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D E S ALTEN T ESTAMENTS
TE X T E AUS DER U MWELT
D E S A LT E N TESTA M E N T S
Die Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge versammeln die
wichtigsten einschlägigen Texte aus den Kulturräumen des Alten Orients
und Ägyptens aus vorchristlicher Zeit geordnet nach Themenkreisen und
NE U E FO L G E
Sachzusammenhängen. Sie bieten wissenschaftlich exakte und zuverlässige
Neuübersetzungen, versehen mit kurzen Einleitungen, Anmerkungen und
NEUE F O L G E
BA N D 9
knapper Kommentierung. Die Auswahl der Texte behält das Alte Testament
als Bezugspunkt im Blick, gewährt aber einen umfassenden Einblick in
die vorgestellten Kulturbereiche und -räume. BA N D 9
Neue Folge
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments
Neue Folge
Begründet von
Otto Kaiser
Herausgegeben von
Bernd Janowski und Daniel Schwemer
in Verbindung mit
Karl Hecker, Andrea Jördens, Jörg Klinger,
Heidemarie Koch, Ingo Kottsieper, Matthias Müller,
Norbert Nebes, Hans Neumann und Herbert Niehr
Gütersloher Verlagshaus
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments
Neue Folge
Band 9
Texte zur Wissenskultur
Gütersloher Verlagshaus
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.
1. Auflage
Copyright © 2020 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
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sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Umschlaggestaltung: Init GmbH, Bielefeld
Satz: SatzWeise, Bad Wünnenberg
Druck und Einband: Těšínská tiskárna a.s., Český Těšín
Printed in Czech Republic
ISBN 978-3-579-05282-3
www.gtvh.de
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX
V
Inhalt
3. Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Daniel Schwemer
3.2 Mathematische Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Jens Høyrup
3.2.1 Eine Verteilungsaufgabe aus Šuruppak . . . . . . . . . . . 66
3.2.2 Altbabylonische Pachtzinsberechnung, umgekehrt . . . . . 67
3.2.3 Wieviel Mathematik beherrschten Assurbanipal und seine
gelehrten Schreiber? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.3 Babylonische mathematische Astronomie . . . . . . . . . . . . . 71
Mathieu Ossendrijver
3.3.1 Prozedurtext für Saturn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
3.3.2 Synodische Tabelle mit akronychalen Aufgängen von Saturn . 75
3.3.3 Prozedurtext für den Mond . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
3.4 Astronomische Tagebücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Karl Hecker
3.4.1 Beobachtungen in den Monaten Kislı̄mu bis Addaru, Jahr 12
von Artaxerxes III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
3.4.2 Die Mondfinsternis vom 19. Januar 67 v. Chr. . . . . . . . . 83
3.5 Hemerologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Karl Hecker
3.5.1 Der Babylonische Almanach . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
3.5.2 Kurzfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.6 Babylonische und assyrische Kommentartexte . . . . . . . . . . . 86
Eckart Frahm
3.6.1 Ein Kommentar zum babylonischen Weltschöpfungsepos
Enūma eliš . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3.6.2 Ein spätbabylonischer Kommentar zu einem astrologischen
Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
4. Ausbildung, Schreiber- und Gelehrtenkultur . . . . . . . . . . . . 101
4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Daniel Schwemer
4.2 Schreiber- und Gelehrtenbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Karl Hecker
4.2.1 Schulaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
4.2.2 Schreiber bei der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
4.2.3 Schreibe Akkadisch! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.2.4 Einschub eines Schaltmonats . . . . . . . . . . . . . . . . 106
4.2.5 Gelehrte Schreiber aus Ninive . . . . . . . . . . . . . . . . 107
4.2.5.1 Issar-šumu-ēreš . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
4.2.5.2 Balāsı̄ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.2.5.3 Adad-šumu-usur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.2.5.4 Urdu-Nanāja ˙. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
VI
Inhalt
VII
Inhalt
IX
Inhalt
X
Inhalt
XI
Inhalt
XII
Inhalt
XIII
Inhalt
3. Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543
3.1 Mathematik und Metrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543
3.1.1 Gitternetz mit den Vielfachen natürlicher Zahlen . . . . . . 544
3.1.2 Additions-, Multiplikations- und Bruchzahlentabellen . . . 544
3.1.3 Aufstellung von Maßen und Gewichten . . . . . . . . . . . 545
3.1.4 Aufstellung von Maßen und Währungseinheiten . . . . . . 546
3.1.5 Geometrische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548
3.2 Astronomie und Kalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550
3.2.1 Astronomischer Kalender aus dem Saites . . . . . . . . . . 550
3.2.2 Kalender zum 25jährigen Neumondzyklus . . . . . . . . . 554
3.2.3 Liste attischer und makedonischer Monatsnamen . . . . . . 555
3.2.4 Liste römischer Monatsnamen unter Caligula . . . . . . . . 556
3.2.5 Gegenüberstellung römischer und ägyptischer Monats-
namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556
3.3 Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
3.3.1 Mustertext für eine Steuerquittung . . . . . . . . . . . . . 557
3.3.2 Mustertext für ein Angebot auf die Pacht von Fischerei-
rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558
3.3.3 Mustertext für eine Geburtsanzeige . . . . . . . . . . . . . 559
3.3.4 Mustertext für eine Eingangsbestätigung zu einem
Vormundschaftsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559
3.3.5 Mustertext für eine Zeugenunterschrift zu einer Testaments-
eröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
3.3.6 Mustertext für ein Testament . . . . . . . . . . . . . . . . 560
3.3.7 Mustertext für eine Hinterlegung (Paratheke) . . . . . . . . 560
3.3.8 Mustertext für Bürgschaft und Pacht . . . . . . . . . . . . 561
3.3.9 Mustertext für eine Unterschrift zu einem Vergleich . . . . 562
4. Ausbildung, Schreiber- und Gelehrtenkultur . . . . . . . . . . . . 563
4.1 Lehrbuch für verschiedene Unterrichtsstufen . . . . . . . . . . . 563
4.2 Vertrag über eine Ausbildung zum Kurzschriftschreiber . . . . . . 566
4.3 Zusatzvertrag mit neun Schreibern in der Verwaltung . . . . . . . 567
4.4 Korrespondenz über Schriftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . 568
4.4.1 Bericht über philologische Aktivitäten . . . . . . . . . . . 568
4.4.2 Bitte um die Abschrift eines Prosawerkes . . . . . . . . . . 569
4.4.3 Bitte um den ersten Gesang der Ilias . . . . . . . . . . . . 569
4.4.4 Korrespondenz unter Bücherfreunden . . . . . . . . . . . 569
4.4.5 Bitte um einen Büchertausch . . . . . . . . . . . . . . . . 570
4.4.6 Quittung über den Erhalt eines Buches zur Illustration . . . 571
4.5 Liste der philosophischen Schulhäupter . . . . . . . . . . . . . . 571
5. Handwerk und Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
5.1 Baugewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
5.1.1 Grundriß eines Hauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
5.1.2 Kostenvoranschlag für Umbaumaßnahmen . . . . . . . . . 573
XIV
Inhalt
Zeittafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
XV
Texte aus Mesopotamien
Sigel p edierte Amulett aus schwarzem Stein (Diorit?), 36) das bei seinem Besitzer ge-
wiß besondere Wertschätzung genoß. Eingraviert sind nach Monaten geordnet die
glückverheißenden Tage des Jahres. Zwei Schnurösen an den Schmalseiten ermög-
lichen die Anbringung von Trage- oder Aufhängebändern. Eine Löwenfigur auf der
linken Seite symbolisiert die Kräfte, die dem Träger zuwachsen sollen.
