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Saint-Cerneuf-du-Bois

März 19, 1940

Mein Lieber GGHHHHHHHHHHHHHH,


Entschuldige die klägliche Handschrift. Ich wage es nicht, den Tisch in
diesem Hotelzimmer, das ich hier behause, unnötig zu belasten und verwende
meinen Koffer ad hoc als Unterlage. Seit Studienzeiten habe ich in keiner so
billigen Absteige mehr genächtigt; mag sein, dass ich besser darin täte, einen der
örtlichen Bauern nach einem Platz in der Scheune zu fragen. Ich fürchte um meine
Gesundheit, und, angesichts des Hoteliers, auch um meine Brieftasche, sollte ich
zu lange hierbleiben.
Im Gegensatz dazu ist die Gegend hier recht hübsch – verkarstete Weinberge,
mäandernde Flüsschen und auf fast jedem Hügelkamm ein Turm, eine Burg
oder ein altes Kloster. Klingt alles ein wenig nach Märchen – einschließlich
verwunschenem Wald, wie es heißt. Dir würde es hier gefallen, denke ich
weitaus weniger Steigung als in den Alpen und bemerkenswert frei von Braun-
und Schwarzhemden.
Aber genug des Lamentos; Saint Cerneuf ist so faszinierend wie ich erwartete;
die Notizen zu dem neuen Buch gehen gut voran, ich nehme an, ich werde noch
vor Weihnachten einen ersten Entwurf fertig gestellt haben. Ich habe schon
einen Arbeitstitel: Hysterie und Hexenwahn. Es ist, denke ich, eine gute Zeit
über Paranoia, die Suche nach Sündenböcken und Schauprozesse zu schreiben,
und welche eine Gegend ist besser dafür geeignet, als das alte Heimatland der
Katharer?
In Cahors bin ich – dank deiner Empfehlung – in die Archive zugelassen
worden, was interessant war. Das Buch, dass Deine Neugier so geweckt hat,
hingegen ruht wohl im Enfer des Hauses (vermutlich ist es das Enfer, zusammen
von einer eselsohrigen Kopie der 120 Tage), und dorthin haben mich die
talartragenden Aparatschicks nicht vorlassen wollen. Somit bleibt eine
Offenbarung über die Offenbarung wohl aus.
Das Beste zuerst: Meine Wohnsituati on hat sich erheblich verbessert. Etwas sehr
bourgeois hier, aber durchaus angenehm, auch wegen eines recht belesenen
Gastgebers. Eine glückliche Begengung – nicht im Ort, sondern in der Bibliothek von
Périgeux- brachte uns zusammen und der Gentleman lud mich zu sich ein, bestand
förmlich darauf. Du fi ndest meine neue Anschrift auf dem Couvert. Das Beste zuerst:
Meine Wohnsituati on hat sich erheblich verbessert. Etwas sehr bourgeois hier, aber
durchaus angenehm, auch wegen eines recht belesenen Gastgebers. Eine glückliche
Begengung – nicht im Ort, sondern in der Bibliothek von Périgeux- brachte uns
zusammen und der Gentleman lud mich zu sich ein, bestand förmlich darauf. Du
fi ndest meine neue Anschrift auf dem Couvert.
Aber genug des Lamentos; Saint Cerneuf ist so faszinierend wie ich erwartete; die
Noti zen zu dem neuen Buch gehen gut voran, ich nehme an, ich werde noch vor
Weihnachten einen ersten Entwurf ferti g gestellt haben. In Cahors bin ich – dank
deiner Empfehlung – in die Archive zugelassen worden, was interessant war. Das Buch,
dass Deine Neugier so geweckt hat, hingegen

Für die Arbeit an meinem Buch spielt der Ort hier auch über den Namen hinaus
eine Rolle, wenn auch nur am Rande: 1541 entsendet der (eigentlich nicht
zuständige) Bischof von Cahors einen Inquisitor, einen gewissen Alain Heremol,
um Untersuchungen über die „wilden Gebräuche“ der Zisterzienser hier vor
Ort anzustellen (von denen es heißt, sie trieben es mit oder wie die Tiere – die
Grammatik ist bemerkenswert uneindeutig). In den episkopalen Analen steht
nur, dass Heremol während dieses Auftrags „bei einem Brand“ ums Leben
kam.
Die lokale Legendenbildung besagt aber etwas anderes: Der Inquisitor hat, so
geht die Sage, die Aufmerksamkeit des Teufels auf sich gelenkt und ging vor
dem Ort in Flammen auf – die verheerte Erde soll man noch heute als
„Teufelsheide“ betrachten können. Werde morgen einen Ausflug dahin wagen,
wenn ich einen örtlichen Führer finde. Bemerkenswerterweise der zweite
Inquisitor, der hier in Flammen aufgegangen ist, soweit ich weiß. Bei meiner
letzten Recherche fand ich einen weiteren, der an einem schweren Fall
spontaner Selbstentzündung verstarb, als er Hand an das Grab des örtlichen
Heiligen legte.
Das Beste zuerst: Meine Wohnsituati on hat sich erheblich verbessert. Etwas sehr
bourgeois hier, aber durchaus angenehm, auch wegen eines recht belesenen
Gastgebers. Eine glückliche Begengung – nicht im Ort, sondern in der Bibliothek von
Périgeux- brachte uns zusammen und der Gentleman lud mich zu sich ein, bestand
förmlich darauf. Du fi ndest meine neue Anschrift auf dem Couvert. Das Beste zuerst:
Meine Wohnsituati on hat sich erheblich verbessert. Etwas sehr bourgeois hier, aber
durchaus angenehm, auch wegen eines recht

Sollte ich noch mehr erfahren, melde ich mich wieder- diese Briefe helfen dabei,
die Gedanken etwas zu ordnen.

In brüderliche Liebe,
Dein Lionel

P.S.: Solltest Du noch mal mit Wilbur reden, könntest Du ein gutes Wort für
mich einlegen? Ich habe wahrlich nichts gegen einen Lehrauftrag auf Eurer
Insel und ohne Vorschuss eines Verlegers sehe ich, wie diese Reise meine
Ersparnisse verschlingt wie der Saturn seine Kinder.

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