Sie sind auf Seite 1von 588

Daniel Morat

Von der Tat zur Gelassenheit


Veröffentlichungen des
Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen
Herausgegeben von Bernd Weisbrod
Band 24
D aniel Morat
Von der Tat
zur G elassenheit
Konserv ativ es D enk en bei M artin H eidegger,
Ernst Jünger und Friedrich G eorg Jünger
1920-1960

WALLSTEIN VERLAG
Gedruckt mit Unterstützung der
Geschwister Boehringer Ingelheim
Stiftung für Geisteswissenschaften
und der FAZIT-Stiftung

Für Undine

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Wallstein Verlag, Göttingen 


www.wallstein-verlag.de
Vom Verlag gesetzt aus der Adobe Garamond
Umschlaggestaltung: Basta Werbeagentur, Steffi Riemann
unter Verwendung eines Fotos (v. l. n. r.)
Martin Heidegger, Friedrich Georg Jünger, Ernst Jünger
und Walburgis zu Schaumburg-Lippe im Oktober 1953
in Altreuthe am Bodensee. Fotograf unbekannnt.
Nachlass Ernst Jünger, DLA Marbach.
Druck: Hubert & Co, Göttingen
isbn ----
Inhalt

. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
. Konservatives Tat-Denken - . . . . . . . . . . . . . . 
.. Die aktivistische Logik der Konservativen Revolution . . .
Konservative Revolution und neue Rechte () – Die Kon-
servative Revolution und die Tat ()
.. Der neue Nationalismus der Brüder Jünger . . . . . . . 
Die Geburt des neuen Nationalismus im Krieg () – Die
Agitation des neuen Nationalismus () – Der neue Na-
tionalismus als Nihilismus der Tatbereitschaft () – Die
Schwerkraft des Nationalsozialismus ()
.. Technische Apokalypse in Ernst Jüngers »Arbeiter« . . . . 
Der heroische Realismus und die technische Moderne ()
– Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt () – Der Typus
der organischen Konstruktion () – Die apokalyptische
Aufforderungsstruktur des »Arbeiters« () – Der »Arbei-
ter« im »Dritten Reich« ()
.. Destruktion und Tatbereitschaft bei Martin Heidegger . . 
Martin Heideggers Destruktion der akademischen Philo-
sophie () – Heroischer Existenzialismus und innerer
Aktivismus () – Heideggers NS-Engagement () –
Heideggers revolutionäres Tat-Denken () – Der Wahr-
heitsbegriff zwischen Früh- und Spätphilosophie ()
. Abschied von der Tat in der »inneren Emigration« - . . 
.. Auf dem Weg zum anderen Anfang. Heidegger zwischen
Jünger, Nietzsche und Hölderlin . . . . . . . . . . . . . 
Nach dem Rektorat () – Heidegger und der »Arbeiter«
in der nationalsozialistischen Revolution () – Heideg-
gers Auseinandersetzung mit Ernst Jünger / () –
Heideggers Nietzsche () – Seinsgeschichte und anderer
Anfang in den »Beiträgen zur Philosophie« () – Die
Kritik der technischen Machenschaften () – Hölderlin
und das »geheime Deutschland« () – Dichter, Denker,
Täter ()
 

.. Die Rückzugsstrategien der Brüder Jünger und die »Illu-


sionen der Technik« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Die »Nichtbeteiligung am Niedrigen« () – Die Wand-
lung des »abenteuerlichen Herzens« () – Ernst Jüngers
»Auf den Marmorklippen« () – Friedrich Georg Jüngers
»Illusionen der Technik« als Anti-»Arbeiter« () – Fried-
rich Georg Jüngers griechische Mythologie ()
.. Heidegger und die Brüder Jünger im Zweiten Weltkrieg. . 
Der Zweite Weltkrieg als Krieg von Technikern () –
Ernst Jünger im Arbeiterkrieg () – Im Übergang zum
»Frieden« ()
. Streit um die Tat in der Nachkriegs-zeit - . . . . . . . . 
.. Kritik und Apologie im Okkupationsdiskurs . . . . . . . 
Die Brüder Jünger und die Katastrophe der Niederlage
() – Der Fall Heidegger ()
.. Kommunikationsstrategien der Verschwiegenheit . . . . . 
Ernst Jünger unter Freunden () – Die »freie Heroenge-
meinschaft« von Heidegger und den Brüdern Jünger ()
– Elitenbildung unter Argonauten () – Das den Lemu-
ren entzogene Gespräch ()
.. Nach der Kampfgemeinschft. Martin Heidegger und Karl 
Jaspers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Freundschaft und Entfremdung  bis  () –
Schuld und Scham nach  ()
.. Das Musische und das Politische. Die Brüder Jünger und
Ernst Niekisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Solidarität im Widerstand () – Der musische und der
aktive Mensch ()
.. Carl Schmitt, Armin Mohler und die Kritik des Unpoliti-
schen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Unwägbarkeiten einer »Männerfreundschaft«: Ernst Jün-
ger und Carl Schmitt () – Waldgänger und Partisanen
() – Ernst Jünger und Armin Mohler ()
. Gelassenheit nach der Tat - . . . . . . . . . . . . . . 
.. Die Überwindung des Nihilismus . . . . . . . . . . . . 
Der Aufbruch zum Sein () – Das Erdenken des Seins
()
 

.. Technik und Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 


Exkulpative Technikkritik bei Ernst und Friedrich Georg
Jünger () – Martin Heideggers Verwindung der Technik
() – »Die Frage nach der Technik«. München  ()
– »Der Weg zur Sprache«. München  ()
.. Gelassenheit an der Zeitmauer . . . . . . . . . . . . . . 
Heideggers »Gelassenheit« im »Geviert« () – Ernst Jün-
ger an der »Zeitmauer« ()
. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 
Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 
. Einleitung

Als Hannah Arendt  darüber nachdachte, wie die »Geistesgeschichte


unseres Jahrhunderts« zu schreiben sei, kam ihr die Idee, man könne das
in Form der »Biographie einer einzelnen Person« tun. Wenn man das
täte, so Arendt weiter, würde sich in Bezug auf die »geistige Verfassung
dieser Person« herausstellen, »daß sie nicht nur einmal, sondern zweimal
zu einer totalen Kehrtwendung gezwungen gewesen ist: zuerst, als sie
vom Denken ins Handeln floh, und dann erneut, als das Handeln oder
besser das Gehandelthaben sie in das Denken zurückzwang«. Die Art
dieser doppelten Wendung aus dem Denken in die Handlung und zu-
rück kann stark variieren, je nachdem, wessen intellektuelle Biographie
man als exemplarisch für das . Jahrhundert heranzieht. Wenn man
aber Martin Heidegger – an den Arendt bei ihrem Gedankenspiel
durchaus gedacht haben mag – in diese Rolle einsetzt, so eröffnet sich
mit Arendts Formulierung eine doppelte Frageperspektive: zum einen
danach, was Heidegger und andere Intellektuelle  veranlasst hat, vom
Denken in die Handlung, also in das politische Engagement für den
Nationalsozialismus zu fliehen, und zum anderen danach, wie sie im An-
schluss daran wieder zurück zum (reinen) Denken gefunden haben.
Auf diese Weise lässt sich die Frage nach der Komplizenschaft führen-
der deutscher Intellektueller mit der nationalsozialistischen Bewegung
auf neue Weise stellen und in deren Biographien ebenso einordnen wie in
die intellektuelle Geschichte des . Jahrhunderts. Denn diese Kompli-
zenschaft stellt nach wie vor eines der beunruhigendsten Probleme dieser
Geschichte dar. Sie wirft nicht nur ein bedenkliches Licht auf die sich
dem »Schicksalsrausch« hingebenden Philosophen, Wissenschaftler und
Literaten. Sie fordert auch ein wiederholtes Nachdenken über die
Struktur des Nationalsozialismus selbst, wie Jacob Taubes im Umfeld der
Heidegger-Kontroverse  argumentiert hat: »Irgendetwas verstehe ich
vom Nationalsozialismus nicht, wenn ich nicht verstehen kann, wieso
Schmitt und Heidegger von ihm überhaupt angezogen wurden.« Das
gilt allerdings genauso umgekehrt: Auch Heideggers oder Schmitts
Denken bleiben unverstanden, wenn ihre Beteiligung am Nationalsozia-
lismus nicht aus diesem heraus erklärt werden kann.

 Arendt, Vergangenheit, S. .


 Benn, Doppelleben, S. .
 Taubes, Ad Carl Schmitt, S. .
 

Obwohl die Notwendigkeit dieser Umkehrung bis heute von man-


chen bestritten wird, hat sich die Einsicht einer engen Verquickung von
Politik und Denken, von Vordenker- und Mittäterschaft in den letzten
Jahren weitgehend durchgesetzt. Kaum ein ernstzunehmender Interpret
würde Martin Heideggers NS-Engagement heute noch als rein äußer-
liche Episode gänzlich von seinem Werk trennen und behaupten, es habe
nichts mit seinem Denken zu tun. Dennoch taugt die These einer völli-
gen Übereinstimmung von Heideggers Denken und seiner Zustimmung
zum Nationalsozialismus noch immer zum Skandal, wie zuletzt die De-
batte um das Buch von Emmanuel Faye gezeigt hat. Denn wie genau
Heideggers Philosophie und sein Eintreten für den Nationalsozialismus
miteinander verbunden waren, bleibt umstritten. Zumeist wird diese
Verbindung in ideologischen Übereinstimmungen gesucht, wie sie bei
Heidegger, etwa in seinem völkischen Denken und seinem Antisemitis-
mus, auch leicht zu finden sind. Immerhin hat er, wie aus vor kurzem
veröffentlichten Briefen an seine Frau Elfride hervorgeht, schon während
des Ersten Weltkriegs die »Verjudung unserer Kultur u. Universitäten«
(MH/EH, ) zu einem großen Übel erklärt und die »Notwendigkeit der
Führer« (ebd., ) postuliert.
Diese Art der inhaltlichen Affinität reicht für eine Erklärung von Hei-
deggers praktischem Engagement allerdings noch nicht aus. Dieter Tho-
mä hat unlängst darauf hingewiesen, dass ihm für dieses Engagement
 auch ein Konzept »für den Übergang von der Theorie zur Praxis« zur
Verfügung stehen musste. Von dieser Beobachtung aus, die an Hannah
Arendts Formulierung von der Flucht in die Handlung anknüpft, lässt
sich das Problem der Beteiligung vieler Intellektueller am Nationalsozia-
lismus auf eine neue Weise aufschlüsseln, die es zudem als ein genuin
intellektuellengeschichtliches Problem ausweist. Denn im Zentrum der

 Vgl. Faye, Heidegger; zur Debatte Celikates, Heidegger.


