell Existierendes in
aktuell Existierendes überführen. Immerhin geht aber doch z. B. nach
der Auffassung des St . T h o m a s eine reale Kontinuation der Schöpfer­
kraft Gottes auch durch die menschliche Seele hindurch 84 . Allerdings
schafft diese nicht so unmittelbar wie Gott, sondern als causa secunda8*
unter Zwischenschaltung spezieller Funktionen8 56, welche von der Essenz
8
4
der Seele «fließen» (fluunt ab essentia animae sicut a principio) 87 . Sie
resultieren aus der Seele in natürlicher A rt «wie die Farben aus dem
L ich t888
». Das hieße in moderne Sprache übersetzt nichts weniger, als
0
9
daß die menschliche Seele (w ie Gott) schöpferisch in die physikalisch­
chemischen Naturvorgänge eingreifen könne. W enn somit der Autor
der Aurora die S e n io r s c h e «liquefactio» innerpsychisch als ein Fließen
des Geistes interpretiert, aus dem die alchemistische Metallverwandlung
resultieren soll, so ist es naheliegend, anzunehmen, daß auch er an eine
solche aus der Essenz der Seele fließende Funktion denkt, welche aktuel­
les Sein mitteilen und äußere materielle Veränderung vornehmen kann.
Es gehört nämlich nach St . T h o m a s besonders zu den Eigenschaften der
Seele eines von der Sapientia Erleuchteten8?, daß ihm per virtutem D ei
auch die Materie außerhalb seines Körpers gehorche ?°. Seine Seele kann
in das physische Naturgeschehen verändernd einwirken.

84. Die Seele ist eben actus primus ordinatus ad actum secundum. Summa I, 77,
1. Resp. Näheres vgl. E. Gilson, L’esprit de la Philosophie medievale 1. c. p. 248.
85. Vgl. E. Gilson, Pourquoi St. Thomas 1. c. p. 11.
86. facultates.
87. Summa I, 77, Art. 5. und Art. 6. et Resp. Die Ansicht von W ilhelm von
A uvergne ist in dieser Hinsicht extremer: de anima III. pars. 6, wonach die Seele
direkt durch ihre einfache, gottähnliche Essenz operiert. Vgl. E. Gilson, Phil. Med.
1. c. p. 248.
88. Summa 1. c. Art. 6. und Art. 7. per aliquam naturalem resultationem . . . ut ex
luce color.
89. d. h. Propheten.
90. Quaest. Disp. S. T homae A quinatis, Lugduni ap. Rovillum. 1568. fol. 292-293.
Quaest. Duodemica De Prophetia. Art. III: Praeterea ex causis naturalibus non potest
accipi significatio super ea, quae naturaliter non fiunt, sed Astrologi accipiunt signi­
ficationes super prophetiam ex motibus corporum coelestium, ergo prophetia est natu­
ralis. Praeterea Philosophi in scientia naturali non determinaverunt nisi de his qua
naturaliter possunt accidere determinavit autem Avicenna in libro sexto de Naturalibus
de prophetia etc. Praeterea prophetiam non requiruntur nisi tria, scilicet claritas intelli-
gentiae et perfectio virtutis imaginativae et potestas a n im a e , ut e i m a te r ia e x t e r io r
o b o e d ia t , ut Avicenna ponit in sexto de Naturalibus, sed haec tria possunt accidere natu-
KOMMENTAR 155

Eine interessante Darstellung dieser eigenartigen Auffassung findet


sich ferner in dem A lbertus M agnus zugeschriebenen Traktat, der den
Titel «De mirabilibus mundi» trägt und dessen Echtheit, wie Lynn
T horndike betont?1, zu Unrecht bestritten wird. A lbertus sagt dort 92:

raliter. - Nach thomistischer Auffassung ist aber Gott das einzige Wesen, das nicht
in aktuelles Sein und potentielles Sein zerfällt, sondern das n u r a k t u e lle s S ein u n d d i e
Q u e lle a lle s S ein s darstellt. (Vgl. hiezu Gilson a. a. O., bes. Belege p. B 237 und p. 315:
De ente et essentia: P rim u m E n s est A c tu s P u ru s, o m n ia v er o a lia e n tia co n sta n t e x
p o t e n t ia e t a ctu . . . S o lu s D e u s est su u m e s s e in o m n ib u s a u tem a liis differt essentia
rei et esse eius.) Gott ist «maxime verum» und «maxime ens» (Compendium theo­
logiae cap. L X IX .) und daher auch Ursache der m a te r ia p rim a , die ihr «esse in poten­
tia» von Ihm erhalten hat. Er ist dasjenige Wesen, welches ferner das aktuelle Sein
allen anderen Dingen mitteilt (Contr. Gent. II. 15.), und sie durch seine p r o v id e n tia
(vgl. diesen Begriff in der Aurora cap. I ! ) im Sein erhält. (Nihil enim dat esse nisi
inquantum est ens in actu. Deus autem conservat res in esse per suam providentiam
Contr. Gent. III. 66.) Er tut das aber nicht immer direkt, sondern auch indirekt durch
Vermittlung von anderen «causae naturales» (Neque est superfluum, si Deus per se
ipsum potest omnes effectüs naturales producere quod per quasdam alias causas pro­
ducantur. Non enim hoc est insufficientia divinae virtutis sed ex immensitate bonitatis
ipsius, per quam suam similitudinem rebus communicare voluit, non solum quantum
ad hoc quod essent sed ad h o c q u o d a lio r u m c a u sa e es se n t. (Contr. Gent. III. 70.),
denen er aus Güte es verlieh, «Sein» produzieren zu dürfen. Wenn ein Ding aber zur
Ursache des Seins (causa essendi) wird, so kann es das nur, wenn es a g ie r t in n e r h a lb
d e r virtu s D e i (Kraft oder Macht Gottes). (Nihil autem est causa essendi nisi inquan­
tum in virtute D e i . . . Contra Gent. III. 66.) N u r e x v irtu te d iv in a kann ein Ding einem
anderen Ding Sein geben. ( E x v irtu te ig itu r d iv in a e s t quod aliquid det esse. Contra
Gent. III. 66.) O m n e ig itu r o p e r a n s o p e r a t u r p e r v irtu tem D e i. (Contr. Gent. III. 67.)
«Deus est causa operandi omnibus operantibus». (Contra Gent. III. 67.) Solche inter­
mediären «causae» im Naturgeschehen, deren Gott sich instrumentell bedient, sind
z. B. die Himmelskörper. (Vgl. L. T horndike, History of Magic etc. Vol. II a. a.
p. 607.) Ebenso besitzt nach St. Thomas die menschliche Seele jene Gabe als «causa
secunda» nach Gott zu wirken; sie teilt der Materie das «esse actuale» mit und schafft
sich so die individuelle leibseelische Einheitserscheinung; sie gibt als Form der nur
potentiä existierenden Körpermaterie den «actum essendi», und ist ihr auch deshalb
überlegen, denn das «esse in actu» ist höherstehend als das «esse in potentia». Dieses
esse in actu entsteht aber nur durch Berührung mit Gott und durch dessen Gnade und
erleuchtende Wirkung. Die Seele kann sogar auch außen materielle Effekte erzeugen.
Vgl. Forest, La structure du concret etc. 1. c.p. 267-280. Vgl. ferner über die physi­
kalischen Ideen von St . T homas: G. Stanghetti, Da S. Tommaso a Max Planck. Acta
Pont. Academiae Romanae S. Thomae Aq. et Religionis Catholicae. Vol. IX , p. 53 ff.
Rom-Turin 1944 passim.
91. History of Magic etc. Vol. II, p. 723.
92. Ich citiere nach einer undatierten Inkunabel der Zentralbibliothek in Zürich
Gal. II App. 4293- Liber aggregationis seu secretorum Alberti etc. Daselbst findet sich
auch ein Druck Lugduni 1582 und von H. Quentell, Köln ca. 1485. Vgl. auch hiezu
C. G. J ung, Synchronizität, in C. G. J ung - W . Pauli, Naturerklärung und Psyche.
1. c. p. 34-35.
156 KOMMENTAR

«Ich fand (diesbezüglich seil, der M agie) eine einleuchtende D ar­


legung im sechsten Buch der Naturalia von A vicenna, daß der mensch­
lichen Seele eine gewisse K raft (virtus), die Dinge zu verändern, inne­
wohne und ihr die anderen D inge untertan seien; und zwar dann, wenn
sie in einem großen Exzeß von Liebe oder Haß oder etwas Ähnlichem
hingerissen ist 93. W enn also die Seele eines Menschen in einen großen
Exzeß von irgendeiner Leidenschaft gerät, so kann man experimentell
feststellen, daß er (der Exzeß) die D inge magisch bindet und sie in
eben der Richtung hin verändert, wonach er strebt. Und ich habe dies
lange nicht g e g l a u b t 9% aber nachdem ich nigromantische Bücher und
Bücher über Zauberzeichen (imaginum) und M agie gelesen habe, fand
ich, daß ( w irklich) die Emotionalität (affectio) der menschlichen Seele
die Hauptwurzel all’ dieser Dinge ist sei es entweder, daß sie wegen
ihrer großen Emotion ihren Körper und andere Dinge, wonach sie ten­
diert, verändert oder daß ihr wegen ihrer W ürde die anderen, niedrige­
ren Dinge untertan sind oder, sei es, daß mit einem solchen über alle
Grenzen hinausgehenden Affekt die passende Sternstunde oder die astro­
logische Situation oder eine andere K raft parallel läuft und wir (in­
folgedessen) glauben, daß das, was diese K raft mache, dann von der
Seele bewirkt w ürde. . . W er also das Geheimnis hievon wissen will,
um jenes (Phänomen) zu bewirken und aufzulösen, der muß wissen,
daß jeder alles magisch beeinflussen kann; wenn er in einen großen Ex­
zeß gerä t. . . und er muß es dann eben gerade in jener Stunde tun, in
welcher ihn jener Exzeß befällt und mit den Dingen tun, die ihm dann
die Seele vorschreibt *6. D ie Seele selber ist nämlich dann so begierig
nach der Sache, die sie bewirken will, daß sie auch von sich aus die
bedeutendere und bessere Sternstunde ergreift, die auch über den Din- 9 6
5
4
3

93. quando ipsa fertur in magnum amoris excessum aut odii aut alicuius talium.
94. fertur in grandem excessum alicuius passionis invenitur experimento manifesto
quod ipse ligat res et alterat ad idem quod desiderat et diu non credidi illud.
95. inveni quod affectio animae hominis est radix maxima omnium harum rerum
seu propter grandem affectionem alteret corpus suum et altera, quae intendit sive
propter dignitatem eius oboediant ei res aliae viliores seu cum tali affectione exter­
minata concurrat hora conveniens aut ordo coelestis aut alia virtus, quae quodvis faciat,
illud reputavimus tunc animam facere . . .
96. Qui ergo vult s c ir e huius rei secretum ut operetur illud et dissolvat, sciat quod
ligare potest omnis omnia quando venit in grandem excessum . . . et debet facere hoc
in illa hora, in qua invadit eum ille excessus et cum illis rebus quas sibi dictat
tunc anima.
KOMMENTAR 157

gen waltet, die besser zu jener Sache passen 97 . . . Und so ist es die Seele,
die die Sache intensiver begehrt, die die Dinge mehr wirksam und dem
ähnlicher macht, was herauskommt. Denn die Wissenschaft ist die Her­
stellung der Bildzeichen (characteres) . . . In ähnlicher W eise nämlich
funktioniert die Herstellung bei allem, was die Seele mit intensivem
Wunsche begehrt. Alles nämlich, was sie auf jenes zielend treibt, hat
Bewegkraft und Wirksamkeit nach dem hin, was die Seele ersehnt^.»
A l b e r t u s kommt somit, A v ic e n n a folgend, zur Überzeugung, daß
alle M agie und okkulten Techniken (inklusive die alchemistische M etall­
verwandlung) letztlich und prinzipiell aus der menschlichen Psyche zu
erklären seien und zwar, daß sie dann von ihr erzeugt werden, wenn
sich der Mensch in einer A rt von Ekstase oder Trance befindet (wir
würden sagen in einem völlig unbewußten Zustand), und daß bei sol­
chen Zuständen materielle äußere Begleiterscheinungen zu beobachten
sind, wie sie uns heute hauptsächlich durch die parapsychologischen For­
schungsergebnisse bekannt sind 99,
Es handelt sich, wie J u n g - der diese ALBERTUS-Stelle anführt - dar­
gelegt hat I0°, um ein Phänomen, das er als Synchronizität bezeichnet hat,
d. h. um die eigenartige Tatsache, daß besonders bei der Konstellation
archetypischer unbewußter Inhalte ein nicht-psychisches Geschehen mit
dem inner seelischen Geschehen sinngem äß ko’inzidiert, ohne daß ein
Kausalzusammenhang festgestellt werden könnte. Das «magische» D en­
ken der Primitiven scheint z. T. auf der Beobachtung solcher Tatsachen
zu beruhen. Es ist bemerkenswert, daß sich A l b e r t d e r G r o s s e , der
Lehrer von T h o m a s , für solche Phänomene experimentell interessierte
und sie - wie schon A v ic e n n a - mit der menschlichen Psyche, wir wür­
den heute sagen, dem Unbewußten, in Verbindung brachte. D er «Her­
stellung der Charaktere» entspräche nach heutiger Auffassung die
Schaffung der passenden Symbole, durch welche das Unbewußte sowohl

97. Ipsa enim anima cum sic est avida rei quam ipsa vult operari, arripit ex se
horam maiorem et meliorem quae est et super res magis convenientes ad illud . . .
9 8 . Et sic anima, quae est magis desiderans rem, ipsa facit eas magis efficaces et
magis habentes similitudinem eius quod venit; nam scientia est factio caracterum . . .
Similiter enim est operatio in omnibus quae desiderat anima forti desiderio. Omnia
enim quae tunc agit illud intendens, movent et efficaciam habent ad id, quod anima
desiderat.
99. Vgl. u. a. z. Β. J. Β. Rhine, The Reach of the Mind, New York 1947.
100. C. G. J ung und W . Pauli, Naturerklärung und Psyche. J ung, Synchronizität
als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge. Zürich 1952, p. 34 ff. und passim.
158 KOMMENTAR

konstelliert, als auch ausgedrückt ist. W a s J u n g s Interpretation von der


m ittelalterlichen unterscheidet, liegt darin, daß die m ittelalterlichen
Philosophen dieselben Zusam m enhänge noch (w ie die P rim itiven ) als
«m agische K ausalität» deuteten, w ährend J u n g dieselbe A rt des G e­
schehenszusam m enhanges als akausal-synchronistisch bezeichnet. D a ­
durch verm eidet er eine regressive V erm ischung des m odernen w issen­
schaftlichen Kausalitätsbegriffes m it der alten vorw issenschaftlichen
«m agischen K ausalität» und stellt vielm ehr im B egriff der Synchronizität
eine neue grundlegende K atego rie der N atu rerk läru n g auf.
L eid er konnte ich m ir von der Q uelle des A l b e r t u s , d. h. von A v i-
cen n as T rak tat « D e A n im a», der dam als meistens als «L ib er sextus
naturalium » zitiert w urde, nur die V en ed iger A usgabe von 1 5 0 8 v er­
schaffen101, in w elcher die A bschnitte über M agie, A lch em ie und okkulte
W issenschaften von den A ugustinerm önchen des K losters St. Joh ann de
V iridario teilweise gestrichen w orden sind. Im m erhin g eh t aus den er­
haltenen Partien hervor, daß A v ic e n n a in der m enschlichen Seele nicht
nur denjenigen F ak to r sah, der «als ,F o rm ’ die G rundkräfte und das
M aterial zu ihrem eigenen K ö rp e r zusam m enträgt und auf b a u t102103» , son­
dern auch außerhalb des eigenen K örpers materielle Wirkungen aus­
strahlt, w odurch sich viele sog. W u n d ertaten , wie K rankenheilungen
usw. erklären lassen I03. «U n d so ist es nicht zu verw undern, w enn eine
edle und starke Seele sogar in ihrem W irk e n über den eigenen K ö rp er

1 0 1 . A v ic e n n e perhypatetici philosophi ac medicorum facile primi opera in lucem


redacta ac nuper quantum ars niti potuit per canonicos emendata. Venetiis 1508. Vgl.
zu dieser Schrift P. H a n e b e r g : Zur Erkenntnislehre von Ihn Sina und A lbertu s
M a g n u s . Abh. der K. bayr. Acad. d. Wissensch. I. CI. X I. Bd. I. Abtl. München, 1866.
1 0 2 . Ebda. Fol. 3. Ipsa est congregans principia et materias sui corporis . . . servans
corpus etc. Vgl. die Stelle im Prooemium: scientia enim de anima maius adminiculum
est ad cognoscendas dispositiones corporales etc. Und Cap. I: «Dicemus igitur nunc:
quod anima potest dici vis vel potentia comparatione a ffe c t io n u m q u a e em a n a n t a b illa .
Similiter potest dici vis ex alio intellectu: comparatione scilicet formarum sensibilium
et intelligibilium, quas recipit: potest etiam dici forma comparatione materiae, in qua
existit ex quibus utriusque constituitur substantia vegetabilis aut animalis etc.» Die
Seele ist finis et perfectio jeder Sache, der sie hilft ad opera vitae. Sie ist auch das
principium generationis et vegetationis. Vgl. auch fol. 3: ergo ipsa est vis animae haben­
tis alias vires quarum una haec est, quae omnes operantur ad hoc ut perveniat aptitudo
instrumentorum ad perfectiones secundas ipsius animae, cuius vis haec est, et haec est
anima animalis.
103. Er betont auch, daß die V o r s te llu n g von Krankheit und Gesundheit in der
Seele eine verändernde Wirkung auf den Körperzustand hat. Die Seele ist eben der
Körpermaterie nicht verhaftet (impressa), so daß sie sie willkürlich verändern kann.
KOMMENTAR 159

hinausgeht, so daß sie (w en n sie nicht in die Leidenschaften des K ö rp ers


versunken i s t . . . ) K ran k e heilen und schlechte M enschen schwächen
kann, und daß es ihr sogar m öglich ist, sich die N atu ren geneigt zu
m achen und in ihrem Interesse d ie E lem en te zu verw andeln, so daß, was
nicht F eu er ist, fü r sie F eu er wird, und was nicht E rde ist, fü r sie Erde
wird, und d aß nach ihrem W unsch R egen und Fruchtbarkeit eintreten
usw . io4.» «U n d dies alles geschieht nach der ,virtus intelligibilis’, denn
es ist durchaus m öglich, daß ihrem W o lle n auch das Sein folge, was
davon abhängt, daß die M aterie sich in die G egensätze zu w andeln
p flegt. D enn die M aterie g ehorcht ihr (d e r Seele) von N a tu r und w ird
(jew eils) zu derjenigen M aterie, die sie (h a b e n ) w ill, denn sie gehorcht
gänzlich d er S eele und g ehorcht ihr noch viel m ehr, als w enn (n u r ) die
G egensätze auf sie einw irken.» U n d dies ist nach A v ic e n n a auch einer
der G rundfaktoren der Prophetie, denn es gibt in der Seele, w ie gesagt,
eine Eigenschaft, die von der Im agination a b h ä n g tIO*. Sie ist bedingt

104. cit. aus Kap. IV, 1. c.


105. Venediger Ausgabe 1. c. De anima, Kap. 4: «Non autem dicimus ad summam,
quod ex anima solet contingere in materia corporali permutatio complexionis quae
acquiritur sine actione et passione corporali ita quod calor accidat non ex calore et
frigiditas non ex frigido. Cum enim imaginatur anima aliquam imaginationem et corro­
boratur in ea, statim materia corporalis recipit formam habentem comparatio (nem )
ad illam aut qualitatem . . . p le r u m q u e a u tem n o n p er m u ta n tu r (scii, principia) n is i
p e r c o n tra r ia q u a e su b sistu n t in e is . . . Attende dispositionem infirmi cum credit se
convalescere aut sani cum credit se aegrotare, multoties contingit ex hoc, ut cu m c o r r o ­
b o r a tu r fo r m a in a n im a eiu s, p a tia tu r e x e a ip s u s m a te r ia e t p r o v e n ia n t e x h a c sa n ita s
a u t in firm ita s et est a c tio h a e c e ffic a c io r q u a m id , q u o d a g it m e d ic u s in stru m e n tis su is
et m e d i i s . . . Ergo cum esse formarum impressum fuerit in anima et constat animae
quod habent esse, continget saepe materiam pati, ex eis quae solent pati, ex eis, ut
habeant esse . . . M u lto tie s a u tem a n im a o p e r a tu r in c o r p o r e a lie n o sic u t in p r o p r io
q u e m a d m o d u m est opus oculi fascinantis et aestimatione operantis. (= Suggestion)
I m m o cu m a n im a fu e r it con stan s, n o b ilis , s im ilis p r in c ip iis , o b o e d ie t e i m a ter ia , q u a e
est in m u n d o et patitur ex ea et invenitur in materia quidquid formabitur in illa, quod
fit propter hoc, quod a n im a h u m a n a , sicut postea ostendemus, n on es t im p r e s s a in m a te r ia
su a, s e d es t p r o v id e n s e i , et quoniam quidem propter hunc modum colligationis p o t e s t
ip s a p e r m u ta r e m a ter ia m c o r p o r a le m , ab eo quod expetebat materia eius. Tunc non est
mirum, si a n im a n o b ilis e t fo r tis s im a tra n s c en d a t o p e r a t io n e m su a m c o r p o r e p r o p r io
ut cum non fuerit demersa in affectum illius corporis vehementer et propter hoc fuerit
naturae praevalentis constantis in habitu suo, sanet infirmos et debilitet pravos et con­
tingat pronari naturas et p e r m u ta r i s ib i e le m e n t a it a ut, q u o d n o n es t ig n is fia t e i
ig n is e t q u o d n on est terra , fia t e i te r r a et pro voluntate eius contingat pluviae et ferti­
litas sicut contingit absorbitio a terra et mortalitas et hoc totum perveniat secundum
id, quod pendet ex permutatione materiae in contraria. Nam materia oboedit ei natu­
raliter etc.»
160 KOMMENTAR

durch die «virtus sensibilis m otiva desiderativa» in der Seele des P ro ­


pheten Io6. Fern er bilden dabei auch die Sterne einen verm ittelnden F a k ­
tor, indem sie die Seele in der unteren W e lt affizieren io7.

Psychologisch ausgedrückt sind die Sternkonstellationen am H im m el


der O rt, an w elchem die A rchetypen des kollektiven U nbew ußten p ro ji­
ziert erscheinen, wobei - im G egensatz zu M ythen, M ärchen und ande­
ren A usgestaltungen des A rchetypus - dessen Zeitqualität mitberück-
sichtigt ist. T atsächlich ist nun auch die individuelle Psyche (d arin hat
A v ic e n n a rech t) instrum entell der O rt der V erw irklichung des an sich
überpersönlichen und teilw eise sogar nicht-psychischen A rch e ty p u s108.
L etzterer w ird konstelliert, d. h. zu einer verw irklichbaren, sich real aus­
w irkenden M ach t nur dann, w enn eine spezifische Einstellung des B e ­
wußtseins vorherrscht, was A v ic e n n a zu form ulieren versucht, w enn er
betont, daß die K onstellation durch die «scientia» d. h. den «richtigen»
intellectus geschehe. Scientia ist die H erstellu n g der richtigen Im agin a­
tion - der richtigen Symbole. W ie aus den D arlegu n gen des T raktates
«D e mirabilibus m undi» hervorgeh t, h at A l b e r t u s im Prinzip die
H ypothesen A v ic e n n a s angenom m en I09.
Solche Am plifikationen scheinen m ir den dunklen Satz in der A u ro ra
vom «Fließ en des G eistes» zu erhellen und m eine K on jek tu r «Liber
a g g reg atio n is110» zu rechtfertigen ; denn unter diesem T itel w ar der

106. Im 11. Traktat der Metaphysik sagt A v ic e n n a : Prophet sei derjenige: «cuius
anima fit in te llig e n t ia in e ffe c t u », d. h. dessen Seele identisch wird mit dem «intel­
lectus agens».
107. A v ic e n n a , Metaphysik. Kap. V I. Noni tertium, eod. loco: « . . . et a corporibus
celestibus fiunt impressiones huius mundi propter qualitates, quae sunt ei propriae:
et ab illis fluit in hunc mundum et ab animabus etiam illorum fiunt impressiones in
animas huius mundi et ex his intentionibus scimus quod natura, quae est gubernatrix
istorum corporum, est quasi perfectio; et formae fiunt ab anima diffusa vel adjutorio eius.
108. Vgl. C. G . J u n g , Theoretische Überlegungen etc. Von den Wurzeln des Bewußt­
seins, 1. c. p. 579.
109. Sie ermöglichten ihm eine Erklärung und Rechtfertigung einer «guten» Magie,
die ohne Einwirkung von Dämonen stattfinden konnte und eigentlich eine Art höherer
Naturwissenschaft darstellt. Sie beruht - in unsere Sprache übersetzt - auf der richti­
gen Kenntnis der unbewußten Phänomene und deren Konstellation mit Hilfe einer
Bewußtseinseinstellung, welche dem Unbewußten die Kooperation ermöglicht. (Der
Magier oder Magister in diesem Sinn tut das, was ihm die Seele diktiert (dictat) und
mit den Mitteln und zu der Zeit, die ihm die Seele angibt. Das Befolgen der vis desi­
derativa bedeutete ein dem Gefälle der psychischen Energie Folgen.)
1 1 0 . Der lat. Text zeigt folgende Varianten: quando clarificati fuerint animi ex
libro aggregationum haben M. P. die besten Handschriften, congregationem V, ex
KOMMENTAR 161

oben erw ähnte ALBERTUS-MAGNUS-Traktat verbreitet. D as «F ließ en des


G eistes» bedeutet ein Ergriffenw erden von der Sapientia, w odurch die
Seele des A lchem isten nicht nur Erkenntnis, sondern auch m agische
W irk sam k eit im Bereich d er M aterie erlangt. D urch das Lesen des
«Liber aggregationis» näm lich - sagt unser T e x t - g e rä t der G eist in
F lu ß und fo lg t «seinem B egeh ren » (concupiscentiam su a m ). Letzteres
W o r t w irkt zunächst befrem dend, insofern «concupiscentia» meistens
im kirchlichen Sprachgebrauch das sündhafte B egeh ren , «das Fleisch,
das dem G eist w iderstrebt», b e d e u te t 11 x.
D e r Satz in der A u ro ra beruht auf einer Fehlübersetzung des arabi- 9$
sehen SENIOR-Textes. Im O rig in altext n ä m lic h 112 sagt S e n i o r , daß er
durch Inspiration A llahs das Geheim nis der Präparation gefunden und
dadurch die T in k tu r entdeckt habe, w elche die D in g e aus der Potentiali-
tät in die A ktualität überführen könne “ 3 . H ierbei befreie sich der Geist
von seiner Concupiscentia IJ4. D ie lateinische Übersetzung aber sagt: der

libris agnitionum B, D L. Ich nehme an, daß M und P dem Urtext am nächsten stehen
und conjiziere daher nur die Singularendung aggregation/j statt -u m , weil ich annehme,
daß der Text sich auf die Schrift dieses Titels bezieht, zumal da es sich hier tatsächlich
um eine grundsätzliche Abklärung des Problems der Alchemie handelt, wie dies inhalt­
lich zu fordern wäre.
1 1 1 . Vgl. z .B . T homas von Aquin, De Malo 9 IV a 2 : die Definition, sie sei
prava desideria, quae homo invitus patitur. Vgl. ferner z. B. Augustinus, Sermo CLII. 4
Migne, P. L. tom. 38. coi. 821. und Röm. V II. 14. und I renaeus, Adv. Haeres.
1 . 2 . Kap. 2 . Migne P. G. tom. 7. coi. 959. J oh. Chrysostomus, Gen. Homil. X V . 4.
u. a. m. Die Concupiscentia ist «aliquid materiale». Näheres vgl. den Artikel «Concu-
piscence» im Dictionnaire de Theologie Catholique ed. V acant-Mangenot Paris 1911.
112. Vgl. Ε. Stapletons Erläuterungen zum arabischen Original in «Memoirs of
the Asiatic Soc. of Bengal», Vol. X II, Calcutta 1933, p. 150. Es heißt dort an jener
Stelle: Da die Praeparation schwierig, delikat, leicht, maßvoll, ungewichtig und nahe­
liegend ist, erkennt sie derjenige, der erfinderisch ist, durch subtiles Unterscheiden,
wenn die Geister geklärt sind, durch die hinterlassenen Bücher, welche die Philosophen
verborgen haben, eben wegen der Praeparation, welche zu den schwierigen Dingen
gehört. . . Sie (die Tinktur oder Praeparation) wurde aber verborgen gehalten, damit
nicht jeder Geist sein Begehren erkenne.» Er «fließt», wie die Sehenden wohl sagen
würden. (Von mir übers.) lat.: . . .nec cognoscat. Omnis animus concupiscentiam suam
fluit: quod videntes dicant. Die Interpunction ist natürlich rein willkürlich. Ich ziehe
daher «cognoscat omnis» zusammen und setze ein Semikolon vor «fluit».
113. Keine «Tinktur» enthalten nach Senior diejenigen Dinge, die «zum Nichts»
streben. (D e Chemia 1 5 6 6 , p. 1 2 .)
114. Vgl. G erhard D orn, Speculativa Philosophia, Theatr. Chem. 1 6 0 2 , Bd. I,
p. 264, zit. aus C. G. J ung, Psychologie und Alchemie, p. 366: «In dieser Wahrheit
besteht die ganze Kunst, daß der Geist (spiritus) dieser Art von seinen Fesseln befreit
werde, nicht anders als wie schon gesagt der Verstand (mens) vom Körper (nämlich
moralisch) freigemacht werden soll.»
162 KOMMENTAR

G eist erken n e seine Concupiscentia und fließe U n d in der A u ro ra


w ird dies noch einm al dahin um gedeutet, daß der G eist - verflüssigt -
seiner concupiscentia fo lg e .
D e r A u tor der A u ro ra h at offenbar den an sich etwas dunklen Satz
S e n io r s so au fg efaß t, daß der G eist die schw ierige und verborgene P rä ­
paration dann zustande bringe, w enn er gleichsam die W u rz e l seines
eigenen Strebens, die concupiscentia, erkenne und ihr zu folgen beginne.
Psychologisch h ieße dies, daß er dem natürlichen G efä lle der psychi­
schen Energie in sich selber nachzugehen beginne.
D er vorhergehende Satz in der A u ro ra: «U n d sie selbst w ird deine
Schritte lenken», beweist, daß es sich hiebei um ein W irk e n der Sapien­
tia handelt, w elches sich praktisch als ein Fasziniertsein oder V erlo ck t­
w erden äußert. D ies w eicht insofern nicht allzuw eit von den zeitgenös­
sischen scholastischen A nschauungen ab, als viele Philosophen annah-
m en, daß jedem Erkenntnisakt ein gewisser «am or» oder «appetitus
naturalis» vom Erkennenden zum O bjekt hin v o ra n g e h e 116. N a ch B e r n ­
hard von C l a i r v a u x beginnt sogar unsere G ottesliebe und überhaupt
alle höhere Liebe zuerst bei der Concupiscentia, denn diese ist letzlich
der N atu rtrieb jedes W esen s zur eigenen V ollendung. A uch nach
St . T hom as strebt der letzte innerste N atu rtrieb jeglicher K reatu r nach
seiner «p erfectio» und dam it nach der «sim ilitudo d iv in a 11?». T homas

115. Eine spätere lat. Schrift, das sog. C o n s iliu m C o n iu g ii d e m a s sa S o lis e t L u n a e


(Ars. Chemica 1566, p. 153) interpretiert diese selbe SENIOR-Stelle negativ: der Geist
folge seinem Begehren, d. h. seinem unbegründeten Wahn, er «fließt», d. h. wogt
auf und ab und divagiert auf vielen Irrwegen. (Omnis animus sequens concupiscen­
tiam i. e. opinionem suam vanam fluit, i. e. fluctuat et divagatur per diversas vias
erroneas.)
1 1 6 . Vgl. z. B. W it e l o , Liber de intelligentiis X V III, 2 (ed. Bäumker, Beiträge zur
Gesch. d. Philos. d. M. A., Bd. III, Heft 2 , Münster 1 9 0 8 ): amor vel delectatio natura­
liter . . . antecedit cognitionem. Nisi enim esset aliquis appetitus substantiae cogno­
scentis ad ipsum cognoscibile, numquam esset ordinatio huius ad hoc nec perficeretur
unum ab alio. Auch T h om as v o n A q u in (Summ, theol. I q. 60 a 1 ) nahm eine solche
inclinatio, amor oder appetitus naturalis als Ursache alles Erkennens an. (Vgl. Summa I,
Ilae 7 a 2 .) - Vgl. auch St . B er n a r d u s , De Diligendo Deo ad Haimericum (um 1126)
Migne P. L. tom. 186, col. 973 sq. (cap. V III 23). Quia carnales sumus et de carnis
concupiscentia nascimur n e c e s s e es t u t c u p id ita s v e l a m o r n o s te r a c a r n e in c ip ia t , quae
si recto ordine dirigitur quibusdam gradibus duce gratia, proficiens spiritus tandem
consumabitur.
117. Vgl. E. G il so n a. a. O. p. 149: Unumquodque tendens in suam perfectionem
tendit in divinam similitudinem. Vgl. auch De veritate X IV , 1 0 Resp. (cit. G il so n
1. c. p. 2 25): Ultima autem perfectio ad quam homo ordinatur consistit in perfecta Dei
cognitione.
KOMMENTAR 163

bezeichnet diesen «am or boni» als G rundphänom en (ra d ix ) aller ande­


ren S eelen regu n gen II8. D ie concupiscentia oder das desiderium ist nach
ihm eine B ew egun g zum G uten hin “ 9. Sie entsteht auf G rund der
Erkenntnis des B egeh rten, bzw. aus der K on tem p lation des G uten und
Schönen I2°. D ie B ew egun g des Liebens ist som it eine kreisförm ige, und
der «am or» ist die eigentliche virtus u n itiv a I23C. E r sucht die Einheit im
Sinne einer V ollen d u ng der N a tu r. D as Streben nach perfectio ist sogar
der M aterie e ig e n I22. H ieraus erklärt sich w ohl die A nd eu tu n g in der
A u rora, w onach durch die B erüh ru n g m it der Sapientia D ei das m ensch­
liche W esen «fließt» I23 und seinem natürlichsten B egeh ren (näm lich

118. In II, Sent. Dist. I Qu. 2 Art. 2 . Resp. und Contr. Gent. III, 19 und 2 0 .
Summa I, 2 0 , I: Unde Amor naturaliter est primus actus. Vgl. hiezu T h. Steinbuechel,
Der Zweckgedanke in der Philosophie des Thomas von Aquin. Beitr. z. Gesch. d. Philo­
soph. des Mittelalters. Vol. 1 1 . 1913. passim.
119. Summa theol. Editio Leonina, tom. V I, pars I, secundae Quaest. 25, Art. 2 :
Amor . . . est prima passionum concupiscibilis . . . Amor est appetitus ad bonum . . .
Motus autem ad bonum est desiderium vel concupiscentia, quies autem in bono est
gaudium et delectatio. Vgl. ebda. Quaest. 27, Art. 1 und Quaest. 36, Art. 2 : Sed quia
concupiscentia vel cupiditas est primus affectus amoris quo maximo delectamur ut
supra dictum est. Ideo frequenter Augustinus cupiditatem vel concupiscentiam pro
Amore p onit. . . Art. 3: Die Liebe strebt nach Unitas im Sinne einer perfectio naturae. -
Psychologisch wäre hiezu einzuwenden, daß der Seele auch ein «amor mali» natürlicher­
weise innezuwohnen scheint.
1 2 0 . ebda. Quaest. 27, Art. 2 : Contemplatio spiritualis pulchritudinis vel bonitatis
principium amoris spiritualis. Sic igitur cognitio est causa amoris ea ratione qua est
bonum, quod non potest amari nisi cognitum.
1 2 1 . ebda. Quaest. 26, Art. 3: Appetitivus motus circulo agitur ut dicitur in tertio
de anima . . . Unde et D ionysius dicit (de div. Nom. cap. 4) quod amor est virtus unitiva
et Philosophus dicit in II. Polit, quod unio est opus amoris.
1 2 2 . Quaest. disp. de malo I, 2 . Resp. Nec ista hyle malum dicenda est. Contra
Gent. I, 44, 4. Resp. Et una quaeque creatura intendit consequi suam perfectionem,
quae est similitudo perfectionis et bonitatis divinae. Sic ergo divina bonitas est finis
rerum omnium. (Vgl. E. G ilson, Phil. med. 1. c. p. 274-275.) Vgl. auch das Avicenna-
citat in Meister Eckhardts Kommentar zur Weisheit Salomonis (G . T hery, Le com-
mentaire usw. p. 348 aus Avicenna V III Buch des M etaph.): id vero quod desiderat
omnis res, est esse et perfectio in quantum est esse. Privacio vero in quantum est
privado non desideratur. Das Böse ist letzlich nur eine privatio boni und nur per
accidens wirklich. (Summa 1. c. Pars I, Quaest 63, Art. 4.) Es gibt keine natürliche
Neigung zum Bösen, nicht einmal bei den Dämonen. Vgl. auch Pars. I, 48, 1 . ad 1 m
und De malo 1 . 1 . Resp: Sogar eine böse Tat ist, soweit sie «actus» ist, von Gott.
Dasjenige was nämlich zuerst unsren W illen und Intellekt in Bewegung setzt, ist etwas,
das höher steht als W ille und Intellekt, nämlich Gott. (De malo 9. 6 .) Vgl. J ungs
Kritik dieser Auffassung einer «privatio boni» in «Aion», 1. c. p. 7 5 ff.
123. Vgl. zu diesem Motiv Psychologie und Alchemie 1. c. p. 5 6 6 und Myst. Coni.
Vol. I p. 98 und p. 163 ff. Die Anspielung auf das Inzestmotiv gibt auch den Bibelzitaten
164 KOMMENTAR

offenbar nach eigener V ollen d u ng und Erkenntnis G ottes) zu folgen


beginnt.

98 Text: Und Salomon: «Kind hänge sie um deinen Hals und schreibe sie auf
die Tafeln deines Herzens und du wirst finden. Sprich zur Weisheit: Du bist
meine Schwester und die Klugheit nenne deine Freundin!»
99 In der Beschreibung der Sapientia als Schwester und F reu nd in ist
w ohl au f das klassische alchem istische M o tiv des B ruder-Schw ester­
inzestes an g esp ie lt I24. D ie G eschw ister w ären hier die Sapientia und der
A lchem ist. G ew öhnlich w urden die zitierten B ibelw orte au f M aria
bezogen.

100 Text: «Denn über sie (die Weisheit) nachzudenken ist ein völlig der Natur
entsprechendes und feines (subtiles) Wahrnehmen, das sie (die Weisheit)
zur Vollendung bringt. Und diejenigen, die ihretwillen wach bleiben, wer­
den bald geborgen sein usw.. . . Denn sie geht ja selbst umher und sucht,
wer ihrer wert sei und erscheint ihm voller Freude unterwegs und eilt ihm
in aller Voraussicht entgegen. Denn ihr Anfang ist die wahrste Natur, von
der kein Betrug kommt.»
101 G em äß dieser T extp artie w ird der A lchem ist nicht nur von der Sapien­
tia D ei erleuchtet, sondern gleichzeitig b ringt sein D enken sie, die
Sapientia, zur V ollen d u ng (eam p erficien s), und zw ar durch einen
«sensus valde naturalis et subtilis». D ieser B egriff d ü rfte auf denjenigen
eines «sensus naturae» von W il h e l m von A u verg n e (d en letzterer
seinerseits von A v ic e n n a h a t) I2* zurückgehen. A l b e r t u s M agnus hat

von der auf der Straße gehenden und rufenden Sapientia Dei hier eine eigenartige Fär­
bung: sie tritt auf wie eine meretrix. Dies ist nicht zufällige Formulierung, denn sie
ist, wie schon aus dem Vorhergehenden hervorging, die prima materia, und diese wurde
von den Alchemisten tatsächlich u. a. als meretrix (Hure) bezeichnet. Sonst wurde auch
diese Stelle auf Maria gedeutet.
124. d. h. thomistisch gesehen als actus wirksam wird.
125. Der «sensus naturae» ist nach W il h e l m v o n A u v er g n e (De legibus cap. 27.
p. 875 ff. nach T h o r n d ik e a. a. O. Vol. II. p. 348) etwas Höheres als jedes mensch­
liche Erkenntnisvermögen und steht der Prophetengabe nahe. (Vgl. auch Avicenne
perhypatetici philosophi etc. opera 1. c. cap. 4.) Er funktioniert so, wie z. B. ein Hund
Diebe findet oder die Geier Schlachten vorausahnen oder Schafe das Nahen des Wolfes
fühlen, wobei eine Assimilierung des «sensus» an sein Objekt erfolgt. (De Un. II.
pars. I. Cap. 14) Der «sensus naturae» deckt sich somit teilweise mit dem, was wir
heute als Instinkt und teilweise als unbewußte Wahrnehmung bezeichnen könnten.
Vgl. hiezu auch C. G. J u n g , Theoret. Überlegungen 1. c. Von den Wurzeln 1. c.
p. 551-556: P aracelsus ist unmittelbar von A g r ip p a v . N et t e sh e im beeinflußt, welch
letzterer eine «luminositas sensus naturae» annimmt. Davon «stiegen die Lichter der
KOMMENTAR 165

verm utlich bezüglich der A lchem ie eine ähnliche A u ffassu n g; denn er


ru ft in dem (vo n L . T h o r n d ik e fü r echt anerkannten) Libellus de
A lch e m ia 126 die Sapientia D ei um E rleuch tu n g und H ilfe an und bittet
G ott, «durch die G nade seines H l. Geistes sein geringes W issen zu er­
gänzen », dam it er durch seine L eh re «das L ich t, das in der Finsternis
verborgen ist I27» aufzeigen könne und die Irrenden auf den W e g der
W ah rh eit führen k ö n n e 128. D e r göttliche G eist h ilft ihm somit ihn

Weissagung auf die vierfüßigen Tiere, die Vögel und andere Lebewesen herunter»
und befähigten diese der Vorhersage künftiger Dinge. Für den «sensus naturae» beruft
er sich auf G u ilelm u s P a r isien sis in welchem wir W il h e l m vo n A u v er g n e (G . Al ver­
nus f 1249), der um 1228 Bischof von Paris war, erkennen; er verfaßte viele Werke,
von denen z. B. A lb ertus M a g n u s beeinflußt wurde. Vom «sensus naturae» nimmt
Ersterer an, daß er ein höherer Sinn sei als das menschliche Auffassungsvermögen und
insbesondere betont er, daß die Tiere ihn auch besäßen. Die Lehre vom «sensus naturae»
entwickelt sich aus der Idee der Alles durchdringenden Weltseele, mit der sich ein
anderer G u il elm u s P a r isie n sis , ein Vorgänger des A l v e r n u s , nämlich G u il la u m e
d e C o n c h e s ( 1 0 8 0 -1 1 5 4 ) , ein platonischer Scholastiker, der in Paris lehrte, beschäf­
tigt hat. Er hat die anima mundi, eben den «sensus naturae», mit dem Hl. Geiste, ähn­
lich wie A b a ela r d , identifiziert. Die Weltseele stellt eben eine Naturkraft dar, die
für alle Erscheinungen des Lebens und der Psyche verantwortlich ist. W ie ich a. a. O.
gezeigt habe, ist diese Auffassung der anima mundi der alchemistischen Tradition über­
haupt geläufig, insofern der Mercurius bald als anima mundi, bald als Hl. Geist
gedeutet wird.
126. Opera ed. Borgnet, Bd. 37, p. 545 flf. Omnis Sapientia a Domine Deo est et
cum illo fuit semper et est ante aevum (Eccl. I. 1 .). Quicumque ergo diliget sapientiam
apud ipsum quaerat et ab ipso petat, quia ipse dat omnibus affluenter et non impro­
perat (Jac. 1 . 6 .). Ipse est enim altitudo et profunditas omnis scientiae et thesaurus
totius sapientiae: quoniam ex ipso et in ipso et per ipsum sunt omnia (Röm. X I. 36.). -
Es hat allerdings spätere gewisse Additionen z. B. ebda p. 547 ein BACON-Zitat. Vgl.
auch Bern. p. 573. Es ist schon 1350 unter den Werken A lberts angeführt. (Vgl.
L. T h o r n d ik e a. a. Ο. II, p. 571.) - Teilweise gegen die Echtheit äußert sich F. P a n e t h ,
Archiv f. Geschichte der Mathematik, d. Naturwissensch. und der Technik, ed. Schuster,
Leipzig, Bd. X II, Heft 1 , Neue Folge III, 1929 und 1 9 3 0 , p. 408-413. «Über die Schrift
A lberts d e s G rossen De Alchemia». P a n e t h gibt jedoch auf Grund von «De Mine­
ralibus» und des von ihm als echt anerkannten «Tractatus de Metallis et Alchemia» zu,
daß Albert Alchimist war; gegen die Echtheit von De Alchemia hat er keine eindeu­
tigen Argumente. R uska erklärt ( T a b u la S m a r a g d in a , p. 186, Fd. 1 ) diese Schrift für
unecht, ohne darauf einzugehen, desgleichen G. Sa r t o n , Introduction to the Hist, of
Science. Washington 1931, Vol. II, p. 937 ff. Genaueres vgl. U l r . D a e h n e r t , Die
Erkenntnislehre des Albertus Magnus. Leipz. 1934, p. 228-229.
127. Anspielung auf Joh. I. 5.: Et lux in tenebris lucet et tenebrae eam non com­
prehenderunt . ..
128. Ut ...d ig n etu r parvitatem scientiae meae supplere per gratiam sui Spiritus
Sancti ut per meam doctrinam lu m e n q u o d in te n e b r is la t e t , manifestare valeam . . . Vgl.
ferner De rebus metall. Lib. II (ed. Cohn 1569, p. 119), wo dieselbe Geschichte wie
in der Aurora vorkommt, daß der Adamas durch Bocksblut erweicht wird, und ferner
166 KOMMENTAR

selber (d en göttlichen G eist) zu finden, oder die E rleuch tu n g des M en ­


schen geschieht dadurch, daß ihn der H l. G eist zur Entdeckung des «in
der Finsternis verborgenen Lichtes» fü h rt. D iese Idee einer k reisförm i­
gen E inw irkung der W a h rh e it findet sich auch bei STr T h o m a s. N ach
seiner A u ffassu n g erkennen w ir die N a tu r durch den «intellectus spe­
culativus», der sich den D in g en gegenüber passiv-rezeptiv verhält und
so von ihnen den ersten A n trieb (m o tu s) und Bem essung erh ält; die
D in g e selber aber w erden ihrerseits durch den göttlichen Intellekt be­
messen I2i\
D ies kom m t der A u ffassu n g in der A u ro ra sehr nahe, denn nach dem
T e x t erleuchtet die Sapientia D ei den M enschen, so daß er dann m it
H ilfe des «sensus subtilis» die W a h rh e it in der N a tu r findet, deren
eigentlichstes W e se n (verissim a n atu ra) eben w ieder die Sapientia ist *3°.
N a ch m ittelalterlicher A u ffassu n g reicht eben d ie göttliche «sim ilitudo»
bis in d ie physikalische Struktur d er N atur din ge hinab l*x. D aru m heißt
es in der A u ro ra, das N achdenken über die Sapientia D ei sei ein der
N atur entsprechendes W ahrn ehm en *32. Im m erhin ist der ganze Erkennt-

über den Einfluß der Astrologie ebda. p. 99, 201, 241, 253, 257, 274-276 und p. 351.
Auch später betont er in derselben Schrift, daß er nach langen Irrfahrten und Forschen
«nicht durch eigenes Wissen, sondern durch Gnade des Hl. Geistes fand, was er suchte,
sodaß er dann, als er wußte und verstand, w a s d i e N a tu r ü b e r w in d e , sorgfältiger über
die Destillation etc. zu wachen begann».
129. Quaest. Disp. de Veritate 1 . 2 . Resp. Vgl. auch: I p s a e a u tem re s su n t c au sa
e t m en s u ra s c ie n tia e n o stra e, u n d e sic u t et s c ie n tia n o stra r e fe r tu r a d re s r e a lit e r et n on
e c o n tra r io , ita res referuntur realiter ad scientiam Dei et non e contrario. (Quaest.
Disp. De Potentia V II, 1 0 . ad quintum.)
130. Vgl. T h om as v o n A q u in , Summa I a, 16 a, 5 und 6: «res dicuntur verae per
comparationem ad intellectum divinum». Vgl. hiezu A. F o r est , La structure meta­
physique du concret selon St. Thomas d’Aquin, Paris, Vrin 1931, p. 2 1 .
131. Ich folge der Formulierung von E. G il s o n , L’esprit de la Philosophie medie-
vale, a. a. O. p. 147. Vgl. auch u. a. R oger B a c o n , Opera inedita I. S. B r e w e r , Opus
tertium X X IV , p. 82: Ut ostendam quod philosophia inutilis sit et vana, nisi prout
ad sapientiam Dei elevatur. Vgl. auch R o b er t d e G r o sse teste : De unica forma
omnium ed. L. B a u r , Beitr. zur Gesch. d. Philos. im M. A. IX , p. 109: Eo itaque
modo quo forma huius in mente huiusmodi architectoris esset forma domus, est ars,
sive sapientia sive Verbum omnium creatorum. Ipse enim simul et exemplar est et effi­
ciens est in forma data conservans est dum ad ipsam applicantur et revocantur creaturae.
1 3 2 . Diese Idee ist auch bei anderen scholastischen Philosophen zu finden. So sagt
A l c u in (Migne P. L. tom. 1 0 0 . col. 271) die Wahrheit sei von Gott in die Natur hin­
eingelegt worden, wo sie die Weiseren unter den Menschen finden können. W il h elm
v o n A u v er g n e identifiziert die «veritas» einer Sache mit ihrem Sein. (De universo II.
pars I. cap. 35: Veritas enim uniuscuiusque rei non est nisi vel substantia vel essentia
vel esse ipsius.)
KOMMENTAR 167

nisprozeß nicht einfach ein K reisgeschehen, in das der M ensch passiv


eingeschaltet ist, sondern das D azw ischentreten des m enschlichen B e ­
wußtseins h at eine ganzm achende, vollendende Einw irkung au f die
Sapientia, trotzdem letztere den M enschen an U m fa n g überragt u 3 .
D ie Idee eines zirkulären Erkenntnisprozesses spielt auch sonst in der
A lch em ie eine zentrale R olle. So sagt der A lchem ist P e t r u s B o n u s w .
«D ie W ah rh eit ist nichts anderes als eine A n gleich u n g des V erstehens
an die Sache.» O d er: «Die Kunst verjährt auf dieselbe Art wie die
N a t u r 1is.» In einer Q uelle zur A u ro ra, der «D eclaratio Lapidis Physici
Filio suo A boali» des P s .-A v i c e n n a ^ 6 h eiß t es: «U n d es ist d ie N a tu r, die
m it H ilfe des A rtife x das O pus bewirkt ^ 7 .» E in solches «natürliches»
W issen w ird durch intensive M editation über den Stoff errungen und
vollendet rückw irkend die B ew ußtw erdung des A lchem isten. D e r «intel­
lectus» des M enschen ist näm lich eine «vis generativa» (schöpferische
K r a f t) Σ38. So heißt es bereits bei dem sog. OsTANES-Schüler P e t e s i s w .
«D urch N achdenken w ird das W e rk vollendet.» D adurch w ird näm lich
«die im Stoff verborgene N a tu r herausgekehrt χ4°», w elche das M yste-

133. Vgl. auch die Deutung der Sapientia bei G u n d a l is s in u s , De divisione philo­
sophiae prologus: Sapientia est veritas scientiae rerum primarum sempiternarum.
(L. B a u r , Beitr. zur Gesch. der Philosophie d. Mittelalters ed. CI. Bäumker, Bd. IV .
1903. Heft 2-3. p. 8 .)
134. Et quia veritas nihil aliud est quam adaequatio intellectus ad rem. Theatr.
Chem. Bd. V, 1 6 2 2 , p. 667.
135. Et ars eodem modo ut natura operatur, (ebda. p. 745.)
1 3 6 . Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 879: Et natura ipso artifice ministrante operatur.
137. Und zwar wirkt dabei der Sulphur als Lumen Luminum, «und er erleuchtet
alle Körper (M etalle), denn er ist ein Licht und eine Tinctur, welche jeden Körper
erleuchtet und vollendet. Und wenn der Artifex dieser Kunst dieses Licht nicht kennt,
so wandelt er gleichsam im Dunkeln und gerät auf zahlreiche Abwege, weil er sich
von der Wahrheit und Einheit dieser Wissenschaft entfernt hat». (Et illuminat omnia
corpora quoniam est lumen et tinctura illustrans et perficiens omne corpus. Et si artifex
huius magisterii hoc lumen non cognoscit, tamquam in tenebris ambulans per devia
errat propter elongationem eius a veritate et unitate huius scientiae.) - Der Sulphur ist,
wie J u n g oben ausgeführt hat, ein besonders in der späteren alchemistischen Literatur
verbreitetes Bild für das im Stoff verborgene «lumen naturale» als der Erkenntnisquelle
eines natürlichen, der Offenbarung entgegengesetzten Wissens; für die psychologische
Bedeutung weise ich daher auf seine Ausführungen.
1 3 8 . W il h e l m v o n A u v e r g n e , De Trinitate cap. 15: intellectus noster id est vis
intellectiva v is est g e n e r a t iv a et velut matrix quaedam scientiae vel sapientiae.
139. E. v. L ip p m a n n , Entstehung der Alchemie a. a. O. Bd. I, p. 58. M. B e r t h e l o t ,
La chimie au moyen-äge. Bd. I, p. 239.
140. Z o sim os , M. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. IIL X X I , 2 2 , Vol. I, p. 2 0 2 :
εκστρεψον την φύσιν καί εύρήσεις τό ζητούμενον und III. X L V I, 2 , Vol. I, p. 223: 12

12 Jung : Mysterium III


168 KOMMENTAR

rium der Philosophen ist 141. D ies bewirkt das Entstehen des «goldenen
Punktes» in der M a te rie 14*.
D am it ist auf jene psychologische F o rm innerer E rfa h ru n g angespielt,
w elche J ung als «aktive Im agination» bezeichnet h at J43, durch w elche
das Bew ußtsein einerseits die Inhalte des U nbew ußten w ahrnim m t,
andererseits durch A useinandersetzung m it ihnen diese um gestaltet und
integriert *44. In alchem istischer Sprache ist dies die E xtrak tion der «veri­
tas» aus dem Stoffe durch die richtige «theoria» - jene zentrale Präokku­
pation der A lchem isten, w elche Ju n g in « A io n 1^ » und «M ysterium Con-
iunctionis», V o l. I. und II., ausführlich erö rtert hat, so daß ich hier auf
seine D arstellungen verweisen m öchte. A us den dort angeführten Stel­
len, besonders auch den Z itaten aus den W e rk e n G erhard D orns, geht
hervor, daß die Arkansubstanz nichts anderes als das U nbew ußte ist,
w elches durch den «richtigen M agneten » - die w irksam e symbolische
A u ffassu n g - «angezogen» w ird *46, w odurch sich eine Synthese der be­
w ußten und unbew ußten Persönlichkeitsanteile anbahnt. D iese «E s­
senz», w elche es zu extrahieren g ilt, ist in unserem T ext in der Sapientia
D ei personifiziert, w elche auch gleichzeitig, w ie der T e x t ausdrücklich
betont, die «verissim a natura» darstellt, «von der kein B etru g k om m t».
Ä hnlich spricht auch G erhard D orn 147 von einer «veritas», die in den
natürlichen D in g en verborgen s e i 148. D iese « W a h rh e it» sei eine «sub-

φέρε ’έ ξ ω τήν φύσιν τήν ένδον κεκρυμμένην. Der «verborgenen Natur» entspricht in
der Aurora die «verissima natura».
141. ebda. V, II, 8 , p. 340: Wenn du die innere Natur herausbringst, so hast du
das Mysterium der Philosophen erreicht. Ebenso p. 262 ff. und IV, III, II, p. 264 ff.
und II, IV, p. 92-93.
142. ebda. III, V I, p. 129: Diese im Stoff verborgene Natur ist eigentlich «die in
den Elementen gebundene göttliche Seele oder das dem Fleische ( σαρξ ) vermischte
göttliche Pneuma». (Vgl. Buch des So p h e , B e r t h e l o t , Coli.Aich.Grecs. III,X L II, V o l.I
p. 213.) Die Weltseele nannte der Neuplatoniker C elsus (W . B ou sset , Hauptprobl.
der Gnosis, Göttingen, p. 1 1 .) eine fließende Kraft ( δύναμις ρέουσα ) und der Alche­
mist Z osim os (M . B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III, II, Vol. I p. 114.) eine «weibliche
Kraft» ( δύναμις θηλυκή ).
143. Theoretische Überlegungen 1. c. p. 563 ff. und Mysterium Coniunctionis Vol. II
letztes Capitel.
144. Vgl. auch C. G. J u n g s Einleitung zum «Geheimnis der Goldenen Blüte», ed.
R. W il h e l m , Berlin 1929, p. 15 ff. und p. 31 und 6 1 .
145. p. 227 ff.
146. p. 2 3 2 .
147. p. 235.
148. «Das Heilmittel, das jenes verbessert und verwandelt, welches weniger ist,
in das, was es vor der Verderbnis war, und in Besseres, und jenes das nicht ist, in
KOMMENTAR 169

stantia m etaphysica», w elche nicht nur in den D in g en, sondern auch im


m enschlichen K ö rp er verborgen sei. «In co rp ore hum ano latet quaedam
substantia m etaphysica, paucissimis nota, quae n u llo . . . indiget m edica­
m ento, sed ipsa est m edicam entum incorruptum *49...» J ung interpre­
tiert I5°: «D ie L eh re also, w elche die E rw erb un g und das Besitztum des
Bew ußtseins - divino quodam aflatu - bildet, ist zugleich das In stru ­
m ent, welches das O bjekt der doctrina oder theoria aus ihrer G efan gen ­
schaft im ,K ö rp er zu befreien v e rm a g 1*1, denn das Symbol, welches
die L eh re darstellt, bezeichnet und ist zugleich auch das mysteriöse
O bjekt, über welches sie aussagt. D ie L eh re erscheint im Bew ußtsein des .
A depten als ein G eschenk des H eiligen Geistes. Sie ist ein thesaurus als
ein W issen um das G eheim nis der K u n st, näm lich des in der prim a
m ateria verborgenen Schatzes, der als außerhalb des M enschen befind­
lich gedacht ist. D e r Schatz der L eh re und das kostbare A rkanum , das
im dunklen Stoff verm utet w ird, sind eines und d a s s e lb e .. . » F ü r die
nähere psychologische E rk läru n g dieser höchst bedeutsam en Ideen
D orns kann ich au f die A usführungen von J ung, «M ysterium Coniunc-
tionis» (V o l. II, p . 2 6 7 ) , verweisen.
M eines W issens ist die A u ro ra eines der frühesten m ittelalterlichen i05
T raktate, in w elchem die A h n u n g au f keim t, daß es sich beim alchem i-
stischen W e rk u m ein inneres Erleben handelt und daß ein num inoser
Inhalt, die Sapientia D ei (= A n im a ), das G eheim nis sei, w elches der
A d ep t im chem ischen Stoffe sucht.
J ung hat die g ro ß e B edeutung, w elche dieser P rojektion des U nbe- i0<s
w ußten in die M a t e r i e z u k o m m t , im K ap itel «D e r G eist im Stoff»

das, was es sein muß.» 1. c. p. 267. Vgl. auch J u n g , Mysterium Coniunctionis Vol. II
letztes Kapitel.
149. Im menschlichen Körper ist eine gewisse metaphysische Substanz verborgen,
den Wenigsten bekannt. Sie bedarf. . . keines Heilmittels, sondern ist selber das
unverdorbene Heilmittel. 1. c. p. 271. Vgl. auch die von J ung citierten und commen-
tierten Stellen. Mysterium Coni. Vol. II p. 249 ff.
150. Aion p. 236-237. Vgl. J u n g , Myst. Coni. II p. 251 ff.
151. Myst. Coni. II p. 253 ff. bes. p. 2 6 1 ff.
152. Ähnliche Ideen wie bei den Alchemisten finden sich auch im Corpus Herme-
ticum (ed. W . Scott, Hermetica, Oxford 1925 Bd. I, pag. 158), wonach Gott alles Sicht­
bare durch Imagination ( φαντασία ) hervorgebracht habe, und sich infolgedessen in
Allem manifestiere . . . : Er ist in Allem gegenwärtig und ist das Sichtbare und das
Unsichtbare, das Seiende und das Nichtseiende, das er für sich behielt». Somit ist in
der sichtbaren W elt die schöpferische φαντασία Gottes enthalten, die sich den Aus­
erwählten manifestieren kann. Gott ist nämlich die wirkende Kraft ( δύναμις ενεργής )
170 KOMMENTAR

in «Psychologie und A lch em ie» bereits d argelegt, so daß ich darau f v er­
weise. D ie T endenz der A lchem isten zielt näm lich, w ie er dort sagt,
darau f hin, «das G eheim nis der seelischen W a n d lu n g nicht nur im
Stoffe zu sehen, sondern auch als theoretische Richtschnur zur H e rv o r­
bringung chem ischer V eränderungen zu benützen ^ 3 ». D aru m erscheint
auch in der A u ro ra die Sapientia als die Fü h rerin beim O pus (du cet
gressus tu o s ), d. h. der in den Stoff projizierte seelische In h alt w irkt zum
alchem ischen W e rk inspirierend. In den heidnischen T e x te n w ar d er­
selbe In h alt als «anim a m undi» oder Physis personifiziert •54, und in der
A u ro ra w ird er nun der biblischen Sapientia D ei (u n d dem H eiligen
G eist) gleichgesetzt. Es ist aber w ohl nicht als Z u fa ll zu bewerten, daß
der A u to r dabei gerade au f diejenigen biblischen Schriften zurückgreift,
w elche säm tlich zu den spätesten P artien des A lten und N eu en T esta­
m entes gehören, aus stark hellenisierten jüdischen K reisen herstam ­
m en l” und unbedenklich als «gnostisch» bezeichnet w erden dürfen.

in allen Dingen (ebda. p. 2 1 0 ) und Alles ist voll von Seele ( πάντα δέ πλήρη ψυχής )
und bewegt sich in vollendeter Ordnung, (ebda. p. 2 1 2 ) Ähnlich heißt es im A sklepios
(p. 3 1 0 - 3 1 2 ) : «Am Anfang war Gott und der Stoff (H yle), was auf Griechisch der
Kosmos ist und dem Stoff gesellte sich ein Hauch (spiritus) und er war in ihm drin . . .
Die Elemente aber existierten aber noch nicht.» Die Hyle wird später im selben Traktat
mit dem Spiritus Mundi oder der Natura Mundi identifiziert und besitzt eine selbstän­
dige «vis procreandi». In der «K o r e K o s m o u » (ebda. p. 462. Vgl. auch IV, p. 450-451)
einer Belehrung von Isis a n H orus über die höhern Mysterien vom Wesen der Welt»
ist die «Physis» (Natur) ein schönes weibliches Wesen, das aus dem W ort des Urvaters
entstanden ist. Ihre Tochter aber ist die «Heuresis», das Finden oder Erfinden, welche
die Herrschaft über die kosmischen Mysterien inne hat. Somit ist auch hier der «Geist
des Findens der Wahrheit» gleichsam in der Natur selber drin, als ein göttliches weib­
liches Wesen, das sich offenbaren muß, wenn man die Natur erkennen will.
In einem andern hermetischen Fragment (ebda. Vol. I, p. 382) heißt es, daß die
Phantasie des Menschen zwar der Illusion verfallen sei, daß sie aber durch einen «Ein­
fluß» ( έπίρροια ) von Oben zu einer Spiegelung der Wahrheit gelangen kann.
153. Cit. J u n g : Psych. u. Aich. p. 405.
154. ebda. p. 4 l4 .
155. Nach E. Se l l in , Einleitung in das Alte Testament Leipz. 1935, ist der Prediger
nicht vor 300 v. Chr. anzusetzen infolge der darin enthaltenen Graecismen (p. 148),
das Hohe Lied in seiner jetzigen Fassung etwa ins 4. bis 5. Jahrh. (p. 145), auch die
Sprüche sind nachexilisch (p. 136) im 4. Jahrhundert v. Chr. entstanden; Jes. Sirach
gehört etwa in die Zeit 2 0 0 v. Chr. (p. 159) und die Weisheit Salomonis ebenfalls
etwa ins 1 . vorchristliche Jahrhundert mit nachweisbaren griechischen Einflüssen. Be­
sonders interessant ist es, in diesem Zusammenhang die Auffassung der Sapientia Dei
bei P h il o v . A l e x a n d r ie n zu vergleichen, indem nämlich dieser hellenistische Philo­
soph gegen Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts als Jude den Versuch unter­
nahm, die griechisch-vorchristliche Idee eines weltordnenden Pneuma speziell über die
«Weisheit Salomonis» mit der alttestamentlichen Lehre zu verknüpfen. (Vgl. H. L eise -
KOMMENTAR 171

D ie P rojektion des Seelenbildes in die Physis ist näm lich ein E reig- io7
nis, das in fast allen gnostischen Systemen irgendeinen N ied ersch lag
gefunden hat, und zw ar in dem M o tiv der «gefallenen Sophia». L etztere
ist eine weibliche H ypostase der G ottheit, die in die M aterie versunken
ist. So verehrten die A n h än ger des S im o n M agus dessen G efäh rtin
H elen a als «E n n oia» des U rv aters, als «jungfräuliches P neum a» und
«A llm utter» ( Prunikos, H l. G eist u s w .), und lehrten von ihr, daß sie
in die untere W e lt hinabgestiegen sei und d ort die E n gel und A rch on ten
erzeugt habe, von denen sie d arau f verschlungen w urde. Sie sank nach
vielen leidvollen Inkarnationen sogar bis zur «m eretrix» in einem B o r­
dell von Tyrus herab, aus w elchem sie durch S im o n b efreit w urde x*6. In

g a n g : Der Heilige Geist, Tübingen, p. 69 ff.) So findet sich in seiner Bibeldeutung


eine Mischung stoischer Elemente und allgemeiner griechischer Ideen und Mysterien­
weisheit wieder, aus welchem Bereich eben auch die alchemistische Philosophie ihre
Grundbegriffe schöpfte und nun von unserem Autor an die Bibel herangetragen wurde.
Bei P h il o ist, wie L eiseg a n g hervorgehoben hat, (ebda. p. 69) wie in der Weisheit
Salomonis die Sophia ein Pneuma oder aber sie besitzt ein Pneuma, wobei in letzterem
Fall dieses eine geistig-seelische Fähigkeit bedeutet, die wie ein «Hauch» in den Men­
schen eindrang «und ihn mit Weisheit, Ehrfurcht, irgend einer Tugend oder Leiden­
schaft erfüllte», (ebda. p. 71-73. Dieselbe Unterscheidung wie zwischen Sophia und
Pneuma findet sich auch in der Aurora zwischen Scientia und Sapientia. Die Sapientia
ist die Scientia oder sie hat sie und verleiht sie dem Menschen.) Sie ist auch «nicht
nur eine Hypostase oder Eigenschaft Gottes, s i e is t v ie lm e h r ein G e is tw e s e n , d a s n e b e n
G o tt s e lb s t ä n d ig e x is tie r t ». (Cit. L eise g a n g , p. 73.) Es wird ausdrücklich erwähnt,
daß sie dabei war, als Gott die W elt schuf, und daß sie seine Werke kennt. (Auch im
II. Tractat des Corp. Herrn, (ed. W . Sc o t t , Oxford 1925, Bd. I, p. 145) ist die Sophia
als selbständige Arche (unerschaffenes Urprinzip) neben Gott und dem Nous, der Physis
und der Hyle aufgezählt.) So wird die Sophia bei P h il o eindeutig zur «M u tter, d u r c h
d i e d a s A l l v o lle n d e t w u r d e » . (Quod det. pot. ins. sol. Par. 54. zit. nach L eiseg a n g
a. a. O. p. 73, Anm. 3. Vgl. De ebrietate 8. 30 zit. nach W . Sc o t t , Hermetica, Bd. III,
p. 137.) Sie ist auch zugleich identisch mit Gottes Geist, der brütend über den Wassern
lag (und der im Hebräischen ein Femininum ist), (L e is e g a n g : p. 74. - Vgl. auch
A sk l epio s , lat. Corpus Herrn. Sc o t t I p. 296, wonach sich der Körper jedes Lebe­
wesens aus Wasser und Erde nährt, die Seele aber ihre Wurzeln oben hat und ihre
ewige Nahrung von der Bewegung des Himmels empfängt, («Der Geist jedoch von dem
alles erfüllt ist, vermischt sich mit Allen und belebt Alles.») indem sie die επιστήμη
des Schöpfergottes darstellt. Sie ist außerdem die Amme, Pflegerin und Ernährerin derer,
die «nach unsterblicher Kost verlangen». (H. L eise g a n g , Der Heilige Geist a. a. O.
p. 73.) Ja, wie beim Verfasser der Aurora, so ist bei Philo die L e h r e v on d e r W e is ­
h e it ein M y s te riu m . Sie selber ist eine Eingeweihte in Gottes Wissen und enthält in
sich die Gnosis der Heiligen, (ebda. p. 75) Auch in den T h o m a s -Akten wird die
«Mutter» gepriesen als die «Enthüllerin verborgener Geheimnisse», (c. 27 und 50) -
B o u sset , p. 254 und Anm. 1. In ähnlicher Art wird in der Aurora die scientia oder
sapientia ein S a c ra m en t und ein Geschenk Gottes genannt.
156. Vgl. H. L e ise g a n g , Die Gnosis, Krönerverlag Leipzig, II. Aufl., p. 65-67.
172 KOMMENTAR

der sogenannten B arbelo-G nosis w urde eine ähnliche, in W e lt und


M aterie versunkene G ottheit als «die M u tter der Lebenden» vereh rt,
w elche auch als « H l. G eist» bezeichnet w urde x*7. D ie Sophia der O phi-
ten w ar ebenfalls nicht nur ein «jungfräuliches P n eu m a», sondern w ar
bis in das Zw ischenreich zwischen G ott und W e lt hinabgesunken. Sie
bedeutete das «L eb en », d. h ., w ie L e i s e g a n g deutet, «die sich im Ird i­
schen verkörpernde Seele». Sie g alt auch als die M u tter der sieben P la ­
neten 1*8, und dam it des G estirnszwanges und der irdischen W e lt. A uch
der syrische G nostiker Bardesanes kannte dieselbe G ottheit Sophia in
doppelter G estalt, einerseits als him m lische M u ttergöttin und anderer­
seits als «gefallene Sophia», und bei den Valentinianern ist eine h im m ­
lische G estalt der «A leth eia» (W a h rh e it) die «M u tter aller D in g e» der
F ig u r der unteren «A ch am oth » g eg en ü b ergestellt w . D esgleichen ist in
den sog. Büchern ]eü und in der Pistis Sophia die B arbelo als E nnoia
G ottes der gefallenen Sophia gegenübergestellt. B ei den M andäern
taucht dieselbe G ottheit au f als Ruha d ’Qudsä (H l. G eist) l6°, aller­
dings in däm onischer F o rm , sie h eiß t auch Namrus, was M ittag, Süd­
gegend bedeutet, und sie ist som it ein D äm on des Südens und der M it­
tagshitze (v g l. die K ö n ig in des Südens in der A u r o r a 1578960161) . Namrus g alt
ebenfalls als die M u tter der P la n e te n l62163. (D e r M itta g w urde übrigens
bei den K irch en vätern im negativen Sinne als Leidenschaft des w elt­
lichen Ehrgeizes [fe rv o r m undanae g lo ria e ] au fg efaß t, von w elchem
sich die «regina austri» abgew andt haben soll i 63.)
D e r gnostische «A bsturz der Sophia», der W eish eit G ottes in die

157. Vgl. W . B ousset, Hauptprobleme der Gnosis, Göttingen 1907, p. 1, 5, 13,


59-65 und 326, Anm. 1 (I renaeus I, 29. 4 ). Sie ist die «Ennoia» Gottes, ein jungfräu­
liches Pneuma, das ewiges Leben und Unzerstörbarkeit besitzt. Vgl. auch R. Eisler,
Pistis Sophia und Barbelo in: «Angelos» Archiv f. N. T . Zeitgeschichte ed. J . Leipoldt
Leipz. 1930.
158. W . B ousset, Gnosis a. a. O. p. 11 und 66. Leisegang, Gnosis, p. 169 ff. (O ri-
genes Contra Celsum V I, 38). Auch in den Acta T homae wird der als Mutter auf­
gefaßte Hl. Geist angerufen. «Komm barmherzige Mutter, komm . . . die du die ver­
borgenen Geheimnisse offenbarst, M u tte r d e r s ie b e n H ä u s e r , die du ruhst im achten
Hause». (Acta Thomae, cap. 27 cit. B ousset ebda. p. 67.)
159. W. B ousset, Gnosis ebda. p. 58, p. 63, Anm. 2.
160. ebda. p. 28, 29, 33.
161. In der Ruha d’Qudsä vereinigen sich gleichsam die Eigenschaften des «daemo­
nium meridianum» (Ps. 91. 6.) mit denjenigen des Heiligen Geistes.
162. Vgl. W ilh . B randt, Die Mandäische Religion, Leipzig 1889, p. 182 und 131.
163. Honorius von Autun, Expositio in Cant. Cant. Migne, P. L. tom. 172, col. 352.
KOMMENTAR 173

M aterie ist, psychologisch gesehen, d ie Selbstdarstellun g eines im U n ­


bew u ßten verlaufenden Vorganges, - näm lich jenes M om entes, in w el­
chem die «pierom atische» A n im a - die A n im a als A rchetypus des k ol­
lektiven U nbew ußten - sich in d ie M aterie projiziert, w om it sie zw ar
noch nicht als psychologischer In h alt erkannt w ird, sich aber doch der
Sphäre des m enschlichen Erfassens bedeutend a n n ä h e rt l6*. E in e D a r­
stellung dieses selben V o rgan ges findet sich z. B . auch in dem spät­
antiken M ärchen von «A m o r und Psyche», das in den M etam orphosen
des A p u l e i u s erzählt w ird. D o rt erscheint die A n im a zunächst als G ö t­
tin V enus, d. h. als eine rein göttliche, d. h . archetypische G estalt m it
starkem Einschlag der M u tterim ago. D ie von V enus v erfolg te K ö n ig s­
tochter Psyche hingegen ist eine A nim agestalt, die schon au f m enschli­
cher Stufe steht, doch insofern sie eine M ärchenprinzessin ist, ist auch
sie noch ein größtenteils kollektiver Inhalt. A u ch ist sie nicht die B rau t
eines M enschen, sondern des E ro s, eines «D aim on s». E rst das T ö ch ter-
chen V oluptas ( L u s t), welches Psyche am E n d e der E rzäh lu n g gebiert,
ist w ohl als die individuelle A n im a des R om anhelden L u ciu s anzu­
sehen l6K1
645

164. Vgl. C. G. J ung, Psychologie und Alchemie a. a. O. p. 409: «Die Vorstellung


des Pneuma als Sohn Gottes, der in den Stoff versinkt und sich wiederum daraus befreit,
um als Heilmittel die Seelen zu retten, e n ts p r ic h t d e m u n b ew u ß ten , in d e n S to ff p r o -
jiz ie r te n I n h a lt. Dieser Inhalt ist ein autonomer Complex, der vom Bewußtsein unab­
hängig im psychischen Nonego ein selbständiges Dasein führt und, wenn irgendwie
constelliert. . . sich auch sofort projiziert. . . (In solchen visionären Spiegelungen)
. . . d r ü c k t s ic h d a s u n b e w u ß te G e s c h e h e n d e r P r o je k t io n e in e s a u to n o m e n I n h a lte s a u s.
D ie s e m y th is c h en B ild e r s in d a ls o w ie T r ä u m e , die uns sowohl die Tatsache, daß eine
Projektion eingetreten sei als auch, was projiziert wurde, m itteilen. . . » Was J ung
hier in bezug auf die Projektion des Anthroposbildes sagt, gilt natürlich auch für dessen
weibliche Entsprechung, für die Sophia.
165. Diese Deutung ergibt sich, wenn man das «Amor- und Psyche-»Märchen in
den Gesamtzusammenhang der Metamorphosen des Apuleius hineinstellt. Erich N eu­
mann hat in seinem schönen psychologischen Commentar zu Apuleius* Amor und
Psyche (Rascher Zeh. 1952, vgl. bes. p. 190) die Gestalt der Psyche mehr als Leitbild
weiblicher Psychologie aufgefaßt, was auch insofern berechtigt ist, als die Anima weib­
liche Psychologie widerspiegelt. Im Gesamtzusammenhang des Romans hingegen gese­
hen ist Psyche wohl als Animagestalt aufzufassen. Ihr Leidensweg führt zur Geburt
der «Voluptas», denn in dieser kindlichen Form berührt die Anima bei ihrer Mensch­
werdung die menschliche Bewußtseinsebene des Mannes. Der Roman selber stellt das
Erleben der Anima dar, wie es vom Bewußtsein des Mannes her erfahren wird; nämlich
über die Voluptas gelangt Lucius zur Realisierung der Großen Göttin Isis. Das ein­
geschobene Märchen hingegen stellt denselben Vorgang «von hinten», von der Seite
des Unbewußten her gesehen dar, deshalb ist es passenderweise von einem alten Weib,
174 KOMMENTAR

A u ch die tragische Liebesgeschichte zwischen Aeneas und D ido in


V e r g il s Aeneis bildet einen A usschnitt aus jenem sich im U nbew ußten
anbahnenden Prozeß einer «M enschw erdung der A n im a» (d . h. ihrer
A n n äh eru n g an das Bew ußtsein des M e n sch e n ). D ie M uttergöttinnen
Juno und Venus sind d ort einerseits die V eranlasserinnen der Liebesge­
schichte zwischen Aeneas und D ido, andererseits aber vernichten sie spä­
ter die liebende F rau , ähnlich w ie im «G oldenen Esel» des A p u l e i u s die
G öttin Venus die Psyche v erfolg t. D ieser in der Spätantike beginnende
Bew ußtw erdungsprozeß der A n im a, der w ohl noch in anderen T exten
nachgew iesen w erden könnte, ist aber dann abgebrochen bzw. über­
lagert w orden durch den Prozeß der M enschw erdung des Logos in
C hristo. N u r in der A lchem ie blieb die antike T rad itio n erhalten, und
erst in der Renaissance ist das Problem einer «M enschw erdung der
A n im a» w ieder ans T ageslich t getreten, w ie dies z. B . der Renaissance­
rom an des F r a n c e s c o C o l o n n a : «Poliphile», b e w e ist l66.
In der A u ro ra ist die A n im a ähnlich w ie in den gnostischen T exten
dargestellt, näm lich einerseits als die g öttlich e W eish eit im m ehr bibli­
schen Sinne, zugleich aber auch als in die M aterie versunkene W e lt-
Seele, w elche um H ilfe ru ft. D iese Erlösungsbedürftigkeit w ar in den
A nfangskapiteln unseres T extes schon darin angetönt w orden, daß die
Sapientia suchend nach einem A rtife x h erum geht und sich dabei der
V erach tu n g der M en ge aussetzt, und daß sie des m enschlichen D enkens
zu ihrer V ollen d u ng bedarf. A uch der U m stan d , daß sie die «concupis­
centia» weckt, deutet vielleicht darau f hin, daß ihr eine natürliche U n ­
vollkom m enheit anhaftet.
In den m eisten erw ähnten gnostischen M ythen w urde die Sophia vor
oder durch ihren A bsturz leidend und gottsuchend w ie der M ensch. In
der L eh re des S im o n M agus ist sie z. B . inkarniert in H elena, der H u re
von Tyros, aber in anderen Systemen sinkt sie nicht in solch' m enschliche
N o t hinab, sondern in das U nbekannte des Stoffes, wo sie gefesselt um
E rlösun g ru ft. Im M ythus des S im o n n im m t sie gleichsam zu früh
m enschlich-persönliche Z ü g e an, dadurch, daß er sich m it der « K ra ft
G ottes» und seine G eliebte m it der «Ennoia» (Selbstreflexion G ottes)

einer Personifikation des Unbewußten, erzählt. Es schildert, wie die Königin Anima
sich leidvoll ins menschliche Dasein hinabverirrt, veranlaßt durch die Liebe zum Gotte
Eros, dem Mediator zwischen der Götter- und Menschenwelt.
166. Vgl. Linda Fierz : Der Liebestraum des Poliphilo. Rheinverl. Zeh. 1947 passim.
KOMMENTAR 175

identifizierte. D am it h at er aber die G renze zwischen dem beschränkten,


persönlichen Einzelbew ußtsein und dem A rchetypus verw ischt, was
einer Inflation gleichkom m t i 67. D iese G renzüberschreitung ist w ohl für
das (leg en d äre) tragische E n d e S im o n s v e ra n tw o rtlich 167168. V erm utlich
ist die Inflation deshalb eingetreten, weil einerseits bereits das B e d ü rf­
nis nach der Z urücknahm e der Projektion des G ottesbildes in die Psyche
vorhanden w ar, andererseits aber im dam aligen Bew ußtsein noch keine
Begriffe, d . h . A uffassungsorgane existierten, die es S im o n erm öglicht
hätten, die A n im a als eine zw ar innerpsychische, aber doch nicht m it
dem Ich koi'nzidierende G egebenheit zu begreifen. E rst der m oderne
B egriff des U nbew ußten erm öglicht eine solche Integration. In den anti­
ken alchem istischen Schriften ist dieselbe G efah r einer Inflation (im
G egensatz zur G nosis) dadurch verm ieden, daß m an die A n im a w eiter­
hin als ein überpersönliches Seelenwesen ansah; d afü r aber blieb auch
alles in der P rojektion in die M aterie stecken. D ie Sophia blieb ein
mystisches, seelenähnliches Etw as, das sich anscheinend im V erh alten
des chem ischen Stoffes offenbarte.
W e n n m an sich diese U m stände vor A u gen hält, w ird es vielleicht u2
verständlich, w ie sehr der A u to r der A u ro ra erschüttert sein m ußte, als
sich ihm die Sapientia D ei plötzlich persönlich näherte. E r h at w ah r­
scheinlich vorher nicht gew ußt, wie wirklich ein solcher archetypischer
Inhalt, w ie die G estalt der Sapientia D ei, ist, sondern h atte diese F ig u r
nur als abstrakte Idee gekannt. F ü r einen intellektuellen M enschen be­
deutet es eine g roß e Erschütterung, w enn er entdeckt, daß dasjenige,
das er «ab initio nativitatis suae» suchte, nicht nur eine Idee, sondern in
einem viel tieferen Sinn psychisch w irklich ist und ihm als unm ittelbares
Erlebnis zustoßen kann. W a s ich h ier m it dem W o r t «psychisch w irk­
lich» zu beschreiben versuche, ist fü r den A u to r im A usdruck enthalten,
daß die Sapientia eine «verissim a natura» sei. D am it sagt er aus, daß sie
nicht nur ein intellektueller B egriff, sondern erschütternd real, aktuell,
greifb ar in der M aterie vorhanden sei. M an sieht, wie die alchem istische
Sym bolsprache rettend funktioniert, indem sie es dem V erfasser m ö g ­
lich m acht, das N um inose in seiner individuellen A ktualität zu beschrei­
ben. D adurch kann sich das Individuum auch direkt darau f beziehen

167. Vgl. H. Leisegang, Gnosis p. 83 ff. und p. 82. Er trat als Gott und Welterlöser
auf. Vgl. p. 65.
168. Vgl. H. Leisegang Gnosis II. Aufl., p. 65-66.
176 KOMMENTAR

und einen persönlichen K o n tak t hersteilen. L etzterer besteht in der « E x ­


tractio» der verissim a natura, der A useinandersetzung m it der A n im a.
D ie E xtrak tion eines sog. «spiritus occultus», einer «anim a occulta» oder
«natura abscondita» oder «tinctura veritatis» ist u. a. in d er «Turba» von
grundlegender B e d e u tu n g 16?. D ieser arabische T rak tat bildete w ohl
(neben S e n i o r ) die H auptquelle der A nschauungen des V erfassers der
A u ro ra über eine substanzhafte, im Stoff selber verborgene göttliche
W ah rh eit. So h eiß t es d ort u. a., die « W a h rh e it der Philosophen» sei
«die m it ihren K ö rp ern (M e ta lle n ) verflüssigte N a tu r *7°», w oraus h er­
vorgeht, daß die Philosophen in der M aterie selber d en «spiritus veri­
tatis» suchten. Im selben T rak tat h eiß t es dann fern er «Ich behaupte,
daß der A n fa n g aller D in g e, die G ott geschaffen hat, der G laube und
die V ern u n ft ist; denn der G laube beherrscht alles, und auch in der V e r­
n u n ft ist der G laube in Erscheinung getreten und das D ich te der E rd e J7*.
D e r G la u be w ird aber nur in einem K ö r p er w ahrgenom m en. U n d w is­
set, gesam te V ersam m lung, daß die D ich te der v ier E lem ente au f der
E rd e r u h t . . . »
D as arabische W o r t fü r G laube, din, ist nach R u s k a die Q uelle alles
religiösen, übernatürlichen, durch P ropheten geoffenbarten W issens, das
W o r t fü r V ern u n ft, äql, die Q uelle der natürlichen Erkenntnis. In letz­
terer erhält der G laube (d as T ranszen d entale) eine reale Erscheinungs­
fo rm (ap p aru it) und ebenso das D ich te der E rd e, denn nur so, d. h. in
einer konkreten Erscheinungsform kann der G laube überhaupt w ah r­
genom m en w erden. W ie som it die vier Elem ente herabsinkend sich zur
E rd e verdichten, so erhält (u n d dieser V o rg a n g ist nicht als parallel,
sondern als koinzident g ed ach t) das O ffenbarungsw issen im natürlichen
W issen w irkliche G estalt. D ie W a h rh eit w urde eben tatsächlich als eine

169. Ed. Ruska a. a. O. p. 131. Arcanum in quo est veritatis tin c tu ra ... ρ. 119:
Regite igitur ipsum cum humore, donec natura abscondita appareat. Cf. item p. 134,
141, 149. Vgl. ebenso das «Buch der Alaune und Salze» (ed. Ruska a. a. O. p. 59),
wo der Mercurius von sich sagt: «Ich bin das ganze Arcanum, und in m ir ist d i e g e h e im e
W e is h e it v er ste c k t» ( S a p ie n tia a b s c o n d it a la t e t ) . Die Sapientia sei daher den Menschen
von Gott verliehen, um das Werk der Natur künstlich zu beschleunigen (p. 6 2 ). Auch
das Herauskehren der verborgenen Natur ist oft erwähnt (p. 309).
170. Ruska a. a. O. p. 190.
171. Sermo des Anaxagoras, Ruska a. a. O. p. 111 (lat.), p. 176 (deutsch). Ich
habe die deutsche Übersetzung etwas wörtlicher formuliert, und eine Tilgung Ruskas
wieder in den Text aufgenommen.
172. Diese Stelle: «und das Dichte der Erde» wurde von Ruska getilgt.
KOMMENTAR 177

Substanz auf g efaß t *73. D ieser T u rb a -T e x t beschreibt eigentlich (w ie alle


Schöpfungsm ythen) einen Bew u ß tw erd u n gsprozeß : äql - die Q uelle
der natürlichen Erkenntnis symbolisiert, psychologisch gesprochen, den
unbew ußten archetypischen H in tergrun d der m enschlichen Seele. In
letzterem gew innt das transzendente «W issen um G ott» em pirisch fa ß ­
bare F o rm ^4, indem w ir z. B . die W irk u n g en beobachten können, w el­
che vom A rchetypus des Selbst (d . h. des G ottesbildes) au f ein Indivi­
duum ausgehen. A us äql entsteht dann - nach dem T e x t - die aus vier
E lem enten bestehende «D ich te der E rd e » , d. h . psychologisch, es ent­
steht das im Ichkom plex zentrierte Bew ußtseinsfeld des Einzelnen m it
seiner V ier-Funktionen-Struktur, die der quaternären Struktur des Selbst
entspricht.
In der A lchem ie ist eine solche psychologische D eutu n g natürlich
nicht form u liert, weil die psychischen V o rg än g e in den Stoff p rojiziert
w urden, deshalb bleibt die «D ich te der E rd e» das m ystische Endresultat
des geschilderten Prozesses; doch handelt es sich eigentlich um den
projizierten V o rgan g der H erstellu n g einer neuen Bew ußtseinsebene.
Ich* führe die Turbastelle nur deshalb an, um zu zeigen, daß eine
Interpretation der Sapientia in der A u ro ra als «lum en naturale» und zu­
gleich als konkrete Substanz nicht abw egig ist, insofern der A u to r diese
Turbastelle gekannt haben m uß. D adurch erhellt sich allm ählich das
W esen der Sapientia, die einerseits als die den A lchem isten inspirie­
rende göttliche W ah rh e it erscheint und zugleich als eine physische N a tu r­
gegebenheit, die einer Bearbeitung und V ollen d u ng durch das W e rk

173. Vgl. die «veritas» als «substantia caelestis naturae» bei D orn in J ung, Myste­
rium Coni. Vol. II, p. 258 f.
174. din, d.h. das «Transcendentale», empirisch d. h. auch empirisch-psychologisch
Nichtfaßbare.
175. Die Unterscheidung einer natürlichen und einer übernatürlichen Quelle der
Erkenntnis ist noch subtiler ausgeführt im 7. Sermon der Turba von Locustor (vgl.
Ruska a. a. O. p. 113-179). Darnach gibt es zwei Schöpfungen, von denen die eine nur
durch den Glauben gesehen und nicht beschrieben werden kann. Dieser Glaube heißt
«pietas», ist somit das oben erwähnte Offenbarungswissen. Die unsichtbare Schöpfung
sind die Himmel. Was darunterliegt, bildet eine zweite Schöpfung, und diese kann
nur durch die ratio (natürliche Vernunft) und mit Hilfe der fünf Sinne erkannt werden.
Diese untere Schöpfung empfängt ihr Licht von der Sonne. (D ie Sonne ist in der Stoa
und im Corpus Hermeticum gemäß verbreiteter antiker Anschauung ein Bild des «mens»,
der Quelle menschlicher Intelligenz.) Das Licht der Sonne ist von besonders feiner
Natur. Die obere Schöpfung hingegen bedarf des Sonnenlichtes nicht, da sie selber noch
feiner und subtiler als dieses ist und ihr eigenes Licht von Gott empfängt. Die Erkenn-
178 KOMMENTAR

des A lchem isten b ed arf v 6. Sie enthält alle A ttrib u te der G ottheit und
ist H öchstes und Tiefstes zugleich, eine Erleuchterin, die Fü h rerin zu
G ott und zugleich ein in der M aterie (im U n b ew uß ten ) V erborgenes,
das erst durch E xtrak tion (d . h. B ew u ß tm ach u ng) erlöst w erden kann.
D ie W irk u n g , die der Einbruch dieses archetypischen Bildes auf den
A u to r ausübt, scheint zunächst diejenige einer B egeisterung oder sogar
E xaltation zu sein. Seine eigene Person in den H in tergrun d stellend,
preist er das Erlebnis in dichterischer Schönheit. E rst gegen Schluß des
K apitels deutet er an, daß auch die Einstellung des M enschen in dieser
L age w ichtig sei und subtiles N achdenken erfordere.

K O M M E N T A R Z U M Z W E IT E N K A P IT E L

uch das zweite K ap itel ist der Schilderung der Sapientia D ei g e ­

A w idm et, aber es ist eine leichte V erän d eru n g des T ones faß b ar:

Text: W enn ihr also jetzt Gefallen habt an Thron und Königszepter, so
liebt das Licht der Wissenschaft, auf daß ihr ewiglich herrschet, und ergrün­
det sie alle, die ihr euch in der Naturgelehrsamkeit auszeichnet: 'D enn für
euch erforscht der W eise alles Wissen der Alten, und er wird bei den Pro­
pheten seine Zeit verbringen und mit dir in die Fallstricke der Gleichnisse
eindringen, das Verborgene der Weisheitssprüche erforschen und bei den
dunklen Stellen der Parabeln weilen.

D e r A u tor identifiziert sich, w ie später deutlich w ird, m it jenem W e i­


sen, der die symbolischen G eheim nisse fü r die A userw ählten enthüllt.
E in ich h after Z u g tritt h erv or: ich w ill die W a h rh e it v e rk ü n d e n *, und

barkeit alles Seienden ist somit von zwei Lichtern abhängig: das sinnlich Wahrnehm­
bare vom Sonnenlicht, d. h. der natürlichen Erkenntnis, das Übersinnliche vom Lichte
Gottes. Soweit die Turba. - Man vgl. das Myst. Coni. II, p. 312 ff. von J ung über den
«mundus potentialis» Gesagte. Die unsichtbare Schöpfung entspricht dem «mundus
potentialis» bei G. D orn. In ihm herrscht die diffuse Luminosität des «absoluten
Wissens» vor.
176. Vgl. die oben zitierte AviCENNA-Stelle (Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 87 9 ):
«Virtus intrinseca est lumen luminum, tinctura illustrans . . . » Vgl. ferner E. J. Holm-
yard, Abu ’l -Qasim al-Inaqi I sis V III, 1926, p. 420: die Synonyme des Lapis: dog,
eagle, . . . poison of metals . . . lig h t, mercury of the east, son of fire . . . venom of lion . . .
sun of philosophers . . . Satan.
1. Vgl. Text weiter unten!
KOMMENTAR 179

nur K ö n ig e und G elehrte w erden angesprochen. O ffensichtlich erfo lg te


auf die Ü berw ältigu n g des Bew ußtseins ein U m schw ung, ein V ersuch
des Ichbew ußtseins sich zu behaupten - unglücklicherw eise durch teil­
weise Indentifizierung m it der Sapientia D ei.
Inhaltlich ist das K ap itel ebenfalls d er Am plifikation des Bildes der 120

Sapientia D ei gew idm et. W ä h re n d jedoch besonders gegen E n d e des


ersten K apitels deren Q ualität als «natürliche Erkenntnisquelle» betont
w orden w ar, liegt im zw eiten K ap itel das H auptgew icht w ieder eher au f
ihrem göttlichen, geheim nisvollen und nur durch M editation und Inspi­
ration faßbaren W esen . Sie ist das G eheim nis des ew igen H errschens,
d. h. des ew igen Lebens und das «G esetz des H öch sten »; und aus die­
sem G runde ist sie n u r in gleichnishafter Sprache ausdrückbar. D eshalb
bedarf dieser alchem istische T e x t einer ähnlichen V ertiefu n g und E r ­
läuterung wie die «typi» der H eiligen Schrift.
D aß die H eilige Schrift einen symbolischen G ehalt habe und daher 121

einer A uslegung bedürfe, w ar eine bei vielen Scholastikern verbreitete


Idee, die u. a. von J o h . D uns S c o t u s E r i g e n a 2, A l b e r t u s M agnus 3,
St . T homas 4 u. a. akzeptiert w ar. D iese Idee erlaubt daher auch dem
V erfasser der A u ro ra die biblische Symbolik m it der alchem istischen in
V erbindung zu bringen.
Psychologisch ist dam it der G edanke ausgedrückt, daß das W e se n der 122

Sapientia D ei nur durch symbolische Am plifikation um schrieben w erden


kann, da ihr W esen selber ein «ineffabile» ist, d. h. ihr B ild w eist auf
einen A rchetypus, dessen letztes W e se n nie intellektuell form ulierbar ist.

2. Exposit. in coelest. Op. 146 BC: Quemadmodum ars poetica per fictas fabulas
allegoricasque similitudines moralem doctrinam seu physicam componit. . . ita theologia
veluti quaedam poetria sanctam scripturam fictis imaginationibus ad consultum nostri
animi et reductionem corporalibus sensibus exterioribus veluti ex quadam imperfecta
pueritia in rerum intelligibilium perfectam cognitionem. . . conformat etc. propter
humanum animum sancta Scriptura in diversis symbolis atque doctrinis contexta {e st)
etc___ Vgl. auch ibid. 147 A und Comm. in Joh. ibid. 343 B.
3. Vgl. das Mariale des A lb e r t u s ed. Borgnet. Vol. 37, p . 261: Quia ergo quid­
quid scriptum reperit, ad spiritualem intelligentiam convertit. Maria allein besaß das
volle Verstehen der Hl. Schrift, ebda. p . 61. Vgl. auch A lb e r t , In Apocalypsim B. Johan­
nis, Opera, ed. Borgnet, Paris 1939, Vol. 38, p. 497, wonach die Apocalypse «allego­
risch» aufzufassen sei, damit das Buch nicht allzu klar wäre, sich im Volke verbreitete
und dadurch obsolet würde!
4. Nach T homas ist die Wahrheit nur «diffuse» in der Hl. Schrift enthalten
(Summa II, II 1-9, ad l ) ; die Offenbarung sei «quaedam cognitio obumbrata et
obscuratis admixta (De Verit. 12. 12). Er glaubt daher an den «spiritualis sensus» der
Schrift (Quodlibet. 7-1 6 cit. V. W hite 1. c. p. 7 und 27).
180 KOMMENTAR

Ü b er die symbolische Ausdrucksw eise und die tausend Bezeichnungen


des Steines (m ille n om in a) haben sich die A lchem isten selber o ft g e ­
äu ß ert s und sie durch die N otw en d igk eit der G eheim haltung zu begrün­
den versucht. So betont besonders S e n i o r , daß er symbolisch (ty p ice)
sch reib e567, da die Sache näm lich an sich nur durch göttliche Inspiration
faß b ar sei 7 . D ie Erkenntnis käm e näm lich nur durch die inneren Sinne
(sensus in terio res), und nach langem A rbeiten habe ihm G ott schließ­
lich jene verborgene Sache e in g eg eb en 89, «da die vollendete W issen ­
schaft von gro ß em W e r t ist und ein G eheim nis des glorreichen G o t­
t e s . . . von G ott selber, seinen Philosophen inspiriert * und den A u ser­
w ählten . . . sie ist eine Schwester der Philosophie und h at ihr Sein von
G ott h er durch E in g e b u n g IO».

Text: «W as also die Wissenschaft ist und wie sie hergestellt wird, will ich
verkündigen und nicht vor euch geheimhalten. Denn sie ist eine Gabe und
ein Sakrament Gottes und eine göttliche Sache, die von den W eisen am aller­
meisten und auf Verschiedenste A rt in Bildern verhüllt wurde.»

In dieser P artie ist besonders die Bezeichnung der A lch em ie als Sakra­
m ent auffallend. Sie stam m t aus den Ps.-A ristotelischen Secreta Secre­
torum, wo es h eiß t: «Ich offenbare d ir deshalb unter Z eu gen anrufun g

5. Vgl. hierzu C. G. J ung, Psych. Aich. p. 320. Vgl. ferner Zosimos, B erthelot,
Coli. Aich. Grecs. II, X X V , 1. Vol. I. p. 184 und III. X X I X , 10. Vol. I. p. 200. Auch
schon D emokritos betonte, daß er keinen mythischen, sondern einen mystischen Sinn
biete (B erthelot ebda. II. I. 15 Vol. I. p. 47 ). Vgl. auch die T u r b a (Ruska p. 129):
Lapis et non Lapis quod multis nominatur nominibus ne quis ipsum agnoscat insipiens.
Vgl. auch den von der Aurora abhängigen Tractat «Aquarium Sapientum» etc. Mus.
Hermet. Frankf. 1687, p. 111: Quemadmodum inquam terrenus philosophicusque hicce
lapis una cum sua materia multa diversimodaque immo mille paene, uti dictum est,
nomina habet, inde quoque mirabilis appellatur, ita etiam hi et id genus alii supra
commemorati tituli atque nomina multo potius immo in summo gradu a Deo omni­
potente et Summo Bono praedicari possunt.
6. De Chemia a. a. O. p. 54.
7. De Chemia p. 6. Vgl. auch p. 61 und 82.
8. ebda. p. 91, p. 93, p. 98 und p. 101-102.
9. ebda. p. 113. inspirata a Deo philosophis suis.
10. «Du aber, o Leser, sei lernbegierig in Gottesfurcht und du wirst das Geheimnis
und die sichtbare Wirkung dieses Steines zu sehen bekommen und ihn finden, belehrt
vom Geist des Allerhöchsten, sodaß du erkennen wirst, daß alle Weisheit von Gott
stammt und daß sie immer bei ihm war, ihm dessen Name «Herr» in Ewigkeit gesegnet
sei, der dies vor den Weisen und Klugen verbarg und den Armen im Geiste (parvulis)
eröflFnete.» (ebda. p. 121)
KOMMENTAR 181

des göttlichen G erichtes jenes ,Sacram entum ’, so w ie es m ir geoffenbart


w u r d e 11.» Im M un d e eines christlichen A u tors erhält aber dieses W o r t
eine ungleich tiefere Bedeutung, und es ist nicht zu bezw eifeln, daß
d er V erfasser an eine G leichsetzung m it den kirchlichen Sakram enten
d e n k tI21345. Ü b er die Parallelsetzung der alchem istischen Symbolik m it der
M esse h at J u n g bereits ausführlich geschrieben, auf dessen K apitel in
«Psychologie und A lchem ie» ich daher h ier verweisen kann χ3 .

Text: «Deshalb will ich ihre Wissenschaft ans Licht bringen und nicht 126

(an der W ahrheit) Vorbeigehen, noch will ich mit dem giftigen Neid zu tun
haben; denn von Anfang an, seit meiner Geburt, habe ich sie gesucht und
wußte nicht, daß es die Mutter aller Wissenschaften sei, die mir voranging.
Und sie hat mir unendliche W erte geschenkt, und ich habe sie ohne Falsch
gelernt und werde sie ohne Neid mitteilen und ohne ihren W ert geheim­
zuhalten.»

W ie viele andere A lchem isten verspricht nun auch der V erfasser der 12 7

A u ro ra das G eheim nis endlich zu eröffnen und zw ar ohne «giftigen


N e id » , w om it er auf den B egriff der «invidi» unter den Philosophen,
w elche m ißgünstig ihr W issen der W e lt vorenthalten, anspielt **. H ie r­
au f betont der A u tor, daß er diese W eish eit «seit seiner G eburt» gesucht
habe u _ ein m erkw ürdig persönliches Bekenntnis, w elches fast die V e r­
m utung aufkom m en läßt, als sei er sich bew ußt gew esen, daß seine
alchem istische B esch äftigu n g die Integrierung seines eigensten seeli-

11. Ich benütze die Ausgabe von 1528 (Druckort Paris ?) Fol. V.
12. Dies erhellt sich, wenn man an die Worte eines etwas späteren Zeitgenossen,
Petrus B onus denkt, welcher sagte: «Und so ist die Alchemie übernatürlich und gött­
lich, und in diesem Stein liegt die ganze Schwierigkeit der Alchemie, und die natürliche
Vernunft vermag nicht genügend zu erklären, weshalb dies so sein kann, und da somit
der Intellekt dies nicht fassen, noch sich selbst genügen kann, s o m u ß m an e s g la u b e n ,
w ie d i e g ö t tlic h e n W u n d e r , so wie das Fundament des christlichen Glaubens, das supra
naturam ist, von den Nichtgläubigen zuerst geglaubt werden muß, und zwar ganz und
gar, da ja ihr (der Alchemie) E n d r es u lta t ein W u n d e r is t u n d s ic h s u p r a n a tu ram v o ll­
z ie h t. Daher ist dann Gott selber der alleinige Wirkende (operator), während die Natur
in ihrem Wirken passiv bleibt.» (Pretiosa Margarita Novella Kap. V I. Theatr. Chem.
1622. Bd. V. p. 648.) In diesem Sinn dürfte in der Aurora die Bezeichnung der Alche­
mie als «sacramentum» zu verstehen sein.
13. p. 536 ff. Vgl. auch C. G. J ung, «Das Wandlungssymbol in der Messe» in «Von
den Wurzeln des Bewußtseins». 1953. 1. c. p. 215 ff.
14. Vgl. zum Begriff der «invidi» die T u r b a ed. Ruska pp. 122, 123, 133.
15. Man beachte, daß T homas seinen Kommentar «In Boethium» mit dem selben
Bibel citat: «Ab initio nativitatis meae» etc. beginnt.
182 KOMMENTAR

sehen W esen s m eine, verm utlich w eil er nur dadurch die V o rgän g e in
seinem Innern symbolisch ausdrücken konnte. A u f jeden F a ll deutete er
dam it an, daß d ie A lc h e m ie ih m ein p ersönliches A n lie g e n ist, dem sein
Suchen von K in d auf gegolten h a b e 161789.

T ext: Denn sie ist ein unerschöpflicher Schatz für alle, und wenn ein
Mensch ihn findet, so verbirgt er ihn und sagt in seiner Freude über den­
selben: «Freue dich Jerusalem, versammelt euch ihr alle, die ihr mich liebet,
seid fröhlich in Freuden, alle, denn der Herr und Gott hat sich seiner Elen­
den erbarmt.»

In dieser P artie w ird die A lch em ie durch den B ibelkontext als das
«H im m elreich » und als der verborgene «Schatz im A ck er *7 » dargestellt,
w odurch ihr dieselbe E rlösungskraft, w elche dem W e rk C hristi g leich ­
kom m t, zugesprochen i s t Ιδ. Sie hat näm lich ebenfalls H eilsb ed eu tu n g ,
weshalb der nachfolgende Satz au f das «befreite Jerusalem , dessen sich
der H e rr erbarm t h at», hinw eist. So w ird auch h ier w iederum deutlich,
daß die A lch em ie eine erlösend e od er b efreien d e «Einsicht durch das
* H erz» ist, w elche einerseits von der B em ü h u n g d es M en sch en , anderer­
seits aber von einem G n adenakt G o ttes abhängt

Text: Auch S e n io r sagt: Es gibt nämlich einen Stein, den jeder, der ihn
kennt, über seine Augen legt und ihn beileibe nicht auf den Mist wirft; und
es ist das Heilmittel, welches die N ot vertreibt, und nach Gott besitzt der
Mensch kein besseres.

16. Er betont, daß die Alchemie «die Mutter der Wissenschaften» sei. Dies erhellt
sich z. B. durch einen Ausspruch von Hermes, der in «De Lapidis Physici Secreto»
(Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 649) citiert ist: «Wisse, mein Sohn, daß alle Weishei­
ten, die auf der W elt existieren, dieser meiner Weisheit unterstellt (subditae) sind.»
Eine solche Behauptung ist insofern gültig, als die Alchemie sich eigentlich um das
«göttliche» Geheimnis der physischen Schöpfung bemüht, sodaß ihr alle anderen Natur­
wissenschaften eo ipso untergeordnet sind. Insofern sie dieses Geheimnis der Schöpfung
aber eben als g ö t tlic h ansieht, beansprucht sie sogar einen ä h n lic h e n R a n g wie die Theolo­
gie, und darauf wird zweifellos vom Autor der Aurora bewußt angespielt, wenn er die
Alchemie die «Mutter» aller Wissenschaften nennt - eine Bezeichnung, welche im Mit­
telalter sonst allein der Theologie zukommen dürfte. - Vgl. S. B onaventura, De Reduc­
tione Artium ad Theologiam. Conclusio: Patet etiam quomodo omnes cogitationes famu­
lantur Theologiae.
17. Matth. X III. 44.
18. Vgl. hiezu C. G. J ung, Psychologie und Alchemie, p. 416 ff.
19. Deus pauperum suorum miseritus est (T ext).
KOMMENTAR 183

D ie Einsicht ist auch die M e d ic in a 2 0 oder der Stein, den sich (n ach
S e n i o r ) d er W issen d e auf die A u g en leg t; dies erinnert an den B egriff
des «collyrium philosophorum » (A u gen w asser der P h ilo so p h en ), eines
der zahlreichen Synonyme des «göttlichen W assers». D ank diesem «kann
m an ohne M ü h e die G eheim nisse der Philosophen sch au en 21». Dieses
sehend-m achende M ittel nennt die A u ro ra «m edicina», w ie überhaupt
das göttliche W asser o ft als φάρμακον αθανασίας oder ζφής au fg efaß t
w ir d 22. D aß nun hier das W asser in F o rm der M edicina erw ähnt ist,
h än gt unm ittelbar m it der oben erw ähnten M editation zusam m en, denn
es w urde gleichsam aus ihr erzeugt 2 3. D u rch die Z uw endung zum U n ­
bew ußten ist nicht nur Einsicht (das co lly riu m ), sondern auch ein leben­
diger Z u strom schöpferischer Inhalte und das G efühl entstanden, m it
einem ew igen überpersönlichen Sinn in Zusam m enhang gekom m en zu
sein. D e r ichhafte Z u g tritt zurück, und der T e x t läß t w ieder m ehr die
E rschütterung und B egeisterung des A utors zum A usdruck kom m en.
D iese M edicina, h eiß t es w eiter, vertreibt alle N o t und ist nach G ott
das Beste, was der M ensch besitzt. « N o t» ist hier w iederum allgem ein
und nicht nur m ateriell zu verstehen, und der V ergleich m it G ott be­
tont von neuem den religiösen W e r t jenes einsichtverleihenden Steines
und jener heilenden Erkenntnis.
So erw eist sich bei genauerer Analyse der einzelnen Satzfragm ente,
daß der scheinbar aufgelöste und w irre T e x t der A u ro ra einen fo lg e­
richtigen Sinn h at und in seiner subtilen B ild erfolge ein eigenartiges,

20. Zum Begriff der Medicina vgl. J ung , Psychologie und Alchemie, p. 423.
21. So heißt es z. B. in den « A lle g o r ia e s u p e r lib r u m T u r b a e » (Artis Aurif. a. a. O.
1610 I, p. 9 0 2 ): man solle den «runden Fisch» ohne Gräte und Schuppen rösten und
dann in seinem eigenen Saft tränken und wieder kochen, «dann entsteht das Augen­
wasser der Philosophen und wessen Augen damit bestrichen werden, der kann ohne
Mühe die Geheimnisse der Philosophen schauen». - Dieser Begriff findet sich schon
in der griechischen Alchemie. Vgl. B erthelot , Coli. Aich. Grecs. IV . X I X . 10. Vol. I.
p. 289. Dort ist auch die «italische Wolke für die Augen» erwähnt. Auch im O stanes-
Text verspricht der Priester, die Blinden sehend zu machen. (Coli. Aich. Grecs. IV . II.
1. Vol. I. p. 261. Vgl. auch E. v. L ippmann , Alchemie, Bd. I. p. 68.
22. Über diesen Parallelismus vgl. J ung , Psychologie und Alchemie, p. 423 und 561.
23. «Von hylealischem Chaos», p. 274, cit. aus J ung, Psychologie und Alchemie,
p. 375-37 6 . So sagt H. K unrath : «Allhier studire, meditire, schwitze, arbeite, koche . . .
so wird sich dir eröffnen eine heilsame fluet, welche aus dem Hertzen des Sons der
großen Weid entspringt», ein Wasser, «daz uns der Sohn der Großen Weid selbst gibt
und aus seinem Leib und Hertzen zu einem wahren natürlichen Aqua Vitae her-
fürröret. . . » 13

13 Jung : Mysterium III


184 KOMMENTAR

aber durchaus faßbares B ild jener Sapientia D ei als eines U rim pulses zur
Erkenntnis des alchem istischen Geheim nisses, d. h. des U nbew ußten,
entw irft.

K O M M E N T A R Z U M D R IT T E N K A P IT E L

as dritte K ap itel bedarf keiner E rk lärun g, da es in der H auptsache


nur eine Polem ik gegen die T o ren und Ignoranten der K u n st d ar­
s te llt1. D ie H eftig k eit und A usfälligkeit der Polem ik ließe sich einer­
seits aus der isolierten und gefäh rd eten L age eines m ittelalterlichen
A lchem isten verstehen, m uß aber doch andererseits w ohl als eine beson­
dere Unsicherheit im Autor auf g e f aß t w erden. D e r G rund seiner U n ­
sicherheit w ird sich nur zu bald (im sechsten K a p ite l) offenbaren: denn
dort erfo lg t ein jäher A bsturz in den B ereich des Schattens und der F in ­
sternis. D er aggressive T o n läß t hier noch deutlicher au f eine gewisse
Inflation beim A u to r schließen.
Besonders hervorzuheben sind etw a die folgenden Form ulierungen,
w ie z. B . daß die T o ren «den Segen» verschm ähen, w odurch w iederum
au f die Erkenntnis als einen G nadenakt G ottes hingewiesen ist: ebenso
w eist die A n fü h ru n g des Gleichnisses von den P erlen, die nicht vor die
Säue gew orfen w erden sollen, in diese R ich tu n g; h eiß t es doch M a t­
thäus X V , 2 6 , vorausgehend: «Ih r sollt das H eilige nicht den H unden
geben, und E u re P erlen nicht v o r die Säue w erfen .» W e r dies dennoch
tut, der bräche, sagt die A u ro ra, die him m lischen Siegel. D arin ist w ie­
derum deutlich au f die göttliche N a tu r des Secretum hingewiesen. In
der A n tik e w urde das alchem istische G eheim nis tatsächlich als ein der
G ottheit G eraubtes d a rg e ste llt2. D ie vom A u to r vertretene A u ffassu n g
entspricht dem Stil der N atu rfo rsch er seiner Z eit, denn auch z. B . J oh .
D uns Scotus E rigena 3 und R oger B acon 4 u. a. betonten o ft, daß die
1. Daher wurde auf die Wiedergabe des Textes verzichtet.
2. Vgl. wie die Göttin Isis das Geheimnis dem Engel Amnael entlockt, B erthelot,
Coli. Aich. Grecs. I. X III, 1 ff. Vol. I. p. 29 und 33 ff. Und die verbreitete, aus dem He-
nochbuch stammende Anschauung, daß die Frauen den Engeln Gottes die Geheimnisse
der Magie, Alchemie und aller occulten Wissenschaften entlockt hätten. E. K autzsch,
Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testamentes. Tübingen. 1900. p. 238 ff.
3. Expos, in coelest. Op. 146 BC und 147 A v. oben.
4. Vgl. auch Averroes, Destructio Destructionis. Aristot. opera latin. Venetiis,
1560, tom. X , 1 a, 1 b, vgl. Anm. 5, 407 b: Non est (in) conveniens ut eveniat hoc
KOMMENTAR 185

N aturw issenschaft nicht fü r die «sim plices» da sei, sondern nur fü r sol­
che M enschen, w elche weise und subtil denken können.

Text: « . . . denn wer mit einem Toren redet, der redet mit einem Schlafen­
den. Morienus sagt nämlich: W enn ich alles enträtseln wollte, wie es sich
wirklich verhält, dann wäre nirgends mehr Raum für die Klugheit, denti der
Dumme wäre dem Weisen gleichgestellt, und kein Sterblicher unter dem
Kreis des Mondes würde, wenn ihn die Armut stiefmütterlich behandelte,
mehr die Qual seines Hungers beweinen.»

D as Jesus-Sirach-Zitat ( X X I I , 8 ) vergleicht die Ignoranten der K u n st


m it Schlafenden, w om it treffend ihre U nbew ußtheit charakterisiert ist.
D ie «Schlafenden im H ad es», w elche durch das göttliche W asser zur
A ufersteh u n g erw eckt und w iedergeboren w erden, finden sich als M otiv
schon in dem spätantiken T e x t «K om arios an K leop atra *».
M erkw ürdig ist fern er der Schlußsatz des K apitels, w onach der A rti­
fe x eine G leichstellung aller M enschen und eine völlige A ufhebung
aller N o t nicht zu wünschen scheint. M an d arf darin w ohl nicht nur ein
m ißgünstiges «Behalten-w ollen» der durch das G eheim nis erw orbenen
B ew ußtseinsfreiheit sehen, sondern diese A ussage dürfte vielm ehr au f
dem W issen beruhen, daß N icht-selbst-Erw orbenes sch a d e t6. A u ch
scheint das «Bew einen des H un gers» eine unverm eidliche V orbedingung
des O pus zu sein, w ie auch M o r ie n u s betonte, daß m an n u r durch die
«afflictio anim ae» zum Z iele g e la n g e 7.
F a ß t m an die psychischen Ereignisse, die in diesen ersten drei K a p i­
teln zum A usdruck gebracht sind, zusam m en, so fällt zunächst auf, daß
d er A u tor einer gewissen Ü berheblichkeit zum O p fer g efallen zu sein
scheint, was eine E n tfrem d u n g vom gew öhnlichen M enschen h erv or­
ru ft. Eigentlich w äre zu erw arten gew esen, daß die B egegn u n g m it der

stultis cum sapientibus et vulgo cum electis usw. u. ibidem 334 b: honor Dei est abscon­
dere rem. Vgl. auch zum Beweis, daß T homas die symbolische Interpretation anerkannte,
seine eigenen Umdeutungen in der Summa theol. Editio Leonina, Pars I. 66. Art. 1.
und Pars I. 68. Art. 2.
5 . B erthelot. Coli. Aich. Grecs. IV . X X . 15. Vol. I. p. 296.
6. Vgl. über die Gefahr, daß habgierige Fürsten die Sache an sich reißen wollen,
den L i b e r A lz e d e L a p i d e P h ilo s o p h ic o , in Musaeum Hermeticum, Frkf. 1687 p. 331.
7. Vgl. J ung, Psychologie und Alchemie 1. c. p. 372 und weitere Belege daselbst.
Nach K norr von Rosenroths Kabbala denudata Vol. II. p. 251 verwandeln zwei Trä­
nen Gottes, die ins Meer der Weisheit fallen, dessen Bitternis in Süße.
186 KOMMENTAR

Sapientia D ei in ihm eine tiefe, religiöse Ersch ü tteru n g bewirkt hätte,


oder daß ihn das Erlebnis «d ep rim iert», d. h . in sich hinabgedrückt
hätte. (D iese D epression tritt dann auch im sechsten K ap itel zu tag e.)
Zunächst aber versucht sich der Betroffene m it einer gewissen intellek­
tuellen O berflächlichkeit über das Erlebnis hinw egzusetzen, d. h. seinen
Bew ußtseinsstandpunkt zu retten, indem er betont, er wisse, w orum es
sich handle. E r identifiziert sich sogar unbew ußt m it der Sapientia D ei,
insofern er leh rh aft die anderen «blinden» M enschen zu erleuchten be­
ansprucht. D iese Reaktion läß t auf eine gewisse intellektuelle Inflation
beim V erfasser schließen. A llerdings dauert der Z ustand nicht lange an,
indem er sich dann doch noch in echter W e ise m it dem Erlebnis aus­
einandersetzt. Im vierten und fü n ften K ap itel bleibt die inflatorische
O berflächlichkeit zw ar noch spürbar, was sich u. a. an den W ortsp ielen
des nächsten K apitels ersehen läßt.

K O M M E N T A R Z U M V IE R T E N K A P IT E L

EXT: Der Titel dieses Buches wurde «die auf steigende Morgenröte» ge­
tauft und zwar aus vier Gründen: 1 . heißt Morgenröte (aurora) gleich­
sam «goldene Stunde» (aurea h o ra ); und so hat auch diese Wissenschaft eine
günstige Stunde zu einem goldenen Ziel für diejenigen, die das Opus richtig
bewerkstelligen. 2 . ist die Morgenröte das Mittlere zwischen Nacht und Tag,
und sie leuchtet in zwei Farben, nämlich Gelb und Rot, und ebenso erzeugt
auch diese Wissenschaft die gelbe und rote Farbe, welche die mittleren sind
zwischen Schwarz und W eiß.

Dieses K ap itel ist der E rk läru n g des T itels «A u ro ra consurgens» =


«die aufsteigende M o rgen rö te» gew idm et. Einerseits w ird das W o r t er­
k lärt durch ein W o rtsp iel aurora = aurea h ora (go ld en e S tu n d e), und
andererseits durch die Farbensym bolik der vier alchem istischen Farb-
stufen; denn sie leuchte ro t und gelb (ru bed o und citrin itas) zwischen
der N ach t (n ig re d o ) und dem T a g (a lb e d o ).

Text: Drittens (heißt das Buch so) weil in der Morgenröte die Kranken
von allen nächtlichen Leiden erleichtert werden und einschlafen, so ver­
schwinden und verduften auch in der Morgenröte dieser Wissenschaft alle
üblen Gerüche und Dämpfe, die den Geist des Laborierenden infizieren, wie
KOMMENTAR 187

es im Psalm heißt: Den Abend lang währt das W einen, aber des Morgens ist
Freude. Viertens und letztens bedeutet die Morgenröte das Ende der N acht
und den Anfang des Tages oder die Mutter der Sonne . . .

D ie M orgen röte ist die «M u tter der Sonne» (Sonne = G o l d ) ; sie v er­
treibt die w interliche N a ch t und alle bösen D äm p fe, die den G eist des
A lchem isten infizieren, «die schauerlichen Finsternisse unseres G eistes»,
wie es später im Z itat aus dem Pfingstlied des N otker B a l b u l u s h e iß t1.
Ä hnlich w urde von den K irch en vätern die Ecclesia gepriesen als der
«M ond , der alle w interlichen W o lk en w eggescheucht h a t 2345» . U n d A n a ­
s t a s iu s v o m S i n a i sagt 3: «D as Leben v erlief bisher in den tiefen F in ­
sternissen der nächtlichen und nebligen G ottlosigkeit, bevor Christus, die
Sonne der G erechtigkeit auf g in g , m it seiner G attin L una, d. h. der E ccle­
sia.» N a ch H o n o r iu s von A u t u n hat Satan m it seinem Schwanz im
Sturze einen T eil der Sterne hinabgerissen und m it dem N ebel der Sünde
bedeckt, bis die Sonne - Christus - sie w ieder rettete 4 . A u ch S e n i o r
spricht von den «tenebrae anim ae» als der m ateria nigredinis und deutet
sie als terrestreütas m ala (schlechte Irdischkeit) *. D e r V ergleich solcher
Stellen zeigt deutlich den «m oralischen» A spekt der im T e x t erw ähnten
«odores» und «vapores m ali».
N ich t zitiert w ird in diesem K ap itel die unm ittelbare V o rlage zur
Bezeichnung der Sapientia als «A u ro ra» im H oh en Liede, w orin es von
der B rau t Salomons h e iß t6: « W e r ist diese, die d ort h ervortritt, gleich
der auf steigenden M orgenröte (au ro ra co n su rg en s), schön w ie der
M ond, auserlesen w ie die Sonne, schrecklich w ie die H eersch aren ?»,
aber diese A nspielung findet sich d afü r im folgenden K ap itel der
A u rora, w o steht: «D as ist die W eish eit, das h eiß t die K ön ig in des Süd­

1. Text p. 19. Vgl. auch Ephraem Syrus, Hymni et Sermones, ed. Th. Lamy, Bd. I,
p. 94: Baptismo et intellectu unio fit duorum luminum. Ista lumina ditissimos emittunt
radios et caligo a mente removetur. Tunc anima nitida contemplatur absconditum gloriae
Christum . . .
2 . M ethodius v . Philippi, Symposion V III, 5. cit. Hugo Rahner. Mysterium
Lunae, Zeitschrift f. Kath. Theol. Jahr 63 (1939) p. 339.
3. Anogogica Contemplatio in Hexaemeron 4. cit. ebda. p. 347.
4. Speculum de myst. Eccles. P. L. tom. 172, coi. 937.
5 . De Chemia a. a. O. p. 40. Vgl. auch Asclepius Latinus, Corpus Hermeticum ed.
W . Scott, a. a. O. Bd. I, p. 370: Pater . . . hominem sola intelligentia mentis illuminans,
qui discussis ab animo errorum tenebris et veritatis claritate percepta toto se sensu intel-
ligentiae divinae commiscet.
6. Cant. Cant. VI. 9.
188 KOMMENTAR

w indes, w elche von Sonnenaufgang gekom m en sein soll gleich der au f­


steigenden M o rg en rö te». D ieser berühm te V ers des H oh en Liedes w urde
von den K irch en vätern au f die irdische K irch e gedeutet, «w elche das
K om m en der göttlichen Sonne anzeigen soll 7 und die Finsternisse des
Unw issens (tenebras ign oran tiae) v ertreib t». D er O rt der A u ro ra ist
nach G r e g o r 789 die «vollendete K larh eit der inneren Schau». D ie V a ­
riante des T itels «aurea h ora» als eine W o rterk läru n g von «aurora» ist
insofern w esentlich, als bei den frühm ittelalterlichen M ystikern im m er
w ieder das W o r t des H l . B e r n h a r d aus seinem H oheliedkom m entar *:
«rara h ora et p arva m o ra», an gefüh rt w ird und zw ar als die seltene oder
goldene Stunde und der kurze A ugenblick, in w elchem die m ensch­
liche Erkenntnis die W eish eit G ottes d. h. G ott unm ittelbar berührt und
in der Ekstase «schm eckt» io. So ist d ie «aufsteigende M orgenröte»
eig en tlich der A u g e n b lic k d er m ystischen B erü hrun g m it G o tt. In ter­
essant ist in diesem Z usam m enhang die L eh re von A u g u s t in u s von einer
M orgenerkenntnis und einer A benderkenntnis des M enschen: D as W is ­
sen d er K reatu r näm lich h at es an sich, abendlich zu verdäm m ern (in ­
folge V erw eltlichung bzw. Zuw en d un g zu den realen O b je k te n ), und es

7. T h e o d o r e t v. K y r o s , Hoheliedcom. IV , 9. cit. H u g o R a h n e r , Mysterium Lunae


a. a. O. p. 341. - Vgl. G r e g o r i u s M a g n u s , In tertium caput Job, Opera, Paris, 1636,
tom. I. col. 116: Aurora quippe ecclesia dicitur quae a peccatorum suorum tenebris ad
lucem iustitiae permutatur . . . Quae est ista etc. quasi aurora electorum surgit Ecclesia
quae pravitatis pristinae tenebras deserit er sese in novi luminis fulgorem convertit, u.
ebda. p. 126: Ortus vero aurorae est illa nova nativitas resurrectionis, qua sancta Eccle­
sia etiam carne suscitata oritur ad contemplandum lumen aeternitatis. - Vgl. auch
H o n o r i u s v . A u t u n , Expositio in Cant. Cant. Migne. P. L . tom. 172, col. 454.

8. Expos, mor. Lib. X X V III in tricesimum cap. Job I 925 1: Quid est enim locus
aurorae nisi perfecta claritas visionis internae ?
9. In Cant. Cant. Sermo X X I I I cap. 15 (De diligendo D eo).
10. So sagt z. B. G u n d a l i s s i n u s De anima: Si enim sapientia a sapore dicta est,
sapor autem rei non sentitur, nisi cum ipsa res gustatur, gustetur autem cum ad horam
gustu tangitur, profecto sola intelligentia sapientia perficitur, quia ea sola et ra ra h o r a
e t p a r v a m o r a Deus utique sentitur. . . Ita sola intelligentia Deus gustari dicitur, quia
ex omnibus viribus animae ea sola in praesenti et in futuro quasi nullo mediante tangi­
tur. Hic tamen proprie gustamus ubi ad horam intelligendo ra p tim de Deo aliquid
sentimus. Ibi vero satiabimur ubi eo sine fine perfruemur. Vgl. A. L o e w e n t h a l
P s e u d o - A r i s t o t e l e s , Über die Seele. Eine psychol. Schrift und ihre Beziehungen zu
Salomo ibn G a b i r o l ( A v i c e b r o n ) . Berlin 1891. p. 124-125. cit. E. G i l s o n . Les
sources greco-arabes de l’augustinisme avicennisant avec une edition critique du «de
intellectu» d ’A L F A R A B i. Archives d’histoire doctrinale et litteraire du moyen-äge tom. 4.
1929. p. 90-91. Note.
KOMMENTAR 189

w ird M orgen dann, w enn sie sich in der Sapientia D ei erkennt und zur
Liebe G ottes zu rü ck k eh rt11!
D e r O sten oder O rien t, in w elchem die M o rgen rö te erscheint, gehö rt
nun in unserem T e x t gleichzeitig in einen alchem istischen Sinnzusam ­
m enhang, denn der O rien t bedeutete alchem istisch «B lu t und L e b e n I21345» .
Schon bei den byzantinisch-griechischen A lchem isten spielte die Z u o rd ­
n ung der Stoffe und F arb en zu den H im m elsrichtungen eine gewisse
R olle. So sprechen die technischen T rak tate der G riechen und A rab er o ft
kurzerhand von einem orientalischen Quecksilber (υδράργυρος ανατο­
λική) Σ3 , und bei O lympiodor (E n d e 6 . Jah rh u n d ert J4) h eiß t e s « S i e
teilten dem N o rd en die N ig re d o zu, dem Sonnenaufgang die A lbedo,
die w eiße Substanz, das h eiß t das S i l b e r . . . denn es sagt H ermes . . .
m an habe dem O sten die w eiße Substanz zugeteilt, indem sie (d ie Philo­
sophen) den A n fa n g des W erk es dem A n fa n g des T ag es zuordneten,
w enn die Sonne über der E rd e a u fg e h t16. M erk auch au f A p o ix o , w el­
cher sagt: ,Sieh, (d ie E rd e ) w ird fü r das V erfah ren in d er M orgen rö te
g en o m m en / Dieses ,in der M orgen rö te' h eiß t deutlich ,vo r Sonnenauf­
gang' und ist der U ra n fa n g des ganzen W erk es v or der A lb ed o .» D as

11. De civit. Dei liber X I cap. V II: Quoniam scientia creaturae in comparatione
scientiae Creatoris quodammodo vesperacit: itemque lucescit et mane fit, cum et ipsa
refertur ad laudem dilectionemque Creatoris nec in noctem vergitur ubi non Creator
creaturae dilectione relinquitur. . . Cognitio quippe creature in se ipsa decoloratior est,
ut ita dicam q u a m cu m in D e i S a p ie n tia velut in arte in qua facta est. Ideo vespera
congruentius quam nox dici potest, quae tamen, ut dixi, cum ad laudandum et aman­
dum refertur Creatorem recurrit in Mane. Et hoc cum facit in c o g n it io n e s u i ip s iu s d ie s
u n u s est cum in cognitione firmamenti. . . dies secundus . . . terrae et maris omniumque
gignentium quae radicibus confirmata sunt terrae, tertius . . . et ipsius hominis dies
sextus. Vgl. hiezu C. G. J u n g , Symbolik des Geistes, 1. c. ρ. 146 sq.
12. So heißt es in einem «Opusculum authoris ignoti» (Artis Aurif. 1610, Bd. 1,
p. 250: «Nimm den über dem Meere schwebenden Stein . . . und töte mit ihm das Leben­
dige und belebe mit ihm das Tote, und er besitzt Tod und Leben in sich, und dieses
und jenes aus dem Orient und dem Okzident. . . In ihm sind zwei Gegensätze: Wasser
und Feuer, und dieses belebt jenes, und jenes tötet dieses . . . Und nachher wird
die o r ie n ta lis c h e R ö te erscheinen und die R ö te d e s B lu t e s .»
13. Vgl. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. V, II 7. Vol. I. p. 339 und B erthelot, La
Chime au Μ. A. III p. 207 und 209, Le Livre du Mercure Oriental X .
14. Vgl. E. v . L i p p m a n n , Alchemie a. a. Ο. II p. 10.
15. Über die heilige Kunst, M. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs, II. IV 31. Vol. I, p. 88.
16. Auch in der «Kore Kosmou» ( I s is an H o r u s ) empfängt I s is (oder H e r m e s ?) die
Gnosis der kosmischen höheren Mysterien, welche er später bei den «Geheimnissen des
O s ir is » niederlegte, bei S o n n e n a u fg a n g . ( S c o t t , Hermetica a. a. O. Bd. 1, p. 460. (Ich
behalte die Lesung: τ ή ς α ν α τ ο λ ή ς γ ε ν ο μ έ ν η ς von P a t r i c i u s bei.)
190 KOMMENTAR

bedeute, h eiß t es später, daß die E rd e genom m en w erden solle, «solange


sie noch T au enthält», denn die Sonne beraube sie ihres Taues, um sich
zu nähren, und dann sei die E rd e «eine W itw e und ohne M an n r7 ». Aus
all diesen Am plifikationen geht hervor, daß dem O sten oder O rient und
dam it der M o rgen rö te alchem istisch außer der Rubedo, näm lich B lu t
und Leben, auch die w eibliche, w eiße Substanz, näm lich die betaute
(d . i. vom G eist b efru ch tete) Substanz zugeordnet w urde.
145 Psychologisch ist m it diesem Symbol der A u ro ra w ohl ein Z ustand des
Innew erdens jener oben erw ähnten Lum inosität des U n b e w u ß te n 1718 1920 g e ­
m eint. Sie ist nicht w ie die Sonne ein konzentriertes L ich t, sondern ein
diffuser Schein am H orizon t - d. h. an der Schw elle des Bew ußtsein l9.
D ie A n im a ist dieses «w eibliche» L ich t des U nbew ußten, V erm ittlerin
der Erleuchtung, der Gnosis, d. h. der Realisation des Selbst, dessen V o r­
botin sie gleichsam ist.
14 6 In der kirchlichen Symbolik ist dem entsprechend der O rien t oder
O sten ein Symbol M ariae. So sagt E p h r a e m S y r u s 20 : « D e r O rien t m it
seinen Sternen ist ein Symbol M ariae, aus deren Schoß uns geboren
w urde der H e rr der G estirne. D ieser h at durch seine G eburt die F in ster­
nisse aus der W e lt vertrieben.» U n d ähnlich h eiß t es auch im röm ischen
M issa le 21: «D ie au f glänzende M o rg en rö te am H im m el d er E rlösun g
und G nade, aus deren Schoße sich tausendfach sie überstrahlend die
Sonne erhebt, ist M aria . . . » B ei anderen K irch en vätern g ilt die A u ro ra
auch als ein B ild der E c c le s ia 2223, und nach A l a n u s de I n s u l i s beginnt
alle V ern u n ft des M enschen im O sten 23 . W ä h re n d aber in letzteren Aus-

17. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. II. IV 35, Vol. I, p. 90.


18. Vgl. Mysterium Coniunctionis Vol. I p. 156 ff und 198 f.
19. Vgl. über die Bedeutung des Morgens auch S. H u r w i t z , Archetypische Motive
in der chassidischen Mystik. Zeitlose Dokumente der Seele, Zürich 1952, p. 203 f.
20. Hymni et Sermones, ed. Lamy, a. a. O. Bd. II, p. 584: Oriens cum suis astris
figura fuit Mariae, e cuius sinu ortus est nobis Dominus astrorum. Ille sua nativitate
tenebras e mundo fugavit.
21. Ausgabe von A. Schott, p. 720.
22 . Vgl. H u g o R a h n e r , Mysterium Lunae, a. a. Ο., p . 342-345, und z . B. G r e g o r i u s
M a g n u s , Moralia IV 11, Migne P. L. Bd. 75, coi. 648.
23. Distinet. 866 C Migne P. L. tom. 210 coi. 866 C: Sicut in mundo maiori firma­
mentum movetur ab oriente in occidentem et revertitur in orientem sic ratio in homine
movetur a contemplatione orientalium id est coelestium primo considerando Deum et
divina, consequenter descendit ad occidentalia id est ad considerationem terrenorum
ut per visibilia contempletur invisibilia, deinde revertitur ad orientem iterum conside­
rando coelestia.
KOMMENTAR 191

führungen diese Symbole nur ein allegorisches «B ild » sind, haben sie in
der A u ro ra einen viel tiefer in die konkrete W irk lich k eit hinabreichen­
den Sinn. D ie B efreiu n g der in der N a ch t leidenden K ran k en ist in
unserem T e x t sow ohl psychisch als auch physisch g e m e in t 2* und spielt
von neuem au f die Eigen sch aft des Lapis als M edicina an, und die üblen
D äm p fe und G erüche, w elche den Laboranten infizieren, sind sowohl
seelisch als auch physisch aufzufassen. Psychisch symbolisieren sie die
V erg iftu n g durch seelenschädigende K o ll e k ti v m e in u n g e n u n d v er­
drängte Inhalte.

T ext: . . . so ist die Morgenröte im Höhepunkt der Rötung das Ende aller 14 7

Finsternis und die Vertreibung der Nacht, jener winterlichen Dauer, in der
einer, wenn er darin wandelt und sich nicht in acht nimmt, anstoßen wird.
Von ihr heißt es in der Schrift: Und eine N acht tut die Wissenschaft kund
der andern, und ein Tag sagt das W o rt dem andern, und die N acht wird
lichthell wie der Tag in ihrer W onne.

D ieses Z itat aus Jo h . X I , 9-10, weist w ieder in erster Linie au f den 148
m oralischen H in tergrun d des O pus hin: die lange lichtlose W in tern ach t,
in w elcher der Lab oran t «an stöß t», d. h. stolpert, ist noch einm al ein
H inw eis auf die oben erw ähnte «afflictio anim ae», w elche zu B eginn
des W erk es dom iniert, und dieser erste H inw eis ist kom positioneil als
eine V orb ereitu n g auf das folgende sechste K ap itel, d. h. die erste P a ra ­
bel «V on der schwarzen E rd e usw .» anzusehen. F ast raffiniert deutet
näm lich der A u to r in diesem K ap itel, das dem B ild der A u ro ra gew id­
m et ist, die kom m enden Peripetien des O pus an, w obei er am Schluß
des K apitels zum ersten M al au f die kom m ende G eburt der neuen Sonne
hinw eist. Sein zuletzt angeführtes Z ita t näm lich aus Ps. C X X X V I I I , 1 2 ,
w ird auch im M eßbuch zitiert, w o es im E xu ltet bei der W e ih u n g der
O sterkerze h e iß t 2
4526: «O w ahrhaft selige N ach t, die allein gew ürdigt w o r­
den Z eit und Stunde zu erfah ren , da Christus vom R eiche der T o ten

24. Die «Nacht» gilt in der Patristischen Literatur auch als Bild des Antichrist.
Vgl. Honorius von Autun, Expos, in Cant. Cant. Migne P. L. tom. 172 col. 472. Vgl.
auch derselbe col. 451: Sicut enim aurora surgens tenebras noctis depellit, solem mundo
inducit, sic Ecclesia nascens tenebras ignorantiae reppulit et solem mundo dictis et
exemplis induxit.
25. Vgl. C. G. J ung, Myster. Coni. Vol. I p. 177.
26 . Ausgabe von A. Schott, ρ. 295.
192 KOMMENTAR

erstanden! D ies ist die N ach t, von der geschrieben steht: D ie N a ch t w ird
lichthell wie der T a g , und die N a ch t ist m eine Leuchte bei m einer
W o n n e (in deliciis m e is ).» D am it ist die O sternacht, die N a ch t der
A ufersteh u n g Christi gem eint 27.
D u rch einen solchen H inw eis au f den T e x t des O ster-E xu ltet deutet
der A u tor fast unm erklich an, daß es sich beim nachfolgenden O pus um
ein eigentliches Wiedergeburtsmysterium handelt, und daß die «neue
G eburt» eine G estalt ist, die er sogar dem auf erstandenen Christus p aral­
lel setzt. D am it ist ein Parallelism us angedeutet, der später noch viel
klarer zutage treten soll. Z u m ersten M al geht hier auch die Symbolik
über die B egegn u n g m it der A n im a (Sap ien tia) hinaus - in der A n d eu ­
tung des A uferstehungsm ysterium s einer m ännlichen G estalt.

K O M M E N T A R Z U M F Ü N F T E N K A P IT E L

adurch, daß der A u to r am Schluß des letzten K apitels die A u ro ra


andeutungsweise m it dem ersten L ich t des O sterm orgens identifi­
zierte, hat er sein Erlebnis in ihm bekannte kirchliche V orstellungen w ie­
der eingeordnet, w odurch er es zw ar in seinem individuellen W e r t etwas
abgeflacht h at; doch ist er dam it auch der G efah r der Inflation en tron ­
nen. Infolgedessen ist der T o n dieses neuen K apitels nicht m eh r ichhaft
- der A u tor tritt zuerst sogar ganz zurück, und die Sapientia D ei kom m t
selber zum W o r t:

Text: «Ruft also nicht die Weisheit öffentlich am Wege und läßt nicht die
Klugheit sich hören in den Büchern der Weisen, indem sie sagt: Oh ihr Män­
ner, ich schreie zu euch und rufe zu den Söhnen des Verstehens: merkt ihr
Unwissenden und nehmt zu Herzen die Parabel und ihre Deutung, die Worte
der Weisen und ihre Rätsel. Die Weisen haben nämlich verschiedene Aus­
drücke gebraucht in Angleichung an alle Dinge auf Erden und haben unter
dem Kreise des Mondes die Parabeln vermehrt in dieser Wissenschaft...»

D as K ap itel stellt einen eigentlichen « P ro tre p tik o s*» zum W e rk der

27. Im selben Exultet heißt es weiter (ebda. p. 295) «Es freue sich auch die Erde
bestrahlt von solch himmlischem Schimmer! vom Lichtglanz des ewigen Königs um­
flossen fühle sie, daß sie die Finsternis verloren, die auf ihrem Umkreis lastete. Es freue
sich auch die Mutter Kirche, geschmückt mit dem Glanze solchen Lichtes.»
1. Werbeschrift, Ermunterung.
KOMMENTAR 193

A lchem ie dar. Zunächst w irbt die Sapientia w iederum öffentlich au f


allen Straßen um die «Söhne des V erstehens», wie in den biblischen
Sprüchen. D ann fo lg t von neuem ein H inw eis auf die aenigm atische
Ausdrucks weise der A lchem isten und auf die tausend N am en des Stei­
nes: sie hätten ihn «in A n gleich u n g an alle D in ge auf E rd en » b e n a n n t234.
A lle D in ge unter dem M ondkreis, d. h. innerhalb der W e lt des W e r ­
dens und V ergehens, w o K onflikt, A ktion und Leiden herrschen 3, k ön­
nen ein B ild fü r den Lapis w erden, insofern er ja auch das in allen D in ­
gen verborgene «L ich t der N a tu r» darstellt. Psychologisch hieße dies,
daß die Projektion des seelischen Inhaltes, den der Lapis symbolisiert,
näm lich des Selbst, jederzeit und überall stattfinden kann 4.

