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WALLSTEIN VERLAG
Gedruckt mit Unterstützung der
Geschwister Boehringer Ingelheim
Stiftung für Geisteswissenschaften
und der FAZIT-Stiftung
Für Undine
. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Konservatives Tat-Denken - . . . . . . . . . . . . . .
.. Die aktivistische Logik der Konservativen Revolution . . .
Konservative Revolution und neue Rechte () – Die Kon-
servative Revolution und die Tat ()
.. Der neue Nationalismus der Brüder Jünger . . . . . . .
Die Geburt des neuen Nationalismus im Krieg () – Die
Agitation des neuen Nationalismus () – Der neue Na-
tionalismus als Nihilismus der Tatbereitschaft () – Die
Schwerkraft des Nationalsozialismus ()
.. Technische Apokalypse in Ernst Jüngers »Arbeiter« . . . .
Der heroische Realismus und die technische Moderne ()
– Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt () – Der Typus
der organischen Konstruktion () – Die apokalyptische
Aufforderungsstruktur des »Arbeiters« () – Der »Arbei-
ter« im »Dritten Reich« ()
.. Destruktion und Tatbereitschaft bei Martin Heidegger . .
Martin Heideggers Destruktion der akademischen Philo-
sophie () – Heroischer Existenzialismus und innerer
Aktivismus () – Heideggers NS-Engagement () –
Heideggers revolutionäres Tat-Denken () – Der Wahr-
heitsbegriff zwischen Früh- und Spätphilosophie ()
. Abschied von der Tat in der »inneren Emigration« - . .
.. Auf dem Weg zum anderen Anfang. Heidegger zwischen
Jünger, Nietzsche und Hölderlin . . . . . . . . . . . . .
Nach dem Rektorat () – Heidegger und der »Arbeiter«
in der nationalsozialistischen Revolution () – Heideg-
gers Auseinandersetzung mit Ernst Jünger / () –
Heideggers Nietzsche () – Seinsgeschichte und anderer
Anfang in den »Beiträgen zur Philosophie« () – Die
Kritik der technischen Machenschaften () – Hölderlin
und das »geheime Deutschland« () – Dichter, Denker,
Täter ()
Vgl. etwa den berühmten Aufruf von Mann, Geist und Tat.
Vgl. dazu Raphael, Verwissenschaftlichung.
Vgl. zu einigen gängigen Definitionen Harth, Les Intellectuels; Hübinger, Die
europäischen Intellektuellen; zur Begriffsgeschichte Schlich, Geschichte(n).
Lepsius, Kritik als Beruf, S. .
Vgl. Hertfelder/Hübinger (Hg.), Kritik und Mandat, darin besonders die beiden
einführenden Beiträge der Herausgeber (S. -).
terschied. Sie fand allerdings nicht nur parallel, sondern auch im direkten
Austausch statt. Martin Heidegger bezog sich während seiner Zeit als
Rektor der Freiburger Universität / zustimmend auf Ernst Jüngers
militante Schriften und insbesondere seinen Großessay »Der Arbeiter«
von , den Heidegger zur Unterstützung seiner Forderung nach einem
studentischen Arbeitsdienst anführte. Ende der er Jahre setzte sich
Heidegger in einer intensiven Lektüre erneut mit Jüngers »Arbeiter« aus-
einander und nutzte diese Auseinandersetzung nun zur Formulierung
einer Kritik an dem aktivistischen Voluntarismus, den er / selbst
propagiert hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten Jünger und Hei-
degger schließlich in eine persönliche Beziehung, tauschten Briefe und
Festschriftenbeiträge und waren durch ein weites Beziehungsnetzwerk
von Personen und Institutionen miteinander verbunden.
Wendet man seine Aufmerksamkeit diesem Beziehungsnetzwerk zu,
kommt auch Ernst Jüngers jüngerer und weniger bekannte Bruder Fried-
rich Georg in den Blick. Der Dichter und Essayist Friedrich Georg Jünger
war seinem Bruder Ernst und dessen Denkentwicklung eng verbunden.
Während der er Jahre propagierte er wie dieser einen revolutionären
Nationalismus und huldigte demselben Voluntarismus der Tat. zog
er sich wie Ernst aus Berlin und dem politischen Aktivismus zurück. Seit
Mitte der er Jahre schrieb er eine lange Reihe kulturpessimistischer
und modernekritischer Essays, die ihn auch in die Nähe Heideggers
rückten. Diesen lernte er noch vor seinem Bruder persönlich kennen und
setzte sich auch mit dessen philosophischen Schriften intensiver ausein-
ander. Besonders die von beiden formulierte Technikkritik war jeweils
durch den anderen beeinflusst.
Diese Technikkritik nimmt in der hier interessierenden intellektuellen
Entwicklung einen zentralen Stellenwert ein. Denn die Auseinanderset-
zung mit der Technik als einem System des Produzierens und Arbeitens
diente sowohl Heidegger wie beiden Brüdern Jünger als Möglichkeit ei-
ner verdeckten Auseinandersetzung mit dem Problem des Handelns und
damit mit dem eigenen Voluntarismus der Tat. Zudem nahm sie ihren
Ausgang für alle drei von Ernst Jüngers »Arbeiter«, der als Dokument des
konservativ-revolutionären Tat-Denkens zugleich den Entwurf eines
technokratischen Machtstaats darstellte. Friedrich Georg Jüngers
geschriebener und erstmals veröffentlichter Essay »Die Perfektion
der Technik« kann als eine direkte Antwort auf und partielle Revision
von Ernst Jüngers »Arbeiter« und damit auch als Dokument einer
»Selbstkritik der Rechten« gelesen werden. Diese Technikkritik sowie
Rückzug zwang. Tatsächlich lässt sich auch für Heidegger und die Brüder
Jünger von einer Deradikalisierung sprechen. Allerdings erlaubt die Per-
spektive auf die Geist-Tat-Problematik eine etwas genauere Konturie-
rung der Bewegung von Radikalsierung und Deradikalisierung des intel-
lektuellen Konservatismus. Denn deradikalisiert haben sich Heidegger
und die Brüder Jünger nur im Hinblick auf ihren Aktivismus. Inhaltlich
blieben sie vielen ihrer vormaligen Positionen treu.
Hierin liegt ein grundlegender Unterschied zwischen Heidegger und
den Brüdern Jünger einerseits sowie anderen Konservativen wie Hans
Freyer oder auch Arnold Gehlen andererseits. Freyer hat von einigen
radikalen Positionen seines Denkens der Zwischenkriegszeit Abschied
genommen und sich nach mit der demokratischen Ordnung der
Bundesrepublik abgefunden, gleichzeitig aber an seinem Anspruch täti-
ger Teilhabe am politischen Leben festgehalten. Bei Heidegger und den
Brüdern Jünger, so lässt sich etwas vereinfacht sagen, verhielt es sich ge-
rade umgekehrt: Sie waren in ihrem Denken seit Mitte der er Jahre
und in der Nachkriegszeit nicht unbedingt weniger radikal als während
der er Jahre und blieben auch nach strikte Antidemokraten,
zogen sich aber aus der Sphäre des Politischen mehr und mehr zurück.
Zwar hielten auch sie durchaus an dem Anspruch fest, durch ihr Denken
wirken zu wollen und Gefolgschaft zu erzeugen. Diese Idee der Wirkung
war aber nicht mehr auf konkrete politische Veränderungen gerichtet,
sondern auf ein Jenseitiges der Politik.
Diese Dimension des Jenseitigen verweist auf die religiöse, d. h. ge-
nauer apokalyptische Struktur ihres Denkens, die schon ihren Akti-
vismus der er und frühen er Jahre prägte, aber auch danach in
veränderter Gestalt erhalten blieb. Diese Apokalyptik bestand in einer
manichäischen Zweiweltenlehre, nach der die – in Abwandlung von Hei-
deggers Terminologie – »uneigentliche« Jetztzeit durch eine »eigentliche«
Zukunft ersetzt werden sollte. Während ihres politischen Aktivismus
sollte der Umschlag von der Eigentlichkeit zur Uneigentlichkeit durch
die erlösende Tat herbeigeführt werden. Nach dem Abschied von dieser
Idee der Tat sollte der Zustand der Eigentlichkeit dann nicht mehr aktiv
erzeugt, sondern passiv erwartet werden. Gleichzeitig wandelte sich die
Naherwartung der »neuen Zeit« zu einer Fernerwartung, nach der die
Gegenwart noch »lange nicht reif zu einem anderen Anfang« (MH /
, ) sei.
Man kann in Bezug auf Heidegger und die Brüder Jünger also durch-
aus von einem Unterschied in der Apokalyptik nach den beiden Welt-
kriegen sprechen, aber nicht unbedingt von einem »Abschied von der
Utopie«, wie ihn Paul Nolte für das Nachkriegsdenken allgemein konsta-
tiert. Vor allen Dingen aber leisteten Heidegger und die Brüder Jünger
keinen Beitrag zu einer nüchterneren und demokratischen Nachkriegs-
rechten, wie Jeffrey Herf irrtümlich annimmt. Die Liberalisierung des
bundesrepublikanischen Konservatismus ging von anderen intellektuel-
len Kräften aus. Politisch relevant wurden Heidegger und Ernst Jünger
nach in erster Linie als »Vordenker der Neuen Rechten«. Ihre Vor-
denkerschaft war dabei allerdings nicht unvermittelt und konfliktfrei,
wie an der Beziehung Ernst Jüngers zu Armin Mohler zu sehen ist. Dieser
Beziehung ist im Kapitel ein eigener Abschnitt gewidmet.
Armin Mohlers Kritik des »Gärtner-Konservatismus«, die auch seine
ehemaligen Mentoren Ernst und Friedrich Georg Jünger traf, lenkt den
Blick dabei noch auf einen weiteren Transformationsprozess innerhalb
des Konservatismus von Heidegger und den Brüdern Jünger. Michael
Großheim unterscheidet in einer wichtigen Studie Ökologie und Tech-
nokratie als die beiden grundlegenden Spielarten des Konservatismus in
der Moderne und untersucht Ernst Jünger als prototypischen Vertreter
des technokratischen Modells, während Martin Heidegger als Vertreter
des ökologischen Denkens erscheint. Entscheidend ist aber gerade, dass
sich Ernst Jünger ebenso wie sein Bruder Friedrich Georg beim Abschied
von der Tat auch vom technokratischen zum ökologischen Denker wan-
delte. Für alle drei gilt, dass ihr Voluntarismus der Tat unter dem Zeichen
der Destruktion stand, während ihr späteres Denken Formen des Bewah-
rens und Hütens befürwortete. Galt ihnen der Erste Weltkrieg als »Auf-
takt einer gewaltmäßigen, bewaffneten Zeit« (FGJ a, ), so propa-
gierte Ernst Jünger schon vor Ende des Zweiten Weltkriegs den »Frieden«
(EJ ). Hatte Ernst Jünger in der »Totalen Mobilmachung« von
die »wachsende Umsetzung des Lebens in Energie« (EJ a, ) ausge-
rufen, so bemühte er sich nach dem Zweiten Weltkrieg, »umzukehren zu
ruhigerer Bahn« (EJ /, ). Hatte sich Friedrich Georg Jünger
Auch wenn die Denkentwicklung Heideggers und der Brüder Jünger also
im genannten Sinn als Fallbeispiel für die Transformation des intellektu-
ellen Konservatismus verstanden werden soll, liegt der Schwerpunkt die-
ser Untersuchung doch auf den internen Umbildungen ihres Denkens.
Wolfgang Matz hat in einem knappen Blick auf Ernst Jünger und Martin
Heidegger nach bereits festgestellt, dass bei beiden die »internen
Wandlungen der gedanklichen Konzeptionen« auch auf das »Scheitern
der konservativen Revolution« zurückzuführen waren. Die Auseinan-
Michael Großheim spricht für die Jahre bis von einer »Achsenzeit«
(Großheim, Ökologie, S. ) des deutschen Konservatismus im . Jahrhundert,
geht in seiner Arbeit, die eher an Typologien interessiert ist, aber nicht näher auf
diese historische Transformationsphase ein.
Diner (Hg.), Zivilisationsbruch.
Matz, Katastrophe, S. .
Ebd., S. .
Habermas, Diskurs, S. .
Vgl. Bialas, Nationalsozialismus; ähnlich auch Oexle, Zusammenarbeit.
Bourdieu, Politische Ontologie, S. .
Thomä, Zeit des Selbst, S. .
Rosenthal, Zweiter Weltkrieg, S. .
dings nicht als ein offener Prozess, sondern, wie Jürgen Habermas in Be-
zug auf Heidegger geschrieben hat, als »Prozeß einer eigentümlich unein-
sichtigen Enttäuschungsverarbeitung« .
Die beiden Kernthesen der vorliegenden Arbeit lauten also erstens,
dass die Teilnahme an der nationalsozialistischen Politik für die hier inte-
ressierenden Rechtsintellektuellen durch die Hoffnung motiviert war,
das Vermittlungsproblem von »Geist« und »Tat« einseitig zu Gunsten der
Tat lösen zu können, und zweitens, dass das Scheitern dieser Hoffnung
den Prozess einer denkbiographischen Abstandnahme einleitete, der ihre
weitere intellektuelle Entwicklung steuerte und in dieser zu einer Refor-
mulierung des Geist-Tat-Problems führte, das nun einseitig zu Gunsten
des Geistes gelöst werden sollte.
Die grundlegende theoretische Frage, ob man jedes Werk eines Schrift-
stellers oder Philosophen in dieser Weise biographisch lesen und dadurch
implizit der Forderung nach Kohärenz unterwerfen darf, kann hier nicht
beantwortet werden. Im Falle von Martin Heidegger und Ernst Jünger
scheint mir dieses Verfahren aber durch deren eigenes Selbstverständnis
als »Denker« und »Autor« gedeckt zu sein. Von Heidegger ist der selbst
auferlegte Zwang zur denkbiographischen Kohärenz im Wintersemester
/ formuliert worden: »Das Wesentliche einer Philosophie ist, daß
sie von Anfang an bis zu ihrem Ende dieselbe ist.« (MH /, )
Schon in »Sein und Zeit« von hatte er die »Treue der Existenz zum
eigenen Selbst« (MH , ) als wesentliches Merkmal des eigentlichen
Daseins charakterisiert. Nach war die Behauptung, sich durch alle
Veränderungen hindurch treu geblieben zu sein, dann ein Kernelement
der biographischen Strategien sowohl Heideggers wie beider Brüder Jün-
ger. Ernst Jünger schloss den Selbstwiderspruch schon definitorisch
aus, indem er schrieb: »Ich widerspreche mir nicht – das ist ein zeitliches
Vorurteil. Ich bewege mich vielmehr durch verschiedene Schichten der
Wahrheit, von denen die jeweils höchste sich die anderen unterstellt.«
(EJ /, f.)
Dieses Selbstverständnis schloss eine offene Konversion oder auch nur
das Eingeständnis eines grundlegenden Irrtums von vorneherein aus. Der
Wandel des eigenen Denkens, der weder von Heidegger noch von Jünger
geleugnet wurde, musste daher zu einem aus sich heraus erklärbaren
»Denkweg« stilisiert werden, der nicht durch ein Scheitern, sondern nur
durch ein kontinuierliches Fortschreiten gekennzeichnet sein durfte.
Dass dieses Fortschreiten gleichwohl nicht ganz geradlinig verlief, wurde
von Heidegger selbst durch den Begriff der »Kehre« reflektiert, die den
Übergang seines Denkens »vom Seinsverständnis zu Seinsgeschehnis«
(MH , ) kennzeichnen sollte. Heideggers Begriff der »Kehre« ist
dabei auf doppelte Weise schillernd, da diese Kehre erstens an verschiede-
nen Stellen unterschiedlich datiert wird und zweitens nicht nur eine Ver-
änderung in Heideggers Denken, sondern auch einen Vorgang im Sein
selbst bezeichnen soll. Mit Dieter Thomä wird hier davon ausgegangen,
dass es im Denken Heideggers nicht eine einzige, klar datierbare Kehre
gab, sondern mehrere unterschiedliche Entwicklungsschritte. Entschei-
dend ist, dass Heidegger auch dort, wo er von seiner Kehre sprach, wie
im »Brief über den ›Humanismus‹« von , stets bemüht war, seine
Frühphilosophie von »Sein und Zeit« zum eigentlich Anfang des späten
Seinsdenkens zu erklären und dadurch die tatsächlichen Brüche in sei-
nem Denken während der er Jahre gerade zu verdecken.
Ernst Jünger reflektierte die Zusammengehörigkeit des Gegensätzlichen
in seinem Werk in ähnlicher Weise unbescheiden wie Heidegger, indem
er von seinem Alten und Neuen Testament sprach: »Das Verhältnis von
Schriften wie etwa der ›Totalen Mobilmachung‹ oder ›Der Arbeiter‹ zu
anderen wie ›Gärten und Straßen‹ oder ›Der Friede‹ gleicht dem von
Altem und Neuem Testament – erst ihre Zuordnung schafft die Dimen-
sionen, innerhalb deren ich begriffen werden will.« (EJ/GN, ) Dieses
Zitat stammt zwar von . Die gleiche Formulierung findet sich aber
auch schon während des Krieges.
Auch wenn Ernst Jünger insgesamt etwas gelassener mit seinen Selbst-
widersprüchen umging als Martin Heidegger, lässt sich bei beiden doch
argumentieren, dass ihr Bemühen um Kohärenz und ihre zwanghafte
Vermeidung von Eingeständnissen der Diskontinuität ihre Denkentwick-
lung in einer Weise steuerten, die sie selbst nicht immer kontrollieren
konnten. Hannah Arendt bemerkte dazu, Heidegger sei »seinem eigenen
Vgl. Rosales, Problem der Kehre; ders.: Heideggers Kehre; eine gute Übersicht
über die verschiedenen Bedeutungen gibt Ziegler, Verhältnis, S. -.
Vgl. Thomä, Stichwort Kehre.
So schrieb Ernst Jünger am . September an Edgar Traugott: »Die Bücher
über den ersten Weltkrieg, den Arbeiter, die Totale Mobilmachung und zum Teil
noch den Aufsatz über den Schmerz möchte ich als mein Altes Testament be-
zeichnen – als Übergang zum Neuen betrachte ich die kleine Vision ›Sicilischer
Brief an den Mann im Mond‹.« (Zit. n. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. )
schrieb er an Armin Mohler: »Sie müssen ja einen Standpunkt oder Standort
haben, im Gegensatz etwa zu mir, der ich durch eine Reihe von Verhaltensweisen
hindurchgehe und andere, mögliche, schildere.« (E. Jünger an A. Mohler, ..,
A: Jünger, DLA Marbach)
Denken (oder was immer das ist) irgendwie hilflos ausgeliefert«. Den
Fort- und Umschreibungen des Denkens von Heidegger und beiden
Brüdern Jünger nach dem Scheitern der politischen Ambitionen um
und unter den Bedingungen dieser Selbstauslieferung an die Forderung
nach denkbiographischer Geschlossenheit geht die vorliegende Unter-
suchung im Folgenden nach. Da diese Umschreibungen auch in einem
»semantischen Umbau« bestanden und an den »sich wandelnden
Sprachqualitäten« der Texte von den er bis in die er Jahre er-
kennbar werden, besteht ein großer Teil der Untersuchung in einer ge-
nauen Lektüre der Heideggerschen und Jüngerschen Texte, deren innere
Historizität durch das hier skizzierte Verfahren der denkbiographischen
Rekonstruktion aufgewiesen werden soll.
Dieser Umgang mit den Primärtexten bedarf vor allen Dingen in Be-
zug auf Heidegger einer weiteren Bemerkung. Günther Anders hat seiner
ab geführten Auseinandersetzung mit Heideggers Spätphilosophie
die Frage vorangestellt, ob, wer über Heidegger schreibt, auch sein Voka-
bular übernehmen dürfe. Wer es unreflektiert tue, so Anders, lasse sich
damit schon zu sehr auf Heidegger ein und laufe Gefahr, »die Welt durch
H.s Augen« zu sehen. Wer aber versuche, Heideggers »eigentümliche
Metaphysik […] in anderer Terminologie mitzuteilen«, laufe Gefahr, ge-
rade das Eigentümliche dieser Metaphysik zu verfehlen, das in hohem
Maße in ihrer Sprache und ihrer Sprachkritik liege. Es bleibt also nichts
anderes, als die Gratwanderung zu versuchen, bei einer genauen Rekon-
struktion von Heideggers Texten seine Terminologie wiederzugeben und
zugleich zu übersetzen. Vor allen Dingen geht es aber darum, die beson-
dere Funktion zu zeigen, die Heideggers »Sprach-Esoterik« zukam. Denn
schon Günther Anders hatte den Verdacht, dass diese Sprachesoterik
»selbst eine für das heutige geistig-soziale Leben charakteristische Er-
scheinung ist; und daß seine Sprache esoterischer ist, als die Sache, die
diese Sprache auszusagen oder zu verhüllen sucht.« »Wenn das der Fall
sein sollte,« so Anders weiter, »könnte ein Versuch, ihn zu übersetzen
(obwohl gewiß nur partiell durchführbar) vielleicht in überraschendem
Maße deutlich machen, wie eng sein Philosophieren mit anderen Bewe-
gungen dieser Zeit verwandt ist.«
Sowohl zu Martin Heidegger wie zu Ernst Jünger existiert eine breite und
weit verzweigte Forschungsliteratur. Die »Heidegger-Debatte« im engeren
Sinn konzentrierte sich von Anfang an auf sein Verhalten während des
»Dritten Reichs« und die Bedeutung seines NS-Engagements für seine
Philosophie. Während über diesen Zusammenhang sowohl in Frank-
reich wie in Deutschland schon unmittelbar nach dem Krieg und dann
noch einmal in den er Jahren öffentlich gestritten wurde, war es
vor allen Dingen die französische Veröffentlichung von Victor Farías’
Studie über Heidegger und den Nationalsozialismus, die zu einer Hoch-
konjunktur der Heidegger-Debatte führte. Einerseits entstand im Rah-
Vgl. Seferens, Leute; zur Auseinandersetzung mit Seferens unten, Kap. ..
Vgl. Neaman, Dubious Past.
Vgl. Fröschle, Oszillationen.
Vgl. Heyer, Maschine; Richter, Thematic Approach; Slanitz, Wirtschaft. Die
wichtige Studie von Fröschle, Friedrich Georg Jünger, ist leider erst nach Fertig-
stellung dieser Arbeit erschienen und konnte nicht mehr berücksichtigt werden.
Das hat sich, wie bereits erwähnt, seit einigen Jahren etwas geändert; vgl. dazu
den gegründeten »Freundeskreis der Brüder Ernst und Friedrich Georg Jün-
ger« (Stauffenberg/Knapp, Gedenkstätte) sowie die erstmals erschienenen,
beiden Brüdern gewidmeten »Jünger-Studien« (Figal/Knapp (Hg.), Prognosen;
dies. (Hg.), Verwandtschaften).
Strack (Hg.), Titan Technik.
Vgl. Fröschle, Kommentiertes Verzeichnis.
Vgl. Leaman, Heidegger; Sluga, Heidegger’s Crisis; als Ergebnis des faschismus-
theoretisch inspirierten »Projekts Philosophie im Deutschen Faschismus« vgl.
Haug (Hg.), Deutsche Philosophen; Laugstien, Philosophieverhältnisse; in ähn-
licher Richtung: Korotin (Hg.), Geister; aus entgegengesetzter Richtung Tilitzki,
Deutsche Universitätsphilosophie.
Schneeberger, Nachlese.
Vgl. MH -.
Vgl. dazu Barash, Martin Heidegger.
Das gilt etwa für die gesammelten Nietzsche-Vorlesungen und -Abhandlungen,
welche jetzt in den verschiedenen Einzelbänden nachgelesen werden können statt
in der von Heidegger selbst herausgegebenen und überarbeiteten Sammlung von
(vgl. MH /, a, /, /c, , a, c, c, c
und a,b).
Der Begriff der »Konservativen Revolution«, der wohl auf Thomas Mann
zurückgeht und durch Hugo von Hoffmansthals Rede »Das Schrifttum
als geistiger Raum der Nation« von popularisiert wurde, wurde vor
allen Dingen von Armin Mohler als Sammelbegriff für die intellektuellen
Strömungen der radikalen Rechten in den er Jahren in die Ge-
schichtsschreibung zur Weimarer Republik eingeführt. Mohler tat dies
nicht zuletzt in apologetischer Absicht, denn er war darum bemüht, die
konservativen Revolutionäre als »Trotzkisten des Nationalsozialismus«
von der Realpolitik der NSDAP als Massenpartei zu scheiden und damit
von einer Mitschuld an der Politik des »Dritten Reichs« zu befreien. In
der weiteren Forschung zur Konservativen Revolution wurden Mohlers
Einteilungen und Zuordnung allerdings nicht einfach übernommen,
sondern mit unterschiedlichen Gewichtungen und Einschätzungen der
politischen Bedeutung variiert. Daneben finden sich zudem Kritiker wie
Stefan Breuer, die den Begriff als Sammelbezeichnung überhaupt für un-
geeignet halten, da sich bei einer Analyse der politischen Programme der
verschiedenen Gruppen und Autoren der Konservativen Revolution
nicht hinreichend viele und vor allen Dingen gegenüber anderen Strö-
mungen nicht hinreichend trennscharfe Gemeinsamkeiten finden lie-
ßen. Breuer gibt Mohler zwar darin recht, die »einheitsstiftendenden
Momente der Konservativen Revolution auf einer Ebene« zu suchen, »die
tiefer lag als die politischen Diskurse und Programme«. Aber erstens
Mohler, Konservative Revolution; zu Mohler vgl. unten Kap. ..
Ebd., S. .
Während Mohler die Konservative Revolution in die fünf Gruppen der Völki-
schen, der Jungkonservativen, der Nationalrevolutionäre und der Bündischen
unterteilt (ebd., S. -), stellt etwa Kurt Sontheimer die Konservative Revo-
lution als eine Strömung neben den Deutsch-Nationalismus, den revolutionären
Nationalismus, den Nationalbolschewismus, die Deutsch-Völkischen und den
Nationalsozialismus (vgl. Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. -).
Weitere Zuordnungs- und Begriffsvarianten bei Gerstenheimer, Konservatismus,
S. -; Sieferle, Konservative Revolution; Woods, Conservative Revolution;
Travers, Critics of Modernity.
Vgl. Breuer, Anatomie.
Ebd., S. . Vgl. dazu schon Kurucz, Struktur, S. , sowie Bullivant, Conser-
vative Revolution.
- -
sieht Breuer diese tiefer liegende Einheit nicht wie Mohler im Weltbild
von der »ewigen Wiederkehr«, sondern in einer spezifischen »Kombi-
nation von Apokalyptik, Gewaltbereitschaft und Männerbündlertum«.
Zweitens gibt er zu bedenken, dass diese Kombination wiederum nicht
die Konservative Revolution kennzeichne, sondern für die gesamte radi-
kale Rechte symptomatisch sei.
In vielen Punkten ist Breuers Kritik zuzustimmen, besonders dort, wo
sie sich gegen die apologetische Dimension von Mohlers Begriffsprägung
wendet und die Zugehörigkeit der konservativ-revolutionären und der
nationalsozialistischen Vordenker und Aktivisten zum gemeinsamen Feld
der »neuen Rechten« betont. Von dieser neuen Rechten sprechen auch
andere Historiker des Konservatismus. Sie hat sich im Kaiserreich auf-
grund spezifischer »Verformungstendenzen im Konservatismus« als
neuartiges politisches Feld herausgebildet, das sich nicht nur durch neue
Formen der politischen Massenmobilisierung auszeichnete, sondern auch
durch die Radikalisierung des Nationalismus, der nun völkisch-antisemi-
tisch aufgeladen wurde. Gleichzeitig lässt sich von einer Politisierung der
Kulturkritik sprechen, die sich, so Thomas Nipperdey, ebenfalls »radikal
rechts«, d. h. »völkisch-antisemitisch, radikal-national, antiliberal, anti-
intellektuell, kulturkritisch, germanoman« ausgerichtet habe. Aus dieser
neuen Rechten, die durch den Ersten Weltkrieg einen weiteren Radika-
lisierungsschub erfuhr, ist auch die nationalsozialistische Bewegung her-
vorgegangen.
Der Begriff der Konservativen Revolution ist wohl tatsächlich unge-
eignet zur Bezeichnung bestimmter Gruppen dieses rechten Feldes und
zu ihrer Abgrenzung gegenüber anderen. Zur Hervorhebung einer spezi-
fischen Charakteristik der neuen Rechten als ganzer scheint er dagegen
nach wie vor geeignet, denn das in ihm ausgedrückte Paradox kann die
sah er durch Krieg, Revolution und Untergang der Monarchie die
Verbindung in seine eigene Vergangenheit noch radikaler gekappt als
schon durch die Modernisierungstendenzen des späten . Jahrhunderts.
Anders als noch im Kaiserreich gab es für ihn keinerlei Gründe mehr, an
einer Erhaltung des status quo interessiert zu sein. In dieser Situation,
so Martin Greiffenhagen, »entschloß er sich zu einer Art Verzweiflungs-
tat – er wurde revolutionär«. Dabei spielten die bolschewistische Re-
volution in Russland und die Novemberrevolution in Deutschland eine
zentrale Rolle, da beide Revolutionen zugleich abgewehrt und in einem
spiegelverkehrten Nachahmungsakt überboten werden sollten. Mit
Moeller van den Bruck glaubte der deutsche Konservatismus nun, das zu
Erhaltende in einem revolutionären Akt erst schaffen zu müssen: »Kon-
servativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.« Diese Schaf-
fung neuer Werte war nach Ansicht der konservativen Revolutionäre aber
nur nach der vollständigen Beseitigung der bestehenden Verhältnisse
möglich, was der Konservativen Revolution eine manifest antibürger-
liche Stoßrichtung verlieh (auch wenn sie zumeist von Bürgern vertreten
wurde).
Das Revolutionärwerden des Konservatismus führte unter anderem zu
einer engen Verbindung mit dem Jugendmythos der bündischen Jugend-
bewegung, die sich in der Weimarer Republik ebenfalls radikalisierte.
Vor allen Dingen aber resultierte daraus die von Breuer konstatierte
Kombination von Apokalyptik und Gewaltbereitschaft. Apokalyptisch
wurde der Konservatismus insofern, als der anzustrebende fundamentale
Umbruch der Verhältnisse vielfach geschichtsphilosophisch und chilia-
stisch aufgeladen wurde. Die Revolution sollte als totaler Umschwung
durch die gewalttätige Verschärfung der Krise und die radikale Zerstö-
Vgl. zu diesem Wandel des Konservatismus von einer status quo- zu einer Oppo-
sitions-Bewegung Bussche, Konservativismus. Während sich der Konservatismus
im Kaiserreich, so Bussche, als Herrschaftsideologie überparteilich und damit
unpolitisch geben konnte, war er im Parlamentarismus der Weimarer Republik
gezwungen, sich als parteiisch zu politisieren.
Greiffenhagen, Dilemma, S. . Vgl. dazu schon Stern, Kulturpessimismus, S. :
»Konservativ waren sie aus Sehnsucht, revolutionär aus Verzweiflung. Einen
Kompromiß gab es für sie nicht.«
Zit. n. Greiffenhagen, Dilemma, S. . Vgl. dazu auch Ernst Jüngers Ansicht,
dass es gegenwärtig »nicht von Traditionen zu reden, sondern Traditionen zu
schaffen gilt« (EJ , ).
Vgl. dazu Mommsen, Generationskonflikt und Jugendrevolte; ders.: Generatio-
nenkonflikt und politische Entwicklung; zur bündischen Jugend Treziak, Deut-
sche Jugendbewegung.
frey Herf hat dieses Phänomen, dass die Ablehnung der Aufklärung und
des westlichen Liberalismus nicht notwendig mit einer Ablehnung der
Technik und des industriellen Fortschritts einhergehen muss und dass
politisch reaktionäre Konzepte sich mit technischem Modernismus paa-
ren können, auf den Begriff des »reaktionären Modernismus« gebracht.
In diesem Sinn waren viele der konservativen Revolutionäre auch reak-
tionäre Modernisten.
Zentrales Kennzeichen der Konservativen Revolution war aber nicht
so sehr ihr affirmatives Verhältnis zur technischen Moderne. Hier gab es
durchaus unterschiedliche Bewertungen. Entscheidend war vielmehr
die dargestellte Verschärfung des konservativen Dilemmas in der Ver-
zweiflungstat des Revolutionärwerdens, die zur politischen Radikalisie-
rung führte. Denn diese Verzweiflungstat äußerte sich in einer Art poli-
tischem Salto mortale, durch den der Konservatismus seine bewahrenden
Kräfte verlor und der ideologischen wie realpolitischen Selbstaufhebung
entgegen trieb. Diese Radikalisierung bis hin zur Selbstzerstörung hat
wiederum zentral mit der Idee der revolutionären Gewalt-Tat zu tun, die
sämtliche Formen des konservativ-revolutionären Denkens durchzog.
Denn das Revolutionärwerden ging gleichzeitig mit dem Verlust von in-
haltlich konkreten politischen Zielvorstellungen einher, die durch reinen
Aktionismus und Voluntarismus ersetzt wurden. Die apokalyptische Ge-
waltbereitschaft, von der auch Breuer spricht, war zunächst nur auf die
Zerstörung der gegenwärtigen Verhältnisse ausgerichtet. Die konserva-
tiven Revolutionäre erscheinen so als »Nihilisten der Tat«, die ihren
inhaltsleeren Dezisionismus nur durch immer noch größere Radikalität
überspielen konnten und ihn dadurch in die Aporie trieben. Profitiert
hat von diesem Mechanismus am Ende die Bewegung, die letztlich bereit
war, tatsächlich zur Gewalttat zu schreiten: die NSDAP. Diese Konstel-
lation eines Wettlaufs der Tatbereitschaft, den am Ende nur die Natio-
»Aktion, nicht opinion«, das war es, was Carl Schmitt von der radi-
kalkonservativen Zeitschrift Die Tat erwartete. Dieser Devise folgte
allerdings nicht nur Die Tat, die im Umfeld der Lebensreform ge-
gründet worden war und nach dem Ersten Weltkrieg, besonders unter
ihrem neuen Herausgeber Hans Zehrer, eine »realpolitische Radikalisie-
rung« erfuhr und zum Sprachrohr des aktivistischen Jungkonservatis-
mus wurde. Auf Aktion statt bloßer Meinungsäußerung war die gesamte
Konservative Revolution der Weimarer Republik gerichtet. Sie wurde in
erster Linie von jüngeren Rechtsintellektuellen getragen, die durch das
Erlebnis des Ersten Weltkriegs nachhaltig geprägt wurden. Sie erfuhren
nicht nur die deutsche Niederlage , sondern auch die Novemberrevo-
lution und die Errichtung der Weimarer Republik als krisenhaftes Ge-
schehen, das nach einer gewaltsamen (Er-)Lösung verlangte.
Die Erfahrung der Krise war allerdings nicht auf das rechte politische
Lager beschränkt. Die Weimarer Periode lässt sich vielmehr allgemein
als Krisenepoche deuten. Schon der Erste Weltkrieg, aus dessen kata-
Vgl. dazu den klassischen Text von Berlin, Gegenaufklärung, sowie Holmes,
Anatomie. Dieser Begriff der Gegenaufklärung ist im aufklärerischen Sinn nor-
mativ und z.T. noch unbeleckt von der Erkenntnis der »Dialektik der Aufklä-
rung«, die dann ja selbst Gegenstand nicht nur nachaufgeklärten, sondern auch
konservativen Denkens geworden ist. Er erlaubt m.E. aber dennoch die notwen-
dige Kennzeichnung des konservativen Denkens als antirationalistisch, worin
wiederum dessen Einheit über alle Metamorphosen hinweg zu erkennen ist.
In einem Brief an den Verleger Eugen Diederichs, zit. n. Hübinger, Die Tat, S. .
Vgl. zur Tat auch Fritzsche, Politische Romantik.
Hübinger, Die Tat, S. .
Zudem war sie auch nicht auf Deutschland beschränkt; vgl. dazu Mai, Europa.
Vgl. zum Krisentopos der Weimarer Republik neben der einflussreichen Studie
von Peukert, Weimarer Republik auch Föllmer/Graf (Hg.), »Krise«; Fritzsche,
Landscape; ders.: Did Weimar Fail?; zur Krisenwahrnehmung der Zeitgenossen
Bialas, Krisendiagnose; Müller-Seidel, Krisenjahre.
- -
Vgl. stellvertretend für die breite Literatur zum Ersten Weltkrieg Eksteins, Tanz.
Vgl. Mommsen, Auflösung; Weisbrod, Krise; ders., Crisis.
Mosse, Gefallen, S. .
Vgl. Weisbrod, Gewalt; Bessel, Politische Gewalt; Schulz, Ästhetisierung; zur Re-
lativierung und Einordnung der Brutalisierungsthese Schumann, Politische Ge-
walt; ders., Europa; Ziemann, Germany.
Vgl. Bessel, Krise; ders.: Kriegserfahrungen; zur europäischen Dimension der
Nachkriegsveränderungen Mommsen (Hg.), Der Erste Weltkrieg.
tus der Härte und des Einverständnisses mit der Modernisierung, der aus
dem Versuch resultierte, sich in der Trümmerlandschaft der Nachkriegs-
zeit zu behaupten. Hier war es wiederum Walter Benjamin, der den
Schock des Kriegserlebnisses und die durch ihn produzierte Entleerung
der Erfahrung rückblickend für die Entstehung eines »neuen Barbaren-
tum[s]« verantwortlich machte, das sich dazu gezwungen sah, nach dem
Krieg »von Neuem anzufangen« und »erst einmal reinen Tisch« zu ma-
chen. Der destruktive Charakter des Krieges habe destruktive Charak-
tere hervorgebracht, die sich als neue Barbaren wortkarg Wege durch die
Trümmerlandschaft der Nachkriegsmoderne brachen. Den Begriff von
den neuen Barbaren beanspruchte auch Ernst Jünger für sich, der etwa
von der »klirrende[n] Wiedergeburt des Barbarentums« (EJ , ) im
Krieg sprach. Tatsächlich lassen sich viele konservative Revolutionäre –
unter ihnen nicht zuletzt die Brüder Jünger und Martin Heidegger – als
destruktive Charaktere im Sinne Benjamins verstehen, die zur Neu-
fundierung ihrer politischen (und philosophischen) Ordnungssysteme
nach dem Ersten Weltkrieg erst einmal reinen Tisch mit dem bisherigen
Kulturbestand machen wollten.
Allerdings haben die »unheimlichen Nachbarschaften« in den die
politischen Lager verbindenden »Austauschdiskursen« der Weimarer Re-
publik auch ihre Grenzen. So war etwa der Messianismus Walter Benja-
mins oder Ernst Blochs wesentlich weniger radikal und stärker attentiver
Art als der politische Chiliasmus Hans Freyers oder Ernst Jüngers. Vor
allen Dingen aber verband sich das dezisionistische Tat-Denken auf der
Rechten mit spezifisch konservativen Motiven wie der antirationalisti-
schen »Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe«, dem schon angesproche-
nen »Denken aus dem Ursprung«, einem soldatischen Heroismus der
Opferbereitschaft und des Todesmutes, einem Elitismus der Eingeweih-
ten und einem »männlichen Fundamentalismus«, der mit einer spezi-
Curtius, Deutscher Geist, S. u. ; vgl. dazu auch Hoeges, Kontroverse, S. -
.
Ebd., S. , u. f.
Vgl. Benda, Verrat.
Vgl. zum Begriff der »Geistigen«, der in Deutschland häufig statt »Intellektuelle«
benutzt wurde, Bering, Die Intellektuellen, S. -; Phelan, Weimar Theories.
- -
den Hochverrat des Geistes gegen das Leben […] der Hochverrat des
Geistes gegen den ›Geist‹« (EJ , ) sei. Dieser Hochverrat des Geistes
gegen den Geist war Ausdruck für das die gesamte Konservative Revolu-
tion charakterisierende Dilemma des intellektuellen Antiintellektualis-
mus. Die Struktur dieses rechtsintellektuellen Antiintellektualismus ist
neben Curtius auch anderen Zeitgenossen aufgefallen. So bemerkte Kurt
Hiller angesichts von Jüngers Angriffen gegen den Intellekt, »daß Herr
Jünger ja selber Literat ist und selber Intellektueller, wenngleich kein
sonderlich intelligenter; so daß seine These ihn selber ohrfeigt«.
Vor allen Dingen aber trug diese Geistfeindschaft auf besondere Weise
zur Radikalisierung des konservativ-revolutionären Tat-Denkens bei.
Schon forderte Hans Freyer eine »Philosophie der Tat«, die sich
nicht mehr mit der intellektuellen Erfassung der Welt zufrieden geben
wollte: »Wir sind fertig mit den Begriffen, nun greifen wir ein in die
Welt. Wir haben widerlegt, nun revoltieren wir. Und ziehen aus den Prä-
missen der Philosophie den großen Schluß: die Tat.« verkündete
Ernst Jünger dann, dass mit dem Auftreten eines neuen Typus von Arbei-
ter-Krieger im Ersten Weltkrieg der »Schritt vom romantischen Protest
zur Aktion« (EJ , ) vollzogen worden sei: »die Debatte [ist] ge-
schlossen, und es beginnt die Aktion« (ebd., ). Er fuhr an derselben
Stelle fort: »Es beginnt die Revolution, als deren stärkstes Mittel die reine
Existenz, das bloße Vorhandensein zu betrachten ist.« (Ebd.) Diese
Kopplung von Aktion und reiner Existenz verweist erneut auf das schon
genannte Dezisionismusproblem, auf die pure Entschlossenheit des poli-
tischen Existenzialismus, in dem die inhaltliche Unbestimmtheit gerade
zur Radikalität des Tat-Denkens beitrug. Schon hatte Jünger an
Franz Schauwecker geschrieben: »Das einzig erstrebenswerte ist die Tat.
Alles andere ist Notbehelf.«
Der Vorsatz aber, »das Wort durch die Tat, die Tinte durch das Blut,
die Phrase durch das Opfer, die Feder durch das Schwert« (EJ -,
) zu ersetzen, den Ernst Jünger schon im Völkischen Beobachter
formulierte, dem er erneut die »Aufforderung zur Tat« (ebd., )
folgen ließ und der etwa in Carl Schmitts Forderung nach »Aktion« statt
»Opinion« wiederkehrte, initiierte einen Wettlauf der Tatbereitschaft,
den letztlich nur diejenigen gewinnen konnten, die am Ende wirklich
bereit waren, mit der Tat Ernst zu machen und vor der politischen Ge-
walt nicht zurückzuschrecken. In dieser aktivistischen Logik der Kon-
servativen Revolution lag das Scheitern jener Art von Arbeitsteilung
schon begründet, die Edgar Julius Jung entwickelte, indem er die
NSDAP zum »Referat Volksbewegung« des nationalen Lagers erklärte,
dem die konservativ-revolutionären Intellektuellen als »geistige Men-
schen« und Vordenker die Richtung zu weisen hätten. Indem sich die
konservativen Revolutionäre als »geistige Menschen« letztlich selbst ver-
leugneten, machten sie sich – in einer Formulierung von Karl Kraus – zu
»Worthelfern der Gewalt«. Sie begaben sich auf eine abschüssige Bahn,
an deren Ende nur die reale Gewalt des Nationalsozialismus liegen konnte.
Einige haben diese Bahn zwar zu einem früheren oder späteren Zeit-
punkt verlassen. Deren Verlauf konnten sie dadurch aber nicht mehr än-
dern. Dass wiederum einige mit diesem Verlauf dann nicht einverstan-
den waren, soll Hitler kurz nach der »Machtergreifung« mit den Worten
kommentiert haben: »Jetzt, da wir Ernst machen, markieren sie erstaunte
Kinderaugen.« Ernst Jünger brachte diese Gravitationsbewegung des
Tat-Denkens zur Gewalt-Tat selbst auf den Begriff der »wachsenden
Schwerkraft« (EJ -, ) des Nationalsozialismus, ohne dabei
recht zu verstehen, in welchem Maße auch er mit seinen Texten dieser
Schwerkraft unterlag. Erst retrospektiv erkannte er, mit seinen publizisti-
schen Aktivitäten letztlich denjenigen genutzt zu haben, die sich dann
trauten, »die Sache zu machen«.
So schrieb er am . Januar an Gerhard Nebel: »Wäre ich dreißig Jahre jün-
ger, so würde ich eine jener Zeitschriften gründen, mit denen ich in den zwan-
ziger Jahren viel Zeit vertan habe. Aber wozu das dient, und wer dann kommt
und sich zutraut, die Sache zu machen, das haben wir gesehen.« (EJ/GN, )
An Friedrich Hielscher schrieb er schon über die Nationalsozialisten: »Vieles
von dem, was wir in unserer politischen Zeit gesagt und geschrieben haben, wur-
de später von ihnen stellvertretend durchexerziert und ad absurdum geführt.«
(EJ/FH, )
In der zweiten Hälfte der er Jahre bildete Ernst Jünger den Kristal-
lisationskern einer Gruppe radikaler Rechtsintellektueller, die sich selbst
nationalrevolutionär nannten und zu denen auch Friedrich Georg Jünger
gehörte. Diese Gruppierung, zu der neben den Jüngers etwa Franz
Schauwecker, Ernst von Salomon, Friedrich Hielscher und andere zu
zählen sind, war eine unter vielen Strömungen der rechten und antide-
mokratischen Agitation in der Weimarer Republik, die je einzeln oftmals
sektiererischen Charakter hatten, die in ihrer Gesamtheit aber die poli-
tische Kultur Weimars nachhaltig prägten. Innerhalb dieses Spektrums
zeichneten sich die so genannten neuen Nationalisten um Ernst Jünger
unter anderem durch die Art ihrer permanenten Berufung auf das
Kriegserlebnis aus. Der Erste Weltkrieg, die Niederlage von und der
Friedensvertrag von bildeten für jede Form des deutschen Natio-
nalismus während der Weimarer Republik das Menetekel, an dem die
nationalen Erneuerungsbemühungen sich abzuarbeiten hatten. Für die
Brüder Jünger stellte das Kriegserlebnis aber in besonderem Maße den
Ausgangspunkt der nationalistischen Agitation dar. »Der Vater dieses
Nationalismus ist der Krieg« (EJ -, ), wie Ernst Jünger im
Vorwort zum Manifest seines Bruders Friedrich Georg »Aufmarsch des
Nationalismus« von verkündete. Tatsächlich lässt sich besonders für
Ernst Jünger behaupten, dass der Krieg nicht nur der Vater seines politi-
schen Engagements, sondern auch der Motor seines literarischen Schaf-
fens war. als Freiwilliger ins Feld gezogen, hatte er seit November
als Leutnant und seit als Stoßtruppführer an der Westfront ge-
kämpft, wurde mehrfach verwundet und kurz vor Kriegsende schließlich
mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet. Nach der Demobilisierung
blieb er noch bis in den Diensten der Reichswehr und beschäftigte
Vgl. Hietala, Der Neue Nationalismus; Prümm, Literatur sowie das instruktive
Nachwort von Stefan Breuer und Ina Schmidt in EJ/FH, S. -. Daneben
finden sich in Untersuchungen zu anderen Protagonisten dieses Lagers vielfach
Darstellungen der personellen Verflechtungen, z. B. bei Meinl, Nationalsoziali-
sten, S. - u. -; Schmidt, Herr des Feuers, S. -.
Vgl. Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. -; Faye, Totalitäre Spra-
chen, S. -.
Vgl. Barth, Dolchstoßlegenden; Heinemann, Verdrängte Niederlage; Schivel-
busch, Kultur der Niederlage, S. -.
- -
Vgl. zum Problem der Überarbeitungen bei Jünger Kunicki, Projektionen; Kne-
bel, ›Fassungen‹; Dempewolf, Blut und Tinte; Böhme, Fassungen; zu den Kriegs-
büchern als gelungene Synthese der umfangreichen Literatur Martus, Ernst Jün-
ger, S. -.
Vgl. Müller, Im Grunde; ders.: Krieg; ders.: Wandel.
Vgl. Benjamin, Erfahrung und Armut; allg. Mülder-Bach (Hg.), Modernität und
Trauma.
Vgl. Blotzheim, Ernst Jüngers »Heldendehrung«; zum Wandel des Heldenmythos
von »Langemarck« zu »Verdun« auch Hüppauf, Schlachtenmythen.
Vgl. Ziemann, Soldaten; Spilker/Ulrich (Hg.), Tod.
dächtnis dieser Toten führte vor allen Dingen nach der Niederlage zu
dem dringlichen Bewusstsein, dass sie nicht umsonst gestorben sein dür-
fen. Es galt vielmehr, der offensichtlichen Sinnlosigkeit des anonymen
Sterbens und des verlorenen Krieges einen Sinn zu verleihen.
Im Einzelnen bestand die Sinngebung für Jünger darin, den Krieg
einerseits als elementares, schicksalhaftes Ereignis zu werten, das der
menschlichen Entscheidung enthoben sei, wobei der Heroismus dann
darin bestehe, dieses Schicksal aktiv anzunehmen, sich ihm zu stellen.
Andererseits erschien Jünger der Krieg als Fanal einer neuen Epoche.
Dieses Motiv fand sich bereits in den Kriegsbüchern und wurde in den
Texten des neuen Nationalismus fortgeführt, in denen der Krieg zur
metaphysischen Zeitenwende überhöht, seine Funktion als die des »Um-
werters der Werte, des großen Zerstörers des Gewordenen und des Vaters
der zukünftigen Dinge« (EJ -, ) beschrieben wurde. Der
Krieg markierte für Jünger den Eintritt in ein neues Zeitalter, in das er
die durch ihn Gestählten als ein »neues Geschlecht« (ebd., ) entlassen
habe, und erschien damit gleichzeitig als der »große, rote Schlußstrich
unter der bürgerlichen Zeit« (ebd., ). Dieses bürgerliche Zeitalter sei
in erster Linie durch das Streben nach Sicherheit gekennzeichnet gewe-
sen, der Krieg dagegen stelle einen Ausbruch des Elementaren und Ge-
fährlichen dar, der sich durch die Kruste der Zivilisation hindurch Bahn
gebrochen habe: »Das Ungeteilte, der Ursprung wurde lebendig und
schrie nach Entladung, nach einfacher und wilder Tat.« (EJ , ) Die
neue Zeit, die durch den Krieg eingeläutet wurde, erschien daher als
gleichzeitig moderner und elementarer als die bürgerliche Epoche. In
diesem neuen »Maschinenzeitalter« (ebd., ) könnten nur diejenigen
bestehen, die als neue Menschen aus dem Krieg hervorgegangen seien.
Auf diese Weise konnte außerdem auch die militärische Niederlage des
Kaiserreichs relativiert werden. Denn verloren haben auf allen Seiten nur
die Vertreter der alten Zeit, gewonnen haben überall die durch den Krieg
gehärteten neuen Menschen.
Diese Härtung bestand im Übrigen auch im Erlernen eines neuen
Umgangs mit der Maschinentechnik, die nicht nur dem Krieg, sondern
der neuen Epoche insgesamt ihr stählernes Gepräge gebe. Dabei war die
Haltung Ernst Jüngers zur Technik durchaus ambivalent. Denn einerseits
war es ja gerade die Technik, die zur Entpersönlichung und kalten De-
struktion im Maschinenkrieg geführt hatte. Da im Krieg »selbst der
Mensch […] als Material gewertet« (EJ , III) wurde, offenbarte sich
auch für Jünger darin zunächst die »Herrschaft der Maschine über den
Menschen, des Knechtes über den Herrn« (b, ). Doch gemäß der
oben schon erläuterten Logik der Verzweiflung blieb Jünger bei diesem
Befund nicht stehen. Vielmehr postulierte er, dass sich nur der schwache
Mensch von der Technik erdrücken lasse. Der Starke aber zeige, »daß der
Mensch dem Material überlegen ist, wenn er ihm die große Haltung ent-
gegenzustellen hat« (ebd., ). Diese große Haltung entdeckte Jünger
besonders in den neuartigen Soldatengattungen, den Panzerfahrern und
Fliegern sowie den Stoßtruppführern, zu denen er selbst gehörte und die
er als »Stahlgestalten« beschrieb:
»Es sind die Stahlgestalten, deren Adlerblick geradeaus über schwir-
rende Propeller die Wolken durchforscht, die in das Motorengewirr
der Tanks gezwängt, die Höllenfahrt durch brüllende Trichterfelder
wagen, die tagelang, sicheren Tod voraus, in umzingelten, leichenum-
häuften Nestern halbverschmachtet hinter glühenden Maschinenge-
wehren hocken. Sie sind die Besten des modernen Schlachtfeldes, von
rücksichtslosem Kämpfertum durchflutet, deren starkes Wollen sich
in geballtem, zielbewußtem Energiestoß entlädt. Wenn ich beobachte,
wie sie geräuschlos Gassen in das Drahtverhau schneiden, Sturm-
stufen graben, Leuchtuhren vergleichen, nach den Gestirnen Nord-
richtung bestimmen, erstrahlt mir die Erkenntnis: Das ist der neue
Mensch. Die Sturmpioniere, die Auslese Mitteleuropas. Eine ganz
neue Rasse, klug, stark und Willens voll. Was hier im Kampfe als Er-
scheinung sich offenbart, wird morgen die Achse sein, um die das
Leben schneller und schneller schwirrt.« (EJ , )
In dieser Passage aus dem »Kampf als inneres Erlebnis« von wird
bereits die in dieser Kriegsdeutung enthaltende Zukunftsprojektion
deutlich. Tatsächlich lässt sich der etwa einsetzende politische Akti-
vismus Jüngers als Praktischwerden der Kriegsdeutung verstehen, dem es
Was sich ebenfalls aus dieser Passage ersehen lässt, ist Jüngers Fixierung auf Kate-
gorien der Männlichkeit, die nicht nur in der Propaganda von Härte und Opfer-
bereitschaft zutage tritt, sondern auch in seiner metaphorischen Sprache mit
ihren »geballten Entladungen«; vgl. dazu v.a. Weisbrod, Kriegerische Gewalt.
Vgl. Fröschle, La Grande Guerre; zu Friedrich Georg Jüngers nationalistischer
Publizistik Beismann, Spurensuche; Heyer, Maschine, S. -.
Vgl. FGJ a, u. FGJ a, ; zu Ernst Jüngers Zurückweisung der Dolch-
stoßlegende EJ -, .
- -
Nationalismus als »Erbe unserer Toten« und als »Vollstrecker ihres un-
geheuren Nachlasses« (ebd., f.). Auch für Friedrich Georg Jünger er-
schien der Krieg zugleich als »schicksalhafter Vorgang« (ebd., ) und als
Beginn einer neuen Epoche. Die Ankündigung dieser neuen Epoche
gestaltete sich bei ihm jedoch noch deutlicher als revisionistisches Pro-
gramm, denn der Krieg war ihm nicht nur allgemein »Auftakt einer ge-
waltmäßigen, bewaffneten Zeit«, sondern auch konkret »Beginn einer
furchtbaren, alle Kräfte anspannenden Auseinandersetzung« im »großen
Gegensatz von Volk zu Volk« (ebd., f.). Der Nationalismus wolle »das
Deutsche in eine neue aggressive Form bringen« (ebd., ), um für den
»Endkampf des Imperialismus« (ebd., ) gerüstet zu sein. Dabei erscheine
im »Zeitalter der Maschinen […] kein Mittel mehr als verwerflich«, denn
»Menschen und Methoden sind brutalisiert« (ebd., ).
So lautet die Unterüberschrift der Standarte, die Ernst Jünger ab mit heraus-
gab.
Vgl. neben der Edition EJ - auch Reimann, Feder.
ten fungierte. siedelte er schließlich nach Berlin über, auch um di-
rekter an den diversen nationalistischen Projekten mitarbeiten zu kön-
nen. Friedrich Georg Jünger folgte ihm . In Berlin unterhielten die
Brüder vielfältige Kontakte, nicht nur zu nationalistischen Agitatoren,
sondern auch zu Intellektuellen anderer politischer Lager. In den späten
er Jahren verzweigten sich auch ihre publizistischen und literari-
schen Aktivitäten, wobei sie an politischer Eindeutigkeit, nicht aber an
Radikalität verloren.
Dass Ernst Jüngers politische Agitation unmittelbar aus der nach-
holenden Bearbeitung des Kriegserlebnisses erwuchs, zeigt sich sehr
deutlich an einer Artikelfolge, die er in der Zeitschrift Die Standarte.
Beiträge zur geistigen Vertiefung des Frontgedankens veröffentlichte. Der
erste dieser Artikel erschien Anfang September unter dem Titel »We-
sen des Frontsoldatentums« (EJ -, -), der letzte unter dem
schlichten Titel »Schluß« (ebd., -) Ende Dezember . Im Rah-
men dieser Artikelfolge setzte sich Jünger mit der wilhelminischen Zeit
(ebd., -), mit dem Krieg als »äußerem« und als »innerem« Erlebnis
(ebd., -), mit »Revolution« (ebd., -), »Reaktion« (ebd., -
) und »Tradition« (ebd., -), den gegnerischen Weltanschauungen
des »Pazifismus« (ebd., -) und »Internationalismus« (ebd., -),
dem Gegensatz von »Blut und Intellekt« (ebd., -), der Technik
(ebd., -) sowie dem Verhältnis von Frontsoldat und »innerer Poli-
tik« (ebd., -) auseinander. In systematischer Absicht entwickelte
Jünger hier das politische Programm des neuen Nationalismus, der Poli-
tik als »Fortsetzung des Krieges mit veränderten Mitteln« (ebd., ) be-
treiben wolle. Denn im Krieg habe der Frontsoldat »eine neue, unbe-
kannte Welt« betreten, »und dieses Erlebnis rief in vielen jene völlige
Veränderung des Wesens hervor, die sich am besten mit der religiösen
Erscheinung der ›Gnade‹ vergleichen läßt, durch welche der Mensch
plötzlich und von Grund auf verwandelt wird« (ebd., ). Der Front-
soldat, so Jünger in Fortsetzung dieser apokalyptischen Vorstellung einer
metaphysischen Wende, »erlebte in sich die Vernichtung einer alten und
die Auferstehung einer neuen Welt« (ebd., ).
Im Mai schrieb er an Ludwig Alwens, er habe sich entschlossen nach Berlin
zu ziehen, um auf den Lauf der Dinge besseren Einfluss nehmen zu können; vgl.
E. Jünger an L. Alwens, .., A: Ernst Jünger, DLA Marbach; zu Ludwig
Alwens und seinem Verhältnis zu Jünger Berggötz, Zwei Wege; zu Jüngers Ber-
liner Jahren Mühleisen, Ernst Jünger.
Als anschauliche Beschreibung der Berliner »Bohème« um Jünger vgl. Noack,
Ernst Jünger, S. -.
- -
Die vollständige Durchsetzung dieser neuen Welt gegen die Reste der
alten sei die politische Aufgabe des modernen Nationalismus. Er richte
sich gegen Demokratie, Pazifismus und Internationalismus und strebe
eine nationale Diktatur nach innen und eine imperialistische Politik
nach außen an. Das bedeutete gleichzeitig, dass der Nationalismus sich
auch von restaurativen Bestrebungen des Monarchismus und Konser-
vatismus distanzierte. Analog zu der oben schon wiedergegebenen Ar-
gumentation, dass im Weltkrieg einerseits die »Technik als zerstörendes
Element« (ebd., ) hervorgetreten sei, dass sich aber andererseits gerade
in der Konfrontation des Frontsoldaten mit der Kriegstechnik erwiesen
habe, »daß die innere Kraft dem Material überlegen ist« (ebd., ), for-
derte Jünger, dass sich der Frontsoldat als »Beherrscher der Materie und
Beherrscher seiner selbst« (ebd., ) im nationalistischen Kampf der
modernsten Mittel bediene: »In Krieg und Frieden wird der moderne
Nationalismus auf die Maschine angewiesen sein« (ebd., ), wobei es
darum gehe, »die furchtbare, gebundene Energie des modernen Staates
in den Dienst des Reiches zu stellen, sie den Fangarmen des zweckmäßig
denkenden Intellekt[s] zu entwinden und sie bis in das letzte Schwung-
rad, das letzte Stückchen Eisen den Gesetzen des Blutes zu unterwerfen«
(ebd., ). In diesem Sinn sei der Nationalismus eine moderne Erschei-
nung, eine »Bewegung der Jungen« (ebd., ), die auch den »Arbeiter in
die nationale Front« (ebd., ) einbeziehen müsse, denn der Arbeiter sei
»das brauchbarste Instrument des modernen Nationalismus« (ebd., ),
ja sogar der »erste und stärkste Faktor beim Aufmarsch des modernen
Nationalismus« (ebd., ). Dieser moderne Nationalismus sei daher
»eine revolutionäre Erscheinung« (ebd., ), die nicht auf eine Teilhabe
am gegenwärtigen Staat gerichtet sei, sondern auf dessen vollständige Be-
seitigung:
»Wir wollen keine Partei bilden, wir wollen nicht wählen, das hieße
den Staat anerkennen, das hieße eins seiner Organe werden, statt gegen
ihn gerichtet zu sein. Wir wollen uns zu einer selbständigen Macht
entwickeln, die eines Tages mächtiger sein wird als der Staat. […] Der
Tag, an dem der parlamentarische Staat unter unserem Zugriff zusam-
menstürzt und an dem wir die nationale Diktatur ausrufen, wird unser
höchster Festtag sein.« (Ebd., f.)
Mit der Ausformulierung dieses revolutionären Programms war Ernst
Jünger maßgeblich an dem Versuch einer Gruppe junger Rechtsintellek-
Vgl. zum Verhältnis des neuen Nationalismus zur Technik Wege, Stahl und Seele;
zur Entgegensetzung von Blut und Intellekt unten, S. .
auch Ernst Jünger als Mitherausgeber. Die Auflage belief sich allerdings
nur noch auf etwa Exemplare.
In dieser veränderten Standarte veröffentlichte auch Friedrich Georg
Jünger seine ersten politischen Artikel (FGJ b-d). Gleichzeitig er-
schien im Frühjahr sein »Aufmarsch des Nationalismus«, der als
zentrales Manifest des neuen Nationalismus angelegt war und als zweiter
Band in der von Ernst Jünger herausgegeben Schriftenreihe »Der Auf-
marsch« publiziert wurde. Friedrich Georg Jünger plädierte darin ganz
im Sinne der Standartegruppe für das nationalistische Engagement in
einem »soldatischen Verband« (FGJ a, ) und spielte dabei deutlich
erkennbar auf den Stahlhelm an: »Die nächste und dringendste Aufgabe
ist es, einen mächtigen, Deutschland umfassenden Verband in der Weise
durchzubilden und schlagfertig zu machen, daß er fähig ist, die Zügel des
Staates in die Hand zu nehmen.« (Ebd., f.) Gleichzeitig betonte er aber
genau wie Ernst Jünger, dass der Nationalismus »weder konservativ noch
monarchisch« (ebd., ) sei. Er müsse stattdessen im Sinne eines »deut-
schen Sozialismus« (ebd., ) die Arbeiterschaft für sich gewinnen und
sich der großstädtischen Energien und der Technik bedienen: »Die Ent-
wicklung der Technik, die heute dazu gelangt ist, die Erde mit einem
Spannungsnetz elektrischer Energien zu überziehen, läuft der Entwick-
lung des politischen Imperialismus vollkommen parallel.« (Ebd., )
Im »Aufmarsch des Nationalismus« war Friedrich Georg Jünger im
selben Maß um eine gedankliche Fundierung des neuen Nationalismus
bemüht wie Ernst Jünger in der zitierten Artikelserie. Diese geistige Fun-
dierung sollte nun in einer zweiten Phase des nationalistischen Engage-
ments in die politische Aktion münden. Im März plädierte Ernst
Jünger für die »aktive Eingliederung in das politische Kräftespiel« (EJ
-, ) und sprach sich trotz der ersten Risse im Verhältnis zum
Stahlhelm noch im Mai dafür aus, »unseren Einfluß in den Kampf-
bünden zu stärken« und ihre »Revolutionierung« voranzutreiben (ebd.,
). Schon im März hatte er die Zusammenfassung der »nationalen
Frontsoldatenverbände«, der »Kräfte der radikalen, der völkischen und
Womit ein Defizit von - RM verursacht wurde, welches der Stahlhelm
deckte; vgl. Berghahn, Stahlhelm, S. .
Als Band dieser Reihe war ebenfalls Franz Schauweckers »Der feurige Weg«
erschienen. Für Herbst wurde als dritter Band ein Buch von Ernst Jünger
selbst mit dem Titel »Die Grundlagen des Nationalismus« angekündigt, das je-
doch nie erschien. wurde die eigens gegründete Verlagsgesellschaft »Der
Aufmarsch« aufgelöst. F. G. Jüngers Buch wurde vom Vormarsch-Verlag
übernommen und unverändert wieder auf den Markt gebracht; vgl. Fröschle,
Kommentiertes Verzeichnis, S. f.
einem Aufsatz mit dem Titel »Großstadt und Land« deutlich vom Anti-
modernismus rechter Kreise. Der »romantische Glaube« an das »Land«
gehöre dem »Wertsystem einer vergangenen Zeit« an, während der »Geist
der modernen Stadt«, vom »eisernen Stil der Maschinen« geprägt, der
neuen Zeit entspreche (EJ -, ff.). Ein neuer Nationalismus
tue deshalb not, der sich als »großstädtisches Gefühl« (ebd., ) offensiv
zur neuen Zeit bekennen und sich die ihr adäquaten Mittel des Kampfes
aneignen solle: »Wir müssen eindringen in die Kräfte der Großstadt, in
die Kräfte unserer Zeit, die Maschine, die Masse, den Arbeiter.« (Ebd.,
) Jünger machte allerdings sofort deutlich, dass für ihn »Maschine
und Amerikanismus« ebenso wenig dasselbe seien wie »Arbeiterschaft
und Marxismus« (ebd.). Es gehe also nicht um eine Übernahme des
westlichen Fortschrittsdenkens, sondern um eine heroische Annahme des
technischen Zeitalters, das man in der Materialschlacht des Weltkrieges
zum ersten Mal geschaut habe.
Jünger benutzte diesen Aufsatz auch, um sich vom biologistischen
Rassismus der völkischen Bewegung zu distanzieren, den er mit dem Pa-
radigma »Land« verband: »Das Blut wiederum ist für den neuen Natio-
nalismus nicht wie für das ›Land‹ ein vorwiegend biologischer, sondern
ein vorwiegend metaphysischer Begriff. Das Wort Rasse beginnt in seiner
Anwendung ebenso peinlich zu werden wie das Wort Tradition […].«
(Ebd., f.) Ein Hauptargument gegen den biologistischen Rassismus
war seine Ableitung aus naturwissenschaftlichen Verfahren, die ihn in die
Nähe des »Intellekts« rücke, zu dem das »Blut« aber gerade eine Gegen-
macht darstelle:
»Daher lehnen wir alle jene Bestrebungen ab, die die Begriffe Rasse
und Blut verstandesmäßig zu stützen suchen. Den Wert des Blutes
durch das Gehirn, durch Mittel der modernen Naturwissenschaften
beweisen zu wollen, das heißt den Knecht für den Herren zeugen las-
Im Völkischen Beobachter vom . Januar sprach Jünger auch vom »Arbeiter-
tum«, wohl um sich von der sozialistischen Terminologie abzusetzen: »Arbeiter-
tum, das ist etwas anderes wie [sic !] Arbeiterschaft, als jener Begriff des historischen
Materialismus, den auch nur das Bürgertum und die Weisheit ihrer Katheder-
Professoren erfunden hat. Eine Arbeiterschaft in diesem Sinne gibt es nur im
Rahmen des Klassenstaates, und das ist der liberalistische Staat des Bürgertums
mit seinen Parteien, die heute noch im Grunde nichts anderes sind als Klassenvertre-
tungen. Aber ebenso wie der Klassenstaat den dynastischen Staat ablöste, wird der
nationalistische Staat den Klassenstaat ablösen. Das Arbeitertum im neueren Sinne
ist die blutsverbundene Gemeinschaft aller innerhalb der Nation und für die Nation
Arbeitenden.« (EJ -, )
sen. Wir wollen nichts hören von chemischen Reaktionen, von Blut-
einspritzungen, von Schädelformen und arischen Profilen. Das alles
muß ausarten in Unfug und Haarspaltereien und öffnet dem Intellekt
die Einfallspforten in das Reich der Werte, die er nur zerstören, aber
niemals begreifen kann.« (Ebd., f.)
Trotz dieser Distanzierung blieb die Bedeutung der Blut- und Rasse-
rhetorik in den nationalistischen Texten der Brüder Jünger allerdings am-
bivalent. Einerseits markierte Ernst Jüngers Unterscheidung von meta-
physischer und biologischer Verwendung eine tatsächliche Differenz
etwa zum völkischen Rassismus der Nationalsozialisten, da die »Blutmä-
ßigkeit« einer Haltung oder Bewegung für die Brüder Jünger keine Frage
der Abstammung, sondern des Glaubens und des Opfers war. Wenn
Friedrich Georg Jünger ankündigte, dass die nationalistische Revolution
auch eine »elementare Befreiung des Blutes« (FGJ a, ) bedeute,
und betonte, dass die neuen Nationalisten »auf der Blutseite des Lebens«
(ebd., XIX) stünden, dann war damit in erster Linie die vitalistische und
irrationalistische Dimension des neuen Nationalismus angesprochen.
Andererseits verflochten sich vitalistische und rassistische Begriffe dabei
aber auf prekäre Weise, etwa wenn Friedrich Georg Jünger davon sprach,
dass sich die »Blutsgemeinschaft« der Nationalisten »rassemäßig durch
das nationalistische Gefühl« begrenze und ihr »jede Vermischung und
Gleichberechtigung der Rassen ein Greuel« (ebd., ) sei. Hier bestand
allerdings ein gradueller Unterschied zwischen Ernst und Friedrich Ge-
org Jünger, denn das Vokabular von Friedrich Georg war stärker völkisch
eingefärbt als das von Ernst. So betonte Friedrich Georg Jünger etwa
auch die »Notwendigkeit eines völkischen Bestandes« (ebd., XVIII) und
bezeichnet die Deutschen als »wahres Volk, in dem noch der Drang nach
Sonderung und Entwicklung aus dem organischen Bestand gestaltend
wirkt« (ebd., ).
Ein ähnliches Problem wie bei der Blutmetaphorik besteht bei der
Frage des Antisemitismus. Hier betonte Ernst Jünger einerseits, dass der
Antisemitismus keine »wesentliche Fragestellung« (EJ -, ) für
den neuen Nationalismus sei. Er erkannte aber anderseits doch »die zer-
störerischen Qualitäten dieser Rasse [der Juden] an« (ebd., ) und
wandte sich gegen die jüdische Assimilation und Integration. Ohne dass
Vgl. dazu auch Ernst Jüngers Artikel »Blut und Intellekt« von (ebd., -
). Martin Heidegger lehnte den biologistischen Rassismus mit ähnlichen Ar-
gumenten ab; vgl. unten, Kap. ..; zur vergleichbaren Haltung auch anderer
konservativer Revolutionäre Kroll, Nationalsozialistische Rassenutopien.
- -
Das letzte Zitat stammt aus Jüngers einschlägigem Artikel »Über Nationalismus
und Judenfrage«, der erstmals im September in den Süddeutschen Monats-
heften erschienen ist (EJ -, -); vgl. dazu Segeberg, Über Nationalis-
mus; Martus, Ernst Jünger, S. -.
Günther, »Das abenteuerliche Herz«, S. . Albrecht Erich Günther hatte aller-
dings schon befürchtet, »daß wir diesen Helden, den uns der Krieg gelassen
hat, an die Literatur verlieren könnten« (Günther, Ernst Jünger, S. ). Vgl. zum
»abenteuerlichen Herz« Staub, Wagnis; zur zweiten Fassung von unten,
Kap. ..
- -
Mit diesem Rückzug vom Anspruch auf Organisation war bereits eine
Art Endpunkt im konkreten politischen Engagement der Brüder Jünger
erreicht. Allerdings führte die realpolitische Enttäuschung, auf die dieser
Rückzug zurückzuführen ist, nicht zu einer Relativierung des nationali-
Vgl. Mottel, »Vor Acitum«; zur prophetischen Redeweise auch unten, Kap. ..
Ernst Jüngers Artikel »Stahlhelm am Kreuzwege« von , aus dem das erste
Zitat stammt, war im Übrigen eine Antwort auf den Vorwurf von Friedrich Wil-
helm Heinz, sich mit dem Weggang vom Stahllehm »von der eigentlichen Arbeit,
von der Politik getrennt« zu haben (Heinz, Kampf dem Stahlhelm, S. ).
tierungen des Liberalismus zählte Jünger dabei nicht nur die Linke, son-
dern auch bürgerliche Strömungen der Rechten, weshalb er betonte, dass
der Nationalismus »weder mit dem Monarchismus, noch mit dem Kon-
servativismus, noch mit der bürgerlichen Reaktion, noch mit dem Patri-
otismus der wilhelminischen Ära das mindeste zu schaffen« (ebd., )
habe. Auch der Antisemitismus sei für ihn »keine Fragestellung wesent-
licher Art« (ebd.). Der Hass der neuen Nationalisten richte sich vielmehr
gegen den Bürger in allen seinen Erscheinungsformen, ja diese seien die
einzigen »echten, wahren und unerbittlichen Feinde des Bürgers« (ebd.
). Als »Söhne von Kriegen und Bürgerkriegen« (ebd.) seien sie zudem
bereit, sich im Kampf auch »der Mittel einer modernsten Technik, der
letzten stählernen Ausprägung des Bewußtseins zu bedienen« (ebd., ).
Statt nach bürgerlicher Sicherheit strebten sie nach dem »Elementaren«,
»das uns im Höllenrachen des Krieges seit langen Zeiten zum ersten Male
wieder sichtbar wurde« (ebd., ). Ihre Hoffnungen setzten sie auf die
»stolzere, kühnere und noblere Jugend«, die die »Aristokratie von morgen
und übermorgen« bilde (ebd., ). Da sich angesichts der Herausfor-
derung der Landvolkbewegung der Großteil der nationalen Rechten als
bürgerlich erwiesen habe, sei nun deutlich geworden, dass die Haltung
des neuen Nationalismus »nicht durch Organisationen vertreten« (ebd.)
werden könne. Man müsse vielmehr lernen, dass man »in einer Zeit wie
dieser auch ohne Fahne marschieren kann« (ebd., ).
Damit waren die meisten zentralen Elemente des neuen Nationalis-
mus erneut angesprochen: die Rhetorik des »reinen und unbedingten
Willens«, die Berufung auf das Kriegs- als Erweckungserlebnis, die anti-
rationalistische Grundhaltung, die radikale Feindschaft gegenüber dem
Liberalismus und der Demokratie bei gleichzeitiger Abkehr vom reaktio-
nären Konservatismus, die Hinwendung zur Moderne in Gestalt der
Technik, der Jugend und der Arbeiterschaft, der ›antipolitische‹ Affekt,
der sich in einer Geringschätzung der Parteien, Verbände und politischen
Organisationen ausdrückte und zu einem aktivistischen Avantgarde-Eli-
tismus führte. Vor allen Dingen fanden sich in diesem Artikel aber die
Legitimierung politischer Gewalt und die radikale Rhetorik der Zerstö-
rung, die den neuen Nationalismus besonders kennzeichneten:
»Der wahre Wille zum Kampf jedoch, der wirkliche Haß hat Lust an
allem, was den Gegner zerstören kann. Zerstörung ist das Mittel, das
dem Nationalismus dem augenblicklichen Zustande gegenüber allein an-
Zum prägenden Einfluss von Jüngers soldatischem Nationalismus auf die milita-
ristische Jugend und zur Resonanz dieses Artikels vgl. Rusinek, Krieg als Sehn-
sucht, S. f.
gemessen erscheint. Der erste Teil seiner Aufgabe ist anarchischer Natur,
und wer das erkannt hat, wird auf diesem ersten Teil des Weges alles
begrüßen, was zerstören kann. […] Wir werden nirgends stehen, wo
nicht die Stichflamme uns Bahn geschlagen, wo nicht der Flammen-
werfer die große Säuberung durch das Nichts vollzogen hat.« (Ebd.,
f.)
Die »große Säuberung durch das Nichts«, das war gleichsam die Apothe-
ose einer wild gewordenen Rhetorik der Tat, die an jeder konstruktiven
Vision gescheitert war und nun Zuflucht in einer reinen Vernichtungs-
phantasie genommen hatte. Erst müsse das Bestehende vollständig zer-
stört werden, bevor die »Möglichkeit neuer Formen« (ebd., ) gegeben
sei. »Die Aufgabe Deutschlands ist die Durchführung dieses Vernich-
tungsprozesses« (FGJ b, f.), wie Friedrich Georg Jünger seinem
Bruder sekundierte, wobei er sich und den Seinen selbst den »Ehrenna-
men« der Barbaren zuerkannte und den »Schatz hunnischer Qualitäten
in uns« anzapfen wollte: »Wir werden Europa in die Luft sprengen, die
Skythen Freunde nennen und mit den Tartaren aus einem Kelche Brü-
derschaft trinken.« (FGJ e, f.) Im Kreis der neuen Nationalisten
wurde diese Haltung selbst als Nihilismus bezeichnet. Wie Ernst Jünger
in einem Aufsatz, der auf die vielfältige Kritik an seinem Tagebuch-Artikel
antwortete, schrieb, habe sich die »Wendung zur Anarchie« im »kleinsten
Kreis« etwa um durchgesetzt – also unmittelbar nach dem Abschied
vom Stahlhelm – und zu dem geführt, »was wir damals den Nihilismus
nannten« (EJ -, ). Jünger zitierte einen an ihn gerichteten
Brief aus dieser Zeit, in dem ihm ein Kampfgenosse zustimmte, »dass wir
als Glieder einer Generation vorläufig nur echt sind, als wir durch den
Nihilismus hindurchgehen und unseren Glauben noch nicht formulie-
ren« (ebd., f.). Man wolle, wie Jünger hinzufügte, »nicht das Opfer,
sondern die Triebkräfte der Katastrophe« (ebd., ) sein. In »Das aben-
teuerliche Herz« propagierte Jünger im selben Sinn die »konsequente
Durchführung eines nihilistischen Aktes bis zu seinem notwendigen
Punkt« und fügte hinzu: »Wir marschieren seit langem einem magischen
Nullpunkt zu, über den nur der hinwegkommen wird, der über andere,
unsichtbarere Kraftquellen verfügt.« (EJ a, )
Vgl. dazu Rohkrämer, Kult der Gewalt, der allerdings die hinter dieser Gewalt-
bereitschaft liegende »Sehnsucht nach Ordnung« stärker betont als deren nihili-
stischen Charakter.
Bei dem von Jünger nicht genannten Briefschreiber handelte es sich um Hugo
Fischer; vgl. H. Fischer an E. Jünger, .., A: Ernst Jünger, DLA Marbach.
- -
Dieser »Nihilismus des Übergangs« speiste sich zum einen aus dem
am Beginn des neuen Nationalismus stehenden Bewusstsein, dass der
Erste Weltkrieg ein neues Zeitalter eingeläutet habe und dass man diesem
neuen Zeitalter zum Durchbruch verhelfen müsse. In seiner Radikalität
resultierte er aber gleichzeitig aus dem Scheitern konkreter politischer
Ambitionen, das mit einer Verflüchtigung der politischen Inhalte ein-
herging. Diese führte schließlich zu der tautologischen Struktur eines in-
haltsleeren Dynamismus, der das Bestehende revolutionär überwinden
wollte, ohne angeben zu können wohin. Gemäß dieser Haltung wurde
der Kampf wichtiger als das, wofür man kämpft, der Glaube wichtiger als
das, woran man glaubt, der »unbedingte[…] Wille zum Opfer« (ebd.,
) wichtiger als das, wofür man opfert: »Der Glaube, gleichviel an
welche Idee, ist eine große Sache.« (Ebd.) Aus diesen Worten sprach eine
politische Religiosität, die sich gleichzeitig als Aufruf zur Tat verstand.
Alfred von Martin sprach schon in Bezug auf diese Haltung von der
»pure[n] Tapferkeit eines reinen Aktivismus«. Dieser reine Aktivismus
spiegelte sich auch in der überanstrengten Rhetorik des Willens, die dem
neuen Nationalismus der Brüder Jünger allerdings von Anfang an eigen
war. So postulierte Friedrich Georg Jünger schon zu Beginn seines »Auf-
marsch des Nationalismus«: »Unsere persönliche Haltung ist eine tätige,
willensmäßige. Die Kraft des Willens ist entscheidend.« (FGJ a, )
Der Nationalismus war für Friedrich Georg Jünger daher eine »Kampf-
bewegung, die den Willen zur Herrschaft verkörpert« (ebd., ). Der Ein-
fluss Friedrich Nietzsches auf diese Metaphysik des Willens war dabei
unverkennbar und wurde von den Brüdern Jünger selbst benannt: »Auf
den Spuren Nietzsches sind wir überzeugt von der Permanenz des Wil-
lens zur Macht.« (EJ /FH, ). Gleichzeitig mussten sie allerdings ein-
gestehen, dass der rabiate Voluntarismus auch aus einer emotionalen
Notlage entstanden war: »Dieser Wille ist gedrängt und von Haß beflü-
gelt. Das Herz des Nationalismus ist von einer schweren Not gepresst.«
(FGJ a, )
Diese Not erklärt sich nicht zuletzt aus der im Krieg und Nachkrieg
erlebten Sinnlosigkeit des Geschehens. Die dezisionistische Lösung die-
ser Not bestand darin, dem Geschehenen einen Sinn zu geben, einfach
weil es geschehen war, und die Sinnsetzung damit an ein übergeordnetes
Schicksal zu delegieren, das nicht zu hinterfragen war: »Wir Nationali-
sten haben uns entschlossen, das Notwendige zu wollen – das, was das
Schicksal will.« (EJ -, ) Die dieser Haltung zugrundeliegende
Überzeugung, »daß das Schicksal und nicht der Mensch das eigentlich
Bewegende ist« (ebd., ), führte allerdings in eine handlungslogische
Aporie, denn wozu bedarf es der Tat des Einzelnen, wenn sie ohnehin
ohne Einfluss auf das Schicksal ist? Diese geschichtsphilosophische
Problematik wurde von den Brüdern Jünger selbst erkannt und als Ver-
hältnis von »Freiheit und Notwendigkeit« mehrfach thematisiert. Gelöst
wurde sie durch die dezisionistische Ineinssetzung von Freiheit und Not-
wendigkeit und die Selbstbeauftragung, »das harte Werkzeug eines har-
ten Schicksals zu sein« (EJ b, ). So schrieb Friedrich Georg Jünger:
»Indem aber das Notwendige erfüllt wird, gewährt es das einzige Be-
wußtsein von Freiheit, das verehrungswürdig ist und aus der Verwirk-
lichung eines schicksalhaften Müssens aufblüht. Denn Notwendigkeit
heißt nichts anderes als Schicksal, und das Notwendige tun bedeutet, in
der schicksalhaften Ordnung des Lebens zu handeln.« (FGJ a, )
Im Sinne des nietzscheanischen amor fati resultierte aus der Selbsthingabe
an das Schicksal also zugleich der Auftrag, »das Notwendige zu tun – das,
was das Schicksal will« (EJ -, ) und was daher selbst nicht
mehr legitimiert werden musste. Dies war der aktivistische Kern des
neuen Nationalismus, der, je weiter er sich von der konkreten politischen
Organisation entfernte, desto rückhaltloser als Aufruf zur puren Tatbe-
Dass diese Selbstbindung an das Schicksal asketische, wenn nicht gar masochisti-
sche Züge trug, wurde z. B. in Ernst Jüngers Artikel »Das Sonderrecht des Natio-
nalismus« von deutlich, in dem er schrieb: »Selbst wenn es eine allgemeine
Glückseligkeit gäbe, so möchten wir sie nicht, denn wir wollen nicht das Ange-
nehme, sondern das Notwendige.« (EJ -, ) In diesem Artikel betonte
Jünger gleichzeitig, dass mit Notwendigkeit von den neuen Nationalisten immer
»unsere besondere Notwendigkeit« (ebd., ) gemeint sei, die sich gegen univer-
salistische Ideale der Gleichheit und Freiheit des Einzelnen abgrenze. Schicksal
war für Jünger immer Bindung an ein Konkretes, das sich gegenüber Fremdem in
einem Gegensatz befand.
- -
Es ist sicher nicht ganz zufällig, dass Ernst Jünger seinen ersten im engeren
Sinn politischen Artikel im Völkischen Beobachter veröffentlichte. In
diesem »Revolution und Idee« betitelten Text schrieb er, wenige Wochen
vor dem gescheiterten Hitlerputsch:
»Die echte Revolution hat noch gar nicht stattgefunden, sie marschiert
unaufhaltsam heran. Sie ist keine Reaktion, sondern eine wirkliche
Revolution mit all ihren Kennzeichen und Äußerungen, ihre Idee ist
die völkische, zu bisher nicht gekannter Schärfe geschliffen, ihr Ban-
ner ist das Hakenkreuz, ihre Ausdrucksform die Konzentration des
Willens in einem einzigen Punkt – die Diktatur!« (EJ -, )
Allgemein begrüßte Jünger die nationalsozialistische Bewegung in den
ersten Jahren seiner politisch-publizistischen Tätigkeit als eine der radi-
kalsten und unbürgerlichsten des nationalen Lagers. In ihr erblickte er
»mehr Feuer und Blut, als die so genannte Revolution in den ganzen Jah-
Nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerte sich Ernst Jünger in einem Brief an Ar-
min Mohler, Hitler in einer Münchner Großversammlung gehört und ihm
von da an seine Bücher geschickt zu haben. habe sich Hitler zu einem Be-
such bei Jünger angekündigt, der dann aber wegen einer Reiseänderung Hitlers
nicht zustande gekommen sei; vgl. E. Jünger an A. Mohler, .., A: E. Jün-
ger, DLA Marbach. Im selben Rückblick auf seine Beziehung zum NS berichtete
Jünger auch von seinen Kontakten zu Rudolf Heß, Joseph Goebbels und Otto
Straßer ab , bei denen die Differenzen allerdings schon zu Tage getreten seien.
Vgl. EJ -, ; Werth, Sozialismus und Nation.
- -
Zu den Kontakten mit Goebbels und dem Vorschlag Ludwig Alwens’ von ,
die neuen Nationalisten sollten geschlossen der NSDAP beitreten, sowie Jüngers
Reaktion darauf vgl. Berggötz, Nachwort, S. -; allg. zu den Versuchen von
Goebbels, in den Kreisen rechter Intellektueller Fuß zu fassen, auch Hamilton,
Appeal of Fascism, S. -. Hamilton geht in dieser frühen vergleichenden
Studie über die Schwer- bzw. Anziehungskraft des Faschismus auf Intellektuelle
auch auf den »hysterical pamphleteer« Jünger ein (ebd., S. -).
Paetel, Wandlung, S. .
Vgl. Prümm, Soldatischer Nationalismus, S. ff; Berggötz, Nachwort, S. .
Wachsmann, Marching, weist darauf hin, dass es sich bei dieser Auseinanderset-
zung im Anschluss an Jüngers Tagebuch-Artikel nicht einfach um einen Streit
zwischen Jünger und der NSDAP handelte, sondern dass Jünger den ›linken‹,
revolutionären Flügel der Partei um Otto Straßer gegenüber dem Hitler-Flügel
stärken wollte, wie auch die Reaktionen auf Seiten der NSDAP je nach Flügel-
zugehörigkeit unterschiedlich ausfielen. Zu Jüngers Beziehungen zur national-
sozialistischen ›Linken‹ im Zusammenhang mit der Landvolkbewegung vgl. auch
Moreau, Nationalsozialismus, S. -; Meinl, Nationalsozialisten, S. -.
- -
Vgl. Herbert, Best, S. ; zum heroischen Realismus den folgenden Abschnitt.
Ein weiterer war Friedrich Wilhelm Heinz, der sich später allerdings zum Wider-
stand gegen Hitler entschloss; vgl. Meinl, Nationalsozialisten.
Vgl. dazu neben Herbert, Best auch Wildt, Generation.
Vgl. die Belege bei Prümm, Soldatischer Nationalismus, S. -. Samuel
Saenger hatte schon über Jünger geschrieben: »In der nationalsozialistischen
Bildungsschicht genießt er das Ansehen eines neudeutschen Homers.« (Saenger,
Politische Chronik, S. )
Gerhart, Um des Reiches Zukunft, S. f. Zum »zeitweiligen Bündnis von Mob
und Elite« vgl. auch das gleichlautende Kapitel in Arendt, Elemente, S. -,
in dem sie den post-nietzscheanischen Radikalismus und »Bombenexpressionis-
mus« der intellektuellen Elite beschreibt. Aus der Tatsache, dass die Rolle der
Intellektuellen nach Errichtung des totalitären Regimes sehr bald ausgespielt war,
und dass, »was immer diese verzweifelten Menschen des . Jahrhunderts began-
gen oder unterlassen haben, sie auf die totalen Herrschaftsapparate niemals und
nirgendwo irgendeinen Einfluß hatten« (S. ), schließt Arendt allerdings an-
ders als ihr Freund Gurian, daß die Bedeutung der »geistigen und künstlerischen
Eliten« (S. ) für die totalitären Bewegungen insgesamt nicht überzubewerten
sei.
heit zum Opfer zu bringen, uns aufzugeben als Einzelne und einzu-
schmelzen in einen großen Lebenskreis« (ebd.), der als technischer Schalt-
kreis erscheint. Gleichzeitig betonte Jünger die heroische Dimension
dieser Selbstpreisgabe: »Der Nationalismus ist der erste Versuch, einer
brutalen Wirklichkeit mit Brutalität ins Auge zu sehen.« (Ebd., )
Dieser Anspruch, einer harten Wirklichkeit hart zu begegnen, korres-
pondierte mit einer in den er Jahren weitverbreiteten sachlichen
Haltung, die Helmuth Lethen als Versuch definiert hat, »sich dem des-
truktiven Prozeß der Modernisierung ohne symbolisches Polster auszu-
setzen«. Sie entsprach auch den neuen Barbaren von Walter Benjamin,
die sich ebenfalls durch »gänzliche Illusionslosigkeit über das Zeitalter«
auszeichneten »und dennoch ein rückhaltloses Bekenntnis zu ihm« ab-
legten. Bei Ernst Jünger erschien dieser »Desillusionsrealismus« wieder-
um als »furchtbare[r] Tatsachensinn« (EJ -, ), wobei im »nüch-
ternen Tatsachenstil […] die heroische Seite des modernen Menschen am
schärfsten zum Ausdruck« (ebd., ) komme. bezeichnete Ernst
Jünger diese »heroische Akzeptanz der Moderne« schließlich als »hero-
ischen Realismus«. In Jüngers Definition des heroischen Realismus wur-
de allerdings deutlich, dass es sich dabei durchaus nicht um einen gänz-
lichen Verzicht auf »symbolische Polster« handelte, sondern dass er auf
die schon dargelegte Schicksalsmetaphysik zurückging, wonach alles Ge-
schehen als Ausdruck eines übergeordneten Seins erschien, um dessen
Erfassung es dem heroischen Realismus ging:
»Seine [des ›deutschen Nationalismus‹] Haltung ist vielmehr die eines
heroischen Realismus, und das, was er zu begreifen wünscht, ist jene
Substanz, jene Schicht einer unbedingten Wirklichkeit, von der sowohl
die Ideen wie die verstandesmäßigen Schlüsse nur die Äußerungen
sind. Daher ist diese Haltung zugleich eine symbolische, insofern sie
jede Tat, jeden Gedanken und jedes Gefühl als das Symbol eines ein-
heitlichen und unveränderlichen Seins begreift, dem es unmöglich ist,
sich seiner eigenen Gesetzmäßigkeit zu entziehen.« (EJ -, f.)