 Im Folgenden werden die Schriften von Martin Heidegger, Ernst Jünger und
Friedrich Georg Jünger nach den im Literaturverzeichnis aufgeschlüsselten
Autoren- und Jahressiglen zitiert. Die Jahreszahl nennt dabei jeweils das Jahr der
Entstehung oder Erstveröffentlichung, die Literaturangabe bezieht sich auf die
verwendete Ausgabe. Veröffentlichte Briefwechsel werden mit den Initialen der
beiden Briefpartner zitiert. Im Fall Ernst Jüngers wurde darauf verzichtet, die
zahlreichen Zeitschriftenartikel und Buchbeiträge der Jahre - einzeln zu
erfassen, da sie in der Edition der politischen Publizistik (EJ -) gesam-
melt und damit leicht zugänglich vorliegen. Diese frühen Schriften werden daher
stets nach dieser Edition zitiert. Gleiches gilt im Fall Heideggers für die im Band
 der Gesamtausgabe gesammelten Dokumente (MH -).
 Thomä, Dunkelkammer, S.  [Hervorhebungen stammen, wenn nicht anders
angegeben, immer aus dem Original].
 

allgemeinen Frage nach Rolle und (Selbst-)Bestimmung der Intellektu-


ellen in modernen Gesellschaften steht genau diese Frage nach der Ver-
mittlung von Theorie und Praxis oder von »Geist und Tat«, wie es in der
zeitgenössischen Diktion der ersten Hälfte des . Jahrhunderts hieß.
Der »Einsatz« für den Nationalsozialismus, so die erste These dieser Ar-
beit, bot einer bestimmten Gruppe von radikalkonservativen Intellek-
tuellen, die über einen ausreichenden Vorrat an ideologischen Überein-
stimmungen mit dem Nationalsozialismus verfügten, die heiß ersehnte
Möglichkeit, Geist und Tat unmittelbar miteinander kurzzuschließen
und das Vermittlungsproblem von Theorie und Praxis einseitig zugunsten
der Praxis zu lösen.
Es soll an dieser Stelle keine ausführliche Diskussion über den Begriff
des Intellektuellen geführt werden. Im Sinne einer Arbeitsdefinition lässt
sich der Intellektuelle aber als derjenige professionelle Ideenproduzent
und -träger bestimmen, der über die reine Wissensproduktion hinaus an
einem Transfer seiner Ideen in gesellschaftliche Praxis interessiert ist. Da-
mit verliert der Begriff zwar an Trennschärfe gegenüber dem des Exper-
ten, der für das . Jahrhundert in ähnlicher Weise prägend war. Er ge-
winnt aber an Funktionalität gegenüber einer normativen Definition,
die den Intellektuellen als Sprachrohr des Universalen und als kritischen
Gegenspieler der Macht auf bestimmte moralische und aufklärerische
Positionen festlegt. Gleichzeitig wird deutlich, dass es sich bei der klas-
sischen »Dichotomie von Macht und Geist« nicht um eine gänzliche
Trennung der Sphären handeln kann, sondern nur um eine relative Auto-
nomie des Intellektuellen innerhalb des Machtfelds. Der Intellektuelle
ist qua Definition als öffentlich Denkender und Sprechender immer
auch politisch Handelnder. Die Variation der verschiedenen (Selbst-)Ent-
würfe von Intellektuellen entsteht aus den unterschiedlichen Weisen, in
denen diese Vermittlung von Denken und Handeln konzeptionalisiert
und umgesetzt werden kann.
Vor dem Hintergrund dieser Definition erweist sich die auf Julien
Benda zurückgehende Rede vom »Verrat der Intellektuellen«, die in Be-
zug auf die Beteiligung von Intellektuellen am Nationalsozialismus und

 Vgl. etwa den berühmten Aufruf von Mann, Geist und Tat.
 Vgl. dazu Raphael, Verwissenschaftlichung.
 Vgl. zu einigen gängigen Definitionen Harth, Les Intellectuels; Hübinger, Die
europäischen Intellektuellen; zur Begriffsgeschichte Schlich, Geschichte(n).
 Lepsius, Kritik als Beruf, S. .
 Vgl. Hertfelder/Hübinger (Hg.), Kritik und Mandat, darin besonders die beiden
einführenden Beiträge der Herausgeber (S. -).
 

an anderen radikalen oder totalitären politischen Projekten des . Jahr-


hunderts häufig bemüht wird, als problematisch. Denn erstens setzt der
Begriff des Verrats eine normative Vorgabe voraus, eine Aufgabe, die ver-
raten werden kann. Benda sah diese Aufgabe der Intellektuellen in der
»Verteidigung ewiger und interessefreier Werte wie der Vernunft und der
Gerechtigkeit«. Zweitens ging Benda davon aus, dass sich die Intellek-
tuellen von jeglichen »politischen Leidenschaften« und damit von jeder
Art des politischen Engagements freihalten sollten. Damit entrückte
Benda die Intellektuellen aber zu weit von der Sphäre des Politischen, der
sie qua Selbstbeauftragung zu Sprechern übergeordneter Werte immer
schon angehören. Ihr Versagen, so ließe sich gegen Benda argumentieren,
bestand häufig genug in einem mangelnden Verständnis für die Gesetze
der politischen Sphäre, in der sie selbst agierten.
Mit Blick auf dieses Versagen hat der Begriff des »Verrats der Intellek-
tuellen« dennoch eine gewisse Berechtigung, auch wenn man nicht mit
einer normativen, sondern mit einer funktionalen Intellektuellendefi-
nition operiert. Denn der Verrat wurde nicht unbedingt an einem über-
geordneten Ideal begangen, sondern an der eigenen Rollenbestimmung.
Dies geht auf das »Dilemma der Selbstverleugnung« deutscher Intellek-
tueller zurück, das in besonderem Maße ein Problem der Rechtsintellek-
tuellen war. Der im Frankreich der Dreyfus-Affäre in seiner modernen
Bedeutung geprägte Begriff des »Intellektuellen« wurde in Deutschland
in erster Linie als ein Schimpfwort aufgegriffen und häufiger zur diffa-
mierenden Fremd- als zur affirmativen Selbstbeschreibung benutzt.
Auch linke Intellektuelle wie die »Aktivisten« um Kurt Hiller, die das
Tätigwerden des »Geistes« propagierten, nannten sich selbst nicht Intel-
lektuelle, sondern »Geistige«. Sie hielten damit aber an einem positiven
Begriff von geistiger Tätigkeit fest. Der »Hochverrat des Geistes gegen
den ›Geist‹« (EJ , ), den Ernst Jünger  ausrief, wurde dagegen
nur auf der radikalen Rechten propagiert.
Man muss nicht unbedingt so weit gehen, den Antiintellektualismus
als »für rechtes und konservatives Denken konstitutiv«  zu erklären. Das
radikale Denken der so genannten Konservativen Revolution der Zwi-

 Vgl. etwa Bergen/Pehle (Hg.), Denken im Zwiespalt. Lilla, Reckless Mind.


 Benda, Verrat, S. .
 Ebd., S. .
 Habermas, Geist und Macht, S. .
 Vgl. Bering, Die Intellektuellen.
 Vgl. ebd., S. -.
 Brunkhorst, Der Intellektuelle, S. .
 

schenkriegszeit zeichnete sich aber in besonderer Weise durch die Aporie


eines intellektuellen Antiintellektualismus aus. Es war daher gerade die
offene Intellektuellen- und Geistfeindlichkeit der nationalsozialistischen
Bewegung und ihre Gewaltförmigkeit, die sie für die Vertreter des anti-
bürgerlichen Radikalkonservatismus attraktiv machte. Der »neue Staat«
sei »gegen die Intellektuellen entstanden«, wie Gottfried Benn, selbst
nichts anderes als ein Intellektueller, im April  zustimmend feststell-
te. Die aktivistische Logik dieses konservativ-revolutionären Antiintel-
lektualismus, der die »Tat« vom »Geist« entkoppelte und zum alleinigen
Ideal erhob, wird im ersten Abschnitt des folgenden Kapitels noch ein-
mal genauer analysiert. Dabei wird auch der Begriff der Konservativen
Revolution ausführlich diskutiert.
Wenn es um die faschistische Intelligenz in Deutschland geht, wird
Ernst Jünger nicht weniger oft genannt als Martin Heidegger oder Carl
Schmitt, auch wenn er sich anders als Heidegger und Schmitt  nicht
aktiv am Aufbau des nationalsozialistischen Staates beteiligt hat. Seine
Zugehörigkeit zur Konservativen Revolution und zur radikalen Rechten
der Zwischenkriegszeit steht aber außer Frage. Die Gemeinsamkeiten
von Jünger und Heidegger lassen sich dabei genau auf der eben ange-
sprochenen Ebene des konservativen Tat-Denkens finden. Sie fallen aber
noch deutlicher ins Auge, wenn man sich im Sinne von Arendts Formu-
lierung nicht nur den Mechanismen zuwendet, die zur Unterstützung
des Nationalsozialismus – mit dem Jünger bis etwa  offen sympa-
thisierte – führten, sondern auch den Modi, in denen sich Jünger und
Heidegger von dieser Unterstützung ab Mitte der er Jahre wieder
distanzierten und in denen »das Gehandelthaben sie in das Denken zu-
rückzwang«. Auf diesen Modi der Abstandnahme von der »Tat« liegt
der zweite und eigentliche Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Wie
sich sowohl an der Entwicklung Jüngers wie an der Heideggers zeigen
lässt, vollzog sich diese Abstandnahme in Form einer Reformulierung des
Theorie-Praxis-Problems, d. h. einer Neukonzeptionalisierung der Rela-
tion von Geist und Tat. Während sie den meisten der ideologischen In-
halte, die sie als Teil der extremen Rechten auswiesen, treu blieben, ver-
abschiedeten Heidegger und Jünger ihren Aktivismus mehr oder weniger
freiwillig während der er Jahre und kultivierten seit dieser Zeit
Denkhaltungen der Abgewandtheit und Passivität.
Diese Entwicklung lässt sich als Parallelentwicklung beschreiben, die
Jünger und Heidegger von anderen Vertretern der extremen Rechten un-

 Benn, Der neue Staat, S. .


 Arendt, Vergangenheit, S. .
 

terschied. Sie fand allerdings nicht nur parallel, sondern auch im direkten
Austausch statt. Martin Heidegger bezog sich während seiner Zeit als
Rektor der Freiburger Universität / zustimmend auf Ernst Jüngers
militante Schriften und insbesondere seinen Großessay »Der Arbeiter«
von , den Heidegger zur Unterstützung seiner Forderung nach einem
studentischen Arbeitsdienst anführte. Ende der er Jahre setzte sich
Heidegger in einer intensiven Lektüre erneut mit Jüngers »Arbeiter« aus-
einander und nutzte diese Auseinandersetzung nun zur Formulierung
einer Kritik an dem aktivistischen Voluntarismus, den er / selbst
propagiert hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten Jünger und Hei-
degger schließlich in eine persönliche Beziehung, tauschten Briefe und
Festschriftenbeiträge und waren durch ein weites Beziehungsnetzwerk
von Personen und Institutionen miteinander verbunden.
Wendet man seine Aufmerksamkeit diesem Beziehungsnetzwerk zu,
kommt auch Ernst Jüngers jüngerer und weniger bekannte Bruder Fried-
rich Georg in den Blick. Der Dichter und Essayist Friedrich Georg Jünger
war seinem Bruder Ernst und dessen Denkentwicklung eng verbunden.
Während der er Jahre propagierte er wie dieser einen revolutionären
Nationalismus und huldigte demselben Voluntarismus der Tat.  zog
er sich wie Ernst aus Berlin und dem politischen Aktivismus zurück. Seit
Mitte der er Jahre schrieb er eine lange Reihe kulturpessimistischer
und modernekritischer Essays, die ihn auch in die Nähe Heideggers
rückten. Diesen lernte er noch vor seinem Bruder persönlich kennen und
setzte sich auch mit dessen philosophischen Schriften intensiver ausein-
ander. Besonders die von beiden formulierte Technikkritik war jeweils
durch den anderen beeinflusst.
Diese Technikkritik nimmt in der hier interessierenden intellektuellen
Entwicklung einen zentralen Stellenwert ein. Denn die Auseinanderset-
zung mit der Technik als einem System des Produzierens und Arbeitens
diente sowohl Heidegger wie beiden Brüdern Jünger als Möglichkeit ei-
ner verdeckten Auseinandersetzung mit dem Problem des Handelns und
damit mit dem eigenen Voluntarismus der Tat. Zudem nahm sie ihren
Ausgang für alle drei von Ernst Jüngers »Arbeiter«, der als Dokument des
konservativ-revolutionären Tat-Denkens zugleich den Entwurf eines
technokratischen Machtstaats darstellte. Friedrich Georg Jüngers 
geschriebener und  erstmals veröffentlichter Essay »Die Perfektion
der Technik« kann als eine direkte Antwort auf und partielle Revision
von Ernst Jüngers »Arbeiter« und damit auch als Dokument einer
»Selbstkritik der Rechten« gelesen werden. Diese Technikkritik sowie

 Breuer, Gesellschaft des Verschwindens, S. .