Text: Das ist die Weisheit, d. h. die Königin des Südwindes, welche von 153
Sonnenaufgang gekommen sein soll, gleich der aufsteigenden Morgenröte,
um die Weisheit S a l o m o n s zu hören und zu begreifen und auch zu sehen,
und es ruht in ihrer Hand Macht, Ehre, Kraft und Herrschaft. Und sie trägt
eine Königskrone aus den Strahlen von 12 leuchtenden Sternen auf ihrem
Haupt, wie eine Braut, die für ihren Bräutigam geschmückt ist. Und auf ihren
Gewändern hat sie eine goldene Inschrift. . . : Als Königin werde ich herr­
schen, und meines Reichtums ist kein Ende, für alle, die mich finden und
scharfsinnig erforschen mit Erfindungsgeist und Beharrlichkeit.

In dieser E n d partie des fü n ften K apitels scheint zunächst ein gewis- 154

ses Z iel erreicht. D e r A u tor ist zu einer relativ abgelösten O bjektivierung


der A n im a gelan gt, indem e r sie m it H ilfe der biblischen Gleichnisse
und alchem istischen Symbole als bildhaft geschautes göttliches W e se n
darstellt. N u r eine brennende F ra g e ist nicht gelöst: die Sapientia steigt
herab «geschm ückt wie eine B rau t fü r ihren B räu tigam ». W er ist dieser
Bräutigam? Es kann nicht d er endzeitliche Christus der Apokalypse sein,
denn die W e lt ist ja noch nicht aufgelöst, Satan noch nicht besiegt, der
E n d kam pf noch nicht ausgefochten. N a ch dem T e x t w ill sie die W e is-

2. Ähnlich lautet ein LiuuM-Zitat bei P etrus B onus: «Von unserem Stein gibt es
so viele Namen, als es Dinge gibt oder Bezeichnungen von Dingen.» Pretiosa Margarita
Novella, ed. Lacinius, Venedig a. a. O. p. 54.
3. Vgl. z. B. G undalissimus, De immortalitate animae, ed. G. Bülow, Beitr. zur
Gesch. der Philosophie des Mittelalters. Bd. II. Heft 3. Münster. 1897. p. 23: Omnis
enim locus sub coelo lunari est generationis et corruptionis, quoniam locus est confiictüs
et actionis et passionis, ex quibus sunt generatio et corruptio universaliter.
4. Vgl. J ung, Psychol. und Alchemie. 1. c. p. 441.
194 KOMMENTAR

heit Salom ons, also m enschliche W eish eit hören, und sie sucht w ohl
dem nach auch ihren B räutigam u n ter den auf E rd en lebenden M e n ­
schen. Sicher ist der A u to r derjenige, d er sie suchte, um von ihr erleuch­
tet zu w erden, aber ist er nicht auch derjenige, den sie als ihren sponsus
sucht und liebt? D iese F ra g e scheint zunächst nicht eindeutig beantw or­
tet, doch w ird sich diese V erm utu n g im N ach fo lg en d en bestätigen.
A n sich ist diese Schlußpartie ein g roß artiges B ild der als Sapientia
personifizierten W eltseele, ein B ild, das durch eine seltsam e V erm i­
schung zahlreicher biblischer Frauengestalten entstanden ist:
Z u erst ist sie w iederum m it der «regina austri», der K ö n ig in von
Saba, gleichgesetzt, w elche die W eish eit Salomons «hören, begreifen
und auch sehen» w ollte, w om it w ohl auf das konkrete Resultat des Opus
hingewiesen w erden soll, w ie ja auch andere A lchem isten versichern,
den lapis «gesehen und betastet» zu haben (vid i et p alp av i) L D ies w ird
betont, um dem M ißverständnis zu begegnen, es handle sich u m eine
bloße A llegorie.
V o n der K ö n ig in von Saba gleitet die V orstellu n g des V erfassers als­
bald w eiter zu dem B ild des vom D rach en v erfolg ten apokalyptischen
W eibes, das m it zw ölf Sternen gekrönt i s t 5
68;7und dann zu dem des h im m ­
lischen Jerusalem , welches vom H im m el h erab fäh rt, «geschm ückt w ie
eine B raut fü r ihren Bräutigam 7». D ie «g roß e F ra u » (γύνη μεγάλη) der
A pokalypse ist in der A lleg o rik der K irch en väter als ein B ild der K irch e
au fgefaß t w orden, w elche eine «selbständige K ra ft» (δύναμις καθ’έαυτήν)
eine ideelle H ypostase einer die N a tu r durchw altenden « K ra ft zur E r ­
leuchtung» ή παρορμωμένη φωτίζεσθαι δύναμις8 darstellt. Sie g ilt auch,
w eil sie auf dem M ond e steht, als ein Symbol der E rhabenheit über alles
V eränderliche, über erdhaften Z e rfa ll und über das «R eich der G eister
dieser L u ft» . E in e besonders unserem T e x t nahestehende und w ichtige

5. Rosarium philos. Artis Aurif. a. a. O. 1610 II p. 133 . . . quae vidi propriis oculis
et manibus meis palpavi.
6. Apoc. X II. 1.
7. Apoc. X X I . 2.
8. M ethodius von P hilippi Symposion, V III 4 und 5. cit. aus H. R ahner, Myste­
rium Lunae, Ztschr. f. kath. Theol. 63. Jahrg. 1939, p. 338-339. Derselbe Autor sagt
auch (ebda. Jahr 64, 1940, p. 72 und p. 126) «Sie stehe auf dem Mond wie der Getaufte
auf dem Glauben. Es steht also die Kirche - und Selene ist darin andeutendes Vorbild -
auf unserem Glauben und auf unserer Kindesannahme, und solange bis die Fülle der
Völker heimgekehrt ist, liegt sie in mütterlichen Wehen und schafft gebärend die Psy-
chiker um zu Pneumatikern. Aus diesem Grund ist sie eine wahre Mutter.»
KOMMENTAR 195

Interpretation, w elche näm lich ebenfalls die B rau t des H ohenliedes m it


dem apokalyptischen W e ib kontam iniert, findet sich in der C oncordia
(lib . 5 ) des G io a c c h in o d a F i o r i ( t 1 2 0 2 ) , w orin er sagt m it dem
Sonnenglanz (des apokalyptischen W e ib e s) sei das kontem plative Leben
gem eint, das zu den A n achoreten gehöre, m it dem M ondesglanz das
aktive Leben der Coenobiten und m it den Sternen die einzelnen T u g en ­
den, w elche die alten M önch e einzeln in eigenen Z ellen leben l i e ß e n . . .
zugleich bezieht sich aber auch alles H im m lische au f das kontem plative
L e b e n . . . So w ird also durch Sonne, M o n d und Sterne die «ecclesia
contem plativa» bezeichnet und eben jene K irch e, die vom apokalypti­
schen W e ib dargestellt ist, und von der im H ohenlied geschrieben steht:
« W e r ist jene, die herv ortritt, w ie die aufsteigende M o rgen rö te, schön
w ie der M ond , erlesen w ie die Sonne u sw .». D iese ist aus den M önchs­
orden gebildet, und je näher sie G ott steht, desto m ehr h ält sie sich von
der Finsternis dieser W e lt und ihren H and lu n gen fern . D ie Sterne be­
deuten nach G io a c c h in o die G aben des H eiligen Geistes, und diese
Idee fü h rte w ohl dazu, daß in der T extw ied ergab e des Rosariums sieben
statt zw ölf Sterne erw ähnt sind io. D iese Interpretation des Abtes Jo a ­
chim ist deshalb besonders w ichtig, w eil - w ie sich schon im V erlau fe
der K om m en tieru n g erweisen w ird - überhaupt eine gewisse A ffinität
der G edanken und Sym bolkontam inationen zu dessen Ideen h erv ortre­
ten w ird.
In dem alchem istischen Zusam m enhang d ü rfte auch die astrologische
B edeutung des apokalyptischen W eibes zu berücksichtigen sein: u r­
sprünglich ist letzteres näm lich m it dem Sternbild der Ju n g frau (ein em
E rd zeich en ) identisch, zu deren F ü ß en das Sternbild der H yd ra steht,
und insofern entspricht es der Isis als «regin a coeli» oder « K o re kos-
m ou ». Ebenso entspricht sie w eitgehend den zahlreichen gnostischen
weiblichen Personifikationen des H l. Geistes, wie der Barbelo, Acha-
moth, Sophia u sw .11, G estalten, in denen der heidnisch-naturhafte H in ­
tergrund dieses Bildes stärker betont ist. A b er auch aus der kirchlichen
Interpretation, das W e ib sei eine «die Natur ( ! ) durchw altende K ra ft

9. Da ich mir kein Exemplar der Concordia verschaffen konnte, zitiere ich aus der
Textbeilage von Chr. H ahn, Geschichte der Ketzer im Mittelalter. Stuttgart 1850,
Bd. III. p. 297. Concord. V.
10. Der Hl. Geist hat sieben Gaben oder «munera» (Funktionen).
11. Vgl. F ranz B oll, A us der Offenbarung Johannis. Hellenistische Studien zum
Weltbild der Apokalypse, Teubner 1914, p. 100 ff.
196 KOMMENTAR

zur E rleuch tu n g », erklärt sich die Identifikation m it der Sapientia D ei,


die in der A u ro ra nicht nur als Erleuch tu n g von «oben», sondern auch
als ein lu m en naturale au f g e fa ß t i s t 121
345. Papst P iu s X I I . h at diesem u n ­
bew ußten B ed ü rfn is nach einem m eh r naturverbundenen B ild einer
«göttlichen M u tter» A usdruck verliehen, indem er in seiner neuen
Encyclica: A d Caeli R eginam , die G ottesm utter als H errsch erin des K o s­
mos preist und dabei diejenigen K irch en väter anführt, welche sie zur
«dom ina creaturae» oder «dom ina rerum » erheben. Es w ird ihr sogar
«ein gewisses Teilhaben an der W irk k ra ft» ihres Sohnes und «ein be­
sonderer A n teil am W e rk unseres ew igen H eils» zugeschrieben u .
159 D e r A u tor der A u ro ra geht über die übliche m ittelalterliche Symbolik
insofern hinaus, als seine göttliche Frau engestalt nicht nur M aria oder
die Sapientia oder Ecclesia darstellt, sondern zudem eine «Physis» p e r­
sonifiziert, die erst in der Z u k u n ft ein K in d gebären soll und deren
Sproß und Sohngeliebter nicht, w ie sich zeigen w ird, der historische
Christus, sondern der ganze M ensch oder der Lapis philosophorum
sein w ird *4.
160 Im U nterschied zur Apokalypse geschieht in der A u ro ra etwas U n e r­
w artetes und Folgenschw eres: das apokalyptische Sternenw eib, das in
d er O ffenba ru ng Johannis in der W ü ste verborgen wurde, steigt zur
M en schen w elt, verm utlich zu m A u to r d er A u ro ra selber hinab, und zw ar
«wie eine Braut, d ie fü r ihren Bräutigam geschm ü ckt ist». In den spä­
teren T extp artien w ird dies im m er deutlicher form u liert. Dieses G e­
schehen bedeutet aber nichts anderes, als daß das archetypische M o tiv
der C on iun ctio, w elches von je h er a u f g ö ttliche u n d k ö n ig lich e F ig u ren
p ro jiziert w a r 1*, in d en B ereich d es g ew ö hn lich en M en sch en einbricht
u n d dadurch le tz te m zum R e x G loriae erhöht. F ü r einen M enschen, der
die B ereiche des Ichbewußtseins von denen des kollektiven U nbew ußten
nicht zu unterscheiden gelern t h a t 169 m u ß te dies, w ie schon der B eginn

12. Vgl. auch A lanus de I nsulis, der die Natur folgendermaßen anruft: De planctu
nat. 447 c: pax, amor, virtus, regimen, potestas, ordo, lex, finis, via, dux, origo, vita, lux,
splendor, species, figura, regula mundi! (Migne P. L. tom. 210. coi. 447 c.)
13. Litt, encycl. Pii. Papae X II. Ad Caeli Reginam. 1. Nov. 1954 aus LOsservatore
Romano, Domenica, 24 Ott. 1954 und nach der vorläufigen Uebersetzung in der
«Schweizerischen Kirchenzeitung» vom 25. Nov. 1954.
14. Über die Bedeutung dieses Motivs vgl. J ung : Antwort auf Hiob, passim.
15. Näheres vgl. J ung, Psychologie der Übertragung. 1. c. p. 91, 94 ff. und
bes. p. 108 ff.
16. Vgl. ebda. p. 159 ff.
KOMMENTAR 197

des T extes zeigte, eine tiefe E rschütterung bewirken l7. E r ist dadurch
aus seinem gew öhnlichen R ahm en herausgehoben und selber zu symbo­
lischer Bedeutung erhöht w o rd e n 17181920; denn die Coniunctio m eint eigent­
lich, wie J ung sagt, eine «transsubjektive V ereinigung archetypischer
G estalten *9», eine Beziehung, w elche die V ollen d u ng der Individuation
zum Z iele hat 2°. O bw ohl - von solchen Ü berlegungen ausgehend - die
Identifikation des A lchem isten m it dem göttlichen Sohngeliebten der
Sapientia eine gefäh rlich e Situation zu sein sch e in t2I, so ist sie doch für
einen m ittelalterlichen M enschen w ohl eine N otw endigkeit auf seinem
W e g e zur Individuation gewesen, weil sonst das «M ysterium Coniunc-
tionis» au f die G estalten der Ecclesia-Christus oder M aria-C hristus fü r
im m er im außerindividuellen B ereich projiziert geblieben w äre. D am it
aber könnte die neue innere G eburt, die m it dieser V erein igu n g offen­
bar gem eint ist, d. h. die G eburt des Lapis, eines neuen Symbols des
Selbst (das über Christus h in au sg eh t), nicht stattgefunden haben. W ie
J ung in «A ion » gezeigt h a t 2223, stellt näm lich Christus psychologisch
gesehen nur den lichten positiven A spekt der G anzheit, d. h. des Selbst
d ar; ihm feh lt der Schatten, der dunkle G egenpol, dessen Existenz aller­
dings in der V oraussage des kom m enden A ntichrist geahnt w urde. D a ­
m it bleibt aber das christliche Symbol des Selbst (C h ristu s) der w irk­
lichen irdischen R ealität des einzelnen M enschen entrückt. D a s alche-
m istische Sym bol des Selbst h in g eg en , der Lapis, b eg reift d en lich ten
u n d d u n k len A s p e k t der m en schlichen G a n zh eit paradoxerw eise ein.
D eshalb bildet die A lchem ie eine kom pensatorische (n ich t kontrastie­
ren d e) U n terström u n g zu den christlichen V orstellungen 23 .

A us eben diesem G runde fühlte sich w ohl der V erfasser der A u ro ra


unw illkürlich veran laß t, sein Erlebnis nicht nur in biblischer Paraphrase,
sondern durch alchem istische Z ita te und B ild er zu beschreiben. D arin
liegt vielleicht die erste A h n u n g davon, daß es sich eigentlich nicht um
eine sich w iederholende innere G eburt C hristi, sondern um die Erzeu-

17. Vgl. auch bes. p. 111-112 über die Bedeutung der Projektion des göttlichen
Numens in den Stoff als eine Annäherung an den Menschen.
18. Vgl. ebda. p. 145.
19. cit. ebda. p. 160.
20. Vgl. ebda. p. 160.
21. Vgl. ebda. p. 164 ff.
22. 1. c. passim.
23. Vgl. J ung, Psychologie und Alchemie. Einleitung.
198 KOMMENTAR

gu n g des «filius philosophorum » handle - eines um fassenderen, die


G egensätze C h ristu s-A ntich ristu s vereinigenden, Symbols des Selbst.
Im B ilde des him m lischen Jerusalem s g re ift der V erfasser w ieder ein
biblisches M o tiv auf, das in besonderem M aß e hellenistisch-antikes G e­
dankengut enthält. In den zw ölf T o ren der Stadt liegt näm lich, w ie in
den zw ölf Sternen des apokalyptischen W eib es, eine Beziehung zu den
zw ölf Zodiakalzeichen vor **, und zugleich ist dam it hier auch au f die
symbolische B edeutung der zw ölf K ap itel der A u ro ra angespielt. M it
dieser ersten Erw ähn u n g des him m lischen Jerusalem s ist zudem ein
M otiv vorw eggenom m en, welches dann im zehnten K ap itel vom Schatz­
haus der W eish eit zentrale B edeutung erhält. A uch hat das W e ib in der
O ffenbarung «die Flü g el des g roß en A d le rs 2 U>, und auch dies ist viel­
leicht nicht ohne Bedeutung fü r unseren T e x t, denn später w ird der
A d ler als Sinnbild des Lapis e rw ä h n t242526, und in d er siebenten Parabel
tritt die Sponsa, die H im m elsbraut, m it Flü g eln auf. In solcher A rt sind
in kaum m erklichen H inw eisen auf das W e ib und die Stadt der A p o ka­
lypse bereits in späteren K ap iteln entfaltete symbolische D arstellungen

24. F. B oll , Die Offenb. Johannis, a. a. O. p. 39- - In der Citierung dieser Partie
der Aurora im Rosarium ist der Text etwas abgewandelt (Artis Aurif. 1610, Teil II,
p. 193. Ich citiere die Übersetzung von J ung in Psych. u. Aich. p. 5 1 3 -5 1 4 ): «Diese
(sapientia) ist meine Tochter, um derentwillen gesagt ist, daß die Königin des Südens
aus dem Osten gekommen sei, wie die aufsteigende Morgenröte, um zu hören, zu ver­
stehen und um zu sehen die Weisheit Salomonis, und in ihre Hand ist gegeben Macht,
Ehre, Kraft und Herrschaft, und sie trägt die königliche Krone der strahlenfunkelnden
sieben Sterne gleich einer für ihren Mann geschmückten Braut, und ihr Gewand ist
beschrieben mit goldenen griechischen, arabischen und lateinischen Buchstaben: ,Ich
bin die einzige Tochter der Weisen, den Dummen ganz und gar unbekannt’.» J ung
sagt dazu (Psych. u. Aich. p. 514 ff.) «Im Urtext sind es statt sieben zwölf Sterne. Die
sieben beziehen sich offenbar auf die sieben Sterne in der Hand des apokalyptischen
similis filio hominis (Apok. I, 13 und II 2 ). Die sieben Sterne stellen in der Apokalypse
die sieben Engel der sieben Gemeinden und die sieben Geister Gottes dar. Das histo­
rische sous-entendu der Sieben ist die uralte Gesellschaft der sieben Götter, welche in
die sieben Metalle der Alchemie übergegangen sind . . . Der Urtext hat, wie gesagt,
zwölf Sterne, die sich auf die zwölf Jünger und die zwölf Zodia beziehen. . . In der
zweiten Homilie des Clemens wird bemerkt, daß die Zahl der Apostel der der zwölf
Monate entspreche. Im manichäischen System konstruiert der Erlöser ein kosmisches
Schöpfrad mit zwölf Krügen (den Zodiakus, das zur Emporhebung der Seelen dient.
Dieses Rad steht in einem sinngemäßen Zusammenhang mit der rota, dem opus circu­
latorium der Alchemie, welches den gleichen Zweck, nämlich den der Sublima­
tion, h a t. . . »
25. Apok. X II. 14.
26. Schluß der fünften Parabel.
KOMMENTAR 199

der «anim a» angetönt. Im B ild der v om «H im m el herabsteigenden


B rau t» ist das in der siebenten Parabel dargestellte Endziel des O pus,
die C oniunctio, zum erstenm al erw ähnt.
D am it ist der erste T eil der A u ro ra abgeschlossen, und es beginnt nun 163

eine R eihe von Parabeln, w elche neue Inhalte schildern. D ie E inteilung


in zw ölf K ap itel ist w ohl n ich t ohne symbolische B edeutung. In der
A lchem ie spielt die Z w ö lf eine R olle als Z ah l der M onate, d er T a g e s­
und N achtstunden oder der zw ölf Zodiakalzeichen, m it denen die ein­
zelnen Phasen des W erk es o ft in Beziehung gebracht w erden 27 . In der
m ittelalterlichen Symbolik ist die Z w ö lfzah l w ichtig als Z ah l der E ck ­
steine des him m lischen Jerusalem s, als der zw ölf Stäm m e Israels oder
der zw ölf Privilegien M ariae. W ä h ren d d ie ersten f ü n f K a p ite l um
einen Z en tra lb eg riff, d ie Sapientia D e i, als d en G eist oder d ie Seele der
A lc h e m ie kreisen, im B em ü h en , d en selben durch im m er neue B ild e r an­
zureichern, schildern d ie n a ch fo lg en d en sieben Parabeln als G eg enstück
dazu einen dynam isch von B ild zu B ild w eiterschreitenden A b la u f, der
den P ro zeß oder das O p u s verd eu tlich en s o ll. D ieser A b lau f ist als ein
spiralförm iges Proced ere beschrieben, indem jede der sieben Parabeln
das ganze Opus im K lein en oder w enigstens in einzelnen A ndeutungen
vollständig darstellt (im m er w ieder beginnend m it einer N ig re d o und
endend m it H inw eisen auf das E n d z ie l); zugleich reihen sich die sieben
Parabeln (m an vergleiche ihre T ite l!) in einer K e tte aneinander, die als
G anzes das O pus versinnbildlicht.
D ie Siebenzahl der Parabeln ist w ahrscheinlich als eine A nspielung 164

au f die sieben Planeten und die ihnen zugehörigen sieben M etalle oder
M etallgeister als der sogenannten «A rk an e» = G ru n d p fe ile r 28 des O pus
zu v ersteh en 2*. In der kirchlichen Symbolik ist die Sieben bedeutsam als
Z ah l der Schöpfungstage (das O pus im itiert ja die S ch ö p fu n g ). D iese

27. Vgl. Senior, De Chemia, p. 53. Et hoc voluerunt (philosophi), quod typice
protulerunt memorando planetas septem et signa duodecim et naturas eorum et colores
et quidquid in eis est. Vgl. J. R uska, Tabula Smaragdina a. a. O., p. 110.
28. Vgl. E. v. L ippmann . Alchemie 1. c. II. p. 44. Vgl. ferner 2 . B. Aquarium
Sapientium, Mus. Hermet. 1. c. 1678, p. 94: Septem sunt Urbes, septem pro more metalla,
suntque dies septem, septimus est numerus. . . . septem litterulae, septem sunt ordine
verba. Tempora sunt septem, sunt totidemque loca. Herbae septem, artes septem, sep-
temque la p illi. . . hoc in numero cuncta quiete valent.
29. Vgl. zur Rolle der Siebenzahl in der Alchemie ferner E. v. L ippmann , Alchemie.
Bd. I. p. 187 und Bd. II. p. 192 ff. u. p. 447.

14 Ju n g : Mysterium III
200 KOMMENTAR

wurden von G io a c c h in o da F i o r i und anderen au f sieben W e ltz e it­


alter gedeutet, in d er siebenten letzten Phase w ird nach G io a c c h in o die
«ecclesia contem plativa» des H l. Geistes und der «g roß e Sabbath» über
die M enschheit kom m en 3 °.

K O M M EN TA R ZU R ERSTEN PA R A BEL
( 6 . K A P IT E L )

165 Τ Λ as sechste K ap itel ist eine Parabel, w elche, w ie d er T itel aussagt,


JL J von der «schw arzen E rd e » handelt, «in w elcher die sieben P lan e­
ten ihre W u rz e ln schlugen».

166 Text: Von Weitem betrachtend sah ich eine große Wolke, welche die ganze
Erde schwarz überschattete, indem sie diese aufgesogen hatte . . .

1 67 Z u n ächst scheint h ier d er A u to r selber zu sprechen, als ob er das in


der R etorte G eschehende betrachtete. D ie W o lk e (nubes oder nebula)
ist ein bekanntes alchemistisches B ild , fü r dessen B edeutung ich au f die
obigen A usführungen von J u n g verw eisen kann r. A ls unm ittelbare
Q uelle der A u ro ra fü r dieses B ild k om m t am ehesten die T u rb a in B e ­
tr a c h t2. W ie Ruska hervorhebt 3, ist « W o lk e » die Bezeichnung fü r
Pneum a, oder ein Sublimat 4, speziell fü r das v erd am p fte Q uecksilber
als W andlungssubstanz. V ielleicht ist das Erscheinen der W o lk e sogar
nicht ohne Beziehung zur A nspielung des vorigen K apitels au f die K ö n i- 30

30. Concord. V. Cit. H ahn l.c . Vol. III, p. 291, p. 305-306, p. 315. Eine direkte
Beeinflussung der Aurora durch die Lehren von G ioacchino da F iori scheint mir mög­
lich. Vgl. 2 . B. folgende Parallelismen: H ahn, l.c . Bd. III, p. 141: loquetur spiritus
sapientiae utrique populo omnem veritatem et ostendet se esse unum de septem angelis
etc. - Vgl. auch ebda, die Entfernung der «albugo litterae ab oculis mentis suae» durch
T obias an seinen Vater, p. 127: justitia religiosorum quae major est et pretiosior illa
est vilescet in diebus illis respectu spiritualis iustitiae quae signatur in auro. p. 127:
«Septenarius numerus pertinet ad spiritum sanctum, propter septem munera gratiarum
etc.» p. 129: «Erit dies una, quae nota est domino. Non dies neque nox et in tempore
vesperae erit lux. Et erit in die illa exibunt aquae vivae de Hierusalem medium earum
ad mare orientale et medium earum ad mare novissimum.» p. 309: Novam Hierusalem
quae fundata est Romae, lapides autem pretiosos martyres confessores et virgines.»
1. Vgl. J ung , Myst. Coni. Vol. I. p. 186 sq.
2. R uska a. a. O. p. 190-191.
3. R uska a. a. O. p. 190. Anm. 7.
4. Vgl. E. v. Lippmann , Alchemie 1. c. p. 37.
KOMMENTAR 201

gin des Südwindes, denn in d er T u rb a h eiß t es «W isset, daß der meiste


W in d von M ittag, w enn er erregt w ird, die W o lk e n hoch treibt und die
D äm p fe des M eeres em porhebt.» Schon bei den griechischen A lch e­
m isten spielt die W o lk e (νεφέλη) eine g ro ß e R olle: sie ist d ort «das
D unkle der W a sse r» , der «D a m p f» , das « L a u fe n d e 567» , und in einem
dem Z o s im o s zugeschriebenen T ra k ta t 7 w ird die W o lk e als «ein schw ar­
zes feuchtes ungem ischtes Pneum a» gedeutet, und sehr schön habe
M a r ia über die W o lk e gesagt: «D as E rz färb t nicht, sondern w ird g e­
färb t, und erst, w enn es selber g efärb t w urde, dann färb t es, und w enn
es gen äh rt w urde, so n äh rt es, und w enn es vollendet w urde, so vollendet
e s 89.» H ieraus geh t h ervor, daß die W o lk e (w ie das E rz ) bei Z o s i m o s
eigentlich die Arkansubstanz, sow ohl das G ew andelte als auch das W a n ­
delnde, das agens und patiens im O pus bedeutet.
In unserem T e x t ist die W o lk e , w ie bei Z o s i m o s , ebenfalls schwarz,
weil sie m it E rd e verm ischt ist. E s ist offenbar - alchem istisch gespro­
chen - d er Z u sta n d d er N ig r e d o ein getreten. D ies erinnert an eine ähn­
liche Beschreibung im zw eiten G edicht der C arm ina H e l io d o r i *, w orin
es h eiß t, m an solle den D rach en (seil, die A rkansubstanz) inm itten des
M eeres zw eiteilen, bis eine W o lk e aus ihm aufsteigt. A us dieser fließt
das W asser w ieder herab und benetzt alles, «w ie eine schwarze F in ster­
nis» (ώς μέλαν σκότος). A uch nach der T u r b a 10 m uß m an die K ö rp er

5. R uska 1. c. p. 240. Dieselbe Bemerkung findet sich auch im Kitäb al’ilm al-mukta-
sab. ed. H olmyard . Vgl. R uska, p. 240 Anm. 6.
6. Vgl. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. I. III. 11. Vol. I. p. 20 und II. I. 27. Vol. I.
p. 53. (D emokritos) und II. IV. 8. Vol. I. p. 73 (O lympiodor) und III. V I. 6. Vol. I.
p. 122 (Z osimos).
7. B erthelot . Ebda. III. X I X . 4. Vol. I. p. 171 und III. X X . 4. Vol. I. p. 173.
8. Vgl. ferner B erthelot . Coli. Aich. Grecs. 1. c. V. X X V . Vol. I. p. 388. III.
X X V III. 4. ebda. p. 194, III. X X I X . 16, ebda. p. 202, IV. 1. 11. ebda. p. 260 und
III. X II. 9. ebda. p. 152 und III. X III. Vol. I. p. 154. Die Wolke wird geweißt durch
unberührten Schwefel. Vgl. auch III. X X . 1. ebda. Vol. I. p. 172. Und Z osimos (IV .
V II. 2. Vol. I. p. 27 6 ): «Das Quecksilber wird fixiert in der ihm wesensgleichen Wolke.»
Und III. X X I . 3. p. 175: «Hermes: Zerreibe die Wolke in der Sonne.» Und III. X X .
3. p. 173. A gathodaimon : Die in potentia seiende Wolke bearbeitet das in potentia
seiende Erz, und sie sind miteinander befreundet. Vgl. ebda, die Aussprüche von M aria
über die Wolke.
9. Compiliert im 7.-8. Jahrhundert. E. v. Lippmann , Alchemie Bd. II, p. 29-30 oder
4tes? ebda. I, p. 95. Sie wurden ediert von G uenther G oldschmidt : Heliodori carmina
IV ad Fidem Codicis Casselani. Religionsgesch. Versuche und Vorarbeiten X I X . Band,
2. Heft, Tübingen 1923. Nach ihm sind diese Carmina zwischen 716-717 compiliert.
10. ed. Ruska a. a. O. p. 152.
202 KOMMENTAR

(M e ta lle ) m it einem «alten schw arzen G eist» quälen, bis sie sich w an­
deln. D ie N ig re d o ist nach den m eisten alchem istischen T e x te n das
R esultat einer ersten V erein igu n g der G egensätze und insofern einer
ersten O peration, und da eine solche in unserer Parabel nicht geschil­
d ert ist, m uß m an w ohl annehm en, daß hier d ie N ig r e d o das R esultat
d es in den vorherg ehend en K a p iteln D a rg estellten sei, m it anderen
W orten , das Resultat d es Zusa m m entreffens des A u to r s m it der Sapien­
tia D e i. D ies bedeutet psychologisch einen Zusam m enstoß seines B e ­
wußtseins m it dem als F ra u personifizierten U nbew ußten. W a s die v o r­
liegende Beschreibung der N ig re d o von anderen alchem istischen P a ra l­
lelen unterscheidet, liegt in dem U m stand, daß der A u to r viel stärker
persönlich davon erreicht zu sein scheint, so daß ein u nerw artet inten­
sives Leiden und Innew erden der eigenen D unkelheit herv ortritt “ . I n
den mystischen T e x te n derselben Z eit ist dieser persönliche A spekt viel
w eniger fühlbar. D e r Z ustand ist zw ar von einigen anderen ebenfalls
beschrieben w orden, so z. B . von R ic h a r d von S t . V i c t o r , der diese
«Ü berschattung» durch das U nbew ußte sehr schön als ein Ü b erh an d ­
nehm en d er im aginatio über das L ich t der ratio, der V ern u n ft, be­
schrieben hat. E r sagt “ , die «im aginatio» sei nichts anderes als ein B ild
des K örp ers, das von außen durch die Sinne in der B erü h ru n g m it den
K ö rp ern konzipiert und dann nach innen zu dem reineren T eil des K ö r­
pergeistes (Leb en sgeist) g efü h rt und diesem eingeprägt w erde. D ie
anim a rationalis sei ein unkörperliches L ich t, die im aginatio hingegen,
insofern sie ein B ild des K örp ers darstelle, sei Schatten (u m b r a !). W e n n
also die im aginatio bis zur V ern u n ft auf steigt w ie ein Schatten, der zum
L ich t kom m t und das L ich t überw ältigt, so w ird sie (d ie Im ag in ation )
m anifest und genauer um rissen - jedoch nur soweit, bis sie zum L ich te
kom m t; sofern sie es hingegen überw ältigt, überschattet sie das L ich t,
h ü llt es ein und bedeckt es. (D a s resultiert aus) einer affectio im agi­
naria, durch w elche die Seele infolge des K ontaktes m it dem K ö rp er
affiziert ist. W e n n G ott von oben die R atio beeinflußt, so entsteht die
Sapientia (W e is h e it), w enn die Im aginatio sie von unten beeinflußt,
entsteht Scientia (W is se n sc h a ft).
In dem von der A u ro ra beschriebenen V o rg a n g ist im G egensatz zu
obiger D arleg u n g jene Einw irkung von oben und von unten koinzident,

11. Vgl. die nachfolgenden Textstellen.


12. Un. P. L. tom. 177 col. 285 ff. von mir übersetzt.
KOMMENTAR 203

so daß auch Sapientia und Scientia im T e x t einander gleichgesetzt sind.


D u rch das H erabsteigen d er Sapientia D ei zum A depten ist eine A us­
löschung von dessen bisherigem Bew ußtsein erfo lg t, eine «V erfinste­
ru n g des L ich tes», d. h. ein Zustand v ölliger D esorientierung und D e ­
pression Σ3. D ie A u ro ra beschreibt den V o rg an g , w ie er natürlich u n d u n ­
m ittelbar erlebt wird, als ein Einbrechen des U nbew ußten, in w elchem
G eist und T rieb , Gutes und Böses, W eish eit und W issen ununterscheid­
bar beieinander sind.
In den nachfolgenden P artien ist o ft nicht m eh r erkennbar, wer 17°
eigentlich spricht; bald scheint es der A rtife x bzw. der A u to r selber zu
sein, bald die Arkansubstanz, resp. der ihr innew ohnende G eist; und es
bleibt o ft undeutlich, ob dessen m ännliche oder w eibliche Personifika­
tion, sponsus oder sponsa, sprechen. M an erhält den Eindruck, als ob
der Verfasser, seiner «wahren Im agination **» freien L a u f gebend ,
m anchm al d ie S tim m en d es U n b ew u ß ten d irekt aus sich heraussprechen
lie ß e , um sich nur ze itw eilig m it dem Ich b ew u ß tsein am G espräch zu
beteiligen.

Text: . . . die W olke. . . die meine Seele bedeckte, und weil die Wasser bis 171
zu ihr (der Seele) eingedrungen waren, weshalb sie faulig und verderbt wur­
den vom Anblick der untersten Hölle und vom Schatten des Todes, da die
Flut mich ersäuft hat.134

13. Die mittelalterliche mystische Schrift «De adhaerendo Deo» beschreibt, wie die
Verfinsterung «caligo» die erste Stufe der Kontemplation darstelle. (D e adhaerendo
Deo. A lberti M agni Opera ed. Borgnet Vol. 37 p. 533.) Es steht dort überhaupt vieles,
welches an die Aurora anklingt, so z. B. daß der Kontemplierende sich von der W elt
ablösen müsse und dann diese «a longe prospicit» als ob sie nichts seien. (Ebda: Ex
qua contemplatione anima inardescit ad bona coelestia et divina et ad aeterna, et omnia
temporalia a longe prospicit tamquam nihil sint.) Er löst sich stufenweise auf dem
W eg des Sich-Entfernens (via remotionis) von den sinnlich wahrnehmbaren Dingen
ab, von den imaginierten Bildern, von den Intelligiblen bis zum letzten Sein selber,
das in den Kreaturen verbleibt. «Und das ist die finstere Wolke (caligo), in der Gott
wohnen soll und in die Moses hineinging, und durch sie hindurch zum unnahbaren
Lichte. Aber nicht kommt zuerst, was geistig ist, sondern was animalisch ist (1. Cor. X V ,
46.) und deshalb muß man in der üblichen Reihenfolge Vorgehen von der aktiven An­
strengung zur Ruhe der Kontemplation usw.» (ebda.: «Et haec c a lig o est quam Deus
inhabitare dicitur, quam Moyses intravit ac per hanc ad lumen inaccessibile.» Die
Schrift stammt nicht von A lbertus , sondern vermutlich von einem Mönch vom Ende
des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts. Vgl. F. Pelster, 1. c. p. 172, Anm. 1. und
U lr . D aehnert, Die Erkenntnislehre des Albertus Magnus, Leipz. 1934, p. 232-233.
14. Vgl. zu diesem Begriff C. G. J ung , Psychologie und Alchemie a. a. O. p. 351 ff.
204 KOMMENTAR

H ier spricht der T e x t von den W assern , w elche bis zur «Seele» in die
unterste H ö lle eingedrungen sind und putrefiziert w urden vom A nblick
des A bgrundes. V o rh er hieß es w örtlich: bis zu «m einer» Seele, und es
w ird som it plötzlich unklar, ob im m er noch der V erfasser selber oder
die M ateria, w elche «die F lu t ersäuft» hat, spricht. Es ist offenbar eine
V erm ischung eingetreten, in w elcher der A u to r m it dem S to ff in der
R etorte v ö llig eins gew orden ist. A uch durch die nachfolgenden P salm ­
stellen w ird erkennbar, daß die eingetretene N ig red o einer seelischen
N o tlag e des A lchem isten u n d der Seele in der M aterie entspricht, und
daß sie in einem tiefen, reuevollen Sündengefühl besteht. D ieser «m o ra­
lische» A spekt der N ig red o findet sich ähnlich bei S e n i o r , w elcher die
«M aterie der Schw ärze» (m ateria n igredinis) als «tenebras anim ae»
(Fin stern isse der Seele) oder noch deutlicher als «m alitia» (m oralische
Schlechtigkeit) b ezeich n etx*. In der patristischen L iteratu r ist «caligo
tenebrarum », «nebula» fast im m er als B ild der Sünde, des T eu fels und des
T odes v e rw e n d e t1516; doch sagt andererseits G r e g o r d er G r o s s e : die
dunklen Entscheidungen G ottes seien w ie F in stern isse l?. A uch in der
A u ro ra w erden später die Elem ente der N ig red o als «Finsternisse unseres
G eistes» oder als «A ccidentien der Seele» bezeichnet1819.A n sich w ar schon
in der Spätantike die F lu t zum B ild der verderblichen αγνωσία (= fe h ­
lende Erkenntnis über G ott und sich selbst = U n b ew uß th eit) gew orden.
So h eiß t es z. B . im siebenten T rak tat des C orpus H erm eticum x*: «D ie
Schlechtigkeit der αγνωσία (U n b ew u ß th eit) ü berflutet die ganze E rd e
und reiß t die im K ö rp e r eingeschlossene Seele m it ins V e rd e rb e n . . .

15. De Chemia a. a. O. p. 40. Vgl. auch die kirchliche Deutung der «Sünde», welche
«wie Nebel» alle Menschen umhüllt: H onorius von A utun P. L. 172 col. 929: N o c t i
q u ip p e m o r tis e t m is e r ia e , quae a peccato Adae incohans cu n cto s s u a c a lig in e in v o lv it,
haec sacra nox (scii, resurrectionis) finem imposuit. Vgl. auch Gregorius Magnus 1. c.
col. 875: umbra mortis = oblivio mentis.
16. Vgl. F. B oehmer, Der Neuplatonismus usw. Klass. phil. Studien ed. E. Bickel,
Heft 7, Leipz. 1936. p. 51 ff., wo eine reiche Sammlung von Stellen bezügl. der Wörter:
caligo, nubilum ignorantiae usw. zu finden ist.
17. Moralia IV In cap. III in Job. cap. X V I: Occulta Dei Judicia quaedam tenebrae
sunt (P.L. tom L X X V ). Vgl. auch die S. T homas bekannt gewesene Anschauung von
A ugustinus III De Genesi ad litt: aer caliginosus est quasi carcer daemonibus usque
ad tempus iudicii cit. von T homas von Aquin in Summa theol. editio Leonina, Pars I.
Quaest 64. Art. 4.
18. Text p. 76 und 78.
19. ed.W. Scott . Oxford 1925, Bd. I p. 170-171. Vgl. R. R eitzenstein , Poiman-
dres, Leipzig, 1906, p. 9 ff.
KOMMENTAR 205

Lasset euch nicht hinabreißen von der g roß en F l u t . . . sucht w enn m ö g ­


lich den H afen der E rlösun g zu e rre ich e n . . . sucht euch einen F ü h rer,
der euch bis zu den T o ren der Erkenntnis (γνώσις) geleitet, w o das helle
L ich t ist, rein von aller F in ste rn is. . . w o ihr durch das H erz schauen
w erdet D en, der gesehen w erden w ill (G o tt ) .» H ier h at die F lu t die
«m oralische» N ebenbedeutung von U nbew ußtheit, Schuld und G o tt­
ferne. In ihr w ohnt nach patristischer A uslegung der T eu fel, der «V ater
der Finsternis» und F ü rst dieser W e lt, der fü r den Christen die Stürm e
des «tierisch w ilden und bitteren M eeres» erregt. Ich kann hier auf die
eindrucksvolle und gründliche Sam m lung der antiken und patristischen
Belegstellen in H u g o R a h n e r s A n tem n a Crucis II (D a s M eer der
W e lt) 20 verweisen.
N ach der B egegn u n g m it der erhabenen A nim agestalt, die den A u to r i
in eine ekstatische Begeisterung, aber auch in eine Inflation versetzt
hatte, ist eine E nantiodrom ie erfo lg t, und es h at sich nun der Schatten
k o n s te llie r t21. J u n g sagt zu einer entsprechenden Situation in «D ie Psy­
chologie der Ü b e rtra g u n g » 22234: es sei dies «eine A r t ,descensus ad inferos’,
ein A bstieg zum H ades und eine F a h rt ins G eisterland, also in ein Je n ­
seits dieser W e lt, d. h. des Bew ußtseins». D ies geschehe «durch das H e r­
aufkom m en des chthonischen, feurigen M ercurius, d. h. einer verm u t­
lich sexuellen Libido, w elche das Paar überschw em m t 23». D e r alchem i-
stische M ercurius w äre in diesem Sinn eine chthonische Entsprechung
der Sapientia D ei. E s ist vielleicht nicht unw ichtig, sich zu erinnern, daß
in der O ffenbarung Johannis das W e ib von einem D rach en v erfo lg t
wurde, der sie n ich t erreichte u n d dem sie entw eichen ko n n te (d am it
h än gt w ohl die nachfolgende Entrü ck un g ihres Sohnes z u sa m m e n ). D e r
D rach e symbolisierte d ort die untere Schöpfung, die M aterie, die W irk ­
lichkeit und die V erw irklichung. W a s fü r eine R olle d er D rach e als
Symbol des M ercurius in der alchem istischen Bilderw elt spielt, ist w ohl
genügend bekannt. In der oben zitierten Stelle aus den C arm ina H e l i o ­
d o r i 24 entsteht die schw arze W o lk e durch die Schlachtung des D rach en

20. Zeitschrift für Kathol. Theologie, Bd. 66, 1942, Innsbruck-Leipzig, p. 112-113 ff.
Für die Bedeutung vgl. J ung, «Die Psychologie der Übertragung», p. 139.
21. Vgl. J ung, «Die Psychologie der Übertragung», p. 161-162.
22. Ebda. p. 135-136.
23. Es handelt sich um ein Bild, in welchem das Paar im Bade sitzt, vorher hatte
sich die Taube des Hl. Geistes auf sie herabgelassen.
24. Vgl. oben p. 201.
206 KOMMENTAR

- in unserem T e x t h ingegen scheint sie durch das H erabsteigen der


Sapientia in die M enschenw elt entstanden zu sein, bzw. durch ihre B e ­
gegn u n g m it dem V erfasser d er A u rora. V ielleicht d arf m an dieses H e r­
absteigen der Sapientia m it dem «A bsturz der Sophia» vergleichen, der
in verschiedenen gnostischen T e x te n beschrieben ist. V o m U nbew ußten,
vom P lerom a, d. h. der W e lt d er A rchetypen h er gesehen, bedeutet das
B ew ußtw erden eines archetypischen Inhaltes im M enschen fü r ersteren
eine A r t von A bsturz aus dem Reich des Geistes in die Finsternisse des
psychophysischen Lebensbereiches des M enschen; m . a. W . die göttliche
Sapientia nähert sich der finsteren E n ge des m enschlichen Erfassens, und
um gekehrt fü h lt sich das m enschliche Ich seinerseits in der benebelnden
U nbestim m theit der archetypischen G eisteswelt gefan gen , darum weiß
m an im T e x t nicht m ehr, wer nur zusieht und wer um E rlösun g ru ft.

Text: Dann werden die Äthiopier vor mir niederfallen, und meine Feinde
werden meine Erde lecken. Deshalb ist nichts Gesundes an meinem Leib, und
vor dem Anblick meiner Sündhaftigkeit sind meine Gebeine erschrocken.

In diesem Z usam m enhang w erden Ä th iop ier erw ähnt, w elche «vor
m ir niederfallen» und Feinde, w elche «m eine E rd e lecken». Im bibli­
schen K o n tex t handelt es sich um eine H uldigungsszene, hier hingegen
erhält m an eher den Eindruck, daß es sich u m einen Einbruch von F e in ­
den handelt, zum al der «Ä thiopier» ein auch sonst vorkom m endes B ild
der alchem istischen N ig red o ist und in den m eisten T e x te n negative B e ­
2 So heißt es z. B . im sog. «Scriptum A lberti super arborem
deutung h a t 526.
Aristotelis 27»: M an solle die M ateria reinigen und destillieren, bis das
«schw arze H a u p t2829» , das einem Ä thiopier gleiche, g u t gew aschen sei
und w eiß zu w erden beginne. - A u ch in der «Chym ischen H ochzeit» des
C h r i s t i a n R o s e n c r e u t z tritt ein M o h r als Symbol d er N ig red o a u f 2?.

25. Vgl. z. B. die T u r b a -Stelle (1. c. p. 162): «Effodiatur igitur sepulcrum illi Dra­
coni et sepeliatur illa mulier cum eo, qui cum ea fortiter vinctus muliere muliebribus
armis . . . in partes secatur . . . et totus vertitur in sanguinem.»
26. Vgl. z. B. Nie. M elchior Cibinensis , Addam et processum sub forma missae.
Theatr. Chem. 1602, Bd. III, p. 853. Vgl. J ung , Psychologie und Alchemie, ρ. 536
und ρ. 542 ff.
27. Theatr. Chem. 1602, Bd. II, p. 526. J ung, Psych. u, Alchemie, p. 542.
28. W ie das «caput corvi» ein Symbol der Nigredo.
29. Ich verdanke diese Hinweise Prof. J ung . Vgl. auch J ung Mysterium Coni.
Vol. I, p. 186 ff.
KOMMENTAR 207

In der patristischen Literatu r gelten die «sündenschwarzen 3°» Ä thiopier


als Inbegriff der «gentiles», d. i. als Symbol des heidnischen Geistes. D a
m an annehm en m u ß , daß dem V erfasser der A u ro ra solche A uslegun­
gen w ohl bekannt w aren, scheint es m öglich, daß er von dem nicht-
christlichen Charakter der je tz t im O p u s auftauchenden In ha lte eine
A h n u n g gehabt hätte, und daraus ist w ohl auch das aus den nach fo lg en ­
den P salm -Z itaten deutlich w erdende Schuldgefühl zu erklären. E s h an ­
d elt sich um ein H eraufkom m en des «Schattens», der alle jene P h an ­
tasien und Im pulse m it sich bringt, die dem christlich orientierten B e ­
w ußtsein sündhaft und erschreckend scheinen 3* .

D ie W asser, die nach dem T e x t bis ins E rd zen tru m hinabdringen,


stellen psychologisch eine A u flock eru n g des G esam tgefüges d er P ersön ­
lichkeit, bzw. eine D isso zia tion dar 32 . D as Schuldgefühl des A utors be­
ru h t aber nicht nur au f dem U berw ältigtsein 33 v om Schatten und von
den heidnischen Phantasieinhalten des U nbew ußten, sondern auch d ar­
auf, daß (w ie schon erw äh n t) v orh er eine In flation ein getreten war. D ie
K ontam ination der Psyche m it den überpersönlichen Inhalten des k ol­
lektiven U nbew ußten, w elche durch die B eg egn u n g m it der Sapientia
D ei veran laß t w urde, h atte näm lich die Persönlichkeit insofern be­
schädigt, als eine «unreine» V erm isch u n g von E rd e (d . h. der R ealität
bzw. des W irklichkeitsbew ußtseins) m it dem M eer (d e m kollektiven
U n b ew uß ten ) eingetreten w ar 34.

30. «denigrati peccato». Epiphanius Panar. 26. 16. Vgl. auch weiteres Material
M. v. Franz, Passio Perpetuae in C. G. J ung, Aion, p. 467 ff. Vgl. ferner H. Rahner,
Antemna Crucis II. I. c. p. 110-113.
31. Vgl. auch die Bemerkung von Avicenna, De anima 1. c. cap. 4: Item bonorum
morum imaginari concupiscentias turpes, non tum vult illas, alius autem vult et hae duae
dispositiones non sunt solius hominis sed etiam omnium animalium.
32. Dem entspricht 2. B. die Auflösung des Gabricus im Leibe der B eya in Atome,
wie sie in der V is io A r is le i beschrieben wird. Vgl. hiezu C. G. J ung, Psychologie und
Alchemie 1. c. p. 458 f. und ders.: Die Psychologie der Übertragung, 1. c. p. 135.
33. Man kann eigentlich hier nicht von einer Begegnung oder Confrontation mit
dem Schatten sprechen, sondern eher von einer Überwältigung durch ihn.
34. Vgl. J ung, Psychologie der Übertragung, 1. c. p. 157 und p. 164-166: «Mit der
Integration von Projektionen, welche der bloß natürliche Mensch in seiner noch un­
gehemmten Naivität als solche nicht erkennen kann, weitet sich die Persönlichkeit in
einem derartigen Masse aus, daß die normale Ichpersönlichkeit in hohem Grade ausge­
löscht wird, d. h. es entsteht eine positive oder negative Inflation. . . Auf alle Fälle
bedeutet die Integration von Inhalten, die immer unbewußt und projiziert waren, eine
ernsthafte Laesion des Ich. Die Alchemie drückt dies durch die Symbole von Tod, Ver­
wundung oder Vergiftung aus . . . W ie die Alchemie aussagt, bedeutet der Tod zugleich
Conception des filius Philosophorum---- »
208 KOMMENTAR

177 Text: Deshalb habe ich mich müde geschrieen in allen Nächten, mein Hals
ist heiser geworden: W er ist der Mensch, der da lebt, wissend und verstehend,
und der meine Seele aus der Hand der Unterwelt errettet? W e r mich erleuch­
tet, wird das Leben haben, und ich will ihm zu essen geben von dem Holz
des Lebens, das im Paradiese ist, und ihn teilhaben lassen am Thron meines
Reiches.

Z u gleich ist die N ig re d o das O ffenbarw erden der U nvollkom m enheit


des Stoffes, w elcher der B earbeitung bedarf, um zu G old zu w erden.
D eshalb ru ft die M ateria um die H ilfe eines M enschen, der wissend und
verstehend ihre Seele aus der U n terw elt errette. E in em solchen E rlöser
verheißt sie als L o h n das ew ige Leben, die F rü ch te v om B au m e des
Lebens, und sie verspricht ihm sogar m it den W o rte n G ottes in der
A pokalypse «das R eich ». D am it erw eist sich eindeutig, daß d ie in N o t
b efin d lich e u n d um H ilf e ru fen d e M ateria, resp. deren verborgener
G eist oder S eele, w irklich nich ts anderes ist, als d ie in d en frü h eren
K a p iteln als Sapientia D e i a u f tretende Frauengestalt! D ie T e x tw o rte aus
den «Sprüchen» ( I I , 3 - 5 ) : « W e r m ich ausgräbt w ie S ilb e r. . . » usw .,
sind näm lich in der Bibel au f die Sapientia D ei bezogen. N a ch der A u f­
fassung unseres T extes ist die W eish eit som it nicht nur, w ie in d er B ibel,
zu den M enschen w erbend hinabgestiegen, sondern sie ist bis in d ie
M aterie versunken und dadurch selber in N o t und Finsternis geraten.
E s ist ein paralleles oder k o in zid en tes G eschehen , in w elches d er A lc h e ­
m ist u n d d ie Sapientia D e i sich g egenseitig verstrickt ha ben. E r ist in die
D unkelheit des U nbew ußten hinabgesunken, aber auch fü r die Lum i-
nosität des A rchetypus bedeutet die A n n äh eru n g an die W irk lich k eit
des M enschen eine V erdunkelung, und die g öttlich e Sapientia h at sich
in die T ie fe der m enschlich-stofflichen W irk lich k eit hinab v erirrt.

179 Text: «W er mich ausgräbt wie Silber und mich erwirbt wie einen Schatz
und die Tränen meiner Augen nicht trübt und mein Gewand nicht verspottet
und meine Speise und Trank nicht vergiftet. . . »

180 D ie um H ilfe rufende, im Stoff verborgene Sapientia D ei bittet nun,


der A lchem ist m öge ihre Speisen nicht v ergiften, und später h eiß t es, er
m öge ihr L ag er nicht entw eihen, ihren K ö rp er und ihre «T h ro n e» nicht
verletzen und ihr G ew and nicht verspotten, w odurch ihre U nscheinbar-
keit und Schw äche deutlich unterstrichen sind. D ie A n g st der «anim a»
KOMMENTAR 209

vor E ntw eihung und V erletzun g bezieht sich w ahrscheinlich au f die von
den A lchem isten öfters erw ähnte G efah r, daß m an durch zuviel F eu er
(n im io ign e) oder sonstige allzu gew altsam e R einigungsverfahren die
«m ateria prim a» zerstöre, statt sie abzuwaschen 3*. Psychologisch könnte
dies w ohl als ein zu intensives A n s-L ich t-Z erren -W o llen d er unbew uß­
ten Inhalte gedeutet w erden. L etztere w ollen näm lich m it einem gew is­
sen T ak tgefüh l behandelt sein, wobei jedes E n tw ed er-O d er zu v erm ei­
den ist. Im Schatten und in der A n im a sind positive W e rte enthalten;
noch unentw ickelte K eim e, die m it einer gewissen verhüllenden R ück­
sicht behandelt w erden müssen.
D as G ew and, das nicht verspottet w erden d arf, bedeutet alchem istisch
gesprochen, den «Schatten des E rzes», bzw. gewisse D unkelheiten, deren
E n tfern u n g als V orb ereitu n g zum W e rk schon in der griechischen
A lch em ie eine R olle spielte 36. In dem C arm en A rch elai aus den C ar­
m ina H e l io d o r i 37 w ird die N ig red o als «M auerum w allung w ie die
Schw ärze der Finsternis» (τείχισμα ώς μέλανσις σκότους) bezeichnet, als
ein N eb el (αχλυς), der vom A lchem isten aufgelöst w erden soll. U n d im
vierten G edicht desselben W erk es 38 h eiß t es, «der K ö rp e r solle aus der
Finsternis, dem H ades, h erv o rk o m m en . . . und den N eb el der D un k el­
heit von sich w erfen » und das «G ew and der V ergänglichkeit» (χιτώνα
φθοράς) a b le g e n 3 9 . D ies g e h t au f die ursprünglich orphische, in der
Spätantike verbreitete A nschauung vom K ö rp e r als G rab der Seele 356789

35. Vgl. Aurora Cons. II, Art. Aurif. 1 6 1 0 ,1, p. 151. - So sagt die T u r b a : (a. a. O.,
p. 216, Lat. p. 138) «Hütet euch sie (Braut und Bräutigam) in die Flucht zu schlagen,
indem ihr sie in allzu heißem Feuer verbrennt. Verehret den ,König’ und seine ,Gattin’
und wollet sie nicht verbrennen, da ihr nicht wißt, wann ihr jene (Dinge) braucht, die
den König und seine Gattin veredeln.» Vgl. auch p. 121: «Et cavete ignis intensionem,
quoniam si intendatis ignem ante terminum rubeum fit, quod nihil vobis prodest, eo
quod in initio regendi vultis albedinem.» Schon O lympiodor (B erthelot , Coli. Alch.
Grecs II, IV, 8, Vol. I. p. 73) warnt vor übertriebener έκπύρωσις (Feuerbehandlung).
36. Vgl. Pelagios, Berthelot, Coli. Aich. Grecs. IV, I. Vol. I. p. 253 und III. X IV .
Vol. I. p. 182. Auch das arabische «Buch der Alaune und Salze» (ed. Ruska a. a. O.
p. 71) fordert als materia prima ein Erz ohne Schatten, quod umbram non habet. Der­
selbe Begriff findet sich auch in der T u r b a (ed. Ruska a. a. O. p. 154, 156, 160), welche
ihn aus dem Buch des K rates übernommen zu haben scheint, (ebda. p. 36).
37. ed. G oldschmidt a. a. O .p . 55. Carmen IV, Vers 170-171.
38. ebda. p. 56. Carmen IV, Vers 214.
39. Dieser letztere Ausdruck stammt aus der spätantiken Mysteriensprache und findet
sich ähnlich auch bei Paulus . Vgl. R. R eitzenstein , Hellenistische Mysterienreligionen,
II. Aufl. 1920, p. 204 ff.
210 KOMMENTAR

(σώμα - σήμα) zurück 4°. A u ch in dem oben zitierten T rak tat des Corpus
H erm eticum , in w elchem die Seele gem ahnt w urde, sich aus der F lu t
der U nbew ußtheit (αγνωσία) zu retten, h eiß t es w eiter +1: «Z u vor aber
m u ß t du das G ew and, das du trägst, zerreißen, das G ew eb e der U n b e­
w u ß th eit (αγνω σίας), das V erfestig te der S ch lech tig k eit , die F essel des
V erderben s , den d u n k len U m h a n g , den leb en d en T o d , den sichtbaren
L eichnam , das um g eleg te Grab, den inneren R ä ub er*2.» Später ist in der
A u ro ra ebenfalls von einem K erk er die Rede und von den «R iegeln der
H ölle, die zerbrochen w erden m üssen». So m uß m an das B ild des G e­
wandes oder Bettes auch «chem isch» als den « K ö rp er des Erzes» v er­
stehen, aus dem die flüssige «M etallseele», bzw. das W asser, herausge­
schm olzen oder destilliert w ird 43. Psychologisch dürfte es sich um einen
«D urchbruch» zum eigensten inneren W e se n (zu m Selbst) handeln.
D eshalb verh eiß t ein L ogion Jesu die E rlösun g dann, «w ann ihr die
H ü lle der Scham m it F ü ß en getreten habt und w enn die Z w ei eins sein
w erden und das A usw endige w ie das Inw endige und das M än n lich e m it
dem W eiblich en , w eder M ännliches noch W eiblich es 44».

182 D as A blegen der G ew änder sowie der «vestis tenebrosa» als abzusto­
ßender m ateria p rim a spielte in den sp ätem alchem istischen Parabeln
- besonders in A n leh nu n g an die C anticum -Stelle V , 3 : «Exspoliavi m e 40123

40. Vgl. P orphyrius , De antro nympharum, c. 14. (σώμα = χιτώ ν). Vgl. z. B. auch
das «Buch der Ringsteine» von A lfarabi, 22. 71. 5: «Du hast infolge deiner selbst
einen Schleier, abgesehen von der Bekleidung deines Leibes, und daher beeile dich,
ihn abzustreifen, damit du das Ziel (Gott) erreichst. . . » Vgl. ferner dasselbe Bild bei
A mbrosius, Hexaemer. V I. 6. Migne P. L. X IV . col. 256 C, D . und G regorius M agnus,
Moral. V. 38. IX , 36. Migne, P. L. tom. 75. cpl. 718, 891 ff.
41. ed. Scott 1. c. Bd. I. p. 172-173.
42. Letzterer entspricht den «Aethiopiern und Feinden» der Aurora.
43. Völlig parallel zu diesen Vorstellungen ist die kirchliche Bezeichnung des
Körpers Christi als «umbra» oder «nubes carnis» oder «vestis», welches den Glanz
seines Geistes dämpft». - H ugo von St . V ictor Migne P. L. tom. 183. Sermo in Cant.
X X , 7. col. 870: U m b ra m siquidem C h r is ti ca r n e m r e o r esse ipsius de qua obumbra­
tum est et Maria (Luc. I. 35.) ut eius obiectu fervor splendorque spiritus illi tempera­
retur. (Ich halte nämlich das Fleisch Christi für den Schatten desselben, von dem [sc.
Schatten] auch Maria überschattet wurde.) Und: H onorius von A utun , Speculum de
myst. Ecclesiae. Migne P. L. tom. 172. col. 937, und B ernhardus C luniacensis, De
visitatione Beatae Mariae Virg. (Z oozmann a. a. O. p. 25 6 ): Hac in domo / Deus
homo / fieri disposuit. / Hic Abconsus / Pius Sponsus / V e s te m s u a m in d u it. R ichard
von St . V ictor nennt jene oben beschriebene Imagination ein Gewand oder Fell, das
die Ratio umhüllt. Un. Migne P. L. tom. 177, col. 285 sq.
44. Clemens A lexandrinus, Strom. III. 13. 92. Migne, Pat. Graeco-Lat. tom. V III,
col. 1193. Vgl. weitere Parallelen hiezu in C. G. J ung, Aion 1. c. p. 473.
KOMMENTAR 211

tunica mea, quomodo induar illa» - eine wichtige Rolle, für die ich auf
die Ausführungen von J u n g verweise 45. Besonders in der von ihm an­
geführten Parabel des H e n r i c u s M a d a t h a n u s * 6 im Musaeum Herme-
ticum, dem «Aureum saeculum redivivum 47»? sind die schmutzigen,
übelriechenden Kleider der späteren «Braut» ein Symbol für die materia
prima des Werkes 48. Es erscheint dort dem Laboranten im Traum eine
alte Frau, die ihn mahnt, diese Kleider nicht zu verachten, so daß er sie,
ohne ihren Sinn zu erkennen oder sie reinigen zu können, solange bei
sich aufbewahrt, bis er endlich den Schlüssel, das lixivium (= Wasch­
mittel), womit er sie reinigen und präparieren soll, findet, worauf er
die Braut, die schönste der «Tauben» aus Salomons Harem, gewinnt.
Wahrscheinlich ist diese Parabel nicht imabhängig von unserem Text 49.
Auch im Sohar wird die alte abzulegende Einstellung öfters symbolisch
als schmutziges Gewand bezeichnet *°.
Dieses «schmutzige Gewand» bedeutet wohl ein «Ausgeliefertsein 183
an autoerotische Affekte und Phantasien», die im Zustande der Nigredo,
der Auflösung des Bewußtseins, überhandzunehmen drohen **. Aber
diese dunklen Komponenten verhüllen wie ein Gewand ein Überper­
sönliches, das nicht um ihres unerfreulichen Aspektes willen mit ihnen
zusammen verworfen werden darf. Da die Animagestalt so angstvoll
um Schonung bittet, könnte man vermuten, daß das Bewußtsein des Ver­
fassers eher «puritanisch» und intellektuell eingestellt war, so daß die
Gefahr bestand, er könnte die auftauchenden unbewußten Inhalte wegen
ihrer mißverständlichen Außenseite verwerfen, ohne den hinter ihr lie­
genden Sinn zu erfassen.

Text: (W er) mein Ruhelager nicht durch Hurerei entweiht und auch mei- 184
nem Körper, der sehr zart ist, nicht Gewalt antut, und vor allem wer meine
Seele, die ohne Bitterkeit ganz schön und rein ist und an der sich kein Makel45678901

45. Vgl. auch J u n g , Myster. Coni. Vol. I. p. 51 und 52.


46. Vgl. ebda. Vol. I. p. 52 Fußnote.
47. Vgl. ebda. Vol. I. p. 52 ff.
48. Obscoenae inquinatae obsoletaeque quidem vestes illius sunt, purgabo tamen illos
et ex corde illam amabo. Sitque mea soror, sponsa mea cum uno oculorum meorum.
49. Vgl. auch die zahlreichen Cant, citate und bes. p. 69 die Anspielung auf die
Aurora und den Epilog p. 72, wo sich der Autor als einen «frater Aureae crucis» bekennt.
50. Der Sohar ed. E. Müller 1. c. p. 151-152: Das Gewand ist auch die Sephira
«Krone».
51. J u n g , Psychologie der Übertragung, p. 171.
212 KOMMENTAR

findet, nicht verletzt und meine Sitze und Throne nicht beschädigt. . . er, nach
dessen Liebe ich lechze usw.

Eine ähnliche Bedeutung wie das Gewand, das nicht verspottet wer­
den soll, hat auch «das Ruhelager, das nicht entweiht werden darf». Das
Bett (lectulus) ist der Raum, in welchem die Coniunctio der Substanzen
stattfindet - ein Synonym des Gefäßes. So kommentiert R o s i n u s *2 den
Text: et in lectulo eorum nupserint (und in ihrem Bett sich verheirate­
ten) mit «d. h. sich in ihrem Gefäß vermischten» usw. Das Gefäß muß
in der Alchemie mit dem lutum Sapientiae » versiegelt werden und darf
ebenfalls nicht durch übertriebenes Erhitzen zersprengt werden, und es
stellt wie das «Haus» oder der «Tempel» ebenfalls den Körper dar h .
Eine ähnliche Bedeutung haben die «Sitze und Throne», welche die
«Braut» in unserem Text erwähnt. In einer Erläuterung der Figura
S e n i o r s , einer auf einer Kathedra (Thron oder Lehrstuhl) sitzenden
Hermesgestalt, heißt es ausdrücklich, die Kathedra sei das Gefäß, d. i.
der Ort der Verwandlung h . Andererseits bedeuten die «throni» in der
T urba die «Engelsmächte *6». Als solche stellen sie «Geister» dar, die­
nende spiritus, Begleiter der Anima- oder Sponsagestalt, welche eben­
falls nicht durch allzu heißes Feuer zerstört werden sollten. Sie sind
vermutlich identisch mit den später im Text erwähnten 2 4 Ältesten der
Apokalypse. Der «Stein» muß durch sie hindurch zirkulieren, und so
bedeuten sie gleichsam notwendige Ingredienzen im Werk. Psycholo-52346

52. Rosinus ad Sarratantam, Artis Aurif. 1610 I, p. 191.


53. Lehm der Weisheit. Vgl. z. B. A l b e r t u s M a g n u s , De mineralibus 4. 1 .7 . Opera
ed. Borgnet. vol. V. p. 93.
54. Vgl. J u n g , Mysterium Coni. Vol. I p. 167.
55. De Chemia, p. 122: Cathedra significat locum operationis et formam vasorum,
quod est intus.
56. R u s k a a. a. O. p. 32 zur Turbastelle: «Ex his igitur quatuor elementis omnia
creata sunt, coelum, t h r o n u s , angeli, sol, luna, stellae terra’ usw. Bekanntlich heißt Gott
im Koran der ,Herr des erhabenen Thrones’. Nachdem Allah Himmel und Erde geschaf­
fen hat, setzt er sich auf den Thron, um die W elt zu regieren. Berühmt ist der ,Thron-
vers’. Sure 2, 256: ,W eit reicht sein Thron über die Himmel und die Erde, und nicht
beschwert ihn beider Hut’. Engel tragen den Thron und umkreisen ihn. In den Fassungen
B und C ist ,thronus’ in ,throni’ verwandelt worden, weil die Bearbeiter den islami­
schen Begriff nicht verstanden und das W ort auf eine Gruppe von Engeln bezogen, die
in der christlichen Engellehre als ,throni’ bezeichnet werden.» - Die «throni» sind eine
ursprünglich jüdische Vorstellung. Vgl. Daniel 7. 9. Matth. 19. 28 Apok. X X . 4.
Kol. I. 16. Sie gehören zu den άρχαί und κυριότητες.
Vgl. W . Scott, Hermetica Bd. III p. 512.
KOMMENTAR 213

gisch verkörpern sie autonom e In ha lte d es k o llek tiv en U n bew u ßten ,


w elche um u n d durch d ie A n im a k on stelliert sin d v . Letztere erscheint
gleichsam umgeben von einer ans Licht des Bewußtseins drängenden
Gruppe schöpferischer Inhalte. Diese stehen in Gefahr, vom Alchemi­
sten zerstört zu werden; sie sind vermutlich inkompatibel mit seiner
Bewußtseinseinstellung oder zum mindesten schwer mit ihr vereinbar.
Nicht nur der «Körper des Erzes», das hieße der inferiore Mensch, 186
sollte durch ein allzu heftiges Reinigungsverfahren beschädigt werden,
auch dessen Geister nicht und - wie es heißt - vor allem auch nicht des­
sen «Seele *8».
Eine Beifügung in einer Handschrift (die wohl eine in den Text ge- i*7
ratene Glosse wiedergibt) bezeichnet die Sprecherin unseres Textes mit
dem typischen Marienattribut «columba», Taube, und preist ihre Rein­
heit (sine feile = ohne Galle und «in qua macula non est», an der kein
Makel ist) Die weiße Taube ist uns schon in der erwähnten Stelle
von J o a n n e s G r a s s e u s als Bild der im Stoff verborgenen Seele begeg­
net, so daß sich an dieser Textstelle nun ein d eu tig erweist, daß je tzt d ie
Seele in d er M aterie d ie Sprecherin ist. Die Bezeichnung «ohne Galle»
bedeutet «ohne Bitterkeit» und ist eine Anspielung auf die Symbolik
der amaritudo, für deren Bedeutung ich auf J u n g s Ausführungen ver­
weise 578960. Die «amaritudo» ist hier als ein «accidens» geschildert, welches
dem innersten Kern der Seele der materia nicht anhaftet, sondern eigent-

57. Vgl. auch das Märchenmotiv der von Zwergen umgebenen Animagestalt in
« Schneewittchen».
58. Interessanterweise warnt M e i s t e r E c k h a r d t in ähnlicher Form vor einer un­
richtigen d. i. gewaltsamen Liebe zur Sapientia Dei. Vgl. G. T h e r y , Le commentaire
du livre de la sagesse de maitre E c k h a r d t . Archives d’histoire doctrinale et litteraire
du moyen-äge. tom III und IV, 1928 und 1929. Für diese Stelle bes. Vol. III p. 268.
Notandum est quod omnis actio efficientis gravis est et molesta nisi ipsi passo con­
feratur vis aliqua et imprimatur, qua vi cooperetur, formaliter inhaerente, ipsi suo
agenti sive efficienti. «Violentum enim est, cuius agens est extra, non conferente vim
passo.» Sic ait Philosophus III Ethic . . . et hec est racio propter quam motus violentus
in fine remittitur, naturalis vero in fine intenditur. Natura enim est vis insita rebus.
Vgl. hiezu S t . T h o m a s . De coelo et mundo lib. I lect. 17 u. lib. II lect. 8.
59. Vgl. hiezu W o l b e r o n i s Abbatis Com. in Cant. Cant. Migne P. L. tom 195.
coi. 1086: Felle caret, quo spiritualiter quoque sponsa Christi carere debet ut secundum
Apostolum: Omnis amaritudo et ira et clamor et blasphemia tollatur .. . cum omni
malitia (Ephes. IV ). Die Taube ist auch die Kirche. Vgl. H o n o r i u s v o n A u t u n ,
Migne, P. L. tom. 172. col. 379. Christus wird als Taube in einer Taubenschar wieder­
kehren. Vgl. W . B o u s s e t , Der Antichrist 1. c. p. 56.
60. Vgl. J u n g , Mysterium Coni. Vol. I p . 209 ff.
214 KOMMENTAR

lieh nur der Meeresflut, welche sie zunächst noch bedeckt. Die Bitterkeit
ist gleichsam nur bedingt durch das Mißverstehen, das die Menschen der
Sapientia Dei entgegenbringen; gäben sie sich ihr zuerst hin, so würde
auch nach M e i s t e r E c k a r d t die Bitternis des Kampfes nicht mehr herr­
schen, sondern nur noch reine «suavitas» - reine Liebe61.

1 88 Text: (W e r) meine Sitze und Throne nicht beschädigt - er, nach dessen
Liebe ich lechze, von dessen Glut ich zerfließe, von dessen D uft ich lebe und
an dessen Geschmack ich gesunde, von dessen Milch ich mich nähre und in
dessen Liebesumarmung mein ganzer Leib vergeht - ihm werde ich Vater
sein. . .

189 Nachdem in der vorhergehenden Partie auf die Schwierigkeiten der


«praeparatio delicata», wie sie S e n i o r nennt62, hingewiesen war, wan­
delt sich die Rede der Sapientia allmählich in eine leidenschaftliche
Liebeswerbung, wobei es bezeichnenderweise unklar bleibt, ob dieselbe
den ebenfalls als Arkansubstanz vorzustellenden sponsus oder den Al­
chemisten meint, mit anderen Worten - auch hier ist eine u n a u flöslich e
V erm isch u n g der alchym ischen V orgä nge u n d der P syche d es A u to r s d ie
ein zig e E rklärung fü r d ie von G estalt zu G estalt g leiten d en R ed en des
Traktates. Die Anima sehnt sich nach der inneren Einswerdung oder
Ganzwerdung der Persönlichkeit durch eine Coniunctio der Gegensätze.

19 0 T ext: in dessen Liebesumarmung mein ganzer Leib vergeht - ihm werde


ich Vater sein, und er wird mir Sohn sein; weise ist, wer den Vater erfreut,
ihn, den ich zum Ersten mache zu allerhöchst vor den Königen auf Erden,
und dem ich ewiglich meinen Bund bewahren werde.

191 Die ganze nachfolgende Textpartie ist eine V e r h e iß u n g der Sapientia


D e i an ihren Geliebten - aber sie ist nicht mehr als ein E rleben d es A rti-

61. Vgl. hiezu M e i s t e r E c k a r d t s Kommentar zur Weisheit ed. T h e r y a. a. O.


Vol. III, p. 275-276. Bonum ut bonum semper dulce e s t. . . Fex amaritudo est. und
p. 277. Adhuc autem patet ex hoc quod motus naturalis in fine intenditur, violentus
autem et qui contra naturam e contrario in fine remittitur, p. 278. omne agens intendit
se alterum et quousque ad hoc attingat, labor est; et gravis et amara omnis dissimilitudo
et imperfectio, quam dat. Si daret se ipsum alterum primo, omnium actio esset suavis
hinc inde agenti scilicet et patienti nec esset inter ipsos pugne amaritudo sed dulcedo
et suavitas.
62. a .a .O .p . 11.
KOMMENTAR 215

f e x geschildert. Psychologisch bedeutet dies, daß der ganze nun an­


schließende, von Heil und Erlösung und Hochzeit kündende, Text die
intuitive Antizipation einer L ösung ist, die aber noch nicht durch­
gehend realisiert wurde. Es ist, als ob der Verfasser plötzlich aus der
Nigredo herausgesprungen und in den ekstatischen Glückszustand der
Coniunctio versetzt wäre. Die menschliche Realität, in der sich das Ich
befindet, spielt keine Rolle mehr, und die göttliche Braut feiert Hochzeit
mit ihrem Bräutigam, dem «wissenden» Erlöser, mit dem sich der Autor
vermutlich irgendwie identisch fühlt.
Innerhalb dieser Textpartie ist der Ausdruck «cuius amplexu juve­
nesco» hervorzuheben, denn es ist dies wohl ein Hinweis auf das in
der Alchemie so häufig erwähnte Motiv der «Königserneuerung», wel­
che dem Autor wohl in erster Linie durch die Turbas teile 63 vom Greis,
der sich verjüngt, indem er sich von einem weißen Baum nährt6*, nahe
gebracht war. Für die Bedeutung dieses Motivs kann ich auf die Aus­
führungen J u n g s verweisen 6k Die «Erneuerung» zielt auf eine völlige
Einstellungsänderung des Bewußtseins hin. W er aber gewöhnlich er­
neuert und verjüngt wird, ist der K önig, d. h. eine archetypische Ge­
stalt, die man als die symbolische Dominante einer vorherrschenden kol­
lektiven Bewußtseinshaltung deuten könnte66: Hier möchte sich die
Sapientia Dei, wie anderswo der Rex oder Senex, erneuern, woraus man
schließen muß, daß die bisherige Deutung dieses Archetypus, d. h. die
kirchliche Auffassung der Sapientia Dei erneuerungsbedürftig sei. Die
Sapientia wurde ja, wie erwähnt, völlig abstrakt als «Summe der Ideen
im Geiste Gottes» oder als «Kunst», durch welche Gott die W elt schuf,
angesehen, oder einfach mit Christus als dem vorweltlichen Logos iden­
tifiziert. Damit ist aber psychologisch das weibliche Element in dieser
Personifikation übersehen. Ihre Anima-Qualität, ihr spezifisches Wesen
als eines Verbindenden, vermittelnden Elementes und die in ihr enthal-

6 3 . R u sk a , p . 1 6 1 -1 6 2 .
64. Vgl. R o s i n u s ad Sarratantam. Artis Aurif. a. a. O. 1610 I p. 92 und L a m b -
, sowie die Carmina H e l i o d o r i , ed. Goldschmidt, Carmen I p. 29-30,
s p r in c k

Vers 110 ff. (Vatermordmotiv).


65. Myst. Coni. II p. 27.
66. Vgl. J u n g , Myst. Coni. II p. 27. W ie auch in vielen Märchen tritt ein kranker
oder greiser König auf, der sich nach dem Lebensquell, verjüngenden Äpfeln, einem seine
Blindheit heilenden Wasser etc. sehnt. Dies weist auf die Notwendigkeit einer Erneue­
rung der collectiven Bewußtseinseinstellung hin. Vgl. z. B. das GRiMMsche Märchen
«Der goldene Vogel» und seine Parallelen.

15 Jung: M ysterium III


216 KOMMENTAR

tenen Gefühlswerte sind bei einer solchen Interpretation zu wenig be­


rücksichtigt. Dadurch, daß nun hier die Sapientia im archetypischen Ur-
erlebnis wiedergefunden ist, wird sie gleichsam «verjüngt», d. h. neu
lebendig.
E s ist kein Zufall, daß M e i s t e r E c k h a r d t etwa zu jener Zeit seinen
bedeutenden Kommentar zur «Sapientia» schrieb. Die Sapientia Dei ist
nämlich, wie J u n g in der «Antwort auf Hiob» ausführt, als weibliche
Personifikation Gottes eine Gestalt, in deren W esen die Antinom ie
Jahwes aufgehoben ist, indem sie das «absolute Wissen» und die Weis­
heit Gottes darstellt. Sie scheint das Ziel gewesen zu sein, nach welchem
das Unbewußte der damaligen und späteren Zeit drängte, daher die sich
steigernde Marienverehrung, die Wiederentdeckung des universalistisch
denkenden A r i s t o t e l e s und hauptsächlich das Aufblühen der abend­
ländischen Alchemie, deren Hauptbestreben auf die Herstellung des
E IN E N gerichtet war: unus est lapis, unum vas, una medicina! (eines
ist der Stein, eines das Gefäß, eines das Heilmittel).
Eine andere, ebenso auf weitreichende symbolische Zusammenhänge
zielende Anspielung ist das «cuius condormitione totum corpus exinani­
tur» (in dessen Liebesumarmung mein ganzer Leib vergeht): Dies
scheint mir nicht ohne Zusammenhang zu dem von J u n g zitierten Vers
des A m b r o s i u s zu sein 67, worin von der «exinanitio» der Ecclesia-Luna
die Rede ist. Letztere verkörpert das Leiden der unerlösten Menschheit
und überhaupt der Kreatur67686970, und ihr Leiden dient «der Entwerdung,
der Kenösis, des menschgewordenen Logos», Für die psychologische
Bedeutung dieses kirchlichen Gleichnisses verweise ich auf die Ausfüh­
rungen J u n g s 69: Die Auflösung hat auch mit dem anfänglich in der
Aurora geschilderten «Fließen» des Geistes zu tun, der seinem Triebe
folgt. So sagt der Autor der bereits öfters erwähnten Schrift: De adhae­
rendo Deo 7°: Est enim amor ipse virtutis unitivae et transformativae
transformans amantem in amatum et econtra . ( !) Trahit enim amor

67. Vgl. H . R a h n e r , Mysterium Lunae, Zeitschr. f. kathol. Theolog. 1939 (Jahr 63)
p. 431: (Christus) exinanivit eam ut repleat, qui etiam se exinanivit, ut omnia impleret,
exinanivit se ut descenderet nobis . . . ergo annuntiavit Luna Mysterium Christi. (Exa-
meron. IV . 8. 32.) Das «exinanitur» rechtfertigt meine Correctur im Text.
68. Vgl. A m b r o s i u s , Exameron IV. 8. 31. cit. H. R a h n e r ebda. ρ. 430, vgl.
auch p. 431.
69. Vgl. J u n g , Mysterium Coni. Vol. I p. 35-38.
70. A l b e r t i M a g n i Opera, ed. B o r g n e t 1. c. Vol. 37, p. 536-537.
KOMMENTAR 217

(quia fortis ut mors dilectio) amantem extra se et collocat eum in amato


faciens ei intimissime inhaerere. Plus enim est anima ubi amat, quam
ubi animat. . . Ipse etiam amor est vita animae, vestis nuptialis ^ et
perfectio ipsius in quo omnis lex et Prophetae et Domini edictum
pendet 7*.
Die dunkle Seite der klassischen alchemistischen Coniunctio ist in
unserem Text nur ganz flüchtig in diesem Motiv des liebenden Zerflie­
ßens angedeutet, die Rede gleitet vielmehr von der Liebeswerbung wei­
ter zu dem Ausspruch von Hebr. I, 5 .: «Ihm werde ich Vater sein und
er wird mir Sohn s e in 73 » 5 was in Anbetracht des Umstandes, daß die
Frauengestalt, die anima, oder Sapientia Dei spricht, zunächst merkwür­
dig anmutet. In der kirchlichen Auffassung allerdings bilden tatsächlich
Sapientia und Logos eine Einheit, indem sie beide einen Schöpferaspekt
der Gottheit darstellen. Auch von der von J u n g gegebenen Deutung
her gesehen, daß das Unbewußte zum Bewußtsein in einem Vater-Sohn-
Verhältnis stehe 74 , wird es verständlicher, inwiefern die Anima, bzw.
die Sapientia, sich auch als den Vater des Alchemisten bezeichnen kann.
Es ist damit die A rt des Verhältnisses von Sapientia und Adept ange­
deutet. Später tritt die Gestalt der Sapientia überhaupt vorübergehend
als männliches Gottesbild oder als Hl. Geist auf - letzten Endes stellt
sie demnach die psychische Ganzheit in ihrem mannweiblichen Aspekt
(etwa parallel zum gnostischen Vater-Mutter) dar - , aber je nachdem
überwiegt bald die weibliche, bald die männliche Seite. Hier kehrt sie
plötzlich den Aspekt eines schützenden Vaters hervor, wobei dies an die
Bedingung geknüpft ist, daß der Mensch ihre Wege beachte. Es scheint,
als ob «religio», d. h. die sorgfältige Berücksichtigung des Unbewußten
durch das Bewußtsein, ein mitbedingender Faktor für die Offenbarung
ihres väterlichen Gottesaspektes sei. Daß der Adept der Sohn sei, scheint71234

71. Vgl. das oben über das Gewand Gesagte.


72. Die Liebe hat einigende und verwandelnde Wirkung, sie verwandelt den Lie­
benden in das Geliebte und umgekehrt! Die Liebe zieht den Liebenden aus sich heraus
und versetzt ihn in das G eliebte. . . Die Seele ist nämlich mehr, wo sie liebt, als wo
sie nur belebt. Die Liebe ist das Leben der Seele selbst, ihr Hochzeitsgewand und ihre
Vollendung! . . . Vgl. hierüber ebenfalls J ung, Myst. Coni. Vol. I p. 52.
73. Der Satz: «filius, qui laetificat patrem», wurde auf den Vollzug der Taufmyste­
rien bezogen. Vgl. H o n o r i u s v o n A u t u n , Quaest. et Respons. in Prov. et Eccles. cap. 10.
M i g n e , P. L. tom. 172. col. 317.
74. Vgl. J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 109 und J u n g , Das Wandlungssymbol in der
Messe. Von den Wurzeln des Bewußtseins 1. c. bes. pag. 304, 305, 307.
218 KOMMENTAR

mir aus dem Text erwiesen, denn der Bräutigam, nach welchem sich
die Sprecherin dieser Zeilen sehnt, ist bezeichnet als derjenige, der sie
aus dem Abgrund der Nigredo w issend errettet, ohne dabei ihr entstell­
tes Äußeres zu verspotten oder zu beschädigen - d ies kann nur der
A lch em ist, d. h. d er M en sch sein. Würde letzterer Zusatz über die mög­
liche Entweihung fehlen, so könnte man die Partie dahin deuten, daß
die «Seele» sich nach ihrem Seelenbräutigam Christus sehne; aber dann
bedürfte es nicht dieser ängstlichen Bitten, er solle sie nicht beschädigen.
Diesmal ruft die Anima nicht Christum, sondern niemand anderen als
ein m en schlich es Ich zu Hilfe. Es ist wichtig, dabei im Auge zu behalten,
daß dies in einem Menschen stattgefunden hat, dem in seiner bewußten
Einstellung vermutlich Christus als Seelenbräutigam eine bekannte Vor­
stellung war, und der wohl geneigt war, die Bedeutung seiner selbst
hintan zu stellen - ein allgemeiner Zug mittelalterlicher Geisteshaltung,
der später durch die Ichhaftigkeit des Renaissancemenschen reichlich
kompensiert worden ist.
Was aber will die Anima mit ihrer ungewöhnlichen, drängenden Lie-
beswerbung? Sie will - wie der Text sagt - eine Beziehung hersteilen,
die parallel zu derjenigen Gottvaters zu seinem Sohne ist. Im Text selber
sieht es aus, als ob nicht nur etwas Paralleles, sondern etwas Identisches
hiermit gemeint sei, doch ist dies auf Grund des Bibelkontextes nicht
möglich. Es kann sich nur um eine Parallele handeln: die Anima-Sapien-
tia bezieht sich formaliter zum Alchemisten wie Gott sich zu Christus
bezog.
Damit ist in der unbewußten Symbolik jener Prozeß einer fortschrei­
tenden Christifikation des Einzelnen ausgedrückt, von deren Bedeutung
und religiösen Hintergründen Jung in seiner «Antwort auf Hiob»
spricht, worauf ich hier den Leser verweisen muß, da die Darstellung zu
weit von der Kommentierung des Textes wegführen würde. Ein g e­
w öhnlicher Mensch ist zum Ort der Gottesgeburt erwählt, und in ihm
inkarniert sich nicht nur (wie in Christo) die lichte Seite Jahwes, son­
dern in ihm gebiert sich Gott als G a n zh eit in seinem lichten und dunklen
Aspekt von neuem. Der einzelne Mensch aber wird dadurch - wie die
Aurora sagt - zum Sohne Gottes und erhoben «zuallerhöchst vor den
Königen auf Erden 7s». Nicht nur verspricht die Sapientia, den Alche­
misten zum Gottmenschen zu erhöhen, sondern auch ihm ihren «Bund
75. Ps. L X X X V III, 27-28.
KOMMENTAR 219

treu zu bewahren». Sie stellt sich damit, weil sie «menschenfreundlich»


ist, schützend vor den Menschen gegen die unberechenbare und gefähr­
liche Seite ihrer selbst bzw. Gottes 76, und bewirkt, daß Gott eine gütig­
väterliche Haltung einnimmt 77. Aus dieser Textpartie geht hervor, daß
der Autor seine geheimnisvolle Frauengestalt, die «anima», in der Mate­
ria eigentlich mit Gott völlig identifiziert. Sie ist dessen weiblicher
Aspekt, aber zugleich auch paradoxerweise einfach Gott selbst.

T ext: W o er aber mein Gesetz verläßt und nicht in meinen Ordnungen *99
wandelt und meine erwähnten Gebote nicht hält, so soll ihn der Feind über­
wältigen, und der Sohn der Bosheit soll ihm durch seinen Widerstand scha­
den. W enn er hingegen in meinen Ordnungen wandelt, so wird er die Kälte
des Schnees nicht fürchten; denn seine Hausgenossen werden Kleider haben,
Leinwand und Purpur.

Die Bedenklichkeit der alchemistischen Unternehmung, welche den 200


Laboranten zum Filius Dei erhöht, legt es nahe, daß der Autor gerade
an dieser Stelle auf den «diabolus» zu sprechen kommt: wenn der Alche­
mist die W ege der Sapientia nicht achtet, so setzt er sich den Anfech­
tungen des «Feindes» und des «Sohnes der Bosheit» aus 78. Die Alche­
misten sprechen öfters von solchen Anfechtungen des Teufels 79; zu
ihnen gehören u. a. die Hast, die Arroganz, die Habgier usw. In unse­
rem Text wird als Gefahr im Folgenden die «Kälte des Schnees» er­
wähnt. Dies könnte sich chemisch auf ein unzeitiges Erkaltenlassen der
Substanzen beziehen 67898o. Die Gefahr, die in der gegebenen psychologi­
schen Situation liegt, ist, wie schon erwähnt, diejenige einer Inflation.
In einem solchen Fall erstirbt die Bezogenheit zum Mitmenschen, das
Gefühl, und wird durch eine intellektuelle Form der Beziehung ersetzt.
Das ist eine der Gefahren, die in der Erhöhung des Alchemisten zur
Gottähnlichkeit liegt. Da im Folgenden die roten und weißen Kleider

76. Vgl. ihre mörderische Seite, wie sie zu Beginn der zweiten Parabel geschildert
ist, wo es heißt, daß «die Pferde ihres Köchers vom Blute trunken sein werden».
77. Über die Veränderung des Unbewußten im Laufe des Individuationsprozesses
siehe J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 188.
78. Der Text ist an jener Stelle in Unordnung geraten und wurde von mir so gut
als möglich rekonstruiert.
79. Vgl. über die «Machenschaften des Räubers» J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 182 ff.
Vgl. auch z. B. L i b e r A lz e D e L a p id e P h ilo s . Museum Hermeticum Frkf. 1677. p. 331.
80. Vgl. H. S i l b e r e r , Probleme der Mystik und ihrer Symbolik, Wien 1914, p. 213.
220 KOMMENTAR

(Linnen und P u rp u r)81 als Schutz gegen die Kälte erwähnt sind, so ist
diese Kälte als etwas gleichsam von außen Kommendes geschildert, wäh­
rend doch die Texte sonst betonen, daß keine «res extraneae» (äußere
Dinge) zum Opus hinzukommen dürfen828345.
201 Die Erwähnung des «Feindes» geht hier somit aus einem tiefen Sinn­
zusammenhang hervor, denn wenn die Sapientia Dei den Alchemisten
zu ihrem «Sohn» erhöht, so wird er damit zu einer Inkarnation der
Gottheit. Diesmal aber ist dieser Gottessohn, nicht wie Christus, der in
einem reinen Gefäß menschgewordene gütige Gottvater, sondern dies­
mal inkarniert sich Gott in einem gewöhnlichen, in der Erbsünde ge­
zeugten Menschen, weil das zwischen Hell und Dunkel schwankende
Wesen des letzteren der göttlichen Antinomie besser entspricht und
daher eine vollständigere Inkarnation ermöglicht. Der Erwählte soll die
Gegensätze in sich vereinen, d. h. seine Anima soll als Geburtsstätte für
die göttliche Ganzheit dienen. Damit ihn diese Aufgabe bzw. die Anti­
nomie Gottes nicht zersprenge, soll er - wie der Text sagt - die W ege
der göttlichen Weisheit achten, denn die Anima ist die «mediatrix» zwi­
schen den unvereinbaren Gegensätzen in der Gottheit, wie das Verbin­
dende und Einigende dem weiblichen Wesen mehr eignet als dem
Männlichen.
202 An sich ist der Schnee in der Patristik ein Symbol der ewigen Ver­
dammnis 83, und in D a n t e s Inferno steht deshalb Satan bis zur Leibes­
mitte im Eis. Es ist dies die «frigiditas peccatorum 84» - Satan regiert im
Norden, der Nordwind ist eines seiner Symbole8*. Das Motiv bezieht
sich wohl auch auf die Gefahr eines «im Konflikt Erstarrens». Das Er­
leben der dunklen Seite Gottes könnte alle Liebe erkalten lassen und
der eisige Schauer des «timor Dei» jeden Lebensimpuls erlöschen las­
sen; nur die Sapientia kann den Menschen davor schützen, indem sie

81. Vgl. G r e g o r i u s M a g n u s , Epistolarum ex Reg. lib. I, Indict. IX , Opera Paris


1636. tom. II, col. 596: Et quid per byssum nisi candens decore munditiae corporalis
castitas designatur.
82. Vgl. z . B . G e o r g e R i p l e y , Liber de Mercurio philosophorum, Opera omnia
Chymica Cassel 1649 ed. Köhlers, p. 104: Cave igitur ab omnibus rebus peregrinis et
extraneis.
83. Vgl. M. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs III, V III, 1.-2. Vol. I, p. 141, und
T h e o b . d e H o g h e l a n d e , De Alchemiae Difficultatibus Theatr. Chem. 1622, IV, p. 150.
R h a b a n u s M a u r u s , Allegoriae in Sacr. Script. Migne, P. L. tom. 112, col. 1006.
84. Umfangreiche Belege vgl. J u n g , Aion p . 148 ff.
85. Vgl. ebda.
KOMMENTAR 221

ihm «Purpur und Linnen» schenkt, d. i. die richtige Einstellung er­


möglicht.
Auf die rot-weiße Symbolik der Gewänder brauche ich hier nicht ein- 203
zugehen, sondern kann auf die Ausführungen von J u n g verweisen86.
W ie aus diesen hervorgeht, sind Rot-Weiß die Farben des «Filius philo­
sophorum» und seiner Braut, und es erweist sich hier wiederum, daß
der Autor selber mit diesen Gestalten in gleitenden Übergängen identi­
fiziert ist, denn einerseits ist er nämlich zweifellos derjenige, der «flei­
ßig und achtsam» sein soll, und trotzdem wird im Folgenden nicht seine
Glorifikation, sondern das Erscheinen eines überpersönlichen, vom
Alchemisten unterschiedenen, Rex Gloriae geschildert. Die Mahnung
zur Gewissenhaftigkeit und zum Fleiß dürfte ebenfalls als eine Kom­
pensation gegen die Gefahr der Inflation aufgefaßt werden; denn durch
sie wird der Adept plötzlich zum D iener des ganzen Prozesses gemacht.
Daß hier noch weitere «domestici», Diener, erwähnt sind, erklärt 204
sich auch dadurch, daß die anderen Metalle gegenüber dem Gold oft als
servi - Diener des Königs bezeichnet wurden 87. Daß es sich hier um die
Metalle handelt, ist um so wahrscheinlicher, als ein paar Zeilen später
die sieben Sterne oder sieben Geister der Apokalypse erwähnt sind,
welche alchemistisch zweifellos als die sieben Planetengeister (= Metalle)
gedeutet wurden8889. Die Planetengeister erscheinen hier als die Diener
der Sapientia Dei. Sie sind ihrer sieben, zu denen sich die Weisheit als
Achtes gesellt, wodurch sie alle die Vollendung erlangen. Psychologisch
handelt es sich w ohl um die Idee der Vereinigung und Zusammenfas­
sung aller einzelnen autonomen kollektiven Persönlichkeitskom ponen­
ten zur inneren Ganzheit . Die Diener sind (nach dem Text) dann vor
der «Kälte» geschützt, wenn der Adept die Wege der Weisheit achtet:
der Teufel, das auflösende und zerstörerische, die Individuation bedro­
hende Prinzip des Bösen8?, würde somit über die Planeten-Metallgeister

86. Vgl. Myst. Coni. Vol. I p. 2, 44 und passim.


87. In der Parabel des B ernhardus T revisanus (J. J. Mangeti, Bibliotheca Che-
mica II, p. 388 ff.) sind z. B. die Planeten als Diener des Königs erwähnt. Vgl. auch
das Bild in J ung, Psychologie und Alchemie, p. 458, wo der König durch seine Diener
zerstückelt wird.
88. Die Planeten und Metalle wurden seit ältester Zeit identifiziert.
89. Es handelt sich hier wohl um jenes letzthinig Böse, das der Mensch nicht inte­
grieren kann, nicht um den «inferioren» Schatten, den »Äthiopier», welcher das Böse
im Menschen in seiner integrierbaren Seite darstellt.
KOMMENTAR

in das Opus eindringen - falls sie nicht durch die Weisheit geschützt
sind, und letztere kann sie nur schützen, wenn der Adept - das mensch­
liche Ich - die W ege der Weisheit - die wegleitenden symbolischen
Produkte des Unbewußten - beachtet und sich wie ein Diener einstellt.
Dann ist er und seine unbewußte Psyche vor der auflösendenn Wirkung
des Bösen geschützt.

T ext: Und an jenem Tage wird er lachen, da ich gesättigt sein werde und
mein Ruhm zutage treten wird, weil er auf meine W ege acht hatte und nicht
das Brot der Faulheit aß.

Zunächst spricht die Sapientia von sich, nämlich daß sie «gesättigt
sein werde» und infolgedessen «ihr Ruhm zutage treten soll». Dasselbe
Bibelzitat führt auch der Autor von «De adhaerendo Deo» an, indem er
darin den Moment sieht, worin die Seele Gott voll erkennt 9°. Die mate­
ria prima wird in den alchemistischen Texten öfters als «terra sitiens»
(dürstende Erde) bezeichnet, die in der Coniunctio durch den herabströ­
menden Regen, welcher als «rex de coelo descendens», als «vom Him­
mel herabsteigender König» zu ihr kommt getränkt wird. Genau das­
selbe Bild findet sich auch bei E p h r a e m S y r u s auf Maria bezogen: diese
ist die «terra sitiens», welche «vom Tau Gottes betaut Christum, als das
Brot des Lebens, gebar **». Eine andere kirchliche Deutung identifiziert
die «terra sitiens» mit dem menschlichen Körper: «Die Erde unseres
Leibes wird mit dem Tau der Taufe b e le b t 93.» (Die kirchliche Tauf­
symbolik ist auch in unserem Texte gerade in den folgenden Sätzen an­
gedeutet.) Nachdem die «Frau», in unserem Text die terra sitiens, durch
«den vom Himmel herabsteigenden König» oder durch die Bemühung
des Autors (nach dem Autor von «De adhaerendo Deo» geschieht die
Gotteserkenntnis, wenn die Seele reflectitur in se ip s a m 94!) «gesättigt»

90. De adhaerendo Deo, A lberti Magni Opera ed. Borgnet, Vol. 37, p. 533.
91. Vgl. das Zitat der Maria in Senior, De Chemia, p. 80: Et illud est, quod nomi­
naverunt Regem de terra prodeuntem et de coelo descendentem. Et simile est huic, quod
dicit quidam in ista aqua.
92. Hymni et Sermones, ed. Th. Lamy a. a. O. Bd. II, p. 744.
93. Vgl. Maximus von T urin, Homil. 101, cit. H. Rahner, Mysterium Lunae
a. a. O. p. 79: Recte plane lunae comparatur Ecclesia et ipsa nos lavacri rore perfundit
et terram corporis nostri baptismatis rore vivificat. Vgl. ebenso Isidor von Sevilla, De
Nat. Rer. 18. 6. zit. ebda.
94. De adhaerendo Deo 1. c. B orgnet, 37 p. 533.
KOMMENTAR 223

w urde, (ein B eleg fü r die Bedeutung des K önigs als Bew ußtsein 95 !)

«tritt ihr R uhm zutage» - und zwar wird sie zu Gott selber *6! Psycho­
logisch bedeutet dies, daß der göttliche, d. h. hier w ohl heilbringende,
numinose A spekt der A n im a nur dann sichtbar w ird, w enn ihr vom
dom inierenden Bew ußtsein die entsprechende A nteilnahm e, die A u f­
m erksam keit und das richtige V erstehen geschenkt w ird. D ann aber
offenbart sich, daß jene «innere dürre L eere», die terra sitiens des eige­
nen Innern, der O rt ist, wo G ott selber erscheint.

Text: Daher wurden die Himmel über ihm aufgetan, und wie Donner er- 207
tönte die Stimme Jenes, der da die sieben Sterne in seiner Hand hält, welches
die 7 Geister sind, die in alle Welt ausgesandt wurden, um zu weissagen und
Zeugnis abzulegen. Wer da glaubt und richtig getauft wurde, der wird selig
werden, wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.

In diesen W o rte n ist in der Bibel die Epiphanie G ottes in der Offen- 208

barung geschildert, von dem es auch daselbst h eiß t 97, daß sein H a a r w ie
w eiße W o lle , wie der Schnee sei, und seine A u gen w ie eine Feuerflam m e
und seine Stim m e wie W asserrauschen, «und sein A ngesicht leuchtete
wie die Sonne», eine Beschreibung, die einem A lchem isten unw illkür­
lich Assoziationen zu seinem «Filius philosophorum » eingeben m ußte.
M it dem Erscheinen der G otth eit w erden «diejenigen, die geglaubt
haben», erlöst, «w enn der him m lische K ö n ig über sie rich tet». Sie w er­
den «w eiß w erden in Z a lm o n » , d. h. sie sind w ie N eophyten oder
V erk lärte 98.
H in ter der Sapientia taucht das A ntlitz des «Alten der Tage 99» auf, *°9

der als R ichter die G läubigen von den U ngläubigen scheidet. N ach der
flüchtigen E rw ähn u n g des «Sohnes der B osheit» geh t der T e x t w ieder 95678

95. Vgl. die Ausführungen von J ung, Myst. Coni. II, Cap. Rex.
96. Die Anima könnte auch in ihrer Bedeutung so erhöht sein, weil infolge der
Inflation wieder eine Unterschätzung des Unbewußten droht; deshalb wird der Alche­
mist zum Diener erniedrigt und die Anima nimmt erhabene göttliche Züge an.
97. Offenb. I. 14-16.
98. Vgl. E phraem Syrus, Hymni et Sermones a. a. O., Bd. I, ρ. 110, Hymnus Bapti-
zatorum: Vestes vestrae fratres, candidae sunt, ut nix et nitor vester refulget ut nitor
Angelorum. - Auf die umfangreiche alchemistische Tauf Symbolik möchte ich hier nicht
eingehen, da von ihr noch mehr in den folgenden Kapiteln die Rede sein wird. Es sei
hier jedoch auf sie hingewiesen.
99. Dan. V II. 9.
224 KOMMENTAR

sprunghaft in optim istische Z ukunftsverheißungen über. D as P roblem


des Bösen ist gestreift, aber offenbar nicht w irklich bew ußt gew orden.
A n Stelle dessen taucht daher das B ild des Jüngsten G erichtes m it seiner
endgültigen Scheidung statt der V erein igu n g der G egensätze auf. D ie
G anzw erdung ist zw ar im G ottesbild vorhanden - er hält die sieben
Sterne in seiner H an d aber der M ensch ist nur teilhabend, durch den
G lauben an ihn, erlöst. W a s m it den V erurteilten geschieht, die nicht
geglaubt haben, w ird im T e x t nicht erw ähnt.
2 io D e r him m lische R ichter, der nun zutage tritt, stellt eine alchem istische
P arallele zur E rscheinungsform des «Sohnes d er Philosophen» dar. E r
ist gleichsam die glorifizierte Enderscheinung der M ateria p rim a und
som it auf geheim nisvolle A rt m it der Sapientia identisch. Ä hnlich w an ­
delt sich die M ond göttin L u n a in der C antilena R ip l a e i selber «in splen­
dorem Solis», in den G lanz der Sonne I0°.
2i i D ie Idee der W a n d lu n g der w eiblichen Substanz in die m ännliche
erinnert an die A u ffassu n g des T h eodo ret von K yro s, w onach die
durch den M ond dargestellte Ecclesia, w elche eine «Zusam m ensetzung
der in die M ysterien vollkom m en eingew eihten Seelen» darstellt, in ihrer
Endglorifizierung selber zur Sonne, dem B ild e C hristi w ir d 10I01, dessen
L ich t ein Staunen der M enschen h erv orru ft. In dieser ganzen P artie
unterscheidet sich der T extin h alt der A u ro ra som it nicht eigentlich von
der christlichen Erlösungslehre. Es hat eine Rückkehr in die frühere
A u ffassu n g stattgefunden.
2 12 D ie Identität der Sapientia m it dem Filius 102 geht auch aus dem nach­
folgenden T e x t hervor:

213 Text: Die Zeichen derjenigen aber, die da geglaubt haben und richtig ge­
tauft worden sind, sind die (wenn der himmlische König über sie richtet):
vom Schnee werden sie weiß werden am Zalmon, und die Federn der Taube
silberglänzend und ihre Schwingen hinten am Rücken im Goldglanz strahlend.

100. Ich verweise auf die Ausführungen von J ung für die Bedeutung dieses Motives.
Vgl. Myst. Coni. Vol. I p. 192 ff.
101. Hohelied-Commentar IV, 9. Cit. Hugo Rahner, Mysterium Lunae, Zeitschr.
für Kathol. Theol. a. a. O. 1939. Jahr 63, p. 342. Vgl. die Verwandlung der Luna als
Bild der Menschenseele in den Sol (Christus), Gregorius Magnus, Expos, in Cant.
Cant. cap. 5 (Opera, Paris 1636. tom. 2, col. 42 ).
102. Vgl. hiezu J ung, Psychologie und Religion 1. c. p. 166. Christus ist der «vir
a femina circumdatus» (Jesaia). Vgl. auch das ebda. p. 132, über die Sapientia
Dei Gesagte.
KOMMENTAR 225

D ie letzten W o rte beziehen sich auf Psalm 6 7 , 1 4 - 1 5 , w o es h eiß t: 214

« W e n n ihr m itten zw ischen den H ürden lagt, so glänzte es w ie der


Taube Flü gel usw .» Dieses Bibelzitat deutete H u g o von St . V ic t o r io3
als «einen O rt zw ischen F u rch t u n d G eb org en h eit, zw ischen rechts u n d
links». D ie Taube selber w urde meistens als «Schar der G erechten» g e ­
deutet I04. A ls B ild einer V ielh eit von G erechten erscheint sie som it an
einem O rt der M itte zw ischen d en G egensätzen. G io a c c h in o da F io r i
deutete dieselbe Psalm stelle au f die zwei Linien, bzw. die zwei O rdines
der K löster und M onachi in der K irch e, die beim «g roß en Sabbath v er­
eint sein w erden 10s».

D as in den A nfangskapiteln dargestellte V erhältnis des A utors zur 215

Sapientia hat eine m erkw ürdige V erän d eru n g erfahren. Z u erst w urden
sie einander a llein k on fron tiert in einer erschütternden B egegn u n g, nach
w elcher beide in die Finsternis des A bgrundes versanken. D ie Sapientia
versprach dam als dem A lchem isten, ihn zu ihrem göttlichen Sohnge­
liebten zu erhöhen, w enn er sie «wissend errette». D an n fo lg te die W a r ­
nung der Sapientia v o r dem «Sohne der B osheit» und ihre M ah n u ng zu
sorgfältiger A rbeit. In der F o lg e erscheint sie um geben von D ienern
und dann als göttliche, m ännliche R ichtergestalt, u m rin gt von den g eret­
teten G erechten - deren V ersam m lu ng w ie eine silberne und goldene
T aube aussieht. D as zentrale Symbol ist h ier zu einer V ie lh e it gew orden,
und der A lchem ist ist nur m ehr E in er unter V ielen, nur noch im B ild
der T aube ( - Sapientia u n d F iliu s) geheim einbezogen. D iese Plurali-
sierung d ürfte m it der vorhergehenden E rw ähnung des Bösen Zusam­
m enhängen, bzw. m it der T atsache, daß k ein e bew u ßte u n d in d iv id u elle
A usein a n d ersetzu n g m it dem Schatten stattgefunden hat. D adurch bleibt
das m oralische P roblem ein K ollektivproblem : die «G erechten» w erden
erlöst - «die U ngläubigen» verdam m t. D ie V ersöhnung des H ellen m it
dem D unklen könnte näm lich n u r im Einzelnen stattfinden, weshalb das
H erausspringen aus der Schattenauseinandersetzung eine Pluralisierung
nach sich zieht und dam it gleichzeitig eine Regression in die kollektiv
vorherrschenden A uffassungen bewirkt: der (n e u e ) «Sohn» w ird m it
Christus identifiziert, dessen Leib traditionsgem äß aus der V ielh eit der 10345

103. Migne P. L. tom. 176, col. 1029: Quod propterea dictum puto quoniam est locus
inter timorem et securitatem tamquam inter laevam et dextram.
104. Vgl. z. B. Ephraem Syrus Hymni etc. II 1. c. p. 176.
105. Concordia II. 1. cit. nach Hahn 1. c. Vol. III, p. 271.
226 KOMMENTAR

G erechten besteht; und es ist d er Glaube in C hristo, der die E rlösun g


bringt.

Text: «Ein solcher wird mein geliebter Sohn sein, sehet ihn an, wie er
schön an Gestalt ist vor allen Menschenkindern, ihn, den Sonne und Mond
bewundern. Er ist aber das Vorrecht der Liebe und der Erbe, auf den die
Menschen ihr Vertrauen setzen und ohne den sie nichts tun können.»

D em Textzusam m enhang nach ist der Filius m it der silberweißen und


goldenen T aube eines W e s e n s lo6. D iese aber ist - w ie schon erw ähnt -
in der kirchlichen A u ffassu n g ebenfalls ein Symbol fü r den H l. G eist,
die Ecclesia, M aria, oder auch fü r Christus I07 und die Schar der «G e­
rechten».
D ie W o rte aus Psalm X L V , 3 : «D u bist der Schönste an G estalt vor
den M en sch en k in d ern 108. . . » , sind in der M eß litu rgie au f C hristum be­
zogen w orden l°9. In der A u ro ra ist im G egensatz hiezu der «Sohn»,
alchem istisch verstanden, als ein Sproß, d er aus der Liebesvereinigung
von Sonne und M ond hervorgeht, und deren Erb e er ist. D e r Filius steht
som it zwischen den G estirnen, Sonne und M ond , die ihn wie E ltern
bewundern. D ie C oniunctio findet nicht m eh r zwischen der Sapientia
und dem A u to r statt, sondern zwischen Sonne und M o n d und ist som it
w ieder ganz «außerpersönlich» gew orden - ein in den K osm os p ro jizier­
ter V organ g . D e r «Sohn» ist näm lich fern er - nach dem nächsten T e x t­
stück - das irdische G old, denn dieses ist es, au f welches sich die zitier­
ten W o rte des B aruch-B uches (« d a ra u f die M enschen ihr V ertrau en
setzen ») b ezieh en 110, w oraus noch einm al ersichtlich w ird, daß die

106. Vgl. hiezu H onorius von Autun, Expos, in Cant. Migne, P. L. tom. 172,
col. 380.
107. Die Taube ist ein Symbol Mariens (ebda. p. 544: Columba tenera portat aquilam
annosam . . .) und in gnostischen Systemen ein Symbol Christi, des Sohnes der Sophia.
(Vgl. W . B ousset, Gnosis a. a. O. p. 266.)
108. Der Psalm wird in der Kirche als «Loblied auf den Gesalbten Gottes und seine
Braut» bezeichnet.
109. Graduale, Sonntag in der Oktav vor Weihnachten, Meßbuch ed. Schott a. a. O.
p. 110. Vgl. auch über die Schönheit Christi Ephraem Syrus. Hymni a. a. O. Bd. II,
p. 562: Labia tua stillant pharmacum vitae, balsamum fluit e digitis tuis, pulchri sunt
oculi t u i. . . Omnes filii Ecclesiae te ardentissime appetunt.
110. So heißt es auch vom Gold im «Buch der Alaune und Salze» (ed. Ruska, p. 64),
es sei: Dominus Lapidum . . . et rex . . . et sic est aurum inter corpora sicut sol inter
sidera, quia sol est rex siderum et lumen et cum eo complentur res terrarum et vegeta­
bilium . . .
KOMMENTAR 227

G estalt des «Sohnes» hier w ieder in die unbiblische, alchem istische F ig u r


um schlägt. Es ist jedoch schw ierig zu erklären, was sich d er A u to r hier
vorstellte. D ie w eißgoldene T au b e w äre alchem istisch ein B ild der
A lbedo, der w eißgew ordenen M ateria, bzw. des G oldes. In der k irch ­
lichen Symbolik ist sie ein B ild der Sapientia und des apokalyptischen
Christus, oder eine D arstellu n g von dessen Leib = der Schar der G erech­
ten. V ersteh t der A u to r das alchem istische Symbol der A lbedo religiös
oder deutet er die religiöse Symbolik alchem istisch? V erm utlich keines
von beiden und beides zugleich. Es ist m öglich, daß er in einer V ision
oder einem T raum gesicht das B ild geschaut h atte und es dann durch
B ild er, die er kannte, zu deuten versuchte. D as A u ffällig e an dieser
T extp artie ist das Zurücktreten des Individuellen . D e r Stil w ird w ieder
d erjenige einer «V erkündigung» oder einer Lobpreisung, und der
Schluß ist ausgesprochen lehrhaft. M it dem V erschw inden des dunklen
Elem entes ist das Persönliche gleichsam mitausgeschieden worden.

Text: Wer Ohren hat. . . der höre, was der Geist von den 7 Sternen sagt, 219
durch die das göttliche Werk vollbracht wird. Von diesen spricht S e n io r . . .
folgendermaßen: «Nachdem du jene Sieben, die du durch die 7 Sterne ein­
geteilt und den 7 Sternen zugeordnet hast, hergestellt und sie 9mal gereinigt
hast, so daß sie aussehn wie Perlen - das ist die Weißung.»

D ie Schlußsätze des K apitels kehren zu einer stärker alchem istisch 220

gefärb ten Form u lierun g zurück und zeigen in einem w eiteren B ild e an,
daß es sich in diesem Endstadium der ersten Parabel w irklich um ein
Erscheinen der klassischen A lbedo handelt. D as SENIOR-Zitat spricht
von den den sieben Sternen zugeteilten M ächten, w elche gerein igt w er­
den sollen, bis sie aussehen w ie Perlen. Es handelt sich um dieselben
sieben Sterne, w elche als A ttrib u t der G ottheit in der Apokalypse er­
w ähnt sind. Es sind dam it die sieben M etalle gem eint, w elche öfters in
ihrer G esam theit die m ateria des Steines konstituieren und in ihm zur
«K ron e» zusam m engefaßt w e rd e n IIX. In diesen Schlußw orten der P a ra ­
bel w ird dam it zugleich noch einm al auf den Sinn des T itels hingew ie­
sen: «von den sieben Planeten, w elche in der schwarzen E rd e ihre W u r ­
zeln schlugen». N ach m ittelalterlicher A nschauung sind näm lich die
sieben M etalle nicht nur den sieben Planeten zugeordnet, sondern sogar 1

111. Vgl. J ung, Myst. Coni. Vol. I. p. 7 -8 und p. 239.


228 KOMMENTAR

durch deren «instillatio» oder «influentia» (E in flu ß ) in w örtlichem


Sinne in der E rd e en tsta n d e n II2. O ffenbar ist in der zu A n fa n g des K a p i­
tels erw ähnten W o lk e und in der m it ihr eingetretenen F lu t, w elche die
E rd e durchdrang, der Sternenhim m el gleichsam selbst zur E rd e herab­
gestiegen und hat sich ihr eingeprägt ” 3. D ie B rau t, w elche am Schluß
des vorhergehenden K apitels vom H im m el herabkam , w ar ebenfalls m it
einer Sternenkrone geschm ückt. Sie ist in gew issem Sinne w esensgleich
m it der W o lk e , ind em auch sie d en Stern en him m el herabträgt.
D ie V erein igu n g von H im m el und E rd e ist ein beliebtes B ild fü r die
alchem istische C oniunctio; so sagt ein HERMES-Zitat “ 4 : N ecesse est: ut
coelum et terra coniungantur, quod verbum est philosophicum (E s ist
notw endig, daß H im m el und E rd e eines w erden, was ein philosophi­
sches W o r t i s t ) ; oder: D e r M an n ist d er F ra u H im m el und die F ra u des
M annes E r d e 11*. Schon ein griechischer A nonym us s a g t 116: «O ben das
H im m lische, unten das Irdische, durch das M ännliche und das W e ib ­
liche w ird das W e rk vollbracht ” 7 .

112. Vgl. z. B. J oh. M ennens, Theatr. Chem. 1622, V, p. 341: Dicet aliquis quomodo
influentiae praedictae metallorum . . . parentes montes penetrabunt ? Respondet Propheta
regius: Montes sicut cera fluxerunt a facie Domini.
113. Vgl. die Beschreibung dieses Motivs mit negativen Vorzeichen bei H onorius
von Autun, Specul. de myst. Eccles. Migne P. L. tom 172, col. 937: Eptacephalus ( ! )
diabolus princeps tenebrarum traxit de coelo cauda sua partem stellarum et nebula pecca­
torum eas obtexit atque mortis tenebris obduxit. Unde sol aeternus iubar suae Caritatis
nube carnis operuit, in occasu mortis pro stellis occubuit, de caligine productas ipse de
nocte mortis oriens sereno coelo restituit.
114. Vgl. Petrus B onus, Theatr. Chem. 1622, V, p. 647. Vgl. J ung, Psychologie
und Alchemie, p. 212, Anm. 3.
115. Tractatus Aureus cap. 2: verum masculus est coelum foeminae et foemina terra
masculi.
116. B erthelot, Coli. Aich. Grecs III. X . 1. Vol. I, p. 145.
117. Das Urbild der Vereinigung von Himmel und Erde dürfte wohl aus der antiken
Mysteriensprache in die Alchemie eingegangen sein. Besonders schön ist diese Vereini­
gung ausgedrückt in dem Danaidenfragment von Aeschylos (Frgm. 44. cit. nach der
Übersetzung von H. Leisegang, Gnosis a. a. O. p. 9 3 ):
«Es sehnt der keusche Himmel sich zu umfahn die Erd’, Sehnsucht ergreift die Erde
sich zu vermählen ihm. Vom schlummerstillen Himmel strömt des Regens Guß, Die
Erd’ empfängt und gebiert den Sterblichen, Der Lämmer Grasung und Demeters milde
Frucht. Des Waldes blühenden Frühling läßt die regnende Brautnacht erwachen: Alles
das, es kommt von mir.»
Auch der eleusinische Mysterienruf hye-kye wurde von Proklos in diesem Sinn
gedeutet (In Platonis Tim. 293, Zit. ebda.): «Die Satzungen der Athener schrieben vor,
die Feier der Hochzeit von Himmel und Erde vorzubereiten, indem sie zu ihnen hin­
schauten; und im eleusinischen Heiligtum, emporblickend zum Himmel, riefen sie:
KOMMENTAR 229

D ie terra n igra (schw arze E rd e ) im T itel der ersten Parabel ist offen- 222

sichtlich das em pfangende Prinzip, welches die Plan eten k räfte in sich
aufnim m t. D ies stim m t nicht nur m it der allgem einen antiken A nschau­
ung von der «terra m ater» überein IlS, sondern ist auch alchem istisch
belegt. So antw ortet z. B . R o s i n u s auf die F ra g e von E u t h i c i a : Quis
foem ina? - T e rra n igra ll 9. - D am it ist nahegelegt, daß die E rd e m it
der erhabenen Sapientia-D ei-G estalt der vorhergehenden K ap itel iden­
tisch i s t I20.
D am it ist - genauer besehen - ein eigentlich ungeheuerlicher G edanke 223

ausgesprochen: D ie «W eish eit G ottes» w ar in der H eiligen Schrift die


G espielin Jahw es, die «m it ihm w eilte vor A nbeginn der W e lt» . In der
Patristik w urde sie auch, w ie erw ähnt, als der «mundus archetypus» oder
die Sum m e der ew igen Ideen in G ottes G eist definiert, nach deren V o r­
bild er die W e lt schuf. Sie ließe sich m it der indischen G öttin Shakti
oder M aya und der gnostischen Sophia vergleichen; und diese G estalt
w ird in unserem T e x t m it der Seele der d u n k len Erde, der unreinen
materia prim a d es alchem istischen W erk es g leich gesetzt! D a m it belastet
d ie A lc h e m ie d en M en sch en m it d er A u fg a b e so w o h l als auch der
W ü rd e, daß er durch sein O p u s d en w eiblichen A s p e k t der G o tth eit,
d ie Sapientia u n d anim a m u n d i aus der V er h a ftu n g in d er M aterie b e­
freie, u n d m it dem m anifesten, m ännlichen G o tte w ieder vereinige.
D urch die A blution, die am Schluß der Parabel geschildert ist, w ird 224

die E rd e, resp. die sieben Sterne oder M etalle in ihr, «w eiß w ie P erlen ».

«Laß regnen!» und niederblickend zur Erde das W ort: «Empfange». Darin liegt die
Erkenntnis, daß die Schöpfung aller Dinge von einem Vater und einer Mutter ausgehe.
In der Gnosis wurde dieser kosmische Vorgang bereits psychologisch gedeutet. Im
Baruchbuche J ustins wird z. B. der Himmel ( ουρανος ) mit dem pneuma, die Erde mit
der «psyche« gleichgesetzt. (H ippolytos, Elenchos V. 26. 36. - Vgl. auch R. Reitzen­
stein, Das iranische Erlösungsmysterium, Bonn 1921, p. 104.) Dieselbe Deutung findet
sich auch bei Philo von Alexandrien, (Leg. Alleg. 1. Par. 9. Reitzenstein, ebda,
p. 104-105.) wo Himmel und Erde als νους und αϊσθησις interpretiert sind, und später
auch als der himmlische und der irdische Mensch. (Ebda. p. 105.) Diese Bedeutungs­
zusammenhänge sind in der sechsten Parabel der Aurora aufgegriffen.
118. Belege in A. D ieterich, Mutter Erde. Teubner, Leipzig-Berlin II. Aufl. 1913.
passim.
119. «Wer ist die Frau?» - «Die schwarze Erde.» Artis Aurif. 1610, I, p. 169.
120. Im Übrigen ist auch nach Philo v. Alexandria die Erde des Paradieses ein
«symbolum sapientiae». Quaest. in Genes. 18. Vgl. R. R eitzenstein, Das iranische Erlö­
sungsmysterium a. a. O. p. 106. Die Identität der Erde mit der Sapientia wird später im
Text deutlicher ausgesprochen.
230 KOMMENTAR

D ie Perle ist bei S e n i o r , dem obige Sentenz entnom m en ist, ein Syno­
nym des L a p is 121, der als «m argarita subtilis» (subtile P e rle ) aus dem
göttlichen W a sse r g efo rm t w ird. E in m ittelalterlicher T e x t nennt auch
die Sapientia D ei eine «m argarita p re tio s a 122». In unserem T e x t ist aber
diese P erle in eine Siebenheit aufgespalten, was auf eine gewisse D is­
soziation, d. h. au f jene oben erw ähnte Pluralisierung hindeutet. D ies ist
w ohl der G rund dafür, daß die alchem istischen Prozeduren im zweiten
K ap itel nochm als w iederholt w erden.
225 Schon in der griechischen A lchem ie ist die «Perle» ein Synonym fü r
das «göttliche W a sse r» oder dessen πνεύματα (G e is te r ). So sagt ein g rie­
chischer, anonym er A lchem ist: «D ie Philosophen nannten die W asser
oder G eister (πνεύματα = auch v erd am p fte Substanzen) ,Perlen und
,Edelsteine', denn sie sind voll g ro ß e r K ra f t 12K W e n n du sie bearbei­
test, bis du die innen verborgene N a tu r herausbringst, dann hast du das
M ysterium der Philosophen erreicht I24.»
126 In unserem T e x t sind die «Perlen» ein Symbol der A lbedo und w ohl
ebenfalls der «w eiblichen K ra f t» , d. h . der A n im a- oder Sapientia-
G estalt. In der christlichen Symbolik ist die P erle ein B ild der Reinheit
und Ju n g fräu lich k e it12*, was den «m oralischen» A spekt der geschil­
derten D ealbatio ergänzen kann. D as T h em a der chem ischen und psychi­
schen A blution und die Symbolik der «T au fe» ist in den nachfolgenden
K ap iteln näher behandelt.

121. Vgl. De Chemia p. 10-11.


122. De adhaerendo Deo, Alberti Magni Opera ed. Borgnet Vol. 37, p. 524. «Nempe
hic est thesaurus ille coelestis absconditus, nec non margarita pretiosa etc.» «Margarita
pretiosa novella» ist der Titel eines bekannten, allerdings späteren, alchemistischen Trac-
tates von Petrus B onus.
123. Auch der arabische Mystiker Al-Farabi, Buch der Ringsteine, verwendet «Edel­
stein» als Terminus für «alles wahrhaft Seiende». Vgl. M. H orten, Das Buch der Ring­
steine Al-Farabis; Beiträge zur Geschichte der Philos d. Mittelalt. 1906, Bd. V,
Heft 3, p. 2.
124. B erthelot, Coli. Aich. Grecs, V. II. 8. Vol. I, p. 339-340. - Bei Zosimos
heißt es: (Ebda. III. II. 2. Vol. I, p. 114) «Ich will euch die Komaris interpretieren, in
die euch keiner vorher einzuweihen ( μυσταγωγήσαι ) wagte . . . sie hat die «weibliche
Kraft» in sich, die Allem vorzuziehen ist. Diese ist die verehrungswürdige Weißung
jedes Propheten geworden. Ich will euch auch die Kraft der Perle erklären, sie hat,
in Öl gekocht, die «weibliche Kraft» in sic h . . . die Vollendung des Stofflichen ge­
schieht durch die Perle.
125. Vgl. z. B. Ephraem Syrus, Hymni et Sermones a. a. O., Bd. I, p. 70 und
314 Anm.
KOMMENTAR 231

Z u sam m en gefaßt schildert die erste Parabel ein w esentlich neues 227

psychisches Ereignis, näm lich das plötzliche A uftauchen der Sapientia


von unten, aus der M aterie und ihren A nspruch auf H ilfe durch m ensch­
liche A rb eit und B em ühung. D u rch letztere könnte sie näm lich nicht
nur ihre frühere erhabene R olle zurückerhalten, sondern auch die end­
zeitliche E rlösun g der M enschheit überhaupt w äre dadurch m öglich.
D ie Sapientia erscheint fern er als m ännliche Richter gestalt, w orin sich
psychologisch eine im U nbew ußten vorhandene Tendenz verkörpert, das
Bew ußtsein zu sch ärferer D iskrim ination zu veranlassen. E in e U n te r­
scheidung (verm u tlich zwischen Ich und Selbst, Persönlichem und U n ­
persönlichem ) ist näm lich infolge der v orh er eingetretenen K o n tam in a­
tion der Persönlichkeit des A u tors m it dem archetypischen A nim abild
dringlich notw endig gew orden. D eshalb endet die Parabel m it einer
lehrhaften M ah n u ng zu siebenm aliger R einigung der «P erlen ». W ä h ­
rend in der Parabelm itte die A n im a spricht, redet am Schluß w ieder der
A u tor selber. D ie U nterscheidung ist ihm offenbar vorübergehend g e ­
lungen - allerdings nicht definitiv, denn zu B eg in n des nächsten K apitels
spricht w ieder die A nim a.

K O M M EN T A R Z U R Z W E IT E N PA R A B EL
( 7 . K A P IT E L )

ie zweite Parabel ist schon durch ihren T ite l «von der W asserflut 22s
D und dem T o d e, den das W e ib hereingebracht und auch vertrieben
h at», bedeutungsvoll. W ie sich näm lich erweisen w ird, ist die F rau nie­
m and anderer als w ieder die Sapientia D ei. B ei der K om m en tieru n g des
vorhergehenden K apitels hatten w ir nur indirekt erschlossen, daß die
Sapientia, bzw. ihr H erabsteigen zum A depten, U rsache der eingetre­
tenen N ig red o gewesen sei, aber im T e x t w ar es nicht direkt ausgesagt.
D ie N o tlag e des A lchem isten und der Sapientia w ar einfach plötzlich
vorhanden. D urch die D iskrim inationsversuche und die Bearbeitung im
letzten K ap itel jedoch scheint der A u to r nachträglich zu ahnen, daß die
Sapientia selber ihm diesen «T o d » gebracht hatte.
D as K ap itel beginnt zunächst w ieder m it der Schilderung einer F lu t. 229

Es ist, als ob, wie schon erw ähnt, jede Parabel in kurzen Z ü g en jeweils 16

16 Jung : Mysterium III


232 KOMMENTAR

nochm als das ganze O pus w iederholte. A b er diesm al spricht die A n im a


allein und schildert die N ig re d o als ein bereits fast vergangenes Ereignis.

Text: W enn sich die Menge des Meeres zu mir gewandt hat und die
Ströme sich über mein Antlitz ergossen h ab en . . .

H ier w ird nun der Zustand der N ig re d o nach neuen R ichtungen hin
am plifiziert. D ie F lu t ist nicht nur die in die E rd e eindringende W o lk e,
sondern w ird auch als Einbruch einer M eeresflut geschildert. D e r A u s­
druck «M en ge des M eeres» bezeichnet bei J e s a ia eigentlich «die am
M eer w ohnenden H eid en » (Je s. L X , 5 . ) , w om it w iederum jenes schon
in dem M o tiv der Ä thiopier angeschnittene Problem des Einbruches
heidnischer Seeleninhalte angedeutet ist. Bezeichnenderw eise findet sich
eine ähnliche V orstellu n g bei einem byzantinischen christlichen K o m ­
m en tator alchem istischer T rak tate, näm lich bei C h r i s t i a n o s . D ieser
sagt zur E rk läru n g des Ausdrucks «M eerw asser»: dam it m einten die
alten Philosophen das fixierende und zeugende W asser der K u n st;
«denn das M eer ist hereinbrechend sow ohl in bezug au f eine M en ge von
Fischen als auch au f die A n w oh n ersch aft der B arb aren »; das E rz aber
sei eine «rote Sache», w elche diejenigen, die un erfah ren an sie heran ­
gingen, v e rn ic h te r. H u g o R a h n e r , der, wie erw ähnt, die patristischen
Belege fü r die symbolische B edeutung des M eeres um fassend zusam ­
m engestellt h a t 1234, sagt, daß «das teuflische M eer» im übertragenen Sinn
die dem T eu fel anheim gegebene M enschheit, die M asse der H eid en ­
völker sei, indem er H il a r i u s zitiert 3: «M it R echt deuten w ir die
W asser als die V ö lk e r . . . die irdischen W asser sind erschreckend, erd ­
h aft, finster, sie w ollen uns verschlingen durch die zornerregten G em ü­
ter, die vom vollen A n stu rm teuflischen Rasens bew egt sind.» Ü b er dem
M eer liegen die N eb el und W irb elstü rm e der D äm on en (daem onum
nebulae et daem onum turbines) 4. D iese A u ffassu n g steht w ohl auch

1. B erthelot . Coli. Aich. Grecs. V I. X II. 4. Vol. I. p. 417 ff.


2. Antemna Crucis II: «Das Meer der Welt» in Zeitschr. f. Kathol. Theologie,
Bd. 66. Heft 2. 1942 Innsbruck-Leipz.
3. Tract. in Psalm. 123. 5. cit. R ahner p. 112: recte significari aquas populos intelli-
gimus . . . Aquae terrestres sunt trepidae, terrenae tenebrosae absorbere nos volentes
animis in ira concitatis et toto diabolici furoris impetu commotis. Vgl. daselbst weitere
Belege.
4. Chrysologus Sermo 26 P. L. tom 52 coi. 254 B und Augustin (? ) Sermo 356. 5.
Migne, P. L. tom. 39, coi. 1649 A cit. Rahner ebda. ρ. 112-113.
KOMMENTAR 233

hinter der oben zitierten Stelle des C h r i s t i a n o s , und deshalb können


die hereinbrechenden B arbaren oder - in unserem T e x t die M en ge des
M eeres - den A depten vernichten, was eine A nspielung auf die M ö g ­
lichkeit eines W ahnsinnsausbruches darstellt. Schon die alten A u toren
haben darauf hingewiesen, daß im Blei (d e r p rim a m ateria) ein D äm on
w ohne, der μανία (G eisteskrankheit) erzeugen könne L In unserem T e x t
ist dies durch den Einbruch der M eeresflut bildlich ausgedrückt. Dieses
B ild ist psychologisch insofern verständlich, als das M eer das kollektive
U nbew ußte versinnbildlicht, und letzteres nicht nur w egen seiner bar­
barischen Inhalte, sondern auch infolge seiner Ü berm acht, das B ew u ß t­
sein des A depten erschüttern könnte. Ebenso spricht der anonym e V e r­
fasser des oft als R a z i s Epistula zitierten W erk es vom W a sse r als «unse­
rem M eer voller G ig a n te n 5
67».
A u f die gleichzeitige Entfesselung eines blutigen K am p fes weisen die 232
nachfolgenden W o rte der A u ro ra hin.

Text: (Wenn) die Pfeile meines Köchers vom Blute trunken sein werden... 233

U n verm ittelt spricht dieselbe G estalt, also w ohl die in den Stoff 234
projizierte A nim a, und sagt aus, daß sie sich an einem m örderischen
G em etzel und B lutbad berauscht habe. E s ist dies offenbar eine A nspie­
lung auf jenen heim tückischen M o rd , den nach der Turba die «F rau »
bei der C oniunctio m it den in «ihrem Leibe verborgenen W affen 7» an
ihrem G eliebten begeht, und der auch in andern T e x te n als μάχη ΰηλείη
«K am p f des W eiblich en » bezeichnet w orden i s t 8910- ein Sym bolzusam­
m enhang, fü r w elchen ich au f die A usführungen von J u n g , w elcher
auch die parallele kirchliche Symbolik erläutert h at, verweisen kann 9,
D ie Liebe w urde in der kirchlichen Sprache als T ötendes und Belebendes
bezeichnet. So sagt z. B . A u g u s t i n u s 10: Ipsa caritas occidit quod fuim us,

5. Vgl. Petasios bei Olympiodor. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. II. IV. 43 u. 44.
(Vol. I, p. 95 und 97.) Vgl. Näheres hiezu C. G. J ung, Myst. Coni. Vol. I p. 257 ff.
6. Artis Aurif. 1610. Teil I p. 251. Es handelt sich um die lateinische Übersetzung
eines arabischen Traktates.
7. Vgl. T u r b a a. a. O. p. 247 und p. 229, Vgl. auch Zosimos, B erthelot, Coli. Aich.
Grecs III. V I. 8 . 1, p. 124. Rosinus ad Sarratantam, Artis Aurif. 1610 I, p. 189.
8. Carmina H eliodori ed. G oldschmidt a. a. O. p. 56, Carmen IV, Vers 225.
9. Vgl. J ung, Myst. Coni. I, p. 133, 158, 174 u. 188 ff.
10. Ennarr. in Psalm. 121. Migne P. L. 37, col. 1628: Die Liebe tötet, was wir waren,
damit entstehe, was wir nicht waren; die Liebe bewirkt gleichsam einen Tod für uns.
234 KOMMENTAR

ut simus quod non eram us; facit nobis quandam m ortem dilectio. - Ü b er­
treibung der Liebe bewirkt auch nach T homas von A q u in eine «lique-
f a c tio 11» (Z erfließ en ) und einen « la n g o rI2» (E rsch la ffe n )!
235 Im biblischen Zusam m enhang (D eu t. X X X I I , 4 2 ) ist m it den blut­
trunkenen P feilen der sieghafte Triumph und die Rache Gottes über
seine Feinde beschrieben *3. So w ird w iederum die Animagestalt mit
Gott gleich gesetzt. A uch erm ordet die «F rau » nicht nur, wie in den
m eisten alchem istischen T exten , ihren G eliebten, sondern w ütet w ahllos
unter den M enschen Σ4. W ie einst der K in d erm ord von Bethlehem die
G eburt C hristi begleitete, so scheint auch diese «neue G eburt» von einem
apokalyptischen M enschenm orden eingeleitet.

236 Text: und wenn meine Kelter vom besten W ein duften und meine Scheu­
nen mit Weizen gefüllt sein werden, und wenn der Bräutigam mit den 1 0
Jungfrauen in mein Gemach eingetreten ist, und darnach mein Leib von der
Berührung meines Geliebten angeschwollen sein wird . . .

11. Summa, editio Leonina, Rom 1891, Bd. V I. Prima secundae Quaest. 28, Art. 5:
Amor ergo boni convenientis est perfectivus et meliorativus amantis: Amor autem boni,
quod non est conveniens amanti, est laesivus et deteriorativus amantis: unde maxime
homo perficitur et melioratur per amorem Dei, laeditur autem et deterioratur per amorem
peccati . . . liquefactio importat quandam mollificationem cordis qua exhibet se cor habile
ut amatum in ipsum subintret. Vgl. auch Comm. in Sent. Lib. III. Dist. X X V II, 9. Ia.
1 ad 4.: quia amans a se ipso separatur in amatum tendens et secundum hoc dicitur amor
extasin facere et fervere, quia quod fervet extra se bullit et exhalat. . .
12. Vgl. Math. M eier, Die Lehre des Thomas von Aquino De passionibus animae
in quellenanalytischer Darstellung. Beiträge zur Gesch. der Philosophie des Mittel­
alters, Bd. X I, Heft, 2, 1912, Münster i. W ., p. 55. Die Stelle ist: de passionibus animae
9. 27 a. - Vgl. ferner G ilbert de Hoy, Sermones in Cant. X L V II. 3. P. L. 184, col. 244,
W ilhelm von T hierry, Sup. Cant. c. 2. P. L. 180, col. 515, und B audoin, Erzbischof
von Canterbury Tract. X IV , Migne P. L. tom. 204, col. 539. Vgl. auch W ilhelm von
Auvergne, De Trinit. c. X X I , Migne, P. L. tom. 2, col. 26: et plerumque vulnus
dicitur amor.
13. Vgl. bes. auch Joel, II. 23-24 u. IV 12 ff: «Denn daselbst will ich sitzen, zu
richten alle Heiden um und um. Schlaget die Sichel an, denn die Ernte ist reif; kommt
herab, denn die Kelter ist voll und die Kufen laufen über . . . denn des Herren Tag ist
nahe im Tale des Urteils. Sonne und Mond werden sich verfinstern.» usw.
14. Ältere mythologische Parallelen wären z. B. die ägyptische Legende von der
Göttin H a t h ö r . Als Re, der Sonnengott, alt wurde, conspirierten die Menschen gegen
ihn; da sandte er sein Auge, die Göttin H a t h ö r gegen sie zur Erde. Hathor richtete unter
den Menschen ein großes Gemetzel an und konnte aber dann einfach nicht mehr damit
aufhören, obwohl Re die Überlebenden retten wollte. So ließ er blutfarbenes Bier um
die Göttin, als sie schlief, ausbreiten. H a t h o r betrank sich daran und ließ vom Morden
ab. Vgl. J. V a n d i e r , La Religion Egyptienne. Paris. 1 9 4 9 p. 3 8 .
KOMMENTAR 235

D er T riu m p h des Siegers, bzw. der positive A spekt des G em etzels, 237

ist im Satz von den vollen K eltern und Scheunen, die dem Sieger g e ­
hören, ausgeführt. D ie N ig red o ist näm lich, wie z. B . aus einem A u s­
spruch von A v ic e n n a h ervorgeh t, ein Triumph oder Dominieren des
W eiblichen.
D as geschilderte Blutbad bedeutet offensichtlich den im T ite l erw ähn- 23s

ten, durch die F rau verursachten « T o d » , und dieser scheint, wie m an


indirekt aus den Parallelvorstellungen anderer T e x te erschließen kann,
eine F o lg e der ersten C oniunctio gewesen zu sein; deshalb ist in der
folgenden P artie des T extes die R ede von den zehn Ju n gfrau en , zu
denen der B räu tigam kam , und von einem Schw angerw erden der « F ra u » .
Es ist, als ob jenes M enschenm orden eine R ückw irkung hätte, die darin
besteht, daß die «F ra u » em p fän gt, bzw. daß der him m lische B räutigam
zu ihr kom m t. Psychologisch w ürde dies bedeuten, daß dieser m enschen­
feindliche, jegliche K u ltu r- und Bew ußtseinsw elt zerstörende, em o­
tionale A usbruch des «G öttlichen» einen tieferen Sinn hat, indem da­
durch die Seele schw anger w ird und eine neue G eburt, d. h. eigentlich
eine w eitere und um fän glich ere M enschw erdung G ottes eingeleitet w er­
den könnte. D as G leichnis von den zehn Ju n gfrau en spielt auf einen
«H ierosgam os» m it der G ottheit an. Es lohnt sich den biblischen T e x t
hier zu erinnern (M atth . X X V , 1 - 1 3 ) : «D ann w ird das H im m elreich
gleich sein zehn Ju n gfrau en , die ihre Lam pen nahm en und gingen aus,
dem B räutigam entgegen. A b er fü n f unter ihnen w aren töricht und fü n f
w aren klug. D ie törichten nahm en ihre Lam pen, aber sie nahm en nicht
Öl m it sich. D ie klugen aber nahm en ö l in ihren G efäß en sam t ihren
Lam pen. D a nun der B räutigam verzog, w urden sie alle sch läfrig und
schliefen ein. Z u r M ittern ach t aber w ard ein G eschrei: Siehe der B rä u ­
tigam kom m t, gehet aus, ihm entgegen! D a standen diese Ju n gfrau en
alle auf und schm ückten ihre Lam pen. D ie törichten aber sprachen zu
den klugen: ,G ebt uns von eurem Öl, denn unsere Lam pen verlöschen.’
D a antw orteten die klugen und sprachen: ,N ich t also, au f daß nicht uns
und euch gebreche; gehet aber hin zu den K räm ern und kaufet für euch
selbst.’ U n d da sie hingingen zu kaufen, kam der B räutigam , und die 156

15. Declaratio Lapidis Physici. Theatr. Chem. 1613. Vol. IV. p. 991: quia usque
ad albedinem humiditatis corruptio et foeminae viget dominium.
16. Die «rasende» Foemina ist (wie erwähnt) nach dem Bibelcontext mit der Gott­
heit identisch.
236 KOMMENTAR

bereit w aren, gingen m it ihm hinein zur H ochzeit, und die T ü r w ard
verschlossen. Z u letzt kam en auch die anderen Ju n gfrau en und sprachen:
,H e rr, H e rr tu uns a u f!’ E r antw ortete aber und sprach: ,W a h rlich ich
sage euch: Ich kenne euch n ic h t/ D aru m w achet, denn ihr wisset w eder
T a g noch Stunde, in w elcher des M enschen Sohn kom m en w ird *7.» A n
sich ist dieses M o tiv einer G ruppe von Frau en, w elche alle auf den einen
B räutigam w arten, der in der M itte der N a ch t erscheint, seltsam , und
weist w ohl au f vorchristliche T rad itio n h in : sow ohl im Adoniskxxlt, als
auch in den V olksfesten, die den T o d und das W iederfin d en des Osiris
feierten, w urden der T o d des G ottes und sein H ierosgam os m it der M u t­
tergöttin von Frauenchören begleitet, w elche am Leiden und am F re u ­
denfest der groß en G öttin te iln a h m e n 17l819. T otenb ah re und H ochzeitsbett
sind dabei eines *9. D as F est w urde besonders von Frau en b e g a n g e n 20.
N ach der A uffindung des toten Osiris erfo lg te in Busiris noch ein «F est
der brennenden L am p en », an w elchem die G läubigen den toten G ott
zur Toteninsel g e le ite te n 21. Falls B ezüge zwischen dem biblischen
G leichnis und solchen V orstellungen zu R echt bestünden, so w äre dam it
das archetypische M o tiv der Todeshochzeit hier bereits angetönt, das im
letzten K ap itel der A u ro ra zum zentralen In h alt erhoben ist.
D as A u ffallen d e bei der A nw endung des Gleichnisses in unserem
T e x t ist die Tatsache, daß alle zehn Ju n gfrau en m it dem B räutigam ins
H ochzeitsgem ach treten, und som it bei dem hier geschilderten E rlösungs­
w erk auch die törichten Ju n gfrau en m it einbezogen sind, denen nach
biblischer V ersion die T ü re zum H im m elreich verschlossen w urde. D as
B ild dieser um fassenderen E rlösung, an w elcher offenbar auch das un­
zulängliche m enschliche W e se n te ilh a t2223, ist verm utlich durch jenen
Einbruch des G ottesschattens in die m enschliche Psyche vorbereitet w or­
den. A u f die Bedeutung der Z ehnzahl der Ju n gfrau en soll erst unten 23

eingegangen w erden, da der T e x t in anderer F o rm w ieder darau f zurück-

17. Vgl. H onorius von Autun, Expos, in Cant. Migne, P. L. tom. 172, col. 534,
der diese Stelle als Eingehen Christi in die Seele deutet.
18. Vgl. H. Gressmann, Tod und Auferstehung des Osiris. Leipz. 1923, Cap. Adonis
und Osiris.
19. Vgl. Gressmann, 1. c. p. 16.
20. ebda. p. 25. Man vgl. auch die Maenaden des D io n y s o s k u lte s .
21. ebda. p. 38.
22. Vgl. hiezu J ung, Psychologie und Alchemie, Einleitung, p. 44 ff.
23. Vgl. unten p. 243.
KOMMENTAR 237

kom m t. A ls bedeutungsvoll ist hier in allererster Linie die T atsache h er­


vorzuheben, daß dasjenige m enschliche W esen , das im christlichen
W eltb ild von der him m lischen H ochzeit ausgeschlossen und verw orfen
w urde, in unserem T e x t als gleichberechtigt m itaufgenom m en ist.
Mit der blutigen Zerstörung und Überflutung tritt, wie wir sahen,
gleichzeitig eine Zeugung und Schwangerschajt ein, w elche zu der G e­
burt des Filius philosophorum führen soll 2L Rückblickend erhält da­
durch die «F lu t» und die « W o lk e » des vorhergehenden K apitels einen
neuen A spekt: sie sind nicht n u r zerstörende, sondern auch belebende
und befruchtende Faktoren . Schon in der griechischen A lchem ie g ilt
die W o lk e als das Belebende. So h eiß t es bei K o m a r i o s 2*: «Sehet und
verstehet, w ie aus dem M eer die W o lk en aufsteigen und die gesegneten
W asser m it sich tragen , und sie tränken die E rd e, und es sprossen em por
die Samen und B lü ten .» A u ch bei S e n i o r ist das g öttlich e W asser «die
W o lk e, w elche die untere W e lt b e le b t2*». In der kirchlichen Symbolik
g ilt M aria als «erfrischende W o lk e 27 ». W ie die F lu t im vorhergehenden
K ap itel den D oppelaspekt einer tödlichen Sintflut und zugleich einer
reinigenden A blution (anged eu tet durch die gegen E n d e des K apitels
geschilderte A lb ed o) hatte, so haben auch hier die F lu t und N ig red o
einen D oppelaspekt: sie sind T o d und Belebung z u g le ich 2456728.