Eckart Frahm
Wohl nicht zuletzt als Reaktion auf die Serialisierung und (Teil-)Kanonisierung zahl-
reicher literarischer, religiöser, divinatorischer, medizinischer und lexikalischer Texte
gegen Ende des 2. Jt. v. Chr. entstand in Babylonien und Assyrien im 1. Jt. v. Chr. eine
86
Texte aus Mesopotamien
Kein Text spielte im 1. Jt. v. Chr. im religiösen Leben des alten Mesopotamien eine
größere Rolle als das von Babyloniern und Assyrern nach seinem Incipit Enūma eliš
genannte »babylonische Weltschöpfungsepos«. Das vermutlich in den letzten Jahr-
hunderten des 2. Jt. v. Chr., möglicherweise während oder kurz nach der Regierungs-
zeit Nebukadnezars I. (1125-1104 v. Chr.) verfaßte Epos behandelt die Entstehung
der Götter, den Kampf zwischen Marduk von Babylon und dem weiblich gedachten
urzeitlichen Chaosdrachen Tiamat, die Erschaffung der Welt und Marduks Aufstieg
zum mesopotamischen Götterkönig. Das Epos liegt in zwei kürzlich erschienenen
wissenschaftlichen Editionen vor: T. R. Kämmerer / K. A. Metzler, Das babylonische
Weltschöpfungsepos Enūma elîš (AOAT 375), Münster 2012 sowie W. G. Lambert,
87
Texte aus Mesopotamien
Babylonian Creation Myths (MC 16), Winona Lake 2013. Eine ältere deutsche Über-
setzung, gleichfalls von W. G. Lambert, findet sich in TUAT III/4, 565-602.
Das Enūma eliš wurde in Babylonien und Assyrien immer wieder kopiert, von Ele-
mentarschülern auswendig gelernt und an hohen Feiertagen, insbesondere während
des Neujahrsfestes im Monat Nisannu, im Tempelkult der Stadt Babylon rezitiert.
Assyrische Theologen schufen während der Regierungszeit des Königs Sanherib
(704-681 v. Chr.) eine assyrische Version des Textes, in der die Stadt und der Gott
Assur an die Stelle Babylons und Marduks traten. In mehreren Königsinschriften
und anderen Texten finden sich zudem Zitate aus dem Epos oder Anspielungen auf
den Text. Daß die mesopotamischen »Hermeneutiker« des 1. Jt. v. Chr. dem Epos be-
trächtliches Interesse entgegenbrachten, verwundert vor diesem Hintergrund nicht.
Babylonische und assyrische Kultkommentare erklären Ritualpraktiken, indem sie
auf im Enūma eliš verarbeitete Mythologeme verweisen, während Omenkommentare
aus dem Epos zitieren, um Beobachtungen und Voraussagen logisch zu verknüpfen.
Ein spätbabylonischer Kalendertext, publiziert von F. Reynolds, A Babylonian Calen-
dar Treatise, Oxford 2019, korreliert in Babylon durchgeführte Kultrituale mit aus
dem Enūma eliš bekannten Themen. Zwei Kommentartexte sind unmittelbar dem
Epos selbst gewidmet. Der eine, ausschließlich mit Tafel VII des Textes befaßt, stellt
vermittels artifiziell-kreativer philologischer Assoziationen Verbindungen zwischen
den sumerisierenden fünfzig Prunknamen Marduks und den ihnen nachfolgenden
Epitheta her. 38) Der andere Kommentartext erklärt, unter Nutzung einer Vielzahl
hermeneutischer Strategien, Worte und ganze Verse aus allen sieben Tafeln des Epos.
Es ist dieser letztgenannte Kommentar, der im folgenden auszugsweise in Überset-
zung geboten wird.
Der Kommentar zu Enūma eliš I-VII liegt in Gestalt von acht fragmentarisch er-
haltenen Manuskripten vor, die in Auswahl und Reihenfolge des Kommentierten
und mit Blick auf die Erklärungen, die sie bieten, zwar teilweise leicht voneinander
abweichen, aber dennoch eindeutig dieselbe Deutungstradition repräsentieren.
Texte: Der wichtigste Textvertreter ist K 4657+, eine Mitte des 7. Jh. v. Chr. niedergeschrie-
bene große einkolumnige Tafel aus der »Bibliothek Assurbanipals« in Ninive. Ebenfalls aus
Ninive stammen die Fragmente K 8585, K 13866, Rm 395 und Rm 2, 538. Zwei Bruchstük-
ke eines etwa zur gleichen Zeit in Assur entstandenen Textvertreters liegen in Gestalt von
VAT 10616 (+) VAT 11616 vor. Die Fragmente BM 54228 und BM 66606+ schließlich
scheinen in Sippar gefunden worden zu sein und dürften in die Zeit zwischen dem 7. und
5. vorchristlichen Jahrhundert datieren. 39) – Aufbewahrungsorte: Mit Ausnahme der im
Vorderasiatischen Museum, Berlin, aufbewahrten Assur-Fragmente befinden sich sämt-
liche Textvertreter des Kommentars im British Museum, London. – Editionen und Bearbei-
38. Eine Edition mit ausführlichen Erläuterungen bietet J. Bottéro, Les noms de Marduk, l’écri-
ture et la »logique« en Mésopotamie ancienne, in: M. De Jong Ellis (Hg.), Essays on the An-
cient Near East in Memory of Jacob Joel Finkelstein, Hamden 1977, 5-28. S. ferner Lambert,
Babylonian Creation Myths, 139-142.
39. Das winzige Fragment BM 69594, wohl ebenfalls aus Sippar, scheint eine abweichende Kom-
mentartradition zu repräsentieren. Dennoch wird das Stück im folgenden zur Rekonstruk-
tion von Z. 1 und 2 herangezogen.
88
Texte aus Mesopotamien
tungen: Kopien, Photos und knappe Transliterationen fast aller einschlägigen Manuskripte
finden sich in Kämmerer / Metzler, Das babylonische Weltschöpfungsepos, und Lambert,
Babylonian Creation Myths. Eine mit ausführlichen Anmerkungen und Hinweisen auf
ältere Literatur versehene vollständige Edition des Kommentars bieten E. Frahm /
E. Jiménez, Myth, Ritual, and Interpretation: The Commentary on Enūma eliš I-VII and a
Commentary on Elamite Month Names, HeBAI 4/3 (2015) 293-343, insbes. 293-333. Die
nachstehende auszugsweise Übersetzung beruht auf dieser Edition und folgt der dort
etablierten Zeilenzählung. Für Editionen der Einzelmanuskripte des Kommentars s.
