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J U N G
G ESA M M ELTE W ERK E
V IE R Z E H N T E R
BAND
Ergänzungsband
C .G. JUNG
MYSTERIUM
CONIUNCTIONIS
U N T E R S U C H U N G Ü B E R D IE
T R E N N U N G U N D ZU SA M M EN SETZU N G
D E R S E E L IS C H E N G E G E N S Ä T Z E
IN D E R A L C H E M IE
ERGÄNZUNGSBAND
«A U R O R A C O N SU R G E N S »
E IN D EM TH O M AS VO N A Q U IN Z U G E S C H R IE B E N E S D O K U M E N T
D E R A LC H E M IST ISC H EN G EG EN SA TZPRO BLEM A TIK
V O N D R . M.-L. V O N F R A N Z
W A L T E R -V E R L A G
O L T E N U N D F R E I B U R G IM B R E IS G A U
U R S P R Ü N G L I C H H E R A U S G E G E B E N ALS
P S Y C H O L O G I S C H E A B H A N D L U N G E N X II V O N C . G . J U N G
( M Y S T E R I U M C O N I U N C T I O N I S III)
D IE D R U C K L E G U N G D IE S E S W ERKES
ER FO L G T E M IT U N T E R S T Ü T Z U N G D ES S C H W E IZ E R IS C H E N
N A T IO N A LFO N D S Z U R F Ö R D E R U N G D E R
W ISSE N SC H A FT L IC H EN FO R SC H U N G
M CM LXXIII
ISBN 3-530-40799-2
IN H A L T
Seite
I. E IN O R D N U N G DES T E X T E S
1. Einleitung 1
2. Die Überlieferung 3
3. Die Quellen 4
4. Das Datierungsproblem 20
5. Die Handschriften 22
6. Die Textgestaltung 25
Seite
III. KOM M ENTAR
Allgemeines 131
Kommentar zu Kapitel I 132
Kommentar zum zweiten Kapitel 178
Kommentar zum dritten Kapitel 184
Kommentar zum vierten Kapitel 186
Kommentar zum fünften Kapitel 192
Kommentar zur ersten Parabel ( 6. Kapitel) 200
Kommentar zur zweiten Parabel ( 7. Kapitel) 231
Kommentar zur dritten Parabel ( 8. Kapitel) 250
Kommentar zur vierten Parabel ( 9. Kapitel) 268
Kommentar zur fünften Parabel (10. Kapitel) 308
Kommentar zur sechsten Parabel (11. Kapitel) 334
Kommentar zur siebenten Parabel (12. Kapitel) 358
Sachregister 461
VORW ORT
E IN O R D N U N G DES TEXTES
1. E I N L E I T U N G
1. Rascher 1944.
2. Vgl. ebda. p. 337 ff. und p. 349 ff.
3. Vgl. ebda. p. 349 ff.
4. Vgl. ebda. p. 334.
5. Vgl. ebda. p. 510-516.
2 E I N O R D N U N G DES T E X T E S
daß man annehmen muß, daß der Autor mit «seiner Alchemie», was
immer er darunter verstand, ein religiöses Erlebnis oder - psychologisch
formuliert - eine unm ittelbare E rfahrung des U nbew ußten zu beschrei
ben oder zu gestalten versuchte. Daß die Schrift «blasphemisch» sei, ist
ein Urteil späterer «aufgeklärter» Jahrhunderte 6 - mir selber jedenfalls
scheint es unzweifelhaft, daß der Verfasser völlig ernst und ergriffen
ein «mysterium ineffabile» ausdrücken wollte.
Es ist nicht Zufall, daß diejenigen Schriften und Stellen des Alten
Testamentes besonders häufig angeführt sind, in denen die geheimnis
volle Frauengestalt der Sapientia D ei eine zentrale Rolle spielt, und daß
diese gnostische Figur mit Maria und der «Seele im Stoffe» identifiziert
und in den Mittelpunkt gerückt ist. D ie Anima als Vermittlerin des
Erlebnisses des Unbewußten tritt als erster Inhalt über die Schwelle und
übermittelt jene Bilder des Unbewußten, welche die im Bewußtsein
vorherrschenden kirchlich-christlichen Vorstellungen kompensieren 7.
Angesichts der heute erfolgten «Declaratio sollemnis» kann man nicht
umhin, diese Glorifikation einer weiblichen göttlichen Gestalt auch als
eine prophetische Vorahnung einer kommenden Entwicklung anzusehen.
Hinter dieser Frauengestalt in der Aurora aber tut sich andeutungsweise
jener Abgrund der Nigredo, d. h. des Schattens und des chthonischen
Menschen auf, dessen Integrierung die Ethik schon seit einiger Zeit
beunruhigt. Allerdings ist das Problem der Dunkelheit, wie Text und
Kommentar erweisen werden, in der Aurora zwar berührt, aber nicht
gelöst worden.
Die Überlieferung nennt T homas von A quin als Verfasser der
Schrift - eine so überraschende und zunächst fernliegend scheinende
Zuschreibung 8, daß sie bisher nie ernst genommen wurde. Dies ist unter
anderem dem Umstand zuzuschreiben, daß man bisher die Bedeutung
der Schrift nicht gesehen hat. Das Für und W ider der Zuschreibung soll
nicht hier, sondern erst nach der Kommentierung und historischen Ein
ordnung des Textes erörtert werden. W er immer jener Verfasser ge
wesen sein mag, so ist es wohl ein Mensch gewesen, dem sich ein über
wältigender Inhalt des Unbewußten offenbart hat, welchen er nicht im
üblichen kirchlichen Stil, sondern nur mit H ilfe der alchemistischen
2. D IE Ü BERLIEFERU N G
1. z. B. die Sentenz: «Irrisio scientiae est causa ignorantiae». Und ein Citat von
A v ic en n a (vgl. Artis. Aurif. I Basel 1610, p. 147), von Alphidius (ebda. p. 140)
u. a. m.
2. ebda. p. 153.
3. Im Vorhergehenden wurde gezeigt . . .
4. R o sa r iu m P h ilo s o p h o r u m Artis Aurif. 1610 II. J. Ruska weist das R o sa r iu m zuerst
dem 14., später 15. Jahrhundert zu.
4 E I N O R D N U N G DES TEXTES
3. D IE Q U ELLEN
5. ebda. p. 118.
6. Er wird allerdings ohne Quellenangabe in späteren Werken manchmal citiert.
1. Ein «De p e r fe c t o M a g is te r io » ist im III. Band des T h e a tr u m C h e m ic u m von 1659,
p. 128, ebenso in J. J. Mangeti Bibliotheca Chemica Curiosa Vol. I, p. 630 ff. abgedruckt.
Dort verweist der Autor auf sein «L u m e n lu m in u m » ( !), sodaß es sich keineswegs um
wirkliche Identität handelt, vielmehr scheint der Autor des «De perfecto Magisterio»
gewisse Partien des «Lumen luminum» übernommen zu haben. Auch im Consilium Con-
iugii, Mangeti Bibliotheca Chemica Curiosa II, p. 235, ist derselbe Satz wie der Schluß
satz des Kapitels der Aurora mit gleichen Worten citiert. Vgl. Anm. zum Text. - Vgl.
hiezu ferner M. B erthelot, La Chimie du Moyen-Age Bd. I. p. 145, 269, 234, 312
und Vol. II. p. 311 ff. und p. 273. E. v. Lippmann, Entstehung und Ausbreitung der
Alchemie. Berlin 1919, 1923, und 1954. (3 Vols.) Vol. I. p. 489. - M. Steinschneider.
Die europäischen Übersetzungen aus dem Arabischen bis Mitte des 17. Jahrh. Sitzungs
berichte der k. und k. Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Classe, Bd. 149, Wien
1904. Vgl. ferner J. Ruska, Tabula Smaragdina a. a. O. p. 192, Anm. 5, er bezweifelt
wohl zu Unrecht, daß diese Schrift auf ein arabisches Original zurückgeht: «Dies auch
sonst häufig genannte Buch soll von Gerhard von Cremona übersetzt sein. Auch
F. W uestenfeld vermutet (Abh. der Göttinger Gesellsch. d. Wissensch. 1877,
E I N O R D N U N G DE S T E X T E S 5
Bd. X X I I, p, 75 ), daß kein arabisches Original zugrunde lie g t. . . » Aber so einfach ist
die Sache nicht, es lie g e n arabische Quellen vor. Vgl. L. T horndike, History of Magic
and Experimental Science. New York, 1929. Vol. II p. 252 sq.
2. Vgl. Christoph F erckel, Thomas von Chantimpré über die Metalle, in Studien
zur Geschichte der Chemie. Festgabe E. Ο, v. Lippmann, ed. J . Ruska, Berlin 1927, p. 76.
3. Vgl. Lynn T horndike, 1. c. Vol. II p. 458 sq. Nach F. Pelster, Krit. Studien
zum Leben und zu den Schriften Alberts des Grossen. Freiburg i. Br. 1920, p. 98 ff.
ist das «Speculum» zwischen 1241-1264 entstanden und fortlaufend erweitert worden.
Die erste Fassung war 1241 vollendet. 1264 starb V incent v . B eauvais. Das Speculum
naturale ist vor 1241 verfaßt worden. (ebda. p. 99.)
4. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 79.
5. So die Worte «et hoc innuit H ermes in suo secreto». Vgl. Theatr. Chem. 1659
Vol. III, p. 80.
6. Vgl. J. Ruska, Tabula Smaragdina, Heidelberg 1926, p. 186 ff.
7. Vgl. Anm. zum Text, Ende Kap. 3.
8. Vgl. E. v. Lippmann, Alchemie, Bd. I, p. 484.
9 . Vgl. J. R uska , Turba philosophorum, Berlin 1931, bes. pp. 13 und 46.
10. Vgl. Charles H. Haskins, List of Textbooks from the close of the Twelfth
Century. Harvard Studies in d ass. Phil. Vol. X X , 1909, p. 86.
11. Vgl. A. H. Querfeld , Michael Scotus und seine Schrift De secretis naturae. Diss.
Leipz. 1919. p. 7. Vgl. G eorge Sarton, Introduction to the History of Science. Washing-
6 E I N O R D N U N G DES T EXT ES
ton 1950 Vol. II p. 561 und p. 579 ff und die dort angegebene Literatur. Vgl. ferner
Ch. H. Haskins, The Sicilian translators of the 12. Cent. etc. Harvard Studies in Class.
Phil. Vol. X X I 1910. bes. p. 85.
12. Die «vetus translatio» der Bibi. Mazarinea 3462 Paris, X III. Jahrh. fol. 21 v sq.
formuliert: «Ignis autem augmentum in infinitum est, quousque est combustibile, natura
autem constantium omnium terminus est ratio magnitudinis et augmenti. Haec autem
animae sunt et non ignis et rationis magis quam materiae sunt. Die neue Übersetzung
W ilhelm von Moerbekes hat hier (Paris Bibi. Nat. 6296 X III. Jahrh. fol. 247 v):
Ignis vero augmentum in infinitum est quousque fuit combustibile. Natura autem con
stantium omnium terminus ratio est et ratio et magnitudinis et augmenti. Haec autem
animae sunt, non ignis et id rationis magis quam materiae. Vgl. zu den Versionen das
Corpus Philosophorum Medii Aevi, Aristoteles Latinus Codd. von G eorgius Lacombe
Pars. I Rom. 1939 p. 50 ff. Noch neuere Übersetzungen ersetzen das W ort «augmenti»
durch actionis oder accretionis (S ophianus).
13. Vgl. z. B. T homas von Aquin, De anima lib. II lect. 8. S. Thomae A. Opera
Paris 1660 Vol. III p. 60: Illud igitur quod est causa determinationis magnitudinis et
augmenti est principalis causa augmenti. Hoc autem non est ignis. Manifestum est enim
quod ignis augmentum non est usque ad determinatam quantitatem sed in infinitum exten
ditur si in infinitum materia combustibilis inveniatur. Manifestum est igitur quod ignis
non est principale agens in augmento et alimento sed magis anima. Et hoc rationabiliter
accidit quia determinatio quantitatis in rebus naturalibus est ex forma quae est princi
pium speciei, magis quam ex materia. Anim a autem cooperatur a d elem enta qu ae sunt
in corpore vivente sicut forma ad materiam. Magis igitur terminus et ratio magnitudinis
et augmenti est ab anima quam ab igne.
14. Vgl. F. Pelster S. J., Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts
des Großen, Freiburg i. Br., 1920, p. 150, p. 87 und p. 133 ff- und G. Sarton 1. c.
II. p. 829 ff.
15. Pelster i . c. p. 106.
16. Ich benützte die Ausgabe von 1528 ohne Angabe des Druckortes (vermutlich
Lugduni), De proprietatibus originalium et lapidum. Vgl. auch L. T horndike History
etc., Vol. II, p. 267, und R. Foerster, De Aristotelis quae feruntur secreta secretorum
Commentatio, Kiliae 1888; über Handschriften und Ausgaben der Pseudo-Aristotelischen
Schriften vgl. Clemens Baeumker, Der Platonismus im Mittelalter, München 1916,
p. 42; «Centralblatt für Bibliothekswesen», VI, 1889, p- 1-22 und p. 57-76, und
M. Steinschneider, Die hebr. Übersetzungen des Mittelalters und die Juden als Dol
metscher, Berlin 1893, p. 245 f. und p. 248-250, und derselbe: Die europ. Übersetzung,
a. a. O. Wien, Bd. 151 und 149, p. 41-42, und ders.: Die pseudoepigraph. Lit. des
E I N O R D N U N G DES T E X T E S 7
bei zwei w eiteren Z itaten ist dies d er F a ll, daß ich sie u n ter einem ande
ren A utorennam en auffinden konnte. E s kann das m it Ü berlieferungs
feh lern Zusammenhängen oder m it d en o ft vagen A utorenzuschreibun
gen dieser frühlateinischen T rak tate. E in HERMES-Zitat konnte ich nicht
direkt auffinden, näm lich den Satz, daß d er Lapis eine ew ige Speise sei,
d er viele tausend Ja h re lan g die M enschen ernähren k ö n n te 22. D erselbe
Satz findet sich auch im Consilium Coniugii 23 un d im Rosarium philo
sophorum 24, in letzterem ist er aber verm utlich der A u ro ra entnom m en.
E in ähnlicher G edanke findet sich im «B u ch der A lau n e und Salze 2s»,
näm lich daß der M ercurius d em M enschen zur E rh altu n g eines unend
lich langen Lebens ausreiche.
D ie alchem istischen T rak tate v on A vicenna (I bn Sina 980-1037)
«D e M ineralibus» und « D e d e recta ad H asen reg em Epistola» un d die
«D eclaratio Lapidis Physici F ilio suo A boali 2i» w erden zw ar allgem ein
nicht als echte W e rk e I b n S in a s angesehen 27, w aren aber au f jeden F a ll
u m die M itte des 1 3 . Jah rh u n d erts in lateinischer Sprache bekannt und
verbreitet, d a sie im «Speculum » des V incent d e B eauvais und in
A l b e r t des G rossen «D e m ineralibus» an gefü h rt s in d 2S.
V o n C a l id (angeblich dem berühm ten O m ajadenprinzen K h a l id
gelan gen» und « W e r die Seele em porsteigen läßt, w ird ihre F arb en
sehen» konnte ich nicht nachw eisen 4«.
D e r A usspruch hingegen: «Schon haben w ir die Schw ärze en tfern t» 17
44. Pretiosa Margarita Novella ed. Lacinius, p. 42. Vielleicht stand es in der mir
nicht zugänglichen Schrift. Morienus, Secretum maximum ad Flodium, erwähnt bei
M. Steinschneider I, 1904, p. 40-41.
45. Nicht erhalten in der De-perfecto-Magisterio-Version.
46. Aber im Liber Alphidii, Cod. Ashmole 1420 fol. 1 ff. und im «Consilium coniugii»
findet sich folgendes A lphidius- bzw. Assiöuus-Zitat (Manget II, 245 item Ars. Chemica
1566, p. 108 f f .) : «Nisi hic vapor ascendet, nihil habes ex eo quia ipse est opus et absque
eo nihil. Et sicut anima corpori ita est ipse qui fit Quelles.» Die Seele ist auch bei Senior
und in der Turba als Vapor bezeichnet. Vgl. auch C la n g o r B u c c in a e , Artis Auriferae.
1610. Pars I. p. 317. Außerdem ist zu betonen, daß dieser gedruckte MoRiENus-Traktat
von gewissen Handschriftenversionen stark abweicht, so z. B. vom Cod. Ashmole 1450,
fol. 49. Oxford Bodleian Libr. Questiones Calid Regis ad Morienum Romanum.
47. Artis Aurif. 1610, Pars II, p. 22.
48. Näheres siehe E. v. Lippmann, Alchemie Bd. II, p. 148-149. Vgl. ferner
J . H olmyard, Soc. Chem. Ind. X L IV , 75 (1925) und R. Reitzenstein, Alchemistische
Lehrschriften und Märchen bei den Arabern, Religionsgeschichtliche Versuche und Vor
arbeiten, Bd. X IX , Heft 2, Gießen 1923, p. 63 ff.
49. Arabische Alchemisten, Heidelberg 1924, Teil I, p. 35 ff.
50. Vgl. E. v. Lippmann, Alchemie 1. c. Vol. II, p. 149.
51. So z. B. im Ms. Ashmole 1450, fol. 49 in Oxford, Bodleian Library. Incipit:
Questiones Calid Regis ad Morienum Romanum. Von diesem Ms. stand mir eine
Photokopie zur Verfügung. Vgl. auch zu diesen Fragen D. W . Singer, Catalogue etc.
Vol. I p. 62 sq.
12 E I N O R D N U N G DES T E X T E S
ihm noch Vorstadien der Kom pilation Vorlagen. Damit müßte die
Aurora früher als die von Ruska vermutete Zeit der Kom pilation (13.
bis 14. Jahrhundert ) anzusetzen sein. In diesen noch nicht zum heutigen
Text zusammengesetzten Schriften dürften auch jene zwei M o r i e n u s -
Sentenzen, die ich nicht mehr nachweisen konnte 53, gestanden haben.
19 Sicher um eine arabische Quelle handelt es sich bei dem Autor
A l p h i d i u s , dessen Aussprüche in der frühmittelalterlichen Literatur all
gemeine Berühmtheit erlangten. D ie ungedruckte Schrift war mir in
einer Version im Oxforder Cod. Ashmole 1420 (Bodleian library,
fol. l f f . ) zugänglich. Es ist dieselbe Schrift, die auch L. T h o r n d ik e
in «Speculum», Journal o f Medieval Studies, July 1936, n° 3, p. 378, als
im Cod. Riccard. 1165, fol. 163a - 166b, in Florenz vorhanden signali
siert « . In letzterer Version fehlen viele Stücke, die im Codex Ashmole
1420 enthalten sind. Letzterer enthält auch alle die in der Aurora zitier
ten Stellen. Leider sind meines Wissens noch keine arabischen Origi
nale dieses interessanten Traktates publiziert» .
20 J. F e r g u s o n 16 verweist A l p h i d i u s ins 12. Jahrhundert, doch dürfte
diese Datierung nur für die lateinische Übersetzung seiner W erke gel-
52. Ruska glaubt auch, daß die Vorrede von Robert v . Chester von 1144 gefälscht
sei, jedenfalls gehört sie nicht zu d ie s e r Compilation.
53. Spera et spera et sic consequeris und Qui animam (suam) ascenderit, eius colores
videbit. Dies erinnert immerhin an den Ausspruch des III. Abschnitts: Quicumque
animam dealbaverit et eam rursum ascendere fecerit et corpus bene custodierit et ab eo
omnem obscuritatem abstulerit etc. ipsam in corpore infundere poterit. Et in hora con-
iunctionis maxima miracula apparebunt. (Artis Auriferae 1610 1. c. p. 24.) In der
Schrift Cod. Ashmole 1450 fol. 53, steht hingegen: Quicumque animam dealbaverit et
eam sursum ascendere fecerit et corpus a combustione bene custodierit e tc .. . . animam
poterit a corpore extrahere et ipsum corpus obscurum relinquitur et in hora coniunc-
tionis maximum apparebit miraculum.
54. Dasselbe Incipit: Scito fi li . . . Ich möchte an dieser Stelle P. A. A lb a r e d a , dem
Praefekten der Vatikanischen Bibliothek herzlichst für seine diesbezüglichen Auskünfte
danken. Vgl. auch L. T h o r n d ik e , Hist, of Exp. Science etc. Vol. III. p. 43.
55. Vgl. auch D orothy W aley Singer, Catalogue of Latin and Vernacular Aich.
Manuscripts. Brussels (Lamertin) 1928-1930, 3 Vols., p. 127, und J. Ruska, Turba
a. a. O. p. 339.
56. J. F erguson, Bibliotheca Chemica, Catalogue of the Alchemistic Books in the
Collection of James Young, Glasgow 1906, Vol. I, p. 27.
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 13
es, solange es Stoff habe, der passiven Sache seine Form einprägen wolle. Text p. 75.
Ferner, daß die Luft die Erde öffne zur Aufnahme der Kraft von Feuer und Wasser.
(Text p. 77.) Dann der Ausspruch: Du siehst ein wunderbares Licht in der Finsternis.
(Text p. 79.) Vielleicht frei nach Albertus Magnus, De mineral. Lib. I Tract 2.
qui vere dicitur carbunculus et ideo ille qui vere speciem suam attingit lucet in tenebris
sicut noctiluca. Ferner: Da ich mich nicht genug wundern konnte über die große Kraft
dieser Sache, die ihr vom Himmel eingegeben war. Und endlich: Wenn der Stein des
Sieges hergestellt ist, werde ich zeigen, wie man daraus Smaragde usw. macht, welche
an Farbe usw. die natürlichen übertreffen (Text p. 95 ).
71. Einmal im Cov. Rhenovac auch als pfih oo2. Ein Liber sacerdotum ist im zwei
ten Teil der Aurora erwähnt. Vgl. hiezu M. B erthelot, Moyen Age, I, p. 179 ff. Oder
ist es der bei VrNCENT de B eauvais angeführte (Lib. 7. cap. 96) Liber de septuaginta?
72. Artis Aurif. 1610 I, p. 156-157: De tertio scribitur quod lapides in gemmas pre
tiosas transmutat, ut superius allegatum est in libro sextario ubi dicitur quod lapides
Jacinti, Coralli rubei et albi, Smaragdi, Chrysoliti, Saphyri ex ipsa materia formari pos
sunt. Et in charta sacerdotum traditur quod ex christallo carbunculus sive rubinus aut
topazius per eam fieri potest qui in colore et substantia excellunt naturales.
73. ed. Jebb Venet. 1750, p. 5.
74. ed. Brewer, tom. I, p. 543.
75. 1. c. Vol. II. p. 630.
76. A. G. Little , Roger Bacon Essays. Oxford Clarendon Press 1914, p. 395, The
work consists of ten or eleven chapters, the last five of which Charles considered doubt-
ful (Fußnote: Apparently merely because they are «enigmatic». But see the ingenious
explanation by Lieut. Coi. Hirne, Gunpowder and Ammunition 1904, p. 141-142.)
addressed perhaps to W illiam of Auvergne (died 1248) or to J ohn of London whom
Charles identifies with J ohn of Basingstoke (died 1252). - In «Sanioris medicinae
magistri D. Rogerii B aconis Angli de arte chymica scripta etc.» Frkf. 1603, konnte
ich nichts auf die Aurora Bezügliches finden. Dort finden sich aber bemerkenswerter
weise p. 7: Excerpta de libro Avicennae de anima I und p. 36: Explicit exempla cum
laude Deo et exempla dico Abhuali Principis cognomine Avicennae ad Hasen Regem
patrem suum de re tecta.
16 E I N O R D N U N G DES TEX T ES
77. Vgl. M artin H ertz Ausgabe des G ellius, Berlin 1885, Einleitung zum 2. Band,
p. X X X V III, auch p. X X X I X .
78. C. E. Georges, (Hertz 1. c. p. X X X V III, Fußnote) verweist auf Lucilius. CXLI,
p. 157. L. M. ex Hieronymi ad Chromatium, wo es heißt: secundum illud quoque de
quo semel in Vita Crassum ait risisse Lucilius «similem habere labra lactucam (de
asino Fr.) carduos comedente».
79. Vgl. Chr. Hahn, Ketzergeschichte des Mittelalters, Bd. II, p. 257, ein Bericht
des Inquisitoren W . Mapeus, De nugis Curialium etc. de secta Waldensium X X X I
Ms. Bibi. Bodl. 851, wo Mapeus sagt: igitur proposui levissima, quae nemini licet
ignorare sciens quod asino, cardones edente dignam habent labra lactucam.
80. Tom. I, p. 6 l3 .
81. Vgl. L. T horndike, a. a. O. Vol. II, p. 630 ff.
82. Vgl. den Artikel in der Encyclopaedia Britannica von R. Adamson.
83. Vgl. L. T horndike, History a. a. O. Vol. II, p. 633.
84. F. Pelster, Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des
Großen. Freiburg i. Br. 1920, p. 50. L. T horndike a. a. O. Vol. II, p. 642-643.
E I N O R D N U N G DES T EXT ES 17
85. Vgl. auch die Variante Theatr. Chem 1622, Vol. V, p. 956.
86. Vgl. Text p. 37.
18 E I N O R D N U N G DES T E X T E S
87. Vgl. allgemein darüber Lynn T horndike, History 1. c. Vol. II, p. 720.
88. Vgl. den Gesamtkatalog der Wiegendrucke Leipz. 1925, Bd. I, Nr. 617 ff. Schon
in den frühesten Abdrucken von Ferrara 1471, Straßburg 1478, Bologna 1478, Reut
lingen 1483, Speyer 1483, Köln 1485, sind diese Schriften unten jenem Titel zusam
mengestellt.
Bei einem ALBERTUS-Biographen des 15. Jahrhunderts, Rudolf von N ymwegen,
(Legenda litteralis Beati Alberti Magni Köln 1490, P. 3 c. 7 ) findet sich folgende Notiz:
Frater H ermannus DE M ynda Saxo genere . . . in libro historiarum, qui De mirabilibus
mundi inscribitur, libro quarto de vita domini Alberti sub brevi, verborum compendio
multa comprehendit, quae suis in locis nostro opusculo inserta sunt. Franz Pelster,
Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des Großen, Freib. i. Br. 1920
p. 33 hält diese Schrift für verschollen, d. h. nicht identisch mit dem vorliegenden Tractat.
Er vermutet, der Autor dieses verschlossenen D e mirabilibus mundi heiße H ermann von
Lerbecke. W ie dies mit den Secreta Alberti zusammenhängt, ist mir undurchsichtig.
89. T horndike History II, p. 724 ff.
90. Vgl. ebda. p. 725 ff.
91. Vgl. die ganze Frage und die Literatur pro et contra die Verfasserschaft Alberts
in: J . R. Partington: Albertus Magnus on Alchemy, «Ambix» Journal of the Soc. for
the Study of Alchemy and Early Chemistry. Vol. I. 1. (1 937).
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 19
92. Schwierig bleibt es, die Tatsache einzuordnen, daß die Tractate «Secreta Alberti»
und «De mirabilibus» etc. bis heute nur in späten Handschriften und in den Inkunabel
drucken als «Liber aggregationis» zusammengefaßt auftauchen, auch als «Speculum
secretorum» und «Practica» bezeichnet (vgl. T horndike, Vol. II, p. 569-570), in den
früheren uns bekannten Handschriften hingegen getrennt erscheinen, doch müssen sie
wohl schon früher unter diesem einen Titel zusammengebracht worden sein, da die
frühesten Inkunabeldrucke verschiedenster Druckorte sie alle konsequent unter diesem
Titel zusammenstellen. (Vgl. die Angaben bei T horndike II, p. 721.) Als verwandte
«current works» erwähnt T horndike (ebda. p. 569-570) eine «Semita recta» und ein
«Speculum secretorum Alberti» Ms. 138 aus dem 15. Jahrhundert in Bologna.
20 E I N O R D N U N G DES T EXT ES
4 . D A S D A T IE R U N G S P R O B L E M
5 . D I E H A N D S C H R IF T E N
15. ed. J . K . London. Kegan Paul. In der Quellenangabe des anonymen Herausgebers
fehlt die Aurora.
16. Manget II, p. 280 col. 2. oder Opera Omnia Chemica, Cassel 1649 ed. Köhlers.
2 . B. Vers 3: Efficias ut sapientia sit tua soror et ut Prudentia sit tua amica, item
Vers 3, 6, 8 (lapis triunus) bes. 9, p. 159: quousque exsiccata fluminibus (hac enim
operatione abierunt flumina in siccum iuxta Psalmistam . . . p. 259 dasselbe Senior-
Citat p. 300. Scriptum enim est: constituisti terminos qui praeteriri non possunt auf
die menschliche Lebensdauer bezogen, wie in der Aurora 1
17. Musaeum Hermet. Frankfurt 1678, p. 83.
1. Es folgen weitere alchemistische Traktate, die wichtigsten sind der Liber secre
torum des Calid , die Correctio fatuorum von B ernardus M agnus, die Rotatio elemen-
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 23
stand, geh ört u n gefäh r dem 1 5 . Jah rh u n d ert an und stam m t aus der B iblio
theca M . S. S. C oisliniana (o lim S eg u en o n a), w elche H e n r i du Cam
po u t, duc de C o i s l i n , P air de F ran ce, dem K loster St. G erm ain des
Pres im Ja h re 1 7 3 2 verm acht h a tte 2. D as M anuskript ist sehr sauber und
lesbar geschrieben und enthält au f den ersten zwei Seiten am R ande die
W ied erh olu n g der zitierten Eigennam en und kurze Inhaltsangaben. Sie
ist im A p p arat m it P an gefüh rt, K o rrek turen als P 2 .
2 . In seinen Lesungen P am nächsten verw andt ist eine H an d sch rift 39
in W ie n von der österreich isch en N ationalbibliothek, C od. N r . 5 2 3 0 ,
w orin unser T rak ta t auf fo l. 2 3 9 r beginnt m it «Incipit aurora consur
gens» bis fol. 2 4 8 v, w o der zweite T eil an fän gt, der nur verkürzt w ieder
gegeben ist, bis fo l. 2 4 9 v. D an n folg en Rezepte. D e r vorhergehende
T rak tat endet: E xp licit lapidarius raym undi m agici 1 4 6 7 , 16 . Junii. E r
w ähnt ist die H an d sch rift in L y n n T h o r n d ik e : A H istory o f M ag ic and
E xp erim ental Science 1 9 2 3 , 1 9 3 4 , V o l. IV , p . 3 3 5 3. D iese H and sch rift
ist im A p p arat als V (V indobonensis) an gefüh rt, seine R andkorrektu
ren als V 2 .
3. Z u r selben G ruppe v on M anuskripten (e in Stam m baum ließ sich 40
torum des A lanus, eine Collectio ex nobili libro Margaritae pretiosae Novellae des
P etrus B onus, das Buch «Flos regis», die «Propositiones Maximae in Arte Alchimae»
des A lbertus M agnus, die «Epistola Avicennae ad Hazen philosophum», der «Liber
intitulatus Lilium evulsum e spinis», das «Problema» von JOH. T honensis, ein Collo
quium magistri cum discipulo, die «Herba incognita ortalona von Joh. T honensis sowie
Rezepte und kleine Traktate.
2. Vgl. die Beschreibung und Untersuchung der Handschrift in L. D elisle , Inventaire
des Ms. de St. Germain des Pres p. 124 ff. und in C orbett , Catalogue des Ms. alchimi-
ques latins, Bruxelles 1939 Vol. I p. 178-179.
3. Codex 5230. Es ist eine Sammelhandschrift auf Papier, 222 x 159 mm, in braunem
Kalbsledereinband mit Holzdeckeln. Außer den zahlreichen chemischen Abhandlungen
enthält die Handschrift auch viele Zeichnungen, die zum Text gehören (chemische Sym
bole, Darstellung von chemischen Versuchen). Die einzelnen Teile des Ms. stammen aus
verschiedenen Zeiten des 15. u. 16. Jahrhunderts. Es kommen die Jahreszahlen 1465,
1467, 1481 und 1516 vor. Vgl. «Tabulae Codicum Manuscriptorum . . . in Bibi. Palat.
Vindobonensi asservatorum ed. Acad. Caes. Vindob. Vol. IV W ien 1870 p. 67. Vgl.
auch Lynn T horndike und P earl K ibre Catalogue of Incipits of Medieval scientific
writings in Latin. Cambridge 1937 unter «Venerunt m ih i. . . » Fortsetzungen zu dieser
Publikation finden sich im «Speculum» A Journal of Medieval Studies Vol. X IV Jan.
1939 Nr. 1: L. T horndike : Additional Incipits of Medieval Scientific writings, und der
selbe in Vol. X V II July 1942 N r. 3: More Incipits etc. T horndike datiert die Hand
schrift 1505 (History etc. Vol. 4 Fußnote 25).
3 Ju n g : Mysterium III
24 E I N O R D N U N G D E S TEX T ES
ins 1 5 . Jah rh u n d ert verw eist. E r ist im A p p arat als R h, K orrek turen als
R h 2, an gefüh rt und beginnt gegen Schluß des 9 . K apitels der A u ro ra
m it dem W o r t - «sitates tollit de corpore . . . » D ie H an d sch rift enthält
w eitere, alchem istische T ra k ta te 67
. Sie stam m t von einer einzigen H and ,
h at rote T ite l und vereinzelte blaue und goldene Initialen und ist außer
dem mit sehr schönen symbolischen Bildern illustriert. D ie Beziehung
der B ild er zum T e x t ist allerdings relativ locker.
5. M it denselben B ildern in schlechterer W ied erg ab e versehen ist
auch der C od ex Vossianus Chem icus N r . 2 9 ( 5 2 0 ) der U niversitäts
bibliothek von Leyden (a ls L a n g e fü h rt), d er etw a dem 1 6 . Jah rh u n d ert
angehören d ü rfte und relativ nachlässig geschrieben ist. D e r T ite l lautet
d ort: «T ractatus qui dicitur Thom ae Aquintatis de A lch im ia m odus
extrah end i quintam essentiam L ib er A lchim iae, qui a nonnullis dicitur
A u ro ra consurgens latine scriptus cum figuris.» E s folgen w eitere alche
m istische A bhandlungen τ. D e r C od ex steht dem späten D ru ck in seinen
Lesungen am nächsten und ist fü r die T exth erstellu n g nur selten von
Bedeutung.
4. Erwähnt bei L. T horndike, History etc. Vol. 4 p. 335 Note 25. Ich erhielt M it
teilung über diese Handschrift durch die Freundlichkeit von Prof. A. M. Albareda,
von der vatikanischen Bibliothek. In A. G. L ittles Initia operum Lat. quae saeculis
X III, X IV , X V attribuntur, Manchester 1904 ist keine Aurorahandschrift erwähnt.
5. Vgl. den Katalog der Ms. der Zentralbibliothek 1 . Teil: Mittelalterl. Handschrif
ten von Leo Cunibert M olberg , 1951, p. 246.
6. So: Albertus Magnus: Kallisthenus unus de antiquioribus . . . dicit. 2. Questio
curiosa de natura solis et lunae, Petrus de Z olento, Secreta Hermetis, Jo . de Gar-
landia , Clavis sap. maioris. Auszüge aus G ebers Schriften, Aurea massa, Visio
Arislei und weitere Tractate. Näheres vgl. C. Molberg 1. c.
7. So ein deutscher Traktat des Albertus Magnus, die «Schemata» des Gratus,
eine Abh. de Lapide. Recepte, das Elucidarium testamenti Raymundi Lulli, Lexikali
sche Notizen etc.
E I N O R D N U N G DES TEX T ES 25
6 . D IE T E X T G E S T A L T U N G
a die H and sch riften P , Μ , V ziem lich g leich w ertig w aren und bald
D die eine oder andere bessere Lesungen enthielt *, konnte ich m ich
nicht eindeutig au f eine derselben stützen, sondern m ußte sie g leich m äß ig
8. Beispiele sind p. 30, Zeile 10, das «ut intelligat» statt des schwerverständlichen «et
intelligit», p. 38, Z. 5, wo ein aus vacabit verdorbenes vocabit mit «te» ergänzt wurde,
p. 38, Z. 8-9, wo die religiös anstößige Bezeichnung der Alchemie als sacramen
tum in sanctuarium abgeändert ist, p. 46, Z. 11, wo durch «volens» die Lesung der
Infinitive erleichtert werden sollte, p. 68, Z. 6-7 , die Glosse quod philosophus vult
esse, weil die Gleichsetzung der alchemistischen Triade mit der Trinität offenbar Anstoß
erregte usw.
9. z. B. p. 64, Z. 11, salvabitur et salvus vocabitur.
1. M ist z. B. besser p. 42, Z. 13, p. 44, Z. 14, p. 46, Z. 2. P ist besser p. 40, Z. 12
und 13, V ist einzig richtig ρ. 32, Z. 8, p. 38, Z. 5 vacabit.
26 E I N O R D N U N G DES T EXT ES
DER TEXT
(lateinisch und deutsch)
V . D e irritatione insipientum.
V
en eru n t
1. Sap. 7, 11: Venerunt autem mihi omnia bona pariter cum illa et inumerabilis
honestas per manus illius . . . Cf. Ordo missae, ed. P. A. Schott, Freiburg, 19. Aufl.
p. 554.
2. Cf. Matth. 12, 42: Regina austri surget in iudicio . . . Cf. Ordo missae I. c. p. 165.
Cf. Zach. 9, 14: Deus in tuba canet et vadet in turbine austri. . .
3. Prov. 1, 2 0 -2 2 : Sapientia foris praedicat, in plateis dat vocem suam, in capite
turbarum clamitat, in foribus portarum urbis profert verba sua dicens: Usque quo
parvuli diligitis infantiam?
4. Ps. 33, 6: Accedite ad eum (sc. Dominum) et illuminamini et facies vestrae non
confundentur. Cf. Ordo missae 1. c. p. 425.
5. Eccli. 24, 26-30: Transite ad me omnes qui concupiscitis me et a generationibus
meis implemini. . . Qui audit me non confundetur. Cf.Ordo missae 1. c. p. 727.
6. Ps. 33, 12: Venite filii, audite me, timorem Domini docebo vos. Cf. Ordo missae
1. c. p. 425.
7. Hos. 14, 10: Quis sapiens et intelliget ista intelligens et sciet haec? Quia rectae
viae D om ini. . . Cf. Ordo missae 1. c. p. 458.
8. Liber A lph id ii . M s . Ashmole 1420. Oxford, fol. 18: homines pedibus concul
cant in viis et aqua prolongant cuius Dei vilissime gratia, fol. 21: Thezaurizatum est in
viam ejectus vileque et carum. . . quae homines ac pueri in viis praetereunt. Vgl. auch
das C o n s iliu m C o n ju g ii. Ars Chemica 1566 1. c. p. 88: A ssiduus : Et scito fili quod
hunc lapidem de quo hoc archanum extrahitur Deus non emendum praecio posuit
quoniam in viis ejectus invenitur ut a paupere et divite haberi possit.
Et ibidem p. 6 2 -6 3 : Quidam (dixerunt lapidem) vile et carum et stercore tectum
ad quod vix poterit perveniri quod homines ac pueri in plateis et viis praetereunt.
Cf. item R o sa r iu m P h ilo s o p h o r u m . Manget: Bibliotheca Chemica, Lib. III, p. 88b—89a:
Scito quod hunc lapidem, de quo hoc arcanum agitur, Deus non posuit magno pretio
I. B E G I N N D E S T R A K T A T E S D E S S E L IG E N T H O M A S V O N
A Q U IN O . « D IE A U F S T E IG E N D E M O R G E N R Ö T E » (A U R O R A ),
W I E D A S B U C H I N D E R K U N S T H E IS S T , G L E IC H S A M A L S
E I N E B A L D IG E « G O L D E N E S T U N D E » (A U R E A H O R A )
E
s kam m ir zugleich alles G ute m it ih r % jener W eish eit des Süd
windes 2, w elche draußen k lagt und sich hören lä ß t au f den G as
sen, w elche ru ft v orn u n ter dem V o lk und in dem E in g an g des
T ores der Stadt ihre W o rte redet 3 : K o m m t h er zu m ir und laß t euch er
leuchten, und eure O perationen w erden nicht zu Schanden w erden L Ih r
alle, die ihr m ein begehrt, w erdet von m einen R eichtüm ern erfü llt L
K o m m t also her, Söhne, h öret m ir zu, ich w ill euch die W issensch aft
G ottes le h re n 6. W e r ist weise und versteht diese 7 , von d er A l p h id iu s
sagt, daß Erw achsene und K in d er auf W e g e n und in den Gassen daran
Vorbeigehen, und daß sie täglich von den Z u gtieren und dem V ieh im
Straßenkot zertreten w e rd e 8? U n d S e n i o r sagt: N ich ts ist äußerlich ge-
1. Weish. 7. 11: Es kam mir aber alles Gute (wörtl. zugleich) mit ihr und unzäh
liger Reichtum in ihrer Hand . . . Vgl. Meßbuch, herausgegeben von P. A. Schott ,
Freiburg i. Br., 19- Aufl. p. 554.
2. Vgl. Matth. 12, 42: Die Königin von Mittag (wörtl. des Südens oder Südwindes)
wird auftreten am jüngsten G ericht. . . Meßbuch a. a. O. p. 165.
Vgl. Zach. 9, 14: Der Herr wird die Posaune blasen und wird einhertreten im
Wetter von Mittag (wörtl. im Wirbel des Südwindes).
3. Sprüche 1, 20-22: Die Weisheit klagt draußen und läßt sich hören auf den
Gassen, sie ruft in dem Eingang des Tores, vorn unter dem Volke, sie redet ihre Worte
in der Stadt: W ie lange wollt ihr unverständig sein? . . .
4. Ps. 34, 6: Welche auf ihn sehen, die werden erquickt und ihr Angesicht wird nicht
zu Schanden. Meßbuch a. a. O. p. 425.
5. Jes. Sirach 24, 26-30: Kommt her zu mir alle, die ihr mein begehrt und sättiget
euch von meinen Früchten. W er mir gehorcht, der wird nicht zu Schanden. Meßbuch
a. a. O. p. 727.
6. Ps. 34, 12: Kommt her Kinder, höret mir zu, ich will euch die Furcht des Herrn
lehren. Vgl. Meßbuch a. a. O. p. 425.
7. Hos. 14, 10: W er ist weise, der dies verstehe? und klug, der dies merke? Denn
die Wege des Herrn sind richtig . . . Vgl. Meßbuch a. a. O. p. 458.
8. Vgl. Liber A lphidii philosophi etc. cod. Ashmole Bodleian-Bibr. Oxford.
Ashmole 1420, fol. 18 und 21. Vgl. R o s a r iu m P h ilo s o p h o r u m y Manget: Bibi. Chem.
Lib. III, p. 88b-89a: Wisse, daß Gott diesen Stein, von dem dies Geheimnis handelt,
billig käuflich sein ließ, da man ihn auf die Straße weggeworfen findet, sodaß er von
Armen und Reichen erlangt werden kann. Vgl. ebenda II, p. 594b. Vgl. ferner C o n -
32 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
emendum, quoniam in via eiectus invenitur, quatenus tam a paupere quam a divite
haberi possit. . . (ibid. II, p. 594b: Nam A lphidius dicit hoc secretum pretio non
comparari sed inveniri proiectum in v ia . . . ) Cf. item R osinus ad Sarratantam, Artis
Auriferae 1610 a. a. Ο. I, p. 188, M orienus Romanus De transmutatione metallorum
ebda. II, p. 25, A vicenna, Declaratio Lapidis Physici Filio suo Aboali, Theatrum Chemi-
cum 1659, Vol. IV, p. 875. Vgl. zu dieser ganzen ersten Partie C. G. J ung : Psychologie
und Alchemie, 1944, p. 412-414.
9. Cf. Senior : De Chemia libellus antiquissim us... Argentorati 1566, p. 117:
. . . Philosophus filius Hamuel Zadith extraxit a fundo eorum margaritas praetiosas
et ostendit tibi manifeste et aperte hoc secretum caelatum quod appropriavit dominus
gloriosus huic lapidi vili et inpraeciabili et est praeciosius in mundo et vilius. Cf. R o s.
P h il. 1. c. p. 102. Cf. ibid. p. 106: . . . de quo dixit Viemon: Proiicitur in sterquiliniis
hoc est, est vile in oculis omnis ignorantis.
10. Cf. R o s. R h ii. p. 100.
Cf. Sap. 7, 7: . . . venit in me spiritus sapientiae et praeposui illam regnis et sedibus
et divitias nihil esse duxi in comparatione illius nec non comparavi illi lapidem
pretiosum, quoniam omne aurum in comparatione illius arena exigua et tamquam
lutum aestimabitur argentum in conspectu illius . . . Cf. Ordo missae 1. c. p. 554.
11. Cf. P etrus B onus: Pretiosa Margarita n o v e lla ... ed. Lacinius, Veneti 1546,
p. 45: . . . et tu quidem exerciteris ad illud cum laboris instantia maxima et cum
diuturnitate meditationis immensae, cum illa enim invenies et sine illa non.
12. Prov. 3, 14-18: Melior est acquisitio eius negociatione argenti et auri primi et
purissimi fructus eius. Pretiosior est cunctis opibus et omnia quae desiderantur huic
non valent comparari. Longitudo dierum in dextera eius et in sinistra illius divitiae
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 33
rin ger und nichts ist in der N a tu r w ertvoller als sie, und G ott h at sie
auch nicht fü r G eld käuflich w erden lassen Sie ist es, die S a l o m o n als
L euchte zu brauchen (verk ü n d ete) und die er über alle Schönheit und
alles H eil gestellt hat, und im V ergleich zu ih r hat er den W e r t des
Edelsteins ihr nicht g le ich g e ste lltI0. D enn alles G old ist im V ergleich
zu ihr w ie gerin ger Sand, und Silber ist w ie L eh m gegen sie einzuschät
zen, und dies nicht ohne G rund, denn sie zu erlangen ist besser als der
E rtra g von reinstem G old und Silber. U n d ihre F ru ch t ist w ertvoller als
alle R eichtüm er dieser W e lt, und alles, was du w ünschen m agst, ist ihr
nicht zu vergleichen. Langes Leben und G esundheit sind in ihrer R ech
ten, und in ihrer Linken sind R uhm und unendlicher Reichtum . Ihre
W e g e sind schöne und lobensw erte W e rk e , nicht verächtlich oder h äß
lich, und ihre P fad e sind m aßvoll und nicht hastig, sondern m it der
Beharrlichkeit ausdauernder A rb eit v erb u n d e n 11. Sie ist ein B au m des
Lebens fü r alle, die sie erfassen, und ein nie erlöschendes L ich t. Selig
sind die sie verstanden h a b e n 12; denn die W eish eit G ottes w ird niem als
1. testatur: dicit BD, om. L / 2. legitimus: longaevus YP, longus M / 3. ceteri: alii B
G e b e r , Ros. / «inquiunt» om. B / «philosophi» add. DL / 4. deberet pascere: pasceret
BDL / 5. numquam: non BD L / confirmat BD L / 6. Quia esset: Est enim hic BD L /
7. ,sui’ BDL / 10. appositionem D, compositione P / 11. «cui» om. MP / prudentia
haec M PVB, «haec» om. L, providentia Saturni D / 12. ducit M PV /
et gloria. Viae eus viae pulchrae d i omnes semitae illius pacificae. Lignum vitae est
his, qui apprehenderint eam et qui tenuerit eam beatus.
13. Liber A lphidii 1. c. Scito fili quod qui hanc invenit scientiam et victum inde
habuerit cibus eius legitimus erit. Und: quod thesaurus Dei numquam perit nec deficit.
Item citatur in R o s a r io P h ilo s o p h o r u m , Manget: Lib. III, p. 100b-101a: Qui hanc
scientiam invenerit cibus erit eius legitimus et sempiternus (item M. M aier Symbola
Aureae Mensae p. 65).
14. Cf. C o n s iliu m C o n ju g ii, A r s Chemica 1566, p. 116: . .. n e c est necesse ut
reiteretur, prout dicit Hermes: Sufficiet homini per mille millia annorum et si quo
tidie duo milia hominum pasceres non egeres, tingit enim in infinitum. Cf. item D e
A lu m in ib u s e t S a lib u s , R uska , Berlin 1935, p. 59: (Mercurius) Et si quis junxerit
me fratri meo vel sorori meae vivet et gaudebit et ero sufficiens ei usque in aeternum
et si viveret millies millenos.
15. R o s a r iu m P h iL Manget: Lib. III, p. 92a: Hermes et Geber: Qui hanc artem
semel perfecerit, si deberet vivere mille millibus annis et singulis diebus nutrire
quatuor milia hominum non egeret. Hoc confirmat Senior dicens: Est ita dives habens
lapidem, de quo Elixir fit, sicut qui habet ignem potest dare ignem cui vult et quando
vult et quantum vult sine suo defectu et periculo.
16. R o s. P h il. Manget: Lib. III, p. 92a.
17. Anonymus in R o s a r io , ibidem p. 102a, positus est certus terminus . . .
18. D e A n im a B 4. 4 l6 a : ή μέν του πυρός αΰξησις εις άπειρον, εω ς αν η τό
καυστόν, των δέ φύσει συνισταμένων πάντων έστ'ι πέρας και λόγος μεγέθους τε
καί αύξήσεως* ταΰτα δέ τής ψυχής άλλ’ ου πυρός, καί λόγου μάλλον ή ύλης.
19. Prov. 3, 13: Beatus homo qui invenit sapientiam et cui affluit prudentia.
20. Prov. 3, 5 -6 : Habe fiduciam in Dominum . . . In omnibus viis tuis cogita illum
et ipse diriget gressus tuos . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 35
sind, die sie halten. Vgl. auch das S p ec u lu m S a p ie n tia e des Bischof Cyrillus , ed.
J. G. G raesse, Tübingen 1880. p. 5-7.
13. Cod. Ashmole 1420. Vgl. auch das R o s a r iu m P h ilo s o p h o r u m ,. Manget, Lib.
III. p. 100b-101a. Und M. M aier , Symbola aureae Mensae 1. c. ρ. 65. \
14. C o n s iliu m C o n ju g ii , Ars. Chemica 1566, p. 116: Und man braucht es nicht
wiederholen, wie ja Hermes sagt: Es wird einem Menschen während tausendmal
tausend Jahren genügen und wenn du täglich zweitausend Menschen ernährtest, wür
dest du keinen Mangel leiden; denn es «färbt» in Ewigkeit weiter.
15. R o sa r iu m P h il. Manget: III, p. 92a: Hermes und Geber: W er diese Kunst
einmal vollendet hat, wenn er eine Million Jahre leben müßte und täglich 4000
Menschen ernähren müßte, würde er nicht Mangel leiden. Dies bestätigt Senior, indem
er sagt: W er den Stein hat, aus dem das Elixir gemacht wird, ist so reich, wie der,
der Feuer hat, solches geben kann, wem er will, und wann er will und wie viel er
will, ohne eigenen Verlust oder Gefahr.
16. R o s. P h il. Manget: III, p. 92a.
17. ebenda p. 120a.
18. D e A n im a B 4. 4l6a.
19. Sprüche 3, 13: Wohl dem Menschen, der Weisheit findet und dem Menschen,
der Verstand bekommt. . . (wörtl. dem Verstand zufließt.)
20. Sprüche 3, 5 -6 : Verlaß dich auf den H errn. . . gedenke an ihn in allen deinen
Wegen, so wird er dich recht führen (wörtl. selber deine Schritte lenken).
36 T H O M A E D E A Q U I N O AURORA
dem Lib er ag g reg atio n is2I. D an n näm lich g erät jeder G eist in Flu ß und
fo lg t seinem B e g e h re n 22 - selig ist, w er über m eine W o rte nachdenkt 23 !
21. Vgl. Senior : De Chemia. Straßburg, 1566, p. 11: Es versteht sie, der der erfinde
risch ist durch subtiles Überlegen, wenn die Geister geklärt worden sind aus den
überlieferten Büchern, die die Philosophen verborgen haben . . . Vgl. Ps. A ristoteles .
Secreta secretorum 1528. Cap. De Hora eligendi. . . Es handelt sich um den Liber
Aggregationum des A lbertus M agnus, ed. H. Quenteil, Köln ca. 1485. Näheres
vgl. Kommentar.
22. Vgl. Senior, De Chemia 1. c. p. 12: Es (de Tinctur) wurde verborgen, damit
nicht jeder Geist sein Begehren erkennen könne. Er «fließt» (dann), wie die Sehenden
wohl sagen würden.
23. Vgl. ebenda p. 9: Selig ist, wer über meine Worte nachdenkt, dann wird ihm
meine Würde nicht verweigert werden und der Löwe wird nicht vom [Fleische]
(Hunde) geschwächt verderben.
24. Sprüche 3, 3-4 : Gnade und Treue (wörtl. Mitleid und Wahrheit) werden dich
nicht verlassen. Hänge sie an deinen Hals und schreibe sie auf die Tafel deines
Herzens, so wirst du Gunst und gute Zucht finden, die Gott und den Menschen gefällt.
25. Sprüche 7, 3-4 : Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester! und nenne
die Klugheit deine Freundin . . .
26. Vgl. P etrus B onus: Pretiosa margarita novella a. a. Ο. p. 53: Die Wahrheit
ist nichts anderes als die Angleichung des Verstehens an die Dinge selbst, - und
p. 100: Die Kunst verfährt auf dieselbe Art wie die Natur.
27. Weish. 6, 16-18: Denn nach ihr trachten, das ist die rechte Klugheit (wörtl.
über sie nachzudenken ist ein vollendeter Sinn) und wer ihretwegen wacht, darf
nicht lange sorgen (wörtl. wird geborgen sein). Ja sie begegnet und gibt sich selbst
zu erkennen denen, die sie gerne haben. W er sie gern bald hätte, bedarf nicht viel
Mühe, er findet sie vor seiner Tür auf ihn warten. . . denn sie geht umher und
sucht wer ihrer wert sei und erscheint ihm gern unterwegs und hat acht auf ihn,
daß sie ihm begegne (wörtl. und eilt ihnen in aller Vorsehung entgegen). Denn ihr
Anfang ist der wahrste Wunsch nach Z u cht. . .
28. Weish. 6, 13: Denn die Weisheit ist schön und unvergänglich und läßt sich
gerne sehen von denen, die sie liebhaben und läßt sich finden von denen, die sie suchen.
38 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
I II. Q U ID S IT S A P IE N T IA
S
i ergo nunc delectam ini sedibus et sceptris regalibus, ut in p erp e
tuum regnetis, diligite lum en scie n tia e 1 om nes et perquirite, qui
literis naturae estis insigniti, vobis enim sapientiam om nium antiquo-
j rum exq u ir< e)t sapiens et in prophetis vacabit et in versutias parabola
ru m si(m u l) introibit occulta proverbiorum exquiret et in absconditis
parabolarum co n versab itu r234. Q uid scientia sit et quem adm odum facta
sit referam et non abscondam a vobis. E st nam que donum et sacram en
tum D ei atque res divina, quae m axim e et diversim ode a sapientum ser
io monibus typicis est occultata. Q uare p ono in lucem scientiam eius et non
praeteribo (v e rita te m ) neque cum invidia tabescente 3 iter habebo, quo
niam ab initio nativitatis hanc investigavi et ignoravi quoniam m ater
om nium scientiarum esset illa, quae m e antecedebat. E t innum erabiles
honestates m ihi condonavit, quam sine fictione didici et absque invidia
15 com m unicabo et non abscondendo honestatem illius 4 . E st enim thesau-
II. W A S D IE W E I S H E I T IS T
1. Weish. 6, 22-23: Habt ihr nun Gefallen und Thron und Zepter, ihr Herrscher
der Völker, so habet die Weisheit in Ehren auf daß ihr ewiglich herrschet. . .
2. Jesus Sirach 39, 1-3 : W er sich aber darauf geben soll, daß er das Gesetz des
Höchsten lerne, der muß die Weisheit aller Alten erforschen und in den Propheten
studieren. Er muß die Geschichten der berühmten Leute merken und denselben nach-
denken, was sie bedeuten und lehren. Er muß die geistlichen Sprüche lernen und in
den tiefen Reden sich üben. (W örth: Die Weisheit aller Alten wird der Weise
erforschen und bei den Propheten seine Zeit verbringen . . . und er wird zugleich in
die Tiefen der Gleichnisse eindringen, das Verborgene der Sprichworte erforschen
und in den dunklen Stellen der Parabeln verweilen.)
3. Weish. 6, 24-25: Was aber Weisheit ist und woher sie komme (wörtl. wie
sie entstanden ist), will ich euch verkündigen und will euch die Geheimnisse (wörtl.
Sakramente Gottes) nicht verbergen, sondern forschen von Anfang der Kreatur (wörtl.
der Geburt) und will sie öffentlich zu erkennen geben (wörtl. ihr Wissen ans Licht
bringen) und will die Wahrheit nicht sparen (wörtl. übergehen). Denn ich will mit
dem giftigen Neid nichts zu tun haben, denn der hat nichts an der Weisheit.
4. Vgl. A lberti M agni Compositum de Compositis. Theatr. Chem. 1659. Vol.
IV. p. 825.4
III. D E IG N O R A N T IB U S E T N E G A N T IB U S
H A N C S C IE N T IA M
H
anc
alle und w enn ein M ensch ihn findet, so verb irgt er ihn und sagt in
seiner Freu d e über d en selb en 5
67: F reu e dich, Jerusalem , versam m elt euch,
ihr alle, die ihr m ich liebet, seid fröhlich in Freu den , alle, denn der
H e rr und G ott hat sich seiner Elenden erbarm t 7. A uch S e n i o r sagt: Es
gibt näm lich einen Stein, den jeder, der ihn kennt] über seine A ugen
legt und ihn beileibe nicht au f den M ist w i r f t 89; und es ist das H e il
m ittel, welches die N o t vertreibt, und nach G ott besitzt der M ensch
kein besseres ?.
III. V O N D E N E N , D IE D IE S E W IS S E N S C H A F T
N IC H T K E N N E N U N D L E U G N E N
D
ie s e
ses G eheim nis der Philosophen und H eilm ittel der Ä rzte verachten
die T o ren % weil sie nicht wissen, was es ist. Sie verschm ähen den Segen,
und so w ird er auch fern e von ihnen b leib en 2; auch geziem t eine solche
W eish eit einem U nkundigen n ich t; denn jeder, der sie nicht kennt, ist
5. Weish. 7, 12-14: (Es kam mir aber alles Gute mit i h r . . . ) Ich war in allen
Dingen fröhlich, das macht die Weisheit ging mir darin vor, ich wußte es aber nicht,
daß solches von ihr käme (wörtl. daß sie von allem dem die Mutter sei). Einfältig
(wörtl. ohne Falsch) habe ich sie gelernt und mild (wörtl. ohne Neid) teilte ich sie
mit, ich will ihren Reichtum nicht verbergen. Denn sie ist ein unendlicher Schatz und
die ihn gebrauchen, werden Gottes Freunde (wörtl. teilhaftig der Freundschaft Gottes).
Meßbuch a. a. O. p. 554.
6. Math. 13, 44: Abermals ist gleich das Himmelreich einem verborgenen Schatz
im Acker, welchen ein Mensch fand und verbarg ihn und ging hin vor Freuden über
denselben und verkaufte alles was er hatte und kaufte den Acker. Meßbuch a. a. O.
p. (6 8 ).
7. Meßbuch a. a. O. p. 195: Freue dich, Jerusalem, versammelt euch, ihr alle, die
ihr es liebet, seid fröhlich in Freuden alle, die ihr in Trauer w äret. . .
Cf. Jes. 66, 10: Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über sie alle, die ihr
sie lieb habt, freuet euch mit, ihr alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.
8. Vgl. S enior : De Chemia, p. 63: . . . den Stein, den jeder, der ihn kennt, über seine
Augen legt, wer ihn aber nicht kennt, wegwirft.
9. C o n s iliu m C o n ju g ii. Ars. Chemica 1566, a. a. O. p. 119: Und anderswo sagt er
(S enior ): Und nach Gott hast du keine andere Medizin. Sie selber ist nämlich das
Gold der Weisen, welches die Armut vertreibt. Vgl. ebenso A vicenna, Declaratio
Lapidis Physici Filio suo A boali. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 879.
1. Sprüche 1, 7: Die Ruchlosen (wörtl. Toren) verachten Weisheit und Lehre.
2. Ps. 109, 17: Er wollte den Segen nicht, so wird er auch ferne von ihm bleiben.
42 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
1. «Et non sine causa ait» V D / 3 . «cardui» coni, carabe M VP caribe B caules DL /
2. sufficiunt MP / 5. «inclytae» add. DL / 8. parvitatem BD L / 10. «enim» add. L / enu-
dare MPV / 13. «inediarum» conieci, medias et angustias B medias PVM BD, modicis L /
ihr Fein d und dies nicht ohne G rund. Es sagt näm lich S p e c u l a t o r 2a:
D ie V erh öh nu n g der W issensch aft ist die U rsach e der Ignoranz, und
m an soll den Eseln keinen L attich zu fressen geben, w o ihnen doch
D isteln genügen 3? auch soll m an das B ro t der K in d er nicht den H unden
vorw erfen und P erlen vor die Säue au sstre u e n 4, und niem als w erden
solche Spötter dieser ruhm reichen W issen sch aft teilh aftig sein, denn
der bräche das Siegel des H im m els, der die G eheim nisse dieser W issen
schaft U nw ürdigen offenbaren w ü rd e *; auch w ird der G eist dieser
W eish eit nicht in einen groben K ö rp e r eindringen können, noch kann
sie ein T o r erfassen infolge der V erd reh th eit seines V erstandes. D ie
W eisen haben näm lich nicht fü r die D um m en gesprochen, denn w er m it
einem T o ren redet, der redet m it einem S ch lafen d en 6. M o r ie n u s sagt
näm lich: W e n n ich alles enträtseln w ollte, w ie es sich w irklich verhält,
dann w äre nirgends m ehr R aum fü r die K lu gh eit, denn der D um m e
w äre dem W eisen gleichgestellt, und kein Sterblicher unter dem K reise
des M ondes w ürde m ehr, w enn ihn die A rm u t stiefm ütterlich behan
delte, die Q ual seines H ungers beweinen 7, w eil die Z ah l der T o re n u n
endlich g roß ist in dieser W iss e n s ch a ft8.2
IV . D E N O M IN E E T T I T U L O H U IU S L IB R I
H
u iu s autem volum inis titulus A u ro ra consurgens baptizatur, et hoc
quatuor de causis: P rim o aurora dicitur quasi aurea hora, sic haec
scientia habet h oram in finem aureum recte operantibus. Secundo aurora
est m edium inter noctem et diem rutilans in colore duplici, scii, rubeo
et citrino, sic haec scientia dat colores citrinos et rubeos, qui sunt m edii
inter nigru m et album. T e rtio quia in aurora ab omnibus infirmitatibus
nocturnalibus patientes allevantur et quiescunt, sic in aurora huius scien
tiae omnes odores et vapores m ali m entem laborantis inficientes deficiunt
et senescunt, u t Psalm us ait: A d vesperum dem orabitur fletus et ad m atu
tinum la e titia *. Q uarto et ultim o aurora dicitur finis noctis et principium
diei vel m ater solis, sic nostra aurora in rubedine sum m a est finis totius
tenebrositatis et fugatio noctis, longiturnitatis hiem alis illius, qui in ea
am bulat, si non caverit, o ffen d etu r2. D e illa nam que scriptum est: E t n o x
nocti indicat scientiam , dies diei eructat verbum 3 et n o x sicut dies illu
m inabitur in deliciis suis 4.
IV . V O M N A M E N U N D T I T E L D IE S E S B U C H E S
D
er
1. Ps. 30, 6: Den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens ist Freude.
2. Joh. 11, 9 -1 0 : Jesus antwortete: Sind nicht des Tages 12 Stunden? W er des
Tages wandelt, der stößt sich nicht, denn er sieht das Licht dieser W elt, wer aber
des Nachts wandelt, der stößt sich, denn es ist kein Licht in ihm. Meßbuch p. 205.
3. Ps. 19, 3: Ein Tag sagt’s (wörtl. das W ort) dem andern, und eine Nacht tut’s
(wörtl. das Wissen) kund der andern.
4. Ps. 139, 12: . . . und die Nacht leuchtet wie der Tag (in meiner W onne). Meß
buch p. 295: O wahrhaft selige Nacht, die allein gewürdigt worden, Zeit und Stunde
zu erfahren, da Christus vom Reiche der Toten erstanden! Dies ist die Nacht, von der
geschrieben steht: Die Nacht wird lichthell wie der Tag, und die Nacht ist meine
Leuchte bei meiner W onne!
46 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
V . D E IR R IT A T IO N E I N S IP IE N T U M
1. Prov. 8, 1-6: Numquid non sapientia clamitat et prudentia dat vocem suam . . .
in mediis semitis stans iuxta portis civitatis . . . dicens: O viri ad vos clamito et vox
mea ad filios hominum, intelligite parvuli astutiam et insipientes animadvertite: Audite,
quoniam de rebus magnis locutura sum . . .
2. Prov. 1, 5 -7 : Audiens sapiens sapientior erit et intelligens gubernacula possidebit.
Animadvertet parabolam et interpretationem verba sapientum et aenigmata eorum. Timor
Dei principium sapientiae. Sapientiam atque doctrinam stulti despiciunt.
3. Cf. P etrus B onus Pretiosa margarita novella 1. c. p. 54: Lilium: Nostri lapidis
tot sunt nomina, quot sunt res vel rerum vocabula. Et A lphidiu S: In hoc opere est
parabolarum diversitas et nominum . . . ut ab imperitis celent. . .
4. Cant. 6, 9: Quae est ista, quae progreditur quasi aurora consurgens pulchra ut
luna, electa ut s o l. . . ? Cf. Ordo missae p. 720, 751, 789-
5. Math. 12, 42: Regina austri surget in iudicio cum generatione ista et condemnabit
eam, quia venit a finibus terrae audire sapientiam Salomonis et ecce plus quam Salomon
hic. Cf. Luc. 11, 31, et Ordo missae p. 165.
6. Ordo missae p. 108: Ecce advenit Dominator Dominus: et regnum in manu eius
et potestas et imperium. Cf. Maleach. 3.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 47
V . V O N D E R A N S P O R N U N G D E R U N W IS S E N D E N
R
u ft
die K lu gh eit sich h ören in den B ü ch ern der W eisen , indem sie sagt:
O h ihr M än n er, ich schreie zu euch und ru fe zu den Söhnen des V e r
stehens 1: M erk t ihr U nw issenden und nehm t zu H erzen die Parabel und
ihre D eutung, die W o rte der W eisen und ihre R ä ts e l2345. D ie W eisen
haben näm lich verschiedene A usdrücke gebraucht in A n gleich u n g an
alle D in ge auf E rd en 3 und haben unter dem K reise des M ondes die
Parabeln verm ehrt in dieser W issensch aft. W e n n aber ein W e ise r die
W eisen h ört, so w ird er wissender w erden und verstehen, und w enn er
diese W issensch aft versteht, so w ird er sie besitzen. D as ist die W eish eit,
d .h . die K ön igin des Südwindes, w elche von Sonnenaufgang (v o m
O rien t) gekom m en sein soll, gleich der auf steigenden M orgenröte 4, um
die W eish eit Salomons zu hören und zu begreifen und auch zu sehen *,
und es ruht in ihrer H an d M ach t, E h re, K ra ft und H e rrs c h a ft6. U n d
1. Sprüche 8, 1-6: Ruft nicht die Weisheit und die Klugheit läßt sich hören?
Oeffentlich am Wege und an der Straße steht sie. An den Toren der Stadt, da man zur
Türe eingeht schreit sie: O ihr Männer, ich schreie zu euch und rufe den Leuten.
Merkt ihr Unverständigen auf Klugheit und ihr Toren nehmt es euch zu Herzen! . . .
2. Sprüche 1, 5-6 : W er weise ist, der hört zu und bessert sich (wörtl. wird weiser
werden) und wer verständig ist, der läßt sich beraten, daß er verstehe die Sprüche und
ihre Deutung, die Worte der Weisen und ihre Beispiele (wörtl. Rätsel).
3. Vgl. Petrus B onus Pretiosa Margarita novella a. a. O. p. 54: Es sagt Liliu m :
Von unserem Stein gibt es so viele Namen als es Dinge gibt oder Bezeichnungen von
Dingen. Und Alphidius: In diesem W erk besteht eine (große) Verschiedenheit der
Parabeln und Bezeichnungen . . . um es vor den Unerfahrenen zu verbergen.
4. Hohes Lied 6, 9: (Meßbuch) W er ist diese, die dort hervortritt, gleich der auf
steigenden Morgenröte, schön wie der Mond, auserlesen wie die Sonne. . . ? Meßbuch
p. 751, 789, 720.
Hiob 3, 9: (wörtl. . . . noch den Aufgang der kommenden Morgenröte).
Vgl. auch Meßbuch p. 720: Die aufglänzende Morgenröte am Himmel der Erlösung
und Gnade aus deren Schoße sich tausendfach sie überstrahlend die Sonne erhebt
ist M aria. . .
5. Math. 12, 42: Die Königin von Mittag (wörtl. des Südwindes) wird auftreten am
Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen, denn sie kam vom
Ende der Erde, Salomons Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr denn Salomons
Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr denn Salomo. Vgl. Lukas 11, 31. Meß
buch p. 165.
6. Meßbuch p. 108: Siehe, es ist gekommen der Herrscher, der Herr, die Königs
würde ruht in seiner Hand und Macht und Herrschaft. Vgl. Maleachi 3.
48 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
V I. P A R A B O L A P R IM A D E T E R R A N IG R A ,
I N Q U A M S E P T E M P L A N E T A E R A D IC A V E R U N T
2. sponsam ornatam M PVD / 3.-4. regni mei non est finis BDL / 4. et per alios
perquirentibus facientibus D, percipientibus M PVB / salubriter M PV / 9. quae: qui
PVBL, q_ M / exhausit B, exhauserit MPLV / anima M / regentem MPV, tingentem L /
«quia» coni, q M, q B, et quae aquae intraverint P, intraverunt M VB, aquae quae intra
verant D, aquae quae intraverunt L / 10. quare: quae D, quia VL /
7. Apocal. 12, 1: Mulier amicta sole et luna sub pedibus eius et in capite eius
corona stellarum duodecim. Cf. Ordo missae p. 539.
8. ibidem 21, 2: Vidi sanctam civitatem Jerusalem novam; descendentem de coelo . . .
sicut sponsam ornatam viro suo.
9. Luc. 1, 32-33: . . . et regnabit in domo Jacob in aeternum et regni eius non erit
finis. Cf. Ordo missae p. 48.
10. Cf. R o sa r iu m R h ii. Manget: Lib. III, p. 103 b: Salomon Rex: Haec filia, ob
quam Regina austri ab Oriente dicitur venisse ut aurora consurgens audire et intelligere
et videre sapientiam Salomonis posset et data est in manu eius potestas, honor, virtus
et imperium et florens regnis corona in capite suo radiis septem stellarum rutilantium,
tamquam sponsa ornata a viro suo habens in vestimentis suis scriptum literis aureis
Graecis et Barbaris et Latinis: Ego sum unica filia sapientum stultis penitus ignota.
Ueber die Abwandlung dieses Zitates vgl. C. G. J ung : Psychologie und Alchemie,
1944, p. 412-414.
1. Ps. 68, 2 -4 : Salvum me fac Deus: quoniam intraverunt aquae usque ad animam
meam. Infixus sum limo profundi et non est substantia. Veni in altitudinem maris et
tempestas dimersit me. Laboravi clamans raucae factae sunt fauces m eae. . . C f. Ordo
missae p. 146.
2. Ps. 71, 9: Coram illo procident Aethiopes et inimici eius terram lingent.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 49
sie träg t eine K önigskrone aus den Strahlen von zw ölf leuchtenden
Sternen auf ihrem H au p t 7, w ie eine B rau t, die fü r ihren B räutigam g e
schm ückt i s t 789. U n d auf ihren G ew ändern hat sie eine goldene In sch rift
auf G riechisch, Frem dländisch und Lateinisch: A ls K ö n ig in w erde ich
herrschen und meines Reiches ist kein E n d e 9 fü r alle, die m ich finden
und scharfsinnig (su b til) erforschen m it Erfindungsgeist und B e h a rr
lichkeit io.
7. Offenbarung 12, 1: (Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel): ein Weib
mit der Sonne bekleidet und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupte
eine Krone von zwölf Sternen.
8. ebenda 21, 2: Und ich Johannes sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem . . .
herabfahren als eine geschmückte Braut ihrem Manne (wörtl. wie eine Braut für ihren
Bräutigam geschmückt ist). Meßbuch p. 72.
9. Lukas 1, 33: . . . und er wird ein König sein über das Haus Jakobs ewiglich und
seines Königreichs wird kein Ende sein. Meßbuch p. 48.
10. Vgl. R o sa r iu m P h il. Manget: Bibi. Chem. Lib. III, p. 103 b; Ueber die Abwand
lungen dieses Zitates vgl. die Ausführungen in C. G. J ung : Psychologie und Alchemie
1944, a. a. O .p . 412-414.
1. Ps. 69, 2 -4 : Gott hilf mir, denn das Wasser geht mir bis an die Seele. Ich ver
sinke in tiefem Schlamm, da kein Grund ist, ich bin im tiefen Wasser und die Flut
will mich ersäufen (wörtl. hat mich ersäuft). Ich habe mich müde geschrien, mein Hals
ist heiser. Meßbuch p. 146.
2. Ps. 72, 9: Vor ihm werden sich neigen die Aethiopier und seine Feinde werden
Staub (wörtl. Erde) lecken.
50 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA
3.-4. «aeternam» add. DL / 10. «sive columbam» add. M PV / 13. amplexo MPDL,
amplexus et oscula investigio spiraculum L, investigo D / osculum M PVDL / spiritum
MPB, spiritui V / 14. «exinanitur» coni, exinanito DL, exitanito MP, excitamento V /
3. Ps. 37, 4 -6 : Non est sanitas in carne mea a facie irae tuae. Non est pax ossibus
meis a facie peccatorum meorum . . . Putruerunt et corruptae sunt cicatrices meae a facie
insipientiae meae . . .
Ps. 6, 3-4: Sana me Domine, quoniam conturbata sunt ossa mea et anima mea tur
bata est valde.
4. Ps. 88, 49: Quis est homo qui vivet et non videbit mortem: eruet animam suam
de manu inferi.
5. Eccli. 24, 30-31: . . . qui operantur in me non peccabunt, qui elucidant me vitam
aeternam habebunt. Cf. Ordo missae p. 727.
6. Apoc. 2, 7: Vincenti dabo edere de ligno vitae, quod est in Paradiso Dei mei.
ibidem 3, 21: Qui vicerit dabo ei sedere mecum in throno meo.
7. Prov. 2, 3-5 : Si enim sapientiam invocaveris et inclinaveris cor tuum prudentiae,
Si quaesieris eam quasi pecuniam et sicut thesauros effoderis illam, tunc intelliges timo
rem Domini et scientiam Dei invenies.
8. Cf. T u r b a P h ilo s o p h o r u m ed. J . Ruska, Berlin 1931 (Springer) p. 132: Omnes
huius scientiae investigatores operis nummi et auri arcanum est tenebrosa vestis et nemo
novit, quae philosophi in libris suis narraverunt absque lectionum et tentationum fre
quentatione ac sapientum inquisitione.
9. Cantic. 4, 7: Tota pulchra es amica mea et macula non est in te. Cf. Ordo missae
p. 540: Tota pulchra es, Maria: et macula originalis non est in te.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA 51
3. Ps. 38, 4 -6 : Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor deinem Drohen und
ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde. . . Meine Wunden stinken und
eitern vor meiner Torheit.
Ps. 6, 3-4 : Herr sei mir gnädig, denn ich bin schwach, heile mich Herr, denn meine
Gebeine sind erschrocken und meine Seele ist sehr erschrocken (wörtl. verwirrt).
4. Ps. 89, 49: W o ist jemand, der da lebt und den Tod nicht sähe? der seine Seele
errette aus des Todes Hand (wörtl. aus der Hand der Unterwelt) ?
5. Jesus Sirach 24, 30-31: W er mir gehorcht, der wird nicht zu Schanden, und
wer mir folgt, der wird unschuldig bleiben (wörtl. wer in mir seine Werke tut, wird
nicht sündigen, die mich erleuchten, werden das ewige Leben haben). Meßbuch p. 727.
6. Offenb. 2, 7: W er überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Holz des
Lebens, das im Paradiese Gottes ist.
ebenda 3, 21: W er überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl
(Thron) zu sitzen . . .
7. Sprüche 2, 4 -5 : So du sie (die Weisheit) suchest wie Silber und nach ihr for
schest (wörtl. sie ausgräbst), wie nach Schätzen, alsdann wirst du die Furcht des Herrn
verstehen und Gottes Erkenntnis finden.
8. Vgl. T u r b a P h ilo s o p h o r u m ed. J. Ruska, Berlin 1931, p. 207: Alle Erforscher
dieser Wissenschaft, das Geheimnis des Silbers und des Goldes ist ein dunkles Gewand
und niemand lernt verstehen, was die Philosophen in ihren Büchern erzählt haben,
ohne häufiges Lesen und Anstellen von Versuchen und Befragung der Weisen.
9. Hohes Lied 4, 7: Du bist allerdings schön, meine Freundin, und ist kein Flecken
(wörtl. Makel) an dir. Meßbuch p. 540: Ganz schön bist du Maria, und der Makel der
Erbsünde ist nicht in dir.
52 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA
vero ero in p atrem et ipse m ihi in filiu m IO, sapiens, qui laetificat p at
r e m 11, hunc quem prim um pono et excelsum prae regibus terrae et in
aeternum servabo illi testam entum m eum fid e le I21345. Si autem dereliquerit
legem m eam *3 et in viis meis non am bulaverit et m andata praedicta non
custodiverit, [ n i l ] proficiet inimicus in eo et filius iniquitatis [ n o n ] ap
ponet nocere i l l i 14, si autem in viis meis am bulaverit, tunc non tim ebit a
frigoribus nivis. Om nibus enim dom esticis suis erit indum entum u , bys
sus et purpura et ridebit in die illa dum satiabor et apparuerit glo ria m ea,
quia consideravit semitas meas et panem otiosum non c o m e d itl6. Ideo
2.-3. terrae in aeternum. Servabo MP, «terrae et» om. V / 3.-4. «dereliquerit legem
meam et» om. MPV, dereliquerunt L / 4. «et mandata . . . in viis meis ambulaverit»
om. M PV / ambulaverint L / 7. nivis: o nobis MP, o vobis V, nimis L, om. B / 9. quia:
qui PV /
10. Hebr. 1, 5: Ego ero illi in patrem et ipse erit mihi in filium, item I Chron. 17, 13.
Cf. Ordo missae p. 83. Cf. item: Apoc. 21, 7: Qui vicerit, possidebit haec, et ero illi
Deus et erit mihi filius. Cf. A lphidius in Petrus B onus: Pretiosa Margarita novella,
1. c. p. 40: Adhuc etiam noverunt quod deus fieri debebat homo, quia in die novissima
huius artis in qua est operis complementum generans et generatum fiunt omnino unum:
et senex et puer et pater et filius fiunt omnino unum. Cf. item T u r b a T h ilo s , ed.
Ruska 1. c. p. 161: Dico quod ille senex de fructibus arboris comedere non c e s s a t...
quousque senex ille iuvenis fia t. . . ac pater filius factus est.
11. Prov. 29, 3: Vir qui amat Sapientiam laetificat patrem suum.
12. Ps. 88, 27-28: Ipse invocabit me: Pater meus es tu: Deus meus et susceptor
salutis meae. Et ego primogenitum ponam illum excelsum prae regibus terrae. In aeter
num servabo illi misericordiam meam et testamentum meum fidele ipsi.
13. Ps. 88, 31-33: Si autem dereliquerint filii eius legem meam et in iudiciis meis non
ambulaverint, si iustitias meas profanaverint et mandata mea non custodiverint, visitabo
in virga iniquitates eorum . . .
14. Ps. 88, 22-23: Manus enim mea auxiliabitur ei et bracchium meum confortabit
eum. Nihil proficiet inimicus in eo et filius iniquitatis non apponet nocere ei. Cf. Ordo
missae p. (4 ).
15. Prov. 31. 21-22: Non timebit domui suae a frigoribus nivis, omnes enim dome
stici eius vestiti sunt duplicibus. Stragulatam vestem fecit sibi, byssus et purpura indu
mentum eius. Cf. Ordo missae p. [6 6 ].
16. Prov. 31, 25-27: . . . et ridebit in die novissimo, os suum aperiet sapientiae et
lex clementiae in lingua eius. Consideravit semitas domus suae et panem otiosa non
comedit. Cf. Ordo missae p. [6 7 ].
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 53
V ater sein, und er w ird m ir Sohn s e in I0; weise ist, w er den V ater er
freu t11, ihn, den ich zum Ersten m ache zuallerhöchst v or den K ön ig en auf
E rd en und dem ich ew iglich m einen Bund bew ahren w e rd e I2. W o er
aber m ein G esetz verläß t d und nicht in m einen O rdnungen w andelt
und m eine erw ähnten G ebote nicht h ält, so soll ihn der F ein d über
w ältigen, und der Sohn der Bosheit soll ihm durch seinen W id erstan d
schaden *4. W e n n er hingegen in m einen O rdnungen w andelt, so w ird
er die K älte des Schnees nicht fürchten, denn seine H ausgenossen w er
den K leid er haben, Leinw and und P u rpur U n d an jenem T a g e w ird
er lachen, da ich gesättigt sein w erde und m ein R uhm zutage treten
w ird, weil er auf m eine W e g e A ch t hatte und nicht das B ro t der F a u l
heit aß l6. D ah er w urden die H im m el über ihm auf getan, und wie D on -
10. Hebr. 1, 5: Ich werde sein (wörtl. ihm) Vater und er wird mein (wörtl. mir)
Sohn sein, ebenso I Chron. 17, 13. Vgl. Meßbuch p. 83. Vgl. ferner Offenb. 21, 7: W er
überwindet, der wird es alles erben und ich werde sein (wörtl. für ihn) Gott sein und
er wird mein (wörtl. für mich) Sohn sein. Vgl. A lphidius in P etrus B onus: Pretiosa
margarita novella a. a. O. p. 40: Sie (die Alten) wußten auch, daß Gott Mensch werden
mußte, weil am jüngsten Tag dieser Kunst, an dem die Vollendung des Werkes ist,
das Erzeugende und das Erzeugte völlig Eines werden: der Greis und der Knabe, der
Vater und der Sohn werden völlig Eines. - Vgl. T u r b a P h ilo s . ed. J . Ruska, p. 246:
Ich sorge, daß jener «Greis» von den Früchten jenes Baumes nicht aufhört zu essen . . .
bis jener Greis ein Jüngling wird . . . sodaß der Vater zum Sohn geworden ist.
11. Sprüche 29, 3: W er Weisheit liebt, erfreut seinen Vater . . .
12. Ps. 89, 28-29: Und ich will ihn zum ersten Sohn machen allerhöchst unter den
Königen auf Erden. Ich will ihm ewiglich bewahren meine Gnade und mein Bund soll
ihm fest bleiben.
13. Ps. 89, 31-33: W o aber seine Kinder mein Gesetz verlassen und in meinen
Rechten nicht wandeln, so sie meine Ordnungen entheiligen und meine Gebote nicht
halten, so will ich ihre Sünde mit der Rute heimsuchen . . .
14. Ps. 89, 22-23: Meine Hand soll ihn erhalten und mein Arm soll ihn stärken.
Die Feinde sollen ihn nicht überwältigen und die Ungerechten sollen ihn nicht dämpfen
(wörtl. Nichts wird der Feind an ihm vermögen, der Sohn der Bosheit ihm nicht scha
den). Meßbuch p. [ 4 ] .
15. Sprüche 31, 2 1 -22: Sie fürchtet nicht für ihr Haus, nicht den Schnee (wörtl. die
Kälte des Schnees), denn ihr ganzes Haus (wörtl. alle ihre Hausgenossen) hat zwie
fache K leid er. . . feine (wörtl. weiße) Leinwand und Purpur ist ihr Kleid. Meß
buch p. [6 6 ].
16. Sprüche 31, 2 5 -27: Kraft und Schöne sind ihr Gewand und sie lacht des kom
menden Tages (wörtl. sie wird lachen am letzten Tage). Sie schaut wie es in ihrem
Hause zugeht und ißt ihr Brot nicht mit Faulheit (wörtl. sie hatte Acht auf den Wandel
ihres Hauses und aß ihr Brot nicht müßig). Meßbuch p. [6 7 ].
54 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
aperti sunt coeli super eum et v o x intonuit *7 illius, qui habet septem
stellas in m anu s u a 17l81920, qui sunt septem spiritus missi in om nem terram
praedicare et testificari. Q ui crediderit et bene baptizatus fu erit salvus
erit, qui vero non crediderit, condem nabitur. Signa autum eorum , qui
crediderint et bene baptizati fuerint sunt haec dum discernit coelestis
rex super eos ^ a, nive dealbabuntur in Selm on et pennae colum bae d ear
gentatae et posteriora dorsi eius in pallore auri 2°. T alis erit m ihi filius
d ilectu s21 ipsum videte, speciosum fo rm a p rae filiis h o m in u m 2223, cuius
pulchritudinem Sol et L una m ira n tu r22a. Ipse vero est privilegium am o
ris et heres in quem confidunt hom ines 23 et sine quo nihil possunt facere.
Q ui autem aures habet audiendi audiat, quid dicat spiritus doctrinae
17. Apoc. 4, 1: . . . ecce ostium apertum in caelo et a vox prima, quam audivi tam
quam tubae loquentis mecum dicens . . . Cf. Ps. 17, 14: Intonuit de coelo Dominus et
Altissimus dedit vocem suam et apparuerunt fontes aquarum. Cf. Ordo missae p. 376.
18. Apoc. 1, 4: . . . et a septem spiritibus, qui in conspectu throni eius sunt.
1 ,6 : . . . et habebat in dextera sua stellas septem . . .
2, 1: Haec dicit, qui tenet septem stellas in dextera su a. . .
3, 1: Haec dicit, qui habet septem Spiritus Dei et septem stellas . . .
19. Mare. 16, 16-17: Qui crediderit et baptizatus fuerit salvus erit, qui vero non cre
diderit condemnabitur. Signa autem eos, qui crediderint haec sequentur: In nomine meo
daemonia eiicient. . . Cf. Ordo missae p. 358.
20. Es muß sich eher um eine Mehrheit handeln, da eine solche sowohl im vorherge
henden wie nachfolgenden Satze vorausgesetzt ist. Es handelt sich wohl um die Vorstel
lung eines postmortalen, verklärten Zustandes, in welchem die Erlösten als Jungfrauen
(Taube) dem Lamme folgen. (Vgl. Apoc. 7, 14: . . . et laverunt stolas suas et dealba
verunt eas in sanguine Agni, - und Apoc. 14, 4: Virgines enim sunt. Hi sequuntur
Agnum . . .)
21. Ps. 67, 14-15: Si dormiatis inter medios cleros pennae columbae deargentatae
et posteriora dorsi eius in pallore auri. Dum discernit coelestis reges super eam nive
dealbabuntur in Selmon Mons Dei mons pinguis . . . Vielleicht eine Anspielung auf die
«Columba deargentata» des H ugo v . St . V ictor , Migne, P. L. tom. 177 col. 17 fif.
Libellus cuiusdam ad Rainerum corde benignum qui Columba deargentata inscribitur.
Incipit de tribus columbis: Si dormiatis inter medios cleros . . .
21. Cant. 5, 16: . . . talis est dilectus meus . . .
22. Ps. 44, 3: (Epithalamium christianum, sponsus Christus): Speciosus forma prae
filiis hominum. Cf. Ordo missae p. 101.
22a. Cf. H onorius v . Autun , Expos, in Cant. P. L. 172 col. 380: mirantur.
23. Baruch 3, 18: . . . et aurum, in quo confidunt homines. Cf. Ordo missae p. 363.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 55
n er ertönte die Stim m e *7 Jenes, der da die sieben Sterne in seiner H and
hält, welches die sieben G e is te r 18 sind, die in alle W e lt ausgesandt w ur
den, um zu weissagen und Zeugnis abzulegen. W e r da glaubt und rich
tig g etau ft w urde, der w ird selig w erden, w er aber nicht glaubt, der
w ird verdam m t w erden. D ie Zeichen derjenigen aber, die da geglaubt
haben und richtig getau ft w orden sind, sind d ie 1? (w en n der him m lische
K ö n ig über sie r ic h te t): vom Schnee w erden sie w eiß w erden am Z al-
m on und die Fed ern der T aube silberglänzend und ihre Schw ingen h in
ten am Rücken im G oldglanz stra h le n d 20. E in solcher w ird m ein g e
liebter Sohn se in 21, sehet ihn an, w ie er schön an G estalt ist vor allen
M en sch en k in d ern 22, ihn, den Sonne und M ond bewundern. E r ist aber
das V o rrech t der Liebe und der Erb e, auf den die M enschen ihr V e r
trauen setzen 23 und ohne den sie nichts tun können. W e r aber O hren
hat zu hören, der höre, was der G eist der W issensch aft den Söhnen der
17. Offenb. 4, 1: Darnach sah ich und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel und
die erste Stimme, die ich gehört hatte mit mir reden wie eine Posaune, die sprach:
. . . Vgl. Ps. 17, 14: Vom Himmel donnerte der Herr, da zeigten sich Wasserquellen.
Meßbuch p. 376.
18. Offenb. 1, 4: . . . und der da kommt und von den sieben Geistern, die da sind
vor seinem Stuhl.
1, 16: . . . und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand . . .
2, 1: Das sagt, der da hält die sieben Sterne in seiner Rechten . . .
3, 1: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne . . .
19. Mark. 16, 16-17: W er da glaubet und getauft wird, der wird selig werden, wer
aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die da folgen werden
denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie Teufel austreiben. . .
Meßbuch p. 693.
20. Ps. 68, 14-15: Wenn ihr zwischen den Hürden läget, so glänzte es wie der Taube
Flügel, die wie Silber und Gold schimmern. Als der Allmächtige die Könige im Lande
zerstreute, da ward es helle wo es dunkel war . . . (Zürcher B ibel): Flügel der Taube
überzogen mit Silber und ihre Schwingen mit gelbem Golde! Als der Allmächtige
Könige daselbst zerstreute, fiel Schnee auf dem Zalmon. Ein Gottesberg ist der
Basansberg . . .
Vgl. Offenb. 7, 14: . . . und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider
hell (wörtl. weiß) gemacht im Blut des Lammes. Und 14, 4: . . . denn sie sind Jung
frauen, und folgen dem Lamme nach, wohin es geht.
21. Hohes Lied 5, 16: Ein solcher ist mein Freund; mein Freund ist ein solcher,
ihr Töchter Jerusalems!
22. Ps. 45, 3: Du bist der Schönste unter den Menschenkindern (wörtl. an Gestalt
vor den Menschenkindern), holdselig sind deine Lippen . . . Meßbuch p. 101.
23. Baruch 3, 17: . . . und Gold . . . darauf die Menschen ihr Vertrauen setzen. Meß
buch p. 363.5
filiis d iscip lin ae*12345* de septem stellis, quibus opus divinum peragitur. Quas
Senior trad it in libro suo, capitulo Solis et Lunae, dicens: Postquam
feceris illa septem quae divisisti per septem stellas (e t dedisti septem stel
lis) <et> novies purgasti donec videantur m argaritae (in sim ilitudine)
haec est d ealb atio 2
V II. P A R A B O L A S E C U N D A D E D IL U V IO
A Q U A RU M E T M O RTE,
Q U A M F E M IN A IN T U L IT E T F U G A V IT
1. percipitur L, tradidit BV, om. MP / 3. feras illas P, feras illa M / «divisisti» coni,
dividisti D, dimisisti MPVBL / et dedisti opem stellis M, et septem dedisti septem
stellis D, om. B / 4. novem D (der arab. Text: novem statt septem) / purgati M, com-
purgasti L, purgasti eas B / in similitudinem D, om. M PV / 5. dealbo M, dealbationem
D / 10. et pharetrae MP, om. L / sanguineae M PV / 11. inebriati D / «fuerint» om.
M PV / fragraverunt MPL / 12. frumenti MPV, frumentis B / repletum fuerit L, repleta
fuerit M / sponsum MP /13. «in» om. BDL / introiverit DL / tacta MP /
24. Apoc. 2, 7: Qui habet aurem audiat, quid Spiritus dicat Ecclesiis: . . . Cf. Math.
11, 15: Qui habet aures audiendi audiat. . .
25. Cf. S enior : De Chemia, 1. c. p. 10/11: Posteaquam feceris illa septem quae divi
sisti per septem stellas purgasti et hoc tritum minute donec videantur sicut margaritae
in similitudinem, haec est dealbatio. Cf. Memoirs of the Asiatic Society of Bengal. Stap -
leton . Bd. X II, p. 149-150.
1. Jes. 60, 5: Tunc videbis et afflues, mirabitur et dilatabitur cor tuum, quando con
versa fuerit ad te multitudo maris fortitudo Gentium venerit t ib i. . . Cf. Ordo
missae p. 109.
2. Ps. 77, 20: Quoniam percussit petram et fluxerunt aquae et torrentes inundaverunt.
Cf. Jona 2, 3 -6 : . . . de ventre inferi clamavi et exaudisti vocem meam. Et proiecisti me
in profundum, in corde maris et flumen circumdedit me . . . Omnes fluctus tui super me
transierunt. . . circumdederunt me aquae usque ad animam, abyssus vallavit me pelagus
operuit caput meum . . .
3. Deut. 32, 42: Inebriabo sagittas meas sanguine . . .
4. Prov. 3, 10: . . . e t implebuntur horrea tua et vino torcularia redundabunt.
Cf. Ordo missae p. 437, et Joel 2, 24, Ordo missae p. 383.
5. Cf. Math. 25, 1 et sq.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 57
L eh re von den sieben Sternen sagt 24, durch die das göttliche W e rk v oll
bracht w ird. V o n diesen spricht S e n i o r in seinem B uch, im K ap itel von
Sonne und M ond folgen d erm aß en : N ach d em du jene Sieben 24% die du
durch die sieben Sterne eingeteilt und den sieben Sternen zugeordnet
hast, hergestellt hast, und sie neunm al g erein igt hast, bis daß sie aus-
sehen w ie Perlen - das ist die W e iß u n g 2K
V II. D IE Z W E I T E P A R A B E L V O N D E R W A S S E R F L U T U N D
D E M T O D E , D E N D A S W E I B H E R E IN G E B R A C H T U N D A U C H
V E R T R IE B E N H A T
24. OfFenb. 2, 7: W er Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sag t. . .
Vgl. Math. 11, 15 usw.
24a. Nämlich Metalle.
25. Vgl. Senior : De Chemia a. a. O. p. 10/11; und Memoirs of the Asiatic Soc. of
Bengal, Vol. X II, p. 149-150: Nachdem du jene sieben (Metalle) hergestellt hast, die
du durch die sieben Sterne eingeteilt hast und sie gereinigt hast und zwar sorgfältigst
zerrieben, bis daß sie aussehen wie Perlen, das ist die Weissung.
1. Jes. 60, 5: . . . dein Herz wird sich wundern und ausbreiten, wenn sich die Menge
dem Meer (wörtl. des Meeres zu dir bekehrt (wörtl. gewandt) hat und die Macht der
Heiden zu dir kommt. Meßbuch p. 109.
2. Ps. 78, 20: Siehe er hat wohl den Felsen geschlagen, daß Wasser flössen und
Bäche sich ergossen . . .
Vgl. Jonas 2, 4: Du warfest mich in die Tiefe mitten im Meer, daß die Fluten mich
umgaben, all deine Wogen und Wellen gingen über mich.
3. Deut. 32, 42: Ich will meine Pfeile mit Blut trunken machen . . .
4. Sprüche 2, 10: So werden deine Scheunen voll werden und deine Kelter vom
Most übergehen (wörtl. vom Weine überströmen). Meßbuch p. 437 und Joel 2, 24,
Meßbuch p. 383.
5. Vgl. Math. 25, 1 ff.
58 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA
6. Cant. 5, 6: Pessulum ostii mei aperui dilecto meo, at ille declinaverat atque
transierat. . .
7. Cf. Math. 2, 16-18 et Ordo missae p. 98.
8. Ps. 111, 4: Exortum est in tenebris lumen rectis . . . C f. Ordo missae p. 721: Felix
es sacra Virgo Maria . . . quia ex te ortus est sol iustitiae Christus Deus.
9. Maleachi 4, 2: . . . et orietur vobis timentibus nomen meum Sol iustitiae.
10. Gal. 4, 4: At ubi venit plenitudo temporis, misit Deus Filius suum. Cf. Ordo
missae p. 101.
11. Hebr. 1, 2: Novissime diebus istis locutus est nobis in Filio, quem constituit
heredem universorum, per quem fecit et saecula . . . Cf. Ordo missae p. 82. Cf. A vicenna
Declaratio Lapidis PhysicPFilio suo Aboali. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 876.
12. Hebr. 1, 5: Cui enim dixit aliquando Angelorum: Filius meus es tu, ego hodie
genui te. Cf. Ordo missae p. 72.
13. Cf. Math. 2, 11.
14. Ps. 117, 24: Haec dies, quam fecit Dominus exultemus et laetemur in e a . . .
Cf. Ordo missae p. 316, 329.
15. Cf. Gen. 31, 42 (Jacob): afflictionem m e a m ... respexit Deus.
16. Ps. 110, 9: Redemptionem misit populo suo . . . Cf. Ordo missae p. 341.
17. Rom. 6, 9: Scientes quod Christus resurgens ex mortuis iam non moritur, mors
illi ultra non dominabitur. Cf. Ordo missae p. 326, 344.
18. Math. 16, 18: . . . e t super hanc petram aedificabo ecclesiam meam et portae
inferi non praevalebunt adversus eam . . . Cf. Ordo missae p. 510.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 59
6. Hohes Lied 5, 6: Da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg (wörtl. Ich
habe den Riegel meiner Tür dem Geliebten geöffnet, doch er war weg.)
7. Vgl. Math. 2, 16-18 und Meßbuch p. 98.
8. Ps. 112, 4: Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis. Vgl. Meßbuch
p. 721: Selig bist du heilige Jungfrau Maria, weil aus dir ist aufgegangen die Sonne
der Gerechtigkeit, Christus unser Gott.
9. Maleachi 4, 2: Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne
der Gerechtigkeit. . .
10. Gal. 4, 4: Da aber die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von
einem Weibe . . . Meßbuch p. 101.
11. Hebr. 1, 2: . .. h a t er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den
Sohn, welchen er gesetzt hat zum Erben über alles, durch welchen er auch die W elt
gemacht hat. Meßbuch p. 82. Vgl. A vicenna : Declaratio Lapidis Physici Filio Aboali.
Theatr. Chem. 1659, IV, p. 876.
12. Hebr. 1, 5: Denn zu welchem Engel hat er jemals gesagt: Du bist mein Sohn,
heute habe ich dich gezeugt. Meßbuch p. 72.
13. Vgl. Math. 2, 11.
14. Ps. 118, 24: Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, lasset uns freuen und
fröhlich darinnen sein . . . Meßbuch p. 316, 329.
15. Gen. 31, 42: Aber Gott hat mein Elend und meine Mühe angesehen.
16. Ps. 111, 9: Er sendet eine Erlösung seinem V o lk e ... Vgl. Meßbuch p. 341.
17. Röm. 6, 9: . . . und wissen, daß Christus von den Toten erweckt, hinfort nicht
stirbt, der Tod wird hinfort über ihn nicht herrschen. Meßbuch p. 326, 344.
18. Math. 16, 18: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine
Gemeinde und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Meßbuch p. 510.
60 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA
I0 V III. P A R A B O L A T E R T I A
D E PO RTA A ER EA E T V EC TE FERREO
C A P T IV IT A T IS B A B Y L O N I C A E
1. nonaginta: nona MPV, de qua L / 6. Infer L / 7. hoc est priva ipsum: hoc primo
cum L, corr. L2 / 7.-8. humorem corrumpentem M PV / 8. «cum» humore add. L / cum
naturali MP / 11. ferrae L / 13. meas ferreas DL / 15. disrumpit M PB / 15.-16. in siti:
in sit M / 16. «de» coni. / cibavit M PV / atque DL /
19. Cf. Luc. 15, 1-10; Cf. item Ordo missae p. 414-415.
20. Apoc. 21, 4: . . . et mors ultra non erit neque luctus neque clamor, neque dolor
erit ultra, quia prima abierunt. Cf. Ordo missae p. [7 3 ].
21. Cf. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chemica, 1566, p. 259: Quia corruptio unius est
generatio alterius secundum Philosophos. Stammt aus dem arab. Tractat: Le livre de
la terre et de la pierre, B erthelot: Chimie du Moyen Age, III, p. 223. Wird u. a.
zitiert von T homas v . Aquino, Summa Pars I qu. 118 art. II, und A lbertus M agnus,
De lapide Philosoph. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 355.
1. Jes. 45, 2-3 : Ego ante te ibo et gloriosos terrae humiliabo: portas aereas conteram
et vectes ferreos confringam et dabo tibi thesauros absconditos et arcana secretorum . . .
Cf. Ordo missae, p. 61.
2. Apoc. 2, 5: Venio tibi et movebo candelabrum tuum de loco suo, nisi poeniten
tiam egeris.
3. Ps. 80, 17: Et cibavit eos ex adipe frumenti et de petra meile saturavit eos.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 61
der heim geholt, und die Z ah l unserer B rüd er vom Engelssturz ist w ieder
vollständig ergänzt w orden *9. A lso sollst du dich heute freuen, m ein
Sohn, denn h in fo rt w ird keine K la g e noch Schm erz m eh r sein, denn
alles Frü h ere ist vergangen 2°. W e r O hren h at zu hören, der höre was
der G eist der L eh re den Söhnen der W issensch aft sagt, von dem
W e ib , das den T o d hereinbrachte und ihn vertrieb, was die P h ilo
sophen m it folgenden W o rte n andeuten: N im m ihm die Seele w eg und
gib ihm die Seele w ieder zurück, denn die Zersetzung des Einen ist die
E rzeu gu n g des A n d e rn 19202I, das bedeutet: beraube ihn seiner zersetzenden
Feuchtigkeit und m ehre ihn m it seiner ihm von N a tu r eigenen F eu ch tig
keit, w odurch seine V ollen d u ng und sein Leben entstehen w ird.
V III. D IE D R I T T E P A R A B E L
V O M E H E R N E N T O R U N D D E M E IS E R N E N R IE G E L
D ER B A B Y L O N IS C H E N G E F A N G E N S C H A F T
W
er
4. Luc. 22, 12: (Paschamahl) Et ipse ostendet vobis coenaculum magnum stratum
et ibi parate . . .
5. Ezech. 36, 25: Congregabo vos de universis terris et adducam vos in terram
vestram. Et effundam super vos aquam mundam et mundabimini ab omnibus iniqua-
mentis vestris . . . Cf. Ordo missae p. 364.
6. Ps. 90, 6: . . . non timebis . . . ab incursu et daemonio meridiano . . . Cf. Ordo
missae p. 159.
7. Jes. 1, 6: A planta pedis usque ad verticem non est in eo sanitas . . .
8. Ps. 18, 13-14: Ab occultis meis munda me Domine et ab alienis parce servo tuo.
9. Ps. 44, 8: Propterea unxit te Deus Dominus tuus oleo laetitiae prae consortibus
tuis . . . Cf. Ordo missae p. 679.
10. Cf. Ordo missae 1. c. p. 334: Alleluja, Alleluja. Vgl. Math. 28: In die resurrec
tionis meae dicit Dominus, praecedam vos in Galileam. Vgl. Joh. cap. 20: Post dies
octo ianuis clausis, stetit Jesus in medio discipulorum suorum et dixit: Pax vobis.
Alleluja.
11. Cf. Pretiosa Margarita novella, 1. c. p. 39: Unde dicit Rasis in quadam epistola:
Cum hoc autem scilicet lapide rubeo magnificaverunt se philosophi super alios et
vaticinati sunt futura . . . Ita quod cognoverunt diem iudicii et consumationis saeculi
debere venire et mortuorum resurrectionem in ipsa, in qua una quaeque anima suo
primo corpori coniungetur et de caetero ab invicem non separabuntur in perpetuum. Et
erit tunc omne corpus glorificatum ad incorruptibilitatem translatum et ad luciditatem
et subtilitatem fere incredibilem et penetrabit omne solidum, quia eius natura tunc erit
natura spiritus sicut corporis.
12. Eccl. 1, 4: Generatio praeterit et generatio advenit; terra autem in aeternum stat.
13. Gen. 49, 10: Non auferetur sceptrum de Juda et dux de femore eius, donec
veniat, qui mittendus est et ipse erit expectatio gentium . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 63
4. Luk. 22, 12: (Paschamahl) Und er wird euch einen großen Saal zeigen, der mit
Polstern versehen ist; daselbst bereitet es.
5. Hesekiel 36, 24-25: Denn ich will euch aus den Heiden holen und euch aus
allen Landen versammeln und wieder in euer Land führen. Und will reines Wasser über
euch sprengen, daß ihr rein werdet; von allen euren Unreinigkeiten und von allen
euren Götzen will ich euch reinigen. Meßbuch p. 364.
6. Ps. 91, 6: (und du wirst dich nicht fürchten) vor der Pestilenz, die im Finstern
schleicht und vor der Seuche, die im Mittag verderbt (wörtl. dem Daemon des Mit
tags) . . . Meßbuch p. 159.
7. Jes. 1, 6: Von der Fußsohle bis aufs Haupt ist nichts Gesundes an ihm . . .
8. Ps. 19. 13-14: Verzeihe mir (reinige mich von) die verborgenen Fehle! Bewahre
auch deinen Knecht vor den Stolzen (= Fremden) . . .
9. Ps. 45, 8: Darum hat dich Gott, dein Gott, gesalbt mit Freudenöl mehr denn
deine Gesellen. Meßbuch p. 679.
10. Vgl. Meßbuch a. a. O. p. 334: Math. 28: Am Tage meiner Auferstehung, spricht
der Herr, will ich euch vorangehen nach Galilaea, Alleluja V. (Joh. c. 20) Nach acht
Tagen da die Türen verschlossen waren, stand Jesus in der Mitte seiner Jünger und
sprach: Friede sei mit euch! Alleluja.
11. Vgl. Pretiosa Margarita novella a. a. O. p. 39: Weshalb Rasis in einem Briefe
sagt: Mit diesem . . . roten Stein haben sich die Philosophen über alle erhöht und die
Zukunft geweissagt. . . Z. B. wußten sie daß der Tag des Gerichtes kommen müsse
und an ihm die Auferstehung der Toten, wo jede Seele mit ihrem früheren Körper ver
bunden werden wird . . . Dann wird jeder Körper verklärt und zur Unverweslichkeit
überführt sein und zur Durchsichtigkeit und einer fast unglaublichen Feinstofflich
keit (subtilitas) und wird jedes feste Ding durchdringen, weil seine Beschaffenheit
dann die des Geistes, so wie eines Körpers, sein wird.
12. Prediger 1, 4: Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde bleibt
aber ewiglich.
13. Gen. 49, 10: Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, noch der
Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis daß der Held komme (wörtl. bis derjenige
kommt, der gesandt werden soll), und demselben werden die Völker anhangen.
64 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA
Ionis I415; ibi flevimus et suspendimus organ a nostra, p ro eo, quod elevatae
sunt filiae Sion et am bulaverunt extento collo et nutibus oculorum ibant
et plaudebant et pedibus suis com posito gradu incedebant. D ecalvabit
ergo D om inus verticem filiarum Sion et crines earum n u d a b it**, quia
de Sion exibit lex et verbum D om ini de Je ru s a le m l61
7. In die illa quando
apprehenderunt septem m ulieres virum unum dicentes: Panem nostrum
com edim us et vestimentis nostris cooperim ur *7, quare non defendis san
guinem nostrum , qui effusus est tam quam aqua in circuitu Je ru s a le m 18 ?
et divinum receperunt responsum : A d h u c sustinete m odicum tem pus,
donec num erus fratru m nostrorum im pletus sit, qui scriptus est in libro
h o c 1?; tunc om nis, qui relictus fu erit in Sion salvus v o ca b itu r20, cum
abluerit D om inus sordem filiarum suarum Sion spiritu sapientiae et
14. Ps. 136, 1-3: Super flumina Babylonis, illic sedimus et flevimus cum recorda
remur Sion. In salicibus in medio eius suspendimus organa nostra . . . Cf. Ordo missae
p. 471. Cf. Liber Quartorum P l a t o n is , Theatr. Chem. 1622, V, p. 144: Sedentes super
flumina Eufrates sunt Caldaei . . . priores, qui adinvenerunt extrahere cogitationem.