24. Für die psychologische Bedeutung der «Seelenschwangerschaft» im Allgemeinen


verweise ich auf die Ausführungen von J ung in Die Psychologie der Übertragung,
Zürich 1946, p. 144 ff.
25. B erthelot, Coli. Aich. Grecs IV. X X . 8, Vol. I, p. 295.
26. De Chemia, p. 24: Similiter nominant hanc aquam Nubem vivificantem mun­
dum inferiorem et per omnia intelligunt aquam foliatam, quae est aurum Philosophorum.
- Auch dieses Bild findet sich parallel in der kirchlichen Symbolsprache: nach Ephraem
Syrus (Hymni et Sermones ed. Lamy a. a. Ο. II, p. 766) breitete sich das Evangelium
«heilbringend wie eine Wolke über die Erde aus».
27. Ps .-Albertus Magnus; Biblia Mariana. Borgnet Vol. 37 1. c. p. 384. (Maria)
est nebula refrigerans, pluens et donans. Sie ist auch (p. 366) die nubes obumbrationis
et ductionis.
28. Vgl. die von C. G. J ung oben angeführte KoMARios-Stelle, B erthelot, Coli.
Aich. Grecs IV. X X , 10. Vol. I, p. 293: «Es verwunden die Fluten und übereinander
rollenden Wogen die Substanz im Hades d. h. im Grabe, in welchem sie liegt, wenn
aber das Grab geöffnet wird, so wird sie aus ihm emporsteigen, wie ein Kind aus dem
Mutterleibe.» Das (von der Aurora abhängige) A q u a r iu m S a p ien tu m , Mus. Hermet.
a. a. O. p. 86, sagt: Lapis huius generis undique est: c o n c e p tio eiu s s it in in fe r n o , partus
in terra, vita in coelo, moritur in tempore et demum beatitudinem aeternam impetrat. -
Im übrigen wurde auch von Origenes (Contra Celsum IV. 69) die Sintflut als κάΦαρσις
(Reinigung) und διόρΑωσις (Korrektur) der W elt aufgefaßt.
238 KOMMENTAR

Text: . . . nachdem Herodes in seinem Zorne viele Kinder in Bethlehem


in Judaea ermordet und Rachel all ihre Kinder beweint haben wird; und wenn
das Licht in der Finsternis auf gegangen und die Sonne der Gerechtigkeit am
Himmel erschienen sein wird, dann wird die Zeit erfüllet sein, in der Gott
seinen Sohn senden wird . . .

D as N ebeneinander von Z erstöru n g und neuem Leben ist hier des


w eiteren ausgeführt in der A nspielung auf den K in d erm ord zu B eth le­
hem und die ihrer K in d er beraubte Rahel. D ie B ed roh u ng des «H eld en ­
kindes» ist an sich ein archetypisches M o tiv von allgem einer V erb rei­
tung, fü r dessen psychologische D eutung ich auf C . G . J u n g s A ufsatz
«D as göttliche K i n d 2?» verweisen kann. In unserem T e x t ist das «K in d »
zunächst C hristo parallel gestellt. D ie G estalt der R ahel g alt in der
Schriftauslegung der K irch en väter als ein B ild der «sterbenden K irch e » .
C y r i l l u s sagt von ihr 3°, daß, wie Rahel an der G eburt ihres L etztg e­
borenen starb, «so stirbt die K irch e in ihrer Irdischkeit hinein in die
G eburt des ew igen Lebens». Es ist anzunehm en, daß dieser symbolische
H in tergrun d bei der Erw ähn u n g der R ahel in unserem T e x t m itspielt:
wie zuerst in der N ig red o die F ra u dom iniert, so w ird sie nun bei der
G eburt des Filius philosophorum ihrer H errsch aft enthoben; sie stirbt,
und ihr Leben g eh t in das neue W esen über.
D ie neue G eburt ist als «Sonne der G erechtigkeit» bezeichnet, also
m it jenem B ild aus M aleachi IV , 2 , das die K irch e von jeher au f C h ri­
stum bezogen h at 3*. So h eiß t es im G raduale des 8 . Septem ber zu
M ariae G eburt 32: «Selig bist du, heilige Ju n gfrau M a r i a . . . weil aus dir
ist aufgegangen die Sonne der G erechtigkeit, Christus unser G ott 3 3 .»

U n d E p h r a e m S y r u s sa g t 34: « M a r ia . . . träg t in ihrem Schoße die Sonne,


ihr M ysterium erschreckt diejenigen, die davon reden w o l l e n 3 5 .» Und

29. In: Einführung in das Wesen der Mythologie. Pantheonverlag Amsterdam-Leip­


zig 1941, p. 105 ff.
30. Glaphyror. in Genesin, cit. H. Rahner, Mysterium Lunae, 1. c. p. 344.
3 1 . Vgl. hiezu allgemein F . J . D o e l g e r , Die Sonne der Gerechtigkeit und der
Schwarze. Münster 1 9 1 9 , p. 4 9 ff .
32. Meßbuch ed. Schott, 1. c. p. 721.
3 3 . Bezüglich der Identifizierung von Christus mit der Sonne vgl. Augustin Enn.
in Ps. 10. 3 . cit. H. Rahner, Myst. Lun. Zeitschr. für Kathol. Theologie 1939, p. 4 3 9 :
Christus multis locis in Sanctis Scripturis allegorice Sol est appellatus.
34. Hymni et Sermones a. a. O. Bd. II, p. 530, ferner p. 174.
35. Vgl. ferner ebda. Bd. II, p. 540: «Aufgegangen sind aus ihr (Maria) die Sonne
der Gerechtigkeit, die in ihrem Aufgang die ganze W elt erleuchtete.» Ebenso Bd. I,
KOMMENTAR 239

die B iblia M arian a (P s .- A l b e r t u s ) sagt von M aria: «Sie ist es, die
Salom on der M orgen rö te vergleicht in ihrer G eburt, dem V ollm on d bei
der geheim nisvollen E m pfängnis des Gottessohnes, der Sonne in ihrer
H im m elfah rt, den schrecklichen H eerscharen bei der V erscheuchung
der D äm onen 3^.» F ü r die kom plexe psychologische B edeutung des Sol
als U rb ild des Bew ußtseins und dessen Q uelle, des Selbst, m uß ich auf
die E rläuterungen von J u n g verweisen 37 .

D ie zu Beginn geschilderte N o tla g e schlägt, wie in der ersten Parabel, 244


beinahe ohne Ü b erg an g in eine hym nische Lobpreisung um - diesmal
in den Jubel über die G eburt eines Erlösers, und, wie im ersten T eil
zugleich m it diesem U m sch lag die christliche Interpretation des G e­
schehnisses H an d in H and geht, so auch h ier: der neugeborene H eiland
w ird in fast allen Z itaten m it Christus identifiziert. Es ist, als ob der
A u tor im m er w ieder in eine unbew ußte D unkelheit heidnisch-alchem i-
stischer Inhalte hineingeriete, sobald sich aber ein B ild des Selbst im
Chaos m anifestiert, setzt er dieses m it dem jenigen C hristi gleich und
fü h lt sich dadurch erlöst, rehabilitiert und von der G efah r «des Feindes»
befreit. D am it stößt er aber das P roblem des Schattens zu w eit von sich
w eg, weshalb die Finsternis sich im m er w ieder zum W o rte m eldet.

Text: . . . dann wird die Zeit erfüllet sein, in der Gott seinen Sohn senden 245
wird, wie er gesagt hat, welchen er gesetzt hat zum Erben über alles, durch
welchen er auch die W elt gemacht hat (und) zu dem er sprach: «Du bist
mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.» Dem auch die Magier vom Morgen­
lande drei kostbare Gaben darbrachten. An jenem Tage, den der Herr ge­
macht hat, lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein, weil heute der Herr
mein Elend angesehen hat und die Erlösung sandte, da er herrschen wird
in Israel.

D ie folgenden Sätze sind A nspielungen au f die G eburt einer G estalt, 246


die w eiterhin m it Christus parallel gesetzt ist - so in der «Z eit der E r-

p. 8, 16, 130 und Bd. II, p. 478, 526, 550 und 792: «Im Lichte wird alles unterscheidbar
und in Christo alles erklärt.» (Vgl. auch p. 794, 630, 812.) Ebenso Bd. I, p. 10: «Besiegt
sind die Finsternisse, auf daß angezeigt sei die Besiegung Satans, und es siegte die Sonne
um den Erstgeborenen zu verkünden. Besiegt sind die Finsternisse mitsamt dem Geist
der Finsternis, und es siegte unser Licht mit dem Urheber des Lichtes.» - An einer
Stelle bezeichnet Ephraem Christum auch als Lichtsäule (Bd. II, p. 496), was an mani-
chäische Vorstellungen vom Erlöser als Lichtsäule erinnert.
36. Alberti Magni Opera ed. Borgnet Vol. 37, p. 399.
37. Vgl. Myst. Coni. Vol. I, Kapitel Sol.
240 KOMMENTAR

füllung 38», in der Einsetzung desselben als «Erben über alles 39», zu dem
G ott sprach: «D u bist m ein Sohn, heute habe ich dich gezeugt 4°», und in
der E rw ähn u n g der K ö n ig e aus dem M orgenlande, die dem K in d e h u l­
digen. Bedeutsam ist die B etonung, daß G ott durch diesen Sohn «die
W e lt gem acht h at», w odurch der Filius philosophorum wie Christus als
iveltschöpferischer Logos interpretiert ist. D ie nachfolgenden W o rte
des T extes: «A n jenem T a g e , den der H e rr gem acht hat, lasset uns
freuen 41 . . . » , bilden das G raduale des O sterm ontages und des Freitages
in der O sterw oche *z, und darin liegt die A ndeutung, daß diese G eburt
des Filius philosophorum auch eine A ufersteh u n g oder W iedergeburt
ist. D ies w ird erst durch die psychologische D eutu n g sinnvoll, insofern
es sich eben nicht nur um die N eugeb u rt des «inneren M en sch en», des
Selbst, handelt, sondern zugleich um eine W ied ergeb u rt des bisherigen
Ichbew ußtseins des M enschen. A uch könnte m an die G eburt des alche-
m istischen Filius als ein kom pensatorisch-verw andeltes W ie d e ra u f erste­
hen C hristi deuten; denn der Archetypus des Selbst ist w ahrscheinlich an
sich «ew ig», nur das ihn in der Psyche repräsentierende archetypische
B ild stirbt und w andelt sich entsprechend den Bew ußtseinsveränderun­
gen im M enschen.

Text: Heute hat das W eib den Tod, den es hereinbrachte, auch wieder ver­
trieben, und die Riegel der Hölle sind zerbrochen. Der Tod wird nämlich
hinfort nicht herrschen, und die Pforten der Hölle sollen sie fürderhin nicht
überwältigen. . .

In den W o rte n , daß bei Erscheinen dieses «Sohnes» der T o d h in fo rt


nicht m ehr herrschen w ird 43 ? ist ersterer m it dem auf erstandenen C h ri­
stus gleichgesetzt; er ist ein B ild des unsterblichen M enschen 44. Zugleich

38. Galat. IV . 4.
39. Hebr. I. 2.
40. Hebr. I. 5.
41. P s.C X V III.
42. Missale a. a. O. p. 316. Vgl. auch Honorius v. Autun, Migne, P. L. tom. 172
col. 924: Nocti quippe mortis et miseriae, quae a peccato Adae incohans cunctos sua cali­
gine involvit, haec sacra nox finem imposuit, Dies autem felicitatis et gaudii hodie
inchoavit.
43. Röm. V I. 9.
44. Ähnlich sagt der Autor von De adhaerendo Deo: «Wenn unser Herz und
G e ist. . . sich allmählich in sich selbst auf ein unwandelbares genügend Gutes sammelt
und gelernt hat, mit s ic h zu w e ile n usw. und sich an jenes höchste Gute völlig gewöhnt
bis es gänzlich unwandelbar wird und zu jenem wahren Leben, welches Gott der Herr
KOMMENTAR 241

erlebt der V erfasser ein V erschw inden seiner «afflictio»; er fü h lt sich


befreit, und der T o d ist aus der W e lt vertrieben. W ie der A u to r näm lich
m it der N o t und V erzw eiflu n g der m ateria untrennbar verbunden m it­
litt, so bedeutet hier auch ihre R einigung und B efreiu n g von aller D u n ­
kelheit und K orru p tib ilität zugleich seine eigene E rlösun g und v erm it­
telt ihm ein G efühl von U nsterblichkeit.
D am it ist eine als christlich charakterisierte Lösung g efunden: der 249

A lchem ist ist m ehr durch Teilhaben an der G eburt des Erlösers, als
durch sein eigenes W e rk befreit. Im U nbew ußten w ird etwas w ieder
vollständig und ganz; und dadurch fühlt sich das Ich indirekt beruhigt.
Es ist, als ob die extrem en Schwankungen zwischen H ö lle und Seligkeit,
w elche in diesen Parabeln dargestellt sind, allm ählich einen A usgleich
der G egensätze herbeiführten - ohne daß aber der V erfasser völlig reali­
sierte, was fü r V eränderungen seines bisherigen bewußten W eltb ild es
dam it angebahnt sind. D aru m bleibt der Prozeß teilweise unerkannt,
und der A u tor glaubt sein Erlebnis des «F iliu s», d. h. des Selbst m it der
kirchlichen V orstellu n g C hristi in eins setzen zu dürfen, obw ohl eigent­
lich der «Filius philosophorum », w ie J u n g dargelegt hat ein aus dem
U nbew ußten erzeugtes kom pensatorisches Spiegelbild zur dogm atischen
G estalt C hristi darstellt. D as alchem istische B ild des «Filius philosopho­
rum » ist im V ergleich zu Christus vollständiger, indem er eine helle
und dunkle Seite in sich vereinigt - der inferiore T eil der m enschlichen
N atu r ist in ihm inbegriffen. W ie die nachfolgende T e x tp a rtie zeigen
w ird, ist dies auch bei der vom A u to r der A u ro ra geschilderten E rlöser­
gestalt der F all - doch nennt er diese vollständigere F ig u r: Christus,
w obei ihm das Problem atische seines M iteinbeziehens der D unkelheit
nicht w irklich bew ußt gew orden ist.

Text: « . . . denn die zehnte Drachme, welche verloren war, ist gefunden, 250
und das hundertste Schaf ist in der W üste wieder heimgeholt, und die Zahl
unserer Brüder vom Engelsturz ist wieder vollständig ergänzt worden.»

D iese Partie deutet an, von w elcher A rt die «Erlösung» oder G anz- 251

w erdung im U nbew ußten ist, näm lich durch Bezugnahm e au f die

ist, unwandelbar gelangt ist und in ihm . . . innerlich ruht in jener inneren ruhigen und
geheimen Stätte der Gottheit völlig in s ic h s e lb e r g e s t e llt in J e s u C h r isto , w e lc h e r ist
d e r W e g ,, die Wahrheit und das Leben.» - Alberti Magni, Opera ed. Borgnet,
Vol. 37, p. 350.
45. Psychologie und Alchemie, 1. c. p. 44 ff.
242 KOMMENTAR

Gleichnisse vom verlorenen G roschen und vom v erirrten Schaf (Lukas


X V , 1 - 1 0 ) , w elche ihrerseits m it der V orstellu n g der zu «ergänzenden
Z ah l der B rü d er vom Engelsturz h er» in V erbindung stehen. D iese B e ­
zugsetzung stam m t aus der kirchlichen H erm eneutik; denn nach G r e g o r
dem G r o ssen bedeuten die zehn D rach m en die neun C höre der E n gel
und die M enschheit, w elche Eigentum der göttlichen Sophia ( ! ) , d. i.
des Sohnes G ottes seien, und dieser suche m it S orgfalt das E in e V e r­
lorene. Sonst w ird die F ra u auch als K irch e gedeutet, und die Sünder sind
versinnbildlicht als vernunftloses T ie r (S c h a f) und als geringw ertiger
G roschen *6. E in e solche A usdeutung des Gleichnisses als die gefallenen
E n gel oder als die gefallen e Sophia findet sich schon bei der gnostischen
Sekte der Markosier, deren L eh re bei I r e n a e u s überliefert ist 47. Sie lau­
tet 48: «D ie Erschaffung der A eonen und die G eschichte vom Schaf, das
verloren g in g und w iedergefunden w urde, ist fü r sie (d ie M ark osier)
ein und dasselbe, und sie versuchen sie mystisch au szu d eu ten . . . indem
sie sagen: A us der Einheit und der Z w eiheit sei das A ll entstanden, und
von eins bis vier zählend bringen sie die Z a h l zehn h e r v o r . . . die Z ah l
der zehn A eonen. D adurch, daß die Z w ei ihrerseits von sich aus bis zum
Episem on (= g - 6 ) vorschritt, brachte sie die Z w ö lf h e rv o r. . . D ie Z w ö lf
aber, au f die das Episem on fo lg t, nennen sie die Leidenschaft, w eil es
im m er hinter ihr (d e r 1 2 ) h erläuft. D eshalb deute d arau f das Schaf
hin, w elches fo rtlief und sich verirrte, w eil in der D odekas ( 1 2 ) sich
der A b fall vollzog, und daß von der D odekas eine K ra ft sich abwandte
und verloren gin g, das beziehen sie auf die F rau , die eine D rach m e v er­
lor, ein L ich t nahm und sie w iederfand. N u n aber blieben von den
D rach m en neun, von den Schafen elf zurück. D iese Z ah len ergeben m it­
einander m ultipliziert 9 9 , das ist genau der Z ah len w ert des A m e n . . . »
D ie G esam theit der Z ah len oder Buchstaben ergeben nach M arkos die
G estalt einer L ich tju n gfrau , der A leth eia = W a h rh e it 49. Letztere ist eine
weibliche E m anation G ottes, das schöpferische D enken, durch welches er
die W e lt «denkt». M arkos hat auch nach I r e n a e u s *° eine D ekade von
zehn H im m elskreisen und eine D odekas von zw ölf Zodiakalzeichen an-

46. Vgl. das Missale ed. Schott a. a. O. p. 415.


47. I, 13. 5. ff.
48. Leisegang, Gnosis, p. 340.
49. Leisegang, Gnosis a. a. O. p. 329-331.
50. I renaeus, 1. 17. 1. Vgl. B ousset, Gnosis, a. a. O. p. 341.
KOMMENTAR 243

genom m en 51. D abei stellt die D odekas das böse irdische Schicksal 52 dar,
die D ekade hingegen ist «seelenerzeugend», und in ihr finden sich nach
pythagoräischer A nsicht 53 Leben und L ich t geeint, sie ist daher ein B ild
des w eltschöpferischen N ou s 54.D ie M onad e stam m t vom U rp n eu m a ab
und u m faß t die D ekade, und letztere u m faß t w ieder die M onade. D iese
pythagoräische Idee, w elche in der Spätantike w eitere V erbreitung fand,
lebte in der A lchem ie besonders durch V erm ittlu n g der Turba w eiter.
So h eiß t es in einem Serm o des P y t h a g o r a s , zu dem uns noch der arabi­
sche T e x t erhalten ist «W isset also, daß die W u rz e l des Zählens und
dessen A n fan g die Eins ist, m ännlich und einzig, und daß aus jener Eins
die gesam te Schöpfung h ervorgegangen ist. U n d was die Z w ei betrifft,
so kom m t sie nach der Eins und ist weiblich . . . U n d die D rei ist m än n ­
lich . . . A ls aber die V ier kam , w ar sie we i b l i c h . . . D ie V ollen d u ng des
ganzen Zählens ist also die V ier, denn die Z eh n vollendet sich durch
die V ier . . . So h at G ott die G esam theit der G eschöpfe aus den vier v er­
schiedenen N atu ren geschaffen, nachdem sie in der Z ah l bis zur Z eh n
gekom m en w aren, w urden sie aneinander g e f ü g t . . . und G o tt brachte
aus ihnen alles hervor. D aher ist zwischen der Z eh n und der V ier kein
U nterschied und keine T r e n n u n g . . . M an kann die Z eh n und die V ier
nicht trennen, und die Z eh n w ird n u r durch die V ie r vollendet. D arü ber
hinaus aber gibt es kein Z äh len und kein W issen .» V o n dieser Turba-
Stelle scheinen die A usführungen von S e n i o r abhängig dessen W e rk

51. Auch Mani zählt zehn Himmel. Vgl. W. B ousset ebda. Anm. 1.
52. Ähnlich wird im 13. Tractat des Corp. Herm. einer Zwölfheit böser Strafgeister
(die Zodiakalzeichen) die zehn guten Kräfte Gottes gegenübergestellt. Vgl. ferner
W . Scott, Hermetica, a. a. O. Bd. I, p. 238 ff. Besonders p. 247-248. Vgl. ferner
R. Reitzenstein Poimandres, p. 336 und 342 und B ousset, Gnosis, a. a. O. p. 364.
R. Reitzenstein, Myst. Rel. p. 49, 50.
53. Vgl. W. Scott, Hermetica, a. a. O. Bd. II, p. 393 und 243.
54. Proklus, In Tim. I. 87. 28. (D iehl) cit. Scott, l . c. Vol. 4, p. 388. J. Lydus :
ή δημιουργική δεκάς νους έλλάμπουσα ταΐς ψυχαΐς. Vgl. ebenso II. 236. 12 und
De mensibus, 3. 4. (S cott IV, p. 392 ff.) Die Dekade ist auch die κεφαλή του κρόνου.
J amblich, De vita Pythagorae 298, und K ern, Orphicorum Fragmenta, 307, 316. Hippo-
lytos, Refut 4. 43. Vgl. ferner C. G. J ung, Psychologie der Übertragung, 1946, p. 232
und S. Hurwitz, Archetypische Motive etc. l . c. in Zeitlose Dokumente der Seele,
l . c. p. 194 ff.
55. R u s k a , T u r b a l . c. p. 300 ff.
56. Vgl. Ruska, T u r b a , a. a. O. p. 304, Anm. 1.: Diese Reden des Pythagoras sind
die Quelle für die Ausführungen des Senior im Theatrum Chemicum Bd. V, p. 203:
Deinde ingreditur salsatura secunda in eo recens, quae est femina secunda, et facta sunt
universa quatuor, scii, duo masculi et duae feminae, ex quibus exierunt quatuor colores,
244 KOMMENTAR

überhaupt viel Zahlenm ystik enthält. Sein «G edicht» beschreibt zehn


Figu ren *7 , fü n f zur R echten der T a fe l und fü n f zur Linken. Im O pus
w ird das W asser in neun T eile geteilt und über die w eiße B lätter erde
gebracht *8, bis eine E rd e und ein W asser darüber entsteht. D arau f w ird
die E rd e m it sechs T eilen (= 6 T ö ch te r) g e t r ä n k t u n d diese haben
zehn Farb en, w elche erscheinen, gem äß den neun A d lern , u n d d ie Z e h n
ist der sch m utzig e B od en satz ( f e x ) , von dem sie extrahiert wurden.
H ieraus geh t h ervor, was die N eu n und Z eh n alchem istisch bedeuten:
neun T eile des Stoffes sind nach S e n i o r sublim ierbar, und daher auch
als V ögel d a rg e ste llt60, der zehnte T eil ist d er n ich t sublim ierbare R est­
bestand. D ieser entspricht in der A u ro ra dem verlorenen Schaf und dem
C h or der gefallenen E n gel. S o m it bem ü ht sich das ganze W erk des
A lch e m iste n gleichsam um d ie W ied erein o rd n u n g jen es nich t sublim ier-
baren Bodensatzes, der «Sünder a u f Erden» u n d der « gefa llen en Engel»
in eine G a n zh eit . D ie zwei angeführten G leichnisse stehen Lukas X V ,
unm ittelbar v or dem dritten G leichnis vom verlorenen Sohne, über des­
sen B u ß e «F reu d e sein w ird vor den E n geln G o tte s 61». D e r Filius ist
som it - in der Sprache S e n io r s ausgedrückt - die Eins gew ordene vola­
tile (g eistig e ) u n d erdhafte (k ö rp erlich e) Substanz, w elche «V o ll­
endung und Leben» erlangt hat.
Aus solchen A m plifikationen ergibt sich rückblickend die Erk lärun g,
weshalb nach unserem T e x t die fü n f törichten unter den zehn au f den
H errn w artenden Ju n gfrau en m it in das H ochzeitsgem ach eintreten -
sie gehören z u je n er D e k a d e , in w elcher auch das nicht sublim ierbare,
d u n k le Irdisch e u n d V erw orfene m it hin ein g enom m en u n d erlöst
sein so ll.

et hi sunt numerus eius. Intellige hoc principium numeri, primum et secundum, et dicis
duo, et illa sunt tria in numero, deinde dicis tria, quae sunt in numero sex, deinde dicis
quatuor, et fiunt in numero decem numeri manifesti, occulti autem ipsorum quatuor.
His autem numeris perficis Magnesiam, quae est Abarnahas, existens ex quatuor. Decem
vero sunt quatuor, et ex eis sunt decem. Haec sunt quatuor naturae, scilicet terra, aqua,
aer et ignis, ex quibus consistit omnis creatura. Intellige autem hoc.
57. Senior, de Chemia, a. a. O. p. 23.
58. ebda. p. 27. terra foliata «Silbererde».
59. Senior, De Chemia p. 28.
60. ebda. p. 122: «Per aquilas substantiam volatilem intelliges . ..»
61. Nach der P is tis S o p h ia besteht das Übel der W elt in der Vermischung von Licht
und Finsternis und deren endgültige erlösende Trennung tritt erst dann ein, wenn die
vollkommene Zahl (der gerechten Seelen) vollendet ist. (W . B o u sset , Hauptprobleme
der Gnosis, a. a. O. p. 102.)
KOMMENTAR 245

Text: Also sollst du dich heute freuen, mein Sohn, denn hinfort wird keine 253
Klage noch Schmerz mehr sein, denn alles Frühere ist vergangen.

N u n ist nach A ussage des V erfassers das D unkle, Böse endgültig ver- 254

trieben, und der T e x t spielt sogar auf eine vollständige Apokatastasis an.
A lle T ren n u n g ist aufgehoben, die verlorene D rach m e, das verlorene
Schaf, die gefallenen E ngel sind wieder zur G anzheit zurückgekehrt,
und die Z ah l der B rüd er vom Engelsturze her ist w ieder - wie es w ö rt­
lich heißt - plenarie integratus6z.

Text: Wer Ohren hat, der höre. . . von dem Weib, das den Tod herein- 255
brachte und ihn vertrieb, was die Philosophen mit folgenden Worten andeu­
ten: Nimm ihm die Seele weg und gib ihm die Seele zurück; denn die Zer­
setzung des Einen ist die Erzeugung des Andern. . .

H iem it g reift der T e x t noch einm al das im T itel angeführte und im 256

M ittelteil der Parabel erw ähnte M otiv von dem « W e ib , das den T o d
hereinbrachte und ihn vertrieb» auf, und dies w ird nun alchemistisch
erklärt als ein W egn eh m en der Seele aus dem Stoff und ein Zurückgeben
derselben an ihn. O bw ohl es dem V erfasser in W irk lich k eit zugestoßen
ist, den T o d und das V erschw inden des T odes zu erleben, und er selber
dieses Erlebnis nicht hervorgebracht hat, hat ihn doch offenbar seine
K enntnis alchem istischer T e x te den V o rg an g nachträglich in diesem
Sinn verstehen lassen und er hat durch diese alchem istische F orm u lie­
rung eine gewisse D istanz von seiner Em otion gew onnen.
Biblisch gesprochen w äre das W e ib , «das den T o d in die W e lt 257

b rachte», Eva. So sagt z. B . E p h r a e m S y r u s in seinen beliebten zuge­


spitzten G egen satzform u lieru n gen 6*: «E va, die M u tter alles Lebendigen,
w urde zur Q uelle des Todes fü r alle Lebenden 64 .» E va ist in der A lche- 6234

62. Vgl. C. G. Jung, Myst. Coni. II p. 312 ff. Es ist eine Apokatastasis alles Seienden,
in welcher der Mensch auch sein ursprüngliches Einssein mit der Natur und Gott wieder-
findet. Die Ahnung dieses Zieles befreit den Autor momentan aus seiner Verstrickung
in das unbewußte Drama; er sieht es sogar als einen alchemistischen Prozeß an, der
vom Menschen eingeleitet werden kann, was einen seltsamen Umschwung ins Lehrhafte
mit sich bringt.
63. Hymni et Sermones 1. c. I p. 154: Eva mater omnium viventium fons mortis
effecta est omnibus viventibus.
64. Auch Papst Pius χπ. nennt in seiner Encyclica des 4. Nov. 1950 Maria eine
«Heva nova». Acta Apostol. Sedis 1950, p. 768 und 764, wobei A lb ertu s M a g n u s ,
246 KOMMENTAR

m ie eine öfters begegnende Bezeichnung fü r die w eibliche A rkansub-


s ta n z 6*; w ahrscheinlich infolge der antiken A uslegung ihres N am en s
als «M u tter alles Lebendigen» (G en . I X , 2 0 ) 66. F ü r die gnostische Sekte
der Peraten w ar E v a die V erk örp eru n g der «anim a m undi», als der
κοινή φύσις (gem einsam e N a tu r) der G ötter und E n gel, der Sterblichen
und U nsterblichen 67. N o ch zugespitzter ist die dualistische A nschauung
der M andäer, w elche zwei weibliche U rprinzipien (άρχαί) anerkannten,
eine «M u tter der Lebendigen» und einen als w eiblich vorgestellten
«T o d ». D er T o d ist m it dem K örperleben verknüpft, das auch der Sitz
der Sünde i s t 6S. E va w urde w egen ihrer Bedeutung als M u tter der Leben­
digen zur Präfiguration der E cc le s ia 6*. W e n n schon E va paradoxerw eise
zugleich den Q uell des Lebens und Todes verkörpert, so ist doch «die
F rau , die den T o d vertrieb», noch in einer anderen dogm atischen G estalt
zu suchen, näm lich in M aria. So sagt z. B . E p h r a e m S y r u s 7°: «D urch
M aria ist das L ich t entstanden, welches die Finsternisse vertrieb, die
E va gebracht h at.» U n d ? 1: «M aria hat den B aum g efällt, der den T o d
brachte, und die A lle belebende F ru ch t geschenkt.» - A u s diesen F o r­
m ulierungen g eh t hervor, daß der A u to r des A u ro ra -T ex tes seine
Frauengestalt als eine ein zig e V erkörp eru n g des sonst in M aria u n d Eva
getrennt personifizierten W ese n s e r l e b t e 7*. W ie d e r versucht das U nbe-

Sermon. de Sanctis X V . angeführt wird. Vgl. auch C y r ill v . J er u sa lem , Katacheses ed.
Rupp. München 1860, Vol. II p. 19, Katech. 12, cap. 15.
65. So z. B. bei Se n io r , De Chemia p. 95 ff. in der Partie, die als «R o sin u s ad Euthi-
ciam» auch in Art. Aurif. 1610. I p . 159 ff. abgedruckt ist.
66. Vgl. P h il o , De agricult. § 21.
67. Vgl. H. Leisegang, Gnosis p. 184, und W . B ousset, Hauptprobleme der
Gnosis 1. c. p. 59.
68. Vgl. R R e it z e n s t e in , Das Iranische Erlösungsmysterium, Bonn 1921,
p. 137-138.
69. Vgl. A n a sta siu s Sin a it a , Hexam. 4, cit. H. R a h n e r , Myst. Lunae, a. a. O. 1940,
p. 77, Fußnote 109: Eva interpretatur vita. Vita autem est etiam Ecclesia exhibens per­
petuam baptismatis regenerationem et vitam, quae est per aquam et Spiritum . . . Die
Kirche ist aus dem Wasser und Blut der Seitenwunde Christi entstanden, wie Eva
aus der Rippe Adams, (ders. Hexam. 9 cit. R a h n e r ebda. p. 75.)
70. Hymni et Sermones a. a. O., Bd. II, p. 526.
71. ebda. p. 530. Vgl. auch B runo von Asti, Sent. I. 5 cap. 2: Mors per Evam
facta est, vita per Mariam reddita est. Illa a diabolo victa est, haec diabolum ligavit
et vicit.
72. Siehe nach J ung die Paradoxien, die von der A e lia L a e lia C r is p is ausgesagt wur­
den, Myst. Coni. Vol. I, Kap.: Die Paradoxa.
KOMMENTAR 247

w ußte, einen zu w eit auseinandergerissenen hellen und dunklen A spekt


ein und derselben archetypischen F ig u r zusam m enzubringen.
D urch die nachfolgenden Sätze ist diese Frau engestalt als «anim a» 258
der alchym ischen M aterie und dam it eindeutig als dieselbe weibliche
Personifikation gekennzeichnet, w elche in den vorhergehenden T e x t­
partien bald als Sapientia, bald als hilfesuchende Stoffseele auftrat.

Text: das bedeutet: beraube ihn (den Stoff) seiner zersetzenden Feuchtig- 259
keit und mehre ihn mit seiner ihm von Natur eigenen Feuchtigkeit, wodurch
seine Vollendung und sein Leben entstehen wird.

Es ergibt sich, daß dieselbe A n im a eine hum iditas corrum pens und 260

connaturalis, d. h. vivificans 73, zugleich ist und daß sie als solche das
«göttliche W asser» der K unst verkörpert.
W ie in der A lchem ie, so h at auch in vielen gnostischen Systemen das 261

W asser die D oppelbedeutung von Leben und T o d 74. A ls H im m elsozean


ist es ein B ild der Sophia 75. H in gegen entspricht der E d em oder E va als
der W eltseele im Baruchbuche ?6 bei den Peraten «die K ra ft des T rüben
vom A bgrunde» (δύναμις άβυσσικοΰ Φόλου), die sie auch «M eer» n ann­
ten 77. ZosiMOS erw ähnt das «runde E lem ent des K ro n os» als p rofan e

73. Verderbliche und wesensgleiche d. h. belebende Feuchtigkeit.


74. Vgl. die Idee der Naassener, wonach der Ozean abwärtsfließend die Schöpfung
und aufwärtsfließend die Götter erzeuge (L e iseg a n g , Gnosis, p. 1 4 0 -1 4 1 ); er ist der
Ouroboros, der «den Ring von Werden und Vergehen» darstellt. Er «ist die feuchte
Substanz und nichts in der Welt Unsterbliches oder Sterbliches, Lebendiges oder Lebloses
kann ohne sie bestehen; der Fluß, der ausgeht von Eden und sich teilt in die vier
Ursprünge». Dieselbe Schlange gilt bei den Peraten als Eva, die «Mutter alles Leben­
digen» Xebda. p. 148), ihr gegenüber steht die verderbliche Feuchtigkeit des Kronos,
welche die Ursache ist, «daß alle Kreatur dem Untergang verfällt» (ebda. p. 149).
75. Vgl. W . B ousset, Gnosis a. a. O. p. 69, I renaeus I. 30. 3. Vgl. zur Bedeutung
der aquae supracoelestes C. G. J ung, Psychologie und Religion a. a. O. p. 179 ff.
76. Vgl. L e iseg a n g , Gnosis a. a. O. p. 163-166, 175-176 und H ip p o l y t o s Elen­
chos V. 14. ed. P. W e n d l a n d , p. 108.
77. B o u sset , Gnosis a. a. O. p. 73 Anm. 1 . - Es heißt von ihr, sie sei «die Kraft des
abgrundtiefen Schlammes, die den Schmutz des Unvergänglichen, Stummen, Feuchten
aufnimmt und trägt, die gesamte, ewig in Bewegung befindliche Kraft des wäßrigen
Krampfzustandes, die das Ruhende trägt, das Zitternde enthält, das Kommende befreit. . .
das Wachsende vernichtet. . . Diese Kraft nannte der Unverstand Kronos, der in Fes­
seln geschlagen wurde usw. (L eise g a n g , Gnosis a. a. O. p. 149-150. Vgl. H ip p o l y t o s ,
Elenchos V. 14. (ed. P. Wendland p. 108). Dies entspricht auch dem «schauerlichen
Wasser des Uranfanges» ( ύδωρ φοβερόν ) bei den Sethianern, aus dem ein Wind alles
Entstehen verursacht. (B o u sset , Gnosis a. a. O. p. 104, L eise g a n g , Gnosis a. a. O.
p. 153-154.)

17 Jung : Mysterium III


248 KOMMENTAR

Bezeichnung fü r das M ysterium des «göttlichen W a sse rs7 8». V o n die­


sem W a sse r sagt er andernorts 79, es habe in sich «Leben und Geist
(πνεύμα) und das T ö d lich e» (άναιρετικόν) 7898o. D erselbe A u tor sagt zu
der Sentenz von M a r ia : «Betastet es nicht m it H änd en , denn es ist ein
feuriges P h arm ak on », als E rläuteru n g: «D as Q uecksilber ist todbrin­
gend , und in ihm zersetzt sich das G o ld 8182345» . Z ugleich ist aber dieses W a s ­
ser auch bei den alten A u toren der «A llsam e» (πανσπέρμιον), das runde
E lem ent Ω, das M eerw asser und das E i, und es besitzt etw a dieselbe
B edeutung, w ie das «helle W a sse r des K ro n os» bei den gnostischen
Peraten 83. D e r alchem istische A u to r O s t a n e s sagt v om göttlichen W a s ­
ser 84: «D ieses W asser läß t die T o ten auferstehen und tötet das Lebende,
es erleuchtet das D unkle und verfinstert das H e lle .» E in g ro ß er T eil
solcher spätantiken V orstellungen finden sich bei S e n i o r 8* und in der
Turba w ieder und w aren som it demTVerfasser der A u ro ra bekannt. In
der Turba gilt z. B . das W a sse r als «aqua vitae» und zugleich als G i f t 8687;
es h eiß t von i h m 8?: « D ie Philosophen sagten die W a h rh e it, w enn sie
das W asser ,lebend’ nannten, weil das, was m it W asser gem ischt w ird,
erst stirbt und dann w ieder lebt und jun g w ird. U n d es ist ,der schärfste
E s s i g d e r alles zersetzt , oder ein G ift. D iese s G i f t aber ist gew isser­
ma ßen G eb u rt u n d L eb en , weil es eine Seele ist, aus vielen D ingen
e x tra h ie rt. . . seine Farbe ist daher Leben fü r diejenigen K ö rp er, denen
es einen Schaden w egnim m t und T o d fü r diejenigen K ö rp er, aus denen
es extrah iert w ird ». D as entspricht völlig den Sentenzen der A u ro ra von
dem E xtrah ieren und Zurückgeben der Seele sowie dem E n tfern en der
zersetzenden Feuchtigkeit und M eh ru n g durch die eigene w esensgem äße

78. Über die Geräte und Öfen, B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III. X L IX . 1.
Vol. I. p. 228.
79. B erthelot. ebda. III. IX . 2. Vol. I. p. 144.
80. Vgl. über das Tödliche (θανατώ δες) des Wassers auch den anonymen Tractat,
B e r t h e l o t . ebda. IV. V II. 2. Vol. I. p. 276.
81. B e r t h e l o t . ebda. III. X X I X . 13. Vol. I. p. 201.
82. B e r t h e l o t . ebda. I. III. 4, 8. Vol. I. p. 18-19.
83. Vgl. H ip p o l y t o s , Elenchos, ed. P. W e n d l a n d , 1. c. V. 16. Dieses Wasser stellt
die Verstrickung in die diesseitige vergängliche W elt dar.
84. B e r t h e l o t . ebda. IV. II. 3. Vol. I. p. 262.
85. Vgl. u. a. Sen io r De Chemia a. a. O. p. 85, 106-107. Ferner über das Myste­
rium des Wassers im allgemeinen p. 87, 70-73, 17, 21, 34-35.
86. ed. R uska , 1. c. p. 130.
87. ebda. p. 162. Vgl. auch p. 125 und 213.
KOMMENTAR 249

F eu ch tig k eit88. Psychologisch gesehen ist dieses W asser ein A spekt des
M ercurius, dessen p arad oxe Eigenschaften und B edeutung J u n g in «D er
G eist M ercurius 89» dargelegt hat. N ach T homas von A q u in spricht
jener an sich alte und o ft zitierte Satz: «corruptio unius est generatio
alterius», ein G rundgesetz aller W a n d lu n g zur V ollkom m enheit aus;
durch viele N euerun gen und V ernichtungen gelange der M ensch zu
seiner ultim a form a substantialis (seiner letzten w esentlichen G estalt) *°.
Es sind dies som it allgem ein bekannte V orstellungen, auf die der A u tor
der A u ro ra hier anspielt, aber er bringt insofern eine kühne N eu eru n g
vor, als er - w ohl zum ersten M al in solcher D eutlichkeit - versucht,
diese parad oxen V orstellungen vom göttlichen W asser als der «anim a»
des Stoffes m it den biblischen G estalten von E v a und M aria in B ezug zu
setzen und deren D oppelnatur in einer G estalt zusam m enzufassen *τ.
H ierin offenbart sich besonders klar die R olle, welche die alchem isti-
schen Symbole im T e x t spielen: sie haben eine die Gegensätze vereini­
gende Funktion.

88. Im «Buch der Alaune und Salze» ed. Ruska a. a. O. p. 63 heißt es, der Prozeß
bestehe wesentlich darin, daß die verderbliche Feuchtigkeit extrahiert und dafür die
feurige Feuchtigkeit (humiditas ignea) eingeflößt werde». Vom Mercurius heißt es da­
selbst (p. 5 8 -5 9 ): Er ist das ewige Wasser und die Jungfrauenmilch, er tötet und belebt
und ist die Schlange, die sich selber begattet und sich selber schwängert und an einem
Tage gebiert. Vgl. auch Z o sim o s , B e r t h e l o t Coli. Aich. Grecs, III, IX . 1. Vol. I. p. 143:
Es gibt 2 Naturen und e in e Substanz ( ουσία ), die eine Natur attrahiert die andere, und
eine besiegt die andere, das ist das Quecksilber, das mann-weibliche ewig flüchtige . . .
göttliche Wasser, das alle nicht kennen und dessen Natur schwer zu sehen ist.
89- In «Symbolik des Geistes». Rascher, Zürich, 1948.
9 0 . Summa P. I. qu. 118 Art. II. Et ideo dicendum quod cum generatio unius semper
sit corruptio alterius, necesse est dicere quod tam in homine quam in animalibus aliis,
quando perfectior forma advenit, fit corruptio prioris, ita tamen quod sequens forma habet
quidquid habebat prima et adhuc amplius; et sic per multas generationes et corruptiones
pervenitur ad ultimam formam substantialem tam in homine quam in aliis animalibus.
Sic igitur dicendum est, quod anima intellectiva creatur a Deo in fine generationis
humanae, quae simul est et sensitiva et nutritiva, corruptis formis praeexistentibus.
91. Wobei sich der nicht nur für diese Stelle, sondern überhaupt allgemein gültige
Satz ergibt, daß in der Alchemie dieselben Archetypen in ihrem Doppelaspekt einheit­
lich gesehen und erlebt sind, welche in der christlichen Allegorik in einer hell-dunklen
Zweiheit von Bildern aufgespalten erscheinen.
250 KOMMENTAR

K O M M E N T A R Z U R D R IT T E N P A R A B E L
(8 . K A P IT E L )

262 Tm L au fe des vorhergehenden K apitels w urde es allm ählich im m er


JL deutlicher, daß die Sapientia D ei und die «verderbliche Feuchtigkeit»
oder todbringende F rau ein und dieselbe G egebenheit darstellen. A b er -
wie die m eisten anderen A lchem istentexte - hat der V erfasser die P ro ­
jektion der A n im a in den Stoff nicht durchschaut. Aus diesem G runde
bleibt die A n im a w eiterhin insofern «unerlöst», als sie nicht aus dem
projizierten Z ustand befreit, d. h. als psychische G egebenheit erkannt
ist. D eshalb w eilt sie noch, w ie der T itel der Parabel aussagt, in «der
babylonischen G efangenschaft» und sagt sie zu B eginn d es/näch sten
K apitels: //

263 Text: «Wer meine Pforten sprengt und meine eisernen Riegel zerbricht. . .
(der hat sich meiner erbarmt).»

264 D ie hier angeführten W o rte aus Jesaia ( X L V , 2 - 3 ) : «Ich w ill vor


dir hergehen . . . ich will die ehernen T ü ren zerschlagen und die eisernen
Riegel zerbrechen», lauten in ihrer F ortsetzu n g: «und ich gebe die heim ­
lichen Schätze und die verborgenen K leinode, au f daß du erkennest,
daß ich, der H e r r , . . . dich bei deinem N am en genannt h abe». A lche-
mistisch gedeutet handelt es sich bei dieser A nspielung um die allm äh­
liche E xtraktion der «flüssigen Seele» aus dem m ineralischen K ö rp er
(E rz oder E isen ) l. D en gleichzeitigen «m oralischen» bzw. psychologi­
schen Aspekt desselben V organ ges kann w ohl am schönsten die sieb­
zehnte O de Salomos beleuchten *, wo der sich m it Christus identifizie­
rende «Erlöste» spricht: «D ah er wies er (G o tt) m ir den W e g seiner
Schritte. / Ich öffnete die verschlossenen T ü ren / ich zerschlug die eiser-

1. So sagt Lucas in der Turba (Sermo 67, Ruska, p. 166 und 252): «Die Definition
der Kunst ist die ,Verflüssigung der Körper und die Trennung der Seele vom Körper’,
weil das Kupfer wie der Mensch sowohl Seele wie Körper hat. Ihr müßt daher . . . den
,Körper’ zerstören und ihm die Seele ausziehen, weshalb die Philosophen gesagt haben,
daß nicht der ,Körper’ den ,Körper’ durchdringt, sondern das ,Feine der Natur’ es ist,
nämlich die ,Seele’, die den ,Körper’ durchdringt und färbt usw.»
2. Cit. nach der Übers, von E. H e n n e c k e , Neutestamentliche Apokryphen II. Aufl.
Tübingen 1924, p . 453. - Vgl. auch R e it z e n s t e in , Das Iranische Erlösungsmysterium,
a. a. O. p. 87.
KOMMENTAR 251

nen R iegel / mein eigenes Eisen aber ward glühend / und schmolz von
mir. / N ich ts w ard m ir verschlossen erfunden / denn die P fo rte zu
A llem w ar ich gew orden usw. 3.»
Psychologisch bedeutet som it das alchem istische «Erschließen des 265

E rzes» die em otionale A u flösu n g des in seinen zeitgebundenen V o r­


urteilen und Eigenw illigkeiten befangenen Ich. D urch die B erührung
m it dem U nbew ußten öffnet sich das G efängnis, das w ir uns durch
unsere bewußten A nschauungen und ichhaften Zielsetzungen selber g e ­
baut haben, und gleichzeitig geschieht ein analoger V o rg a n g in der
unbew ußten Psyche: durch die Zuw endung des Bew ußtseins w ird das
U nbew ußte aus seinem So-Sein, in w elchem es unbearbeitet verharrt,
befreit und durch den K on tak t m it dem es verstehenden Bew ußtsein
gew andelt. W ie d e r kom zidiert in dieser Phase des Opus die Situation
des A lchem isten m it derjenigen der «anim a» im H öllenkerker.

Text: « W e r . . . meinen Leuchter von seiner Stätte bewegt und die Fesseln 266
meines Kerkers der Finsternis sprengt. . . (der hat sich meiner erbarm t).»

Im T e x t beziehen sich «die eisernen R iegel der babylonischen G ef an- 267

g e n s ch a ft 4 » auf die H öllen p fo rten *, so daß die «anim a» im Z en tru m


der E rd e und zw ar, christlich gesehen, sogar in der H ölle eingesperrt
ist. D ies ist bestätigt durch ihre W o rte in der ersten Parabel, w o sie aus
der T ie fe der «untersten H ölle» um H ilfe ru ft. E in e solche Interp reta­
tion unterstützt die D eutu n g des etwas dunklen nachfolgenden Satzes,
näm lich einer B itte der «anim a», m an m öge «ihren Leuchter von seiner
Stätte bew egen». D am it ist w ahrscheinlich au f A pok. II, 5 , angespielt,
w o es h eiß t: « W o du aber nicht B u ß e tust, w erde ich d ir bald kom m en
und deinen Leuchter w egstoßen von seiner Stätte.» Es ist anzunehm en,
daß dies vor B eginn der Parabel bereits geschehen w ar, und der Leuchter
strafw eise in die H ölle versetzt w orden w ar, weshalb die «Seele» nun
um seine W iederzurechtsetzung b itte t3456. N a ch einem K o m m en tar A l -
berts d es G r o s s e n zur O ffenbarung ist der L eu ch ter ein B ild der

3. Vgl. auch das Gebet von Gizeh (4. Jahrh.) in R. Reitzenstein, Das Iranische
Erlösungsmysterium, p. 265.
4. d. i. der Titel dieser Parabel.
5. Vgl. Z o o z m a n n , p. 884. Christe, Rex mundi, Creator, Dira claustra diruens
Ferrea vincla resolvens es, retrusos eximens.
6. Vgl. u. a. die Klagelieder der gefallenen Sophia in der «Pistis Sophia». Vgl.
hiezu H. L e ise g a n g , Gnosis a. a. O. p. 378 ff. und R e it z e n s t e in , Das iran. Erlösungs-
252 KOMMENTAR

K irch e 7 und in anderen Schriften ein B ild M a ria e 8. Ebenso w urde der
gold ene K andelaber auch als A lleg o rie C hristi gedeutet ?, w ährend er
in der K abbala die Schechina oder den M etatro n d a rs te lltI0. D e r A u f­
enthalt der Seele im E rd in n ern und in der H ö lle ist die F o lg e eines
einstigen «Sturzes», bei w elchem sie sich im Stoff v e rfin g 11 - eine D a r­
stellung jener einstm aligen Projektion des U nbew ußten in die N a tu r,
au f der die A lch em ie b a sie rtI2.
A uch in der scholastischen Philosophie taucht bei W il h e l m von

A u v e r g n e w ieder die Idee der gefallenen Seele au f *3: durch A dam s


V ergehen sei sie, sagt er, von der «H öh e» ihrer einstigen «Lum inositas»
und ihrem A d el hinabgedrückt (d ep ressa) w orden.
E in e ähnliche Form u lierun g wie in der A u ro ra - vielleicht die Q uelle
zu dieser Stelle - bildet eine P artie aus dem T rak tat K osinu s ad Sarratan-
tam r4, w orin die personifizierte «M ondfeuchte» (hum iditas lunaris,
w elche eine Parallelfigur zu unserer Frauengestalt ist) spricht: « W e r
m ich, die ich die M ond- und M erkurm aterie enthalte, von ihrem P la tze
(d e loco suo) d. h. vom K ö r p er des Erzes w egholt, d. h. su b lim ie rt. . .
und m einen G eliebten, die Sonnenfettigkeit m it m ir, der M ondfeuchte,
v e rb in d e t. . . sie w erden uns regenerieren zu einem Leben, durch das
fürderhin kein T o d m eh r sein w ird *>.»

mysterium a. a. O. p. 174 ff. In mancher Hinsicht wäre auch die παρθένος του φωτός
(Lichtjungfrau) der koptisch-gnostischen Schriften zu vergleichen. (B o u sset , Gnosis
a. a. O., p. 61.)
7. In Apocal. B. Joannis. Opera ed. Borgnet Paris 1939, Vol. 38, p. 491: Et dicitur
Ecclesia candelabrum aureum quia lucens scientia, gratia pretiosa, patientia solida oboe­
dientia ductilis, praedicatione sonora, perserverantia longa, fide Trinitatis fundata, quae
est repleta septemplici Spiritus Sancti gratia. Die Echtheit dieses Werkes wird teilweise
bestritten.
8. Biblia Mariana, A lb e rt i Opera ed. Borgnet Vol. 37, p. 366: Maria est cande­
labrum illuminationis . . .
9. G r eg o r iu s M a g n u s , Lib. I super Ezechielem, Opera 1. c. tom. II, p. 93.
10. Vgl. K n o r r v. R o se n r o th 1. c. p. I, p. 543.
11. In der Kabbala ist dies das Einsperren des Lichtes im dunklen Gefäß. Vgl.
K n o rr v . R o se n r o t h 1. c. II, p. 261 und 262.
12. Vgl. C. G. J ung , Psychologie und Alchemie passim, bes. das Kapitel: Der Geist
im Stoff.
13. De anima V 19: Ex his igitur apparet tibi quam deiecta et depressa est ab altitu­
dine luminositatis et nobilitatis suae naturalis virtutis intellectivae sive anima humana
quantum ad illam.
14. Artis Auriferae 1610 a. a. Ο. I, p. 188.
15. « . . . et qui me habentem Lunarem et Mercurialem materiam, d e lo c o m e o i. e. d e
c o r p o r e a e r is a b s tu le r it i. e. s u b lim a r e fe c e r it vi i. e. per vim putrefactionis et solutionis,
KOMMENTAR 253

D aß in der A u ro ra die Seele im H öllenabgrund des Stoffes als Leuch - 270

ter bzw. L ich t dargestellt ist, entspricht ihrer D eutu n g als «lum en n atu ­
rale» bzw. scintilla, fü r w elche Zusam m enhänge ich auf J u n g s A u sfü h ­
rungen in «Theoretische Ü berlegungen zum W esen des Psychischen»
v erw eise16. D ie Sapientia bezeichnete sich schon im ersten K ap itel als
«lum en indeficiens» (unauslöschliches L ic h t), welches diejenigen, die
sie finden, beglückt. A b er um die M enschen erleuchten zu können, m uß
sie offenbar zunächst erst selber aus der H öllen tiefe herauf geholt w er­
den *7 . O hne eine verstehende A nteilnahm e des Bew ußtseins kann das
U nbew ußte näm lich seine erleuchtende und hilfreiche Funktion nicht
ausüben.

Text: und aufhebt das Joch meiner Gefangenschaft, in der wir während 271
70 Jahren saßen über den Wassern zu Babel; dort weinten wir und hingen
unsere Harfen a u f. . .

D er unerlöste Zustand der anim a m ateriae w ird hier gleichnishaft 272

ausgedrückt im B ild der G efangenschaft. (M a n vergleiche den B egriff


des ieiunium und der vierzigtägigen captivitas des «eingeschlossenen
G oldes» in der K a b b a la 18.) In der kirchlichen A lleg o rie w urde das
babylonische E x il als «Ü berm acht der H eid en und d er Sünde» gedeutet
und bildet som it ein Parallelm otiv zum D om inieren der «Ä thiopier» und
der «M en ge des M eeres» in den vorhergehenden K apiteln. Babylon g alt
in der Patristik als «U nterw eltsee» (lacus in ferio r) l9. D iese D eutung
findet sich schon in den CYRiACUSakten, w o Babylon als ein «Sum pf-

ac dilectum meum i. e. pinguedinem solarem mecum i. e. cum humidate Lunari vincu-


laverit. . . regenerabunt nos in vitam, per quam non erit ultra mors.» Es handelt sich
um die Kommentierung eines Textes, der teilweise auch im C o n s iliu m C o n iu g ii usw. Ars
Chemica 1566, (p. 120-129) erhalten ist. Es handelt sich um die Beschreibung der Con-
iunctio ähnlich wie S en io r s Epistula Solis ad Lunam crescentem. Vgl. auch das christ­
liche Bild des Körpers als Gefängnis: P e t r . D a m ia n u s , Rhythmus de Gloria et Gaudiis
Paradisi (Zoozmann, p. 204 und 205). Ad perennem vitae fontem, Mens sitivit arida,
C la u s tr a carnis praesto frangi, Clausa quaerit anima, gliscit ambit eluctatur, Exui frui
patria.
16. Wurzeln des Bewußtseins, 1953, passim.
17. Vgl. Se n io r , De Chemia, p. 5, 6 und 26, wonach ein Sonnenstrahl in den «mun­
dus inferior» hinabstieg, diesen aufteilend und zugleich umgebend.
18. K n o rr v . R o se n r o t h , Kabbala denudata a. a. O. Vol. L, p. 302.
19. E ph r a e m Sy r u s , Hymni et Sermones, 1. c. Bd. II, 226: Retribue etiam iis, qui
abduxerunt populum in lacum inferiorem i. e. in Babylonem.
254 KOMMENTAR

m eer» (λιμνοθάλασσα) bezeichnet ist, voll von H ippokentauren, D ra ­


chen und dem groß en O uroboros (d e r bei den A lchem isten die aqua
divina d a rste llt). Babylon ist auch eine Bezeichnung fü r das «Z en tru m
der H ö lle 20». E s bedeutet die V erw irru n g (confusio, σύγχυσις) der
fleischlichen E rreg u n g und «der bösen G edanken, die unser H erz v er­
w irr e n 21». D ie in der A u ro ra erw ähnten Flüsse von Babel sind in der
A u ffassu n g der K irch en väter «die Ström e der W o llu st und der Strom
dieser W e l t 222345» . H ierin kom m t w ieder jenes M otiv der Concupiscentia
zum Ausdruck, das im ersten K ap itel als eine B egleiterscheinung beim
A u ftreten der Sapientia D ei erw ähnt w a r 23. G em äß diesen A m plifika­
tionen w äre die A n im a des V erfassers noch im m er oder w ieder über­
w ältigt oder bedrängt von Schattenelem enten, von denen sie nur durch
die B ew ußtm achung gereinigt w erden könnte.
In dem Satz: «d ort w einten w ir . . . » geht die R ede unverm ittelt aus
der Ich form in den Plural über, als ob die A n im a im babylonischen E x il
zu einer V ielheit gew orden w äre. D ie G efangenschaft bedeutet dem nach
gleichzeitig auch eine Z erstreuung, d. h. psychologisch eine A uflösung
in einzelne autonom e K o m p lexe oder eine D issoziation der Persönlich­
keit 24. D eshalb spricht die F ortsetzu n g des T extes von der N o tw en d ig ­
keit eines «Sam m elns aus allen L an d en».
B ei der gnostischen Sekte der N aassener g alt (im G egensatz zur oben
angeführten Sym bolik) der F lu ß , der durch Babylon fließt, als das
«lebende W a sse r» , durch das die Pneum atiker auserw ählt w erden 2L
M esopotam ien ist näm lich «der g ro ß e O zeanstrom , der aus der M itte
des vollendeten M enschen fließt». Sein W a sse r enthält den G eist G ottes

20. Vgl. R e it z e n s t e in , Das Iranische Erlösungsmysterium a. a. O., p. 77-78


und p. 80.
21. «cogitationes malae quae cor nostrum confundunt.» Vgl. G r eg o r iu s M a g n u s ,
Expos, mor. Lib. V I in caput V Job. (c. X I ) Opera Paris 1636 tom. I, coi. 199: Et quia
Babylon confusio interpretatur etc.
22. «fluvius huius saeculi.» Vgl. auch H o n o r iu s v o n A u t u n , Speculum de myst.
Ecclesiae, Migne P. L. tom. 172, coi. 907 ff.: Per mare hoc saeculum insinuatur quod
voluminibus adversitatum iugiter elevatur. In hoc diabolus circumnatat ut Leviathan,
multitudinem animarum devorat. Vgl. zu dieser Symbolik H. R a h n e r , Antemqa Crucis.
Zeitschr. f. kathol. Theol., Bd. 66, 1942, p. 112 ff.
23. Vgl. auch die gnostische Gleichsetzung von B a b e l und A p h r o d it e , welche alle
Ehebrüche bewirkt. L e ise g a n g , Gnosis a. a. O., p . 161.
24. Die einseitige Betonung von Helle o d e r Dunkelheit scheint immer eine Disso­
ziation hervorzurufen, ganz gleich von welcher Seite sie erfolgt.
25. Vgl. W . B o u sse t , Hauptprobleme der Gnosis a. a. O., p. 280-281, Anm. 2.
KOMMENTAR 255

(πνεύμα ϋ ε ο ΰ )26. In der A u ro ra ist dieser selbe positive A spekt des W a s ­


sers ebenfalls im Folgen d en erw ähnt, w ird jedoch zunächst nicht als
ein und dasselbe W asser dargestellt.

Text: «W er. . . meine lechzende Seele, die dahineilt im Durst ihres Mun­
des, mit dem Marke des Weizens und mit Honig aus dem Felsen speist, und
wer meiner Wanderung einen großen Speisesaal bereitet, damit ich in Frie­
den ruhen kann und die sieben Gaben des Heiligen Geistes über mir ruhen,
der hat sich meiner erbarmt.»

D ie Speisung und T ränk u n g der Seele, die nun erfo lg t, w ird schon
am Schluß der vorhergehenden Parabel m it der Idee einer «E rn äh ru n g
durch die w esensgleiche Feuchtigkeit» angedeutet. G io a c c h in o da F io r i
interpretierte «den H o n ig vom Felsen », der sonst als B ild der G ottheit
galt, als den «spiritualis intellectus» (das geistige V ersteh en ) und die
vom H l. G eist geschenkte Freu de, die laetitia sp iritu alis2?. Alchem istisch
handelt es sich um die N u tritio des Steines, einer bestim m ten o ft be­
schriebenen Stufe des Opus. So h eiß t es z. B . in den Exercitationes in
Turbam X V 2829301: D ie M aterie sei zuerst in M ilch , dann in B lu t und in
W asser verkörpert; dann bilden sich die G lieder, «und endlich gibt G ott
der M aterie die Seele, d. h. die M ach t, durch w elche unsere M edizin g e ­
m eh rt und genäh rt w ir d 2?». D e r zweite T eil der A u ro ra (d e r, w ie er­
w ähnt, w ahrscheinlich einen K o m m en tar zum I. T eil darstellt 3°) v er­
bindet die Stufe d er A blutio (A b w asch u n g) m it derjenigen der N u tri­
tio (E rn ä h ru n g ) und sagt nach der Beschreibung der e rs te re t^ 1: «D ie
Philosophen w ollen ihr Sam enkorn m it der w esensgleichen F euch te näh-

26. Vgl. ebda. p. 81, Clement. Homil. 11. 24.


27. Concordia V. cit. Hahn III p. 332: Et tamen qui credit et timet sed non intellegit
quasi ad solius patris notitiam perductus e s t. . . qui autem credunt et intellegunt quasi
ad patris et filii notitiam perducuntur, quia filius patris sapientia e s t. . . sed et qui cre­
dunt, intelligunt et delectantur, habentes notitiam patris et filii usque ad spiritus s. intelli-
gentiam pervenisse noscuntur, quia ipse est delectatio et amor Dei, ipse m e i d e p e t r a '
o le u m q u e d e s a x o d u r is s im o . Ipse est, inquam, mei de petra, ipse laetitia spiritualis etc.
28. Artis Aurif. 1610 I p. 117.
29. . . . et tandem Deus dat materiei animam id est potentiam, qua augmentatur et
nutritur nostra medicina. Et postquam Rex ortus est. i. e. anima per fermentum mediante
aqua lapidi mortuo infusa est tunc oportet vitalem lapidem nutriri: et puto eandem ego
esse conditionem nutrimenti. . . usw.
30. Vgl. oben Einleitung.
31. Artis Aurif. 1610 I p. 148-149. Vgl. auch p. 130-131.
256 KOMMENTAR

ren, bis es lebt und F ru ch t bringt, und sie w ollen beleben, was tot ist 3\»
Im ersten T eil der A u ro ra ist die A blutio ebenfalls als eine W ie d e r­
geburt geschildert, und es w erden dabei die sieben G aben des heiligen
Geistes erw ähnt; es ist dies w ohl eine A nspielung au f die W o rte des
Priesters, die er bei der B enedictio fontis, die K erze ins W a sse r tau ­
chend, spricht: «Es steige in die F ü lle dieses Quells die K ra ft des heili­
gen Geistes und befruchte die ganze Substanz dieses W assers m it der
K ra ft zur W ie d e rg e b u rt 3 3 . » D ies bedeutet eine «innere Neubelebung34» ?
d. h. eine M eh ru n g an Lebendigkeit und seelischer Em anationskraft.
D e r H on ig stellt nach P a r a c e l s u s «die Süße der E rd e» dar - die A n im a
ist freudlos, sie bedarf liebevoller A ufm erksam keit von seiten des B e ­
w ußtseins.

277 Text: «Denn man wird mich von allen Landen versammeln, um reines
Wasser über mich zu sprengen, auf daß ich rein werde vom größten Vergehen
und vom Dämon des Mittags. . . denn von der Fußsohle bis auf’s Haupt ist
nichts Gesundes an mir gefunden. So also wird man mich von meiner ver­
borgenen und nicht zugehörigen Fehl reinigen, und dann werde ich mich an
all meine Sünden nicht mehr erinnern, da mich Gott gesalbt hat mit Freu­
denöl . . . »

278 Zunächst ist hier besonders das M o tiv des «Sam m elns aus allen L a n ­
den» hervorzuheben: es ist dies w ohl eine A nspielung au f die Idee des
Sammelns der in der M aterie verstreuten L icht- oder Seelenteile G ottes,
w elche J u n g bereits erläutert h at 35 . D ad u rch soll der eine M ensch (v ir
unus) entstehen, dem kein M akel m eh r anhaftet. D ieser M akel ist nach
unserem T e x t w iederum nicht nur chem isch als die U n rein h eit des
M etalls auf g efaß t, sondern als «delictum m axim u m » und «daem onium
m eridianum » bezeichnet. D e r M ittag ist, w ie schon erw ähnt, der « fe r­
vor gloriae m undanae» - die G lu t w eltlichen Ehrgeizes, und der T eu fel 3245

32. Vgl. auch Flos Florum A r n a l d i Artis Aurif. 1610 II p. 322.


33. Meßbuch ed. Schott p. 301.
34. Ebda. p. 297. Vgl. auch E ph r a e m Sy r u s , Hymni et Serm. Bd. I p. 58 u. 54
u. 80 und A na sta siu s Sin a it a . Hexam. 5 (cit. H. R a h n e r , Myst. Lunae 1. c. 1940 p. 75)
ut nos per ipsam (Ecclesiam) generemur et regeneremur donec . . . praeterierit nox
huius saeculi et rursus ortus fuerit Christus Sol iustitiae» u. ibid. Hex. 4: Luna vero
habente gubernationem et administrationem auctoritatis aquae et Spiritus Sancti. . . ut
nos per ipsam generemur et regeneremur. Diese Symbolzusammenhänge sind im einzel­
nen weiter ausgeführt im nächsten Kapitel.
35. Vgl. J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 50-55.
KOMMENTAR 257

ist, wie ein alter Text ( A r t e f i u s ) sagt, «innerlich von der Natur des
Feuers und eben deshalb der Natur der Seele feind, die von der Natur
des Gleichmaßes ist 3^». Darum wird die Anima in unserem Text mit
Wasser abgewaschen und mit dem Freudenöl (oleum laetitiae) von Gott
gesalbt am Tage ihrer Auferstehung. Es ist dies als Ganzes eine An­
spielung auf die Symbolik der christlichen Taufe, die symbolisch als ein
Begrabensein und eine Auferstehung interpretiert wurde, wofür ich,
sowie über die alchemistischen Parallelen, auf die Ausführungen von
J u n g verweisen kann 37 . Das «oleum laetitiae» ist das Chrisam, das die
Kirche bei der Firmung und Bischofsweihe verwendet in Nachahmung
des Öles, mit welchem Christus bei seiner Taufe gesalbt wurde 38. Zu­
gleich spielt aber das Fett (pinguedo) oder oleum lucens (= leuchtendes
ö l ) in der Alchemie eine wichtige Rolle und ist dort ein Symbol der
«anima» oder «aqua divina» oder «aqua sapientiae» 39! Die Salbung in
der Aurora ist demnach in gewissem Sinne wieder eine andere Bezeich­
nung für jene «Mehrung durch die wesensgleiche (connaturalis)
Feuchte», welche am Schluß der vorhergehenden Parabel erwähnt war.
Die «pinguedo» galt in der Kirche auch als ein Bild für das Manna, das
Himmelsbrot 4°; womit ebenfalls auf das Motiv einer übernatürlichen
Ernährung angespielt ist.

Text: « . . . da Gott mich gesalbt hat mit Freudenöl, auf daß die Fähigkeit 279

des Eindringens und Verflüssigens in mir wohne am Tage meiner Auferste­


hung, wenn ich von Gott verherrlicht sein werde.»

In diesen Worten ist in subtiler Art das Motiv des «vir unus», des 280
einen Menschen bzw. Anthropos wieder aufgegriffen, das soeben an­
getönt war; und zwar ist die Materia in dieser Phase des Werkes, wie
schon öfters in den vorhergehenden Kapiteln, mit dem auferstandenen3678940

36. A r t e f i u s , Clavis maioris sapientiae. Theatr. Chem. 1659, IV, p. 211: Cum ergo
interius sit de natura ignis, manifestum est ipsum contrariari et inimicari ipsius animae
naturae, quae est natura aequalitatis . . .
37. Vgl. J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 258 sq.
38. Siehe Meßbuch ed. S c h o t t , ρ. 252.
39. Vgl. S e n i o r , De Chemia p. 49, 5 5 und 57: Vult per oleum Animam. Cf. ferner
p. 75 und 82: Et hoc genitum est pinguedo quam vocant animam et ovum. Vgl. ferner
« C o lle c ta n e a e x R h a s i » in der «Pretiosa Margarita Novella»-Ausgabe des L a c i n i u s ,
Venet. p. 169.
40. E p h r a e m S y r u s , Hymni et Sermones 1. c. II, p. 676.
258 KOMMENTAR

Christus parallel gesetzt: sie nimmt nun wieder eine männliche Erschei­
nungsform an. Dabei beziehen sich die W orte «am Tage meiner Auf­
erstehung» (in die resurrectionis meae) auf das Alleluja des weißen
Sonntages, wo es in Abwandlung der W orte des Engels am Grabe des
Herrn heißt 4 1 : A m Tage m einer A u fersteh u n g will ich euch voran-
g eh e n . ..» In unmittelbarem Zusammenhang hiezu stehen die W orte
aus Joh. X X , 1 9 : «Und nach acht Tagen, da die T ü ren verschlossen
waren, stand Jesus in d er Mitte seiner Jü n g er . . . » Zugleich ist die «vis
penetrationis» im Auroratext nicht ohne Zusammenhang mit der Tabula
Smaragdina: «Et vincet omnem rem subtilem omnemque solidam pene­
trabit 42.» Der Autor vergleicht sie mit der geisterhaften Erscheinungs­
form des auf erstandenen Gottessohnes 43? wobei sich diese Aussagen alle
letztlich auf die Gestalt des Filius philosophorum beziehen, welcher aus
der gewandelten weiblichen Substanz entstanden ist. Daß es sich wirklich
um den «Filius» handelt, beweisen die folgenden W orte unseres Textes:
«Denn dies Geschlecht kommt und geht, bis derjenige kommt, der ge­
sandt werden soll und aufhebt das Joch unserer Gefangenschaft» usw.
Der erste Teil des Satzes (bis «kommt und geht»)stammt aus Pred. I, 4 ,
und seine Fortsetzung lautet in der Bibel: «die E rde aber bleib ew iglich».
F ü r einen K en n er des Bibeltextes hat somit der Verfasser der Aurora
angedeutet, daß nun eine «ewige Erde» entstanden ist, d. h. ein K ö rp er­
liches, welchem Unsterblichkeit zukommt 44. Das ist ein symbolisches
Bild, das in den späteren Partien der Aurora noch einen größeren Raum
einnehmen wird. Der zweite Teil des oben zitierten Aurora-Satzes
stammt aus Gen. IX L , 10, und bildet einen Hinweis auf den Messias,
von dem es darnach heißt: «seine Augen sind rot vom Wein und seine
Zähne weiß von Milch». Damit ist für einen alchemistischen Leser4123

41. Math. X X V III. 5. ίϊ. Respondens autem Angelus dixit mulieribus: Nolite timere
vos; scio enim quod Jesum . . . quaeritis, non est hic: surrexit enim sicut d ix it. . . Et
cito euntes dicite discipulis eius, quia surrexit: et e c c e p r a e c e d it v o s in G a lila e a m .
42. ed. Ruska, p. 2. Vgl. Ps.-Aristoteles : De perfecto magisterio. Theatr. Chem.
1659, III, p. 70. Und Senior, De Chemia a. a. O. p. 116: Dixit autem H ermes : omne
subtile ingreditur omne grossum.
43. Auch P e t r u s B o n u s vergleicht die Penetrationskraft des Lapis mit dem corpus
glorificationis des Menschen. - Ebenso wurde, wie J u n g oben ausgeführt hat, der Spiri­
tus Mercurii dem überall praesenten Parakleten verglichen.
44. Daß es sich im Opus um die Herstellung des unsterblichen inneren Menschen
handelt - vgl. J u n g , Myst. Coni. II, Kap. Adam und Eva, bes. p. 180 ff. und die siebente
Parabel der Aurora.
KOMMENTAR 259

auf die Rubedo-Albedosymbolik angespielt, und auch darauf, daß der


«Filius» eine «unio oppositorum» darstellt 45.
Zusammengefaßt sagt somit der Text folgendes aus: wenn die Anima 281
«gesammelt», d. h. aus der Projektion in den Stoff zurückgenommen
und mit dem «Geist der Einsicht» gereinigt, d. h. bewußt gemacht wird,
so entsteht aus ihr ein Geistwesen, das wie der auferstandene Christus
durch alle materiellen Dinge hindurch wirken kann. Diese neue Form
der Anima bzw. dieses geistige Wesen ist andeutungsweise männlich:
es ist jenes vollständigere Bild des Selbst, das der alchemistische Filius
philosophorum darstellt. Diese männliche Gestalt ist gleichzeitig der
Befreier der Anima aus der «babylonischen Gefangenschaft», d. h. aus
dem Zustand der Unbewußtheit. Die Psyche erlöst somit sich selbst.
Vorerst sind noch das Bild der Anima und des Selbst - der Sapientia und
des Filius - dermaßen kontaminiert, daß man sie nicht unterscheiden
kann. In dieser Textpartie nun löst sich zum ersten Mal das Selbst als
eigener Inhalt heraus und offenbart sich als jenes umfassendere Zentrum
der Psyche, welches, wie wir noch später sehen werden, die Anima-Im­
pulse auf ein Ziel hin, nämlich auf den Individuationsprozeß, ausrichtet.

Text: «dort weinten wir und hingen unsere Harfen auf, dämm, weil die
Töchter Zions stolz waren und gingen mit aufgerichtetem Nacken und mit
den Augen W inke gaben und schwänzelten und mit tänzelnden Schritten
einhergingen. Daher wird der Herr den Scheitel der Töchter Zions kahl
machen und wird ihren Haarschmuck nehmen; denn von Zion wird das Ge­
setz ausgehen und des Herren W o rt von Jerusalem.»

Nachdem sich das Selbst als eigener zentraler Inhalt aus dem Chaos 283
des Anfangszustandes herausgebildet hat, erkennt der Verfasser nach­
träglich in der Frauengestalt, die er mit Eva, Maria und der Sapientia
Dei identifiziert hatte, als weiteren Aspekt die «stolzen Töchter Zion»,
die Gott bestraft hat und die sich, wie die Textfortsetzung aussagt, nach
einem Gatten sehnen. Es ist offenbar eine genügende Bewußtseinsfestig­
keit erreicht worden, daß nun der Verfasser diesen zweideutigen Aspekt
der Anima nachträglich sehen kann. Bewußt bezieht er wohl das Bild
dieser von Gott gedemütigten Frauengestalten auf die in der Erde ge-45

45. Zur Bedeutung dieser Stelle kann ich auf die Erläuterungen von J ung , Myst.
Coni. Vol. II, passim verweisen.
260 KOMMENTAR

fangenen Metall- oder Planetengeister *6. Die Gefangenschaft ist ein


wichtiger Begriff in der Turba und symbolisiert dort das absichtliche
Fixieren eines volatilen Geistes bzw. einer Seele im Körper zum Zwecke
der Wandlung 47: «Die Seele wird wie eine Sklavin festgehalten, so daß
sie nicht fliehen kann, und sie verfällt in Krankheit und Rost und stirbt.
Aber eben deshalb, weil sie nicht flieht, wird sie frei und erlangt ihren
Gatten.» Die Fixierung heißt in der griechischen Alchemie: κατοχή =
Gefangenschaft 48. Andererseits sind auch in einem der ältesten Texte,
der Schrift des «Komarios an K leo patra», die Metalle als «Leichen» be­
schrieben, die im Hades herumliegen, bedrängt und gefesselt in Finster­
nis und Nebel. Zu ihnen dringt das Lebenselixier, «die gesegneten
Wasser», hinab und erwecken sie aus dem Schlafe 49. Der Terminus
Katoche spielt eine wichtige Rolle auch in der zeitgenössischen religiö­
sen Literatur und bedeutet dort die «Inbesitznahme durch eine Gottheit»
(sogar als Raserei) oder die «freiwillige Klausur» eines Novizen *°.
In der Aurora sind es sieben Frauen, welche die «Katoche» erleiden -
es sind die Planetenkräfte in der Erde s1. Diese sieben weiblichen Gefan­
genen erinnern auch an die sieben aneinandergefesselten weiblichen
Geister (πνεύματα), welche im sog. T estamentum Salomonis auftreten,
als Elemente des Herrn der Finsternis (του κοσμοκράτορος τού σκότους),
und denen je sieben Sterne zugeordnet sind *2. Die Idee einer Gefangen­
schaft der Planetengeister als der abtrünnige Engel ist sehr alt und weit
verbreitet. Im äthiopischen HENOCHbuch *3 müssen die Sterngeister in4678950123

46. Vgl. Mus. Herrn. 1. c. p. 167. Vgl. J u n g , Psychologie und Alchemie 1. c. p. 101.
47. ed. R u s k a a. a. O .p . 142 (lat.) 222 (deutsch).
48. Vgl. O l y m p i o d o r , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II, IV, 9. Vol. I, p. 74.
49. B e r t h e l o t , ebda. IV. X X . 8. Vol. I p. 292-293.
50. Vgl. R. R e i t z e n s t e i n , Die hellenistischen Mysterienreligionen, II. Aufl. Teub-
ner, Leipzig 1923, p. 200 ff. Und das Iranische Erlösungsmysterium a. a. O. p. 198.
51. Vgl. hiezu allgemein B o u s s e t , Gnosis, p. 25 ff. und L i p p m a n n , Alchemie a. a. O.
I, p. 215 ff. - Vgl. auch zur Planeteneinwirkung auf der Erde P h i l o , De opif. mundi:
Par. 113 u. 114 und W . S c o t t , Hermetica a. a. Ο. IV, p. 447.
52. Testam. S a l o m o n i s ed. Chester Charlton McCown 1922, p. 31 u. 51. - Vgl.
auch B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 21, Anm. 2. Nach T h e o d o r b a r K o n a i soll auch die
Sekte der Kukäer einen Mythos überliefert haben, wonach sieben Töchter der «großen
Mutter des Lebens» von den Finsternismächten geraubt worden seien und in den Städten
Matra, Mabug und Harran auf ihre himmlischen Verlobten warten ( B o u s s e t , Gnosis;
ebda. p. 263, Anm. 2.)
53. Cap. 18. 13 ff. Vgl. W . B o u s s e t ebda. p. 53 und E. v. Lippmann , Alchemie
Bd. I, p. 221.
KOMMENTAR 261

sieben brennenden Bergen eingesperrt ihre Auflehnung gegen Gott


büßen, und in dem spätantiken Traktat von der K o re K osm ou h werden
die Gestirngeister, die einst «reine Seelen» waren, wegen ihres Unge­
horsams vom Schöpfer in die Menschenkörper eingesperrt **. Auch in
der Aurora sind die sieben Frauen um ihrer Sünden willen bestraft und
in Babylon, d. h. dem Höllenzentrum, eingekerkert. Diese sieben Stern­
seelen bilden somit eine weitere Parallele zu dem gnostischen Motiv der
in der Materie versunkenen Sophia.

T ext: An jenem Tage, an dem sieben W eiber einen Mann ergreifen wer- 285

den und sagen werden: W ir haben unser Brot gegessen und bedecken uns
mit unseren Kleidern, weshalb verteidigst du unser Blut nicht, das wie W as­
ser vergossen ist um Jerusalem? Und die göttliche Antwort empfangen haben:
Harret noch eine kleine Zeit aus, bis daß die Zahl unserer B r ü de r . . . voll­
ständig ist.

Nach der Jesaiastelle sind die stolzen «Töchter Zion» ursprünglich sie- 286
ben Frauen, die unter ihrem Unverheiratetsein und ihrer Unfruchtbarkeit
leiden müssen. Zugleich aber werden sie durch die Anspielung des Tex­
tes auf Apok. VI, 9 , verglichen mit den «Seelen derer, die erwürgt wor­
den sind um des Wortes willen» und mit den Heiligen ( ! ) , von denen
es heißt: «Sie haben ihr Blut vergossen um Jerusalem her wir Wasser.»
Sie sind somit Frevler und Märtyrer zugleich! Die Antwort, die sie von
Gott auf ihre Bitte um Befreiung erhalten, lautet: sie möchten warten
«bis die Zahl unserer Brüder erfüllt worden ist». Dieses W ort gilt in
der Bibel den Märtyrern der Kirche. Die Einkerkerung der Planeten-54

54. ed. W . Scott , Hermetica I, p. 464.


55. Ähnliche Anschauungen finden sich in der P istis S o p h ia ( 4 . Buch, vgl. B o u s s e t ,
Gnosis a. a. O. p. 51) und bei den Mandäern (ebda. p. 31 und p. 35). Dort ist die K u b a ,
der weibliche Heilige Geist, die «Mutter der Sieben», welche letztere zum Aufruhr auf­
ruft, weshalb sie zur Strafe im eigenen Feuer brennen müssen. ( B o u s s e t ebda. p. 36.
R. R e i t z e n s t e i n , Das Iranische Erlösungsmysterium, p. 59 £F. Vgl. auch dasselbe Motiv
im Parsismus ( B o u s s e t , p. 4 l ) und im Buche J e u (p. 5 1 -5 2 ). - Die R u h d galt daher
als siebenköpfiger Drache. ( R e i t z e n s t e i n , Das Iran. Erlösungsmysterium a. a. O. p. 85.)
Vgl. hiezu die Schlange der Ophiten, L e i s e g a n g , Gnosis a. a. O. p. 179. Die Sieben
galten bisweilen als mannweibliche Dämonen und als die Urheber der Fortpflanzung,
und somit auch des Todes und später der sieben Todsünden. (E. v. L i p p m a n n , Alche­
mie I, p. 242, F. Boli, Sphaera p. 13. und p. 632, W . S c o t t , Hermetica IV, p. 419.) Nach
H o n o r i u s v o n A u t u n gehört der Septenarius als Zahl dem Alten Testament, der Octo­
narius dem Neuen zu, denn am achten Tag ist Christus auf erstanden. In Ecclesiasten,
Migne P. L. tom. 172, col. 345.
262 KOMMENTAR

geister ist dem nach als F o lge einer Schuld dar gestellt *6, ihre Quälung
u n d Bearbeitung im Opus aber ist ein Martyrium um der Erlösung
willen *7.
Die Identifizierung der stolzen «Töchter Zion» mit den Seelen der
Märtyrer ist dem Verfasser der Aurora aus der kirchlichen Allegorik
nahegelegt worden, wonach Zion und die «Töchter Zion» als die vom
Teufel bedrängte und später befreite Ecclesia oder als die in Christo
wiedergeborenen Seelen interpretiert wurden *8. Sie sind auch ein Bild
für die weltverlorenen Seelen w und der Kirche, solange sie noch in der
Hand des Teufels ist. Auch die unverheiratete und unfruchtbare Frau
gilt als Symbol der Kirche; denn diese ist die einst verworfene Erde
(terra repudiata), welche durch Gott auserwählt, den Namen «voluntas
mea» oder «terra maritata» erhielt56578960, ihr Gatte sind die Priester und
Gerechten61. (Dies entspricht der oben angeführten Symbolik von der
«terra sitiens», der dürstenden Erde als Bild M ariae62.) Zusam m en-
fassend erweisen diese Sinn-Zusam m enhänge des Textes, daß es sich
bei den A nspielungen d er A urora um die Erlösung einer weiblichen
«Anima»-Gestalt handelt, welche als «K ö rp er» oder «Erde» von teil­
weise stofflicher N atur ist, u n d welche außerdem mit dem M akel der
Sünde und Gottlosigkeit behaftet in d er E rdentiefe u n d H ölle weilt. Z u ­
gleich aber steht sie deutlich in B eziehung zur Gestalt d er Ecclesia und

56. Vgl. die «Versetzung des Leuchters» in der vorigen Parabel.


57. O r i g e n e s nannte auch die christlichen Märtyrer einmal «Kehricht und Abfall».
(Joh. Commentar IV, H. R a h n e r , Myst. Lunae a. a. O. 1939, p. 330.)
58. So sagt E p h r a e m S y r u s , Hymni et Serm. II, p. 172 zu J e s a i a : De Sion veniet
salvator . . . «Sion . . . spiritualis et collis visionum seu revelationum Ecclesia est» und
S o p h o n . «Lauda filia Sion» deutet er (p. 296-298) «Significat etiam mysterium eccle­
siae, quae liberata est per crucem a manu diaboli». Vgl. auch H o n o r i u s v o n A u t u n
Specui, de myst. Eccl. Migne P. L. Bd. 172 coi. 1041 u. 930: Filiae quoque Syon id est
animae in Christo renatae in Rege suo hodie exultent.
59. Vgl. E p h r a e m S y r u s , Hymni et Serm. 1. c. Bd. II, p. 346.
60. Vgl. E p h r a e m S y r u s , Hymni et Serm. a. a. O. Bd. II, p. 134: Sterilis sum et
solitaria . . . Haec Ecclesiam respiciunt sive enim eam reverentur sive persequuntur valde
magnificant et multiplicant eam. p. 152: Laetare sterilis . . . id est filii ecclesiae. Cf. H o n o ­
r i u s v o n A u t u n , Specui, de myst. eccles. Migne P. L. tom. 172 coi. 1041: Ecclesia

autem diu sterilis fidelem filium scii. Christianum populum ad speciales observantias
generavit. Vgl. die v id u a a ls B il d d e r S e e le , G r e g o r i u s M a g n u s , Expos, mor. in Job.
Lib. X V I cap. 3, Opera, Paris 1636 tom I coi. 551.
61. Vgl. E p h r a e m S y r u s ebda. p. 186.
62. Ebda. p. 146: Christus ascendit. . . sicut radix de terra sitienti de Maria virgine
(vgl. auch p. 744).
KOMMENTAR 263

Maria, u n d ist im G runde identisch mit d er anfänglich erschienenen


Sapientia D e i . Ih r L eiden ist eine Strafe u n d zugleich ein Martyrium
um d er Gottheit willen.
Es handelt sich hier um die bekannte alchemistische Erlösungsidee, 288
die sich in fast allen Texten nachweisen läßt. Der Alchemist interessiert
sich nämlich, wie J u n g sagt 63: in erster Linie «für das Schicksal und
die offenkundige Erlösung d er Substanzen; denn in ihrem Stoff liegt die
göttliche Seele gebunden und harrt der Erlösung. . . Sie erscheint in der
Gestalt des ,Gottessohnes’. Nicht der Mensch ist ihm in erster Linie
erlösungsbedürftig, sondern die im Stoff verlorene und schlafende Gott­
heit . . . Sein Augenmerk ist daher nicht auf seine eigene Erlösung durch
die Gnade Gottes, sondern auf die B efreiu n g Gottes aus d er D unkelheit
des Stoffes gerichtet. . . Nicht der Mensch soll erlöst werden, sondern
der Stoff. Darum ist auch der Geist, der in der Wandlung erscheint,
nicht ,des Menschen Sohn’, sondern der ,filius Macrocosmi’ . . . »
W ie die Gestalt der Sophia in der Gnosis, so ist auch in unserem Text 289
die Anima in ihrem unbewußten Zustande dem Gotte Israels untreu
geworden und hat sich stolzer Weltlust ergeben; dadurch aber ist sie in
Not und Einsamkeit geraten, und nun antwortet Gott auf ihren Wehruf
mit der Verheißung seiner Hilfe. Die Bibelstellen jedoch, welche als
Antwort Gottes zitiert sind, lauten in ihrer Fortsetzung ganz anders, als
man erwarten würde, nämlich: sie sollten warten bis noch weitere ihrer
M itknechte getötet w ürden (Offenb. VI, 9 - 1 1 ), und: Gott werde den
Unflat der Töchter Zion vertreiben durch den Geist, d er richten und ein
F eu er anzünden wird (Jes. IV, 3 - 4 ). Hier muß im Verfasser etwas Ent­
scheidendes vorgegangen sein: er biegt nämlich das Motiv des in der
Bibel angedrohten Blutbades und Feuergerichtes in eine Erlösungsver­
heißung um. Nicht das richtende Zornfeuer Gottes, sondern der «Geist
der Weisheit und Einsicht» wird die Töchter Zions reinwaschen. Das
Zornmütige und Rachsüchtige in der Gottheit bleibt unerwähnt, und
der Autor glaubt, daß er durch den Geist der Einsicht sein Leiden (unter
dem dunklen Aspekt Gottes) ertragen könne. Die Frage, wer eigentlich
die Anima in den finsteren Kerker geführt hatte, wer ihr Martyrium
verlangte, bleibt verhüllt. Den Kerker hatten wir zuvor als Zustand des
Projiziertseins gedeutet; dieser Zustand ist jedoch nicht einer mensch­
lichen Schuld zuzuschreiben, denn es ist nicht das Bewußtsein des Men-
63. C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie, p. 424-425.

18 Jung: Mysterium III


264 KOMMENTAR

sehen, welches die Projektion verursacht, sondern ein unbewußtes G e­


schehen. D eshalb sagt z. B . die Gnosis aus, daß die Sophia sich durch
V erfü h ru n g des D äm ons J a l d a b a o t h in die M aterie verstrickt habe -
es ist ein dunkler A spekt der G ottheit selber, der als U rh eb er des tra ­
gischen G eschehens erkennbar ist. D ieser dunkle A spekt bleibt in der
A u rora unerw ähnt, und die «Schuld» scheint daher auf den M enschen
zu fallen.

290 Text: «weil dann der Herr den Unflat der Töchter Zions abgewaschen
haben wird durch den Geist der Weisheit und Einsicht. Dann werden zehn
Acker Weinberg einen Eimer ergeben und dreißig Malter Samen drei Schef­
fel. W er dies versteht, wird unerschütterlich bleiben in Ewigkeit.»

291 A n sich ist hier das M otiv w ieder aufgegriffen, das im «Sam m eln»
der M aterie «aus allen L anden» schon zu B eginn der Parabel angetönt
w orden w ar, wonach die Ablution ein Einswerden von vorher Zerstreu -
tem bewirkt. G eeint w ird in diesem F alle, wie die Schlußw orte des
K apitels aussagen, eine durch die Siebenzahl charakterisierte V ielheit
(w ie die sieben T ö ch ter Z io n ), was sich, alchem istisch gedeutet, au f die
sieben M etalle bezieht. L etztere sind identisch m it den Planeten, den
H erren der H eim arm ene. Psychologisch betrachtet symbolisieren sie die
kollektiven Konstituenten der Persönlichkeit. D ie Einm aligkeit des
Individuum s ist dabei ausgedrückt in der spezifischen F o rm ihrer K o n ­
stellation. D er anordnende F ak to r der K onstellation aber ist jenes über­
geordnete R egulationszentrum , welches J u n g als das Selbst bezeichnet.
D as Selbst ist näm lich eine einm alig-individuelle G egebenheit, weshalb
es den psychischen F ak to r darstellt, der jene kollektiven Persönlich­
keitskom ponenten zu einer funktionellen Ein h eit zusam m enfaßt. Sym­
bolisch kann dies ein A usspruch G r e g o r s d es G r o s s e n illustrieren,
w elcher von Christus sagt, er habe bei seiner Inkarnation die sieben
P lejaden v e re in ig t6*. A ls ein Symbol des Selbst ist Christus auch jener
eine M an n (bei Je s a ia ), nach dem sich die sieben Frau en sehnen. L etz­
tere w aren eigentlich schon in der vorhergehenden Parabel andeutungs­
weise erw ähnt w orden und zw ar in F o rm der sieben «Perlen» — denn
auch m it diesem B ild w aren die M etallseelen gem eint. E s ist, als ob der
in den Parabeln dargestellte innerseelische Prozeß zeitweise rein zirkula-

64. 1. c. tom. I, p. 959 D : Christus in carnem veniens septem pleiadas coniunxit.


KOMMENTAR 265

torisch verliefe, ohne daß in dieser späteren Phase etwas wesentlich


N eues erreicht worden wäre. D ies d ü rfte auch darin zum A usdruck
kom m en, daß nur eine Siebenzahl von Sternen und P erlen gewaschen
und geeint w ird - das A ch te, welches hier der ersehnte G atte der sieben
Frau en w äre, fehlt. F ü r die w eitreichende B edeutung dieses Problem s
des Verhältnisses von Sieben zu A ch t, w ie von D rei zu V ier, m uß ich
au f die E rläuterungen J u n g s in «Psychologie und A lchem ie» v er­
weisen 6K
W e r aber w äre — psychologisch gesprochen - der fehlende G atte der
sieben Frau en? D u rch den V ergleich m it anderen alchem istischen T e x ­
ten ließen sich zwei M öglichkeiten denken: in psychologischem Sinne
h at die A n im a o ft einen illegitim en Liebhaber, w elcher den Schatten
personifiziert. So w ird z. B . in der «Chym ischen H ochzeit» des C h r .
R o s e n c r e u t z die Prinzessin zuerst von einem M ohren en tfüh rt, bevor
sie der K ö n ig gew innt; und in der von J u n g zitierten P a ra b e l66 ist «Sul­
p h u r» d er D ieb, der zwischen die echten Liebenden tritt. W ä h re n d die­
ser «illegitim e Liebhaber» den Schatten darstellt, ist der «w ahre» G atte
ein B ild des Selbst, m it w elchem sich die A n im a schließlich vereinigt.
In der kirchlichen Symbolik w äre dieser w ahre «Seelenbräutigam »
Christus.
In der vorliegenden T extp artie der A u ro ra w ird es nicht klar, wer
der G atte jener sieben F rau en sein w ird - gleichzeitig ist auch der V e r­
fasser als Sprechender verschw unden, ja es scheint o ft beinahe so, als
ob er m it den sieben Frau en identisch w äre. D ies zeigt eine Ü berw älti­
gu n g durch das U nbew ußte an, denn w enn sich das Ich - wie J u n g
s a g t 67 ~ zu schwach erweist, «um dem einbrechenden Z u stro m unbe­
w ußter Inhalte den nötigen W id erstan d zu leisten», w ird es «vom U n ­
bew ußten assim iliert, wodurch eine Verw ischung und V erd u n k elu n g des
Ichbewußtseins u n d eine Identität desselben mit einer vorbewußten
Ganzheit entsteht ». B ei dem V erfasser der A u ro ra scheint m ir dies zeit­
weise geschehen zu sein, weshalb der T e x t öfters so völlig undeutlich
w ird. U m aus der D issoziation herauszukom m en, bed arf es darum , w ie

65. C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie 1. c. p. 40, 45, 236, 473 f. und p. 104,
222, 224 und 227 ff.
66. C. G. J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 121 sq.
67. C. G. J u n g , Theoretische Überlegungen etc. in: Wurzeln des Bewußtseins 1952,
p. 593 und Aion 1. c., Kap. Das Selbst.
266 KOMMENTAR

der T e x t sagt, des Geistes d er Einsicht. D u rch diesen w ürde «der U nflat
d er T ö ch ter Z ions» abgew aschen. Psychologisch bedeutet dies eine In ­
tegrieru n g der unbew ußten Inhalte durch eine geeignete A u ffassu n g
bzw. In terp re ta tio n 6S (aq u a d o ctrin a e ). In gewissem Sinn stellt die
A u ro ra eben einen solchen V ersuch dar, die einbrechenden archetypi­
schen Inhalte des kollektiven U nbew ußten durch eine alchem istische
Am plifikation zu begreifen und m it den dom inierenden christlichen
Ideen zu versöhnen. D er «G eist der Einsicht» (spiritus intellectüs) ist
selber ein A spekt d er Sapientia D ei, w elcher h ilft, ihre eigene U rm ani-
festation, näm lich ihre chthonische Seite, zu erfassen. D adurch w erden
die dissoziierten K om ponenten der Persönlichkeit «gesam m elt» und d a­
m it ein neuer Bew ußtseinsstandpunkt gew onnen. D aru m sagt d er T e x t
in der Fortsetzung, daß nun d reißig M alter Samen drei Scheffel ergeben
und daß, w er dies verstünde, unterschütterlich bleibe in Ew igkeit. D ie
Reduktion von D reiß ig auf D rei bedeutet eine Reduktion des V ielen
auf das W esentliche, w odurch die chaotische F ü lle der unbew ußten In ­
halte auf ihren essentiellen A usdruck gebracht w ird. V o n einem konkre-
tistischen Standpunkt aus betrachtet, w äre es eine enttäuschende E rn te,
w enn zehn A ck er W e in b e rg nur einen E im er und dreißig M alter Samen
nur drei Scheffel ergäben, aber w ie der W e in der E x tra k t des ganzen
W achstum sprozesses der Reben ist und etwas durch m enschliche B em ü ­
h ung Erreichtes darstellt 6?, und w ie der Samen alles W esen tlich e eines
ganzen G etreidefeldes (in p o ten tia) enthält, so m uß m an auch diese
Reduktion w ohl als Konzentration auf das W esentliche verstehen. Z u ­
dem kom m t, daß die D rei und die Eins die altbekannte alchem istische
F orm el fü r die G anzheit des zentralen Symbols darstellen.
D ie A blution der T ö ch ter Z io n durch den G eist d er Einsicht bedeutet
n ich t nur einen V ersuch der Bew u ß tm ach u ng der A n im a, durch w elche
ihre dissoziierende W irk u n g beseitigt w ird, sondern auch eine H eraus­
arbeitung des Sinnes, der h in ter dem anfangs geschilderten Einbruchs­
erlebnis steht. D ie U nerschütterlichkeit, die (n ach dem T e x t) dam it

68. Vgl. C. G. J u n g , Psychologie der Übertragung 1. c. p. 173 ff.


6 9 . Vgl. J u n g , Das Wandlungssymbol in der Messe, in: Wurzeln des Bewußtseins
1. c. p. 244: «Die Zusammenfassung der Gabe und der Darbringenden in der einen
Gestalt Christi ist schon angedeutet im Gedanken der Didache: W ie das Brot aus vielen
Weizenkörnern und der W ein aus vielen Trauben hergestellt ist, so besteht auch das
Corpus mysticum, die Kirche, aus der Vielzahl der Gläubigen.» Vgl. über Brot und
Wein als Kulturleistung des Menschen ebda. p. 129 ff.
KOMMENTAR 267

erreicht w ird, ist die G ew innung eines höheren Standpunktes, «der


Beides vertritt, das B ew u ß te und das U nbew ußte 7°». D ie V erein h eit­
lichung zielt auf die H erstellu n g des «unus m undus» oder der «res sim ­
p le x » , auf w elche in späteren Z usam m enhängen zurückzukom m en sein
w ird. In der ternarischen Symbolik D re iß ig und D rei ist näm lich das
T h em a der nächsten Parabel vorw eggenom m en, in w elcher der A u to r
versucht, seinen christlichen Bew ußtseinsstandpunkt teilw eise zurück­
zugew innen 71.

Text: «Wer Ohren h at. . . der höre was der Geist der Lehre . . . sagt von 295
der babylonischen Gefangenschaft, welche 7 0 Jahre dauerte und auf welche
die Philosophen in folgenden Worten hinweisen: Vielfältig sind die Abwand­
lungen der 7 0 Vorschriften.»

D ie siebzig Ja h re der G efan gen sch aft und die siebzig V o rsch riften 296

stehen verm utlich in Z usam m enhang m it den v orh er erw ähnten sieben
Frau en (M e tallse e le n ), d .h . psychologisch m it den kollektiven K o n ­
stituenten der Persönlichkeit. Siebzig Ja h re bilden gleichzeitig, nach der
B ibel, die D auer des m enschlichen Lebens. Infolgedessen w ird es w ah r­
scheinlich, daß es sich hier um einen Prozeß handelt, w elcher der leben­
digen E n tfaltu n g des m enschlichen Individuum s entspricht. D ie «V iel­
falt der siebzig A bw andlungen» der V orsch riften w eist darau f hin, daß
dieses H erausarbeiten des Sinnes in einer V ielfalt von individuellen
G egebenheiten zu suchen ist, und daß die alchem istische symbolische
D arstellu n g des Prozesses nur w esentliche A spekte hervorhebt, w ährend
sich der eigentliche V erlau f in vielen, verschiedenen Peripetien abspielt.
D rei und Sieben (u n d ihr Z eh n fach es) gelten als «m ännliche» Z ah - 297

len; ihr V orkom m en im T e x t könnte im w eiteren auch d arau f hinweisen,


daß nun im W e rk eine Phase eingetreten ist, in w elcher das Bew ußtsein
des (m än n lich en ) A utors sich w ieder zu behaupten sucht, w ie dies dann
in der nächsten Parabel deutlich h ervortreten w ird.

70. Vgl. J u n g , Psychologie der Übertragung 1. c. p. 175.


71. Die Zahl Dreißig als 3 mal 10 wird von G i o a c c h i n o d a F i o r i auf die Mönchs­
orden bezogen, welche die ecclesia spiritualis aufbauen. Concord. V. cit. bei H a h n ,
Ketzergeschichte 1. c. Bd. III, p. 331: hac de causa videntur &d coniugatos pertinere . . .
denarius numerus, ad clericos vigenarius . . . ad monachos trigenarius hoc est denarii
simul tres.
268 KOMMENTAR

K O M M E N T A R Z U R V IE R T E N P A R A B E L
(9 . K A P IT E L )

298 iE vierte Parabel handelt, wie der T itel sagt, «vom philosophischen
jL s Glauben, der auf der D reizahl beruht», und ihre A n fan gsp artie
bildet teilweise eine direkte Paraphrase des C r e d o 1:

299 Text: Wer den Willen tut meines Vaters und diese Welt in die Welt hin­
auswirft, dem will ich geben, mit mir auf dem Thron meines Reiches zu
sitzen über dem Stuhl Davids und den Stühlen des Volkes Israel. Dies ist der
Wille meines Vaters, auf daß man erkenne, daß er wahr sei und kein andrer,
der da gibt im Überfluß und ohne Zögern bei allen Völkern in Wahrheit. . .

300 D as «H inausw erfen der W e lt in die W e lt» bezieht sich verm utlich
w ieder auf die alchem istischen R einigungsverfahren, durch w elche alle
O berflächendinge (superfluitates) und alles «N ichtzugehörige» entfernt
w erden m ü ssen 2. E rst nach der A usschaltung dieser unreinen E lem ente
kann dem A lchem isten die versprochene E rh öh u n g zum «filius D e i» ,
der an der Seite G ottes sitzt, zuteil w erden.
301 W äh ren d auch hier som it der A lchem ist andeutungsweise, wie schon
in den früheren K ap iteln , m it dem «Filius philosophorum » insgeheim
identifiziert w ird, schreitet der T e x t nun zu einer sachlichen B esch rei­
bung des «Filius» als eines trinitarischen W esen s w eiter.
302 Es ist aber auch im F olgen d en w ieder zeitweise unklar, w er eigentlich
spricht. W äh re n d in den ersten Sätzen verm utlich die Sapientia D ei -
identisch m it Christus - zu reden scheint, w ird der Stil der n ach folgen ­
den P artie leh rh aft unpersönlich. Es ist, als ob nun eher der A u tor
redete, aber in jenem P red igtton , den derjenige anschlägt, w elcher glaubt,
eine höhere metaphysische W a h rh e it zu verkünden. Offenbar h at sich
der V erfasser m it der christlichen D eutung des Prozesses, die er nun vor-

1. Leider ist es nicht genügend wörtlich citiert, um daraus Datierungshinweise


abzuleiten. Die Auffassung, daß der Hl. Geist auch vom Sohn (filioque) ausgeht, weist
auf das Symbolum der Lateransynode 1215, ist aber auch schon im Athanasianum gedank­
lich enthalten.
2. Vgl. hiezu z. B. J o h . M e n n e n s , Theatr. Chem. 1622. Vol. V. p. 352: « . . . sub
nomine Davidis ibidem Christum celebrando, qui dicit: Ego vici mundum, et alibi: jam
Princeps huius mundi eiectus est foras.»
KOMMENTAR 269

bringt, identifiziert und hofft auf diese W e ise über seiner eigenen frü h e­
ren Ergriffenheit zu stehen.
So m uß ich hier auch den Leser um G eduld bitten, w enn die D eutu n g 3°3

der folgenden P artie etwas langatm ig ausfällt, n im m t er doch dam it an


der m ühsam en B earbeitung teil, die auch der V erfasser der A u ro ra selber
in diesem K ap itel versucht hat.

Text. (Gott Vater) und sein eingeborener Sohn, Gott von Gott, Licht vom 3=4

Lichte, und der Heilige Geist, der von Beiden ausgeht, der dem Vater und
der dem Sohne gleichkommt an Göttlichkeit. Denn im Vater ist die Ewig­
keit, im Sohne die Gleichheit und im Hl. Geist die Verbindung von Ewigkeit
und Gleichheit. Es heißt nämlich: wie der Vater, so der Sohn und so auch der
Hl. Geist; und diese Drei sind Eins, nämlich Körper, Geist und Seele; denn
alle Vollendung beruht auf der Dreizahl, d. i. Maaß, Zahl und Gewicht.

D ie Q uelle zu dem Schlußsatz bildete w ohl in erster Linie die Schrift 305

S e n i o r s , w elche aussagt 3: «U n ser E rz h at w ie der M ensch G eist, Seele


und K ö rp er 4. D eshalb sagen die W eisen : drei und drei sind eins. F ern er
sagen sie: in einem sind drei, und: G eist, Seele und K ö rp e r sind eins,
und A lles ist aus E in e m *.» D as g öttlich e W a sse r ist nach S e n i o r 6
«unum in quo sunt tria videlicet aqua, aer et ignis». Ä hnlich sagt R osi-
nus ( Z o s i m o s ) 7: «U nser Stein hat seinen N am en m it dem W e ltsch ö p ­
fer gem einsam ; denn er ist dreieinig und einer (triunus et unus) 8.»
A uch die C arm ina H e l io d o r i bezeichnen den Lapis als dreieinig 9 ; er
ist eine «dreifach selige Q u e lle I0», «ein Sproß von drei A ngesichtern»

3. De Chemia a. a. Ο. p. 45. Vgl. ebenso p. 58-59: «Deshalb sagen die Weisen,


unser Erz ist wie ein Mensch, es hat Geist, Seele und Körper.»
4. Mit dieser Triade wäre das « K o m m a Jo a n n e u m » zu vergleichen s. u.
5. Senior nennt auch die drei oberen seiner Figuren eine «imago divinae spiritua-
litatis» (p. 24).
6 . Eines, in welchem Drei sind, nämlich Wasser, Luft und Feuer, p. 26, vgl.
auch p. 58.
7. R o s i n u s ad. Sarratantam, Art. Aurif. 1610 I, p. 192: (RHASIS-Zitat).
8 . Dieser Satz geht wohl wirklich auf Z o s im o s zurück, welcher lehrte ( B e r t h e l o t ,
Coli. Aich. Grecs III, V I 18. Vol. I, p. 132-138), daß der Demiurg zwei Triaden schuf,
weshalb er H e r m e s T r i s m e g i s t o s heiße, die obere sei unzerteilbar und eine Monade,
sie sei aktiv, schöpferisch und bewirke die Beseelung des Steines, die zweite ist kosmisch
teilbar und stofflich und besteht aus Erz, Blei und dem etesischen Stein. (Vgl. auch die
dreifache Sohnschaft des B a s i l e i d e s und die Ausführungen von J u n g , Myst. Coni. II
p . 99-100.
9. ed. Günther Goldschmidt a. a. O. p. 29 und Carm. II, 134, p. 38.
10. Carm. II, 80 p. 45.
270 KOMMENTAR

(μία φύτλη τριών προσώπων) oder ein « W a ll» aus Seele und K ö rp er und
dem Pneum a als «drittem K r a n z 11». Sind hier schon christliche Einflüsse
bem erkbar, so h at später z. B . P e t r u s B o n u s die P arallelität dieser alche-
m istischen T riad e zur christlichen T rin itätsleh re noch klarer h erv org e­
hoben und zugleich auch die P arallelität des Lapis zum «corpus glorifi­
cationis» ausdrücklich b e m e rk tI213456. In der A u ro ra handelt es sich um die­
selbe G leichsetzung.
D e r A u tor fü h rt im selben Z usam m enhang auch noch eine w eitere
T riad e an, näm lich eine solche von «M aß , Z ah l und G ew icht». A lch e-
m istisch bezieht sich dies w ohl auf ein subtiles A bw ägen zwischen den
geistigen und irdischen K om ponenten bei der H erstellu n g des Lapis.
Eine andere bem erkensw erte A nschauung, die vielleicht nicht ohne E in ­
fluß au f die A usführungen dieses K apitels gewesen ist, b ringt A u g u s t i ­
nus im G ottesstaat vor, w o er sagt, daß in jeder K reatu r ein A bbild der
T rin ität zu finden sei, näm lich essentia - Sein (= V a t e r ) , scientia - W is ­
sen (= Sohn) und am or - Liebe (= H l. G eist) χ3. U n d A l b e r t u s M a­

gnus sagt im «Paradisus anim ae» (ein er Schrift, deren E ch th eit aller­
dings um stritten i s t ) : «D ie allweise göttliche W e lto rd n u n g sollte uns
zum Einhalten des M aaßes führen, da er (G o tt) alles in M aaß , Z ah l und
G ew icht anordnete. Entsprechend dieser O rd nu n g sollte jede T a t von
uns, unsere A rt und auch unser Leben bemessen, abgezählt und abge­
w ogen sein, d. h. in der K ra ft des V aters, w elchem das M aaß attribuiert
w ird, in der des Sohnes, dem die Z ah l gehört, und in der des H l. G eistes,
dem das G ew icht zugeschrieben w ir d 1*.» D ie Stelle bezieht sich au f
Sap. X I , 2 1 : «O m nia fecit D eus in pondere m ensura et num ero **», was
A u g u s t in u s 16 kom m entiert: E r schuf alles im G ew icht usw ., d. h. in

11. Carm. A r c h e l a i IV. Vers. 16 ff. Vgl. auch den Traktat «Über die Namen des
Eies» ( B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs I, III, 13. Vol. I, p. 20 ): «Wenn nicht zwei eines
werden und drei eines werden und die ganze Zusammensetzung eines wird, so wird
die Erwartung zunichte.»
12. «Pretiosa Margarita Novella» ed. Lacinius, 1. c. p. 171 ff. Vgl. die genaue Zitie­
rung im Kommentar der 7. Parabel. Über die Entsprechung des Mercurius zur dreieini­
gen Gottheit vgl. besonders J u n g , Der Geist Mercurius, in «Symbolik des Geistes».
Zeh. 1948. p . 108 ff.
13. Civ. Dei, Lib. X I. cap. 27. Vgl. auch J u n g , Symbolik des Geistes 1. c. p. 372-373.
14. Opera ed. Borgnet. Vol. 37. p. 466.
15. «Alles erschuf er nach Gewicht, Maaß und Zahl.»
16. De Genesi ad litt. 1. IV. c. 3 und 8, (Migne P. L. tom. 34. col. 299).
KOMMENTAR 271

sich selbst, E r, d er die Z ah l ohne Z ah l, das G ew icht ohne G ew icht, das


M aß ohne M aß ist u sw .1?. E in e nicht uninteressante E rk läru n g hiezu gibt
der A lchem ist J o h . M en n en s1
71819, w elcher (w ie A u g u s t i n u s ) in den
«Principien» von M aaß , Z a h l und G ew icht seiend - nicht seiende M it­
telm ächte oder Instrum ente sieht, m ittelst d erer G o tt bzw. die Sapientia
D ei die W e lt erschuf.
Es ist zunächst aus dieser T extp artie noch nicht ersichtlich, wieso der 307

V erfasser plötzlich au f das christliche Sym bolum zu sprechen kom m t,


und es w ird sich erst im Folgen d en deutlicher zeigen, w elche seine
G edankenassoziationen w aren. E s ist hingegen psychologisch sinnvoll,
daß er sich nach der vorhergehenden Ü berschw em m ung durch unbe­
w ußte Inhalte gleichsam au f die tiefsten G rundlagen seiner christlichen
B ew ußtseinshaltung zurückbesinnt - besonders da letztere eine m än n ­
lich-geistige E instellung begünstigt *9 und eine V erstärku n g des B ew u ß t­
seins bewirkt.
Im Folgen d en k om m t dann der V erfasser hauptsächlich au f die eine 308

F ig u r der T rin ität, näm lich auf den H eiligen G eist und seine W irk u n g en
zu sprechen. D ies ist nicht nur inhaltlich, sondern auch fü r die geschicht­
liche E in ord n u ng unseres T extes von g ro ß er B edeutung, denn es ist das
13 . Jah rh u n d ert, dem die A u ro ra m . E . angehört, in w elchem zahl­
reiche Sekten auf blühten, die trotz aller V erschiedenheiten eine gem ein­
sam e T endenz aufw eisen, näm lich die H ypostase des H l. Geistes in den
M ittelpunkt des religiösen Lebens zu stellen. D abei h at besonders die
zeitlich etwas ältere L eh re des G io a c c h in o da F i o r i fast überall einen

17. Creavit omnia in pondere etc. id est in se ipso, qui est numerus sine numero,
mensura sine mensura, pondus sine pondere. Vel aliter exponitur: Creavit Deus omnia in
numero id est numerus omnis apud eum certus, similiter omnium mensura certa est et quic-
quid ponderis habet aliquid apud eum est certissimum. Vel aliter: His tribus, numero men­
sura pondere voluit ostendere scriptura nil Deo esse aequale. Numerus enim simplici­
tatem, mensura immensitatem, pondus felicitatem et stabilitatem excludit. Creavit omnia
in numero, id est nihil creavit summae simplicitatis. In mensura, id est nihil creavit
immensum. In pondere quia nihil creavit quod ex se deficere vel sua felicitate cadere
posset.
18. Aurei velleris etc. Theatr. Chem. 1622. V, p. 319: In unitate itaque puncto atque
centro, quae tria sunt Principia numeri mensurae atque ponderis (quam etiam nihil eorum
sint) cuncta creata sunt et cum nihil videantur nobis, sunt tamen apud Deum vel in
Deum omnia, et idcirco dicitur Deus ex nihilo creasse cuncta in Principio, quod est
mysterium magnum videlicet sacrosancta Trinitas ipsaque Sapientia; centro cuius enim
cuncta sustinet, puncto adimplet, unitate denique perficit.
19. Vgl. C. G. J u n g , Symbolik des Geistes, passim, bes. p. 435 ff.
272 KOMMENTAR

w ahrnehm baren Einfluß au sg eü b t20, so daß w ir in ihr am ehesten Spu­


ren finden können von dem , was offenbar in jener Z eit aus dem U n b e­
w ußten ans L ich t drängte. E s handelt sich, w ie erw ähnt, um eine plö tz­
liche intensive B esch äftigu n g m it der dritten H ypostase der T rin ität,
m it der Person des H l. G eistes, und es ist nicht übertrieben zu sagen,
daß das Charakteristikum fast aller H äresien jener Z e it darin besteht,
eine neue H eilig-G eist-R eligion oder H eilig -G eist-K irch e oder freie G e­
m einschaft anzustreben, in w elcher dem Parakleten und dem von ihm
ergriffenen oder g efü hrten Individuum und dessen A u slegu ng der
S ch rift die H auptbedeutung zukam. D e r A b t von S. G iovanni in F io re
Jo ach im hatte eine L eh re von drei W eltzeitaltern aufgestellt, w elche
folgen d erm aß en lautete: die W e ltz e it teilt sich auf in drei g ro ß e P erio ­
den: die erste ist diejenige des V aters, in w elcher das alttestam entliche
G esetz und die G ottesfu rch t (tim o r et lab o r) vorherrschen und w elche
bis zu Christi G eburt dauert. D ie zweite ist die Z eit des Sohnes oder der
W eish eit (sapientia et le c tio ), in w elcher die K irch e und ihre Sakra­
m ente als neuer Bund gelten und w elche bis ca. 1260 dauern s o ll212: D ie
dritte W eltze it aber, die daraufhin anbrechen w ird, ist die Z e it des H e i­
ligen Geistes, dann w ird die «Ecclesia contem plativa» entstehen, und,
w ird die H l. Schrift m it dem «spiritualis intellectus» neu gelesen und
nicht m ehr w örtlich, sondern symbolisch verstanden w erden, dann dom i­
niert nicht m eh r die F u rch t G ottes und die K n echtsch aft, auch nicht
m ehr die U n terw erfu n g an die w örtliche L eh re, sondern dann herrschen
jubilatio, caritas und libertas (F ro h lo ck en , Liebe und F re ih e it) 2\ D an n

20. C h r . H a h n , Geschichte der Ketzer a. a. O. Bd. II, pag. 450 ff. Vgl. besonders
C. G. J u n g Aion. 1. c. p. 125 ff.
21. Vgl. hiezu H e r m a n n R e u t e r , Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittel-
alter, Berlin 1877, Bd. II, p. 204 ff. und Anm. p. 365 ff. über die Schwierigkeiten der
Verfasserfrage, die uns hier insofern weniger interessiert, als der Inhalt des oben Gesag­
ten zweifellos die Gedanken Gioacchinos wiedergibt.
22. Expos, in Apocal. cit. aus C h r . H a h n , Gesch. d. Ketzer a. a. O. Bd. III, pag. 111:
. . . videtur tamen aliquod opus pertinere ad patrem, lectio ad filium, iubilatio ad Spiri­
tum Sanctum, quia et timor Dei veram sibi exigit servitutem et Christi magisterium
subiectionem doctrinae et gaudium spiritus Sancti iubilationis tripudium . . . Tria igitur
sunt quibus nobis Deus triunus et unus appropinquare dicitur: timor sapientia caritas
et tria per quae manent in nobis tria ista: labor lectio et iubilatio. —Vgl. auch H. H a u p t .
«Zur Geschichte des Joachinismus», Ztschr. f. Kirchengeschichte, Bd. V II, 1885, Gotha,
Heft 3, pag. 372 ff. und derselbe: Zur Geschichte der Sekte vom Freien Geiste und des
Beghardentums ebda. Heft. 4, p. 503 ff.
KOMMENTAR 273

bricht der «g roß e S ab b ath 23» an, in w elchem der «G eist der W a h rh e it»
die M enschen lehrt, und in w elchem d er «d ritte Stand», die M ö n ch s­
orden, die «parvuli» dom inieren w erden, w elche zur Freih eit der K o n ­
tem plation auserw ählt sind. «D an n w ird sich das H eidenvolk und das
H ebräervolk vereinen, und es w ird eine H erd e und ein H irt sein, und
diese V erbindung (co n iu n ctio ) ist m it R echt den geistigen M än n ern
zuzuschreiben2*.»
D iese L eh re des A btes J o a c h im und ähnliche A nschauungen, w ie
z. B . diejenige des A m a l r ic h von B e n a , w elcher die joachinitische
W e ltz e ite n le h re 2
26 teilweise übernahm , sagten fern er aus, daß H im m el
5
4
3
und H ölle in erster Linie als innerseelische R ealität existierten. Ä h n li­
ches lehrten auch D a v id v o n D in a n t sowie die «Pouvres de L yo n », die
T ertiarier oder F ratres M inores, die parvi, F ratres spirituales und auch
die Loliharden, Beginen und B egharden, die «G ottesfreunde am R h ein ».
Fast alle w andten sich gegen die sichtbare röm ische K irch e und sind
daher in gewissem Sinne als vorreform atorische Bew egungen anzusehen.
D ie L eh re J o a c h im s w urde sogar von einer strengeren R ichtung unter
den Franziskanern offiziell übernom m en und 1 2 5 4 in Paris in F o rm
des Introductorius in Evangelium Aeternum öffentlich b ek u n d et2?.
D iese Schrift w urde aber etwas später ( 1 2 5 5 ) von Papst A l e x a n d e r IV .
v e ru rte ilt282930. D ie L eh re dieser T ertiarier w ar fo lg e n d e 2?: es w ürde nun
der W eltu n tergan g kom m en, und diesen w ürde nur der dritte Stand,
innerhalb der Franziskaner selber, die sogenannten fratres spirituales
oder beguini de tertio ordine überleben 3 °. D ann w erde die w eltliche

23. Hahn, ebda. p. 127: cum venerit ille spiritus veritatis doceat nos omnem vir­
tutem etc.
24. H a h n ebda. ρ . 271: Cone. lib. II Tract. II (tertius ordo) qui procedit e x utroque
electus est ad libertatem contemplationis scriptura attestante, quae ait: ubi spiritus
Domini, ibi libertas (= Concord. lib. I Tract. 2 ) . Vgl. auch H a h n ρ . 272: (Cone, ebda.)
Spiritus Sanctus exhibet libertatem, quia amor est.
25. Concord. V Kap. 51, Coniungetur gentilis populus cum Hebraeo et fiet unum
ovile et unus pastor, quae coniunctio recte viris spiritualibus attribuenda est. (Vgl. Gala­
terbrief III. 28-30.)
26. Vgl. C a e s a r i u s v o n H e i s t e r b a c h , Dialogus miraculorum ed. S t r a n g e , Brüssel,
1851 distinctio V, 22.
27. Vgl. H a h n , Geschichte der Ketzer a. a. O., Bd. II, p. 426 flf. Vgl. bes. J u n g ,
Aion, p. 125.
28. H a h n , ebda. Bd. III, p. 159.
29. H a h n , ebda. Bd. II. p. 437 ff.
30. Vgl. H a h n , Gesch. d. Ketzer a. a. O. Bd. II p. 438.
274 KOMMENTAR

K irch e verw orfen und eine neue K irch e gebildet w erden, w elche arm
und dem ütig und eine w ahre ecclesia spiritualis 31 sein w ird.
D ie stärkere H ervorh eb u ng des H l. Geistes innerhalb der T rin itä t und
der durch ihn bewirkten unm ittelbaren O ffenbarung im Individuum und
die symbolische A uslegung der H l. Schrift führte auch bei vielen ande­
ren Sekten zu einer A bleh nu n g der K irch e zugunsten der Idee einer
ecclesia spiritualis, w elche aus den vom H l. G eist inspirierten Einzelnen
besteht 32. D ie oben erw ähnten «Pouvres de Lyon» oder «hum iliati» g in ­
gen sogar soweit, zu sagen, daß die individuelle Seele jedes guten M en ­
schen der H l. G eist selber sei 33. A u ch die «B rü d er des freien G eistes»
lehrten, daß die m enschliche Seele von der Substanz G ottes sei 34, und
daß der M ensch mit samt seinem K örper G ott zu w erden verm öge, und
zw ar so sehr, daß er G ottes nicht m eh r bedürfe 35.

31. ebda. Bd. II, Fußnote von p. 438.


32. H a h n ebda. Bd. II, p. 358-359 bei den sog. Gottesfreunden, und Bd. I, p. 53-54
bei den Ortlibariern oder Ortlibensern. Vgl. auch ein früheres solches typisches Doku­
ment einer Heiliggeistreligion, einer neumanichäischen Sekte, welches H a h n , Bd. I
p. 36 aus D ’A c h e r y Spicileg II. bei M a n s i X I X p. 376-377: anführt: . . . Aquis per­
funderis sapientiae donec informeris et gladio verbi Dei vitiorum spinis carere valeas
ac insulsa doctrina tui pectoris ab antro exclusa doctrinam a spiritu Sancto traditam
m en tis p u r ita te p o s s is e x c ip e r e . . . iam iam suae nequitiae sententiam verbis divinorum
librorum antea coopertam securi aperiunt. . . procul dubio in charybdi falsae opinionis
hactenus cum indoctis iacuisti: nun vero erectus in culmine totius veritatis integrae
mentis oculos ad lumen fidei aperire coepisti. . . atque sancti Spiritus dono repleberis
qui scripturarum omnium profunditatem ac veram dignitatem absque scrupulo te docebit.
Eine andere Sekte bei Montfort und ebenso die sog. Ortlibarier ( H a h n , ebda. p. 39
und 53) lehrten ebenfalls eine mystische Schriftauslegung und die Deutung der Glau­
bensmysterien als innere Vorgänge: tunc autem crucifigitur filius Dei et flagellatur. . .
tunc moritur filius quatenus aliquis ipsorum cadit in peccatum vel redit a secta resurgit
autem per poenitentiam. Oder die Haeretiker von Montfort: ( H a h n , I pag. 42) der Vater
sei Gott, der Sohn sei der von Gott geliebte menschliche Geist, der Hl. Geist ist das
Verstehen der Schrift (p. 43).
33. Nach der Überlieferung eines gewissen S t e p h a n u s d e B o r b o n e , vgl. H a h n
a. a. O., Bd. II. p. 266, Fn. 3 und p. 267-268.
34. Vgl. W . P r e g e r , Geschichte der Mystik im Mittelalter Bd. II, p. 462 (14 und
37). Vgl. auch die Belege H a h n a. a. O., Bd. II, p. 267: Item spiritus hominis ex quo
bonus est si moritur est idem quod spiritus Dei et ipse Deus. Oder: Item haec est Trini­
tas quam vel in qua credunt ut sit pater, qui alium in bonum convertit, qui convertitur
filius, id per quod convertit et in quo convertitur Spiritus Sanctus. Die Menschwerdung
Christi ist historisch nicht bewiesen, sie ist ein innerer Vorgang im Menschen
(ebda. p. 268).
35. Verschieden ist bei diesen Sekten die ethische Einstellung, welche von religiösem
Rigorismus bis zu völliger Amoral mit Berufung auf den Satz: «ubi spiritus ibi libertas»
ging. So sagten die Amalrizianer: si aliquis in spiritu est aiebant et faciat fornicationem,
KOMMENTAR 275

W ie J u n g in «A ion » d argelegt h at zeigen die geistigen V oraus- jn


Setzungen der A lch em ie eine g ro ß e A ffin ität zu den G edanken dieser
H eilig-G eist-B ew egungen, indem die A lchem isten ihren Begriff eines
«lum en naturale» m it der H ypostase des H l. Geistes identifizierten. D ie
(e ch te ?) S ch rift « D e A lch em ia» von A l b e r t u s M agnus ist eines der
frühesten Beispiele hiefür. A us diesem G runde ist es nicht zu verw un­
dern, daß w ir n am h afte A lchem isten jener Z e it in den B ettelord en oder
in den oben genannten Sekten vorfinden: so J o h a n n e s de R u p e s c is s a
( J ea n de R o q u e t a i l l a d e ) un ter den Pouvres de Lyon 37? R o g e r B acon
bei den Franziskanern 38. R a y m u n d u s L u l l u s (dessen erhaltene alche-
m istische Schriften allerdings noch nicht bezüglich ihrer E ch th eit u n ter­
sucht w urden ) bei den (z u seiner Z e it noch nicht aus der K irch e g e fa l­
len en ) franziskanischen T ertiariern , und A l b e r t u s M agnus bei den
D om inikanern 39.

M an kann die A n h än ger der H eilig-G eist-B ew egungen, w ie auch 312

diese A lchem isten, als V o rläu fer der m odernen Psychologie des U n b e­
w ußten ansehen, insofern sie über den bloßen Glauben an religiöse
In h alte hinausgingen und die individuelle Erfahrung dessen suchten,
was sie damals als den «G eist im Stoff» oder den Parakleten bezeichne-
ten und was w ir heute die als «Sinn» erlebte, w egleitende Funktion des
U nbew ußten nennen 40. D ie psychologische B edeutung dieser A k zen t­
verschiebung auf die d ritte Person der T rin itä t ist ein so um fassendes
und in die T ie fe reichendes P roblem , daß ich den Leser au f J u n g s A u s -

vel aliqua alia pollutione polluatur, non est ei peccatum, quia ille spiritus qui est Deus
omnino separatus a carne non potest peccare. H a h n , Bd. II, p. 470 ff. und Bd. I, p. 403.
Vgl. auch die oben erwähnte Arbeit von K r o e n l e i n . Auch die Brüder des freien Gei­
stes sagten, daß ein mit Gott eins gewordener Mensch nicht mehr sündigen könne, wenn
er Gott oder die anima divina selber geworden ist. P r e g e r a. a. O . , Bd. II, p . 462
(Nr. 15 und 21 ). Bei den Brüdern des vollen Geistes (vgl. H a h n a. a. O., Bd. II,
p. 450 ff.) herrschte hingegen größte sittliche Strenge.
36. Aion. p. 220 ff.
37. Die «Pouvres de Lyon» bekannten sich ebenfalls zu einer spirituellen Bibelaus­
legung. (Vgl. H a h n , Ketzergeschichte. Bd. II, p. 256 -2 5 7 ). Sie sind mit den Walden­
sern vom Piemont verwandt.
38. Vgl. über seine ebenfalls allegorische Bibelauslegung und seinen Glauben an die
Alchemie das Opus Minus ed. Brewer, London 1859, p. 359.
39. Vgl. L. T horndike 1. c., Vol. II, p. 522 sq. Vgl. J ung, Aion, p. 132.
40. In der Schrift «Liber de Spiritu et Anima» ist bereits, wie J ung in Aion darlegt
(p. 372-373), ein Versuch gemacht, das Trinitätssymbol psychologisch zu deuten, was
die Tendenz jener Zeit deutlich zum Ausdruck bringt.
27 6 KOMMENTAR

führungen in «Symbolik des Geistes» verweisen m uß. W e n n ich hier


einiges von seinen D arlegungen anführe, so bin ich m ir bewußt, diese
aus den w esentlichen Z usam m enhängen herauszunehm en - der Leser
m öge das Folgen d e daher m ehr nur als einen H inw eis ansehen. J u n g
legt d a r4 !5 daß der V ater als psychologisch auf gefaßtes Symbol einen
kindlichen Bew ußtseinszustand charakterisiert, w orin m an noch ab­
h än gig «von einer bestim m ten Vorgefundenen Lebensform » ist, «einem
H abitus, der G esetzescharakter hat. Es ist ein hingenom m ener unreflek­
tierter Zustand, ein bloßes W issen um G egebenes ohne intellektuelles
oder m oralisches U rte il.» - «V erschiebt sich der A kzent auf den Sohn,
so ändert sich das B ild .» - D ie Situation verlangt dann eine bewußte
U nterscheidung von dem durch den V ater symbolisierten H abitus, was
eine bewußte «Erkenntnis der eigenen Individualität erford ert, zu w el­
cher m an ohne m oralische Entscheidung nicht gelangen und w elche m an
ohne ein gewisses V erständnis des Sinnes nicht festhalten kann. D er
H abitus w ird ersetzt durch eine bewußt gew ählte und erw orbene Lebens­
fo rm .» D aru m d rängt das durch den «Sohn» charakterisierte C hristen­
tum den Einzelnen zur Entscheidung. «D ie dritte Stufe weist über den
Sohn hinaus in die Z u kunft, auf eine fortdauernde V erw irklichung des
,G eistes’, näm lich einer dem ,V a te r’ und dem ,Sohne’ eigentüm lichen
L eb en d ig k eit. . . » D e r Sohn ist ein Ü b erg an g und ein K onfliktzustand,
insofern die F reih eit vom G esetze die V ersch ärfu n g der m oralischen
G egensätze m it sich bringt. In der dritten Phase w ird in gewisser H in ­
sicht der väterliche A nfangszustand w ieder hergestellt. D och ist dies
nicht eine bloße W ied erh o lu n g der ersten Phase, da die W e rte der zw ei­
ten Stufe beibehalten w erden. «D as durch die V erselbständigung des
Sohnes gew onnene Bew ußtsein bleibt in der dritten Phase bestehen, m uß
aber anerkennen, daß nicht es die Q uelle der letzthinigen Entscheidun­
gen und der ausschlaggebenden E rk en n tn isse. . . ist, sondern eine als
inspirierend zu bezeichnende Instanz, w elche in der Projektion ,H eili­
g er G eist’ genannt w i r d . . . D e r F ortsch ritt der dritten Phase bedeutet
daher etwas w ie eine A nerkennung des U nbew ußten, w enn nicht g ar
eine U n terord n u n g unter dasselbe . . . » D ie Ü b ergän ge von einer Phase
zur andern sind - wie J u n g betont - schicksalhafte W an d lu n g en , die
meistens tiefe Erschütterungen und «mystische» Erlebnisse bedeuten.

4 l. Symbolik des Geistes p. 418 ff.


KOMMENTAR 277

Eben ein solches Erlebnis schildert auch die A u ro ra, und zw ar handelt 313

es sich in ihr um die Beschreibung der W a n d lu n g von der zweiten zur


dritten Phase, weshalb die A nerkennung des H eiligen Geistes im V o r­
dergrund steht. D e r V erfasser hat etwas erlebt, das ihn w illentlich oder
unwillentlich zu einer H eilig-G eist-Ergriffenheit zw ingt, w ie sie noch
viele A n d ere seiner Z eit erfaß t hat.
E in e später anzuführende T extstelle der A u ro ra, in w elcher die «par- 314

vuli» als die zum O pus der A lchem ie E rw ählten genannt sind, legt die
V erm utu n g nahe, daß der V erfasser einem der beiden M endikanten­
orden angehört oder nahegestanden habe. D er K irch e gegenüber scheint
er nicht feindlich eingestellt gewesen zu sein, sondern es fü r m öglich
gehalten zu haben, seine A nschauungen m it der T radition zu versöhnen.
Falls T homas von A q u in als V erfasser der A u ro ra in F ra g e kom m en
sollte, so w äre zu erw ähnen, daß er zw ar die Lehren G io a c c h in o s da

F i o r i teilweise ablehnte aber zugleich ausdrücklich v or einer allzu


scharfen und sum m arischen V eru rteilu n g seiner A nsichten w arnte 43.

V on diesen Z usam m enhängen aus gesehen, lohnt es sich, die H eilig - 315

G eist-A uffassung der A u ro ra noch genauer zu betrachten:

Text: Denn der Vater stammt von Keinem, der Sohn kommt vom Vater,
und der Hl. Geist geht von beiden aus: dem Vater wird nämlich die Weisheit
beigegeben, durch die Er alles milde lenkt und ordnet. . . dem Sohne wird
die wirklich gewordene Wahrheit zugeordnet. . . der auf Geheiß des Vaters
und unter Mitwirkung des Hl. Geistes die Welt, die durch die Sünde der
Eltern verloren war, erlöst hat.
D er H l. G eist geht nach dem T e x t vom V ater und vom Sohne aus, 316
weil zum V ater die Sapientia, zum Sohne aber die veritas gehöre 44. D er
H l. G eist ist som it eine V erbindung der Sapientia m it der inkarnierten
«veritas», w orin m an deutlich die B eziehung zur anfänglichen Sapientia
D ei als «verissim a natura» w ieder erkennen kann. D ie dogm atische V o r-

42. 4. Sent. d. 43. a. 1.


43. Näheres vgl. unten p. 423.
44. H o n o r i u s v o n A u t u n identifiziert den Vater mit der potentia divina, den Sohn
mit der Sapientia Dei und den Hl. Geist mit der voluntas Dei (De philosophia mundi,
I, Migne P. L. tom 172, col. 45 ). Vgl. G i o a c c h i n o d a F i o r i , Psalterium decem chor­
darum, cit. H a h n III, p. 3 2 8 : N onnulli. . . patri attribuerunt potentiam . . . sapientiam
filio . . . voluntatem vel amorem Spiritui Sancto. - Vgl. auch ebda. p. 327: der Spiritus
Sanctus, accendit nos igne c a rita tis ... (ebda. p. 321) er ist illa lux quae illuminat
omnem hominem venientem in hunc mundum et procedit ille calor qui vivificat omnia.
278 KOMMENTAR

Stellung des Spiritus Sanctus erhält h ier w ieder einen eigentüm lich
weiblich-stofflichen C harakter. Im m erhin ist zu beachten, daß auch
J oh. D uns S c o t u s E r i g e n a den «m ens D ei» als eine A rt W eltseele
ansah, und daß som it auch in der kirchlichen V orstellungsw elt der H e i­
lige G eist m it der W eltseele zw ar nicht identifiziert, aber doch v e r­
glichen w urde. So berichtet H o n o r iu s von A utun 45: «D ie anim a
m undi ist nach A n sicht gew isser Leute der H l. G eist, denn durch die
göttliche G üte und den W ille n (w as der H l. G eist ist) lebt A lles, das in
der W e lt existiert. A n d ere nennen die W eltseele eine natürliche Spann­
kraft (v ig o r) 4*, w elche den D in gen von G ott eingepflanzt w urde, und
durch die m anche W esen leben, fühlen und d e n k e n . . . N o ch andere
Leute nennen die W eltseele eine unkörperliche Substanz, w elche ganz
in allen Einzelkörpern ist, w enn sie auch w egen der T räg h eit m ancher
K ö rp er nicht in allen sich gleich auswirkt und schafft47...» D ie A u f­
fassung des H l. Geistes in der A u ro ra gleich t diesen Ideen einer im Stoff
vorhandenen «anim a m undi».

