Lionel Brief 2

Das könnte Ihnen auch gefallen

Als odt, pdf oder txt herunterladen
Als odt, pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 2

Saint-Cerneuf-du-Bois

April 26, 1940

Mein Lieber GGHHHHHHHHHHHHHH,


noch einmal vielen Dank für deine Empfehlung und herzlichen Grüße, sie haben mir
in diesen grauen Wochen der Ungewissheit gut getan.
Aber eine positive Meldung, zur Abwechslung: Meine Wohnsituation hat sich
erheblich verbessert. Etwas sehr bourgeois hier, aber durchaus angenehm, auch wegen
eines recht belesenen Gastgebers. Eine glückliche Begegnung – nicht im Ort, sondern
in der Bibliothek von Périgeux- brachte uns zusammen und der Gentleman lud mich
zu sich ein, bestand förmlich darauf. Du findest meine neue Anschrift auf dem
Couvert.
Das Anwesen, in dem ich nun residiere wie Napoleon auf Elba befindet sich auf –
oder inmitten – der alten Ruinen des hiesigen Klosters. Dass eben jener Korse
seinerzeit säkularisierte – oder es wurde von Jakobinern in den Tagen der Revolution
niedergebrannt, eines oder das andere. Ich bin in studentischer Lust an der
Archäologie wie in alten Tagen – erinnerst du dich an Trier? -zwischen den Ruinen
umher geklettert und habe nach Was-weiß-ich gesucht, aber nichts beeindruckenderes
gefunden als eine Kreuzotter beim Sonnenbaden und vermutlich heimlich abgeladenen
Bauschutt neueren Datums. Die Ruinen selbst tragen allerdings zu dem
wildromantischen Ausblick hier bei. Der überwucherte Kreuzgang und die geborstene
Apsis wirken bei Sonnenuntergang an gotische Gemälde, die hier das halbe Haus
dekorieren.
Die Teufelsheide, von der ich dir letztens berichtet habe, war tatsächlich ähnlich
etwas eindrucksvoller, wenn man eine öde Stelle so nennen mag, aber ich denke, dass
die Leute hier ihre Gartenabfälle verbrennen und ihre Jauche verklappen und wohl
auch ihre Ziegen fressen lassen. Es gibt hier ein paar alte Felsritzungen, die gallischen
Ursprungs zu sein scheinen, aber dafür bemerkenswert neu aussehen. Ich denke, ich
werde ein paar Schraffierungen machen. Dies passt aber zu meiner Annahme über
Heidentum unter dem Deckmäntelchen der Heiligenverehrung und zwingt mich
geradezu, auch auf entsprechende Parallelen im Dogma der Katharer und den alten
gallischen Glaubensvorstellungen zu suchen. Mit der Kirche kann ich es mir wohl
wahrlich nicht mehr verscherzen.
Der Teufel, der hier hausen soll, war während meines Besuchs hingegen nicht
anwesend. Aber ich nehme an, er hat nun bessere Residenz auf dem Obersalzberg
gefunden. Mir wurde allerdings auch gesagt, dass er in der Walpurgisnacht hier sein
Unwesen treibt und zum Tanze auftritt. Wenn es am Dienstag nicht regnen sollte,
werde ich einen Abendspaziergang dorthin unternehmen, und vermutlich die
Dorfjungend bei der Beseitigung der örtlichen Weinverschnitte erwischen.
Mein Gastgeber ist ein angenehmer Gesprächspartner und durchaus aufgeweckt für
einen bourgeoisen Industriellen vom Lande. Er weiß ein wenig über die örtliche
Geschichte, auch wenn es oftmals viel Folklore und die Art von pathosgeladenem
halb-mystischer Unsinn ist, die man im letzten Jahrhundert noch lehrte. So soll es hier
einen versteckten Klosterschatz geben, den die Mönche in größter Eile vor den
wütenden Jakobinern versteckt haben sollen. Mag sein, dass hierin meine
Schwierigkeiten, mit den hiesigen Bewohnern ins Gespräch zu kommen, begründet
liegt – ich wäre nicht der erste Archäologe, der für einen räudigen Schatzsucher oder
Grabräuber gehalten würde (und auf mehr Kollegen, als uns lieb ist, mag diese
Beschreibung auch zutreffen).
Ich bin zu müde für zu viele der üblichen höfl ichen Floskeln, aber grüße die Deinen herzlichst
von mir und lasst uns hoff en, dass wir uns zum Winter alle wieder zusammen fi nden können .
Vielleicht sti mmt es ja, und die Soldaten werden dieses Mal zu Weihnachten wieder zu Hause
sein. Ich bin zu müde für zu viele der üblichen höfl ichen Floskeln, aber grüße die Deinen
herzlichst von mir und lasst uns hoff en, dass wir uns zum Winter alle wieder zusammen
fi nden können. Vielleicht sti mmt es ja, und die Soldaten werden dieses Mal zu Weihnachten
wieder zu Hause sein.

Ich bin zu müde für zu viele der üblichen höflichen Floskeln, aber grüße die Deinen
herzlichst von mir und lasst uns hoffen, dass wir uns zum Winter alle wieder
zusammen finden können. Vielleicht stimmt es ja, und die Soldaten werden dieses Mal
zu Weihnachten wieder zu Hause sein.
ich bleibe Dir wie immer in brüderlicher Liebe verbunden,

Dein Lionel

P.S.: Ich erhielt tatsächlich einen Brief von Leopold,; sehr unpersönlich und kalt im
Ton. Ich denke, jemand hat ihn geöffnet und gelesen. Zumindest scheint es ihm –
angesichts der Umstände – gut zu gehen, trotz der Schließung der Universitäten und
alledem.
Wenn du die Gelegenheit hast, magst nach den folgenden Büchern Ausschau halten?
Arthur Clarkes Memoirs to prove the existence of the Devil und das Dictionaire de la
longue Gauloise von Romy und Colbert, sowie das neue Werk von Pokonry, falls du
es findest. Hier wohl absolut nicht zu finden, aber für das, was ich vorhabe,
unabdingbar.

Das könnte Ihnen auch gefallen