Der heroische Realismus fungierte also als Terminus für die Schicksals-
ergebenheit des neuen Nationalismus, für die sich die Freiheit im Vollzug
der Notwendigkeit äußerte: »In diesem Blickfelde schließen sich Freiheit
und Notwendigkeit nicht aus, sondern sie decken sich.« (Ebd., )
Während Jünger den heroischen Realismus in diesem Aufsatz von
also noch dem neuen Nationalismus zuordnete, stellte er ihn in wei-
teren Schriften der frühen er Jahre in einen etwas veränderten Kon-
text. Schon seit hatte sich seine publizistische Tätigkeit verzweigt
und nicht mehr auf die Mitarbeit an nationalistischen Zeitschriften be-
schränkt. Zwischen und veröffentlichte er als Herausgeber
mehrere Sammel- und Bildbände, die sich zumeist dem Andenken an
den Ersten Weltkrieg und dessen Mobilisierung für die nationalistische
Sache widmeten. Zu diesen Bänden gehörte auch der erschienene
Band »Krieg und Krieger«. Neben dem titelgebenden Aufsatz von Fried-
rich Georg Jünger (FGJ a) fand sich darin unter anderem Ernst
Jüngers Abhandlung »Die totale Mobilmachung«, die ein Jahr später
auch als Einzeldruck veröffentlicht wurde und die Jünger schließlich
in seinen Sammelband »Blätter und Steine« aufnahm. Zusammen mit
dem erschienen Buch »Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt« und
dem ebenfalls in »Blätter und Steine« veröffentlichten Essay »Über den
Schmerz« von stand »Die totale Mobilmachung« für Ernst Jüngers
Versuch, sich nach dem politischen Scheitern des neuen Nationalismus
aus dem engen Gedankenkorsett des Nationalismus herauszuarbeiten
und einen neuartigen Zugriff auf die Wirklichkeit zu erproben, der dem
neuen Nationalismus gleichwohl noch in vielen Dingen verhaftet blieb.
In »Die totale Mobilmachung« ging Jünger wiederum vom Zentraler-
eignis des Ersten Weltkriegs aus, in dem sich zum ersten Mal »der Genius
des Krieges mit dem Geiste des Fortschritts durchdrang« (EJ a, ).
Die im Weltkrieg erlebte Mobilmachung nicht nur des Heeres, sondern
der Gesamtgesellschaft und -wirtschaft für die Kriegsführung erkannte
Jünger als Strukturprinzip der Moderne, das er als »wachsende Umset-
zung des Lebens in Energie« (ebd., ) beschrieb und nicht mehr nur im
Krieg, sondern auch in Friedenszeiten verwirklicht sah. Durch die totale
Mobilmachung, so Jünger, vollzog sich gerade die Aufhebung des Unter-
schieds von Krieg und Frieden, da sich nun der Krieg als permanente
Der Arbeiter.
Herrschaft und Gestalt
»Man muß wissen, daß in einem Zeitalter des Arbeiters, wenn es sei-
nen Namen zu Recht trägt und nicht etwa so, wie sich alle heutigen
Parteien als Arbeiterparteien bezeichnen, es nichts geben kann, was
nicht als Arbeit begriffen wird. Arbeit ist das Tempo der Faust, der
Gedanken, des Herzens, das Leben bei Tage und Nacht, die Wissen-
schaft, die Liebe, die Kunst, der Glaube, der Kultus, der Krieg; Arbeit
ist die Schwingung des Atoms und die Kraft, die Sterne und Sonnen-
systeme bewegt.« (Ebd., )
Diese Totalerfassung des Lebens durch das Prinzip Arbeit bedeutete für
Jünger zunächst eine hochgradige Dynamisierung der Lebensverhältnisse.
So sprach er ähnlich wie in »Die totale Mobilmachung« – und im selben
Sinn Kriegs- und Friedenszustand in eins setzend – auch im »Arbeiter«
von der vollständigen »Verwandlung des Lebens in Energie, wie sie sich
in Wirtschaft, Technik und Verkehr im Schwirren der Räder oder auf
dem Schlachtfeld als Feuer und Bewegung offenbart« (ebd., ). Insge-
samt zeichnete Jünger seine Gegenwart als entfesselte Übergangsepoche,
in der alte Bindungen durch die totale Bewegung aufgelöst würden. Jün-
ger sprach hier von der »ungeheuren Schmiedewerkstätte« der Gegenwart,
die den Charakter eines »provisorischen Raum[s]«, einer »Übergangs-
landschaft« besitze (ebd., ). Allerdings zeichne sich die zukünftige
Ordnung, die aus dieser Schmiedewerkstätte erwachsen werde, bereits in
der Physiognomie der Gegenwart ab, deren energetische Verflüchtigung
so auf eine neue Verfestigung zustrebe. Letztlich ging Jünger also davon
aus, dass die Bewegung der Gegenwart auf ein Ziel, auf einen Endzu-
stand ausgerichtet war, der durch die Gestalt des Arbeiters determiniert
werde. Sein Konzept zielte damit auf die Wiederverfestigung der flüchtig
gewordenen und total in Bewegung versetzten Strukturen, da sich hinter
dem »Übermaß an Bewegung«, hinter dem »Sturm der Hämmer und
Räder, der uns umgibt« (ebd., ), ein ruhendes Zentrum verberge.
Uwe-Karsten Ketelsen spricht deshalb von einer »Reintegration der be-
obachteten zersplitterten Wirklichkeiten in eine alles durchwaltende,
globale Struktur«.
Diese globale Struktur zeigt sich in Jüngers Vorstellung von der »die
reine Werkstättenlandschaft ablösenden Planlandschaft« (EJ , ), in
der sich der spezielle Arbeitscharakter in einen totalen verwandelt haben
Vgl. ebd., : »Je mehr wir uns der Bewegung widmen, desto inniger müssen wir
davon überzeugt sein, daß ein ruhendes Sein sich unter ihr verbirgt und daß jede
Steigerung der Geschwindigkeit nur die Übersetzung einer unvergänglichen Ur-
sprache ist.«
Ketelsen, Ernst Jüngers Der Arbeiter, S. .
- -
werde. In den letzten Abschnitten des »Arbeiters« entwarf Jünger das al-
lerdings vage bleibende Bild von einem »Arbeitsstaat« (ebd., ), den er
an anderer Stelle auch als »Arbeitsdemokratie« (ebd., ) bezeichnete.
Sein Konzept zielte also auf die »Ablösung eines dynamischen und revo-
lutionären Raumes durch einen statischen und höchst geordneten Raum«
(ebd., ), der dadurch zustande komme, »daß hier der aktive Typus die
Wendung zum Staate vollzieht« (ebd., ). Bei der Aufzählung der Eigen-
schaften dieses Arbeitsstaates wird deutlich, dass er mehr oder weniger
totalitäre, in jedem Fall technokratische Züge trug:
»Hier ist zu nennen die Umwandlung der Parlamente aus Organen
des bürgerlichen Freiheitsbegriffes und Institutionen der Meinungs-
bildung in Arbeitsgrößen, die ihrem Sinne nach einer Umwandlung
von Gesellschaftsorganen in Staatsorgane gleichbedeutend ist. […] Es
ist ferner zu nennen der Ersatz der sozialen Diskussionen durch die
technische Argumentation, der dem Ersatz von Sozialfunktionären
durch Staatsbeamte entspricht. In diesen Zusammenhang gehört auch
die Trockenlegung jenes Sumpfes der freien Meinung, in den sich die
liberale Presse verwandelt hat.« (Ebd., )
Die Wirtschaft sollte in diesem Arbeitsstaat durch einen »Arbeitsplan«
(ebd., ) geregelt sein, wobei allerdings auch hier Jüngers Ausführun-
gen einigermaßen vage blieben. Entscheidend ist aber, dass sich Jüngers
Staatsvorstellungen nicht auf den nationalen Rahmen beschränkten, son-
dern dass es ihm um die »Fähigkeit zu echten imperialen Bildungen«
(ebd., ) ging: »Das Ziel, in dem sich die Anstrengungen treffen, be-
steht in der planetarischen Herrschaft als dem höchsten Symbol der
neuen Gestalt.« (Ebd., ) Jüngers Beschreibung einer fragmentierten,
chaotischen, in diesem Sinn anarchischen Gegenwart mündete also letzt-
lich in die Vision eines totalen Macht- und Weltstaats, in dem die zuvor
entfesselte Dynamik nur noch als »leichtes Zittern der Kristallstruktur«
spürbar war.
welt und der moderne Sport als Belege dafür, dass sich auch die Freizeit-
gestaltung dem »veränderten Rhythmus des Lebens« (ebd., ) anpasse
und »Arbeitscharakter« annehme. Besonders am Sport zeigte er, dass die
Uniformierung nicht rein äußerlich stattfinde, sondern im »Training«
auch als planmäßige »Durchbildung des Körpers« erfolge, die zu Hervor-
bringung »sehr gleichmäßig gezüchteter Körper« führe (ebd., ).
Entscheidend war für Jünger nun, dass sich diese Uniformierung
nicht freiwillig vollziehe, sondern durch die wachsende Autonomisierung
der technischen und organisatorischen Abläufe gesteuert werde. Der Typus
sei nicht mehr einmalig, sondern eindeutig, er zähle nicht als einzelner,
sondern als Angehöriger eines Kollektivs. Die Art dieses Kollektivs hat
sich für Jünger dementsprechend ebenfalls verändert. Die aus Individuen
sich zusammensetzende Masse des bürgerlichen Zeitalters sei verschwun-
den und habe neuen Formen des gegliederten Kollektivs Platz gemacht:
»Man versammelt sich nicht mehr, man marschiert auf. Man gehört
nicht mehr einem Verein oder einer Partei, sondern einer Bewegung oder
einer Gefolgschaft an.« (Ebd., ) Diese neuen Formen der Gefolgschaft
nannte Jünger »organische Konstruktionen«, wobei er in deren Beschrei-
bung an die Formulierung von anknüpfte, der gemäß der Einzelnen
keinen Einfluss auf ein Kraftwerk habe:
»Einer organischen Konstruktion gehört man nicht durch individuel-
len Willensentschluß, also durch Ausübung eines Aktes der bürger-
lichen Freiheit, sondern durch eine tatsächliche Verflechtung an, die
der spezielle Arbeitscharakter bestimmt. So ist es, um ein banales Bei-
spiel zu wählen, ebenso leicht, in eine Partei einzutreten oder aus ihr
auszutreten, wie es schwierig ist, aus Verbandsarten auszutreten, denen
man etwa als Empfänger von elektrischem Strom angehört.« (Ebd.,
f.)
Die wachsende Durchsetzung des »speziellen Arbeitscharakters« äußere
sich also zugleich in einem »Anwachsen der sachlichen Zusammenhänge,
durch die der Einzelne in Anspruch genommen wird« (ebd., ) und
denen er sich nicht mehr ohne weiteres entziehen könne. Der Einzelne
sei als Typus durch »existentielle Einbeziehung« (ebd., ) an das Kollek-
tiv gebunden. Hiermit war auch die Problematik von Freiheit und Not-
wendigkeit wieder aufgerufen, denn Freiheit konnte für Jünger nicht
mehr in der Entscheidung bestehen, sich einer organischen Konstruktion
Zusammen mit der bürgerlichen Freiheit erteilte Jünger hier auch jeder liberalen
Vertragstheorie eine Absage.
»«
anzuschließen oder nicht, sondern nur darin, diesen Anschluss als not-
wendig zu affirmieren:
»Damit aber bedeutet Freiheit nicht mehr ein Maß, dessen Urmeter
durch die individuelle Existenz des Einzelnen gebildet wird, sondern
Freiheit besteht in dem Grade, in dem in der Existenz dieses Einzelnen
die Totalität der Welt, in die er einbezogen ist, zum Ausdruck kommt.
Hiermit ist die Identität von Freiheit und Gehorsam gegeben« (ebd.,
).
Der Charakter dieser Identität von Freiheit und Gehorsam wird noch
deutlicher, wenn man näher auf die Bedeutung eingeht, die Jünger der
Technik in diesem Zusammenhang zumaß, denn die Technik spielte für
ihn bei der Transformation der Welt zur Arbeitswelt eine zentrale Rolle.
Jünger definierte sie in einer immer wiederkehrenden Formulierung als
»die Art und Weise, in der die Gestalt des Arbeiters die Welt mobilisiert«
(ebd., ). In diesem Sinn entsprach sie der »Beherrschung der Sprache,
die im Arbeitsraume gültig ist« (ebd.). An anderer Stelle schrieb Jünger,
dass die Maschinentechnik als das »Symbol« der Gestalt des Arbeiters zu
begreifen sei (ebd., ). Die Technik fungierte gleichsam als »Kataly-
sator« der von Jünger diagnostizierten Umwälzungen: »In der Technik
erkennen wir das wirksamste, das unbestreitbarste Mittel der totalen Re-
volution.« (Ebd., ) Sie wurde so zum Motor der von Jünger beschrie-
benen Uniformierung der Lebensverhältnisse. Überall, wo der Mensch
»in den Bannkreis der Technik« trete, ziehe das »einen ganz bestimmten
Lebensstil nach sich, der sich sowohl auf die großen wie auf die kleinen
Dinge des Lebens erstreckt« (ebd., ). Selbst den »berühmte[n] Unter-
schied zwischen Stadt und Land«, den Jünger selbst noch zugunsten
der Stadt profiliert hatte, hebe die Technik auf, denn auch der »Acker, der
mit Maschinen bewirtschaftet wird und mit dem künstlichen Stickstoff
der Fabriken gedüngt wird, ist nicht derselbe Acker mehr« (ebd., ).
Die Werkstättenlandschaft des Übergangs vom bürgerlichen Zeitalter
zum Arbeitsstaat erschien daher in erster Linie als »technische Land-
schaft« (ebd., ).
Die Technik war für Jünger allerdings nicht nur Mittel zur Revolutio-
nierung und Beseitigung der bestehenden Verhältnisse, sondern auch
Instrument der zu errichtenden totalen Ordnung. Ihre »letzte Aufgabe«
bestehe darin, »an jedem beliebigen Orte und zu jeder beliebigen Zeit in
jedem beliebigen Maße Herrschaft zu verwirklichen« (ebd., ), denn
nur der »totale technische Raum« könne die »totale Herrschaft ermög-
lichen« (ebd., ). Die schon beschriebene Doppelung von Dynamik
und Statik spiegelte sich dabei auch im Bild der Technik. Während die
Maschine als dynamisches Artefakt die Vorstellung Jüngers vom chaoti-
schen Übergangsraum prägte, symbolisierte die Technik als System den
erstarrten Machtstaat. In jedem Fall aber war die Technik gleichzeitig
prägendes Kennzeichen und wichtigstes Machtmittel der Herrschaft des
Arbeiters.
Dem Arbeiter diente die Technik dabei allerdings nicht, wie noch dem
Bürger, zur Hebung des Komforts. Deutete der Bürger jeden »Sieg der
Technik« als einen »Sieg der Bequemlichkeit« (ebd., ), so offenbare
sich dem Arbeiter ihr destruktives und gefährliches Potential. Dieses
destruktive Potential der Technik habe sich wiederum vor allen Dingen
im Ersten Weltkrieg gezeigt, welcher Jünger auch in diesem Zusammen-
hang als zentrale Epochenscheide erschien, eben »weil er den der Technik
innewohnenden Machtcharakter unter Ausschluß aller wirtschaftlichen
und fortschrittlichen Elemente enthüllt« (ebd., ) habe. Der Krieg
habe, indem er »das doppelte Gesicht der Technik« (ebd., ) und be-
sonders die »martialische Seite ihres Januskopfes« (ebd., ) offenbarte,
nicht nur die »Volkskirche des . Jahrhunderts, nämlich [die] Verehrung
des Fortschritts« (ebd., ) zerstört, er habe auch die besondere Funk-
tion der Technik für die totale Mobilmachung deutlich gemacht.
Mit diesem Rückgriff auf das Kriegserlebnis wird nicht nur die bei
aller Entwicklung gegebene Einheit von Jüngers Frühwerk deutlich, das
Darauf verweist Helmut Lethen, der davon spricht, dass Jünger die »technische
Zentralmetapher« wechselt, je nachdem, ob er den anarchischen oder den tota-
litären Charakter des Arbeitsraums beschreiben wolle: »›Elektrizität‹ mit ihrem
›Kraftfeld‹, ›Netz‹ und ›Anschluß‹ beherrscht im Arbeiter immer dann das Bild,
wenn die systematische, der Verbrennungsmotor herrscht als Metapher, wenn die
dynamische Qualität des Phänomens betont werden soll.« (Lethen, Elektrische
Flosse, S. .) Zur Unterscheidung von Artefakt- und Systemcharakter der Tech-
nik vgl. Sieferle, Konservative Revolution, S. .
Vgl. dazu Jüngers Aufsatz » Über die Gefahr« (EJ -, -).
Die Entfesselung der Technik habe im Übrigen nicht nur den Glauben an den
Fortschritt, sondern auch den christlichen Glauben in Frage gestellt. Sie sei, so
Jünger, »die entschiedenste antichristliche Macht, die bisher in Erscheinung ge-
treten ist«, die zum Niedergang der Kirchen und zur »Ermöglichung eines um-
fassenden Säkularisierungsprozesses« beitrage (EJ , ). Gleichzeitig aber sei
»die Technik selbst kultischen Ursprunges« (ebd., ) und offenbare so den dem
Arbeiter eigenen »anderen Glauben« (ebd., ). Dadurch erlaube sie die »Wie-
derentdeckung der großen Tatsache […], daß Leben und Kultus identisch sind«
(ebd.).
»«
bis in die er Jahre hinein vom Bezug auf den Ersten Weltkrieg be-
stimmt blieb. Es zeigt sich auch, dass Jüngers Arbeiter-Krieger von
bereits in der »Stahlgestalt« von angelegt war, wie sich nicht zuletzt
am Begriff der »organischen Konstruktion« erkennen lässt. Denn unter
organischer Konstruktion verstand Jünger im »Arbeiter« nicht nur ein
geordnetes Kollektiv, also eine harmonische Verbindung von Mensch
und Mensch, sondern auch eine Amalgamierung von Mensch und Tech-
nik. So sprach er von ihr als einer »engen und widerspruchslosen Ver-
schmelzung des Menschen mit den Werkzeugen, die ihm zur Verfügung
stehen« (EJ , ), und strebte damit nichts weniger an als die »Ver-
schmelzung des Unterschiedes zwischen organischer und mechanischer
Welt« (ebd., ). Das Auseinandertreten von organischer und mecha-
nischer Welt hatte Jünger aber, wie bereits gezeigt, vor allen Dingen im
Weltkrieg leidvoll erfahren. In der »Stahlgestalt« wurde dieser Gegensatz
von Mensch und Technik einfach durch Synthese aufgehoben, die Stahl-
gestalt wurde zur »Utopie der Körpermaschine«, die durch Anpassung
unverwundbar gemacht ist. Wenn Jünger schon erkannte: »Wo die
Maschine auftaucht, erscheint der Wettlauf des Menschen mit ihr aus-
sichtslos« (EJ -, ), so glaubte er, diesen Wettlauf dadurch doch
noch gewinnen zu können, dass er den Mensch gleichsam auf die Ma-
schine aufspringen ließ, um mit ihr gemeinsam ins Ziel getragen zu
werden. Das erkannte Wulf Dieter Müller, einer der ersten Jünger-Bio-
graphen, schon :
»Vor keinem Feinde je ausgewichen, zieht Jünger sich auch nicht vor der
Technik zurück. Er merkt sehr schnell, daß es mit einer Ablehnung
nicht getan ist. Die annähernde Vervollkommnung der technischen
Mittel wird als Tatsache anerkannt, die sich in der Materialschlacht
offenbart. Die technischen Mittel bestimmen die Kampfesweise, die
den Soldaten von Grund auf verändert. Der Technik Herr werden
kann hier auf dem Schlachtfeld, wo jeder Flucht die Grenze gesetzt ist,
nur heißen: Sich ihr anpassen, mit den Mitteln zu einer Einheit ver-
schmelzen.«
Jüngers organische Konstruktion, seine Vorstellung der Verschmelzung
von Mensch und Technik bekam so den Charakter einer »Abwehr, die
Lethen, Verhaltenslehren, S. ; dazu auch Huyssen, Fortifying the Heart, S. f.
Gründel, Sendung, S. .
Lübbe, Oswald Spengler, S. .
»«
verstanden werden kann, und es lässt sich mit einigem Recht argumen-
tieren, dass er auch so verstanden worden ist. Er war Ausdruck jener
»Mentalität der Dissoziation«, die in der entsubjektivierenden Destrukti-
onserfahrung des Ersten Weltkriegs ihren Ursprung hatte und in der af-
fektiven Leere der Täter des Zweiten Weltkriegs ihre Fortsetzung fand.
In Jüngers eigener Logik bestand die ultimative Erfüllung des heroischen
Realismus aber vor allen Dingen in der »Synthese von Täter und Opfer
im Selbstopfer«: »Das tiefste Glück des Menschen besteht darin, daß er
geopfert wird, und die höchste Befehlskunst darin, Ziele zu zeigen, die
des Opfers würdig sind.« (Ebd., ). An anderer Stelle sprach Jünger zur
Bezeichnung dieser Befähigung zum Selbstopfer von der »metallischen
Kälte, aus der heraus das heroische Bewußtsein den Leib als reines Instru-
ment zu behandeln« (ebd., ) wisse.
Diese Formulierung vom Leib als reinem Instrument griff Jünger in
dem Essay »Über den Schmerz« wieder auf, den er selbst als Fortsetzung
zum »Arbeiter« bezeichnete. Er ging in diesem Text von davon aus,
dass die bürgerliche Welt auf eine Vermeidung des Schmerzes gerichtet
gewesen sei, während es in der Welt des Arbeiters darauf ankomme, »ihn
zu bestehen« (EJ a, ). Ein besonderes Kennzeichen des Arbeiters sei
daher die Disziplin, denn die Disziplin sei die »Form, durch die der
Mensch die Berührung mit dem Schmerze aufrechterhält« (ebd., ). Sie
sei gleichzeitig die Messlatte dafür, inwieweit »der Leib als Gegenstand
behandelt werden kann« (ebd., ):
»Es gibt offenbar Haltungen, die den Menschen befähigen, sich auf
sehr bedeutende Art von dem Raume abzusetzen, in dem der Schmerz
als unumschränkter Gebieter regiert. Diese Abhebung tritt dadurch in
Erscheinung, daß der Mensch den Raum, durch den er am Schmerze
Anteil hat, das heißt, den Leib, als einen Gegenstand zu behandeln ver-
mag. Dieses Verfahren setzt freilich eine Kommandohöhe voraus, von
der aus der Leib als ein Vorposten betrachtet werden kann, den man
gewissermaßen aus großer Entfernung im Kampf einzusetzen und auf-
zuopfern vermag.« (Ebd., )
Diese Haltung ist unschwer als der heroische Realismus wiederzuerkennen,
den Jünger im »Arbeiter« predigte. Er kann somit als ein Mittel verstanden
werden, nicht nur das Schicksal, sondern auch den körperlichen Schmerz
zu meistern. An anderer Stelle bezeichnete Jünger die »Fähigkeit, sich
selbst als Objekt zu sehen«, als das »zweite und kältere Bewußtsein«, das
dem Typus eigen sei (ebd., ). Als zweites Bewusstsein bezeichnet Jün-
ger allerdings auch die technischen Aufnahme- und Wiedergabemedien
wie die Kamera und das Tonband. Auch hier funktionierte die habituelle
Prägung des Typus also als Assimilation an die Technik, die in Form der
technischen Medien den Wahrnehmungsmodus eines emotionslosen Re-
gistrierens vorgab. Besonders an »Über den Schmerz« wird also deutlich,
was auch für den »Arbeiter« gilt: dass der heroische Realismus in erster
Linie der Selbstanästhetisierung und Immunisierung gegenüber dem
Leiden diente, und zwar dem eigenen Leiden ebenso wie dem anderer.
Die zitierten Passagen lassen keinen Zweifel daran, dass Jünger die Op-
ferbereitschaft des heroischen Realismus nicht einfach als Gegebenheit
beschrieb, sondern in der Beschreibung gleichzeitig heraufbeschwor und
propagierte. Sie dementieren damit Jüngers Eigenaussage, wonach er »die
Formen einer veränderten Welt« (EJ , ) unparteiisch und neutral
nachzeichnen wollte und an »Fragen weltanschaulicher Art« kein Interesse
habe. Allerdings war die Weltanschauung im »Arbeiter« tatsächlich
Im »Arbeiter« benannte Jünger dieselbe Erkenntnis mit den Worten: »Im We-
sentlichen gibt es den Unterschied zwischen Tiefe und Oberfläche nicht.«
(EJ , )
- -
verwandelte. Nein, das Wirkliche ist ebenso zauberhaft, wie das Zau-
berhafte wirklich ist.« (EJ a, )
Jünger verglich dieses Wiedererwachen mit dem Betrachten von stereo-
skopischen Aufnahmen: »Im gleichen Augenblicke, in dem sie in ein ein-
ziges Bild zusammenschmolzen, brach die Dimension der Tiefe in ihnen
auf.« (Ebd.) Diese in der »Epiphanie des Augenblicks« geschaute unio
mystica von Logik und Magie wurde für Jünger zum Schlüsselerlebnis,
das ihm das quälende Gefühl der Entfremdung in der technischen Mo-
derne zu überbrücken half. Im Vorwort zu »Blätter und Steine« schrieb
Jünger selbst, dass diese momenthafte Erleuchtung auch die Geburts-
stunde bzw. -zehntelsekunde des »Arbeiters« gewesen sei:
»Für eine Zehntelsekunde wurde mir deutlich, daß wir uns wieder
einem Punkte nähern, von dem aus gesehen Physik und Metaphysik
identisch sind. Es ist dies der geometrische Ort, an dem die Gestalt des
Arbeiters zu suchen ist. Das Buch, das diesen Titel trägt, stellt eine
zweijährige Anstrengung dar, die der Wiederentdeckung dieser Zehn-
telsekunde gewidmet ist.« (Ebd., )
Die angestrebte Wiederversöhnung der quälenden Gegensätze von orga-
nischer und mechanischer Welt, von Freiheit und Notwendigkeit, von
Kälte und Hitze, von Geist und Leben, hatte ihren Ursprung laut Jüngers
Selbstinterpretation also in der momenthaften Vision einer neuen Ein-
heit. Indem Jünger diese Epiphanie in eine visuelle Metapher kleidete,
nämlich in die der stereoskopisch aufbrechenden Tiefe, stilisierte er sich
selbst zum Seher. Als solcher verkündete er das Zeitalter des Arbeiters,
wobei diese Verkündigung einer bestimmten »optischen Logik« folgte.
Bereits im Vorwort des »Arbeiters« kündigte Jünger an, »die Gestalt
des Arbeiters sichtbar zu machen jenseits der Theorien, jenseits der Par-
teiungen, jenseits der Vorurteile«, deshalb komme »alles auf die Schärfe
der Beschreibung an, die Augen voraussetzt, denen die volle und unbe-
fangene Sehkraft gegeben ist« (EJ , ). Im Verlauf der Darstellung
kam er immer wieder darauf zurück, dass zum »Sehen von Gestalten« die
»Fähigkeit zur schärfsten optischen Ausrüstung« (ebd., ) notwendig
Vgl. dazu Gaudin, De la lune; Rausch, Ernst Jüngers Optik,; ders.: Qual.
Bohrer, Ästhetik, S. .
Zur »unio mystica« vgl. auch Herzinger, Deus abscondidus.
Zur Bedeutung des Visuellen im »Arbeiter« vgl. auch Hasselbach, Politics; Ber-
man, Written; Bullock, Violent Eye.
Vgl. zum Folgenden neben Brokoff, Apokalypse, auch ders./Hitz, Zum apoka-
lyptischen Ton.
»«
sei und man »über neue Augen verfügen« (ebd., ) müsse. Der Leser
müsse sich bemühen, »durch die stählernen und menschlichen Masken
der Zeit hindurchzusehen, um die Gestalt, die Metaphysik, zu erraten,
die sie bewegt« (ebd., ). Diese wiederholte Aufforderung gipfelte
schließlich darin, die eigenen Begriffe als solche für unwichtig zu erklä-
ren, wenn sie nur dem neuen Sehen dienten:
»Alle diese Begriffe sind notabene zum Begreifen da. Es kommt uns
auf sie nicht an. Sie mögen ohne weiteres vergessen oder beiseite
gestellt werden, nachdem sie als Arbeitsgrößen zur Erfassung einer
bestimmten Wirklichkeit, die trotz und jenseits der Begriffe besteht,
benutzt worden sind. Auch ist diese Wirklichkeit durchaus von ihrer
Beschreibung zu unterscheiden; der Leser hat durch die Beschreibung
wie durch ein optisches System hindurchzusehen.« (Ebd., )
Der »Arbeiter« bekam so den Charakter eines Offenbarungstextes, wobei
die apokalyptischen Züge nicht nur in dem geschichtsphilosophischen
Anspruch seiner Zeitalterlehre zu erkennen waren, wonach »ein wer-
dendes [Zeitalter] ein untergehendes verschlingt« (ebd., f.). Sie lagen
schon in der Logik des Optischen, die der hier beschriebenen Gestalt-
schau Jüngers innewohnte. Indem Jünger die Gestalt als Verkörperung
der oben beschriebenen Epiphanie erkannte und nicht nur für sich, son-
dern auch für sein Publikum zu beschreiben, (wieder) herzustellen such-
te, bekam diese Beschreibung automatisch den Charakter einer Verkün-
dung. Jünger wurde zum Propheten und apokalyptischen Mahner, der
sein eigenes Erleuchtungserlebnis weiterzugeben versuchte. Daher war
auch der Beschreibung der Gestalt des Arbeiters ihre Propagierung schon
inhärent. Denn wenn das »Sehen von Gestalten« selbst ein »revolutionä-
rer Akt« (ebd., ) war, wie Jünger schrieb, und wenn der »Arbeiter«,
indem er die Gestalt sichtbar machen wollte, eine Anleitung zu solchem
Sehen war, dann konnte er nicht neutral bleiben. Das »Neue zu sehen
und sich zu beteiligen« (ebd., ), gehörte untrennbar zusammen. Indem
Jünger das Zeitalter des Arbeiters als eine völlig neue, das Zeitalter des
Bürgers ablösende, durch eine überzeitliche Gestalt geprägte Epoche
beschrieb, verkündete er es gleichzeitig. Die Gestalt im Sinne Jüngers
konnte nur gleichzeitig gesehen und dadurch schon repräsentiert wer-
den; das Gestalt-Sehen war selbst ein Akt des Arbeiter-Seins. Der Text
selbst wurde so zur ersten und gültigen Repräsentation des neuen Zeit-
alters, das er heraufbeschwor.
Der Aufforderungscharakter des »Arbeiter« lag also nicht allein in der
Propagierung des heroischen Realismus und dem Nihilismus des Über-
gangs begründet, sondern auch in der Textform der »apokalyptischen
- -
»Er stellt sich gar nicht den politischen Lehren, die er bekämpft; er
erklärt sie von einer Dimension aus für nichtig, die keine politische
Realität hat. Sein Buch erhebt den Anspruch, ein Ziel zu weisen und
politisch aktiv zu sein; es betrachtet faktisch das Werdende aus der
Scheinperspektive des Gewordenen und verhält sich ästhetisch-kon-
templativ. Kurzum, die Schau Jüngers ist alles andere eher als eine po-
litische Konstruktion.«
Kracauer urteilte weiter: »Dergleichen mag metaphysisch sein, politisch
praktizieren läßt es sich nicht«, und kam zu dem Schluss: »Diese Gestalt-
schau eröffnet nicht so sehr einen Weg in die Politik als eine Fluchtmög-
lichkeit aus ihr heraus.« Doch auch wenn Jüngers Konzeption letztlich
über- oder unpolitisch sei, so erkannte Kracauer doch, dass »der von
Jünger angesprochene und vertretene Typus früher oder später zur wirk-
lichen Politik durchdringen« werde.
Damit bezeichnete Kracauer am Beispiel Jüngers das eingangs erläu-
terte Grundproblem des Weimarer Jungkonservatismus, der in Form des
Tat-Denkens der Konservativen Revolution ebenfalls metapolitisch argu-
mentierte, sich dadurch aber letztlich der »wirklichen Politik« des Natio-
nalsozialismus auslieferte. Diese Schieflage resultierte wiederum aus
dem von Jünger im »Arbeiter« ausgerufenen »Hochverrat des Geistes ge-
gen den ›Geist‹« (EJ , ), der als intellektueller Antiintellektualismus
bereits behandelt wurde. In Anlehnung an diese auch von Julien Benda
vertretene Verratsrhetorik ließe sich Ernst Jünger mit seinen eigenen Ka-
tegorien kritisieren. Denn im »Arbeiter« verurteilte er den »losgelösten
und selbstherrlich gewordenen Geist[…]« (ebd., ) und warf ihm vor,
dass es ihm »an echter, ursprünglicher Bindung und damit an Verant-
wortung fehlt« (ebd., ). Letztlich erscheinen aber gerade seine eigene
radikale Rhetorik und seine Aufforderung zur nihilistischen Destruktion
als ungebunden und in diesem Sinne als unverantwortlich, da sie (nach
Max Weber) als reine Gesinnungsethik von jeder Verantwortungsethik
absahen. »Unsere Aufgabe ist es«, schrieb Jünger an anderer Stelle,
»nicht die Gegen-, sondern die Vabanquespieler der Zeit zu sein« (ebd.,
). Man kann so gesehen durchaus Züge eines »antipolitischen Dandy-
tums« bei ihm entdecken, eine zynische Bereitschaft, »mit dem Teufel zu
Ebd., S. f.
Ebd., S. .
Ebd.
Vgl. zum Problem der Metapolitik auch Bussche, Konservatismus, der diese Struk-
tur mit dem Begriff der »Politisierung des Unpolitischen« zu fassen versucht.
Vgl. Weber, Politik als Beruf.
- -
gesagt worden ist; vgl. zu Löwith und Heidegger Wolin, Heidegger’s Children,
S. -.
Vgl. Hans Slugas Zuordnung Heideggers zu den »philosophical radicals« der
Zwischenkriegszeit: Sluga, Heidegger’s Crisis, S. .
Vgl. MH , : »Philosophische Auseinandersetzung ist Interpretation als
Destruktion.« Dazu Barash, Destruction; Moran, Destruktion; Buchheim (Hg.),
Destruktion.
Vgl. zum Kantbuch in diesem Kontext Goebel, Konstellation, S. -.
Benjamin, Der destruktive Charakter, S. .
Zu Benjamins »neuem Barbarentum« passte wiederum Heideggers unakademi-
sches Auftreten. So erinnerte sich etwa Hans Jonas an die legendäre Begegnung
Heideggers mit Ernst Cassirer in Davos , bei der dem »homo humanus« Cas-
sirer der »›Barbar‹ Heidegger« entgegen getreten sei (Jonas, Heideggers Ent-
schlossenheit, S. ).
- -
theorie, da diese nicht in der Lage sei, die »Weltgeschichte der Dinge« als nicht-
menschlich gemachten Strukturprozess zu begreifen und daher an ihre Stelle das
»Schicksal« einsetzen müsse; vgl. Kittsteiner, Mit Marx.
Vgl. zur Gegenüberstellung von Man und eigentlichem Selbst auch MH ,
: »Das Selbst des alltäglichen Daseins ist das Man-selbst, das wir von dem
eigentlichen, das heißt eigens ergriffenen Selbst unterscheiden. Als Man-selbst ist
das jeweilige Dasein in das Man zerstreut und muß sich erst finden.«
Dieser Begriff hier nach Held, Welt, S. , der allerdings gerade gegen diese in
seinen Augen vereinfachende Etikettierung argumentiert.
Vgl. zur »Zeitgebundenheit« von »Sein und Zeit« Gumbrecht, , S. -;
Zaborowski, Leben.
Wolin, Seinspolitik, S. .
sagte Heidegger in seiner Marburger Vorlesung über den verstorbenen Paul
Natorp: »Natorp war einer der wenigen und ersten, ja vielleicht der einzige unter
den deutschen Professoren, der vor mehr als zehn Jahren verstand, was die deut-
sche Jugend wollte, als sie im Herbst auf den Hohen Meißner zog und gelobte,
aus innerer Wahrhaftigkeit und Selbstverantwortung ihr Leben zu gestalten.«
(MH /, )
Rentsch, Martin Heidegger, S. .
Löwith, Mein Leben, S. .
Vgl. Bohrer, Ästhetik, S. ff.
Heidegger räumte selbst ein: »Wozu sich das Dasein je faktisch entschließt, ver-
mag die existenziale Analyse nicht zu erörtern.« (MH , ) Rainer Marten
spricht in diesem Zusammenhang auch von Heideggers »Seinsformalismus«
(Marten, Heidegger Lesen, S. ).
- -
einer Notwendigkeit, des »Einen was not tut«, als »Verwirklichung eines
schicksalhaften Müssens« (FGJ a, ), das inhaltlich aber unbe-
stimmt blieb. So erinnerte sich etwa Karl Löwith, dass Heidegger »immer
wieder betonte, es komme nur darauf an, ›daß jeder das macht, was er
kann‹, auf ›das je eigene Sein-können‹ oder die ›existenzielle Beschrän-
kung auf die eigene, historische Faktizität‹. Dieses Können nahm er zu-
gleich als ein Müssen in Anspruch oder als ›Schicksal‹.«
Mit der Kategorie des Schicksals ist auf einen weiteren Argumenta-
tionszusammenhang verwiesen, der die Zugehörigkeit von »Sein und
Zeit« zum ideologischen Feld der Konservativen Revolution markiert.
Denn obwohl das eigentliche Selbstsein zunächst immer »je meines« ist
und nur je allein errungen werden kann, führt es doch zur Einsicht in die
eben zitierte »historische Faktizität«, die das eigentliche Selbst als ge-
schichtliches ausweist. Die Kategorie der Geschichtlichkeit steht dabei an
der entscheidenden Schnittstelle zwischen dem heroischen Existenzialis-
mus des Selbst und der Option für die deutsche Volksgemeinschaft, die
in »Sein und Zeit« allerdings nur sehr vage angedeutet wird. Die Ge-
schichtlichkeit des Daseins leitet sich zunächst aus dessen »Zeitlichkeit«
(MH , ) ab, die sich wiederum aus dem schon genannten »Vor-
laufen« (ebd., ) in den Tod ergibt, aus dem steten »Sich-vorweg«
(ebd., ) des Daseins, das dessen Entwurf- und Sorgecharakter aus-
macht. Das »eigentliche Existieren« bezeichnet Heidegger daher auch als
»vorlaufende Entschlossenheit« (ebd., ). Auch in dieser Zukünftigkeit
der geworfenen Existenz bleibt das Dasein aber an sein faktisches Da »in-
der-Welt« gebunden: »Geworfen ist zwar das Dasein ihm selbst und sei-
nem Seinkönnen überantwortet, aber doch als In-der-Welt-sein. Geworfen
ist es angewiesen auf eine ›Welt‹ und existiert faktisch mit Anderen.«
(Ebd., f.) Bisher hatte Heidegger das Mit-sein mit anderen vornehm-
lich in seiner uneigentlichen Verfallsform als Man gekennzeichnet und
das Eigentlichwerden als vereinzelndes Heraustreten aus dem Man ge-
schildert. In § von »Sein und Zeit«, in dem die Kategorie der Ge-
schichtlichkeit verhandelt wird, wird nun erstmals eine eigentliche Form
des Mitseins mit anderen entwickelt. Diese eigentliche Form des Mit-
seins wird vorbereitet durch den Begriff des Erbes: »Die Entschlossen-
heit, in der das Dasein auf sich selbst zurückkommt, erschließt die jewei-
ligen faktischen Möglichkeiten eigentlichen Existierens aus dem Erbe, das
sie als geworfene übernimmt.« (Ebd., ) Indem das Dasein sein Erbe als
überlieferte Möglichkeit wähle, mache es sich frei für sein Schicksal:
»Die ergriffene Endlichkeit der Existenz reißt aus der endlosen Mannig-
faltigkeit der sich anbietenden nächsten Möglichkeiten des Behagens,
Leichtnehmens, Sichdrückens zurück und bringt das Dasein in die
Einfachheit seines Schicksals. Damit bezeichnen wir das in der eigent-
lichen Entschlossenheit liegende ursprüngliche Geschehen des Daseins,
in dem es sich frei für den Tod ihm selbst in einer ererbten, aber
gleichwohl gewählten Möglichkeit überliefert.« (Ebd.)
»Wenn aber«, so Heidegger weiter, »das schicksalhafte Dasein als In-der-
Welt-sein wesenhaft im Mitsein mit Anderen existiert, ist sein Geschehen
ein Mitgeschehen und bestimmt als Geschick. Damit bezeichnen wir das
Geschehen der Gemeinschaft, des Volkes.« (Ebd., ) Mit dieser Se-
quenz von Erbe, Schicksal, Gemeinschaft und Volk entwirft Heidegger
einen eigentlichen Modus des Mitseins, der unschwer als konservativ-
völkischer Gegenentwurf zur demokratischen Öffentlichkeit des Man
erkennbar ist. Darüber hinaus verkoppelt Heidegger die Begriffe von
Erbe und Schicksal mit seinen existentialen Begriffen eigentlicher Zeit-
lichkeit:
»Nur Seiendes, das wesenhaft in seinem Sein zukünftig ist, […] das heißt
nur Seiendes, das als zukünftiges gleichursprünglich gewesend ist, kann,
sich selbst die ererbte Möglichkeit überliefernd, die eigene Geworfen-
heit übernehmen und augenblicklich sein für ›seine Zeit‹. Nur eigent-
liche Zeitlichkeit, die zugleich endlich ist, macht so etwas wie Schick-
sal, das heißt eigentliche Geschichtlichkeit möglich.« (Ebd., )
Diese Zukünftigkeit der Übernahme des Erbes bezeichnet Heidegger als
»Wiederholung«:
»Die Wiederholung ist die ausdrückliche Überlieferung, das heißt der
Rückgang in Möglichkeiten des dagewesenen Daseins. Die eigentliche
Wiederholung einer gewesenen Existenzmöglichkeit – daß das Dasein
sich seinen Helden wählt – gründet existenzial in der vorlaufenden
Entschlossenheit; denn in ihr wird allererst die Wahl gewählt, die für
gewandtheit (vom Man) resultiert als in einem Aufruf zur Aktion. Von
»Sein und Zeit« führt also noch kein direkter Weg zum NS-Engagement
Heideggers. Zu dessen Vorbereitung bedurfte es der Weiterentwicklung
des heroischen Existenzialismus zu einer politischen Konzeption des
Handelns und des Willens, mithin zu einem »politischen Existenzialis-
mus«.
Diese Weiterentwicklung erfolgte in mehreren Schritten in den Vor-
lesungen der Jahre bis . Im Wintersemester / hat Heideg-
ger in einer auf das Weltanschauungsproblem gerichteten Rekapitulation
seiner Daseinsanalytik die »Wahl seiner selbst im Entschluß zu sich
selbst« mit »dem entsprechenden Handeln« (MH /, ) explizit
zusammengebracht. In der Vorlesung vom Wintersemester /
über »Die Grundbegriffe der Metaphysik« griff er die Motive seines hero-
ischen Existenzialismus dann erneut auf, um sie aktivistisch zu wenden.
In Wiederanknüpfung an die Kategorien des Entwurfs und der Selbst-
wahl betonte Heidegger, dass das Dasein etwas sei, »was der Mensch
eigens übernehmen muß« (MH /, ), »daß der Mensch, wenn er
werden soll, was er ist, je gerade das Dasein sich auf die Schulter zu wer-
fen hat« (ebd.). Dieser bewussten Wahl der Bürde des Daseins würde der
heutige Mensch allerdings ausweichen und sich in ein »sattes Behagen in
einer Gefahrlosigkeit« (ebd., ) flüchten, wodurch trotz der vielen
Nöte der Zeit die »Not im Ganzen« (ebd., ) ausbleibe: »Weil wir aber
der Meinung sind, es nicht mehr nötig zu haben, stark zu sein und uns
der Gefahr entgegenwerfen zu dürfen, haben wir uns auch schon alle zu-
sammen aus der Gefahrenzone des Daseins fortgeschlichen« (ebd., f.).
Das »Ausbleiben einer wesenhaften Bedrängnis unseres Daseins im Gan-
zen« (ebd., ) verhindere aber die Einsicht in die Notwendigkeit der
Daseinswahl. Aufgabe der Philosophie sei es daher, durch die Weckung
Vgl. etwa Haucke, Welt, der herausarbeitet, dass Heidegger zwischen und
Ansätze einer den Dezisionismus überwindenden philosophischen Position
des Ausgleichs entwickelte, die er dann erst wieder aufgab, um zur aktivisti-
schen Radikalität überzugehen. Die Konzeption der Eigentlichkeit wurde dabei,
so Haucke, erst in ihrer zweiten Reformulierung nach zum entscheidenden
Moment des politischen Engagements.
Vgl. Großheim, Politischer Existenzialismus, S. f.
»Es gilt, nicht zu reden, sondern zu wirken« (MH /, ), wie es an anderer
Stelle hieß.
Vgl. dazu Franzen, Sehnsucht; zur Bedeutung dieser Vorlesung auch Großheim,
Philosophie.
Das hier entfaltete Motiv einer »Not der Notlosigkeit«, die erst gesteigert werden
müsse, um überwunden werden zu können, hat Heidegger auch nach seiner Ab-
kehr vom heroischen Existenzialismus beibehalten; vgl. unten, Kap. ..
- -
Dass die darin enthaltene und von Heidegger immer wieder erneuerte und vari-
ierte Forderung zum »Sich-hinein-Stellen in die Not« (MH /, ) auf die
»urchristliche Existenz« und ihre Heilserwartung zurückging, in der die »Er-
wartung der Wiederkunft des Herrn« eine »Not« und »Bedrängnis« (ebd., )
hervorbringe, die zum »vollen Bruch mit der früheren Vergangenheit, mit jeder
nicht-christlichen Auffassung des Lebens« (ebd., ) führe, hat Heidegger selbst
in einer Vorlesung zur »Phänomenologie des religiösen Lebens« vom Winterse-
mester / offen gelegt. Dies war ein von Heidegger später wieder verdeckter
Hinweis auf die religiöse Dimension seiner Seinsphilosophie und die prophe-
tisch-apokalyptische Struktur seines auf Verwandlung der Zuhörer gerichteten
Sprechens. Vgl. dazu Trawny, Martin Heidegger, S. -; zum apokalyptischen
Motiv der notwendigen Not auch Fischer, »Systemzeit«, der einen Tagebuchein-
trag Goebbels‹ von zitiert: »Aber die deutsche Not muß noch größer wer-
den, damit sie heilend und fördern wirken kann« (S. ).
Den voluntaristischen Schritt »über die Linie«, den Heidegger hier als Ruck des
Daseins in die aktive Entscheidung propagierte, hat er später bei Ernst Jünger als
unzureichenden Versuch kritisiert, den nihilistischen »Willen zur Macht« hinter
sich zu lassen. In der späteren Auseinandersetzung wurde diese Passage, die Hei-
deggers eigenen Voluntarismus der Tat dokumentiert, allerdings nicht wieder
aufgegriffen. Vgl. dazu unten, Kap. ..
Vgl. Thomä, Zeit des Selbst, S. -.
te sich also schon an, was Karl Löwith als den entscheidenden Übergang
vom »je eigenen« Dasein zum »deutschen Dasein« in Heideggers Dezisio-
nismus gekennzeichnet hat. In seinen Erinnerungen zitierte Löwith aus
einem Brief Heideggers an ihn von , in dem Heidegger schrieb: »Ich
mache lediglich, was ich muß und was ich für nötig halte, und mache es
so, wie ich es kann […]. Ich arbeite aus meinem ›ich bin‹ und meiner
geistigen, überhaupt faktischen Herkunft. Mit dieser Faktizität wütet
(sic!) das Existieren.« Löwith fuhr fort:
»Wer von hier aus vorausblickt auf Heideggers Parteinahme für Hit-
lers Bewegung, wird schon in dieser frühesten Formulierung der ge-
schichtlichen Existenz die spätere Verbindung mit der politischen
Entscheidung angelegt finden. Es bedarf nur eines Heraustretens aus
der noch halb religiösen Vereinzelung und der Anwendung des ›je ei-
genen‹ Daseins und seines Müssens auf das eigene ›deutsche Dasein‹
und dessen geschichtliches Schicksal, um den energetischen Leerlauf
der Existenzkategorien (›sich zu sich selbst entschließen‹, ›vor dem
Nichts auf sich selbst stehen, ›sein Schicksal wollen‹ und ›sich selbst
überantworten‹) in die allgemeine Bewegung der deutschen Existenz
überzuführen und nun auf politischem Boden zu destruieren.«
Diese Beobachtung besagt noch nicht, dass Heideggers Existenzialonto-
logie aus »Sein und Zeit« zwangsläufig in sein NS-Engagement münden
musste. Allerdings konnte Heidegger die in »Sein und Zeit« aufgestellten
Kategorien der Entschlossenheit, der Selbstwahl, des Schicksals etc. nach
dem Abbruch von »Sein und Zeit« in der gezeigten Weise weiterentwi-
ckeln und so seine konservativ-revolutionäre Tatbereitschaft steigern, die
schließlich zu seinem Engagement für den Nationalsozialismus führte.
Diese Weiterentwicklung erfolgte allerdings nicht linear, sondern ging
gerade auf die durch das Scheitern des Entwurfs von »Sein und Zeit«
entstandene Krise zurück, »aus der heraus der Nationalsozialismus als
eine politische Lösung philosophischer Fragen erscheinen konnte«.
Heidegger verband auf diese Weise seine eigene philosophische Krise mit
der allgemeinen politischen Krise und der »Krisis der Wissenschaft
schlechthin« (MH /, ), auf deren Verschärfung er mit der Hoff-
Heideggers NS-Engagement
Nach Heideggers eigener Darstellung ist er im April von dem zum
Rücktritt gezwungenen Rektor der Freiburger Universität, Wilhelm von
Moellendorff, darum gebeten worden, dessen Nachfolge zu übernehmen.
Obwohl er bisher nie ein politisches oder akademisches Amt inne gehabt
und »keine Beziehung zu den maßgebenden Regierungs- und Parteistel-
len« (MH , ) unterhalten habe, habe er dem Drängen »im Interesse
der Universität« (ebd.) nachgegeben. Tatsächlich hatte Heidegger aber
schon im Vorfeld nach einer geeigneten »Einsatzstelle« bei der »Umge-
staltung der Universitäten« (MH /KJ, f.) gesucht und etwa am . April
an Elisabeth Blochmann von der zu leistenden »große[n] Arbeit eines
inneren Aufbaus der Universität« geschrieben, »dem erst wieder eine gei-
stige Welt entwachsen u. dem ganzen Volk einwachsen kann« (MH/EB,
). Auch seinem Freiburger Kollegen und Freund Kurt Bauch schrieb
Heidegger im März , dass er nach einem wirksamen Weg suche, »um
sich in den Apparat einzuschalten«. Als er in der Plenarsitzung der Uni-
Vgl. MH /, : »Denn die Krisis soll nicht überwunden, sondern lebendig
werden […].« Schon in der ersten Nachkriegskrise hatte Heidegger an Lö-
with geschrieben: »Ich will mindestens etwas anderes – das ist nicht viel: nämlich
was ich in der heutigen faktischen Umsturzsituation lebend als ›notwendig‹ er-
fahre, ohne Seitenblick darauf, ob daraus eine ›Kultur‹ wird oder eine Beschleuni-
gung des Untergangs.« (Zit. n. Löwith, Mein Leben, S. )
Vgl. zur Wahrnehmung der Krise im Kontext der NS-Machtergreifung neben
Sluga, Heidegger’s Crisis auch ders., Nationalsozialismus; Oexle, »Wirklichkeit«.
M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz. Schon in einem Brief vom
. März hatte sich Heidegger ausführlich über die verschiedenen Möglichkeiten
der (hochschul-)politischen Einflussnahme mit Bauch verständigt. Kontakte zur
politischen Führung in Berlin versuchte er vor allen Dingen über Ernst Krieck
herzustellen, während die »Aufnahme der aussichtsreichen Verbindung meiner-
seits nach Karlsruhe […] bereits im Gang« sei. Heidegger kommentierte diese
Bemühungen: »M. E. können wir zunächst nur Mißgriffe verhüten und das Be-
wusstsein von der Notwendigkeit einer Gesamtwandlung wecken, die nicht
durch bloße ›Maßnahmen‹ zu erreichen ist – sondern eine Klärung u. Festigung
des Willens u. des Auftrags der jungen Generation voraussetzt. In dieser Hinsicht
habe ich auch bereits einen konkreten Vorschlag in der Sitzung [wahrscheinlich
der »Kulturpolitischen Arbeitsgemeinschaft Deutscher Hochschullehrer«; D. M.]
gemacht. Wollen wir aber im Augenblick nicht mit einem platonischen Pro-
- -
versität am . April fast einstimmig zum Rektor gewählt wurde, hatte er
seine Einsatzstelle gefunden. Am . Mai trat er der NSDAP bei und
wurde von der regionalen NS-Zeitschrift Der Alemanne als »der geistige
Führer des zeitgenössischen Denkens« in der Partei begrüßt. Am . Mai
erfolgte schließlich die feierliche Rektoratsübernahme, bei der nicht nur
– erstmals bei einer offiziellen Universitätsveranstaltung – das Horst-
Wessel-Lied gesungen wurde, sondern bei der Heidegger auch seine viel
beachtete Rektoratsrede unter dem Titel »Die Selbstbehauptung der
deutschen Universität« hielt. Karl Löwith nannte sie im Rückblick »ein
kleines Meisterwerk an Formulierung und Komposition«, da sie es ver-
stehe, »die existenzialontologischen Kategorien dem geschichtlichen
›Augenblick‹ (Sein und Zeit, § ) in einer Weise dienstbar zu machen,
daß sie den Anschein erwecken, als könnten und müssten ihre philoso-
phischen Absichten mit der politischen Lage a priori zusammengehen«.
Tatsächlich erwähnte Heidegger den Nationalsozialismus, die natio-
nalsozialistische Revolution oder Adolf Hitler nicht direkt in seiner Rede,
sondern passte sein eigenes philosophisches Programm an die »Unerbitt-
lichkeit jenes geistigen Auftrags, der das Schicksal des deutschen Volkes
in das Gepräge seiner Geschichte zwingt« (MH a, ), an. Nach der
zuvor geschilderten Umformung des heroischen Existenzialismus in den
Jahren bis erschien nun die entschlossene Selbstwahl als »stän-
digste und härteste Selbstbesinnung« (ebd.) und »Selbstbehauptung« (ebd.,
), allerdings jetzt nicht des einzelnen Daseins, sondern der Universität
als wesentlicher Einheit: »Die Selbstbehauptung der deutschen Univer-
sität ist der ursprüngliche, gemeinsame Wille zu ihrem Wesen.« (Ebd.)
gramm ins Leere stoßen, dann müssen wir erst wissen, was ›man‹ in der Regie-
rung zunächst vorhat.« (M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz)
Vgl. zu den näheren Umständen der Wahl Ott, Unterwegs, S. -.
Zit. n. Schneeberger, Nachlese, S. . In diesem Artikel wurde auch betont, dass
Heidegger schon vor seinem Parteieintritt Anhänger der NSDAP gewesen sei:
»Wir wissen, daß Martin Heidegger in seinem hohen Verantwortungsbewußt-
sein, in seiner Sorge um das Schicksal und die Zukunft des deutschen Menschen
mitten im Herzen unserer herrlichen Bewegung stand, wir wissen auch, daß er
aus seiner deutschen Gesinnung niemals einen Hehl machte und daß er seit Jah-
ren die Partei Adolf Hitlers in ihrem schweren Ringen um Sein und Macht aufs
wirksamste unterstützte, daß er stets bereit war, für Deutschlands heilige Sache
Opfer zu bringen, und daß ein Nationalsozialist niemals vergebens bei ihm an-
pochte.« (Ebd., S. )
Löwith, Mein Leben, S. . Als Ergebnis dieser engen Verkopplung von Philoso-
phie und Politik habe man, so Löwith weiter, nach der Rede gar nicht gewusst,
»ob man Diehls’ Vorsokratiker in die Hand nehmen soll oder mit der S.A. mar-
schieren« (ebd.).
Der »Wille zum Wesen der deutschen Universität« sei aber, so Heidegger
weiter, »der Wille zur Wissenschaft als Wille zum geschichtlichen geisti-
gen Auftrag des deutschen Volkes als eines in seinem Staat sich selbst
wissenden Volkes« (ebd.). Indem sich die deutsche Studentenschaft als
Teil dieses geschichtlichen Volkes darauf besinne, »selbst zu sein, was wir
sein sollen« (ebd., ), gelte für sie: »Wir wollen uns selbst.« (Ebd. )
Dass Heidegger hier seine eigenen heroisch-existenzialistischen Kate-
gorien von Schicksal und Selbstwahl mit dem ›geschichtlichen Augen-
blick‹ der nationalsozialistischen Revolution zusammenbrachte, wird nicht
nur an seinem voluntaristischen Vokabular deutlich, sondern etwa auch
daran, dass er den in seiner eigenen Philosophie angestrebten Rückgang
in »die Macht des Anfangs unseres geistig-geschichtlichen Daseins« in der
»griechischen Philosophie« (ebd., ) nun zur Aufgabe der gesamten aka-
demischen Selbstbesinnung machte. Im Rückgriff auf die griechische
Philosophie nahm Heidegger dabei gleichzeitig eine »Reformulierung
der Theorie-Praxis-Relation« vor, denn Theorie sei von den Griechen
»nicht um ihrer selbst willen« betrieben worden, sie sei vielmehr als
»höchste Verwirklichung echter Praxis« zu verstehen (ebd., ): »Den
Griechen ist die Wissenschaft nicht ein ›Kulturgut‹, sondern die innerst
bestimmende Mitte des ganzen volklich-staatlichen Daseins.« (Ebd.)
Heidegger wandte sich damit erneut gegen »das uferlose Treiben verstan-
desmäßiger Zergliederung« (ebd., ) und definierte Wissenschaft als das
»mithandelnde Wissen um das Volk« (ebd., ). In einer späteren Rede
bestimmte er den »Wissensanspruch« der Wissenschaft als »Wille zur
Verwandlung der Wirklichkeit«. Das Wissen, um das es der Wissen-
schaft gehe, bedeute, »des Wesens der Dinge in Klarheit mächtig und
kraft dieser Macht zur Tat entschlossen sein« (MH -, ). Wie
Ernst Jünger stellte Heidegger in diesem Zusammenhang dem falschen
Damit wird auch deutlich, dass mit Selbstbehauptung von Heidegger nicht die
Behauptung gegenüber den Ansprüchen des nationalsozialistischen Staates ge-
meint war, wie er etwa in einem Gespräch mit dem »Spiegel« behauptete
(MH , ). In einem Brief vom . Dezember an alle Fakultäten beton-
te er in diesem Sinne noch einmal: »Ziel ist seit den ersten Tagen meiner Amts-
übernahme der grundsätzliche Wandel der wissenschaftlichen Erziehung aus den
Kräften und Forderungen des nationalsozialistischen Staates« (zit. n. Ott, Unterwegs,
S. ). In diesem Brief hieß es weiter: »Der Einzelne, wo er auch stehe, gilt
nichts. Das Schicksal unseres Volkes in seinem Staat gilt alles.«
Vgl. zu diesem superlativischen Vokabular von Wille, Kampf und Entscheidung
Sternberger, Gang, S. -.
Alisch, Rektoratsrede, S. .
So in einer Rede an der Universität Tübingen am . November ; zit. n. Mar-
tin (Hg.), Kompendium, S. .
- -
kulation der Erstsemester davon gesprochen, dass diese den Übertritt be-
deute »in die Kampf- und Erziehungsgemeinschaft jener, denen die geistige
Sendung des deutschen Volkes das erste und letzte ist« (MH -, ),
und daraus gefolgert: »Die Aufnahme in die höchste Schule der geistig-
politischen Erziehung verpflichtet Sie zur größten Strenge und Härte
gegen sich selbst in allen inneren und äußeren Dingen« (ebd., ). Damit
erklärte Heidegger die Universität nicht nur zur Stätte heroisch-solda-
tischer Härte und Askese, sondern schrieb ihr auch eine Führungsrolle
in der »Erkämpfung der neuen Wirklichkeit« zu, von der er am . No-
vember in Tübingen sprach. Ihm selbst als Rektor der Universität
komme aber die Aufgabe der »geistigen Führung dieser Hohen Schule«
(MH a, ) zu, was ihn ganz wörtlich zum Führer der Führer machte.
Als dieser selbsternannte geistige Führer entfaltete Heidegger in den
folgenden Monaten umfangreiche Aktivitäten zur Durchsetzung der na-
tionalsozialistischen Revolution. Zu diesen Aktivitäten gehörten unter
anderem mehrere öffentliche Auftritte in Freiburg und in anderen Uni-
versitätsstädten, bei denen er für die Unterstützung Adolf Hitlers warb.
Am prominentesten war vielleicht die Beteiligung bei einer Propaganda-
veranstaltung vor der Wahl am . November , bei der Hitler den
bereits im Oktober vollzogenen Austritt Deutschlands aus dem Völker-
bund durch ein Plebiszit bestätigen ließ. Der Nationalsozialistische Lehrer-
bund Sachsen versammelte hierzu mehrere NS-treue Professoren am
. November in Leipzig und veröffentlichte deren Ansprachen anschlie-
ßend als »Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten
und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen
Staat«. Heidegger wertete in seiner Ansprache die Wahl als dem Volk
vom Führer gegebene Gelegenheit zur Bestätigung der bereits erfolgten
Selbstwahl. Der sich darin bekundende »Wille zur völkischen Selbst-
verantwortung« (MH -, ) folge als »Wille zu einer wahren
Volksgemeinschaft« der »Forderung des selbstverantwortlichen Handelns«
Am . Juni soll Heidegger in Heidelberg vor Studenten ausgerufen haben:
»Schlagt das feine Porzellan entzwei, wir können auch von irdenem Geschirr
essen und trinken« (zit. n. Nolte, Irrtum, S. ). Er erinnerte damit wiederum an
das »neue Barbarentum« der Brüder Jünger. Im November bezeichnete er
den »neuen Student« zustimmend als »primitiv« (MH -, ). Noch
verteidigte er den Nationalsozialismus als »barbarisches Prinzip« (M. Heid-
egger an K. Bauch, .., Privatbesitz). Vgl. zu Heideggers Militanz der »neu-
en Armut« auch Kittsteiner, Mit Marx, S. f.
Zit. n. Martin (Hg.), Kompendium, S. .
Vgl. zu dieser Propagandaveranstaltung Laugstien, Philosophieverhältnisse, S. -
.
- -
(ebd., ): »Diesen Willen hat der Führer im ganzen Volke zum vollen
Erwachen gebracht und zu einem einzigen Entschluß zusammenge-
schweißt. Keiner kann fernbleiben am Tage der Bekundung dieses Wil-
lens.« (Ebd., )
Bereits am . November hatte Heidegger in einer Ansprache zum
Semesterbeginn verkündet: »Die nationalsozialistische Revolution bringt
die völlige Umwälzung unseres deutschen Daseins« (ebd., ). An die
»deutschen Studenten« richtete er die Aufforderung:
»Ihr seid verpflichtet zum Mitwissen und Mithandeln an der Schaf-
fung der künftigen hohen Schule des deutschen Geistes. […] Unauf-
hörlich wachse Euch der Mut zum Opfer für die Rettung des Wesens
und für die Erhöhung der innersten Kraft unseres Volkes in seinem
Staat. Nicht Lehrsätze und ›Ideen‹ seien die Regeln Eures Seins. Der
Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirk-
lichkeit und ihr Gesetz.« (Ebd., )
In diesen Worten kam nicht nur die vollständige Unterordnung unter die
»historische Faktizität« des sich selbst errichtenden Führerstaats zum
Ausdruck. Sie operierten auch mit den Kategorien des soldatischen He-
roismus, den Heidegger schon vor der Machtergreifung vertreten hatte.
Die bereits in seinem heroischen Existenzialismus implizit entfalteten
Ideale von Todesmut und Opferbereitschaft wurden von Heidegger nun
offen als solche propagiert. Das geschah etwa bei der von Heidegger
selbst inszenierten universitären Gedenkfeier für Albert Leo Schlageter
am . Mai , einen Tag vor der feierlichen Rektoratsübernahme, bei
der Heidegger dessen heldenhaftes Leben und Sterben als Schicksalsvoll-
zug würdigte: »Er mußte ins Baltikum, er mußte nach Oberschlesien, er
mußte an die Ruhr. Er durfte seinem Schicksal nicht ausweichen, um den
schwersten und größten Tod harten Willens und klaren Herzens zu ster-
ben.« In einem »Ruf zum Arbeitsdienst« vom . Januar beschwor
er schließlich die »›Beglückung‹ durch Opferbereitschaft und Dienst im
Bereich der innersten Notwendigkeiten deutschen Seins« (ebd., ).
»Arbeit« und der Bedeutung Ernst Jüngers für Heideggers Aufrufe vgl. unten,
Kap. ..
Diese politische Gutachtertätigkeit war es, die im Nachhinein zu den schwersten
moralischen Vorwürfen gegen Heidegger geführt hat. Vgl. zu den Fällen Eduard
Baumgarten und Hermann Staudinger Ott, Unterwegs, S. f., -; dane-
ben v.a. Ott/Grün, Rektorat. Ein Gutachten über den Münchner Neukantianer
Richard Hönigswald, der dann auf Druck der Nationalsozialisten – und nicht
zuletzt mit Hilfe des Gutachtens von Heidegger – in den Ruhestand versetzt wur-
de, wird bei Ott noch nicht erwähnt, ist aber in MH -, f. abgedruckt.
Heidegger kritisierte darin den Neukantianismus als eine »dem Liberalismus auf
den Leib zugeschnitten[e]« Philosophie, die das Wesen des Menschen »in ein frei-
schwebendes Bewußtsein« auflöse und damit den Blick ablenke »vom Menschen
in seiner geschichtlichen Verwurzelung und in seiner volkhaften Überlieferung
seiner Herkunft aus Boden und Blut« (ebd., ). Der denunziatorischen Gut-
achtertätigkeit Heideggers gegenüber ihm politisch oder persönlich unliebsamen
Kollegen standen auf der anderen Seite seine Bemühungen um einige vom
»Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« betroffene Schüler und
Freunde gegenüber. Zu diesen zählten etwa Werner Brock, Eduard Fraenkel und
Elisabeth Blochmann.
Dahms, Philosophie, S. . Vgl. dazu neben Dahms auch Laugstien, Philoso-
phieverhältnisse, S. f. An Ernst Krieck sandte Heidegger am . Mai ein Glück-
wunschtelegramm zu dessen Übernahme des Rektorats in Frankfurt, in dem er
schrieb: »Ich vertraue auf eine gute Kampfgenossenschaft.« (MH -, )
Vgl. Farías, Heidegger, S. -. Als die Leitung des Verbands der Deutschen
Hochschulen Hitler um eine Unterredung bat, um die inneren Konflikte zu klä-
ren, telegrafiert Heidegger an Hitler persönlich mit der Bitte, mit dieser Unter-
redung noch zu warten, »bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Leitung des Hoch-
schulverbandes im Sinne der gerade hier besonders notwendigen Gleichschaltung
vollzogen ist« (MH -, ).
- -
Wie diese Ambitionen von vielen von Heideggers Kollegen wahrgenommen wur-
den, lässt sich etwa aus der erleichterten Reaktion Gerhard Ritters auf Heideggers
Rücktritt erahnen, der am . Mai an seine Eltern schrieb: »Inzwischen ist
auch an der Universität alles sehr friedlich geworden. Heidegger hat als Rektor
abgedankt, ebenso alle von ihm ernannten Dekane. Ein braver Stahlhelmer ist
sein Nachfolger geworden, in unserer Fakultät einer meiner Freunde Dekan. Die
Ära der ewigen Aufregung und verrückten Experimente ist vorüber.« (Zit. n. See-
mann, Säuberungen, S. f.).
Mehring, Führer.
Bialas, Nationalsozialismus, S. .
Diese beiden Vorlesungen wurden zudem in der Debatte um Heideggers Natio-
nalsozialismus bisher noch wenig berücksichtigt, da sie erst im Rahmen der
- -
Wesen der Wahrheit« ist dabei aufschlussreich, da sie einerseits eine aktu-
alisierte Wiederholung der gleichnamigen Vorlesung vom Winterseme-
ster / darstellt und ihr andererseits zwei kleinere Abhandlungen
Heideggers folgten, in denen er sich und erneut mit dem Be-
griff der Wahrheit bei Platon auseinandersetzte. Anhand dieser Texte
lässt sich also sowohl Heideggers politische Aktualisierung seines Den-
kens als auch der Rückzug von dieser Aktualisierung während des
Zweiten Weltkriegs am gleichen Gegenstand beobachten.
Im Zentrum der Vorlesung von / und / stand eine Inter-
pretation des Höhlengleichnisses aus Platons »Politeia«. In ihm, so Hei-
degger, drückten sich gleichzeitig zwei unterschiedliche Begriff von
»Wahrheit« (griechisch aletheia) aus: ein älterer, vorsokratischer – in
diesem Sinn ursprünglicher – und ein davon abkünftiger, neuerer, der
aber im weiteren Verlauf der Philosophiegeschichte den älteren verdrängt
habe. Den ersten fasste Heidegger als »Unverborgenheit« (a-letheia: a-pri-
vativum + lethe = Verborgenheit, Vergessen), den zweiten als Richtigkeit
(im Sinne des Korrespondenzbegriffs von Wahrheit als Aussagewahrheit:
adaequatio intellectus et rei). Der Übergang vom ersten zum zweiten
Wahrheitsverständnis sei nun »das Geschehen, in dem der Anfang der
abendländischen Geschichte der Philosophie bereits einen abseitigen und
verhängnisvollen Gang nimmt« (MH /, f.). Er vollziehe sich pri-
mär in der Philosophie Platons, diese sei der Ort, »wo der frühere und
spätere [Wahrheitsbegriff ] im letzten Kampf gleichsam aufeinanderstoßen«
(MH /, ). Heideggers »Rückgang in die Geschichte« (MH /
, ) und auf Platons Höhlengleichnis diente deshalb einer Wieder-
gewinnung des ersten Wahrheitsbegriffs und damit des ursprünglichen
griechischen Denkens. Dieser Rückgang in den ersten Anfang zielte aller-
dings nicht auf eine historische Restitution, sondern auf die Überwin-
dung der Gegenwart hin auf ein Zukünftiges:
»Denn im echten Rückgang in die Geschichte nehmen wir den Ab-
stand von der Gegenwart, der uns erst den Zwischenraum schafft für
den Anlauf, der notwendig ist, um über unsere eigene Gegenwart hin-
auszuspringen, d. h. sie als das zu nehmen, als was genommen zu werden
jede Gegenwart als Gegenwart einzig verdient: daß sie überwunden
werden soll. Wahrhafter Rückgang in die Geschichte ist der entschei-
dende Anfang eigentlicher Zukünftigkeit.« (Ebd., f.)
Dies war erneut eine philosophische Fassung der Konservativen Revolu-
tion, die die Gegenwart durch ein »Denken aus dem Ursprung« grund-
stürzend verwandeln wollte. Diese »große Wandlung des Daseins des
Menschen« müsse gegen »die ganze bisherige abendländische Daseins-
geschichte« (MH /, ) errungen werden. Dabei handelt es sich
für Heidegger nicht um eine abstrakte Frage der Philosophie, sondern
um eine »Umwandlung unseres ganzen Daseins« (ebd., ), die auch das
tätige Leben mit einschloss:
»Bei der Frage nach dem Wesen der Wahrheit handelt es sich nicht
darum, irgendeiner gelehrten Theorie über den Wahrheitsbegriff eine
andere entgegenzustellen oder irgendeinen philosophischen Stand-
punkt gegenüber einem anderen zu vertreten […]. Sondern es handelt
sich bei der Frage allein um das handelnde Begreifen oder Nichtbe-
greifen der Weltstunde, in die der Geist dieser Erde eingetreten ist.«
(Ebd., f.)
Dieses handelnde Begreifen wiederum »zwingt uns in den Kampf und
versetzt uns in Entscheidungen, die in die Zukunft ausgreifen« (ebd.,
). Heideggers seit den er Jahren entwickeltes philosophisches Pro-
gramm der Destruktion der Philosophiegeschichte und sein Konzept des
tätigen Denkens spitzte sich hier zu auf eine »Weltstunde«, auf den Mo-
ment der Krise, in dem die Entscheidung für oder gegen das Wesen der
Wahrheit und damit das eigentliche Dasein fallen müsse. Das Entschei-
dende und über die Vorlesung von / Hinausgehende war nun, dass
Heidegger in der »nationalsozialistische[n] Revolution« (MH -
, ) genau diese Weltstunde erblickte und den Nationalsozialismus
so als Ermöglichung und Vollzug seiner Daseins-Revolution begrüßte:
»Dieser ungeheure Augenblick, in den der Nationalsozialismus heute
gedrängt ist, ist das Werden eines neuen Geistes der Erde überhaupt.«
(MH /, ) An anderer Stelle betonte Heidegger abermals den
totalen Charakter dieses Wandels, der sich nun mit dem Nationalsozialis-
mus vollziehe und sich nicht auf »gelehrte Theorien« beschränke:
»Wenn heute der Führer immer wieder spricht von der Umerziehung
zur national-sozialistischen Weltanschauung, heißt das nicht: irgend-
welche Schlagworte beibringen, sondern einen Gesamtwandel hervor-
bringen, einen Weltentwurf, aus dessen Grund heraus er das ganze
Volk erzieht. Der Nationalsozialismus ist nicht irgendwelche Lehre,
sondern der Wandel von Grund aus der deutschen und, wie wir glau-
ben, auch der europäischen Welt.« (Ebd., )
Schon im Sommersemester hatte Heidegger in diesem Sinn von der
»Größe des geschichtlichen Augenblicks, durch den jetzt das deutsche
Volk hindurchgeht« (MH b, ), gesprochen und das Gelingen der
nationalsozialistischen Revolution davon abhängig gemacht, ob »wir es
erfahren und in aller Kraft ergreifen, daß die jetzige Wende des deutschen
Geschicks in sich trägt die schärfste Bedrängnis unseres Daseins, indem sie
vor die Entscheidung stellt; die Entscheidung, ob wir die im jetzt wer-
denden Geschehen noch verschlossene geistige Welt schaffen wollen und
schaffen werden – oder nicht« (ebd., ).
Aus diesen Worten sprach Heideggers Entschlossenheit, die »jetzige
Wende der deutschen Geschichte aus einem innersten Grunde [zu] be-
greifen« (ebd.), das heißt, in seiner eigenen Philosophie diesen innersten
Grund zu erblicken bzw. seine eigene Philosophie mit diesem unterstell-
ten innersten Grund der nationalsozialistischen Revolution in eins zu
setzen. Umgekehrt bedeutet das, dass Heidegger den Erfolg des Natio-
nalsozialismus davon abhängig machte, ob dieser sein eigenes philoso-
phisches Anliegen – nämlich die neuerliche Zuwendung zum Sein – zu
verwirklichen helfe oder nicht. So schrieb er in einem Brief an Elisabeth
Blochmann vom . März :
»Das gegenwärtige Geschehen hat für mich – gerade weil vieles dunkel
und unbewältigt bleibt – eine ungewöhnliche sammelnde Kraft. Es
steigert den Willen u. die Sicherheit im Dienste eines großen Auf-
trages zu wirken und am Bau einer volklich gegründeten Welt mitzu-
helfen. Seit langem ist mir die Blässe u. das Schattenhafte einer bloßen
›Kultur‹ u. die Unwirklichkeit sogenannter ›Werte‹ zur Nichtigkeit
herabgesunken u. ließ mich im Dasein den neuen Boden suchen. Wir
werden ihn u. zugleich die Berufung des Deutschen in der Geschichte
des Abendlandes nur finden, wenn wir uns dem Sein selbst in neuer
Weise u. Aneignung aussetzen.« (MH/EB, )
In dieser Passage kam die unmittelbare Verkoppelung von Heideggers
philosophischem Programm der Frage nach dem Sein mit seiner völ-
kischen Germanophilie und der nationalsozialistischen »Weltstunde«
An derselben Stelle fuhr Heidegger fort: »Jeder entscheidet darüber mit, auch
dann und gerade dann, wenn er sich vor dieser Entscheidung drückt und meint,
er müsse vor dem heutigen Aufbruch überlegen tun und den vermeintlich ›gei-
stig‹ Vornehmen spielen.« (MH b, )
Vgl. MH /, : »Ein Schicksal kann man nur bewältigen, oder man kann
daran zu Grunde gehen, ohne daß man es weiß.«
An anderer Stelle sprach Heidegger davon, dass das, »was Wahrheit und Sein zu
ihrem inneren Zusammenhang und zu ihrem Eigenwesen ermächtigt«, zugleich
das sei, »was den Menschen befreit und damit gerade bindet, und in dieser Bin-
dung die eigentliche Notwendigkeit in das Dasein des Menschen bringt als die
Voraussetzung der Freiheit« (ebd., ). Noch im Mai definierte Heidegger
Freiheit als »Bindung an das innerste Gesetz und die Ordnungen unseres Wesens«:
»Freiheit heißt: Erweckung und Durchsetzung des Willens des Volkes zu seiner
eigensten Sendung.« (MH -, )
Schon im Sommersemester hatte Heidegger postuliert, der Anfang der Philo-
sophie sei »der unausgesetzte fragende Kampf um das Wesen und Sein des Seienden.
[…] Dieser Kampf stellte den Menschen frei in seine Welt vor die Möglichkeit
seiner Größe und die Mächte seiner Gebundenheit.« (MH b, ) Vgl. zur
Zentralität des polemos-Begriffs für Heideggers gesamtes Denken Fried, Hei-
degger’s Polemos.
Gregory Fried konnte diese Vorlesung noch nicht berücksichtigen, macht aber
darauf aufmerksam, dass sich Heideggers erste direkte Bezugnahme auf das
Heraklitzitat in einem Brief findet, mit dem sich Heidegger im August für
die Übersendung des »Begriffs des Politischen« bei Carl Schmitt bedankte (Fried,
Heidegger’s Polemos, S. ). In diesem Brief, in dem Heidegger betonte, zur Zeit
selbst »mitten im polemos« zu stehen, teilte er Schmitt zugleich mit, »daß ich sehr
auf Ihre entscheidende Mitarbeit hoffe, wenn es gilt, die juristische Fakultät im
Ganzen nach ihrer wissenschaftlichen und erzieherischen Ausrichtung von Innen
her neu aufzubauen« (MH -, ); vgl. auch Radloff, Heidegger.
- -
»Der Feind kann in der innersten Wurzel des Daseins eines Volkes sich
festgesetzt haben und dessen eigenem Wesen sich entgegenstellen und
zuwiderhandeln. Um so schärfer und härter und schwerer ist der
Kampf, denn dieser besteht ja nur zum geringsten Teil im Gegenein-
anderschlagen; oft weit schwieriger und langwieriger ist es, den Feind
als solchen zu erspähen, ihn zur Entfaltung zu bringen, ihm gegenüber
sich nichts vorzumachen, sich angriffsfertig zu halten, die ständige
Bereitschaft zu pflegen und zu steigern und den Angriff auf weite
Sicht mit dem Ziel der völligen Vernichtung anzusetzen.« (Ebd., )
Trotz dieser eliminatorischen Phantasie führten Heideggers Vorstellun-
gen von Geschichte und Schicksal, Entscheidung und Kampf aber auch
dazu, dass er eine zweifache Kritik an der nationalsozialistischen Wirk-
lichkeit der Jahre / übte, und zwar zum einen an den Bestrebun-
gen, die »nationalsozialistische Revolution« nach Erringung der Macht
durch die NSDAP für beendet zu erklären, und zum anderen am Bio-
logismus des nationalsozialistischen Weltbildes. Beides stellte für Heideg-
ger noch eine Verhaftung in Vorstellungen des . Jahrhunderts dar. Das
lässt sich etwa an der Ansprache sehen, die Heidegger am . Januar
aus Anlass des ersten Jahrestages der nationalsozialistischen Machtergrei-
fung in der Vorlesungsstunde hielt. Er reagierte damit auf einen Vortrag
Erwin Guido Kolbenheyers, der am . Januar in Freiburg über »Lebens-
wert und Lebenswirkung der Dichtkunst in einem Volke« gesprochen
hatte. Kolbenheyer war für Heidegger das Paradebeispiel eines »reaktio-
nären nationalen und völkischen Bürgers« (MH /, ), der sich zum
Sprecher des Nationalsozialismus erkläre, ohne eigentlich »in der neuen
politischen Wirklichkeit« (ebd., ) zu stehen. Dieser Bürger berufe sich
auf das »Wort des Führers: die Revolution [ist] zu Ende, es beginnt die
Evolution« (ebd., ). Worauf Heidegger entgegnete: »Evolution – ge-
wiß, aber eben da, wo die Revolution zu Ende ist. Aber dort, wo wie im
Geistigen und zum Beispiel im Schulwesen die Revolution noch nicht
nur nicht zu Ende ist, vielmehr nicht einmal begonnen hat, – wie steht es
da?« (Ebd., ) Dieser Einwand entsprach Heideggers auch an anderer
Stelle geäußerter Ansicht, dass die nationalsozialistische Revolution eben
erst der »Anfang[…] unseres geistig-volklichen Daseins« (MH b, )
sei und dass das deutsche Volk »seine Metaphysik erst gewinnen muß
und gewinnen wird« (ebd., ). Von Bürgern wie Kolbenheyer aber wer-
de die Revolution »umgefälscht zu einem bloßen Organisationsbetrieb«
(MH /, ). Heidegger fürchtete hier also, dass die mit dem
nationalsozialistischen Aufbruch ermöglichte totale Verwandlung nicht
grundlegend genug durchgeführt werde und auf halben Wege stecken
bleibe:
»Es wird nachgerade peinlich, daß es immer mehr Leute gibt, die ent-
deckt zu haben glauben, der Liberalismus müßte widerlegt werden.
Gewiß soll er überwunden werden, aber nur dann, wenn begriffen ist,
daß der Liberalismus ja nur eine sehr schwache und letzte Rand-
erscheinung von großen, noch unerschütterten Wirklichkeiten ist.
Und es besteht die Gefahr, daß die übereifrigen Töter des Liberalismus
alsbald sich entpuppen als sogenannte ›Vertreter‹ eines liberalen Natio-
nalsozialismus, der von Harmlosigkeit und Biederkeit und Jugend-
bewegtheit nur so trieft.« (Ebd., )
Die Parallelen zu Ernst Jüngers Kritik am nationalreaktionären Spießer-
tum und seiner Einreihung auch der Nationalsozialisten unter die Bürger
(EJ -, ) sind hier nicht zu übersehen. Im Schema Hermann
Rauschnings müsste man Heidegger demnach zusammen mit den Brü-
dern Jünger zu denjenigen zählen, die noch eine »zweite Phase der
Revolution« propagierten.
Noch mehr als die Spießbürgerlichkeit Kolbenheyers aber kritisierte
Heidegger dessen biologistisches Weltbild. Das von ihm angelegte »Sche-
ma einer Biologie, die er vor Jahren kennengelernt hat« (ebd., ),
gründe »auf dem Grundsatz des Darwinismus«, der seinerseits »von der
liberalen Auffassung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft,
wie sie im englischen Positivismus im . Jahrhundert herrschte« (ebd.,
) geprägt sei. Demgegenüber betonte Heidegger, dass der Mensch in
seiner Zugehörigkeit zu einem »Volk ein geschichtliches Wesen« sei, zu
Vgl. zum Begriff des »ethnic fundamentalism« Koonz, Nazi Conscience, S. -;
darin zu Heidegger im NS S. -.
- -
Menschen aus einer Lage in die andere« (ebd., ). Der Philosoph sei
folglich derjenige, der allein jene »große Wandlung des Daseins des Men-
schen« (ebd., ) herbeiführen könne, die oben schon zitiert wurde und
deren Chance Heidegger mit dem nationalsozialistischen Aufbruch ge-
kommen sah. Die Philosophie war nach Heidegger das »Grundgeschehen
in der Geschichte des Menschen […], in dem und durch das das Wesen des
Menschen sich verwandelt« (ebd., ).
Aus dieser Überzeugung resultierten Heideggers Bemühungen, die
Universität zu einer Stätte dieses mittätigen Philosophierens und damit
im eigentlichen Sinn zu einer Führungseinrichtung zu machen. Jaspers’
Bemerkung, »Heidegger wollte den Führer führen«, war nicht lediglich
ein alliterierendes Bonmot, sondern traf genau diese der Philosophie von
Heidegger zugewiesene Rolle als grundstürzende Verwandlerin. Dass die
wesentliche Verwandlung des Menschen im Zuge des philosophischen
Fragens vonstattengehen sollte, verlieh Heideggers eigenem Sprechen
darüber hinaus den Charakter der apokalyptischen Rede in dem Sinn,
wie er in der Analyse des »Arbeiters« von Ernst Jünger beschrieben wor-
den ist, und verweist erneut auf die für die Konservative Revolution kon-
stitutive Verbindung von Apokalyptik und Gewaltbereitschaft. Denn
indem Heidegger in seiner Vorlesung sein philosophisches Fragen ent-
wickelte, wollte er seine Studenten in dieses Fragen versetzen und da-
durch im genannten Sinn »gewaltsam« aus ihrer Verfallenheit befreien
und verwandeln. Auch auf dieser Ebene des Tat-Denkens finden sich
also Parallelen zu Ernst Jünger und anderen Vertretern der Konservativen
Revolution, mit dem Unterschied, dass Jünger das nationalsozialistische
Regime zwar mit der von ihm herbeigeschriebenen Arbeitswelt identifi-
ziert haben mag, sich selbst aber schon davon distanzierte, während
Heidegger seine Vision einer aus dem Ursprung des philosophischen
Fragens gestifteten Revolution des Wesens des Menschen mit der histori-
schen »Weltstunde« des deutschen Volkes und der Machtergreifung der
Nationalsozialisten aktivistisch in eins brachte.
Mit dieser Entwicklung der Kritik des Idealismus ging eine signifikante
Verschiebung in der Bewertung des Subjektivismus einher. Am neuzeit-
lichen Wahrheitsbegriff wurde vom späten Heidegger in erster Linie kri-
tisiert, dass nach ihm die Wahrheit nicht dem Sein selbst entspringe, son-
dern dem Bewusstsein eines Subjekts, das sich dem Seienden gegenüber
stelle. Daraus resultierte Heideggers Kritik am »Humanismus«, wonach
der Mensch »in die Mitte des Seienden rückt« (ebd., ) und dadurch
für die Unverborgenheit des Seins selbst unempfänglich werde: »Kein
Versuch, das Wesen der Unverborgenheit in der ›Vernunft‹, im ›Geist‹,
im ›Denken‹, im ›Logos‹, in irgendeiner Art von ›Subjektivität‹ zu be-
gründen, kann je das Wesen der Unverborgenheit retten.« (Ebd., )
Diese Kritik am ›vor-stellenden‹ Denken des modernen Subjektivismus
stand im Zentrum von Heideggers spätem Ereignis-Denken und seiner
Abkehr von der Subjektphilosophie, wie er sie in »Sein und Zeit« noch
selbst betrieben hatte. In der Platonvorlesung vom Wintersemester /
war diese Subjektkritik aber noch nicht voll ausgebildet. Heidegger ver-
band die Frage nach dem Wesen der Wahrheit hier vielmehr explizit mit
der Frage nach dem »Wesen des Menschen« (MH /, ). Diese
Verbindung von der Frage nach der Wahrheit und der Frage nach dem
Mensch ging dabei mit der ausdrücklichen Aktualisierung von Katego-
rien aus »Sein und Zeit« einher. So betonte Heidegger auch in dieser Vor-
lesung, »dass der Mensch ein Selbst ist, ein Seiendes«, dessen Sein »das-
jenige ist, worum es diesem Seinenden in seinem Sein geht« (ebd., ).
Diese wörtlich aus »Sein und Zeit« stammende Bestimmung wurde von
Heidegger dezisionistisch aufgeladen, da der Mensch als Selbst perma-
nent »über das eigene Sein entscheidet« (ebd., ) und »sich in seinem Sein
überantwortet ist«, das heißt, zur »ständigen Wahl und Entscheidung«
aufgerufen (ebd., ). »Dieser Selbstcharakter des Menschen ist zugleich
der Grund dafür, daß er seine Geschichte hat.« (Ebd., ) Schließlich
aktualisierte Heidegger auch seinen Begriff der »Sorge«, welche nun er-
schien als »Grundart des Menschen, auf Grund deren es so etwas gibt wie
Entschlossenheit, Dienstbereitschaft, Kampf, Herrschaft; Handeln als
Wesensmöglichkeit« (ebd.). Die Wahrheit erschien in diesem Kontext als
»Grundgeschehen im Wesen des Menschen« (ebd., ) und noch nicht
als von jedem »Selbstcharakter« losgelöstes Ereignis des Seins.
Nicht zufällig hat Heidegger die Abhandlung über »Platons Lehre von der
Wahrheit« als eine seiner ersten Nachkriegsveröffentlichungen zusammen
mit dem »Brief über dem Humanismus« veröffentlicht, der wiederum als wich-
tigstes Dokument von Heideggers »Kehre« und als Manifest seiner Spätphilo-
sophie gelesen wurde; vgl. dazu unten, Kap. ..
- -
Nach hat Heidegger mehrfach betont, dass er sich mit Niederlegung
des Rektorats gänzlich vom Nationalsozialismus und der nationalsoziali-
stischen Hochschulpolitik abgewandt habe und durch seine philosophi-
sche (Lehr-)Tätigkeit in den »geistigen Widerstand« (MH -,
) gegangen sei: »Seit April lebte ich außerhalb der Universität
insofern, als ich mich um die ›Vorgänge‹ nicht mehr kümmerte, sondern
nur das Nötigste der Lehrverpflichtung nach meinen Kräften zu erfüllen
versuchte.« (MH , ) Gegenüber Karl Jaspers behauptete er
ebenfalls, im Frühjahr »in die Opposition« (MH/KJ, ) gegangen
zu sein. Bereits da habe er den wahren Charakter des Nationalsozialismus
erkannt, der dann mit den Mordaktionen des sogenannten »Röhm-
Putschs« vom . Juni vollends zu Tage getreten sei. »Wer nach die-
ser Zeit noch ein Amt in der Leitung der Universität übernahm, konnte
eindeutig wissen, mit wem er sich einließ.« (MH , )
Allerdings hat sich auch Heidegger noch nach dem Juni mit Ver-
tretern des NS-Regimes eingelassen. Am deutlichsten belegt dies seine
Stellungnahme zur Errichtung einer Dozentenakademie, die schon zu
Heideggers Rektoratszeiten zu seinen bevorzugten Projekten gehört hatte.
Bei anderer Gelegenheit hat Heidegger allerdings zugestanden, sich erst end-
gültig vom NS distanziert zu haben. So erinnert sich der Pädagoge Heribert
Heinrichs in seinem Tagebuch an einen Spaziergang mit Heidegger am . Okto-
ber , bei dem dieser von sich aus über sein NS-Engagement berichtet habe.
Er habe, so Heidegger bei diesem Gespräch, »seit das totale Verhängnis er-
kannt und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus radikal revidiert«, sei ein
»Wendejahr« in seinem Leben gewesen (zit. n. Vietta, Heideggers Kritik, S. ).
Tatsächlich sprechen auch andere Indizien für eine folgenreiche persönliche Krise
/ (vgl. MH/KJ, ), die sich etwa auch bei seiner Beschäftigung mit
Nietzsche zeigte, der ihn, so Heidegger, »kaputtgemacht« habe (vgl. Müller-Lau-
ter, Heidegger, S. ff.). Es erscheint allerdings als müßig, nach einem Moment
des radikalen Wandels zu suchen. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist eher
von einem schrittweisen Distanzierungsprozess auszugehen.
Zu Beginn des Jahres galt Heidegger wohl auch als aussichtsreicher Kandi-
dat für die Leitung der einzurichtenden Dozentenakademie; vgl. dazu und zum
Folgenden Farías, Heidegger, S. -.