15. Jes. 3, 16-17: (Et dixit Dominus) pro eo quod elevatae sunt filiae Sion et
ambulaverunt extento colle et nutibus oculorum ibant et plaudebant, ambulabant pedibus
suis et composito gradu incedebant. Decalvabit Dominus verticem filiarum Sion et
Dominus crinem earum nudabit.
16. Jes. 2, 3: Quia de Sion exibit lex et verbum Domini de Jerusalem. Cf. Ordo
missae p. 57.
17. Jes. 4, 1-2: Et apprehendent septem mulieres virum unum in die illa dicentes:
Panem nostrum conedemus et vestimentis nostris operiemur . . . aufer opprobrium
nostrum. Cf. Ordo missae p. 363.
18. Ps. 78, 3: Effuderunt sanguinem eorum tamquam aqua in circuitu Jerusalem.
Cf. Ordo missae p. 97.
19. Cf. Apoc. 6, 9 -1 1 : Vidi . . . animas interfectorum propter verbum D e i . . . dicen
tes: Usque quo Domine sanctus et verus non iudicas, non vindicas sanguinem nostrum
de iis, qui habitant in terra? Et datae sunt illis singulae stolae albae et dictum est illis
ut requiescerent adhuc tempus modicum donec compleantur conservi eorum et fratres
eorum, qui interficiendi sunt sicut et illi.
20. Jes. 4, 3-4: Et erit: Omnis qui relictus fuerit in Sion et residuus in Jerusalem sanc
tus vocabitur omnis qui scriptus est in vita Jerusalem. Si abluerit Dominus sordes
filiarum Sion et sanguinem Jerusalem laverit de medio eius in spiritu iudicii et spiritu
ardoris . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA 65
w ährend siebzig Jah ren saßen über den W assern zu Babel dort w ein
ten w ir und hingen unsere H a rfe n auf, darum , w eil die T ö ch ter Zions
stolz w aren und gingen m it aufgerichtetem N ack en und m it den A u gen
W in k e gaben und schwänzelten und m it tänzelnden Schritten einher
gingen. D aher w ird der H e rr den Scheitel der T ö ch ter Zions kahl
m achen und w ird ihren H aarschm uck w egnehm en u, denn von Z io n
w ird das Gesetz ausgehen und des H erren W o r t von Je ru s a le m 16. A n
jenem T ag e, an dem sieben W e ib e r einen M an n ergreifen w erden und
sagen w erden: W ir haben unser B ro t gegessen und bedecken uns m it
unseren K leid ern *7, weshalb verteidigst du unser B lu t nicht, das wie
W asser vergossen ist um Je ru s a le m l8? U n d die göttliche A n tw o rt em p
fangen haben: H arre t noch eine kleine Z eit aus, bis daß die Z ah l unserer
B rüd er, die in diesem Buch angegeben w ird, vollständig ist x*, w er dann
übrig sein w ird zu Z io n , der w ird gerettet heißen, w eil dann der H e rr
den U nflat der T ö ch ter Zions abgewaschen h a b e n 20 w ird durch den
14. Ps. 137, 1-2: An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an
Zion gedachten. Unsere Harfen hingen wir an die Weiden, die daselbst sind. (Meßbuch
p. 4 71). Möglicherweise liegt darin auch eine Anspielung auf die «Chaldaei» des Liber
Quartorum P l a t o n is , Theatr. Chem. 1622, V, p. 144: Die, die über den Strömen des Eu-
frat sitzen, sind die Chaldäer . . . die ersten, die erfanden, wie man das Denken extrahiert.
14a. Vulgata: plaudebant = klatschten. L u t h e r übersetzt «schwänzten».
15. Jes. 3, 16-17: Und der Herr spricht: Darum, daß die Töchter Zions stolz sind
und gehen mit aufgerichtetem Halse, mit geschminkten Angesichtern einhertreten
(wörtl. mit den Augen Winke geben) und schwänzen und haben köstliche Schuhe an
ihren Füßen (wörtl. mit tänzelnden Schritten einhergehen). So wird der Herr den
Scheitel der Töchter Zions kahl machen und der Herr wird ihr Geschmeide (wörtl.
Haarschmuck) wegnehmen.
16. Jes. 2, 3: Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herren W ort von
Jerusalem. Meßbuch p. 57.
17. Jes. 4, 1: . . . daß sieben Weiber werden zu der Zeit einen Mann ergreifen und
sprechen: W ir wollen uns selbst nähren und kleiden, laß uns nur nach deinem Namen
heißen, daß unsere Schmach von uns genommen werde. Meßbuch p. 363.
18. Ps. 79, 3: Sie haben Blut vergossen um Jerusalem her wie Wasser. Meßbuch p. 97.
19. Vgl. Offenb. 6, 9 -1 1 : . ·. sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die erwürgt
waren um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses willen . . . Und sie schrien
mit großer Stimme und sprachen: Herr . . . wie lange richtest du nicht und rächest
unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen? Und ihnen wurde gegeben einem jegli
chen ein weißes Kleid und ward zu ihnen gesagt, daß sie ruhten noch eine kleine Zeit,
bis daß vollends dazu kämen (vollständig gemacht würden) ihre Mitknechte und Brü
der, die auch sollten noch getötet werden, wie sie.
20. Jes. 4, 3-4: Und wer da wird übrig sein zu Zion und übrigbleiben zu Jerusalem,
der wird heilig heißen, ein jeglicher, der geschrieben ist unter die Lebendigen zu Jeru
salem. Dann wird der Herr den Unflat der Töchter Zions waschen und die Blutschulden
Jerusalems vertreiben von ihr durch den Geist, der richten und ein Feuer anzünden wird.
66 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA
I X . P A R A B O L A Q U A R T A D E F I D E P H IL O S O P H IC A ,
Q U A E N U M E R O T E R N A R IO C O N S IS T IT
21. Eccli. 15, 5: . . . et adimplebit illum spiritu sapientiae et intellectus. Cf. Ordo
missae p. 91.
22. Jes. 5, 10: Decem enim iugera vinearum facient lagunculam imam et triginta
modii sementis facient modios tres. Vae, qui consurgit. . .
23. Ps. 124, 1: Qui confidunt in Domino sicut mons Sion: non commovebitur in
aeternum . . . Cf. Ordo missae p. 80 et 197.
24. Cf. Pretiosa Margarita novella 1. c. p. 45: R asis in libro septuaginta praecepto
rum . . . Es gab im Mittelalter eine dem R azi zugeschriebene Schrift: Liber divinitatis
oder Septuaginta, die auch unter dem Titel Liber Alternationum praeceptorum R asis
philosophi in Alkimiam etc. hieß und auf eine Schrift von G eber zurückgeht. Vgl.
M. St e in s c h n e id e r , Die europäischen Übersetzungen aus dem Arabischen bis Mitte
des 17. Jahrhunderts. Sitzgsber. der kais. Akad. der Wiss. (phil-hist. CI.) W ien 1905,
p. 28, und B e r t h e l o t ΜΑ. III p. 34.
1. Math. 12, 15: Quicumque enim fecerit voluntatem Patris mei . . . ipse meus frater
et soror et mater est. Cf. Ordo missae p. 556.
Apocal. 3, 31: Qui vicerit dabo ei sedere mecum in throno m e o ... Cf. Ordo
missae p. 622.
2. Jes. 9, 7: Super Solium David et super Regnum eius sedebit. . .
Math. 19, 28: Vos qui secuti estis me . . . Sedebitis . . . super sedes duodecim iudi-
cantes duodecim tribus Israel. Cf. Ordo missae p. 545.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 67
G eist der W eish eit und E in s ic h t21. D an n w erden zehn A ck er W ein b erg
einen E im er geben und d reißig M alter Samen drei S ch effel22234. W e r dies
versteht, w ird unerschütterlich bleiben in Ew igkeit 2K W e r O hren h at
zu hören, der höre, was der G eist der L eh re den Söhnen der W issen
schaft sagt von der babylonischen G efangenschaft, w elche siebzig Jah re
dauerte, und auf w elche die Philosophen m it folgenden W o rte n hin-
w eisen: V ielfältig sind die A bw andlungen der siebzig V o rsch riften 24.
I X . D IE V IE R T E P A R A B E L V O M P H I L O S O P H IS C H E N
G L A U B E N , D E R A U F D E R D R E IZ A H L B E R U H T
21. Jes. Sirach 15,5: (Vulgata wörtl.) . . . und erfüllte ihn mit dem Geiste der W eis
heit und Einsicht. Meßbuch p. 37.
22. Jes. 5, 10: Denn zehn Acker Weinberg sollen nur e in e n Eimer geben und ein
Malter Samen soll nur ein e n Scheffel geben.
23. Sprüche 10, 30: Der Gerechte wird nimmer mehr umgestoßen (wörtl. in Ewig
keit unerschütterlich bleiben). Meßbuch p. 80 und 197 nach Ps. 124, 1: Die auf den
Herrn vertrauen sind wie Sions Berg; nicht wanken wird in Ewigkeit, wer wohnet
in Jerusalem.
24. Nach der Pretiosa Margarita novella a. a. O. p. 45 verfaßte R asis ein «Buch der
siebzig Vorschriften». Es gab im Mittelalter eine dem R a z i zugeschriebene Schrift,
der Liber divinitatis oder Septuaginta, die auch unter dem Titel Liber Alternationum
praeceptorum R asis philosophi in Alkimiam etc. auf eine Schrift von G eber zurück
geht. Vgl. M. St e in s c h n e id e r , Die europäischen Übersetzungen aus dem Arabischen
bis Mitte des 17. Jahrh. Sitzgsber. der k. k. Akademie der Wiss, phil.-hist. Classe, Wien,
1905, p. 28 und B e r t h e l o t M. A. III, p. 34.
1. Math. 12, 50: Denn wer den W illen tut meines Vaters im Himmel, der ist mein
Bruder, Schwester und Mutter.
Offenb. 3, 21: W er überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu
sitzen, wie ich überwunden habe und mich gesetzt mit meinem Vater auf seinen Stuhl.
2. Jes. 9, 7: . . . auf daß seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende
auf dem Stuhl Davids . . .
Math. 19, 28: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet sitzen auf 12 Stühlen und
richten die 12 Geschlechter Israels. Vgl. Meßbuch p. 545.
68 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA
1. in veritate: unitate P, om. B /4. «est» add. M / 6.-7. «quod philosophus vult esse»
add. BDL / 7. spiritum et animam BDL / trinario VP / 10. quae D /
3. Jac. 1, 5: Si quis autem vestrum indiget sapientia postulet a Deo, qui dat omnibus
affluenter et non improperat.
4. Credo: Credo in unum Deum, Patrem omnipotentem, factorem coeli et terrae visi
bilium omnium et invisibilium. Et in unum Dominum Jesum Christum, Filium Dei
unigenitum. Et ex Patre natum ante omnia saecula. Deum de Deo, lumen de lumine,
Deum verum de Deo vero. Genitum, non factum, consubstantialem Patri: per quem
omnia facta sunt. Qui propter nos homines et propter nostram salutem descendit de
coelis. Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine: et homo factus est. Cru
cifixus etiam pro nobis . . . Et in Spiritum Sanctum Dominum et vivificantem qui ex
Patre Filioque procedit. Qui cum Patre et Filio simul adoratur et conglorificatur . . .
5. Ordo missae p. 33-34: Domine sancte, Pater omnipotens, aeterne Deus. Qui
cum unigenito Filio tuo, et Spiritu Sancto, unus es Deus, unus es Dominus: non in
unius singularitate personae, sed in unius Trinitate substantiae. Quod enim de tua gloria,
revelante te, credimus, hoc de Filio tuo, hoc de Spiritu Sancto, sine differentia discretio
nis sentimus. Ut in confessione verae sempiternaeque Deitatis et in personis proprietas,
et in essentia unitas, et in maiestate adoretur aequalitas. Ordo missae p. 648 / et 334:
Tres sunt qui testimonium dant in coelo: Pater Verbum et Spiritus Sanctus et hi tres
unum sunt. Et tres sunt qui testimonium dant in terra: Spiritus, aqua et sanguis et hi
tres unum sunt.
6. Se n io r : De Chemia, p. 45: Ars nostrum est sicut homo habens spiritum, animam
et corpus. Proptera dicunt sapientes: Tria et tria sunt unum. Deinde dixerunt in uno
sunt tria et spiritus anima et corpus sunt unum et omnia sunt ex uno.
7. Sap. 11, 21. Omnia fecit Deus in pondere et mensura et numero.
8. Rom. 11, 33: O altitudo divitiarum sapientiae et scientiae Dei: quam incompre
hensibilia sunt iudicia eius et investigabiles viae eius. Cf. Jes. 45, 15. Cf. Ordo
missae p. 391.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 69
gern 3 bei allen V ölk ern in W a h rh e it, und sein eingeborener Sohn, G ott
von G ott, L ich t vom Lich te, und der H eilige G eist, der von beiden aus
geht, der dem V ater und dem Sohne gleichkom m t an G öttlichkeit. D enn
im V ater ist die Ew igkeit, im Sohne die G leichheit und im H eiligen
G eist die V erbindung von Ew igkeit und G leichheit. Es h eiß t näm lich:
wie der V ater, so der Sohn und so auch der H eilige G eist 4, und diese
D rei sind Eins 5, näm lich K ö rp er, G eist und S e e le 6; denn alle V o ll
endung beruht au f der D reizahl, d. i. M a ß , Z ah l und G ew icht 7. D enn
der V ater stam m t von keinem , der Sohn kom m t vom V ater, und der
H eilige G eist geht von beiden aus; dem V ater w ird näm lich die W e is
heit beigegeben, durch die er alles m ilde lenkt und ordnet, dessen W e g e
unerforschlich und dessen G erichte unbegreiflich sin d 8; dem Sohne w ird
3. Jakobus 1, 5: So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott, der
da gibt einfältig jedermann und rückets niemand auf (wörtl. im Überfluß und ohne
Zögern) so wird sie ihm gegeben werden.
4. Apost. Glaubensbekenntnis: Ich glaube an einen Gott, den allmächtigen Vater . . .
Und an einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn und aus dem Vater gebo
ren von Ewigkeit her, Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahren Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht erschaffen, einer Wesenheit, mit dem Vater, durch den alles gemacht ist,
der wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen ist vom Himmel,
Fleisch geworden durch den Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau, und Mensch gewor
den i s t . . . Und an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebendigmacher, der vom Vater
und Sohne ausgeht, der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und verherr
licht wird . . .
5. Meßbuch p. 33-34: Heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, der du mit
deinem eingeborenen Sohne und dem Heiligen Geiste ein einiger Gott, ein einiger Herr
bist, nicht in der Einzigkeit einer Person, sondern in der Dreifaltigkeit einer Natur;
denn was wir nach deiner Offenbarung von deiner Herrlichkeit glauben, dasselbe glau
ben wir auch von deinem Sohne, dasselbe von dem Heiligen Geiste, ohne Verschieden
heit in der Unterscheidung, so daß in dem Bekenntnis der wahren und ewigen Gottheit
in den Personen die Eigentümlichkeit in der Natur die Einheit und in der Majestät
die Gleichheit angebetet wird . . . Meßbuch p. 334 und 648: Denn drei sind die Zeugnis
geben im Himmel: Der Vater, das W ort und der Heilige Geist und diese drei sind Eins.
Und drei sind, die Zeugnis geben auf Erden: der Geist, das Wasser und das Blut, und
diese drei sind Eins.
6. Vgl. S e n io r : De Chemia a. a. Ο. p. 45: Unser Erz hat wie der Mensch Geist,
Seele und Körper. Deshalb sagen die Weisen: Drei und Drei sind Eins. Ferner sagten
sie: In Einem sind Drei, und: Geist, Seele und Körper sind Eins und Alles ist aus Einem.
7. Vgl. Weish. 11, 21: Aber du hast alles geordnet mit Maß, Zahl und Gewicht.
8. Röm. 11, 33: O welch eine Tiefe des Reichtums, beides der Weisheit und Erkennt
nis Gottes! W ie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine W ege!
Vgl. Jes. 45, 15. Vgl. Meßbuch p. 391.
~0 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
veritas ?, ipse enim apparens id quod non erat assumpsit, perfectus D eus
et hom o existens ex hum ana carne et anim a rationali, qui praecepto
patris cooperante Spiritu S a n c to 910 m undum peccato [p a re n tu m ] p erd i
tum restauravit. Spiritui Sancto datur bonitas, quo terrena fiunt coelestia
et hoc tripliciter: baptizando flumine sanguine et flammis: flumine vege
tando et abluendo, quando squalores omnes abluit expellendo fum osi-
tates de animabus, sicut dicitur: T u animabus vivificandis aquas foecun-
d a s 11. N a m om nium vegetabilium nutrim entum est a q u a 121345, unde cum
aqua de coelo descendit inebriat terram *3 et terra per eam vim suscipit
om ni m etallo im m inentem *4, ob hoc postulat eam dicens: E m itte spiri
tum tuum , h oc est aquam et creabuntur et renovabis faciem terrae, quo
niam inspirat terram quando facit eam trem ere et tangit m ontes et fu m i
gan t u . C um autem sanguine baptizat, tunc nutrit, ut dicitur: A qua
sapientiae salutaris p otavit m e l6, et iterum : Sanguis eius vere est
1. ipso D LV / «apparens» coni, enim apparente DL, om. B, omnia operante illud
M PV / «non» om. PB / absumpsit M / 2. humana natura rationae subsistens B / quae
VP / 3. «parentum» add. DL / 4. qua DL / 5. haec MD / flumine flaminee et sanguine
M PVB, «et flammis» add. MV, flamen L / 6. expellit P / «atque» fum. MP / 7. de: ab
M PB / 10. ob: ab PV, ad M / 11. «Et» quoniam PV / 13. fumigabunt DL / 14. verus D,
om. P /
9. Cf. Ordo missae p. 29: . . . quo Unigenitus tuus in tua tecum Gloria coaeternus
in veritate carnis nostrae visibiliter carnalis apparuit. . .
10. ibidem p. 22: Domine Jesus . . . qui ex voluntate Patris cooperante Spiritu Sancto
per mortem tuam mundum vivificasti. . .
11. Cf. N otc er u s B a l b u l u s : Hymnus in die Pentecostes. (M ig n e P. L. C X X X I
coi. 1012-1013). Tu animabus Vivificandis Aquas foecundas, Tu aspirando Das spiri
tales Esse homines. Cf. item Benedictio fontis. Ordo missae, p. 300/301.
12. Cf. Se n io r : De Chemia, p. 70: . . . et dixit H e r m es : . . . vita cuiuslibet rei est
aqua et aqua suscipit nutrimentum hominum et aliorum . . .
13. Jes. 55, 10: Et quomodo imber . . . non revertitur sed inebriat terram et infundit
eam . . .
Ps. 64, 10: Visitasti terram et inebriasti eam. Cf. Ordo missae p. 540.
14. Cf. T u r b a 1. c. p. 140: . . . quousque lapis fiat, quem tunc invidi nuncupant lapi
dem omni metallo imminentem.
15. Ps. 103, 30-32: Emittes spiritum tuum et creabuntur et renovabis faciem terrae.
Sit gloria Domini in saeculum, laetabitur Dominus in operibus suis. Qui respicit terram
et facit eam tremere, qui tangit montes et fumigant. Cf. Ordo missae p. 365.
16. Eccli. 15, 3: Cibabit illum pane vitae et intellectus et aqua salutaris sapientiae
potavit illum. Cf. Ordo missae p. 776.
T H O M A E D E A Q U I N O AU R O R A 71
9. Meßbuch p. 29: . . . dein Eingeborener gleich ewig mit dir . . . in der W irklich
keit unseres Fleisches im Leibe sichtbar erschienen ist.
10. Meßbuch p. 22: Herr Jesus, . . . der du nach dem Willen des Vaters, unter Mit
wirkung des Heiligen Geistes durch deinen Tod der W elt das Leben gegeben h ast. . .
11. N o tk er D er St a m m l e r : Pfingstlied. (M ig n e P. L. C X X X I col. 1012-1013.)
Du beseelst Leben zu geben des Wassers Flut, Du beseelst Menschen zum Leben durch
deines Atems Glut. Vgl. auch die Benedictio fontis, Meßbuch p. 300/301.
12. Vgl. Se n io r : De Chemia, p. 70: Und Hermes hat gesagt: . . .D as Leben aller
Dinge ist im Wasser und dieses nimmt die Nahrung der Menschen . . . auf.
13. Jes. 55, 10: Denn gleich wie der Regen . . . feuchtet (wörtl. berauscht) die Erde
und macht sie fruchtbar . . . also soll das W o r t. . . auch sein.
Ps. 65, 10: Du suchest das Land heim und wässerst es (wörtl. machst es trunken).
14. (Ich übersetze imminere = drohen hier als «auflösen können».) Vgl. T u r b a
a. a. O. p. 218: Bis daß es ein Stein wird, den dann die Neider den Stein nennen, «der
jedes Metall bedrängt».
15. Ps. 104, 30-32: Du lässest aus deinem Odem, so werden sie (neu) geschaffen,
und du erneuerst die Gestalt der Erde . . . Er schaut die Erde an, so bebt sie; er rührt
die Berge an, so rauchen sie. Meßbuch p. 365.
16. Jes. Sirach 15, 3: (Vulgata w örtl.): und mit dem Wasser heilbringender W eis
heit tränkte er ihn. Meßbuch p. 776.
potus *7, quia sedes anim ae est in sanguine, ut S e n i o r dicit: M ansit autem
ipsa anim a in a q u a 17l8, (q u ae [h o d ie ] sibi similis est in caliditate et hum i-
d ita te 1*,) in qua consistit om nis v it a 20. C um autem flammis baptizat,
tunc infundit anim am et dat perfection em v ita e 2I, quia ignis dat form am
et com plet totum , ut dicitur: Inspiravit in faciem eius spiraculum vitae et
factus est hom o, qui prius erat m ortuus in anim am viv en tem 2223. D e prim o,
secundo et tertio testantur philosophi dicentes 23: aqua tribus mensibus
foetum in m atrice [co n s e rv a t] fovet, aer tribus secundis nutrit, ignis
tribus tertiis [ e t ] custodit. In fan ti num quam patebit ortus, donec hi
menses consum antur, tunc nascitur et a sole vivificatur, quoniam ipse
vivificator est om nium m ortuorum . U n d e praedictus spiritus pro pter
17. Joh. 6, 56: Caro enim mea vere est cibus et sanguis meus vere est potus. Cf. Ordo
missae p. 398, 401.
18. Se n io r : De Chemia, p. 31: . . . mansit ipsa (scii, anima) in aqua sibi simili quae
pater est eius in praeparatione. . . tunc nominaverunt animam et sanguinem aeris . . .
19. ibidem p. 19: Intendit quod terra suscipit animam in aqua existentem per illud
quod habet ex anima in spiritu atque similis est animae, quae est aqua.
20. ibidem p. 31: Et sicut aer est vita uniuscuiusque rei, similiter aqua eorum est
caput operis . . . et sicut aer est calidus et humidus similiter aqua eorum est calida et
humida et est ignis lapidis . . .
ibidem p. 33: Aer vero ex aqua e s t. . . et ex ambobus consistit vita uniuscuisque rei.
Cf. item C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, p. 60.
ibidem p. 58: Anima facta calida et humida in natura sanguinis et aeris . . .
21. ibidem p. 44: . . . cum spiritu humido . . . et ipse est reductor ad corpus suum
quod vivificabit post mortem suam per hanc vitam. Postea nulla erit mors. Proptera
quod vita infunditur sicut spiritus corpori.
22. Gen. 2, 7: . . . et inspiravit in faciem ei spiraculum vitae et factus est homo in
animam viventem.
23. Manget, 1. c. lib. III, p. 135, b: Igitur sciendum quod tribus mensibus aqua
foetum in matrice conservat. Aer quoque tribus mensibus fovet ignis vero totidem
custodit. Igitur infanti numquam patebit egressus, quousque aeris flatus exhauriat.
Cf. item C a l id : Liber trium verborum. Artis Auriferae 1610, p. 228/229. Cf. item
C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, 1. c. p. 203 et 233.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 73
ist der w ahre T ran k *7; denn der Sitz der Seele ist im B lu te, w ie S e n io r
sagt: E s verblieb aber die Seele selber im W a s s e r l8, das ihr ähnlich ist
in der W ä rm e und F e u ch tig k e it^ und in dem alles Leben b e ste h t20.
W e n n er aber in Feuerflam m en tauft, dann flößt er die Seele ein und
verleiht die V ollen d u ng des L e b e n s21. D enn das F euer gibt G estalt und
vollendet das G anze, w ie es h eiß t: U n d er blies ihm ein den lebendigen
O dem ins A n tlitz, und also w ard der M ensch, der v orh er to t gewesen
w ar, eine lebendige S e e le 22. D ie erste, zw eite und dritte W irk u n g be
zeugen die Philosophen, indem sie sagen 23: D as W asser bew ahrt den
Foetus w ährend drei M onaten im M utterleibe, die L u ft h egt und n äh rt
ihn drei M onate lang, und in den letzten drei M onaten bew acht ihn das
Feuer. U n d das K in d w ird niem als ans L ich t kom m en, bevor diese
M on ate verstrichen sind; dann aber w ird es geboren und von der Sonne
belebt, denn diese ist das Belebende aller toten D in ge. A us diesem
G runde h eiß t es von dem erw ähnten G eist in folge der V ortrefflichkeit
17. Joh. 6, 55-56: Denn mein Fleisch ist die rechte (wahre) Speise und mein Blut
ist der rechte (wahre) Trank. W er mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibt
in mir und ich in ihm. Meßbuch p. 401.
18. Se n io r : De Chemia p. 31: Sie (die Seele) verblieb aber im Wasser, das ihr
ähnlich ist und das ihr Vater ist in der Praeparation. . . so nannten sie die Seele auch
«Blut der Luft».
19. ebenda p. 19: Er meint, daß die Erde die Seele, die im Wasser ist, aufnimmt
durch jenes, was er aus der geistigen Seele hat, die der Seele gleicht, welche das
Wasser ist.
20. ebenda p. 31: Und wie die Luft das Leben jedes Wesens bedeutet, so ist auch
ihr (der Philosophen) Wasser die Hauptsache des Werkes . . . und wie die Luft warm
und feucht ist, so ist auch das Wasser warm und feucht und ist das Feuer des Steins.
ebenda p. 33: Die Luft aber kommt aus dem W a s s e r ... und aus diesen beiden
besteht das Leben eines jeden Wesens. (Vgl. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem.
1566, p. 60).
ebenda p. 58: Die Seele ist warm und feucht geworden in der Art des Blutes und
der Luft.
21. ebenda p. 44: . . . mit dem feuchten Geist, . . . und dieser ist der, der (die Seele)
zu ihrem Körper zurückführt, den er nach seinem Tod durch dieses Leben belebt. Nach
her wird kein Tod mehr existieren, weil das Leben eingeflößt wurde, wie der Geist
dem Körper.
22. Genesis 2, 7: Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß und
er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase (wörtl. Antlitz). Und also ward
der Mensch eine lebendige Seele.
23. Vgl. Manget, Buch III, p. 135 b; und Calid: Liber trium verborum. Artis Auri
ferae 1610, a. a. O. Basel, p. 228/229 und C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars Chem. 1566 a. a. O.
p. 203 und 233.
74 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
i frigid itate alterius. E t A vicenna: Res, in qua est adustio, prim um quod
resolvitur, ex ea est virtus ignea, quae lenior et dignior est, quam virtutes
aliorum elem entorum 31. T ertio m ollificat, id est liquefacit duritiem te r
rae et resolvit partes eius condensas et m ultum com pactas, de quo scribi-
5 tur: Im ber sancti spiritus liquefacit 3*. E t P roph eta: E m ittet verbum suum
et liquefaciet eam, flabit spiritus eius et fluent aquae 33. E t in libro Q uintae
essentiae scribitur, quia aer poros partium terrae adaperiet ad suscipien
dam virtutem ignis et aquae. E t alibi scribitur: M u lier solvit viru m et
ipse figit eam , hoc est spiritus solvit corpus (e t m ollificat) et corpus spi
ro ritum indurat. Q uarto illum inat, quando omnes tenebrositates tollit de
corpore, de quo canitur: H orrid as nostrae m entis p u rga tenebras 34?
31. A v ic e n n a : De re recta ad Hasen regem epistola (Theatr. Chem. 1659, vol. IV,
p. 8 6 6 ): Et scivimus quod res in qua est adustio, cum decoquitur primum quod de ea
resolvitur est virtus ignea, quae est in ipsa, quoniam est levior et dignior vaporatione et
separatione, quam virtus reliquorum elementorum.
32. Cf. Eccli. 39, 9: . . . et ipse tamquam imbres mittet eloquia sapientiae suae.
Cf. Ordo missae p. [4 1 ].
33. Ps. 147, 18: Emittet verbum suum et liquefaciet ea, flabit spiritus eius et fluent
aquae. Cf. Ordo missae p. 365.
34. Cf. N o tc er u s B a l b u l u s : Hymnus in die Pentecostes. (M ig n e P. L. C X X X I,
coi. 1012-1013): Spiritus alme, Illustrator hominum, Horridas nostrae Mentis purga
tenebras. Cf. Ordo missae 1. c. p. 53 et 173.
35. Ordo missae p. [1 4 3 ]: Veni Creator Spiritus: Accende lumen sensibus, Infunde
amorem cordibus . . .
36. Ps. 77, 14: Et deduxit eos in nube diei et tota nocte in illuminatione ignis.
Cf. Sap. 10, 17: . . . e t fuit illis in velamento diei et in luce stellarum per noctem.
Cf. Ordo missae p. 680.
37. Se n io r : De Chemia, p. 63: et tingit omne nigrum et facit album et tingit omne
album et fa c it rubeum et ideo res magnificatur . . .
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 77
U n d Caled minor: L ösch t das F eu er des Einen durch die K ä lte des
A n d ern . U n d A vicenna: E s gibt ein D in g , in w elchem die Entzündung
vorhanden.ist, und das erste, was sich {b eim K o ch e n ) herauslöst, ist eine
Feu erk raft, w elche m ilder und w ürdiger ist, als die K rä fte aller anderen
E lem ente 31. D rittens w eicht der G eist auf, d. h. er verflüssigt die H ärte
der E rd e und löst deren allzu dichte und kom pakte T eile auf, w ovon
geschrieben steht: D e r R egen oder G eist verflüssigt 3*. U n d der Proph et:
E r w ird sein W o r t aussenden und sie verflüssigen, sein G eisthauch w ird
w ehen und die W asse r w erden ström en 33. U n d im B uch von der Q uint
essenz steht geschrieben, daß die L u ft die P oren der erdigen T eile öffnet,
dam it sie die K ra f t des Feuers und des W assers aufnehm en können.
U n d andersw o h eiß t es: D ie F ra u löst den M an n auf, und dieser m acht
sie gerinnen, d. i. der G eist löst den K ö rp e r auf und m acht ihn weich,
und der K ö rp er läß t den G eist fest w erden. V iertens erleuchtet der
G eist, da er dem K ö rp e r alle D unkelheit nim m t, w ovon der H ym nus
h andelt: Reinige die schauerlichen Finsternisse unseres Geistes 34? die
Sinne laß erleuchtet sein 35. U n d der P ro p h et *6: E r fü h rte sie die ganze
N a ch t im Leuchten des Feuers, und dann w ird die N a ch t lichthell wie
der T a g w erden. A uch Senior sagt: U n d es m acht alles Schwarze weiß
und alles W e iß e ro t 37? da das W a sse r w eiß m acht und das Feuer L eu ch t
k raft verleiht. D en n er leuchtet in der F arb e w ie ein R ubin durch die
38. Se n io r : De Chemia p. 66: Et quod dixit Rubinus per hoc vult Animam tingen
tem propter quod acquisivit virtutem ex i g n e . . . Cf. p. 35; Anima tingens latet in
aqua . . . alba.
39. Vgl. evtl. A l b e r t i M a g n i , De rebus metall. Cöln 1569, lib. I cap. 1. p. 65:
Carbunculus . . . lucet in tenebris sicut noctiluca, item p. 126: Carbunculus lucet in
tenebris sicut carbo et talem vidi ego.
40. T u r b a 1. c. p. 120: (Parmenides): . . . e t scitote quod si superficies dealbetur
intima eius dealbabuntur. Et si (R u sk a : aeris) superficiem nubes dealbaverunt procul
dubio intima dealbabuntur.
41. M o r ie n i Romani: De Transmutatione metallorum, in Artis Auriferae, II, Basi-
leae 1593, p. 31: (Datin dicit ad Euthicen . . . ) : Jam abstulimus nigredinem et cum
sale [a]natron, id est sale nitri et almizadir, cuius complexio est frigida et sicca, fiximus
albedinem.
42. Cf. Pretiosa Margarita novella, l.c . p. 86: quia calor homogenea congregat et
segregat etherogenea, et C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chemica 1566, p. 252: Ignis enim
hetherogenea separat et homogenea cumulat. Cf. A l b e r t i M a g n i , De mineralibus et
rebus metallicis, Cöln 1569. lib II. cap. 2, p. 98: . . .calorem ignis et quod congregat
homogenea et disgregat etherogenea sicut dictum est in II. metheor.
43. Ps. 16, 3: Igne me examinasti et non est inventa in me iniquitas. Cf. Ordo
missae p. 694.
44. Ps. 65, 12: Transivimus per ignem et aquam, eduxisti nos in refrigerium.
45. T a b u la S m a r a g d in a , ed J . Ruska, p. 2: Separabis terram ab igne, subtile a spisso,
suaviter cum magno ingenio.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 79
färbende Seele, die er aus der K ra ft des Feuers erhielt 3», deshalb h eiß t
das Feu er auch das Färbende. U n d im B uch von der Quintessenz h eiß t
es: D u erschaust ein wunderbares L ich t in der Finsternis 39. U n d in der
T u rb a Philosophorum steht, daß, w enn einm al die W o lk e n die O ber
fläche w eiß gem acht haben, ohne Z w eifel auch das In n ere w eiß w erden
w ird 4°. U n d M o r ie n u s sagt: Schon haben w ir das Schw arze beseitigt
und das W e iß e hergestellt m it dem Salz [A ]n a tr o n , d. h. m it G eist 4*.
Fün ften s scheidet der G eist das R eine v om U n rein en , da er alle A cciden-
tien der Seele beseitigt, welches sind die D äm p fe oder üblen G erüche;
so wie es heißt, daß das F eu er das V erschiedenartige tren nt und das
G leichartige zusam m enhäuft 4*. D eshalb sagt der P ro p h et: D u hast
im Feu er m ich erprobt, und U n rech t fand sich nicht an m ir 43 . U nd
ebenso sagt er: W i r sind durch F eu er und W a sse r hindurchgegangen,
und du hast uns zur R uhe und Erquickung g efü h rt 44 . U n d H e r m e s sagt:
D u w irst das D ich te vom F ein en scheiden, die E rd e vom F eu er 4*. U n d
A l p h i d i u s : D ie E rd e w ird flüssig und w andelt sich in W a sse r; das W a s
ser w ird flüssig und w andelt sich in L u ft; die L u ft w ird flüssig und w an-
38. Senior: De Chemia p. 66: Und wenn er «Rubin» sagt, so meint er die färbende
Seele, da sie ihre Kraft aus dem Feuer erworben hat. Vgl. p. 35: Die färbende Seele
ist im weißen Wasser verborgen.
39. Vgl. ähnlich (nicht wörtlich) Albertus Magnus, De rebus metallicis, Cöln
1569 üb. I cap. 1. p. 65 und p. 126.
40. Vgl. T u r b a a. a. O. p. 190: Und wenn die Wolken die Oberfläche (R uska: des
Kupfers) geweißt haben, so wird ohne Zweifel (auch) das Innere geweißt werden.
41. M orienus Romanus: Von der Verwandlung der Metalle in Artis Auriferae,
II, Basel, 1593, p. 31: (Datin sagt zu Euthice . . . ) : Schon haben wir die Schwärze ent
fernt und mit dem Salz [A]natron, d. h. mit dem Salz des Nitrum und Almizadir, dessen
Beschaffenheit kalt und trocken ist, die Weissung verfestigt. Anatron = an-natron = ara
bisch Natron.
42. Vgl. Pretiosa Margarita novella, a. a. O. p. 86, und C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars
Chemica 1566, a. a. O. p. 252.
43. Ps. 17, 3: (wörtl.) Du hast im Feuer mich erprobt, und Unrecht fand sich nicht
an mir. Meßbuch p. 694.
44. Ps. 66, 12: (wörtl.) W ir sind durch Feuer und Wasser hindurchgegangen und
du hast uns zur Erquickung geführt.
45. T a b u la S m a r a g d in a , ed J . Ruska, p. 3.
80 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA
46. Die eingeklammerte Version steht in P statt des vorhergehenden Satzes. Vgl.
C la n g o r b u c c in a e , Artis Auriferae 1610, I, p. 317: Dicit Assiduus philosophus: Ignis
coagulatur et fit aer, aer coagulatur et fit aqua, aqua vero coagulatur et fit terra. Ecce
enim in unam naturam convenerunt inimici. Cf. item C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars. Chem.
1566, p. 288 et 29 und Excerpta ex D emocrito v . Nicol. Flamel Theatr. Chem. 1604,
I, p. 891: . . . elementa transmutantur . . . ignis fit terra, terra aqua, aqua aer, aer aqua,
aqua terra, terra ignis etc.
47. Ordo missae p. [ 1 4 3 ] : Veni creator spiritus: Tu septiformis munere, Digitus
paternae dexterae . . .
48. Cf. A r ist o tel es , De perfecto magisterio. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 79:
Praecedit autem operationem perfectae operationis quaedam rerum purificatio quae a qui
busdam mundificatio a quibusdam administratio a quibusdam rectificatio a quibusdam
ablutio et a quibusdam separatio nuncupatur. Ipsa enim puriores rerum partes disgregat
ab impuris ut gravioribus abiectis partibus cum levioribus opus compleatur. Cf. item
Manget: Bibi. Chem. III, p. 134 a, S c a la p h ilo s o p h o r u m , item partim A r ist o tel is Trac-
tatulus, Artis Auriferae 1610, I, p. 233 et R o sa r iu m eod loco. II, 271 et A lb ertu s
M a g n u s . De lapide Philos. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 847.
49. T a b u la S m a r a g d in a , ed. R u ska , 1. c. p. 2. Cf. p. 20 Annot. 4.
50. Ps. 67, 7: Qui educit vinctos in fortitudine.
51. Ps. 85, 13: . . . eruisti animam meam ex inferno inferiori.
52. Jes. 6 l, 1: Spiritus Domini super me . . . Cf. Luc. 4, 18; Ordo missae p. 685.
Cf. Ezechiel 3, 14: Spiritus quoque levavit me . . .
53. Cf. A v ic e n n a : Declaratio Lapidis Physici Filio suo Aboali, Theatr. Chem. 1659,
IV, p. 878.
T H O M A E DE A Q U I N O A UR ORA 81
46. Die eingeklammerte Version steht in P. statt des vorhergehenden Satzes. Vgl.
C la n g o r b u c c in a e , Artis Auriferae a. a. Ο. 1610, p. 317, und C o n s iliu m C o n iu g ii,
Ars Chemica 1566, a. a. O. p. 228/229 und Excerpte des N ie. Flamel aus D emokrit.
Theatr. Chem. 1604, I, p. 891.
47. Vgl. Meßbuch, p. [1 4 3 ]: Veni creator spiritus: Du siebenfältiger Gabenpfand,
Du Finger an des Vaters Hand . . .
48. Vgl. Aristoteles, De perfecto magisterio, Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 79
und Manget: Bibi. Chem. III, p. 134 a, S c a la p h ilo s o p h o r u m . Ebenso teilweise Aristo
telis Tractatulus, Artis Aurif. 1610, I, p. 233 und das R o sa r iu m ebda II, p. 271.
49. T a b u la S m a r a g d in a , ed. R uska, a. a. O. p. 3- Vgl. p. 20, Anm. 4.
50. Ps. 68, 7: Der die Gefangenen (hin)ausführt zu rechter Zeit (wörtl. in seiner
Stärke).
51. Ps. 86, 13: . . . du hast meine Seele errettet aus der tiefen Hölle.
52. Jes. 61, 1: Der Geist des Herrn ist über mir . . .
Ezechiel 3, 14: Da hob mich der Wind (wörtl. Geist) auf . . .
53. Vgl. Avicenna: Declaratio Lapidis Physici Filio suo Aboali. Theatr. Chem.
1659, IV, p. 878.
82 T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA
54. T u r b a , 1. c. p. 130: Qui ergo scit cambar philosophorum occultum, iam ei est
notum arcanum. Cambar wird oft in der T u r b a erwähnt und ist die arab. Transkription
für griechisch: kinnabaris = Zinnober. Vgl. R uska : T u r b a , 1. c. p. 28. Cf. C o n s iliu m
C o n iu g ii, Ars Chem. 1566, 1. c. p. 198.
55. Cf. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, 1. c. p. 121: als Assiduuscitat: Nisi
hic vapor ascendet, nihil habes ex eo quia ipse est opus et absque quo nihil. Et sicut
anima corpori ita est ipse, qui fit quelles. Cf. R o s a r iu m p h il. Artis Aurif. 1610, II,
p. 247: Albertus: Nisi anima corpus suum exierit et in coelum sursum ascenderit, nihil
proficies in hac arte.
56. Alphidius Cod. Ashmole 1420 1. c. fol. 26: Nisi hic vapor ascendat nihil habe
tis eo quod ipse est opus et per ipsum et in ipso absque quo nihil fit. cf. Ordo missae,
p. 19/20 Nobis quoque peccatoribus . . . Per ipsum et cum ipso et in ipso est tibi Deo
Patri omnipotenti in unitate spiritus sancti omnis honor et gloria. Cf. Rom. 11, 33-36:
Quoniam ex ipso et per ipsum et in ipso sunt omnia. Ipsi gloria in saecula. Arnen.
57. N otcerus B albulus, Hymnus in die Pentecostes (M igne P. L. C X X X I coi.
1012-1013): Tu animabus vivificandis aquas fecundas. Tu aspirando das spiritales
esse homines.
58. Sap. 1, 7: Quoniam spiritus Domini replevit orbem terraru m ... Cf. Ordo
missae p. 366.
59. Ps. 32, 6: Verbo Domini caeli firmati sunt et spiritu oris eius est omnis virtus
eorum. Cf. Ordo missae p. 380, (7 8 ).
60. Aristoteles: De perfecto magisterio, Theatr. Chem. 1659, III, p. 79: Et hoc
dedit H ermes intelligere in suo secreto . . . dicens: Separabis terram ab igne et subtile
a spisso. Quia non possunt gravia nisi levium consortio levigari nec levia nisi combina
tione gravium ad ima detrudi. Cf. item Avicenna: Declaratio Lapidis Physici Filio suo
Aboali. Theatr. Chem. 1569, IV , p. 880 et Manget, Lib. III, p. 129 a; R o s a r iu m p h il.,
II, et p. 133 b.
61. Cf. T u r b a , 1. c. p. 141, 155, 151.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 83
X . P A R A B O L A Q U I N T A D E D O M O T H E S A U R A R IA ,
Q U A M S A P IE N T IA F U N D A V I T S U P R A P E T R A M
62. Job. 14. 4: Quis potest facere mundum de immundo conceptum semine? Nonne
tu, qui solus es? Cf. Ordo missae: Orationes ante missam dicendae: Sed scio veraciter
et credo ex toto corde. . . quia potes me facere dignum, qui solus potes mundum
facere de immundo conceptum semine et de peccatoribus iustos facis et sanctos.
63. Jes. 1, 16: Lavamini, mundi estote. . .
64. IV. Reg. 5, 10: Vade et lavare septies in Jordane et recipiet sanitatem caro
tua atque mundaberis.
65. Apost. Credo. Ordo missae p. 8: . . . et in unum baptisma in remissionem pecca
torum . . . Cf. Mare. 1,4; Luc. 3, 3; Acta Ap. II, 38; Eph. IV, 5.
1. Prov. 9. 1-5: Sapientia aedificavit sibi domum, excidit columnas septem. Immo
lavit victimas suas, miscuit vinum et proposuit mensam suam. Misit ancillas suas, ut
vocarent ad arcem et ad moenia civitatis: Si quis est parvulus, veniat ad me. Et insi
pientibus locuta est: Venite, comedite panem meum et bibite vinum, quod miscui
v o b is ... Cf. Ordo missae, p. 788. Cf. Senior, De Chemia, 1. c. p. 21: Dixit filius
Hamuel author huius operis: Feci inimicos in carmine figurarum . . . quas praedixi fuisse
in gremio sapientis . . . sedentis iuxta hostium thalami in domo quam sibi aedifica
verat . . . p. 107: Lapis est sicut domus cum suis 4 parietibus et tecto . . .
2. Joh. 10, 9: Ego sum ostium. Per me si quis introierit salvabitur et ingredietur
et egredietur et pascua inveniet. Cf. Ordo missae p. 379.
3. Ps. 35, 9: Inebriabuntur ab ubertate domus tuae et torrente voluptatis tuae
potabis eos.
4. Ps. 83, 11: . . . quia melior est dies una in atriis tuis super millia . . . Cf. Ordo
missae p. 444.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 85
X . D IE F Ü N F T E P A R A B E L V O M S C H A T Z H A U S
D A S S IC H D IE W E I S H E I T A U F D E M F E L S E N E R B A U T E
ie W eish eit baute sich ein H aus x, w er in dieses eingeht, der w ird
D selig w erden und W e id e fin d en 2 nach dem Z eugnis des P roph eten :
Sie w erden trunken sein vom Ü berfluß deines H auses 3 ; denn besser ist
ein T a g in deinen V o rh öfen , als tausend andere 4 ! O h w ie glückselig
62. Hiob 14, 4: Kann wohl ein Reiner kommen von den Unreinen? Auch nicht einer
(W örth: W er kann das rein machen, was von unreinem Samen empfangen wurde? Nicht
du allein?) Vgl. Meßb.: Vorbereitende Gebete: Ich weiß wahrlich und glaube von ganzem
Herzen, daß du mich würdig machen kannst, der du allein rein machen kannst was von
unreinem Samen empfangen wurde und aus Sündern Gerechte und Heilige machst.
63. Jes. 1, 16: Waschet, reiniget euch, (seid rein), tut euer böses Wesen von meinen
Augen . . .
64. IV. Könige 5, 10: Gehe hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir
dein Fleisch wieder rein werden.
65. Apost. Credo. Meßb. p. 8: Ich bekenne eine Taufe zur Nachlassung der Sünden. . .
1. Sprüche 9, 1-5: Die Weisheit baute ihr Haus und hieb sieben Säulen (aus),
schlachtete ihr Vieh und trug ihren Wein auf und bereitete ihren Tisch und sandte ihre
Diener aus, zu rufen oben auf den Höhen der Stadt: W er unverständig ist, der komme
zu mir! und zum Narren (Toren) sprach sie: Kommet, zehret von meinem Brot und
trinket meinen Wein, den ich schenke . . . Vgl. Meßbuch p. 788. Vgl. Senior: De Chemia
p. 21: Es sagte der Sohn Hamuels, der Autor dieses Werkes: Ich habe mir Feinde
gemacht im Gedicht der Figuren, von denen ich sagte, sie seien im Schoß eines Weisen
gewesen, der beim Eingang des Gemaches saß im Hause, das er sich erbaut hatte, p. 107:
Der lapis . . . ist wie ein Haus mit seinen 4 Wänden und dem Dache.
2* Joh. 10, 9: Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden
und wird ein und aus gehen und Weide finden. Vgl. Meßbuch p. 379.
3. Ps. 36, 9: Sie werden trunken von den reichen Gütern (wörtl. Überfluß) deines
Hauses und du tränkest sie mit Wonne als mit einem Strom.
4. Ps. 84, 11: . . . denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser denn sonst tausend!
Meßbuch p. 444.
86 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA
qui habitant in dom o h ac in ea nam que qui petit, accipit et qui quaerit
invenit et pulsanti a p e rie tu r 5
67.N a m Sapientia stat ad ostium dicens: Ecce
sto ad ostium et pulso, si quis audierit vocem m eam et aperuerit ianuam ,
introibo ad illum et ipse ad m e et satiabor cum illo et ipse m ecum 7. O
quam m agn a m ultitudo dulcedinis tuae, quam abscondisti introeuntibus
dom um h a n c 89, quam oculus n on vidit nec auris audivit nec in co r h om i
nis ascendit D om u m hanc reserantibus erit ea quae decet sanctitudo
et utique longitudo d ie ru m I01, quia fundata est supra firm am p e tr a m XI,
quae non potest scindi nisi ungatur optim o sanguine h irc in o 1213vel p e r
cutiatur v irg a m osaica ter, ut aquae effluant largissim ae, ita u t omnis
populus viroru m ac m ulierum bibat χ3; et amplius non sitient neque esu-
2. Ecce: Ego V P / 5. «ab» introeunt, add. L / 6. quae VP, quem M / 7. «erit ea» ora.
M PVB / 10. fluant M PVB /
5. Ps. 83, 5: Beati qui habitant in domo tua Domine, in saecula saeculorum lauda
bunt te. Cf. Ordo missae p. 515.
6. Math. 7, 7 -8 : Petite et dabitur vobis, quaerite et invenietis, pulsate et aperietur
vobis. Omnis enim qui petit, accipit, et qui quaerit inveniet et pulsanti aperietur . . .
Cf. Ordo missae p. 352.
7. Apoc. 3, 20: (angelus Laodiceae ecclesiae): Ecce sto ad ostium et pulso, si quis
audierit vocem meam et aperuerit mihi ianuam, intrabo ad illum et coenabo cum illo
et ipse mecum . . .
8. Ps. 30, 20: O quam magna multitudo dulcedinis tuae, quam abscondisti timentibus
te. Cf. Ordo missae p. 619.
9. I. Cor. 2, 9: . . . quod oculus non vidit nec auris audivit nec in cor hominum
ascendit, quae praeparavit Dominus iis, qui diligunt eum.
10. Ps. 92, 5: Domum tuam decet sanctitudo, Domine in longitudinem dierum. Cf.
Ps. 22, 7: . . . ut inhabitem in domo Domini in longitudinem dierum.
11. Math. 7, 24: Assimilabitur viro sapienti, qui aedificavit domum suam supra
firmam petram . . .
12. Levit. 16, 18: Cum autem exierit ad altare quod coram Domino e s t. . . sump
tum sanguinem vituli atque hirci fundat super cornua eius per gyrum . . . C f. Senior:
De Chemia p. 9: Igitur desinet lux mea quoniam capient. . . a pinguedine. . . absque
sanguine hircorum et discernit verum a falso. Cf. item p. 78-79.
13. Num. 20, 11: Cumque elevasset Moyses manum percutiens virga bis silicem,
egressae sunt aquae largissimae . . .
Exod. 17, 6: Percuties petram et exibit ex ea aqua, ut bibat populus . . .
T H O M A E DE A Q U I N O A UR ORA 87
5. Ps. 84, 5: Wohl denen (Selig sind), die in deinem Hause wohnen, Herr, Meß
buch p. 515.
6. Math. 7, 7 -8 : Bittet und ihr werdet empfangen, suchet, so werdet ihr finden,
klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt, und wer da sucht,
der findet, und wer da anklopfet, dem wird aufgetan. Meßbuch p. 352.
7. Ofifenb. 3, 20: Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme
hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl (wörtl.
Mahl) mit ihm halten und er mit mir.
8. Ps. 31, 20: W ie groß ist deine Güte (wörtl. Herr, die Fülle deiner Süßigkeit),
die du verborgen hast für die, so dich fürchten. Vgl. Meßbuch p. 619.
9. I. Cor. 2, 9: Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines
Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.
10. Ps. 93, 5: Heiligkeit ist die Zierde deines Hauses (wörtl. Deinem Hause gebührt
Heiligkeit) O Herr, ewiglich (wörtl. in die Länge der Tage).
Ps. 23, 6: (W örtl. so gibst du ihm langes Leben immer und ewiglich). Meß
buch p . 731.
11. Math. 7, 24: . . . den vergleiche ich dem klugen Mann, der sein Haus auf einen
(starken) Felsen baute . . .
12. Levit. 16, 18: W örtl.: Und wenn er herausgeht zum Altare des Herrn, soll er
vom Blute des Kalbs und des Bockes nehmen und es auf des Altares Hörner ausgießen
im Kreise . . . Vgl. Se n io r : De Chemia, a. a. O. p. 9: Mein Licht möge versagen, da sie
nehmen werden . . . vom Fetten . . . ohne Bocksblut, und es unterscheidet das Wahre
vom Unwahren. Vgl. auch p. 78-79.
13. Num. 20, 11: Und Moses hob seine Hand auf und schlug den Fels mit dem
Stab zweimal. Da ging viel Wasser heraus, daß die Gemeinde trank und ihr Vieh.
Exod. 17, 6: . . . da sollst du den Fels schlagen, so wird Wasser herauslaufen, daß
das Volk trinke.
14. Apoc. 7, 16: . . . non esurient neque sitient amplius nec cadet super illos sol.
Cf. Ordo missae p. 735. Cf. item Jes. 49, 10 et Joh. 4, 13-14: Omnis qui bibit aqua
ex hac sitiet iterum, qui autem biberit ex aqua quam ego dabo ei non sitiet in aeternum.
Sed aqua quam ego dabo ei fiet in eo fons aquae salientis in vitam aeternam.
15. Cf. Sach. 13, 1: In die illa erit fons patens domui David . . . in ablutionem pecca
toris . . .
16. Mare. 16, 16: Qui crediderit et baptizatus fuerit salvus erit.
17. Ps. 118, 130: Declaratio sermonum tuorum illuminat et intellectum dat par
vulis . . .
I. Cor. 13, 11: Cum essem parvulus loquebar ut parvulus, sapiebam ut parvulus . . .
18. Cf. Ps. 106, 32: Exaltent eum . . . et in cathedra seniorum laudent eum. Cf. Ordo
missae p. 510.
Cf. Apoc. 4, 4 sq.: Et in circuitu sedis sedilia vigintiquattuor: et super thronos vigin-
tiquattuor seniores sedentes circumamicti vestimentis albis et in capitibus eorum coronae
aureae. . . 10: procidebant vigintiquattuor seniores ante sedentem in throno et adora
bant viventem . . . 5,6: Et vidi, et ecce in medio . . . seniorum agnum stantem tamquam
occisum habentem cornua septem et oculos septem, qui sunt septem spiritus Dei missi
in omnem terram . . . 5, 8: seniores . . . habentes . . . phialas aureas plenas odoramento
rum . . . Cf. Ordo missae p. 787.
C f. Senior De Chemia (Epistola Solis ad lunam crescentem) p. 8. (Luna d icit):
...exaltabim ur, quando ascend(er)imus ordinem seniorum, lucerna lucis infundetur
lucernae meae et (ex) te et (ex) me (fit) sicut commixtio vini et aquae dulcis . . . cum
intraverimus domum amoris coagulabitur meum corpus . . . respondit Sol: . . .
19. I. Cor. 13, 12: Videmus nunc per speculum in aenigmate: tunc autem facie ad
faciem . . . Cf. Ordo missae p. 140.
20. Math. 16, 19: Et tibi dabo claves regni coelorum. Et quodcumque ligaveris super
terram, erit ligatum in coelis, et quodcumque solveris super terram, erit solutum in
coelis. Cf. Ordo missae p. 511.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 89
und es w ird sie fürderhin nicht m ehr hungern noch d ü rste n 1*. W e r
im m er dieses H aus öffnet, w ird in ihm eine lebendige, unversiegliche
und verjüngende Q uelle finden u , durch die jeder, der darin getau ft
w ird, selig w ir d 16 und in Z u k u n ft nicht m eh r altern kann. A b er, oh
weh, n u r w enige können es erschließen, die w ie K in d er sind und wie
K in d er klug sind *7; w enn diese aber, die K in d er sind, (sich ) jene D in ge
m itteilen und die Stühle der vierundzw anzig Ä ltesten fü r sich in Besitz
nehm en, so w erden sie zw eifellos m ittels ihrer W ü rd e und ihrem Stand
das H aus ö ffn en 18, so daß sie von A ngesicht zu A ngesicht, A u g e in
A u ge die volle H errlichk eit von Sonne und M ond schauen w erden
ohne diese (Ä ltesten ) aber w erden sie nichts ausrichten. D ie näm lich
die Schlüssel des H im m elreiches innehaben, w erden alles, was sie bin
den w erden, auch lö s e n 20, das w ird so geschehen. D en n diese folg en
14. Offenb. 7, 16: Sie werden nicht mehr hungern und dürsten . . . Vgl. ferner
Jes. 49, 10 und Joh. 13-14: W er von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten,
wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht
dürsten. . . sondern wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, der in das ewige
Leben quillt.
15. Vgl. Sach. 13, 1: Zu der Zeit wird das Haus David einen freien offenen Born
haben wider die Sünde.
16. Mark. 16, 16: W er da glaubet und getauft wird, der wird selig werden . . .
17. Ps. 119, 130: Wenn dein W ort offenbar wird, so gibt es den Einfältigen W eis
heit und Verstehen.
I. Cor. 13, 11: Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie
ein Kind . . .
18. Ps. 107, 32: . . . die sollen . . . ihn bei der Gemeinde preisen und bei den Alten
rühmen.
Offenb. 4, 4 ff: Und um den Stuhl waren vierundzwanzig Stühle und auf den Stühlen
saßen vierundwanzig Älteste mit weißen Kleidern angetan und hatten auf ihren Häup
tern goldene Kronen . . . 4, 10: Und d a . . . fielen die vierundzwanzig Ältesten nieder
vor dem, der auf dem Stuhl saß und beteten an . . . 5, 8: da fielen. . . die vierund
zwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm und hatten ein jeglicher. . . goldene Schalen
voll Räucherwerk. Meßbuch p. 787.
Vgl. Se n io r : De Chemia. . . Epistola Solis ad lunam crescentem, p. 8 (Der Mond
sagt): W ir werden durch den Geist erhöht werden, w en n w ir d i e R e ih e d e r Ä ltes te n
e r s tie g e n h a b e n , dann wird die Leuchte deines Lichtes sich in meines ergießen und aus
dir und mir wird gleichsam eine Mischung von W ein und süßem Wasser entstehen . . .
19. I. Cor. 13, 12: W ir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort,
dann aber von Angesicht zu Angesicht. Meßbuch p. 140.
20. Math. 16, 19: Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben, alles was
du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein und alles was du
auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein. Meßbuch p. 511.
90 T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA
ipsi sequuntur agnum quocum que ie r it21. H uius autem dom us decor
est inenarrabilis, p lateae et m uri eius e x auro purissim o, p ortae vero
eius nitent m argaritis atque gem m is p re tio sis222345lapides vero eius angu
lares sunt quatuordecim tenentes virtutes principales totius fundam enti.
Prim us est sanitas, de qua P roph eta: Q ui sanat contritos corde et alligat
contritiones eorum 23, et philosophi: Q ui utitur eo hom inem vigoroso
corp ore co n se rv a t2«. Secundus est hum ilitas de qua scribitur: Q uia re
spexit hum ilitatem ancillae s u a e 2*, ecce enim ex hoc beatam m e dicent
omnes generationes. E t P roph eta: D om inus erigit e liso s 26. E t A r i s t o t e
les ad A lexan d ru m : C um isto lapide non est bonum pugn are 27. A l p h i -
d iu s dicit: Si hum ilis fu erit, eius sapientia perficietur 27a. T ertius est
sanctitas, de qua P roph eta: C um sancto sanctus e r is 2829. E t iterum : sanc
titas et m agnificentia in sanctificatione e iu s 2?. E t A l p h i d i u s : Scito, quod
6. «hominem» om. RhLD / 7. conservatur RhLD / 10. purgare RhLDB / 12. Cum
sanctis MP /
21. Apoc. 14, 4: Hi sequuntur Agnum quocumque ierit. Cf. Ordo missae p. 96.
22. Apoc. 21, 10 fif: . . . et ostendit mihi civitatem sanctam Jerusalem . . . habentem
portas duodecim . . . Et murus civitatis habens fundamenta duodecim . . . Et erat struc
tura muri eius ex lapide iaspide, ipsa vero civitas aurum mundum simile vitro mundo . . .
Et duodecim portae duodecim margaritae sunt. . . et platea civitatis aurum mundum . . .
23. Ps. 146, 3: Qui sanat contritos corde et alligat contritiones eorum. Cf. Ordo
missae p. 136.
24. Cf. A u r o r a co n su rg . I I , Artis aurif. 1610, I, p. 141: Illa tinctura hominem laeti
ficat et cor hominis sanat, ut Senior dicit et reddit hominem hilarem et juvenilem et
vigorose corpus conservat.
25. Lucas 1, 48: Quia respexit humilitatem ancillae suae; ecce enim ex hoc beatam
me dicent omnes generationes. Cf. Ordo missae p. 305.
26. Ps. 144, 14: Allevat Dominus qui corruunt et erigit omnes elisos.
27. Cf. Aristoteles Secreta Secretorum 1528 fol. X X I X . De Lapide Alchahat:
et non potest homo proeliari cum habente ipsum in manu. Et fol. X X X : est alia arbor,
qui istam secum portaverit, erit laetus probus et audax, cum isto non est bonum luctari
vel litigare vel pugnare . . .
27a. Cf. T heobaldus de H oghelande De Alchimiae Difficultatibus, Manget.
1. c. I p. 340: Et Alphidius (in clav. Phil.) Si humilis fueris eius Sophia et Sapientia
perficietur, sin autem, eius dispositio penitus te latebit.
28. Ps. 17, 26: Cum sancto sanctus eris et cum viro innocente innocens eris.
29. Ps. 95, 6: Confessio et pulchritudo in conspectu eius. Sanctimonia et magnifi
centia in sanctificatione eius. Cf. Ordo missae p. 693.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 91
21. Offenb. 14, 4: Diese sinds, die mit Weibern nicht befleckt sind - denn sie sind
Jungfrauen - und folgen dem Lamme nach, wo es hingeht. Meßbuch p. 96.
22. Oflfenb. 21, 10 ff: Und ich . . . sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem von
Gott aus dem Himmel herabfahren . . . Und sie hatte eine große Mauer und hatte zwölf
Tore . . . Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine . . . Und der Bau ihrer Mauer
war von Jaspis und die Stadt von lauterem Golde gleich dem reinen Glase . . . Und die
Grundsteine der Mauer um die Stadt waren geschmückt mit allerlei Edelgestein . . . Und
die zwölf Tore waren zwölf Perlen und ein jeglich Tor war von e in e r Perle und die
Gassen der Stadt waren lauteres Gold . . .
23. Ps. 147, 3: Er heilt die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Schmer
zen . . . Meßbuch p. 136.
24. Vgl. A u r o r a co n s. l l . Teil. Artis Aurif. 1610, a. a. O. p. 141: Jene (die Tink
tur) erfreut den Menschen und heilt sein Herz und macht, wie Senior sagt, den Men
schen heiter und jugendlich und erhält seinen Körper kraftvoll.
25. Lucas 1, 48: . . .denn er hat die Niedrigkeit (Demut) seiner Magd angesehen.
Siehe von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder (Generationen). Meß
buch p. 305.
26. Ps. 145, 14: Der Herr erhält alle, die da fallen und richtet auf alle, die nieder
geschlagen sind.
27. Vgl. A ristoteles Secreta Secretorum 1528, fol. X X I X . Vom Stein Aichahat:
Und ein Mensch kann nicht kämpfen mit einem, der diesen Stein in der Hand hält,
s. auch fol. X X X .
28. Ps. 17, 26: M it dem Heiligen bist du heilig und bei den Frommen bist du
from m . . .
29. Ps. 96, 6: . . . es gehet gewaltig und löblich zu in seinem Heiligtum, (wörtl.:
Heiligkeit und Majestät in seiner Heiligung). Meßbuch p. 693.
92 T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA
i hanc scientiam habere non poteris, nisi m entem tuam D eo purifices, hoc
est in corde om nem corruptionem deleas 3°. E t T u rb a: V oluptates reliqui
et D eum exoravi, u t aquam m ihi m undam ostenderet, quam novi esse
m erum acetum 3*. Q uartus est castitas, de qua legitu r: Q uem cum am a-
5 vero m unda sum , (cu m tetigero casta su m ) 3». Cuius m ater v irg o est
et p ater non concubuit, quia lacte virgineo pastus est etc. 33. U n d e A v i-
cen n a in mineralibus dicit: Q uidam ingeniosi utuntur aqua, quae lac
virginis d ic itu r 34. Q uintus est virtus, de qua dicitur: V irtus orn at ani-
1. sanctifices D / 5. (cum tetigero casta sum) add. MPV / 5.-6. «Cuius mater oo
pater non» om. MPV / 6. concumbit MPB /30124
30. A lphidius , Cod. Ashmole 1420, fol. 15: Inspice Fili in libro meo et mandatum
meum respice atque monitionem meam. Et scito quod sapientiam istam habere non potes
quousque mentem tuam Deo purifices et sciat te Deus habere certum animum et
creatori tuo fidelitatem quod thesaurus Dei numquam perit nec deficit. Cf. item. C o n
s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1566, 1. c. p. 56: Hanc enim scientiam inquirentibus
necessarium est habere mentes purificatos a Deo, cum sit donum et secretum Dei. Cf.
item R o sa r iu m , Manget, Lib. III, p. 91 b: Scito fili quod istam scientiam habere non
potes, quousque mentem tuam Deo purifices et sciat Deus te habere certum animum ac
rectum et tunc Mundo dominari te faciet. Cf. T heobaldus de H oghelande, De Alchi-
miae Difficultatibus, Manget. 1. c. I. p. 340: Unde A lphidius (in clav. P hil.): Hanc
scientiam habere non potes, quousque mentem tuam Deo purifices et sciat te Deus habere
mentem contritam.
31. T u r b a 1. c. p. 125: F loritis : Acetum est acerrimum, quod facit esse merum spi
ritum . . . Et iuro vobis per Deum, quod multo tempore in libris investigavi. . . et Deum
oravi ut, quid est, me doceret. Exaudita autem oratione mundam aquam mihi demonstra
vit, quam novi merum esse acetum.
32. Cf. Math. 9, 21-22.
33. Alphidius, Cod. Ashmole 1420 1. c. fol. 26: Cuius mater virgo est et pater non
concubuit. Cf. das ALPHiDiuscitat bei Petrus B onus, Pretiosa Margarita Novella
1. c. p. 40: Hic lapis in viis projectus, est in nubibus exaltatus, in aere habitat, in flumine
pascitur et in cacumine montium quiescit, cuius mater virgo est, cuius pater foeminam
nescit. Item im L i b e r d e m a g n i L a p id is c o m p o s itio n e e t o p e r a t io n e , Theatr. Chem.
1659- Vol. III. p. 37 und p. 44. Item ais AssiDUUScitat im C o n s iliu m C o n ju g ii
l.c .p . 205, 64, 150.
Cf. Margarita pretiosa novella, 1. c. p. 40: __ iudicaverunt deum cum homine fieri
debere unum et hoc factum fuit in Christo Jesu et virgine matre eius . . . Et ostendit
deus hoc exemplum miraculosum philosophis in hoc lapide.
34. Avicennae Mineralia, in Artis Auriferae, 1610, p. 240: Est autem res quaedam,
qua utuntur quidam ingeniosi cum volunt rem siccam coagulare, quae componitur ex
duabus aquis et dicitur lac virginis. Item in D e C o n g e la t io n e e t C o n g lu tin a tio n e la p id is .
Theatr. Chem. 1659. IV . p. 883. Und Aristoteles, Secreta secretorum 1528. cap. De
mineralibus. Item ais Assmuuscitat im Theatr. Chem. 1659. III. p. 37.
T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA 93
daß du diese W issen sch aft nicht haben kannst, falls du nicht deinen
G eist fü r G ott reinigst, d. h . im H erzen alle V erderbnis auslöschest 3°.
U n d in der T u rb a h eiß t es: Ich habe die w eltlichen F reu den zurückge
lassen und zu G ott gebetet, er m öge m ir das «reine W asser» zeigen, von
dem ich w ußte, daß es lauterer E ssig sei 31 . D e r vierte ist die K euschheit,
von der zu lesen ist: W e n n ich ihn liebe, w erde ich rein sein, und w enn
ich ihn berühre, w erde ich keusch sein 32; ihn, dessen M u tter ju n g fräu
lich ist und dessen V ater ihr nicht beiw ohnte, da er von Ju n gfrau en
m ilch 33 ern äh rt w urde usw. W esh alb A v ic e n n a in seiner Schrift über
die M inerale sagt: Gewisse erfinderische Leute gebrauchen ein W asser,
welches Ju n gfrau enm ilch genan n t w ird 34 . D e r fü n fte ist (w irk en d e)
30. Cod. Ashmole 1420.1. c. fol. 15 1. c. Vgl. C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars. Chem. 1506,
a. a. O. p. 56: Für die, welche dieses Wissen suchen, ist es nötig, daß sie von Gott gerei
nigte Gemüter haben, da es ein Geschenk und Geheimnis Gottes ist. Vgl. ebenso R o s a
riu m , Manget, Buch III, p. 91 b: Wisse mein Sohn, daß du diese Wissenschaft nicht
haben kannst, bevor du nicht deinen Geist für Gott reinigst, d. h. daß du im Herzen
alle Verderbnis auslöschest.
31. T u r b a , a. a. O. p. 198: F loritis (S ocrates ) : Und ich schwöre euch bei Gott,
daß ich lange Zeit in den Büchern geforscht habe, um zu der Wissenschaft dieses
einzigen Dinges zu gelangen und daß ich Gott gebeten habe, mich zu lehren, was es
ist. Nachdem er aber meine Bitte erhört hatte, zeigte er mir das «reine Wasser», das
ich als den lauteren Essig erkannte.
32. Vgl. Math.- 9. 21-22.
33. Cod. Ashmole 1420 fol. 26 l.c . Vgl. Alphidius in Petrus B onus, Pretiosa
margarita novella, a. a. O. p. 40: Dieser auf die Straße hinausgeworfene Stein ist in die
Wolken erhöht, er lebt in der Luft, auf den Gipfeln der Berge, er dessen Mutter jungfräu
lich ist und dessen Vater die Frau nicht kennt.
Vgl. ebenso das Zitat des Assiduus in C o n s il. C o n iu g . Ars Chem. 1566,
p. 205, 64, 150.
Vgl. Margarita pretiosa novella a. a. Ο. p. 40: . . . s i e urteilten, daß Gott mit dem
Menschen Eins werden müsse und dies ist geschehen in Jesus Christus und seiner jung
fräulichen Mutter. Und Gott hat dies, als ein wunderbares Beispiel, den Philosophen
in diesem Stein offenbart.
34. Avicenna, Mineralia, in Artis Auriferae, 1610, p. 240: Es gibt eine Sache, die
gewisse erfinderische Leute gebrauchen, wenn sie etwas Trockenes coagulieren wollen;
sie ist aus zwei Wässern zusammengesetzt und wird Jungfrauenmilch genannt. Ebenso
in O e C o n g e la t io n e e t C o n g lu tin a tio n e L a p i d i s . Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 883
und Aristoteles, Secreta secretorum 1528, cap. De Mineralibus.
94 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
1. recepit D, recipiet RhL / 3. mirari: amanti PV, om. M / sibi: soli MP / 4. induta
MP / vincit MPLRh / 5. «solidam» om. MPB / pretiosum «et subtilem» add. V / 6. sub
tilem M, om. PVB / 8. veros: achites M PV / Crisoliton M PV / 9. «materia» coni,
manante DRh, manente MPLV om. B / informabo: Rubinos M PV / 10. «etc.» om.
MPL / 12. intelligentia D V / intra P, intus M / «Et» om. M PV /3567894012
35. Cf. T a b u la S m a ra g d in a ed J. Ruska, p. 2: Ascendit a terra in coelum, iterumque
descendit in terram, et recipit vim superiorum et inferiorum. Sic habebis gloriam totius
mundi. Ideo fugiat (fugiet) a te omnis obscuritas. Hic est totius fortitudinis fortitudo
fortis: quia vincet omnem rem subtilem, omnemque solidam penetrabit.
36. Cf. A u r o r a co n su r g en s I I , Art. Aurif. 1610, I, p. 151: Quod non sit natus neque
nascitur in futurum qui hanc scientiam posset complere sine natura, natura quidem
quae coelitus est indita rebus et infusa. Cf. Aristoteles Secreta secretorum. 1528. fol.
X X V I. 2.
37. Apoc. 2, 17: Vincenti dabo manna absconditum et dabo illi calculum candidum
et in calculo nomen novum scriptum quod nemo scit, nisi qui accipit.
38. Cf. A u r o r a co n s. I I , cap. 22, Artis Aurif. 1610, p. 157: ut superius allegatum
est in libro Sextario, ubi dicitur: quod lapides Jacinti Coralli rubei et albi Smaragdi
Chrysoliti Saphyri ex ipsa materia formari possunt: Et in charta Sacerdotum traditur,
quod ex chrystallo, carbunculus sive rubinus aut topazius per eam fieri potest qui in
colore et substantia excellunt naturales item.
39. Cf. inter alia Math. 9, 22: Fides tua te salvam fecit.
40. Joh. 20, 29: Beati qui non viderunt et crediderunt. Cf. Ordo missae p. 336.
Cf. T homas Aquinatis Summa theol. Prima secundae Quaest. 72 Art. 73: quia fides est
de his, quae non videntur.
41. T u r b a 1. c. p. 141: Hic enim spiritus, quem quaeritis, ut eo quodlibet tingatis,
in corpore occultus est et absconditus, invisibilis quemadmodum anima in humano
corpore. - (Hierin nicht mit dem Ms. der Vadiana übereinstimmend.)
42. T u r b a 1. c. p. 117: In his (scii, elementis) est arcanum absconditum, quorum
duo tactum habent (et) aspectum apud visum largiuntur, quorum opus et vi[rtu]s
sciuntur, quae sunt terra et aqua, alia autem duo elementa nec videntur nec tanguntur . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 95
1. «in eum» om. PV, omnino M / «non» bis om. MP / 2. ostensio P, offensionis
D V / 3. Firma fides RhDL / 9 . amicus est «meus» add. D / «rex» add. M / 13. compas
sionis D / 14. cons. «socius» add. D / «est» om. PL /4356789012
43. Rom. 9, 33: Ecce pono in Sion lapidem offensionis et petram scandali et omnis
qui credit in eum non confundetur. Cf. Ordo missae p. 331.
44. Joh. 3, 18: Qui credit in eum non iudicatur, qui autem non credit, iam iudicatus
est. C f. Ordo missae p. 376.
45. Ps. 61, 9: Sperate in eo omnis congregatio populi, effundite coram illo corda
vestra.
46. Ps. 21, 5: In te speraverunt patres nostri, speraverunt et liberasti eos. Cf. Ordo
missae p. 229.
47. I. Cor. 13, 7: Charitas . . . omnia suffert, omnia credit, omnia sperat. . .
I. Cor. 13, 4: Charitas ...n o n aemulatur, non agit p erp eram ... Cf. Ordo
missae p. 140.
48. Joh. 14, 21: Qui autem diligit me, diligetur a Patre meo, et ego diligam eum
et manifestabo ei meipsum. Prov. 8, 17: Ego diligentes me diligo. Cf. Ordo missae p. 586.
49. Prov. 17, 17: Omni tempore diligit, qui amicus est.
50. Gregorius Magnus, In Evang. Homilia X X X . (Opera ed. Parisiis 1636.
Tom II. coi. 409 D ) Probatio dilectionis est exhibitio operis.
51. Hiob 2, 4: Ait Satan: Pellem pro pelle, et cuncta quae habet homo dabit pro
anima sua. Cf. Math. 16, 26: Aut quam dabit homo commutationem pro anima sua?
Cf. Ordo missae p. (9 ).
52. II. Cor. 9, 6: Hoc autem dico, qui parce seminat, parce et metet. Cf. Ordo missae
p. 693. Cf. Albertus Magnus, De lapide Philos. Theatr. Chem. 1659, Vol. IV, p. 845.
Nam quaecumque seminaverit homo, haec et metet.
53. II. Cor. 1, 7: Ut spes nostra firma sit pro vobis: scientes quod sicut socii passio
nis estis, sic eritis et consolationis.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA 97
auf ihn hofften unsere V ä te r und w urden b efreit *6. D e r neunte ist die
Liebe, von w elcher d er A postel sagt: D ie Liebe v erträg t alles, sie handelt
nie verkehrt 47 . U n d der E van gelist: Ich liebe, die m ich lieben 48. W e r
allezeit liebt, der ist ein F reu n d 49. U n d A lphonsus sagt: D e r ist w irk
lich ein Freu n d , der dich auch dann nicht v erläß t, w enn die ganze W e lt
von dir abfällt. U n d Gregor spricht: D e r P rü fstein d er Liebe ist das
V orw eisen des W erk es. U n d H iob: A lles, was ein M ensch h at, w ird er
fü r seine Seele hingeben s*9 d. h . fü r diesen Stein, denn w er kärglich
sät, der w ird auch kärglich ernten 5% und w er nicht des Leidens teil
h aftig w ar, w ird auch nicht des Trostes teilh aftig w erden *3 . D e r zehnte 4356789012
43. Römer 9, 33: Siehe da, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen
Fels des Ärgernisses; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden.
Meßbuch p. 331.
44. Joh. 3, 18: W er an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt,
der ist schon gerichtet; denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes
Gottes. Meßbuch p. 376.
45. Ps. 62, 9: Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute( wörtl. das ganze V olk), schüttet
euer Herz vor ihm aus . . .
46. Ps. 22, 5: Unsere Väter hofften auf dich, und da sie hofften halfst du ihnen
aus (wörtl. wurden sie befreit). Meßbuch p. 229.
47. I. Cor. 13, 7: (Die Liebe) verträgt alles, sie glaubt alles . . . sie duldet alles . . .
I. Cor. 13, 4: Die Liebe eifert nicht, sie treibt nicht Mutwillen (wörtl. sie handelt
nicht verkehrt), sie blähet nicht auf. Meßbuch p. 140.
48. Joh. 14, 21: W er mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden
und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. Sprüche 8, 17: Ich liebe, die mich
lieben. Meßbuch p. 586.
49. Sprüche 17, 17: Ein Freund liebt allezeit, und als ein Bruder wird er in der
Not erfunden.
50. G reg o r d e r G rosse , In Evang. Homilia. X X X Opera, Parisiis 1636, Vol. II,
col. 4091) wörtl. gleich.
51. Hiob 2, 4: Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Haut für Haut, und
alles was ein Mensch hat, läßt er für sein Leben (wörtl. wird er für seine Seele hingeben).
52. II. Cor. 9, 6: W er da kärglich sät, der wird kärglich ernten. Meßbuch p. 693.
53. II. Cor. 1, 7: . . . und unsere Hoffnung steht fest für euch, dieweil wir wissen,
daß, wie ihr des Leidens teilhaftig seid, so werdet ihr auch des Trostes teilhaftig sein.
98 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA
ist die G üte, von der es h eiß t: D u w eißt nicht, daß dich G ottes G üte
zur B u ß e leitet. ( W i e ) gü tig ist der R ichter zu geben einem jeglichen
nach seinen W erk en h! D enn die G üte gibt Gutes fü r Schlechtes, G rö ß
tes fü r G eringes, (d ie bloße G utartigkeit hingegen gibt Gutes fü r G utes,
G eringes fü r G erin g e s). D e r elfte ist die G eduld, von der es h eiß t:
W e n n du siegen w illst, so lerne dich gedulden. U n d der A postel: D u rch
die G eduld und T ro st der Schrift m ögen w ir H offnung haben A u ch
M orienus sagt: W e r keine G eduld h at, der lasse seine H änd e vom
W e rk und Caled minor: D rei D in g e sind von N ö te n , näm lich G e
duld, B edächtigkeit und geschickte H andhabung der W erk zeu g e π. U n d
der A postel: Seid geduldig, denn die A n k u n ft des H e rrn ist nahe usw. *8.
D e r zw ölfte ist das G leichm aß, von dem geschrieben steht, daß es alles
nährt und h egt und in G esundheit bew ahrt. Solange näm lich die E le
m ente im G leichm aß sind, fü h lt sich die Seele im K ö rp e r w ohl, aber
sobald sie uneins w erden, dann h aß t sie es, in ihm zu verw eilen. D enn
das G leichm aß ist eine solche gegenseitige V erm isch u n g der Elem ente,
daß das W a rm e m it dem K alten und das T rocken e m it dem Feuchten
im G leichgew icht bleibt. U n d die Philosophen haben m it größ tem
N ach d ru ck geboten, daß keines das Ü bergew icht über ein anderes be
käm e, indem sie sagten: G ebt A ch t, daß das G eheim nis nicht ent
w eicht **, habt A ch t, daß sich der Essig nicht in R auch v e rw a n d e lt54567896o,
habt A ch t, daß ihr nicht etw a den K ö n ig m it seiner G attin durch allzu
54. Röm. 2, 4 -6 : Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet? . . .des
gerechten Gerichtes Gottes, welcher geben wird einem jeglichen nach seinen Werken.
Vgl. Ps. 62, 13.
55. Röm. 15, 4: Was aber zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben
auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben. Meßbuch p. 50.
56. Vgl. R o sa r iu m P h il. Manget, Buch III, p. 114 a.
Vgl. dasselbe als Ausspruch G ebers in T homas von Aquino, Thesaurus Alchemiae
secretissimus. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 278.
57. Vgl. R o sa r iu m , Manget, Buch III, p. 114 a. Vgl. T homas von Aquino: The
saurus Alchemiae Secretissimus. Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p. 278 und G eber,
Summa Perfectionis cap. 12 in De Alchimia 1541. p. 17.
58. Jak. 5, 8: Seid ihr auch geduldig und stärket eure Herzen, denn die Ankunft
des Herrn ist nahe.
59. Vgl. T u r b a p h il. ed. J. Ruska, a. a. O. p. 200: . . . und hütet euch, daß das «Ge
heimnis» zu rauchen beginnt. Ebenda p. 202: Beobachtet also das Gefäß, damit die
Zusammensetzung nicht entweicht.
60. Ebenda p. 199: . . . und habet Acht, daß der Essig sich nicht in Rauch verwan
delt und zugrunde geht.
100 T H O M A E D E A Q U I N O A UR ORA
fugetis nim io ig n e 61, cavete om ne, quod est e x tra m odum , sed super
ignem putredinis hoc est tem perantiae p on ite quousque sponte iungan-
t u r 6l6345. Tredecim us est spiritualis disciplina sive intellectus, de quo A p o
stolus: L ittera occidit, spiritus autem vivificat 6K R enovam ini spiritu m en
tis vestrae et induite [n o v u m ] hom inem 64, h oc est intellectum subtilem 6*.
Si spiritualiter intellexeritis, spiritum utique cognoscetis. U nusquisque
vestrum opus suum p ro b e t66, utrum sit perficiens an deficiens. Q uae
enim hom o sem inat eadem et m etet 67. O quam m ulti n on intelligunt
dicta sapientum , hi perierunt pro pter eorum insipientiam , quia carue-
runt intellectu spirituali et nihil invenerunt p raeter laborem . Q uartus
decimus lapis est oboedientia, de qua scribitur: O boedientes estote vestris
superioribus68 sicut.C hristus factus fu it oboediens p atri usque ad m or-
61. Ibidem p. 138: . . .requiem eis constituite et cavete ne fugetis eos comburendo
nimio igne. Veneramini regem et suam uxorem et nolite eos comburere.
62. Liber Alphidii etc. Cod. Ashmole 1420.1. c. fol. 10: Deinde super ignem pone
putredinis quousque sponse iungantur et omne corruptum emendatur.
63. II. Cor. 3, 6: Littera enim occidit, Spiritus autem vivificat. Cf. Ordo missae p. 438.
- Wird schon von Olympiodor zitiert (B erthelot. Aich. Grecs, II, IV, Vol. I. p. 94.)
64. Ephes. 4, 23-24: Renovamini autem spiritu mentis vestrae et induite novum
hominem . . . Cf. Ordo missae p. 467.
65. Cf. Pretiosa margarita novella, 1. c. p. 38: . . . et hoc (fixio et permanentia
animae et spiritus) per adiectionem lapidis occulti, qui sensu non comprehenditur, sed
intellectu solum per inspirationem vel revelationem divinam aut per doctrinam scien
tis . . . et dixit Alexander : duo sunt in hac arte ordines, scilicet aspectus oculo intel
lectusque corde, et hic lapis occultus est qui proprie dicitur donum Dei, et hic est lapis
divinus occultus sine cuius commixtione lapidi annihilatur alchemia, cum ipse sit ipsa
alchemia . . . Et hic lapis divinus est cor et tinctura auri quaesita a philosophis.
66. Gal. 6, 4: Opus autem suum probet unusquisque et sic in semetipso tantum
gloriam habebit. . . Cf. Ordo missae p. 443.
67. Gal. 6, 8: Quae enim seminaverit homo, haec et metet. Cf. Ordo missae p. 443.
Cf. item R o sa r iu m P h il. Manget, III, p. 107 b. Ps. Aristoteles. Item Pretiosa Marga
rita novella, 1. c. p. 116-117.
68. Hebr. 13, 17: Oboedite praepositis vestris et subiacete eis . . . Cf. Ordo missae
p. 658.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 101
61. Ebenda p. 216: . . . verschaffet ihnen Ruhe und hütet euch, sie in die Flucht zu
schlagen, indem ihr sie im zu heißen Feuer verbrennt. Verehret den König und seine
Gattin und wollet sie nicht verbrennen.
62. Alphidius s. Cod. Ashmole 1420. 1. c. fol. 10 1. c.
63. II. Cor. 3, 6: Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. Vgl.
Meßbuch p. 438. - Wird schon von Olympiodor zitiert (B erthelot: Aich. Grecs,
I I ,I V , V o l.I .p . 9 4 ).
64. Ephes. 4, 23: Erneuert euch aber im Geist eures Gemütes (Zürcher Bibel: durch
den Geist eures inneren Wesens) und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott
geschaffen i s t . . . Meßbuch p. 467: Erneuert euch im Geiste eures Gemütes . . .
65. Vgl. Pretiosa Margarita novella, a. a. Ο. p. 38: ...u n d dies (die Festmachung
und Dauer von Seele und Geist) geschieht durch die Beifügung des verborgenen Steins,
der nicht sinnlich wahrnehmbar ist, sondern nur im Geist durch göttliche Eingebung
oder Offenbarung oder durch Belehrung eines W issenden. . . und Alexander hat
gesagt: es gibt in dieser Kunst zwei Ordnungen, erstens die Wahrnehmung durch das
Auge und zweitens die Einsicht durch das Herz, und dies ist der verborgene Stein, der
eigentlich ein Geschenk Gottes bedeutet und das ist der göttliche Stein, ohne dessen
Beimischung zum Stein die Alchemie annulliert wird, da er die Alchemie selber i s t . . .
Und dieser göttliche Stein ist das Herz und die Tinctur des Goldes, die die Philosophen
suchen.
66. Gal. 6, 4: Ein jeglicher aber prüfe sein eigen Werk, alsdann wird er an sich selber
Ruhm haben . . . Meßbuch p. 443.
67. Gal. 6, 7: Denn was der Mensch säet, das wird er ernten. Meßbuch p. 443. Vgl.
auch R o s a r iu m , Manget, III, p. 107 b, und Pretiosa Margarita novella, a. a. O. p. 116-117.
68. Hebr. 13, 17: Gehorchet euren Lehrern (wörtl. Vorgesetzten) und folget ihnen
(wörtl. seid ihnen untertan) . . . Meßbuch p. 658.
102 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
i tem 69. Sic oboedite praeceptis et dictis sapientum , tunc om nia prom issa
eorum vobis oboediunt et proveniunt D eo D om in o annuente. Q ui habet
aures audiendi audiat, quid dicat spiritus doctrinae filiis disciplinae de
dom o, quam fundavit sapientia super quattuordecim lapides angulares 7°,
5 quam vigintiquattuor seniores clavibus regni coelorum reserant et quam
S e n i o r in p ro lo go libri sui declaravit: U b i p onit quod <est> aquila in
tecto et diversarum in lateribus im agines proprietatum 7*. E t A l p h id iu s
in libro suo dicit de dom o thesaurizaria, quam docet quattuor clavibus
posse reserari, quae sunt quattuor elem enta ?*12.
IO X I. PA R A BO LA SEX T A D E CO ELO E T M U N D O
E T S IT IB U S E L E M E N T O R U M
5. reservant MP / 6. dicit seu ponit L / «est» coni. / 7. et «etc» Alph. MPB, «Et»
om. V / 8. thesaurorum M, thesaurariorum PBV, thesaurisariaram L, thesaurarcha D /
dicit BDLRh / 13. pro primum P, corr. P2 / 14. «principiis» add. D / libent P, libentur
V / 15. procreare PV, parare M / principium: primum L, om. B / 17. «et» om. LBRh /
bis zum T o d e 6*. So gehorchet auch ihr den V orsch riften und W o rte n
der W eisen , dann w erden all ihre V ersprechungen euch zu W ille n sein
und in E rfü llu n g gehen, falls es G ott der H e rr erlaubt. W e r O hren hat
zu hören, der h öre was der G eist der L eh re den Söhnen der W issen
schaft sagt vom H aus, das sich die W eish eit au f dem Felsen erbaute, auf
den vierzehn Ecksteinen 7°, w elche die vierundzw anzig Ä ltesten m it den
Schlüsseln des H im m elreiches erschließen, und das Senior im P ro lo g
seines Buches klar darlegte, w o er die A d ler auf dem D ach e und die
B ild er der verschiedenen Eigenschaften au f den Seiten anordnete 7*.
A u ch A lphidius spricht von einem Schatzhause, das, w ie er lehrt, m it
vier Schlüsseln geöffnet w erden kann, welches sind die vier E lem ente 7*.
X I . D IE S E C H S T E P A R A B E L V O M H IM M E L U N D D E R W E L T
U N D D ER A N O R D N U N G D ER ELEM EN TE
69. Phil. 2, 8: . . . er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja
zum Tode am Kreuz.
70. Vgl. Meßbuch p. 306 und 445: Die Früchte des Hl. Geistes: Liebe, Freude,
Friede, Geduld, Milde, Güte, Langmut, Sanftmut, Treue, Mäßigung, Enthaltsamkeit,
Keuschheit.
71. Vgl. Se n io r : De Chemia p. 3 ff.: Ich kam in ein unterirdisches H aus. . . und
sah auf dessen Dach die Abbildungen von neun Adlern . . . und auf den Wänden des
Hauses zur Rechten und zur Linken des Einganges die Bilder von Menschen, die da
standen . . . bekleidet in verschiedenfarbigen Gewändern . . . p. 109: Der Lapis ist näm
lich die Adler . . .
72. Cod. Ashmole 1420 fol. 22-24. Fragmente der Lehre vom Schatzhaus von A l p h i
d iu s finden sich auch im C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars. Chemica 1566, a. a. O. p. 108 fif.
1. Joh. 3, 31: Der von oben herkommt, ist über alle. W er von der Erde ist, der
ist von der Erde und redet von der Erde; der vom Himmel kommt, der ist über alle.
2. Ps. 102, 26-27: Du hast vormals (im Anfang) die Erde gegründet und die Himmel
sind deiner Hände Werk. Sie werden vergehen, aber du bleibest. Meßbuch p. 83.
3. Cf. M orienus Romanus: De Transmut. met. Artis Aurif. 1610, II, p. 19: Hermes
quoque ait: Terra est mater elementorum: de terra procedunt et ad terram revertuntur.
Cf. item Margarita pret. nov. 1. c. p. 107: H ermes : terra est elementum et de terra
omnia facta sunt et ad terram convertuntur. Moyses: terra est mater elementorum, omnia
de terra procedunt et ad terram convertuntur. Sic recitat Morienus: Haec autem terra
est corpus et fermentum . . .
4. Gen. 3, 19: . . . quia pulvis es, et in pulverem reverteris . . . Cf. Ordo missae, p. 146.
Eccli. 17, 31: . . . et omnes homines terra et cinis . . .
Hiob 34, 15: Deficiet omnis caro simul et homo in cinerem revertetur.
5. Cf. Mos. II, 13, 5. Cf. Ordo missae p. 328.
6. Cf. Senior: De Chemia 1. c. p. 34-35: Secundo quod vocat terram benedictam
sitientem et cinerem, qui est fermentum. Auri aqua est fermentum et corpora sunt terra
eorum et fermentum huius aquae divinae est cinis, qui est fermentum fermenti. Quod
vocavit Maria sapiens in quodam loco librorum suorum Coagulum, cum sit coagulans
aquam illorum, in terra eorum, quae est corpus secundum . . . Et de hoc cinere et de
hoc corpore . . . dixit Hermes filio suo: Semina aurum in terra alba foliata.
p. 25: Mundus inferior est corpus et cinis combustus ad quem reducunt Animam
honoratam. Et cinis combustus et anima sunt aurum sapientum, quod seminant in terra
sua alba . . . p. 40: Nominaverunt. . . cinerem . . . et aquam mundam, quia mundata est
a tenebris animae. Cf. p. 115. Cf. item R o s a r iu m , Manget, III, p. 102 a: Hermes: Semi
nate aurum vestrum in terram albam foliatam, quae per calcinationem facta est ignea,
subtilis, aerea. Et ibidem p. 105 b: Seminate ergo animam in terram albam foliatam,
quoniam ipsa retinet eam quoniam cum ascenderit a terra in coelum iterumque descen
derit in terram recipiet vim inferiorum et superiorum . . .
Cf. Aristotelis tractatulus, Artis Aurif. 1610, p. 238: Terram dealbate et igne cito
sublimate quousque exeat ex ipsa spiritus, quem in ea invenies, qui dicitur avis Hermetis.
Hunc cinerem ne vilipendas, quoniam ipse est diadema cordis tui et permanentium cinis,
corona victoriae et coagulum lactis . . . Hic est ergo cinis extractus a cinere et genitum
philosophorum, terra alba foliata in quam seminandum est aurum. Unde dicit Hermes:
Extrahe e radio suam umbram et faecem, quae ipsum interficit, et seminate aurum in
terra alba foliata . . .
7. Cf. Senior: De Chemia p. 108: Et de illo cinere ascendit pluvia viva et vivificans,
quae descendit de coelo . . . Cf. item p. 65-66 et p. 38.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 105
trennen sich die Elem ente im T o d e, und zu ihr kehren sie zu ihrer N e u
belebung zurück 3, denn w oraus ein D in g seine Zusam m ensetzung h er
hat, darin m uß es sich naturgem äß auch w ieder auflösen, w ie der g ö tt
liche A usspruch bezeugt: D e r M ensch ist A sche und w ird w ieder zu
A sche w erden 4 . Solcher A rt ist näm lich die A sche, die nach der V o r
schrift der Philosophen m it dem ew igen W a sse r verm ischt w erden soll.
Dieses W asser aber ist das F erm en t des G oldes, und «ihr G old» ist der
K ö rp er, näm lich die E rd e, w elche A ristoteles G erinnungsm ittel (c o a
g u lu m ) nannte, da sie das W a sse r gerinnen läßt. D ieses ist die E rd e des
verheißenen Landes 3, in die H ermes seinem Sohn befahl das G old zu
sä e n 6, auf daß lebendiger R egen aus ihm (d e m G o ld ) au f steige 7 und
W asser, das es erw ärm t, so w ie auch Senior sagt: W e n n sie (d ie P h ilo
sophen) näm lich dieses göttliche W asser, w elches F eu er ist, heraus
ziehen w ollen, erhitzen sie es m it ihrem F eu er, welches W a sse r ist, das
3. Vgl. M o r ien u s Romanus: De Transmutat, metall. Artis Aurif. 1610, II, p. 19.
Vgl. ebenso Margarita pret. nov. a. a. O. p. 107: H er m e s : die Erde ist ein Element,
und aus der Erde ist alles entstanden und wandelt sich auch zu Erde. Moses: die Erde
ist die Mutter der Elemente, alles geht aus der Erde hervor und kehrt wieder zur Erde.
4. Gen. 3, 19: Denn du bist Erde (Staub) und sollst zu Erde (Staub) werden.
Jes. Sirach 17, 31: Alle Menschen sind Erde und Staub (Asche).
Hiob 34, 15: . . . und der Mensch würde wieder zu Staub (Asche) werden.
5. Vgl. Moses II, 13, 5; Meßbuch p. 328.
6. Vgl. Senior : De Chemia p. 34-35: Zweitens weil er die gesegnete durstige Erde
auch Asche nennt, welche das Ferment ist. Das Wasser des Goldes ist das Ferment und
die Körper (Minerale) sind deren Erde und das Ferment dieses göttlichen Wassers ist
die Asche, welche das Ferment des Fermentes ist. Dieses nannte die weise Maria irgend
wo in ihren Büchern auch Gerinnungsmittel (coagulum), da es das Wasser jener (Kör
per) gerinnen macht, in deren Erde, welche den zweiten Körper darstellt. Und betreffs
dieser Asche und diesem Körper sagte Hermes zu seinem Sohn: Säe das Gold in die
weiße Silbererde . . . Vgl. ferner p. 115 und p. 25: Die untere W elt ist der Körper und
die verbrannte Asche, zu welcher sie die geehrte Seele zurückführen und verbrennen.
Asche und die Seele sind das Gold der Weisen, das sie in ihre weiße Erde säen,
p. 4 0 : Sie nannten . . . die Asche . . . auch reines Wasser, weil es gereinigt ist von den
Finsternissen der Seele. Vgl. A ristotelis tractatulus. Artis Aurif. 1610, p. 238: Weißet
die Erde und sublimiert sie im Feuer, bis von ihr ein Geist ausgeht, der in ihr ist und
der «Vogel des Hermes» genannt wird. Diese Asche achte nicht gering, da sie das Dia
dem deines Herzens ist und die Asche der dauernden Dinge, die Krone des Sieges und
das Coagulum der M ilch . . . Diese Asche aus der Asche extrahiert und das Erzeugte
der Philosophen ist die weiße Erde in welche das Gold gesät werden soll. Weshalb
Hermes sagt: Entziehe dem Strahl seinen Schatten und den Bodensatz der ihn tötet und
säe das Gold in die weiße geblätterte Erde . . .
7. Vgl. Senior: De Chemia p. 108: Und von jener Asche steigt lebendiger und bele
bender Regen auf, der vom Himmel kam . . . Vgl. ebenso p. 65 f. und 38.
106 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
8. Senior: De Chemia p. 68: Cumque volunt illa(m ) extrahere calefaciunt cum igne
"suo, quem mensurati sunt illi et occultaverunt et cum invenit illam calor . . . ignis
solvitur et fit aqua currens.
9. Cf. Senior: De Chemia p. 92: . . . et hoc est secretum super quo iuraverunt quod
non indicarent in aliquo libro nec aliquis eorum declaravit hoc, et attribuerunt illud
deo glorioso ut inspiraret illud cui vellet et prohibeatur a quo vellet. . .
Cf. item C o n s iliu m C o n iu g ii. Ars Chem. 1566, 1. c. p. 49 et De Arte Chimica, Artis
Aurif. 1610, I, p. 174.
10. Cf. ibidem p. 68: . . . cum ihvenit illam (scii, aquam congelatam) calor illius
ignis solvitur et fit aqua currens. Cum\ autem praeparata fuerit revertitur ad formam
suam priorem et congelatur. . .
11. Ps. 67, 9: Terra mota est et enim caeli distillaverunt a facie Dei Sinai, a facie
Dei Israel.
Ps. 95, 4 -5 , . . . vidit et commota est terra. Montes sicut cera fluxerunt a facie
D om ini. . . Cf. Jes. 64, 1.
12. Ps. 18, 2: Caeli enarrant gloriam D om ini. . . Cf. Ordo missae p. 59.
13. Cf. Prov. 8, 22-35; (Ordo missae p. 493.)
14. Ps. 103, 5 -6 : Qui fundasti terram super stabilitatem suam, non inclinabitur in
saeculum saeculi. Abyssus vestimentum amictus eius, super montes stabunt aquae.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 107
sie genau, bis zum E nde (des W e rk e s) bemessen haben und verborgen
halten w egen der U nw issenheit der T o r e n 89. U n d zudem haben alle P h i
losophen geschw oren, es nirgends schriftlich k lar anzugeben, sondern
sie haben es dem R uhm e G ottes überlassen, daß er es jeweils offenbare,
w em er w olle und fernhalte von w em er w o lle t; denn in ihm w ohnt
groß e K lu gh eit und die H eim lichkeit der W eisen . W e n n nun die H itze
jenes Feuers sich der E rd e selber nähert, löst diese sich auf und w ird
ein brodelndes, d. h. verdam pfendes W asser, nachher aber kehrt sie zu
ihrer früheren E rd gestalt zurück io. D ah er ist durch das W a sse r die E rd e
in Bew egung geraten, und die H im m el troffen über i h r 11 und flössen
dahin wie H on ig durch die ganze W e lt und erzählen ihre E h r e I2134. D iese
E h re erkennt aber nur derjenige, der w eiß, w ie aus der E rd e die H im
m el geschaffen w orden s in d ^ , und um dessentwillen bleibt die E rd e
ew ig bestehen, und die H im m el gründen sich auf ihr, nach dem Z e u g
nis des Propheten: D er du die E rd e gegründet hast au f ihrer Festigkeit,
und sie w ird nicht w anken im m er und ew iglich; die T ie fe ist ihr K leid ,
und au f ihr w erden sich W asser, L u ft und F eu er aufschichten *4, und
auf ihr w erden auch die V ö g el des H im m els w ohnen, die sie von den
oberen Elem enten her besprengen, da sie (d ie E rd e ) von der F ru ch t
8. Senior: De Chemia p. 68: Wenn sie jenes Wasser ausziehen wollen, erwärmen
sie es mit ihrem Feuer, das sie bemessen haben und verborgen haben, und wenn die
Wärme des Feuers auf jenes (coagulierte Wasser) trifft, löst es sich auf und wird flie
ßendes Wasser.
9. Vgl. Senior: De Chemia p. 92: ...u n d dies ist ein Geheimnis, von dem sie
geschworen haben, es in keinem Buche anzugeben, und keiner von ihnen hat es je
erklärt und sie haben es dem Ruhme Gottes überlassen es einzugeben wem er wolle
und fernzuhalten, von wem er wolle. Vgl. ebenso C o n s iliu m C o n iu g ii , Ars Chemica,
1566, a. a. O. p. 49 und De Arte Chimica, Artis Aurif. Γ610, I, p. 174.
10. Vgl. ebenda p. 68: Wenn die Hitze jenes Feuers es (das congelierte Wasser)
findet, löst es sich auf und wird zu fließendem Wasser. Wenn es aber präpariert sein
wird, kehrt sie zu ihrer früheren Gestalt zurück und wird fest.
11. Ps. 68, 9: Da erbebte die Erde und die Himmel troffen vor G o tt. . .
Ps. 96, 4: . . . die Berge sind sein. (W örtl. Berge zerschmelzen wie Wachs vor dem
Herrn). Vgl. Jes. 64, 1.
12. Ps. 19, 2: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Feste verkündigt seiner
Hände Werk. Meßbuch p. 59.
13. Vgl. Sprüche 8, 22-35; Meßbuch p. 493. Die «Weisheit» war dabei, als Gott
die Erde schuf. (Das Zitat nimmt zu viel Raum.)
14. Ps. 104, 5-6 : . . . der du das Erdreich gegründet hast auf seinem Boden (wörtl.
Festigkeit), daß es bleibt immer und ewiglich, mit der Tiefe bedecktest du es, wie mit
einem Kleide und Wasser standen über den Bergen. (Vgl. Zürcher Bibel.)
108 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA
4. In quam terram MPV / facit MPVL / 5. uno RhD / 7. «nox» coni / quia: qua
MPB / 9. «dies» add. BDLRh / rubrum P, album B / 11. verba MP / 14. praeparatione
PV/
15. Ps. 103, 12-14: Super ea volucres coeli habitabunt, de medio petrarum dabunt
voces. Rigans terram de superioribus suis: de fructu operum tuorum satiabitur terra,
producens foenum iumentis et herbam servituti hominum. Ut educas panem de terra
et vinum laetificet cor hominum. Cf. Ordo missae p. 441.
16. Ps. 103, 19: Fecit lunam in tempora, sol cognovit occasum suum.
17. Ps. 103, 22: Ortus est sol et congregati sunt (scii, bestiae) et in cubilibus suis
collocabantur.
Cf. Pret. Marg. nov. 1. c. p. 112: Ex quibus omnibus liquide patet quomodo sol et
luna sunt eiusdem naturae et quod luna praecedit solem et ordinatur ad ipsum et
quomodo sol est occultus in luna et quomodo de ventre lunae sol extrahitur. Ideo dixit
Senior quod sol est oriens in luna crescente.
18. Mare. 16, 1-2 : Maria Magdalena et Maria Jacobi et Salome emerunt aromata . . .
Et valde mane una sabbatorum veniunt ad monumentum orto iam sole. Cf. Ordo
missae p. 312.
19. Ps. 103, 20: Posuisti tenebras et facta est nox, in ipsa pertransibunt omnes
bestiae silvae . . .
20. Ps. 103, 9: (Montes et valles) ...Term in u m posuisti, quem non transgredien
t u r ...
21. Ps. 118, 91: Ordinatione tua perseverat dies . . . quoniam omnia serviunt tib i. . .
22. Ps. 89, 10: Dies annorum nostrorum in ipsis septuaginta anni.
23. Hebr. 1, 3: F i l i o . .. qui cum sit splendor gloriae, et figura substantiae eius
portansque omnia verbo virtutis suae . . . Cf. Ordo missae p. 82.
24. T u r b a ed. Ruska 1. c. p. 112: . . .terra autem cum sit ponderosa et spissa, fert
omnia, quae regit ignis.
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 109
ihrer W e rk e satt w erden w ird, w eil ja die sieben Planeten ihre W u rzeln
in die E rd e senkten und ihre K rä fte d ort zurückließen; weshalb sich
nun in der E rd e das W asser findet, das die verschiedenen A rten von
Farb en und Frü ch ten keim en läß t und das B ro t hervorbringt und den
W e in , der das H erz des M enschen erfreut, das auch G ras wachsen läßt
fü r das V ieh und G ew ächse fü r den B ed arf der M enschen D iese E rd e
also ist es, die den M ond gem acht hat zu seiner Z e i t 151617, dann aber g in g
die Sonne auf *7, sehr früh am ersten T ag e der W o c h e l819, nach der F in
sternis, die du auf E rd en gesetzt hast vor Sonnenaufgang, und (s o ) en t
stand die N ach t. In ihr streifen vorbei alle T ie re des W ald es da du
ihnen eine G renze gesetzt hast, die sie nicht überschreiten w e rd e n 20 bis
zum W e iß e n ; sie w erden vielm ehr in ihrer O rd nu n g verharren bis zum
R oten, da alles der E rd e d ie n t21, und ihr Leben w ähret siebzig J a h r e 22234,
die über sie hinw eggehen, da sie A lles trä g t durch das W o r t ihrer G ö tt
lichkeit 23, wie auch in der T u rb a geschrieben steht: D ie E rd e träg t A lles,
da sie schw er ist 24, w eil sie das Fun d am en t des ganzen H im m els bildet,
15. Ps. 103, 12-15: . . . an denselben «Wassern» sitzen die Vögel des Himmels . . .
du befeuchtest die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte (wörtl. von
deiner Werke Frucht wird satt die Erde), du lassest Gras wachsen für das Vieh und
Gewächs zu Nutz den Menschen, daß du Brot aus der Erde bringst und daß der
W ein erfreue des Menschen Herz . . . Meßbuch p. 441.
16. Ps. 103, 19 ff.: Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen (wörtl.
zu den Zeiten), die Sonne weiß ihren Niedergang . . .
17. Ps. 104, 22: Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich (die Tiere) davon . . .
Vgl. Pretios. Marg. Nov. a. a. O. p. 112: Woraus klar hervorgeht, daß Sonne und Mond
von derselben Natur sind und der Mond der Sonne vorausgeht und sich an sie reiht
und wie die Sonne im Mond verborgen ist und wie sie aus seinem Leib extrahiert
wird. Deshalb sagt Senior, daß die Sonne aufgeht im zunehmenden Mond.
18. Markus 16, 2: Und sie kamen zum Grabe am ersten Tage der Woche sehr früh,
da die Sonne aufging. . .
19. Ps. 104, 20: Du machst (die) Finsternis, daß es Nacht wird (wörtl. und es wird
Nacht). Da regen sich (wörtl. in ihr gehen vorbei) alle wilden Tiere (des Waldes).
20. Ps. 104, 9: Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht (die sie nicht
überschreiten) . . .