 

besonders Ernst Jüngers »Arbeiter«, der für die intellektuelle Dreiecksbe-


ziehung von Heidegger und den Brüdern Jünger der zentrale Ausgangs-
text war, werden daher in dieser Studie ausführlich behandelt.
Die Technikkritik verknüpfte sich darüber hinaus mit einer Debatte
um den Begriff des Nihilismus, wie sie zwischen Ernst Jünger und Martin
Heidegger in ihren jeweiligen Festschriftenbeiträgen  und  geführt
wurde. Auch die Nihilismuskritik diente der verdeckten Revision der ei-
genen Vergangenheit als »Nihilisten der Tat«. Indem die vorliegende
Untersuchung Friedrich Georg Jünger in die Analyse dieser Auseinander-
setzung zwischen Ernst Jünger und Martin Heidegger integriert, korri-
giert sie eine doppelte Schieflage der bisherigen Forschungsdiskussion,
denn sowohl für Ernst Jünger wie für Heidegger ist die Bedeutung des
intellektuellen Austauschs mit Friedrich Georg Jünger bisher nicht hin-
reichend berücksichtigt worden.
Der Wandel Heideggers und beider Brüder Jünger vom Voluntaris-
mus der Tat zum Attentismus der von Heidegger nach  propagierten
»Gelassenheit« ist zugleich als Teilgeschichte der Transformation des deut-
schen intellektuellen Konservatismus im . Jahrhundert zu verstehen.
Jerry Z. Muller hat in seiner biographischen Studie über Hans Freyer, der
eine ganz ähnliche Entwicklung durchlaufen hat wie Heidegger und die
Brüder Jünger, für den Wandel vom Radikalkonservatismus der Zwi-
schenkriegszeit zum gemäßigten Konservatismus der Bundesrepublik
den Begriff der »Deradikalisierung« vorgeschlagen. Er hat zudem deut-
lich gemacht, dass der zentrale Auslöser dieser Deradikalisierung die Des-
illusionierung der konservativ-revolutionären Intellektuellen angesichts
des sich durchsetzenden Totalitarismus des »Dritten Reichs« war, den zu
etablieren sie zwar mit geholfen hatten, der ab Mitte der er Jahre aber
gut ohne sie auskam und sie zu ihrem teils gewollten, teils unfreiwilligen

 Weyergraf, Konservative Wandlungen, S. .


 Innerhalb der engeren Ernst-Jünger-Forschung hat sich das in den letzten Jahren
langsam zu ändern begonnen; vgl. Beltran-Vidal, Brüder. Armin Mohler hat
schon  an Ernst Jünger geschrieben, er halte »eine Darstellung Ihres Werkes,
die nicht zugleich auch das Werk Ihres Bruders umfaßt, [für] fragmentarisch«
(A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach). Umgekehrt
schrieb Ernst Jünger  an Mohler in Bezug auf seinen Bruder: »Es ist aber
merkwürdig für zwei Menschen, die sich identisch fühlen und ihr ganzes Leben
lang gefühlt haben, wenn man sie einer gesonderten und damit sondernden
Betrachtung unterzieht.« (E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA
Marbach) Die intellektuelle Beziehung von Friedrich Georg Jünger zu Martin
Heidegger ist bisher nur in ersten Ansätzen untersucht worden.
 Muller, Other God.
 

Rückzug zwang. Tatsächlich lässt sich auch für Heidegger und die Brüder
Jünger von einer Deradikalisierung sprechen. Allerdings erlaubt die Per-
spektive auf die Geist-Tat-Problematik eine etwas genauere Konturie-
rung der Bewegung von Radikalsierung und Deradikalisierung des intel-
lektuellen Konservatismus. Denn deradikalisiert haben sich Heidegger
und die Brüder Jünger nur im Hinblick auf ihren Aktivismus. Inhaltlich
blieben sie vielen ihrer vormaligen Positionen treu.
Hierin liegt ein grundlegender Unterschied zwischen Heidegger und
den Brüdern Jünger einerseits sowie anderen Konservativen wie Hans
Freyer oder auch Arnold Gehlen andererseits. Freyer hat von einigen
radikalen Positionen seines Denkens der Zwischenkriegszeit Abschied
genommen und sich nach  mit der demokratischen Ordnung der
Bundesrepublik abgefunden, gleichzeitig aber an seinem Anspruch täti-
ger Teilhabe am politischen Leben festgehalten. Bei Heidegger und den
Brüdern Jünger, so lässt sich etwas vereinfacht sagen, verhielt es sich ge-
rade umgekehrt: Sie waren in ihrem Denken seit Mitte der er Jahre
und in der Nachkriegszeit nicht unbedingt weniger radikal als während
der er Jahre und blieben auch nach  strikte Antidemokraten,
zogen sich aber aus der Sphäre des Politischen mehr und mehr zurück.
Zwar hielten auch sie durchaus an dem Anspruch fest, durch ihr Denken
wirken zu wollen und Gefolgschaft zu erzeugen. Diese Idee der Wirkung
war aber nicht mehr auf konkrete politische Veränderungen gerichtet,
sondern auf ein Jenseitiges der Politik.
Diese Dimension des Jenseitigen verweist auf die religiöse, d. h. ge-
nauer apokalyptische Struktur ihres Denkens, die schon ihren Akti-
vismus der er und frühen er Jahre prägte, aber auch danach in
veränderter Gestalt erhalten blieb. Diese Apokalyptik bestand in einer
manichäischen Zweiweltenlehre, nach der die – in Abwandlung von Hei-
deggers Terminologie – »uneigentliche« Jetztzeit durch eine »eigentliche«
Zukunft ersetzt werden sollte. Während ihres politischen Aktivismus
sollte der Umschlag von der Eigentlichkeit zur Uneigentlichkeit durch
die erlösende Tat herbeigeführt werden. Nach dem Abschied von dieser
Idee der Tat sollte der Zustand der Eigentlichkeit dann nicht mehr aktiv
erzeugt, sondern passiv erwartet werden. Gleichzeitig wandelte sich die
Naherwartung der »neuen Zeit« zu einer Fernerwartung, nach der die
Gegenwart noch »lange nicht reif zu einem anderen Anfang« (MH /
, ) sei.

 Vgl. Bielefeld, Ausgangslage.


 Heinz Dieter Kittsteiner spricht in diesem Zusammenhang von Heideggers
»Gnosis«; vgl. Kittsteiner, Mit Marx, S. .
 

Man kann in Bezug auf Heidegger und die Brüder Jünger also durch-
aus von einem Unterschied in der Apokalyptik nach den beiden Welt-
kriegen sprechen, aber nicht unbedingt von einem »Abschied von der
Utopie«, wie ihn Paul Nolte für das Nachkriegsdenken allgemein konsta-
tiert. Vor allen Dingen aber leisteten Heidegger und die Brüder Jünger
keinen Beitrag zu einer nüchterneren und demokratischen Nachkriegs-
rechten, wie Jeffrey Herf irrtümlich annimmt. Die Liberalisierung des
bundesrepublikanischen Konservatismus ging von anderen intellektuel-
len Kräften aus. Politisch relevant wurden Heidegger und Ernst Jünger
nach  in erster Linie als »Vordenker der Neuen Rechten«. Ihre Vor-
denkerschaft war dabei allerdings nicht unvermittelt und konfliktfrei,
wie an der Beziehung Ernst Jüngers zu Armin Mohler zu sehen ist. Dieser
Beziehung ist im Kapitel  ein eigener Abschnitt gewidmet.
Armin Mohlers Kritik des »Gärtner-Konservatismus«, die auch seine
ehemaligen Mentoren Ernst und Friedrich Georg Jünger traf, lenkt den
Blick dabei noch auf einen weiteren Transformationsprozess innerhalb
des Konservatismus von Heidegger und den Brüdern Jünger. Michael
Großheim unterscheidet in einer wichtigen Studie Ökologie und Tech-
nokratie als die beiden grundlegenden Spielarten des Konservatismus in
der Moderne und untersucht Ernst Jünger als prototypischen Vertreter
des technokratischen Modells, während Martin Heidegger als Vertreter
des ökologischen Denkens erscheint. Entscheidend ist aber gerade, dass
sich Ernst Jünger ebenso wie sein Bruder Friedrich Georg beim Abschied
von der Tat auch vom technokratischen zum ökologischen Denker wan-
delte. Für alle drei gilt, dass ihr Voluntarismus der Tat unter dem Zeichen
der Destruktion stand, während ihr späteres Denken Formen des Bewah-
rens und Hütens befürwortete. Galt ihnen der Erste Weltkrieg als »Auf-
takt einer gewaltmäßigen, bewaffneten Zeit« (FGJ a, ), so propa-
gierte Ernst Jünger schon vor Ende des Zweiten Weltkriegs den »Frieden«
(EJ ). Hatte Ernst Jünger in der »Totalen Mobilmachung« von 
die »wachsende Umsetzung des Lebens in Energie« (EJ a, ) ausge-
rufen, so bemühte er sich nach dem Zweiten Weltkrieg, »umzukehren zu
ruhigerer Bahn« (EJ /, ). Hatte sich Friedrich Georg Jünger 

 Vgl. dazu Rabinbach, Shadow, S. .