-
konnte mehrere Texte veröffentlichen und erhielt noch die Zustim-
mung der Regierung zu seiner Beurlaubung im Wintersemester /,
welche der Vorbereitung des zweiten Bandes von »Sein und Zeit« dienen
sollte. In der heute in Frankreich aufbewahrten Akte des Sicherheits-
dienstes (SD) des Reichsführers SS über Martin Heidegger findet sich
ein »Fragebogen zur politischen Beurteilung« Heideggers vom . Mai
, in dem er nach wie vor als politisch zuverlässig eingestuft wurde.
Dem Eindruck einer ambivalenten und partiell bleibenden Margina-
lisierung Heideggers im Kontext der NS-Wissenschaftspolitik entspricht
die Ambivalenz von Heideggers inhaltlicher Distanzierung von seinem
NS-Engagement. Auch diese erfolgte nicht aufgrund einer schlagartigen
Erkenntnis des eigenen politischen Irrtums, sondern als langwieriger »Pro-
zeß einer eigentümlich uneinsichtigen Enttäuschungsverarbeitung«. Im
Sommer war auch davon im Übrigen noch wenig zu bemerken.
Ende Mai, also unmittelbar nach Niederlegung des Rektorats, betonte
Heidegger bei einem Klassentreffen in Konstanz noch immer die not-
wendige »Umerziehung« und »völlige Umschaffung des ganzen Gefüges
des Volkes« (MH -, ) angesichts der »neue[n] Bewegung, die
durch dieses Volk« (ebd., ) gehe. Mitte August hielt er zwei Vorträge
bei den sogenannten »Ausländerkursen« der Freiburger Universität, in
denen er erneut von der »großen Umwälzung« sprach, die vermittels der
»nationalsozialistischen Revolution« »durch das ganze geschichtliche Da-
sein unseres Volkes hindurchgreift« (ebd., ). Er erklärte hier ein wei-
teres Mal die Notwendigkeit der »Selbstbehauptung« (ebd., ) der Uni-
versität angesichts der »Entwurzelung der Wissenschaften« (ebd., ),
welcher durch die erneute Weckung des »Erziehungswille[ns]« (ebd., )
zu begegnen sei, so wie das »Wesen der nationalsozialistischen Revolu-
tion« selbst in der »innere[n] Umerziehung des ganzen Volkes zu dem
Ziel, seine eigene Einigkeit und Einheit zu wollen« (ebd., ), bestehe.
Im November wiederholte Heidegger schließlich auch seine Recht-
fertigung des Austritts aus dem Völkerbund von , wenn auch jetzt
mit einer stärkeren Betonung der gemeinsamen Front des »Abendlands«
gegen das »Asiatische« (ebd., ).
Bekenntnisse dieser Art fanden sich ab nicht mehr in solch ein-
deutiger Form. Seit dieser Zeit wuchs Heideggers Kritik am nationalsozi-
[…]. Das so verstandene Wesen der Arbeit bestimmt das Dasein der
Deutschen, und vielleicht das Dasein des Menschen der Erde überhaupt.
Unser Dasein beginnt, sich in eine andere Seinsart zu verwandeln.«
(Ebd.)
In der Vorlesung vom Wintersemester / definierte Heidegger
das »Wesen der Arbeit« in ähnlicher Weise als das, »was den Vollzug der
Weltbemächtigung im Kleinsten und Größten als Ermächtigung unseres
Daseins durchwaltet« (MH /, ). Dieses weitreichende Verständ-
nis von Arbeit erlaubte es Heidegger, sie an seine Begriffe von Volk und
Staat zu koppeln und darin die Verwirklichung der schon herbei-
gewünschten »wurzelhaften Einheit eines wesentlichen Handelns« (MH
/, ) mit anderen zu sehen: »›Arbeit‹ ist uns der Titel für jedes
wissentlich geregelte Tun und Handeln, das von der Verantwortung des
Einzelnen der Gruppe und des Staates getragen wird und so dem Volke
dienstbar ist.« (MH -, )
Neben diesen deutlichen Analogien zu Ernst Jünger war Heideggers
Rhetorik der Arbeit allerdings insgesamt durch einen anderen Schwer-
punkt geprägt, der mit seiner Position als Professor und Hochschulange-
höriger zusammenhing. Denn in seiner Eigenschaft als Universitätsrektor
und in seinem Selbstverständnis als radikaler Universitätsreformer muss-
te es Heidegger in erster Linie darum gehen, die akademische Tätigkeit in
den Rang einer national bedeutsamen Arbeit zu erheben, oder, um es in
seinen eigenen Worten zu sagen, »zwischen dem Arbeiter der ›Faust‹ und
dem Arbeiter der ›Stirn‹ eine lebendige Brücke zu schlagen« (ebd., ).
Noch auf eine andere Weise als bei Jünger gehörte Heideggers Apotheose
der »Arbeit« daher in den Problemzusammenhang des intellektuellen
Antiintellektualismus und stellte eine bewusste Bearbeitung des Geist-
Tat-Problems dar. Sie war der Versuch einer Antwort auf die sich
stellende Frage, »wie man sich als Wissenschaftler, Intellektueller, Akade-
miker mit einer Ideologie und Praxis arrangieren oder sogar solidarisieren
konnte, die erklärtermaßen wissenschafts-, intellektuellen und akademi-
kerfeindlich war«.
Heideggers Antwort auf diese Frage bestand in einer Gleichsetzung:
Echte geistige Tätigkeit sei Arbeit, und echte Arbeit müsse geistig in dem
Sinn sein, dass sie von Wissen getragen und angeleitet werde. Daher sei
jede Arbeit als »wissentliche[s] Tun und Handeln« etwas »Geistiges« (ebd.,
): »Die Leistung des Erdarbeiters ist im Grunde nicht weniger geistig
als das Tun des Gelehrten« (ebd., ), was umgekehrt bedeutet, dass das
Tun des Gelehrten nicht weniger Arbeit ist als das des Handwerkers.
Folglich wollte Heidegger auch nicht mehr zwischen »Gebildeten« und
»Ungebildeten« unterscheiden, sondern nur noch »zwischen echtem Wis-
sen und Scheinwissen« (ebd., ). Wissen wird so zum Bindeglied und
zum Gleichstellungsmerkmal zwischen Arbeiten und Denken: »›Die Ar-
beiter‹ und die ›wissenschaftlich Wissenden‹ sind keine Gegensätze. Jeder
Arbeiter ist je in seiner Weise ein Wissender und nur als Wissender kann
er überhaupt arbeiten. […] und umgekehrt: jeder wissentlich Handelnde
und wissenschaftlich Entscheidende ist Arbeiter« (ebd., ). Die prak-
tische Konsequenz dieser Gleichsetzung war, dass Heidegger als Rektor
sowohl den Arbeitseinsatz von Studenten förderte als auch universitäre
Schulungskurse für Notstandsarbeiter durchführen ließ.
In dieser Gleichsetzung blieb Heideggers ständische Konzeption aller-
dings begrifflich unpräzise. Einerseits ist klar erkennbar, dass sein Begriff
der Arbeit eine die Klassengegensätze aufhebende Integrationsfunktion
haben sollte: »Arbeiter und Arbeit, wie der Nationalsozialismus diese
Worte versteht, trennt nicht in Klassen, sondern bindet und einigt die
Volksgenossen und Stände in den einen großen Willen des Staates.« (Ebd.,
) Heidegger betonte deshalb an anderer Stelle: »Es gibt nur einen ein-
zigen deutsche ›Lebensstand‹. Das ist der in den tragenden Grund des
Volkes gewurzelte und in den geschichtlichen Willen des Staates frei
gefügte Arbeitsstand, dessen Prägung in der Bewegung der nationalsozia-
listischen deutschen Arbeiterpartei vorgeformt wird.« (Ebd., ) An-
dererseits sprach Heidegger wiederholt von der inneren Gegliedertheit
dieses Arbeitstands. »Arbeit« sollte gerade nicht eine gleichmacherische
Kategorie sein, sondern jede echte Tätigkeit war für Heidegger nur da-
durch Arbeit, dass sie es an dem ihr zugewiesenen Platz war: »Bauern und
Handwerker, Bergleute und Ingenieure, Gelehrte und Soldaten [stehen]
durch ihren Arbeitskreis je in einem eigenen Rang und Stand. Und alle
Stände sind in ihrer Arbeit getragen und geführt von der Sorge um die
geschichtliche Bestimmung des Volkes.« (Ebd., ) Dieser Betonung des
ständischen Prinzips entsprach auch Heideggers Definition des »deut-
schen Sozialismus«, der gerade nicht »öde Gleichmacherei« bedeute: »Der
deutsche Sozialismus ist der Kampf um die Maßstäbe und Gesetze der
unserem Volke wesensmäßigen Ordnungen; der deutsche Sozialismus will
Rangordnung nach innerer Bewährung und Leistung; er will die Unbe-
dingtheit des Dienstes und die unantastbare Ehre jeder Arbeit.« (Ebd., f.)
»Ernst Jünger hat als Einziger eine Deutung des ersten Weltkrieges in
seinem kriegerischen Wesen vollzogen, die aus den härtesten Erfah-
rungen des Stoßtruppführers der Materialschlachten entspringt und
zugleich im Bezirk derjenigen Metaphysik Fuß faßt, die das Zeitalter
bereits und wider sein Wissen bestimmt; das ist Nietzsches Lehre vom
›Willen zur Macht‹. Jünger ersetzt diesen aus der Überlieferung der
deutschen Metaphysik seit Leibniz vorbestimmten Titel durch den
unserem Jahrhundert gemäßeren Namen ›Arbeit‹. […] ›Arbeit‹ und
›Arbeiter‹ sind metaphysische Begriffe.« (Ebd., f.)
Der »Titel ›Arbeiter‹« sei dabei gleichzeitig »der nüchterne Name für
die Gestalt des Menschen, die Nietzsche den ›Übermenschen‹ nennt«
(ebd., ). Während Nietzsche als »wesentlicher Denker« (ebd., )
den Willen zur Macht als Endgestalt der neuzeitlichen Metaphysik aber
genuin gedacht, das heißt denkerisch entfaltet habe, sei Jünger kein Den-
ker, sondern ein »Beschreiber« (ebd.), der sich selbst ganz in die von ihm
beschriebene Wirklichkeit stelle und diese in ihrem Charakter als Willen
zur Macht kenntlich mache: »Ernst Jünger ist ein Erkenner des Wirk-
lichen im Lichte der von Nietzsche und diesem allein und vollständig
gedachten Wirklichkeit. Jünger ist ein Erkenner, aber nirgends ein Den-
ker.« (Ebd., ). Darin lag für Heidegger allerdings kein geringes Ver-
dienst: »Jüngers Beschreibungen (und Auslegungen) leisten dieses Eine:
durch Sehenlassen des Seienden (im Charakter des Willens zur Macht)
auf das Sein hinzuweisen, ohne doch nach ihm zu fragen.« (Ebd., )
Vgl. dazu und zur Schreibweise »Seyn« unten, S. . Da Heidegger diese
Schreibweise nicht nur später wieder aufgegeben, sondern auch in den späten
er Jahren nicht immer konsequent und widerspruchsfrei angewandt hat,
wird im Folgenden die normale Schreibweise außerhalb wörtlicher Zitate auch
dann beibehalten, wenn sinngemäß von Heideggers »Seyn« die Rede ist.
-
des Willens zur Macht in ihrer reinen Gestalt ganz zum Austrag ge-
kommen sei: »Die Überwindung der Metaphysik ist Zu-Ende-kommen-
lassen ihres Wesens« (MH /b, ). Genau darin sah Heidegger Jün-
gers wichtigstes Verdienst. Auch wenn seine Position »in den Grundlagen
nicht durchdacht und begründet« sei, vollziehe er doch »eine Hinfüh-
rung in das Wirkliche des Willens zur Macht« und mache »rücksichtslos
ernst mit diesem Wirklichen« (MH /, ). Für Heidegger bestand
die entscheidende Frage nun darin, »ob wir diese Wirklichkeit hinreichend
wissen und aus diesem Wissen die Entscheidungen mitvorbereiten, die
im Dienste ihrer Überwindung stehen« (ebd., ).
Die Bemerkungen Heideggers über diese »wesentliche Entscheidung«
(ebd., ) zwischen der Metaphysik des Willens zur Macht und der
Wahrheit des Seins sind dabei in ihrer Wortwahl sehr aufschlussreich.
Denn vielfach erinnern seine Begriffe von »Wider-spruch« (ebd., ),
»Auseinander-setzung« (ebd., ), Entscheidung und »Kampf« (ebd.,
) noch an das dezisionistische Vokabular des heroischen Existenzialis-
mus und der nationalen Revolution. Doch Heidegger war / be-
reits bemüht, von diesem Aktivismus auch begrifflich Abstand zu gewin-
nen und etwa die »Entscheidung« nicht mehr voluntaristisch zu deuten:
»›Entscheidung‹ kann weder vom ›Willen‹ noch vom ›Bewußtsein‹ her
gefasst werden.« (Ebd., ) Deutlich wird dieses Bemühen in einer Passa-
ge, in der er Jüngers »Sprengarbeit« (EJ , ) zunächst konjunktivisch
auf eine andere Ebene verlegte, bevor er sich darauf besann, dass es über-
haupt nicht mehr um Sprengarbeit gehen könne:
»Jünger sprengt nur die Schlacken weg, die noch verhindern, das jet-
zige Zeitalter ganz unverhüllt als den bloßen und höchst gedanken-
losen Fortschritt des Bisherigen (der Neuzeit) zum Ende seines Un-
wesens und damit zu seiner geschichtlichen Vollendung zu erkennen.
Aber wenn schon gesprengt sein müßte und die Sprengung jemals
Gründungscharakter haben könnte und nicht bloß Zerstörung wäre,
dann müßte eben das, worauf Jünger blindlings steht […], nämlich
die Metaphysik überhaupt (Platonismus) und die neuzeitliche Meta-
physik der Subjektivität gesprengt werden. Aber es bedarf nicht der
Sprengung; denn ein Anderes ›überwindet‹ und überwindet wesentlich
und einzig – der andere Anfang; und der als seynsgeschichtlicher.«
(MH /, )
Dieser andere Anfang aber, so schrieb Heidegger wiederholt, könne nicht
aktivistisch herbeigeführt, seine »Zu-Schickung« (MH , ) könne
nur erwartet und denkerisch vorbereitet werden. Hierin verbarg sich eine
Reflexion auf die Frage, wie mit dem gescheiterten Aktivismus der frühen
, ,
Die Abenteuer selbst waren für Heidegger ebenfalls Formen des Willens zur Macht.
So schrieb er in der Hölderlinvorlesung vom Wintersemester / mit Blick
auf Jünger: »Das ›abenteuerliche Herz‹ gehört in den Bereich der Metaphysik des
Willens zur Macht.« (MH /, ) Und gegen Jüngers Ideal der Härte: »Der
abenteuerliche Mensch kann die Sorge nur als Schwäche und Kümmernis be-
greifen, da er nur subjektiv und d. h. metaphysisch denkt und angeblich die
Härte liebt. Wenn diese versagt, nimmt er Zuflucht zu irgend einem Rausch und
sei dies nur der Blutrausch.« (Ebd., ) Vgl. zur Kritik des Abenteurers auch
MH , f.
Diese Frage, wie man die Metaphysik überwinden könne, ohne ihr durch den
Akt des Überwindens selbst verhaftet zu bleiben, prägte nicht nur Heideggers
Auseinandersetzung mit Jünger zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, sondern stand
auch im Zentrum ihres Festschriftenaustauschs in den er Jahren; vgl. unten,
Kap. .. Vgl. zur Formulierung desselben Problems eines anderen Anfangs in den
»Beiträgen« MH /, f.; zum Abschied von der Revolution auch MH
/, ; MH /, . Noch in der Vorlesung vom Wintersemester /
verteidigte er allerdings die Revolution als »Umwälzung des Gewöhnlichen«,
die einen »echte[n] Bezug zum Anfang« herstelle, gegenüber dem »Konserva-
tiven« (MH /, f.).
-
Heideggers Nietzsche
Doch trotz oder gerade wegen dieser Uneindeutigkeit liest sich Hei-
deggers Beschäftigung mit dem »Willen zur Macht« in seiner ersten
Nietzsche-Vorlesung streckenweise wie eine verdeckte Auseinanderset-
zung mit seinem eigenen Machtwillen von . Noch hatte Hei-
degger in der »Einführung in die Metaphysik« die Verkoppelung seiner
Begriffe von Entschlossenheit, Wollen und Handeln im Sinne des exi-
stenzialistischen Tat-Denkens erneuert:
»Wer will, wer sein ganzes Dasein in einen Willen legt, der ist ent-
schlossen. Die Entschlossenheit verschiebt nichts, drückt sich nicht,
sondern handelt aus dem Augenblick und unausgesetzt. Ent-schlos-
senheit ist kein bloßer Beschluß zu handeln, sondern der entscheiden-
de, durch alles Handeln vor- und hindurchgreifende Anfang des Han-
delns. Wollen ist Entschlossenheit.« (MH , )
Dieselben Begriffe fanden sich im Wintersemester / erneut, jetzt
allerdings nicht mehr zur Markierung der eigenen Position, sondern zur
Beschreibung der Philosophie Nietzsches. Für Nietzsche bedeute der
Ausdruck »Wille zur Macht« als Titel für den »Grundcharakter alles Sei-
enden« (MH /, ) eine Einheit, da »Wille« und »Macht« je fürein-
ander Wesensbeschreibungen seien: »Wille ist für ihn nichts anderes als
Wille zur Macht, und Macht ist nichts anderes als das Wesen des Willens.
Wille zur Macht ist dann Wille zum Willen, d. h. Wollen ist: sich selbst
wollen.« (Ebd., ) Der Wille habe dabei immer »den Charakter der
Aktion und Aktivität« (ebd., ), Wollen bedeute: »Sich unter den eigenen
Befehl stellen, die Entschlossenheit des Sichbefehlens, die in sich schon
Ausführung ist.« (Ebd., ) Wille sei »Entschlossenheit zu sich«, die im-
mer schon »über sich hinaus« (ebd., ) wolle und dadurch auf stetige
»Machtsteigerung« (MH a, ) ziele, wie er in einer späteren Vor-
lesung hinzufügte.
In einem Zusatz der Druckfassung von versuchte Heidegger, diese Passage
nachträglich im Sinne der späteren »Gelassenheit« umzudeuten. Das Wesen der
Entschlossenheit liege »in der Ent-borgenheit des menschlichen Daseins für die
Lichtung des Seins und keineswegs in einer Kraftspeicherung des ›Agierens‹. […]
Der Bezug zum Sein aber ist das Lassen. Daß alles Wollen im Lassen gründen soll,
befremdet den Verstand.« (MH , ) Vgl. zur »Gelassenheit« unten, Kap. ..
In diesem Zusammenhang warf Heidegger Ernst Jünger eine »Fehlauslegung«
(MH /, ) vor, da dieser den Willen zur Macht als ein »Streben nach
etwas, was einem noch fehlt« (ebd., ), verstehe und vom Besitz der Macht
unterscheide. »Wille zur Macht« sei aber als ein Begriff der »Name für den
Grundzug der Macht – als Ermächtigung ihrer selbst zu sich selbst«. Der Gegenbe-
griff zum »Willen zur Macht« sei daher nicht der Besitz der Macht, sondern »die
Ohnmacht zur Macht« (ebd.).
, ,
Dieser relative Vorrang des aktiven vor dem passiven Nihilismus wurde auch
noch in der Vorlesung von deutlich: »Nietzsches Begriff des Nihilismus hat
durchaus nicht ›negativen‹ Charakter; ›negativ‹ bleibt nur der unvollendete und
passive Nihilismus – jenes seichte Bestreben, die bisherigen Werte durch solche
der gleichen, aber bereits abgeschwächten Art zu ersetzen und etwa an der Stelle
des ›Christentums‹ den ›Sozialismus‹ und die ›allgemeine Weltbeglückung‹ als
Ideal aufzurichten. Durch diesen ›unvollständigen‹ Nihilismus wird der eigent-
liche Nihilismus – die Neusetzung der neuen Werte – jedoch nur verzögert.«
(MH a, )
, ,
durchdenken und fortführen: »Nur wer in die äußerste Not des Nihilis-
mus hinausdenkt, vermag auch den überwindenden Gedanken als den
notwendenden und notwendigen zu denken.« (Ebd.)
Diese Denkfigur des Durchstehens der Not, das allein den Umschlag
bringen könne, war bereits für den heroischen Realismus und Existenzia-
lismus der er und frühen er Jahre charakteristisch, wurde von
Heidegger aber auch in seinem späteren Denken beibehalten. Allerdings
distanzierte er sich nun explizit vom Begriff des Heroismus, was daran
lag, dass er im Heroismus eine Selbstauslieferung an das bloß Seiende –
in diesem Sinn Wirkliche, Reale – sah, während es dem wesentlichen
Denken um die (verborgene, sich erst entbergende) Wahrheit des Seins
gehe. Dies wird in einer Passage der Aufzeichnungen zu Ernst Jünger
deutlich, in der Heidegger erneut auf die Frage des aktiven Nihilismus
einging, ihn nun aber nicht mehr für geeignet hielt, die Überwindung
des Nihilismus einzuleiten. Schon Nietzsche bestimme mit denselben
Worten, mit denen er den »aktiven Nihilismus« kennzeichne, auch das
»Wesen der ›heroischen‹ Haltung, die ›Ja‹ sagt zu dem, was ist – zum
›Realen‹, ohne Rücksicht auf sich selbst« (MH /, ). Der »aktive
Nihilismus« sei daher gleichzeitig »der äußerste Realismus« und Jüngers
»heroischer Realismus« somit Nihilismus (ebd.). Der Heroismus erschien
Heidegger nun als »reine Kapitulation vor der Wirklichkeit« (ebd., ).
Dadurch untergrabe er als fraglose »Übernahme des Wirklichen« aber
jede »anfängliche Entscheidung«: »Das ›Aktive‹ und die ›Aktion‹ des
›heroischen Realismus‹ ist kein Kampf mehr, gesetzt, daß wir darunter
verstehen den Austrag; d. h. die Entfaltung und Gründung wesentlicher
Entscheidungen.« (Ebd., ) Heidegger propagierte damit noch immer
den Kampf im Sinne der Gründung einer wesentlichen Entscheidung,
doch dieser Kampf sollte nun nicht mehr den Charakter einer »Aktion«
besitzen. Während Nietzsches und Jüngers »Bestimmung des ›hero-
ischen Geistes‹« »in der Metaphysik der Neuzeit« gründeten, »dergemäß
der Mensch als Subjektum« begriffen werden müsse (ebd., ), wandte
sich Heidegger einer anderen Form des Heldentums zu, die er mit Fried-
Deshalb sprach Heidegger auch von der »Schwäche der Flucht in das Heroische«
(ebd., ), wobei natürlich der darin implizite Appell, stark zu sein und nicht zu
flüchten, selbst heroischen Charakter hatte.
Heidegger distanzierte sich in dieser Kritik am heroischen Realismus auch von
einem seiner eigenen Lieblingsbegriffe des Jahres , und zwar dem der Einsatz-
bereitschaft: »›Einsatzbereitschaft‹ [ist] das Kennzeichen […] der Zugehörigkeit
zu dem Menschentum, das in der Macht ist und die Macht ermächtigt und dabei
stets die ›Wirklichkeitsnähe‹ fordert.« (Ebd., )
-
Vgl. dazu etwa MH /, ff. Heideggers Kritik an Baeumler betraf u. a. des-
sen unzulängliche Interpretation der Lehre von der »ewigen Wiederkehr des
Gleichen«, die nicht in dessen politische Konzept des »Willens zur Macht« passe,
während für Heidegger beide Lehren integral zusammengehörten (MH a,
). sprach Heidegger allerdings noch selbst davon, dass Nietzsche mit
, ,
Hälfte der er Jahre noch mit der heroischen NS-Deutung Nietzsches
konform ging, spiegelte sich seine wachsende Distanz zum Regime also
auch in dieser Nietzscheauslegung am Ende der er Jahre. Das zeigte
sich ebenfalls an den Spannung im wissenschaftlichen Beirat der histo-
risch-kritischen Gesamtausgabe im Nietzsche-Archiv, aus dem Heidegger
zwar erst formell ausschied, in dem er aber schon seit Ende der
er Jahre kaum noch kontinuierlich mitgearbeitet hatte.
Diese Feststellung ist noch nicht gleichbedeutend mit Heideggers ei-
gener Behauptung, durch die Nietzsche-Vorlesungen »geistigen Wider-
stand« (MH -, ) geleistet zu haben. Sie lenkt das Augenmerk
aber auf die schrittweisen Wandlungsprozesse im Laufe der er Jahre,
während derer sich Heidegger durch die Entfaltung des von ihm so ge-
nannten seinsgeschichtlichen Denkens langsam von seinem politischen
Aktivismus löste. Dieses seinsgeschichtliche Denken hat er vor allen Din-
gen in den erst nach seinem Tod veröffentlichten »Beiträgen zur Philo-
sophie« entwickelt.
In der zweiten Hälfte der er Jahre hat Heidegger neben seinen Vor-
lesungen umfangreiche Aufzeichnungen verfasst, die allerdings nicht
immer den Charakter in sich geschlossener Abhandlungen hatten und
die erst nach seinem Tod im Rahmen der Gesamtausgabe veröffentlicht
wurden. Unter ihnen nehmen die »Beiträge zur Philosophie. (Vom Er-
seiner Metaphysik »in die Sackgasse der Lehre von der ewigen Wiederkunft«
(MH a, ) geraten sei.
Vgl. dazu wie zum gesamten Kontext der Nietzscherezeption im NS und speziell
der »Konkurrenzdeutung« von Alfred Baeumler neben Heinz/Kisiel, Heideggers
Beziehungen, auch Riedel, Nietzsche, S. -. Endre Kiss versucht demgegen-
über, Heideggers gesamte Nietzsche-Deutung als von Baeumler und seiner »posi-
tiven politischen Metaphysik« beeinflusst zu sehen und ihr in diesem Sinn eine
affirmative Bedeutung im Kontext der NS-Ideologie zuzuschreiben. Damit über-
sieht er aber die entscheidenden Veränderungen im Denken Heideggers während
der er Jahre; vgl. Kiss, Stellung.
Vgl. MH /, /a, /b u. /. Lediglich aus den Aufzeichnun-
gen zur »Überwindung der Metaphysik« (MH /b) hat Heidegger einen
Teil in überarbeiteter Fassung veröffentlicht (MH /) [die Jahreszahlen der
Siglen orientieren sich hier an den jeweiligen editorischen Hinweisen, die sich
allerdings leicht widersprechen, da Heidegger selbst behauptete, die Auf-
zeichnungen seien zwischen und entstanden, während der Herausgeber
des Nachlassbands den Entstehungszeitraum auf / eingrenzt].
-
eignis)« einen besonderen Stellenwert ein, da sie nicht nur als weitgehend
abgeschlossenes und durchgearbeitetes Werk erscheinen, sondern da
Heidegger in ihnen auch das von ihm so genannte seinsgeschichtliche
Denken am weitesten ausformulierte. Allerdings blieben auch die »Bei-
träge« in vielem vage und dunkel. Das liegt einerseits daran, dass sich
Heidegger mit dem seinsgeschichtlichen Denken in einen denkerischen
Such- und Versuchsprozess begab, der bis zum Ende des »Dritten Rei-
ches« noch nicht abgeschlossen war. Andererseits wandte er sich bewusst
gegen eine »systematische« Darstellung und Entfaltung des Seinsden-
kens, da »Systeme« nur »im Gefolge der Herrschaft des mathematischen
(im weiten Sinne) Denkens« (MH /, ) möglich seien. Das von
Heidegger angestrebte anfängliche Denken war daher absichtlich »un-
systematisch« (ebd.). An die Stelle einer Systematik trat in den »Beiträ-
gen« die Gliederung in sechs »Fugen«, die sich der »Fügung des Seyns«
(ebd., ) durch einen fugenhaft ineinandergreifenden »Gedanken-gang«
(ebd., ) nähern sollten, der allerdings nicht wenige Wiederholungen und
auch unfertige Passagen beinhaltete.
Auf diesem Gedankengang vollzog Heidegger ein Doppeltes: Zum einen
entfaltete er die auch in den Nietzsche-Vorlesungen entwickelte Darstel-
lung der Geschichte der Metaphysik im Sinne einer Besinnung auf den
ersten Anfang der abendländischen Philosophie und dessen Verfall und
formulierte eine daraus resultierende Kritik des gegenwärtigen Zeitalters
als seinsvergessene Endzeit. Zum anderen setzte er dieser metaphysischen
Endzeit ein »anfängliches«, seinsgeschichtliches Denken entgegen, das
den anderen, die Metaphysik überwindenden Anfang der Seinsgeschich-
te vorbereiten sollte, in dem sich die »Wahrheit des Seyns« als »Ereignis«
eröffne. Die von Heidegger später wieder aufgegebene Schreibweise von
»Seyn« mit y sollte dabei anzeigen, »daß das Sein hier nicht mehr meta-
physisch gedacht wird« (ebd., ). Denn die Metaphysik war in Heideg-
gers Darstellung geprägt von der »Leitfrage« nach der »Seiendheit des
Seienden«, womit gemeint war, dass sie das Sein immer nur »vom jewei-
ligen Seienden her« denken könne (ebd., ). Das anfängliche Denken
folge demgegenüber der »Grundfrage« nach dem »Seyn aus seiner ur-
sprünglichen Wesung« (ebd.), d. h. ohne ›Umweg‹ über das Seiende bzw.
im »Außerhalb jener Unterscheidung von Seiendem und Sein« (ebd.,
Otto Pöggeler bezeichnete die »Beiträge« daher mehrfach als Heideggers zweites
oder gar eigentliches Hauptwerk; vgl. Pöggeler, Heidegger in seiner Zeit, S. .
Es kann an dieser Stelle keine ausführliche Inhaltsangabe der »Beiträge« gegeben
werden; vgl. als knappen Überblick Polt, Beiträge; in unserem Kontext außerdem
Schwan, Heideggers Beiträge.
, ,
): »Jetzt denkt das Fragen nach dem Seyn nicht mehr vom Seienden
her, sondern ist als Er-denken des Seyns […] durch das Seyn selbst er-
nötigt.« (Ebd., )
Die für Heidegger entscheidende Frage war nun, wie im »Zeitalter des
Übergangs von der Metaphysik in das seynsgeschichtliche Denken«
(ebd., ) der andere Anfang des Denkens eingeleitet werden könne. Denn
damit war die im Kontext von Heideggers Auseinandersetzung mit Ernst
Jünger schon erläuterte Distanzierungsstrategie verbunden, durch die
Heidegger sich selbst aus der Metaphysik heraus und in den anderen
Anfang hinein stellte. Diese Distanzierungsstrategie war aber mit dem
Problem behaftet, dass Heidegger das von ihm angestrebte ganz andere
Denken notwendigerweise im Umfeld, und d. h. auch im sprachlichen
Kontext des bisherigen Denkens vorbereiten musste. Fragen der Über-
windung, des Umschlags, des Heraus- und Hineinführens waren daher
für ihn ebenso zentral wie die Suche nach einer neuen, in seinem Sinne
nicht-metaphysischen philosophischen Sprache. Zu der Distanzierungs-
strategie gehörten zudem seine Bemühungen, einen stetigen, wenngleich
nicht geradlinigen »Denkweg« von der frühen zur späten Fassung der
»Seinsfrage« zu konstruieren, obwohl an entscheidender Stelle dieses
»Wegs« doch ein »Sprung« (ebd., ) lag, den Heidegger selbst später als
»Kehre« bezeichnete. Da es bei diesem Denk-Sprung auch um die Her-
auslösung des eigenen Denkens aus dem Kontext des Nationalsozialis-
mus ging, hat Heidegger mehrfach behauptet, dass sein Denken vor dem
Sprung von Anfang an der Sprungvorbereitung gegolten habe. Eine Pas-
sage aus den »Beiträgen« über den Übergang von der »Leitfrage« der Me-
taphysik zur »Grundfrage« des seinsgeschichtlichen Denkens behandelte
genau dieses Problem:
»Von der Leitfrage zur Grundfrage gibt es nie einen unmittelbaren,
gleichsinnigen, die Leitfrage noch einmal (auf das Seyn) anwendenden
Fortgang, sondern nur einen Sprung, d. h. die Notwendigkeit eines
anderen Anfangs. Wohl dagegen kann und muß durch die entfaltende
Überwindung der Leitfragenstellung und ihrer Antworten als solcher
ein Übergang geschaffen werden, der den anderen Anfang vorbereitet
und überhaupt sichtbar und ahnbar macht. Dieser Übergangsbereitung
dient ›Sein und Zeit‹, d. h. es steht eigentlich schon in der Grundfrage,
ohne diese rein aus sich anfänglich zu entfalten.« (MH /, )
Wenn der Nationalsozialismus Teil und Produkt der Metaphysik und ihrer
Leitfrage war, Heidegger aber schon die Grundfrage des seinsge-
schichtlichen Denkens zu fragen begonnen hatte, dann konnte seine
Philosophie, so die implizite Aussage, gar nichts mit dem Nationalsozia-
-
lismus zu tun haben. Aus diesem Grund bemühte sich Heidegger noch
an vielen anderen Stellen der »Beiträge« darum, seine Schriften der er
und frühen er Jahre bereits als Beginn des seinsgeschichtlichen Den-
kens auszulegen.
Die Kontinuitäten zum Frühwerk waren allerdings nicht allein eine
Schutzbehauptung. Tatsächlich ging es Heidegger – wie gezeigt wurde –
auch schon in seinem Projekt der »Destruktion« der abendländischen
Philosophie um eine Überwindung der modernen Subjektphilosophie.
Allerdings erhoffte er sich deren Überwindung noch durch den Rück-
gang in »die Macht des Anfangs unseres geistig-geschichtlichen Daseins«
in der »griechischen Philosophie« (MH a, ), auf dem auch die natio-
nalsozialistische Revolution beruhen sollte. Nach dem philosophischen
wie politischen Scheitern dieses Projekts sollte der Rückgang durch die
abendländische Philosophie zu diesem ersten Anfang nun nicht mehr
dazu dienen, »die Größe des Anfangs zurückzugewinnen« (ebd., ), son-
dern durch die »Besinnung« (MH /a) auf diesen Anfang und sein
Ende in den anderen Anfang des Denkens zu gelangen.
Diese Besinnung beinhaltete eine umfangreiche Rekonstruktion der
Verfallsschritte der abendländischen Philosophie, die hier nicht im Ein-
zelnen nachgezeichnet werden können. Heideggers Grundthese war da-
bei die schon genannte von der »Vormacht des Seienden gegenüber dem
Sein« (MH , ) in der Metaphysik, die ihn auch von »Seinsverlassen-
heit« (MH /, ) und »Seinsvergessenheit« (ebd., ) sprechen
ließ. Darin offenbare sich auch der nihilistische Charakter aller Metaphy-
sik, denn das »Wesen des Nihilismus ist die Geschichte, in der es mit dem
Sein selbst nichts ist« (MH b, ). Dieses Abrücken vom Sein habe
schon mit der Umdeutung der aletheia von der »Unverborgenheit« zur
»Richtigkeit« begonnen, weshalb der platonische Idealismus als erste
Grundform der Metaphysik erscheine. Aus diesem Idealismus resultiere
das Denken in Werten sowie die moderne Erkenntnis- und Bewusst-
Vgl. zu »Sein und Zeit« etwa MH /, , f., ff., f., , , ,
u. . Heidegger selbst hat seine Denkbewegung von der Früh- zur Spätphilo-
sophie auch als Übergang »vom Seinsverständnis zu Seinsgeschehnis« (MH ,
) beschrieben, in anderen Kontexten aber deutlicher darauf hingewiesen, dass
er auf diesem Weg mit seiner Frühphilosophie zunächst stecken geblieben war. So
sei etwa der letzte Abschnitt von »Sein und Zeit« nicht erschienen, »weil das Den-
ken im zureichenden Sagen dieser Kehre versagte und so mit Hilfe der Sprache
der Metaphysik nicht durchkam« (MH a, ). Der »Brief über den ›Huma-
nismus‹«, aus dem dieser Satz stammt, diente Heidegger nach ebenfalls
dazu, eine Kontinuität von »Sein und Zeit« zur Spätphilosophie zu konstruieren;
vgl. dazu unten, Kap. ..
, ,
Der gehaltene Vortrag »Die Begründung des neuzeitlichen Weltbildes durch
die Metaphysik« stellt nicht nur eine wichtige Quelle dar, weil er als einer der
wenigen Texte aus den er Jahren schon unter dem Titel »Die Zeit des
Weltbildes« in den »Holzwegen« erschienen ist. Er gibt als ein für ein breiteres
Publikum geschriebener Vortrag auch einen guten Einblick in Heideggers Meta-
physikkritik. Aus dem darin entwickelten Begriff des »Vorstellens« (im Sinne des
vor sich hinstellenden Zum-Bild-Machens) gewann Heidegger später seinen für
die Technikkritik zentralen Begriff des »Ge-stells«; vgl. dazu unten, Kap. ..
Während der er Jahre sprach Heidegger im Bezug auf die Technik allerdings
zumeist noch von »Machenschaften«; vgl. dazu auch Vietta, Heideggers Kritik,
S. -, der Einsicht in das Originalmanuskript des Vortrags von hatte und
mehrere Abweichungen von der veröffentlichten Fassung von zitiert.
-
Dieses Problem wurde von Heidegger selbst benannt: »Die übergänglichen und
dem Wesen nach zweideutigen Denker müssen auch dieses ausdrücklich wissen,
daß ihr Fragen und Sagen unverständlich ist für das in seiner Dauer nicht erre-
chenbare Heute. Und das nicht etwa, weil die Heutigen zu wenig klug und zu
kurz unterrichtet wären für das Gesagte, sondern weil Verständlichkeit schon die
Zerstörung ihres Denkens bedeutet. Denn Verständlichkeit zwängt ja alles in den
Umkreis des bisherigen Vorstellens zurück. […] Das Sichverständlichmachen ist
der Selbstmord der Philosophie.« (MH /, )
Vgl. dazu Figal, Gottesvergessenheit.
Vgl. unten, S. ff.
, ,
»aushalten« (ebd., ). Auf diesem Weg war die seinsgeschichtliche Besin-
nung keine bloß historische Rekapitulation des Bisherigen, sondern ge-
schichtlich denken bedeutete für Heidegger wiederum, die Entscheidung
über die Zukunft zum Austrag zu bringen, weshalb er auch von der »Härte
und Schärfe der Geschichtlichkeit« (MH /, ) sprechen konnte.
Wie passten diese bekannten Vokabeln der Härte und Schärfe zu der
neu ausgerufenen »Verhaltenheit des Suchens« (ebd., )? Das Neben-
einander dieser Tonlagen in den Texten der späten er Jahre war nicht
zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sich Heidegger nur schrittweise vom
heroischen Aktivismus der frühen er Jahre lösen konnte. »Der Passi-
vität, die er predigt, ist sein gehämmerter Ton noch nicht nachgekom-
men«, wie Günther Anders schrieb. Zugleich bemühte sich Heidegger
aber bereits in den »Beiträgen« um eine semantische Neubesetzung der
bekannten Begriffe. Zwar sprach er weiterhin von »Entscheidung«, doch
sollte damit nun kein »Tun des Menschen« (ebd., ) mehr bezeichnet
werden, kein »›Akt‹ einzelner Menschen« mehr, wie er in den zur glei-
chen Zeit entstandenen Aufzeichnungen zur »Besinnung« schrieb, son-
dern ein »Stoß des Seyns selbst« (MH /a, ). Diese Umwidmung
bekannter Begriffe hat Heidegger selbst reflektiert und auf das schon ge-
nannte Problem zurückgeführt, wie innerhalb der bisherigen Sprache der
Metaphysik der Übergang in das andere Denken zu vollziehen sei:
»Das bedingt ein Verfahren, das in gewissen Grenzen zuerst immer dem
gewöhnlichen Meinen entgegenkommen und eine gewisse Strecke
weit mit ihm gehen muß, um dann im rechten Augenblick den Um-
schlag des Denkens zu fordern, aber unter der Macht des selben Wor-
tes. Z. B. ›Entscheidung‹ kann und soll zunächst, wenn auch nicht
moralisch, so doch vollzugsmäßig als ›Akt‹ des Menschen gemeint
sein, bis es plötzlich das Wesen des Seyns selbst meint, was nun nicht
heißt, daß das Seyn ›anthropologisch‹ ausgelegt, sondern umgekehrt:
daß der Mensch in das Wesen des Seyns zurückgestellt und den Fes-
seln der ›Anthropologie‹ entrissen wird. Ebenso: ›Machenschaft‹ –
eine Art des Verhaltens des Menschen und plötzlich und eigentlich
umgekehrt: das Wesen (Un-wesen) des Seyns, worin erst der Grund
der Möglichkeit der ›Betriebe‹ gewurzelt ist. Dieses ›umgekehrt‹ aber ist
nicht einfach ein ›formaler‹ Trick des Bedeutungsumschlags in bloße
Worte, sondern die Verwandlung des Menschen selbst.« (MH /,
f.)
Maria Perrefort spricht deshalb von der »Projektion eines heimlichen Subjekts«
(Perrefort, Opfer, S. ). Otto Friedrich Bollnow schrieb schon , noch ohne
die »Beiträge« zu kennen, dass das »Sein« in Heideggers Spätphilosophie »als
etwas Handendes und Leidendes erscheint, man möchte sagen als Subjekt« (Boll-
now, Heideggers neue Kehre, S. ).
Das hat sehr weitreichende Folgen, denn wenn die Seinsverlassenheit vom Sein
selbst verhängt ist und auch nur von ihm wieder aufgehoben werden kann, dann
trägt der Mensch (und folglich auch Heidegger selbst) keine Verantwortung für
die Verstrickung in diese Seinsverlassenheit. Da darüber hinaus der Durchgang
durch die Seinsverlassenheit seinsgeschichtlich notwendig ist (vgl. MH /,
-
), kommt den Protagonisten der Seinsverlassenheit sogar noch eine besondere
Legitimität zu. Winfried Franzen fragt daher zu Recht, ob Heidegger auf diese
Weise den NS-Machthabern als den »Spitzenfunktionären der Seinsverlassen-
heit« nicht auch dort noch eine »Höchstlegitimation« verschafft, wo er sie vorder-
gründig kritisiert (Franzen, Existenzialontologie, S. f.).
Vgl. dazu unten, Kap. ..
, ,
Die »Machenschaft« war als Name für das Machen zugleich Heideg-
gers wichtigste Kategorie zur Annäherung an das Wesen der Technik vor
. Während die Technik bis zur Mitte der er Jahre in Heideggers
Denken keinen besonderen Stellenwert einnahm, gewann sie nach sei-
nem NS-Engagement zunehmend an Bedeutung. Der Grund dafür ist
zum einen darin zu suchen, dass Heidegger durch die Betonung der tech-
nisch-modernen Seite der »Machenschaften« des Nationalsozialismus
sein eigenes ideologisches Bezugssystem der »Erde« von der NS-Konta-
mination retten wollte. Zum anderen stellte die Technik als eine Form
des Machens, als ein Handlungs- und Herstellungssystem für Heidegger
einen Stein des Anstoßes dar, an dem er seine eigene Kategorien des
Schaffens und des Schöpferischen zu überprüfen hatte, weshalb er die
Technik auch in unmittelbarer Verbindung mit der Kunst diskutierte.
Sowohl bei der Frage nach der Technik allgemein, als auch bei der
Kritik der technischen Machenschaften während des »Dritten Reiches«
war der Einfluss Ernst Jüngers und seines »Arbeiters« auf Heidegger
deutlich erkennbar. Seine Darstellung der technischen Machenschaften
war in vielem an Jünger orientiert. Auch der grundlegende Anspruch, in
der Technik mehr und anderes zu erblicken, als die bloß vordergründige
»›Tatsache‹, die wir ›Technik‹ nennen« (MH /b, ), und etwa in
der »›Motorisierung‹ der Wehrmacht« einen »metaphysische[n] Akt«
(MH a, ) zu erkennen, scheint von Ernst Jünger übernommen –
auch wenn Heidegger Jünger gerade vorwarf, »das metaphysische Wesen
der Technik nicht begriffen« (MH a, ) zu haben. An einigen Stel-
len verwies er selbst auf Jüngers »Arbeiter« (MH /, ). An ande-
ren Stellen war seine Wortwahl deutlich von Jünger entlehnt, etwa wenn
er im Weltbildvortrag von sagte: »Der ›Wissenschaftler‹ drängt von
sich aus notwendig in den Umkreis der Wesensgestalt des Arbeiters u. des
Soldaten.« Noch deutlicher wurde das in der Vorlesung vom Sommer-
semester :
»Inzwischen hat sich aber auch über alle im engeren Sinn ›politischen‹
Lehrgebäude hinweg entschieden, daß durchgängig ›der Arbeiter‹ und
Später trat an diese Stelle das »Ge-stell«; vgl. unten, Kap. ..
Vgl. EJ a, : »Diese technische Seite der totalen Mobilmachung ist indessen
nicht die entscheidende. Ihre Voraussetzung liegt vielmehr, wie die Voraussetzung
jeder Technik, tiefer.« Im »Arbeiter« suchte Jünger die tiefergehende Grundlage
der Technik dann wie dargestellt im Begriff der »Gestalt«.
Zit. n. Vietta, Heideggers Kritik, S. . Diese Formulierung stellt eine Textvariante
gegenüber der veröffentlichten Fassung von dar, in der es hieß: »Der For-
scher drängt von sich aus notwendig in den Umkreis der Wesensgestalt des Tech-
nikers im wesentlichen Sinne.« (MH , ).
-
›der Soldat‹ das Gesicht des Wirklichen bestimmen. Diese beiden Na-
men sind da nicht als Namen für eine Volksklasse und einen Berufs-
stand gemeint, sie bezeichnen in einer einzigartigen Verschmelzung
die Art des Menschentums, das maßgebend von der jetzigen Welt-
erschütterung zu deren Vollzug in Anspruch genommen ist und dem
Bezug zum Seienden die Richtung und Einrichtung gibt.« (MH ,
)
Schließlich deutete Heidegger auch die zunehmende Medialisierung der
Öffentlichkeit wie Jünger als Teil des planetarischen Vorgangs der Tech-
nisierung. So sprach er von der beständigen
»Inszenesetzung des Menschen, die schließlich und mittelbar eine ins
Maßlose verlaufende Veröffentlichung alles Menschenbetriebs in ›Bild
und Ton‹, durch Fotomontage und Reportage zur Folge hat: eine Er-
scheinung planetarischen Ausmaßes, die in Amerika und Russland, in
Japan und Italien, in England und Deutschland ihrer Wesensgestalt
durchaus denselben gleichläufigen Charakter hat und vom Willen
Einzelner, von der Art der Völker, der Staaten, der Kulturen merkwür-
dig unabhängig ist.« (MH , )
In dieser Äußerung kam zugleich Heideggers »Gleichsetzungs- und Ein-
ebnungsstrategie« zum Ausdruck. Denn indem Heidegger alle Erschei-
nungen der Gegenwart als Folgeerscheinungen der metaphysischen Seins-
verlassenheit deutete, verschwanden die Unterschiede zwischen ihnen.
Dies wird etwa in einer Passage der Nietzsche-Vorlesung vom Sommerse-
mester deutlich, in der Heidegger von dem metaphysischen Vorgang
sprach, »daß alles Seiende mehr und mehr bis in seine verborgendsten
Schichten und Gründe in die Macht der Berechnung und Planung rückt«
(MH , ), um dann fortzufahren:
»Die Herrschaft der Berechnung und des Rechenhaften und planmäßig
Gesicherten entspringt nicht der Absicht und Tätigkeit einzelner
Menschen, Menschengruppen, Kulturkreise und Nationen; es ist um-
gekehrt: der planende, rechnende Mensch, die ausnahmslos tech-
Heidegger zitierte die Begriffe des Arbeiters und des Soldaten hier von Nietzsche,
wodurch wiederum deutlich wird, dass er Nietzsche durch Jünger auslegte. In
seinen Jünger-Aufzeichnungen schrieb Heidegger: »Was Jünger deutlicher sieht
als Nietzsche ist das, was Nietzsche zu seiner Zeit in diesen Erscheinungen noch
nicht sehen konnte, da sie selbst noch in der Wirklichkeit versteckt lagen. Im
Ganzen sind es die Erscheinungen der Technik als der Grundweise der Einrich-
tung und Sicherung des Wirklichen als Willen zur Macht.« (MH /, )
Schwan, Heideggers Beiträge, S. ; vgl. dazu auch ders., Zeitkritik.
, ,
gen« (MH b, ) gegen den Nihilismus eingeleitet hatten. Erst im
Laufe der kommenden Jahre deutete Heidegger den Nationalsozialismus
schrittweise vom erhofften Überwinder der nihilistischen Moderne zu
einem ihrer Symptome um. In der »Einleitung in die Metaphysik« war
Heideggers wachsende Distanz zum nationalsozialistischen Regime
gleichwohl schon erkennbar. Allerdings wurde darin auch die Art seiner
Distanzierung deutlich, denn es handelte sich um eine Distanzierung
vom real existierenden Nationalsozialismus, der von der Warte eines ei-
gentlichen bzw. wahren Nationalsozialismus aus kritisiert wurde. Diese
dennoch komme ich über den Zwiespalt nicht hinweg, daß unser
Wirken zu schwach ist u. zerflattert, ein Nichts gegenüber dem, was
wir als Notwendigkeit ahnen. Und so gerät denn das Wollen auf den
einzigen Ausweg, nach Kräften das Mögliche vorzubereiten, bereitzu-
stellen – und zu warten. Aber dürfen wir warten im zunehmenden
Niedergang u. der Loslösung von allem Wurzelhaften? Müssen wir
einfach da hindurch? Auch das wäre zu tragen, wenn es im Durchgang
wäre u. nicht doch ein europäischer Untergang mit dem russischen u.
römischen Segen. Die Zeichen sind schwer zu deuten. Um so mehr
müssen wir auf unseren unscheinbaren Posten bleiben – auch wenn es
zu keinem Vormarsch mehr kommt.«
Heidegger hatte sich im Laufe der er Jahre also tatsächlich von seinem
NS-Engagement entfernt. Allerdings nicht einfach im Sinne einer Kritik
des Nationalsozialismus und einer Revision der eigenen politischen
Überzeugungen. Vielmehr behielt er seine politische Position weitge-
hend bei, veränderte aber seine Einschätzung des NS-Regimes und der
Wirkungsmöglichkeiten philosophischer Tätigkeit. Beides lässt sich an
Heideggers Auseinandersetzung mit Hölderlin weiter verfolgen. Denn in
ihr kam einerseits der Übergang vom Glauben an die nationalsozialisti-
sche Bewegung zum Glauben an ein eigentliches »Deutschland«, das
nicht mehr unbedingt mit dem Deutschland unter nationalsozialistischer
Herrschaft identisch war, zum Ausdruck, weshalb Otto Pöggeler Heideg-
gers Hölderlin-Interpretation in den er Jahren die »Fortsetzung des
Zit. n. Alisch, Rektoratsrede, S. . Wobei es hier eben auf die Definition von
Heideggers »Privat-« oder »Freiburger Nationalsozialismus« ankommt. Tom
Rockmore bestimmte als Kern von Heideggers Nazismus dessen »Glauben an die
schicksalhafte Bestimmung des deutschen Volkes« (Rockmore, Heidegger und
der Nationalsozialismus, S. ). Dieser blieb auch nach Heideggers Abkehr vom
NS-Regime bestehen, wodurch er weiterhin am »ethnischen Fundamentalismus«
partizipierte, den Claudia Koonz als Fundament der nationalsozialistischen Ethik
ausgemacht hat; vgl. Koonz, Nazi Conscience.
Vgl. MH /, MH /, MH und MH /. Als (weitgehend
affirmative und entpolitisierende) Rekonstruktion von Heideggers Hölderlin-
Rezeption während des »Dritten Reiches« vgl. Ziegler, Heidegger; in kritischerer
Perspektive Wright, Erläuterungen.
, ,
In einem Brief an Kurt Bauch vom . Oktober sprach Heidegger von der
»stiftende[n] Bestimmung der Deutschen« (M. Heidegger an K. Bauch, ..,
Privatbesitz).
»Was immer und wie immer das äußere Geschick des Abendlandes gefügt werden
mag, die größte und die eigentliche Prüfung der Deutschen steht noch bevor,
jene Prüfung, in der sie vielleicht von den Nichtwissenden gegen deren Willen
geprüft werden, ob sie, die Deutschen, im Einvernehmen sind mit der Wahrheit
des Seyns, ob sie über die Bereitschaft zum Tode hinaus stark genug sind, gegen
die Kleingeisterei der modernen Welt das Anfängliche in seine unscheinbare Zier
zu retten. Die Gefahr, in der das ›heilige Herz der Völker‹ des Abendlandes steht,
ist nicht die eines Untergangs, sondern die, daß wir, selbst verwirrt, uns selbst
dem Willen der Modernität ergeben und ihm zutreiben. Damit dieses Unheil
nicht geschehe, bedarf es in den kommenden Jahrzehnten der Dreißig- und Vier-
zig-Jährigen, die gelernt haben, wesentlich zu denken.« (MH d, f.)
Wie aus Heideggers letzter Vorlesung vor Kriegsende hervorgeht, die im Novem-
, ,
Auch wenn Heidegger zur Zeit des Wintersemesters / im real exi-
stierenden Nationalsozialismus bereits eine solche Abirrung sah, glaubte
er offenbar immer noch daran, dass die Deutschen den mit der Schlacht
um Stalingrad gerade kritisch gewordenen Krieg gewinnen könnten, wenn
sie sich nur auf ihre »innere Wahrheit und Größe« als Volk der Dichter
und Denker besännen. Schon zu Beginn des Krieges fragte er, »ob nicht
gerade des deutschen Wesens es ist, die ›Macht‹ aus der Ur-kraft des deut-
schen Wesens zu überwinden« (MH /, ), und antwortete sich
selbst: »Daß die verborgene und noch ungeläuterte Wesenskraft der
Deutschen so weit hinausreicht, das ist unser Glaube.« (Ebd., )
Heideggers Enttäuschung durch den Nationalsozialismus führte also
nicht zu einer Erschütterung seines Glaubens an die »Wesenskraft der
Deutschen«. Allerdings trennte er nun zwischen der Abirrung des tech-
nisch-metaphysischen Nationalsozialismus und der Besinnung auf das
eigentliche Wesen der Deutschen, das er zudem verstärkt in den Kontext
Europas und der »Rettung des Abendlandes« (MH a, ) einordnete,
für das die Deutschen als »Volk der abendländischen Mitte« (MH ,
) eine besonderen Aufgabe und Bedeutung hätten. Diese Trennung
zwischen dem Wesen der Deutschen und dem Nationalsozialismus ver-
band sich im bereits genannten Sinn mit der Kritik an der Technik und
der technokratischen Seite des NS-Regimes auf der einen und der Vertei-
digung von Heideggers ideologischem Bezugspunkt der »Erde« auf der
anderen Seite. Letztere kehrte in den Hölderlin-Vorlesungen im Begriff
der »Heimat« wieder. Die Heimat war als »Macht der Erde« (MH /
, ) die vom Dichter gestiftete Ortschaft des »Wohnens« und umge-
kehrt war die »Erde« der »›Grund‹ des Heimischen« (MH , ): »In
solcher Heimat erfährt sich der Mensch erst als zugehörig der Erde«
ber abgebrochen wurde, war es für ihn eine offene Frage, ob diese Abirrung
noch vermieden werden könne: »Allein, daß wir das Volk der Denker und Dich-
ter sind – und wir sind es und werden es sein –, das heißt nicht, daß wir Denker-
und Dichterpersönlichkeiten für kulturelle Ausstellungen hervorbringen, son-
dern daß unsere Denker und Dichter uns in unser Wesen hervorbringen. Die
Frage bleibt, ob wir noch im Wesen groß und edel genug sind, um uns dergestalt
in unser Wesen hervorbringen zu lassen, ganz abgesehen davon, was die Fremden
darüber meinen.« (MH b, )
Vgl. dazu Heideggers Vortrag »Europa und die deutsche Philosophie« (MH a)
und seinen Aufsatz »Wege zur Aussprache« (MH b) sowie das Kapitel »The
Geo-Politics of Heidegger’s Mitteleuropa« bei Bambach, Heidegger’s Roots,
S. -. Diese Hinwendung zu Europa fand sich während des Krieges auch bei
Ernst Jünger; vgl. unten, Kap. ..
Vgl. dazu auch Marten, Heideggers Heimat; McNeill, Heimat; zum »Wohnen«
in der »Heimat« unten, Kap. ..
-
(MH /, ). Die »heimatliche Erde« ist »heilige Erde«, während sie
durch den »Verfall der Heimat« zur bloßen »Stätte der Nutzung und Aus-
beutung« degradiert wurde (ebd., f.). Damit wird deutlich, dass die
andernorts geübte Kritik an der technischen »Erderoberung« als »Frevel
an der Erde« (MH c, ) und daran, dass die »Natur« in der Neuzeit
nur noch als »Gegenstand der Technik« (MH c, ) erscheine, in
diesen Kontext der Abgrenzung vom machenschaftlichen Nationalsozia-
lismus und der Rettung eines positiven Begriffs der heimatlichen Erde
und der »erdhafte[n], landschaftliche[n] Verwurzelung« des »geschicht-
lichen Daseins« (MH /, ) einzuordnen ist.
In den letzten Jahren des »Dritten Reiches« verhießen für Heidegger
also nicht mehr die Nationalsozialisten die Überwindung des Nihilis-
mus, sondern die noch ungeläuterten Deutschen, die allerdings erst noch
in ihrem Wesen zu läutern und zur »Einkehr in die Heimat« (ebd., )
anzuleiten seien. Diese Distanzierung vom Nationalsozialismus war
gleichwohl ambivalent, denn die Berufung auf die »erdhafte Verwurze-
lung« in der Heimat blieb nach wie vor mit Teilen der nationalsozialisti-
schen Weltanschauung kompatibel. Diese Ambivalenz zeigt sich etwa
auch in Heideggers Versuch, am Begriff des »Volks« festzuhalten und ihn
gleichzeitig von der Idee des »Völkischen« abzugrenzen:
»Nur vom Da-sein her ist das Wesen des Volkes zu begreifen und d. h.
zugleich jenes zu wissen, daß das Volk nie Ziel und Zweck sein kann
und daß solches Meinen nur eine ›völkische‹ Ausweitung des ›libera-
len‹ ›Ich‹-gedankens und der wirtschaftlichen Vorstellung der Erhal-
tung des ›Lebens‹ ist. Das Wesen des Volkes aber ist seine ›Stimme‹.
[…] Die Stimme des Volkes spricht selten und nur in Wenigen, und ob
sie noch zum Klingen zu bringen ist?« (MH /, )
Damit war wiederum auf den Dichter verwiesen, denn die Stimme des
Volkes zum Klingen zu bringen – und dadurch die Läuterung des deut-
Vgl. schon Heideggers Versuch in den »Beiträgen«, den Begriff des Volks in sein
Seinsdenken zu integrieren: »Die Besinnung auf das Volkhafte ist ein wesent-
licher Durchgang. So wenig wir dies verkennen dürfen, so sehr gilt es zu wissen,
daß ein höchster Rang des Seyns errungen sein muß, wenn ein ›völkisches Prin-
zip‹ als maßgebend für das geschichtliche Da-sein gemeistert ins Spiel gebracht
werden soll. Das Volk wird erst Volk, wenn seine Einzigsten kommen, und wenn
diese zu ahnen beginnen. So wird das Volk erst frei für sein zu erkämpfendes
Gesetz als die letzte Notwendigkeit seines höchsten Augenblicks. Die Philosophie
eines Volkes ist jenes, was das Volk zum Volk einer Philosophie macht, das Volk
geschichtlich in sein Da-sein gründet und zur Wächterschaft für die Wahrheit
des Seyns bestimmt.« (MH /, f.)
, ,
Das »geschichtliche Seyn des Volkes, das Vaterland«, hieß es an anderer Stelle, »ist
im Geheimnis verschlossen« (MH /, ). Gleichzeitig sei das Vaterland im
oben genannten Sinn an die Erde gebunden: »Das Vaterländische selbst ist hei-
misch bei der Mutter Erde.« (MH , )
, ,
gene erahnen können aber wiederum nur die Wenigen, die Eingeweih-
ten. Die Vielen merkten nie, »wovon und zu wem eigentlich gesprochen
wird« (ebd.). Auf diese Weise verband sich der Topos vom verborgenen
Vaterland mit einer Textstrategie der »Sigetik« (MH /, ), der
Kunst der »Erschweigung«, die auf die Inklusion der Eingeweihten und
die Exklusion der Unverständigen zielte. Diese »Vereinnahmungs-
strategie« von Heideggers Texten spiegelte sich etwa auch in dem Ge-
gensatz von exoterischem und esoterischem Titel, den Heidegger in den
»Beiträgen« konstruierte. »Beiträge zur Philosophie« sei der »öffentliche
Titel«, der angesichts der gegenwärtigen Seinsvergessenheit »notwendig
blaß und gewöhnlich« bleiben müsse (ebd., ). »Vom Ereignis« sei dem-
gegenüber die »wesentliche«, allerdings nur für das »künftige Denken«
verständliche Überschrift (ebd.). Damit war für die »Beiträge« von vorne
herein ein esoterisches Programm gesetzt.
Tatsächlich sprach Heidegger dann auch mehrfach von den »verborge-
nen Einzelnen«, von ihrem »verschwiegenen Einklang der Bereiten« und
davon, dass »die Wenigen und ihre Bünde« sich von den »Massenwesen«
der Öffentlichkeit unterschieden, welche »nichts […] ahnen von dem,
was geschieht« (ebd., ). Dieses sei »nur wißbar für die Zugehörigen«
Heidegger knüpfte damit auch an das schon diskutierte Problem der »Unsagbar-
keit« des »künftigen Denkens« im Rahmen des gegenwärtigen an und nutzte es
für seine Inklusionsstrategie. In der Hölderlinvorlesung vom Sommersemester
sprach er selbst von der »Unverständlichkeit« von Hölderlins Dichtung, die
»in einem gewissen Verständigungsbezirk immer unverständlich« bleibe und die
erst verstanden werden könne, wenn »ein wesentlicher Wandel unseres Wesens
sich ›ereignet‹ hat« (MH , ), d. h. wenn man qua Initiationsereignis zum
Eingeweihten und Zugehörigen geworden ist. Umgekehrt gilt natürlich – analog
zu des Kaisers neuen Kleidern – dass, wer dazu gehören möchte, nie zugeben
darf, das Ungesagte nicht verstanden zu haben. Im Übrigen propagierte Heideg-
ger das Schweigen auch schon vor dem Scheitern des Rektorats und der Suche
nach einem »anderen Anfang«, etwa wenn er in »Sein und Zeit« das Schweigen
als »wesenhafte Möglichkeit des Redens« (MH , ) bezeichnete oder am
. Dezember an Elisabeth Blochmann schrieb: »Wir müssen erst wieder
schweigen lernen u. lange geschwiegen haben, um die Kraft u. Macht der Sprache
wieder zu finden u. die Maßstäbe dafür, was gesagt werden darf u. soll« (MH/EB,
). Hier richtete sich das Lob des Schweigens allerdings in erster Linie gegen das
»Gerede« des »Man«. Eine systematische Textstrategie der »Sigetik« entwickelte
Heidegger erst ab Mitte der er Jahre, die ihm dann allerdings auch nach ,
ebenso wie den Brüdern Jünger, als Selbstbehauptungsstrategie in Zeiten der
Entnazifizierung diente; vgl. dazu unten, Kap. ..
Hartmann, Denker, S. .
An anderer Stelle nahm Heidegger eine Art Dreiteilung vor zwischen den »Ein-
zelnen«, den »Wenigen« und den »Vielen« (MH /, ), wobei die »Bündi-
-
schen« zu den Wenigen gehörten, denen das »Begreifen« der schaffenden »Grün-
dungen der Einzelnen« gegeben sei (ebd., ); vgl. zu den »Schaffenden« den
folgenden Abschnitt.
M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz.
Vgl. Wildt, Generation.
, ,
und »Einzelnen«, die »aus der Inständigkeit des Wissens vom Seyn in die
Bezirke des Übergangs« (ebd., ) hinausstehen. Dieses »Wissen vom
Seyn« selbst war dabei durch Heideggers Eingabe gestiftet: »Aus einem
Wissen, das nicht ›beweisbar‹ ist, weiß ich, daß eine anfängliche Grün-
dung der Wahrheit des Seyns sich ereignen wird« (ebd., ). Die »Wis-
senden«, die gegenüber dem Unbill der »Seinsverlassenheit« durch die
»Nähe des Seyns« (ebd., ) gewappnet seien, waren solche also nur als
(von Heidegger) Erleuchtete. Und nur aus der »Zugehörigkeit der Fra-
genden und Wissenden zueinander« eröffne sich der Weg, »der nie zur
Straße werden darf« (ebd.).
Der Dichter und dichterische Denker war als Prophet also nicht nur
Stifter des Seins, sondern auch Stifter einer exklusiven Gemeinschaft von
Eingeweihten. In jedem Fall aber war er als Stifter ein Schöpfer und als
solcher ein »Schaffender«. Dadurch stellte sich auch für Heideggers Zu-
wendung zur Dichtung und zum Dichter Hölderlin – die zugleich eine
Abwendung von der Politik und dem Politiker Hitler war – das Problem
des politischen Handelns. Tatsächlich war Heideggers Abwendung vom
politischen Aktivismus Mitte der er Jahre noch keineswegs abge-
schlossen. Auch wenn er in der ersten Hölderlinvorlesung / in
erster Linie auf die seinsgründende Qualität der Dichtung einging, be-
stimmte er doch insgesamt »drei schöpferische Gewalten des geschicht-
lichen Daseins« (MH /, ), nämlich das Dichten, Denken und
staatliche Handeln. Die »Dichter, Denker und Staatsschöpfer« seien die-
jenigen, »die eigentlich das geschichtliche Dasein eines Volkes gründen
Einen parallelen, wenn auch etwas anders gelagerten Fall stellen Heideggers Kon-
dolenzbriefe zum Tod eines gefallenen Schülers dar, die Reinhard Mehring
erstmals abgedruckt hat und von denen ausgehend er Heideggers »Andenken«-
Vorlesung über Hölderlin vom Wintersemester / als »Inszenierung des
Lehrer/Schüler-Verhältnisses« interpretiert, die der Stiftung eines »Philosophen-
bundes« diente (Mehring, Überlieferungsgeschick, S. u. ). Mehrings Un-
tersuchung ist m. W. die einzige, die sich bisher eingehend und systematisch mit
Heideggers esoterischen Textstrategien beschäftigt hat. hat allerdings schon
Fritz Heinemann in einer Randbemerkung auf den Unterschied zwischen dem
»exoterischen« und dem »esoterischen« Heidegger hingewiesen, wobei die Zir-
kulation von Heideggers esoterischen Schriften »in einem kleinen Kreis von Ein-
geweihten« dazu dienten, »einen Mythus zu schaffen« (Heinemann, Existenz-
philosophie, S. ). Hans Jonas sprach in seinen Erinnerungen schon für die
Marburger Zeit von einer »Heidegger-Kultgemeinde« (Jonas, Erinnerungen,
S. ).
, ,
und begründen« (ebd., ). Dabei ergab sich eine Art Arbeitsteilung. Das
geschichtliche Sein eines Volkes, so Heidegger an anderer Stelle, »wird
dichterisch gestiftet, denkerisch gefügt und ins Wissen gestellt und in der
Täterschaft des Staatsgründers der Erde und dem geschichtlichen Raum
verwurzelt« (ebd., ). Heidegger sprach daher von einer »ursprüng-
lichen Zusammengehörigkeit« von Dichten, Denken und politischer Tat:
»Weil unser Dasein ein wissendes ist, was nicht gleichbedeutend ge-
nommen werden darf mit verstandesmäßiger Berechnung, deshalb
gibt es nie mehr für uns ein rein dichterisches Werden des Daseins, so-
wenig wie ein rein denkerisches, aber ebenso wenig ein nur tathaftes.
Von uns wird gefordert werden, nicht nur passende und laufende Aus-
gleiche zwischen den dichtenden, denkenden und handelnden Mäch-
ten einzurichten, sondern ihre verborgene gipfelhafte Vereinzelung
ernst zu nehmen und darin das Geheimnis ihrer ursprünglichen Zu-
sammengehörigkeit zu erfahren und zu einem neuen, bisher unerhör-
ten Gefüge des Seyns ursprünglich zu gestalten.« (Ebd., f.)
Auch wenn Dichten, Denken und politisches Handeln also ursprünglich
zusammengehören, sind sie doch nicht miteinander identisch und voll-
ziehen sich auf je unterschiedliche Weise. Das Denken stand für Heid-
egger zu diesem Zeitpunkt also nach wie vor in einer wesentlichen Bezie-
hung zur Tat, sollte aber nicht mehr unmittelbar selbst tätig werden.
Diese Unterscheidung findet sich auch in einem Vortrag über »Die ge-
genwärtige Lage und die künftigen Aufgaben der deutschen Philosophie«
vom November , in dem Heidegger parallel zu seiner ersten Hölderl-
invorlesung ebenfalls den Dreiklang von Dichten, Denken und politi-
scher Tat entwickelte. Er betonte dafür zunächst, so wie in der Hölderlin-
vorlesung, die Unzeitgemäßheit der Philosophie:
»Die Philosophie ist wesenhaft unzeitgemäß, weil sie zu jenen wenigen
Dingen gehört, deren Schicksal es bleibt, nie einen unmittelbaren
Inwiefern auch die staatsgründende Tat »nutzlos« und »unzeitgemäß« sein soll,
ließ Heidegger offen. In Bezug auf die Philosophie brachte Heidegger die Dop-
pelung von Nutzlosigkeit und Macht in der Vorlesung vom Wintersemester
/ auf die Formel: »Philosophie ist das unmittelbar nutzlose und gleichwohl
herrschaftliche Wissen vom Wesen der Dinge.« (MH /, )
Diese »Weltstunde unseres Volkes« sei allerdings noch »verborgen«, solange »wir
nicht wissen, wer wir selbst sind.« (MH -, ) Nur ein Jahr zuvor wollte
Heidegger diese »Weltstunde« noch aktiv ergreifen.
, ,
»in dem und aus dem ein Volk sein Dasein in der geschichtlich-geistigen
Welt begreift und zum Vollzug bringt« (ebd., ). Diese »Schaffenden«,
die Heidegger auch die »Kämpfenden« nannte, seien wiederum die Dich-
ter, Denker und Staatsmänner (ebd., ). Auch hier stand das dichteri-
sche und denkerische Schaffen also in einem wesentlichen Bezug zur po-
litischen Tat. Heideggers Rückzug vom politischen Aktivismus befand
sich gleichsam noch auf halber Strecke.
Dies zeigt sich auch in einer Passage, in der Heidegger im Rahmen
seiner Auslegung des ersten Chorlieds von Sophokles’ »Antigone« die
Dichter, Denker und »Herrscher« als »Gewalt-tätige« bezeichnete, die
»Gewalt brauchen und Hochragende werden im geschichtlichen Sein als
Schaffende, als Täter« (ebd., ). Als Hochragende ragten sie über die
polis hinaus – worunter Heidegger die »Geschichtsstätte« verstand, worin
»das Da-sein als geschichtliches ist« (ebd., ) – und seien »ohne Satzung
und Grenze«, da sie »als Schaffende dies alles erst gründen müssen« (ebd.,
). Die Gründung vollziehe sich als Schaffung von Werken, in denen
sich die Wahrheit als Unverborgenheit ereignen könne: »Die Unverbor-
genheit geschieht nur, wenn sie erwirkt wird durch das Werk: das Werk
des Wortes als Dichtung, das Werk des Steins in Tempel und Standbild,
das Werk des Wortes als Denken, das Werk der πoliv [polis] als der all Griechisch bitte
prüfen
dies gründenden und bewahrenden Stätte der Geschichte.« (MH ,
)
Aus dieser Formulierung lässt sich ein Vorrang des Werks der polis
ableiten, da sie als Geschichtsstätte die übrigen Werke erst ermögliche.
Alexander Schwan nannte daher den Staat in Heideggers Konzeption das
»Werk für die Werke«. Dies galt aber allenfalls für Heideggers stände-
staatliche Vorstellungen der Rektoratszeit. In den Hölderlinvorlesungen
Vgl. zum Kontext der gewalttätig Schaffenden auch Wolin, Seinspolitik, S. -
.
In der Hölderlinvorlesung vom Sommersemester legte Heidegger dasselbe
Chorlied von Sophokles ein zweites Mal aus, wobei die »Gewalttätigen« aller-
dings nicht mehr vorkamen. Die Auslegung zielte nicht auf die polis, sondern
endete nun beim »Herd« als der »Stätte des Heimisch-seins« (MH , ).
Diese Ergänzung der Dichter, Denker und Staatsschöpfer um den Architekten
findet sich auch in der Vorlesung vom Wintersemester /, in der Heidegger
vom »Schaffen des Dichters, des Baumeisters, des Denkers, des Staatsmannes«
(MH /, ) sprach.
Vgl. Schwan, Politische Philosophie, S. . Schwan interpretiert Heideggers ge-
samte »politische Philosophie« vom Werkbegriff her, den Heidegger allerdings
erst nach dem Scheitern des Rektorats entwickelte. Vgl. zu diesem Einwand
gegen Schwans insgesamt immer noch vorzügliche Studie auch Mehring, Über-
lieferungsgeschick, S. .
-
wurde bereits deutlich, dass Heidegger nunmehr der Dichtung als der
»Stiftung des Seyns« (MH /, ) diese übergeordnete Bedeutung
zukommen ließ. Die Wendung vom politischen Handeln zum dichteri-
schen Hüten ging also mit einer Abkehr vom Staat einher, die Mitte der
er Jahre allerdings noch nicht abgeschlossen war. In der zur selben
Zeit wie die »Einführung in die Metaphysik« entstandenen Abhandlung
»Der Ursprung des Kunstwerkes« , in der Heidegger den Werkbegriff
am ausführlichsten entwickelte, ging es zwar ebenfalls schon in erster
Linie um die Kunst und damit um die Dichtung, da »alle Kunst im We-
sen Dichtung ist« (MH /, ). Das Wesen der Kunst wurde von
Heidegger dabei als »Sich-ins-Werk-setzen der Wahrheit« (ebd., ) be-
stimmt. Allerdings erschien die Kunst hier noch nicht als einzige Form,
in der sich Wahrheit gründen könne. Andere Weisen, »wie Wahrheit
west«, waren wiederum »die staatsgründende Tat«, »das wesentliche Op-
fer« und »das Fragen des Denkens« (ebd., ).
Mitte der er Jahre scheint es also noch eine Art gleichberechtigtes
Nebeneinander von Dichten, Denken und politischer Tat gegeben zu
haben. Auch in den »Beiträgen« erscheinen »Dichtung – Denken – Tat –
Opfer« gleichermaßen als die »wesentlichen Bahnen des gründenden Da-
seins«, in denen die »wenigen Einzelnen […] für die Bereiche des Seien-
den die Stätten und Augenblicke vorausgründen« (MH /, ). Die
»Wissenden, Glaubenden, Handelnden, Schaffenden« seien gemeinsam
»die Geschichtlichen« (ebd., ), und die Wahrheit »west nur in der Ber-
gung als Kunst, Denken, Dichten, Tat« (ebd., ). Schon unmittelbar im
Anschluss an die »Beiträge« unternahm Heidegger aber den Versuch, das
»Wesen der Tat von aller ›Aktion‹ und ›Mache‹« abzugrenzen und die
»echte Tat« als Befreiung in die »Inständigkeit des Zugehörens zum Seyn«
Vgl. MH /. Die Abhandlung ging auf und gehaltene Vorträge
zurück und wurde in den »Holzwegen« erstmals veröffentlicht. Wie Hei-
degger im Dezember an Elisabeth Blochmann schrieb, hatte er die Arbeit an
dem ersten Kunstwerkvortrag schon in den Jahren / begonnen (MH/EB,
). Eine »erste Ausarbeitung« aus dieser Zeit wurde in den Heidegger-
Studien (Bd. , S. -) veröffentlicht.
Dies war im Kunstwerkaufsatz allerdings nur eine Nebenargumentation. Die
eigentliche Frage nach dem »Sich-ins-Werk-setzen der Wahrheit« betraf das
Problem, inwiefern dieses Ins-Werk-setzen als schaffendes »Hervorbringen«
(MH /, ) dennoch kein vernutzendes Zurichten des Seienden sei. In der
Frage nach der Kunst als téchne suchte Heidegger also nach einer Weise der »au-
thentic production« (Zimmerman, Heidegger’s Confrontation, S. ), die sich
vom Gestell der Technik unterscheide, weshalb dieses Verhältnis von Kunst und
Technik in den späteren Texten zur Technik wiederkehrte; vgl. unten, Kap. ..
, ,
kung des Eigenen« (MH , ). In ähnlicher Weise wurde auch der
»Wille« umgedeutet und meinte nun nicht mehr »die nur selbst betrie-
bene Erzwingung eines selbst errechneten Wunsches«, sondern das »Mit-
wollen« sei »das Sich-ein- und -los-lassen in das Sein« (MH /, ).
In der letzten Vorlesung vor Kriegsende formulierte Heidegger schließ-
lich eine Absage an die Begriffe des »Schaffenden« und des »schöpfe-
rischen Menschen«, die er als »Anthropomorphie« kritisierte, wodurch
sich seine Willenskritik mit der Kritik am Geniegedanken verband
(MH b, ff.).
Damit schien der Abschied von der politischen Tat am Ende des Zwei-
ten Weltkriegs abgeschlossen. Bei dieser Feststellung ist es allerdings
wichtig, genau zu unterscheiden, wovon sich Heidegger damit verab-
schiedet und woran er festgehalten hat. Die Diagnose der Seinsvergessen-
heit, der Verfallenheit und Wurzellosigkeit des modernen Menschen, die
Heidegger schon in den er Jahren formulierte und die auch sein
Engagement für den Nationalsozialismus motivierte, blieb weitgehend
bestehen, auch wenn sie nun zum Teil mit anderen Begriffen formuliert
wurde. Aber am Ende des »Dritten Reiches« machte sich Heidegger keine
Hoffnung mehr auf eine schnelle Abhilfe durch eine politische Revolu-
tion. Die apokalyptische Erwartung einer totalen Verwandlung, die er in
der »Weltstunde« der nationalsozialistischen Revolution formulierte, er-
hielt Heidegger in ihren Grundzügen ebenfalls aufrecht, sie wandelte sich
nun aber in eine Fernerwartung. Der »andere Anfang« wurde zum »fern-
sten Ziel« (MH c, ): »Noch ist Alles lange nicht reif zu einem ande-
ren Anfang.« (MH /, ). Auch das Ziel einer Neugründung der
An dieser Stelle erneuerte Heidegger allerdings auch die für den heroischen Rea-
lismus kennzeichnende Kopplung von Bindung und Freiheit: »Das Mitwollen
ist ein Müssen, aber ein Müssen, das außerhalb des mechanischen Zwanges sich
ereignet und aus der offenen Zugehörigkeit zum Seyn stammt und in sie zurück-
kehrt. Diese Zugehörigkeit aber ist das innerste Wesen der Freiheit.« (MH /
, )
Heideggers Kritik an der »Vorstellung vom schöpferischen und schaffenden
Menschen«, die »dem griechischen Wesen fremd« (MH b, ) sei, stand
hier im Kontext der Unterscheidung des neuzeitlichen Herstellens und des grie-
chischen poieín, das aus der »Erfahrung des Seins« gedacht werden müsse und
ein »Hervor-bringen« »in das Unverborgene« (ebd.) meine.
In einem Brief an Kurt Bauch vom Dezember schrieb Heidegger, Fern-
erwartung und Glaube an die seinsgeschichtliche Bestimmung der Deutschen
verbindend, »daß vielleicht in zweihundert Jahren Deutsche wieder erwachen
und lang Verwehrtes als ein Zukünftiges ankommen lassen. Vielleicht bedarf es
einer noch längeren Verschlossenheit des Seyns. Aber daß sie gebrochen wird u.
Deutsche dafür gefordert sind, dessen bin ich gewisser als des Vorhandenseins
, ,
Weise zu lösen versuchte. Während er bis zur Mitte der er Jahre das
Aktivwerden des Denkens selbst favorisierte, verurteile er diesen Aktivis-
mus nun zusammen mit der neuzeitlichen Metaphysik und suchte statt-
dessen nach Formen eines untätigen, wartenden, hütenden Denkens.
Diese Wandlung war in den er Jahren und auch bis noch
nicht gänzlich abgeschlossen. Wie sich gezeigt hat, war besonders in den
»Beiträgen« noch viel von Entschlossenheit, Entscheidung und Wille die
Rede. Bereits hier erkannte Heidegger aber das für ihn späterhin zentrale
Problem, nämlich wie die Überwindung der Metaphysik nichtaktivi-
stisch herbeizuführen sei, wo doch jede aktive Umwertung dem Um-
gewerteten verhaftet bleibe, wie Heidegger bei Nietzsche und auch bei
Ernst Jünger zu erkennen glaubte. Diese Frage nach der aktiven oder pas-
siven Überwindung der Metaphysik stellte sich Heidegger nicht nur bei
seiner Beschäftigung mit Ernst Jünger in den Jahren und . Sie
war auch der zentrale Gegenstand ihres späteren Austauschs »über die
Linie«. Heidegger warf Jünger darin vor, durch seine aktivistische Spra-
che an die Metaphysik gebunden zu bleiben. Er schien damit den Wan-
del auch von Jüngers Denken seit dem »Arbeiter« aber nicht hinreichend
zu berücksichtigen. Dieser Wandel setzte, genau wie der von Friedrich
Georg Jünger, ebenfalls schon während der er Jahre ein und vollzog
sich wie bei Heidegger hauptsächlich in einer Auseinandersetzung mit
der modernen Technik. Um diese Veränderungen im Denken der Brüder
Jünger geht es im folgenden Kapitel.
Dieser Wandel der Bearbeitung des Geist-Tat- oder auch Theorie-Praxis-Problems
bedeutete allerdings keine Verabschiedung des Antiintellektualismus als solchem,
sondern lediglich eine Modifikation. Der »freischwebende Geist« blieb für
Heidegger zeitlebens das Gegenmodell zum wesentlichen Denken. So forderte
er etwa auch in der »Einführung in die Metaphysik« die »Beschneidung der Aus-
wüchse des heutigen Intellektualismus« (MH , ) und verlangte, man
müsse den »Intellektualismus bekämpfen« (ebd.).
Von den Brüdern Ernst und Friedrich Georg Jünger ist bekannt, dass sie
sich – im Unterschied zu Martin Heidegger – von Anfang an nicht an der
Errichtung der nationalsozialistischen Herrschaft beteiligten und den
neuen Machthabern ihre öffentliche Unterstützung verweigerten. Von
Ernst Jünger findet sich zwar ein bisher wenig beachtetes Lippen-
bekenntnis im Nachrichtenblatt für die Ritter des Ordens »Pour le Mérite«
vom September , in dem er als »Jahr der Wiederbesinnung des
deutschen Volkes auf seine großen Aufgaben« bezeichnete und davon
sprach, das der »neue Staat […] die Mitarbeit jeder wertvollen Kraft«
(EJ -, ) fordere. Diese Mitarbeit hat er ihm, abgesehen von
seinem späteren Dienst in der Wehrmacht, aber weitgehend vorenthal-
ten. Im November lehnte er seine Wahl in die »Deutsche Akademie
der Dichtung« ab – wobei die Veröffentlichung seines Absageschreibens
in der Presse verhindert wurde – und protestierte im Juni gegen den
von ihm nicht genehmigten Abdruck eines Auszugs aus dem »Abenteuer-
lichen Herz« in einer Beilage des Völkischen Beobachters, da er nicht als
ein Mitarbeiter des Parteiorgans erscheinen wollte. Beide Brüder Jünger
verließen Berlin, das Zentrum der politischen Macht und den Ort ihres
nationalrevolutionären Aktivismus, und zogen in die Provinz: Ernst Jün-
ger nach Goslar im Harz, nach Überlingen am Bodensee und
nach Kirchhorst bei Hannover; Friedrich Georg Jünger folgte ihm
jeweils mit kurzem zeitlichen Abstand an diese drei Wohnorte, zog aber
von Kirchhorst wieder nach Überlingen, wo er den Rest seines Le-
bens verbrachte. Darüber hinaus unternahmen beide Brüder während
Vgl. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. f. Wie aus dem Nachlass Ernst Jüngers
hervorgeht, war es Hans Grimm, der ihn zur Wahl in die Akademie vorschlug
und sich hinterher bei Jünger über dessen Absage beschwerte; vgl. die Briefe von
Hans Grimm an Ernst Jünger vom .. und .., A: Ernst Jünger, DLA
Marbach. In einem Brief an Werner Beumelburg vom . November schrieb
Jünger zwar erneut, »zur positiven Mitarbeit am neuen Staate, ungeachtet man-
cher persönlichen Verärgerung, wie etwa der Haussuchung, die in meinen Räu-
men stattgefunden hat, durchaus entschlossen« zu sein (zit. n. Wulf, Literatur,
S. ). Dieses Schreiben an Beumelburg in dessen Eigenschaft als Funktionär der
Deutschen Akademie der Dichtung hatte aber wohl in erster Linie taktische Be-
deutung.
Vgl. Dietka, Ernst Jünger, S. ; Fröschle, Kommentiertes Verzeichnis, S. f.;
zum Leben der Brüder Jünger am Bodensee Bosch, Bohème, S. -.
-
Vgl. Dietka, Ernst Jünger, S. . Die Neuauflagen seiner Kriegsbücher hat Ernst
Jünger nach allerdings von einigen nationalistischen Passagen gesäubert und
damit gleichsam ›entpolitisiert‹; vgl. Dempewolf, Blut und Tinte. In einem Brief
an seinen Bruder vom April kommentierte er diese Überarbeitungen auch
mit Rückblick auf die nationalistische Nachkriegszeit: »Gestern habe ich die Be-
arbeitung des ›Wäldchens ‹ abgeschlossen; ich darf damit zufrieden sein. Ich
habe auf diese Weise den ersten Teil des Jahres damit zugebracht, meine Autoren-
schaft nach rückwärts auszubauen, damit kein Satz hinter mir bleibt, dem ich
nicht zustimmen kann. Es handelt sich dabei im Grunde um die Herausschälung
des Kernes, der mir immer deutlich war, den sichtbar zu machen aber meine
Mittel inzwischen gewachsen sind. Als ich aus dem Kriege zurückkam, fand ich
eine Reihe von Worten vor, die man zunächst auf Treu und Glauben übernehmen
mußte, deren zweifelhafter Charakter mich jedoch immer stärker beunruhigte.
Nicht zuletzt hat die Pöbelherrschaft, die sich auch der Sprache bemächtigt hat,
jene Vorliebe für alles Schlechte, Billige, Abgestandene und Künstlich-Gesteiger-
te, mir Sinn und Verantwortung geschärft. Es gibt heute auch gute Dinge, die
man nicht mehr aussprechen darf.« (zit. n. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. )
Michael Ansel hat in einem Vergleich mit Gottfried Benn darauf hingewiesen,
dass Ernst Jünger sich die politische Enthaltsamkeit im »Dritten Reich« leisten
konnte ohne seine Position im literarischen Feld merklich zu verschlechtern, weil
er noch nach von seinem zuvor angesammelten »politischen Kapital« als mi-
litanter Nationalist zehren konnte, während umgekehrt Benn seinen Diskredit
als Weimarer »Asphaltliterat« auch durch sein offenes Bekenntnis zum NS-Staat
nicht wettmachen konnte; vgl. Ansel, Solitär.
Vgl. Ehrke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. . Sowohl die »Mar-
morklippen« als auch »Gärten und Straßen« erschienen aber auch nach
noch in Wehrmachtsausgaben.
-
Wie die Titel bereits anzeigen, handelte es sich bei diesen Veröffent-
lichungen allerdings nicht mehr um unmittelbar politische Texte, so dass
man bei den Brüdern Jünger durchaus von dem für die »innere Emigra-
tion« typischen »Rückzug in die Innerlichkeit« sprechen kann, der mit
ihrem Rückzug von der Stadt auf das Land korrespondierte. Dieser ver-
band sich auch mit den entsprechenden ideologischen Implikationen:
Während der neue Nationalismus noch »der vitalen Energie unserer gro-
ßen Städte verwandt« (EJ -, ) war, ging die »innere Emigra-
tion« der Brüder Jünger mit einer neuen Hinwendung zur Natur und zur
klassisch konservativen Stadt- und Technikkritik einher. Nach dem Ver-
bot des Widerstands enthielten sich beide auch der Mitarbeit an politi-
schen Zeitschriften, während sie noch in Kulturzeitschriften wie der Co-
rona publizierten. Dass der Widerstand verboten wurde, so Ernst Jünger
im Januar in einem Brief an seinen Bruder, habe »auch seine guten
Seiten […], denn es gibt Dinge, die man auch mit dem Stocke nicht
mehr anrühren soll. Man tut gut daran, sich einzukapseln; ich arbeite
meine alten Bücher durch.« Drei Jahre später erklärte er noch katego-
rischer, das politische Gespräch ganz allgemein vermeiden zu wollen. Er
wolle »in politicis« in den nächsten Jahren eine strengere Haltung ein-
nehmen und auch seine Bekanntschaften, »insoweit sie au fond politisch
und sonst unbedeutend sind«, abbauen. Schon im Juni hatte Ernst
Jünger seinem Bruder geschrieben, man müsse »alle Bekannten, die sich
auf den Leim eingelassen haben, mit Nichtachtung behandeln«: »Es han-
delt sich da um Auslesen, durch die sich die Elite kristallisiert.«
Denk, Zensur, S. . Denk versucht die Autoren der so genannten »inneren
Emigration« allerdings gerade gegen den in der literaturwissenschaftlichen For-
schung u. a. von Franz Schonauer, Reinhold Grimm und Ralf Schnell erhobenen
Vorwurf der Innerlichkeit zu verteidigen und sie mit zum Teil zweifelhaften Ar-
gumenten von dem Makel der ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus zu
befreien; vgl. zur Diskussion über die »innere Emigration« aus geschichtswissen-
schaftlicher Perspektive Philipp, Distanz.
Wobei einzelne Corona-Beiträge Friedrich Georg Jüngers durchaus seine regime-
kritische Haltung erkennen ließen. So berichtete er in den »Streifzügen auf Rho-
dos« anerkennend von der friedlichen Koexistenz von »Juden, Christen und
Mohammedaner[n]« (FGJ b, ) und lobte in seinen Porträts orientalischer
Dichter deren »skeptische Heiterkeit« (FGJ a, ) und geistige Freiheit, die
sich gegen den »pöbelhaften und zügellosen Instinkt« des »Fanatismus« (FGJ
b, ) wandten.