21. Ps. 118, 91: Es bleibt täglich nach deinem W ort (wörtl. der Tag verharrt in
deiner Ordnung), denn es muß dir alles dienen.
22. Ps. 90, 10: Unser Leben währet 70 Jahre (wörtl. die Dauer unserer Jahre währt
70 Jahre) und wenns hoch kommt so sinds 80 Jahre.
23. Hebr. 1, 3: . . . und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen W ort (wörtl. der durch
das W ort seiner Kraft alles trägt). Meßbuch p. 82.
24. T u r b a p h il. ed. Ruska, a. a. O. p. 178: . . . die Erde aber, da sie schwer und dicht
ist, alles trägt, was das Feuer regiert.
110 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
25. Sap. 19, 7: Nam nubes castra eorum obumbrabat et ex aqua, quae antea erat,
terra arida apparuit et in mari rubro via sine impedimento et campus germinans de pro
fundis nimio.
26. Ps. 103, 25: Hoc mare magnum et spatiosum manibus.
27. Ps. 104, 41: Dirupit petram et fluxerunt aquae, abierunt in sicco flu m in a ...
Jes. 48, 21: . . . et scidit petram et fluxerunt aquae.
28. Ps, 45, 5: Fluminis impetus laetificat civitatem Dei. Cf. Ordo missae p. 534.
29. I. Cor. 15, 53-55: Oportet enim corruptibile hoc induere incorruptionem et
mortale hoc induere immortalitatem. Cum autem mortale hoc induerit immortalitatem,
tunc fiet sermo, qui scriptus est: Absorpta est mors in victoria. Ubi est mors victoria
tua? Cf. Ordo missae p. 314.
30. Rom. 5, 20: . . .U bi autem abundavit delictum, superabundavit gratia.
31. I. Cor. 15, 21-22: ...q u o n iam quidem per hominem mors, et per hominem
resurrectio mortuorum. Et sicut in Adam omnes moriuntur, ita et in Christo omnes
vivificabuntur.
32. I. Cor. 15, 21: Quoniam quidem per hominem mors et per hominem resurrectio
mortuorum.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 111
darum weil sie trocken erschien bei der T ren n u n g der Elem ente. D a
w ard ein W e g im R oten M eer, ohne H in d e rn is2*, da dieses g ro ß e und
w eite M e e r 16 den Felsen erschütterte, und die m etallischen W ä sse r her-
ausflossen. D arau f verschw anden im T rocken en die Ström e 27, w elche
die G ottesstadt e rfre u e n 25672829301; w enn dies Sterbliche angezogen haben w ird
die U nsterblichkeit und dies V erw esliche des Lebendigen die U n v er-
w eslichkeit, dann w ahrlich w ird das W o rt in E rfü llu n g gehen, das g e
schrieben steht: D e r T o d ist verschlungen in den Sieg, oh T o d , w o ist
nun dein S ie g 2?? W o deine Sünde m ächtig w ar, da ist jetzt auch die
G nade noch viel m ächtiger 3 °. D enn gleich w ie in A d am alle sterben,
also w erden sie in C hristo alle lebendig gem ach t w erden 31. D a zw ar
durch einen M enschen der T o d , aber auch durch ihn (Je su m ) die A u f
erstehung der T o ten gekom m en ist 32. D enn der erste A d am und seine
Söhne sind aus vergänglichen Elem enten entstanden, deshalb m ußte das
Zusam m engesetzte auch notw endigerw eise w ieder zerfallen, der zweite
A d am hingegen, w elcher der philosophische M ensch genannt w ird, ist
aus reinen Elem enten entstanden und g in g daher in die Ew igkeit ein.
W a s näm lich aus einfacher und reiner Substanz besteht, bleibt unzer-
25. Weish. 19, 7: . . . da zuvor Wasser stand, sah man trockenes Land hervorkom
men; da ward aus dem (wörtl. im) Roten Meer ein W eg ohne Hindernis und aus den
mächtigen Fluten ein grünes Feld.
26. Ps. 104, 25: Das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelts ohne Zahl große
und kleine Tiere.
27. Ps. 105, 41: Er öffnete den Felsen, da flössen Wasser heraus . . .
Jes. 48, 21: Er riß den Fels, daß Wasser herauskam.
28. Ps. 46, 5: (w örtl.): Des Stromes Wogenschwall erfreut die Gottesstadt. (Meß
buch p. 534).
29. I. Cor. 15, 54: Wenn aber dies Verwesliche wird anziehen die Unverweslich-
keit, und dies Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden
das Wort, das geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in den Sieg, Tod wo ist
dein Stachel, Hölle wo ist dein Sieg? Vgl. Meßbuch p. 314.
30. Röm. 5, 20: . . . W o aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade
viel mächtiger geworden.
31. I. Cor. 15, 22: Denn gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie in
Christo alle lebendig gemacht werden.
32. I. Cor. 15, 21: Sintemal durch einen Menschen der Tod und durch einen Men
schen die Auferstehung der Toten kommt.
112 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA
33. Cf. I. Cor. 15, 45-47: Factus est primus homo Adam in animam viventem,
novissimus Adam in spiritum vivificantem . . . Primus homo de terra, terrenus: secun
dus homo de coelo coelestis.
Cf. T u r b a 1. c. p. 115-116: Ex quatuor autem elementis pater noster Adam et filii
eius, (scii.) ex igne aere aqua simul et terra creati sunt. Intelligite, omnes sapientes,
quod omne, quod ex una creavit Deus essentia non moritur usque in diem iudicii.
Mortis enim definitio est compositi disiunctio . . . ex duobus autem, tribus vel quatuor
unumquodque compositum separari necesse est, quod est mors.
34. Senior: De Chemia p. 7 1 -72: Item unum quod non moritur, quamdiu fuerit
mundus, et vivificat quodlibet mortuum. Cf. item C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chemica,
1566, 1. c. p. 66.
35. Apost. Credo: Et exspecto resurrectionem mortuorum. Et vitam venturi saeculi.
Arnen. Cf. Ordo missae p. 9-
36. Math. 25, 34: Tunc dicet rex his, qui a dextris eius erunt: Venite benedicti Patris
mei, possidete paratum vobis regnum a constitutione mundi. Cf. Ordo missae p. 161,
324, 629 etc. - Zitiert als Schlußsatz von Aristoteles De perfecto magisterio. Theatr.
Chem. 1659, Vol. III, p. 70 ff.
37. Prov. 9, 4 -5 : Et insipientibus locuta est (Sapientia): Venite, comedite panem
meum et bibite vinum, quod miscui vobis.
38. Cf. A ristoteles Secreta secretorum, 1528, fol. X X V II. De proprietatibus ori
ginalium lapidum: Quum igitur habueris aquam de aere et aerem ex igne et ignem ex
terra hunc habebis plene artem.
Cf. R o sa r iu m , Manget Lib. III, p. 101 b: De istis quatuor elementis dicit A ristoteles
in libro de regimine principiorum: Cum habueris aquam ex aere et aerem ex igne et
ignem ex terra, tunc plenam habebis artem Philosophiae: et hic est finis primae compo
sitionis. Cf. Art. Aurif. 1610, p. 785.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 113
störbar in Ew igkeit 33. So wie auch S e n i o r sagt: E in Einziges gibt es, das
niem als stirbt, d a es in beständiger Z u n ah m e w eiterlebt 34, w enn der
Leib verklärt sein w ird bei der A u fersteh u n g der T o ten am jüngsten
T a g e ; weshalb auch der G laube die A u fersteh u n g des Fleisches und das
ew ige Leben nach dem T o d e bezeugt 35. D an n w ird der zw eite A d am
zum ersten A d am und dessen Söhnen sagen: K o m m t h er, ihr G esegneten
m eines V aters, ererbet das ewige R eich, das euch bereitet ist von A n b e
gin n der O peration 36; esset m ein B ro t und trinket den W e in , den ich
euch gem ischt habe 37, da dies alles fü r euch bereitet ist. W e r O hren hat
zu hören, der höre, was der G eist der L eh re den Söhnen d er W issen
schaft vom irdischen und vom him m lischen A d am sagt, w orau f die
Philosophen m it folgenden W o rte n anspielen: W e n n du W a sse r aus
der E rd e, L u ft v om W asser, F eu er von der L u ft und E rd e von dem F eu er
erlangt haben w irst, dann besitzest du unsere K unst, ganz und v oll
kom m en, usw. 38.3
45678
33. Vgl. I. Cor. 15, 45: W ie es geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, «ward
zu einer lebendigen Seele» und der letzte Adam zum Geist, der da lebendig macht.
Vgl. T u r b a a. a. O. p. 182-183: Aus vier Elementen aber sind unser Vater Adam
und seine Söhne geschaffen, nämlich aus Feuer, Luft, Wasser und Erde. Verstehet all
ihr Weisen, daß alles, was Gott aus einer Substanz geschaffen hat, nicht stirbt bis zum
Tag des Gerichts. Denn die Definition des Todes ist «Auflösung des Zusammen
gesetzten».
34. Senior : De Chemia, a. a. Ο. p. 71-72: Ebenso gibt es eines, das nicht stirbt,
solange die W elt besteht, und es belebt alles Tote. Vgl. ebenso C o n s iliu m C o n iu g ü ,
Ars Chemica, 1566, a. a. O. p. 66.
35. Apost. Credo: (Meßbuch p. 9 ) : Ich bekenne eine Taufe zur Nachlassung der
Sünden und erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen W elt.
Amen.
36. Math. 25, 34: Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt
her ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbe
ginn der W elt! Meßbuch p . 162, 324, 629 usw. Vgl. den Schlußsatz von A r is t o t e l e s :
De perfecto magisterio, Theatr. Chem. 1659, Vol. III, p . 70 ff.
37. Sprüche 9, 4: (Die Weisheit sprach): Kommt, zehret von meinem Brot und
trinket den Wein, den ich schenke (wörtl. für euch gemischt habe), verlasset das unver
ständige Wesen . . .
38. Vgl. A r is t o t e l e s : Secretum secret. 1528, fol. X X V II. De proprietatibus ori
ginalium lapidum, und R o sa r iu m , Manget, Lib. III, p. 101 b: . . . es sagt A r isto teles
im Buch von dem Verfahren mit den Urelementen: Wenn du erst Wasser aus Luft,
und Luft aus Feuer und Feuer aus Erde erlangt hast, dann hast du die ganze philoso
phische Kunst und dies ist das Ende etc. Vgl. Artis Auriferae 1616, II, p. 185.
114 T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA
X I I . P A R A B O L A S E P T IM A D E C O N F A B U L A T IO N E
D IL E C T I C U M D IL E C T A
1. Joel 2, 12: Nunc ergo dicit Dominus: Convertimini ad me in toto corde vestro
in ieiunio et in fletu et in planctu.
2. Cant. 1, 4 -5 : Nigra sum sed formosa filiae Jerusalem sicut tabernacula Cedar,
sicut pelles Salomonis. Nolite me considerare, quod fusca sim, quia decoloravit me
Sol, filii matris meae pugnaverunt contra me . . .
3. Cf. Jona 2, 6: Circumdederunt me aquae usque ad animam, abyssus vallavit me,
pelagus operuit caput meum . . .
4. Ps. 105, 38: Et infecta est terra in sanguinibus et contaminata est in operibus
eorum . . .
5. Luc. 23, 44: . . . et tenebrae factae sunt in universam terram . . . Cf. Mc. 15, 33.
6. Ps. 68, 3: Infixus sum in limo profundi et non est substantia, veni in altitudinem
maris, et tempestas dimersit me. Cf. Ordo missae p. 249.
7. Ps. 129, 1: De profundis clamavi ad te Domine, Domine exaudi vocem meam.
Cf. Ordo missae p. 130, 474 etc.
8. Thren. 1, 12: O vos omnes qui transitis per viam, attendite et videte, si est dolor,
sicut dolor meus . . . Cf. Ordo missae p. 6 l4 , 569.
9. Apoc. 2, 28: . . . dabo illi stellem matutinam . . .
10. Ps. 68, 21: Et sustinui, qui simul contristaretur, et non fuit, qui consolaretur et
non inveni. . . Cf. Ordo missae p. 244, 615.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R O RA 115
X I I . D IE S IE B T E P A R A B E L V O M G E S P R Ä C H
D E S L I E B E N D E N M I T D E R G E L IE B T E N
1. Joel 2, 12: Doch spricht auch jetzt der Herr: Bekehret (wendet) euch zu mir
von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen und mit Klagen . . .
2. Hohes Lied 1, 5-6 : Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems,
wie die Hütten Kedars, wie die Teppiche Salomons. Sehet mich nicht an, daß ich so
schwarz bin, denn die Sonne hat mich so verbrannt. . .
3. Jona 2, 4 ff: Du warfst mich in die Tiefe mitten im Meer, daß die Fluten mich
umgaben; alle deine Wogen und W ellen gingen über mich . . . Wasser umgaben mich
bis an mein Leben, die Tiefe umringte m ich . . . Ich sank zu der Berge Gründen, die
Erde hatte mich verriegelt ewiglich . . .
4. Ps. 106, 38: . . .daß das Land (wörtl. Erde) mit Blutschuld befleckt ward und
verunreinigten sich mit ihren Werken . . .
5. Luk. 23, 44: (Kreuzigung) Und es ward eine Finsternis über das ganze Land.
6. Ps. 69, 3: Ich versinke im Schlamm der Tiefe, da kein Grund ist; ich bin im
tiefen Wasser . . . Meßbuch p. 249.
7. Ps. 129, 1: Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir, Herr erhöre meine Stimme. . .
Meßbuch p. 130, 474 usw.
8. Klagelieder 1, 12: Euch sage ich allen, die ihr vorübergehet (am W ege): Schauet
doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sei, wie mein Schmerz. Meßbuch p. 6 l4 .
9. Offenb. 2, 28: . . . und ich will ihm geben den Morgenstern.
10. Ps. 69, 21: Ich warte, obs jemand jammere, aber da ist niemand, und auf Tröster,
aber ich finde keine. Meßbuch p. 244, 615.
116 T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA
11. Cant. 3, 1-2: In lectulo meo per noctes quaesivi, quem diligit anima mea, quae
sivi illum et non inveni. Surgam et circuibo civitatem per vicos et plateas quaeram
quem diligit anima mea quaesivi illum, et non inveni. Cf. Ordo missae p. 671.
12. II. Cor. 11, 2: Despondi enim vos uni viro virginem castam exhibere Christo.
13. Mare. 16, 3: Et dicebant ad invicem: Quis revolvet nobis lapidem ab ostio monu
menti? . . . Cf. Ordo missae p. 312.
14. Ps. 54, 7: Ex dixi: Quis dabit mihi pennas sicut columbae et volabo et requies
cam? Cf. Marg. pret. nov. 1. c. p. 123: Et quia foemina est alba fugiens . . . masculus
vero est rubeus persequens foeminam et retinens . . . dixerunt: Foemina habet alas,
masculus vero non. Cf. item Senior 1. c. p. 38.
15. Deut. 32, 40: Levabo ad coelum manum meam et dicam: Vivo ego in aeter
num . . . Cf. Ordo missae p. 363.
16. Ps. 44, 10-11: Astitit regina a dextris tuis in vestitu deaurato circumdata varie
tate. Audi filia et vide et inclina aurem tuam . . . et concupiscet rex decorem tuum,
(quia concupivit Rex speciem tuam). Cf. Ordo missae p. 567, 674.
17. Ps. 38, 5-6 : Locutus sum in lingua mea, notum fac mihi Domine finem meum.
Et numerum dierum meorum quis est, ut sciam quid desit mihi. Ecce mensurabiles
posuisti dies meos et substantia mea tamquam nihilum est ante te.
18. Ps. 18, 6: In sole posuit tabernaculum suum: et ipse tamquam sponsus proce
dens de thalamo suo. Cf. Ordo missae p. 60.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 117
und herum gehen in der Stadt; in den G assen und Straßen w ill ich
su ch e n XI, daß ich m ir eine reine Ju n g frau v e r m ä h l e s c h ö n von A n t
litz, schöner von W u ch s und noch schöner von K leid u n g, dam it sie den
Stein von der T ü re m eines G rabes w älze χ3, und sie w ird m ir F lü g el
geben, w ie die d er Taube, und ich w erde m it ih r am H im m el dahin
fliegen x4. D a w erde ich sagen: Ich lebe ew iglich x* und w erde in ihr
ruhen, da sie m ir zur R echten steht in goldenem G ew ände, gehü llt in
bunte P rach t. H ö re also, oh T o ch ter, sieh und neige dein O h r m einen
B itten , denn ich habe m ich von ganzem H erzen nach deiner Schönheit
g e se h n t 1
23451617. D en n ich rede in m einer Sprache: T u e m ir kund m ein E nde
und welches die Z ah l m einer T a g e sei, au f daß ich erkenne, was m ir
m angelt, denn alle m eine T a g e hast du begrenzt, und m eine Substanz ist
wie nichts v or d ir D u bist es näm lich, die eingehen w ird durch m ein
O hr, durch m ein G ebiet, und ich w erde gekleidet w erden in ein P u rp u r
gew and (d a s) aus dir und aus m ir stam m t, und w erde hervorkom m en
wie ein B räutigam aus seiner K a m m e r l8, denn du w irst m ich m it fu n
kelnden Edelsteinen von frü h lin g h after Frisch e schm ücken und m ir an-
11. Hohes Lied 3, 1-2: Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele
liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Ich will aufstehen und in der Stadt umgehen
auf den Gassen und Straßen suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand
ihn nicht. Meßbuch p. 671.
12. II. Cor. 11, 2: . . . daß ich eine reine Jungfrau Christo zubrächte.
13. Mark. 16, 3: (Frauen am Grabe). Und sie sprachen untereinander: W er wälzt
uns den Stein von des Grabes Tür? Meßbuch p. 312.
14. Ps. 55, 7: O hätte ich Flügel wie Tauben, daß ich flöge und wo bliebe, (wörtl.
Und ich sprach: W er wird mir Flügel geben, wie die der Taube, und ich werde fliegen
und ruhen?) Vgl. Marg. pret. nov. a. a. O. p. 123: Und weil die weiße Frau flüchtig
ist, der rote Mann aber die Frau verfolgt und zurückhält, haben die Philosophen gesagt:
Die Frau hat Flügel, der Mann hingegen nicht. Vgl. auch Senior a. a. O. p. 38.
15. Deut. 32, 40: Denn ich will meine Hand in den Himmel heben und will sagen:
Ich lebe ewiglich . . . Meßbuch p. 363.
16. Ps. 45, 10-12: Die Braut steht zu deiner Rechten in eitel köstlichem Gold
(wörtl. goldenem Gewand gehüllt in bunte Pracht). (Vgl. Meßbuch p. 615, 674.)
Höre, Tochter, sieh und neige dein Ohr, so wird der König Lust an deiner Schöne haben
(wörtl. denn der König sehnte sich nach deiner Anmut). Meßbuch p. 567.
17. Ps. 39, 4 -5 : Aber Herr lehre mich, daß es ein Ende mit mir haben muß usw.
(W örtl. Ich rede mit meiner Zunge. Aber Herr tue mir kund mein Ende und welches
die Zahl meiner Tage sei, daß ich erkenne, daß ich vergänglich bin, denn du hast
meine Tage begrenzt (meßbar gemacht) und meine Substanz ist wie nichts vor dir.
18. Ps. 19, 5 -6 : Er hat der Sonne eine Hütte an ihnen gemacht. . . und dieselbe
geht heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer . . . Meßbuch p. 60.
118 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
19. Jes. 61, 10: Gaudens gaudebo in Domino . . . qui induit me vestimentis salutis
et indumentis iustitiae circumdedit me, quasi sponsum decoratum corona et quasi spon
sam ornatam monilibus suis. Cf. Ordo missae p. 493, 549.
20. Eccli. 45, 14: Corona aurea super mitram eius expressa signo sanctitatis et gloria
honoris . . . Cf. Ordo missae p. 549.
21. Cant. 7, 6: Quam pulchra est et quam decora charissima in deliciis!
22. Cant. 6, 8: . . .Viderunt eam filiae Sion et beatissimam praedicaverunt reginae
et concubinae et laudaverunt eam.
23. Cant. 2, 10: En dilectus meus loquitur mihi: Surge, propera amica mea, columba
mea . . . Cf. Ordo missae p. 539.
24. Jes. 62, 1: Propter Sion non tacebo et propter Jerusalem non quiescam, donec
egrediatur ut splendor iustus eius . . .
25. Ps. 48, 2: Audite haec omnes Gentes; auribus percipite omnes qui habitatis
orbem . . .
26. Cant. 5, 10: Dilectus meus candidus et rubicundus electus ex millibus.
27. Cant. 2, 1: Ego flos campi et lilium convallium, sicut lilium inter s p in a s ...
28. Eccli. 24, 24: (Sapientia loquitur): Ego mater pulchrae dilectionis et timoris
et agnitionis et sanctae sp ei. . . Cf. Ordo missae p. 727.
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 119
ziehen die G ew änder des H eils und der F reu d e ^ zur Bezw ingung der
Stäm m e und aller Fein d e. D u w irst m ich auch m it der goldenen K ro n e
aller V ölk er und N ation en schm ücken, versehen m it dem Z eichen der
H e ilig k e it20 und m ich in das K leid der G erechtigkeit hüllen; du w irst
m ich m it deinem R in ge dir anverloben und m ich auch m it goldenen
Schuhen bekleiden. D ies alles w ird m eine vollendete G eliebte, die
Schönste und H errlichste von allen, tun in ihrer W o n n e 21, da sie die
T ö ch ter Zions sahen und die K ön igin n en und N eben frauen sie gelobt
h a b e n 22. O h K ön ig in der oberen W e lt, m ache dich eilig auf, m eine
Freundin, m eine B rau t 23, sprich du, Liebste, zu deinem G eliebten, w er
und von w elcher A rt und von w elcher G röß e du bist; um Z ions w illen
w irst du nicht schw eigen, und um Jerusalem s w illen sollst du nicht inne
halten m it m ir zu re d e n d , denn dein G eliebter h ört, was du sagst: -
« H ö rt zu, ihr V ölk er alle, m erket au f alle, die ihr den Erdkreis bew oh
n e t 2*: m ein roter F re u n d 26 h at zu m ir gesprochen, er h at gebeten, und
seine B itte w urde erfü llt: Ich bin die B lu m e des Feldes und die Lilie
in den T älern 27, ich bin die M u tter der schönen Liebe, der Erkenntnis
und der heiligen H o ffn u n g 28. Ich bin der W einstock, der w ohlriechende,
19. Jes. 61, 10: Ich freue mich im Herrn, denn er hat mich angezogen mit Kleidern
des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet wie ein Bräutigam . . . und wie
eine B rau t. . . Meßbuch p. 549.
20. Jes. Sirach 45, 14: (wörtl.) Eine goldene Krone war auf seinem Haupte, ver
sehen mit dem Zeichen der Heiligkeit, die Herrlichkeit seiner W ü rd e. . . Meß
buch p. 549.
21. Hohes Lied 7, 7: W ie schön und wie lieblich bist du, Liebe voller Wonne
(in W onne).
22. Hohes Lied 6, 9: Da sie die Töchter (Zion) sahen, priesen sie dieselbe selig
und die Königinnen und Kebsweiber (Nebenfrauen) lobten sie.
23. Hohes Lied 2, 10: Sieh mein Freund spricht zu mir: Stehe auf, meine Freundin,
meine Schöne . . . Meßbuch p. 539.
24. Jes. 62, 1: Um Zions willen will ich nicht schweigen und um Jerusalems willen
will ich nicht innehalten, bis daß ihre Gerechtigkeit aufgehe . . .
25. Ps. 49, 2: Höret zu, alle Völker, merket auf alle, die ihr in dieser Zeit lebet
(wörtl. den Erdkreis bewohnet).
26. Hohes Lied 5, 10: Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren unter vielen
Tausenden.
27. Hohes Lied 2, 1: (wörtl.) Ich bin eine Blume des Feldes und eine Lilie in
den Tälern.
28. Jes. Sirach 24, 33: (wörtl.) Ich bin die Mutter der schönen Liebe und Frucht
der Erkenntnis und heiligen Hoffnung. Meßbuch p. 727.
2. Sexaginta: se MP, om. B / 5. uno: ictu RhDL / 6. meo MP / 11. «meus» om. MP /
quia «sicut» add. BD / 12. cuius lapis Goliae: quare MP, quia V /2930145678
29. Eccli. 24, 23: Ego quasi vitis frutificans suavitatem odoris et flores mei fructus
honoris et honestatis. Cf. Ordo missae p. 727. cf. Joh. 15, 1: Ego sum vitis v e r a ...
30. Cant. 3, 7 -8 : En lectum Salomonis sexaginta fortes ambierunt ex fortissimis
Israel omnes tenentes gladios, uniuscuiusque ensis super femur suum propter timores
nocturnos . . . Cf. Ordo missae p. 549.
31. Cant. 4, 7: Tota pulchra es amica mea et macula non est in te. Cf. Ordo missae
p. 540: Tota pulchra es Maria et macula originalis non est in te.
32. Cant. 2, 9: . . . en ipse stat post parietem nostrum respiciens per fenestras pro
spiciens per cancellos. Cf. Ordo missae p. 650.
33. Cant. 4, 9: Vulnerasti cor meum soror mea sponsa . . . in uno oculorum tuorum
et in uno crine colli tui.
34. Eccli. 24, 20: Sicut cinnamomum et balsamum aromatizans odorem dedi quasi
myrrha electa dedi suavitatem odoris. Cf. Ordo missae p. 699.
35. Cf. Math. 25, 1-13; et Ordo missae p. [58/59].
36. Cant. 6, 9: Quae est ista quae progreditur, quasi aurora consurgens, pulchra ut
luna, electa ut s o l. . . Cf. Ordo missae p. 789.
37. Cant. 4, 1: . . . .Oculi tui columbarum absque eo quod intrinsecus latet. Cf. Ordo
missae p. 549.
38. Eccli. 24, 17: Quasi cedrus exaltata sum in Libano et quasi cypressus in monte
Sion. Cf. Ordo missae p. 699.
39. Cant. 3, 11: Egredimini et videte filiae Sion regem Salomonem in diademate quo
coronavit eum mater sua . . . in die desponsationis illius et in die laetitiae cordis eius . . .
(parans crucem Salvatori suo. Ordo missae p. 548).
40. Cant. 1, 2: Oleum effusum nomen tuum . . .
T H O M A E DE A Q U I N O AUR ORA 121
29. Jes. Sirach 24, 23-24: (wörtl.) W ie ein Weinstock trug ich wohlriechende,
liebliche Früchte und meine Blüten entstammen Ehre und Anstand. Meßbuch p. 727.
30. Hohes Lied 3, 7 -8 : Sieh um das Bett Salomons her stehen 60 Starke aus den
Starken Is r a e ls ... (w örtl.): ein jeder hat das Schwert um seine Hüfte wegen der
Schrecknisse in den Nächten. Ein Prunkbett ließ sich festigen der König Salomon. . .
dessen Fußgestelle machte er aus Silber, dessen Lehnen aus Gold, dessen Polster aus
Purpur. Meßbuch p. 549.
31. Hohes Lied 4, 7: Du bist allerdinge schön, meine Freundin, und ist kein Flecken
an dir. Vgl. Meßbuch p. 540: Ganz schön bist du Maria und der Makel der Erbsünde
ist nicht in dir.
32. Hohes Lied 2, 9: Sieh, er steht hinter unserer Wand, sieht durchs Fenster und
guckt durchs Gitter. Meßbuch p. 649/650.
33. Hohes Lied 4, 9: (wörtl.) Du hast mein Herz verwundet meine Schwester, liebe
Braut, mit deiner Augen einem und einem Haar deines Nackens.
34. Jesus Sirach 24, 20: (w örtl.): W ie Zimmet und würziger Balsam gab ich Duft.
W ie erlesene Myrrhe gab ich lieblichen Wohlgeruch. Meßbuch p. 669.
35. Vgl. Math. 25, 1-13. Meßbuch p. [58/59].
36. Hohes Lied 6, 10: W er ist (diese) die (dort) hervorbricht wie die (aufstei
gende) Morgenröte, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne. Meßbuch p. 789.
37. Hohes Lied 4, 1: (w örtl.): Deine Augen sind Taubenaugen, ohne das, was sich
innen birgt. Meßbuch p. 549.
38. Jes. Sirach 24, 17: Ich bin hochgewachsen wie eine Zeder auf dem Libanon
und wie eine Zypresse auf dem Gebirge Hermon (Zion). Meßbuch p. 699.
39. Hohes Lied 3, 11: Gehet hinaus und schauet a n . . . den König Salomo in der
Krone, damit ihn seine Mutter gekrönt hat am Tage seiner Hochzeit und am Tage der
Freude seines Herzens. Meßbuch p. 549.
40. Hohes Lied 1, 3: . . . dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe . . .
122 T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA
49. Ps. 21, 27: Edent pauperes et saturabuntur et laudabunt Dominum, qui requi
runt eum: vivent corda eorum in saeculum saeculi.
50. Apoc. 1 ,8 : Ego sum Alpha et Omega, principium et finis, dicit Dominus Deus . . .
51. Cf. Mercurius in R a z i . De alum, et salibus, ed. Ruska p. 59: Et ego sum totum
ipsum absconditum et in me latet sapientia abscondita.
52. Jer. 18, 18: ...n o n enim peribit lex a sacerdote neque consilium a sapiente
neque sermo a propheta.
53. Deut. 32, 39: Videte quod ego sim solus et non sit alius Deus praeter me:
Ego occidam et ego vivere faciam, percutiam et ego sanabo et non est qui de manu
mea possit eruere.
54. Cf. Cant. 1, 1: Osculetur me osculo oris sui . . .
55. Joh. 10, 30: Ego et pater unum sumus. Cf. Ordo missae p. 214.
56. Rom. 8, 35-39: Quis ergo nos separabit a charitate Christi? . . . Certus sum quia
neque mors neque vita . . . poterit nos separare a charitate Dei, quae est in Christo Jesu
Domino nostro.
57. Cant. 8, 6: . . . quia fortis est ut mors dilectio, dura sicut infernus aemulatio.
Cf. Ordo missae p. 616, 672.
58. Cant. 2, 14: . . . sonet vox tua auribus meis, vox enim tua dulcis et facies tua
decora. Cf. Ordo missae p. 539, 650.
59. Cant. 4, 10: . . . odor unguentorum tuorum super omnia aromata . . .
60. Cant. 4, 1: Quam pulchra es, amica mea, quam pulchra es!
60a. Cant. 4, 10: Quam pulchra sunt mammae tuae, soror mea sponsa, pulchriora
sunt ubera tua vino . . . odor unguentorum tuorum super omnia aromata.
61. Cant. 7, 4: Oculi tui sicut piscinae in Hesebon . . .
T H O M A E D E A Q U I N O A U R ORA 125
keit 49. Ich schenke und ford ere nicht zurück, ich gebe Speise ohne jem als
zu versagen, ich biete Schutz und fürchte m ich nie - was soll ich m einem
G eliebten noch weiteres sagen? Ich bin die M ittlerin zwischen den E le
m enten, die eines m it dem andern versöhnt: was w arm ist, kühle ich ab;
was trocken ist, m ache ich feu ch t; was h art ist, w eiche ich auf und u m
gekehrt. Ich bin das Ende, und m ein G eliebter ist der A n fa n g *°; ich bin
das ganze W e rk , und die ganze W issensch aft liegt in m ir verborgen. Ich
bin das Gesetz im Priester und das W o r t im Propheten und der R at im
W eisen u. Ich kann töten und lebendig m achen, und da ist niem and, der
aus m einer H and errette *2. Ich biete m einem G eliebten den M und, und
er küßt m ich » _ er und ich sind Eins u - w er w ill uns scheiden von der
Liebe n ? N iem an d , w eit und breit - denn stark w ie der T o d ist unsere
L i e b e t .» - «O h Liebste, V ielgeliebte, deine Stim m e tönte in m eine
O hren, und sie ist süß π, und dein D u ft übertrifft alle kostbare W ü rz e *8.
W ie schön bist du von A ngesicht w, deine B rüste sind lieblicher denn
W e i n 6°, du m eine Schwester, m eine B rau t, deine A u gen sind w ie die
T eiche zu H e sb o n 4
9501236786l, deine H aare sind w ie G old und deine W a n g e n w ie
E lfenbein, dein Schoß ist w ie ein M ischkrug, der nim m er des Getränkes
49. Ps. 22, 27: (wörtl.) Es werden essen die Armen und gesättigt werden, den Herrn
werden preisen, die ihn suchen, und ihre Herzen werden leben in Ewigkeit.
50. Offenb. 1, 8: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott
der Herr . . . Vgl. Das Buch der Alaune und Salze, ed. Ruska p. 59.
51. Jer. 18, 18: (wörtl.) . . .denn nie wird vergehen das Gesetz im Priester, noch
der Rat im Weisen, noch das Wort im Propheten.
52. Deut. 32, 39: Ich kann töten und lebendig machen, ich kann schlagen und kann
heilen, und ist niemand, der aus meiner Hand errette.
53. Hohes Lied 1, 2: Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes, denn seine Liebe
ist lieblicher als Wein.
54. Vgl. Joh. 10, 30: Ich und der Vater sind eins. Meßbuch p. 214.
55. Röm. 8, 35-39: W er will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder
Angst? Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben . . . mag uns scheiden von der
Liebe Gottes die in Christo Jesu ist unserem Herrn.
56. Hohes Lied 8, 6: . . . denn die Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist
fest wie die Hölle . . . Meßbuch p. 616, 672.
57. Hohes Lied 2, 14: (wörtl.) Laß mich dein Angesicht schauen, laß deine Stimme
in meine Ohren tönen, denn deine Stimme ist süß und dein Angesicht hold. Meß
buch p. 539, 650.
58. Hohes Lied 4, 10: . . . und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Würze.
59. Hohes Lied 4, 1: Siehe meine Freundin, du bist schön, siehe wie schön bist du!
60. Hohes Lied 4, 10: Deine Liebe (wörtl. Brüste) sind lieblicher denn W ein . . .
61. Hohes Lied 7, 5: Deine Augen sind wie die Teiche zu Hesbon am Tor
Bathrabbims . . .
126 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA
i eburneae, venter tuus sicut crater tornatilis non indigens p o cu lis61, vestes
tuae candidiores nive, nitidiores lacte, rubicundiores ebore antiquo 63, to
tum que corpus tuum cunctis est delectabile atque desiderabile. F iliae Je ru
salem, venite et videte et ea, quae vidistis narrate, dicite, quid faciem us
5 sorori nostrae, quae parvula est et ubera non habet in die allo cu tio n is 64 ?
Pon am super eam fortitudinem m eam et apprehendam fructus illius et
erunt eius ubera sicut botri v in e a e 6*. V en i m i dilecta et egrediam ur in
agrum tuum , m orem ur in villis, m ane surgam us ad vineam , quia n o x
praecessit et dies ap p rop in q uab it62634566; videam us si floruit vinea t u a 67, si
io flores tui fructus parturierunt. Ibi dabis ori m eo ubera tua et ego om nia
p om a nova et vetera tibi se rv a v i68, fru am u r ergo ipsis et utam ur bonis
tam quam in iuventute celeriter, vino pretioso et unguentis nos im plea
mus et non p raetereat flos, quin ipsis nos coronem us, p rim o liliis, deinde
rosis, antequam m arcescant. N u llu m p ratum sit, quod non pertranseat
μ luxuria nostra. N e m o nostrum exsors sit luxuriae nostrae, ubique relin-
62. Cant. 7, 2: Umbilicus tuus crater tornatilis numquam indigens poculis. Venter
tuus sicut acervus tritici, vallatus liliis.
63. Thren. 4, 7: Candidiores Nazaraei eius nive, nitidiores lacte rubicundiores ebore
antiquo saphiro pulchriores . . .
64. Cant. 8, 8 -9 : Soror nostra parva et ubera non habet: quid faciemus sorori nostrae
in die quando alloquenda est ? . . . Si murus est aedificemus super eum . . .
65. Cant. 7, 8: D ixi: ascendam in palmam et apprehendam fructus eius et erunt
ubera tua sicut botri vineae . . .
66. Rom. 13, 12: Nox praecessit, dies autem appropinquavit. Abiiciamus ergo
opera tenebrarum et induamur arma lucis.
67. Cf. T homas de Aquino: Thesaurus AI chemiae secretissimus. Theatr. Chem.
1659, Vol. III, p. 279: In primis etiam diebus oportet mane surgere et videre si vinea
floruit. . .
68. Cant. 7, 11-13: Veni, dilecte mi, egrediamur in agrum, commoremur in villis
mane surgamus ad vineas, videamus si floruerit vinea, si flores fructus parturiunt, si
floruerunt mala punica. . . Ibi dabo tibi ubera m ea. . . In portis nostris omnia poma
nova et vetera, dilecte mi, servavi tib i. . . Cf. Marg. pret nov. 1. c. p. 101: . . . et terra
quae dicitur mater elementorum . . . et haec est arbor aurea, de cuius fructu, qui come
derit, non esuriet umquam.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 127
m a n g e lt6z, deine K leid er sind reiner denn d er Schnee, k larer denn M ilch
und rötlicher als altes Elfenbein 63, und deine ganze G estalt ist fü r alle
schön und begehrensw ert. K o m m t her, ihr T ö ch ter Jerusalem s und sehet
und verkündet, was ihr gesehen habt; sagt m ir, was sollen w ir fü r unsere
Schwester tun, die so klein ist und noch keine B rüste hat am T a g e der
W erbung^? Ich w ill m eine Stärke über sie breiten und nach ihren
Frü ch ten greifen , und ihre Brüste-w erden sein wie Traub en am W e in
stock 6K K o m m also, meine G eliebte, laß uns auf dein F eld hinausgehen
und in den G ehöften weilen, frühm orgens w ollen w ir aufstehen zum
W ein b erg , da die N a ch t vorgerückt ist, und der T a g bald n a h t66. W ir
w ollen nachsehen, ob dein W e in b e rg B lüten t r u g 6?, und ob deine B lü
ten F ru ch t getragen h a b e n 68, dort w irst du m ir deine Brüste reichen,
und ich selber habe fü r dich alle alten und neuen Frü ch te aufbew ahrt;
an ihnen w ollen w ir uns also erfreuen und ohne Z ö g ern alle G üter g e
nießen, dieweil w ir jun g sind. M it köstlichem W e in und Salben w ollen
w ir nicht kargen, und keine B lu m e soll uns entgehen, uns dam it zu be
kränzen: zuerst m it Lilien und nachher m it Rosen, eh sie verwelken. A n
keiner W iese soll unsere Lust Vorbeigehen, und keiner von uns allen
bleibe unserer Fröhlichkeit ferne. A llenthalben w ollen w ir Z eichen
unserer Fröhlichkeit zurücklassen, denn dies ist unser T eil und unser 6234578
62. Hohes Lied 7, 3: Dein Schoß ist wie ein runder Becher (wörtl. Mischkrug),
der nimmer des Getränkes mangelt.
63. Klagelieder 4, 7: Ihre Fürsten waren reiner denn Schnee und klarer denn Milch,
ihre Gestalt war rötlicher denn Korallen (wörtl. als altes Elfenbein).
64. Hohes Lied 8, 8: Unsere Schwester ist klein und hat keine Brüste. Was sollen
wir unserer Schwester tun, wenn man nun um sie werben wird ?
65. Hohes Lied 7, 9: Ich sprach, ich muß auf den Palmbaum steigen und seine
Zweige ergreifen. Laß deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock.
66. Röm. 13, 12: Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen, so
lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes.
67. Vgl. T homas de Aquino: Thesaurus Alchimae secretissimus. Theatr. Chem.
1659, Vol. III, p. 279- (Derselbe Satz inmitten rein chemischer Rezepte.)
68. Hohes Lied 7, 12-14: Komme mein Freund, laß uns aufs Feld hinaus gehen und
in den Dörfern (Gehöften) weilen, daß wir früh auf stehn zu den Weinbergen, daß
wir sehen ob der Weinstock sprosse und seine Blüten aufgehen. . . da will ich dir
meine Liebe geben . . . und über unserer Tür sind allerlei edle Früchte. Mein Freund,
ich habe dir beide heurige und vorjährige, behalten. Vgl. Marg. pret. nov. a. a. O.
p. 101: . . . und die Erde, welche «die Mutter der Elemente» heißt, . . . und diese ist
der goldene Baum; wer von dessen Frucht ißt, der wird niemals hungern.
128 T H O M A E DE A Q U I N O AURORA
quamus signa laetitiae, quia haec est pars nostra ut vivam us in coitus
nostri am ore cum gaudio et tripudio dicentes: E cce, quam bonum et
quam iucundum est habitare duobus in unum 7°. Faciam us ergo nobis
tria tabernacula, tibi unum , m ih i secundum , filiis nostris tertium 7 % quia
funiculus trip le x difficile rum pitur 7 *. Q ui habet aures audiendi audiat,
quid dicat spiritus doctrinae filiis disciplinae de desponsatione dilecti ad
dilectam . N a m sem en suum sem inaverat, quod m aturescat p er eum tri
p lex fructus, quod auctor triu m verborum dicit esse tria verba pretiosa,
in quibus to ta occultatur scientia, quae danda est piis videlicet pauperibus
a prim o hom ine usque ad ultim um 73 .
1. coitus: interitus MP, terris interitus V / 2. «nostri» om. DRhL / 3. «est» om.
MRhD / «nobis» om. DL / 4. nostris: meis D. om. M PV / 6 .-7 . cum dilecta M P /
7 . seminat qui M PV / 8. esse: ecce MP / 9. est: sunt DRh / «piis» om. M PV / «vide
licet» om. M / 10. ultimum «hominem» add. RhDL /6970123
69. Sap. 2, 5 sq.: (dixerunt luxuriantes): Umbrae enim transitus est tempus nostrum
et non reversio finis nostri, quoniam consignata est et nemo revertitur. Venite ergo et
fruamur bonis, quae sunt et utamur creatura tamquam in iuventute, celeriter: Vino
pretioso et unguentis nos impleamus et non praetereat nos flos temporis. Coronemus
nos rosis antequam marcescant, nullum pratum sit, quod non pertranseat luxuria nostra.
Nemo nostrum exsors sit luxuriae nostrae, ubique relinquamus signa laetitiae, quoniam
haec est pars nostra et haec est sors.
70. Ps. 132, 1: Ecce quam bonum et quam iucundum habitare fratres in imum.
Cf. Ordo missae p. 475, 638.
71. Math. 17, 4: . . . Si vis faciamus hic tria tabernacula tibi unum, Moysi unum et
Eliae unum. Cf. Ordo missae p. 174-175.
Cf. et Apoc. 21, 2 -3 : Et ego Johannes vidi sanctam civitatem Jerusalem novam des
cendentem de coelo . . . et audivi vocem magnam de throno dicentem: Ecce tabernacu
lum Dei cum hominibus et habitabit cum eis.
72. Eccles. 4, 12: Vae soli, quia cum ceciderit non habet sublevantem s e . . . Et si
dormierint duo fovebuntur mutuo: unus quomodo calefiet? Et si quispiam praevaluerit
contra unum duo resistunt ei: funiculus triplex difficile rumpitur.
73. C a l id : Liber trium verborum. Artis Auriferae 1610, 1. c. p. 228: Et haec sunt
tria verba pretiosa occulta et aperta, data non pravis non impiis non infidelibus, sed
fidelibus et pauperibus a primo homine usque ad ultimum.
T H O M A E D E A Q U I N O AUR ORA 129
Los 6*, daß w ir in liebender V erein igu n g leben und im fröhlichen R eigen
verkünden: Sieh, w ie g u t und lieblich ist es, zu zweit in E in em zu w oh
nen 7°! W ir w ollen uns darum hier drei H ütten bauen; dir eine, m ir die
zweite, und unseren Söhnen die dritte 7 1, da ein dreifaches Seil schw er
lich zerreißt 7 *. W e r O hren h at zu hören, der höre was der G eist der
L eh re den Söhnen der W issensch aft von der V erm ählu n g des Liebenden
m it der G eliebten sagt. D en n er hatte seinen Samen gesät, auf daß d rei
fache F ru ch t daraus reife; von w elcher der A u to r der drei W o rte sagt,
es seien dies drei kostbare W o rte , in denen die ganze W issensch aft ver
borgen liege, die den From m en , d. h. den A rm en w eiterzugeben sei vom
ersten M enschen bis zum letzten 73.»6
970123
69. Weish. 2, 5 ff. (wörtl.) Unsere Zeit ist, wie ein Schatten dahinfährt, und wenn
wir weg sind, ist kein Wiederkehren; denn es ist fest versiegelt, daß niemand wieder
kommt. So kommt denn und lasset uns die vorhandenen Güter genießen und unseres
Leibes brauchen, dieweil wir jung sind. Mit köstlichem W ein und Salben wollen wir
nicht kargen, und keine Frühlingsblume soll uns entgehen. Mit Rosenknospen wollen
wir uns bekränzen, ehe sie verwelken, alle Fluren voller Lust durchstreifen. Keiner
von uns bleibe unserer Ausgelassenheit fern, allenthalben wollen wir Sinnbilder unserer
Fröhlichkeit zurücklassen, denn dies ist unser Teil und unser Los.
70. Ps. 133, 1: Siehe, wie fein (gut) und lieblich ists, daß Brüder einträchtig bei
einander (wörtl. in Einem beisammen) wohnen. Meßbuch p. 475, 638.
71. Math. 17, 4: (Verklärung Christi): Herr, hier ist es gut sein! W illst du, so
wollen wir hier drei Hütten machen, dir eine, Mose eine und dem Elia eine. Vgl. Meß
buch p. 174-175. Vgl. auch Offenb. 21, 2 -3 : Und ich Johannes sah die heilige Stadt,
das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabfahren. . . Und ich hörte eine
große Stimme. . . die sprach: Siehe die Hütte Gottes bei den Menschen! und er wird
bei ihnen wohnen.
72. Prediger 4, 10-12: W eh dem, der allein ist. Wenn er fällt, so ist kein anderer
da, der ihm aufhelfe. Auch wenn zwei beieinander liegen, wärmen sie sich; wie kann
ein einzelner warm werden? Einer mag überwältigt werden aber zwei mögen wider
stehen; und eine dreifältige Schnur reißt nicht leicht entzwei.
73. Calid : Liber trium verborum. Artis Auriferae 1610, a. a. Ο. p. 228: Und dies
sind drei wertvolle Worte, verborgen und offen zugleich, die gegeben sind nicht für die
Verkehrten, nicht für die Gottlosen und nicht für die Ungläubigen, sondern für die
Gläubigen und Armen vom ersten Menschen bis zum letzten.
III
KOM M ENTAR
A L L G E M E IN E S
L
a esst 49
K O M M E N T A R Z U K A P IT E L 1
8 . Alberti Magni, Opera ed. Borgnet Vol. 37, p. 3 ff. Über die Echtheit dieser
Schrift vgl. F r . Pelster, Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts
des Großen. Freib. i. Br. 1920, p. 108-109 ff. Nach Ansicht anderer wird dieses Werk
Richard von St . Laurent zugesprochen. Vgl. U lr . D aehnert, Die Erkenntnislehre
des Alb . Magnus, Leipz. 1934, p. 233.
9. Vgl. auch Q u a est. s u p e r E v . CLXIV , Opera ed. B orgnet Vol. 37, p. 244. Er
sagt dort u. a.: . . . im Haus der Weisheit befände sich die Medizin gegen die Wunden
der Sünde, und dies sei die Jungfrau Maria gewesen, die sich Salomo zum Haus machte,
(p. 244). Maria sei die Mutter, die Salomo mit der Krone krönte, sie ist das apokalyp
tische Weib mit den zwölf Sternen, sie ist die Civitas Dei, und sie ist « die Frau, die
den Mann umhüllen wird» (Jes. X X X I , 22) p. 246. Sie ist die «Aurora illumina
tionis» (p. 369).
10. Im Kapitel: De fide philosophica (etc.) der Aurora sind auch einige ähnliche
Zitate wie in der Einleitung des Albertus vorhanden. Letztere lautet (Borgnet
Bd. X X X V II, pag. 545): «Omnis sapientia a Domino Deo est: et cum illo fuit semper
et est ante aevum (Eccli I. 1). Quicumque ergo diligit Sapientiam apud ipsum quaerat
et ab ipso petat, quia ipse dat omnibus affluenter et non improperat (Jacob. 1, 6 ). Ipse
est enim altitudo et profunditas omnis scientiae et thesaurus totius sapientiae: quo
niam ex ipso et in ipso et per ipsum sunt omnia (Rom. 11, 36). Et sine voluntate
eius nihil potest fieri. Ipsi honor et gloria in saecula saeculorum. Arnen.
Unde in principio mei sermonis invoco eius auxilium, qui est fons et origo omnium
bonorum, ut ipse per suam bonitatem et pietatem dignetur parvitatem scientiae meae
supplere per gratiam sui spiritus sancti, ut per meam doctrinam lumen quod in tenebris
latet manifestare valeam et errantes ad semitam veritatis perducere . . .
Cum in multas regiones et plurimas provincias nec non civitates et castella causa
scientiae, quae vocatur Alchimia, maximo labore perlustraverim et a litteratis viris et
sapientibus de ipsa arte ab ipsis diligenter inquisierim, ut ipsam plenius investigarem
et cum scripta omnia perscriberem et in operibus ipsorum saepissime persudarem, non
inveni tamen verum in his, quae libri eorum affirmabant. . . Ego vero non desperavi . . .
quousque, quod quaerebam, inveni non ex mea scientia sed ex Spiritus Sancti gratia.
Unde cum saperem et intelligerem quod naturam superaret, diligentius vigilare coepi
in decoctionibus . . . etc
KOMMENTAR 135
Text: Es kam mir zugleich alles Gute mit ihr, jener W eisheit des Südwin
des, welche draußen klagt und sich hören läßt auf den Gassen, welche ruft
vorn unter dem Volk und in dem Eingang des Tores der Stadt ihre W orte
redet: «Kommt her zu mir und laßt euch erleuchten und eure Operationen
werden nicht zu Schanden werden. Ihre alle, die ihr mein begehrt, werdet von
meinen Reichtümern erfüllt. Kommt also her, Söhne, höret mir zu, ich will
euch die Wissenschaft Gottes lehren.»
11. Vgl. Meister Ekharts Commentar zu dieser Stelle, T hery 1. c. Vol. III., 1928,
p .4 2 5 : Die Sapientia ist die e i n e perfectio in der alles andere Gute miteinbeschlos
sen ist.
12. Dies entspricht dem sonst oft zitierten Ausspruch: Aurum nostrum non est
aurum vulgi. Cf. Senior , De Chemia 1. c. p. 12-13. Ähnlich unterscheidet Origenes ,
in Cant. Cant. lib. II ein Gold, das die natura intelligibilis et incorporea darstelle vom
gewöhnlichen Gold.
13. Vgl. Matth. 12, 42.
14. Vgl. z. B. die Sprüche des Suleiman im «Buch von der Palme» des Abu Aflah
ed. G. Scholem, Jerusalem, 1927. Vgl. ferner E. v. Lippmann, Alchemie, Bd. I, p. 12
und p. 111, 156, 309, 265.
15. J . Ruska. T u r b a a. a. O. p. 272. Sie ist als B ilqis erwähnt, als Königin von
Aegypten und soll u. a. ein Buch verfaßt haben mit dem Anfang: «Nachdem ich auf
den Berg gestiegen w a r. . . » Vgl. auch E. J . Holmyard A bu ’l -Qasim al’I raqi. I s is
V III, 1926, p. 407.
16. Vgl. M. B erthelot. La Chimie au moyen äge. Paris 1893. Vol. III. p. 28.
Vol. I. p. 242. III, 125 und E. v. Lippmann, Alchemie, 1. c. Vol. I. p. 46.
17. Honorius v . Autun, Expositio in Cant. Cant. Migne, P. L. tom. 172,
col. 352-354.
18. Vgl. den Endkampf des guten «Rex austri» und des bösen «Rex aquilonis» in
der «Concordia» V cap. 93 des Gioacchino da Fiori cit. Chr. v . Hahn, Geschichte der
Ketzer im Mittelalter. Stuttgart 1850. Bd. III. p. 311-313. Ich zitiere im Folgenden
G ioacchino da Fiori fast immer nach Hahns Auszügen, da ich mir keine zuverlässige
Ausgabe der Werke Gioacchinos verschaffen konnte.
19. Zach. 9, 14.
20. Vgl. z. B. Gregorius Magnus, Expos, mor. Lib. X X V I I in Trigesim. septim.
caput Job, Paris 1636, tom. I und: Expos, in Cant. Cant. cap. 5, tom. II, col. 30 c:
Per Austrum vero calidum scii, ventum Spiritus Sanctus figuratur, qui dum mentes
electorum tangit ab omni topore relaxat et ferventes facit, ut bona, quae desiderant, ope
rentur.
21. Psychologie und Alchemie a. a. O. p. 524.
22. Vgl. auch Gioacchino da Fiori, Concord. V, cap. 93, Hahn a. a. O. Vol. III,
p. 312: Filia namque regis austri ( q u i in c o e lis re g n a t e t in c a lid is a m o r e s p ir itib u s )
etc. u. p. 391: ((n o n ) desinit nos igne charitatis accendere ad amandum et (u t)
in c a lo r e sp ir itu s sa n c ti operari valeamus etc.
KOMMENTAR 137
fü llt» *3. In der arabischen A lch em ie h eiß t der Sublim ationsprozeß «der
g roß e Südw ind», w om it die Erh itzu n g der R etorte und ihres Inhaltes
gem eint i s t 2*. A us solchen Am plifikationen geht hervor, daß die Sapien
tia in unserem T e x t als ein weibliches Pneuma charakterisiert ist, welches
den V erfasser bei seinem W e rk anfeuert und inspiriert. Sie ist ein «G eist
der W a h rh e it» , der ihn erleuchtet. D ie Anima erscheint hier somit nicht
als persönlicher Inhalt, sondern in ihrer äberpersönlichen kollektiven
Bedeutung, als eine w eibliche E rgänzu n g des Gottesbildes se lb e r2*. Ihre
feurige N atu r erklärt den erregten Z ustand des A utors.
T ext: W er ist weise und versteht diese, von der A lph id iu s sagt, daß 59
Erwachsene und Kinder auf W egen und in den Gassen daran Vorbeigehen,
und daß sie täglich von den Zugtieren und dem Vieh im Straßenkot zer
treten werde.
D as ALPHiDius-Zitat sagt von derselben G estalt aus, daß sie von den 60
Ignoranten im Straßenkot zertreten w erde, was psychologisch au f die
T atsach e hinw eist, daß diese w eibliche Personifikation des Unbewußten
von den vorherrschenden Kollektivanschauungen verworfen wird, und
m it ihr auch der Lapis, d. h. der K eim des Individuationsprozesses er
stickt i s t 234526. D ie an sich von den A lchem isten außerordentlich häufig
23. Expositio moral, in nonum caput Job Lib. I X cap. 6: Opera Paris 1636, Tom I.
col. 308: Interiora ergo austri sunt occulti illi angelori m ordines et secretissimi patriae
coelestis sinüs, quos implet calor spiritus sancti. . . Γ 4 per diem quasi in meridiano
tempore ardentius solis ignis accenditur, quia conditoris claritas mortalitatis nostrae
iam pressa caligine manifestius videtur et velut sphaerae radius ad spatia altiora se
elevat: quia de semetipsa veritas subtilius illustrat. Ibi lumen intimae contemplationis
sine interveniente cernitur umbra mutabilitatis. Vgl. auch K norr v . Rosenroth Kabbala
denudata Bd. I p. 266: Meridies est Chesed, unde maiores nostri: Quicumque vult
sapiens fieri convertat se ad meridiem.
24. Ebda: E. J. Holmyard: «Kitäb al-ilm al-muktasab. . . by Abu’l-Qasim
Muhammad I bn Ahmad al-’I raqi ρ. 43: « .. .but what of the Speech of Hermes in
which he says: ,The great Southwind when it acts makes the clouds to rise and raises
the cloud of the sea’. He said, if the powdering is not successful the compound will
not ascend into the top of the retort, and even if it does ascend it will not pour into
the receiver. It is necessary to mix with it the first and second waters before it will
ascend to the top of the retort. ,That’, he said, ,is the Great South W ind?’ He said:
,Yea, O King’» etc. Vgl. auch hiezu I s is V III, 1926 p. 403 ff.
25. Auch nach der Weisheit Salomonis V II. 25 f. ist die Sapientia ein «Hauch» und
zugleich eine Emanation des ewigen Lichtes (Vapor est enim virtutis Dei et emanatio
quaedam est Caritatis Dei sincera . . . Candor est enim lucis aeternae (Vulgata).
26. In der lat. Übersetzung Rufins und des Hieronymus von Origenes. In Cant.
Cant. lib. III heißt es: Verbum enim Dei et «sermo scientiae non in publico et palam
138 KOMMENTAR
zitierte Sentenz bezieht sich näm lich sonst fast im m er au f den Stein der
W eisen selber 27, so daß d er A utor offensichtlich bew ußt die Sapientia
D ei m it dem Stein identifiziert. D ieselbe G leichsetzung findet sich auch
in einem ALEXANDER-Zitat bei P e t r u s B o n u s , der in seiner «Pretiosa
M argarita N o v ella» s a g t28, das W e rk geschehe «durch die H in zu fü gu n g
des g eh eim en Steines, d er m it den Sinnen nicht fa ß b a r sei, sondern allein
durch den Intellekt, durch Inspiration oder göttliche O ffenbarung oder
durch die L eh re eines W issenden . . . es gebe in dieser K unst zwei K a te
gorien : das Anschauen durch das A u ge und das V erstehen durch das
H erz, und d ies ist d er verborgen e Stein, der eigentlich ein G eschen k
G ottes bedeutet, und das ist der göttliche Stein, ohne dessen Beim ischung
zum Lapis die A lchem ie nicht bestehen könnte, da er ja d ie A lch em ie
selber i s t . . . U n d dieser göttliche Stein ist das H erz und die T in k tu r des
G oldes, w elche die Philosophen suchen.» H ie r ist also der Stein als
etwas Unsichtbares beschrieben, näm lich als ein von G ott geschenktes
V erstehen, und die A lchem ie ist nichts anderes, als eben diese Einsicht.
Sie ist « γνώσις ». Aus dieser A u ffassu n g heraus ist es zu begreifen,
wieso der V erfasser der A u ro ra die biblische Sapientia D ei als U rh eb erin
und Z ielvorstellung des alchem istischen O pus hinstellen kann.
Text: Und Senior sagt: «Nichts ist äußerlich geringer und nichts ist in
der Natur wertvoller als sie, und Gott hat sie auch nicht für Geld käuflich
werden lassen. Sie ist es, die Salomon als Leuchte zu brauchen verkündete
und die er über alle Schönheit und alles Heil gestellt hat, und im Vergleich
zu ihr hat er den W ert des Edelsteins ihr nicht gleichgestellt. Denn alles Gold
ist im Vergleich zu ihr wie geringer Sand, und Silber ist wie Lehm gegen sie
einzuschätzen» usw.
positus neque conculcandus pedibus» apparet, sed cum quaesitus fuerit, invenitur . . .
Möglicherweise war diese Stelle dem Autor der Aurora bekannt.
27. Vgl. J. J. Manget, Bibliotheca Chemica curiosa II, p. 88 b. Vgl. auch T u r b a
p h ilo s o p h o r u m ed. Ruska p. 122, 142 und 165 und «Buch der Alaune und Salze», ed.
Ruska, 1. c. p. 56.
28. Theatr. Chem. 1622, Bd. V, p. 647: . . et hoc per adiectionem lapidis occulti
qui sensu non comprehenditur sed intellectu solum per inspirationem vel revelationem
divinam aut per doctrinam scientis . . . et dixit Alexander : duo sunt in hac arte ordines
scilicet aspectus oculo intellectusque corde, et hic lapis occultus est, qui proprie dicitur
donum Dei, et hic est lapis divinus occultus sine cuius commixtione lapidi annihilatur
alchemia, cum ipse sit ipsa alchemia . . . Et hic lapis divinus est cor et tinctura auri
quaesita a philosophis.
KOMMENTAR 139
D iese T extp artie form u liert das bekannte P arad oxo n , daß die scientia
oder der Lapis sow ohl völlig w ertlos seien, als auch einen W e r t darstel
len, der alle w eltlichen G üter überragt, wobei von neuem betont ist, daß
es sich um ein «aurum non vulgi» handelt. D ie p arad oxe Form u lierun g,
daß der Stein w ohlfeil und w ertvoll zugleich sei, findet sich schon in den
ältesten griechischen T exten . Z o s im o s sagt vom S te in 2?: er sei «verachtet
und viel geehrt, nicht geschenkt und von G ott geschenkt». Ä hnliche
P arad oxien finden w ir auch bei den K irchenvätern in ihren Aussagen
über Christus; so z. B . bei E p h r a e m S y r u s 3°, w elcher sagt, Christus
habe im M ist geschlafen, und jener M ist sei dann zur Ecclesia gew orden
( s i c ) , w elche die B itten der M enschheit an G ott ausspricht, und die
A llegorien (typ i et figurae) C hristi seien sein «thesaurus absconditus et
vilis», sein verborgener und w ohlfeiler Schatz, der die g röß ten W u n d e r
enthalte 31. Psychologisch verstanden bedeutet dies nichts anderes, als
daß die symbolischen B ilder in der K irch en leh re über Christus, d. h. die
Rezeptionserscheinungen der psychischen M a trix 3% gleichsam die v er
achtete und doch w ertvollste «prim a m ateria» unseres Glaubens sind 33 .
zum H ebräerb rief 1 . 1 . 9 . hervorhebt, daß gerad e die «corp ora vilia»
zur D arstellu n g der G ottheit besonders geeignet seien 34.
64 T ext: Langes Leben und Gesundheit sind in ihrer Rechten und in ihrer
Linken sind Ruhm und unendlicher Reichtum. Ihre W ege sind schöne und
lobenswerte W e rk e . . . und ihre Pfade sind maßvoll und nicht hastig, sondern
mit der Beharrlichkeit ausdauernder Arbeit verbunden. Sie ist ein Baum des
Lebens für alle, die sie erfassen, und ein nie erlöschendes Licht - selig sind,
die sie verstanden haben; denn die Weisheit Gottes wird niemals vergehn,
wie A lphidius bezeugt, indem er sagt: « W er einmal diese W eisheit gefunden
hat, dessen rechtmäßige und ewige Speise wird sie sein. Und H erm es. . .
sagt: daß wenn ein Mensch im Besitz dieses Wissens 1000 Jahre lang lebte
und täglich 7 0 0 0 Menschen ernähren müßte, er dennoch niemals Mangel
leiden würde.
34. Vgl. V ictor W hite, St. Thomas’ Conception of Revelation, Dominican Studies,
Blackfriar Publications St. Giles. Oxford, Vol. I. 1948, No. 1, p. 11. Vgl. auch S. Bo-
naventura. In I. Sent. 3, 3 ad 2m. Creature possunt considerari ut res vel ut signa.
Im Übrigen liebte es auch der Lehrer von T homas, Albert der Grosse, alchemisti-
sche Begriffe in seine Bibelexegese einzustreuen. Vgl. auch Albertus Magnus, Quaest.
super Evangel. C L X IV (ed. Borgnet vol. 37, p. 242): Transite usw. Aqua cisternae huius
est Christus qui est fons vitae saliens in vitam aeternam. Vgl. überhaupt für die alche
mistischen Gleichnisse des Albertus bei seiner Bibelinterpretation ebda: crediderunt
{Christum) non Deum esse, et qui fuit aurum mundissimum crediderunt esse cuprum.
Vgl. ferner p. 243.
35. Unser Text weist in dieser Anfangspartie eine auffallende Verwandtschaft der
Zitatzusammenstellung mit der Einleitung des Albertus Magnus zugeschriebenen
KOMMENTAR 141
In der A lchem ie ist der B aum in erster Linie ein B ild fü r die sich im 66
W an d lu n gsp rozeß allm ählich entfaltende p rim a m ateria, die «sich sel
ber genu g ist**». F ü r seine B edeutung sei h ier im Prinzip auf J u n g s
A u fsatz «D er philosophische B au m 37» verw iesen: der B au m symboli
siert den Individuationsprozeß in seinen A spekten des G elebtwerdens
wie der Bew ußtw erdung, der γνώσις *8.
Mariale auf, was wir für die Erwägung, ob St . T homas als Verfasser in Frage komme,
festhalten müssen. - Albertus, ed. Borgnet vol. 37, p. 1. Mariale sive Quaestiones
super Evangelium Prooemium:
Clara est et quae nunquam marcescit sicut scriptum est. Sap. V I 13-17 et facile
videtur ab his qui diligunt eam et invenitur ab his qui quaerunt illam. Praeoccupat qui
se concupiscunt, ut illis se prior ostendat. Qui de luce vigilaverit ad illam non labo
rabit, assidentem enim illam foribus suis inveniet. Cogitare ergo de illa est sensus con-
sumatus et qui vigilaverit propter illam cito securus erit. Quoniam dignos se ipsa Cir
cuit quaerens et in viis ostendit se illis hilariter et in omni providentia occurit illis.
Item scriptum est Eccles. X X V 29 et seq: Qui edunt me adhuc esurient et qui bibunt
me adhuc sitient. Qui audit me non confundetur, et qui operantur in me non peccabunt.
Qui elucidant me vitam aeternam habebunt. - Über die Echtheit dieses Jugendwerkes
vgl. F. Pelster S. J. Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des
Großen, Freiburg i. Br. 1920, p. 108 ff.
36. So heißt es bereits in den griechischen «Orakeln des Apollo» (M. B erthelot,
Coli. Aich. Grecs IV, V II 2 vol. I, p. 276) - das göttliche Wasser erhebe sich «wie ein
jungfräulicher Lorbeer zum Deckel des Gefäßes empor», und ähnlich beschreibt auch
Z osimos, wie sich das Wasser im Schalenaltar des Kosmos wie ein Baum entfalte und
Blüten und Früchte trage (ebda IV, I p. 261). Auch in der arabischen Literatur spielt
der Baum eine große Rolle, so heißt es bei Abu ’l -Qasim (Kitäb al-’ilm al Muktasab . . .
ed. Holmyard, Paris 1923, p. 2 3 ): Die prima materia komme von einem einzigen Baum,
der in den Westlanden wachse . . . und dieser Baum wachse auf der Meeresoberfläche
wie eine Pflanze auf der Erde, und wer von den Früchten dieses Baumes ißt, dem
gehorchen die Menschen und Geister, und es ist dies auch der Baum, von dem Adam
(Friede sei mit ihm !) nicht essen durfte, und als er es dennoch tat, wurde er deswegen
von seiner Engelgestalt in Menschengestalt gewandelt. Und dieser Baum kann sich
auch in die Gestalt jeglichen Tieres wandeln. - Bei den Arabern findet sich auch die
platonische und orphische Idee vom Menschen als einer umgekehrten Himmelspflanze
wieder. Vgl. O. K ern, Orphicor. Frgm. Berlin 1922, p. 244, Nr. 298 a: « ψυχή δ’άνθρώ-
ποισιν άπ’αΙΑέρος έρρίζω ται». Vgl. auch Senior, De Chemia 1. c. p. 76: «Der Stein
der Weisen wird in sich selber hergestellt und aus ihm kommen die Wurzel, die Zweige,
die Blätter, Blüten und Früchte; denn e r is t w ie ein B a u m , dessen Äste, Blätter, Blüten
und Früchte au s ih m s e lb e r s ta m m e n , und die durch ihn existieren und zu ihm gehören,
und er ist das Ganze und aus ihm stammt das Ganze.»
Vgl. auch einen solchen Ausspruch von Ephraem Syrus, Hymni et Sermones ed.
Th. Lamy, Mechliniae 1902. Vol. II. p. 538: Maria et arbor unum sunt. Agnus in ramis
pendebat. . . Das Kreuz ist der Baum des Lebens, lignum vitae (1. c. p. 612).
37. Von den Wurzeln des Bewußtseins, Zürich 1952, p. 353 ff. und derselbe: Psy
chologie und Alchemie, p. 119 ff-, p. 333 ff. und p. 474-476.
38. Für eine ähnliche Auffassung des Wortes Gnosis vgl. G illes Q u is p e l , Gnosis
als Weltreligion, Zürich 1951, p. 17: «Gnosis ist mythische Projektion der Selbsterfah-
142 KOMMENTAR
67 A u ch die Gleichnisse, in denen die W eish eit als ewiges L ich t und nie
ausgehende «rechtm äßige Speise» bezeichnet w ird, bedürfen w ohl kei
n er w eiteren Erklärung 39. Es ist dam it d er substanzhafte geistige Z u
strom von Inhalten aus dem U nbew ußten symbolisiert, der nach A n
schauung der A lchem isten aus dem «lum en naturae» dem A depten zu
fließt und als eine göttliche Erleuch tu n g em pfunden w ird 4°. D ie Sapien
tia w irkt dadurch auch w ie ein Feuer, das unerschöpflich w eiter zündet.
68 Text: Dies bestätigt S e n io r , wenn er sagt: «Ein solcher ist nämlich so reich
wie jener, der den Stein besitzt, aus welchem man Feuer schlägt, so daß er
Feuer geben kann, wem er will und wieviel er wi l l . . . ohne eigenen Verlust.»
Das gleiche meint A r is t o t e l e s im II. Buch «Von der Seele», wenn er schreibt:
«Allen natürlichen Dingen ist eine Begrenzung ihres Umfanges und ihres
Wachstums gesetzt; das Feuer hingegen wächst durch Nachlegen von brenn
barem Stoff ins Unendliche.»
rung.» In JUNGscher Terminologie könnte man vielleicht eher sagen: Gnosis ist mythi
sche Projektion der Erfahrung des Selbst, d. h. des Individuationsprozesses.
39. Vgl. z. B. «Das Buch der Alaune und Salze», ed. J. Ruska, Berlin 1935, p. 92,
wo der Mercurius von sich sagt: «Wenn jemand mich mit meinem Bruder und meiner
Schwester verbindet, wird er leben und sich freuen, und ich werde ihm in Ewigkeit
genügen, auch wenn er tausendmal tausend Jahre lebte.»
40. Vgl. zu der Geschichte dieses Begriffes C. G. J ung, «Theoretische Überlegungen
zum Wesen des Psychischen» in «Von den Wurzeln des Bewußtseins» 1. c. p. 544 ff.
41. «Form» ist hier im aristotelischen bzw. thomistischen Sinn gebraucht. Vgl.
A. D. Sertillanges, Der Hl. Thomas von Aquin, Hellerau 1928, p. 124 sq.
42. Vgl. hiezu allgemein Etienne Gilson, L’esprit de la Philosophie medievale.
Paris. Vrin 1932, I, p. 188 und Anmerkungen. Es ist der «Intellectus», der eine unkör
perliche Substanz bildet, der sich die Körpermaterie organisiert und formt (ebda. p. 191)
indem er bzw. die Seele mit den Elementen cooperiert. Vgl. De anima II, lect. 8. A n im a
a u te m c o o p e r a t u r a d e le m e n ta , quae sunt in corpore vivente sicut forma ad materiam.
Hiezu sagt T homas, Summa theol. I, 75, 2 Resp.: Nihil autem potest per se operari
KOMMENTAR 143
und ist damit ein «ens in actu 43». D ie an sich formlose Materie empfängt
ihr aktuelles So-Sein nur insoweit sie durch die Seele Form erhält 44.
Im Lichte solcher Auffassungen ist es klar, daß auch die Sapientia
D ei unseres Textes nich t als eine P ersonifikation der in d iv id u ellen Seele
anzusehen ist, denn der Autor vergleicht sie mit einem Feuerstein, der
unerschöpflich Feuer spenden kann 45? und betont, daß zwar alle natür-
nisi quod per se subsistit. Non enim est operari nisi entis in actu . . . Relinquitur igitur
animam humanam, q u a e d ic itu r in te lle c tu s v e l m en s, e s s e a liq u id in c o r p o r e u m et s u b
sis te n s. Und: Summa I, 86, 1: Sic ergo ex ipsa operatione intellectüs apparet quod intel
lectivum principium unitur corpori et forma. Und Summa theol. I, 75, 6 Resp.: Esse
autem convenit per se formae, quae est actus. Unde materia secundum hoc acquirit «esse
in actu» quod acquirit formam, secundum hoc autem accidit in ea corruptio, quod sepa
retur forma ab ea.
43. Actuell Seiendes.
44. Daher eint sich die Seele zu dem Zweck mit dem Körper, um ihrem Wesen
(natura) entsprechend wirken (operari) zu können. Summa theol. I 89. 2. Resp.: Et ideo
ad hoc unitur (anima) corpori ut sic operetur secundum naturam suam. - In all diesen
Definitionen ist T homas (wie A lbertus) weitgehend von A vicenna abhängig. Vgl.
derselbe De anima cap. 1: «Dicemus igitur nunc: quod anima potest dici vis v e l p o t e n t ia
comparatione affectionum quae emanant ab e a . . . potest etiam dici perfectio hac com
paratione sci. quod perficitur genus per illam et habet esse per illam etc.» Die Seele
ist «finis et perfectio» jeder Sache: «Ergo ipsa est vis animae habentis alias vires, quarum
una haec est, quae omnes operantur ad hoc ut perveniat a p titu d o in stru m e n to r u m a d
p e r fe c t io n e s se c u n d a s ip s iu s a n im a e .»
Dieselbe De-Anima-Stelle wie in der Aurora ist, nebenbei bemerkt, auch im Kom
mentar zur Weisheit Salomonis des M eister E ckhart angeführt, welcher seinerseits
Vieles von St . T homas übernommen hat. (Vgl. G. T hery , Le commentaire de Maitre
Eckhardt sur le livre de la Sagesse (fin). Archives d’Histoire doctrinale et litteraire du
Moyen-äge. 1930, p. 237. T hery konnte die De-Anima-Stelle nicht finden. Er sagt:
«Nous n’avons pas retrouve ce texte.» Er legt dort u. a. dar, daß die Bewegung des
Himmels die allerschnellste im Kosmos sei, dessen Dinge aber doch Grenzen besitzen.
Gott hingegen, der in keiner Bewegung oder realem Wirken gefangen sei, sei noch
schneller. Insofern aber auch die Seele mit ihrer imaginatio sich etwas noch schnelleres
als die Himmelsbewegungen vorstellen könne, bestehe zu Recht jenes W ort des
H l . A ugustinus, daß die Seele etwas Größeres sei als der ganze Kosmos. Vgl. T hery
a. a. O. p. 238. Igitur ratione quä motus est et magnitudo sive dimensio, utpote prior
forma in materia, ut optime ait Commentator De substantia orbis (A verroes) infinita
sunt, et ob hoc omni mobili potest esse mobilius, Deus igitur cum sit infinitus non
receptus in aliquo omni motu et operacione potest operari seu movere velocius. Volens
igitur Sapiens ostendere occulte et subtiliter Dei infinitatem et ipsius Sapientiae ait
optime: «Omnibus mobilibus mobilior est Sapientia» . . . Rursus etiam imaginatio
quae circa magnitudinem versatur potest imaginari quolibet magno maius, etiam celo.
Unde per hoc A ugustinus libro De quantitate animae probat animam esse maiorem
toto mundo.
45. Dies ist sonst auch eine Allegoria Christi. Vgl. C. G. J ung, Psychologie und
Alchemie. 1. c. p. 481.
144 KOMMENTAR
46. Vgl. die vorhergehende Partie in der Aurora cap. 1. Vgl. hiezu z. B. T homas
von A quin, Summa theol. I, 25. 3. Resp.: Esse autem divinum, super quod ratio divinae
potentiae fundatur, est e s s e in fin itu m n o n lim ita tu m a d a liq u o d g e n u s en tis, sed prae-
habens in se totius esse perfectionem.
47. Vgl. hiezu A lbertus M agnus , De anima, II, 4, worin er die Ansicht gewisser
Zeitgenossen widerlegt, wonach die Seele eine «virtus ignis» sei: quia solus ignis inter
omnia corpora et aliter virtute propria et augmentatur. . . per appositionem crema-
bilium. Und T homas von A quin z u A ristoteles , De anima II, lectio 8: Illud igitur
quod est causa determinationis m a g n itu d in is e t a u g m e n ti est principalis causa augmenti.
Hoc autem non est ignis. Manifestum est enim quod ignis augmentum non est usque
determinatam quantitatem, s e d in in fin itu m ex te n d itu r, s i in in fin itu m m a te r ia c o m b u
sti b ilis in v en ia tu r. Manifestum est igitur quod ignis non est principale agens in augmento
et alimento s e d m a g is a n im a . Et hoc rationabiliter accidit quia determinatio quantitatis
in rebus naturalibus es t e x f o r m a , quae est principium speciei magis quam ex materia.
Anima autem cooperatur ad elementa quae sunt in corpore vivente sicut forma ad
materiam. Magis igitur terminus et ratio magnitudinis et augmenti est ab anima quam
ab igne.
48. Das Feuer ist nach A lbertus M agnus, De anima II, 4 : «inter omnia elementa
maxime incorporeus et spiritualis». Nach H onorius von A u t u n , Elucidarium. M igne
P. L. tom. 172, coi. 1113, ist die Natur der Engel ein «spiritualis ignis» (Hebr. I. 7 .).
Das «ewige Feuer» ist ein Symbol Christi (E phraem Syrus , Hymni et Sermones
1. c. Vol. I, p. 350).
KOMMENTAR 145
55. Vgl. B. H aneberg, Zur Erkenntnislehre von Ibn Sina und A lbertus Magnus,
Abh. der K. Bayr. Akad. der Wiss. I. C. Bd. X I, Abt. 1. München 1866, p. 9.
56. Es gibt eigentlich nach A vicenna viele solche Intelligentiae, die die einzelnen
Planetensphären beherrschen; die welche auf den Menschen einwirkt, ist die sublunare
Intelligenz. E. Gilson, Pourquoi St. Thomas 1. c. p. 38-49. Vgl. ferner allgemein
M. Grabmann: Mittelalterliche Deutung und Umbildung der aristotelischen Lehre vom
νους ποιητικός Sitzgsber. d. bayr. Akad. der Wiss. Phil.-hist. Abtl. 1936, Heft 4 passim.
57. Vgl. H aneberg a. a. O. p. 59. Vgl. ferner das AviCENNA-Citat bei P etrus
H ispanus, dem nachmaligen Papst J ohann x x i . cit. aus E. Gilson, Les sources greco-
arabes de l’augustinisme avicennisant. Archives d’histoire doctrinale et literaire etc.,
p. 106: Quintus modus (cognoscendi) est cognoscere rem per elevationem et abstrac-
tionem ipsius animae. Et de hoc modo elevationis nusquam loquitur Philosophus, sed
A vicenna de hoc modo loquitur in libro de anima ubi dicit, quod intellectus duae sunt
facies. Una est, quam habet intellectus ad virtutes inferiores secundum quod intellectus
agens recipit a possibili. Alia est quam habet intellectus per abstractionem et elevatio
nem ab omnibus condicionibus materialibus et hanc habet per relationem ad Intelligen-
tiam influentem. Et q u a n d o a n im a s ic e s t e le v a t a , Intelligentia ei multa detegit. Unde
dicit A vicenna quod recolit praeterita et praedicit futura et potest nocere per malum
oculum suum. Unde dicit A vicenna quod oculus fascinantis facit cadere caniculam
in foveam et s ic e le v a n tu r illi, q u i su n t in e c s ta s i ut r e lig io s i c o n t e m p la t iv i e t m a n ia c i
e t p h r e n e t ic i, et h o c m o d o a n im a c o g n o s c it P rim u m e t s e ip s a m p e r es se n tia m p e r r e fle
x io n e m s u i ip s iu s s u p r a se.
58. E. Gilson, Pourquoi St. Thomas 1. c. p. 58.
59- Man könnte «intellectus agens» mit «schöpferischer Sinn» übersetzen.
60. Vgl. C. G. J ung, Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge.
In J ung-Pauli, Naturerklärung und Psyche. Zürich 1952, p. 79 und 91. Dieser νους
KOMMENTAR 147
ποιητικός scheint mir derjenige westliche Begriff zu sein, der der chinesischen Idee des
«Tao» am nächsten kommt. (In der Antike wäre auch noch das Feuer H eraklits als
Parallele zu erwähnen.)
61. Nach Avicenna wäre das die «intelligentia in potentia» und «consideratio vel
cogitatio». E. Gilson, Pourquoi St. Thomas 1. c. p. 41-42.
62. E. Gilson, Pourquoi St. Thomas etc., p. 61 ff. Vgl. auch M. Grabmann, Die
mittelalterlichen Aristotelesübersetzungen etc. 1928, p. 112-113, und E. Gilson, Les
sources 1. c. p. 107. A lbertus Magnus schloß sich dann hierin nachträglich St . T homas
an (H aneberg, p. 31). Vgl. auch die Ansicht von Roger Bacon. Auch er unter
scheidet einen intellectus, der auf die Seele aktiv einwirkt und einen passiv-aufneh-
menden intellectus innerhalb der Seele. Der intellectus agens wirkt als Erleuchtung
gleichzeitig beim Aufnehmen der «species» durch den passiven Intellekt. Er fügt bei:
und alle alten Weisen und die bis heute blieben, sagten daß dies (der intellectus agens)
Gott sei. Das Resultat des Aufnehmens der Species durch den menschlichen Intellekt
und der aktiven Einwirkung Gottes schafft die s c ie n tia . Vgl. Opus Tertium cap. X X III.
ed. Brewer : Nam omnes moderni dicunt quod intellectus agens in animas nostras et
illuminans eas est p a r s a n im a e ita quod in anima sunt duae partes: agens, scii, et possi
bilis; et intellectus possibilis vocatur qui est in potentia ad scientiam et non habet eam
de se, sed quando recipit species rerum et agens influit et illuminat ipsum, tunc nascitur
scientia in eo . . . Et omnes sapientes antiqui et qui adhuc remanserunt usque ad tempora
nostra dixerunt quod fuit Deus. Vgl. M. Grabmann, Die mittelalterliche Lehre
etc. 1. c. ρ. 10.
63. ebda p. 62-63.
148 KOMMENTAR
meme qu’en vertu du concours de son intellect possible 6* avec son intel-
lect agens 6K »
Der «intellectus agens» bewirkt im A kt der Kontemplation eine Be
rührung mit der Sapientia Dei, wodurch eine Assimilierung des mensch
lichen Geistes an Gott Zustandekommen kann6 666
5
6
4 . In dieser Theorie von
7
St . T homas wird der νους ποιητικός d. h. das «absolute Wissen» partiell
dem menschlichen Wesen integriert. Diese thomistische Aufspaltung
des Nous-Begriffes bedeutet, psychologisch betrachtet, einen Bewußt
seinsfortschritt. Meistens, wenn ein unbewußter Inhalt bewußt wird,
wird er zunächst auf geteilt, d. h. ein Teil des Inhaltes tritt in Assoziation
zu dem vom Ich zentrierten Bewußtseinsfeld, der andere verbleibt im
Unbewußten und wird deshalb meistens in außerseelische Bereiche
projiziert. D er abendländische Intellekt, der in der Zeit der Scholastik
sich entwickelte, scheint auch auf diese A rt entstanden: damals wurde
ein Stück «vorbewußten Denkens» zu einer Operation des Subjektes
erklärt, der Rest verblieb vorbewußt und somit ins Nicht-Menschliche
projiziert, d. h. personifiziert im «metaphysischen» W esen der Sapientia
Dei. W ichtig ist dabei, daß dieser im außermenschlichen Bereich ver
bleibende Teil nicht mehr, wie noch bei A vicenna, ein rein männlicher
Begriff (intellectus) blieb, sondern neuerdings mit der Sapientia D ei
identifiziert wurde: er gerät, psychologisch gesprochen, in den Bereich
des archetypischen Animabildes.
Der innerseelische Teil des «intellectus agens» ist nach T homas im
stande, im Kontakt mit der Sinneserfahrung je n e ersten P rin zip ien zu
erzeugen, auf denen der Mensch das System der Wissenschaften errich
ten kann. Er kann seine Wahrheiten darum formulieren, weil er mit der
göttlichen Urwahrheit in Partizipation steht 6?\ «anima humana cognoscit
64. Der «intellectus possibilis» entspräche dem modernen Begriff des Bewußtseins.
65. Vgl. hiezu auch G. Siewerth : Die Apriorität der menschlichen Erkenntnis nach
T homas von A quin, «Aus dem Symposion». Alber-Verlag Freib.-München undatiert,
bes. p. 105-106.
66. Summa theol. Prima secundae Quaest. 3, Art. 5: Tertio idem apparet ex hoc
quod in vita contemplativa homo communicat cum superioribus scii, cum Deo et angelis,
quibus per beatitudinem assimilatur. . . Assimilatio intellectus speculativi ad Deum est
secundum unionem vel informationem. Der innerseelische intellectus agens ist nach
T homas ein Geschenk Gottes.
67. Wörtl. nach E. Gilson, Philosophie Med. a. a. O .p . 145: A partir de St . T ho
mas d ’aquin nous sommes en possession d’une lumiere naturelle, celle de Tintellect
agent. . . Comme l’intellect aristotelien eile est capable au contact de l’experience sen-
KOMMENTAR 149
sible d’engendrer les principes premiers a l’aide desquels eile construira progressivement
ensuite le Systeme de Sciences etc.
68. Summa theol. I. 84. 5. Resp. Übersetzung: «Die menschliche Seele erkennt näm
lich in d e n e w ig e n I d e e n , durch deren P a r tic ip a tio n wir Alles erkennen. Denn das
intellektuelle Licht in uns ist nichts Anderes, als eine teilhabende Ähnlichkeit am uner-
schaffenen Licht, in dem die ewigen Ideen (Archetypen) enthalten sind.»
69. Summa II. II. 171 prolog. Prophetica revelatio se extendit. . . et ad quantum
ad ea, quae proponuntur omnibus credenda, quae pertinent ad fidem et quantum ad
altiora mysteria, quae sunt perfectorum, quae pertinent ad Sapientiam. Die revelatio ist
eine «passio». De ver. 12. 7-8 und Summa I—II, 173. 2 a. Vgl. V ictor W hite
l .c .p .7 .
70. Summa, (editio Leonina.) Pars I Quaest. 64 Art. 1. Duplex est cognitio veri
tatis, una quidem quae habetur per gratiam, alia vero quae habetur per naturam. Et
ista quae habetur per gratiam est duplex: una quae est speculativa tantum sicut cum
alicui aliqua secreta divinorum revelantur, alia vero, quae est affectiva producens amo
rem Dei et haec proprie pertinet ad donum Sapientiae. Vgl. hiezu V ictor W hite,
St. Thomas' Conception of Revelation. Dominican Studies Blackfriar Publications
St. Giles-Oxford, Vol. I, Jan. 1948, No. 1, p. 5.
71. In anderem Zusammenhang unterscheidet St . T homas auch eine perfecte Pro
phetie: cum ergo aliquis cognoscit se moveri Spiritu Sancto - hoc proprie ad prophe
tiam pertinet, cum autem movetur sed non cognoscit, non est perfecta prophetia sed
quidam in stin ctu s p r o p h e t ic u s - Summa Theol. II. II. 9. 171. ad 4. Die geringere Pro
phetie geschieht: per quendam instinctum occultissimum quem nescientes humanae
mentes patiuntur, (ebda. a. 5.)
150 KOMMENTAR
72. Vgl. ferner die interessante Definition des «intellectus» bei Gundalissinus,
«De immortalitate animae» in: Beiträge zur Geschichte der Philos. im Μ. A. Bd. III
(1897) p. 35: virtus intellectiva non habet finem in operatione, non habet finem in tem
pore (was völlig mit dem «Feuer» in der Aurora coinzidiert). Vgl. auch ebda. p. 31:
Quod si dixerit quis, quia intellectus omnino non est forma nec habens formam, et
ideo impossibile est ipsum agere: respondemus quia intellectus in se ipso, in esse suo
et in specie sua, f o r m a est. Quemadmodum h u m o r cry sta llin u s aut spiritus visibilis in
esse suo formatum est et tamen ad lucem et colores quodam modo materiale - sic et
intellectus ad omnia intelligibilia quae sunt extra se. Neque agit in quantum est mate
riale, hoc modo scii, ex essentia sua, sed per formam . . .
73. Theoretische Überlegungen etc. «Von den Wurzeln des Bewußtseins» 1. c.
p. 543 fif. und C. G. J ung - W . Pauli, Naturerklärung und Psyche. 1. c. p. 67 ff.
und 78 ff.
74. In: «Von den Wurzeln des Bewußtseins», Zürich 1952, p. 497 ff.
KOMMENTAR 151
75. Man wäre demnach zunächst versucht, das Unbewußte sogar als einen nicht prin
zipiell vom Bewußtsein verschiedenen psychischen Zustand anzusehn, doch die Erfah
rung beweist, daß der Zustand der unbewußten Inhalte doch nicht ganz der gleiche ist,
wie der der bewußten. W ie J ung ausführt, werden z. B. gefühlsbetonte Complexe in
ihrer ursprünglichen Form conserviert; sie erhalten sogar den unbeeinflußbaren Zwangs
charakter eines Automatismus und schließlich nehmen sie «d u r c h S elb s ta m p lific a tz o n
einen archaisch-mythologischen Charakter und damit Numinosität an. Vorgänge im
Unbewußten pflegen sich der zugrundeliegenden Instinktform anzunähern und die den
Trieb kennzeichnenden Eigenschaften anzunehmen, nämlich Unbeeinflußbarkeit, Auto
matismus, all-or-none-reaction» etc. J ung fährt fort: «Diese Eigentümlichkeiten des
unbewußten Zustandes stehen im Gegensatz zum Verhalten der Komplexe im Bewußt
sein. Hier werden sie korrigierbar, d. h. sie verlieren ihren automatischen Charakter und
können umgestaltet werden. Sie streifen ihre mythologische Hülle ab, spitzen sich perso-
nalistisch zu und, indem sie in den im Bewußtsein stattfindenden Anpassungsproceß
hineingeraten, rationalisieren sie sich, so daß eine dialektische Auseinandersetzung mög
lich wird. Der unbewußte Zustand ist daher offenkundig doch ein anderer als der
bewußte.» (1. c. p. 539 ff.)
76. «Das Unbewußte bedeutet demnach ein anderes Medium als das Bewußtsein.
In den bewußtseinsnahen Bezirken ändert sich allerdings nicht viel, denn hier wechselt
hell und dunkel zu häufig. Es ist aber gerade diese Grenzschicht, welche für die Beant
wortung unseres großen Problems von Psyche = Bewußtsein von größtem Werte ist.
Sie zeigt uns nämlich, wie relativ der unbewußte Zustand ist, und zwar ist er der
maßen relativ, daß man sich sogar verlockt fühlt, einen Begriff wie «Unter-Bewußtsein»
zu verwenden, um den dunklen Seelenteil richtig zu charakterisieren. Ebenso relativ
ist aber auch das Bewußtsein, denn es gibt innerhalb seiner Grenzen nicht ein Bewußt
sein schlechthin, sondern eine ganze Intensitätsskala von Bewußtsein. Zwischen dem
«ich tue» und dem «ich bin mir bewußt, was ich tue» besteht nicht nur ein himmel
weiter Unterschied, sondern bisweilen sogar ein ausgesprochener Gegensatz. Es gibt
daher kein Bewußtsein, in welchem das Unbewußtsein überwiegt, wie ein Bewußtsein,
in welchem die Bewußtheit dominiert. . . So gelangen wir zu dem paradoxen Schluß,
daß es keinen Bewußtseinsinhalt gibt, der nicht in einer anderen Hinsicht unbewußt
wäre . . . » 1. c. p. 540.
77. l.c .p . 543.
noch auf höherer und höchster Stufe das Bewußtsein keine völlig inte
grierte Ganzheit, sondern vielmehr unbestimmter Erweiterung fähig 78.
Aus diesem Grunde wird der psychische Hintergrund unseres Be
wußtseins in Träumen und Visionen oft durch den Sternenhimmel, durch
ein Lichtermeer, viele leuchtende Augen auf dunklem Grund oder ähn
liche M otive symbolisiert, und auch in der alchemistischen Bildersprache
spielt dieses M otiv der Luminositäten eine wichtige Rolle, als die sog.
«scintillae» (Funken), «oculi piscium» (Fischaugen) oder bei P a r a
celsus und D orn - als der «innere Sternenhimmel 79». In der Aurora
selber tritt dasselbe M otiv als Bild von «Perlen» oder der «Planeten in
der Erde» ebenfalls später auf.
Praktisch bedeutet die Luminosität der Archetypen nichts anderes, als
daß letztere nicht nur die Formen und den Sinn unserer Instinkte dar
stellen, sondern gleichzeitig eine Art von «eigener bewußtseinsähnlicher
Intelligenz» entwickeln, die nicht mit derjenigen des Ich-Bewußtseins
koinzidiert; infolgedessen vermittelt ein im Unbewußten eines Indi
viduums konstellierter Archetypus Einfälle, Vorstellungen, Erkennt
nisse, Inspirationen, ahnungsvolles Wissen um Dinge, die es «eigent
lich» nicht wissen könnte80.
Insofern die Sapientia D ei bei den Scholastikern als die Summe der
«rationes aeternae» (ewigen Ideen) definiert ist, stellt sie, wie erwähnt,
eine weibliche Personifikation des kollektiven Unbewußten dar, und in
sofern sie die «rationes» alle in Eines zusammenfaßt, ist sie auch eine
weibliche Erscheinungsform der Imago D ei (d. i. des Selbst) in der
menschlichen Seele8l. In der Aurora aber ist diese psychische W irklich
keit nicht etwa theoretisch dargestellt, sondern unmittelbar erlebt . Das
Erscheinen der Sapientia D ei bedeutet psychologisch einen überwälti
genden Einbruch des Unbewußten, wobei der inspirierende, erleuch
tende Aspekt dieses Geschehnisses vom Autor zunächst begeistert ge
priesen wird.
78. «Man tut daher wohl daran, sich das Ichbewußtsein als von vielen kleinen Lumi
nositäten umgeben zu denken.» (1. c. p. 543.)
79. 1. c. p. 544 ff.
80. Oft ist ferner in Träumen und anderem unbewußtem Material ein Zentrum des
«inneren Sternenhimmels» dargestellt, z. B. ein «größeres Licht» unter den andern, eine
Zentralsonne etc., d i e d e m A r c h e ty p u s d e s S e lb s t e n ts p r ic h t , dem Regulationszentrum
der gesamten psychischen Vorgänge. (1. c. p. 548 ff.)
81. Vgl. auch das von J ung über die Sapientia Dei Gesagte in «Antwort auf Hiob».
Zürich 1952 passim.
KOMMENTAR 153
Text: «W ohl dem Menschen, der diese Eigenschaft findet und dem diese 83
Voraussicht (des Saturn) zufließt. Gedenke ihrer in allen deinen W egen, und
sie selbst wird deine Schritte lenken.»
Das W ort «des Saturn» ist hier vermutlich die Glosse eines späteren 84
alchemistischen Autors, die nachträglich in den gedruckten Text auf
genommen wurde. Diese Prudentia Saturni meint dasselbe wie die Sa
pientia oder Scientia, welche dem Alchemisten begegnet. Das W ort
«Saturni» deutet an, daß die Sapientia aus dem Stoff selbst (Saturn -
Blei = prima materia828) dem Autor zufließt.
3
Text: W ie S e n io r sagt: «Es wird sie (die Sapientia) aber nur der ver- 85
stehen, der weise ist und scharfsinnig und erfinderisch im Überlegen, indem
die Geister geklärt worden sind aus dem Liber aggregationis. Dann nämlich
gerät jeder Geist in Fluß und folgt seinem Begehren - selig ist, wer über
meine W orte nachdenkt!»
82. Dem Saturn ist das Blei zugeordnet, in welchem nach alchemistischer An
schauung oft das Geheimnis verborgen liegt. Im Blei, d. i. der Arkansubstanz wohnt ein
Dämon (O lympiodor, ed. Berthelot, Coli. Aich. Grecs. II. IV, 3 8 -3 9 , Vol. I, p. 9 2 - 9 3 )
oder eine Seele, welche befreit werden will. Sie ist bei Z osimos als Jungfrau dargestellt
(ebda. III, X X X IV , 1, Vol. I, p. 206 und X L II, Vol. I, p. 2 1 3 ). Auch bei dem späten
Autor H. K unrath, Von Hylealischem Chaos, 1597, p. 194 ff. ist der Mittelpunkt der
W elt «der uhralte Saturnus . . . das geheimnisreiche Blei der Weisen». Mylius , Philo
sophia Reformata, 1622, p. 142, nennt das Blei «Wasser der Weisheit». Und
J oh. Grasseus sagt (Arca Arcani, Theatr. Chem. 1659, IV, p. 314, cit. J ung, Psycho
logie und Alchemie, p. 4 6 3 ) das Blei als prima materia sei «die strahlend weiße Taube»,
welche Salz der Metalle genannt werde. «Sie ist jene keusche weise und reiche Königin
von Saba, vom weißen Schleier verhüllt, welche sich nur dem König Salomon ergeben
wollte.» W ie J ung bereits (Psychologie und Alchemie, p. 4 6 3 ) erörtert hat, dürfte
Grasseus den Aurora-Text gekannt haben.
83. De Chemia 1. c. p. 1 1 -1 2 . Vgl. Stapleton , Memoirs 1. c. p. 150.
154 KOMMENTAR
teres assimilierbar; denn nach seiner Auffassung kommt nur Gott allein
unmittelbare Schöpferkraft zu: nur Er kann potentiell Existierendes in
aktuell Existierendes überführen. Immerhin geht aber doch z. B. nach
der Auffassung des St . T h o m a s eine reale Kontinuation der Schöpfer
kraft Gottes auch durch die menschliche Seele hindurch 84 . Allerdings
schafft diese nicht so unmittelbar wie Gott, sondern als causa secunda8*
unter Zwischenschaltung spezieller Funktionen8 56, welche von der Essenz
8
4
der Seele «fließen» (fluunt ab essentia animae sicut a principio) 87 . Sie
resultieren aus der Seele in natürlicher A rt «wie die Farben aus dem
L ich t888
». Das hieße in moderne Sprache übersetzt nichts weniger, als
0
9
daß die menschliche Seele (w ie Gott) schöpferisch in die physikalisch
chemischen Naturvorgänge eingreifen könne. W enn somit der Autor
der Aurora die S e n io r s c h e «liquefactio» innerpsychisch als ein Fließen
des Geistes interpretiert, aus dem die alchemistische Metallverwandlung
resultieren soll, so ist es naheliegend, anzunehmen, daß auch er an eine
solche aus der Essenz der Seele fließende Funktion denkt, welche aktuel
les Sein mitteilen und äußere materielle Veränderung vornehmen kann.
Es gehört nämlich nach St . T h o m a s besonders zu den Eigenschaften der
Seele eines von der Sapientia Erleuchteten8?, daß ihm per virtutem D ei
auch die Materie außerhalb seines Körpers gehorche ?°. Seine Seele kann
in das physische Naturgeschehen verändernd einwirken.
84. Die Seele ist eben actus primus ordinatus ad actum secundum. Summa I, 77,
1. Resp. Näheres vgl. E. Gilson, L’esprit de la Philosophie medievale 1. c. p. 248.
85. Vgl. E. Gilson, Pourquoi St. Thomas 1. c. p. 11.
86. facultates.
87. Summa I, 77, Art. 5. und Art. 6. et Resp. Die Ansicht von W ilhelm von
A uvergne ist in dieser Hinsicht extremer: de anima III. pars. 6, wonach die Seele
direkt durch ihre einfache, gottähnliche Essenz operiert. Vgl. E. Gilson, Phil. Med.
1. c. p. 248.
88. Summa 1. c. Art. 6. und Art. 7. per aliquam naturalem resultationem . . . ut ex
luce color.
89. d. h. Propheten.
90. Quaest. Disp. S. T homae A quinatis, Lugduni ap. Rovillum. 1568. fol. 292-293.
Quaest. Duodemica De Prophetia. Art. III: Praeterea ex causis naturalibus non potest
accipi significatio super ea, quae naturaliter non fiunt, sed Astrologi accipiunt signi
ficationes super prophetiam ex motibus corporum coelestium, ergo prophetia est natu
ralis. Praeterea Philosophi in scientia naturali non determinaverunt nisi de his qua
naturaliter possunt accidere determinavit autem Avicenna in libro sexto de Naturalibus
de prophetia etc. Praeterea prophetiam non requiruntur nisi tria, scilicet claritas intelli-
gentiae et perfectio virtutis imaginativae et potestas a n im a e , ut e i m a te r ia e x t e r io r
o b o e d ia t , ut Avicenna ponit in sexto de Naturalibus, sed haec tria possunt accidere natu-
KOMMENTAR 155
raliter. - Nach thomistischer Auffassung ist aber Gott das einzige Wesen, das nicht
in aktuelles Sein und potentielles Sein zerfällt, sondern das n u r a k t u e lle s S ein u n d d i e
Q u e lle a lle s S ein s darstellt. (Vgl. hiezu Gilson a. a. O., bes. Belege p. B 237 und p. 315:
De ente et essentia: P rim u m E n s est A c tu s P u ru s, o m n ia v er o a lia e n tia co n sta n t e x
p o t e n t ia e t a ctu . . . S o lu s D e u s est su u m e s s e in o m n ib u s a u tem a liis differt essentia
rei et esse eius.) Gott ist «maxime verum» und «maxime ens» (Compendium theo
logiae cap. L X IX .) und daher auch Ursache der m a te r ia p rim a , die ihr «esse in poten
tia» von Ihm erhalten hat. Er ist dasjenige Wesen, welches ferner das aktuelle Sein
allen anderen Dingen mitteilt (Contr. Gent. II. 15.), und sie durch seine p r o v id e n tia
(vgl. diesen Begriff in der Aurora cap. I ! ) im Sein erhält. (Nihil enim dat esse nisi
inquantum est ens in actu. Deus autem conservat res in esse per suam providentiam
Contr. Gent. III. 66.) Er tut das aber nicht immer direkt, sondern auch indirekt durch
Vermittlung von anderen «causae naturales» (Neque est superfluum, si Deus per se
ipsum potest omnes effectüs naturales producere quod per quasdam alias causas pro
ducantur. Non enim hoc est insufficientia divinae virtutis sed ex immensitate bonitatis
ipsius, per quam suam similitudinem rebus communicare voluit, non solum quantum
ad hoc quod essent sed ad h o c q u o d a lio r u m c a u sa e es se n t. (Contr. Gent. III. 70.),
denen er aus Güte es verlieh, «Sein» produzieren zu dürfen. Wenn ein Ding aber zur
Ursache des Seins (causa essendi) wird, so kann es das nur, wenn es a g ie r t in n e r h a lb
d e r virtu s D e i (Kraft oder Macht Gottes). (Nihil autem est causa essendi nisi inquan
tum in virtute D e i . . . Contra Gent. III. 66.) N u r e x v irtu te d iv in a kann ein Ding einem
anderen Ding Sein geben. ( E x v irtu te ig itu r d iv in a e s t quod aliquid det esse. Contra
Gent. III. 66.) O m n e ig itu r o p e r a n s o p e r a t u r p e r v irtu tem D e i. (Contr. Gent. III. 67.)
«Deus est causa operandi omnibus operantibus». (Contra Gent. III. 67.) Solche inter
mediären «causae» im Naturgeschehen, deren Gott sich instrumentell bedient, sind
z. B. die Himmelskörper. (Vgl. L. T horndike, History of Magic etc. Vol. II a. a.
p. 607.) Ebenso besitzt nach St. Thomas die menschliche Seele jene Gabe als «causa
secunda» nach Gott zu wirken; sie teilt der Materie das «esse actuale» mit und schafft
sich so die individuelle leibseelische Einheitserscheinung; sie gibt als Form der nur
potentiä existierenden Körpermaterie den «actum essendi», und ist ihr auch deshalb
überlegen, denn das «esse in actu» ist höherstehend als das «esse in potentia». Dieses
esse in actu entsteht aber nur durch Berührung mit Gott und durch dessen Gnade und
erleuchtende Wirkung. Die Seele kann sogar auch außen materielle Effekte erzeugen.
Vgl. Forest, La structure du concret etc. 1. c.p. 267-280. Vgl. ferner über die physi
kalischen Ideen von St . T homas: G. Stanghetti, Da S. Tommaso a Max Planck. Acta
Pont. Academiae Romanae S. Thomae Aq. et Religionis Catholicae. Vol. IX , p. 53 ff.
Rom-Turin 1944 passim.
91. History of Magic etc. Vol. II, p. 723.
92. Ich citiere nach einer undatierten Inkunabel der Zentralbibliothek in Zürich
Gal. II App. 4293- Liber aggregationis seu secretorum Alberti etc. Daselbst findet sich
auch ein Druck Lugduni 1582 und von H. Quentell, Köln ca. 1485. Vgl. auch hiezu
C. G. J ung, Synchronizität, in C. G. J ung - W . Pauli, Naturerklärung und Psyche.
1. c. p. 34-35.
156 KOMMENTAR
93. quando ipsa fertur in magnum amoris excessum aut odii aut alicuius talium.
94. fertur in grandem excessum alicuius passionis invenitur experimento manifesto
quod ipse ligat res et alterat ad idem quod desiderat et diu non credidi illud.
95. inveni quod affectio animae hominis est radix maxima omnium harum rerum
seu propter grandem affectionem alteret corpus suum et altera, quae intendit sive
propter dignitatem eius oboediant ei res aliae viliores seu cum tali affectione exter
minata concurrat hora conveniens aut ordo coelestis aut alia virtus, quae quodvis faciat,
illud reputavimus tunc animam facere . . .
96. Qui ergo vult s c ir e huius rei secretum ut operetur illud et dissolvat, sciat quod
ligare potest omnis omnia quando venit in grandem excessum . . . et debet facere hoc
in illa hora, in qua invadit eum ille excessus et cum illis rebus quas sibi dictat
tunc anima.
KOMMENTAR 157
gen waltet, die besser zu jener Sache passen 97 . . . Und so ist es die Seele,
die die Sache intensiver begehrt, die die Dinge mehr wirksam und dem
ähnlicher macht, was herauskommt. Denn die Wissenschaft ist die Her
stellung der Bildzeichen (characteres) . . . In ähnlicher W eise nämlich
funktioniert die Herstellung bei allem, was die Seele mit intensivem
Wunsche begehrt. Alles nämlich, was sie auf jenes zielend treibt, hat
Bewegkraft und Wirksamkeit nach dem hin, was die Seele ersehnt^.»
A l b e r t u s kommt somit, A v ic e n n a folgend, zur Überzeugung, daß
alle M agie und okkulten Techniken (inklusive die alchemistische M etall
verwandlung) letztlich und prinzipiell aus der menschlichen Psyche zu
erklären seien und zwar, daß sie dann von ihr erzeugt werden, wenn
sich der Mensch in einer A rt von Ekstase oder Trance befindet (wir
würden sagen in einem völlig unbewußten Zustand), und daß bei sol
chen Zuständen materielle äußere Begleiterscheinungen zu beobachten
sind, wie sie uns heute hauptsächlich durch die parapsychologischen For
schungsergebnisse bekannt sind 99,
Es handelt sich, wie J u n g - der diese ALBERTUS-Stelle anführt - dar
gelegt hat I0°, um ein Phänomen, das er als Synchronizität bezeichnet hat,
d. h. um die eigenartige Tatsache, daß besonders bei der Konstellation
archetypischer unbewußter Inhalte ein nicht-psychisches Geschehen mit
dem inner seelischen Geschehen sinngem äß ko’inzidiert, ohne daß ein
Kausalzusammenhang festgestellt werden könnte. Das «magische» D en
ken der Primitiven scheint z. T. auf der Beobachtung solcher Tatsachen
zu beruhen. Es ist bemerkenswert, daß sich A l b e r t d e r G r o s s e , der
Lehrer von T h o m a s , für solche Phänomene experimentell interessierte
und sie - wie schon A v ic e n n a - mit der menschlichen Psyche, wir wür
den heute sagen, dem Unbewußten, in Verbindung brachte. D er «Her
stellung der Charaktere» entspräche nach heutiger Auffassung die
Schaffung der passenden Symbole, durch welche das Unbewußte sowohl
97. Ipsa enim anima cum sic est avida rei quam ipsa vult operari, arripit ex se
horam maiorem et meliorem quae est et super res magis convenientes ad illud . . .
9 8 . Et sic anima, quae est magis desiderans rem, ipsa facit eas magis efficaces et
magis habentes similitudinem eius quod venit; nam scientia est factio caracterum . . .
Similiter enim est operatio in omnibus quae desiderat anima forti desiderio. Omnia
enim quae tunc agit illud intendens, movent et efficaciam habent ad id, quod anima
desiderat.