317 Text: «Dem Hl. Geist wird die Güte zugeschrieben - Er, durch den alles
Irdische himmlisch wird und dies dreifach: indem er im Flusse, im Blut und
in Feuerflammen tauft»
318 W ie bei H o n o r iu s von A utun , so besitzt auch h ier der H l. G eist
die «G üte» (b o n ita s ), «durch w elche alles Irdische him m lisch w ird ».
In derselben T extp artie ist bereits vorher auf die M enschw erdung C h ri­
sti hingewiesen w orden. In der Inkarnation C hristi w ar gleichsam ein
him m lisches G eistwesen irdisch gew orden, und nun betont der T e x t,
daß dadurch zugleich auch ein Stück irdisches M enschsein him m lisch,
d. h. vergeistigt w urde. F ü r einen A lchem isten ist dadurch au f eine in
der A lchem ie o ft erw ähnte Sentenz der M a r ia angespielt, m an solle das
K örp erlich e unkörperlich, das K örp erlose (G eistig e) aber körperlich
w erden lassen, w odurch die Z w ei Eines w erden 48. D e r alchem istische

45. Migne P. L. tom. 172, col. 46.


46. Das geht auf die Stoa zurück.
47. Vgl. zu diesen phanteistischen Tendenzen auch D a v i d v . D i n a n t s Lehre.
W . P r e g e r Gesch. d. Mystik 1. c. Vol. II. p. 76 und 462.
48. Citiert in O l y m p i o d o r ( B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II. IV. 40. Vol. I, p. 93:
« εάν μή τά σώματα άσωματώσης καί τά άσώματα σωματώσης και ποιήσης τά
δύο εν ούδέν των προσδοκουμένων εσται ». Wenn du das Körperliche nicht unkörper­
lich und das Unkörperliche körperlich und die Zwei zu einem machst, wird Nichts von
dem Erwarteten eintreffen.
KOMMENTAR 279

H in tergru n d d er scheinbar dogm atisch-christlichen A usführungen die­


ser T extp artie offenbart sich deutlicher in der F ortsetzu n g der Parabel,
in w elcher zunächst von den drei W irk u n g en des H l. Geistes die R ede ist:

Text: «Im Flusse wirkt er belebend und reinigend, indem er allen Schmutz
abwäscht und alles Rauchige von den Seelen entfernt, wie es heißt: Du be­
fruchtest die Wasser zur Belebung der Seelen. Denn das W asser ist die N ah­
rung alles Lebendigen . . . »

In dieser A n fü h ru n g der W assertau fe ist gleichsam die ganze W a s ­


ser-Symbolik der vorhergehenden K ap itel noch einm al kurz w iederholt.
D as W asser bewirkt eine A blution und N eubelebung der «Seelen».
W e n n es sich auch bei letzteren alchem istisch w ohl um die «M etall­
seelen» handelt, so bringen die beigefügten Z itate aus dem Pfingst-
H ym nus von N otker B a l b u l u s und aus der M eß litu rgie 49 die chem i­
sche A blutio doch gleichzeitig in einen religiösen Z usam m enhang: w ie­
der ist d er A rtife x undiskrim inierbar in den chem ischen P rozeß m itein-
bezogen. D as «W asser» (des H l. G eistes) en tfern t vom Stoff die «squa­
lores et fum ositates», den Schm utz und das R auchige, d. h. jene nicht
zugehörigen Stoffteile, die in andern T raktaten als Schw efel, Räuber,
Überflüssigkeiten usw. bezeichnet w erden, und deren psychologische
B edeutung als Schatten J u n g eingehend erläutert hat *°. D ie reinigende
W irk u n g besitzt das W a sse r - nach unserem T e x t - , weil es den «G eist
G ottes» enthält, der einst bei der Schöpfung über den W assern schwebte
und es befruchtete. W ie aus dem späteren Psalm zitat (C I I I , 3 0 - 3 2 ) h er­
vorgeht, ist sogar das W asser nichts anderes als der Spiritus D ei selber,
der die E rd e erneuert, belebt und erschüttert. Daraus geht hervor, daß
unser A utor den H eiligen Geist, die personifizierte Sapientia D ei, den
Spiritus D ei ( im T a u f wasser ) sämtlich mit d er «aqua divina» des alche-
mistischen Opus gleichsetzt. Dieses W a sse r ist gleichzeitig die leben­
spendende G rundsubstanz aller realen organischen Erscheinungen. Z u ­
gleich ist es - alchem istisch betrachtet - das «Scheidewasser» welches
die M etalle auf löst, wie dies aus den nachfolgenden S e n i o r - und Turba-
Z itaten unseres T extes noch deutlicher h ervorgeh t u.

49. Vgl. Anm. 11. zum Text. p. 70.


50. Vgl. J u n g , Mysterium Coni. Vol. I p. 209 ff und p. 257 ff.
51. Vgl. die Anmerkungen zum Text. In der T u r b a heißt es (p. 218) so wie der
Mensch die Luft zum Atmen als Lebensprinzip in sich habe, so besitze das Erz eine

19 Jung : Mysterium III


280 KOMMENTAR

Text: . . . weshalb auch das W asser vom Himmel herabfließend die Erde
berauscht und sie dadurch jene K raft erhält, welche jedes Metall auf lösen
kann. Deshalb verlangt sie nach ihm und sagt: Sende aus deinen Geisthauch,
d. i. das Wasser, und sie werden neu geschaffen; und neu gestaltest du das
Angesicht der Erde, denn er haucht seinen Odem in die Erde, wenn er sie
erbeben läßt, und wenn er die Berge anrührt, so rauchen sie.

In diesen A uflösungen, Erschütterungen und A blutionen geschieht


dasjenige, um das die im Erd zen tru m eingeschlossene Seele gebeten
hatte - u m das Zerbrech en der H öllen riegel. W a s sich v erfestigt hatte
als unverrückbare Ü berzeugungen - m eh r noch: die ganze Persönlich­
keit w ird aufgelöst und öffnet sich neuen W irk lich k eiten - , das Ich be­
reitet sich zur A u fn ah m e der Einw irkungen des Selbst vor.
N ach der Beschreibung der Solutio (A u flö su n g ) und A blutio
(W a sch u n g ) fo lg t - wie erw ähnt - die Stufe der N u tritio (E r n ä h ru n g ),
w elche ebenfalls als W irk u n g des H l. Geistes bzw. des «göttlichen W a s ­
sers» beschrieben ist:

Text: W enn er aber im Blute tauft, dann wirkt er ernährend, wie es heißt:
Das W asser heilbringender Weisheit hat mich getränkt, und: Sein Blut ist
der wahre Trank; denn der Sitz der Seele ist im Blute, wie S e n io r sagt: Es
verblieb aber die Seele selber im W asser, das ihr ähnlich ist in der W ärm e
und Feuchtigkeit, und in dem alles Leben besteht.

D as Z ita t aus J e s . S ir a c h X V , 3, «M it dem W a sse r heilbringender


W eish eit tränkte er ih n », deutet an, daß hier B lu t und W asser Synonyme
fü r die «aqua Sapientiae» sind. D ies bezieht sich au f das sog. K om m a
Joannou *2: «D rei sind die da zeugen im H im m el: der V ater, das W o r t
und der H l. G eist; und diese drei sind eins. U n d drei sind die da zeu­
gen au f E rd en : der G eist und das W a sse r und das B lu t und diese drei
sind eins.» W ä h re n d sich in dem B ib eltext (d ie Stelle g ilt als späte
In terp olatio n ) eine him m lische und eine irdische T riunitas gegenüber­
stehen, sind sie in der A u ro ra in eines gesetzt, womit die metaphysischen

Feuchtigkeit (humor), und wenn diese sich zum Lapis verdichte, könne sie jedes Metall
auflösen.
52. Johannesbrief I. 7: Quoniam tres sunt, qui testimonium dant in caelo: Pater,
Verbum et Spiritus Sanctus: et hi tres unum sunt. Et tres sunt qui testimonium dant in
terra: Spiritus et aqua et sanguis: et hi tres unum sunt. Es handelt sich wahrscheinlich
um eine späte Interpolation. Vgl. C. G. J u n g , Symbolik des Geistes 1. c. p. 361.
KOMMENTAR 281

Entia in den Bereich des M enschlichen hineingezogen sind, nämlich in


die m enschliche unbew ußte Psyche (in sofern das B lu t als Sitz der anim a
vegetativa g a lt ). So wird d er M ensch selber zum psychischen T räger des
trinitarischen Symbols, mit anderen W orten d er gew öhnliche M ensch,
d er A rtifex, wird d er Gottheit angeglichen . D abei w agt es der A u to r
sogar später, sein alchemistisches B lu t-W asser m it dem B lu te C hristi
im M eß o p fer zu identifizieren h , w ie die A n fü h ru n g von Jo h . V I, 5 6 ,
beweist h. D ie Nutritio des Steines hat somit auch den «m enschlichen »
A spekt einer K om m union mit d er Gottheit, durch die Verm ittlung des
die vegetative Seele enthaltenden n Blutes, d. h. psychologisch der unbe­
w ußten Psyche. W ie Christus paradigm atisch sein B lu t fü r die M ensch­
heit hingegeben h at, so gibt d er A lchem ist seinerseits sein B lu t hin, aber
nicht an die M enschen, sondern an den Stein, und daß er dies tun kann,
em pfindet er als eine G abe oder als W irk u n g des H l. Geistes. Psycholo­
gisch hieße dies, daß der «G eist» des U nbew ußten, d. h . dessen inspi­
rierende und führende Funktion, den M enschen veran laß t, sich mit sei­
nem ganzen W esen der «H erstellu n g» des Selbst, d. h. seiner B ew ußt-
m achung hinzugeben, w odurch das Selbst vom M enschen w ie ein K in d
«genäh rt» w ird *6.
N a ch der B ehandlung des Lapis durch W a sse r oder M ilch und dann
durch B lu t fo lg t als D rittes seine Beseelung.

T ext: W enn er aber in Feuerflammen tauft, dann flößt er die Seele ein und
verleiht die Vollendung des Lebens. Denn das Feuer gibt Gestalt und voll­
endet das Ganze, wie es heißt: Und er blies ihm ein den lebendigen Odem ins
Antlitz, und also ward der Mensch, der vorher tot gewesen war, eine leben­
dige Seele.

So h eiß t es auch in der E xercitatio ( 1 5 ) zur T urba : «U n d am En d e


jener T a g e flößt ihm G ott den Segen des m enschlichen K eim es, näm lich

53. Vgl. hiezu C. G. J u n g , Das Wandlungssymbol in der Messe, in «Von den W ur­
zeln des Bewußtseins» 1. c. p. 287 ff.
54. «Denn mein Fleisch ist die wahre Speise und mein Blut ist der wahre Trank.»
55. In der T u r b a (ed. Ruska, p. 129) ist das «göttliche Wasser» als «sanguis spiri­
tualis» gedeutet, ebenso im Buch A l- H a b ib (cit. J. Ruska ebda. p. 4 2 -4 3 ), wo es heißt:
«Ihr müßt die Kraft des ewigen Wassers kennen lernen . . . weil seine Kraft ein «geisti­
ges Blut» i s t . . . und es verwandelt den Körper in einen G e ist. . . sodaß der Körper, der
dann entsteht, geistig und wie Blut gefärbt wird, d e n n a lle s , w a s S e e le b es itz t, b es itz t
a u c h B lu t.» - Auch bei den Griechen ist Blut ein Synonym für das «göttliche Wasser»
(vgl. z. B. O l y m p io d o r , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II, IV, 38. Vol. I, p. 92 und II,
IV, 44. Vol. I, p. 96 und Z osim os ebda. III, X L III, 5. Vol. I, p. 216).
282 KOMMENTAR

die Seele oder das Leben ein.» D ie drei Stufen entsprechen auch einer
B eifü gu n g von M ilch = W asser, B lu t = «unser Salz» und Fleisch (c a ro )
= anim a oder re x (K ö n ig ) 57, und letzteres geschieht bei «gem äß igtem
F eu er». D ie letzte Stufe ist, wie schon aus obiger Z usam m enstellung
h ervorgin g, eine Inkarnation und zugleich eine Beseelung. F o lg erich ­
tigerw eise erw ähnt daher unser T e x t als dritte W irk u n g des H l. Geistes
die Beseelung A dam s in der Genesis ( I I , 7 ) und h ierauf das berühm te
W o r t des C a l id von der H eg u n g des Em bryo durch W asser, L u ft und
F eu er in je drei M onaten *8.

Text: Die erste, zweite und dritte W irkung (des H l. Geistes) bezeugen die
Philosophen, indem sie sagen: Das W asser bewahrt den Foetus während drei
Monaten im Mutterleibe, die Luft hegt und nährt ihn drei Monate lang, und
in den letzten drei Monaten bewacht ihn das Feuer. Und das Kind wird nie­
mals ans Licht kommen, bevor diese Monate verstrichen sind, dann aber wird
es geboren und von der Sonne belebt, denn diese ist das Belebende aller toten
Dinge.

A lchem istisch handelt es sich bei dieser dritten Stufe um die soge­
nannte άναζωπύρωσις, die «Feuer-N eubelebung *?» und A u fersteh u n g der
T o ten (τά νεκρά σώματα έμψυχοΰνται). D iese N eubelebung geschieht in
unserem T e x t durch die Sonnenbestrahlung, «da die Sonne alles belebt».
D ie «Feuerbeseelung» ist nach m anchen A u toren ein P arallelvorgang
zur W eiß u n g . So sagt Z o s im o s 6o: «D ie W e iß u n g ist eine V erbrennung,

5 6 . Vgl. die Ausführungen von C. G. J u n g z u dem Text von D o r n , wonach die

Herstellung der zweiten Unio durch eine Beimischung von Menschenblut geschieht.
Myst. Coni. Vol. II p. 256.
57. Art. Aurif. 1610 I, p. 117: et in fine illorum dierum Deus infundit benedictionem
germinis humani, animam scilicet seu vitam. Vgl. anderseits auch die christliche Gleich­
setzung von Blut — Wasser - Geist, wie sie H . R a h n e r in seinem Aufsatz «Flumina
de ventre Christi», Biblica, Vol. 22. Rom. 1941 (Pontificio Istituto Biblico), p. 277
und bes. p. 370-371, 373 und 381 zusammengestellt hat. - Auch sagt z. B. H o n o r i u s
v o n A u t u n , Specul. de myst. eccles. Migne, P. L. tom. 172. col. 910: aus dem Blut und

Wasser der Seitenwunde Christi würde die Kirche gebildet: sanguine redimitur, aqua
abluitur.
58. Vgl. oben Anmerkungen zum Text. Ferner Senior, De Chemia 1. c. p. 87-88,
und den Kitäb-al-Hablb, in B e r t h e l o t , La Chimie au Moyen-äge, Vol. III. p. 92, 97,
109. Und E. v. L i p p m a n n , Alchemie. 1. c. Vol. I p. 47, und die T a b u la s m a r a g d in a ed.
Ruska p. 3 ff, worin der Lapis ebenfalls ein «kosmisches» Kind ist.
59. Vgl. u. a. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III. LVI. 3. Vol. I p. 252 und III.
LVI. 2. Vol. I p. 251 und III. V III. 2. Vol. I p. 142: «Versage nicht den Toten zur
Auferstehung (anastasis) zu gelangen».
6 0 . B e r t h e l o t . Coli. Aich. Grecs. III. X L . 2 . Vol. I p . 2 1 1 .
KOMMENTAR 283

und diese ist eine belebende Feuerbeseelung (άναζωπύρωσις); denn er


(d e r Stoff) verbrennt sich in sich selber und belebt sich durch F euer
selber und befruchtet sich selber und schw ängert sich und gebiert das
gesuchte Lebewesen (ζωον) der Philosophen.» Im F eu er der M a trix
erhält das g eform te Lebewesen «F arb e, G estalt und A usdehnung», um
dann sichtbar geboren zu w e rd e n 61. Ä hnlich h eiß t es bei K o m a r i o s 626
345,
durch das F eu er entstehe eine V erk läru n g und R eifun g der Elem ente
«und die in Göttlichkeit gew andelte M aterie, da diese im F eu er genährt
wird, wie d er Em bryo im M utterleib allmählich heranwächst». D ie
M ateria aufersteht «in natürlicher Lebendigkeit w ie ein K in d aus dem
M u tte rle ib » . . . «D enn die K u n st ahm t die G estaltung eines K indes
nach, und w enn sie in allem vollendet w urde - siehe das ist das v er­
siegelte M ysterium 63.» In der A u ro ra geschieht die Feuerbeseelung je­
doch nicht nur durch Feuer, sondern (w ie das G enesiszitat II, 7 , aus­
sag t) durch göttlichen A nhauch, d. h. durch das Pneum a G ottes, m it
dem die m enschliche Seele consubstantiell gedacht ist. D ie Seele ist als
vapor oder W asserd am p f auf g e fa ß t 6L D ies entspricht der stoischen
A u ffassu n g der Seele als άναθυμιασις = A u fw allu n g, A ushauch des B lu ­
tes 6* oder als L u f t 66 oder als w arm es P n e u m a 6?, w elches ebenfalls die
Substanz der feinstofflichen G ottheit ist und im M enschen den ενθουσιασ­
μός (G ottergriffen h eit) und die «luftigen B ild er der T räu m e» erzeugt.
A u ch bei dem G nostiker S im o n M agus ist die L u ft das M ittelw esen
zwischen G eist und E rd e, «in ihr ist der V ater, der alles nährt und
h e g t 68». Ä hnliche A nschauungen spiegelt ein herm etisches F ragm en t

61. B erthelot. ebda. III. X L III. 5. Vol. I p. 216. Vgl. auch III. V. 17. Vol. I.
p. 132 und B erthelot. La Chimie au Μ. A. 1. c. III. p. 98 und R. Reitzenstein. Alche-
mistische Lehrschriften etc. 1. c. p. 75 und 83.
62. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. IV, X X 10. Vol. I p. 293. Vgl. Carmina H e l i o ­
d o r i, ed. Goldschmidt, a. a. O. p. 28-31.
63. Vgl. auch ebda. p. 338 und V, III p. 344 und Senior, De Chemia p. 16, 19, 30,
44, 58-59 und 77. T u r b a p. 137-138, 163.
64. Vgl. z. B. T u r b a , a. a. O. p. 142.
65. Vgl. A r i s t o t e l e s De anima 1. 2. 405 a, 25. A r e i o s D i d y m o s 39.2, C h r y s i p p
bei G a l e n : H i p p o k r . et Plato 3. 1 . D i o g . L a e r t . 7 .1 5 6 . M a c r o b i u s , Somn. Scip. 1. 14.
19. T e r t u l l i a n de anim. 5. P l o t i n 4. 74. A l e x . A p h r o d . De an. 26. 13. N e m e s i o s ,
de nat. hom. c. 2 usw. cit. bei S c o t t III p . 612.
66. Vgl. E. v . L i p p m a n n : Alchemie, Bd. I, p. 133.
67. L e i s e g a n g , Der Hl. Geist, a. a. O. p. 26 ff.
68. L e i s e g a n g , Gnosis a. a. O. p. 81. Vgl. auch 2 ur antiken Auffassung der Luft
D i d y m o s , de Trinitate 756 B. ( W . S c o t t , Hermetica I p. 542.) Das Pneuma ist das
284 KOMMENTAR

w ider 6?\ die erw ärm te M aterie w ird zu F eu er und W asser. Indem das
Feuer das W asser austrocknet, entsteht die E rd e. E in D a m p f aus Feuer,
E rd e und W asser erzeugt die L u ft. L etztere k om m t zusam m en «gem äß
dem L ogos der H arm on ie», und aus dem Zusam m enhauchen der ent­
gegengesetzten Q ualitäten entsteht ein Pneum a und Sperm a, das dem
göttlichen Pneum a entspricht. «A us diesem schöpferischen Pneum a ent­
steht in der M a trix des K i n d . . . » E in e ähnliche Entstehung eines « K in ­
des» aus den kosm ischen Elem enten der F e u e r-L u ft beschreibt auch die
Logosvision des G nostikers V a l e n t i n u s :

Ich schaue, w ie alles am Ä th er m it Pneum a gem ischt ist.


Ich erfasse im G eiste, w ie alles vom Pneum a getragen w ird.
Fleisch hän gt sich an die Seele
Seele w ird von L u ft em porgetragen
L u ft h än gt sich an den Ä th er
A us der T ie fe heben sich F rü ch te em por
A us dem M utterleib w ird ein K in d gehoben 7°.

E in e w eitere P arallele bildet auch die W o lk en geb u rt des M enschen­


sohnes in der V ision in IV . E sra 13 71: «da träum te ich des N ach ts einen
T rau m : siehe da stieg ein gew altiger Sturm v om M eere a u f . . . Ich
schaute: siehe da fü h rte jener Sturm aus dem H erzen des M eeres etwas
w ie einen M enschen hervor. Ich schaute: siehe dieser M ensch flog m it
den W o lk e n des H im m els. U n d w ohin er sein A n litz w andte und h in ­
blickte, da erbebte alles, was er anschaute und w ohin die Stim m e seines
M undes gin g, da zerschm olzen alle, die seine Stim m e vernahm en, wie

γόνιμον εν. Auch im A s k l e p i o s lat. (ebda.) gilt die Luft als Instrument des Alls, durch
das alle Dinge ins Werden treten und alles Seiende, Sterbliches und Unsterbliches
verbunden wird, indem der Geisthauch (spiritus) die ganze W elt bewegt. Vgl. auch
christlich: E p h r a e m S y r u s : Hymni a. a. Ο. I ρ . 1 6 der die Luft preist, weil sie in ihrer
Reinheit alles durchdringe und so sogar den Herrn im Mutterleib entstehen sah. (Man
vgl. die Worte C a l i d s ! )
69. S c o t t . H e r m e t i c a I p . 438. - S t o b a e u s I 47. 7.
70. Cit. aus H. Leisegang, Gnosis a. a. O. p. 283. Vgl. die dort wiedergegebene
Interpretation des Hippolytos z u dieser Stelle. Von Simon Magus wurde erzählt, er
hätte einen Homunculus hergestellt, indem er menschliches Pneuma in Wasser und dann
in Blut und dann zu «Fleisch» gerinnen ließ. (L ippmann, Alchemie a. a. Ο. I, p. 224.)
71. K a u t z s c h , Die Apokryphen und Pseudoepigraphen des A. T. 1 9 0 0 , Teil
II, p. 395.
KOMMENTAR 285

W ach s zerfließt, w enn es F eu er verspürt.» D ie einzelnen Z ü g e dieser


Schilderung kehren, w ie R . R e i t z e n s t e i n bem erkt 7 % auch im M ani-
chäism us w ieder. So h eiß t es bei Shitils A u fstieg, W in d e hätten ihn h in ­
geholt, Stürm e ihn em porgehoben und in die Lichtw olke gestellt; und
in einem G edicht spricht der m anichäische «U rm ensch » 73 :

Ich bin ein g ro ß e r M an a 333

der ich im M eere w ohnte


Ich w ohnte im M eere
bis m an m ir F lü g el bildete

bis ich w urde ein G eflügelter


und m eine F lü g el zum L ich to rt em porhob.

Ä hnlich h eiß t es vom Lapis in den C arm ina H e l io d o r i 74 , er bleibe 334

«lange eine verborgene F ig u r im M utterleibe und ruft wie ein Schatz in


d er T ie fe um B efreiu n g - er findet sich, w o im m er M enschen w ohnen,
er geht vom M eer in die W olken em por u nd schreitet ühers M eer im
W o lk en k leid e . . . und er sitzt in der W o lk e w ie ein leichter R auch er­
höht durch ein inneres F e u e r 7s». (D asselb e m eint auch der berühm te
Satz der Tabula Smaragdina: D e r W in d tru g ihn in seinem B au ch e.)
A u f derartige alchem istische Tatbestände spielt der A u to r der A u ro ra 335

w ohl an, w enn er die W asser-, B lut- und F euertau fe im H l. Geiste, d. h.


im göttlichen W a sse r enden läß t m it der Calidschen Beschreibung der
Pflege des Lapis als Em bryo durch W asser, L u ft und Feuer. D abei ergibt
sich aber, daß die drei hegenden E lem ente eigentlich eines sind, d. h.
eine triunitas bilden - eben entsprechend dem «philosophischen C redo, 72345

72. Das Iranische Erlösungsmysterium a. a. O. p. 121-122.


73. Cit. ebda. p. 49-50. Vgl. auch das frühchristliche Apokryphon bei S a l o m o n v o n
B a s r a in der «Biene» (cit. ebda. p. 100): «At the end of the time and at the final dissolu-
tion a c h ild s h a ll b e c o n c e iv e d in the womb of a virgin . . . And he shall be l i k e a t r e e . . .
laden with fru it. . . then he will come with the armies of light and b e b o r n e a l o f t u p o n
w h it e c lo u d s , for he is a child conceived by the Word which establishes natures.»
(E. A. W a l l i s B u d g e , Anecdota Oxoniensia. S a l o m o n v . B a s r a : Die Biene, Kap. 37.)
74. ed. G o l d s c h m i d t 1. c. p. 28. Vers 70 ff .
75. Vgl. auch S e n i o r , 1. c.p. 16-19 und p. 30: Significant ergo per mediatorem
aerem . . . quod natus Sapientiae in aere nascitur, quando sublimatur ad alembicum
propter quod fit aqua vivificans terram illorum et embrionem, qui est terra, qui est
anima ex corpore eorum. Vgl. auch p. 44.
286 KOMMENTAR

das auf der D reizahl beruht». Es fällt auf, daß im T e x t der A u ro ra die
D reih eit der E lem ente nicht im m er ganz klar feststeht, indem es sich
dabei bald um W asser, B lu t und Feuer, bald um W asser, L u ft und
Feu er handelt - in beiden F ällen feh lt jeweils die E rd e. D ies ist psycho­
logisch bedeutungsvoll. Ü berblickt m an näm lich die Entw icklung, w el­
che in der inneren Auseinandersetzung der letzten T extp artien stattge­
funden hat, so läß t sich eine allm ähliche V erschiebung des Schw erge­
wichtes nach der Bewußtseinsseite hin beobachten. D as B ild der Sapien­
tia D ei ist sow ohl in ihrem lichten, als auch chthonischen A spekt (z . B .
als «F rau , die den T o d b rach te») zurückgetreten, und die durch den
Einbruch ihres Bildes erzeugte K on tam in ation des Bew ußtseins m it dem
U nbew ußten ist durch «Sam m lung», «A blution» und durch den «G eist
der Einsicht» w eitgehend w ieder aufgehoben w orden. D ieselbe num i-
nose G egebenheit, die v orh er als Sapientia bezeichnet w urde, ist abge­
löst von der - oder auch übergegangen in die - H ypostase des H l. G ei­
stes, dessen W irk u n g en der V erfasser hym nisch preist. Schmutz und
W e lt sind «h inausgew orfen», und auch die Identität des A lchem isten
m it dem «Filius p hilosophorum », die zuvor öfters im T e x te durchschim ­
m erte, scheint kaum m ehr vorhanden. Es ist, als ob der V erfasser durch
sein V erstehen, welches ihm die traditionelle alchem istische Symbolik
erm öglichte, etwas D istanz zu seinem Erlebnis gew onnen hätte. N a ch
einer anfänglichen Ü berschw em m ung von unbew ußten Inhalten scheint
er allm ählich zu einem bew ußten Standpunkt und zu innerer R uhe zu­
rückgelangt zu sein. D azu h at ihm die ternarische Struktur seines p h ilo­
sophischen C redo verh olfen ; denn w ie J u n g in «Sym bolik des Geistes»
d arlegt 7 ^ begünstigt ein ternarisches O rdnungsschem a eine relative
Em anzipation des Bew ußtseins gegenüber dem bloß N atu rh aften . «D ie
D reih eit ist ein A rchetypus, der m it dom inierender K ra f t eine geistige
Entw icklung nicht nur begünstigt, sondern gegebenenfalls auch er­
zw ingt 7 7 .» Sie ist aber kein natürlicher G anzheitsausdruck, im G egen ­
satz zur Q uaternität.
D ies hän gt m it der Struktur unseres Bew ußtseins zusam m en, welches
au f vier O rientierungsfunktionen aufgebaut zu sein scheint ?8, w ovon 768

76. Symbolik des Geistes 1. c. p. 399.


77. Cit. l.c .p .4 3 5 .
7 8 . Für Näheres muß ich hier auf C. G. J u n g , Psychologische Typen (Zürich 1920)
passim verweisen, bes. p. 646. und auf: Symbolik des Geistes 1. c. p. 396.
KOMMENTAR 287

durchschnittlich höchstens drei dem Bew ußtsein zur V erfü g u n g stehen.


D ie vierte Funktion, w elche J u n g als die inferiore Funktion bezeichnet,
befindet sich meistens in einem zurückgebliebenen, m it dem U n b ew uß ­
ten kontam inierten Z ustand und weist prim itive, archaische Z ü g e auf.
G leichzeitig stellt sie aber die Beziehung zum kollektiven U nbew ußten
m it seinen tiefreichenden symbolischen Beziehungen und Bedeutun­
gen her 79 .

Setzen w ir som it das alchem istische V ier-Elem ente-Schem a m it den 337


psychologischen Funktionen in Beziehung, so w ürde das Fehlen des
Elem entes der E rd e darauf schließen lassen, daß eine der vier F un k tio­
nen beim A u tor im U nbew ußten verblieben ist. D as Feh len des E lem en ­
tes E rd e bedeutet dabei speziell, daß die Beziehung zur Stofflichkeit und
konkreten W irk lich k eit f e h l t 798o. W ir müssen daher annehm en, daß der
L ösung des Problem s, wie sie in diesem T eil der A u ro ra dargestellt ist,
die Bedeutung einer geistigen Intuition zukom m t, daß jedoch eine indi­
viduelle R ealisierung noch nicht m öglich ist.
D iese Schwierigkeit, das alchem istische M o tiv der v ier Elem ente m it 338

der christlichen V orstellu n g der D reieinigkeit in Ein k lan g zu bringen,


liefert ein w eiteres Beispiel fü r jenes verbreitete Schwanken zwischen
D rei und V ier, von w elchem J u n g s a g t 81: «Es m uß . . . hervorgehoben
w erden, daß neben der deutlichen N eig u n g der A lch em ie (w ie auch des
U n b ew uß ten ) zur Q uaternität eine im m er w ieder betonte U nsicherheit
zwischen drei und vier be s t e ht . . . In der A lchem ie gibt es vier sowohl
als drei «regim ina» (V e rfa h re n ), vier und drei Farben. Es gibt zw ar
im m er vier E lem ente aber öfters sind drei zusam m engefaßt, und eines
h at eine Sonderstellung: bald ist es die E rd e, bald das F e u e r . . . D ie
U nsicherheit weist au f ein Sow ohl-als-A uch h in ; d. h. die Z en tralvor-

79. Symbolik des Geistes 1. c. p. 367 und p. 340


80. ebda. p. 342. Vgl. auch J ungs Darlegung, daß das trinitarische christliche Den­
ken daher nicht nur einer patriarchalen Gesellschaftsordnung entspricht, sondern
auch den Menschen befähigt, «gegen die Natur zu denken und dam it. . . seine göttliche
Freiheit zu erweisen» (ebda. p. 412.) Sie befähigt ihn zur Reflektion und zur Einnahme
eines rein geistigen Standpunktes. Die Quaternität hingegen, wie sie in den antiken philo­
sophischen und naturwissenschaftlichen Anschauungen lebte, war bloß natürlich und
«die unreflectierte Anschauung des naturgebundenen Geistes», (p. 412) D a s Q u ater-
n itä ts s c h e m a le g t «rd e m trin ita rise h en D e n k e n d i e F e s s e l d e r W i r k lic h k e it d ie s e r W e l t »
an (p. 414). M it d e m V ie r te n ist j e w e ils d a s P r o b le m d e r « V e r w ir k lic h u n g » g e s te llt.
(1. c. p. 404.)
81. Psychologie und Alchemie, p. 45 f.
288 KOMMENTAR

Stellungen sind sow ohl quaternarisch w ie ternarisch. D e r Psycholog


kann nicht um hin, auf die T atsach e zu verweisen, daß auch die Psycho­
logie des U nbew ußten eine ähnliche P erp lexität kennt: D ie am w enig­
sten differenzierte, sog. «m inderw ertige» Funktion ist m it dem kollek­
tiven U nbew ußten derm aßen kontam iniert, daß sie beim B ew ußtw erden
neben andern auch den Archetypus des Selbst m it sich b r i n g t . . . V ier
h at die Bedeutung des W eiblich en , M ütterlichen, Physischen, D re i die
des M ännlichen, V äterlichen, G eistigen. D ie U nsicherheit zwischen V ier
und D rei bedeutet also soviel als ein Schwanken zwischen G eistig und
P hysisch82 8345.. . »
339 W en d en w ir uns zu unserem T e x t zurück, so fällt m it der Entschei­
dung des A utors fü r eine ternarische Form u lieru n g seines C redo die
T atsach e zusam m en, daß die weibliche G estalt der Sapientia verschw un­
den und an ihre Stelle die m ännliche H ypostase des H eiligen Geistes g e ­
treten ist. D ie Identität der beiden w ird im T e x t u. a. daraus ersichtlich,
daß beide - frü h er die Sapientia und nun der H l. G eist - m it dem h eil­
bringenden W asser der K u n st identifiziert w erden.
340 D ie H ypostase des H l. Geistes h at im L au fe der G eschichte öfters
solche N eigu n g en gezeigt, sich in ein Fem in in um zu verw andeln. E r
w urde dann gleichsam als M u tter C hristi au f g e fa ß t 83, w odurch sich
jedoch die T rin ität in ein bloß naturhaft-archaisches B ild von V a te r -
M u tter - Sohn verw andelte, w ie J ung in «Sym bolik des G eistes» d ar­
legt 84 . In der offiziellen T rad itio n der K irch e hingegen stellt er den
Lebensatem und die Liebe zwischen dem V a te r und Sohn dar, und dam it
ist er «essentiell ein Reflektiertes und als N oou m en on H ypostasiertes
dem N atu rb ild e V ater-Soh n h in z u g e fü g t8*.» In letzterer F o rm ist der

82. W ie J ung in «Symbolik des Geistes» darlegt, bringt eine trinitarische Auffas­
sung ein Abschneiden der vierten, sog. minderwertigen Funktion mit sich. «Diese eigen­
artige Spaltung ist, wie es scheint, eine Kulturerrungenschaft und bedeutet bereits eine
Befreiung des Bewußtseins von allzu strenger Verhaftung an den Geist der Schwere.
Wenn es jene Funktion, die noch unlösbar am Vergangenen und an den bis ins Tier­
reich zurückgreifenden nächtlichen Wurzeln hinter sich zurücklassen und sogar ver­
gessen kann, so hat es eine neue, nicht ganz illusionäre Freiheit gewonnen, mit beflü­
geltem Fuß Abgründe zu überspringen. Es kann sich von der Verhaftung an Sinnes­
eindrücke, Emotionen, faszinose Gedanken und Ahnungen durch und in die Abstrak­
tion befreien.» (p. 396 ff. Vgl. auch p. 4 l 2 i f .) Vgl. auch: Psychologie und Alchemie,
p . 218 ff.
83. Belege vgl. C. G. J ung Symbolik des Geistes 1. c. p. 392.
84. 1. c. p. 388.
85. cit. l.c .p . 388.
KOMMENTAR 289

H l. G eist «psychologisch heterogen, indem er logisch aus dem V erh ält­


nis von V ater und Sohn nicht abzuleiten ist, sondern als Vorstellung nur
aus d er Einschaltung eines m enschlichen Reflexionsvorganges zu begrei­
fe n is t 86». « E r ist nicht nur das dem V ater und Sohn gem einsam e Leben,
sondern er ist vom Sohne als Paraklet auch den M enschen hinterlassen,
daß er in diesen zeuge und W e rk e der G otteskindschaft hervorbringe 87 .»

D urch ihn w ird daher die T rin ität ein Symbol, das g öttlich e und m ensch­
liche W esen h eit u m f a ß t88890.
J u n g fü h rt im w eiteren aus, daß in der D eutu n g des H eiligen Geistes
als M u tter insofern ein w ahrer K e rn liege, «als M a ria das W erk zeu g
der G ottesgeburt w ar und dam it als M ensch in das trinitarische D ram a
verflochten w urde. D ie Gestalt d er Gottesmutter kann daher als Symbol
d er essentiellen A nteilnahm e d er M enschheit an d er Trinität g e lte n 8*.
D ie psychologische B erech tigun g dieser A n n ah m e beruht au f dem U m ­
stand, daß das D enken, das ursprünglich au f d er Selbstoffenbarung des
U nbew ußten beruht, als M anifestation einer außerbew ußten Instanz
em pfunden w ird. D em Prim itiven stößt das D enken zu, und auch w ir
empfinden gewisse besonders erleuchtende E in fälle noch als E in h a u ­
chungen’ (In sp ira tio n e n ). W erd en aber G edanken, insbesondere U r­
teile und Erkenntnisse durch unbew ußte Tätigkeit dem Bewußtsein
übermittelt, so wird hierzu oft merklich d er Archetypus einer gewissen
weiblichen Gestalt, nämlich d er A nim a, der M utter-Geliebten, verw en­
det 9°. Es erscheint dann, als ob die Inspiration von der M u tter oder der
G eliebten, der ,fem m e inspiratrice’ her erfolge. D aher hätte der H eilige
G eist N eig u n g , sein N eu tru m (τό πνεύμα) gegen ein Fem ininum u m ­
zutauschen . . . H eiliger G eist und Logos verschw im m en im gnostischen
B egriff der Sophia (W e is h e it), wie in der «Sapientia» der m ittelalter­
lichen N aturphilosophie, und von ihr h eiß t es: ,in grem io m atris sedet
sapientia p atris’.»
D iese A usführungen J u n g s w erfen ein L ich t auf die psychologischen
Geschehnisse, die in der A u ro ra ausgedrückt sind. D ie T atsache, daß
hier das «N um inose» zuerst als Sapientia, d. h. als weibliche G estalt,

86. eit. p. 389.


87. cit. l . c . p . 389.
88. l.c .p . 391.
89. Von mir gesperrt.
90. Von mir gesperrt.
290 KOMMENTAR

au ftrat, läß t annehm en, daß sich überw ältigende neue Erkenntnisse dem
B ew ußtsein des V erfassers annäherten, und daß dabei die A n im a als
V erm ittlerin konstelliert w ar. T ritt sie später zurück, so ist w ohl daraus
abzulesen, daß inzwischen ein m enschlicher R eflexionsvorgang einge­
schaltet w urde, der das E rleb te in eine geistige O rd nu n g einzubauen
versucht hat. D ies brachte aber auch unverm eidlich einen relativen Rück­
zug vom Unbewußten m it sich, der sich im T e x t symbolisch in der A u s­
sonderung des Elem entes E rd e bem erkbar m acht. W ie w ir aber zuvor
sahen, ist die E rd e ein A spekt der Sapientia selber, gleichsam ihre eigene
chthonische Seite 91, die nun ausgesondert w ird.

Text: «Aus diesem Grunde heißt es von dem erwähnten Geist infolge sei­
ner siebenfältigen Gabe, daß er sieben Kräfte besitze bei seiner Einwirkung
auf die E r d e . . . »

D as E lem ent E rd e feh lt zw ar, wie diese T extfo rtsetzu n g zeigt, nicht
völlig, aber es ist aus der vom A u to r gepriesenen T ria d e seines p h ilo­
sophischen C redo gleichsam ausgeklam m ert und erscheint als das der
T riad e G egenüberstehende, als ein passives, unvollkom m enes, zu be­
arbeitendes E lem ent.
W e n n w ir diese T extp artie m it den oben dargelegten Z usam m enhän­
gen m it dem V ier-Funktionenschem a des Bew ußtseins in V erbindung
setzen, so w ürde die A ussonderung des vierten Elem entes, der E rd e,
darau f schließen lassen, daß eine Schw ierigkeit fü r das Bew ußtsein ent­
standen ist, die vierte, sog. m inderw ertige Funktion zu assim ilieren.
D iese w äre durch das E lem ent E rd e dargestellt, w obei die m inderw ertige
Funktion beim M an n e jeweils erst noch m it der A n im a und dem kollek­
tiven U nbew ußten kontam iniert ist ?2.

91. Ich habe vorher das Fehlen der Erde als mangelnde Realisation, hier nun als
Rückzug vom Unbewußten gedeutet - für einen Kenner der psychologischen Tatbestände
ist dies nicht ein Widerspruch, indem eben tatsächlich eigentümlicherweise der Rück­
zug vom Unbewußten einer Unbewußtheit in höherem Sinn entspricht und daher einer
mangelhaften Realisation.
92. Vgl. C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie 1. c. p. 214: «In der Funktionspsy­
chologie sind zunächst zwei Funktionen, die differenzierte und deren Auxiliärfunktion
bewußt, also männlich . . . Da nun der Gegensatz zwischen den beiden Auxiliärfunk­
tionen längstens nicht so groß ist wie zwischen der differenzierten und der minder­
wertigen Funktion, kann auch die dritte, nämlich die unbewußte «auxiliäre» Funktion
ins Bewußtsein gehoben und dadurch männlich werden. Sie wird aber etwas von ihrer
Kontamination mit der minderwertigen Funktion mit sich nehmen und dadurch eine
gewisse Vermittlung mit dem Dunkel des Unbewußten bilden. Dieser psychologischen
KOMMENTAR 291

Erscheint der Schritt von D rei zu V ier allzu schw ierig, so zeigt sich 346

o ft im unbew ußten M aterial eine V erd op pelu n g dieser Z ah len , und der
problem atische Schritt fü h rt dann von der Sieben zur A ch t, wobei die
inferiore Funktion gleichsam um die H ä lfte verm indert erscheint. D iese
V erd op pelu n g stellt som it einen psychologischen D ifferenzierungs­
prozeß dar.
D am it stim m en gewisse symbolische Erläuteru n gen zur Z ah l Sieben 347
überein, w elche R . A l l e n d y in seinem B uch «L e symbolisme des
nom bres 93 » vorb rin gt. Seiner A nsicht nach entsteht die Sieben durch
eine doppelte D ich otom ie (Z w eiteilu n g ) der D re i:

und er bem erkt, daß diese D erivation der Sieben von der D re i die R egel
progressiver Serien w darstelle. W ä h re n d die Vierheit den Zirkel in sich
selbst verlaufender Naturprozesse abbilde, stelle die Sieben die evolu-
tiven K reise eines spiralförm igen Fortschritts dar. N ach J a k o b B o e h m e ?*
gibt es im K osm os sieben organisierende G eister, w elche die ew ige W e is ­
heit (Sapientia D e i!) verw irklichen. Sie bestehen aus einer oberen T riad e
(B eg eh ren , B ew egung, U n ru h e ) und einer unteren natürlichen T riad e
(L ieb e, W o rt, K ö rp e r) und einem M ed iator, dem Blitz oder Feuer, w el­
cher den K on tak t zwischen N a tu r und G eist herstellt. A u ch in anderen

Tatsache entsprechend unterlag auch der Heilige Geist der häretischen Deutung als
Sophia. . . Die vierte Funktion ist mit dem Unbewußten kontaminiert und zieht, wenn
bewußt gemacht, das ganze Unbewußte mit sich . . . Zunächst aber bricht jener heftige
Konflikt aus in den jeder vernünftige Mensch geriete, wenn ihm evident würde, daß er
den absurdesten Aberglauben zu schlucken hätte.»
93. Paris, 1948, p. 172 ff.
94. Unter progressiver Serie versteht man eine Serie von Zahlen, die so angeordnet
sind, daß die Ratio ihrer Beziehung zunehmend oder abnehmend constant bleibt (meine
Fußnote).
95. De signatura rerum X IV . 10. cit. ebda. p. 179.
292 KOMMENTAR

Systemen der Zahlensym bolik stellt, nach A l l e n d y , die Sieben den Z u ­


sam m enstoß einer oberen geistigen T riad e m it einer unteren natürlichen
Q uaternität dar ?6.
D iese Am plifikationen scheinen m ir geeignet, die siebenfältigen W i r ­
kungen des G eistes, die in der nachfolgenden T extp artie näher beschrie­
ben sind, zu erhellen, und auch zu erklären, wieso unser A u to r unver­
m ittelt von der Beschreibung der drei W irk u n g en des H l. Geistes auf
seine siebenfältigen G aben oder sieben K rä fte zu sprechen kom m t. D ie
sieben K räfte beziehen sich, wie es heißt, auf seine Einw irkung auf die
Erde, welche dam it das ausgesonderte vierte (bzw . ach te) E lem ent d ar­
stellt. D ie E rd e aber ist, w ie w ir aus den früheren Parabeln wissen, die
«schwarze E rd e» und die «F rau » im A b gru nd der Sünde und der H ölle.
O bw ohl der V erfasser bew ußt kaum an seiner eigenen Christlichkeit
zw eifelt, scheint ihm das Einbauen dieses Elem entes in sein alchem isti-
sches und christliches W eltb ild doch Schw ierigkeiten zu bereiten. A u ch
der A lchem ist J o h . M en n en s nennt die M aterie in A n leh nu n g an kab­
balistische V orstellungen «um bra D ei» oder die «posteriora D ei 97 ».

N ach der m ittelalterlichen Zahlensym bolik w ar der M ateria p rim a der


Q uaternarius zugeordnet 98. D aß diese Schw ierigkeit in der A u ro ra spe­
ziell im Zusam m enhang m it der Beschreibung des H eiligen Geistes au f­
taucht, ist nicht zufällig, denn dieser ist, w ie J u n g in «Symbolik des
Geistes 99» ausführlich d argelegt hat, diejenige F ig u r d er T rin ität,
w elche die Brücke zum verw orfenen «V ierten », dem Bösen, bildet. E r
ist die H interlassenschaft C hristi an die M enschen, deshalb «atm et der
H eilige Geist auch aus dem M enschen und atm et dam it auch zwischen
den M enschen, dem Sohn und dem V a te r» . A ls « T rö ste r» , Paraklet, des
am «V ierten» d. h. am Bösen leidenden M enschen ist er aber zudem «in
einer quaternarischen A nschauung eine V ersöh n u n g der G egensätze
und dam it die A n tw o rt auf jenes Leiden in der G ottheit, das Christus 9678

96. Beispiele vgl. ebda. p. 181 ff.


97. J o h . M e n n e n s , Aurei Velleris etc. Theatr. Chem. 1622 V, p. 334: Nomen itaque
Dei quadriliterum sanctam T r in ita te m designare videtur et m a te r ia m , quae etiam triplex
existit, ut ante tradidimus, quae et umbra eius dicitur et a Moyse posteriora Dei. Vgl.
K n o r r v . R o s e n r o t h , Kabbala Denudata, Frkf. 1677. Vol. I, p. 73 u. 581 und Vol. II,
p. (29) Ende.
98. M e i s t e r D i e t r i c h , De miscibilibus in mixto: Quod illud, quod est materia
prima, est in se multa et plures et secundum numerum quaternarium in ordine ad 4
elementa (Vgl. E. K r e b s , Beitr. 2 . Gesch. der Phil, des M. A., V, Heft 5-6, p. 4 6 ).
99. 1. c.p. 412 ff.
KOMMENTAR 293

personifiziert I0°». Der Autor war, wie wir sahen, durch seine Begegnung
mit der Sapientia D ei unerwartet mit dem Problem des Bösen, der
dunklen Seite Gottes zusammengestoßen, und so bedurfte er in beson­
derem M aße des Hl. Geistes, der die Gegensätze in Gott versöhnt. D ar­
um setzt er diese Hypostase der Gottheit speziell mit der «aqua divina»
des alchemischen Werkes gleich und erhebt sie im Folgenden zum
eigentlichen Operator im W erk, der die W andlung der schwarzen Erde
vollbringen soll.
Zusammenfassend könnte man das bisherige Geschehen psychologisch 349
folgendermaßen interpretieren: der zu Beginn geschilderte Einbruch des
kollektiven Unbewußten - zuerst im sublimen Animabild der Sapientia
D ei personifiziert - hat zu einer Überwältigung des Bewußtseins durch
das Unbewußte geführt. In dieser dunklen Nacht sind alle verdrängten
Schattenelemente, die heidnischen Äthiopier und die sündigen Töchter
Zions, hervorgetreten, so daß der Verfasser in eine tiefe Depression ver­
sunken ist. Um sich vor völliger Auflösung zu retten, ruft er nun seine
bewußten christlichen Auffassungen zu H ilfe und bittet den Heiligen
Geist, er möge ihm helfen, die dunkle Erde (= das ihn deprimierende
Unbewußte) zu läutern und zu reinigen. N ur E ines bleibt unklar und
wird im Text nur indirekt ausgesprochen: d ie d u n k le E rde ist ja selber
d ie Sapientia D e i! Er ruft somit, wie Hiob, Gott gegen Gott zu H ilfe 101.
Eine geheime Enantiodromie ist geschehen; was zuerst einbrach, war das
lichte Bild der Sapientia Dei, im Folgenden aber hat sie sich allmählich
zu einer zu bearbeitenden Dunkelheit gewandelt. Man sieht, warum der
Verfasser zur rettenden alchemistischen Sprache greift, denn nur in ihr
konnte er ein so paradoxes Erlebnis überhaupt formulieren.

Text: Erstens erwärmt er (der Geist) die Erde, die vor Kälte tot und kahl 350
ist. . . weshalb der Prophet sagt: Es glühte mein Herz in mir, und Feuer ent­
brannte bei meinem Werke. Und im Buch von der Quintessenz heißt es: Das
Feuer dringt ein und verfeinert durch seine Wärme, und es verzehrt alle erd­
haften und allzu materiellen und formlosen Bestandteile. Solange nämlich
das Feuer Stoff hat, hört es nicht auf zu wirken, indem es der passiven Sub­
stanz seine Form einprägen will.

D ie Erläuterungen der siebenfältigen W irkung des Heiligen Geistes 351

100. Symbolik des Geistes, p. 413.


101. Vgl. die Ausführungen von J ung, Antwort auf Hiob, Zürich 1952, p. 18 ff.
294 KOMMENTAR

bilden eigentlich eine Amplifikation des im ersten Teil der Parabel von
den drei Wirkungen Gesagten. Zunächst ist der Geist wiederum als
Feuer geschildert, welches eine wärmende und reinigende W irkung auf
die kalte Erde ausübt. Damit der «moralische» Aspekt dabei nicht über­
sehen werde, vergleicht ihn der Verfasser mit dem verborgenen Zorn­
feuer, welches David gegen seine Feinde und gegen die Sünder aus­
sandte102. Das «Kompakte» der passiven Erde, welches von diesem
Feuer geläutert, sublimiert und geprägt wird, ist somit dasselbe wie der
innere Feind und die Sünde, und auch identisch mit den Äthiopiern und
sündigen Töchtern Zions der vorhergehenden Parabeln.

Text: Und C alid minor sagt: Erwärmt die Kälte des einen durch die
Wärme des anderen; ebenso sagt S en io r : Verfestigt das Männliche über dem
Weiblichen, und das heißt das Warme über dem Kalten.

D ie C a l i d - und SENiORzitate erhellen die W irkung des Hl. Geistes


als einen Ausgleich der Gegensätze durch das bekannte Bild der Con-
iunctio von Mann ( - aktiv, warm) und Frau (= passiv, erdhaft, kalt).
Durch die warme Anteilnahme des Bewußtseins soll das Unbewußte
gewandelt und geprägt werden, wobei nicht zu übersehen ist, daß damit
auch das Obere, der Geist, in die untere W irklichkeit, die Physis, hin­
absteigt.

Text: Zweitens löscht der Geist das (einmal) ausgedehnte innewohnende


Feuer (gerade) durch die Entzündung, wovon der Prophet sagt: Und Feuer
ward unter ihrer Versammlung angezündet, und die Flamme verbrannte die
Gottlosen auf Erden; er löscht dieses Feuer in seinem eigenen inneren Maß,
weshalb angedeutet wird: In der Hitze Glühn ist Kühlung. Und C alid minor:
Löscht das Feuer des einen durch die Kälte des anderen.

D ie zweite W irkung des H l. Geistes ist ein Sich-in-sich-selber-Ver­


zehren und ein Löschen des Geist-Feuers, das zugleich wie ein H öllen­
feuer die Gottlosen vernichtet io3 . Es handelt sich hier wohl um die
alchemistische Idee, daß «die Natur die Natur besiegt» und in der
Arkansubstanz, d. i. dem Unbewußten, selber ein «temperamentum»,
ein inneres Gleichmaß liege, welches die destruktiven Elemente in sich
selber beseitigt. D ie Psychologie des Unbewußten hat diese Tatsache

102. Ps. 38, 4 (nach anderen Ausgaben 39, 4 ).


103. Vgl. Anm. zum Text p. 75.
KOMMENTAR 295

in ihrem Gebiet von neuem entdeckt, indem J ung nachwies, daß die
psychische Energie, in sich selber gegensätzlich (z. B. als Trieb und
G eist), ihre eigenen Kontraste in sich aufhebtI0*. In der christlichen
Vorstellungswelt sind hingegen die zwei Feuer sonst meistens getrennt:
so sagt z. B. E phraem Syrus vom Feuer des Hl. G eistesI0*: «Die Taufe
löschte mit ihrem Feuer das Feuer, welches der Böse angezündet hatte. . .
Siehe das reine Feuer unseres Erlösers hat das Feuer gelöscht, das in den
Sündern auf geflammt war.» W ieder vereinigt die Alchemie die ge­
trennten Aspekte in einer paradoxen Idee. Der Autor erläutert nämlich
kühnerweise seine alchemische «virtus ignea» durch einen Vers aus dem
Hymnus «Veni Sancte Spiritus» der Sequenz an Pfingsten: «Kühlung in
der Hitze Glühn», wodurch er die umfangreiche Feuer-Wasser-Symbo-
lik des Hl. Geistes innerhalb der kirchlichen A lle g o rik 106 mit der alche-
mistischen Idee des «ignis noster» vereinigt.

Text: «Und A v ic e n n a : Es gibt ein Ding, in welchem die Entzündung vor- 356

handen ist, - und das erste was sich (beim Kochen) herauslöst, ist eine Feuer­
kraft, welche milder und würdiger ist, als die Kräfte aller andern Elemente.»

M it diesem Zitat deutet der Verfasser an, daß es sich bei dieser para- 357

doxen Gegebenheit um eine «virtus ignea» im Stoffe, in d en E lem en ten


selber, handle, so daß das Hl. Geist-Feuer bei ihm einen konkret-stoflf-

104. Vgl. C. G. J ung, Symbole der Wandlung, Zürich 1952, p. 758-761.


105. Hymni (ed. Lamy) a. a. Ο. I, p. 80. Vgl. auch Petrus D amianus. In solem-
nitate S. P. B enedicti Abbatis (Zoozmann, p. 2 1 9 -2 2 0 ): Urticae iunctae vepribus,
Vulnus curant vulneribus, F la m m a ta m en s d iv in itu s ig n e m ex tin g u it ig n ib u s . Crucem
mittens ut lapidem Veneni frangit calicem. Vgl. Gregorius Magnus. In Evang. Hom.
X X X . Opera. Paris. 1636, Bd. I, coi. 411: Bene ergo in igne apparuit Spiritus quia ab
omni corde quod replet torporem frigoris excutit.
106. Vgl. Hippolytus, Hoheliedkommentar in H. Rahner, Myst. lunae, a. a. O.
p. 79 und p. 48, wonach der Hl. Geist ein Feuer und ein seelenkühlender Tau zugleich
ist. Vgl. auch Origenes, (M igne P. G. tom 14. col. 1038) cit. Rahner ebda. Vgl. auch
Richard von St . V ictor, Un. Migne P. L. tom. 177 col. 286. Hugo, Didascal. I. 8.
Migne P. L. tom. 176 col. 746. Zum Hl. Geist als Feuer vgl. allgemein die «Feuertaufe»
Christi am Ende der Zeiten, in der alles Sündige verbrannt wird. Anastasius Sinaita,
Hexam. 4. P. G. 89 col. 900 A, cit. Rahner, Myst. lun. 1. c. p. 86. Vgl. das «richtende
Feuer» im 1. Tract. des Corp. Herrn, ed. Scott I, p. 115, über den Hl. Geist als Feuer­
wasser. Vgl. auch Ephraem Syrus, Hymni a. a. Ο. I, p. 62: Spiritus s e c r e t o ig n e ungit
gregem suam . . . Das Taufwasser gleicht die Gegensätze aneinander an: ut occulta et
manifesta assimilentur (p. 72 ). Vgl. ferner Rahner, Myst. Lun. Zeitschr. f. kathol.
Theol. 1940, p. 73 und F. J . D oelger, Aqua ignita, in «Antike und Christentum» 5
(1936), p. 175-183.

20 Jung : Mysterium III


296 KOMMENTAR

lichen Aspekt erhält. D ie psychologische Erfahrung, welche in diesen


Ausführungen über das innere «temperamentum» des Feuers ausge­
drückt ist, scheint mir sehr bedeutsam; denn es sieht aus, als ob der V er­
fasser zu ahnen beginne, daß er in die Hand einer überwältigenden
Macht gefallen sei, die aber ihre eigenen ausgleichenden Kräfte in sich
besitzt und die daher sowohl verwundet als auch heilt. Damit bereitet
sich in ihm eine Möglichkeit vor, sein zeitweise verlorenes Gleichgewicht
auf einer wirklicheren und innerlicheren Ebene wiederzufinden.

358 Text: Drittens weicht der Geist auf, d. h. er verflüssigt die Härte der Erde
und löst deren allzu dichte und kompakte Teile auf, wovon geschrieben steht:
Der Regen oder Geist verflüssigt. Und der Prophet: Er wird sein Wort aus­
senden und sie verflüssigen, sein Geisthauch wird wehn, und die Wasser
werden strömen.

359 D ie «aqua Sapientiae», das Wasser, ist auch ein Regen und wird
indirekt mit dem «Wort Gottes», dem Logos, gleichgesetzt. Durch eine
Einwirkung «von oben», d. h. vom Bewußtsein, wird das kompakte, un­
durchdringliche Dunkel des Unbewußten allmählich auf gelockert, w o­
durch auch das Gefangensein der Persönlichkeit in scheinbar unwandel­
baren Tatsachen aufhört und das psychische Leben «in Fluß gerät»
durch «eindringliches» Verstehen I07 .

360 Text: Und im Buch der Quintessenz steht geschrieben, daß die Luft die
Poren der erdigen Teile öffnet, damit sie die Kraft des Feuers und des Was­
sers aufnehmen können. Und anderswo heißt es: Die Frau löst den Mann
auf, und dieser macht sie gerinnen, d. i. der Geist löst den Körper auf und
macht ihn weich, und der Körper läßt den Geist fest werden.

361 Schließlich deutet der Autor hier den Zusammenstoß der Erde mit
der Geistdreiheit (Wasser, Feuer, Luft) auch als Gegensatz von Körper
und Geist, oder von Mann und Frau. Damit ist auf das M otiv der Con­
junctio angespielt, das im letzten Kapitel zu zentraler Bedeutung ge­
langt. D ie Beteiligung des Verfassers tritt in dieser Partie eher zurück;
es ist nicht, als ob er sich persönlich mit seinem Schatten auseinander­
setzte, sondern als ob zwei archetypische Bereiche, eine obere lichte
Geisttriade, d. h. eine geistige Auffassung, und ein dunkles Viertes (ein 10
7

107. Vgl. J ung Myst. Coni. Vol. I p. 223 sq.


KOMMENTAR 297

Unverstandenes) zusammenprallten. Der Autor selber hat sich gleich­


sam im lichten Teil geborgen.

Text: Viertens erleuchtet der Geist, da er dem Körper alle Dunkelheit &
nimmt, wovon der Hymnus handelt: Reinige die schauerlichen Finsternisse
unseres Geistes, die Sinne laß erleuchtet sein.

Hier folgt nun doch eine Anspielung auf den persönlich-seelischen 363
Aspekt des Prozesses, nämlich in dem Zitat aus dem Pfingstlied des
N o t k e r B a l b u l u s («Reinige die schauerlichen Finsternisse unseres
Geistes») und aus dem Hymnus «Veni Creator Spiritus» («Die Sinne
laß erleuchtet sein»). Darin zeigt sich, daß die Bearbeitung der Erde
durch den dreieinigen Wasser-Luft-Feuergeist doch auch eine Ausein­
andersetzung mit den Dunkelheiten des eigenen Subjektes (mens) be­
deutet, und daß dies (wie das Zitat aus Ps. 7 8 beweist) nur durch einen
Gnadenakt Gottes und durch dessen Führung zu einem guten Ende ge­
langen kann.

Text: «Und der Prophet: Er (Gott) führte sie die ganze Nacht im Leuchten 364
des Feuers, und dann wird die Nacht lichthell wie der Tag werden.»

Der Verfasser vergleicht diese Erlösung mit dem Auszug der Juden 36S
aus Ägypten, da nämlich Ägypten in der Patristik allgemein als Sünde
und als «diese Welt» gedeutet w u rd eIo8, ist dies noch einmal eine A n ­
spielung auf die Gefangenschaft, Nigredo, Flut usw. der früheren
Parabeln.
Der Satz «dann wird die Nacht lichthell wie der T ag werden» bildet 366
eine W iederholung des Schlußsatzes des vierten Kapitels, und ist, wie
dort, eine Anspielung auf die mystische Geburt des «Filius philosopho­
rum», welcher später als «wunderbares Licht, das in der Finsternis auf­
leuchtet», geschildert w ir d I0^. Letzteres ist jenes «lumen luminum»,
108. Vgl. die Belege in M. v. Franz, Passio Perpetuae in C. G. J ung, Aion 1. c.
p. 464 sq.
109. Der Lapis ist auch bei Alphidius als lumen splendens ac transparens (leuch­
tendes, durchsichtiges Licht) bezeichnet. Vgl. Cod. Ashmole 1420. fol. 11. In anderen
Texten ist er eine «lux secreta» und im R o sa r iu m (Artis Aurif. 1610 II. p. 173) heißt
es: quae cum lumine venit et cum lumine genita est. Vgl. auch Senior, De Chemia
a. a. O. p. 9, welcher Haly citiert, der «in suis secretis» sage: Hoc est Sulphur rubeum
lu m in o su m in te n e b r is et est hyacinthus rubeus . . . et leo victor. VI. auch Abu ’l Qasim
al I raqi ed Holmyard «Isis» V III p. 420, der lapis heißt: dog, eagle, harmless lion . . .
fiery poison, lig h t . . . son of fire . . . Satan.
298 KOMMENTAR

welches von dem Alchemisten G erhard D orn als «unsichtbare Sonne»


(sol invisibilis) bezeichnet wurde. Psychologisch handelt es sich um das
Erlebnis einer Aufhellung des Unbewußten, in dessen chaotischem
Dunkel ein «Sinn» und ein vom Ich unabhängiges ordnendes Zentrum,
das Selbst, allmählich wahrnehmbar wird. Aus dem Unverständlichen
wird eine «erleuchtende» Einsicht gewonnen.

367 Text: Auch S en ior sagt: Und er macht alles Schwarze weiß und alles
Weiße rot, da das Wasser weiß macht und das Feuer Leuchtkraft verleiht.
Denn er leuchtet in der Farbe wie ein Rubin durch die färbende Seele, die er
aus der Kraft des Feuers erhielt, deshalb heißt das Feuer auch das Färbende.

368 Das Licht ist als Rubin bezeichnet, ein Synonym des L ap is111. Senior
deutet den Rubin als «färbende Seele112» (anima tingens), welche im
Wasser verborgen sei “ 3. Aus ihr stammen die «Farben». Psychologisch
weist die rote Farbe des Rubins auf Emotion, Leidenschaft, Gefühl hin.
In der Alchemie gilt Rot (und die Rubedo) als männlich,weiß als weib­
lich. Rot ist der K önig und der Lapis als Bräutigam der weißen Braut
(Anim a). Es ist, als ob aktives Leben und Emotion in diesem Stadium
der Entwicklung wieder zurückkehrten, nachdem die Erstarrung und
Depression der Nigredo und die Phase objektiver Einsicht in der Albedo
vorüber sind. Aber diese «vita nuova» (der Rubedo) geht nicht mehr
vom Ich, sondern vom Selbst aus.
110. Vgl. C. G. J ung, T h e o r e t is c h e Überlegungen etc. in «Wurzeln des Bewußt­
seins 1. c. p. 546 ff. und die dort angeführten Parallelen.
111. Der «carbunculus» ist ein Synonym des Lapis. «Rex clarus ut carbunculus.»
(Zitat aus Linus, einer alten Quelle im R o sa r iu m P h ilo s o p h o r u m . Art. Aurif. 1593, II,
p. 329). «Radius . . . in terris, qui lucet in tenebris instar carbunculi in se collectus.»
(Aus der Darstellung der Theorie des T homas von Aquino bei M ichael Majer : Symb.
Aur. Mens. 1617, p. 377.) «Inveni quendam lapidem rubeum, clarissimum, diaphanum
et lucidum et in eo conspexi omnes formas elementorum et etiam eorum contrarietates.»
(Zitat aus T homas bei Mylius : Philosophia Reformata, 1622, p. 42.) Caelum, aurum
und carbunculus als Synonym der Rubedo 1. c. p. 104. Der Lapis ist «Carfunckel-liecht
schimmernd». (H . K hunrath: Hyl. Chaos 1597, p. 237.) Rubin bzw. Carbunculus
bezeichnet das corpus glorificatum. (G lauber: Tract. de Nat. Salium 1658, p. 42.) In
der C h y m is c h e n H o c h z e it ist das Gemach der Venus von Karfunkeln erhellt (p. 9 6 ).
Vgl. dazu auch das oben über anthrax (Rubin und Zinnober) Gesagte.» Cit. aus J ung,
Gestaltungen des Unbewußten, p. 152 f., Fußnote 127.
112. Vgl. Anm. zum Text p. 76.
113. Vgl. auch die Hyacinthfarbe und Rubedo im Meer, in der Kabbala. K norr von
R osenroth, 1. c. Vol. II. p. 21-22 und über die Albedo und Rubedo im Kristall ebda.
Vol. II. p. 12. und Pars. I .p . 461-462. (Idea Rabba seu Synodus magna.)
KOMMENTAR 299

M it Seniors Bemerkung, daß aus dem Rubin alle Farben entstünden, 369
ist auf das klassische alchemistische M otiv der «cauda pavonis» ange­
spielt I]C4, von welchem J ung sagt: «Diese Farbenerscheinung stellt im
Opus ein dem definitiven Resultat vorausgehendes Zwischenstadium dar.
J acob B oehme nennt es ,eine Liebe-Begierde oder eine Schönheit der
Farben’. In der Liebe-Begierde ,urständen alle Farben’
Von dem vereinigten «Natur»- und «Geistleben» sagt B oehme: «Und 370
ist uns also erkenntlich eine ewige Wesenheit der Natur, gleich dem
Wasser und Feuer, welche also gleichwie ineinander vermengt stehen,
da es dann eine lichtblaue Farbe gibt, gleich dem Blitz des Feuers; da
es dann eine Gestalt hat, als ein R u bin114
11617mit Kristallen in ein W esen
5
gemengt, oder als gelbe, weiß, rot, blau in dunkel Wasser gemenget,
da es als blau in grün ist, da jedes doch seinen Glanz hat und schei­
net, und das Wasser also nur ihrem Feuer wehret, daß kein Verzehren
allda ist, sondern also ein ew ig W ese n in zw eien M ysterien in einander,
und doch der Unterschied zweier Prinzipien als zweierlei Leben.» Das
farbige Phänomen verdankt seine Existenz «der Imagination in das
große Mysterium, da ein wunderlich essentialisch Leben sich selber
gebiert11? . ..».
Durch den Kontakt des Bewußtseins mit dem Unbewußten erblüht 371
eine W elt der Phantasie und des Gefühls - die W elt des Eros leuchtet

114. Die «cauda pavonis» wird von H enricus K hunrath mit der Iris, der «nuncia
Dei» identifiziert. G erardus D orneus (De transmut. metall. Theatr. Chem. 1602,
I, P· 599) erklärt folgendermaßen: «Haec est avis noctu volans absque alis, quam caeli
ros primus continuata decoctione, sursum atque deorsum ascensione descensioneque in
caput corvi convertit, ac tandem in caudam pavonis, et postea candidissimas et olorinas
plumas, ac postremo summam rubedinem acquirit indicium igneae suae naturae.» Bei
B aseilides (H ippolytos: El. X , 14, 1) ist das Pfauenei synonym mit dem Sperma
mundi, dem κόκκος σινάπεως. Es enthält in sich τήν των χρωμάτων πληΦύν, die Fülle
der Farben, nämlich 365. Aus Pfaueneiern soll die Goldfarbe hergestellt werden, wie
die K yraniden berichten. (Text. lat. et vieux franc. relat. aux Cyranides. Ed. par
L. D elatte. Bibi. Fac. d. Phil, et Lettr. Liege. Fase. X C III, 171.) Das Licht Muhammeds
hat die Gestalt eines Pfauen und aus dem Schweiße des letzteren wurden die Engel
geschaffen. (Vgl. Aptowitzer: Arab.- Jüd. Schöpfungstheorien. Hebr. Union College
Annot. Cincinnati 1929, VI, 209, 233.) Cit. nach J ung, Gestaltungen des Unbewußten,
p. 151 f., Fußnote 125.
115. De sign. rer. X IV , 10. cit. nach J ung, Gestaltungen des Unbewußten, Fuß­
note 126.
116. Vom ird. u. himml. Myst. V, 4 ff. cit. aus J ung, Gestaltungen des Unbewußten,
Fußnote 128.
117. Cit. aus J ung, Gestaltungen des Unbewußten, p. 151-153.
300 KOMMENTAR

im Dunklen auf, wie die weiteren Textstellen noch deutlicher bewei­


sen werden.

372 Text: Und im Buch von der Quintessenz heißt es: Du erschaust ein wun­
derbares Licht in der Finsternis. Und in der Turba Philosophorum steht, daß,
wenn einmal die Wolken die Oberfläche weiß gemacht haben, ohne Zweifel
auch das Innere weiß werden wird. Und Morienus sagt: Schon haben wir
das Schwarze beseitigt und das Weiße hergestellt mit dem Salz [A]natron,
d. h. mit Geist.

373 D ie W andlung von Nacht, Tod, Sünde in eine Licht- und Farbenwelt
wird hierauf erklärt als Dealbatio, als die schon bekannte W eißung.
Diese geschehe, sagt der Text, durch das «Natronsalz11819 », d. h. durch
Geist. Hier ist nun eine neue Analogie des Hl. Geistes, das Salz, er­
wähnt, auf dessen umfangreiche Bedeutung Jung bereits einging ri*.
Sein Bedeutungsaspekt als «Eros» legte es dem Verfasser - auch wenn
er dies vielleicht nicht w u ß te 120 - nahe, das Salz mit dem Hl. Geist, der
ja auch als «Liebesfeuer» g il t 121, gleichzusetzen122, und beides ist für
ihn zugleich eine Analogie, um das Paradoxon der alchemistischen
Arkansubstanz auszudrücken.

374 Text: Fünftens scheidet der Geist das Reine vom Unreinen, da er alle
Akzidentien der Seele beseitigt, welches sind die Dämpfe oder üblen Gerüche;
so wie es heißt, daß das Feuer das Verschiedenartige trennt und das Gleich­
artige zusammenhäuft. Deshalb sagt der Prophet: Du hast im Feuer mich er-

118. A-Natron ist durch den übernommenen arabischen Artikel An-Natron entstan­
den. Natron kommt von ägyptisch ntr = Gott! Vgl. Steuer : Über das wohlriechende
Natron bei den alten Ägyptern. Leiden 1937.
119. Vgl. Myster. Coni. Vol. I cap. «Salz».
120. Vgl. allerdings über Christus als Salz z. B. Ps. (? ) Albertus, Biblia Mariana,
ed. Borgnet Vol. 37. p. 385: Sal enim filius Dei est. Quod cum misisset illud sal in fon­
tem aquarum, quod factum est annunciatione ait: Haec dicit Dominus: «Sanavi has aquas»
id est humanam naturam fluidam et pestiferam et non erit eis ultra mors neque sterilitas,
sed vita et foecunditas.
121. Cf. Rhabanus Maurus: In festo Pentecostes ad vesperas et ad Tertiam (Zooz-
mann, p. 136): Qui Paraclitus diceris, Donum Dei altissimi Fons vivus, ig n is, caritas,
Et spiritualis unctio. - Und Richard de St . V ictor, De tribus appropriatis Personis
in Trinitate Migne, P. L. tom. 196. col. 993 C: Addis adhuc ut quaeras, quid mihi cau­
sae videtur cur Potentia Patri in scripturis Sanctis specialius attribuitur, Sapientia Filio,
caritas vel bonitas Spiritui Sancto.
122. Vgl. auch das Salz als Mittler und Vereiniger der Gegensätze im T ra c ta tu s
A u r e u s d e l a p id e p h i l o s o p h ic o , Mus. Herrn, a. a. O. p. 11: Verus mercurii spiritus et
sulphuris anima una cum sale spirituali simul unita.
KOMMENTAR 301

probt und Unrecht fand sich nicht an mir. Und ebenso sagt er: Wir sind durch
Feuer und Wasser hindurchgegangen, und du hast uns zur Ruhe und Erquik-
kung geführt. Und Hermes sagt: Du wirst das Dichte vom Feinen scheiden,
die Erde vom Feuer. Und Alphidius: Die Erde wird flüssig und wandelt sich
in Wasser, das Wasser wird flüssig und wandelt sich in Luft, die Luft wird
flüssig und wandelt sich in Feuer (das Feuer wird flüssig und wandelt sich
in verklärte Erde).

D ie Deutung dieser Sätze mag aus dem Vorhergehenden ohne weitere 375
Erklärung verständlich sein, hingegen ist das ALPHiDiuszitat: «Die Erde
wird flüssig» usw., hervorzuheben, insofern hier eine Überlieferungs­
schwierigkeit auftaucht. D ie Handschriften weichen nämlich im dritten
Satzglied voneinander ab, indem das Pariser Manuskript statt «die Luft
wird flüssig und wandelt sich in Feuer» die Version enthält: «Das Feuer
wird flüssig und wandelt sich in die glorifizierte Erde.» D aß gerade hier
eine Textschwierigkeit auf tritt, ist nicht zufällig - handelt es sich doch
wieder um das Problem des Verhältnisses von Drei und Vier! In A n ­
betracht seines «Credo» sollte der Autor nämlich eine Dreiheit auf-
zählen, aber die klassische Rota oder Circulatio in der Alchemie, auf
welche das ALPHiDiuszitat anspielt, betrifft jeweils die vier Elemente,
und so ist dem Verfasser selber oder irgend einem der Abschreiber an
dieser Stelle ein Fehler unterlaufen, und der Text ist so sehr verdorben,
daß wir die ursprüngliche Version kaum mehr rekonstruieren kön­
nen I23. W ieder bildet die kalte, dunkle Erde den «Stein des Anstoßes»,
welche die Pariser Version in Form einer «glorifizierten Erde» in den
geistigen Bereich hinüber zu retten versucht.

Text: Hierauf Bezug nehmend sagt Rasis, daß der eigentlichen endgültigen 376
Zubereitung eine gewisse Reinigung der Substanzen vorangeht, welche von123

123. Eine ähnliche Unsicherheit findet sich in dem meist als Epistula des Rases zitier­
ten O p u sc u lu m a u to r is ig n o t i (Artis aurif. 1610 1. c.I, p. 251): hic lapis triangulus est
in esse, quadrangulus in qualitate. — Und in den Carmina H eliodori a. a. Ο. ρ. 57
(Carm. 4. Vers 260), wo der Stein als «dreifaches Bollwerk» aus Geist, Seele und
Körper und «Festung, die durch die vier Elemente gefügt ist» geschildert wird. - Schon
in einem griechischen Text (B erthelot, Coli. Aich. I, VI, 2. Vol. I, p. 22) ist der
S tein einem Drachen mit vier Füßen = Elemente und drei Ohren = Dämpfe verglichen.
Ein ähnliches Schwanken zwischen Drei und Vier findet man auch bisweilen bei den
Kirchenvätern, wo z. B. Ephraem Syrus (a. a. Ο. II, p. 790) das kirchliche Öl mit dem
Fluß Eden vergleicht und sagt: Der Fluß Eden hatte vier Namen und vier Verkünder
(=vier Evangelisten!), das Öl drei Namen = Posaunen der Taufe.
302 KOMMENTAR

manchen Behandlung oder Säuberung, von anderen Richtigstellung, und noch


von anderen Abwaschung oder Scheidung genannt wird. Der Geist selber
nämlich, der von siebenfältiger Wirkung ist, trennt die reinen Bestandteile
von den unreinen, damit das Werk dann nach Ausscheidung der unreinen
Bestandteile mit den reinen durchgeführt werden kann. Und eben diese W ir­
kung meint H erm es , wenn e r . . . sagt: Du wirst die Erde vom Feuer scheiden,
das Feine vom Dichten und zwar gelinde . . .

377 Das RASiszitat zeigt an, daß es sich bei den, in den vorhergehenden,
wie auch noch in dieser Parabel, beschriebenen Prozessen noch immer um
Waschungen und Reinigungsverfahren handelt, und die nachfolgende
Textpartie fügt als neuen Aspekt hinzu, daß diese Reinigungen auch
ein Scheiden bzw. Unterscheiden des Groben vom Feinen darstellen. Es
ist dies psychologisch wohl als die mühsame Auseinandersetzung mit
dem Unbewußten und seinen subjektiven wie objektiven Komponenten
zu verstehen, deren Bedeutung innerhalb des Individuationsprozesses
J ung in «Psychologie der Übertragung» erläutert hat I24. Das langwie­
rige Hin und Her zwischen den Gegensätzen ist an dieser Stelle des
Textes bzw. des psychischen Geschehens, das darin beschrieben ist, sinn­
voll. Blicken wir nämlich auf die Ereignisse der vorhergehenden drei
Parabeln zurück, so fand sich dort jeweils die Schilderung einer anfäng­
lichen Dunkelheit und N ot (Flut, Gefangenschaft usw.) und dann
ein plötzlicher einmaliger Umschwung in einen ekstatischen Glücks­
zustand. In diesem Kapitel hingegen beginnt ein mehrmaliges Hin und
Her und eine B ea rbeitu ng des Dunklen durch das Helle, und es ist nicht
ein Umschwung geschildert, sondern eine durch viele Einwirkungen des
Geistes allmählich erreichte Erhellung und Sublimierung des Dunklen.
N icht zufällig ko’inzidiert dies mit der Anführung des Credo zu Beginn
der Parabel: die kollektiv-bewußten religiösen W erte und Inhalte wer­
den in das Erlebnis miteinbezogen und dadurch ein Versuch gemacht,
einen Standpunkt innerhalb der sich bekämpfenden Gegensätze aufzu­
bauen. Auch wird das Dunkle nicht mehr nur «erlitten», sondern be­
arbeitet. Eigenartig bleibt nur, daß die Auseinandersetzung eigentlich
zwischen zwei überpersönlichen Mächten stattfindet, dem Hl. Geist und
der dunklen Erde, daß aber der Verfasser selber wie ausgelöscht scheint
und weitgehend nur noch als Wahrnehmender im Prozeß vorhanden ist.12 4

124. Die Psychologie der Übertragung, 1946, p. 212 ff.


KOMMENTAR 303

T ext: «Sechstens erhöht der Geist das Niedrige, da er die tief im Erdinnern 378
verborgene Seele an die Oberfläche emporführt, wovon der Prophet sagt: Der
die Gefangenen hinausführt in seiner Stärke, und auch: Du hast meine Seele
hinausgeführt aus der tiefsten Hölle. Auch Jesaias sagt: Der Geisthauch des
Herrn hat mich emporgehoben. Und die Philosophen: W er immer das Ver­
borgene sichtbar machen kann, der versteht das ganze W erk, und wer unseren
Cambar 12s (d. i. Feuer) kennt, der ist unser Philosoph.»

D e r durch den H l. G eist eingeleitete D iskrim inationsprozeß bewirkt 379


ein B efreien der «Seele» aus dem E rd in n ern , in dem sie bisher w eilte -
ein Ereignis, das der V erfasser m it dem Z ustand d er prophetischen In ­
spiration durch den G eist des H e rrn v e rg le ic h t126. D as bisher in den
Stoff projizierte U nbew ußte w ird langsam dem Bew ußtsein erfaß b ar,
so daß es nun zu einer geistig «inspirierenden», neue Inhalte v erm itteln ­
den, inneren W irk lich k eit w ird. D as E m p orfü h ren der Seele ist zugleich,
w ie es heißt, ihre B efreiu n g aus dem H öllenkerker, was auch als ein
Färbeprozeß beschrieben w u r d e I2?. D ie psychologische Bedeutung des
Farbenspiels als Ü bergangsstufe des Prozesses zwischen N ig red o und
A lbedo hat J ung im K ap itel «R e x und R e g in a Ι2δ» näher erläutert.

T ext: «Auch M o r ie n u s sagt: W e r die (seine) Seele emporsteigen macht, 380


der wird ihre Farben sehn. Und A l p h id iu s : W enn dieser Dampf nicht auf­
steigt, dann wirst du nichts erreichen, denn durch ihn und mit ihm und in
ihm geschieht das ganze W erk.»

D as ALPHiDiuszitat beschreibt die aufsteigende Seele als v apor = 381

D am p f I299 und letzterer ist seinerseits durch das Z ita t vom R öm . X I ,

125. Zinnober.
126. Vgl. Jesaia L X I. 1. Vgl. die Anm. zum Text p. 81.
127. Vgl. Sy n e sio s , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. II. III. 13-14. Vol. I p. 66. Vgl.
auch die T u r b a a. a. O. p. 123: Ex h o c . . . lapide cum confringitur varii vobis colores
apparebunt. S. auch p. 123 und 141 das Färben mit der «color invariabilis» der «unver­
änderlichen Farbe» als Ziel des Opus. Vgl. auch p. 136: Imbuite ipsum quousque extra­
hat vobis Deus colores et appareant. Vgl. ebenso p . 140 und Se n io r , De Chemia a. a. O.
p . 82: Cumque apparuerint colores vel tincturae erit hoc sicut cum apparet pullus.
128. Myst. Coni. Vol. II. p. 5 ff.
129. Vgl. für das Alter dieser Idee den Ausspruch von M a r ia in O l y m p io d o r ,
B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs a. a. Ο. II, IV, p. 93: Έ ά ν μή τά πάντα τφ πυρί έκλεπ-
τυνθη καί ή αιθάλη πνευματωθεΐσα βασταχθη, ούδέν εις πέρα άχθήσεται: Wenn
nicht alles durch das Feuer sublimiert und der geistig gewordene Dampf emporgetragen
wird, wird der Proceß nicht weiterschreiten.
304 KOMMENTAR

3 4 - 3 6 , m it dem H l. G eist gleichgesetzt. D er HL Geist ist somit Bewir­


k et und Bewirkter zugleich ( wie vorher die Sapientia), er entspricht
dem alchemistischen Ourohoros. D er W asserd am p f gilt bei M o r i e n u s ^ 0
und in der Turba als «Seele der M etalle» oder als Seele schlechthin; er
ist der «Lebenshauch» des M enschen und aller W e se n w , und daselbst
h eiß t es: «So ist unser O pus nichts anderes als D a m p f und W asser *32.»
Psychologisch handelt es sich auch hier noch im m er um V ersuche, die
Inhalte des U nbew ußten ins Bew ußtsein zu «heben», d. h. um ein gei­
stiges Verstehen ihres Sinnes.

Text: Siebtens und zuletzt verleiht er lebendigen Geist, . . . d a er durch


seinen Hauch den irdischen Körper geistig macht, wovon es heißt: Du lassest
die Menschen geistig werden durch deinen Anhauch. Und S a l o m o n : Der
Geist des Herrn erfüllte den Erdkreis. Auch der Prophet sagt: Und durch
den Geisthauch seines Mundes besteht all ihre Pracht.

D ie Beschreibung der siebenten W irk u n g des H eiligen Geistes zeigt,


daß der G eist alchem istisch die aktive und passive A rkansubstanz (d ie
Psyche schlechthin als Substrat von Bew ußtsein und U n b ew u ß tem ) d ar­
stellt, er bewirkt die Vergeistigung des irdischen K örpers (corp us te r­
renum spirituale fa cit) durch Anhauch oder «Inspiratio», und dieses
H auchende ist nach dem Text nichts anderes als der Geist des Herrn,
der den Erdkreis erfüllte und im Pfingstwunder die Menschen erleuch­
tete r33. Es ist hierin psychologisch (w ie alchem istisch) ein Sublimations­
vorgang beschrieben, der sich ohne Eingriff des Ich in der Psyche selber
abspielt. In einem Zustand begeisterten V erstehens erlebt der A u to r das
U nw ichtigw erden des Irdischen, und im Innew erden des Selbst fällt
gleichsam sogar der G egensatz g e is tig -p h y s is c h dahin, denn die Psyche
ist ja das «vinculum » zwischen den beiden *34. D e r V erfasser versteht

130. R o s a r iu m , Art. Aurif. 1610, II, p. 247.


131. T u r b a , p. 152, p. 43 und p. 142: Tunc omnia vapor facta sunt. . . hoc autem
et spiritum et animam philosophi vaporem appellaverunt. . . sic opus nostrum . . .
nihil aliud est quam vapor et aqua. Vgl. auch p. 139. Vgl. auch R o s a r iu m , Artis Aurif.
1610, II, p. 154: Ideo dicit Philosophus: portavit eum ventus in ventre suo. Planum est
ergo quod ventus est aer et aer est vita et vita est anima id est oleum et aqua.
132. Vgl. auch Sap. V II. 25, wo die Sapientia Dei in der Vulgataversion als «vapor»
bezeichnet ist.
133. Vgl die anspielenden Zitate in den Anmerkungen zum Text.
134. Vgl. hiezu z. B. die Ausführungen des (späteren) A q u a r iu m S a p ien tu m Mus.
Herrn, a. a. O. p. 84-85: Esse illum spiritum Domini, qui terrarum Orbem impleat
KOMMENTAR 305

dieses psychologische lebendige Substratum offenbar als den H l. G eist,


m it w elchem sein Bew ußtsein m eh r und m eh r ununterscheidbar v er­
schm ilzt.

Text: Und R a sis sagt: . . . Das Schwere kann nur mit dem Leichten vereint 384
zum Auf steigen gebracht werden und das Leichte nur in Verbindung mit dem
Schweren in die Tiefe hinabgedrückt werden. Und in der Turba heißt es:
Macht die Körper unkörperlich und das Feste flüchtig; dies alles aber wird mit
unserem Geist ausgeführt. . .

D e r G eist bewirkt eine A n n äh eru n g des M enschen an G ott. W ie aber 385

diese letzten Z itate beweisen, w ird dabei zugleich auch um gekehrt das
O bere, H im m lische körperlicher gem acht, d. h. verw irklicht - ein V o r­
gan g, der schon zu B eginn des K apitels durch die Erw ähn u n g der In k ar­
nation G ottes in Christo angetönt w ar. D ie V erw irklichung des Geistes
d arf w ohl nicht als eine M iteinbeziehung der gew öhnlichen E rd e v er­
standen w erden, sondern bedeutet eine geistige Realisierung. Im m erhin
findet aber dieselbe in einem Individuum statt und bleibt nicht m ehr eine
n u r kollektive V orstellung. In diesem Individuum w ird das Selbst er­
lebt und dann als «Filius philosophorum » und Christus gedeutet.

Text: . . . dies Alles wird aber mit unserem Geist. . . vollendet, denn er 386
allein kann rein machen, was von unreinem Samen empfangen wurde. Sagt
nicht die Schrift: W aschet euch in ihm, und ihr sollt rein werden.

D ie irdische D unkelheit w ird nicht m iteinbezogen, denn der G eist 3s7

h ilft dem M enschen im G egenteil den dunklen M akel der Erbsünde


loszuw erden:

T ext: Und zu Naeman wurde gesagt: Geh und tauche dich siebenmal im 388
Jordan, und du wirst rein werden. Denn es gibt eine Taufe zur Abwaschung
der Sünden, wie der Glaube und der Prophet bezeugen.

W ie das G leichnis von der H eilu n g Naemans zeigt, handelt es sich 389

bei dieser R einigung um eine A n alogie zur T au fe, au f deren Symbolik


unser T e x t schon zuvor m eh rfach angespielt hatte. D as von G ott be­
fohlene siebenm alige Eintauchen Naemans im Jo rd an gehö rt w iederum
zu der beliebten H ervorh eb u ng der Siebenzahl als H inw eis auf die P la ­
neten bzw. M etalle. Innerhalb der kirchlichen Symbolik hingegen g ehört
es zur L eh re der siebenfältigen Gaben oder Funktionen des H l. Geistes.
306 KOMMENTAR

D ie E rzäh lu n g vom aussätzigen Naeman g ilt dort, wie erw ähnt, als P rä ­
figuration der T au fe. Z u letzteren gehören 1 di e Schöpfung (b ei w el­
ch er «das Festlan d des Glaubens von den heidnischen W assern » g e ­
tren nt w u r d e ), die Sintflut, die O p feru n g Isaaks, der D u rch g an g durch
das R ote M eer, der R u f Jesaias (Je s. L IV , 1 7 - 5 5 ) , das Lob der W eish eit
(B aru ch III, 9 - 3 8 ) , die Ezechielvision (E zech . X X X V I I , 1 - 1 4 ) , das
O sterlam m , die B ekehrung N inives, die Abschiedsrede M osis (D e u t.
X X X I , 2 9 , 3 0 ) , die Jü n glin g e im Feuerofen (D an iel III, 1 - 2 4 ) , fern er
auch die in der A u ro ra frü h er angeführte Jesaia-Stelle IV , 1 - 6 : «W enn
der H e rr den U nflat der T ö ch ter Z ions abgew aschen haben w ird durch
den G eist d er W eish eit und der E in sich t», und endlich auch die H eilu n g
Naemans im Jo rd an , bei w elcher die «sieben Z eichen der Bosheit» v e r­
trieben w urden *36. D e r Jo rd an entspringt vom B e rg Libanon, ein N am e,
der von den K irch en vätern als candidatio « W e iß u n g » gedeutet w urde,
und so - sagen sie - bedeute der Jo rd a n «den Q uell der T a u fe , in
w elchem die E rw ählten vom Sündenschmutz w eiß w erden *37». W ie die
K rankheit Naemans durch die «vis occulta» (verb orgen e K r a f t) G ottes
im W asser vertrieben w urde, so w ird das B öse durch die T a u fe besei­
tig t χ38. D er Aussätzige g alt als B ild des K etzers *39. In der A lch em ie und
in der K abbala w ird dieselbe biblische G eschichte auf die «leprositas»,
die K ran k h eit der M etalle bezogen τ*°. So sagt der Clangor buccinae

et ab initio aquis supernatavit. Spiritum veritatis quoque illum appellant qui mundo
absconditus absque inspiratione Spiritus D e i . . . comprehendi nequeat. Qui quidem in
quovis loco, ex re quavis potentialiter, in unico vero hoc subiecto perfecte ac plenarie
tantum reperiatur. In Summa esse spiritualem substantiam quae neque coelestis neque
infernalis sit sed aereum purum . . .
135. Vgl. Meßbuch ed. Schott, p. 297.
136. Vgl. auch E ph r a e m Sy r u s , Hymni et Sermones ed. Lamy a. a. Ο., I, p. 6: Septem
Elisaei purificationes figura sunt septem spirituum per baptismo expellendorum. Cf.
item p. 52.
137. H o n o r iu s v o n A u t u n , Speculum de mysteriis Ecclesiae, Migne P. L. tom. 172,
coi. 1099.
138. E ph r a e m Sy r u s , Hymni a. a. O. Vol. I, p. 60: Aquas naturales consecravit
E lis a e u s invocato Abscondito, in illas immersit se leprosus notus, sed vis occulta purifi­
cavit eum. Dissipata est lepra in aquis ut iniquitas in baptismo.
139. R habanus M aurus, Alleg. in Sacr. Script. Migne P. L. tom. 112, coi. 985.
140. Vgl. K n o r r v . R o s e n r o t h , Kabbala denudata etc. Bd. I, p. 151: (210) qui
est numerus vocis Na’aman id est N a e m a n i Syri Principis Militiae Regis A r a m 2. Reg.
5. 1. per quem allegorice intelligitur materia Medicinae metallicae septies per Jorda-
num purificanda, quam multi metallicae rei studiosi Gur vocant.
141. Art. Aurif. 1610, I. p. 322.
KOMMENTAR 307

w ohl nicht ohne Beziehung zur A u r o r a 1*2: «U n ser E rz hat einen w asser­
süchtigen K ö rp er wie der Syrer N aem an . . . weshalb er siebenmal ein
B ad der Erneu eru n g (regen eration is) im Jo rd an auf suchte, um von den
angeborenen Leiden (o d er Leidenschaften: passionibus) und V erd erb t­
heiten gerein igt zu w erd en.» Im arabischen «Buch der A laune und
Salze» h eiß t es *43, das B lei sei eigentlich G old, bei w elchem jedoch eine
K ran k h eit in das E rz eingedrungen sei, «so w ie eine K ran k h eit ein noch
ungeborenes K in d im M utterleib b efalle». A u ch im Corpus Hermeticum
w ird das B öse in der W e lt dem R ost (ιός) des Erzes verglichen *44. In
anderen alchem istischen Gleichnissen besteht die K ran k h eit der M aterie
in Epilepsie oder H ydrophobie mj, oder sie ist ein «defectus o rig in alis^ 6».

Text: W er Ohren hat, der höre, was d e r . . . Geist der L e h r e . . . von der
Wirkungskraft des siebenfältigen Geistes s a g t . . . was die Philosophen mit
folgenden W orten andeuten: Destilliere siebenmal und dann hast du die
Scheidung von aller verderblichen Feuchtigkeit vollzogen.

W ie diese Schlußpartie der Parabel erweist, handelt es sich darum ,


die U n rein h eit des Stoffes und die Erbsünde abzuwaschen; es ist eine
siebenfache D estillation, durch w elche die «verderbliche Feuchtigkeit»
bzw. das «tötende W asser» ausgeschieden w ird. Psychologisch bezieht
sich diese Symbolik des D estillierens auf die B ew ußtm achung der H in ­
tergründe unbew ußter, m eistens em otional geladener Im pulse. W e n n
ein solches affektives V orstellungskonglom erat aufsteigt, so ist es zu­
nächst gleichsam etwas «K om p ak tes», w ie auch das W o r t «K o m p lex»
andeutet - ein «Paket» von erregenden Inhalten. D rin g t m an in eine
solche psychische G egebenheit m it dem «spiritualis intellectus» ein, so
löst sich deren So-Sein auf, und zugleich verflüchtigen sich nicht zuge­
h örige unbew ußte TeilvorStellungen (= das verderbliche W a s s e r). D as
V erstehen des U nbew ußten verm ittelt som it ein subtiles V erstehen der
allgem einen psychischen Lebensprozesse - g rö ß ere D istanz und nähe­
res E in d rin gen zugleich. D ie T ren n u n g von G robem und F ein em weist

142. Vgl. den Beweis der Abhängigkeit p. 314 im SENiORcitat. Vgl. auch dieselbe
Idee im ebenfalls von der Aurora abhängigen A q u a r iu m S a p ien tu m Mus. Herrn,
a. a. O .p . 122.
143. ed. Ruska a. a. O. p. 68-76 und p. 113.
144. Tract. 15. ed. Scott a. a. Ο. I, p. 260.
145. Vgl. C. G. J u n g M y st. C o n i. Vol. I p. 169.
146. Cantilena R ip l a e i . Vgl. M y st. C o n i. II p. 19 ff.
308 KOMMENTAR

fern er auf eine U nterscheidung zwischen den physischen und geistigen


K om ponenten oder zwischen dem V ordergründig-Sichtbaren und dem
subtilen, dahinterliegenden Sinn hin. D ie L än ge und Intensität des g e ­
schilderten «R einigungsverfahrens» zeigt indirekt, w ie g efäh rlich der
Einbruch des U nbew ußten und die K on tam in ation m it dessen num ino-
sen Inhalten gewesen w ar, und w ir schwer es dem V erfasser w ird, seine
innere Standfestigkeit zurück zu erlangen.

KO M M EN TAR ZU R FÜ N FT EN PARABEL
(1 0 . K A P IT E L )

ie fünfte Parabel geh t inhaltlich über die in den ersten vier G leich­

D nissen geschilderten Befreiu n gs-, Reinigungs- und D estillations­


prozesse w iederum einen wesentlichen Schritt w eiter: sie handelt, wie
der T itel sagt, «vom Schatzhaus, das sich die W eish eit au f dem Felsen
erbaute».

Text: Die Weisheit baute sich ein Haus; wer in dieses eingeht, der wird
selig werden und W eide finden, nach dem Zeugnis des Propheten: Sie werden
trunken sein vom Überfluß deines Hauses . . .

D as alchem istische V orbild dieses Gleichnisses ist einerseits bei S e n i o r


zu suchen, w elcher den Lapis einem H aus m it seinen vier W ä n d e n v er­
gleicht \ andererseits jedoch und hauptsächlich bei A l p h i d i u s . Im ach­
ten K apitel des Liber A l p h i d i i philosophi heißt es n ä m lic h 2: « W isse
mein Sohn, daß diese W eisheit an einem Ort ist und dieser Ort überall
i s t . . . Dieses H aus aber ist ein Schatzhaus, in dem A lles der Substanz
nach angehäuft i s t . . . Dieses H aus ist von vier T ü ren verschlossen, diese
vier T ü ren haben vier Schlüssel; jede hat einen. U n d keiner kann dieses
H aus betreten, noch daraus etwas extrahieren, noch das darin verschlos­
sene Geheim nis erfahren, bevor er nicht den Schlüssel erkennt und bei
sich hat oder zum H ausgesinde gehört. W isse also m ein Sohn und
m erke, daß w er nur einen Schlüssel kennt und die drei andern nicht
kennt und dann m it seinem (e in e n ) Schlüssel das H aus öffnet [u n d ]
das, was im H aus ist, nicht sieht - der geht in seinen U n te rg a n g ; denn

1. De Chemia a. a. O. p. 167.
2. Cod. Ashmole 1420, Bibliotheca Bodleiana, Oxford, Fol. 23 f.
KOMMENTAR 309

das H aus h at eine O berfläche, die zu endlosem A nschauen tendiert 3.


M an m uß daher alle vier T o re m it den v ier Schlüsseln öffnen, bis das
ganze H aus von L ich t erfü llt ist 4 . . . »
D ie Fortsetzu n g des ALPHiDiustextes interpretiert die vier Schlüssel 395

als E xtrak tion des W assers, A u f w eichen des «irdischen K ö rp ers» ( E r z ) ,


T rän k u n g der M aterie und F ixieru n g . Je d e d er vier O perationen fü h rt
nach A l p h i d i u s zum Lapis, aber erst alle vier zusammen erhellen dessen
eigentliches Sein .
D iese A usführungen scheinen auf einen psychischen Prozeß der Rea- 396

lisierung des Selbst durch und in allen vier Bew ußtseinsfunktionen h in ­


zuweisen A llerdin gs ist dies n u r ein A spekt dieses Prozesses; denn

3. verführt?
4. Diese Textpartie ist auch im C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chemica 1566, p. 108 ff.
enthalten: «Nota de domo thesaurorum de qua dixit author in primo. A ssid u u s loquitur
de ea sic: ergo fili locum huius lapidis tibi ostendam . . . Haec (scientia) autem quodam
est in loco qui est ubique (ich lese est ubique statt in utique); locus est 4 elementa et
sunt 4 januae, quas si nosse vis dico primo 4 esse stationes, 4 angulos, 4 terminos et
4 parietes . . . Haec autem domus est thesauraria in qua omnia thesaurizantur sublimia
de scientiis sive sapientiis vel rebus gloriosissimis quae haberi non possunt {e t ) in hac
domo thesaurizantur. Domus in qua hi thesauri sunt 4 ianuis clauduntur quae 4 clavibus
reserantur . . . Scito ergo fi li . . . quod qui scit elavem unam et ignorat residuas, domus
ianuas sua clave aperiet, sed ea quae sunt in domo non aspiciet quoniam domus super­
ficiem habet ad infinitum visum tendentem. Ergo oportet ut singulae januae singulis clavi­
bus aperiantur quousque domus tota adimpletur lumine, tunc ingrediatur quivis de the­
sauro accipiens . . . « A ssid u u s spricht von ihm (dem Schatzhaus) folgendermaßen: ich
will dir also, mein Sohn, den Ort dieses Steines zeigen. . . ist doch diese Wissenschaft
an einem bestimmten Ort, der überall ist, und die vier Elemente sind auch die vier Tore,
und wenn du diese kennen lernen willst, so behaupte ich, sie seien die vier Stationen,
die vier Winde, die vier Begrenzungen und die vier W änd e. . . Dieses Haus ist das
Schatzhaus, in dem alles Erhabene (sublimia) bezüglich der Wissenschaften und W eis­
heitslehren oder sonstigen glorreichen Dinge thesauriert ist, welches man nicht erlan­
gen kann, und sie liegen in diesem Haus verwahrt. Das Haus . . . ist durch vier Tore
geschlossen und durch vier Schlüssel erschließbar . . . Wisse also mein Sohn . . . daß
wer {n u r) ein e n Schlüssel kennt, die übrigen hingegen nicht, der wird zwar die Tore
des Hauses mit dem einen Schlüssel öffnen, aber das, was darinnen ist, nicht sehen
können; weil das Haus eine Oberfläche besitzt, welche zum endlosen Gesichtssinn spricht
(Der Text ist hier nicht sehr klar und von mir nur hypothetisch so übersetzt. Vor Ver­
gleichung mit dem arabischen Original sind Konjekturen sehr unsicher. Ich lese:
infinitum statt: infimum visum. Man kann endlos die Oberfläche studieren ohne zum
Inhalt zu gelangen.)
5. Vgl. hiezu C. G. J ung, Psychologie der Übertragung, 1946, p. 188 ff. - Die Ober­
fläche, die den, der das Haus nur mit einem Schlüssel öffnet (mit e in e r Funktion erfaßt),
durch unendliche Schau irreführt, dürfte sich auf die Gefahr beziehen, daß man vom
Unbewußten fasziniert sich darin denkend, intuierend, fühlend oder Tatsachen sammelnd
310 KOMMENTAR

die V orstellu n g der E rschließung des H auses (Selb st) durch vier Schlüs­
sel d arf m an w ohl im W eiteren auch auf jenes eigenartige Q uaternionen-
schem a beziehen, welches J u n g in « A ion » als ein inneres Struktur­
m odell des Selbst entw orfen h a t 6. Es scheint sich hierbei um dynamische
Prozesse bzw. W an d lu n g sv org än ge innerhalb des Selbst zu handeln,
w elche zu einer B ew ußtw erdung des Inhaltes führen. J u n g legt zu­
nächst dar, daß dieser V o rg a n g nach folgen d er F o rm el stattfindet:

Ü3 d
/ \ κ \
C3 a3 = A = a c
\ κ \ κ
d3 b
II II
D B
II II
d2 bi
/ \ / \
a2
II
II

Cl ai
U)
o

\ / \ κ
Ü2 di

und betont, daß sie u .a . die alte T etram erie w iederhole, w elche durch die
V ierheitsstruktur des E inen gegeben ist, näm lich A = a\ d / c · « W a s die
F orm el nur andeuten k an n », fäh rt J u n g fo rt, «ist die höh ere Ebene,
w elche durch den W an d lu n g s- bzw. Integrationsprozeß erreicht w ird.
D ie E rh öh u n g oder der F o rtsch ritt oder die Q ualitätsänderung be­
steht in einer vierteiligen oder viermaligen Entfaltung der Ganzheit,
welche nichts anderes bedeutet, als deren Bewußtwerdung. W e n n psy­
chische Inhalte in vier A spekte aufgespalten w erden, so h eiß t das soviel,
als daß sie einer D iskrim inierung durch die vier O rientierungsfunktio­
nen des Bew ußtseins unterzogen w urden. E rst die H erstellu n g dieser
vier A spekte gew ährleistet eine ganzheitliche Beschreibung. D e r durch
unsere F orm el dargestellte P rozeß verw andelt die ursprünglich unbe­
w ußte G anzheit in eine bew ußte. D e r A nthropos ( A ) steigt von oben

verliert, ohne sich selber durch innere «Fixatio» zu finden. Auch sieht man dann eben
nur die «Oberfläche».
6. p. 329 ff. bes. p. 352 ff. und p. 354-355 und für die Aurora wichtig bes. p. 366 ff.
Ich muß auf eine ausführliche Darstellung dieser außerordentlich bedeutungsvollen
Zusammenhänge hier verzichten, da sie zuviel Raum einnähmen, und muß den Leser
auf J u n g s Darstellung in «Aion» verweisen.
KOMMENTAR 311

herunter, durch seinen Schatten B in die Physis (C = Schlange) und


erhebt sich w ieder durch eine A rt von K ristallisationsprozeß (D = L a ­
p is ), die O rd nu n g des Chaotischen andeutend, zum ursprünglichen Z u ­
stand, der sich aber inzwischen durch die E n tfaltu n g aus einem unbe­
w ußten in einen bewußten verw andelt hat. Bew ußtsein resp. Erkenntnis
entsteht durch U nterscheidung, d. h. durch eine Analyse (A u flö su n g )
und eine darau ffolgen d e Synthese, w orau f sich symbolischerweise die
alchem istische Sentenz: ,Solve et coagula* (L ö se und v e rfe stig e ), be­
zieht 7 .» - «D ie F orm el stellt ein Symbol des Selbst dar, denn dieses ist
nicht nur eine statische G röß e oder eine beharrende F o rm , sondern zu­
gleich auch ein dynam ischer V o r g a n g . . . D ie vier W an d lu n g en stellen
einen W ie d e r herstellungs- oder V erjü n g u n g sp ro zeß dar, der sozusagen
im In nern des Selbst stattfindet.»
A u f unseren T e x t angew andt ist der von J u n g erw ähnte Descensus 397
des A nth rop os im H erabkom m en der Sapientia D ei zum A lchem isten
dargestellt. D ann fo lg t die Phase des U ntergehens in der Physis durch
Einw irkung des Schattens ( B ) , was in der A u ro ra durch den A bsturz
in den H öllenabgrund dargestellt ist. D ie Phase C, die Schlange, w ird
in der A u rora durch «die verderbliche Feuchtigkeit» oder durch «die
Frau , die den T o d hereinbrachte» symbolisiert. In dem vorliegenden
K ap itel beginnt die vierte Phase: der K ristallisationsprozeß ( D ) , sym­
bolisiert im Bau des Schatzhauses, w elcher die C oagulation des Lapis
darstellt. D ie vierte Stufe ist auch bei A l p h id iu s d ie F ix a tio , u n d diese
eben ist es, a u f ivelche das G leic h n is des au f F e ls erbauten H auses in
der A u ro ra hinw eist.
Zunächst tritt in unserem T e x t die Sapientia D ei w ieder, w ie in den 398

Einleitungskapiteln, personifiziert auf, entsprechend P rov. I, 5, denen


die Parabel vom H ausbau nachgebildet ist, wobei das G leichnis M atth .
V II, 2 4 , vom klugen M anne, der sein H aus auf einem Felsen (un d nicht
auf S and) erbaute, m it hineinspielt. D ieser kluge M an n ist bekanntlich
derjenige, der d ie R ed en C h risti nicht nur hört, sondern auch tut, d. h.
nicht nur passiv die E rlösertat C hristi als bereits geschehen und zu sei­
ner Erlösun g genügend ansieht, sondern sich auch selber aktiv bem üht.
D aß die Sapientia D ei - psychologisch gesehen, die A n im a - w ieder 399

au ftritt, ist bedeutsam . Es zeigt sich darin das Resultat der langw ierigen
O perationen, w elche im vorhergehenden K ap itel beschrieben w urden.
7. dt. ebda. p. 370-372 passim.

21 Jung : Mysterium III


312 KOMMENTAR

D u rch diese gew ann der A u to r soviel Standfestigkeit zurück, daß er


nicht m eh r so stark zwischen den G egensätzen von V erzw eiflu n g und
Ekstase schwankt, und daß er dadurch - und zw ar dieses M al bew ußter -
der A n im a begegnen kann. In der Projektion gespielt, erscheint der Z u ­
stand so, als ob die A n im a sich selber ein H aus, einen unzerstörbaren
R ahm en oder eine «A u ffassu n g» baut, in w elcher der A u to r ihr be­
gegn en kann, ohne w ieder in die N ig re d o abzustürzen. In der n ach fo l­
genden T extp a rtie w ird noch ein w eiterer fundam entaler F o rtsch ritt der
Entw icklung sichtbar: die A n im a ist nicht m ehr das alleinige zentrale
Erlebnis - hinter ihr bzw. in ihrem H ause offenbart sich noch G röß eres:
ein B ild der G ottheit.

Text: « . . . denn besser ist ein Tag in deinen Vorhöfen, als tausend andere!
Oh wie glückselig sind die, welche in diesem Hause wohnen, denn wer da
bittet, der empfängt, und wer sucht, der findet, und wer anklopft, dem wird
aufgetan. Die Weisheit steht nämlich am Tore und spricht: Siehe, ich stehe
vor der Tür und klopfe an; so jemand meine Stimme hören wird und die
Türe auftut, zu dem werde ich eingehen und er zu mir, und ich werde das
Mahl mit ihm halten und er mit mir.»

D as biblische Schatzhaus der W eish eit bildet eine P arallele zu dem


im ersten K ap itel der A u ro ra erw ähnten him m lischen Jerusalem , das
ein Synonym fü r die Sapientia D ei darstellt und bei den K irch en vätern
m it der Ecclesia gleichgesetzt w ir d 8. Es ist in der A u ro ra wie die « V o r­
h öfe des Reiches des V aters» geschildert (P s. X X X V I , 9 , und L X X X I V ,
5 ) und m it Christus gleichgesetzt als der «T ü re » , durch die der M ensch
zur ew igen Seligkeit eingeht (Jo h . X , 9 ) 9. H o n o r iu s von Au tun 10
deutete die ihr H aus bauende Sapientia D ei aus den Sprüchen als P rä ­
figuration der Inkarnation C hristi: «D ie W eish eit baute sich ein H aus,
die W eish eit d. h . Christi erbaute sich ein H aus, da er den M enschen
im Leib der Ju n g frau erschuf, den er in der Ein h eit seiner Person an-

8. Vgl. E p h r a e m S y r u s , Hymni et Serm. a. a. Ο. II, p. 156 (Zu Jes. Kap. 5 4 ): «Ecce


facturus sum lapides tuos beryllos et fundamenta tua firmaturus sum lapidibus saphyri.
Et parietes tuos constructurus sum lapidibus jaspidis, et portas tuas lapidibus crystalli.
Et omnes qui recesserunt e manibus meis ingredientur ad te.» - «Haec spiritualia sunt
et ad Ecclesiam hodie pertinent et antea per res terrae pretiosas figurata sunt.»
9. Die Worte Matth. 7. 7: «Bittet, so wird Euch gegeben, usw.» zitiert auch schon
C h r i s t i a n o s . B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. VI, I, 4. Vol. I, p. 398.
10. Quaest. et Respons. in Prov. et Eccles. Migne P. L. tom. 172, col. 316 ff.
KOMMENTAR 313

n a h m 11.» D ie sieben Säulen vom H aus der W eish eit deutet H o n o r iu s


als die sieben G aben des H l. Geistes 1I2. V o n dieser D eutung ausgehend,
versteht sich die alchem istische F ixatio zugleich als eine Inkarnation
G o ttes , auf w elche schon öfters in der vorhergehenden Parabel an ge­
spielt w orden w ar. A u ch in der A u ro ra ist, wie in der D eutu n g des
H o n o r iu s , die Sapientia m it dem H l. G eist identifiziert. Psychologisch
d ü rfte die F ixatio oder Inkarnation des geistig konzipierten Inhaltes
als eine R ealisierung des A rchetypus des Selbst au fg efaß t w erden. D as
Selbst als Z en tru m und um fassende G anzheit der Psyche ist näm lich
nur potentiell existent, solange es nicht vom Bew ußtsein w ahrgenom m en
w ird. A b er in dieser Phase der Entw icklung «verfestigt» sich die innere
E rfah ru n g des Selbst. T rotzd em d arf m an nicht übersehen, daß die
F ixatio hier im Jenseits stattfindet, d. h. im U n bew u ßten ; denn sowohl
das Schatzhaus der W eish eit, wie das him m lische Jerusalem und die
«W o h n u n gen des V aters» sind «nicht von dieser W e lt» .
W e n n w ir diese Aussagen des T extes psychologisch zu erfassen ver- 4oz
suchen, so sind w ir som it vor seltsam p arad oxe G egebenheiten gestellt:
einerseits scheint eine Realisation des Selbst stattzufinden, andererseits
scheint das m enschliche Ich in höherem M aß e ausgelöscht zu sein, und
dam it ist eine eigentliche, bew ußte R ealisierung des Selbst kaum m öglich.
W ahrscheinlich m uß m an sich daher vorstellen, daß eine ahnungsw eise
intuitive R ealisierung des Selbst in einem deliriösen oder Trancezustand
stattfindet, wie dies auch der Stil der Schrift nahelegt. D as Ich ist dann
der U nendlichkeit des Selbst sehr w eitgehend angenähert und auch das
Selbst dem M enschen, wobei letzterer das ihm B egegnende ahnend
versteht.

Text: Oh wie groß ist die Fülle deiner Süßigkeit, wie sie kein Auge ge- 403
sehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen
ist. Die dieses Haus aufschließen, werden Heiligkeit und zudem Fülle der
Tage erlangen, die ihnen zusteht. . .
In diesen B ildern drückt sich die H o ffn u n g a u f ein L eb en nach dem 404
T o d e aus. D ie E rfah ru n g des Selbst bringt tatsächlich infolge der rela-

11. Vgl. auch von Ps. A l b e r t u s die Biblia Mariana ed. Borgnet 37. l.c . p. 388:
(Maria) est domus vestiaria ex qua indutus fuit Filius Dei carne. Maria ist auch die
«domus totius reformationis et renovationis» ebda. p. 411; die «arca salvationis» p. 366.
12. Vgl. auch A l c u i n , Gramm. Migne, P. L. tom. 101, coi. 853, und J o h . D i a c o n u s ,
Vita Gregorii 2. 18.
314 KOMMENTAR

tiven Raum- und Zeitlosigkeit des Archetypus oft ein Gefühl von Un­
sterblichkeit mit sich u. Auch diese Partie scheint mir zu bestätigen, daß
der Text in einem seltsam unbewußten, ergriffenen Zustand des Ver­
fassers entstanden ist, vielleicht handelt es sich um einen dem Tode
nahen Zustand.
In ihrem H ause hält die Sapientia D ei m it dem eintretenden M e n ­
schen ein Liebesm ahl. D ie zitierten W o rte der O ffenbarung (I I I , 20 )
w urden kirchlich als H inw eis auf die Eucharistie gedeutet, w elche ein
«pharm acum vitae» ist und z. B . von E p h r a e m S y r u s χ4 als «ferm en ­
tum » oder «calix vitae» (L eb en skelch) bezeichnet w urde. In der A u ro ra
ist dies M ah l identisch m it dem später beschriebenen Lebensquell.

Text: « . . . das Haus öffnen, so daß sie von Angesicht zu Angesicht, Auge
in Auge die volle Herrlichkeit von Sonne und Mond schauen werden. . . »

H ier tritt die G estalt der Sapientia D ei an die Stelle G ottes selbst,
und auch die W o rte aus I. K o r. II, 9 : « W a s kein A u g e gesehen hat»
usw ., und die in späteren Sätzen erw ähnte G egenw art der vierund­
zw anzig Ä ltesten, die in der A pokalypse das L am m G ottes anbeten u,
weisen darau f hin, daß sich im Z en tru m des Schatzhauses ein Sym bol
von höchster g ö ttlicher N u m in o sitä t o ffe n b a r t 13
l6. A b e r dieses ist in u nse­
5
4
rem T e x t bezeichn end erw eise nich t G o tt, sondern «die v o lle H err lich ­
k eit von Sonne u n d M o n d » , d. h . w o h l das M ysterium ihrer C o n ju n c­
tio. D ies steht verm utlich in einer indirekten Beziehung zu A p o c. X X I ,
2 3 - 2 4 : «U n d die Stadt bedarf kein er S o nne noch d es M o n d es, daß sie
ihr scheinen; denn die H errlichkeit G ottes erleuchtet sie, und ihre
Leuchte ist das Lam m . U n d die H eiden, die da selig w erden, w andeln
in ihrem L ich t, und die K ö n ig e auf E rd en w erden ihre H errlichkeit in
sie bringen.» In der Apokalypse sind also die «irdischen L ich ter» von
Sonne und M ond gleichsam durch ein supranaturales L ich t, durch den

13. Vgl. hiezu C. G. J u n g , Die Psychologie der Übertragung, p. 240-241.


14. Hymni et Sermones, Bd. I, p. 390 und 340: Per eius vinum unio fit.
15. Diese Textpartie folgt etwas später, ich habe sie nur im Kommentar etwas vor­
verschoben.
16. Vgl. die merkwürdig parallele Anwendung dieses Bildes im gnostischen
BARUCHbuch (cit. B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 2 93): «Nachdem der Myste diesen Eid
geschworen, geht er hinein zu dem Guten (Gott) und sieht, was kein Auge gesehen und
kein Ohr gehört h a t. . . und trinkt von dem lebendigen Wasser, und das ist bei ihnen
die Taufe.»
KOMMENTAR 315

A gnus D ei, ersetzt1/. N ach der A u ffassu n g des H l . T homas von A q u in


ist der oberste H im m el, das Em pyraeum , h art, durchsichtig und besitzt
ein diffuses L ich t, das nicht ausstrahlt, sondern subtiler N a tu r ist und
die H elligkeit der G lorie besitzt, w elche von der H elligk eit in der N a tu r
verschieden i s t 17l819. O ffenbar ist in der A u ro ra ein ähnliches supranaturales
L ich t gem eint. W äh re n d es aber in der Bibel Sonne und M o n d ersetzt,
ist es hier, gem äß der klassischen alchem istischen A nschauung, aus Sonne
und M ond erzeugt. D aß der Lapis zwischen Sonne und M ond entstehe,
findet sich näm lich bereits in den alten griechischen T e x te n . So heißt es
im T rak tat «D ie acht G räber **», der Lapis sei ein Flügelw esen, das aus
vier Elem enten bestehe und zw ischen d en zioei L ichtern von Sonne u n d
M o n d lieg e, und dies sei das alabasterartige E i 20. Z o s im o s bezeichnet
den Stein als «m ithrisches» M y ste riu m 21, w ohl deshalb, weil M ithras
als M ittler (μεσίτης), der die V erb in d un g von Sonne und M ond h er­
stellt, g a l t 22234. D ie Sonne ist nach antiker, allgem ein verbreiteter A n ­
schauung ein Symbol der dem iurgischen K ra ft G ottes und der « W a h r­
heit», durch w elche er die Schöpfung bewirkt 2K Sie ist der kosm ische
«N ou s», der das G ute und die K ra ft G ottes an den K osm os w e ite rg ib t2L
Psychologisch symbolisiert sie die archetypische G rundlage des m ensch­
lichen Bew ußtseins und jeder Bew ußtseinserw eiterung.

17. Vgl. zu der kirchl. Deutung C y r i l l v . A l e x a n d r i e n , Jesaia-Commentar 60. 20


und T h e o d o r v . K y r o s , dt. H. R a h n e r , Myst. Lun. a. a. O. 1939 Jahrg. 63 p. 344/345
und Anm. Vgl. H o n o r i u s v . A u t u n Eludd. Migne P. L. tom. 172 col. 1110: Die Sonne
als Bild der Trinität: In ignea igitur substantia intellige Patrem, in splendore Filium,
in calore Spiritum Sanctum.
18. Summa theol. 1. C. Pars I, Quaest. 66. Art. 3: Caelum empyraeum (est) spissum
diaphanum . . . potest aliter dici quod habet lucem caelum empyraeum non condensatam
ut radios emittat sicut corpus solis sed magis subtilem vel habet claritatem gloriae,
quae non est conformis claritati naturali.
19. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. IV, X X X I II , 1. Vol. I p. 316.
20. Vgl. ferner O l y m p i o d o r , Berthelot, Coli. Alch. Grecs, II, IV , 49. Vol. I p. 99.
21. B e r t h e l o t Coli. Alch. Grecs, III, II, 1. Vol. I p. 114.
22. Vgl. B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 120. Eine ähnliche Idee findet sich bei dem
Gnostiker B a r d e s a n e s , bei ihm sind die Sonne der «Vater des Lebens», der Mond «die
Mutter des Lebens» und aus ihnen geht hervor «der v e r b o r g e n e S o h n d e s L e b e n s ».
( E p h r a e m S y r u s , Hymn. 55. 5581) cit. B o u s s e t Gnosis p. 71. Auch M arti galt als
«medius Solis et Lunae».
23. Vgl. A s k le p io s la t. (W . S c o t t Hermetica a. a. Ο. I p. 388 und ebda. p. 348 u.
266 u . 454 (= S t o b a e u s 1. 41. 11) Bd. III p . 464. Vgl. ferner das «Buch der Alaune
und Salze» a. a. O. p. 64, die T u r b a a. a. O. p. 333, Pretios. Marg. Nov. a. a. O. p. 119.
24. Vgl. z. B. M e n a n d e r II Π ερί έπιδεικτικών, W . S c o t t . Hermetica. I p. 187 ff.
R . R e i t z e n s t e i n , D a s i r a n . Erlösungsmyst. a. a. O. p. 2 0 0 Anm.
316 KOMMENTAR

D ie C on iu n ctio von S o n n e u n d M o n d als Zentralgeheim nis des Schatz­


hauses findet sich im arabischen T rak tat «B rie f der Sonne an den zu­
nehm enden M o n d » von M o h a m m e d ib n Um a i l 2* ( S e n i o r ) und sym­
bolisiert d ort eine «unio mystica» zweier transzendenter M ächte.
Innerhalb der A u ro ra scheint diese P artie zunächst den allgem einen
christlichen V orstellungen näher zu stehen, als der A n fan g . D en G rund
h iefür m uß m an w ohl darin suchen, daß sich der A u to r von der «dunk­
len E rd e» g etren n t hat und in die Schau eines geistigen Jenseits hinüber­
gegangen ist. A b er hier teilt er trotz allem etwas u n erh ört N eues m it:
im A lle r h e ilig s te n , das zu betreten der C hrist erst nach seinem T o d e er­
w arten d arf, erblickt er n icht d ie G o tth eit, sondern das M ysterium C o n -
iun ctio nis der beid en L ich ter von Sonne u n d M o n d . D as «W e ib » in der
O ffenbarung ( X I I , 1 ) ist «m it der Sonne bekleidet und der M ond unter
ihren F ü ß en », so daß in ihrem früheren Erscheinen die A n im a schon
dieses M otiv angedeutet hatte. Ein e eigentliche P arallele zu diesem B ild
in d er Bibel w äre in der V ision des him m lischen Jerusalem in der O ffen­
barung ( X X I , 2 und 9 ff.) 26 2U suchen, in w elcher die Stadt als B rau t
des Lam m es (u x o r A g n i) beschrieben ist. D as L ich t, das von der B rau t
und dem L am m ausgeht, w ird d ort m it einem E d elstein verglichen.
(A p ok . X X I , 10 - 1 1 ) : «U n d ihr L ich t w ar gleich dem alleredelsten
Stein, einem hellen Jaspis.» D ies erinnert an den λίθος τιμιώτατος der
griechischen A lchem isten 27 . D ie h o ch zeitlich e V erein ig u n g der G e g e n ­
sätze im S elbst ste llt d en G ip fe lp u n k t d er alchem istischen B em ü h u n g
überhaupt dar u n d fin d et h ier ih re Para llele im erlösend en H ierosgam os
d er A p o ka ly p se: «U n d G ott w ird abwischen alle T rän en von ihren
A u gen, und der T o d w ird nicht m eh r sein, noch L eid noch G eschrei
noch Schm erz w ird m eh r s e in . . . » (O ffenb. X X I , 4 ) 256728. A n derselben
Stelle findet sich auch das fü r einen A lchem isten eindrucksvolle W o r t
(A p o k . X X I , 6 ) : «Ich w ill dem D urstigen geben von dem B runnen des
lebendigen W a s s e r s . . . W e r überw indet, der w ird es A lles ererben und

25. Senior, De Chemia p. 8-9 .


26. Apok. X X I . 2.: Et ego Johannes vidi sanctam civitatem Jerusalem novam des­
cendentem de caelo a Deo paratam sicut sponsam ornatam viro suo. X X I . 9: Et ostendit
mihi civitatem sanctam Jerusalem descendentem de caelo a Deo e t lu m e n e iu s s im ile
la p i d i p r e t io s o . . .
27. Vgl. C. G. J u n g , Antwort auf Hiob 1952, p. 136. Vgl. auch p. 164, 157 u. 152.
28. Vgl. auch in der Kabbala die Vereinigung Gottes mit der Schechinah. J ung
ebda. p. 136.
KOMMENTAR 317

ich w erde sein G ott sein und er w ird m ein Sohn sein» (ille erit m ihi
filius) - eine Stelle, die auch bereits in den vorherigen T extp artien
zitiert w urde.
Es ist, als ob der V erfasser die V erein igu n g der G ottesm utter m it
Christus im «T h alam o s», w elche nun in der päpstlichen Encyclica v e r­
kündet w urde, geistig antizipiert h ä tte 2?. F ü r die um fassende Bedeutung
dieses Symbols innerhalb der christlichen R eligion m uß ich auf J u n g s
D arlegu n gen in «A n tw o rt auf H iob » verweisen. D aß das Symbol schon
in der V ision eines M enschen des dreizehnten Jahrhunderts auftaucht,
zeigt an, wie lange schon solche K om pensations- und K onziliations-
tendenzen unbew ußt konstelliert w aren. V ielleicht läß t diese V ision
d arau f schließen, daß der V erfasser besonders tief in das W esen der
christlichen Problem atik eingedrungen w ar, weshalb das U nbew ußte in
ihm m it diesem die G egensätze versöhnenden B ild durchdrang. A ls
w eitere w ichtige P arallele zu dieser V ision w äre die kabbalistische K o n ­
junktionssymbolik zu erw ähnen 3 °. N a ch der K abbala ist der U rm ensch
m annw eiblich erschaffen w orden, als A bbild G ottes. E in e Soharste Ile
sagt 31: «D aru m ist ein B ild (d io k n a ), das nicht M ännliches und W e ib ­
liches enthält, kein oberes (him m lisches) B i l d . . . K o m m und sieh, an
einem O rt, an dem M ännliches und W eiblich es nicht vereinigt sind,
w ird der H eilige, gelobt sei er, seinen W o h n sitz nicht auf sc h la g e n . . . »
E in e ähnliche Parallelvorstellung findet sich auch in der Beschreibung
der V erein igu n g der beiden Sefirot: T i f ’eret und M alch u t, wobei Jessod,
als Phallus die geistige Z eu g u n g verm ittelt. M alch u t w ird auch einem
«bewässerten G arten » verglichen (n ach Jes. L V III , 1 1 ) was a u ffä l­
lig an die Symbole der «B rau t» im letzten K ap itel d er A u ro ra erin- 29301

29. Vgl. die Citate in der Encyclica von Papst Pius X II. in den Acta Apostolicae
Sedis 1950. (4. Nov. 1950) p. 753 ff. bes. p. 761: Jo . D amasceni Encom. in dormit.
Dei genetricis Hom. II, 14: Oportebat sponsam quam Pater desponsaverat in thalamis
caelestibus habitare. Ebda. p. 762: intima Mariae cum Filio conjunctio . . . ebda. p. 763:
Pari modo, hac de re agentes Reginam describunt in regiam Coelorum aulam per trium­
phum ingredientem ac dextero Divini Redemptoris assidentem lateris; itemque Canti­
corum Sponsam inducunt «quae ascendit per desertum sicut virgula fumi ex aroma­
tibus myrrhae et thuris» ut corona redimiatur. Quae quidem ab iisdem veluti imagines
proponuntur caelestis illius Reginae, caelestisque Sponsae, quae una cum Divino Sponso
ad Caelorum aulam evehitur.
30. Vgl. S. Hurwitz, «Archetypische Motive in der chassidischen Mystik» in «Zeit­
lose Dokumente der Seele» Zürich 1952. p . 175 ff.
31. S o h a r I, 55 b, cit. ebda. p. 176.
318 KOMMENTAR

n ert 32. S. H u r w i t z deutet diese Stelle aus ihrem Zusam m enhang heraus
dahin, daß «das zeugende, schöpferische Prinzip des U nbew ußten ins
Bew ußtsein eingetreten ist 33 ». A uch hier liegt dasselbe U rb ild der H e i­
ligen H ochzeit vor. D as W esen tliche aber an unserem T e x t liegt darin,
daß dieses Symbol explicit das G ottesbild darstellt.
D u rch den A nblick des H ierosgam os w ird der Schauende von einem
G efü hl von U nsterblichkeit ergriffen - er erhält nach dem T e x t «L än ge
der T ag e» (lon gitu d o d ierum ) - , offenbar w eil sich nun in ihm ein
Festes und Ew iges offenbart hat.

Text: « . . . denn es (das Haus) ist auf einen starken Felsen gebaut, der
sich nur mit bestem Bocksblut spalten läßt, oder wenn er dreimal mit dem
Stabe des Moses geschlagen wird, auf daß ihm viel Wasser entströme, und
das ganze Volk, Männer und Frauen trinke, und es wird sie fürderhin nicht
mehr hungern noch dürsten. Wer immer dieses Haus öffnet, wird in ihm eine
lebendige, unversiegliche und verjüngende Quelle finden, durch die jeder,
der darin getauft wird, selig wird und in Zukunft nicht mehr altern kann.»

W äh ren d vorh er die U nerschütterlichkeit des Felsens als Fundam ent


gepriesen w orden ist, w ird nun unverm ittelt seine Öffnung oder Spal­
tung durch Bocksblut oder durch den Stab M osis g efo rd ert, dam it ihm
der Lebensquell entström e. D e r F e ls ist scheinbar so w o h l das F u n d a ­
m ent des H auses, als auch im H au se befin d lich , u n d er ist auch das ganze
H aus selber. E r ist der L apis ph ilosop h oru m . D as Bocksblut, m it dem er
erschlossen w ird, ist w ahrscheinlich aus dem bei S e n i o r überlieferten
G leichnis des M a rc h o s, das J u n g anführt, entnom m en 34, und bedeutet 324

32. ebda. p. 177. Der S o h a r sagt: «T if’eret aber ist JH W H , daher kommt der Name
JHWH-Zebaoth. Das männliche Glied selbst ist das äußerste des ganzen Körpers und
wird Jessod genannt. Es ist das Element (Stufe), welches das W eib erfreut. . . » -
«Wenn daher nur der Hohepriester Erlaubnis hat, dort (ins Allerheiligste . . . ) einzu­
treten . . . so darf an jenem oberen Orte (dem Allerheiligsten der Matronita, also der
oberen Stufe) nur jener eintreten, der Liebe (Chesed) heißt, (gemeint ist T if’eret in
seinem Aspekte Chesed). Wenn er in das Allerheiligste eintritt, dann wird die Matro­
nita erfreut, und dieses Allerheiligste wird gesegnet an dem Orte, welcher Zion heißt.
«Zion» und «Jerusalem» aber sind ebenfalls zwei Stufen, die eine entspricht der Liebe,
die andere dem strengen Gericht.»
33. ebda. p. 178. Vgl. auch das Folgende.
34. Vgl. Myst. Coni. Vol. I. Kap. Luna, p. 76 f. S e n i o r , De Chemia, p. 78-79. Schon
bei Z o s i m o s ( B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III, X V , 3, Vol. I, p. 186, ist Bocksblut,
αίμα τράγου ein Synonym der aqua und bezeichnet einen Stein.
KOMMENTAR 319

d ort die «fließende Seele» (an im a fluens) des Steines, was ein Synonym
des «göttlichen W assers» darstellt. Im M ittelalter hieß es vom Stein
«A dam as» (d . h. dem U n b ezw in g lich en ), er könne w eder durch Eisen,
noch Flam m en noch F eu er zerbrochen w erden. E r sei «sich im m er gleich
und im m er standhaft und ohne M akel» (sem p er idem vel certe sem per
constans, m aculä ca re n s ). D eshalb sei er auch eine A lleg o rie der Seele
M ariae. N u r durch Bocksblut könne er au f gew eicht w erden, wobei das
Bocksblut «W o h lw o llen », «Liebe» oder «calor libidinis» bedeute 3s. D e r
A dam as symbolisiert nach anderen T e x te n auch den m oralisch tadel­
losen M enschen, der nur m it Bocksblut zerstört w erden könne, dem
Sinnbild der «luxu ria» (A u ssch w eifu n g ) s6. D as Bocksblut stellt so­
m it eine ähnliche psychische G egebenheit dar, wie die am A n fa n g des
T extes erw ähnte «concupiscentia». In seiner D oppelbedeutung von
Liebe, W o h lw ollen einerseits oder Sinnenlust, A usschw eifung ande­
rerseits weist es auf den anim alischen und em otionalen F ak to r im M e n ­
schen hin, der in dem Prozeß einbezogen w erden sollte, dam it dem
«harten F els», der geistig gefestigten Persönlichkeit, lebendige W irk u n g
entström e. D e r h arte u n geöffn ete F els und zugleich das Bocksblut als
Lebenswasser sind A usdruck fü r die P arad oxie der Sapientia (d . h. des
U n b ew u ß ten ), w elche unwandelbare Unerschütterlichkeit und zugleich
Lebendigkeit verleiht. D er F els, das H aus und der Q uell finden sich in
ähnlicher K om bination schon bei Z o s i m o s , der dem A depten em p­
fiehlt 37? einen T em pel zu bauen aus einem Stein aus alabasterartigem
Prokonnesosm arm or «ohne A n fa n g und ohne E n d e». «U n d darin soll
eine Q uelle von reinstem W a sse r sein und ein sonnenähnliches L ich t
herausblitzen. Im Q uell sitzt das gesuchte D in g (o d e r S ch a tz ), der P rie­
ster von E rz » , der zu Silber und endlich zu G old gew andelt w ird. Ä h n ­
lich h eiß t es in den C arm ina H e l io d o r i *8, der Lapis sei ein «schatten­
loses L ich t», ein W u n d e r, das den g ro ß en Strudel einer goldenen Q uelle 35678

35. Vgl. P i c i n e l l u s , Mundus symbolicus, Cöln 1681, Vol. I, p. 677.


36. M i l o , De ebrietate II, 717 in «Poetae latini aevi Carolini» ed. Traube Vol. III,
p. 668: Qui vult esse adamas hircino sanguine tingui luxuriae caveat, ne frangat
malleus illum.
37. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. III, I, 5. Vol. I, p. 111. Vgl. hiezu C. G. J ung.
Die Visionen des Zosimos in: Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 139 f. Vgl. zur
Rolle des «hieratischen Hauses» bei Z osimos, B erthelot ebda. III, X X I X , 12.
Vol. I, p. 201.
38. ed. Goldschmidt a. a. O. p. 45.
320 KOMMENTAR

aus sich auf springen läß t 39. D ie Turba sagt ebenfalls 4°, es m öge ein
Stein entstehen, der wie M arm o r glänze, und dem die «verborgene
N atu r» extrah iert w erden könne, und im «B uch der A lau n e und Salze 41»
sagt der M ercu riu s von sich aus, daß er die K ö rp e r erleuchte, denn er
sei das ew ige Lebensw asser, die Q uelle der Lebewesen (fo n s anim a­
liu m ) , und w er aus ihm trinke, der w erde nicht sterben in Ew igkeit.
Ein e ähnliche V orstellu n g vom Schatzhaus und Q uell findet sich be­
reits im C orpu s H erm eticum , w orin A s k le p io s im sechzehnten Traktat zu
K ö n ig A m m o n spricht *2: «D u siehst w ohl auf E rd en die vielen auf spru­
delnden Q uellen von W a sse r und F eu er in den ganz in der M itte g e ­
leg en en T eilen und ebenda siehst du, w ie die drei sichtbaren N atu ren
von Feu er, W a sse r und E rd e aus einer W u r z e l stam m en, weshalb m an
diese fü r das Schatzhaus (ταμεΐον) aller K rä fte h ält.» G enährt w ird diese
K raftq u elle von der Sonne als dem kosm ischen Schöpfergeist. D as H aus
g ilt im T rak tat A s k le p io s 43 auch als B ild des hylischen M enschen oder
des K örp ers, in w elchem das G öttlich e des Geistes (m entis d iv in itas),
«von der M au er des K örp ers u m h egt», ruht. B ei d er gnostischen Sekte
der N aassener g alt der K ö rp e r als «G eh eg e», in w elchem der erste A d am
oder Logos w eilt. D ieser sei A dam as, der Eckstein, «d er eingefügt w ird
in die Feste Z io n 4 4 » . D e r M ensch als M ikrokosm os ist auch nach S im o n
M agus ein solches «H au s», in w elchem sich die W u rz e l des A lls findet.
In letzterer ist die unbegrenzte F eu erk raft G ottes versiegelt und v er­
borgen niedergelegt 45 .

W äh ren d die alchem istischen V orstellungen einerseits aus solchen


spätantiken B ildern gespeist sind, h at sie der V erfasser der A u ro ra w ohl
auch m it der patristischen Sym bolwelt verknüpft. So sagt z. B . H o n o ­
r iu s v o n A utun zu I. K o r. III, 1 7 *6: «G ottes T em pel ist heilig und er

39. Vgl. auch C h r i s t i a n o s ( B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs IV , I 2. Vol. I p. 396)


der sagt, seine Lehre gleiche der Quelle des ewig zeugenden Wassers in der Mitte des
Paradieses und der Sonne, die am Mittagszentrum ohne Schatten über der Erde leuchtet
und dem Mond, der die Nacht erhelle. Ohne die Feuchtigkeit der Philosophen könne
nichts von dem Ersehnten zustande kommen. Ebenso nennt A l p h i d i u s den Stein eine
«lux umbrä carens».
40. ed. R u s k a a . a . O . p . 145.
41. ed. R u s k a p . 58-59. Vgl. auch p . 91.
42. W . S c o t t , Hermetica a. a. O. Bd. I p. 264-266.
43. W. Scott, Hermetica Bd. I, p. 298-300.
44. Vgl. H. L e i s e g a n g , Gnosis a. a. O. p. 125.
45. Vgl. H. L e i s e g a n g , Gnosis a . a . O . p . 6 8 .
46. Speculum de myst. eccles. Migne Pat. Lat. tom. 172, col. 1105.
KOMMENTAR 321

ist in euch. O h wie selig ist, in w em G ott w ohnt, denn w ie dieses H aus
aus vier W än d en besteht, so besteht der Tem pel unseres K örpers aus den
vier Elementen.» D as H eilig tum dieses Tem pels ist unser G eist (m e n s ),
w elcher geistige D in g e denkt. D ie V o rh ö fe sind die Seele, w elche durch
die Sinne dem K örperleben das N otw en d ige zukom m en läßt. D e r A ltar,
au f w elchem g eop fert w ird, ist unser H erz, in dem reine G edanken und
G ebete G ott d argebracht w erden. D e r T u rm ist unser H a u p t . . . die
Fen ster sind unsere A ugen, die B ilder aber die guten W e rk e . D as L a m ­
penlicht aber ist das «lum en s c ie n tia e 47». A u ch das B ild vom Q uell ist
in der patristischen Literatu r häufig zu finden: Christus bzw. sein K ö r­
per, die K irch e, usw. gelten als fons vitae (Leb en squ elle) 48. N ach O r i -
gen es lebt Christus im königlichen inneren M enschen, als eine «petra
interior» (innerer Fels!), der «die geistigen Sinne w ie lebendiges W a s ­
ser» hervorström en läß t 49. D as sind die «lebendigen Steine», in w elche
sich zu verw andeln G . D orn eus die M enschen au ffo rd ert. D as W asser
aus dem Fels w urde bei den K irch en vätern meistens als Erkenntnis G o t­
tes gedeutet, als «fons scientiae *°». N a ch kirchlicher A u ffassu n g ist
Christus der durch den Stab M osis erschütterte F els; denn wie dieser
lebendige W asser spendete, so floß aus seiner W u n d e B lu t und W a s ­
ser 51, sein Leib ist ein «pneum atischer F els», dem das W a sse r der G eist­
fülle entquillt *2. Petrus, der natürliche M ensch, der ihn begleitet, 47895012

47. Vgl. ferner das Bild des Palastes im S o h a r (ed. Ernst Müller. Der Sohar und seine
Lehre, W ien 1923, p. 107): «Es ist ein Geheimnis der Weisen: Innerhalb eines mächti­
gen Felsens in entrückter Himmelssphäre gibt es einen Palast, der ist der Palast der
Liebe geheißen. Dies ist die Stätte, wo die köstlichsten Schätze sich bergen, die Stätte
der Liebesküsse des Königs. Denn die vom König geliebten Seelen gehen dort ein.
Und wenn der König jenen Palast betritt, davon heißt es (Gen. 29. 1 1 .): «Und Jakob
küßte die Rachel.» Dort findet der Allheilige die geheiligte Seele, faßt sie bei der Hand
und küßt und liebkost s ie . . . Vgl. auch in der Kabbala die «aedes divitiarum» des
Gottesnamens Adonai dessen vier Buchstaben die vier Zugänge bilden ( K n o r r v o n
R o s e n r o t h , Kabbala denudata a. a. Ο. I, p. 32.).

48. Vgl. z. B. E p h r a e m S y r u s , Hymni et Sermones a. a. Ο. II. p. 130 und 790,


ferner 558: Ex te undique vita fluit, und Bd. I p. 166: Tibi gloria, qui induisti corpus
hominis mortalis, illudque fontem vitae effecisti omnibus mortalibus.
49. Numeri Homil. 12. 2 zit. H. R a h n e r , Flumina de ventre Christi. Biblica, Bd. 22.
1941 Rom Pontifico Istituto Biblico p. 277. Vgl. auch das von J u n g citierte W ort von
D o r n e u s : Transmutemini in vivos lapides!

50. ebda. p. 274.


51. ebda. p. 278, 385, 390-393.
52. ebda. p. 372 u. 377 u. 379.
322 KOMMENTAR

w ird zum «F els» der K irch e! D as W a sser deutet B a s i l i u s ^ als die


Schau Gottes, die unseren D u rst dereinst vollkom m en stillen w ird. In
der A u ro ra ist ebenfalls angedeutet, daß es sich um nichts w eniger als
eine G ottesvision handle. Schon G r e g o r von N yssa nannte den M ysti­
ker, der in seinem Seelengrunde G ott und den L ogos Christus erlebt, ein
«Schatzhaus lebendigen Wassers u», und bei A m b r o s i u s heißt es, der
νους des M enschen sei der geistige O rt, in w elchem das von Christus g e ­
spendete W asser des Geistes aufsprudle **. E p h r a e m S y r u s *6 nennt den
Leib C hristi ein «thesaurarium », aus dem er allen darbenden H eiden
spendet. D aß der A u to r tatsächlich an solche Zusam m enhänge dachte,
beweist die Fortsetzu n g des T extes, w elche von einer «T au fe» in diesem
Q uell spricht, die E rlösun g verleiht (salvus erit, M arc. X V I , 16 ) . D och
findet sich im T e x t, im G egensatz zu den angeführten kirchlichen P aral­
lelen, eine scheinbare Inkonsequenz: einerseits ist das Schatzhaus auf
dem unerschütterlichen Fels gegründet, andererseits aber m uß letzterer
erst m it dem Stabe M osis aufgeschlossen w erden, dam it die heilbrin­
genden W asser ihm entström en. W e n n ein unerschütterliches F u n d a­
m ent im Innern gefunden w urde, wieso sollte dasselbe nun doch w ieder
aufgelöst w erden? D e r G rund h iefür ist w ohl darin zu suchen, daß die
«V erfestigu ng» des Selbst im Jenseits und in intuitiver Schau, also au f
der pneumatischen Ebene, stattfand. D aru m m uß eine A u fw eich u ng des
Steins durch das Bocksblut folgen , weil sonst zuviel seelisches Leben aus
dem Prozeß ausgeschlossen w äre. Gewisse T eile der Persönlichkeit sind
näm lich, wie die nachfolgende T extp artie zeigt, trotz allem noch nicht
integriert. Diese intuitive Schau des Selbst in der Aurora entspricht der
Stufe der «unio mentalis» bei D o r n e u s *7 , w elche an sich noch nicht
m it dem K ö rp e r verbunden ist, weshalb au f dieser Stufe dann die
«K u n st» und «M enschenblut» benötigt w erden. D as Bocksblut, das 53467

53. ebda. p. 285.