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
jetzt das Blatt aufdecken und zeigen, wer man ist. In einem Zustand
des üblen Spukes und des Betruges wird der Gedanke rein dadurch
gefährlich, daß er richtig ist, und Geister, die das rechte Maß besitzen,
wirken wie Spiegel, in denen sich die Nichtigkeit der Schattenwelt
enthüllt. Ein logischer Gedanke, ein reines Metrum, eine edle Tat, ja
selbst die Nichtbeteiligung am Niedrigen – das sind heute Dinge, die
sich erheben wie drohende Waffen, die umso schärfer wirken, je weni-
ger man sie auf die Zeit bezieht. Dem ist kein Untermensch gewachsen,
ja er sieht es kaum. Doch selbst wenn er dagegen bis zum Äußersten,
ja bis zum Meuchelmorde schreiten wollte, so würde er nur umso
sicherer sich in seiner Nichtigkeit enthüllen und das Wirkliche bestä-
tigen. In diesem Sinne gleicht ein Gedicht wie ›Der Mohn‹ dem Punk-
te, an dem die Feindschaft auch dem trüben Auge sichtbar wird. Weit
wirklicher ist diese Feindschaft im ›Gesang des Prometheus‹ oder im
›Tod des Orpheus‹ – hier ist sie so groß, daß der Niedere sie nicht
einmal zu ahnen vermag; sie gleicht einem Gerichte, das jenseits der
Wolken über ihn abgehalten wird.«
Welche politische Bedeutung ein solches jenseits der Wolken abgehal-
tenes Gericht haben konnte, blieb bei Jünger allerdings unbestimmt. Es
ging ihm vielmehr darum, die Politik als solche zur nichtigen Schatten-
welt zu erklären, der man »tiefere Kräfte« entgegenzusetzen habe. Darin
offenbart sich ein grundlegender Wandel gegenüber der Haltung des
neuen Nationalismus, mit dem sich die Brüder Jünger aktiv in das politi-
sche Kräftespiel einschalten wollten. So hieß es auch in den »Marmor-
klippen«, dass die beiden Protagonisten, der Erzähler und sein Bruder
Otho, »in Erinnerungen an unsere Mauretanierzeit«, den »Ausweg der
Gewalt« (ebd., ) durchaus erwogen. Schließlich entschlossen sie sich
aber dazu, sich nur noch der Botanik und der Poesie zu widmen, um so
»allein durch reine Geistesmacht zu widerstehen« (ebd.). Die Distanzie-
rung vom Nationalsozialismus vollzog sich bei den Brüdern Jünger nach
also als grundsätzliche Abkehr vom politischen Aktionismus. Dies
zeigt sich etwa auch daran, dass Ernst Jünger zwar Kontakte zu militä-
rischen Widerstandskreisen unterhielt, in Diskussionen aber vom poli-
Wobei er auch das nur schrittweise tat. Wie schon zitiert, forderte Ernst Jünger
seine Leser noch am Ende der Abhandlung »Über den Schmerz« von dazu
auf, sich »trotz allem an der Rüstung zu beteiligen« (EJ , ). In einem Brief
an seinen Bruder über den Schmerzessay ging er im März noch immer
davon aus »im nihilistischen Raume [zu] stehen«, und folgerte wie zu national-
revolutionären Zeiten, dass ein »großer Teil unserer Aufgabe« daher »noch auf
nihilistische Weise gelöst werden« müsse (E. Jünger an F. G. Jünger, .., D:
F. G. Jünger, DLA Marbach).
So interpretierte Ernst Jünger etwa den sogenannten Röhm-Putsch im Sommer
in einem Brief an seinen Bruder als Zeichen für den Abschluss der Moderne,
mit dem auch der letzte Abglanz der alten Ritterschaft erloschen sei; vgl. E. Jün-
ger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
-
schaft des Arbeiters abgelöst werden sollte. In der nun errichteten Herr-
schaft der nationalsozialistischen Arbeiter erblickte Ernst Jünger aber
eine »Pöbelherrschaft« und damit eine Art vollendete, des bürgerlichen
Parlamentarismus entkleidete Form der Demokratie. Im Juli sprach
er in einem Brief an Friedrich Georg Jünger von »einer wüsten Repeti-
tion der nationaldemokratischen Ideologie«. Auf diese Weise konnte er
seine Feindschaft gegenüber der Demokratie mit seiner Gegnerschaft
zum Nationalsozialismus verbinden und sich auf die aristokratisch-elitäre
Position eines antipolitischen Demos-Verächters zurückziehen. Als solcher
schrieb er im »epigrammatischen Anhang« von »Blätter und Steine«:
»Der Demos ist sein eigener Tyrann.« (EJ a, )
Diese Haltung fand sich besonders ausgeprägt auch bei Friedrich Ge-
org Jünger. In seinem ersten Artikel für den Widerstand nach dem Januar
übte er unter dem Titel »Über die Gleichheit« eine durchaus deut-
liche Kritik an den neuen Machthabern. Er deutete die »Umbildung der
deutschen Reichsführung« als eine Umwandlung der »konstitutionelle[n]
Demokratie in eine unmittelbare«, welche wiederum »einen natürlichen
Hang zur Diktatur« habe (FGJ b, ). Die Machtübernahme der
Nationalsozialisten stellte für ihn also gerade nicht die in den er Jah-
ren erhoffte Abschaffung der Demokratie dar, sondern deren Fortsetzung
auf einer neuen Stufe. Die gleichmacherische Tendenz der »Volksherr-
schaft« kritisierte er dabei mit deutlicher Abneigung gegen die »Massen«:
»Das ungeheure, unterschiedslos dahinflutende Volk der plebiszitären
Demokratie erfüllt die Hallen und Plätze, und in grenzenloser Popula-
rität bewegt sich die Führung in ihm.« (Ebd., ) Dieselbe Kritik an der
»jubelnden Akklamation« (ebd.) der politischen Massenveranstaltungen
und dem vulgären Populismus der nationalsozialistischen Propaganda übte
Friedrich Georg Jünger auch in seinem zur selben Zeit entstandenen Ge-
dicht »Der Mohn«, das unmittelbar nach Erscheinen als »Widerstandsge-
dicht« wahrgenommen wurde.»Widrig ist mir der Redner Geschlecht«,
so hieß es darin, und: »Schmerzend hallt in den Ohren der Lärm mir,
mich widert der Taumel, / Widert das laute Geschrei, das sich Begeiste-
rung nennt.« (FGJ a, f.) Die Begeisterung, die Friedrich Georg
Bei der Frage nach dem Wandel im Denken und der politischen Haltung
der Brüder Jünger während der er Jahre ist also genau zu differenzie-
ren, welche Elemente sich wandelten und welche gleich blieben. Als Test-
fall für diese Frage bietet sich Ernst Jüngers Textsammlung »Das aben-
teuerliche Herz« an, die Jünger in einer ersten und in einer
zweiten, gründlich überarbeiteten Fassung veröffentlichte. An erster
Stelle fällt bei einem Vergleich der beiden Fassungen auf, dass Jünger in
der zweiten Fassung die nationalistischen Passagen der ersten weitgehend
gestrichen hat. Gegenüber der ersten Fassung rückten nun die Naturbe-
schreibungen und die Traumsequenzen in den Vordergrund. Das Sehen
war für Jünger nicht mehr wie zuvor selbst ein dynamischer Akt, sondern
einer der Kontemplation und Versenkung. »[I]nmitten der riesigen Städte
und im Sturm der Bewegung« suchte Jünger nun »die herrliche Wind-
stille der Einsamkeit« (EJ , ). Während im »Arbeiter« der »museale
Betrieb« als »eine der letzen Oasen der bürgerlichen Sicherheit« (EJ ,
) abgeschafft werden sollte, verteidigte Jünger den »musealen Trieb«
nun als »Gegengewicht« zu den »wirtschaftlichen und technischen Ver-
heerungen« (EJ , ) der Zivilisation. Die vielleicht wichtigste Ver-
änderung bestand aber in der Andeutung einer neuen Mitleidsethik, die
Jünger in den Kriegstagebüchern der »Strahlungen« noch weiter ausformu-
lierte und die im diametralen Gegensatz zur propagierten Gefühllosigkeit
des »Arbeiters« stand. So beschrieb Jünger im »abenteuerlichen Herz«
der zweiten Fassung »Menschen von asiatischer Lebensart«, die sich »an
Vgl. zum Vergleich der beiden Fassungen Staub, Wagnis; Schlosser, Lebenssteige-
rung, S. -.
Vgl. dazu auch Keller, Wrestling.
den Qualen anderer weiden können«: »Ihr Ziel ist die mehr oder minder
intelligente, stets aber nach dem Muster des Tierreiches gebildete Des-
potie. Daher pflegen sie auch in ihren Reden und Schriften den Opfern,
nach deren Vernichtung sie trachten, tierische Züge zu verleihen.« (EJ
, ) Diesen »verzehrenden Trieben« wollte Jünger eine Haltung des
»Wohlwollen[s]« entgegensetzen, »die den Mächtigen wie den Einfachen
in gleicher Weise ziert«: »Dieses Wohlwollen gleicht einem Licht, in dem
allein die Würde des Menschen in rechter Weise erscheint.« (Ebd., )
Diese Passage war nicht nur gegen die Vernichtungsrhetorik und die
Verfolgungspraktiken der Nationalsozialisten gerichtet, sondern auch ge-
gen Jüngers eigene Propaganda der »totalen Mobilmachung«, in der die
Menschenwürde keinen besonderen Platz eingenommen hatte. Noch im
»epigrammatischen Anhang« von »Blätter und Steine« von schrieb
Jünger: »Die Zahl der Leidenden ist bedeutungslos.« (EJ a, ) Im
Mai zitierte sich Jünger – im Angesicht von Befreiten aus dem Kon-
zentrationslager Bergen-Belsen – mit diesem Satz selbst und fügte hinzu:
»das ist auch einer der Sätze, durch die ich mich nutzlos exponiert habe«
(EJ /, ). Schon während des Krieges hatte er sich vorgenommen:
»Nie darf ich vergessen, daß ich von Leidenden umgeben bin.« (EJ /
, ) Und am . Januar nahm er sich für das neue Jahr vor, »im-
mer ein Auge für die Unglücklichen« (ebd., ) zu haben.
Diese neue Betonung des Mitleids und der Achtung der Menschen-
würde stand auch im Zusammenhang mit dem Begriff der »Désinvol-
ture«, den Jünger in der zweiten Fassung des »abenteuerlichen Herzens«
einführte und der für Jüngers Haltung ab Ende der er Jahre kenn-
zeichnend wurde. Jünger definierte sie zunächst als eine nicht willens-
förmige Art der Macht. So bezeichnete er sie als die natürliche Haltung
der edlen Herrscher, die allerdings verloren gegangen sei. Heute sei das
»Denken über die Macht […] seit langem durch die übertriebene Bezie-
hung zum Willen verfälscht« (EJ , ). Die Tyrannen seien »unter-
geordnete Techniker« (ebd.), während die »Désinvolture« nur dem fürst-
lichen Menschen zukomme. Sie sei »als die unwiderstehliche Anmut der
Macht« zugleich »eine besondere Form der Heiterkeit« (ebd., ). Die
Heiterkeit, die Jünger auch als eine der »gewaltigen Waffen, über die der
Mensch verfügt« (ebd.), bezeichnete, wurde von ihm noch an anderer
Vgl. dazu auch unten, Kap. .. Helmut Lethen hat allerdings darauf hingewie-
sen, dass Jünger mit diesem Vorsatz nicht »der ›inneren Stimme‹ des Gewissens«
folgte, sondern ihn sich als externe Verhaltensregel setzte. Die selbst auferlegte
Empathie bleibe aber ohne Äquivalent in der kalten Beschreibung; vgl. Lethen,
Jüngers Desaster, S. f.
-
Stelle als Haltung genannt, die der Wahrung der Würde diene und auf
diese Weise mit der »Nichtbeteiligung am Niedrigen« korrespondierte.
Es lässt sich also tatsächlich davon sprechen, dass Jünger angesichts der
Herrschafts- und Gewaltrealität des »Dritten Reiches« von der für seinen
heroischen Realismus entscheidenden Gefühlsabstraktion abrückte und
sich um eine Art neue Humanität bemühte, in der Mitleid für die Leiden
der anderen und Wahrung der Würde des einzelnen im Vordergrund
standen. Dass diese neue Mitleidsethik mit der von Jünger weiterhin
praktizierten Ästhetisierung von Gewalt des Öfteren in Widerspruch
geriet, zeigt sich sowohl in den »Marmorklippen« als auch in den Kriegs-
tagebüchern der »Strahlungen«. Entscheidend ist aber zunächst, dass
diese Hinwendung zum »Wohlwollen« sich gleichzeitig als Abwendung
vom »Willen« und damit auch von der voluntaristischen Aktion vollzog.
Jan T. Schlosser sieht darin einen Übergang »von Nietzsche zu Schopen-
hauer« und vom Ziel der »dynamische[n] ›Lebenssteigerung‹« zu dem der
»kontemplative[n] ›Lebenserweiterung‹«.
Ein zentrales Dokument dieses Übergangs von der Dynamik zur Kon-
templation stellt die Erzählung »Auf den Marmorklippen« dar, die Jün-
ger im Frühjahr verfasste und die kurz nach Ausbruch des Krieges
erschien. Jünger erzählt darin die Geschichte zweier Brüder, die sich nach
einem verlorenen Krieg und der Mitgliedschaft im paramilitärischen Or-
den der »Mauretanier« in ein »Rautenklause« genanntes Haus »auf den
Marmorklippen« zurückgezogen haben, um sich dort dem Studium der
Natur und der Sprache zu widmen. Im Umland der Marmorklippen
schwelt allerdings ein Konflikt, da der »Oberförster«, Anführer der Mau-
retanier, die Ordnung durch schleichenden Terror zu untergraben und
die Herrschaft über die »Marina« zu erlangen sucht. Als sich dagegen
Widerstand bildet, besuchen zwei Widerständler die Brüder auf den
Marmorklippen und wollen sie zur Teilnahme am Widerstand bewegen:
Braquemart, einer der Mauretanier, und der junge Fürst von Sunmyra,
ein Angehöriger des alten Adels. Die Brüder wollen sich an der Wider-
standsaktion nicht beteiligen. Als diese scheitert, werden Braquemart
und der Fürst von Sunmyra ermordet und ein offener Bürgerkrieg bricht
aus. In diesem Bürgerkrieg greifen die Brüder noch einmal zu den Waf-
fen, doch als die Niederlage unabwendbar ist, retten sie sich auf die »Alta
Plana«, das Land, gegen das sie selbst einst Krieg geführt haben. Hinter
ihnen geht die Marina und auch die Rautenklause mit dem »Herbarium«
und der Bibliothek in Flammen auf.
Angesichts der Parallelen sowohl zum Zeitgeschehen als auch zur
Biographie der Brüder Jünger bei gleichzeitiger Verfremdung durch das
Setting in einer zeitlosen, tendenziell vormodernen Phantasielandschaft
wurde seit Erscheinen immer wieder darüber diskutiert, inwiefern »Auf
den Marmorklippen« im engeren Sinn ein »Schlüsselroman« war, ob die
einzelnen Figuren und Situationen also ganz konkrete Entsprechungen
in der Realität hatten und ob sich z. B. hinter dem Oberförster eindeutig
Hitler oder Göring oder ein anderer NS-Führer verbarg. Jünger selbst
hat sich dazu in unterschiedlicher Weise geäußert und wollte die »Mar-
morklippen« vor allen Dingen nach nicht einfach als »Tendenz-
schrift« oder als Widerstandsbuch verstanden wissen, wohl in erster Linie,
um ihren Status als eigenständiges literarisches Kunstwerk nicht zu be-
einträchtigen. So notierte er am . April in seinem Tagebuch: »Bei
Ausbruch des Krieges erschien ›Auf den Marmorklippen‹, ein Buch, das
mit dem ›Arbeiter‹ das eine gemeinsam hat, daß die Vorgänge in
Deutschland zwar in seinen Rahmen paßten, daß es aber nicht speziell
auf sie zugeschnitten war. Ich fasse es daher auch heute nicht als Tendenz-
schrift auf.« (EJ /, )
Unmittelbar nach Abschluss des Buches hatte er allerdings in einem
Brief an Carl Schmitt vom . September geschrieben: »Mein neues
Buch heißt ›Auf den Marmor-Klippen‹; es enthält eine Geheim-Ansicht
unserer Zeit« (EJ/CS, ). Der Bezug zur Situation im »Dritten Reich«
war also eindeutig, und man kann die »Marmorklippen« mit Recht als
Beispiel für die »verdeckte Schreibweise« der regimekritischen Literatur
ansehen, in der es um die »Tarnung nonkonformer Aussagen« ging. Vor
allen Dingen ist entscheidend, dass die »Marmorklippen« auch von den
Zeitgenossen als Parabel auf das »Dritte Reich« gelesen wurden. »Nie-
mand unter den Lesern, die ich kannte, hat daran gezweifelt, daß in den
Visionen dieser Erzählung die Erkenntnis unserer gegenwärtigen Lage
ausgesprochen war«, erinnerte sich Dolf Sternberger. Dementsprechend
Schönen Literatur« nannte, »das während der Zeit des Dritten Reiches in
Deutschland ans Licht getreten ist. Die Lektüre erregte und bewegte uns außer-
ordentlich. […] Es bot Stärke und wirkte als ein Mittel der Verständigung unter
denen, die gegen Bedrohung oder Versuchung der Tyrannei sich festigten.« (Ebd.)
Verschiedene parteioffizielle Stellen wollten, so Jüngers eigene Darstellung, ge-
gen ihn vorgehen, Hitler persönlich habe aber entschieden, »ich sei nicht zu be-
helligen« (EJ /, ). Während des Krieges machten Jünger aber besonders
die Rezensionen im Ausland Sorgen, die die »Marmorklippen« als Zeugnis des
Widerstands interpretierten; vgl. dazu und zur zeitgenössischen Rezeption im In-
und Ausland Ehrke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. -.
Die Figur des »Nigromontanus« kommt an verschiedenen Stellen in Jüngers
Werk vor und war wohl in erster Linie durch Jüngers philosophischen Mentor
Hugo Fischer inspiriert; vgl. Martus, Ernst Jünger, S. . Auch die Figur des
Oberförsters kam bereits in einer Traumbeschreibung im »abenteuerlichen Herz«
von vor, wobei dieser Traum ebenfalls autobiographisch deutbar ist, und
zwar so, dass Jünger in seiner »Mauretanierzeit« den Nationalsozialisten durch
unfreiwillige Komplizenschaft »ins Garn gegangen war«: »Und ich begann, mei-
ner Klugheit zu fluchen und meinem einsamen Übermut, der mich in solche
Gesellschaft verstrickt hatte, denn zu spät sah ich ein, daß die Feinheit meiner
Operationen nur dazu gedient hatte, die Fäden unsichtbar zu machen, mit denen
er [der Oberförster] mich umspann.« (EJ , ) Diesen Traum vom Oberför-
ster erwähnte Jünger schon in einem Brief an seinen Bruder (vgl. E. Jünger
an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach).
die Kühle der Gedanken und die geistige Entfernung zu. […] Damals
wurde es mir deutlich, daß die Panik, deren Schatten immer über
unseren großen Städten lagen, ihr Pendant im kühnen Übermut der
wenigen besitzt, die gleich Adlern über dumpfem Leiden kreisen.«
(Ebd., )
Doch dieser kühne Übermut war nun vorbei: Es »erfaßte uns der Sinn
nach einem Leben, das von Gewalt gereinigt war« (ebd., ). Vor allen
Dingen wollte Jünger das Leiden der anderen nicht länger ignorieren. So
schrieb er über den Abschied von den Mauretaniern, dass die Brüder in
diesem »Orden« wohl weiter hätten »emporsteigen« können, dass ihnen
aber die dafür notwendige Gabe fehlte, »auf das Leiden der Schwachen
und Namenlosen herabzusehen« (ebd., ).
Dieses Leiden der Schwachen wurde in den »Marmorklippen« auf
neue Weise thematisiert. Bereits in der zweiten Fassung von »Das
abenteuerliche Herz« gewannen Visionen und Albtraumbilder von Men-
schenschändung und -vernichtung an Bedeutung, die für das »verruchte
Böse« standen. In den »Marmorklippen« fasste Jünger die von ihm
verurteilten Formen der schändlichen Gewalt nun mit dem Begriff der
»Schinderwelt«, der ihm später auch in den Kriegstagebüchern zur
Umschreibung der Verbrechen und »Ausmordungen« (EJ /, )
diente. Bei der Beschreibung der Taktik des Oberförsters sprach Jünger
von der allmählichen Ausbreitung der »Meintat« (EJ , ) und der
»Menschenjagden« (ebd., ). Das Böse in Reingestalt offenbarte sich
den beiden Brüdern der Erzählung dann bei einem zufälligen Blick auf
die »Schinderhütte« in »Köppelsbleek« (ebd., ), in der sich ein »Männ-
lein« in »lemurenhafter Heiterkeit« mit dem Ausweiden menschlicher
Kadaver beschäftigte (ebd., ). Der Erzähler kommentierte diesen An-
blick, der ihn »im Innersten geschreckt« (ebd., ) habe:
»Das sind die Keller, darauf die stolzen Schlösser der Tyrannis sich er-
heben und über denen man die Wohlgerüche ihrer Feste sich kräuseln
sieht: Stankhöhlen grauenhafter Sorte, darinnen auf alle Ewigkeit ver-
worfenes Gelichter sich an der Schändung der Menschenwürde und
Menschenfreiheit schauerlich ergötzt.« (Ebd., f.)
Für Jünger bedeutete die Schinderhütte das Ende der ehrenhaften Gewalt
und damit auch das Ende der Option eines gewaltsamen Widerstands.
Wie schon zitiert, entschlossen sich die beiden Brüder der Erzählung, der
»Meintat« »allein durch reine Geistesmacht zu widerstehen« (ebd., ).
Dies wird in der Koppelsbleek-Szene dadurch symbolisiert, dass sie sich
nach dem ersten Schrecken nicht davon abhalten ließen, in Sichtweite
der Schinderhütte zu botanisieren, denn sie fühlten, »wie selbst das
schwache Blümlein in seiner Form und Bildung, die unverwelklich sind,
uns stärkte, dem Hauche der Verwesung zu widerstehen« (ebd., ).
Während Jünger noch im Kriegstagebuch schrieb, dass die »Gärtner und
Botaniker« die »Gegenspieler des Oberförsters« (EJ /, ) seien,
fragte sich der Erzähler in den »Marmorklippen« selbst: »Wie kam es,
daß wir die Arbeit nicht im Stiche ließen, als der Oberförster in unserem
Gebiet an Macht gewann und als der Schrecken sich verbreitete?«, um zu
antworten: »Wir hatten eine Ahnung der Heiterkeit gewonnen, vor deren
Glanze die Truggestalten sich verflüchtigen.« (EJ , ) Die Heiterkeit
stand hier wiederum für eine Geisteshaltung der »Désinvolture«, die sich
der niederen Dämonenwelt überlegen wusste. Noch mehr als der Natur-
betrachtung wies Jünger dabei der Sprache die Funktion einer Gegen-
macht zu:
»Indes die Untat im Lande wie ein Pilzgeflecht im morschen Holze
wucherte, versenkten wir uns immer tiefer in das Mysterium der Blu-
men, und ihre Kelche schienen uns größer und leuchtender als sonst.
Vor allem aber setzten wir unsere Arbeit an der Sprache fort, denn wir
erkannten im Wort die Zauberklinge, vor deren Strahle die Tyrannen-
macht erblasst. Dreieinig sind das Wort, die Freiheit und der Geist.«
(EJ , )
propagierte Ernst Jünger also nicht mehr den »Hochverrat des Gei-
stes gegen den ›Geist‹« (EJ , ), im Gegenteil: Der Geist war für
Jünger jetzt die letzte Bastion der Freiheit gegen die Tyrannei. Entschei-
dend ist dabei, dass Jünger bei dieser Kehrtwende jeder Art von politi-
scher Aktion den Rücken kehrte. So wie die beiden Protagonisten in den
Die Vorlage für den Besuch von Braquemart und Sunmyra in den »Marmor-
klippen« bildete ein realer Besuch von Heinrich von Trott zu Solz (nicht Adam
von Trott zu Solz, wie gelegentlich falsch geschrieben wird) und anderen bei den
Brüdern Jünger in Überlingen, an den sich Ernst Jünger in den »Adnoten zu ›Auf
den Marmorklippen‹« erinnerte; vgl. EJ , ; EJ /, f. u. ; Ehr-
ke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. ff.
Später sprach Jünger vom »Illusionäre[n] der Schreckenswelt« (EJ /, ).
Neaman, Dubious Past, S. .
Friedländer, Kitsch und Tod, S. .
die Maschine nicht rein genießen konnte. Aber die Maschine hat ei-
nen Januskopf, dessen martialische Schönheit mir aufgegangen ist.«
Wie für Ernst, so hat sich auch für Friedrich Georg Jünger diese martia-
lische Seite der Technik im Ersten Weltkrieg offenbart. In seinem na-
mensgebenden Aufsatz »Krieg und Krieger« aus dem Sammelband seines
Bruders beschrieb Friedrich Georg Jünger den Ersten Weltkrieg genau
wie Ernst als »gewaltigen Arbeitsprozeß« (FGJ a, ). Für ihn offen-
barte sich darin »ein zum Letzten entschlossener Machtwille«, der im
»Maschinenzeitalter« (ebd., ) ein vom ökonomischen Gewinnstreben
des Bürgers unabhängiges Eigenleben führe:
»Das Wesen der Maschine ist aus ökonomischen Prinzipien nicht
ableitbar. Eisenbahnen, Flugzeuge, Kriegsschiffe, Untergrundbahnen,
Hochspannungsleitungen, Kraftwerke sind nicht deshalb geschaffen,
weil sie Instrumente einer höheren Ökonomie darstellen. Sie sind Er-
scheinungen und Mächte eines Lebens, sie rüsten, schützen, stärken
es, und erst deshalb, weil sie es tun, kommt ihnen eine wirtschaftliche
Bedeutung zu. Eine solche Bedeutung gewinnt heute alles, was ge-
eignet ist, die Bewegung zu steigern, was brauchbar ist, das unablässig
wachsende Quantum der Arbeit zu bewältigen, was Kraft erspart, um
die Leistung zu erhöhen und den ungeheuren Verzehr der Energien
fördert.« (Ebd., )
Diese Unterscheidung von technischer und ökonomischer Logik war
später auch ein zentrales Argument von Friedrich Georg Jüngers Tech-
nikkritik. Zu Beginn der er Jahre erlaubte sie es ihm aber noch, die
Technik in ihrer martialischen Qualität als dynamische und unbürger-
liche Kraft zu begrüßen. Schon war ihm zwar klar, »daß sich hier
etwas außerordentlich Drohendes vorbereitet« (ebd., ). Noch , ein
Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, ordnete Friedrich
Georg Jünger die Technik aber in sein antibürgerliches Denken ein und
sprach erneut von ihrer Janusköpfigkeit. Die Technik sei nur scheinbar ein
Instrument, »um das bürgerliche Leben zu sichern und zu bereichern«,
und dem Menschen sei lange verborgen geblieben, »daß er hier seiner-
seits etwas zu entrichten hat« (FGJ d, ). Der Krieg habe diesen
»Schwindel« aufgedeckt und das »dämonische Eigenleben« der Technik
offenbart: »Die Zerstörung ist zugleich Selbstzerstörung. In die Zerstö-
rung einbegriffen ist auch das Bild, das der Bürger von der Technik be-
saß, diese selbst aber ist zerstörende Kraft. Der technische Janus wendet
Bei der Hanseatischen Verlagsanstalt waren neben anderen Büchern der Brüder
Jünger auch der »Arbeiter« und die »Marmorklippen« erschienen, der Verleger
Benno Ziegler gehörte seit der Spätphase der Weimarer Republik zu den politi-
schen Weggefährten der Brüder Jünger; vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt,
S. -.
F. G. Jünger an F. Schanz, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Allerdings sind und zwei Vorabdrucke erschienen; vgl. FGJ u. ;
zur Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte auch Fröschle, Kommentier-
tes Verzeichnis, S. f.
-
Aus dieser Grundthese erklärt sich der spätere Wechsel des Titels von »Illusionen«
zu »Perfektion der Technik«.
In den späteren Erweiterungen der »Perfektion« und in »Maschine und Eigen-
tum« von beschäftigte sich Friedrich Georg Jünger etwas ausführlicher mit
Marx und dem Marxismus, dem er vorwarf, Ausbeutung nur ökonomisch ge-
dacht zu haben und selbst technischen Utopien zu folgen: »Die Abhängigkeit des
Arbeiters wurde zunächst als eine ökonomische begriffen. Darin liegt ein Miss-
verständnis. Marx, der die ökonomische Seite des Vorgangs klar und erschöpfend
beschrieb, hat in seine technischen Bedingungen keine genügende Einsicht.«
(FGJ a, ) Vgl. dazu auch Heyer, Maschine, S. -.
Diese Unterscheidung von mechanischer und Lebenszeit fand sich auch bei Ernst
Jünger, der sie vor allen Dingen am Unterschied zwischen mechanischen und
Sanduhren festmachte: »Die Sanduhrzeit ist eine andere, dem Leben inniger ver-
knüpfte – es schlägt da keine Stunde und rückt kein Zeiger vor. Es ist dies Zeit,
die abläuft, verrinnt, verrieselt – unangespannte, unrhythmisierte Zeit.« (EJ /
, f.) Vgl. dazu auch »Das Sanduhrbuch« (EJ ) und »An der Zeitmauer«
(EJ a); dazu unten, Kap. ..
»Die Wissenschaft tritt in den Dienst der Technik« (FGJ , ), wie Jünger
diese Passage in einer späteren Fassung ergänzte.
-
»Nun ist es gewiß, daß wir alle sterben müssen, und man braucht kein
Prophet zu sein, wenn man für die Zukunft große Unglücksfälle und
Veränderungen voraussieht. Indessen beweist sich die Macht des To-
des nur am Leben; und es ist zu allen Zeiten ein genaues Verhältnis
zwischen der Zerstörung und dem Bestande, der reif ist, ihr anheim-
zufallen. Dieser aber ist zu keiner Zeit und durch keine menschliche
Anstrengung zu retten.« (Ebd., f.)
In diesen Sätzen klang der amor fati des heroischen Realismus noch von
ferne an, aber Friedrich Georg Jünger propagierte hier kein heroisches
Einverständnis mit dem Untergang, sondern suchte Tröstung in der Evo-
kation einer ewigen Natur und eines Lebens, das jenseits der technischen
Katastrophe fortbestehe. Diese Distanzierung vom Heroismus kam auch
in seiner Kritik der nietzscheanischen »Willensphilosophie« (ebd., ) zum
Ausdruck, die für ihn an »Akte der Zerstörung« (ebd., ) gebunden war:
»Das Wollen und das Gelingen sind nicht identisch, deshalb realisiert
der bloße Wille zur Macht noch nichts. […] Die Darstellung eines
überall wirksamen Willens zur Macht bleibt einseitig, solange nicht
die Ermächtigung geprüft wird, die diesen Willen zur Macht wirksam
und erfolgreich macht. Schon in der Überbewertung des Willens liegt
aber etwas Zerstörendes. Nicht nur schließt sie eine Überschätzung
der Bewegung in sich, der direkten Aktion, des blind und instinktiv
handelnden Menschen und der nackten Vitalität, die dem Leben in-
newohnt, diese Bewegung nimmt auch etwas Mechanisches und
Zwangsläufiges an, weil sie unter allen Umständen etwas erzwingen
will, auch dort, wo ihr das Gelingen nicht gewährt ist.« (Ebd.)
Genau wie sein Bruder unterschied Friedrich Georg Jünger hier zwischen
dem energetischen Willen zur Macht, der aber selbst »arm an Macht«
(ebd.) sei, und dem ruhenden Besitz von Macht, der nicht erzwungen
werden könne. Diese Auslegung von Nietzsches Begriff des Willens zur
Macht hat Martin Heidegger zur selben Zeit in seiner Auseinanderset-
Auch wenn diese Prognose mit Blick auf den nahenden Zweiten Weltkrieg nicht
besonders prophetisch erscheint, fällt auf, dass Friedrich Georg Jünger diese Pas-
sagen über die nahende Katastrophe in den Nachkriegsfassungen der »Perfek-
tion« unverändert gelassen hat; vgl. FGJ , f.
Diese Unterscheidung korrespondierte mit der früher getroffenen Gegenüber-
stellung von »Sein« und »Haben« (FGJ , ), wobei die Technik immer nur
das Haben vergrößern, nie aber ein »reiches Sein« (ebd.) hervorbringen könne.
Friedrich Georg Jünger nahm damit auch den Titel des späteren Bestsellers von
Erich Fromm vorweg.
zung mit dem »Arbeiter« kritisiert. Alle drei waren sich im Jahre
aber einig, die Technik mit dem Willen zur Macht zu identifizieren,
selbst aber von der »Überbewertung des Willens« Abstand zu nehmen.
Insofern stellen die »Illusionen der Technik« sowohl eine Selbstkritik in
Bezug auf die Zeit dar, als die Brüder Jünger noch der »direkten Aktion«
und dem »instinktiv handelnden Menschen« huldigten, als auch eine
Kritik des »Arbeiters«, in dem die Macht der Technik noch voluntari-
stisch angeeignet werden sollte.
Nach Friedrich Georg Jüngers Lesart der Technik erlag der »Arbeiter«
noch in einer weiteren Dimension deren »Illusionen«: Im »Arbeiter«
sprach Ernst Jünger ebenfalls bereits von der »Perfektion der Technik«
und meinte damit den »Abschluß der Totalen Mobilmachung«, der zur
»Ablösung eines dynamischen und revolutionären Raumes durch einen
statischen und höchst geordneten Raum« (EJ , ) führen sollte, das
heißt, zur endgültigen Etablierung der Herrschaft des Arbeiters. Für
Friedrich Georg Jünger war aber klar, dass die Perfektion der Technik
niemals zu einer ruhigen Ordnung führen könne oder gar zu einem
»friedlichen und liebenswürdigen Idyll« (FGJ , ). Das »Endstadi-
um der Technik« (ebd.) bedeute totale Verwüstung durch Raubbau und
schließlich Selbstzerstörung.
Die »Illusionen der Technik« sind somit gleichermaßen als Fortset-
zungs- und als Gegenbuch zum »Arbeiter« erkennbar und enthalten eine
mehr oder weniger explizite Kritik an den früheren Positionen der Brü-
der Jünger. Die Erfahrung, die zwischen dem »Positiv« des »Arbeiters«
und dem »Negativ« der »Illusionen« lag, war also auch die Erfahrung des
Irrtums dieser frühren Positionen. Dieser Irrtum hat sich den Brüdern
Jünger in der Machtentfaltung der Nationalsozialisten offenbart, mit
denen sie früher selbst sympathisiert hatten. Inwiefern verbarg sich in
den »Illusionen« also auch eine Kritik am »Dritten Reich« und der Herr-
schaftspraxis des Nationalsozialismus? Friedrich Georg Jüngers Kritik an
der Rüstung und der »totalen Mobilmachung« und seine Ansicht, »daß
jener totale Verzehr, der durch den totalen Krieg hervorgerufen wird,
auch den Nutzen aufzehren kann, der aus einem gewonnenen Kriege
resultiert, daß ein Zustand eintreten kann, in dem es weder Sieger noch
Besiegte gibt, sondern nur einen Zustand allgemeiner Erschöpfung«
(ebd., ), konnte den Nationalsozialisten bei der Kriegsvorbereitung
und dann Kriegsführung im Jahr wenig willkommen sein, weshalb
das Buch von der Hanseatischen Verlagsanstalt ja auch vorsorglich nicht
zum anderen schilderte er mit der Darstellung der Titanen und des
Titanismus aber auch das, was er für die mythische Vorgeschichte dieser
technischen Moderne hielt.
Schon am Ende der »Illusionen« hatte Friedrich Georg Jünger mit Blick
auf Prometheus als dem Urvater des homo faber geschrieben: »Alle Tech-
nik aber ist titanischen Ursprungs, der homo faber gehört immer zu den
Titaniden«, wobei gleichzeitig gelte, »daß die Götter den homo faber
nicht lieben« (FGJ , ). Den ewigen Kampf zwischen Göttern und
Titanen, dessen Schattenspiel Jünger noch in der modernen Technik zu
entdecken glaubte, beschrieb er nun in mehreren Abhandlungen, die im
Anschluss an die Fertigstellung der ersten Fassung der »Illusionen der
Technik« im Sommer und parallel zu deren Überarbeitungen wäh-
rend des Zweiten Weltkriegs entstanden und in drei Schritten veröffent-
licht wurden: in »Griechische Götter. Apollon – Pan – Dionysos«,
in »Die Titanen« und in dem Sammelband »Griechische
Mythen«, in den die beiden Vorgänger über Götter und Titanen unver-
ändert und ergänzt durch einen dritten Abschnitt über »Heroen« auf-
genommen wurden.
In der Vorrede zu den »Titanen« thematisierte Friedrich Georg Jünger
selbst, inwiefern seine Beschäftigung mit der griechischen Mythologie
ebenso wenig unabhängig von den zeithistorischen Umständen ihrer Ent-
stehung zu verstehen war wie die Auseinandersetzung mit der Technik:
»Heute, an einem Wendepunkt des Denkens, im Zustand jener Unge-
wissheit, der mit dem Fortgang des wissenschaftlich exakten Wissens
genau zusammenhängt, auf dem Höhepunkt der Organisation und
der damit verbundenen Schutzlosigkeit des Menschen, hat ein Thema
wie das hier dargestellte einen doppelten Nutzen für den aufmerk-
samen Leser. Er kann das Vergangene auf die Gegenwart und die Ge-
genwart auf das Vergangene anwenden.« (FGJ , )
Vgl. zum Titanenmotiv bei Friedrich Georg Jünger, das später auch von Ernst
Jünger aufgegriffen wurde, Schröter, ›Titanen‹; zu Friedrich Georg Jüngers Aus-
einandersetzung mit der griechischen Antike allgemein auch Richter, Thematic
Approach, S. -.
Vgl. FGJ a, u. . Teile der Abhandlung über die Götter sind zugleich
als Zeitschriftenbeiträge in Corona (FGJ ) und Die neue Rundschau (FGJ
a) erschienen.
-
Zur Denkfigur der Wiederkehr bei Friedrich Georg Jünger vgl. Fröschle, Kyklen.
Vgl. auch FGJ , : »Die Mythe ist aber nicht Geschichte, sie ist kein histo-
rischer Prozeß, der vom Bewußtsein als solcher aufgefasst wird. Historisch gesehen
liegt sie als etwas Geschichtsloses vor der geschichtlichen Zeit.«
Die Wildnis war für Jünger gleichzeitig der Inbegriff für die durch den techni-
schen Raubbau zerstörte Natur: »Die Wildnis ist der Ursprung. Wir kommen
von ihm, und wir können zu ihm zurückkehren. Die Mythe kennt dieses Verhält-
nis, und sie berichtet uns darüber. […] Die Forderung nach Schonung, die hier
erhoben wird, ist kein nebensächliches Verlangen, sondern ein Anliegen, das der
Mensch zu erfüllen hat. Wir haben heute mehr als je Anlaß, uns daran zu ent-
sinnen, denn der Mensch unserer Zeit hat die Wildnis nicht geschont, er zehrt an
ihr, er verwüstet sie und breitet die Dürre in ihr aus, die zu ihm zurückkehren
muß. Es ist das Land des Pan, in das er so eindringt, in dem er Raubbau treibt.«
(FGJ , ff.). widmete Friedrich Georg Jünger Martin Heidegger, mit
dem er die »Forderung nach Schonung« teilte, einen Text mit dem Titel »Die
Wildnis« zum . Geburtstag (FGJ b); vgl. unten, Kap...
-
ausschweifende Fest und den Rausch. Indem Jünger betonte, dass Apol-
lon, dem »Führer der Musen« (FGJ , ), und daher auch dem »apol-
linischen Menschen« (ebd., ) das »Gigantische, Titanische, Kyklopische
[…] fremd und widrig« (ebd.) sei, machte er zugleich den Grundkonflikt
deutlich, in den er seine Darstellung der griechischen Mythologie ein-
spannte: den »ewige[n] Streit zwischen Göttern und Titanen« (ebd., ).
In diesem Grundkonflikt lag auch die Aktualität von Friedrich Georg
Jüngers Mythologie, da er im Titanismus den Ursprung der Technik zu
erkennen glaubte. So schrieb er in der Abhandlung über die Titanen,
»daß schon die Anfänge aller Technik titanischen Ursprungs sind«
(FGJ , ).
Dabei unterschied er zwischen zwei Spielarten des Titanismus, der des
Kronos und der des Prometheus, wobei gelte: »Der Titanismus des Kronos
ist elementar, der des Prometheus geistig.« (Ebd., ) Kronos herrschte
vor den Göttern und wurde von Zeus, dem Gott der Mitte, verdrängt,
während Prometheus nach den Göttern kam und gegen diese aufbegehr-
te. Auch er wurde von Zeus besiegt, war aber gleichzeitig der Urvater des
titanischen Menschen. In Prometheus »kommt das titanische Wesen zu
einer eigentümlichen Vollendung« (ebd., ). Es zeichne sich aus durch
willensmäßiges Streben, Individualität und titanische Intelligenz, die
»rastlos, tätig, kunstfertig, auf Veränderung bedacht und […] in die Zu-
kunft weisend« (ebd., ) sei. Prometheus sei vor allem ein Arbeiter und
als solcher der Ahnherr des homo faber: »Die prometheische Welt ist im-
mer auch eine Arbeitswelt; ihr Titanismus wird uns nirgends deutlicher
als dort, wo sie in rastlos erfinderischer Arbeit tätig ist, in dem Umkreis
ingeniöser Gedanken, im Bereich der Werkstätten.« (Ebd., )
Der titanische Mensch war für Jünger also in erster Linie ein pro-
metheischer Arbeiter, der sich dessen »Übermaß des Willens« zu Eigen
gemacht hatte und dadurch »in das titanische Wesen verflochten wird«
(ebd., ). Der »zur Autonomie strebende Verstand« (ebd., ) des pro-
metheischen Menschen schaffe aber nur eine scheinbare Freiheit. Tat-
sächlich verstricke sich der Mensch durch die »Willensmäßigkeit der
Anstrengungen« in eine »titanische Notwendigkeit« (ebd., ), der er
letztlich ausgeliefert sei. Durch Selbstüberschätzung und Anmaßung er-
liege er der Versuchung des »Gigantischen« (ebd., S. ). In dieser Rede
vom Gigantischen und »Riesenhafte[n]« (FGJ , ) der titanischen
Technik ist eine weitere Parallele zu Martin Heidegger zu entdecken, der
die technischen Machenschaften ebenfalls als Auswüchse des »Riesenhaf-
ten« (MH /, ) bezeichnete. Für Friedrich Georg Jünger wurde
angesichts dieser Konfrontation mit dem Riesenhaften Sisyphos zum
Sinnbild des titanischen Menschen:
»Sisyphosarbeit ist alle Arbeit, die ohne Frucht bleibt, ist Anstren-
gung, bei der nichts herauskommt. Derjenige also, der die Arbeit als
solche anpreist, der für sie um ihrer selbst willen Respekt verlangt,
führt den Sisyphismus wieder in unser Leben ein. Der Titanismus des
Menschen tritt immer wieder dort hervor, wo das Leben als Arbeits-
leben, die Welt als Arbeitswelt begriffen wird; er wird sichtbar in
riesenhaften Plänen und Anstrengungen, die alles Maß überschreiten
und kläglich scheitern an der Erschöpfung aller Kräfte.« (FGJ ,
)
Diese Passage kann durchaus als Kommentar gelesen werden zur Selbst-
überhebung des Krieg führenden »Dritten Reiches«. Vor allem aber er-
scheint sie als Kommentar zu Ernst Jüngers »Arbeiter«, in dem ja tat-
sächlich »das Leben als Arbeitsleben« und »die Welt als Arbeitswelt«
beschrieben und gepriesen wurde. An anderer Stelle findet sich ein ähn-
licher Kommentar, der zugleich das apollinische Gegenbild Friedrich
Georg Jüngers beinhaltete, für den nur musische Arbeit nicht-entfremdete
und -entfremdende Arbeit war:
»Die Arbeit kann nicht als solche geehrt werden, nicht deshalb weil sie
Arbeit ist, denn wo das geschieht, dort verliert sich aller Fleiß, alle
Tätigkeit in der Finsternis, dort wird das Knechtische und auch das
Fruchtlose unseres Mühens rasch sichtbar. Die Musen dürfen sich von
unsrer Arbeit nicht zurückziehen und sie nicht fliehen, denn wo sie es
tun, dort nehmen sie die Freude mit, dort geht auch das Schöne unter.
Die Zeiten der amusischen Arbeit sind immer auch die dunkelsten, im
Leben des Einzelnen wie der Völker; sie sind erinnerungsleer, weil
Mnemosyne, welche die Mutter der Musen heißt, ihnen fern bleibt.«
(FGJ , f.)
An anderer Stelle bemerkte Jünger: »Prometheus und Apollon stehen sich
fremd gegenüber« (FGJ , ). An dieser Einordnung seiner Technik-
kritik in den Kontext des mythischen Denkens wird zum einen deutlich,
was Friedrich Georg Jünger dem technisch-prometheischen Leben entge-
gensetzen wollte: das musisch-apollinische. Zum anderen offenbarte sich
darin Jüngers Perspektive auf den Mensch im technischen Zeitalter, der
in der Moderne nur wieder aufs Neue zwischen die Fronten von Göttern
und Titanen geraten sei:
»Die Titanen nähern sich dem Menschen in dem Verhältnis, in dem
die Götter sich von ihm entfernen und sich ihm entfremden. In einer
entgötterten Welt muß das Titanische in seiner alten Kraft wieder ein-
ziehen. […] Der Mensch aber, der sich dem Titanischen wieder zu-
-
neigt, ist bedroht, denn es ist offenbar, daß die Götter das Titanische
am Menschen nicht lieben.« (Ebd., )
Martin Heidegger sprach zwar nicht von den Titanen, aber ebenfalls von
der »Flucht der Götter« (MH /, ) und der Gottlosigkeit des
technischen Zeitalters. Da er dabei ebenfalls an den griechischen Götter-
himmel dachte, war ihm Friedrich Georg Jünger darin näher als seinem
Bruder Ernst, der während des Zweiten Weltkriegs durch seine Bibel-
lektüre den christlichen Gott wiederentdeckte. Für Martin Heidegger
galt in ähnlicher Weise wie für Friedrich Georg Jünger, dass der Mensch
in der entgötterten Moderne selbst zum Opfer seines prometheischen
Dranges werde und sich »in seiner eigenen Mühle« (FGJ , ) fange,
wie es bei Jünger hieß.
In einer offen apokalyptischen Passage wiederholte Friedrich Georg
Jünger noch einmal seine in den »Illusionen der Technik« entwickelte
Vision der »Elementarisierung« der Maschinenwelt, die deren explosive
Selbstzerstörung herbeiführe, und ordnete so seine technikkritischen
Grundideen in die mythologische Deutung ein (vgl. ebd., f.). Damit
kam er in den »Titanen« zu demselben Schluss wie in den »Illusionen der
Technik«. Anders als dort entwickelte er in seinen Arbeiten über die grie-
chische Mythologie allerdings deutlicher das Gegenbild eines musischen,
götternahen Lebens, das er dem technisch-prometheischen entgegen setzen
wollte. Durch die Betonung der »Willensmäßigkeit« und der Täterschaft
des prometheischen Menschen wird zugleich erkennbar, dass diese Ge-
genüberstellung von musischem und technischem Leben ebenfalls in den
Übergang von der Aktion zur Kontemplation eingeordnet und damit als
Ausdruck des Abschieds von der Tat verstanden werden muss. So schrieb
Friedrich Georg Jünger über Prometheus: »Die Leidenschaft des Schaf-
fens und Hervorbringens macht ihn zum Handelnden; wie alle Täter kann
er sich der Tat nicht entziehen, und das Element, das er in Bewegung
gesetzt hat, verschlingt ihn zuletzt.« (Ebd., ) Der musische Mensch
hingegen könne sich der Tat entziehen.
Schon in den »Illusionen der Technik« hatte Friedrich Georg Jünger
von dem »geistigeren Wissen, das keiner Mechanik unterworfen werden
kann« (FGJ , ), gesprochen, das dem Techniker aber unzugänglich
sei. In den Abhandlungen zur griechischen Mythologie demonstrierte er,
welcher Art dieses geistigere Wissen seiner Meinung nach sein könne.
Die Idee des musischen Seins wurde dabei zum Leitbild auch aller seiner
späteren Essays und literarischen Schriften und vor allen Dingen seiner
Auseinandersetzung mit der Politik und seiner eigenen politischen Ver-
gangenheit. Indem die Arbeiten zur griechischen Mythologie schon wäh-
rend des »Dritten Reiches« begonnen und zum Teil publiziert, nach
von Friedrich Georg Jünger aber unverändert weitergeführt und ver-
öffentlicht wurden, demonstrieren sie ebenso wie die Abhandlungen zur
Technik die Bruchlosigkeit, mit der er die unmittelbar vor und während
des Zweiten Weltkriegs gewonnenen Ansichten in die Nachkriegszeit
transportierte. wähnte er sich noch genauso »inmitten einer Zeit des
Titanismus« (FGJ , ) wie . Diese Kontinuität wird weiter
unten noch genauer zu thematisieren sein. Zunächst gilt es aber zu unter-
suchen, welchen Stellenwert der Zweite Weltkrieg innerhalb dieses kon-
tinuierlich fortgeführten Denkens hatte.
Schon in der ersten Fassung der »Illusionen der Technik« hatte Friedrich
Georg Jünger den Ersten Weltkrieg als Fortsetzung des technischen Fort-
schritts mit gewaltsamen Mitteln gedeutet. Die erweiterte Ausgabe der
»Perfektion der Technik« ergänzte er um einen Anhang, in dem er
die beiden Weltkriege gemeinsam als technische Phänomene behandelte.
Darin kam zweierlei zum Ausdruck: Zum einen deutete Friedrich Georg
Jünger den Zweiten Weltkrieg als unmittelbare Fortführung des Ersten
und zum anderen passte er ihn vollständig in seinen Interpretations-
rahmen der technischen Moderne ein. Gleichzeitig wird deutlich, dass
Friedrich Georg Jünger den modernen Krieg nach wiederum mit
denselben Begriffen beschrieb wie Ernst Jünger nach . So sprach er
etwa vom »strenge[n] Arbeitscharakter der Weltkriege« (FGJ a, ).
Der Krieg selbst werde zur Arbeit, die »Soldaten wandeln sich zu Arbei-
tern«, die »Schlachtfelder gleichen nun Industrielandschaften«, es »ver-
schwinden Pracht und Glanz der Uniformen«, der Soldat »schlüpft jetzt in
seine farblose Arbeitsuniform und Arbeitsmontur« (ebd., ). All das sind
Formulierungen, die Ernst Jünger in ähnlicher Form schon nach dem Er-
sten Weltkrieg verwandte. Auch bei Friedrich Georg Jünger sprach sich
darin die Trauer über den Verlust eines heroischen und sinngeladenen
Kriegsgeschehens aus. Es gebe kein Heldentum mehr, sondern nur noch
einen »Mut des Aushaltens«, der Tod »hat nichts Feierliches mehr; er
kommt als Mechaniker«, der Soldat sei inmitten der »kahlen, leblosen,
zerstörten Landschaft […] isoliert, schutzlos, ungetröstet« (ebd., ).
Anders als Ernst Jünger betonte Friedrich Georg Jünger aber nun den
zerstörerischen Charakter des Krieges mit seiner »abnutzenden Kraft«
(ebd., ) auch gegenüber der Natur und ordnete ihn in seine Technik-
kritik ein. Die Mobilmachung erschien als Aufzehrung aller »festen Besitz-
stände«, als »Zugriff auf die Substanz« (ebd., ), denn der Krieg »frißt
einfach alles auf, was in seinem Bereiche liegt« (ebd., ). Im Krieg werde
der Mensch so zum Opfer seiner eigenen technischen Machenschaften:
»Die Materialschlacht in ihrer ganzen Ideenlosigkeit und Planmäßigkeit
bietet ein Bild des Menschen, der sich in die Netze seines eigenen Den-
kens verfangen hat und von seiner eigenen Maschinerie vernichtet wird.«
(Ebd., )
Der Unterschied zwischen den beiden Weltkriegen bestand in der
Darstellung Friedrich Georg Jüngers nur noch darin, dass der Erste Welt-
krieg den Übergang von der alten zur neuen Kriegsordnung markierte,
während der Zweite von Anfang an als technischer Arbeitskrieg begann
und dementsprechend in seinem Arbeitscharakter noch ausgeprägter und
fortgeschrittener war: »Die Erfahrungen des ersten Weltkrieges, die tech-
nischen nämlich, sind im zweiten Weltkrieg verwertet worden« (ebd.,
), »Krieg und Technik verzahnen sich immer genauer« (ebd., ), der
Krieg »ist total geworden; er stützt sich auf eine totale Apparatur, auf eine
totale Organisation«, die »Umwandlung der Staaten in riesenhafte, auto-
matisierte Rüstungsfabriken schreitet fort« (ebd., ). Dementsprechend
waren auch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs noch umfassender
und wurden von Friedrich Georg Jünger als Ergebnis der technischen
Selbstzerstörung gedeutet, denn der »totale Arbeitscharakter« der beiden
Weltkriege laufe folgerichtig auf »totale Abnutzung« (ebd. ) hinaus.
Da ein »stabiler Zustand« im »Zeitalter der Technik« und seiner »Revo-
lution in Permanenz« (ebd.) nicht erreicht werden könne, dieses trotz
der Zerstörungen mit dem Zweiten Weltkrieg aber noch nicht beendet
worden sei, war es für Friedrich Georg Jünger nur eine Frage der Zeit,
wann es zum »dritten Weltkrieg« (ebd., ) komme. Die einzige Mög-
lichkeit, diesen zu verhindern, liege in einer Überwindung des techni-
schen Denkens, das Jünger an dieser Stelle eindeutig als kausale Ursache
der kriegerischen Zerstörungen benannte.
An dieser rückblickenden Deutung der beiden Weltkriege von
wird deutlich, dass Friedrich Georg Jünger die Ereignisse der Jahre
bis in erster Linie als Bestätigung seiner Vorkriegsprognose der tech-
nischen Selbstzerstörung verstand, die ihrerseits nicht zuletzt durch das
Erlebnis des Ersten Weltkriegs inspiriert gewesen war. Anhand seiner
Tagebücher und Briefe der Kriegszeit zeigt sich, dass er den Zweiten
Weltkrieg schon unmittelbar nach dessen Beginn mit den Kategorien zu
deuten begann, die er in den »Illusionen der Technik« entwickelt hatte.
So notierte er schon am . September, also vier Tage nach dem deutschen
Überfall auf Polen und zwei Tage nach der britisch-französischen Kriegs-
erklärung, über den Auftakt des Krieges:
»Mir fällt auf, daß alles, was der Organisation unterliegt, perfekter ist
als . Ich will damit nicht sagen, daß wir gerüsteter und vorbereite-
ter sind als ; darüber weiß ich nichts. Daß die Organisation fort-
So schrieb er, »daß diese massiven Zerstörungen im Denken des Technikers prä-
formiert sind, daß dieses Denken sie hervorruft und aus sich entlässt, daß die
Welt von Ruinen und Leichen und das gewaltige Trümmerfeld, das den Menschen
umgibt, ein Korrelat, eine Entsprechung dieses Denkens ist« (FGJ a, ).
-
wird nicht viel von ihm übrig bleiben. Alles ist in jener rationalen
Weise geordnet, die der Auszehrung und Aufzehrung willig entgegen-
kommt, und da eine totale Organisation keine ruhenden Bestände
duldet, sind dem Abbau keine Schranken gesetzt.«
Auch wenn der Krieg für Friedrich Georg Jünger vorgeblich also wenig
Überraschendes bereithielt, schrieb er ihm doch eine »verwandelnde
Kraft« zu. Damit bezog er sich allerdings nicht auf sein eigenes Denken,
das die Verwandlung schon vollzogen hatte. Er erwartete vielmehr, dass
sich durch die Zerstörungen und Verheerungen des Krieges auch das
Denken der anderen verwandeln werde, der Technikgläubigen, die durch
die Katastrophe des Krieges nun ihrer Illusionen beraubt werden sollten.
In einem Brief an seinen Neffen Gert Deventer vom September , den
er ihm an die Ostfront sandte, brachte er diese Erwartung zum Ausdruck
und wiederholte dabei gleichzeitig noch einmal seine Einordnung des
Krieges in den Fortschritt der Technik und der »Demokratie«, womit bei
ihm das Zeitalter der Massen gemeint war. Da der Krieg »im Zusammen-
hang mit den allgemeinen Gedanken, die alle Begriffe von Schonung
aufheben, mit dem Fortschritt der Technik und der Richtung, die die
Demokratie genommen hat«, stehe, nehme er an, »dass diese Kämpfe ei-
nen Eindruck hinterlasse werden, der nicht zu verwischen ist, dass sie das
Denken, den Geist und die Empfindungen der Beteiligten verändern
werden. Für manche mag diese Medizin wohl zu stark gewesen sein, aber
das Gute an ihr bleibt doch, dass sie die Illusionen beseitigt und den
Trug, der die Augen blendet.« In diesem Sinn ordnete Friedrich Georg
Jünger dem Zweiten Weltkrieg eine Art apokalyptischen Sinn zu, da er
den Untergang der technischen Welt beschleunigen und so zu einer Rei-
nigung und Erneuerung führen sollte. »Das, was sich heute gegen den
Menschen kehrt, hat der Mensch seit langem an der Natur ausprobiert
und nicht geargwöhnt, dass eine Antwort zurückkommen würde«, schrieb
er im September an seinen dritten Bruder Wolfgang Jünger. »Darin
liegt für mich der Sinn des Krieges, dass er zu einem neuen Denken
zwingt, je länger er dauert, desto tiefer wird die Korrektur gehen.«
Inwiefern die Antwort auf den technischen Raubbau von der Natur
selbst komme, blieb unklar. Aber es wird deutlich, dass Friedrich Georg
Wahn des Menschen umgibt sie finster wie der Ruß die Schmieden.
Dennoch glaube ich, dass dieser Schmerz nicht umsonst erlitten wird
und dass er reinigender ist als Meerwasser, Schwefel und Lorbeer. Der
Schmerz des Menschen ist ja nicht blind wie der der gepeinigten Krea-
tur, er hat Augen. Mit der Zerstörung bricht zugleich eine Flut von
Schlamm und Schmach herein, und indem ich dieser entgegensehe,
spüre ich deutlicher, was das Vaterland dem Menschen ist.«
Diese Art des apokalyptischen Optimismus wechselte allerdings, gerade
in den letzten Kriegsmonaten, mit Momenten des Pessimismus, in denen
Friedrich Georg Jünger davon ausging, dass das Ende der technischen
Vorherrschaft trotz der Kriegskatastrophe nicht absehbar sei. »Der Krieg
nähert sich seinem Ende,« schrieb er in seinem Tagebuch am . Januar
, »nicht aber das Unheil.« Im März ergänzte er, dass der »Fort-
gang alles Technischen« auch bedeute, »daß die Zerstörung fortgeht«.
Dieses Schwanken zwischen einer apokalyptischen Sinnzuschreibung an
den Krieg einerseits und der Überzeugung, dass durch ihn im Wesent-
lichen nichts entschieden worden sei, wie Heidegger später sagte, an-
dererseits, findet sich im Übrigen auch bei Ernst Jünger. Dieser schrieb
im März an seinen Bruder Friedrich Georg über den Krieg, dass
darin »ein neues Bild des Menschen« ausgetragen werde, wozu »der alte
Mensch zerbrochen werden« müsse. Im Dezember war er dagegen
der Meinung, dass das kommende Jahr zwar »große Veränderungen brin-
gen« werde, »aber nur in der empirischen Verteilung der Macht. Solange
sich die Anschauung nicht über den technischen Prozeß erhebt, wird von
einer wirklichen Besserung nicht die Rede sein«.
Ernst Jünger allerdings auch schon vermutet; vgl. seinen Brief an F. G. Jün-
ger vom . Juni , in: Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. .
Vgl. zu Heideggers Deutung des Zweiten Weltkriegs auch Losurdo, Heidegger,
der allerdings in erster Linie die Verschiebungen in Heideggers Nihilismusbegriff
während der Kriegsjahre untersucht, die hier schon behandelt worden sind.
M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz.
Ebd.
Wobei die Protagonisten von Heideggers Gespräch bei den Zerstörungen offen-
sichtlich in erster Linie an die Zerstörungen der »Heimaterde« (MH /,
) dachten.
Auffallend ist, dass Heidegger zur Kennzeichnung des »Zeitalters der Verwüstung«
in diesem Gespräch auch die Kategorie des »Bösen« verwendete, die in seinen
übrigen Schriften eine untergeordnete Rolle spielte; vgl. dazu Irlenborn, Ingrimm.
Heideggers Formulierung, dass die verwüstete Welt im Glanz ihres Aufstiegs »er-
strahle«, stellt eine frappierende Ähnlichkeit zu der berühmten Eröffnung der
»Dialektik der Aufklärung« von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno dar,
die vollends aufgeklärte Erde »strahle« im Zeichen triumphalen Unheils (Hork-
heimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. ); vgl. zu den Grenzen des Ver-
gleichs von Heidegger und Horkheimer/Adorno, der hier leider nicht durchge-
führt werden kann, Rabinbach, Shadow, S. -; McCormick, »Questioning«.
-
Alle drei waren sich in Bezug auf die »seinsgeschichtliche« Bedeutung des
Zweiten Weltkriegs aber einig, dass er auf der Ebene der »empirischen
Wirklichkeit« nichts wesentliches entscheide, dass er aber die Möglich-
keit einer Reinigung und Läuterung eröffne, insofern in ihm die tech-
nische Selbstzerstörung zur Vollendung komme. Nach dem Krieg waren
sie dann gleichermaßen der Meinung, dass diese Überwindung der tech-
nischen Neuzeit durch den Krieg noch nicht erreicht worden sei.
Die Unterscheidung zwischen dem äußerlichen Kriegsgeschehen und
einer dahinter verborgenen wesentlicheren Bedeutung führte besonders
bei Friedrich Georg Jünger und Martin Heidegger dazu, dass die tatsäch-
lichen Leiden und Zerstörungen auf spezifische Weise ausgeblendet wur-
den. So schrieb Heidegger schon im November an Frau Bauch, de-
ren Mann bereits zur Wehrmacht eingezogen war: »Dieser Krieg verlangt
von den Wissenden die größten Opfer; denn die inneren Verwüstungen
übertreffen wesentlich alle künftigen äußeren Zerstörungen.« Vor allen
Dingen scheint es aber die Tatsache gewesen zu sein, dass Friedrich
Georg Jünger und Heidegger den Krieg gänzlich in ihre schon vor
entwickelten Interpretationsschemata des technischen Selbstlaufs und
des Zeitalters der Seinsverlassenheit einordneten, die sie daran hinderte, die
neue Qualität der Kriegsführung und besonders der Kriegsverbrechen
und der im Zuge des Krieges verfolgten »Endlösung« wahrzunehmen.
Bei Friedrich Georg Jünger fanden diese Verbrechen nahezu keine Erwäh-
nung. In einem Tagebucheintrag vom . November kam er zwar
auf die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten zu sprechen, deutete sie
aber nicht als Ergebnis des rassistischen und eugenischen Denkens, son-
dern als Resultat »rationaler Erwägungen«:
»Es bestätigt sich, was ich nicht glauben wollte, daß man einen großen
Teil der Geisteskranken und Geistesschwachen in Deutschland getötet
hat. Raskolnikow tötete eine alte Wucherin, weil er sie für nutzlos
hielt, aus rationalen Erwägungen also. Auf diesem Wege ist schwer ein
Während Friedrich Georg Jünger und Martin Heidegger nicht zur Wehr-
macht eingezogen wurden ( Jünger wegen seiner Schulterverletzung aus
dem Ersten Weltkrieg, Heidegger wegen seines Alters) und den Krieg als
Zivilisten erlebten, erhielt Ernst Jünger schon im August seinen
Mobilmachungsbefehl und nahm als Hauptmann am Frankreichfeldzug
teil, »als einer der Wenigen, die sich freiwillig an die Front gemeldet
haben« (EJ/FH, ), wie seine Frau an Friedrich Hielscher schrieb. Als
Kompaniechef befehligte er ein Infanterieregiment, das zunächst im Be-
satzungs- und Sicherheitsdienst und nach dem Waffenstillstand als
Wachtruppe in Paris zum Einsatz kam. Im Juni wurde er auf Be-
treiben Hans Speidels, der zu dieser Zeit Chef des Generalstabs beim
Militärbefehlshaber in Frankreich war, als Hauptmann »zur besonderen
Verwendung« in den Kommandostab des Militärbefehlshabers Otto von
Stülpnagel versetzt, mit Speidel als seinem direkten Vorgesetzten. Jünger
verbrachte die meiste Zeit des Krieges in Paris, unterbrochen durch
mehrere Heimaturlaube in Kirchhorst und eine Inspektionsreise an die
Ostfront im Winter /. Nach dem . Juli wurde er aufgrund
seiner Kontakte zu den Widerstandskreisen um Carl-Heinrich von Stülp-
nagel (der seinen Vetter Otto als Militärbefehlshaber abgelöst hatte)
»vorläufig beurlaubt« und, nach Kirchhorst zurückgekehrt, im Oktober
aus dem Militärdienst entlassen. Anfang wurde er zum Kom-
mandanten des Volkssturms im Kreis Burgdorf bei Hannover bestellt
und veranlasste dort die kampflose Übergabe an die im April einrük-
kenden amerikanischen Truppen.
Ernst Jüngers Pariser Jahre während des Zweiten Weltkriegs sind häufig
beschrieben worden und sollen hier nicht noch einmal in aller Ausführ-
lichkeit dargestellt werden. Dokumentiert sind sie in Jüngers »Pariser
Tagebüchern«, die er zusammen mit den »Kaukasischen Aufzeich-
nungen« vom Winter / und den »Kirchhorster Blättern« von den
letzten Kriegsmonaten unter dem Titel »Strahlungen« veröffentlichte,
nachdem das Tagebuch vom Frankreichfeldzug schon unter dem
Titel »Gärten und Straßen« erschienen war. Jüngers ausführliche Schil-
In späteren Darstellungen hat Jünger immer wieder darauf beharrt, von sich aus
aus der Armee ausgetreten zu sein, so etwa schon im Dezember in einem
Brief an Gerhard Nebel (EJ/GN, ). In seinem Tagebuch schrieb er am . Ok-
tober allerdings selbst, »daß meine Entlassung verfügt worden ist« (EJ /
, ).
Vgl. als biographischen Überblick Meyer, Ernst Jünger, S. -; Noack, Ernst
Jünger, S. -.
Vgl. EJ / u. /. folgte dann das Tagebuch der Jahre bis
unter dem Titel »Jahre der Okkupation« (EJ /). In den späteren Ausgaben
wurden alle Tagebücher der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsjahre unter
dem Titel »Strahlungen« zusammengefasst. Vgl. dazu auch Hüppauf, Unzeit-
gemäßes; Bluhm, Tagebuch, S. -; ders.: Ernst Jünger. Die Tagebücher, die
Jünger von Anfang an mit Blick auf die Veröffentlichung schrieb, vor der Pub-
likation aber noch einmal gründlich überarbeitete, werden im Folgenden nach
den Erstausgaben zitiert.
-
derungen seiner Lektüre und seiner Streifzüge durch die Pariser Antiqua-
riate, seiner Teestunden bei der Damenwelt und seiner Abende in den
Salons der Kollaborationskultur sind nach dem Krieg vielfach kritisiert
worden. Seine bewusste Hinwendung zum Schönen und Geistigen kann
zwar einerseits als absichtsvolle Abwendung vom Politischen und Kriege-
rischen und damit als Ausdruck einer politischen Läuterung verstanden
werden. Sie stand andererseits aber gerade im Widerspruch zu seiner
Selbstaufforderung, »in keinem Augenblick [zu] vergessen, daß ich von
Unglücklichen, von bis in das Tiefste Leidenden umgeben bin« (EJ /
, ). Dieser Widerspruch wird dort noch deutlicher, wo Jünger im
Stil seiner früheren Kriegsbücher und in Fortführung des apokalyptischen
Kitsches der »Marmorklippen« Szenen kriegerischer Gewalt als erhabe-
nes Schauspiel beschrieb. Das berühmteste Beispiel für diesen Ästhetizis-
mus ist wohl der Eintrag vom . Mai , in dem Jünger beschreibt,
wie er bei Sonnenuntergang auf dem Dach des Hotel »Raphael« stand,
»ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand«, und
die Bombardierung der Seinebrücken durch alliierte Flieger beobachtete:
»Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schön-
heit, gleich einem Kelche, der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird.«
(Ebd., )
In dieser Szene blickte Jünger noch im Modus der optischen Distanz-
nahme auf das Gewaltgeschehen, den er im und nach dem Ersten Welt-
krieg entwickelte hatte. An anderen Stellen der »Strahlungen« wird aber
deutlich, dass diese Distanzierungstechnik im Zweiten Weltkrieg immer
öfter versagte. Dies zeigt sich vor allen Dingen in den »Kaukasischen
Aufzeichnungen«, die seinen Besuch an der Ostfront im Winter /
dokumentieren.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Ernst Jünger mehrfach von der »Ab-
straktion des Soldaten« (EJ a, ) gesprochen, die er mit der des
Arztes verglich und die ihm die Distanzierung von den Schrecken des
Krieges erlauben sollte. Als sich im Verlauf des Zweiten Weltkriegs die
Nachrichten über die systematischen Kriegsverbrechen besonders an der
Ostfront häuften, rief sich Jünger diese Distanzierungsmethode wieder
ins Gedächtnis. Angesichts von Berichten, dass es »in den großen Schin-
derhütten, die in den östlichen Randstaaten errichtet worden sind, ein-
zelne Schlächter gibt, die soviel Menschen mit eigener Hand getötet
haben, wie eine mittlere Stadt Einwohner zählt«, schrieb er im März :
»Solche Nachrichten löschen die Farben eines Tages aus. Man möchte die
Augen vor ihnen schließen, doch ist es wichtig, daß man sie mit dem
Blick des Arztes betrachtet, der eine Wunde prüft.« (EJ /, ) Es
war wohl nicht zuletzt diese Selbstbeauftragung zur unerschrockenen Be-
obachtung, die Jünger veranlasste, sich in den folgenden Monaten um
eine zeitweilige Versetzung an die Ostfront zu bemühen, wohin seine
Pariser Kameraden Hans Speidel, Clemens Graf Podewils und Horst
Grüninger bereits beordert worden waren. So schrieb er im August
an seinen Bruder Friedrich Georg:
»Es ist leicht möglich, daß ich mich in Kürze nach dem Kaukasus
begebe und erst gegen Ende des Winters nach Paris zurückkehre. Es
scheint mir notwendig, daß die Dinge dort unten von einem Auge
gesehen werden, und es scheint auch, daß der Staat oder die Armee
sich Kosten deswegen machen will. Ich hätte wohl Lust, die Berge und
Wälder, die Tolstoi in seinen ›Kosacken‹ schildert, einmal zu sehen und
darüber hinaus ein wenig vom Wüten der beiden Titanen, die dort
gegeneinander prallen.«
An Hans Speidel schrieb er, dass er glaube, sich »einmal im Osten umzu-
sehen« sei notwendig, »um ein vollständiges Urteil über den Krieg und
Sie seien nur noch »Arbeiter auf dem Gebiet der Befehlstechnik« (EJ /,
). An anderer Stelle schrieb Ernst Jünger über die Generale: »Die Generale
sind meist energisch und dumm, das heißt: von jener tätigen und disponierenden
Intelligenz, die jedem besseren Telefonisten innewohnt, und der die Masse eine
so stupide Bewunderung zollt.« (Ebd., ) Vom Krieg sprach er auch allgemein
als von einem »Kriege zwischen Arbeitern« (ebd., ).
Hüppauf, Schlachtenmythen, S. . Bernd Hüppauf weist auf die Verbindung
von Jüngers Arbeiter-Krieger zum nationalsozialistischen ›Neuen Menschen‹
auch mit Hinweis auf Hitlers »Mein Kampf« hin; vgl. ebd., S. sowie Vondung,
Apokalypse, S. .
-
Jünger lag also durchaus nicht falsch, wenn er in den Wehrmachts- und
SS-Soldaten des Zweiten Weltkriegs seine Gestalt des Arbeiters wieder-
erkannte. Jan Philipp Reemtsma hat Jüngers schriftstellerische Reaktion
auf diese erschreckende Erkenntnis als »Fading«, als »genaues Vorbei-
sehen« beschrieben. Denn in den »Kaukasischen Aufzeichnungen« löste
Jünger seinen Anspruch, die »Vernichtungsstätten« mit dem unerschrok-
kenen Blick des Arztes zu beobachten und zu beschreiben, nicht ein.
Tatsächlich ist unklar, was genau er während seines Aufenthalts an der
kaukasischen Front gesehen und in Erfahrung gebracht hat. Die Schilde-
rungen von Gewalt und Tod, die Eingang in die »Kaukasischen Aufzeich-
nungen« gefunden haben, beziehen sich jedenfalls nicht direkt auf Mas-
senerschießungen und Judenmord. Jünger selbst stellte fest, »daß ich zu
einer Bestandsaufnahme in diesem Lande nicht kommen werde: es gibt zu
viele Stätten, die Tabu für mich sind. Dazu gehören alle, an denen man
sich an Unschuldigen und Wehrlosen vergreift, und alle, an denen man
durch Repressalien und Kollektivmaßnahmen zu wirken sucht.« (EJ /
, ) Hannes Heer hat durch einen Abgleich von Jüngers Aufzeich-
nungen mit anderen Quellen zum damaligen Geschehen im Kaukasus
allerdings gezeigt, dass Jünger unmittelbar mit den dortigen Verbrechen
konfrontiert worden sein muss. Die Erwähnung einer Erschießung von
» Juden« durch den SD übertrug Jünger aber nicht von seinem Origi-
nalmanuskript in die veröffentlichte Fassung, ein Gespräch mit dem
Kontaktbeauftragten der Wehrmacht zu den Kommandos der Einsatz-
gruppe strich er aus den späteren Auflagen wieder heraus, ebenso wie den
Hinweis, dass Gespräche über den Judenmord bei seinen Begegnungen
mit Offizieren »üblich« (ebd., ) gewesen seien. Darüber hinaus muss
Jünger bei bestimmten Gelegenheiten vor der Wahl gestanden haben, als
Beobachter noch näher an die Verbrechen heranzukommen, denn in sei-
nem Tagebuch fragt er sich, »ob es nicht doch vielleicht gut wäre, die
Schreckensstätten aufzusuchen, als Zeuge, um zu sehen und festzuhalten,
welcher Art die Täter und die Opfer sind« (ebd., ). Dass er es nicht
tat, begründete er gleich darauf: »Dem steht entgegen der Ekel, der mich
schon bei der Vorstellung von solchen Schauspielen ergreift. Ich würde
sofort als Widersacher sichtbar sein. Wem wäre damit gedient?« (Ebd.)
Die »dem Ekel angemessene Gestik« aber ist, so Reemtsma, »das Weg-
drehen des Kopfes«.
Ernst Jünger ist allein aus der Tatsache, dass er sich von der unmittel-
baren Konfrontation mit den Mordaktionen emotional überfordert fühlte
und sie deshalb scheute, schwerlich ein moralischer Vorwurf zu machen.
Für den Kontext seiner Kriegsdeutung ist aber entscheiden, dass er den
eigenen Anspruch, scharf gestochene »Capriccios« von den Verbrechen
an der Ostfront zu liefern, so nicht einlösen konnte. Der Kaukasus wurde
zum »Desaster seines Wahrnehmungsprogramms«, und zwar genau des
Wahrnehmungsprogramms, das er unter anderem im »Arbeiter« ent-
wickelte hatte und dessen Verwirklichung ihm nun Ekel bereitete. In-
dem Jünger den »Arbeiter« verwirklicht sah, entglitt ihm zugleich der
wahrnehmungsscharfe Zugriff auf die Erscheinung, die sich aus seiner
Phantasie gelöst hatte. Symptomatisch für dieses Entgleiten war, dass für
Jünger das Deutungsangebot des »Arbeiters« zur Beschreibung des Ge-
waltgeschehens im Zweiten Weltkrieg nicht mehr ausreichte. Er griff nun
gleichermaßen auf die Gedankenwelt der »Marmorklippen« zurück, in
denen er seine Visionen der Menschenschlächterei im Vokabular des Dä-
monischen beschrieben hatte. So bemerkte er im Dezember lapidar:
»Die Schinderhütte, das ist die Realität.« (Ebd., ) Indem ihm der
von Technikern geführte Krieg und der »Mord als Verwaltungssache«
(EJ /, ) gleichzeitig als Vorgang der »dämonischen Gewalt«
(EJ /, ) erschienen, brachte Jünger nun die Technik, die in den
»Marmorklippen« keine Rolle gespielt hatte, mit dem Dämonischen und
Bösen zusammen, so dass er in einem Atemzug von der »Lemuren- und
Automatenwelt« sprechen konnte. Vor allen Dingen aber bedeutete die
S. . Peter de Mendelssohn antwortete auf die Frage, wem mit Jüngers
Zeugenschaft gedient gewesen wäre: »mir zum Beispiel« (Mendelssohn, Gegen-
strahlungen, S. ).
Reemtsma, Es schneet der Wind, S. .
Lethen, Jüngers Desaster, S. .
Am . Mai , einen Tag vor der oben zitierten Burgunder-Szene, hat Jünger
seinen »Ekel« übrigens selbst als »Schwäche« bezeichnet und sich ermahnt, »der-
gleichen« zu betrachten »wie der Arzt den Kranken« (EJ /, ), also sein
im Kaukasus zusammengebrochenes Wahrnehmungsprogramm wieder aufzu-
nehmen. Gemeinhin wird auf den Zusammenhang dieser Passage zur Burgun-
der-Szene hingewiesen, auch wenn ein Arzt beim Anblick von Fliegerangriffen
vielleicht nicht ohne weiteres an eine tödliche Befruchtung denken muss.
Vgl. zur Wiederkehr des Schinderhüttenmotivs in den »Strahlungen« auch Ehrke-
Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. -.
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
-
vage Rede vom »Hauch der Schinderwelt« (ebd., ) den Abschied von
der zuvor propagierten Wahrnehmungsschärfe. Die nebulöse Formulie-
rung von den »Lemuren-Wäldern im Osten« (ebd., ), von denen Jün-
ger im April gesprochen hatte, wurde auch durch seine Inspektions-
reise im darauffolgenden Winter nicht nachhaltig konkretisiert.
Bernd Hüppauf hat mit Blick auf die Nachkriegszeit darauf hingewie-
sen, dass man diese entkonkretisierende Redeweise vom »Dämonischen«
der »Schandtaten« im Osten nicht vorschnell als eine absichtsvolle Ver-
drängung interpretieren sollte, da Jünger in seiner Zeitgenossenschaft
noch keine anderen Sprachformen zur Verfügung gestanden hätten, um
das zu beschreiben, was erst später als »Holocaust« bezeichnet wurde.
Dieser Hinweis auf die Wahrnehmungskarenz während des Krieges und in
der Nachkriegszeit ist sicher nicht falsch, zumal Jünger nicht der einzige
war, dem die Sprache für die neuartigen Verbrechen fehlte. Gleichwohl
lässt sich nicht übersehen, dass die Entkonkretisierung des Geschehens
auch eine entlastende Funktion hatte und von Jünger zudem bewusst
betrieben wurde. Das zeigt sich etwa dort, wo Jünger aus den späteren
Bearbeitungen seiner ursprünglichen Aufzeichnungen Namens- und Zu-
ständigkeitsangaben wieder herausstrich, gerade auch dann, wenn es um
seine eigene Verantwortung als Offizier der Besatzungsarmee ging. In ei-
ner weiteren berühmten Szene der »Strahlungen« beschrieb Jünger etwa,
wie er am . Mai der Hinrichtung eines deutschen Deserteurs bei-
wohnte. Vergleicht man diese Passage in den »Strahlungen« mit Jüngers
Originaltagebüchern, wird deutlich, dass er seine eigene Funktion als lei-
tender Offizier dieser Erschießung in der Veröffentlichung weitgehend
ausblendete und sich zum rein von »höherer Neugier« (ebd., ) angetrie-
benen Beobachter stilisierte. Seine Befehlsgewalt spiegelte sich nur noch
in der Behauptung, er habe »manches menschlicher fügen [können], als
es vorgesehen war« (ebd.), ohne dass genau angegeben wird, worin diese
menschlichere Fügung bestand.
Hüppauf, Whereof.
Vgl. zu diesem Vergleich Krömer, Handschriften, S. ff. Gerhard Heller, einer
der mit Jünger befreundeten Offiziere in Paris, bemerkte angesichts dieser Schil-
derung, dass »Jünger sich auf eine andere Stufe stellte als jeden x-beliebigen Be-
fehlsvollstrecker, obwohl er doch in der gleichen Zwickmühle steckte wie wir alle
und mit den gleichen Widersprüchlichkeiten fertigzuwerden hatte« (Heller,
Land, S. ).
Eine ähnliche Schutzbehauptung fand sich auch im Sommer , als das Be-
satzungsregime in seine erste Krise geraten war und mit groß angelegten Geisel-
erschießungen und Deportationen reagierte. In diesem Zusammenhang schrieb
Jünger: »Doch darf ich mich rühmen, daß in diesem Kriege in meiner Nähe
noch nie ein Rechtsbruch stattgefunden hat, und daß ich manchen verhinderte.«
(EJ /, ) Hannes Heer kommentiert diese Behauptung: »Von diesem
Selbstlob bleibt bei näherem Hinsehen nicht viel übrig – in seiner Dienststelle
war der Rechtsbruch zum Alltag geworden.« (Heer, Schweigen, S. ). In der
späteren Fassung der »Strahlungen« hat Jünger diesen Satz gestrichen.
-
Eintrittsgeld, das einem jeden abgenommen wird, und das den Rän-
gen angemessen ist.«
Bei dieser geschichtsphilosophischen Verallgemeinerung, die Jünger spä-
ter auch auf die Verbrechen anwandte, kamen ihm die Interpretamente
der »Gestalt des Arbeiters« und der »Dämonenwelt« gleichermaßen zu
Hilfe, denn beide funktionierten ohne unmittelbare Verantwortungszu-
weisung an politische und militärische Entscheidungsträger. Auch wenn
Jüngers Wahrnehmungsprogramm der unerschrockenen Beobachtung im
Kaukasus erschüttert wurde, fühlte er sich in seinen Deutungsmustern
aus dem »Arbeiter« und den »Marmorklippen« doch bestätigt, ja diese
Deutungsmuster erlaubten ihm gerade, das angeekelte Wegsehen als hö-
here Schau der geschichtsphilosophischen Zusammenhänge auszugeben.
Ähnlich wie Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger ordnete
letztlich also auch Ernst Jünger den Zweiten Weltkrieg in die Deutungs-
modelle ein, die er schon vor Kriegsausbruch entwickelt hatte; wobei er
im Falle des »Arbeiters« an seiner Idee eines Arbeitszeitalters festhielt und
lediglich deren Bewertung umkehrte. Die »Bilder der Entzauberung«
(ebd., ), die er vor allem im Kaukasus sah, bestätigten aber erst den
Abschied vom Militärischen, den er schon nach eingeläutet hatte.
Noch fragte er in Erinnerung an seine Kriegslust aus dem Ersten
Weltkrieg seinen vorgesetzten General: »Darf man hoffen, daß man noch
ins Feuer kommt?« (EJ /, ) Erst im Kaukasus übertrug sich der
Ekel vor den Mordaktionen auch auf das Militärische selbst:
»So erzählte der General Müller von den ungeheuerlichen Schandtaten
des Sicherheitsdienstes nach der Eroberung von Kiew. Auch wurden
wieder die Giftgastunnels erwähnt, in die mit Juden besetzte Züge
einfahren. Das sind Gerüchte, doch sicher finden Ausmordungen im
größten Umfang statt. Ich dachte dabei an die Frau des guten Potard
in der Rue Lapérouse, um die er sich damals so ängstigte. Wenn man
in solche Einzelschicksale hineingesehen hat und dann die Ziffern
ahnt, in denen die Ermordung in diesen Schinderhütten sich voll-
zieht, eröffnet sich die Aussicht auf eine Potenzierung des Leidens, vor
der man die Arme sinken läßt. Ein Ekel ergreift mich dann vor den
Uniformen, den Schulterstücken, den Orden, dem Wein, den Waffen,
deren Glanz ich so geliebt. « (EJ /, )
Georg im November dachte Ernst Jünger bei den »Ausmordungen« übri-
gens an Raskolnikow: »Der Mensch hat also jenen Stand erreicht, der sich seit
langem angedeutet, und wie ihn Dostojewski im Raskolnikow beschrieben hat.
Dann sieht er seinesgleichen als Laus, als Ungeziefer an. Gerade davor muß er
sich hüten, wenn er nicht in die Insektensphäre hineingeraten will.« (Ebd., )
So Jünger in einer späteren Fassung des zweiten Pariser Tagebuchs; vgl. Jünger,
Ernst: Strahlungen II, München , S. .
Im Vorwort zu den »Strahlungen« von erklärte Jünger seine Zweifel am
Nutzen des Attentats erneut: »Ich war der Überzeugung, daß ohne einen Sulla
jeder Angriff auf die plebiszitäre Demokratie notwendig zur weiteren Stärkung
des Niederen führen musste, wie es denn auch geschah und weiterhin geschieht.«
(EJ /, ) In einem Brief an Alfred Andersch vom . Oktober gab
Jünger in einer weiteren Äußerung zum . Juli zudem zu bedenken, dass Hitler
bei einem geglückten Attentat zu einem Heiligen geworden wäre; vgl. E. Jünger
an A. Andersch, .., A: Andersch, Fiche-Nr. , DLA Marbach.
-
Dass Ernst Jünger ein Attentat auf Hitler für sinnlos hielt, bedeutete nicht,
dass er den militärischen Widerstand gegen das NS-Regime ablehnte. Im
Gegenteil, in Paris hatte er unmittelbaren Kontakt zu den militärischen
Widerstandskreisen und war zum Teil auch an deren taktischen Über-
legungen beteiligt. Vor allen Dingen aber fungierte er als eine Art weltan-
schaulicher Ideengeber und als metaphysisches Orakel für die »Fronde
im totalen Staat« (ebd., ). Der Gesprächsort, an dem sowohl die
geistigen wie gelegentlich auch die taktischen Fragen des militärischen
Widerstands besprochen wurden, war die so genannte »Georgsrunde«,
benannt nach dem Hotel »George V«, in dem Hans Speidel residierte.
Sie bildete, so Jünger »im Innern der Militärmaschine eine Art von Farb-
zelle, von geistiger Ritterschaft; wir tagen im Bauche des Leviathans und
suchen noch den Blick, das Herz zu wahren für die Schwachen und
Schutzlosen« (ebd., ).
Diese Rede von der »geistigen Ritterschaft« war bereits Teil von Jün-
gers Stilisierung der Wehrmacht und speziell des Offizierskorps um den
Militärbefehlshaber in Paris zum aristokratischen Gegenspieler von
NSDAP, SS und Gestapo. Diese Stilisierung entsprach auch der Intention
Hans Speidels, der Jünger damit beauftragte, »den unterirdischen Kampf
zwischen Partei und Wehrmacht« innerhalb des Besatzungsregimes zu
dokumentieren. In Erfüllung dieses Auftrags verfasste Jünger zwei
Denkschriften, von denen allerdings nur diejenige über die Geisel-
erschießungen in den Jahren und erhalten blieb; die andere
über den »Kampf um die Vorherrschaft in Frankreich zwischen Partei
und Wehrmacht« verbrannte Jünger nach dem . Juli .
In der Frage der Geiselerschießungen, mit denen die Besatzungsmacht
auf Attentate französischer Widerstandskämpfer reagierte, gab es tatsäch-
lich massive Differenzen zwischen dem Militärbefehlshaber in Frankreich
auf der einen und dem Oberkommando der Wehrmacht und der NS-
Führung auf der anderen Seite, da letztere auf wesentlich drakonischere
Repressionsmaßnahmen drängten als es dem Militärbefehlshaber zur
Aufrechterhaltung eines kontrollierbaren Besatzungszustands ratsam er-
Vgl. als Erinnerungen anderer Mitglieder dieser Runden Heller, Land; Speidel,
Zeit, S. -; Bargatzky, Hotel Majestic.
Speidel, Zeit, S. . Allgemein erinnerte sich Speidel über die Abmachung mit
Jünger: »Das Arbeitsgebiet sollte historiographische Aufgaben umfassen, ihm
aber auch Zeit und Möglichkeit zu eigener Arbeit lassen.«
Vgl. Berggötz, Ernst Jünger; Meyer, Kleistische Prosa.
schien. Gleichzeitig war es Otto von Stülpnagel, der zwar als Reaktion
auf die besagten Differenzen im Februar von seinem Posten als Mili-
tärbefehlshaber zurücktrat, der zuvor aber von sich aus die Deportation
von Juden aus Paris als Kompensation dafür vorgeschlagen hatte, weniger
französische Geiseln erschießen zu müssen. Jünger sprach rückblickend
durchaus zu Recht von Stülpnagels Zwangslage, »in der man eigentlich
nur Fehler machen kann« (EJ /, ). Seine Schilderung lief aber
dennoch auf eine klare Dichotomisierung von verbrecherischer Partei
und anständiger Militärführung hinaus. Die in den Originaltagebüchern
zum Teil deutlichere Kritik an Otto von Stülpnagel hat er für die Veröf-
fentlichung geglättet, die Zeit der ersten Geiselerschießungen im Spät-
sommer wurde in den »Strahlungen« einfach ausgespart, genau wie
Jüngers Kontakt zu dem ebenfalls in Paris stationierten SS-Offizier Werner
Best. All das diente ebenso wie die oben beschriebene Verschleierung
von Verantwortlichkeiten dazu, den Anschein zu erwecken, man habe in
der Wehrmacht seiner vaterländische Pflicht nachkommen können,
ohne sich durch die Beteiligung am Unrechtsregime des Nationalsozialis-
mus kompromittieren zu müssen. Gottfried Benn prägte dafür den auch
auf Jünger passenden Ausdruck von der »Armee als der aristokratischen
Stattdessen kursierte der Aufruf »an die Jugend Europas und an die Ju-
gend der Welt« seit den letzten Kriegsmonaten in verschiedenen Ab-
schriften und Fassungen und wurde an verschiedenen Stellen im Ausland
publiziert. In Deutschland erschien er schließlich erst im Rahmen
von Jüngers erster Gesamtausgabe.
Der Grundgedanke der Friedensschrift wurde bereits auf der ersten
Seite ausgesprochen: Der Zweite Weltkrieg sei »das erste allgemeine Werk
der Menschheit« gewesen, weshalb nun auch der Frieden »für alle Segen
bringen« (EJ , ) müsse. Jünger verlangte zwar auch die »Wieder-
herstellung des Rechtes« (ebd., ) und damit die Verurteilung der »Hen-
ker« und »Mörder« (ebd., ). Er warnte aber in klassischer Weise vor
einer parteiischen Siegerjustiz und betonte, dass die Rechtssprechung
nicht auf Rache gerichtet sein dürfe, sondern der »Gesundung« (ebd., )
dienen müsse. Vor allen Dingen benannte er selbst an keiner Stelle die
»am Kriege Schuldigen«, die offenbar im ersten Entwurf der Friedens-
schrift noch im Titel vorkamen. Das nationalsozialistische Regime wurde
an keiner Stelle als in besonderer Weise verbrecherisch hervorgehoben.
Stattdessen sprach Jünger vom »stets gleiche[n] Antlitz der Tyrannei«, bei
der »der weisse mit dem roten Schrecken wechselte« (ebd., ). Folglich
wurden auch die Kriegsverbrechen und genozidalen Morde nicht genauer
unterschieden, denn »die grossen Massengräber sind einander gleich«
(ebd.).
In konsequenter Fortführung der Entkonkretisierung und Entdifferen-
zierung, die schon in den Kriegstagebüchern angelegt war, führte Jünger
die »Schreckenswelt« (ebd., ) auf den allgemeinen »Nihilismus« als der
»tiefste[n] Quelle des Uebels« (ebd., ) zurück. Er sprach wiederum von
sie allerdings bereits gegen das alliierte Gesetz Nr. , das Vorbereitung, Druck
und Verbreitung nicht genehmigter Schriften verbot. Benno Ziegler wurde des-
halb im Februar vom britischen . Information Control Unit verhört, wor-
aufhin der Hanseatischen Verlagsanstalt die Lizenz entzogen wurde; vgl. dazu
neben Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. auch den Bericht Benno Zieg-
lers in Coudres, Geschichte, S. ff.