 Nolte, Ordnung, S. .
 Vgl. Herf, Belated Pessimism, S. .
 Vgl. etwa Hacke, Philosophie; König, Masse.
 Vgl. Lenk/Meuter/Otten, Vordenker, S. -.
 Mohler, Konservativ , S. .
 Vgl. Großheim, Ökologie.
 

gegen die »zersetzenden Ausschweifungen der alles vernichtenden Skep-


sis« (FGJ a, ) gewandt, so gab er  Jahre später selbst eine Zeit-
schrift »für skeptisches Denken« (FGJ ) heraus.
Beim Blick auf diese Veränderungen fällt auf, dass die späteren Posi-
tionen des Bewahrens, der Ruhe und der Skepsis näher am traditionellen
Konservatismus lagen als der Radikalismus der Weimarer Zeit. Tat-
sächlich lässt sich argumentieren, dass gerade die Verabschiedung ange-
stammter Grundsätze dem Konservatismus der Zwischenkriegszeit zum
Verhängnis geworden ist. Die Rückkehr zu klassisch konservativen Posi-
tionen war dann, wie schon gesagt, in vielem der Desillusionierungs-
erfahrung des Nationalsozialismus geschuldet. Allerdings war sie nicht
erst ein Ereignis der Nachkriegszeit. Die Desillusionierung setzte schon
vor der Niederlage im Krieg und auch vor der Ausweitung der Kriegsver-
brechen und der Ermordung der europäischen Juden ein, so zentral diese
beiden Elemente für die weitere Entwicklung des Konservatismus nach
 waren. Am Beispiel Heideggers und der Brüder Jünger lässt sich
zeigen, dass der Abschied von der Tat schon während der er Jahre
und unter den Bedingungen der »inneren Emigration« begonnen hat.
Gleichwohl wird im Verlauf der Untersuchung genau zu prüfen sein,
welche Bedeutung die Erfahrung des Krieges und des »Zivilisations-
bruchs«  von Auschwitz für die Abstandsbewegungen Heideggers und
der Brüder Jünger von ihrer eigenen Propaganda der Tat hatte.

Ansatz und Methode

Auch wenn die Denkentwicklung Heideggers und der Brüder Jünger also
im genannten Sinn als Fallbeispiel für die Transformation des intellektu-
ellen Konservatismus verstanden werden soll, liegt der Schwerpunkt die-
ser Untersuchung doch auf den internen Umbildungen ihres Denkens.
Wolfgang Matz hat in einem knappen Blick auf Ernst Jünger und Martin
Heidegger nach  bereits festgestellt, dass bei beiden die »internen
Wandlungen der gedanklichen Konzeptionen« auch auf das »Scheitern
der konservativen Revolution« zurückzuführen waren. Die Auseinan-

 Michael Großheim spricht für die Jahre  bis  von einer »Achsenzeit«
(Großheim, Ökologie, S. ) des deutschen Konservatismus im . Jahrhundert,
geht in seiner Arbeit, die eher an Typologien interessiert ist, aber nicht näher auf
diese historische Transformationsphase ein.
 Diner (Hg.), Zivilisationsbruch.
 Matz, Katastrophe, S. .
 

dersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit sei aber bei


beiden »von Ausweichen gekennzeichnet« und »nur intern in den Wand-
lungen [des] theoretischen Gedankengebäudes zu finden«. Um diese
internen Wandlungen wird es im Folgenden hauptsächlich gehen. Die
Historisierung des Denkens erfolgt also nicht nur und nicht in erster Li-
nie durch eine Kontextualisierung, d. h. durch eine Einordnung in das
allgemeine politische und intellektuelle Geschehen der Zeit, sondern vor
allen Dingen durch den Aufweis seiner eigenen Historizität.
Diese Blickrichtung folgt in gewisser Hinsicht der schon von Jürgen
Habermas formulierten Frage, »wie der Faschismus in Heideggers Theo-
rienentwicklung selbst hineingespielt hat«, die hier auch in Bezug auf
die Brüder Jünger gestellt werden soll. Eine ähnliche Perspektive, die
nicht nach der Rolle der Intellektuellen im Nationalsozialismus, sondern
nach der Bedeutung des Nationalsozialismus im Denken und Handeln der
Intellektuellen fragt, hat auch Wolfgang Bialas vorgeschlagen. Pierre
Bourdieu hat schon vor dreißig Jahren durch eine »Doppellektüre«  von
Philosophie und Politik die konservativ-revolutionären Ideologiegehalte
in Heideggers Philosophie nachgewiesen.
Die hier angestrebte Historisierung zielt aber noch in eine etwas andere
Richtung. Sie ist stärker an einer Chronologie des Denkens interessiert,
d. h. an der Abfolge von Heideggers und Ernst und Friedrich Georg Jün-
gers Texten, die, so die Annahme, jeweils auf ihre Vorgängertexte reagier-
ten und diese fort- bzw. umschrieben. Dieter Thomä hat in seiner für
diese Arbeit wegweisenden Heidegger-Studie dafür den Begriff der »Text-
geschichte« verwandt und von der »ständigen Korrektur und Selbstkor-
rektur der Texte« gesprochen, die in ihrer Gesamtheit »das Drama einer
Selbstverständigung« bildeten, wobei der dabei entstehende »Denkweg«
kein linear vorgezeichneter sei, sondern sich schrittweise aus den eigenen
Aporien und Leerstellen fortentwickle. Dieser Ansatz soll hier aufge-
griffen und im Sinne einer denkbiographischen Methode weiterentwickelt
werden. Dafür wird der Begriff der »biographischen Strategie«, wie ihn
Gabriele Rosenthal im Kontext eines Oral-History-Projekts zur »Gegen-
wärtigkeit des ›Dritten Reiches‹ in Biographien« verwandt hat, aus der
Biographieforschung entlehnt. Mit Biographie ist dabei nicht die Erzäh-

 Ebd., S. .
 Habermas, Diskurs, S. .
 Vgl. Bialas, Nationalsozialismus; ähnlich auch Oexle, Zusammenarbeit.
 Bourdieu, Politische Ontologie, S. .
 Thomä, Zeit des Selbst, S. .
 Rosenthal, Zweiter Weltkrieg, S. .
 

lung eines fremden Lebens gemeint, sondern die kontinuierliche Fort-


schreibung des eigenen Lebens, die als ein »sich selbst konstituierendes
System von Bedeutungen« die »Identität der Person im Durchgang durch
die verschiedenen Positionen im sozialen Raum und im Wechsel der bio-
graphischen Zustände« sichern soll. Anders gesagt: Biographien sind
autopoietische »Selbstfestlegungsgeschichten« , die der Konstruktion
von Identität dienen. Biographische Strategien zielen im Sinne dieser
Selbstfestlegungsgeschichten auf die Sicherung von Kohärenz über bio-
graphische und historische Brüche hinweg.
Die »Verwandlungszone« der Nachkriegszeit war in diesem Sinn für
die Mehrheit der deutschen Bevölkerung eine biographische Krisensitu-
ation, in der es darum ging, »die gesellschaftliche Neubewertung von
Identitätsentwürfen und den auf ihnen basierenden Biographien der
eigenen Lebensgeschichte anzuverwandeln«. In diesem »Laboratorium
der Selbstbehauptung« waren für die durch ihre Nähe zum National-
sozialismus in spezifischer Weise belasteten Rechtsintellektuellen auch
spezifische biographische Strategien erforderlich. Diese biographische
Selbstbehauptung unter Bedingungen der politischen Defensive wird in
den ersten beiden Abschnitten des vierten Kapitels genauer analysiert.
Nun ist aber bereits gesagt worden, dass die eigentliche Umbruch-
phase im Denken der konservativen Revolutionäre nicht erst in die
Nachkriegszeit fiel, sondern schon in die er Jahre. Tatsächlich soll im
Folgenden argumentiert werden, dass der biographische Krisenmoment,
der Strategien der Abstandnahme vom eigenen NS-Engagement notwen-
dig machte, nicht in erster Linie im Umbruch des Kriegsendes und dem
Ende des »Drittten Reichs« lag, sondern im Scheitern der eigenen politi-
schen Ambitionen zu Beginn der er Jahre. Schon  gab Martin
Heidegger in einem Brief an Karl Jaspers relativ freimütig zu, dass es mit
dem »Misslingen des Rektorats« genug an solchem gäbe, »was wirklich
überwunden sein möchte« (MH/KJ, ). Ernst Jünger schrieb dann
nach dem Zweiten Weltkrieg: »Die Ausdeutung der jüngsten Vergangen-
heit ist daher eine Lebensfrage für uns. Wir müssen sie in uns austragen.«
(EJ a, ) Diese Ausdeutung und Überwindung vollzog sich aller-

 Bude, Lebenskonstruktionen, S. .


 Nassehi, Form der Biographie, S. .
 Schneider, Identität, S. .
 Laak, Soziologie, S. .
 Vgl. dazu auch Laak, Nach dem Sturm; ders.: Trotz.
 Vgl. zum Scheitern Zahlmannn, Sprachspiele; für Jünger auch Martus, Schei-
tern.
 

dings nicht als ein offener Prozess, sondern, wie Jürgen Habermas in Be-
zug auf Heidegger geschrieben hat, als »Prozeß einer eigentümlich unein-
sichtigen Enttäuschungsverarbeitung« .
Die beiden Kernthesen der vorliegenden Arbeit lauten also erstens,
dass die Teilnahme an der nationalsozialistischen Politik für die hier inte-
ressierenden Rechtsintellektuellen durch die Hoffnung motiviert war,
das Vermittlungsproblem von »Geist« und »Tat« einseitig zu Gunsten der
Tat lösen zu können, und zweitens, dass das Scheitern dieser Hoffnung
den Prozess einer denkbiographischen Abstandnahme einleitete, der ihre
weitere intellektuelle Entwicklung steuerte und in dieser zu einer Refor-
mulierung des Geist-Tat-Problems führte, das nun einseitig zu Gunsten
des Geistes gelöst werden sollte.
Die grundlegende theoretische Frage, ob man jedes Werk eines Schrift-
stellers oder Philosophen in dieser Weise biographisch lesen und dadurch
implizit der Forderung nach Kohärenz unterwerfen darf, kann hier nicht
beantwortet werden. Im Falle von Martin Heidegger und Ernst Jünger
scheint mir dieses Verfahren aber durch deren eigenes Selbstverständnis
als »Denker« und »Autor« gedeckt zu sein. Von Heidegger ist der selbst
auferlegte Zwang zur denkbiographischen Kohärenz im Wintersemester
/ formuliert worden: »Das Wesentliche einer Philosophie ist, daß
sie von Anfang an bis zu ihrem Ende dieselbe ist.« (MH /, )
Schon in »Sein und Zeit« von  hatte er die »Treue der Existenz zum
eigenen Selbst« (MH , ) als wesentliches Merkmal des eigentlichen
Daseins charakterisiert. Nach  war die Behauptung, sich durch alle
Veränderungen hindurch treu geblieben zu sein, dann ein Kernelement
der biographischen Strategien sowohl Heideggers wie beider Brüder Jün-
ger. Ernst Jünger schloss den Selbstwiderspruch schon  definitorisch
aus, indem er schrieb: »Ich widerspreche mir nicht – das ist ein zeitliches
Vorurteil. Ich bewege mich vielmehr durch verschiedene Schichten der
Wahrheit, von denen die jeweils höchste sich die anderen unterstellt.«
(EJ /, f.)
Dieses Selbstverständnis schloss eine offene Konversion oder auch nur
das Eingeständnis eines grundlegenden Irrtums von vorneherein aus. Der
Wandel des eigenen Denkens, der weder von Heidegger noch von Jünger
geleugnet wurde, musste daher zu einem aus sich heraus erklärbaren
»Denkweg« stilisiert werden, der nicht durch ein Scheitern, sondern nur
durch ein kontinuierliches Fortschreiten gekennzeichnet sein durfte.
Dass dieses Fortschreiten gleichwohl nicht ganz geradlinig verlief, wurde

 Habermas, Heidegger, S. .