54. R a h n e r ebda. p . 286. Vgl. auch die Wasserreservoirvision von N i k l a u s v o n
d e r F l u e . B. Lav a u d , Vie Profonde de Nicolas de Flue, Fribourg 1942, p. 71, den

Kommentar p . 73 ff. und das Bild des «Zeltes» als Seelengrund, wohin Gott ewig den
Sohn gebiert bei M e i s t e r E c k h a r d t (Schriften ed. Büttner Bd. II, p . 150). Vgl. auch
A. J u n d t , Essai sur le Mysticisme de Maitre E c k h a r d t , Strasbourg 1871, p . 102.
55. R a h n e r , Flumina de ventre Christi, 1. c. p. 268-269. Dieser Nous ist auch das
Paradies, aus welchem der vierteilige Logosstrom aufquillt und die ganze Erde
befruchtet.
56. Hymni et Serm. a. a. O. Bd. I, p. 168.
57. Vgl. J u n g , Myst. Coni. II, p. 296 ff.
KOMMENTAR 323

statt des M enschenblutes in unserem T e x t erw ähnt ist, stellt gew isser­
m aßen die «Seele des Bockes» dar und symbolisiert den animalischen
Menschen. D ie m ythologische Beziehung des Bockes zum T eu fel, zur
schwarzen M agie und zur chthonischen U n terw elt sind zu bekannt, als
daß sie w eiterer A usführungen bedürften. D iese anim alische W e lt ist
das A uflösungsm ittel, durch das der F els, d. h. das Selbst, noch einm al
in einen neuen Entw icklungsprozeß hinein- und hinuntergebracht w ird.

Text: Aber, oh weh, nur wenige können es erschließen, die wie Kinder 416
(parvuli) sind und wie Kinder klug sind; wenn diese aber die wie Kinder sind,
(sich) jene Dinge mitteilen und die Stühle der 24 Ältesten für sich in Besitz
nehmen, so werden sie zweifellos mittelst ihrer W ürde und ihrem Stand das
Haus öffnen, so daß si e . . . die volle Herrlichkeit von Sonne und Mond
schauen werden; ohne diese (Ältesten) aber werden sie nichts ausrichten.

D ies ist eine textlich verderbte P artie, aus deren unsicherem Zusam - 417

m enhang w enigstens soviel eindeutig hervorgeht, daß der ins Schatz­


haus Eintretende die H ilfe von vierundzw anzig Ä ltesten (sen iores)
braucht, um die «volle H errlichk eit von Sonne und M o n d » sehen zu
können.

Text: Die nämlich die Schlüssel des Himmelreiches innehaben, werden 418
alles, was sie binden werden, auch lösen; das wird so geschehen. Denn diese
folgen dem Lamme, wohin es geht.

V on diesen «Ä ltesten» h eiß t es fern er, daß sie - wie die παρθένοι der 419

O ffenbarung *8 - dem L am m e G ottes nachfolgen und die Schlüssel zu


binden und zu lösen (d ie M ach t P etri und der K irch e w) besitzen. D iese
M ach t, zu lösen und zu binden, bezieht sich hier w ohl gleichzeitig auf
das alchem istische «solve et coagula». D as B ild der 2 4 Ä ltesten ist der
O ffenbarung entnom m en, doch ist es schw ierig zu ergründen, was dam it
alchemistisch gem eint sein könnte. D e r zw eite T eil der A u ro ra, den ich
als einen K om m en tar zum ersten T e il a n se h e 5896o, interpretiert sie als die
«w ichtigeren Säfte» (hum ores m a io re s61) , und m an denkt dabei an

58. Vgl. Apoc. 14. 4.: «Diese sind die sich mit Weibern nicht befleckt haben - denn
sie sind Jungfrauen und folgen dem Lamme nach, wo es hingeht.»
59. Vgl. die Anm. zum Text p. 88.
60. Vgl. Einleitung p. 3.
61. Artis Aurif. a. a. O. 1610 I, p. 123.
324 KOMMENTAR

B ilder, wie die RiPLEY-Scrowle, wo Planeten- und M etallgötter F lü ssig­


keiten in das Bassin der Arkansubstanz g ie ß e n 626345. W ah rsch ein lich spielt
die Idee eines ordo seniorum (R eih e der Ä ltesten ) aus S e n io r s «Epistola
Solis ad Lunam crescentem » m it hinein, w orin der M ond zur Sonne
sagt63: « W ir w erden durch den Geist erhöht w erden, wenn wir die
R eihe der Ältesten erstiegen haben - dann wird die Leuchte deines
Lichts sich in meine Leuchte ergießen, und aus dir und m ir w ird ent­
stehen (etw as) w ie eine M ischung von W e in und süßem W a s s e r . . . »
D ie «seniores» sind som it auch hier H e lfe r bei der C o n iu n ctio 64. D as
W o r t «erstiegen» (ascend erim u s) weist vielleicht n äher au f ihre B ed eu ­
tun g: sie sind w ahrscheinlich au f die 2 4 T agstunden oder «G radüs»
(= G rad und S tu fe) des Feuers oder « πύργοι » (A b teilu n g en ) der Sonne
zu b ezieh en 6*. V iele M ysterieneinw eihungen des A ltertum s w aren in
12 Stunden eingeteilt. So sagt ein m andäischer T e x t 66, bei der «Sem ence
de Thom m e nouveau» seien die 12 Stunden «douze rois lum ineux des
transform ations successives67». D iese zw ölf K ö n ig e sind «des signes,
qui symbolisent le soleil rond et co m p let». A n d ern orts sind es auch 12
Ju n g fra u e n 686970. In den M ithrasm ysterien w echselte der M yste zw ölfm al
das G ew and ( - G e sta lt), entsprechend den zw ölf T ierk reiszeich en 6?,
und in der ägyptischen T otenlitu rg ie spielten zw ölf T a g - und zw ölf
N achtstunden ebenfalls eine w ichtige R olle 7°. In m anchen M ysterien
kannte m an nur die zw ölf N achtstunden, in anderen auch die des T ages.
In der A u rora w ären w ohl zum T a g auch die zw ölf N achtstunden m it-

6 2 . Vgl. A b b . V g l . C . G . J u n g , Paracelsica 1 9 4 2 , p. 1 0 1 A b b . Vgl. auch J u n g Myst.


Coni. Vol. I Kap.: Die Reise durch die Planetenhäuser.
63. De Chemia, p. 8-9, und S t a p l e t o n , Memoirs, a. a. O. p. 19-
64. Man vergleiche auch den Rat der «alten Meister» im Xenodochium des D o r n e u s .
Vgl. C . G . J u n g - K . K e r e n y i , Einführung in das Wesen der Mythologie, Zürich
1951, p. 239.
65. Vgl. Carmina H e l i o d o r i a. a. O. p. 37.
66. Aus R e i t z e n s t e i n Iran. Erlösungsvorstellungen 1. c. p. 153.
67. Vgl. auch p. 154.
68 . T h e o d o r b a r K u n a i , d t . e b d a . p . 1 5 6 .
69. Ebda. p. 168.
70. Ebda. p. 170-171. Vgl. auch p. 95-98, 155-162 und vgl. A. M o r e t , Mystfcres
Egyptiens, Paris 1913, p. 22 ff. Vgl. auch p. 95-98 und p. 155-162. Vgl. auch H e r m a n n
J u n k e r : Die Stundenwachen des Osiris. Denkschr. der Akad. v. Wien. 1910. Man vgl.
auch die 12 «väterlichen» und 12 «mütterlichen» Engel des Baruchbuches ( L e i s e g a n g ,
Gnosis, p. 170-171). Vgl. auch E p h r a e m S y r u s , Hymni a. a. Ο. I, p. 10: Vicit sol et
quibus ascendit gradibus signavit mysterium . . . Duodecim ecce dies ex quo ascendit. . .
symbolum . . . duodecim eius apostoli.
KOMMENTAR 325

einbezogen, was insofern einleuchtet, als der Lapis nach klassischer A n ­


schauung die «obern und unteren K rä fte » in sich vereinigt. In lateini­
schen Übersetzungen sind auch die kabbalistischen Sephiroth als gradüs
bezeichnet, und es heißt, daß «A lles in einem G radus aufsteigt und in
einer Sache gekrönt w e r d e . . . » . D ie gradüs (S ep h iro t) sind lum ina-
L ic h te r?1. D iese Idee bezieht sich psychologisch auf die archetypische
V orstellu n g der Persönlichkeit als einer «conglom erate soul». A uch der
H iranyagharba (G o ld k eim ) - eines der indischen Symbole des Selbst -
gilt als eine solche «m ultiple Einheit 72». R o g e r B a c o n sagt deshalb
auch von Christus, er sei der Eckstein, in dem wie in einem Punkt die
zw ölf A postel alias vierundzwanzig Ältesten der A pokalypse zusam m en­
gesetzt w ürden 73 .

Rein arithm etisch betrachtet kann V ierundzw anzig als 1 X 2 X 3 X 4


angesehen w erden ( so wie die Z eh n 1 + 2 + 3 + 4 d a rste llt), und das gibt
der Z ah l V ierundzw anzig sowie der Z ah l Z eh n Ganzhditsbedeutung.
D ie Z ah l V ierundzw anzig g alt überhaupt von der A W ik erier als bedeut­
sames V ielfaches von V ier. So interpretiert z. B . A n s e l m u s L a u d u n e n -
s is 74 die Z ah l V ierundzw anzig als 12 + 1 2 , w ovon letztere 3 X 4 sei, und
das bedeute die H l. V erkünder der H l. D reieinigkeit in den vier W e lt­
gegenden. N ach A nschauung der gnostischen Sekte der M arkosier ergibt
die Buchstabensum m e der höchsten V ierh eit (T e tra s ) 75 die Z ah l 2 4 .
Ebenso bei der zw eiten V ierh eit und schließlich auch beim N am en
«Jesus» 7*. A uch nach der Pistis Sophia ist Jesus aus dem letzten, d. h.
vierundzw anzigsten M ysterium h ervorgegangen, und es existieren v ier­
undzw anzig «U n sichtb are», w elche E m anationen des höchsten G ottes 7123456

71. Vgl. K n o r r v . R o s e n r o t h , 1. c . II. Pars I., p. $5: Et in illo lumine, quod in


singulis gradibus est, revelatur quidquid revelatur . . . Et proptera omnia in unum gra­
dum ascendunt et omnia una et eadem re coronantur. . . Lumen illud quod manifestatur
vocatur vestimentum. Nam ipse rex est Lumen omnium intimum . . . Et omnes lucernae
et omnia lumina lucent a Sene Sanctissimo.
72. Vgl. in dieser Vorstellung: C. G. J u n g Mysterium Coniunctionis I. 1955 p. 226 f.
73. Vgl. auch R o g e r B a c o n , Opus tertium cap. X L : Nam Christus est lapis angu­
laris, tamquam punctus in quo conponuntur duodecim Apostoli et alias 24 seniores in
Apocalypsi; et oportet quod de uno numero vel alio spiritualiter sit, quilibet qui Christo
Domino debeat uniri et super Christum fundari.
74. Ennar. in Apocal. cap. X X I Migne, P. L. tom. 162. coi. 1517: 24 Seniores: hic
(numerus) constat ex duodecim et duodecim, qui item constat ex tribus et quattuor; sancti
vero praedicatores nomen sanctae Trinitatis per quattuor mundi partes annuntiant.
75. Arrhetos, Sige, Pater und Aletheia.
76 . L e i s e g a n g , G n o s i s p . 3 3 6 .
326 KOMMENTAR

darstellen 77 . Bei Z o s im o s begegnet uns die Z ah l vierundzw anzig als


V ielfaches von V ier: indem eine etwas dunkle T extp artie sagt78: « W ie
aus den w ichtigsten musikalischen Linien A B C D vierundzw anzig ver­
schiedene Linien entstehen, und wie m an die H ym nen nur m it diesen
vierundzw anzig Linien kom ponieren k a n n . . . auch diejenigen betreffs
des heiligen W issens z. B . betreffs der Solutio und A u flösu n g (= alche-
mistische H ym n en ) . . . hierin findet sich das, was M ach t hat über die
eine w ahre H auptm aterie der V ogelerzeugung» (V o g e l = L a p is ). Bei
Z o s im o s bilden die vierundzw anzig Linien dem nach das G estaltend-
A ktive im Stoff, und dies stim m t auffallend überein m it den zeitgenös­
sischen gnostischen Spekulationen über die «Stoicheia» (G ru n d elem en te,
Buchstaben) als Ä onen und Lichtem anationen. D ie vierundzw anzig
Buchstabenelem ente w urden als «Sym bola» bezeichnet und sollen nach
A n gabe P h il o s von A l e x a n d r i a wie die musikalischen Z eichen aus
Ä gypten stam m en 79 . D ie Sterne galten daher auch in alchem istischer
A nschauung als die vierundzw anzig Buchstaben eines goldenen, am
H im m el befindlichen, A lphabets, das als «him m lische K r o n e 7898o» A lles
eint.
421 V on diesen Am plifikationen her besehen lassen sich die vierundzw an­
zig Ältesten unseres T extes w ahrscheinlich als eine V ielheit von E lem en ­
ten, K räften und K om ponenten verstehen, die bei d er C onjunctio m it-
wirken und zur G anzheit zusam m engesetzt w erden, ein M otiv, dessen
psychologische Bedeutung J u n g bereits erläutert h a t 8182.
422 B e z ü g h d rd e r historischen Ein ord n u ng unseres T extes ist noch beson­
ders hervorzujieben, daß nur die «parvuli» das Schatzhaus m it H ilfe der
2 4 G reise offnen könnten. «Parvuli» w ar in jener Z eit der offizielle
T itel der M itglied er der M endikantenorden, d. h. der D om inikaner und
Franziskaner 8\ Schon bei G io a c c h in o da F i o r i heißen die A userw ähl-

77. ebda. p. 351 und 360 ff.


78. B e r t h e l o t Coli. Aich. Grecs. Ill, X L IV , 1. Vol. I, p. 219.
79. Vita Mos. 1. 5. 23. Vgl. auch S c o t t , Hermetica a. a. Ο. III p. 490.
8 0 . Vgl. diese Deutung bei J o . d e M e n n e n s (Aurei Velleris etc. Theatr. Chem.
1622. V. p. 365.) der Himmel sei ein Fell und die Inschrift darauf die Sterne . . .
et praedictum Alphabetum sive corona illa coelestis licet causas possideat rerum varias
verum tamen coniunctissimas et quae in unam hominis speciem productionemque eorum,
quae in usum eiusdem veniunt, conspirent.
81. Vgl. Myst. Coni. I. Kap.: Die Reise durch die Planetenhäuser.
82. Vgl. Concord. Lib. V. zit. nach C h r . H a h n , Die Gesch. der Ketzer usw. a. a. O.
III, p. 301.
KOMMENTAR 327

ten aus den kontem plativen M önchsorden, d. h. diejenigen, w elche die


ecclesia spiritualis auf bauen w erden, «parvuli». D iese bilden nach
G io a c c h in o 83 den «populus sanctus», von dem G ott sagte: «Ich werde
ihm V ater sein und er w ird m ir Sohn sein» usw ., w elche A ndeutung sich
ebenfalls in der A u ro ra findet. D ie D eutu n g der «parvuli» als A nspie­
lung auf die M endikantenorden w ird bestätigt durch die Schlußw orte
der A u rora, w orin die A userw ählten als die «pauperes» bezeichnet sind,
welches ein anderer gebräuchlicher T itel dieser zwei O rd en w ar. D a sich
im L au fe der K om m en tieru n g noch viele Berührungspunkte m it der
«C oncordia» des Abtes G io a c c h in o da F i o r i ergeben w erden, ist einer­
seits anzunehm en, daß der Autor der Aurora seine Schriften kannte, und
andererseits daß er wahrscheinlich selber einem der beiden Bettelorden
angehörte oder diesen wenigstens nahestand.
Text: Der Schmuck dieses Hauses ist aber unbeschreiblich: seine Mauern 423
sind aus lauterem Golde und seine Tore funkeln von Perlen und Edelsteinen;
seine Ecksteine aber sind vierzehn an Zahl und enthalten die Grundkräfte
des ganzen Fundamentes.

D as Schatzhaus der Sapientia D ei steht in unserem T e x t au f vierzehn 424


Säulen, w ährend sein V orb ild P rov. I, 9 au f sieben Säulen gebaut ist,
als A bbild des K osm os m it seinen sieben Planetensphären 84. D as h im m ­
lische Jerusalem , m it w elchem unser Schatzhaus der W eish eit ebenfalls
verglichen ist, steht nach der Bibel auf zw ölf G ru n d stein en 8*. D ie Z ah l
vierzehn in unserem T e x t ist zunächst w ohl als eine V erd op pelu n g der
Sieben zu betrachten oder als Sum m e der bedeutungsreichen V ier und
der D ekade (ü b er diese vgl. J u n g ) . D ie Z a h l V ierzehn ist bekannt als
diejenige der sog. «N o th elfer» und spielt eine w ichtige R olle als die
Z ah l, in w elche die A hnen Jesu gruppenw eise im G eschlechtsregister
aufgeteilt sind 86. Letztere Ein teilu n g ist w ohl un ter dem Einfluß der
83. Ebda. p. 300.
84. Vgl. R. R e i t z e n s t e i n , Das Iran. ErlÖsungsmyst. a. a. O., Par. 4: «Die ewige
Stadt», p. 207 ff.-209.
85. Von F. B oll , Die Offenbarung Johannis (p. 2 3 ) , auf die zwölf Zodia bezogen.
V g l . auch den Wechsel der zwölf oder vierzehn Privilegien Mariae in A l b e r t u s
M a g n u s Quaest sup. Evang. C L X III Opera ed. Borgnet, vol. 37, p. 239.
86. Vgl. Matth. I. 17: Alle Glieder von Abraham bis auf David sind vierzehn
Glieder. Von David bis auf die babylonische Gefangenschaft sind vierzehn Glieder.
Von der babylonischen Gefangenschaft bis auf Christus sind vierzehn Glieder. Vgl.
auch G i o a c c h i n o d a F i o r i , Concord. Lib. V. cit. H a h n , Gesch. der Ketzer usw.
Bd. III, p. 307.

22 Jung : Mysterium III


328 KOMMENTAR

ägyptischen V orstellu n g von den vierzehn A h n en oder K a s des P harao


en tstan d en 8?. M erkw ürdigerw eise sind die vierzehn K a s des Pharao in
m anchen T ex te n w ie in der A u ro ra ebenfalls als teilweise ethische und
physische Q ualitäten des Pharao besch rieb en 87888901234. N a ch der arabischen
Legen d e hatte fern er auch A d am vierzehn K in d er, je sieben Z w illin g s­
paare, w elche die «E ltern der W e lt» s in d 89. J a k o b B o e h m e 9° sagt, die
Z ah l vierzehn symbolisiere den H l. G eist, wie er sich in der Freih eit
und in der N a tu r ohne deren W issen entfalte.
A n sich handelt es sich im T e x t bei den 1 4 Ecksteinen u m die g e fo r­
derten T ugenden des A lchem isten, au f denen sich seine Sapientia au f­
baut; ihr Haus ist demnach auch im Seniorschen Sinn der Lapis als ein
M ikrokosm os 91, d. h . als der M ensch selber. D er Stein symbolisiert die
«innere Struktur» des Alchemisten selbst 9\ Z u d em sind an vielen Stel­
len die einzelnen Ecksteine beschrieben, als ob jed er einzelne den
ganzen Lapis darstelle; sie sind eigentlich nur Einzelaspekte einer und
derselben Sache . W a s die einzelnen Edelsteine betrifft, bedarf es zum
V erständnis keines ausführlichen K om m entars 93. D e r erste und zweite
sind G esundheit und D em u t, zwei o ft g eford erte V orbedingungen des
Opus 94. D e r dritte ist «H eilig k eit», was durch das ALPHiDius-Zitat als
«R einheit des G eistes» G o tt gegenüber näher erklärt ist und nach der

87. H. J acobsohn, Die dogmatische Stellung des Königs in der Theologie der alten
Ägypter. Ägyptolog. Forschungen ed. A. Scharff, Glückstadt-Hamburg - N. Y . 1939,
p. 32 und 67.
88. Ygl. A. M o r e t , Mysteres Egyptiens, Paris 1913, p. 209. Die K a s sind z. B. Kraft,
Licht, Intelligenz, Sehen, Hören, Reichtum usw.
89. V g l . L e Livre d’Hermes Ms. No. 2578 Paris, cit. E. B l o c h e t , Etudes sur le
Gnosticisme musulman. Rivista degli studi orientali Bd. IV, p. 73.
90. De Signatura rerum, cit. nach R. A l l e n d y , Le Symbolisme des Nombres. Paris
1948, p. 361. Vgl. dort auch die weitere Literatur über die Zahl Vierzehn. Immer ist
darin das Zeitmoment von Bedeutung. Besonders wichtig ist auch A g r i p p a v o n N e t t e s ­
h e i m s Deutung, daß C h ristu s a m 1 4 . M o n d ta g g e o p f e r t w o r d e n s e i. (De Philos. occulta

11-15 cit. ebda.)


91. Mundus minor. Vgl. S e n i o r , De Chemia a. a. Ο. p. 83 und p. 25.
92. Vgl. die kirchlichen Deutungen der 12 Ecksteine oder Edelsteine des himmli­
schen Jerusalem als Tugenden (virtutes) wie z. B. vigor fidei, cor simplicium, fides
integerrima, humilitas, castitas etc. A n s e l m i L a u d u n e n s i s , Ennarr. in Apocal. X X I
Migne, P. L. tom. 162 coi. 1581-1582.
93. Deshalb citiere ich auch manche Textpartien nicht mehr.
94. Vgl. z. B. R o sa r iu m Artis Aurif. 1610 II, p. 147: Oportet (Alchimistam)
. . . arrogantiae vitium a se repellere et pium esse u. p. 148: Sed doctrinae filius {s it)
vir subtilissimo ingenio decoratus, . . . sanus, firmus in proposito et constans etc.
KOMMENTAR 329

Turba auch als asketische Lebensweise (voluptates reliqui u sw . ) , denn


nur so finde m an den «schärfsten Essig» d. h. das göttlich e W asser 9sm
D e r vierte, der Stein der K euschheit, ist amplifiziert durch die bekannte
A lchem istensentenz: «Cuius m ater v irgo e s t . . . » , und m it A nspielung
auf das lac virginis Letzteres ist als γάλα παρθενικόν (ju n gfräu lich e
M ilch ) schon der griechischen A lchem ie b e k a n n t 97. D ie p rim a m ateria
g alt näm lich als παρθένος (Ju n g fra u ), die aus ihrem feinsten T eil den
«Filius philosophorum » gebärt. D as «lac virginis» findet sich aber auch
in den H ym nen von E p h r a e m S y r u s *8, w o es h eiß t: «Es l o b e . . . ihn
(C h ristu m ) die E rd e, die m it ihren Q uellen die F rü ch te n äh rt und zu­
gleich den Sohn anbetet, und das reine K in d betrachtet, das die Ju n g ­
frauenm ilch saugt» (la c virgineum su g en tem ). D e r A u to r d er A u ro ra
hat daher w ohl bew ußt au f den Ju ngfrauen-Sohn Christus anspie-

95. Vgl. das von Ju n g in Myst. Coni. Vol. I über die «Bitterkeit» im Kapitel «Sal»
Gesagte.
96. Vgl. hiezu S e n i o r , De Chemia a. a. O. p. 19. K o s in u s a d S arra ta n ta m . Art. Aurif.
1610 I, p. 198. Ferner J u l . Ruska: A1-Razis Buch Geheimnis der Geheimnisse, Berlin
1937. Quellen und Studien zur Gesch. d. Naturw. u. Medizin, ed. Diepgen u. Ruska,
IV, p. 67.
97. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. V . II, 4. Vol. I, p. 338 u. I, III, 11. Vol. I, p. 20.
Dies hängt damit zusammen, daß die prima materia für jungfräulich galt, und daß man
Destilliergefäße mit brustartigen Öffnungen hatte, denen das Destillat entströmte. (Vgl.
u. a. Synesios, Dialog mit D ioskoros über D emokrit, B erthelot, II, III, 6. Vol. I,
p. 60-61. Das STEPHANOSzitat selber lautet (G oldschmidt, Carmina H eliodori I,
Vers 189 -1 9 0 ): «Es steigt aus dem M eer. . . die leuchtende Milch einer bräutlichen
Jungfrau (νυμφοστολούσης παρθένου φαιδρού γάλα) zur Nährung des neugeborenen
Kindes.» - So sagt Z osimos in den «Hauptpunkten an Theodoros» (B erthelot III,
X L III, 6. Vol. I, p. 216) über das göttliche Wasser, andere nannten es «Wasser der
Brühe» (μαξυγίου). Die Brühe aber ist das E r z . . . andere leiten es ab von dem
Gefäß (phanos), welches brustförmig gestaltet ist. (Vgl. auch Z osimos, Über die
Dämpfe. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. III, LVI, 4. I, p. 252. Vgl. ebda. IV, V II,
1. Vol. I, p. 275 έν όργάνοις μασθωτοΐς. Vgl. auch E. v. Lippmann, Alchemie a. a. O.
Bd. I, p. 9 7 -9 8 .) - Da nämlich die prima materia oft als jungfräulich gepriesen wird
im Sinne von unberührt und von nichtgestaltet, als formlose «arche» und Hypostase, so
ist das ihr entströmende göttliche Wasser, das auch oft ύδωρ άθικτον «unberührtes
Wasser» heißt, die «Milch der Jungfrau». Der Gedanke, daß der Filius Philosophorum
der Sohn des παρθενικόν πνεύμα war, lag der älteren Alchemie nahe. So lebte z. B. bei
den Naassenern in Anlehnung an die eleusinischen Mysterien die Vorstellung eines
Sohnes der Jungfrau fort, welcher nicht psychisch und nicht somatisch war, sondern
«der Aeon der Aeonen». (Vgl. H ippolytos, Elenchos, V, 8. und W . Scott, Hermetica
a. a. O. Bd. III, p. 189.)
98. Hymnus in Festum Epiphaniae II. 12.
330 KOMMENTAR

len wollen 99 gem äß seiner allgem einen Parallelsetzung des Lapis m it


C hristo I0°.
426 D e r fü n fte Stein ist die V irtus, die sow ohl «T u g en d» als auch einfach
« K ra ft» und zw ar, w ie die Z ita te nachher zeigen, «P enetrationskraft»
ist. So ist schon bei K o m a r io s das En d resu ltat des O pus als ein alle
K ö rp er durchdringendes «m örderisches» P harm akon b esch rieb en 910101.
D er M ercurius g ilt als «spiritus m undus», reiner G eist, d er alles d urch­
dringt, belebt, erleuchtet und w a n d e ltI02.

427 Text: Der sechste (Stein) ist der Sieg, wovon Hermes lehrt: Und er (der
Lapis) besiegt jedes Ding und sogar den Edelstein. Und Johannes sagt in der
Offenbarung: W er überwindet, dem will ich das feine (subtile) und verbor­
gene Manna geben und einen neuen Namen, den der Mund des Herrn ge­
nannt hat. Und im Buch von der Quintessenz steht: Sobald einmal der Stein
des Sieges hergestellt ist, werde ich lehren, wie man mit dem Stein aus dieser
Materie Smaragde, Jaspise und echte Chrysolithe machen kann, die an Farbe,
Substanz und K raft die natürlichen Edelsteine überflügeln . . .

428 D e r sechste Stein ist das «verborgene M an n a» und der «Stein m it dem
neuen N am en » der O ffenbarung - eine Aussage, die besonders deutlich
w erden läßt, daß es sich bei diesen Steinen um etwas w ie das innerste
m enschliche W e se n selber handelt. In seinem K o m m en tar zur O ffen­
barung deutete A l b e r t u s M agnus das «verborgene M an n a» als B ild
des H l. Geistes w egen seiner Süße und als B ild C hristi w egen seiner
stärkenden K ra ft, der «w eiße Stein» aber ist nach ihm die «aeterna con ­
tem platio» oder der glorifizierte L eib; seine W e iß e deutet au f Erleuch-

99. Vgl. den etwas späteren P e t r u s B o n u s . Pret. Marg. Nov. a. a. O. p. 40: «Sie
urteilten, daß Gott mit dem Menschen eins werden müsse, und dies ist geschehen in
Jesus Christus und seiner jungfräulichen Mutter, und Gott hat dies als ein wunder­
bares Exemplum den Philosophen in diesem Stein geoffenbart.»
100 . Vgl. hiezu auch C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie p . 469 ff.
101. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs IV, X X , 17. Vol. I p. 299. Vgl. auch das oben
über die Penetrationskraft des «Auferstehungsleibes» Gesagte.
102. Buch der Alaune und Salze a. a. O. p. 58-59. Man kann diese Vorstellung,
die auf die islamischen Alchemisten eingewirkt zu haben scheint, mit der sog. «voll­
kommenen Natur» der Manichäer vergleichen: Bei diesen gilt das σώμα τελεΐον als
Quelle der Offenbarung und ist die «uranfängliche Natur oder das uranfängliche Selbst».
(Der aramäische Ausdruck quömä ist Person, Materie, Körper und Selbst zugleich.)
Sie wirkt auch als «Daimonion» oder «Spiritus familiaris» im Menschen. (Vgl. R . R e i t ­
z e n s t e i n , Iran. Erlös, p. 75-76, p. 112-113. Vgl. daselbst die arabische Schrift (ca.

8 . Jahrhundert) Buch des H e r m e s (Aristoteles an Alexander), welche dieselbe Vor­


stellung enthält).
KOMMENTAR 331

tung, seine Solidität auf Leidenschaftslosigkeit, sein M aß auf Subtilität


und seine runde F o rm auf A g ilität I03. A n d ern orts sagt er auch, der
«calculus» sei ein B ild C hristi, denn er sei ein Edelstein, der K arfun k el
heiße, und er sei so genannt von der K o h le ( c a rb o ), w eil er ihr ähnlich
sei: er leuchte näm lich im D unkeln. So sei auch Christus in der F in ster­
nis der W e lt aufgeleuchtet, als «das W o r t Fleisch w ard und in uns
w o h n te 10*». N o ch deutlicher w ird die psychologische B edeutung des
Edelsteins bei den folgenden «Ecksteinen», dem G la u b e n IO*, der H off­
nung und der Liebe und G ü te 1
0345106, w elche als die w ichtigsten christlichen
T u gen den gelten und h ier nun auch fü r das alchem istische O pus g e fo r­
d ert w erden, wobei der V erfasser in seiner B em erkung zum H iobzitat
(p ro anim a sua h o c est pro la p ide isto ) selber aussagt, daß d er Lapis
d ie m en sch lich e A n im a im Sin n e von dessen L eb en , Lebenshauch, sei.
In dieser ganzen T ex tp a rtie überw iegt zunächst ein allegorischer Stil,
und es scheint, als ob der V erfasser den V ersuch m ache, sich nun beson­
ders m it dem m oralischen A spekt des Opus auseinanderzusetzen. W ie d e r
stehen deshalb vorübergehend seine bew ußten Ü b erlegungen im V o r­
dergrund. D e r nächste Stein, die G eduld, ist eine im m er w ieder vom
A lchem isten geschilderte T u g en d ; interessant ist fern er der zw ölfte
Stein: die tem perantia (G le ic h m a ß ), indem näm lich die Schilderung
ihrer psychologischen W irk u n g en allm ählich in die chem ische B eschrei­
bung der V o rgän g e in der R etorte abgleitet.

Text: Der zwölfte (Stein) ist das Gleichmaß, von dem geschrieben steht,
daß er alles nährt und hegt und in Gesundheit bewahrt. Solange nämlich die
Elemente im Gleichmaß sind, fühlt sich die Seele im Körper wohl; aber sobald
sie uneins werden, dann haßt sie es in ihm zu verweilen. Denn das Gleichmaß

103. Opera ed. Borgnet Paris 1939, Vol. 38 p. 516-517: ratione candoris signatur
claritas, ratione soliditatis impassibilitas, ratione modicitatis subtilitas, ratione rotundi­
tatis agilitas.
104. ebda.: Vel sic: «Dabo illi calculum» id est Christum qui per calculum designa­
tur, quia calculus lapis pretiosus, qui et carbunculus dicitur, et sic dicitur a carbone,
quia ab eo similitudinem ducit: lucet enim positus in tenebris. Sic Christus in mundi
tenebris refulsit, quando «Verbum caro factum est et habitavit in nobis.»
105. Vgl. 2um Citat über die fides, T homas von Aquin, Summa theol. Prima Secun­
dae Quaest. 72 Art. 3: quia fides est de his quae non videntur et spes de his, quae non
habentur.
106. Vgl. auch den Kommentar 2 ur Offenbarung von A lb ertus M a g n u s (? ) ed.
Borgnet, Vol. 38 a. a. O. p. 498: charitas, quae comparatur auro propter valorem, colo­
rem, pretiositatem.
332 KOMMENTAR

ist eine solche gegenseitige Vermischung der Elemente, daß das W arm e mit
dem Kalten und das Trockene mit dem Feuchten im Gleichgewicht bleibt.
Und die Philosophen haben. . . verboten, daß keines das Übergewicht über
ein anderes bekäme, indem sie sagten: Gebt acht, daß das Geheimnis nicht
entweicht, habt acht, daß der Essig sich nicht in Rauch verwandelt, habt acht,
daß ihr nicht etwa den König und seine Gattin durch zu heißes Feuer in die
Flucht jagt, hütet euch vor allem, was das Maß überschreitet; sondern legt
sie vielmehr über das Feuer der Fäulnis, d. h. der Mäßigung, bis daß sie sich
von selber verbinden.

431 Z u erst handelt es sich um das G esunderhalten und Bew ahren der
Seele im m enschlichen K ö rp er, dann aber um die V erbindung der Sub­
stanzen im G las. D iese T ex tp a rtie ist w ie selten geeignet, das eigenartige
N eben - und M iteinander der innerseelischen und «chem ischen» V o r­
gänge im alchem ischen O pus zu dem onstrieren.
432 V o n den nachfolgenden zwei Ecksteinen ist noch besonders der drei­
zehnte, derjenige der «geistigen Ein sich t», des «spiritualis intellectus»
als bedeutsam hervorzuheben, durch den eine innerseelische Bekehrung
oder Erneu eru n g erreicht w ird. D ies ist ein «subtiles» V erstehen, wie die
alchem istischen T e x te es häufig fo rd ern I07, dam it d er A d ep t nicht durch
konkretistisches M ißverstehen der symbolischen T e x te ins V erderben
gerate. A uch in der L eh re des G io a c c h in o da F i o r i von den drei W e lt­
zeiten, die dem V ater, Sohn und H l. G eist entsprechen, ist erw ähnt,
daß erst im letzten, dritten Z eitalter, dem des H l. Geistes, die mysteria
subtiliora verstanden w ü rd e n 107108. E r spricht verschiedentlich in seiner
«C oncordia» vom geistigen und mystischen V erstehen der Bibel, welches
durch den H l. G eist eingegeben w e rd e IO?, und er h at auch selber die
H l. Schrift in dieser symbolischen F o rm zu deuten versucht. D ieser
«intellectus spiritualis» w ird speziell den M önchen e ig n e n II0.
433 D e r letzte Stein, der G ehorsam , bedeutet eine U n terw erfu n g an G o t­
tes W ille - psychologisch einen V erzich t au f eine ich h afte Einstellung
und eine U n terord n u n g u n ter das Selbst.

107. So z. B. Rosarium , Artis Aurif. 1610 II, p. 148: vir subtilissimo ingenio deco­
ratus.
108. Hahn, Geschichte der Ketzer 1. c. III, p. 303.
109. Hahn, ebda. Vol. III. p. 273.
110. Hahn, ebda. III. p. 333: Pertinet ad monachos quasi trigenarius numerus in eo
quod scientes et venerantes literam veteris testamenti et novi in patriarchis et apostolis
quos electos esse sciunt intellectui spirituali qui ex utraque litera procedit, adhaerent usw.
KOMMENTAR 333

T ext: W er Ohren h a t . . der höre was der Geist. . . sagt, vom Haus . . . 434
auf den vierzehn Ecksteinen, welche die vierundzwanzig Ältesten mit den
Schlüsseln des Himmelreiches erschließen und das S e n io r . . . darlegte, wo er
die Adler auf dem Dache und die Bilder der verschiedenen Eigenschaften auf
den Seiten anordnete. Auch A l p h id iu s spricht von einem Schatzhause, das . . .
mit vier Schlüsseln geöffnet werden kann, welches sind die vier Elemente.

D e r Schluß des K apitels enthält einen H inw eis auf S e n i o r und 435

A l p h id iu s als die Q uellen, die unser A u to r in erster Linie benutzt hat.


D ie Stelle beweist auch, daß die vierzehn Steine alle eigentlich den einen
Lapis in verschiedenen Aspekten darstellen und daß die vierundzw anzig
Ä ltesten (w ie auch der A d le r) die «volatile» M aterie symbolisieren. D e r
V erfasser sieht in der G esam theit der vierzehn Steine das «H im m el­
reich », d. h. es hat im Jenseits, im U nbew ußten, eine «A uskristallisie­
rung» des Selbst stattgefunden, w elche der A u to r in intuitiver Schau
(= A d le r) w ahrnim m t.
Zusam m enfassend läß t sich von diesem K ap itel folgendes sagen: in 436

den ersten K ap iteln der A u ro ra m anifestiert sich eine ungeheure psycho­


logische G egensatzspannung, w elche m it dem fast deliriös erregten Stil
H and in H an d geht. D ie Stim m ung w echselt unverm ittelt zwischen
ekstatischer Freu d e und tiefster V erzw eiflu n g - das Ich des V erfassers
scheint bald in einer Inflation befangen, bald völlig aufgelöst. D ie
A n im a (Sapientia D e i) scheint m it Schatteninhalten (Ä th iop ier, terra
nigra, zersetzende Feuch tigk eit) kontam iniert, und hinter ihr steht an­
deutungsweise die dunkle, richtende, zerstörerische Seite der G ottheit.
E rst im vorhergehenden K ap itel scheint sich der V erfasser m it H ilfe
der versöhnenden, die G egensätze vereinigenden Funktion des U n b e­
w ußten allm ählich w ieder einen geistigen Standpunkt bzw. eine A u f­
fassung des G eschehens aufzubauen. D ie G egensätze alternieren nicht
m ehr, sondern es beginnt eine w echselseitige Einw irkung zwischen
ihnen, w elche zu einer V ersöhnung oder V ereinigung, im U nbew ußten
hin tendiert. D iese V ersöhnung oder Einsw erdung des U nvereinbaren
w ird zu B eginn dieses K apitels zu einer visionär erlebten W irk lich k eit
und enthüllt sich dem V erfasser als eigentliches G ottesbild. D ie V ision
des H ierosgam os im Schatzhaus der W eish eit scheint zuerst wenigstens
vorübergehend das G efühl des V erfassers erreicht zu haben; denn w äh ­
rend die vorhergehende Parabel den B eginn einer geistigen A usein­
andersetzung m it den eingebrochenen unbew ußten Inhalten darstellte,
334 KOMMENTAR

beschreibt die Fortsetzu n g dieses K apitels eine gefühlsm äßige bzw. ethi­
sche Auseinandersetzung m it dem inneren G eschehen. Z u diesem V o r­
w iegen des G efühls p aß t das W iedererscheinen der A n im a in G estalt
der w eiblichen Sapientia (gegen üb er dem H l. G eist des vorhergehenden
K a p ite ls). D e r Lapis als «Schatzhaus» ist nun in erster L in ie als Summe
m oralischer Eigenschaften dargestellt, w obei ein lehrhaft-allegorisieren-
der T o n und ein Zurücktreten des poetischen Elem entes au ffällt. M an
w ürde dies nach einer so bedeutenden V ision nicht erw arten. O ffenbar
ist das G eschaute erst intuitiv erfaß t, und es feh lt noch der nähere
m enschliche K o n tak t m it dem Erlebnis. T rotzd em h at das Geschaute
eine unm ittelbar beruhigende W irk u n g , w elche den V erfasser sich auf
seine m enschliche Einstellung rückbesinnen läßt. D iese B eruh igu n g be­
ruht w ohl in erster Linie au f dem G efühl der U nsterblichkeit, w elche
die V ision dem A u to r verm ittelt hat.

K O M M EN TA R Z U R SECH STEN PA R A BEL


(1 1 . K A P IT E L )

ie sechste Parabel handelt «vom H im m el und der W e lt und der

D A n ord n u n g d er E lem en te», und der H aup tinh alt schildert einen
alchem istischen W eltsch öpfun gsp rozeß . Im Z en tru m steht das B ild
einer «E rd e», die ein weibliches göttliches Symbol zu sein scheint. A us
dieser «E rd e» erblüht ein neuer K osm os *. D as G anze scheint eine A rt 1

1. Das Schatzhaus der Sapientia war, wie aus den Amplifikationen hervorging, eben­
falls bereits ein Abbild des Kosmos gewesen, jedoch unter hauptsächlicher Betonung des
«Mikrokosmos» (mundus minor) d. h. des «inneren» Menschen, der nach mittelalter­
licher Auffassung allgemein als Abbild des großen Kosmos galt. Als Beispiel mag das
Elucidarium des H o n o r iu s v o n A u t u n I, II. Migne, P. L. tom. 172, p. 1116 dienen,
wo es heißt: «Also besteht der körperliche Mensch aus den vier Elementen, weshalb
er Mikrokosmos d. i. «kleine W elt» genannt wird, denn aus der Erde hat er das Fleisch,
aus dem Wasser das Blut, aus der Luft den Atem, aus dem Feuer die Wärme. Sein
Kopf ist rund in der Art der Himmelskugel, aus dem die zwei Augen wie die zwei
Lichter am Himmel funkeln. Ihn zieren auch sieben Öffnungen wie die sieben Harmo­
nien des Himmels usw.» Dasselbe Bild findet sich im Hortus deliciarum der H errad
v o n L a n d sb er g und bei H il d e g a r d v o n B in g e n . (R e it z e n s t e in , Iran. a. a. O.
p. 137 ff.) R. R e it z e n s t e in hat die antiken und iranischen Quellen dieser Idee ausge­
arbeitet, worauf ich verweisen kann. (Vgl. ebda.) E. B l o c h e t , der speziell die persi­
schen Einflüsse auf die arabischen Gnostiker hervorgehoben hat, (Etudes sur le Gnosti-
cisme musulman. Rivista degli studi Orientali IV . 1911-1912. bes. p. 247 ff.) führt
KOMMENTAR 335

von A pokatastasis darzustellen. In der «E rd e» erkennt m an unschw er


die Sapientia-A n im a-G estalt der früheren K ap itel w ieder, die nun aber
geläu tert und vergeistigt ist. Psychologisch handelt es sich in diesem
K ap itel um die Beschreibung derselben Stufe, die D orn eus als W ie d e r­
herstellung des «unus m undus» beschreibt, so daß ich auf J u n g s In ter­
pretation des DoRNEUS-Textes v erw eise2. N ach d em das Selbst zuerst
m eh r als innerseelisches göttliches Z en tru m erfah ren w ar, w eitet sich
diese E rfah ru n g in ein Einheitserlebnis m it dem ganzen K osm os aus.
E in e indische Parallelvorstellung w äre das A u fg eh en im A ll-A tm an .
D ieses psychische Erleben ist von der gew öhnlichen Sphäre des Ichbe­
w ußtseins so w eit en tfern t, daß m an sich fra g t, in w elch w irklichkeits­
entrückter Sphäre sich der V erfasser befand, um diese Inhalte erleben
zu können.
W ie aus dem K o m m en tar zur vierten Parabel ersichtlich w ird, ist
d ort die E rd e das V ierte, das sich in die alchem istische T rin itä t nur
schw er einordnen läßt. Inzw ischen h at ein w eiterer alchem istischer P ro ­
zeß stattgefunden, die Fixatio, w elche das T h em a d er fü n ften Parabel
bildet. In letzterer ist die E n tsteh u n g eines unerschütterlichen inneren
K ern es dargestellt - ein B ild des Selbst, w orin das Ich als d er «G ast»
nurm ehr eine Randerscheinung bildet. D ie Schilderung dieser «petra
interior» ist verw oben m it der A n deutung einer G ottesvision, und es ist

ein Werk M e d jm a e l -b a h r e in v o n Shem s e d -D i n , m o h t e ’-sib von Eberkouh an, wo­


nach das menschliche Herz der Sonne im Himmel entspricht. Dort findet sich das «heil­
volle Haus, welches das Abbild der himmlischen K a’aba sei, in welchem der himmlische
Geist wohnt. Der Kosmos ist, wie ein μέγας άνθρωπος (großer Mensch) dem Men­
schen nachgebildet. A. a. O. sagt derselbe Autor, das Herz des Menschen sei ein Sarg,
in dem die Seele eingesperrt sei; es steht zwischen der tangiblen und intangiblen W elt.
In der Urzeit schuf Gott eine Stadt für seinen Khalifen und seine Offiziere. Diese Stadt
ist gebildet durch den Körper des Menschen und ebenso durch die Erde und die reale
W elt. Die Fundamente der Stadt ruhen auf den vier Elementen. Das Herz ist der Palast
des Khalifen, der nach den Philosophen die Vernunft darstellt. Sein Ort, wohin er sich
zurückzieht, ist das Hirn. Er ist aber nach den meisten der Geist, der im Herzen wohnt.
Die Sinne sind die Tore und Wächter dieser Stadt. Ähnliche Anschauungen finden sich
auch beim Autor des Mersad el-ibad: Der Körper des Menschen entspricht der Erde,
das Herz dem Himmel. Es hat zwei Aspekte, die die Mystiker mit «dil» und «kolb»
bezeichnen, deren je sieben Teile den sieben Himmelssphären und Erdgegenden ent­
sprechen. Das Herz entspricht auch dem Throne Allahs, dessen eine Seite die berührbare,
die andere die jenseitige W elt berührt. So ist auch das Herz einerseits der W elt des
Geistigen und andererseits der des Körpers zugewandt. Die Darstellung bei A l p h id iu s
einer mystischen «domus thesauraria» dürfte mit diesen Vorstellungen verwandt sein.
2. Vgl. Myst. Coni. Vol. II. p. 312 ff.
336 KOMMENTAR

psychologisch w ahrscheinlich, daß die V isio D ei - der A nblick des


H ierosgam os von Sonne und M ond - eben den F els bildet, d. i. eine
nicht m eh r verlierbare E rfah ru n g , au f der das ganze zukünftige m ensch­
liche W esen basiert. D ieser Fels oder diese «neue W e lt» , die entstanden
ist, ist aber nicht etw a eine «innere» W irk lich k eit, w elche sich der bis­
herigen W e lt hinzugesellt - sie ist die eine ganze Realität schlechthin.
D eshalb bem üht sich der V erfasser in diesem vorliegenden K apitel d ar­
um , die T o talität und letzthinige W irk lich k eit des Substrates seiner see­
lischen E rfah ru n g zu schildern:

Text: «W er von der Erde ist, der redet von der Erde, der vom Himmel
kommt, der ist über alle. Schon hier wird die Erde ebenfalls als das Grund­
prinzip der Elemente hingestellt, die Himmel dagegen stehen für die drei
oberen Prinzipien, weshalb also einiges von der Erde und dem Himmel gesagt
sein möge, da jene das Grundprinzip und die Mutter der anderen Ele­
mente i s t . . . »

M it dem H inw eis auf den, «der vom H im m el kom m t und über alle
ist», ist hier w ohl w ieder der «Filius philosophorum » gem eint, w elcher
nach der Tabula Sm aragdina nach seinem A u fstieg zum H im m el «w ie­
der zur E rd e hinabsteigt» und dadurch die oberen und unteren K rä fte
in sich vereinigt. A uch in unserem T e x t vereinigen sich H im m el und
E rd e. Im H im m el sind die drei E lem ente Feuer, L u ft und W a sse r ent­
halten - die E rd e bildet dazu das V ierte. W a s in der vierten Parabel
noch nicht völlig g elan g - die E in ord n u ng des V ierten - , w ird hier w ie­
der aufgegriffen. Bei näherer A nalyse d er Parabel ergibt sich, daß die
E rd e, w elche hier geschildert w ird, n ich t ein ja ch das vierte E lem en t,
das zu den drei anderen hinzukom m t, bildet, sondern einen m ystischen
g a n zheitlichen Charakter besitzt. D iese E rd e ist die «arche» im Sinne
der antiken Philosophie 3, w ie sie auch unser T e x t durch die Z itate aus
Ps. C I. und den A lchem isten M o r ie n u s , H erm es, M o ses als prin cipiu m
(= arch e) und «M u tter der Elem ente» preist 4.34

3. Vgl. die Doxographie des Olympiodor (B erthelot, Coli. Aich. Grecs, II, IV,
Vol. I. p. 82-83: «Unterscheide scharf, der du alle Weisheit hast, daß die Erde von den
Philosophen nicht für ein Element gehalten wurde, da sie nicht zeugend sei. Und dies hat
einen Sinn in bezug auf unser Problem; denn H ermes sagt irgendwo, die jungfräuliche
Erde findet sich im Schwanz der Jungfrau.»
4. Vgl. Petrus B onus Pretiosa Marg. Nov. a. a. O. p. 107.
KOMMENTAR 337

T ext: . . . wie der Prophet bezeugt: Du hast im Anfänge, oh Herr, die 441

Erde gegründet, und die W erke deiner Hände sind die Himmel, d. i. W asser,
Luft und Feuer. Denn von der Erde trennen sich die Elemente im Tode, und
zu ihr kehren sie zu ihrer Neubelebung zurück, denn, woraus ein Ding seine
Zusammensetzung her hat, darin muß es sich naturgemäß auch wieder auf-
lösen. . .

D ie E rd e ist eigentlich identisch m it der Sapientia D ei, und letztere 442

ist w iederum in den Sprüchen (V I I I , 2 2 ff.) andeutungsweise, w enn


nicht M u tter, so doch H elferin G ottes beim Schöpfungsw erk *: « D er
H err hat m ich gehabt im A n ja n g seiner W eg e ; ehe er etwas sch u f, war
ich da. Ich bin eingesetzt von Ew igkeit, von A n fan g , v o r der E rd e, da
die T iefen noch nicht m it W a sse r quollen» u s w . 5
67.T homas von A q u in
h at in seiner Sum m a die Genesisstelle von d er w üsten leeren E rd e sym­
bolisch zu deuten versucht: es sei die n u r in p otentia existente unsicht­
bare m ateria p rim a gewesen 7 . D ies d ü rfte w ohl die obige A urorastelle
erklären, näm lich daß h ier die E rd e als arche gem ein t ist, d. h. als
materia in potentia, w elche ihre F o rm von G ott empfing.
D ie Fortsetzu n g des T extes preist aber die E rd e nicht nur als geheim - 443

nisvolle «arche» des K osm os und als Basis alles Lebens, sondern g eh t
zu einer eigenartigen neuen Idee über: näm lich daß die G ründung des
H im m els über der E rd e - also die Erschaffung d er realen W e lt durch
Scheidung eines O ben vom U n ten ein T o d gewesen sei, und daß daher

5. Sie ist gleichsam das positive Gegenstück zur Tehöm oder Tiamat.
6. Nach A u g u st in u s ist sie «die Kunst», durch die Gott die W elt schuf. - Diese
Stelle wurde von P h il o dahin gedeutet, daß die Sapientia die Mutter sei, «mit der sich
Gott vereinte. . . Sie aber empfing die Samen Gottes und gebar. . . den einzigen und
geliebten sinnlich wahrnehmbaren Sohn, diese unsere Welt, den Kosmos». (De ebrietate
30. Vgl. L eise g a n g , Gnosis a. a. O. p. 95.) - Die Auffassung zweier «archai», Gottes
und einer weiblichen Muttergöttin, Hyle, findet sich ebenfalls im C o r p u s H e r m e tic u m ,
wo es im A sc lepiu s L a t in u s (W . Sc o t t , Hermetica a. a. O. Bd. I, p. 310 ff.) heißt: «Am
Anfang war Gott und die Materie (υλη).» Letztere ist auch der Kosmos, die natura
mundi; oder der spiritus mundi. Sie ist die Matrix aller Dinge und ihr Receptaculum
und z u g le ic h d i e U rs a c h e d e s B ö s e n . Vgl. die Lehre des H er m o gen es ( T e r t u l l ia n adv.
Hermogenem 12) Ähnliche Anschauungen finden sich auch bei N u m e n iu s (Comm.
in Tim. 294). Vgl. hiezu die Ausführungen von W . ScoTT, Hermetica Bd. III, p. 68 ff,
77, 84, p . 272. - (Vgl. auch verwandte gnostische Ideen (S im o n M a g u s ) in L e ise g a n g ,
Gnosis a. a. O. p. 74 und 81 und p. 9 5 ).
7. Summa 1. c. Par. I. 66. Art. I: Secundum hoc ergo dicitur terra inanis et vacua vel
invisibilis et incomposita, quia materia per formam c o g n o s c it u r . . . Materia autem
secundum id quod est, est ens in potentia.
338 KOMMENTAR

die A u flösu n g der W e lt und ihre Rückkehr in den ununterschiedenen


A n fan g , in die arche, eine Ern eu eru n g des Lebens bedeute. In seltsam er
U m k eh ru n g der Genesis ist hier die Schöpfung als ein W eltu n terg an g
geschildert, und der W e ltu n terg an g als eine W iederein sw erd u n g - nicht
A u flösu n g, sondern Einschm elzen in eine U rein h eit. W ä h re n d dies
zunächst als ein kosm ischer V o rg an g beschrieben ist, zeigt die F o rtset­
zung den innerseelisch-m enschlichen A spekt des Geschehens.
D e r W eltu n terg an g , bei w elchem «die E lem ente in ihrem T o d e zur
E rd e zurückkehren», ist psychologisch das Symbol einer völligen A u s­
löschung des Bew ußtseins und tritt daher in T räu m en o ft beim Ausbruch
einer Psychose auf. W ir wissen aus dem vorhergehenden T e x tte il, daß
auch der V erfasser w ahrscheinlich einen solchen G renzzustand v ölliger
D issoziation erlitten hat, in w elchem zum m indesten seine bisherige
Bew ußtseinsw elt gänzlich aufgelöst w ar. A b er im G egensatz zu einer
krankhaften seelischen A u flösu n g scheint sich in ihm die seelische O rd ­
n ung aus dem Chaos w ieder aufzubauen, so daß dieser «T o d der W e lt»
oder die Rückkehr der drei oberen E lem ente (H im m e l = geistig orien­
tierte Bew ußtseinssphäre) zur E rd e (d e m U n b ew u ß ten ) einen G anz-
w erdungsprozeß und den G eburtsm om ent eines neuen transzendenten
K osm os bedeutet.

T ext: . . . wie der göttliche Ausspruch bezeugt: Der Mensch ist Asche und
wird wieder zu Asche werden. Solcher A rt ist nämlich die Asche, die nach der
Vorschrift der Philosophen mit dem ewigen W asser vermischt werden soll.
Dieses Wasser aber ist das Ferment des Goldes, und «ihr Gold» ist der K ör­
per, nämlich die Erde, welche A r is t o t e l e s Gerinnungsmittel (coagulum)
nannte, da sie das W asser gerinnen läßt.

A ls «arche» alles K ö rp erlichen ist die E rd e (in diesem ihrem sym­


bolischen Sinn von m ateria p rim a ) auch die G rundsubstanz des m ensch­
lichen K örp ers, w ie d er T e x t durch das «H o m o cinis est» andeutet
und dabei bezeichnenderw eise fo rtfä h rt: «solche A sche» befahlen die
Philosophen m it dem göttlichen F eu er zu m ischen, w om it gesagt ist,
daß die p rim a m ateria u. a. der m enschliche K ö rp er sei. D iese K ö rp er- 8

8. Vgl. das von J u n g , Psychologie und Alchemie, p. 437 ff. über das Increatum
Gesagte. Tatsächlich weisen gewisse Ausführungen von P aracelsus auf ein der Gott­
heit ebenbürtiges Prinzip hin, welches einer «dea mater» entspricht, (cit. J u n g
ebda. p. 439.)
KOMMENTAR 339

m aterie bildet das «F erm en t des G oldes» und bedeutet dem nach ein
M ittel, w elches die G äru n g und R eifun g des inneren M enschen, des
«hom o interior» bewirkt, und es ist auch zugleich - w ie der T e x t w eiter
sagt - das W asser *, die aqua perm anens des alchem istischen O pus. Psy­
chologisch ha n d elt es sich w ieder um das U n b ew u ß te in seinem som ati­
schen A sp e k t u n d um dessen « v erw irklich en d e » Q u a litä t9I01. D e r K ö rp er
kann als Symbol der individuell begrenzten Persönlichkeit au fg efaß t
w erden, so daß der T e x t symbolisch aussagt, das einm alige individuelle
m enschliche W esen sei der O rt der E ntstehung und R eifun g eines g ö tt­
lichen inneren M enschen, und daher stelle das So-Sein des Individuum s
und seiner R ealität die einzige Basis des ganzen inneren Entw icklungs­
prozesses dar. D ies steht nicht in W id ersp ru ch zur kirchlichen L eh re,
zeigt aber eine A kzentverschiebung in der R ichtung auf eine A n erk en ­
nung des physischen Einzelm enschen. J u n g sagt zu dieser A kzentver­
sch ieb u n g 11: « W o ra n es jener unbew ußten N a tu r, w elche das B ild des
Lapis erzeugte, im besonderen lag, sieht m an am deutlichsten im G edan ­
ken des U rsp ru n gs in der M aterie, der H erk u n ft v om M enschen, der
allgem einen V erb reitun g und der Erzeugbarkeit, die w enigstens p oten ­
tiell in m enschlicher Reichw eite liegt. D iese Eigenschaften zeigen die
dam als em pfundenen M än gel des Christusbildes: eine fü r m enschliche
Bedürfnisse zu dünne L u ft, eine zu g ro ß e D istanz und eine leergelassene
Stelle im m enschlichen H erzen . M an erm angelte des ,inneren’ und
jedem M enschen zugehörigen Christus. Seine G eistigkeit w ar zu hoch
und die N atü rlich k eit des M enschen zu niedrig. Im B ild e des M ercurius
und des Lapis glorifizierte sich das ,Fleisch ’ auf seine A rt, indem es
sich nicht in G eist verw andeln ließ, sondern im G egenteil den G eist als
Stein fixier te. . . Dieses B ild des ,Sohnes der groß en W e lt’ zeigt deut­
lich an, von w elcher Instanz es herstam m t: es kom m t nicht aus dem be­
w ußten G eiste des individuellen M enschen, sondern aus jenen psychi­
schen G ren zg eb ieten , d ie in das G eh eim n is d er W eltm aterie m ünden.»
D as Symbol «E rd e» steht in unserem T e x t fü r dieses G eheim nis, und
diese E rd e bezeichnet der V erfasser w eiterhin als das L an d der V e r­
heißung, «wo M ilch und H o n ig fließt» - eine V orstellung, die im letz­

9. Vgl. T hom as v . A q u in 1. c. Pars I, 68. Art. 2, wonach das Wasser als «materia
corporum» galt.
10. Vgl. hierüber J u n g s Ausführungen in Myst. Coni. II, p. 296 ff.
11. Von den Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 196-197.
340 KOMMENTAR

ten K ap itel w ieder auftaucht und psychologisch als ein Symbol des Selbst
anzusehen ist. Sie ist zugleich, w ie die zum T e x t beigegebenen A m p li­
fikationen und das angeführte SENIOR-Zitat beweisen, ignea (fe u rig )
und aerea (lu f tig ), und sie nim m t das G old bzw. die anim a honorata
(geeh rte Seele) oder den G eist w ie Samen in sich auf. W ie aus solchen
Stellen hervorgeh t, ist die E rd e oder das «corpus secundum », der zweite
K ö rp er, eine G egebenheit, w elche die Qualitäten aller anderen Elemente
in sich verein t 121345: eine luftige E rd e, ein feuriges W asser, ein fließendes
F eu er usw ., und als solche ist sie ein nur G ott anheim gestelltes G eheim ­
nis. In der K abbala w urde diese E rd e m it M alchuth verglichen *3. Sie
d ü rfte der prim itiven A nschauung des «subtle body» entsprechen.
Jen e E rd e oder A sche g ilt auch andernorts in der A lchem ie als das
W ertv o llste und als ein groß es M ysterium . D ie Turba nennt sie einen
«pulvis spiritualis» (geistigen S tau b ), der später zu W a sse r w ird *4, und
zu dem m an zunächst alle K ö rp er zerreiben und verbrennen s o l l 1*.
A uch bei S e n i o r g ilt die A sche als die geheim nisvolle w eibliche G ru nd ­
substanz; in der griechischen A lchem ie ist es die sog. «A sche der M aria»
(σκωρίδια καί τέρφαι Μαρίας) 16179 die in der L iteratu r eine bedeutende
R olle spielen. Z o s im o s zitiert einen A usspruch des Agathodaimon, daß
«die A sche A lles s e i 1?». D ie A sche ist ein Symbol fü r den nicht m ehr
w eiter auflösbaren «absolut» gegebenen G rundbestand physischer und
psychischer T atsachen, die jeder M ensch besitzt und m it und aus denen

12. Über die vier Elemente als Constituenten des Menschen auch «Isis an Horus»
(S tobaeus 1. 49. 69) Π ερί έμψυχώσεως. (W . Scott, Hermetica a. a. Ο. I, p. 5 ff.)
Vgl. ferner Philo v o n Alexandria, De sacrif. Abelis et Caini 33.107 (Cohn I, p. 246).
13. Vgl. K n o r r v o n R o se n r o t h , Kabbala denudata etc. tom. I, p. 118: Sephirot =
Metalle, et M a lc h u th erit Foemina Metallica et Luna sapientum agerque in quem coni-
cienda sunt semina minerarum secretarum nempe Aqua auri, prout hoc nomen occurit
Gen. 36. 39.; sed scito fili mi in his talia latere mysteria, quae nulla hominum lingua
effari poterit.
14. ed. Ruska, p. 143.
15. ebda. p. 139. Vgl. auch p. 159: Quam pretiosum est cinis . . . et quam pretiosum
est quod ex eo fit. Miscentes igitur cinerem aquae, iterum coquite . . .
16. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. II, IV, 37. Vol. I, p. 91. Vgl. auch ebda. II,
IV, 48. Vol. I, p. 98.
17. ebda. III, LVI, 2. Vol. I, p. 251. - Berühmt ist in späterer Zeit besonders der
Ausspruch von M o r i e n u s : Cinerem, qui est in fundo vasis, ne vilipendatis; est q u id e m
in in fe r io r i lo c o , s e d est te r r a c o r p o r is t u i , quae est permanentium finis. - ( K o sin u s a d
S a rra ta n ta m , Artis Aurif. 1610, II, p. 183-184. Vgl. auch die R o s a r iu m - Variante: Cine­
rem ne vilipendas; nam ipse est diadema cordis tui. Vgl. C. G. J u n g , Psychologie der
Übertragung, 1. c. p. 196.)
KOMMENTAR 341

heraus sich seine Individuation gestaltet. D iese G rundtatsachen sind


der Stoff eines «objektiven» Ich, d. h. des S e lb stl819.

Text: Dieses (Coagulum) ist die Erde des verheißenen Landes, in die 449
Hermes seinem Sohne befahl, das Gold zu säen, auf daß lebendiger Regen
aus ihm (dem G old) aufsteige und W asser, das es erwärmt, so wie auch
S e n io r sagt: W enn sie (die Philosophen) nämlich dieses göttliche Wasser,
welches Feuer ist, herausziehen wollen, erhitzen sie es mit ihrem Feuer, wel­
ches W asser ist, das sie genau, bis zum Ende (des W erkes) bemessen haben
und verborgen halten wegen der Unwissenheit der Toren.

D ie geheim nisvolle E rd e ist som it durch eine V erein igu n g von G egen- 450

Sätzen entstanden, d. h. durch ein feuriges W a sse r oder w äßriges Feuer,


indem sich im Selbst alle G egensätze, w ie B ew u ß tsein -U n b ew u ß tes,
Psyche-Physis usw. vereinigen.

Text: W enn nun die Hitze jenes Feuers sich der Erde selber nähert, löst 4ji
diese sich auf und wird ein brodelndes, d. h. verdampfendes Wasser, nachher
aber kehrt sie zu ihrer früheren Erdgestalt zurück. Daher ist durch das Wasser
die Erde in Bewegung geraten, und die Himmel troffen über ihr und flössen
dahin, wie Honig durch die ganze W elt und erzählen ihre Ehre. Diese Ehre
aber kennt nur derjenige, der weiß, wie aus der Erde die Himmel geschaffen *
worden sind . . .

D iese T extp artie deutet an **, daß die geheim nisvolle E rd e durch 452

einen zirkulatorischen Prozeß hergestellt w orden ist: zuerst w urde die


E rd e durch das Feu er-W asser verflüssigt; sie verd am p fte und «kehrte
dann zu ihrer früheren E rd gestalt zurück». D ie K u n st v erfäh rt bekannt-

18. Vgl. J u n g , Psychologie der Übertragung 1. c. p. 59: Es (die Analyse) «ist eine
eigentliche Reinigungsprozedur, in der ,omnes superfluitates igne consumuntur’ (alle
Überflüssigkeiten in Feuer verzehrt werden) und die Grundtatsachen sich herausstellen.
Und was ist grundlegender als die Erkenntnis: Das bin ich? Hier schält sich eine Ein­
heit heraus, die noch eine Vielheit ist oder war. Nicht mehr das frühere Ich mit seiner
Fiktion und künstlichen Zurechtmachung, sondern ein anderes «objektives» Ich, das
man aus diesem Grunde besser als das Selbst bezeichnet Es ist keine Auswahl passender
Fiktionen mehr, sondern eine Reihe harter Tatsachen, die zusammen jenes Kreuz bilden,
das schließlich jeder zu tragen hat, oder das Schicksal, das man ist.» Die «Asche» ist
dessen «prima materia», welche hergestellt wurde durch die Verbrennung der Ausgangs­
produkte: d. h. der Analyse des bewußten und unbewußten M a te r ia ls .
19. Was dann zum Schluß des Kapitels noch deutlicher ausgeführt wird.
342 KOMMENTAR

lieh wie ein R ad oder W irb e l202134. B asierend au f A nschauungen H e r a k l i t s


und anderer frü h erer P h ilo so p h en 21 sagt z. B . Z o s i m o s 22, die E lem ente
m üßten in sich (εις έαυτά) gew andelt w erden, denn sie seien qualitativ
zw ar verschieden, nicht aber der Substanz (ουσία) nach ; und w ie aus
der A u flösu n g der Elem ente alles entstünde, so v erfah re auch die K unst.
Seit A r i s t o t e l e s w urden die E lem ente m eist in zwei obere aktive «psy­
chische» - L u ft und F eu er - und zwei untere passive «som atische» -
W asser und E rd e - au f geteilt 32. Eine ähnliche A u ffassu n g findet sich
im T rak tat « A sklepios» und in den Schriften von Isis an Horus über
die Seelenw anderung im Corpus H erm eticum 24, w o es h eiß t: «V o m
H im m el h er w andelt sich alles in E rd e und in W a sse r und das F eu er
in L u ft. W a s em porstrebt, ist belebend (v iv ificu m ), was aber herab­
ström t, dient jenem . D och alles, was von oben kom m t, ist zeugend; was
von unten em aniert, ist nährend. D ie E rd e aber, welche allein in sich
selber besteht, ist das A u fn eh m en d e von allen <scil. anderen E lem en ten )
und die W iederherstellerin von A llem , das sie a u f n a h m . . . D ie ganze
W e lt ist som it aus den vier Elem enten F euer, W asser, E rd e und L u ft
gebildet; der K osm os aber ist einer, die Seele eine und G ott ein er . . .
der K osm os ist von G ott zu einem ,receptaculum ' fü r alle Ideen g e ­
m acht w orden. D ie N a tu r aber imaginiert verm ittelst dieser Ideen die
W e lt durch die vier E lem ente und vollendet alles bis zum H im m el em por
nach dem W ille n G ottes.» - Bemerkenswerterweise sind hier die Ele-

20. Vgl. « K o m a r i o s an Kleopatra» in B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. IV, X X , 17.


Vol. I, p. 298 und hiezu C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie, p. 514-523 ff. Vgl.
auch dort p. 231-232 und den Ausspruch der Maria Prophetissa p. 41-42.
21. H. D i e l s , fragm. 6: ή οδός άνω κάτω μια και ωύτή wozu D i o g . L a e r t 9 . 8.
erläutert, dieser W eg sei die « μεταβολή », nach der der Kosmos entstehe; denn wenn
sich das Feuer «verdichte», entstehe Wasser, wenn dieses sich verfestige, entstehe Erde,
und das sei der W eg nach unten; wenn aber Erde sich verflüssige, so entstehe aus ihr
Wasser usw .. . . und dies sei der W eg nach oben. Vgl. hiezu auch K l e o m e d e s , De motu
circul. corp. caelest. 1. 11. 61. P h i l o v . Alex, de incorr. mundi: 21. 109. M a x i m . T y r .
41. 4. J a m b l i c h , Π ερί ψυχής bei S t o b a e u s 1 . 49. 39. Schon bei P l a t o gilt die Rotation
als d i e Bewegung des Logos ( T im . 39 D ). Vgl. ferner den Kreislauf des Lebenspneumas
in «Isis an Horus» ( S t o b a e u s , I. 49. 69) cit. W . S c o t t , Hermetica, 1. c. I. p. 522
und hiezu derselbe III. p. 610 und IV . X X I II .
2 2 . B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III. X L III. 1 6 . Vol. I, p . 218. Vgl. auch V. II.
12. Vol. I, p . 341.
23. Vgl. O l y m p i o d o r , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. II. IV . 28. Vol. I, p. 85,
Carmina H e l i o d o r i ed. Goldschmidt a. a. O. p. 23, 25, 52 und E. v o n L i p p m a n n , Aich.
I, p. 99, 147 und 259.
24. W. Scott, Hermetica Bd. I, p. 289 ff. und I, p. 528 ff.
KOMMENTAR 343

m ente eigentlich ihrem W esen nach Instrum ente zur Verw irklichung d er
göttlichen Ideen im Stoff. D ies ist auch die A u ffassu n g von Z o s i m o s ;
er nennt sie «G lieder der H eiligen W issensch aft» oder auch «reine
Z e n tre n 2*».
Aus diesen Beispielen geh t h ervor, w ie w eitgehend die V ier-Elem en - 453

ten-L eh re symbolisch w ar, d. h. eigentlich einen projizierten psychischen


Tatbestand ausdrückte, näm lich die quaternäre Struktur des Selbst und
deren Spiegelung in der V ier-Funktionen-Struktur des Ich-Bew ußtseins.
D ie vierheitliche Struktur ist im A usgangspunkt (in der vorbew ußten
G anzh eit) und im Endprodukt (d e r realisierten G anzh eit) vorhanden.
D aru m ist diese, in der elften Parabel geschilderte, mystische «E rd e»
ein Erzeugnis der in der zehnten Parabel dargestellten Fixatio (H au s
der W eish eit) und paradoxerw eise doch zugleich auch w ieder die
«prim a m ateria»; eine kosm ische «arche» (p rin cip iu m ), w elche die
M u tter aller anderen Elem ente d a rste llt26.

Text: . . . um dessentwillen bleibt die Erde ewig bestehen, und die Himmel 454

gründen sich auf ihr, nach dem Zeugnis des Propheten: Der du die Erde
25. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. III. X L IV . 1. Vol. I, p. 219. (Vgl. auch V I. X V .
2-3. Vol. I, p. 434. Vgl. ferner auch Christianos, ebda. V I. X , 1. Vol. I, p. 410.) -
Hieraus erklärt sich, daß ziemlich allgemein in der Alchemie und auch speziell in der
Aurora die Elemente so völlig paradox beschrieben sind: das Wasser ist auch «geistiges
Blut» und Feuer; die Luft ist Pneuma, Feuer, Seele, Wasser; das Feuer ist Wasser, und
das Wasser ist auch Erde, Asche oder der Menschenkörper. - Dieselbe Idee findet sich
auch in den Schriften Seniors. Nach ihm ist das geheime Wasser von dreifacher Natur
und enthält in sich Wasser, Feuer und Luft (p. 25). Die Luft hinwieder ist der «Mittler»
zwischen Feuer und Wasser und hat dadurch beide in sich aufgenommen (p. 31):
Und das Wasser ist eigentlich das Feuer des Steins oder die «körperliche Luft» (p. 19)
oder die «gestirnte Erde» (p. 23) (terra stellata, die γή άστερίτης der Griechen).
Schließlich sagt Senior, das Geheimnis sei: das warme Wasser, die stille Luft, die
verflüssigte Erde und das umgebende Feuer (p. 33). Und aus diesen vier Elementen
bestehe jedes Wesen (p. 3 0 -3 1 ): «Und so wie die Luft warm und feucht ist, ist auch
ihr (der Philosophen) Wasser warm und feucht und ist das Feuer des Steins und ist
das umgebende Feuer, und die Feuchtigkeit ihres Wassers ist das Wasser. Und wenn
die Luft länger gekocht wird, wird sie zu Feuer, indem sie in der Form von Luft doch
die Aktion des Feuers besitzt. . . » Für Senior ist die Luft feuchtwarm wie Wasser und
ist Feu er. . ., (p. 35), sie ist auch die Seele oder das Blut (p. 58 und 4 4 ) .- T homas
von Aquin hält die Verwandlung der Elemente ineinander für möglich. (Summa Pars I,
Quaest. 67 Artic. III.)
2 6 . Der Text betont ferner, daß man das Geheimnis der Schöpfung wissen müsse,
um dies zu verstehen. Dies bezieht sich auf die «klassische» Ansicht, daß der Lapis wie
der Kosmos hergestellt werden müsse. Man vgl. z. B . Z o s i m o s , B e r t h e l o t , C o l i . A i c h .
Grecs III, V I. 2 2 . Vol. I, p. 1 3 5 u . a. P s - A r i s t o t e l e s De perfecto magisterio Theatr.
Chem. 1659, Vol. III, p. 70: Sicut hic mundus creatus est, ita Lapis . . . est creatus.23

23 Jung: Mysterium III


344 KOMMENTAR

gegründet hast auf ihrer Festigkeit, und sie wird nicht wanken immer und
ewiglich. . .

D iese T extp artie beschreibt einen Sublim ationsprozeß, der öfters auch
dem A u fsteigen eines «lebendigen R egens» verglichen w urde, und des­
sen Produkt nachher w ieder «g efällt» w ird. D an n «destillieren», d. h.
trop fen die H im m el w ieder zur E rd e hinab und verkünden au f E rd en
den R uhm G ottes, den aber n u r derjenige erfaß t, d er w eiß, w ie die
H im m el aus der E rd e entstanden sind, m it anderen W o rte n : der den
alchem istischen Sublim ationsprozeß kennt 2?, w elcher die K osm ogonie,
d. i. das Schöpfungsw erk G ottes, nachahm t. Innerhalb dieses Prozesses
bildet die E rd e, w ie die folgenden W o rte des T extes sagen, den ew igen,
sich im m er gleichbleibenden und unzerstörbaren G rundstoff. (W ä h re n d
nun in unserem T e x te diese «E rd e» vom «göttlichen F eu er-W asser»
gew andelt w urde, schm ilzt sie nach den Bibelzitaten «a facie D o m in i»,
so daß also w iederum jenem W a sse r G ottgleichheit zu k om m t.)

Text: . . . die Tiefe ist ihr (der Erde) Kleid, und auf ihr werden sich
Wasser, Luft und Feuer aufschichten, und auf ihr werden auch die Vögel
des Himmels wohnen, die sie von den oberen Elementen her besprengen, da
sie von der Frucht ihrer Werke satt werden wird . . .

«D er Abyssus ist das G ew and dieser E rd e » , d. h. sie ist um geben


vom abgründigen O keanos, der im antiken und m ittelalterlichen W e lt­
bild als O uroboros dargestellt w urde. U n d über ihr schichten sich zu­
nächst die leichteren E lem ente; und - insofern diese w ieder zu ihr zu­
rückkehren sollen - w ird der V o rg an g im B ild von V ö geln , w elche die
E rd e besprengen *8, dargestellt. V ö gel oder auch in der Einzahl A d ler,
Schw an, G ans, T aube, R abe usw. stellen als alchem ische Symbole,
D äm p fe, sublim ierte volatile Substanzen, daher auch G eister d ar, und
das Besprengen d er E rd e durch die V ö g el bedeutet dasselbe, w ie die
vorher erw ähnte D estillation des H im m els oder das in anderen T e x te n
o ft erw ähnte F allen des R egens. G em eint ist w ieder das «göttliche W a s- 278

27. Vgl. auch Senior, De Chemia, p. 106: Cum antem coagulatum fuerit totum,
tunc nominatur mare sapientum. E t h a e c ter ra est m a ter mirabilium et m a ter c o e lo r u m . . .
et est totum et ex ipsa trahitur totum. Cf. item. p. 38.
28. Die Vögel sind nach Gioacchino da Fi ori die Propheten, die «mit ihren Flügeln
weit vor allen anderen Sterblichen zur Höhe emporfliegen». Concordia, liber V. cit.
Hahn l.c . Vol. III p. 291.
KOMMENTAR 345

ser», «was sie den von der E rd e ausgehenden u n d vom H im m el herab­


steigenden K ö n ig n e n n e n ^ » . In der Sum m a erw ähnt S. T h o m a s die
A u ffassu n g des O r i g e n e s , w onach die überhim m lischen W a sse r «sub­
stantiae spirituales 3°» seien, was diese T extp artie verdeutlicht 31.
Es handelt sich um eine zirkulatorische D estillation: zuerst w erden 45»

die W asser sublim iert und steigen wie V ö gel über die unten tot zurück­
bleibende E rd e au f 3 1, dann fallen sie w ieder w ie ein belebender R egen
oder T au zurück 32: es handelt sich um jene W ied erverein ig u n g m it dem
K ö rp er (n ach der Stufe der U n io m e n ta lis), die J u n g in «M ysterium
C oniunctionis», V o l. II, p . 2 9 9 ff., erläutert hat. E ig en artig ist das B ild
der die E rd e besprengenden V ö g e l: dieses M o tiv deutet w ohl auf eine
befruchtende W irk u n g des geistigen Aspektes der A rchetypen au f das
W irklichkeitsbew ußtsein des Individuum s hin. D e r Sinn des V organ ges
ist gleichsam im Folgen d en erläutert: dadurch erh ält die E rd e K rä fte
aus den oberen Elem enten 33.

Text: . . . weil ja die sieben Planeten ihre Wurzeln in die Erde senkten 459
und ihre Kräfte dort zurückließen, weshalb sich nun in der Erde das Wasser
findet, das die verschiedenen Arten von Farben und Früchten keimen läßt
und das Brot hervorbringt und den Wein, der das Herz des Menschen er­
freut, das auch das Gras wachsen läßt für das Vieh und Gewächse für den
Bedarf des Menschen.

D ie E rd e em p fän gt die «virtutes coeli» (H im m e lsk rä fte ), und letztere 460

sind nichts anderes als die frü h er erw ähnten Planetenkräfte, die nun ins
E rd zen tru m hinabgestiegen sind 34. D ie «vor dem A n tlitz des H errn 293014

29. Cit. Senior, De Chemia a. a. O. p. 17. Vgl. auch den Satz der T a b u la S m a r a g d in a :
Ascendit a terra in coelum iterumque descendit in terram et recipit vim superiorum et
inferiorum. Sic habebis gloriam totius mundi.
30. Summa 1. c. Pars I, 68 Art. 2.
31. Vgl. Senior, De Chemia, p. 122 und die kirchliche Bedeutung der aquilae als
«geistige Führer»: Ephraem Syrus, Hymni a. a. Ο. I, p. 86: In principio spiritus foecun-
ditatis incubavit aquis et illae conceperunt peperuntque dracones, pisces, aves. Spiritus
Sanctus incubavit aquis baptismi, quae pepererunt m y stica s a q u ila s n e m p e v ir g in e s et
E c c le s ia e r e c to r e s .
32. Vgl. die Wiederkehr der Seele in J ung, Psychologie der Übertragung,
1. c. p. 195 sq.
33. Vgl. die Nachbildung der oberen Sterne im unteren Himmel bei G. D orneus,
J ung Myst. Coni. Vol. II p. 311.
34. Dies entspricht der Lehre, die u. a. St . T homas in seiner Summa anführt, wo­
nach das Licht der Himmelskörper die formas substantiales in der unteren W elt
erzeugt. Es gibt den Dingen das esse spirituale, macht sie actuell existent, sichtbar und
346 KOMMENTAR

dahinschm elzenden B erg e» sind schon nach dem HENOCHbuch 35 h im m ­


lische M etallberge, und in ähnlicher A rt bedeuten h ier die destillieren­
den H im m el ein Irdischw erden der Planeten in F o rm der M etalle 36.
N a ch allgem ein verbreiteter m ittelalterlicher A nschauung sind näm lich
letztere durch «Einflüsse» der Planeten auf die E rd e entstanden. So
entsteht (n ach unserem T e x t) in der E rd e eine A rt «K eim w asser»
(offenbar identisch m it den M e ta lle n ), aus w elchem Farb e, F ru ch tb ar­
keit, irdische N ah ru n g fü r M ensch und T ie r und geistige N a h ru n g in
F o rm des W ein es entstehen 37 . N ach dem Psalm zitat (P s . 1 0 3 ) ist dieses
K eim w asser m it der W irk sam k eit G ottes identifiziert. Ä hnlich h eiß t es
bei S e n io r 38, der Lapis stam m e von reinem Samen und habe viel Segens­
k raft in sich. D iese kosm ische Sam enkraft ist bei ihm das W a sse r 39.

N ach d em alle schädigenden Beim ischungen des U nbew ußten von der
individuellen bewußten Persönlichkeit durch die zuvor geschilderten
R einigungsverfahren beseitigt w urden, kann nun das U nbew ußte m ehr
und m ehr eine inspirierende und belebende W irk u n g entfalten. D ie
V ögel, w elche «die E rd e besprengen», weisen au f eine geistige und
gedankliche Bereicherun g hin. Bem erkensw ert ist die T atsach e, daß
St . T hom as gerade diese Psalm stelle (R igans m ontes de superioribus
tuis) seiner A ntrittsvorlesung als M agister in Paris zugrunde legte und
zw ar auf G rund eines T raum es. E r sträubte sich gegen die Ü bernahm e
der neuen W ü rd e , und da erschien ihm im T ra u m ein G reis, der ihn
tröstete und erm unterte und als T e x t seiner A ntrittsvorlesung eben diese
Psalm stelle vorschlug 4°. D e r T rau m m ahnt S t . T homas offensichtlich,

farbig. Das Licht wirkt instrumentaliter durch die Himmelskörper auf die untere W elt
ein, um dort die formae substantiales zu erzeugen. Summa Pars I, Quaest. 67 Art. 3: Lux
caelestium corporum causat formas substantiales in istis inferioribus. Dat etiam esse
spirituale coloribus quia facit eos visibiles actu. Ergo lux non est aliqua qualitas sensi­
bilis sed magis substantialis forma aut spiritualis . . . : lumen agit quasi instrumentaliter
in virtute corporum caelestium ad producendas formas substantiales etc.
35. E. K autzsch, Apokryphen u. Pseudoepigraphen des A. T . Tüb. 1900. II. ρ. 251.
36. Schon bei K omarios heißt u. a. das Wasser « das Wasser auf den Berggipfeln».
B erthelot, Coli. Aich. Grecs IV, X X , 4. Vol. I p,. 290: Ή μέν γή έστερέω ται έπάνω
των ΰδάτων, τά δέ υδατα έν ταΐς κορυφαΐς των όρέων κτλ.
37. Vgl. die Rolle des Weines bei D orneus, J ung, Myst. Coni. II. p. 265 ff.
38. ed. Stapleton 1. c. p. 169.
39. p. 58, 59. Vgl. auch p. 87: Dixit H ermes quod secretum uniuscuisque rei in
una est aqua . . . et principium generationis hominis est aqua.
40. Vgl. Martin Grabmann, Die echten Schriften usw. p. 25. Diese Vorlesung ist
erhalten und ediert von Fr . Salvatore Due sermoni inediti de S. Tommaso d’Aquino
Roma 1912.
KOMMENTAR 347

sich m eh r der schöpferischen Inspiration des U nbew ußten zu überlassen


und sich nicht u nnötig durch zw eifelnde Ü b erlegungen zu quälen.

Text: Diese Erde also ist es, die den Mond gemacht hat zu seiner Zeit, 462
dann aber ging die Sonne auf, sehr früh am ersten Tage der Woche, nach der
Finsternis, die du auf Erden gesetzt hast vor Sonnenaufgang, und so entstand
die Nacht.

D as A ufkeim en der F arb en und einer bunten, fruchtbaren, neuen 463

W e lt w äre alchem istisch m it der nach der N ig red o entstehenden «cauda


pavonis» zu vergleichen, deren psychologische Bedeutung J u n g bereits
näher ausgeführt h at 4 *.
N a ch dieser Stufe fo lg t gew öhnlich die A lbedo, die hier im A u f gehen 464
des M ondes angedeutet ist und dann die Rubedo - das A u f gehen der
Sonne 4*. D u rch Sonne und M o n d aber entsteht das zeitliche D a s e in 43 .

V o r der Schaffung von Sonne und M ond und dam it der «siderischen 4^5

Z eit» gab es gleichsam eine außerhalb der Z eit befindliche W e lt-A u ro ra ,


in der zw ar schon das L ich t existierte, aber noch keine «L ich ter». D as
erinnert an die V orstellu n g des «m undus potentialis» bei D orneus -
ein B ild fü r die W e lt der A rchetypen, w orin schon «Lum inosität» v o r­
handen ist 44? jedoch kein diskrim inierendes Ichbew ußtsein, und daher
auch noch nicht die K atego rien von Z eit und Raum . D ann entsteht zu­
erst der M ond - ein leicht w iederauslöschender diffuser Bew ußtseins­
zustand, der erst später durch ein konstantes und deutliches Bew ußtsein
abgelöst w ird. Im G esam tzusam m enhang der A u ro ra gesehen bedeutet
w ohl diese N eusch öp fu ng der W e lt einen aus der T ie fe des U nbew ußten
eingeleiteten N euaufbau des Bew ußtseins, welches durch den v orh er­
gehenden Einbruch des U nbew ußten vernichtet w orden w ar. D ie neu- 4123

41. J u n g , Myst. Coni. II. p. 3 8 ff.


42. Vgl. die Erde als Mutter von Sonne und Mond schon in der phönizischen Kosmo-
gonie des S a n c h u n i a t h o n ( E u s e b i u s , Praep. ev. I . 1 0 . 2 . ) wonach die W elt in Form
eines Eies erschaffen wurde: «und es strahlte aus ihm Mot (die Muttergöttin) dann Sonne
und Mond und dann die Sterne».
4 3 . Nach der Summa des H l . T h o m a s ist die Zeit erst mit der Schaffung von Sonne
und Mond beim Sechstagewerk entstanden, das Licht aber an sich sei schon vorher
geschaffen worden und bedeute die fo r m a t io s p ir itu a lis cre a tu ra e . Summa 1. c. Pars I
Quaest. 67 Art. 4: Unde oportet dicere quod per lucis productionem intelligatur formatio
spiritualis creaturae . . .
4 4 . Vgl. C. G. J u n g , Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen, in
«Wurzeln des Bewußtseins» a. a. O. p. 544 ff.
348 KOMMENTAR

entstehende Bew ußtseinsw elt ist jedoch anders zentriert - im M itte l­


punkt steht nicht m eh r das Ich, sondern eine G estalt, w elche die T e x t­
fortsetzung bald als Christus und bald als «zw eiten A d am » beschreibt,
d. h. ein Symbol des Selbst .
D e r Satz aus Ps. C III: F e cit Lunam in tem pora, Sol cognovit occasum
suum, ist in d er patristischen L iteratu r meistens auf die Ecclesia und auf
Christum gedeutet w orden 45 .· D ie K irch e oder L u n a stelle als solche «die
Sterblichkeit unseres Lebens» dar, die dann in der Sonne, d. i. in C hristo
aufgenom m en, verschw indet. D aß der A u to r solche kirchlichen D eu ­
tungen des Psalm es kannte, und daß er bewußt an solche dachte, be­
w eist das n achfolgende Satzfragm ent (« se h r früh am ersten T a g e der
W o c h e » ), m it w elchem er auf die A u fersteh u n g C hristi an sp ielt *6. D ie
G leichsetzung des Filius philosophorum m it dem auf erstandenen C h ri­
stus geht durch den ganzen T rak tat hindurch und zeigt, daß der V e r­
fasser dieselbe bew ußt vorgenom m en hat. D ie geheim nisvolle E rd e oder
A sche, die den G rundstoff des m enschlichen K örp ers bildet, ist dem nach
die Substanz des Auferstehungsleibes C hristi oder des später erw ähnten
«zw eiten A d am » einer gottm enschlichen A nthroposgestalt, w elche hier
bald überm enschliche A spekte hat, bald aber auch m it dem A lchem isten
identisch zu sein scheint 47.

Text: . . . die Nacht. In ihr streifen vorbei alle Tiere des Waldes, da du
ihnen eine Grenze gesetzt hast, die sie nicht überschreiten werden, bis zum
Weißen, sie werden vielmehr in ihrer Ordnung verharren bis zum Roten, da
alles der Erde dient. . .
D iese Sätze w iederholen noch einm al die Beschreibung der drei
H auptstufen des Prozesses in der N ig re d o (= tenebrae, n o x ante ortum
S o lis), A lbedo (L u n a ) und Rubedo (S o l) 48. In der N a ch t der N ig red o

45. Augustinus, Ennarat. in Ps. 103. 19: Fecit Lunam in tempora, - Intelligimus
spiritualiter Ecclesiam crescentem de minimo et ista mortalitate vitae quodammodo sene­
scentem: sed ut propinquet ad Solem! cit. aus. H. Rahner, Mysterium Lunae, Ztschr.
f. kathol. Theol. 63. Jahrgang 1939, p. 316 und 217.
46. Vgl. Mark. X V I. 2.
47. Man vergleiche die früheren Parabeln.
48. Wichtig ist auch für die Deutung dieser Stelle eine spätere Amplification dieser
Stelle in Jo . de M ennens, Aurei Velleris etc. Theatr. Chem. 1622 Bd. V p. 364, wonach
die Schaffung von Sol und Luna am vierten Tag geschah: Quartus enim numerus
perfectus est atque omnem numerum sive multitudinem in se complectitur, unum enim
duo tria quatuor simul iuncta denarium constituunt ultra quem progredi non datur
absque regressum ad unitatem.
KOMMENTAR 349

ziehen die T iere des W a ld e s vorbei. D am it ist w ohl auf die reiche T ie r­
symbolik des alchem ischen O pus hingew iesen, w elche besonders die A n ­
fangsstadien charakterisiert; die Schlange O uroboros als Symbol der
Arkansubstanz, der Löwe 49, die R eptilien *°, der A d le r H u n d , W o lf ,
K am el usw. 5\ V ielleicht dachte der V erfasser auch an die berühm te
Stelle der VERGiLschen G eorgica vom W e lte n frü h lin g : V e r illud erat,
ver m agnum agebat in o rb is . . . cum prim ae lucem pecudes hausere
visum que, terrea progenies duris extulit caput arvis immissae ferae silvis
et sidera caelo , w ozu S e r v i u s bemerktu, dies bedeute das Friihlings-
aequinoctium , in w elchem die erneute «Loslassung der P laneten» am
H im m el stattfinde, wie wilde T iere in den W ald oder in das Zirkus -
Stadion. A u ch der V erfasser der A u ro ra beschreibt einen W e lte n frü h ­
ling, eine genitura m undi - weshalb vielleicht auch die vorbeiziehenden
T iere als die neu ihre B ah n betretenden Planeten zu verstehen sind. D ies
w ird näm lich besonders nahe g eleg t durch die F ortsetzu n g des T extes,
w orin es h eiß t: «sie überschreiten aber ih r M aß nicht, sondern sind g e ­
bändigt und verharren in rich tiger O rdnung» von d er A lbedo bis zur
Rubedo, «weil alles der E rd e d ient». D iese Bibelstelle v om Vorbeiziehen
der T iere w urde sonst au f das K o m m en des A n tich rist bezogen. So sagt
G io a c c h in o da F i o r i u, w enn der A n tich rist erscheine, so sei dies jene
N ach t der Betrübnis und der Bedrängnis, in d er alle T ie re des W ald es
durchziehen w erden. D ies geschehe im sechsten Z eitalter. (H ie r sind
die T iere in der sechsten Parabel erw äh n t!) G io a c c h in o sagt fern er 55:
«D iese T iere und Reptilien, die G ott am sechsten T a g e schuf, bedeuten
die Reiche der H eiden und Sekten der Pseudopropheten.» Es scheint
m ir w ahrscheinlich, daß der V erfasser d er A u ro ra um solche D eutungen
w ußte. 4950123

49. Gleichnis des Marchos bei Senior 1. c. p. 63.


50. Senior, p. 78 und 108.
51. Vgl. Zosimos, B erthelot Coli. Aich. Grecs. III. VI. 5. Vol. I. p. 121 und III,
X X I X , 18. Vol. I, p. 202 und den λίθος αέτίτης ebda. I, IV. 1. Vol. I. p. 21.
52. Vgl. das O p u sc u lu m a u th o r is ig n o t i , Artis Aurif. 1610 I p. 251. Lambsprinck,
Ripley u . a.
53. Vgl. hiezu alle Belege bei E. N orden: Die Geburt des Kindes, Berlin 1931.
p. 17 und Anm.
54. Concord. V, cap. 92. Erit autem nox illa nox tribulationis et angustiae, nox in qua
pertransibunt omnes bestiae silvae. Ich zitiere nach Chr. Hahn, Gesch. der Ketzer im
Mittelalter, Stuttg. 1850 Bd. III, p. 129-130.
55. Cone. IV cap. 6, Hahn 1. c. Vol. III, p. 114-115. Vgl. auch Fußnote p. 112.
35.0 KOMMENTAR

Text: . . . da alles der Erde dient, und ihr Leben währet siebzig Jahre, die
über sie hinweggehen, da sie alles trägt durch das W o rt ihrer Göttlichkeit. . .

In der A u ffassu n g des A u tors handelt es sich um den G edanken,


daß v or der definitiven V erk läru n g, w ie sie in der siebenten Parabel
geschildert ist, noch einm al ein letzter A usbruch aller dunklen M äch te
erfo lg t, w elcher irgendw ie auch m it dem m enschlichen K ö rp er Zusam­
m enhängen m uß, da die Fortsetzu n g in unserem T e x t lautet: sie über­
schreiten ihr M aß nicht, «w eil alles der E rd e diene». D ie E rd e bedeutet
den K ö rp er, und so sind die T rieb e (T ie re ) selber eingedäm m t durch
das W esen des K örp ers. D e r T rieb geht nicht ins U ferlo se, sondern ent­
h ält seine eigene A ufhebung oder Begrenzung. D e r letzte Satz ist auch
deshalb besonders bedeutungsvoll, weil der Verfasser damit die Erde an
die Stelle Gottes in das Psalmzitat einsetzt! Sie selber ist der auf erstan­
dene Herr und tatsächlich das göttliche Geheimnis und auch Gott selbst.
A b er - wie es w eiter h eiß t - das Leben dieser Erde währet 70 fahre *6 -
sie ist also zugleich auch der gewöhnliche körperliche sterbliche Mensch!
D och trägt die E rd e auch alles «durch das W o r t ihrer G öttlichkeit»
(H e b r. I, 3 ) : d. h. sie ist gleichzeitig der weltschöpferische Logos. F ü r
die E rk lärun g und D eutu n g dieser ungeheuerlichen P arad oxie m uß ich
au f die vorhergehenden A usführungen von J ung verw eisen; es handelt
sich offensichtlich um die E ntstehung einer gottm enschlichen G estalt,
die ähnlich wie Christus w ah rh aft G ott und w ahrhaft M ensch ist und die
hier zugleich auch zum gewöhnlichen sterblichen Individuum wird.

Text: . . . wie auch in der Turba geschrieben steht: Die Erde trägt alles, da
sie schwer ist, weil sie das Fundament des ganzen Himmels bildet, darum
weil sie trocken erschien bei der Trennung der Elemente.

H ier ist jenes geheim nisvolle Endresultat des Opus w ieder eher etwas
N ichtm enschliches, eben die «E rd e», die - w ie der T e x t, die Turba zitie­
rend, fo rtfäh rt - «alles träg t und als Fun d am en t des H im m els dient».
U n d zw ar ist sie gleichsam die U re rd e der Genesis, die zuerst bei der 56

56. G eorge Ripley , der die Aurora offensichtlich kannte, deutete den obigen Satz
vom «Nichtüberschreiten der Grenze» in diesem Sinn: Medulla Philosophiae Chemicae,
Opp. omn. ehern. Cassel 1649 ed. K oehlers p. 300: Scriptum enim est: Constituisti ter­
minos, qui praeteriri non possunt. Das bezieht sich darauf, daß auch durch die «medi­
cina» die menschliche Lebensdauer nicht über 70 Jahre ausgedehnt werden könne.
KOMMENTAR 351

Scheidung von W asse r und L an d auftauchte, also die allererste m ateria


prim a des K osm os.

Text: Da ward ein W eg im Roten Meer, ohne Hindernis, da dieses große 473

und weite Meer den Felsen erschütterte und die metallischen W ässer heraus-
flossen. . .

D as A uftauchen des ersten trockenen Stückchens E rd e im U rch aos 474

vergleicht der V erfasser hier im w eiteren m it der T eilu n g des R oten


M eeres, in w elchem fü r Israel ein rettender W e g frei w urde und ein
«blühendes F eld » aus dem A bgrund auftauchte. D ies ist ein zw eiter
H inw eis auf das A ufblühen und K eim en einer neuen W e lt; ein M otiv,
das dann einen breiten R aum in der letzten Parabel einnehm en w ird,
weshalb ich die K om m en tieru n g hier noch verschiebe. A lchem istisch zu
am plifizieren w äre hingegen das «R ote M e e r» , welches ein beliebtes
Synonym des «göttlichen W assers» ist 57. Ich verw eise h ierfü r auf die
A usführungen von C. G . J u n g , M ysterium Coniunctionis, I, K ap itel:
D as R ote M eer.
W a s die Fortsetzu n g des T extes betrifft, so w ird m erkw ürdigerw eise 475

dieses «w eite M eer« auch m it dem Stab Mosis identifiziert, m it dem er


einst aus dem Fels W asser schlug; und m it dem er in der Bibel das R ote
M eer teilt. D e r M ercurius, der die «aqua» darstellt, w urde o ft durch
den Caduceus symbolisiert *8. So ist hier andeutungsweise die «aqua
divina» w iederum W irk end es und Bew irktes zugleich. (A u ch bei den
M andäern findet sich die V orstellung vom «Stab des belebenden W a s ­
sers 59».) D er Stab symbolisiert psychologisch ein richtunggebendes E le ­
m ent, das gleichsam im «W asser» des U nbew ußten enthalten ist und
das, wie der Zauberstab des H erm es, Schlaf und W a ch e n , T o d und 5789

57. Vgl. bei K omarios (B erthelot, Coli. Aich. Grecs. IV, X X , 11. Vol. I p. 294)
die Bezeichnung der Aqua als «ägyptisches Meer». Die T u r b a (p. 249) sagt, der Purpur
sei eine Farbe, «die von unserem roten, reinsten Meere extrahiert worden ist». Vgl. all­
gemeiner über das Meer p. 248 und 125 und Senior, De Chemia, p. 82, 83. In der
Gnosis, wie bei den Kirchenvätern, wurde das Rote Meer als «die vergängliche Welt»
gedeutet (vgl. Leisegang, Gnosis, p. 139-140 und bes. p. 143).
58. Belege vgl. C. G. J ung, «Der Geist Mercurius» in: Symbolik des Geistes, p.91.
Das Compositum im Rohzustand heißt auch «virga metalli» ( T u r b a , ed. Ruska a. a. O.
p. 255). Vgl. die christliche Deutung: Ephraem Syrus, Hymni a. a. O. Bd. I, p. 54,
Hymn. V, 13: Virga Moisi petram aperuit et fluxerunt aquae. . . Ecce e latere Christi
fluxit fons vitae.
59. Vgl. B ousset, Gnosis a.a. O. p. 31.
352 KOMMENTAR

Leben lenkt und bewirkt. In der kirchlichen Symbolik g ilt M aria als
«ein goldener Stab - d. h. als Symbol des ew igen Lebens 6o».

476 Text: Darauf verschwanden im Trockenen die Ströme, welche die Gottes­
stadt erfreuen; wenn dieses Sterbliche angezogen haben wird die Unsterblich­
keit und dies Verwesliche des Lebendigen die Unverweslichkeit, dann wahr­
lich wird das Wort in Erfüllung gehen, das geschrieben steht: Der Tod ist
verschlungen in den Sieg, oh Tod, wo ist nun dein Sieg?

477 D ie Ström e, «w elche die G ottesstadt erfreu en », verschw inden im


T rockenen. D ie zwei Bibelzitate scheinen sich zu w idersprechen; es ist
aber w ohl etw a Folgendes gem eint: einerseits verschw indet die «v er­
derbliche Feu ch tigk eit», das göttliche W a sse r in seinem chaotischen, zer­
setzenden A spekt, und aus ihm w ächst in der F ix a tio oder C oagulatio
die geheim nisvolle E rd e als Festland e m p o r61. D ieser feste Punkt aber
ist nicht nur eine «terra», sondern auch das «Schatzhaus der W eish eit»
der vorigen P arab el oder das him m lische Jeru salem (v g l. K ap . 5 ) , die
civitas D ei, und in ihr bleibt das W a sse r erhalten, quillt nun aber, im
Innern g efaß t, als ew iger Lebensquell, w elcher V erjü n gu n g und gei­
stiges Leben schenkt. «D ie Ström e, w elche die G ottesstadt erfreu en »,
w urden von O r i g e n e s und G r e g o r iu s M agnus auf C hristum und den
H eiligen G eist b e z o g e n 6263. D as Festland zwischen den Ström en deutete
G io a c c h in o d a F i o r i auf die Ecclesia spiritualis 63. D ie «G ottesstadt»
aber ist nach unserem T e x t der unsterbliche Leib oder der unsterbliche
innere M ensch, die «mens cuiuslibet capientis» oder der «zweite A d a m » .

47« Text: Wo Deine Sünde mächtig war, da ist jetzt auch die Gnade noch viel
mächtiger. Denn gleich wie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo
alle lebendig gemacht werden. Da zwar durch einen Menschen der Tod, aber
auch durch ihn (Jesum) die Auferstehung der Toten gekommen ist.

60. Vgl. P s .-A lb e r t u s , Bibi. Mar. ed. Borgnet 37, p . 389: Maria est virga aurea,
signum vitae aeternae.
61. Vgl. die Deutung dieser Textpartie in G eorge Ripley , «Medulla philosophiae
Chemicae» in «Opera Omnia Chemica» Cassel 1649, p. 150, darnach erscheinen die
«oculi piscium», die Fischaugen.
62. H. Rahner, Flumina de ventre Christi a. a. O. p. 277. Vgl. auch G regorius
Magnus, Expos, in Cant. 5, Opera 1636 Paris, tom. I, col. 30: cum per donum Spiritus
Sancti fortiter inundans scripturae Sapientia sanctam Ecclesiam vel cuiuslibet capientis
mentem infusione sua exhilarat.
63. Concord. IV . vgl. Hahn, Gesch. d. Ketzer 1. c. III, p. 296-297.
KOMMENTAR 353

D er Text geht in ein dithyrambisches Siegeslied über Tod und Ver- 479
gänglichkeit über, in welchem wiederum die leidenschaftliche mensch­
liche Anteilnahme des Verfassers am alchemischen Prozeß überwälti­
gend zum Ausdruck kommt und so erkennen läßt, daß es sich bei ihm
selber um eine innere Wiedergeburt und Verwandlung aus Vergäng­
lichem in Unsterbliches handelt. Zu demselben PAULUS-Zitat: «W o
deine Sünde mächtig war» usw., sagt G io a c c h in o d a F i o r i 64: «Da der
Sohn dem Vater gleich ist, so muß er auch. . . gleich wirken, weil aber
Jener, der der Geist der W ahrheit genannt wird, von Ihm, der die W ahr­
heit ist und vom Vater zugleich hervorgeht, so mußte im Neuen Testa­
ment die Barmherzigkeit sich verdoppeln, damit ,wo die Sünde mächtig
war, die Gnade noch viel mächtiger würde'.» Dies ist insofern zu be­
rücksichtigen, als der H l. Geist diejenige Person der Trinität ist, die in
der Aurora eindeutig am stärksten Beachtung findet 6K
Psychologisch betrachtet ist diese Textpartie besonders wichtig, weil 480
hier die Beschreibung scheinbar kosmischer Vorgänge allmählich in die
Schilderung einer m enschlichen Gestalt, des aus reiner einfacher Sub­
stanz bestehenden unsterblichen Adam übergeht. Es scheint, als ob der
innerseelische Aspekt des Geschehens dem Verfasser bewußt geworden
wäre. Mehr und mehr wird der Prozeß als die Herstellung einer größe­
ren inneren Figur verstanden, nämlich des Selbst, und im Gegensatz
zum Beginn der Aurora, wo der Verfasser sich immer wieder inflatorisch
mit dem «Filius philosophorum» identifiziert, schält sich nun diese selbe
Gestalt rein und nicht mehr mit der «immunditia» der Unbewußtheit
behaftet im Innern des Autors heraus. Dieser mystische innere Anthro-
pos ist ein unsterblicher Mensch, der an der vergänglichen irdischen
W elt nicht mehr teilhat.

T ext: Denn der erste Adam und seine Söhne sind aus vergänglichen Eie- 481

menten entstanden, deshalb mußte das Zusammengesetzte auch notwendiger­


weise wieder zerfallen, der zweite Adam hingegen, welcher der philoso-

64. Concord. IV . cit. nach H a h n , Gesch. d. Ketzer, Bd. III, p. 287.


65. Dasselbe Pauluszitat führt S. T h om as auch in seiner Summa an, wo er von dem
durch Gott zugelassenen Sinn des Bösen spricht (III, 1 . 3. ad 3 m cit. G il so n I, p . 2 7 0 ) :
Gott erlaubt, daß das Böse geschehe, damit er daraus etwas Besseres hervorlocke, weshalb
es Röm. IV heiße: W o deine Sünde mächtig war, da wird auch die Gnade noch viel
mächtiger, weshalb es in der Benedictio cerei paschalis heiße: O felix culpa quae talem
ac tantum meruit habere redemptorem!
354 KOMMENTAR

phische Mensch genannt wird, ist aus reinen Elementen entstanden und ging
daher in die Ewigkeit ein. Was nämlich aus einfacher und reiner Substanz
besteht, bleibt unzerstörbar in Ewigkeit.

482 F ü r diese T extp artie m it ihren eigenartigen Anspielungen au f den


«ersten und zweiten A d am **» kann ich au f das K ap itel der U n te r­
suchung J u n g s verw eisen. A us ihm w ird die Bedeutung der A nspielun­
gen unseres T extes w ohl ohne weiteres verständlich *7 .

483 Text: So wie auch S e n io r sagt: Ein Einziges gibt es, das niemals stirbt, da
es in beständiger Zunahme weiterlebt, wenn der Leib verklärt sein wird bei
der Auferstehung der Toten am jüngsten Tage, weshalb auch der Glaube
die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben nach dem Tode bezeugt.
Dann wird der zweite Adam zum ersten Adam und dessen Söhnen sagen:
Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das ewige Reich, das euch
bereitet ist von Anbeginn der Operation; esset mein Brot und trinket den
Wein, den ich euch gemischt habe, da dies alles für euch bereitet ist.

484 H ervorzuheben ist hier, daß der zw eite A d am durch seine W o rte :
«K om m et h er ihr G esegneten meines V aters» usw ., m it der weiblichen
Sapientia D e i der Sprüche Salomos bzw. unserer vorhergehenden P a ra ­
beln identifiziert ist, w orin der A u to r offiziellen kirchlichen A nschau­
ungen fo lg t* 8. D iese wechselnde E rscheinungsform des A n th rop os, bald

66. Vgl. zu dieser Partie die davon abhängigen Ausführungen im A q u a r iu m S a p ien -


tu m Mus. Hermet. a. a. O. p. 111, 114-115. Christus hat den «coelestis Adam» in sich.
Ebenso I r e n a e u s , Contra haer. III, 31: Et quemadmodum protoplastus ille Adam de
rudi terra et de adhuc virgine (nondum enim pluerat Deus et homo non erat operatus
in terram) habuit substantiam et plasmatus est manu Dei id est verbo D e i . . . ita reca-
pitulans in se Adam ipse Verbum existens a Maria, quae adhuc erat virgo recte accipiebat
generationem Adae recapitulationis.
67. Myst. Coni. II. p. 140 ff. und zu dieser Partie die Kommentierung des Textes
durch C. G . J u n g in «Psychologie und Alchemie» a. a. O. p. 528 ff.
68. Vgl. z. B. H u g o v. St . V ic t o r , Migne P. L. tom. 176 col. 848: Quid est Ver­
bum nisi Sapientia? Idem enim qui Verbum Dei a Joanne dicitur sapientia Dei a Paulo
nominatur. Christum enim inquit Paulus apostolus Dei virtutem et Dei sapientiam
( l . Cor. 1.) Christus igitur ipse et Verbum et ipse est Sapientia. Verbum Sapientia et
Sapientia verbum. Verbum Sapientia, quia «Eructavit cor meum verbum bonum»
(Ps. 44), Sapientia Verbum quia «Ego Sapientia ex ore Altissimi . . . » (Eccli. 24)
Sapientia igitur verbum cordis e tc .. . . Itaque si verbum illuminat Sapientia illuminat.
Vgl. ebenso G io a c c h in o d a F io r i (cit. H a h n 1. c. III p. 332): quia filius patris Sapien­
tia est. Vgl. auch J o h . Sco tu s E r ig e n a , Migne P. L. tom. 122. De divis, naturae II. 19:
Sapientiam Dei Patris . . . et causam creatricem omnium esse et in omnibus quae creat
KOMMENTAR 355

als Mann und bald als Frau, findet sich u. a. auch in der Lehre der Man-
däer wieder, wo der Erlöser bald Adakas, oder Adam, oder «der innere
Mensch» (ό εσω άνθρωπος) genannt ist, bald wieder als weibliche Licht­
gestalt erscheint, oder auch in Manda d’H aije als verkörperte γνώσις
θεού68a. Es handelt sich hier um ein Fortleben manichäischer Vorstel­
lungen, wonach die weibliche Daena (das unsterbliche Selbst des Einzel­
nen) auch als alter W eiser auf treten kann6^. Auch die Manichäer deuten
den in die Materie versunkenen Urmenschen als Weltseele, ψυχή απάντων,
und (nach A u g u s t i n ) als anim a bon a 7°. Diese Weltseele wurde nach
C l e m e n s v o n A l e x a n d r i e n durch die Begierde (concupiscentia!) ver-
weiblichtund so in die W elt hinabgezogen (θείαν οΰσαν την ψυχήν άνωθεν
έπιθυμίςι θηλυνθεΐσαν δεύρο ήκειν εις γένεσιν και φθοράν 7r). Dies ist in
Hinsicht darauf wichtig, daß auch in der Aurora die Sapientia als ein
weiblicher Geist der concupiscentia zu Beginn des Opus auftrat und
schließlich wieder männlich geworden ist.
Der «zweite Adam», der somit identisch mit der Sapientia Dei ist,
lädt nun die Söhne (d. h. wohl die Alchemisten) mit den W orten Christi
als «Rex coelestis» zum Mahle ein, ein Bibelzitat, welches bei den K ir­
chenvätern auf die Eucharistie gedeutet wurde. Psychologisch ist diese
Stelle insofern bedeutsam, als wir bereits vorher festgestellt haben, daß
der Alchemist als auserkorener Sohn der Sapientia Dei andeutungsweise
selber zum Rex gloriae erhöht worden war und im «Mysterium Coniunc-
tionis» den m ännlichen Partner d er Sapientia darstellte. Seither und

creari et fieri et omnia in quibus creatur et fit continere. Und ebda. II, 31: (Deus) quidem
se ipse Filium suum, qui est sapientia sua gignit und II, 18: primordiales causae se ipsas
sapiunt quoniam in Sapientia creatae sunt aeternaliterque in ea subsistunt (Vgl. W . P r e -
GER, Gesch. der Mystik im M. A. Bd. I. p. 161). Vgl. auch II, cap. 2: ut ipsae primor­
diales rerum causae a Graecis prototypi h. e. primordialia exemplaria vel prourismata
vocantur, eine Lehre, die auch A m a l r ic h v . B en a übernommen haben soll.
68a. Vgl. R. R e it z e n s t e in , Das iran. Erlösungsmyst. a. a. O. p. 22-23.
69. Vgl. ebda. p. 54. In den gnostischen Systemen finden wir hingegen häufiger eine
Syzygie vor, z. B. Protanthropos und Barbelo, Logos und Ennoia, Autogenes und Ale-
theia, Adam und seine Genossin die « γνώσις τελεία » oder die Kraft des jungfräuli­
chen Pneuma». (Kopt. Evangelium der Maria, C. Sc h m id t , Abhandl. der Berl. Akad.
1896, p. 843 zit. B o u sse t , Gnosis a. a. O. p. 160 ff.) - In der Haeresie des Juden­
christen Sy m m a c h us ist Adam als anima generalis (Weltseele) gedeutet. (R . R e it z e n ­
s t e in , Iran. a. a. O. p. 103, und M ig n e P. L. t. V III col. 1155.)
70. T itus v . B ostra, I, 29. Alexander v . Lykopolis Cap. 3, Augustin, De vera
rel. 9, zit. nach W . B ousset, Gnosis a. a. O. p. 178.
71. C l e m . A l e x . Stromat. III. 13. 93. cit. W . B o u sset , Gnosis, p. 178.
356 KOMMENTAR

durch die oben beschriebenen Vorgänge des Hinaus Werfens der Erde
und der Rückkehr zu einem trinitarischen Bekenntnis hat eine A uf­
hebung der Identifikation stattgefunden. Die Coniunctio ist an himm­
lischem Ort in der «vollen Herrlichkeit von Sonne und Mond» sichtbar,
das Männliche u n d W eibliche sind im «zweiten Adam» vereinigt, und
der Alchemist ist nur noch Gast beim M a h le. D ie s zeig t d eu tlich , w ie
sich der V erfasser im T e x t m it den ein gebrochen en In ha lten ausein­
andersetzt u n d sich w ieder zum christlichen B ek en n tn is zu rückzu find en
versucht.
486 Durch eine eigentliche Communio erhält hierauf der Alchemist An­
teil am unsterblichen Wesen des Filius philosophorum. Jenes selbe
eucharistische Mahl war schon in der fünften Parabel angedeutet wor­
den, worin die Sapientia die Alchemisten ebenfalls in ihr Schatzhaus
einlud, und «sie werden trunken sein vom Überfluß ihres Hauses». Sie
stand am Tor und bat die Leute hereinzukommen mit den W orten des
Engels in der Offenbarung: «Siehe, ich stehe vor der Türe und klopfe
an, so jemand meine Stimme hören wird und die Türe auftut, zu dem
werde ich eingehen, und er zu mir, und ich werde das Abendmahl mit
ihm halten, und er mit mir.» Es ist dies das sog. Convivium Christi der
Apokalypse, welches schon E p h r a e m S y r u s als einen H iero s G am os m it
G o tt interpretiert h a t 7*. Auch Maria gilt bei den Vätern als «Keller­
meisterin der ganzen Trinität, welche vom W ein des H l. Geistes gibt
und spendet, wem sie will und soviel sie will 73..
487 D ie Gestalt, die bald männlich als «Rex coelestis» oder «Adam coe­
lestis» auftritt, bald auch andeutungsweise als weibliche Sapientia mit
dem Alchemisten die Kommunion feiert, ist nach den Schlußworten des

72. Hymni et Serm. Bd. II, p. 824, Hymni de Mysteriis Domini nostri: Convivium
laudet te, quia multiplicasti vina eius . . . Inter invitatos gratias agam, quod potu me
refecit. In v ita ti s p o n s u m c o e le s t e m , qui se demisit, ut omnes invitaret. Ad convivium
eius purissimum conviva ingrediar, inter iuvenes gratias agam, quia ipse sponsus est
et non est qui ad eius thalamum frustra pulset. - Mit einer w e ib lic h e n Gottheit feierten
speziell die Markosier ein Abendmahl, indem sie den H e ilig e n G e is t a ls M u tte r a n r ie fe n
( W . B ou sset , Gnosis a. a. O. p. 6 6 -6 7 . (Acta T h o m a e ) : «Komm vollendete Barmher­
zigkeit, komm . . . die du die Geheimnisse der Auserwählten kennst. . . die du Verbor­
genes enthüllst und Geheimnisvolles offenbar machst, heilige Taube . . . Komm ver­
borgene M utter. . . du Spenderin der Freude . . . Teil dich uns mit in der Eucharistie,
die wir in deinem Namen begehen usw.»
73. Biblia Mariana 1. c. Vol. 37, p. 398: Ipsa (sc. Maria) est cellaria totius Trini­
tatis quae de Vino Spiritus Sancti dat et propinat cui vult et quantum vult.
KOMMENTAR 337

Kapitels aus der zirkulatorischen Wandlung der vier Elemente entstan­


den 74. D er erste oder irdische Adam bestand ebenfalls aus den vier
Elementen, aber er war ein Compositum, das leicht wieder zerfallen
konnte und darum vergänglich war; der zweite Adam hingegen geht
«aus einer einfachen und reinen Substanz» hervor, welche ihm ewiges
Bestehen sichert. Diese letztere Substanz aber ist eben als Fünftes (als
quinta essentia) aus der Zirkulation der vier Elemente erst allmählich
entstanden. Sie ist (nach anderen Texten) das L eb en und besteht «jen­
seits der Gegensätze», indem sie letztere alle in sich enthält, sowohl das
Männliche, wie das W eibliche und auch alle gegensätzlichen Qualitä­
ten. 75. Sie ist eine «geistige Erde ?6» - seelische W irklichkeit schlechthin.

T ext: W er Ohren h a t . . . der höre, was der Gei st. . . vom irdischen und
himmlischen Adam sagt, worauf die Philosophen mit folgenden W orten an-

74. Dieser P s .-A r ist o t e l isc h e Satz (Vgl. Artis. Aurif. 1610 II, p. 185 u. 163) spie­
gelt tatsächlich aristotelische Anschauungen wieder, der an eine Wandlung der Elemente
ineinander έν κύκλφ δίνω καί κάτω glaubte. Vgl. E. v. L ip p m a n n , Alchemie a. a. O.
Bd. I, p. 141.
75. Vgl. Expositio A l e x a n d r i R e g is , Artis Aurif. 1610, I, p. 245: Virtus retentiva
foeminina est frigida et sicca, et est terra; virtus digestiva seu alterativa est masculina,
calida et humida et est a e r. . . q u in ta e s s e n tia v e r o es t v ita, q u a e es t p r o p r ia , n e c est
c a lid a n ec h u m id a n ec fr i g i d a n ec sic c a n e c m a s c u lin a n e c fo e m in in a . Vgl. ähnlich S e n io r ,
De Chemia a. a. O. p. 96.
76. Die Tatsache, daß die Quinta essentia das Geistige ist, erinnert stark an Phiio­
nisches Gedankengut, wonach alles Körperliche aus den vier Elementen besteht, das
fünfte aber ist die intelligible Seele (ψυχή νοερά), welche eine «zirkulierende Substanz»
ist ( ουσία κυκλοφορητική ); diese ist «stärker als die Vier»; aus ihr bestehen der
Himmel und die Sterne, und zum Himmelsäther kehrt daher die Seele wieder als zu
ihrem Vater zurück. (Quis. rer. div. heres. 57. 283. Vgl. ferner De Plant. V. 18. Leg.
Alleg. III. 55. ferner P h il o s t r a t , Vita Apollonii III. 34. J a m b l ic h o s , De Anima =
Sto b a eu s 1 . 49. 32. usw. W . Sc o t t , Hermetica a. a. Ο. III, p. 40 und W . B o u sse t ,
Gnosis a. a. O. p. 196.) - Im übrigen bezeichnete schon E pik u r die Seele als eine
Mischung ( κράμα ) aus den vier Dingen: aus einer feuerartigen Qualität, einer luft­
artigen, einer pneumatischen und aus noch etwas Viertem, Unbenanntem. ( P l u t a r c h ,
Adv. Coloten. 20. 4. 118 D, L u c r e z 3. 231-245 und A etiu s ed. DiELS, p. 588. cit.
nach Sc o t t , Hermetica a. a. Ο. II, p. 506.) - Auch nach dem C o r p u s H e r m e tic u m
ist nicht nur der irdische Mensch aus den vier Elementen geschaffen, sondern ebenso
sein unsterblicher göttlicher Teil. Er besteht aus vier Dingen: aus Seele, Sinn, Geist
und Vernunft. (W . Sc o t t , Hermetica a. a. O. Bd. I, p. 304-305 Vgl. auch den A s c le p iu s
Latinus ebda. p. 298 und I s is an H o r u s über die έμψΰχωσις ebda. p. 522.) - In der
patristischen Lehre heißt es, daß der regenerierte innere Mensch (homo internus) der
Sohn der Luna-Ecclesia und des Sol-Christus aus den vier Elementen von Sonne und
Mond bestehe. (Vgl. H u g o R a h n e r , Mysterium Lunae, Zeitschr. f. kathol. Theol.
1940, p. 76.)
358 KOMMENTAR

spielen: W enn du W asser aus der Erde, Luft von W asser, Feuer von der
Luft und Erde von dem Feuer erlangt haben wirst, dann besitzest du unsere
Kunst ganz und vollkommen.

Dieser «zweite Adam», der aus den sublimierten und einsgewordenen


Elementen besteht, vereint in sich deren Qualitäten, welche in Gegen­
satzpaare wie warm und kalt, trocken und feucht, aktiv und passiv zer­
fallen; auch ist er - wie wir sahen - eigentlich mann-weiblich, d. h. tritt
bisweilen als Rex coelestis oder auferstandener Christus - alchemistisch
als der Filius philosophorum - auf, bisweilen hingegen spricht er wieder
als Sapientia Dei, d. h. alchemistisch als die terra, anima mundi oder
foemina. Als Ganzes antizipiert das Bild die völlige Verschmelzung
dieser zwei Aspekte, welche das Hauptthema der siebenten und letzten
Parabel ausmacht. W as nämlich in der Parabel vom «philosophischen
Credo» noch nicht völlig gelang, die Circulatio der vier Elemente ohne
Aussonderung des Vierten, ist nun möglich geworden - in der Quinta
Essentia der unsterblichen Substanz des zweiten Adam sind alle vier
Elemente ununterschieden Eins geworden. Diese Restitution ist aber im
«Jenseits» verwirklicht und in einem Augenblick, der wohl für den ge­
wöhnlichen Menschen dem Todesmoment gleichkommt. Der bisherige
Mensch, der «erste vergängliche Adam und seine Söhne» steht hier
noch erst an der Schwelle - aber der nächste Schritt, zu dem der ganze
Prozeß hintendiert, bedeutet, daß auch er in das Unsterbliche aufge­
nommen würde.

K O M M E N T A R Z U R SIE B E N TEN PA RA BEL


(12. K A P IT E L )

ieletzte Parabel «Vom Liebesgespräch des Liebenden mit seiner

D Geliebten» lehnt sich sowohl in der Komposition, als auch durch


den größten Teil ihrer Zitate aufs engste an das Hohelied an. Die Kirche
faßt jenes biblische (ursprünglich wohl babylonische1) Liebeslied ge­
wöhnlich als ein Gespräch Christi mit der Seele oder Ecclesia oder als

1. Vgl. W . W it t e k in d t , Das Hohe Lied und seine Beziehungen zum Istarkult. Han­
nover 1925 passim.
KOMMENTAR 359

«Vergnügung des H l. Geistes2» auf, und O r i g e n e s sagt in einer Predigt


sehr schön, daß man zuerst Ägypten verlassen und das Rote Meer durch­
schritten haben müsse, bevor man das Hohe Lied deuten könne. Er
selber habe die «geistige Wüste» durchzogen. . . bis er in die Nähe des
verheißenen Landes gekommen sei, um an den Ufern des Jordans ste­
hend das «Lied» zu singen 3. W ieviel Sprechende in diesem Lied seien,
wisse er nicht genau, aber auf sein Gebet hin habe ihm Gott offenbart,
daß es vier seien ( ! ) : Bräutigam und Braut, sein Chor der Jünglinge
und ihr Chor der Jungfrauen 4.
Der Verfasser der Aurora, der die kirchliche Auffassung zweifellos
kannte *, verwendet das Lied zur Verherrlichung «seiner» Coniunctio.
W ie im Hohelied selber, sprechen abwechslungsweise bald der Bräu­
tigam, bald die Braut. Der Übergang von der Rede des einen zu der
des anderen ist oft recht unklar, wie wenn beide Gestalten - wie Stim­
men - direkt aus ihrer Ununterschiedenheit sprächen, d. h. aus einer
wechselseitigen Kontamination, wie sie für unbewußte Inhalte charak­
teristisch ist. Psychologisch ist es bemerkenswert, daß noch immer, nach
so vielen Reinigungsprozeduren, die Parabel wieder mit der Nigredo
beginnt. Offenbar war das Auftreten des «Rex gloriae» zu Ende der
vorhergehenden Parabel allzu überwältigend, wodurch der Autor von
neuem ins Dunkel geriet. Dazu paßt die Undeutlichkeit des sprechenden
Subjektes, welche in den vorhergehenden Textpartien im Gegensatz zum
Anfang fast völlig aufgehört hatte. Diese erneute Verdunkelung des
Bewußtseins dürfte durch die Communion des göttlichen «zweiten
Adam» mit dem Menschen am Ende der letzten Parabel bewirkt wor­
den sein.

Text: Wendet euch zu mir von ganzem Herzen und verwerfet mich nicht,
darum weil ich schwarz bin und dunkel; denn die Sonne hat mich so ver­
brannt; und die Abgründe haben mein Antlitz bedeckt, und die Erde ist ver­
dorben und verunreinigt in meinen Werken . . .

2. H ip p o l y t o s , Kommentar zum Hohenlied, ed. B o n w e t s c h und N a t h a n in: Texte


und Untersuchungen zur Geschichte der alt-christl. Lit. (ed. Gebhardt-Harnack) 23.
Bd. 8. Leipz. 1903, p. 21.
3. In Cant. Cant. Homil. I. 1-2.
4. ebda.
5. Vgl. u. a. H o n o r iu s v o n A u t u n , Speculum de myst. Eccles. Migne P. L. tom.
172, col. 1065.

24 Jung : Mysterium III


360 KOMMENTAR

Z u B eginn der Parabel spricht anscheinend die B rau t bzw. die m ate­
ria oder anim a prim ae m ateriae, die foem ina (n ig ra s u m ), und sie fleht
um H ilfe und E rlö s u n g 67
. Sie ist aber zugleich, w ie das Z ita t aus J o e l
andeutet 7, mit Gott identisch ( ! ) . D ies ist eine der Stellen, in w elcher
am unm ittelbarsten jene sonst öfters dunkel angedeutete G leichsetzung
ausgesprochen ist, w onach G ott oder w enigstens ein w eiblicher T eil des­
selben als erlösungsbedürftiger G eist oder Seele im Stoffe erscheint und
des Erlösungsw erkes durch den Menschen w a rte t 89. O r i g e n e s setzt die
schwarze B rau t des H oh en Liedes m it M irjam , der zweiten G attin des
M oses, in eins * und auch m it M aria in ihrer «Ü berschattung» durch
G o tt10. A lchem istisch gesehen verkörpert die schwarze F rau die N ig red o ,
die dunkle «um bra Solis» oder den durch die Sonne verdunkelten N e u ­
m ond 11; ein M o tiv, fü r dessen psychologische B edeutung ich au f die
obigen A usführungen von J u n g verweisen k a n n I2.

Text: . . . indem Finsternis ward über ihr, da ich versunken bin im


Schlamme der Tiefe und meine Substanz nicht erschlossen worden ist. Daher
rufe ich aus der Tiefe, und aus dem Abgrund der Erde spricht meine Stimme
zu euch allen, die ihr vorübergehet auf dem Wege . . .

6. Vgl. A q u a r iu m S ap . Musaeum Hermet. 1678 a. a. O. p. 117: . . . ob nigrum (Cant.


1. Niger ego sum) suum colorem corvi caput appellaverunt. Ita siquidem Christus ipse
(Esa 53) deformis omnino speciei omnium vilissimus etc.
7. Bekehret (wendet) euch zu mir . . .
8. Vgl. zu diesem Problem C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie, p. 425, Kap.
Das Erlösungswerk.
9. Vgl. C. G. J u n g , Aion 1. c. p. 303 ff.
10. Vgl. in Cant. Lib. II. Anfang.
11. Die kirchliche Deutung ist die Schwärze der Sünde über der Kirche. ( H i p p o -
l y t o s , Kommentar zum Hohenlied a. a. O. p, 35.) Die Sonne ist «das Licht der Welt»

( M e i s t e r E c k h a r d t , Werke ed. Büttner Bd. II, Jena 1923, p. 93) oder Christus, der
die Kirche ihrer Sünden überführt ( G r e g o r i u s M a g n u s , Expos, in Cant. Cant. C. 1,
Opera 1636, Paris tom. II col. 8 ): anima sancta turpitudinem peccatorum suorum perspi­
cit. Vgl. auch H o n o r i u s v o n A u t u n , Expos, in Cant. Cant. Migne. P. L. tom. 172
col. 367-369. In Homil I. 6. deutet O r i g e n e s diese Stelle dahin, daß die Braut gerade
im Begriff sei weiß zu werden. In der lat. Übersetzung des R u f i n und H i e r o n y m u s
lautet dies (ich citiere Latein, weil der Autor der Aurora vermutlich eher diese Version
kannte): Quia vero necdum omni peccatorum sorde purgata necdum lota est in salu­
tem «nigra» dicitur sed in atro colore non permanet: fit et candida. Itaque quando ad
maiora consurgit. . . dicitur de ea: «quae est ista quae ascendit dealbata?» (Man beachte
die sprachliche Nähe zur Aurora!) Im Abstieg sei die Braut schwarz, im Aufstieg aber
werde sie weiß. (ebda. In Cant. Lib. II.)
12. Myst. Coni. Vol. I, p. 141 ff.
KOMMENTAR 361

In den W o rte n «Finsternis w ard über ihr» ist auf die K reu zigu n g 49s
C hristi hingewiesen, bei w elcher bekanntlich Sonne und M o n d verdun­
kelt w urden, und die auch selbst als die N eum ondkonjunktion des Sol-
Christus m it der Luna-Ecclesia interpretiert w urde.

Text: «Habet acht und schauet mich an, ob jemals einer von euch jemand 496
fand, der mir gleicht, so will ich ihm den Morgenstern in die Hand geben.
Denn siehe des Nachts auf meinem Lager suchte ich einen Tröster und fand
keinen, ich rief und niemand gab mir Antwort.» - «Daher will ich aufstehen
und herumgehen in der Stadt. . . »

In erschütternden W o rte n fleht die A n im a um H ilfe - aber in den 497

Sätzen «D ah er w ill ich aufstehen» usw. ist unm ittelbar d arau f der B rä u ­
tigam der Sprechende und er ist der Begrabene, der die befreiende Ju n g ­
frau sucht. T rotzd em ist nicht zu übersehen, daß der Ü b erg an g von der
R ede des Einen zu derjenigen des A n d ern kaum m erklich ist, so daß
m an versucht ist zu denken, es sei dieselbe F ig u r, die bald als M ann und
bald aus F rau sp ric h t-ä h n lic h w ie o ft schon v orh er die w eibliche Sapien­
tia D ei m it dem H l. G eist, Christus oder G ott verschm olz. Psychologisch
erhält m an den Eindruck, daß der V erfasser in einem Z ustand u nm ittel­
baren K ontaktes m it dem U nbew ußten die Stim m e jener G estalt oder
zwei G estalten aus sich heraussprechen ließe, w ie er sie h ört, ohne selber
sein Ich darin irgendw ie hineinzubringen, w ie w enn er m it dem U n b e­
w ußten w ieder identisch gew orden w äre. D e r T e x t w irkt in späteren
Partien zeitweise so, als ob er sich m it dem im G rab um H ilfe rufenden
B räu tigam identisch fühlte, obw ohl dieser B egrabene selber, wie gerad e
das nächste T extstü ck andeutet, eine unpersönliche und objektive G e­
stalt ist.

Text: « . . . in den Gassen und Straßen will ich suchen, daß ich mir eine 498
reine Jungfrau vermähle, schön von Antlitz, schöner von Wuchs und noch
schöner von Kleidung, damit sie den Stein von der Türe meines Grabes
wälze. . . »

D er m ännliche P artn er ist, w ie nun hervorgeh t - alchem istisch ge- 499


sprochen - das Corpus oder auch der G eist (als C o rp u s), die «L eich e»,
w elche w iederbelebt w ird. So näm lich ru ft auch der Leichnam (νεκρός)
in den C arm ina H el io d o r i *3: « W o ist die lebende Seele (ζώσα ψ υχή), 13

13. Carm. IV Vers 240 ed. Goldschmidt a. a. O. p. 57.


362 KOMMENTAR

die sich von m ir getrennt h a tt e . . . o w asche m ich, au f daß ich w ieder­


um ein lichtes H aus w e rd e . . . fü r den G eist und die gereinigte Seele.»