Vgl. zur komplizierten Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte Tommis-
sen, Friedensschrift. Im Folgenden wird »Der Friede« nach der ersten eigenstän-
digen Buchpublikation zitiert, die mit einem aktuellen Geleitwort von Ernst
Jünger in Amsterdam erschienen ist; vgl. EJ .
Darin war auch die Warnung enthalten, »die Fehler von Versailles« (EJ , )
nicht zu wiederholen.
Hierin äußert sich auch bereits das Totalitarismusdenken des Kalten Krieges, das
vor allen Dingen in Deutschland dazu diente, die deutschen Verbrechen mit
Hinweis auf die sowjetischen zu relativieren.
-
der »Schinderhütte« (ebd., ), wobei er die »kalte Mechanik der Verfol-
gung« und die »überlegte Technik der Dezimierung« (ebd., ) für deren
besonderen Schrecken verantwortlicht machte. Er spielte auch konkret
auf die Konzentrations- und Vernichtungslager an – allerdings ohne
Namen zu nennen –, in denen »die bleierne Tyrannis im Bunde mit der
Technik endlose Bluthochzeiten feierte« (ebd., ). Doch auch hier verall-
gemeinerte er die Schuld ins Unverbindliche, denn »die Schändung war
derart, dass sie das ganze menschliche Geschlecht berührte, und keiner
sich der Mitschuld entziehen kann« (ebd.).
In dieser welthistorischen Situation der ubiquitären Schuld bedürfe
es, so Jünger, einer allgemeinen »Sühne« (ebd., ), die nur durch eine
»Heilung zunächst im Geist« (ebd., ) zu erlangen sei: »Ein jeder war
mitschuldig, und es gibt keinen, der nicht der Heilung bedürfte, die
durch die Welt des Schmerzes vorbereitet ist.« (Ebd., ) Dieser Heilung
sei aber zuvor die »Reinigung durch Feuerflammen« (ebd., ) voraus-
gegangen. Dieser Vorstellung einer Reinigung durch Vernichtung und
Schmerz eignete wiederum eine apokalyptische Qualität, die man schon
von Jüngers früheren Schriften kennt. Die Opfer des Krieges wurden auf
diese Weise zum »Grundstock« (ebd., ) für den Bau einer neuen Welt
und dadurch für sinnvoll erklärt, wobei galt, das die neuen Bauten um so
»höher in das Licht emporragen« (ebd., ), je größer die Opfer waren.
Anders als nach dem Ersten Weltkrieg sollte die neue Welt aber nun
nicht mehr auf dem Prinzip des Nationalen aufgebaut werden. Jünger
propagierte vielmehr die Vereinigung Europas, denn dass sei der einzige
Weg, »auf dem der Bruderzwist gerecht und mit Gewinn für jeden be-
endet werden kann« (ebd., ). An die Stelle der »Logik der Gewalt«
müsse die »höhere Logik des Bundes« (ebd., ) treten.
Diese Überwindung der Gewaltlogik konnte für Jünger aber nur durch
die besagte geistige Heilung gelingen, die er nun auch explizit als geistli-
che, das heißt religiöse Heilung bezeichnete. Schon in den »Strahlungen«
war Jüngers Hinwendung zum Theologischen erkennbar geworden.
Ähnlich wie auch Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger emp-
In dieser christlichen Wendung wird gleichzeitig deutlich, dass Jünger mit der
Einigung Europas auch die »Einheit des Abendlandes« (EJ , ) anstrebte.
In einer Notiz zum »Frieden« in den »Strahlungen« thematisierte Jünger ebenfalls
diese Wandlung: »Es ist richtig, daß viele meiner Ansichten und insbesondere
meine Wertung des Krieges und auch des Christentums und seiner Dauer sich
änderten. Doch weiß man bei der Arbeit in diesen alten Schächten niemals, ob
und wann man auf Minen stößt. Auch muß man den Einschnitt sehen, der dem
der Sanduhr gleicht. Während die Körnchen sich dem Punkte der größten
-
Dieser Versuch Ernst Jüngers, den Begriff der »Gestalt des Arbeiters«
auch für seinen Entwurf eines nachrevolutionären und postheroischen
Zeitalters zu retten, illustriert sehr deutlich sein Bemühen, die eigene
intellektuelle Wandlung als organische Weiterentwicklung zu interpre-
tieren. Dabei hielt er auch länger als etwa sein Bruder Friedrich Georg an
der Vorstellung fest, die Technik könne mit einem schöpferischen und
musischen Dasein versöhnt werden, wenn man sie nur »in ihr Gebiet«
verweise: »Die Mittel und Methoden des technischen Denkens dürfen
nicht dorthin übergreifen, wo dem Menschen Glück, Liebe und Heil er-
wachsen soll. Es müssen die geistig-titanischen Kräfte von den mensch-
lichen und göttlichen getrennt und ihnen unterstellt werden.« (Ebd., )
Auch wenn in diesen Sätzen der Einfluss Friedrich Georg Jüngers er-
kennbar ist, waren sich die Brüder nicht immer darüber einig, inwiefern
diese Unterstellung gelingen kann oder inwiefern die selbstzerstörerische
Eigendynamik des technischen Fortschritts eine solche Einhegung un-
möglich macht. Diese Frage war nach dem Krieg auch Gegenstand des
Gesprächs mit Martin Heidegger.
Allen dreien war unabhängig von der Antwort auf diese Frage ge-
meinsam, dass sie in der »Katastrophe« des Zweiten Weltkriegs zunächst
die Chance einer epochalen Wandlung der seinsvergessenen und gottes-
fernen Zeit erblickten. Darin wiederholte sich die apokalyptische Erwar-
tung, die besonders die Brüder Jünger schon an den Ersten Weltkrieg
gerichtet hatten. Der Zweite Weltkrieg sollte aber nicht mehr wie der
erste den »Auftakt einer gewaltmäßigen, bewaffneten Zeit« (FGJ a,
) bilden, sondern gerade den Auftakt einer friedlichen, der Schöpfung
zugewandten Epoche. Diese Hoffnung auf eine Ȇberwindung der Ver-
nichtungswelt« (EJ /, ) bzw. eine »Überwindung der Meta-
physik« (MH /b), wie es bei Martin Heidegger hieß, wurde in der
Nachkriegszeit allerdings enttäuscht, denn die Brüder Jünger und Hei-
degger erblickten in der Besatzungsherrschaft der Alliierten und in der
Errichtung der Nachkriegsdemokratie nichts als die Fortsetzung des Be-
Dichte, der größten Reibung zubewegen, ist ihre Tendenz eine andere, als wenn
sie ihn passiert haben. Die erste Phase steht unter dem Gesetz der Konzentration,
des Engpasses, der Totalen Mobilmachung, die zweite unter dem der endgültigen
Lagerung und Ausweitung. Es sind ein und dieselben Atome, deren Umlauf das
Bild ergibt.« (EJ /, )
In den »Strahlungen« empfahl er das Gebet als Gegenmittel gegen die technische
Übermacht: »Was kann man dem Menschen, und vor allem dem einfachen Men-
schen empfehlen, um ihn der Normung, an der auch die Technik ununter-
brochen mitwirkt, zu entziehen? Nur das Gebet.« (Ebd., )
Wobei darin auch ganz konkrete Enttäuschungen deutscher Interessen zum Aus-
druck kamen. So notierte Ernst Jünger kurz nach der Konferenz von Jalta im
Februar : »Wie man hört, soll Polen für an Rußland abzutretende Gebiete
entschädigt werden durch Oberschlesien und Ostpreußen. Das heißt, daß man es
auf der Gegenseite auch nicht besser zu machen gedenkt, als Kniébolo [Hitler] es
gemacht hätte. Die Blindheit der Menschen gegenüber allem, was seit Jahren die
Flammenzeichen so sichtbar lehren, flößt Entsetzen ein.« (Ebd., )
. Streit um die Tat
in der Nachkriegszeit -
schrieb Ernst Jünger rückblickend an seinen Bruder: »Ich weiß, daß ich den
Krieg, den ich nicht hätte mitgewinnen können, doch mitverloren habe, daher
war ein Stichjahr […].« (E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger,
DLA Marbach)
-
Alle drei erlebten das Kriegsende und den Einmarsch der alliierten
Truppen in ländlicher bzw. kleinstädtischer Abgeschiedenheit. Friedrich
Georg Jünger hat seine Erlebnisse am Bodensee in einem kurzen, post-
hum veröffentlichten Manuskript mit dem Titel »Besatzung «
(FGJ ) festgehalten, in dem er nicht nur den Ein- und Durchmarsch
französischer Truppen mit Einquartierungen, Beschlagnahmungen und
Plünderungen schilderte, sondern auch die eigene zeitweilige Internie-
rung in einem Barackenlager, in das er wie alle männlichen Einwohner
zwischen und Jahren für ein paar Tage eingewiesen wurde. Ernst
Jüngers Erfahrungen des Kriegsendes und der unmittelbaren Nachkriegs-
zeit in Kirchhorst nordöstlich von Hannover sind in dem publizier-
ten Tagebuch »Jahre der Okkupation« (EJ /) festgehalten, das den
Zeitraum vom April bis zum Dezember umfasst und erst in
späteren Ausgaben als sechster Teil in die »Strahlungen« integriert wurde
(dann unter dem Titel »Die Hütte im Weinberg«). In den Eintragungen
des Jahres , die den Großteil der Aufzeichnungen ausmachen, proto-
kollierte auch er den Einmarsch der amerikanischen Truppen sowie das
materielle Elend der Zivilbevölkerung und der in Niedersachsen ankom-
menden Heimatvertriebenen aus dem Osten.
Jüngers besondere Aufmerksamkeit galt dabei den Nachrichten von
den »grauenhaften Dingen, die aus den Ostprovinzen durchsickern, wo
Mord, Plünderung und unterschiedslose Vergewaltigung offensichtlich
Heereseinrichtungen sind« (ebd., f.). Die Erzählungen von diesen
»grauenhaften Ausmordungen« würden »alles unterbieten, was ich in un-
serer an solchen Schrecken doch überreichen Zeit seit vernommen
habe« (ebd., ). Jünger setzte die an Deutschen begangenen Verbrechen
damit bewusst in eine Relation zu den von Deutschen begangenen Ver-
brechen der vorangegangenen Jahre und ging noch über eine Gleich-
setzung hinaus. Dies tat er zu einem Zeitpunkt, an dem er nicht nur von
den selbst an der Ostfront beobachteten Kriegsverbrechen wusste, son-
dern auch Details aus den nun befreiten deutschen Konzentrationslagern
kannte. Denn schon am . Mai berichtete er in seinem Tagebuch,
ausführlich mit einem von zwei ehemaligen Häftlingen aus Bergen-Belsen
Die »Hütte im Weinberg« stammt aus einer von Jünger zitierten Bibelpassage aus
dem Buch Jesaja, die »eine Lage schildert, die der unseren gleicht: […] ›Euer Land
ist wüst, eure Städte sind mit Feuer verbrannt; Fremde verzehren eure Äcker vor
euren Augen, und es ist wüst wie das, so durch Fremde verheert ist. Was aber
noch übrig ist von der Tochter Zion, ist wie ein Häuslein im Weinberge, wie eine
Nachthütte in den Kürbisgärten, wie eine verheerte Stadt.‹« (EJ /, )
Vgl. Ebd., f.: »Ich fragte ihn, der eine Reihe von Lagern durchlaufen hatte,
nach Einzelheiten aus. Das grelle Licht fällt jetzt auf diese Orte und löst die Ge-
rüchte ab.«
Zit. n. Farías, Heidegger, S. .
-
tergang des »Dritten Reiches« wieder ganz mit den Deutschen identifi-
zieren konnte, die in der letzten Kriegs- und ersten Nachkriegszeit selbst
von Tätern zu Opfern geworden seien: »Die Lage des Deutschen ist jetzt
ganz ähnlich, wie die der Juden innerhalb Deutschlands war. Dennoch
ist’s besser, als ihn in ungerechter Macht zu sehen; an seinem Elend kann
man sich beteiligen.« (EJ /, ) Gerhard Nebel brachte diese
Wendung mit einer Formel zum Ausdruck, die auch für Ernst Jünger
galt: »Das Elend meines Volkes hat mich wieder an seine Seite ge-
bracht.« So notierte Jünger am . Juni in seinem Tagebuch: »Daß
ich auf der Seite der Besiegten stehe, kann ich nicht abstreiten. […] Aber
man kann und will sich sein Vaterland nicht aussuchen. Es gehört zum
Schicksal, zur Aufgabe.« (EJ /, f.)
Dieses identifikatorische Bekenntnis war nicht zuletzt Ausdruck einer
Trotzreaktion. Obwohl Ernst Jünger ebenso wie Friedrich Georg Jün-
ger und Martin Heidegger während des »Dritten Reiches« mehr oder
weniger deutliche Kritik am nationalsozialistischen Regime geäußert
hatte und sich selbst zu den geistigen Widerständlern zählte, hatte er
doch stets zwischen diesem Regime und dem deutschen Vaterland unter-
schieden. Als nach dem Krieg nun die Gesamtheit der Deutschen für
den Nationalsozialismus zur Verantwortung gezogen werden sollte, be-
harrte er auf der Unterscheidung zwischen dem Nationalsozialismus und
den Deutschen und forderte in einem Brief an Gerhard Nebel vom
. Februar : »Es ist sehr wichtig, daß das große Opfer des Volkes in
diesen Jahren als Positivum gesehen und als solches vom Negativum der
Partei getrennt werde. Die Tradition muß vom Hakenkreuz getrennt
werden.« (EJ/GN, ) In denselben Kontext gehörte auch die Abwehr
der sogenannten »Kollektivschuldthese«, die von Jünger nicht nur als
Nebel, Tyrannis, S. .
Vgl. Laak, Trotz.
erklärte Jünger seine Zurückhaltung gegenüber dem militärischen Wider-
stand rückblickend in einem Brief an Gerhard Nebel: »Ich hatte zuweilen wäh-
rend dieses Krieges sonderbare Pläne, doch schreckte mich immer das Schicksal
Coriolans. Zu den Distinktionen, auf deren Aufrechterhaltung ich Wert lege, ge-
hört auch die von Hoch- und Landesverrat.« (EJ/GN, ) Darauf antwortete
Nebel: »Die Distinktion von Hoch- und Landesverrat hat mich, als ich in Italien
tätig war, verhindert, überzugehen. Ich hätte mehrmals die günstigsten Gelegen-
heiten gehabt, und hätte den Alliierten auch allerlei mitbringen können. Heute
bedauere ich allerdings, dass ich damals dieser Distinktion unterworfen war. Es
wäre konsequenter und klarer gewesen, wenn ich radikal die aktionsmässigen
Konsequenzen aus meiner Überzeugung gezogen hätte. Es ist dies einer der
schwersten Vorwürfe, die ich mir überhaupt zu machen habe.« (Ebd., f.) Ernst
Jünger hat sich diesen Vorwurf offenbar nicht gemacht.
Darstellung übernommen hat, dass Jünger wegen seiner Weigerung, vor
einem Denazifizierungsausschuss zu erscheinen, auf die schwarze Liste gesetzt
worden sei, auf der er aber schon seit stand; vgl. Neaman, Dubious Past,
S. f.
Vgl. S. B. J.: Die »Weiße Liste« deutscher Kultur. Ausschaltung nationalsozialisti-
scher Elemente aus dem Kunstleben, in: Die Neue Zeitung. Eine amerikanische
Zeitung für die deutsche Bevölkerung, . Oktober , zit. n. EJ/GN, f.
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Vgl. EJ/GN, f.
Vgl. Vollnhals, Entnazifizierung, S. f.; als knappen Überblick auch Henke,
Trennung.
gehen. In »Jahre der Okkupation« ist nur einmal von einem Fragebogen
die Rede, und zwar im Eintrag vom . September , allerdings nicht
im Zusammenhang mit Entnazifizierung oder Publikationsverbot.
Auch wenn die Art von Jüngers Verweigerung gegenüber dem Entna-
zifizierungsverfahren also nicht eindeutig zu klären ist, geht seine Oppo-
sition dazu aus den angeführten Zitaten doch eindeutig hervor. Diese
zeigen zudem, dass Jünger das Regime der Alliierten in direkte Kontinui-
tät zu dem des »Dritten Reiches« setzte und sich selbst zum strukturellen
Oppositionellen erklärte. So schrieb er auch im Vorwort zu den »Strah-
lungen« von : »Die Aufeinanderfolge der Autoritäten im modernen
Staate ändert die Argumente, nicht aber die Mittel der Gewalt. Bei eini-
ger Abweichung von der Norm wird man auf alle Fälle gefährdet sein.«
(EJ /, ) Die Kontinuität vom »Dritten Reich« zur Besatzungs-
herrschaft sah Jünger einerseits im modernen, technisch-rationalen Cha-
rakter der Verwaltung, wie er ihn im Instrument des Fragebogens selbst
versinnbildlicht sah. Darüber hinaus sprach er aber auch von der »Politik
des niederen Demos«, die »seit nicht abgerissen ist, sondern ihre di-
rekte Fortsetzung und Steigerung erfährt«. So schrieb er am . Juli
an seinen Bruder:
»Niekisch fragte mich brieflich, ob ich wirklich englischen Besuchern
gegenüber die Bildung eines gegen den Volkswillen gerichteten Ober-
hauses befürwortete. Ich antwortete ihm, daß das zu den Erfindungen
zähle, die zahlreich umlaufen, doch daß ich damit nicht sagen wolle,
daß die Erfahrungen, die ich in diesen Jahren sammelte, nun eine
besondere Ehrfurcht vor dem Volkswillen in mir entwickelten. Merk-
würdig, wie alles, was man im dritten Reiche sah, geradlinig weiter-
läuft, nicht nur die Einrichtungen, Methoden und Bedrückungen,
sondern sogar die Redensarten, die man sich kaum zu frisieren die
Mühe macht.«
Vgl. EJ /, : »Rückkehrend fand ich auf meinem Schreibtisch einen lan-
gen Fragebogen des Arbeitsamts für meinen Hausstand vor. ›Falsche Angaben
werden durch die Gerichte der Militärregierung verfolgt.‹ Jetzt haben sie einen
neuen Herrn. Ich wußte wohl, daß man dergleichen beibehalten würde, das In-
strument ist zu bequem. Die Regierungen lösen sich wie Glieder eines Band-
wurms ab; ihr Kopf, ihr intelligibler Charakter bleibt bestehen.«
In späteren Auflagen fügte Jünger dieser Passage noch den Satz hinzu: »Die Ver-
folger lösen sich ab, allerdings nur auf den Treibjagden.« ( Jünger, Ernst: Strah-
lungen I, München , S. .)
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
-
Die oben beschriebene Gleichsetzung der Opfer bedeutete also auch eine
Gleichsetzung der Täter, die wiederum aus der schon während des »Drit-
ten Reiches« entwickelten Nivellierungsargumentation resultierte, die im
Nationalsozialismus nur eine Form des nihilistischen Massenregimes ne-
ben anderen erkennen wollte. Diese Nivellierung bezog sich nicht nur
auf Nationalsozialismus und Bolschewismus, sondern auch auf die USA.
Im Zusammenhang einer Bemerkung, die die »bedingungslose Kapitula-
tion« als »Gegenstück zum totalen Krieg« (EJ /, ) und als Frei-
brief zur Entrechtung der Unterlegenen interpretiert, notierte Jünger:
»Der Anspruch auf bedingungslose Kapitulation kündet die Absicht
an, den Feind unter Sachenrecht zu stellen; Menschen- und Völker-
recht, einschließlich der Unverletzlichkeit der Gefangenen, sind auf-
gehoben – es wird eine physikalische, zoologische oder technische Tat-
sache konstatiert. Man kann den Besiegten ausrotten und austreiben,
wie es in unseren Ostprovinzen geschieht, man kann ihn wirtschaft-
lich vernichten und versklaven, wie es in New York entworfene Pläne
vorsehen.« (Ebd., )
In ähnlicher Weise setzte auch Friedrich Georg Jünger die Besatzungs-
mächte miteinander und mit dem Nationalsozialismus gleich. Der »Ter-
rorismus« sei »das Prinzip aller Regierung und Verwaltung geworden« und
habe in der Moderne zum »perfekt gewordenen Polizeistaat« (FGJ/GN,
f.) geführt, in dem man auch gegenwärtig noch lebe. In einem Brief
an seinen amerikanischen Verleger vom . November schrieb er:
»Die Besatzungsmächte wirken in Deutschland durch ihre Machtbe-
fugnisse wie durch ihr Auftreten als totalitäre Systeme, galvanisieren
also die Mumie des Nationalsozialismus. Der jetzige Zustand ist gro-
tesk, denn von allen Seiten wird uns von schwerbewaffneten Leuten
Demokratie gepredigt. Da diese die Souveränität des Volkes voraussetzt,
können Sie leicht ermessen, welcher Schwindel mit Begriffen hier im
Gange ist.«
Mit Äußerungen wie diesen beteiligten sich beide Brüder Jünger am
»Diskurs der Okkupation«, für den etwa auch Ernst von Salomons Best-
seller »Der Fragebogen« von ein markantes Beispiel war. Schon der
nicht allein standen und mit ihrem verletzten Nationalstolz und der
Kritik an der Besatzungsherrschaft eine in der deutschen Nachkriegsbe-
völkerung weit verbreitete Stimmung vertraten, änderte nichts an ihrem
Selbstbild und ihrer Selbststilisierung als verfolgte Außenseiter.
Die trotzige Selbstbehauptung richtete sich dabei zunächst gegen die
von den Alliierten erhobenen Vorwürfe an die Deutschen. Diese waren
dem Kriegslogiker Ernst Jünger als Recht des Siegers allerdings bis zu
einem gewissen Grad verständlich. Noch stärker als über die Alliierten
empörte er sich über die Deutschen, die ebenfalls eine Aufarbeitung der
deutschen Schuld forderten, sich dem alliierten Reeducation-Programm
anschlossen oder gar direkt im Dienst der Besatzungsbehörden standen.
So bemerkte er am . März in seinem Tagebuch über die Lage der
Besiegten:
»Das wäre erträglich und wird verständlich, wenn man sich mit der
Tatsache abfindet, daß man den Krieg verloren hat und daß Schulden
abzutragen sind. Unangenehmer sind die Landsleute, die sich ein-
bilden, daß sie den Krieg mitgewonnen haben, wobei sie sich einer
verhängnisvollen Täuschung hingeben. Das Gespräch mit solchen
Gästen erinnert an die Zeiten der Gleichschaltung, in denen es mit
umgekehrten Vorzeichen geführt wurde. Der Typus des Belasteten
durchwandert die Systeme und mit ihm der Typus des Verfolgers, sich
mit ihm ablösend, oft in derselben Person.« (EJ /, )
Zum Zeitpunkt dieser Bemerkung hatte Jünger bereits erste Erfahrung
mit Deutschen gemacht, die in ihm einen Repräsentanten wenn nicht
des Nazismus, dann des deutschen Militarismus und radikalen Nationa-
lismus sahen, der im neu zu errichtenden Deutschland keine Rolle mehr
spielen dürfe. Die öffentliche Kontroverse um die Person Ernst Jüngers
setzte zu dieser Zeit aber gerade erst ein. Sie folgte unter anderem auf den
Bericht des französischen Journalisten Didier Raguenet über einen Be-
such bei Jünger, bezog sich dann aber in erster Linie auf Jüngers Frie-
densschrift und die Frage, ob der Appell zum »allen Frucht bringenden«
Vgl. zur weit verbreiteten Kritik an den Alliierten Foschepoth, Reaktion; Olick,
House.
Vgl. Raguenet, Ernst Jünger. In der schweizerischen Weltwoche wurde dieser Be-
richt zusammen mit einem Porträt Ernst Jüngers von Jean Schlumberger zusam-
mengefasst, was wiederum im April in der in Deutschland erscheinenden
Neuen Auslese aus dem Schrifttum der Gegenwart nachgedruckt wurde. Ein wei-
terer ausländischer Besucher Jüngers, dessen Besuchsbericht später für Kontro-
versen sorgte, war Stephen Spender; vgl. Spender, Deutschland, S. - .
Harich, Ernst Jünger, S. , u. ; vgl. auch ders., Und noch einmal.
Innerhalb des Kulturbunds gehörte Ernst Niekisch zu den wenigen Verteidigern
Jüngers; vgl. dazu unten, Kap. ..
Vgl. Debatte über Ernst Jünger, in: Nordwestdeutsche Hefte (), S. ff.;
Meinungen über Ernst Jünger, in: Hamburger Akademische Rundschau (/
) , S. -; Um Ernst Jünger. Fortsetzung einer Debatte, in: Hamburger
Akademische Rundschau (/) , S. -.
Vgl. als zeitgenössischen Überblick Paetel, Weg und Wirkung, der insgesamt
deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel zu Jünger aus den Jahren -
auflistet (S. -) und auf mehrere der Diskussionsbeiträge eingeht; außer-
dem Dietka, Ernst Jünger nach , S. -.
Vgl. Paetel, Wandlung; Clair, Ernst Jünger; Arnold, Weg und Wandlung; Baden,
Wandlung.
-
ger sich gleich geblieben sei. Vor allen Dingen vermissten sie ein klares
Bekenntnis Jüngers zu seiner Wandlung, denn, so Kurt Hellmer: »Von
Schuldbekenntnis, Reue und Sühne ist bei Jünger nicht die Rede.« Die-
ser Kritikpunkt blieb auch nach der Veröffentlichung der »Strahlungen«
und des Romans »Heliopolis« bestehen. So schrieb Peter de Men-
delssohn in seiner ausführlichen, durchaus abgewogenen, letztlich aber
vernichtenden Kritik an den »Strahlungen«: »Ich sehe aber, daß der
Mehrzahl der Menschen ihre Irrtümer und Widersprüche unerträglich
sind und bedauere, daß Jünger zu dieser Mehrzahl gehört.« Und ein
Rezensent von »Heliopolis« erklärte, er »vermisse die schonungslose Selbst-
befragung« .
Friedrich Georg Jünger blieb im Vergleich zu seinem Bruder wesent-
lich unbehelligter, sowohl von den Besatzungsbehörden als auch von der
öffentlichen Kritik. Er stand anfänglich zwar ebenfalls auf der black list der
amerikanischen Besatzungsbehörden, doch offenbar ohne Konsequen-
zen, denn sobald sein Frankfurter Verleger Vittorio Klostermann die Ver-
lagslizenz erhalten hatte, konnten wieder Bücher von Jünger erscheinen,
so schon »Die Perfektion der Technik« und der Gedichtband »Der
Westwind«. Friedrich Georg Jünger hat von dieser schwarzen Liste offen-
bar auch nichts gewusst (vgl. FGJ/EN, ). Zur Erlangung der Lizenz für
die »Perfektion der Technik« musste der Verleger Vittorio Klostermann
allerdings eine ausführliche Darlegung von Friedrich Georg Jüngers Un-
bedenklichkeit bei der Militärregierung einreichen. Darin nannte er
nicht nur Jüngers Verbindungen zum Widerstand, sondern argumentierte
auch mit dem kritischen Gehalt der »Perfektion« selbst:
»Für den aufmerksamen Leser geht aus dem Text deutlich hervor, daß
mit der Perfektion der Technik der Versuch des Dritten Reiches, durch
eine ins äußerste gesteigerte technische Organisation zu einem Erfolg
zu kommen, gemeint war. Das Buch enthält eine Fülle von kritischen
Vittorio Klostermann, Liz. Nr. , Zu Friedrich Georg Jünger, Die Perfektion der
Technik, A: Klostermann, DLA Marbach.
Auf dem Fragebogen gab er zu seiner Tätigkeit während des »Dritten Reichs« an:
»Ich war Mitarbeiter der Widerstandsbewegung, einer antinazistischen Gruppe,
die sich vor in Berlin unter der Führung von Ernst Niekisch bildete. Im
Jahre wurde diese Gruppe verboten. Ernst Niekisch wurde verhaftet und zu
lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Befreit im Jahre , wohnt er jetzt er-
blindet und gelähmt in Berlin. Er war mein Verleger, und ich war Mitarbeiter
seiner Zeitschrift ›Widerstand‹. Bei ihm veröffentlichte ich das Buch ›Gedichte‹,
in dem sich ein Angriff auf Hitler und seine Partei findet, der geheim in Deutsch-
land verbreitet und oft in ausländischen Zeitungen gedruckt wurde. Als Mit-
arbeiter der ›Widerstandes‹ wurde ich auf die Liste der Gestapo gesetzt und zwei-
mal vernommen, einmal in Leisnig (Sachsen), ein anderes Mal nach dem ..
in Überlingen in Gegenwart meiner Frau.« (Dokumente aus der Zeit der franzö-
sischen Besatzung, D: F. G. Jünger, DLA Marbach) Unter der Rubrik »alle Ver-
öffentlichungen von bis zum heutigen Tage« nannte er unter den Büchern
zwar auch den »Aufmarsch des Nationalismus«, gab bei den Aufsätzen seine Bei-
träge für die nationalistischen Zeitschriften der Weimarer Republik aber nicht an.
Speyer, Die Stillen.
-
griff gegen mich hat viel Staub aufgewirbelt, stösst aber auf Gegen-
wehr. Klostermann reist in den nächsten Wochen nach Berlin, be-
gleitet von Mr. Frenkel, der mich seiner Hilfe versicherte. Die Hinter-
gründe des Angriffs sind wohl ganz diejenigen, die ich vermutete.
Verwundert war ich doch von dem Interesse, das dieser Steinwurf her-
vorruft, denn Kontrollrat, Generalität, Administration stecken nun
ihre langen Nasen in meinen kleinen Garten.«
Wie auch aus dem Briefwechsel mit seinem Verleger Klostermann hervor-
geht, führte der Artikel in der Neuen Zeitung zwar nicht direkt zu Publi-
kationseinschränkungen, bis gab es in einzelnen Fällen aber immer
wieder Schwierigkeiten bei der Lizenzvergabe für Friedrich Georg Jüngers
Bücher. Nicht zuletzt aufgrund der Solidarität zu seinem Bruder fühlte
sich daher auch er als ein von der gelenkten Öffentlichkeit Verfolgter.
Die Antwort auf diese gefühlte Verfolgung und das angeblich grassie-
rende »Denunziantenwesen« war der Rückzug aus der Öffentlichkeit
und die Rückbesinnung auf die eigene musische Tätigkeit, die von den
Angriffen der Presse ganz unberührt bleibe. In einer »ruhmlosen Zeit«, so
schrieb Friedrich Georg Jünger im August an seinen Bruder, und
angesichts eines »ehrlos gewordenen Volke[s]«, dem das »Bild des gei-
stigen Menschen« nichts gelte, weiche er »in Räume aus, in denen die
Anstrengungen der Mißgünstigen ganz illusorisch werden«. An Ernst
Niekisch schrieb er angesichts der zeitweiligen Unsicherheit seiner Publi-
kationsmöglichkeiten: »Würde man mich auf eine schwarze Liste setzen,
so könnte auch das mich nicht berühren, denn weder Bilder noch Ge-
danken werden mir dadurch abgeschnitten.« (FGJ/EN, f.) In einem
späteren Brief fügte er mit Blick auf Gerard W. Speyer, den Autor des
Artikels in der Neuen Zeitung, der auch mit Niekisch ein Streitgespräch
über den Fall der Brüder Jünger hatte, hinzu: »Er hat nicht die Fähigkeit,
mich zu schädigen. Er denkt vielleicht, dass er einen Autor schädigen
könne, wenn er es dahin bringt, ihm das Publizieren zu verbieten. Aber
das schädigt einen Autor nicht, allenfalls seine Leser. Diese Methoden
haben sich schon in den letzten zwölf Jahren nicht bewährt.« (Ebd., )
Dieser Hinweis auf die Methoden der letzten zwölf Jahre erneuerte
nicht nur die Gleichsetzung von NS- und Besatzungsherrschaft, sondern
signalisierte auch eine Fortsetzung der »inneren Emigration« unter verän-
derten Bedingungen, aber mit gleichen Mitteln. Die Idee einer Kontinu-
ität der Verfolgungssituation, in der auch die Reaktionsmuster darauf
identisch bleiben, zeigte sich besonders deutlich in einem Text, den Carl
Schmitt im Winter / während seiner Internierung in Berlin-
Wannsee geschrieben hatte und der in seinem schmalen Sammel-
band »Ex Captivitate Salus« erschien. Schmitt unternahm darin eine
Verteidigung in eigener Sache. Er betonte zunächst, dass die Totalität des
NS-Regimes nicht so lückenlos gewesen sei, wie dessen Propaganda es
habe glauben machen wollen und dass auch »im Inneren, in den Fängen
des Leviathan selbst« die »unveräußerliche Freiheit« des Geistes habe
bewahrt werden können. Zum Beleg der eigenen inneren Emigration
zitierte Schmitt sich selbst mit einem Satz aus seiner veröffentlichten
Abhandlung »Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes«:
»Wenn in einem Lande nur noch die von staatlicher Macht organisierte
Öffentlichkeit gilt, dann begibt sich die Seele eines Volkes auf den ge-
heimnisvollen Weg, der nach Innen führt; dann wächst die Gegenkraft
des Schweigens und der Stille.« Für die Zeit nach reklamierte
Schmitt nun einen fairen, vorurteilslosen Umgang mit seinen wissen-
schaftlichen Erzeugnissen aus der Zeit des »Dritten Reiches«, der ihm in
einer »freie[n] Öffentlichkeit« zustehe. Für den Fall aber, dass dieser faire
Umgang ausbleibe, kündigte Schmitt an, dass er nicht vergessen werde,
»was wir in der Gefahr jener zwölf Jahre erfahren haben: den Unterschied
von echter und falscher Öffentlichkeit und die Gegenkraft des Schwei-
gens und der Stille« . Da in Schmitts Augen die faire Auseinanderset-
zung mit seinem Denken nach nicht stattgefunden hat und die neue
Öffentlichkeit ihm verschlossen blieb, wird deutlich, dass er nun in Fort-
setzung der »inneren Emigration« weiter auf die besagte Gegenkraft
setzte. Sie bestand vor allen Dingen in einem Beharren auf dem Eigenen
und Eigentlichen, das durch Angriffe von außen nicht zu beschädigen
sei. Schmitt sprach im »Glossarium« von seinem »Recht auf Riservata
und Arcana« , und in »Ex Captivitate Salus« rechtfertigte er, dass er
überhaupt zum Mittel der Publikation griff: »Ich spreche, weil ich eini-
gen verstorbenen Freunden ein Wort nachrufen will […]; weil ich einigen
lebenden Freunden, von denen ich getrennt bin, und treuen Schülern in
allen Ländern ein Zeichen geben möchte […]. Mit ihnen zu sprechen,
verletzt kein Arcanum. Uns alle verbindet die Stille des Schweigens
[…].«
Dieser Rückzug ins Schweigen, in dem nur mit engen Freunden und
Gleichgesinnten kommuniziert werden sollte, erscheint hier als defensive
Krisenbewältigungsstrategie, die der Selbstbehauptung diente. Sie wurde
auch von den Brüdern Jünger verfolgt, die ja unter anderem zu den von
Schmitt gemeinten Freunden gehörten. So erklärte Ernst Jünger in einem
Brief an den französischen Schriftsteller Robert Morel vom . September
, er gedenke den »Frieden« »erst erscheinen zu lassen, wenn ich über-
zeugt bin, daß von geistiger Freiheit die Rede sein kann […]. Der Autor
spricht nicht nur, wenn er publiziert, sondern auch, wenn er schweigt.«
Friedrich Georg Jünger begründete die Absage, die er Alfred Döblin auf
dessen Aufforderung zur Mitarbeit an der Zeitschrift Das Goldene Tor er-
teilte, mit den Worten: »Ich habe mich nun, um meine Arbeit nicht aus
dem Auge zu verlieren, nach der Weise indischer Büsser zu einer völligen
Askese entschlossen und in den Turm des Schweigens zurückgezogen.«
Das Bild des Büßers war dabei allerdings nur bedingt passend, denn das
scheint, daß diese technische Welt als ihre höchste Gefahr den unabhän-
gigen Geist erkennt. Sowie man sich irgendwo ›gleichschaltet‹ ist man
gesichert, ist alles gut.« Die auf Gleichschaltung gerichtete Presse und
Öffentlichkeit gleiche aber immer dem Prokrustes, der »den Menschen
bald nach seinen Maßen recken, bald ihn gewaltsam verkürzen« wolle, so
Jünger in einem Brief an Karl Otto Paetel: »Demgegenüber gibt es nur
eine Waffe: zu bleiben, wer man ist.« Dabei war Jünger durchaus bereit,
eine Wandlung innerhalb seines Werkes zuzugeben, die er aber nicht als
Bruch, sondern als Fortentwicklung verstanden wissen wollte: Ȇber-
haupt muß ich meine Leser bitten, meine Autorschaft als Ganzes zu neh-
men, in dem zwar Epochen, nicht aber Widersprüche zu unterscheiden
sind. Ich möchte nicht zu jenen Zahllosen gehören, die heute nicht mehr
an das erinnert werden wollen, was sie gestern gewesen sind.« (EJ/GN,
) Für die verschiedenen Epochen seiner »Autorschaft« benutzte Ernst
Jünger wie schon zitiert das Bild vom Alten und Neuen Testament: »Das
Verhältnis von Schriften wie etwa der ›Totalen Mobilmachung‹ oder ›Der
Arbeiter‹ zu anderen wie ›Gärten und Straßen‹ oder ›Der Friede‹ gleicht
dem von Altem und Neuem Testament – erst ihre Zuordnung schafft die
Dimensionen, innerhalb deren ich begriffen werden will.« (Ebd., ) Die
rückwirkende Interpretation dieser Schriften des »Alten Testaments«
diente dabei durchaus auch der Entlastung angesichts der Vorwürfe,
Schrittmacher des »Dritten Reiches« gewesen zu sein. Denn nach
nahm Jünger für sich in Anspruch, mit Schriften wie der »Totalen Mobil-
machung« und dem »Arbeiter« stets nur Deuter, nie Propagandist des
Totalitarismus gewesen zu sein. Diese Behauptung brachte er im Vorwort
der »Strahlungen« von auf die berühmte Formel: »Nach dem Erd-
beben schlägt man auf die Seismographen ein. Man kann jedoch die
Barometer nicht für die Taifune büßen lassen, falls man nicht zu den
Primitiven zählen will.« (EJ /, ) Diese Umdeutung der eigenen
Rolle vom Agitator zum Beobachter gehörte dabei gleichsam zum Stan-
dardrepertoire der ehemaligen konservativen Revolutionäre. So schrieb
etwa auch Carl Schmitt: »Aber wehe den Diagnostikern. Die Wut auf
Ernst Jüngers ›Arbeiter‹ und vielleicht noch mehr meinen ›Begriff des
Politischen‹ ist die Wut des Kurhausdirektors auf den Arzt, der im Kurort
einen Pestfall diagnostiziert.«
Dass der selbst verordnete Rückzug in den »Turm des Schweigens« kein
tatsächliches Verstummen zur Folge hatte, belegen alle angeführten Zita-
te aus dieser Zeit. Die Kommunikation unter Freunden, die innerhalb
der von Carl Schmitt beschworenen »Stille des Schweigens« stattfand und
der Selbstbehauptung gegenüber der feindlichen Umwelt diente, war viel-
mehr sehr rege. Sie wird im nächsten Kapitel ausführlich dargestellt. Doch
zuvor muss noch der in vielem parallele »Fall Heidegger« geschildert wer-
den.
Schmitt, Glossarium, S. . Vgl. dazu auch Laak, Nach dem Sturm.
Die paradoxe Struktur des Redens über das Schweigen ist den Beteiligten selbst
zumeist auch aufgefallen. So notierte etwa Friedrich Georg Jünger am . Januar
in seinem Tagebuch: »Picard sandte mir vor einiger Zeit sein Buch über das
Schweigen. Ein Paradoxon, denn wie läßt sich über das Schweigen reden?« (Tage-
bücher aus den Jahren -, D: F. G. Jünger, DLA Marbach) Das Buch »Die
Welt des Schweigens« von Max Picard ist im Übrigen ein Beispiel für den in der
Nachkriegszeit weit verbreiteten Schweigensdiskurs. Über diesen machte sich,
obwohl selbst daran beteiligt, auch Carl Schmitt lustig: »Sieh Dir genau den
Autor an, / der schön vom Schweigen reden kann. / So lange er vom Schweigen
spricht, / solange nämlich schweigt er nicht.« (Schmitt, Glossarium, S. )
-
Fakultät der Universität Freiburg, welche ebenfalls aus der Stadt geflohen
waren und sich übergangsweise in der Burg Wildenstein im Donautal
eingerichtet hatten. Während Freiburg am . April von französischen
Truppen eingenommen wurde und das »Dritte Reich« zu Ende ging, im-
provisierte die Philosophische Fakultät in der Abgeschiedenheit des obe-
ren Donautals ein Sommersemester, in dessen Rahmen Heidegger am
. Juni seinen letzten Vortrag als Ordinarius hielt. Als er danach
nach Freiburg zurückkehrte, war nicht nur sein Haus als »Parteiwoh-
nung« beschlagnahmt worden. Der Senat der Universität hatte am Tag
des offiziellen Kriegsendes auch beschlossen, eine selbst organisierte Rei-
nigungskommission einzusetzen, die die politische Säuberung der Uni-
versität unter Aufsicht der französischen Militärregierung durchführen
sollte. Vor dieser Reinigungskommission musste sich im Sommer
auch Martin Heidegger verantworten, dem als wohl prominentestem
Universitätsangehörigen und erstem Nazi-Rektor besondere Aufmerk-
samkeit gewidmet wurde.
Der Verlauf von Heideggers Bereinigungsverfahren muss hier nicht im
Einzelnen nachgezeichnet werden, da er bereits gründlich erforscht und
ausführlich dargestellt wurde. Berichtet sei nur so viel: Die Reinigungs-
kommission, der unter anderem Gerhard Ritter und Adolf Lampe an-
gehörten, formulierte nach Anhörungen und Gesprächen im Juli im
September unter Vorsitz von Constantin von Dietze ein relativ
mildes Gutachten über Heidegger, der zwar »den großen Glanz seines
wissenschaftlichen Namens und die eigentümliche Kunst seiner Rede in
dem Schicksalsjahr bewußt in den Dienst der nationalsozialistischen
Revolution gestellt« habe, im Grunde aber unpolitisch gewesen sei und
»schon seit « nicht mehr als »Nazi« hätte bezeichnet werden können.
Die Kommission schlug daher (mit einem abweichenden Votum von Adolf
Lampe) eine Emeritierung vor, »die ihm die Möglichkeit beschränkter
Lehrtätigkeit belassen, ihn jedoch aus der aktiven Beteiligung an der
Selbstverwaltung, den Prüfungen und Habilitationen entfernen wür-
de«. Nachdem ihn auch die französische Militärregierung für disponi-
rührung (auch durch seine Söhne) mit der damaligen Jugendbewegung und ge-
wissen literarischen Wortführern der deutschen Jugend, wie Ernst Jünger« ge-
standen habe, »die das Ende des bürgerlich-kapitalistischen Zeitalters und das
Heraufkommen eines neuen deutschen Sozialismus ankündigten« (ebd., S. ).
Abgedruckt in Martin (Hg.), Kompendium, S. -; darin auch eine knappe
Schilderung des Bereinigungsverfahrens bis zum Dezember sowie eine
ausführliche Darstellung von Heideggers Verhalten /.
Vgl. zu Jaspers unten, S. Kap. ..
-
Heidegger hat immer darauf insistiert, dass seine geistige Opposition für »jeden
Wissenden und Besinnlichen« (MH -, f.) erkennbar gewesen und
von parteioffizieller Seite auch erkannt worden sei. Adolf Lampe hat in seiner
Auseinandersetzung mit Heidegger allerdings argumentiert, dass die »nur mittel-
bare Kritik« der Vorlesungen »nicht als Kompensation« für das öffentliche Auf-
treten als Rektor zu werten sei, da »diese nur zu erreichen gewesen [wäre] durch
ein der Entschiedenheit seiner Rektoratsführung entsprechendes offenes Hervor-
treten in der Kritik unter Inkaufnahme daraus resultierender persönlicher Ge-
fährdungen« (zit. n. Martin (Hg.), Kompendium, S. ).
-
Heidegger setzte also mehr oder weniger nahtlos seine nach dem
Scheitern des Rektorats kultivierte Haltung einer esoterischen Opposi-
tion zur ihn umgebenden »Weltnacht« fort, die in der nun herrschenden
»Weltdemokratie« ebenso fortdauere wie unter der Herrschaft des Nati-
onalsozialismus. In dieser Weltnacht bliebe nur das »Selbstgespräch des
wesentlichen Denkens mit sich selbst« (MH , ), das auch darin
bestehe, dass sich die Wenigen und Wissenden sammeln und auf den
anderen Anfang warten. So schrieb Heidegger, auch hier sein schon wäh-
rend des »Dritten Reichs« praktiziertes Prophetentum fortsetzend, im
Mai aus Badenweiler an einen seiner Schüler:
»Meine Zuversicht für die wenigen Wissenden und daß sie das Blei-
bende hüten und mehren, bleibt fest. Ihre Zeit kommt, auch wenn der
Schrecken noch nicht die längst vorbestimmte Gestalt erreicht hat. Die
Kleingeisterei freilich, die sich die Geschichte aus vordergründigen Be-
gebenheiten und der Willkür einiger Hampelmänner des Weltgeistes
zusammenrechnet, wird vorerst das öffentliche Meinen bestimmen.«
In diesem »öffentlichen Meinen« der Nachkriegszeit wurde der »Fall Hei-
degger« allerdings durchaus unterschiedlich bewertet. Eine Besonderheit
stellte dabei die Rolle von Heideggers Reputation in Frankreich und bei
Teilen der französischen Militärregierung dar, die auch auf die Heideg-
gerdiskussion in Deutschland zurückwirkte. Schon seit den er Jahren
war Heideggers Existentialphilosophie in Frankreich gelesen worden und
beeinflusste maßgeblich den französischen Existentialismus, besonders
dessen berühmtesten Vertreter Jean-Paul Sartre. Nach der französischen
Besetzung Badens nutzten verschiedene französische Intellektuelle,
die zum Teil als Offiziere für die Militärregierung tätig waren, die Gele-
genheit, Heidegger zu besuchen und sich für ihn einzusetzen. Unter
ihnen war Frédéric de Towarnicki, der Heidegger im Herbst eine Ein-
ladung ins französische Hauptquartier nach Baden-Baden verschaffte,
wo er mit Sartre zusammentreffen sollte. Dieses Treffen kam dann nicht
zustande, die Gerüchte um Heideggers privilegierte Kontakte zu franzö-
sischen Kreisen trugen aber mit zum Unmut an der Freiburger Universi-
tät bei, der dann im Winter / zu der Verschärfung des Urteils des
Vgl. Ott, Unterwegs, S. ff. Heidegger schrieb nach dem Scheitern des Tref-
fens einen von Towarnicki übermittelten Brief an Sartre, in dem er ihn nach
Todtnauberg einlud; vgl. Ott, Skihütte. Sartre besuchte Heidegger dann tatsäch-
lich erst ; vgl. die Erinnerungen von Towarnicki, Martin Heidegger, S. .
Die Beziehung Heideggers zu Sartre im Besonderen und zur französischen Nach-
kriegsphilosophie im Allgemeinen kann hier leider nicht ausführlicher dargestellt
werden, obwohl sie für auch für die deutsche Heideggerrezeption von einiger Be-
deutung war; vgl. aber zu Heideggers Antwort auf Sartre in Form des »Briefs über
den ›Humanismus‹« unten, Kap. ..
Vgl. Towarnicki, Visite.
Vgl. Gandillac, Entretien.
Vgl. Löwith, Implications; Waehlens, Philosophie; Weil, Cas; Löwith, Réponse;
Waehlens, Réponse; zu dieser Kontroverse auch Rockmore, Heidegger’s French
Connection.
Mougin, Gott.
Vgl. den einflussreichen Aufsatz von Lukács, Heidegger Redivivus, in dem er
Heideggers erstaunliches Lob des Marxismus aus dem Humanismusbrief zurück-
wies und Heideggers Seinsphilosophie nach der »Kehre« als Spätform des deut-
schen Idealismus bezeichnete.
-
Vgl. Hanfstaengl contra Heidegger, Süddeutsche Zeitung, . Juni ; zu die-
sem Vortrag und zu Heidegger Verbindungen zur Bayerischen Akademie der
schönen Künste unten, Kap. ..
Vgl. Homann, Martin Heidegger.
Schnädelbach, Deutsche Philosophie, S. .
Anders, Über Heidegger, S. f.
Arendt/Blücher, Briefe, S. .
Dabei ist er berühmter als je, ohne das im mindesten zu verstehen oder,
sagen wir, zu realisieren.«
, im selben Jahr, in dem auch von Karl Löwith eine ausführliche
Heideggerkritik erschien, führte die Publikation der Vorlesung von
»Einführung in die Metaphysik«, in der Heidegger den schon zitierten
Satz von der »inneren Wahrheit und Größe« des Nationalsozialismus durch
den Klammerzusatz von der »Begegnung der planetarisch bestimmten
Technik und des neuzeitlichen Menschen« (MH , ) zwar verän-
dert, aber eben nicht komplett gestrichen hatte, dann erneut zu einer Kon-
troverse um Heideggers Verhältnis zum Nationalsozialismus. Der damals
jährige Doktorand Jürgen Habermas fragte in der Frankfurter Allge-
meinen Zeitung, was Heidegger einerseits getrieben hatte, Sätze wie
diesen zu sagen – »wie also ein Denker dieses Ranges in einen so offen-
baren Primitivismus verfallen konnte« – und was ihn andererseits ver-
anlasste, ihn unkommentiert wieder zu veröffentlichen. Er erkannte
in Heideggers Verhalten das grundsätzliche »Problem der faschistischen
Intelligenz«, wobei die »deutsche Situation seit « durch das »kon-
stante Ausweichen vor diesem Problem gekennzeichnet« sei. Heideggers
unkommentierte Wiederveröffentlichung sei allerdings konsequent »für
eine Einschätzung, die nicht nur den eigenen Irrtum, sondern auch den
›Irrtum‹ der nationalsozialistischen Führung seinsgeschichtlich begrün-
det an Stelle der moralischen Klärung«. In der Zeit vom . August
Ebd., . Bei ihrer nächsten Europareise zwei Jahre später schrieb Arendt erneut
über die intellektuellen Moden in Deutschland: »Auch um Heideggers Ruhm bin
ich in der Richtung eher besorgt, d. h. besorgt für ihn; das ist eine ›Bewegung‹
und eine ›Richtung‹ geworden, die morgen anders wehen und sich umorientieren
kann. Er weiß das im Grunde ganz gut, schwimmt aber doch mit, wenn ich ihn
jetzt nicht vielleicht doch ein bißchen mißtrauischer gemacht habe. Sehr vor-
sichtig. Von Jünger z. B., von dem vor zwei Jahren alles sprach, spricht keine tote
Katze mehr, seine Bücher liegend nirgends mehr aus, es ist, als gäbe es ihn nicht
mehr. Das geht von einem Tag auf den anderen. Das gleiche gilt augenblicklich
für Jaspers, besagt aber auch nichts. Das ist die augenblickliche deutsche Atmo-
sphäre, in der alles schnell verfliegt.« (Ebd., S. ) Vgl. zum Verhältnis Arendt-
Heidegger nach dem Krieg unten, Kap. ..
Vgl. Löwith, Denker.
Habermas, Mit Heidegger (wiederabgedruckt in ders., Profile, S. -); vgl.
dazu auch Meyer, Innere Wahrheit.
Ebd. Habermas kommentierte in dieser frühen Auseinandersetzung mit Heideg-
ger auch die Kontinuität von dessen appellativer Denkstruktur trotz der »Kehre«
von der »Gewalttat« zur »Wächterschaft« auf erhellende Weise: »Es ist für die
bewußte Geschichtsgebundenheit des Heideggerschen Philosophierens bezeich-
nend, daß sich der Appell verändert, während die Sinnstrukturen über die Jahr-
-
zehnte seiner Entwicklung die Kontinuität wahren. […] Dagegen drängt sich die
Variabilität der Appellqualität von selbst auf. So ist heute von Hut, von Anden-
ken, von Wächterschaft, von Huld, von Liebe, von Vernehmen, von Ergeben die
Rede immer dort, wo die Gewalttat gefordert wurde, während Heidegger
noch acht Jahre vorher die quasireligiöse Entscheidung der privaten, auf sich
vereinzelten Existenz pries als die endliche Autonomie inmitten des Nichts der
entgötterten Welt. Der Appell hat sich mindestens zweimal, entsprechend der
politischen Situation verfärbt, während die Denkfigur des Ausrufs [sic] zur Ei-
gentlichkeit und der Polemik gegen die Verfallenheit stabil blieb.« (Ebd.)
Lewalter, Wie liest man. Lewalter entwickelte hier im Prinzip schon die gleiche
Argumentation wie später Vietta, Heideggers Kritik.
Korn, Warum schweigt Heidegger?
Vgl. Habermas, Freiheit.
Strecke des Weges von ›Sein und Zeit‹ () bis zu den letzten Veröffent-
lichungen sichtbar zu machen« (MH d), und andererseits hinzufügte:
»Christian E. Lewalters Auslegung des Satzes, den man aus der Vorlesung
aufgriff, ist nach jeder Hinsicht zutreffend, wie denn überhaupt seine In-
terpretation anderer Sätze meine politische Haltung seit richtig
kennzeichnet.« Die Streichung des Satzes habe er aus Gründen der histo-
rischen Redlichkeit unterlassen, sei aber auch der Meinung,
»daß die Vorlesung die erwähnten Sätze durchaus verträgt für einen
Leser, der das Handwerk des Denkens gelernt hat. Was damals in einer
solchen Vorlesung zu sagen im äußersten möglich war und was nicht,
können heute nur noch wenige ermessen. Ich aber weiß, daß die Hö-
renden unter den Hörern das Gesagte sehr genau verstanden haben.«
(Ebd.)
Mit dieser Beschwörung der »Hörenden unter den Hörern« aktivierte
Heidegger wiederum seine Vereinnahmungsstrategie der Bildung von
Eingeweihten, die er schon nach seinem Rückzug vom politischen Enga-
gement während des »Dritten Reiches« entwickelt hatte und die ihm nun
erneut dazu diente, sich durch die Bildung einer Anhängerschaft gegen
öffentliche Kritik zu immunisieren. Diese Taktik der Kreisbildung, die
Heideggers prekäres Verhältnis zur Öffentlichkeit nach ebenso kenn-
zeichnet wie das der Brüder Jünger, wird im Folgenden genauer unter-
sucht.
An anderer Stelle betonte Jünger, dass ihm die Publikation »nicht als das Wesent-
liche der Autorschaft« (EJ/GN, ) erscheine.
Ein Beispiel ist Wolfgang Henning, ein Berliner Student, der ihm am . Oktober
schrieb: »Ihren ›Brief an die Freunde‹ habe ich mit Dank erhalten, sogleich
abgeschrieben und an verschiedene mir befreundete Studenten weitergegeben.«
(Zit. n. EJ/GN, )
F. G. Jünger an K. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
-
werden, denn sie beantworten, hiesse die eigene Arbeit einstellen und
auf die Jagd nach Flöhen gehen. Beantwortet sind sie aber von anderen
worden, selbst in der russischen Zone, wo das nicht ohne Gefahr ist,
zum Teil durch sehr drastische Repliken. Es gehört ja zu den Wirkun-
gen solcher Angriffe, dass sie auch die Sympathien beleben. Wie stark
diese nicht nur in Deutschland sondern in allen Ländern Europas und
auch in Amerika sind, wurde mir wieder deutlich.«
Auch Ernst Jünger war mit den Reaktionen seiner Freunde und dem Er-
folg seiner Netzwerkstrategie durchaus zufrieden. Im Juli stellte er in
einem Brief an Gerhard Nebel fest: »Die Wirksamkeit meiner Freunde
hat das Angenehme, daß ich mich ganz in die inneren Gemächer zurück-
ziehen kann.« (EJ/GN, f.) Die Rede von den »inneren Gemächern«
verweist dabei nicht nur auf den Topos der schweigsamen Einsamkeit,
sondern auch auf eine höfische Konstellation, in der der (Dichter-)König
von seinen Paladinen abgeschirmt und bewacht wird.
Gerhard Nebel gehörte im Sinne dieser Führer- und Gefolgschaftskon-
stellation sicher zu den wichtigsten Gefolgsleuten Ernst Jüngers in den
ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. In den zahlreichen Briefen
der Jahre bis wurde Nebel nicht müde, Jünger, den er mit Vor-
liebe als »Capitano« (ebd., ) ansprach, seiner mythischen Funktion als
Deuter und Sinnstifter für die deutsche Jugend zu versichern: »Ich sehe
Ihre Hauptwirkung im mythischen Charakter Ihrer Existenz. Sie brauch-
ten überhaupt nicht zu produzieren und ständen doch als Mitte des Zeit-
alters, als der Katechon aus dem . Thessalonicher-Brief da.« (Ebd.) Die
Formulierung vom »Katechon«, dem »Aufhalter«, benutzte Nebel auch
in seiner – fragmentarisch gebliebenen – Autobiographie, in der er sich
daran erinnerte, beim Erscheinen von »Blätter und Steine« erstmals
Jünger gelesen und ihn seitdem als seinen »Meister« angesehen zu haben.
Der in Dessau geborene Gerhard Nebel hatte zuvor Philosophie
und klassische Philologie unter anderem bei Karl Jaspers und Martin
Heidegger studiert und danach an verschiedenen Stellen, unter anderem
in Ägypten, als Griechisch- und Lateinlehrer gearbeitet. Nachdem er sich
erstmals brieflich an Jünger gewandt und ihn persönlich ken-
nen gelernt hatte, wurde er als Luftwaffenoffizier nach Paris versetzt
und gehörte dort zur »Georgsrunde« um Jünger und Hans Speidel. We-
gen eines defätistischen Artikels in der Neuen Rundschau vom Oktober
wurde er allerdings in eine Baukompanie auf die Kanalinsel
Alderney strafversetzt und später als Dolmetscher in Italien eingesetzt,
wo er die letzten Kriegsjahre verbrachte. Nach dem Krieg lebte er zu-
nächst in Dahlhausen und dann in Wuppertal, wo er an der Gründung
der privaten Kulturvereinigung »Der Bund« beteiligt war und als freier
Schriftsteller und Essayist arbeitete, bevor er aus finanziellen Grün-
den in den Schuldienst zurückkehren musste.
Nebel hatte schon in seinem erschienenen Essayband »Feuer und
Wasser« einen Aufsatz über Ernst Jünger publiziert. Seine drei Kriegstage-
bücher »Bei den nördlichen Hesperiden«, »Auf ausonischer Erde« und
»Unter Partisanen und Kreuzfahrern« waren stark von Ernst Jünger in-
spiriert und legten Zeugnis von Nebels Jüngerbegeisterung ab. Seit
ergriff er bei den verschiedensten Gelegenheiten Ernst Jüngers Partei und
verteidigte ihn in Zeitungsartikeln, Vorträgen und öffentlichen, zum Teil
im Rundfunk ausgestrahlten Diskussionen. Sein mehrfach gehaltener
Vortrag »Ernst Jünger und das Schicksal des Menschen« erschien im
Wuppertaler Marées-Verlag, dessen Verleger Hubert Tigges zu den Mit-
arbeitern des »Bundes« und den engen Vertrauten Nebels gehörte und
der sich zeitweise auch um die Publikation von Jüngers Texten bemühte.
In diesem Vortrag sprach Nebel zwar ebenfalls von Jüngers »Wandlung«,
betonte aber ganz in Jüngers Sinn, dass dessen »geistige Bewegung […]
Entfaltung, nicht Bruch« sei und wandte sich damit sowohl gegen die
Kritiker, die in Jünger den unverbesserlichen »Nationalisten und Milita-
risten« sahen, als auch gegen die, die die »Veränderung« überbewerten
und »ein öffentliches Schuldbekenntnis« verlangten.
Nebel hatte Jünger schon im Juni erklärt, dass er mit seinen Akti-
vitäten auf Jüngers »Rehabilitierung vor der Besatzungsmacht und gewis-
sen Kreisen der deutschen Oeffentlichkeit hinarbeiten wollte« (EJ/GN, ).
Auch wenn Jünger ihm versicherte, dass er gar keinen Wert darauf lege,
»der behördlichen Anerkennung würdig zu sein« (ebd., ), war er mit
Nebels Engagement doch sehr einverstanden. Am . April schrieb
er ihm über einen Vortrag, den Nebel in Wuppertal gehalten hatte: »Ich
hörte schon von verschiedenen Seiten, daß die gute Lanze, die Sie dort
für mich brachen, meine Freunde befriedigte. So sprachen auch Henin,
Podewils und Speidel davon.« (Ebd., ) Am . Juli kommentierte er
Nebels großen Jüngervortrag: »Sie führen mir da in Scharen neue Adep-
ten zu.« (Ebd., ) Aus diesen Bemerkungen wird deutlich, dass Nebels
Bemühungen nicht nur Jüngers Rehabilitierung in der Öffentlichkeit
und gegenüber den Besatzungsbehörden dienten, sondern vor allen Din-
gen auch der Festigung und Erweiterung des Jüngerschen Netzwerks.
Schon im Mai hatte Jünger Nebel ermuntert, seine Arbeit über
ihn »gelegentlich [zu] erweitern, da ja sowohl in meinem Opus als auch
in meinem Leben inzwischen neue Ansätze hinzugekommen sind.«
(Ebd., ) Der Klett-Verlag habe schon Interesse an entsprechenden
Büchern über Jünger geäußert und übernehme vielleicht die Publikation.
In der Folge entstand Nebels Plan, eine größere Monographie über Jün-
ger zu verfassen, die schließlich unter dem Titel »Ernst Jünger.
Abenteuer des Geistes« erschien, allerdings nicht bei Klett, sondern wie-
derum im Marées-Verlag. Zwischen und berichtete Nebel
Jünger regelmäßig über den Fortgang seiner Arbeit, und auch wenn Jün-
ger behauptete, er habe es »streng vermieden […], Einfluß auf Ihre Mo-
nographie zu nehmen« (ebd., ), lässt sich anhand des Briefwechsels
doch die subtile Schreibsteuerung belegen, die Jünger an Nebel übte.
tonte Nebel, dass er mit seiner Darstellung »um Gotteswillen keine Entschuldi-
gung und Verteidigung« bezwecke: »Es ist ganz deutlich, dass hier kein Bruch,
sondern eine Erweiterung und Ueberhöhung vorliegt.« (EJ/GN, )
Vgl. dazu auch die Berichte anderer Jüngerfreunde im Kommentar zum Brief-
wechsel: EJ/GN, f. Der Jurist Heinrich Gremmels, ein Schüler Carl Schmitts,
der / mit Jünger am Frankreichfeldzug beteiligt war und nach dem Krieg
mit Nebel, Jünger und Schmitt in enger Verbindung stand, berichtete über die
Diskussion im Anschluss an Nebels Vortrag, in der es »uns […], die wir die
›Sache Jünger‹ zu unserer eigenen gemacht haben, ein Leichtes und zugleich eine
grosse Genugtuung« gewesen sei, »die Einwände der Kritiker widerlegen zu kön-
nen und das Publikum auf unsere Seite zu ziehen« (ebd.).
Vgl. Nebel, Abenteuer.
Vgl. etwa EJ/GN, f., u. .
Nebels Monographie war nicht die einzige, die Ende der er Jahre
über Ernst Jünger erschien. Während das Buch von Alfred von Martin
im Jüngerkreis als unzulänglich und »belanglos« (ebd., ) abgetan wur-
de, schätzte Jünger die sympathisierende Darstellung des Jesuitenpaters
Hubert S. Becher. Direkten Einfluss übte er außer auf Nebel dagegen
nur auf Karl Otto Paetel. Jünger kannte Paetel schon aus der Weimarer
Republik, denn der geborene und zeitweilig in der bündischen
Jugendbewegung aktive Paetel war Hauptschriftleiter der von Ernst
Jünger und Werner Laß herausgegebenen Zeitschrift Die Kommenden
gewesen und wie Ernst Niekisch dem Lager der Nationalbolschewisten
zuzurechnen. emigrierte er über Prag und Frankreich nach Portu-
gal und kam schließlich in die USA, wo er für die Emigrantenzeit-
schrift Deutsche Blätter tätig war. Dort propagierte er die Existenz eines
»anderen Deutschlands« und gab schließlich im Verlag Friedrich
Krause eine Materialsammlung »anti-nationalsozialistischer Zeugnisse«
heraus, in der unter anderem Friedrich Georg Jüngers Gedicht »Der
Mohn« abgedruckt war. Im gleichen Jahr widmete er Ernst Jünger eine
eigene Monographie, die in derselben Reihe zum »anderen Deutschland«
erschien und in der er Jünger als »Gestalt des deutschen Anti-Nationalso-
zialismus« portraitierte. Der Text dieser kurzen Abhandlung, die eben-
falls auf Jüngers »Wandlung« abhob, ging dann weitgehend in das Buch
von ein, das darüber hinaus in erster Linie eine Materialsammlung
und Rekapitulation des Streits um Jünger in den Jahren bis
darstellte. Das Zustandekommen dieses zweiten Buches ging auf die In-
itiative Ernst Kletts zurück, der zunächst nur das New Yorker Buch in
Lizenz nachdrucken wollte, sich dann aber mit Paetel auf eine neue Ver-
sion einigte. Klett war es auch, der Jünger vorschlug, das Manuskript
vor der Drucklegung zu überprüfen. Es gäbe auch die andere Möglich-
keit:
»Sie lassen den Dingen ihren Lauf und nehmen das Buch erst zur
Kenntnis, wenn es fertig ist. Wenn ich recht sehe, dann läge Ihnen
diese Version am nächsten, da Sie es mit Recht Freunden, Verlegern
und sonstigen Wohlgesinnten überlassen, Ihre Sache durchzufechten.
Ob es in diesem Falle richtig wäre, möchte ich gleichwohl bezweifeln,
und mir persönlich wäre es recht lieb, wenn Sie die Arbeit gelesen und
gegebenenfalls verbessert hätten, bevor sie als Buch erscheint.«
Jünger las das Manuskript dann tatsächlich Korrektur und schlug dem
Verlag beträchtliche Kürzungen vor, in erster Linie bei Zitaten aus kriti-
schen Artikeln. Außerdem sollten seine publizistischen Texte der er
Jahre nicht in der Bibliographie aufgeführt werden, da das nur seinen
gegenwärtigen Antagonisten nützen könne. Paetels Bibliographie wurde
daraufhin von Karl Friedrich Baedecker und Armin Mohler überarbeitet
und entsprechend gekürzt, was Paetel in der Veröffentlichung damit
rechtfertigte, viele der »vor publizierten Beiträge« seien »so an den
Tag gebunden, daß sie zum Verständnis der grundsätzlichen Position des
Dichters nichts beizutragen vermögen«. Auch wenn Jünger Paetel ge-
genüber sein Unbehagen angesichts von dessen Bemühen, »die Eintags-
fliegenarbeit der Journalisten wiederauferstehen« zu lassen, zum Aus-
druck brachte und Paetel nicht zum engsten Jünger-Kreis gehörte, war
seine Monographie doch Bestandteil der gezielten Rezeptionssteuerung,
um die sich Jünger und seine Gefolgsleute bemühten. Dass Paetel in sei-
nem Buch auch die »Briefe an die Freunde« zitieren konnte, belegt dabei
zugleich seine Zugehörigkeit zum inneren Kreis und dokumentiert die
gezielte Öffentlichkeitsstrategie aus diesem inneren Kreis heraus.
Die Bedeutung, die dabei der Bibliographie beigemessen wurde, kenn-
zeichnet ein weiteres Charakteristikum dieser Rezeptionssteuerung. Denn
von früh an gehörte zu Jüngers Strategie der Autorschaft die Tätigkeit von
Bibliographen und Materialsammlern, die ihn nicht nur selbst von der Be-
schäftigung mit seinen Kritikern entlasteten, sondern auch bei Bedarf mit
dem entsprechenden Spezial- und Geheimwissen aufwarten konnten.
Paetel veröffentlichte die erste einer Reihe von eigenständigen Jün-
ger-Bibliographien und war Jünger darüber hinaus als Außenposten in
den USA dienlich, da er bis zu seinem Tod in New York lebte.
Auch die Verbindungen ins europäische Ausland waren für Jünger
gerade während der Zeit des Publikationsverbots von Bedeutung. Un-
mittelbar nach dem Krieg spielte dabei die Schweiz eine besondere Rolle,
zum einen, weil dort Publikationen auf Deutsch erscheinen konnten,
und zum anderen, weil sich in der Schweiz eine Gruppe jüngerer Intel-
lektueller um den Studenten Armin Mohler in Basel und den Verleger
Peter Schifferli in Zürich gebildet hatte, die sich von sich aus um den
Kontakt zu Jünger bemühte. Schon im September hatte Ernst
Jünger seinem Bruder Friedrich Georg geraten, mit dem Zürcher Philo-
sophen Erich Brock Kontakt aufzunehmen, da dieser einen Schweizer
Verlag für die Brüder Jünger organisieren solle. Dieser Schweizer Verlag
wurde dann der von Peter Schifferli gegründete Arche-Verlag, bei
dem »Sprache und Körperbau« als erste Nachkriegsveröffentlichung
Ernst Jüngers erschien und der später noch einige kleinere Texte Jüngers
publizierte. / bestand auch der Plan, die »Strahlungen« im Arche-
Verlag erscheinen zu lassen, wobei Mohler gleichsam als freier Mitarbei-
ter das Lektorat übernehmen sollte. Die »Strahlungen« erschienen
dann zusammen mit dem Roman »Heliopolis« in dem eigens dafür von
Ewald Katzmann in Tübingen gegründeten Heliopolis-Verlag. Armin
Vgl. Paetel, Bibliographie. schlug Jünger wiederum Paetel als Autor für die
im Rowohlt-Verlag geplante Jünger-Biographie vor, die dann erschien; vgl.
ders., Ernst Jünger in Selbstzeugnissen. Bei der Arbeit an dieser ersten quasi-offi-
ziellen Biographie nahm Jünger allerdings so starken Einfluss, dass sich Paetel bei
Hans Peter des Coudres über Jüngers Einmischungen beschwerte; vgl. Neaman,
Dubious Past, S. .
Neben Armin Mohler gehörten zur »Basler Trias« (G. Nebel), die Ernst Jünger,
aber auch andere ihrer Lieblingsautoren wie Gottfried Benn und Carl Schmitt in
der unmittelbaren Nachkriegszeit mit Lebensmittelsendungen und Kurierdien-
sten unterstützte, die Journalisten Hans Fleig und Erhard Hüsch. Peter Schifferli
lernte Mohler kennen, als er in Zürich bei der Weltwoche mitarbeitete, in der
er seinen ersten Artikel über Ernst Jünger veröffentlichte. Schifferli nahm
Mohler zu einem Besuch bei den Brüdern Jünger am Bodensee mit; vgl. den
»Vorbericht« in Mohler, Ravensburger Tagebuch, S. f.; zu Mohler unten, Kap. ..
Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Erich
Brock (-) hatte sich durch einzelne Rezensionen und sein Buch »Ernst
Jünger und die Problematik der Gegenwart« (Basel ) während des Krieges
wohlwollend mit Jünger beschäftigt. erschien dann Brock, Weltbild. Seine
Frau hatte sich schon vor dem Krieg um die Rezeption beider Brüder Jünger in
der Schweiz bemüht; vgl. Brock-Sulzer, Ernst und Friedrich Georg Jünger.
-
Mohler trat im selben Jahr die Stelle eines Privatsekretärs bei Ernst Jün-
ger an, die er bis bekleidete. In dieser Position bildete er eine der
zentralen Schaltstellen im Netzwerk beider Brüder Jünger.
Neben der Schweiz war Ernst Jünger schließlich auch um seine Rezep-
tion in Frankreich bemüht, wohin er seit der Besatzungszeit in Paris gute
Kontakte unterhielt. Seine wichtigste Kontaktperson war dort zunächst
die französische Schriftstellerin aserbeidschanischer Herkunft Umm-el
Banine, die er in Paris kennen gelernt hatte und die er etwa brieflich
bat, gegen den oben erwähnten Artikel Didier Raguenets Stellung zu be-
ziehen. Später wurde sein Übersetzer Henri Plard einer seiner wichtig-
sten französischen Gefolgsleute. Auch im Falle Plards findet sich ein für
Jüngers Strategie im Umgang mit seinen Kritikern bezeichnendes Bei-
spiel. So schrieb er ihm im Juni :
»Im Gange der Polemik, an die ich gewöhnt bin, ist in diesen Tagen
ein neues Opus hervorgetreten, und zwar von J. P. Stern, ›E. J.‹, verlegt
in Cambridge, bei Bowes and Bowes. Es scheint sich dabei um eine
Art von Übermendelssohn zu handeln, der seinem Angriff sprachliche
Sektionskünste zugrunde legt. Ich würde es begrüßen, wenn jemand
eben so kurz, auf etwa bis Seiten erwiderte, der auf [sic] von
Sprache einen Begriff hat, und zwar einen höheren. Die deutsche
Übersetzung könnte hier erscheinen. Wüßten Sie jemand, oder hätten
Sie Lust zu einem solchen Gang? Mir würde es auch Spaß machen,
aber ich habe mir zur Regel gesetzt, in eigener Sache nicht zu plaidie-
ren.«
als Jüngers Gefolgsmann betonte er, er setze sich »nicht als Ihr Propagan-
da-Minister für Sie ein, sondern aus völlig eigener Verantwortung, und
ich treibe keinen geistigen Ahnenkult, sondern ich will der Sache der
geistigen Freiheit dienen« (ebd., ). Armin Mohler warnte Jünger aller-
dings auch mit Blick auf Nebel vor »zwei Gefahren, die Sie im rechten
Augenblick sicher mit wenig Aufwand zurückweisen können: der Verein
und die Sekte«. Nach einer Deutschlandreise berichtete er über seine
Begegnungen mit Jüngerlesern: »[M]an stutzt Sie so zurecht (als Christ,
Westeuropäer, Partisan usw.), damit Sie zum Sekten-Oberhaupt taugen.
Die Ansätze zur Sektenbildung waren an einigen Orten doch peinlich
stark.«
Trotz dieser expliziten Distanzierungen ist aber unverkennbar, dass
alle genannten Protagonisten selbst nicht unerheblich zur Sektenbildung
um Jünger beitrugen. Karl Otto Paetel brachte dieses Paradox in dem
Bericht über seinen ersten Nachkriegsaufenthalt in Deutschland
unfreiwillig zum Ausdruck. Er betonte darin einerseits, dass Ernst Jünger
»keiner politischen Gruppe« und »keinem literarischen Klüngel« angehöre
und dass er »auf den Schutz einer Kamarilla zu verzichten« vermöge.
Andererseits hob er aber selbst die »Freunde« hervor, die Jünger »in
Deutschland und überall auf der Welt« habe, und bezeichnete sie als
»eine unsichtbare […] ›Bruderschaft der Unruhigen‹«, die sich auch über
Differenzen im Einzelnen an der »Haltung« gegenseitig erkennen wür-
de. Eine unsichtbare Bruderschaft ist aber nichts anderes als eine Sekte,
zu deren Zustandekommen Jünger selbst durch seine Konzeption der
»Autorschaft« und durch seine netzwerkbildenden Kommunikations-
praktiken abgestufter Einweihung trotz aller gegenteiliger Behauptungen
maßgeblich beitrug. Dass es innerhalb dieses Netzwerks zu mancherlei
Konflikten kam, zu Konkurrenzkämpfen und Eifersüchteleien um die
Gunst des Meisters, die in einzelnen Fällen zu nachhaltigen Zerwürfnis-
sen führten – Armin Mohler und Gerhard Nebel zerstritten sich mehr-
fach, kam es gar zum Bruch zwischen Jünger und Nebel, der zu einer
neunjährigen Pause im Briefwechsel führte –, gehört dabei gerade zur
Signatur einer solchen bündischen Gemeinschaft.
Die esoterischen Kommunikationspraktiken hielt Jünger im Übrigen
auch nach dem Ende des Publikationsverbots aufrecht, wie etwa die Pri-
vatdrucke deutlich machen, die Jünger regelmäßig »unter Ausschluß der
Martin Heidegger hatte ebenfalls bereits vor und besonders im Rah-
men seiner Auseinandersetzung mit dem auch im George-Kreis verehr-
ten Friedrich Hölderlin eine Text- und Sprachstrategie der »Sigetik« ent-
wickelt, die in ähnlicher Weise wie Jüngers Kommunikation unter
Freunden auf die Schaffung einer esoterischen Gemeinschaft von Einge-
weihten zielte. Diese Gemeinschaft der Heideggeranhänger diente auch
ihm in der unmittelbaren Nachkriegszeit als Schutzpolster gegen die An-
feindungen an der Universität und in der Öffentlichkeit. Ein Beispiel
dafür, dass Heidegger auch nach seine Prophetenrolle aufrecht er-
hielt und weiterhin auf die Pflege seiner Schülerschaft bedacht war, lie-
fert der mittlerweile edierte Briefwechsel mit Max Müller. So schrieb
Müller in einem Brief an Heidegger, den er mit dankbaren Grüßen
»von Ihrem Schüler« (MH/MM, ) unterzeichnete, Heidegger sei »kein
Philosophieprofessor, vielleicht auch kein Philosoph, weil das alles zu
wenig ist, sondern Weiser und Verkünder, Stimme und Werkzeug des
Seins selbst« (ebd., ). Jürgen Habermas konstatierte , dass sich Hei-
deggers Wirkung besonders in »kleinen Kreisen« und »Sekten« zeige:
»Gewiß ist Heideggers Wirkung nicht auf die Universitäten beschränkt;
ja, die Anhänglichsten versammeln sich eher ante portas. Diese kleinen
Kreise, zu Sekten manchmal zusammengeschlossen, sind im Lande
verstreut und schwer zu überschauen. In einer Hinsicht passen sie zum
Auftreten des Denkers, der die Kongresse der Fachkollegen meidet
und sich lieber den Kollegien von Laienbrüdern stellt. Unter ihnen
sind die auf Bühler Höhe Erholung suchenden Wirtschaftskapitäne
bereits zum sprichwörtlichen Ruhme gelangt.«
Das Entscheidende ist nun, dass sich die Kreise von Heidegger und den
Brüdern Jünger in der Nachkriegszeit zu berühren begannen und zeit-
weise aufs Engste verflochten. Die erste persönliche Begegnung fand
schon zwischen Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger statt,
vermittelt durch den Frankfurter Verleger Vittorio Klostermann. Mit
Martin Heidegger stand Klostermann seit seiner Tätigkeit im Verlag
Friedrich Cohen in Kontakt, bei dem Heidegger »Kant und das Pro-
blem der Metaphysik« sowie die Freiburger Antrittsvorlesung »Was ist
Metaphysik?« veröffentlichte hatte. Seit Klostermanns eigener Verlags-
gründung diente ihm Heidegger als philosophischer Berater,
veröffentlichte Heidegger mit »Vom Wesen der Wahrheit« zum ersten
Mal im Klostermann-Verlag. Aus den Kriegsjahren stammt auch die Ver-
bindung mit Friedrich Georg Jünger, der sich nach der ersten Zerstörung
des Satzes seiner »Illusionen der Technik« bei der Hanseatischen Verlags-
anstalt an Klostermann gewandt hatte. Daraus entstand nicht nur eine
lebenslange Verlagsbindung, sondern auch eine enge Freundschaft, die in
privaten Treffen, gemeinsamen Reisen und Wanderungen zum Ausdruck
kam.
Die Zusammenarbeit mit Heidegger war dagegen zwischenzeitlich
getrübt und drohte ganz abzubrechen, offiziell, da sich Heidegger
über die mangelhafte Qualität der zweiten Auflage der »Holzwege« be-
schwerte, die bei Klostermann erschienen war. Hintergrund des
Streits von bildeten aber wohl auch die vergeblichen Bemühungen
Klostermanns aus den Jahren und , Heidegger Berufungen an
die Universitäten Frankfurt und Berlin zu verschaffen, deren Verlauf und
Scheitern Heidegger verstimmten. Diese Verstimmungen wurden spä-
ter allerdings wieder ausgeräumt. Vor seinem Tod legte Heidegger noch
selbst den Plan zu seiner Gesamtausgabe im Klostermann-Verlag fest.
Die erste persönliche Begegnung Klostermanns mit Ernst Jünger fiel
ebenfalls noch in die Kriegszeit. war Klostermann dann an den Ver-
handlungen beteiligt, die eine Veröffentlichung von Jüngers »Frieden«
ermöglichen sollten, zunächst aber am Publikationsverbot der englischen
und amerikanischen Besatzungsbehörden scheiterten. Zwischen und
veröffentlichte Ernst Jünger schließlich vor allen Dingen seine es-
sayistischen Schriften im Klostermann-Verlag, entschied sich aber Ende
Vgl. dazu und zum Folgenden Klostermann (Hg.), Vittorio Klostermann; Haus-
mann, Verleger.
Vgl. M. Heidegger an V. Klostermann, .. u. .., A: Klostermann,
DLA Marbach.
Vgl. Hausmann, Verleger, S. -.
-
der er Jahre dazu, seine erste Gesamtausgabe dem Klett-Verlag anzu-
vertrauen, was zum Zerwürfnis mit Klostermann führte. In den späten
er und den er Jahren war Klostermann aber auch für Ernst Jün-
ger ein reger Verhandlungs- und Gesprächspartner und bildete eine der
wichtigsten Schnitt- und Verbindungsstellen zwischen Heidegger und
beiden Brüdern Jünger.
hatte Klostermann einen Abzug der Druckfahnen der »Illusionen
der Technik« an Heidegger geschickt, nicht nur, weil er des Öfteren die
Meinung Heideggers zu unveröffentlichten Manuskripten einholte, son-
dern auch, weil er bei Heidegger zu Recht ein besonderes Interesse für das
Buch Friedrich Georg Jüngers vermutete. Klostermann war über Heideg-
gers intensive Beschäftigung mit Ernst Jüngers »Arbeiter« ebenso infor-
miert wie über seine während der er Jahre entwickelte Technikkritik.
Heidegger zeigte sich von Friedrich Georg Jüngers Arbeit beeindruckt
und bat Klostermann in einem Brief vom . Mai um Jüngers
Adresse. Er lud Jünger zu sich ein, besuchte ihn aber im Oktober des-
selben Jahres schließlich selbst. Friedrich Georg Jünger berichtete von die-
sem Besuch in einem Brief an Vittorio Klostermann vom . Oktober :
»Gestern, als ich vom Balkon in den Garten hinabsah, stand Heideg-
ger vor der Tür. Ich erkannte ihn nach Ihrer Beschreibung wieder. Er
kam mit seinem Bruder von Meßkirch und benutzte die Gelegenheit,
mir einen Besuch zu machen. Wir hatten ein mehrstündiges Gespräch,
nicht unergiebig. Personalia, Universität, Situation des Gelehrten,
Techne und Technik, Verhältnis von Mythe und Historie. Er nannte
es eine verwünschte Situation, daß er sich aus der Reflexion immer
erst herausreflektieren müsse. Belustigte sich auch über die Forscher,
die etwas finden und dabei nicht merken, daß der Mensch, der zu
suchen anfängt, immer etwas findet, ein Gedanke, der auch mich hin
und wieder ergötzt. Beim Abschied bat er mich, das Gespräch als ein
Vorspiel zu betrachten.«
Tatsächlich war es das Vorspiel einer persönlichen Verbundenheit, die bis
zum Tod Heideggers andauerte und nach auch Ernst Jünger
einbeziehen sollte. Schon bald unternahm Friedrich Georg Jünger einen
Gegenbesuch. So schrieb er am . November an seinen Bruder:
»Ich werde morgen nach Freiburg fahren, wo ich einige Tage in Gesell-
schaft von Klostermann verbringen will. Ist Heidegger dort, so soll er
auch aufgesucht werden. Denn vor kurzem stattete er mir hier einen
Besuch ab, schickte mir auch zwei seiner Schriften. Wir hatten ein
längeres Gespräch, in dem auch Deiner gedacht wurde. Von Deinen
Schriften hat er den ›Arbeiter‹ am eifrigsten studiert.«
Heidegger sandte nicht nur seine Schriften an Friedrich Georg Jünger,
sondern ließ sich von Klostermann auch Jüngers Arbeiten über die grie-
chische Mythologie schicken, zum Teil in mehreren Exemplaren, die er
offenbar weiterverteilte. Bis zum Kriegsende und in der ersten Nach-
kriegszeit scheinen sich Friedrich Georg Jünger und Heidegger zunächst
nicht wieder gesehen zu haben. Das erste dokumentierte Nachkriegstref-
fen verzeichnete Friedrich Georg Jünger am . Oktober in seinem
Tagebuch. Klostermann entwickelte aber schon ab Herbst eine
rege Reisetätigkeit, bei der er nun auch mit Ernst Jünger in Kontakt trat
und die Brüder Jünger und Heidegger über die Pläne der jeweils anderen
auf dem Laufenden hielt. Anhand der Briefwechsel zwischen Kloster-
mann, den Brüdern Jünger und Heidegger zeigen sich dabei zwei Dinge,
die für die oben beschriebene Kreisbildung insgesamt gelten: Zum einen
entfalteten die Briefe durch die Weitergabe von Informationen, durch die
vielfältigen Überkreuzungen und Verknüpfungen über das rein dialogische
Gespräch hinaus ein kommunikatives Netzwerk und können deshalb als
»gruppenbildendes Kommunikationsmittel« gelten. Zum anderen be-
ruhte dieses Netzwerk aber nicht allein auf der Briefkommunikation,
sondern auch auf einem regen Besuchsverkehr, der trotz der erschwerten
Das personelle Netzwerk, in dem die Brüder Jünger und Martin Heideg-
ger nach verbunden waren, diente nicht allein dem Rückzug und
der Verteidigung gegenüber der kritischen Öffentlichkeit. Es sollte auch
erlauben, aus der Sicherheit des Freundeskreises heraus schrittweise die
Rückkehr in die Öffentlichkeit zu organisieren. Denn der ostentative
Rückzug in den »Turm des Schweigens« bedeutete ja nicht, dass Heideg-
ger oder die Brüder Jünger der Meinung gewesen wären, nichts mehr zu
sagen zu haben. Die Bildung von esoterischen Zirkeln, von Gemeinden
von Eingeweihten beruhte vielmehr in hohem Maße auf dem Gedanken
einer Elite der Wissenden. Je dürftiger die Zeiten, desto mehr musste sich
diese Elite zunächst auf sich selbst konzentrieren, doch immer mit der
Perspektive und dem Anspruch, die Keimzelle künftiger Wirkung zu bil-
den. In seiner erschienenen Erzählung »Besuch auf Godenholm«
beschrieb Ernst Jünger exemplarisch diese Idee einer Kleingruppe von
Wissenden, die aus der Einsiedelei heraus und qua tieferer Einsicht den
zukünftigen Gang der Dinge bestimmen würden:
»Der Plan, die Lage in kleinen Gruppen zu erwägen und in Versuchen
ihre Grenzen anzutasten, war nicht so unsinnig. Das war nichts Neues,
sondern immer während der großen Wenden der Fall gewesen – in
die Bedeutung der universitären Geisteserziehung festhielt, geht auch aus einem
Brief an Gerhard Nebel vom Juni hervor: »Die Auseinandersetzung mit
dem, was jetzt u. seit langem ›Universität‹ heißt, bleibt für die künftige europä-
ische Erziehung zentral. Wir müssen sie selbst vollziehen – man könnte diese
Institution der fortschreitenden Amerikanisierung überlassen; aber das ist keine
Lösung; denn es handelt sich um die Frage, wie in den nächsten Jahrhunderten
Geist u. Wissen gedeihen und ihr Gepräge erhalten sollen.« (Zit. n. EJ/GN, )
F. G. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
F. G. Jünger an Dr. Groll, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
F. G. Jünger an H. E. Holthusen, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA
Marbach. Vgl. zu Jüngers Definition des Schauspielers als Demagogen und Ideo-
logen, der sich technischer Manipulationsmittel bedient, FGJ c, -.
-
Die konkrete Planung der Zeitschrift hatte bereits im Herbst in Ver-
handlungen mit Klostermann Gestalt angenommen. Der Titel der Vier-
teljahresschrift sollte »Musische Blätter« lauten, das erste Heft sollte im
April erscheinen. Nachdem Ernst Jünger von einer Mitherausge-
berschaft Abstand genommen hatte, aber bereit war, eigene Beiträge zur
Verfügung zu stellen, wollte Friedrich Georg Jünger als alleiniger Her-
ausgeber auftreten. Im April zeichnete er dafür einen Herausgeber-
vertrag mit Klostermann, im ersten Heft, das nun im Juli erscheinen
sollte, waren unter anderem Beiträge von dem Altphilologen Karl Rein-
hardt, dem Romanisten Werner Krauss, dem Kunsthistoriker Theodor
Hetzer und dem verstorbenen Literaturwissenschaftler Max Kom-
merell geplant. Es gab allerdings Schwierigkeiten mit der Lizenzvergabe
durch die Besatzungsbehörden, die nicht zuletzt auf der geplanten Mit-
arbeit von »indizierten Autoren« beruhten, zu denen auch Ernst Jünger
gehörte. Klostermann und Friedrich Georg Jünger verfolgten den Plan
der Zeitschrift zwar noch eine Weile lang, konnten ihn aber schließlich
nicht verwirklichen, das erste Hefte, das in Teilen bereits gesetzt war,
blieb ungedruckt.
Die Mitarbeit an anderen Zeitschriften hat Friedrich Georg Jünger in
den ersten Nachkriegsjahren stets abgelehnt, so auch gegenüber Hans
Paeschke, der nach dem Krieg in der Redaktion der deutsch-französi-
schen Kulturzeitschrift Lancelot tätig war und zusammen mit dem
ebenfalls beim Lancelot arbeitenden Gerhard Heller den Merkur grün-
dete. Gerhard Nebel war mit Hans Paeschke allerdings noch aus der
Kriegszeit bekannt, während derer Paeschke die Berliner Zeitschrift Die
Neue Rundschau redigierte hatte, für die auch Nebel schrieb. Gerhard
Heller kannten sowohl Nebel als auch Ernst Jünger aus der Besatzungs-
zeit in Paris. Beide beobachteten daher die verlegerischen und heraus-
Tatsächlich erschienen von Nebel im ersten Jahrgang des Merkur mehrere Bei-
träge; vgl. EJ/GN, , auch , f., u. f. Auch Clemens Podewils, der
Heller und Ernst Jünger ebenfalls aus Paris kannte, legte beiden Brüdern Jünger
eine Mitarbeit am Merkur ans Herz; vgl. C. Podewils an F. G. Jünger, ..,
D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Vgl. EJ c, FGJ a, b, .
-
hin, wie auch auf die feindliche Umwelt und das übergeordnete Ziel ei-
ner Schatzsuche, waren die Argonauten im Mythos doch aufgebrochen,
um das goldene Vlies zurückzuerobern. Dieses übergeordnete Ziel deu-
tete Jünger wiederum in Abgrenzung zum Merkur an, über den er am
. August schrieb: »Ich stelle mir unsere Argo etwas anders vor.
