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GESCHICHTE GESCHICHTE

Wann kommt das Ende der Welt? nicht allzu fernen Zukunft auch erreichbar sein soll. Die pro-
phetische Ankündigung einer kosmischen Katastrophe am
Prof. Dr. Berthold Wald Ende der Zeiten kann darum nichts weiter als der bildhafte
Ausdruck des persönlichen Todesgeschehens sein, dem die
Wenn der Mayakalender recht hätte, ginge am 21. De- Heilsverheissung gilt. Das universale Heilswirken Gottes in der
zember 2012 die Welt unter. Angesichts sich ausbreiten- Geschichte ist so auch in der christlichen Verkündigung zu ei-
der Hysterie lohnt es sich zu erfahren, was Joseph Pieper nem rein innerlichen Geschehen geworden. So sehen denn
(1904–1997), einer der meistgelesenen christlichen Denker auch bedeutende Theologen hierin „die zentrale Umwand-
des 20. Jahrhunderts, über das Ende der Welt gesagt hat. lung des christlichen Hoffnungsglaubens in der Neuzeit“.
In seiner Autobiographie berichtet der katholische Philo-
soph über die Verwunderung, ja geradezu Bestürzung, mit Apokalypse und christliche Hoffnung
der Universitätskollegen auf seine Ankündigung einer Vor-
lesung über das „Ende der Zeit“ reagiert haben. Die Vorle- Der optimistische Glaube der Aufklärung an das vom Men-
sung wurde erstmals im Wintersemester 1948/49 gehalten schen herbeigeführte „gute Ende aller Dinge“ ist uns inzwi-
unter Verwendung von Notizen, die sich Pieper während ei- schen abhanden gekommen. Es existiert nicht bloss ein Ver-
nes nächtlichen Fliegerangriffs auf seine in Trümmern lie- nichtungspotenzial von apokalyptischem Ausmass. Wir
gende westfälische Heimatstadt Münster gemacht hatte. verfügen heute auch über die technischen Voraussetzungen
zur Errichtung eines Weltstaats. Damit besteht erstmals in der
Was beim mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin Menschheitsgeschichte die reale Möglichkeit für ein „erdum-
über die Herrschaft des Antichrist zu lesen stand, machte Pie- fassendes Reich des Bösen“. Dennoch muss das Gefasstsein
per immer begreiflicher, was vor seinen Augen geschah, dass auf ein katastrophisches Ende der Geschichte nicht zwangs-
„die letzte innergeschichtliche Epoche nicht durch einen Sieg Manch einer fürchtet am 21. Dezember 2012 den läufig zu Trostlosigkeit führen, die jeden positiven Einsatz in
der Vernunft oder des Guten“ charakterisiert sein werde. Die Weltuntergang Weshalb? Der Maya-Kalender en- der Welt lähmt. So erinnert der Papst in der Enzyklika „Spe
christliche Vorstellung vom „Ende der Zeit“ ging allerdings in det an diesem Tag. Dennoch gehen Astronomen salvi“ (Auf Hoffnung hin) daran, dass für den, der an Christus
der Neuzeit weitgehend verloren, als mit dem technischen und Archäologen davon aus, dass nichts passiert. glaubt, „das Bild des letzten Gerichts zuallererst nicht Schreck-
Fortschritt auch der Glaube an die Machbarkeit des sozialen bild, sondern Bild der Hoffnung“ ist.“Josef Pieper hat auf den
Fortschritts entstand und sich in politischen Zukunftsvisio- Unterschied von Prognose und Prophetie verwiesen und war-
nen Ausdruck verschaffte. Dabei ist für Pieper nicht schon das nend von „einem überhitzten Interesse an ‚eschatologischen’
übersteigerte Interesse an der Zukunft das Problem. Denn da- und hat damit inspirierend auch auf die aktuelle christliche von der Gewaltherrschaft des Antichrist und einer innerge- Fragen“ gesprochen. Wir können einfach nicht wissen, wann
mals wie heute ist „die Frage nach Ziel und Ende der Geschich- Verkündigung gewirkt. schichtlichen Katastrophe von kosmischem Ausmaß. In dieser das Ende der Zeit eintreten wird. Vonnöten sei darum nicht
te natürlicherweise viel dringlicher als die nach dem, was ge- äussersten Not wird Christus wiederkehren und alles Wahre bloss „ein besonderes Mass an Nüchternheit und Genauig-