 Vgl. dazu Scheuer, Gestalt.
 

von Heidegger selbst durch den Begriff der »Kehre« reflektiert, die den
Übergang seines Denkens »vom Seinsverständnis zu Seinsgeschehnis«
(MH , ) kennzeichnen sollte. Heideggers Begriff der »Kehre« ist
dabei auf doppelte Weise schillernd, da diese Kehre erstens an verschiede-
nen Stellen unterschiedlich datiert wird und zweitens nicht nur eine Ver-
änderung in Heideggers Denken, sondern auch einen Vorgang im Sein
selbst bezeichnen soll. Mit Dieter Thomä wird hier davon ausgegangen,
dass es im Denken Heideggers nicht eine einzige, klar datierbare Kehre
gab, sondern mehrere unterschiedliche Entwicklungsschritte. Entschei-
dend ist, dass Heidegger auch dort, wo er von seiner Kehre sprach, wie
im »Brief über den ›Humanismus‹« von , stets bemüht war, seine
Frühphilosophie von »Sein und Zeit« zum eigentlich Anfang des späten
Seinsdenkens zu erklären und dadurch die tatsächlichen Brüche in sei-
nem Denken während der er Jahre gerade zu verdecken.
Ernst Jünger reflektierte die Zusammengehörigkeit des Gegensätzlichen
in seinem Werk in ähnlicher Weise unbescheiden wie Heidegger, indem
er von seinem Alten und Neuen Testament sprach: »Das Verhältnis von
Schriften wie etwa der ›Totalen Mobilmachung‹ oder ›Der Arbeiter‹ zu
anderen wie ›Gärten und Straßen‹ oder ›Der Friede‹ gleicht dem von
Altem und Neuem Testament – erst ihre Zuordnung schafft die Dimen-
sionen, innerhalb deren ich begriffen werden will.« (EJ/GN, ) Dieses
Zitat stammt zwar von . Die gleiche Formulierung findet sich aber
auch schon während des Krieges.
Auch wenn Ernst Jünger insgesamt etwas gelassener mit seinen Selbst-
widersprüchen umging als Martin Heidegger, lässt sich bei beiden doch
argumentieren, dass ihr Bemühen um Kohärenz und ihre zwanghafte
Vermeidung von Eingeständnissen der Diskontinuität ihre Denkentwick-
lung in einer Weise steuerten, die sie selbst nicht immer kontrollieren
konnten. Hannah Arendt bemerkte dazu, Heidegger sei »seinem eigenen

 Vgl. Rosales, Problem der Kehre; ders.: Heideggers Kehre; eine gute Übersicht
über die verschiedenen Bedeutungen gibt Ziegler, Verhältnis, S. -.
 Vgl. Thomä, Stichwort Kehre.
 So schrieb Ernst Jünger am . September  an Edgar Traugott: »Die Bücher
über den ersten Weltkrieg, den Arbeiter, die Totale Mobilmachung und zum Teil
noch den Aufsatz über den Schmerz möchte ich als mein Altes Testament be-
zeichnen – als Übergang zum Neuen betrachte ich die kleine Vision ›Sicilischer
Brief an den Mann im Mond‹.« (Zit. n. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. )
  schrieb er an Armin Mohler: »Sie müssen ja einen Standpunkt oder Standort
haben, im Gegensatz etwa zu mir, der ich durch eine Reihe von Verhaltensweisen
hindurchgehe und andere, mögliche, schildere.« (E. Jünger an A. Mohler, ..,
A: Jünger, DLA Marbach)
 

Denken (oder was immer das ist) irgendwie hilflos ausgeliefert«. Den
Fort- und Umschreibungen des Denkens von Heidegger und beiden
Brüdern Jünger nach dem Scheitern der politischen Ambitionen um 
und unter den Bedingungen dieser Selbstauslieferung an die Forderung
nach denkbiographischer Geschlossenheit geht die vorliegende Unter-
suchung im Folgenden nach. Da diese Umschreibungen auch in einem
»semantischen Umbau«  bestanden und an den »sich wandelnden
Sprachqualitäten«  der Texte von den er bis in die er Jahre er-
kennbar werden, besteht ein großer Teil der Untersuchung in einer ge-
nauen Lektüre der Heideggerschen und Jüngerschen Texte, deren innere
Historizität durch das hier skizzierte Verfahren der denkbiographischen
Rekonstruktion aufgewiesen werden soll.
Dieser Umgang mit den Primärtexten bedarf vor allen Dingen in Be-
zug auf Heidegger einer weiteren Bemerkung. Günther Anders hat seiner
ab  geführten Auseinandersetzung mit Heideggers Spätphilosophie
die Frage vorangestellt, ob, wer über Heidegger schreibt, auch sein Voka-
bular übernehmen dürfe. Wer es unreflektiert tue, so Anders, lasse sich
damit schon zu sehr auf Heidegger ein und laufe Gefahr, »die Welt durch
H.s Augen« zu sehen. Wer aber versuche, Heideggers »eigentümliche
Metaphysik […] in anderer Terminologie mitzuteilen«, laufe Gefahr, ge-
rade das Eigentümliche dieser Metaphysik zu verfehlen, das in hohem
Maße in ihrer Sprache und ihrer Sprachkritik liege. Es bleibt also nichts
anderes, als die Gratwanderung zu versuchen, bei einer genauen Rekon-
struktion von Heideggers Texten seine Terminologie wiederzugeben und
zugleich zu übersetzen. Vor allen Dingen geht es aber darum, die beson-
dere Funktion zu zeigen, die Heideggers »Sprach-Esoterik« zukam. Denn
schon Günther Anders hatte den Verdacht, dass diese Sprachesoterik
»selbst eine für das heutige geistig-soziale Leben charakteristische Er-
scheinung ist; und daß seine Sprache esoterischer ist, als die Sache, die
diese Sprache auszusagen oder zu verhüllen sucht.« »Wenn das der Fall
sein sollte,« so Anders weiter, »könnte ein Versuch, ihn zu übersetzen
(obwohl gewiß nur partiell durchführbar) vielleicht in überraschendem
Maße deutlich machen, wie eng sein Philosophieren mit anderen Bewe-
gungen dieser Zeit verwandt ist.«

 Arendt/Blücher, Briefe, S. .


 Bollenbeck/Knobloch (Hg.), Semantischer Umbau.
 Habermas, Profile, S. . Habermas nennt neben Heidegger Gottfried Benn,
Ernst Jünger und Carl Schmitt als Beispiele für die sprachliche »Zurücknahme
aus dem Engagement« (ebd.).
 Anders, Über Heidegger, S. .
 Ebd.
 

Diese Verwandtschaft wird im Folgenden nicht nur durch den Ver-


gleich mit der Denkentwicklung der Brüder Jünger herausgearbeitet,
sondern auch durch die Einbettung aller drei Denker in ihren unmittel-
baren kommunikativen und intellektuellen Kontext. Die Untersuchung
orientiert sich dabei zugleich an neueren Ansätzen der Intellektuellen-
geschichtsschreibung, die, in Abkehr von der Ideengeschichte großer
Denker, den Schwerpunkt auf die kommunikative Herstellung und Ver-
breitung von Ideen in intellektuellen Netzwerken legen. Solche Ansätze
finden sich etwa in der von Dieter Henrich angestoßenen »Konstella-
tionsforschung« oder in der französischen Intellektuellenforschung, wie
sie unter anderem von Pascal Ory, Jean-François Sirinelli oder Michel
Winock betrieben wird. Besonders Jean-François Sirinelli hat die Ana-
lyse von »structures de sociabilité« intellektueller Milieus in den Mittel-
punkt seiner Arbeit gestellt. Die Gruppenstruktur der Netzwerke um
Heidegger und die Brüder Jünger, die auch Einfluss auf ihre Denkent-
wicklung hatte, wird besonders im vierten und fünften Kapitel näher
untersucht.

Forschungs- und Quellenlage

Sowohl zu Martin Heidegger wie zu Ernst Jünger existiert eine breite und
weit verzweigte Forschungsliteratur. Die »Heidegger-Debatte« im engeren
Sinn konzentrierte sich von Anfang an auf sein Verhalten während des
»Dritten Reichs« und die Bedeutung seines NS-Engagements für seine
Philosophie. Während über diesen Zusammenhang sowohl in Frank-
reich wie in Deutschland schon unmittelbar nach dem Krieg und dann
noch einmal in den er Jahren öffentlich gestritten wurde, war es 
vor allen Dingen die französische Veröffentlichung von Victor Farías’
Studie über Heidegger und den Nationalsozialismus, die zu einer Hoch-
konjunktur der Heidegger-Debatte führte. Einerseits entstand im Rah-

 Vgl. zur neueren intellectual history in diesem Zusammenhang Morat, Intellektu-


elle; Prehn, Deutungseliten.
 Vgl. Mulsow/Stamm (Hg.), Konstellationsforschung.
 Vgl Beilecke, Anmerkungen; ders., Netzwerke; als Beispiel aus dem deutschen
Kontext Faber/Holste (Hg.), Kreise.
 Vgl. Sirinelli, Intellectuels; ders./Ory, Intellectuels.
 Vgl. Farías, Heidegger. Dieter Thomä hat in seinem Kommentar zur jüngsten
französischen Debatte um Emmanuel Faye unlängst auf die erstaunliche Regel-
mäßigkeit hingewiesen, mit der die politischen Debatten um Heidegger im
 

men dieser Debatte eine Reihe geschichtswissenschaftlicher Arbeiten, die


gründlicher als Farías die historischen Umstände von Heideggers Rektorat
in den Jahren / sowie seines universitären Bereinigungsverfahrens
nach Kriegsende rekonstruierten. An erster Stelle sind hier die Arbeiten
der Freiburger Historiker Hugo Ott und Bernd Martin zu nennen. An-
dererseits provozierte Farías vor allem in Frankreich eine erhitzte Debatte
weniger über die historischen Details als über die Frage, inwiefern Hei-
deggers Philosophie durch sein NS-Engagement diskreditiert sei oder
nicht.
Diese französische Debatte, die hier nicht im Detail rekonstruiert wer-
den muss, hat unterm Strich wenig historische Erkenntnis zu Tage geför-
dert und zielte vielfach auch gar nicht auf eine solche, sondern auf eine
Kritik oder Verteidigung des Einflusses, den Heideggers Denken auf die
französische Nachkriegsphilosophie von Michel Foucault über Jacques
Derrida bis zu Jean-François Lyotard ausgeübt hat. In veränderter Form
hat sich diese Debatte im Anschluss an die Veröffentlichung von Emma-
nuel Faye im Frühjahr  reproduziert, wobei Faye für sich in An-
spruch nimmt, den Nachweis von Heideggers »Einführung des National-
sozialismus in die Philosophie« nun auf einer breiteren Quellenbasis zu
führen als Farías. Tatsächlich kann sich Faye nicht nur auf eine Reihe
von in den letzten Jahren im Rahmen der Gesamtausgabe erschienenen
Vorlesungsmanuskripten der er Jahre stützen, die auch in dieser Ar-
beit herangezogen werden, sondern zudem auf unveröffentlichte Semi-
narmitschriften von  bis . Allerdings fördert seine auf ein fran-
zösisches Publikum gerichtete Studie für den deutschen Leser wenig
substantiell Neues zu Tage, verärgert aber durch viele Ungenauigkeiten
und historische Vereinfachungen.
Im Unterschied dazu hat die Heidegger-Debatte in den USA eine Reihe
von historisch kontextualisierenden Arbeiten hervorgebracht, die ohne
falsche Vereinfachungen dem inneren Zusammenhang von Heideggers

-Jahres-Rhythmus wiedergekehrt sind, wobei sich auch viele der inhaltlichen


Argumente wiederholt haben; vgl. Thomä, Alle zwanzig Jahre.
 Die früheren Arbeiten zusammenfassend: Ott, Unterwegs; daneben auch ders./
Grün, Rektorat; Martin (Hg.), Kompendium; ders.: Universität im Umbruch;
Schramm/Martin (Hg.), Martin Heidegger; dazu Rockmore, Geschichtliche Kehre.
 Vgl. die Dokumentation in Altwegg (Hg.), Heidegger Kontroverse.
 Vgl. als Überblicke, die auch ältere Heidegger-Kontroversen in Frankreich auf-
greifen, Wolin, French Heidegger Wars; Rockmore, French Connection; Jani-
caud, Heidegger en France.
 Vgl. Faye, Heidegger, S. .
 Vgl. für eine genauere Kritik Meyer, Denker für Hitler.
 