[…] Die Dinge setzen aber doch eine eingehende Beratung voraus. Sie
lägen einfach, wenn wir nur eine Zeitschrift herausgeben wollten. Wir
wollen doch aber mehr.« (Ebd., )
Die erste eingehende Beratung fand dann auf derselben Süddeutsch-
landreise Ernst Jüngers im September statt, bei der er auch Heideg-
ger persönlich kennen lernte und den Beschluss eines baldigen Umzugs
in die französische Besatzungszone fasste. Nun sollte auch Martin Heid-
egger an der Zeitschrift beteiligt werden, Armin Mohler sollte die Arbeit
des Redakteurs übernehmen. Nebel schrieb, nachdem ihn Jünger auf der
Rückreise in Wuppertal besucht hatte, an Mohler am . Oktober :
»Plan einer Zeitschrift mit Heidegger, für die Sie als Redaktor vorge-
sehen werden. ›Die kalydonische Jagd‹. Veranstaltet von Martin Hei-
degger, Ernst Jünger, Friedrich Georg Jünger, Gerhard Nebel – unter
Ausschluss des Oberförsters. Ich könnte mir denken, dass das kräftig
einschlüge. Heidegger und Jünger verstanden sich so gut, dass Jünger
im Begriff steht, sich ein Haus in Todtnauberg zu kaufen.«
Unter den Verlegern interessierte sich neben Hubert Tigges in Wuppertal
auch Vittorio Klostermann für das Zeitschriftenprojekt, zumal der Plan
der Musischen Blätter noch nicht ganz vergessen war, woran Friedrich
Georg Jünger seinen Bruder auch erinnerte. Ernst Jünger unterrichtete
(Ebd., ) Ernst Klett teilte diese Bedenken nicht. In den folgenden
Monaten waren es in erster Linie er und Gerhard Nebel, die den Zeit-
schriftenplan vorantrieben, wobei Nebel im diametralen Gegensatz zur
Obskurität forderte, dass die Herausgeber mit der Zeitschrift »wie eine
Atombombe in Erscheinung treten« (ebd., ) müssten. Im Januar
machte Klett den Vorschlag, »die in Betracht kommenden Herren zu ei-
nem meeting in irgend einem Hotel im Schwarzwald oder am Bodensee«
einzuladen, »damit die Sache endlich aus dem Stadium der vorbereiten-
den Gespräche« (ebd., ) herauskomme. Die Initiative war damit auf
Ernst Klett übergegangen, wobei Ernst Jünger, der den Plan ursprünglich
angestoßen hatte, nun in die Rolle des Bedenkenträgers wechseln konnte.
So schrieb er am . Februar an Gerhard Nebel:
»Die Zeitschriftenfrage ist recht kompliziert. […] Was mich betrifft,
so will ich dabei in keiner Weise aktiv werden, stecke ja gewiß mehr
Ansehen hinein, als ich heraushole. Auch fehlt es mir an Zeit dazu.
Anliegend nun ein Brief von Klett, demgegenüber ich gelegentlich
von dem Projekte sprach. Er erwägt eine Einladung an die in Frage
kommenden Geister, und ich sehe darin nichts Schlechtes, denn eine
solche Zusammenkunft dürfte gewiß anregen. Ich möchte aber erst
Ihre Meinung dazu hören. Ein Konsilium, von dem ich mir etwas ver-
spräche, könnte etwa so aussehen: Heidegger, Heisenberg, F. G. Jün-
ger, E. Jünger, Nebel, C. Schmitt, Speidel. Das würde ich begrüßen,
auch wenn der Plan einer Zeitschrift garnicht auf ’s Tapet käme.«
(Ebd., )
In einem späteren Brief fügte er hinzu, dass ohnehin noch ungeklärt sei,
»wer die Herausgabe übernehmen will« (ebd., ). Nebel erklärte sich
daraufhin bereit, die Zeitschrift gegebenenfalls auch alleine herauszu-
geben, »unter der Bedingung, dass Armin Mohler mir als Redaktor bei-
gegeben wird« (ebd., ). Mohler war mit dieser Regelung trotz gele-
gentlicher »Zusammenstösse« mit Nebel einverstanden.
Noch bevor aber die geplante »Zusammenkunft der Giganten« (ebd.,
) Ende Mai stattfinden konnte, ergaben sich neue Schwierig-
keiten. Die englische hatte bei der amerikanischen und französischen
Militärbehörde gegen geplante Veröffentlichungen Jüngers Protest einge-
legt, und Jünger rechnete noch mit »weiteren Bestrebungen, sich meiner
höchst unerwünschten Erscheinung auf dem Verbotswege zu entledigen«
(ebd., ). Er schrieb daher am . Mai an Ernst Klett, dass er, um »die
Angriffsfläche so klein wie möglich zu halten«, auch bei der Zeitschrift
möglichst nicht »sichtbar hervortrete[n]« wolle. Er sei zwar bereit,
»Herrn Dr. Nebel so oft Beiträge zur Verfügung zu stellen, wie er es für
richtig hält«, wolle aber »nicht als einer der Initiatoren an ein Gremium
herantreten und an seinen Beratungen teilnehmen« (ebd.). Anstelle einer
großen Zusammenkunft unternahmen Nebel und Klett daher im Mai
eine Rundreise, bei der sie die Brüder Jünger und Heidegger einzeln auf-
suchten, um sie bei der Stange zu halten. Diese Reise war immerhin so
erfolgreich, dass Nebel Ernst Jünger am . Mai berichtete, Friedrich
Georg Jünger und Heidegger seien beide weiterhin an der Zeitschrift
interessiert, Heidegger wolle Heraklit-Interpretation zur Verfügung stel-
len: »Beide, Ihr Bruder und der Waldschratt vom Feldberg, sind bereit,
als Herausgeber zu zeichnen. Heidegger sprach ausserdem den Wunsch
aus, dass die Herausgeber in regelmässigen Abständen zusammenkom-
men.« (Ebd., f.) Das einzige Bedenken Heideggers, wie Nebel auch an
Friedrich Georg Jünger schrieb, bezog sich auf seinen noch in russischer
Kriegsgefangenschaft befindlichen Sohn: »Er fürchtet, dass die Russen
ihn als Geisel betrachten und so verhindern wollen, dass der Vater her-
vortritt.« (FGJ/GN, ) Nachdem auch Ernst Klett noch einmal mit
Ernst Jünger gesprochen hatte, berichtete er an Nebel, dass Jünger beson-
ders über die Zusage Heideggers erfreut gewesen sei, aber erneut Beden-
ken hervorgebracht habe, »dass sein Name genannt wird«:
»Auch nach Wuppertal wird er wohl kommen, wobei ihm besonders
wichtig war, dass Heidegger grundsätzlich zugesagt hat. Entscheidend
war auch für ihn, dass die dortige Tagung nicht öffentlich vor sich
ben und versuchte, seine Bedenken zu entkräften. Dabei ging er nicht nur
auf die Frage der Mitarbeiter und des günstigen Erscheinungszeitpunkts
ein, sondern auch auf die politische Bedeutung der Zeitschrift:
»Wegen der Mitarbeiter mache ich mir keine Sorgen – nach den bei-
den ersten Heften wird sich alles, was in Deutschland noch ein eigenes
Wort wenigstens stammeln kann, um uns drängen. Was den Kairos
anbetrifft, so halte ich ihn, aufs Allgemeine gesehen, für günstig. Un-
ser Unternehmen hat, wie alles, was heute geschieht, auch eine politi-
sche Seite. Unsere Zeitschrift wird der erste Ausdruck der deutschen
Souveränität sein, zum ersten Mal keine Agentur irgendeiner Besat-
zungsmacht – und wir können damit nicht warten, bis wenigstens
scheinbar eine politische Souveränität hergestellt ist. Der Geist muss
vorangehen, muss Promachos sein.« (Zit. n. ebd., )
Heidegger antwortete darauf, den Kairos bestimme die Zeitschrift selbst.
Er komme aber »von dem Gedanken nicht los, daß die Sache im jetzigen
Stadium zu übereilt ist«. Auch dass »sich Viele herzudrängen« werden,
glaube er gern, doch »es handelt sich dann nicht nur darum, auszuson-
dern u. d. h. auch abzulehnen; wichtiger ist, daß schon eine genügend
vorbereitete Gruppe von sich aus u. für einen längeren Zeitraum die
Sache trägt. […] An gut schreibenden Autoren wird bei der heutigen
Sprachroutine kein Mangel sein. Umso schwieriger ist die Unterschei-
dung der Geister.« (Zit. n. ebd., f.) Ernst Jünger, den Nebel und Klett
von ihrem Briefwechsel mit Heidegger in Kenntnis gesetzt hatten,
schrieb an Nebel, ihm seien Heideggers Bedenken verständlich: »er will
sich in dieser Übergangsphase nicht unnötige Angriffe zuziehen« (EJ/
GN, ). An Heidegger direkt schrieb er am . Juni :
»Obwohl ich den Plan der Zeitschrift und des ins Auge gefaßten
Gremiums begrüße, begreife ich auch Ihre Bedenken, und zwar aus
meiner eigenen, ähnlichen Situation heraus. Die Tatsache einer Mit-
arbeit und auch der Zusammenarbeit erscheint mir als unbedenklich,
dagegen halte ich eine Fixierung dieser Zusammenarbeit, sei es auf
dem Titelblatt, sei es durch Propaganda, für einen Schritt, der wohl zu
Ernst Klett sekundierte Nebels Argument zum Kairos in einem Brief an Heid-
egger vom . Juni : »Seit Beginn dieses Jahres ist deutlich spürbar, dass die
niedere Rachsucht sich totzulaufen beginnt. Man wird mit ziemlicher Sicherheit
sagen können, dass die Zeitschrift von politischer Seite – mit ein paar Stänkerern,
die es nicht lassen können, müssen wir immer rechnen – keine gefährlichen An-
griffe zu erwarten hat.« (E. Klett an M. Heidegger, . ., Verlagsarchiv Ernst
Klett Verlag, Ordner EK )
-
Im gleichen Brief kommentierte Heidegger übrigens auch die Texte von Nebel,
die dieser ihm geschickt hatte. Über Nebels Jüngervortrag schrieb Heidegger:
»Die Rede über Ernst Jünger beruht auf einer weiten Architektur. Ich schätze
den ›Arbeiter‹ trotz allem noch positiver; er gehört zu den wenigen Büchern, die
seit Nietzsches Tod etwas von dessen Denken begriffen haben. Wir sind in dieser
Hinsicht noch in den ersten Anfängen. Die Flucht ins Christentum ist überall
eine zu eilige Sache. […] Ich habe das Gefühl, man sollte Jüngers Weg schweig-
samer behüten. Die Apologeten der Kirchen werden schon früh genug ihr Kapi-
tal daraus schlagen.« (Zit. n. EJ/GN, )
M. Heidegger an E. Jünger, Freiburg, . Juni , A: Jünger, DLA Marbach.
Leider konnte nicht genau ermittelt werden, von welcher Zeitungsnotiz aus sich
Dieser Brief ist nicht nur ein eindrucksvolles Dokument von Heideggers
Pathos der Einsamkeit und seiner Selbstbeauftragung zur Stärkung der
Suchenden. Er dokumentiert auch die zwiespältige Haltung zur Öffent-
lichkeit, auf die man zur breiteren Wirksamkeit zwar angewiesen wäre,
unter deren »Diktatur« sich die Sammlung der Wartenden und Suchen-
den aber nicht vollziehen könne. Die Brüder Jünger teilten diese Hal-
tung Heideggers. In seiner Antwort vom . Juni schrieb Ernst Jünger,
Heideggers »Lagebeurteilung« treffe wohl das Richtige, auch wenn es
verlockend gewesen wäre, ein »Organ für die letzten selbstständig Den-
kenden und Schaffenden zu bilden«. Im Laufe der letzten Jahre sei ihm
aber »ganz deutlich geworden, daß Schweigen die stärkste Waffe ist,
vorausgesetzt, daß sich dahinter etwas verbirgt, das das Verschweigen
lohnt«. In einem Brief desselben Datums an seinen Bruder fügte er
hinzu, er nehme mit einem gewissen Gefühl der Erleichterung Abschied
von dem Projekt. An Nebel schrieb er:
»Es ist auf alle Fälle begrüßenswert, daß sich die Lage klärt, noch be-
vor es zu Unternehmungen kam. Der Gedanke an eine Argo war ver-
lockend, doch ist er nicht zu verwirklichen, wenn der gemeinsame
Eros fehlt. Das scheint mir weniger an den Personen zu liegen als an
der geistigen Situation überhaupt. Es gibt einzelne von Bedeutung,
aber keine Schulen und Gremien. Ich halte es daher für notwendig,
zum mindesten ein bis zwei Jahre zu warten und die Kräfte zu beob-
achten, die, wie ich hoffe, auftauchen.« (EJ/GN, f.)
die Nachricht von der geplanten Zeitschrift verbreitete. Armin Mohler, der im
Oktober davon sprach, dass sich das Gerücht »in verschiedenen deutschen
Zeitschriften« (Mohler, Ravensburger Tagebuch, S. ) finde, machte Nebel
dafür verantwortlich; vgl. A. Mohler an G. Nebel, .., A: Mohler, DLA
Marbach. Im Klett-Archiv findet sich in der zugehörigen Post auch der Brief
eines Wilhelm Kiefer, der Klett darauf ansprach, er habe gelesen, »daß ein Kreis
um Ernst Jünger, Carl Schmitt und Martin Heidegger die Absicht habe eine
neue Zeitschrift herauszugeben« (W. Kiefer an E. Klett, .., Verlagsarchiv
Ernst Klett Verlag, Ordner EK ). Dass die Nachricht bis in die USA gedrun-
gen war, belegt auch ein Brief Thomas Manns an Karl Otto Paetel, der über
dessen Jüngerbuch schrieb: »Dazu ist auch die Nachricht nicht eben behilflich,
die gerade in diese Lektüre fiel, dass Jünger im Begriff ist, zusammen mit Heid-
egger und Carl Schmidt [sic], dem Kronjuristen des Dritten Reiches, eine Zeit-
schrift zu gründen.« (Zit. n. EJ/GN, )
Von der »Diktatur der Öffentlichkeit« hatte Heidegger nach bereits im
»Humanismusbrief« gesprochen (MH a, ).
E. Jünger an M. Heidegger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
-
Daraufhin legten auch Gerhard Nebel und Ernst Klett dem Zeitschrif-
tenplan zu den Akten, »allerdings auf Termin«, wie Klett hinzufügte,
denn sowohl Heidegger als auch Jünger hatten ja geäußert, dass der gün-
stige Zeitpunkt vielleicht noch einmal komme. Tatsächlich bemühten
sich Klett und Nebel noch den Herbst über, das Projekt am Leben
zu erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt zu realisieren. Noch im
September lud Klett Heidegger zum Einweihungsfest seines neuen
Hauses in Stuttgart ein, da dort die Möglichkeit bestünde, gemeinsam
mit den ebenfalls anwesenden Brüdern Jünger, Hans Speidel, Gerhard
Nebel und Armin Mohler
ȟber das seinerzeit schon besprochene und dann bis auf Weiteres zu
den Akten gelegte Zeitschriftenprojekt zu sprechen. Ich habe wohl-
weislich diese Sache auf sich beruhen lassen, und ich habe gewartet,
bis aus dem damals ins Auge gefassten Kreis heraus erneut die Anre-
gung käme. Dies ist nun geschehen: Man ist der Meinung, dass jetzt
der Zeitpunkt gekommen sei, wo man zumindest den Plan erneut ins
Auge fassen sollte.«
Allerdings hatte es schon um die Jahreswende / Streitigkeiten zwi-
schen Gerhard Nebel und Ernst Jünger sowie Armin Mohler gegeben,
die Anfang schließlich zu einem neun Jahre währenden Abbruch der
E. Klett an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. Nebel und Klett
waren angesichts ihres Scheiterns nicht ohne sarkastische Bitterkeit. Nebel kom-
mentierte Heideggers Rückzug gegenüber Armin Mohler: »Sicherlich bin ich
nicht begabt, Primadonnen zu karessieren – aber diesmal war ich unschuldig.
Heidegger, der Heros der Bedenklichkeit, hat sich eben auch in diesem Punkte
bis zum Nichts durchgedacht.« (G. Nebel an A. Mohler, .., A: Mohler,
DLA Marbach) Klett schrieb an Nebel: »[G]enau besehen, waren bei der Sache
wir beide die einzig klaren, loyalen und zu ihrem Wort stehenden Leute.«
(E. Klett an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Marbach)
Am . Juli schrieb Heidegger noch einmal an Nebel: »Der Augenblick, in
dem der Plan einmal vollzogen werden könnte, dauert noch sehr lange. Er ist
unabhängig von momentanen Zusprüchen. Ernst Jünger ist mit mir darin einig,
daß wir nicht voreilig die letzten Positionen dem Getümmel einer Öffentlichkeit
preisgeben dürfen […]. Ich beschäftige mich trotz allem auch jetzt noch fast
täglich mit dem Zeitschriftenplan. Die Brüder Jünger wollten im Herbst hier-
herauf kommen. Vielleicht können Sie Ihre Reise so einrichten.« (M. Heidegger
an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Marbach)
E. Klett an M. Heidegger, .., Verlagsarchiv Ernst Klett Verlag, Ordner
EK . Wer »man« in diesem Fall war, d. h. von wem der Zeitschriftenplan
noch einmal angestoßen wurde, ließ sich leider nicht klären. In jedem Fall hat
Heidegger abgesagt; vgl. E. Klett an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Mar-
bach.
Beziehungen zwischen Jünger und Nebel führten. Damit war auch das
Zeitschriftenprojekt in der geplanten Form endgültig gestorben. Eigene
Zeitschriften gaben die Brüder Jünger erst später heraus: Ernst Jünger in
den er Jahren den Antaios (zusammen mit Mircea Eliade), Friedrich
Georg Jünger in den er Jahren die Scheidewege (zusammen mit Max
Himmelheber). Noch zu Beginn der er Jahre schien ihnen die Zeit
dafür nicht reif. So schrieb Ernst Jünger im Januar noch einmal
rückblickend an Heidegger, er habe den Zeitschriftenplan ganz aufgege-
ben: »Wie richtig Ihr Zögern war, erkenne ich besonders in Anbetracht
der neuen Presse-Campagne, die gegen mich im Gange ist. […] Zwar
wäre ein solches Forum zur Klärung von Fragen wie der oben berührten
gut gewesen, doch besser bleibt wohl das den Lemuren entzogene Ge-
spräch.«
Die Formulierung Jüngers aus dem Brief an Heidegger vom . Januar griff
dabei auf den Namen der antiken Totengeister zurück, den Jünger schon wäh-
rend des »Dritten Reiches« für die Handlanger des Totalitarismus verwandt hatte,
und übertrug ihn auf die Protagonisten der kritischen Öffentlichkeit.
Vgl. zu dieser Tagung auch EJ/GN, u. f.
Vgl. MH a; dazu inhaltlich unten, Kap. ..
Vgl. Petzet, Stern, S. - u. ders., Bremer Freunde. Heidegger hielt in der
Der »Club zu Bremen« wurde zwar nicht erst gegründet. Sein
Wiederaufleben nach dem Krieg gehört aber dennoch in den Kontext
der für die Nachkriegszeit typischen Hochkonjunktur von Gesprächs-
und Vortragskreisen, die parallel zu den Kulturzeitschriften boomten
und zumeist an bildungsbürgerliche Traditionen des gelehrten Gesprächs
anschlossen. Die meisten dieser Kreise sollten der Wiederbelebung
geistiger, humanistisch-christlicher Traditionen dienen, wie sie auch in
»abendländischen« oder kirchlichen Akademien angestrebt wurde. Da-
bei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen tendenziell offenen Ge-
sprächsforen, in denen – wie zum Beispiel bei den Mittwochsgesprächen
auf dem Kölner Bahnhof – neue und enthierarchisierte Formen der
öffentlichen Meinungsbildung erprobt wurden, und mehr oder weniger
geschlossenen Zirkeln, bei denen Mitglieder von selbsternannten Eliten
zusammenkamen, um hinter verschlossenen Türen über die Zukunft
Deutschlands zu beratschlagen. Einen solchen geschlossenen Gesprächs-
kreis stellte etwa die »Gesellschaft Imshausen« dar, die und drei
Tagungen auf dem Rittergut Imshausen in Nordhessen veranstaltete.
Von den Brüdern Werner und Heinrich von Trott (deren Stammsitz Ims-
hausen war) zusammen mit Eugen Kogon und Walter Dirks ins Leben
gerufen, sollten diese Tagungen die Tradition des Widerstands gegen Hit-
ler mobilisieren und ein Forum bieten, »dritte Wege« zur sittlichen und
politischen Erneuerung Deutschlands zu diskutieren und zu initiieren.
Man verstand sich als »demokratische Elite« und wollte an einem »Ort
der Begegnung« jenseits der politischen Lager ins Gespräch kommen.
Zur ersten Tagung der »Gesellschaft Imshausen« waren auch die Brü-
der Jünger eingeladen worden. Sie konnten zwar beide nicht kommen,
grundsätzlich waren sie für diese Art der esoterischen Elitenbildung ab-
seits der Öffentlichkeit aber durchaus aufgeschlossen, wie etwa auch
Friedrich Georg Jüngers oben erwähnte Lesung des »Friedens« bei einem
ähnlichen Treffen in Salem dokumentiert. Gänzlich von der Öffent-
und hatten von sich aus Briefwechsel mit ihren schriftstellerischen Idolen
begonnen. erschien Sophie Dorothee Podewils’ Erstlingswerk, der
Roman »Die geflügelte Orchidee«, der stark von Ernst Jünger beeinflusst
war und dessen Figur des Heinrich Mantius unverkennbar Züge Jüngers
trug. Im November besuchte Friedrich Georg Jünger Sophie Do-
rothee Podewils schließlich auf dem Schloss der Podewils’ im böhmi-
schen Schweißing.
Bei Kriegsende musste Sophie Dorothee Podewils das Schloss in Böh-
men räumen, während Clemens in englische Kriegsgefangenschaft geriet,
aus der er entlassen wurde. Nach dem Krieg zogen Podewils’ an den
Stammsitz der Familie von Sophie Dorothee, nach Hirschberg am Haar-
see, unweit von Weilheim in Oberbayern. Dort war vor allen Dingen
Friedrich Georg Jünger in den er Jahren ein regelmäßiger Gast. Ein
weiterer Treffpunkt war der Wohnsitz der Schwester von Sophie Doro-
thee Podewils in Altreuthe über dem Bodensee, die mit dem Prinzen
Albrecht zu Schaumburg-Lippe verheiratet war. Diesem gehörte auch das
Schloss Walchen in Oberösterreich, das von Friedrich Georg Jünger
ebenfalls des Öfteren besucht wurde, so zum ersten Mal Ende September
und Anfang Oktober . In den er Jahren war in Hirschberg, Alt-
reuthe und Walchen auch Martin Heidegger regelmäßig zu Gast. Denn
Sophie Dorothee Podewils hatte sich in der Nachkriegszeit verstärkt den
Schriften Heideggers zugewandt und seine Bekanntschaft gesucht. Auf
diese Weise trafen Heidegger und die Brüder Jünger gelegentlich bei die-
sen Aufenthalten bei Podewils’ zusammen.
Heidegger selbst wurde gegen die öffentliche Aufregung und die Kritik
so weit wie möglich abgeschirmt. Im Anschluss an die Münchner Veran-
staltung fuhren Podewils’ mit Heidegger und weiteren Freunden in ihr
Haus am Haarsee, wo Heidegger im engen Kreis einen zweiten Vortrag
aus dem Bremer Vortragszyklus hielt und Friedrich Georg Jünger aus
seinen Gedichten las. Schon im Vorfeld hatte Heidegger geschrieben,
diese Art der persönlichen Begegnung »erleichtert mir das Auftreten in
der Öffentlichkeit«. Zusammen mit Friedrich Georg Jünger verbrachte
er noch weitere Tage in Hirschberg, wovon Jünger seiner Frau berichtete.
So schrieb er am . Juni: »Am . mittags fuhren wir mit Heidegger nach
Haarsee hinaus. Abends las er noch einmal etwas vor, Gedanken über die
Technik, die er als Gestell bezeichnete.« Über den . Juni fügte er im selben
Brief hinzu: »Am Abend, als wir zurückgekehrt waren, las uns Heidegger
einige Gedichte von Hölderlin vor. Mir wurde dabei deutlich, daß er auf
den Hörer vor allem durch das wirkt, was er nicht sagt.« Wenige Tage
später schrieb er dann: »Heidegger fuhr vorgestern mit seiner Frau ab.
Ich hatte etliche Gespräche mit ihm. Er war heiter und fühlte sich hier
sehr wohl. An Angriffen gegen ihn fehlt es auch nicht; vor allem sind ihm
die Wissenschaftler, und unter diesen die Positivisten nicht grün. Er hat
ihnen recht unverdauliche ›Dinge‹ vorgesetzt.«
Wie dieses private Treffen im Anschluss an den Münchner Vortrag
verdeutlicht, wurde Heideggers noch tastendes Vordringen in die neue
bundesrepublikanische Öffentlichkeit bewusst durch die Kommunika-
tion in der schon bewährten Form des esoterischen Gesprächs im ge-
Vgl. zum »Zweiten Darmstädter Gespräch« von Barting, (Hg.) Mensch und
Raum.
Ein Protokoll dieses Gesprächs findet sich im Archiv der Bayerischen Akademie
der Schönen Künste unter der Korrespondenz mit Martin Heidegger.
Vgl. dazu unten, Kap. ..
V. Klostermann an E. Jünger, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
-
Vgl. Schildt, Abendland und Amerika; ders., Moderne Zeiten, S. -.
Der in München lehrende Religionsphilosoph Romano Guardini nahm als Aka-
demiemitglied des Öfteren an den Veranstaltungen der Bayerischen Akademie
der Schönen Künste teil und diskutierte dort auch mit Heidegger. Mit dem in
der frühen Bundesrepublik populären spanischen Philosophen José Ortega y
Gasset diskutierte Heidegger sowohl auf Bühlerhöhe wie auch bei dem Darm-
städter Gespräch ; vgl. MH f, zum Kontext auch Seubert Abendland;
Sánchez-Blanco, Ortega y Gasset.
Vgl. als knappen Überblick Mehring, Heidegger und Karl Jaspers; außerdem Ol-
son (Hg.), Heidegger and Jaspers.
Jaspers, Philosophische Autobiographie, S. f. Jaspers schrieb das Kapitel über
Martin Heidegger wie den Rest der philosophischen Autobiographie bereits in
den er Jahren, nahm es aber auf Anraten seiner Frau und einiger Freunde
nicht in die Erstveröffentlichung auf. Es wurde erst nach dem Tod von Jas-
pers und Heidegger in die erweiterte Neuausgabe integriert.
Vgl. zur Biographie Kirkbright, Karl Jaspers.
-
Vgl. ebd., . Friedrich Georg Jünger hat Jaspers‹ Darstellung der Mechanisie-
rung des Lebens in einer kurzen Rezension dann auch zustimmend wiederge-
geben (FGJ c). Nach dem Zweiten Weltkrieg nannte Jaspers den »Arbeiter«
und die »Perfektion« allerdings als Beispiele zweier entgegen gesetzter Möglich-
keiten, »die technische Welt im Ganzen« zu deuten, d. h. einmal zu verherrlichen
und einmal zu verteufeln, die sich aber in ihrer »Denkungsart« glichen und »in
ihrer Verabsolutierung beide falsch« seien (Jaspers, Ursprung, S. ff.). Jaspers
selbst nahm eine neutralere Haltung zur Technik ein, die ihr zwar einen
wesentlich Einfluss auf das moderne Leben, aber kein dämonisches Eigenleben
zugestand: »Die Technik ist nur Mittel, an sich weder gut noch böse.« (Ebd., )
Wie Armin Mohler Ernst Jünger berichtete, hat sich Jaspers auch im Rahmen
eines Seminars mit dem Technikbild der Brüdern Jünger beschäftigt; vgl.
A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
Jaspers, Geistige Situation, S. .
Ebd., .
Vgl. Bielefeldt, Kampf, S. -; vgl. zur Abgrenzung von Jaspers’ Kulturkon-
servatismus zur konservativen Revolution aber Stäblein, Kulturkonservatismus;
zum Kontext Bialas, Distanzierung.
Jaspers, Geistige Situation, S. , u. ; vgl. zum § oben, Kap. ..
Ebd., .
Ebd., .
ten, da Jaspers erst nach verstärkt vor den »irrationalistischen Konsequenzen
eines reinen Existenzialismus ohne das ergänzende Moment der Vernunft« zu war-
nen begann (Thurnher/Röd/Schmidinger, Philosophie, S. ). kritisierte er
dann selbst die »Unbedingtheit ohne Inhalt« des »Nihilisten der Tat«, die aus der
Aufgabe der Vernunft resultiere (zit. n. Großheim, Politischer Existenzialismus,
S. ).
Vgl. Jaspers, Geistige Situation, S. . Abgesehen von dieser Bemerkung erscheint
Jaspers’ Essay aber auf erstaunliche Weise losgelöst von den politischen Turbulen-
zen der letzten Weimarer Jahre. Im »Geleitwort zur Ausgabe von « gab Jaspers
dann auch zu, dass er bei Abfassung »kaum Kenntnis vom Nationalsozialismus«
(ebd., ) hatte.
Vgl. neben Jaspers’ Brief vom . August (MH/KJ, ff.) auch Saner, Thesen.
Vgl. Schneeberger, Nachlese, ff.
land nur zwei oder drei behalten. ›Welche denn?‹ fragte ich. Keine
Antwort. ›Wie soll ein so ungebildeter Mensch wie Hitler Deutsch-
land regieren?‹ – ›Bildung ist ganz gleichgültig‹, antwortete er, ›sehen
Sie nur seine wunderbaren Hände an!‹ […] Angesichts des selber vom
Rausche ergriffenen Heidegger habe ich versagt. Ich sagte ihm nicht,
daß er auf falschem Weg sei. Ich traute seinem verwandelten Wesen
gar nicht mehr.«
Tatsächlich führte Heideggers Parteinahme für den Nationalsozialismus
zum letztlich nicht mehr überbrückbaren Bruch in ihrer schon seit Be-
ginn der er Jahre angeschlagenen Freundschaft: »Gegen meine Er-
wartung war er durch seine öffentliche Wirksamkeit als Nationalsozialist
mein geistiger Feind geworden«, wie sich Jaspers erinnerte.
Nach Heideggers Rückzug von seinem NS-Engagement sprach er in
einem Brief an Jaspers vom . Juli relativ unverhohlen vom »Miss-
lingen des Rektorats« (ebd., ), das es für ihn zu überwinden gelte.
lobte er Jaspers’ Nietzsche-Buch (ebd., ), während er es in seiner
eigenen Nietzsche-Vorlesung kategorisch abqualifizierte. äußerte er
sich nicht zu Jaspers’ Zwangspensionierung, so wenig wie zu den übrigen
Repressalien, denen das Ehepaar Jaspers aufgrund der jüdischen Herkunft
von Gertrud Jaspers ausgesetzt war, wie Jaspers in seiner philosophischen
Autobiographie vermerkte. Zwischen und scheint es über die
Zusendung einzelner Schriften hinaus keine direkte Kommunikation
zwischen Heidegger und Jaspers mehr gegeben zu haben.
Nach dem Ende des »Dritten Reiches« kehrten sich die öffentlichen
Rollen von Heidegger und Jaspers im Vergleich zu gleichsam um –
wenn auch in gänzlich anderen Verhältnissen und aus entgegengesetzten
Gründen. Während Heideggers akademische Karriere und universitäre
Zukunft in Frage gestellt wurde und er aufgrund seiner Haltung während
des »Dritten Reiches« in die politische Defensive geriet, erwuchs Jaspers
aufgrund seines Status’ als Gegner und Verfolgter des Naziregimes
eine neuartige moralische Autorität, die mit einem hohen Ansehen bei den
amerikanischen Besatzungsbehörden einherging. Er wurde zwar nicht
wie Heidegger Rektor (auch wegen seines schlechten Gesundheits-
zustands), erhielt aber seine Professur in Heidelberg zurück und wurde
Mitglied im so genannten »Dreizehnerausschuss«, der den Wiederaufbau
der Heidelberger Universität koordinierte. Darüber hinaus wandte er
sich mit mehreren politischen Stellungnahmen an die deutsche Öffent-
lichkeit und versuchte, zu deren moralischer und politischer Erneuerung
beizutragen. Zu diesen Stellungnahmen gehörte an erster Stelle sein
erschienenes Buch zur »Schuldfrage«, das auf seine im Wintersemester
/ gehaltene Vorlesung über die geistige Situation in Deutschland
nach dem Krieg zurückging. Daneben fungierte er etwa auch als Mit-
herausgeber der von Dolf Sternberger geleiteten Zeitschrift Die Wand-
lung, die von bis erschien, und äußerte sich in zahlreichen
öffentlichen Vorträgen zu Fragen der Zeit.
Der Erfolg von Jaspers’ politischen Interventionen war allerdings be-
grenzt. Seine Vorstellung einer selbstkritischen Erneuerung der Univer-
sität kollidierte mit den Mechanismen der stillschweigenden akademi-
schen Selbstentnazifizierung, und für seine Aufforderung zur deutschen
Schuldannahme wurde er vielfach angefeindet, so dass er es vorzog,
das sich immer stärker auf Restauration polende Nachkriegsdeutschland
zu verlassen und eine Professur in Basel anzunehmen. Doch dieses parti-
elle Scheitern seiner moralischen Erneuerungsbemühungen zeugte nicht
von seinem mangelnden öffentlichen Einfluss, vielmehr war es gerade
auf diesen Einfluss zurückzuführen. Denn auch wenn sich Jaspers mit
seiner »Schuldfrage« gegen die in der deutschen Nachkriegszeit perhor-
reszierte Kollektivschuldthese wandte und zu einer Differenzierung des
Kontakt. Erst von Basel aus, am . Februar , schrieb Jaspers wieder
einen Brief an Heidegger, zum ersten Mal seit . Er sprach darin seine
Enttäuschung über Heideggers Verhalten / und die Gründe ihrer
Entfremdung offen an, äußerte aber dennoch die Hoffnung, dass über
die »Dunkelheit« und den »Abgrund der Zeiten« hinweg »im Philosophie-
ren und vielleicht auch im Privaten zwischen uns ein Wort vom einen
zum anderen« (MH/KJ, f.) gehen könne. In seiner Antwort wollte
Heidegger auf einzelne von Jaspers genannte Punkte nicht eingehen. Er
erklärte stattdessen: »Die Auseinandersetzung mit dem deutschen Unheil
und seiner weltgeschichtlich-neuzeitlichen Verflechtung wird den Rest
unseres Lebens durchdauern!« (Ebd., ) Jaspers konnte mit dieser
Erklärung schwerlich zufrieden sein, war sie doch ein typisches Beispiel
für eben jenes »Ausweichen in ein Allgemeines«, das Jaspers in seiner
»Schuldfrage« als »Ausweichen vor der eigentlichen menschlichen Auf-
gabe« kritisiert hatte. Dennoch wechselten Heidegger und Jaspers in der
Folgezeit mehrere Briefe und sandten sich eigene Schriften, wobei sich
Jaspers verhalten kritisch um Verständigung bemühte, ohne allerdings zu
verschleiern, dass er Heidegger auf dessen neuen Denkwegen nicht fol-
gen könne. Trotz dieser Distanziertheit bemühten sich beide um einen
philosophischen Dialog und fassten Ende und Anfang gar
ihren »alten Plan, […] uns einmal öffentlich auseinanderzusetzen« (ebd.,
), erneut ins Auge.
Während dieses Austauschs kamen sie nicht wieder auf ihr persönli-
ches Verhältnis und Heideggers Verhalten während des »Dritten Reichs«
Jaspers hatte vor allem Heideggers Gutachten über Eduard Baumgarten vom De-
zember , in dem Heidegger Baumgarten wegen seiner Nähe zu dem »Juden
[Eduard] Fraenkel« und dem »liberal-demokratischen Heidelberger Intellektuel-
lenkreis um Max Weber« (zu dem auch Jaspers gehörte) denunzierte und von
dem Jaspers Kenntnis erhielt, als eine der »einschneidendsten Erfahrungen
meines Lebens« (MH/KJ, ) bezeichnet; vgl. zu dem Gutachten Ott, Unter-
wegs, S. f. In einem Brief an seine Frau vom März behauptete Heidegger
allerdings noch, mit Jaspers über Baumgarten einer Meinung zu sein; vgl. MH/
EH, .
Jaspers, Schuldfrage, S. .
Heidegger sprach in seinen Briefen von seinem in den er Jahren entwickelten
seinsgeschichtlichen Standort aus, während Jaspers zugab, dass ihm dieser Stand-
ort »bis jetzt nicht zugänglich« (MH/KJ, ) sei. In einem Brief etwa schrieb
Heidegger über die Einsamkeit: »Aber sie bleibt die einzige Ortschaft, an der
Denkende und Dichtende nach menschlichem Vermögen dem Sein bei-stehen.
Aus dieser Ortschaft grüße ich Sie herzlich.« (Ebd., ) Jaspers antwortete: »Der
›Ort‹, von dem her Sie mich grüßen, – vielleicht habe ich ihn noch nie betreten,
empfange gern, mit Verwunderung und Spannung, solchen Gruß.« (Ebd., )
-
Sohn in Rußland, daß mein Name jetzt auch wieder vorne an steht
und daß die Bedrohung sich jeden Tag auswirken kann.« (Ebd., )
Heidegger endete mit einer pseudoversöhnlichen Note:
»Trotz allem, lieber Jaspers, trotz Tod und Tränen, trotz Leiden und
Greuel, trotz Not und Qual, trotz Bodenlosigkeit und Verbannung, in
dieser Heimatlosigkeit ereignet sich nicht nichts; darin verbirgt sich ein
Advent, dessen fernste Winke wir vielleicht doch noch in einem leisen
Wehen erfahren dürfen und auffangen müssen, um sie zu verwahren
für eine Zukunft, die keine historische Konstruktion, vor allem nicht
die heutige, überall technisch denkende, enträtseln wird.« (Ebd., )
Von dieser Wendung aus dem Schambekenntnis in die seinsgeschichtliche
Prophetie war Jaspers offensichtlich irritiert. Er formulierte einen ersten
Antwortbrief, den er aber nicht abschickte. Erst zwei Jahre später, im Juli
nahm Jaspers einen zweiten Anlauf, mit Heidegger über dessen Brief
ins Gespräch zu kommen. Er teilte Heidegger seine »Befangenheit«
(ebd., ) und sein Befremden über dessen Auslassungen mit, über de-
ren »Unbestimmtheit« und ihren »Schein der Großartigkeit« (ebd., ),
und kritisierte seine Abwendung vom Politischen als dem konkret Ge-
gebenen. Gehöre zu der »Macht des Bösen«, von der Heidegger schrieb,
nicht auch »die Verschleierung und das Vergessen des Vergangenen« (ebd.,
)? Stehe Heidegger mit seiner Rede vom kommenden Advent nicht in
der Gefahr, »als Prophet aufzutreten, der aus verborgener Kunde Über-
sinnliches zeigt, als ein Philosoph, der von der Wirklichkeit wegführt«
(ebd., f.)? In jedem Fall habe Jaspers das Gefühl, »als ob Sie mir in
einem wesentlichen, mir vielleicht Unumgänglichen, nicht geantwortet
hätten«, wobei er präzisierte: »ich erwartete nach Ihrem vorhergehenden
Briefe, auf den hin ich Ihnen meine ›Schuldfrage‹ schickte, ein kritisches
Wort zu dieser kleinen Schrift« (ebd., ). Dieses Wort war ausgeblieben.
Auf diesen Brief von Jaspers antwortete Heidegger nicht direkt. In den
folgenden Jahren schrieben sie sich nur noch zu den runden Geburts-
tagen. In diesen letzten Briefen ist zwar gelegentlich die vage Hoffnung
angesprochen, »ob nicht in aller Verschiedenheit der Denkwege eine
Nachbarschaft bleibt« (ebd., ). Schon konstatierte Jaspers aber
sein Empfinden, »als ob zwischen uns diese letzten Jahre eigentlich keine
Antworten im Wesentlichen gebracht hätten« (ebd., ). Im September
stellte er resigniert und gleichsam abschließend fest: »Seit ist
zwischen uns eine Wüste gelegt, die mit dem nachher Geschehenen und
Gesagten nur immer unpassierbarer zu werden schien.« (Ebd., ) Den
Plan einer öffentlichen brieflichen Auseinandersetzung sowie einer
-
eigenen Abhandlung über Heidegger schien Jaspers damit noch nicht auf-
gegeben zu haben, denn bis ins Jahr hinein machte er sich Notizen zu
Heidegger, zum Teil in Briefform verfasst. Er brachte sie aber nicht mehr
in eine geschlossene Form und ließ sie schließlich unveröffentlicht.
Jaspers Idee einer kommunikativen Kritik war damit ebenso geschei-
tert wie die Verständigung über Schuld und Scham. Es bleibt auffallend,
dass Jaspers die Schuldauseinandersetzung mit Heidegger nur in der pri-
vaten Kommunikation gesucht hat und sich trotz deren Scheiterns wei-
gerte, öffentlich über Heidegger zu sprechen. Allerdings folgte diese
Haltung konsequent seiner Hoffnung auf eine ungeschützte Kommuni-
kation mit Heidegger, die er bei ihrem Gelingen durchaus der Öffentlich-
keit hätte zugänglich machen wollen, die er nach ihrem Scheitern aber
nicht durch ein Reden über Heidegger ersetzen wollte.
Dass es in dieser Auseinandersetzung auch private Gefühle waren, die
den Weg in die Öffentlichkeit erschwerten, wird deutlich, wenn man die
dritte Person in den Blick nimmt, die wesentlich an ihr beteiligt war:
Hannah Arendt. Arendt, in den er Jahren Schülerin beider und
zeitweilig Heideggers Geliebte, hatte den Kontakt zu beiden während
ihrer erzwungenen Emigration weitgehend verloren. Nach dem Ende des
»Dritten Reiches« schrieb sie bald wieder an Jaspers, woraus sich eine
enge und lebenslange Freundschaft mit regelmäßigen Besuchen in Basel
entwickelte, während sie zu Heidegger zunächst keinen Kontakt mehr
suchte. war es sogar Jaspers, der Heidegger gegen von Arendt geäu-
ßerte Vorwürfe in Schutz nahm. berichtete ihr Jaspers von seinem
Diese Notizen wurden posthum veröffentlicht; vgl. Jaspers, Notizen; dazu Saner,
Aspekte; Willig, Stimme.
Anson Rabinbach sieht in der Tatsache, dass Jaspers als »Philosoph der Kommu-
nikation« in Sachen Heidegger öffentliches Schweigen bewahrt hat und ihre Be-
ziehung als wesentlich private bezeichnete, eine entscheidende Schwäche seiner
Position zur Schuldfrage; vgl. Rabinbach, Shadow, S. .
Die ganze Komplexität der Dreiecksbeziehung Arendt-Heidegger-Jaspers oder
auch nur der Beziehung Arendt-Heidegger kann hier nicht annähernd entfaltet
werden; vgl. als Einstieg mit weiterführender Literatur Thomä, Heidegger und
Hannah Arendt.
Vgl. Arendt/Jaspers, Briefwechsel, S. u. . Hannah Arendt hatte in ihrem
Aufsatz »Was ist Existenzphilosophie« von Heidegger in einer Fußnote vor-
geworfen, Husserl den Zugang zur philosophischen Fakultät verboten zu
haben, was Jaspers anzweifelte (vgl. Arendt, Existenz Philosophy, S. ; dieser
Vorwurf fehlt in der späteren deutschen Fassung; vgl. zur Unrichtigkeit des Vor-
wurfs Ott, Unterwegs, S. ff.). In diesem Aufsatz hat Arendt im übrigen Hei-
degger und Jaspers zwar beide als Vertreter der Existenzphilosophie beschrieben,
Heideggers Philosophie aber zukunftslos genannt, während sie für Jaspers’ Philo-
sophie der Kommunikation votierte.
Arendt/Jaspers, Briefwechsel, S. . Gegenüber ihrem Mann Heinrich Blücher
kommentierte Arendt Heideggers Briefe an Jaspers, die sie von ihm zu lesen be-
kam: »alle wie früher: das gleiche Gemisch von Echtheit und Verlogenheit oder
besser Feigheit, wobei beides gleich ursprünglich ist« (Arendt/Blücher, Briefe,
S. ).
Arendt/Jaspers, Briefwechsel, S. u. .
Im Mai schrieb Heidegger an Arendt: »Das eigentliche ›Und‹ zwischen ›Jas-
pers und Heidegger‹ bist nur Du.« (MH/HA, ) Am . April , also einige
Wochen vor dem Ende von Jaspers‹ Schweigen, schrieb Arendt an ihren Mann,
auf ihre Vermittlerposition zwischen Heidegger und Jaspers anspielend: »Meine
Philosophen machen mir viel Kummer.« (Arendt/Blücher, Briefe, S. )
Arendt/Jaspers, Briefwechsel, S. .
-
Vgl. Kirkbright, Intellectuals; zum Politischen bei Arendt und Heidegger Villa,
Arendt and Heidegger; zu Jaspers’ politischem Wandel Fahrenbach, Zeitanalyse.
philosophisch sind, nämlich: Was ist Politik? Wer ist der Mensch als
ein politisches Wesen? Was ist Freiheit?«
Die Frage der Konsequenz aus den Erfahrungen der Jahre bis
betraf allerdings nicht nur das Verhältnis von (Seins-)Geschichte und Po-
litik, sie berührte auch erneut das Thema von Schuld und Scham. Denn
Jaspers’ Konzeption der Schuldbearbeitung verlangte eine Ein- und Um-
kehr, die er selbst auch vollzog, obwohl sie bei ihm streng genommen nur
in geringem Maße notwendig war. Heideggers schamkulturelle Abwehr
der Schuldanerkennung verbot hingegen eine demonstrative Umkehr
und erforderte die Behauptung von Kontinuität und von »Treue zu sich
selbst« auch angesichts eines tatsächlichen Wandels. Obwohl Heidegger
selbst von der »Kehre« seines Denkens sprach, war er daher stets bemüht,
diese Kehre als rein immanenten Vorgang eines kontinuierlichen Denk-
wegs dazustellen. Nach dem Krieg tat er das zum ersten Mal in dem »Brief
über den ›Humanismus‹« von , der zusammen mit »Platons
Lehre von der Wahrheit« erschien und den Arendt und Jaspers in ihren
Briefen kommentierten.
Entstanden ist der Humanismusbrief als Antwort auf die Frage von
Jean Beaufret, wie dem Wort »Humanismus« heute ein Sinn zurückzu-
geben sei (MH a, ). Heidegger benutzte die Gelegenheit einer
Antwort in doppelter Weise strategisch. Zum einen distanzierte er sich
durch sie sowohl konkret vom Existentialismus Sartres, den dieser selbst
als einen Humanismus bezeichnete, als auch allgemein von der Renais-
sance des Humanismusbegriffs in der Nachkriegszeit, wie sie auch von
Jaspers vertreten wurde. Zum anderen und in der Hauptsache diente
Heidegger dieser Brief dazu, der Nachkriegsöffentlichkeit sein eigenes
nachmetaphysisches Denken, wie er es seit der zweiten Hälfte der er
Jahre entwickelt hatte, zu präsentieren und als logische Weiterentwick-
lung von »Sein und Zeit« darzustellen. Jaspers und Arendt waren sich
darüber einig, dass die Tatsache, dass Heidegger »jetzt alles so aufzieht, als
sei es eine Interpretation von ›Sein und Zeit‹«, dafür spräche, »daß alles
wieder verdreht herauskommen wird«. Dieser Versuch, »Sein und Zeit«
als Beginn des nachmetaphysischen Denkens erscheinen zu lassen, ist be-
reits im letzten Kapitel als Teil von Heideggers Bemühen interpretiert
worden, seinen eigenen »Willen zur Macht« von zu überdecken.
Im »Brief über den ›Humanismus‹« von ordnete Heidegger den
Humanismus nun in seine Darstellung der abendländischen Philosophie
als seinsvergessene Metaphysik ein. Jeder Humanismus bleibe insofern
immer »metaphysisch« (ebd., ), als er alles Seiende vom Wesen des
Menschen her zu bestimmen versuche, statt umgekehrt das Wesen des
Menschen von seiner Zugehörigkeit zum Sein her zu denken. Dieses
Denken des Seins, als welches Heidegger seine Spätphilosophie verstan-
den wissen wollte, sei durch »Sein und Zeit« schon vorbereitet worden,
auch wenn er zugab, dass die eigentliche »Kehre« vom Dasein zum Sein
in »Sein und Zeit« noch nicht durchgeführt worden sei, da er »mit Hilfe
der Sprache der Metaphysik nicht durchkam« (ebd., ). Jeder Huma-
nismus, der den Menschen zum Ausgangspunkt und Maßstab mache,
bleibe aber ebenfalls in der Metaphysik stecken, da er das Wesen des
Menschen »nicht hoch genug ansetzt« (ebd., ). Das wesentliche Den-
ken müsse die »Humanitas« des Menschen »ohne den Humanismus im
metaphysischen Sinne« (ebd., ) denken. Von hier aus ergebe sich seine
Zugehörigkeit zur »Wahrheit des Seins«: »Der Mensch ist der Hirt des
Seins.« (Ebd., )
Die mehrfach wiederholte Wendung vom »Hirt des Seins« gehört
ebenso wie die vom »Wächter« (ebd., ) in das Wortfeld der Passivität,
das den Humanismusbrief insgesamt bestimmte und dadurch verdeut-
licht, dass sich Heidegger hier weiterhin um eine Überwindung des
»Willens zur Macht« bemühte und von der Tat distanzierte. Im Unter-
schied zur »technischen Interpretation des Denkens«, für die das Denken
ein »Verfahren des Überlegens im Dienste des Tuns und Machens« (ebd.,
) sei, bestimmte Heidegger das Denken als eine Form des Handelns,
die wesentlich ein »Lassen« (ebd., ) und als solches »weder theoretisch
noch praktisch« (ebd., ) sei. Das »unscheinbare Tun des Denkens«
(ebd., ) bringe »nur das ungesprochene Wort des Seins zur Sprache«
(ebd., ) und erscheint so wesentlich als ein passives Handeln. Denn
»alles Wirken […] beruht im Sein«, und das Denken »läßt sich vom Sein
in den Anspruch nehmen« (ebd., ), indem es »auf das Sein hört« (ebd.,
).
In diesem Zusammenhang benutzte Heidegger, da der »Brief über den
›Humanismus‹« an einen Franzosen gerichtet war und nicht zuletzt auf
die Rezeption in Frankreich und die Abgrenzung zu Sartre zielte, auch
den Engagement-Begriff und nannte das Denken »l’engagement par
l’Être pour l’Être« (ebd., ). Dabei ist aber unzweifelhaft, dass Heideg-
ger gerade nicht auf ein intellektuelles Engagement im Sinne Sartres
zielte. Vielmehr zog er sich nach seinem eigenen politischen Engagement
ganz in ein Denken zurück, das selbst nicht mehr politisch-praktisch
werden sollte und die Handlungsagentur an das Sein abgab. In diesem
Denken spielten politische Vorgänge nur noch als Oberflächenphäno-
mene eine Rolle. So nannte Heidegger als Ursache dafür, warum der
Begriff des Humanismus seinen Sinn verloren habe, nicht den gerade zu-
rückliegenden Zweiten Weltkrieg mit all seinen – vor allem von Deut-
schen begangenen und initiierten – Menschheitsverbrechen, sondern nur
die »Einsicht, daß das Wesen des Humanismus metaphysisch ist« (ebd.,
). Anders als Jaspers und Arendt erwähnte Heidegger die Verbrechen
der Deutschen in seiner ersten Nachkriegsveröffentlichung mit keinem
Wort.
Hannah Arendt hat in einer späteren Heideggerinterpretation die im
Humanismusbrief benannte »Kehre« als »konkretes autobiographisches
Ereignis« gedeutet: »die Kehre wandte sich ursprünglich in erster Linie
gegen den Willen zur Macht. Für Heidegger ist der Wille zum Herrschen
eine Art Sündenfall, dessen er sich selbst schuldig befand, als er seine
Diese Bestimmung des Denkens als »Seinlassen« jenseits von Theorie und Praxis
fasste Heidegger auch im Begriff der »Gelassenheit«; vgl. dazu unten, Kap. ..,
sowie Heideggers Vorlesung »Was heißt Denken?« von / (MH /).
Dass das »Sein« bei Heidegger tatsächlich als »etwas Handelndes« und damit »als
Subjekt« erscheint, auch wenn Heidegger selbst diesen Titel strikt abgelehnt
hätte, erkannte auch Otto Friedrich Bollnow in einer zeitgenössischen Auseinan-
dersetzung mit dem Humanismusbrief; vgl. Bollnow, Heideggers neue Kehre,
S. .
-
Linie keine Mehrheit fand, durch Austritt zuvor und schloss sich den
sogenannten »Altsozialisten« in Sachsen an, scheiterte allerdings auch
hier mit seinem Versuch, in dieser linken Splitterpartei seine Politik eines
»proletarischen Nationalismus« durchzusetzen. Nachdem er nach
Dresden gezogen war, kehrte er nach Berlin zurück.
Bereits hatte er die Zeitschrift Widerstand. Blätter für sozialistische
und national-revolutionäre Politik gegründet, wobei sich der Widerstand
gegen das von Niekisch nun als Hauptfeind erkannte »System« von Wei-
mar und Versailles richtete, gegen das er Kräfte von links wie von rechts
sammeln wollte. Unter dem Eindruck seines Scheiterns in den Organi-
sationen der politischen Linken änderte er den Untertitel des Wider-
stand in Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik und suchte seine Ver-
bündeten nun in erster Linie im weiten Spektrum der rechten Bünde
und Organisationen. Seiner eigenen »Widerstandsbewegung« versuchte
er über die Zeitschrift hinaus den Charakter einer politischen Organisa-
tion zu geben, wobei er eine größere Zahl von Mitgliedern aus dem
»Bund Oberland« zum Übertritt in seine Gruppe bewegen konnte.
Auf diesem Weg von links nach rechts begegnete Niekisch Ende der
er Jahre auch den Brüdern Jüngern, die sich zu dieser Zeit von der
engen Bindung an den reaktionären Nationalismus des »Stahlhelms« ge-
löst hatten und sich ihrerseits von rechts nach links bewegten. Ernst
Jünger hatte schon einen ersten Artikel im Widerstand veröffentlicht
(EJ -, -), seit schrieben dann beide Brüder Jünger re-
gelmäßig für Niekischs Zeitschrift und wurden im Impressum zeitweilig
als »ständige Mitarbeiter« geführt. In Berlin pflegten sie einen freund-
schaftlichen Umgang und trafen sich etwa bei Sitzungen der »Arbeits-
gemeinschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft«, der
Ernst Jünger unter dem Einfluss Niekischs beigetreten war.
Die von Niekisch und dem Widerstand vertretene Strömung des Na-
tionalbolschewismus, die einen vehementen Antikapitalismus und preu-
ßischen Sozialismus mit der Ablehnung des Westens und der Forderung
nach einem Bündnis mit Sowjetrussland verband, war für Ernst Jüngers
Suche nach einer planetarischen Perspektive für seinen heroischen Ak-
tivismus von nicht geringer Bedeutung und beeinflusste seine zwischen
und entstehende Konzeption des »Arbeiters«. Dementspre-
Vgl. zum Einfluss, den etwa August Winnig, von bis Mitherausgeber
des Widerstands, mit seinem Buch »Vom Proletariat zum Arbeitertum« von
auf Jünger hatte, Dupeux, Nationalbolschewismus, S. ; zum Kontext eines
Arbeiter-Nationalismus bei Jünger und Niekisch auch Werth, Sozialismus und
Nation, S. - u. -.
Vgl. Niekisch, Arbeiter, S. . Noch im ersten Teil seiner Memoiren von
schrieb Niekisch über den »Arbeiter«: »Dieses Buch ist sicher eine der größten
Leistungen Jüngers; hierin formt er den geistigen Gehalt der russischen Revo-
lution und des Bolschewismus in deutsche Anschauungs- und Denkweise um.
Ohne die russische Revolution wäre dies Buch nie möglich gewesen.« (Niekisch,
Gewagtes Leben, S. ) Erst erkannte er in der Festschrift zu Jüngers
. Geburtstag: »Ernst Jüngers Gestalt des Arbeiters hat die russische Revolu-
tion bereits weit hinter sich gelassen.« (Niekisch, Gestalt, S. )
Vgl. Rätsch-Langejürgen, Prinzip Widerstand, S. -.
Vgl. Niekisch, Imperiale Figur.
Vgl. Niekisch, Hitler.
Niekisch, Deutsche Mobilmachung, zit. n. Rätsch-Langejürgen, Prinzip Wider-
stand, S. .
-
kratie zu einem gegen die Diktatur. wurde der Widerstand, in dem
kurz zuvor auch Friedrich Georg Jünger seine verklausulierte Kritik am
NS-Regime geäußert hatte, verboten. Niekisch blieb aber zunächst auf
freiem Fuß und konnte den Widerstands-Verlag weiter betreiben, in dem
Friedrich Georg Jüngers Gedichtband mit dem »Mohn« und
zwei weitere seiner Bücher erscheinen konnten (vgl. FGJ a,b). Glaubt
man seinen Erinnerungen, so hat Niekisch im Rahmen seines Bemühens,
die Widerstandsbewegung als Untergrundbewegung am Leben zu erhal-
ten, und Anfang auch in der Wohnung Ernst Jüngers in Goslar
geheime Versammlungen abgehalten. Im März wurde er allerdings
von der Gestapo verhaftet und vom Volksgerichtshof schließlich
wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch die Brüder Jün-
ger wurden wegen ihrer Kontakte zur Widerstandsbewegung von der
Gestapo verhört und verbrannten vorsichtshalber ihre Korrespondenzen
mit Niekisch. Gleichzeitig bemühten sie sich, ihm und seiner Frau Anna
mögliche Unterstützung zukommen zu lassen, allerdings ohne großen
Erfolg.
Am . April wurde Niekisch von der Roten Armee aus dem
Zuchthaus Brandenburg befreit. Trotz seiner körperlichen Gebrechen –
er war fast völlig erblindet und in den Beinen gelähmt – machte er sich
alsbald daran, eine neue politische Karriere zu starten. Im August
übernahm er die Leitung der Volkshochschule in Berlin-Wilmersdorf,
wo er auch wohnte. Allerdings trat er noch im gleichen Sommer in die
KPD ein und bemühte sich um politischen Einfluss in der sowjetischen
Besatzungszone. Er wurde Mitglied im »Kulturbund zur demokratischen
Erneuerung Deutschlands« und der »Gesellschaft für deutsch-sowje-
tische Freundschaft«. Für Otto Grotewohl, den Parteivorsitzenden der
Vgl. Niekisch, Gewagtes Leben, S. u. . Im September sandte Nie-
kisch Ernst Jünger die Abschrift eines Briefs an Wolfgang Hennig, der zu dieser
Zeit Assistent von Niekisch an der Humboldt-Universität war und auch mit bei-
den Brüdern Jünger in Verbindung stand, in dem Niekisch auf das zweite kon-
spirative Treffen in Goslar einging: »Kurz vor meiner Verhaftung , es war
Anfang Februar , berührte ich auf einer Vortragsreise durch Westdeutsch-
land auch Goslar. Wie andernorts hielt ich auch dort eine Geheimversammlung
ab. Ernst Jünger stellte hierzu seine Wohnung zur Verfügung. Nur deshalb, weil
sowohl die Teilnehmer wie auch ich der Gestapo gegenüber diese Tatsache ver-
schwiegen, blieb Jünger damals unbehelligt. Ich habe es damals Jünger hoch
angerechnet, den Mut gehabt zu haben, seine Wohnung zu einer derartigen Ver-
anstaltung zur Verfügung zu stellen.« (E. Niekisch an W. Hennig, Berlin, ,
A: Jünger, DLA Marbach)
Vgl. FGJ/EN, ff.
Vgl. EJ /, u. . Im Januar korrespondierte Ernst Jünger mit
Anna Niekisch, die ihm schrieb, dass ihr Mann bei jedem ihrer Besuche nach
Jünger frage (vgl. A. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach).
Vgl. E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
-
Vgl. FGJ/EN, ff. Gegenüber seinem Bruder Wolfgang Jünger, der in Berlin
lebte und während Niekischs Haft in Kontakt zu Anna Niekisch gestanden hatte,
brachte Friedrich Georg Jünger allerdings schon seine Skepsis gegenüber Nie-
kischs neuen Bestrebungen zum Ausdruck: »Aus Deinem Brief sehe ich, dass Du
in Berlin warst und Niekisch besucht hast. Was Du über ihn schreibst, erweckt
oder verstärkt in mir Bedenken, die in der letzten Zeit aufstiegen. Ich habe ihm
geschrieben und ihn eingeladen, einige Wochen bei mir zu verbringen. Ungern
aber würde ich ihn in Verbindungen sehen, die ich nicht eingehen kann.« (F. G.
Jünger an W. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Vgl. Niekisch, Gegen den Strom, S. ; dazu auch Rätsch-Langejürgen, Prinzip
Widerstand, S. f.; zur Beziehung Jünger-Becher auch Diesener/Kunicki, Liai-
son.
Niekisch, Gegen den Strom, S. . Die Formulierung vom Seismographen hat
Jünger in einem Brief an Niekisch zunächst nicht zur eigenen, sondern zur Ver-
teidigung Carl Schmitts gebraucht, den Niekisch scharf als zu den »intellek-
tuellen Urhebern der grenzenlosen SS-Schlächterei« (E. Niekisch an E. Jünger,
.., A: Jünger, DLA Marbach) gehörend kritisiert hatte. Darauf antworte-
te Jünger: »Carl Schmitt […] sehen Sie zu einseitig. Man darf die Seismogra-
phen nicht verantwortlich machen für ein Erdbeben.« (E. Jünger an E. Niekisch,
.., A: Jünger, DLA Marbach) Später benutzte Jünger diese berühmt ge-
wordene Formulierung erneut im Vorwort zu den »Strahlungen« von . Nie-
kisch berichtete Jünger in einem ausführlichen Brief von den Diskussionen in
Ahrenshoop; vgl. E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
Taktik ist, (und damit habe ich mich nunmehr gegen Becher durchge-
setzt) dass Ihre Sache in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Darauf wollte
ich hinaus, weil ich überzeugt bin, dass Ihnen daraus mehr Nutzen als
Schaden erwachsen wird.« An Friedrich Georg Jünger hatte Niekisch
schon am . Mai geschrieben: »Ich selbst dringe darauf hin, dass eine
offene, prinzipielle Aussprache in hiesigen Zeitschriften über das ›Pro-
blem Jünger‹ erfolgt.« (FGJ/EN, ) Diese Aussprache in den Zeitschrif-
ten der sowjetischen Besatzungszone ist bekanntermaßen nicht unbedingt
im Sinne der Brüder Jünger verlaufen. Auch war Niekischs Einfluss be-
grenzt und schwand noch mehr gerade wegen seines Eintretens für Ernst
Jünger, weshalb Friedrich Georg Jünger im August etwas enttäuscht
an den gemeinsamen Bekannten Walter Hörstel über Niekisch schrieb:
»Ich hätte erwartet, dass er sich in die Fehde, welche die Friedensschrift
hervorrief als guter Kämpfer einmischen würde. Daran ist aber wohl
nicht mehr zu denken.« Tatsächlich hatte sich Niekisch aber in einem
Maße für Ernst Jünger eingesetzt, das ihm in der sowjetischen Besatzungs-
zone nicht unerheblich schadete. Da Niekisch auch von der Seite anderer
Jüngerfreunde der Vorwurf gemacht wurde, in der Ostzone gegen Jünger
zu opponieren, verteidigte er sich in einem Brief vom . Oktober :
»Ich führe seit Monaten in Ihrer Angelegenheit einen heimlichen und
zähen Kampf. Unter den schwierigsten Umständen suche ich Sie ab-
zudecken; das Protokoll jener Sitzung im Kulturbund habe ich Ihnen
seinerzeit übersandt. Der Aufsatz von Bassermann wurde durch mich
angeregt, der Aufsatz von Korn zu Ihren Gunsten von mir inspiriert.
Weyrauch, der Sie angriff, polemisierte in seinem Aufsatz stillschwei-
gend gegen mich. […] Den Angreifern gab ich auf allerlei Umwegen
zu bedenken, dass ein Angriff zum mindesten das Erfordernis erfüllen
müsse, sich auf dem Niveau des Angegriffenen zu bewegen. Mit Be-
cher habe ich mich Ihrer Sache wegen veruneinigt. Eine Zumutung
von ihm, über Sie im ›Aufbau‹ zu schreiben, lehnte ich brüsk ab. (Seit
dieser Zeit ist der ›Aufbau‹ für mich verschlossen.) Das Verhältnis
zwischen Becher und mir hat sich in Konsequenz der Meinungsver-
schiedenheit soweit entwickelt, dass ich aus meiner Position im Kultur-
bund am . Oktober ausschied. […] In den verschiedensten Zirkeln
nehme ich ungeniert immer wieder für Sie Partei.«
Der Brief wurde unter dem Titel »Nochmals ›Die Stillen im Lande‹« abgedruckt
in: Die Neue Zeitung, . September .
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Nach Nie-
kischs erstem Besuch in Kirchhorst schrieb Ernst Jünger an seinen Bruder: »Sein
Leiden und sein Wille zum Widerstande bleiben immer vorbildlich, verehrens-
wert, auch wenn sich unsere Wege trennen sollten, wie es den Anschein hat.«
(E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
ging vor allen Dingen auch auf eine unterschiedliche Bewertung der Ver-
gangenheit, und das heißt des Zweiten Weltkriegs und des »Dritten
Reichs« zurück. Niekisch war der Meinung, dass Ernst Jünger der »Kata-
strophe Deutschlands« nicht in ihrer »ganzen Grösse und Furchtbarkeit«
Rechnung trage. Denn diese habe nicht allein in einer Kriegsniederlage
und dem daraus folgenden Verlust der nationalen Souveränität bestanden.
Für Niekisch hatte sich das deutsche Volk durch seine Unterstützung des
NS-Regimes und dessen Verbrechen tatsächlich in seiner Substanz dis-
kreditiert.
Diese Ansicht legte er in seinem erschienen Essay »Deutsche Da-
seinsverfehlung« dar, in dem er eine Art marxistisch gefärbte Sonderwegs-
these entwickelte, nach der die bürgerliche Gesellschaft im preußisch do-
minierten Deutschland seit der Reformation auf ihre Selbstzerstörung im
»Dritten Reich« zugesteuert habe. Gegenüber Ernst Jünger kündigte er
diesen Text mit der Bemerkung an: »Ich fasse das vergangene Geschehen
so tief in seinen Folgen, dass ich es nicht mehr für möglich halte, alte
Traditionen heraufzubeschwören. […] Mir scheint, wir stehen an einem
Punkte, an dem der tapfere Traditionsbruch fällig ist.« Die Brüder Jün-
ger konnten allerdings weder dem Begriff einer deutschen Daseinsver-
fehlung zustimmen, noch sich der Forderung nach einem radikalen
Traditionsbruch anschließen. Ernst Jünger forderte vielmehr gerade, die
»Tradition« müsse »vom Hakenkreuz getrennt werden« (EJ/GN, ),
und Friedrich Georg Jünger fürchtete in einem Kommentar zu Niekischs
Auslassungen die »Vernichtung aller konservativen Reste«.
Ernst Niekisch setzte also nach die Haltung des politisch radikalen
Erneuerers fort, während die Brüder Jünger nun konservative Traditio-
Ebd.
Vgl. Niekisch, Daseinsverfehlung.
E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
Noch über zehn Jahre später schrieb Ernst Jünger an Armin Mohler: »Leider hat
auch ein Mann, den ich geachtet habe, wie Niekisch, den Stammbaum Luther-
Friedich-Bismarck-Hitler vertreten und ihm Früchte aufgebürdet, die nie und
nimmer auf seinem Holz gewachsen sind.« (E. Jünger an A. Mohler, ..,
A: Jünger, DLA Marbach.)
F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Dieser Brief bezog sich auf ein früheres Schreiben Niekischs. Im direkten Kom-
mentar zur »Deutschen Daseinsverfehlung« konzentrierte sich Friedrich Georg
Jünger darauf, dass sich Niekisch durch sein Pamphlet und seinen »akkusato-
rischen Stil« in der Tagespolemik aufreibe und leider nicht die Kraft habe, zu
schweigen, worin auch die eigene Distanzierung von der politischen Auseinan-
dersetzung zum Ausdruck kam; vgl. F. G. Jünger an W. Jünger, .. (Ab-
schrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Vgl. Niekisch, Ost und West, S. - u. -. Niekisch berief sich in einem
Brief an Ernst Jünger auch auf den »Arbeiter«, nach dessen Logik Jünger doch zu
derselben Option für die Sowjetunion gelangen müsste wie Niekisch, wodurch
er ihm implizit die Abkehr von der Position des »Arbeiters« zum Vorwurf mach-
te; vgl. E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
In einem Brief an Walter Hörstel schrieb Jünger über Niekischs Verhältnis zur
Technik: »Die Technik ist nach ihm ein Weg in die Freiheit. Man müßte diese
Freiheit doch irgendwo sehen, hören, riechen, der Physiognomie der Menschen
ablesen. Er unterschlägt alle Erfahrungen, die eine solche These hinfällig und
absurd erscheinen lassen. Ich fasse den Begriff der Ausbeutung selbst viel weiter
als er, als schrankenlose Ausbeutung der für leblos gehaltenen Natur, die nicht
durchgeführt werden kann, ohne auf den Menschen vernichtend zurückzuwir-
ken.« (F. G. Jünger an W. Hörstel, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA
Marbach)
Erst einige Jahre später, als Niekisch sich enttäuscht von der DDR abwandte,
entwickelte auch er eine pessimistischere Sicht auf die Technik und den techni-
schen Staat, die sich der der Brüder Jünger annäherte. Er fasste diese unter dem
Der heroische Realismus der Brüder Jünger hatte während der Wei-
marer Republik gerade darin bestanden, sich den als unumkehrbar er-
kannten Prozessen zu verschreiben und in diesem Sinn am Plan mitzu-
wirken. Ernst Niekisch setzte diese Haltung nach fort und bekannte
Friedrich Georg Jünger gegenüber, in ihm sei noch immer der »Drang,
mich dem Notwendigen und Unaufhaltsamen zu fügen«: »Was über uns
verhängt ist, dem will ich mich stellen und will darin erfüllen, was erfüllt
werden muss.« (Ebd., ) Dies ist eine idealtypische Formulierung des
heroischen Realismus, die in der Zwischenkriegszeit von den Brüdern
Jünger hätte stammen können, nun aber, nach dem Krieg, von ihnen
abgelehnt wurde. In der Auseinandersetzung mit Ernst Niekisch nach
stellte sich daher unweigerlich auch die Frage nach der »Treue zu
sich selbst«, die in den biographischen Selbsterhaltungsstratgien der ehe-
maligen konservativen Revolutionäre eine zentrale Rolle spielte.
In einem Brief vom . Januar betonte Ernst Jünger, er sei seiner
Rolle eines Oppositionellen in allen Systemen treu geblieben, während
Niekisch »seit ganz andere Bahnen beschritten« habe als er:
»Sie sind nun vom Widerstand zur Entscheidung übergegangen und
stehen vor bedeutenden Aufgaben. Für mich ist die Lage des Wider-
standes unverändert geblieben; ich sehe nach wie vor zuviel Leiden,
Gewalttat und Unterdrückung, als daß es mich verlockte, mich irgend-
wo zu beteiligen. So muß ich mich denn mit den Unannehmlich-
keiten der isolierten Position abfinden.«
geprägten Begriff des »Clerk«, der für den entfremdeten technischen Funk-
tionär stand, der im östlichen Planstaat ebenso prägend sei wie im westlichen
Managerkapitalismus (vgl. Kabermann, Widerstand, S. -). Damit schloss
sich Niekisch der technikkritischen Totalitarismusthese an, die im Sowjetkom-
munismus und im westlichen Kapitalismus die gleiche Technokratie an der
Macht sah. So schrieb er etwa über die »Verwaltungsmacht«: »Sie tritt in
zwei Erscheinungsformen auf: in Amerika als Managertum, in Rußland als
Funktionärswesen.« (E. Niekisch an A. Mohler, .., A: Mohler, DLA Mar-
bach) Schon hatte Friedrich Georg Jünger an Wolfgang Hennig geschrie-
ben: »Solche Alternativen wie ›amerikanischer Monopolkapitalismus‹ oder ›rus-
sischer Staatskapitalismus‹ lehne ich ab, denn sie sind nichtssagend. Das sind
Formen technischer Organisation, der Substanz oder Substanzlosigkeit nach
identisch. Haben Sie einmal einen Direktor der Kruppwerke und einen Sowjet-
Trustdirektor nebeneinander gesehen? Diese Herren gleichen sich wie ein Ei
dem anderen und haben die gleichen technischen Präzisionsgesichter. Techni-
sche Perfektion strebt auf den perfekten Maschinensklaven hinaus. Gibt der Ar-
beiter seinen Konsens – um so schlimmer für ihn.« (F. G. Jünger an W. Hennig,
.. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
-
Vgl. EJ /, -. Diese Einträge fielen in dieselbe Zeit, in der Jünger die
ersten ausführlichen Nachkriegsbriefe mit Niekisch wechselte.
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Schon in
den »Strahlungen« hat Jünger unter dem Datum vom . April vermerkt,
in Paris mit Alfred Toepfer, einem gemeinsamen Freund von Niekisch und ihm,
»Reminiszenzen an Cellaris [steht für Niekisch] und die alte Nationalistenzeit«
ausgetauscht zu haben: »Es ist die Geschichte dieser Jahre mit ihren Denkern,
ihren Tätern, Märtyrern und Statisten noch nicht geschrieben; wir lebten da-
-
Anders als Niekisch gab Jünger also durchaus zu, eine Weile lang mit
Hitler konform gegangen zu sein. Vor allen Dingen ordnete Jünger die
Geschehnisse des »Dritten Reiches« durch sein Schema eines wiederkeh-
renden »Pendelschlag[s]« (EJ /, ) von »Provokation und Re-
plik« in einen als gleichförmig gedachten Geschichtsverlauf ein und wies
ihnen keine historische Herausgehobenheit zu. Daraus folgte eine andere
Bewertung der historischen Verantwortung und damit der Schuldfrage,
als Niekisch sie vornahm. Schon in seinem ersten Nachkriegsbrief, in
dem er auch Jüngers »Frieden« kritisierte, betonte Niekisch die singuläre
Bedeutung von »Auschwitz« und anderen Lagern:
»Die Millionen Menschen, welche ermordet wurden, sind ein Fak-
tum, über welches wir uns nicht mit nachlässiger Nichtachtung hin-
wegsetzen können; sie graben dem Charakterbild des deutschen Vol-
kes einen sehr bösen Zug ein, der sich auch in Jahrhunderten kaum
mehr wird auslöschen lassen. […] Das sind Dinge, die wir sehen müs-
sen und an denen wir uns nicht vorbeidrücken dürfen.«
Das »deutsche Volk« habe folglich »kein Recht zu irgendeiner Klage«
über seine gegenwärtige Situation, denn es könne »niemanden ausser sich
selbst für die Auswirkungen« des Hitlerismus verantwortlich machen,
dem es sich freiwillig überlassen habe. Ernst Jünger versicherte in seiner
Antwort, er teile und billige Niekischs gerechten Zorn, sehe die Schuld-
frage aber nicht so schwarz wie dieser. Mit Verweis auf die russische Re-
volution und den spanischen Bürgerkrieg, die den nationalsozialistischen
Verbrechen vorausgegangen seien und diese erst möglich gemacht hätten,
argumentierte Jünger genau wie im »Frieden«, daß die Völker insgesamt
schuldig geworden seien. Zudem verwies er erneut auf die »ungeheuren
Ungerechtigkeiten des Versailler Vertrages, der erst den Nährboden schuf
für Hitler und seine Wirksamkeit« und gegen den sich auch Niekisch
gewandt habe: »In dem, was Hitler seine Ueberzeugungskraft verlieh, im
Kampfe gegen das Versailler Diktat und seine unheilvollen Folgen sind
mals im Dotter des Leviathans. Die Münchner Schule, das heißt, die flachste,
hat dann reüssiert; sie tat es am billigsten.« (EJ /, ) Die Nähe der For-
mulierungen zu dem Brief von lässt vermuten, dass Jünger diese Passage
seiner Tagebücher im September gerade bearbeitete. Peter de Mendelssohn
kommentierte die Bezeichnung der NSDAP als »Münchner Schule« mit dem
Ausruf: »Wenn Welten sie getrennt hätten! Aber es waren nur ›Schulen‹.« (Men-
delssohn, Gegenstrahlungen, S. )
E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
Ebd.
Vgl. E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
Sie weitgehend identisch mit ihm. […] Ich erwähne das nur, um anzu-
deuten, daß Ihr eigenes Werk einer einseitigen Schuldauffassung wider-
spricht.«
Niekisch wollte diese Einwände nicht gelten lassen. Erstens sei er im-
mer schon ein Gegner Hitlers gewesen und zweitens bestehe ein grund-
sätzlicher Unterschied zwischen Gewalttaten, die mit einem politischen
Umsturz einhergingen, und rein verbrecherischen Mordtaten:
»Man kann weder auf die französische Revolution noch die russische
Revolution noch den spanischen Bürgerkrieg rekurrieren. In allen die-
sen Fällen handelt es sich in der Tat um zweifellos politische Vorgänge.
Die Vergasung aber, die kaltblütigen Mordtaten in den K.Z.’s hatten
mit Politik gar nichts gemein; sie waren scheussliche Bluttaten, für die
schlechthin nichts zur Rechtfertigung gesagt werden kann.«
Auch gegenüber Friedrich Georg Jünger bezeichnete Niekisch die »Hit-
lerei« als »rein kriminelles Ereignis« und wertete den Nürnberger Kriegs-
verbrecherprozess deshalb als »so fürchterlich, weil er dokumentarisch
die ganze schreckliche Kriminalität festlegt, auf deren Wegen sich das
deutsche Volk Jahre hindurch wohlgefühlt hat« (FGJ/EN, ). Doch
Friedrich Georg Jünger wollte die deutschen Verbrechen ebenso wenig
wie sein Bruder als in einzigartiger Weise verbrecherisch ansehen: »Ich
beobachte den Fortgang der Methoden, und ich nehme wenig Unter-
schiede wahr.« (Ebd., )
Aufgrund der Annahme einer prinzipiellen Gleichartigkeit der Ge-
walttaten auf allen Seiten war Friedrich Georg Jünger auch der Meinung,
das deutsche Volke werde durch seine »Leiden« seit Kriegsende »voll auf-
kommen für alles, was es verfehlt hat« (ebd., ). Die Vertreibungen und
Verbrechen der Roten Armee bei Kriegsende konnten beide Brüder Jün-
ger im Sinne der oben geschilderten Opferarithemtik in diese Sühneidee
einordnen. Die dauerhafte Abtrennung der deutschen Ostgebiete ging in
ihren Augen aber über eine nachvollziehbare Vergeltung hinaus, weshalb
sie die durch die beiden deutschen Staatsgründungen mehr oder weniger
festgeschriebene Oder-Neiße-Linie nicht akzeptieren wollten. Die »Ein-
behaltung der entvölkerten Provinzen«, »ohne welche Deutschland im-
mer ein lebensunfähiger Torso bleiben wird«, so Ernst Jünger in einem
Brief an Niekisch vom . April , ginge über den Sühneausgleich hin-
aus, mit ihr »fängt eine neue Rechnung an, die noch größeres Unheil
Ebd.
E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
-
Ebd. Unter dem Titel »Orient und Okzident« veröffentlichte Friedrich Georg
Jünger eine Reihe von Essays, die tatsächlich überhaupt nicht auf den sich
verschärfenden Ost-West-Konflikt eingingen, sondern verschiedene europäische
und orientalische Dichter porträtierten oder Reiseerfahrungen wiedergaben (vgl.
FGJ b). Niekisch schrieb an Ernst Jünger, ihm sei unlängst dieser Band
Friedrich Georg Jüngers in die Hände gefallen, »der eine Reihe glänzender,
wenn freilich sehr zeitferner Abhandlungen enthält« (E. Niekisch an E. Jünger,
.., A: Jünger, DLA Marbach).
E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
Niekisch, Gegen den Strom, S. .
Niekisch, Gewagtes Leben, S. f. Ernst Jünger schrieb Niekisch in Reaktion
auf »Gewagtes Leben«, dass er bei dessen Lektüre noch einmal allgemein über
die »Taktik im Bürgerkriege« nachgedacht habe, denn er habe Niekisch damals
geraten, weniger offen Widerstand zu leisten und vielleicht sogar wie einst Lenin
ins Exil zu gehen, um von dort wirksamer für Deutschland zu arbeiten; vgl.
E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
Das war eine fundamentale Kritik, aus der deutlich wurde, dass Niekisch
»jede Form von Flucht und Ausweichen als eine Schwäche« wertete.
Wie diese Formulierung erneut zeigt, hielt Niekisch weiterhin am hero-
ischen Realismus der Zwischenkriegszeit und am Pathos des sich Ein-
schaltens fest und verstand die Abkehr von der Tat der Brüder Jünger als
Fahnenflucht. Dies bezog sich auch auf die Zuwendung zum Christen-
tum, die Niekisch in Ernst Jüngers »Frieden« erkannte. Er selbst, so Nie-
kisch an Jünger in Bezug auf den »Frieden«, hätte »keine Schwächezu-
stände« erlebt, »die mich nötigten, irgendwo einen Stecken und Stab zu
suchen, der mir das mich betroffene Schicksal zu tragen erleichtern hätte
können«, er sei vielmehr durchgehend »Heide« geblieben und wolle sich
weiterhin »allein auf meine innere Kraft« verlassen: »In Anbetracht dieser
Seelenlage wird es Sie nicht erstaunen, wenn ich Ihnen sage, dass mir für
die innere Wendung, welche sich in Ihrer Broschüre andeutet, das ganz
tiefe Verständnis vorerst noch fehlt.« In einem späteren Brief formulier-
te er diese Kritik noch deutlicher, wiederum die Sprache des heroischen
Realismus verwendend:
»Die Innerlichkeit ist zu jenem Feld geworden, auf das sich alle gern
zurückziehen, die das tapfere Unternehmen scheuen, der Wirklichkeit
unmittelbar ins Gesicht zu sehen und sich mit ihrer Folgerichtigkeit
auseinander zu setzen. Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich
auch die gegenwärtige Wendung zum Christentum als eine Fluchter-
scheinung solcher Art beurteile.«
Ernst Jünger betonte in seiner Antwort auf diesen Brief zwar, dass er
»ebenso unabhängig gegenüber dem Westen wie gegenüber dem Chri-
stentum« sei. In der Antwort auf den zuvor zitierten Brief gab er aber
durchaus zu, auf der Suche »nach einem Stecken und Stabe« zu sein, »der
außerhalb der politischen Machtsphäre und ihrer Konstellationen gültig
ist«. Diese »Sehnsucht nach einem höheren Zustand« sei nicht ohne
»theologisches Rüstzeug« zu befriedigen. Auch Friedrich Georg Jünger
Ebd., S. .
E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach. Am gleichen Tag
sandte Ernst Jünger seine Antwort an Niekisch auch an Friedrich Georg Jünger:
»Anbei die Antwort auf einen langen Brief[,] den ich von Niekisch erhielt. Ich
frage mich, ob ich ihm immer schon so fremd gewesen oder inzwischen in ande-
re Probleme hineingewachsen bin. Mit jener Wendung, die ich die theologische
nenne, werden die Eliten noch kleiner, als sie ohnehin gewesen sind.« (E. Jünger
an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
Von den »geistigen Abgrenzungen und Aktionen des musischen Menschen ge-
gen den Techniker« (EJ /, ) sprach Ernst Jünger auch in den »Jahren der
Okkupation«. Schon in den »Strahlungen« hatte er geschrieben: »Die großen
Kämpfe unserer Zeit werden unter der Oberfläche geliefert – so das Treffen, das
zwischen dem Techniker und dem musischen Menschen stattfindet.« (EJ /
, ) Das Musische gehöre dabei »zu unserer vegetativen und nicht zu unserer
animalischen Existenz« (ebd., ), während das Animalische dem Täter zuge-
ordnet sei: »Die eigentliche Kraft des produktiven Menschen liegt überhaupt im
vegetativen Leben, während sich die des Täters aus dem animalischen Willen
speist.« (Ebd., )
E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
-
Schon im April hatte Friedrich Georg Jünger über Niekisch ge-
schrieben, sein Denken gehe »ganz in politischen Kategorien auf« und
erschöpfe sich in ihnen. Er sei »der geborene Leiter eines Kollektivs. Ich
aber bin und bleibe ein Einzelner. Meine Aufgabe ist nicht, die Kombi-
nation des Tages zu verarbeiten.« Hatte Niekisch die »Flucht aus der
Geschichte« des Waldgängers kritisiert, so bemängelte Friedrich Georg
Jünger umgekehrt Niekischs »Naturlosigkeit«. Ihm sei »allein im Ge-
schichtlichen ein Leben gegeben«, sein Geschäft sei »immer politisch«,
während Friedrich Georg Jünger »auch für die Natur und das Geschichts-
lose, das vor, in und hinter den Menschen liegt, ein Auge habe«. Niekisch
sei folglich »ein viel determinierterer Mensch als ich«: »Für die Endlich-
keit des Historischen hat er keinen rechten Blick, auch für seine Substrate
nicht; er lebt sehr fern von den Quellen.« Wenn Friedrich Georg Jünger
die Wahl hätte »zwischen einer geschichtslosen Natur und einer naturlos
gewordenen Geschichte«, so zöge er die erste vor, wie er in einem Brief an
Walter Hörstel schrieb: »Die erste kann doch noch leben, die zweite muß
verkümmern.«
Mit den Gegensatzpaaren von musischem und aktivem Leben, von
Geschichtslosigkeit und Naturlosigkeit haben die Brüder Jünger in ihren
Briefen über Niekisch so ihre Position von der Niekischs abgegrenzt und
ihren eigenen Ausstieg aus der Aktion und dem rein Geschichtlichen be-
kräftigt. Es mag kaum überraschen, dass der Beziehung der Brüder Jün-
ger zu Ernst Niekisch vor dem Hintergrund dieser fundamentalen Ge-
gensätze keine große Zukunft mehr beschieden war. Der Briefwechsel
zwischen Friedrich Georg Jünger und Niekisch kam mehr oder we-
niger zum Erliegen. kam Niekisch zu einem überraschenden Be-
Die Forschungsliteratur zu Leben und Werk von Carl Schmitt ist nicht weniger
umfangreich als die zu Martin Heidegger oder Ernst Jünger und kann hier nicht
ausführlich angeführt werden; vgl. zur Biographie nur Noack, Carl Schmitt; als
Einführung in sein Werk Mehring, Carl Schmitt.
Die Frage von Schmitts Dezisionismus, der im Einzelnen durchaus anders gela-
-
gert war als der von Ernst Jünger oder Martin Heidegger, kann hier nicht aus-
führlich diskutiert werden; vgl. zum gemeinsamen Antiliberalismus dieser drei
Denker während der Weimarer Republik Krockow, Entscheidung; Hoeges, Lei-
denschaft.
Mehring, Carl Schmitt, S. .
Vgl. zu Schmitts Rolle als »Kronjurist« des »Dritten Reiches« Blasius, Carl Schmitt;
Koenen, Fall.
Vgl. zu Heidegger und Schmitt Mehring, Führer; Posavec, Carl Schmitt; Rad-
loff, Heidegger.
Zit. n. Mehring, Carl Schmitt, S. .
,
sowie mit einem Aufsatz über »Die Verfassung der Freiheit« die
Nürnberger Rassegesetze von .
wurde er allerdings in der SS-Zeitschrift Das schwarze Korps scharf
angegriffen, verlor seine Partei- und Ehrenämter und ging so unfreiwillig
auf Distanz zum NS-Regime. Schmitts konkretes Ordnungsdenken war,
auch wenn es die Selbstermächtigung der NSDAP legitimieren sollte, für
den Maßnahmenstaat der Nationalsozialisten noch zu sehr Schranken
setzendes Rechtsdenken gewesen. Das galt auch für Schmitts völkerrecht-
liche Konzeption von »Großraumordnungen«, die er im Vorfeld des
Zweiten Weltkriegs zur Legitimation des deutschen Expansionismus ent-
wickelte, die diesem Expansionismus aber wiederum engere Grenzen
setzte, als von der nationalsozialistischen Führung erwünscht. Trotz
seiner Bemühungen, während des Zweiten Weltkriegs noch einmal ins
politische Spiel zurückzufinden, blieb Carl Schmitt daher bis zum Ende
des »Dritten Reiches« weitgehend marginalisiert.
Nach dem Ende des NS-Regimes verlor Carl Schmitt seine Berliner
Professur und wurde als »intellektuelle Gefahr« von den Amerikanern
verhaftet und von September bis Oktober an verschiedenen
Stellen interniert. Im März wurde er erneut festgenommen und ins
Justizgefängnis nach Nürnberg gebracht, wo er im April im Rah-
men der Kriegsverbrecherprozesse mehrfach verhört wurde, allerdings
ohne dass Anklage erhoben worden wäre. Im Mai wurde er schließ-
lich entlassen, woraufhin er von Berlin in seinen Geburtsort Plettenberg
im Sauerland übersiedelte. Dort lebte Schmitt bis zu seinem Tod im Jahr
, ohne wie etwa Heidegger akademisch je wieder rehabilitiert zu wer-
den, konnte aber nach einer ersten Zeit der Isolation wieder publizieren
und Vorträge halten und entfaltete durch sein umfangreiches Kontakt-
und Schülernetz eine weitreichende geistespolitische Wirkung. Die
ersten Nachkriegsjahre in Plettenberg hat Schmitt in seinem posthum
erschienen Tagebuch »Glossarium« festgehalten, während verschiedene
Aufzeichnungen aus der Haftzeit von bis von Schmitt un-
ter dem Titel »Ex Captivitate Salus« veröffentlicht wurden.
So schrieb Nebel am . Mai an Ernst Jünger: »Carl Schmitt sehe ich oft.«
(EJ/GN, ) hat sich Nebel allerdings auch mit Schmitt überworfen. Zu
Mohler und Schmitt vgl. Schmitt, Briefwechsel. Zwischen Friedrich Georg
Jünger und Carl Schmitt hat sich allerdings nie eine engere direkte Beziehung
ergeben, Schmitt äußerte an verschiedenen Stellen, dass ihm die Poesie Friedrich
Georg Jüngers fremd sei; vgl. Tommissen, Bilan, S. .
Eßbach, Formproblem, S. .
,
Schmitt, Glossarium, S. . Schmitt sprach auch vom »Brief- und Traum- und
Tagebuch-Verwerter« Jünger (ebd., S. ).
Ebd., S. .
Ebd., S. . Wenig später notierte Schmitt: »Ernst Jünger ist eine Primadonna
geworden, eine Vollmonade, an deren Fassade Léon Bloy wie ein blindes Fenster
hängt.« (Ebd., S. ) Auf den französischen Katholik Léon Bloy, dessen Lektüre
in den »Strahlungen« einen wichtigen Platz einnahm, hatte Schmitt Jünger auf-
merksam gemacht. Die Betitelung Jüngers als »Vollmonade« war in diesen Noti-
zen eindeutig pejorativ gemeint. Es bleibt aber anzumerken, dass Schmitt auch
den von ihm verehrten Dichter Theodor Däubler als Monade bezeichnete; vgl.