B. Brown-deVost, Commentary and Authority in Mesopotamia and Qumran, Göttingen
2019, 233-262.
Trotz der Existenz einer ganzen Reihe von Textvertretern ist der Kommentar nach wie
vor nicht vollständig rekonstruierbar, was seine auch sonst beträchtlichen Schwierig-
keiten natürlich noch erheblich vergrößert. Besonders schlecht erhaltene sowie unver-
ständliche Passagen werden im folgenden ausgelassen. Auf eingehende Erläuterungen,
etwa zu den lexikalischen Quellen von Wortgleichungen, wird im allgemeinen ver-
zichtet; sie sind ebenso wie weiterführende Literaturhinweise in der im vorigen Absatz
genannten Edition zu finden.
Die Struktur des Kommentars gründet auf einfachen Prinzipien. Jeder Kommen-
tareintrag beginnt damit, daß ein bestimmter Vers des Epos (im folgenden jeweils
unterstrichen) vollständig zitiert wird, worauf (oft nach nochmaligem Anführen ein-
zelner unklarer Lemmata) einschlägige Erklärungen folgen. Ein Schwergewicht liegt
auf der Exegese von Versen aus den Tafeln I, IV, V und VII. In unbeschädigtem Zu-
stand dürfte der Kommentar von den 1097 Zeilen des Epos einst um die 75 erklärt
haben.
Viele Erklärungen verweisen auf rituelle Akte, die neben Marduk auch andere Gott-
heiten betreffen, darunter solche, die – wie etwa Nabû von Borsippa und Madānu und
Zababa von Kiš – im Enūma eliš nirgends genannt sind. Der demythologisierenden
Tendenz des Epos, das ganz auf die Erhöhung eines einzelnen Gottes – Marduks –
ausgerichtet ist, wird damit gewissermaßen remythologisierend gegengesteuert.
(1) »[Als droben die Himmel noch nicht benannt waren« (Ee I 1)]: »als« (bedeutet) »zu
der Zeit, (da)«. »[(Da gab es) Apsû], den Uranfänglichen, ihren (der Götter) Erzeuger«
(Ee I 3): »Erzeuger« (bedeutet) [»Vater«(?)].
(2) »[(Und, begabt mit) schöpferischer Kraft (mummu), Tiamat], die [sie] alle gebar«
40. Die Übersetzung dieser wichtigen Zeile ist nicht ganz sicher. Der mit Tiamat assoziierte
mummu scheint am Beginn des Enūma eliš dieselbe Rolle zu spielen, die dem »Geist(?) Got-
tes« (rû3ah 3ĕlohîm) in Genesis 1:2 zugeschrieben wird; s. E. Frahm, Creation and the Divine
Spirit in ˙Babel and Bible, in: D. S. Vanderhooft / A. Winitzer (Hg.), Literature as Politics,
Politics as Literature: Essays on the Ancient Near East in Honor of Peter Machinist, Winona
Lake 2013, 97-116.
89
Texte aus Mesopotamien
(4) »Sie gingen und setzten sich [Tiamat] gegenüber« (Ee I 33): »gegenüberliegende Sei-
te« (bedeutet) »Vorderseite«. [»Er (Apsû) sprach zur reinen Tiamat (oder: sprach Tia-
mat mit erhobener Stimme an)« (Ee I 36)]: »rein (oder: mit erhobener Stimme)« (be-
deutet) … (5) […] … das Weihwasserbecken, wie … […] … Gott Ea 41) – das ist es,
was es bedeutet.
(6) »[Er (Ea) nannte ihn (den unterirdischen Süßwasserhorizont)] ›Apsû‹, (d. h.) ›sie be-
stimmen heilige Stätten 42)‹« (Ee I 76): […] stellt man […]. 43)
(7) »[Die Amme, die] ihn (Marduk) großzog, erfüllte ihn mit einer furchterregenden
Aura« (Ee I 86): [(…) »die Amme, (die ihn großzog)« (bezieht sich auf) Ištar von] Nini-
ve (oder: [die (göttliche) Herrin von] Ninive). 44)
(8) »[Er (Marduk) war bekleidet mit] dem Strahlenglanz (melammu) der zehn Götter; er
war damit hoch bekrönt(?)« (Ee I 103): [(bezieht sich auf(?))] … 45), mit dem der König
angetan ist, … […] … (der Gott) Bēl 46).
(9) »[Schau auf] unsere Fron; unsere Augen sind ausgetrocknet/zersprungen(?)« (Ee I
(bedeutet) »Bürde«. »[Wer sie sieht], soll jämmerlich zugrunde gehen« (Ee I 139):
»jämmerlich zugrunde [gehen(?)«] (bedeutet) … .
(11) »Nun, da Qingu erhöht war und die Herrschaftsgewalt übernommen hatte« (Ee I
90
Texte aus Mesopotamien
(13) »Er (Ea) sprach mit ihm (Marduk) über die Absichten (wörtl.: die heiligen Worte),
(die er) in seinem Herzen (trug)« (Ee II 130): (bezieht sich auf) die (heilige) Kesselpau-
ke, die [am n-ten Tag] des Monats Addaru (XII) vor Ea [aufgestellt wird/ist] … 49)
(14) »[Ich (Anšar) sandte] Anu aus, doch er vermochte ihr (Tiamat) nicht standzuhalten«
(Ee III 53): (bezieht sich auf) Madānu, der nach Hursagkalama […] … . 50)
(15) »Nudimmud (= Ea) fürchtete sich (gleichfalls) ˘ und kehrte um« (Ee III 54): (bezieht
sich auf) den (Zeremonial-)Streitwagen, der [im Monat] Addaru einfährt und [(wieder)
ausfährt (oder: zurückkehrt)]. 51)
(16) »(Da) [schritt] Marduk [voran], der Weise der Götter, euer Sohn« (Ee III 55): (be-
49. Der Kommentar assoziiert den zitierten Vers mit einem rituellen Akt im Monat Addaru, der
dem Nisannu (in dem das berühmte Neujahrsfest stattfand) vorausging. Vielleicht ist vom
Vortrag der Ea gewidmeten liturgischen Klage Abzu pe-el-lá-àm am 1. Addaru die Rede, die
der kalû, der mesopotamische Klagepriester, mit einer Kesselpauke zu begleiten pflegte. Wie
auch aus anderen Texten ersichtlich, wurde das Schlagen der Kesselpauke von den baby-
lonisch-assyrischen Religionsgelehrten des 1. Jt. v. Chr. mit dem Schlagen des Herzens asso-
ziiert – die Erwähnung der Pauke in Zusammenhang mit einer Stelle, die das Herz Eas er-
wähnt, erweist sich also als wohlmotiviert.
50. Die Verbindung, die der Kommentator zwischen dem Himmelsgott Anu und dem Richter-
gott Madānu herstellt, scheint auf komplexen theologischen Überlegungen zu beruhen. Der
Name Madānus wurde mit dem Logogramm dDI.KUD wiedergegeben, das ursprünglich als
Schreibung eines anderen Gottesnamens, Ištarān, verwendet worden war. Ištarān von Dēr
aber war auch als Anu rabû, wörtlich: »der große Anu«, bekannt. Der Kommentareintrag
verweist auf eine Prozession des in Kiš, aber auch in Babylon beheimateten Madānu nach
Hursagkalama, wo sich ein bedeutender Ištar-Tempel befand. Dabei mag als tertium com-
˘
parationis im Hintergrund gestanden haben, daß Ištar in einigen Traditionen mit Tiamat
identifiziert wurde.