Philosophie und seinem Nationalsozialismus nachgegangen sind. Dar-


unter sind insbesondere die Studien von Richard Wolin und Tom Rock-
more zu nennen, die beide auch Dokumentations- und Sammelbände
zur »Heidegger Controversy« herausgegeben haben. Während Rock-
more besonders die Kontinuität von Heideggers Nationalsozialismus
über die Niederlegung des Rektorats hinaus betont, hat Wolin bereits auf
Heideggers Wandel vom Aktivismus zum Fatalismus aufmerksam ge-
macht, der in der vorliegenden Arbeit im Zentrum steht. Die Bedeu-
tung von Ernst Jüngers »Arbeiter« für Heideggers Kritik der Moderne
hat Michael Zimmerman in seiner einschlägigen Untersuchung über
»Heidegger’s Confrontation with Modernity« hervorgehoben. Nach
diesem Auftakt der amerikanischen Debatte Anfang der er Jahre sind
in den letzten Jahren weitere Untersuchungen erschienen, die Heideggers
Nationalsozialismus sowohl philosophisch differenzieren als auch histo-
risch kontextualisieren.
Neben diesen Arbeiten, die im engeren Sinn als Beiträge zur Debatte
um Heideggers Nationalsozialismus verstanden werden können, existiert
eine ausufernde fachphilosophische Heidegger-Literatur, die an dieser
Stelle nicht ausführlich angeführt werden kann und im Laufe der Arbeit
an verschiedenen Stellen herangezogen wird. Von besonderer Bedeutung
für die vorliegende Untersuchung ist die schon zitierte Studie von Dieter
Thomä, die eine philosophische Kritik von Heideggers Gesamtwerk dar-
stellt, dabei aber ebenfalls von einer inneren Beziehung zwischen Heideg-
gers Philosophie und seinem NS-Engagement ausgeht und dieser beson-
dere Aufmerksamkeit schenkt. Winfried Franzen hat schon  eine
kritische Untersuchung von Wandel und Kontinuität innerhalb von Hei-
deggers Denkweg »von der Existenzialontologie zur Seinsgeschichte« vor-

 Vgl. Wolin, Seinspolitik; ders. (Hg.), Heidegger Controversy; Rockmore,


Heidegger’s Nazism; ders./Margolis (Hg.), Heidegger Case. Für die US-amerika-
nische Debatte wegweisend war die Farías-Besprechung durch Thomas Sheehan;
vgl. Sheehan, Heidegger.
 Vgl. dazu den gelungenen Forschungsüberblick in Grün, Fehlbarkeit, der auch
diese amerikanischen Untersuchungen berücksichtigt.
 Vgl. Zimmerman, Heidegger’s Confrontation; zur Kritik an Zimmerman unten,
Kap. ..
 Vgl. etwa Fritsche, Historical Destiny; Fried, Heidegger’s Polemos; Bambach,
Heidegger’s Roots; nicht aus der amerikanischen Debatte stammend, Heidegger
aber ebenfalls in den Kontext der antimodernen Ideologie und des radikalen
Nationalismus der ersten Jahrhunderthälfte einordnend, auch Losurdo, Gemein-
schaft.
 Vgl. Thomä, Zeit des Selbst, sowie Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch.
 

gelegt und dabei auch Heideggers Selbstinterpretation problematisiert.


Als einschlägig ist schließlich die Studie von Silvio Vietta über »Hei-
deggers Kritik am Nationalsozialismus und an der Technik« zu nennen,
die in Heideggers Technikkritik ebenfalls eine Auseinandersetzung mit
dem Nationalsozialismus erkennt, allerdings in apologetischer Absicht.
Reinhard Mehring hat eine der wenigen Arbeiten vorgelegt, die Heid-
eggers bündische Selbstinszenierung als prophetischen Meister systema-
tisch untersuchen.
Im Falle Ernst Jüngers gilt die historisch-politisch orientierte Literatur
in erster Linie seinem militanten Frühwerk, von den Kriegsbüchern über
die politische Publizistik bis zum »Arbeiter« von . Allerdings drehten
sich die Jünger-Kontroversen der Bundesrepublik von Anfang an auch
um die Frage nach Jüngers »Wandlung« und seiner Abkehr vom Milita-
rismus der Weimarer Zeit sowie nach seinem Status als Sympathisant
oder Gegner des »Dritten Reichs«. Auch wenn die Jünger-Literatur
ebenfalls von beeindruckendem Umfang ist, kann man nicht im selben
Maß wie bei Heidegger von einer ausgeprägten »Jünger-Kontroverse«
sprechen. Die Debatten um Jünger haben während der letzten fünfzig
Jahre weniger gebündelt stattgefunden, waren aber ähnlich wie bei Hei-
degger lange Zeit von einer relativ starren Frontstellung zwischen Jünger-
Kritikern und Jünger-Apologeten gekennzeichnet. Erst in den letzten
Jahren scheinen sich die Fronten etwas gelockert zu haben. Einen gelun-
genen und sachlichen Überblick über Jüngers Werk sowie den Stand der
Jünger-Forschung gibt die  erschienene Einführung von Steffen
Martus. Für die Frage nach der Transformation von Jüngers Konserva-
tismus nach  sind Ende der er Jahre zwei einschlägige Studien
erschienen: Während die Arbeit von Horst Seferens nach dem Einfluss
von Jünger auf die Neuformierung der radikalen Rechten nach dem

 Franzen, Existenzialontologie. Diese Untersuchung ist in vielem bis heute gültig


und interpretiert die Metamorphosen von Heideggers Denken ähnlich wie die
vorliegende Studie. Allerdings fehlten Franzen  noch viele der einschlägigen
Schriften Heideggers, die in der Zwischenzeit publiziert worden sind und einige
Korrekturen an Franzens Darstellung notwendig machen.
 Vgl. Vietta, Heideggers Kritik.
 Vgl. Mehring, Überlieferungsgeschick.
 Vgl. zur Rezeptionsgeschichte Dietka, Ernst Jünger nach ; ders., Anmerkun-
gen; Dornheim, Rezeptionsgeschichte; Schieb, Rezeption.
 Vgl. die knapp seitige Bibliographie von Riedel, Ernst-Jünger-Bibliographie.
 Vgl. Martus, Ernst Jünger; außerdem auch die allerdings etwas oberflächlich
bleibende Biographie von Noack, Ernst Jünger, sowie die Werkbiographie von
Meyer, Ernst Jünger; für die Zeit bis  Nevin, Ernst Jünger.
 

Zweiten Weltkrieg fragt, dabei aber zuweilen in verschwörungstheore-


tische Überzeichnungen verfällt, zielt die Untersuchung von Elliot Y.
Neaman allgemeiner auf die Etablierung von Jünger im literarischen Feld
der Bundesrepublik. Ulrich Fröschle hat unlängst im Rahmen eines
umfangreichen Sammelbands, der auf eine internationale Jünger-Tagung
aus dem Jahr  zurückgeht und einen guten Überblick über die
neuesten Jünger-Forschungen gibt, ebenfalls auf die Bedeutung der »Wort-
Tat-Problematik« für Jüngers politisches Engagement hingewiesen, sich
dabei allerdings auf die Jahre der Weimarer Republik beschränkt.
Im Vergleich zu Martin Heidegger und Ernst Jünger hat Friedrich
Georg Jünger bisher erstaunlich wenig Aufmerksamkeit in der Forschung
gefunden. Im Unterschied zu Heidegger und Ernst Jünger lassen sich die
Monographien zu Friedrich Georg Jünger an einer Hand abzählen. Das
mag seine Berechtigung in der geringeren Bedeutung Friedrich Georg
Jüngers für die Literatur- und Philosophiegeschichte des . Jahrhunderts
haben. Sein Einfluss auf die intellektuelle Entwicklung seines Bruders
Ernst Jünger sollte aber nicht unterschätzt werden und wurde bislang zu
wenig berücksichtigt. Zum Problem der Technik im Werk beider Brü-
der Jünger ist  jedoch ein eigener Sammelband erschienen. Der
Literaturwissenschaftler und Jünger-Forscher Ulrich Fröschle hat zudem
eine hilfreiche kommentierte Bibliographie der Werke Friedrich Georg
Jüngers erstellt.
Während sich die vorliegende Arbeit für Martin Heidegger und Ernst
Jünger also auf eine breite Forschungsliteratur stützen kann, beschreitet sie
im Falle Friedrich Georg Jüngers in vielen Punkten Neuland. Vor allen
Dingen ist die Beziehung dieser drei Intellektuellen zueinander bisher an
keiner Stelle eingehend untersucht worden. Die gegenseitige Beeinflus-
sung von Ernst Jünger und Martin Heidegger ist mehr oder weniger be-

 Vgl. Seferens, Leute; zur Auseinandersetzung mit Seferens unten, Kap. ..
 Vgl. Neaman, Dubious Past.
 Vgl. Fröschle, Oszillationen.
 Vgl. Heyer, Maschine; Richter, Thematic Approach; Slanitz, Wirtschaft. Die
wichtige Studie von Fröschle, Friedrich Georg Jünger, ist leider erst nach Fertig-
stellung dieser Arbeit erschienen und konnte nicht mehr berücksichtigt werden.
 Das hat sich, wie bereits erwähnt, seit einigen Jahren etwas geändert; vgl. dazu
den  gegründeten »Freundeskreis der Brüder Ernst und Friedrich Georg Jün-
ger« (Stauffenberg/Knapp, Gedenkstätte) sowie die  erstmals erschienenen,
beiden Brüdern gewidmeten »Jünger-Studien« (Figal/Knapp (Hg.), Prognosen;
dies. (Hg.), Verwandtschaften).
 Strack (Hg.), Titan Technik.
 Vgl. Fröschle, Kommentiertes Verzeichnis.
 