Schmitt, S. f.: »Theodor Däubler ist eine Monade im unendlich deutschen
Sinne des Wortes: er spiegelt das Universum. […] Die deutsche Monade spiegelt
das Universum, aber sie hat kein Fenster zur politischen Gegenwart.«
,
von uns beiden hat einen Namen und eine Sache, echten Ruhm und ein
Gesicht, und jeder von uns beiden kann alles das verlieren.« (Ebd.) Da-
rauf antwortete Jünger:
»Ich bin aber auch berechtigt, Ihnen in der Sache Rat zu erteilen; ich
habe das angesichts der folgenschwersten Entscheidung Ihres Lebens
nachgewiesen, und Sie werden sich der Nacht entsinnen, in der ich Sie
auf der Friedrichstraße verließ und in großer Trauer war. Auch damals
lebte ich in meinem Alltag nicht vorbildlich. Wären Sie aber in der
Sache meinem Rat und Beispiel gefolgt, so würden Sie heute vielleicht
nicht mehr am Leben sein, aber berechtigt zum Urteil in letzter In-
stanz über mich. Wäre ich damals Ihrem Rat und Beispiel gefolgt, so
würde ich gewiß nicht mehr am Leben sein, weder physisch noch
sonst.« (Ebd., )
Schmitt brach die Auseinandersetzung daraufhin mit den knappen Wor-
ten »capisco et obmutesco« (ebd., ), »ich verstehe und verstumme«,
ab, was Ernst Jünger als »weise und überlegen« (ebd., ) wertete. Im
»Glossarium« kommentierte Schmitt Jüngers »irrationale Konditional-
sätze« allerdings weniger vorteilhaft als »Rabulistik eines Ich-verrückten-
Rechthabers«. Tatsächlich muss Schmitts Verstummen nicht unbedingt
als Zeichen von Einsicht interpretiert werden. Vielmehr war ihre Ver-
ständigung über die Konsequenzen aus der eigenen Geschichte im »Drit-
ten Reich« gescheitert. Ernst Jünger hat in einem Gespräch mit Vittorio
Klostermann dessen Konflikt mit Heidegger mit seiner eigenen Ausein-
andersetzung mit Schmitt verglichen, wie Klostermann in einem Brief an
den Verleger Carl Hanser schrieb:
»Ernst Jünger, der jahrelang mit Carl Schmitt in Verbindung stand und
ihn auch in den für ihn schwersten Jahren nach materiell unter-
stützte, exemplifizierte mir die Problematik klar an seinem Bruch mit
Carl Schmitt im vorigen Jahr: Ernst Jüngers Auffassung ist die Bewäh-
rung im Jahre . Carl Schmitts Auffassung ist die Bewährung im
Jahre .«
Diese Pointierung ist in der Tat treffend, denn was Schmitt Jünger in
erster Linie vorwarf, war dessen tatsächliche oder scheinbare Anpassung
an die neuen Macht- und Öffentlichkeitsverhältnisse nach . In den
Augen Schmitts hatte Jünger die »Bewährung« von nicht bestanden,
Ebd., S. .
V. Klostermann an C. Hanser, .., A. Klostermann, DLA Marbach.
-
von – den er selbst gar nicht als solchen wahrnehmen konnte – keine
Konsequenzen zog und sich keinen Irrtum eingestehen wollte. Der weni-
ger angepasste Ernst Jünger hat während der er Jahre demgegenüber
eine tatsächliche Wendung vom Aktivismus zur Kontemplation vollzogen,
wie hier bereits argumentiert worden ist. Diese Wendung wurde ihm
nach nicht nur von Schmitt als Opportunismus ausgelegt.
Die Auseinandersetzung um die »Bewährung« von und von
hat allerdings nicht zu einem endgültigen Bruch geführt. Jünger und
Schmitt blieben vielmehr bis in die er Jahre hinein in brieflichem
und persönlichem Kontakt, der jedoch immer wieder abebbte und zwi-
schen , dem Todesjahr von Gretha Jünger, und ganz aussetzte.
Wie unter anderem aus dem Briefwechsel Schmitts mit Armin Mohler
hervorgeht, blieb die persönliche Beziehung von Jünger und Schmitt
dauerhaft gestört, die Entfremdung nach ließ sich nicht mehr rück-
gängig machen.
»Ernst Jünger wird reifer und reifer«, wie Schmitt im »Glossarium« schrieb. »Jetzt
ist er bald reif für den Nobelpreis.« (Schmitt, Glossarium, S. ) kommen-
tierte Schmitt Jüngers Revisionen seiner früheren Schriften für die Werkausgabe:
»Was treibt ihn eigentlich zu solchen Selbst-Desavouierungen? Lockt ihn der
Traum, Nobelpreisträger und Nachfolger Pasternaks zu werden? Im Zeitalter der
totalen Motorisierung geht alles schnell, und von den Stahlgewittern zum Wald-
spaziergang ist kaum noch ein Schritt.« (Schmitt, Briefwechsel, S. )
Vgl. dazu auch Noack, Asymmetrie, der die gesamte »Männerfreundschaft« von
Jünger und Schmitt »ein einziges großes Mißverständnis« (S. ) nennt. Am
Begriff der »Männerfreundschaft« hält trotz des »Glossariums« fest Mohler, Carl
Schmitt.
-
vom Politischen als solchem erkannt. Darum war es das Stichwort, Jünger
sei »privat« geworden, das ihn Ende »erstarren« ließ, wie er Jünger
schrieb (EJ/CS, ). Im »Glossarium« hatte Schmitt schon im August
notiert, Jünger sei »Privatier, aber leider kein Privateer«, kein Frei-
beuter geworden. Für Schmitt war es folglich auch Jüngers Abschied vom
Abenteurertum und vom gefährlichen Leben, der ihn in seinen Augen
nach politisch harmlos machte.
Dieses Urteil fällte Schmitt nach der Lektüre der »Strahlungen« und
von »Heliopolis«. Die darin enthaltene Divergenz lässt sich aber auch an
einem weiteren Text Jüngers exemplifizieren, der Schmitt eigentlich wie-
der mehr zusagte und an Jüngers früheres Freibeutertum anzuknüpfen
schien, und zwar am »Waldgang« von . Jüngers Essay »Der Waldgang«
war tatsächlich sein erster im engeren Sinn politischer Text seit dem »Ar-
beiter«, wie auch Mohler gegenüber Schmitt bemerkte. Er bündelte die
Erfahrungen der »Jahre der Okkupation« zwischen und und
stellt in diesem Sinn sowohl ein Dokument des Okkupationsdiskurses
und des Rückzugs in die Sicherheit des Schweigens als auch der trotzigen
Selbstbehauptung dar. »Der Waldgang folgte auf die Ächtung«, wie Jün-
ger schrieb, »durch ihn bekundete der Mann den Willen zur Behauptung
aus eigener Kraft« (EJ a, ). Ohne die Alliierten beim Namen zu
nennen, sprach Jünger von den »fragenstellende[n] Mächte[n]«, deren
»Fragebogen« gegenüber man zu bedenken habe, »daß Schweigen auch
eine Antwort ist« (ebd., ). Jünger kritisierte die »Theorie der Kollektiv-
schuld« (ebd., ) und die Praxis, »den Besiegten rechtsförmlich zu ver-
urteilen« (ebd., ), wodurch die Stoßrichtung gegen die Sieger des
Zweiten Weltkriegs, das Verfahren der Entnazifizierung und die Nürn-
berger Kriegsverbrecherprozesse deutlich wurde.
Allerdings bestand seine Kritik am Verhalten der Alliierten nicht da-
rin, es detailliert und konkret anzugreifen. Vielmehr setzte er die Herr-
schaft der Sieger mit der der Diktatoren gleich und skizzierte in allgemei-
nen Wendungen ein totalitäres Zeitalter, wodurch er in schon bekannter
Weise die Unterschiede zwischen Faschismus, Sowjetkommunismus und
westlicher Demokratie verwischte. Auf diese Weise war der »Waldgang«
zugleich eine Reflexion auf die Situation des besiegten Nachkriegsdeutsch-
lands und auf die Frage nach der »Freiheit des Einzelnen« (ebd., ) in
Zeiten der totalen politischen und organisatorischen Planung. Jünger
bündelte diese Bedeutungen im Begriff des »Leviathans« (ebd., ), der
nicht nur für die politische Diktatur stand, sondern allgemein für den
»Er führt den kleinen Krieg entlang der Schienenstränge und Nach-
schubstraßen, bedroht die Brücken, Kabel und Depots. Seinetwegen
muß man die Truppen zur Sicherung verzetteln, die Posten verviel-
fachen. Der Waldgänger besorgt die Ausspähung, die Sabotage, die
-
Vgl. Neaman, Dubious Past, S. . Schon im Juni hatte Jünger Gerhard
Nebel gegenüber angekündigt, mit Schmitt Fragen des Widerstands gegen den
»Leviathan« besprechen zu wollen: »Don Capisco [Carl Schmitt] schrieb mir
einen schönen Brief, ich hoffe, ihn demnächst einmal zu sehen. Ich habe einige
Fragen an ihn, die mir am Herzen liegen; sie betreffen die Taktik, die in den
nächsten Jahren zu verfolgen ist. Ich vermute, daß er als bester Kenner des Levi-
athans dazu Wichtiges mitzuteilen hat.« (EJ/GN, ) An Vittorio Klostermann
schrieb Jünger, dass der »Waldgang« so angelegt sei, dass er »unmittelbar in die
Praxis übergehen kann« (E. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann,
DLA Marbach). Auch Jüngers Absicht, »ein besonderes ›W‹ für die Schrift zu
entwerfen, ähnlich dem ›V‹, das man während des Krieges sah« (ebd.), zeugte von
seiner Vorstellung, der »Waldgang« könne unmittelbar zum Erkennungs- und
Protestzeichen des neuen Widerstands werden.
Vgl. Pyta, Deutschlandkonzepte.
Schmitt, Briefwechsel, S. . Schmitt fügte hinzu: »Darin und in zahlreichen
treffenden Sätzen ist das Buch gross. Viele Einzelheiten finde ich schwach.«
Vgl. Schmitt, Theorie des Partisanen; zu Jünger S. f.
Burkhardt, Innenseite, betont die Gleichzeitigkeit von »Tatbereitschaft« und
,
sich »im Arbeiter entfaltet« (ebd., ), der Waldgänger aber die Gegen-
gestalt zum Arbeiter darstellte, dann konnte der Waldgänger nicht seiner-
seits eine Verkörperung des tätigen Prinzips sein. Während der Arbeiter
die Gestalt der totalen Mobilmachung und damit der fortwährenden
Dynamisierung und Bewegung war, waren dem Waldgänger die Ruhe
und das Beständige zugeordnet. Der »Mensch der Zivilisation, der Mensch
der Bewegung und der historischen Erscheinung«, so Jünger, werde in
der Gestalt des Waldgängers »seinem ruhenden und überzeitlichen We-
sen« (ebd., ) gegenübergestellt. Der Austritt aus der Arbeitswelt galt
Jünger als Eintritt in den Bezirk des Überzeitlichen und Unverletzbaren:
»Der Wald ist Heiligtum.« (Ebd., ) Folglich konnte der Waldgänger
auch nicht in erster Linie politischer Aktivist sein. Vielmehr könne er nur
Erfolg haben, so Jünger, »wenn ihm von den drei großen Mächten der
Kunst, der Philosophie und der Theologie Hilfe geboten und Bahn im
Ausweglosen gebrochen wird« (ebd., ). Die für Jünger wichtigste Ver-
körperung des Waldgängers war nicht der Guerillakrieger, sondern der
»Autor«, »denn Autorschaft ist nur ein Name für Unabhängigkeit« (ebd.,
). Aus der »Überlegenheit der musischen über die technische Welt«
folgerte Jünger: »der Dichter ist Waldgänger« (ebd., f.). Ernst Jünger
aktualisierte hier den auch von seinem Bruder und in der Auseinander-
setzung mit Ernst Niekisch konstruierten Gegensatz von musischem und
politisch-aktivem Menschen, wobei der Waldgänger als musische Figur
erschien. Folglich sollte der Widerstand im Wald wie schon in den »Mar-
morklippen« in erster Linie mit geistigen Mitteln geleistet werden. Jünger
beschäftigen im »Waldgang«, wie er selbst schrieb, »andere als politische
Ideen« (ebd., ). Dies war der zentrale Unterschied zu Carl Schmitt, der
mit seiner »Theorie des Partisanen« nicht an Formen des passiven Rück-
zugs, sondern des irregulären Kampfes interessiert war und der Jüngers
Quietismus nicht gutheißen konnte.
»Kontemplation« (S. ) schon beim frühen Jünger und findet diese Gleichzei-
tigkeit im »Waldgang« wieder, verfehlt dabei m. E. aber gerade die Verschiebun-
gen, die sich in diesem Verhältnis während des »Dritten Reichs« vollzogen haben
und die auch im »Waldgang« zum Tragen kamen.
Schon in seinem Nachkriegstagebuch sprach Jünger vom »Dickicht mit seiner
webenden, heilenden Pracht. Dort ist die Heimat, das unzerstörbare Land.« (EJ
/, ) Zugleich schrieb er vom Trost durch den Waldgang: »Zum Glück
gibt es noch Gärten, Wälder, Bücher, Einöden.« (Ebd., ) In derselben Weise
figurierte auch für Friedrich Georg Jünger die »Wildnis« (FGJ b) als Refu-
gium des musischen Menschen.
Vgl. Horn, Waldgänger. verfasste Carl Schmitt dann auch eines seiner noto-
rischen Spottgedichte auf den »Waldgang«: »Die Knabenlehrerknaben traben /
-
Diese Divergenz spiegelte sich zugleich auf der Ebene der Kultur-
kritik. Denn Schmitt teilte in weiten Teilen durchaus die Diagnose der
Brüder Jünger und anderer, in einem Zeitalter der Technisierung, Büro-
kratisierung und Vermassung zu leben. Der entscheidende Unterschied
lag aber darin, dass für Schmitt der technische Fortschritt zu einer »Ent-
politisierung« geführt habe, der gegenüber die Sphäre des Politischen zu-
rückerobert werden müsse. Für Jünger stellte das Zeitalter der totalen
Mobilmachung dagegen auch ein Zeitalter der totalen Politisierung dar,
wie er es im »Arbeiter« geschildert und begrüßt hatte, dem er sich nun
aber entziehen wollte. Der Waldgänger war auch in diesem Sinn der Ge-
gentypus zum Arbeiter, da er sich gerade nicht total politisieren lassen
wollte und die Freund-Feind-Unterscheidung unterlief, indem er sich
der Sphäre des Politischen entzog und die Entscheidung über die von den
»fragestellenden Mächten« gestellte Alternative des »Entweder-Oder«
(ebd., ) verweigerte.
Der Widerstand gegen den Leviathan war für Jünger also auch ein
Widerstand gegen den Zwang zur Politik und auf diese Weise ein Rück-
zug in das von Schmitt kritisierte Private. Gleichzeitig war er ein »Wi-
derstand gegen die Zeit«, und zwar »nicht nur gegen diese«, wie Jünger
präzisierte, »sondern jede Zeit überhaupt« (ebd., ). Der Waldgänger
müsse sich den Zugang offen halten »zu Mächten, die den zeitlichen
überlegen und niemals rein in Bewegung aufzulösen sind« (ebd., ). Der
Waldgang als Übertritt ins Zeitlose bedeutete so für Jünger zugleich
einen Austritt aus der Geschichte. Auch diesen Schritt ins Posthistoire
konnte Schmitt nicht mit vollziehen. Das lässt sich an einem weiteren
Text Ernst Jüngers aus den frühen er Jahren zeigen, der eine Antwort
von Carl Schmitt erhalten hat: dem »Gordischen Knoten« von .
Dieser Essay, der ursprünglich »Ost und West« betitelt werden sollte,
hatte auf den ersten Blick ebenso wie der »Waldgang« eine aktuell-poli-
schon längst nicht mehr im Schützengraben; / ihr Kampfrevier ist jetzt der
Wald, / in rein vergeistigter Gestalt.« (Vgl. das vollständige Gedicht in EJ/CS,
f.; die »Knabenlehrerknaben« bezogen sich wohl auf Jüngers Großvater, der
Gymnasiallehrer war.)
Vgl. Vollrath, Kulturkritik.
Vgl. dazu Schmitts Vortrag von »Das Zeitalter der Neutralisierungen und
Entpolitisierungen«, in: Schmitt, Begriff des Politischen, S. -, sowie McCor-
mick, Critique.
Alfred Weber kritisierte den »Gang in die ›Wildnis‹« aus der entgegengesetzten
politischen Richtung als »Weltflucht«, die gerade »nicht zu einem Kampf für
praktische politische Freiheit« führe (Weber, Flucht, S. ).
Vgl. zu Jüngers Posthistoire unten, Kap. ..
,
Vgl. Schmitt, Geschichtliche Struktur. Schmitt griff für diese Argumentation auf
seinen Essay »Land und Meer« von zurück, der in zweiter Auflage er-
schienen war; vgl. Schmitt, Land und Meer.
Schmitt, Geschichtliche Struktur, S. u. .
Ebd., S. .
Ebd., S. ff. Vgl. auch ebd., S. : »Mit dem Wort dialektisch ist hier der Ge-
gensatz zu allen Polaritätsvorstellungen zum Ausdruck gebracht. Das Wort soll
die Frage-Antwort-Struktur aller geschichtlichen Situationen und Ereignisse zum
Ausdruck bringen.« Schmitt bezog sich damit auf die von Arnold Toynbee be-
schriebene »Challenge-Response-Struktur der Kulturgeschichte« (ebd., S. ). Stef-
fen Martus weist zudem auf die »heilsgeschichtliche Dimension« von Schnitts
»christlich-linearem« Zeitmodell hin, das dem »mythisch-zyklischen« von Jünger
entgegenstehe; vgl. Martus, Ernst Jünger, S. .
,
Armin Mohler hatte schon in einem Brief an Carl Schmitt von der
»absoluten und nicht graduellen Andersartigkeit« von Schmitt und Jün-
ger gesprochen: »Sie beide müssen sich nun einmal damit abfinden, dass
Sie die beiden Möglichkeiten des deutschen Geistes heute paradigma-
tisch verkörpern.« Mohler fügte hinzu: »Jünger hat keinen Sinn für das
Geschichtliche, er sieht nur die unveränderlichen Dinge.« Diesen von
Schmitt ebenfalls benannten Unterschied von geschichtlichem und un-
geschichtlichem Denken hob Armin Mohler auch in seinem eigenen
Festschriftenbeitrag für Jünger hervor. Er nutzte darin die Beschreibung
einer Begegnung von Schmitt und Jünger, um ihre »Wesensverschieden-
heit« als die Verschiedenheit von mythischem, auf das »Zeitlose« ge-
richtetem Denken bei Jünger und geschichtlichem, auf die politische
Situation gerichtetem Denken bei Schmitt zu charakterisieren. Mohlers
eigene politische und intellektuelle Prägung vollzog sich in der Nach-
kriegszeit genau zwischen diesen »beiden Möglichkeiten des deutschen
Geistes«, die er in seinen beiden Idolen Schmitt und Jünger verkörpert
sah.
Der in Basel geborene Schweizer Armin Mohler hatte sich schon
früh für die Fragen des »deutschen Geistes«, wie er sie verstand, interes-
siert. Nach dem Angriff des »Dritten Reichs« auf die Sowjetunion
beschloss Mohler, »den Deutschen den Krieg gewinnen zu helfen« , und
ging als Soldat schwarz über die Grenze, um sich um Aufnahme in die
Schweizer Wochenzeitung Die Tat, später der Hamburger Zeit und an-
derer Zeitungen nach Paris. kehrte er nach Deutschland zurück und
wurde Geschäftsführer der Carl Friedrich von Siemens-Stiftung in
München. Von den er bis in die er Jahre war Mohler einer der
führenden Köpfe des deutschen Neokonservatismus und Rechtsextremis-
mus und Vordenker der so genannten »Neuen Rechten«, die nicht nur
maßgebliche Impulse von der französischen »Nouvelle Droite« um Alain
de Benoist erhielt, sondern auch auf die Ideen der Konservativen Revolu-
tion der Zwischenkriegszeit zurückgriff. starb Mohler jährig in
München.
So eng die Beziehung von Armin Mohler zu Ernst Jünger in der Nach-
kriegszeit und den er Jahren auch war, so war sie doch von Anfang an
nicht ohne Spannungen. bescheinigte Ernst Jünger ihm zwar noch,
dass er mit dessen Tätigkeit bei ihm in jeder Hinsicht zufrieden gewesen
sei. Dies war allerdings bereits eine beschwichtigende Reaktion auf
Missstimmungen, die nach Mohlers Abreise aufgebrochen waren.
dokumentierte Mohler seine Verbundenheit und Dankbarkeit Jünger
gegenüber durch zwei Publikationen. So gab er nicht nur die Festschrift
für Ernst Jünger im Klostermann-Verlag heraus, für die er seine Geistes-
heroen Carl Schmitt, Martin Heidegger, Gottfried Benn und Friedrich
Georg Jünger zusammen brachte. Er stellte für den Schweizer Arche-
Verlag Peter Schifferlis auch einen kleinen Band mit »Dokumenten zum
Weg von Ernst Jünger« zusammen, in dem er unter anderem von seinen
Erfahrungen als Jüngers Sekretär berichtete. Doch schon hatte
Mohler Carl Schmitt von seinen Differenzen mit Jünger geschrieben, die
sich in erster Linie auf politische Fragen bezogen: »So gut wie ich mich
sonst mit E. J. verstehe, in politicis reden wir leider meist aneinander
vorbei, und mir scheint oft, dass er mich nicht verstehen will.« Dem-
gegenüber sei es Schmitt, dem Mohler die »Schärfung des Blicks für das
Politische« verdanke.
Mohler teilte Schmitts Bedenken, dass Ernst Jünger nach dem Krieg
durch Anpassung an die bürgerliche Öffentlichkeit harmlos zu werden
drohe. Schon vor Antritt seines Sekretärpostens hatte Mohler an Jünger
geschrieben, er werde »immer sauer auf alles reagieren, was die Tendenz
hat, aus Ihnen den Gerhart Hauptmann der zweiten Republik zu ma-
chen« . Nachdem Jünger den Rudolf-Alexander-Schröder-Preis der
Stadt Bremen entgegengenommen hatte, gestand ihm Mohler, er habe
die darüber in Bremen geführte Kontroverse »mit einer Mischung aus
Aegriertheit und Amüsiertheit« verfolgt: »Eine Strafe musste schliesslich
sein, wenn man Ernst Jünger heisst und einen Literaturpreis annimmt …«
Auf diese Sottise Mohlers antwortete Jünger mit einer grundsätzlichen
Bemerkung über seine Eigenschaft als »Politikon«, auf die er gerne ver-
zichten würde, da er eigentlich kein politischer Mensch sei:
»Was die Bremer Angelegenheit betrifft, so haben Sie Recht. Man, das
heißt ich, darf sich aber nicht in persönlicher Gereiztheit verlieren,
sondern muß über das Grundsätzliche der Sache nachdenken. Das liegt
doch wohl im Politischen. Das Merkwürdige liegt darin, daß ich eigent-
lich kein politischer Mensch, sondern ein Politikon bin. Und daran ist
wieder das Mißliche, daß dieses Politikon sich nicht in den herrschen-
den Machtkampf eingliedern läßt. […] Wenn ich es könnte, würde
ich meine Eigenschaft als Politikon ablegen, was leider nicht möglich
ist. Sie liegt in dem, was ich sehe, nicht in dem, was ich will.«
Schon zwei Jahre zuvor hatte Jünger mit Mohler eine grundsätzliche Aus-
einandersetzung über sein Verhältnis zur Politik geführt. Mohler hatte
von ihm eine Stellungnahme zu aktuellen politischen Fragen verlangt,
worauf Jünger antwortete, diese bezögen sich nur auf »Vordergrunds-
Verteilungen«. Im Grunde gebe es »nur eine Macht, welche die großen
Probleme der Zeit mit sich selbst abhandelt und zum Ziele bringen wird,
und das ist die Gestalt des Arbeiters«, diese sei aber »natürlich keine poli-
tische Idee, sondern eine metaphysische«. Eine Ausrichtung an solchen
»politisch-metaphysischen Gesichtspunkten« sei aber »gründlicher als die
durch politische Konstellationen, die vorüberziehen«. Politisch könne
»man heute mit gleichem Recht entgegengesetzte Aktionen befürwor-
ten«. Mohler antwortete mit einer Kritik an dieser »metapolitischen«
Haltung Jüngers. Er könne zwar verstehen, dass Jünger sich nicht mit
politischem »Kleinkram« beschäftigen wolle. Seine Äußerungen über den
»Arbeiter« seien aber immer schon »im absoluten Raum gesprochen«.
Dazwischen gebe es noch eine Schicht, die Jünger zu leicht übergehe:
»Sie sagen ja: ›Politisch kann man heute mit gleichem Recht entgegen-
gesetzte Aktionen befürworten.‹ Das ist von der metapolitischen Sphäre
aus gesehen richtig. Aber Sie leben in der Zeit, das Schicksal hat Sie in
einen politischen Raum gestellt. Mir scheint, dass Sie es sich – aber nur
in politicis! – in diesem Bereich etwas zu leicht machen. Sie argumen-
tieren dann im politischen Bereich mit metapolitischen Schlüssen.«
Durch seine Schriften habe Jünger aber »auf die jetzt in die Politik ein-
tretende Generation in Deutschland sehr stark gewirkt«: »Sie treiben
keineswegs bloss Metaphysik, sondern Sie haben in jener mittleren kon-
kreten politischen Zone unmittelbare Wirkungen – ob Ihnen das nun lieb
ist oder nicht.« Jünger müsse es sich daher gefallen lassen, »dass Ihr stör-
rischer Ex-Secretarius Sie gerade auf dieser politischen Ebene zu stellen
sucht, auf der Sie nicht angetroffen werden möchten«. »Was Sie von
von Mohler besonders bewunderte frühe Jünger dürfe aber durch den
späten nicht verleugnet oder nachträglich retuschiert werden.
Diese Frage nach der späteren Retusche konzentrierte sich bald auf
den »Arbeiter«, den Mohler nicht nur für Jüngers wichtigstes Buch hielt,
sondern über dessen Wiederauflage, Überarbeitung oder Ergänzung
Jünger seit verschiedentlich nachdachte. Im Januar vermerkte
Mohler in einem Porträt Friedrich Georg Jüngers in der Weltwoche, des-
sen »Perfektion der Technik« er als »Gegenwerk zu Ernst Jüngers ›Ar-
beiter‹« bezeichnete, besorgt, ihn habe die Nachricht erreicht, »dass Ernst
Jünger sein Hauptwerk von umschreibe: dass er die revolutionären
Elemente auszuscheiden und hinter dem Dynamischen der endlosen Be-
wegung das Statische der ewigen Ruhe hervorzuheben suche«. Jünger
schrieb ihm daraufhin, dass diese »Gerüchte« »nicht ganz zutreffend«
seien:
»Ich sehe in diesem Buche die Schilderung von Mächten, die immer
wirklich bleiben werden, ähnlich wie die Titanenwelt ja nicht ver-
schwindet, wenn der Olymp sie überhöht. Im Gegenteil gedenke ich
den Text noch schärfer durchzuzeichnen, und die wesentliche Ver-
änderung soll nun in der Anfügung eines dritten, theologischen Teils
bestehen.«
Mohler war über die Nachricht, dass Jünger »zu den Grundlinien« des
»Arbeiter« stehe, sehr erleichtert, denn für ihn und seine Freunde, »von
denen fast alle von Ihrem Werk in entscheidender Weise getroffen wor-
den sind«, sei er »vor allem und zuerst der Autor des ›Arbeiters‹. Dieses
Buch hat uns am tiefsten getroffen und uns zu Ihren Lesern gemacht.«
»ich hielt diese Schrift für einen absoluten Bruch mit den früheren Werken. Erst
die spätere Beschäftigung mit Ihrem Werk lehrte mich, sie wesentlicher zu se-
hen.« (A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach) Jünger hatte
ihm zuvor geschrieben: »Auch das Bekannte kann sich ändern, wie etwa das Alte
Testament durch die Hinzufügung des Neuen an Sinn gewinnt. So bin ich der
Meinung, daß zwei Schriften wie die über den ›Frieden‹ und die ›Totale Mobil-
machung‹ sich nicht nur nicht ausschließen, sondern daß sie sich gerade dadurch
vertiefen und erhöhen, daß ein und dieselbe Feder sie geschrieben hat.« (E. Jün-
ger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach)
Mohler, Friedrich Georg Jünger.
E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach. Jünger ergänzte
noch: »Übrigens besteht zwischen der ›Perfektion der Technik‹ und dem ›Ar-
beiter‹ nicht der Antagonismus, den Sie andeuten, sondern auch ein Verhältnis
ontogenetischer Art.«
A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
-
Gerade wegen dieser Bedeutung habe Jünger auch keine absolute Ver-
fügungsgewalt über dieses Buch mehr, wie Mohler einige Monate später
ergänzte:
»Ueberhaupt möchte ich nun ›Stimme des Lesers‹ sein und Ihnen zu-
rufen, dass Sie auf Ihre frühen Werke kein Recht mehr haben, dass sie
nicht mehr Ihnen gehören. Wieso wollen Sie zum ›Arbeiter‹ einen
theologischen Teil schreiben? Der ›Arbeiter‹ lebt nun seit anderthalb
Jahrzehnten und bewegt sich von selbst fort, in einer Art, über die Sie
keine Macht mehr haben. Gewiss, jene ›neue Theologie‹ muss ge-
schrieben werden, und wir hoffen, dass Sie sie schreiben werden. Aber
das ist ein Buch, das mit dem ›Arbeiter‹ nichts zu tun hat.«
Schon zu diesem frühen Zeitpunkt deutete sich also der Konflikt an, der
später zum Bruch zwischen Mohler und Jünger führte, denn Mohler kri-
tisierte Jünger beim Erscheinen von dessen erster Werkausgabe ge-
nau dafür, seine frühen Werke zu stark retuschiert zu haben. Für Mohler
war das Pochen auf die Eigenbedeutung von Jüngers militanten Schriften
deshalb so wichtig, weil diese militanten Schriften ihn und andere seiner
Altersgenossen nicht nur zu Jüngerlesern gemacht hatten, sondern auch
anleitend für ihr politische Handeln geworden waren, was die einschnei-
dende Bedeutung für ihr Leben dramatisch erhöhte. Wie sich Mohler
erinnerte, hat er nach seinem »Übertritt nach Deutschland« während des
Krieges angegeben, »dass ich unter dem Einfluss des ›Arbeiters‹ von Ernst
Jünger hergekommen sei«. An Jünger selbst schrieb er über den
»Arbeiter«, dass er »das Buch zugeklappt« habe, »um in der nächsten
Nacht schwarz die Grenze nach Deutschland zu überschreiten«.
berichtete er ihm von einem Gespräch mit dem Chefredakteur der Ober-
österreichischen Nachrichten in Linz, Walter Pollak, der Mohler gegenüber
nicht nur die Bedeutung des »Arbeiter« bestätigte, sondern auch Kritik
an Jüngers späterer Haltung dazu übte: »Ja moanen’s denn, wir seien
wegen eines Lackels wie dem Rosenberg zu den Nazis gegangen? Wegen
des ›Arbeiters‹ sind wir Nazis geworden, wir und viele anderen. Als ich
dann hörte, dass Jünger so tat, als hätte er mit all dem nichts zu tun, war
der Fall für mich erledigt.« Als Jünger auf diesen Bericht abwiegelnd
reagierte, hakte Mohler nach:
»Nicht ganz geheuer ist mir bei Ihrer Formel zu dem erwähnten Ge-
spräch mit Pollak: ›Nun grollt er mir, weil er Heil Hitler gesagt hat …‹
Ich weiss nicht recht, ob Sie es sich damit nicht zu einfach machen.
(Ganz abgesehen vom Persönlichen bei Pollak, der ja durchaus zu
seinem Mitmachen bei den Nazis steht.) Aus dem ›Arbeiter‹ ist doch
schliesslich klipp und klar abzulesen, dass die Bewegungen, die im
Gange seien, zur Mobilmachung beitrügen und dass unter diesen Vor-
gang noch Dampf zu setzen sei. Ich glaube, dass diejenigen, welche
vom ›Arbeiter‹ aus in die SS gingen – und ich merke immer mehr, wie
ansehnlich doch ihre Zahl gewesen ist –, sich über Hitlers Wesen und
dasjenige seiner Partei schon im Klaren waren. Das traue ich den Sild,
Alwens, Traugott, Pollak etc. zu. Aber unter Ihrem Einfluss kamen sie
zu der Ueberzeugung, dass man in den Vorgang einsteigen müsse.«
Der von Mohler ebenfalls erwähnte Edgar Traugott, der nicht nur unter
dem Einfluss Jüngers in die SS eingetreten war, sondern auch seine
Dissertation über Jüngers heroischen Realismus an der Universität Wien
geschrieben hatte, hielt einen Vortrag über »Die Metanoesis des he-
roischen Realismus«, in dem er Jünger ebenfalls vorwarf, nicht zu seiner
Vergangenheit zu stehen.
Für Mohler konkretisierte sich dieser Vorwurf, als Jünger Mitte der
er Jahre daran ging, seine erste Gesamtausgabe für den Klett-Verlag
vorzubereiten und dafür seine bisherigen Bücher und Essays erneut zu
überarbeiten. Noch kurz vor Erscheinen der ersten Bände plädierte
Mohler erneut dafür, den »Arbeiter« und die Sammlung »Blätter und
Steine« von (in der unter anderem »Die totale Mobilmachung« und
»Über den Schmerz« erschienen waren) unverändert in die Werkausgabe
aufzunehmen, denn diese »gehören Ihnen gar nicht mehr, weil sie in die
Geistesgeschichte eingegriffen haben«. Jünger hat diesen Ratschlag
nicht befolgt und nicht nur eine von Mohler abgelehnte thematische
Gliederung der zwischen und erschienenen Werkausgabe vor-
genommen, sondern besonders auch seine Bücher über den Ersten Welt-
krieg einer erneuten Revision »ad usum democratorum« unterzogen.
Mohler reagierte darauf mit einer im Januar in der Schweizer Tat
veröffentlichten Rezension der ersten Bände, in der er unter anderem die
unterschiedlichen Fassungen von »Der Kampf als inneres Erlebnis« und
»Über den Schmerz« verglich. Besonders gravierende »Sinnänderungen«
entdeckte er aber vor allem bei der Überarbeitung der »Totalen Mobil-
machung«. Die jetzt gestrichenen Sätze dieser Abhandlung von
seien Mohler »wie so vielen anderen jungen Leuten durch und durch«
gefahren und dürften wegen dieser historischen Bedeutung nicht einfach
gestrichen werden. Die entsprechenden Leser würden Jünger jedenfalls
»auch weiterhin seine alten Ausgaben auf den Tisch knallen«.
Jünger nahm diese Kritik zum Anlass, den Kontakt mit Mohler abzu-
brechen. An seiner Stelle schrieb Liselotte Lohrer, Ernst Jüngers spätere
zweite Frau, einen langen Brief an Mohler, in dem sie Jüngers Recht auf
fortgesetzte Formung auch seiner alten Werke verteidigte. Demgegen-
über pochte Mohler wiederum auf sein »gottverdammtes Recht«, das er
sich »so wenig nehmen [lasse] wie all die anderen, für die ich zu sprechen
glaube: dass Ernst Jünger nicht nachträglich die Züge jenes Jünger ver-
harmlost, der uns zum Schicksal wurde«.
Offenbar hat Mohler diesen Vergleich selbst auch angestellt. So schrieb er im Mai
an Jünger: »Triangel findet also falsch, dass ich Sie mit Lawrence of Arabia,
Malraux, Saint-Exupéry vergleiche. Dabei standen alle drei vor dem gleichen
Problem wie Sie: wie die Täter-Jugend durch etwas anderes abzulösen sei.«
(A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach)
Mohler, Dichter.
Bussche, Konservatismus, S. .
-
Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was
immer gilt‹. Immer gelten aber kann nur ein der Zeit Entzogenes.«
(EJ a, )
Diese Definition Albrecht Erich Günthers stammte allerdings von ,
und in der Tat folgte auch der revolutionäre Konservatismus der Wei-
marer Republik einem »Denken aus dem Ursprung«, das sich gegen
den reaktionären Traditionalismus stellte. In den er und frühen
er Jahren diente dieses Ursprungsdenken allerdings der radikalen
Verneinung des Bestehenden und seiner aktivistischen Beseitigung. Die-
se Zeit der Zertrümmerung war für Jünger nun vorbei, es stellte sich ihm
jetzt die Frage, »wie im Zustande der tabula rasa neuer Humus zu bilden«
(ebd., ) sei. Dieser neue Humus könne nicht durch »politische An-
strengungen« erlangt werden, ja die »eigentlichen Probleme« seien »nicht
politisch« (ebd., ).
Armin Mohler hat zwanzig Jahre später noch einmal den revolutio-
nären Bruch beschworen, den der Konservatismus in den er Jahren
zu dem des . Jahrhunderts vollzogen habe, und beklagt, dass der Kon-
servatismus »unter dem Druck des Zusammenbruchs von « versucht
habe, »jenen Bruch wieder rückgängig zu machen«, woran er bis heute
kranke. Die Brüder Jünger wollten diesen Bruch nicht einfach rück-
gängig machen, sie wollten ihn aber gleichwohl hinter sich lassen und das
konservative Denken in ein nachrevolutionäres und posthistorisches Sta-
dium des Unpolitischen hinüberretten. Mohlers Kritik am »Gärtner-
Konservatismus« der Nachkriegszeit traf daher auch die Waldgänger
und Naturfreunde Jünger, ebenso wie den Seinshirten Heidegger.
In späteren Jahren haben Ernst Jünger und Armin Mohler ihren Streit
beigelegt und etwa ab wieder freundschaftliche Briefe gewechselt.
Horst Seferens nimmt diese Erneuerung der alten Freundschaft in seiner
Studie über Ernst Jünger und die radikale Rechte in der Bundesrepublik
vorschnell als Indiz dafür, dass die »zwischenzeitlich unterbrochene Ver-
bindung zwischen der Sphäre praxisferner Reflexion und einem aktiven
Rechtsintellektualismus« wiederhergestellt worden sei. Er belegt die
Zugehörigkeit von Jüngers esoterischem Spätwerk zur »Gegenaufklä-
rung« ebenso schlüssig wie dessen fortgesetzte politische Bedeutung für
die Formierung der Neuen Rechten, die von Jünger durch die »Entfal-
tung eines impliziten Diskurses« transportiert worden sei. Gleichwohl
unterschätzt Seferens die Differenzen, die zwischen dem neokonserva-
tiven Aktivismus von Mohler und anderen neurechten Vordenkern und
dem politischen Eskapismus der Brüder Jünger nach bestanden.
Deren Rückzug von der Politik und die Formulierung eines passiven
Konservatismus waren nicht rein taktischer Natur, sondern entsprachen
der Wendung ihres Denkens und dem Abschied von der Tat, mit dem sie
auf das Scheitern des eigenen politischen Aktivismus und die Erfahrung
des Nationalsozialismus reagierten. Wie besonders bei der Auseinander-
setzung mit Ernst Niekisch und Carl Schmitt schon deutlich wurde, ver-
band sich dieser Rückzug aus der Politik mit dem Abschied von der Ge-
schichte. Die von den Brüdern Jünger betriebene Suche nach über- und
außerzeitlichen Angelpunkten korrespondierte dabei mit Martin Hei-
deggers Versuchen einer »Überwindung der Metaphysik«. Die Frage, wie
der Ausstieg aus der Geschichte der Metaphysik auf nichtaktivistische
Weise zu bewerkstelligen sei, war eines der zentralen Themen des Dreier-
gesprächs, das Heidegger und die Brüder Jünger in den er Jahren
entfalteten und um das es im folgenden Kapitel gehen wird.
halten zurückzuführen waren. Wie schon gezeigt wurde, hat sich Martin
Heidegger ausgesprochen intensiv mit Ernst Jüngers »Arbeiter« und
seinen phänomenologisch-militanten Schriften der frühen er Jahre
auseinandergesetzt, während Ernst Jünger bis nichts von Heidegger
gelesen hatte und sich auch danach nur selektiv mit seinen Texten be-
schäftigte. Im Unterschied dazu hat sich Friedrich Georg Jünger schon
sehr viel früher und eingehender mit Heidegger befasst, wovon viele Be-
merkungen in seinen Tagebüchern und Briefen ebenso Zeugnis ablegen
wie einzelne Veröffentlichungen und unveröffentlichte Manuskripte in
seinem Nachlass. Nichtsdestotrotz war es ein von Ernst Jünger an Martin
Heidegger adressierter Essay, der das Text gewordene Nachkriegsge-
spräch zwischen Heidegger und den Brüdern Jünger eröffnete und fünf
Jahre später eine ausführliche Antwort von Heidegger provozierte. Der
»Über die Linie« betitelte Beitrag Ernst Jüngers für die von Hans-Georg
Gadamer initiierte Festschrift zu Martin Heideggers sechzigstem Geburts-
tag enthielt zwar vage Reminiszenzen an Heideggers Denken, beruhte
aber nicht auf einer genauen Auseinandersetzung mit dessen Texten.
Stattdessen behandelte Jünger in verschlüsselter Weise die ihn ebenso wie
Heidegger bedrängende Frage – in Armin Mohlers Formulierung – »wie
die Täter-Jugend durch etwas anderes abzulösen sei« . Die Deckfrage zur
Im Oktober schrieb Jünger nach der ersten Begegnung mit Heidegger an
Gerhard Nebel: »Ich las jetzt, durch die persönliche Begegnung angetrieben, die
erste Schrift von Heidegger ›Was ist Wahrheit?‹. Von meiner Bilderwelt aus gese-
hen, liegt das freilich sehr fern. Doch ist da ohne Zweifel eine Kapazitä[t,] um die
es sich lohnt. Auch bin ich der Meinung, daß man durch einen engen Kontakt da
manches Unerwartete auslösen könnte. Da ich ja vielleicht Nachbar von Heideg-
ger werde, gedenke ich die Mühe des Eindringens nicht zu scheuen.« (EJ/GN,
f.) bekannte Jünger, »ein schlechter Interpret« Heideggers zu sein, »da
ich mich hinsichtlich der Heideggerschen Texte und ihrer Terminologie wohl als
Liebhaber, nicht aber als Experten bezeichnen darf« (EJ , ).
Bei den Veröffentlichungen ist neben denen, die sich direkt auf Heidegger be-
ziehen, besonders bei »Gedächtnis und Erinnerung« (FGJ ) Heideggers Ein-
fluss zu spüren. Im Nachlass F. G. Jüngers enthält der Bestand »Prosa« ein eigenes
»Konvolut Arbeiten und Entwürfe über Martin Heidegger«.
Vgl. dazu Martus, Ernst Jünger, S. -; Neaman, Dubious Past, S. -;
Balke, Heidegger; Figal, Charakter; ders.: Erörterung.
A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. »Jugend« ist hier
natürlich relativ, da Heidegger bei seinem NS-Engagement schon Jahre alt
war. Die Brüder Jünger brachten ihren Abschied vom Aktivismus aber verschie-
dentlich selbst in Zusammenhang mit dem Älterwerden. So schrieb Friedrich
Georg Jünger etwa an seinen Bruder: »Die Willensmässigkeit des Lebens nimmt
in dem Masse ab, in dem jemand reif wird.« (F. G. Jünger an E. Jünger, ..
(Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
Behandlung dieses Problems war die nach dem Nihilismus und seiner
Überwindung.
Die Rede vom Nihilismus hatte in der deutschen Nachkriegszeit und
noch bis in die er Jahre hinein allerdings den Charakter eines »in
aller Munde« befindlichen »Schlagworts« , mit dem die »deutsche Kata-
strophe« in den Zusammenhang eines länger währenden abendländischen
Verfallsgeschehens eingeordnet und dadurch zugleich relativiert werden
sollte. Beispielhaft tat dies etwa der Philosophen Ludwig Landgrebe in
einem in Bremen gehaltenen Vortrag zur Ȇberwindung des euro-
päischen Nihilismus«. Landgrebe, der nach dem Weggang Martin
Heideggers nach Marburg Assistent bei Edmund Husserl in Freiburg
geworden war, nannte den »europäischen Nihilismus« im Rückgriff auf
Nietzsche die »Krankheit, als deren Symptome wir das heutige Gesche-
hen betrachten lernen müssen«. Der Nihilismus habe als »Säkularisation
der Grundbegriffe« zur Infragestellung jeglicher transzendenten Instanz
und damit zur zerstörerischen »Überzeugung von der Selbstmacht des
Menschen« geführt, die sich besonders im rückhaltlosen »Vernunft-
glauben« äußere. Diese »neuzeitliche Emanzipation des Menschen« sei
allerdings nur eine »Befreiung in das Nichts« gewesen, die schließlich in
den »Rausch der Selbstzerstörung« gemündet habe. Das »Geschehen, das
über uns hinweggegangen ist«, sei also »nicht von ungefähr« gekommen,
sondern als das Ende einer Entwicklung, »deren Anfang mit der Emanzi-
pation der menschlichen Vernunft im Beginn der Neuzeit gesetzt war«.
Die Abkehr vom Nihilismus könne nur durch eine erneuerte »Bindung
an einen absoluten Zusammenhang« und damit zum Beispiel auf dem
Weg »einer neuen religiösen Gläubigkeit«, auf jeden Fall aber nur durch
eine Wendung jedes Einzelnen in sein »Inneres« geschehen.
Diese Argumentation entsprach in groben Zügen auch der von Ernst
Jünger und Martin Heidegger entfalteten Darstellung der europäischen
Verfallsgeschichte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Landgrebe Teile von
Heideggers Nietzsche-Vorlesungen in Freiburg gehört hatte und auf diese
Gloege, Nihilismus, S. ; vgl. zum Nihilismusdiskurs der Nachkriegszeit und frü-
hen Bundesrepublik auch Bröcker, Strudel; Marcel, Philosophie der Hoffnung;
Niekisch, Nihilismus; Pannwitz, Nihilismus; Rauschning, Masken; Thielicke,
Nihilismus; Weber, Abschied; zur Geschichte des Nihilismusbegriffs Gawoll,
Nihilismus.
Landgrebe, Überwindung, S. .
Ebd., S. ff.
Ebd., S. ff.
Ebd., S. .
-
Weise direkt durch Heidegger beeinflusst war. Landgrebes Vortrag ist al-
lerdings nur ein Beispiel für die weit verbreitete Tendenz, den Nihilismus
für das »über uns hinweggegangene Geschehen« des »Dritten Reiches«
und des Zweiten Weltkriegs verantwortlich zu machen. Hannah Arendt
bemerkte bereits in polemischer Ironie, der »Durchschnittsdeut-
sche« suche »die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des
Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam
und Eva aus dem Paradies geführt haben«. Was ist also das Besondere
an Ernst Jüngers und Martin Heideggers Auseinandersetzung über den
Nihilismus?
In der zeitgenössischen Rezeption wurde diese Besonderheit bereits
darin gesehen, dass Jünger und Heidegger beide als Repräsentanten des
Nihilismus der Zwischenkriegzeit galten und dass die Überwindung die-
ses Nihilismus in ihren Personen daher besondere exemplarische Bedeu-
tung erhalte. Mit Blick auf diese denkbiographische Wendung stellt sich
die Frage nicht in erster Linie nach ihrer Diagnose eines nihilistischen
Zeitalters, die in weiten Teilen mit dem Mainstream der Nihilismusdis-
kussion konform ging, sondern nach den Konzepten für eine mögliche
Überwindung des Nihilismus. »Diagnose« und »Therapie« sind zwar nicht
so einfach zu trennen, wie sich besonders bei Heidegger zeigt, dessen
Nihilismusbegriff über den seiner Zeitgenossen hinausging und dessen
Vorstellungen einer Überwindung eng mit seiner Definition des Nihilis-
mus zusammenhing. Gleichwohl wird erst durch diese Verschiebung der
Fragestellung deutlich, in welcher Weise sich in der Diskussion über die
mögliche oder unmögliche Überwindung des Nihilismus zwischen Ernst
Jünger und Martin Heidegger eine erneute Bearbeitung des Problems
von Denken und Handeln, von Geist und Tat verbarg.
Ernst Jünger hatte schon in »Der Friede« den »Nihilismus« als »tiefste
Quelle des Uebels« (EJ , ) ausgemacht und zu seiner Bekämpfung
die Entwicklung einer »Neuen Theologie« (ebd., ) gefordert. In der
Nachkriegszeit wurde daher häufig von Jüngers Wendung zum Christen-
schaft« (ebd., ) und machte so deutlich, dass er diese Arbeitswelt nun
in ihrer Gänze als Erscheinungsform des Nihilismus betrachtete. Der »durch-
gebildete Staat mit seinen Beamten und Apparaturen« (ebd., ) war für
ihn ebenso Ausdruck des Nihilismus wie die »technische Ordnung«
(ebd., ) oder »jener spezielle Arbeitscharakter, der als Sport bezeichnet
wird« (ebd. ). Die »Verachtung des Mitleids und des Schmerzes«, die
Jünger einst selbst propagiert hatte, erschien nun als Eigenschaft des
»aktive[n] Nihilist[en]« (ebd., ), dessen Erscheinen er auf die »Material-
schlachten des ersten Weltkriegs« zurückführte, die »den gehämmerten
Menschen […] und mit ihm einen neuen Stil des Handelns« (ebd., )
hervorgebracht hätten.
Es hätte des Hinweises auf die »frontistischen Bewegungen« (ebd.) der
er Jahre nicht bedurft, um erkennen zu lassen, dass Ernst Jünger sich
durch diese Beschreibung der nihilistischen Erscheinungen von seinem
eigenen nihilistischen Aktivismus der Weimarer Zeit distanzierte. Bei der
nun kritisch gewendeten Beschreibung der »Maschinen- und Automa-
tenwelt« bediente er sich zudem bei seinem Bruder Friedrich Georg, in-
dem er ihren »Grundzug« als »Ausbeutung« (ebd., ) und »Reduktion«
(ebd., ) beschrieb. Gleichzeitig diente die Kategorie des Nihilismus
erneut dazu, die Herrschaft des Nationalsozialismus in verdeckter Weise
zu thematisieren und durch Gleichsetzung mit anderen Erscheinungsfor-
men des Nihilismus historisch zu relativieren. So nannte Jünger als Bei-
spiele für ein »nihilistisches Gremium« den »Totenkopfverband« ebenso
wie »eine Versammlung von Ärzten, Technikern oder Wirtschaftsbeam-
ten« (ebd., ). Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs sei der
»Nihilismus ein normaler Zustand« (ebd.) geworden, bei dem es keinen
großen Unterschied mache, »ob völkermordende Mittel im Auftrage tyran-
nischer Oligarchen oder auf Parlamentsbeschluß ersonnen und gehäuft
werden« (ebd., ). Die »Totale Mobilmachung« sei mit dem Zweiten
Weltkrieg keineswegs zu Ende gegangen, sondern »in ein Stadium einge-
treten, das an Bedrohlichkeit noch das vergangene übertrifft« (ebd., ).
Jünger ließ keinen Zweifel daran, dass er mit diesen Charakterisierun-
gen Kritik am Nihilismus übte und auf seine Überwindung zielte. Den-
noch bezeichnete er ihn an einer Stelle als »notwendige Phase innerhalb
einer auf bestimmte Ziele gerichteten Bewegung« (ebd., ) und argu-
mentierte, dass durch »Läuterung im Inferno oder im ›Totenhause‹« eine
»höhere Stufe« gewonnen werden könne, »als sie vor dem Eintritt in den
Nihilismus bestanden hat« (ebd., ). Dadurch verschaffte er nicht nur
– wie schon im »Frieden«, in dem er die Opfer des Zweiten Weltkriegs als
»Saat« für den Frieden bezeichnet hatte – den historischen Erscheinungs-
formen des Nihilismus eine geschichtsphilosophische Legitimität. Diese
Passage lässt sich vor allen Dingen auch als Legitimation der eigenen
nihilistisch-aktivistischen Vergangenheit lesen. Entscheidend war für Jün-
ger aber nun die »Verwandlung« (ebd., ), durch die, wie er in seinem
Nachkriegstagebuch geschrieben hatte, die »Arbeitswelt […] in eine an-
dere Perspektive« gerückt und »subordiniert« (EJ /, ) werde.
Diese Verwandlung bezeichnete Jünger metaphorisch als »Passage des
Nullpunkts« und als »Überquerung der Linie« (EJ , ). Diese
Überquerung sei bereits erfolgt, doch markiere sie erst die Mitte, noch
nicht das Ende des nihilistischen Schauspiels: »Das Haupt ist jenseits der
Linie. Indessen steigert sich der niedere Dynamismus weiter und drängt
zur Explosion.« (Ebd., ) In dieser Situation stellte sich für Jünger die
Frage, »wie der Mensch im Angesichte der Vernichtung im nihilistischen
Soge bestehen kann« (ebd., ), wobei mit Mensch hier der »freie Mensch«
(ebd., ) gemeint war, der sich schon vom Nihilismus befreit habe und
seine Freiheit nun gegen diesen verteidigen müsse. Diese Freiheit zeigte
sich Jünger etwa im »musische[n] Leben« (ebd., ) der »Dichter und
Denker« (ebd., ), weshalb Jünger sich von der Kunst die »geistige
Überwindung und Beherrschung der Epoche« (ebd., ) und damit des
Nihilismus erhoffte. In Jüngers Rede vom Dichten und Denken waren
die Anklänge an Heidegger nicht zu überhören und wohl auch beabsich-
tigt. Das wurde dort am deutlichsten, wo Jünger davon sprach, dass die
Passage der Linie »eine neue Zuwendung des Seins« (ebd., ) bringe.
Auch Jüngers Aufforderung zum »Schweigen« und zum Rückzug in die
»Wildnis« als den »Gärten, zu denen der Leviathan nicht Zutritt hat«
(ebd., ), korrespondierte mit den Strategien der Verschwiegenheit, die
ihn nach mit Heidegger ebenso verbanden wie mit seinem Bruder
Friedrich Georg.
Friedrich Georg Jünger war in der Festschrift für Heidegger ebenfalls
vertreten, und zwar mit einem Text über die »Wildnis«, der aus einem
fiktiven Dialog zwischen dem weisen Kentauren Cheiron und dem jun-
gen Heroen Palamedes bestand. Friedrich Georg Jüngers Lobpreisung
der Wildnis als dem »Land des Pan« (FGJ b, ), das zugleich als
»Land der Quellen ein heiliges Land« (ebd., ) sei, entsprach dabei so-
wohl seinem eigenen Natur- und Ursprungsglauben als auch Martin
Heideggers Wendung zum »Schonen« (ebd., ) und beider Abkehr
vom »Täter« (ebd., ).
Ernst Jüngers Verweis auf die »Wildnis« und die »Auseinandersetzung
mit dem Leviathan« (ebd., ) deutete demgegenüber in eine etwas
andere Richtung und ließ die Verbindung von »Über die Linie« zum ein
Jahr später erschienenen »Waldgang« erkennen. Tatsächlich sprach Jünger
auch im »Waldgang« von der notwendigen »Seinsverdichtung« (EJ a,
-
Ernst Jünger kannte diesen Text bei der Abfassung seines Festschriftenbeitrags für
Heidegger wahrscheinlich noch nicht, doch war ihm der Titel »Holzwege« bereits
bekannt, da er ihn am Schluss von »Über die Linie« zitierte (vgl. EJ , ).
Da Heidegger selbst in einem Vorspruch zu den »Holzwegen« darauf hinwies,
dass »Holz« ein altes Wort für »Wald« sei, ist die Nähe und Affinität zu Jüngers
Waldgang kaum zu übersehen.
Vgl. MH b, -. ist diese gekürzte Version dann wiederum in eine
»Studienausgabe« mit dem Titel »Der Europäische Nihilismus« aufgenommen
worden, die Friedrich Georg Jünger zum Gegenstand eines Aufsatzes mach-
te (vgl. FGJ ). Dieser Aufsatz Jüngers dokumentiert am ausführlichsten seine
Beschäftigung mit Heideggers Werk, da er darin auch auf frühere Heideggertexte
einging.
-
»Auslassen des Ausbleibens des Seins« (ebd., ) in der Gestalt der Me-
taphysik. Das Sein sei aber auf den Menschen angewiesen, um aus seinem
Ausbleiben wieder anzukommen. Denn diese »Ankunft« bedürfe einer
»Ortschaft«, und diese Ortschaft sei das »Wesen des Menschen« (ebd.,
). Der Mensch stehe »im Bezug des Seins selbst zu ihm«, und dieses
»Innestehen im Offenen der Ortschaft des Seins« sei das »Wesen des
Denkens« (ebd., ): »Als der so vom Sein Angegangene ist der Mensch
der Denkende.« (ebd., )
Heidegger konstruierte auf diese Weise einerseits ein gleichsam auto-
nomes, in sich handlungsmächtiges Sein, das sich von sich aus entzogen
habe, das aber andererseits in einem wesentlichen Verhältnis zum Wesen
des Menschen stehe, dessen es als »Ortschaft« seiner »Ankunft« bedürfe.
In dieser Konstellation kam dem Menschen zwar eine Verantwortung für
das Sein zu, aber keine, die er aktiv gestaltend wahrnehmen sollte: »Un-
mittelbar gegen das Ausbleiben des Seins selbst angehen wollen, hieße,
das Sein selbst nicht achten als Sein. Die so gewollte Überwindung des
Nihilismus wäre nur ein ärgerer Rückfall in das Uneigentliche seines
Wesens« (ebd., ). Stattdessen könne der Mensch nur versuchen, »dem
Sein selbst in seinem Sichentziehen entgegenzudenken« (ebd., ) und
auf diese Weise auf die »Winke des Seins« (ebd., ) zu achten. Die
»Überwindung des Nihilismus« könne also »von seiten des Menschen
nur mittelbar geschehen«, und zwar nur so, dass er das »Wesen des Nihi-
lismus als eine Geschichte des Seins selbst« erfasst und erfährt, da er nur
so »dem Sein in dessen Ausbleiben als solchem entgegengeht« (ebd., ).
Heidegger hielt mit dieser Abhandlung also an der Perspektive einer
Überwindung des Nihilismus und damit auch einer »Überwindung der
Metaphysik« (ebd., ) fest. Diese könne aber erstens nicht aktivistisch
geschehen, da das voluntaristische »Überwindenwollen« (ebd., ), wie
der Fall Nietzsche zeige, nur zu einer tieferen »Verstrickung in den Nihi-
lismus« (ebd., ) führe. Zweitens könne sie nur darin bestehen, den
Nihilismus als ein »Geschick des Seins selbst« (ebd., ) zu erfassen, wes-
halb es »vor aller Überwindung einer Auseinandersetzung mit dem Nihi-
lismus« bedürfe, »die erst einmal sein Wesen ans Licht stellt« (ebd., ).
Das metaphysische Wesen des Nihilismus könne aber nur von einer Warte
aus erfasst werden, die selbst nicht mehr metaphysisch ist. Ȇberwindung
der Metaphysik« bedeute also auch: »Verlassen der lediglich metaphysi-
schen Auslegung der Metaphysik« (ebd., ), da sich die Metaphysik
selbst in ihrem Wesen nicht kenntlich sei.
Diese beiden Punkte der von Heidegger in der unmittelbaren Nach-
kriegszeit erneut formulierten Antwort auf das Problem einer aktiven
oder passiven Überwindung des Nihilismus und auf die Frage nach der
In leicht überarbeiteter Version ist dieser Beitrag unter dem Titel »Zur Seins-
frage« noch im selben Jahr auch als Einzelschrift erschienen (vgl. MH b). –
Was für Jünger recht war, musste für Heidegger billig sein. So hatte er im Okto-
ber an Klostermann geschrieben: »Ich knüpfe an den Abdruck des Beitrags
zur Festschrift die Bedingung, daß die Abhandlung ebenso wie diejenige von E. J.
auch gesondert erscheint.« (M. Heidegger an V. Klostermann, .., A: Klo-
stermann, DLA Marbach)
Anhand dieser Einschätzung wird erneut die relativierende Funktion der »seins-
geschichtlichen« Betrachtung deutlich, aus deren Sicht »Weltkriege« immer
»vordergründig« blieben: »Sie vermögen immer weniger zu entscheiden, je tech-
nischer sie sich rüsten.« (MH a, )
habe, weshalb der »Arbeiter« »in die Phase des ›aktiven Nihilismus‹«
(ebd., ) gehöre. Heute nehme Jünger zwar »an jener Aktion des aktiven
Nihilismus nicht mehr teil«, das einfache »Nichtmehrteilnehmen heißt
jedoch keineswegs schon: außerhalb des Nihilismus stehen« (ebd., ).
Jüngers »Dichten und Trachten« sinne darauf, »aus der Zone des vollen-
deten Nihilismus herauszuhelfen«, jedoch »ohne daß Sie den Grundriß
der Perspektive aufgeben, die ›Der Arbeiter‹ von Nietzsches Metaphysik
her öffnet« (ebd., ). Durch das Festhalten am Gestaltbegriff, den Hei-
degger auf die platonischen Idee zurückführte, bleibe Jünger »in der
Metaphysik beheimatet« (ebd., ). Von dort aber, soweit ist Heideggers
Argumentation bereits deutlich geworden, führte für ihn kein Weg zu
ihrer Überwindung. Um die Metaphysik als solche zu erfassen und gar
»in ihrem Wesen zu retten« (ebd., ), bedürfe es eines nicht-metaphy-
sischen Standpunkts, denn der Metaphysik selbst bleibe es »verwehrt, als
Metaphysik jemals ihr Wesen zu erfahren« (ebd., ).
Die Pointe von Heideggers Kritik an Jüngers Standpunkt bestand nun
darin, dass er den Beleg für dessen Festhalten an der Metaphysik und
damit für seine gedankliche Schwäche auf Jüngers eigenstem Gebiet aus-
machte: dem der Sprache. So bemerkte Heidegger, »daß Sie im ›Hinüber‹
über die Linie, d. h. im Raum diesseits und jenseits der Linie, die gleiche
Sprache sprechen« (ebd., ). Die »Position des Nihilismus« sei von Jünger
zwar »in gewisser Weise« schon aufgegeben worden, »aber seine Sprache ist
geblieben« (ebd.). Heidegger fragte daraufhin allgemein:
»Wie, wenn gar die Sprache der Metaphysik und die Metaphysik
selbst […] als Metaphysik jene Schranke bildeten, die einen Übergang
über die Linie, d. h. die Überwindung des Nihilismus verwehrt?
Stünde es so, müßte dann das Überqueren der Linie nicht notwendig
zu einer Verwandlung des Sagens werden und ein gewandeltes Ver-
hältnis zum Wesen der Sprache verlangen?« (Ebd., )
In Anlehnung an seine bisherigen Überlegungen zum Nihilismus be-
stimmte Heidegger dessen Wesen erneut als »Abwendung des Seins«
(ebd., ). Auf das »Wesen des Nihilismus« könne man sich daher »nur in
der Weise besinnen, daß wir zuvor den Weg einschlagen, der in eine
Erörterung des Wesens des Seins führt« (ebd., f.). Genau diese Erör-
terung könne aber nicht in der Sprache der Metaphysik geschehen, denn
»die Frage nach dem Wesen des Seins stirbt ab, wenn sie die Sprache der
Alexander Schwan hat ebenfalls auf diesen Widerspruch hingewiesen und diese
Passage von »Über ›Die Linie‹« als »Widerruf des in den Beiträgen versuchten
Denkens des Seyns ›selbst‹« (Schwan, Heideggers Beiträge, S. ) bezeichnet.
Allerdings sprach Heidegger auch in den »Beiträgen« bereits vom »Gegenschwung
des Brauchens und Zugehörens« (MH /, ) von Mensch und Sein. Die
durchkreuzte Schreibweise von Sein hat er selbst in keinem seiner übrigen Texte
praktiziert; vgl. dazu auch Sheehan, Nihilism.
Vgl. zum »Geviert« oben, Kap. ..
Die »Überwindung des Nihilismus« könne sich daher nur als »Verwin-
dung der Metaphysik« (ebd., ) gestalten, denn die »Verwindung wen-
det sich dem Wesen der Metaphysik zu« (ebd., ). Heidegger setzte
damit sein eigenes, schon in den er Jahren entwickeltes Programm
eines »seinsgeschichtlichen« Denkens, das erst den Rückgang durch die
Geschichte der abendländischen Metaphysik in den »ersten Anfang« voll-
ziehen müsse, um in den »anderen Anfang« zu gelangen, dem einfachen
»Überwindenwollen« (MH /, ) des Nihilismus entgegen, das
er bei Ernst Jünger zu erkennen glaubte, das sich aus der nihilistischen
Verstrickung aber nicht zu lösen vermöge.
Heidegger vollzog damit erneut die für ihn typische Überbietungs-
figur, mit der er sich selbst auf eine Erkenntnisstufe stellte, die noch kein
anderer erreicht haben konnte, und die mit der Selbststilisierung einher-
ging, zu den wenigen Wissenden »inmitten der Weltverwirrung und Ver-
finsterung« (MH c, ) zu gehören. Auch wenn er Jünger in seinem
Geburtstagsbrief in diese Selbstbeschreibung als »Einzelne und Vereinzel-
te« einbezog, konnte dieser das philosophische Programm Heideggers
tatsächlich nicht in seiner Gänze mit vollziehen – schon allein deshalb,
weil er sich gar nicht eingehend genug damit beschäftigte.
Trotz der Kritik von Seiten Heideggers und der Ignoranz von Seiten
Jüngers lassen sich in dem Festschriftenaustausch über den Nihilismus
dennoch die zentralen Elemente jener »Parallelbewegung« zwischen Hei-
degger und Jünger erkennen, von der Gerhard Nebel gesprochen
hatte und an der auch Friedrich Georg Jünger beteiligt war. Sie bestand
in der Suche nach einer Reaktionsform auf den als unheilvoll beschrie-
benen Weltzustand, die einen Ausstieg aus dem Unheilszusammenhang
erlaubte, ohne in den Aktivismus und Voluntarismus zurückzufallen, den
Heidegger und die Brüder Jünger selbst einst praktiziert hatten, jetzt aber
als mitverantwortlich für den Unheilszustand ansahen. Sie vollzog sich
Von »Verwindung« (MH /, ) hatte Heidegger auch schon in den Auf-
zeichnungen zur Überwindung der Metaphysik aus den Jahren bis
gesprochen, die er in dem Sammelband »Vorträge und Aufsätze« veröffent-
lichte. Darin betonte er ebenfalls, dass »[k]eine bloße Aktion« den »Weltzustand
ändern« (ebd., ) könne; vgl. zum Begriff der Verwindung auch Figal, Verwin-
dung.
Günter Figal betont zu Recht, dass Heideggers Urteil auch daher rührte, dass er
»kritisch auf den Jünger der frühen dreißiger Jahre fixiert« blieb, wodurch ihm
die Motive entgangen seien, »in denen sein Denken bei Jünger eine wesentliche
Bestätigung, aber auch eine spannungsvolle Ergänzung« (Figal, Charakter, S. )
hätte finden können.
M. Heidegger an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
-
de Geer stand nicht nur auf Seiten des aristokratischen Prokonsuls, der
statt der Perfektion der Technik die »Vollkommenheit des Menschen«
(ebd., ) anstrebte. Sie folgte auch im Verlauf der Handlung zuneh-
mend ihren eskapistischen Neigungen, um den Schauplatz des Macht-
konflikts am Ende des Romans schließlich vorzeitig und mit Richtung
auf ein Jenseits der Technik- und Machtsphäre zu verlassen, in dem die
»Gesetze der Technik« (ebd., ) nicht gelten.
In »Heliopolis« fanden sich in angedeuteter oder expliziter Form
bereits fast alle wesentlichen Themen von Ernst Jüngers essayistischen
Schriften der er Jahre, von der Überwindung des Nihilismus und der
Technik bis zum Rückzug in den »Wald« und dem Widerstand gegen
die mechanisierte Zeit. Dieselben Themen beschäftigten auch Friedrich
Georg Jünger, dessen Nachkriegstexte sich allerdings noch expliziter mit
dem Problem der Technik befassten als die Ernst Jüngers. Bei Friedrich
Georg Jünger lässt sich diese Auseinandersetzung mit der Technik eben-
falls in den literarischen Texten, das heißt bei ihm in den Gedichten und
Erzählungen finden. Wichtiger war in diesem Zusammenhang aber
wiederum die umfangreiche Essayistik.
Dass die Technik für Ernst Jünger und Martin Heidegger ein wesent-
liches Element bzw. eine Erscheinungsform des Nihilismus war, ist an
ihrem Austausch über die »Linie« bereits deutlich geworden. Friedrich
Georg Jünger brachte seine Technik- und Massenkritik erstmals in seinem
in einer ersten Fassung abgeschlossenen, aber erst veröffent-
lichten Buch über Friedrich Nietzsche explizit in Verbindung mit dem
Begriff des Nihilismus. In diesem schmalen Buch finden sich unter an-
Walter Delabar erkennt in der Entwicklung des Helden Lucius de Geer die »all-
mähliche Konversion des Tatmenschen zum Beobachter« (Delabar, Sonnenstadt,
hier S. ), die auch Ernst Jünger selbst durchlaufen hat.
Vgl. Richter, Thematic Approach, S. -.
Dieses Buch über Nietzsche diente Friedrich Georg Jünger, wie er in der Schlussbe-
merkung schrieb, vor allen Dingen der Klärung seiner eigenen Position gegen-
über Nietzsche, dem er einerseits mit einem gewissen »Mißmut« (FGJ c, )
begegnete, der ihm aber andererseits eine Art historische Solidarität abforderte,
da er in der Nachkriegszeit von allen Seiten angefeindet worden sei, was Jünger
zu dem Umkehrschluss führte, dass Nietzsches Werk »das zentral gelegene Boll-
werk des unabhängigen Geistes« sei, »der keinem Staatsauftrag, keiner politi-
schen Anweisung, keiner Partei-Instruktion gehorcht« (ebd.). Martin Heidegger
schrieb an Vittorio Klostermann, der ihm Jüngers Nietzsche-Buch zuge-
sandt hatte: »Soweit ich das Buch von F. G. Jünger angelesen habe, erscheint es
mir sehr geeignet, eine ernsthafte und dringend nötige Auseinandersetzung über
unser Verhältnis zu Nietzsche in Gang zu bringen.« (M. Heidegger an V. Kloster-
mann, .., A: Klostermann, DLA Marbach)
-
derem zwei Kapitel über den »Schauspieler« und die »Masse«, von denen
Jünger, wie aus seinem Briefwechsel mit Vittorio Klostermann hervorgeht,
zeitweise überlegte, sie in eine erweiterte Auflage seines Technikbuchs zu
integrieren. Darin betonte er erneut die Zusammengehörigkeit von
technischem Fortschritt und »Massenbildung« (FGJ c, ), wobei
die Technik der »Organisierung des Konsumtionsvorganges« diene,
»durch den die Masse auf den Minimalzustand hingesteuert wird« (ebd.,
), während der »Massenführer« als »Schauspieler« (ebd., ) erschei-
ne. Die Verbindung mit dem Nihilismusbegriff stellte er unter anderem
in dem Kapitel über den »Willen zur Macht« her, den Jünger, ebenso wie
Heidegger, als Erscheinungsform des »aktiven Nihilismus« definierte und
zu dessen Werkzeugen die »nihilistische Wissenschaft und Technik«
(ebd., ) gehörten.
Mit seinem Nietzsche-Buch leistete Friedrich Georg Jünger somit eine
Art vorgezogenen Beitrag zur Nihilismusdebatte zwischen Ernst Jünger
und Martin Heidegger, da er nicht nur ihr Ziel einer Überwindung des
Nihilismus teilte, sondern auch genau wie Ernst Jünger darauf hinwies,
dass der Nihilismus nicht als Chaos herrsche, sondern in Form von tech-
nischen »Zwangsordnungen, in denen der Mensch als Roboter vegetiert«
(ebd., ). Der Schilderung dieser technischen Zwangsordnungen wid-
mete Friedrich Georg Jünger in der Nachkriegszeit eine Reihe weiterer
Texte. An erster Stelle ist hier »Die Perfektion der Technik« zu nennen,
die erstmals – gegenüber der Fassung von an einigen Stellen
verändert und um mehrere Kapitel erweitert – erschien und eine breite
Rezeption erfuhr. Trotz der nicht selten ablehnenden Kritik wurde Jün-
ger mit diesem Text zu einem der wichtigsten Referenzautoren der Tech-
nikdebatte in der Nachkriegszeit, was nicht nur an der Zahl der Rezen-
sionen abzulesen ist, sondern auch an den zahlreichen Nachdrucken und
Vortragseinladungen. erschien fast zeitgleich mit einer erweiterten
zweiten Auflage der »Perfektion« ein weiteres Buch Friedrich Georg Jün-
gers zu diesem Thema, das als direkte Fortsetzung der »Perfektion« gelten
kann: »Maschine und Eigentum«. integrierte Jünger diesen Text in
erweiterter Form als »zweites Buch« in eine abermals überarbeitete Neu-
auflage der »Perfektion«.
In »Maschine und Eigentum« nahm Friedrich Georg Jünger die
Hauptthese der »Perfektion« vom Raubbaucharakter der Technik zum
Ausgangspunkt für weitergehende Überlegungen. Aus der Beobachtung,
dass zu einer »geordneten Wirtschaft« die Pflege der »bewirtschafteten
Substanz«, gehöre, während die Technik durch »Raubbau«, »Konsum«
und »Verzehr« (FGJ , ) ihre eigene Substanz zerstöre, hatte Jünger
schon in der »Perfektion« geschlossen, »daß technische und wirtschaft-
liche ratio sich nicht decken, daß sie ihrem Ziele und Zwecke nach ver-
schieden sind« (ebd., ). Da die Technik für ihren Raubbau auf immer
neue Rohstoffe angewiesen sei, bekämpfe der »Techniker« auch das stati-
sche »Eigentum«, »indem er es seiner allmächtigen Organisation unter-
wirft« (ebd., ). Diesen Gegensatz von Technik und Wirtschaft entfal-
tete Jünger in »Maschine und Eigentum« nun in ausführlicher Weise und
ohne Scheu vor Redundanz. In den ersten Kapiteln grenzte er sich zu
diesem Zweck noch detaillierter als in der »Perfektion« von der sozialisti-
schen Theorie und dem Marxismus ab. Die »sozialen Theorien des neun-
zehnten Jahrhunderts« seien zwar erst als Reaktion auf den Aufstieg der
Maschinen entstanden, würden als »ökonomische Theorien« (FGJ a,
) aber gerade an der technischen Logik des Maschinenwesens vorbei-
gehen, die eben keinen ökonomischen Gesetzen gehorche. Umgekehrt
würde daher auch die Revolutionierung des Eigentumswesens und die
Enteignung der Kapitalisten nichts an der technischen Herrschaft der
Maschinen ändern, weshalb im »Maschinenmarxismus« noch immer das
gleiche mechanische »Prinzip der Ausbeutung« herrsche wie im »Maschi-
nenkapitalismus« (ebd., f.).
Um in der »Maschinenwelt« (ebd., ) zu bestehen, müsse diese also
ernster genommen werden als von den Marxisten. Dazu betrachtete Jün-
licher als im »Waldgang« wurde bei Friedrich Georg Jünger allerdings die
geistige Natur dieses Widerstands, denn während der »tätige Wille« (ebd.,
) ein Kennzeichen des technischen Kollektivs sei, sollte sich die Ab-
kehr davon als ein »neues Denken« (ebd., ) vollziehen, als »Schweigen
und Ruhe« (ebd., ), die im technischen Kollektiv nicht zugelassen
seien, und als »Hüten« der »Substanz« (ebd., ).
Zum anderen diente Friedrich Georg Jünger die Charakterisierung
der Technik als unfrei und totalitär erneut dazu, den Nationalsozialismus
zu einer Erscheinungsform des technischen Kollektivs zu erklären –
»ohne technische Organisation kein Nationalsozialismus« (FGJ /EN, ),
wie er an Ernst Niekisch schrieb – und damit zugleich mit anderen
Erscheinungsformen gleichzusetzen, zu denen für ihn auch die »unmit-
telbare Demokratie« mit ihrem »technischen Zentralismus« gehörte.
Diese argumentative Nivellierungsstrategie ist bereits mehrfach ange-
sprochen worden. In »Maschine und Eigentum« führte sie dazu, dass
Friedrich Georg Jünger von Konzentrationslagern und Praktiken der
Menschenvernichtung sprechen konnte, ohne einzelne Lager oder Täter
beim Namen zu nennen oder etwa Unterscheidungen zwischen den ver-
schiedenen Lager- und Verfolgungssystemen im Nationalsozialismus
oder Stalinismus zu treffen. Stattdessen nannte er die Konzentrations-
lager allgemein eine ständige »Begleiterscheinung eines entwickelten
technischen Kollektivs« (FGJ a, ). Über dieses technische Kollek-
tiv sagte er weiter:
»Sein Symbol ist das mit elektrischem Stacheldraht umgebene Konzen-
trationslager, um das herum Ketten von Türmen, Wachen und Hunden
laufen. Dieses Kollektiv wird rigoros gegen den Menschen, weil seine
Lage schwieriger wird. Und in ihm kommt es zu den Scheußlichkeiten,
deren Anfänge wir jetzt kennen, zur Anhäufung von Arbeitsgefange-
nen auf engem Raume, zur [sic] Deportationen, Evakuierungen, Ver-
schleppungen, Inhaftierungen, zur Abschlachtung ganzer Kategorien
von Missliebigen mit Mitteln, wie sie dem Kollektiv eigentümlich
sind, mit massenwirksamen Mitteln wie Gas, Gift und automatischen
Schnellfeuerwaffen. Im Kollektiv entwickelt sich eine mechanische
Gefühllosigkeit gegenüber dem Leiden; der Mensch des Kollektivs hat
die Fähigkeit, dieses Leiden ganz zu übersehen und den Tod zu büro-
Diese Begriffe sind hier einem Brief Friedrich Georg Jüngers an Henry Regnery,
seinen amerikanischen Verleger, der eine Übersetzung der »Perfektion« her-
ausbrachte, entnommen; vgl. F. G. Jünger an H. Regnery, .. (Abschrift),
D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
-
noch einmal in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Der Vortrag
über »Das Ge-Stell« bildete die Grundlage für den ebenfalls in der Bayeri-
schen Akademie der Schönen Künste, auf der Tagung über »Die Künste im tech-
nischen Zeitalter« gehaltenen Vortrag »Die Frage nach der Technik«. Außer in
den Akademiejahrbüchern wurden diese Vorträge auch in dem Sammelband
»Vorträge und Aufsätze« von Heidegger publiziert; vgl. MH a u. a.
erschien zudem eine kleine Sonderausgabe, in der »Die Frage nach der Technik«
zusammen mit der »Kehre« veröffentlicht wurde. Alle vier Vorträge, so wie sie
und gehalten wurden, sind zusammen aber erst erschienen.
Arendt, Nach Auschwitz, S. ; vgl. zur Problematisierung dieses Begriffs Lüdtke,
Bann der Wörter.
Dieser Vergleich fehlte in den überarbeiteten Versionen des Vortrags; vgl. zur
amerikanischen Debatte um den so genannten »agriculture remark« Manning,
Cries; Fontenay, Essence; Milchman/Rosennberg, Planetary Technics.
Vgl. Arendt, Elemente, S. -.
Arendt, Nach Auschwitz, S. .
und ihrer historischen Besonderheit, sondern nach dem der Technik, und
ordnete die Lager in zwei lapidaren Bemerkungen in dieses Wesen ein,
wodurch er den Blick nicht auf ihre Besonderheiten, sondern von diesen
weg lenkte. Sein Vergleich von motorisierter Ernährungsindustrie und
der »Fabrikation von Leichen« trug nichts zur Erklärung des Genozids an
den europäischen Juden bei, sondern betrieb dessen »Banalisierung«.
Genau wie bei den Brüdern Jünger lässt sich also auch bei Heidegger
von der relativierenden und in diesem Sinn exkulpativen Funktion der
Technikkritik in der Nachkriegszeit sprechen. Diese Nivellierungsstrate-
gie ist bereits an Heideggers Texten der späten er und frühen er
Jahre analysiert worden. Die Kritik an der »Herrschaft der modernen
Technik« (MH /, ), die er in diesen Jahren vor allen Dingen mit-
hilfe des Begriffs der »Machenschaften« formuliert hatte, setzte Heideg-
ger nach nahtlos fort und aktualisierte sie unter dem Begriff des
»Ge-Stells«, den er in dem besagten Vortragszyklus von entwickelte.
Der Begriff »Ge-Stell« war dabei Heideggers neue Bezeichnung für das
»Wesen der Technik« (MH a, ). Zu dessen Erläuterung griff er (ohne
ihn direkt zu zitieren) auf seinen Vortrag über »Die Zeit des Weltbildes«
von zurück, in dem er bereits die »Vergegenständlichung des Seien-
den« in der neuzeitlichen Wissenschaft und Technik als »Vor-stellen«
(MH , ) definiert hatte. bezeichnete er erneut das »gegen-
ständliche Vorstellen« (MH a, ) als Grundzug des neuzeitlichen
Weltbezugs. Dieses Vorstellen sei aber nicht nur ein theoretischer, sondern
auch ein praktischer »Angang« des »Anwesenden« (ebd.). Als solches sei
das Vorstellen ein »Stellen«, das den »Charakter des Herausforderns«
(ebd., ) trage: »Stellen sagt jetzt: herausfordern, anfordern, zum Sich-
stellen zwingen« im Sinne eines »Gestellungsbefehls« (ebd., ). Heideg-
ger veranschaulichte dies zunächst anhand der Art, in der die Natur
durch die moderne Technik gestellt werde, nämlich in Hinblick auf die
in ihr auffindbaren Rohstoffe und Bodenschätze: »Durch solches Bestel-
len wird das Land zu einem Kohlerevier, der Boden zu einer Erzlager-
stätte.« (Ebd.) Diese »Ausbeutung« sei allerdings nicht einfach ein »Tun
und Treiben des Menschen« (ebd., ). Der Mensch gehöre zwar »zum
Vollzug des Bestellens«, in dieser Zugehörigkeit sei er aber selbst »für das
Bestellen des Bestellbaren in das Bestellen bestellt«, d. h. er erscheine nur
noch als der »Angestellte des Bestellens« (ebd., ). Um diese Eigenmäch-
tigkeit des Bestellens zu charakterisieren, erfand Heidegger den Begriff
»Ge-Stell« als Name für »die von sich her gesammelte Versammlung des
Stellens« (ebd., ). Das »Ge-Stell« meine folglich nicht »einen einzelnen
Gegenstand von der Art eines Büchergestells« (ebd.), sondern eine durch
das »Stellen« charakterisierte Art des Weltbezugs, der »in seinem Stellen
universal« (ebd., ) sei.
Bei Heideggers Beschreibung dieser universalen Herrschaft des Ge-
Stells in der Neuzeit lassen sich verschiedene Parallelen zu der Technik-
deutung der Brüder Jünger erkennen, die zum Teil auf deren direkten
Einfluss zurückgeführt werden können. Im Falle von Ernst Jüngers
»Arbeiter« ist dieser Einfluss bereits ausführlich dargestellt worden. In
seinem Festschriftenbeitrag für Jünger erklärte Heidegger selbst, dass sein
Nachdenken über die »Frage nach der Technik« »den Beschreibungen im
›Arbeiter‹ eine nachhaltige Förderung« (MH a, ) verdanke. Doch
auch Friedrich Georg Jüngers »Perfektion der Technik«, deren Manu-
skript Heidegger schon von Vittorio Klostermann erhalten hatte,
scheint nicht ohne Einfluss auf Heideggers Technikkritik gewesen zu
sein. Schon in seinen laut editorischer Notiz zwischen und
entstandenen Aufzeichnungen zur »Überwindung der Metaphysik« fan-
den sich zahlreiche Anklänge an Friedrich Georg Jünger, etwa dort, wo
Heidegger von der »Vernutzung aller Stoffe, eingerechnet den Rohstoff
Mensch« (MH /, ), sprach, die »Verwüstung der Erde« (ebd., )
auf die neuzeitliche »Rechnung und Planung« (ebd., f.) zurückführte
und die Technik als »Organisation des Mangels« (ebd., ) beschrieb. In
einem Vortrag von stellte er fest, dass auch »der totale Staat« eine der
notwendigen »Folgen des Wesens der Technik« (MH b, ) sei.
Weitere zehn Jahre später schien er direkt – und mit einer kleinen, für
Heidegger typischen Spitze – Friedrich Georg Jünger zu meinen, wenn er
schrieb: »Wir wissen heute, ohne es schon recht zu verstehen, daß die
moderne Technik unaufhaltsam dahin drängt, ihre Einrichtungen und
Erzeugnisse in die allumfassende, größtmögliche Perfektion zu treiben.«
(MH /, f.)
In dem Vortrag von waren die Parallelen besonders dort erkenn-
bar, wo Heidegger vom »Stückcharakter« der »Bestandstücke« der »Ma-
schine« und ihrer »Gleichförmigkeit« (MH a, ) sprach und darauf
hinwies, dass auch der Mensch selbst zum »Bestand-Stück« und dadurch
»auswechselbar« werde: »Daß er Bestand-Stück ist, bleibt Voraussetzung
dafür, daß er Funktionär eines Bestellens werden kann.« (Ebd., ) In
ganz ähnlicher Weise definierte Friedrich Georg Jünger die »Stückelung«
im normierten Arbeitsprozess und die daraus resultierende »Ersetzbar-
keit« und »Auswechselbarkeit« des Einzelstücks, das nur noch als »funk-
tionierende Funktion« (FGJ a, ) bestehe, wobei auch der Mensch
zum »Bestandteil der Apparatur« (ebd., ) werde. Wie die Brüder Jün-
ger rechnete auch Heidegger »Funk und Film« als moderne Medien zu
den Bestandteilen des Ge-Stells: »Ihre Maschinerien sind Bestand-Stücke
des Bestandes, der alles ins Öffentliche bringt und so die Öffentlichkeit
unterschiedslos für alles und jedes bestellt.« (MH a, )
Neben diesen Beschreibungsanalogien hatte Heidegger mit den Brü-
dern Jünger auch die Grundannahme gemeinsam, dass die Technik einer
Eigengesetzlichkeit folge und nicht einfach als Instrument oder Werk-
zeug des Menschen angesehen werden könne, mithin »kein menschliches
Gemächte« (ebd., ) sei. Damit verbunden und entscheidend für Hei-
deggers Technikdeutung war zugleich die Unterscheidung der Technik
als solcher von ihrem »Wesen«, das eben als »Ge-Stell« schon vor der Er-
findung der ersten Kraftmaschine geherrscht und diese erst ermöglicht
habe. Folglich sei »das Wesen der Technik […] selbst nichts Technisches«
(ebd., ). Zu dieser Grundüberzeugung Heideggers finden sich eben-
falls Analogien bei den Brüdern Jünger, etwa in Ernst Jüngers schon im
»Abenteuerlichen Herz« geäußerten Ansicht, dass »die Technik noch
etwas anderes als Technik ist« (EJ a, ). Doch zugleich verband sie
sich mit Heideggers Einordnung der Technik in sein Modell der »Seins-
geschichte«, die über die Technikdeutung der Brüder Jünger hinaus ging
und Heidegger die denkerische Distinktion von dieser erlaubte.
Schon in den Bemerkungen zur »Überwindung der Metaphysik« hat
Heidegger die Technik auch als »vollendete Metaphysik« (MH /,
) gekennzeichnet. Von der Seinsvergessenheit der Metaphysik wissen
wir bereits, dass sie in den Augen Heideggers ein vom Sein selbst ver-
hängtes Geschick war. Im »Brief über den ›Humanismus‹« konnte er des-
halb schreiben: »Die Technik ist in ihrem Wesen ein seinsgeschichtliches
-
Heidegger griff hier für sein Vortragsmanuskript auf die Schreibweise von »Seyn«
mit y aus den »Beiträgen zur Philosophie« zurück, korrigierte sie in allen zu seinen
Lebzeiten veröffentlichten Versionen dieser Vorträge aber wieder zu »Sein«.
Nachdem sie Zeugin eines Diskussionsabends mit Heidegger im Haus des Ehe-
paars Podewils geworden war, schrieb die Schwester von Sophie Dorothee Pode-
wils im Januar in einem Brief an Friedrich Georg Jünger über Heidegger:
schehen im Sein selbst als Kehre »der Vergessenheit des Seins zur Wahrnis
des Wesens des Seyns« (ebd., ).
Mit dieser Argumentation bestätigte Heidegger erneut seinen Ab-
schied von der Tat nach der Erfahrung des Nationalsozialismus und dem
Scheitern des eigenen Aktivismus. Er ging zwar noch immer, wie schon
in den er und frühen er Jahren, davon aus, in einem Zustand der
»Uneigentlichkeit« zu leben, den er jetzt als Herrschaft der »Seinsver-
gessenheit« und des »Ge-Stells« charakterisierte und der zudem von den
Zeitgenossen gar nicht als solcher erkannt werde. Anders als wollte
Heidegger diesen Zustand aber nicht mehr handelnd überwinden, son-
dern, indem er ihn als vom Sein selbst verhängtes Geschick erkannte,
denkend verwinden. Aus der Erkenntnis, »daß alles bloße Wollen und
Tun nach der Weise des Bestellens in der Verwahrlosung beharrt« (ebd.,
), zog er den Schluss, dass das andere Seinsgeschick nur durch ein
»Hüten« und »Warten« vorzubereiten sei, dessen Medium die dichtende
und denkende Sprache sei.
Durch seine Rhetorik des Wesentlichen war Heidegger um eine den-
kerische Alleinstellung bemüht, die neben sich kaum andere wesentliche
Denker duldete. Doch obwohl diese Distinktionsbemühungen auch die
Brüder Jünger trafen, erkannte Heidegger selbst, dass diese eine parallele
Denkbewegung vollzogen hatten, die sich ebenfalls am Gegenstand der
neuzeitlichen Technik kristallisierte. Auch Friedrich Georg Jünger sprach
am Ende von »Maschine und Eigentum« davon, dass die Erde »des Men-
schen als eines Pflegers und Hirten« (FGJ a, ) bedürfe. und
veranstaltete die Bayerische Akademie der Schönen Künste in Mün-
chen zwei Tagungen, die sich mit der Technik und der Sprache beschäf-
tigten und sowohl Martin Heidegger als auch Friedrich Georg Jünger
die Gelegenheit boten, ihre Auseinandersetzung mit diesen Themen im
direkten Austausch fortzusetzen.
Im Juni wiederholte Martin Heidegger den ersten der Bremer Vor-
träge über das »Ding« auf Einladung von Clemens Podewils in der Baye-
rischen Akademie der Schönen Künste in München. Wie schon darge-
stellt, schloss sich an diesen öffentlichen Vortrag eine mehrtätige private
Zusammenkunft in dem am Haarsee gelegenen Haus des Ehepaars Pode-
wils an, bei der Heidegger in abendlicher Runde erneut einen Vortrag hielt.
Wie sich Clemens Podewils erinnerte, handelte es sich dabei um den letz-
ten der Bremer Vorträge über die »Kehre«, in dem Heidegger ebenfalls
von der Technik als dem »Ge-Stell« sprach. Vielleicht entstand schon
bei diesem ersten Auftritt Heideggers in München und den sich daran
anschließenden Gesprächen der Plan, eine größere Tagung zum Problem
der Technik und ihrem Verhältnis zu den Künsten zu organisieren. In je-
dem Fall nahm Heidegger seit diesem Zeitpunkt verstärkt Anteil an den
Tätigkeiten der Akademie. Ende begann der Plan zu einer Tagung
über »Kunst und Technik« sich dann zu konkretisieren, wie Clemens Po-
dewils an Ernst Jünger schrieb:
»Ein weiteres, noch nicht ausgegorenes Projekt besteht darin, ein Ge-
spräch oder einen Zyklus über ›Kunst und Technik‹ von der Akademie
aus zu veranstalten. Hierüber bin ich mit Heidegger in Korrespondenz.