51. Anspielung auf eine nicht näher bestimmbare rituelle Wagenfahrt eines Gottes, vermutlich
Eas, die dessen vergeblichen Zug gegen Tiamat symbolisiert. Der Verweis auf den Monat Ad-
daru könnte einer Assoziation mit dem Wort ı̄dur, »er fürchtete sich«, geschuldet sein.
52. Die mersu-Speise spielte eine wichtige Rolle im Götterkult; der Kommentar hat also offenbar
erneut einen rituellen Hintergrund. Wenn das akkadische Wort für »Rauschtrank« arsu zu
lesen sein sollte, läge darüber hinaus ein Wortspiel vor.
53. Das Königstor (abul šarri) war das nördlichste der im Westbereich der Stadtmauer von Ba-
bylon befindlichen Tore. Vielleicht waren dort Nachbildungen der von Tiamat geschaffenen
Monster als Apotropaia angebracht.
91
Texte aus Mesopotamien
(oder: zur Schau gestellt) hatte« (Ee IV 124): »ehrfurchtgebietend« (bedeutet) »stark«;
»zum Schweigen bringen (oder: zur Schau stellen)« (bedeutet) … […].
(23) »Er (Marduk) durchtrennte die mit ihrem (Tiamats) Blut (gefüllten) Adern« (Ee IV
131). »Er ließ es (das Blut) den Nordwind als frohe Botschaft forttragen« (Ee IV 132):
[(…) IM (bedeutet) (?)] Wind; (es heißt so) wegen des Kultrennens (lismu), das im Mo-
nat Kislı̄mu (IX), am vierten Tag 54) […]. (24) [(Vom Blut ist die Rede), weil (?)] der Kranz,
den er trägt, und die »Flügel«, mit denen er angetan ist, rot sind, und womit er be-
kleidet ist … […]. 55)
»Er (Marduk) trug ihnen auf, [ihr (Tiamats) Wasser nicht] herausfließen zu lassen« (Ee.
IV 140): … […].
(25) »[Er (Marduk) etablierte] (den Tempel) Ešarra [als Ebenbild des Ešgalla]« (Ee IV
144): (bezieht sich auf) den Tempel, der wie ein Gegenstück [des Apsû (des Süßwasser-
horizonts) auf (?)] die Erde (?) gesetzt ist […].
(26) »[Am Tag (deines, scil. des Mondes) Verschwindens] nähere dich [dem Pfad des Ša-
maš]« (Ee V 21). »Am(?) [30. Tag] sollst du in Konjunktion stehen [mit Šamaš und ihm
ebenbürtig sein]« (Ee V 22): (27) […] … 30. Tag [(…)] Sîn zusammen mit [Šamaš …]
(oder: […] … ist der Tag [der Geburt] des (Mondgottes) Sîn – das ist es, was [es be-
deutet …]). 56)
Die Erklärungen zu den in den Zeilen 28-33a des Kommentars angeführten Versen Ee
V 24, 25, 33, 55, 59, 64, 70 und 83 sind von geringen Resten abgesehen verloren.
(33b) »[Er
(Marduk) vertraute ihm (?) (dem Gott Usmû) das Amt eines Wesirs des Apsû
sowie] die Versorgung der Heiligtümer [an]« (Ee V 84): (bezieht sich auf) den 18. Tag
[des Monats …] einhergeht/einhergehen und ein Feuer entzündet/entzünden […].
54. Der Verweis auf das vom Wind fortgetragene Blut, das eine »frohe Botschaft« bringt (im Epos
offenbar eine Anspielung auf die Morgenröte), veranlaßt den Kommentator zu Assoziationen
mit einem Kultrennen am 4. Kislı̄mu. Ganz ähnliche Überlegungen finden sich im »Marduk-
Ordal« (Livingstone, SAA 3, Nr. 34: 57-60 und Nr. 35: 51-54, Kollationen in Frahm / Jiménez,
HeBAI 4/3, 320-321), wo ein kultisches Rennen im Kislı̄mu, das den Gott Nabû zu seinem
Vater Bēl-Marduk führt, mit dem Mythologem der Besiegung der Monster Anzû, Qingu und
Asakku durch Ninurta und der anschließenden Überbringung der Nachricht hiervon verbun-
den wird. Hintergrund des Eintrags ist die Gleichsetzung Ninurtas und Nabûs, die auf ihrer
sehr ähnlichen Rolle als heroische Kämpfer und Söhne der Götterkönige Enlil bzw. Marduk
gründet. Es überrascht, daß zwei Kulttexte, die ausführlich die anläßlich des Palmfestes am 3.
und 4. Kislı̄mu in Babylon abgehaltenen Riten beschreiben, nicht ebenfalls das in unserem
Kommentar und im Marduk-Ordal genannte Rennen erwähnen; dafür ist dort jedoch von
einer vollständigen Rezitation des Enūma eliš am 4. Kislı̄mu die Rede.
55. Indem er das in Ee IV 131 genannte Blut mit den roten »Flügeln« assoziiert, mit denen ein
Kultaktant(?) – vermutlich während des in der vorigen Zeile genannten Rennens – ausgestat-
tet war, spielt der Kommentator auf das Anzû-Epos an, in dem der Wind die blutigen Flügel-
federn des von Ninurta bezwungenen Anzû-Vogels als »frohe Botschaft« in die Welt trägt. Die
Episode diente dem Autor des Enūma eliš als Modell für seine Schilderung, wie die Nach-
richt von Tiamats Besiegung Verbreitung fand. Der bewußte Rückverweis auf eine mit Nip-
pur und seinen Göttern verbundene Vorstufe des Enūma eliš könnte als Kritik an der »Mar-
duk-allein«-Theologie verstanden werden, die von einflußreichen Kreisen in Babylon
gepflegt wurde.
56. Wie immer man ergänzt, es scheint um die Klärung eines astronomischen Sachverhalts zu
gehen.
92
Texte aus Mesopotamien
Die Erklärungen zu den in den Zeilen 34-36 und 37’-38’ des Kommentars angeführ-
ten Versen Ee V 90(?), 95, 101 [oder 115] und [nach einer Lücke] V 157 sind von
geringen Resten abgesehen verloren.