99. Vgl. u. a. z. Β. J. Β. Rhine, The Reach of the Mind, New York 1947.
100. C. G. J ung und W . Pauli, Naturerklärung und Psyche. J ung, Synchronizität
als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge. Zürich 1952, p. 34 ff. und passim.
158 KOMMENTAR
106. Im 11. Traktat der Metaphysik sagt A v ic e n n a : Prophet sei derjenige: «cuius
anima fit in te llig e n t ia in e ffe c t u », d. h. dessen Seele identisch wird mit dem «intel
lectus agens».
107. A v ic e n n a , Metaphysik. Kap. V I. Noni tertium, eod. loco: « . . . et a corporibus
celestibus fiunt impressiones huius mundi propter qualitates, quae sunt ei propriae:
et ab illis fluit in hunc mundum et ab animabus etiam illorum fiunt impressiones in
animas huius mundi et ex his intentionibus scimus quod natura, quae est gubernatrix
istorum corporum, est quasi perfectio; et formae fiunt ab anima diffusa vel adjutorio eius.
108. Vgl. C. G . J u n g , Theoretische Überlegungen etc. Von den Wurzeln des Bewußt
seins, 1. c. p. 579.
109. Sie ermöglichten ihm eine Erklärung und Rechtfertigung einer «guten» Magie,
die ohne Einwirkung von Dämonen stattfinden konnte und eigentlich eine Art höherer
Naturwissenschaft darstellt. Sie beruht - in unsere Sprache übersetzt - auf der richti
gen Kenntnis der unbewußten Phänomene und deren Konstellation mit Hilfe einer
Bewußtseinseinstellung, welche dem Unbewußten die Kooperation ermöglicht. (Der
Magier oder Magister in diesem Sinn tut das, was ihm die Seele diktiert (dictat) und
mit den Mitteln und zu der Zeit, die ihm die Seele angibt. Das Befolgen der vis desi
derativa bedeutete ein dem Gefälle der psychischen Energie Folgen.)
1 1 0 . Der lat. Text zeigt folgende Varianten: quando clarificati fuerint animi ex
libro aggregationum haben M. P. die besten Handschriften, congregationem V, ex
KOMMENTAR 161
libris agnitionum B, D L. Ich nehme an, daß M und P dem Urtext am nächsten stehen
und conjiziere daher nur die Singularendung aggregation/j statt -u m , weil ich annehme,
daß der Text sich auf die Schrift dieses Titels bezieht, zumal da es sich hier tatsächlich
um eine grundsätzliche Abklärung des Problems der Alchemie handelt, wie dies inhalt
lich zu fordern wäre.
1 1 1 . Vgl. z .B . T homas von Aquin, De Malo 9 IV a 2 : die Definition, sie sei
prava desideria, quae homo invitus patitur. Vgl. ferner z. B. Augustinus, Sermo CLII. 4
Migne, P. L. tom. 38. coi. 821. und Röm. V II. 14. und I renaeus, Adv. Haeres.
1 . 2 . Kap. 2 . Migne P. G. tom. 7. coi. 959. J oh. Chrysostomus, Gen. Homil. X V . 4.
u. a. m. Die Concupiscentia ist «aliquid materiale». Näheres vgl. den Artikel «Concu-
piscence» im Dictionnaire de Theologie Catholique ed. V acant-Mangenot Paris 1911.
112. Vgl. Ε. Stapletons Erläuterungen zum arabischen Original in «Memoirs of
the Asiatic Soc. of Bengal», Vol. X II, Calcutta 1933, p. 150. Es heißt dort an jener
Stelle: Da die Praeparation schwierig, delikat, leicht, maßvoll, ungewichtig und nahe
liegend ist, erkennt sie derjenige, der erfinderisch ist, durch subtiles Unterscheiden,
wenn die Geister geklärt sind, durch die hinterlassenen Bücher, welche die Philosophen
verborgen haben, eben wegen der Praeparation, welche zu den schwierigen Dingen
gehört. . . Sie (die Tinktur oder Praeparation) wurde aber verborgen gehalten, damit
nicht jeder Geist sein Begehren erkenne.» Er «fließt», wie die Sehenden wohl sagen
würden. (Von mir übers.) lat.: . . .nec cognoscat. Omnis animus concupiscentiam suam
fluit: quod videntes dicant. Die Interpunction ist natürlich rein willkürlich. Ich ziehe
daher «cognoscat omnis» zusammen und setze ein Semikolon vor «fluit».
113. Keine «Tinktur» enthalten nach Senior diejenigen Dinge, die «zum Nichts»
streben. (D e Chemia 1 5 6 6 , p. 1 2 .)
114. Vgl. G erhard D orn, Speculativa Philosophia, Theatr. Chem. 1 6 0 2 , Bd. I,
p. 264, zit. aus C. G. J ung, Psychologie und Alchemie, p. 366: «In dieser Wahrheit
besteht die ganze Kunst, daß der Geist (spiritus) dieser Art von seinen Fesseln befreit
werde, nicht anders als wie schon gesagt der Verstand (mens) vom Körper (nämlich
moralisch) freigemacht werden soll.»
162 KOMMENTAR
118. In II, Sent. Dist. I Qu. 2 Art. 2 . Resp. und Contr. Gent. III, 19 und 2 0 .
Summa I, 2 0 , I: Unde Amor naturaliter est primus actus. Vgl. hiezu T h. Steinbuechel,
Der Zweckgedanke in der Philosophie des Thomas von Aquin. Beitr. z. Gesch. d. Philo
soph. des Mittelalters. Vol. 1 1 . 1913. passim.
119. Summa theol. Editio Leonina, tom. V I, pars I, secundae Quaest. 25, Art. 2 :
Amor . . . est prima passionum concupiscibilis . . . Amor est appetitus ad bonum . . .
Motus autem ad bonum est desiderium vel concupiscentia, quies autem in bono est
gaudium et delectatio. Vgl. ebda. Quaest. 27, Art. 1 und Quaest. 36, Art. 2 : Sed quia
concupiscentia vel cupiditas est primus affectus amoris quo maximo delectamur ut
supra dictum est. Ideo frequenter Augustinus cupiditatem vel concupiscentiam pro
Amore p onit. . . Art. 3: Die Liebe strebt nach Unitas im Sinne einer perfectio naturae. -
Psychologisch wäre hiezu einzuwenden, daß der Seele auch ein «amor mali» natürlicher
weise innezuwohnen scheint.
1 2 0 . ebda. Quaest. 27, Art. 2 : Contemplatio spiritualis pulchritudinis vel bonitatis
principium amoris spiritualis. Sic igitur cognitio est causa amoris ea ratione qua est
bonum, quod non potest amari nisi cognitum.
1 2 1 . ebda. Quaest. 26, Art. 3: Appetitivus motus circulo agitur ut dicitur in tertio
de anima . . . Unde et D ionysius dicit (de div. Nom. cap. 4) quod amor est virtus unitiva
et Philosophus dicit in II. Polit, quod unio est opus amoris.
1 2 2 . Quaest. disp. de malo I, 2 . Resp. Nec ista hyle malum dicenda est. Contra
Gent. I, 44, 4. Resp. Et una quaeque creatura intendit consequi suam perfectionem,
quae est similitudo perfectionis et bonitatis divinae. Sic ergo divina bonitas est finis
rerum omnium. (Vgl. E. G ilson, Phil. med. 1. c. p. 274-275.) Vgl. auch das Avicenna-
citat in Meister Eckhardts Kommentar zur Weisheit Salomonis (G . T hery, Le com-
mentaire usw. p. 348 aus Avicenna V III Buch des M etaph.): id vero quod desiderat
omnis res, est esse et perfectio in quantum est esse. Privacio vero in quantum est
privado non desideratur. Das Böse ist letzlich nur eine privatio boni und nur per
accidens wirklich. (Summa 1. c. Pars I, Quaest 63, Art. 4.) Es gibt keine natürliche
Neigung zum Bösen, nicht einmal bei den Dämonen. Vgl. auch Pars. I, 48, 1 . ad 1 m
und De malo 1 . 1 . Resp: Sogar eine böse Tat ist, soweit sie «actus» ist, von Gott.
Dasjenige was nämlich zuerst unsren W illen und Intellekt in Bewegung setzt, ist etwas,
das höher steht als W ille und Intellekt, nämlich Gott. (De malo 9. 6 .) Vgl. J ungs
Kritik dieser Auffassung einer «privatio boni» in «Aion», 1. c. p. 7 5 ff.
123. Vgl. zu diesem Motiv Psychologie und Alchemie 1. c. p. 5 6 6 und Myst. Coni.
Vol. I p. 98 und p. 163 ff. Die Anspielung auf das Inzestmotiv gibt auch den Bibelzitaten
164 KOMMENTAR
98 Text: Und Salomon: «Kind hänge sie um deinen Hals und schreibe sie auf
die Tafeln deines Herzens und du wirst finden. Sprich zur Weisheit: Du bist
meine Schwester und die Klugheit nenne deine Freundin!»
99 In der Beschreibung der Sapientia als Schwester und F reu nd in ist
w ohl au f das klassische alchem istische M o tiv des B ruder-Schw ester
inzestes an g esp ie lt I24. D ie G eschw ister w ären hier die Sapientia und der
A lchem ist. G ew öhnlich w urden die zitierten B ibelw orte au f M aria
bezogen.
100 Text: «Denn über sie (die Weisheit) nachzudenken ist ein völlig der Natur
entsprechendes und feines (subtiles) Wahrnehmen, das sie (die Weisheit)
zur Vollendung bringt. Und diejenigen, die ihretwillen wach bleiben, wer
den bald geborgen sein usw.. . . Denn sie geht ja selbst umher und sucht,
wer ihrer wert sei und erscheint ihm voller Freude unterwegs und eilt ihm
in aller Voraussicht entgegen. Denn ihr Anfang ist die wahrste Natur, von
der kein Betrug kommt.»
101 G em äß dieser T extp artie w ird der A lchem ist nicht nur von der Sapien
tia D ei erleuchtet, sondern gleichzeitig b ringt sein D enken sie, die
Sapientia, zur V ollen d u ng (eam p erficien s), und zw ar durch einen
«sensus valde naturalis et subtilis». D ieser B egriff d ü rfte auf denjenigen
eines «sensus naturae» von W il h e l m von A u verg n e (d en letzterer
seinerseits von A v ic e n n a h a t) I2* zurückgehen. A l b e r t u s M agnus hat
von der auf der Straße gehenden und rufenden Sapientia Dei hier eine eigenartige Fär
bung: sie tritt auf wie eine meretrix. Dies ist nicht zufällige Formulierung, denn sie
ist, wie schon aus dem Vorhergehenden hervorging, die prima materia, und diese wurde
von den Alchemisten tatsächlich u. a. als meretrix (Hure) bezeichnet. Sonst wurde auch
diese Stelle auf Maria gedeutet.
124. d. h. thomistisch gesehen als actus wirksam wird.
125. Der «sensus naturae» ist nach W il h e l m v o n A u v er g n e (De legibus cap. 27.
p. 875 ff. nach T h o r n d ik e a. a. O. Vol. II. p. 348) etwas Höheres als jedes mensch
liche Erkenntnisvermögen und steht der Prophetengabe nahe. (Vgl. auch Avicenne
perhypatetici philosophi etc. opera 1. c. cap. 4.) Er funktioniert so, wie z. B. ein Hund
Diebe findet oder die Geier Schlachten vorausahnen oder Schafe das Nahen des Wolfes
fühlen, wobei eine Assimilierung des «sensus» an sein Objekt erfolgt. (De Un. II.
pars. I. Cap. 14) Der «sensus naturae» deckt sich somit teilweise mit dem, was wir
heute als Instinkt und teilweise als unbewußte Wahrnehmung bezeichnen könnten.
Vgl. hiezu auch C. G. J u n g , Theoret. Überlegungen 1. c. Von den Wurzeln 1. c.
p. 551-556: P aracelsus ist unmittelbar von A g r ip p a v . N et t e sh e im beeinflußt, welch
letzterer eine «luminositas sensus naturae» annimmt. Davon «stiegen die Lichter der
KOMMENTAR 165
Weissagung auf die vierfüßigen Tiere, die Vögel und andere Lebewesen herunter»
und befähigten diese der Vorhersage künftiger Dinge. Für den «sensus naturae» beruft
er sich auf G u ilelm u s P a r isien sis in welchem wir W il h e l m vo n A u v er g n e (G . Al ver
nus f 1249), der um 1228 Bischof von Paris war, erkennen; er verfaßte viele Werke,
von denen z. B. A lb ertus M a g n u s beeinflußt wurde. Vom «sensus naturae» nimmt
Ersterer an, daß er ein höherer Sinn sei als das menschliche Auffassungsvermögen und
insbesondere betont er, daß die Tiere ihn auch besäßen. Die Lehre vom «sensus naturae»
entwickelt sich aus der Idee der Alles durchdringenden Weltseele, mit der sich ein
anderer G u il elm u s P a r isie n sis , ein Vorgänger des A l v e r n u s , nämlich G u il la u m e
d e C o n c h e s ( 1 0 8 0 -1 1 5 4 ) , ein platonischer Scholastiker, der in Paris lehrte, beschäf
tigt hat. Er hat die anima mundi, eben den «sensus naturae», mit dem Hl. Geiste, ähn
lich wie A b a ela r d , identifiziert. Die Weltseele stellt eben eine Naturkraft dar, die
für alle Erscheinungen des Lebens und der Psyche verantwortlich ist. W ie ich a. a. O.
gezeigt habe, ist diese Auffassung der anima mundi der alchemistischen Tradition über
haupt geläufig, insofern der Mercurius bald als anima mundi, bald als Hl. Geist
gedeutet wird.
126. Opera ed. Borgnet, Bd. 37, p. 545 flf. Omnis Sapientia a Domine Deo est et
cum illo fuit semper et est ante aevum (Eccl. I. 1 .). Quicumque ergo diliget sapientiam
apud ipsum quaerat et ab ipso petat, quia ipse dat omnibus affluenter et non impro
perat (Jac. 1 . 6 .). Ipse est enim altitudo et profunditas omnis scientiae et thesaurus
totius sapientiae: quoniam ex ipso et in ipso et per ipsum sunt omnia (Röm. X I. 36.). -
Es hat allerdings spätere gewisse Additionen z. B. ebda p. 547 ein BACON-Zitat. Vgl.
auch Bern. p. 573. Es ist schon 1350 unter den Werken A lberts angeführt. (Vgl.
L. T h o r n d ik e a. a. Ο. II, p. 571.) - Teilweise gegen die Echtheit äußert sich F. P a n e t h ,
Archiv f. Geschichte der Mathematik, d. Naturwissensch. und der Technik, ed. Schuster,
Leipzig, Bd. X II, Heft 1 , Neue Folge III, 1929 und 1 9 3 0 , p. 408-413. «Über die Schrift
A lberts d e s G rossen De Alchemia». P a n e t h gibt jedoch auf Grund von «De Mine
ralibus» und des von ihm als echt anerkannten «Tractatus de Metallis et Alchemia» zu,
daß Albert Alchimist war; gegen die Echtheit von De Alchemia hat er keine eindeu
tigen Argumente. R uska erklärt ( T a b u la S m a r a g d in a , p. 186, Fd. 1 ) diese Schrift für
unecht, ohne darauf einzugehen, desgleichen G. Sa r t o n , Introduction to the Hist, of
Science. Washington 1931, Vol. II, p. 937 ff. Genaueres vgl. U l r . D a e h n e r t , Die
Erkenntnislehre des Albertus Magnus. Leipz. 1934, p. 228-229.
127. Anspielung auf Joh. I. 5.: Et lux in tenebris lucet et tenebrae eam non com
prehenderunt . ..
128. Ut ...d ig n etu r parvitatem scientiae meae supplere per gratiam sui Spiritus
Sancti ut per meam doctrinam lu m e n q u o d in te n e b r is la t e t , manifestare valeam . . . Vgl.
ferner De rebus metall. Lib. II (ed. Cohn 1569, p. 119), wo dieselbe Geschichte wie
in der Aurora vorkommt, daß der Adamas durch Bocksblut erweicht wird, und ferner
166 KOMMENTAR
über den Einfluß der Astrologie ebda. p. 99, 201, 241, 253, 257, 274-276 und p. 351.
Auch später betont er in derselben Schrift, daß er nach langen Irrfahrten und Forschen
«nicht durch eigenes Wissen, sondern durch Gnade des Hl. Geistes fand, was er suchte,
sodaß er dann, als er wußte und verstand, w a s d i e N a tu r ü b e r w in d e , sorgfältiger über
die Destillation etc. zu wachen begann».
129. Quaest. Disp. de Veritate 1 . 2 . Resp. Vgl. auch: I p s a e a u tem re s su n t c au sa
e t m en s u ra s c ie n tia e n o stra e, u n d e sic u t et s c ie n tia n o stra r e fe r tu r a d re s r e a lit e r et n on
e c o n tra r io , ita res referuntur realiter ad scientiam Dei et non e contrario. (Quaest.
Disp. De Potentia V II, 1 0 . ad quintum.)
130. Vgl. T h om as v o n A q u in , Summa I a, 16 a, 5 und 6: «res dicuntur verae per
comparationem ad intellectum divinum». Vgl. hiezu A. F o r est , La structure meta
physique du concret selon St. Thomas d’Aquin, Paris, Vrin 1931, p. 2 1 .
131. Ich folge der Formulierung von E. G il s o n , L’esprit de la Philosophie medie-
vale, a. a. O. p. 147. Vgl. auch u. a. R oger B a c o n , Opera inedita I. S. B r e w e r , Opus
tertium X X IV , p. 82: Ut ostendam quod philosophia inutilis sit et vana, nisi prout
ad sapientiam Dei elevatur. Vgl. auch R o b er t d e G r o sse teste : De unica forma
omnium ed. L. B a u r , Beitr. zur Gesch. d. Philos. im M. A. IX , p. 109: Eo itaque
modo quo forma huius in mente huiusmodi architectoris esset forma domus, est ars,
sive sapientia sive Verbum omnium creatorum. Ipse enim simul et exemplar est et effi
ciens est in forma data conservans est dum ad ipsam applicantur et revocantur creaturae.
1 3 2 . Diese Idee ist auch bei anderen scholastischen Philosophen zu finden. So sagt
A l c u in (Migne P. L. tom. 1 0 0 . col. 271) die Wahrheit sei von Gott in die Natur hin
eingelegt worden, wo sie die Weiseren unter den Menschen finden können. W il h elm
v o n A u v er g n e identifiziert die «veritas» einer Sache mit ihrem Sein. (De universo II.
pars I. cap. 35: Veritas enim uniuscuiusque rei non est nisi vel substantia vel essentia
vel esse ipsius.)
KOMMENTAR 167
133. Vgl. auch die Deutung der Sapientia bei G u n d a l is s in u s , De divisione philo
sophiae prologus: Sapientia est veritas scientiae rerum primarum sempiternarum.
(L. B a u r , Beitr. zur Gesch. der Philosophie d. Mittelalters ed. CI. Bäumker, Bd. IV .
1903. Heft 2-3. p. 8 .)
134. Et quia veritas nihil aliud est quam adaequatio intellectus ad rem. Theatr.
Chem. Bd. V, 1 6 2 2 , p. 667.
135. Et ars eodem modo ut natura operatur, (ebda. p. 745.)
1 3 6 . Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 879: Et natura ipso artifice ministrante operatur.
137. Und zwar wirkt dabei der Sulphur als Lumen Luminum, «und er erleuchtet
alle Körper (M etalle), denn er ist ein Licht und eine Tinctur, welche jeden Körper
erleuchtet und vollendet. Und wenn der Artifex dieser Kunst dieses Licht nicht kennt,
so wandelt er gleichsam im Dunkeln und gerät auf zahlreiche Abwege, weil er sich
von der Wahrheit und Einheit dieser Wissenschaft entfernt hat». (Et illuminat omnia
corpora quoniam est lumen et tinctura illustrans et perficiens omne corpus. Et si artifex
huius magisterii hoc lumen non cognoscit, tamquam in tenebris ambulans per devia
errat propter elongationem eius a veritate et unitate huius scientiae.) - Der Sulphur ist,
wie J u n g oben ausgeführt hat, ein besonders in der späteren alchemistischen Literatur
verbreitetes Bild für das im Stoff verborgene «lumen naturale» als der Erkenntnisquelle
eines natürlichen, der Offenbarung entgegengesetzten Wissens; für die psychologische
Bedeutung weise ich daher auf seine Ausführungen.
1 3 8 . W il h e l m v o n A u v e r g n e , De Trinitate cap. 15: intellectus noster id est vis
intellectiva v is est g e n e r a t iv a et velut matrix quaedam scientiae vel sapientiae.
139. E. v. L ip p m a n n , Entstehung der Alchemie a. a. O. Bd. I, p. 58. M. B e r t h e l o t ,
La chimie au moyen-äge. Bd. I, p. 239.
140. Z o sim os , M. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. IIL X X I , 2 2 , Vol. I, p. 2 0 2 :
εκστρεψον την φύσιν καί εύρήσεις τό ζητούμενον und III. X L V I, 2 , Vol. I, p. 223: 12
rium der Philosophen ist 141. D ies bewirkt das Entstehen des «goldenen
Punktes» in der M a te rie 14*.
D am it ist auf jene psychologische F o rm innerer E rfa h ru n g angespielt,
w elche J ung als «aktive Im agination» bezeichnet h at J43, durch w elche
das Bew ußtsein einerseits die Inhalte des U nbew ußten w ahrnim m t,
andererseits durch A useinandersetzung m it ihnen diese um gestaltet und
integriert *44. In alchem istischer Sprache ist dies die E xtrak tion der «veri
tas» aus dem Stoffe durch die richtige «theoria» - jene zentrale Präokku
pation der A lchem isten, w elche Ju n g in « A io n 1^ » und «M ysterium Con-
iunctionis», V o l. I. und II., ausführlich erö rtert hat, so daß ich hier auf
seine D arstellungen verweisen m öchte. A us den dort angeführten Stel
len, besonders auch den Z itaten aus den W e rk e n G erhard D orns, geht
hervor, daß die Arkansubstanz nichts anderes als das U nbew ußte ist,
w elches durch den «richtigen M agneten » - die w irksam e symbolische
A u ffassu n g - «angezogen» w ird *46, w odurch sich eine Synthese der be
w ußten und unbew ußten Persönlichkeitsanteile anbahnt. D iese «E s
senz», w elche es zu extrahieren g ilt, ist in unserem T ext in der Sapientia
D ei personifiziert, w elche auch gleichzeitig, w ie der T e x t ausdrücklich
betont, die «verissim a natura» darstellt, «von der kein B etru g k om m t».
Ä hnlich spricht auch G erhard D orn 147 von einer «veritas», die in den
natürlichen D in g en verborgen s e i 148. D iese « W a h rh e it» sei eine «sub-
φέρε ’έ ξ ω τήν φύσιν τήν ένδον κεκρυμμένην. Der «verborgenen Natur» entspricht in
der Aurora die «verissima natura».
141. ebda. V, II, 8 , p. 340: Wenn du die innere Natur herausbringst, so hast du
das Mysterium der Philosophen erreicht. Ebenso p. 262 ff. und IV, III, II, p. 264 ff.
und II, IV, p. 92-93.
142. ebda. III, V I, p. 129: Diese im Stoff verborgene Natur ist eigentlich «die in
den Elementen gebundene göttliche Seele oder das dem Fleische ( σαρξ ) vermischte
göttliche Pneuma». (Vgl. Buch des So p h e , B e r t h e l o t , Coli.Aich.Grecs. III,X L II, V o l.I
p. 213.) Die Weltseele nannte der Neuplatoniker C elsus (W . B ou sset , Hauptprobl.
der Gnosis, Göttingen, p. 1 1 .) eine fließende Kraft ( δύναμις ρέουσα ) und der Alche
mist Z osim os (M . B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III, II, Vol. I p. 114.) eine «weibliche
Kraft» ( δύναμις θηλυκή ).
143. Theoretische Überlegungen 1. c. p. 563 ff. und Mysterium Coniunctionis Vol. II
letztes Capitel.
144. Vgl. auch C. G. J u n g s Einleitung zum «Geheimnis der Goldenen Blüte», ed.
R. W il h e l m , Berlin 1929, p. 15 ff. und p. 31 und 6 1 .
145. p. 227 ff.
146. p. 2 3 2 .
147. p. 235.
148. «Das Heilmittel, das jenes verbessert und verwandelt, welches weniger ist,
in das, was es vor der Verderbnis war, und in Besseres, und jenes das nicht ist, in
KOMMENTAR 169
das, was es sein muß.» 1. c. p. 267. Vgl. auch J u n g , Mysterium Coniunctionis Vol. II
letztes Kapitel.
149. Im menschlichen Körper ist eine gewisse metaphysische Substanz verborgen,
den Wenigsten bekannt. Sie bedarf. . . keines Heilmittels, sondern ist selber das
unverdorbene Heilmittel. 1. c. p. 271. Vgl. auch die von J ung citierten und commen-
tierten Stellen. Mysterium Coni. Vol. II p. 249 ff.
150. Aion p. 236-237. Vgl. J u n g , Myst. Coni. II p. 251 ff.
151. Myst. Coni. II p. 253 ff. bes. p. 2 6 1 ff.
152. Ähnliche Ideen wie bei den Alchemisten finden sich auch im Corpus Herme-
ticum (ed. W . Scott, Hermetica, Oxford 1925 Bd. I, pag. 158), wonach Gott alles Sicht
bare durch Imagination ( φαντασία ) hervorgebracht habe, und sich infolgedessen in
Allem manifestiere . . . : Er ist in Allem gegenwärtig und ist das Sichtbare und das
Unsichtbare, das Seiende und das Nichtseiende, das er für sich behielt». Somit ist in
der sichtbaren W elt die schöpferische φαντασία Gottes enthalten, die sich den Aus
erwählten manifestieren kann. Gott ist nämlich die wirkende Kraft ( δύναμις ενεργής )
170 KOMMENTAR
in «Psychologie und A lch em ie» bereits d argelegt, so daß ich darau f v er
weise. D ie T endenz der A lchem isten zielt näm lich, w ie er dort sagt,
darau f hin, «das G eheim nis der seelischen W a n d lu n g nicht nur im
Stoffe zu sehen, sondern auch als theoretische Richtschnur zur H e rv o r
bringung chem ischer V eränderungen zu benützen ^ 3 ». D aru m erscheint
auch in der A u ro ra die Sapientia als die Fü h rerin beim O pus (du cet
gressus tu o s ), d. h. der in den Stoff projizierte seelische In h alt w irkt zum
alchem ischen W e rk inspirierend. In den heidnischen T e x te n w ar d er
selbe In h alt als «anim a m undi» oder Physis personifiziert •54, und in der
A u ro ra w ird er nun der biblischen Sapientia D ei (u n d dem H eiligen
G eist) gleichgesetzt. Es ist aber w ohl nicht als Z u fa ll zu bewerten, daß
der A u to r dabei gerade au f diejenigen biblischen Schriften zurückgreift,
w elche säm tlich zu den spätesten P artien des A lten und N eu en T esta
m entes gehören, aus stark hellenisierten jüdischen K reisen herstam
m en l” und unbedenklich als «gnostisch» bezeichnet w erden dürfen.
in allen Dingen (ebda. p. 2 1 0 ) und Alles ist voll von Seele ( πάντα δέ πλήρη ψυχής )
und bewegt sich in vollendeter Ordnung, (ebda. p. 2 1 2 ) Ähnlich heißt es im A sklepios
(p. 3 1 0 - 3 1 2 ) : «Am Anfang war Gott und der Stoff (H yle), was auf Griechisch der
Kosmos ist und dem Stoff gesellte sich ein Hauch (spiritus) und er war in ihm drin . . .
Die Elemente aber existierten aber noch nicht.» Die Hyle wird später im selben Traktat
mit dem Spiritus Mundi oder der Natura Mundi identifiziert und besitzt eine selbstän
dige «vis procreandi». In der «K o r e K o s m o u » (ebda. p. 462. Vgl. auch IV, p. 450-451)
einer Belehrung von Isis a n H orus über die höhern Mysterien vom Wesen der Welt»
ist die «Physis» (Natur) ein schönes weibliches Wesen, das aus dem W ort des Urvaters
entstanden ist. Ihre Tochter aber ist die «Heuresis», das Finden oder Erfinden, welche
die Herrschaft über die kosmischen Mysterien inne hat. Somit ist auch hier der «Geist
des Findens der Wahrheit» gleichsam in der Natur selber drin, als ein göttliches weib
liches Wesen, das sich offenbaren muß, wenn man die Natur erkennen will.
In einem andern hermetischen Fragment (ebda. Vol. I, p. 382) heißt es, daß die
Phantasie des Menschen zwar der Illusion verfallen sei, daß sie aber durch einen «Ein
fluß» ( έπίρροια ) von Oben zu einer Spiegelung der Wahrheit gelangen kann.
153. Cit. J u n g : Psych. u. Aich. p. 405.
154. ebda. p. 4 l4 .
155. Nach E. Se l l in , Einleitung in das Alte Testament Leipz. 1935, ist der Prediger
nicht vor 300 v. Chr. anzusetzen infolge der darin enthaltenen Graecismen (p. 148),
das Hohe Lied in seiner jetzigen Fassung etwa ins 4. bis 5. Jahrh. (p. 145), auch die
Sprüche sind nachexilisch (p. 136) im 4. Jahrhundert v. Chr. entstanden; Jes. Sirach
gehört etwa in die Zeit 2 0 0 v. Chr. (p. 159) und die Weisheit Salomonis ebenfalls
etwa ins 1 . vorchristliche Jahrhundert mit nachweisbaren griechischen Einflüssen. Be
sonders interessant ist es, in diesem Zusammenhang die Auffassung der Sapientia Dei
bei P h il o v . A l e x a n d r ie n zu vergleichen, indem nämlich dieser hellenistische Philo
soph gegen Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts als Jude den Versuch unter
nahm, die griechisch-vorchristliche Idee eines weltordnenden Pneuma speziell über die
«Weisheit Salomonis» mit der alttestamentlichen Lehre zu verknüpfen. (Vgl. H. L eise -
KOMMENTAR 171
D ie P rojektion des Seelenbildes in die Physis ist näm lich ein E reig- io7
nis, das in fast allen gnostischen Systemen irgendeinen N ied ersch lag
gefunden hat, und zw ar in dem M o tiv der «gefallenen Sophia». L etztere
ist eine weibliche H ypostase der G ottheit, die in die M aterie versunken
ist. So verehrten die A n h än ger des S im o n M agus dessen G efäh rtin
H elen a als «E n n oia» des U rv aters, als «jungfräuliches P neum a» und
«A llm utter» ( Prunikos, H l. G eist u s w .), und lehrten von ihr, daß sie
in die untere W e lt hinabgestiegen sei und d ort die E n gel und A rch on ten
erzeugt habe, von denen sie d arau f verschlungen w urde. Sie sank nach
vielen leidvollen Inkarnationen sogar bis zur «m eretrix» in einem B o r
dell von Tyrus herab, aus w elchem sie durch S im o n b efreit w urde x*6. In
einer Personifikation des Unbewußten, erzählt. Es schildert, wie die Königin Anima
sich leidvoll ins menschliche Dasein hinabverirrt, veranlaßt durch die Liebe zum Gotte
Eros, dem Mediator zwischen der Götter- und Menschenwelt.
166. Vgl. Linda Fierz : Der Liebestraum des Poliphilo. Rheinverl. Zeh. 1947 passim.
KOMMENTAR 175
167. Vgl. H. Leisegang, Gnosis p. 83 ff. und p. 82. Er trat als Gott und Welterlöser
auf. Vgl. p. 65.
168. Vgl. H. Leisegang Gnosis II. Aufl., p. 65-66.
176 KOMMENTAR
169. Ed. Ruska a. a. O. p. 131. Arcanum in quo est veritatis tin c tu ra ... ρ. 119:
Regite igitur ipsum cum humore, donec natura abscondita appareat. Cf. item p. 134,
141, 149. Vgl. ebenso das «Buch der Alaune und Salze» (ed. Ruska a. a. O. p. 59),
wo der Mercurius von sich sagt: «Ich bin das ganze Arcanum, und in m ir ist d i e g e h e im e
W e is h e it v er ste c k t» ( S a p ie n tia a b s c o n d it a la t e t ) . Die Sapientia sei daher den Menschen
von Gott verliehen, um das Werk der Natur künstlich zu beschleunigen (p. 6 2 ). Auch
das Herauskehren der verborgenen Natur ist oft erwähnt (p. 309).
170. Ruska a. a. O. p. 190.
171. Sermo des Anaxagoras, Ruska a. a. O. p. 111 (lat.), p. 176 (deutsch). Ich
habe die deutsche Übersetzung etwas wörtlicher formuliert, und eine Tilgung Ruskas
wieder in den Text aufgenommen.
172. Diese Stelle: «und das Dichte der Erde» wurde von Ruska getilgt.
KOMMENTAR 177
173. Vgl. die «veritas» als «substantia caelestis naturae» bei D orn in J ung, Myste
rium Coni. Vol. II, p. 258 f.
174. din, d.h. das «Transcendentale», empirisch d. h. auch empirisch-psychologisch
Nichtfaßbare.
175. Die Unterscheidung einer natürlichen und einer übernatürlichen Quelle der
Erkenntnis ist noch subtiler ausgeführt im 7. Sermon der Turba von Locustor (vgl.
Ruska a. a. O. p. 113-179). Darnach gibt es zwei Schöpfungen, von denen die eine nur
durch den Glauben gesehen und nicht beschrieben werden kann. Dieser Glaube heißt
«pietas», ist somit das oben erwähnte Offenbarungswissen. Die unsichtbare Schöpfung
sind die Himmel. Was darunterliegt, bildet eine zweite Schöpfung, und diese kann
nur durch die ratio (natürliche Vernunft) und mit Hilfe der fünf Sinne erkannt werden.
Diese untere Schöpfung empfängt ihr Licht von der Sonne. (D ie Sonne ist in der Stoa
und im Corpus Hermeticum gemäß verbreiteter antiker Anschauung ein Bild des «mens»,
der Quelle menschlicher Intelligenz.) Das Licht der Sonne ist von besonders feiner
Natur. Die obere Schöpfung hingegen bedarf des Sonnenlichtes nicht, da sie selber noch
feiner und subtiler als dieses ist und ihr eigenes Licht von Gott empfängt. Die Erkenn-
178 KOMMENTAR
des A lchem isten b ed arf v 6. Sie enthält alle A ttrib u te der G ottheit und
ist H öchstes und Tiefstes zugleich, eine Erleuchterin, die Fü h rerin zu
G ott und zugleich ein in der M aterie (im U n b ew uß ten ) V erborgenes,
das erst durch E xtrak tion (d . h. B ew u ß tm ach u ng) erlöst w erden kann.
D ie W irk u n g , die der Einbruch dieses archetypischen Bildes auf den
A u to r ausübt, scheint zunächst diejenige einer B egeisterung oder sogar
E xaltation zu sein. Seine eigene Person in den H in tergrun d stellend,
preist er das Erlebnis in dichterischer Schönheit. E rst gegen Schluß des
K apitels deutet er an, daß auch die Einstellung des M enschen in dieser
L age w ichtig sei und subtiles N achdenken erfordere.
K O M M E N T A R Z U M Z W E IT E N K A P IT E L
A w idm et, aber es ist eine leichte V erän d eru n g des T ones faß b ar:
Text: W enn ihr also jetzt Gefallen habt an Thron und Königszepter, so
liebt das Licht der Wissenschaft, auf daß ihr ewiglich herrschet, und ergrün
det sie alle, die ihr euch in der Naturgelehrsamkeit auszeichnet: 'D enn für
euch erforscht der W eise alles Wissen der Alten, und er wird bei den Pro
pheten seine Zeit verbringen und mit dir in die Fallstricke der Gleichnisse
eindringen, das Verborgene der Weisheitssprüche erforschen und bei den
dunklen Stellen der Parabeln weilen.
barkeit alles Seienden ist somit von zwei Lichtern abhängig: das sinnlich Wahrnehm
bare vom Sonnenlicht, d. h. der natürlichen Erkenntnis, das Übersinnliche vom Lichte
Gottes. Soweit die Turba. - Man vgl. das Myst. Coni. II, p. 312 ff. von J ung über den
«mundus potentialis» Gesagte. Die unsichtbare Schöpfung entspricht dem «mundus
potentialis» bei G. D orn. In ihm herrscht die diffuse Luminosität des «absoluten
Wissens» vor.
176. Vgl. die oben zitierte AviCENNA-Stelle (Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 87 9 ):
«Virtus intrinseca est lumen luminum, tinctura illustrans . . . » Vgl. ferner E. J. Holm-
yard, Abu ’l -Qasim al-Inaqi I sis V III, 1926, p. 420: die Synonyme des Lapis: dog,
eagle, . . . poison of metals . . . lig h t, mercury of the east, son of fire . . . venom of lion . . .
sun of philosophers . . . Satan.
1. Vgl. Text weiter unten!
KOMMENTAR 179
2. Exposit. in coelest. Op. 146 BC: Quemadmodum ars poetica per fictas fabulas
allegoricasque similitudines moralem doctrinam seu physicam componit. . . ita theologia
veluti quaedam poetria sanctam scripturam fictis imaginationibus ad consultum nostri
animi et reductionem corporalibus sensibus exterioribus veluti ex quadam imperfecta
pueritia in rerum intelligibilium perfectam cognitionem. . . conformat etc. propter
humanum animum sancta Scriptura in diversis symbolis atque doctrinis contexta {e st)
etc___ Vgl. auch ibid. 147 A und Comm. in Joh. ibid. 343 B.
3. Vgl. das Mariale des A lb e r t u s ed. Borgnet. Vol. 37, p . 261: Quia ergo quid
quid scriptum reperit, ad spiritualem intelligentiam convertit. Maria allein besaß das
volle Verstehen der Hl. Schrift, ebda. p . 61. Vgl. auch A lb e r t , In Apocalypsim B. Johan
nis, Opera, ed. Borgnet, Paris 1939, Vol. 38, p. 497, wonach die Apocalypse «allego
risch» aufzufassen sei, damit das Buch nicht allzu klar wäre, sich im Volke verbreitete
und dadurch obsolet würde!
4. Nach T homas ist die Wahrheit nur «diffuse» in der Hl. Schrift enthalten
(Summa II, II 1-9, ad l ) ; die Offenbarung sei «quaedam cognitio obumbrata et
obscuratis admixta (De Verit. 12. 12). Er glaubt daher an den «spiritualis sensus» der
Schrift (Quodlibet. 7-1 6 cit. V. W hite 1. c. p. 7 und 27).
180 KOMMENTAR
Text: «W as also die Wissenschaft ist und wie sie hergestellt wird, will ich
verkündigen und nicht vor euch geheimhalten. Denn sie ist eine Gabe und
ein Sakrament Gottes und eine göttliche Sache, die von den W eisen am aller
meisten und auf Verschiedenste A rt in Bildern verhüllt wurde.»
In dieser P artie ist besonders die Bezeichnung der A lch em ie als Sakra
m ent auffallend. Sie stam m t aus den Ps.-A ristotelischen Secreta Secre
torum, wo es h eiß t: «Ich offenbare d ir deshalb unter Z eu gen anrufun g
5. Vgl. hierzu C. G. J ung, Psych. Aich. p. 320. Vgl. ferner Zosimos, B erthelot,
Coli. Aich. Grecs. II, X X V , 1. Vol. I. p. 184 und III. X X I X , 10. Vol. I. p. 200. Auch
schon D emokritos betonte, daß er keinen mythischen, sondern einen mystischen Sinn
biete (B erthelot ebda. II. I. 15 Vol. I. p. 47 ). Vgl. auch die T u r b a (Ruska p. 129):
Lapis et non Lapis quod multis nominatur nominibus ne quis ipsum agnoscat insipiens.
Vgl. auch den von der Aurora abhängigen Tractat «Aquarium Sapientum» etc. Mus.
Hermet. Frankf. 1687, p. 111: Quemadmodum inquam terrenus philosophicusque hicce
lapis una cum sua materia multa diversimodaque immo mille paene, uti dictum est,
nomina habet, inde quoque mirabilis appellatur, ita etiam hi et id genus alii supra
commemorati tituli atque nomina multo potius immo in summo gradu a Deo omni
potente et Summo Bono praedicari possunt.
6. De Chemia a. a. O. p. 54.
7. De Chemia p. 6. Vgl. auch p. 61 und 82.
8. ebda. p. 91, p. 93, p. 98 und p. 101-102.
9. ebda. p. 113. inspirata a Deo philosophis suis.
10. «Du aber, o Leser, sei lernbegierig in Gottesfurcht und du wirst das Geheimnis
und die sichtbare Wirkung dieses Steines zu sehen bekommen und ihn finden, belehrt
vom Geist des Allerhöchsten, sodaß du erkennen wirst, daß alle Weisheit von Gott
stammt und daß sie immer bei ihm war, ihm dessen Name «Herr» in Ewigkeit gesegnet
sei, der dies vor den Weisen und Klugen verbarg und den Armen im Geiste (parvulis)
eröflFnete.» (ebda. p. 121)
KOMMENTAR 181
Text: «Deshalb will ich ihre Wissenschaft ans Licht bringen und nicht 126
(an der W ahrheit) Vorbeigehen, noch will ich mit dem giftigen Neid zu tun
haben; denn von Anfang an, seit meiner Geburt, habe ich sie gesucht und
wußte nicht, daß es die Mutter aller Wissenschaften sei, die mir voranging.
Und sie hat mir unendliche W erte geschenkt, und ich habe sie ohne Falsch
gelernt und werde sie ohne Neid mitteilen und ohne ihren W ert geheim
zuhalten.»
W ie viele andere A lchem isten verspricht nun auch der V erfasser der 12 7
11. Ich benütze die Ausgabe von 1528 (Druckort Paris ?) Fol. V.
12. Dies erhellt sich, wenn man an die Worte eines etwas späteren Zeitgenossen,
Petrus B onus denkt, welcher sagte: «Und so ist die Alchemie übernatürlich und gött
lich, und in diesem Stein liegt die ganze Schwierigkeit der Alchemie, und die natürliche
Vernunft vermag nicht genügend zu erklären, weshalb dies so sein kann, und da somit
der Intellekt dies nicht fassen, noch sich selbst genügen kann, s o m u ß m an e s g la u b e n ,
w ie d i e g ö t tlic h e n W u n d e r , so wie das Fundament des christlichen Glaubens, das supra
naturam ist, von den Nichtgläubigen zuerst geglaubt werden muß, und zwar ganz und
gar, da ja ihr (der Alchemie) E n d r es u lta t ein W u n d e r is t u n d s ic h s u p r a n a tu ram v o ll
z ie h t. Daher ist dann Gott selber der alleinige Wirkende (operator), während die Natur
in ihrem Wirken passiv bleibt.» (Pretiosa Margarita Novella Kap. V I. Theatr. Chem.
1622. Bd. V. p. 648.) In diesem Sinn dürfte in der Aurora die Bezeichnung der Alche
mie als «sacramentum» zu verstehen sein.
13. p. 536 ff. Vgl. auch C. G. J ung, «Das Wandlungssymbol in der Messe» in «Von
den Wurzeln des Bewußtseins». 1953. 1. c. p. 215 ff.
14. Vgl. zum Begriff der «invidi» die T u r b a ed. Ruska pp. 122, 123, 133.
15. Man beachte, daß T homas seinen Kommentar «In Boethium» mit dem selben
Bibel citat: «Ab initio nativitatis meae» etc. beginnt.
182 KOMMENTAR
sehen W esen s m eine, verm utlich w eil er nur dadurch die V o rgän g e in
seinem Innern symbolisch ausdrücken konnte. A u f jeden F a ll deutete er
dam it an, daß d ie A lc h e m ie ih m ein p ersönliches A n lie g e n ist, dem sein
Suchen von K in d auf gegolten h a b e 161789.
T ext: Denn sie ist ein unerschöpflicher Schatz für alle, und wenn ein
Mensch ihn findet, so verbirgt er ihn und sagt in seiner Freude über den
selben: «Freue dich Jerusalem, versammelt euch ihr alle, die ihr mich liebet,
seid fröhlich in Freuden, alle, denn der Herr und Gott hat sich seiner Elen
den erbarmt.»
In dieser P artie w ird die A lch em ie durch den B ibelkontext als das
«H im m elreich » und als der verborgene «Schatz im A ck er *7 » dargestellt,
w odurch ihr dieselbe E rlösungskraft, w elche dem W e rk C hristi g leich
kom m t, zugesprochen i s t Ιδ. Sie hat näm lich ebenfalls H eilsb ed eu tu n g ,
weshalb der nachfolgende Satz au f das «befreite Jerusalem , dessen sich
der H e rr erbarm t h at», hinw eist. So w ird auch h ier w iederum deutlich,
daß die A lch em ie eine erlösend e od er b efreien d e «Einsicht durch das
* H erz» ist, w elche einerseits von der B em ü h u n g d es M en sch en , anderer
seits aber von einem G n adenakt G o ttes abhängt
Text: Auch S e n io r sagt: Es gibt nämlich einen Stein, den jeder, der ihn
kennt, über seine Augen legt und ihn beileibe nicht auf den Mist wirft; und
es ist das Heilmittel, welches die N ot vertreibt, und nach Gott besitzt der
Mensch kein besseres.
16. Er betont, daß die Alchemie «die Mutter der Wissenschaften» sei. Dies erhellt
sich z. B. durch einen Ausspruch von Hermes, der in «De Lapidis Physici Secreto»
(Theatr. Chem. 1659, Bd. IV, p. 649) citiert ist: «Wisse, mein Sohn, daß alle Weishei
ten, die auf der W elt existieren, dieser meiner Weisheit unterstellt (subditae) sind.»
Eine solche Behauptung ist insofern gültig, als die Alchemie sich eigentlich um das
«göttliche» Geheimnis der physischen Schöpfung bemüht, sodaß ihr alle anderen Natur
wissenschaften eo ipso untergeordnet sind. Insofern sie dieses Geheimnis der Schöpfung
aber eben als g ö t tlic h ansieht, beansprucht sie sogar einen ä h n lic h e n R a n g wie die Theolo
gie, und darauf wird zweifellos vom Autor der Aurora bewußt angespielt, wenn er die
Alchemie die «Mutter» aller Wissenschaften nennt - eine Bezeichnung, welche im Mit
telalter sonst allein der Theologie zukommen dürfte. - Vgl. S. B onaventura, De Reduc
tione Artium ad Theologiam. Conclusio: Patet etiam quomodo omnes cogitationes famu
lantur Theologiae.
17. Matth. X III. 44.
18. Vgl. hiezu C. G. J ung, Psychologie und Alchemie, p. 416 ff.
19. Deus pauperum suorum miseritus est (T ext).
KOMMENTAR 183
D ie Einsicht ist auch die M e d ic in a 2 0 oder der Stein, den sich (n ach
S e n i o r ) d er W issen d e auf die A u g en leg t; dies erinnert an den B egriff
des «collyrium philosophorum » (A u gen w asser der P h ilo so p h en ), eines
der zahlreichen Synonyme des «göttlichen W assers». D ank diesem «kann
m an ohne M ü h e die G eheim nisse der Philosophen sch au en 21». Dieses
sehend-m achende M ittel nennt die A u ro ra «m edicina», w ie überhaupt
das göttliche W asser o ft als φάρμακον αθανασίας oder ζφής au fg efaß t
w ir d 22. D aß nun hier das W asser in F o rm der M edicina erw ähnt ist,
h än gt unm ittelbar m it der oben erw ähnten M editation zusam m en, denn
es w urde gleichsam aus ihr erzeugt 2 3. D u rch die Z uw endung zum U n
bew ußten ist nicht nur Einsicht (das co lly riu m ), sondern auch ein leben
diger Z u strom schöpferischer Inhalte und das G efühl entstanden, m it
einem ew igen überpersönlichen Sinn in Zusam m enhang gekom m en zu
sein. D e r ichhafte Z u g tritt zurück, und der T e x t läß t w ieder m ehr die
E rschütterung und B egeisterung des A utors zum A usdruck kom m en.
D iese M edicina, h eiß t es w eiter, vertreibt alle N o t und ist nach G ott
das Beste, was der M ensch besitzt. « N o t» ist hier w iederum allgem ein
und nicht nur m ateriell zu verstehen, und der V ergleich m it G ott be
tont von neuem den religiösen W e r t jenes einsichtverleihenden Steines
und jener heilenden Erkenntnis.
So erw eist sich bei genauerer Analyse der einzelnen Satzfragm ente,
daß der scheinbar aufgelöste und w irre T e x t der A u ro ra einen fo lg e
richtigen Sinn h at und in seiner subtilen B ild erfolge ein eigenartiges,
20. Zum Begriff der Medicina vgl. J ung , Psychologie und Alchemie, p. 423.
21. So heißt es z. B. in den « A lle g o r ia e s u p e r lib r u m T u r b a e » (Artis Aurif. a. a. O.
1610 I, p. 9 0 2 ): man solle den «runden Fisch» ohne Gräte und Schuppen rösten und
dann in seinem eigenen Saft tränken und wieder kochen, «dann entsteht das Augen
wasser der Philosophen und wessen Augen damit bestrichen werden, der kann ohne
Mühe die Geheimnisse der Philosophen schauen». - Dieser Begriff findet sich schon
in der griechischen Alchemie. Vgl. B erthelot , Coli. Aich. Grecs. IV . X I X . 10. Vol. I.
p. 289. Dort ist auch die «italische Wolke für die Augen» erwähnt. Auch im O stanes-
Text verspricht der Priester, die Blinden sehend zu machen. (Coli. Aich. Grecs. IV . II.
1. Vol. I. p. 261. Vgl. auch E. v. L ippmann , Alchemie, Bd. I. p. 68.
22. Über diesen Parallelismus vgl. J ung , Psychologie und Alchemie, p. 423 und 561.
23. «Von hylealischem Chaos», p. 274, cit. aus J ung, Psychologie und Alchemie,
p. 375-37 6 . So sagt H. K unrath : «Allhier studire, meditire, schwitze, arbeite, koche . . .
so wird sich dir eröffnen eine heilsame fluet, welche aus dem Hertzen des Sons der
großen Weid entspringt», ein Wasser, «daz uns der Sohn der Großen Weid selbst gibt
und aus seinem Leib und Hertzen zu einem wahren natürlichen Aqua Vitae her-
fürröret. . . » 13
aber durchaus faßbares B ild jener Sapientia D ei als eines U rim pulses zur
Erkenntnis des alchem istischen Geheim nisses, d. h. des U nbew ußten,
entw irft.
K O M M E N T A R Z U M D R IT T E N K A P IT E L
N aturw issenschaft nicht fü r die «sim plices» da sei, sondern nur fü r sol
che M enschen, w elche weise und subtil denken können.
Text: « . . . denn wer mit einem Toren redet, der redet mit einem Schlafen
den. Morienus sagt nämlich: W enn ich alles enträtseln wollte, wie es sich
wirklich verhält, dann wäre nirgends mehr Raum für die Klugheit, denti der
Dumme wäre dem Weisen gleichgestellt, und kein Sterblicher unter dem
Kreis des Mondes würde, wenn ihn die Armut stiefmütterlich behandelte,
mehr die Qual seines Hungers beweinen.»
stultis cum sapientibus et vulgo cum electis usw. u. ibidem 334 b: honor Dei est abscon
dere rem. Vgl. auch zum Beweis, daß T homas die symbolische Interpretation anerkannte,
seine eigenen Umdeutungen in der Summa theol. Editio Leonina, Pars I. 66. Art. 1.
und Pars I. 68. Art. 2.
5 . B erthelot. Coli. Aich. Grecs. IV . X X . 15. Vol. I. p. 296.
6. Vgl. über die Gefahr, daß habgierige Fürsten die Sache an sich reißen wollen,
den L i b e r A lz e d e L a p i d e P h ilo s o p h ic o , in Musaeum Hermeticum, Frkf. 1687 p. 331.
7. Vgl. J ung, Psychologie und Alchemie 1. c. p. 372 und weitere Belege daselbst.
Nach K norr von Rosenroths Kabbala denudata Vol. II. p. 251 verwandeln zwei Trä
nen Gottes, die ins Meer der Weisheit fallen, dessen Bitternis in Süße.
186 KOMMENTAR
K O M M E N T A R Z U M V IE R T E N K A P IT E L
EXT: Der Titel dieses Buches wurde «die auf steigende Morgenröte» ge
tauft und zwar aus vier Gründen: 1 . heißt Morgenröte (aurora) gleich
sam «goldene Stunde» (aurea h o ra ); und so hat auch diese Wissenschaft eine
günstige Stunde zu einem goldenen Ziel für diejenigen, die das Opus richtig
bewerkstelligen. 2 . ist die Morgenröte das Mittlere zwischen Nacht und Tag,
und sie leuchtet in zwei Farben, nämlich Gelb und Rot, und ebenso erzeugt
auch diese Wissenschaft die gelbe und rote Farbe, welche die mittleren sind
zwischen Schwarz und W eiß.
Text: Drittens (heißt das Buch so) weil in der Morgenröte die Kranken
von allen nächtlichen Leiden erleichtert werden und einschlafen, so ver
schwinden und verduften auch in der Morgenröte dieser Wissenschaft alle
üblen Gerüche und Dämpfe, die den Geist des Laborierenden infizieren, wie
KOMMENTAR 187
es im Psalm heißt: Den Abend lang währt das W einen, aber des Morgens ist
Freude. Viertens und letztens bedeutet die Morgenröte das Ende der N acht
und den Anfang des Tages oder die Mutter der Sonne . . .
D ie M orgen röte ist die «M u tter der Sonne» (Sonne = G o l d ) ; sie v er
treibt die w interliche N a ch t und alle bösen D äm p fe, die den G eist des
A lchem isten infizieren, «die schauerlichen Finsternisse unseres G eistes»,
wie es später im Z itat aus dem Pfingstlied des N otker B a l b u l u s h e iß t1.
Ä hnlich w urde von den K irch en vätern die Ecclesia gepriesen als der
«M ond , der alle w interlichen W o lk en w eggescheucht h a t 2345» . U n d A n a
s t a s iu s v o m S i n a i sagt 3: «D as Leben v erlief bisher in den tiefen F in
sternissen der nächtlichen und nebligen G ottlosigkeit, bevor Christus, die
Sonne der G erechtigkeit auf g in g , m it seiner G attin L una, d. h. der E ccle
sia.» N a ch H o n o r iu s von A u t u n hat Satan m it seinem Schwanz im
Sturze einen T eil der Sterne hinabgerissen und m it dem N ebel der Sünde
bedeckt, bis die Sonne - Christus - sie w ieder rettete 4 . A u ch S e n i o r
spricht von den «tenebrae anim ae» als der m ateria nigredinis und deutet
sie als terrestreütas m ala (schlechte Irdischkeit) *. D e r V ergleich solcher
Stellen zeigt deutlich den «m oralischen» A spekt der im T e x t erw ähnten
«odores» und «vapores m ali».
N ich t zitiert w ird in diesem K ap itel die unm ittelbare V o rlage zur
Bezeichnung der Sapientia als «A u ro ra» im H oh en Liede, w orin es von
der B rau t Salomons h e iß t6: « W e r ist diese, die d ort h ervortritt, gleich
der auf steigenden M orgenröte (au ro ra co n su rg en s), schön w ie der
M ond, auserlesen w ie die Sonne, schrecklich w ie die H eersch aren ?»,
aber diese A nspielung findet sich d afü r im folgenden K ap itel der
A u rora, w o steht: «D as ist die W eish eit, das h eiß t die K ön ig in des Süd
1. Text p. 19. Vgl. auch Ephraem Syrus, Hymni et Sermones, ed. Th. Lamy, Bd. I,
p. 94: Baptismo et intellectu unio fit duorum luminum. Ista lumina ditissimos emittunt
radios et caligo a mente removetur. Tunc anima nitida contemplatur absconditum gloriae
Christum . . .
2 . M ethodius v . Philippi, Symposion V III, 5. cit. Hugo Rahner. Mysterium
Lunae, Zeitschrift f. Kath. Theol. Jahr 63 (1939) p. 339.
3. Anogogica Contemplatio in Hexaemeron 4. cit. ebda. p. 347.
4. Speculum de myst. Eccles. P. L. tom. 172, coi. 937.
5 . De Chemia a. a. O. p. 40. Vgl. auch Asclepius Latinus, Corpus Hermeticum ed.
W . Scott, a. a. O. Bd. I, p. 370: Pater . . . hominem sola intelligentia mentis illuminans,
qui discussis ab animo errorum tenebris et veritatis claritate percepta toto se sensu intel-
ligentiae divinae commiscet.
6. Cant. Cant. VI. 9.
188 KOMMENTAR
8. Expos, mor. Lib. X X V III in tricesimum cap. Job I 925 1: Quid est enim locus
aurorae nisi perfecta claritas visionis internae ?
9. In Cant. Cant. Sermo X X I I I cap. 15 (De diligendo D eo).
10. So sagt z. B. G u n d a l i s s i n u s De anima: Si enim sapientia a sapore dicta est,
sapor autem rei non sentitur, nisi cum ipsa res gustatur, gustetur autem cum ad horam
gustu tangitur, profecto sola intelligentia sapientia perficitur, quia ea sola et ra ra h o r a
e t p a r v a m o r a Deus utique sentitur. . . Ita sola intelligentia Deus gustari dicitur, quia
ex omnibus viribus animae ea sola in praesenti et in futuro quasi nullo mediante tangi
tur. Hic tamen proprie gustamus ubi ad horam intelligendo ra p tim de Deo aliquid
sentimus. Ibi vero satiabimur ubi eo sine fine perfruemur. Vgl. A. L o e w e n t h a l
P s e u d o - A r i s t o t e l e s , Über die Seele. Eine psychol. Schrift und ihre Beziehungen zu
Salomo ibn G a b i r o l ( A v i c e b r o n ) . Berlin 1891. p. 124-125. cit. E. G i l s o n . Les
sources greco-arabes de l’augustinisme avicennisant avec une edition critique du «de
intellectu» d ’A L F A R A B i. Archives d’histoire doctrinale et litteraire du moyen-äge tom. 4.
1929. p. 90-91. Note.
KOMMENTAR 189
w ird M orgen dann, w enn sie sich in der Sapientia D ei erkennt und zur
Liebe G ottes zu rü ck k eh rt11!
D e r O sten oder O rien t, in w elchem die M o rgen rö te erscheint, gehö rt
nun in unserem T e x t gleichzeitig in einen alchem istischen Sinnzusam
m enhang, denn der O rien t bedeutete alchem istisch «B lu t und L e b e n I21345» .
Schon bei den byzantinisch-griechischen A lchem isten spielte die Z u o rd
n ung der Stoffe und F arb en zu den H im m elsrichtungen eine gewisse
R olle. So sprechen die technischen T rak tate der G riechen und A rab er o ft
kurzerhand von einem orientalischen Quecksilber (υδράργυρος ανατο
λική) Σ3 , und bei O lympiodor (E n d e 6 . Jah rh u n d ert J4) h eiß t e s « S i e
teilten dem N o rd en die N ig re d o zu, dem Sonnenaufgang die A lbedo,
die w eiße Substanz, das h eiß t das S i l b e r . . . denn es sagt H ermes . . .
m an habe dem O sten die w eiße Substanz zugeteilt, indem sie (d ie Philo
sophen) den A n fa n g des W erk es dem A n fa n g des T ag es zuordneten,
w enn die Sonne über der E rd e a u fg e h t16. M erk auch au f A p o ix o , w el
cher sagt: ,Sieh, (d ie E rd e ) w ird fü r das V erfah ren in d er M orgen rö te
g en o m m en / Dieses ,in der M orgen rö te' h eiß t deutlich ,vo r Sonnenauf
gang' und ist der U ra n fa n g des ganzen W erk es v or der A lb ed o .» D as
11. De civit. Dei liber X I cap. V II: Quoniam scientia creaturae in comparatione
scientiae Creatoris quodammodo vesperacit: itemque lucescit et mane fit, cum et ipsa
refertur ad laudem dilectionemque Creatoris nec in noctem vergitur ubi non Creator
creaturae dilectione relinquitur. . . Cognitio quippe creature in se ipsa decoloratior est,
ut ita dicam q u a m cu m in D e i S a p ie n tia velut in arte in qua facta est. Ideo vespera
congruentius quam nox dici potest, quae tamen, ut dixi, cum ad laudandum et aman
dum refertur Creatorem recurrit in Mane. Et hoc cum facit in c o g n it io n e s u i ip s iu s d ie s
u n u s est cum in cognitione firmamenti. . . dies secundus . . . terrae et maris omniumque
gignentium quae radicibus confirmata sunt terrae, tertius . . . et ipsius hominis dies
sextus. Vgl. hiezu C. G. J u n g , Symbolik des Geistes, 1. c. ρ. 146 sq.
12. So heißt es in einem «Opusculum authoris ignoti» (Artis Aurif. 1610, Bd. 1,
p. 250: «Nimm den über dem Meere schwebenden Stein . . . und töte mit ihm das Leben
dige und belebe mit ihm das Tote, und er besitzt Tod und Leben in sich, und dieses
und jenes aus dem Orient und dem Okzident. . . In ihm sind zwei Gegensätze: Wasser
und Feuer, und dieses belebt jenes, und jenes tötet dieses . . . Und nachher wird
die o r ie n ta lis c h e R ö te erscheinen und die R ö te d e s B lu t e s .»
13. Vgl. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. V, II 7. Vol. I. p. 339 und B erthelot, La
Chime au Μ. A. III p. 207 und 209, Le Livre du Mercure Oriental X .
14. Vgl. E. v . L i p p m a n n , Alchemie a. a. Ο. II p. 10.
15. Über die heilige Kunst, M. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs, II. IV 31. Vol. I, p. 88.
16. Auch in der «Kore Kosmou» ( I s is an H o r u s ) empfängt I s is (oder H e r m e s ?) die
Gnosis der kosmischen höheren Mysterien, welche er später bei den «Geheimnissen des
O s ir is » niederlegte, bei S o n n e n a u fg a n g . ( S c o t t , Hermetica a. a. O. Bd. 1, p. 460. (Ich
behalte die Lesung: τ ή ς α ν α τ ο λ ή ς γ ε ν ο μ έ ν η ς von P a t r i c i u s bei.)
190 KOMMENTAR
führungen diese Symbole nur ein allegorisches «B ild » sind, haben sie in
der A u ro ra einen viel tiefer in die konkrete W irk lich k eit hinabreichen
den Sinn. D ie B efreiu n g der in der N a ch t leidenden K ran k en ist in
unserem T e x t sow ohl psychisch als auch physisch g e m e in t 2* und spielt
von neuem au f die Eigen sch aft des Lapis als M edicina an, und die üblen
D äm p fe und G erüche, w elche den Laboranten infizieren, sind sowohl
seelisch als auch physisch aufzufassen. Psychisch symbolisieren sie die
V erg iftu n g durch seelenschädigende K o ll e k ti v m e in u n g e n u n d v er
drängte Inhalte.
T ext: . . . so ist die Morgenröte im Höhepunkt der Rötung das Ende aller 14 7
Finsternis und die Vertreibung der Nacht, jener winterlichen Dauer, in der
einer, wenn er darin wandelt und sich nicht in acht nimmt, anstoßen wird.
Von ihr heißt es in der Schrift: Und eine N acht tut die Wissenschaft kund
der andern, und ein Tag sagt das W o rt dem andern, und die N acht wird
lichthell wie der Tag in ihrer W onne.
D ieses Z itat aus Jo h . X I , 9-10, weist w ieder in erster Linie au f den 148
m oralischen H in tergrun d des O pus hin: die lange lichtlose W in tern ach t,
in w elcher der Lab oran t «an stöß t», d. h. stolpert, ist noch einm al ein
H inw eis auf die oben erw ähnte «afflictio anim ae», w elche zu B eginn
des W erk es dom iniert, und dieser erste H inw eis ist kom positioneil als
eine V orb ereitu n g auf das folgende sechste K ap itel, d. h. die erste P a ra
bel «V on der schwarzen E rd e usw .» anzusehen. F ast raffiniert deutet
näm lich der A u to r in diesem K ap itel, das dem B ild der A u ro ra gew id
m et ist, die kom m enden Peripetien des O pus an, w obei er am Schluß
des K apitels zum ersten M al au f die kom m ende G eburt der neuen Sonne
hinw eist. Sein zuletzt angeführtes Z ita t näm lich aus Ps. C X X X V I I I , 1 2 ,
w ird auch im M eßbuch zitiert, w o es im E xu ltet bei der W e ih u n g der
O sterkerze h e iß t 2
4526: «O w ahrhaft selige N ach t, die allein gew ürdigt w o r
den Z eit und Stunde zu erfah ren , da Christus vom R eiche der T o ten
24. Die «Nacht» gilt in der Patristischen Literatur auch als Bild des Antichrist.
Vgl. Honorius von Autun, Expos, in Cant. Cant. Migne P. L. tom. 172 col. 472. Vgl.
auch derselbe col. 451: Sicut enim aurora surgens tenebras noctis depellit, solem mundo
inducit, sic Ecclesia nascens tenebras ignorantiae reppulit et solem mundo dictis et
exemplis induxit.
25. Vgl. C. G. J ung, Myster. Coni. Vol. I p. 177.
26 . Ausgabe von A. Schott, ρ. 295.
192 KOMMENTAR
erstanden! D ies ist die N ach t, von der geschrieben steht: D ie N a ch t w ird
lichthell wie der T a g , und die N a ch t ist m eine Leuchte bei m einer
W o n n e (in deliciis m e is ).» D am it ist die O sternacht, die N a ch t der
A ufersteh u n g Christi gem eint 27.
D u rch einen solchen H inw eis au f den T e x t des O ster-E xu ltet deutet
der A u tor fast unm erklich an, daß es sich beim nachfolgenden O pus um
ein eigentliches Wiedergeburtsmysterium handelt, und daß die «neue
G eburt» eine G estalt ist, die er sogar dem auf erstandenen Christus p aral
lel setzt. D am it ist ein Parallelism us angedeutet, der später noch viel
klarer zutage treten soll. Z u m ersten M al geht hier auch die Symbolik
über die B egegn u n g m it der A n im a (Sap ien tia) hinaus - in der A n d eu
tung des A uferstehungsm ysterium s einer m ännlichen G estalt.
K O M M E N T A R Z U M F Ü N F T E N K A P IT E L
Text: «Ruft also nicht die Weisheit öffentlich am Wege und läßt nicht die
Klugheit sich hören in den Büchern der Weisen, indem sie sagt: Oh ihr Män
ner, ich schreie zu euch und rufe zu den Söhnen des Verstehens: merkt ihr
Unwissenden und nehmt zu Herzen die Parabel und ihre Deutung, die Worte
der Weisen und ihre Rätsel. Die Weisen haben nämlich verschiedene Aus
drücke gebraucht in Angleichung an alle Dinge auf Erden und haben unter
dem Kreise des Mondes die Parabeln vermehrt in dieser Wissenschaft...»
27. Im selben Exultet heißt es weiter (ebda. p. 295) «Es freue sich auch die Erde
bestrahlt von solch himmlischem Schimmer! vom Lichtglanz des ewigen Königs um
flossen fühle sie, daß sie die Finsternis verloren, die auf ihrem Umkreis lastete. Es freue
sich auch die Mutter Kirche, geschmückt mit dem Glanze solchen Lichtes.»
1. Werbeschrift, Ermunterung.
KOMMENTAR 193
Text: Das ist die Weisheit, d. h. die Königin des Südwindes, welche von 153
Sonnenaufgang gekommen sein soll, gleich der aufsteigenden Morgenröte,
um die Weisheit S a l o m o n s zu hören und zu begreifen und auch zu sehen,
und es ruht in ihrer Hand Macht, Ehre, Kraft und Herrschaft. Und sie trägt
eine Königskrone aus den Strahlen von 12 leuchtenden Sternen auf ihrem
Haupt, wie eine Braut, die für ihren Bräutigam geschmückt ist. Und auf ihren
Gewändern hat sie eine goldene Inschrift. . . : Als Königin werde ich herr
schen, und meines Reichtums ist kein Ende, für alle, die mich finden und
scharfsinnig erforschen mit Erfindungsgeist und Beharrlichkeit.
In dieser E n d partie des fü n ften K apitels scheint zunächst ein gewis- 154
2. Ähnlich lautet ein LiuuM-Zitat bei P etrus B onus: «Von unserem Stein gibt es
so viele Namen, als es Dinge gibt oder Bezeichnungen von Dingen.» Pretiosa Margarita
Novella, ed. Lacinius, Venedig a. a. O. p. 54.
3. Vgl. z. B. G undalissimus, De immortalitate animae, ed. G. Bülow, Beitr. zur
Gesch. der Philosophie des Mittelalters. Bd. II. Heft 3. Münster. 1897. p. 23: Omnis
enim locus sub coelo lunari est generationis et corruptionis, quoniam locus est confiictüs
et actionis et passionis, ex quibus sunt generatio et corruptio universaliter.
4. Vgl. J ung, Psychol. und Alchemie. 1. c. p. 441.
194 KOMMENTAR
heit Salom ons, also m enschliche W eish eit hören, und sie sucht w ohl
dem nach auch ihren B räutigam u n ter den auf E rd en lebenden M e n
schen. Sicher ist der A u to r derjenige, d er sie suchte, um von ihr erleuch
tet zu w erden, aber ist er nicht auch derjenige, den sie als ihren sponsus
sucht und liebt? D iese F ra g e scheint zunächst nicht eindeutig beantw or
tet, doch w ird sich diese V erm utu n g im N ach fo lg en d en bestätigen.
A n sich ist diese Schlußpartie ein g roß artiges B ild der als Sapientia
personifizierten W eltseele, ein B ild, das durch eine seltsam e V erm i
schung zahlreicher biblischer Frauengestalten entstanden ist:
Z u erst ist sie w iederum m it der «regina austri», der K ö n ig in von
Saba, gleichgesetzt, w elche die W eish eit Salomons «hören, begreifen
und auch sehen» w ollte, w om it w ohl auf das konkrete Resultat des Opus
hingewiesen w erden soll, w ie ja auch andere A lchem isten versichern,
den lapis «gesehen und betastet» zu haben (vid i et p alp av i) L D ies w ird
betont, um dem M ißverständnis zu begegnen, es handle sich u m eine
bloße A llegorie.
V o n der K ö n ig in von Saba gleitet die V orstellu n g des V erfassers als
bald w eiter zu dem B ild des vom D rach en v erfolg ten apokalyptischen
W eibes, das m it zw ölf Sternen gekrönt i s t 5
68;7und dann zu dem des h im m
lischen Jerusalem , welches vom H im m el h erab fäh rt, «geschm ückt w ie
eine B raut fü r ihren Bräutigam 7». D ie «g roß e F ra u » (γύνη μεγάλη) der
A pokalypse ist in der A lleg o rik der K irch en väter als ein B ild der K irch e
au fgefaß t w orden, w elche eine «selbständige K ra ft» (δύναμις καθ’έαυτήν)
eine ideelle H ypostase einer die N a tu r durchw altenden « K ra ft zur E r
leuchtung» ή παρορμωμένη φωτίζεσθαι δύναμις8 darstellt. Sie g ilt auch,
w eil sie auf dem M ond e steht, als ein Symbol der E rhabenheit über alles
V eränderliche, über erdhaften Z e rfa ll und über das «R eich der G eister
dieser L u ft» . E in e besonders unserem T e x t nahestehende und w ichtige
5. Rosarium philos. Artis Aurif. a. a. O. 1610 II p. 133 . . . quae vidi propriis oculis
et manibus meis palpavi.
6. Apoc. X II. 1.
7. Apoc. X X I . 2.
8. M ethodius von P hilippi Symposion, V III 4 und 5. cit. aus H. R ahner, Myste
rium Lunae, Ztschr. f. kath. Theol. 63. Jahrg. 1939, p. 338-339. Derselbe Autor sagt
auch (ebda. Jahr 64, 1940, p. 72 und p. 126) «Sie stehe auf dem Mond wie der Getaufte
auf dem Glauben. Es steht also die Kirche - und Selene ist darin andeutendes Vorbild -
auf unserem Glauben und auf unserer Kindesannahme, und solange bis die Fülle der
Völker heimgekehrt ist, liegt sie in mütterlichen Wehen und schafft gebärend die Psy-
chiker um zu Pneumatikern. Aus diesem Grund ist sie eine wahre Mutter.»
KOMMENTAR 195
9. Da ich mir kein Exemplar der Concordia verschaffen konnte, zitiere ich aus der
Textbeilage von Chr. H ahn, Geschichte der Ketzer im Mittelalter. Stuttgart 1850,
Bd. III. p. 297. Concord. V.
10. Der Hl. Geist hat sieben Gaben oder «munera» (Funktionen).
11. Vgl. F ranz B oll, A us der Offenbarung Johannis. Hellenistische Studien zum
Weltbild der Apokalypse, Teubner 1914, p. 100 ff.
196 KOMMENTAR
12. Vgl. auch A lanus de I nsulis, der die Natur folgendermaßen anruft: De planctu
nat. 447 c: pax, amor, virtus, regimen, potestas, ordo, lex, finis, via, dux, origo, vita, lux,
splendor, species, figura, regula mundi! (Migne P. L. tom. 210. coi. 447 c.)
13. Litt, encycl. Pii. Papae X II. Ad Caeli Reginam. 1. Nov. 1954 aus LOsservatore
Romano, Domenica, 24 Ott. 1954 und nach der vorläufigen Uebersetzung in der
«Schweizerischen Kirchenzeitung» vom 25. Nov. 1954.
14. Über die Bedeutung dieses Motivs vgl. J ung : Antwort auf Hiob, passim.
15. Näheres vgl. J ung, Psychologie der Übertragung. 1. c. p. 91, 94 ff. und
bes. p. 108 ff.
16. Vgl. ebda. p. 159 ff.
KOMMENTAR 197
des T extes zeigte, eine tiefe E rschütterung bewirken l7. E r ist dadurch
aus seinem gew öhnlichen R ahm en herausgehoben und selber zu symbo
lischer Bedeutung erhöht w o rd e n 17181920; denn die Coniunctio m eint eigent
lich, wie J ung sagt, eine «transsubjektive V ereinigung archetypischer
G estalten *9», eine Beziehung, w elche die V ollen d u ng der Individuation
zum Z iele hat 2°. O bw ohl - von solchen Ü berlegungen ausgehend - die
Identifikation des A lchem isten m it dem göttlichen Sohngeliebten der
Sapientia eine gefäh rlich e Situation zu sein sch e in t2I, so ist sie doch für
einen m ittelalterlichen M enschen w ohl eine N otw endigkeit auf seinem
W e g e zur Individuation gewesen, weil sonst das «M ysterium Coniunc-
tionis» au f die G estalten der Ecclesia-Christus oder M aria-C hristus fü r
im m er im außerindividuellen B ereich projiziert geblieben w äre. D am it
aber könnte die neue innere G eburt, die m it dieser V erein igu n g offen
bar gem eint ist, d. h. die G eburt des Lapis, eines neuen Symbols des
Selbst (das über Christus h in au sg eh t), nicht stattgefunden haben. W ie
J ung in «A ion » gezeigt h a t 2223, stellt näm lich Christus psychologisch
gesehen nur den lichten positiven A spekt der G anzheit, d. h. des Selbst
d ar; ihm feh lt der Schatten, der dunkle G egenpol, dessen Existenz aller
dings in der V oraussage des kom m enden A ntichrist geahnt w urde. D a
m it bleibt aber das christliche Symbol des Selbst (C h ristu s) der w irk
lichen irdischen R ealität des einzelnen M enschen entrückt. D a s alche-
m istische Sym bol des Selbst h in g eg en , der Lapis, b eg reift d en lich ten
u n d d u n k len A s p e k t der m en schlichen G a n zh eit paradoxerw eise ein.
D eshalb bildet die A lchem ie eine kom pensatorische (n ich t kontrastie
ren d e) U n terström u n g zu den christlichen V orstellungen 23 .
17. Vgl. auch bes. p. 111-112 über die Bedeutung der Projektion des göttlichen
Numens in den Stoff als eine Annäherung an den Menschen.
18. Vgl. ebda. p. 145.
19. cit. ebda. p. 160.
20. Vgl. ebda. p. 160.
21. Vgl. ebda. p. 164 ff.
22. 1. c. passim.
23. Vgl. J ung, Psychologie und Alchemie. Einleitung.
198 KOMMENTAR
24. F. B oll , Die Offenb. Johannis, a. a. O. p. 39- - In der Citierung dieser Partie
der Aurora im Rosarium ist der Text etwas abgewandelt (Artis Aurif. 1610, Teil II,
p. 193. Ich citiere die Übersetzung von J ung in Psych. u. Aich. p. 5 1 3 -5 1 4 ): «Diese
(sapientia) ist meine Tochter, um derentwillen gesagt ist, daß die Königin des Südens
aus dem Osten gekommen sei, wie die aufsteigende Morgenröte, um zu hören, zu ver
stehen und um zu sehen die Weisheit Salomonis, und in ihre Hand ist gegeben Macht,
Ehre, Kraft und Herrschaft, und sie trägt die königliche Krone der strahlenfunkelnden
sieben Sterne gleich einer für ihren Mann geschmückten Braut, und ihr Gewand ist
beschrieben mit goldenen griechischen, arabischen und lateinischen Buchstaben: ,Ich
bin die einzige Tochter der Weisen, den Dummen ganz und gar unbekannt’.» J ung
sagt dazu (Psych. u. Aich. p. 514 ff.) «Im Urtext sind es statt sieben zwölf Sterne. Die
sieben beziehen sich offenbar auf die sieben Sterne in der Hand des apokalyptischen
similis filio hominis (Apok. I, 13 und II 2 ). Die sieben Sterne stellen in der Apokalypse
die sieben Engel der sieben Gemeinden und die sieben Geister Gottes dar. Das histo
rische sous-entendu der Sieben ist die uralte Gesellschaft der sieben Götter, welche in
die sieben Metalle der Alchemie übergegangen sind . . . Der Urtext hat, wie gesagt,
zwölf Sterne, die sich auf die zwölf Jünger und die zwölf Zodia beziehen. . . In der
zweiten Homilie des Clemens wird bemerkt, daß die Zahl der Apostel der der zwölf
Monate entspreche. Im manichäischen System konstruiert der Erlöser ein kosmisches
Schöpfrad mit zwölf Krügen (den Zodiakus, das zur Emporhebung der Seelen dient.
Dieses Rad steht in einem sinngemäßen Zusammenhang mit der rota, dem opus circu
latorium der Alchemie, welches den gleichen Zweck, nämlich den der Sublima
tion, h a t. . . »
25. Apok. X II. 14.
26. Schluß der fünften Parabel.
KOMMENTAR 199
au f die sieben Planeten und die ihnen zugehörigen sieben M etalle oder
M etallgeister als der sogenannten «A rk an e» = G ru n d p fe ile r 28 des O pus
zu v ersteh en 2*. In der kirchlichen Symbolik ist die Sieben bedeutsam als
Z ah l der Schöpfungstage (das O pus im itiert ja die S ch ö p fu n g ). D iese
27. Vgl. Senior, De Chemia, p. 53. Et hoc voluerunt (philosophi), quod typice
protulerunt memorando planetas septem et signa duodecim et naturas eorum et colores
et quidquid in eis est. Vgl. J. R uska, Tabula Smaragdina a. a. O., p. 110.
28. Vgl. E. v. L ippmann . Alchemie 1. c. II. p. 44. Vgl. ferner 2 . B. Aquarium
Sapientium, Mus. Hermet. 1. c. 1678, p. 94: Septem sunt Urbes, septem pro more metalla,
suntque dies septem, septimus est numerus. . . . septem litterulae, septem sunt ordine
verba. Tempora sunt septem, sunt totidemque loca. Herbae septem, artes septem, sep-
temque la p illi. . . hoc in numero cuncta quiete valent.
29. Vgl. zur Rolle der Siebenzahl in der Alchemie ferner E. v. L ippmann , Alchemie.
Bd. I. p. 187 und Bd. II. p. 192 ff. u. p. 447.
14 Ju n g : Mysterium III
200 KOMMENTAR
K O M M EN TA R ZU R ERSTEN PA R A BEL
( 6 . K A P IT E L )
166 Text: Von Weitem betrachtend sah ich eine große Wolke, welche die ganze
Erde schwarz überschattete, indem sie diese aufgesogen hatte . . .
30. Concord. V. Cit. H ahn l.c . Vol. III, p. 291, p. 305-306, p. 315. Eine direkte
Beeinflussung der Aurora durch die Lehren von G ioacchino da F iori scheint mir mög
lich. Vgl. 2 . B. folgende Parallelismen: H ahn, l.c . Bd. III, p. 141: loquetur spiritus
sapientiae utrique populo omnem veritatem et ostendet se esse unum de septem angelis
etc. - Vgl. auch ebda, die Entfernung der «albugo litterae ab oculis mentis suae» durch
T obias an seinen Vater, p. 127: justitia religiosorum quae major est et pretiosior illa
est vilescet in diebus illis respectu spiritualis iustitiae quae signatur in auro. p. 127:
«Septenarius numerus pertinet ad spiritum sanctum, propter septem munera gratiarum
etc.» p. 129: «Erit dies una, quae nota est domino. Non dies neque nox et in tempore
vesperae erit lux. Et erit in die illa exibunt aquae vivae de Hierusalem medium earum
ad mare orientale et medium earum ad mare novissimum.» p. 309: Novam Hierusalem
quae fundata est Romae, lapides autem pretiosos martyres confessores et virgines.»
1. Vgl. J ung , Myst. Coni. Vol. I. p. 186 sq.
2. R uska a. a. O. p. 190-191.
3. R uska a. a. O. p. 190. Anm. 7.
4. Vgl. E. v. Lippmann , Alchemie 1. c. p. 37.
KOMMENTAR 201
5. R uska 1. c. p. 240. Dieselbe Bemerkung findet sich auch im Kitäb al’ilm al-mukta-
sab. ed. H olmyard . Vgl. R uska, p. 240 Anm. 6.
6. Vgl. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. I. III. 11. Vol. I. p. 20 und II. I. 27. Vol. I.
p. 53. (D emokritos) und II. IV. 8. Vol. I. p. 73 (O lympiodor) und III. V I. 6. Vol. I.
p. 122 (Z osimos).
7. B erthelot . Ebda. III. X I X . 4. Vol. I. p. 171 und III. X X . 4. Vol. I. p. 173.
8. Vgl. ferner B erthelot . Coli. Aich. Grecs. 1. c. V. X X V . Vol. I. p. 388. III.
X X V III. 4. ebda. p. 194, III. X X I X . 16, ebda. p. 202, IV. 1. 11. ebda. p. 260 und
III. X II. 9. ebda. p. 152 und III. X III. Vol. I. p. 154. Die Wolke wird geweißt durch
unberührten Schwefel. Vgl. auch III. X X . 1. ebda. Vol. I. p. 172. Und Z osimos (IV .
V II. 2. Vol. I. p. 27 6 ): «Das Quecksilber wird fixiert in der ihm wesensgleichen Wolke.»
Und III. X X I . 3. p. 175: «Hermes: Zerreibe die Wolke in der Sonne.» Und III. X X .
3. p. 173. A gathodaimon : Die in potentia seiende Wolke bearbeitet das in potentia
seiende Erz, und sie sind miteinander befreundet. Vgl. ebda, die Aussprüche von M aria
über die Wolke.
9. Compiliert im 7.-8. Jahrhundert. E. v. Lippmann , Alchemie Bd. II, p. 29-30 oder
4tes? ebda. I, p. 95. Sie wurden ediert von G uenther G oldschmidt : Heliodori carmina
IV ad Fidem Codicis Casselani. Religionsgesch. Versuche und Vorarbeiten X I X . Band,
2. Heft, Tübingen 1923. Nach ihm sind diese Carmina zwischen 716-717 compiliert.
10. ed. Ruska a. a. O. p. 152.
202 KOMMENTAR
(M e ta lle ) m it einem «alten schw arzen G eist» quälen, bis sie sich w an
deln. D ie N ig re d o ist nach den m eisten alchem istischen T e x te n das
R esultat einer ersten V erein igu n g der G egensätze und insofern einer
ersten O peration, und da eine solche in unserer Parabel nicht geschil
d ert ist, m uß m an w ohl annehm en, daß hier d ie N ig r e d o das R esultat
d es in den vorherg ehend en K a p iteln D a rg estellten sei, m it anderen
W orten , das Resultat d es Zusa m m entreffens des A u to r s m it der Sapien
tia D e i. D ies bedeutet psychologisch einen Zusam m enstoß seines B e
wußtseins m it dem als F ra u personifizierten U nbew ußten. W a s die v o r
liegende Beschreibung der N ig re d o von anderen alchem istischen P a ra l
lelen unterscheidet, liegt in dem U m stand, daß der A u to r viel stärker
persönlich davon erreicht zu sein scheint, so daß ein u nerw artet inten
sives Leiden und Innew erden der eigenen D unkelheit herv ortritt “ . I n
den mystischen T e x te n derselben Z eit ist dieser persönliche A spekt viel
w eniger fühlbar. D e r Z ustand ist zw ar von einigen anderen ebenfalls
beschrieben w orden, so z. B . von R ic h a r d von S t . V i c t o r , der diese
«Ü berschattung» durch das U nbew ußte sehr schön als ein Ü b erh an d
nehm en d er im aginatio über das L ich t der ratio, der V ern u n ft, be
schrieben hat. E r sagt “ , die «im aginatio» sei nichts anderes als ein B ild
des K örp ers, das von außen durch die Sinne in der B erü h ru n g m it den
K ö rp ern konzipiert und dann nach innen zu dem reineren T eil des K ö r
pergeistes (Leb en sgeist) g efü h rt und diesem eingeprägt w erde. D ie
anim a rationalis sei ein unkörperliches L ich t, die im aginatio hingegen,
insofern sie ein B ild des K örp ers darstelle, sei Schatten (u m b r a !). W e n n
also die im aginatio bis zur V ern u n ft auf steigt w ie ein Schatten, der zum
L ich t kom m t und das L ich t überw ältigt, so w ird sie (d ie Im ag in ation )
m anifest und genauer um rissen - jedoch nur soweit, bis sie zum L ich te
kom m t; sofern sie es hingegen überw ältigt, überschattet sie das L ich t,
h ü llt es ein und bedeckt es. (D a s resultiert aus) einer affectio im agi
naria, durch w elche die Seele infolge des K ontaktes m it dem K ö rp er
affiziert ist. W e n n G ott von oben die R atio beeinflußt, so entsteht die
Sapientia (W e is h e it), w enn die Im aginatio sie von unten beeinflußt,
entsteht Scientia (W is se n sc h a ft).
In dem von der A u ro ra beschriebenen V o rg a n g ist im G egensatz zu
obiger D arleg u n g jene Einw irkung von oben und von unten koinzident,
Text: . . . die W olke. . . die meine Seele bedeckte, und weil die Wasser bis 171
zu ihr (der Seele) eingedrungen waren, weshalb sie faulig und verderbt wur
den vom Anblick der untersten Hölle und vom Schatten des Todes, da die
Flut mich ersäuft hat.134
13. Die mittelalterliche mystische Schrift «De adhaerendo Deo» beschreibt, wie die
Verfinsterung «caligo» die erste Stufe der Kontemplation darstelle. (D e adhaerendo
Deo. A lberti M agni Opera ed. Borgnet Vol. 37 p. 533.) Es steht dort überhaupt vieles,
welches an die Aurora anklingt, so z. B. daß der Kontemplierende sich von der W elt
ablösen müsse und dann diese «a longe prospicit» als ob sie nichts seien. (Ebda: Ex
qua contemplatione anima inardescit ad bona coelestia et divina et ad aeterna, et omnia
temporalia a longe prospicit tamquam nihil sint.) Er löst sich stufenweise auf dem
W eg des Sich-Entfernens (via remotionis) von den sinnlich wahrnehmbaren Dingen
ab, von den imaginierten Bildern, von den Intelligiblen bis zum letzten Sein selber,
das in den Kreaturen verbleibt. «Und das ist die finstere Wolke (caligo), in der Gott
wohnen soll und in die Moses hineinging, und durch sie hindurch zum unnahbaren
Lichte. Aber nicht kommt zuerst, was geistig ist, sondern was animalisch ist (1. Cor. X V ,
46.) und deshalb muß man in der üblichen Reihenfolge Vorgehen von der aktiven An
strengung zur Ruhe der Kontemplation usw.» (ebda.: «Et haec c a lig o est quam Deus
inhabitare dicitur, quam Moyses intravit ac per hanc ad lumen inaccessibile.» Die
Schrift stammt nicht von A lbertus , sondern vermutlich von einem Mönch vom Ende
des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts. Vgl. F. Pelster, 1. c. p. 172, Anm. 1. und
U lr . D aehnert, Die Erkenntnislehre des Albertus Magnus, Leipz. 1934, p. 232-233.
14. Vgl. zu diesem Begriff C. G. J ung , Psychologie und Alchemie a. a. O. p. 351 ff.
204 KOMMENTAR
H ier spricht der T e x t von den W assern , w elche bis zur «Seele» in die
unterste H ö lle eingedrungen sind und putrefiziert w urden vom A nblick
des A bgrundes. V o rh er hieß es w örtlich: bis zu «m einer» Seele, und es
w ird som it plötzlich unklar, ob im m er noch der V erfasser selber oder
die M ateria, w elche «die F lu t ersäuft» hat, spricht. Es ist offenbar eine
V erm ischung eingetreten, in w elcher der A u to r m it dem S to ff in der
R etorte v ö llig eins gew orden ist. A uch durch die nachfolgenden P salm
stellen w ird erkennbar, daß die eingetretene N ig red o einer seelischen
N o tlag e des A lchem isten u n d der Seele in der M aterie entspricht, und
daß sie in einem tiefen, reuevollen Sündengefühl besteht. D ieser «m o ra
lische» A spekt der N ig red o findet sich ähnlich bei S e n i o r , w elcher die
«M aterie der Schw ärze» (m ateria n igredinis) als «tenebras anim ae»
(Fin stern isse der Seele) oder noch deutlicher als «m alitia» (m oralische
Schlechtigkeit) b ezeich n etx*. In der patristischen L iteratu r ist «caligo
tenebrarum », «nebula» fast im m er als B ild der Sünde, des T eu fels und des
T odes v e rw e n d e t1516; doch sagt andererseits G r e g o r d er G r o s s e : die
dunklen Entscheidungen G ottes seien w ie F in stern isse l?. A uch in der
A u ro ra w erden später die Elem ente der N ig red o als «Finsternisse unseres
G eistes» oder als «A ccidentien der Seele» bezeichnet1819.A n sich w ar schon
in der Spätantike die F lu t zum B ild der verderblichen αγνωσία (= fe h
lende Erkenntnis über G ott und sich selbst = U n b ew uß th eit) gew orden.
So h eiß t es z. B . im siebenten T rak tat des C orpus H erm eticum x*: «D ie
Schlechtigkeit der αγνωσία (U n b ew u ß th eit) ü berflutet die ganze E rd e
und reiß t die im K ö rp e r eingeschlossene Seele m it ins V e rd e rb e n . . .
15. De Chemia a. a. O. p. 40. Vgl. auch die kirchliche Deutung der «Sünde», welche
«wie Nebel» alle Menschen umhüllt: H onorius von A utun P. L. 172 col. 929: N o c t i
q u ip p e m o r tis e t m is e r ia e , quae a peccato Adae incohans cu n cto s s u a c a lig in e in v o lv it,
haec sacra nox (scii, resurrectionis) finem imposuit. Vgl. auch Gregorius Magnus 1. c.
col. 875: umbra mortis = oblivio mentis.
16. Vgl. F. B oehmer, Der Neuplatonismus usw. Klass. phil. Studien ed. E. Bickel,
Heft 7, Leipz. 1936. p. 51 ff., wo eine reiche Sammlung von Stellen bezügl. der Wörter:
caligo, nubilum ignorantiae usw. zu finden ist.
17. Moralia IV In cap. III in Job. cap. X V I: Occulta Dei Judicia quaedam tenebrae
sunt (P.L. tom L X X V ). Vgl. auch die S. T homas bekannt gewesene Anschauung von
A ugustinus III De Genesi ad litt: aer caliginosus est quasi carcer daemonibus usque
ad tempus iudicii cit. von T homas von Aquin in Summa theol. editio Leonina, Pars I.
Quaest 64. Art. 4.
18. Text p. 76 und 78.
19. ed.W. Scott . Oxford 1925, Bd. I p. 170-171. Vgl. R. R eitzenstein , Poiman-
dres, Leipzig, 1906, p. 9 ff.
KOMMENTAR 205
20. Zeitschrift für Kathol. Theologie, Bd. 66, 1942, Innsbruck-Leipzig, p. 112-113 ff.
Für die Bedeutung vgl. J ung, «Die Psychologie der Übertragung», p. 139.
21. Vgl. J ung, «Die Psychologie der Übertragung», p. 161-162.
22. Ebda. p. 135-136.
23. Es handelt sich um ein Bild, in welchem das Paar im Bade sitzt, vorher hatte
sich die Taube des Hl. Geistes auf sie herabgelassen.
24. Vgl. oben p. 201.
206 KOMMENTAR
Text: Dann werden die Äthiopier vor mir niederfallen, und meine Feinde
werden meine Erde lecken. Deshalb ist nichts Gesundes an meinem Leib, und
vor dem Anblick meiner Sündhaftigkeit sind meine Gebeine erschrocken.
In diesem Z usam m enhang w erden Ä th iop ier erw ähnt, w elche «vor
m ir niederfallen» und Feinde, w elche «m eine E rd e lecken». Im bibli
schen K o n tex t handelt es sich um eine H uldigungsszene, hier hingegen
erhält m an eher den Eindruck, daß es sich u m einen Einbruch von F e in
den handelt, zum al der «Ä thiopier» ein auch sonst vorkom m endes B ild
der alchem istischen N ig red o ist und in den m eisten T e x te n negative B e
2 So heißt es z. B . im sog. «Scriptum A lberti super arborem
deutung h a t 526.
Aristotelis 27»: M an solle die M ateria reinigen und destillieren, bis das
«schw arze H a u p t2829» , das einem Ä thiopier gleiche, g u t gew aschen sei
und w eiß zu w erden beginne. - A u ch in der «Chym ischen H ochzeit» des
C h r i s t i a n R o s e n c r e u t z tritt ein M o h r als Symbol d er N ig red o a u f 2?.
25. Vgl. z. B. die T u r b a -Stelle (1. c. p. 162): «Effodiatur igitur sepulcrum illi Dra
coni et sepeliatur illa mulier cum eo, qui cum ea fortiter vinctus muliere muliebribus
armis . . . in partes secatur . . . et totus vertitur in sanguinem.»
26. Vgl. z. B. Nie. M elchior Cibinensis , Addam et processum sub forma missae.
Theatr. Chem. 1602, Bd. III, p. 853. Vgl. J ung , Psychologie und Alchemie, ρ. 536
und ρ. 542 ff.
27. Theatr. Chem. 1602, Bd. II, p. 526. J ung, Psych. u, Alchemie, p. 542.
28. W ie das «caput corvi» ein Symbol der Nigredo.
29. Ich verdanke diese Hinweise Prof. J ung . Vgl. auch J ung Mysterium Coni.
Vol. I, p. 186 ff.
KOMMENTAR 207
30. «denigrati peccato». Epiphanius Panar. 26. 16. Vgl. auch weiteres Material
M. v. Franz, Passio Perpetuae in C. G. J ung, Aion, p. 467 ff. Vgl. ferner H. Rahner,
Antemna Crucis II. I. c. p. 110-113.
31. Vgl. auch die Bemerkung von Avicenna, De anima 1. c. cap. 4: Item bonorum
morum imaginari concupiscentias turpes, non tum vult illas, alius autem vult et hae duae
dispositiones non sunt solius hominis sed etiam omnium animalium.
32. Dem entspricht 2. B. die Auflösung des Gabricus im Leibe der B eya in Atome,
wie sie in der V is io A r is le i beschrieben wird. Vgl. hiezu C. G. J ung, Psychologie und
Alchemie 1. c. p. 458 f. und ders.: Die Psychologie der Übertragung, 1. c. p. 135.
33. Man kann eigentlich hier nicht von einer Begegnung oder Confrontation mit
dem Schatten sprechen, sondern eher von einer Überwältigung durch ihn.
34. Vgl. J ung, Psychologie der Übertragung, 1. c. p. 157 und p. 164-166: «Mit der
Integration von Projektionen, welche der bloß natürliche Mensch in seiner noch un
gehemmten Naivität als solche nicht erkennen kann, weitet sich die Persönlichkeit in
einem derartigen Masse aus, daß die normale Ichpersönlichkeit in hohem Grade ausge
löscht wird, d. h. es entsteht eine positive oder negative Inflation. . . Auf alle Fälle
bedeutet die Integration von Inhalten, die immer unbewußt und projiziert waren, eine
ernsthafte Laesion des Ich. Die Alchemie drückt dies durch die Symbole von Tod, Ver
wundung oder Vergiftung aus . . . W ie die Alchemie aussagt, bedeutet der Tod zugleich
Conception des filius Philosophorum---- »
208 KOMMENTAR
177 Text: Deshalb habe ich mich müde geschrieen in allen Nächten, mein Hals
ist heiser geworden: W er ist der Mensch, der da lebt, wissend und verstehend,
und der meine Seele aus der Hand der Unterwelt errettet? W e r mich erleuch
tet, wird das Leben haben, und ich will ihm zu essen geben von dem Holz
des Lebens, das im Paradiese ist, und ihn teilhaben lassen am Thron meines
Reiches.
179 Text: «W er mich ausgräbt wie Silber und mich erwirbt wie einen Schatz
und die Tränen meiner Augen nicht trübt und mein Gewand nicht verspottet
und meine Speise und Trank nicht vergiftet. . . »
vor E ntw eihung und V erletzun g bezieht sich w ahrscheinlich au f die von
den A lchem isten öfters erw ähnte G efah r, daß m an durch zuviel F eu er
(n im io ign e) oder sonstige allzu gew altsam e R einigungsverfahren die
«m ateria prim a» zerstöre, statt sie abzuwaschen 3*. Psychologisch könnte
dies w ohl als ein zu intensives A n s-L ich t-Z erren -W o llen d er unbew uß
ten Inhalte gedeutet w erden. L etztere w ollen näm lich m it einem gew is
sen T ak tgefüh l behandelt sein, wobei jedes E n tw ed er-O d er zu v erm ei
den ist. Im Schatten und in der A n im a sind positive W e rte enthalten;
noch unentw ickelte K eim e, die m it einer gewissen verhüllenden R ück
sicht behandelt w erden müssen.
D as G ew and, das nicht verspottet w erden d arf, bedeutet alchem istisch
gesprochen, den «Schatten des E rzes», bzw. gewisse D unkelheiten, deren
E n tfern u n g als V orb ereitu n g zum W e rk schon in der griechischen
A lch em ie eine R olle spielte 36. In dem C arm en A rch elai aus den C ar
m ina H e l io d o r i 37 w ird die N ig red o als «M auerum w allung w ie die
Schw ärze der Finsternis» (τείχισμα ώς μέλανσις σκότους) bezeichnet, als
ein N eb el (αχλυς), der vom A lchem isten aufgelöst w erden soll. U n d im
vierten G edicht desselben W erk es 38 h eiß t es, «der K ö rp e r solle aus der
Finsternis, dem H ades, h erv o rk o m m en . . . und den N eb el der D un k el
heit von sich w erfen » und das «G ew and der V ergänglichkeit» (χιτώνα
φθοράς) a b le g e n 3 9 . D ies g e h t au f die ursprünglich orphische, in der
Spätantike verbreitete A nschauung vom K ö rp e r als G rab der Seele 356789
35. Vgl. Aurora Cons. II, Art. Aurif. 1 6 1 0 ,1, p. 151. - So sagt die T u r b a : (a. a. O.,
p. 216, Lat. p. 138) «Hütet euch sie (Braut und Bräutigam) in die Flucht zu schlagen,
indem ihr sie in allzu heißem Feuer verbrennt. Verehret den ,König’ und seine ,Gattin’
und wollet sie nicht verbrennen, da ihr nicht wißt, wann ihr jene (Dinge) braucht, die
den König und seine Gattin veredeln.» Vgl. auch p. 121: «Et cavete ignis intensionem,
quoniam si intendatis ignem ante terminum rubeum fit, quod nihil vobis prodest, eo
quod in initio regendi vultis albedinem.» Schon O lympiodor (B erthelot , Coli. Alch.
Grecs II, IV, 8, Vol. I. p. 73) warnt vor übertriebener έκπύρωσις (Feuerbehandlung).
36. Vgl. Pelagios, Berthelot, Coli. Aich. Grecs. IV, I. Vol. I. p. 253 und III. X IV .
Vol. I. p. 182. Auch das arabische «Buch der Alaune und Salze» (ed. Ruska a. a. O.
p. 71) fordert als materia prima ein Erz ohne Schatten, quod umbram non habet. Der
selbe Begriff findet sich auch in der T u r b a (ed. Ruska a. a. O. p. 154, 156, 160), welche
ihn aus dem Buch des K rates übernommen zu haben scheint, (ebda. p. 36).
37. ed. G oldschmidt a. a. O .p . 55. Carmen IV, Vers 170-171.
38. ebda. p. 56. Carmen IV, Vers 214.
39. Dieser letztere Ausdruck stammt aus der spätantiken Mysteriensprache und findet
sich ähnlich auch bei Paulus . Vgl. R. R eitzenstein , Hellenistische Mysterienreligionen,
II. Aufl. 1920, p. 204 ff.
210 KOMMENTAR
(σώμα - σήμα) zurück 4°. A u ch in dem oben zitierten T rak tat des Corpus
H erm eticum , in w elchem die Seele gem ahnt w urde, sich aus der F lu t
der U nbew ußtheit (αγνωσία) zu retten, h eiß t es w eiter +1: «Z u vor aber
m u ß t du das G ew and, das du trägst, zerreißen, das G ew eb e der U n b e
w u ß th eit (αγνω σίας), das V erfestig te der S ch lech tig k eit , die F essel des
V erderben s , den d u n k len U m h a n g , den leb en d en T o d , den sichtbaren
L eichnam , das um g eleg te Grab, den inneren R ä ub er*2.» Später ist in der
A u ro ra ebenfalls von einem K erk er die Rede und von den «R iegeln der
H ölle, die zerbrochen w erden m üssen». So m uß m an das B ild des G e
wandes oder Bettes auch «chem isch» als den « K ö rp er des Erzes» v er
stehen, aus dem die flüssige «M etallseele», bzw. das W asser, herausge
schm olzen oder destilliert w ird 43. Psychologisch dürfte es sich um einen
«D urchbruch» zum eigensten inneren W e se n (zu m Selbst) handeln.
D eshalb verh eiß t ein L ogion Jesu die E rlösun g dann, «w ann ihr die
H ü lle der Scham m it F ü ß en getreten habt und w enn die Z w ei eins sein
w erden und das A usw endige w ie das Inw endige und das M än n lich e m it
dem W eiblich en , w eder M ännliches noch W eiblich es 44».
182 D as A blegen der G ew änder sowie der «vestis tenebrosa» als abzusto
ßender m ateria p rim a spielte in den sp ätem alchem istischen Parabeln
- besonders in A n leh nu n g an die C anticum -Stelle V , 3 : «Exspoliavi m e 40123
40. Vgl. P orphyrius , De antro nympharum, c. 14. (σώμα = χιτώ ν). Vgl. z. B. auch
das «Buch der Ringsteine» von A lfarabi, 22. 71. 5: «Du hast infolge deiner selbst
einen Schleier, abgesehen von der Bekleidung deines Leibes, und daher beeile dich,
ihn abzustreifen, damit du das Ziel (Gott) erreichst. . . » Vgl. ferner dasselbe Bild bei
A mbrosius, Hexaemer. V I. 6. Migne P. L. X IV . col. 256 C, D . und G regorius M agnus,
Moral. V. 38. IX , 36. Migne, P. L. tom. 75. cpl. 718, 891 ff.
41. ed. Scott 1. c. Bd. I. p. 172-173.
42. Letzterer entspricht den «Aethiopiern und Feinden» der Aurora.
43. Völlig parallel zu diesen Vorstellungen ist die kirchliche Bezeichnung des
Körpers Christi als «umbra» oder «nubes carnis» oder «vestis», welches den Glanz
seines Geistes dämpft». - H ugo von St . V ictor Migne P. L. tom. 183. Sermo in Cant.
X X , 7. col. 870: U m b ra m siquidem C h r is ti ca r n e m r e o r esse ipsius de qua obumbra
tum est et Maria (Luc. I. 35.) ut eius obiectu fervor splendorque spiritus illi tempera
retur. (Ich halte nämlich das Fleisch Christi für den Schatten desselben, von dem [sc.
Schatten] auch Maria überschattet wurde.) Und: H onorius von A utun , Speculum de
myst. Ecclesiae. Migne P. L. tom. 172. col. 937, und B ernhardus C luniacensis, De
visitatione Beatae Mariae Virg. (Z oozmann a. a. O. p. 25 6 ): Hac in domo / Deus
homo / fieri disposuit. / Hic Abconsus / Pius Sponsus / V e s te m s u a m in d u it. R ichard
von St . V ictor nennt jene oben beschriebene Imagination ein Gewand oder Fell, das
die Ratio umhüllt. Un. Migne P. L. tom. 177, col. 285 sq.
44. Clemens A lexandrinus, Strom. III. 13. 92. Migne, Pat. Graeco-Lat. tom. V III,
col. 1193. Vgl. weitere Parallelen hiezu in C. G. J ung, Aion 1. c. p. 473.
KOMMENTAR 211
tunica mea, quomodo induar illa» - eine wichtige Rolle, für die ich auf
die Ausführungen von J u n g verweise 45. Besonders in der von ihm an
geführten Parabel des H e n r i c u s M a d a t h a n u s * 6 im Musaeum Herme-
ticum, dem «Aureum saeculum redivivum 47»? sind die schmutzigen,
übelriechenden Kleider der späteren «Braut» ein Symbol für die materia
prima des Werkes 48. Es erscheint dort dem Laboranten im Traum eine
alte Frau, die ihn mahnt, diese Kleider nicht zu verachten, so daß er sie,
ohne ihren Sinn zu erkennen oder sie reinigen zu können, solange bei
sich aufbewahrt, bis er endlich den Schlüssel, das lixivium (= Wasch
mittel), womit er sie reinigen und präparieren soll, findet, worauf er
die Braut, die schönste der «Tauben» aus Salomons Harem, gewinnt.
Wahrscheinlich ist diese Parabel nicht imabhängig von unserem Text 49.
Auch im Sohar wird die alte abzulegende Einstellung öfters symbolisch
als schmutziges Gewand bezeichnet *°.
Dieses «schmutzige Gewand» bedeutet wohl ein «Ausgeliefertsein 183
an autoerotische Affekte und Phantasien», die im Zustande der Nigredo,
der Auflösung des Bewußtseins, überhandzunehmen drohen **. Aber
diese dunklen Komponenten verhüllen wie ein Gewand ein Überper
sönliches, das nicht um ihres unerfreulichen Aspektes willen mit ihnen
zusammen verworfen werden darf. Da die Animagestalt so angstvoll
um Schonung bittet, könnte man vermuten, daß das Bewußtsein des Ver
fassers eher «puritanisch» und intellektuell eingestellt war, so daß die
Gefahr bestand, er könnte die auftauchenden unbewußten Inhalte wegen
ihrer mißverständlichen Außenseite verwerfen, ohne den hinter ihr lie
genden Sinn zu erfassen.
Text: (W er) mein Ruhelager nicht durch Hurerei entweiht und auch mei- 184
nem Körper, der sehr zart ist, nicht Gewalt antut, und vor allem wer meine
Seele, die ohne Bitterkeit ganz schön und rein ist und an der sich kein Makel45678901
findet, nicht verletzt und meine Sitze und Throne nicht beschädigt. . . er, nach
dessen Liebe ich lechze usw.
Eine ähnliche Bedeutung wie das Gewand, das nicht verspottet wer
den soll, hat auch «das Ruhelager, das nicht entweiht werden darf». Das
Bett (lectulus) ist der Raum, in welchem die Coniunctio der Substanzen
stattfindet - ein Synonym des Gefäßes. So kommentiert R o s i n u s *2 den
Text: et in lectulo eorum nupserint (und in ihrem Bett sich verheirate
ten) mit «d. h. sich in ihrem Gefäß vermischten» usw. Das Gefäß muß
in der Alchemie mit dem lutum Sapientiae » versiegelt werden und darf
ebenfalls nicht durch übertriebenes Erhitzen zersprengt werden, und es
stellt wie das «Haus» oder der «Tempel» ebenfalls den Körper dar h .