kannt und wird regelmäßig erwähnt, wurde in vielen Aspekten bisher


aber nicht genauer untersucht. Seit der Pionierarbeit von Christian Graf
von Krockow ist ihr keine nennenswerte Monographie mehr gewidmet
worden. Die intellektuelle Beziehung von Martin Heidegger zu Friedrich
Georg Jünger wurde bisher so gut wie gar nicht zur Kenntnis genommen.
Hinweise darauf finden sich nur an wenigen entlegenen Stellen der Hei-
degger-Literatur.
Zur Untersuchung dieser intellektuellen Dreiecksbeziehung stützt
sich die vorliegende Arbeit daher auch auf umfangreiches unveröffent-
lichtes Material, vor allen Dingen aus den Nachlässen der Brüder Jünger
im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Der ebenfalls dort aufbe-
wahrte Nachlass Martin Heideggers ist der Forschung leider nur in einge-
schränktem Maß zugänglich. Die Auswertung der Korrespondenz der
Brüder Jünger wurde dadurch erleichtert, dass beide Brüder nicht nur an
sie adressierte Briefe sorgfältig (und bereits mit Blick auf die Nachwelt)
aufbewahrten, sondern auch Abschriften der eigenen Briefe erstellten
und diese in so genannten »Briefjournalen« sammelten. Wie aus der inter-
nen Verständigung darüber hervorgeht, waren diese Sammlungen bereits
gefiltert und enthielten nicht alle abgeschickten Briefe. Bleibt man sich
dieser Tatsache bewusst, schmälert das jedoch nicht ihren Quellenwert.
Neben den Nachlässen der Brüder Jünger wurden auch andere ver-
wandte Bestände im Literaturarchiv Marbach eingesehen sowie beson-
ders die Archivalien derjenigen Institutionen, die als Schnittstellen zwi-
schen Heidegger und den Brüdern Jünger gelten können. Dazu zählen
die Bayerische Akademie der Schönen Künste in München sowie die
Verlage von Vittorio Klostermann, Ernst Klett und Günther Neske.
Neben diesen archivalischen Quellen stand eine Vielzahl von veröf-
fentlichten Quellen zur Verfügung, unter anderem eine Reihe von in den
letzten Jahren edierten Briefwechseln. Zu Heideggers Rolle im »Dritten
Reich« und der unmittelbaren Nachkriegszeit haben unter anderem
Hugo Ott und Bernd Martin viele Dokumente aus den Universitäts- und
anderen Archiven zugänglich gemacht. Der Kontext von Heideggers
Universitätspolitik im Nationalsozialismus ist auch von anderen Histo-

 Vgl. Krockow, Entscheidung.


 Vgl. etwa Großmann, Kunst.
 Vgl. F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Mar-
bach; E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach; vgl. zum
Umgang Ernst Jüngers mit seinem Briefwechsel auch Kiesel, Fruktifizierung.
 Vgl. MH/HA; MH/EB; MH/EH; MH/KJ; MH/MM; MH/BW; EJ/FH; EJ/
GN; EJ/RS; EJ/CS; FGJ/GN; FGJ/EN; FGJ/RS.
 Vgl. Ott, Unterwegs; Martin (Hg.), Kompendium.
 

rikern bereits quellennah untersucht worden. Guido Schneebergers


»Nachlese zu Heidegger« von  stellt eine frühe Sammlung von Hei-
deggers politischen Reden und Aufrufen aus der Zeit des Rektorats dar.
 sind im Band  von Heideggers Gesamtausgabe verschiedene Re-
den, Briefe und andere »Zeugnisse eines Lebensweges« der Jahre -
 erschienen. Diese noch von Heidegger selbst initiierte Gesamtaus-
gabe genügt zwar nicht den Ansprüchen einer historisch-kritischen
Edition. In ihrem Rahmen sind in den letzten Jahren aber dennoch
viele Vorlesungs- und Vortragsmanuskripte veröffentlicht worden, die
die zu Lebzeiten Heideggers veröffentlichten Texte in mancher Hinsicht
korrigieren.
Über ihren Beitrag zur Heidegger- und Jüngerforschung im engeren Sinn
hinaus berührt die vorliegende Arbeit verschiedene Felder der neueren
Zeitgeschichtsforschung sowie der in den letzten Jahren verstärkt in den
Blick gerückten Intellektuellengeschichte. Die Literatur zum Konserva-
tismus und besonders zur Konservativen Revolution wird im nächsten
Kapitel im Einzelnen angeführt. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass
der Großteil der Untersuchungen zur Konservativen Revolution 
aussetzt oder lediglich deren Auflösung im »Dritten Reich« thematisiert.
Indem die vorliegende Arbeit an einer Nachgeschichte der Konservativen
Revolution bis in die frühe Bundesrepublik hinein interessiert ist, geht
sie über viele der gängigen Darstellungen hinaus.
Diese Perspektive auf die strukturellen und biographischen Kontinui-
täten durch das »Dritte Reich« hindurch ist in den letzten Jahren bereits
auf verschiedenen Ebenen verfolgt worden. Wegweisend war hier die bio-
graphische Studie Ulrich Herberts über Werner Best, der als einer der
zentralen Organisatoren des NS-Terror- und -Vernichtungsapparats in
der Bundesrepublik eine zweite Karriere als Direktor eines Industrie-

 Vgl. Leaman, Heidegger; Sluga, Heidegger’s Crisis; als Ergebnis des faschismus-
theoretisch inspirierten »Projekts Philosophie im Deutschen Faschismus« vgl.
Haug (Hg.), Deutsche Philosophen; Laugstien, Philosophieverhältnisse; in ähn-
licher Richtung: Korotin (Hg.), Geister; aus entgegengesetzter Richtung Tilitzki,
Deutsche Universitätsphilosophie.
 Schneeberger, Nachlese.
 Vgl. MH -.
 Vgl. dazu Barash, Martin Heidegger.
 Das gilt etwa für die gesammelten Nietzsche-Vorlesungen und -Abhandlungen,
welche jetzt in den verschiedenen Einzelbänden nachgelesen werden können statt
in der von Heidegger selbst herausgegebenen und überarbeiteten Sammlung von
 (vgl. MH /, a, /, /c, , a, c, c, c
und a,b).
 

unternehmens machen konnte. Herberts Studie über »Radikalismus,


Weltanschauung und Vernunft« berührt das Thema der vorliegenden Ar-
beit dabei noch auf eine direktere Weise. Denn Werner Best gehörte wäh-
rend der Weimarer Republik zum weiteren Umkreis der Brüder Jünger
und hat sich als radikalisierter Akademiker ebenfalls der »Tat« verschrie-
ben, nur mit dem Unterschied zu den Brüdern Jünger, dass er mit dieser
Tat dann Ernst machte und tatsächlich zum Täter wurde. Ähnliches gilt
auch für die von Michael Wildt untersuchten Führungskräfte des Reichs-
sicherheitshauptamtes, die als »Generation des Unbedingten« ebenfalls
im radikalisierten Studentenmilieu der Weimarer Republik sozialisiert
worden sind. In diesem Sinn stellen auch die Arbeiten von Herbert und
Wildt Fallstudien zum Geist-Tat-Problem dar, wobei deren Protagonisten
dieses Problem aber auf eine andere Weise gelöst haben als Heidegger
und die Brüder Jünger.
Der Blick auf die Elitenkontinuität nach  hat die Forschungen zur
»Vergangenheitspolitik« der Nachkriegszeit und frühen Bundesrepub-
lik in den letzten Jahren maßgeblich geprägt. Martin Heideggers uni-
versitäres Bereinigungsverfahren und seine ambivalente Reintegration in
die Universität in den er Jahren stellt in diesem Kontext auch ein
Fallbeispiel der »akademischen Vergangenheitspolitik« dar. Die rechts-
intellektuellen Strategien der Vergangenheitspolitik hat Dirk van Laak
bereits  in seiner Studie über »Carl Schmitt in der politischen Gei-
stesgeschichte der frühen Bundesrepublik« genauer untersucht. Dieser
Forschungskontext ist besonders für das Kapitel  der vorliegenden
Arbeit relevant.

 Vgl. Herbert, Best.


 Vgl. Wildt, Generation.
 In diesem Zusammenhang spielt die Generationszugehörigkeit tatsächlich eine
zentrale Rolle, denn Best und die Führungsfiguren des RSHA waren ungefähr
 bis  Jahre jünger als Heidegger und die Brüder Jünger. Zwei der von Wildt
untersuchten Studenten hörten Heidegger  bei einer Rede in Tübingen und
gehörten genau zu der jüngeren Generation, die unter anderem von Professoren
wie Heidegger radikalisiert worden ist, wobei diese Professoren selbst dann nicht
im selben Maß zu Tätern wurden (vgl. ebd., S. ff.; dazu auch Kittsteiner,
Generationen, S. ff.). Ernst Jünger musste sich nach dem Krieg ebenfalls mit
einer Reihe jüngerer Leute auseinandersetzen, die unter seinem Einfluss in die
SS eingetreten waren und ihm seinen eigenen Rückzug von der Tat verübelten;
vgl. unten, Kap. ..
 Frei, Vergangenheitspolitik.
 Vgl. ders. (Hg.), Karrieren; Herbert, Rückkehr.
 Vgl. Weisbrod (Hg.), Akademische Vergangenheitspolitik.
 Vgl. Laak, Gespräche.
 

Aufbau der Arbeit

Im folgenden Kapitel wird zunächst die Tat-Logik der Konservativen


Revolution noch einmal genauer erläutert, wobei auch der Begriff der
Konservativen Revolution selbst diskutiert wird. Anhand der politischen
Publizistik der Brüder Jünger und ihres politischen Engagements im
Rahmen der antirepublikanischen Kampfbünde wird deren so genannter
»neuer Nationalismus« dann als »Nihilismus der Tatbereitschaft« näher
untersucht. Ernst Jüngers »Arbeiter« wird aufgrund seiner Bedeutung
sowohl für das weitere Denken der Brüder Jünger als auch für Martin
Heidegger ein eigener Abschnitt gewidmet. Abschließend wird Martin
Heideggers politischer Existentialismus sowie seine Tätigkeit als Rektor
der Freiburger Universität / auf den darin zum Ausdruck kom-
menden Voluntarismus der Tat hin untersucht.
Kapitel  widmet sich daraufhin den Mechanismen der »Enttäu-
schungsverarbeitung« bei Heidegger und den Brüdern Jünger während
des »Dritten Reichs«. Für Heidegger geschieht das insbesondere anhand
seiner / geführten Auseinandersetzung mit Ernst Jünger sowie
seiner Vorlesungen über Friedrich Nietzsche und Friedrich Hölderlin.
Bei den Brüdern Jünger wird nicht nur die Ambivalenz von deren Op-
positionshaltung am Beispiel etwa von Ernst Jüngers »Auf den Mar-
morklippen« untersucht. Das besondere Augenmerk gilt Friedrich
Georg Jüngers  entstandenem Essay »Illusionen der Technik«, der
nach dem Krieg unter dem Titel »Die Perfektion der Technik« erstmals
veröffentlicht wurde und eine Antwort auf Ernst Jüngers »Arbeiter«
darstellte. Im Abschnitt über die Deutungen des Zweiten Weltkriegs bei
Heidegger und den Brüdern Jünger wird vor allem auf Ernst Jüngers
Tätigkeit als Wehrmachtsoffizier in Paris und an der Ostfront eingegan-
gen.
Im vierten Kapitel geht es schließlich um die öffentlich und privat
geführte Debatte um die intellektuelle Täterschaft von Heidegger und
den Brüdern Jünger sowie um ihre biographischen Strategien einer
verschwiegenen Vergangenheitsbearbeitung in der unmittelbaren Nach-
kriegszeit. Dafür werden nicht nur ihre Mitte der er Jahre geknüpf-
ten persönlichen Kontakte ausführlich rekonstruiert. In einzelnen Ab-
schnitten über Karl Jaspers, Ernst Niekisch, Carl Schmitt und Armin
Mohler werden auch ihre Auseinandersetzung mit vormals oder weiter-
hin befreundeten intellektuellen Weggefährten beschrieben, die nach
 andere biographische Strategien der Vergangenheitsbearbeitung
wählten und die Abkehr von der Politik bei Heidegger und den Brüdern
Jünger auf unterschiedliche Weise kritisierten.
 