(38’a) »[AlsŠazu-Zisi, der die Aufständischen zum Schweigen bringt, sollen sie ihn (Mar-
duk) außerdem preisen« (Ee VII 41): …. (Was) Zisi (anbetrifft)(?)]: ZI (bedeutet)
»Leben«, SI (bedeutet) »Enlil«. 57)
(39’) »›Langholz‹ sei der erste (Name von Marduks Bogen), ›Möge er treffen‹ der zwei-
stelligt« (Ee VII 9): (es heißt so) wegen der Gottheiten der Kultzentren [(…)] die in
Babylon [… – das ist es, was] es bedeutet. 59)
(44’) »Šazu (dšà-zu), der die Herzen der Götter kennt, der das Innere schaut (ibarrû)«
(Ee VII 35): […] (der Sonnengott) Šamaš (dšà-máš), der in die Herzen schaut; [(…) ŠÀ
(bedeutet) Herz (?)], MÁŠ (bedeutet) »(Opfer)schau« (bı̄r u). 60)
(45’) »Der sämtliche geflohenen Gottheiten in (ihre) Heiligtümer eintreten ließ« (Ee VII
53): (es heißt so) wegen […] … im Monat Nisannu (I) in … […] … von(?) Babylon. 61)
Die Erklärungen zu den in Zeile 46’ des Kommentars angeführten Versen Ee VII 57
und 67 sind verloren.
57. Dieser Kommentareintrag ist nur in einem einzigen Textvertreter bezeugt und dort an der
falschen Stelle eingeordnet. Mit ihm setzt die Reihe der Erklärungen zu den in Ee VI und
VII aufgelisteten Prunknamen Marduks ein. Der Name Zisi wird hier, anders als im Epos
selbst, das ihn etymologisierend auf die Bezwingung von Insurgenten bezieht, mit Vorstel-
lungen vom »Leben« (sumerisch: zi) und mit dem Gott Enlil von Nippur in Verbindung ge-
setzt, dessen Stelle Marduk im Enūma eliš einnimmt. Enlils Name wurde im sumerischen
Emesal-Dialekt Mullil ausgesprochen, was an das Verb malû/mullû »voll sein / füllen« er-
innert, das mit dem Zeichen SI geschrieben werden kann.
58. Die einzelnen Manuskripte, an dieser Stelle allesamt beschädigt, könnten voneinander ab-
weichen.
59. Offenbar eine Anspielung auf die in Babylon erfolgende Erneuerung von Götterstatuen.
60. Der Kommentator assoziiert den Marduk-Namen Šazu mit dem Namen des Sonnengottes
Šamaš, indem er dessen erste Silbe – in Abweichung von den üblichen Schreibgewohnheiten
– mit dem Zeichen ŠÀ wiedergibt, mit dem auch dšà-zu beginnt. Durch die Wiedergabe der
zweiten Silbe mit MÁŠ (= akkadisch bı̄ru »Opferschau«) wird außerdem auf die Rolle des
Šamaš als Patron der divinatorischen Künste verwiesen, die im zitierten Vers durch den Ge-
brauch des Verbums ibarrû angedeutet ist.
61. Gewiß eine Anspielung auf die Reise, die Götterstatuen aus verschiedenen Städten während
der Akı̄tu-Feierlichkeiten im Nisannu nach Babylon antraten.
93
Texte aus Mesopotamien
(47’) »Sirsir, der einen Berg über Tiamat aufhäufte« (Ee VII 70): »Sirsir« (bezieht sich auf)
lāhša)] (bezieht sich auf) den luhšû-Priester – das ist es, was es bedeutet. 63) [ … (ist
die˘ Erklärung) einer anderen] Tafel
˘ [zufolge]. 64)
(49’) »(Lugal-áb-dúbur), dessen Fundament vorne und hinten fest etabliert ist« (Ee VII
92): (bezieht sich darauf, daß) Nabû am sechsten Tag [vor Bēl] und am elften Tag hinter
Bēl auf dem Hochsitz der Schicksale [sitzt]. 65)
(50’) »Aranunna, Berater des Ea, Schöpfer seiner göttlichen (Vor)väter« (Ee VII 97): der
besagte Name (Aranunna) (ist verbunden mit der Zahl) 40 (der heiligen Zahl Eas), (in
Analogie mit dem Götternamen) Ninnu(= 50)-urta (der die heilige Zahl des Enlil ent-
hält) … [… ; A.RÁ (bedeutet)] »Rat«; NUN (bedeutet) »Ea«; 40 (ist die Zahl des)
Ea. 66)
(51’) 67)»Dessen fürstlichem Wandel (alaktu) [kein (anderer)] Gott gleichkommt« (Ee VII
98): (es heißt so mit Blick auf) Nabû(?), welcher der »Schatten« von ebendiesem(?)
(Marduk?) genannt wird (?); 68) welcher nicht zusammen mit Bēl [(…)] in seinem Lauf
(tāluku) nachgelassen hat (?); 69) Geheimnis(?) (oder: drittens): wenn(?) der Mond vom
[n-ten] Tag(?) an [zusammen mit der Sonne (?)] gesehen wird (?), (dann) ist die sicht-
bare (Mond)scheibe vermindert (?). 70)
94
Texte aus Mesopotamien
(52’) »Um dessen Namen willen die Götter wie [in einem Sturm] angstvoll schwanken«
(Ee VII 108): (es heißt so) wegen des Kultrennens des Mār-bı̄ti von Ešnunna – das ist es,
was es bedeutet. 71)
(53’) »(Als) Dingir-Esiskur möge er sich hocherhaben im Gebetshaus niederlassen« (Ee
VII 109). »Die Götter mögen ihre Gaben vor ihn bringen« (Ee VII 110): (bezieht sich
auf) die Geschenke, die vom sechsten bis zum zwölften Tag des Monats Nisannu dar-
gebracht werden; wegen Zababa – das ist es, was es bedeutet. 72) (54’) [ … ] … Bēl,
der am achten Tag im Akı̄tu(-Haus) sitzt, Gaben und Präsente – (dies ist die Erklärung)
einer anderen Tafel zufolge. 73)
(55’) »[Die vier (Regionen?) der Schwarzköpfigen (d. h.: der Menschen) sind] seine
[Schöpfung]« (Ee VII 113): (bezieht sich auf) den magischen Kreis der Opferschau. 74)
(56’) »[Außer ihm] kennt [kein] Gott (im Voraus) [das Los ihrer (der Menschen) Tage]«
(Ee VII 114): (bezieht sich auf den Kreis(?)), den kein (anderer) in das Innere(?) des für
die Opferschau (bereitgestellten) Schafes zeichnet.
(57’) »[Da er das Firmament erschuf und] das feste Land (oder: die Unterwelt) [gestalte-
te]« (Ee VII 135): »Firmament« (bedeutet) »Himmel«, »festes Land (oder: Unterwelt)«
bedeutet »Erde«. 75) »Möge (seine) schöpferische Kraft die Wolken erleichtern (und so
regnen lassen) (?)« (Ee VII 121): »schöpferische Kraft« bedeutet »Lärm«. 76)
[n-KÁM KI 20 IGI]-ru hap-ra-tú ina-aš-šá-ru zu lesen. haprātu ist ein terminus technicus für
˘
die (sichtbare) Mondscheibe; ˘
für Parallelen und weiterführende Literatur s. U. Koch-Westen-
holz, The Astrological Commentary Sîn ina tāmartı̄šu Tablet 1, in: R. Gyselen (Hg.), La
science des cieux (Res Orientales 12), Leuven 1999, 159. In KAR 307, Rs. 4-6 wird das
haprātu-Maß der Sonne mit 60 »Meilen« (bı̄ru) und das des Mondes mit 30 Meilen beziffert
˘und außerdem festgestellt, daß Marduk in der Sonne und Nabû im Mond beheimatet seien
(s. P. A. Beaulieu, The Babylonian Man in the Moon, JCS 51 [1999] 91-99, bes. 93-94). Der
vorliegende Eintrag könnte diese Vorstellung aufnehmen und Nabûs Unterordnung unter
Marduk damit begründen, daß die mit Nabû assoziierte Mondscheibe, die sich (an be-
stimmten Tagen) gleichzeitig mit der – auf Marduk verweisenden – Sonne beobachten läßt,
bei diesen Gelegenheiten anders als letztere nur teilweise sichtbar ist. Tatsächlich gibt es
astrologische Omina, die davon sprechen, daß Sonne und Mond, wenn gemeinsam sichtbar,
miteinander »wetteiferten« (šanānu); s. Koch-Westenholz, Res Orientales 12, 154, Z. 22-23.