500 Text: . . . und sie wird mir Flügel geben wie die der Taube, und ich werde
mit ihr am Himmel dahinfliegen. Da werde ich sagen: Ich lebe ewiglich und
werde in ihr ruhen, da sie mir zur Rechten steht in goldenem Gewände, ge­
hüllt in bunte Pracht.
501 A us diesem Z usam m enhang w ird verständlich, daß die B rau t ihrem
G eliebten F lü g el leiht, «w ie die der T au b e», d. h. sie verleiht dem K ö r­
perw esen ihre eigene V olatilität, durch die er nun zum H im m el em por­
steigt Ä hnlich sagt S e n i o r : « W e il die w eiße F rau flüchtig ist, aber
der rote M an n sie v erfo lg t und zurückhält, haben die Philosophen g e ­
sagt: ,D ie F rau h at F lü g el, der M an n h ingegen n ic h tx*.*»

5°2 Text: Höre also, oh Tochter, sieh und neige dein Ohr meinen Bitten, denn
ich habe mich von ganzem Herzen nach deiner Schönheit gesehnt. Denn ich
rede in meiner Sprache: Tue mir kund mein Ende und welches die Zahl mei­
ner Tage sei, auf daß ich erkenne, was mir mangelt, denn alle meine Tage
hast du begrenzt, und meine Substanz ist wie nichts vor dir.
503 D aß der M an n w irklich gegenüber der volatilen A n im a den K ö rp er
bzw. das Corpus glorificatum darstellt, geh t aus diesen letzten W o r ­
ten deutlich h ervor. E rst durch die Seele erhält er das ewige Leben. In
ähnlicher A rt schildern die m anichäischen T e x te eine postm ortale V e r­
einigung von Leib und Seele; dem zum H im m el auf steigenden T o ten
kom m t seine him m lische H ä lfte als alter W e ise r oder als weibliche 145

14. Vgl. auch Jo . d e M e n n e n s , Theatr. Chem. 1622, Bd. V, p. 311: Unde Propheta
exclamat: Quis dabit mihi pennas ut columbae videlicet cogitationes contemplationesque
immaculatas ac simplices et volabo et requiescam? Quis nisi pater coelestis? Quare
inquit Christus: Nemo venit ad me nisi pater meus traxerit eum et tum videlicet cum
perfecerit in te g ru m c irc u lu m , et erit Deus omnia in omnibus ut semper fuit.
15. De Chemia a. a. O .p . 123. Vgl. auch M e r c u l i n u s im R o s a r iu m (Artis Aurif.
1 6 1 0 II p. 24 2 ): Der Stein . . . trägt Flügel und ist der Mond, der allein mehr als alle
leuchtet. Der Zustand der volatilitas ist bei S e n i o r durch Adler dargestellt, vgl. hiezu
die Anspielung der Aurora auf das apocal. Weib, das Flügel hat «wie eines großen
Adlers» (Apoc. 1 2 . 14) A u g u s t i n u s verglich die verklärte Ecclesia einem jungen
Adler« der hochfliegt wie einst». (Enn. in Ps. 1 0 2 , 9. cit. H. R a h n e r , Myst. Lunae
Ztschr. f. Kath. Theol. 64. Jahrg. 1940, p. 130 Anm. 59) - Vgl. zum Motiv des Geflü­
gelten und Ungeflügelten auch den Ausspruch des Z o s i m o s ( B e r t h e l o t , Coli. Aich.
Grecs III, X X V III. Vol. I, p. 19 6 -1 9 7 ): Wenn nicht zwei eins werden d. i. wenn nicht
das Fliehende das Nichtfliehende besiegt, dann wird die Erwartung zu nichts, (cf. item
III. X X I X . Vol. I, p. 2 0 1 . )
KOMMENTAR 363

Lichtgestalt (D a e n a ) entgegen und bezeichnet ihn als C o rp u s 16. «D e r


G eist ist», w ie R . R eitzenstein b e to n t1?, «gleichsam ein niedrigerer
Seelenteil, w elcher der eigentlichen Seele als eine A rt K ö rp e r d ie n t1819.»
In christlicher A uslegung ist derselbe alchem istische P rozeß ausführ­
lich bei P etrus B onus b e s c h r i e b e n « . . .b e im E n d e d er(alch em isti-
schen) O peration, w enn die Seele entsteht, so sucht sie ihren K ö rp er,
um sich m it ihm zu vereinen und Leben und W irk sam k eit zu erlangen,
und diese V erein igu n g geschieht durch V erm ittlu n g des Geistes, und
w enn die Seele m it dem K ö rp er verbunden ist, lebt sie ew iglich m it ihm
zusam m en. D iese V erein igu n g geschieht aber bei dem Entstehen und der
A ufersteh u n g der Seele, denn obw ohl sie frü h er (als der K ö rp e r) g e ­
schaffen w ar, konnte sie m it dem K ö rp e r zusam m en in folge von dessen
V erderbtheit und V erw eslichkeit nicht ihre eigentlichen unzerstörbaren
Funktionen ausüben; sie lag vielm ehr gleichsam tot und unnütz da, so­
zusagen m it dem K ö rp e r m itbegraben, und (e rs t) w enn sie durch das
M agisterium gerein igt und w eiß gem acht ist, erhebt sie sich g etren n t
vom K ö rp er, und dann ist auch ihr K ö rp er gerein igt w orden, und sie
sucht ihn und w ill ihn m it sich verbinden; dam it sie ew ig l e b e . . . W e il
unsere Seele entstanden ist am H orizon te der E w ig k e it20, bevor sie m it

16. R. R e i t z e n s t e i n , Die iran. Erlös, a. a. O. p. 4 -5 . Vgl. ferner p. 31, 28 ff.


17. Ebda. cit. p. 4-5 .
18. Eine ähnliche Auffassung findet sich auch bei den Mandäern. ebda. p. 50 (Genza
1. 111. 24 ff): «Ich bin ein großer Mana, der ich im Meere wohnte, Ich wohnte im
Meere bis man mir Flügel bildete, bis man mir bildete Flügel, bis ich ein Geflügelter
wurde. Bis ich wurde ein Geflügelter, und ich meine Flügel zum Lichtort erhob.»
19. Pret. Marg. Nov. a. a. O. p. 120 ff.: «Videndum est quod in magisterio et ter­
mino operationis, cum oritur anima ipsa, quaerit corpus suum, ut uniatur cum eo et
recipiat vitam et operationem; et unio ista et compositio fit mediante spiritu; et cum
coniuncta fuerit corpori vivit in aeternum cum suo corpore; haec autem coniunctio fit
in ortu et resurrectione animae, quia quamvis prius creata esset, cum suo corpore tamen
propter inquinationem corporis et corruptibilitatem non poterat anima suas proprias et
incorruptibiles ostendere operationes, immo tamquam mortua et inutilis iacebat et quasi
cum corpore tumulata et quando per magisterium ipsa purificatur et candidatur, resurgit
a suo corpore separata et, tunc suum corpus est etiam purificatum et ipsa quaerit suum
corpus et desiderat coniungi sibi ut in aeternum vivat nec potest coniungi cum corpore
alieno . . . quod anima nostra orta est in Orizonte aeternitatis antequam suo corpori
uniatur . . . et in hac coniunctione resurrectionis fit corpus totum spirituale ut ipsa
anima, et fiunt unum sicut aqua mixta aquae et non separantur de caetero in aeternum
cum in eis nulla sit diversitas, immo unitas et identitas omnium trium scii, spiritus,
animae et corporis absque separatione in aeternum.
2 0 . Dies ist ein Satz aus dem sog. L ib e r d e C a u s is ; vgl. B a r d e n h e w e r , Die p s . aristo­
telische Schrift Über das reine Gute: Liber de Causis, Freiburg i. Br. 1882.
364 KOMMENTAR

dem K ö rp er eins w i r d . . . und in dieser A uferstehungsvereinigung w ird


der K ö rp er völlig geistig, w ie die Seele selber, und sie w erden Eines,
w ie w enn m an W asser m it W asser m ischt, und w erden von da an in
Ew igkeit nicht m eh r getrennt, da in ihnen keine V erschiedenheit m ehr
ist, sondern Einheit und Identität von allen D reien , d. h. G eist, Seele
und K ö rp er, ohne Scheidung in Ew igkeit.»
Psychologisch scheint h ier eine w eitere Integrationsstufe des Selbst
vorzuliegen. Z u v o r handelt es sich w esentlich um die B efreiu n g der
A n im a aus dem Stoff, d. h. um die R ücknahm e ihrer P rojektion und
ihre V erw an d lu n g in eine Beziehungsfunktion zum U nbew ußten. D a ­
durch w urde das Selbst als «R ex g loriae» und «zw eiter A d am » sichtbar.
N u n aber ist ein neues Problem konstelliert: die B efreiu n g des K örp ers
selber, in w elchem die «gefallen e Sophia» vorh er eingesperrt w ar - d. h.
das P roblem der «U n io corp oralis», wie D orn eus diese Phase des Opus
n a n n te 21. N a ch A nsicht des letzteren m uß zunächst das archetypische
Symbol des K ö rp ers destilliert w erden, bis eine blaue Flüssigkeit ent­
steht, und die p arallele A k tion in unserm T e x t besteht in einer V o la-
tilisierung oder Sublim ierung des K ö rp ers, die dadurch geschieht, daß
die B rau t ihm F lü g el verleiht und ihn königlich einkleidet. D e r G egen ­
satz von «K ö rp er» und «G eist» w ird dabei aufgehoben. B edeutsam ist
z. B . in diesem Zusam m enhang die A u ffassu n g der A u fersteh u n g bei
J o h . S c o t u s E r i g e n a 22, w elcher sagt: wie Eisen im F eu er zu F eu er w ird
ohne sein W e se n zu verlieren, so w ird die K örpersubstanz in Seelen­
substanz übergehen, in eine «m elior substantia», w elche rein geistig
und geschlechtslos ist. D e r Leib C hristi ist nach der V erk läru n g doppel­
geschlechtlich. N a ch der A uflösung in die vier E lem ente entsteht der
Leib w ieder neu aus denselben 23. Eine ähnliche A u ffassu n g vertraten
auch verschiedene neum anichäische S e k te n 2*.
N ach der adunatio (E in sw erd u n g) der zwei G eschlechter fo lg t sofort
auch (nach J o h . D uns S c o t u s und nach A uslegung der A m alrician er)
die Einsw erdung des Diesseits m it dem P a ra d ie s2*.
21. Vgl. J u n g , Myst. Coni. II p. 259 ff.
22. Migne P. L. tom. 122, De divis, naturae II. 28, 8a, ebda. I, 10.
23. Vgl. W . P r e g e r , Geschichte der Mystik im M. A., 1. c. Bd. I, p. 164.
24. Vgl. H a h n , Ketzergeschichte a. a. O. Bd. II, p. 107, 108, 109, HO. Sie glaubten
an eine adunatio sexuum.
25. Vgl. J o h . S c o t u s E r i g e n a II. c. 8 : et quoniam post adunationem hominis h. e.
duplicis sexus in pristinam naturae unitatem in quo neque masculus neque foemina sed
simpliciter homo erat confestim orbis terrarum adunatio ad paradisum.
KOMMENTAR 365

N ach der oben angeführten Interpretation J u n g s des Lapis als kom - So^
pensatorische F ig u r zu Christus fäh rt er f o r t 26: «In richtiger A h n u n g
der spirituellen Einseitigkeit des Christusbildes hat die theologische
Spekulation sich schon früher m it dem K ö rp e r Christi, d. h. m it seiner
M aterialität beschäftigt und das P roblem m it der H ypothese des A u f­
erstehungsleibes vorläufig gelöst. W e il dies nur eine vorläufige und des­
halb nicht restlos befriedigende A n tw o rt w ar, so hat sich das Problem
folgerichtigerw eise m it der ,A ssum ptio B . V . Mariae* w ieder erhoben
und h at zunächst zum D o g m a der ,conceptio immaculata* und sodann
zu dem der ,assumptio* g efü h rt.»
In unserem T e x t sind nicht nur deutliche unbew ußte A ntizipationen S08
dieser Entw icklung feststellbar, sondern gewisse symbolische H inw eise
gehen sogar noch über sie hinaus und führen jene alchem istische Idee
der «physisch gew ordenen G o tth e it2?» noch w eiter aus bis zu einer E in ­
beziehung jedes einzelnen physischen M enschen, der zum O rt einer
Inkarnation der G ottheit w ird.
In sofern der K ö rp e r auch ein Symbol fü r die individuelle B egren - 5o9
zung der bewußten Persönlichkeit bedeutet, kann m an seine A u flösu n g
in unserem T e x t psychologisch als ein E ingehen oder A u fg eh en des
bewußten Individuum s im U nbew ußten auffassen, und dies w ird hier
positiv als eine E rlösun g aus dem «G rab» der bew ußten Begrenzungen
erlebt, als der A ugenblick des Einsw erdens m it der inneren G anzheit,
in der keine G egensätze m ehr b esteh en 2829. N a ch der christlichen A u f­
fassung findet diese Einsw erdung erst nach dem T o d e bei der A u fe r­
stehung des glorifizierten Leibes statt.
A u f das M otiv der A ufersteh u n g ist auch in unserem T e x t schon 510
vorh er hingew iesen w orden, als der G eliebte bat, die Ju n g frau m öge
den Stein von seines G rabes T ü r w älzen, w om it auf die A uferstehung
Christi angespielt ist. D iese A ndeutung läßt sich zugleich m it dem M o tiv
der früheren Parabel vom Z erbrechen der «ehernen H öllen p fo rten » v er­
gleichen (P s. L X X , 1 6 ) , w elche Psalm stelle meistens von den K irch en ­
vätern au f den A u fen th alt C hristi im Lim bus gedeutet w u rd e 2?. D e r

26. Von den Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 197/198.


27. Vgl. J u n g , ebda. p. 210
28. Über dieses Erlebnis vgl. C. G. J u n g s Vorwort zu W . Y . E v a n s - W e n t z : The
Tibetan Book of the Great Liberation. Oxford 1954, bes. p. X L V und LIII.
29. Vgl. dasselbe Motiv bei H i p p o l y t o s , Comm. zum Hohen Lied a. a. O. p. 60 ff.
366 KOMMENTAR

begrabene H e rr ist nach Cyrill von J erusalem gleichsam ein «Stein


im Stein», ein geistiger Stein vom G rabstein bedeckt. D urch sein B e ­
grabensein w ird das Lebensreis in die E rd e gepflanzt 3°, und die v er­
fluchte E rd e w ird dadurch abgew aschen, dam it die T o ten erlöst w erden.
Solche Form ulierungen konnten leicht auch alchem istisch verstanden
w erden. A b er nicht nur Christus, auch die Sophia m acht m anchm al einen
solchen Descensus ins E rd in n ere durch. In einem lateinischen F rag m en t
zu Jesus Sirach X X I V , 32 31 unternim m t die Sapientia D ei selber eine sol­
che H ad esfah rt: «Ich (d ie W e ish e it) w erde alle G egenden tief unter der
E rd e durchdringen und w erde alle Schlafenden heim suchen und w erde
erleuchten alle, die auf den H e rrn h o ffen 3*.» E in ähnliches B ild findet
sich in den sogenannten Oden Salomos, w o «das lebendige ewige W asser
des H errn » zu den T o ten belebend herabsteigt und sie verklärt em por­
trägt. Sie steigen «durch den T au des H e rrn » zur « W o lk e des Friedens»
em por. W ie E . von L ippmann bereits erkannte 33 , gleich t dies au ffal­
lend der alchem istischen V o rstellu n g der άναζωπύρωσις, wie sie K oma-
rios 34 (ebenfalls im Z usam m enhang m it dem H ieros G am os) be­
schreibt 3U «Siehe m itten im G ebirge unter dem M ännlichen, dort liegt
seine G efäh rtin , m it der er sich eint und an der er sich freu t. U n d es
freu t sich die N a tu r in der N a tu r und eint sich m it nichts, das au ß er­
halb von ihr i s t . . . Sehet, o ihr W eisen und versteht: seht die E rfü llu n g
der K unst, in w elcher B rau t und B räutigam vereint und Eines gew orden
sind!» - «U n d w enn dann die Seele (ψυχή) und der G eist (πνεύμα)
geeint sind und Eines gew orden s i n d . . . , w irst D u das G old haben, das
nicht einm al die Schatzkam m ern der K ö n ig e enthalten. Siehe, dies ist
das M ysterium der P h ilo so p h e n . . . » H iebei w ird der G eist k örperhaft, 301245

30. (Christus sagt) ό λίθος 6 άκρογωναΐος, ό εκλεκτός, ό έντιμος ένδοτέρφ


λίθου κείμαι προς όλίγον χρόνον, λίθος προσκόμματος Ιουδαίους καί σωτήριος
πιστεύουσιν. ένεφυτευθη τοίνυν τό ξύλον της ζω ής εν τη γη ΐναάπολαύση της εύλο-
γίας ή καταραθείσα γη καί λύθωσιν οι νεκροί. Katech. 13 cap. 35. Werke ed. J . Rupp
München 1860. II p. 96.
3 1 . V g l . W . B o u s s e t , Gnosis a . a . O . p. 2 5 6 - 2 5 8 .
32. Vorbild hiezu ist die bekannte Unterweltsfahrt der Istar.
33. Alchemie a. a. O. Vol. I, p. 222.
34. Komar.: Syrisch: «Priester». Die Schrift gehört nach J u n g etwa ins erste nach­
christliche Jahrhundert. Vgl. hingegen E. v. L i p p m a n n , Alchemie a. a. Ο. II, p. 33.
Vgl. R. R e i t z e n s t e i n . Das Iranische Erlösungsmysterium, 1. c. p. 167.
35. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. IV . X X . 13. Vol. I, p. 294 ff. Vgl. hiezu auch
R . R e i t z e n s t e i n , Nachrichten der Gesellsch. der Wissensch. in Göttingen 1919, p. 17
z. 123 und Das Iranische Erlösungsmysterium a. a. p. 6.
KOMMENTAR 367

und das T o te w ird beseelt u n d nim m t d en aus ihm einst extrahierten


G eist w ieder a u f , und nun «herrschen sie und lassen sich gegenseitig be­
herrschen». — « W e n n das dunkle Pneum a (πνεύμα τό σκοτεινόν 36 ) v er­
trieben i s t . . . dann w ird der K ö rp er erleuchtet w erden 37 und nun freuen
sich Seele und G eist, da die Finsternis vom K ö rp e r gew ichen ist. W a ch
au f vom H ades, steh au f aus dem G rabe und erhebe dich aus der F in ster­
nis . . . D as H eilm ittel des Lebens (φάρμακον τής ζωής 38) ist zu D ir ein­
gegangen. U n d der G eist freu t sich, w ieder im K ö rp e r zu w eilen, wie
auch die S e e le . . . ihn nun liebt, da er erleuchtet w urde; und sie lassen
sich nicht m ehr scheiden in Ewigkeit 39.» A u ch bei Z osimos ist die
Coniunctio zugleich eine W ied erg eb u rt (παλιγγενεσία 4°) und A u fe r­
stehung (τά νεκρά σώματα έμψυχοΰνται 41) . W ie ich a. a. O . nachzuweisen
beabsichtige, ist die alchem istische V o rstellu n g einer «chem ischen» H e r­
stellung des A uferstehungsleibes und eines Unsterblichkeitsm ittels aus
den Einbalsam ierungsriten und dem O siris-Totenritual Ägyptens h e r­
vorgegangen. V on allem A n fa n g an w ar daher die V orstellungsw elt der
A lchem ie m it dem Problem des postm ortalen seelischen Zustandes be­
schäftigt und m it Aussagen verknüpft, deren metaphysische G ültigkeit
zw ar w issenschaftlich nicht nachgewiesen w erden kann, w elche aber
intuitiv richtige A ntizipationen des Todeserlebnisses sein könnten. D iese
Aussagen betreffen eine W irk lich k eit, w elche jedenfalls vom Zustande
des im Leben stehenden M enschen und den Prozessen in seinem Ich ­
bewußtsein w eitab liegen.
D ie V orstellu n g des H ierosgam os als eines postm ortalen V organ ges
geht durch die ganze G eschichte der alchem istischen Symbolik hindurch
und findet sich daher auch bei den arabischen A lchem isten, w elche die
Q uellen der A u ro ra bilden, w ieder. So h eiß t es in der T u rba 42, die «res»

36. Die «horridae tenebrae» unseres Textes.


37. φωτίζεται τό σώμα.
38. Vgl. auch die Totenbelebung durch das Pharmakon Zoes im «Schreiben des
O sta n es an P e te s is » . Vgl. L i p p m a n n , Aich. a. a. Ο. I, p. 67.
39. Diese Einheit wird beschrieben als die Lichtstatue, die aus dem Feuer kommt,
(p. 29 8 -2 9 9 ). Vgl. hierzu W . B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 34-35 über die Parallelität
dieser Statue zur Naassenischen Auffassung über den Leib Adams und ebenso die man-
däischen Parallelvorstellungen.
40. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III. X X X I V . 2 . Vol. I, p . 206. Vgl. auch ebda.
III. X L . 2. Vol. I, p. 211.
41. Ebda. III. LVI. 3. Vol. I, p. 252. (Vgl. auch p. 251.) Vgl. III. V III. 2. Vol. I,
p. 142: «Versage den Toten nicht zur Auferstehung ( άνάστασις ) zu gelangen.»
42. a. a. O. p. 139.
368 KOMMENTAR

(S ach e) w erde w ie ein M ensch begraben, und dann gäbe ihr G ott Seele
und G eist zurück, und sie stärke sich und w erde nach der Z ersetzung
geläutert, so wie auch ein M ensch nach der A ufersteh u n g stärker und
jünger w erde, als er einst au f E rd en w ar. U n d bei C a l id 43 heißt es: «D as
V erb orgen e ist von der N a tu r der Sonne und des F e u e r s . . . und ist das
ew ige W asser, das im m er l e b t . . . und der Essig der Philosophen und
ein durchdringender G eist, und es ist etwas verborgen Färbendes, E in i­
gendes und W iederbelebendes, das wieder auf richtet, und erleuchtet alle
Toten und sie auf er steben läßt.»
D e r A u f erstandene steht nach der A u ro ra zur Linken der K ö n ig in ,
die ihm «in goldenem G ew ände, gehüllt in bunte P rach t» erscheint.
D iese G estalt, die R egina der A lchem ie, ist w ieder die Sapientia der
früheren K ap itel, die A n im a in ihrer glorifizierten (aus uneigentlichen
Z usam m enhängen b efreiten ) Endgestalt. Sie steht zur R echten des B rä u ­
tigam s - d. h. letzterer ist im V erhältnis zu ihr tiefer im U nbew ußten
verborgen, eine dem Bew ußtsein noch frem d ere G estalt als die A nim a.
E r ist ja auch der K ö rp er, dem nach christlicher A u ffassu n g ein g e­
rin gerer W e r t als der Seele zukom m t.
B eim Jüngsten G ericht und beim «A nbruch des groß en Sabbath»
in der A u ffassu n g des G io a c c h in o da F i o r i w ird die G lorie der G e­
rechten so erscheinen, wie die K ö n ig in , die in goldenem G ew and neben
dem K ö n ig steht. D e r lateinische W o rtla u t ist ähnlich w ie derjenige der
A u ro ra: T u n c apparebit justorum glo ria quasi sol in regno patris eorum
consum m atisque ad integrum m uris H ierusalem et universo num ero
electorum (auch in der A u ro ra ist auf die E rfü llu n g der Z ah l d er electi
bis zum E n d e v erw iesen !) dei apparebit gloriosa et felix sedens quasi
regina a dextris dei in vestitu deaurato circum am icta varietate. D abit
autem illi dom inus deus p artem gloriae suae et regnabit cum illa (v g l.
die W o rte in der A u ro ra et regnabo cum illa !) usque in aeternum et
regni eius non erit finis. A rn e n 44 . (D ies sind w örtlich die Schlußw orte
des fü n ften K apitels der A u ro ra .)43

43. L i b e r triu m v e r b o r u m , Artis Aurif. 1610 I p. 227. Et istud occultum est de natura
Solis et ignis et est pretiosissimum oleum omnium occultorum et tinctura viva et aqua
permanens, quae semper vivit et permanet et acetum Philosophorum et spiritus pene­
trati vus: et est occultum tingitivum, aggregativum et revivificativum: quod rectificat et
illuminat omnes mortuos et surgere eos facit. Vgl. ähnlich die T u r b a a. a. O. p. 148-149.
44. Expositio in Apocalypsin. cit. nach C h r . H a h n a. a. O. Vol. III, p. 341: «Dann
wird die Glorie der Gerechten wie die Sonne erscheinen in ihres Vaters Reich, wenn die
KOMMENTAR 369

Text: Du bist es nämlich, die eingehen wird durch mein Ohr, durch mein sm
Gebiet, und ich werde gekleidet werden in ein Purpurgewand, (das) aus dir
und aus mir stammt, und werde hervorkommen wie ein Bräutigam aus seiner
Kammer. . .

In dieser P artie findet sich ein m erkw ürdiges D etail: D ie Seele geht 515
durch das O h r in den A uferstehungsleib ein. Es handelt sich w ohl um
eine A nspielung auf die kirchliche Idee der «C onceptio p er aurem », w o­
nach der H l. G eist als « W o rt» in M arias O h r eindrang und so C hristum
zeugte. So sagt z. B . I saak von A ntiochia 45: «D urch das O h r (seil.
M arien s) d ran g der G eist ein und durch den Leib ist die körperliche
Erscheinung (C h risti) h ervorgekom m en.» A u ch E phraem Syrus sagt
von Christus *6: « E r ist durch das O h r eingedrungen und w ohnte heim ­
lich im M u tterleib .» D urch die A nspielung auf solche kirchlichen V o r­
stellungen w ill der A u to r der A u ro ra verm utlich in erster Linie andeu­
ten, daß es sich bei der A uferstehungsconiunctio zugleich um eine In ­
karnation des Logos oder der Gottheit handle 47. Zu gleich ist dam it das
Spirituelle und Ü bernatürliche der Coniunctio ausgedrückt.
N ach d em die Seele in den K ö rp er einging bzw. sich die B rau t m it 516
dem B räutigam vereinigte, kleidet sie ihn in ein Purpurgew and:

Text: Denn du wirst mich mit funkelnden Edelsteinen von frühlinghafter 517

Frische schmücken und mir anziehen die Gewänder des Heils und der Freude
zur Bezwingung der Stämme und aller Feinde. Du wirst mich auch mit der
goldenen Krone aller Völker und Nationen schmücken, versehen mit dem
Zeichen der Heiligkeit.

Mauern Jerusalems und die Gesamtzahl der Auserwählten Gottes wieder völlig resti­
tuiert sind, ruhmreich und selig wie eine Königin zur Rechten Gottes sitzend in golde­
nem und buntem Gewand. Und Gott der Herr wird ihr einen Teil seiner Glorie verlei­
hen und mit ihr regieren in Ewigkeit, und ihres Reiches wird kein Ende sein. Amen.»
45. Opera omnia ed. Bickell. Gießen 1873. Bd. I p. 60: Nisi (Christus) Deus erat,
quomodo per aurem intrare potuit ? . . . Per aurem enim spiritus intravit et e ventre
caro egressa est. Vgl. auch J o h . D a m a s c e n u s , De fide orthod. IV 14: Ac conceptio
quidem per auditum facta est und E u t h y m i u s Z i g a b e n u s , Migne P. G. 1 3 0 coi. 1 3 0 2 .
Vgl. ferner A g o b a r d u s , Bischof v. Lyon: D e P s a lm o d ia 8 . (Opera, tom. I ) : Verbum
intravit per aurem Virginis et exivit per auream portam. (Daher wohl die Version D ):
auream portam für aurem.
46. Hymni et Serm. ed. Th. Lamy 1886, Bd. II p. 570: «Ingressus est per aurem et
secretum in utero habitavit.»
47. Dies liegt auch im Motiv der Bekleidung. Vgl. z . B. B e r n a r d u s C l u n i a c e n s i s ,
De visitatione Beatae Mariae Virginis (Zoozmann p. 256) Hac in domo, D e u s h o m o
fie r i d is p o s u it. H ic A b s c o n s u s P iu s S p o n su s V e s te m su a m in d u it.
370 KOMMENTAR

F ü r die Bedeutung der K ro n e kann ich auf die A usführungen von


J u n g verw eisen 48. Sie ist als w eibliche Substanz 49 ein B ild fü r die
A n im a oder nach unserem T e x t der T e rra oder des K ö rp ers, so daß hier
nun gleichsam die R ollen vertauscht sind; letzten Endes sind näm lich
beide G egensätze jeweils Beides *°. A u ch im sog. Tractatus aureus H er­
metis J1 erscheint der Lapis als gekrönter K ö n ig (r e x co ro n a tu s), «w el­
cher aus dem F eu er k o m m t . . . dann ist der T od überwunden, und der
Sohn herrscht in der roten Toga und h at den P u rp u r angetan *2». - Bei
der Bekrönungsszene unseres T extes hüllt die B rau t ihren F reu nd in ein
Purpurgew and, «das aus ihm und aus ihr stam m t». D am it ist alchem i-
stisch die Rubedo gem eint, w orau f schon ein SENIOR-Zitat der vierten
Parabel hinw ies: « E r leuchtet wie ein Rubin durch die färbende Seele,
welche er durch die K ra f t des Feuers e rh ie lt^ .» D ies ist die gesuchte
«unveränderliche Farb e» (co lo r invariab ilis), deren Entstehung die
Turba der A n im a als einem «spiritus tingens» zuschreibt *4: «Es entsteht
die w ertvollste Farb e, w elche nicht (m e h r) w echselt und dem Feuer
standhält, dann, wenn die Seele ins Innerste des K örpers eindringt, fa ß t
sie ihn zusam m en und färb t ihn.» - «O w underbare N a tu r, die die übri­
gen N atu ren färb t, o him m lische N atu ren , w elche die E l e m e n t e . . . v er­
w andeln 55!» D iese «anim a tingens» ist, w ie es a. a. O . heißt, von spiri­
tueller N atu r *6, und sie gleicht sich den K ö rp e r an, so daß auch er 489501236

48. Vgl. Myst. Coni. II, p. 135 ff.


49. Vgl. E x e r c it. in T u r b a m (ed. Ruska, p. 336): Der Körper heißt Erde, Asche,
Kalk, Mutter . . . Hl. Jungfrau, Königskrone . . . Holz, Meer, Mondsputum. Vgl. ferner
S e n i o r , De Chemia, p. 41: Die weiße geblätterte Erde ist die Siegeskrone. . . und der
zweite Körper. Vgl. ferner ebda. p. 35 und 16.
50. Vgl. die Deutung des H o n o r i u s v o n A u t u n , Expos, in Cant. Migne, P. L. tom.
172. col. 440.
51. D e A r te C h e m ic a , 1566, p. 21-22. Vgl. R o s a r iu m , Artis Aurif. II, p. 248.
52. Vgl. über die Rolle der «Krone» in der Kabbala W . B o u s s e t , Gnosis a. a. O.
p. 201-202 und im Manichäismus (p. 202 Fn. 1). Dort wird dem «Urmenschen» die
«Krone des Sieges» vorangetragen. Vgl. auch den «Lichtkranz» der Manichäer. R. R e i t ­
z e n s t e i n , Das Iranische Erlösungsmysterium a. a. O. p. 3.

5 3 . V g l . d a s s e lb e S E N IO R -Z ita t im R o sa r iu m , A r t i s A u r i f . 1 6 1 0 II, p . 2 4 8 .
54. R u s k a a. a. O. p. 123: Quod ex sulphure sulphuri mixto pretiosissimus fit color,
qui non variatur nec ab igne fugit, quando anima in corporis intima infertur ac corpus
continet et colorat.
55. ebda. p. 165 (lat.) Vgl. auch p. 166-252: «Es ist nämlich die Seele, die den
Körper durchdringt und färbt.»
56. ebda. p. 135: Anima . . . quae est spiritualis natura ex qua colores apparuerunt.
KOMMENTAR 371

spirituell w ird *7. W e n n der K ö rp e r zu einem «pulvis spiritualis» zer­


rieben w orden ist, färb t ihn das Feuer m it der «unwandelbaren F arb e»,
und dieser G eist «ist im K ö rp e r verborgen und unsichtbar w ie die
Seele im m enschlichen K ö rp e r *8». D ie Seele oder B rau t unseres T e x ­
tes ist som it als ein solcher feuriger, färbender G eist zu verstehen,
der dem aus dem G rabe kom m enden B räutigam , d. h. dem spirituell
gew ordenen K ö rp e r ein G ew and, d. i. F arb e verleiht Dieses M otiv
erinnert an die antike V orstellu n g von der Seele als einem bunten G e­
w and, das die m aterielle W e lt um hüllt. N a ch dem G nostiker B a s i l e i d e s
z. B . ist die W eltseele nichts anderes als eine «enphasis» oder «F arb e»
des Lichtes, w elche in die M aterie hinabgestiegen i s t 57896o. D urch sie ent­
steht, wie P h il o es ausdrückt, «das bunte G ewebe dieser W e l t 61». D as­
selbe archetypische B ild spielt auch in den antiken M ysterienkulten eine
groß e R olle, in w elchen dem M ysten als Symbol der W an d lu n g , d. h.
seiner inneren W esen sän derun g und W ied ergeb u rt ein neues «H im m els­
gew and» (ένδυμα ουράνιον) verliehen w urde. Letzteres stellte die end­
gültige Solifkatio des M ysten d a r 6263, weshalb das G ew and auch bis­
weilen als L ich t, Lichtsiegel usw. bezeichnet w urde 6K D iese antiken

57. ebda. p. 155. Vgl. auch p. 136 und 140.


58. ebda. p. l 4 l . Vgl. p. 160: Deinde fiunt corpora spiritus et anima habentes tin­
gentes eo, quod invicem germinant. Die Farbe ist also ein «feuriger Geist» (ebda. p. 315)
59. Vgl. auch die T u r b a (p. 147): Tränket und kochet, bis das entsteht, was er euch
zu behandeln hieß, ein u n ta s tb a rer G e is t und bis ihr das Elixir m it d e m k ö n ig lic h e n
G e w a n d b e k le id e t s e h t (d. i. m it d e r ty risc h e n F a r b e ) Vgl. ferner p. 127: «Wenn Mann
und Frau verbunden werden, so wird die Frau nicht mehr flüchtig und wird das Com­
positum vergeistigt und wenn dieses Compositum in einen ro te n G e is th a u c h verwan­
delt wird, sodann entsteht der Beginn der Welt.»
6 0 . Vgl. Acta A r c h e l a i ed. Ch. H. Beeson c a p . 6 7 p . 9 6 und W . B o u s s e t , Gnosis
a. a. O. p . 9 2 , 94.
61. Vgl. über die 7 aetherischen Gewänder der Physis H i p p o l y t o s , E le n c h o s V, 8
und hiezu W . S c o t t , H e r m e t ic a IV, p. 490.
62. Vgl. z. B. die Solificatio des Mysten. A p u l e i u s Met. X I, 23 fiF. und hiezu R . R e i t ­
z e n s t e i n , Das Iranische Erlösungsmysterium a. a. O. p. 164: «Die Bedeutung ist klar:

der Myste ist durch die Wiedergeburt zum Gott und zwar zum Sonnengott geworden.»
Letzten Endes liegt diesen antiken Ideen wohl die primitive Gleichung Kleid = Haut =
Seele zu Grunde. Vgl. z . B. M a r t i n N i n c k , Wodan und germanischer Schicksalsglaube,
Jena 1935 p. 43 fiF.
63. Vgl. W . B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 303 fiF. Speziell Slavon. H e n o c h 24, 9:
«Und Michael entkleidete mich meiner Kleider und salbte mich mit schöner Salbe und
das Aussehen jener Salbe war mehr denn großes L ich t. . . » - Vgl. A c ta P h ilip p i,
Kap. 144: «Jesu Christ, mein Herr, bekleide mich mit dem glorreichen Kleid, deinem
lichten Siegel.» Auch in der A s c e n s io J e s a j a e (9 ,9 -1 0 ,3 ) sieht dieser im höchsten Hirn-
372 KOMMENTAR

V orstellungen blieben noch lange bei den M anichäern und M andäern


erhalten^ und haben ebenso schon frü h in der V orstellungsw elt der
A lchem ie E in g an g gefunden. So erblickt z. B . Z o s im o s in seinen V isio­
nen das gew andelte M etallm ännlein am E n d e des O pus in einem k ö n ig ­
lich en P ur pur g e w a n d t . Es ist dam it eigentlich dem Sonnengott (M ith ­
ras) gleichgestellt, w elcher sich dem M ysten als K ö n ig in scharlachrotem
M antel o ffen b art6*. D aß eine ebensolche Solificatio des Bräutigam s im
A u ro ratext gem eint ist, beweist das Z ita t aus Ps. X I X , 5- 6 , «und er
w ird hervorkom m en, w ie ein B räutigam aus seiner K am m er», w om it in
der Bibel die Sonne und in der patristischen D eutung Christus als «neue
Sonne» gem eint ist *7, und w om it in unserem T e x t noch einm al die P aral­
lele S o l-C h ristu s-F iliu s philosophorum oder Lapis aufgegriffen ist.
Psychologisch ist fü r diese ganze Schlußpartie im A u g e zu behalten,
daß je tzt Braut u n d Bräutigam geflü g elte W esen , d. i. G eister gew orden

mel die Kronen und Kleider, welche die Gläubigen bekommen sollen. In der P is tis
S o p h ia wird Jesus nach der Auferstehung sein himmlisches strahlendes Lichtkleid herab­
gesandt, in welchem er auffährt. Auch im Seelenhymnus der T h o m a s -A c te n kommt dem
Königssohn an der Grenze des Himmels sein Ebenbild oder sein Lichtkleid entgegen.
Ähnliche Vorstellungen finden sich auch bei den Mandäern, weshalb dieselben lange
Zeit nur weiße Kleider trugen. (Vgl. zu dieser ganzen Partie W . B o u s s e t , Gnosis, p. 303
Anm. 2. Vgl. auch p. 364. Anm. 2.) Vgl. ebenso den Ritus der Sethianer, worin die
Mysten einen Trunk vom lebenden Wasser erhalten, und dann die Sklavengestalt aus-
ziehen und das Himmelsgewand anziehen. ( H i p p o l y t o s V, 19 und V, 27, cit. B o u s s e t
ebenda p. 293).
64. So berichtet der F ih r is t über die Lehre M a n is (cit. aus R . R e i t z e n s t e i n , Das
Iranische Erlösungsmysterium a. a. O. p. 2 8 -2 9 ): «Wenn der Tod,» lehrt Mani, «einem
Wahrhaftigen naht, sendet der Urgott einen Lichtgott in Gestalt des leitenden Weisen
und mit ihm drei Götter und zugleich mit diesen das Wassergefäß, das Kleid, die
Kopfbinde, die Krone und den Lichtkranz. Auch erscheint ihm der T e u fe l. . . Sobald
der Wahrhaftige diese erblickt, ruft er die Göttin, welche die Gestalt des Weisen ange­
nommen h a t. . . zu Hilfe . . . Jene aber nehmen diesen Wahrhaftigen, bekleiden ihn
mit der Krone, dem Kranze und dem Kleide . . . und steigen mit ihm . . . zu der Sphaere
des Mondes usw.» (Vgl. auch p. 177. Vgl. P a u l u s , I Kor. 15.) Es ist bemerkenswert,
daß die hilfreichen Gestalten v ie r Götter mit v ie r Gegenständen sind!
65. Vgl. C. G. J u n g , Die Visionen des Zosimos in «Von den Wurzeln des Bewußt­
seins» 1. c. p. 145, 147 und 172, und E. v o n L i p p m a n n , Alchemie a. a. Ο., I, p. 81.
66. Vgl. A. D i e t e r i c h , Eine Mithrasliturgie a. a. O. p. 10.
67. Cf. E p h r a e m S y r u s , Hymni a. a. O. Bd. I, p. 532: Lux coram eis effulsit, Jesus
ut sponsus ex thalamo suo exsiliit, remansit sepulcrum suum cum angelis in medio.
Vgl. auch A m b r o s i u s , Hymnus de adventu Domini (Zoozmann, 1. c. p. 28 ): Procedens
de thalamo suo, Pudoris aula regia, geminae gigas substantiae Alacris ut currat viam.
Egressus eius a patre Regressus eius ad patrem, Excursus usque ad inferos, Recursus ad
sedem Dei.
KOMMENTAR 373

sind, und alles, was sich zwischen ihnen ereignet, im H im m el geschieht,


d. h. im Bereich des Jenseitigen, des Unbewußten. Die Erde, der Körper,
die irdische Wirklichkeit überhaupt sind wie ein leeres Grab zurück­
gelassen. Der Verfasser tritt auch dementsprechend nicht mehr im Dia­
log mit seinen eigenen kommentierenden Worten dazwischen; er ist
gleichsam im Liebesgespräch der Sapientia und des glorifizierten Königs
aufgegangen.
Im allgemeinen bedeuten Kleider psychologisch eine manifest ge­
machte innere Einstellung oder eine psychische Haltung, welche sich
entweder auf die Umgebung auswirkt oder vor dieser schützt. Der Ge­
wandwechsel in den Mysterien symbolisiert daher die innere Wandlung
der seelischen Einstellung; z. B. bedeutet die Entblößung zu Beginn oft
das Ablegen der vorherigen uneigentlichen Einstellung oder der Persona
(Maske), das Solificatio-Gewand die neugefundene, auf höherer Be­
wußtseinsstufe aktivierte religiöse Haltung. Die Einkleidung des Bräu­
tigams durch die Königin in der Aurora deutet somit an, daß der Ge­
wandelte nicht nur Erleuchtung, sondern auch Wirksamkeit und die
Möglichkeit, sich zu manifestieren, auf höherer Stufe zurückerlangt. Die
rote Farbe weist auf Heilkraft, «Mana», «Unverweslichkeit», zu höch­
ster Stufe gesteigerte lebendige Ausstrahlung6869.

Text: . . . (du wirst) mich in das Kleid der Gerechtigkeit hüllen; du wirst
mich mit deinem Ringe dir anverloben und mich auch mit goldenen Schuhen
bekleiden. Dies alles wird meine vollendete Geliebte tun in ihrer W onne . . .
oh Königin der oberen W elt, mache dich eilig a u f . . . sprich du Liebste zu
deinem Geliebten, wer und von welcher A rt und von welcher Größe du bist. . .

Diese Textpartie führt das Motiv der Bekleidung durch Gewand und
Krone noch weiter aus, wobei bemerkenswerterweise die Braut wie­
derum mit Gott gleichgesetzt ist; denn Jes. L X I, 10, heißt es: «Ich freue
mich im Herrn, denn er hat mich angezogen mit den Kleidern des Heils
und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet, wie ein Bräutigam. . .
und wie eine Braut.» Diese Stelle deutete E p h r a e m S y r u s als Hieros
Gamos des Mysten mit Gott oder mit der Ecclesia6?. Der Verfasser

68 . Zu diesen Bedeutungen der roten Farbe v g l . E v a W u n d e r l i c h , Die Bedeutung


der roten Farbe im Kultus der Griechen und Röm er. . . mit Berücksichtigung entspre­
chender Bräuche bei anderen Völkern. Gießen 1925, passim.
69. C o m m e n ta r iu s in J e s a ia m , Kap. L X I, Werke ed. L a m y , Bd. II, p. 184: Exultat
Ecclesia in Deo suo, quia induit me vestimento salutis, id est stola Gloriae baptismi;
374 KOMMENTAR

unseres Textes muß sich demnach wohl bewußt gewesen sein, daß er
eine Unio mystica mit der Gottheit schildert, und daß jene Gestalt,
die er als Sapientia, foemina, aqua und sponsa beschreibt, nichts anderes
als Gott selbst oder wenigstens ein Aspekt der Gottheit ist. Der Ring
weist auf die Ewigkeit der Verbindung im Selbst, die goldenen Schuhe
auf einen inkorruptiblen Standpunkt hin 7°. In dieser ganzen Partie
spricht der Bräutigam in solcher Demut, daß man geneigt ist, in ihm
einen gewöhnlichen Menschen, ja den Verfasser der Aurora zu erken­
nen, aber später wird immer deutlicher, daß auch er eine Personifikation
des Selbst ist, mit der aber der Autor offenbar gefühlsmäßig identisch
geworden ist. Im Gegensatz zum Beginn des Textes aber scheint nicht
mehr eine Inflation dargestellt zu sein. Dies liegt wohl darin, daß der
Ort des Geschehens verändert ist - die diesseitige W elt und das gewöhn­
liche Ich ist aufgehoben; es ist Alles ins Unbewußte aufgelöst, und so
kann auch nicht mehr von einer unreinen Vermischung des Diesseits
mit dem Jenseits, d. i. des Bewußtseins mit dem Unbewußten die Rede
sein. W ie dies aber möglich wäre, ohne daß der Verfasser in einem Zu­
stande nahe dem Lebensende war, ist mir kaum vorstellbar. In einem
vorübergehenden Delirium bliebe doch die Ichpersönlichkeit im Hinter­
grund weiterbestehen und müßte sich dementsprechend, wie mir schei­
nen will, irgendwie bemerkbar machen.
Nachdem die Gestalt des Bräutigams seine Erhöhung und Glorifi­
kation durch die Königin demütig gepriesen hat, bittet er sie zu offen­
baren, wer sie sei, und die Königin, die Sponsa, spricht in der nach­
folgenden Textpartie.

Text: «H öret ihr Völker alle . . . mein roter Freund hat zu mir gesprochen,
er hat gebeten und seine Bitte wurde erfüllt: Ich bin die Blume des Feldes

illa quippe est verum salutis vestimentum et candida Gloriae stola. Et fecit me tam­
quam sponsum gloriosum per absolutionem. Et tamquam sponsam ornatam. Sponsa
Ecclesia est, quae exornata est pulchritudine omnium populorum. Vgl. ferner Bd. I,
p. 44, Hymni in Festum Epiphaniae Nr. 4 Vers 2 -3 : E coelo divina eius natura et e
terra eius vestimentum carnis. Omnis qui sua exuit vestimenta ea commiscet cum vesti­
mento Christi in aeternum. Ab eo in aquis acquirite vestimentum quod non teritur nec
emittitur, vestimentum quo ipse indutos semper obtegit. Vgl. auch den wirklichen
πνευματικός γάμος den ζ. Β. die M a r k o s ie r als irdische Wiederholung der Hochzeit
von der Sophia mit dem Soter feierten. (B o u sse t , Gnosis a. a. O. p. 267 ff. und
bes. p. 315.)
70. Vgl. M. v. F r a n z , Passio Perpetuae in C. G. J u n g , Aion. 1. c. p. 480.
KOMMENTAR 375

und die Lilie in den Tälern, ich bin die Mutter der schönen Liebe, der E r­
kenntnis und der heiligen Hoffnung.»

In dieser Verkündigung sind gleichsam alle in den früheren Parabeln 524


einzeln beleuchteten Aspekte jener weiblichen Zentralgestalt des Opus
noch einmal zusammengefaßt. Sie bezeichnet sich zunächst als die
«Blume des Feldes» und die «Lilie in den Tälern», wie die Braut des
Hohen Liedes in jenen bekannten Versen, welche die patristische Deu­
tung durchwegs auf Maria oder die Ecclesia bezogen hat7i. Die antike
Vorgeschichte dieses Symbols sowie seine patristischen Auslegungen hat
H u g o R a h n e r in seinem Aufsatz «Die seelenheilende Blume 7*» um­
fassend dargestellt, weshalb ich auf ihn verweisen kann 73. Aber auch
innerhalb der Alchemie spielt die Blume und speziell die Lilie eine wich­
tige Rolle. Sie ist ein Bild der Arkansubstanz und heißt als solche oft
Lunatica (Mondkraut), Berissa oder Moly. Die Lilie wurde speziell zu
einem Synonym der weißen, weiblichen Substanz (gegenüber der roten
Rose) und des Silbers (gegenüber dem Gold) 74. Der «succus lunariae»
ist ein Synonym des göttlichen Wassers 75, und aus diesem Zusammen­
hang ist zu verstehen, daß sich die Braut gleich darauf nach Jes. Sirach
(X X IV , 2 3 ) als «Weinstock» bezeichnet: sie ist die Quelle oder Grund­
substanz des weißen und roten Wassers (W ein ), der Gegensätze. Die
Lilie und der Weinstock sind auch Marien-Symbole 7<\

Text: Ich bin der Weinstock, der wohlriechende, liebliche Früchte trägt, S2J
und meine Blüten sind aus Ehre und Anstand hervorgebracht.

71. Vgl. 2 . B. H o n o r iu s v . A u t u n , Expositio in Cant. Cant. Migne P. L. 172.


col. 382 oder den Hymnus des A d a m u s (ed. Zoozmann a. a. O. p. 278): . . . Flos campi
convallium singulare lilium / Christus ex te prodiit / Tu caelestis paradisus . . . Tu thro­
nus es Salomonis / Cui nullus par in thronis / Arte vel materia. Vgl. auch H ip p o l y t u s ,
Comm. 2 . Hoh. Lied a. a. O. p. 49-50, auch die Stelle «astitit regina» usw. wird auf
die Kirche gedeutet. Vgl. H o n o r iu s v . A u t u n , Quaest. et resp. in Prov. et Eccles.
cap. 31. Migne P. L. tom. 172. col. 330.
72. Eranos Jahrbuch X II, 1945. Festschrift für C. G. J u n g .
73. Vgl. bes. zum Pflanzensymbol den Aufsatz von C. G. J ung, «Der philosophische
Baum» in «Wurzeln des Bewußtseins» L c. bes. p. 427 ff.
74. Vgl. u. a. die umständliche Darstellung im Tractat «Der große und der kleine
Baur». Ein philosophischer und chemischer Tractat genannt Der Baur. mit Comm. von
J o h . W a l c h Straßburg 1618. Vgl. zur Symbolik der Lunaria auch C. G. J u n g , Myst.
Coni. I Kap. Luna, und Psychologie und Alchemie, p. 116.
75. R o s a r iu m , Artis Aurif. 1610, II, p. 137.
76. B ib l i a M a r ia n a ed. Borgnet Vol. 37. p. 396-397: Maria est lilium totius castitatis.
Sicut spina rosam genuit Judaea Mariam.

25 Jung : Mysterium III


37 6 KOMMENTAR

526 Die Rebe und die Trauben spielen schon in der antiken Alchemie eine
große Rolle. Hermes ist dort der Winzer (βοτρυχίτης), der «die weißen
Sorten seiner Weinlese durch das Feuer rötet 77 ». In den Carmina H e l io ­
d o r i ist der Lapis bezeichnet als weiße Traube, welche, von Hand zer­

rieben, feurigen, duftenden Wein wie Blut erzeugt 78. Z o s im o s deutet


dieses selbe Motiv als «Mysterium der Waschung» oder als das ϊος
(Rost, Gift) 79 . Noch im Lexikon des R u l a n d u s sind die «uvae Her­
metis» als das philosophische Wasser, Destillation, Solution usw.
interpretiert77898o.
Sz7 In unserem Text ist aber wohl auch auf die christliche Symbolik an­
gespielt, auf Christum, welcher der «wahre Weinstock» ist. Von ihm
sagt z. B. E p h r a e m S y r u s , Christus sei der wahre Weinstock, und die
Seelen seien seine Sprossen8l. Aber auch Maria wurde mit dem W ein­
stock verglichen. So sagt derselbe Kirchenvater8283: «Es blühte Maria, der
neue Weinstock, an Stelle Evas des alten Weinstockes, und es wohnte
in ihr das Neue Leben, Christus.» Oder: «Maria ist der Weinstock, der
aus der gesegneten Wurzel Davids wuchs. Ihre Sprosse erzeugten eine
Traube, welche von dem lebendigmachenden Blute erfüllt war. Von
jenem neuen Wein trank Adam und kehrte als ein Auferstandener ins
Paradies zurück 83.»
528 W ie in der kirchlichen Symbolik der Weinstock Christus oder Maria

77. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. V I. IV . Vol. I, p. 404.


78. G o l d s c h m i d t a. a. O. p . 3 2 , Vers 180-185. Vgl. die Eucharistiefeier der Mar-
kosier, wo eine kultische Wandlung von weißem in roten W ein stattfand. ( L e i s e g a n g ,
Gnosis a. a. O. p. 347.)
79. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs III. V I. Vol. I, p. 121 und 137.
80. R u l a n d u s , Lexicon Al chemiae 1612 unter «uvae» cit. C. G. J u n g , Von den
Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 388.
81. Hymnus in Festum Epiphaniae 2. Werke ed. Lamy, Bd. I, p. 22. Er ist auch die
Traube, die sich keltern ließ, um durch ihren W ein die Seelen neu zu beleben. Hymni
de nativitate Christi in carne 4. Werke Bd. II, p. 482.
82. E p h r a e m S y r u s , Sermo de Domino nostro, Werke Bd. I, p. 154: «Floruit autem
Maria, nova vitis prae vite antiqua Heva habitavitque in ea Vita nova Christus . . . »
83. Hymni de Beata Maria Nr. 18. Werke Bd. II. p. 618. Vgl. ferner Hymnus X X .
Ebenda p. 640: «Simeon botrum vitae e vite virginali decerptum portavit, in ulnis
suis . . . » und Hymnus I. Ebenda p. 524: «Vitis virginalis uvam dedit cuius dulce vinum
flentibus solamen attulit.» Vgl. auch z . B. H o n o r i u s v o n A u t u n , Speculum de myst.
eccles. Migne P. L. tom. 172. coi. 902: «Ipsa (Maria) quippe erat paradysus malorum,
fons hortorum, quia in ea surrexit lignum vitae atque de ea profluxit fons sapientiae
omnibusque deliciis affluebat, in qua omnes thesauri sapientiae et scientiae absconditi
erant. (Coi. II.)
KOMMENTAR 377

bedeuten kann, so ist auch die Gestalt der Aurora offenbar die Urheberin
des Weißen (Lilie) und des Roten (W ein ); sie ist ein hermaphroditi-
sches Wesen, das die Gegensätze in sich enthält. Und zwar enthält sie
sie nicht nur, sondern ist auch das Medium ihrer Vereinigung, wie die
nachfolgende Textpartie zeigt.

T ext: Ich bin das Ruhebett meines Geliebten, um das sich 6 0 Starke reihen,
die alle ihr Schwert um die Hüfte tragen, wegen der Schrecknisse in den
Nächt en. . .

Die «Schrecknisse» sind den früher erwähnten «tenebrae mentis»


vergleichbar - eine letzte Erwähnung der nun endgültig überwundenen
Nigredo. Die Zahl der sechzig Helden wurde von H o n o r iu s v o n
A u t u n 84 als Zahl der Vollendung gedeutet8*; sie symbolisieren alle
«Vollkommenen im Gesetz der Kirche, welche das Schwert des Logos
und der Discretio (Unterscheidungsfähigkeit) gegen die Häresien füh­
ren». Alchemistisch dürfte es sich wohl (trotz der Multiplikation mit
Zehn) um die sechs übrigen Planeten, d. h. um Venus, Merkur, Mars,
Jupiter, Saturn, handeln, welche der Konjunktion von Sonne und Mond
dienend beiwohnen. Auch dürfte diese merkwürdige Bezeichnung der
«Braut» als lectulus (Bett) nicht ohne Beziehung zur Beschreibung des
Prunkbettes Salomos in der Bibel sein86: «Ein Prunkbett ließ sich fer­
tigen König Salomon; dessen Fußgestell machte er aus Silber, dessen
Lehne aus Gold, dessen Polster aus Purpur», eine Stelle, die eine alche-
mistische Ausdeutung nahelegte. In der patristischen Literatur galt die­
ses Bett Salomos als ein Bild der ewigen Seligkeit , in welcher die Kirche
ruht oder als ein Symbol der K irche selbst, die das Ruhebett Christi dar­
stellt. Das Bett Salomos wurde ferner gedeutet als «Haus des Gastmahls»
(man vergleiche die fünfte Parabel unseres Textes!) oder als ein Bild
für die heilige Seele, welche zum Ruheort des «inneren Christus» g e­
worden ist 87 . Auch Maria galt als «Bett Salomos, in dem der Gottessohn
84. Expositio in Cant. Cant. Migne P. L. tom. 172. col. 404-406.
85. Nach A u g u s t in u s , De civ. Dei, Lib. X I, cap. 31 bedeutet die Sechzahl die
Perfectio. Sie besteht aus der Eins und der ersten geraden Zahl Zwei und der ersten
ungeraden Zahl Drei.
86. Cant. III 7-8. Vgl. die alchemistische Bedeutung des «lectulus» als «vas con-
iunctionis» z. B. in R o sin u s ad Sarratantam, Artis Aurif. 1610 a. a.O . I, p .1 9 2 . Nach
O r ig en e s In Cant. Homil. II. 4 bedeutet das Bett den menschlichen Körper.
87. H o n o r iu s v o n A u t u n , Expositio in Cant. Cant. Migne P. L. tom. 172. col.
406-408. Vgl. ferner R ic h a r d d e St . V ic t o r , Explicatio in Cant. Cant. Migne P. L.
378 KOMMENTAR

neun Monate ruhte88». In diesem Sinne dient wohl auch die Braut in
unserer Parabel als «vas coniunctionis» des Menschen mit der Gottheit8*.

Text: «Ganz schön bin ich und ohne Makel; ich sehe durch die Fenster
und schaue durch die Gitter meines Geliebten und verwunde sein Herz in
einem meiner Augen und in einem Haar meines Nackens.»

Für diese Textpartie, wonach die Braut ihren Geliebten in einem ihrer
Augen verwundet 9° usw., möchte ich auf die Ausführungen von J u n g
verweisen 91. Das «Sehen durch die Fenster» deutet noch einmal das
Eindringen der Seele in das «Gefängnis des Körpers» an, als Bild der
Coniunctio 9*. Das «Fenster des Entrinnens» oder «Fenster der Erleuch­
tung» ist ein Attribut Mariae 93, es entspricht dem Bilde des «spiraculum
aeternitatis» bei D o r n e u s 94. Auch in der Kabbala spielt das «mysterium
fenestrae» eine wichtige Rolle. Die «fenestra» bedeutet dort eine Licht­
verbindung zwischen der Sefira Kether (Krone) zur Weisheit und von
der Weisheit zur Intelligentia 9s. Durch diese Fenster sind die ober­
sten Sefirot mit dem göttlichen Urlicht verbunden.
Die Haare galten in der Patristik als «subtile Gedanken», so daß die
Stelle auf eine geistige Verbindung hinweist.

Text: «Ich bin der Duft der Salben und mir entströmt Wohlgeruch über
alle Gewürze, wie Zimmet und Balsam und die erlesene Myrrhe.»

tom. 196. col. 406. In lectulo meo etc. = anima, quae Deum quaerit, coi. 410-411: Ita
mentis pax et tranquillitas lectulus est in quo sponsa quiescit. Vgl. auch die Bezeich­
nung der Ecclesia als «Sonnenthron Christi» bei A t h a n a s i u s , Frgm. zu einem Psalmen-
Kommentar zu Ps. 88. 38. Vgl. H. R a h n e r , Mysterium Lunae. Ztschr. £. Kathol. Theol.
Jahrg. 63, 1939, p. 340. Vgl. auch das Zitat des A d a m u s , der Maria als «thronus Salo­
monis» bezeichnet. Vgl. H i p p o l y t o s , Comm. z. Hohen Lied a. a. O. p. 73-75.
88. B ib lia M a r ia n a ed. Borgnet 37, p. 399.
89. Vgl. I s is als «Thron».
90. Das «in uno crine colli tui» deutet H o n o r i u s v o n A u t u n auf die unitas fidei.
Expos, in Cant. Cant. Migne P. L. tom. 172. col. 419. Vgl. auch col. 443: capilli sunt
subtiles cogitationes.
91. Myst. Coni. I, p. 32.
92. Nach O r i g e n e s . In Cant. Homil. II. 12 bedeutet das Fenster die Sinne durch
welche die Eindrücke aus- und eingehen.
93. Vgl. B ib lia M a r ia n a ed. Borgnet 37, p. 385.
94. Vgl. das von J u n g über das «spiraculum aeternitatis» Gesagte, M y st. C o n i. I I ,
p. 240 ff.
95. Vgl. K n o r r v o n R o s e n r o t h 1. c. Vol. II, p. 281-282.
KOMMENTAR 379

Die Sponsa ist ein wohlriechendes Pneuma und als solches mit dem 535

Hl. Geist identifiziert *6. Die Vorstellung des göttlichen Geistes als
eines Wohlgeruches scheint altorientalischen Ursprungs zu sein und fin­
det sich in der spätjüdischen Literatur wieder 979 desgleichen in der Gno­
sis. So verwendeten die Markosier bei der Taufe ein Balsamöl als Sym­
bol des «Wohlgeruches über Allem *8», und auch die Sethianer ver­
glichen ihr Lichtpneuma einem Duft von Myrrhen (όιονεί οσμή μύρου)99,
Das Öl (μύρον oder unguentum) verleiht nach allgemein antiker An­
schauung Unzerstörbarkeit (αφθαρσία) I0°. Dieses Bild deckt sich also
gleichsam, wenn man es amplifiziert, mit demjenigen der Anima als
eines färbenden, Unsterblichkeit verleihenden Geistes, von dem frü­
her die Rede war.

Text: Ich bin die klügste der Jungfrauen, die hervortritt gleich der leuch- 536

tenden Morgenröte, auserwählt wie die Sonne und schön wie der Mond,
ohne das, was sich innen b irgt

Auch «die klügste der Jungfrauen» und «die hervortretende Morgen- 537
röte» sind schon aus früheren Parabeln bekannte Bilder, auf deren Deu­
tung ich daher verweisen kann. Die seltsame Anspielung «ohne das, was
sich innen birgt», betrifft im Hohenlied die «Taubenaugen» der Gelieb­
ten, aus denen Liebe ausstrahlt9697810101. Hier wiederholt sie noch einmal an­
deutungsweise jenes seltsame Bild, daß die Coniunctio gleichsam ein
Eingehen des Gottes in das Auge der «Frau» seiI02, was zugleich ein

96. Vgl. für dieses Bild des Hl. Geistes Leisegang, Der Hl. Geist a. a. O. passim
und B ousset, Gnosis a. a. O. p. 120, Anm. 1 und Hippolytos, Comm. 2. Hohelied
a. a. O. p. 26 u. 32.
97. Vgl. E L o h m e y e r , Vom göttlichen Wohlgeruch. Sitzungsber. d. Heidelberger
Akadem. der Wissenschaft. 1919, Heft 9. Vgl. HENOCH-Buch, 2. Buch Mosis, 2. Kor.
14-16. Vgl. auch den Natronduft in der aegypt. Religion.
98. W . B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 301.
99. W . B o u s s e t ebda. p. 302. Auch im Hochzeitshymnus der T h o m a s a k t e n heißt es,
daß dem Kleid der Lichtjungfrau ein wunderbarer Duft entströme (ebda.).
100. W . B o u s s e t ebda. p. 302, Anm. 3. Vgl. auch bes. R. S t e u e r : Über das wohl­
riechende Natron bei den alten Ägyptern. Leiden 1937 passim.
101. H o n o r i u s v o n A u t u n , Expos, in Cant. Migne P. L. 172 col. 411: Charitas in
oculis.
102 . G r e g o r d e r G r o s s e vergleicht das Innere des Auges mit den «interiora Austri»
d. h. der himmlischen Heimat, in der der Hl. Geist wohnt. Expos, mor. in nonum cap.
Job. Lib. IX , cap. 6. Opera Paris 1636, I p. 308: Absque eo quod intrinsecus latet, hoc
nobis beatus Job intimat cum Austri interiora commendat. Vgl. das oben über den
«Auster» Gesagte.
380 KOMMENTAR

Eingehen der Sonne in den Mond bedeutet (was daraus ersichtlich ist,
wie das Zitat subtil an das vorhergehende W ort in unserem Text ange­
schlossen ist). Das Ziel der Coniunctio ist nämlich nach S e n i o r das
Hervortreten des Vollmondes, der Luna plena io3. Hierin ist jene reiche
Sol-Luna-Symbolik angetönt, deren Bedeutung J u n g bereits darge­
legt hat io4.

T ext: Ich bin wie die hochgewachsene Zeder und die Zypresse auf dem
Berg Zion; ich bin die Krone, mit der mein Geliebter am Tage seiner Hoch­
zeit und seiner Freude gekrönt wird, da mein Name eine ausgeschüttete
Salbe ist.

Auch das folgende Bild der Braut als «Krone, mit der ihr Geliebter
am Tage seiner Hochzeit und seiner Freude gekrönt wird», ist durch
seinen biblischen Hintergrund bedeutungsreich; denn im Hohenlied
steht an Stelle der Braut die Mutter Salomos, was auf Maria als Mutter
und Braut Christi gedeutet wurde I0L Somit ist auch die Braut in unserem
Text zugleich die Mutter und soror und sponsa des Filius philosopho­
rum, mit dem sie sich im königlichen Inzest verbindet. In der kirch­
lichen Interpretation galt jene Stelle des Hohenliedes als eine Präfigu­
ration der Menschwerdung Christi, da darin gleichsam angedeutet sei,
wie Christus von seiner Mutter Maria mit dem Diadem, d. h. seiner
fleischlichen Existenz (carne humana) umgeben werde. E p h r a e m S y ­
r u s preist Maria als Mutter u n d Schwester und Braut Christi1 03145Io6107, und
nach H o n o r iu s v o n A u t u n besingt das Hohelied an dieser Stelle die
Hochzeit Christi mit seiner Braut der Ecclesia im Uterus seiner jung­
fräulichen Mutter io7. Eine alchemistische Parallele zu unserem Text

103. De Chemia a. a. O. p. 37-38.


104. Myst. Coni. Vol. I. passim.
105. H o n o r i u s v o n A u t u n , Expositio in Cant. Migne P.L. tom. 172 col. 409. Dia­
dema ist auch nach den A c ta J o h a n n is eine Bezeichnung des Soter (vgl. R e i t z e n s t e i n ,
Das iranische Erlösungsmysterium a. a. Ο. p. X I. Vgl. auch p. 9, wonach bei den Man-
däern der lebendige Geist und die «Mutter des Lebens» den Chrostag (Ruf) und Pad-
wahtag (Antwort) bekleiden, um sie als Erlöser zum verlorenen Urmenschen hinab
z u senden.). Vgl. ferner J u n g Myst. Coni. Vol. I p. 7 sq.
106. E p h r a e m S y r u s Hymni de beata Maria. X . Vers 19- (ed. L a m y a. a. Q. II
p. 564): «Stat Maria mater tua, soror tua, sponsa tua, ancilla tua . . . O Magister matris,
Deus matris, Dominus matris, matre iunior et senior.»
107. Speculum de myst. eccles.·, Migne P. L. 172 col. 1063: Rex qui nuptias filio
fecit, est Deus pater qui Jesu Christo, Filio suo, sponsam Ecclesiam coniunxit. Huius
nuptialis thalamus erat sacrae Virginis uterus. Cf. item col. 1065: De his nuptiis texuit
KOMMENTAR 381

liefert jenes schon erwähnte vierte Kapitel des Tractatus Aureus H er -


metis , worin der «König» verkündet, er lasse sich von seinen Brüdern
krönen, mit dem Diadem schmücken, «und gebunden an meine Mutter
kommt meine Substanz zur Ruhe». Auch in den Allegoriae super
librum Turbae sagt der M ercurius I0?: «Die Mutter gebar mich und ich
selber erzeuge sie.» Oder im Aenigma VI: «Lege über seine Mutter . . .
den roten Sklaven. . . Töte die M utter. . . und verheirate die Beiden in
einem Glas II0.»
Zu dem Motiv, daß die Braut geheimerweise die Mutter des Filius 540
philosophorum ist, paßt auch der vorhergehende Satz, worin sie sich
selbst als eine hohe Zeder und Zypresse auf dem Berg Zion bezeichnete,
denn der Baum hat in der Alchemie u. a. Mutterbedeutung, wofür ich
auf die Ausführungen von J ung verweisen kann111; ebenso auch für die
Rolle und die Bedeutung der Krone und des InzestmotivesII2. Psycho­
logisch läßt diese Partie erkennen, wie mehr und mehr die hilfreichen
günstigen Aspekte des weiblichen Numens, d. i. der Anima hervortre­
ten. Während ferner die Sapientia zu Beginn eher als überlegene W eg­
weiserin auftrat, wird sie hier immer mehr zur Liebenden. «Eros» und
«Gnosis» sind in ihr verbunden.
In dem folgenden Satz: «da mein Name eine ausgeschüttete Salbe 541
ist», bezeichnet sich die Braut von neuem als «unguentum», welches in
der Alchemie als eines der vielen Synonyme des göttlichen Wassers
galt und zwar speziell im Sinne der anima, der Seele des Stoffes "3. Da­

rex Salomon dulce epithalamium dum in laude Sponsi et Sponsae per Spiritum Sanctum
concinuit Cantica Canticorum. Vgl. auch dasselbe Motiv im Ojvmmythus, der sich
angeblich bereits im Mutterleib mit seiner Zwillingsschwester I s is verbunden haben soll.
108. Vgl. dasselbe Zitat auch im R o sa r iu m phil. Artis Aurif. 1610 II, p. 247-248.
109. Ruska, T u r b a a. a. O. p. 329: Mater me genuit et per me gignitur ipsa. Vgl.
auch S e n i o r , De Chemia p. 108 «Der Lapis ist das Gold und zugleich die Mutter des
Goldes, da er es erzeugt, aus ihm stammt der Drache, der seinen Schwanz fr iß t. . . und
der Regen, der die Erde besprengt, sodaß die Blumen sprießen.»
110. Ebenso erscheint in manchen gnostischen Systemen die Sophia als Schwester,
Mutter und Braut Christi. I r e n a e u s I, 30. 12 . und I, 11 . und I, 3. 4. H i p p o l y t o s ,
Elenchos VI, 34. Vgl. ferner W . B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 265-266, p. 267-268,
p. 272-273 und p. 315.
111. «Der philosophische Baum» in «Wurzeln des Bewußtseins» 1. c. p. 429 und
bes. p. 446 ff. Vgl. auch über die Sapientia als Baum C. G. J u n g , Antwort auf Hiob
1. c. p. 45 sq.
112. Vgl. Myst. Coni. II, Kapitel Rex, passim.
113. Vgl. S e n i o r , De Chemia, p. 49, 55, 57 und bes. p. 69: Vult per oleum Animam,
quae non ingreditur per ignem sed aqua extrahit eam. Vgl. ferner p. 75 und 82: Et hoc
382 KOMMENTAR

mit ist noch einmal das Motiv des «oleum laetitiae» der dritten Parabel
aufgegriffen.

Text: Ich bin die Schleuder Davids, deren Stein das große Auge Goliaths
ausschlug, und schließlich gar seinen K opf abriß.

Die gefährliche Seite der Animagestalt ist nicht völlig verschwun­


den, aber sie quält nicht mehr den ihr dienenden Menschen, sondern wirkt
in seiner Hand wie eine Schleuder, mit der er seine Feinde überwinden
kann. Vom menschlichen Bewußtsein beherrscht wird die vorher zer­
störerische Emotionalität der Anima zu einem Instrument der Über­
windung blinder Unbewußtheit und Einseitigkeit. Goliath ist hier wie
der Drache ein Symbol der materia prima im Zustande der Sünd­
haftigkeit und der Nigredo "4, und - obwohl der Lapis erst das Ziel
darstellt - so ist er geheimnisvollerweise doch zugleich auch das Mittel,
um zu jenem Ziel zu gelangen Das «große Auge Goliaths», das nur
in der Einzahl erwähnt ist, erinnert zudem an Polyphem - Goliath wird
hier geblendet wie der Kyklop. Die Bedeutung des Auges (wobei hier
in erster Linie der nefaste Aspekt zu beachten ist) als verschlingende
weibliche Dunkelheit hat J u n g bereits erklärt 116.

T ext: Ich bin das Szepter des Hauses Israel und der Schlüssel Jesse, der
auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf.

W ie in diesem Gleichnis die instrumenteile B edeutung des Lapis be­


tont ist, so auch im folgenden Motiv vom Szepter Israel und «Schlüssel
Jesse, der auftut, und niemand schließt zu». Das Szepter bedeutet wohl
das alchemistische «regimen», und der Schlüssel ist auch in anderen
Texten (z. B. bei R o g e r B a c o n ) ein Bild der Arkansubstanz und des
Lapis. So sagt das Rosarium l1?: «Dieser Stein ist nämlich ein Schlüs-

genitum est pinguedo, quam vocant animam et ovum. Cf. item. Collectanea e x R h a s i ,
Margarita pret. Nov. a. a. O. p. 169.
114. Vgl. Jo . d e M e n n e n s , Aurei Velleris etc. Theatr. Chem. 1622, V, p. 351 ff.
quae Goliath debellavit, id est p e c c a tu m . ..
115. Vgl. auch H o n o r i u s v o n A u t u n , Speculum de myst. eccles. Migne P. L. tom.
172, col. 1041: Funda (D avid) quippe erat circumdata Christi humanitas passionibus
circumrotata, Lapis qui frontem Goliae penetravit erat divinitas quae maxillam Leviathan
perforavit.
116. Vgl. J ung, Myst. Coni. I. p. 32.
117. RosiNUSzitat Artis. Aurif. 1610, II, p. 162: Hic enim lapis est clavis . . . nam . . .
est fortissimi spiritüs.
KOMMENTAR 383

sei. . . , denn er ist von stärkstem Geiste», mit ihm werden die Metalltore
geöffnetII819. Als Schlüssel wirkt der Lapis, indem das Erlebnis des Selbst
auch dem Bewußtsein eine «Methode» gibt, das Geheimnis des Unbe­
wußten, d. h. seine Symbole, bewußt zu machen. Daher sagt das Rosa­
rium auch: «Die Philosophen sprechen vom Salz und nennen es Seife
der Weisen und Schlüsselchen, das schließt und öffnet und wiederum
schließt und niemand kann öffnen; ohne dieses Schlüsselchen, sagen sie,
kann niemand in dieser W elt zur Vollendung dieser Wissenschaft ge­
langen, d. h. wenn er nicht versteht, das Salz nach seiner Präparation zu
kalzinieren ” 9.» Die Bedeutung des Salzes ist bereits von Ju n g 120 dar­
gelegt worden, und aus dessen Bedeutung als Prinzip des Eros ist seine
Gleichsetzung mit der weiblichen Gestalt unseres Textes verständlich.

T ext: Ich bin jener erlesene Weinberg, in welchen der Hausvater zur 1 ., 546

2 ,. 3., 6 . und 9. Stunde seine Arbeiter sandte usw. Ich bin jenes Land der
göttlichen Verheißung, darin Milch und Honig fließt und das süßeste Früchte
trägt zu seiner Zeit.

Die weibliche Gestalt ist hier mit dem «erlesenen Weinberg» des 547
Gleichnisses von Matth. X X 121 und mit dem «Land der Verheißung»
verglichen, womit wieder ihre Identität mit jener «geistigen Erde» des
vorherigen Kapitels betont wird. Sie ist die Realität des Seelischen
schlechthin.

Text: Darum haben mich alle Philosophen empfohlen und haben ihr Gold h 8
und Silber und ihr unverbrennbares Samenkorn in mich gesät. Und wenn die­
ses Weizenkorn nicht in mich fällt und erstirbt, so bleibt es allein, wo es
aber stirbt, so bringt es dreifache Frucht: zum ersten wird es zwar gute Frucht
tragen, da es in gute Erde, nämlich Perlenerde gesät wurde, zum zweiten wird
es gute Frucht bringen, da es in bessere Erde fiel, nämlich Blättererde, und
zum dritten wird es tausendfache Frucht bringen, da es in beste Erde, nämlich
Golderde gesät wurde.

118. ebda. p. 181.


119. ebda. p. 146.
120. Myst. Coni. I, Kap. Salz.
121. Vgl. hiezu die Deutung von Jo . M ennens (Aurei velleris etc. Theatr. Chem.
1622, V, p. 376) der in der Summe der 1., 3., 6., 9. u. 11. Stunde wieder eine Anspielung
auf den n u m eru s tric en a r iu s sieht.
384 KOMMENTAR

Auch dieses Motiv war schon in der vorhergehenden Parabel angetönt


worden im Ausspruch des H e r m e s , man solle das Gold in die weiße
(geblätterte) Silbererde säen12212345. Bei S e n i o r bedeutet das «granum»
(K orn) bald die Tinktur, bald das Gold und bald die «Seele I23», und
das Rosarium, welches diese Stelle des Aurora-Textes kommentiert, er­
klärt das «Korn» als «granum corporis» und die Erde als «materia
prima», welche den «fettigen Dampf» oder Mercurius der Philosophen
aufnimmt I2L Auch im siebenten Aenigma der A llegoriae super librum
Turbae muß «das einsame Korn des fruchtbringenden Keimes» mit dem
«primordialen Dampf der Erde» in mystischer Hochzeit vereint wer­
den I2L Jener «primordiale Erddampf», Fettdampf oder Mercurius sind
demnach Synonyma des «Landes der Verheißung» und zeigen wiederum
an, daß es sich um eine luftige «sublimierte» Erde handeltI26. Nach
unserem Text besteht letztere aus drei Substanzen: Perlen, Silber und
Gold; dieselbe Stufung finden wir bei S e n i o r , von dem diese Einteilung
übernommen w urde12?. Demnach ist diese mystische Erde eine Art
von unterer TrinitätI28. Für die psychologische Bedeutung dieser unte-

122. Cf. item. C la n g o r B u c c in a e . Artis Aurif. 1 6 1 0 ,1, p. 336.


123. S e n i o r , de Chemia, p. 42: Solvunt enim hanc tincturam cum humiditate, quae
est ex ipso in principio et in fine cum igne sicut vides g ra n u m H o s p h o s e u O ffo to in gra­
mine suo cum aqua et igne augmentari et generatur in eo tinctura. . . vertite aurum in
folia . . . p. 115. Tinctura, quam etiam vocabit Hermes aurum cum dixit seminare aurum
in terram albam foliatam significavit hanc tincturam . . . et nominaverunt eam crocum
et E ffe r (Cf. item p. 35) und p. 80: T in c tu r a v e r a Calid i. e. fixa incombustibilis, cum
granum eius prius fuerat combustibile.
124. Artis Aurif. 1610. II, p. 146.
125. T u r b a ed. R u s k a a. a. O. p. 329. Vgl. ferner die Worte des filius regius oder
Lapis in der Metaphora B e l i n i ( R o sa r iu m p h il. Artis Aurif. 1610 II, p. 2 49): ego sum
frumentum seminatum in terra puram, quod nascens crescit et multiplicatur et adfert
fructum seminanti: quia omne quod generatur genere suo {generatur) et quodlibet
individuum multiplicat formam suae speciei et non alterius . . .
126. Dies erinnert an die antike orphische Vorstellung der «himmlischen Erde»
(= Mond), aus der die Seelen stammen sollen. ( P l u t a r c h , De facie in orbe lunae. 21,
M a c r o b i u s , Somn. Scip. I, 19. 8. Vgl. H. R a h n e r , Mysterium Lunae, Ztschr. f. kathol.
Theol. 1940, p. 124 und 68.) Die «Lufterde» oder «Lichterde» der Manichäer ist eine
entsprechende Vorstellung. (Vgl. F l u e g e l , Mani p. 86, cit. nach W . B o u s s e t , Gnosis
a. a. O. p. 135.) Sie entspricht der Sophia Gottes, d. h. der Sapientia Dei.
127. De Chemia p. 51. Die Goldblätter nennt auch M a r i a d i e J u e d i n «Sand», «ge­
waschene Erde». ( O l y m p i o d o r , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II. IV, Vol. I, p. 7 1 ).
Die terra stellata S e n i o r s ist identisch mit der γή άστερίτης der Griechen. (Ebda. II.
III, Vol. I p. 60 und III. X X V , Vol. I p. 186 ( Z o s i m o s ) .
128. Vgl. diese Deutung bei Jo . M e n n e n s , Aurei Velleris etc. Theatr. Chem. 1622,
V, p. 334 (s. ob.).
KOMMENTAR 385

ren D reih eit sei auf die A usführungen von J u n g in Symbolik des Geistes
verw iesen I29.
D as W esen tlichste scheint in diesem Textzusam m enhang zu sein, daß S50
die «untere T rin ität» als eine Erde geschildert ist, d. h. als eine psychi­
sche W irk lich k eit, w elche m it dem W e se n der M aterie zu tun hat. D ie
M aterie erhält dadurch eine eigene B edeutung und ist sogar zu g ö tt­
lichem R an g erhoben - in v ölliger U m k eh ru n g zum m ittelalterlichen
scholastischen W eltb ild , w o ihr ohne gegebene F o rm nur eine p oten ­
tielle W irk lich k eit zukom m t. D e r T e x t verkündet som it eine Glorifi­
kation des W eiblichen, des K örpers und der Materie an. M an versteht,
w elch erschütternder D urchbruch unbew ußter Inhalte in einem m ittel­
alterlichen M enschen stattfinden m ußte, bevor er solches aussagen
konnte, und es w ird auch klar, daß die A ussagen nur indirekt in der
traum haft-deliriösen Sprache, w ie sie der T e x t aufw eist, fo rm u liert w er­
den konnten; denn es sind dies kom pensierende A ussagen des Unbe­
wußten, nicht A nsichten des bew ußten M enschen jener Z eit.
T ext: Aus den Früchten dieses Weizenkornes wird nämlich die Speise des 551
Lebens gemacht, die vom Himmel kommt. W e r davon ißt, der wird leben
ohne zu hungern. Von diesem Brot werden nämlich die Armen essen und
gesättigt werden, und sie werden den Herrn preisen, die ihn suchen, und ihre
Herzen werden leben in Ewigkeit.

In diese d reifache E rd e w ird das unverbrennbare K o rn gesät, das 552


sterbend tausendfache F ru ch t bringen und aus dem das «B ro t des
Lebens» erstehen soll. A lchem istisch handelt es sich um die Phase der
sog. Multiplicatio, w elche durch «Projektion» der T in k tu r oder des
G oldes au f die unedlen M etalle bewirkt w ird. L etztere w erden dadurch
zu G old gew andelt. D ieser Idee einer M ultiplikation stellt der A u tor
eine christliche «am plificatio» zur Seite, denn das « B ro t des Lebens»
ist fü r den C hristen die H ostie, bzw. das corpus Christi als die «m ulti­
tudo fidelium» (V ielh eit der G läu b ig en ). Insofern diese V erv ielfälti­
gun g hier in einem M enschen stattfindet, bedeutet sie w ohl eher -
indisch ausgedrückt - ein A u f gehen des Individuum s im A ll-A tm an . Im 129

129. I. c. p. 59 ff. und 406 ff. Vgl. auch J ung, Von den Wurzeln des Bewußtseins
1. c. p. 197: «Im Bilde des Mercurius und des Lapis glorifizierte sich das ,Fleisch* auf
seine Art, indem es sich nicht in Geist verwandeln ließ, sondern im Gegenteil den Geist
als Stein fixierte und d ie s e m u n g e fä h r a l l e A ttr ib u te d e r d r e i H e ilig e n P e r s o n e n g a b .»
(Sperrung von mir.)
386 KOMMENTAR

Selbst ist das Ein e auch die V ielen, und die V ielen sind alle im selben
Einen zusam m engefaßt. D iese außerordentliche Einsicht scheint auf
einen suprem en Z ustand hinzudeuten, in w elchem das Einzel-Ich aus­
gelöscht und durch ein Erlebnis ersetzt ist, in w elchem alle M enschen
einbegriffen sind. M an könnte sich einen derartigen Z ustand leicht als
eine praem ortale Erleuch tu n g vorstellen.
D ie M ultiplicatio findet in der A lchem ie nach der Z ehnzahl statt:
1 0 , 1 0 0 , 1 0 0 0 usw ., und ich kann fü r die B edeutung hievon au f J u n g s
A usführungen in D ie Psychologie der Übertragung verweisen x3°. D ie
Zehnzahl bedeutet nach R h a b a n u s M aurus V ollen d u ng oder die ewige
Belohn u n g w . In der L eh re des G io a c c h in o da F i o r i g eh ö rt die «eccle­
sia spiritualis» dem siebenten Z eitalter, dem Z eitalter der M önchsorden
an, wo Sacerdotium und Im perium endlich wie Sonne und M o n d *32
geeint sein w erden, was insofern zu bem erken ist, daß w ir auch hier in
der siebenten Parabel (entsprechend den sieben Z e ita lte rn ) deutliche
H inw eise auf die Idee einer ecclesia spiritualis vorfinden. D a letzteres
M otiv noch einm al in den Schlußw orten der Parabel im CALiDschen
G leichnis von den ausgesäten drei kostbaren W o rte n berührt w ird und
som it die eigentliche Z ielvorstellung des O pus zu sein scheint, w ill ich
unten darau f zurückkom m en.

Text: Ich schenke und fordere nicht zurück, ich gebe Speise, ohne jemals
zu versagen, ich biete Schutz und fürchte mich nie, - was soll ich meinem
Geliebten noch weiteres sagen? Ich bin die Mittlerin zwischen den Elemen­
ten, . . . was warm ist kühle ich ab, was trocken ist mache ich feucht, was hart
ist, weiche ich auf und umgekehrt. Ich bin das Ende, und mein Geliebter ist
der Anfang; ich bin das ganze W erk, und die ganze Wissenschaft liegt in
mir verborgen.

A uch bei S e n i o r ist die «anim a» als diejenige K ra f t bezeichnet, die


bewirkt, daß «die G egensätze in Eines zusam m en kom m en *33». Sie be­
w irkt alle W u n d e r und deren Umkehrung. Sie ist, w ie die folgende 1302*

130. Kap. 10, p. 232 ff.


131. R h a b a n u s M a u ru s Allegor. in Sacr. Script. Migne, P. L. tom. 112, col. 907:
Denarius est Christus in Apocalipsi (V I. 6) «quod qui . . . in fidem et operationem
tenent, ad Christum pertinent.» Der Denarius ist die aeterna retributio.
132. Vgl. H a h n , Gesch. d. Ketzer 1. c. Bd. III, p . 289-291.
133 Convenerunt repugnantia in hoc unico . . . (De Chemia, p. 34).
KOMMENTAR 387

T extp artie andeutet, das ganze O pus, die ganze Scientia und, inso­
fern sie ja m it ihrem Sponsus eines W esen s ist, A n fa n g und Ende, das
A und das Ω, w om it ihr w ieder göttliche D ig n ität zugesprochen w ird.
W esen tlich w äre es in diesem Z usam m enhang, die Praedicatsam m lung
des A l b e r t u s M agnus ( ? ) in der Biblia Mariana ^ zu vergleichen,
w elche er zum Lobe M ariae zusam m enstellt: M aria ist das Em pyraeum ,
das L ich t, das die Finsternis der Ignoranz vertreibt, die fruchtbringende
E rd e, w elche C hristum , das grü ne G ras, gebar, der Lebensquell, die
«h osp itatrix» schw eifender Seelen, B rau t, G nadenm utter und «unsere
Schw ester», die «T rep p e des A ufstiegs von der W e lt zum H im m el»,
das T o r des Reichs, und die Aurora illuminationis ( ! ) , die A u ro ra,
w elche die D äm on en erschreckt. Sie ist der Speicher der H eiligkeit, den
Christus öffnete, das Tabernakel der V erein igu n g zwischen uns und
G ott, die K ön igin der W e lt, und das T o r, das Ja h r und die Z e it der
G nade. Sie ist die W o lk e der Ü berschattung, der kühlende N eb el, die
Bundeslade, der Fels, dem das W a sse r der G nade oder das Öl entström t,
der Stern der E rleuchtung, die leuchtende L am pe, die «beste E rd e » , die
Schwester unserer A rm u t, die Sonne, der B e rg des Segens, das H o ch ­
zeitsgem ach der W o n n e G ottes, das F en ster des Entrinnens oder der
Erleuchtung, A ltar, V lies des göttlichen T au s oder d er einzigartige
A d ler. Sie bekleidet uns m it dem M an tel der G öttlichkeit; sie ist die
K ön igin von Saba und der T h ro n Salomos oder der T rin ität, der O rt
der Einsw erdung der G ottheit und der m enschlichen N a tu r. In diesen
Symbolen ist ein weibliches N u m en um schrieben, das der Sponsa unseres
T extes nahekom m t, nur daß in letzterem die dunkle Seite, das T ötend e
und G efäh rlich e stärker m iteinbezogen ist.

Text: «Ich bin das Gesetz im Priester und das W o rt im Propheten und der ss*
Rat im Weisen. Ich kann töten und lebendig machen, und da ist niemand,
der aus meiner Hand errette. Ich biete meinem Geliebten den Mund, und
er küßt mich - er und ich sind Eins - wer will uns scheiden von der Liebe ?
Niemand weit und breit - denn stark wie der Tod ist unsere Liebe.

In diesen W o rte n w ird die Identität der B rau t m it der G ottheit un- 557

zw eifelh aft; denn ihre W o rte sind in der Bibel die W o rte G ottes. Sie
ist die G ottheit oder eine w eibliche Entsprechung G ottes in der M aterie. 134

134. Opera ed. Borgnet 1. c. Vol. 37, p. 367 ff.


388 KOMMENTAR

Sie ist G ott, der aber als liebende F rau den M enschen um arm t, um ihn
dadurch in seine unversöhnliche G egensatznatur, aber zugleich auch in
seine allum spannende G anzheit zu versetzen. D ieses Ereignis über­
dauert - wie der T e x t sagt - sogar den T o d .
D iese U n io m ystica ist insofern neu und völlig anders als in son­
stigen m ittelalterlichen T e x te n , als sonst die m enschliche Seele als w eib­
liches W esen sich m it Christus oder G o tt vereinigt. D e r M ensch bzw.
seine «anim a» im kirchlichen Sinn ist die B rau t. H ie r hingegen ist
G ott die B rau t und der M ensch bzw. dessen Selbst der B räutigam . D iese
seltsam e U m k eh ru n g ist w ohl in erster Linie als K om pensation zu v er­
stehen: das m ännliche geistige G ottesbild h at sich in sein G egenteil
gew andelt, in eine G estalt, w elche die «Selbstreflexion» G ottes, d. h. die
Sophia m it d er M aterie und der N a tu r in sich vereinigt. Es ist d er zur
Bew ußtheit tendierende A spekt G ottes, der sich in dieser G estalt offen­
bart - als ob die m enschliche Psyche und die M aterie zum O rt der
B ew ußtw erdung G ottes ausersehen w ären. D e r Sohngeliebte dieser G e­
stalt ist aber der verklärte Endzustand eines M enschen, d er durch den
T o d hindurch gegangen ist. Im G egensatz zur Sapientia h at er die D u n ­
kelheit von sich abgestoßen. D ah er kom m t w ohl die etwas unheim liche
U nw irklichkeit dieser letzten T extp artie. D e r «unw irkliche» verklärte
M ensch spricht im F olgen d en die Sapientia an:

Text: Oh Liebste, Vielgeliebte, deine Stimme tönte in meine O h r e n . . .


wie schön bist du von Angesicht, deine Brüste sind lieblicher denn W ein,
du meine Schwester, meine Braut, deine Augen sind wie die Teiche von Hes-
bon, deine Haare sind wie Gold und deine W angen wie Elfenbein, dein
Schoß ist wie ein Mischkrug, der nimmer des Getränkes mangelt. . . und
deine ganze Gestalt ist für alle schön und begehrenswert.

In dieser T extp artie antw ortet der B räutigam seiner G eliebten und
spricht sie in preisenden W o rte n , die fast alle dem H ohenlied entnom ­
m en sind, an. D e r T e x t zeigt eine w esentliche psychologische V erän d e­
ru n g an: zum ersten M al näm lich spricht jem and zur A nim agestalt. B is­
h er sprach entw eder die Sapientia-A nim a selber, oder der V erfasser
redete zu den M enschen und verkündete ihnen den «R uhm » der Sophia.
E r w ar «ergriffen» im w örtlichsten Sinn dieses W o rte s, aber er w ar nicht
im stande, seiner Ergriffenheit aktiv nach innen gew andt zu begegnen.
N u n aber h at er sich der B rau t selber liebend zugekehrt, was psycho­
KOMMENTAR 389

logisch einem gefühlsm äßigen A nnehm en des U nbew ußten, einem Ja-
Sagen zum W esen der A n im a entspricht. G leichzeitig findet eine relative
A bkehr von den «anderen M enschen» statt, die zw ar eingeladen w erden,
am Liebesglück des Paares teilzunehm en - doch fallen die vorherigen
L ehr-Intentionen w eitgehend w eg. D as archetypische B ild eines g ö tt­
lichen Paares und seines H ieros G am os erfü llt von nun an den T e x t -
G ott und G öttin feiern die mystische H ochzeit, und ein heidnisches
Lebensgefühl bricht durch, dessen A usdruck an H aeresie streift. Zugleich
verm ittelt der T e x t ein G efü hl von innerer B efreiu n g , als ob ein G e­
fängnis konventioneller religiöser V orstellungen und m enschlicher E n ge
endlich aufgebrochen w äre, und der A u to r seine frü h ere geistige W e lt
w ie eine leere Puppe hinter sich zurückgelassen hätte.
In seiner Lobpreisung schildert der B räutigam die B rau t m it zahl­
reichen symbolischen B ildern, durch die er ihre um fassende ganzheit­
liche B edeutung um schreibt. D ie W o rte von C ant. V II , 3 : «D ein Schoß
ist w ie ein runder B ech er (M is ch k ru g ), der nim m er des G etränkes
m an gelt», deutete H o n o r iu s von A utun u* symbolisch au f die «tem ­
perantia» (v g l. deren alchem istische E rw ähn u n g in unserem T e x t ! ) ,
welche in der Mitte des K örpers weilt, und deren Becher die sieben
Gaben des H eiligen Geistes darstellt. D ie «tem perantia» sei näm lich
«circumspectione rotunda et sapientia fecunda» (durch ihre Umsicht
rund und durch ihre W eisheit fruchtbar ) . D e r N ab el (um bilicus) w urde
von R h a b a n u s M aurus au f den D om inikanerorden der K irch e gedeu­
tet r36. Z ugleich ist w ohl einerseits auf die kirchliche Bezeichnung M arias
als «vas devotionis» und der K irch e als G efäß der «doctrina veritatis»
und endlich des M enschenkörpers als G efäß des Geistes U7 angespielt
und andererseits au f die alchem istische Vas-Sym bolik und ihre kom plexe
B edeutung *38. D as G efäß m ußte nach alchem istischer A nschauung rund
sein als Abbild des K osm os und der H im m elssphären *39 und auch des135678

135. Migne P. L. tom. 172, col. 457 und 465.


136. Oder als luxuria. R habanus Maurus, Alleg. in Sacr. Script. Migne P. L.
112, col. 1085.
137. Lactanz, Div. Inst. 2. 12. 41.
138. Vgl. J ung , Psychologie und Alchemie 1. c. p. 249 und passim.
139- Vgl. S enior p. 122. Vgl. auch die πολοείδη όργανα der Griechen. B erthelot ,
Coli. Aich. Grecs. IV, V II, Vol. I, p. 275 und p. 277. Vgl. auch das ZosiMOSzitat bei
O lympiodor (B erthelot , Coli. Aich. Grecs. II, IV, Vol. I, p. 9 8 -9 9 ): «Und er deutet
auf das Haus der Seelen» der Philosophen hin, in dem er sagt: Das Haus war kugel-
390 KOMMENTAR

m enschlichen K op fes als Sitz der anim a rationalis 140. Schon im Corpus
Hermeticum w ird der K osm os als vas oder K u gel (σφαίρα) bezeichnet,
die auch der sich k op fartig bewegende N ou s sei; alles, was mit der M em ­
bran dieses K op fes verbunden sei, sei unsterblich 141, und noch die arabi­
schen H arran iter bauten dieser « W eltv ern u n ft» oder «Seele» halbkugel­
förm ige T e m p e l I42. Z u gleich hat aber der « K rater» auch eine «hylische»
Seite; im Corpus Hermeticum χ43 h eiß t die M aterie (bei P l u t a r c h auch
die Z e it) G efäß des W erd en s und V ergehens, und im N euplatonism us
w urde der K osm os als «H ö h le» angesehen M4. N a ch P l a t o und später
bei gewissen O rphikern g a lt die A u ffassu n g, daß der W eltsch ö p fer das
A ll in einem g roß en «K ra te r» m ischte *4*. D eshalb sieht auch Z o s im o s
in seiner V is io n 1^ die alchem ische W an d lu n g d er Elem ente, w ie sie
sich in einem schalenförm igen A ltar, der den ganzen K osm os u m faß t,
vollzieht ^7. A u f solche Zusam m enhänge zielt die Bezeichnung der
B rau t als crater tornatilis an χ48.

Text: Kommt her, ihr Töchter Jerusalems . . . sagt mir, was sollen wir für
unsere Schwester tun, die so klein ist und noch keine Brüste hat am Tage
der W erbung? Ich will meine Stärke über sie breiten und nach ihren Früch­
ten greifen, und ihre Brüste werden sein wie Trauben am Weinstock.

oder eiförmig gen Westen blickend . . . und es hatte die Form einer (spiraligen)
Schneckenschale.»
140. Vgl. J ung, Paracelsica p. 93 und Von den Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 180
und p. 270 ff. Ferner T u r b a (R uska ), p. 254 und Anm. 3. Die Alchemisten sind nach
dem F ih r is t «diejenigen, die durch Herstellung des Hauptes und des vollkommenen
Iksirs berühmt sind». Das Wasser galt als caput mundi ( C o n s iliu m C o n iu g ii Ars. Chem.
a. a. O. 1566, p. 66). Vgl. ferner B erthelot , Μ. A. III, p. 140-141 und E. von Lipp -
mann, Alchemie, a. a. Ο. I, p. 97-98
141. Scott, H e r m e t ic a , I. p. 194.
142. Vgl. D. C hwolsohn, Die Ssabier und der Ssabismus. Bd. II. p. 367, 376, 382.
Vgl. auch die runde «barba» (Pyramide) bei Senior . De Chemia p. 122-123.
143. Scott , a. a. Ο. I p. 422 und III 396. Cf. item P lutarch , de Ei 392).
144. P orphyrius, De antro nymph. 5 u. 21 .
145. T im a e u s 41 D und Lukian, Bis accusatus 34. 834, Jo. D iakonus, A d H e s io d .
T h e o g . 617 und 950, Servius, Aeneis 6 . 667. Proclus in Tim. 316 a. Macrobius Somn.
Scip. I. 12 . 8 . Vgl. allgemein W . Scott, II, p. 141, I, p. 224 und Leisegang, Gnosis
p. 336 und 126.
146. Vgl. C. G. J ung, Von den Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 270 ff. und passim.
147. Vgl. zur Bedeutung des Krater bei Z osimos auch W . Scott , H e r m e t ic a I,
p . 148.
148. Über die Bedeutung des Krater vgl. C. G. J ung, Psychologie und Alchemie
a. a. O. p. 405 ff.
KOMMENTAR 391

D iese T extp artie, w elche nach C ant. V II I, 8 - 9 , und V II, 8 , andeutet, 5<ü
daß die «soror m ystica» noch zu jung sei zur E h e und erst durch die
W erb u n g des M annes g ereift w erde, w urde in der patristischen D eutung
au f die «noch junge K irch e» bezogen, die durch C hristum h eran reift *49,
oder auf M aria, w elcher die «ubera concupiscentiae» fehlen. A lche-
mistisch ist dam it w ohl ebenfalls angedeutet, daß der B rau t noch etwas
fehlt, näm lich die «Stärke» des M ännlichen. D ie Fortsetzu n g im H oh en ­
lied lautet näm lich: «Ist sie eine M auer, so w ollen w ir ein silbernes B o ll­
w erk d arau f bauen . . . » usw. Es feh lt eine letzte F ixatio durch den « K ö r­
per» oder «G eistkörper». D ies könnte d arau f hinweisen, daß erst die
individuelle B ew ußtw erdung der Seele ihre eigentliche B estim m theit,
ihr So-Sein verleiht. E rst w enn G ott - denn die sponsa ist G ott - in
einem M enschen bew ußt w ird, erreicht er aktuelles Sein. D aru m er­
scheint die G ottheit folgerichtigerw eise dem M enschen gegenüber als
«F rau » - ja sogar als unentw ickeltes M ädchen. D as B ild bedeutet fast
eine Ü berbetonung von G ottes H ilflosigk eit - kom pensatorisch zum
dogm atischen B ild einer m enschenfernen, ins M etaphysische entrückten
V atergotth eit.
E in e auffallende P arallele zu diesem B ild liegt in der persischen V o r- 564
Stellung, daß dem M enschen im T o d e seine Seele als ein schönes, etw a
fünfzehnjähriges M ädchen entgegentritt, w elch letztere aber auch der
alte W eise ist τ*° - so daß auch dieses M o tiv an V orstellungen erinnert,
w elche m it der E rfah ru n g des T odes verbunden erscheinen.

Text: Komm also, meine Geliebte, lasset uns auf dein Feld hinausgehen, j 6j
und in den Gehöften weilen; frühmorgens wollen wir aufstehen zum W ein­
berg, da die Nacht vorgerückt ist, und der Tag bald naht. W ir wollen nach-
sehen, ob dein Weinberg Blüten trug, und ob deine Blüten Frucht getragen
haben, dort wirst du mir deine Brüste reichen und ich selber für dich alle
alten und neuen Früchte aufbewahren . . .

D e r B räutigam fo rd ert seine G eliebte auf, a u f’s Land hinauszugehen 566


und die M enschen zu einem Freu den fest einzuladen, «w eil die N a ch t
vorgerückt ist, und der T a g sich naht ^ r». N a ch der «M ondnacht» und
149. H o n o r iu s v o n A u t u n , Expos, in Cant. Cant. Migne P. L. tom. 172, col. 480.
150. Vgl. R. R e it z e n s t e in , Das iran. Erlösungsmysterium a. a. O. p. 31.
151. Vgl. hiezu A m b r o siu s , Exam. IV, 8. 32. (cit. H. R a h n e r , Myst. Lunae a. a. O.
p. 331, p. 333, und bes. p. 432), wonach diese Worte der Kirche (Luna), «welche die
Finsternis dieser Zeitlichkeit erleuchtet», den Menschen zuruft, und der «Tag» bedeutet
das Erscheinen des Sol = Christus.

26 Ju ng : Mysterium III
392 KOMMENTAR

der «M orgen rö te», in der die «F rau » herrschte, bricht nun der T a g des
Sol an, w orin der Lapis vollendet ist. D as «H inausgehen in das F eld »
deutet au f eine A usw eitung und eine B efreiu n g aus der E n ge m ensch­
licher V erhältnisse, auf ein Einsw erden m it der N a tu r hin. Es könnte
aber au f das V erlassen des kranken K ö rp ers im T o d e hindeuten - der
T o d bricht als ein neuer M o rgen an, in dessen L ich t die D in g e verw an­
d elt erscheinen, d. h. er ist ein v öllig neuer Bew ußtseinszustand. In die­
sem neuen L ich t genießen die Liebenden ihr Glück.

567 Text: an ihnen (den Früchten) wollen wir uns also erfreuen und ohne
Zögern alle Güter genießen, dieweil wir jung sind, mit köstlichem Wein und
Salben wollen wir nicht kargen und keine Blume soll uns entgehen, uns damit
zu bekränzen. Zuerst mit Lilien und nachher mit Rosen, eh’ sie verwelken.
An keiner Wiese soll unsere Lust vorbeigehn, und keiner von uns allen bleibe
unserer Fröhlichkeit ferne.

568 D iese P artie zeigt keinen kirchlichen Parallelism us m eh r: es sind hier


nämlich die W orte der «luxuriantes», d er in A usschw eijung verlorenen
W eltkinder (v g l. W eish . II, 5 ff.) zitiert, die d er Verfasser dem Bräu­
tigam in den M u n d legt. Entw eder ist hier dem A u to r unbew ußt ein
G edächtnisfehler passiert, oder er deutet hiem it bew ußt au f ein n ich t­
christliches M ysterium hin. Es ist jedenfalls der D urchbruch eines heid­
nisch-antik anm utenden N atu rg efü h ls, den der T e x t schildert, ein « P h al­
luslied», welches aber «dem D ionysos-H ades gesungen w ird », um m it
H e r a k l it zu re d e n 1*2. D ie B efreiu n g aus dem K erk er des K ö rp ers
scheint zugleich eine B efreiu n g aus Einengungen geistiger V orurteile
zu sein - der natürliche M ensch ist erlöst und feiert ein geistiges E in s­
w erden m it der N atu r.
$69 D as P aar fo rd ert alle M enschen auf, die Blum en zu pflücken (L ilien
und Rosen = A lbedo und R ubedo) und sich m it ihnen zu schmücken.
A u f das A ufblühen der E rd e w ar schon in der sechsten Parabel h in ge­
w iesen w orden, w o es h eißt, daß sich in der E rd e das K eim w asser (aqu a
germ in an s) befinde, aus w elchem B lum en, F rü ch te und der W e in fü r 152

15 2 . H e r a k l e it o s ed. H. D i e l s , Fragmente der Vorsokratiker 6. Aufl. ed.


W . K r a n z , Berlin 1952 , Vol. I , p . 154-155: «Denn wenn es nicht D io n y s o s wäre, dem
sie die Processionen veranstalten und das Lied singen für das Schamglied (Phallos) so
wärs ein ganz schamloses Treiben. Derselbe aber ist H a d e s und D io n y s o s , dem sie
da toben . . . »
KOMMENTAR 393

die M enschen entsprossen1^. Dieses K eim w asser ist gleichsam die


«quinta essentia», von w elcher es in der Expositio Epistulae A lexandri
Regis h eiß t ^ sie sei «der G eist, der alles belebt und w andelt und jeden
K eim zum K eim en b ringt und jedes L ich t entzündet und alle F rü ch te
sprossen läß t ***». N a ch der Turba sind die Blum en die K raft, welche
vom göttlichen W asser ausgeht, nach S e n i o r sind die G oldblum en ein
B ild fü r die «T inkturen ^ 7 ». Schon bei P s .- D e m o k r i t o s soll das «H aus
des M ysterium s» m it «T eichen und G ärten » um geben w erden ***, und
in der griechischen A lch em ie sind die «B lum en» oder «B lüten» ein B ild
fü r die G eister (πνεύματα) oder Seelen 1” , und der Lapis ist eine «ird i­
sche Sonne» oder die «B lü te des Erzes l6°», oder eine «w ohlgestalte
B lü te, die aus vier Z w eigen h e rv o rs p ro ß t161». A uch im H ierosgam os des
KoM ARios-Textes spielen die Blum en eine R o lle 162: «D ie (gesegn eten)
W asser gehen hin und erwecken die schlafenden K ö rp e r und die ein­
gesperrten geschw ächten G eister (πνεύματα) . . . und bald steigen sie

153. Die Blumen entsprechen den Sternen, mit denen sie via die Luft in Verbin­
dung stehen «ac veluti caelum terrae maritatur paranymphum habens Mercurium sive
spiritum praefatum aereum» (Jo . M e n n e n s , Aurei Velleris etc. Theatr. Chem. 1622.
V, p. 4 2 1 -4 2 2 ). Vgl. auch die Kräuter, die bei D o r n s alchemischer Procedur verwendet
werden: J u n g . Myst. Coni. II letztes Kapitel.
154. Art. Aurif. 1610, I, p. 247: Quinta essentia spiritus est, qui omnia vivificat et
alterat et omne germen germinat et omne lumen accendit et omnes fructus floret.
155. Die aqua germinans ist die aqua divina, welche den Geist Gottes enthält. Vgl.
hiezu C. G J ung, Psychologie und Religion a. a. O. p. 99 und p. 183. Vgl. zu der alche-
mistischen Bedeutung des Frühlingsregens, der Alles aufblühen läßt, auch Carmina
H e l i o d o r i , ed. Goldschmidt a. a. O. (p. 90, Vers 98, Carmen II) . . . υειν, δλη τε γαία
κάρπους έκφυεΐν . . . έαρ μεθ’ό θερμόν τε καί υγρόν πέλον εισέρχεται, εν φ
περ ή γή βλαστάνει ανθών γένη παντοΐα.
156. a. a. Ο. p. 145.
157. De Chemia a. a. Ο. p. 11, 57 u. 108: et ascendunt nubes et pluunt pluviae super
terram et ex ipso prodeunt flores et tincturae . . . et ibi fiunt flores etc.
1 5 8 . B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II, IV, Vol. I, p . 1 0 0 .
1 5 9 . Vgl. S y n e s i o s , ( B e r t h e l o t , Coli. Alch. Grecs II, III, Vol. I, p. 66 ) . «Mit
dem W ort Blüte ( άνθος ) bezeichnet er ( D e m o k r i t o s ) das Sublimieren der Seelen d. i.
der pneumata».
160. Buch des S o p h e , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs III, X L II, 1. Vol. I, p. 213,
und Z o s i m o s nennt die Sublimation ( αρσις ) das «Aufsteigen der Blüten» ebda. II,
II, Vol. I. p. 144. Vol. III, X V , Vol. I, p. 156). D e m o k r i t o s zählt als wichtigste Blumen
auf: die «Meerblüte» und die «italische Rose» (ebda. II, I, Vol. I. p. 4 2 ), und S y n e s i o s
den Cilicischen Crocus, die Blüte Anagillis, welche das «Emporführen der Seelen»
bedeute (ebda. II, III, Vol. I, p. 66 ).
161 . C a r m i n a H e l i o d o r i a . a . O . p . 3 0 u n d p . 3 1 .
162. B e r t h e l o t , Coli. Alch. Grecs IV, X X , Vol. I, p. 293-295.
394 KOMMENTAR

em por und bekleiden sich m it vielen schönen Farb en, wie die Blumen
im F rühlin g . . . » «Siehe näm lich die E rfü llu n g der K u n st: die V erein i­
gun g von B rau t und B r ä u t i g a m ... Siehe die Pflanzen (βοτάναι) und
ihre V ariationen - siehe da, ich sage euch die ganze W a h rh e it! Seht und
versteht, wie aus dem M eer die W o lk en em porsteigen und die gesegne­
ten W asser m it sich tragen, und diese die E rd e tränken und Samen und
B lüten sprossen . . . Bemüht euch, eure Erde zu tränken und eure Samen
zu nähren, auf daß ihr reife Frucht ernten möget l6$l» Dieses Säen und
Pflanzen von Blum en im K oM A R ios-Text spielt auf die «resurrection
vegetale» des Osiris, d. i. des ägyptischen T otenrituals an, bei w elchem
auf die M um ie ( - O siris) Samen und Blum enzw iebeln gelegt und be­
w ässert w urden, deren Sprossen die A u fersteh u n g anzeigen sollte. A uch
in der nichtalchem istischen herm etischen Schrift Isis an Horus g e ­
nannt K ore Kosm ou i64 erzeugt der D em iu rg die W e lt durch Z au b er­
sprüche aus Pneum a, Feuer und anderen Ingredienzien, und beim U m ­
rühren der M ischung steigt eine leichte, durchsichtige, nur G ott selber
sichtbare Substanz an die O berfläche, w elche er Psychösis - Seelenstoff,
Beseelung, nennt. Dieses ist das «Ausblühende» (τό έπανϋοΰν), und aus
ihm werden die Seelen geform t.
A uch in der kirchlichen Symbolik spielen die B lu m en eine R olle. So
schildert E p h r a e m S y r u s , wie sich Christus im O sterm onat N isan l6s m it
seiner B rau t, der K irch e, vereint; er «verw irrt» die E rd e, und unter
seinen U m arm u ngen entstehen die B lu m e n 166. A m b r o s i u s erklärt jenes
B ibelw ort: «D er W in te r ist vorbei, die B lum en sprießen, und die Z eit
der E rn te ist d a», welches auch die A u ro ra an fü h rt, als einen H inw eis
auf die K irch e in ihrer E n dverklärung i67. A ndernorts gelten die B lum en 163457

163. Weiter unten ebda. p. 297-298 heißt es: Das Feuer wurde dem Wasser unter­
geordnet und die Erde der Luft, und so wurde die Luft mit dem Feuer und die Erde mit
der Luft und das Feuer mit dem Wasser und die Erde und das Wasser mit der Luft
vereinigt u n d w u rd e n ein e s, d en n a u s P fla n z en u n d D ä m p fe n w u r d e E in e s.
164. W . S c o t t , H e r m e t ic a a. a. Ο. I 464 ff.
165. Nisan (März-April) ist auch in der Alchemie (in den syrischen Texten) der
Monat des Opus. In Ägypten ist es Pharmouthi. Vgl. E. v . L i p p m a n n , Alchemie a . a . O .
I, p. 48 u. 58.
166. De Resurrectione Christi X X , Hymni et Sermones Bd. II. p. 756-758: Nisan,
mensis victoriae eduxit sponsam Regis suis effusionibus turbavit terram eamque sparsis
suis floribus implevit. . . factae nuptiae purae in deserto . . . Und Hymnus X X I ebda,
p. 770: Nisan etiam terram induit vestimento coloribus omnis generis texto, induitur
tellus tunica pallioque florum.
167. Exameron 4. 5. 22. cit. H u g o R a h n e r , Myst. Lunae, 1939 a. a. O. p. 434.
KOMMENTAR 395

bei den K irch en vätern als B ild des schnell hinw elkenden M enschen­
lebens 16 8 16
2
0
7
9 oder als «B lüten des G eistes», die der H eilige Geist betaut,
und der Logos als Sonne b e sch e in t l6?. Sie erscheinen in den W erk en der
M ärtyrer oder auch in den «typi», den Symbolen C hristi *7°. N ach O r i -
g e n e s χ7χ bedeutet das Blühen das A u f gehen des «K eim s geistigen V e r­
stehens» und einen «grünenden lebendigen Sinn», der in der Schrift
durch den belebenden G eist aufgehe. B lum en repräsentieren som it ein
überpersönliches seelisches oder geistiges Leben oder eine Lebendigkeit,
w elche aus der C oniunctio der G egensätze aufblüht. Im allgem einen
sind B lum en o ft ein Symbol fü r das G efü hl, und es ist besonders ein­
drücklich, w ie im T e x t der A u ro ra m eh r und m ehr ein ekstatisches G e­
fü h l durchbricht und alle lehrhaften und rationalen A spekte v er­
schwinden. A m nächsten in Stim m ung und D eutu n g dieser Partie der
A u ro ra steht w ohl ein eigenartiges T e x tfra g m e n t, w elches der Sam m ler
L a c i n iu s dem A l b e r t u s M agnus zuschreibt I72, ich aber in den e r­
haltenen ALBERTUS-MAGNUS-Traktaten (u n d P s. ALBERTUS-Traktaten)
nicht nachw eisen konnte. Es lautet: «Pflücke die verschiedenen Blum en
voll vom D u ft aller G üter. In ihnen d u ftet die Süße und leuchtet die
Schönheit, der G lanz und R uhm der W e lt. D ies ist die B lu m e der B lu ­
m en, die Rose der Rosen, und die Lilie im T a l. F reu e dich also deiner
Ju gend , o Jü n glin g und lerne es, B lum en zu pflücken; denn ich habe

168. E p h r a e m S y r u s , Sermo de Admonitione, Werke Bd. II, p. 318. Dieselbe An­


schauung findet sich bei S i m o n M a g u s . Vgl. L e i s e g a n g , Gnosis, a. a. O. p. 69.
169. Hymni de resurrectione No. 19, Bd. II, p. 752: Quis vidit flores e libris veluti
e montibus erumpentes. Castae puellae iis impleverunt spatiosos mentis sinus. Ecce vox
ut sol super turbas flores sparsit. . . Vgl. auch p. 754: Flores pulchros et rationales spar­
serunt pueri coram rege. Pullus illis coronatus e s t . . . Unusquisque colligat cunctos
flores et hos misceat floribus qui creverunt in terra su a. . . Offerant Domino nostro in
coronam florum: pontifex suas homilias, presbiteri sua encomia, diaconi suas lectiones . . .
Invitemus . . . martyres, apostolos et prophetas ipsi similes sunt eorum flores . . . ditis­
simae sunt eorum rosae, suave olent eorum lilia; ex horto deliciarum colligunt pul­
cherrimos flores, eosque adducunt ad coronam festi nostri pulcherrimi. Gloria tibi a
beatis. Coronae regum pauperes sunt in conspectu divitiarum tuae coronae. Inserta est
in ea puritas; triumphat in ea fides; splendet in ea humilitas; fulget in ea multicolor
sanctitas; nitet in ea charitas magna, omnium florum regina. Ecce corona tua perfecta
est. Benedictus qui dedit nobis ut plecteremus eam. Vgl. auch H o n o r i u s v . A u t u n ,
Exposit. in Cant. Cant. Migne P. L. tom 172 coi. 392: flores sunt homines fide florentes
(flos vitis =fides Christi) usw.
170. E p h r a e m S y r u s , Hymni Bd. II, p. 756 und Bd. I, p. 148-156 und p. 112.
171. O r i g e n e s In Cant. Cant. Lib. III.
172. Collectanea L a c i n i i ex A l b e r t o M a g n o , Marg. Pret. Nov. a. a. O . p . 180.
396 KOMMENTAR

dich in den Paradiesesgarten eingeführt *73. Flechte dir also aus ihnen
einen K ran z fü r dein H au p t und genieße die Lustbarkeiten dieser W e lt,
indem du G o tt lobst und deinem bedrängten N äch sten hilfst. N u n w ill
ich dir die W issensch aft und das G eheim nis eröffnen und dir das V e r­
ständnis geben fü r die dunklen D in g e d er K unst, und was lang e ver­
h ü llt w orden ist, w ird an ’s L ich t gebracht w erd en.» E in K o m m en tar er­
k lärt dann diese obige Stelle als das «R einigen der G eister».
D as B lütenm otiv erinnert an die eigenartige R olle, die gewisse B lu ­
m en und K räu ter bei P a r a c e l s u s und D o r n e u s spielen: das C heiri, die
Pflanze M ercurialis usw ., w o fü r ich au f J u n g s D arlegu n gen verweisen
kann χ74. D ie B lum en sind gleichsam Ingredienzien des «unteren H im ­
m els», Ä quivalente der Sterne, d. h. K om p on en ten der seelischen T o ta ­
lität, des Selbst. D a «die Seele von der Beziehung lebt *7*», so w eisen
diese B lü ten , die bei und w ährend d er Coniunctio entstehen, au f ein
A ufblühen d er seelischen B ezogenheit hin. L etztere ist ein E rfü lltsein
von der Sapientia D ei, die sogar die Freu d e der an die W e lt verlorenen
M enschenkinder von ihrer Sündhaftigkeit b efreit und m it einbezieht *76;
denn es sind nach der H eiligen Schrift die W o rte von Sündern, die hier,
in der A u ro ra, in den M und des Paares g eleg t sind. O b sich der V e r­
fasser dieser T atsachen bew ußt gewesen ist, w eiß ich nicht. D a die C on ­
iunctio verm utlich im V orerleben des T od es geschildert ist, oder w enig­
stens in einem bewußtseinstranszendenten «Jenseits» erfah ren w ird, so
fällt ohnehin jedes zweideutige M ißverstehen dieser W o rte dahin - ubi
spiritus, ibi libertas.

Text: Allenthalben wollen wir Zeichen unserer Fröhlichkeit zurücklassen,


denn dies ist unser Teil und unser Los, daß wir in liebender Vereinigung
leben und im fröhlichen Reigen verkünden: Sieh, wie gut und lieblich ist es,173456

173. Vgl. A l b e r t u s M a g n u s in Quaest. super Evangelium. CLXIV , ed. Borgnet,


1. c. Vol. 37, p. 245: (Quam) plenitudinem florum herbarum et fructuum significantem
perfectionem morum virtutum et operationum diversarum (auf Maria bezogen).
174. Paracelsica 1. c. p. 86 flF. und Myst. Coni. Vol. II Kap. Die Koniunction, passim.
175. Vgl. J u n g , Die Psychologie der Übertragung, p. 117.
176. Trotzdem habe ich es nicht gewagt, die Lesung der Texte pecum pctum des
alten MS als «peccatum» einzusetzen statt des biblischen pratum des späten Druckes
(die prata im Hohenlied wurden als die coelestia mysteria und die herbae als die sen­
tentiae evangelicae gedeutet. Vgl. H o n o r i u s v o n A u t u n , Quaest. et Respons. in Prov.
et Eccles. Migne P. L. tom. 172, col. 327.), es könnte sich allerdings auch um eine
psychologisch bedeutsame und dem Sinne der Gesamtpartie unbewußt angepaßte Fehl­
leistung eines frühen Abschreibers handeln.
KOMMENTAR 397

zu zweit in Einem zu wohnen! W ir wollen uns darum hier drei Hütten bauen,
dir eine, mir die zweite und unseren Söhnen die dritte, da ein dreifaches Seil
schwerlich zerreißt.

D ie Psalm w orte: «Siehe, w ie g u t und lieblich ist es, zu zw eit in E in em


zu w ohnen» sind h ier au f die alchem istische C oniunctio zu beziehen,
aber aus der Zw eieinigkeit w ird im F olgen d en alsbald eine D reiein ig ­
keit, ausgedrückt im B ild d er drei H ütten und «des dreifachen Seiles,
das schwerlich zerreiß t *77». A u ch in der biblischen O riginalstelle (P r e ­
diger IV , 1 0 - 1 2 ) ist es schw er ersichtlich, wieso aus dem L ob der Eh e,
des Zuzw eitseins, jene B em erkung vom dreifachen Seil hervorgehe. M an
m uß sich w ohl irgendw ie noch eine vereinigende K ra f t hinzudenken,
w elche als D rittes, als «vinculum » m it hinzukom m t *78. D ie D reizahl,
der T ernarius g alt jedenfalls in der m ittelalterlichen Zahlenspekulation
als «signum coniunctionis *79» und Symbol der E in tracht. In der A lch e ­
m ie begegnen w ir o ft dem B ild des Paares, das durch einen D ritten , z. B .
den «senex M ercurius» zusam m engegeben w ird. D e r «senex M ercurius»
steht dabei deutlich an Stelle des H l. G eistes l8°.
D as M otiv des Seiles ist an sich eine verbreitete archetypische V o r­
stellung. Sowohl in den Sham anen-Initiationen wie in tibetanischen reli­
giösen T exten findet sich das M o tiv, daß d er Eingew eihte über ein Seil
oder eine Pfeilk ette ins Jenseits hinübergeht. In T ib et gab m an den toten
H errsch ern bestim m te Seile m it, dam it sie dorthin zurückkehren könn­
ten, von wo der erste H errsch er einst auf einem ähnlichen Seil herab ge­
kom m en w ar171890181. D as Seil stellt som it einen Erlebnis- oder Sinnzusam m en­

177. Für die Deutung des funiculus triplex auf die Trinität siehe H o n o r i u s v o n
A u tu n : In Ecclesiasten cap. 4. Migne, P. L. 172, col. 339.

178. Vgl. z. B. R i c h a r d d e St . V i c t o r , Explic in Cant. Cant. Migne P. L. 196,


col. 478/479: Quod autem non solum duplicata voce sed etiam triplicata hortatur, ut
veniat, immensitatem desiderii et amoris, quem habet ad eam, insinuat et ut trina repe­
titio immensitatis et firmitatis est attestatio, funiculus enim triplex difficile rumpitur.
179. H e l i n a n d i F r i g i d i M o n t i s Monachi, De cognitione sui, Migne, P. L. tom.
C C XII col. 728: Binarius, qui sine medio est, sine vinculo est et ipse divisionem signi­
ficat. Ternarius autem, qui medium habet concordiae et coniunctionis est signum. Est
enim primus imparium numerorum et primus totus est impar, unde quasi totus con­
cordia e s t. . . vatem Mantuanum, cum dixit: «Numero Deus impare gaudet», quod idem
est acsi diceret: Deus pacem diligit ac dilectionem, quia ipse pax et dilectio est.
180. Vgl. L a m b s p r i n c k , w o aber das Paar durch die Vater-Sohngruppe ersetzt ist.
1 8 1 . Vgl. M. E l i a d e , Le Chamanisme et les techniques archa'iques de l’extase. Paris
1951. p. 3 8 0 f f.
398 KOMMENTAR

h an g dar, durch den das Bew ußtsein m it der Basis des kollektiven U n b e­
w ußten verknüpft w ird. A ndererseits bedeuten Seile und Schlingen auch
«m agische B in d u n g e n l821834» , meistens an D äm onen oder G ötter, d. h. das
V erpflichtetsein oder V erhaftetsein an den A rchetypus. D e r Sinn vieler
Sham anen-Initiationen w ar es, die C om m unicabilität m it dem v er­
lorenen Jenseits = Paradies w ieder herzustellen i 83. D as Seil bildet in
diesem F all eine V arian te zum M o tiv des W eltb au m es oder der W e lt­
achse. In einer nordam erikanischen Indianererzählung geht ein M ann
seiner toten F rau m ittels einer m agischen Schnur nach. H ie r h at das Seil
auch die Bedeutung einer über den T o d hinausreichenden Schicksals­
verbundenheit. Es ist au ffällig, wie in dieser letzten Parabel sich die
M otive m ehren, die in anderen m ythologischen Bereichen m it der V o r­
stellung eines postm ortalen Lebens verknüpft oder m it Erlebnissen v er­
bunden sind, w ährend derer der K ö rp er des Erlebenden in K rankheit
oder T ran ce darniederliegt. Es handelt sich um die O ffenbarung von
psychischen Inhalten, die gleichsam an die äußerste G renze des noch
bew ußt Erlebbaren grenzen.
H ierau f spielt der T e x t m it den drei H ütten auf die V erk läru n g
Christi auf dem B erg e T ab o r an (M a tth . X V I I ) , was noch einm al den
Todesaspekt und die Parallele des Lapis, des Endresultates des O pus,
m it dem auferstandenen Christus unterstreicht, darüber hinaus aber ist
w eiter an Offenb. X X I , 2 - 3 , zu denken, w o das «neue Jerusalem » auch
als tabernaculum - H ü tte G ottes bei den M enschen - «und er w ird bei
ihnen w ohnen» - geschildert ist. D iese A ssoziation ist in unserem T e x t
deshalb nahegelegt, weil das dritte Z e lt den filiis, den «Söhnen» des
Paares versprochen ist. D ie «filii» sind aber in der alchem istischen Spra­
che die A lchem isten. Letztere haben also irgendw ie auf geheim e A rt an
d er Coniunctio u n d A u fersteh u n g des Paares teil, u nd stehen unerw ar­
teterweise an Stelle des Mediators, d. h. des Spiritus Sanctus oder des
M ercurius Senex i 84/ P e t r u s B o n u s , der etwas später als der V erfasser
der A u ro ra schrieb, hat jenes A uferstehungsm ysterium folgenderm aßen

182. M. E l i a d e , 1. c. p. 376.
183. p. 420, weitere Beispiele p. 426, p. 428, p. 281 und p. 118.
184. Als eine Parallele zu erwähnen wäre, daß in der Kabbalistischen Deutung
Moses, als Symbol des Volkes Israel mit der «oberen Königin» der Sefira Binah eins
wird und dadurch mit Gott vereint wird; das ist das «Mysterium der Küsse». K n o r r
v o n R o s e n r o t h 1. c. II. p. 149.
KOMMENTAR 399

b esch rieb en l8*: «In der A uferstehungskonjunktion w ird der K ö rp e r v ö l­


lig geistig, w ie die Seele selber, und sie w erden Eines, w ie w enn m an
W asser m it W asser m ischt, da in ihnen keine V erschiedenheit m eh r ist,
vielm ehr E inheit und Identität aller D rei, näm lich von G eist, Seele und
K ö rp er, ohne Scheidung in E w igkeit; so w ie es w ahrlich offenbar ist
von der Identität und Ein h eit der heiligsten T rin ität in G ott, d. h. des
V aters, des Sohnes und des H l. Geistes, w elche in G ott selber Eines und
dasselbe sind, zw ar m it U nterscheidung der Personen, aber ohne V e r­
schiedenheit des W esen s. A us diesen W o rte n können w ir direkt er­
schließen, daß die alten Philosophen dieser K u n st w ah rh aftig durch ihre
göttliche K u n st Seher w aren, und daß sie von der A u fersteh u n g der
Seele und ihrer V erk läru n g und von der Erscheinung G ottes im m ensch­
lichen Fleische (näm lich C h risti) und seiner Identität m it G ott durch
verm ittelnden Einfluß und E m anation des H l. Geistes - w enn auch u n ­
klar und konfus - berichtet h a b e n . . . D en n in diesem Lapis wird wahr­
haftig die D reieinigkeit in Einheit und zugleich m it U nterscheidung der
Person, aber ohne V erschiedenheit symbolisch angedeutet, wie fü r
denjenigen sichtbar ist, der ein subtiles A nschauungsverm ögen und
W issen besitzt.»
In der A u rora ist nun der M ed iator, der das P aar vereint und an Stelle
des H l. Geistes steht, d er spiritus M ercurii, d er sich in den vielen ein­
zelnen M enschen offenbart. D ies bedeutet aber ein M anifestw erden
G ottes im einzelnen M enschen; denn die «filii» des T extes sind In d i­
viduen, w elche durch das O pus selber zu «G öttern und Söhnen des
H öchsten» gew orden sind und dadurch sogar die G egensätzlichkeit in
G ott w ieder zur G anzheit zusam m enfügen. D e r M ensch w ird zum
E rlöser G ottes, zu dem jenigen, der seine zwei Aspekte M an n und F rau
in Ih m vereinigt. 185

185. Pretiosa Margarita Novella a. a. Ο. p. 121 ff.: « . . . e t in . . . coni unctione


resurrectionis fit corpus totum spirituale ut ipsa anima, et fiunt sic unum sicut aqua
mixta aquae cum in eis nulla sit diversitas, immo unitas et identitas omnium trium
scii, spiritus, animae et corporis absque separatione in aeternum. Sicut vere patet de
identitate et unitate sanctissimae Trinitatis in Deo scii. Patris et Filii et Spiritus Sancti,
quae sunt in ipso Deo unum et idem cum distinctione personarum absque diversitate
in substantia. Ex quibus verbis coniicere possumus directe quod philosophi antiqui
huius artis fuerunt vates vere per hanc divinam artem, scii, de resurrectione animae et
eius glorificatione, de apparitione Dei in humana carne scii. Christi et identitate ipsius
cum Deo mediante influxu et emanatione Spiritus sancti, quamvis indistincte valde haec
400 KOMMENTAR

577 In der T ex tp a rtie von den drei H ü tten , die gebaut w erden sollen,
spielt aber der A u to r nicht nur auf die V erk läru n g au f dem B erge T ab o r
an, sondern es w ird auch w ieder besonders deutlich, daß er selber m it
dem B räutigam identisch ist. In der A u ro ra näm lich fo rd ert der B räu ti­
g am seine B ra u t zum B au der drei H ü tten auf, in der Bibel hingegen
P e t r u s , der, w ie es heißt, «nicht w ußte, was er red ete». P e t r u s ist der
gew öhnliche M ensch, w elcher die V erk läru n g visionär erlebt, nachdem
er gerade zuvor «voll Schlafs» gewesen w a r l86. Ä hnlich ist h ier w ohl
auch der V erfasser «in raptu m entis» entrückt und schaut nicht nur das
«m ysterium coniunctionis», sondern e r ist m it dem B räutigam eins g e­
w orden, und seine F ü rso rg e g ilt darum nicht (w ie bei P e t r u s ) den g ö tt­
lichen G estalten, sondern den «filii», den M enschenkindern, die später
dasselbe O pus vollbringen w erden, oder geistig aus der C oniunctio g e ­
zeugt w erden.
5 78 D as Bibelzitat deutet fern er an, daß der V erfasser hier au f etwas U n ­
faßbares anspielt, w elches Christus seinen Jü n gern v o r seiner A u fe r­
stehung zu erzählen verbot - was m an w ieder als einen H inw eis ansehen
könnte, daß es sich um ein Erlebnis handelt, das eigentlich einen post­
m ortalen Zustand antizipiert.

579 Text: Wer Ohren hat. . . der höre, was der Geist der Lehre . . . von der
Vermählung des Liebenden mit der Geliebten sagt. Denn er hatte seinen
Samen gesät, auf daß dreifache Frucht daraus reife; von welcher der Autor
der drei Worte sagt, es seien dies drei kostbare Worte, in denen die ganze
Wissenschaft verborgen liege, die den Frommen, d. h. den Armen weiter­
zugeben sei vom ersten Menschen bis zum letzten.

580 D iese letzten W o rte des T extes kehren zu dem schon öfters vorher
angetönten M o tiv des Samenkorns und des Reifens dreifacher F ru ch t
zurück. Es scheint m ir darin eine A nspielung au f jenen «unus m undus»
zu liegen, dessen Bedeutung J u n g in seiner K o m m en tieru n g des D or-

NEUS-Textes darlegt i 87 . In jener potentiellen einheitlichen W e lt sind -


nach dem T e x t - alle «fro m m en » M enschen außerzeitlich verbunden,
denn diese W e lt selber existiert nicht in der Z eit.

narraverunt et confuse. . . Nam in hoc lapide vere aenigmatur trinitas in unitate et


converso cum distinctione et absque diversitate, ut patet subtiliter intuenti et scienti.
186. Lukas IX . 33.
187. Vgl. J u n g , Myst. Coni. Vol. II p. 312 ff.
KOMMENTAR 401

D as B ild des Samenkorns scheint auf antik-gnostische Ideenzusam - 581

m enhänge zurück zu gehen. So w ird im System des B a s i l e i d e s die drei­


fach e Sohnschaft Gottes einem solchen Sam enkorn v e rg lic h e n 18818902: « E r
(G o tt) schuf aber nicht den K osm os, wie er später in seiner A usdehnung
und E inteilung w urde und w eiter besteht, sondern vielm ehr einen Samen
des K osm os. D er W eltsame aber enthielt alles in sich, so wie das Senf­
korn im kleinsten Raume alles umfassend zugleich enthält: die W u rzeln ,
den Stam m , die Z w eige, die unzähligen B lätter, Samen zu K ö rn ern , die
von der Pflanze erzeugt w erden, und dadurch die Fülle im m er w ieder
anderer Samen und anderer Pflanzen. So schuf der nichtseiende G ott
einen noch nicht seienden K osm os, indem er einen einzigen Samen
niederfallen ließ und hinstellte, der in sich die ganze Sam enallheit des
K osm os enthält. Ich w ill aber noch deutlicher m achen, was sie m einen:
W ie das E i eines recht bunten und vielfarbigen V ogels, etwa des Pfaus
oder eines anderen noch vielgestaltigeren und vielfarbigeren, obgleich
es nur eins ist, doch in sich viele A rten vielgestaltiger, vielfarbiger und
vielfach zusam m engesetzter W e se n enthält, so um schließt der von dem
nichtseienden Gotte herab gefallene nichtseiende Same die Samenallheit
des Kosmos, vielgestaltig und von vielfacher W esenheit zugleich l8?.» In
dieser gestaltlosen Schöpfung ruht wie ein K eim die dritte Sohnschaft,
die dem alchem istischen «filius m acrocosm i» entspricht
D enselben kosm ogonischen A spekt des Sam enkorns finden w ir im 582

Corpus Hermeticum im T ra k ta t X I V , w orin H e r m e s dem A s k l e p io s


die W eltsch ö p fu n g erklärt w . « . . . und w ie er dies m acht, d. h . w ie das
G ew ordene entsteht, kannst d u . . . durch ein herrliches und sehr treffen­
des G leichnis schauen: sieh den B auer an, der den Samen in die E rd e
w irft, hier W eizen , dort G erste und d ort andere Samen. Sieh, w ie er
die Rebe pflanzt, den A pfelbaum und andere Bäum e - so sät auch Gott
in den H im m el die Unsterblichkeit, in den irdischen Bereich die W and­
lung, in A lles aber Leben und Bewegung ^ 2.» In diesen Zusam m enhang

188. Vgl. auch C. G. J u n g , Aion 1. c. p. 102 ff.


189. Cit. nach H . L e i s e g a n g , Gnosis a . a . O . p . 215-216.
190. Vgl. J u n g , Aion 1. c. p. 103 ff.
191. W. Scott, H e r m e t ic a a. a. O. Bd. I, p. 260.
192. Nach anderen Tractaten ist der Kosmos ein receptaculum der Ideen Gottes, das
άγγεΐον γενέσεως (Gefäß des Werdens), welches das Sperma (Same) des Werdens
aufnimmt. A s k l e p i o s ebda. p. 288. Vgl. H e r m e s a n A m m o n ebda. p. 438 und die Lehre
des H e r m e s T r i s m e g i s t o s in S t o b a e u s 1 .1 1 .2 . cit. ebda. p. 422-424. Oder der Kosmos
402 KOMMENTAR

geh ört auch das G ebet eines Zauberpapyrus Σ*3 an den Agathos D aim on:
«K om m zu m ir, oh guter Landm ann (γεω ργέ) A gathos D aim on, K nou-
p h i . . . kom m zu m ir, O rion w , H eiliger, der im N o rd en ruht und die
F lu ten des N ils dahinw älzt w und m it dem M eere eint und durch den
Lebensprozeß verwandelt, so w ie ein M an n den Samen der Liebesver-
einigung l96 . . . der auf fester G rundlage den Kosmos gründet ^ 7 .» D ie
V orstellung des alchem istischen Opus als das Säen und A u fgeh en eines
Samenkornes ist bedeutsam und g eh t au f älteste Q uellen zurück. So
zitiert schon Z o s im o s eine herm etische Schrift, in w elcher sich die A n ­
w eisung findet *9*: «G eh hin zum B au er Achaab und du w irst lernen,
daß wer W eizen sät, W eizen e r z e u g t . . . Es sagt näm lich die Schrift: das
Färb en zerlegt sich in nichts A nderes als in das K örp erlich e und das U n ­
körperliche.» D am it ist w ohl gem eint, daß die göttlichen Ideen (als das
U n k örp erlich e) in einen K ö rp e r eingehend die Schöpfung bewirken.
E in e V arian te zu dieser Stelle findet sich im T rak tat «Isis an H orus», w o
es heißt «K o m m herbei und betrachte und b efrage den B auern
A ch arant os und lerne von ihm , was das G esäte und das G eerntete sei -
lerne, daß w er G erste sät, auch G erste erntet, und w er W eizen sät, auch
solchen erntet. W e n n du dies, oh m ein Sohn, als E in leitu n g gehö rt hast,
so denke hernach über die gesamte Schöpfung u nd das W erden nach,
und erkenne, daß der M ensch nur einen M enschen zu säen (zeu g en )
verm ag, der Löw e einen Löw en und der H u n d einen H u n d . . . W ie ich
näm lich sagte, daß die G erste G erste erzeugt und der M ensch einen
M enschen, so läßt auch nur G old G old ernten, Gleiches das Gleiche.
H iem it ist das Mysterium offenbar.»

ist als «zweiter Gott» oder Demiurg geschildert, als der «Sämann des Lebens», der durch
Auswerfen des Samens den Wesen Erneuerung gewährt. ( S c o t t 1. c. Vol. I, p. 179 ff.)
193. Berliner Pap. 5025 cit. aus K a r l P r e i s e n d a n z , Papyri Graecae magicae,
Bd. I, p. 5.
194. Orion gilt in Ägypten als der «Ba» des Osiris.
195. Das Nilwasser ist das «zeugende Wasser» der Alchemie.
196. Unlesbare Lücke.
197. Hiezu gehört auch die antike Janus-Aion-Vorstellung Gottes als «sator mundi»
( M a r t i a l X . 28.) und P h i l o n s Kommentar zu 1. Mos. 9. 20. (De plantatione, ed. Cohn
Vol. IV, p. 152 ff.): «Der größte und kunstfertigste Pflanzer ist der Lenker des Alls
und die Pflanze ist diese W e lt. . . » , was auf Plato (Staat 597 D ) zurückgeht, der Gott
bereits einen Pflanzer, φυτουργόν, nennt.
198. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II, IV, 32, Vol. I, p. 89 f.
199. I, X III, 6, Vol. I, p. 30. Vgl. auch dasselbe als Ausspruch eines αρχαιότατος
bei P e l a g i o s , ebda. IV, I, 9, Vol. I, p. 258.
KOMMENTAR 403

D iese Stellen spielen w ahrscheinlich auf das ägyptische Einbalsam ie- 583
rungs- und T otenritu al an. W ie m ich P ro f. H e l m u t J a c o b s o h n au f­
m erksam m achte, steckt hinter dem N am en A charantos w ahrscheinlich
der ägyptische G ott A ker, w elcher eine bedeutende R olle im T otenkult
spielt. E r w urde als doppelter Löw e oder H un d dargestellt, und in sei­
nen A rm en erneuert sich der Sonnengott und m it ihm der T o te . A uch
das Säen des W eizens in die E rd e ist ein alchemistisches M o tiv, das au f
die O sirism ysterien zurückgeht. Es spielt au f einen postm ortalen A u f-
erstehungs- oder W ied ererzeu gu n gsvorgang an, in w elchem aus dem
E inen das V iele hervorgeht und eine geheim e Identität (E in ssein ) des
«G leichen» offenbar w ird. Im Sam enkorn ist au f die potentielle Ein h eit
des K osm os hingedeutet; zugleich aber hat dieses Symbol des K orn es
auch eine innerseelische B edeutung: als der K eim der B ew ußtw erdung
des Selbst. So feierten z. B . die M arkosier einen H ieros G am os, von w el­
chem I r e n a e u s berichtet 20°, daß Markos zu den Frau en , m it denen er
sich vereinte, sprach: «D ie Gnade m öge deinen inneren M enschen er­
fü llen u n d ihre Gnosis in d ir v öllig w erden lassen, indem sie das Sen f­
korn in die gute E rd e sät.» U n d 20201203: «Schm ücke dich w ie eine B r a u t . . .
E m p fan ge in deinem B rautgem ach den Samen des L ich tes . . . Siehe die
G nade ist auf dich herabgekom m en usw. 2°2.»
In der Sym bolsprache der K irch en väter blieb ebenfalls vieles von 5s4
jenen B ildern und ihrer antiken D eutung erhalten; auch dort ist das
«K o rn » speziell nach Jo h . X X I I das «W eizen k o rn », das «sterbend tau ­
sendfache Fru ch t trä g t» , ein B ild des G ottessohnes, d. h. C hristi. So
nennt E p h r a e m S y r u s in seinen H ym ni in Festum Epiphaniae 2°3 G ott

200. I r e n a e u s , Haer. 1. 13. 2. (von mir übersetzt). Vgl. auch W. B ousset, Gnosis
a. a. O. p. 315.
201. Ebda. 1. 13. 3. (B o usset p . 3 1 6 ).
202. Auch die V d e n t i n i an er scheinen eine ähnliche Feier gekannt zu haben. Vgl.
I r e n a e u s 1 . 13. 4. T e r t u l l i a n , Adversus Valent, cap. 1 . Vgl. W . B o u s s e t , Gnosis
a. a. O. p. 317. Im 9 . Tractat des C o r p u s H e r m e tic u m heißt es ähnlich, daß Gott im
menschlichen Nous (Geist) die Tugend, Vernunft und G n o s is «säe» und im 13. Tractat
ist die innere Wiedergeburt des Menschen geschildert, welche aus der intelligiblen W eis­
weit und d e n S a m en d e s G u te n , der von Gott stammt, hervorgeht. W . Scott, H errn .
a. a. O. p. 479 und p. 238.)
203. Hymni et Sermones ed. Th. Lamy, Mechliniae 1902, Bd. I, p. 21-22. Ad annum
decimum sextum laudet granum frumenti spiritualem agricolam, qui corpus suum agro
sterili ut semen commisit. Corpus illud granum fuit, quod omnia praerumpens mox
ortum est et panem novum praebuit. Vgl. auch Joh. X V . 1: Ich bin der wahre W ein­
stock und mein Vater ist der «agricola» (Pflanzer).
404 KOMMENTAR

einen «spiritualem agricolam », der «seinen eigenen Leib dem u n fru ch t­


baren A cker wie ein Sam enkorn anvertraute und jenes K o rn w ar, was
bald hernach alles durchbrach und au fg in g und das neue B ro t
b ra ch te 2 °4 ». «W ie das W eizenkorn in die Erde fällt, so fiel Christus in
die U n terw elt hinab und stieg em por w ie ein Ä hrenbündel und w ie
das neue B ro t - gesegnet sei seine D a rb rin g u n g 20*.» - «Christus w urde
von seinen M ö rd ern wie das W eizenk orn vom Bau ern in die T ie fe ein­
gesenkt, um d ort zu auferstehen und V iele m it sich zu erw eck en 20*.»
D ie Saat ist in diesem F alle die V ielheit der G läubigen - ein B ild, das
m an auch bei den M anichäern und M an d äern vorfindet: die gerechten
M enschen sind Perlen des U nsichtbaren, w elche vom «Sohn des Lebens»
in den vom Pflug auf gerissenen Boden (d ie K ö rp erw elt) gesät w urden.
Sie sind die «Lebenssaat», w elche aus dem R eich des Lebens, Lichtes
und Geistes kom m end in das «L an d des Feuers und W assers» gesät
w urde 2 °7 . A u ch Christus, das «neue B ro t» , ist eigentlich zusam m enge­
setzt aus einer V ielh eit von «K ö rn e rn » , w elche die G läubigen darstel­
len. So sagt H o n o r iu s von A u t u n in seinem Elucidarium 204567208: «U n d
wie das B ro t aus vielen K ö rn ern gem acht w ird, so w ird auch das Corpus
C hristi aus vielen A userw ählten zu sam m engesetzt. . . » D as Corpus C h ri­
sti ist hier die K ir c h e 20? oder genauer die «ecclesia sp iritu alis2I0».

204. Ebda. Bd. II, p. 526. Vgl. auch p. 554 und p. 546. Auch Maria ist »der Acker,
der die Furche des Bauern nicht kannte» und doch «die Frucht hervorbrachte». «Der
Herr goß aus seinen lebendigen Tau und Regen über Maria, die dürstende Erde.»
205. Ebda. II, p. 744. vgl. auch p. 360.
206 . Ebda. Bd. I, p. 166 . In anderen Gleichnissen E phraems ist die Sapientia Dei
beschrieben, wie sie «den Samen der Wahrheit» austeilt (ebda. I, p. 574) und Christus
als «plantator vineae suae ecclesiae (Pflanzer des Weinbergs seiner Kirche) (ebda. I,
p . 388).
207. Vgl. R eitzenstein , Das iran. Erlösungsmysterium, p. X . und H erm . U sener ,
Die Perle. Theolog. Abhandlungen ed. Weizsäcker 1892, p. 201 und p. 219.
208. Migne P. L. tom. 172. col. 1129: Et sicut panis ex multis granis conficitur, ita
Christi corpus ex multis electis colligitur . . . Vinum etiam ex multis acinis eligatur
et in torculari exprimitur ita corpus Christi ex multis iustis compaginatur quod in
praelo crucis torquetur; quod vinum in sanguinem Christi vertitur ut anima nostra; quae
in sanguine est, per hoc vivificetur. Vgl. auch col. 457 und 463.
209. Vgl. auch hierzu A nastasius Sin aita : Hexamer, zit. in H ugo Rahner , Myst.
Lunae a. a. O. 1940, p. 76.
210 . Für G ioacchino da F iori war das Gold ein Bild der vollkommenen geistigen
Mönchsorden im Gegensatz zum Blei, dem verfallenen Klerus. Concord. IV, 25. Etenim
ordo ille qui pro claritate sapientiae dici poterat aurum modo obscuratum est et rursum
velut in nigrum plumbum, Cit. nach C hr . H ahn , Ketzergeschichte des Mittelalters,
1. c. Bd. III, p. 101.
KOMMENTAR 405

D ie diesen Symbolen zugrunde liegende archetypische V orstellung 58 s


ist diejenige des Selbst als einer m ultiplen Einheit, einer «conglom erate
soul», ein B ild, das schon zuvor im T e x t im m er w ieder auftauchte und
nun h ier am E n d e sich im m er m eh r verdeutlicht. Eingetaucht in die T ie fe
und Jenseitigkeit eines völlig archetypischen inneren Geschehens, erlebt
der V erfasser gefü hlsm äßig ein mystisches Einsw erden m it allen G leich­
gesinnten außerhalb von R aum und Z eit.
D ie Tatsache, daß er in den Schlußw orten auf C a l id s «tria verba pre- 586

tiosa» anspielt, beweist, daß er an eine «ecclesia spiritualis» in seinem


Sinn denkt als G em einschaft aller, w elche durch den Spiritus Sanctus
erleuchtet w urden und an der alchem istischen W a n d lu n g und E inigung
der G egensätze teilnahm en, an die filii artis, m it w elchen «G ott in einem
Z elte w o h n t211».
D ie A nspielung auf die V erk läru n g C hristi und die A ndeutung, daß 587

die G em einschaft der F rom m en und A rm en verborgen lebe, zeigt psy­


chologisch, daß diese Lösung am E nde des T extes einer inneren , geistigen
R ealisierung gleichkom m t. A lle irdischen E lem ente sind abgefallen und
vom überw ältigenden B ilde der U n io m ystica ausgelöscht. In m ancher
H insicht erinnert dieser Schluß an die letzte Szene im Faust, w o auch
der M ensch zum K in d gew orden ins Jenseits entrückt, die M ysterien der
Sophia schaut. D e r luziferische A spekt des Geistes M ercurius jedoch hat,
w ie M ephistopheles, daran nicht m ehr T e il; er ist w ieder in die undurch­
sichtige T iefe verschw unden, von w o er kam , d. h. die «verderbliche
Feuch tigk eit», die W e lt und die dunkle E rd e sind w egdestilliert w orden.
D aru m endet der T e x t m it einem Bekenntnis zu einem trinitarischen
G anzheitssym bol - den drei kostbaren W o rte n C a l i d s .
Z u sam m en gefaßt ergibt sich aus diesem letzten K ap itel der A u ro ra
folgendes B ild : zwei jenseitige, d. h. archetypische G estalten feiern
einen H ieros G am os, und in ihre U n io m ystica ist der V erfasser irgen d ­
wie einbezogen. W a s schon im K ap itel vom Schatzhaus der Sapientia
angedeutet w ar, daß näm lich diese V erein igu n g das B ild der G ottheit
sei, verdeutlicht sich hier m ehr und m ehr. G ott erscheint in dieser Z w ei­
einigkeit des Liebenden und seiner G eliebten. Im G egensatz jedoch zu
anderen mystischen Schriften, w ie etwa H u g o von St . V ic t o r s G e­
spräch m it seiner Seele, w orin er seine (als F rau personifizierte) Seele

211 . Am ehesten läßt sich hiermit die Lehre des G ioacchino da F iori vergleichen
von den drei Weltzeitaltern: (Cone. II, Tract. I, cit. aus H ahn III, p. 108-111.)
406 KOMMENTAR

zu ihrem B räutigam Christus b e k e h rt212, ist das Ich des V erfassers nicht
m eh r als gesonderte G estalt vorhanden; als Mensch ist er nur noch einer
der «pauperes» oder der «filii» des göttlichen Paares - ein anonym er
T eil der M enschheit in anderen T extp artien scheint er sich m it dem
B räutigam identisch zu fühlen. D er dargestellte Zustand entspricht so­
m it einer Auslöschung des individuellen Bewußtseins und einem A u f­
gehen im kollektiven Unbewußten. Es könnte sich dabei um einen ab­
norm en seelischen Zustand handeln, aber die groß e H äu fu n g von M o ti­
ven, w elche in anderen Vorstellungskreisen m it dem T o d e verbunden
sind, lassen die A nn ah m e nicht abw egig erscheinen, daß es sich um
einen in der N ä h e des T odes erlebten ekstatischen (o d e r deliriösen) Z u ­
stand handelt. D e r Individuationsprozeß, der sich in der alchem isti-
schen Symbolik w iederspiegelt, ist ja in gewissem Sinn eine V orb erei­
tung auf den T o d , als das natürliche E nde des V o rgan ges, der eine m ö g ­
lichst vollständige E n tfaltu n g aller in der Persönlichkeit angelegten
Potenzen zum Z iele hat.