Eine ähnliche Bedeutung haben die «Sitze und Throne», welche die
«Braut» in unserem Text erwähnt. In einer Erläuterung der Figura
S e n i o r s , einer auf einer Kathedra (Thron oder Lehrstuhl) sitzenden
Hermesgestalt, heißt es ausdrücklich, die Kathedra sei das Gefäß, d. i.
der Ort der Verwandlung h . Andererseits bedeuten die «throni» in der
T urba die «Engelsmächte *6». Als solche stellen sie «Geister» dar, die
nende spiritus, Begleiter der Anima- oder Sponsagestalt, welche eben
falls nicht durch allzu heißes Feuer zerstört werden sollten. Sie sind
vermutlich identisch mit den später im Text erwähnten 2 4 Ältesten der
Apokalypse. Der «Stein» muß durch sie hindurch zirkulieren, und so
bedeuten sie gleichsam notwendige Ingredienzen im Werk. Psycholo-52346
57. Vgl. auch das Märchenmotiv der von Zwergen umgebenen Animagestalt in
« Schneewittchen».
58. Interessanterweise warnt M e i s t e r E c k h a r d t in ähnlicher Form vor einer un
richtigen d. i. gewaltsamen Liebe zur Sapientia Dei. Vgl. G. T h e r y , Le commentaire
du livre de la sagesse de maitre E c k h a r d t . Archives d’histoire doctrinale et litteraire
du moyen-äge. tom III und IV, 1928 und 1929. Für diese Stelle bes. Vol. III p. 268.
Notandum est quod omnis actio efficientis gravis est et molesta nisi ipsi passo con
feratur vis aliqua et imprimatur, qua vi cooperetur, formaliter inhaerente, ipsi suo
agenti sive efficienti. «Violentum enim est, cuius agens est extra, non conferente vim
passo.» Sic ait Philosophus III Ethic . . . et hec est racio propter quam motus violentus
in fine remittitur, naturalis vero in fine intenditur. Natura enim est vis insita rebus.
Vgl. hiezu S t . T h o m a s . De coelo et mundo lib. I lect. 17 u. lib. II lect. 8.
59. Vgl. hiezu W o l b e r o n i s Abbatis Com. in Cant. Cant. Migne P. L. tom 195.
coi. 1086: Felle caret, quo spiritualiter quoque sponsa Christi carere debet ut secundum
Apostolum: Omnis amaritudo et ira et clamor et blasphemia tollatur .. . cum omni
malitia (Ephes. IV ). Die Taube ist auch die Kirche. Vgl. H o n o r i u s v o n A u t u n ,
Migne, P. L. tom. 172. col. 379. Christus wird als Taube in einer Taubenschar wieder
kehren. Vgl. W . B o u s s e t , Der Antichrist 1. c. p. 56.
60. Vgl. J u n g , Mysterium Coni. Vol. I p . 209 ff.
214 KOMMENTAR
lieh nur der Meeresflut, welche sie zunächst noch bedeckt. Die Bitterkeit
ist gleichsam nur bedingt durch das Mißverstehen, das die Menschen der
Sapientia Dei entgegenbringen; gäben sie sich ihr zuerst hin, so würde
auch nach M e i s t e r E c k a r d t die Bitternis des Kampfes nicht mehr herr
schen, sondern nur noch reine «suavitas» - reine Liebe61.
1 88 Text: (W e r) meine Sitze und Throne nicht beschädigt - er, nach dessen
Liebe ich lechze, von dessen Glut ich zerfließe, von dessen D uft ich lebe und
an dessen Geschmack ich gesunde, von dessen Milch ich mich nähre und in
dessen Liebesumarmung mein ganzer Leib vergeht - ihm werde ich Vater
sein. . .
6 3 . R u sk a , p . 1 6 1 -1 6 2 .
64. Vgl. R o s i n u s ad Sarratantam. Artis Aurif. a. a. O. 1610 I p. 92 und L a m b -
, sowie die Carmina H e l i o d o r i , ed. Goldschmidt, Carmen I p. 29-30,
s p r in c k
67. Vgl. H . R a h n e r , Mysterium Lunae, Zeitschr. f. kathol. Theolog. 1939 (Jahr 63)
p. 431: (Christus) exinanivit eam ut repleat, qui etiam se exinanivit, ut omnia impleret,
exinanivit se ut descenderet nobis . . . ergo annuntiavit Luna Mysterium Christi. (Exa-
meron. IV . 8. 32.) Das «exinanitur» rechtfertigt meine Correctur im Text.
68. Vgl. A m b r o s i u s , Exameron IV. 8. 31. cit. H. R a h n e r ebda. ρ. 430, vgl.
auch p. 431.
69. Vgl. J u n g , Mysterium Coni. Vol. I p. 35-38.
70. A l b e r t i M a g n i Opera, ed. B o r g n e t 1. c. Vol. 37, p. 536-537.
KOMMENTAR 217
mir aus dem Text erwiesen, denn der Bräutigam, nach welchem sich
die Sprecherin dieser Zeilen sehnt, ist bezeichnet als derjenige, der sie
aus dem Abgrund der Nigredo w issend errettet, ohne dabei ihr entstell
tes Äußeres zu verspotten oder zu beschädigen - d ies kann nur der
A lch em ist, d. h. d er M en sch sein. Würde letzterer Zusatz über die mög
liche Entweihung fehlen, so könnte man die Partie dahin deuten, daß
die «Seele» sich nach ihrem Seelenbräutigam Christus sehne; aber dann
bedürfte es nicht dieser ängstlichen Bitten, er solle sie nicht beschädigen.
Diesmal ruft die Anima nicht Christum, sondern niemand anderen als
ein m en schlich es Ich zu Hilfe. Es ist wichtig, dabei im Auge zu behalten,
daß dies in einem Menschen stattgefunden hat, dem in seiner bewußten
Einstellung vermutlich Christus als Seelenbräutigam eine bekannte Vor
stellung war, und der wohl geneigt war, die Bedeutung seiner selbst
hintan zu stellen - ein allgemeiner Zug mittelalterlicher Geisteshaltung,
der später durch die Ichhaftigkeit des Renaissancemenschen reichlich
kompensiert worden ist.
Was aber will die Anima mit ihrer ungewöhnlichen, drängenden Lie-
beswerbung? Sie will - wie der Text sagt - eine Beziehung hersteilen,
die parallel zu derjenigen Gottvaters zu seinem Sohne ist. Im Text selber
sieht es aus, als ob nicht nur etwas Paralleles, sondern etwas Identisches
hiermit gemeint sei, doch ist dies auf Grund des Bibelkontextes nicht
möglich. Es kann sich nur um eine Parallele handeln: die Anima-Sapien-
tia bezieht sich formaliter zum Alchemisten wie Gott sich zu Christus
bezog.
Damit ist in der unbewußten Symbolik jener Prozeß einer fortschrei
tenden Christifikation des Einzelnen ausgedrückt, von deren Bedeutung
und religiösen Hintergründen Jung in seiner «Antwort auf Hiob»
spricht, worauf ich hier den Leser verweisen muß, da die Darstellung zu
weit von der Kommentierung des Textes wegführen würde. Ein g e
w öhnlicher Mensch ist zum Ort der Gottesgeburt erwählt, und in ihm
inkarniert sich nicht nur (wie in Christo) die lichte Seite Jahwes, son
dern in ihm gebiert sich Gott als G a n zh eit in seinem lichten und dunklen
Aspekt von neuem. Der einzelne Mensch aber wird dadurch - wie die
Aurora sagt - zum Sohne Gottes und erhoben «zuallerhöchst vor den
Königen auf Erden 7s». Nicht nur verspricht die Sapientia, den Alche
misten zum Gottmenschen zu erhöhen, sondern auch ihm ihren «Bund
75. Ps. L X X X V III, 27-28.
KOMMENTAR 219
T ext: W o er aber mein Gesetz verläßt und nicht in meinen Ordnungen *99
wandelt und meine erwähnten Gebote nicht hält, so soll ihn der Feind über
wältigen, und der Sohn der Bosheit soll ihm durch seinen Widerstand scha
den. W enn er hingegen in meinen Ordnungen wandelt, so wird er die Kälte
des Schnees nicht fürchten; denn seine Hausgenossen werden Kleider haben,
Leinwand und Purpur.
76. Vgl. ihre mörderische Seite, wie sie zu Beginn der zweiten Parabel geschildert
ist, wo es heißt, daß «die Pferde ihres Köchers vom Blute trunken sein werden».
77. Über die Veränderung des Unbewußten im Laufe des Individuationsprozesses
siehe J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 188.
78. Der Text ist an jener Stelle in Unordnung geraten und wurde von mir so gut
als möglich rekonstruiert.
79. Vgl. über die «Machenschaften des Räubers» J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 182 ff.
Vgl. auch z. B. L i b e r A lz e D e L a p id e P h ilo s . Museum Hermeticum Frkf. 1677. p. 331.
80. Vgl. H. S i l b e r e r , Probleme der Mystik und ihrer Symbolik, Wien 1914, p. 213.
220 KOMMENTAR
(Linnen und P u rp u r)81 als Schutz gegen die Kälte erwähnt sind, so ist
diese Kälte als etwas gleichsam von außen Kommendes geschildert, wäh
rend doch die Texte sonst betonen, daß keine «res extraneae» (äußere
Dinge) zum Opus hinzukommen dürfen828345.
201 Die Erwähnung des «Feindes» geht hier somit aus einem tiefen Sinn
zusammenhang hervor, denn wenn die Sapientia Dei den Alchemisten
zu ihrem «Sohn» erhöht, so wird er damit zu einer Inkarnation der
Gottheit. Diesmal aber ist dieser Gottessohn, nicht wie Christus, der in
einem reinen Gefäß menschgewordene gütige Gottvater, sondern dies
mal inkarniert sich Gott in einem gewöhnlichen, in der Erbsünde ge
zeugten Menschen, weil das zwischen Hell und Dunkel schwankende
Wesen des letzteren der göttlichen Antinomie besser entspricht und
daher eine vollständigere Inkarnation ermöglicht. Der Erwählte soll die
Gegensätze in sich vereinen, d. h. seine Anima soll als Geburtsstätte für
die göttliche Ganzheit dienen. Damit ihn diese Aufgabe bzw. die Anti
nomie Gottes nicht zersprenge, soll er - wie der Text sagt - die W ege
der göttlichen Weisheit achten, denn die Anima ist die «mediatrix» zwi
schen den unvereinbaren Gegensätzen in der Gottheit, wie das Verbin
dende und Einigende dem weiblichen Wesen mehr eignet als dem
Männlichen.
202 An sich ist der Schnee in der Patristik ein Symbol der ewigen Ver
dammnis 83, und in D a n t e s Inferno steht deshalb Satan bis zur Leibes
mitte im Eis. Es ist dies die «frigiditas peccatorum 84» - Satan regiert im
Norden, der Nordwind ist eines seiner Symbole8*. Das Motiv bezieht
sich wohl auch auf die Gefahr eines «im Konflikt Erstarrens». Das Er
leben der dunklen Seite Gottes könnte alle Liebe erkalten lassen und
der eisige Schauer des «timor Dei» jeden Lebensimpuls erlöschen las
sen; nur die Sapientia kann den Menschen davor schützen, indem sie
in das Opus eindringen - falls sie nicht durch die Weisheit geschützt
sind, und letztere kann sie nur schützen, wenn der Adept - das mensch
liche Ich - die W ege der Weisheit - die wegleitenden symbolischen
Produkte des Unbewußten - beachtet und sich wie ein Diener einstellt.
Dann ist er und seine unbewußte Psyche vor der auflösendenn Wirkung
des Bösen geschützt.
T ext: Und an jenem Tage wird er lachen, da ich gesättigt sein werde und
mein Ruhm zutage treten wird, weil er auf meine W ege acht hatte und nicht
das Brot der Faulheit aß.
Zunächst spricht die Sapientia von sich, nämlich daß sie «gesättigt
sein werde» und infolgedessen «ihr Ruhm zutage treten soll». Dasselbe
Bibelzitat führt auch der Autor von «De adhaerendo Deo» an, indem er
darin den Moment sieht, worin die Seele Gott voll erkennt 9°. Die mate
ria prima wird in den alchemistischen Texten öfters als «terra sitiens»
(dürstende Erde) bezeichnet, die in der Coniunctio durch den herabströ
menden Regen, welcher als «rex de coelo descendens», als «vom Him
mel herabsteigender König» zu ihr kommt getränkt wird. Genau das
selbe Bild findet sich auch bei E p h r a e m S y r u s auf Maria bezogen: diese
ist die «terra sitiens», welche «vom Tau Gottes betaut Christum, als das
Brot des Lebens, gebar **». Eine andere kirchliche Deutung identifiziert
die «terra sitiens» mit dem menschlichen Körper: «Die Erde unseres
Leibes wird mit dem Tau der Taufe b e le b t 93.» (Die kirchliche Tauf
symbolik ist auch in unserem Texte gerade in den folgenden Sätzen an
gedeutet.) Nachdem die «Frau», in unserem Text die terra sitiens, durch
«den vom Himmel herabsteigenden König» oder durch die Bemühung
des Autors (nach dem Autor von «De adhaerendo Deo» geschieht die
Gotteserkenntnis, wenn die Seele reflectitur in se ip s a m 94!) «gesättigt»
90. De adhaerendo Deo, A lberti Magni Opera ed. Borgnet, Vol. 37, p. 533.
91. Vgl. das Zitat der Maria in Senior, De Chemia, p. 80: Et illud est, quod nomi
naverunt Regem de terra prodeuntem et de coelo descendentem. Et simile est huic, quod
dicit quidam in ista aqua.
92. Hymni et Sermones, ed. Th. Lamy a. a. O. Bd. II, p. 744.
93. Vgl. Maximus von T urin, Homil. 101, cit. H. Rahner, Mysterium Lunae
a. a. O. p. 79: Recte plane lunae comparatur Ecclesia et ipsa nos lavacri rore perfundit
et terram corporis nostri baptismatis rore vivificat. Vgl. ebenso Isidor von Sevilla, De
Nat. Rer. 18. 6. zit. ebda.
94. De adhaerendo Deo 1. c. B orgnet, 37 p. 533.
KOMMENTAR 223
w urde, (ein B eleg fü r die Bedeutung des K önigs als Bew ußtsein 95 !)
«tritt ihr R uhm zutage» - und zwar wird sie zu Gott selber *6! Psycho
logisch bedeutet dies, daß der göttliche, d. h. hier w ohl heilbringende,
numinose A spekt der A n im a nur dann sichtbar w ird, w enn ihr vom
dom inierenden Bew ußtsein die entsprechende A nteilnahm e, die A u f
m erksam keit und das richtige V erstehen geschenkt w ird. D ann aber
offenbart sich, daß jene «innere dürre L eere», die terra sitiens des eige
nen Innern, der O rt ist, wo G ott selber erscheint.
Text: Daher wurden die Himmel über ihm aufgetan, und wie Donner er- 207
tönte die Stimme Jenes, der da die sieben Sterne in seiner Hand hält, welches
die 7 Geister sind, die in alle Welt ausgesandt wurden, um zu weissagen und
Zeugnis abzulegen. Wer da glaubt und richtig getauft wurde, der wird selig
werden, wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.
In diesen W o rte n ist in der Bibel die Epiphanie G ottes in der Offen- 208
barung geschildert, von dem es auch daselbst h eiß t 97, daß sein H a a r w ie
w eiße W o lle , wie der Schnee sei, und seine A u gen w ie eine Feuerflam m e
und seine Stim m e wie W asserrauschen, «und sein A ngesicht leuchtete
wie die Sonne», eine Beschreibung, die einem A lchem isten unw illkür
lich Assoziationen zu seinem «Filius philosophorum » eingeben m ußte.
M it dem Erscheinen der G otth eit w erden «diejenigen, die geglaubt
haben», erlöst, «w enn der him m lische K ö n ig über sie rich tet». Sie w er
den «w eiß w erden in Z a lm o n » , d. h. sie sind w ie N eophyten oder
V erk lärte 98.
H in ter der Sapientia taucht das A ntlitz des «Alten der Tage 99» auf, *°9
der als R ichter die G läubigen von den U ngläubigen scheidet. N ach der
flüchtigen E rw ähn u n g des «Sohnes der B osheit» geh t der T e x t w ieder 95678
95. Vgl. die Ausführungen von J ung, Myst. Coni. II, Cap. Rex.
96. Die Anima könnte auch in ihrer Bedeutung so erhöht sein, weil infolge der
Inflation wieder eine Unterschätzung des Unbewußten droht; deshalb wird der Alche
mist zum Diener erniedrigt und die Anima nimmt erhabene göttliche Züge an.
97. Offenb. I. 14-16.
98. Vgl. E phraem Syrus, Hymni et Sermones a. a. O., Bd. I, ρ. 110, Hymnus Bapti-
zatorum: Vestes vestrae fratres, candidae sunt, ut nix et nitor vester refulget ut nitor
Angelorum. - Auf die umfangreiche alchemistische Tauf Symbolik möchte ich hier nicht
eingehen, da von ihr noch mehr in den folgenden Kapiteln die Rede sein wird. Es sei
hier jedoch auf sie hingewiesen.
99. Dan. V II. 9.
224 KOMMENTAR
213 Text: Die Zeichen derjenigen aber, die da geglaubt haben und richtig ge
tauft worden sind, sind die (wenn der himmlische König über sie richtet):
vom Schnee werden sie weiß werden am Zalmon, und die Federn der Taube
silberglänzend und ihre Schwingen hinten am Rücken im Goldglanz strahlend.
100. Ich verweise auf die Ausführungen von J ung für die Bedeutung dieses Motives.
Vgl. Myst. Coni. Vol. I p. 192 ff.
101. Hohelied-Commentar IV, 9. Cit. Hugo Rahner, Mysterium Lunae, Zeitschr.
für Kathol. Theol. a. a. O. 1939. Jahr 63, p. 342. Vgl. die Verwandlung der Luna als
Bild der Menschenseele in den Sol (Christus), Gregorius Magnus, Expos, in Cant.
Cant. cap. 5 (Opera, Paris 1636. tom. 2, col. 42 ).
102. Vgl. hiezu J ung, Psychologie und Religion 1. c. p. 166. Christus ist der «vir
a femina circumdatus» (Jesaia). Vgl. auch das ebda. p. 132, über die Sapientia
Dei Gesagte.
KOMMENTAR 225
Sapientia hat eine m erkw ürdige V erän d eru n g erfahren. Z u erst w urden
sie einander a llein k on fron tiert in einer erschütternden B egegn u n g, nach
w elcher beide in die Finsternis des A bgrundes versanken. D ie Sapientia
versprach dam als dem A lchem isten, ihn zu ihrem göttlichen Sohnge
liebten zu erhöhen, w enn er sie «wissend errette». D an n fo lg te die W a r
nung der Sapientia v o r dem «Sohne der B osheit» und ihre M ah n u ng zu
sorgfältiger A rbeit. In der F o lg e erscheint sie um geben von D ienern
und dann als göttliche, m ännliche R ichtergestalt, u m rin gt von den g eret
teten G erechten - deren V ersam m lu ng w ie eine silberne und goldene
T aube aussieht. D as zentrale Symbol ist h ier zu einer V ie lh e it gew orden,
und der A lchem ist ist nur m ehr E in er unter V ielen, nur noch im B ild
der T aube ( - Sapientia u n d F iliu s) geheim einbezogen. D iese Plurali-
sierung d ürfte m it der vorhergehenden E rw ähnung des Bösen Zusam
m enhängen, bzw. m it der T atsache, daß k ein e bew u ßte u n d in d iv id u elle
A usein a n d ersetzu n g m it dem Schatten stattgefunden hat. D adurch bleibt
das m oralische P roblem ein K ollektivproblem : die «G erechten» w erden
erlöst - «die U ngläubigen» verdam m t. D ie V ersöhnung des H ellen m it
dem D unklen könnte näm lich n u r im Einzelnen stattfinden, weshalb das
H erausspringen aus der Schattenauseinandersetzung eine Pluralisierung
nach sich zieht und dam it gleichzeitig eine Regression in die kollektiv
vorherrschenden A uffassungen bewirkt: der (n e u e ) «Sohn» w ird m it
Christus identifiziert, dessen Leib traditionsgem äß aus der V ielh eit der 10345
103. Migne P. L. tom. 176, col. 1029: Quod propterea dictum puto quoniam est locus
inter timorem et securitatem tamquam inter laevam et dextram.
104. Vgl. z. B. Ephraem Syrus Hymni etc. II 1. c. p. 176.
105. Concordia II. 1. cit. nach Hahn 1. c. Vol. III, p. 271.
226 KOMMENTAR
Text: «Ein solcher wird mein geliebter Sohn sein, sehet ihn an, wie er
schön an Gestalt ist vor allen Menschenkindern, ihn, den Sonne und Mond
bewundern. Er ist aber das Vorrecht der Liebe und der Erbe, auf den die
Menschen ihr Vertrauen setzen und ohne den sie nichts tun können.»
106. Vgl. hiezu H onorius von Autun, Expos, in Cant. Migne, P. L. tom. 172,
col. 380.
107. Die Taube ist ein Symbol Mariens (ebda. p. 544: Columba tenera portat aquilam
annosam . . .) und in gnostischen Systemen ein Symbol Christi, des Sohnes der Sophia.
(Vgl. W . B ousset, Gnosis a. a. O. p. 266.)
108. Der Psalm wird in der Kirche als «Loblied auf den Gesalbten Gottes und seine
Braut» bezeichnet.
109. Graduale, Sonntag in der Oktav vor Weihnachten, Meßbuch ed. Schott a. a. O.
p. 110. Vgl. auch über die Schönheit Christi Ephraem Syrus. Hymni a. a. O. Bd. II,
p. 562: Labia tua stillant pharmacum vitae, balsamum fluit e digitis tuis, pulchri sunt
oculi t u i. . . Omnes filii Ecclesiae te ardentissime appetunt.
110. So heißt es auch vom Gold im «Buch der Alaune und Salze» (ed. Ruska, p. 64),
es sei: Dominus Lapidum . . . et rex . . . et sic est aurum inter corpora sicut sol inter
sidera, quia sol est rex siderum et lumen et cum eo complentur res terrarum et vegeta
bilium . . .
KOMMENTAR 227
Text: Wer Ohren hat. . . der höre, was der Geist von den 7 Sternen sagt, 219
durch die das göttliche Werk vollbracht wird. Von diesen spricht S e n io r . . .
folgendermaßen: «Nachdem du jene Sieben, die du durch die 7 Sterne ein
geteilt und den 7 Sternen zugeordnet hast, hergestellt und sie 9mal gereinigt
hast, so daß sie aussehn wie Perlen - das ist die Weißung.»
gefärb ten Form u lierun g zurück und zeigen in einem w eiteren B ild e an,
daß es sich in diesem Endstadium der ersten Parabel w irklich um ein
Erscheinen der klassischen A lbedo handelt. D as SENIOR-Zitat spricht
von den den sieben Sternen zugeteilten M ächten, w elche gerein igt w er
den sollen, bis sie aussehen w ie Perlen. Es handelt sich um dieselben
sieben Sterne, w elche als A ttrib u t der G ottheit in der Apokalypse er
w ähnt sind. Es sind dam it die sieben M etalle gem eint, w elche öfters in
ihrer G esam theit die m ateria des Steines konstituieren und in ihm zur
«K ron e» zusam m engefaßt w e rd e n IIX. In diesen Schlußw orten der P a ra
bel w ird dam it zugleich noch einm al auf den Sinn des T itels hingew ie
sen: «von den sieben Planeten, w elche in der schwarzen E rd e ihre W u r
zeln schlugen». N ach m ittelalterlicher A nschauung sind näm lich die
sieben M etalle nicht nur den sieben Planeten zugeordnet, sondern sogar 1
112. Vgl. z. B. J oh. M ennens, Theatr. Chem. 1622, V, p. 341: Dicet aliquis quomodo
influentiae praedictae metallorum . . . parentes montes penetrabunt ? Respondet Propheta
regius: Montes sicut cera fluxerunt a facie Domini.
113. Vgl. die Beschreibung dieses Motivs mit negativen Vorzeichen bei H onorius
von Autun, Specul. de myst. Eccles. Migne P. L. tom 172, col. 937: Eptacephalus ( ! )
diabolus princeps tenebrarum traxit de coelo cauda sua partem stellarum et nebula pecca
torum eas obtexit atque mortis tenebris obduxit. Unde sol aeternus iubar suae Caritatis
nube carnis operuit, in occasu mortis pro stellis occubuit, de caligine productas ipse de
nocte mortis oriens sereno coelo restituit.
114. Vgl. Petrus B onus, Theatr. Chem. 1622, V, p. 647. Vgl. J ung, Psychologie
und Alchemie, p. 212, Anm. 3.
115. Tractatus Aureus cap. 2: verum masculus est coelum foeminae et foemina terra
masculi.
116. B erthelot, Coli. Aich. Grecs III. X . 1. Vol. I, p. 145.
117. Das Urbild der Vereinigung von Himmel und Erde dürfte wohl aus der antiken
Mysteriensprache in die Alchemie eingegangen sein. Besonders schön ist diese Vereini
gung ausgedrückt in dem Danaidenfragment von Aeschylos (Frgm. 44. cit. nach der
Übersetzung von H. Leisegang, Gnosis a. a. O. p. 9 3 ):
«Es sehnt der keusche Himmel sich zu umfahn die Erd’, Sehnsucht ergreift die Erde
sich zu vermählen ihm. Vom schlummerstillen Himmel strömt des Regens Guß, Die
Erd’ empfängt und gebiert den Sterblichen, Der Lämmer Grasung und Demeters milde
Frucht. Des Waldes blühenden Frühling läßt die regnende Brautnacht erwachen: Alles
das, es kommt von mir.»
Auch der eleusinische Mysterienruf hye-kye wurde von Proklos in diesem Sinn
gedeutet (In Platonis Tim. 293, Zit. ebda.): «Die Satzungen der Athener schrieben vor,
die Feier der Hochzeit von Himmel und Erde vorzubereiten, indem sie zu ihnen hin
schauten; und im eleusinischen Heiligtum, emporblickend zum Himmel, riefen sie:
KOMMENTAR 229
D ie terra n igra (schw arze E rd e ) im T itel der ersten Parabel ist offen- 222
sichtlich das em pfangende Prinzip, welches die Plan eten k räfte in sich
aufnim m t. D ies stim m t nicht nur m it der allgem einen antiken A nschau
ung von der «terra m ater» überein IlS, sondern ist auch alchem istisch
belegt. So antw ortet z. B . R o s i n u s auf die F ra g e von E u t h i c i a : Quis
foem ina? - T e rra n igra ll 9. - D am it ist nahegelegt, daß die E rd e m it
der erhabenen Sapientia-D ei-G estalt der vorhergehenden K ap itel iden
tisch i s t I20.
D am it ist - genauer besehen - ein eigentlich ungeheuerlicher G edanke 223
die E rd e, resp. die sieben Sterne oder M etalle in ihr, «w eiß w ie P erlen ».
«Laß regnen!» und niederblickend zur Erde das W ort: «Empfange». Darin liegt die
Erkenntnis, daß die Schöpfung aller Dinge von einem Vater und einer Mutter ausgehe.
In der Gnosis wurde dieser kosmische Vorgang bereits psychologisch gedeutet. Im
Baruchbuche J ustins wird z. B. der Himmel ( ουρανος ) mit dem pneuma, die Erde mit
der «psyche« gleichgesetzt. (H ippolytos, Elenchos V. 26. 36. - Vgl. auch R. Reitzen
stein, Das iranische Erlösungsmysterium, Bonn 1921, p. 104.) Dieselbe Deutung findet
sich auch bei Philo von Alexandrien, (Leg. Alleg. 1. Par. 9. Reitzenstein, ebda,
p. 104-105.) wo Himmel und Erde als νους und αϊσθησις interpretiert sind, und später
auch als der himmlische und der irdische Mensch. (Ebda. p. 105.) Diese Bedeutungs
zusammenhänge sind in der sechsten Parabel der Aurora aufgegriffen.
118. Belege in A. D ieterich, Mutter Erde. Teubner, Leipzig-Berlin II. Aufl. 1913.
passim.
119. «Wer ist die Frau?» - «Die schwarze Erde.» Artis Aurif. 1610, I, p. 169.
120. Im Übrigen ist auch nach Philo v. Alexandria die Erde des Paradieses ein
«symbolum sapientiae». Quaest. in Genes. 18. Vgl. R. R eitzenstein, Das iranische Erlö
sungsmysterium a. a. O. p. 106. Die Identität der Erde mit der Sapientia wird später im
Text deutlicher ausgesprochen.
230 KOMMENTAR
D ie Perle ist bei S e n i o r , dem obige Sentenz entnom m en ist, ein Syno
nym des L a p is 121, der als «m argarita subtilis» (subtile P e rle ) aus dem
göttlichen W a sse r g efo rm t w ird. E in m ittelalterlicher T e x t nennt auch
die Sapientia D ei eine «m argarita p re tio s a 122». In unserem T e x t ist aber
diese P erle in eine Siebenheit aufgespalten, was auf eine gewisse D is
soziation, d. h. au f jene oben erw ähnte Pluralisierung hindeutet. D ies ist
w ohl der G rund dafür, daß die alchem istischen Prozeduren im zweiten
K ap itel nochm als w iederholt w erden.
225 Schon in der griechischen A lchem ie ist die «Perle» ein Synonym fü r
das «göttliche W a sse r» oder dessen πνεύματα (G e is te r ). So sagt ein g rie
chischer, anonym er A lchem ist: «D ie Philosophen nannten die W asser
oder G eister (πνεύματα = auch v erd am p fte Substanzen) ,Perlen und
,Edelsteine', denn sie sind voll g ro ß e r K ra f t 12K W e n n du sie bearbei
test, bis du die innen verborgene N a tu r herausbringst, dann hast du das
M ysterium der Philosophen erreicht I24.»
126 In unserem T e x t sind die «Perlen» ein Symbol der A lbedo und w ohl
ebenfalls der «w eiblichen K ra f t» , d. h . der A n im a- oder Sapientia-
G estalt. In der christlichen Symbolik ist die P erle ein B ild der Reinheit
und Ju n g fräu lich k e it12*, was den «m oralischen» A spekt der geschil
derten D ealbatio ergänzen kann. D as T h em a der chem ischen und psychi
schen A blution und die Symbolik der «T au fe» ist in den nachfolgenden
K ap iteln näher behandelt.
Z u sam m en gefaßt schildert die erste Parabel ein w esentlich neues 227
K O M M EN T A R Z U R Z W E IT E N PA R A B EL
( 7 . K A P IT E L )
ie zweite Parabel ist schon durch ihren T ite l «von der W asserflut 22s
D und dem T o d e, den das W e ib hereingebracht und auch vertrieben
h at», bedeutungsvoll. W ie sich näm lich erweisen w ird, ist die F rau nie
m and anderer als w ieder die Sapientia D ei. B ei der K om m en tieru n g des
vorhergehenden K apitels hatten w ir nur indirekt erschlossen, daß die
Sapientia, bzw. ihr H erabsteigen zum A depten, U rsache der eingetre
tenen N ig red o gewesen sei, aber im T e x t w ar es nicht direkt ausgesagt.
D ie N o tlag e des A lchem isten und der Sapientia w ar einfach plötzlich
vorhanden. D urch die D iskrim inationsversuche und die Bearbeitung im
letzten K ap itel jedoch scheint der A u to r nachträglich zu ahnen, daß die
Sapientia selber ihm diesen «T o d » gebracht hatte.
D as K ap itel beginnt zunächst w ieder m it der Schilderung einer F lu t. 229
Es ist, als ob, wie schon erw ähnt, jede Parabel in kurzen Z ü g en jeweils 16
Text: W enn sich die Menge des Meeres zu mir gewandt hat und die
Ströme sich über mein Antlitz ergossen h ab en . . .
H ier w ird nun der Zustand der N ig re d o nach neuen R ichtungen hin
am plifiziert. D ie F lu t ist nicht nur die in die E rd e eindringende W o lk e,
sondern w ird auch als Einbruch einer M eeresflut geschildert. D e r A u s
druck «M en ge des M eeres» bezeichnet bei J e s a ia eigentlich «die am
M eer w ohnenden H eid en » (Je s. L X , 5 . ) , w om it w iederum jenes schon
in dem M o tiv der Ä thiopier angeschnittene Problem des Einbruches
heidnischer Seeleninhalte angedeutet ist. Bezeichnenderw eise findet sich
eine ähnliche V orstellu n g bei einem byzantinischen christlichen K o m
m en tator alchem istischer T rak tate, näm lich bei C h r i s t i a n o s . D ieser
sagt zur E rk läru n g des Ausdrucks «M eerw asser»: dam it m einten die
alten Philosophen das fixierende und zeugende W asser der K u n st;
«denn das M eer ist hereinbrechend sow ohl in bezug au f eine M en ge von
Fischen als auch au f die A n w oh n ersch aft der B arb aren »; das E rz aber
sei eine «rote Sache», w elche diejenigen, die un erfah ren an sie heran
gingen, v e rn ic h te r. H u g o R a h n e r , der, wie erw ähnt, die patristischen
Belege fü r die symbolische B edeutung des M eeres um fassend zusam
m engestellt h a t 1234, sagt, daß «das teuflische M eer» im übertragenen Sinn
die dem T eu fel anheim gegebene M enschheit, die M asse der H eid en
völker sei, indem er H il a r i u s zitiert 3: «M it R echt deuten w ir die
W asser als die V ö lk e r . . . die irdischen W asser sind erschreckend, erd
h aft, finster, sie w ollen uns verschlingen durch die zornerregten G em ü
ter, die vom vollen A n stu rm teuflischen Rasens bew egt sind.» Ü b er dem
M eer liegen die N eb el und W irb elstü rm e der D äm on en (daem onum
nebulae et daem onum turbines) 4. D iese A u ffassu n g steht w ohl auch
Text: (Wenn) die Pfeile meines Köchers vom Blute trunken sein werden... 233
U n verm ittelt spricht dieselbe G estalt, also w ohl die in den Stoff 234
projizierte A nim a, und sagt aus, daß sie sich an einem m örderischen
G em etzel und B lutbad berauscht habe. E s ist dies offenbar eine A nspie
lung auf jenen heim tückischen M o rd , den nach der Turba die «F rau »
bei der C oniunctio m it den in «ihrem Leibe verborgenen W affen 7» an
ihrem G eliebten begeht, und der auch in andern T e x te n als μάχη ΰηλείη
«K am p f des W eiblich en » bezeichnet w orden i s t 8910- ein Sym bolzusam
m enhang, fü r w elchen ich au f die A usführungen von J u n g , w elcher
auch die parallele kirchliche Symbolik erläutert h at, verweisen kann 9,
D ie Liebe w urde in der kirchlichen Sprache als T ötendes und Belebendes
bezeichnet. So sagt z. B . A u g u s t i n u s 10: Ipsa caritas occidit quod fuim us,
5. Vgl. Petasios bei Olympiodor. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. II. IV. 43 u. 44.
(Vol. I, p. 95 und 97.) Vgl. Näheres hiezu C. G. J ung, Myst. Coni. Vol. I p. 257 ff.
6. Artis Aurif. 1610. Teil I p. 251. Es handelt sich um die lateinische Übersetzung
eines arabischen Traktates.
7. Vgl. T u r b a a. a. O. p. 247 und p. 229, Vgl. auch Zosimos, B erthelot, Coli. Aich.
Grecs III. V I. 8 . 1, p. 124. Rosinus ad Sarratantam, Artis Aurif. 1610 I, p. 189.
8. Carmina H eliodori ed. G oldschmidt a. a. O. p. 56, Carmen IV, Vers 225.
9. Vgl. J ung, Myst. Coni. I, p. 133, 158, 174 u. 188 ff.
10. Ennarr. in Psalm. 121. Migne P. L. 37, col. 1628: Die Liebe tötet, was wir waren,
damit entstehe, was wir nicht waren; die Liebe bewirkt gleichsam einen Tod für uns.
234 KOMMENTAR
ut simus quod non eram us; facit nobis quandam m ortem dilectio. - Ü b er
treibung der Liebe bewirkt auch nach T homas von A q u in eine «lique-
f a c tio 11» (Z erfließ en ) und einen « la n g o rI2» (E rsch la ffe n )!
235 Im biblischen Zusam m enhang (D eu t. X X X I I , 4 2 ) ist m it den blut
trunkenen P feilen der sieghafte Triumph und die Rache Gottes über
seine Feinde beschrieben *3. So w ird w iederum die Animagestalt mit
Gott gleich gesetzt. A uch erm ordet die «F rau » nicht nur, wie in den
m eisten alchem istischen T exten , ihren G eliebten, sondern w ütet w ahllos
unter den M enschen Σ4. W ie einst der K in d erm ord von Bethlehem die
G eburt C hristi begleitete, so scheint auch diese «neue G eburt» von einem
apokalyptischen M enschenm orden eingeleitet.
236 Text: und wenn meine Kelter vom besten W ein duften und meine Scheu
nen mit Weizen gefüllt sein werden, und wenn der Bräutigam mit den 1 0
Jungfrauen in mein Gemach eingetreten ist, und darnach mein Leib von der
Berührung meines Geliebten angeschwollen sein wird . . .
11. Summa, editio Leonina, Rom 1891, Bd. V I. Prima secundae Quaest. 28, Art. 5:
Amor ergo boni convenientis est perfectivus et meliorativus amantis: Amor autem boni,
quod non est conveniens amanti, est laesivus et deteriorativus amantis: unde maxime
homo perficitur et melioratur per amorem Dei, laeditur autem et deterioratur per amorem
peccati . . . liquefactio importat quandam mollificationem cordis qua exhibet se cor habile
ut amatum in ipsum subintret. Vgl. auch Comm. in Sent. Lib. III. Dist. X X V II, 9. Ia.
1 ad 4.: quia amans a se ipso separatur in amatum tendens et secundum hoc dicitur amor
extasin facere et fervere, quia quod fervet extra se bullit et exhalat. . .
12. Vgl. Math. M eier, Die Lehre des Thomas von Aquino De passionibus animae
in quellenanalytischer Darstellung. Beiträge zur Gesch. der Philosophie des Mittel
alters, Bd. X I, Heft, 2, 1912, Münster i. W ., p. 55. Die Stelle ist: de passionibus animae
9. 27 a. - Vgl. ferner G ilbert de Hoy, Sermones in Cant. X L V II. 3. P. L. 184, col. 244,
W ilhelm von T hierry, Sup. Cant. c. 2. P. L. 180, col. 515, und B audoin, Erzbischof
von Canterbury Tract. X IV , Migne P. L. tom. 204, col. 539. Vgl. auch W ilhelm von
Auvergne, De Trinit. c. X X I , Migne, P. L. tom. 2, col. 26: et plerumque vulnus
dicitur amor.
13. Vgl. bes. auch Joel, II. 23-24 u. IV 12 ff: «Denn daselbst will ich sitzen, zu
richten alle Heiden um und um. Schlaget die Sichel an, denn die Ernte ist reif; kommt
herab, denn die Kelter ist voll und die Kufen laufen über . . . denn des Herren Tag ist
nahe im Tale des Urteils. Sonne und Mond werden sich verfinstern.» usw.
14. Ältere mythologische Parallelen wären z. B. die ägyptische Legende von der
Göttin H a t h ö r . Als Re, der Sonnengott, alt wurde, conspirierten die Menschen gegen
ihn; da sandte er sein Auge, die Göttin H a t h ö r gegen sie zur Erde. Hathor richtete unter
den Menschen ein großes Gemetzel an und konnte aber dann einfach nicht mehr damit
aufhören, obwohl Re die Überlebenden retten wollte. So ließ er blutfarbenes Bier um
die Göttin, als sie schlief, ausbreiten. H a t h o r betrank sich daran und ließ vom Morden
ab. Vgl. J. V a n d i e r , La Religion Egyptienne. Paris. 1 9 4 9 p. 3 8 .
KOMMENTAR 235
D er T riu m p h des Siegers, bzw. der positive A spekt des G em etzels, 237
ist im Satz von den vollen K eltern und Scheunen, die dem Sieger g e
hören, ausgeführt. D ie N ig red o ist näm lich, wie z. B . aus einem A u s
spruch von A v ic e n n a h ervorgeh t, ein Triumph oder Dominieren des
W eiblichen.
D as geschilderte Blutbad bedeutet offensichtlich den im T ite l erw ähn- 23s
15. Declaratio Lapidis Physici. Theatr. Chem. 1613. Vol. IV. p. 991: quia usque
ad albedinem humiditatis corruptio et foeminae viget dominium.
16. Die «rasende» Foemina ist (wie erwähnt) nach dem Bibelcontext mit der Gott
heit identisch.
236 KOMMENTAR
bereit w aren, gingen m it ihm hinein zur H ochzeit, und die T ü r w ard
verschlossen. Z u letzt kam en auch die anderen Ju n gfrau en und sprachen:
,H e rr, H e rr tu uns a u f!’ E r antw ortete aber und sprach: ,W a h rlich ich
sage euch: Ich kenne euch n ic h t/ D aru m w achet, denn ihr wisset w eder
T a g noch Stunde, in w elcher des M enschen Sohn kom m en w ird *7.» A n
sich ist dieses M o tiv einer G ruppe von Frau en, w elche alle auf den einen
B räutigam w arten, der in der M itte der N a ch t erscheint, seltsam , und
weist w ohl au f vorchristliche T rad itio n h in : sow ohl im Adoniskxxlt, als
auch in den V olksfesten, die den T o d und das W iederfin d en des Osiris
feierten, w urden der T o d des G ottes und sein H ierosgam os m it der M u t
tergöttin von Frauenchören begleitet, w elche am Leiden und am F re u
denfest der groß en G öttin te iln a h m e n 17l819. T otenb ah re und H ochzeitsbett
sind dabei eines *9. D as F est w urde besonders von Frau en b e g a n g e n 20.
N ach der A uffindung des toten Osiris erfo lg te in Busiris noch ein «F est
der brennenden L am p en », an w elchem die G läubigen den toten G ott
zur Toteninsel g e le ite te n 21. Falls B ezüge zwischen dem biblischen
G leichnis und solchen V orstellungen zu R echt bestünden, so w äre dam it
das archetypische M o tiv der Todeshochzeit hier bereits angetönt, das im
letzten K ap itel der A u ro ra zum zentralen In h alt erhoben ist.
D as A u ffallen d e bei der A nw endung des Gleichnisses in unserem
T e x t ist die Tatsache, daß alle zehn Ju n gfrau en m it dem B räutigam ins
H ochzeitsgem ach treten, und som it bei dem hier geschilderten E rlösungs
w erk auch die törichten Ju n gfrau en m it einbezogen sind, denen nach
biblischer V ersion die T ü re zum H im m elreich verschlossen w urde. D as
B ild dieser um fassenderen E rlösung, an w elcher offenbar auch das un
zulängliche m enschliche W e se n te ilh a t2223, ist verm utlich durch jenen
Einbruch des G ottesschattens in die m enschliche Psyche vorbereitet w or
den. A u f die Bedeutung der Z ehnzahl der Ju n gfrau en soll erst unten 23
17. Vgl. H onorius von Autun, Expos, in Cant. Migne, P. L. tom. 172, col. 534,
der diese Stelle als Eingehen Christi in die Seele deutet.
18. Vgl. H. Gressmann, Tod und Auferstehung des Osiris. Leipz. 1923, Cap. Adonis
und Osiris.
19. Vgl. Gressmann, 1. c. p. 16.
20. ebda. p. 25. Man vgl. auch die Maenaden des D io n y s o s k u lte s .
21. ebda. p. 38.
22. Vgl. hiezu J ung, Psychologie und Alchemie, Einleitung, p. 44 ff.
23. Vgl. unten p. 243.
KOMMENTAR 237
die B iblia M arian a (P s .- A l b e r t u s ) sagt von M aria: «Sie ist es, die
Salom on der M orgen rö te vergleicht in ihrer G eburt, dem V ollm on d bei
der geheim nisvollen E m pfängnis des Gottessohnes, der Sonne in ihrer
H im m elfah rt, den schrecklichen H eerscharen bei der V erscheuchung
der D äm onen 3^.» F ü r die kom plexe psychologische B edeutung des Sol
als U rb ild des Bew ußtseins und dessen Q uelle, des Selbst, m uß ich auf
die E rläuterungen von J u n g verweisen 37 .
Text: . . . dann wird die Zeit erfüllet sein, in der Gott seinen Sohn senden 245
wird, wie er gesagt hat, welchen er gesetzt hat zum Erben über alles, durch
welchen er auch die W elt gemacht hat (und) zu dem er sprach: «Du bist
mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.» Dem auch die Magier vom Morgen
lande drei kostbare Gaben darbrachten. An jenem Tage, den der Herr ge
macht hat, lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein, weil heute der Herr
mein Elend angesehen hat und die Erlösung sandte, da er herrschen wird
in Israel.
p. 8, 16, 130 und Bd. II, p. 478, 526, 550 und 792: «Im Lichte wird alles unterscheidbar
und in Christo alles erklärt.» (Vgl. auch p. 794, 630, 812.) Ebenso Bd. I, p. 10: «Besiegt
sind die Finsternisse, auf daß angezeigt sei die Besiegung Satans, und es siegte die Sonne
um den Erstgeborenen zu verkünden. Besiegt sind die Finsternisse mitsamt dem Geist
der Finsternis, und es siegte unser Licht mit dem Urheber des Lichtes.» - An einer
Stelle bezeichnet Ephraem Christum auch als Lichtsäule (Bd. II, p. 496), was an mani-
chäische Vorstellungen vom Erlöser als Lichtsäule erinnert.
36. Alberti Magni Opera ed. Borgnet Vol. 37, p. 399.
37. Vgl. Myst. Coni. Vol. I, Kapitel Sol.
240 KOMMENTAR
füllung 38», in der Einsetzung desselben als «Erben über alles 39», zu dem
G ott sprach: «D u bist m ein Sohn, heute habe ich dich gezeugt 4°», und in
der E rw ähn u n g der K ö n ig e aus dem M orgenlande, die dem K in d e h u l
digen. Bedeutsam ist die B etonung, daß G ott durch diesen Sohn «die
W e lt gem acht h at», w odurch der Filius philosophorum wie Christus als
iveltschöpferischer Logos interpretiert ist. D ie nachfolgenden W o rte
des T extes: «A n jenem T a g e , den der H e rr gem acht hat, lasset uns
freuen 41 . . . » , bilden das G raduale des O sterm ontages und des Freitages
in der O sterw oche *z, und darin liegt die A ndeutung, daß diese G eburt
des Filius philosophorum auch eine A ufersteh u n g oder W iedergeburt
ist. D ies w ird erst durch die psychologische D eutu n g sinnvoll, insofern
es sich eben nicht nur um die N eugeb u rt des «inneren M en sch en», des
Selbst, handelt, sondern zugleich um eine W ied ergeb u rt des bisherigen
Ichbew ußtseins des M enschen. A uch könnte m an die G eburt des alche-
m istischen Filius als ein kom pensatorisch-verw andeltes W ie d e ra u f erste
hen C hristi deuten; denn der Archetypus des Selbst ist w ahrscheinlich an
sich «ew ig», nur das ihn in der Psyche repräsentierende archetypische
B ild stirbt und w andelt sich entsprechend den Bew ußtseinsveränderun
gen im M enschen.
Text: Heute hat das W eib den Tod, den es hereinbrachte, auch wieder ver
trieben, und die Riegel der Hölle sind zerbrochen. Der Tod wird nämlich
hinfort nicht herrschen, und die Pforten der Hölle sollen sie fürderhin nicht
überwältigen. . .
38. Galat. IV . 4.
39. Hebr. I. 2.
40. Hebr. I. 5.
41. P s.C X V III.
42. Missale a. a. O. p. 316. Vgl. auch Honorius v. Autun, Migne, P. L. tom. 172
col. 924: Nocti quippe mortis et miseriae, quae a peccato Adae incohans cunctos sua cali
gine involvit, haec sacra nox finem imposuit, Dies autem felicitatis et gaudii hodie
inchoavit.
43. Röm. V I. 9.
44. Ähnlich sagt der Autor von De adhaerendo Deo: «Wenn unser Herz und
G e ist. . . sich allmählich in sich selbst auf ein unwandelbares genügend Gutes sammelt
und gelernt hat, mit s ic h zu w e ile n usw. und sich an jenes höchste Gute völlig gewöhnt
bis es gänzlich unwandelbar wird und zu jenem wahren Leben, welches Gott der Herr
KOMMENTAR 241
A lchem ist ist m ehr durch Teilhaben an der G eburt des Erlösers, als
durch sein eigenes W e rk befreit. Im U nbew ußten w ird etwas w ieder
vollständig und ganz; und dadurch fühlt sich das Ich indirekt beruhigt.
Es ist, als ob die extrem en Schwankungen zwischen H ö lle und Seligkeit,
w elche in diesen Parabeln dargestellt sind, allm ählich einen A usgleich
der G egensätze herbeiführten - ohne daß aber der V erfasser völlig reali
sierte, was fü r V eränderungen seines bisherigen bewußten W eltb ild es
dam it angebahnt sind. D aru m bleibt der Prozeß teilweise unerkannt,
und der A u tor glaubt sein Erlebnis des «F iliu s», d. h. des Selbst m it der
kirchlichen V orstellu n g C hristi in eins setzen zu dürfen, obw ohl eigent
lich der «Filius philosophorum », w ie J u n g dargelegt hat ein aus dem
U nbew ußten erzeugtes kom pensatorisches Spiegelbild zur dogm atischen
G estalt C hristi darstellt. D as alchem istische B ild des «Filius philosopho
rum » ist im V ergleich zu Christus vollständiger, indem er eine helle
und dunkle Seite in sich vereinigt - der inferiore T eil der m enschlichen
N atu r ist in ihm inbegriffen. W ie die nachfolgende T e x tp a rtie zeigen
w ird, ist dies auch bei der vom A u to r der A u ro ra geschilderten E rlöser
gestalt der F all - doch nennt er diese vollständigere F ig u r: Christus,
w obei ihm das Problem atische seines M iteinbeziehens der D unkelheit
nicht w irklich bew ußt gew orden ist.
Text: « . . . denn die zehnte Drachme, welche verloren war, ist gefunden, 250
und das hundertste Schaf ist in der W üste wieder heimgeholt, und die Zahl
unserer Brüder vom Engelsturz ist wieder vollständig ergänzt worden.»
D iese Partie deutet an, von w elcher A rt die «Erlösung» oder G anz- 251
ist, unwandelbar gelangt ist und in ihm . . . innerlich ruht in jener inneren ruhigen und
geheimen Stätte der Gottheit völlig in s ic h s e lb e r g e s t e llt in J e s u C h r isto , w e lc h e r ist
d e r W e g ,, die Wahrheit und das Leben.» - Alberti Magni, Opera ed. Borgnet,
Vol. 37, p. 350.
45. Psychologie und Alchemie, 1. c. p. 44 ff.
242 KOMMENTAR
genom m en 51. D abei stellt die D odekas das böse irdische Schicksal 52 dar,
die D ekade hingegen ist «seelenerzeugend», und in ihr finden sich nach
pythagoräischer A nsicht 53 Leben und L ich t geeint, sie ist daher ein B ild
des w eltschöpferischen N ou s 54.D ie M onad e stam m t vom U rp n eu m a ab
und u m faß t die D ekade, und letztere u m faß t w ieder die M onade. D iese
pythagoräische Idee, w elche in der Spätantike w eitere V erbreitung fand,
lebte in der A lchem ie besonders durch V erm ittlu n g der Turba w eiter.
So h eiß t es in einem Serm o des P y t h a g o r a s , zu dem uns noch der arabi
sche T e x t erhalten ist «W isset also, daß die W u rz e l des Zählens und
dessen A n fan g die Eins ist, m ännlich und einzig, und daß aus jener Eins
die gesam te Schöpfung h ervorgegangen ist. U n d was die Z w ei betrifft,
so kom m t sie nach der Eins und ist weiblich . . . U n d die D rei ist m än n
lich . . . A ls aber die V ier kam , w ar sie we i b l i c h . . . D ie V ollen d u ng des
ganzen Zählens ist also die V ier, denn die Z eh n vollendet sich durch
die V ier . . . So h at G ott die G esam theit der G eschöpfe aus den vier v er
schiedenen N atu ren geschaffen, nachdem sie in der Z ah l bis zur Z eh n
gekom m en w aren, w urden sie aneinander g e f ü g t . . . und G o tt brachte
aus ihnen alles hervor. D aher ist zwischen der Z eh n und der V ier kein
U nterschied und keine T r e n n u n g . . . M an kann die Z eh n und die V ier
nicht trennen, und die Z eh n w ird n u r durch die V ie r vollendet. D arü ber
hinaus aber gibt es kein Z äh len und kein W issen .» V o n dieser Turba-
Stelle scheinen die A usführungen von S e n i o r abhängig dessen W e rk
51. Auch Mani zählt zehn Himmel. Vgl. W. B ousset ebda. Anm. 1.
52. Ähnlich wird im 13. Tractat des Corp. Herm. einer Zwölfheit böser Strafgeister
(die Zodiakalzeichen) die zehn guten Kräfte Gottes gegenübergestellt. Vgl. ferner
W . Scott, Hermetica, a. a. O. Bd. I, p. 238 ff. Besonders p. 247-248. Vgl. ferner
R. Reitzenstein Poimandres, p. 336 und 342 und B ousset, Gnosis, a. a. O. p. 364.
R. Reitzenstein, Myst. Rel. p. 49, 50.
53. Vgl. W. Scott, Hermetica, a. a. O. Bd. II, p. 393 und 243.
54. Proklus, In Tim. I. 87. 28. (D iehl) cit. Scott, l . c. Vol. 4, p. 388. J. Lydus :
ή δημιουργική δεκάς νους έλλάμπουσα ταΐς ψυχαΐς. Vgl. ebenso II. 236. 12 und
De mensibus, 3. 4. (S cott IV, p. 392 ff.) Die Dekade ist auch die κεφαλή του κρόνου.
J amblich, De vita Pythagorae 298, und K ern, Orphicorum Fragmenta, 307, 316. Hippo-
lytos, Refut 4. 43. Vgl. ferner C. G. J ung, Psychologie der Übertragung, 1946, p. 232
und S. Hurwitz, Archetypische Motive etc. l . c. in Zeitlose Dokumente der Seele,
l . c. p. 194 ff.
55. R u s k a , T u r b a l . c. p. 300 ff.
56. Vgl. Ruska, T u r b a , a. a. O. p. 304, Anm. 1.: Diese Reden des Pythagoras sind
die Quelle für die Ausführungen des Senior im Theatrum Chemicum Bd. V, p. 203:
Deinde ingreditur salsatura secunda in eo recens, quae est femina secunda, et facta sunt
universa quatuor, scii, duo masculi et duae feminae, ex quibus exierunt quatuor colores,
244 KOMMENTAR
et hi sunt numerus eius. Intellige hoc principium numeri, primum et secundum, et dicis
duo, et illa sunt tria in numero, deinde dicis tria, quae sunt in numero sex, deinde dicis
quatuor, et fiunt in numero decem numeri manifesti, occulti autem ipsorum quatuor.
His autem numeris perficis Magnesiam, quae est Abarnahas, existens ex quatuor. Decem
vero sunt quatuor, et ex eis sunt decem. Haec sunt quatuor naturae, scilicet terra, aqua,
aer et ignis, ex quibus consistit omnis creatura. Intellige autem hoc.
57. Senior, de Chemia, a. a. O. p. 23.
58. ebda. p. 27. terra foliata «Silbererde».
59. Senior, De Chemia p. 28.
60. ebda. p. 122: «Per aquilas substantiam volatilem intelliges . ..»
61. Nach der P is tis S o p h ia besteht das Übel der W elt in der Vermischung von Licht
und Finsternis und deren endgültige erlösende Trennung tritt erst dann ein, wenn die
vollkommene Zahl (der gerechten Seelen) vollendet ist. (W . B o u sset , Hauptprobleme
der Gnosis, a. a. O. p. 102.)
KOMMENTAR 245
Text: Also sollst du dich heute freuen, mein Sohn, denn hinfort wird keine 253
Klage noch Schmerz mehr sein, denn alles Frühere ist vergangen.
N u n ist nach A ussage des V erfassers das D unkle, Böse endgültig ver- 254
trieben, und der T e x t spielt sogar auf eine vollständige Apokatastasis an.
A lle T ren n u n g ist aufgehoben, die verlorene D rach m e, das verlorene
Schaf, die gefallenen E ngel sind wieder zur G anzheit zurückgekehrt,
und die Z ah l der B rüd er vom Engelsturze her ist w ieder - wie es w ö rt
lich heißt - plenarie integratus6z.
Text: Wer Ohren hat, der höre. . . von dem Weib, das den Tod herein- 255
brachte und ihn vertrieb, was die Philosophen mit folgenden Worten andeu
ten: Nimm ihm die Seele weg und gib ihm die Seele zurück; denn die Zer
setzung des Einen ist die Erzeugung des Andern. . .
H iem it g reift der T e x t noch einm al das im T itel angeführte und im 256
M ittelteil der Parabel erw ähnte M otiv von dem « W e ib , das den T o d
hereinbrachte und ihn vertrieb» auf, und dies w ird nun alchemistisch
erklärt als ein W egn eh m en der Seele aus dem Stoff und ein Zurückgeben
derselben an ihn. O bw ohl es dem V erfasser in W irk lich k eit zugestoßen
ist, den T o d und das V erschw inden des T odes zu erleben, und er selber
dieses Erlebnis nicht hervorgebracht hat, hat ihn doch offenbar seine
K enntnis alchem istischer T e x te den V o rg an g nachträglich in diesem
Sinn verstehen lassen und er hat durch diese alchem istische F orm u lie
rung eine gewisse D istanz von seiner Em otion gew onnen.
Biblisch gesprochen w äre das W e ib , «das den T o d in die W e lt 257
62. Vgl. C. G. Jung, Myst. Coni. II p. 312 ff. Es ist eine Apokatastasis alles Seienden,
in welcher der Mensch auch sein ursprüngliches Einssein mit der Natur und Gott wieder-
findet. Die Ahnung dieses Zieles befreit den Autor momentan aus seiner Verstrickung
in das unbewußte Drama; er sieht es sogar als einen alchemistischen Prozeß an, der
vom Menschen eingeleitet werden kann, was einen seltsamen Umschwung ins Lehrhafte
mit sich bringt.
63. Hymni et Sermones 1. c. I p. 154: Eva mater omnium viventium fons mortis
effecta est omnibus viventibus.
64. Auch Papst Pius χπ. nennt in seiner Encyclica des 4. Nov. 1950 Maria eine
«Heva nova». Acta Apostol. Sedis 1950, p. 768 und 764, wobei A lb ertu s M a g n u s ,
246 KOMMENTAR
Sermon. de Sanctis X V . angeführt wird. Vgl. auch C y r ill v . J er u sa lem , Katacheses ed.
Rupp. München 1860, Vol. II p. 19, Katech. 12, cap. 15.
65. So z. B. bei Se n io r , De Chemia p. 95 ff. in der Partie, die als «R o sin u s ad Euthi-
ciam» auch in Art. Aurif. 1610. I p . 159 ff. abgedruckt ist.
66. Vgl. P h il o , De agricult. § 21.
67. Vgl. H. Leisegang, Gnosis p. 184, und W . B ousset, Hauptprobleme der
Gnosis 1. c. p. 59.
68. Vgl. R R e it z e n s t e in , Das Iranische Erlösungsmysterium, Bonn 1921,
p. 137-138.
69. Vgl. A n a sta siu s Sin a it a , Hexam. 4, cit. H. R a h n e r , Myst. Lunae, a. a. O. 1940,
p. 77, Fußnote 109: Eva interpretatur vita. Vita autem est etiam Ecclesia exhibens per
petuam baptismatis regenerationem et vitam, quae est per aquam et Spiritum . . . Die
Kirche ist aus dem Wasser und Blut der Seitenwunde Christi entstanden, wie Eva
aus der Rippe Adams, (ders. Hexam. 9 cit. R a h n e r ebda. p. 75.)
70. Hymni et Sermones a. a. O., Bd. II, p. 526.
71. ebda. p. 530. Vgl. auch B runo von Asti, Sent. I. 5 cap. 2: Mors per Evam
facta est, vita per Mariam reddita est. Illa a diabolo victa est, haec diabolum ligavit
et vicit.
72. Siehe nach J ung die Paradoxien, die von der A e lia L a e lia C r is p is ausgesagt wur
den, Myst. Coni. Vol. I, Kap.: Die Paradoxa.
KOMMENTAR 247
Text: das bedeutet: beraube ihn (den Stoff) seiner zersetzenden Feuchtig- 259
keit und mehre ihn mit seiner ihm von Natur eigenen Feuchtigkeit, wodurch
seine Vollendung und sein Leben entstehen wird.
Es ergibt sich, daß dieselbe A n im a eine hum iditas corrum pens und 260
connaturalis, d. h. vivificans 73, zugleich ist und daß sie als solche das
«göttliche W asser» der K unst verkörpert.
W ie in der A lchem ie, so h at auch in vielen gnostischen Systemen das 261
78. Über die Geräte und Öfen, B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III. X L IX . 1.
Vol. I. p. 228.
79. B erthelot. ebda. III. IX . 2. Vol. I. p. 144.
80. Vgl. über das Tödliche (θανατώ δες) des Wassers auch den anonymen Tractat,
B e r t h e l o t . ebda. IV. V II. 2. Vol. I. p. 276.
81. B e r t h e l o t . ebda. III. X X I X . 13. Vol. I. p. 201.
82. B e r t h e l o t . ebda. I. III. 4, 8. Vol. I. p. 18-19.
83. Vgl. H ip p o l y t o s , Elenchos, ed. P. W e n d l a n d , 1. c. V. 16. Dieses Wasser stellt
die Verstrickung in die diesseitige vergängliche W elt dar.
84. B e r t h e l o t . ebda. IV. II. 3. Vol. I. p. 262.
85. Vgl. u. a. Sen io r De Chemia a. a. O. p. 85, 106-107. Ferner über das Myste
rium des Wassers im allgemeinen p. 87, 70-73, 17, 21, 34-35.
86. ed. R uska , 1. c. p. 130.
87. ebda. p. 162. Vgl. auch p. 125 und 213.
KOMMENTAR 249
F eu ch tig k eit88. Psychologisch gesehen ist dieses W asser ein A spekt des
M ercurius, dessen p arad oxe Eigenschaften und B edeutung J u n g in «D er
G eist M ercurius 89» dargelegt hat. N ach T homas von A q u in spricht
jener an sich alte und o ft zitierte Satz: «corruptio unius est generatio
alterius», ein G rundgesetz aller W a n d lu n g zur V ollkom m enheit aus;
durch viele N euerun gen und V ernichtungen gelange der M ensch zu
seiner ultim a form a substantialis (seiner letzten w esentlichen G estalt) *°.
Es sind dies som it allgem ein bekannte V orstellungen, auf die der A u tor
der A u ro ra hier anspielt, aber er bringt insofern eine kühne N eu eru n g
vor, als er - w ohl zum ersten M al in solcher D eutlichkeit - versucht,
diese parad oxen V orstellungen vom göttlichen W asser als der «anim a»
des Stoffes m it den biblischen G estalten von E v a und M aria in B ezug zu
setzen und deren D oppelnatur in einer G estalt zusam m enzufassen *τ.
H ierin offenbart sich besonders klar die R olle, welche die alchem isti-
schen Symbole im T e x t spielen: sie haben eine die Gegensätze vereini
gende Funktion.
88. Im «Buch der Alaune und Salze» ed. Ruska a. a. O. p. 63 heißt es, der Prozeß
bestehe wesentlich darin, daß die verderbliche Feuchtigkeit extrahiert und dafür die
feurige Feuchtigkeit (humiditas ignea) eingeflößt werde». Vom Mercurius heißt es da
selbst (p. 5 8 -5 9 ): Er ist das ewige Wasser und die Jungfrauenmilch, er tötet und belebt
und ist die Schlange, die sich selber begattet und sich selber schwängert und an einem
Tage gebiert. Vgl. auch Z o sim o s , B e r t h e l o t Coli. Aich. Grecs, III, IX . 1. Vol. I. p. 143:
Es gibt 2 Naturen und e in e Substanz ( ουσία ), die eine Natur attrahiert die andere, und
eine besiegt die andere, das ist das Quecksilber, das mann-weibliche ewig flüchtige . . .
göttliche Wasser, das alle nicht kennen und dessen Natur schwer zu sehen ist.
89- In «Symbolik des Geistes». Rascher, Zürich, 1948.
9 0 . Summa P. I. qu. 118 Art. II. Et ideo dicendum quod cum generatio unius semper
sit corruptio alterius, necesse est dicere quod tam in homine quam in animalibus aliis,
quando perfectior forma advenit, fit corruptio prioris, ita tamen quod sequens forma habet
quidquid habebat prima et adhuc amplius; et sic per multas generationes et corruptiones
pervenitur ad ultimam formam substantialem tam in homine quam in aliis animalibus.
Sic igitur dicendum est, quod anima intellectiva creatur a Deo in fine generationis
humanae, quae simul est et sensitiva et nutritiva, corruptis formis praeexistentibus.
91. Wobei sich der nicht nur für diese Stelle, sondern überhaupt allgemein gültige
Satz ergibt, daß in der Alchemie dieselben Archetypen in ihrem Doppelaspekt einheit
lich gesehen und erlebt sind, welche in der christlichen Allegorik in einer hell-dunklen
Zweiheit von Bildern aufgespalten erscheinen.
250 KOMMENTAR
K O M M E N T A R Z U R D R IT T E N P A R A B E L
(8 . K A P IT E L )
263 Text: «Wer meine Pforten sprengt und meine eisernen Riegel zerbricht. . .
(der hat sich meiner erbarmt).»
1. So sagt Lucas in der Turba (Sermo 67, Ruska, p. 166 und 252): «Die Definition
der Kunst ist die ,Verflüssigung der Körper und die Trennung der Seele vom Körper’,
weil das Kupfer wie der Mensch sowohl Seele wie Körper hat. Ihr müßt daher . . . den
,Körper’ zerstören und ihm die Seele ausziehen, weshalb die Philosophen gesagt haben,
daß nicht der ,Körper’ den ,Körper’ durchdringt, sondern das ,Feine der Natur’ es ist,
nämlich die ,Seele’, die den ,Körper’ durchdringt und färbt usw.»
2. Cit. nach der Übers, von E. H e n n e c k e , Neutestamentliche Apokryphen II. Aufl.
Tübingen 1924, p . 453. - Vgl. auch R e it z e n s t e in , Das Iranische Erlösungsmysterium,
a. a. O. p. 87.
KOMMENTAR 251
nen R iegel / mein eigenes Eisen aber ward glühend / und schmolz von
mir. / N ich ts w ard m ir verschlossen erfunden / denn die P fo rte zu
A llem w ar ich gew orden usw. 3.»
Psychologisch bedeutet som it das alchem istische «Erschließen des 265
Text: « W e r . . . meinen Leuchter von seiner Stätte bewegt und die Fesseln 266
meines Kerkers der Finsternis sprengt. . . (der hat sich meiner erbarm t).»
3. Vgl. auch das Gebet von Gizeh (4. Jahrh.) in R. Reitzenstein, Das Iranische
Erlösungsmysterium, p. 265.
4. d. i. der Titel dieser Parabel.
5. Vgl. Z o o z m a n n , p. 884. Christe, Rex mundi, Creator, Dira claustra diruens
Ferrea vincla resolvens es, retrusos eximens.
6. Vgl. u. a. die Klagelieder der gefallenen Sophia in der «Pistis Sophia». Vgl.
hiezu H. L e ise g a n g , Gnosis a. a. O. p. 378 ff. und R e it z e n s t e in , Das iran. Erlösungs-
252 KOMMENTAR
K irch e 7 und in anderen Schriften ein B ild M a ria e 8. Ebenso w urde der
gold ene K andelaber auch als A lleg o rie C hristi gedeutet ?, w ährend er
in der K abbala die Schechina oder den M etatro n d a rs te lltI0. D e r A u f
enthalt der Seele im E rd in n ern und in der H ö lle ist die F o lg e eines
einstigen «Sturzes», bei w elchem sie sich im Stoff v e rfin g 11 - eine D a r
stellung jener einstm aligen Projektion des U nbew ußten in die N a tu r,
au f der die A lch em ie b a sie rtI2.
A uch in der scholastischen Philosophie taucht bei W il h e l m von
mysterium a. a. O. p. 174 ff. In mancher Hinsicht wäre auch die παρθένος του φωτός
(Lichtjungfrau) der koptisch-gnostischen Schriften zu vergleichen. (B o u sset , Gnosis
a. a. O., p. 61.)
7. In Apocal. B. Joannis. Opera ed. Borgnet Paris 1939, Vol. 38, p. 491: Et dicitur
Ecclesia candelabrum aureum quia lucens scientia, gratia pretiosa, patientia solida oboe
dientia ductilis, praedicatione sonora, perserverantia longa, fide Trinitatis fundata, quae
est repleta septemplici Spiritus Sancti gratia. Die Echtheit dieses Werkes wird teilweise
bestritten.
8. Biblia Mariana, A lb e rt i Opera ed. Borgnet Vol. 37, p. 366: Maria est cande
labrum illuminationis . . .
9. G r eg o r iu s M a g n u s , Lib. I super Ezechielem, Opera 1. c. tom. II, p. 93.
10. Vgl. K n o r r v. R o se n r o th 1. c. p. I, p. 543.
11. In der Kabbala ist dies das Einsperren des Lichtes im dunklen Gefäß. Vgl.
K n o rr v . R o se n r o t h 1. c. II, p. 261 und 262.
12. Vgl. C. G. J ung , Psychologie und Alchemie passim, bes. das Kapitel: Der Geist
im Stoff.
13. De anima V 19: Ex his igitur apparet tibi quam deiecta et depressa est ab altitu
dine luminositatis et nobilitatis suae naturalis virtutis intellectivae sive anima humana
quantum ad illam.
14. Artis Auriferae 1610 a. a. Ο. I, p. 188.
15. « . . . et qui me habentem Lunarem et Mercurialem materiam, d e lo c o m e o i. e. d e
c o r p o r e a e r is a b s tu le r it i. e. s u b lim a r e fe c e r it vi i. e. per vim putrefactionis et solutionis,
KOMMENTAR 253
ter bzw. L ich t dargestellt ist, entspricht ihrer D eutu n g als «lum en n atu
rale» bzw. scintilla, fü r w elche Zusam m enhänge ich auf J u n g s A u sfü h
rungen in «Theoretische Ü berlegungen zum W esen des Psychischen»
v erw eise16. D ie Sapientia bezeichnete sich schon im ersten K ap itel als
«lum en indeficiens» (unauslöschliches L ic h t), welches diejenigen, die
sie finden, beglückt. A b er um die M enschen erleuchten zu können, m uß
sie offenbar zunächst erst selber aus der H öllen tiefe herauf geholt w er
den *7 . O hne eine verstehende A nteilnahm e des Bew ußtseins kann das
U nbew ußte näm lich seine erleuchtende und hilfreiche Funktion nicht
ausüben.
Text: und aufhebt das Joch meiner Gefangenschaft, in der wir während 271
70 Jahren saßen über den Wassern zu Babel; dort weinten wir und hingen
unsere Harfen a u f. . .
Text: «W er. . . meine lechzende Seele, die dahineilt im Durst ihres Mun
des, mit dem Marke des Weizens und mit Honig aus dem Felsen speist, und
wer meiner Wanderung einen großen Speisesaal bereitet, damit ich in Frie
den ruhen kann und die sieben Gaben des Heiligen Geistes über mir ruhen,
der hat sich meiner erbarmt.»
D ie Speisung und T ränk u n g der Seele, die nun erfo lg t, w ird schon
am Schluß der vorhergehenden Parabel m it der Idee einer «E rn äh ru n g
durch die w esensgleiche Feuchtigkeit» angedeutet. G io a c c h in o da F io r i
interpretierte «den H o n ig vom Felsen », der sonst als B ild der G ottheit
galt, als den «spiritualis intellectus» (das geistige V ersteh en ) und die
vom H l. G eist geschenkte Freu de, die laetitia sp iritu alis2?. Alchem istisch
handelt es sich um die N u tritio des Steines, einer bestim m ten o ft be
schriebenen Stufe des Opus. So h eiß t es z. B . in den Exercitationes in
Turbam X V 2829301: D ie M aterie sei zuerst in M ilch , dann in B lu t und in
W asser verkörpert; dann bilden sich die G lieder, «und endlich gibt G ott
der M aterie die Seele, d. h. die M ach t, durch w elche unsere M edizin g e
m eh rt und genäh rt w ir d 2?». D e r zweite T eil der A u ro ra (d e r, w ie er
w ähnt, w ahrscheinlich einen K o m m en tar zum I. T eil darstellt 3°) v er
bindet die Stufe d er A blutio (A b w asch u n g) m it derjenigen der N u tri
tio (E rn ä h ru n g ) und sagt nach der Beschreibung der e rs te re t^ 1: «D ie
Philosophen w ollen ihr Sam enkorn m it der w esensgleichen F euch te näh-
ren, bis es lebt und F ru ch t bringt, und sie w ollen beleben, was tot ist 3\»
Im ersten T eil der A u ro ra ist die A blutio ebenfalls als eine W ie d e r
geburt geschildert, und es w erden dabei die sieben G aben des heiligen
Geistes erw ähnt; es ist dies w ohl eine A nspielung au f die W o rte des
Priesters, die er bei der B enedictio fontis, die K erze ins W a sse r tau
chend, spricht: «Es steige in die F ü lle dieses Quells die K ra ft des heili
gen Geistes und befruchte die ganze Substanz dieses W assers m it der
K ra ft zur W ie d e rg e b u rt 3 3 . » D ies bedeutet eine «innere Neubelebung34» ?
d. h. eine M eh ru n g an Lebendigkeit und seelischer Em anationskraft.
D e r H on ig stellt nach P a r a c e l s u s «die Süße der E rd e» dar - die A n im a
ist freudlos, sie bedarf liebevoller A ufm erksam keit von seiten des B e
w ußtseins.
277 Text: «Denn man wird mich von allen Landen versammeln, um reines
Wasser über mich zu sprengen, auf daß ich rein werde vom größten Vergehen
und vom Dämon des Mittags. . . denn von der Fußsohle bis auf’s Haupt ist
nichts Gesundes an mir gefunden. So also wird man mich von meiner ver
borgenen und nicht zugehörigen Fehl reinigen, und dann werde ich mich an
all meine Sünden nicht mehr erinnern, da mich Gott gesalbt hat mit Freu
denöl . . . »
278 Zunächst ist hier besonders das M o tiv des «Sam m elns aus allen L a n
den» hervorzuheben: es ist dies w ohl eine A nspielung au f die Idee des
Sammelns der in der M aterie verstreuten L icht- oder Seelenteile G ottes,
w elche J u n g bereits erläutert h at 35 . D ad u rch soll der eine M ensch (v ir
unus) entstehen, dem kein M akel m eh r anhaftet. D ieser M akel ist nach
unserem T e x t w iederum nicht nur chem isch als die U n rein h eit des
M etalls auf g efaß t, sondern als «delictum m axim u m » und «daem onium
m eridianum » bezeichnet. D e r M ittag ist, w ie schon erw ähnt, der « fe r
vor gloriae m undanae» - die G lu t w eltlichen Ehrgeizes, und der T eu fel 3245
ist, wie ein alter Text ( A r t e f i u s ) sagt, «innerlich von der Natur des
Feuers und eben deshalb der Natur der Seele feind, die von der Natur
des Gleichmaßes ist 3^». Darum wird die Anima in unserem Text mit
Wasser abgewaschen und mit dem Freudenöl (oleum laetitiae) von Gott
gesalbt am Tage ihrer Auferstehung. Es ist dies als Ganzes eine An
spielung auf die Symbolik der christlichen Taufe, die symbolisch als ein
Begrabensein und eine Auferstehung interpretiert wurde, wofür ich,
sowie über die alchemistischen Parallelen, auf die Ausführungen von
J u n g verweisen kann 37 . Das «oleum laetitiae» ist das Chrisam, das die
Kirche bei der Firmung und Bischofsweihe verwendet in Nachahmung
des Öles, mit welchem Christus bei seiner Taufe gesalbt wurde 38. Zu
gleich spielt aber das Fett (pinguedo) oder oleum lucens (= leuchtendes
ö l ) in der Alchemie eine wichtige Rolle und ist dort ein Symbol der
«anima» oder «aqua divina» oder «aqua sapientiae» 39! Die Salbung in
der Aurora ist demnach in gewissem Sinne wieder eine andere Bezeich
nung für jene «Mehrung durch die wesensgleiche (connaturalis)
Feuchte», welche am Schluß der vorhergehenden Parabel erwähnt war.
Die «pinguedo» galt in der Kirche auch als ein Bild für das Manna, das
Himmelsbrot 4°; womit ebenfalls auf das Motiv einer übernatürlichen
Ernährung angespielt ist.
Text: « . . . da Gott mich gesalbt hat mit Freudenöl, auf daß die Fähigkeit 279
In diesen Worten ist in subtiler Art das Motiv des «vir unus», des 280
einen Menschen bzw. Anthropos wieder aufgegriffen, das soeben an
getönt war; und zwar ist die Materia in dieser Phase des Werkes, wie
schon öfters in den vorhergehenden Kapiteln, mit dem auferstandenen3678940
36. A r t e f i u s , Clavis maioris sapientiae. Theatr. Chem. 1659, IV, p. 211: Cum ergo
interius sit de natura ignis, manifestum est ipsum contrariari et inimicari ipsius animae
naturae, quae est natura aequalitatis . . .
37. Vgl. J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 258 sq.
38. Siehe Meßbuch ed. S c h o t t , ρ. 252.
39. Vgl. S e n i o r , De Chemia p. 49, 5 5 und 57: Vult per oleum Animam. Cf. ferner
p. 75 und 82: Et hoc genitum est pinguedo quam vocant animam et ovum. Vgl. ferner
« C o lle c ta n e a e x R h a s i » in der «Pretiosa Margarita Novella»-Ausgabe des L a c i n i u s ,
Venet. p. 169.
40. E p h r a e m S y r u s , Hymni et Sermones 1. c. II, p. 676.
258 KOMMENTAR
Christus parallel gesetzt: sie nimmt nun wieder eine männliche Erschei
nungsform an. Dabei beziehen sich die W orte «am Tage meiner Auf
erstehung» (in die resurrectionis meae) auf das Alleluja des weißen
Sonntages, wo es in Abwandlung der W orte des Engels am Grabe des
Herrn heißt 4 1 : A m Tage m einer A u fersteh u n g will ich euch voran-
g eh e n . ..» In unmittelbarem Zusammenhang hiezu stehen die W orte
aus Joh. X X , 1 9 : «Und nach acht Tagen, da die T ü ren verschlossen
waren, stand Jesus in d er Mitte seiner Jü n g er . . . » Zugleich ist die «vis
penetrationis» im Auroratext nicht ohne Zusammenhang mit der Tabula
Smaragdina: «Et vincet omnem rem subtilem omnemque solidam pene
trabit 42.» Der Autor vergleicht sie mit der geisterhaften Erscheinungs
form des auf erstandenen Gottessohnes 43? wobei sich diese Aussagen alle
letztlich auf die Gestalt des Filius philosophorum beziehen, welcher aus
der gewandelten weiblichen Substanz entstanden ist. Daß es sich wirklich
um den «Filius» handelt, beweisen die folgenden W orte unseres Textes:
«Denn dies Geschlecht kommt und geht, bis derjenige kommt, der ge
sandt werden soll und aufhebt das Joch unserer Gefangenschaft» usw.
Der erste Teil des Satzes (bis «kommt und geht»)stammt aus Pred. I, 4 ,
und seine Fortsetzung lautet in der Bibel: «die E rde aber bleib ew iglich».
F ü r einen K en n er des Bibeltextes hat somit der Verfasser der Aurora
angedeutet, daß nun eine «ewige Erde» entstanden ist, d. h. ein K ö rp er
liches, welchem Unsterblichkeit zukommt 44. Das ist ein symbolisches
Bild, das in den späteren Partien der Aurora noch einen größeren Raum
einnehmen wird. Der zweite Teil des oben zitierten Aurora-Satzes
stammt aus Gen. IX L , 10, und bildet einen Hinweis auf den Messias,
von dem es darnach heißt: «seine Augen sind rot vom Wein und seine
Zähne weiß von Milch». Damit ist für einen alchemistischen Leser4123
41. Math. X X V III. 5. ίϊ. Respondens autem Angelus dixit mulieribus: Nolite timere
vos; scio enim quod Jesum . . . quaeritis, non est hic: surrexit enim sicut d ix it. . . Et
cito euntes dicite discipulis eius, quia surrexit: et e c c e p r a e c e d it v o s in G a lila e a m .
42. ed. Ruska, p. 2. Vgl. Ps.-Aristoteles : De perfecto magisterio. Theatr. Chem.
1659, III, p. 70. Und Senior, De Chemia a. a. O. p. 116: Dixit autem H ermes : omne
subtile ingreditur omne grossum.
43. Auch P e t r u s B o n u s vergleicht die Penetrationskraft des Lapis mit dem corpus
glorificationis des Menschen. - Ebenso wurde, wie J u n g oben ausgeführt hat, der Spiri
tus Mercurii dem überall praesenten Parakleten verglichen.
44. Daß es sich im Opus um die Herstellung des unsterblichen inneren Menschen
handelt - vgl. J u n g , Myst. Coni. II, Kap. Adam und Eva, bes. p. 180 ff. und die siebente
Parabel der Aurora.
KOMMENTAR 259
Text: «dort weinten wir und hingen unsere Harfen auf, dämm, weil die
Töchter Zions stolz waren und gingen mit aufgerichtetem Nacken und mit
den Augen W inke gaben und schwänzelten und mit tänzelnden Schritten
einhergingen. Daher wird der Herr den Scheitel der Töchter Zions kahl
machen und wird ihren Haarschmuck nehmen; denn von Zion wird das Ge
setz ausgehen und des Herren W o rt von Jerusalem.»
Nachdem sich das Selbst als eigener zentraler Inhalt aus dem Chaos 283
des Anfangszustandes herausgebildet hat, erkennt der Verfasser nach
träglich in der Frauengestalt, die er mit Eva, Maria und der Sapientia
Dei identifiziert hatte, als weiteren Aspekt die «stolzen Töchter Zion»,
die Gott bestraft hat und die sich, wie die Textfortsetzung aussagt, nach
einem Gatten sehnen. Es ist offenbar eine genügende Bewußtseinsfestig
keit erreicht worden, daß nun der Verfasser diesen zweideutigen Aspekt
der Anima nachträglich sehen kann. Bewußt bezieht er wohl das Bild
dieser von Gott gedemütigten Frauengestalten auf die in der Erde ge-45
45. Zur Bedeutung dieser Stelle kann ich auf die Erläuterungen von J ung , Myst.
Coni. Vol. II, passim verweisen.
260 KOMMENTAR
46. Vgl. Mus. Herrn. 1. c. p. 167. Vgl. J u n g , Psychologie und Alchemie 1. c. p. 101.
47. ed. R u s k a a. a. O .p . 142 (lat.) 222 (deutsch).
48. Vgl. O l y m p i o d o r , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II, IV, 9. Vol. I, p. 74.
49. B e r t h e l o t , ebda. IV. X X . 8. Vol. I p. 292-293.
50. Vgl. R. R e i t z e n s t e i n , Die hellenistischen Mysterienreligionen, II. Aufl. Teub-
ner, Leipzig 1923, p. 200 ff. Und das Iranische Erlösungsmysterium a. a. O. p. 198.
51. Vgl. hiezu allgemein B o u s s e t , Gnosis, p. 25 ff. und L i p p m a n n , Alchemie a. a. O.
I, p. 215 ff. - Vgl. auch zur Planeteneinwirkung auf der Erde P h i l o , De opif. mundi:
Par. 113 u. 114 und W . S c o t t , Hermetica a. a. Ο. IV, p. 447.
52. Testam. S a l o m o n i s ed. Chester Charlton McCown 1922, p. 31 u. 51. - Vgl.
auch B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 21, Anm. 2. Nach T h e o d o r b a r K o n a i soll auch die
Sekte der Kukäer einen Mythos überliefert haben, wonach sieben Töchter der «großen
Mutter des Lebens» von den Finsternismächten geraubt worden seien und in den Städten
Matra, Mabug und Harran auf ihre himmlischen Verlobten warten ( B o u s s e t , Gnosis;
ebda. p. 263, Anm. 2.)
53. Cap. 18. 13 ff. Vgl. W . B o u s s e t ebda. p. 53 und E. v. Lippmann , Alchemie
Bd. I, p. 221.
KOMMENTAR 261
T ext: An jenem Tage, an dem sieben W eiber einen Mann ergreifen wer- 285
den und sagen werden: W ir haben unser Brot gegessen und bedecken uns
mit unseren Kleidern, weshalb verteidigst du unser Blut nicht, das wie W as
ser vergossen ist um Jerusalem? Und die göttliche Antwort empfangen haben:
Harret noch eine kleine Zeit aus, bis daß die Zahl unserer B r ü de r . . . voll
ständig ist.
Nach der Jesaiastelle sind die stolzen «Töchter Zion» ursprünglich sie- 286
ben Frauen, die unter ihrem Unverheiratetsein und ihrer Unfruchtbarkeit
leiden müssen. Zugleich aber werden sie durch die Anspielung des Tex
tes auf Apok. VI, 9 , verglichen mit den «Seelen derer, die erwürgt wor
den sind um des Wortes willen» und mit den Heiligen ( ! ) , von denen
es heißt: «Sie haben ihr Blut vergossen um Jerusalem her wir Wasser.»
Sie sind somit Frevler und Märtyrer zugleich! Die Antwort, die sie von
Gott auf ihre Bitte um Befreiung erhalten, lautet: sie möchten warten
«bis die Zahl unserer Brüder erfüllt worden ist». Dieses W ort gilt in
der Bibel den Märtyrern der Kirche. Die Einkerkerung der Planeten-54
geister ist dem nach als F o lge einer Schuld dar gestellt *6, ihre Quälung
u n d Bearbeitung im Opus aber ist ein Martyrium um der Erlösung
willen *7.
Die Identifizierung der stolzen «Töchter Zion» mit den Seelen der
Märtyrer ist dem Verfasser der Aurora aus der kirchlichen Allegorik
nahegelegt worden, wonach Zion und die «Töchter Zion» als die vom
Teufel bedrängte und später befreite Ecclesia oder als die in Christo
wiedergeborenen Seelen interpretiert wurden *8. Sie sind auch ein Bild
für die weltverlorenen Seelen w und der Kirche, solange sie noch in der
Hand des Teufels ist. Auch die unverheiratete und unfruchtbare Frau
gilt als Symbol der Kirche; denn diese ist die einst verworfene Erde
(terra repudiata), welche durch Gott auserwählt, den Namen «voluntas
mea» oder «terra maritata» erhielt56578960, ihr Gatte sind die Priester und
Gerechten61. (Dies entspricht der oben angeführten Symbolik von der
«terra sitiens», der dürstenden Erde als Bild M ariae62.) Zusam m en-
fassend erweisen diese Sinn-Zusam m enhänge des Textes, daß es sich
bei den A nspielungen d er A urora um die Erlösung einer weiblichen
«Anima»-Gestalt handelt, welche als «K ö rp er» oder «Erde» von teil
weise stofflicher N atur ist, u n d welche außerdem mit dem M akel der
Sünde und Gottlosigkeit behaftet in d er E rdentiefe u n d H ölle weilt. Z u
gleich aber steht sie deutlich in B eziehung zur Gestalt d er Ecclesia und
autem diu sterilis fidelem filium scii. Christianum populum ad speciales observantias
generavit. Vgl. die v id u a a ls B il d d e r S e e le , G r e g o r i u s M a g n u s , Expos, mor. in Job.
Lib. X V I cap. 3, Opera, Paris 1636 tom I coi. 551.
61. Vgl. E p h r a e m S y r u s ebda. p. 186.
62. Ebda. p. 146: Christus ascendit. . . sicut radix de terra sitienti de Maria virgine
(vgl. auch p. 744).
KOMMENTAR 263
290 Text: «weil dann der Herr den Unflat der Töchter Zions abgewaschen
haben wird durch den Geist der Weisheit und Einsicht. Dann werden zehn
Acker Weinberg einen Eimer ergeben und dreißig Malter Samen drei Schef
fel. W er dies versteht, wird unerschütterlich bleiben in Ewigkeit.»
291 A n sich ist hier das M otiv w ieder aufgegriffen, das im «Sam m eln»
der M aterie «aus allen L anden» schon zu B eginn der Parabel angetönt
w orden w ar, wonach die Ablution ein Einswerden von vorher Zerstreu -
tem bewirkt. G eeint w ird in diesem F alle, wie die Schlußw orte des
K apitels aussagen, eine durch die Siebenzahl charakterisierte V ielheit
(w ie die sieben T ö ch ter Z io n ), was sich, alchem istisch gedeutet, au f die
sieben M etalle bezieht. L etztere sind identisch m it den Planeten, den
H erren der H eim arm ene. Psychologisch betrachtet symbolisieren sie die
kollektiven Konstituenten der Persönlichkeit. D ie Einm aligkeit des
Individuum s ist dabei ausgedrückt in der spezifischen F o rm ihrer K o n
stellation. D er anordnende F ak to r der K onstellation aber ist jenes über
geordnete R egulationszentrum , welches J u n g als das Selbst bezeichnet.
D as Selbst ist näm lich eine einm alig-individuelle G egebenheit, weshalb
es den psychischen F ak to r darstellt, der jene kollektiven Persönlich
keitskom ponenten zu einer funktionellen Ein h eit zusam m enfaßt. Sym
bolisch kann dies ein A usspruch G r e g o r s d es G r o s s e n illustrieren,
w elcher von Christus sagt, er habe bei seiner Inkarnation die sieben
P lejaden v e re in ig t6*. A ls ein Symbol des Selbst ist Christus auch jener
eine M an n (bei Je s a ia ), nach dem sich die sieben Frau en sehnen. L etz
tere w aren eigentlich schon in der vorhergehenden Parabel andeutungs
weise erw ähnt w orden und zw ar in F o rm der sieben «Perlen» — denn
auch m it diesem B ild w aren die M etallseelen gem eint. E s ist, als ob der
in den Parabeln dargestellte innerseelische Prozeß zeitweise rein zirkula-
65. C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie 1. c. p. 40, 45, 236, 473 f. und p. 104,
222, 224 und 227 ff.
66. C. G. J u n g , Myst. Coni. Vol. I p. 121 sq.
67. C. G. J u n g , Theoretische Überlegungen etc. in: Wurzeln des Bewußtseins 1952,
p. 593 und Aion 1. c., Kap. Das Selbst.
266 KOMMENTAR
der T e x t sagt, des Geistes d er Einsicht. D u rch diesen w ürde «der U nflat
d er T ö ch ter Z ions» abgew aschen. Psychologisch bedeutet dies eine In
tegrieru n g der unbew ußten Inhalte durch eine geeignete A u ffassu n g
bzw. In terp re ta tio n 6S (aq u a d o ctrin a e ). In gewissem Sinn stellt die
A u ro ra eben einen solchen V ersuch dar, die einbrechenden archetypi
schen Inhalte des kollektiven U nbew ußten durch eine alchem istische
Am plifikation zu begreifen und m it den dom inierenden christlichen
Ideen zu versöhnen. D er «G eist der Einsicht» (spiritus intellectüs) ist
selber ein A spekt d er Sapientia D ei, w elcher h ilft, ihre eigene U rm ani-
festation, näm lich ihre chthonische Seite, zu erfassen. D adurch w erden
die dissoziierten K om ponenten der Persönlichkeit «gesam m elt» und d a
m it ein neuer Bew ußtseinsstandpunkt gew onnen. D aru m sagt d er T e x t
in der Fortsetzung, daß nun d reißig M alter Samen drei Scheffel ergeben
und daß, w er dies verstünde, unterschütterlich bleibe in Ew igkeit. D ie
Reduktion von D reiß ig auf D rei bedeutet eine Reduktion des V ielen
auf das W esentliche, w odurch die chaotische F ü lle der unbew ußten In
halte auf ihren essentiellen A usdruck gebracht w ird. V o n einem konkre-
tistischen Standpunkt aus betrachtet, w äre es eine enttäuschende E rn te,
w enn zehn A ck er W e in b e rg nur einen E im er und dreißig M alter Samen
nur drei Scheffel ergäben, aber w ie der W e in der E x tra k t des ganzen
W achstum sprozesses der Reben ist und etwas durch m enschliche B em ü
h ung Erreichtes darstellt 6?, und w ie der Samen alles W esen tlich e eines
ganzen G etreidefeldes (in p o ten tia) enthält, so m uß m an auch diese
Reduktion w ohl als Konzentration auf das W esentliche verstehen. Z u
dem kom m t, daß die D rei und die Eins die altbekannte alchem istische
F orm el fü r die G anzheit des zentralen Symbols darstellen.
D ie A blution der T ö ch ter Z io n durch den G eist d er Einsicht bedeutet
n ich t nur einen V ersuch der Bew u ß tm ach u ng der A n im a, durch w elche
ihre dissoziierende W irk u n g beseitigt w ird, sondern auch eine H eraus
arbeitung des Sinnes, der h in ter dem anfangs geschilderten Einbruchs
erlebnis steht. D ie U nerschütterlichkeit, die (n ach dem T e x t) dam it
Text: «Wer Ohren h at. . . der höre was der Geist der Lehre . . . sagt von 295
der babylonischen Gefangenschaft, welche 7 0 Jahre dauerte und auf welche
die Philosophen in folgenden Worten hinweisen: Vielfältig sind die Abwand
lungen der 7 0 Vorschriften.»
D ie siebzig Ja h re der G efan gen sch aft und die siebzig V o rsch riften 296
stehen verm utlich in Z usam m enhang m it den v orh er erw ähnten sieben
Frau en (M e tallse e le n ), d .h . psychologisch m it den kollektiven K o n
stituenten der Persönlichkeit. Siebzig Ja h re bilden gleichzeitig, nach der
B ibel, die D auer des m enschlichen Lebens. Infolgedessen w ird es w ah r
scheinlich, daß es sich hier um einen Prozeß handelt, w elcher der leben
digen E n tfaltu n g des m enschlichen Individuum s entspricht. D ie «V iel
falt der siebzig A bw andlungen» der V orsch riften w eist darau f hin, daß
dieses H erausarbeiten des Sinnes in einer V ielfalt von individuellen
G egebenheiten zu suchen ist, und daß die alchem istische symbolische
D arstellu n g des Prozesses nur w esentliche A spekte hervorhebt, w ährend
sich der eigentliche V erlau f in vielen, verschiedenen Peripetien abspielt.
D rei und Sieben (u n d ihr Z eh n fach es) gelten als «m ännliche» Z ah - 297
K O M M E N T A R Z U R V IE R T E N P A R A B E L
(9 . K A P IT E L )
298 iE vierte Parabel handelt, wie der T itel sagt, «vom philosophischen
jL s Glauben, der auf der D reizahl beruht», und ihre A n fan gsp artie
bildet teilweise eine direkte Paraphrase des C r e d o 1:
299 Text: Wer den Willen tut meines Vaters und diese Welt in die Welt hin
auswirft, dem will ich geben, mit mir auf dem Thron meines Reiches zu
sitzen über dem Stuhl Davids und den Stühlen des Volkes Israel. Dies ist der
Wille meines Vaters, auf daß man erkenne, daß er wahr sei und kein andrer,
der da gibt im Überfluß und ohne Zögern bei allen Völkern in Wahrheit. . .
300 D as «H inausw erfen der W e lt in die W e lt» bezieht sich verm utlich
w ieder auf die alchem istischen R einigungsverfahren, durch w elche alle
O berflächendinge (superfluitates) und alles «N ichtzugehörige» entfernt
w erden m ü ssen 2. E rst nach der A usschaltung dieser unreinen E lem ente
kann dem A lchem isten die versprochene E rh öh u n g zum «filius D e i» ,
der an der Seite G ottes sitzt, zuteil w erden.
301 W äh ren d auch hier som it der A lchem ist andeutungsweise, wie schon
in den früheren K ap iteln , m it dem «Filius philosophorum » insgeheim
identifiziert w ird, schreitet der T e x t nun zu einer sachlichen B esch rei
bung des «Filius» als eines trinitarischen W esen s w eiter.
302 Es ist aber auch im F olgen d en w ieder zeitweise unklar, w er eigentlich
spricht. W äh re n d in den ersten Sätzen verm utlich die Sapientia D ei -
identisch m it Christus - zu reden scheint, w ird der Stil der n ach folgen
den P artie leh rh aft unpersönlich. Es ist, als ob nun eher der A u tor
redete, aber in jenem P red igtton , den derjenige anschlägt, w elcher glaubt,
eine höhere metaphysische W a h rh e it zu verkünden. Offenbar h at sich
der V erfasser m it der christlichen D eutung des Prozesses, die er nun vor-
bringt, identifiziert und hofft auf diese W e ise über seiner eigenen frü h e
ren Ergriffenheit zu stehen.
So m uß ich hier auch den Leser um G eduld bitten, w enn die D eutu n g 3°3
Text. (Gott Vater) und sein eingeborener Sohn, Gott von Gott, Licht vom 3=4
Lichte, und der Heilige Geist, der von Beiden ausgeht, der dem Vater und
der dem Sohne gleichkommt an Göttlichkeit. Denn im Vater ist die Ewig
keit, im Sohne die Gleichheit und im Hl. Geist die Verbindung von Ewigkeit
und Gleichheit. Es heißt nämlich: wie der Vater, so der Sohn und so auch der
Hl. Geist; und diese Drei sind Eins, nämlich Körper, Geist und Seele; denn
alle Vollendung beruht auf der Dreizahl, d. i. Maaß, Zahl und Gewicht.
D ie Q uelle zu dem Schlußsatz bildete w ohl in erster Linie die Schrift 305
(μία φύτλη τριών προσώπων) oder ein « W a ll» aus Seele und K ö rp er und
dem Pneum a als «drittem K r a n z 11». Sind hier schon christliche Einflüsse
bem erkbar, so h at später z. B . P e t r u s B o n u s die P arallelität dieser alche-
m istischen T riad e zur christlichen T rin itätsleh re noch klarer h erv org e
hoben und zugleich auch die P arallelität des Lapis zum «corpus glorifi
cationis» ausdrücklich b e m e rk tI213456. In der A u ro ra handelt es sich um die
selbe G leichsetzung.
D e r A u tor fü h rt im selben Z usam m enhang auch noch eine w eitere
T riad e an, näm lich eine solche von «M aß , Z ah l und G ew icht». A lch e-
m istisch bezieht sich dies w ohl auf ein subtiles A bw ägen zwischen den
geistigen und irdischen K om ponenten bei der H erstellu n g des Lapis.
Eine andere bem erkensw erte A nschauung, die vielleicht nicht ohne E in
fluß au f die A usführungen dieses K apitels gewesen ist, b ringt A u g u s t i
nus im G ottesstaat vor, w o er sagt, daß in jeder K reatu r ein A bbild der
T rin ität zu finden sei, näm lich essentia - Sein (= V a t e r ) , scientia - W is
sen (= Sohn) und am or - Liebe (= H l. G eist) χ3. U n d A l b e r t u s M a
gnus sagt im «Paradisus anim ae» (ein er Schrift, deren E ch th eit aller
dings um stritten i s t ) : «D ie allweise göttliche W e lto rd n u n g sollte uns
zum Einhalten des M aaßes führen, da er (G o tt) alles in M aaß , Z ah l und
G ew icht anordnete. Entsprechend dieser O rd nu n g sollte jede T a t von
uns, unsere A rt und auch unser Leben bemessen, abgezählt und abge
w ogen sein, d. h. in der K ra ft des V aters, w elchem das M aaß attribuiert
w ird, in der des Sohnes, dem die Z ah l gehört, und in der des H l. G eistes,
dem das G ew icht zugeschrieben w ir d 1*.» D ie Stelle bezieht sich au f
Sap. X I , 2 1 : «O m nia fecit D eus in pondere m ensura et num ero **», was
A u g u s t in u s 16 kom m entiert: E r schuf alles im G ew icht usw ., d. h. in
11. Carm. A r c h e l a i IV. Vers. 16 ff. Vgl. auch den Traktat «Über die Namen des
Eies» ( B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs I, III, 13. Vol. I, p. 20 ): «Wenn nicht zwei eines
werden und drei eines werden und die ganze Zusammensetzung eines wird, so wird
die Erwartung zunichte.»
12. «Pretiosa Margarita Novella» ed. Lacinius, 1. c. p. 171 ff. Vgl. die genaue Zitie
rung im Kommentar der 7. Parabel. Über die Entsprechung des Mercurius zur dreieini
gen Gottheit vgl. besonders J u n g , Der Geist Mercurius, in «Symbolik des Geistes».
Zeh. 1948. p . 108 ff.
13. Civ. Dei, Lib. X I. cap. 27. Vgl. auch J u n g , Symbolik des Geistes 1. c. p. 372-373.
14. Opera ed. Borgnet. Vol. 37. p. 466.
15. «Alles erschuf er nach Gewicht, Maaß und Zahl.»
16. De Genesi ad litt. 1. IV. c. 3 und 8, (Migne P. L. tom. 34. col. 299).
KOMMENTAR 271
F ig u r der T rin ität, näm lich auf den H eiligen G eist und seine W irk u n g en
zu sprechen. D ies ist nicht nur inhaltlich, sondern auch fü r die geschicht
liche E in ord n u ng unseres T extes von g ro ß er B edeutung, denn es ist das
13 . Jah rh u n d ert, dem die A u ro ra m . E . angehört, in w elchem zahl
reiche Sekten auf blühten, die trotz aller V erschiedenheiten eine gem ein
sam e T endenz aufw eisen, näm lich die H ypostase des H l. Geistes in den
M ittelpunkt des religiösen Lebens zu stellen. D abei h at besonders die
zeitlich etwas ältere L eh re des G io a c c h in o da F i o r i fast überall einen
17. Creavit omnia in pondere etc. id est in se ipso, qui est numerus sine numero,
mensura sine mensura, pondus sine pondere. Vel aliter exponitur: Creavit Deus omnia in
numero id est numerus omnis apud eum certus, similiter omnium mensura certa est et quic-
quid ponderis habet aliquid apud eum est certissimum. Vel aliter: His tribus, numero men
sura pondere voluit ostendere scriptura nil Deo esse aequale. Numerus enim simplici
tatem, mensura immensitatem, pondus felicitatem et stabilitatem excludit. Creavit omnia
in numero, id est nihil creavit summae simplicitatis. In mensura, id est nihil creavit
immensum. In pondere quia nihil creavit quod ex se deficere vel sua felicitate cadere
posset.
18. Aurei velleris etc. Theatr. Chem. 1622. V, p. 319: In unitate itaque puncto atque
centro, quae tria sunt Principia numeri mensurae atque ponderis (quam etiam nihil eorum
sint) cuncta creata sunt et cum nihil videantur nobis, sunt tamen apud Deum vel in
Deum omnia, et idcirco dicitur Deus ex nihilo creasse cuncta in Principio, quod est
mysterium magnum videlicet sacrosancta Trinitas ipsaque Sapientia; centro cuius enim
cuncta sustinet, puncto adimplet, unitate denique perficit.
19. Vgl. C. G. J u n g , Symbolik des Geistes, passim, bes. p. 435 ff.
272 KOMMENTAR
20. C h r . H a h n , Geschichte der Ketzer a. a. O. Bd. II, pag. 450 ff. Vgl. besonders
C. G. J u n g Aion. 1. c. p. 125 ff.
21. Vgl. hiezu H e r m a n n R e u t e r , Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittel-
alter, Berlin 1877, Bd. II, p. 204 ff. und Anm. p. 365 ff. über die Schwierigkeiten der
Verfasserfrage, die uns hier insofern weniger interessiert, als der Inhalt des oben Gesag
ten zweifellos die Gedanken Gioacchinos wiedergibt.
22. Expos, in Apocal. cit. aus C h r . H a h n , Gesch. d. Ketzer a. a. O. Bd. III, pag. 111:
. . . videtur tamen aliquod opus pertinere ad patrem, lectio ad filium, iubilatio ad Spiri
tum Sanctum, quia et timor Dei veram sibi exigit servitutem et Christi magisterium
subiectionem doctrinae et gaudium spiritus Sancti iubilationis tripudium . . . Tria igitur
sunt quibus nobis Deus triunus et unus appropinquare dicitur: timor sapientia caritas
et tria per quae manent in nobis tria ista: labor lectio et iubilatio. —Vgl. auch H. H a u p t .
«Zur Geschichte des Joachinismus», Ztschr. f. Kirchengeschichte, Bd. V II, 1885, Gotha,
Heft 3, pag. 372 ff. und derselbe: Zur Geschichte der Sekte vom Freien Geiste und des
Beghardentums ebda. Heft. 4, p. 503 ff.
KOMMENTAR 273
bricht der «g roß e S ab b ath 23» an, in w elchem der «G eist der W a h rh e it»
die M enschen lehrt, und in w elchem d er «d ritte Stand», die M ö n ch s
orden, die «parvuli» dom inieren w erden, w elche zur Freih eit der K o n
tem plation auserw ählt sind. «D an n w ird sich das H eidenvolk und das
H ebräervolk vereinen, und es w ird eine H erd e und ein H irt sein, und
diese V erbindung (co n iu n ctio ) ist m it R echt den geistigen M än n ern
zuzuschreiben2*.»
D iese L eh re des A btes J o a c h im und ähnliche A nschauungen, w ie
z. B . diejenige des A m a l r ic h von B e n a , w elcher die joachinitische
W e ltz e ite n le h re 2
26 teilweise übernahm , sagten fern er aus, daß H im m el
5
4
3
und H ölle in erster Linie als innerseelische R ealität existierten. Ä h n li
ches lehrten auch D a v id v o n D in a n t sowie die «Pouvres de L yo n », die
T ertiarier oder F ratres M inores, die parvi, F ratres spirituales und auch
die Loliharden, Beginen und B egharden, die «G ottesfreunde am R h ein ».
Fast alle w andten sich gegen die sichtbare röm ische K irch e und sind
daher in gewissem Sinne als vorreform atorische Bew egungen anzusehen.
D ie L eh re J o a c h im s w urde sogar von einer strengeren R ichtung unter
den Franziskanern offiziell übernom m en und 1 2 5 4 in Paris in F o rm
des Introductorius in Evangelium Aeternum öffentlich b ek u n d et2?.
D iese Schrift w urde aber etwas später ( 1 2 5 5 ) von Papst A l e x a n d e r IV .
v e ru rte ilt282930. D ie L eh re dieser T ertiarier w ar fo lg e n d e 2?: es w ürde nun
der W eltu n tergan g kom m en, und diesen w ürde nur der dritte Stand,
innerhalb der Franziskaner selber, die sogenannten fratres spirituales
oder beguini de tertio ordine überleben 3 °. D ann w erde die w eltliche
23. Hahn, ebda. p. 127: cum venerit ille spiritus veritatis doceat nos omnem vir
tutem etc.
24. H a h n ebda. ρ . 271: Cone. lib. II Tract. II (tertius ordo) qui procedit e x utroque
electus est ad libertatem contemplationis scriptura attestante, quae ait: ubi spiritus
Domini, ibi libertas (= Concord. lib. I Tract. 2 ) . Vgl. auch H a h n ρ . 272: (Cone, ebda.)
Spiritus Sanctus exhibet libertatem, quia amor est.
25. Concord. V Kap. 51, Coniungetur gentilis populus cum Hebraeo et fiet unum
ovile et unus pastor, quae coniunctio recte viris spiritualibus attribuenda est. (Vgl. Gala
terbrief III. 28-30.)
26. Vgl. C a e s a r i u s v o n H e i s t e r b a c h , Dialogus miraculorum ed. S t r a n g e , Brüssel,
1851 distinctio V, 22.
27. Vgl. H a h n , Geschichte der Ketzer a. a. O., Bd. II, p. 426 flf. Vgl. bes. J u n g ,
Aion, p. 125.
28. H a h n , ebda. Bd. III, p. 159.
29. H a h n , ebda. Bd. II. p. 437 ff.
30. Vgl. H a h n , Gesch. d. Ketzer a. a. O. Bd. II p. 438.
274 KOMMENTAR
K irch e verw orfen und eine neue K irch e gebildet w erden, w elche arm
und dem ütig und eine w ahre ecclesia spiritualis 31 sein w ird.