wesen ist.“ Angesichts der moralischen Katastrophe des 20. Gottes Geschichte mit dem Menschen und Gute in Zeit und Geschichte hinüberführen in die zeitlo- keit“, sondern auch „der ausdrückliche Verzicht“ auf jede end-
Jahrhunderts mit seinen Vernichtungslagern und dem Einsatz se Gegenwart Gottes. zeitliche Spekulation. Dennoch hat das Vertrauen in die bib-
von Atomwaffen jedoch muss uns heutigen Menschen „die- Für Pieper beruht die christliche Auffassung vom Ende der Zeit lische Geschichtsprophetie für Pieper einen sogar empirisch
se Ineinssetzung von technischem, kulturellem und sittlichem auf der im Alten wie im Neuen Testament bezeugten Wahrheit, Von der Heilsgeschichte zur Profangeschichte ausweisbaren Sinn. Es macht hellsichtig angesichts der ge-
Fortschritt […] als eine wirklichkeitsfremde Naivität“ erschei- dass „Glaube und Unglaube und der Kampf zwischen beiden schichtlichen Erfahrungen des Bösen. Vor allem aber: es ver-
nen. Diesem modernen Irrglauben setzte Pieper die Wieder- das eigentliche Thema der Weltgeschichte seien.“ Menschli- Der Glaube an das universalgeschichtliche Heilsgeschehen leiht dem Glaubenden im Ernstfall eine „innere Unversehrtheit
entdeckung der christlichen Geschichtsauffassung entgegen che Geschichte ist so die Antwort auf Gottes Geschichte mit zwischen Gott und der Menschheit ist weitgehend verloren als die Fähigkeit, nicht zu verzweifeln.“
dem Menschen, die in der Menschwerdung seines Sohnes ihre gegangen. Nicht ohne Verlegenheit steht die christliche Ver-
Erfüllung gefunden hat. Vollendet ist das Heilsgeschehen zwi- kündigung vor der Frage, ob denn die Geschichtszeit wirklich Berthold Wald ist Professor für Philosophie an der
schen Gott und Mensch jedoch erst mit dem Ende der Zeit. in einer kosmischen Katastrophe ihr Ende finden wird. Eine „Er- Theologischen Fakultät Paderborn (www.josef-
Dann wird der wiederkehrende Christus die Mächte des Bö- schütterung der Kräfte des Himmels“ scheint nicht mehr in das pieper-arbeitsstelle.de) und Herausgeber der
„Betrachtung hat den Sinn, sen endgültig besiegen. Wie der Anfang ist auch das Ende der wissenschaftliche Weltbild zu passen, das auf dem Glauben gesammelten Werke seines Lehrers Josef Pie-
dass die Wahrheit nicht Geschichte ein Ereignis, das seinen Ursprung ausserhalb der an die unerschütterliche Geltung der Naturgesetze beruht. So per. Unter seiner Mitwirkung erscheinen in der
aufhöre, in das tätige Leben Geschichte in einem Handeln Gottes hat. Seine Vergegenwär- wird das vor allem in der Geheimen Offenbarung des Johan- Reihe „Topos plus“ des Verlags Butzon & Ber-
zu wirken.“ tigung findet sich im jährlichen Kreislauf der kirchlichen Fes- nes prophezeite apokalyptische Weltgeschehen dem über- cker lange vergriffene Einzelschriften Piepers.
te. Er soll uns erinnern an das von Gott gesetzte Ende der Zeit holten Weltbild der Antike zugeschrieben. Das heisst aber, die „Hoffnung und Geschichte“ ist für das nächs-
Josef Pieper (1904–1997), dt. und das allein von ihm gewirkte Heil. Was mit der adventlichen Botschaft des Evangeliums wird in diesem Punkt nicht mehr te Frühjahr angekündigt, es folgt eine Neu-
Philosoph, mehr als 50 Bücher Hoffnung auf die Geburt Christi beginnt, endet am letzten ernstgenommen und in ihrem geschichtsbezogenen Sinn ver- ausgabe von „Ende der Zeit“. Bereits im Ja-
verfasst, in 15 Sprachen über- Sonntag im November (zumal für die katholischen Christen) kannt. Heilsgeschichte, die sich „an uns und durch uns“ voll- nuar 2013 erscheint die erste umfassende, von Prof
setzt mit Millionenauflagen mit dem Christkönigsfest. Die Schriftlesungen stellen uns die- zieht, wird zur Profangeschichte umgedeutet. Der Mensch Wald verfasste Biographie „Josef Pieper. Lehrer der Weisheit“
ses Ende in beängstigenden Bildern vor Augen. Sie sprechen führt selbst die Geschichte zu einem guten Ende, das in einer (ISBN 978-3-8367-0794-7).

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