71. Ebenso wie in Z. 23 evoziert die Erwähnung eines Sturmes kommentarielle Assoziationen mit
einem – offenbar in stürmischem Tempo unternommenen – Kultrennen, das in diesem Fall
zu Ehren des besonders im Osttigrisland, aber auch in Babylon verehrten Gottes Mār-bı̄ti
veranstaltet wurde.
72. Aus verschiedenen Quellen ist bekannt, daß Marduk (so wie auch einige seiner göttlichen
Gefährten) während des Akı̄tu-Festes im Nisannu in Babylon Geschenke erhielt. Der Grund
für den kommentariellen Verweis auf Zababa bleibt unklar; der in Kiš verehrte Kriegsgott
nahm zwar an der Akı̄tu-Prozession in Babylon teil, scheint bei den Festlichkeiten aber keine
herausragende Rolle gespielt zu haben.
73. Das nördlich von Babylon gelegene Akı̄tu-Haus, das Marduk am Höhepunkt der
Akı̄tu-Feierlichkeiten aufsuchte, wurde É-sískur genannt, ein Name, der das zentrale Element
des in dem Kommentareintrag behandelten Marduk-Theonyms bildet. Die »einer anderen
Tafel« entnommene Erklärung ist nur in einem Textvertreter bezeugt.
74. Vielleicht bezieht sich die hier gebotene Erklärung auch auf Ee VII 112. In beiden Fällen ist
das tertium comparationis nicht völlig klar.
75. Zwei seltene Worte werden mit vielgebrauchten akkadischen Synonymen erklärt.
76. Die Deutung von »schöpferische Kraft« (mummu) als »Lärm« (rigmu) dürfte einerseits auf
die lexikalische Gleichung mu7-mu7 = rigmu zurückgehen (Diri I 56), andererseits aber auch
dadurch motiviert sein, daß das Wort rigmu in der vorigen Zeile des Epos, Ee VII 120, ge-
95
Texte aus Mesopotamien
(58’) »[Möge er (Marduk in seiner Eigenschaft als Jupiter) (seine) Wendepunkte ergriffen
halten, so daß sie] ihn anschauen (palāsu) können« (Ee VII 127): »Wendepunkt« (be-
zieht sich auf) den Anfang und das Ende; KIR4.ŠU.GÁL (bedeutet) »anstarren« (balāsu,
Text fehlerhaft: la-ba-su), KIR4.ŠU.GÁL (bedeutet auch) »die Nase streichen« (ein Ge-˙
betsgestus). 77) ˙
(59’) »[Wahrhaftig(?), er], dessen Namen [seine (Vor)väter gepriesen haben]« (Ee VII
139): »wahrhaftig (mā) (?)« (bedeutet) »Sohn (māru)«. 78) »Sie (die Götter) benannten
ihn mit fünfzig Namen und erhöhten (so) seine Stellung« (Ee VII 144): »50« (bedeutet)
»fünfzig«, »50« (steht außerdem für) »Enlil«. 79)
(59a’) »[Der Vater möge sie (die Namen Marduks) wiederholen und (seinen) Sohn] ler-
(60’) »[ … ] … war erhoben … er sah (die Göttin) Bēlet-sēri und näherte sich ihr
(in sexueller Absicht?). Später hörte die Göttin Bēlet-ilı̄ davon˙ und erging sich in Eifer-
sucht (qı̄nu) 81)«: (es heißt so) wegen der regelmäßigen Darbringungen (kinayyātu)
(oder: wegen der Angelegenheiten/Riten, die mit Eifersucht zu tun haben (qı̄nayātu)?) –
das ist es, was es bedeutet. 82)
nannt wird. Der nicht korrekt eingeordnete Eintrag zu Ee VII 121 ist nur in einem Textver-
treter bezeugt.
77. Indem er aus einer lexikalischen Liste zitiert, derzufolge das sumerische KIR4.ŠU.GÁL sowohl
für einen Sehakt (balāsu, das palāsu aus dem Bezugstext phonetisch und semantisch ähnlich
ist) als auch für einen˙ Gebetsgestus stehen kann, versucht der Kommentator zu beweisen,
daß das »Anschauen« Jupiter-Marduks in Wahrheit eine Art Anbetung darstelle.
78. Die vermutlich durch die Wortähnlichkeit motivierte Gleichsetzung von mā (hier offenbar
ein Ausruf) mit māru »Sohn« findet sich auch in dem Kommentar zu den fünfzig Namen
Marduks in Enūma eliš VII und könnte von dort übernommen sein.
79. »50« war in der Tat die heilige Zahl des Enlil (vgl. den Eintrag zu Z. 50’), doch nur der Kom-
mentar, nicht das Epos selbst, expliziert diese Verbindung.
80. Der Eintrag ist in nur einem der Manuskripte, einem Kommentarexzerpt aus Sippar, über-
liefert, das speziell zu didaktischen Zwecken abgefaßt worden sein dürfte. Wenn die Ergän-
zungen korrekt sind, dann würde dieses Exzerpt sehr passend mit der Erklärung einer Zeile
enden, die betont, wie wichtig es ist, das Epos zu lehren und weiterzugeben.
81. Die Umschrift in HeBAI 4/3, 314 ist korrekturbedürftig; lies qi-na anstatt qí-na.
82. Z. 60’, vom restlichen Text durch einen horizontalen Strich abgetrennt, fungiert als Stichzeile,
die auf eine weitere Kommentartafel verweist. Von selbiger haben sich bislang keine Textver-
treter gefunden, man kann jedoch aufgrund einer Reihe von Indizien vermuten, daß die Tafel
einen mythischen Text ausgedeutet haben muß, der enge Bezüge zu einem in Nippur durch-
geführten erotischen Ritual aufwies, welches in burlesk-derber Art die ménage à trois zwi-
schen Enlil(?), der hier offenbar als Gattin Enlils fungierenden Bēlet-ilı̄ und einer Konkubine
des Gottes, Bēlet-sēri, zur Aufführung brachte. Das Nippur-Ritual dürfte als Modell eines
˙ in Babylon fungiert haben, das den erotischen Spannungen zwischen
ähnlichen Kultrituals
Marduk, seiner Gemahlin Zarpanı̄tu und seiner Geliebten, der Ištar von Babylon, gewidmet
war. Anspielungen auf die Theologie Nippurs finden sich auch in einigen Einträgen des der
Stichzeile vorangehenden Enūma eliš-Kommentars. Bemerkenswert ist, daß der Kommenta-
tor das heroisch-ernste Weltschöpfungsepos hier mit einem ganz andersartigen Text, einem
grotesken »Schwank« über die Liebesnöte des Götterkönigs, verknüpft.