D ie stärkere H ervorh eb u ng des H l. Geistes innerhalb der T rin itä t und
der durch ihn bewirkten unm ittelbaren O ffenbarung im Individuum und
die symbolische A uslegung der H l. Schrift führte auch bei vielen ande
ren Sekten zu einer A bleh nu n g der K irch e zugunsten der Idee einer
ecclesia spiritualis, w elche aus den vom H l. G eist inspirierten Einzelnen
besteht 32. D ie oben erw ähnten «Pouvres de Lyon» oder «hum iliati» g in
gen sogar soweit, zu sagen, daß die individuelle Seele jedes guten M en
schen der H l. G eist selber sei 33. A u ch die «B rü d er des freien G eistes»
lehrten, daß die m enschliche Seele von der Substanz G ottes sei 34, und
daß der M ensch mit samt seinem K örper G ott zu w erden verm öge, und
zw ar so sehr, daß er G ottes nicht m eh r bedürfe 35.
diese A lchem isten, als V o rläu fer der m odernen Psychologie des U n b e
w ußten ansehen, insofern sie über den bloßen Glauben an religiöse
In h alte hinausgingen und die individuelle Erfahrung dessen suchten,
was sie damals als den «G eist im Stoff» oder den Parakleten bezeichne-
ten und was w ir heute die als «Sinn» erlebte, w egleitende Funktion des
U nbew ußten nennen 40. D ie psychologische B edeutung dieser A k zen t
verschiebung auf die d ritte Person der T rin itä t ist ein so um fassendes
und in die T ie fe reichendes P roblem , daß ich den Leser au f J u n g s A u s -
vel aliqua alia pollutione polluatur, non est ei peccatum, quia ille spiritus qui est Deus
omnino separatus a carne non potest peccare. H a h n , Bd. II, p. 470 ff. und Bd. I, p. 403.
Vgl. auch die oben erwähnte Arbeit von K r o e n l e i n . Auch die Brüder des freien Gei
stes sagten, daß ein mit Gott eins gewordener Mensch nicht mehr sündigen könne, wenn
er Gott oder die anima divina selber geworden ist. P r e g e r a. a. O . , Bd. II, p . 462
(Nr. 15 und 21 ). Bei den Brüdern des vollen Geistes (vgl. H a h n a. a. O., Bd. II,
p. 450 ff.) herrschte hingegen größte sittliche Strenge.
36. Aion. p. 220 ff.
37. Die «Pouvres de Lyon» bekannten sich ebenfalls zu einer spirituellen Bibelaus
legung. (Vgl. H a h n , Ketzergeschichte. Bd. II, p. 256 -2 5 7 ). Sie sind mit den Walden
sern vom Piemont verwandt.
38. Vgl. über seine ebenfalls allegorische Bibelauslegung und seinen Glauben an die
Alchemie das Opus Minus ed. Brewer, London 1859, p. 359.
39. Vgl. L. T horndike 1. c., Vol. II, p. 522 sq. Vgl. J ung, Aion, p. 132.
40. In der Schrift «Liber de Spiritu et Anima» ist bereits, wie J ung in Aion darlegt
(p. 372-373), ein Versuch gemacht, das Trinitätssymbol psychologisch zu deuten, was
die Tendenz jener Zeit deutlich zum Ausdruck bringt.
27 6 KOMMENTAR
Eben ein solches Erlebnis schildert auch die A u ro ra, und zw ar handelt 313
vuli» als die zum O pus der A lchem ie E rw ählten genannt sind, legt die
V erm utu n g nahe, daß der V erfasser einem der beiden M endikanten
orden angehört oder nahegestanden habe. D er K irch e gegenüber scheint
er nicht feindlich eingestellt gewesen zu sein, sondern es fü r m öglich
gehalten zu haben, seine A nschauungen m it der T radition zu versöhnen.
Falls T homas von A q u in als V erfasser der A u ro ra in F ra g e kom m en
sollte, so w äre zu erw ähnen, daß er zw ar die Lehren G io a c c h in o s da
V on diesen Z usam m enhängen aus gesehen, lohnt es sich, die H eilig - 315
Text: Denn der Vater stammt von Keinem, der Sohn kommt vom Vater,
und der Hl. Geist geht von beiden aus: dem Vater wird nämlich die Weisheit
beigegeben, durch die Er alles milde lenkt und ordnet. . . dem Sohne wird
die wirklich gewordene Wahrheit zugeordnet. . . der auf Geheiß des Vaters
und unter Mitwirkung des Hl. Geistes die Welt, die durch die Sünde der
Eltern verloren war, erlöst hat.
D er H l. G eist geht nach dem T e x t vom V ater und vom Sohne aus, 316
weil zum V ater die Sapientia, zum Sohne aber die veritas gehöre 44. D er
H l. G eist ist som it eine V erbindung der Sapientia m it der inkarnierten
«veritas», w orin m an deutlich die B eziehung zur anfänglichen Sapientia
D ei als «verissim a natura» w ieder erkennen kann. D ie dogm atische V o r-
Stellung des Spiritus Sanctus erhält h ier w ieder einen eigentüm lich
weiblich-stofflichen C harakter. Im m erhin ist zu beachten, daß auch
J oh. D uns S c o t u s E r i g e n a den «m ens D ei» als eine A rt W eltseele
ansah, und daß som it auch in der kirchlichen V orstellungsw elt der H e i
lige G eist m it der W eltseele zw ar nicht identifiziert, aber doch v e r
glichen w urde. So berichtet H o n o r iu s von A utun 45: «D ie anim a
m undi ist nach A n sicht gew isser Leute der H l. G eist, denn durch die
göttliche G üte und den W ille n (w as der H l. G eist ist) lebt A lles, das in
der W e lt existiert. A n d ere nennen die W eltseele eine natürliche Spann
kraft (v ig o r) 4*, w elche den D in gen von G ott eingepflanzt w urde, und
durch die m anche W esen leben, fühlen und d e n k e n . . . N o ch andere
Leute nennen die W eltseele eine unkörperliche Substanz, w elche ganz
in allen Einzelkörpern ist, w enn sie auch w egen der T räg h eit m ancher
K ö rp er nicht in allen sich gleich auswirkt und schafft47...» D ie A u f
fassung des H l. Geistes in der A u ro ra gleich t diesen Ideen einer im Stoff
vorhandenen «anim a m undi».
317 Text: «Dem Hl. Geist wird die Güte zugeschrieben - Er, durch den alles
Irdische himmlisch wird und dies dreifach: indem er im Flusse, im Blut und
in Feuerflammen tauft»
318 W ie bei H o n o r iu s von A utun , so besitzt auch h ier der H l. G eist
die «G üte» (b o n ita s ), «durch w elche alles Irdische him m lisch w ird ».
In derselben T extp artie ist bereits vorher auf die M enschw erdung C h ri
sti hingewiesen w orden. In der Inkarnation C hristi w ar gleichsam ein
him m lisches G eistwesen irdisch gew orden, und nun betont der T e x t,
daß dadurch zugleich auch ein Stück irdisches M enschsein him m lisch,
d. h. vergeistigt w urde. F ü r einen A lchem isten ist dadurch au f eine in
der A lchem ie o ft erw ähnte Sentenz der M a r ia angespielt, m an solle das
K örp erlich e unkörperlich, das K örp erlose (G eistig e) aber körperlich
w erden lassen, w odurch die Z w ei Eines w erden 48. D e r alchem istische
Text: «Im Flusse wirkt er belebend und reinigend, indem er allen Schmutz
abwäscht und alles Rauchige von den Seelen entfernt, wie es heißt: Du be
fruchtest die Wasser zur Belebung der Seelen. Denn das W asser ist die N ah
rung alles Lebendigen . . . »
Text: . . . weshalb auch das W asser vom Himmel herabfließend die Erde
berauscht und sie dadurch jene K raft erhält, welche jedes Metall auf lösen
kann. Deshalb verlangt sie nach ihm und sagt: Sende aus deinen Geisthauch,
d. i. das Wasser, und sie werden neu geschaffen; und neu gestaltest du das
Angesicht der Erde, denn er haucht seinen Odem in die Erde, wenn er sie
erbeben läßt, und wenn er die Berge anrührt, so rauchen sie.
Text: W enn er aber im Blute tauft, dann wirkt er ernährend, wie es heißt:
Das W asser heilbringender Weisheit hat mich getränkt, und: Sein Blut ist
der wahre Trank; denn der Sitz der Seele ist im Blute, wie S e n io r sagt: Es
verblieb aber die Seele selber im W asser, das ihr ähnlich ist in der W ärm e
und Feuchtigkeit, und in dem alles Leben besteht.
Feuchtigkeit (humor), und wenn diese sich zum Lapis verdichte, könne sie jedes Metall
auflösen.
52. Johannesbrief I. 7: Quoniam tres sunt, qui testimonium dant in caelo: Pater,
Verbum et Spiritus Sanctus: et hi tres unum sunt. Et tres sunt qui testimonium dant in
terra: Spiritus et aqua et sanguis: et hi tres unum sunt. Es handelt sich wahrscheinlich
um eine späte Interpolation. Vgl. C. G. J u n g , Symbolik des Geistes 1. c. p. 361.
KOMMENTAR 281
T ext: W enn er aber in Feuerflammen tauft, dann flößt er die Seele ein und
verleiht die Vollendung des Lebens. Denn das Feuer gibt Gestalt und voll
endet das Ganze, wie es heißt: Und er blies ihm ein den lebendigen Odem ins
Antlitz, und also ward der Mensch, der vorher tot gewesen war, eine leben
dige Seele.
53. Vgl. hiezu C. G. J u n g , Das Wandlungssymbol in der Messe, in «Von den W ur
zeln des Bewußtseins» 1. c. p. 287 ff.
54. «Denn mein Fleisch ist die wahre Speise und mein Blut ist der wahre Trank.»
55. In der T u r b a (ed. Ruska, p. 129) ist das «göttliche Wasser» als «sanguis spiri
tualis» gedeutet, ebenso im Buch A l- H a b ib (cit. J. Ruska ebda. p. 4 2 -4 3 ), wo es heißt:
«Ihr müßt die Kraft des ewigen Wassers kennen lernen . . . weil seine Kraft ein «geisti
ges Blut» i s t . . . und es verwandelt den Körper in einen G e ist. . . sodaß der Körper, der
dann entsteht, geistig und wie Blut gefärbt wird, d e n n a lle s , w a s S e e le b es itz t, b es itz t
a u c h B lu t.» - Auch bei den Griechen ist Blut ein Synonym für das «göttliche Wasser»
(vgl. z. B. O l y m p io d o r , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II, IV, 38. Vol. I, p. 92 und II,
IV, 44. Vol. I, p. 96 und Z osim os ebda. III, X L III, 5. Vol. I, p. 216).
282 KOMMENTAR
die Seele oder das Leben ein.» D ie drei Stufen entsprechen auch einer
B eifü gu n g von M ilch = W asser, B lu t = «unser Salz» und Fleisch (c a ro )
= anim a oder re x (K ö n ig ) 57, und letzteres geschieht bei «gem äß igtem
F eu er». D ie letzte Stufe ist, wie schon aus obiger Z usam m enstellung
h ervorgin g, eine Inkarnation und zugleich eine Beseelung. F o lg erich
tigerw eise erw ähnt daher unser T e x t als dritte W irk u n g des H l. Geistes
die Beseelung A dam s in der Genesis ( I I , 7 ) und h ierauf das berühm te
W o r t des C a l id von der H eg u n g des Em bryo durch W asser, L u ft und
F eu er in je drei M onaten *8.
Text: Die erste, zweite und dritte W irkung (des H l. Geistes) bezeugen die
Philosophen, indem sie sagen: Das W asser bewahrt den Foetus während drei
Monaten im Mutterleibe, die Luft hegt und nährt ihn drei Monate lang, und
in den letzten drei Monaten bewacht ihn das Feuer. Und das Kind wird nie
mals ans Licht kommen, bevor diese Monate verstrichen sind, dann aber wird
es geboren und von der Sonne belebt, denn diese ist das Belebende aller toten
Dinge.
A lchem istisch handelt es sich bei dieser dritten Stufe um die soge
nannte άναζωπύρωσις, die «Feuer-N eubelebung *?» und A u fersteh u n g der
T o ten (τά νεκρά σώματα έμψυχοΰνται). D iese N eubelebung geschieht in
unserem T e x t durch die Sonnenbestrahlung, «da die Sonne alles belebt».
D ie «Feuerbeseelung» ist nach m anchen A u toren ein P arallelvorgang
zur W eiß u n g . So sagt Z o s im o s 6o: «D ie W e iß u n g ist eine V erbrennung,
Herstellung der zweiten Unio durch eine Beimischung von Menschenblut geschieht.
Myst. Coni. Vol. II p. 256.
57. Art. Aurif. 1610 I, p. 117: et in fine illorum dierum Deus infundit benedictionem
germinis humani, animam scilicet seu vitam. Vgl. anderseits auch die christliche Gleich
setzung von Blut — Wasser - Geist, wie sie H . R a h n e r in seinem Aufsatz «Flumina
de ventre Christi», Biblica, Vol. 22. Rom. 1941 (Pontificio Istituto Biblico), p. 277
und bes. p. 370-371, 373 und 381 zusammengestellt hat. - Auch sagt z. B. H o n o r i u s
v o n A u t u n , Specul. de myst. eccles. Migne, P. L. tom. 172. col. 910: aus dem Blut und
Wasser der Seitenwunde Christi würde die Kirche gebildet: sanguine redimitur, aqua
abluitur.
58. Vgl. oben Anmerkungen zum Text. Ferner Senior, De Chemia 1. c. p. 87-88,
und den Kitäb-al-Hablb, in B e r t h e l o t , La Chimie au Moyen-äge, Vol. III. p. 92, 97,
109. Und E. v. L i p p m a n n , Alchemie. 1. c. Vol. I p. 47, und die T a b u la s m a r a g d in a ed.
Ruska p. 3 ff, worin der Lapis ebenfalls ein «kosmisches» Kind ist.
59. Vgl. u. a. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III. LVI. 3. Vol. I p. 252 und III.
LVI. 2. Vol. I p. 251 und III. V III. 2. Vol. I p. 142: «Versage nicht den Toten zur
Auferstehung (anastasis) zu gelangen».
6 0 . B e r t h e l o t . Coli. Aich. Grecs. III. X L . 2 . Vol. I p . 2 1 1 .
KOMMENTAR 283
61. B erthelot. ebda. III. X L III. 5. Vol. I p. 216. Vgl. auch III. V. 17. Vol. I.
p. 132 und B erthelot. La Chimie au Μ. A. 1. c. III. p. 98 und R. Reitzenstein. Alche-
mistische Lehrschriften etc. 1. c. p. 75 und 83.
62. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. IV, X X 10. Vol. I p. 293. Vgl. Carmina H e l i o
d o r i, ed. Goldschmidt, a. a. O. p. 28-31.
63. Vgl. auch ebda. p. 338 und V, III p. 344 und Senior, De Chemia p. 16, 19, 30,
44, 58-59 und 77. T u r b a p. 137-138, 163.
64. Vgl. z. B. T u r b a , a. a. O. p. 142.
65. Vgl. A r i s t o t e l e s De anima 1. 2. 405 a, 25. A r e i o s D i d y m o s 39.2, C h r y s i p p
bei G a l e n : H i p p o k r . et Plato 3. 1 . D i o g . L a e r t . 7 .1 5 6 . M a c r o b i u s , Somn. Scip. 1. 14.
19. T e r t u l l i a n de anim. 5. P l o t i n 4. 74. A l e x . A p h r o d . De an. 26. 13. N e m e s i o s ,
de nat. hom. c. 2 usw. cit. bei S c o t t III p . 612.
66. Vgl. E. v . L i p p m a n n : Alchemie, Bd. I, p. 133.
67. L e i s e g a n g , Der Hl. Geist, a. a. O. p. 26 ff.
68. L e i s e g a n g , Gnosis a. a. O. p. 81. Vgl. auch 2 ur antiken Auffassung der Luft
D i d y m o s , de Trinitate 756 B. ( W . S c o t t , Hermetica I p. 542.) Das Pneuma ist das
284 KOMMENTAR
w ider 6?\ die erw ärm te M aterie w ird zu F eu er und W asser. Indem das
Feuer das W asser austrocknet, entsteht die E rd e. E in D a m p f aus Feuer,
E rd e und W asser erzeugt die L u ft. L etztere k om m t zusam m en «gem äß
dem L ogos der H arm on ie», und aus dem Zusam m enhauchen der ent
gegengesetzten Q ualitäten entsteht ein Pneum a und Sperm a, das dem
göttlichen Pneum a entspricht. «A us diesem schöpferischen Pneum a ent
steht in der M a trix des K i n d . . . » E in e ähnliche Entstehung eines « K in
des» aus den kosm ischen Elem enten der F e u e r-L u ft beschreibt auch die
Logosvision des G nostikers V a l e n t i n u s :
γόνιμον εν. Auch im A s k l e p i o s lat. (ebda.) gilt die Luft als Instrument des Alls, durch
das alle Dinge ins Werden treten und alles Seiende, Sterbliches und Unsterbliches
verbunden wird, indem der Geisthauch (spiritus) die ganze W elt bewegt. Vgl. auch
christlich: E p h r a e m S y r u s : Hymni a. a. Ο. I ρ . 1 6 der die Luft preist, weil sie in ihrer
Reinheit alles durchdringe und so sogar den Herrn im Mutterleib entstehen sah. (Man
vgl. die Worte C a l i d s ! )
69. S c o t t . H e r m e t i c a I p . 438. - S t o b a e u s I 47. 7.
70. Cit. aus H. Leisegang, Gnosis a. a. O. p. 283. Vgl. die dort wiedergegebene
Interpretation des Hippolytos z u dieser Stelle. Von Simon Magus wurde erzählt, er
hätte einen Homunculus hergestellt, indem er menschliches Pneuma in Wasser und dann
in Blut und dann zu «Fleisch» gerinnen ließ. (L ippmann, Alchemie a. a. Ο. I, p. 224.)
71. K a u t z s c h , Die Apokryphen und Pseudoepigraphen des A. T. 1 9 0 0 , Teil
II, p. 395.
KOMMENTAR 285
das auf der D reizahl beruht». Es fällt auf, daß im T e x t der A u ro ra die
D reih eit der E lem ente nicht im m er ganz klar feststeht, indem es sich
dabei bald um W asser, B lu t und Feuer, bald um W asser, L u ft und
Feu er handelt - in beiden F ällen feh lt jeweils die E rd e. D ies ist psycho
logisch bedeutungsvoll. Ü berblickt m an näm lich die Entw icklung, w el
che in der inneren Auseinandersetzung der letzten T extp artien stattge
funden hat, so läß t sich eine allm ähliche V erschiebung des Schw erge
wichtes nach der Bewußtseinsseite hin beobachten. D as B ild der Sapien
tia D ei ist sow ohl in ihrem lichten, als auch chthonischen A spekt (z . B .
als «F rau , die den T o d b rach te») zurückgetreten, und die durch den
Einbruch ihres Bildes erzeugte K on tam in ation des Bew ußtseins m it dem
U nbew ußten ist durch «Sam m lung», «A blution» und durch den «G eist
der Einsicht» w eitgehend w ieder aufgehoben w orden. D ieselbe num i-
nose G egebenheit, die v orh er als Sapientia bezeichnet w urde, ist abge
löst von der - oder auch übergegangen in die - H ypostase des H l. G ei
stes, dessen W irk u n g en der V erfasser hym nisch preist. Schmutz und
W e lt sind «h inausgew orfen», und auch die Identität des A lchem isten
m it dem «Filius p hilosophorum », die zuvor öfters im T e x te durchschim
m erte, scheint kaum m ehr vorhanden. Es ist, als ob der V erfasser durch
sein V erstehen, welches ihm die traditionelle alchem istische Symbolik
erm öglichte, etwas D istanz zu seinem Erlebnis gew onnen hätte. N a ch
einer anfänglichen Ü berschw em m ung von unbew ußten Inhalten scheint
er allm ählich zu einem bew ußten Standpunkt und zu innerer R uhe zu
rückgelangt zu sein. D azu h at ihm die ternarische Struktur seines p h ilo
sophischen C redo verh olfen ; denn w ie J u n g in «Sym bolik des Geistes»
d arlegt 7 ^ begünstigt ein ternarisches O rdnungsschem a eine relative
Em anzipation des Bew ußtseins gegenüber dem bloß N atu rh aften . «D ie
D reih eit ist ein A rchetypus, der m it dom inierender K ra f t eine geistige
Entw icklung nicht nur begünstigt, sondern gegebenenfalls auch er
zw ingt 7 7 .» Sie ist aber kein natürlicher G anzheitsausdruck, im G egen
satz zur Q uaternität.
D ies hän gt m it der Struktur unseres Bew ußtseins zusam m en, welches
au f vier O rientierungsfunktionen aufgebaut zu sein scheint ?8, w ovon 768
82. W ie J ung in «Symbolik des Geistes» darlegt, bringt eine trinitarische Auffas
sung ein Abschneiden der vierten, sog. minderwertigen Funktion mit sich. «Diese eigen
artige Spaltung ist, wie es scheint, eine Kulturerrungenschaft und bedeutet bereits eine
Befreiung des Bewußtseins von allzu strenger Verhaftung an den Geist der Schwere.
Wenn es jene Funktion, die noch unlösbar am Vergangenen und an den bis ins Tier
reich zurückgreifenden nächtlichen Wurzeln hinter sich zurücklassen und sogar ver
gessen kann, so hat es eine neue, nicht ganz illusionäre Freiheit gewonnen, mit beflü
geltem Fuß Abgründe zu überspringen. Es kann sich von der Verhaftung an Sinnes
eindrücke, Emotionen, faszinose Gedanken und Ahnungen durch und in die Abstrak
tion befreien.» (p. 396 ff. Vgl. auch p. 4 l 2 i f .) Vgl. auch: Psychologie und Alchemie,
p . 218 ff.
83. Belege vgl. C. G. J ung Symbolik des Geistes 1. c. p. 392.
84. 1. c. p. 388.
85. cit. l.c .p . 388.
KOMMENTAR 289
D urch ihn w ird daher die T rin ität ein Symbol, das g öttlich e und m ensch
liche W esen h eit u m f a ß t88890.
J u n g fü h rt im w eiteren aus, daß in der D eutu n g des H eiligen Geistes
als M u tter insofern ein w ahrer K e rn liege, «als M a ria das W erk zeu g
der G ottesgeburt w ar und dam it als M ensch in das trinitarische D ram a
verflochten w urde. D ie Gestalt d er Gottesmutter kann daher als Symbol
d er essentiellen A nteilnahm e d er M enschheit an d er Trinität g e lte n 8*.
D ie psychologische B erech tigun g dieser A n n ah m e beruht au f dem U m
stand, daß das D enken, das ursprünglich au f d er Selbstoffenbarung des
U nbew ußten beruht, als M anifestation einer außerbew ußten Instanz
em pfunden w ird. D em Prim itiven stößt das D enken zu, und auch w ir
empfinden gewisse besonders erleuchtende E in fälle noch als E in h a u
chungen’ (In sp ira tio n e n ). W erd en aber G edanken, insbesondere U r
teile und Erkenntnisse durch unbew ußte Tätigkeit dem Bewußtsein
übermittelt, so wird hierzu oft merklich d er Archetypus einer gewissen
weiblichen Gestalt, nämlich d er A nim a, der M utter-Geliebten, verw en
det 9°. Es erscheint dann, als ob die Inspiration von der M u tter oder der
G eliebten, der ,fem m e inspiratrice’ her erfolge. D aher hätte der H eilige
G eist N eig u n g , sein N eu tru m (τό πνεύμα) gegen ein Fem ininum u m
zutauschen . . . H eiliger G eist und Logos verschw im m en im gnostischen
B egriff der Sophia (W e is h e it), wie in der «Sapientia» der m ittelalter
lichen N aturphilosophie, und von ihr h eiß t es: ,in grem io m atris sedet
sapientia p atris’.»
D iese A usführungen J u n g s w erfen ein L ich t auf die psychologischen
Geschehnisse, die in der A u ro ra ausgedrückt sind. D ie T atsache, daß
hier das «N um inose» zuerst als Sapientia, d. h. als weibliche G estalt,
au ftrat, läß t annehm en, daß sich überw ältigende neue Erkenntnisse dem
B ew ußtsein des V erfassers annäherten, und daß dabei die A n im a als
V erm ittlerin konstelliert w ar. T ritt sie später zurück, so ist w ohl daraus
abzulesen, daß inzwischen ein m enschlicher R eflexionsvorgang einge
schaltet w urde, der das E rleb te in eine geistige O rd nu n g einzubauen
versucht hat. D ies brachte aber auch unverm eidlich einen relativen Rück
zug vom Unbewußten m it sich, der sich im T e x t symbolisch in der A u s
sonderung des Elem entes E rd e bem erkbar m acht. W ie w ir aber zuvor
sahen, ist die E rd e ein A spekt der Sapientia selber, gleichsam ihre eigene
chthonische Seite 91, die nun ausgesondert w ird.
Text: «Aus diesem Grunde heißt es von dem erwähnten Geist infolge sei
ner siebenfältigen Gabe, daß er sieben Kräfte besitze bei seiner Einwirkung
auf die E r d e . . . »
D as E lem ent E rd e feh lt zw ar, wie diese T extfo rtsetzu n g zeigt, nicht
völlig, aber es ist aus der vom A u to r gepriesenen T ria d e seines p h ilo
sophischen C redo gleichsam ausgeklam m ert und erscheint als das der
T riad e G egenüberstehende, als ein passives, unvollkom m enes, zu be
arbeitendes E lem ent.
W e n n w ir diese T extp artie m it den oben dargelegten Z usam m enhän
gen m it dem V ier-Funktionenschem a des Bew ußtseins in V erbindung
setzen, so w ürde die A ussonderung des vierten Elem entes, der E rd e,
darau f schließen lassen, daß eine Schw ierigkeit fü r das Bew ußtsein ent
standen ist, die vierte, sog. m inderw ertige Funktion zu assim ilieren.
D iese w äre durch das E lem ent E rd e dargestellt, w obei die m inderw ertige
Funktion beim M an n e jeweils erst noch m it der A n im a und dem kollek
tiven U nbew ußten kontam iniert ist ?2.
91. Ich habe vorher das Fehlen der Erde als mangelnde Realisation, hier nun als
Rückzug vom Unbewußten gedeutet - für einen Kenner der psychologischen Tatbestände
ist dies nicht ein Widerspruch, indem eben tatsächlich eigentümlicherweise der Rück
zug vom Unbewußten einer Unbewußtheit in höherem Sinn entspricht und daher einer
mangelhaften Realisation.
92. Vgl. C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie 1. c. p. 214: «In der Funktionspsy
chologie sind zunächst zwei Funktionen, die differenzierte und deren Auxiliärfunktion
bewußt, also männlich . . . Da nun der Gegensatz zwischen den beiden Auxiliärfunk
tionen längstens nicht so groß ist wie zwischen der differenzierten und der minder
wertigen Funktion, kann auch die dritte, nämlich die unbewußte «auxiliäre» Funktion
ins Bewußtsein gehoben und dadurch männlich werden. Sie wird aber etwas von ihrer
Kontamination mit der minderwertigen Funktion mit sich nehmen und dadurch eine
gewisse Vermittlung mit dem Dunkel des Unbewußten bilden. Dieser psychologischen
KOMMENTAR 291
Erscheint der Schritt von D rei zu V ier allzu schw ierig, so zeigt sich 346
o ft im unbew ußten M aterial eine V erd op pelu n g dieser Z ah len , und der
problem atische Schritt fü h rt dann von der Sieben zur A ch t, wobei die
inferiore Funktion gleichsam um die H ä lfte verm indert erscheint. D iese
V erd op pelu n g stellt som it einen psychologischen D ifferenzierungs
prozeß dar.
D am it stim m en gewisse symbolische Erläuteru n gen zur Z ah l Sieben 347
überein, w elche R . A l l e n d y in seinem B uch «L e symbolisme des
nom bres 93 » vorb rin gt. Seiner A nsicht nach entsteht die Sieben durch
eine doppelte D ich otom ie (Z w eiteilu n g ) der D re i:
und er bem erkt, daß diese D erivation der Sieben von der D re i die R egel
progressiver Serien w darstelle. W ä h re n d die Vierheit den Zirkel in sich
selbst verlaufender Naturprozesse abbilde, stelle die Sieben die evolu-
tiven K reise eines spiralförm igen Fortschritts dar. N ach J a k o b B o e h m e ?*
gibt es im K osm os sieben organisierende G eister, w elche die ew ige W e is
heit (Sapientia D e i!) verw irklichen. Sie bestehen aus einer oberen T riad e
(B eg eh ren , B ew egung, U n ru h e ) und einer unteren natürlichen T riad e
(L ieb e, W o rt, K ö rp e r) und einem M ed iator, dem Blitz oder Feuer, w el
cher den K on tak t zwischen N a tu r und G eist herstellt. A u ch in anderen
Tatsache entsprechend unterlag auch der Heilige Geist der häretischen Deutung als
Sophia. . . Die vierte Funktion ist mit dem Unbewußten kontaminiert und zieht, wenn
bewußt gemacht, das ganze Unbewußte mit sich . . . Zunächst aber bricht jener heftige
Konflikt aus in den jeder vernünftige Mensch geriete, wenn ihm evident würde, daß er
den absurdesten Aberglauben zu schlucken hätte.»
93. Paris, 1948, p. 172 ff.
94. Unter progressiver Serie versteht man eine Serie von Zahlen, die so angeordnet
sind, daß die Ratio ihrer Beziehung zunehmend oder abnehmend constant bleibt (meine
Fußnote).
95. De signatura rerum X IV . 10. cit. ebda. p. 179.
292 KOMMENTAR
personifiziert I0°». Der Autor war, wie wir sahen, durch seine Begegnung
mit der Sapientia D ei unerwartet mit dem Problem des Bösen, der
dunklen Seite Gottes zusammengestoßen, und so bedurfte er in beson
derem M aße des Hl. Geistes, der die Gegensätze in Gott versöhnt. D ar
um setzt er diese Hypostase der Gottheit speziell mit der «aqua divina»
des alchemischen Werkes gleich und erhebt sie im Folgenden zum
eigentlichen Operator im W erk, der die W andlung der schwarzen Erde
vollbringen soll.
Zusammenfassend könnte man das bisherige Geschehen psychologisch 349
folgendermaßen interpretieren: der zu Beginn geschilderte Einbruch des
kollektiven Unbewußten - zuerst im sublimen Animabild der Sapientia
D ei personifiziert - hat zu einer Überwältigung des Bewußtseins durch
das Unbewußte geführt. In dieser dunklen Nacht sind alle verdrängten
Schattenelemente, die heidnischen Äthiopier und die sündigen Töchter
Zions, hervorgetreten, so daß der Verfasser in eine tiefe Depression ver
sunken ist. Um sich vor völliger Auflösung zu retten, ruft er nun seine
bewußten christlichen Auffassungen zu H ilfe und bittet den Heiligen
Geist, er möge ihm helfen, die dunkle Erde (= das ihn deprimierende
Unbewußte) zu läutern und zu reinigen. N ur E ines bleibt unklar und
wird im Text nur indirekt ausgesprochen: d ie d u n k le E rde ist ja selber
d ie Sapientia D e i! Er ruft somit, wie Hiob, Gott gegen Gott zu H ilfe 101.
Eine geheime Enantiodromie ist geschehen; was zuerst einbrach, war das
lichte Bild der Sapientia Dei, im Folgenden aber hat sie sich allmählich
zu einer zu bearbeitenden Dunkelheit gewandelt. Man sieht, warum der
Verfasser zur rettenden alchemistischen Sprache greift, denn nur in ihr
konnte er ein so paradoxes Erlebnis überhaupt formulieren.
Text: Erstens erwärmt er (der Geist) die Erde, die vor Kälte tot und kahl 350
ist. . . weshalb der Prophet sagt: Es glühte mein Herz in mir, und Feuer ent
brannte bei meinem Werke. Und im Buch von der Quintessenz heißt es: Das
Feuer dringt ein und verfeinert durch seine Wärme, und es verzehrt alle erd
haften und allzu materiellen und formlosen Bestandteile. Solange nämlich
das Feuer Stoff hat, hört es nicht auf zu wirken, indem es der passiven Sub
stanz seine Form einprägen will.
bilden eigentlich eine Amplifikation des im ersten Teil der Parabel von
den drei Wirkungen Gesagten. Zunächst ist der Geist wiederum als
Feuer geschildert, welches eine wärmende und reinigende W irkung auf
die kalte Erde ausübt. Damit der «moralische» Aspekt dabei nicht über
sehen werde, vergleicht ihn der Verfasser mit dem verborgenen Zorn
feuer, welches David gegen seine Feinde und gegen die Sünder aus
sandte102. Das «Kompakte» der passiven Erde, welches von diesem
Feuer geläutert, sublimiert und geprägt wird, ist somit dasselbe wie der
innere Feind und die Sünde, und auch identisch mit den Äthiopiern und
sündigen Töchtern Zions der vorhergehenden Parabeln.
Text: Und C alid minor sagt: Erwärmt die Kälte des einen durch die
Wärme des anderen; ebenso sagt S en io r : Verfestigt das Männliche über dem
Weiblichen, und das heißt das Warme über dem Kalten.
in ihrem Gebiet von neuem entdeckt, indem J ung nachwies, daß die
psychische Energie, in sich selber gegensätzlich (z. B. als Trieb und
G eist), ihre eigenen Kontraste in sich aufhebtI0*. In der christlichen
Vorstellungswelt sind hingegen die zwei Feuer sonst meistens getrennt:
so sagt z. B. E phraem Syrus vom Feuer des Hl. G eistesI0*: «Die Taufe
löschte mit ihrem Feuer das Feuer, welches der Böse angezündet hatte. . .
Siehe das reine Feuer unseres Erlösers hat das Feuer gelöscht, das in den
Sündern auf geflammt war.» W ieder vereinigt die Alchemie die ge
trennten Aspekte in einer paradoxen Idee. Der Autor erläutert nämlich
kühnerweise seine alchemische «virtus ignea» durch einen Vers aus dem
Hymnus «Veni Sancte Spiritus» der Sequenz an Pfingsten: «Kühlung in
der Hitze Glühn», wodurch er die umfangreiche Feuer-Wasser-Symbo-
lik des Hl. Geistes innerhalb der kirchlichen A lle g o rik 106 mit der alche-
mistischen Idee des «ignis noster» vereinigt.
Text: «Und A v ic e n n a : Es gibt ein Ding, in welchem die Entzündung vor- 356
handen ist, - und das erste was sich (beim Kochen) herauslöst, ist eine Feuer
kraft, welche milder und würdiger ist, als die Kräfte aller andern Elemente.»
M it diesem Zitat deutet der Verfasser an, daß es sich bei dieser para- 357
358 Text: Drittens weicht der Geist auf, d. h. er verflüssigt die Härte der Erde
und löst deren allzu dichte und kompakte Teile auf, wovon geschrieben steht:
Der Regen oder Geist verflüssigt. Und der Prophet: Er wird sein Wort aus
senden und sie verflüssigen, sein Geisthauch wird wehn, und die Wasser
werden strömen.
359 D ie «aqua Sapientiae», das Wasser, ist auch ein Regen und wird
indirekt mit dem «Wort Gottes», dem Logos, gleichgesetzt. Durch eine
Einwirkung «von oben», d. h. vom Bewußtsein, wird das kompakte, un
durchdringliche Dunkel des Unbewußten allmählich auf gelockert, w o
durch auch das Gefangensein der Persönlichkeit in scheinbar unwandel
baren Tatsachen aufhört und das psychische Leben «in Fluß gerät»
durch «eindringliches» Verstehen I07 .
360 Text: Und im Buch der Quintessenz steht geschrieben, daß die Luft die
Poren der erdigen Teile öffnet, damit sie die Kraft des Feuers und des Was
sers aufnehmen können. Und anderswo heißt es: Die Frau löst den Mann
auf, und dieser macht sie gerinnen, d. i. der Geist löst den Körper auf und
macht ihn weich, und der Körper läßt den Geist fest werden.
361 Schließlich deutet der Autor hier den Zusammenstoß der Erde mit
der Geistdreiheit (Wasser, Feuer, Luft) auch als Gegensatz von Körper
und Geist, oder von Mann und Frau. Damit ist auf das M otiv der Con
junctio angespielt, das im letzten Kapitel zu zentraler Bedeutung ge
langt. D ie Beteiligung des Verfassers tritt in dieser Partie eher zurück;
es ist nicht, als ob er sich persönlich mit seinem Schatten auseinander
setzte, sondern als ob zwei archetypische Bereiche, eine obere lichte
Geisttriade, d. h. eine geistige Auffassung, und ein dunkles Viertes (ein 10
7
Text: Viertens erleuchtet der Geist, da er dem Körper alle Dunkelheit &
nimmt, wovon der Hymnus handelt: Reinige die schauerlichen Finsternisse
unseres Geistes, die Sinne laß erleuchtet sein.
Hier folgt nun doch eine Anspielung auf den persönlich-seelischen 363
Aspekt des Prozesses, nämlich in dem Zitat aus dem Pfingstlied des
N o t k e r B a l b u l u s («Reinige die schauerlichen Finsternisse unseres
Geistes») und aus dem Hymnus «Veni Creator Spiritus» («Die Sinne
laß erleuchtet sein»). Darin zeigt sich, daß die Bearbeitung der Erde
durch den dreieinigen Wasser-Luft-Feuergeist doch auch eine Ausein
andersetzung mit den Dunkelheiten des eigenen Subjektes (mens) be
deutet, und daß dies (wie das Zitat aus Ps. 7 8 beweist) nur durch einen
Gnadenakt Gottes und durch dessen Führung zu einem guten Ende ge
langen kann.
Text: «Und der Prophet: Er (Gott) führte sie die ganze Nacht im Leuchten 364
des Feuers, und dann wird die Nacht lichthell wie der Tag werden.»
Der Verfasser vergleicht diese Erlösung mit dem Auszug der Juden 36S
aus Ägypten, da nämlich Ägypten in der Patristik allgemein als Sünde
und als «diese Welt» gedeutet w u rd eIo8, ist dies noch einmal eine A n
spielung auf die Gefangenschaft, Nigredo, Flut usw. der früheren
Parabeln.
Der Satz «dann wird die Nacht lichthell wie der T ag werden» bildet 366
eine W iederholung des Schlußsatzes des vierten Kapitels, und ist, wie
dort, eine Anspielung auf die mystische Geburt des «Filius philosopho
rum», welcher später als «wunderbares Licht, das in der Finsternis auf
leuchtet», geschildert w ir d I0^. Letzteres ist jenes «lumen luminum»,
108. Vgl. die Belege in M. v. Franz, Passio Perpetuae in C. G. J ung, Aion 1. c.
p. 464 sq.
109. Der Lapis ist auch bei Alphidius als lumen splendens ac transparens (leuch
tendes, durchsichtiges Licht) bezeichnet. Vgl. Cod. Ashmole 1420. fol. 11. In anderen
Texten ist er eine «lux secreta» und im R o sa r iu m (Artis Aurif. 1610 II. p. 173) heißt
es: quae cum lumine venit et cum lumine genita est. Vgl. auch Senior, De Chemia
a. a. O. p. 9, welcher Haly citiert, der «in suis secretis» sage: Hoc est Sulphur rubeum
lu m in o su m in te n e b r is et est hyacinthus rubeus . . . et leo victor. VI. auch Abu ’l Qasim
al I raqi ed Holmyard «Isis» V III p. 420, der lapis heißt: dog, eagle, harmless lion . . .
fiery poison, lig h t . . . son of fire . . . Satan.
298 KOMMENTAR
367 Text: Auch S en ior sagt: Und er macht alles Schwarze weiß und alles
Weiße rot, da das Wasser weiß macht und das Feuer Leuchtkraft verleiht.
Denn er leuchtet in der Farbe wie ein Rubin durch die färbende Seele, die er
aus der Kraft des Feuers erhielt, deshalb heißt das Feuer auch das Färbende.
368 Das Licht ist als Rubin bezeichnet, ein Synonym des L ap is111. Senior
deutet den Rubin als «färbende Seele112» (anima tingens), welche im
Wasser verborgen sei “ 3. Aus ihr stammen die «Farben». Psychologisch
weist die rote Farbe des Rubins auf Emotion, Leidenschaft, Gefühl hin.
In der Alchemie gilt Rot (und die Rubedo) als männlich,weiß als weib
lich. Rot ist der K önig und der Lapis als Bräutigam der weißen Braut
(Anim a). Es ist, als ob aktives Leben und Emotion in diesem Stadium
der Entwicklung wieder zurückkehrten, nachdem die Erstarrung und
Depression der Nigredo und die Phase objektiver Einsicht in der Albedo
vorüber sind. Aber diese «vita nuova» (der Rubedo) geht nicht mehr
vom Ich, sondern vom Selbst aus.
110. Vgl. C. G. J ung, T h e o r e t is c h e Überlegungen etc. in «Wurzeln des Bewußt
seins 1. c. p. 546 ff. und die dort angeführten Parallelen.
111. Der «carbunculus» ist ein Synonym des Lapis. «Rex clarus ut carbunculus.»
(Zitat aus Linus, einer alten Quelle im R o sa r iu m P h ilo s o p h o r u m . Art. Aurif. 1593, II,
p. 329). «Radius . . . in terris, qui lucet in tenebris instar carbunculi in se collectus.»
(Aus der Darstellung der Theorie des T homas von Aquino bei M ichael Majer : Symb.
Aur. Mens. 1617, p. 377.) «Inveni quendam lapidem rubeum, clarissimum, diaphanum
et lucidum et in eo conspexi omnes formas elementorum et etiam eorum contrarietates.»
(Zitat aus T homas bei Mylius : Philosophia Reformata, 1622, p. 42.) Caelum, aurum
und carbunculus als Synonym der Rubedo 1. c. p. 104. Der Lapis ist «Carfunckel-liecht
schimmernd». (H . K hunrath: Hyl. Chaos 1597, p. 237.) Rubin bzw. Carbunculus
bezeichnet das corpus glorificatum. (G lauber: Tract. de Nat. Salium 1658, p. 42.) In
der C h y m is c h e n H o c h z e it ist das Gemach der Venus von Karfunkeln erhellt (p. 9 6 ).
Vgl. dazu auch das oben über anthrax (Rubin und Zinnober) Gesagte.» Cit. aus J ung,
Gestaltungen des Unbewußten, p. 152 f., Fußnote 127.
112. Vgl. Anm. zum Text p. 76.
113. Vgl. auch die Hyacinthfarbe und Rubedo im Meer, in der Kabbala. K norr von
R osenroth, 1. c. Vol. II. p. 21-22 und über die Albedo und Rubedo im Kristall ebda.
Vol. II. p. 12. und Pars. I .p . 461-462. (Idea Rabba seu Synodus magna.)
KOMMENTAR 299
M it Seniors Bemerkung, daß aus dem Rubin alle Farben entstünden, 369
ist auf das klassische alchemistische M otiv der «cauda pavonis» ange
spielt I]C4, von welchem J ung sagt: «Diese Farbenerscheinung stellt im
Opus ein dem definitiven Resultat vorausgehendes Zwischenstadium dar.
J acob B oehme nennt es ,eine Liebe-Begierde oder eine Schönheit der
Farben’. In der Liebe-Begierde ,urständen alle Farben’
Von dem vereinigten «Natur»- und «Geistleben» sagt B oehme: «Und 370
ist uns also erkenntlich eine ewige Wesenheit der Natur, gleich dem
Wasser und Feuer, welche also gleichwie ineinander vermengt stehen,
da es dann eine lichtblaue Farbe gibt, gleich dem Blitz des Feuers; da
es dann eine Gestalt hat, als ein R u bin114
11617mit Kristallen in ein W esen
5
gemengt, oder als gelbe, weiß, rot, blau in dunkel Wasser gemenget,
da es als blau in grün ist, da jedes doch seinen Glanz hat und schei
net, und das Wasser also nur ihrem Feuer wehret, daß kein Verzehren
allda ist, sondern also ein ew ig W ese n in zw eien M ysterien in einander,
und doch der Unterschied zweier Prinzipien als zweierlei Leben.» Das
farbige Phänomen verdankt seine Existenz «der Imagination in das
große Mysterium, da ein wunderlich essentialisch Leben sich selber
gebiert11? . ..».
Durch den Kontakt des Bewußtseins mit dem Unbewußten erblüht 371
eine W elt der Phantasie und des Gefühls - die W elt des Eros leuchtet
114. Die «cauda pavonis» wird von H enricus K hunrath mit der Iris, der «nuncia
Dei» identifiziert. G erardus D orneus (De transmut. metall. Theatr. Chem. 1602,
I, P· 599) erklärt folgendermaßen: «Haec est avis noctu volans absque alis, quam caeli
ros primus continuata decoctione, sursum atque deorsum ascensione descensioneque in
caput corvi convertit, ac tandem in caudam pavonis, et postea candidissimas et olorinas
plumas, ac postremo summam rubedinem acquirit indicium igneae suae naturae.» Bei
B aseilides (H ippolytos: El. X , 14, 1) ist das Pfauenei synonym mit dem Sperma
mundi, dem κόκκος σινάπεως. Es enthält in sich τήν των χρωμάτων πληΦύν, die Fülle
der Farben, nämlich 365. Aus Pfaueneiern soll die Goldfarbe hergestellt werden, wie
die K yraniden berichten. (Text. lat. et vieux franc. relat. aux Cyranides. Ed. par
L. D elatte. Bibi. Fac. d. Phil, et Lettr. Liege. Fase. X C III, 171.) Das Licht Muhammeds
hat die Gestalt eines Pfauen und aus dem Schweiße des letzteren wurden die Engel
geschaffen. (Vgl. Aptowitzer: Arab.- Jüd. Schöpfungstheorien. Hebr. Union College
Annot. Cincinnati 1929, VI, 209, 233.) Cit. nach J ung, Gestaltungen des Unbewußten,
p. 151 f., Fußnote 125.
115. De sign. rer. X IV , 10. cit. nach J ung, Gestaltungen des Unbewußten, Fuß
note 126.
116. Vom ird. u. himml. Myst. V, 4 ff. cit. aus J ung, Gestaltungen des Unbewußten,
Fußnote 128.
117. Cit. aus J ung, Gestaltungen des Unbewußten, p. 151-153.
300 KOMMENTAR
372 Text: Und im Buch von der Quintessenz heißt es: Du erschaust ein wun
derbares Licht in der Finsternis. Und in der Turba Philosophorum steht, daß,
wenn einmal die Wolken die Oberfläche weiß gemacht haben, ohne Zweifel
auch das Innere weiß werden wird. Und Morienus sagt: Schon haben wir
das Schwarze beseitigt und das Weiße hergestellt mit dem Salz [A]natron,
d. h. mit Geist.
373 D ie W andlung von Nacht, Tod, Sünde in eine Licht- und Farbenwelt
wird hierauf erklärt als Dealbatio, als die schon bekannte W eißung.
Diese geschehe, sagt der Text, durch das «Natronsalz11819 », d. h. durch
Geist. Hier ist nun eine neue Analogie des Hl. Geistes, das Salz, er
wähnt, auf dessen umfangreiche Bedeutung Jung bereits einging ri*.
Sein Bedeutungsaspekt als «Eros» legte es dem Verfasser - auch wenn
er dies vielleicht nicht w u ß te 120 - nahe, das Salz mit dem Hl. Geist, der
ja auch als «Liebesfeuer» g il t 121, gleichzusetzen122, und beides ist für
ihn zugleich eine Analogie, um das Paradoxon der alchemistischen
Arkansubstanz auszudrücken.
374 Text: Fünftens scheidet der Geist das Reine vom Unreinen, da er alle
Akzidentien der Seele beseitigt, welches sind die Dämpfe oder üblen Gerüche;
so wie es heißt, daß das Feuer das Verschiedenartige trennt und das Gleich
artige zusammenhäuft. Deshalb sagt der Prophet: Du hast im Feuer mich er-
118. A-Natron ist durch den übernommenen arabischen Artikel An-Natron entstan
den. Natron kommt von ägyptisch ntr = Gott! Vgl. Steuer : Über das wohlriechende
Natron bei den alten Ägyptern. Leiden 1937.
119. Vgl. Myster. Coni. Vol. I cap. «Salz».
120. Vgl. allerdings über Christus als Salz z. B. Ps. (? ) Albertus, Biblia Mariana,
ed. Borgnet Vol. 37. p. 385: Sal enim filius Dei est. Quod cum misisset illud sal in fon
tem aquarum, quod factum est annunciatione ait: Haec dicit Dominus: «Sanavi has aquas»
id est humanam naturam fluidam et pestiferam et non erit eis ultra mors neque sterilitas,
sed vita et foecunditas.
121. Cf. Rhabanus Maurus: In festo Pentecostes ad vesperas et ad Tertiam (Zooz-
mann, p. 136): Qui Paraclitus diceris, Donum Dei altissimi Fons vivus, ig n is, caritas,
Et spiritualis unctio. - Und Richard de St . V ictor, De tribus appropriatis Personis
in Trinitate Migne, P. L. tom. 196. col. 993 C: Addis adhuc ut quaeras, quid mihi cau
sae videtur cur Potentia Patri in scripturis Sanctis specialius attribuitur, Sapientia Filio,
caritas vel bonitas Spiritui Sancto.
122. Vgl. auch das Salz als Mittler und Vereiniger der Gegensätze im T ra c ta tu s
A u r e u s d e l a p id e p h i l o s o p h ic o , Mus. Herrn, a. a. O. p. 11: Verus mercurii spiritus et
sulphuris anima una cum sale spirituali simul unita.
KOMMENTAR 301
probt und Unrecht fand sich nicht an mir. Und ebenso sagt er: Wir sind durch
Feuer und Wasser hindurchgegangen, und du hast uns zur Ruhe und Erquik-
kung geführt. Und Hermes sagt: Du wirst das Dichte vom Feinen scheiden,
die Erde vom Feuer. Und Alphidius: Die Erde wird flüssig und wandelt sich
in Wasser, das Wasser wird flüssig und wandelt sich in Luft, die Luft wird
flüssig und wandelt sich in Feuer (das Feuer wird flüssig und wandelt sich
in verklärte Erde).
D ie Deutung dieser Sätze mag aus dem Vorhergehenden ohne weitere 375
Erklärung verständlich sein, hingegen ist das ALPHiDiuszitat: «Die Erde
wird flüssig» usw., hervorzuheben, insofern hier eine Überlieferungs
schwierigkeit auftaucht. D ie Handschriften weichen nämlich im dritten
Satzglied voneinander ab, indem das Pariser Manuskript statt «die Luft
wird flüssig und wandelt sich in Feuer» die Version enthält: «Das Feuer
wird flüssig und wandelt sich in die glorifizierte Erde.» D aß gerade hier
eine Textschwierigkeit auf tritt, ist nicht zufällig - handelt es sich doch
wieder um das Problem des Verhältnisses von Drei und Vier! In A n
betracht seines «Credo» sollte der Autor nämlich eine Dreiheit auf-
zählen, aber die klassische Rota oder Circulatio in der Alchemie, auf
welche das ALPHiDiuszitat anspielt, betrifft jeweils die vier Elemente,
und so ist dem Verfasser selber oder irgend einem der Abschreiber an
dieser Stelle ein Fehler unterlaufen, und der Text ist so sehr verdorben,
daß wir die ursprüngliche Version kaum mehr rekonstruieren kön
nen I23. W ieder bildet die kalte, dunkle Erde den «Stein des Anstoßes»,
welche die Pariser Version in Form einer «glorifizierten Erde» in den
geistigen Bereich hinüber zu retten versucht.
Text: Hierauf Bezug nehmend sagt Rasis, daß der eigentlichen endgültigen 376
Zubereitung eine gewisse Reinigung der Substanzen vorangeht, welche von123
123. Eine ähnliche Unsicherheit findet sich in dem meist als Epistula des Rases zitier
ten O p u sc u lu m a u to r is ig n o t i (Artis aurif. 1610 1. c.I, p. 251): hic lapis triangulus est
in esse, quadrangulus in qualitate. — Und in den Carmina H eliodori a. a. Ο. ρ. 57
(Carm. 4. Vers 260), wo der Stein als «dreifaches Bollwerk» aus Geist, Seele und
Körper und «Festung, die durch die vier Elemente gefügt ist» geschildert wird. - Schon
in einem griechischen Text (B erthelot, Coli. Aich. I, VI, 2. Vol. I, p. 22) ist der
S tein einem Drachen mit vier Füßen = Elemente und drei Ohren = Dämpfe verglichen.
Ein ähnliches Schwanken zwischen Drei und Vier findet man auch bisweilen bei den
Kirchenvätern, wo z. B. Ephraem Syrus (a. a. Ο. II, p. 790) das kirchliche Öl mit dem
Fluß Eden vergleicht und sagt: Der Fluß Eden hatte vier Namen und vier Verkünder
(=vier Evangelisten!), das Öl drei Namen = Posaunen der Taufe.
302 KOMMENTAR
377 Das RASiszitat zeigt an, daß es sich bei den, in den vorhergehenden,
wie auch noch in dieser Parabel, beschriebenen Prozessen noch immer um
Waschungen und Reinigungsverfahren handelt, und die nachfolgende
Textpartie fügt als neuen Aspekt hinzu, daß diese Reinigungen auch
ein Scheiden bzw. Unterscheiden des Groben vom Feinen darstellen. Es
ist dies psychologisch wohl als die mühsame Auseinandersetzung mit
dem Unbewußten und seinen subjektiven wie objektiven Komponenten
zu verstehen, deren Bedeutung innerhalb des Individuationsprozesses
J ung in «Psychologie der Übertragung» erläutert hat I24. Das langwie
rige Hin und Her zwischen den Gegensätzen ist an dieser Stelle des
Textes bzw. des psychischen Geschehens, das darin beschrieben ist, sinn
voll. Blicken wir nämlich auf die Ereignisse der vorhergehenden drei
Parabeln zurück, so fand sich dort jeweils die Schilderung einer anfäng
lichen Dunkelheit und N ot (Flut, Gefangenschaft usw.) und dann
ein plötzlicher einmaliger Umschwung in einen ekstatischen Glücks
zustand. In diesem Kapitel hingegen beginnt ein mehrmaliges Hin und
Her und eine B ea rbeitu ng des Dunklen durch das Helle, und es ist nicht
ein Umschwung geschildert, sondern eine durch viele Einwirkungen des
Geistes allmählich erreichte Erhellung und Sublimierung des Dunklen.
N icht zufällig ko’inzidiert dies mit der Anführung des Credo zu Beginn
der Parabel: die kollektiv-bewußten religiösen W erte und Inhalte wer
den in das Erlebnis miteinbezogen und dadurch ein Versuch gemacht,
einen Standpunkt innerhalb der sich bekämpfenden Gegensätze aufzu
bauen. Auch wird das Dunkle nicht mehr nur «erlitten», sondern be
arbeitet. Eigenartig bleibt nur, daß die Auseinandersetzung eigentlich
zwischen zwei überpersönlichen Mächten stattfindet, dem Hl. Geist und
der dunklen Erde, daß aber der Verfasser selber wie ausgelöscht scheint
und weitgehend nur noch als Wahrnehmender im Prozeß vorhanden ist.12 4
T ext: «Sechstens erhöht der Geist das Niedrige, da er die tief im Erdinnern 378
verborgene Seele an die Oberfläche emporführt, wovon der Prophet sagt: Der
die Gefangenen hinausführt in seiner Stärke, und auch: Du hast meine Seele
hinausgeführt aus der tiefsten Hölle. Auch Jesaias sagt: Der Geisthauch des
Herrn hat mich emporgehoben. Und die Philosophen: W er immer das Ver
borgene sichtbar machen kann, der versteht das ganze W erk, und wer unseren
Cambar 12s (d. i. Feuer) kennt, der ist unser Philosoph.»
125. Zinnober.
126. Vgl. Jesaia L X I. 1. Vgl. die Anm. zum Text p. 81.
127. Vgl. Sy n e sio s , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. II. III. 13-14. Vol. I p. 66. Vgl.
auch die T u r b a a. a. O. p. 123: Ex h o c . . . lapide cum confringitur varii vobis colores
apparebunt. S. auch p. 123 und 141 das Färben mit der «color invariabilis» der «unver
änderlichen Farbe» als Ziel des Opus. Vgl. auch p. 136: Imbuite ipsum quousque extra
hat vobis Deus colores et appareant. Vgl. ebenso p . 140 und Se n io r , De Chemia a. a. O.
p . 82: Cumque apparuerint colores vel tincturae erit hoc sicut cum apparet pullus.
128. Myst. Coni. Vol. II. p. 5 ff.
129. Vgl. für das Alter dieser Idee den Ausspruch von M a r ia in O l y m p io d o r ,
B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs a. a. Ο. II, IV, p. 93: Έ ά ν μή τά πάντα τφ πυρί έκλεπ-
τυνθη καί ή αιθάλη πνευματωθεΐσα βασταχθη, ούδέν εις πέρα άχθήσεται: Wenn
nicht alles durch das Feuer sublimiert und der geistig gewordene Dampf emporgetragen
wird, wird der Proceß nicht weiterschreiten.
304 KOMMENTAR
Text: Und R a sis sagt: . . . Das Schwere kann nur mit dem Leichten vereint 384
zum Auf steigen gebracht werden und das Leichte nur in Verbindung mit dem
Schweren in die Tiefe hinabgedrückt werden. Und in der Turba heißt es:
Macht die Körper unkörperlich und das Feste flüchtig; dies alles aber wird mit
unserem Geist ausgeführt. . .
diese letzten Z itate beweisen, w ird dabei zugleich auch um gekehrt das
O bere, H im m lische körperlicher gem acht, d. h. verw irklicht - ein V o r
gan g, der schon zu B eginn des K apitels durch die Erw ähn u n g der In k ar
nation G ottes in Christo angetönt w ar. D ie V erw irklichung des Geistes
d arf w ohl nicht als eine M iteinbeziehung der gew öhnlichen E rd e v er
standen w erden, sondern bedeutet eine geistige Realisierung. Im m erhin
findet aber dieselbe in einem Individuum statt und bleibt nicht m ehr eine
n u r kollektive V orstellung. In diesem Individuum w ird das Selbst er
lebt und dann als «Filius philosophorum » und Christus gedeutet.
Text: . . . dies Alles wird aber mit unserem Geist. . . vollendet, denn er 386
allein kann rein machen, was von unreinem Samen empfangen wurde. Sagt
nicht die Schrift: W aschet euch in ihm, und ihr sollt rein werden.
T ext: Und zu Naeman wurde gesagt: Geh und tauche dich siebenmal im 388
Jordan, und du wirst rein werden. Denn es gibt eine Taufe zur Abwaschung
der Sünden, wie der Glaube und der Prophet bezeugen.
W ie das G leichnis von der H eilu n g Naemans zeigt, handelt es sich 389
D ie E rzäh lu n g vom aussätzigen Naeman g ilt dort, wie erw ähnt, als P rä
figuration der T au fe. Z u letzteren gehören 1 di e Schöpfung (b ei w el
ch er «das Festlan d des Glaubens von den heidnischen W assern » g e
tren nt w u r d e ), die Sintflut, die O p feru n g Isaaks, der D u rch g an g durch
das R ote M eer, der R u f Jesaias (Je s. L IV , 1 7 - 5 5 ) , das Lob der W eish eit
(B aru ch III, 9 - 3 8 ) , die Ezechielvision (E zech . X X X V I I , 1 - 1 4 ) , das
O sterlam m , die B ekehrung N inives, die Abschiedsrede M osis (D e u t.
X X X I , 2 9 , 3 0 ) , die Jü n glin g e im Feuerofen (D an iel III, 1 - 2 4 ) , fern er
auch die in der A u ro ra frü h er angeführte Jesaia-Stelle IV , 1 - 6 : «W enn
der H e rr den U nflat der T ö ch ter Z ions abgew aschen haben w ird durch
den G eist d er W eish eit und der E in sich t», und endlich auch die H eilu n g
Naemans im Jo rd an , bei w elcher die «sieben Z eichen der Bosheit» v e r
trieben w urden *36. D e r Jo rd an entspringt vom B e rg Libanon, ein N am e,
der von den K irch en vätern als candidatio « W e iß u n g » gedeutet w urde,
und so - sagen sie - bedeute der Jo rd a n «den Q uell der T a u fe , in
w elchem die E rw ählten vom Sündenschmutz w eiß w erden *37». W ie die
K rankheit Naemans durch die «vis occulta» (verb orgen e K r a f t) G ottes
im W asser vertrieben w urde, so w ird das B öse durch die T a u fe besei
tig t χ38. D er Aussätzige g alt als B ild des K etzers *39. In der A lch em ie und
in der K abbala w ird dieselbe biblische G eschichte auf die «leprositas»,
die K ran k h eit der M etalle bezogen τ*°. So sagt der Clangor buccinae
et ab initio aquis supernatavit. Spiritum veritatis quoque illum appellant qui mundo
absconditus absque inspiratione Spiritus D e i . . . comprehendi nequeat. Qui quidem in
quovis loco, ex re quavis potentialiter, in unico vero hoc subiecto perfecte ac plenarie
tantum reperiatur. In Summa esse spiritualem substantiam quae neque coelestis neque
infernalis sit sed aereum purum . . .
135. Vgl. Meßbuch ed. Schott, p. 297.
136. Vgl. auch E ph r a e m Sy r u s , Hymni et Sermones ed. Lamy a. a. Ο., I, p. 6: Septem
Elisaei purificationes figura sunt septem spirituum per baptismo expellendorum. Cf.
item p. 52.
137. H o n o r iu s v o n A u t u n , Speculum de mysteriis Ecclesiae, Migne P. L. tom. 172,
coi. 1099.
138. E ph r a e m Sy r u s , Hymni a. a. O. Vol. I, p. 60: Aquas naturales consecravit
E lis a e u s invocato Abscondito, in illas immersit se leprosus notus, sed vis occulta purifi
cavit eum. Dissipata est lepra in aquis ut iniquitas in baptismo.
139. R habanus M aurus, Alleg. in Sacr. Script. Migne P. L. tom. 112, coi. 985.
140. Vgl. K n o r r v . R o s e n r o t h , Kabbala denudata etc. Bd. I, p. 151: (210) qui
est numerus vocis Na’aman id est N a e m a n i Syri Principis Militiae Regis A r a m 2. Reg.
5. 1. per quem allegorice intelligitur materia Medicinae metallicae septies per Jorda-
num purificanda, quam multi metallicae rei studiosi Gur vocant.
141. Art. Aurif. 1610, I. p. 322.
KOMMENTAR 307
w ohl nicht ohne Beziehung zur A u r o r a 1*2: «U n ser E rz hat einen w asser
süchtigen K ö rp er wie der Syrer N aem an . . . weshalb er siebenmal ein
B ad der Erneu eru n g (regen eration is) im Jo rd an auf suchte, um von den
angeborenen Leiden (o d er Leidenschaften: passionibus) und V erd erb t
heiten gerein igt zu w erd en.» Im arabischen «Buch der A laune und
Salze» h eiß t es *43, das B lei sei eigentlich G old, bei w elchem jedoch eine
K ran k h eit in das E rz eingedrungen sei, «so w ie eine K ran k h eit ein noch
ungeborenes K in d im M utterleib b efalle». A u ch im Corpus Hermeticum
w ird das B öse in der W e lt dem R ost (ιός) des Erzes verglichen *44. In
anderen alchem istischen Gleichnissen besteht die K ran k h eit der M aterie
in Epilepsie oder H ydrophobie mj, oder sie ist ein «defectus o rig in alis^ 6».
Text: W er Ohren hat, der höre, was d e r . . . Geist der L e h r e . . . von der
Wirkungskraft des siebenfältigen Geistes s a g t . . . was die Philosophen mit
folgenden W orten andeuten: Destilliere siebenmal und dann hast du die
Scheidung von aller verderblichen Feuchtigkeit vollzogen.
142. Vgl. den Beweis der Abhängigkeit p. 314 im SENiORcitat. Vgl. auch dieselbe
Idee im ebenfalls von der Aurora abhängigen A q u a r iu m S a p ien tu m Mus. Herrn,
a. a. O .p . 122.
143. ed. Ruska a. a. O. p. 68-76 und p. 113.
144. Tract. 15. ed. Scott a. a. Ο. I, p. 260.
145. Vgl. C. G. J u n g M y st. C o n i. Vol. I p. 169.
146. Cantilena R ip l a e i . Vgl. M y st. C o n i. II p. 19 ff.
308 KOMMENTAR
KO M M EN TAR ZU R FÜ N FT EN PARABEL
(1 0 . K A P IT E L )
ie fünfte Parabel geh t inhaltlich über die in den ersten vier G leich
Text: Die Weisheit baute sich ein Haus; wer in dieses eingeht, der wird
selig werden und W eide finden, nach dem Zeugnis des Propheten: Sie werden
trunken sein vom Überfluß deines Hauses . . .
1. De Chemia a. a. O. p. 167.
2. Cod. Ashmole 1420, Bibliotheca Bodleiana, Oxford, Fol. 23 f.
KOMMENTAR 309
3. verführt?
4. Diese Textpartie ist auch im C o n s iliu m C o n iu g ii, Ars Chemica 1566, p. 108 ff.
enthalten: «Nota de domo thesaurorum de qua dixit author in primo. A ssid u u s loquitur
de ea sic: ergo fili locum huius lapidis tibi ostendam . . . Haec (scientia) autem quodam
est in loco qui est ubique (ich lese est ubique statt in utique); locus est 4 elementa et
sunt 4 januae, quas si nosse vis dico primo 4 esse stationes, 4 angulos, 4 terminos et
4 parietes . . . Haec autem domus est thesauraria in qua omnia thesaurizantur sublimia
de scientiis sive sapientiis vel rebus gloriosissimis quae haberi non possunt {e t ) in hac
domo thesaurizantur. Domus in qua hi thesauri sunt 4 ianuis clauduntur quae 4 clavibus
reserantur . . . Scito ergo fi li . . . quod qui scit elavem unam et ignorat residuas, domus
ianuas sua clave aperiet, sed ea quae sunt in domo non aspiciet quoniam domus super
ficiem habet ad infinitum visum tendentem. Ergo oportet ut singulae januae singulis clavi
bus aperiantur quousque domus tota adimpletur lumine, tunc ingrediatur quivis de the
sauro accipiens . . . « A ssid u u s spricht von ihm (dem Schatzhaus) folgendermaßen: ich
will dir also, mein Sohn, den Ort dieses Steines zeigen. . . ist doch diese Wissenschaft
an einem bestimmten Ort, der überall ist, und die vier Elemente sind auch die vier Tore,
und wenn du diese kennen lernen willst, so behaupte ich, sie seien die vier Stationen,
die vier Winde, die vier Begrenzungen und die vier W änd e. . . Dieses Haus ist das
Schatzhaus, in dem alles Erhabene (sublimia) bezüglich der Wissenschaften und W eis
heitslehren oder sonstigen glorreichen Dinge thesauriert ist, welches man nicht erlan
gen kann, und sie liegen in diesem Haus verwahrt. Das Haus . . . ist durch vier Tore
geschlossen und durch vier Schlüssel erschließbar . . . Wisse also mein Sohn . . . daß
wer {n u r) ein e n Schlüssel kennt, die übrigen hingegen nicht, der wird zwar die Tore
des Hauses mit dem einen Schlüssel öffnen, aber das, was darinnen ist, nicht sehen
können; weil das Haus eine Oberfläche besitzt, welche zum endlosen Gesichtssinn spricht
(Der Text ist hier nicht sehr klar und von mir nur hypothetisch so übersetzt. Vor Ver
gleichung mit dem arabischen Original sind Konjekturen sehr unsicher. Ich lese:
infinitum statt: infimum visum. Man kann endlos die Oberfläche studieren ohne zum
Inhalt zu gelangen.)
5. Vgl. hiezu C. G. J ung, Psychologie der Übertragung, 1946, p. 188 ff. - Die Ober
fläche, die den, der das Haus nur mit einem Schlüssel öffnet (mit e in e r Funktion erfaßt),
durch unendliche Schau irreführt, dürfte sich auf die Gefahr beziehen, daß man vom
Unbewußten fasziniert sich darin denkend, intuierend, fühlend oder Tatsachen sammelnd
310 KOMMENTAR
die V orstellu n g der E rschließung des H auses (Selb st) durch vier Schlüs
sel d arf m an w ohl im W eiteren auch auf jenes eigenartige Q uaternionen-
schem a beziehen, welches J u n g in « A ion » als ein inneres Struktur
m odell des Selbst entw orfen h a t 6. Es scheint sich hierbei um dynamische
Prozesse bzw. W an d lu n g sv org än ge innerhalb des Selbst zu handeln,
w elche zu einer B ew ußtw erdung des Inhaltes führen. J u n g legt zu
nächst dar, daß dieser V o rg a n g nach folgen d er F o rm el stattfindet:
Ü3 d
/ \ κ \
C3 a3 = A = a c
\ κ \ κ
d3 b
II II
D B
II II
d2 bi
/ \ / \
a2
II
II
Cl ai
U)
o
\ / \ κ
Ü2 di
und betont, daß sie u .a . die alte T etram erie w iederhole, w elche durch die
V ierheitsstruktur des E inen gegeben ist, näm lich A = a\ d / c · « W a s die
F orm el nur andeuten k an n », fäh rt J u n g fo rt, «ist die höh ere Ebene,
w elche durch den W an d lu n g s- bzw. Integrationsprozeß erreicht w ird.
D ie E rh öh u n g oder der F o rtsch ritt oder die Q ualitätsänderung be
steht in einer vierteiligen oder viermaligen Entfaltung der Ganzheit,
welche nichts anderes bedeutet, als deren Bewußtwerdung. W e n n psy
chische Inhalte in vier A spekte aufgespalten w erden, so h eiß t das soviel,
als daß sie einer D iskrim inierung durch die vier O rientierungsfunktio
nen des Bew ußtseins unterzogen w urden. E rst die H erstellu n g dieser
vier A spekte gew ährleistet eine ganzheitliche Beschreibung. D e r durch
unsere F orm el dargestellte P rozeß verw andelt die ursprünglich unbe
w ußte G anzheit in eine bew ußte. D e r A nthropos ( A ) steigt von oben
verliert, ohne sich selber durch innere «Fixatio» zu finden. Auch sieht man dann eben
nur die «Oberfläche».
6. p. 329 ff. bes. p. 352 ff. und p. 354-355 und für die Aurora wichtig bes. p. 366 ff.
Ich muß auf eine ausführliche Darstellung dieser außerordentlich bedeutungsvollen
Zusammenhänge hier verzichten, da sie zuviel Raum einnähmen, und muß den Leser
auf J u n g s Darstellung in «Aion» verweisen.
KOMMENTAR 311
au ftritt, ist bedeutsam . Es zeigt sich darin das Resultat der langw ierigen
O perationen, w elche im vorhergehenden K ap itel beschrieben w urden.
7. dt. ebda. p. 370-372 passim.
Text: « . . . denn besser ist ein Tag in deinen Vorhöfen, als tausend andere!
Oh wie glückselig sind die, welche in diesem Hause wohnen, denn wer da
bittet, der empfängt, und wer sucht, der findet, und wer anklopft, dem wird
aufgetan. Die Weisheit steht nämlich am Tore und spricht: Siehe, ich stehe
vor der Tür und klopfe an; so jemand meine Stimme hören wird und die
Türe auftut, zu dem werde ich eingehen und er zu mir, und ich werde das
Mahl mit ihm halten und er mit mir.»
Text: Oh wie groß ist die Fülle deiner Süßigkeit, wie sie kein Auge ge- 403
sehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen
ist. Die dieses Haus aufschließen, werden Heiligkeit und zudem Fülle der
Tage erlangen, die ihnen zusteht. . .
In diesen B ildern drückt sich die H o ffn u n g a u f ein L eb en nach dem 404
T o d e aus. D ie E rfah ru n g des Selbst bringt tatsächlich infolge der rela-
11. Vgl. auch von Ps. A l b e r t u s die Biblia Mariana ed. Borgnet 37. l.c . p. 388:
(Maria) est domus vestiaria ex qua indutus fuit Filius Dei carne. Maria ist auch die
«domus totius reformationis et renovationis» ebda. p. 411; die «arca salvationis» p. 366.
12. Vgl. auch A l c u i n , Gramm. Migne, P. L. tom. 101, coi. 853, und J o h . D i a c o n u s ,
Vita Gregorii 2. 18.
314 KOMMENTAR
tiven Raum- und Zeitlosigkeit des Archetypus oft ein Gefühl von Un
sterblichkeit mit sich u. Auch diese Partie scheint mir zu bestätigen, daß
der Text in einem seltsam unbewußten, ergriffenen Zustand des Ver
fassers entstanden ist, vielleicht handelt es sich um einen dem Tode
nahen Zustand.
In ihrem H ause hält die Sapientia D ei m it dem eintretenden M e n
schen ein Liebesm ahl. D ie zitierten W o rte der O ffenbarung (I I I , 20 )
w urden kirchlich als H inw eis auf die Eucharistie gedeutet, w elche ein
«pharm acum vitae» ist und z. B . von E p h r a e m S y r u s χ4 als «ferm en
tum » oder «calix vitae» (L eb en skelch) bezeichnet w urde. In der A u ro ra
ist dies M ah l identisch m it dem später beschriebenen Lebensquell.
Text: « . . . das Haus öffnen, so daß sie von Angesicht zu Angesicht, Auge
in Auge die volle Herrlichkeit von Sonne und Mond schauen werden. . . »
H ier tritt die G estalt der Sapientia D ei an die Stelle G ottes selbst,
und auch die W o rte aus I. K o r. II, 9 : « W a s kein A u g e gesehen hat»
usw ., und die in späteren Sätzen erw ähnte G egenw art der vierund
zw anzig Ä ltesten, die in der A pokalypse das L am m G ottes anbeten u,
weisen darau f hin, daß sich im Z en tru m des Schatzhauses ein Sym bol
von höchster g ö ttlicher N u m in o sitä t o ffe n b a r t 13
l6. A b e r dieses ist in u nse
5
4
rem T e x t bezeichn end erw eise nich t G o tt, sondern «die v o lle H err lich
k eit von Sonne u n d M o n d » , d. h . w o h l das M ysterium ihrer C o n ju n c
tio. D ies steht verm utlich in einer indirekten Beziehung zu A p o c. X X I ,
2 3 - 2 4 : «U n d die Stadt bedarf kein er S o nne noch d es M o n d es, daß sie
ihr scheinen; denn die H errlichkeit G ottes erleuchtet sie, und ihre
Leuchte ist das Lam m . U n d die H eiden, die da selig w erden, w andeln
in ihrem L ich t, und die K ö n ig e auf E rd en w erden ihre H errlichkeit in
sie bringen.» In der Apokalypse sind also die «irdischen L ich ter» von
Sonne und M ond gleichsam durch ein supranaturales L ich t, durch den
ich w erde sein G ott sein und er w ird m ein Sohn sein» (ille erit m ihi
filius) - eine Stelle, die auch bereits in den vorherigen T extp artien
zitiert w urde.
Es ist, als ob der V erfasser die V erein igu n g der G ottesm utter m it
Christus im «T h alam o s», w elche nun in der päpstlichen Encyclica v e r
kündet w urde, geistig antizipiert h ä tte 2?. F ü r die um fassende Bedeutung
dieses Symbols innerhalb der christlichen R eligion m uß ich auf J u n g s
D arlegu n gen in «A n tw o rt auf H iob » verweisen. D aß das Symbol schon
in der V ision eines M enschen des dreizehnten Jahrhunderts auftaucht,
zeigt an, wie lange schon solche K om pensations- und K onziliations-
tendenzen unbew ußt konstelliert w aren. V ielleicht läß t diese V ision
d arau f schließen, daß der V erfasser besonders tief in das W esen der
christlichen Problem atik eingedrungen w ar, weshalb das U nbew ußte in
ihm m it diesem die G egensätze versöhnenden B ild durchdrang. A ls
w eitere w ichtige P arallele zu dieser V ision w äre die kabbalistische K o n
junktionssymbolik zu erw ähnen 3 °. N a ch der K abbala ist der U rm ensch
m annw eiblich erschaffen w orden, als A bbild G ottes. E in e Soharste Ile
sagt 31: «D aru m ist ein B ild (d io k n a ), das nicht M ännliches und W e ib
liches enthält, kein oberes (him m lisches) B i l d . . . K o m m und sieh, an
einem O rt, an dem M ännliches und W eiblich es nicht vereinigt sind,
w ird der H eilige, gelobt sei er, seinen W o h n sitz nicht auf sc h la g e n . . . »
E in e ähnliche Parallelvorstellung findet sich auch in der Beschreibung
der V erein igu n g der beiden Sefirot: T i f ’eret und M alch u t, wobei Jessod,
als Phallus die geistige Z eu g u n g verm ittelt. M alch u t w ird auch einem
«bewässerten G arten » verglichen (n ach Jes. L V III , 1 1 ) was a u ffä l
lig an die Symbole der «B rau t» im letzten K ap itel d er A u ro ra erin- 29301
29. Vgl. die Citate in der Encyclica von Papst Pius X II. in den Acta Apostolicae
Sedis 1950. (4. Nov. 1950) p. 753 ff. bes. p. 761: Jo . D amasceni Encom. in dormit.
Dei genetricis Hom. II, 14: Oportebat sponsam quam Pater desponsaverat in thalamis
caelestibus habitare. Ebda. p. 762: intima Mariae cum Filio conjunctio . . . ebda. p. 763:
Pari modo, hac de re agentes Reginam describunt in regiam Coelorum aulam per trium
phum ingredientem ac dextero Divini Redemptoris assidentem lateris; itemque Canti
corum Sponsam inducunt «quae ascendit per desertum sicut virgula fumi ex aroma
tibus myrrhae et thuris» ut corona redimiatur. Quae quidem ab iisdem veluti imagines
proponuntur caelestis illius Reginae, caelestisque Sponsae, quae una cum Divino Sponso
ad Caelorum aulam evehitur.
30. Vgl. S. Hurwitz, «Archetypische Motive in der chassidischen Mystik» in «Zeit
lose Dokumente der Seele» Zürich 1952. p . 175 ff.
31. S o h a r I, 55 b, cit. ebda. p. 176.
318 KOMMENTAR
n ert 32. S. H u r w i t z deutet diese Stelle aus ihrem Zusam m enhang heraus
dahin, daß «das zeugende, schöpferische Prinzip des U nbew ußten ins
Bew ußtsein eingetreten ist 33 ». A uch hier liegt dasselbe U rb ild der H e i
ligen H ochzeit vor. D as W esen tliche aber an unserem T e x t liegt darin,
daß dieses Symbol explicit das G ottesbild darstellt.
D u rch den A nblick des H ierosgam os w ird der Schauende von einem
G efü hl von U nsterblichkeit ergriffen - er erhält nach dem T e x t «L än ge
der T ag e» (lon gitu d o d ierum ) - , offenbar w eil sich nun in ihm ein
Festes und Ew iges offenbart hat.
Text: « . . . denn es (das Haus) ist auf einen starken Felsen gebaut, der
sich nur mit bestem Bocksblut spalten läßt, oder wenn er dreimal mit dem
Stabe des Moses geschlagen wird, auf daß ihm viel Wasser entströme, und
das ganze Volk, Männer und Frauen trinke, und es wird sie fürderhin nicht
mehr hungern noch dürsten. Wer immer dieses Haus öffnet, wird in ihm eine
lebendige, unversiegliche und verjüngende Quelle finden, durch die jeder,
der darin getauft wird, selig wird und in Zukunft nicht mehr altern kann.»
32. ebda. p. 177. Der S o h a r sagt: «T if’eret aber ist JH W H , daher kommt der Name
JHWH-Zebaoth. Das männliche Glied selbst ist das äußerste des ganzen Körpers und
wird Jessod genannt. Es ist das Element (Stufe), welches das W eib erfreut. . . » -
«Wenn daher nur der Hohepriester Erlaubnis hat, dort (ins Allerheiligste . . . ) einzu
treten . . . so darf an jenem oberen Orte (dem Allerheiligsten der Matronita, also der
oberen Stufe) nur jener eintreten, der Liebe (Chesed) heißt, (gemeint ist T if’eret in
seinem Aspekte Chesed). Wenn er in das Allerheiligste eintritt, dann wird die Matro
nita erfreut, und dieses Allerheiligste wird gesegnet an dem Orte, welcher Zion heißt.
«Zion» und «Jerusalem» aber sind ebenfalls zwei Stufen, die eine entspricht der Liebe,
die andere dem strengen Gericht.»
33. ebda. p. 178. Vgl. auch das Folgende.
34. Vgl. Myst. Coni. Vol. I. Kap. Luna, p. 76 f. S e n i o r , De Chemia, p. 78-79. Schon
bei Z o s i m o s ( B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. III, X V , 3, Vol. I, p. 186, ist Bocksblut,
αίμα τράγου ein Synonym der aqua und bezeichnet einen Stein.
KOMMENTAR 319
d ort die «fließende Seele» (an im a fluens) des Steines, was ein Synonym
des «göttlichen W assers» darstellt. Im M ittelalter hieß es vom Stein
«A dam as» (d . h. dem U n b ezw in g lich en ), er könne w eder durch Eisen,
noch Flam m en noch F eu er zerbrochen w erden. E r sei «sich im m er gleich
und im m er standhaft und ohne M akel» (sem p er idem vel certe sem per
constans, m aculä ca re n s ). D eshalb sei er auch eine A lleg o rie der Seele
M ariae. N u r durch Bocksblut könne er au f gew eicht w erden, wobei das
Bocksblut «W o h lw o llen », «Liebe» oder «calor libidinis» bedeute 3s. D e r
A dam as symbolisiert nach anderen T e x te n auch den m oralisch tadel
losen M enschen, der nur m it Bocksblut zerstört w erden könne, dem
Sinnbild der «luxu ria» (A u ssch w eifu n g ) s6. D as Bocksblut stellt so
m it eine ähnliche psychische G egebenheit dar, wie die am A n fa n g des
T extes erw ähnte «concupiscentia». In seiner D oppelbedeutung von
Liebe, W o h lw ollen einerseits oder Sinnenlust, A usschw eifung ande
rerseits weist es auf den anim alischen und em otionalen F ak to r im M e n
schen hin, der in dem Prozeß einbezogen w erden sollte, dam it dem
«harten F els», der geistig gefestigten Persönlichkeit, lebendige W irk u n g
entström e. D e r h arte u n geöffn ete F els und zugleich das Bocksblut als
Lebenswasser sind A usdruck fü r die P arad oxie der Sapientia (d . h. des
U n b ew u ß ten ), w elche unwandelbare Unerschütterlichkeit und zugleich
Lebendigkeit verleiht. D er F els, das H aus und der Q uell finden sich in
ähnlicher K om bination schon bei Z o s i m o s , der dem A depten em p
fiehlt 37? einen T em pel zu bauen aus einem Stein aus alabasterartigem
Prokonnesosm arm or «ohne A n fa n g und ohne E n d e». «U n d darin soll
eine Q uelle von reinstem W a sse r sein und ein sonnenähnliches L ich t
herausblitzen. Im Q uell sitzt das gesuchte D in g (o d e r S ch a tz ), der P rie
ster von E rz » , der zu Silber und endlich zu G old gew andelt w ird. Ä h n
lich h eiß t es in den C arm ina H e l io d o r i *8, der Lapis sei ein «schatten
loses L ich t», ein W u n d e r, das den g ro ß en Strudel einer goldenen Q uelle 35678
aus sich auf springen läß t 39. D ie Turba sagt ebenfalls 4°, es m öge ein
Stein entstehen, der wie M arm o r glänze, und dem die «verborgene
N atu r» extrah iert w erden könne, und im «B uch der A lau n e und Salze 41»
sagt der M ercu riu s von sich aus, daß er die K ö rp e r erleuchte, denn er
sei das ew ige Lebensw asser, die Q uelle der Lebewesen (fo n s anim a
liu m ) , und w er aus ihm trinke, der w erde nicht sterben in Ew igkeit.
Ein e ähnliche V orstellu n g vom Schatzhaus und Q uell findet sich be
reits im C orpu s H erm eticum , w orin A s k le p io s im sechzehnten Traktat zu
K ö n ig A m m o n spricht *2: «D u siehst w ohl auf E rd en die vielen auf spru
delnden Q uellen von W a sse r und F eu er in den ganz in der M itte g e
leg en en T eilen und ebenda siehst du, w ie die drei sichtbaren N atu ren
von Feu er, W a sse r und E rd e aus einer W u r z e l stam m en, weshalb m an
diese fü r das Schatzhaus (ταμεΐον) aller K rä fte h ält.» G enährt w ird diese
K raftq u elle von der Sonne als dem kosm ischen Schöpfergeist. D as H aus
g ilt im T rak tat A s k le p io s 43 auch als B ild des hylischen M enschen oder
des K örp ers, in w elchem das G öttlich e des Geistes (m entis d iv in itas),
«von der M au er des K örp ers u m h egt», ruht. B ei d er gnostischen Sekte
der N aassener g alt der K ö rp e r als «G eh eg e», in w elchem der erste A d am
oder Logos w eilt. D ieser sei A dam as, der Eckstein, «d er eingefügt w ird
in die Feste Z io n 4 4 » . D e r M ensch als M ikrokosm os ist auch nach S im o n
M agus ein solches «H au s», in w elchem sich die W u rz e l des A lls findet.
In letzterer ist die unbegrenzte F eu erk raft G ottes versiegelt und v er
borgen niedergelegt 45 .
ist in euch. O h wie selig ist, in w em G ott w ohnt, denn w ie dieses H aus
aus vier W än d en besteht, so besteht der Tem pel unseres K örpers aus den
vier Elementen.» D as H eilig tum dieses Tem pels ist unser G eist (m e n s ),
w elcher geistige D in g e denkt. D ie V o rh ö fe sind die Seele, w elche durch
die Sinne dem K örperleben das N otw en d ige zukom m en läßt. D e r A ltar,
au f w elchem g eop fert w ird, ist unser H erz, in dem reine G edanken und
G ebete G ott d argebracht w erden. D e r T u rm ist unser H a u p t . . . die
Fen ster sind unsere A ugen, die B ilder aber die guten W e rk e . D as L a m
penlicht aber ist das «lum en s c ie n tia e 47». A u ch das B ild vom Q uell ist
in der patristischen Literatu r häufig zu finden: Christus bzw. sein K ö r
per, die K irch e, usw. gelten als fons vitae (Leb en squ elle) 48. N ach O r i -
gen es lebt Christus im königlichen inneren M enschen, als eine «petra
interior» (innerer Fels!), der «die geistigen Sinne w ie lebendiges W a s
ser» hervorström en läß t 49. D as sind die «lebendigen Steine», in w elche
sich zu verw andeln G . D orn eus die M enschen au ffo rd ert. D as W asser
aus dem Fels w urde bei den K irch en vätern meistens als Erkenntnis G o t
tes gedeutet, als «fons scientiae *°». N a ch kirchlicher A u ffassu n g ist
Christus der durch den Stab M osis erschütterte F els; denn wie dieser
lebendige W asser spendete, so floß aus seiner W u n d e B lu t und W a s
ser 51, sein Leib ist ein «pneum atischer F els», dem das W a sse r der G eist
fülle entquillt *2. Petrus, der natürliche M ensch, der ihn begleitet, 47895012
47. Vgl. ferner das Bild des Palastes im S o h a r (ed. Ernst Müller. Der Sohar und seine
Lehre, W ien 1923, p. 107): «Es ist ein Geheimnis der Weisen: Innerhalb eines mächti
gen Felsens in entrückter Himmelssphäre gibt es einen Palast, der ist der Palast der
Liebe geheißen. Dies ist die Stätte, wo die köstlichsten Schätze sich bergen, die Stätte
der Liebesküsse des Königs. Denn die vom König geliebten Seelen gehen dort ein.
Und wenn der König jenen Palast betritt, davon heißt es (Gen. 29. 1 1 .): «Und Jakob
küßte die Rachel.» Dort findet der Allheilige die geheiligte Seele, faßt sie bei der Hand
und küßt und liebkost s ie . . . Vgl. auch in der Kabbala die «aedes divitiarum» des
Gottesnamens Adonai dessen vier Buchstaben die vier Zugänge bilden ( K n o r r v o n
R o s e n r o t h , Kabbala denudata a. a. Ο. I, p. 32.).
Kommentar p . 73 ff. und das Bild des «Zeltes» als Seelengrund, wohin Gott ewig den
Sohn gebiert bei M e i s t e r E c k h a r d t (Schriften ed. Büttner Bd. II, p . 150). Vgl. auch
A. J u n d t , Essai sur le Mysticisme de Maitre E c k h a r d t , Strasbourg 1871, p . 102.
55. R a h n e r , Flumina de ventre Christi, 1. c. p. 268-269. Dieser Nous ist auch das
Paradies, aus welchem der vierteilige Logosstrom aufquillt und die ganze Erde
befruchtet.
56. Hymni et Serm. a. a. O. Bd. I, p. 168.
57. Vgl. J u n g , Myst. Coni. II, p. 296 ff.
KOMMENTAR 323
statt des M enschenblutes in unserem T e x t erw ähnt ist, stellt gew isser
m aßen die «Seele des Bockes» dar und symbolisiert den animalischen
Menschen. D ie m ythologische Beziehung des Bockes zum T eu fel, zur
schwarzen M agie und zur chthonischen U n terw elt sind zu bekannt, als
daß sie w eiterer A usführungen bedürften. D iese anim alische W e lt ist
das A uflösungsm ittel, durch das der F els, d. h. das Selbst, noch einm al
in einen neuen Entw icklungsprozeß hinein- und hinuntergebracht w ird.
Text: Aber, oh weh, nur wenige können es erschließen, die wie Kinder 416
(parvuli) sind und wie Kinder klug sind; wenn diese aber die wie Kinder sind,
(sich) jene Dinge mitteilen und die Stühle der 24 Ältesten für sich in Besitz
nehmen, so werden sie zweifellos mittelst ihrer W ürde und ihrem Stand das
Haus öffnen, so daß si e . . . die volle Herrlichkeit von Sonne und Mond
schauen werden; ohne diese (Ältesten) aber werden sie nichts ausrichten.
D ies ist eine textlich verderbte P artie, aus deren unsicherem Zusam - 417
Text: Die nämlich die Schlüssel des Himmelreiches innehaben, werden 418
alles, was sie binden werden, auch lösen; das wird so geschehen. Denn diese
folgen dem Lamme, wohin es geht.
V on diesen «Ä ltesten» h eiß t es fern er, daß sie - wie die παρθένοι der 419
58. Vgl. Apoc. 14. 4.: «Diese sind die sich mit Weibern nicht befleckt haben - denn
sie sind Jungfrauen und folgen dem Lamme nach, wo es hingeht.»
59. Vgl. die Anm. zum Text p. 88.
60. Vgl. Einleitung p. 3.
61. Artis Aurif. a. a. O. 1610 I, p. 123.
324 KOMMENTAR
87. H. J acobsohn, Die dogmatische Stellung des Königs in der Theologie der alten
Ägypter. Ägyptolog. Forschungen ed. A. Scharff, Glückstadt-Hamburg - N. Y . 1939,
p. 32 und 67.
88. Ygl. A. M o r e t , Mysteres Egyptiens, Paris 1913, p. 209. Die K a s sind z. B. Kraft,
Licht, Intelligenz, Sehen, Hören, Reichtum usw.
89. V g l . L e Livre d’Hermes Ms. No. 2578 Paris, cit. E. B l o c h e t , Etudes sur le
Gnosticisme musulman. Rivista degli studi orientali Bd. IV, p. 73.
90. De Signatura rerum, cit. nach R. A l l e n d y , Le Symbolisme des Nombres. Paris
1948, p. 361. Vgl. dort auch die weitere Literatur über die Zahl Vierzehn. Immer ist
darin das Zeitmoment von Bedeutung. Besonders wichtig ist auch A g r i p p a v o n N e t t e s
h e i m s Deutung, daß C h ristu s a m 1 4 . M o n d ta g g e o p f e r t w o r d e n s e i. (De Philos. occulta
95. Vgl. das von Ju n g in Myst. Coni. Vol. I über die «Bitterkeit» im Kapitel «Sal»
Gesagte.
96. Vgl. hiezu S e n i o r , De Chemia a. a. O. p. 19. K o s in u s a d S arra ta n ta m . Art. Aurif.
1610 I, p. 198. Ferner J u l . Ruska: A1-Razis Buch Geheimnis der Geheimnisse, Berlin
1937. Quellen und Studien zur Gesch. d. Naturw. u. Medizin, ed. Diepgen u. Ruska,
IV, p. 67.
97. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. V . II, 4. Vol. I, p. 338 u. I, III, 11. Vol. I, p. 20.
Dies hängt damit zusammen, daß die prima materia für jungfräulich galt, und daß man
Destilliergefäße mit brustartigen Öffnungen hatte, denen das Destillat entströmte. (Vgl.
u. a. Synesios, Dialog mit D ioskoros über D emokrit, B erthelot, II, III, 6. Vol. I,
p. 60-61. Das STEPHANOSzitat selber lautet (G oldschmidt, Carmina H eliodori I,
Vers 189 -1 9 0 ): «Es steigt aus dem M eer. . . die leuchtende Milch einer bräutlichen
Jungfrau (νυμφοστολούσης παρθένου φαιδρού γάλα) zur Nährung des neugeborenen
Kindes.» - So sagt Z osimos in den «Hauptpunkten an Theodoros» (B erthelot III,
X L III, 6. Vol. I, p. 216) über das göttliche Wasser, andere nannten es «Wasser der
Brühe» (μαξυγίου). Die Brühe aber ist das E r z . . . andere leiten es ab von dem
Gefäß (phanos), welches brustförmig gestaltet ist. (Vgl. auch Z osimos, Über die
Dämpfe. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. III, LVI, 4. I, p. 252. Vgl. ebda. IV, V II,
1. Vol. I, p. 275 έν όργάνοις μασθωτοΐς. Vgl. auch E. v. Lippmann, Alchemie a. a. O.
Bd. I, p. 9 7 -9 8 .) - Da nämlich die prima materia oft als jungfräulich gepriesen wird
im Sinne von unberührt und von nichtgestaltet, als formlose «arche» und Hypostase, so
ist das ihr entströmende göttliche Wasser, das auch oft ύδωρ άθικτον «unberührtes
Wasser» heißt, die «Milch der Jungfrau». Der Gedanke, daß der Filius Philosophorum
der Sohn des παρθενικόν πνεύμα war, lag der älteren Alchemie nahe. So lebte z. B. bei
den Naassenern in Anlehnung an die eleusinischen Mysterien die Vorstellung eines
Sohnes der Jungfrau fort, welcher nicht psychisch und nicht somatisch war, sondern
«der Aeon der Aeonen». (Vgl. H ippolytos, Elenchos, V, 8. und W . Scott, Hermetica
a. a. O. Bd. III, p. 189.)
98. Hymnus in Festum Epiphaniae II. 12.
330 KOMMENTAR
427 Text: Der sechste (Stein) ist der Sieg, wovon Hermes lehrt: Und er (der
Lapis) besiegt jedes Ding und sogar den Edelstein. Und Johannes sagt in der
Offenbarung: W er überwindet, dem will ich das feine (subtile) und verbor
gene Manna geben und einen neuen Namen, den der Mund des Herrn ge
nannt hat. Und im Buch von der Quintessenz steht: Sobald einmal der Stein
des Sieges hergestellt ist, werde ich lehren, wie man mit dem Stein aus dieser
Materie Smaragde, Jaspise und echte Chrysolithe machen kann, die an Farbe,
Substanz und K raft die natürlichen Edelsteine überflügeln . . .
428 D e r sechste Stein ist das «verborgene M an n a» und der «Stein m it dem
neuen N am en » der O ffenbarung - eine Aussage, die besonders deutlich
w erden läßt, daß es sich bei diesen Steinen um etwas w ie das innerste
m enschliche W e se n selber handelt. In seinem K o m m en tar zur O ffen
barung deutete A l b e r t u s M agnus das «verborgene M an n a» als B ild
des H l. Geistes w egen seiner Süße und als B ild C hristi w egen seiner
stärkenden K ra ft, der «w eiße Stein» aber ist nach ihm die «aeterna con
tem platio» oder der glorifizierte L eib; seine W e iß e deutet au f Erleuch-
99. Vgl. den etwas späteren P e t r u s B o n u s . Pret. Marg. Nov. a. a. O. p. 40: «Sie
urteilten, daß Gott mit dem Menschen eins werden müsse, und dies ist geschehen in
Jesus Christus und seiner jungfräulichen Mutter, und Gott hat dies als ein wunder
bares Exemplum den Philosophen in diesem Stein geoffenbart.»
100 . Vgl. hiezu auch C. G. J u n g , Psychologie und Alchemie p . 469 ff.
101. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs IV, X X , 17. Vol. I p. 299. Vgl. auch das oben
über die Penetrationskraft des «Auferstehungsleibes» Gesagte.
102. Buch der Alaune und Salze a. a. O. p. 58-59. Man kann diese Vorstellung,
die auf die islamischen Alchemisten eingewirkt zu haben scheint, mit der sog. «voll
kommenen Natur» der Manichäer vergleichen: Bei diesen gilt das σώμα τελεΐον als
Quelle der Offenbarung und ist die «uranfängliche Natur oder das uranfängliche Selbst».
(Der aramäische Ausdruck quömä ist Person, Materie, Körper und Selbst zugleich.)
Sie wirkt auch als «Daimonion» oder «Spiritus familiaris» im Menschen. (Vgl. R . R e i t
z e n s t e i n , Iran. Erlös, p. 75-76, p. 112-113. Vgl. daselbst die arabische Schrift (ca.
Text: Der zwölfte (Stein) ist das Gleichmaß, von dem geschrieben steht,
daß er alles nährt und hegt und in Gesundheit bewahrt. Solange nämlich die
Elemente im Gleichmaß sind, fühlt sich die Seele im Körper wohl; aber sobald
sie uneins werden, dann haßt sie es in ihm zu verweilen. Denn das Gleichmaß
103. Opera ed. Borgnet Paris 1939, Vol. 38 p. 516-517: ratione candoris signatur
claritas, ratione soliditatis impassibilitas, ratione modicitatis subtilitas, ratione rotundi
tatis agilitas.
104. ebda.: Vel sic: «Dabo illi calculum» id est Christum qui per calculum designa
tur, quia calculus lapis pretiosus, qui et carbunculus dicitur, et sic dicitur a carbone,
quia ab eo similitudinem ducit: lucet enim positus in tenebris. Sic Christus in mundi
tenebris refulsit, quando «Verbum caro factum est et habitavit in nobis.»
105. Vgl. 2um Citat über die fides, T homas von Aquin, Summa theol. Prima Secun
dae Quaest. 72 Art. 3: quia fides est de his quae non videntur et spes de his, quae non
habentur.
106. Vgl. auch den Kommentar 2 ur Offenbarung von A lb ertus M a g n u s (? ) ed.
Borgnet, Vol. 38 a. a. O. p. 498: charitas, quae comparatur auro propter valorem, colo
rem, pretiositatem.
332 KOMMENTAR
ist eine solche gegenseitige Vermischung der Elemente, daß das W arm e mit
dem Kalten und das Trockene mit dem Feuchten im Gleichgewicht bleibt.
Und die Philosophen haben. . . verboten, daß keines das Übergewicht über
ein anderes bekäme, indem sie sagten: Gebt acht, daß das Geheimnis nicht
entweicht, habt acht, daß der Essig sich nicht in Rauch verwandelt, habt acht,
daß ihr nicht etwa den König und seine Gattin durch zu heißes Feuer in die
Flucht jagt, hütet euch vor allem, was das Maß überschreitet; sondern legt
sie vielmehr über das Feuer der Fäulnis, d. h. der Mäßigung, bis daß sie sich
von selber verbinden.
431 Z u erst handelt es sich um das G esunderhalten und Bew ahren der
Seele im m enschlichen K ö rp er, dann aber um die V erbindung der Sub
stanzen im G las. D iese T ex tp a rtie ist w ie selten geeignet, das eigenartige
N eben - und M iteinander der innerseelischen und «chem ischen» V o r
gänge im alchem ischen O pus zu dem onstrieren.
432 V o n den nachfolgenden zwei Ecksteinen ist noch besonders der drei
zehnte, derjenige der «geistigen Ein sich t», des «spiritualis intellectus»
als bedeutsam hervorzuheben, durch den eine innerseelische Bekehrung
oder Erneu eru n g erreicht w ird. D ies ist ein «subtiles» V erstehen, wie die
alchem istischen T e x te es häufig fo rd ern I07, dam it d er A d ep t nicht durch
konkretistisches M ißverstehen der symbolischen T e x te ins V erderben
gerate. A uch in der L eh re des G io a c c h in o da F i o r i von den drei W e lt
zeiten, die dem V ater, Sohn und H l. G eist entsprechen, ist erw ähnt,
daß erst im letzten, dritten Z eitalter, dem des H l. Geistes, die mysteria
subtiliora verstanden w ü rd e n 107108. E r spricht verschiedentlich in seiner
«C oncordia» vom geistigen und mystischen V erstehen der Bibel, welches
durch den H l. G eist eingegeben w e rd e IO?, und er h at auch selber die
H l. Schrift in dieser symbolischen F o rm zu deuten versucht. D ieser
«intellectus spiritualis» w ird speziell den M önchen e ig n e n II0.
433 D e r letzte Stein, der G ehorsam , bedeutet eine U n terw erfu n g an G o t
tes W ille - psychologisch einen V erzich t au f eine ich h afte Einstellung
und eine U n terord n u n g u n ter das Selbst.
107. So z. B. Rosarium , Artis Aurif. 1610 II, p. 148: vir subtilissimo ingenio deco
ratus.
108. Hahn, Geschichte der Ketzer 1. c. III, p. 303.
109. Hahn, ebda. Vol. III. p. 273.
110. Hahn, ebda. III. p. 333: Pertinet ad monachos quasi trigenarius numerus in eo
quod scientes et venerantes literam veteris testamenti et novi in patriarchis et apostolis
quos electos esse sciunt intellectui spirituali qui ex utraque litera procedit, adhaerent usw.
KOMMENTAR 333
T ext: W er Ohren h a t . . der höre was der Geist. . . sagt, vom Haus . . . 434
auf den vierzehn Ecksteinen, welche die vierundzwanzig Ältesten mit den
Schlüsseln des Himmelreiches erschließen und das S e n io r . . . darlegte, wo er
die Adler auf dem Dache und die Bilder der verschiedenen Eigenschaften auf
den Seiten anordnete. Auch A l p h id iu s spricht von einem Schatzhause, das . . .
mit vier Schlüsseln geöffnet werden kann, welches sind die vier Elemente.
D e r Schluß des K apitels enthält einen H inw eis auf S e n i o r und 435
beschreibt die Fortsetzu n g dieses K apitels eine gefühlsm äßige bzw. ethi
sche Auseinandersetzung m it dem inneren G eschehen. Z u diesem V o r
w iegen des G efühls p aß t das W iedererscheinen der A n im a in G estalt
der w eiblichen Sapientia (gegen üb er dem H l. G eist des vorhergehenden
K a p ite ls). D e r Lapis als «Schatzhaus» ist nun in erster L in ie als Summe
m oralischer Eigenschaften dargestellt, w obei ein lehrhaft-allegorisieren-
der T o n und ein Zurücktreten des poetischen Elem entes au ffällt. M an
w ürde dies nach einer so bedeutenden V ision nicht erw arten. O ffenbar
ist das G eschaute erst intuitiv erfaß t, und es feh lt noch der nähere
m enschliche K o n tak t m it dem Erlebnis. T rotzd em h at das Geschaute
eine unm ittelbar beruhigende W irk u n g , w elche den V erfasser sich auf
seine m enschliche Einstellung rückbesinnen läßt. D iese B eruh igu n g be
ruht w ohl in erster Linie au f dem G efühl der U nsterblichkeit, w elche
die V ision dem A u to r verm ittelt hat.
D A n ord n u n g d er E lem en te», und der H aup tinh alt schildert einen
alchem istischen W eltsch öpfun gsp rozeß . Im Z en tru m steht das B ild
einer «E rd e», die ein weibliches göttliches Symbol zu sein scheint. A us
dieser «E rd e» erblüht ein neuer K osm os *. D as G anze scheint eine A rt 1
1. Das Schatzhaus der Sapientia war, wie aus den Amplifikationen hervorging, eben
falls bereits ein Abbild des Kosmos gewesen, jedoch unter hauptsächlicher Betonung des
«Mikrokosmos» (mundus minor) d. h. des «inneren» Menschen, der nach mittelalter
licher Auffassung allgemein als Abbild des großen Kosmos galt. Als Beispiel mag das
Elucidarium des H o n o r iu s v o n A u t u n I, II. Migne, P. L. tom. 172, p. 1116 dienen,
wo es heißt: «Also besteht der körperliche Mensch aus den vier Elementen, weshalb
er Mikrokosmos d. i. «kleine W elt» genannt wird, denn aus der Erde hat er das Fleisch,
aus dem Wasser das Blut, aus der Luft den Atem, aus dem Feuer die Wärme. Sein
Kopf ist rund in der Art der Himmelskugel, aus dem die zwei Augen wie die zwei
Lichter am Himmel funkeln. Ihn zieren auch sieben Öffnungen wie die sieben Harmo
nien des Himmels usw.» Dasselbe Bild findet sich im Hortus deliciarum der H errad
v o n L a n d sb er g und bei H il d e g a r d v o n B in g e n . (R e it z e n s t e in , Iran. a. a. O.
p. 137 ff.) R. R e it z e n s t e in hat die antiken und iranischen Quellen dieser Idee ausge
arbeitet, worauf ich verweisen kann. (Vgl. ebda.) E. B l o c h e t , der speziell die persi
schen Einflüsse auf die arabischen Gnostiker hervorgehoben hat, (Etudes sur le Gnosti-
cisme musulman. Rivista degli studi Orientali IV . 1911-1912. bes. p. 247 ff.) führt
KOMMENTAR 335
Text: «W er von der Erde ist, der redet von der Erde, der vom Himmel
kommt, der ist über alle. Schon hier wird die Erde ebenfalls als das Grund
prinzip der Elemente hingestellt, die Himmel dagegen stehen für die drei
oberen Prinzipien, weshalb also einiges von der Erde und dem Himmel gesagt
sein möge, da jene das Grundprinzip und die Mutter der anderen Ele
mente i s t . . . »
M it dem H inw eis auf den, «der vom H im m el kom m t und über alle
ist», ist hier w ohl w ieder der «Filius philosophorum » gem eint, w elcher
nach der Tabula Sm aragdina nach seinem A u fstieg zum H im m el «w ie
der zur E rd e hinabsteigt» und dadurch die oberen und unteren K rä fte
in sich vereinigt. A uch in unserem T e x t vereinigen sich H im m el und
E rd e. Im H im m el sind die drei E lem ente Feuer, L u ft und W a sse r ent
halten - die E rd e bildet dazu das V ierte. W a s in der vierten Parabel
noch nicht völlig g elan g - die E in ord n u ng des V ierten - , w ird hier w ie
der aufgegriffen. Bei näherer A nalyse d er Parabel ergibt sich, daß die
E rd e, w elche hier geschildert w ird, n ich t ein ja ch das vierte E lem en t,
das zu den drei anderen hinzukom m t, bildet, sondern einen m ystischen
g a n zheitlichen Charakter besitzt. D iese E rd e ist die «arche» im Sinne
der antiken Philosophie 3, w ie sie auch unser T e x t durch die Z itate aus
Ps. C I. und den A lchem isten M o r ie n u s , H erm es, M o ses als prin cipiu m
(= arch e) und «M u tter der Elem ente» preist 4.34
3. Vgl. die Doxographie des Olympiodor (B erthelot, Coli. Aich. Grecs, II, IV,
Vol. I. p. 82-83: «Unterscheide scharf, der du alle Weisheit hast, daß die Erde von den
Philosophen nicht für ein Element gehalten wurde, da sie nicht zeugend sei. Und dies hat
einen Sinn in bezug auf unser Problem; denn H ermes sagt irgendwo, die jungfräuliche
Erde findet sich im Schwanz der Jungfrau.»