Er wird vermutlich im Januar zu einer Vorbesprechung nach München
kommen, denn die Sache muß thematisch, persönlich und in mancher
anderen Hinsicht wohl überlegt und vorbereitet werden, wenn anders
daraus nicht, wie Heidegger selbst sagt, ›ein Theater‹ statt eines Ge-
sprächs werden soll.«
Von dieser Besprechung mit Heidegger im Januar , die ebenfalls am
Haarsee stattfand und an der unter anderem der Münchner Religions-
philosoph Romano Guardini als Akademiemitglied teilnahm, berichtete
die Schwester von Sophie Dorothee Podewils an Friedrich Georg Jün-
ger. Am . April wiederholte Heidegger dann seinen im Oktober
auf Bühlerhöhe gehaltenen Vortrag über Hölderlin mit dem Titel
»… dichterisch wohnet der Mensch …« (MH b) in München, woran
sich ein Gespräch mit mehreren Mitgliedern der Akademie über das Ver-
hältnis von »Kunst und Technik« anschloss. Im Oktober schrieb
Clemens Podewils schließlich an Friedrich Georg Jünger:
»Wie Du weißt, laboriere ich gegen manchen Widerstand, manche
Gleichgültigkeit seit langem an dem Zustandekommen eines echten
und für Teilnehmer und Auditorium bedeutenden ›Gesprächs‹ über
Kunst und Technik. Ich hoffe, dass nunmehr einige in der Akademie
massgebende Leute die Sache ernstlich ins Auge fassen und die Tagung
etwa im Frühjahr oder Sommer gelingen wird.«
Podewils versuchte Friedrich Georg Jünger für einen Vortrag über Tech-
nik und Sprache zu gewinnen, wobei sich Jünger mit einer festen Zusage
allerdings noch zurückhielt, wohl auch aus grundsätzlicher Scheu vor
öffentlichen Auftritten. Im Unterschied dazu erwies sich neben Podewils
vor allen Dingen Heidegger als treibende Kraft hinter dem Unterneh-
men. Er betrieb den inhaltlichen Austausch der Teilnehmer schon im
Vorfeld der Tagung, der sich unter anderem durch die Zirkulation von
Vortragszusammenfassungen und -manuskripten unter den Teilnehmern
gestaltete, und nahm auch an den meisten der Vorbesprechungen teil, die
im Laufe des Jahres in München stattfanden. In einem Brief vom
. August berichtete er Friedrich Georg Jünger seinerseits von den
Planungen und bat ihn, seine Zurückhaltung gegenüber der Teilnahme
aufzugeben. Zwar müsse die »Tagespolemik« (MH e, ) umgangen
werden, doch ein »maßgebendes, aus langem Erfahren gesprochenes
Wort« könne das erreichen: »Wer es vermag, darf sich nicht entziehen, es
in dieser heillosen Zeit zu sagen. Darum bitte ich Sie herzlich, helfen Sie
mit.« (Ebd., ) Nachdem daraufhin auch Jünger endgültig zugesagt
hatte, fand am . und . Oktober im Haus der Schwester von Sophie
Dorothee Podewils in Altreuthe am Bodensee ein letztes vorbereitendes
Treffen statt, an dem beide Brüder Jünger teilnahmen und Heidegger eine
erste Fassung seines Vortrags über »Die Frage nach der Technik« hielt.
Vgl. Niederschrift über die Vorbesprechung zu der Tagung »Die Künste im tech-
nischen Zeitalter« am Dienstag, . August , Uhr, bei Präsident Preetorius,
Keplerstr. , Ordner »Künste im technischen Zeitalter , .A: Korresponden-
zen«, Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München. hat
Heidegger diesen Vortrag dann zusammen mit dem eigentlichen Tagungsvortrag
über »Die Frage nach der Technik« in seinem Sammelband »Vorträge und Auf-
sätze« veröffentlicht; vgl. MH b; zur Besprechnung mit Heisenberg im Au-
gust auch MH/EH, .
Vgl. MH a, . Es findet sich zudem schon in den »Feldweg-Gesprächen« der
letzten Kriegsmonate, in denen Heidegger einen »Weisen« nicht einfach sagen
ließ, die Physik sei »angewandte Technik« (MH /, ), sondern, die »theo-
retische Physik« sei »die eigentliche, reine Technik« (ebd., ). Heidegger erklärte
das auch in diesem fiktiven Gespräch schon mit der »Vergegenständlichung der
Natur« im »vor-stellenden« »Herstellen« (ebd., ), führte dafür aber noch nicht
den Begriff des »Ge-Stells« ein. Vgl. auch MH b, f.: »Die moderne Tech-
nik ist keineswegs erst die Anwendung der modernen Naturwissenschaft auf die
Anfertigung von Maschinen und Apparaten, sondern die moderne Naturwissen-
schaft ist in ihrem Wesen von Anfang an der technische Angriff auf die Natur
und deren Eroberung.«
-
klassischen Physik« (MH b, ). Auch die »moderne Kern- und Feld-
physik« bleibe aber »Physik, d. h. Wissenschaft, d. h. Theorie, die den
Gegenständen des Wirklichen in ihrer Gegenständigkeit nachstellt«
(ebd.). Schon im Bremer Vortragszyklus von hatte Heidegger ge-
sagt: »Die Atomphysik ist zwar experimentell-rechnerisch anders geartet
als die klassische Physik. Aus dem Wesen gedacht bleibt sie jedoch die
selbe Physik.« (MH a, ) Hier lässt sich argumentieren, dass Heideg-
ger das Revolutionäre der modernen Quantenphysik offenbar trotz seiner
Kenntnis der Heisenbergschen Schriften und ihrer Thematisierung nicht
hinreichend verstanden hat. Denn Heisenberg machte in seinem eigenen
Vortrag für die Münchner Tagung gerade deutlich, dass die Quanten-
theorie aufgrund der Unschärferelation zu einer Auflösung der klassi-
schen Einteilung der Welt »in Subjekt und Objekt« – und damit von
Heideggers »Gegenständigkeit« – geführt habe, da für sie der »Gegen-
stand der Forschung nicht mehr die Natur an sich, sondern die der
menschlichen Fragestellung ausgesetzte Natur« sei.
Für Heidegger war jedoch etwas anderes entscheidend. Auch die mo-
derne Physik, so Heidegger in dem Vortrag vom August , könne sich
nie mithilfe physikalischer Methoden über ihr eigenes Wesen Klarheit
verschaffen: »Die Physik kann als Physik über die Physik keine Aussagen
machen.« (MH b, ) Dies war in den Augen Heideggers allerdings
nicht allein ein Problem der Physik oder der Naturwissenschaft allge-
mein, sondern jeglicher Wissenschaft, die ihr eigenes Wesen nie wissen-
schaftlich ergründen könne. Das war mit Heideggers berühmtem Aus-
spruch gemeint: »Die Wissenschaft denkt nicht.« (MH a, ) Dieser
Satz stammte aus dem Vortrag »Was heißt denken?« von , der auf die
Vorlesung zurückging, die Heidegger im Wintersemester / unter
dem gleichen Titel und als erste Universitätsveranstaltung nach Auf-
hebung seines Lehrverbots in Freiburg gehalten und aus der er Teile bei
einer der ersten Vorbesprechungen zu der Münchner Tagung im Januar
wiederholt hatte. Heideggers Verständnis der abendländischen Ge-
[sic] die Wissenschaft nicht denkt, diese Behauptung H’s löste gewiss bei manchen
einen Sturm der Entrüstung aus.«
Diese Lossagung hatte gleichzeitig mit seinem prekären Verhältnis zur Univer-
sität als sozialer Einrichtung und seiner persönlichen Kränkung während des
sechsjährigen Lehrverbots zu tun; vgl. dazu Morat, Sprung.
Dieser »Sprung« aus dem vorstellenden Denken in das »Gehören zum Sein«
(MH b, ) erinnert noch an Heideggers vormaligen Voluntarismus, auch
wenn er ihn als »loslassen« (ebd.) beschreibt.
F. G. Jünger an M. Heidegger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Im selben
Brief versicherte Jünger Heidegger allgemein, »wie sehr Ihr Denken mich be-
schäftigt«.
-
berg letztlich dazu diente, sich erneut als denjenigen zu präsentieren, der
Dank seines besinnlichen Denkens einen tieferen Einblick in das Wesen
der Wissenschaft gewonnen habe als der Wissenschaftler selbst.
Diese Selbstinszenierung Heideggers wurde schließlich im November
in München auf die Bühne gebracht. Die Tagung »Die Künste im
technischen Zeitalter« fand zwischen dem . und . November im
großen Hörsaal der Technischen Hochschule als eine Folge von Abend-
vorträgen statt. Am Montag, den . sprach nach einer Eröffnung durch
Emil Preetorius Romano Guardini über »Die Situation des Menschen«.
Am Dienstag folgte Werner Heisenberg mit einem Vortrag über »Das
Naturbild der modernen Physik«, am Mittwoch Heidegger mit der
»Frage nach der Technik«. Diese ersten drei Vorträge sollten der grundle-
genden Erörterung der Problematik des technischen Zeitalters dienen.
Die folgenden Vorträge widmeten sich dann den einzelnen Künsten: Am
Donnerstagabend sprachen Emil Preetorius über »Die Bildkunst« und
Friedrich Georg Jünger über »Die Sprache«, am letzten Abend sprach
Walter Riezler über »Die Musik«, gefolgt von einem bilanzierenden
Schlusswort von Manfred Schröter. Der einwöchige Vortragszyklus
wurde in der Presse ausführlich besprochen und als geistiges Großereig-
nis gefeiert. Die einzelnen Vorträge waren fast alle überfüllt, der Reporter
der Abendzeitung sprach von einem »Andrang, wie man ihn sonst nur bei
Eisrevuen, ganz großen Filmpremieren oder ähnlich zugkräftigen Din-
gen gewohnt ist« . Der zweistündige Vortrag Heideggers stellte mit
Zuhörern den Höhepunkt dar und musste per Lautsprecher in mehrere
angrenzende Hörsäle übertragen werden. Die Berichterstattung hob
zudem hervor, dass neben den zahlreich anwesenden Studenten auch
weitere geistige Prominenz im Publikum versammelt war, darunter Ernst
Jünger, Hans Carossa und José Ortega y Gasset.
verband sich dabei in für Heidegger typischer Weise mit einem welt-
geschichtlichen Sendungsbewusstsein. So hat Podewils eine Äußerung
Heideggers bei einer der Vorbesprechungen wie folgt wiedergegeben:
»Die großen Mächte, die heute die Welt beherrschen, sind außer Stan-
de die wesentlichen Fragen zu stellen. Nur vom Abendland, europäisch,
können sie gestellt werden, wegweisend gestellt werden, weil ihr Frag-
würdiges abendländischer Herkunft ist. Herr Heidegger möchte, ohne
die Gefahr einer Übertreibung zu verkennen, auf die weltgeschicht-
liche Bedeutung einer solchen Besinnung hinweisen.«
Eine ähnliche Ambivalenz wie gegenüber der Öffentlichkeit legte Hei-
degger auch gegenüber den anderen Tagungsrednern an den Tag. Einer-
seits suchte er für den öffentlichen Auftritt und die Inszenierung eines
»wesentlichen« Gesprächs gleichgesinnte Mitstreiter, mit denen er sich
auf ein gemeinsames Anliegen verständigen konnte. Andererseits bemüh-
te er sich auch gegenüber diesen Gleichgesinnten um Distinktion und
darum, als der am tiefsten Blickende zu erscheinen. Dies hat sich bereits
am Verhältnis zu Heisenberg gezeigt und lässt sich auch bei einem Blick
auf den Tagungsvortrag Romano Guardinis erkennen. Auch Guardini
definierte die moderne Technik und Naturwissenschaft als »Herrschaft
über die Natur«, in der die Natur »kontrolliert und reguliert« werde,
wodurch sie den »Charakter der Disponibilität« erhalte. Die »kontem-
plative Haltung« drohe zu verschwinden, weshalb er die »Entwicklung
einer Souveränität des Geistes den wissenschaftlichen und technischen
Möglichkeiten gegenüber« forderte. Diese zeige sich in »Haltungen des
Stillwerdens, des Schauens, Lauschens, Empfangens und Dankens« sowie
einer »Achtsamkeit zum anderen Bereich hinüber«.
Podewils, Clemens: Kunst und Technik. Verkürzte Niederschrift über die Sitzung
am Freitag, . März , . Uhr im Prinz Carl-Palais, S. , Ordner »Künste
im technischen Zeitalter , .A: Korrespondenzen«, Archiv der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste, München.
Während Heisenberg und Guardini von Heidegger noch als echte Konkurrenten
betrachtet werden konnten, qualifizierte er die Vorträge von Rietzler, Schröter
und Preetorius nach der Tagung einfach als »viel schlimmer, als ich befürchtete«
(MH/EH, ) ab.
Guardini, Situation, S. f. Guardini fügte hinzu, in den Topoi durchaus an Hei-
degger und Friedrich Georg Jünger erinnernd: »Die unüberwachte Natur – die
›Wildnis‹ Hölderlins – verschwindet. Die Einsamkeit wird immer seltener, eben-
so wie die Stille.« (Ebd., S. )
Ebd., S. f.
Ebd., S. .
Clemens Podewils hatte schon an Friedrich Georg Jünger geschrieben: »Die
innere Überwindung der Technik dürfte ja nicht durch die Rückkehr zu Pflug,
Pferd oder zum Handwebstuhl gelingen sondern durch die seelische Wieder-
geburt, nach deren Triebkräften viele vergeblich ausschauen.« (C. Podewils an
F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
Adorno, Jargon, S. .
Heidegger griff hier auf seinen Begriff der Wahrheit als aletheia, Unverborgenheit
zurück. Schon in seiner Vorlesung vom Wintersemester / hatte er die »heu-
-
eine Form des Hervorbringens, weshalb Kunst und Technik ihrem Wesen
nach zusammengehörten und die Technik »etwas Poietisches« (ebd., ) sei.
Dass die Technik eine Form des Entbergens sei, gelte nicht nur für die
»handwerkliche Technik«, sondern auch für die »moderne Kraftmaschi-
nentechnik« (ebd., ). Das in der modernen Technik waltende Ent-
bergen sei aber nicht mehr »ein Her-vor-bringen im Sinne der poihsiv
[poiesis]«, sondern ein »Herausfordern, das an die Natur das Ansinnen
stellt, Energie zu liefern, die als solche herausgefördert und gespeichert
werden kann« (ebd., ). Im Anschluss an diese Unterscheidung ent-
wickelte Heidegger erneut seine Definition des »Ge-stells« als »Name für
das Wesen der modernen Technik« (ebd., ), die er aber nun kategorial
deutlicher von der antiken téchne trennte. Aus dieser Trennung folgte
ein weiterer Unterschied zum Vortrag von : Die Perspektive des
Rettenden, das in der Gefahr wachse, gewann Heidegger nun mit Blick
auf die ursprüngliche Gemeinsamkeit des Entbergens von Technik und
Kunst, denn moderne Technik und antike poiesis seien »zwar grundver-
schieden und bleiben doch im Wesen verwandt« (ebd.). Da nach Heideg-
ger ein »zureichender Blick in das, was das Ge-stell als ein Geschick des
Entbergens ist, das Rettende in seinem Aufgehen zum Scheinen bringen«
(ebd., ) könnte, bedürfe es eines Ortes, von dem aus der Mensch sich
»dem Wesen der Technik eigens öffnen« (ebd., ) könne, der aber selbst
nicht vom Ge-stell beherrscht werde, und dieser Ort sei die Kunst:
»Weil das Wesen der Technik nichts Technisches ist, darum muß die
wesentliche Besinnung auf die Technik und die entscheidende Aus-
tige Technik […] als eine Form der ›totalen Mobilmachung‹ (Ernst Jünger)«
(MH /, ) von ihren Ursprüngen in der antiken téchne getrennt und die-
se in ihrem Verhältnis zur physis, also zur Natur, als ein »Erkennen« bestimmt:
»Die tecnh ist die Weise des Vorgehens gegen die fusiv, aber hier noch nicht, um
sie zu überwältigen und auszunutzen, und vor allem nicht, um Nutzung und
Berechnung zum Grundsatz zu machen, sondern umgekehrt, um das Walten der
fusiv in der Unverborgenheit zu halten.« (Ebd., f.)
Dolf Sternberger hat allerdings schon unmittelbar nach der Münchner Tagung
darauf aufmerksam gemacht, dass Heideggers grundsätzliche Unterscheidung der
angeblich »hegenden und pflegenden« Feldbestellung durch den Bauern von der
»motorisierten Ernährungsindustrie« (MH a, ) nicht überzeugend sei, da
es sich nicht um einen kategorialen, sondern nur um einen graduellen Unter-
schied der Nutzung handle. Die mittelalterlichen Mühlräder hätten sich die Was-
serkraft prinzipiell in gleicher Weise, nur eben weniger effizient zunutze gemacht
wie das von Heidegger angeführte moderne Kraftwerk, das den vormals von Höl-
derlin besungenen »Rheinstrom« zum reinen »Wasserdruckliferant« (ebd., )
degradiert habe; vgl. Sternberger, Gang, S. -.
Heidegger hatte schon Mitte der er Jahre begonnen, das Wechselverhältnis
von Kunst und Technik in den Blick zu nehmen, als er die Technik im Begriff der
»Machenschaften« kritisierte und von der Kunst als einem nicht-technischen
»Hervorbringen« (MH /, ) schied; vgl. oben, Kap. .. schrieb er an
seinen Freund, den Kunsthistoriker Kurt Bauch: »Die ungeheure Belastung, der
jetzt durch praktisch-politischen Notwendigkeiten unsere ohnehin schon tech-
nisierten Wissenschaften ausgesetzt werden, kann nur dann ohne Katastrophe
überstanden werden, wenn zugleich im entsprechend entschiedenen Ausmaß die
Wissenschaften wieder ›philosophisch‹ werden. Das meint ja nicht, sie sollen mit
den Titeln u. Sätzen irgendeiner ›Philosophie‹ sich aufputzen, sondern sie sollen
aus ihrem eigenen Fragebezirk her über die Zielsetzungen und den Wahrheitsan-
spruch ins Klare kommen. In dieser Hinsicht ist mir in den letzten Monaten –
zugleich auch von grundsätzlichen Überlegungen her hinsichtlich des Wesens der
Wahrheit überhaupt – deutlicher geworden, daß die innere Besinnung auf die
›kunsthistorische‹ Wissensarbeit unmittelbarer und zugleich grundsätzlicher an-
setzen muß bei der Frage Kunst u. Technik. Jünger bietet hier noch keine Lösung,
ja vielleicht nicht einmal die rechte Fragestellung, weil er die Technik einfach als
metaphysische Tatsache übernimmt.« (M. Heidegger an K. Bauch, .., Pri-
vatbesitz)
-
Was bei Ernst Jünger der geistigen Souveränität des Einzelnen anheim
gestellt war, oblag in Heideggers Perspektive der Kunst, wobei für ihn
»alle Kunst im Wesen Dichtung« (MH /, ) und das heißt
sprachlich war. In der Sprache suchte auch Friedrich Georg Jünger das
Heil von der Technik. In seinem Tagungsvortrag über »Sprache und Kal-
kül« zeigte er sich bereits deutlich von Heidegger beeinflusst, der alle
»Dämonie der Technik« (MH a, f.) als unsachgemäß zurückgewie-
sen hatte. So erschien auch Friedrich Georg Jüngers Technikkritik gleich-
sam gemildert. Er nahm von seinen in der »Perfektion« und »Maschine
und Eigentum« entwickelten technikkritischen Kategorien zwar keinen
Abstand und benutzte sie erneut zur Beschreibung der Vorgänge von
»Planung, Normung, Automatisierung« (FGJ b, ), die die Sprache
auf ihre »instrumentale Verfügbarkeit, Brauchbarkeit und Nutzbarkeit«
(ebd., ) zu reduzieren trachteten. Der Schwerpunkt seiner Ausführun-
gen lag aber darauf, dass diese Reduzierung letztlich keinen Erfolg haben
könne, da »über die Sprache nicht verfügt werden kann« (ebd., ). Zwar
sei jede Wissenschaft, jede Form der Berechung auf Sprache angewiesen,
die Sprache aber nicht auf die Wissenschaft. Die Sprache sei »kein
logisches Gebilde« (ebd., ) und gehe aller Nutzbarkeit voraus, sie sei
»unverfügbar und übergreifend über jeden Bereich, sei er Kunst, Wissen-
schaft oder Technik« (ebd., ). Als »Universale« (ebd.) gehöre sie zum
Menschen und der Mensch zu ihr: »Wir selbst sind Sprache, und wo wir
nicht Sprache sind, begegnen wir einander nicht mehr.« (Ebd., f.)
Mit diesen Verweisen auf den nicht verrechenbaren Charakter der
Sprache zielte Friedrich Georg Jünger »in den selben Wesensbereich«
(MH e, ) wie Martin Heidegger, wie dieser ihm schon im Vorfeld
der Tagung versicherte, und zwar in eben den Wesenbereich der dichteri-
schen Sprache, der die »Verwindung« der Technik erlauben sollte. Diese
dichterische Sprache war in den Nachkriegs- und den er Jahren nicht
nur der Gegenstand vieler unterschiedlicher Texte beider Brüder Jünger
und Martin Heideggers, sondern auch das Thema einer weiteren
Tagung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, die explizit an
die Vorträge von anschloss.
folgte im übrigen noch eine weitere Tagung der Bayerischen Akademie der
Schönen Künste, die ebenfalls an den Auftakt von anschloss, über »Mensch
und Landschaft im technischen Zeitalter«. Friedrich Georg Jünger plädierte in
seinem Tagungsvortrag über »Wachstum und Planung« erneut für eine Haltung
der »Vorsorge, Rücksichtnahme und Schonung« (FGJ c, ) in einer »Zeit
zunehmender Technizität« (ebd., ). Martin Heidegger war an dieser Tagung
allerdings nicht beteiligt.
Podewils, Clemens: Kunst und Technik. Verkürzte Niederschrift über die Sitzung
am Freitag, . März , . Uhr im Prinz Carl-Palais, S. , Ordner »Künste
im technischen Zeitalter , .A: Korrespondenzen«, Archiv der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste, München.
M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München. In diesem
Brief äußerte Heidegger zudem erneut seine Skepsis gegenüber der »Tagerei«, die
er gleichwohl selbst betrieb: »Was vor allem anderen bei der Vorbereitung als das
Neue erreicht werden muß, ist die Gewähr, daß die Aussprache über die Sprache
weiter gepflegt wird in einem echten u. zunächst eingeschränkten Wachstum.
Die Techniktagung ist nach dieser Hinsicht eben eine ›Tagung‹ geblieben u. im
Alltäglichen versackt. Die Seuche der ›Tagerei‹ u. gar mit großen Namen zerstört
im Grunde alles wahrhaft Geistige.«
-
sehen hatten. Sie selbst wollten wir bei der Planung nicht bemühen,
da Sie schon nach einer Hinsicht Wesentliches bei der Techniktagung
zur ›Sprache‹ sagten. Jetzt aber ist die Lage u. Notlage eine andere. Das
Thema Sprache u. Dichtung ist verwaist; u. nach meinem Urteil kön-
nen nur Sie dazu etwas sagen. Für mich wäre es eine große Unterstüt-
zung, wenn Sie sich zu dem Thema entschließen könnten […].«
Dies tat Jünger auch, selbst wenn er es »nicht eben freudig« tat, wie er
Heidegger schrieb. Werner Heisenberg, der so wie Jünger nachträglich
eingeladen wurde, sagte ebenfalls zwischenzeitlich zu, am Ende aus Ter-
mingründen jedoch wieder ab. Die Tagung fand schließlich zwischen
dem . und . Januar in der Aula der Universität München mit
Vorträgen von Romano Guardini über »Die religiöse Sprache«, Carl
Friedrich von Weizsäcker über »Sprache als Information«, Friedrich Ge-
org Jünger über »Wort und Zeichen«, dem Musikwissenschaftler Thrasy-
bulos Georgiades über »Sprache als Rhythmus« und Martin Heidegger
über den »Weg zur Sprache« statt. Zwischen dem . und . Januar
wurden alle Vorträge auf Einladung der Berliner Akademie der Künste in
Westberlin wiederholt, wozu die Redner direkt im Anschluss an die
Münchner Tagung eingeflogen wurden.
Inhaltlich schloss sich die Sprachtagung als eine Auseinandersetzung
mit der Instrumentalisierung der Sprache im technischen Zeitalter an die
Techniktagung an. So brachte Martin Heidegger das Verhältnis zur
Sprache in einem Brief an Clemens Podewils vom Juli in ein direktes
Verhältnis zur »Macht des Ge-Stells«: »Bei der noch immer steigenden
Macht des Ge-Stells wird es eine lange Zeit brauchen, bis der Mensch in
ein anderes Verhältnis zur Sprache gelangt. Doch können wir nicht früh
genug beginnen, ein solches vorzubereiten.« Bei der ersten Bespre-
des Menschen. Das Sprechen sei zugleich ein »Hören auf die Sprache«
(ebd., ): »Demgemäß hören wir auf die Sprache in der Weise, daß wir
uns ihre Sage sagen lassen.« (Ebd., ) Das menschliche Sprechen sei als
das »entgegnende Sagen« immer schon ein »Antworten« (ebd., ).
Heidegger verlagerte auf diese Weise erneut die Handlungsagentur aus
dem Menschen heraus und in diesem Fall in die Sprache hinein, die nun
selber sprechen sollte: »Die Sprache spricht, indem sie sagt, d. h. zeigt.«
(Ebd., ) Allerdings veranschlagte er auch hier eine gegenseitige
Angewiesenheit von Mensch und Sprache: Das Wesen des Menschen sei
»in die Sage eingelassen« (ebd.), die »Sprache braucht das menschliche
Sprechen und ist gleichwohl nicht das bloße Gemächte unserer Sprech-
tätigkeit« (ebd., ). Heidegger sprach in diesem Sinn auch vom »Er-
eignis« (ebd., ) der Sage, das nicht vom Menschen ausgehe, aber sein
»Hörenkönnen« (ebd., ) verlange. Heideggers »Weg zur Sprache«, der
sich »aus unserem Tun in das ereignete Sprachwesen verlagert« (ebd., )
habe, wird so ebenfalls als Weg deutlich, der von der Vorstellung des han-
delnden Subjekts und damit von der Konzeption der Tat wegführte.
Diesen Weg hat Heidegger schon während der er Jahre einzu-
schlagen begonnen. Wie bereits erläutert, war die Abwendung vom poli-
tischen Aktivismus und dem Politiker Hitler mit einer Hinwendung zur
Dichtung und zum Dichter Hölderlin verbunden. Im Dichter fand Hei-
degger eine Figur des »Schaffenden«, die sich nicht zurichtend des Seien-
den bemächtigte, sondern hütend das Sein zur Sprache brachte. In die-
sem Sinn setzte Heidegger die Auseinandersetzung mit der Dichtung
nach fort, wobei neben Hölderlin die Beschäftigung mit weiteren
Dichtern wie Rainer Maria Rilke, Georg Trakl, Stefan George und Jo-
hann Peter Hebel trat. Dabei verband Heidegger seine Vorträge über
Dichtung gerne mit Lesungen der Gedichte, die er auch im privaten
Rahmen regelmäßig vortrug. nahm er eine Langspielplatte mit Ge-
dichten Hölderlins auf.
Von den Dichtern erwartete Heidegger, wie er in seinem Vortrag
»Wozu Dichter?« erläuterte, nach wie vor die Vorbereitung der »Wende
Dies geschah analog zur Subjektverlagerung vom Menschen auf das Sein. Dirk
Mende spricht deshalb davon, dass Heideggers »späte Sprachphilosophie« die
»systematische Struktur« seiner Seinsphilosophie »wiederholt« (Mende, Brief,
S. ).
In diesem gegenseitigen Brauchen bleibe die Sprache aber, wie Heidegger an an-
derer Stelle betonte, »die Herrin des Menschen« (MH b, ).
Vgl. MH -, - u. b (Hölderlin), b (Rilke), b (Georg Trakl),
(George), c u. (Hebel); allg. Thomä, Texte über Sprache.
-
des Weltalters«, denn: »Im Weltalter der Weltnacht muß der Abgrund
der Welt erfahren und ausgestanden werden. Dazu ist aber nötig, daß
solche sind, die in den Abgrund reichen.« (MH b, ) Und solche
seien, so Heidegger, die Dichter, die dadurch auch zur Ȇberwindung
des Technischen« (ebd., ) beitragen sollten. Allerdings waren es nicht
allein die Dichter, sondern auch die Denker. Denn Heidegger hielt zu-
gleich an seiner Vorstellung einer »Nachbarschaft von Dichten und Den-
ken« (MH /, ) fest, weshalb er dem eigenen philosophischen
Sprechen dichterische Qualität zu verleihen suchte und eigene Über-
legungen gelegentlich gar in Versform verfasste (vgl. MH b). Denn
Heidegger sah die Gemeinsamkeit von Dichten und Denken vor allen
Dingen in ihrem Verhältnis zur Sprache: »Zwischen beiden, Denken und
Dichten, waltet eine verborgene Verwandtschaft, weil beide sich im
Dienst der Sprache für die Sprache verwenden und verschwenden.«
(MH d, ) Die auch auf zeitgenössische Leser und Zuhörer nicht
selten befremdlich wirkende Diktion und Begrifflichkeit Heideggers war
in diesem Sinn ein Versuch, die »Sprache der Metaphysik« (MH a,
) zu überwinden und eine philosophische Sprache zu entwickeln, die
aus dem »Sprachwesen« selbst erwachsen sollte und von Heidegger als
Antwort auf das sich in der Sprache zur Erscheinung bringende Sein ge-
dacht wurde. Denn die Sprache sei ihrem Wesen nach die »lichtend-
verbergende Ankunft des Seins selbst« (MH a, ). Deshalb hänge
die »Rettung von Welt«, davon ab, so Heidegger in einem Brief an Sophie
Dorothee Podewils vom . Juni , »in ein ganz anderes Verhältnis zur
Sprache« zu kommen, das über »ein bloßes Reflexionsverhältnis« (MH/
EJ/FGJ, ) hinausgelange.
Schon hat Heidegger geschrieben, das »Denken des Seins hütet das Wort«
(MH b, ), und dabei auch eine Art Arbeitsteilung zwischen Dichter und
Denker festgelegt: »Der Denker sagt das Sein. Der Dichter nennt das Heilige.«
(Ebd., )
Schon ab der zweiten Hälfte der er Jahre versuchte Heidegger, gegen die den-
ominative Sprache der Metaphysik »die unzerstörte Nennkraft der Sprache und
Worte wieder zu erobern« (MH , ), welche durch ihr »Nennen«, das kein
prädikatives »Benennen«, sonder nur ein »Zeigen« sei, die Dinge so zum Erschei-
nen bringen solle, wie sie von sich aus seien; vgl. dazu Thomä, Zeit des Selbst,
S. -. Noch definierte Heidegger das »Nennen« als das »erfahren-las-
sende Zeigen« (MH /, ); zur Unterscheidung von »Benennung« und
»Nennung« auch MH /, .
Im »Brief über den ›Humanismus‹«, aus dem das letzte Zitat stammt, schrieb
Heidegger entsprechend: »Der Mensch muß, bevor er spricht, erst vom Sein sich
wieder ansprechen lassen« (MH a, ).
Schon hatte er einem Briefpartner geschrieben: »Die Grundfragen, die Sie
beschäftigen, sind für Musik und Dichtung die gleichen. Der mechanisch-phy-
sikalische Zeitbegriff ist für den Musiker wie für den Dichter untauglich. […]
Die Sprache ist deshalb für den Wissenschaftler und seine Zwecke ein unvoll-
kommenes Instrument; sein Streben, sie zu mechanischer Zuverlässigkeit zu
bringen, scheitert, weil sie sich einem mechanischen Zeitbegriff nicht unterwer-
fen lässt.« (F. G. Jünger an C. Lahusen, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger,
DLA Marbach)
Heidegger hatte schon geschrieben, die Sprache lasse sich »nie vom Zei-
chencharakter her« (MH a, ) verstehen.
Die »Sprache in ihrer Beziehung zu Wiederkehr und Vergessenheit« (FGJ ,
) behandelte Friedrich Georg Jünger auch in seiner Abhandlung über »Ge-
dächtnis und Erinnerung« von , die im Übrigen als Beleg für den auch
sprachlichen Einfluss Heideggers auf Jünger gelten kann, da Jünger mit Formu-
lierungen wie der von der »Rückstellung des Gedachten in die Verwahrung der
Vergessenheit« (ebd., ) auf unfreiwillig komische Weise Heideggers Diktion
nachahmte.
kehr ausspricht. Der Dichter ist Dichter, weil er diese genaue Wieder-
kehr, die in Zeit, Rhythmus und Sprache entsteht, darzustellen ver-
mag.« (FGJ , )
Die Gemeinsamkeit zu Heidegger bestand also nicht nur darin, die
Sprache als ein Lebendiges anzusehen, das dem Menschen nicht als ein
Instrument zur Verfügung stehe, sondern in das er eingelassen sei und
dessen »Weite des Zulassens« (FGJ a, ) er sich durch Hören und
Nachahmen zueignen müsse. Friedrich Georg Jünger ging auch wie
Heidegger davon aus, dass sich das Wesen der Sprache vor allen Dingen
in der Dichtung erschließe. Das »Klingen und Schwingen des Sagens« im
Gedicht, so Heidegger, sei »nichts Vordergründiges«, sondern »das ur-
sprünglich und eigentlich Stimmende des dichtenden Sagens« (MH
, ). Heidegger zitierte in diesem Zusammenhang die romantische
Sprachvorstellung Joseph von Eichendorffs, dass die Welt zu singen an-
hebe, »triffst du nur das Zauberwort« (ebd.). Dieses zum-Klingen-Brin-
gen der Welt durch die dichterische Sprache traf wohl auch Friedrich
Georg Jüngers Ansicht, der zudem wie Heidegger davon ausging, dass
Dichten und Denken eng zusammengehörten: »Das Denken gründet in
der Sprache, die Sprache im Denken« (FGJ a, ).
Schließlich lässt sich auch im Fall Friedrich Georg Jüngers argumen-
tieren, dass seine Hinwendung zum Sprachgeist mit seiner Abwendung
von der Politik korrelierte. Jünger hatte zwar schon in der Zeit seines
nationalistischen Engagements einzelne Gedichte veröffentlicht, die nicht
selten agitatorischen Charakter trugen. Doch nach seiner Distanzierung
vom Nationalsozialismus, die er ebenfalls in Gedichtform zum Ausdruck
brachte, dienten ihm die »musischen Territorien« (FGJ/EN, ) explizit
als Rückzugsgebiet. Diese Territorien konnten dabei wie im Falle Hei-
deggers den Charakter des »geheimen Deutschland« annehmen, die
Dichtung nach der Enttäuschung über das reale Deutschland zum neuen
Vaterland werden, wie Jünger im »Vorspruch« zu seinem Gedichtzyklus
»Der Taurus« von schrieb: »Vaterland ist mir das Lied, / Ist der offene,
helle Gesang mir. […] Vaterland, Sprache, du bist’s, / Dein Wuchs, dein
Gedeihn im Licht ist’s.« (FGJ a, )
»Die Sprache ist Mensch, der Mensch Sprache« (FGJ c, ), wie Jünger in
seinem Nietzsche-Buch schrieb.
In seinem Sammelband »Sprache und Denken« (FGJ ), in den auch die bei-
den Münchner Vorträge aufgenommen wurden, hat Jünger diese Beziehung
weiter verfolgt; vgl. zu Jüngers poetischen »Klang«-Vorstellungen schon Pode-
wils, Dichtung und Echo.
Vgl. dazu Beltran-Vidal, Exil intérieur.
-
E. Jünger an F. G. Jünger, .., zit. n. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. .
In der Schlussbemerkung ging Ernst Jünger noch einmal auf die Bedeutung der
Auseinandersetzung mit der Sprache gerade »nach der Katastrophe« ein: »Ein
letztes Wort sei noch dem Zeitpunkt gewidmet, der für diese Arbeit gewählt
wurde. Inmitten des fürchterlichen Elendes und der moralischen und physischen
Vernichtung, die uns umgibt, mag manchem die Beschäftigung mit solchen Fra-
gen als rätselhaft erscheinen, als luxuriöser Überfluss. Doch ist es nicht nur der
Horazische Gleichmut im Ungemache, der aus ihr spricht. Es ist zugleich auch
Folgendes: nach einem Unfall, einem jähen Sturze tasten wir zunächst den Kör-
per ab. Wir prüfen, ob wir unversehrt geblieben sind. So ist es auch hier: die
erste Arbeit nach der Katastrophe gilt diesem Ort und Ausgangspunkt der Frei-
heit, dem Ebenbilde göttlicher Macht.« (EJ , )
-
Heidegger teilte seine Vorliebe für den Dialekt im Übrigen mit Ernst Jünger, der
ihm zum achtzigsten Geburtstag unter dem Titel »Federbälle« eine Samm-
lung schwäbischer Redensarten schenkte; vgl. EJ .
Vgl. Minder, Heidegger und Hebel, S. .
Ebd., S. .
Ebd., S. .
Vgl. MH b. Heidegger wiederholte hier die Behauptung von der analogen
Betätigung des »Denkenden« und des »Landmannes« (MH b, ) und
nannte beide »Hörige der Herkunft« (ebd., ). Vgl. dazu auch Adorno, Jargon,
S. ff. Die neuere Darstellung von Büchin/Denker, Martin Heidegger, trägt
zwar wenig zur analytischen Schärfung der Kategorie »Heimat« bei Heidegger
bei, liefert aber eine anschauliche Beschreibung seiner tatsächlichen »Verwurze-
lung« in der oberschwäbischen Provinz. Wenn Heidegger für das »Deutsche
Führerlexikon« behauptete, er entstamme »alemannisch-schwäbischem Bauern-
geschlecht, das mütterlicherseits (Kempf ), auf demselben Hof ansässig, lücken-
los bis feststeht« (MH -, ), dann kann man diesen lückenlosen
Stammbaum jetzt bei Büchin und Denker nachlesen.
Eine solche »Topologie« (MH a, ) forderte er auch in seinem Festschriften-
beitrag für Ernst Jünger. nannte Heidegger die Topologie des Seins seinen
dritten Ansatz der Seinsfrage nach der Frage nach dem Seinssinn in den er
und der Seinsgeschichte in den er Jahren; vgl. Pöggeler, Heidegger in seiner
Zeit, S. .
Vgl. dazu auch Biemel, Entfaltung.
Bauen allerdings wiederum sehr allgemein als »auf der Erde sein« und
damit weitgehend synonym zum Wohnen: »Bauen heißt ursprünglich
wohnen.« (MH a, ) Indem Heidegger aber nicht nur vom Woh-
nen, sondern auch vom Bauen sprach, konnte er erneut die Frage des Her-
stellens und damit auch der »techne« (ebd., ) behandeln. Das Bauen als
ein »Stiften und Fügen von Räumen« (ebd., ) wurde für Heidegger zu
einem weiteren Modell des nicht-aggressiven und nicht-zurichtenden
Handelns. Das war besonders dort deutlich, wo er das Bauen im Sinne des
Landbaus als »hegen und pflegen« (ebd., ) verstand. Auch das Bauen
als »Errichten« von Bauwerken bleibe aber »in das eigentliche Bauen, das
Wohnen« (ebd.), und damit in das »Schonen« (ebd., ) einbehalten.
Heideggers Konzeptionalisierung des Wohnens und Bauens war wie-
derum um eine Distanzierung von den »Machenschaften« des »Ge-stells«
der modernen Technik bemüht. Sie zielte auf eine Harmonisierung und
Aufhebung der Frontstellung des modernen Menschen zu seiner Umwelt
und damit auch jeder Subjekt-Objekt-Spaltung. Durch das Wohnen stehe
der Mensch der bewohnten Erde nicht gegenüber, sondern sei ihr zuge-
hörig und werde seinerseits von ihr als Hüter und Pfleger gebraucht. Für
diesen »Gegenschwung des Brauchens und Zugehörens« (MH /,
), von dem Heidegger im Bezug auf den Mensch und das Sein schon
in den »Beiträgen zur Philosophie« gesprochen hatte, fand er um
den Begriff des »Gevierts«. »Geviert« war sein Name für die gegenseitige
Zugehörigkeit von Sterblichen und Göttlichen, Erde und Himmel. So
sprach er im Bezug auf das Wohnen erneut vom »Aufenthalt der Sterb-
lichen auf der Erde«, um dann zu ergänzen:
»Doch ›auf der Erde‹ heißt schon ›unter dem Himmel‹. Beides meint
mit ›bleiben vor den Göttlichen‹ und schließlich ein ›gehörend in das
Miteinander der Menschen‹. Aus einer ursprünglichen Einheit gehören
die Vier: Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen in
eins. […] Diese ihre Einfalt nennen wir das Geviert. Die Sterblichen
sind im Geviert, indem sie wohnen. Der Grundzug des Wohnens aber
ist das Schonen. Die Sterblichen wohnen in der Weise, daß sie das
Geviert in sein Wesen schonen.« (MH a, f.)
Anders, Über Heidegger, S. . Anders spricht an anderer Stelle auch von »Hei-
deggers Religion« (ebd., ).
Dieses Hinter-sich-Lassen war freilich selbst mit Heideggers Anmaßung behaftet,
»in unserer bedenklichen Zeit« (MH a, ) als einer der wenigen Wissenden
sich für Heidegger durch das Scheitern seines politischen Aktivismus er-
geben hatte. Denn unter der »Herrschaft der Symmetrie« des »Gevierts«
ging es nicht mehr darum, einen »geschicklichen« Auftrag handelnd zu
erfüllen, sondern dessen »Zuspruch« wartend zu behüten. Das Handeln
der »Sterblichen« im »Geviert« erschien nur noch als Schonen, Hegen
und Pflegen und hatte nicht die Struktur eines Erzwingens oder tätigen
Hervorbringens, sondern die eines Zulassens. Dieses »Lassen« fasste Hei-
degger im Begriff der »Gelassenheit«.
»Gelassenheit« war der Titel eines schmalen Bändchens, das Heideg-
ger im Günther Neske Verlag veröffentlichte. Darin fanden sich ein
in Meßkirch gehaltener Vortrag sowie ein Auszug aus einem im letz-
ten Kriegswinter / verfassten »Feldweggespräch über das Denken«.
Der zu Ehren des in Meßkirch geborenen Komponisten Con-
radin Kreutzer gehaltene Vortrag versammelte die wichtigsten kultur-
kritischen Topoi von Heideggers spätem Denken in knapper Form und
dokumentierte auf diese Weise dessen Zugehörigkeit zum Konservatis-
mus der Zeit. Ohne das »Geviert« explizit zu nennen, verband Heidegger
es hier mit seinen Vorstellungen der Bodenständigkeit. Denn das »ruhige
Wohnen des Menschen zwischen Erde und Himmel« (MH c, ) ver-
lange die »Verwurzelung im Boden einer Heimat« (ebd., ). Diese »wur-
zelkräftige Heimat« drohe aber im »Getriebe der großen Städte«, in der
»Öde der Industriebezirke« und der Überreizung durch die »modernen
technischen Nachrichteninstrumente« (ebd., ) allenthalben verloren zu
gehen. Heidegger führte den »Verlust der Bodenständigkeit« zugleich auf
den »Geist des Zeitalters« (ebd., ) zurück. Denn der »heutige Mensch«
verlasse sich überall auf das »planende und forschende Denken« (ebd.,
) und verlerne so das »besinnliche Nachdenken« (ebd., ), das zum
Gedeihen »aus einem gewachsenen Heimatboden« (ebd., ) notwendig
sei. Heute gerate alles »in die Zange der Planung und Berechnung, der
Organisation und des automatischen Betriebes« (ebd.).
Heidegger verband seine Technikkritik hier mit der Kritik am Verlust
der Heimat und entwickelte zugleich ein Szenario der technischen Zu-
kunft, das im apokalyptischen Ton über seine Vorträge über das »Ge-
Stell« hinausging:
»Die Entwicklung der Technik wird indes immer schneller ablaufen
und nirgends aufzuhalten sein. In allen Bereichen des Daseins wird
der Mensch immer enger umstellt von den Kräften der technischen
Apparaturen und der Automaten. Die Mächte, die den Menschen
überall und stündlich in irgendeiner Gestalt von technischen Anlagen
und Einrichtungen beanspruchen, fesseln, fortziehen und bedrängen
– diese Mächte sind längst über den Willen und die Entscheidungsfä-
higkeit des Menschen hinausgewachsen, weil sie nicht vom Menschen
gemacht sind.« (Ebd., )
Mit Blick auf die Äußerung eines amerikanischen Chemikers, das Leben
sei bald »in die Hand des Chemikers gelegt«, ergänzte Heidegger, »daß
sich hier mit den Mitteln der Technik ein Angriff auf das Leben und das
Wesen des Menschen vorbereitet, mit dem verglichen die Explosion der
Wasserstoffbombe wenig bedeutet« (ebd., ). Das Gefährlichste an dieser
Entwicklung sei aber, dass der heutige Mensch es nicht vermöge, »be-
sinnlich denkend in eine sachgemäße Auseinandersetzung mit dem zu
gelangen, was in diesem Zeitalter eigentlich heraufkommt« (ebd.). Denn
auch wenn der Mensch gar nicht mehr in der Lage sei, »den geschicht-
lichen Verlauf des Atomzeitalters zu bremsen oder zu lenken« (ebd., ),
könne er durch Besinnung doch in ein freies Verhältnis zur Technik
gelangen und so den Boden für eine »künftige Bodenständigkeit« (ebd.)
bereiten.
An dieser Stelle kam Heideggers Idee der Gelassenheit ins Spiel. Denn
trotz seiner aus einem idealisierten Bild der ländlichen Vergangenheit ge-
speisten Modernekritik hielt Heidegger es für »töricht, blindlings gegen
die technische Welt anzurennen«, und für »kurzsichtig, die technische
Welt als Teufelswerk verdammen zu wollen« (ebd., ). Um aber der dro-
henden »Knechtschaft« unter den »technischen Gegenständen« zu ent-
gehen, müssten wir »bei aller sachgerechten Benützung uns von ihnen so
freihalten, daß wir sie jederzeit loslassen« (ebd.): »Wir können ›ja‹ sagen
zur unumgänglichen Benützung der technischen Gegenstände, und wir
können zugleich ›nein‹ sagen, insofern wir ihnen verwehren, daß sie uns
ausschließlich beanspruchen und so unser Wesen verbiegen, verwirren
und zuletzt veröden.« (Ebd., f.) Diese »Haltung des gleichzeitigen Ja
und Nein zur technischen Welt« nannte Heidegger »die Gelassenheit zu
den Dingen« (ebd., ). Diese Gelassenheit gewähre »einen neuen Grund
und Boden, auf dem wir innerhalb der technischen Welt, und ungefähr-
det durch sie, stehen und bestehen können« (ebd., ).
Was sich wie ein leicht naiver Appell ausnahm, öfter mal den Fern-
seher auszuschalten und stattdessen auf einem heimatlichen Feldweg
spazieren zu gehen, machte in erster Linie deutlich, dass Heidegger mit
der Gelassenheit eine Haltung der Distanz und inneren Abstandnahme
vom »Getriebe« der Technik meinte und keine tätige Begrenzung von
Technikfolgen anstrebte. Die Abwendung der unerhörten Gefahr, mit
der die Technik das Wesen des Menschen bedrohe, sollte allein durch
einen denkerischen Einstellungswechsel des Menschen gegenüber der
Technik erreicht werden. Es war genau diese in der »Aufforderung zum
Eingedenken« enthaltene »Aufforderung zum Nichtstun«, die Günther
Anders angesichts der realen Gefahren der atomaren Technik als »läh-
mend und defaitistisch« kritisierte, auch wenn er im Übrigen durchaus
von Heideggers Kritik der Technik beeinflusst war. Innerhalb von Heideg-
gers eigener Denkentwicklung wird daran aber vor allen Dingen deutlich,
dass sein Konzept der Gelassenheit eine Antwort auf das Problem der Tat,
d. h. auf die Frage nach dem Verhältnis von Denken und Handeln dar-
stellte.
Dass es sich so verhält, ging aus dem fiktiven Gespräch »Zur Erörte-
rung der Gelassenheit« allerdings noch deutlicher hervor, das in Argu-
mentation und Gedankenführung wesentlich anspruchsvoller war als der
Meßkircher Vortrag von . Der veröffentlichte Auszug stammte
aus einem längeren, in Gesprächsform verfassten Text, den Heidegger
zusammen mit zwei weiteren fiktiven Gesprächen im letzten Kriegswin-
ter und im Frühjahr geschrieben hatte. Auch wenn dieser Text erst
publiziert wurde, ist es für unseren Zusammenhang von Bedeutung,
dass in diesen während des Zusammenbruchs des »Dritten Reiches«
geschriebenen Gesprächen bereits die wichtigsten Elemente von Heideg-
gers »nichtmetaphysische[m] Denken« (MH /, ) der Nachkriegs-
zeit enthalten waren. Vor allen Dingen zeigt sich darin, dass Heideggers
»Übergang aus dem Wollen in die Gelassenheit« (ebd., ) im Wesent-
lichen schon während des Zweiten Weltkriegs stattgefunden hatte.
Diese »Feldweggespräche« wurden erst nach Heideggers Tod im Rahmen der
Gesamtausgabe vollständig veröffentlicht. Zu seinen Lebzeiten erschien nur das
besagte Stück von . Im Folgenden wird der vollständige Text aus der Gesamt-
ausgabe herangezogen.
Vgl. oben, Kap. ..
Vgl. Mitchell, Praxis and Gelassenheit.
»Gelassenheit« war also hier der Name für das von Heidegger gesuchte
nicht-voluntaristische Wesen des Denkens. Obwohl es explizit um eine
Verabschiedung des tätigen Willens und damit auch des Willens zur Tat
ging, war Heidegger gleichwohl bemüht, die Gelassenheit nicht einfach
als »eine Art von Passivität« (ebd.) erscheinen zu lassen. Es verberge sich
vielmehr »in der Gelassenheit eine höhere Aktivität als in allen Taten der
Welt und in den Machenschaften der Menschentümer« (ebd.), wobei
aber »diese höhere Aktivität doch keine Aktivität« (ebd., ) sei. Ge-
lassenheit liege stattdessen »außerhalb der Unterscheidung von Aktivität
und Passivität«, weil sie »nicht in den Bereich des Willens gehört« (ebd.).
Wenn man allerdings an dieser Unterscheidung festhält, kann kein Zwei-
fel darüber bestehen, dass die Gelassenheit als eine Haltung der Passivität
einzustufen ist. In jedem Fall war das ihr gemäße Handeln nicht aktiv,
sondern reaktiv. Denn Heidegger betonte, dass wir »die Gelassenheit
nicht von uns aus bei uns erwecken« (ebd., ) könnten. Auch hier ver-
anschlagte er also eine Handlungsinstanz jenseits des Menschen, auf
deren Zuruf der Mensch achten sollte, statt eigenmächtig zu handeln.
Die der Gelassenheit angemessene Handlungsform war daher nur das
»Warten«: »Wir sollen gar nichts tun, sondern warten.« (Ebd., )
Worauf sollte man warten? Zunächst auf nichts, denn wenn man etwas
Bestimmtes erwarte, dann wolle man es schon, was ja gerade vermieden
werden sollte. »Im Warten«, so folgerte Heidegger, »lassen wir das, worauf
wir warten, offen.« (Ebd., ) Dieses »Offene« sei der »Horizont« (ebd.,
), in den der Mensch gestellt sei. Heidegger nannte ihn in Abwand-
lung der »Gegend« die »Gegnet«: »Die Gegnet ist die verweilende Weite,
die alles versammelnd, sich öffnet, so daß in ihr das Offene gehalten und
angehalten ist, Jegliches aufgehen zu lassen in seinem Beruhen.« (Ebd., )
Auch hier wäre es müßig, in eine andere, exaktere Sprache übersetzen zu
wollen, was Heidegger unter der »Gegnet« verstand. Die »Gegnet« war ja
gerade jene Dimension, in der jede Art des konkreten Vorstellens verab-
schiedet werden sollte. Das Warten »auf das Sichöffnen der Gegnet«
Heidegger hat selbst darauf hingewiesen, dass das von ihm Gemeinte nicht im
rationalen Sinn »verstanden« werden könne. So ließ er den »Gelehrten« sagen:
»Ich bin unsicher, ob ich etwas von dem verstehe, was Sie jetzt sagen«, um den
»Weisen« antworten zu lassen: »Ich verstehe es auch nicht, wenn Sie mit ›verste-
hen‹ das Vermögen meinen, Dargebotenes so vorzustellen, daß es im Bekannten
gleichsam untergestellt und dadurch gesichert ist; denn auch mir fehlt das Be-
kannte, worin ich das, was ich über das Offene als Gegend zu sagen versuchte,
unterbringen könnte.« (MH /, ) In Heideggers »anderem Denken« ging
es eben darum, »von allem Vorstellen loszulassen« (ebd., ).
-
(ebd., ) war für Heidegger daher das einzig angemessene Verhalten ihr
gegenüber, »insofern das Warten sich auf die Gegnet einläßt und, im
Sicheinlassen auf sie, die Gegnet rein walten läßt als Gegnet« (ebd., ).
Als das zu Erwartende, das man so sein lassen sollte, wie es von sich
aus »anwest«, war die »Gegnet« mehr oder weniger funktionsäquivalent
mit dem »Sein« in Heideggers Spätphilosophie. Genau wie das »Ge-
viert« ist sie als Versuch einer topologischen Bestimmung des Seins zu
verstehen. Auch die »Gegnet« war folglich durch den schon bekannten
»Gegenschwung des Brauchens und Zugehörens« (MH /, )
gekennzeichnet. Denn das »Wesen des Menschen« sei zugleich »in die
Gegnet gelassen« und »von der Gegnet gebraucht« (MH /, ).
Die »Gegnet« erscheint so ebenso wie das »Geviert« als Modell einer Auf-
hebung der Subjekt-Objekt-Spaltung. Diese Aufhebung führte zugleich
zu einer Stillstellung des Theorie-Praxis-Problems und damit der Frage
nach dem Handeln. Denn das »Warten auf die Gegnet« (ebd., ) und
die »Gelassenheit zur Gegnet« erschienen nun beide als »Wesen des Den-
kens« (ebd., ), das sich durch »Verhaltenheit« (ebd., ) auszeichnete,
und nicht mehr als Weisen des Handelns.
Der Entstehungsmoment in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs
war diesem Gespräch über die Gelassenheit weniger deutlich eingeschrie-
ben als etwa dem »Abendgespräch in einem Kriegsgefangenenlager«.
Dennoch ist seine Konzeptionalisierung eines nicht-voluntaristischen
Handelns als unmittelbare Reaktion auf die Exzesse des Willens im Krieg
führenden Nationalsozialismus und in Heideggers eigenem NS-Engage-
ment zu verstehen. Dabei war entscheidend, dass Heidegger sich durch
den Abschied von der Tat und die Abgabe der Handlungsagentur vom
Menschen an das Sein auch von jeder Konzeption der zwischenmensch-
lichen Verantwortung verabschiedet hat. So wie er im »Abendgespräch«
sagte, die »Verwüstung« sei ein »Ereignis, das außerhalb menschlicher
Schuld und Sühne waltet« (ebd., ), definierte er auch im Gespräch
über die Gelassenheit die Gegend der »Gegnet« als eine, »wo es nichts zu
verantworten gibt«, »denn in der Gegend, in der wir uns aufhalten, ist
alles nur dann in der besten Ordnung, wenn es keiner gewesen ist« (ebd.,
). Dies schrieb Heidegger zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten
Deutschen bereits damit anfingen, es nicht gewesen sein zu wollen.
In seiner Rechtfertigungsschrift über das Rektorat vom Sommer
sprach Heidegger von der »Schuld der wesentlichen Versäumnis« (MH
, ) derer, die nicht wie er versucht hätten, »die an die Macht
Vgl. FGJ b, : »Alles Symmetrische wirkt harmonisch, und alle Harmonie
ordnet sich in Symmetrien an.« Zur Symmetrie bei Heidegger Thomä, Zeit des
Selbst, S. -.
Dass sich Friedrich Georg Jüngers »Spiele« als Gegenentwurf direkt auf Ernst
Jüngers »Arbeiter« bezogen, wird etwa auch dort deutlich, wo Friedrich Georg
Jünger den Sport als »mechanisiertes Spiel« (FGJ c, ) und als »Kennzeichen
einer maßlos gewordenen, mechanisierten Arbeitswelt« (ebd., ) in direkter
Anlehnung an Ernst Jüngers Darstellung des modernen Sports beschrieb.
vative Charakter dieser Utopie offenbarte sich dabei durch die Betonung
der hierarchischen Struktur dieser natürlichen Ordnung, innerhalb derer
sich die Freiheit verwirklichen sollte, welche explizit nicht als demokra-
tische Freiheit gemeint war.
Während Friedrich Georg Jünger mit der »Welt des Spiels« und den
musischen Prinzipien von Rhythmus und Wiederkehr also explizite Ge-
genentwürfe zur technischen Arbeitswelt formulierte, lassen sich solche
Gegenentwürfe bei Ernst Jünger schwerer finden. Denn trotz seiner Di-
stanzierung vom politischen Aktivismus und seinem eigenen Rückzug in
die »musischen Territorien« versuchte er doch stets, an den Deutungen
des »Arbeiters« festzuhalten und sie in sein Spätwerk hinüberzuretten –
ähnlich wie Heidegger das mit »Sein und Zeit« getan hat. Dies zeigte sich
unter anderem daran, dass Ernst Jünger seit Ende des Krieges immer wie-
der daran dachte, den »Arbeiter« neu herauszugeben, wobei er zwischen
einem unveränderten Neudruck und einer »zweite Fassung« oder an-
deren Formen der Fortsetzung und Überarbeitung schwankte. Zudem
ordnete er selbst seine zeitkritischen Essays »Über die Linie« von ,
»Der Waldgang« von , »Der gordische Knoten« von und »Das
Sanduhrbuch« von in die direkte Nachfolge des »Arbeiters« ein.
veröffentlichte Jünger den »Arbeiter« schließlich im Rahmen
seiner Werkausgabe im Klett-Verlag in der Fassung der dritten Auflage
von mit einem knappen Vorwort und zusammen mit einer umfang-
reichen Kommentierung unter dem Titel »Maxima – Minima. Adnoten
zum ›Arbeiter‹«. In diesen Anmerkungen bemühte er sich unter anderem
um eine »schärfere Trennung metaphysischer und politischer Gesichts-
punkte«, wie er im Entwurf eines längeren Vorworts schrieb, der dann
in Teilen in die »Adnoten« eingegangen ist. Das »Verhältnis von Aktion
und Kontemplation oder, um es auf eine alte Formel zu bringen, des Für-
sten und des Dichters« schien ihm nun bedenklich zu sein, denn die
»Begegnung zwischen beiden beruht auf Zufall und meist auf Mißver-
ständnissen« (EJ , ). Für den Dichter sei »die Berührung mit der
politischen Realität meist ungünstig; selbst dort, wo er Akklamation
erfährt«.
Auch wenn Jünger die »Abneigung gegen die politischen Geschäfte«,
die er dem »Weisen« und dem »musischen Menschen« (ebd., ) zuschrieb,
mittlerweile also selbst teilte, gab er doch offen zu, dass der »Arbeiter«
ein politisches Buch gewesen war. So schrieb er über die politische
Situation nach dem Ersten Weltkrieg und der russischen Revolution:
»Tatsächlich ist der Deutsche weder auf der Rechten noch auf der
Linken über die Prinzipien der bürgerlichen Welt, also der Revolution
von , hinausgekommen […]. Der ›Arbeiter‹ sollte darüber hinaus-
führen, und zwar gründlicher, als das in Russland geschehen war. In-
sofern ist er ein politisches und zugleich ein historisch gewordenes
Buch.« (Ebd., )
Darüber hinaus sei er aber »noch etwas mehr« gewesen, da er »eine Größe
schildert, die nicht nur unversehrt, sondern machtvoller als je aus der
Katastrophe hervorgetreten ist und deren Studium erregender erscheint
als zuvor« (ebd.). Jünger ging also davon aus, dass sein Deutungskonzept
der »Gestalt des Arbeiters« nach der »Katastrophe« des Zweiten Welt-
kriegs weiterhin aktuell blieb. So schrieb er auch an anderer Stelle, dass
die Jahrhundertfrage, »ob die Gestalt des Arbeiters überzeugend vertreten
wird oder nicht«, »weder noch noch hinreichend beant-
wortet« (ebd., ) worden sei. Die Herrschaft der Gestalt des Arbeiters
schen Velleität herausgekommen bin. Geblieben ist aber der Genuß an der De-
skription. Was mich über meinen Fall hinaus beschäftigt, ist das Verhältnis von
geistiger und empirisch politischer Aktion.« (EJ/CS, )
Jünger, Ernst: Zum »Arbeiter«, A: Jünger: Prosa Einzeltitel »Der Arbeiter«, DLA
Marbach.
An anderer Stelle unterschied Jünger in Bezug auf die Aktion zwischen dem Den-
ker und dem Weisen: »Das Ideal des Denkers ist, daß die Gedanken sich unmit-
telbar in Tat verwandeln wie durch einen Zauberspruch. Das unterscheidet den
Denker von dem Weisen, der weiß, daß die Gedanken Zeit haben und daß auch
jene, die keinen Anklang finden, nicht verloren sind.« (EJ , ) In diesem
Sinn sah sich Jünger selbst wohl eher als Weisen denn als Denker.
Dies widersprach bis zu einem gewissen Grad dem Argument, nur Seismograph,
nur neutraler Beobachter, nicht aber Propagandist gewesen zu sein, das Jünger in
abgewandelter Form auch in den »Adnoten« wiederholte: »Dem Autor, der Kun-
de bringt, und zwar dem Arbeiter über den Arbeiter, kann es ergehen wie einst
dem Boten, der dem König böse Nachricht brachte und dafür geköpft wurde.«
(Ebd., )
Die Gestaltidee als solche verteidigte Jünger auch in dem Essay »Typus, Name,
Gestalt« von , der zur hier interessierenden Problematik allerdings wenig bei-
trägt; vgl. EJ a.
F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Heidegger hatte schon in Antwort auf »Über die Linie« an Jünger geschrie-
ben, dieser Essay sei vielleicht »der Keim zu einer nach Stil und Dimension neuen
Fassung ›des Arbeiters‹« (MH b, ). In »Über ›Die Linie‹« erinnert er an einen
gemeinsamen Spaziergang Ende der er Jahre: »Damals ermunterte ich Sie,
den ›Arbeiter‹ wieder und zwar unverändert erscheinen zu lassen.« (MH a, )
Vgl. E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
-
Vgl. auch Jüngers Aufsatz »Meßbare und Schicksalszeit. Aus den ›Gedanken
eines Nichtastrologen zur Astrologie‹« (EJ c), der eine Auskopplung aus der
»Zeitmauer« darstellt. Ernst Jünger griff mit dieser Unterscheidung nicht nur auf
die Gegenüberstellung von »toter Zeit« und »Lebenszeit« (FGJ ) seines Bru-
ders zurück. Schon hatte er selbst in einem Aufsatz für den Arminius die
»Schicksalszeit« als »subjektive im Gegensatz zur objektiven Zeit« (EJ -,
) beschrieben.
Rückkehr der »Erdgeschichte« (ebd., ) würde der »Plan der Weltge-
schichte, soweit sie Menschengeschichte ist« (ebd., ), verlassen: »Der
alte Satz, daß der Mensch das Maß aller Dinge sei, wird fragwürdig. Er
war es übrigens seit Anbeginn.« (Ebd., ) Durch diese Abgrenzung voll-
zog Jünger ebenso wie Heidegger eine Delegierung der Handlungs-
initiative und damit auch der Handlungsverantwortung an Seinsmächte
und Erdkräfte, von denen die Menschen gelenkt würden und denen sie
zu entsprechen hätten. Dies galt allerdings bereits für die »Gestalt des
Arbeiters«, die Jünger schon als überzeitliche Größe auffasste, die in
der Geschichte zur Herrschaft komme. interpretierte er sie unter
Rückgriff auf mythische Deutungsmuster als neue Form des Titanismus,
der im Bunde mit der Erde gegen die Götter aufbegehre.
Jünger verglich die gegenwärtige posthistorische Wende mit der Wende
von der mythischen zur historischen Zeit, die er an Herodot festmachte:
»Herodot blickte aus dem historischen Raum, den er soeben betreten
hatte, auf den mythischen zurück. Er tat es mit Scheu. Die gleiche Scheu
ist heute dort geboten, wo sich jenseits der Zeitmauer Zukünftiges ab-
zeichnet.« (Ebd., ) Das »Ende der Geschichtswelt« (ebd., ) führe
allerdings nicht automatisch zu einer »Wiederkehr mythischer Mächte«
(ebd., ). Obwohl Jünger also davon ausging, dass eine »Wiederkehr
mythischer Figuren zur Herrschaft nicht zu erwarten« (ebd., ) sei und
»daß der Abschied von der Geschichte einschneidender und folgen-
schwerer sein wird, als es jener vom Mythos war« (ebd., ), griff er zur
Deutung der Wende zur nachgeschichtlichen Zeit dennoch auf mythi-
sche Figuren zurück. Dabei war er offensichtlich auch durch die Arbeiten
seines Bruders Friedrich Georg Jünger beeinflusst, etwa wenn er schrieb,
dem Mythos sei »zu entnehmen, daß die Erde ökonomische Eingriffe als
Frevel betrachtet« (ebd., ). Den mit der historischen Herrschaft des
Im Begriff der »Erdgeschichte« war die »Geschichte« zwar noch enthalten, Jünger
benutzte ihn aber dennoch als Gegensatz zur eigentlichen »Geschichte«, mit der
die Welt- als die von Menschen bestimmte Geschichte gemeint war.
In einem Brief an Henri Plard vom . März schrieb Jünger über seine aktu-
elle Arbeit: »Die Zeitmauer umfriedet unser Grundstück – Herodot trat in sie
ein, und wir treten aus ihr heraus. Während der ›Arbeiter‹ sich mit soziologischen
Fakten beschäftigte, untersuche ich nun jenen Abschnitt des Planes, der die hi-
storischen Maßstäbe verläßt.« (Zit. n. Plard, Wende, S. )
Zur Beschreibung der »kentaurischen Welt« (EJ a, ) griff Ernst Jünger auf
dieselbe Kentaurenfigur Cheiron zurück, die Friedrich Georg Jünger in seinem
Dialogstück »Die Wildnis« in der Festschrift zu Heideggers . Geburtstag auf-
treten ließ (vgl. FGJ b). Mit seinem Bruder Friedrich Georg teilte Ernst Jün-
ger auch das Bedauern, dass die »Wildnis schwindet« (EJ a, ).
-
Schon am . Juni hatte Ernst Jünger an Hans Speidel geschrieben, »daß die
weibliche Intelligenz im Verhältnis zur männlichen im Wachsen begriffen sei«
(zit. n. Speidel, Briefe, S. ). Auf die unterschiedlichen Konnotationen von
»Vaterland und Mutterland« weist auch Großheim, Ökologie, S. -, hin.
Plard, Wende, S. .
Vgl. Löffler, Anverwandlung, der die »Zeitmauer« Jüngers »esoterische Haupt-
schrift« (S. ) nennt. Bezeichnend dazu auch das Lob von Hermann Hesse; vgl.
Hesse, Lektüre.
Vgl. dazu die Arbeiten von Koslowski, Mythos; ders., Rückkehr; ders.: Motive.
E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
-
Die wichtigste Folge von Jüngers Idee eines Aufstands der Erde mithilfe
des Menschen war allerdings eine weitreichende Umdeutung der Tech-
nik. Jünger wiederholte zwar auch in der »Zeitmauer« seine Rede von der
modernen »Werkstättenlandschaft« (ebd., ), wobei er noch deutlicher
auf den »brutal titanische[n] Charakter« der »Ausbeutung« in den »gro-
ßen Industrierevieren« (ebd., ) abhob und die »nivellierende und ent-
zaubernde Wirkung« des technischen »Maschinenparks« betonte, »von
seiner mörderischen Kapazität in Krieg und Frieden ganz abgesehen«
(ebd., ). Anders als Friedrich Georg Jünger und Martin Heidegger ging
er aber nicht von einem einheitlichen und unveränderlichen »Wesen der
Technik« aus, sondern beobachtete vor allen Dingen an den neuen Kom-
munikationstechnologien eine grundlegende Veränderung, die ihn von
einer neuen Stufe der technischen Entwicklung sprechen ließ. Während
die Kraftmaschinentechnik auf die Ersetzung körperlicher Arbeit gezielt
habe, sei die Informationstechnik inklusive der »großen Rechenma-
schinen« (ebd., ) dem menschlichen Nervensystem nachgebildet. Auf
diese Weise gewinne die Technik an geistiger Qualität:
»Wir haben eine Stufe der Ausrüstung gewonnen, auf der wir uns das
Instrumentale nur noch um eine Kleinigkeit verändert zu denken
brauchen, damit hervortritt, daß unsere Technik nicht nur eine Welt
der Abstraktionen ist, sondern auch erdgeistige Wirklichkeit unmittel-
bar. Dort sind wir an der Nabelschnur. Die Technik ist projizierter
Geist, wie das Steinbeil verlängerte Faust gewesen ist.« (Ebd., )
Die »erdgeistige Wirklichkeit« der Technik sah Jünger unter anderem
darin, dass der Planet durch die Kommunikationstechniken »eine neue
Haut bekommen« habe, »eine Aura, die aus Bildern und Gedanken, aus
Melodien, Signalen und Botschaften gewoben ist«, wodurch eine neue
»Stufe der Erdvergeistigung« (ebd., ) erreicht sei. Jünger verband diese
Idee »einer neuen Erdvergeistigung am Abschluß der historischen Zeit«
(ebd., ) mit Vorstellungen eines Magischwerdens der Technik: »Magi-
Vgl. auch Segeberg, Schreiben. An einer Stelle bezog sich Ernst Jünger zwar auf
Heideggers Technikdeutung, allerdings ohne dessen Begriff des »Ge-stells« rich-
tig verstanden zu haben: »Die Technik ist in diesem Sinne Umstand, Kulisse, ist,
nach dem Ausdruck von Martin Heidegger, Gestell. Ihre ökonomische, loko-
motorische und ihre Machtseite ist ohne innere Bedeutung für den Menschen;
ihre eigentliche Aufgabe ist einweisend und hinleitend.« (Ebd., ) Umgekehrt
lässt sich argumentieren, dass Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger die
revolutionäre Bedeutung der modernen Kommunikationstechnologien nicht im
selben Maße erkannt haben wie Ernst Jünger.
sche Kräfte können auch in die Technik einfließen.« (Ebd., ) Diese
werde »elegant« und verliere »den Gigantencharakter der Anfänge« (ebd.,
).
Trotz dieser »Vergeistigung innerhalb der technischen Welt« (ebd.,
) hielt Jünger aber wie gesagt an der Gestaltidee des »Arbeiters« fest.
Mit Blick auf die »durch die Gestalt des Arbeiters entfesselten Schrecken«
schrieb er, dass die Gestalt selbst »aus jedem Brande mächtiger empor-
steige«, weshalb man darauf schließen könne, »daß feuerfeste Elemente
in ihr verborgen sind und daß sie ihren reinen Guß noch nicht gefunden
hat« (ebd., ). Erst wenn die Gestalt des Arbeiters »zur Weltherrschaft
gekommen« sei, erführen auch ihre Mittel »in ihrem energetischen Cha-
rakter eine Änderung. Sie können gehegt werden« (ebd., ). Die Welt-
herrschaft des Arbeiters erschien so nicht mehr als »Technokratie«, welche
Jünger nun als die »grauenvollste Aussicht« (ebd., ) bezeichnete, son-
dern eben als Ende der historischen Zeit und als Zustand der Erdvergei-
stigung. Sie falle außerdem zusammen mit dem »Weltstaat«, der das
Ende der »historischen Staaten« (ebd., ) anzeige. Diese Idee des Welt-
staats griff Jünger in einem erschienen Essay noch einmal auf, der
somit auch als Fortsetzung von »An der Zeitmauer« zu lesen ist. Darin
ging er davon aus, dass mit dem Weltstaat als neuer »Erd- und Global-
ordnung« (EJ b, ) der »Weltplan« durch einen »Erdplan« (ebd., )
abgelöst werde, da »unsere alte Erde wieder einmal ihr Kleid verändern
will« (ebd., ).
Die Vorstellung, dass sich die Erde selbst mithilfe des Menschen und
seiner späthistorischen Erscheinungsform als Arbeiter ein neues Kleid
gebe, veränderte zugleich die apokalyptische Perspektive Ernst Jüngers
im Vergleich zu . Während die Apokalypse des »Arbeiters«, wie oben
argumentiert wurde, eine unmittelbare Aufforderungsstruktur enthielt,
zielte »An der Zeitmauer« nicht auf eine politische Aktivierung ihrer
Leser. Jünger ging zwar auf die welthistorische Neuigkeit ein, dass mit
der Erfindung der Wasserstoffbombe und ihrer massenhaften Produk-
tion der Weltuntergang erstmals »als unmittelbare Folge menschlicher
Arbeit, menschlichen Tuns« (EJ a, ) möglich werde, und wertete
die »Weltuntergangsstimmung« des Atomzeitalters als »Zeichen dafür,
daß wir eine Station erreicht haben, an der das Schicksal der Erde als
solches in Frage steht« (ebd., ). Durch die erdgeschichtliche Perspek-
tive, nach der das Ende der Menschheitsgeschichte nur eine Verwand-
lung der Erde bedeute, wurde die Untergangsmöglichkeit aber gleichsam
entdramatisiert. Folglich endete »An der Zeitmauer« auch nicht mit
einem Aufruf, »sich trotz allem an der Rüstung zu beteiligen« (EJ ,
), sondern mit der optimistischen Hoffnung, dass »wenn wir uns
selbst nicht aufgeben, […] auch unsere Mutter, die Erde, uns nicht im
Stich lassen« (EJ a, ) werde.
Mit »An der Zeitmauer« war Ernst Jünger also endgültig in jenem ent-
politisierten Posthistoire angekommen, das Lutz Niethammer schon vor
einiger Zeit als metaphysisches Nachkriegsrefugium der ernüchterten
faschistischen Intelligenz beschrieben hat und in dem sich auch Martin
Heidegger mit seiner Seinstopologie befand. Denn auch wenn Heidegger
am Begriff der »Seinsgeschichte« festhielt, lässt sich das topologische
Modell des »Gevierts« im Unterschied zum dynamischen Aufbruchsden-
ken Anfang der er Jahre ebenfalls als posthistorisch begreifen. In
deggers Kritik an Jüngers »Über die Linie«, als Jünger darin an der Per-
spektive einer Überquerung der Linie festhielt: »Der Weg führt über den
Nullpunkt hinweg, führt über die Linie, über die Zeitmauer und durch
sie hindurch.« (EJ a, )
Es ließe sich also argumentieren, dass Ernst Jünger nicht im selben
Maß wie Heidegger von jeder Art des aktiven Handelns Abstand nehmen
wollte, dass er immer noch von einem »Sprung« (ebd., ) über die
Zeitmauer sprach. Aber erstens benutzte auch Heidegger in seinem »ge-
lassenen« Denken die Metapher des Sprungs und zweitens fanden sich
umgekehrt auch beim späten Ernst Jünger Motive der Gelassenheit. So
geht aus dem Briefwechsel mit dem Verleger Günther Neske hervor, dass
Jünger zeitweilig daran dachte, für Heideggers Festschrift ein kurzes Pro-
sastück mit dem Titel »Vierblätter« zu geben, das dann stattdessen
in der Textsammlung »Sgraffiti« erschienen ist. Darin dachte Jünger
ausgehend von dem gängigen Glauben, dass das Finden eines vierblätt-
rigen Kleeblatts nur dann Glück bringe, wenn man nicht nach ihm ge-
sucht hat, über das Glück nach. Dazu zitierte er Nietzsche:
»›Seit ich des Suchens müde ward, / Erlernte ich das Finden. / Seit mir
ein Wind hielt Widerpart, / Segl ich mit allen Winden.‹ Diesen Versen
gab Nietzsche die Überschrift: Mein Glück. Die beiden ersten gelten
auch für die Vierblätter, und die beiden letzten geben das Rezept für
dieses Finden: Gelassenheit.« (EJ a, )
Mit dieser Kurzform der Gelassenheit reagierte Jünger nicht einfach auf
Heideggers bis noch unpublizierte Gelassenheits-Texte, die er sehr
wahrscheinlich auch nicht als Manuskripte kannte, sondern setzte gleich-
sam seine eigene in den er Jahren gefundene Haltung der »Désinvol-
ture« fort, kam dabei aber zu einem ganz ähnlichen Ergebnis wie Heideg-
ger. Denn auch Jüngers Verhältnis zur Technik wurde in den späteren
Jahren gelassener. Schon in einer Tagebucheintragung vom Januar
hatte er geschrieben, im »Verhältnis zur Technik sollte eine dritte, vom
Fortschritt unabhängige Haltung möglich sein« (EJ /, ). In »An
der Zeitmauer« konstatierte er dann, dass die Frage des Glücks nicht an
der Technik hänge: »man kann mit und ohne Technik glücklich und un-
glücklich sein« (EJ a, ). Jüngers Idee der geistigen Unabhängigkeit
implizierte dabei zugleich die Möglichkeit der Passivität: »Es kann der
Punkt erreicht werden, von dem an jede weitere Zufuhr von Energie das
Unheil vermehrt und Nicht-Handeln besser als Handeln ist.« (Ebd., )
fand Ernst Jünger mit »An der Zeitmauer« also ebenfalls zu einer
Art Schlusspunkt in der Abstandsbewegung vom politischen Aktivismus,
der den Deutungsentwurf des »Arbeiters« zugleich aufhob und politisch
entschärfte. An diesem Schlusspunkt favorisierte Jünger ähnliche For-
men des gelassenen Nicht-Handelns wie Heidegger in der Seinstopologie
des »Gevierts«. So wenig wie Heideggers oder auch Friedrich Georg
Jüngers denkerische Entwicklung war die Ernst Jüngers damit endgültig
abgeschlossen. Alle drei setzten ihre intellektuelle Produktion in den
er und er Jahren fort, Ernst Jünger gar bis in die er Jahre.
erfand Ernst Jünger in dem posthistorischen Roman »Eumeswil«
mit dem »Anarchen« eine weitere Figur der »Désinvolture«, die noch
radikaler als der »Waldgänger« jenseits der Gesellschaft und dieser mit
»Gelassenheit« gegenüber stand. Doch auch wenn »Eumeswil« als wei-
tere Fortsetzung von »Auf den Marmorklippen« und »Heliopolis« gelesen
werden kann, ist doch zugleich erkennbar, dass die »Parallelbewegung«
beider Brüder Jünger und Martin Heideggers vom Denken der Tat zu
dem der Gelassenheit bereits Ende der er Jahre zu einem Abschluss
gekommen war.
An anderer Stelle schrieb er: »Wir müssen uns hüten, den Charakter mit dem
Willen zu identifizieren, wie das in unserer Welt fast selbstverständlich geworden
ist. […] Ein Charakter kann sich auch durch Nicht-Wollen bewähren, etwa
durch ›Passen‹ im Sinne des Kartenspiels.« (EJ a, )
Allerdings hielt Ernst Jünger bis zuletzt an der metahistorischen Perspektivge der
»Zeitmauer« fest. Noch , kurz vor seinem hundersten Geburtstag, lebte er in
der Erwartung einer »Erdrevolution« (EJ , ).
Vgl. Martus, Ernst Jünger, S. -.
. Fazit
Jünger mit ihrem Rückzug von der Politik und dem Abschied von der Tat
ab Mitte der er Jahre tatsächlich zurückging, hielten sie an ihrem
apokalyptischen Denken in veränderter Form fest. Wie vor allem anhand
von Heideggers Hölderlin-Vorlesungen während des »Dritten Reichs«,
aber auch anhand der Kreisbildung um Ernst Jünger nach herausge-
arbeitet wurde, kultivierten beide (noch in stärkerem Maß als Friedrich
Georg Jünger) weiterhin Sprachformen des Prophetischen und stilisier-
ten sich zu Kündern des »anderen Anfangs«. Die Apokalyptik dieses »an-
deren Anfangs« richtete sich allerdings nicht mehr auf eine nahe, mit zu
gestaltende »Weltstunde«, wie Heidegger sie in der Machtergreifung der
Nationalsozialisten erblickt hatte, sondern auf einen fernen, nur noch zu
erwartenden »letzten Gott«.
Dieser Wandel in der Apokalyptik und die Distanzierung von der Tat
waren nicht erst Folgeerscheinungen des Zusammenbruchs und der Nie-
derlage des »Dritten Reichs« im Zweiten Weltkrieg. Die Untersuchung
von Heideggers Vorlesungen und Abhandlungen der er und frühen
er Jahre hat deutlich gemacht, dass der Wandel seines Denkens »von
der Existentialontologie zur Seinsgeschichte« und die darin enthaltene
Neukonzeptionalisierung der Theorie-Praxis-Relation schon durch das
Scheitern seines politischen Engagements motiviert war. Die Aus-
einandersetzung mit Ernst Jüngers »Arbeiter« hat Heidegger ebenso wie
diejenige mit Nietzsche und Hölderlin dazu gedient, eine Kritik der tech-
nischen »Machenschaften« zu entwickeln, unter die auch die Realpolitik
des NS-Regimes und – implizit – Heideggers eigene Teilhabe daran fallen
konnten, die es ihm aber gleichzeitig erlaubte, an seinen völkischen Idea-
len der »Bodenständigkeit« und der Heimatverbundenheit festzuhalten.
Diese Heimatideale wurden in den Hölderlin-Vorlesungen in ein »ge-
heimes Deutschland« verlegt, das von »Dichtern und Denkern« bewahrt,
aber nicht mehr von »Staatsschöpfern« tätig verwirklicht werden sollte.
Noch in den er Jahren hat Heidegger das Ideal der durch den deut-
schen Dichter gestifteten Bodenständigkeit in seinen Vorträgen über Jo-
hann Peter Hebel vertreten.
Die Brüder Jünger verbanden ihren Rückzug von der Politik und in
die Provinz / ebenfalls mit einer Umcodierung ihres ideologischen
Denkhaushalts. Ihrem grundlegenden Antirationalismus und Antilibera-
lismus sowie ihrem Mystizismus des »Elementaren« blieben sie zwar treu.
Doch ersetzten sie die Gewaltrhetorik der er Jahre durch eine kon-
servative Ethik des schonenden Bewahrens (Friedrich Georg Jünger) und
des Mitleids (Ernst Jünger). Dass diese neue Mitleidsethik mit einer nach
Franzen, Existenzialontologie.
Jahren ein Forum für die öffentlichen Auftritte und den inhaltlichen
Austausch von Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger bildete.
Dieser inhaltliche Austausch konzentrierte sich vor allen Dingen auf die
Technikkritik und auf die Suche nach einer dichterischen Sprache, die als
Medium einer nicht-aktivistischen Seinserschließung dienen sollte. Der
öffentliche Austausch zwischen Ernst Jünger und Heidegger spielte sich
in erster Linie als Austausch von Festschriftenbeiträgen ab, in denen Hei-
degger und Jünger die Möglichkeiten einer Überwindung des Nihilismus
diskutierten. Auch hier ging es darum, einen Modus des Hinter-sich-Las-
sens der Tat zu finden, der selbst nicht aktivistisch sein sollte. Diesen
Modus entwickelten Heidegger und die Brüder Jünger schließlich in der
Denkhaltung der »Gelassenheit«, die zugleich mit einer Denkfigur des
Posthistoire einherging, in welcher der Abschied von der Tat Ende der
er Jahre zu einem Abschluss kam.
Interpretiert man die Denkentwicklung von Martin Heidegger und
den Brüdern Jünger als Fallbeispiel für die Transformation des intellektu-
ellen Konservatismus im . Jahrhundert, so bestätigt deren Nachkriegs-
»Gelassenheit« auf den ersten Blick Jerry Mullers Befund einer »Deradi-
kalisierung« des Konservatismus durch die Desillusionierungserfahrung
des Nationalsozialismus. Denn die Verabschiedung des aktivistischen
Tat-Denkens und die Neukonzeptionalisierung der Geist-Tat-Relation
zugunsten des Geistes lassen sich durchaus als Deradikalisierung verste-
hen. Diese Deradikalisierung darf aber nicht mit einer Demokratisierung
oder Liberalisierung verwechselt werden. Die »Modernisierung des kon-
servativen Denkens« in der frühen Bundesrepublik, von der Paul Nolte
spricht, fand ohne Heidegger und die Brüder Jünger statt.
Dabei ist eine interessante Verschiebung zu beobachten: Während der
radikale Antiliberalismus der Brüder Jünger in der Weimarer Republik mit
einer modernistischen Bejahung der Technik einherging, verband sich
ihre Abkehr vom Aktivismus mit einer Hinwendung zu einem technik-
kritischen und proto-ökologischen Denken. Demgegenüber war es in der
frühen Bundesrepublik gerade eine Spielart des »technokratischen Kon-
servatismus«, die sich mit den Bedingungen der parlamentarischen De-
mokratie und der industriellen Gesellschaft abfand und sich in deren
Steuerung einschalten wollte. Das ökologische Denken fand seine poli-
tische Heimat seit den er Jahren dagegen eher auf der Linken, auch
wenn durch diese politische Positionierung viele der kulturkritischen
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Ernst Jünger
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Der Kampf als inneres Erlebnis, Berlin .
Sturm, Stuttgart .
a Das Wäldchen . Eine Chronik aus den Grabenkämpfen , Ber-
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b Feuer und Blut. Ein kleiner Ausschnitt aus einer großen Schlacht,
. Aufl., Berlin .
a (Hg.) Luftfahrt ist not!, Leipzig .
b (Hg.) Die Unvergessenen, Berlin .
a Das abenteuerliche Herz. Erste Fassung. Aufzeichnungen bei Tag und
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b (Hg.) Der Kampf um das Reich, Berlin .
a Die totale Mobilmachung, Berlin .
b (Hg.) Krieg und Krieger, Berlin .
c (Hg.) Das Antlitz des Weltkrieges. Fronterlebnisse deutscher Solda-
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»Myrdun«. Briefe aus Norwegen, Tübingen .
Der Friede. Ein Wort an die Jugend Europas und an die Jugend der
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Sokel, Walter H.: The ›Postmodernism‹ of Ernst Jünger in his Proto-Fascist Stage,
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Solchany, Jean: Vom Antimodernismus zum Antitotalitarismus. Konservative Inter-
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nal Socialism, in: Rockmore/Margolis (Hg.), Heidegger Case, S. -.
Zimmermann, Hans Dieter: Martin und Fritz Heidegger. Philosophie und Fastnacht,
München .
Dank
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die leicht gekürzte Fas-
sung meiner Dissertation, die im Wintersemester / von der Philo-
sophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen angenom-
men wurde. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Betreuer und
Doktorvater Prof. Dr. Bernd Weisbrod, der mich seit meinem Studium
auf vielfältige Weise unterstützt und gefördert und der die Arbeit an die-
ser Studie mit Geduld, Kritik und intellektueller Anregung begleitet hat.
Desgleichen danke ich Prof. Dr. Irmela von der Lühe, die das Voran-
schreiten der Arbeit als Zweitgutachterin und -betreuerin durch ihre
literaturwissenschaftlichen Interventionen ebenso wie durch ihre pro-
duktive Ungeduld befördert hat. An dritter Stelle möchte ich Prof.
Dr. Anson Rabinbach danken, der mich während eines Studienaufent-
halts an der Princeton University betreute und meine Arbeit auch danach
noch mit viel Interesse verfolgt und unterstützt hat. Der Studienstiftung
des deutschen Volkes danke ich für die Förderung während des Studiums
und der Promotion. Hajo Gevers vom Wallstein Verlag danke ich für die
kompetente Betreuung des Manuskripts. Der Geschwister Boehringer
Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und der FAZIT-Stiftung
danke ich für die finanzielle Unterstützung des Drucks.
In den vergangenen Jahren hatte ich verschiedentlich die Möglichkeit,
mein Forschungsprojekt in seinen unterschiedlichen Stadien zu präsen-
tieren und zu diskutieren. Für die Einladungen und die bei diesen Dis-
kussionen erhaltenen Anregungen danke ich besonders Prof. Dr. Steven
Aschheim, Prof. Dr. Rüdiger vom Bruch, Prof. Dr. Roger Chickering,
Prof. Dr. Norbert Frei, Prof. Dr. Ulrich Herbert und Prof. Dr. Paul Nolte.
Prof. Dr. Cathryn Carson, Prof. Dr. Elliot Neaman und Prof. Dr. Volker
Berghahn haben mich bei Gesprächen in den USA an ihrem Blick auf die
deutsche Intellektuellengeschichte teilhaben lassen. Cathryn Carson hat
mir darüber hinaus unveröffentlichte Manuskripte und Materialien über-
lassen. Nützliche Hinweise und Zugang zu Material erhielt ich auch von
Prof. Dr. Wolfgang Eßbach, Prof. Dr. Günter Figal, Dr. Ulrich Fröschle,
Dr. Klaus Gauger, Prof. Dr. Frank-Rutger Hausmann, Rolf Hilbig, Felix
Krömer und Prof. Dr. Peter Trawny. Ihnen allen sei dafür herzlich
gedankt. Prof. Dr. Ernst Tugendhat und Prof. Dr. Rainer Marten danke
ich für Gespräche über ihre Erinnerungen und ihre Kritik an Martin
Heidegger. Rainer Marten war zusammen mit seiner Frau Helga Marten
darüber hinaus eine unschätzbare Hilfe bei der Entzifferung von Heideg-
gers Handschrift und stärkte durch wohlwollendes Interesse mein Selbst-
vertrauen als Nichtphilosoph im Umgang mit Heideggers Denken.
Für den Zugang zu unveröffentlichten Briefen und Schriften meiner drei
Protagonisten und ihres Umfelds sowie die Erlaubnis, daraus zu zitieren,
danke ich Hinner Bauch, Dr. Hermann Heidegger, Dr. Liselotte Jünger,
Johannes von Reumont, Dr. Thomas Klett, Vittorio E. Klostermann,
Dr. Armin (†) und Edith Mohler, Dr. Martin Nebel und Dr. Barbara von
Wulffen. (Der gegenwärtige Urheberrechtsinhaber der Schriften von Ernst
Niekisch konnte nach dem Tod seines Sohnes Ernst A. Niekich leider
nicht ermittelt werden.) Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach war
für viele Monate ein unvergleichlicher Ort des Forschens und Arbeitens.
Dort danke ich besonders Dr. Nicolai Riedel für viele nützliche Hinweise
zur Jünger-Forschung sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Handschriftenabteilung. Außerdem danke ich dem Generalsekretär der
Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München, Dr. Oswald
Georg Bauer, und der Akademiearchivarin, Christel Winkler, für den
Zugang zum Akademiearchiv sowie dem Archivar des Klett-Verlags in
Stuttgart, Volker Dietrich.
Von den Freunden haben besonders Robin Celikates, Sean Forner,
Rüdiger Graf, Jens Hacke und Michael Neumann durch Lektüre und
Kritik einzelner Kapitel zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Der »Ar-
beitskreis Geschichte + Theorie« ist für mich seit langem ein wichtiges
Forum des intellektuellen Austauschs, in dem ich meine Arbeit zweimal
vorstellen und diskutieren konnte. Von dessen Mitgliedern danke ich
besonders Frank Bösch, Moritz Föllmer, Alexa Geisthövel und Uffa Jen-
sen für freundschaftliche Unterstützung und produktive Kritik. Habbo
Knoch hat darüber hinaus das gesamt Manuskript kritisch gegengelesen
und durch viele Gespräche, durch Ermutigung und intellektuellen Bei-
stand zum Abschluss der Promotion beigetragen. Dafür und für seine
Freundschaft sei ihm herzlich gedankt.
Meinen Eltern Eva-Maria und Franz Armin Morat danke ich nicht
nur für die vielfältige Unterstützung während der Arbeit an dieser Studie
– zu der u. a. die unerlässliche Dauerleihgabe ihrer Heidegger-Gesamt-
ausgabe gehörte – sondern auch dafür, dass sie mir frühzeitig die Welt des
Geistes eröffnet haben: meinem Vater, von dem ich »die Geschichte«,
meiner Mutter, von der ich lesen gelernt habe.
Der größte Dank schließlich, den abzustatten eine solche Danksagung
immer nur zum Teil der richtige Ort ist, geht an meine Frau Undine
Ruge. Sie war stete Gesprächspartnerin und hat die Entstehung dieser
Arbeit in allen Phasen durch Unterstützung und konstruktive Kritik und
nicht zuletzt durch gründliche Lektüre des Manuskripts begleitet. Dafür
und für vieles mehr ist ihr dieses Buch gewidmet.