96
Texte aus Mesopotamien
Text und Aufbewahrungsort: Der Text BM 47447 gehört zur Babylon Collection des British
Museum, London, und stammt entweder aus Babylon oder aus Borsippa. – Datierung und
Verfasser: Der Kommentar wurde am 23. Šabātu (XI) des 19. Jahres eines Artaxerxes abge-
˙
faßt, datiert also entweder, je nachdem, um welchen der drei persischen Könige dieses Na-
mens es sich handelt, in das Jahr 445, 385 oder 339 v. Chr. Eigentümer und Schreiber des
Kommentars war ein gewisser Iprā3ya aus der Ētiru-Familie, der möglicherweise auch im
˙
Kolophon eines Kommentars zu dem exorzistischen Traktat »Marduks Ansprache an die
Dämonen« genannt wird (s. http://ccp.yale.edu/P461231); außerdem ist er als Schreiber
einer Reihe von Texten medizinischen, astrologischen und hemerologischen Inhalts be-
kannt. 83)
Anders als der Kommentar zum Enūma eliš zitiert der nachstehende Kommentar die
deutungsbedürftigen Zeilen des Bezugstexts nur gelegentlich vollständig; oft be-
schränken sich die Zitate auf die sog. Protasen, die Vordersätze, die auspiziöse oder
inauspiziöse Himmelsphänomene beschreiben. 84) Ein wichtiges Anliegen des Kom-
mentators besteht darin, Omina, die entweder obskur sind oder astronomisch ab-
wegige Sachverhalte behandeln, vermittels kreativer symbolischer Assoziationen so
umzudeuten, daß sie sich auf tatsächlich beobachtbare Himmelsphänomene anwen-
den lassen. Im folgenden sind Zitate aus dem Bezugstext bei ihrer ersten Erwähnung
erneut durch Unterstreichungen gekennzeichnet.
(5-8) »Wenn eine (Mond)finsternis stattfindet und (dabei) eine Wolke in eine andere
Wolke eintritt, dann werden die Götter das Land (seines) Verstandes berauben
(KAR.MEŠ); (das Ende) der Tage des Königs dieses Landes ist nahe.« (Das Omen be-
deutet, daß) während einer (Mond)finsternis ein Stern in einen anderen Stern eintritt,
83. Für ausführliche Anmerkungen zur Ētiru-Familie und ihren Angehörigen in neu- und spät-
babylonischer Zeit s. C. Wunsch, Double˙ Family Names in Neo-Babylonian Records: The
Case of the Ētiru and Tābihu Families and Their Butcher’s Prebends, in: Z. Csabai (Hg.),
˙
Studies in Economic ˘ History of the Ancient Near East in Memory of Péter Vargyas,
and˙ Social
Budapest 2014, 751-787. Der Name Iprā3ya ist früher Šema3ya gelesen worden.
84. Auf eine genaue Einordnung der Zeilen durch den Aufweis von Parallelen wird im folgenden
verzichtet; hierzu sei auf die CCP-Edition verwiesen.
97
Texte aus Mesopotamien
(denn) »Wolke« bedeutet »Stern«. KAR.MEŠ bedeutet »sie werden (es ihm) fortneh-
men«, d. h. »sie werden (es) berauben«, denn KAR (bedeutet) »fortnehmen« und KAR
bedeutet »(es) berauben«.
(8-9) »Der König in Schwierigkeiten« bedeutet: der König wird permanent Leid er-
fahren.«
(9-11) »Wenn eine (Mond)finsternis stattfindet, (in deren Verlauf der Mond) in einer
schwarzen, weißen, roten, gelben, bunten oder sehr dunklen Wolke steht und (dann
wieder) hell wird«: jedes Mal, wenn (in der Protasis von ihr) die Rede ist, wird »Wolke«
mit Bezug auf Planeten gesagt. 85)
(11-14) »Leere (wörtl.: nackte) Wolke« bedeutet »rote Wolke«; »alludānu-Wolke« ist
eine Wolke, die solange präsent ist wie die Sonne, oder alternativ eine Wolke, die den
ganzen Tag und (die ganze) Nacht (am Himmel) steht. Jedes Mal, wenn von »Wolke«
die Rede ist, wird es mit Bezug auf den Sommer gesagt. …
(15-17) »Wenn eine (Mond)finsternis stattfindet und im Hof (des Mondes) ›einhergeht‹
und (der Mond dann wieder) hell wird« bedeutet: (der Mond) wird im Winter bei kla-
rem Himmel (wieder) hell; »Hof« wird mit Bezug auf klaren Himmel gesagt. 86) …
(26-27) »Wenn der Mond verdunkelt aufgeht und bis zum (Wieder-)Hellwerden dasteht«
bedeutet: er geht in einer dunklen Wolke auf und erhellt den Himmel; oder alternativ:
(der Mond) wird zum Winteranfang (wieder) hell. 87) …
(28-30) »Wenn der Mond verdunkelt (in den Horizont) eintritt (d. h. untergeht)« bedeu-
tet: er tritt während der Dunkelheit in eine Wolke ein und geht, (während er noch) in
der Wolke (ist), unter; oder alternativ: (das Omen ist) wörtlich (zu verstehen). 88) …
(34-37) »Wenn (der Mond) in seiner Mitte dunkel und gesprenkelt ist (?)«: »in [seiner]
Mitte« bedeutet: in der Mitte des Monats, am 14. Tag, findet eine (Mond)finsternis statt;
SU bedeutet »sprenkeln«, SU bedeutet (außerdem) »hell sein«. 89) (Der Mond) ist dun-
kel, doch seine rechte und linke (Seite) sind hell; 90) (es heißt so mit Blick) auf eine ge-
ringfügige Verfinsterung, die sich rasch wieder aufhellt. …
85. Der Kommentar faßt zunächst eine ganze Reihe von Omenprotasen über Mondfinsternisse in
Wolken verschiedener Farben knapp zusammen und führt dann aus, daß in Wahrheit in allen
Fällen nicht wirklich von Wolken, sondern von Planeten die Rede sei. Die zunehmende Be-
deutung der Planeten für die babylonisch-assyrische Astrologie des 1. Jt. v. Chr. läßt sich auch
zahlreichen anderen astrologische Kommentareinträgen entnehmen.
86. Nachdem er die vorigen Omina, in denen von Wolken die Rede war, auf den Sommer bezogen
hat, behauptet der Kommentator, das vorliegende, den Hof des Mondes nennende Omen
verweise auf Mondfinsternisse, die im Winter stattfänden. Der Grund ist nicht klar ersicht-
lich; vielleicht spielte eine Rolle, daß Mondhöfe in klaren Winternächten häufiger zu beob-
achten sind als im Sommer.