4. Vgl. Petrus B onus Pretiosa Marg. Nov. a. a. O. p. 107.
KOMMENTAR 337
T ext: . . . wie der Prophet bezeugt: Du hast im Anfänge, oh Herr, die 441
Erde gegründet, und die W erke deiner Hände sind die Himmel, d. i. W asser,
Luft und Feuer. Denn von der Erde trennen sich die Elemente im Tode, und
zu ihr kehren sie zu ihrer Neubelebung zurück, denn, woraus ein Ding seine
Zusammensetzung her hat, darin muß es sich naturgemäß auch wieder auf-
lösen. . .
nisvolle «arche» des K osm os und als Basis alles Lebens, sondern g eh t
zu einer eigenartigen neuen Idee über: näm lich daß die G ründung des
H im m els über der E rd e - also die Erschaffung d er realen W e lt durch
Scheidung eines O ben vom U n ten ein T o d gewesen sei, und daß daher
5. Sie ist gleichsam das positive Gegenstück zur Tehöm oder Tiamat.
6. Nach A u g u st in u s ist sie «die Kunst», durch die Gott die W elt schuf. - Diese
Stelle wurde von P h il o dahin gedeutet, daß die Sapientia die Mutter sei, «mit der sich
Gott vereinte. . . Sie aber empfing die Samen Gottes und gebar. . . den einzigen und
geliebten sinnlich wahrnehmbaren Sohn, diese unsere Welt, den Kosmos». (De ebrietate
30. Vgl. L eise g a n g , Gnosis a. a. O. p. 95.) - Die Auffassung zweier «archai», Gottes
und einer weiblichen Muttergöttin, Hyle, findet sich ebenfalls im C o r p u s H e r m e tic u m ,
wo es im A sc lepiu s L a t in u s (W . Sc o t t , Hermetica a. a. O. Bd. I, p. 310 ff.) heißt: «Am
Anfang war Gott und die Materie (υλη).» Letztere ist auch der Kosmos, die natura
mundi; oder der spiritus mundi. Sie ist die Matrix aller Dinge und ihr Receptaculum
und z u g le ic h d i e U rs a c h e d e s B ö s e n . Vgl. die Lehre des H er m o gen es ( T e r t u l l ia n adv.
Hermogenem 12) Ähnliche Anschauungen finden sich auch bei N u m e n iu s (Comm.
in Tim. 294). Vgl. hiezu die Ausführungen von W . ScoTT, Hermetica Bd. III, p. 68 ff,
77, 84, p . 272. - (Vgl. auch verwandte gnostische Ideen (S im o n M a g u s ) in L e ise g a n g ,
Gnosis a. a. O. p. 74 und 81 und p. 9 5 ).
7. Summa 1. c. Par. I. 66. Art. I: Secundum hoc ergo dicitur terra inanis et vacua vel
invisibilis et incomposita, quia materia per formam c o g n o s c it u r . . . Materia autem
secundum id quod est, est ens in potentia.
338 KOMMENTAR
T ext: . . . wie der göttliche Ausspruch bezeugt: Der Mensch ist Asche und
wird wieder zu Asche werden. Solcher A rt ist nämlich die Asche, die nach der
Vorschrift der Philosophen mit dem ewigen W asser vermischt werden soll.
Dieses Wasser aber ist das Ferment des Goldes, und «ihr Gold» ist der K ör
per, nämlich die Erde, welche A r is t o t e l e s Gerinnungsmittel (coagulum)
nannte, da sie das W asser gerinnen läßt.
8. Vgl. das von J u n g , Psychologie und Alchemie, p. 437 ff. über das Increatum
Gesagte. Tatsächlich weisen gewisse Ausführungen von P aracelsus auf ein der Gott
heit ebenbürtiges Prinzip hin, welches einer «dea mater» entspricht, (cit. J u n g
ebda. p. 439.)
KOMMENTAR 339
m aterie bildet das «F erm en t des G oldes» und bedeutet dem nach ein
M ittel, w elches die G äru n g und R eifun g des inneren M enschen, des
«hom o interior» bewirkt, und es ist auch zugleich - w ie der T e x t w eiter
sagt - das W asser *, die aqua perm anens des alchem istischen O pus. Psy
chologisch ha n d elt es sich w ieder um das U n b ew u ß te in seinem som ati
schen A sp e k t u n d um dessen « v erw irklich en d e » Q u a litä t9I01. D e r K ö rp er
kann als Symbol der individuell begrenzten Persönlichkeit au fg efaß t
w erden, so daß der T e x t symbolisch aussagt, das einm alige individuelle
m enschliche W esen sei der O rt der E ntstehung und R eifun g eines g ö tt
lichen inneren M enschen, und daher stelle das So-Sein des Individuum s
und seiner R ealität die einzige Basis des ganzen inneren Entw icklungs
prozesses dar. D ies steht nicht in W id ersp ru ch zur kirchlichen L eh re,
zeigt aber eine A kzentverschiebung in der R ichtung auf eine A n erk en
nung des physischen Einzelm enschen. J u n g sagt zu dieser A kzentver
sch ieb u n g 11: « W o ra n es jener unbew ußten N a tu r, w elche das B ild des
Lapis erzeugte, im besonderen lag, sieht m an am deutlichsten im G edan
ken des U rsp ru n gs in der M aterie, der H erk u n ft v om M enschen, der
allgem einen V erb reitun g und der Erzeugbarkeit, die w enigstens p oten
tiell in m enschlicher Reichw eite liegt. D iese Eigenschaften zeigen die
dam als em pfundenen M än gel des Christusbildes: eine fü r m enschliche
Bedürfnisse zu dünne L u ft, eine zu g ro ß e D istanz und eine leergelassene
Stelle im m enschlichen H erzen . M an erm angelte des ,inneren’ und
jedem M enschen zugehörigen Christus. Seine G eistigkeit w ar zu hoch
und die N atü rlich k eit des M enschen zu niedrig. Im B ild e des M ercurius
und des Lapis glorifizierte sich das ,Fleisch ’ auf seine A rt, indem es
sich nicht in G eist verw andeln ließ, sondern im G egenteil den G eist als
Stein fixier te. . . Dieses B ild des ,Sohnes der groß en W e lt’ zeigt deut
lich an, von w elcher Instanz es herstam m t: es kom m t nicht aus dem be
w ußten G eiste des individuellen M enschen, sondern aus jenen psychi
schen G ren zg eb ieten , d ie in das G eh eim n is d er W eltm aterie m ünden.»
D as Symbol «E rd e» steht in unserem T e x t fü r dieses G eheim nis, und
diese E rd e bezeichnet der V erfasser w eiterhin als das L an d der V e r
heißung, «wo M ilch und H o n ig fließt» - eine V orstellung, die im letz
9. Vgl. T hom as v . A q u in 1. c. Pars I, 68. Art. 2, wonach das Wasser als «materia
corporum» galt.
10. Vgl. hierüber J u n g s Ausführungen in Myst. Coni. II, p. 296 ff.
11. Von den Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 196-197.
340 KOMMENTAR
ten K ap itel w ieder auftaucht und psychologisch als ein Symbol des Selbst
anzusehen ist. Sie ist zugleich, w ie die zum T e x t beigegebenen A m p li
fikationen und das angeführte SENIOR-Zitat beweisen, ignea (fe u rig )
und aerea (lu f tig ), und sie nim m t das G old bzw. die anim a honorata
(geeh rte Seele) oder den G eist w ie Samen in sich auf. W ie aus solchen
Stellen hervorgeh t, ist die E rd e oder das «corpus secundum », der zweite
K ö rp er, eine G egebenheit, w elche die Qualitäten aller anderen Elemente
in sich verein t 121345: eine luftige E rd e, ein feuriges W asser, ein fließendes
F eu er usw ., und als solche ist sie ein nur G ott anheim gestelltes G eheim
nis. In der K abbala w urde diese E rd e m it M alchuth verglichen *3. Sie
d ü rfte der prim itiven A nschauung des «subtle body» entsprechen.
Jen e E rd e oder A sche g ilt auch andernorts in der A lchem ie als das
W ertv o llste und als ein groß es M ysterium . D ie Turba nennt sie einen
«pulvis spiritualis» (geistigen S tau b ), der später zu W a sse r w ird *4, und
zu dem m an zunächst alle K ö rp er zerreiben und verbrennen s o l l 1*.
A uch bei S e n i o r g ilt die A sche als die geheim nisvolle w eibliche G ru nd
substanz; in der griechischen A lchem ie ist es die sog. «A sche der M aria»
(σκωρίδια καί τέρφαι Μαρίας) 16179 die in der L iteratu r eine bedeutende
R olle spielen. Z o s im o s zitiert einen A usspruch des Agathodaimon, daß
«die A sche A lles s e i 1?». D ie A sche ist ein Symbol fü r den nicht m ehr
w eiter auflösbaren «absolut» gegebenen G rundbestand physischer und
psychischer T atsachen, die jeder M ensch besitzt und m it und aus denen
12. Über die vier Elemente als Constituenten des Menschen auch «Isis an Horus»
(S tobaeus 1. 49. 69) Π ερί έμψυχώσεως. (W . Scott, Hermetica a. a. Ο. I, p. 5 ff.)
Vgl. ferner Philo v o n Alexandria, De sacrif. Abelis et Caini 33.107 (Cohn I, p. 246).
13. Vgl. K n o r r v o n R o se n r o t h , Kabbala denudata etc. tom. I, p. 118: Sephirot =
Metalle, et M a lc h u th erit Foemina Metallica et Luna sapientum agerque in quem coni-
cienda sunt semina minerarum secretarum nempe Aqua auri, prout hoc nomen occurit
Gen. 36. 39.; sed scito fili mi in his talia latere mysteria, quae nulla hominum lingua
effari poterit.
14. ed. Ruska, p. 143.
15. ebda. p. 139. Vgl. auch p. 159: Quam pretiosum est cinis . . . et quam pretiosum
est quod ex eo fit. Miscentes igitur cinerem aquae, iterum coquite . . .
16. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs. II, IV, 37. Vol. I, p. 91. Vgl. auch ebda. II,
IV, 48. Vol. I, p. 98.
17. ebda. III, LVI, 2. Vol. I, p. 251. - Berühmt ist in späterer Zeit besonders der
Ausspruch von M o r i e n u s : Cinerem, qui est in fundo vasis, ne vilipendatis; est q u id e m
in in fe r io r i lo c o , s e d est te r r a c o r p o r is t u i , quae est permanentium finis. - ( K o sin u s a d
S a rra ta n ta m , Artis Aurif. 1610, II, p. 183-184. Vgl. auch die R o s a r iu m - Variante: Cine
rem ne vilipendas; nam ipse est diadema cordis tui. Vgl. C. G. J u n g , Psychologie der
Übertragung, 1. c. p. 196.)
KOMMENTAR 341
Text: Dieses (Coagulum) ist die Erde des verheißenen Landes, in die 449
Hermes seinem Sohne befahl, das Gold zu säen, auf daß lebendiger Regen
aus ihm (dem G old) aufsteige und W asser, das es erwärmt, so wie auch
S e n io r sagt: W enn sie (die Philosophen) nämlich dieses göttliche Wasser,
welches Feuer ist, herausziehen wollen, erhitzen sie es mit ihrem Feuer, wel
ches W asser ist, das sie genau, bis zum Ende (des W erkes) bemessen haben
und verborgen halten wegen der Unwissenheit der Toren.
D ie geheim nisvolle E rd e ist som it durch eine V erein igu n g von G egen- 450
Text: W enn nun die Hitze jenes Feuers sich der Erde selber nähert, löst 4ji
diese sich auf und wird ein brodelndes, d. h. verdampfendes Wasser, nachher
aber kehrt sie zu ihrer früheren Erdgestalt zurück. Daher ist durch das Wasser
die Erde in Bewegung geraten, und die Himmel troffen über ihr und flössen
dahin, wie Honig durch die ganze W elt und erzählen ihre Ehre. Diese Ehre
aber kennt nur derjenige, der weiß, wie aus der Erde die Himmel geschaffen *
worden sind . . .
D iese T extp artie deutet an **, daß die geheim nisvolle E rd e durch 452
18. Vgl. J u n g , Psychologie der Übertragung 1. c. p. 59: Es (die Analyse) «ist eine
eigentliche Reinigungsprozedur, in der ,omnes superfluitates igne consumuntur’ (alle
Überflüssigkeiten in Feuer verzehrt werden) und die Grundtatsachen sich herausstellen.
Und was ist grundlegender als die Erkenntnis: Das bin ich? Hier schält sich eine Ein
heit heraus, die noch eine Vielheit ist oder war. Nicht mehr das frühere Ich mit seiner
Fiktion und künstlichen Zurechtmachung, sondern ein anderes «objektives» Ich, das
man aus diesem Grunde besser als das Selbst bezeichnet Es ist keine Auswahl passender
Fiktionen mehr, sondern eine Reihe harter Tatsachen, die zusammen jenes Kreuz bilden,
das schließlich jeder zu tragen hat, oder das Schicksal, das man ist.» Die «Asche» ist
dessen «prima materia», welche hergestellt wurde durch die Verbrennung der Ausgangs
produkte: d. h. der Analyse des bewußten und unbewußten M a te r ia ls .
19. Was dann zum Schluß des Kapitels noch deutlicher ausgeführt wird.
342 KOMMENTAR
m ente eigentlich ihrem W esen nach Instrum ente zur Verw irklichung d er
göttlichen Ideen im Stoff. D ies ist auch die A u ffassu n g von Z o s i m o s ;
er nennt sie «G lieder der H eiligen W issensch aft» oder auch «reine
Z e n tre n 2*».
Aus diesen Beispielen geh t h ervor, w ie w eitgehend die V ier-Elem en - 453
Text: . . . um dessentwillen bleibt die Erde ewig bestehen, und die Himmel 454
gründen sich auf ihr, nach dem Zeugnis des Propheten: Der du die Erde
25. B erthelot, Coli. Aich. Grecs. III. X L IV . 1. Vol. I, p. 219. (Vgl. auch V I. X V .
2-3. Vol. I, p. 434. Vgl. ferner auch Christianos, ebda. V I. X , 1. Vol. I, p. 410.) -
Hieraus erklärt sich, daß ziemlich allgemein in der Alchemie und auch speziell in der
Aurora die Elemente so völlig paradox beschrieben sind: das Wasser ist auch «geistiges
Blut» und Feuer; die Luft ist Pneuma, Feuer, Seele, Wasser; das Feuer ist Wasser, und
das Wasser ist auch Erde, Asche oder der Menschenkörper. - Dieselbe Idee findet sich
auch in den Schriften Seniors. Nach ihm ist das geheime Wasser von dreifacher Natur
und enthält in sich Wasser, Feuer und Luft (p. 25). Die Luft hinwieder ist der «Mittler»
zwischen Feuer und Wasser und hat dadurch beide in sich aufgenommen (p. 31):
Und das Wasser ist eigentlich das Feuer des Steins oder die «körperliche Luft» (p. 19)
oder die «gestirnte Erde» (p. 23) (terra stellata, die γή άστερίτης der Griechen).
Schließlich sagt Senior, das Geheimnis sei: das warme Wasser, die stille Luft, die
verflüssigte Erde und das umgebende Feuer (p. 33). Und aus diesen vier Elementen
bestehe jedes Wesen (p. 3 0 -3 1 ): «Und so wie die Luft warm und feucht ist, ist auch
ihr (der Philosophen) Wasser warm und feucht und ist das Feuer des Steins und ist
das umgebende Feuer, und die Feuchtigkeit ihres Wassers ist das Wasser. Und wenn
die Luft länger gekocht wird, wird sie zu Feuer, indem sie in der Form von Luft doch
die Aktion des Feuers besitzt. . . » Für Senior ist die Luft feuchtwarm wie Wasser und
ist Feu er. . ., (p. 35), sie ist auch die Seele oder das Blut (p. 58 und 4 4 ) .- T homas
von Aquin hält die Verwandlung der Elemente ineinander für möglich. (Summa Pars I,
Quaest. 67 Artic. III.)
2 6 . Der Text betont ferner, daß man das Geheimnis der Schöpfung wissen müsse,
um dies zu verstehen. Dies bezieht sich auf die «klassische» Ansicht, daß der Lapis wie
der Kosmos hergestellt werden müsse. Man vgl. z. B . Z o s i m o s , B e r t h e l o t , C o l i . A i c h .
Grecs III, V I. 2 2 . Vol. I, p. 1 3 5 u . a. P s - A r i s t o t e l e s De perfecto magisterio Theatr.
Chem. 1659, Vol. III, p. 70: Sicut hic mundus creatus est, ita Lapis . . . est creatus.23
gegründet hast auf ihrer Festigkeit, und sie wird nicht wanken immer und
ewiglich. . .
D iese T extp artie beschreibt einen Sublim ationsprozeß, der öfters auch
dem A u fsteigen eines «lebendigen R egens» verglichen w urde, und des
sen Produkt nachher w ieder «g efällt» w ird. D an n «destillieren», d. h.
trop fen die H im m el w ieder zur E rd e hinab und verkünden au f E rd en
den R uhm G ottes, den aber n u r derjenige erfaß t, d er w eiß, w ie die
H im m el aus der E rd e entstanden sind, m it anderen W o rte n : der den
alchem istischen Sublim ationsprozeß kennt 2?, w elcher die K osm ogonie,
d. i. das Schöpfungsw erk G ottes, nachahm t. Innerhalb dieses Prozesses
bildet die E rd e, w ie die folgenden W o rte des T extes sagen, den ew igen,
sich im m er gleichbleibenden und unzerstörbaren G rundstoff. (W ä h re n d
nun in unserem T e x te diese «E rd e» vom «göttlichen F eu er-W asser»
gew andelt w urde, schm ilzt sie nach den Bibelzitaten «a facie D o m in i»,
so daß also w iederum jenem W a sse r G ottgleichheit zu k om m t.)
Text: . . . die Tiefe ist ihr (der Erde) Kleid, und auf ihr werden sich
Wasser, Luft und Feuer aufschichten, und auf ihr werden auch die Vögel
des Himmels wohnen, die sie von den oberen Elementen her besprengen, da
sie von der Frucht ihrer Werke satt werden wird . . .
27. Vgl. auch Senior, De Chemia, p. 106: Cum antem coagulatum fuerit totum,
tunc nominatur mare sapientum. E t h a e c ter ra est m a ter mirabilium et m a ter c o e lo r u m . . .
et est totum et ex ipsa trahitur totum. Cf. item. p. 38.
28. Die Vögel sind nach Gioacchino da Fi ori die Propheten, die «mit ihren Flügeln
weit vor allen anderen Sterblichen zur Höhe emporfliegen». Concordia, liber V. cit.
Hahn l.c . Vol. III p. 291.
KOMMENTAR 345
die W asser sublim iert und steigen wie V ö gel über die unten tot zurück
bleibende E rd e au f 3 1, dann fallen sie w ieder w ie ein belebender R egen
oder T au zurück 32: es handelt sich um jene W ied erverein ig u n g m it dem
K ö rp er (n ach der Stufe der U n io m e n ta lis), die J u n g in «M ysterium
C oniunctionis», V o l. II, p . 2 9 9 ff., erläutert hat. E ig en artig ist das B ild
der die E rd e besprengenden V ö g e l: dieses M o tiv deutet w ohl auf eine
befruchtende W irk u n g des geistigen Aspektes der A rchetypen au f das
W irklichkeitsbew ußtsein des Individuum s hin. D e r Sinn des V organ ges
ist gleichsam im Folgen d en erläutert: dadurch erh ält die E rd e K rä fte
aus den oberen Elem enten 33.
Text: . . . weil ja die sieben Planeten ihre Wurzeln in die Erde senkten 459
und ihre Kräfte dort zurückließen, weshalb sich nun in der Erde das Wasser
findet, das die verschiedenen Arten von Farben und Früchten keimen läßt
und das Brot hervorbringt und den Wein, der das Herz des Menschen er
freut, das auch das Gras wachsen läßt für das Vieh und Gewächse für den
Bedarf des Menschen.
sind nichts anderes als die frü h er erw ähnten Planetenkräfte, die nun ins
E rd zen tru m hinabgestiegen sind 34. D ie «vor dem A n tlitz des H errn 293014
29. Cit. Senior, De Chemia a. a. O. p. 17. Vgl. auch den Satz der T a b u la S m a r a g d in a :
Ascendit a terra in coelum iterumque descendit in terram et recipit vim superiorum et
inferiorum. Sic habebis gloriam totius mundi.
30. Summa 1. c. Pars I, 68 Art. 2.
31. Vgl. Senior, De Chemia, p. 122 und die kirchliche Bedeutung der aquilae als
«geistige Führer»: Ephraem Syrus, Hymni a. a. Ο. I, p. 86: In principio spiritus foecun-
ditatis incubavit aquis et illae conceperunt peperuntque dracones, pisces, aves. Spiritus
Sanctus incubavit aquis baptismi, quae pepererunt m y stica s a q u ila s n e m p e v ir g in e s et
E c c le s ia e r e c to r e s .
32. Vgl. die Wiederkehr der Seele in J ung, Psychologie der Übertragung,
1. c. p. 195 sq.
33. Vgl. die Nachbildung der oberen Sterne im unteren Himmel bei G. D orneus,
J ung Myst. Coni. Vol. II p. 311.
34. Dies entspricht der Lehre, die u. a. St . T homas in seiner Summa anführt, wo
nach das Licht der Himmelskörper die formas substantiales in der unteren W elt
erzeugt. Es gibt den Dingen das esse spirituale, macht sie actuell existent, sichtbar und
346 KOMMENTAR
N ach d em alle schädigenden Beim ischungen des U nbew ußten von der
individuellen bewußten Persönlichkeit durch die zuvor geschilderten
R einigungsverfahren beseitigt w urden, kann nun das U nbew ußte m ehr
und m ehr eine inspirierende und belebende W irk u n g entfalten. D ie
V ögel, w elche «die E rd e besprengen», weisen au f eine geistige und
gedankliche Bereicherun g hin. Bem erkensw ert ist die T atsach e, daß
St . T hom as gerade diese Psalm stelle (R igans m ontes de superioribus
tuis) seiner A ntrittsvorlesung als M agister in Paris zugrunde legte und
zw ar auf G rund eines T raum es. E r sträubte sich gegen die Ü bernahm e
der neuen W ü rd e , und da erschien ihm im T ra u m ein G reis, der ihn
tröstete und erm unterte und als T e x t seiner A ntrittsvorlesung eben diese
Psalm stelle vorschlug 4°. D e r T rau m m ahnt S t . T homas offensichtlich,
farbig. Das Licht wirkt instrumentaliter durch die Himmelskörper auf die untere W elt
ein, um dort die formae substantiales zu erzeugen. Summa Pars I, Quaest. 67 Art. 3: Lux
caelestium corporum causat formas substantiales in istis inferioribus. Dat etiam esse
spirituale coloribus quia facit eos visibiles actu. Ergo lux non est aliqua qualitas sensi
bilis sed magis substantialis forma aut spiritualis . . . : lumen agit quasi instrumentaliter
in virtute corporum caelestium ad producendas formas substantiales etc.
35. E. K autzsch, Apokryphen u. Pseudoepigraphen des A. T . Tüb. 1900. II. ρ. 251.
36. Schon bei K omarios heißt u. a. das Wasser « das Wasser auf den Berggipfeln».
B erthelot, Coli. Aich. Grecs IV, X X , 4. Vol. I p,. 290: Ή μέν γή έστερέω ται έπάνω
των ΰδάτων, τά δέ υδατα έν ταΐς κορυφαΐς των όρέων κτλ.
37. Vgl. die Rolle des Weines bei D orneus, J ung, Myst. Coni. II. p. 265 ff.
38. ed. Stapleton 1. c. p. 169.
39. p. 58, 59. Vgl. auch p. 87: Dixit H ermes quod secretum uniuscuisque rei in
una est aqua . . . et principium generationis hominis est aqua.
40. Vgl. Martin Grabmann, Die echten Schriften usw. p. 25. Diese Vorlesung ist
erhalten und ediert von Fr . Salvatore Due sermoni inediti de S. Tommaso d’Aquino
Roma 1912.
KOMMENTAR 347
Text: Diese Erde also ist es, die den Mond gemacht hat zu seiner Zeit, 462
dann aber ging die Sonne auf, sehr früh am ersten Tage der Woche, nach der
Finsternis, die du auf Erden gesetzt hast vor Sonnenaufgang, und so entstand
die Nacht.
V o r der Schaffung von Sonne und M ond und dam it der «siderischen 4^5
Text: . . . die Nacht. In ihr streifen vorbei alle Tiere des Waldes, da du
ihnen eine Grenze gesetzt hast, die sie nicht überschreiten werden, bis zum
Weißen, sie werden vielmehr in ihrer Ordnung verharren bis zum Roten, da
alles der Erde dient. . .
D iese Sätze w iederholen noch einm al die Beschreibung der drei
H auptstufen des Prozesses in der N ig re d o (= tenebrae, n o x ante ortum
S o lis), A lbedo (L u n a ) und Rubedo (S o l) 48. In der N a ch t der N ig red o
45. Augustinus, Ennarat. in Ps. 103. 19: Fecit Lunam in tempora, - Intelligimus
spiritualiter Ecclesiam crescentem de minimo et ista mortalitate vitae quodammodo sene
scentem: sed ut propinquet ad Solem! cit. aus. H. Rahner, Mysterium Lunae, Ztschr.
f. kathol. Theol. 63. Jahrgang 1939, p. 316 und 217.
46. Vgl. Mark. X V I. 2.
47. Man vergleiche die früheren Parabeln.
48. Wichtig ist auch für die Deutung dieser Stelle eine spätere Amplification dieser
Stelle in Jo . de M ennens, Aurei Velleris etc. Theatr. Chem. 1622 Bd. V p. 364, wonach
die Schaffung von Sol und Luna am vierten Tag geschah: Quartus enim numerus
perfectus est atque omnem numerum sive multitudinem in se complectitur, unum enim
duo tria quatuor simul iuncta denarium constituunt ultra quem progredi non datur
absque regressum ad unitatem.
KOMMENTAR 349
ziehen die T iere des W a ld e s vorbei. D am it ist w ohl auf die reiche T ie r
symbolik des alchem ischen O pus hingew iesen, w elche besonders die A n
fangsstadien charakterisiert; die Schlange O uroboros als Symbol der
Arkansubstanz, der Löwe 49, die R eptilien *°, der A d le r H u n d , W o lf ,
K am el usw. 5\ V ielleicht dachte der V erfasser auch an die berühm te
Stelle der VERGiLschen G eorgica vom W e lte n frü h lin g : V e r illud erat,
ver m agnum agebat in o rb is . . . cum prim ae lucem pecudes hausere
visum que, terrea progenies duris extulit caput arvis immissae ferae silvis
et sidera caelo , w ozu S e r v i u s bemerktu, dies bedeute das Friihlings-
aequinoctium , in w elchem die erneute «Loslassung der P laneten» am
H im m el stattfinde, wie wilde T iere in den W ald oder in das Zirkus -
Stadion. A u ch der V erfasser der A u ro ra beschreibt einen W e lte n frü h
ling, eine genitura m undi - weshalb vielleicht auch die vorbeiziehenden
T iere als die neu ihre B ah n betretenden Planeten zu verstehen sind. D ies
w ird näm lich besonders nahe g eleg t durch die F ortsetzu n g des T extes,
w orin es h eiß t: «sie überschreiten aber ih r M aß nicht, sondern sind g e
bändigt und verharren in rich tiger O rdnung» von d er A lbedo bis zur
Rubedo, «weil alles der E rd e d ient». D iese Bibelstelle v om Vorbeiziehen
der T iere w urde sonst au f das K o m m en des A n tich rist bezogen. So sagt
G io a c c h in o da F i o r i u, w enn der A n tich rist erscheine, so sei dies jene
N ach t der Betrübnis und der Bedrängnis, in d er alle T ie re des W ald es
durchziehen w erden. D ies geschehe im sechsten Z eitalter. (H ie r sind
die T iere in der sechsten Parabel erw äh n t!) G io a c c h in o sagt fern er 55:
«D iese T iere und Reptilien, die G ott am sechsten T a g e schuf, bedeuten
die Reiche der H eiden und Sekten der Pseudopropheten.» Es scheint
m ir w ahrscheinlich, daß der V erfasser d er A u ro ra um solche D eutungen
w ußte. 4950123
Text: . . . da alles der Erde dient, und ihr Leben währet siebzig Jahre, die
über sie hinweggehen, da sie alles trägt durch das W o rt ihrer Göttlichkeit. . .
Text: . . . wie auch in der Turba geschrieben steht: Die Erde trägt alles, da
sie schwer ist, weil sie das Fundament des ganzen Himmels bildet, darum
weil sie trocken erschien bei der Trennung der Elemente.
H ier ist jenes geheim nisvolle Endresultat des Opus w ieder eher etwas
N ichtm enschliches, eben die «E rd e», die - w ie der T e x t, die Turba zitie
rend, fo rtfäh rt - «alles träg t und als Fun d am en t des H im m els dient».
U n d zw ar ist sie gleichsam die U re rd e der Genesis, die zuerst bei der 56
56. G eorge Ripley , der die Aurora offensichtlich kannte, deutete den obigen Satz
vom «Nichtüberschreiten der Grenze» in diesem Sinn: Medulla Philosophiae Chemicae,
Opp. omn. ehern. Cassel 1649 ed. K oehlers p. 300: Scriptum enim est: Constituisti ter
minos, qui praeteriri non possunt. Das bezieht sich darauf, daß auch durch die «medi
cina» die menschliche Lebensdauer nicht über 70 Jahre ausgedehnt werden könne.
KOMMENTAR 351
Text: Da ward ein W eg im Roten Meer, ohne Hindernis, da dieses große 473
und weite Meer den Felsen erschütterte und die metallischen W ässer heraus-
flossen. . .
57. Vgl. bei K omarios (B erthelot, Coli. Aich. Grecs. IV, X X , 11. Vol. I p. 294)
die Bezeichnung der Aqua als «ägyptisches Meer». Die T u r b a (p. 249) sagt, der Purpur
sei eine Farbe, «die von unserem roten, reinsten Meere extrahiert worden ist». Vgl. all
gemeiner über das Meer p. 248 und 125 und Senior, De Chemia, p. 82, 83. In der
Gnosis, wie bei den Kirchenvätern, wurde das Rote Meer als «die vergängliche Welt»
gedeutet (vgl. Leisegang, Gnosis, p. 139-140 und bes. p. 143).
58. Belege vgl. C. G. J ung, «Der Geist Mercurius» in: Symbolik des Geistes, p.91.
Das Compositum im Rohzustand heißt auch «virga metalli» ( T u r b a , ed. Ruska a. a. O.
p. 255). Vgl. die christliche Deutung: Ephraem Syrus, Hymni a. a. O. Bd. I, p. 54,
Hymn. V, 13: Virga Moisi petram aperuit et fluxerunt aquae. . . Ecce e latere Christi
fluxit fons vitae.
59. Vgl. B ousset, Gnosis a.a. O. p. 31.
352 KOMMENTAR
Leben lenkt und bewirkt. In der kirchlichen Symbolik g ilt M aria als
«ein goldener Stab - d. h. als Symbol des ew igen Lebens 6o».
476 Text: Darauf verschwanden im Trockenen die Ströme, welche die Gottes
stadt erfreuen; wenn dieses Sterbliche angezogen haben wird die Unsterblich
keit und dies Verwesliche des Lebendigen die Unverweslichkeit, dann wahr
lich wird das Wort in Erfüllung gehen, das geschrieben steht: Der Tod ist
verschlungen in den Sieg, oh Tod, wo ist nun dein Sieg?
47« Text: Wo Deine Sünde mächtig war, da ist jetzt auch die Gnade noch viel
mächtiger. Denn gleich wie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo
alle lebendig gemacht werden. Da zwar durch einen Menschen der Tod, aber
auch durch ihn (Jesum) die Auferstehung der Toten gekommen ist.
60. Vgl. P s .-A lb e r t u s , Bibi. Mar. ed. Borgnet 37, p . 389: Maria est virga aurea,
signum vitae aeternae.
61. Vgl. die Deutung dieser Textpartie in G eorge Ripley , «Medulla philosophiae
Chemicae» in «Opera Omnia Chemica» Cassel 1649, p. 150, darnach erscheinen die
«oculi piscium», die Fischaugen.
62. H. Rahner, Flumina de ventre Christi a. a. O. p. 277. Vgl. auch G regorius
Magnus, Expos, in Cant. 5, Opera 1636 Paris, tom. I, col. 30: cum per donum Spiritus
Sancti fortiter inundans scripturae Sapientia sanctam Ecclesiam vel cuiuslibet capientis
mentem infusione sua exhilarat.
63. Concord. IV . vgl. Hahn, Gesch. d. Ketzer 1. c. III, p. 296-297.
KOMMENTAR 353
D er Text geht in ein dithyrambisches Siegeslied über Tod und Ver- 479
gänglichkeit über, in welchem wiederum die leidenschaftliche mensch
liche Anteilnahme des Verfassers am alchemischen Prozeß überwälti
gend zum Ausdruck kommt und so erkennen läßt, daß es sich bei ihm
selber um eine innere Wiedergeburt und Verwandlung aus Vergäng
lichem in Unsterbliches handelt. Zu demselben PAULUS-Zitat: «W o
deine Sünde mächtig war» usw., sagt G io a c c h in o d a F i o r i 64: «Da der
Sohn dem Vater gleich ist, so muß er auch. . . gleich wirken, weil aber
Jener, der der Geist der W ahrheit genannt wird, von Ihm, der die W ahr
heit ist und vom Vater zugleich hervorgeht, so mußte im Neuen Testa
ment die Barmherzigkeit sich verdoppeln, damit ,wo die Sünde mächtig
war, die Gnade noch viel mächtiger würde'.» Dies ist insofern zu be
rücksichtigen, als der H l. Geist diejenige Person der Trinität ist, die in
der Aurora eindeutig am stärksten Beachtung findet 6K
Psychologisch betrachtet ist diese Textpartie besonders wichtig, weil 480
hier die Beschreibung scheinbar kosmischer Vorgänge allmählich in die
Schilderung einer m enschlichen Gestalt, des aus reiner einfacher Sub
stanz bestehenden unsterblichen Adam übergeht. Es scheint, als ob der
innerseelische Aspekt des Geschehens dem Verfasser bewußt geworden
wäre. Mehr und mehr wird der Prozeß als die Herstellung einer größe
ren inneren Figur verstanden, nämlich des Selbst, und im Gegensatz
zum Beginn der Aurora, wo der Verfasser sich immer wieder inflatorisch
mit dem «Filius philosophorum» identifiziert, schält sich nun diese selbe
Gestalt rein und nicht mehr mit der «immunditia» der Unbewußtheit
behaftet im Innern des Autors heraus. Dieser mystische innere Anthro-
pos ist ein unsterblicher Mensch, der an der vergänglichen irdischen
W elt nicht mehr teilhat.
T ext: Denn der erste Adam und seine Söhne sind aus vergänglichen Eie- 481
phische Mensch genannt wird, ist aus reinen Elementen entstanden und ging
daher in die Ewigkeit ein. Was nämlich aus einfacher und reiner Substanz
besteht, bleibt unzerstörbar in Ewigkeit.
483 Text: So wie auch S e n io r sagt: Ein Einziges gibt es, das niemals stirbt, da
es in beständiger Zunahme weiterlebt, wenn der Leib verklärt sein wird bei
der Auferstehung der Toten am jüngsten Tage, weshalb auch der Glaube
die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben nach dem Tode bezeugt.
Dann wird der zweite Adam zum ersten Adam und dessen Söhnen sagen:
Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das ewige Reich, das euch
bereitet ist von Anbeginn der Operation; esset mein Brot und trinket den
Wein, den ich euch gemischt habe, da dies alles für euch bereitet ist.
484 H ervorzuheben ist hier, daß der zw eite A d am durch seine W o rte :
«K om m et h er ihr G esegneten meines V aters» usw ., m it der weiblichen
Sapientia D e i der Sprüche Salomos bzw. unserer vorhergehenden P a ra
beln identifiziert ist, w orin der A u to r offiziellen kirchlichen A nschau
ungen fo lg t* 8. D iese wechselnde E rscheinungsform des A n th rop os, bald
als Mann und bald als Frau, findet sich u. a. auch in der Lehre der Man-
däer wieder, wo der Erlöser bald Adakas, oder Adam, oder «der innere
Mensch» (ό εσω άνθρωπος) genannt ist, bald wieder als weibliche Licht
gestalt erscheint, oder auch in Manda d’H aije als verkörperte γνώσις
θεού68a. Es handelt sich hier um ein Fortleben manichäischer Vorstel
lungen, wonach die weibliche Daena (das unsterbliche Selbst des Einzel
nen) auch als alter W eiser auf treten kann6^. Auch die Manichäer deuten
den in die Materie versunkenen Urmenschen als Weltseele, ψυχή απάντων,
und (nach A u g u s t i n ) als anim a bon a 7°. Diese Weltseele wurde nach
C l e m e n s v o n A l e x a n d r i e n durch die Begierde (concupiscentia!) ver-
weiblichtund so in die W elt hinabgezogen (θείαν οΰσαν την ψυχήν άνωθεν
έπιθυμίςι θηλυνθεΐσαν δεύρο ήκειν εις γένεσιν και φθοράν 7r). Dies ist in
Hinsicht darauf wichtig, daß auch in der Aurora die Sapientia als ein
weiblicher Geist der concupiscentia zu Beginn des Opus auftrat und
schließlich wieder männlich geworden ist.
Der «zweite Adam», der somit identisch mit der Sapientia Dei ist,
lädt nun die Söhne (d. h. wohl die Alchemisten) mit den W orten Christi
als «Rex coelestis» zum Mahle ein, ein Bibelzitat, welches bei den K ir
chenvätern auf die Eucharistie gedeutet wurde. Psychologisch ist diese
Stelle insofern bedeutsam, als wir bereits vorher festgestellt haben, daß
der Alchemist als auserkorener Sohn der Sapientia Dei andeutungsweise
selber zum Rex gloriae erhöht worden war und im «Mysterium Coniunc-
tionis» den m ännlichen Partner d er Sapientia darstellte. Seither und
creari et fieri et omnia in quibus creatur et fit continere. Und ebda. II, 31: (Deus) quidem
se ipse Filium suum, qui est sapientia sua gignit und II, 18: primordiales causae se ipsas
sapiunt quoniam in Sapientia creatae sunt aeternaliterque in ea subsistunt (Vgl. W . P r e -
GER, Gesch. der Mystik im M. A. Bd. I. p. 161). Vgl. auch II, cap. 2: ut ipsae primor
diales rerum causae a Graecis prototypi h. e. primordialia exemplaria vel prourismata
vocantur, eine Lehre, die auch A m a l r ic h v . B en a übernommen haben soll.
68a. Vgl. R. R e it z e n s t e in , Das iran. Erlösungsmyst. a. a. O. p. 22-23.
69. Vgl. ebda. p. 54. In den gnostischen Systemen finden wir hingegen häufiger eine
Syzygie vor, z. B. Protanthropos und Barbelo, Logos und Ennoia, Autogenes und Ale-
theia, Adam und seine Genossin die « γνώσις τελεία » oder die Kraft des jungfräuli
chen Pneuma». (Kopt. Evangelium der Maria, C. Sc h m id t , Abhandl. der Berl. Akad.
1896, p. 843 zit. B o u sse t , Gnosis a. a. O. p. 160 ff.) - In der Haeresie des Juden
christen Sy m m a c h us ist Adam als anima generalis (Weltseele) gedeutet. (R . R e it z e n
s t e in , Iran. a. a. O. p. 103, und M ig n e P. L. t. V III col. 1155.)
70. T itus v . B ostra, I, 29. Alexander v . Lykopolis Cap. 3, Augustin, De vera
rel. 9, zit. nach W . B ousset, Gnosis a. a. O. p. 178.
71. C l e m . A l e x . Stromat. III. 13. 93. cit. W . B o u sset , Gnosis, p. 178.
356 KOMMENTAR
durch die oben beschriebenen Vorgänge des Hinaus Werfens der Erde
und der Rückkehr zu einem trinitarischen Bekenntnis hat eine A uf
hebung der Identifikation stattgefunden. Die Coniunctio ist an himm
lischem Ort in der «vollen Herrlichkeit von Sonne und Mond» sichtbar,
das Männliche u n d W eibliche sind im «zweiten Adam» vereinigt, und
der Alchemist ist nur noch Gast beim M a h le. D ie s zeig t d eu tlich , w ie
sich der V erfasser im T e x t m it den ein gebrochen en In ha lten ausein
andersetzt u n d sich w ieder zum christlichen B ek en n tn is zu rückzu find en
versucht.
486 Durch eine eigentliche Communio erhält hierauf der Alchemist An
teil am unsterblichen Wesen des Filius philosophorum. Jenes selbe
eucharistische Mahl war schon in der fünften Parabel angedeutet wor
den, worin die Sapientia die Alchemisten ebenfalls in ihr Schatzhaus
einlud, und «sie werden trunken sein vom Überfluß ihres Hauses». Sie
stand am Tor und bat die Leute hereinzukommen mit den W orten des
Engels in der Offenbarung: «Siehe, ich stehe vor der Türe und klopfe
an, so jemand meine Stimme hören wird und die Türe auftut, zu dem
werde ich eingehen, und er zu mir, und ich werde das Abendmahl mit
ihm halten, und er mit mir.» Es ist dies das sog. Convivium Christi der
Apokalypse, welches schon E p h r a e m S y r u s als einen H iero s G am os m it
G o tt interpretiert h a t 7*. Auch Maria gilt bei den Vätern als «Keller
meisterin der ganzen Trinität, welche vom W ein des H l. Geistes gibt
und spendet, wem sie will und soviel sie will 73..
487 D ie Gestalt, die bald männlich als «Rex coelestis» oder «Adam coe
lestis» auftritt, bald auch andeutungsweise als weibliche Sapientia mit
dem Alchemisten die Kommunion feiert, ist nach den Schlußworten des
72. Hymni et Serm. Bd. II, p. 824, Hymni de Mysteriis Domini nostri: Convivium
laudet te, quia multiplicasti vina eius . . . Inter invitatos gratias agam, quod potu me
refecit. In v ita ti s p o n s u m c o e le s t e m , qui se demisit, ut omnes invitaret. Ad convivium
eius purissimum conviva ingrediar, inter iuvenes gratias agam, quia ipse sponsus est
et non est qui ad eius thalamum frustra pulset. - Mit einer w e ib lic h e n Gottheit feierten
speziell die Markosier ein Abendmahl, indem sie den H e ilig e n G e is t a ls M u tte r a n r ie fe n
( W . B ou sset , Gnosis a. a. O. p. 6 6 -6 7 . (Acta T h o m a e ) : «Komm vollendete Barmher
zigkeit, komm . . . die du die Geheimnisse der Auserwählten kennst. . . die du Verbor
genes enthüllst und Geheimnisvolles offenbar machst, heilige Taube . . . Komm ver
borgene M utter. . . du Spenderin der Freude . . . Teil dich uns mit in der Eucharistie,
die wir in deinem Namen begehen usw.»
73. Biblia Mariana 1. c. Vol. 37, p. 398: Ipsa (sc. Maria) est cellaria totius Trini
tatis quae de Vino Spiritus Sancti dat et propinat cui vult et quantum vult.
KOMMENTAR 337
T ext: W er Ohren h a t . . . der höre, was der Gei st. . . vom irdischen und
himmlischen Adam sagt, worauf die Philosophen mit folgenden W orten an-
74. Dieser P s .-A r ist o t e l isc h e Satz (Vgl. Artis. Aurif. 1610 II, p. 185 u. 163) spie
gelt tatsächlich aristotelische Anschauungen wieder, der an eine Wandlung der Elemente
ineinander έν κύκλφ δίνω καί κάτω glaubte. Vgl. E. v. L ip p m a n n , Alchemie a. a. O.
Bd. I, p. 141.
75. Vgl. Expositio A l e x a n d r i R e g is , Artis Aurif. 1610, I, p. 245: Virtus retentiva
foeminina est frigida et sicca, et est terra; virtus digestiva seu alterativa est masculina,
calida et humida et est a e r. . . q u in ta e s s e n tia v e r o es t v ita, q u a e es t p r o p r ia , n e c est
c a lid a n ec h u m id a n ec fr i g i d a n ec sic c a n e c m a s c u lin a n e c fo e m in in a . Vgl. ähnlich S e n io r ,
De Chemia a. a. O. p. 96.
76. Die Tatsache, daß die Quinta essentia das Geistige ist, erinnert stark an Phiio
nisches Gedankengut, wonach alles Körperliche aus den vier Elementen besteht, das
fünfte aber ist die intelligible Seele (ψυχή νοερά), welche eine «zirkulierende Substanz»
ist ( ουσία κυκλοφορητική ); diese ist «stärker als die Vier»; aus ihr bestehen der
Himmel und die Sterne, und zum Himmelsäther kehrt daher die Seele wieder als zu
ihrem Vater zurück. (Quis. rer. div. heres. 57. 283. Vgl. ferner De Plant. V. 18. Leg.
Alleg. III. 55. ferner P h il o s t r a t , Vita Apollonii III. 34. J a m b l ic h o s , De Anima =
Sto b a eu s 1 . 49. 32. usw. W . Sc o t t , Hermetica a. a. Ο. III, p. 40 und W . B o u sse t ,
Gnosis a. a. O. p. 196.) - Im übrigen bezeichnete schon E pik u r die Seele als eine
Mischung ( κράμα ) aus den vier Dingen: aus einer feuerartigen Qualität, einer luft
artigen, einer pneumatischen und aus noch etwas Viertem, Unbenanntem. ( P l u t a r c h ,
Adv. Coloten. 20. 4. 118 D, L u c r e z 3. 231-245 und A etiu s ed. DiELS, p. 588. cit.
nach Sc o t t , Hermetica a. a. Ο. II, p. 506.) - Auch nach dem C o r p u s H e r m e tic u m
ist nicht nur der irdische Mensch aus den vier Elementen geschaffen, sondern ebenso
sein unsterblicher göttlicher Teil. Er besteht aus vier Dingen: aus Seele, Sinn, Geist
und Vernunft. (W . Sc o t t , Hermetica a. a. O. Bd. I, p. 304-305 Vgl. auch den A s c le p iu s
Latinus ebda. p. 298 und I s is an H o r u s über die έμψΰχωσις ebda. p. 522.) - In der
patristischen Lehre heißt es, daß der regenerierte innere Mensch (homo internus) der
Sohn der Luna-Ecclesia und des Sol-Christus aus den vier Elementen von Sonne und
Mond bestehe. (Vgl. H u g o R a h n e r , Mysterium Lunae, Zeitschr. f. kathol. Theol.
1940, p. 76.)
358 KOMMENTAR
spielen: W enn du W asser aus der Erde, Luft von W asser, Feuer von der
Luft und Erde von dem Feuer erlangt haben wirst, dann besitzest du unsere
Kunst ganz und vollkommen.
1. Vgl. W . W it t e k in d t , Das Hohe Lied und seine Beziehungen zum Istarkult. Han
nover 1925 passim.
KOMMENTAR 359
Text: Wendet euch zu mir von ganzem Herzen und verwerfet mich nicht,
darum weil ich schwarz bin und dunkel; denn die Sonne hat mich so ver
brannt; und die Abgründe haben mein Antlitz bedeckt, und die Erde ist ver
dorben und verunreinigt in meinen Werken . . .
Z u B eginn der Parabel spricht anscheinend die B rau t bzw. die m ate
ria oder anim a prim ae m ateriae, die foem ina (n ig ra s u m ), und sie fleht
um H ilfe und E rlö s u n g 67
. Sie ist aber zugleich, w ie das Z ita t aus J o e l
andeutet 7, mit Gott identisch ( ! ) . D ies ist eine der Stellen, in w elcher
am unm ittelbarsten jene sonst öfters dunkel angedeutete G leichsetzung
ausgesprochen ist, w onach G ott oder w enigstens ein w eiblicher T eil des
selben als erlösungsbedürftiger G eist oder Seele im Stoffe erscheint und
des Erlösungsw erkes durch den Menschen w a rte t 89. O r i g e n e s setzt die
schwarze B rau t des H oh en Liedes m it M irjam , der zweiten G attin des
M oses, in eins * und auch m it M aria in ihrer «Ü berschattung» durch
G o tt10. A lchem istisch gesehen verkörpert die schwarze F rau die N ig red o ,
die dunkle «um bra Solis» oder den durch die Sonne verdunkelten N e u
m ond 11; ein M o tiv, fü r dessen psychologische B edeutung ich au f die
obigen A usführungen von J u n g verweisen k a n n I2.
( M e i s t e r E c k h a r d t , Werke ed. Büttner Bd. II, Jena 1923, p. 93) oder Christus, der
die Kirche ihrer Sünden überführt ( G r e g o r i u s M a g n u s , Expos, in Cant. Cant. C. 1,
Opera 1636, Paris tom. II col. 8 ): anima sancta turpitudinem peccatorum suorum perspi
cit. Vgl. auch H o n o r i u s v o n A u t u n , Expos, in Cant. Cant. Migne. P. L. tom. 172
col. 367-369. In Homil I. 6. deutet O r i g e n e s diese Stelle dahin, daß die Braut gerade
im Begriff sei weiß zu werden. In der lat. Übersetzung des R u f i n und H i e r o n y m u s
lautet dies (ich citiere Latein, weil der Autor der Aurora vermutlich eher diese Version
kannte): Quia vero necdum omni peccatorum sorde purgata necdum lota est in salu
tem «nigra» dicitur sed in atro colore non permanet: fit et candida. Itaque quando ad
maiora consurgit. . . dicitur de ea: «quae est ista quae ascendit dealbata?» (Man beachte
die sprachliche Nähe zur Aurora!) Im Abstieg sei die Braut schwarz, im Aufstieg aber
werde sie weiß. (ebda. In Cant. Lib. II.)
12. Myst. Coni. Vol. I, p. 141 ff.
KOMMENTAR 361
In den W o rte n «Finsternis w ard über ihr» ist auf die K reu zigu n g 49s
C hristi hingewiesen, bei w elcher bekanntlich Sonne und M o n d verdun
kelt w urden, und die auch selbst als die N eum ondkonjunktion des Sol-
Christus m it der Luna-Ecclesia interpretiert w urde.
Text: «Habet acht und schauet mich an, ob jemals einer von euch jemand 496
fand, der mir gleicht, so will ich ihm den Morgenstern in die Hand geben.
Denn siehe des Nachts auf meinem Lager suchte ich einen Tröster und fand
keinen, ich rief und niemand gab mir Antwort.» - «Daher will ich aufstehen
und herumgehen in der Stadt. . . »
Sätzen «D ah er w ill ich aufstehen» usw. ist unm ittelbar d arau f der B rä u
tigam der Sprechende und er ist der Begrabene, der die befreiende Ju n g
frau sucht. T rotzd em ist nicht zu übersehen, daß der Ü b erg an g von der
R ede des Einen zu derjenigen des A n d ern kaum m erklich ist, so daß
m an versucht ist zu denken, es sei dieselbe F ig u r, die bald als M ann und
bald aus F rau sp ric h t-ä h n lic h w ie o ft schon v orh er die w eibliche Sapien
tia D ei m it dem H l. G eist, Christus oder G ott verschm olz. Psychologisch
erhält m an den Eindruck, daß der V erfasser in einem Z ustand u nm ittel
baren K ontaktes m it dem U nbew ußten die Stim m e jener G estalt oder
zwei G estalten aus sich heraussprechen ließe, w ie er sie h ört, ohne selber
sein Ich darin irgendw ie hineinzubringen, w ie w enn er m it dem U n b e
w ußten w ieder identisch gew orden w äre. D e r T e x t w irkt in späteren
Partien zeitweise so, als ob er sich m it dem im G rab um H ilfe rufenden
B räu tigam identisch fühlte, obw ohl dieser B egrabene selber, wie gerad e
das nächste T extstü ck andeutet, eine unpersönliche und objektive G e
stalt ist.
Text: « . . . in den Gassen und Straßen will ich suchen, daß ich mir eine 498
reine Jungfrau vermähle, schön von Antlitz, schöner von Wuchs und noch
schöner von Kleidung, damit sie den Stein von der Türe meines Grabes
wälze. . . »
500 Text: . . . und sie wird mir Flügel geben wie die der Taube, und ich werde
mit ihr am Himmel dahinfliegen. Da werde ich sagen: Ich lebe ewiglich und
werde in ihr ruhen, da sie mir zur Rechten steht in goldenem Gewände, ge
hüllt in bunte Pracht.
501 A us diesem Z usam m enhang w ird verständlich, daß die B rau t ihrem
G eliebten F lü g el leiht, «w ie die der T au b e», d. h. sie verleiht dem K ö r
perw esen ihre eigene V olatilität, durch die er nun zum H im m el em por
steigt Ä hnlich sagt S e n i o r : « W e il die w eiße F rau flüchtig ist, aber
der rote M an n sie v erfo lg t und zurückhält, haben die Philosophen g e
sagt: ,D ie F rau h at F lü g el, der M an n h ingegen n ic h tx*.*»
5°2 Text: Höre also, oh Tochter, sieh und neige dein Ohr meinen Bitten, denn
ich habe mich von ganzem Herzen nach deiner Schönheit gesehnt. Denn ich
rede in meiner Sprache: Tue mir kund mein Ende und welches die Zahl mei
ner Tage sei, auf daß ich erkenne, was mir mangelt, denn alle meine Tage
hast du begrenzt, und meine Substanz ist wie nichts vor dir.
503 D aß der M an n w irklich gegenüber der volatilen A n im a den K ö rp er
bzw. das Corpus glorificatum darstellt, geh t aus diesen letzten W o r
ten deutlich h ervor. E rst durch die Seele erhält er das ewige Leben. In
ähnlicher A rt schildern die m anichäischen T e x te eine postm ortale V e r
einigung von Leib und Seele; dem zum H im m el auf steigenden T o ten
kom m t seine him m lische H ä lfte als alter W e ise r oder als weibliche 145
14. Vgl. auch Jo . d e M e n n e n s , Theatr. Chem. 1622, Bd. V, p. 311: Unde Propheta
exclamat: Quis dabit mihi pennas ut columbae videlicet cogitationes contemplationesque
immaculatas ac simplices et volabo et requiescam? Quis nisi pater coelestis? Quare
inquit Christus: Nemo venit ad me nisi pater meus traxerit eum et tum videlicet cum
perfecerit in te g ru m c irc u lu m , et erit Deus omnia in omnibus ut semper fuit.
15. De Chemia a. a. O .p . 123. Vgl. auch M e r c u l i n u s im R o s a r iu m (Artis Aurif.
1 6 1 0 II p. 24 2 ): Der Stein . . . trägt Flügel und ist der Mond, der allein mehr als alle
leuchtet. Der Zustand der volatilitas ist bei S e n i o r durch Adler dargestellt, vgl. hiezu
die Anspielung der Aurora auf das apocal. Weib, das Flügel hat «wie eines großen
Adlers» (Apoc. 1 2 . 14) A u g u s t i n u s verglich die verklärte Ecclesia einem jungen
Adler« der hochfliegt wie einst». (Enn. in Ps. 1 0 2 , 9. cit. H. R a h n e r , Myst. Lunae
Ztschr. f. Kath. Theol. 64. Jahrg. 1940, p. 130 Anm. 59) - Vgl. zum Motiv des Geflü
gelten und Ungeflügelten auch den Ausspruch des Z o s i m o s ( B e r t h e l o t , Coli. Aich.
Grecs III, X X V III. Vol. I, p. 19 6 -1 9 7 ): Wenn nicht zwei eins werden d. i. wenn nicht
das Fliehende das Nichtfliehende besiegt, dann wird die Erwartung zu nichts, (cf. item
III. X X I X . Vol. I, p. 2 0 1 . )
KOMMENTAR 363
N ach der oben angeführten Interpretation J u n g s des Lapis als kom - So^
pensatorische F ig u r zu Christus fäh rt er f o r t 26: «In richtiger A h n u n g
der spirituellen Einseitigkeit des Christusbildes hat die theologische
Spekulation sich schon früher m it dem K ö rp e r Christi, d. h. m it seiner
M aterialität beschäftigt und das P roblem m it der H ypothese des A u f
erstehungsleibes vorläufig gelöst. W e il dies nur eine vorläufige und des
halb nicht restlos befriedigende A n tw o rt w ar, so hat sich das Problem
folgerichtigerw eise m it der ,A ssum ptio B . V . Mariae* w ieder erhoben
und h at zunächst zum D o g m a der ,conceptio immaculata* und sodann
zu dem der ,assumptio* g efü h rt.»
In unserem T e x t sind nicht nur deutliche unbew ußte A ntizipationen S08
dieser Entw icklung feststellbar, sondern gewisse symbolische H inw eise
gehen sogar noch über sie hinaus und führen jene alchem istische Idee
der «physisch gew ordenen G o tth e it2?» noch w eiter aus bis zu einer E in
beziehung jedes einzelnen physischen M enschen, der zum O rt einer
Inkarnation der G ottheit w ird.
In sofern der K ö rp e r auch ein Symbol fü r die individuelle B egren - 5o9
zung der bewußten Persönlichkeit bedeutet, kann m an seine A u flösu n g
in unserem T e x t psychologisch als ein E ingehen oder A u fg eh en des
bewußten Individuum s im U nbew ußten auffassen, und dies w ird hier
positiv als eine E rlösun g aus dem «G rab» der bew ußten Begrenzungen
erlebt, als der A ugenblick des Einsw erdens m it der inneren G anzheit,
in der keine G egensätze m ehr b esteh en 2829. N a ch der christlichen A u f
fassung findet diese Einsw erdung erst nach dem T o d e bei der A u fe r
stehung des glorifizierten Leibes statt.
A u f das M otiv der A ufersteh u n g ist auch in unserem T e x t schon 510
vorh er hingew iesen w orden, als der G eliebte bat, die Ju n g frau m öge
den Stein von seines G rabes T ü r w älzen, w om it auf die A uferstehung
Christi angespielt ist. D iese A ndeutung läßt sich zugleich m it dem M o tiv
der früheren Parabel vom Z erbrechen der «ehernen H öllen p fo rten » v er
gleichen (P s. L X X , 1 6 ) , w elche Psalm stelle meistens von den K irch en
vätern au f den A u fen th alt C hristi im Lim bus gedeutet w u rd e 2?. D e r
(S ach e) w erde w ie ein M ensch begraben, und dann gäbe ihr G ott Seele
und G eist zurück, und sie stärke sich und w erde nach der Z ersetzung
geläutert, so wie auch ein M ensch nach der A ufersteh u n g stärker und
jünger w erde, als er einst au f E rd en w ar. U n d bei C a l id 43 heißt es: «D as
V erb orgen e ist von der N a tu r der Sonne und des F e u e r s . . . und ist das
ew ige W asser, das im m er l e b t . . . und der Essig der Philosophen und
ein durchdringender G eist, und es ist etwas verborgen Färbendes, E in i
gendes und W iederbelebendes, das wieder auf richtet, und erleuchtet alle
Toten und sie auf er steben läßt.»
D e r A u f erstandene steht nach der A u ro ra zur Linken der K ö n ig in ,
die ihm «in goldenem G ew ände, gehüllt in bunte P rach t» erscheint.
D iese G estalt, die R egina der A lchem ie, ist w ieder die Sapientia der
früheren K ap itel, die A n im a in ihrer glorifizierten (aus uneigentlichen
Z usam m enhängen b efreiten ) Endgestalt. Sie steht zur R echten des B rä u
tigam s - d. h. letzterer ist im V erhältnis zu ihr tiefer im U nbew ußten
verborgen, eine dem Bew ußtsein noch frem d ere G estalt als die A nim a.
E r ist ja auch der K ö rp er, dem nach christlicher A u ffassu n g ein g e
rin gerer W e r t als der Seele zukom m t.
B eim Jüngsten G ericht und beim «A nbruch des groß en Sabbath»
in der A u ffassu n g des G io a c c h in o da F i o r i w ird die G lorie der G e
rechten so erscheinen, wie die K ö n ig in , die in goldenem G ew and neben
dem K ö n ig steht. D e r lateinische W o rtla u t ist ähnlich w ie derjenige der
A u ro ra: T u n c apparebit justorum glo ria quasi sol in regno patris eorum
consum m atisque ad integrum m uris H ierusalem et universo num ero
electorum (auch in der A u ro ra ist auf die E rfü llu n g der Z ah l d er electi
bis zum E n d e v erw iesen !) dei apparebit gloriosa et felix sedens quasi
regina a dextris dei in vestitu deaurato circum am icta varietate. D abit
autem illi dom inus deus p artem gloriae suae et regnabit cum illa (v g l.
die W o rte in der A u ro ra et regnabo cum illa !) usque in aeternum et
regni eius non erit finis. A rn e n 44 . (D ies sind w örtlich die Schlußw orte
des fü n ften K apitels der A u ro ra .)43
43. L i b e r triu m v e r b o r u m , Artis Aurif. 1610 I p. 227. Et istud occultum est de natura
Solis et ignis et est pretiosissimum oleum omnium occultorum et tinctura viva et aqua
permanens, quae semper vivit et permanet et acetum Philosophorum et spiritus pene
trati vus: et est occultum tingitivum, aggregativum et revivificativum: quod rectificat et
illuminat omnes mortuos et surgere eos facit. Vgl. ähnlich die T u r b a a. a. O. p. 148-149.
44. Expositio in Apocalypsin. cit. nach C h r . H a h n a. a. O. Vol. III, p. 341: «Dann
wird die Glorie der Gerechten wie die Sonne erscheinen in ihres Vaters Reich, wenn die
KOMMENTAR 369
Text: Du bist es nämlich, die eingehen wird durch mein Ohr, durch mein sm
Gebiet, und ich werde gekleidet werden in ein Purpurgewand, (das) aus dir
und aus mir stammt, und werde hervorkommen wie ein Bräutigam aus seiner
Kammer. . .
In dieser P artie findet sich ein m erkw ürdiges D etail: D ie Seele geht 515
durch das O h r in den A uferstehungsleib ein. Es handelt sich w ohl um
eine A nspielung auf die kirchliche Idee der «C onceptio p er aurem », w o
nach der H l. G eist als « W o rt» in M arias O h r eindrang und so C hristum
zeugte. So sagt z. B . I saak von A ntiochia 45: «D urch das O h r (seil.
M arien s) d ran g der G eist ein und durch den Leib ist die körperliche
Erscheinung (C h risti) h ervorgekom m en.» A u ch E phraem Syrus sagt
von Christus *6: « E r ist durch das O h r eingedrungen und w ohnte heim
lich im M u tterleib .» D urch die A nspielung auf solche kirchlichen V o r
stellungen w ill der A u to r der A u ro ra verm utlich in erster Linie andeu
ten, daß es sich bei der A uferstehungsconiunctio zugleich um eine In
karnation des Logos oder der Gottheit handle 47. Zu gleich ist dam it das
Spirituelle und Ü bernatürliche der Coniunctio ausgedrückt.
N ach d em die Seele in den K ö rp er einging bzw. sich die B rau t m it 516
dem B räutigam vereinigte, kleidet sie ihn in ein Purpurgew and:
Text: Denn du wirst mich mit funkelnden Edelsteinen von frühlinghafter 517
Frische schmücken und mir anziehen die Gewänder des Heils und der Freude
zur Bezwingung der Stämme und aller Feinde. Du wirst mich auch mit der
goldenen Krone aller Völker und Nationen schmücken, versehen mit dem
Zeichen der Heiligkeit.
Mauern Jerusalems und die Gesamtzahl der Auserwählten Gottes wieder völlig resti
tuiert sind, ruhmreich und selig wie eine Königin zur Rechten Gottes sitzend in golde
nem und buntem Gewand. Und Gott der Herr wird ihr einen Teil seiner Glorie verlei
hen und mit ihr regieren in Ewigkeit, und ihres Reiches wird kein Ende sein. Amen.»
45. Opera omnia ed. Bickell. Gießen 1873. Bd. I p. 60: Nisi (Christus) Deus erat,
quomodo per aurem intrare potuit ? . . . Per aurem enim spiritus intravit et e ventre
caro egressa est. Vgl. auch J o h . D a m a s c e n u s , De fide orthod. IV 14: Ac conceptio
quidem per auditum facta est und E u t h y m i u s Z i g a b e n u s , Migne P. G. 1 3 0 coi. 1 3 0 2 .
Vgl. ferner A g o b a r d u s , Bischof v. Lyon: D e P s a lm o d ia 8 . (Opera, tom. I ) : Verbum
intravit per aurem Virginis et exivit per auream portam. (Daher wohl die Version D ):
auream portam für aurem.
46. Hymni et Serm. ed. Th. Lamy 1886, Bd. II p. 570: «Ingressus est per aurem et
secretum in utero habitavit.»
47. Dies liegt auch im Motiv der Bekleidung. Vgl. z . B. B e r n a r d u s C l u n i a c e n s i s ,
De visitatione Beatae Mariae Virginis (Zoozmann p. 256) Hac in domo, D e u s h o m o
fie r i d is p o s u it. H ic A b s c o n s u s P iu s S p o n su s V e s te m su a m in d u it.
370 KOMMENTAR
5 3 . V g l . d a s s e lb e S E N IO R -Z ita t im R o sa r iu m , A r t i s A u r i f . 1 6 1 0 II, p . 2 4 8 .
54. R u s k a a. a. O. p. 123: Quod ex sulphure sulphuri mixto pretiosissimus fit color,
qui non variatur nec ab igne fugit, quando anima in corporis intima infertur ac corpus
continet et colorat.
55. ebda. p. 165 (lat.) Vgl. auch p. 166-252: «Es ist nämlich die Seele, die den
Körper durchdringt und färbt.»
56. ebda. p. 135: Anima . . . quae est spiritualis natura ex qua colores apparuerunt.
KOMMENTAR 371
der Myste ist durch die Wiedergeburt zum Gott und zwar zum Sonnengott geworden.»
Letzten Endes liegt diesen antiken Ideen wohl die primitive Gleichung Kleid = Haut =
Seele zu Grunde. Vgl. z . B. M a r t i n N i n c k , Wodan und germanischer Schicksalsglaube,
Jena 1935 p. 43 fiF.
63. Vgl. W . B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 303 fiF. Speziell Slavon. H e n o c h 24, 9:
«Und Michael entkleidete mich meiner Kleider und salbte mich mit schöner Salbe und
das Aussehen jener Salbe war mehr denn großes L ich t. . . » - Vgl. A c ta P h ilip p i,
Kap. 144: «Jesu Christ, mein Herr, bekleide mich mit dem glorreichen Kleid, deinem
lichten Siegel.» Auch in der A s c e n s io J e s a j a e (9 ,9 -1 0 ,3 ) sieht dieser im höchsten Hirn-
372 KOMMENTAR
mel die Kronen und Kleider, welche die Gläubigen bekommen sollen. In der P is tis
S o p h ia wird Jesus nach der Auferstehung sein himmlisches strahlendes Lichtkleid herab
gesandt, in welchem er auffährt. Auch im Seelenhymnus der T h o m a s -A c te n kommt dem
Königssohn an der Grenze des Himmels sein Ebenbild oder sein Lichtkleid entgegen.
Ähnliche Vorstellungen finden sich auch bei den Mandäern, weshalb dieselben lange
Zeit nur weiße Kleider trugen. (Vgl. zu dieser ganzen Partie W . B o u s s e t , Gnosis, p. 303
Anm. 2. Vgl. auch p. 364. Anm. 2.) Vgl. ebenso den Ritus der Sethianer, worin die
Mysten einen Trunk vom lebenden Wasser erhalten, und dann die Sklavengestalt aus-
ziehen und das Himmelsgewand anziehen. ( H i p p o l y t o s V, 19 und V, 27, cit. B o u s s e t
ebenda p. 293).
64. So berichtet der F ih r is t über die Lehre M a n is (cit. aus R . R e i t z e n s t e i n , Das
Iranische Erlösungsmysterium a. a. O. p. 2 8 -2 9 ): «Wenn der Tod,» lehrt Mani, «einem
Wahrhaftigen naht, sendet der Urgott einen Lichtgott in Gestalt des leitenden Weisen
und mit ihm drei Götter und zugleich mit diesen das Wassergefäß, das Kleid, die
Kopfbinde, die Krone und den Lichtkranz. Auch erscheint ihm der T e u fe l. . . Sobald
der Wahrhaftige diese erblickt, ruft er die Göttin, welche die Gestalt des Weisen ange
nommen h a t. . . zu Hilfe . . . Jene aber nehmen diesen Wahrhaftigen, bekleiden ihn
mit der Krone, dem Kranze und dem Kleide . . . und steigen mit ihm . . . zu der Sphaere
des Mondes usw.» (Vgl. auch p. 177. Vgl. P a u l u s , I Kor. 15.) Es ist bemerkenswert,
daß die hilfreichen Gestalten v ie r Götter mit v ie r Gegenständen sind!
65. Vgl. C. G. J u n g , Die Visionen des Zosimos in «Von den Wurzeln des Bewußt
seins» 1. c. p. 145, 147 und 172, und E. v o n L i p p m a n n , Alchemie a. a. Ο., I, p. 81.
66. Vgl. A. D i e t e r i c h , Eine Mithrasliturgie a. a. O. p. 10.
67. Cf. E p h r a e m S y r u s , Hymni a. a. O. Bd. I, p. 532: Lux coram eis effulsit, Jesus
ut sponsus ex thalamo suo exsiliit, remansit sepulcrum suum cum angelis in medio.
Vgl. auch A m b r o s i u s , Hymnus de adventu Domini (Zoozmann, 1. c. p. 28 ): Procedens
de thalamo suo, Pudoris aula regia, geminae gigas substantiae Alacris ut currat viam.
Egressus eius a patre Regressus eius ad patrem, Excursus usque ad inferos, Recursus ad
sedem Dei.
KOMMENTAR 373
Text: . . . (du wirst) mich in das Kleid der Gerechtigkeit hüllen; du wirst
mich mit deinem Ringe dir anverloben und mich auch mit goldenen Schuhen
bekleiden. Dies alles wird meine vollendete Geliebte tun in ihrer W onne . . .
oh Königin der oberen W elt, mache dich eilig a u f . . . sprich du Liebste zu
deinem Geliebten, wer und von welcher A rt und von welcher Größe du bist. . .
Diese Textpartie führt das Motiv der Bekleidung durch Gewand und
Krone noch weiter aus, wobei bemerkenswerterweise die Braut wie
derum mit Gott gleichgesetzt ist; denn Jes. L X I, 10, heißt es: «Ich freue
mich im Herrn, denn er hat mich angezogen mit den Kleidern des Heils
und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet, wie ein Bräutigam. . .
und wie eine Braut.» Diese Stelle deutete E p h r a e m S y r u s als Hieros
Gamos des Mysten mit Gott oder mit der Ecclesia6?. Der Verfasser
unseres Textes muß sich demnach wohl bewußt gewesen sein, daß er
eine Unio mystica mit der Gottheit schildert, und daß jene Gestalt,
die er als Sapientia, foemina, aqua und sponsa beschreibt, nichts anderes
als Gott selbst oder wenigstens ein Aspekt der Gottheit ist. Der Ring
weist auf die Ewigkeit der Verbindung im Selbst, die goldenen Schuhe
auf einen inkorruptiblen Standpunkt hin 7°. In dieser ganzen Partie
spricht der Bräutigam in solcher Demut, daß man geneigt ist, in ihm
einen gewöhnlichen Menschen, ja den Verfasser der Aurora zu erken
nen, aber später wird immer deutlicher, daß auch er eine Personifikation
des Selbst ist, mit der aber der Autor offenbar gefühlsmäßig identisch
geworden ist. Im Gegensatz zum Beginn des Textes aber scheint nicht
mehr eine Inflation dargestellt zu sein. Dies liegt wohl darin, daß der
Ort des Geschehens verändert ist - die diesseitige W elt und das gewöhn
liche Ich ist aufgehoben; es ist Alles ins Unbewußte aufgelöst, und so
kann auch nicht mehr von einer unreinen Vermischung des Diesseits
mit dem Jenseits, d. i. des Bewußtseins mit dem Unbewußten die Rede
sein. W ie dies aber möglich wäre, ohne daß der Verfasser in einem Zu
stande nahe dem Lebensende war, ist mir kaum vorstellbar. In einem
vorübergehenden Delirium bliebe doch die Ichpersönlichkeit im Hinter
grund weiterbestehen und müßte sich dementsprechend, wie mir schei
nen will, irgendwie bemerkbar machen.
Nachdem die Gestalt des Bräutigams seine Erhöhung und Glorifi
kation durch die Königin demütig gepriesen hat, bittet er sie zu offen
baren, wer sie sei, und die Königin, die Sponsa, spricht in der nach
folgenden Textpartie.
Text: «H öret ihr Völker alle . . . mein roter Freund hat zu mir gesprochen,
er hat gebeten und seine Bitte wurde erfüllt: Ich bin die Blume des Feldes
illa quippe est verum salutis vestimentum et candida Gloriae stola. Et fecit me tam
quam sponsum gloriosum per absolutionem. Et tamquam sponsam ornatam. Sponsa
Ecclesia est, quae exornata est pulchritudine omnium populorum. Vgl. ferner Bd. I,
p. 44, Hymni in Festum Epiphaniae Nr. 4 Vers 2 -3 : E coelo divina eius natura et e
terra eius vestimentum carnis. Omnis qui sua exuit vestimenta ea commiscet cum vesti
mento Christi in aeternum. Ab eo in aquis acquirite vestimentum quod non teritur nec
emittitur, vestimentum quo ipse indutos semper obtegit. Vgl. auch den wirklichen
πνευματικός γάμος den ζ. Β. die M a r k o s ie r als irdische Wiederholung der Hochzeit
von der Sophia mit dem Soter feierten. (B o u sse t , Gnosis a. a. O. p. 267 ff. und
bes. p. 315.)
70. Vgl. M. v. F r a n z , Passio Perpetuae in C. G. J u n g , Aion. 1. c. p. 480.
KOMMENTAR 375
und die Lilie in den Tälern, ich bin die Mutter der schönen Liebe, der E r
kenntnis und der heiligen Hoffnung.»
Text: Ich bin der Weinstock, der wohlriechende, liebliche Früchte trägt, S2J
und meine Blüten sind aus Ehre und Anstand hervorgebracht.
526 Die Rebe und die Trauben spielen schon in der antiken Alchemie eine
große Rolle. Hermes ist dort der Winzer (βοτρυχίτης), der «die weißen
Sorten seiner Weinlese durch das Feuer rötet 77 ». In den Carmina H e l io
d o r i ist der Lapis bezeichnet als weiße Traube, welche, von Hand zer
bedeuten kann, so ist auch die Gestalt der Aurora offenbar die Urheberin
des Weißen (Lilie) und des Roten (W ein ); sie ist ein hermaphroditi-
sches Wesen, das die Gegensätze in sich enthält. Und zwar enthält sie
sie nicht nur, sondern ist auch das Medium ihrer Vereinigung, wie die
nachfolgende Textpartie zeigt.
T ext: Ich bin das Ruhebett meines Geliebten, um das sich 6 0 Starke reihen,
die alle ihr Schwert um die Hüfte tragen, wegen der Schrecknisse in den
Nächt en. . .
neun Monate ruhte88». In diesem Sinne dient wohl auch die Braut in
unserer Parabel als «vas coniunctionis» des Menschen mit der Gottheit8*.
Text: «Ganz schön bin ich und ohne Makel; ich sehe durch die Fenster
und schaue durch die Gitter meines Geliebten und verwunde sein Herz in
einem meiner Augen und in einem Haar meines Nackens.»
Für diese Textpartie, wonach die Braut ihren Geliebten in einem ihrer
Augen verwundet 9° usw., möchte ich auf die Ausführungen von J u n g
verweisen 91. Das «Sehen durch die Fenster» deutet noch einmal das
Eindringen der Seele in das «Gefängnis des Körpers» an, als Bild der
Coniunctio 9*. Das «Fenster des Entrinnens» oder «Fenster der Erleuch
tung» ist ein Attribut Mariae 93, es entspricht dem Bilde des «spiraculum
aeternitatis» bei D o r n e u s 94. Auch in der Kabbala spielt das «mysterium
fenestrae» eine wichtige Rolle. Die «fenestra» bedeutet dort eine Licht
verbindung zwischen der Sefira Kether (Krone) zur Weisheit und von
der Weisheit zur Intelligentia 9s. Durch diese Fenster sind die ober
sten Sefirot mit dem göttlichen Urlicht verbunden.
Die Haare galten in der Patristik als «subtile Gedanken», so daß die
Stelle auf eine geistige Verbindung hinweist.
Text: «Ich bin der Duft der Salben und mir entströmt Wohlgeruch über
alle Gewürze, wie Zimmet und Balsam und die erlesene Myrrhe.»
tom. 196. col. 406. In lectulo meo etc. = anima, quae Deum quaerit, coi. 410-411: Ita
mentis pax et tranquillitas lectulus est in quo sponsa quiescit. Vgl. auch die Bezeich
nung der Ecclesia als «Sonnenthron Christi» bei A t h a n a s i u s , Frgm. zu einem Psalmen-
Kommentar zu Ps. 88. 38. Vgl. H. R a h n e r , Mysterium Lunae. Ztschr. £. Kathol. Theol.
Jahrg. 63, 1939, p. 340. Vgl. auch das Zitat des A d a m u s , der Maria als «thronus Salo
monis» bezeichnet. Vgl. H i p p o l y t o s , Comm. z. Hohen Lied a. a. O. p. 73-75.
88. B ib lia M a r ia n a ed. Borgnet 37, p. 399.
89. Vgl. I s is als «Thron».
90. Das «in uno crine colli tui» deutet H o n o r i u s v o n A u t u n auf die unitas fidei.
Expos, in Cant. Cant. Migne P. L. tom. 172. col. 419. Vgl. auch col. 443: capilli sunt
subtiles cogitationes.
91. Myst. Coni. I, p. 32.
92. Nach O r i g e n e s . In Cant. Homil. II. 12 bedeutet das Fenster die Sinne durch
welche die Eindrücke aus- und eingehen.
93. Vgl. B ib lia M a r ia n a ed. Borgnet 37, p. 385.
94. Vgl. das von J u n g über das «spiraculum aeternitatis» Gesagte, M y st. C o n i. I I ,
p. 240 ff.
95. Vgl. K n o r r v o n R o s e n r o t h 1. c. Vol. II, p. 281-282.
KOMMENTAR 379
Die Sponsa ist ein wohlriechendes Pneuma und als solches mit dem 535
Hl. Geist identifiziert *6. Die Vorstellung des göttlichen Geistes als
eines Wohlgeruches scheint altorientalischen Ursprungs zu sein und fin
det sich in der spätjüdischen Literatur wieder 979 desgleichen in der Gno
sis. So verwendeten die Markosier bei der Taufe ein Balsamöl als Sym
bol des «Wohlgeruches über Allem *8», und auch die Sethianer ver
glichen ihr Lichtpneuma einem Duft von Myrrhen (όιονεί οσμή μύρου)99,
Das Öl (μύρον oder unguentum) verleiht nach allgemein antiker An
schauung Unzerstörbarkeit (αφθαρσία) I0°. Dieses Bild deckt sich also
gleichsam, wenn man es amplifiziert, mit demjenigen der Anima als
eines färbenden, Unsterblichkeit verleihenden Geistes, von dem frü
her die Rede war.
Text: Ich bin die klügste der Jungfrauen, die hervortritt gleich der leuch- 536
tenden Morgenröte, auserwählt wie die Sonne und schön wie der Mond,
ohne das, was sich innen b irgt
Auch «die klügste der Jungfrauen» und «die hervortretende Morgen- 537
röte» sind schon aus früheren Parabeln bekannte Bilder, auf deren Deu
tung ich daher verweisen kann. Die seltsame Anspielung «ohne das, was
sich innen birgt», betrifft im Hohenlied die «Taubenaugen» der Gelieb
ten, aus denen Liebe ausstrahlt9697810101. Hier wiederholt sie noch einmal an
deutungsweise jenes seltsame Bild, daß die Coniunctio gleichsam ein
Eingehen des Gottes in das Auge der «Frau» seiI02, was zugleich ein
96. Vgl. für dieses Bild des Hl. Geistes Leisegang, Der Hl. Geist a. a. O. passim
und B ousset, Gnosis a. a. O. p. 120, Anm. 1 und Hippolytos, Comm. 2. Hohelied
a. a. O. p. 26 u. 32.
97. Vgl. E L o h m e y e r , Vom göttlichen Wohlgeruch. Sitzungsber. d. Heidelberger
Akadem. der Wissenschaft. 1919, Heft 9. Vgl. HENOCH-Buch, 2. Buch Mosis, 2. Kor.
14-16. Vgl. auch den Natronduft in der aegypt. Religion.
98. W . B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 301.
99. W . B o u s s e t ebda. p. 302. Auch im Hochzeitshymnus der T h o m a s a k t e n heißt es,
daß dem Kleid der Lichtjungfrau ein wunderbarer Duft entströme (ebda.).
100. W . B o u s s e t ebda. p. 302, Anm. 3. Vgl. auch bes. R. S t e u e r : Über das wohl
riechende Natron bei den alten Ägyptern. Leiden 1937 passim.
101. H o n o r i u s v o n A u t u n , Expos, in Cant. Migne P. L. 172 col. 411: Charitas in
oculis.
102 . G r e g o r d e r G r o s s e vergleicht das Innere des Auges mit den «interiora Austri»
d. h. der himmlischen Heimat, in der der Hl. Geist wohnt. Expos, mor. in nonum cap.
Job. Lib. IX , cap. 6. Opera Paris 1636, I p. 308: Absque eo quod intrinsecus latet, hoc
nobis beatus Job intimat cum Austri interiora commendat. Vgl. das oben über den
«Auster» Gesagte.
380 KOMMENTAR
Eingehen der Sonne in den Mond bedeutet (was daraus ersichtlich ist,
wie das Zitat subtil an das vorhergehende W ort in unserem Text ange
schlossen ist). Das Ziel der Coniunctio ist nämlich nach S e n i o r das
Hervortreten des Vollmondes, der Luna plena io3. Hierin ist jene reiche
Sol-Luna-Symbolik angetönt, deren Bedeutung J u n g bereits darge
legt hat io4.
T ext: Ich bin wie die hochgewachsene Zeder und die Zypresse auf dem
Berg Zion; ich bin die Krone, mit der mein Geliebter am Tage seiner Hoch
zeit und seiner Freude gekrönt wird, da mein Name eine ausgeschüttete
Salbe ist.
Auch das folgende Bild der Braut als «Krone, mit der ihr Geliebter
am Tage seiner Hochzeit und seiner Freude gekrönt wird», ist durch
seinen biblischen Hintergrund bedeutungsreich; denn im Hohenlied
steht an Stelle der Braut die Mutter Salomos, was auf Maria als Mutter
und Braut Christi gedeutet wurde I0L Somit ist auch die Braut in unserem
Text zugleich die Mutter und soror und sponsa des Filius philosopho
rum, mit dem sie sich im königlichen Inzest verbindet. In der kirch
lichen Interpretation galt jene Stelle des Hohenliedes als eine Präfigu
ration der Menschwerdung Christi, da darin gleichsam angedeutet sei,
wie Christus von seiner Mutter Maria mit dem Diadem, d. h. seiner
fleischlichen Existenz (carne humana) umgeben werde. E p h r a e m S y
r u s preist Maria als Mutter u n d Schwester und Braut Christi1 03145Io6107, und
nach H o n o r iu s v o n A u t u n besingt das Hohelied an dieser Stelle die
Hochzeit Christi mit seiner Braut der Ecclesia im Uterus seiner jung
fräulichen Mutter io7. Eine alchemistische Parallele zu unserem Text
rex Salomon dulce epithalamium dum in laude Sponsi et Sponsae per Spiritum Sanctum
concinuit Cantica Canticorum. Vgl. auch dasselbe Motiv im Ojvmmythus, der sich
angeblich bereits im Mutterleib mit seiner Zwillingsschwester I s is verbunden haben soll.
108. Vgl. dasselbe Zitat auch im R o sa r iu m phil. Artis Aurif. 1610 II, p. 247-248.
109. Ruska, T u r b a a. a. O. p. 329: Mater me genuit et per me gignitur ipsa. Vgl.
auch S e n i o r , De Chemia p. 108 «Der Lapis ist das Gold und zugleich die Mutter des
Goldes, da er es erzeugt, aus ihm stammt der Drache, der seinen Schwanz fr iß t. . . und
der Regen, der die Erde besprengt, sodaß die Blumen sprießen.»
110. Ebenso erscheint in manchen gnostischen Systemen die Sophia als Schwester,
Mutter und Braut Christi. I r e n a e u s I, 30. 12 . und I, 11 . und I, 3. 4. H i p p o l y t o s ,
Elenchos VI, 34. Vgl. ferner W . B o u s s e t , Gnosis a. a. O. p. 265-266, p. 267-268,
p. 272-273 und p. 315.
111. «Der philosophische Baum» in «Wurzeln des Bewußtseins» 1. c. p. 429 und
bes. p. 446 ff. Vgl. auch über die Sapientia als Baum C. G. J u n g , Antwort auf Hiob
1. c. p. 45 sq.
112. Vgl. Myst. Coni. II, Kapitel Rex, passim.
113. Vgl. S e n i o r , De Chemia, p. 49, 55, 57 und bes. p. 69: Vult per oleum Animam,
quae non ingreditur per ignem sed aqua extrahit eam. Vgl. ferner p. 75 und 82: Et hoc
382 KOMMENTAR
mit ist noch einmal das Motiv des «oleum laetitiae» der dritten Parabel
aufgegriffen.
Text: Ich bin die Schleuder Davids, deren Stein das große Auge Goliaths
ausschlug, und schließlich gar seinen K opf abriß.
T ext: Ich bin das Szepter des Hauses Israel und der Schlüssel Jesse, der
auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf.
genitum est pinguedo, quam vocant animam et ovum. Cf. item. Collectanea e x R h a s i ,
Margarita pret. Nov. a. a. O. p. 169.
114. Vgl. Jo . d e M e n n e n s , Aurei Velleris etc. Theatr. Chem. 1622, V, p. 351 ff.
quae Goliath debellavit, id est p e c c a tu m . ..
115. Vgl. auch H o n o r i u s v o n A u t u n , Speculum de myst. eccles. Migne P. L. tom.
172, col. 1041: Funda (D avid) quippe erat circumdata Christi humanitas passionibus
circumrotata, Lapis qui frontem Goliae penetravit erat divinitas quae maxillam Leviathan
perforavit.
116. Vgl. J ung, Myst. Coni. I. p. 32.
117. RosiNUSzitat Artis. Aurif. 1610, II, p. 162: Hic enim lapis est clavis . . . nam . . .
est fortissimi spiritüs.
KOMMENTAR 383
sei. . . , denn er ist von stärkstem Geiste», mit ihm werden die Metalltore
geöffnetII819. Als Schlüssel wirkt der Lapis, indem das Erlebnis des Selbst
auch dem Bewußtsein eine «Methode» gibt, das Geheimnis des Unbe
wußten, d. h. seine Symbole, bewußt zu machen. Daher sagt das Rosa
rium auch: «Die Philosophen sprechen vom Salz und nennen es Seife
der Weisen und Schlüsselchen, das schließt und öffnet und wiederum
schließt und niemand kann öffnen; ohne dieses Schlüsselchen, sagen sie,
kann niemand in dieser W elt zur Vollendung dieser Wissenschaft ge
langen, d. h. wenn er nicht versteht, das Salz nach seiner Präparation zu
kalzinieren ” 9.» Die Bedeutung des Salzes ist bereits von Ju n g 120 dar
gelegt worden, und aus dessen Bedeutung als Prinzip des Eros ist seine
Gleichsetzung mit der weiblichen Gestalt unseres Textes verständlich.
T ext: Ich bin jener erlesene Weinberg, in welchen der Hausvater zur 1 ., 546
2 ,. 3., 6 . und 9. Stunde seine Arbeiter sandte usw. Ich bin jenes Land der
göttlichen Verheißung, darin Milch und Honig fließt und das süßeste Früchte
trägt zu seiner Zeit.
Die weibliche Gestalt ist hier mit dem «erlesenen Weinberg» des 547
Gleichnisses von Matth. X X 121 und mit dem «Land der Verheißung»
verglichen, womit wieder ihre Identität mit jener «geistigen Erde» des
vorherigen Kapitels betont wird. Sie ist die Realität des Seelischen
schlechthin.
Text: Darum haben mich alle Philosophen empfohlen und haben ihr Gold h 8
und Silber und ihr unverbrennbares Samenkorn in mich gesät. Und wenn die
ses Weizenkorn nicht in mich fällt und erstirbt, so bleibt es allein, wo es
aber stirbt, so bringt es dreifache Frucht: zum ersten wird es zwar gute Frucht
tragen, da es in gute Erde, nämlich Perlenerde gesät wurde, zum zweiten wird
es gute Frucht bringen, da es in bessere Erde fiel, nämlich Blättererde, und
zum dritten wird es tausendfache Frucht bringen, da es in beste Erde, nämlich
Golderde gesät wurde.
ren D reih eit sei auf die A usführungen von J u n g in Symbolik des Geistes
verw iesen I29.
D as W esen tlichste scheint in diesem Textzusam m enhang zu sein, daß S50
die «untere T rin ität» als eine Erde geschildert ist, d. h. als eine psychi
sche W irk lich k eit, w elche m it dem W e se n der M aterie zu tun hat. D ie
M aterie erhält dadurch eine eigene B edeutung und ist sogar zu g ö tt
lichem R an g erhoben - in v ölliger U m k eh ru n g zum m ittelalterlichen
scholastischen W eltb ild , w o ihr ohne gegebene F o rm nur eine p oten
tielle W irk lich k eit zukom m t. D e r T e x t verkündet som it eine Glorifi
kation des W eiblichen, des K örpers und der Materie an. M an versteht,
w elch erschütternder D urchbruch unbew ußter Inhalte in einem m ittel
alterlichen M enschen stattfinden m ußte, bevor er solches aussagen
konnte, und es w ird auch klar, daß die A ussagen nur indirekt in der
traum haft-deliriösen Sprache, w ie sie der T e x t aufw eist, fo rm u liert w er
den konnten; denn es sind dies kom pensierende A ussagen des Unbe
wußten, nicht A nsichten des bew ußten M enschen jener Z eit.
T ext: Aus den Früchten dieses Weizenkornes wird nämlich die Speise des 551
Lebens gemacht, die vom Himmel kommt. W e r davon ißt, der wird leben
ohne zu hungern. Von diesem Brot werden nämlich die Armen essen und
gesättigt werden, und sie werden den Herrn preisen, die ihn suchen, und ihre
Herzen werden leben in Ewigkeit.
129. I. c. p. 59 ff. und 406 ff. Vgl. auch J ung, Von den Wurzeln des Bewußtseins
1. c. p. 197: «Im Bilde des Mercurius und des Lapis glorifizierte sich das ,Fleisch* auf
seine Art, indem es sich nicht in Geist verwandeln ließ, sondern im Gegenteil den Geist
als Stein fixierte und d ie s e m u n g e fä h r a l l e A ttr ib u te d e r d r e i H e ilig e n P e r s o n e n g a b .»
(Sperrung von mir.)
386 KOMMENTAR
Selbst ist das Ein e auch die V ielen, und die V ielen sind alle im selben
Einen zusam m engefaßt. D iese außerordentliche Einsicht scheint auf
einen suprem en Z ustand hinzudeuten, in w elchem das Einzel-Ich aus
gelöscht und durch ein Erlebnis ersetzt ist, in w elchem alle M enschen
einbegriffen sind. M an könnte sich einen derartigen Z ustand leicht als
eine praem ortale Erleuch tu n g vorstellen.
D ie M ultiplicatio findet in der A lchem ie nach der Z ehnzahl statt:
1 0 , 1 0 0 , 1 0 0 0 usw ., und ich kann fü r die B edeutung hievon au f J u n g s
A usführungen in D ie Psychologie der Übertragung verweisen x3°. D ie
Zehnzahl bedeutet nach R h a b a n u s M aurus V ollen d u ng oder die ewige
Belohn u n g w . In der L eh re des G io a c c h in o da F i o r i g eh ö rt die «eccle
sia spiritualis» dem siebenten Z eitalter, dem Z eitalter der M önchsorden
an, wo Sacerdotium und Im perium endlich wie Sonne und M o n d *32
geeint sein w erden, was insofern zu bem erken ist, daß w ir auch hier in
der siebenten Parabel (entsprechend den sieben Z e ita lte rn ) deutliche
H inw eise auf die Idee einer ecclesia spiritualis vorfinden. D a letzteres
M otiv noch einm al in den Schlußw orten der Parabel im CALiDschen
G leichnis von den ausgesäten drei kostbaren W o rte n berührt w ird und
som it die eigentliche Z ielvorstellung des O pus zu sein scheint, w ill ich
unten darau f zurückkom m en.
Text: Ich schenke und fordere nicht zurück, ich gebe Speise, ohne jemals
zu versagen, ich biete Schutz und fürchte mich nie, - was soll ich meinem
Geliebten noch weiteres sagen? Ich bin die Mittlerin zwischen den Elemen
ten, . . . was warm ist kühle ich ab, was trocken ist mache ich feucht, was hart
ist, weiche ich auf und umgekehrt. Ich bin das Ende, und mein Geliebter ist
der Anfang; ich bin das ganze W erk, und die ganze Wissenschaft liegt in
mir verborgen.
T extp artie andeutet, das ganze O pus, die ganze Scientia und, inso
fern sie ja m it ihrem Sponsus eines W esen s ist, A n fa n g und Ende, das
A und das Ω, w om it ihr w ieder göttliche D ig n ität zugesprochen w ird.
W esen tlich w äre es in diesem Z usam m enhang, die Praedicatsam m lung
des A l b e r t u s M agnus ( ? ) in der Biblia Mariana ^ zu vergleichen,
w elche er zum Lobe M ariae zusam m enstellt: M aria ist das Em pyraeum ,
das L ich t, das die Finsternis der Ignoranz vertreibt, die fruchtbringende
E rd e, w elche C hristum , das grü ne G ras, gebar, der Lebensquell, die
«h osp itatrix» schw eifender Seelen, B rau t, G nadenm utter und «unsere
Schw ester», die «T rep p e des A ufstiegs von der W e lt zum H im m el»,
das T o r des Reichs, und die Aurora illuminationis ( ! ) , die A u ro ra,
w elche die D äm on en erschreckt. Sie ist der Speicher der H eiligkeit, den
Christus öffnete, das Tabernakel der V erein igu n g zwischen uns und
G ott, die K ön igin der W e lt, und das T o r, das Ja h r und die Z e it der
G nade. Sie ist die W o lk e der Ü berschattung, der kühlende N eb el, die
Bundeslade, der Fels, dem das W a sse r der G nade oder das Öl entström t,
der Stern der E rleuchtung, die leuchtende L am pe, die «beste E rd e » , die
Schwester unserer A rm u t, die Sonne, der B e rg des Segens, das H o ch
zeitsgem ach der W o n n e G ottes, das F en ster des Entrinnens oder der
Erleuchtung, A ltar, V lies des göttlichen T au s oder d er einzigartige
A d ler. Sie bekleidet uns m it dem M an tel der G öttlichkeit; sie ist die
K ön igin von Saba und der T h ro n Salomos oder der T rin ität, der O rt
der Einsw erdung der G ottheit und der m enschlichen N a tu r. In diesen
Symbolen ist ein weibliches N u m en um schrieben, das der Sponsa unseres
T extes nahekom m t, nur daß in letzterem die dunkle Seite, das T ötend e
und G efäh rlich e stärker m iteinbezogen ist.
Text: «Ich bin das Gesetz im Priester und das W o rt im Propheten und der ss*
Rat im Weisen. Ich kann töten und lebendig machen, und da ist niemand,
der aus meiner Hand errette. Ich biete meinem Geliebten den Mund, und
er küßt mich - er und ich sind Eins - wer will uns scheiden von der Liebe ?
Niemand weit und breit - denn stark wie der Tod ist unsere Liebe.
In diesen W o rte n w ird die Identität der B rau t m it der G ottheit un- 557
zw eifelh aft; denn ihre W o rte sind in der Bibel die W o rte G ottes. Sie
ist die G ottheit oder eine w eibliche Entsprechung G ottes in der M aterie. 134
Sie ist G ott, der aber als liebende F rau den M enschen um arm t, um ihn
dadurch in seine unversöhnliche G egensatznatur, aber zugleich auch in
seine allum spannende G anzheit zu versetzen. D ieses Ereignis über
dauert - wie der T e x t sagt - sogar den T o d .
D iese U n io m ystica ist insofern neu und völlig anders als in son
stigen m ittelalterlichen T e x te n , als sonst die m enschliche Seele als w eib
liches W esen sich m it Christus oder G o tt vereinigt. D e r M ensch bzw.
seine «anim a» im kirchlichen Sinn ist die B rau t. H ie r hingegen ist
G ott die B rau t und der M ensch bzw. dessen Selbst der B räutigam . D iese
seltsam e U m k eh ru n g ist w ohl in erster Linie als K om pensation zu v er
stehen: das m ännliche geistige G ottesbild h at sich in sein G egenteil
gew andelt, in eine G estalt, w elche die «Selbstreflexion» G ottes, d. h. die
Sophia m it d er M aterie und der N a tu r in sich vereinigt. Es ist d er zur
Bew ußtheit tendierende A spekt G ottes, der sich in dieser G estalt offen
bart - als ob die m enschliche Psyche und die M aterie zum O rt der
B ew ußtw erdung G ottes ausersehen w ären. D e r Sohngeliebte dieser G e
stalt ist aber der verklärte Endzustand eines M enschen, d er durch den
T o d hindurch gegangen ist. Im G egensatz zur Sapientia h at er die D u n
kelheit von sich abgestoßen. D ah er kom m t w ohl die etwas unheim liche
U nw irklichkeit dieser letzten T extp artie. D e r «unw irkliche» verklärte
M ensch spricht im F olgen d en die Sapientia an:
In dieser T extp artie antw ortet der B räutigam seiner G eliebten und
spricht sie in preisenden W o rte n , die fast alle dem H ohenlied entnom
m en sind, an. D e r T e x t zeigt eine w esentliche psychologische V erän d e
ru n g an: zum ersten M al näm lich spricht jem and zur A nim agestalt. B is
h er sprach entw eder die Sapientia-A nim a selber, oder der V erfasser
redete zu den M enschen und verkündete ihnen den «R uhm » der Sophia.
E r w ar «ergriffen» im w örtlichsten Sinn dieses W o rte s, aber er w ar nicht
im stande, seiner Ergriffenheit aktiv nach innen gew andt zu begegnen.
N u n aber h at er sich der B rau t selber liebend zugekehrt, was psycho
KOMMENTAR 389
logisch einem gefühlsm äßigen A nnehm en des U nbew ußten, einem Ja-
Sagen zum W esen der A n im a entspricht. G leichzeitig findet eine relative
A bkehr von den «anderen M enschen» statt, die zw ar eingeladen w erden,
am Liebesglück des Paares teilzunehm en - doch fallen die vorherigen
L ehr-Intentionen w eitgehend w eg. D as archetypische B ild eines g ö tt
lichen Paares und seines H ieros G am os erfü llt von nun an den T e x t -
G ott und G öttin feiern die mystische H ochzeit, und ein heidnisches
Lebensgefühl bricht durch, dessen A usdruck an H aeresie streift. Zugleich
verm ittelt der T e x t ein G efü hl von innerer B efreiu n g , als ob ein G e
fängnis konventioneller religiöser V orstellungen und m enschlicher E n ge
endlich aufgebrochen w äre, und der A u to r seine frü h ere geistige W e lt
w ie eine leere Puppe hinter sich zurückgelassen hätte.
In seiner Lobpreisung schildert der B räutigam die B rau t m it zahl
reichen symbolischen B ildern, durch die er ihre um fassende ganzheit
liche B edeutung um schreibt. D ie W o rte von C ant. V II , 3 : «D ein Schoß
ist w ie ein runder B ech er (M is ch k ru g ), der nim m er des G etränkes
m an gelt», deutete H o n o r iu s von A utun u* symbolisch au f die «tem
perantia» (v g l. deren alchem istische E rw ähn u n g in unserem T e x t ! ) ,
welche in der Mitte des K örpers weilt, und deren Becher die sieben
Gaben des H eiligen Geistes darstellt. D ie «tem perantia» sei näm lich
«circumspectione rotunda et sapientia fecunda» (durch ihre Umsicht
rund und durch ihre W eisheit fruchtbar ) . D e r N ab el (um bilicus) w urde
von R h a b a n u s M aurus au f den D om inikanerorden der K irch e gedeu
tet r36. Z ugleich ist w ohl einerseits auf die kirchliche Bezeichnung M arias
als «vas devotionis» und der K irch e als G efäß der «doctrina veritatis»
und endlich des M enschenkörpers als G efäß des Geistes U7 angespielt
und andererseits au f die alchem istische Vas-Sym bolik und ihre kom plexe
B edeutung *38. D as G efäß m ußte nach alchem istischer A nschauung rund
sein als Abbild des K osm os und der H im m elssphären *39 und auch des135678
m enschlichen K op fes als Sitz der anim a rationalis 140. Schon im Corpus
Hermeticum w ird der K osm os als vas oder K u gel (σφαίρα) bezeichnet,
die auch der sich k op fartig bewegende N ou s sei; alles, was mit der M em
bran dieses K op fes verbunden sei, sei unsterblich 141, und noch die arabi
schen H arran iter bauten dieser « W eltv ern u n ft» oder «Seele» halbkugel
förm ige T e m p e l I42. Z u gleich hat aber der « K rater» auch eine «hylische»
Seite; im Corpus Hermeticum χ43 h eiß t die M aterie (bei P l u t a r c h auch
die Z e it) G efäß des W erd en s und V ergehens, und im N euplatonism us
w urde der K osm os als «H ö h le» angesehen M4. N a ch P l a t o und später
bei gewissen O rphikern g a lt die A u ffassu n g, daß der W eltsch ö p fer das
A ll in einem g roß en «K ra te r» m ischte *4*. D eshalb sieht auch Z o s im o s
in seiner V is io n 1^ die alchem ische W an d lu n g d er Elem ente, w ie sie
sich in einem schalenförm igen A ltar, der den ganzen K osm os u m faß t,
vollzieht ^7. A u f solche Zusam m enhänge zielt die Bezeichnung der
B rau t als crater tornatilis an χ48.
Text: Kommt her, ihr Töchter Jerusalems . . . sagt mir, was sollen wir für
unsere Schwester tun, die so klein ist und noch keine Brüste hat am Tage
der W erbung? Ich will meine Stärke über sie breiten und nach ihren Früch
ten greifen, und ihre Brüste werden sein wie Trauben am Weinstock.
oder eiförmig gen Westen blickend . . . und es hatte die Form einer (spiraligen)
Schneckenschale.»
140. Vgl. J ung, Paracelsica p. 93 und Von den Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 180
und p. 270 ff. Ferner T u r b a (R uska ), p. 254 und Anm. 3. Die Alchemisten sind nach
dem F ih r is t «diejenigen, die durch Herstellung des Hauptes und des vollkommenen
Iksirs berühmt sind». Das Wasser galt als caput mundi ( C o n s iliu m C o n iu g ii Ars. Chem.
a. a. O. 1566, p. 66). Vgl. ferner B erthelot , Μ. A. III, p. 140-141 und E. von Lipp -
mann, Alchemie, a. a. Ο. I, p. 97-98
141. Scott, H e r m e t ic a , I. p. 194.
142. Vgl. D. C hwolsohn, Die Ssabier und der Ssabismus. Bd. II. p. 367, 376, 382.
Vgl. auch die runde «barba» (Pyramide) bei Senior . De Chemia p. 122-123.
143. Scott , a. a. Ο. I p. 422 und III 396. Cf. item P lutarch , de Ei 392).
144. P orphyrius, De antro nymph. 5 u. 21 .
145. T im a e u s 41 D und Lukian, Bis accusatus 34. 834, Jo. D iakonus, A d H e s io d .
T h e o g . 617 und 950, Servius, Aeneis 6 . 667. Proclus in Tim. 316 a. Macrobius Somn.
Scip. I. 12 . 8 . Vgl. allgemein W . Scott, II, p. 141, I, p. 224 und Leisegang, Gnosis
p. 336 und 126.
146. Vgl. C. G. J ung, Von den Wurzeln des Bewußtseins 1. c. p. 270 ff. und passim.
147. Vgl. zur Bedeutung des Krater bei Z osimos auch W . Scott , H e r m e t ic a I,
p . 148.
148. Über die Bedeutung des Krater vgl. C. G. J ung, Psychologie und Alchemie
a. a. O. p. 405 ff.
KOMMENTAR 391
D iese T extp artie, w elche nach C ant. V II I, 8 - 9 , und V II, 8 , andeutet, 5<ü
daß die «soror m ystica» noch zu jung sei zur E h e und erst durch die
W erb u n g des M annes g ereift w erde, w urde in der patristischen D eutung
au f die «noch junge K irch e» bezogen, die durch C hristum h eran reift *49,
oder auf M aria, w elcher die «ubera concupiscentiae» fehlen. A lche-
mistisch ist dam it w ohl ebenfalls angedeutet, daß der B rau t noch etwas
fehlt, näm lich die «Stärke» des M ännlichen. D ie Fortsetzu n g im H oh en
lied lautet näm lich: «Ist sie eine M auer, so w ollen w ir ein silbernes B o ll
w erk d arau f bauen . . . » usw. Es feh lt eine letzte F ixatio durch den « K ö r
per» oder «G eistkörper». D ies könnte d arau f hinweisen, daß erst die
individuelle B ew ußtw erdung der Seele ihre eigentliche B estim m theit,
ihr So-Sein verleiht. E rst w enn G ott - denn die sponsa ist G ott - in
einem M enschen bew ußt w ird, erreicht er aktuelles Sein. D aru m er
scheint die G ottheit folgerichtigerw eise dem M enschen gegenüber als
«F rau » - ja sogar als unentw ickeltes M ädchen. D as B ild bedeutet fast
eine Ü berbetonung von G ottes H ilflosigk eit - kom pensatorisch zum
dogm atischen B ild einer m enschenfernen, ins M etaphysische entrückten
V atergotth eit.
E in e auffallende P arallele zu diesem B ild liegt in der persischen V o r- 564
Stellung, daß dem M enschen im T o d e seine Seele als ein schönes, etw a
fünfzehnjähriges M ädchen entgegentritt, w elch letztere aber auch der
alte W eise ist τ*° - so daß auch dieses M o tiv an V orstellungen erinnert,
w elche m it der E rfah ru n g des T odes verbunden erscheinen.
Text: Komm also, meine Geliebte, lasset uns auf dein Feld hinausgehen, j 6j
und in den Gehöften weilen; frühmorgens wollen wir aufstehen zum W ein
berg, da die Nacht vorgerückt ist, und der Tag bald naht. W ir wollen nach-
sehen, ob dein Weinberg Blüten trug, und ob deine Blüten Frucht getragen
haben, dort wirst du mir deine Brüste reichen und ich selber für dich alle
alten und neuen Früchte aufbewahren . . .
26 Ju ng : Mysterium III
392 KOMMENTAR
der «M orgen rö te», in der die «F rau » herrschte, bricht nun der T a g des
Sol an, w orin der Lapis vollendet ist. D as «H inausgehen in das F eld »
deutet au f eine A usw eitung und eine B efreiu n g aus der E n ge m ensch
licher V erhältnisse, auf ein Einsw erden m it der N a tu r hin. Es könnte
aber au f das V erlassen des kranken K ö rp ers im T o d e hindeuten - der
T o d bricht als ein neuer M o rgen an, in dessen L ich t die D in g e verw an
d elt erscheinen, d. h. er ist ein v öllig neuer Bew ußtseinszustand. In die
sem neuen L ich t genießen die Liebenden ihr Glück.
567 Text: an ihnen (den Früchten) wollen wir uns also erfreuen und ohne
Zögern alle Güter genießen, dieweil wir jung sind, mit köstlichem Wein und
Salben wollen wir nicht kargen und keine Blume soll uns entgehen, uns damit
zu bekränzen. Zuerst mit Lilien und nachher mit Rosen, eh’ sie verwelken.
An keiner Wiese soll unsere Lust vorbeigehn, und keiner von uns allen bleibe
unserer Fröhlichkeit ferne.
153. Die Blumen entsprechen den Sternen, mit denen sie via die Luft in Verbin
dung stehen «ac veluti caelum terrae maritatur paranymphum habens Mercurium sive
spiritum praefatum aereum» (Jo . M e n n e n s , Aurei Velleris etc. Theatr. Chem. 1622.
V, p. 4 2 1 -4 2 2 ). Vgl. auch die Kräuter, die bei D o r n s alchemischer Procedur verwendet
werden: J u n g . Myst. Coni. II letztes Kapitel.
154. Art. Aurif. 1610, I, p. 247: Quinta essentia spiritus est, qui omnia vivificat et
alterat et omne germen germinat et omne lumen accendit et omnes fructus floret.
155. Die aqua germinans ist die aqua divina, welche den Geist Gottes enthält. Vgl.
hiezu C. G J ung, Psychologie und Religion a. a. O. p. 99 und p. 183. Vgl. zu der alche-
mistischen Bedeutung des Frühlingsregens, der Alles aufblühen läßt, auch Carmina
H e l i o d o r i , ed. Goldschmidt a. a. O. (p. 90, Vers 98, Carmen II) . . . υειν, δλη τε γαία
κάρπους έκφυεΐν . . . έαρ μεθ’ό θερμόν τε καί υγρόν πέλον εισέρχεται, εν φ
περ ή γή βλαστάνει ανθών γένη παντοΐα.