212 . Vgl. B. H annah , Hugh de St. Victors Conversation with his Anima. «Harvest»
Privatdruck des Analyt. Psych. Clubs. London 1954 p. 23 ff.
IV

IST THOMAS VON AQUIN


DER VERFASSER
DER «AURORA C O N SU R G EN S»?

die F rag e nach dem V erfasser der A u ro ra diskutiert w ird,

B
evo r s89

scheint es m ir angezeigt, daß sich der Leser gewisse Resultate,


die sich aus dem vorhergehenden K om m en tar ergeben, noch
einm al vor A u gen h ält:
O bw ohl die A u ro ra aus einem Z itatenm osaik einerseits aus der H e i­ 590

ligen Schrift sowie anderen kirchlichen T e x te n und andererseits aus eini­


gen «klassischen», d. h. frühm ittelalterlichen, alchem istischen T e x te n
besteht, w irkt sie w ie ein W e rk aus einem G uß . Schon vom ersten K a p i­
tel an m it seiner Preisung der Sapientia D ei über die das mystische G e­
heim nis betonende Zurückw eisung der Ignoranten, bis zu den sieben,
den W an d lu n gsp rozeß schildernden Parabeln fühlt m an eine leiden­
schaftliche Ergriffenheit des A utors *, wie sie sonst selten vorkom m t. In
der letzten Parabel, w elche zum größ ten T eil eine Paraphrase des H oh en
Liedes darstellt, steigert sie sich sogar zur Ekstase. M an kann sich des
Eindruckes kaum erw ehren, daß der ganze T rak tat in einem außerge­
w öhnlichen psychischen Z ustand v erfaß t w urde. A uch lassen kleine
U ngenauigkeiten in den Z itaten erkennen, daß diese ausw endig w ieder­
gegeben w urden, was fü r eine rasche N ied ersch rift spricht. So kann m an
schließen, daß der T rak tat auch unter ungew öhnlichen äußeren U m ­
ständen entstanden ist. D er abnorm e geistige Zustand scheint in der
H auptsache darin zu bestehen, daß dem Schreibenden in stetem F lu ß
Inhalte zuström ten und ihm in solcher A rt die F ed er führten, wie m an
dies nur in eigenartigen Erregungs- oder Ergriffenheitsintervallen, in
denen unbew ußte Inhalte das Bew ußtsein überw ältigen, beobachtet. D e r

1. Am ehesten ließen sich noch gewisse Zitate bei H ippolytos aus gnostischen
Schriften vergleichen, in denen man jene selbe Kettenassoziation archetypischer Bilder
antrifft, deren Sinnzusammenhang nur durch psychologische Deutung erweisbar wird.

27 Jung: Mysterium III


408 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER?

A u sfall der Bew ußtseinskontrolle erklärt hinlänglich die ungew öhnliche


Ä ußerungs- und D arstellungsw eise, w elcher sich der V erfasser der
A u ro ra unfreiw illig unterw erfen m ußte. N ich t nur innerhalb der m ysti­
schen Literatu r jener Z eit, sondern auch unter den eigentlichen alche-
m istischen T raktaten bildet die A u ro ra ein U nikum . D ie V erm utung
liegt nahe, daß sie nicht von einem A lchem isten, der ausschließlich in
der «chem ischen» V orstellungsw elt lebte, geschrieben w urde; darauf
weist die T atsach e hin, daß nur etwa ein D utzend der klassischen alche-
mistischen Schriften, und zw ar nur in ihren allgem einsten theoretischen
Sätzen, zitiert sind, daß aber alle H inw eise auf detaillierte M aterial­
kenntnisse sowie auch chem ische Rezepte und technische V o rsch riften
(u n d nicht zuletzt das W o r t «alch em ia») fehlen. Bei einem N u r-A lc h e ­
m isten, also «C hem iker», m üßten w ir sie beinahe erw arten. A ndererseits
m uß m an beim A u tor eine relativ gute B ekanntschaft m it der alchemi-
stischen L iteratu r einerseits und einen täglichen intim en U m g an g m it
der H l. Schrift und der L itu rgie andererseits voraussetzen. D iese T a t­
sachen legen den Schluß nahe, daß es sich um einen K leriker handelt.
D as Lob der «parvuli» und «pauperes» könnte auf einen A ngehörigen
des D om inikaner- oder Franziskanerordens hinweisen. Z eitlich scheint
m ir die Schrift ins dreizehnte Jah rh u n d ert zu gehören.
In der Pariser, W ie n e r und V en ed iger V ersion sowie im Rosarium
ist die A u ro ra ohne V erfassernam en an gefüh rt (im Z ü rch er C od ex fehlt
der A n fa n g ), hingegen ist sie in den M anuskripten von B olog n a und
Leyden sowie im A bdruck des R h e n a n u s als W e rk des H l. T hom as

von A q u in o b ezeich n et23


.
Z unächst erscheint diese Z uschreibung völlig aus der L u ft gegriffen 3,

2. Bologna: Aurora. . . vel Liber trinitatis compositus a S. Thoma de Aquino. -


Leyden: Tractatus, qui dicitur Thomae Aquinatis De Alchemia modus extrahendi quin­
tam essentiam. Liber Alchemiae qui a non nullis dicitur Aurora consurgens latine cum
figuris. Der Druck des Rhenanus: Beati Thomae de Aquino Aurora sive Aurea hora.
3 . In der Liste von J. Q u e t if et J. E chard : Scriptores Ordinis Praedicatorum, Paris
1721. Vol. II, No. 345 (818) ist die Aurora als Fälschung angeführt, ebenso die «opera
chemica falso illi tributa» des Theatr. Chemicum. Es handelt sich um die Schriften
S e c r e ta A lc h im ia e . . . O e la p id e p h i l o s o p h ic o , Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 267 und
S e c r e ta A lc h im ia e m a g n a lia , ebda. Vol. III, p. 278 und Vol. p. 901. T ra c ta tu s se x tu s
d e e s s e e t e s s e n tia m in e r a liu m . Letztere Schrift ist zweifellos eine falsche Zuschreibung,
da sie von einem Dominikaner T homas a B ononia stammt, der die Schrift Robert
von Neapel, geb. 1275 ( ! ) widmete. Vgl. M artin G rabmann , Die echten Schriften
des Thomas von Aquin. Beitr. zur Gesch. der Philos. des Mittelalters ed. C l . B aeumker
Vol. 22, 1920, p. 104, neueste Auflage 1949, p. 417. G ustav M eyrink hat hingegen
I S T T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 409

da Stil und In h alt der A u ro ra m it dem jenigen der uns sonst bekannten
Schriften des H l . T homas so stark w ie nur m öglich kontrastiert. Es
bleibt aber zu bedenken, daß die A u ro ra w ahrscheinlich - wie oben aus­
gefü h rt - aus der Erschütterung bei einer B egegn u n g m it dem U n b e­
w ußten entstanden ist, weshalb die M öglichkeit besteht, daß eine solche
Schrift inhaltlich und form al kom plem entär bzw. kom pensatorisch zu
einer ganz anders beschaffenen Bew ußtseinslage und deren A usdrucks­
weise sich verhalten könnte. Z u m Beispiel könnte der T rak tat eine zu
intellektuelle, in logistischen Schranken befangene Einstellung, w elche
dem G efühl, der E m otionalität und der mystischen P arad oxie zu w enig
lebendige A usdrucksm öglichkeit bot, kom pensieren. In diesem F alle
w ürde die A u rora die E n tlad u ng jener En ergien , w elche durch die E n ge
des Bew ußtseins aufgestaut w aren, darstellen 4.

versucht, die Echtheit des Tractates De Lapide philos. nachzuweisen und signalisiert,
daß ein Ms. mit dem Incipit: Sicut lilium inter spinas ebenfalls echt sei. G. M eyrink ,
Thomas von Aquino Abhandlung über den Stein der Weisen. München, Wien 1925,
p. 23. Das Ms. Sicut lilium wurde als L i b e r L il i i B e n e d ic t i gedruckt im Theatr. Chem.
1. c. Vol. 4, p. 959. - Auch K. C hr . Schmieder , Geschichte der Alchemie, Halle 1832,
p. 139, glaubt an die Echtheit dieser alchemistischen Thomas-Schriften. A. E. W aite
(Lives of Aich. Philosophers. London 1888, p. 6 1 -6 3 ) hingegen hält den T h e s a u r u s
A lc h e m ia e für echt, alle anderen Schriften hingegen nicht. J u l . R uska , T u r b a 1. c.
p. 339, erwähnt ferner einen C o m m e n tu m B e a t i T h o r n a e d e A q u in o s u p e r c o d ic e m
v er ita tis q u i et T u r b a p h y lo s o fo r u m d ic itu r und einen zweiten Commentar: In T u r b a m
b r e v io r e m . Der erstere fängt ähnlich wie die Aurora mit einem Salomon-Citat an. Leider
konnte ich mir kein Exemplar dieser Schriften verschaffen. Vielleicht ist eine dieser
Schriften identisch mit dem im C la n g o r B u c c in a e citierten Compendium des H l . T homas
(Artis Aurif. 1610 II, p. 329). Vgl. auch E. v. L ippmann , Gesch. der Alchemie 1. c.
1931, Vol. II, p. 28. In k e in e r d ie s e r S c h r ifte n , d e r e n E c h th e its p r o b le m h ie r n ic h t d is -
c u tiert w e r d e n k a n n , la s s e n s ic h p o s it iv e o d e r n e g a tiv e V e r b in d u n g s lin ie n z u r A u r o r a
z ie h e n . D i e A u r o r a is t e in e s tilis tis c h u n d in h a ltlic h v ö llig e in z ig a r t ig e S c h r ift. - Nur
im Tractat, der dem Frater Reinaldus gewidmet ist, Theatr. Chem. 1659. III, p. 278,
finden sich der Aurora ähnliche Citate von der Notwendigkeit der Geduld und Bedäch­
tigkeit, aber als A vicenna - und GEBER-Citate im Gegensatz zur Aurora, wo diese Worte
M orienus und Calid zugeschrieben sind. Weiterhin spricht dort T homas von «seinem
Lehrer A lbertus » gegen seine sonstige Gewohnheit A lbert den G rossen nicht zu
erwähnen. Und ebenda (p. 279) steht zusammenhanglos der Satz, man solle in den
ersten Tagen früh aufstehen und nachsehen, ob der Weinberg blühe - ein Ausspruch
aus dem Hohenlied, der in der Aurora organisch, hier hingegen unorganisch eingefügt
ist. Ich wage allerdings nicht zu entscheiden, ob dieser Satz auf die Aurora anspielt,
halte es aber für wahrscheinlich.
4. Das scholastische Denken im Allgemeinen und die «Summa» des H l . T homas
im Besonderen, mit seiner starren, nach den Gesetzen der damaligen Logik aufgebauten
Aufteilung in Quaestionen und Responsionen sind ein Musterbeispiel für eine solche
Bewußtseinsstruktur.
410 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER ?

Es loh n t sich daher vielleicht, im Folgen d en die Lebensgeschichte des


H l. T homas psychologisch näher zu betrachten L E r w urde in R occa-
Secca bei N eap el geboren, als Sohn des G ra f Landulph von A qu in o5
67
und der Teodora, Gräfin von T e a n o 7, im Jah re 1 2 2 5 (unw ahrschein­
licher 1 2 2 3 oder erst 1 2 2 6 oder 1 2 2 7 ) als jüngster von vier B rüd ern
und vier oder fü n f S ch w estern 89. E r w ar der Enkel der Franziska von
Schwaben einer Schw ester Barbarossas.
Schon in frühester Ju g en d (ca . m it fü n f Ja h re n ) verbrachte m an ihn
ins K loster in die O bhut seines Onkels Sinnibald, der dam als ( 1 2 2 7 -
1 2 3 6 ) A b t von M onte Cassino w a r 10. V o n A n fa n g an fiel die ruhige
und schweigsam e A rt des K naben a u f 11. W e g e n politischer U n ru h en
m u ß te er M o n te Cassino um 1 2 3 5 - 1 2 3 7 (m it ca. zw ölf J a h r e n I2134) v er­
lassen und begab sich etwa 1 2 3 9 nach N eap el, um seine Studien fo rt­
zusetzen. D o rt w urde die L eh re der naturw issenschaftlichen F äch er in
besonders fortgeschrittener W eise gepflegt lK 1 2 3 1 hatte M ic h a e l Sco-
tus bereits seine ARISTOTELES-Übersetzungen begonnen Sein w ich ­
tigster L eh rer w ar d ort Petrus von Ibernia (P etru s H isp a n u s), der es

5. Vgl. A ngelo W a lz , San Tommaso d’Aquino Rom 1944 und die dort angegebene
Literatur (bes. die Schriften von M artin G rabmann ) und V. J . B ourke , Thomistic
Bibliography 1920-1940. St. Louis Mo. 1945 und P. W y ser : Thomas v. Aquin. Biblio­
graph. Einführungen etc. ed. B ochenski. Bern 1950. Für die Quellen vgl. Fontes Vitae
St. Th. A. ed. D. P ruemner Fase. I—III 1911-1934.
6. von ursprünglich langobardischer Herkunft.
7. von neapolitanischem Adel oder von Teate, ursprünglich normannischer Herkunft.
8. Vgl. auch A. D. Sertillanges , Der Heilige Thomas von Aquin. Hellerau 1928,
p. 23 und M. D. C henu , Introduction a l’etude de S. Thomas d’Aquin. Paris 1950
passim bes. p. 11 ff. Leider konnte ich mir die neuere Arbeit von L. H. P etito t , La vie
integrale de Saint Thomas d’Aquin. M. ed. Paris 1930 nicht in der Schweiz verschaffen,
so benütze ich im Folgenden nur sein Werk: Saint Thomas d’Aquin, La vocation,
L’oeuvre, La vie spirituelle. Paris 1923. Weniger brauchbar erweist sich M. G rab ­
mann , Das Seelenleben des Heiligen Thomas von Aquin, München 1924, da es wenig
Tatsachen bringt und eher einen Panegyrikus darstellt. Vgl. jedoch die dort angegebene
Literatur.
9. P etitot , St. Thomas 1. c. p. 17. Sein Großvater, der Graf von Sommacle, war
Generalleutnant Barbarossas.
10. W alz 1. c. p. 11, Sertillanges 1. c. p. 25, Chenu 1. c. p. 11, P etitot , p. 16. Tocco,
Fontes 1. c. II p. 69.
11 . W alz 1. c. p. 20.
12. P etito t , St. Thomas p. 19.
13. W alz 1. c. p. 26. Infolge des Protektorats Friedrichs II.
14. Vgl. H askins, M ichael Scot and F rederick II. «Isis» IV. 1922. p. 250-275.
und W alz p. 26. Vgl. M. G rabmann , Methoden und Hilfsmittel des Aristotelesstu­
diums im Mittelalter. Sitzgsber. der bayr. Akad. d. Wiss. Jahr 1939, H 5, p. 64 f.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER? 411

verm utlich w ar, der ihn zum E in tritt in den D om inikanerorden be­
w egte x*. E r w urde ca. 1 2 4 0 / 4 1 oder w ahrscheinlicher 1 2 4 3 / 4 4 in­
vestiert 1
5l617. Seine M u tter jedoch w ollte ihn n ich t fü r ihre eigenen sippen­
politischen P läne verlieren *7, sondern der w eltlichen K a rrie re erhalten,
und au f ihr A n stiften und w ahrscheinlich m it Zu stim m u n g F r i e d ­
r ic h s II. entführten ihn seine B r ü d e r 1819und hielten ihn in dem K astell
A quapendente au f der väterlichen D om än e ^ g efan gen . D ie Fam ilie
schickte schöne H etaeren in sein G efängnis, u m ihn zur W e lt zurück­
zulocken, aber er soll eine von ihnen m it einem glühenden Scheit des
K am infeuers v erjag t h a b e n 20, und in der N a ch t d arau f soll er eine
V ision gehabt haben, in w elcher ihm zwei E n g el den G ürtel der K eu sch ­
heit gaben, so daß er v or Schm erz aufschreiend e rw a ch te 21. Seither v er­
abscheute er den A nblick von F ra u e n 2223. Inzw ischen w ar sein V orgesetz­
ter zum G eneralkapitel nach B o log n a gereist, u m zu intervenieren. A m
2 5 . Ju li 1 2 4 3 w ar auch ein neuer Papst, I n n o z e n z der V ie r t e , gew ählt
w orden, und im Ju li 1 2 4 5 erklärte dieser die A bsetzung F r ie d r ic h s II.
U n g efäh r zur selben Z eit gab die Fam ilie nach, und T homas w urde w ie­
der freigelassen 23, w orau f er nach N eap el zurückkehrte. Seine M u tter,

15. Monte Cassino gehört den Benediktinern, sodaß es näher gelegen hätte, er wäre
Benediktiner geworden.
16. Vgl. W alz p. 36. d. h. er wurde Novize für sechs Monate bis ein Jahr. Vgl.
auch P etitot , S. Thomas, p. 24.
17. Nach gewissen Versionen (vgl. P etitot 1. c.) nur nicht an die Dominikaner;
sie wollte ihn Benediktiner werden lassen, damit er später Abt von Monte Cassino werde.
18. Die Vorgesetzten hatten in Erwartung des Kommenden St . T homas nach Rom
gesandt, um ihn von dort nach Paris weiterzubringen. Der Überfall fand bei Acqua-
pendente statt. (W alz p. 40 sq.) T homas C antimprantanus , Bonum univ. de
apibus I. 20.
19. P etito t , St. Thomas p. 27.
20. P etitot , St. Thomas 1. c. p. 31. T o cco 1. c. p. 75.
21. W alz , p. 42, 44, 45. P etitot 1. c. p. 32. P etrus Calo , Fontes Vitae S. Thomae
Aquinatis ed. P ruem ner . Fase. I, Tolosa 1911 p. 23/24. Vgl. auch F. P elster , Kritische
Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des Großen. Freiburg i. Br. 1920,
p. 63 sq. bes. p. 71.
22. T o cco 1. c. p. 75: mulierum aspectum semper abhorruit. Damit hängt auch wohl
zusammen, daß Thomas dachte, die Frau sei eine F e h lle is t u n g d e r N a tu r, die eigentlich
ein männliches Wesen produzieren wollte: femina est mas occasionatus, quasi praeter
intentionem naturae proveniens. Vgl. Summa Theol. I. 99 2. ob. 2. und ad 1. S. Theol.
I. 92. 1. ob. 1. et ad 1. 2 Sent, 20. 2 1. ob. 1. 3. Sent. 11. 1. 1 c. Ich verdanke diesen
Hinweis Dr. P aulus Z acharias .
23. Vgl. W alz p. 45-47. Nach anderer Version entrann er. P etitot 1. c. p. 34.
T occo, Fontes 1. c. p. 77.
412 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?

die sehr h art gewesen zu sein scheint, soll ihm seinen W id erstan d nie
verziehen h a b e n 2*.
B ald darau f (ca . 1 2 4 5 ) begab er sich nach Paris und später (ca. 1 2 4 8 )
nach K ö ln zu A l b e r t dem G r o s s e n 2* (ca . 1 2 4 8 ) . D ie B egegn u n g m it
diesem hochbedeutenden M an n scheint ein tief einschneidendes E rleb ­
nis fü r den jungen T homas gewesen zu sein. Es w ird erzählt, er sei in
den ersten Z eiten in K ö ln so stum m und in sich gekehrt gew esen, daß
seine M itschüler ihn das «stum m e R ind» (bos m utus) genannt hätten.
N u r A l b e r t u s habe seine B egabung erkannt und prophezeit, daß dieser
«bos mutus» noch dereinst in der L eh re m it seinem B rüllen den Erdkreis
erfüllen w e rd e 2452627. A l b e r t u s h at ihn dann zu jener Z eit in die brennen­
den Problem e, in die ganze geistige F ragestellun g jener Z eit, eingeführt
und ihm auch die nähere B ekanntschaft der aristotelischen Schriften, der
naturw issenschaftlichen L iteratu r der arabischen Peripatetiker und nicht
zuletzt der Schriften des A v ic e n n a und der alchem istischen Philosophie
der A rab er verm ittelt.
Es sind näm lich die Ja h re von 1 2 4 5 - 1 2 5 0 , also die Z e it des ersten
Zusam m entreffens m it T h o m a s, in der sich A l b e r t besonders intensiv
m it A lchem ie und okkulten Problem en a b g a b 2?. M an kann sich denken,
w elchen Eindruck die Persönlichkeit und V orstellungsw elt dieses tem pe­
ram entvollen, freidenkenden G elehrten au f T homas m achte. A l b e r t u s
scheint psychologisch zum extravertierten Typus g eh ö rt zu haben, sein

24. P etitot , St. Thomas 1. c. p. 28.


25. W alz 1. c. p. 52-53. Für die Datierung vgl. auch p. 55-56. Evtl, war er 1245
in Köln, 1245-1248 in Paris und nachher wieder in Köln, oder (nach P elster ) studierte
er 1245 unter Albert und nachher wieder von 1248-1252. Vgl. Sertillanges 1. c. p. 23.
C henu 1. c. p. 12. Vgl. ferner: Fontes vitae S. Thomae Aquinatis ed. P ruemner Tolosa
1911, 1934-1935.
26. G uilelmo de T occo, Vita di S. Tommaso Aquinate, ed. P ruemner , Fontes
l.c .p . 77/78: coepit miro modo taciturnus esse in s ile n tio ... coeperunt Fratres eum
vocare bovem mutum. Vgl. hiezu F ranz P elster S. J . Kritische Studien zum Leben
und zu den Schriften Alberts des Großen. Freiburg i. B. 1920, p. 14. H einrich von
H erford bringt die Version: tempus erit in quo mugitum bovis istius totus mundus ad­
mirabitur. Vgl. P etrus C alo , Fontes 1. c. p. 26/27.
27. Fast alle wichtigen Schriften A lberts über dieses Thema sind bei V incent de
B eauvais zitiert, also ca. zwischen 1240 und 1245 entstanden mit Ausnahme von «De
mineralibus», das aber auch relativ früh ist. Vgl. T horndike Vol. II, p. 524-526. Sogar
P. M andonnet, welcher die Lebenszeit von A lbertus spät ansetzt (geb. 1206 statt
1193) meint, daß diese Schriften etwa in jenen Jahren verfaßt sein müßten. Vgl.
Sertillanges 1. c. p. 38. A lbertus wollte A ristoteles bekannt machen: «omnes has
partes facere latinis intelligibiles» wie er sagt.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 413

Interesse gin g auf äußere Einzelobjekte und in experim entell-naturw is­


senschaftliche R ich tu n g 2g. E r nahm sich z. B . sogar die M ühe, h eru m ­
zureisen, um einzelne A lchem isten und ihre Laboratorien kennen zu
le rn e n 2?. Theologisch begründete er sein Interesse an der N a tu r m it der
Idee, daß G ott durch die N aturzusam m enhänge hindurch w irke, und
so sei es, w enn m an G ottes W ille nicht direkt erforschen könne, w ert­
voll, die N aturzusam m enhänge zu untersuchen, w elche G ottes In stru ­
m ente bilden. Im m er w ieder erw ähnt er in seinen Schriften, er habe
dies oder jenes selber beobachtet oder experim entell nachgeprüft 3°. In
den «M ineralia» ( III, I, 1 und IV , I, 6 ) bekennt er, daß er persönlich
in Paris und K öln und an anderen Orten alchemistischen Versuchen bei­
gewohnt habe 31. A uch okkulte und m agische Exp erim ente fü h rte er
aus 32? und zw ar wissen w ir dies nicht nur aus dem (in seiner E chtheit
angez w eif eiten ) Liber aggregationis, sondern auch aus D e Vegetabilibus
et Plantis V I,II, 133, wo er z. B . erzählt, er habe experim entell nachge­
p rü ft und fü r w ahr befunden, daß eine K rö te einen Sm aragd zum Z e r­
brechen bringen könne, oder an dessen A nblick sogar sterbe 34! E r e r­
klärt, viele dieser okkulten D in g e könnten «principiis physicis» nicht
bewiesen w erden 3s, und in « D e m ineralibus» ( II, I, 1 ) betont er m it
B eru fu n g auf A v ic e n n a , die Alchem ie gehöre eigentlich z u r Magie s6,289301456

28. W ie T horndike (1. c . II, p. 530-531) hervorhebt, ist A lbert in seinen natur­
wissenschaftlichen Arbeiten weitaus am originellsten.
29. Vgl. seine Worte in: De causis et probrietatibus elementorum. I, II, 9- (Cit.
T horndike II, p. 538). Non autem sufficit scire in universali sed quaerimus scire
unum quodque secundum quod in propria natura se habet, hoc enim optimum et per­
fectum est genus sciendi.
30. Vgl. T horndike 1. c. II, p. 538-541.
31. Min. IV, I, 6: Hi autem qui in cupro multum operantur in nostris partibus
Parisiis videlicet ac Coloniae et in aliis locis in quibus fui et vidi et experiri . . .
32. In: De sommo et vigilia II, I, 1 (Borgnet, Bd. V, p. 24) erklärt er —A vicenna
und A lgazel citierend - die Fascination (gleich Hypnose und Suggestion im modernen
Sprachgebrauch) und magische Einflußkräfte von Mensch zu Mensch, als aus der
menschlichen Seele stammend. Ebenso in: De min. Lib. II, cap. 1 (Cöln 1569 1. c.) p. 23:
et hoc modo dicunt animam unius hominis vel alterius animalis egredi in alterum
et fascinare ipsum et impedire operationes ipsius. Diese Ansicht stimmt auffallend mit
derjenigen im L i b e r a g g r e g a t io n is überein, und bestärkt die Annahme der Echtheit
letzterer Schrift.
33. Cit. T horndike , History etc. II, p. 547.
34. Er glaubte an die magischen Wirkungen von Steinen, Pflanzen etc., an Liebes­
zauber, an Herstellung von Siegeln. Vgl. T horndike 1. c. II, p. 557.
35. Min. III, 3, 5. T horndike ebda.
36. Vgl. auch II, 1, 9. Borgnet a. a. O. Bd. V, p. 24.
414 IS T T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?

d. h. sie beruhe auf okkulten K räften der menschlichen Seele 37? w elche
ihrerseits von den «virtutes coelestes» den Im puls zu solchen O peratio­
nen empfange 38. D ie Sterne aber seien die Instrum ente G ottes p ar
excellence, durch die er die sublunare W e lt regiere 39 . M it A vicenna
hielt er es zw ar fü r m öglich, daß m an die M etalle zuerst au f natürlichem
W e g e reinigen und zu ihrer m ateria prim a, Schw efel oder M ercurius,
reduzieren könne. N ach h er könne m an sie jedoch nur «m agisch» - unter
B erücksichtigung der E lem enten- und H im m elskräfte - zu einem g e ­
wünschten M etall verw andeln 4°. D ie chem ische Analyse w äre m . a. W .
physikalisch, die Synthese hingegen nur psychologisch erreichbar. D ie
m eisten A lchem isten, fä h rt A lbertus fo rt, w ürden dabei falsch Vor­
gehen und nur oberflächliche Färbungen der M etalle zustande bringen.
D ieselbe Einstellung gegenüber der A lchem ie finden w ir auch w ieder
in der E inleitung zu dem echten ( ? ) W e rk «D e A lch em ia», w orin er
erzählt, daß er als «exu l» (verb an n t? oder: in frem d em L a n d ?) lange
herum reiste und vielen E xp erim enten beiw ohnte, die aber alle erfolglos
verliefen ; daß er aber dann schließlich durch die G nade des H l. Geistes 378940

37. Vgl. T horndike Bd. II, p. 558-562


38. De Causis elem. I, II, 7. Borgnet Bd. IX , p. 615. De Min. II, 1 , 1 . T horndike II,
p. 557 ff. Vgl. ferner A lbertus , De mineralibus et rebus metallicis. Cöln 1569 Lib. 1,
Cap. 2: Et hoc quidem operatur ars cum labore et erroribus multis, natura autem
sine difficultate et labore; cuius causa est, quia virtutibus coelestibus certis et efficaci­
bus moventur virtutes in materia lapidum et metallorum existentes, quando materia
operatur: et illae virtutes sunt intelligentiarum operationes, quae non errant nisi per
accidens et ineaqualitate scii, materiae. Teilweise auch citiert in J. R uska , T a b u la
S m a r a g d in a , p. 187. - Vgl. auch p. 188: Im dritten Buch, das von den Metallen im
allgemeinen handelt, tritt A lbertus wieder in den Gedankenkreis der Alchemisten
ein: de transmutatione autem horum corporum et mutatione unius in aliud non est
physici determinare, sed artis quae vocatur Alchemia. Und ebda.: «Nach der Lehre des
H ermes und seiner Schüler hängen die Kräfte aller irdischen Dinge in erster Linie
von den Sternen und Sternbildern ab. Sie werden durch den Kreis «alaur» auf die
untere W elt übertragen.» R uska betont mit Recht den großen Einfluß der arabischen
Astrologen und Alchemisten auf A lbertus , insbesondere des A vicenna . Manche Citate
des A lbertus lassen erkennen, daß er sich auch im Detail für alchemistische Rezepte
interessiert hat (Beispiele ebda.).
39. T horndike , History etc. Vol. II, p. 571 und A lbertus , De reb. metall. (Cöln
1569) Lib. III, Cap. 2, p. 102: Omnes autem virtutes infundi in inferioribus omnibus
per circulum imaginum caelestium. Das ist der Grund «quoniam lapides pretiosi prae
aliis habent mirabiles virtutes quia videlicet in substantia magis simulantur superio­
ribus propter quod a quibusdam eorum stellae elementales esse dicuntur.» Nach De
min. 1. 4 (p. 30) werden nämlich die virtutes coelestes secundum merita materiae
eingeflößt.
40. De min. III, 1 , 4 .
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER? 415

dasjenige gefunden habe, was die N a tu r überwinde. W a s dieses sei,


sagt er traditionsgem äß nicht, sondern deutet es nur symbolisch an.
A lbertus w ar eine eindrucksvolle, lebendige Persönlichkeit von gro- 597
ßer geistiger A ufnahm ebereitschaft - verm utlich w ar er ein Intuitiver,
insofern ihm w eniger an der systematischen K larh eit der G edanken
lag 4 % ihm aber d afü r ein besonderer Sinn fü r das N eu e, Z u k u n ftsträch ­
tige innew ohnte 42. Seine Intuition w ar es w ohl auch, die ihn die B edeu­
tu n g des jungen T homas so schnell entdecken ließ 43 .
D ie B iographie des T homas von A quino hingegen legt es nahe, die- 598
sen zum introvertierten Einstellungstypus zu rechnen. Schon als K n ab e
soll er, wie erw ähnt, schw eigsam und in sich gekehrt gewesen sein 44 .
So wissen w ir auch sehr w enig von dem , was in ihm vorg in g . Seine B io ­
grap hen rühm en nur seinen stillen E rn st, seine liebensw ürdige und
dem ütige E in ord n u ng in die K lostergem einschaft 45 und sein frühreifes
W issen . Schon als D reizeh n jäh riger kannte er einen g roß en T e il der
Psalm en, der Evangelien und der Paulusbriefe ausw endig und übersetzte
die M oralia Gregors des Grossen usw. 4 *. D ie A b w eh r der V ersuche
seitens seiner Fam ilie, ihn in die W e lt zu ziehen, h at etwas beinahe 412356

41. Vgl. T horndike 1. c. II, p. 530-531. Vgl. das etwas zu scharfe Urteil von Ser -
tillanges 1. c. p. 39, der ihm Oberflächlichkeit vorwirft. C henu 1. c. p. 97 spricht von
seiner «faconde presque desordonnee»!
42. J ung beschreibt diesen Typus u. a. folgendermaßen: « . .. D e r Intuitive findet
sich nie dort, wo allgemein anerkannte Wirklichkeitswerte zu finden sind, sondern immer
da, wo Möglichkeiten vorhanden sind. Er hat eine feine Witterung für Keimendes und
Zukunft Versprechendes . . . Er erfaßt neue Objekte und Wege mit großer Intensität. . .
Die Moralität des Intuitiven ist weder intellektuell noch gefühlsmäßig, sondern er hat
seine eigene Moral, nämlich die Treue zu seinen eigenen Anschauungen . . . » Die unbe­
wußte inferiore Empfindung äußert sich nach J ung (p. 506) u. a. in Zwangsbindungen
an Leute oder Objekte, in Krankheitswitterungen und in neurotisches Verfallen an
hypochondrische Zwangsideen, Phobien und absurde Körperempfindungen. Etwas hie­
von könnte die Altersmelancholie des A lbertus und seine fast übertriebene Trauer
um St . T homas beleuchten.
43. M andonnet (Albert le Grand. Diction. de Theologie Cath. Paris 1909 col. 671.)
sagt von A lbertus : «il joua un veritable röle de revelateur intellectuel. . . » Und W alz
(Angelicum 1. c. p. 311) sagt:« sicut d iv in a n s ( ! ) quondam ingenium splendide incres­
cens fratris Thomae commendavit, ita postea p r o p h e t a fu it de magistri Thomae doctri­
nae victoria perenni.» (Sperrungen von mir.)
44. G uil . de T occo 1. c. p. 662: Erat autem praedictus puer non verbis garrulus
sed meditari intra se incipiens taciturnus.
45. ebda.: erat animo emissus quod modestiam, verecundiam, oboediendi facili­
tatem habebat.
46. P etitot , St. Thomas 1. c. p. 18.
416 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?

Ängstliches an sich, was seine Sensitivität verrät 47? vielleicht auch eine
gewisse Schwäche gegenüber dieser Sphäre, die er als teuflisch und be­
drohlich von sich wies. Seit jener Zeit verhielt er sich bekanntlich aus­
gesprochen abwehrend gegenüber F r a u e n 4 8. Auch seine jeweilige U n­
sicherheit vor dem Auftreten in der Öffentlichkeit spricht für eine intro­
vertierte Anlage. A ls er z. B. in Paris seine Antrittsrede 49 als Magister
halten sollte *°, erfaßte ihn große Scheu. D a erschien ihm im Traum ein
greiser Ordensbruder, welcher zu ihm sprach: «Siehe, du bist erhört
worden; nimm die Last des Magisteriums auf dich, denn Gott ist mit
dir. Für deinen Predigttext aber ( T h o m a s wußte nicht, über welchen
Text er reden sollte) nimm dir folgende Stelle: Rigans montes de supe­
rioribus tuis, de fructu operum tuorum satiabitur terra (Ps. 104: ,Du be­
feuchtest die Berge von oben her; von deiner W erke Frucht wird die
Erde gesättigt werden/) h .» T h o m a s hielt sich an diesen Traumbefehl
und predigte über diese Psalmstelle (die auch in der Aurora zitiert ist).
D ie Traumfigur *2 wies - psychologisch betrachtet - den Träumer darauf
hin, sich mehr auf die Inspiration des Unbewußten zu verlassen. Offen­
bar neigte er im Bewußtsein dazu, sich in intellektuelle Überlegungen
und Anordnungen zu verlieren.
Falls die oben abgeleitete psychologische Typenzuordnung richtig ist,
wäre die Freundschaft, die A l b e r t u s und T h o m a s verband, besonders
verständlich, indem beide die einander komplementär ergänzenden Ein­
stellungstypen 53 darstellten. Dem Funktionstypus *4 nach bildeten sie
allerdings nicht völlige Kontraste, sondern neigten beide mehr zur
Denk-Intuitionsseite, aber A l b e r t gehörte zum irrationalen, T h o m a s
zum rationalen Typus, was jeweils ebenfalls eine gegenseitige Anregung
und Ergänzung bewirkt. D aß A l b e r t u s den Tod seines Freundes tele­
pathisch gefühlt hat, weist auf eine gewisse «participation mystique»4 3
12
0
5
9
8
7

47. Vgl. P etitot 1. c. p. 39: «Nous verrons que le Saint etait extremement, etonna-
ment sensible, ses confreres et disciples plus durs en etaient surpris, miro modo passi­
bilis. Cette deücatesse toute italienne et presque feminine . . . etc.»
48. W h . v. T o cco 1. c. p. 75: aspectum mulierum semper abhorruit.
49. Prolusio.
50. ca. 1256 . Vgl. Sertillanges 1. c. p. 24.
51. Tocco, Fontes 1. c. p. 85: «Ecce exauditus es, suscipe onus Magisterii, quia Deus
tecum est. Pro tuo autem principio nihil aliud proponas nisi hoc: Rigans montes» etc.
52. Eine Personifikation des Archetypus des «alten Weisen».
53. Einstellungstypen: extravertiert - introvertiert.
54. Funktionstypen: Denken, Fühlen, Empfindung, Intuition.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 417

hin, wie sie im Falle intensiver und bedeutungsreicher Projektion und


Beziehung oft entsteht.
Während A lbertus als klein, zart, beweglich, lebhaft und äußerst 600
liebenswürdig beschrieben ist**, wird T h o m a s als ein großer, lang­
samer, etwas schwerer, grobknochiger Mann geschildert mit langem G e­
sicht, niederer Stirn und großem, rundem und kahlem K o p f *6. Er soll
ein Magenleiden gehabt haben π , das vielleicht auf nervöser Grundlage
beruhte. Falls es sich hierbei um ein psychogenes Symptom handeln
sollte, so würde dies darauf hinweisen, daß er irgend etwas schwer oder
gar nicht «verdauen» konnte. Infolge der erschwerten psychischen D ige­
stion verstärkt sich dann in solchen Fällen die Introversion bis zu einer
gewissen Einseitigkeit.
Darauf, daß tatsächlich eine tiefgehende innere Praeokkupation und 60r
Beunruhigung bei T h o m a s vorhanden war, weist folgende Geschichte
hin: A ls er einmal an einem Hofdiner bei K önig Ludwig IX . teilnahm,
versank er plötzlich so tief in seine Gedanken, daß er «die Verwendung
der Sinne verlor und selbstvergessen, einem Erschütterten gleichend,
unbeweglich verharrte, hingerissen von der Intensität der inneren Be­
trachtung», um dann schließlich mit der Faust auf den Tisch zu schlagen
und auszurufen, er habe nun den (logischen) Schluß gegen die M ani­
chäer *8 gefunden. Damit meinte er wahrscheinlich die damals einfluß­
reiche Haeresie der Neu-Manichäer
Diese Geschichte verrät, daß sein auffälliges In-sich-gekehrt-Sein 002
nicht etwa Auswirkung einer Temperamentlosigkeit oder inneren Ruhe
war, sondern daß sich hinter der äußeren Gelassenheit intensive seelische5
9
8
7
6

55. P etitot, St. Thomas p. 51.


56. Guil . de T occo, Acta Boli. 1. c. p. 111: Corpore erat vasto, procera ossium
magnitudine . . . facie oblonga, fronte depressiori, capite magno et rotundo et non nihil
calvo. P etitot 1. c. p. 39 und 73-74.
57. Vgl. daß von seinem Tod berichtet wird, daß er plötzlich nichts mehr essen
konnte und an der daraus resultierenden Schwäche starb. T occo, Vita, cap. 48. Näheres
siehe unten.
58. G uil . de T occo 1. c. Acta Boll. p. 710: ipse suam contemplationem pro more
secutus ita sensuum usum reliquit, ut sui ipsius oblitus et attonito similis haereret
ductusque contemplationis vehementia excussa pugno mensa in eam notissimam vocem
erumpere compulsus est esse scilicet contra Manichaeos iam conclusum. Vgl. Priimner,
Fontes p. 116.
59. Über diese vgl. Chr. H ahn, Geschichte der Ketzer im Mittelalter. 1850,
Bd. I, p. 55 ff.
418 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER?

Käm pfe abspielten, und daß er von den religiösen Problemen seiner
unruhigen Zeit persönlich aufs stärkste berührt war.
A ls ein weiterer Hinweis auf leidenschaftliche innere Auseinander­
setzungen und Zw eifel könnten verschiedene von ihm berichtete Traum-
Visionen gelten, in denen ihm die Gottesmutter, Christus oder Paulus
erschienen. Bezeichnenderweise ging er alle diese Personen als erstes
mit der eigenartigen Frage an, ob es recht sei, was er geschrieben habe6o.
Bei einem Menschen, der nicht von Zw eifeln am eigenen W erk (mehr
noch als an den Glaubensinhalten) gequält ist, würde man eher eine
Geste der Anbetung und Verehrung erwarten, als eine solch’ ängstliche
Frage. Offensichtlich war es weniger die metaphysische Realität jener
Personen, an der er zweifelte, als die Form, in der er selber versucht
hatte, deren W esen intellektuell zu definieren.
In seinem W erk zeigt sich ebenfalls eine gewisse Doppelheit der
schöpferischen Möglichkeiten, hat er doch einerseits seine Hauptwerke
im trockenen, logischen, scholastischen Stil seiner Zeit geschrieben (sem-
per loquitur form aliter!61), daneben aber religiöse Lieder und Predigten
von großer dichterischer Schönheit verfaß t62. W il h e l m v o n T o c c o
behauptet sogar, er habe vieles in einer A rt Ekstase (in raptu mentis)
niedergeschrieben 63. Keine der bekannten Dichtungen reicht allerdings
auch nur im Entferntesten an die Gefühlsintensität der Aurora heran.
T h o m a s muß m. E. ein Mensch von großen Gegensatzspannungen zw i­
schen G efühl und Intellekt gewesen sein. Vermutlich gehörte er, wie
schon gesagt, zum introvertierten Denktypus. Sein Denken ist nämlich
nicht objektbezogen, sondern gründet sich auf Ideen. Ihn interessierten
z. B. mehr das Systematische, Prinzipielle der Aristotelischen Naturauf­
fassung als die D etailfragen6«. Man könnte sich darum vorstellen, daß
60. Guil . de T occo 1. c. Acta Boll. p. 664. Fontes p. 106-107.
61. Dies sagte von ihm Cajetan , cit. nach M. D. C henu, Introduction 1. c. p. 93.
62. P etitot erwähnt seine Predigt vor dem Consistorium für die Institution des
Festes des Altarsakramentes: «il est tout lyrique en exclamations et d’une seule venue
Sans distinctions, divisions.» St. Thomas d’Aquin 1923, p. 143.
63. Vita di S. Thomaso 1. c. p. 665. Er spricht sogar von einem «continuum mentis
raptum». Vgl. W alz , Angelicum 1. c. Anm. 44, p. 316.
64. Vgl. auch die Bemerkung von E. Gilson, Pourquoi St. Thomas etc. Archives
etc. Vol. I, p. 125, wonach der Entstehungsprozeß der Gedanken von Thomas undurch­
sichtig sei: «St. Thomas ne nous a laisse ni ,Discours de la methode’, ni ,Confessions’
et rien ne nous permets de deviner par suite de quelle evolution se sont constitues les
principes de sa Philosophie. . . cette Minerve est sortie toute armee du cerveau
de Jupiter . . . »
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 419

er einen Schock erlitt, als er in den W irbel des extravertiert-intuitiven


A l b e r t u s geriet, welcher sich in jener Zeit, wie erwähnt, exp erim en tell-
praktisch für Mineralogie, Zoologie, Botanik und besonders für alche-
mische und parapsychologische Fragen interessierte6*.
Im Prinzip hat T h o m a s von jener Zeit an unter dem Einfluß A l b e r t s 6o5
ebenfalls die mögliche Existenz okkulter Phänomene akzeptiert. So sagt
er in der Summa66, daß die natürlichen Phänomene gewisse okkulte
Kräfte besässen, deren rationaler Zusammenhang vom Menschen nicht
angegeben werden könne. Er glaubte an die okkulten Kräfte von Stei­
nen^ und insbesondere daran, «daß d ie A lc h e m ie ein e w ahre, a b er
sch w ierige K u n st sei, w eg en d e r okkulten E in w irk u n g en d e r S tern e
( virtutis c o e le s t is )6S». Schon in der Schrift In quatuor libros sententia­
rum P e t r i L o m b a r d i , einem frühen W erk, betont er, daß er im Prinzip
an die Möglichkeit alchemistischer Metallverwandlung glaube, daß aber
die meisten Alchemisten nur Scheingold durch Feuer hersteilen, wäh­
rend das echte Gold an gewissen Orten in der Erde durch die Sonne ent­
stünde «ubi viget virtus numeralis», wo die Zahlenkraft praedominiert6?!

65. Deshalb nannte ihn sein Zeitgenosse E ngelbert von Strassburg einen «exper­
tus in magicis». Vgl. P eter v . Prussia (1621) p. 126, cit. nach L. T horndike, History
etc. Vol. II, p. 549 ff. Die Magie beruht nach A lbertus auf Dämoneneinwirkungen
(T horndike, Hist. II, p. 551), wobei die Dämonen von den Sternen unterstützt werden.
Es gibt eine «richtige» oder positive Magie. Ihrer Meister (magistri) sind Leute, die
über die Sterne und Naturzusammenhänge philosophieren. (Vgl. In Evang. Math. II. 1,
wo er die Weisen aus dem Morgenland als solche «magistri» bezeichnet und In Daniel
I. 20: Magi dicuntur . . . quasi m a g is tr i q u i de universis philosophantur.)
66. II, II, 96 Art. 2: Res autem naturales habent quasdam virtutes occultas quarum
ratio ab homine assignari non potest. Vgl. T horndike 1. c. II, p. 603 und 607.
67. Zu diesen können nach seiner Ansicht noch astrologische und Dämonenein­
wirkungen dazukommen. Vgl. L. T horndike Hist. 1. c. II, p. 603.
68. Meteor. III, 9. «Unde etiam ipsi Alchemistae per v er a m a r te m a lc b im ia e sed
tamen difficilem, propter occultas operationes virtutis coelestis . . . » Vgl. T horndike
1. c. II, p. 607 ff. Vgl. ebda, die Belege für St. Thomas, Glaube an die Astrologie: Es
gibt nach St . T homas eine «impressio formae a superioribus» d. h. durch die Sterne,
welche so wirkt «wie der Magnet das Eisen anzieht». Cod. Vat. Urb. 1491, fol. 76-77.
(Auch über Hypnose und Fascination hat T homas ähnliche Ansichten wie A lbertus.
Vgl. Contra Gent. III. 103. und Summa theol. I. 117. 3.) Die Sterne werden nach
T homas von den Engeln bewegt. (T horndike II, p. 608-609.) Gott benützt sie zur
Lenkung der untern W elt. Vgl. auch F. B oll, Sternglaube etc., p. 39 und 112. Auch die
humores des Menschen werden von den Sternen beeinflußt. (De Veritate X II. 10 und
Summa theol. II. II. 95. 6. ad 1.)
69. In quattuor libros sentent. P etri L ombardi: Alchimistae faciunt aliquid simile
auro quantum ad accidentia exteriores: sed tamen non faciunt verum aurum quia fo r m a
420 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER?

D ie astrologisch-magischen Kräfte scheinen demnach für ihn das W ich­


tigste bei der Alchemie gewesen zu s e in 70. (W as er unter der «Zahlen­
kraft» verstand, ist mir nicht sicher e r k lä r b a r 71.) Seine Überzeugungen
in dieser Hinsicht scheinen sich mit dem Älterwerden eher noch ver­
festigt zu haben 7*. Diese aus beglaubigten Schriften stammenden Z u ­
sicherungen sind ernst zu nehmen. W as wir aber in ihnen vermissen,
ist der emotionale Faktor: wie und bis zu welchem Grad war T h o m a s
auch g e fü h lsm ä ß ig von diesen Tatsachen beeindruckt? D ie bos-mutus-
Anekdote scheint mir darauf hinzuweisen, daß bei ihm Eindrücke tiefer
gingen, als man ahnte, aber daß er sie in sich verschloß. Sein so stark
formal-logisch eingeengtes späteres Denken könnte vielleicht eine A b ­
wehrreaktion gegenüber diesen und ähnlichen Eindrücken darstellen,
denn der Versuch, die bedrohliche Objektwelt durch gedankliche Be­
wältigung zu meistern, ist bezeichnend für das introvertierte Denken,
und «okkulte» Objekte mußten besonders numinos auf einen mittel­
alterlichen Scholastiker wirken. Auch die Unsicherheit, die T h o m a s
gegenüber den Erscheinungen seiner eigenen Träume und Visionen
empfand, indem er sich quälte, ob er alles richtig formulierte habe, läßt
auf die typische Abhängigkeit des Introvertierten vom «subjektiven
Faktor» schließen 73, andererseits zeigt diese Tatsache auch, daß das
formulierte Denken von ihm als außerordentlich wichtig empfunden
wurde, vielleicht weil es als eine A rt Schutz gegen mögliche, anders

substantialis auri non est per calorem ignis quo utuntur alchimistae sed per calorem
solis in loco determinato ubi viget virtus numeralis, et ideo tale aurum non habet
operationem consequentem speciem et similiter in aliis quae per eorum operatio­
nem fiunt.
70. Ähnliche Anschauungen finden sich in der zweifelhaft echten Schrift: De Lapide
Philosoph. Vgl. G. M eyrink 1. c. p. 3 und bei Roger Bacon, De speculis comburen­
tibus. ed. Little 1. c. p. 394. Vielleicht liegt in allen Fällen eine Quellengemeinschaft
mit W itelo vor.
71. Die natürlichen Zahlen spielen, wie wir heute wissen, eine essentielle Rolle
bei allen Methoden, welche zur Erfassung des S y n c h r o n iz itä ts p h ä n o m e n s erdacht wurden.
Vgl. C. G. J ung, Naturerklärung und Psyche 1. c. bes. p. 43. Vielleicht dachte St . T ho­
mas an solche Zusammenhänge?
72. Es ist zu bemerken, daß die Schrift «De occultis operationibus naturae ad quen-
dam militem» relativ spät ist, und daß die (späte) Summa der Alchemie günstiger ge­
sinnt ist als der frühe Sentenzkommentar. T horndike 1. c. II, p. 602 ff.
73. Es ist mir in diesem ganz anderen Zusammenhang nicht möglich, die JUNGSche
Typenlehre im Detail wiederzugeben und ich muß daher den Leser prinzipiell auf
C. G. J ung, Psychologische Typen, verweisen.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER? 421

geartete Impulse und Deutungen diente 74. Falls T h o m a s ein Intro­


vertierter war, muß es um so mehr auf ihm gelastet haben, daß ihn seine
Erfolge als Dozent mehr und mehr in äußere Verpflichtungen und
Tätigkeiten hineinzwangen, denen er sich infolge des Gehorsam-Gebotes
nicht entziehen konnte. Nach seiner Funktion als Baccalaureus und
dann als Magister in Paris (ca. 1254-1260) 75 wird er vom General­
kapitel in Neapel zum «praedicator generalis» ernannt. Schon vorher
mußte er an viele Kongresse und Kapitel reisen, an denen er gelegent­
lich A l b e r t u s wiedertraf 7<\ Im Herbst 1265 weilte er in Rom, 1267
am Generalkapitel in Bologna. In jener Zeit war er irgendwie (evtl, als
lector?) am päpstlichen H of tätig 77. über jene ganze Zeit erstreckt sich
außerdem eine ungeheure schriftstellerische Tätigkeit 78; 1 2 6 6 hatte er
die Summa Theologiae begonnen 79 und den De-anima-Kommentar7 9o.
8
6
5
7
4
1268-1272 weilte er zum zweitenmal in Paris. Er stand mit vielen be­
deutenden Persönlichkeiten der Kirche in seiner Zeit in Kontakt: V i n ­
cen t de B e a u v a is , S t . B o n a v e n t u r a , W it e l o , W il h e l m v o n M oer-

becke usw. In die zweite Pariser Zeit fällt der berühmte Averro'isten-
streit und am 10. Dezember 1270 wurde die Verdammung einiger The­
sen des H l . T h o m a s ausgesprochen. Vielleicht fällt das Ereignis am
Hofdiner bei L u d w i g IX . auch erst in diese Z e it8l, in welcher er mehr
und mehr zum offiziellen Verteidiger des katholischen Glaubens gegen
die zeitgenössischen Haeresien wurde.
Der Dominikanerorden, dem T h o m a s angehörte, sowie der Fran- 606

ziskanerorden, welche man zusammen als die Bettel- oder Mendikanten­


orden zu bezeichnen pflegt, waren nämlich durch eine tiefgreifende
religiöse Krise der Kirche ins Leben gerufen w orden82. Von außen war

74. Der Bruder von St. Thomas Raynaldus war ein bekannter Dichter von Liebes­
gedichten und Erzähler pikanter Geschichten. Die Schrift von St. Thomas scheint sehr
«päteuse» gewesen zu sein. ( P e t it o t p. 31 und 4 2 ). So wäre ein gezügeltes sinnliches
Temparament bei St. Thomas denkbar.
75. Vgl. W alz 1. c. p. 98.
76. So in Anagni 1256 ( W a lz 1. c. p. 93/94), in Valenciennes 1259 ( W a l z 1. c.
p. 97/98) etc.
77. W alz l.c .p . 101-103.
78. Für die Reihenfolge etc. der Werke vgl. W alz passim.
79. W alz p. 114.
80. W alz p. 117 ff.
81. W alz p. 146.
82. Vgl. bes. C h e n u 1. c. p. 34.
422 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER?

diese durch den Druck des Islam und der Tartaren 83, von innen durch
den V erfall der Adelsgemeinschaft und die Städtebildung begünstigt.
Die Bettelorden betrachteten es als ihre Aufgabe, die Kirche zu refor­
mieren, sowie die in Sektiererei und Heidentum abgleitenden Volks­
massen wieder zu ihr zurückzuführen. D ie Franziskaner übernahmen
dabei mehr die praktische Seelsorge im Volke, die Dominikaner hin­
gegen betrachteten die wissenschaftliche Bekämpfung der Haeresien als
ihre Hauptaufgabe, wobei sie sich selber in einem W ortspiel als domini
canes - Wachthunde Gottes - bezeichneten. D a keine ernsthafte Aus­
einandersetzung ohne teilweise Angleichung an den Gegner möglich
ist, scheint es begreiflich, daß ein Teil der Franziskaner in eine haere-
tisch-religiöse Volksbewegung abglitt, welche sich Tertiarier nannte, und
welche sich später fast ununterscheidbar mit den sog. Beginen und
Begharden, den Fratres pauperes oder «Brüdern des Freien Geistes» und
anderen Sekten verschmolzen8*. Auch die Dominikaner und gerade
T h o m a s , sowie sein Lehrer A l b e r t u s , gerieten in Konflikt mit engstir­
nigen Vertretern der Kirche (wie W il h e l m v o n S t . A m o u r ) , weil sie
angeblich allzuviel arabischen Aristotelismus8* in ihre theologischen
Anschauungen aufgenommen hatten und den freiem Richtungen der
Bettelorden zuviel Schutz gewährten. T h o m a s allein hat drei Verteidi­
gungsschriften für die Bettelorden verfaßt, und er, wie auch A l b e r t u s
M a g n u s unternahmen verschiedene Reisen nach Rom, um ihren Orden
zu verteidigen 8<\ Von A l b e r t u s ist sogar ein wesentliches Dokument
über die Beginen und Begharden erhalten, das er offensichtlich notiert
hatte, um diese Bewegung, deren Zentrum sich in Köln befand, gegen
die Inquisition in Schutz zu nehmen g7. Er und ebenso T h o m a s weisen8 7
6
5
4
3

83. Vgl. C h e n u 1. c. p. 11 und p. 35 ff.


84. Vgl. T o cco , Acta Boll, 1. c. p. 666 über die «Pouvres de Lyon» und J. H. K r o e n -
l e in , Amalrich von Bena und D a v id v o n D in a n t . Theol. Studien und Kritiken, Ham­
burg 1847, p. 479-481.
85. V g l. P. M a n d o n n e t , Sig e r d e B r a b a n t et l’Averroisme latin au Xlliem e siede,
Louvain 1910.
86. V g l. hiezu L y n n T h o r n d ik e , History of Magic and Experimental Science
a. a. O. Bd. II, p. 525.
87. Vgl. W . P r e g e r , Geschichte der Mystik im Mittelalter. Vol. I, p. 466 und
H. H a u p t , Zwei Tractate gegen Beghinen und Begharden. Zeitschr. f . Kirchengeschichte
X II, Heft 1, p. 85. C h r . H a h n , Geschichte der Ketzer, a. a. O. Vol. II, p. 472 und
J . v o n D o e l l in g e r , Beitr. zur Sektengesch. des Mittelalters, München 1890, Vol. II,
p. 403 und 702.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER ? 423

eine erstaunliche Kenntnis vieler «moderner» philosophischer Sekten


auf, wie z. B. die des A m a l r ic h v o n B e n a , des D a v i d v o n D in a n t
u sw .88. T h o m a s erwähnt sie als «quidam moderni philosophi 89». W ei­
terhin ist als wichtig zu verzeichnen, daß er Protest erhob, als W il h e l m
v o n S t . A m o u r die Lehre des Abtes G io a c c h in o d a F i o r i als Lehre

des Artichrist bezeichnen wollte 9 °. Er kannte den sogenannten L ib er


Introductorius, eine Zusammenfassung der Lehre J o a c h im s , und sagte
von dieser, es sei zwar manches daran nicht richtig, aber sie als eine
Lehre des Antichrist zu bezeichnen, sei falsch^. Demnach ist T h o m a s
also nicht nur mit dieser geistigen Bewegung bekannt gewesen, sondern
hat ihr auch gerecht und nicht völlig ablehnend gegenüber gestanden 9Z.
1 2 7 2 verläßt T h o m a s Paris und reist (vermutlich über Florenz) 607

nach Neapel, wo ein «studium generale» eingerichtet werden sollte,


und wird dort Hauptdozent. W i l h e l m v o n T o c c o berichtet, daß er
aber nicht nur in der akademischen W elt wirkte, sondern daß er in
Neapel auch mit geschlossenen Augen ekstatische Predigten vor dem
V olk hielt, zu denen jeweils eine große Menge herbeiströmte n . Absenz-

88. Summa I, quaest. 3. Art. 8. Vgl. hiezu J. Η. K r o e n l e in , Amalrich von Bena und
David von Dinant. Theol. Studien und Kritiken, Hamburg 1847, Heft 2. p . 282. D a v id
v o n D in a n t scheint von J o h . Sco tu s E r ig e n a und dessen pantheistischer Lehre beein­
flußt. (ebda. p. 284 und p. 303) Vgl. ferner G. T h e r y : Autour du decret de 1210:
Bibliotheque Thomiste V I et V II, Kain (Belg.) 1925, 2 Vols.
89. Sec. sent. lib. dist. 17 quaest. 1 art. 1 solutio. Über A m a l r ic h v o n B en a vgl.
K r o e n l e in a. a. O . p . 282 u. 284. D a v id v o n D in a n t war A lb ertu s wohl durch
B a l d o u in bekannt, vgl. seine Summa I, Tract. 4 quaest. 20 membr. 2. und II. 12. 72.
4. 2. Vgl. K r o e n l e in a. a. O . p. 302-303, 311-314. Vgl. T hom as v . A q u in Summa
theol. I Quaest 3, Art. 8.
90. Vgl. P e t it o t St. Thomas p. 71.
91. T hom as v o n A q u in , Opera ed. Ven. 1754 X I X Opusc. X V I (Contra impugnan­
tes), Ich citiere es aus C h r . H a h n , Geschichte der Ketzer im Mittelalter, Stuttgart 1850,
Bd. III, p. 159: Unde cum quidam iam Christi Evangelium mutari conentur, in quod-
dam Evangelium, quod dicunt aeternum, manifeste dicunt instare tempora Antichristi.
Hoc autem Evangelium de quo loquuntur (nämlich von Wilhelm von St. Amour und
seine Anhänger) est quoddam introductorium in libros Joachim compositum, quod est
ab Ecclesia reprobatum, vel etiam ipsa doctrina Joachim, per quam ut dicunt Evangelium
mutatur, unde cum doctrina praedicta, quam legem Antichristi dicunt, sit Parisiis expo­
sita, signum est tempus Antichristi instare. S e d d o c tr in a m J o a c h im v e l illiu s In tr o -
d u c to r ii q u a m v is a lia r e p r o b a n d a c o n tin e a t, e s s e d o c tr in a m , q u a m p r a e d ic a v it A n ti-
ch ristu s, fa ls u m est.
92. C h e n u nennt Gioacchino da Fiori ein «echo sonore des aspirations de son temps»
p. 39 flf.
93. W a l z 1. c. p. 169.

28 Jung : Mysterium III


424 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER ?

Zustände, w ie sie die G eschichte von dem «Schluß gegen die M anichäer»
berichtet, w urden in jener Z e it im m er häufiger w, einm al erlitt er einen
solchen «raptus m entis» sogar in G egenw art eines röm ischen K ardinals,
w iederholt auch beim Lesen der M esse. W ä h re n d letzterer brach er auch
o ft über das Leiden Christi in T rän en aus. Z eugen berichten sogar von
Levitationen 9$, A u f innere K onflikte m it dem Schatten weist folgender
B erich t W il h e l m v o n T occos h in ? 6:
A ls einm al ein neapolitanischer R ichter den H eiligen besuchte, und
die beiden au f einer offenen T errasse beim M eer au f und ab gingen,
sah d er R ich ter einen schwarzgekleideten Ä thiopier sich dem H eiligen
nähern. S t . T homas aber ballte die Fau st gegen ihn und rief ihm zu:
« W a g st du es noch, m ich w ieder zu versuchen?» D e r schwarze T eu fel,
der w ohl der D äm on des M ittags w ar, entfloh hierauf. (M a n denke an
die Ä thiopier als Symbol der N ig red o in der A u ro ra !)
B erichte solcher A rt, die teils historisch, teils legendär sind, dürfen
als «am biente» einer eindrucksvollen und spannungsreichen Persönlich­
keit gelten, deren T iefen vom gew öhnlichen M enschen kaum geahnt
und noch w eniger verstanden w erden. Schon die g ro ß artig e Einseitig­
keit seines der W e lt zugew andten Bew ußtseins verbürgt die Existenz
einer ganz anders gearteten Innenw elt, w elcher die A u fgab e zufällt,
das G leichgew icht der G esam tpersönlichkeit zu erhalten. B erichte über
ungew öhnliche biographische Tatsachen, w ie die V erzückungen und die
Legenden über w underbare U nbegreiflichkeiten geben K u n d e von die­
sem unsichtbaren H in tergrun d , von dem sie ein andeutungsweises B ild
entw erfen. Sie gehören m ithin zur Erscheinungsw eise einer überragen­
den Persönlichkeit und ergänzen ihr B ild nach der Seite der unbew ußten
Psyche, w elche sich m eist nur indirekt zum W o rte m eldet. D er P ro m i­
nenz der R atio in diesem F a lle entspricht eine ebenso eindrückliche
G egenposition der natürlichen Psyche, w elche in um gekehrter E n tsp re­
chung zu der w eltw eiten A usstrahlung des Bew ußtseins in die T iefen
der seelischen V ergan gen h eit und Z u k u n ft reicht und gegensätzliche
archetypische Inhalte belebt. D a alles belebte oder auferw eckte U n b e­
w ußte zur B ew ußtw erdung drängt, so kann es nicht an A ndeutungen 9456

94. Vgl. W alz, l.c .p . 171.


95. P e t i t o t , St. Thomas l.c .p . 133. P e t r u s C a l o , Fontes 1. c. p. 36-38 T occo,
Fontes 1. c. p. 107, 108.
96 . Petitot, 1. c. p. 146-147. Petrus Calo, Fontes 1. c. p. 38.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 425

fehlen, w elche den K onflikt offenbaren. A u f alle F ä lle kann sich das
Bew ußtsein der inneren A h n u n g au f die D auer nicht entziehen, sondern
w ird sich veran laß t sehen, m it seinen rationalen M itteln , d. h. in diesem
F alle m it scholastisch-theologischer F orm u lierun g, das andrängende
G egensätzliche zu bew ältigen. D ieser V ersuch kann in A n b etrach t des
notw endigen V orhandenseins und der ebenso nötigen G leichgew ichts­
funktion des G egensatzes nicht gelingen. Jed en falls hat sich im Leben
des H l . T homas der K o n trast der beiden Seelenhälften nicht ausgegli­
chen, sondern w om öglich verstärkt. P e t i t o t spricht sogar von seiner
B efäh igu n g zu einem «dedoublement^». E r konnte sich z. B . durch
geistige K onzentration schm erzunem pfindlich m achen, und in ausge­
sprochenen Absenzzuständen konnte er noch zur U m g eb u n g sprechen
und sogar diktieren, «w ie in einem hypnotischen Z u stan d ». E in eng­
lischer Z eu ge behauptet, er habe von T homas D ik tate niedergeschrie­
ben, während der H eilige s c h lie ft . N a ch der Lebensm itte fü h rte dann
diese Spannung zu jener krisenhaften Erschütterung, von der sein
Freu nd R e g in a l d von P ip e r n o berichtet. Es ist auch nicht als u n m ög­
lich anzunehm en, daß sein frü h er T o d eine direkte oder indirekte F o lg e
der allzugroßen seelischen B elastung w ar w. D a T homas w ahrscheinlich
zu jenen M enschen gehörte, bei denen das hochdifferenzierte D enken
und die intellektuelle K on zentration den natürlichen M enschen m it sei­
nem G efühlsanspruch v erd rän gt haben, g eriet das G efü hl m ehr und
m eh r in G egensatz zu der geistigen H altu n g des Bew ußtseins und er­
richtete eine förm lich e G egenposition. V o n hier aus w ird die Ü berzeu­
gu n g des Bew ußtseins beständig angegriffen und unterhöhlt. D am it
w ird ein «sentim ent d ’insuffisance» erzeugt - w ovon bei T hom as deut-

97. P e t i t o t 1. c. p. 130, T occo, Fontes 1. c. p. 107, 108, 121.


98. T o cco , Fontes 1. c. p. 89.
99- Hier besteht ein Streitpunkt zwischen A. W a l z , De S. Thomae Aq. e vita dis­
cessu, Xenia Thom. Rom 1925 tom. III, p .41-55, und Η. P e t i t o t , La mort de S. Thomas
d’Aquin. Vie Spirituelle X . 1924, p. 313-336. Vgl. auch die Besprechung im Bulletin
Thomiste. Jahr II No. 6, Nov. 1925, p. [1 7 ]. W a l z und andere sehen keinen Kausal­
zusammenhang zwischen der Vision des 6. Dez. 1273 und dem Tode des Heiligen, wäh­
rend P e t i t o t annimmt, daß mit der Vision ein physischer und geistiger Erschöpfungs­
zustand begann, der in Kausalzusammenhang mit dem Tode steht. Psychologisch
betrachtet und auch im Lichte der oben erwähnten kleineren Visionen (von M a r o tta
und P. R o m a n o d a R o m a ) gesehen, scheint mir wohl ein p s y c h o lo g is c h e r Z u s a m m e n ­
h a n g zu bestehen. Leider konnte ich mir kein Exemplar von W a l z ’ Arbeit in den Xenia
Thomistica 1925 verschaffen.
426 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?

liehe Spuren vorhanden sind. D ie G egenposition w ird aber in solchen


F ällen im m er durch die A n im a personifiziert, und daraus erklärt sich
z. T . sein «h orror m ulierum ». Solcher A rt sind verm utlich die psychi­
schen Tatsachen, die - w ahrscheinlich zusam m en m it einer nicht m ehr
genau feststellbaren physischen E rk ra n k u n g 10 0 - jene Z ustände von
«absences» und später die bekannte D epression verursachten, von der
unten zu berichten sein w ird. A llm ählich traten bei ihm Todespraem oni-
tionen auf. Schon einige Z eit v orh er w ar ihm seine verstorbene Schw e­
ster Marotta in einer V ision erschienen und hatte ihm angekündigt, daß
sie ihn bald im Jenseits W iedersehen w e rd e 101. A ls er 1 2 7 3 eine E in ­
ladung zum G eneralkapitel von Lyon fü r das Ja h r 1 2 7 4 erhielt, v er­
stärkte sich das V o rgefü h l des nahen T odes, obw ohl e r noch nicht das
fünfzigste Lebensjahr erreicht hatte. In einer V ision erschien ihm der
verstorbene P ater Romano da Roma und teilte ihm m it, er habe das
«eigentliche W issen um die göttlichen D in g e» erhalten, nach einem
D u rch gan g durchs P u rg a to riu m I02. T homas frag te ihn hierauf, ob dem
M enschen die w issenschaftlichen K enntnisse, die m an in diesem Leben
erw orben habe, im Jenseits verblieben, aber R om ano antw ortete nicht
direkt (« in fo rm a » ) auf seine F ra g e , sondern verwies auf die Tatsache
der «V isio D e i» . T hom as frag te w ieder: « W ie sieht m an G ott sine m edia
vel m ediante sim ilitudine I0 3?» U n d R om ano antw ortete m it den W o rte n
von Ps. 4 8 , 9 : « W ie w ir g eh ö rt haben, so sehen w ir s an der Stadt des
H errn Zebaoth I0 4 . . . » D ieser T rau m gab T hom as etwas F reu d e und
T rost. D ann aber - m itten in seiner Summa, seinem streng intellektuell­
logisch form ulierten H auptw erk - hat ihn, als er an einem A bschnitt
über die B u ß e arbeitete, jenes bekannte innere Erlebnis überm annt, w el­
ches seiner schriftstellerischen T ätigk eit und vier W o ch e n hernach sei­
nem Leben ein En d e setzte. D er B erich t darüber steht in den A cta
Bollandiana und geht auf das Zeugnis des B a r t o l o m a e u s von C a p u a io*

100. Nach T o cco (Vita 48) verlor er jeden Appetit und konnte gar nichts mehr
essen und starb dann an Schwächezuständen (er begann «nimia debilitate deficere . . . » ) .
Nach dem Tode kam ein Gerücht auf, daß der Heilige vergiftet worden sei. Vgl. P e t i -
TOT, St. Thomas 1. c. p. 155.
101. W a l z 1. c. p. 122/123. T o cco , Fontes 1. c. p. 118.
102. W a l z 1. c. p . 176. T o cco , Fontes 1. c. p . 118/119.
103. ohne Zwischenelement oder vermittelndes Gleichnis.
104. Fontes 1. c. p. 119 des Herrn der Tugenden.
105. Über diesen vgl. P. Mandonnet, Des ecrits authentiques de St. Thomas
d’Aquin II. Aufl. Fribourg 1910, p. 32.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER? 427

zurück, der es seinerseits direkt von R e g in a l d von P i p e r n o , dem besten


F reu n d und V ertrau ten des H l . T h o m a s, erfahren h a tt e 106: «U n d es
sagte jener selbe Z eu g e (seil. B a r t o l o m a e u s von C a p u a ) : als der
besagte B ru d er Thom as in der sog. St. N icolau s-K ap elle in N eap el die
M esse zelebrierte, w urde er von einer wundersamen Veränderung be­
troffen, und nach jener M esse schrieb er w eder, noch diktierte er m ehr
etwas, sondern legte sogar die Schreibutensilien w eg, im dritten T eil
der «Sum m a», im T rak tat: D e Poenitentia. U n d als jener selbe B rud er
R eginald sah, daß B rud er Th om as auf g eh ö rt hatte zu schreiben, sagte
er zu ihm : ,P ater, wieso hast D u dieses g ro ß artig e W e rk auf gegeben,
das D u zum Lobe G ottes und zur E rleuchtung der W e lt begonnen h ast?’
U n d ihm antw ortete B ru d er T h om as: ,Ich kann n ic h t/ U n d jener selbe
B ru d er R eginald begann zu fürchten, daß er infolge seiner enorm en
geistigen T ätigk eit in einen Wahnsinnszustand geraten sei ( ! ) und
d ran g im m er w eiter darauf, daß B ru d er Thom as w eiter schreiben solle,

106. Acta Bolland ebda. 712 ff. Item dixit idem testis quod, cum dictus Frater Tho­
mas, celebraret Missam in dicta capella S. Nicolai Neapoli, fuit m ir a m u ta tio n e c o m m o ­
tu s et post ipsam Missam non scripsit neque dictavit aliquid, immo suspendit organa
scriptionis in te r tia p a r te S u m m a e in tractatu D e P o e n ite n tia . Et dum idem Fr. Raynaldus
videret, quod ipse Fr. Thomas cessaverat scribere, dixit ei: Pater, quomodo dimisistis
opus tam grande, quod ad laudem Dei et illuminationem mundi coepistis ? Cui respondit
dictus Fr. Thomas: Non possum. Idem vero Fr. Raynaldus tim e n s n e p r o p t e r m u ltu m
stu d iu m in a liq u a m in c u rr is se t a m e n tia m instabat semper quod idem (p. 713) Fr. Tho­
mas continuaret scripta et similiter ipse Fr. Thomas respondit: Raynalde non possum,
quia omnia quae scripsi videntur mihi paleae. Tunc Fr. Raynaldus stupefactus . . . (effe­
cit) quod dictus Fr. Thomas iret ad Comitissam S. Severini sororem suam, quam cari-
tative diligebat; quo properavit magna cum difficultate et cum illuc accederet ipsi Commi-
tissae sibi ocurreret vix locutus est. Tunc Commitissa dixit dicto Fr. Raynaldo cum
magno timore: Quid est hoc, q u o d F r. T h o m a s to tu s est s tu p e fa c tu s e t v ix m ih i lo c u tu s
e s t ? Respondens idem Fr. Raynaldus ait: A fe s t o B . N ic o la i c irc a fu it in is to statu e t e x
tu n c n ih il sc r ip sit. Et idem Fr. Raynaldus coepit instare apud dictum Fr. Thomam ut
diceret illi, qua de causa scribere recusaverat et qua re ita stupefactus erat. Et post multas
interrogationes omni importunitate factas per ipsum Fr. Raynaldum, respondit Fr. Tho­
mas eidem Fr. Raynaldo: E g o a d iu r o t e p e r D e u m v iv u m o m n ip o te n te m et p e r fid em
q u a m t e n e tis O rd in i n o str o et p e r c a r ita tem q u o m o d o str in g e ris , q u o d ea , q u a e d ix e r o
n u lli r e v e le s in v ita m ea . Et subiunxit illi: Omnia quae scripsi videntur mihi paleae
respectu eorum quae vidi et revelata sunt mihi. Praedicta vero Commitissa remanente
multum desolata, recessit Fr. Thomas et rediit Neapolim et deinde assumpsit iter eundi
ad Concilium iuxta vocationem sibi factam penitus nihil scribens. Et in itinere invasit
eum infirmitas in castro Magentiae de Campagna, de qua post modum decessit. Postea
vero elapsis aliquibus annis dictus Fr. Raynaldus infirmitate gravatus, de qua mortuus
fuit, confessus est in extremis suis Fr. Joanni de Judice de Ordine Praedicatorum
oriundo Anagnia, viro utique antiquo etc. Nach anderer Überlieferung fand die Vision
nicht in Neapel und etwas später statt.
428 I S T T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?

und Bruder Thomas selber antwortete immer ähnlich: ,Raynaldus, ich


kann nicht, w eil alles, was ich geschrieben habe, m ir w ie Stroh vor-
k o m m t I07.»
D ieser Zustand von Stupor oder verstörtem Schw eigen dauerte ziem ­
lich lange, und R eginald versuchte ihn daraus herauszureißen, indem
er ihn «unter g roß en Schw ierigkeiten» zu seiner von ihm geliebten
Schwester, der Gräfin T h eo d ora von M arsico, in das K astell von San
S ev erin o 10710 8 109 brachte; aber sogar m it ihr sprach er kaum ein W o rt. D ie
G räfin w ar über sein Benehm en tief e rsch ro ck en Ι0?. Später soll er auf
weiteres beharrliches Insistieren dem B ru d er R eginald den In h alt des
Erlebten oder G eschauten bzw. den G rund seines Zustandes un ter dem
Siegel der V erschw iegenheit und m it groß en Beschw örungen, nicht d ar­
über zu reden, anvertraut haben unter der B eifü g u n g : «A lles, was ich
geschrieben habe, scheint m ir Stroh im V erhältnis zu dem , was ich sah,
und was m ir offenbart w orden ist.» N a ch seiner Rückkehr nach N eap el
im L au fe des Januars 1 2 7 4 befiel ihn dann au f einer Reise nach R om ,
von w o er sich au f W u n sch G regors X . zum K on zil von Lyon begeben
w ollte, jene medizinisch unabgeklärte K rankheit, an der er sterben
s o llte II0. A uch stieß er sich, geistesabwesend auf einem M aulesel dahin­

107. Prot, von Neapel p. 79; Vgl. T o cco cap. 47. Vgl. W a l z 1. c. p. 178. Er sagte
auch etwas später: «Für mich ist das Ende der schriftstellerischen Tätigkeit gekommen,
so hoffe ich, daß ich bald das Ende dieses Lebens erleben werde.» Vgl. S e r t i l l a n g e s
1. c. p. 27 und L. H. P e t i t o t , La mort de St. Thomas d’Aquin. Vie spirituelle X ,
1924, p. 318 ff.
108. W a l z 1. c. p . 179. Reginald sagt zur Gräfin (T o cco , cap. 4 8 ): «Frequenter in
spiritu rapitur, cum aliqua contemplatur, sed ex tot tempore sicut nunc numquam vidi
ipsum sic a sensibus alienatum.» Vgl. Bulletin Thomiste 1925 p. [1 8 ] 1. c.
109. Sie frägt «cum magno timore» Reginald warum Thomas so «stupefactus» sei.
P e t i t o t 1. c. p. 320.
110. W a l z 1. c. p. 181. Vgl. ferner T occo, Acta Boli. 1. c. p. 800: Item dixit dictus
testis, quod, quando quidem Fr. Thomas incepit gravari infirmitate in eodem castro Ma-
gentiae petiit cum multa devotione quod portaretur ad monasterium S. Mariae de Fossa-
nuova, sicque factum est. Et cum dictus Fr. Thomas intrasset monasterium infirmus et de­
bilis, adhaesit per manum posti et dixit: haec est requies mea in seculum seculi etc. . . . Et
stetit in eodem monasterio pluribus diebus infirmus cum patientia et humilitate multa et
voluit sumere Corpus Salvatoris nostri. Et cum Corpus ipsum fuit illi portatum genuflexit
et cum verbis mirae et longae adorationis et glorificationis salutavit et adoravit ipsum
et ante sumptionem Corporis dixit: Sumo te pretium redemptionis animae meae, sumo
te viaticum peregrinationis meae, pro cuius amore studui, vigilavi et laboravi et prae­
dicavi et docui, n ih il u n q u a m c o n tra t e d i x i , sed si quid dixi; ignorans, n e c su m p e r t i­
n a x in sen su m e o , sed si quid male dixi, totum relinquo correctioni Ecclesiae Romanae.
Et subsequenter mortuus est et sepultus prope altare magnum ecclesiae ipsius mona-
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 429

reitend, an einem A st am W e g den K o p f an und w urde einen M om en t


lang ohnm ächtig. In M a e n z a IIX, wo er bei seiner N ich te Franziska von
A quino w eilte, bat er dann, daß m an ihn in das Z isterzienser-K loster
S. M aria de Fossa-nuova bringe, was auch g esch ah 112. U n d als er schwach
und krank jenes K loster betrat, lehnte er sich m it der H an d an den T ü r­
pfosten und sagte: «D ies ist m eine R uhestätte in E w ig k e it1^ . . . » Er
verbrachte seinen letzten Lebensm onat in diesem K loster. W il h e l m v o n

T o c c o berichtet:
«U n d er blieb in jenem K loster, krank m ehrere T a g e lang in viel
G eduld und D em u t und v erlan gte nach einer confessio generalis und
nach dem A bendm ahl. B ev o r er es “ 4 unter vielen G ebeten zu sich nahm ,
sprach er: ,Ich nehm e D ich als Preis m einer Seele, ich nehm e D ich als
Reisekost m einer W an d eru n g , D ich , aus Liebe zu dem ich w achte und
m ich m ühte und p red igte und lehrte; n ie habe ich etwas gegen D ic h
gesagt, aber w enn ich es tat, dann aus Unw issenheit, ich beharre nich t
a u j m einem Sinn, sondern w enn ich etwas nicht recht gesagt habe, so
überlasse ich es ganz der K o rrek tu r durch die röm ische K irch e .’ U n d
danach starb er am 7 . M ärz und w urde begraben, nahe beim H ochaltar
der K irch e jenes K losters, beim K lostergarten , wo ein F lu ß fließt, aus
dem m an das W asser durch ein W asserrad schöpft und so den ganzen
O rt bewässert, wie dies besagter Z eu g e (B artolom aeus von C ap ua) sich
häufig und sorgfältig besehen h a t 1 1 5.»
D a keine beglaubigten B erichte vorliegen, w elche uns über den Inhalt
der offenbar überw ältigenden letzten V ision unterrichten, können w ir
nicht abklären, weshalb er sein W e rk abbrach und w ieso er kurz darauf
starb. ( E r w ar erst 4 8 oder höchstens 4 9 Jah re a l t II6.) A b er die Reaktion

sterii in loco palustri prope quoddam viridarium ipsius monasterii, ubi est fluvius,
ex quo perducitur aqua per rotam, per quam totus locus ille humectatur, sicut ipse
testis frequenter et diligenter inspexit.
111. Oder Faenza (P etito t ).
112. Er hatte jeden Appetit verloren, las aber noch unter vielen Tränen selber die
Messe (P etitot , p. 323). Nur Heringe aß er auf dringende Bitten Reginalds, da er
diese Speise sehr gern hatte.
113. Vgl. W alz l.c . p. 186 (T o cco , cap. 57).
114. am 4. oder 5. März. Vgl. W alz 1. c. p. 184.
115. Man vergleiche das: Rigans montes etc.!
116. Vgl. Sertillanges 1. c. p. 27. Später wurde in Gegenwart R eginalds von
Piperno der Leiche ein Daumen und der Kopf abgetrennt, in W ein gekocht, more
Teutonico, und der Gräfin von San Severino übergeben. Vgl. Bulletin Thomiste Annee
I No. 1, p. [2 0 ].
430 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?

seinem eigenen W e rk , der «Sum m a», gegenüber, daß sie ihm w ie Stroh
vorkom m e, scheint m ir anzudeuten, daß diese letzte V ision (d . h. eine
unm ittelbare E rfa h ru n g des U n b ew uß ten ) ihn in einer Schicht seines
W esen s berührte, der gegenüber sein scholastisches D enken sich als
inadaequat offenbarte " 7 . A uch seine Ä u ß eru n g beim N eh m en des V ia-
ticum s ist eigenartig, näm lich daß er zu Christus sagte, er habe nie be­
w u ß t etwas g egen ih n gesagt - psychologisch legt dies die V erm utu n g
nahe, daß die innere M ö g lich k eit, etwas U n o rth o d oxes über Christus
zu sagen, bestanden hat.
V ielleicht enthält die Tatsache, daß die Biograp h en berichten, er
habe auf seinem Sterbebett den M önchen von S. M aria d e Fossa-nuova
das H ohelied in te rp re tie rt117II8, einen H inw eis auf die inneren V o rgän g e
jener letzten T ag e, näm lich daß diese D ich tu n g der H l. Schrift dem in
der V ision G eschauten am nächsten kam oder am adaequatesten A usdruck
verlieh. D as H ohelied h at die M ystiker innerhalb der K irch e im m er
fasziniert ( H o n o r iu s von A u tu n , G reg o r der G ro sse, T eresa ,

J o h . A C r u c e , die V i c t o r i n e r 11?, um nur einige zu n e n n e n ), und es


ist auch kein Z u fa ll, daß sich die m ittelalterliche A lch em ie im A b en d ­
land, b eg in n en d m it der A urora, später der H ohelied-Sym bolik in be­
sonderem M aß e bem ächtigt h at: der A rchetypus des H ierosgam os (d e r
mystischen H och zeit) fand durch diese alttestam entliche Schrift am ehe­
sten E in gan g in die form ulierte G edankenw elt des C hristentum s und
diente ebenso auch den A lchem isten, die christliche Ideenw elt an ihre
V orstellungen der alchym ischen Coniunctio anzugliedern. Zu gleich fällt
auf, daß die Z eu gen m erkw ürdig schweigen über den Inhalt dieser
H o h elied erk läru n g I20. P e t i t o t bem erkt: « II consentit ä faire un der-
nier effort de pensee, et ä exposer aux religieux le plus mystique des
ecrits de Γ A n d e n Testam ent. N ’avions-nous pas bien raison d ’avancer
que les dernier m om ents de l ’hom m e, du Saint qui m eurt en pleine
connaissance sont toujours suggestifs? Saint Thom as sur son lit de m ort,

117. S e r t i l l a n g e s 1. c . p. 27, spricht von «tiefer Entmutigung».


118. M a r t i n G r a b m a n n , Die echten Schriften des Hl. Thomas von Aquin, Beitr.
zur Gesch. der Philosophie des Mittelalters, ed. C l e m e n s B a e u m k e r , Bd. 22, Mün­
ster i. W . 1920, p. 189 ff. und 1949 p. 254 ff.
119. H o n o r i u s , P. L. tom. 172, H u g o d e S t . V i c t o r , P. L. tom. 176, G r e g o r i u s
M a g n u s , P. L. tom. 79.
120. P e t i t o t , La mort etc. p. 325, wundert sich sehr richtig über dieses Schweigen
der Zeugen.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER? 431

alors qu’il a laisse la Som m e inachevee se m et a com m enter le Cantique


des C antiques... O n n ’a pas assez rem arque que Saint Thom as d ’A quin
etait m ort d ’avoir contem ple D ieu dans une vision d ’e x ta s e 121. » Ich
stim m e P e t i t o t zu, daß diese letzte H oheliedinterpretation verm utlich
in einem Z usam m enhang m it der V ision zum 6 . D ezem ber 1 2 7 3 und
auch dem T o d e des H eiligen steht.
D aß sich T h om as auf seinem Sterbebett m it dem H ohenlied be­
schäftigt hat, steht um so w ahrscheinlicher in einem Zusam m enhang
m it seinem Erlebnis, als einerseits diese V ision ein Prodrom alsym ptom
seines T od es ist, und andererseits die Coniunctio-Sym bolik überpersön­
liche archetypische, über R aum und Z e it hinausführende V o rgän g e
w iderspiegelt, w ie sie in besonderem M aß e in der N ä h e des Todes er­
lebt w erden. In der K abbala z. B . w ird der T o d als das Erlebnis einer
mystischen H ochzeit beschrieben. So hörten Jü n g er beim Begräbnis des
Rabbi S c h i m ’o n ben J o c h a ii eine Stim m e, w elche sagte: « A u f und
kom m et und versam m elt euch zur H ochzeit des Rabbi Schim ’on: Es
kom m e der Fried e, sie m ögen ruhen auf ihren L a g e r n I221234.» S t . A u g u s t i ­
nus h at den K reuzestod C hristi als «H ochzeit» gedeutet I23: «Christus
trat hervor w ie ein B räutigam aus seiner K am m er, in der V o rah n un g
der H ochzeit trat er ins F eld der W e lt hinaus, er durcheilte wie ein
Riese trium phierend seinen W e g bis zum L a g e r des K reuzes, und dort
erstieg er es und vollzog die H o c h z e it. . . er gab sich hin als G atte und
verband sich die G attin in ew igem R echtsbündnis.» D ie K reu zigu n g ist
eine tödliche Liebeswunde, die Christus fü r die K irch e em pfängt, um
sie sterbend zu seiner B rau t zu m achen I24. Solche D eutungen sind T h o ­
mas zw eifellos bekannt gew esen, doch steht dahinter ein U rerlebnis,
das sich jederzeit w iederholen kann, und es d ü rfte m . E . letzteres sein,
das ihn veranlaßte, sich im A ngesicht des T odes m it dem H ohenlied
zu beschäftigen. A u ch im Folk lo re findet sich das M o tiv der sog. T o d es­
hochzeit in vielen V ariationen w ieder, d. h. die unbew ußte Psyche stellt

121. St. Thomas 1. c. p. 154.


122. D e r S o h a r , ed. E. M u e l l e r , W ien 1932, p. 390. Vgl. auch p. 113.
123. Appendix Serm. 120 (8 ), Pariser Ausgabe tom. V, col. 2662: Procedit Christus
quasi sponsus de thalamo suo, praesagio nuptiarum exiit ad campum saeculi, cucurrit
sicut gigas exultando per viam usque venit ad crucis torum et ibi firmavit ascendendo
coniugium . . . commercio pietatis se pro coniuge ded it. . . et copulavit sibi perpetuo
iure matronam. Ich verdanke Prof. J u n g diesen Hinweis.
124. H o n o r i u s v o n A u t u n , Exposit in Cant. Cant. M i g n e P. L. tom. 172, col. 419.
432 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER?

den T o d o ft als eine V erein igu n g der G egensätze, d. h. als eine innere
G anzw erdung dar 12K Es scheint m ir deshalb m öglich, daß T h om as die
lange verd rän gte A n im a in jenem Erlebnis vor dem T o d e in G estalt der
Sapientia D ei und Sponsa gegenübertrat. E in B erich t des (späteren P a p ­
stes) S i x t u s von Sie n a 125126127 sagt, daß er m itten in einem Z ustand von
Ekstase bei den W o rte n «V enite, dilecti filii, egredim ini in h o r tu m . . . »
gestorben s e i Ι2?. E r verschied im anbrechenden M o rg e n g ra u e n I2812930.
S t . A l b e r t u s , der bekanntlich seinen Schüler überlebte, soll telepa­
thisch den Tod esm om en t von T homas gefü h lt h a b e n I2?. A ls später die
bestätigende N ach rich t eintraf, soll er in g ro ß e r E rsch ü tteru n g gew eint
haben, und im m er, wenn hernach sein N a m e erw ähnt w urde, brach er
so h eftig in T rän en aus, daß sogar L eu te in seiner U m g eb u n g m einten,
er sei einer «senilis hebetudo» v erfallen *3 °.
D iese biographischen G egebenheiten lassen es m ir als m öglich er­
scheinen, daß w ir im T rak tat «B eati T h o m ae de A quino A u ro ra sive
A u rea h ora» ein D okum ent v or uns haben, das tatsächlich von T hom as

stam m t und gleichsam die «andere Seite» des g roß en D o cto r A n g eli­
cus enthüllt, indem es aus einem Einbruch des U nbew ußten heraus
v erfaß t ist I3 I. In diesem F a lle ließe sich selbstverständlich keine sti­

125. Vgl. daß auch in der altpersischen Religion dem Frommen im Todesmoment
seine Seele als schönes Mädchen gegenübertritt.
1 2 6 . Bibliotheca sancta Venetiis 1566 , p . 478. Vgl. M . G r a b m a n n , Die echten Schrif­
ten des H l . Thomas von Aquin, Münster i. W . 1 9 2 0 , p . 1 8 9 , 1 9 4 9 p . 2 5 4 .
127. Nach A n t o i n e T o u r o n , La vie de S. Thomas d’Aquin, Paris 1737, p. 686
(zit. Grabmann 1. c.) wurde, was er dann sprach, von den Mönchen niedergeschrieben.
Was an Canticum-Kommentaren bisher unter dem Namen von St . T h o m a s zirkulierte,
ist nicht echt. (Vgl. G r a b m a n n 1. c. p. 178 ff.) Leider konnte ich die von M. G r a b ­
m ann (p. 191) signalisierte einzige unpublizierte Handschrift der Bibliotheque von
Salins (France) nicht einsehen. Incipit: Donum sapiens poscens . . . Explicit postilla
super Cantica ed. a S. Thoma de Aquina quadruplici sensu exposita Scripta per manum
fratris J. Berlueti provinciae Turoniae 1393. Vgl. W . V r e d e , Die beiden dem Hl. Tho­
mas von Aquin zugeschriebenen Commentare zum Hohenlied, Berlin 1913.
128. Vgl. T o cco , Acta S. Martii 7. 1. 678 p. 66 . . . ut . . . hora matutinali diluculum
aenigmatice visionis finem acciperet et plenae lucis sanctus diem gloriae inchoaret.
129. Vgl. F. P e l s t e r 1. c. p. 18 und bes. p. 39.
1 3 0 . Vgl. A. W a l z . De Alberti M. et S . Thomae Personali Relatione. «Angelicum»
Jahr. II, Fase. 3 , Nov. bis Dez. 1 9 2 5 (Rom), p . 2 9 9 sq. Vgl. ferner P t o l e m a e u s v o n
L u c c a , Hist. Eccles. X X II, 9 . und L . T h o r n d i k e 1. c . II, p . 5 2 3 . Albert soll etwa im
Alter von 8 0 Jahren gestorben sein.
131. M a r t i n G r a b m a n n hat in seiner grundlegenden Erforschung der Schriften
des Heiligen erwiesen, daß die von Ρ. M a n d o n n e t als ausschlaggebend angesehenen
Verzeichnisse der Schriften von Thomas von Aquin nicht als vollständig anzusehen sind.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 433

listische Ü bereinstim m ung m it seinen sonstigen W erk en erw arten d 2.

Im m erhin ist ein stilkritisch bedeutsam er F ak to r hervorzuheben: in der


vierten Parabel «V om philosophischen G lauben» kam ich aus inneren,
durch den T e x t gegebenen psychologischen Schlüssen zum Ergebnis,
daß in diesem einen K ap itel der V erfasser seinem Bew ußtseinsstand­
punkt zu erkäm pfen versuche und es ihm auch z. T . durch Z u h ilfe ­
nahm e des H l.-G eist-B egriffes gelungen sei. D ie dortige D arleg u n g der
«operationes» des H l. Geistes stim m t stilistisch und inhaltlich v öllig m it
seinen E rörteru n gen über den H l. G eist in der «E xp ositio in Sym bolum
A postolorum » überein J3 3 ? w o er sogar die in der A u ro ra stets verw en­
dete Schlußform el von A pok. 1 1 , 7 : Q ui habet aures audiendi usw .,
verw endet. W o som it der V erfasser sich relativ bew ußt äußert, schreibt
er tatsächlich im Stil von S t . T h o m a s, wo er hingegen, ins U nbew ußte
entrückt, seine inneren E rfah ru n gen ausspricht, äußert er sich in einer
kom pensatorischen erregten Sprache, die nicht m it S t . T h o m a s’ übli­
chem Stil übereinstim m t. D a w ir wissen, daß er «in raptu m entis» redend
starb, könnte es sich auch bei der A u ro ra m . E . um eine (vielleich t von
anderen später ausgearbeitete) W iedergabe seiner letzten W orte han­
deln. O der ist es in einer früheren ähnlichen Phase seines Lebens «in

(M . G r a b m a n n , Thomas von Aquin, München 1912, p. 14, ders., Die echten Schriften
des Hl. Thomas von Aquin, Beitr. zur Gesch. der Philosophie des Mittelalters 1920,
Vol. 22 und II. Aufl. München 1931 und Münster i. W . 1949), und zwar wurden dort
besonders Schriften naturwissenschaftlichen Inhaltes nicht angeführt. («Die echten
Schriften etc.» 1949, p. 13-14. So z. B. die zweifellos echten Tractate: «De natura mate­
riae» und «De dimensionibus interminatis».)
132. G r a b m a n n betont, daß uns keine eindeutigen stilistischen Kriterien für die
Scheidung echter und unechter Schriften zur Verfügung stehen und daß inhaltliche
Widersprüche gelegentlich im Werk des Heiligen Vorkommen. (Ebda. p. 6 -7 und p. 18,
neue Aufl. 1949 p. 8 ff.) Daß wir keinen Canon für die Schriften von S t . T h o m a s
besitzen, betont auch F. P e l s t e r , Zur Forschung nach den echten Schriften des Hl. Tho­
mas von Aquin. Philol. Jahrbuch X X X V I 1923, p. 365 f.) So sind wir letzlich auf
dokumentarische und psychologische Kriterien angewiesen, wenn wir eine Schrift
St. Thomas zu- oder absprechen wollen. Auch existieren von St. Thomas Nachschriften
und Stenogramme seiner Vorlesungen. (Z. B. das erste Buch des De-Anima-Commen-
tars ist eine Vorlesung, die von Reginald von Piperno notiert wurde. Vgl. S e r t i l -
l a n g e s 1 . c. p. 26.)

133. Sanctorum Patrum Opuscula selecta ed. H u r t e r Oeniponto 1887. Vol. VI,
2. Ausg. bes. p. 227 ff. Über die Echtheit dieser Schrift vgl. M. G r a b m a n n , Die Werke
des H . Th. v. A. etc. 1949, p. 318. Nach B a r t h o l o m a e u s v o n C a p u a gehört dieses
Werk in den «Reportata», gäbe somit eher den mündlichen Vorlesungsstil von St . T h o ­
m a s wieder. Da, wie ich unten zeigen werde, die Aurora auch ein «opus reportatum»

sein könnte, wäre die Übereinstimmung umso einleuchtender.


434 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?

raptu m entis» geschrieben? F alls es sich, wie ich glaube, u m sein letztes
«Sem inar» handelte, könnte es kaum von ihm selber niedergeschrieben
sein; denn dazu w ar er w ohl bereits physisch zu schwach. Schon A n t o i n e
T ouron i34 ( 1 7 3 7 ) m einte, daß von dieser letzten H oh elied in terp reta­
tion au f dem Sterbebett nur ein von anderer H an d au f genom m ener T e x t
erhalten sein könnte d j. Persönlich verm ute ich, daß die «A u ro ra» dieses
letzte Sem inar w iedergibt, und daß gerade deshalb seine kostbarsten
letzten W o rte unerw arteterw eise nicht offiziell erhalten blieben ^6, w ie
m an es sonst unbedingt erw arten m üßte, sondern «apokryph» w eiter­
überliefert w urden, weil in ihnen sich die «andere» unbew ußte Persön ­
lichkeit des H eiligen offenbart hat τπ, w elche ihn schon vorh er zeitweise
in den A bsenzen überw ältigt hatte und nun in der «mystischen H o ch ­
zeit» des Todesm om entes hervortrat. Ich w age allerdings nicht, dies als
gesichertes Resultat vorzubringen, aber die G egebenheiten scheinen m ir
im m erhin bedeutsam genug, um sie dem U rteil meines Lesers zu u n ter­
breiten.
134. La vie de St. Thomas d’Aquin, Paris 1737, p. 686.
135. Auch S e r t i l l a n g e s 1. c. p. 27, spricht davon, daß St. Thomas auf dem Sterbe­
bett einiges diktiert habe.
136. Es mag den Leser immer wieder skeptisch stimmen, daß die Handschriften
der Aurora Consurgens, die bisher gefunden werden konnten, selten und alle relativ s p ä t
datiert sind. Doch muß man sich vor Augen halten, daß es sich hier um ein Dokument
handelt, das vermutlich unter außergewöhnlichen Bedingungen entstanden ist und
einen dem damaligen Zeitgeist und der herrschenden weltlichen und kirchlichen Macht­
konstellation entgegenstehenden Inhalt hatte. Es ist daher bedauerlich, daß dem wissen­
schaftlich Interessierten im Vatikan kein Einblick in das handschriftliche Material
gestattet wird.
137. Einerseits bestehen zuverlässige Nachrichten, daß St. Thomas einen Hohelied-
commentar verfaßt hat. ( G r a b m a n n , Die echten Schriften 1949, p. 2 5 5-256), anderer­
seits scheint nachgewiesen, daß zwei erhaltene Commentare mit den Incipits: «Salomon
inspiratus» und «Sonet vox tua» nicht von St. Thomas stammen. G r a b m a n n sagt
(p. 25 6 ): «Der echte Kommentar des Aquinaten ist uns also unbekannt, und es besteht
wenig Aussicht, denselben feststellen zu können.»
Die Kanonisationsbulle des Heiligen erwähnt diese Episode nicht, obwohl alle
anderen Details des Todesmomentes wiedergegeben werden. (Vgl. «Divus Thomas»
Jahrg. I. 1923. Freib. in Schweiz, p. 210 ff.) Dies ergibt ein gewichtiges Argumentum
e silentio. Auch L. H. P e t i t o t : La mort de St. Thomas d’Aquin (V ie spirituelle X .
1924) betont mit Recht die Eigenartigkeit der Tatsache, daß einerseits die Exposition
des Hohen Liedes als sicheres Factum überliefert ist, und andererseits die kostbaren
letzten Worte des Heiligen nicht erhalten blieben (p. 325). Er erklärt dies dadurch
(p. 331), daß St. Thomas auf dem Bette liegend nur b r e v ite r (nach T o cc o ) und zu
Wenigen gesprochen habe. Wenn, wie ich annehme, diese letzten Worte in einem deli-
riösen Zustand geäußert und mit alchemistischen Sentenzen vermischt waren, wie die
Aurora zeigt, kann man sich über das Schweigen allerdings nicht wundern.
ER G Ä N ZU N G EN ZUM APPARAT
ERG Ä N ZU N G EN ZU M APPARAT

Es wurden folgende Variationen und Auslassungen nicht erwähnt:

1. d i e K a p it e lü b e r s c h r ift e n , welche durchwegs in D fehlen;


2. a l l e A u sla s su n g e n d e r C o d d . b e i d e m s te r e o ty p e n S c h lu ß sa tz d e r P a r a b e ln : Qui habet
aures audiendi etc. Meistens fehlt entweder «doctrinae» oder «disciplinae» oder
beides; im Wiener MS (V ) steht durchwegs: «quid dicat Spiritus filiis doctrinae».
3. E in e Q u e lle is t d u r c h w e g s im D a ls « L ib e r q u in ta e e s s e n tia e » a n g e fü h r t, in den
anderen Ms. unlesbar als σχίο oder aee sexto? secreto? secretorum? Im V als l(pe
und daneben ausgeschrieben als «sexagesimae». Diese Variationen werden sich erst
bei Auffindung der Quelle erklären lassen.
4. M o r ie n u s h e iß t in D u n d V im m e r M o r ig e n e s , in BLRh: Morienes, in DM P:
Morienus.
5. B is w e ile n w u rd e n e in d e u tig e F e h le r , wie absturimus für abstulimus (p. 78, Z. 4,
cod. L) oder igno P (p. 78, Z. 8 ), wenn sie isoliert dastehen, sowie Varianten, wie
aministratio für administratio P (p. 80, Z. 3) n ic h t e r w ä h n t.
6. w u rd e n im A p p a r a t w e g g e la s s e n : d i e g r o ß e n L ü c k e n v o n B . B ist kaum als ein
brauchbares Ms. anzusehen.

Diese Auslassungen sind:


p. 30, Z. 6: me / Z. 12: a iumentis oo Et / p. 32, Z. 3: exigua / Z. 10: operationes
pulchrae et / Z. 11: neque deformes / p. 34, Z. 1: quia scientia oo peribit / Z. 1: ait
enim / Z. 8: Hoc idem vult / Z. 8 -9 : cum dicit / p. 38, Z. 3-7 : vobis enim oo con­
versabitur / Z . 8: et non abscondam. Et namque / Z. 9: a sapientum / Z. 11: neque cum
invidia oo habebo / p. 40, Z. 1: homo, et, illius / p. 42, Z . 3: mittendus est co mandu­
candum / Z. 10: ait / p. 44, Z. 1: De nomine / Z. 4: aureum / Z. 12: summa / Z. 14:
De illa oo est: ut dicit nfi / p. 46, Z. 9: sapientiam hanc / p. 48, Z. 5: ingeniose et con­
stanter: etc. / Z. 12: mei / Z. 13: a facie iniquitatis meae / p. 50, Z. 5: mecum / Z. 9:
quod est valde, non / Z. 9 -1 0 : super omnia oo quae est / Z. 10: tota pulchra oo laeserit /
Z. 12: sapore convalesco / Z. 14: cuius oo exinanitur / p. 52, Z. 1-3: sapiens qui co
aeternum / Z. 5-6: non apponet illi / Z. 7: nivis. Omnibus oo erit / Z. 9: quia oo
comedit / p. 54, Z. 4 -7 : condemnabitur c\d Talis / Z. 7: filius / Z. 8-9 : speciosum oo
mirantur / Z. 11: autem / p. 56, Z. 13: meus a tactu dilecti mei / p. 58, Z. 1-2: mei,
postquam / Z . 3: omnes, et / Z. 4: et sol oo apparuerit / p. 58, Z. 5: sicut o o est / Z. 6:
olim/ Z. 7: ab oriente oo pretiosa / Z. 9: quia / Z. 10: Hodie / Z. 12: amplius / p. 58,
Z. 13 - p. 60, Z. 2: inventa oo integratus / p. 60, Z. 3: ullus dolor: luctus, cetera om. /
Z. 6: philosophi innuunt, cetera om. / Z. 13: meos / p. 62, Z. 6: meis / p. 64, Z. 2-4:
extento oo Syon / Z. 8: est oo Jerusalem / Z. 10: nostrorum / p. 64, Z. 10 - p. 66, Z. 1:
qui scriptus oo intellectus / p. 66, Z. 5: innuunt / Z. 11: et super oo Israel / p. 68, Z. 1:
in veritate / Z. 5: talis oo sunt / Z. 11: sunt oo iudicia / p. 68 - p. 70, Z. 1: attribuitur
ipse oo id / Z. 2-4: qui c\d restauravit / Z. 5: vegetando / Z. 7: sicut oo Nam / Z. 8:
cum / Z. 9: descendit / Z. 11-12: quoniam oo terram / p. 78, Z. 8-9 : Igne co idem /
p. 84, Z. 2-5 : Et oo testatur / p. 86, Z. 4: illum oo mecum / Z. 6: domum hanc / p. 88,
Z. 2: et iuvenescentem / Z. 4: si autem / p. 90, Z. 1: ierit / Z. 2: est / Z. 5: et / Z. 7: de /
Z. 8: ecce oo generationes / Z. 12: et iterum cv> eius. Et / p. 94, Z. 6 -7 : quod oo
nominavit / Z. 7: autem / Z. 13: anima / p. 96, Z. 5: sic / Z. 5: Et / p. 98, Z. 10: et
fovet / Z. 12: autem / p. 100, Z. 5: vestrae / Z. 7: utrum c\s deficiens / Z. 8: O quam oo
438 E R G Ä N Z U N G E N Z U M APPARAT

laborem / Z. 1 1 : scribitur: dicitur / p. 1 0 2 , Z. 1 : et dictis / Z. 2 : et proveniunt / Z. 2 :


Domino / Z. 8 : quam / Z. 14: terra / Z. 15: cum / p. 1 0 6 , Z. 2 : fatuorum / Z. 8 -9 : per
oo mundum / Z. 1 1 : testante / Z. 12-13: non oo saeculi / p. 1 1 0 , Z. 5-6 : Ubi oo victo­
ria, ibi oo gratia / Z. 8 -9 : vivificab. oo advenit / p. 1 1 2 , Z. 1 : Ut / Z. 6 : aeternum est /
Z. 9: Adam / p. 114, Z. 1 1 : vocavi oo nemo / p. 1 1 6 , Z. 3: pulcherrimam veste / Z. 5:
tunc / Z. 7 - 8 : toto oo desid. oo / Z. 9 - 1 0 : quid oo mihi, omnes / p. 118, Z. 1 : et laeti­
tiae / Z. 4: me / Z. 9 - 1 0 : quia audit oo tuus / Z. 13: et agnit. oo spei / p. 1 2 0 , Z. 1 :
et flores oo -tatis / Z. 4 -5 : respiciens oo mei / Z. 7 : aromatizans / Z. 7 : et myrrha
electa / Z. 8 -9 : progrediens oo latet / Z. 1 1 : et laetitiae quia / p. 1 2 2 , Z. 1 : Et abstulit /
Z. 6 : et (faciens) / Z. 15: namque / p. 1 2 2 , Z. 1 6 - p . 124, Z. 1 : et laud. oo saeculum /
Z. 4 -5 : quod siccum oo illud / Z. 6 : tota / Z. 7 : lex oo propheta et / Z. 7: Ego / Z. 8 :
Ego oo eruere / Z. 1 0 : et nemo / Z. 12-14: quae dulcis c\d Esebon / p. 126, Z. 1 : venter
c\3 poculis / Z. 7 : et erunt c\d vineae / Z. 7 : mi / Z. 1 0 : tua / Z. 1 1 : servavi / Z. 1 1 - 1 2 :
et utamur c\d celeriter / p. 126, Z. 1 2 - p . 128, Z. 2 : et nos impleamus oo amore /
p. 128, Z. 4: quia / Z. 9: danda /

7 . A lle in s t e h e n d e u n d u n w ic h tig e A u sla s su n g e n d e r ü b r ig e n M a n u s k r ip te s in d f e r n e r :


p. 30, Z. 1 1 : in viis V, corr. V 2 / p. 3 2 , Z. 1 : «et» Deus L / p. 32, Z. 2 : eam L /
Z. 6 : et sine causa non est L / Z. 7 : illius V / Z. 1 2 : vitae L / p. 34, Z. 2 : eius V / Z. 4:
milia L / Z. 9 - 1 0 : et augmenti P / Z. 1 2 : in D / p. 40, Z. 1 : infinitus omnibus L / p. 42,
Z. 4: sunt L / Z. 5 : hic enim 0 0 scientia V / Z. 5: esset L / Z. 9: cum dormiente loqui­
tur V / Z. 1 1 : ultra L / p. 44, Z. 6 : in P / Z. 7 : in P / Z. 1 1 : et ultimo D / p. 46, Z. 2 : et
V / Z. 3: Intelligite M / Z. 3: parabolam et L / p. 48, Z. 6 : nigra L / p. 50, Z. 3 : me
L / Z. 1 1 : mihi V / p. 52, Z. 1 - 2 : et ipse co laetificat patrem hunc D / Z. 4: meam L /
p. 58, Z. 13: drachma L / p. 6 0 , Z. 3: erit D / p. 62, Z. 3: me L / Z. 6 : meis B / p. 64:
Z. 3: suis L / Z. 8 : est L / p. 6 6 , Z. 1 : et P / Z. 9: et eiecerit M / p. 6 8 , Z. 2 : et (Spir.)
P / Z. 3: est M / p. 70, Z. 5: et (fl.) M / p. 72, Z. 1 : est (in) P / Z. 2 : in aqua P /
Z. 4 -5 : quia ignis 0 0 vitae P / p. 74, Z. 13: unius P / p. 7 6 , Z. 1 : alterius. Et 0 0 frigi­
dum L / Z. 13: Et L / Z. 15: et (in) D / Z. 15: nam D / p. 78, Z. 3: scribitur P / p. 80,
Z. 4: et Rh / Z. 7 : hanc L / Z. 9 - 1 0 : infima 0 0 visceribus, transpos. V / Z. 1 0 - 1 1 : de
quo 0 0 vinctos V / p. 82, Z. 4: et in ipso L / Z. 8 : Et D / Z. 1 1 : et D / p. 84, Z. 3:
dictum est Rh / Z. 4: in L / Z. 1 0 : quam L / p. 8 6 , Z. 1 : hac M / p. 9 0 , Z. 1 : ipsi L /
Z. 1 0 : cum isto cv) Si M / p. 9 2 , Z. 8 : dicitur L / Z. 9: est L / Z. 1 2 : sua P / p. 9 8 , Z. 3:
pro bono Rh / Z. 3: sed bonitas 0 0 pro parvo P / Z. 6 : Et D / Z. 1 0 : et L / Z. 14: ne L /
p. 1 0 0 , Z. 7 : an deficiens L / p. 1 0 2 , Z. 1 2 : est M / Z. 13: etiam D / Z. 15: sit L /
p. 104, Z. 2 : sacro eloquio L / Z. 4: auri V / p. 106, Z. 4: prohiberet 0 0 vult V / Z. 6 :
terrae L / p. 108, Z. 3: producens L / Z. 1 0 : anni M / Z. 14: in D / p. 1 1 0 , Z. 5: ubi
est co victoria L / Z . 1 1 : homo L / p. 114, Z. 4: decoloravit 0 0 operuerunt L / Z. 5 : est
D / Z. 9 : me D / Z. 1 1 : quaesivi L / p. 1 1 6 , Z. 4: mihi L / Z. 9 : et P / Z. 1 0 : mea L /
Z. 1 1 : te L / Z. 1 2 : meam P / Z. 1 2 : et P / p. 118, Z. 1 1 : meus L/Z. 1 1 : locutusV/p. 1 2 0 ,
Z. 8 : valde L / p. 1 2 2 , Z. 8 : et granum ipsorum L / Z . 15: pane L / p. 124, Z. 2 : non
(paveo) M / Z. 2 : meo L / Z. 3: sum M / Z. 4: est L / Z. 5: et illud 0 0 viceversa M /
Z. 13-14: O quam 0 0 Esebon M / p. 1 2 6 , Z. 1 : non M / Z. 2 : nive, nitidiores L / Z . 3:
est L / Z. 3 : atque desiderabile D / Z. 7: eius P / Z. 9 : et D / p. 128, Z. 3: quam D /
Z. 1 0 : homine L /

8 . F ü r d i e B e u r t e ilu n g d e r H a n d s c h r ifte n w ic h t ig e V a r ia n te n , w e lc h e j e d o c h n ic h t fü r
d e n T e x t in F r a g e k a m e n :
p. 30, Z. 5 : illa: prima D / Z. 8 -9 : confundantur D / Z. 9: concupiscite D / Z. 1 0 :
sapientiam B / Domini DL / «et» om. M PVF, corr. V 2 / Z. 1 1 : dixit P / homines:
omnes L / p. 3 2 , Z. 2 : etiam eam: ex causa M / Salomonem M / Z. 3: composuit B /
posuit et omnem pulchritudinem L cetera om. / Z. 4: illi: huic L, illo M / comperavit
M / Z. 5 : existimabitur M / Z. 7: negacione L / Z . 8 : «huius» om. BL / modi M / Z. 9:
dextra D V / Z. 1 0 : «vero» om. BL / Z. 1 0 - 1 1 : pulchra et laudabilis P / Z. 1 0 : difformes
L / Z . 1 1 - 1 2 : moderata L / Z . 13: iis D / illam B / p. 34, Z. 1 : quia: quare M / Z. 3:
E R G Ä N Z U N G E N Z U M APPARAT 439

quod: quia L / viveret homo: unus L / Z. 4: mille L / Z. 7 : cui quantum et quando


vult L / «et» om. BD / Z. 8 : «libro» om. BL / cum: tantum M / Z. 9: terminus: unius
V D / Z. 1 0 : cessit in finitum M / Z. 1 1 : invenit PB / Z. 1 2 : viis: vicis M / ipsam M /
gressos L, egressus B / p. 3 6 , Z. 1 : dicit: docet DL, ait B / autem: enim L, autem L 2,
om. B / Z. 2 : quando: quoniam D / fuerunt D, fuerit M / Z. 3: anima L / sequitur:
servat D / Z. 5 : Sapientia M / Z. 6 : providentiam D / Z. 6 : namque: numquam L, enim
inquam quod M / est: et L / Z. 7 : naturale et subtile M / proficiens P / vigilaverit MD /
Z. 8 : securi: secum D, cum L / illum M, illa D / Z. 9: nec: et BL / iis D / p. 38, Z. 3:
regnetur M / omnes: eius D / qui: quae M / Z. 4: librorum natura est infinita M / estis
infiniti VP, imbuti B / scientiam D, sapientia M / Z. 5: prophetiis DL / Z. 5 - 6 : para­
bolorum MP / Z. 6 : interibit D / exquirat MP / discutit DL / abscondite M / Z. 7: para­
bolorum MP, enigmatum L / conversatur MP / Z. 9: res: vos P / a: ad M PV / Z. 1 0 :
est: et P, est et D, om. L / triplicis M / occulta LV, obcultata M / pone in luce P /
«eius» om. DL / Z. 1 1 : iterum M PV / habeo ML / Z. 13: est MP / «Et» om. MPV / in
mirabiles D. in minerales M / Z. 14: mihi: me D / fixione P, ex fine fixione M / p. 40,
Z. 1 : quam MP / cum homo invenerit DL / Z. 2 : dicit: debet D / laetari velim et D /
Z. 4: didicit B / qui: quoniam L / Z. 5: illud D / Z. 6 : post: praeter L / homo «certis­
sime» habet, add. L / Z. 7: negantibus: refutantibus BL / Z. 1 0 : sanctorum: secretorum
D / Z. 1 2 : ignorant MPL / Z. 1 2 : volunt D / Z. 13: discet imperitus M / «qui est» om.
LD / p. 42, Z. 1 : enim: omnium D / «sapientiae et» scientiae add. B / Z. 2 : causa: eam
V / eis: illis L / Z. 3: neque: nam M / Z. 4: margaritas P / Z. 5: scientiae: sapientiae L /
p. 42, Z. 6 : archanum D / huius: illius L / Z. 7 : intrabit D / huius: illius L / Z. 8 :
carpere D, capere BL / Z. 9: insipientibus: nisi sapientibus L / qui enim: quia qui B /
insipiente: eo B / Z. 1 0 : haberent L, habet V / Z. 1 1 : «ultra» om. L / locutus M / Z. 1 2 :
neque: et B / globulo M / noverci M / moralium B / Z. 13: medias modicis L / augustas
P / deflent P, defloret L / p. 44, Z. 1 : De titulo huius libri cap. quart. Aurora consur­
gens L / Z. 2 : volumine M / baptisatus L / haec M / Z. 5: diem ac noctem D / Z. 5-6:
rubee et citrine MP / Z. 7 : album: rubeum L / in: ut V / Z. 9: laborantes LV / inficien­
tem MPV / Z. 1 0 : ut philosophus ait D, propheta B, in Psalmo PMV / Z. 1 1 : ultimo
«modo» add. L / Z. 1 2 : nostra: vero MP, om. B / Z. 13: eam MP, cum mea V / Z. 14:
offenditur P / Z. 15: eructas P / p. 46, Z. 1 : fatuorum B, «et stultorum» add. L / Z. 3:
librum M PV / clamat V / Z. 4 -5 : interpretationis D / Z. 5 : enim: vero MP / Z. 6 : usi:
visi MP / Z. 7 : super L / globolo luminari M / Z. 8 : autem: igitur D, om. L / autem
«hanc» add. B / intellegit L / Z. 9: intelligemus M / Z. 1 1 : nec non: et B V / videmus
M / Z. 1 2 : manum D / «et» virtus add. P / p. 48, Z. 3: regnans: regnanter D / Z. 4:
«me» om. BL / Z. 5 : et: ac L / Z. 7 : qua P / Z. 8 : magnam: nigram L / Z. 1 0 : putrue­
rant D / Z. 1 1 : inferiorum L / et quia umbra (L: umbrae) mortis et tempestas dimi­
serunt me DL / Z. 1 2 : procedent MP / «Ideo» om. DL / Z. 13: «et» om. DL / p. 50,
Z. 1 : Ergo: ego DL / Z. 3: «meam» om. MP / inferni MP, de Inferno L / Z. 5: offen­
derit V / acquisiverit DL, om. B / Z. 6 : turbavit L / Z. 7: vestimentum quoque L / ami­
serit DL, arserit M / poculum B / Z. 8 : «vitiaverit et» foedaverit add. L / Z. 9: super L /
Z. 1 1 : «et» add. L / «mihi» om. V / Z. 14: cum dormitione P, condormitatione M /
p. 52, Z. 1 : ipsi P / in patre M / in filium: filius BL / Z. 2 : in excelsum P, in excelsis
D / Z. 5 : custodiverint L / Z. 5-6: opponet D / Z. 6 : illi: ei L / ambulaverint L / Z. 9 :
comedet D / p. 54, Z. 1 : illius: illis M / habent M / Z. 3: crediderunt csd bene fuerunt
baptizati D / fuerint M / Z. 3-4: «salvus erit 0 0 sunt haec» om. M / Z. 1 1 : habent L,
audient L / dicit D / p. 5 6 , Z. 4: videntur P / Z. 6 : Particula M / Z. 8 : «et» femina add.
L / Z. 9: fuit / maris: avari M / Z. 1 0 : sagipte M / Z. 1 1 : horreum meum L / Z. 13: «et
postea venter meus a tactu dilecti mei intumuerit» om. LVB / p. 58, Z. 1 : pessulio M /
p. 58, Z. 6 : «olim» om. B, aliquando V / Z. 7 : tria: tanta D / Z. 8 : illo D / Z. 9:
aspexit L / Z. 1 0 : regnatio D, regeneraturus L / feminam intulit M / Z. 1 1 : mors enim:
ores eius M / Z. 1 2 : nec: et B / eam: vos (eos?) L / p. 60, Z. 3: Quia non 0 0 clamor P /
Z. 6 : anima M / Z. 7 : quia corruptio: corruptio autem DL, om. B / Z. 1 0 : parabola:
particula M / Z. 1 1 : et vecte: perfecte M / Z. 14: quocumque P / movit B / p. 6 2 ,
Z. 2 -3 : congregabant PV / Z. 3: terrae M / effundant: efficiant M / «me» om. L / Z. 5:

29 /#«£.* Mysterium III


440 E R G Ä N Z U N G E N Z U M APPARAT

Ideoque DL / Z. 8 : ut: ne D / habitet V / Z. 1 0 : «et praeterit c\d mittendus est qui»


om. LD / iugum: Migrum L J Z. 1 1 : nostrae: meae D / sedabamus P / septem L / p. 64,
Z. 1 : quia elevati L / Z. 2 : ambularunt D/ Z. 3 : «suis» om. L / composita M, incompo­
sito D, in composito L, recomposito V / decalundabit M, et calvabit V, om. L / Z. 4:
«ergo» om. M LVP / «ergo co Sion» om. M / Z . 7 : cooperimus BD, non cooperimus L /
defundimus M / Z. 9: recepit L / Z. 1 0 : impleatur L / quo scriptum P / Z . 1 1 : salva­
bitur «et salvus vocabitur» add. DL / Z. 1 2 : sordum L / p. 6 6 , Z. 1 : tum D / Z . 3: «in
aeternum» om. DL / Z. 4: septem L / annis L / Z. 5 : philosophus insinuat L / Z. 7 :
Parabola: Particula M / Z. 8 : trinario V / Z . 9: eieceritque L / «et eiecerit» om. M /
Z. 1 2 : cognoscunt L / p. 6 7 , Z. 2 : Spiritum sanctum: in spiritum M / Z. 4: aequalitatis
L / Z. 9: est procedens: procedit B / Z. 1 1 : iudicia «eius» add. D / p. 70, Z . 2 : ex:
ab L / Z. 3: «et» peccato add. M / Z. 3-4: deperditum D / Z . 5: flumen L / Z. 6 :
quando: quoniam D / alluit M / Z. 1 0 : imminenti V / ad haec M / Z. 1 1 : haec est
aqua M / Z. 1 2 : spirat M / Z. 13: cum: quando D / Z. 14: portavit L / Z. 3 : in qua
«sibi» consistit add. M PV / autem: vult V / Z. 6 : prius: mihi M / «qui prius» om. L /
«erat» om. DL / Z . 8 : fructum V / Z. 9: praeteribit onus D / Z . 1 0 : «et» om. MP /
ipse: is B, om. L / p. 74, Z. 1 : suis M / munere MP, numeris D / Z. 2 : operandi L,
operandam M / terra L / Z. 3: prophetam M / calcavit P, conculcavit L / Z. 4: opera­
tionem meam P / Z. 1 0 : adusionem M / Z. 1 1 : quo DL / Z. 1 2 : terram L / Z. 13: «et»
in aestu add. M / Et: unde D, om. L / p. 7 6 , Z. 1 : Res est in qua D, rex in qua M /
adusio M / Z. 2 : quae: quo V / et dignior: est indignior et V / virtus V / Z. 3 : id est:
et M / Z. 5 : sancti: seu D, sanctus B / Z. 6 : liquefaciat M / Z. 7: quia: quod D / Z. 9:
haec M / mollificat «id» add. D / et: ac L / Z. 9 - 1 0 : spiritus L / Z. 1 1 : quo canitur:
coquando M / horrendas L, arridas M / purgat P / tenebrosas M / Z. 1 2 : attende P /
sensibus «infunde» add. L / «nocte» om. L / «in» om. LM / Z. 14: omnem M / rubeus
L / p. 78, Z. 1 : propter hoc: propterea D I Et: Unde L / Z. 2 : in Turba Rh L / Z. 4:
dealbuntur L / Et: unde D / Z. 6 : quinto: eruto D / quando: quoniam D / Z. 7: sic D /
Z. 8 : erogenia P / ob hoc: quoniam B / igno P / Z. 1 0 : «et» eduxisti add. V / et: in D /
Z. 1 1 : subtilia B / Z. 1 2 : liquescit P / «et» om. M / Z. 1 2 - p. 80, Z. 1 : «aqua liquescit
oo glorificatam» om. BL / p. 80, Z. 2 : quod: tunc L / postremae operationis operationem
D / Z. 2-3: praecedit: percipit MP / Z. 3: purificabit L / quae a: quo L / Z. 3 -4 : «vel
mundificatio» om. B / rectificatio «nuncupatur» add. L / Z. 4 -5 : «a quibusdam oo nun­
cupatur» om. BD / Z. 5 - 6 : muneris D / Z. 9: quando: quoniam D / Z. 1 0 : propheta
«dicit» add. L / ducit L / Z. 1 1 : victos M / Z. 13: fecit DL / noverit Rh / p. 82, Z. 3:
Nisi: ubi D / ascendit BD / Z. 4: opus: corpus L / Z. 5: quando: quoniam D / qua PD /
Z. 6 : esse: omnes D / Z. 7 : «Unde» et propheta add. D / Z. 8 : nimime minimum L /
levia L / nisi: cum D / Z. 9: nisi: cum D / Z. 9 - 1 0 : detendi D / Z. 1 0 : in non corporea
B / Z. 1 1 : adimplicatur M / quia: quare M / p. 84, Z. 1 : potest facere: facit D / Z. 2 :
ananiam P, naminam M / Z. 3: lava te L / Jordano LD / «et» om. MP / Z. 4: prophetae
L / testatur P / Z. 5: Qui: Quia L, qui L 2 / Z. 6 : quo: quia P / Z. 7: adimpletur L /
destilla D / Z. 9: Particula M / Z. 1 1 : introiverit L / Z. 1 2 : inebriabunt L / Z. 1 3 :
atriis: domo L / p. 8 6 , Z. 1 : eam M / Z. 2 : Nam: ut B / Z. 3: audiverit M / Z. 4: intrabo
L / satiebor L / Z. 6 - 7 : hominum D / Z. 7: quae decet: quam docet B, quam decet VP,
om. D / Z. 1 0 : ut: et D / Z. 1 1 : ac: et D / sitiant B / p. 8 8 , Z. 1 : inveniat L / Z. 3: pro­
cul dolore M / pauci: praerumper D / Z. 4: reservant M / qui: quia: V / ut (parvuli):
ita p. B / sapiunt: sentiunt D, et sapiunt M / Z. 5: Seniorem M / ipsius M / Z. 7: lunae:
lucem D / Z. 8 : «enim» om. MP / habet D / Z. 9: ligaverit et solverit D / fiat L / p. 9 0 ,
Z. 2 : inenarrabiles P / Z. 4: potentiales D / Z. 5: quo RhDL / Z. 7: Alex, «dicit» add.
M / isto: ipso P / Z. 1 2 : quo DL / prophetae V / eris «etc.» add. L / p. 9 2 , Z. 2 : deles
Rh / volutates MP / Z. 3 : qua noiam M, quam veram B, vocavi V / Z. 6 : «Unde» om.
RhL / Z. 7: dicit: ait L / Quidam: quid D / p. 94, Z. 1 : Et: item L / superiorem P /
inferiorem P / Z. 2 : penetrativum M / Z. 3: sufficissem D, suffecisset P / Z. 4: quo D /
Z. 8 : «et» om. MVB / Z. 1 0 - 1 1 : loquitur L / Z. 1 1 : «Et» fides add. L / Z. 14: terram
et aquam M / «scilicet» om. MDV, videlicet L / scilicet aer: puta aer RhL / p. 9 6 , Z. 1 :
confunditur M / Z. 2 - 3 : credit D / Z. 4: beatificat P / Z. 5: consequere M / Z. 6 : eo D /
E R G Ä N Z U N G E N Z U M APPARAT 441

Z. 9 : Aldephonsus BDRh, Adelphonsus L / verus D, vero M / Z. 1 0 : desinit M PV /


Gregorius: allegorico P, allegorice M V / Z. 1 1 : «Et Job» om. M PBD LRh / «Et»
omnia add. MPB / Z. 1 2 : «isto» om. MP / Z. 13: et: etiam D / p. 9 8 , Z. 1 : benignus:
benignitas Μ / Z. 2 : reddat L / Z. 3: parvum: maximum L / Z. 5: scripturae L / Z. 5-6:
habemus D / Z. 7 : necessaria: noia M / Z. 1 0 : quod: quia L / temperantia vero bfi est
temperantia M / et (in ): id est (in) D / conservet P / Z. 1 1 : anima: nam M / Z. 1 2 :
cum: quando D / Z. 14: temperantur M / excedit L / Z. 15: cave L / Z. 1 6 : convertatur
L / cave P / p. 1 0 0 , Z. 1 : supra: per L / Z. 2 : temperanter D / posite M / Z. 3: tre-
decima Rh / seu DRh / qua L / «dicitur» Apostolus add. L / Z. 6 : spirituale D / Z. 7:
proficiens L / Z. 8 : intelligent M / Z. 9: ii D / Z. 1 0 : propter D / Z. 1 1 : quo P / Z. 1 2 :
«factus» om. BM / «oboediens» om. P / p. 1 0 2 , Z. 1 : oboediatis V / Z. 2 : perveniunt V /
Z. 5: regnum P / Z. 9: reserare L / elementa «etc» add. Rh / Z. 1 0 : Particula M / Z. 14:
vero: ubi L / notantur L / Z. 15: aliorum «omnium» add. B / et mater: terre materia
M / Z. 1 6 - 1 7 : «Initio oo id est» om. MB / Z. 17: a terra: cetera P / p. 104, Z. 1 : sepa­
rando L / Z. 2 : sancto D / Z. 4: commiscere D / promanente L / Z. 5: aurum: anima
B / Z. 7 - 8 : ascendet D / p. 1 0 6 , Z. 1 : quae est D / Z. 2 : Et: ut M / Z. 3: ire in aliquo
loco ne D, ne «hoc» add. B / «vel» scriptotenus add. B / ponantur D, proponerent L /
lucidae D / gloriam M / Z. 6 : terrae: rene (? ) P / advenit P / 3 . id est: et D / Z. 8 :
destillaverunt D / Z. 9: ut enarrat gloria D / solum L / Z. 13: stabant M / Z. 14: rigan­
tis P / Z. 15: de fructu: defectu P / p. 108, Z. 1 : virtutes «terrae» add. M / ibi: coeli
L / Z. 2 : germina D / coelorum D / et fructum educens D / Z. 3: et: in P / Z. 4:
inquit B / Z. 5 : artum P / Z. 8 : egrediemur D / Z. 9: serviant L / Z. 1 0 : eius: ipsius B /
septem L / Z. 1 1 : Turba L / Z . 1 2 : sustinet L / Z. 13: quia L / Z. 14: rubeo L / p. 1 1 0 ,
Z. 1 : et: est L, corr. L 2 / Z. 2 : sicca L / Z. 4: fiat L / Z. 6 : ibi: ubi P / dilectum M /
Z. 1 0 : sumpserat V / Z. 1 0 - 1 1 : conceptum D / Z. 1 2 : transivit D, infundavit M, trans­
iverunt L / p. 1 1 2 , Z. 2 : moritur: mortuum D / Z. 3: fuit L / Z. 5: dicet D / Z. 6 : pos­
sidete B / Z. 1 0 : habuerit M / Z. 1 1 : tum D / Z. 1 2 : habemus D / p. 114, Z. 1 : Parti­
cula M / Z. 2 : ad dilectam Rh, ad dilectum L / Z. 7 : fimo P / Z. 9 - 1 0 : in manum suam
D / Z. 1 0 : in: cum M / Z. 1 1 : nemo: non L / p. 116, Z. 1 : Surgam: Qifr L / ergo «ego»
add. L / Z. 3: pulcherrima L / Z. 4: eo M / coelum L / Z. 5: quiescam L / Z. 6 : varie­
tate: veritate L / ergo: quaeso D / Z. 7 : toto: te L / Z. 8 : et M / Z. 1 2 : in regionem V /
purpurata M / p. 118, Z. 3: signo: sum P / Z. 5: faciat M / Z. 7: sponsa: speciosa V /
Z. 8 : tuo: meo L / vel: et D / Z. 9: quiesces D / Z. 1 0 - 1 1 : habitate Jerusalem M / Z. 1 2 :
Ego: et L / floris M / p. 1 2 9 , Z. 2 : abierunt M B / Z. 3: «nocturnos vel» nocturnales
add. L / Z. 4: perspiciens L / Z. 5: vulneratum D / Z. 6 : odorem M / Z. 7 : Ego: et L,
ergo M / Z. 8 : electa: coruscans D / Z. 9: «Et» ego add. L / Z. 1 1 : sponsationis V /
Z. 1 2 : Ego: Et D / p. 1 2 2 , Z. 2 : quae DL / Z. 3: inmissit P / «secunda» om. RhL / «et»
tertia «et» sexta add. D / Z. 8 : seminat P / eorum D / Z. 9: illud: id V / Z. 1 0 : aufert
D, afferat L / Z. 1 1 : quidem: quod L / terra bona L / Z. 1 2 : quia: quare D / filiorum D /
in decem millium D / Z. 13-14: granis et fructibus D / p. 124, Z. 2 : reficio L / Z. 5 :
illud: id D / Z. 7 : sermo: primus V / Z. 8 : occidam quod vivere D / Z. 9 : ipsius: im­
pius P / ipsa P / Z. 1 0 : separabat M / quia: quare P / Z. 1 1 : dilectio nostra: dilecto meo
L / nostra: mea M / sonat L / Z. 14: pisem ei neschebon P / aureae P / p. 1 2 6 , Z. 1 :
poculo V / Z. 2 : tuas M / Z. 3: dilectabile M / Z. 4: Israel B / «et» dicite add. M /
Z. 4 -5 : faciam consorori D / Z. 7: electa D / Z. 1 0 : parrutuerunt D / ori meo: mods
me P / ubera: verba M / Z. 1 1 : poha P, ponam M / ergo: et B / Z. 1 2 : «et» vino add.
D / Z. 13: praeteriat Rh, «praetereat nos flos temporis» cetera om. V / quin: quoniam
L / Z. 15 - p. 128, Z. 1 : relinquimus L / hac D / Z. 1 - 2 : coitu et amore D, amoris M /
Z. 3: duobus: fratres L / Z. 4: secundum: unum L / Z. 6 : dicat: loquitur L / ad filios
L / disponsatione M, dispositione D / desp. ubi dii. ad dii. semen suum V / Z. 7 :
marcescat M, maturescit B / eam D /
AUTOREN­
TE XT-
UND SACHREGISTER

VON

D R . M .-L . von F R A N Z

UN D

D R . M E L A N IE S T A E R K
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

Abaelard 1 6 5 1 2 5 24564, 2 4 6 44, 2 5 1 , 2 5 2 7 . s, 3 0 0 1 2 0


Abu’l Qasim al Iraqi 1 1 , 1 3 6 ”, 3 1 3 ” , 35260, 3 5 6 7 3 , 3 7 5 7 6 , 3788e;
13724, 14136, 1 7 8 176, 2 9 7 1 0 9 37 8 9 3 , 3 8 7 , 3 9 5
Abu Aflah 1 3 6 1 4 Alcides s. Alphidius
Abu’l Hasan ’Ali ibn Abdulla 14 Alcuin 166132, 3 1 3 1 2
d’Achery 2 7 4 32 Alexander (R e x ) 1 38, 3 5 7 7 5
Acta Philippi, Thomae etc. s. Bibel, Alexander v. Lykopolis 3 5 5 7 0
Apokryphen, N . T. Alfarabi 1 8 8 10, 2 1 0 40, 230123
Adamus 37571, 37887 Alfred v. Sareshel 5
Addam et processum sub forma mis­ Algazel 4 1 3 3 2
sae, s. Cibinensis Al-Gazzali s. Algazel
Aeschylos 2 2 8 117 Allegoriae super librum Turbae
Aetius 3 5 7 7 6 18321, 3 81, 384
Agathodaimon 2 0 1 8, 340 Allendy, R. 2 91, 2 92, 32890
Agobardus v. Lyon 3 6 9 4 5 Alphidius 3 1, l l 4 6 , 1 2 , 1 3 , l 3 58, 1359
Agrippa v. Nettesheim 1 6 4 125, 32 8 9 0 19, 3 0 -3 1 , 3 0 8- 3 1 8, 3 2 1 - 3 3 1 , 3 4
Alain de l’Isle s. Alanus - 3 5 , 4 6 -4 7 3 , 52-5310, 7 8 -7 9 , 82
Alanus de Insulis 2 3 1, 1 3 3 4, 1 9 0 , - 8 3 , 8 2 - 8 3 56, 9 0 -9 1 , 9 0 27*,’ 9 2
1 9 6 12 - 9 3 3 0 . 33, 1 0 0 - 1 0 1 6 2 , 1 0 2 - 1 0 3 ,
Albareda, A. Μ. 1 2 54, 244 1 0 2 -1 0 3 72, 1 37, 140, 297109, 3 0 χ’
Albertus Magnus 3 , 6 , 7 , 8 , 8 28, 1 0 , 303, 308, 3 0 8 1 -2 , 3 0 9 , 3 0 9 3 - 4 ’
13, 1470, 18, 2 0 , 2 1 , 2 3 1, 24«, 2 4 7, 3 1 1 ,3 2 0 3 9 ,3 2 8 ,3 3 3 ,3 3 4 1
3 6 -3 7 21, 3 8 - 3 9 4, 6 0 - 6 1 27, 78 Alphonsus 4 , 1 4 , 9 6 - 9 7
- 7 9 39, 7842, 8 0 - 8 1 48, 8 2 - 8 3 ” , Amalrich v. Bena 2 73, 3 5 4 6 », 3 ^
9652, 134, 1348· io, 14034. 35, 4 2 2 84, 4 2 3 , 423*9
! 4 3 42, 43. 44, 1 4 4 47. 48, 1 4 6 , 146 5 5 , Ambix 1891
14762, 155, 157, 1 58, 160, 161, S. Ambrosius 2 1 0 40, 2 1 6 68, 3 2 2 ,
164, 165, I 6 5 t26. 128, 179, 1 7 9 2· 3 , 37267 , 3 9 1 151, 394
2 0 3 » , 2 1 2 5 3 , 2 1 6 7 o, 2 2 2 9 o, 270, Anastasius Sinaita 187, 24669, 25634,
2 7 0 14, 275, 3 2 7 85, 3 30, 3 3 1 103. 10 6 , 2 9 5 1 0 6 , 4 0 4 209

3 9 5 172, 396173, 4083, 412-432 Anaxagoras (P s .-) 176171


Albertus Magnus (Ps-) (s. auch Anselmus Laudunensis 3 25, 3 2 8 92
Scriptum Alberti) 8 28, 1 3 4 8, 14035, Apollo 189
1651 2 6 , 1793,20313, 2 1 6 70, 2 2290.94, Aphrodisias, Alexander 28 3 6 5
2 30122, 2 3727, 2 39, 2 3 9 36, 2 4 0 44, Aptowitzer, V. 2 9 9 n 4
446 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

Apuleius 173, 174, 3 7 1 62 188, 2 3 2 4, 2 33, 23833, 2 7 0 , 2 7 1 ,


Aquarium Sapientum 2 2 , 1 8 0 5, 1 9 9 28, 3376, 3 4 8 « , 36215, 3 7 7 8 5 , 3 5 5 ,
2 3 7 28, 304134, 3 0 7 142, 3 5 4 « , 360« 35570, 4 31
Arca Arcani, s. Grasseus Aureum saeculum redivivum s. Mada-
Archelai (A cta) 371.6° thanus
Areios Didymos 28 3 65>6 8 Aurora consurgens II 15 , 7 4 -7 5 28,
Arislei s. Visio 9 0 - 9 1 24, 94-9536. 38, 1 3 2 1 , 20935,
Aristoteles 5, 3 4 -3 5 , 142, 14447, 2 55 , 323
2 1 3 58, 2 1 6 , 2 8 3 « , 342, 4 1 0 , 4 1 2 27 Averroes 14, 14344, 184 4
Aristoteles (P s .-) 4 , 6 , 7, 19, 3 6 2i, Avicebron s. Gabirol, Salomo ibn
3721, 4 2 - 4 3 5, 8 0 - 8 1 48, 8 2 - 8 3 60, 90 Avicenna 3 1 , 8, 8 27, 9 , 9 3 6 , 1 0 , 1 5 7 6 ,
- 9 1 , 9 0 - 9 1 27, 9 2 - 9 3 34, 94-9536, 2 3 1 , 3 2 -3 3 , 3 2 8, 338, 4 0 -4 1 9 , 58

1 0 0 - 1 0 1 67, 1 0 4 -1 0 5 , 1 0 4 -1 0 5 6, - 5 9 1 1 , 7 6 -7 7 , 76-7731, 80-8153,


1 1 2 -1 1 3 « · 3S, 1 8 0 18, 18810, 2 5 8 42, 8 2 - 8 3 60, 92-9334, 9857, 14344,
33 0 i°2, 338, 3 4 3 « , 3 5 7 74· ” , 3 6 3 2 0 145, 14553, 146, 14655. 5 7 , 1 4 7 ,
Arnaldus da Villanova 2 0 , 2 5 6 3 2 14761, 148, 150, 15490, 1 5 6 -1 5 7 ,
Ars Chemica s. De A rte Chemica 158ioi, 159, 160, I 6 3 1 2 2, 164,
1566 164125, 167, 178176, 20731, 2 3 5 ,
Artefius 1463, 257, 25736 2 95, 4083, 4 1 2 -4 1 3 , 4 1 3 32, 4 1 4 ,
Artis Auriferae etc. I u. II. 1 6 1 0 : 41438

3 1 · 4 , 4, 8 28, 9 32, l l 46· 47, 1 2 5 3 , 1 5 7 2 ,

203, 2113, 3 2 - 3 3 8, 4 2 - 4 3 5· 7, 72
- 7 3 23, 7 4 - 7 5 26, 7 4 - 7 4 28, 7 8 - 7 9 4i , Bacon, Roger 7, 10, 1576, 16, 17, 20,
8 0 - 8 1 46· 48, 82-8355, 9 0 - 9 1 24, 92 4 2 -4 3 3 ,1 4 7 6 2 , 1 6 5 1 « . 166131, 184,
- 9 3 34, 94-9536. 38, 1 0 4 -1 0 5 3 . «, 2 75 , 32 5 , 3 2 573, 382, 42070
1 0 6 -1 0 7 9 , 112-11338, 1 2 8 -1 2 9 73, Baeumker, Cl. 6«, 162116, 4 0 8 3,
1321, 183 2 i , 18912, 21252, 2 1 5 64, 430118