87. Beide Erklärungen sind als Versuch zu werten, ein wohl auch dem Kommentator unverständ-
liches Omen so umzudeuten, daß es nachvollziehbare Phänomene zu beschreiben scheint.
88. Auf die Möglichkeit einer wörtlichen Deutung wird mit dem akkadischen Terminus kayyānu
(wörtl.: »konstant, fest«) verwiesen.
89. Der Kommentator schlägt, wie auch in vielen anderen Erklärungen, eine radikale Neudeu-
tung des Omens vor. Nicht auf die Mitte des Mondes, wie man es dem Wortlaut nach ver-
muten möchte, verweise der Eintrag, sondern auf eine Mondfinsternis zur Monatsmitte,
genauer: am 14. Tag. Tatsächlich konnten Mondfinsternisse in Babylonien, wo ein Mond-
kalender Verwendung fand, lediglich in der Mitte des Monats stattfinden.
90. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß die voranstehende Aussage ein neuerliches Zitat aus dem
98
Texte aus Mesopotamien
(40-41) »Wenn der Mond verdunkelt und vollständig bedeckt ist« bedeutet: eine
(Mond)finsternis erfolgt, (während sich der Mond) in einer schwarzen, dünnen Wolke
(befindet).
(41-46) »Wenn der Mond verdunkelt und vollständig bedeckt ist und sich (dann) in Licht-
glanz (birsu) verwandelt – (Variante 91)): er bis zur letzten Nachwache (d. h. bis zur Mor-
˙
gendämmerung) dasteht –, dann wird überall im Land Unheil sein – (Variante): die
(herrschende) Dynastie des Landes wird in(folge) einer Niederlage (BAD5.BAD5) ent-
fernt(?) werden (KAR.MEŠ); das Land wird eine schwere Hungersnot erfahren.« (Das
Omen ist so zu verstehen, daß) eine totale (Mond)finsternis [stattfindet] und wie ein
Stern geformt/geöffnet(?) ist (TAG4). (Dies) hat (ein Lehrer / ein Lehrtext) unter Be-
rücksichtigung (?) (der Apodose) »die Länder werden in der Niederlage (tab-de-e) er-
rettet werden (in-né-te-ra)« gesagt. »Lichtglanz« bedeutet »Stern«; (das Logogramm)
˙
NÍG.NAM.TAG4 bedeutet »Lichtglanz«; NÍG.NAM.TAG4 (aber enthält das Zeichen)
TAG4, (das u. a. auch) »retten« (ezēbu) (bedeutet). 92)
(46-48) »Wenn der Mond verdunkelt ist und seine Spitze den Himmel trübt«: (bezieht
sich auf) eine […] Finsternis; auf der Oberfläche des Himmels wird eine Trübung sein.
(Die Apodosis) »die Menschen(?) des Landes werden ihnen(?) Übelwollende(?) zu
sehen bekommen« (ist) folgendermaßen (zu verstehen): die Menschen(?) des Landes
werden dessen Feind erblicken. …
(50-52) »[Wenn der Mond] bei seinem Erscheinen im Monat Nisannu (I) verdunkelt ist
und bei seinem Aufgang dunkel(?) aufgeht, werden Könige miteinander wetteifern
(SÁ.SÁ-ma).« [SÁ.SÁ-ma] ist iššannanūma (»sie wetteifern miteinander«) (zu lesen)
und folgendermaßen (zu verstehen): ein König wird ebenso (mächtig) sein wie jeder
andere König; [SÁ.SÁ bedeutet] »wetteifern«; »wetteifern« bedeutet »erobern«. …
(57-59) »Pferde werden in Wut geraten« bedeutet »sie werden wiehern (wörtl.: schrei-
en)«, denn »in Wut geraten« bedeutet »wiehern«. »Sintflut« ist eine massive Über-
schwemmung. »König der Krone« bedeutet »mächtiger König«. …
(62-63) »Wenn im Monat Kislı̄mu (IX) am 14. Tag eine (Mond)finsternis stattfindet und
(der Mond) untergeht, während er noch verdunkelt ist, wird ein Schrei auf den König
niedergehen.« (Das Omen bedeutet, daß eine Finsternis) im Bereich des Orion – oder
alternativ: in der Nähe (des Sternbilds) »Schütze« – (erfolgt); (die Apodose bezieht sich
auf) eine Epidemie. …
Bezugstext darstellt, doch wahrscheinlicher dürfte sein, daß hier eine weitere Erklärung des
am Beginn des Absatzes zitierten Omens vorliegt.
91. Statt als Variantenangabe im Bezugstext könnte der nachfolgende Hinweis auf die Morgen-
dämmerung auch als Erklärung verstanden werden.
92. Die Erklärung, das zitierte Omen handle in Wahrheit von einer Mondfinsternis, die »wie ein
Stern geformt/geöffnet(?)« (TAG4) sei, wird u. a. damit begründet, daß man unter »Licht-
glanz« (birsu) einen Stern zu verstehen habe. Das Logogramm TAG4 animiert den Kommen-
˙
tator zu einer Reihe weiterer Assoziationen, die speziell die zweite Voraussage des Omens
betreffen. Diese wird zunächst, unter Verwendung syllabischer Schreibungen, nochmals zi-
tiert, wobei der Ausdruck »Dynastie des Landes« (BALA KUR) durch »Länder« (KUR.KUR)
ersetzt wird. TAG4 wird sodann als Teil des komplexen Logogramms NÍG.NAM.TAG4, das
»Lichtglanz« bedeutet, identifiziert und darüber hinaus mit dem Verbum eze¯bu »retten« ge-
glichen, offenbar mit dem Ziel, eine eigentlich negative Voraussage über die Eliminierung
der herrschenden Dynastie in ein Orakel über die Rettung der Länder umzudeuten.
99
Texte aus Mesopotamien
(68-69) 93)Lexikalische Gleichungen und mündliche Deutungen aus einer »Lektion« zur
(astrologischen) Serie 94) Enūma Anu Enlil (»Als Anu und Enlil«), (speziell zur Tafel mit
dem Incipit) »Wenn eine Finsternis stattfindet und der Tag dunkel wird« (Enūma Anu
Enlil XVI) – abgeschlossen. Die Fortsetzung derselben ist (die Tafel mit dem Incipit)
»(Wenn) eine Finsternis am 14. Tag des Monats Nisannu (I) stattfindet« (Enūma Anu
Enlil XVII).
(70-71) 95)Tafel, die Iprā3ya, Sohn (oder Enkel?) des Arad-Ba3u, Nachkomme des Ētiru, ge-
˙
schrieben hat. 23. Tag des Monats Šabātu (XI), 19. Regierungsjahr des Artaxerxes. Wer
˙
den Gott Nabû verehrt, 96) soll (die Tafel) nicht stehlen, sondern entschieden wert-
halten.
93. Unterschrift und Stichzeile, die auf die nächste Tafel der Serie verweist. Daß am Ende offenbar
auch Omina aus Enūma Anu Enlil XIX erklärt werden, bleibt unerwähnt.
94. Lies: hÉŠi.GÀR.
95. Kolophon.
96. Nabû wird hier in seiner Eigenschaft als göttlicher Schutzpatron der Schreiber angeführt.
100