156. a. a. Ο. p. 145.
157. De Chemia a. a. Ο. p. 11, 57 u. 108: et ascendunt nubes et pluunt pluviae super
terram et ex ipso prodeunt flores et tincturae . . . et ibi fiunt flores etc.
1 5 8 . B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II, IV, Vol. I, p . 1 0 0 .
1 5 9 . Vgl. S y n e s i o s , ( B e r t h e l o t , Coli. Alch. Grecs II, III, Vol. I, p. 66 ) . «Mit
dem W ort Blüte ( άνθος ) bezeichnet er ( D e m o k r i t o s ) das Sublimieren der Seelen d. i.
der pneumata».
160. Buch des S o p h e , B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs III, X L II, 1. Vol. I, p. 213,
und Z o s i m o s nennt die Sublimation ( αρσις ) das «Aufsteigen der Blüten» ebda. II,
II, Vol. I. p. 144. Vol. III, X V , Vol. I, p. 156). D e m o k r i t o s zählt als wichtigste Blumen
auf: die «Meerblüte» und die «italische Rose» (ebda. II, I, Vol. I. p. 4 2 ), und S y n e s i o s
den Cilicischen Crocus, die Blüte Anagillis, welche das «Emporführen der Seelen»
bedeute (ebda. II, III, Vol. I, p. 66 ).
161 . C a r m i n a H e l i o d o r i a . a . O . p . 3 0 u n d p . 3 1 .
162. B e r t h e l o t , Coli. Alch. Grecs IV, X X , Vol. I, p. 293-295.
394 KOMMENTAR
em por und bekleiden sich m it vielen schönen Farb en, wie die Blumen
im F rühlin g . . . » «Siehe näm lich die E rfü llu n g der K u n st: die V erein i
gun g von B rau t und B r ä u t i g a m ... Siehe die Pflanzen (βοτάναι) und
ihre V ariationen - siehe da, ich sage euch die ganze W a h rh e it! Seht und
versteht, wie aus dem M eer die W o lk en em porsteigen und die gesegne
ten W asser m it sich tragen, und diese die E rd e tränken und Samen und
B lüten sprossen . . . Bemüht euch, eure Erde zu tränken und eure Samen
zu nähren, auf daß ihr reife Frucht ernten möget l6$l» Dieses Säen und
Pflanzen von Blum en im K oM A R ios-Text spielt auf die «resurrection
vegetale» des Osiris, d. i. des ägyptischen T otenrituals an, bei w elchem
auf die M um ie ( - O siris) Samen und Blum enzw iebeln gelegt und be
w ässert w urden, deren Sprossen die A u fersteh u n g anzeigen sollte. A uch
in der nichtalchem istischen herm etischen Schrift Isis an Horus g e
nannt K ore Kosm ou i64 erzeugt der D em iu rg die W e lt durch Z au b er
sprüche aus Pneum a, Feuer und anderen Ingredienzien, und beim U m
rühren der M ischung steigt eine leichte, durchsichtige, nur G ott selber
sichtbare Substanz an die O berfläche, w elche er Psychösis - Seelenstoff,
Beseelung, nennt. Dieses ist das «Ausblühende» (τό έπανϋοΰν), und aus
ihm werden die Seelen geform t.
A uch in der kirchlichen Symbolik spielen die B lu m en eine R olle. So
schildert E p h r a e m S y r u s , wie sich Christus im O sterm onat N isan l6s m it
seiner B rau t, der K irch e, vereint; er «verw irrt» die E rd e, und unter
seinen U m arm u ngen entstehen die B lu m e n 166. A m b r o s i u s erklärt jenes
B ibelw ort: «D er W in te r ist vorbei, die B lum en sprießen, und die Z eit
der E rn te ist d a», welches auch die A u ro ra an fü h rt, als einen H inw eis
auf die K irch e in ihrer E n dverklärung i67. A ndernorts gelten die B lum en 163457
163. Weiter unten ebda. p. 297-298 heißt es: Das Feuer wurde dem Wasser unter
geordnet und die Erde der Luft, und so wurde die Luft mit dem Feuer und die Erde mit
der Luft und das Feuer mit dem Wasser und die Erde und das Wasser mit der Luft
vereinigt u n d w u rd e n ein e s, d en n a u s P fla n z en u n d D ä m p fe n w u r d e E in e s.
164. W . S c o t t , H e r m e t ic a a. a. Ο. I 464 ff.
165. Nisan (März-April) ist auch in der Alchemie (in den syrischen Texten) der
Monat des Opus. In Ägypten ist es Pharmouthi. Vgl. E. v . L i p p m a n n , Alchemie a . a . O .
I, p. 48 u. 58.
166. De Resurrectione Christi X X , Hymni et Sermones Bd. II. p. 756-758: Nisan,
mensis victoriae eduxit sponsam Regis suis effusionibus turbavit terram eamque sparsis
suis floribus implevit. . . factae nuptiae purae in deserto . . . Und Hymnus X X I ebda,
p. 770: Nisan etiam terram induit vestimento coloribus omnis generis texto, induitur
tellus tunica pallioque florum.
167. Exameron 4. 5. 22. cit. H u g o R a h n e r , Myst. Lunae, 1939 a. a. O. p. 434.
KOMMENTAR 395
bei den K irch en vätern als B ild des schnell hinw elkenden M enschen
lebens 16 8 16
2
0
7
9 oder als «B lüten des G eistes», die der H eilige Geist betaut,
und der Logos als Sonne b e sch e in t l6?. Sie erscheinen in den W erk en der
M ärtyrer oder auch in den «typi», den Symbolen C hristi *7°. N ach O r i -
g e n e s χ7χ bedeutet das Blühen das A u f gehen des «K eim s geistigen V e r
stehens» und einen «grünenden lebendigen Sinn», der in der Schrift
durch den belebenden G eist aufgehe. B lum en repräsentieren som it ein
überpersönliches seelisches oder geistiges Leben oder eine Lebendigkeit,
w elche aus der C oniunctio der G egensätze aufblüht. Im allgem einen
sind B lum en o ft ein Symbol fü r das G efü hl, und es ist besonders ein
drücklich, w ie im T e x t der A u ro ra m eh r und m ehr ein ekstatisches G e
fü h l durchbricht und alle lehrhaften und rationalen A spekte v er
schwinden. A m nächsten in Stim m ung und D eutu n g dieser Partie der
A u ro ra steht w ohl ein eigenartiges T e x tfra g m e n t, w elches der Sam m ler
L a c i n iu s dem A l b e r t u s M agnus zuschreibt I72, ich aber in den e r
haltenen ALBERTUS-MAGNUS-Traktaten (u n d P s. ALBERTUS-Traktaten)
nicht nachw eisen konnte. Es lautet: «Pflücke die verschiedenen Blum en
voll vom D u ft aller G üter. In ihnen d u ftet die Süße und leuchtet die
Schönheit, der G lanz und R uhm der W e lt. D ies ist die B lu m e der B lu
m en, die Rose der Rosen, und die Lilie im T a l. F reu e dich also deiner
Ju gend , o Jü n glin g und lerne es, B lum en zu pflücken; denn ich habe
dich in den Paradiesesgarten eingeführt *73. Flechte dir also aus ihnen
einen K ran z fü r dein H au p t und genieße die Lustbarkeiten dieser W e lt,
indem du G o tt lobst und deinem bedrängten N äch sten hilfst. N u n w ill
ich dir die W issensch aft und das G eheim nis eröffnen und dir das V e r
ständnis geben fü r die dunklen D in g e d er K unst, und was lang e ver
h ü llt w orden ist, w ird an ’s L ich t gebracht w erd en.» E in K o m m en tar er
k lärt dann diese obige Stelle als das «R einigen der G eister».
D as B lütenm otiv erinnert an die eigenartige R olle, die gewisse B lu
m en und K räu ter bei P a r a c e l s u s und D o r n e u s spielen: das C heiri, die
Pflanze M ercurialis usw ., w o fü r ich au f J u n g s D arlegu n gen verweisen
kann χ74. D ie B lum en sind gleichsam Ingredienzien des «unteren H im
m els», Ä quivalente der Sterne, d. h. K om p on en ten der seelischen T o ta
lität, des Selbst. D a «die Seele von der Beziehung lebt *7*», so w eisen
diese B lü ten , die bei und w ährend d er Coniunctio entstehen, au f ein
A ufblühen d er seelischen B ezogenheit hin. L etztere ist ein E rfü lltsein
von der Sapientia D ei, die sogar die Freu d e der an die W e lt verlorenen
M enschenkinder von ihrer Sündhaftigkeit b efreit und m it einbezieht *76;
denn es sind nach der H eiligen Schrift die W o rte von Sündern, die hier,
in der A u ro ra, in den M und des Paares g eleg t sind. O b sich der V e r
fasser dieser T atsachen bew ußt gewesen ist, w eiß ich nicht. D a die C on
iunctio verm utlich im V orerleben des T od es geschildert ist, oder w enig
stens in einem bewußtseinstranszendenten «Jenseits» erfah ren w ird, so
fällt ohnehin jedes zweideutige M ißverstehen dieser W o rte dahin - ubi
spiritus, ibi libertas.
zu zweit in Einem zu wohnen! W ir wollen uns darum hier drei Hütten bauen,
dir eine, mir die zweite und unseren Söhnen die dritte, da ein dreifaches Seil
schwerlich zerreißt.
177. Für die Deutung des funiculus triplex auf die Trinität siehe H o n o r i u s v o n
A u tu n : In Ecclesiasten cap. 4. Migne, P. L. 172, col. 339.
h an g dar, durch den das Bew ußtsein m it der Basis des kollektiven U n b e
w ußten verknüpft w ird. A ndererseits bedeuten Seile und Schlingen auch
«m agische B in d u n g e n l821834» , meistens an D äm onen oder G ötter, d. h. das
V erpflichtetsein oder V erhaftetsein an den A rchetypus. D e r Sinn vieler
Sham anen-Initiationen w ar es, die C om m unicabilität m it dem v er
lorenen Jenseits = Paradies w ieder herzustellen i 83. D as Seil bildet in
diesem F all eine V arian te zum M o tiv des W eltb au m es oder der W e lt
achse. In einer nordam erikanischen Indianererzählung geht ein M ann
seiner toten F rau m ittels einer m agischen Schnur nach. H ie r h at das Seil
auch die Bedeutung einer über den T o d hinausreichenden Schicksals
verbundenheit. Es ist au ffällig, wie in dieser letzten Parabel sich die
M otive m ehren, die in anderen m ythologischen Bereichen m it der V o r
stellung eines postm ortalen Lebens verknüpft oder m it Erlebnissen v er
bunden sind, w ährend derer der K ö rp er des Erlebenden in K rankheit
oder T ran ce darniederliegt. Es handelt sich um die O ffenbarung von
psychischen Inhalten, die gleichsam an die äußerste G renze des noch
bew ußt Erlebbaren grenzen.
H ierau f spielt der T e x t m it den drei H ütten auf die V erk läru n g
Christi auf dem B erg e T ab o r an (M a tth . X V I I ) , was noch einm al den
Todesaspekt und die Parallele des Lapis, des Endresultates des O pus,
m it dem auferstandenen Christus unterstreicht, darüber hinaus aber ist
w eiter an Offenb. X X I , 2 - 3 , zu denken, w o das «neue Jerusalem » auch
als tabernaculum - H ü tte G ottes bei den M enschen - «und er w ird bei
ihnen w ohnen» - geschildert ist. D iese A ssoziation ist in unserem T e x t
deshalb nahegelegt, weil das dritte Z e lt den filiis, den «Söhnen» des
Paares versprochen ist. D ie «filii» sind aber in der alchem istischen Spra
che die A lchem isten. Letztere haben also irgendw ie auf geheim e A rt an
d er Coniunctio u n d A u fersteh u n g des Paares teil, u nd stehen unerw ar
teterweise an Stelle des Mediators, d. h. des Spiritus Sanctus oder des
M ercurius Senex i 84/ P e t r u s B o n u s , der etwas später als der V erfasser
der A u ro ra schrieb, hat jenes A uferstehungsm ysterium folgenderm aßen
182. M. E l i a d e , 1. c. p. 376.
183. p. 420, weitere Beispiele p. 426, p. 428, p. 281 und p. 118.
184. Als eine Parallele zu erwähnen wäre, daß in der Kabbalistischen Deutung
Moses, als Symbol des Volkes Israel mit der «oberen Königin» der Sefira Binah eins
wird und dadurch mit Gott vereint wird; das ist das «Mysterium der Küsse». K n o r r
v o n R o s e n r o t h 1. c. II. p. 149.
KOMMENTAR 399
577 In der T ex tp a rtie von den drei H ü tten , die gebaut w erden sollen,
spielt aber der A u to r nicht nur auf die V erk läru n g au f dem B erge T ab o r
an, sondern es w ird auch w ieder besonders deutlich, daß er selber m it
dem B räutigam identisch ist. In der A u ro ra näm lich fo rd ert der B räu ti
g am seine B ra u t zum B au der drei H ü tten auf, in der Bibel hingegen
P e t r u s , der, w ie es heißt, «nicht w ußte, was er red ete». P e t r u s ist der
gew öhnliche M ensch, w elcher die V erk läru n g visionär erlebt, nachdem
er gerade zuvor «voll Schlafs» gewesen w a r l86. Ä hnlich ist h ier w ohl
auch der V erfasser «in raptu m entis» entrückt und schaut nicht nur das
«m ysterium coniunctionis», sondern e r ist m it dem B räutigam eins g e
w orden, und seine F ü rso rg e g ilt darum nicht (w ie bei P e t r u s ) den g ö tt
lichen G estalten, sondern den «filii», den M enschenkindern, die später
dasselbe O pus vollbringen w erden, oder geistig aus der C oniunctio g e
zeugt w erden.
5 78 D as Bibelzitat deutet fern er an, daß der V erfasser hier au f etwas U n
faßbares anspielt, w elches Christus seinen Jü n gern v o r seiner A u fe r
stehung zu erzählen verbot - was m an w ieder als einen H inw eis ansehen
könnte, daß es sich um ein Erlebnis handelt, das eigentlich einen post
m ortalen Zustand antizipiert.
579 Text: Wer Ohren hat. . . der höre, was der Geist der Lehre . . . von der
Vermählung des Liebenden mit der Geliebten sagt. Denn er hatte seinen
Samen gesät, auf daß dreifache Frucht daraus reife; von welcher der Autor
der drei Worte sagt, es seien dies drei kostbare Worte, in denen die ganze
Wissenschaft verborgen liege, die den Frommen, d. h. den Armen weiter
zugeben sei vom ersten Menschen bis zum letzten.
580 D iese letzten W o rte des T extes kehren zu dem schon öfters vorher
angetönten M o tiv des Samenkorns und des Reifens dreifacher F ru ch t
zurück. Es scheint m ir darin eine A nspielung au f jenen «unus m undus»
zu liegen, dessen Bedeutung J u n g in seiner K o m m en tieru n g des D or-
geh ört auch das G ebet eines Zauberpapyrus Σ*3 an den Agathos D aim on:
«K om m zu m ir, oh guter Landm ann (γεω ργέ) A gathos D aim on, K nou-
p h i . . . kom m zu m ir, O rion w , H eiliger, der im N o rd en ruht und die
F lu ten des N ils dahinw älzt w und m it dem M eere eint und durch den
Lebensprozeß verwandelt, so w ie ein M an n den Samen der Liebesver-
einigung l96 . . . der auf fester G rundlage den Kosmos gründet ^ 7 .» D ie
V orstellung des alchem istischen Opus als das Säen und A u fgeh en eines
Samenkornes ist bedeutsam und g eh t au f älteste Q uellen zurück. So
zitiert schon Z o s im o s eine herm etische Schrift, in w elcher sich die A n
w eisung findet *9*: «G eh hin zum B au er Achaab und du w irst lernen,
daß wer W eizen sät, W eizen e r z e u g t . . . Es sagt näm lich die Schrift: das
Färb en zerlegt sich in nichts A nderes als in das K örp erlich e und das U n
körperliche.» D am it ist w ohl gem eint, daß die göttlichen Ideen (als das
U n k örp erlich e) in einen K ö rp e r eingehend die Schöpfung bewirken.
E in e V arian te zu dieser Stelle findet sich im T rak tat «Isis an H orus», w o
es heißt «K o m m herbei und betrachte und b efrage den B auern
A ch arant os und lerne von ihm , was das G esäte und das G eerntete sei -
lerne, daß w er G erste sät, auch G erste erntet, und w er W eizen sät, auch
solchen erntet. W e n n du dies, oh m ein Sohn, als E in leitu n g gehö rt hast,
so denke hernach über die gesamte Schöpfung u nd das W erden nach,
und erkenne, daß der M ensch nur einen M enschen zu säen (zeu g en )
verm ag, der Löw e einen Löw en und der H u n d einen H u n d . . . W ie ich
näm lich sagte, daß die G erste G erste erzeugt und der M ensch einen
M enschen, so läßt auch nur G old G old ernten, Gleiches das Gleiche.
H iem it ist das Mysterium offenbar.»
ist als «zweiter Gott» oder Demiurg geschildert, als der «Sämann des Lebens», der durch
Auswerfen des Samens den Wesen Erneuerung gewährt. ( S c o t t 1. c. Vol. I, p. 179 ff.)
193. Berliner Pap. 5025 cit. aus K a r l P r e i s e n d a n z , Papyri Graecae magicae,
Bd. I, p. 5.
194. Orion gilt in Ägypten als der «Ba» des Osiris.
195. Das Nilwasser ist das «zeugende Wasser» der Alchemie.
196. Unlesbare Lücke.
197. Hiezu gehört auch die antike Janus-Aion-Vorstellung Gottes als «sator mundi»
( M a r t i a l X . 28.) und P h i l o n s Kommentar zu 1. Mos. 9. 20. (De plantatione, ed. Cohn
Vol. IV, p. 152 ff.): «Der größte und kunstfertigste Pflanzer ist der Lenker des Alls
und die Pflanze ist diese W e lt. . . » , was auf Plato (Staat 597 D ) zurückgeht, der Gott
bereits einen Pflanzer, φυτουργόν, nennt.
198. B e r t h e l o t , Coli. Aich. Grecs II, IV, 32, Vol. I, p. 89 f.
199. I, X III, 6, Vol. I, p. 30. Vgl. auch dasselbe als Ausspruch eines αρχαιότατος
bei P e l a g i o s , ebda. IV, I, 9, Vol. I, p. 258.
KOMMENTAR 403
D iese Stellen spielen w ahrscheinlich auf das ägyptische Einbalsam ie- 583
rungs- und T otenritu al an. W ie m ich P ro f. H e l m u t J a c o b s o h n au f
m erksam m achte, steckt hinter dem N am en A charantos w ahrscheinlich
der ägyptische G ott A ker, w elcher eine bedeutende R olle im T otenkult
spielt. E r w urde als doppelter Löw e oder H un d dargestellt, und in sei
nen A rm en erneuert sich der Sonnengott und m it ihm der T o te . A uch
das Säen des W eizens in die E rd e ist ein alchemistisches M o tiv, das au f
die O sirism ysterien zurückgeht. Es spielt au f einen postm ortalen A u f-
erstehungs- oder W ied ererzeu gu n gsvorgang an, in w elchem aus dem
E inen das V iele hervorgeht und eine geheim e Identität (E in ssein ) des
«G leichen» offenbar w ird. Im Sam enkorn ist au f die potentielle Ein h eit
des K osm os hingedeutet; zugleich aber hat dieses Symbol des K orn es
auch eine innerseelische B edeutung: als der K eim der B ew ußtw erdung
des Selbst. So feierten z. B . die M arkosier einen H ieros G am os, von w el
chem I r e n a e u s berichtet 20°, daß Markos zu den Frau en , m it denen er
sich vereinte, sprach: «D ie Gnade m öge deinen inneren M enschen er
fü llen u n d ihre Gnosis in d ir v öllig w erden lassen, indem sie das Sen f
korn in die gute E rd e sät.» U n d 20201203: «Schm ücke dich w ie eine B r a u t . . .
E m p fan ge in deinem B rautgem ach den Samen des L ich tes . . . Siehe die
G nade ist auf dich herabgekom m en usw. 2°2.»
In der Sym bolsprache der K irch en väter blieb ebenfalls vieles von 5s4
jenen B ildern und ihrer antiken D eutung erhalten; auch dort ist das
«K o rn » speziell nach Jo h . X X I I das «W eizen k o rn », das «sterbend tau
sendfache Fru ch t trä g t» , ein B ild des G ottessohnes, d. h. C hristi. So
nennt E p h r a e m S y r u s in seinen H ym ni in Festum Epiphaniae 2°3 G ott
200. I r e n a e u s , Haer. 1. 13. 2. (von mir übersetzt). Vgl. auch W. B ousset, Gnosis
a. a. O. p. 315.
201. Ebda. 1. 13. 3. (B o usset p . 3 1 6 ).
202. Auch die V d e n t i n i an er scheinen eine ähnliche Feier gekannt zu haben. Vgl.
I r e n a e u s 1 . 13. 4. T e r t u l l i a n , Adversus Valent, cap. 1 . Vgl. W . B o u s s e t , Gnosis
a. a. O. p. 317. Im 9 . Tractat des C o r p u s H e r m e tic u m heißt es ähnlich, daß Gott im
menschlichen Nous (Geist) die Tugend, Vernunft und G n o s is «säe» und im 13. Tractat
ist die innere Wiedergeburt des Menschen geschildert, welche aus der intelligiblen W eis
weit und d e n S a m en d e s G u te n , der von Gott stammt, hervorgeht. W . Scott, H errn .
a. a. O. p. 479 und p. 238.)
203. Hymni et Sermones ed. Th. Lamy, Mechliniae 1902, Bd. I, p. 21-22. Ad annum
decimum sextum laudet granum frumenti spiritualem agricolam, qui corpus suum agro
sterili ut semen commisit. Corpus illud granum fuit, quod omnia praerumpens mox
ortum est et panem novum praebuit. Vgl. auch Joh. X V . 1: Ich bin der wahre W ein
stock und mein Vater ist der «agricola» (Pflanzer).
404 KOMMENTAR
204. Ebda. Bd. II, p. 526. Vgl. auch p. 554 und p. 546. Auch Maria ist »der Acker,
der die Furche des Bauern nicht kannte» und doch «die Frucht hervorbrachte». «Der
Herr goß aus seinen lebendigen Tau und Regen über Maria, die dürstende Erde.»
205. Ebda. II, p. 744. vgl. auch p. 360.
206 . Ebda. Bd. I, p. 166 . In anderen Gleichnissen E phraems ist die Sapientia Dei
beschrieben, wie sie «den Samen der Wahrheit» austeilt (ebda. I, p. 574) und Christus
als «plantator vineae suae ecclesiae (Pflanzer des Weinbergs seiner Kirche) (ebda. I,
p . 388).
207. Vgl. R eitzenstein , Das iran. Erlösungsmysterium, p. X . und H erm . U sener ,
Die Perle. Theolog. Abhandlungen ed. Weizsäcker 1892, p. 201 und p. 219.
208. Migne P. L. tom. 172. col. 1129: Et sicut panis ex multis granis conficitur, ita
Christi corpus ex multis electis colligitur . . . Vinum etiam ex multis acinis eligatur
et in torculari exprimitur ita corpus Christi ex multis iustis compaginatur quod in
praelo crucis torquetur; quod vinum in sanguinem Christi vertitur ut anima nostra; quae
in sanguine est, per hoc vivificetur. Vgl. auch col. 457 und 463.
209. Vgl. auch hierzu A nastasius Sin aita : Hexamer, zit. in H ugo Rahner , Myst.
Lunae a. a. O. 1940, p. 76.
210 . Für G ioacchino da F iori war das Gold ein Bild der vollkommenen geistigen
Mönchsorden im Gegensatz zum Blei, dem verfallenen Klerus. Concord. IV, 25. Etenim
ordo ille qui pro claritate sapientiae dici poterat aurum modo obscuratum est et rursum
velut in nigrum plumbum, Cit. nach C hr . H ahn , Ketzergeschichte des Mittelalters,
1. c. Bd. III, p. 101.
KOMMENTAR 405
211 . Am ehesten läßt sich hiermit die Lehre des G ioacchino da F iori vergleichen
von den drei Weltzeitaltern: (Cone. II, Tract. I, cit. aus H ahn III, p. 108-111.)
406 KOMMENTAR
zu ihrem B räutigam Christus b e k e h rt212, ist das Ich des V erfassers nicht
m eh r als gesonderte G estalt vorhanden; als Mensch ist er nur noch einer
der «pauperes» oder der «filii» des göttlichen Paares - ein anonym er
T eil der M enschheit in anderen T extp artien scheint er sich m it dem
B räutigam identisch zu fühlen. D er dargestellte Zustand entspricht so
m it einer Auslöschung des individuellen Bewußtseins und einem A u f
gehen im kollektiven Unbewußten. Es könnte sich dabei um einen ab
norm en seelischen Zustand handeln, aber die groß e H äu fu n g von M o ti
ven, w elche in anderen Vorstellungskreisen m it dem T o d e verbunden
sind, lassen die A nn ah m e nicht abw egig erscheinen, daß es sich um
einen in der N ä h e des T odes erlebten ekstatischen (o d e r deliriösen) Z u
stand handelt. D e r Individuationsprozeß, der sich in der alchem isti-
schen Symbolik w iederspiegelt, ist ja in gewissem Sinn eine V orb erei
tung auf den T o d , als das natürliche E nde des V o rgan ges, der eine m ö g
lichst vollständige E n tfaltu n g aller in der Persönlichkeit angelegten
Potenzen zum Z iele hat.
212 . Vgl. B. H annah , Hugh de St. Victors Conversation with his Anima. «Harvest»
Privatdruck des Analyt. Psych. Clubs. London 1954 p. 23 ff.
IV
B
evo r s89
1. Am ehesten ließen sich noch gewisse Zitate bei H ippolytos aus gnostischen
Schriften vergleichen, in denen man jene selbe Kettenassoziation archetypischer Bilder
antrifft, deren Sinnzusammenhang nur durch psychologische Deutung erweisbar wird.
da Stil und In h alt der A u ro ra m it dem jenigen der uns sonst bekannten
Schriften des H l . T homas so stark w ie nur m öglich kontrastiert. Es
bleibt aber zu bedenken, daß die A u ro ra w ahrscheinlich - wie oben aus
gefü h rt - aus der Erschütterung bei einer B egegn u n g m it dem U n b e
w ußten entstanden ist, weshalb die M öglichkeit besteht, daß eine solche
Schrift inhaltlich und form al kom plem entär bzw. kom pensatorisch zu
einer ganz anders beschaffenen Bew ußtseinslage und deren A usdrucks
weise sich verhalten könnte. Z u m Beispiel könnte der T rak tat eine zu
intellektuelle, in logistischen Schranken befangene Einstellung, w elche
dem G efühl, der E m otionalität und der mystischen P arad oxie zu w enig
lebendige A usdrucksm öglichkeit bot, kom pensieren. In diesem F alle
w ürde die A u rora die E n tlad u ng jener En ergien , w elche durch die E n ge
des Bew ußtseins aufgestaut w aren, darstellen 4.
versucht, die Echtheit des Tractates De Lapide philos. nachzuweisen und signalisiert,
daß ein Ms. mit dem Incipit: Sicut lilium inter spinas ebenfalls echt sei. G. M eyrink ,
Thomas von Aquino Abhandlung über den Stein der Weisen. München, Wien 1925,
p. 23. Das Ms. Sicut lilium wurde als L i b e r L il i i B e n e d ic t i gedruckt im Theatr. Chem.
1. c. Vol. 4, p. 959. - Auch K. C hr . Schmieder , Geschichte der Alchemie, Halle 1832,
p. 139, glaubt an die Echtheit dieser alchemistischen Thomas-Schriften. A. E. W aite
(Lives of Aich. Philosophers. London 1888, p. 6 1 -6 3 ) hingegen hält den T h e s a u r u s
A lc h e m ia e für echt, alle anderen Schriften hingegen nicht. J u l . R uska , T u r b a 1. c.
p. 339, erwähnt ferner einen C o m m e n tu m B e a t i T h o r n a e d e A q u in o s u p e r c o d ic e m
v er ita tis q u i et T u r b a p h y lo s o fo r u m d ic itu r und einen zweiten Commentar: In T u r b a m
b r e v io r e m . Der erstere fängt ähnlich wie die Aurora mit einem Salomon-Citat an. Leider
konnte ich mir kein Exemplar dieser Schriften verschaffen. Vielleicht ist eine dieser
Schriften identisch mit dem im C la n g o r B u c c in a e citierten Compendium des H l . T homas
(Artis Aurif. 1610 II, p. 329). Vgl. auch E. v. L ippmann , Gesch. der Alchemie 1. c.
1931, Vol. II, p. 28. In k e in e r d ie s e r S c h r ifte n , d e r e n E c h th e its p r o b le m h ie r n ic h t d is -
c u tiert w e r d e n k a n n , la s s e n s ic h p o s it iv e o d e r n e g a tiv e V e r b in d u n g s lin ie n z u r A u r o r a
z ie h e n . D i e A u r o r a is t e in e s tilis tis c h u n d in h a ltlic h v ö llig e in z ig a r t ig e S c h r ift. - Nur
im Tractat, der dem Frater Reinaldus gewidmet ist, Theatr. Chem. 1659. III, p. 278,
finden sich der Aurora ähnliche Citate von der Notwendigkeit der Geduld und Bedäch
tigkeit, aber als A vicenna - und GEBER-Citate im Gegensatz zur Aurora, wo diese Worte
M orienus und Calid zugeschrieben sind. Weiterhin spricht dort T homas von «seinem
Lehrer A lbertus » gegen seine sonstige Gewohnheit A lbert den G rossen nicht zu
erwähnen. Und ebenda (p. 279) steht zusammenhanglos der Satz, man solle in den
ersten Tagen früh aufstehen und nachsehen, ob der Weinberg blühe - ein Ausspruch
aus dem Hohenlied, der in der Aurora organisch, hier hingegen unorganisch eingefügt
ist. Ich wage allerdings nicht zu entscheiden, ob dieser Satz auf die Aurora anspielt,
halte es aber für wahrscheinlich.
4. Das scholastische Denken im Allgemeinen und die «Summa» des H l . T homas
im Besonderen, mit seiner starren, nach den Gesetzen der damaligen Logik aufgebauten
Aufteilung in Quaestionen und Responsionen sind ein Musterbeispiel für eine solche
Bewußtseinsstruktur.
410 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER ?
5. Vgl. A ngelo W a lz , San Tommaso d’Aquino Rom 1944 und die dort angegebene
Literatur (bes. die Schriften von M artin G rabmann ) und V. J . B ourke , Thomistic
Bibliography 1920-1940. St. Louis Mo. 1945 und P. W y ser : Thomas v. Aquin. Biblio
graph. Einführungen etc. ed. B ochenski. Bern 1950. Für die Quellen vgl. Fontes Vitae
St. Th. A. ed. D. P ruemner Fase. I—III 1911-1934.
6. von ursprünglich langobardischer Herkunft.
7. von neapolitanischem Adel oder von Teate, ursprünglich normannischer Herkunft.
8. Vgl. auch A. D. Sertillanges , Der Heilige Thomas von Aquin. Hellerau 1928,
p. 23 und M. D. C henu , Introduction a l’etude de S. Thomas d’Aquin. Paris 1950
passim bes. p. 11 ff. Leider konnte ich mir die neuere Arbeit von L. H. P etito t , La vie
integrale de Saint Thomas d’Aquin. M. ed. Paris 1930 nicht in der Schweiz verschaffen,
so benütze ich im Folgenden nur sein Werk: Saint Thomas d’Aquin, La vocation,
L’oeuvre, La vie spirituelle. Paris 1923. Weniger brauchbar erweist sich M. G rab
mann , Das Seelenleben des Heiligen Thomas von Aquin, München 1924, da es wenig
Tatsachen bringt und eher einen Panegyrikus darstellt. Vgl. jedoch die dort angegebene
Literatur.
9. P etitot , St. Thomas 1. c. p. 17. Sein Großvater, der Graf von Sommacle, war
Generalleutnant Barbarossas.
10. W alz 1. c. p. 11, Sertillanges 1. c. p. 25, Chenu 1. c. p. 11, P etitot , p. 16. Tocco,
Fontes 1. c. II p. 69.
11 . W alz 1. c. p. 20.
12. P etito t , St. Thomas p. 19.
13. W alz 1. c. p. 26. Infolge des Protektorats Friedrichs II.
14. Vgl. H askins, M ichael Scot and F rederick II. «Isis» IV. 1922. p. 250-275.
und W alz p. 26. Vgl. M. G rabmann , Methoden und Hilfsmittel des Aristotelesstu
diums im Mittelalter. Sitzgsber. der bayr. Akad. d. Wiss. Jahr 1939, H 5, p. 64 f.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER? 411
verm utlich w ar, der ihn zum E in tritt in den D om inikanerorden be
w egte x*. E r w urde ca. 1 2 4 0 / 4 1 oder w ahrscheinlicher 1 2 4 3 / 4 4 in
vestiert 1
5l617. Seine M u tter jedoch w ollte ihn n ich t fü r ihre eigenen sippen
politischen P läne verlieren *7, sondern der w eltlichen K a rrie re erhalten,
und au f ihr A n stiften und w ahrscheinlich m it Zu stim m u n g F r i e d
r ic h s II. entführten ihn seine B r ü d e r 1819und hielten ihn in dem K astell
A quapendente au f der väterlichen D om än e ^ g efan gen . D ie Fam ilie
schickte schöne H etaeren in sein G efängnis, u m ihn zur W e lt zurück
zulocken, aber er soll eine von ihnen m it einem glühenden Scheit des
K am infeuers v erjag t h a b e n 20, und in der N a ch t d arau f soll er eine
V ision gehabt haben, in w elcher ihm zwei E n g el den G ürtel der K eu sch
heit gaben, so daß er v or Schm erz aufschreiend e rw a ch te 21. Seither v er
abscheute er den A nblick von F ra u e n 2223. Inzw ischen w ar sein V orgesetz
ter zum G eneralkapitel nach B o log n a gereist, u m zu intervenieren. A m
2 5 . Ju li 1 2 4 3 w ar auch ein neuer Papst, I n n o z e n z der V ie r t e , gew ählt
w orden, und im Ju li 1 2 4 5 erklärte dieser die A bsetzung F r ie d r ic h s II.
U n g efäh r zur selben Z eit gab die Fam ilie nach, und T homas w urde w ie
der freigelassen 23, w orau f er nach N eap el zurückkehrte. Seine M u tter,
15. Monte Cassino gehört den Benediktinern, sodaß es näher gelegen hätte, er wäre
Benediktiner geworden.
16. Vgl. W alz p. 36. d. h. er wurde Novize für sechs Monate bis ein Jahr. Vgl.
auch P etitot , S. Thomas, p. 24.
17. Nach gewissen Versionen (vgl. P etitot 1. c.) nur nicht an die Dominikaner;
sie wollte ihn Benediktiner werden lassen, damit er später Abt von Monte Cassino werde.
18. Die Vorgesetzten hatten in Erwartung des Kommenden St . T homas nach Rom
gesandt, um ihn von dort nach Paris weiterzubringen. Der Überfall fand bei Acqua-
pendente statt. (W alz p. 40 sq.) T homas C antimprantanus , Bonum univ. de
apibus I. 20.
19. P etito t , St. Thomas p. 27.
20. P etitot , St. Thomas 1. c. p. 31. T o cco 1. c. p. 75.
21. W alz , p. 42, 44, 45. P etitot 1. c. p. 32. P etrus Calo , Fontes Vitae S. Thomae
Aquinatis ed. P ruem ner . Fase. I, Tolosa 1911 p. 23/24. Vgl. auch F. P elster , Kritische
Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des Großen. Freiburg i. Br. 1920,
p. 63 sq. bes. p. 71.
22. T o cco 1. c. p. 75: mulierum aspectum semper abhorruit. Damit hängt auch wohl
zusammen, daß Thomas dachte, die Frau sei eine F e h lle is t u n g d e r N a tu r, die eigentlich
ein männliches Wesen produzieren wollte: femina est mas occasionatus, quasi praeter
intentionem naturae proveniens. Vgl. Summa Theol. I. 99 2. ob. 2. und ad 1. S. Theol.
I. 92. 1. ob. 1. et ad 1. 2 Sent, 20. 2 1. ob. 1. 3. Sent. 11. 1. 1 c. Ich verdanke diesen
Hinweis Dr. P aulus Z acharias .
23. Vgl. W alz p. 45-47. Nach anderer Version entrann er. P etitot 1. c. p. 34.
T occo, Fontes 1. c. p. 77.
412 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?
die sehr h art gewesen zu sein scheint, soll ihm seinen W id erstan d nie
verziehen h a b e n 2*.
B ald darau f (ca . 1 2 4 5 ) begab er sich nach Paris und später (ca. 1 2 4 8 )
nach K ö ln zu A l b e r t dem G r o s s e n 2* (ca . 1 2 4 8 ) . D ie B egegn u n g m it
diesem hochbedeutenden M an n scheint ein tief einschneidendes E rleb
nis fü r den jungen T homas gewesen zu sein. Es w ird erzählt, er sei in
den ersten Z eiten in K ö ln so stum m und in sich gekehrt gew esen, daß
seine M itschüler ihn das «stum m e R ind» (bos m utus) genannt hätten.
N u r A l b e r t u s habe seine B egabung erkannt und prophezeit, daß dieser
«bos mutus» noch dereinst in der L eh re m it seinem B rüllen den Erdkreis
erfüllen w e rd e 2452627. A l b e r t u s h at ihn dann zu jener Z eit in die brennen
den Problem e, in die ganze geistige F ragestellun g jener Z eit, eingeführt
und ihm auch die nähere B ekanntschaft der aristotelischen Schriften, der
naturw issenschaftlichen L iteratu r der arabischen Peripatetiker und nicht
zuletzt der Schriften des A v ic e n n a und der alchem istischen Philosophie
der A rab er verm ittelt.
Es sind näm lich die Ja h re von 1 2 4 5 - 1 2 5 0 , also die Z e it des ersten
Zusam m entreffens m it T h o m a s, in der sich A l b e r t besonders intensiv
m it A lchem ie und okkulten Problem en a b g a b 2?. M an kann sich denken,
w elchen Eindruck die Persönlichkeit und V orstellungsw elt dieses tem pe
ram entvollen, freidenkenden G elehrten au f T homas m achte. A l b e r t u s
scheint psychologisch zum extravertierten Typus g eh ö rt zu haben, sein
28. W ie T horndike (1. c . II, p. 530-531) hervorhebt, ist A lbert in seinen natur
wissenschaftlichen Arbeiten weitaus am originellsten.
29. Vgl. seine Worte in: De causis et probrietatibus elementorum. I, II, 9- (Cit.
T horndike II, p. 538). Non autem sufficit scire in universali sed quaerimus scire
unum quodque secundum quod in propria natura se habet, hoc enim optimum et per
fectum est genus sciendi.
30. Vgl. T horndike 1. c. II, p. 538-541.
31. Min. IV, I, 6: Hi autem qui in cupro multum operantur in nostris partibus
Parisiis videlicet ac Coloniae et in aliis locis in quibus fui et vidi et experiri . . .
32. In: De sommo et vigilia II, I, 1 (Borgnet, Bd. V, p. 24) erklärt er —A vicenna
und A lgazel citierend - die Fascination (gleich Hypnose und Suggestion im modernen
Sprachgebrauch) und magische Einflußkräfte von Mensch zu Mensch, als aus der
menschlichen Seele stammend. Ebenso in: De min. Lib. II, cap. 1 (Cöln 1569 1. c.) p. 23:
et hoc modo dicunt animam unius hominis vel alterius animalis egredi in alterum
et fascinare ipsum et impedire operationes ipsius. Diese Ansicht stimmt auffallend mit
derjenigen im L i b e r a g g r e g a t io n is überein, und bestärkt die Annahme der Echtheit
letzterer Schrift.
33. Cit. T horndike , History etc. II, p. 547.
34. Er glaubte an die magischen Wirkungen von Steinen, Pflanzen etc., an Liebes
zauber, an Herstellung von Siegeln. Vgl. T horndike 1. c. II, p. 557.
35. Min. III, 3, 5. T horndike ebda.
36. Vgl. auch II, 1, 9. Borgnet a. a. O. Bd. V, p. 24.
414 IS T T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?
d. h. sie beruhe auf okkulten K räften der menschlichen Seele 37? w elche
ihrerseits von den «virtutes coelestes» den Im puls zu solchen O peratio
nen empfange 38. D ie Sterne aber seien die Instrum ente G ottes p ar
excellence, durch die er die sublunare W e lt regiere 39 . M it A vicenna
hielt er es zw ar fü r m öglich, daß m an die M etalle zuerst au f natürlichem
W e g e reinigen und zu ihrer m ateria prim a, Schw efel oder M ercurius,
reduzieren könne. N ach h er könne m an sie jedoch nur «m agisch» - unter
B erücksichtigung der E lem enten- und H im m elskräfte - zu einem g e
wünschten M etall verw andeln 4°. D ie chem ische Analyse w äre m . a. W .
physikalisch, die Synthese hingegen nur psychologisch erreichbar. D ie
m eisten A lchem isten, fä h rt A lbertus fo rt, w ürden dabei falsch Vor
gehen und nur oberflächliche Färbungen der M etalle zustande bringen.
D ieselbe Einstellung gegenüber der A lchem ie finden w ir auch w ieder
in der E inleitung zu dem echten ( ? ) W e rk «D e A lch em ia», w orin er
erzählt, daß er als «exu l» (verb an n t? oder: in frem d em L a n d ?) lange
herum reiste und vielen E xp erim enten beiw ohnte, die aber alle erfolglos
verliefen ; daß er aber dann schließlich durch die G nade des H l. Geistes 378940
41. Vgl. T horndike 1. c. II, p. 530-531. Vgl. das etwas zu scharfe Urteil von Ser -
tillanges 1. c. p. 39, der ihm Oberflächlichkeit vorwirft. C henu 1. c. p. 97 spricht von
seiner «faconde presque desordonnee»!
42. J ung beschreibt diesen Typus u. a. folgendermaßen: « . .. D e r Intuitive findet
sich nie dort, wo allgemein anerkannte Wirklichkeitswerte zu finden sind, sondern immer
da, wo Möglichkeiten vorhanden sind. Er hat eine feine Witterung für Keimendes und
Zukunft Versprechendes . . . Er erfaßt neue Objekte und Wege mit großer Intensität. . .
Die Moralität des Intuitiven ist weder intellektuell noch gefühlsmäßig, sondern er hat
seine eigene Moral, nämlich die Treue zu seinen eigenen Anschauungen . . . » Die unbe
wußte inferiore Empfindung äußert sich nach J ung (p. 506) u. a. in Zwangsbindungen
an Leute oder Objekte, in Krankheitswitterungen und in neurotisches Verfallen an
hypochondrische Zwangsideen, Phobien und absurde Körperempfindungen. Etwas hie
von könnte die Altersmelancholie des A lbertus und seine fast übertriebene Trauer
um St . T homas beleuchten.
43. M andonnet (Albert le Grand. Diction. de Theologie Cath. Paris 1909 col. 671.)
sagt von A lbertus : «il joua un veritable röle de revelateur intellectuel. . . » Und W alz
(Angelicum 1. c. p. 311) sagt:« sicut d iv in a n s ( ! ) quondam ingenium splendide incres
cens fratris Thomae commendavit, ita postea p r o p h e t a fu it de magistri Thomae doctri
nae victoria perenni.» (Sperrungen von mir.)
44. G uil . de T occo 1. c. p. 662: Erat autem praedictus puer non verbis garrulus
sed meditari intra se incipiens taciturnus.
45. ebda.: erat animo emissus quod modestiam, verecundiam, oboediendi facili
tatem habebat.
46. P etitot , St. Thomas 1. c. p. 18.
416 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?
Ängstliches an sich, was seine Sensitivität verrät 47? vielleicht auch eine
gewisse Schwäche gegenüber dieser Sphäre, die er als teuflisch und be
drohlich von sich wies. Seit jener Zeit verhielt er sich bekanntlich aus
gesprochen abwehrend gegenüber F r a u e n 4 8. Auch seine jeweilige U n
sicherheit vor dem Auftreten in der Öffentlichkeit spricht für eine intro
vertierte Anlage. A ls er z. B. in Paris seine Antrittsrede 49 als Magister
halten sollte *°, erfaßte ihn große Scheu. D a erschien ihm im Traum ein
greiser Ordensbruder, welcher zu ihm sprach: «Siehe, du bist erhört
worden; nimm die Last des Magisteriums auf dich, denn Gott ist mit
dir. Für deinen Predigttext aber ( T h o m a s wußte nicht, über welchen
Text er reden sollte) nimm dir folgende Stelle: Rigans montes de supe
rioribus tuis, de fructu operum tuorum satiabitur terra (Ps. 104: ,Du be
feuchtest die Berge von oben her; von deiner W erke Frucht wird die
Erde gesättigt werden/) h .» T h o m a s hielt sich an diesen Traumbefehl
und predigte über diese Psalmstelle (die auch in der Aurora zitiert ist).
D ie Traumfigur *2 wies - psychologisch betrachtet - den Träumer darauf
hin, sich mehr auf die Inspiration des Unbewußten zu verlassen. Offen
bar neigte er im Bewußtsein dazu, sich in intellektuelle Überlegungen
und Anordnungen zu verlieren.
Falls die oben abgeleitete psychologische Typenzuordnung richtig ist,
wäre die Freundschaft, die A l b e r t u s und T h o m a s verband, besonders
verständlich, indem beide die einander komplementär ergänzenden Ein
stellungstypen 53 darstellten. Dem Funktionstypus *4 nach bildeten sie
allerdings nicht völlige Kontraste, sondern neigten beide mehr zur
Denk-Intuitionsseite, aber A l b e r t gehörte zum irrationalen, T h o m a s
zum rationalen Typus, was jeweils ebenfalls eine gegenseitige Anregung
und Ergänzung bewirkt. D aß A l b e r t u s den Tod seines Freundes tele
pathisch gefühlt hat, weist auf eine gewisse «participation mystique»4 3
12
0
5
9
8
7
47. Vgl. P etitot 1. c. p. 39: «Nous verrons que le Saint etait extremement, etonna-
ment sensible, ses confreres et disciples plus durs en etaient surpris, miro modo passi
bilis. Cette deücatesse toute italienne et presque feminine . . . etc.»
48. W h . v. T o cco 1. c. p. 75: aspectum mulierum semper abhorruit.
49. Prolusio.
50. ca. 1256 . Vgl. Sertillanges 1. c. p. 24.
51. Tocco, Fontes 1. c. p. 85: «Ecce exauditus es, suscipe onus Magisterii, quia Deus
tecum est. Pro tuo autem principio nihil aliud proponas nisi hoc: Rigans montes» etc.
52. Eine Personifikation des Archetypus des «alten Weisen».
53. Einstellungstypen: extravertiert - introvertiert.
54. Funktionstypen: Denken, Fühlen, Empfindung, Intuition.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 417
Käm pfe abspielten, und daß er von den religiösen Problemen seiner
unruhigen Zeit persönlich aufs stärkste berührt war.
A ls ein weiterer Hinweis auf leidenschaftliche innere Auseinander
setzungen und Zw eifel könnten verschiedene von ihm berichtete Traum-
Visionen gelten, in denen ihm die Gottesmutter, Christus oder Paulus
erschienen. Bezeichnenderweise ging er alle diese Personen als erstes
mit der eigenartigen Frage an, ob es recht sei, was er geschrieben habe6o.
Bei einem Menschen, der nicht von Zw eifeln am eigenen W erk (mehr
noch als an den Glaubensinhalten) gequält ist, würde man eher eine
Geste der Anbetung und Verehrung erwarten, als eine solch’ ängstliche
Frage. Offensichtlich war es weniger die metaphysische Realität jener
Personen, an der er zweifelte, als die Form, in der er selber versucht
hatte, deren W esen intellektuell zu definieren.
In seinem W erk zeigt sich ebenfalls eine gewisse Doppelheit der
schöpferischen Möglichkeiten, hat er doch einerseits seine Hauptwerke
im trockenen, logischen, scholastischen Stil seiner Zeit geschrieben (sem-
per loquitur form aliter!61), daneben aber religiöse Lieder und Predigten
von großer dichterischer Schönheit verfaß t62. W il h e l m v o n T o c c o
behauptet sogar, er habe vieles in einer A rt Ekstase (in raptu mentis)
niedergeschrieben 63. Keine der bekannten Dichtungen reicht allerdings
auch nur im Entferntesten an die Gefühlsintensität der Aurora heran.
T h o m a s muß m. E. ein Mensch von großen Gegensatzspannungen zw i
schen G efühl und Intellekt gewesen sein. Vermutlich gehörte er, wie
schon gesagt, zum introvertierten Denktypus. Sein Denken ist nämlich
nicht objektbezogen, sondern gründet sich auf Ideen. Ihn interessierten
z. B. mehr das Systematische, Prinzipielle der Aristotelischen Naturauf
fassung als die D etailfragen6«. Man könnte sich darum vorstellen, daß
60. Guil . de T occo 1. c. Acta Boll. p. 664. Fontes p. 106-107.
61. Dies sagte von ihm Cajetan , cit. nach M. D. C henu, Introduction 1. c. p. 93.
62. P etitot erwähnt seine Predigt vor dem Consistorium für die Institution des
Festes des Altarsakramentes: «il est tout lyrique en exclamations et d’une seule venue
Sans distinctions, divisions.» St. Thomas d’Aquin 1923, p. 143.
63. Vita di S. Thomaso 1. c. p. 665. Er spricht sogar von einem «continuum mentis
raptum». Vgl. W alz , Angelicum 1. c. Anm. 44, p. 316.
64. Vgl. auch die Bemerkung von E. Gilson, Pourquoi St. Thomas etc. Archives
etc. Vol. I, p. 125, wonach der Entstehungsprozeß der Gedanken von Thomas undurch
sichtig sei: «St. Thomas ne nous a laisse ni ,Discours de la methode’, ni ,Confessions’
et rien ne nous permets de deviner par suite de quelle evolution se sont constitues les
principes de sa Philosophie. . . cette Minerve est sortie toute armee du cerveau
de Jupiter . . . »
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 419
65. Deshalb nannte ihn sein Zeitgenosse E ngelbert von Strassburg einen «exper
tus in magicis». Vgl. P eter v . Prussia (1621) p. 126, cit. nach L. T horndike, History
etc. Vol. II, p. 549 ff. Die Magie beruht nach A lbertus auf Dämoneneinwirkungen
(T horndike, Hist. II, p. 551), wobei die Dämonen von den Sternen unterstützt werden.
Es gibt eine «richtige» oder positive Magie. Ihrer Meister (magistri) sind Leute, die
über die Sterne und Naturzusammenhänge philosophieren. (Vgl. In Evang. Math. II. 1,
wo er die Weisen aus dem Morgenland als solche «magistri» bezeichnet und In Daniel
I. 20: Magi dicuntur . . . quasi m a g is tr i q u i de universis philosophantur.)
66. II, II, 96 Art. 2: Res autem naturales habent quasdam virtutes occultas quarum
ratio ab homine assignari non potest. Vgl. T horndike 1. c. II, p. 603 und 607.
67. Zu diesen können nach seiner Ansicht noch astrologische und Dämonenein
wirkungen dazukommen. Vgl. L. T horndike Hist. 1. c. II, p. 603.
68. Meteor. III, 9. «Unde etiam ipsi Alchemistae per v er a m a r te m a lc b im ia e sed
tamen difficilem, propter occultas operationes virtutis coelestis . . . » Vgl. T horndike
1. c. II, p. 607 ff. Vgl. ebda, die Belege für St. Thomas, Glaube an die Astrologie: Es
gibt nach St . T homas eine «impressio formae a superioribus» d. h. durch die Sterne,
welche so wirkt «wie der Magnet das Eisen anzieht». Cod. Vat. Urb. 1491, fol. 76-77.
(Auch über Hypnose und Fascination hat T homas ähnliche Ansichten wie A lbertus.
Vgl. Contra Gent. III. 103. und Summa theol. I. 117. 3.) Die Sterne werden nach
T homas von den Engeln bewegt. (T horndike II, p. 608-609.) Gott benützt sie zur
Lenkung der untern W elt. Vgl. auch F. B oll, Sternglaube etc., p. 39 und 112. Auch die
humores des Menschen werden von den Sternen beeinflußt. (De Veritate X II. 10 und
Summa theol. II. II. 95. 6. ad 1.)
69. In quattuor libros sentent. P etri L ombardi: Alchimistae faciunt aliquid simile
auro quantum ad accidentia exteriores: sed tamen non faciunt verum aurum quia fo r m a
420 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER?
substantialis auri non est per calorem ignis quo utuntur alchimistae sed per calorem
solis in loco determinato ubi viget virtus numeralis, et ideo tale aurum non habet
operationem consequentem speciem et similiter in aliis quae per eorum operatio
nem fiunt.
70. Ähnliche Anschauungen finden sich in der zweifelhaft echten Schrift: De Lapide
Philosoph. Vgl. G. M eyrink 1. c. p. 3 und bei Roger Bacon, De speculis comburen
tibus. ed. Little 1. c. p. 394. Vielleicht liegt in allen Fällen eine Quellengemeinschaft
mit W itelo vor.
71. Die natürlichen Zahlen spielen, wie wir heute wissen, eine essentielle Rolle
bei allen Methoden, welche zur Erfassung des S y n c h r o n iz itä ts p h ä n o m e n s erdacht wurden.
Vgl. C. G. J ung, Naturerklärung und Psyche 1. c. bes. p. 43. Vielleicht dachte St . T ho
mas an solche Zusammenhänge?
72. Es ist zu bemerken, daß die Schrift «De occultis operationibus naturae ad quen-
dam militem» relativ spät ist, und daß die (späte) Summa der Alchemie günstiger ge
sinnt ist als der frühe Sentenzkommentar. T horndike 1. c. II, p. 602 ff.
73. Es ist mir in diesem ganz anderen Zusammenhang nicht möglich, die JUNGSche
Typenlehre im Detail wiederzugeben und ich muß daher den Leser prinzipiell auf
C. G. J ung, Psychologische Typen, verweisen.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER? 421
becke usw. In die zweite Pariser Zeit fällt der berühmte Averro'isten-
streit und am 10. Dezember 1270 wurde die Verdammung einiger The
sen des H l . T h o m a s ausgesprochen. Vielleicht fällt das Ereignis am
Hofdiner bei L u d w i g IX . auch erst in diese Z e it8l, in welcher er mehr
und mehr zum offiziellen Verteidiger des katholischen Glaubens gegen
die zeitgenössischen Haeresien wurde.
Der Dominikanerorden, dem T h o m a s angehörte, sowie der Fran- 606
74. Der Bruder von St. Thomas Raynaldus war ein bekannter Dichter von Liebes
gedichten und Erzähler pikanter Geschichten. Die Schrift von St. Thomas scheint sehr
«päteuse» gewesen zu sein. ( P e t it o t p. 31 und 4 2 ). So wäre ein gezügeltes sinnliches
Temparament bei St. Thomas denkbar.
75. Vgl. W alz 1. c. p. 98.
76. So in Anagni 1256 ( W a lz 1. c. p. 93/94), in Valenciennes 1259 ( W a l z 1. c.
p. 97/98) etc.
77. W alz l.c .p . 101-103.
78. Für die Reihenfolge etc. der Werke vgl. W alz passim.
79. W alz p. 114.
80. W alz p. 117 ff.
81. W alz p. 146.
82. Vgl. bes. C h e n u 1. c. p. 34.
422 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER?
diese durch den Druck des Islam und der Tartaren 83, von innen durch
den V erfall der Adelsgemeinschaft und die Städtebildung begünstigt.
Die Bettelorden betrachteten es als ihre Aufgabe, die Kirche zu refor
mieren, sowie die in Sektiererei und Heidentum abgleitenden Volks
massen wieder zu ihr zurückzuführen. D ie Franziskaner übernahmen
dabei mehr die praktische Seelsorge im Volke, die Dominikaner hin
gegen betrachteten die wissenschaftliche Bekämpfung der Haeresien als
ihre Hauptaufgabe, wobei sie sich selber in einem W ortspiel als domini
canes - Wachthunde Gottes - bezeichneten. D a keine ernsthafte Aus
einandersetzung ohne teilweise Angleichung an den Gegner möglich
ist, scheint es begreiflich, daß ein Teil der Franziskaner in eine haere-
tisch-religiöse Volksbewegung abglitt, welche sich Tertiarier nannte, und
welche sich später fast ununterscheidbar mit den sog. Beginen und
Begharden, den Fratres pauperes oder «Brüdern des Freien Geistes» und
anderen Sekten verschmolzen8*. Auch die Dominikaner und gerade
T h o m a s , sowie sein Lehrer A l b e r t u s , gerieten in Konflikt mit engstir
nigen Vertretern der Kirche (wie W il h e l m v o n S t . A m o u r ) , weil sie
angeblich allzuviel arabischen Aristotelismus8* in ihre theologischen
Anschauungen aufgenommen hatten und den freiem Richtungen der
Bettelorden zuviel Schutz gewährten. T h o m a s allein hat drei Verteidi
gungsschriften für die Bettelorden verfaßt, und er, wie auch A l b e r t u s
M a g n u s unternahmen verschiedene Reisen nach Rom, um ihren Orden
zu verteidigen 8<\ Von A l b e r t u s ist sogar ein wesentliches Dokument
über die Beginen und Begharden erhalten, das er offensichtlich notiert
hatte, um diese Bewegung, deren Zentrum sich in Köln befand, gegen
die Inquisition in Schutz zu nehmen g7. Er und ebenso T h o m a s weisen8 7
6
5
4
3
88. Summa I, quaest. 3. Art. 8. Vgl. hiezu J. Η. K r o e n l e in , Amalrich von Bena und
David von Dinant. Theol. Studien und Kritiken, Hamburg 1847, Heft 2. p . 282. D a v id
v o n D in a n t scheint von J o h . Sco tu s E r ig e n a und dessen pantheistischer Lehre beein
flußt. (ebda. p. 284 und p. 303) Vgl. ferner G. T h e r y : Autour du decret de 1210:
Bibliotheque Thomiste V I et V II, Kain (Belg.) 1925, 2 Vols.
89. Sec. sent. lib. dist. 17 quaest. 1 art. 1 solutio. Über A m a l r ic h v o n B en a vgl.
K r o e n l e in a. a. O . p . 282 u. 284. D a v id v o n D in a n t war A lb ertu s wohl durch
B a l d o u in bekannt, vgl. seine Summa I, Tract. 4 quaest. 20 membr. 2. und II. 12. 72.
4. 2. Vgl. K r o e n l e in a. a. O . p. 302-303, 311-314. Vgl. T hom as v . A q u in Summa
theol. I Quaest 3, Art. 8.
90. Vgl. P e t it o t St. Thomas p. 71.
91. T hom as v o n A q u in , Opera ed. Ven. 1754 X I X Opusc. X V I (Contra impugnan
tes), Ich citiere es aus C h r . H a h n , Geschichte der Ketzer im Mittelalter, Stuttgart 1850,
Bd. III, p. 159: Unde cum quidam iam Christi Evangelium mutari conentur, in quod-
dam Evangelium, quod dicunt aeternum, manifeste dicunt instare tempora Antichristi.
Hoc autem Evangelium de quo loquuntur (nämlich von Wilhelm von St. Amour und
seine Anhänger) est quoddam introductorium in libros Joachim compositum, quod est
ab Ecclesia reprobatum, vel etiam ipsa doctrina Joachim, per quam ut dicunt Evangelium
mutatur, unde cum doctrina praedicta, quam legem Antichristi dicunt, sit Parisiis expo
sita, signum est tempus Antichristi instare. S e d d o c tr in a m J o a c h im v e l illiu s In tr o -
d u c to r ii q u a m v is a lia r e p r o b a n d a c o n tin e a t, e s s e d o c tr in a m , q u a m p r a e d ic a v it A n ti-
ch ristu s, fa ls u m est.
92. C h e n u nennt Gioacchino da Fiori ein «echo sonore des aspirations de son temps»
p. 39 flf.
93. W a l z 1. c. p. 169.
Zustände, w ie sie die G eschichte von dem «Schluß gegen die M anichäer»
berichtet, w urden in jener Z e it im m er häufiger w, einm al erlitt er einen
solchen «raptus m entis» sogar in G egenw art eines röm ischen K ardinals,
w iederholt auch beim Lesen der M esse. W ä h re n d letzterer brach er auch
o ft über das Leiden Christi in T rän en aus. Z eugen berichten sogar von
Levitationen 9$, A u f innere K onflikte m it dem Schatten weist folgender
B erich t W il h e l m v o n T occos h in ? 6:
A ls einm al ein neapolitanischer R ichter den H eiligen besuchte, und
die beiden au f einer offenen T errasse beim M eer au f und ab gingen,
sah d er R ich ter einen schwarzgekleideten Ä thiopier sich dem H eiligen
nähern. S t . T homas aber ballte die Fau st gegen ihn und rief ihm zu:
« W a g st du es noch, m ich w ieder zu versuchen?» D e r schwarze T eu fel,
der w ohl der D äm on des M ittags w ar, entfloh hierauf. (M a n denke an
die Ä thiopier als Symbol der N ig red o in der A u ro ra !)
B erichte solcher A rt, die teils historisch, teils legendär sind, dürfen
als «am biente» einer eindrucksvollen und spannungsreichen Persönlich
keit gelten, deren T iefen vom gew öhnlichen M enschen kaum geahnt
und noch w eniger verstanden w erden. Schon die g ro ß artig e Einseitig
keit seines der W e lt zugew andten Bew ußtseins verbürgt die Existenz
einer ganz anders gearteten Innenw elt, w elcher die A u fgab e zufällt,
das G leichgew icht der G esam tpersönlichkeit zu erhalten. B erichte über
ungew öhnliche biographische Tatsachen, w ie die V erzückungen und die
Legenden über w underbare U nbegreiflichkeiten geben K u n d e von die
sem unsichtbaren H in tergrun d , von dem sie ein andeutungsweises B ild
entw erfen. Sie gehören m ithin zur Erscheinungsw eise einer überragen
den Persönlichkeit und ergänzen ihr B ild nach der Seite der unbew ußten
Psyche, w elche sich m eist nur indirekt zum W o rte m eldet. D er P ro m i
nenz der R atio in diesem F a lle entspricht eine ebenso eindrückliche
G egenposition der natürlichen Psyche, w elche in um gekehrter E n tsp re
chung zu der w eltw eiten A usstrahlung des Bew ußtseins in die T iefen
der seelischen V ergan gen h eit und Z u k u n ft reicht und gegensätzliche
archetypische Inhalte belebt. D a alles belebte oder auferw eckte U n b e
w ußte zur B ew ußtw erdung drängt, so kann es nicht an A ndeutungen 9456
fehlen, w elche den K onflikt offenbaren. A u f alle F ä lle kann sich das
Bew ußtsein der inneren A h n u n g au f die D auer nicht entziehen, sondern
w ird sich veran laß t sehen, m it seinen rationalen M itteln , d. h. in diesem
F alle m it scholastisch-theologischer F orm u lierun g, das andrängende
G egensätzliche zu bew ältigen. D ieser V ersuch kann in A n b etrach t des
notw endigen V orhandenseins und der ebenso nötigen G leichgew ichts
funktion des G egensatzes nicht gelingen. Jed en falls hat sich im Leben
des H l . T homas der K o n trast der beiden Seelenhälften nicht ausgegli
chen, sondern w om öglich verstärkt. P e t i t o t spricht sogar von seiner
B efäh igu n g zu einem «dedoublement^». E r konnte sich z. B . durch
geistige K onzentration schm erzunem pfindlich m achen, und in ausge
sprochenen Absenzzuständen konnte er noch zur U m g eb u n g sprechen
und sogar diktieren, «w ie in einem hypnotischen Z u stan d ». E in eng
lischer Z eu ge behauptet, er habe von T homas D ik tate niedergeschrie
ben, während der H eilige s c h lie ft . N a ch der Lebensm itte fü h rte dann
diese Spannung zu jener krisenhaften Erschütterung, von der sein
Freu nd R e g in a l d von P ip e r n o berichtet. Es ist auch nicht als u n m ög
lich anzunehm en, daß sein frü h er T o d eine direkte oder indirekte F o lg e
der allzugroßen seelischen B elastung w ar w. D a T homas w ahrscheinlich
zu jenen M enschen gehörte, bei denen das hochdifferenzierte D enken
und die intellektuelle K on zentration den natürlichen M enschen m it sei
nem G efühlsanspruch v erd rän gt haben, g eriet das G efü hl m ehr und
m eh r in G egensatz zu der geistigen H altu n g des Bew ußtseins und er
richtete eine förm lich e G egenposition. V o n hier aus w ird die Ü berzeu
gu n g des Bew ußtseins beständig angegriffen und unterhöhlt. D am it
w ird ein «sentim ent d ’insuffisance» erzeugt - w ovon bei T hom as deut-
100. Nach T o cco (Vita 48) verlor er jeden Appetit und konnte gar nichts mehr
essen und starb dann an Schwächezuständen (er begann «nimia debilitate deficere . . . » ) .
Nach dem Tode kam ein Gerücht auf, daß der Heilige vergiftet worden sei. Vgl. P e t i -
TOT, St. Thomas 1. c. p. 155.
101. W a l z 1. c. p. 122/123. T o cco , Fontes 1. c. p. 118.
102. W a l z 1. c. p . 176. T o cco , Fontes 1. c. p . 118/119.
103. ohne Zwischenelement oder vermittelndes Gleichnis.
104. Fontes 1. c. p. 119 des Herrn der Tugenden.
105. Über diesen vgl. P. Mandonnet, Des ecrits authentiques de St. Thomas
d’Aquin II. Aufl. Fribourg 1910, p. 32.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER? 427
106. Acta Bolland ebda. 712 ff. Item dixit idem testis quod, cum dictus Frater Tho
mas, celebraret Missam in dicta capella S. Nicolai Neapoli, fuit m ir a m u ta tio n e c o m m o
tu s et post ipsam Missam non scripsit neque dictavit aliquid, immo suspendit organa
scriptionis in te r tia p a r te S u m m a e in tractatu D e P o e n ite n tia . Et dum idem Fr. Raynaldus
videret, quod ipse Fr. Thomas cessaverat scribere, dixit ei: Pater, quomodo dimisistis
opus tam grande, quod ad laudem Dei et illuminationem mundi coepistis ? Cui respondit
dictus Fr. Thomas: Non possum. Idem vero Fr. Raynaldus tim e n s n e p r o p t e r m u ltu m
stu d iu m in a liq u a m in c u rr is se t a m e n tia m instabat semper quod idem (p. 713) Fr. Tho
mas continuaret scripta et similiter ipse Fr. Thomas respondit: Raynalde non possum,
quia omnia quae scripsi videntur mihi paleae. Tunc Fr. Raynaldus stupefactus . . . (effe
cit) quod dictus Fr. Thomas iret ad Comitissam S. Severini sororem suam, quam cari-
tative diligebat; quo properavit magna cum difficultate et cum illuc accederet ipsi Commi-
tissae sibi ocurreret vix locutus est. Tunc Commitissa dixit dicto Fr. Raynaldo cum
magno timore: Quid est hoc, q u o d F r. T h o m a s to tu s est s tu p e fa c tu s e t v ix m ih i lo c u tu s
e s t ? Respondens idem Fr. Raynaldus ait: A fe s t o B . N ic o la i c irc a fu it in is to statu e t e x
tu n c n ih il sc r ip sit. Et idem Fr. Raynaldus coepit instare apud dictum Fr. Thomam ut
diceret illi, qua de causa scribere recusaverat et qua re ita stupefactus erat. Et post multas
interrogationes omni importunitate factas per ipsum Fr. Raynaldum, respondit Fr. Tho
mas eidem Fr. Raynaldo: E g o a d iu r o t e p e r D e u m v iv u m o m n ip o te n te m et p e r fid em
q u a m t e n e tis O rd in i n o str o et p e r c a r ita tem q u o m o d o str in g e ris , q u o d ea , q u a e d ix e r o
n u lli r e v e le s in v ita m ea . Et subiunxit illi: Omnia quae scripsi videntur mihi paleae
respectu eorum quae vidi et revelata sunt mihi. Praedicta vero Commitissa remanente
multum desolata, recessit Fr. Thomas et rediit Neapolim et deinde assumpsit iter eundi
ad Concilium iuxta vocationem sibi factam penitus nihil scribens. Et in itinere invasit
eum infirmitas in castro Magentiae de Campagna, de qua post modum decessit. Postea
vero elapsis aliquibus annis dictus Fr. Raynaldus infirmitate gravatus, de qua mortuus
fuit, confessus est in extremis suis Fr. Joanni de Judice de Ordine Praedicatorum
oriundo Anagnia, viro utique antiquo etc. Nach anderer Überlieferung fand die Vision
nicht in Neapel und etwas später statt.
428 I S T T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?
107. Prot, von Neapel p. 79; Vgl. T o cco cap. 47. Vgl. W a l z 1. c. p. 178. Er sagte
auch etwas später: «Für mich ist das Ende der schriftstellerischen Tätigkeit gekommen,
so hoffe ich, daß ich bald das Ende dieses Lebens erleben werde.» Vgl. S e r t i l l a n g e s
1. c. p. 27 und L. H. P e t i t o t , La mort de St. Thomas d’Aquin. Vie spirituelle X ,
1924, p. 318 ff.
108. W a l z 1. c. p . 179. Reginald sagt zur Gräfin (T o cco , cap. 4 8 ): «Frequenter in
spiritu rapitur, cum aliqua contemplatur, sed ex tot tempore sicut nunc numquam vidi
ipsum sic a sensibus alienatum.» Vgl. Bulletin Thomiste 1925 p. [1 8 ] 1. c.
109. Sie frägt «cum magno timore» Reginald warum Thomas so «stupefactus» sei.
P e t i t o t 1. c. p. 320.
110. W a l z 1. c. p. 181. Vgl. ferner T occo, Acta Boli. 1. c. p. 800: Item dixit dictus
testis, quod, quando quidem Fr. Thomas incepit gravari infirmitate in eodem castro Ma-
gentiae petiit cum multa devotione quod portaretur ad monasterium S. Mariae de Fossa-
nuova, sicque factum est. Et cum dictus Fr. Thomas intrasset monasterium infirmus et de
bilis, adhaesit per manum posti et dixit: haec est requies mea in seculum seculi etc. . . . Et
stetit in eodem monasterio pluribus diebus infirmus cum patientia et humilitate multa et
voluit sumere Corpus Salvatoris nostri. Et cum Corpus ipsum fuit illi portatum genuflexit
et cum verbis mirae et longae adorationis et glorificationis salutavit et adoravit ipsum
et ante sumptionem Corporis dixit: Sumo te pretium redemptionis animae meae, sumo
te viaticum peregrinationis meae, pro cuius amore studui, vigilavi et laboravi et prae
dicavi et docui, n ih il u n q u a m c o n tra t e d i x i , sed si quid dixi; ignorans, n e c su m p e r t i
n a x in sen su m e o , sed si quid male dixi, totum relinquo correctioni Ecclesiae Romanae.
Et subsequenter mortuus est et sepultus prope altare magnum ecclesiae ipsius mona-
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 429
T o c c o berichtet:
«U n d er blieb in jenem K loster, krank m ehrere T a g e lang in viel
G eduld und D em u t und v erlan gte nach einer confessio generalis und
nach dem A bendm ahl. B ev o r er es “ 4 unter vielen G ebeten zu sich nahm ,
sprach er: ,Ich nehm e D ich als Preis m einer Seele, ich nehm e D ich als
Reisekost m einer W an d eru n g , D ich , aus Liebe zu dem ich w achte und
m ich m ühte und p red igte und lehrte; n ie habe ich etwas gegen D ic h
gesagt, aber w enn ich es tat, dann aus Unw issenheit, ich beharre nich t
a u j m einem Sinn, sondern w enn ich etwas nicht recht gesagt habe, so
überlasse ich es ganz der K o rrek tu r durch die röm ische K irch e .’ U n d
danach starb er am 7 . M ärz und w urde begraben, nahe beim H ochaltar
der K irch e jenes K losters, beim K lostergarten , wo ein F lu ß fließt, aus
dem m an das W asser durch ein W asserrad schöpft und so den ganzen
O rt bewässert, wie dies besagter Z eu g e (B artolom aeus von C ap ua) sich
häufig und sorgfältig besehen h a t 1 1 5.»
D a keine beglaubigten B erichte vorliegen, w elche uns über den Inhalt
der offenbar überw ältigenden letzten V ision unterrichten, können w ir
nicht abklären, weshalb er sein W e rk abbrach und w ieso er kurz darauf
starb. ( E r w ar erst 4 8 oder höchstens 4 9 Jah re a l t II6.) A b er die Reaktion
sterii in loco palustri prope quoddam viridarium ipsius monasterii, ubi est fluvius,
ex quo perducitur aqua per rotam, per quam totus locus ille humectatur, sicut ipse
testis frequenter et diligenter inspexit.
111. Oder Faenza (P etito t ).
112. Er hatte jeden Appetit verloren, las aber noch unter vielen Tränen selber die
Messe (P etitot , p. 323). Nur Heringe aß er auf dringende Bitten Reginalds, da er
diese Speise sehr gern hatte.
113. Vgl. W alz l.c . p. 186 (T o cco , cap. 57).
114. am 4. oder 5. März. Vgl. W alz 1. c. p. 184.
115. Man vergleiche das: Rigans montes etc.!
116. Vgl. Sertillanges 1. c. p. 27. Später wurde in Gegenwart R eginalds von
Piperno der Leiche ein Daumen und der Kopf abgetrennt, in W ein gekocht, more
Teutonico, und der Gräfin von San Severino übergeben. Vgl. Bulletin Thomiste Annee
I No. 1, p. [2 0 ].
430 IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VERFASSER?
seinem eigenen W e rk , der «Sum m a», gegenüber, daß sie ihm w ie Stroh
vorkom m e, scheint m ir anzudeuten, daß diese letzte V ision (d . h. eine
unm ittelbare E rfa h ru n g des U n b ew uß ten ) ihn in einer Schicht seines
W esen s berührte, der gegenüber sein scholastisches D enken sich als
inadaequat offenbarte " 7 . A uch seine Ä u ß eru n g beim N eh m en des V ia-
ticum s ist eigenartig, näm lich daß er zu Christus sagte, er habe nie be
w u ß t etwas g egen ih n gesagt - psychologisch legt dies die V erm utu n g
nahe, daß die innere M ö g lich k eit, etwas U n o rth o d oxes über Christus
zu sagen, bestanden hat.
V ielleicht enthält die Tatsache, daß die Biograp h en berichten, er
habe auf seinem Sterbebett den M önchen von S. M aria d e Fossa-nuova
das H ohelied in te rp re tie rt117II8, einen H inw eis auf die inneren V o rgän g e
jener letzten T ag e, näm lich daß diese D ich tu n g der H l. Schrift dem in
der V ision G eschauten am nächsten kam oder am adaequatesten A usdruck
verlieh. D as H ohelied h at die M ystiker innerhalb der K irch e im m er
fasziniert ( H o n o r iu s von A u tu n , G reg o r der G ro sse, T eresa ,
den T o d o ft als eine V erein igu n g der G egensätze, d. h. als eine innere
G anzw erdung dar 12K Es scheint m ir deshalb m öglich, daß T h om as die
lange verd rän gte A n im a in jenem Erlebnis vor dem T o d e in G estalt der
Sapientia D ei und Sponsa gegenübertrat. E in B erich t des (späteren P a p
stes) S i x t u s von Sie n a 125126127 sagt, daß er m itten in einem Z ustand von
Ekstase bei den W o rte n «V enite, dilecti filii, egredim ini in h o r tu m . . . »
gestorben s e i Ι2?. E r verschied im anbrechenden M o rg e n g ra u e n I2812930.
S t . A l b e r t u s , der bekanntlich seinen Schüler überlebte, soll telepa
thisch den Tod esm om en t von T homas gefü h lt h a b e n I2?. A ls später die
bestätigende N ach rich t eintraf, soll er in g ro ß e r E rsch ü tteru n g gew eint
haben, und im m er, wenn hernach sein N a m e erw ähnt w urde, brach er
so h eftig in T rän en aus, daß sogar L eu te in seiner U m g eb u n g m einten,
er sei einer «senilis hebetudo» v erfallen *3 °.
D iese biographischen G egebenheiten lassen es m ir als m öglich er
scheinen, daß w ir im T rak tat «B eati T h o m ae de A quino A u ro ra sive
A u rea h ora» ein D okum ent v or uns haben, das tatsächlich von T hom as
stam m t und gleichsam die «andere Seite» des g roß en D o cto r A n g eli
cus enthüllt, indem es aus einem Einbruch des U nbew ußten heraus
v erfaß t ist I3 I. In diesem F a lle ließe sich selbstverständlich keine sti
125. Vgl. daß auch in der altpersischen Religion dem Frommen im Todesmoment
seine Seele als schönes Mädchen gegenübertritt.
1 2 6 . Bibliotheca sancta Venetiis 1566 , p . 478. Vgl. M . G r a b m a n n , Die echten Schrif
ten des H l . Thomas von Aquin, Münster i. W . 1 9 2 0 , p . 1 8 9 , 1 9 4 9 p . 2 5 4 .
127. Nach A n t o i n e T o u r o n , La vie de S. Thomas d’Aquin, Paris 1737, p. 686
(zit. Grabmann 1. c.) wurde, was er dann sprach, von den Mönchen niedergeschrieben.
Was an Canticum-Kommentaren bisher unter dem Namen von St . T h o m a s zirkulierte,
ist nicht echt. (Vgl. G r a b m a n n 1. c. p. 178 ff.) Leider konnte ich die von M. G r a b
m ann (p. 191) signalisierte einzige unpublizierte Handschrift der Bibliotheque von
Salins (France) nicht einsehen. Incipit: Donum sapiens poscens . . . Explicit postilla
super Cantica ed. a S. Thoma de Aquina quadruplici sensu exposita Scripta per manum
fratris J. Berlueti provinciae Turoniae 1393. Vgl. W . V r e d e , Die beiden dem Hl. Tho
mas von Aquin zugeschriebenen Commentare zum Hohenlied, Berlin 1913.
128. Vgl. T o cco , Acta S. Martii 7. 1. 678 p. 66 . . . ut . . . hora matutinali diluculum
aenigmatice visionis finem acciperet et plenae lucis sanctus diem gloriae inchoaret.
129. Vgl. F. P e l s t e r 1. c. p. 18 und bes. p. 39.
1 3 0 . Vgl. A. W a l z . De Alberti M. et S . Thomae Personali Relatione. «Angelicum»
Jahr. II, Fase. 3 , Nov. bis Dez. 1 9 2 5 (Rom), p . 2 9 9 sq. Vgl. ferner P t o l e m a e u s v o n
L u c c a , Hist. Eccles. X X II, 9 . und L . T h o r n d i k e 1. c . II, p . 5 2 3 . Albert soll etwa im
Alter von 8 0 Jahren gestorben sein.
131. M a r t i n G r a b m a n n hat in seiner grundlegenden Erforschung der Schriften
des Heiligen erwiesen, daß die von Ρ. M a n d o n n e t als ausschlaggebend angesehenen
Verzeichnisse der Schriften von Thomas von Aquin nicht als vollständig anzusehen sind.
IST T H O M A S V O N A Q U I N D E R VE RFASSER? 433
(M . G r a b m a n n , Thomas von Aquin, München 1912, p. 14, ders., Die echten Schriften
des Hl. Thomas von Aquin, Beitr. zur Gesch. der Philosophie des Mittelalters 1920,
Vol. 22 und II. Aufl. München 1931 und Münster i. W . 1949), und zwar wurden dort
besonders Schriften naturwissenschaftlichen Inhaltes nicht angeführt. («Die echten
Schriften etc.» 1949, p. 13-14. So z. B. die zweifellos echten Tractate: «De natura mate
riae» und «De dimensionibus interminatis».)
132. G r a b m a n n betont, daß uns keine eindeutigen stilistischen Kriterien für die
Scheidung echter und unechter Schriften zur Verfügung stehen und daß inhaltliche
Widersprüche gelegentlich im Werk des Heiligen Vorkommen. (Ebda. p. 6 -7 und p. 18,
neue Aufl. 1949 p. 8 ff.) Daß wir keinen Canon für die Schriften von S t . T h o m a s
besitzen, betont auch F. P e l s t e r , Zur Forschung nach den echten Schriften des Hl. Tho
mas von Aquin. Philol. Jahrbuch X X X V I 1923, p. 365 f.) So sind wir letzlich auf
dokumentarische und psychologische Kriterien angewiesen, wenn wir eine Schrift
St. Thomas zu- oder absprechen wollen. Auch existieren von St. Thomas Nachschriften
und Stenogramme seiner Vorlesungen. (Z. B. das erste Buch des De-Anima-Commen-
tars ist eine Vorlesung, die von Reginald von Piperno notiert wurde. Vgl. S e r t i l -
l a n g e s 1 . c. p. 26.)
133. Sanctorum Patrum Opuscula selecta ed. H u r t e r Oeniponto 1887. Vol. VI,
2. Ausg. bes. p. 227 ff. Über die Echtheit dieser Schrift vgl. M. G r a b m a n n , Die Werke
des H . Th. v. A. etc. 1949, p. 318. Nach B a r t h o l o m a e u s v o n C a p u a gehört dieses
Werk in den «Reportata», gäbe somit eher den mündlichen Vorlesungsstil von St . T h o
m a s wieder. Da, wie ich unten zeigen werde, die Aurora auch ein «opus reportatum»
raptu m entis» geschrieben? F alls es sich, wie ich glaube, u m sein letztes
«Sem inar» handelte, könnte es kaum von ihm selber niedergeschrieben
sein; denn dazu w ar er w ohl bereits physisch zu schwach. Schon A n t o i n e
T ouron i34 ( 1 7 3 7 ) m einte, daß von dieser letzten H oh elied in terp reta
tion au f dem Sterbebett nur ein von anderer H an d au f genom m ener T e x t
erhalten sein könnte d j. Persönlich verm ute ich, daß die «A u ro ra» dieses
letzte Sem inar w iedergibt, und daß gerade deshalb seine kostbarsten
letzten W o rte unerw arteterw eise nicht offiziell erhalten blieben ^6, w ie
m an es sonst unbedingt erw arten m üßte, sondern «apokryph» w eiter
überliefert w urden, weil in ihnen sich die «andere» unbew ußte Persön
lichkeit des H eiligen offenbart hat τπ, w elche ihn schon vorh er zeitweise
in den A bsenzen überw ältigt hatte und nun in der «mystischen H o ch
zeit» des Todesm om entes hervortrat. Ich w age allerdings nicht, dies als
gesichertes Resultat vorzubringen, aber die G egebenheiten scheinen m ir
im m erhin bedeutsam genug, um sie dem U rteil meines Lesers zu u n ter
breiten.
134. La vie de St. Thomas d’Aquin, Paris 1737, p. 686.
135. Auch S e r t i l l a n g e s 1. c. p. 27, spricht davon, daß St. Thomas auf dem Sterbe
bett einiges diktiert habe.
136. Es mag den Leser immer wieder skeptisch stimmen, daß die Handschriften
der Aurora Consurgens, die bisher gefunden werden konnten, selten und alle relativ s p ä t
datiert sind. Doch muß man sich vor Augen halten, daß es sich hier um ein Dokument
handelt, das vermutlich unter außergewöhnlichen Bedingungen entstanden ist und
einen dem damaligen Zeitgeist und der herrschenden weltlichen und kirchlichen Macht
konstellation entgegenstehenden Inhalt hatte. Es ist daher bedauerlich, daß dem wissen
schaftlich Interessierten im Vatikan kein Einblick in das handschriftliche Material
gestattet wird.
137. Einerseits bestehen zuverlässige Nachrichten, daß St. Thomas einen Hohelied-
commentar verfaßt hat. ( G r a b m a n n , Die echten Schriften 1949, p. 2 5 5-256), anderer
seits scheint nachgewiesen, daß zwei erhaltene Commentare mit den Incipits: «Salomon
inspiratus» und «Sonet vox tua» nicht von St. Thomas stammen. G r a b m a n n sagt
(p. 25 6 ): «Der echte Kommentar des Aquinaten ist uns also unbekannt, und es besteht
wenig Aussicht, denselben feststellen zu können.»
Die Kanonisationsbulle des Heiligen erwähnt diese Episode nicht, obwohl alle
anderen Details des Todesmomentes wiedergegeben werden. (Vgl. «Divus Thomas»
Jahrg. I. 1923. Freib. in Schweiz, p. 210 ff.) Dies ergibt ein gewichtiges Argumentum
e silentio. Auch L. H. P e t i t o t : La mort de St. Thomas d’Aquin (V ie spirituelle X .
1924) betont mit Recht die Eigenartigkeit der Tatsache, daß einerseits die Exposition
des Hohen Liedes als sicheres Factum überliefert ist, und andererseits die kostbaren
letzten Worte des Heiligen nicht erhalten blieben (p. 325). Er erklärt dies dadurch
(p. 331), daß St. Thomas auf dem Bette liegend nur b r e v ite r (nach T o cc o ) und zu
Wenigen gesprochen habe. Wenn, wie ich annehme, diese letzten Worte in einem deli-
riösen Zustand geäußert und mit alchemistischen Sentenzen vermischt waren, wie die
Aurora zeigt, kann man sich über das Schweigen allerdings nicht wundern.
ER G Ä N ZU N G EN ZUM APPARAT
ERG Ä N ZU N G EN ZU M APPARAT
8 . F ü r d i e B e u r t e ilu n g d e r H a n d s c h r ifte n w ic h t ig e V a r ia n te n , w e lc h e j e d o c h n ic h t fü r
d e n T e x t in F r a g e k a m e n :
p. 30, Z. 5 : illa: prima D / Z. 8 -9 : confundantur D / Z. 9: concupiscite D / Z. 1 0 :
sapientiam B / Domini DL / «et» om. M PVF, corr. V 2 / Z. 1 1 : dixit P / homines:
omnes L / p. 3 2 , Z. 2 : etiam eam: ex causa M / Salomonem M / Z. 3: composuit B /
posuit et omnem pulchritudinem L cetera om. / Z. 4: illi: huic L, illo M / comperavit
M / Z. 5 : existimabitur M / Z. 7: negacione L / Z . 8 : «huius» om. BL / modi M / Z. 9:
dextra D V / Z. 1 0 : «vero» om. BL / Z. 1 0 - 1 1 : pulchra et laudabilis P / Z. 1 0 : difformes
L / Z . 1 1 - 1 2 : moderata L / Z . 13: iis D / illam B / p. 34, Z. 1 : quia: quare M / Z. 3:
E R G Ä N Z U N G E N Z U M APPARAT 439
VON
D R . M .-L . von F R A N Z
UN D
D R . M E L A N IE S T A E R K
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R
203, 2113, 3 2 - 3 3 8, 4 2 - 4 3 5· 7, 72
- 7 3 23, 7 4 - 7 5 26, 7 4 - 7 4 28, 7 8 - 7 9 4i , Bacon, Roger 7, 10, 1576, 16, 17, 20,
8 0 - 8 1 46· 48, 82-8355, 9 0 - 9 1 24, 92 4 2 -4 3 3 ,1 4 7 6 2 , 1 6 5 1 « . 166131, 184,
- 9 3 34, 94-9536. 38, 1 0 4 -1 0 5 3 . «, 2 75 , 32 5 , 3 2 573, 382, 42070
1 0 6 -1 0 7 9 , 112-11338, 1 2 8 -1 2 9 73, Baeumker, Cl. 6«, 162116, 4 0 8 3,
1321, 183 2 i , 18912, 21252, 2 1 5 64, 430118
Buch der Alaune und Salze s. auch 6 12 1 , 72—7 3 20· 23, 7 4 _ 7 5 27, 7 8
Rasis 8, 3 4 1 4, 1 2 4 -1 2 550, 1 3 8 27, - 7 9 42, 8 0 - 8 1 « , 8 2 - 8 3 54- 55 , 9 2
450 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R
De Alchemia 3
De Arte Chimica 4 2 - 4 3 7, 1 0 6 -1 0 7 9
De Arte Chemica (1 5 6 6 ) 8 2 3, 11.46, Eckhardt, Meister 1 332, 1 3 5 11, 14344,
1 3 5®, 30-31®, 3 4 - 3 5 14, 4 0 - 4 1 9, 1 6 3 122, 2 1 3 5®, 214, 21461, 2 16,
4 2 - 4 3 7, 6 0 - 6 1 21, 7 2 - 7 3 20> 33, 7 4 32254 , 36011
— 7 5 27, 7 8 - 7 9 42 , 80— 8 1 46, 8 2 -8 3 55, Eisler, Robert 172157
9 2 - 9 3 30’ 33, 1 0 2 -1 0 3 72, 1 0 6 -1 0 7 9, Eliade, Μ . 3 9 7 1®1, 398i®2> i 8 3
1 1 2 -1 1 3 34, 2 5 3 1 5 , 3 0 9 4, 3 7 051 Engelbert v. Straßburg 4 1 9 6 5
Declaratio Lapidis Physici s. Euthice s. Rosinus
Avicenna Ephraem Syrus 139, l 4 l 36, 1 4448,
Degenhardus, Magister 2 1 1 8 7 1, 1 9 0 20, 2 2 2 , 2 2 2 92, 2 2 3 98,
De lapide philosophico 1 3 5® 2 2 5 104, 2 2 6 i°9, 2 3 0 125, 2 3 7 26, 238,
Delatte, L. 2 9 9 1 1 4 2 3 8 35 , 245 , 24 563, 246, 2 5 319,
Delisle, L. 23 2 2 5 6 34, 2 5 7 40, 26258, 59, 60, 61, 62,
A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R 451
28468, 2 9 5 106, 3 0 1 1 2 5, 3 0 6^6· 138> Gellius, A. 16, 17, 20, 4 2 3
3128, 314, 3 1 4 14, 3 1 5 22, 3 2 1 48, Genza 3 6 3 18
322, 32470, 3 2 9 , 3 4 5 }i, 3 5 1 58, 356; Georges, C. E. 1678
3 5 6 72, 369, 36946, 3 7 2 67, 373, 376, Gerhard v. Cremona 4 1
380, 394, 3 9 516 9 , no> 4 0 3 ^ Gilbert de Hoy 2 3 4 12
404204—206
Gilson, Etienne 14242, 1 4 5 53, 1 4 6 56,
Epikur 35 7 7 6 14657, 58? !4 7j X4761, 62} 1 4 8 6 7 9
Epiphanius 2 0 7 30 15484, 85, 87, 909 i 6 2 117, 1 6 6 131,
Erigena s. Duns Scotus 1 8 8 10, 3 5 3 65, 4 1 8 64
Eusebius 347 4 2 Gioacchino da Fiori 1 3 6 18’ 22, 195,
Evangelium Aetemum (Introduct. 1 959, 2 0 0 30, 2 25, 2 55, 2 5 6 7i,
in) 273 2 6 7 71, 271, 272, 2 73, 277, 2 7 7 44,
Evangelium Mariae (K o p t.) 3550 9
326, 3 2 6 82, 327, 3 2 7 86, 332, 3 4 4 28,
Evans-Wentz, W . Y . 3 6 5 2 8 349, 352, 353, 35468, 3 6 8 , 386,
Exercitationes in Turbam 255, 3 7 0 49 4 0 4 2io, 405211, 4 2 3 , 4 2 3 91
Experimenta Alberti 18 Glauber 2 9 8 m
Expositio Epistulae Alexandri Regis Goldschmidt, G. 25, 2 0 1 9, 2 0 9 37,
393 2 1 564, 2 8 5 74, 3 2 9 97
Grabmann, Martin 6 16, 1 336, 1 4 6 56,
14762, 3 4 6 40, 4 0 8 , 4 1 0 5» 8, 1 4,
Ferckel, Chr. 5 2 430118, 432126» 1 2 7 , 1 3 1 , 4 3 3 132,
Ferguson, J. 1 2 , 1468 4 3 3 1 33, 4 3 4 1 37
Ficinus, Marsilius 4 2 7 Grässe, T . G. 3 4 - 3 5 i2, 4-2-438
Fierz, Linda 1 7 4 166 Grasseus, Joh. 21, 1 5 3 82, 213
Fihrist 37264 Gratus 2 4 7
Fiori s. Gioacchino Gregor der Große 19, 9 6 -9 7 , 9 6 50,
Flamel, Nicolas 8 0 - 8 1 46 9 7 50, 136, 1 3 6 20, 13723, 1 887,
Flodius l l 4 4 1 9 0 22, 204, 20415, 2 1 0 40, 2 2 0 8i,
Flos florum 2 5 6 32 224101, 242, 2 5 2 9, 25421, 26260,
Flügel 3 8 4 1 2 6 2 6 4 , 295105, 35262, 3 6 0 n , 4 i 5>
Foerster, R. 6 1 6 4 3 0 , 4 3 OH9
Forest, A. 15590, 1 661™ Gregor v. Nyssa 322
Franz, M. L. v. 2 9 7 108, 3 7 4 7 0 Greßmann, H. 2 3 6 18~ 21
Grimm, J. 2 1 5 66
Gundalissinus 15072, I 6 7 1 33, 188i°,
Gabirol, Salomo ibn 1 8 8 10 1933
Galen 2 8 3 6 5
Garlandia, Joh. de 246
Geber 3, 1 0 , 2 0 , 246, 3 4 - 3 5 15, 6 6 Hahn, Chr. 1 6 79, 1 3 6 i8> 2 2 ? 1 9 5 1 0 ^
_ 6 7 24, 9 6 - 9 7 56’ 57? 4083 2 0 0 30, 2 2 5105 , 2 5 5 27, 2 6 771, 2 7 220,
452 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R
2 1 12’ 14, 2 2 16, 308, 3 1 8, 3 4 - 3 5 13* 1805, 1856, 211, 2 1 9 79, 2 3728,
3 4 - 3 5 15»16, 427, 4 8 - 4 9 10, 7 2 - 7 3 23, 46, 3 0 0 122, 3 0 4 134, 3 0 7 142,
2 6 0
Rosencreutz, Chr. 2 0 6 , 2 6 5
Senior 7, 8 , 9, 13, 1 3 60, 14, 19, 2 2 ,
Rosinus 3 2 - 3 3 8, 7 8 - 7 9 41, 2 1 2 , 2 1 2 52, 3 0 -3 1 , 3 2 , 329, 3 3 9 , 3 2 -3 3 , 3 4 -3 5 ,
2 1 5 64, 229, 2 3 3 7, 2 4 6 « , 2 52, 2 6 9 7, 3 4 - 3 5 ” , 36, 3621. 2 2 , 3721, 2 2 , 4 0
3 2 9 915, 3 4 0 ” , 37786, 3 8 2 ” 7 - 4 1 , 4 0 - 4 1 8. 9, 5 6 -5 7 , 5 6 -5 7 2 5,
Rufinus 13726, 3 6 0 1 1 6 8 - 6 9 6 , 70-7112, 7 2 - 7 3 » , 2X, 7 4
Rulandus 376 - 7 5 , 7 4 - 7 5 27, 7 6 -7 7 , 7 6 - 7 7 37,
Rupescissa, Joh. d. 275 7 8 - 7 9 38, 8 4 -8 5 1 , 8 6 - 8 7 1 2 , 8 8
Ruska, J. 34, 41, 5, 56, 59, 8 2 5ff., 9 , - 8 9 » , 90-9124, 1 0 2 -1 0 3 , 102
1038, 1040, 11, 12, 1252. 55, 56, 136o, - 1 0 3 2 1 , 1 0 4 - 1 0 5 ,1 0 4 —1 0 5 6 . 7, 106
2 0 2, 21, 1 3 6 ” , 1 6 5 ” 6 , ι ’7 6 ΐ 7 ΐ ’ 1 0 7 8> 9, 1 0 8 - 1 0 9 ” , 1 1 2 -1 1 3 , 112
19927, 200, 2 0 0 2· 3, 2 0 1 5 , 1 0 , 2 1 2 5 6 ; - 1 1 3 34, 1 1 6 -1 1 7 14, 122-12342. 47,
2 1 563, 24 3 55. 56, 28 155, 32 0 4o—4 /
13512, 1 3 8 , 1 4 l 36, 153, 15 383, 154,
32996, 381 »9 , 4 0 8 3, 4 l 4 38
161, 162, 176, 180, 182, 183, 187,
1 9 9 27, 2 0 4 , 2 0 4 ” , 2 1 2 , 214, 22291,
2 27, 2 30, 2 37, 2 3 7 2 6, 2 4 3 5 6,
Salomon v. Basra 2 8 5 73 24457-60, 24665, 2 4 8 , 2 4 8 85,
Salvatore, Fr. 34640 2 5 3 ” · ” , 2 5 7 3 9, 2 5 8 42, 269, 2 6 9 3,
Sanchuniathon 347 4 2 26 95. 6 , 279, 28 2 58, 28 363, 28 575,
Sareshel, Alfred v. s. Alfred 2 94, 2 9 7 xo9, 298, 3 0 3 » 7, 307142,
Sarton, George 5 11, 6 14, 1 3 6 0 , 1 0 5 1 2 6 308, 3 1 6 , 3 1 6 2 5 , 3 1 8 , 3 1 8 34, 324,
Scala Philosophorum 8 0 - 8 1 48 3 28, 32891, 3 2 9 9 6 , 3 3 3 , 3 4 o, 3 4 3 2 5 ,
Scott, W . 1 6 9 ” 2 ,1 7 0 ” 5, 1 8 7 5 , 1 8 9 ” , 34427, 3 4 5 2 9 , 3i, 3 4 6 , 34949. 50,
20419, 2 1 0 « , 2 1 256, 2 4 3 5 2 ,’ 53, 54’ 3 5 1 57, 3 5 4 , 3 5 7 7 5 , 3 6 2 , 3 6 2 ” , 370,
26 051, 261 54. 55, 28 365, 6 8 , 2 8 4 6 9 ’ 37053, 380, 3 8 1 » 9 , i” , 384, 384123,
2 9 5 » 6 , 3 0 7 1 44, 31525. 24, 3 2 0 « . 43i 386, 3 8 6 1 33, 3 8 9 ” 9, 390142, 3 9 3 ,
32629, 32997, 3 3 7 6 , 34012, 3 4 2 2 1 ! 393” 7
458 A U T O R E N - U N D T E X T R E G IS T E R
Gehege 3 2 0 Gewebe 2 1 0
Geheimnis 4 0 - 4 3 ,1 0 6 - 1 0 7 ,1 2 8 - 1 2 9 Gewicht 6 8 -6 9 , 2 7 0 -2 7 1
Gehorsam 1 0 0 - 1 0 1 G ift 248
Geist s. auch Nous 6 8 -6 9 , 1 0 0 - 1 0 1 , Giganten 233
1 6 0 - 1 6 1 , 2 6 9 Glaube 5 4 -5 5 , 6 6 -6 7 , 9 4 -9 5 , 176,
- Befreiung des 1 6 1 , 1 6 1 1 1 4 226
- der Einsicht s. Einsicht Glaubensbekenntnis 6 8 —69, 84—8 5 65,
- als Feuer 294 ff., 433
2 6 8
Himmel 1 0 2 -1 0 3 , 1 0 6 -1 0 7 , 3 3 6 ff., -2 0 3
338, 3 4 4 -3 4 5 - aktive 1 6 8 -1 6 9
Himmel und Erde 228 - Gottes 1 6 9 1 5 2
Himmelreich 4 0 - 4 1 6, 1 0 2 -1 0 3 , 235 Imperium 3 8 6
-236 Individuation 1 , 137, 197, 259, 302,
Himmelsgewand s. Gewand 341, 4 0 6
Himmelsozean 2 47 Individuum 264, 2 67, 274, 350, 365
Hiob 293 Inflation 175, 1 8 4 -1 8 6 , 1 9 2 , 205,
Hiranyagharba 325 20734, 219, 2 2 1 , 333, 374
Hochzeit s. coniunctio Inkarnation 5 2 - 5 3 10, 7 0 -7 1 , 2 2 0 ,
Hoffnung 9 6 -9 7 , 1 1 8 -1 1 9 264, 282, 305, 3 1 2 , 331, 365, 369,
Hohelied 43 0 ff. 380
Höhle 390 Inkarnation Christi 278
Hölle 4 8 -5 1 , 5 8 -5 9 , 8 0 -8 1 , 204, Innozenz IV 411
2 1 0 , 2 5 1 -2 5 2 , 2 6 1 - 2 6 2 , 303, 365 Inspiration 180, 3 0 3 -3 0 4
SACHR EGISTER 469
Instinkt s. auch sensus naturae 1 4921, Kahl 6 4 -6 5
1 5 1 - 1 5 2 , 16 4 1 2 5 Kälte 2 1 9 - 2 2 0
Integration 175, 181, 2 0 7 34 Kanonisation 4 3 4 1 3 7
- des Selbst 310 Karfunkel 2 9 8 , 331
intellectus spiritualis s. auch Einsicht Katoche 2 6 0
1 0 0 -1 0 1 , 1 6 6 131, 1 6 7 134, 1 6 7 138, Kathedra s. Thron
1 7 9 3, 255, 332 Kausalität 157, 158
intelligentia, s. Nous Keim 2 81, 403
Introvertiert 4 1 5 , 4 2 0 -4 2 1 Keimwasser 346, 351, 3 9 2 -3 9 3
Intuition, geistige 287 Kelter 5 6 -5 7 , 2 3 4 -2 3 5
Intuitiv 415 Kenosis 2 1 6
Inzest 3 4 14, 3 8 0 - 3 8 1 Kerker s. auch Gefangenschaft 60
Invidia 3 8 -3 9 , 181 - 6 1 , 2 10, 378
Isis (G öttin) 1842, 195 Kerze 2 5 6
Israel 6 6 -6 7 , 1 2 2 - 123 Ketzer 3 0 6
Kether 378
Keuschheit 9 2 -9 3
Jaldaboath 264 Kind 7 2 -7 3 , 196, 2 8 1 -2 8 5 ,
Jerusalem 4 0 -4 1 , 4 8 - 4 9 8, 6 4 -6 5 , Kindermord 5 8 -5 9 , 234, 2 3 8
118,119, 1 2 4 -1 2 5 , 1 2 8 -1 2 9 7 1 Kindschaft 8 8 -8 9
- himmlisches 1 1 0 - 1 1 1 , 1 9 8 - 1 9 9 , Kirche s. Ecclesia
2 0 0 3 o, 314, 316, 352 Kleid s. Gewand
Jesse 1 2 2 -1 2 3 Klugheit s. prudentia
Jessod 317 Kollektive Inhalte 2 2 1
Joachinismus 272 ff., 423 Kollektivmeinungen 1 3 7 ,1 9 1
Jordan 8 4 -8 5 , 3 0 5 -3 0 7 Komma Joanneum 269, 280
Jungfrau 1 1 6 -1 1 7 , 1 2 0 - 1 2 1 Kommunion s. auch Eucharistie 281,
- kluge und törichte 5 6 -5 7 , 235 356, 359
-2 3 6 , 379 Kompensation 2 , 134, 197, 241, 388,
- Sternbild der 1 9 5 409
Jungfrauenmilch 9 2 -9 3 , 2 4 9 88, Komplex 1 7 3 164, 307
329 Komponenten, kollektive, der Per
Jungfräuliche Geburt 9 2 -9 3 , 2 8 5 73 sönlichkeit 2 6 6 -2 6 7
Jungfräulichkeit 329 Konflikt 233, 425
Juno 174 König 5 4 -5 5 , 1 1 2 -1 1 3 36, 215, 2 2 2 ,
2 5 5 29, 265, 282, 2 9 8 , 345, 355,
359, 364, 3 6 8 , 370, 3 7 2 -3 7 3 , 381
Ka (aegypt.) 328 Könige, zwei 342
Kabbala 253, 306, 317, 3 2 1 47, 325, König und Königin 9 8 - 1 0 0 , 1 9 6
32 8 28, 378, 392 Königserneuerung s. Erneuerung
470 SACHR EGISTER
Königsherrschaft 4 6 -4 7 , 4 6 - 4 7 6 Kugel 3 9 0
Königskrone s. Krone Kukäer 2 6 0 5 2
Königin 4 6 - 4 7 , 4 6 - 4 7 5, 4 8 - 4 9 , 118 Kuß 1 2 4 -1 2 5
- 1 1 9 , 136, 193, 195, 3 6 8 -3 6 9 ,
374, 387
Königin v. Saba 1 3 5 -1 3 6 , 1 5 3 82, Laborant 4 4 -4 5
172, 187, 1 9 3 -1 9 5 , 387 lac virginis s. Jungfrauenmilch
- des Südwindes, s. auster Lamm 9 0 -9 1 , 3 1 5 -3 1 6
Konstellation 2 6 4 - Gottes 314, 323
Kontamination 2 0 7 , 2 3 1 , 3 5 9 Lampen 2 3 5 -2 3 6 , 387
Kontemplation 195, 2 0 0 , 2 0 3 1 3 Land der Verheißung 1 0 4 -1 0 5 , 1 2 2
Konzentration 425 - 1 2 3 , 339, 3 8 3 -3 8 4
Kopf 390 Landmann s. Bauer
Korn 384 f., 4 0 3 Lapis 9 4 -9 5 , 134, 137, 1 7 8 176 , i 83)
Körper 5 0 -5 1 , 6 8 -6 9 , 8 2 -8 3 , 104 191, 193, 1 9 7 -1 9 8 2 9 7 1 0 9, 309
- 1 0 5 , 169, 1 6 9 149, 176, 2 0 1 -2 0 2 , - 3 1 1 , 3 1 5 -3 1 6 , 3 1 8 -3 2 1 , 326,
2 0 9 -2 1 0 , 2 2 2 , 258, 2 62, 2 6 9 , 320 328, 330, 33099, 3 3 1 , 333) 334)
- 3 2 1 , 3 3 8 -3 4 0 , 348, 350, 3 6 1 f., 339, 346, 3 6 5 -3 6 6 , 370, 372, 382,
3 6 3 -3 6 4 , 3 6 8 , 3 7 0 -3 7 1 , 373, 378, 129, 393, 3 99
3 8 5
- 2 5 4 , 2 8 4 -2 8 5 386
- Menge des 5 6 -5 7 - kreis 4 2 -4 3 , 193
- rotes 1 1 0 - 1 1 1 , 3 0 6 , 351, 3 5 9 Monte Cassino 4 1 0
Mendikantenorden 2 7 2 -2 7 3 , 275, Morgen 4 4 -4 5
277, 3 2 6 -3 2 7 , 421 ff. Morgenröte s. Aurora
Mensch s. auch Anthropos 2 5 6 , 4 0 6 Morgenstern 1 1 4 -1 1 5
- Erlöser Gottes 399 Moses 145
- Erz 269 Multiplicatio 377 f., 385 f.
- der innere 3 5 2 -3 5 3 , 355 mundus archetypus 133
- vom Meere 2 8 4 f. - potentialis 1 7 8 175, 347
- vollendeter 2 5 4 mundus unus s. unus mundus
Menschwerdung s. Inkarnation Mutter 1 7 1 -1 7 3 , 1 9 6 , 2 29, 246,
Mercurius 205, 2 4 9 88, 252, 2 7 0 12, 26052, 3 4 3> 3 4 7 42, 3 5 6 72, 3 8 0 -3 8 1
3 2 0 , 3 3 0 , 339, 351, 3 8 1 , 384, 397 Mutterleib 285
- 3 9 8 , 405 , 4 1 4 Myrrhe 1 2 0 - 1 2 1 , 3 79
- als Lebenselixir 8 Mysterien 149, 3 1 4 -3 1 5 , 373, 403
Meßopfer 281 - kult 324, 371
Metall 7 0 -7 1 , 2 0 2 - 2 2 1 , 2 27, 2 6 0 , Mysterium s. auch coninunctio
264, 279, 4 1 4 Mystik 132, 4 3 0
Metallseelen 2 1 0 , 267 Mythen 1 6 0 , 1 7 3 64
Metall Verwandlung 4 1 9
Methode 383
Mikrokosmos 3 2 0 Naaman s. Naeman
- lapis als 3 2 8 , 3 3 4 -3 3 5 Naassener 2 5 4
Milch 5 0 -5 1 , 1 2 2 -1 2 3 , 1 2 6 -1 2 7 , Nabel 389
255, 258, 281, 329 Nacht 4 4 -4 5 , 1 9 1 -1 9 2 , 20030, 349,
mille nomina 178, 193 3 9 1 -3 9 2
Mischkrug s. Krater Naeman 8 2 -8 3 , 3 0 5 -3 0 7
Mist s. sterquilinium Name, neuer, geheimer 9 4 -9 5 , 1 2 0
Mithras 3 1 5 , 372 - 1 2 1