2 2 9 1 1 9 , 2 3 3 6, 25214. ” , 2 5 5 28· 3i, Bardenhewer 3 6 3 20


25632, 32996, 332107, 34017, 3 4 9 52, Bardesanes 3 1 5 22
3 5 774> 75, 36215, 368 4 3, 3 7 0 5 1 , 5 3 , Bartholomaeus v. Capua 4 2 6 , 4 2 7 ,
37575, 3 7 7 « , 381108, 382117, 4 2 9 , 433133
3 8 3 118 , 119 , 384122, 3 8 4 i24· i” , Basileides 2 6 9 8, 2 9 9 u 4, 371, 401
393154, 4 0 9 3 Basilius 322
Ascensio Jesaiae s. Bibel, Apokry­ Basingstoke, John of 1576
phen A. T . Baudouin, Erzbischof v. Canterbury
Asclepius lat. 13, 170152, 171155, 23412, 4 2 389
1 8 7 5, 2 8468, 3 1 5 2 3 , 3 2 0 , 3 3 7 6 , 342, Baur, der s. W alch
3 5 776,401192 Baur L. 166131, 167133
Assiduus s. Alphidius Belinus 384125
S. Augustinus 14344, I 6 l m , I 6 3 H9, S. Bernhard v. Clairvaux 162, 188
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R 447
Bem ard v. Cluny 2 1 0 43, 3 6 9 4 7 195, 2 1 0 -2 1 8 , 2 1 3 59, 3 5 9 ff.,
Bernardus Magnus 2 2 1 3 9 1 ff., 431 ff.
Berthelot Μ . 4 1, 8 28, 13, 1 3 58, 1 3 5!), ----- Hosea 3 0 -3 1
1571, 2 1 , 6 0 - 6 1 21, 6 6 - 6 7 24, 100 ----- Joel 5 6 -5 7 4, 1 1 4 - 1 1 5 1, 2 3 4 1 3
-1 0 1 « , 1361«, 1 3 9 29, 141 36, ----- Jonas 5 6 - 5 7 2, 1 1 4 -1 1 5 3
15 382, l 6 7 i 3 9 - i 40, 1 6 8 142, 1 8 0 5, ----- Jeremias 1 2 4 -1 2 5 51
18321, 1842, 1855, 1 8 9 13· 15, 1 9 0 17, - - Jesaias 4 0 - 4 1 7, 5 6 - 5 7 1, 6 0 - 6 1 9,
2 0 1 6 —8 , 2 0 9 3 5 3«, 2 2 0 83, 2 2 8 116, 6 2 -6 3 5 , 6 4 - 6 5 15· π . 2 0 , 6 6 - 6 7 22,
2 3 0 124, 2 3 2 1, 2 33 5· 7, 2 3 7 2 5 · 28, 6 7 2, 6 8 -6 9 8 , 7 0 - 7 1 13, 80-8152,
248 7 9—82· 84, 2 4 9 88, 2 6 0 4 8 —<9, 84-8563, 8 8 - 8 9 14, 106—1 0 7 11,
2 6 9 8, 2 7 0 11, 2 7 8 48, 28155, 1 1 0 - 1 1 1 27, 1 3 4 9 , 2 2 4 1 0 2 , 2 3 3 ,

28 2 58-60, 28 361—63, 3 0 1 1 2 3, 2 5 0 , 2 63, 303, 3 06, 317, 3 6 0 6 ,


3 0 3 1 2 7 , η ?, 3 1 2 9 , 3 1 5 1 9 - 2 1 , 3 i 8 3 4 ,
373
3 1957, 32039, 326 78, 32997 3 3 0 101, ----- Jesaiae Ascensio s. Apokryphen
3363, 3 4 0 1 6 , 3 4 2 20· 2 2 , 2 3, 3 4 3 2 5 . 2 6 , A .T .
34636, 3 4 9 5 1 , 3 5 1 5 7 , 36215, 36635, ----- Klagelieder 1 1 4 -1 1 5 8, 1 2 6
3 6 7 40· 41, 37677. 7 9 , 384127—128, -12763
3 8 9 1 3 9 , 3 9 0 i 4 o, 3 9 3 1 5 8 - 1 5 9 , 3 9 3 1 6 0 ,
----- Könige 8 4 - 8 5 6 4
3 9 3 1 6 2 , 402198—199
----- Leviticus 8 6 - 8 7 1 2
Bibel ----- Maleachi 4 6 -4 7 « , 5 8 - 5 9 9,
- Altes Testament 238
- - Baruch 5 4 -5 5 23, 2 2 6 , 247, 3 0 6 , ----- Numeri 86-8713
31416 ----- Prediger 6 2 - 6 3 1 2, 1 2 8 -1 2 9 72,
----- Chronik I, 52 —5 3 1 0 1 6 5 1 2 6 , 258, 397

----- Daniel 2 1 2 5 6 , 2 2 3 " . 3 0 6 ----- Psalmen 3 0 -3 1 , 4 0 - 4 1 2, 4 4 - 4 5 ,


----- Deuternom. 5 6 —5 7 3, 1 0 4 -1 0 5 5, 4 4 -4 5 1 . 3, 4, 48-491- 2, 50
1 1 6 -1 1 7 15, 1 2 2 -1 2 3 45, 124 - 5 1 3· 4, 5 2 - 5 3 11 . i’ · 1 6 , 5 4 - 5 5 1 2 ,
- 1 2 5 52, 2 34, 306 5 4 - 5520 . 22 , 5 6 - 5 7 2 , 5 8-598. 1 4,

- - Exodus 8 6 - 8 7 13, 1 2 2 - 1 2 3 4 5 58-591«, 6 0 -6 1 3 , 62-63«· 8· 9,


Ezechiel 6 2 - 6 3 5, 8 0 - 8 1 52, 3 0 6 6 4 -6 5 1 . i», 66-6723, 70-7113. « ,
- - Genesis 5 8 - 5 9 15, 6 2 - 6 3 13, 72 74-7525. 2 9 , 76-7733. 36, 7 8
- 7 3 22, 1 0 4 -1 0 5 4, 2 46, 2 5 8 , 2 8 2 , -7943, 44, 8 0 - 8 150. 5 1 , 82—8 3 54,
283 84-853- 4, 8 6 - 8 7 8, 9, 1 0 , 88
----- Hiob 4 6 - 4 74, 8 4 -8 5 « 2, 9 6 - 9 7 51, 8 9 1 7 , 18, 90-9123. 2 6 , 2 8 , 29, 9 6

104—1054, 331 9 74 5 , 46, 48, 1 0 2 -1 0 3 2, 106


----- Hohelied 4 6 - 4 7 4, 5 0 - 5 19, 54 10711, 12, 14, 1 0 8 -1 0 9 1 ’ · *«· 17,
- 5 5 21, 5 8 - 5 9 9, 1 1 4 -1 1 5 2, 1 1 6 1 0 8 -1 0 9 19’ 2°. 21, 22, H O -11125,
- 1 1 7 “ , 118—11 9 21’ 23* 26. 27, 1 1 0 - 1 1 12«. 27, 1 1 4 - 1 1 54· «· 7. i° ,
1 2 0 -1 2 1 30· 31, 32, 35, 36, 37, 39, 40, I I 6 - I I 7 I4. 1«. 17. 18, H 8 - I I 9 2 5 ,
1 2 4 -1 2 5 53. 61, 1 3 5 1 2 , 1 8 7 , 188, 1 2 2 -1 2 3 48, 124—12549, 128
448 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

- 1 2 9 70, 191, 2 1 8 , 2 2 6 , 2325, 6 2 - 6 3 4, 8 0 - 8 1 52, 9 0 - 9 1 23, n 4


2 3 3 10, 2 4 0 « , 279, 2 9 7 , 336, - 1 1 5 5, 2 44, 4 0 0 , 4 0 0 186
346, 348, 3 65, 372, 3 97, 4 l 6 - - Markus 5 4 - 5 5 19, 8 8 - 8 9 16, 108
----- Sacharja 3 0 -3 1 , 8 8 - 8 9 \ 1 3 6 t 9 - 1 0 9 18, 1 1 6 -1 1 7 13, 3 22, 3 4 8 4«
----- 1 . Samuel 1 2 2 - 1 2 3 « ----- Matthäus 3 0 -3 1 , 4 0 -4 1 « , 4 2
----- Sprüche 3 0 -3 1 , 3 2 -3 3 , 3 4 -3 5 , - 4 3 4, 4 6 -4 7 5 , 5 6 -5 7 5 , 5 8 -5 9 7,
3 6 -3 7 , 4 0 - 4 1 1, 4 6 - 4 7 1· 2, 50 5 8 - 5 9 13· 18, 6 2 - 6 3 10, 6 6 - 6 7 1· 2,
5 1 7 , 5 2 - 5 3 «. «. 5 6 - 5 7 4, 8 6 -8 7 « . « , 8 8 - 8 9 6· “ , 9 2 - 9 3 32,
8 4 - 8 5 1, 9 6 - 9 7 48· 49, 1 0 6 -1 0 7 13, 9 4 - 9 5 39, 9 6 51, 1 2 0 - 1 2 1 55, 1 2 2
1 1 2 -1 1 3 37, 132, 2 08, 311, 3 1 2 , 12344, 1 2 8 -1 2 9 71, 182, 184,
327, 337 2125«, 2 3 5 , 2 5 8 « , 3 11, 3 1 2 9,
----- Weisheit 3 0 - 3 1 3 2 -5 5 , 3 2 -3 3 , 36 3 83, 398
- 3 7 , 3 8 -3 9 , 4 0 - 4 1 3, 6 8 - 6 9 7, 7 6 ----- Offenbarung 4 8 - 4 9 7>8, 5 0 -5 1 « ,
- 7 7 3«, 8 2 -8 3 , 8 2 —8 3 58, 1 1 0 5 2 - 5 3 10, 54—5 5 17> 18· 2«, 5 6
- l l l 25, 1 2 8 -1 2 9 69, 132, 136, - 5 7 24, 6 0 - 6 1 20· 2, 6 4 - 6 5 19, 6 6
1 3 7 25, 1 64, 2 7 0 , 2 7 1 , 3 0 4 132, - 6 7 1, 8 6 - 8 7 7, 8 8 - 8 9 14’ 18, 9 0
392 - 9 1 2 1 . 2 2 , 9 4 - 9 5 , 9 4 - 9 5 37, 114
- Neues Testament —1 1 59, 1 2 2 -1 2 3 44, 1 2 4 - 1 2 5 50,
Kolosser 2 1 2 5 6 1 2 8 -1 2 9 71, 195, 1954, 196, 197,
----- I. Korinther 8 6 - 8 7 9, 8 8 - 8 9 17, 198, 205, 2 0 8 , 2 1 2 , 2 1 2 ’ «, 2 2 1 ,
8 8 - 8 9 19, 9 6 - 9 7 47, 1 1 0 - 1 I I 29, 2 2 3 , 2 5 1 , 2 6 1 , 2 63, 3 1 4 , 315,
H O - l l l 31· 32, 112—1 1 3 33, 314, 3 1 6 , 3 23, 3 2 3 58, 356, 398

320, 372«4 ----- Philipper 1 0 2 -1 0 3 « 9


- - II. Korinther 9 6 - 9 7 52· 5 3 , χοο ----- Römer 5 8 - 5 9 17, 6 8 - 6 9 8, 82
-ΙΟ Ι« 3, 1 1 6 -1 1 7 1 2 - 8 3 5«, 9 6 -9 7 , 9 6 - 9 7 43, 9 8
- - Epheser 1 0 0 - 1 Ol64, 2 1 3 5 9 - 9 9 54. 55, 1 1 0 -1 1 1 30, 1 2 2 -1 2 342,
- - Galater 5 8 - 5 9 10, 1 0 0 - 1 0 1 ««, 1 2 4 -1 2 5 55, 126-127««, 1 3 4 10,
1 0 0 - 1 0 1 «7, 2 4 0 38, 2 7 3 25 1 3 5 13, 1 6 5 12«, 2 0 9 39, 353, 3 5 3 « 5
----- Hebräer 5 2 - 5 3 1, 5 8 - 5 9 11· 12, - Apokryphen und Pseudepigraphen
1 0 0 - 1 0 1 «8, 1 0 8 -1 0 9 23, 140, des A. T.
216, 2 4 0 39>40, 350 ----- Ascensio Jesaiae 371«3
----- Jakobus 6 8 - 6 9 3, 9 8 - 9 9 5 8 , 1341°, ----- Jesus Sirach 3 0 -3 1 , 3 8 -3 9 , 42
16512 6 -4 3 « , 5 0 - 5 P , 6 6 - 6 7 2 1 , 7 0 - 7 1 1«,
----- Johannes 4 4 - 4 5 2, 6 2 - 6 3 10, 72 7 6 - 7 7 32, 1 0 4 -1 0 5 4, 1 1 8 -1 1 9 20,
- 7 3 17, 8 4 - 8 5 2, 8 8 - 8 9 14, 9 4 1 1 8 -1 1 9 28, 1 2 0 - 1 2 1 29, 34, 38,
- 9 5 40, 9 6 - 9 7 44· 48, 1 0 2 -1 0 3 1, 132, 1341°, 185, 2 80, 366, 375
1 2 2 -1 2 343, 1 2 2 -1 2 346’ 48, 124 - - Henoch 2 6 0 , 3 46, 371«3, 3 7 9 9 7
1 2 5 54, 1 6 5 127, 258, 2 6 9 4, 2 8 0 52, ----- Salomons Oden 250
281, 28154, 3 12; 4 0 3 -----Salomonis Testament. 260,
- - Lukas 4 6 -4 7 5 , 4 8 - 4 9 9, 6 0 - 6 1 19, 26052
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R 449

Bibel, Forts. 1 3 9 2 9 , 14 25 9 ,1 7 6 169, 2 0 9 36, 226H0,


- des Neuen Testamentes 2 4 9 88, 307, 3 1 5 23, 320, 3 3 0 i ° 2
----- Acta Cyriaci 253 Buch des Krates, s. Krates
----- Acta Philippi 3 7 1 « Bücher Jeu 172
Acta Thomae 1 7 1 155, 1 7 2 158, 3 5 6 72, Buch über die Erde und den Stein
372« 60-6121
Biblia Mariana s. Ps.-Albertus Budge, E. A. W allis 2 8 5 73
Bilqis 1 3 6 1 5
Blochet, E . 328 8 9, 3 3 4 1
Bochenski 4 1 6 5 Calid 4, 7, 8 - 9 , 9 34, 1 0 , 1 0 3 9, 1 1 « ,
Boehme, Jacob 2 2 , 29 1 , 299, 2 9 9 116, 19, 221, 7 2 _ 7 3 23, 7 4 -7 5 , 7 4 - 7 5 ,
328 7 4 - 7 5 2 6, 7 6 -7 7 , 9 8 -9 9 , 128
Böhmer, F. 2 0 4 16 —1 2 9 73, 2 82 , 2 8 4 « , 2 8 5 , 2 94, 3 6 8 ,
Boll, Fr. 1 9 5 11, 1 9 8 24, 2 6 1 ” , 3 2 7 85, 384123, 3 8 (5, 4 0 5 , 4 0 8 3
4196s
Campout, Henri du 23
S. Bonaventura 1 8 2 16, 421 Carmina Heliodori s. Heliodori
Bonus, Petrus 1 1 , 2 3 1, 3 2 , 33, 3 6 Carini 1 3 5 8
- 3 7 26, 4 2 - 4 3 7, 4 6 - 4 7 3 5 2 - 5 3 10, Celsus l 6 8 t 4 2
6 2 - 6 3 11, 66-67> 7 4 - 7 5 27, 7 8 - 7 9 42, Chenu, M. D. 4 1 0 8· i°, 4 1 8 « , 4 2 1 82,
9 2 - 9 3 33, 1 0 0 - 1 0 1 « · « , 104—1 0 5 3, 42 283, 4 2 392
1 0 8 - 1 0 9 17, 1 1 6 - 1 1 7 14, 1 2 6 - 1 2 7 « , Christianos 2 3 2 , 2 33, 3129, 3 2 0 3 9,
138, 167, 1 8 1 12, 1 9 3 2, 2 2 8 114, 34325
2 3 0 122, 2 5 8 43, 2 70, 3 1 523, 3 3099, Chrysipp 2 8 3 «
3364, 363, 3 9 8 -3 9 9 Chrysologus 2 3 2 4
Bourke, V . J. 4 1 0 5 Chwolsohn, D. 3 9 0 i 4 2
Bousset, W . 1 6 8 142, 1 7 1 1” , 1 7 2 ” 7, Cibinensis, Nie. Melchior 2 0 6 2 6
172158, 159, 161, 2 1 3 59, 2 2 6 107, Clangor Buccinae l l 46, 21i5, 80
24250, 2 4 3 51> 52( 2 4 4 « , 2 4 6 « , - 8 1 46, 306, 384122, 4083
2 4 7 75>77, 251«, 2 54 23, 26051- 5 2 , 5 3 , Clavis maioris sapientiae 1 4 « , 246
26155, 3 1 416, 3 15 2 2 , 35 1 59, Clavis Philosophorum 1 3 5 8
3556 9 - 7 1 , 3 5 6 72, 3 5 776, 3 6 6 3x, Clemens Alexandrinus 1 9 8 24, 2 1 0 44,
3 6 7 3 9, 37052, 3 7 1 6 0 , 63, 3 7 2 6 3 , 35521, 3 5 5
374 6 9 } 379 9 6 , 9 8 —ιοο? 3 8 1 110 Coislin, Duc de 23
3 8 4 126, 4 0 3 2 0 0 , 2 0 1 , 2 0 2 Colonna, Francesco 174
Brandt, W hm . 1 7 2 1 « Compendium S. Thomae (P s.-) 4 0 8 3
Brewer 15 7 4 Compositum de Compositis 2 1
Bruno v. Asti 2 4 6 71 Consilium Coniugii 8 , 1 1 , 1 3 5 8 , 3 0 8 ,
Buch (s. auch Kitäb) 3 1 8, - 3 5 1 4, 4 0 -4 1 9 , 4 2 - 4 3 7, 60
3 4

Buch der Alaune und Salze s. auch 6 12 1 , 72—7 3 20· 23, 7 4 _ 7 5 27, 7 8
Rasis 8, 3 4 1 4, 1 2 4 -1 2 550, 1 3 8 27, - 7 9 42, 8 0 - 8 1 « , 8 2 - 8 3 54- 55 , 9 2
450 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

- 9 3 30, 9 2 - 9 3 33, 1 0 2 -1 0 3 72, 1 0 6 De mirabilibus mundi 18, 1 9 , 1 9 9 2 ,


-1 0 7 9 , 112—1 1 3 34, 1 6 2 115, 2 5 315, 155
30 9 4, 3 9 0 1 4 0 Demokritos (A ich .) 8 0 - 8 1 4 6 , 1 8 0 5,
Corbett 2 3 2 2 0 1 6, 3 2 9 97, 393, 3 9 3 159* 1 6 0

Corpus Hermeticum 1 6 9 152, 1 7 0 152, De Perfecto Magisterio 4 1, 1 1 4 5 , 1 9


1 7 0 155, 1 8 7 5, 2 04, 2 1 0 , 2 4 3 52, De re recta ad Hasen, s. Avicenna
26 1 55, 2 8 368, 2 9 5 106, 307, 3 1 523, ( P s ,)
3 1 5 24, 3 2 0 , 3 3 7 6, 3 4 0 12, 342, De secretis mulierum 18, 1992
35776, 3 9 0 , 4 0 1 , 4 0 3 202 Didache 2 6 6 69
Cyranides 2 9 9 1 1 4 Didymos s. Areios Didymos
Cyriacusakten s. Acta (Apokryphen Die acht Gräber 315
des N . T .) Diels, Η. 3 4 2 2ι , 392152
Cyrill v. Alexandria 3 1 5 1 7 Dieterich, Alb. 2 2 9 11®, 3 7 2 66
Cyrillus, Bischof 3 4 -3 5 , 42-43® Dietrich, Meister 2 9 2 97
Cyrillus v. Jerusalem 2 3 8 , 2 4 5 64, Diogenes Laertius 2 8 3 65, 3 4 2 2i
366 Doelger, F. J. 2 3 8 3i, 2 9 5 106
Döllinger, I. v. 4 2 2 87
Dorn, Gerhard 1 5 2 , 1 6 IH 4 , 1 6 8 ,1 6 9 ,
Dähnert, Ulrich 1348, 1 6 5 126, 2 0 3 13 1 7 7 173,175, 28256, 2 9 8 , 2 9 9 144, 321,
Damianus, Petrus 2 5 3 15, 2 9 5 1 0 5 3 2149, 322, 32464, 335, 3 4 5 33,
Dante 2 2 0 3 4 6 37, 347, 3 64, 3 78, 3 9 3 153, 396,
Darmstaedter, E. 1 0 400
Datin 7 8 - 7 9 41 Dun, Joh. Scotus Erigena 1 3 3 3» 5,
David v. Dinant 2 73, 2 7 8 47, 4 2 2 84, 179, 184, 278, 35468, 364, 3 6 4 2 5,
42 3 , 423®®’ 8 9 423®®
De adhaerendo Deo s. Albertus (P s-) Dionysius Areopagita 1 6 3 121

De Alchemia 3
De Arte Chimica 4 2 - 4 3 7, 1 0 6 -1 0 7 9
De Arte Chemica (1 5 6 6 ) 8 2 3, 11.46, Eckhardt, Meister 1 332, 1 3 5 11, 14344,
1 3 5®, 30-31®, 3 4 - 3 5 14, 4 0 - 4 1 9, 1 6 3 122, 2 1 3 5®, 214, 21461, 2 16,
4 2 - 4 3 7, 6 0 - 6 1 21, 7 2 - 7 3 20> 33, 7 4 32254 , 36011
— 7 5 27, 7 8 - 7 9 42 , 80— 8 1 46, 8 2 -8 3 55, Eisler, Robert 172157
9 2 - 9 3 30’ 33, 1 0 2 -1 0 3 72, 1 0 6 -1 0 7 9, Eliade, Μ . 3 9 7 1®1, 398i®2> i 8 3
1 1 2 -1 1 3 34, 2 5 3 1 5 , 3 0 9 4, 3 7 051 Engelbert v. Straßburg 4 1 9 6 5
Declaratio Lapidis Physici s. Euthice s. Rosinus
Avicenna Ephraem Syrus 139, l 4 l 36, 1 4448,
Degenhardus, Magister 2 1 1 8 7 1, 1 9 0 20, 2 2 2 , 2 2 2 92, 2 2 3 98,
De lapide philosophico 1 3 5® 2 2 5 104, 2 2 6 i°9, 2 3 0 125, 2 3 7 26, 238,
Delatte, L. 2 9 9 1 1 4 2 3 8 35 , 245 , 24 563, 246, 2 5 319,
Delisle, L. 23 2 2 5 6 34, 2 5 7 40, 26258, 59, 60, 61, 62,
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R 451
28468, 2 9 5 106, 3 0 1 1 2 5, 3 0 6^6· 138> Gellius, A. 16, 17, 20, 4 2 3
3128, 314, 3 1 4 14, 3 1 5 22, 3 2 1 48, Genza 3 6 3 18
322, 32470, 3 2 9 , 3 4 5 }i, 3 5 1 58, 356; Georges, C. E. 1678
3 5 6 72, 369, 36946, 3 7 2 67, 373, 376, Gerhard v. Cremona 4 1
380, 394, 3 9 516 9 , no> 4 0 3 ^ Gilbert de Hoy 2 3 4 12
404204—206
Gilson, Etienne 14242, 1 4 5 53, 1 4 6 56,
Epikur 35 7 7 6 14657, 58? !4 7j X4761, 62} 1 4 8 6 7 9
Epiphanius 2 0 7 30 15484, 85, 87, 909 i 6 2 117, 1 6 6 131,
Erigena s. Duns Scotus 1 8 8 10, 3 5 3 65, 4 1 8 64
Eusebius 347 4 2 Gioacchino da Fiori 1 3 6 18’ 22, 195,
Evangelium Aetemum (Introduct. 1 959, 2 0 0 30, 2 25, 2 55, 2 5 6 7i,
in) 273 2 6 7 71, 271, 272, 2 73, 277, 2 7 7 44,
Evangelium Mariae (K o p t.) 3550 9
326, 3 2 6 82, 327, 3 2 7 86, 332, 3 4 4 28,
Evans-Wentz, W . Y . 3 6 5 2 8 349, 352, 353, 35468, 3 6 8 , 386,
Exercitationes in Turbam 255, 3 7 0 49 4 0 4 2io, 405211, 4 2 3 , 4 2 3 91
Experimenta Alberti 18 Glauber 2 9 8 m
Expositio Epistulae Alexandri Regis Goldschmidt, G. 25, 2 0 1 9, 2 0 9 37,
393 2 1 564, 2 8 5 74, 3 2 9 97
Grabmann, Martin 6 16, 1 336, 1 4 6 56,
14762, 3 4 6 40, 4 0 8 , 4 1 0 5» 8, 1 4,
Ferckel, Chr. 5 2 430118, 432126» 1 2 7 , 1 3 1 , 4 3 3 132,
Ferguson, J. 1 2 , 1468 4 3 3 1 33, 4 3 4 1 37
Ficinus, Marsilius 4 2 7 Grässe, T . G. 3 4 - 3 5 i2, 4-2-438
Fierz, Linda 1 7 4 166 Grasseus, Joh. 21, 1 5 3 82, 213
Fihrist 37264 Gratus 2 4 7
Fiori s. Gioacchino Gregor der Große 19, 9 6 -9 7 , 9 6 50,
Flamel, Nicolas 8 0 - 8 1 46 9 7 50, 136, 1 3 6 20, 13723, 1 887,
Flodius l l 4 4 1 9 0 22, 204, 20415, 2 1 0 40, 2 2 0 8i,
Flos florum 2 5 6 32 224101, 242, 2 5 2 9, 25421, 26260,
Flügel 3 8 4 1 2 6 2 6 4 , 295105, 35262, 3 6 0 n , 4 i 5>
Foerster, R. 6 1 6 4 3 0 , 4 3 OH9
Forest, A. 15590, 1 661™ Gregor v. Nyssa 322
Franz, M. L. v. 2 9 7 108, 3 7 4 7 0 Greßmann, H. 2 3 6 18~ 21
Grimm, J. 2 1 5 66
Gundalissinus 15072, I 6 7 1 33, 188i°,
Gabirol, Salomo ibn 1 8 8 10 1933
Galen 2 8 3 6 5
Garlandia, Joh. de 246
Geber 3, 1 0 , 2 0 , 246, 3 4 - 3 5 15, 6 6 Hahn, Chr. 1 6 79, 1 3 6 i8> 2 2 ? 1 9 5 1 0 ^
_ 6 7 24, 9 6 - 9 7 56’ 57? 4083 2 0 0 30, 2 2 5105 , 2 5 5 27, 2 6 771, 2 7 220,
452 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

2 7 2 22, 2 7 3 25· 24· 2 7 ~ 3°, 27431—35, 3 5 9 2, 3 6 0 “ , 3 6 5 2 9, 3 7 1 6 1 , 3 7 2 63,


27537, 2 7 7 44, 32682, 32 78 0 ’ 3 7 5 71, 3 7 8 87, 3 7 9 9 6 , 381U 0, 4 0 7 1
3 3 2 1 0 8 - H 0 , 3 4 4 2 s, 3 4 9 5 4 , 55, 3 5 2 6 3 ,
Hoghelande, Theob. de 1358, 427
3 5 3 64, 354Ö8, 3 6 424 , 3 6 8 44, 386132, 9 0 “ a, 9 2 -9 3 3 0 , 22083
404210, 405211, 41759, 4 2 2 87, 423?i Hohenheim, Theophr. v. s. Paracelsus
Haly 2 9 7 1 0 9 Holmyard, E. J. 9 3 2 , n 4 8 , 1 3 6 1 5 ,
Haneberg, P. 158ΐ°ι, 1 4 6 55· 5 7 , 6 2 1 3 7 24, 178170, 2015, 297109
Hannah, B. 4 0 6 2 i 2 Honorius v. Autun 5 4 22 a, 1 3 3 2 , 1 3 6 1 7
Harmoniae imperscrutabilis . . . De­ 13933, 1 4 4 48, 172103, 1 8 7 , i8 8 7 ,
cades duae 3, 25, 28 1 9 1 24, 20415, 2 1 0 « , 2 1 359, 2 \ 7 η\
Haskins, Ch. 5 1 °, 6 “ , 41014 2 26106, 107, 2 2 8 “ 3, 2 3 6 “ ,’ 2 4 0 42’
Haupt, Η. 2 7 2 22, 42287 2 5 4 22, 26155 , 26258, 6 o, 27744, 2 78,’
Heisterbach, Caesarius v. 2 7 3 26 28257, 306137, 3 1 2 , 3 1 3 , 31517’
Helinandus (v. Froidemont) 3 9 7 17 « 3 2 0 - 3 2 1 , 3341, 3595, 3 6 0 “ , 37050,
Heliodori Carmina 2 0 1 , 2 05, 2 0 9 , 37571, 3 7 6 8 3 , 3 7 7 , 3 7 7 8 7 , 3 7 8 9o,
2 1 5 04, 2 3 3 8, 269, 2 6 9 9· 10, 270, 3 7 9 101, 380105, 3 8 2 “ 5, 3 8 9 , 3 9 Π 4 9 ,
2 7 0 “ , 2 8 3 62, 2 8 5 , 301123, 319, 395109, 3 9 6 “ 0, 397177,404, 4 3 0 1 1 9 ’
3 1 9 3 8 , 3 2 4 6 5 , 3 2 9 9 7 , 3 4 2 2 3 , 3 6 i,
431“ 4
36113, 376, 3 9 3 155’ ιοί Horten, M. 2 3 0 1 2 3
Hennecke, E. 2 5 0 2 Hugo v. St. Victor 54“ , 13 3 4 —7 ,
Herakleitos 1 4 6 60, 342, 392, 2 1 0 « , 225, 2 9 5 1 0 0 , 35468, 405^
392152
406212, 4 3 0 “ 9
Heinrich v. Herford 4 1 2 26 Hurwitz, S. 19019, 2 4 3 54, 3 17 3 0 , 3 1 8
Hermannus de Mynda 188®
Hermes Trismegistus 7 , 8 , 2 4 6, 3 4 -3 5 ,
3 4 - 3 5 14>15, 7 0 - 7 1 “ 7 8 -7 9 , 8 0 -8 1 ,’ Ibn Roschd s. Averroes
9 4 -9 5 , 1 0 4 -1 0 5 , 1 0 4 -1 0 5 6· i, Ibn Sina s. Avicenna
18210, 1 8 9 , 2 0 1 8, 228, 2 5 8 42, 2 6 9 8, Introductorius in Evangelium Aeter­
301, 32889, 3 3 0 1 0 2 , 3 3 6 , 3 3 6 3 ’, num s. Evangelium
341, 34639, 40119 2 S. Irenaeus I 6 l m , 172157, 242,
Hermogenes 3 3 7 6 24 2 50, 24775, 3 5 466, 381H0, 4 0 3 ,
Herrard v. Landsberg 334i 4 O3 2 OO, 202
Hert 2 , Martin 1 6 7 7 Isaak v. Antiochia 3 6 9
Hidayat Husain Shams etc. 1 3 Isidor v. Sevilla 22293
S. Hieronymus 1 3 7 26, 3 6 0 “ Isis (Journal) 1 3 6», 1 3 6 1 , 1 3 6 “,
S. Hilarius 232 1 3 7 24, 1 7 8 “ 0, 297109, 4 1 0 1 4
Hildegard v. Bingen 3 3 4 1 Isis an Horus 1 7 0 i 52, 1 8 9 1 6 , 3 4 0 “ ,
Hirne, Lt. Coi. 1576 34221, 3 5 776, 3 9 4 , 4 0 2
Hippolytos 2 2 9 117, 2 4 3 54, 24776, 7 7 ,
24883, 28470, 2 9 5 1 0 0 , 2 9 9 u 4, 32997^
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R
453
Jacobsohn, H. 3 2 8 87, 40 3 27220, 2 7 5 , 27536. 39, 2 7 5 40, 2 7 6 ,
Jamblichos 2 4 3 54, 3 4 2 21, 3 5 7 7 6 27641, 2 7 9 , 27950, 28052, 28153,
Jebb 1573 28256, 286, 2 8 6 2 6 -7 8 , 2 87,
Jesaia s. Ascensio 28729—81, 288 , 28882—85, 289,
S. Joh. Chrysostomus l 6 l u i 2 8 9 8 6 —9 0 , 2 9 0 9 2 , 2 9 2 , 2 9 3 1 0 °. 101 ,
S. Joan a Cruce 4 3 0 2 9 5 , 295104, 296102, 297108, 29811°,
Joh. Damascenus 3 1 7 29, 3 6 9 4 5 298m , 299, 2 9 9 1 1 4 —117 , 300 ,
Joh. Diaconus 3 1 3 12, 3 9 0 1 4 5 300119, 3 0 2 , 302124, 3 0 3 , 3 0 3 1 2 8 ,
Joh. Dun Scotus s. Dun Scotus 3 0 7 1 4 5 , 3 0 9 5 , 3 1 0 , 3 1 0 6 , 3 i i 7, 3 1 1 ,
Johannes Hispalensis 7 3 1413, 3 1 627-28, 3 i 7, 313 , 31334,
Johannes Lydus 2 4 3 54 32 149, 32 2 57, 32462, 64, 32572, 326 ,
John of Basingstoke s. Basing- 32681, 327, 32 995, 330100, 335’
stoke 3352, 3388, 339, 33910, 11, 34Q17,
Jourdain 616 34118, 34220, 345, 34532,33, 34637,
Jundt, A. 32254 34741. 44, 350, 35 1 58, 354, 35407’
Jung, C. G. 1, 3 2 -3 3 , 328, 33«, 4 8 360, 3608. 9, 12, 36421, 365,
- 4 9 10, 1 3 1 -1 3 2 1, 136, 1 3 9 32, 141, 36526—28, 36634, 370, 37048, 37265,
1 4 1 37, 1 4 2 38· 4», 14345, 145, 145 50, 37420, 37572, 37573, 74, 378, 37891,
1 4 5 52, 1 4 6 , 14660, 150, 15073, 151, 37894, 380104,105, 331, 38H11,112,
15 1 77, 15 2 81, 15 3 82, 15592, 1 5 7 100, 3 8 2 , 382U 6, 3 8 3 , 3 8 3 χ20, 385129’
158, 1 6 0 108, 1 6 1 114, 1 6 3 122> 123, 3 8 9 1 3 8 , 3 9 0 1 4 0 , 3 9 0 1 4 6 , 148 , 393153,
164125,1 6 7 137, 1 6 8 , 1 6 8 I4 3 . 1 4 4 . 1 48, 393155 , 396, 396124, 175, 400|
1 6 9 , 1 6 9 149· 150· 151, 170153, 173164, 400182, 401188, 401190, 41542,
177125, 178125, 1 8 0 5, 181, Ι δ ί 73, 42021. 23
18218, 18320-22> 23, 1857, 1 8 9 11, Junker, H . 32420

19018, 19125, 1934, 19614· 15. 16,


197, 19 7 i 7 —23, 19824, 2001, 2 0 3 w,
205, 20529. 21, 20626. 2 2 . 29, 2073°, Kabbala denudata s. Knorr v. Rosen-
2 0 732 . 34, 2 1 044, 2 1 1 4 5 —12. 51, roth
2 1 2 54, 213, 2 1 3 60, 2 15, 2 1 5 65· 6 6 , Kalid s. Caiid
216, 21669, 217, 2 1 7 72· 24, 2 1 8 , Kallisthenus 2 46
2 1 9 2 2 , 79, 2 2 0 84, 221, 22186. 87, Kautzsch, E , 1 8 4 2, 2 8 4 7 i, 34635

2 2 395, 2 2410°. 1 0 2 , 2 2 7 m , 2 2 8 H4, Kern, O. 1 4 1 3 6 , 2 4 3 }4


233, 2 3 3 5· 9, 2 3622, 2 3724· 28, 2 3 8 , Khalid s. Caiid
2 3 8 2 9, 239, 2 3 9 37, 241, 2 4 3 54, Khunrath, Η . 15382, 1 8 3 23 , 2 9 8 m,
24 562, 24622 , 24725 , 2 4 9 89, 2 5 212, 299114
253, 2 5 3 16, 256, 25635, 257, 2 5 7 37, Kibre, Pearl 2 3 3
2 5 8 44, 2 5 945, 2 6 046, 2 63, 26363, Kitäb Al-Habib 2 8 15 5 , 28258

264, 2 65, 2 6 5 6 5 - 6 2 , 2 6 6 6 8 . 69, Kitab al’ilm al muktasab 2 0 1 5· 6


2 6 7 2 °, 2 6 9 8, 27012. 13, 27119, Kleomedes 3 4 2 2i
454 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

Knorr v. Rosenroth 13723, 1857, Liber Sexagesimae (? ) 15


25210’ u, 25318, 29297, 298113, Liber Sextarius (? ) 15, 21χ3
306140, 32 147, 32571, 34013, 37895 , Liber Sextus (? ) 15
398184
Liber Sextus naturalium s. auch Avi-
Komarios 185, 237, 23728, 260, 283, cenna 158 ff.
330, 3422o, 34636, 35157, 366, 367, Liber de Spiritu et Anima 2 7 5 4o
393, 394 Liber Trinitatis 3
Kore Kosmou 170152,1 8 9 16, 261, 394 Liber trium verborum s. Calid
Krates 20936 Lilium (Lilius) 4 6 -4 73, 1932, 298H,
Krebs, E. 29298 4083
Krönlein, J. H. 2 7 5 35, 42 2 84, 42 388, Lippmann, E. v. 4 1 , 58, 827, 829, 93i,
4 2389 932, l l 48, l l 50, 1408, 1469, 1 3 6 1 4 ]
Kyraniden s. Cyranides 13610, 167139, 18321, 18914, 19928,
19929, 2004, 2019, 26051. 53, 2 6 l55,
2 8 2 58, 2 8 366, 2 8 470, 3 2 9 97? 3 4 2 2 3 ,
Lacinius s. auch Bonus Petrus 395 35774, 3 6 6 , 3 6 7 38, 3 7 205, 3 9 0 1 4 0 ,
Lactanz 3B9137 394145, 4083
Lambsprinck 34952, 397180 Little, A. G. 15, 1570, 244
Lavaud, B. 32254 Locustor 177175
Leisegang, Η. 170155, 171156, 172, Logion Jesu 210
172158, 175167» 1 O8, 228H7, 24248, Lohmeier, E. 37997
24249, 24607, 24774. 76, 77? 2516, Löwenthal, A. 188i°
25423, 26155, 28367. os? 2 8470, Lucilius 1678
32044,45, 3 2 4 70 , 3 2 5 7 0 , 3 3 7 0 , 35157, Lucretius 3 5 7 76
3 7 6 7 8 , 3 7 996) 390145, 3 9 5 1 0 s, Lukian 390145
401189 Lullus, Raymundus 20, 247, 275
Lerbecke, Hermann v. 1888 Lumen luminum s. auch Rasis 4 1 , 5,
Liber aggregationis 17 ff., 19, 1992, 11, 42-437
36-37, 153, 155, 15592, 1 6 O, 1 6 1 , Luther, M. 26
4 1 3 32
Liber Alternationum 66-6724
Liber Alze 1856, 21979 Macrobius 28305? 384126, 390145
Liber de Causis 36320 Madathanus, Henr. 211
Liber divinitatis 66-6724 Maimonides 146
Liber Introductorius 423 Majer, Michael 2 1 7, 3 4 - 3 5 1 3 , 2 9 8 m
Liber Methaurorum 1358 Mandonnet, P. 4 1 2 2 7 4 1 5 4 3 42 2 85,
Liber Platonis Quartorum 64-6514 ,
426105 432131
Liber Quintae Essentiae 4, 74-75, Mangetus, J. J., Bibliotheca Chemica
76-77, 78-79, 94-95 curiosa 4 1 , 823, 24, ΐ()38? ΐ()4ΐ? n 46?
Liber de Septuaginta 15?i, 66-6724 13, 1358, 1 3 0 0 , 1 4 6 2 , 1 6 , 1 6 80, 203,
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R 455

2 1 12’ 14, 2 2 16, 308, 3 1 8, 3 4 - 3 5 13* 1805, 1856, 211, 2 1 9 79, 2 3728,
3 4 - 3 5 15»16, 427, 4 8 - 4 9 10, 7 2 - 7 3 23, 46, 3 0 0 122, 3 0 4 134, 3 0 7 142,
2 6 0

8 0 - 8 148, 8 2 - 8 3 60, 9 0 - 9 1 27*, 92 354^6, 3 6 0 6


- 9 3 30, 9 8 - 9 9 56’ 57, 1 0 0 - 1 0 1 67, Mylius 1 5 3 82, 2 9 8 111

1 0 4 -1 0 5 25, 1 1 2 -1 1 3 38, 1 3827,


22187
Mani 2 4 3 51, 37264 Nemesios 2 8 3 6 5
Mansi 2 7 4 32 Nettesheim s. Agrippa v.
Mapeus, W . 1 6 79 Neumann, E. 1 7 3 165
Marchos (A ich .) 3 1 8 , 3 4 9 4? Ninck, M . 3 7 1 62
Maria die Jüdin (M aria Prophetissa) Norden, Ed. 3 4 9 5 3
7, 1 0 4 -1 0 5 6, 1 3 6 , 2 0 1 , 2 0 1 8, 2 48, Noaker der Stammler 7 0 - 7 1 11,
278, 3 0 3 129, 340, 384*27 16
Markos (Gnostiker) 2 4 2 -2 4 3 , 4 03 - 7 7 34, 8 2 - 8 3 57, 187, 279, 297
Martial 4 0 2 197 Novum Lumen Chemicum 1 3 2 1
Maximus v. Turin 2 2 2 9 3 , 3 4 2 21 Nymwegen, Rudolf v. 1888
Medjmael-Bahrein 3 3 4 1
Meier, Math. 2 3 4 1 2
Menander 3 1 5 2 4 Olympiodor 10 0 - 1 0 1 63 , 15 382, χ89)
Mennens, Joh. de 2 1 , 2 2 8 112, 2 6 8 2, 6, 2 0 9 35, 2 3 3 5, 2 6 0 4 8 2 7 8 48,
2 0 1

271, 2 7 1 18, 2 9 2 97, 3 2 6 8°, 3 4848, 28155, 3 0 3 129, 3 1 520, 3 3 6 3, 3 4 2 23,


3 6 2 14, 3 8 2 114, 3 8 3 121, 384*28, 384127, 389i39
393153 Opusculum authoris ignoti 1 8 9 12,
Merculinus 3 6 2 1 5 3 0 1 123, 34 9 52
Mersad el-ibad 3 3 4 1 Orakel des Apollo 1 4 1 36
Methodius v. Philippi 1 8 7 2, 1 9 4 8 Origines 1 3 5 12, 1 3 7 26, 1 4 5 52,
Meyrink, G. 4083, 4 2 0 70 1 7 2 ! 58, 2 3 7 28, 2 6 2 5 7 , 2 9 5 106, 321,
Michael Scotus 5 , 41 0 345, 352, 359, 3 60, 3 6 0 1*, 3 7 7 8 6,
Milo 3 1 9 3 6 37892, 395> 3 9 5 m
Moerbecke, W hm . v. 6 12, 421 Ostanes 1 3 9 29, 167, 1 8 3 21, 248
Molberg, L. C. 24, 2 4 5 Ostanes an Petesis 3 6 7 38
Mohammed ibn Umail s. Senior
Moret, A. 3 2470, 32 8 8 8
Morienus 4, 5, 9 34, 1 0 , 1 1 , l l 46, 1 2 , Paneth, F. 1 6 5 126

19, 328, 338, 4 2 - 4 3 , 7 8 -7 9 , 78 Paracelsus, Theophrastus v. Hohen­


- 7 9 41, 8 2 -8 3 , 9 6 -9 7 , 9 8 - 9 9 1 0 4 heim 152, 1 6 4 125, 2 5 6 , 3 388, 3 9 6
- 1 0 5 3, 185, 301, 303, 304, 336, Paradisus animae 270
3 4 0 17, 4 0 8 3 Partington, J. R. 1891
Moses (A ich .) 3 3 6 Pauli, W . 14660, 15073, 15592, 1 5 7 1 0 0
Musaeum Hermeticum 2 2 17, 1 3 2 1, Pelagios 2 0 9 36, 4 0 2 199

30 Jung : Mysterium III


456 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

Pelster, F. 5*. 6U~ ” , 1 6 **, 18**, Querfeld, A. H. 5 U,


1348, 14155, 2 0 3 1}, 4 1 1 21, 41 2 25, Questio curiosa de natura solis et
41226, 432*29, 4 3 3 1 3 2 lunae 2 4 6
Petasios 2 3 3 5 (1 6 7 38) Quetif, J. - Echard, J. 4 0 8 3
Peter v. Prussia 4 1 9 6 5 Quispel, G. I 4 l 3 8
Petesis 167
41 χ ΐ 6, π ,
P e t i t o t , L . H . 4 1 0 « . 9. io, n ,
4 1 1 1 9 . 20.21. 23, 4 1 2 24, 4 1 5 46, 4 1 6 4 7 , Rahner, Hugo 1872, 1887, 19 0 2 2 ,

41755, 56, 4 1 8 6 2 , 4 2 0 7 4 , 42390, 1948, 2 05, 2 0 7 30, 21667. 6 8 , 22293,


4 2 4 9 5 . 96, 4 2 5 , 4 2 5 9 7 , 99, 4 2 6 1 ° ° , 2 2 4 1 0 1, 2 3 2 , 2322. 3, 4, 2 3 830, 33,
4 2 8 1 0 7 ,1 0 9 ,4 2 9 111· m , 4 3 0 i 20, 4 3 1 , 24669, 2 5 4 2 2 , 2 5 6 34, 26257, 28257,
4 3 4 13 7 2 9 5 106, 31517, 32149, 32254-55,
Petrus Bonus s. Bonus 34862, 3 5 2 6 2 , 3 5 7 7 6 , 3 6 2 « , 3 7 5 |
Petrus Calo 2 1 1 2 ι, 41 2 26, 4 2 4 9 5 — 96 3 7 8 87, 384126, 3 9 1 m , 394167,
Petrus Hispanus 1 4 6 57, 4 1 0 404209
Philippus v. Tripoli (Salerno) 7 Rases s. Rasis
Philo v. Alexandria 170155, 2 2 9 U7, Rasis 4, 8 , 4 2 - 4 3 7, 6 2 -6 3 H , 6 6 - 6 7 24,
2 2 9 1 20, 246«6, 26051, 3 2 6 , 3 3 7 6 , 8 0 -8 1 , 8 2 -8 3 , 1 2 4 -1 2 5 50, 233,
3 4 0 1 2 , 3 4 2 2 1 , 3 5 7 7 6 , 3 7 1 , 402 i 97 2 5 7 39, 2697, 3 0 1 1 2 3 , 3 0 2 , 305,
Philostrat 3 5 7 76 32996, 382*13
Picinellus 3 1 9 3 5 Raynaldus s. Reginald
Pistis Sophia 172, 2 4 l 6, 2 4 4 6ι, 2 5 1 6, Razi s. Rasis
261 55, 3 2 5 Reginald v. Piperno 4 2 5 , 4 2 7 i° 6 ,4 2 8 ,
Pius X I I. 196, 24564, 3 1 7 2 9 4 2 9 116 , 4 3 3132

Plato 34221, 3 9 0 , 4 0 2 1 9 7 Reitzenstein, R. 1 1 4 8 , 204*9, 2 0 9 3 9,

Plotin 28365 2 2 9 117 . 120 , 2 4 3 52, 24668, 2 5 0 2,


Plutarch 3 5 7 76, 3 8 4 1 2 6 , 3 9 0 , 3 9 οι 4 3 2 5 1 3· 6 , 2 5 4 2 0 , 26050, 26155, 28 361,
Porphyrius 2 1 0 40, 3 9 0 144 2 84, 2 85, 299*17. 1 2 0 , 3 1 5 2 4 , 3 2 4 6 6 j
Practica (A lberti) 1 9 9 2 3 2 7 84, 330*02, 3341, 3 5 5 6 8 a, 69, 3 6 3 ,
Proclus s. Proklos 3 6 3 1 6 —1 8 , 3 6 6 3 4 , 35, 3 7 0 5 2 , 3 7 1 6 2 ,

Preger, W . 1 3 3 3· 4, 27434, 35, 2 7 s 47, 37264, 380105, 39H50, 404207

35468, 36423,42287 Rhabanus, Maurus 220*3, 300*2*,


Preisendanz, K . 402193 306*39, , 386*3i, 389, 389*36
3 8 6

Pretiosa Margarita novella s. Bonus, Rhenanus, Joh. 3, 4 0 8


Petrus Rhine, J. B. 15799
Proklos 228117, 2 4 3 54, 390145 Richard v. St. Laurent 134»
Prümner, D . 4 1 0 5, 4 l l 2 i, 4 l 2 2 6 , Richard v. St. Victor 2 0 2 , 2 1 0 43 ,
41758 29 510 6 , 30 0 12 1, 3 7 7 8 7 ; 397178

Ptolemaeus v. Luca 432*30 Ripley, George 22, 2 2 0 82, 2 2 4 ,


Pythagoras (P s .-) 2 4 3 , 2 4 3 ? 6 307*46, 3 2 4 , 3 4 9 52, 35056, 3 5 7 6 1
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R 457

Robert v. Chester 1 2 5 2 342 24, 34321, 24, 35776, 37161,


Robert de Grosseteste 1 6 6 1 3 1 3 9 0 141, 143, 147} 3 9 4 1 64? 401191, 192?
Roquetaillade s. Rupescissa 4 0 3 202
Rosarium Philosophorum 3, 8 , 2 0 , Scotus s. Duns
2 1 , 2 1 7, 2 2 , 2 6 , 30 8, 3 1 8, 3 2 -3 3 9 Scotus s. Michael
3 2 - 3 3 10, 3 4 - 3 5 » · ” - » , 4 8 - 4 9 » , Scriptum Alberti super arborem Ari­
8 0 - 8 1 48, 8 2 - 8 3 ” , 9 2 - 9 3 30, 9 6 stotelis 2 0 6
- 9 7 ” · ” , 1 0 0 -1 0 1 ” , 1 0 4 -1 0 5 6, Secreta Alberti 19 9 2
H 2 - 1 1 3 38, 1945, 195, 1 9 8 24, Secreta Alchimiae 9, 1 0 , 4 0 8 3
2 9 7 1 0 9 , 2 9 8 111, 3 0 4 13<
>. ” i, 32894, Secreta Alchimiae magnalia 4 0 8 3
3 3 2 107, 3 4 0 ” , 3 6 2 ” , 37051. 5 3 ’ Secreta Secretorum s. Aristoteles
37575, 3 8 1108, 382, 383, 384125, (P s .-)
408 Sellin, E . 1 7 0 ” 5
. Rose, Valentin 6 ” Semita recta 1 9 92

Rosencreutz, Chr. 2 0 6 , 2 6 5
Senior 7, 8 , 9, 13, 1 3 60, 14, 19, 2 2 ,
Rosinus 3 2 - 3 3 8, 7 8 - 7 9 41, 2 1 2 , 2 1 2 52, 3 0 -3 1 , 3 2 , 329, 3 3 9 , 3 2 -3 3 , 3 4 -3 5 ,
2 1 5 64, 229, 2 3 3 7, 2 4 6 « , 2 52, 2 6 9 7, 3 4 - 3 5 ” , 36, 3621. 2 2 , 3721, 2 2 , 4 0
3 2 9 915, 3 4 0 ” , 37786, 3 8 2 ” 7 - 4 1 , 4 0 - 4 1 8. 9, 5 6 -5 7 , 5 6 -5 7 2 5,
Rufinus 13726, 3 6 0 1 1 6 8 - 6 9 6 , 70-7112, 7 2 - 7 3 » , 2X, 7 4
Rulandus 376 - 7 5 , 7 4 - 7 5 27, 7 6 -7 7 , 7 6 - 7 7 37,
Rupescissa, Joh. d. 275 7 8 - 7 9 38, 8 4 -8 5 1 , 8 6 - 8 7 1 2 , 8 8
Ruska, J. 34, 41, 5, 56, 59, 8 2 5ff., 9 , - 8 9 » , 90-9124, 1 0 2 -1 0 3 , 102
1038, 1040, 11, 12, 1252. 55, 56, 136o, - 1 0 3 2 1 , 1 0 4 - 1 0 5 ,1 0 4 —1 0 5 6 . 7, 106
2 0 2, 21, 1 3 6 ” , 1 6 5 ” 6 , ι ’7 6 ΐ 7 ΐ ’ 1 0 7 8> 9, 1 0 8 - 1 0 9 ” , 1 1 2 -1 1 3 , 112
19927, 200, 2 0 0 2· 3, 2 0 1 5 , 1 0 , 2 1 2 5 6 ; - 1 1 3 34, 1 1 6 -1 1 7 14, 122-12342. 47,
2 1 563, 24 3 55. 56, 28 155, 32 0 4o—4 /
13512, 1 3 8 , 1 4 l 36, 153, 15 383, 154,
32996, 381 »9 , 4 0 8 3, 4 l 4 38
161, 162, 176, 180, 182, 183, 187,
1 9 9 27, 2 0 4 , 2 0 4 ” , 2 1 2 , 214, 22291,
2 27, 2 30, 2 37, 2 3 7 2 6, 2 4 3 5 6,
Salomon v. Basra 2 8 5 73 24457-60, 24665, 2 4 8 , 2 4 8 85,
Salvatore, Fr. 34640 2 5 3 ” · ” , 2 5 7 3 9, 2 5 8 42, 269, 2 6 9 3,
Sanchuniathon 347 4 2 26 95. 6 , 279, 28 2 58, 28 363, 28 575,
Sareshel, Alfred v. s. Alfred 2 94, 2 9 7 xo9, 298, 3 0 3 » 7, 307142,
Sarton, George 5 11, 6 14, 1 3 6 0 , 1 0 5 1 2 6 308, 3 1 6 , 3 1 6 2 5 , 3 1 8 , 3 1 8 34, 324,
Scala Philosophorum 8 0 - 8 1 48 3 28, 32891, 3 2 9 9 6 , 3 3 3 , 3 4 o, 3 4 3 2 5 ,
Scott, W . 1 6 9 ” 2 ,1 7 0 ” 5, 1 8 7 5 , 1 8 9 ” , 34427, 3 4 5 2 9 , 3i, 3 4 6 , 34949. 50,
20419, 2 1 0 « , 2 1 256, 2 4 3 5 2 ,’ 53, 54’ 3 5 1 57, 3 5 4 , 3 5 7 7 5 , 3 6 2 , 3 6 2 ” , 370,
26 051, 261 54. 55, 28 365, 6 8 , 2 8 4 6 9 ’ 37053, 380, 3 8 1 » 9 , i” , 384, 384123,
2 9 5 » 6 , 3 0 7 1 44, 31525. 24, 3 2 0 « . 43i 386, 3 8 6 1 33, 3 8 9 ” 9, 390142, 3 9 3 ,
32629, 32997, 3 3 7 6 , 34012, 3 4 2 2 1 ! 393” 7
458 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

Sertillanges, A. D. 1 4 2 41, 4 1 0 8· 10, Stephanos (A ich .) 32997


412«. 27, 4 i6 5 0 ( 4 2 8 107, 4 2 9 116, Steuer, R. 3 7 9 100, 3 0 0 118
4 3 0 117, 4 3 3 132, 4 3 4 135 Stobaeus 2 8 4 « , 3 1 5 23, 3 4 0 12 , 3 4 2 21
Servius 3 4 9 53, 3 9 0 145 3 5 7 « , 4 0 1 192
Shems ed-Din 3 3 4 1
Siewerth, G. 1 4 8 65
Silberer, Η. 2 1 9 8 0
Simon Magnus 171, 175, 2 8 3 , 2 8 4 7°, Tabula Smaragdina 4 1 , 56 , < 5 16 329

320, 337 6, 3 9 5 168 2 0 2, 2 1 3, 7 8 - 7 9 45, 8 O-8 I 49, 9 4


Singer, D. W . 9 ” , ΙΟ40, I V 1, 1 2 ” , - 9 5 36, 1 6 5 126, 19927, 2 58, 28258,
1361, X464 2 85, 336, 3 4 5 2 9
Sirr-al-asrar s. Aristoteles (P s.-) S. Teresa v. Avila 4 3 0
Sixtus v. Siena 4 3 2 , 4 3 2 126 Tertullian 2 8 3 65, 3 3 7 6 , 4 0 3 2 0 2
Sohar, der 2 1 1 , 2 1 1 5 », 3 1 6 28, 3 1 7 , Theatrum Chemicum:
3 1 7 31, 3 1 8 37, 3 2 1 4 7 , 4 3 1 1 2 2 - 1 6 0 4 : 8 0 - 8 1 46, 9 2 - 9 3 5 3
Sophe, Buch des 1 6 8 142, 3 9 3 1<50 - 1 6 1 3 : 2 3 5 15
Speculator 15, 4 2 -4 3 - 1 6 2 2 : 1 3 « , 1785, 2 1 « , 4 2 - 4 3 3,
Speculum Alchimiae 1 6 6 4 - 6 5 14, 1 3 8 28, 2 2 8 112· « 4, 2 6 8 2,
Speculum (Journal) 1 2 , 2 3 3 2 7 1 18, 2 9 2 97, 3 2 6 8 o, 3 4 8 48, 3 6 2 44,
Speculum secretorum Alberti 1 9 9 2 3 8 2 114, 3 8 3 121, 384128, 393153
Speculum s. Thorndike - 1 6 5 9 : 4 1 , S5, 8 24>« , 937> 2 ιβ, 3 2 s,
Speculum naturale s. Vincent de 3 8 - 3 9 4, 4 0 - 4 1 9, 5 8 - 5 9 11, 6 0 - 6 l 2 i,
Beauvais 7 6 - 7 7 31, 8 0 - 8 1 48> 53, 8 2 - 8 3 « , 9 6
Speculum Sapientiae 3 4 -3 5 , 4 2 - 4 3 8 -9752, 9 8 - 9 9 57, 1 1 2 -1 1 3 36, 1 5 3 82,
Splendor Solis 2 2 1 8 2 « , 2 5 7 36, 2 5 8 42, 3 4 3 2 6
Suleiman (Buch des) 1 3 6 1 4 - 1 6 6 0 -1 6 6 1 : 1 3 « , 2 1 11
Summa Perfectionis 10, 9 8 - 9 9 ” Theodor bar Kunai 2 6 0 52, 3 2 4 6 8
Symmachus 3 5 5 6 9 Theodoret v. Kyros 1 8 8 7, 2 24, 2 2 4 101,
Synesios (A lchem .) 3 0 3 127, 32997
31517
393159, 160 ’
Thery, G. 1 3 3 2, 1 3 5 11, 14344, 1 6 3 122,
Schim’on ben Jochai 431
2 1 3 58, 2 1 4 « , 4 2 3 8 8
Schmieder, K . Chr. 4 0 8 3
Thomas v. Aquin 2 , 6 , 6 13, 9 , 25,
Scholem, G. 1 3 6 1 4 6 O- 6 1 2 1 , 944 o; 9 8 - 9 9 5 6 , 5 7 , 1 2 6
Stanghetti 15590
- 1 2 7 67, 1 3 3 6, 139, 1 4 0 34, 142,
Stapleton, E. 13, 1462—1« , 5 6 - 5 7 2 5 1 4 2 « , 44> 14446, 4 7 , 1 4 7 , 1 4 7 6 2 ,
15383, 1 6 1 112, 3 2 4 « , 3 4 6 38
1 4 8 ,1 4 8 « —7i, 149, 1 5 0 ,1 5 4 , 157,
Steele 7 1 9 l e i m , 1 6 2 1 « , 163, 166, I 6 6 1 3 0 ,
Steinbüchel, Th. I 6 3 1 1 8
179, 1794, 18115, 1844, 2 0 4 i7,
Steinschneider, Μ. 4 1, 6 « , l l 4 4 , 1 3 5 3
58, 2 3 4 , 2 49, 2 4 9 90, 277,
2 1 3
6 6 -6 7 24
2981U, 315, 3 3 1 i°5, 337, 3 3 9 9,
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R 459
34325, 345 , 34534, 346, 3 4 6 4», 329, 340, 350, 351, 35157.58, 367>
3 4 7 « , 353” ,4 0 7 - 4 3 4 3 6 8 43, 370, 37157-59, 3 8 I 1 0 9 ,
Thomas a Bononia 4 0 8 3 384125, 3 9 οι4«, 3 9 3 , 4 0 8 3
Thomas v. Chantimpre 5, 4 1 118
Thonensis, Joh. 2 3 1
Thomdike, Lynn 53, 616S-, 1 2 , 1 2 54, Ueberweg-Baumgartner 616
15, 1 6 81- 84, 18, 1 8 87, 18 8 9, 1 9 9 2 , Usener, H. 4 o 4 2 0 7
2 0 , 2 1 6, 23, 2 3 3, 244, 1559° - 9X,
1 6 4 125, 165, 1 6 5 126, 2 7 5 39, 4 1 2 27,
4 1 3 2 8 , 30, 33—35, 41437, 38, 39, 4 1 5 4 1 ,
Vacant-Mangenot I 6 l m
4 19 6 5 —6 8 , 4 2 0 72, 422««, 4 3 2 1 3 0 Valentinelli, J. 2 0 x, 24
Titus v. Bostra 35 5 7 0 Valentinus (G nost.) 2 8 4
Tocco, W ilhelm v. 4 1 0 10, 4 l l 20· 22, Vandier, J. 2 3 4 i 4
4 1 123, 4 1 2 26, 4 1 5 44· 45, 4 1 6 48· « , Vergilius, Maro 174, 3 4 9
4 1 7 5 6 , 5 7 , 58, 4 1 8 , 418«°, 4 2 284,
Victoriner s. Hugo, Richard, etc.
4 2 3 , 4 24, 4 2 5 97- 98, 4 2 6 1 0 ° - i o 4, Viemon 3 2 9, 3 3 9
, 4 2 8 108· 110, 4 2 9 , 4 2 9 113,
4 2 7 10 6 Villanova s. Arnaldus
432128, 4 3 4 1 3 7 Vincent de Beauvais 5 , 8 , 1 0 , 157X,
Touron, Antoine 43 2 127, 4 3 4 4 1 2 27, 421
Tractatus Aureus Hermetis 2 2 8 U5, Visio Arislei 2 4 6, 2 0 7 32
370, 381 V red e,W . 432127
Tractatus Aureus de lap. phil.
3 0 0 122
Tractatus sextus de esse et essentia W aite, A. E. 4 0 8 3
min. 4 0 8 3 W alch, Joh. 3 7 5 74
Trevisanus, Bern 2 2 1 87 Waldkirch, Conr. 4
Trismosin, Salomon 21 W alz, Angelo 410?. 1 0 , n . 1 3 , 4 ΐ 1 χ6,
Turba Philosophorum 5 , 59, 1 3 58, 14, 41118. 2 i, 2 3 , 4 1 2 2 5 , 4 1 5 4 3 , 4 1 8 « ,
19, 216, 2 1 X2, 5 0 - 5 1 8, 5 2 - 5 3 10, 42175—81, 4 2 3 9 4 , 4 2 5 9 9 , 4 2 6 x°1· 1°2,
7 0 -7 1 1 4, 74-7526, 7 8 - 7 9 40, 8 2 -8 3 , , 110, 4 2 9 1 1 3
42 8 10 8

8 2 - 8 3 54· 61, 9 2 -9 3 , 9 2 - 9 3 31, 9 4 W hite, V . 1 4 0 34, 14969· 70, 1794


- 9 5 , 9 4 - 9 5 41· 42, 9 6 - 9 7 59· 60, 9 8 W ilhelm v. Auvergne 1 576, 15487,
- 9 9 59, lOO-lOl” , 1 0 8 -1 0 9 , 108 146, 164, 164125, l 6 6 X32, 1 6 7 X38’
-IO 9 24, 1 1 2 -1 1 3 33, 1 3 6 15, 1 3 8 27, 23412, 252
13929, 176, 1 7 7 175, 1 8 0 3, I 8 II4, W ilhelm v. Conches 1 6 5 X25
2 00, 201, 2 0 6 25, 2 0 9 35· 3<s, 212, W ilhelm v. St. Amour 422
2 1 2 5 6 , 2 1 5 , 2 3 37, 243, 24 355· ” , Wilhelm v. Thierry 2 3 4 X2
248, 2501, 260, 279, 279n , 2 8 1 , W itelo 1621” , 4 2 0 7», 421
28 155, 28 363· 64, 300, 3 0 3 127, 304, Wittekindt, W . 3 5 8 x
304m , 3 1 5 2 3 , 3 1 9 , 3 1 9 4 0 - 4 1, 3 2 0 , W olbero, Abbas 2 1 3 59
460 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R

Wunderlich, Eva 3 7 3 6 8 1 3 ,1 3 9 ,1 4 1 3 6 , 1 5 3 8 2 , 1 6 7 1 4 0 , 1805,


Wüstenfeld, F. 4 1, 6 1<5 201, 2016. 8; 2301^ 2337, 248,
Wyser, P. 4 1 0 5 2 4 9 88, 2 69, 2 6 9 8, 28155, 2 82, 315,
31834, 319, 31932, 326, 329?? 3 4 0 ’
3 42, 343, 3 4 3 2«, 3 4 9 5 1 , 3 6 2 1 5 ’ 3 6 7 ’
Zacharias, P. 4 1 122 372, 376, 384122, 3 8 9 1 3 9 ’ , ’
Zigebanus, Euthymius 3 6 9 4 5 3 9 0 1 4 7 , 393160, 4 02 ’
Zosimos v. Panopolis s. auch Rosinus Zolento, Petrus de 2 4 6
S A C H R E G IS T E R

Abaissement du niveau mental Alchemie 18, 134™, 135, 157, 169,


147 170, 173, 175, 1 8 0 -1 8 2 , 197, 229,
Abendmahl s. Eucharistie 2 7 5 , 2 7 7 , 2 8 7 , 2 9 5 , 365, 367,
Abgrund 1 1 4 -1 1 5 , 247 4 1 3 -4 1 4 , 4 1 9 , 4 3 0
Ablution, s. Waschen - Symbolbildung der 1 , 2 8 6 , 293,
Absenzzustand 42 3 f, 4 3 4 406
Abwaschung s. Waschen - W esen der 19
accidens 204, 213 ----- als Raub der Engel 184 2
Achaab 402 Alchemist 1 , 355
Achamoth 172, 195 Aletheia 172, 2 4 2 , 3 5 5 6 9
Acharantos 402 Allah 2 1 2 5 6
Acht 265, 291 Allegorie 194
Adakas s. Adam Altar 3 9 0
Adam 285, 3 2 8 , 355, 3 7 6 Alte der Tage 223
- erster und zweiter 1 1 0 - 1 1 1 , Aelteste ( 2 4 ) 8 8 -8 9 , 1 0 2 -1 0 3 , 2 1 2 ,
1 1 2 -1 1 3 323 ff.
- zweiter 348, 3 5 2 -3 5 4 , 3 5 6 -3 5 8 , amaritudo s. Bitterkeit
364 Amalrizianer 2 7 4 35
Adamas 16 5 128, 3 1 9 -3 2 0 Amnael 184
Adler 1 0 2 -1 0 3 , 1 9 8 , 2 44, 3 33, 344, Amor und Psyche 173
349 Anazopyresis s. Feuerbeseelung
Adoniskult 2 3 6 Aeneas 174
Aegypten 297, 359 Anima s. auch Seele
Affekte 1 5 6 , 2 1 1 anima s. auch Seele
afflictio animae 185, 191 Anima (im Jungschen Sinn) 2 , 133,
Agathos Daimon 402 134, 137, 1 3 8 , 144, 1 7 3 -1 7 5 , 1 9 0 ,
Agnosia s. auch Unbewußtheit 1 9 2 -1 9 5 , 205, 2 0 9 -2 1 1 , 213,
2 1 0 2 1 9 -2 2 0 , 223, 2 31, 234, 245, 247,
Aker (aeg. G ott) 403 2 49, 2 51, 254, 257, 259, 2 6 5 -2 6 6 ,
Albedo 4 4 -4 5 , 5 4 -5 5 , 5 6 -5 7 , 7 6 -7 9 , 2 8 9 -2 9 0 , 293, 2 98, 3 1 1 -3 1 2 , 331,
1 0 8 -1 0 9 , 1 2 6 -1 2 7 , 186, 1 8 8 -1 8 9 , 333, 3 6 1 , 364, 3 6 8 , 370, 379,
2 1 9 - 2 2 1 , 223, 227, 230, 2 37, 3 8 1 -3 8 2 , 3 8 8 , 4 2 6 , 432
2 5 8 -2 5 9 , 2 8 2 -2 8 3 , 300, 306, - Menschwerdung der 174
3 4 7 -3 4 9 , 359, 375, 377, 392 anima (alch., tingens) 370, 386
Albertus Magnus 412 ff. anima Christi 133
462 S ACHR EGISTE R

anima (scholastisch) 6 , 142 f, 153 Aurea hora 188


- 1 5 4 , 1 5 6 -1 6 0 , 2 51, 355, 363 Aurora 4 4 -4 7 , 1 0 8 -1 0 9 , 1 2 0 - 1 2 1 ,
- anima mundi s. Weltseele 1 2 6 -1 2 7 , 1 8 7 -1 8 8 , 189, 195, 387,
Anthropos 1 1 0 - 1 1 1 , 1 7 3 164, 257, 392
3 1 0 -3 1 1 , 348, 3 50, 353 f., 355, Aussatz 3 0 6
358 auster 4 6 - 4 7 , 1 3 5 -1 3 6 , 1 72, 187
- als Pflanze 1 4 1 3 6 - 1 8 8 , 193, 2 5 6
Antichrist 1 9 7 -1 9 8 , 349, 4 2 3 Averroistenstreit 421
Antinomie Gottes 2 1 6 , 218, 2 2 0
Apfel 37 6 8 3
Aphrodite 2 5 4 23 Babylon 6 4 -6 5 , 6 6 -6 7 , 250, 253 ff.
Apokatastasis 2 45, 3 3 5 Bad 307
aqua doctrinae s. auch W asser 2 6 6 Balsam s. Salbe
äql s. Erkenntnis Barbaren 2 3 2
Arbeit 3 2 -3 3 Barbarossa 4 1 0
Arche 1 0 2 -1 0 3 , 1 7 1 1” , 2 4 6 , 3 3 6 ff. Barbelo 172, 195, 3 5 5 6*
Archetypen 1 3 3 , 144, 150, 152, 157, Bardesanes 172
1 6 0 , 2 0 6 , 2 4 9 91, 175, 179, 2 15, Bauer 402
314, 345, 347, 4 3 0 Baum 3 2 - 3 3 , 5 2 - 5 3 10, 1 2 0 - 1 2 1 , 1 2 6
Archetypus der Dreiheit s. Drei —1 2 7 65’ 6S, 141,14136, 37, 2 19, 246,
Archetypus mundus, s. mundus 2 8 5 73, 3 8 0 - 3 8 1
Arkane 199 - des Lebens 5 0 -5 1
Arkansubstanz 1 6 9 , 246, 3 8 2 Becher s. Krater
Asche 1 0 4 -1 0 5 , 3 3 8 , 3 4 0 -3 4 1 Befreiung innere 389, 3 9 2
Assumptio Mariae 3 6 5 Begehren 1 5 3 -1 5 4 , 157, 1 6 0 -1 6 3 ,
Astrologie 1 9 5 ,4 1 9 2 1 6 , 2 54, 319, 355, 3 9 1 -3 9 2

Aethiopier 4 8 -4 9 , 2 0 6 -2 0 7 , 2 2 1 8?, Beginen 273, 422


253, 265, 2 9 3 -2 9 4 , 4 2 4 Begharden 273, 422
Atman 385 Begrenzung 3 4 -3 5
- Aufgehen im 3 3 5 Belebung 7 0 -7 1
Auferstehung 4 4 - 4 5 4, 5 8 -5 9 , 6 2 - 6 3 , benedictio fontis 2 5 6
1 0 8 -1 1 3 , 1 1 6 -1 1 7 , 1 2 2 -1 2 3 , 185, Berge 7 0 -7 1 , 1 0 6 -1 0 7 11, 2 6 l , 346,
1887, 1 9 1 -1 9 2 , 2 5 7 -2 5 8 , 2 82, 3 8 1 , 387
348, 358, 3 6 2 -3 6 7 , 3 6 8 -3 6 9 , Berissa 375
394 f., 398, 403 Bethlehem 5 8 -5 9 , 2 34, 238
Auferstehungsleib s. corpus glorifi­ Bett 5 0 -5 1 , 1 1 4 -1 1 5 , 1 2 0 - 1 2 1 , 2 1 2 ,
cationis 377
Auflösung 7 6 - 7 7 Bettelorden s. Mendikantenorden
Auge 1 2 0 - 1 2 1 , 3 7 8 -3 7 9 , 382 Bewußtsein 1 5 0 -1 5 1 , 294, 3 8 2 , 4 0 7
Augenwasser 4 0 - 4 1 , 2 0 0 3 0 - 4 0 8 , 425
S ACHR EGISTER 463

Bewußtsein, Forts. Brot 4 2 -4 3 , 1 2 2 -1 2 3 , 4 0 4


- Neuaufbau des - s 347 - des Lebens 385
- Verstärkung des - s 271, 2 8 6 Brüder des freien Geistes 2 74
Bewußtseinsähnlich 146 Bruder-Schwesterpaar 3 4 1 4
Bewußtseinsfeld 148, 177 Brüste 1 2 4 -1 2 7 , 391
Bewußtseinsschwelle 1 1 0 Buchstaben 3 2 6
Bewußtseinsstandpunkt, höherer Bund 5 2 -5 3
266—267 Bundeslade 387
Bewußtwerdung 307, 3 1 0 , 391, 4 03
- der Anima 3 1 2
- Gottes 1 3 3 , 388 Caduceus s. Stab
Beya 2 0 7 32 calculus 330, 3 3 1 1 0 4
Beziehung 396 cambar 8 2 -8 3
Bibel 1 carbo (K oh le) 331
Bibelzitate 2 6 carbunculus s. Karfunkel und carbo
Bild, archetypisches 240 cauda pavonis 299, 347
Bilder, symbolische 24 causae primordiales 1 3 3
Bitterkeit 185, 2 1 3 -2 1 4 Chaldaei 6 4 - 6 5 1 4
Blei 233 Cheiri 3 9 6
Blitz 291 Chrisam 257
Blume 1 2 6 -1 2 7 , 375 f., 3 8 1 W 392 Christus 1 0 0 - 1 0 1 , 133, 139, 145,
-3 9 6 1 9 2 -1 9 3 , 1 9 6 -1 9 8 , 2 1 5 , 2 18, 2 2 4
- des Feldes 1 1 8 -1 1 9 - 2 2 7 , 2 3 9 -2 4 1 , 2 5 0 , 2 5 7 -2 5 8 ,
Blut 5 6 -5 7 , 7 0 -7 1 , 7 2 -7 3 , 8 6 -8 7 , 2 6 4 , 2 6 8 -2 6 9 , 278, 281, 305, 311
1 8 9 -1 9 0 , 2 8 0 -2 8 1 , 28155, 283, - 3 1 2 , 317, 3 1 2 -3 2 2 , 3 2 9 -3 3 0 ,
3 2 2 -3 2 3 , 376 33099, 3 31, 339, 3 48, 350, 355,
Blutbad 2 3 3 -2 3 5 , 2 3 8 , 2 6 1 358, 3 6 1 , 3 6 4 -3 6 5 , 372, 3 7 6 , 380,
Blüten 237, 393 ff. 391, 4 0 3 -4 0 4 , 4 0 6 , 4 2 9 -4 3 1
Bocksblut 8 6 -8 7 , 16 5 128, 3 1 8 -3 1 9 , - innerer 377
3 2 2 -3 2 3 Chymische Hochzeit 265
Bodensatz 244 cibus aeternus s. Speise (ewige)
Böse, das 225, 2 9 2 -2 9 3 circulatio 7 8 -7 9 , 1 1 2 -1 1 3 , 2 1 2 , 301,
Braut 4 8 -4 9 , 1 1 8 -1 1 9 , 1 9 3 -1 9 6 , 3 4 1 -3 4 2 , 3 5 7 -3 5 8
228, 359 ff., 3 6 6 , 3 6 8 , 369, 371 citrinitas 4 4 -4 5 , 186
- 3 7 5 , 377, 378, 380, 3 8 7 -3 8 9 , clavis s. Schlüssel
391, 394, 4 0 3 , 431 coagulum 7 , 1 0 4 -1 0 5
Bräutigam 4 8 -4 9 , 5 6 -5 7 , 1 1 6 -1 1 7 , Coagulation 311
1 9 3 -1 9 4 , 196, 218, 235, 3 59 ff., collyrium s. Augenwasser 183
361, 366, 3 6 8 -3 6 9 , 3 7 2 -3 7 4 , 388 conceptio immaculata s. auch Ohr
- 3 8 9 , 3 9 1 -3 9 2 , 394, 431 365
464 SACHR EGISTE R

concupiscentia s. Begehren Diamant s. Adamas


Conglomerate soul 405 Dido 174
Coniunctio 7 6 -7 7 , 8 8 -8 9 , 8 8 - 8 9 8, Dieb 265
8 9 -1 0 0 , 114 ff., 1 1 6 -1 1 7 14, 124 Diener 2 2 1
- 1 2 5 , 1 2 6 -1 2 9 , 1 9 6 -1 9 7 , 2 1 0 , Dionysos 3 9 2
2 1 2 , 2 1 4 -2 1 5 , 2 2 2 , 2 2 6 , 3 1 4 -3 1 8 , din s. Glaube
324, 3 2 6 , 3 5 5 -3 5 6 , 3 59 f., 3 6 2 Diskrimination 2 3 1 , 303, 308
- 3 6 3 , 366, 367, 369, 3 7 7 -3 8 1 , Dissoziation 2 07, 254, 2 6 5 -2 6 6 , 338
384, 389, 3 9 5 -3 9 8 , 4 0 0 , 4 3 0 -4 3 1 , Dodekas s. Zwölf
434 Dogma 135, 365
Corpus Christi 385, 4 0 4 Dominikaner 3 2 6 -3 2 7 , 3 75, 389,
corpus glorificationis 6 2 - 6 3 , 258, 4 0 8 , 421 f.
270, 330, 348, 361 f., 3 6 4 -3 6 8 Drache 2 0 1 , 205, 3 8 2 , 3 0 1 123
corpus mysticum 2 6 6 6 9 Drachme 5 8 -5 9
Credo s. Glaubensbekenntnis - verlorene 242 f.
Cypresse s. Zypresse Drei 6 6 -6 9 , 1 2 8 -1 2 9 , 2 43, 2 6 6 ff.,
397 ff.
Dreieinigkeit s. Trinität
Daimon 173 Dreiheit 3 8 5 - 3 8 6 , 399
Daimonion 3 3 0 102 Drei-Vier 2 6 5 -2 6 6 , 2 8 7 -2 8 8 , 301,
Daemon des Mittags 6 2 -6 3 , 172, 325
2 5 6 -2 5 7 Dreißig 2 6 6 -2 6 7 , 3 8 3 1 2 1
Daemonen 2 3 2 Duft s. auch Pneuma 5 0 -5 1 , 1 2 0

Dampf 4 4 -4 5 , 8 2 -8 3 , 187, 2 8 3 , 303 - 1 2 1 , 1 2 4 -1 2 5


- 3 0 4 , 304!32, 38 4
Daena (pers.) 355, 363, 391
David 6 6 -6 7 , 1 2 0 - 1 2 1 , 382 Ecclesia 1 3 6 , 1 3 9 30, 187, 1 9 0 , 194,
Declaratio sollemnis 2 1 948, 2 1 6 , 246, 2 6 2 , 2 6 6 6?, 272,
dedoublement 425 2 77, 373, 375, 377, 3 7 8 87, 380,
Deifikation der Materie 283 389, 391, 394, 431
- des Menschen 2 1 9 - 2 2 2 , 274, 281 - spiritualis 2 6 7 71, 272, 2 7 4 , 352,
Dekade s. Zehn 386, 4 0 4 -4 0 5
Demut 9 0 -9 1 Edelsteine 3 2 -3 3 , 9 0 -9 1 , 9 4 - 9 5 ,1 1 6
Denken 147, 164 - 1 1 7 , 2 3 0 123, 316, 328 ff. 3 3 0 -3 3 1
- kreisförmiges 1 6 6 - 1 6 7 Edem 247
- vorbewußtes 148, 289 Ehe 397
Denktypus 41 8 , 4 2 0 Ei 2 7 0 11, 2 48, 315, 3 4 7 4 2
Depression 186, 2 9 3 , 4 2 6 Einbalsamierung 367
Destillation 8 4 -8 5 , 307, 344, 346 Einbruch des Unbewußten 133, 152,
Diadem s. Krone 178, 203, 2 6 5 -2 6 6 , 2 86, 2 93, 432
S A CHR EGISTE R 465

Eines, das Eine 2 1 6 , 2 6 6 , 3 8 6 , 4 0 3 - verfluchte 2 6 2 , 3 6 6


Einheit, multiple 405 Erfahrung, religiöse 275
Einheitserlebnis 3 3 5 Ergriffenheit 4 0 7
Einsicht s. auch intellectus spiritualis Erkenntnis 1 1 8 -1 1 9 , 176 f., 205
182, 259, 2 9 8 , 304 - Gottes 164
- Geist der 6 6 - 6 7 , 2 6 6 Erkenntnistheorie 146, 1 4 8 -1 4 9 , 1 6 6
Einswerdung 244, 264, 2 7 0 11, 278, Erleuchtung 76, 77, 147, 1 8 7 1, 1 8 7 5,
3 6 5 -3 6 6 , 3 8 6 -3 8 7 , 392, 405 194, 2 9 8 , 367, 373
Ekpyrosis 2 0 9 3 5 Erlöser 6 2 -6 3 , 215, 241, 2 58, 259
Ekstase 14657, 1 5 6 - 1 5 7 , 1 8 8 10, 4 0 7 , Erlösung 5 8 -5 9 , 259, 3 6 0
4 1 8 , 4 2 3 -4 2 4 , 4 3 2 -4 3 3 - Gottes 2 29, 263
Elemente, vier 3 -4 , 7 8 -7 9 , 9 4 -9 5 , Ernährung s. nutritio
1 0 2 -1 0 7 , 1 1 2 -1 1 3 , 1 7 6 -1 7 7 , 269, Eros 173, 2 9 8 - 3 0 0 , 381, 383
285, 301, 315, 340, 3 4 2 -3 4 3 , 357 Erneuerung 1 0 0 - 1 0 1 , 2 1 5 , 2 4 8 -2 4 9 ,
- 3 5 8 , 364 307
Elixier 3 5 15 Erz 6 8 - 6 9 6, 2 0 1 , 2 3 2 , 2 5 0 -2 5 2 , 269,
Embryo 7 2 -7 3 , 255, 2 8 2 -2 8 3 319
Emotion s. auch Affekte 1 5 6 , 2 9 8 , Esel 15 ff., 4 2 -4 3
382, 395 esse in actu (und in potentia) 142
Empyraeum 315 - 1 4 3 , 153, 1 5 5 -1 5 6 , 1 6 1
Enantiodromie 205, 302, 3 8 6 Essig 9 2 -9 3 , 9 8 -9 9 , 248, 329, 3 6 8
Endzeit 193 Eucharistie 7 2 -7 3 , 8 6 -8 7 , 314, 355
Engel 1842, 2 1 2 , 411 356, 4 2 9
- abgefallene 2 6 0 - 2 6 1 Euphrat 6 4 - 6 5 1 4
Engelssturz 2 4 2 -2 4 4 Eva 2 4 5 -2 4 6 , 2 49, 2 59, 376
Energie 1 4 5 -1 4 6 , 1 6 2 exinanitio 2 1 6
Ennoia 1 7 1 -1 7 2 , 17 2 137, 1 7 4 extraneae res 2 2 0
Epilepsie 307
Episemon s. Sechs
Erbsünde 305 Farben 3 0 3 127, 347, 3 7 0 -3 7 1 , 402
Erde 1 0 2 -1 0 3 , 1 0 6 -1 0 9 , 1 1 4 -1 1 5 , Farbenspiel 1 1 , 2 9 8 -2 9 9
1 7 6 -1 7 7 , 190, 200, 207, 2 2 8 -2 2 9 , Faszination 1 6 2
287, 290, 2 9 3 -2 9 4 , 296, 3 3 6 -3 3 7 , Faulheit 5 2 -5 3
339, 3 4 0 -3 4 5 , 3 4 9 -3 5 1 , 358, 370, Fäulnis s. putrefactio
3 8 3 -3 8 5 , 387, 392, 394, 4 0 4 Faust (Goethes) 405
- drei Arten von 1 2 2 - 1 2 3 Feind 5 2 -5 3
- dürstende 2 2 2 - 2 2 3 , 2 6 2 Felsen 8 4 -8 7 , 1 0 2 -1 0 3 , 3 1 8 -3 2 0 ,
- glorifizierte 7 3 2 1 -3 2 3 , 3 3 5 -3 3 6 , 351, 387
- als logos 1 0 8 -1 0 9 fenestra s. Fenster
- schwarze 4 8 - 4 9 Fenster 1 2 0 - 1 2 1 , 378, 387
466 S ACHR EGISTER

Fessel 6 0 - 6 1 Franziskaner 2 73, 275, 4 0 8 , 421 ff.


Fett s. pinguedo fratres spirituales 273
Fettiger Dampf 3 84 Frau 7 6 -7 7 , 2 9 4 , 3 6 2
Feuchtigkeit 6 0 - 6 1 , 8 4 -8 5 , 2 4 8 -2 4 9 , Friedrich II. 411 ff.
2 4 9 88, 255, 257 Frühling 349
Feuer 34, 35, 7 6 -7 9 , 8 0 -8 1 , 1 0 0 Funken s. auch Lichtteile 2 5 6
- 1 0 1 , 1 0 4 -1 0 7 , 142, 1 4 4 -1 4 5 , Funktionen, vier 2 8 6 ff., 2 9 0 , 3 0 9
15072, 209, 2 0 9 35, 2 1 2 , 2 5 7 , 281 - 3 1 1 , 343
- 2 8 3 , 291, 2 9 4 - inferiore 287, 290
Feuerbeseelung 281 ff., 3 6 6 Funktionstypen 4 1 6
Feuerkraft 7 6 -7 7 , 7 8 -7 9 Furcht Gottes 2 2 0
- Gottes 3 2 0
- der Liebe 1 3 6
Feuerstein 144 Gabricus 2 0 7 32
Feuertaufe 7 2 -7 3 Ganzheit 1 9 7 , 2 1 7 -2 1 8 , 2 2 0 - 2 2 1 ,
Filius Macrocosmi 263, 339 2 6 6 , 2 8 6 -2 8 7 , 310 ff., 313, 343,
Filius philosophorum 134, 1 9 8 , 223 365
- 2 2 6 , 2 4 0 -2 4 1 , 244, 2 5 8 , 2 6 8 , - multiple 328
297, 305, 329, 3 36, 348, 353, 358, - vorbewußte 2 6 5
372 Ganzwerdung 2 4 1 , 2 4 4 , 338
Finsternis 1 0 8 -1 0 9 , 1 1 4 -1 1 5 , 1 2 6 Garten 317, 393
- 1 2 7 66, 187, 1 9 0 20» 1 9 1 24, 2 0 1 , Gatte 2 6 5
203, 2 0 3 13, 2 04, 2 0 6 , 3 6 1 , 367, Geburt 297
377, 387 - neue 2 3 4 -2 3 5 , 2 3 8 -2 3 9
Finsternisse des Geistes 7 6 -7 9 , 297 Geduld 9, 9 8 -9 9
Fischaugen 152 * Gefangenschaft 6 2 -6 3 , 6 6 -6 7 , 80
Fixatio 2 6 0 , 309, 311, 313, 335, 343 - 8 1 , 2 5 0 -2 5 1 , 2 5 3 -2 5 4 , 2 5 8 -2 5 9 ,
352, 391 260
Fließen des Geistes 1 6 0 - 1 6 1 , 2 1 6 Gefäß 9 8 - 9 9 59, 2 1 2 , 378, 3 89 ff.
Flügel 1 1 6 -1 1 7 , 198, 362, 3 6 2 13, Geflügelter 285
364 Gefühl 2 9 8 -2 9 9 , 395, 425 ff.
Fluß 254 Gegensätze 7 6 -7 9 , 8 2 -8 3 , 9 8 -9 9 ,
Flüssigkeit, blaue 364 1 2 4 -1 2 5 , 1 8 9 12, 198, 2 0 2 , 2 25,
Fluten 5 6 - 5 7 , 2 0 4 , 228, 2 3 1 - 2 3 2 , 228, 241, 2 4 9 , 2 94, 2 9 6 , 2 9 9 , 3 0 2 ,
237 305, 3 1 2 , 333
Freundschaft 9 6 -9 7 - jenseits der 3 5 7 -3 5 8
Form (thomist.-aristot.) 143, 1 5 0 72, - Vereinigung der 2 9 2 -2 9 3 , 3 1 6
1 5 8 -1 5 9 , 2 4 9 90 - 3 1 7 , 3 3 3 -3 4 1 , 365, 377, 386,
Foetus s. Embryo 395, 399, 4 32
Franziska v. Aquino 4 2 9 Gegensatzproblem 425 ff.
S ACHR EGISTER 467

Gehege 3 2 0 Gewebe 2 1 0
Geheimnis 4 0 - 4 3 ,1 0 6 - 1 0 7 ,1 2 8 - 1 2 9 Gewicht 6 8 -6 9 , 2 7 0 -2 7 1
Gehorsam 1 0 0 - 1 0 1 G ift 248
Geist s. auch Nous 6 8 -6 9 , 1 0 0 - 1 0 1 , Giganten 233
1 6 0 - 1 6 1 , 2 6 9 Glaube 5 4 -5 5 , 6 6 -6 7 , 9 4 -9 5 , 176,
- Befreiung des 1 6 1 , 1 6 1 1 1 4 226
- der Einsicht s. Einsicht Glaubensbekenntnis 6 8 —69, 84—8 5 65,
- als Feuer 294 ff., 433
2 6 8

- als Heiliger 6 8 -7 1 , 7 6 -7 8 , 80 Gleichmaß 9 8 -9 9 , 257, 2 9 4 -2 9 6 ,


- 8 1 47, 1 3 6 , 145, 171, 195, 2 0 0 , 331 f.
2 5 5 -2 5 6 , 274 ff., 2 78 ff., 2 88, 300, Gleichnis 3 8 -3 9 , 242
302, 304, 3 2 8 , 330, 3 6 1 , 379, 397 Glorifikation s. Verklärung
- 3 9 9 , 405, 4 1 4 -4 1 5 , 433 Gnosis 1 3 8 , 141, 1 4 1 3 «, 1 7 0 ff., 174,
----- Bewegungen des 271 ff., 4 2 2 ff. 175, 2 05, 217, 283 ff., 3 5 5 69, 379,
----- als Feuer 2 9 4 -2 9 5 381, 4 0 1 , 403
----- feminin 281 ff. Gold 3 2 -3 3 , 5 4 -5 5 2 3, 1 0 4 -1 0 5 , 2 2 6
- Mercurius 330 - 2 2 7 , 253, 319, 340, 3 6 6 , 375,
- schwarzer 2 0 2 377, 3 8 1 109, 3 8 4 ,4 1 9
- im Stoff 275 Goldene Stunde 4 4 -4 5
- der Weisheit 4 2 -4 3 Golderde 1 2 2 -1 2 3 , 3 8 3 -3 8 4
Geister 5 4 -5 5 , 230, 2 6 0 , 3 9 3 -3 9 4 , Goliath 1 2 0 -1 2 3 , 3 8 2
396 Gott als Braut 3 8 7 -3 8 8 , 391
- Klärung der 3 4 -3 5 Gottheit im Stoff 263, 360, 365, 387
Geisteskrankheit s. Wahnsinn Gottesbild 145, 152, 177, 217, 2 2 3
Geisthauch s. auch Pneuma 7 0 -7 1 , 2 24, 2 29, 234, 3 1 2 f., 314, 317,
7 6 -7 7 , 8 0 -8 3 333, 3 7 3 -3 7 4 , 387 ff., 391, 405
- roter 371 Gottesfreunde am Rhein 273
Gelb s. citrinitas Gottesfurcht s. Furcht
Gerechtigkeit 1 1 8 -1 1 9 Gottesstadt s. Jerusalem himml.
- Rock der 373 Gottmensch 2 1 8 -2 1 9
Gerinnungsmittel s. coagulum Grab 1 1 6 -1 1 7 , 2 1 0 , 2 3 7 28, 3 6 1 , 3 6 5

Gerüche 7 8 -7 9 , 187 366, 368, 371


- üble 4 4 - 4 5 Grabstein 3 6 6
Geschlechtsregister Jesu 3 2 7 Gradus 317, 3 2 4 -3 2 5 , 378
Gesetz 5 2 -5 3 Gras 387
Gesundheit 3 2 -3 3 , 9 0 -9 1 , 9 8 -9 9 Greis 215
Getreidefeld 2 6 6 Groschen s. Drachme
Gewand 4 8 -5 3 , 1 1 6 -1 1 9 , 1 2 6 -1 2 7 , Grünen 394 ff.
2 0 9 -2 1 0 , 2 1 0 40’ 4 3,. 2 1 1 , 368, Güte 9 8 - 9 9
3 7 1 -3 7 2 , 37 2 64, 373 Gute, das 163
SA CH R EG IS TE R
468

Haar 378 Honig 6 0 -6 1 , 1 0 6 -1 0 7 , 1 2 2 -1 2 3 ,


Hadesfahrt 3 6 6 2 5 5 -2 5 6
Häresien 272, 3 77, 389, 4 1 7 , Horizont der Ewigkeit 3 6 3
422 f. Hostie 385
H arfe 6 4 -6 5 Hundert 5 8 -5 9 , 3 8 6
Hast 1 0 Hure 5 0 -5 1 , 164123, 171, 174
Haus 13, 1 0 2 -1 0 3 , 2 1 2 , 3 0 8 f., 311 Hütten, drei 1 2 8 -1 2 9 , 397 ff., 4 00
- 3 1 2 , 3 2 0 - 3 2 1 , 343 Hydrargyros anatolike 189
- der Weisheit 8 4 -8 5 , 9 0 -9 1 Hydrophobie 307
Heiden 207 Hypomanisch 1 3 2
Heidnische Phantasien 232, 239, 253 Hyle, s. Materie
Heiligkeit 9 0 -9 1 , 1 1 8 -1 1 9 Hypostase 1 3 2 , 1 7 1 155, 271, 2 8 8
Heilmittel 4 0 -4 1
Heilsbedeutung 182
Heiratsquaternio 2 4 3 56 Ich 218, 231, 2 80, 4 0 6
Helena 171 f., 174 Ichbewußtsein 147, 1 5 0 -1 5 2 , 240
Hermes 351 - 2 4 1 , 3 4 7 -3 4 8 , 367
Hermon 1 2 0 - 1 2 1 3 8 - verdunkelt 2 6 5
Herodes 5 8 -5 9 Ichkomplex 151, 177
Hesbon 1 2 4 -1 2 5 Ideen 133, 149, 2 1 5 , 402
Hetaeren 411 Ideenflucht 1 3 2
Heuresis 1 7 0 152 Identifizierung 179
Hierosgamos 2 35, 236, 3 1 6 -3 1 8 , Identität von Ich und Selbst 265
333, 336, 3 5 6 -3 5 7 , 3 6 6 -3 6 7 , 373, Ignoranten 4 0 -4 3 , 4 6 -4 7 , 184
380, 389, 4 0 3 , 4 0 5 , 4 3 0 Imagination 15490, 1 5 9 -1 6 0 , 2 0 2

Himmel 1 0 2 -1 0 3 , 1 0 6 -1 0 7 , 3 3 6 ff., -2 0 3
338, 3 4 4 -3 4 5 - aktive 1 6 8 -1 6 9
Himmel und Erde 228 - Gottes 1 6 9 1 5 2
Himmelreich 4 0 - 4 1 6, 1 0 2 -1 0 3 , 235 Imperium 3 8 6
-236 Individuation 1 , 137, 197, 259, 302,
Himmelsgewand s. Gewand 341, 4 0 6
Himmelsozean 2 47 Individuum 264, 2 67, 274, 350, 365
Hiob 293 Inflation 175, 1 8 4 -1 8 6 , 1 9 2 , 205,
Hiranyagharba 325 20734, 219, 2 2 1 , 333, 374
Hochzeit s. coniunctio Inkarnation 5 2 - 5 3 10, 7 0 -7 1 , 2 2 0 ,
Hoffnung 9 6 -9 7 , 1 1 8 -1 1 9 264, 282, 305, 3 1 2 , 331, 365, 369,
Hohelied 43 0 ff. 380
Höhle 390 Inkarnation Christi 278
Hölle 4 8 -5 1 , 5 8 -5 9 , 8 0 -8 1 , 204, Innozenz IV 411
2 1 0 , 2 5 1 -2 5 2 , 2 6 1 - 2 6 2 , 303, 365 Inspiration 180, 3 0 3 -3 0 4
SACHR EGISTER 469
Instinkt s. auch sensus naturae 1 4921, Kahl 6 4 -6 5
1 5 1 - 1 5 2 , 16 4 1 2 5 Kälte 2 1 9 - 2 2 0
Integration 175, 181, 2 0 7 34 Kanonisation 4 3 4 1 3 7
- des Selbst 310 Karfunkel 2 9 8 , 331
intellectus spiritualis s. auch Einsicht Katoche 2 6 0
1 0 0 -1 0 1 , 1 6 6 131, 1 6 7 134, 1 6 7 138, Kathedra s. Thron
1 7 9 3, 255, 332 Kausalität 157, 158
intelligentia, s. Nous Keim 2 81, 403
Introvertiert 4 1 5 , 4 2 0 -4 2 1 Keimwasser 346, 351, 3 9 2 -3 9 3
Intuition, geistige 287 Kelter 5 6 -5 7 , 2 3 4 -2 3 5
Intuitiv 415 Kenosis 2 1 6
Inzest 3 4 14, 3 8 0 - 3 8 1 Kerker s. auch Gefangenschaft 60
Invidia 3 8 -3 9 , 181 - 6 1 , 2 10, 378
Isis (G öttin) 1842, 195 Kerze 2 5 6
Israel 6 6 -6 7 , 1 2 2 - 123 Ketzer 3 0 6
Kether 378
Keuschheit 9 2 -9 3
Jaldaboath 264 Kind 7 2 -7 3 , 196, 2 8 1 -2 8 5 ,
Jerusalem 4 0 -4 1 , 4 8 - 4 9 8, 6 4 -6 5 , Kindermord 5 8 -5 9 , 234, 2 3 8
118,119, 1 2 4 -1 2 5 , 1 2 8 -1 2 9 7 1 Kindschaft 8 8 -8 9
- himmlisches 1 1 0 - 1 1 1 , 1 9 8 - 1 9 9 , Kirche s. Ecclesia
2 0 0 3 o, 314, 316, 352 Kleid s. Gewand
Jesse 1 2 2 -1 2 3 Klugheit s. prudentia
Jessod 317 Kollektive Inhalte 2 2 1
Joachinismus 272 ff., 423 Kollektivmeinungen 1 3 7 ,1 9 1
Jordan 8 4 -8 5 , 3 0 5 -3 0 7 Komma Joanneum 269, 280
Jungfrau 1 1 6 -1 1 7 , 1 2 0 - 1 2 1 Kommunion s. auch Eucharistie 281,
- kluge und törichte 5 6 -5 7 , 235 356, 359
-2 3 6 , 379 Kompensation 2 , 134, 197, 241, 388,
- Sternbild der 1 9 5 409
Jungfrauenmilch 9 2 -9 3 , 2 4 9 88, Komplex 1 7 3 164, 307
329 Komponenten, kollektive, der Per­
Jungfräuliche Geburt 9 2 -9 3 , 2 8 5 73 sönlichkeit 2 6 6 -2 6 7
Jungfräulichkeit 329 Konflikt 233, 425
Juno 174 König 5 4 -5 5 , 1 1 2 -1 1 3 36, 215, 2 2 2 ,
2 5 5 29, 265, 282, 2 9 8 , 345, 355,
359, 364, 3 6 8 , 370, 3 7 2 -3 7 3 , 381
Ka (aegypt.) 328 Könige, zwei 342
Kabbala 253, 306, 317, 3 2 1 47, 325, König und Königin 9 8 - 1 0 0 , 1 9 6
32 8 28, 378, 392 Königserneuerung s. Erneuerung
470 SACHR EGISTER

Königsherrschaft 4 6 -4 7 , 4 6 - 4 7 6 Kugel 3 9 0
Königskrone s. Krone Kukäer 2 6 0 5 2
Königin 4 6 - 4 7 , 4 6 - 4 7 5, 4 8 - 4 9 , 118 Kuß 1 2 4 -1 2 5
- 1 1 9 , 136, 193, 195, 3 6 8 -3 6 9 ,
374, 387
Königin v. Saba 1 3 5 -1 3 6 , 1 5 3 82, Laborant 4 4 -4 5
172, 187, 1 9 3 -1 9 5 , 387 lac virginis s. Jungfrauenmilch
- des Südwindes, s. auster Lamm 9 0 -9 1 , 3 1 5 -3 1 6
Konstellation 2 6 4 - Gottes 314, 323
Kontamination 2 0 7 , 2 3 1 , 3 5 9 Lampen 2 3 5 -2 3 6 , 387
Kontemplation 195, 2 0 0 , 2 0 3 1 3 Land der Verheißung 1 0 4 -1 0 5 , 1 2 2
Konzentration 425 - 1 2 3 , 339, 3 8 3 -3 8 4
Kopf 390 Landmann s. Bauer
Korn 384 f., 4 0 3 Lapis 9 4 -9 5 , 134, 137, 1 7 8 176 , i 83)
Körper 5 0 -5 1 , 6 8 -6 9 , 8 2 -8 3 , 104 191, 193, 1 9 7 -1 9 8 2 9 7 1 0 9, 309
- 1 0 5 , 169, 1 6 9 149, 176, 2 0 1 -2 0 2 , - 3 1 1 , 3 1 5 -3 1 6 , 3 1 8 -3 2 1 , 326,
2 0 9 -2 1 0 , 2 2 2 , 258, 2 62, 2 6 9 , 320 328, 330, 33099, 3 3 1 , 333) 334)
- 3 2 1 , 3 3 8 -3 4 0 , 348, 350, 3 6 1 f., 339, 346, 3 6 5 -3 6 6 , 370, 372, 382,
3 6 3 -3 6 4 , 3 6 8 , 3 7 0 -3 7 1 , 373, 378, 129, 393, 3 99
3 8 5

385, 389, 3 9 0 -3 9 2 - verworfen 3 0 -3 1


Körper Christi 3 6 5 , 369 - weißer Stein 1 3
Körper des Erzes 2 0 9 - 2 1 0 , 2 1 3 Lattich 4 2 -4 3
- sublimiert 278 Leben 246, 248
Kosmos 334, 335, 342, 3 8 9 - 3 9 0 , - Dauer des 2 6 7
4 0 1 -4 0 2 - ewiges 5 0 -5 1
K raft 9 4 -9 5 - als Seele 282
Kranke 4 4 -4 5 Lebendigkeit 395
Krater s. auch Mischkrug 1 2 4 -1 2 5 , Lebensbaum 3 2 -3 3
389 ff. Lebenselixir 3 2 -3 3
Kreisförmiges Denken s. Denken Lebensquell 3 1 6 , 318, 3 2 0 -3 2 2 , 332,
Kreuz 431 387
- als Baum 14V6 Legenden 4 2 4
Kreuzigung 3 6 1 , 431 Leiche 2 1 0 , 2 6 0 , 3 6 2

Kristallgitter 15072 Leiden 9 6 -9 7


Kristallisationsprozeß 311, 3 3 3 Leinwand 5 2 -5 3
Krone 4 8 -4 9 , 4 8 - 4 9 7, 1 1 8 -1 2 1 , Leprositas, s. Aussatz
13923, 227, 3 1 7 29, 326, 3 6 9 -3 7 0 , Leuchter 6 0 - 6 1 , 2 5 0 -2 5 2
372^4, 3 7 3 , 3 7 8 , 3 8 0 -3 8 1 Leviathan 2 5 4 22
Kronos 247, 2 4 7 74, 248 Levitation 8 0 -8 1 , 4 2 4
Kröte 413 Libanon 306
S ACHR EGISTE R 471

Libido 205 Magenleiden 4 1 6


Licht 3 2 -3 3 , 5 8 -5 9 , 6 8 - 6 9 , 7 8 -7 9 , Magie 156, 158, 1842, 4 1 3 , 4 2 0
1 4 0 - 1 4 2 ,1 4 6 ,1 5 6 , 1 6 7 1 3 7 , ι 7 7 Π5) Magier 5 8 -5 9
, 253, 297, 300, 309, 3 1 5 -3 1 6 ,’
2 0 2 Magnet 1 6 8
319, 321, 324, 347, 37052, 371> Mahlzeit 8 6 -8 7 , 1 1 2 -1 1 3 , 314, 355
37264 - 3 5 6 , 377
- der Wissenschaft 3 8 -3 9 Makel 5 0 -5 1 , 1 2 0 - 1 2 1
Lichtjungfrau 242 Malchuth 317, 340
Lichtpneuma s. Pneuma Malter 2 6 6
Lichtsamen 403 Mana 373
Lichtsiegel 371 Mandäer 172, 324, 373
Lichtteile 256 Manichäer 3 6 2 , 364, 372, 4 0 4 , 417
Liebe 5 0 -5 1 , 5 4 -5 7 , 9 6 -9 7 , 118 Manichäismus 285
- 1 1 9 , 1 3 8 -1 3 9 , 149, 1 6 2 -1 6 3 , Mann 6 7 -7 7 , 2 94, 3 6 2
213, 2 1 3 58, 214, 2 1 6 -2 1 7 , 233 Mann-Frau 228
- 2 3 4 , 2 9 8 -2 9 9 , 3 7 9 -3 8 0 , 387 Manna 9 4 -9 5 , 1 2 2 -1 2 3 , 2 57, 330
- zu Gott 1 6 2 -1 6 3 Märchen 1 73, 2 1 3 57, 2 1 5 66
Liebeswunde 431 Maria, Assumptio der 2
Liebhaber, illegitimer 2 6 5 Maria B. V . 6 8 - 6 9 4, 1 3 3 -1 3 4 , 190,
Lilie 1 1 8 -1 1 9 , 1 2 6 -1 2 7 , 375, 3 9 2 , 1 9 6 , 2 13, 2 1 6 , 2 3 8 -2 3 9 , 2 4 5 -2 4 6 ,

395 2 4 9 , 252, 259, 2 6 2 , 2 8 8 -2 8 9 , 317,


Limbus 3 6 5 319, 356, 3 6 0 , 365, 369, 3 7 5 -3 7 8 ,
Logia Jesu 14552 380, 387, 389
Logos 133, 215, 242, 284, 2 9 6 , 350, Markos (Gnostiker) 242
35 5 69, 369, 377 Markosier 325, 374^9, 3 7 9 , 403
Löwe 4 0 2 -4 0 3 Marotta 4 2 0
Ludwig IX . 417 Märtyrer 2 6 1
Luft 7 0 -7 3 , 7 2 - 7 3 20, 7 6 -7 9 , 2 7 9 51, Märtyrium 263
2 8 3 -2 8 4 , 296 Maß 6 8 -6 9 , 2 7 0 -2 7 1
- als Seele 283 f. mater alchemia 3 , 1 3 2 1
lumen naturae 142, 147, 149, 164 materia prima 224, 229, 3 6 0 , 3 8 2
- 1 6 5 , 1 6 7 137, 177, 193, 196, 253 Materie 146, 1 5 490, 1 5 9 , 1 6 3 , 169,
- scientiae 321 1 7 0 152, 1 7 1 155, 173, 1 7 5 -1 7 7 , 205,
Luminosität 1 5 0 -1 5 2 , 1 7 8 175, 1 9 0 , 208, 263, 3376, 339, 385, 3 8 8 -3 9 0
252, 347 - Projektion in die 1
Lunaria 372, 375 posteriora Dei 2 9 2

lutum sapientae 2 1 2 Mauer 391


luxuria 3 1 9 Maya 229
medicina 4 0 - 4 1 , 1 6 8 148, 183, 191,
255

31 Jung : Mysterium III


472 S ACHR EGISTE R

Meditation 167 Mönchsorden 195, 225, 327


Meer s. auch Himmelsozean 2 0 1 , 204 Mond 1 0 8 -1 0 9 , 187, 1 9 4 -1 9 5 , 1 9 4 8,
- 2 0 5 , 2 3 2 -2 3 3 , 237, 2 4 7 -2 4 8 , 253 2 1 6 , 224, 2 2 6 , 2 39, 2 5 2 , 348, 380,

- 2 5 4 , 2 8 4 -2 8 5 386
- Menge des 5 6 -5 7 - kreis 4 2 -4 3 , 193
- rotes 1 1 0 - 1 1 1 , 3 0 6 , 351, 3 5 9 Monte Cassino 4 1 0
Mendikantenorden 2 7 2 -2 7 3 , 275, Morgen 4 4 -4 5
277, 3 2 6 -3 2 7 , 421 ff. Morgenröte s. Aurora
Mensch s. auch Anthropos 2 5 6 , 4 0 6 Morgenstern 1 1 4 -1 1 5
- Erlöser Gottes 399 Moses 145
- Erz 269 Multiplicatio 377 f., 385 f.
- der innere 3 5 2 -3 5 3 , 355 mundus archetypus 133
- vom Meere 2 8 4 f. - potentialis 1 7 8 175, 347
- vollendeter 2 5 4 mundus unus s. unus mundus
Menschwerdung s. Inkarnation Mutter 1 7 1 -1 7 3 , 1 9 6 , 2 29, 246,
Mercurius 205, 2 4 9 88, 252, 2 7 0 12, 26052, 3 4 3> 3 4 7 42, 3 5 6 72, 3 8 0 -3 8 1
3 2 0 , 3 3 0 , 339, 351, 3 8 1 , 384, 397 Mutterleib 285
- 3 9 8 , 405 , 4 1 4 Myrrhe 1 2 0 - 1 2 1 , 3 79
- als Lebenselixir 8 Mysterien 149, 3 1 4 -3 1 5 , 373, 403
Meßopfer 281 - kult 324, 371
Metall 7 0 -7 1 , 2 0 2 - 2 2 1 , 2 27, 2 6 0 , Mysterium s. auch coninunctio
264, 279, 4 1 4 Mystik 132, 4 3 0
Metallseelen 2 1 0 , 267 Mythen 1 6 0 , 1 7 3 64
Metall Verwandlung 4 1 9
Methode 383
Mikrokosmos 3 2 0 Naaman s. Naeman
- lapis als 3 2 8 , 3 3 4 -3 3 5 Naassener 2 5 4
Milch 5 0 -5 1 , 1 2 2 -1 2 3 , 1 2 6 -1 2 7 , Nabel 389
255, 258, 281, 329 Nacht 4 4 -4 5 , 1 9 1 -1 9 2 , 20030, 349,
mille nomina 178, 193 3 9 1 -3 9 2
Mischkrug s. Krater Naeman 8 2 -8 3 , 3 0 5 -3 0 7
Mist s. sterquilinium Name, neuer, geheimer 9 4 -9 5 , 1 2 0

Mithras 3 1 5 , 372 - 1 2 1

Mithrasmysterien 324 Nahrung 7 0 -7 1


Mittag s. auch Süden und auster 172, Namrus 172
2 0 1 , 2 5 6 , 424 Natron 7 8 -7 9 , 300
Mitte 225 Natur 1 9 4 -1 9 6 , 1 9 6 12, 2 77, 3 9 2

Mohr s. Aethiopier - verborgene 167, 1 6 7 140, 1 7 6 ff.,


Moly 375 176169
Monade 2 6 9 8 Naturprozesse 291
SACHR EGISTE R 473
Naturwissenschaft 3 9 Ostern 240
Nebel 187, 2 1 0 , 387 Ouroboros 2 4 7 74, 2 4 9 88, 304, 3 4 4 ,
Neid, Neider s. invidia 349, 3 8 1 109
Neumond 3 6 0 Ozean s. Meer
Neun 242
Neunundneunzig 242
Nigredo 2 , 4 4 - 4 5 , 7 6 -7 9 , 1 1 4 -1 1 5 , Palast s. auch Haus 3 2 147
186, 1 8 8 -1 8 9 , 2 0 1 -2 0 6 , 2 0 8 -2 0 9 , Parabel 3 8 -3 9 , 4 6 -4 7
2 1 1 , 218, 23 1 , 2 35, 2 3 7 - 2 3 8 , Paradoxon 139, 293, 300
2 9 7 -2 9 8 , 348, 3 5 9 -3 6 0 , 377, 382 Paraklet s. Geist, Heiliger
Norden 189, 2 2 0 Parapsychologie 157
Nothelfer 327 parvuli s. auch Mendikantenorden
Nous 145, 1 4 5 53, 1 4 6 -1 4 8 , 150, 3 2 6 -3 2 7
1 7 1 155, 2 2 9 117, 243 , 315, 390 Patriarchal 1 3 5
Numen 381, 387 Patristik 1 3 2 -1 3 3
nutritio 255, 280 Paradies 5 0 -5 1 , 364
participation mystique 4 1 6
Paschamahl 6 2 -6 3
oculi piscium s. Fischaugen pauperes 405 ff., 422
Odem 7 0 -7 3 , 281 Penetrationskraft 6 2 -6 3 , 2 5 6 -2 5 7 ,
Ohr 1 1 6 -1 1 7 330
- Konzeption durch 369 Peraten 2 46, 248
Okkultismus 4 12, 4 l 4 , 4 1 9 Perfectio 1 6 2 , 1 6 3
Oel 6 2 -6 3 , 257, 381, 3 8 1 *1 3 , 3 8 2 , Perlen 1 4 6 2 , 9 0 - 9 1 , 152, 2 2 7 , 229,
387 2 3 0 -2 3 1 , 265
oleum s. Oel - vor die Säue 4 2 -4 3
Operationen, alch. 3 0 -3 1 , 1 1 2 - 1 1 3 Perlenerde 1 2 2 -1 2 3
Ophiten 172 Persona 373
Opus 4 4 -4 5 , 5 6 -5 7 , 9 6 -9 7 , 124 Persönlichkeit, Komponenten der
- 1 2 5 , 1 8 5 -1 9 1 , 199, 2 2 0 , 2 3 2 , 2 6 6 -2 6 7
241, 255, 277, 3 2 8 , 3 3 0 -3 3 2 , 349, petra, s. Fels
355, 363, 372, 375, 3 8 6 -3 8 7 , Petrus, Apostel 3 2 1 ,4 0 0
402 Pfau 401
- Länge des 3 2 -3 3 Pfauenschwanz s. cauda pavonis
- als Weltschöpfung 334 ff. Pfeil 5 6 -5 7
Orient s. auch Sonnenaufgang 4 6 -4 7 Pfingstsequenz 2 9 5 , 297
Orion 402 Pfingstwunder 304
Osiris 1 8 9 16, 236, 367, 403 Pflanzen 1 4 1 36, 394
Osten s. Sonnenaufgang Phantasien 207, 2 0 7 31, 2 1 1

Osterexultet 1 9 1 - 1 9 2 Pharao 328

31* Jung : Mysterium III


474 SACHR EGISTE R

Pharmakon, s. auch medicina 248, quaternär s. vier


330, 367 Quaternität 2 8 6 ff., 2 9 1 - 2 9 2 , 325,
Physik 1 4 6 ,1 5 0 ,1 5 4 343, 359
Physis 339, 341 - des Selbst 3 0 9 ff.
pinguedo 252, 257 Quecksilber 2 0 1 8, 2 4 8 , 2 4 9 88
Planeten 4 8 -4 9 , 1 0 8 -1 0 9 , 152, 172, Quelle 3 1 9 -3 2 2 , 352
1 9 9 -2 0 0 , 2 2 1 , 227, 2 6 0 - 2 6 1 , 264, - des Lebens 8 8 -8 9
327, 3 4 5 -3 4 6 , 349, 377 Quintessenz 3 5 7 -3 5 8
Planetensphären 146
Plejaden 264
Pneuma 137, 1 7 0 1” , 172, 2 0 0 -2 0 1 , Rad 342
2 2 9 117, 2 8 3 -2 8 4 , 304, 3 6 6 , 367, Ratio 4 2 4
379 rationes s. auch Ideen 1 4762, 152
- weiblich 1 7 1 -1 7 2 - aeternae 133, 1 3 3 6
Pneumata s. Geister Räuber 210, 2 79
Pneumatiker 2 5 4 Rauch 7 0 -7 1 , 2 79, 285
Polyphem 382 Realisation des Selbst 310, 3 1 3
Pouvres de Lyon 2 7 3 -2 7 5 Realität des Psychischen 336
Primitiv 145, 151, 1 5 7 -1 5 8 Rebe, s. Traube und Weinstock
Primitives Denken 289 Reduktion 2 6 6
privatio boni 163, 1 6 3 1 2 2 Regen 7 0 -7 1 , 7 6 -7 7 , 1 0 4 -1 0 5 , 2 2 2 ,
Projektion 1 , 131, 1 6 9 -1 7 0 , 173, 2 9 6 , 3 4 4 -3 4 5
175, 177, 193, 197, 2 0 7 34, 242, regimen 3 8 2
263, 3 1 2 , 364, 385 Reich 4 8 -4 9 , 1 1 2 -1 1 3 , 208
Propheten 3 8 -3 9 Reinheit 1 1 0 - 1 1 1 , 2 3 0
Prophetie 146, 149, 154, 159, 1 6 0 1 0 6 Reinigung s. auch Waschen 6 2 - 6 3 ,
prototypi s. typi 8 0 -8 5 , 9 2 -9 3 , 2 1 0 , 2 6 8 , 3 0 1 -3 0 2 ,
Prozeß, chemischer 279 308, 396
prudentia 4 6 -4 7 Relativität 342
Prunikos 171 - von bewußt und unbewußt 150
Psyche 259, 388, 431 -1 5 1
- personifiziert 1 7 3 -1 7 4 - von Zeit und Raum 314
psychoid 150 Religiöser W ert der Alchemie 184
Psychose 132 - des Steines 183
Purgatorium 4 2 6 religio 217
Punkt, goldener 1 6 8 Renaissance 174
Purpur 5 2 -5 3 , 372, 377 Rex s. König
Putrefactio 4 8 -4 9 , 1 0 0 - 1 0 1 Rex gloriae 1 9 6 , 2 2 1 , 355, 359, 364
Rezeption 139
Richter 2 2 3 -2 2 5 , 231
SACHR EGISTE R 475

Richter (G ott) 263 Sapientia Dei 2 , 3 0 ff., 4 6 -4 7 , 6 8 -6 9 ,


Riegel 6 0 -6 1 , 2 5 0 -2 5 1 , 2 5 3 15 8 4 -8 7 , 1 3 2 -1 3 3 , 1 3 8 , 1 4 0 -1 4 1 ,
Rind 412 1 4 0 33, 142, 144, 1 4 7 -1 4 9 , 152
Ring 1 1 8 -1 1 9 - 1 5 3 , 163, 1 6 6 , 1 6 8 , 169, 170,
Romano da Roma 4 2 6 171 ff., 1 7 1 55, 1 7 1 -1 7 9 , 1 8 6 -1 8 9 ,
Rose 1 2 6 -1 2 7 , 375, 392, 395 1 8 9 11, 1 9 2 -1 9 4 , 199, 205, 208,
Rost 307 2 1 4 -2 1 9 , 2 2 2 , 2 2 4 -2 2 5 , 2 29, 231
Rot s. auch Rubedo 351, 370, 372 - 2 3 2 , 2 47, 2 5 3 , 2 5 9 , 2 6 6 , 2 6 8 ,
-3 7 3 2 71, 2 77, 27 744, 2 7 9 , 2 86, 288
Rote Sache 232 - 2 8 9 , 2 90, 2 9 3 , 308 ff., 3 1 1 -3 1 4 ,
Roter Mann 1 1 8 -1 1 9 319, 327, 3 3 3 -3 3 4 , 337 ff., 354,
Rubedo 4 4 -4 5 , 7 6 - 7 7 ,1 0 8 - 1 0 9 , 116 3 5 4 « , 3 55, 3 58, 3 6 0 -3 6 1 , 366,
- 1 1 7 , 1 2 6 -1 2 7 , 186, 1 8 8 -1 8 9 , 368, 3 7 3 -3 7 4 , 381, 3 8 8 -3 8 9 , 396
191, 2 1 9 -2 2 1 , 258, 2 59, 2 98, 347 Satan s. Teufel
- 3 4 8 , 359, 370, 371, 3 7 1 « . 59, Saturn 3 4 -3 5 , 153
372, 375, 377, 392 scientia s. Wissenschaft
Rubin 7 7 -7 9 , 2 9 8 -2 9 9 , 370 Sechs 242, 244, 377
Ruhä d’Qudsä 172 Sechzig 1 2 0 - 1 2 1 , 377
Ruhelager s. Bett Seele s. auch Anima und anima 34
Rund 389 - 3 5 , 5 0 -5 1 , 6 0 -6 1 , 6 8 -6 9 , 8 0 -8 1 ,
8 2 -8 3 , 9 4 - 9 9 , 1 0 4 -1 0 5 6 , 1 4 3 ,1 5 6
- 1 5 7 , 213, 242, 2 45, 2 4 9 , 2 5 5 ,
Saba s. Königin 2 6 0 , 2 69, 2 7 9 , 3 6 6 -3 6 8 , 371, 3 8 8 ,

Sacerdotium 386 3 9 3 -3 9 4 , 3 97, 4 0 5


Säen 7, 1 0 4 -1 0 5 , 1 2 2 -1 2 3 , 383, - im Blut 7 0 -7 3
402 - Definitionen 283
Sakrament 3 8 -3 9 , 181 - Einfluß auf Materie 1 4 6 57, 158
Salbe 6 2 - 6 3 ,1 2 0 - 1 2 1 ,1 2 6 - 1 2 7 , 380 -1 5 9
-3 8 1 - färbende 2 9 8
Salbung 257 - als Form 6 , 1 4 2 -1 4 4
Salomon 1 2 0 -1 2 1 30· 39, 1348, 15 382, - multiple 325
2 11, 377 - schöpferische 154
Salz 282, 300, 383 - des Steines 319
Samen 1 2 8 -1 2 9 , 26 6 , 394, 4 0 2 -4 0 4 - im Stoff 2 , 134, 1 6 8 142, 169, 173,
Samenallheit 401 2 53, 2 80, 304, 360, 3 8 1
Samenkorn 1 2 2 -1 2 3 , 2 55, 383 ff., - vegetative 281
4 0 0 ff. - als vinculum 304
Samenkraft 346 - als Wasserdampf 283
Sammeln 254, 256, 2 64, 266 Seelenbräutigam 265
Sand 3 8 4 127 Sefira s. gradus
476 S ACHR EGISTE R

Segen 4 0 -4 1 Sklave, roter 3 8 1


Seil, dreifaches 1 2 8 -1 2 9 , 397 ff. Smaragd s. auch Edelstein 4 1 3
Selbst 133, 152, 177, 1 9 0 , 193, 197 Sohn 5 2 -5 5 , 5 8 -5 9 , 6 8 -6 9 , 2 18
- 1 9 8 , 231, 240, 259, 2 6 4 -2 6 5 , - 2 2 0 , 2 40, 2 70
281, 2 9 8 , 3 0 4 -3 0 5 , 3 1 0 -3 1 1 , 313, - als Symbol 2 7 6
3 1 6 , 325, 3 3 0 102, 333, 335, 343, - von Sonne und Mond 8 8 -8 9
348, 353, 369, 374, 383, 3 8 6 , 3 8 8 , Sohnschaft, dreifache 2 6 9 8, 401
405 Söhne, Gottes 3 9 8
Selbsterkenntnis 1 8 9 1 1 solificatio 3 7 1 -3 7 3
Selbstreflexion 174 Solve et coagula 311, 323
- Gottes 3 8 8 Sonne 4 4 -4 5 , 7 2 -7 3 , 1 0 8 -1 0 9 , 114
Selene s. Mond - 1 1 5 , 1 7 7 175, 187, 195, 2 24, 226,
Seligkeit, ewige 3 7 7 2 3 8 -2 3 9 , 2 52, 2 5 7 , 372, 3 8 0 , 386
Senfkorn 401 387, 4 1 9
sensus naturae 164 - belebend 2 8 2 -2 8 3
Separatio 7 8 -7 9 , 8 0 -8 1 - der Gerechtigkeit 5 8 -5 9
Sephirot s. gradus - unsichtbare 2 9 8
Serien, progressive 291 Sonnenaufgang 4 6 - 4 7 , 189, 190,
Shakti 229 1 9025, 19124
Shamanen 3 9 7 ff. Sonnenweib 4 8 - 4 9 7
Shitil 285 Sonne und Mond 5 4 -5 5 , 8 8 -8 9 , 1 2 0
Sieben 4 8 -4 9 , 5 4 -5 7 , 6 4 -6 5 , 199 - 1 2 1 , 3 1 4 -3 1 6 , 324, 3 3 6 , 347
2 0 0 , 2 2 1 , 224, 227, 2 2 9 - 2 3 0 , - 3 4 8 , 356
26052, 2 6 4 -2 6 5 , 267, 2 9 1 -2 9 2 , Sophia 171 ff., 195, 229, 2 8 9 , 366,
3 0 4 -3 0 5 , 313, 327, 3 8 1 110, 388

- Gaben des H l. Geistes 6 2 -6 3 , 80 - Absturz der 172 ff., 2 0 6 , 208, 242,


- 8 1 , 8 4 -8 5 , 2 5 6 2 6 1 , 264, 364

Siebzig 1 0 8 -1 0 9 , 267 soror mystica s. Schwester


- Vorschriften 6 6 - 6 7 species s. rationes
Sieg 9 4 -9 5 Speise 1 2 2 -1 2 3 , 1 2 4 -1 2 5 , 1 4 0 -1 4 2
Siegel des Himmels 4 2 -4 3 - ewige 8 , 3 4 -3 5
Silber 189, 375, 377, 384 spiraculum aeternitatis 378
Silbererde 7, 3 8 3 -3 8 4 Sponsa s. Braut
Simon Magus 171, 1 7 4 -1 7 5 Sponsus s. Bräutigam
Sinn 146, 157, 2 98, 395, 3 9 7 Sublimation 7 0 -7 1 , 1 0 6 -1 0 7 , 1 3 7 ,
- Herausarbeitung des - s 2 6 6 -2 6 7 , 200, 3 0 3 -3 0 4 , 344, 364, 3 9 3 -3 9 4
275 Subtle body 4 8 -4 9 , 6 2 -6 3 , 258, 340
- Verstehen des - s 304 Süden s. auch auster 30, 31, 137
Sinnibald 4 1 0 Südwind s. auch auster 3 0 -3 1 , 4 6
Sixtus v. Siena 432 -4 7
S ACHR EGISTE R 477

Sulphur 265, 279, 2 9 7 109, 4 1 4 - vier 1 0 2 -1 0 3


Sünde 4 8 -4 9 , 1 1 0 -1 1 1 , 353, 382, Schlüsselgewalt 8 8 -8 9
396 Schmutz 6 2 -6 3 , 2 79
superfluitates 268, 279 Schnee 5 2 -5 5 , 1 2 6 -1 2 7 , 2 1 9 - 2 2 0 ,
Symbole 1 3 9 -1 4 0 , 157, l6 0 , 169, 223
1 7 8 -1 7 9 , 276, 334 Schöpferische Macht Gottes 153,
- Christi 395 15490, 1 6 9 152, 1 7 1 155
- zentrales 266 Schöpferkraft der Seele 158
Symbolische Auffassung 168 Schöpfung 1 0 2 -1 0 3 , 133, 2 4 2 -2 4 3 ,
Symbolsprache der Alchemie 131, 269, 2 6 9 8, 2 79, 315, 344, 347,
175, 180 349, 394, 4 0 1 -4 0 2
- der Bibel 179 Schöpfung, Opus als 3 3 4 ff.
Symbolum s. Glaubensbekenntnis Schöpfungsmythen 177
Synchronizität 14660, 157, 158 Schöpfungen, zwei 1 7 7 175
Synthese 168 Schoß 1 2 4 -1 2 5 , 389 ff.
Szepter 382 Schrecknisse s. Finsternisse
Schaf 5 8 -5 9 Schuh 1 1 8 -1 1 9
- verlorenes 242 ff. Schuld 2 6 3 -2 6 4
Schatten 2, 4 8 -4 9 , 197, 2 05, 2 07, Schuldgefühle 207
20734, 225, 239, 2 54, 2 65, 279, Schwangerschaft 235, 237
293, 333, 4 2 4 Schwarz s. Nigredo
- des Erzes 209 Schwefel s. Sulphur
- Gottes 292 Schwester 1 2 4 -1 2 7 , 164, 380, 387,
Schatz 3 8 -3 9 , 5 0 -5 1 , 1 3 9 31 391
- im Acker 4 0 -4 1 , 4 0 - 4 1 6, 182 Schwert 1 2 0 - 1 2 1 , 377
- in Tiefe 285 Stab 3 5 1 -3 5 2
Schatzhaus 8 4 -8 5 , 1 0 2 -1 0 3 , 308, Stab Mosis 3 1 8 , 3 2 1 - 3 2 2 , 3 5 1 -3 5 2
3 1 2 -3 1 3 , 3 2 0 -3 2 1 , 323, 3 3 3 -3 3 4 Statue 367
Scheffel 6 6 -6 7 Stein s. auch Lapis 4 0 -4 1 , 1 0 1 65, 1 2 0
Scheiden s. Separatio - 1 2 1 , 1 3 8 -1 3 9 , 1 8 9 12, 2 1 2 , 227,
Scheidewasser 279 255, 281, 3 1 9 -3 2 1 , 328, 3 8 5 129
Scheidung 8 4 -8 5 , 2 2 3 -2 2 4 , 307 - des Anstoßes 9 6 -9 7
Schizophren 132 - dreieinig 2 6 9
Schlafende 4 2 -4 3 , 366 - Feuerstein 3 4 -3 5
- im Hades 185 - irdisch und geistig 270
Schlange 24 7 74, 2 4 9 88, 2 6 1 ” , 311 - als Kind 285
Schleuder Davids 382 - viele Namen des -e s 4 6 - 4 7 3
Schlüssel 1462, 1 2 2 -1 2 3 , 211, 308 f., - als Seele 9 6 -9 7
3 8 2 -3 8 3 - weißer 9 4 -9 5
- des Himmelreichs 8 8 -8 9 Sterile Frau 2 6 1 - 2 6 2
478 SACHREGISTER

Sterne 4 8 -4 9 , 5 4 -5 7 , 1 6 0 , 187, 193, Tinctura 153, 393


195, 224, 2 27, 2 6 0 - 2 6 1 , 265, 3 2 6 , Töchter Zions 6 4 -6 5 , 259, 2 6 1 -2 6 2 ,
396, 4 1 4 , 4 1 9 2 6 4 , 2 6 6 , 293
- in der Erde 228 Tod 5 6 -5 9 , 1 0 4 -1 0 5 , 1 1 0 - 1 1 1 , 116
Sternenhimmel 152, 228 - 1 1 7 , 1 2 2 -1 2 5 , 204, 210, 231,
Sternenweib s. W eib 237, 240, 2 4 5 -2 4 7 , 3 3 7 -3 3 8 , 358,
sterquilinium 3 2 , 4 0 -4 1 , 139, 365, 367, 388, 3 9 1 -3 9 2 , 396, 398,
1 3 9 3 °, 33 4 0 6 , 4 2 6 f., 4 3 1 -4 3 2 , 4 3 4
Stil 433 Totenritual, ägyptisches 324, 3 6 7 ,
Stoa 283 403
Stoicheia 3 2 6 Todeshochzeit 2 3 6 , 4 3 1 , 4 3 4
Ströme s. W asser Todesschatten 4 8 - 4 9
Trance 157, 313
Tränen Gottes 1857
Tabernakel 387, 398 Traube s. auch Weinstock 3 7 6
Tabor 400 Trauer s. afflictio
Tao 14660 Traum 132, 2 1 1 , 2 27, 283, 346, 4 1 6 ,
Tartaren 422 418, 426
Tau 1 9 0 , 2 2 2 , 366, 387 Treppe 387
Taube 50, 5 4 -5 5 , 1 1 6 -1 1 7 , 1 5 3 82, Triade 2 6 8 ff.
2 0 5 23, 211, 213, 2 1 3 59, 2 2 5 -2 2 7 - geistige 2 9 6
Taubenaugen 379 Trieb 2 95, 350
Taufe 5 4 -5 5 , 6 2 - 6 3 , 8 4 -8 5 , 2 3 0 , Trinitarisch 356
295, 323 Trinität 6 8 - 6 9 , 135, 2 6 8 ff., 2 70 ff.,
- Preafigurationen der 3 0 6 285 f., 2 8 7 80, 335, 387, 399, 405
Telepathie 432 - im Menschen 281
Tempel 3 2 0 - 3 2 1 - untere 3 8 3 f.
Temperantia s. Gleichmaß Tugenden 3 2 8 ff.
Ternarius s. Drei Türe 6 0 - 6 1 , 312
terra foliata s. Silbererde Typen 4 1 6
Tertiarier 273, 422 typi 133, 179
Tetras s. Vierheit Tyrus 171, 174
Teufel 205, 2 1 9 - 2 2 0 , 2 2 3 , 2 25, 257
Thalamos 3 8 7
Theoria 1 6 8 - 1 6 9 Uebersetzung, arab. Traktate 4
Thomas v. Aquin 4 1 0 ff. Unbewußtes 1 3 1 - 1 3 2 , 1 4 7 -1 4 8 , 150
Thron 3 8 -3 9 , 5 0 -5 1 , 6 6 - 6 7 , 208, - 1 5 2 ,1 5 7 ,1 6 9 ,1 7 3 ,1 9 0 , 2 03, 208,
212 , 387 2 2 2 , 241, 252, 253, 294, 2 96, 302,

Tiere 1 0 8 -1 0 9 , 349 3 4 6 -3 4 7 , 361, 365, 3 7 3 -3 7 4 , 385,


T i f eret 317 389, 4 2 4 , 4 3 0
S ACHR EGISTER 479
Unbewußtes, Forts. Verbrennen 2 0 9 3 5
- Aufhellung des - n 2 9 8 Vergeistigung 304
- Erfahrung des - n 2 Vergiften 5 0 -5 1
- Geist des - n 281 Verjüngung 352
- kollektives 133, 1 3 3 , 150, 1 6 0 , - des Selbst 311
2 0 7 ,2 1 3 , 287, 293, 398, 4 0 6 Verklärung 6 2 -6 3 , 8 0 -8 1 , 1 1 0 -1 1 1 ,
- Projektion des - η 1 , 2 1 2 8 -1 2 9 71, 350, 3 6 4 -3 6 5 , 374,
- als schöpferisches Prinzip 3 1 8 399, 405
- Sinn des - n 275 - des Weiblichen 385
Unbewußtheit 2 0 4 -2 0 5 , 3 5 3 Vielheit 225
Unerschütterlichkeit 6 6 -6 7 , 2 6 6 - Reduktion der 2 6 6 -2 6 7 , 2 7 0 11
unguentum s. Salbe Vier 243, 327
unio corporalis 364 Vier Funktionen 177, 3 0 8 f.
unio mentalis 3 2 2 Vier Schlüssel 308 f.
unio mystica 316, 374, 378, 388, 405 Vierheit s. Quaternität
Unsterblichkeit 1 1 0 -1 1 3 , 1 1 6 - 1 1 7 , Vierte, das 2 9 6 , 3 36 ff.
2 4 0 -2 4 1 , 258, 3 1 3 -3 1 4 , 318, 352 Vierundzwanzig (Aelteste) 1 0 2 -1 0 3 ,
- 3 5 3 , 357, 3 6 3 -3 6 4 , 3 6 7 -3 6 8 , 323 ff. 326
379, 3 9 0 , 401 Vierzehn 9 0 -9 1 , 1 0 2 -1 0 3 , 327, 328,
Unterscheidung s. auch Diskrimina­ 333
tion 377 Vierzig 253
Unterwelt s. Hölle vilis (wohlfeil) 139, 140
unus mundus 267, 335, 4 0 0 vinculum 397
Unverweslichkeit 373, 379 virtus 94
Unwissende s. Ignoranten Vision 227, 317, 333, 3 3 6 , 3 9 0 , 418,
Unzerstörbarkeit s. Unverweslichkeit 4 2 6 , 4 2 9 f., 431
Urmensch s. Adam Vision Gottes 8 6 -8 9 , 188, 2 0 3 13,
205, 222, 336
Vogel des Hermes 1 0 4 -1 0 5 6
Valentinianer 172 Vögel 1 0 6 -1 0 7 , 3 4 4 -3 4 6
vapor s. Dampf Volatil s. Flügel
vas, s. Gefäß
Vater 5 2 -5 3 , 270
Vatergott, als Symbol 2 7 6 Wahnsinn 233, 4 2 7
Vater-Mutter 217 W ahrheit 1 6 6 -1 6 7 , 172, 1 7 6 -1 7 7 ,
Vater-Sohn 2 1 7 -2 1 8 , 2 2 0 177Π3
Veni creator spiritus 8 0 -8 1 , 2 9 7 - im Stoff 169, 277
Veni sancte spiritus 295 Waldenser 1 6
Venus 1 7 3 -1 7 4 Wandlungssubstanz s. auch Arkan-
Verborgenes sichtbar machen 8 0 -8 1 substanz 2 0 0 - 2 0 1
480 SACHR EGISTE R

Waschen 7 0 -7 1 , 7 8 -8 1 , 8 4 -8 5 , 2 5 5 - Wiedergeburt 1 9 2 , 194», 2 40, 2 5 6 ,


257, 2 64, 2 6 6 , 2 79, 2 8 0 , 3 6 2 , 3 7 6 367, 371
Waschmittel 211 W ind 1 3 6 -1 3 7 , 285
W asser 6 2 -6 5 , 9 2 -9 3 , 1 0 4 -1 0 5 , 1 1 0 W inter 4 4 -4 5
- 1 1 1 , 18 3 23, 204, 207, 2 3 2 , 2 37, W inzer, Hermes als 376
24774, 77, 2 4 8 , 2 54, 2 57, 2 6 0 , 2 7 9 W irbel 342
- 2 8 0 , 293, 2 9 9 , 3 07, 3 2 1 -3 2 3 , Wissen, absol. 1 4 6 -1 4 7 , 178*75, 2 1 6

339, 3 4 4 -3 4 6 , 3 4 6 * 3 5 1 -3 5 2 , Wissenschaft 3 8 -3 9 , 4 0 - 4 7 , 124


3 6 6 -3 6 8 , 3 7 5 -3 7 6 , 381, 384, - 1 2 5 , 1 2 8 -1 2 9 , 148, 160, 171*55
393 ff. - Gottes 3 0 -3 1
- vom Fels 8 6 -8 7 , 8 8 - 8 9 W itw e 1 9 0 , 2 6 2
- als Geist 7 6 -7 7 , 2 9 6 Wohlgeruch, s. Duft und Pneuma
- keimendes 1 0 8 -1 0 9 W olke 4 8 -4 9 , 7 8 -7 9 , 2 0 0 - 2 0 1 , 2 0 1 8,
- als Sapientia 2 79, 288 205, 209, 228, 237, 366, 387
- Seele im 7 2 -7 3 , 7 8 -7 9 Wolkenkleid 285
- der Weisheit 7 0 -7 1 W orte, drei 386, 405
Wasserflut 4 8 - 4 9 W urzel David 3 7 6
W eib 245 f., 250 W urzeln 4 8 - 4 9
- apokalyptisches 1 9 4 , 1 9 6 , 2 0 5 , 3 1 6
Weibliche Herrschaft 2 3 3 , 2 3 5 , 250
W ein 5 6 -5 7 , 1 2 4 -1 2 7 , 2 58, 2 6 6 , Zahl 6 0 —6 l , 64—65, 68—69, 2 6 1 , 270
324, 346, 350, 3 7 5 -3 7 7 -2 7 1
Weinberg 6 6 - 6 7 ,1 2 2 - 1 2 3 ,1 2 6 - 1 2 7 , Zahlenkraft 4 1 9
2 6 6 , 383 Zalmon (berg) 5 4 -5 5 , 2 2 3
Weinlese 376 Zeder 1 2 0 - 1 2 1 , 3 8 1
Weinstock 1 1 8 -1 1 9 , 1 2 6 -1 2 7 , 375 Zehn 5 6 -5 9 , 6 6 -6 7 , 2 3 5 -2 3 6 , 243
-3 7 6 - 2 4 5 , 327, 3 8 6
W eise, der 3 8 -3 9 , 4 2 -4 3 , 4 6 - 4 7 Zeit 1 0 8 -1 0 9
Weisheit 378 Zeitqualität des Archetypus 1 6 0
- Gottes s. Sapientia Dei Zeit-Raum-Kontinuum 150
W eiß, s. Albedo Zeugung 237
Weizen 5 6 -5 7 , 6 0 - 6 1 , 4 0 2 , 4 0 3 Zinnober 8 2 -8 3
Weizenkorn 1 2 2 -1 2 3 , 3 8 4 -3 8 6 , 403 Zion 6 4 -6 5 , 66-672\ 1 1 8 -1 2 1 , 259,
-4 0 4 261 - 262 , 381
W elt, wegwerfen der 6 6 - 6 7 , 2 6 8 Zodiakalzeichen 1 9 8 -1 9 9 , 1 9 8 24,
Weltbaum 3 9 8 242, 2 4 3 52
W eltseele 1 6 5 125, 1 7 0 -1 7 1 155, 2 2 9 , Zwei 2 4 2 -2 4 3
2 4 6 -2 4 7 , 2 78, 355, 371, 390 Zwölf 4 8 -4 9 , 193, 195, 1 9 8 -1 9 9 ,
W eltzeitalter 272 242 ff., 3 2 4 -3 2 5 , 327
Weltuntergang 338 Zypresse 1 2 0 - 1 2 1 , 381

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