Das fünfte Kapitel widmet sich abschließend dem intellektuellen Aus-


tausch, den Heidegger und die Brüder Jünger während der er Jahre
sowohl durch die wechselseitige Gabe von Festschriftenbeiträgen als auch
durch die gemeinsame Teilnahme an Tagungen der Bayerischen Akade-
mie der Schönen Künste in München pflegten. Dabei zeigt sich, dass sie
auf dem Wege ihrer Nihilismus-, Technik- und Sprachkritik Ende der
er Jahre zu einer posthistorischen »Gelassenheit« fanden, die als Ge-
genmodell zum Voluntarismus der er und frühen er Jahre gelten
kann und somit den Abschied von der Tat zu einem intellektuellen Ab-
schluss führte.
. Konservatives Tat-Denken -

.. Die aktivistische Logik der Konservativen Revolution


Konservative Revolution und neue Rechte

Der Begriff der »Konservativen Revolution«, der wohl auf Thomas Mann
zurückgeht und durch Hugo von Hoffmansthals Rede »Das Schrifttum
als geistiger Raum der Nation« von  popularisiert wurde, wurde vor
allen Dingen von Armin Mohler als Sammelbegriff für die intellektuellen
Strömungen der radikalen Rechten in den er Jahren in die Ge-
schichtsschreibung zur Weimarer Republik eingeführt. Mohler tat dies
nicht zuletzt in apologetischer Absicht, denn er war darum bemüht, die
konservativen Revolutionäre als »Trotzkisten des Nationalsozialismus«
von der Realpolitik der NSDAP als Massenpartei zu scheiden und damit
von einer Mitschuld an der Politik des »Dritten Reichs« zu befreien. In
der weiteren Forschung zur Konservativen Revolution wurden Mohlers
Einteilungen und Zuordnung allerdings nicht einfach übernommen,
sondern mit unterschiedlichen Gewichtungen und Einschätzungen der
politischen Bedeutung variiert. Daneben finden sich zudem Kritiker wie
Stefan Breuer, die den Begriff als Sammelbezeichnung überhaupt für un-
geeignet halten, da sich bei einer Analyse der politischen Programme der
verschiedenen Gruppen und Autoren der Konservativen Revolution
nicht hinreichend viele und vor allen Dingen gegenüber anderen Strö-
mungen nicht hinreichend trennscharfe Gemeinsamkeiten finden lie-
ßen. Breuer gibt Mohler zwar darin recht, die »einheitsstiftendenden
Momente der Konservativen Revolution auf einer Ebene« zu suchen, »die
tiefer lag als die politischen Diskurse und Programme«. Aber erstens
 Mohler, Konservative Revolution; zu Mohler vgl. unten Kap. ..
 Ebd., S. .
 Während Mohler die Konservative Revolution in die fünf Gruppen der Völki-
schen, der Jungkonservativen, der Nationalrevolutionäre und der Bündischen
unterteilt (ebd., S. -), stellt etwa Kurt Sontheimer die Konservative Revo-
lution als eine Strömung neben den Deutsch-Nationalismus, den revolutionären
Nationalismus, den Nationalbolschewismus, die Deutsch-Völkischen und den
Nationalsozialismus (vgl. Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. -).
Weitere Zuordnungs- und Begriffsvarianten bei Gerstenheimer, Konservatismus,
S. -; Sieferle, Konservative Revolution; Woods, Conservative Revolution;
Travers, Critics of Modernity.
 Vgl. Breuer, Anatomie.
 Ebd., S. . Vgl. dazu schon Kurucz, Struktur, S. , sowie Bullivant, Conser-
vative Revolution.
  - -

sieht Breuer diese tiefer liegende Einheit nicht wie Mohler im Weltbild
von der »ewigen Wiederkehr«, sondern in einer spezifischen »Kombi-
nation von Apokalyptik, Gewaltbereitschaft und Männerbündlertum«.
Zweitens gibt er zu bedenken, dass diese Kombination wiederum nicht
die Konservative Revolution kennzeichne, sondern für die gesamte radi-
kale Rechte symptomatisch sei.
In vielen Punkten ist Breuers Kritik zuzustimmen, besonders dort, wo
sie sich gegen die apologetische Dimension von Mohlers Begriffsprägung
wendet und die Zugehörigkeit der konservativ-revolutionären und der
nationalsozialistischen Vordenker und Aktivisten zum gemeinsamen Feld
der »neuen Rechten« betont. Von dieser neuen Rechten sprechen auch
andere Historiker des Konservatismus. Sie hat sich im Kaiserreich auf-
grund spezifischer »Verformungstendenzen im Konservatismus« als
neuartiges politisches Feld herausgebildet, das sich nicht nur durch neue
Formen der politischen Massenmobilisierung auszeichnete, sondern auch
durch die Radikalisierung des Nationalismus, der nun völkisch-antisemi-
tisch aufgeladen wurde. Gleichzeitig lässt sich von einer Politisierung der
Kulturkritik sprechen, die sich, so Thomas Nipperdey, ebenfalls »radikal
rechts«, d. h. »völkisch-antisemitisch, radikal-national, antiliberal, anti-
intellektuell, kulturkritisch, germanoman« ausgerichtet habe. Aus dieser
neuen Rechten, die durch den Ersten Weltkrieg einen weiteren Radika-
lisierungsschub erfuhr, ist auch die nationalsozialistische Bewegung her-
vorgegangen.
Der Begriff der Konservativen Revolution ist wohl tatsächlich unge-
eignet zur Bezeichnung bestimmter Gruppen dieses rechten Feldes und
zu ihrer Abgrenzung gegenüber anderen. Zur Hervorhebung einer spezi-
fischen Charakteristik der neuen Rechten als ganzer scheint er dagegen
nach wie vor geeignet, denn das in ihm ausgedrückte Paradox kann die

 Breuer, Anatomie, S. .


 Stegmann, Neokonservatismus, S. .
 Vgl. Schildt, Radikale; ders.: Konservatismus; dazu auch Breuer, Grundpositio-
nen; ders.: Ordnungen.
 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. . Vgl. zum völkisch-antisemitischen Na-
tionalismus und zur neuartigen politischen Mobilisierung stellvertretend für eine
breite Literatur Puschner, Die völkische Bewegung; Chickering, We Men; He-
ring, Konstruierte Nation.
 Vgl. als klassische Studien zur Vorgeschichte des Nationalsozialismus in der
»deutschen Ideologie« schon des . Jahrhunderts Mosse, Crisis und Stern, Kul-
turpessimismus; zur Debatte der er und er Jahre um den proto-faschisti-
schen Charakter der neokonservativen Mobilisierungspolitik neben Stegmann,
Neokonservatismus, auch Eley, Conservatives.
     

Radikalisierungsdynamik des rechten Feldes besser aufschlüsseln als der


inhaltlich unspezifische Begriff der »neuen Rechten«. In diesem Paradox
aktualisierte sich nach dem Ersten Weltkrieg ein dem Konservatismus
seit Ende des . Jahrhunderts eingeschriebenes Dilemma auf spezifische
Weise. Dieses Dilemma bestand darin, dass sich der Konservatismus
zwar in Reaktion auf die Aufklärung und die Französische Revolution als
Gegenbewegung zur Moderne etablierte, als ideologische Strömung und
als politische Bewegung aber selbst eine moderne Erscheinung darstellte
und somit auf dem Boden der Moderne gegen diese Moderne zu oppo-
nieren versuchte. Dieses Dilemma des modernen Antimodernismus
bildete den Motor für die vielfältigen Verwandlungen, die der Konser-
vatismus als Ideenformation und als politische Bewegung in seiner Ge-
schichte durchlief.
In Deutschland waren diese Verwandlungen zudem durch eine spezi-
fische Verbindung des konservativ-antiaufklärerischen Denkens mit dem
Nationalismus gekennzeichnet, der selbst eine moderne Erscheinung ist.
Denn während sich etwa in Frankreich die Nation als »Dritter Stand«
gegen das Ancien Régime formierte und damit als Schlagwort zur Befrei-
ung der Untertanen zu Citoyens fungierte, entwickelte sich der moderne
Nationalismus in Deutschland vor allen Dingen im Zuge der Befreiungs-
kriege gegen die napoleonische Besetzung. Er führte so zur Herausbil-
dung der Vorstellung einer spezifisch deutschen Kulturnation, die sich
gegen die westliche Zivilisation abgrenzte und deren Freiheit nicht die
des einzelnen Individuums, sondern die des deutschen Vaterlands war.
Während sich dieser deutsche National-Konservatismus während des
Kaiserreichs weitgehend mit dem deutschen Staat identifizieren konnte,

 Vgl. zur folgenden Idee des konservativen Dilemmas Greiffenhagen, Dilemma.


 Karl Mannheim unterschied den Konservatismus als moderne Erscheinung in
diesem Sinne von der »formalpsychischen Eigenschaft« des Traditionalismus, der
erst in Reaktion auf den Anbruch der Moderne reflexiv werden und sich dadurch
in den Konservatismus als Sinnorientierung verwandeln konnte; vgl. Mannheim,
Konservativismus. Panajotis Kondylis versteht demgegenüber unter Konservatis-
mus nur die vorreflexive Ideenformation der societas civilis des Ancien Régime, die
nach dessen Untergang  und in der modernen bürgerlichen Gesellschaft im
Liberalismus aufgegangen sei; vgl. Kondylis, Konservatismus. Für Kondylis gibt
es daher streng genommen gar keinen modernen Konservatismus.
 In den Worten von Richard Herzinger stellte die napoleonische Besatzung gleich-
zeitig den »Urschock einer von außen aufgezwungenen Modernisierung« dar:
»Danach wird jeder Modernisierungsschub in Deutschland von dem oppositio-
nellen Konservatismus als neuerlicher Vergewaltigungsakt gegen die deutsche
Ganzheitlichkeit interpretiert.« (Herzinger, Kulturkrieg, S. )
  - -

sah er  durch Krieg, Revolution und Untergang der Monarchie die
Verbindung in seine eigene Vergangenheit noch radikaler gekappt als
schon durch die Modernisierungstendenzen des späten . Jahrhunderts.
Anders als noch im Kaiserreich gab es für ihn keinerlei Gründe mehr, an
einer Erhaltung des status quo interessiert zu sein. In dieser Situation,
so Martin Greiffenhagen, »entschloß er sich zu einer Art Verzweiflungs-
tat – er wurde revolutionär«. Dabei spielten die bolschewistische Re-
volution in Russland und die Novemberrevolution in Deutschland eine
zentrale Rolle, da beide Revolutionen zugleich abgewehrt und in einem
spiegelverkehrten Nachahmungsakt überboten werden sollten. Mit
Moeller van den Bruck glaubte der deutsche Konservatismus nun, das zu
Erhaltende in einem revolutionären Akt erst schaffen zu müssen: »Kon-
servativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.« Diese Schaf-
fung neuer Werte war nach Ansicht der konservativen Revolutionäre aber
nur nach der vollständigen Beseitigung der bestehenden Verhältnisse
möglich, was der Konservativen Revolution eine manifest antibürger-
liche Stoßrichtung verlieh (auch wenn sie zumeist von Bürgern vertreten
wurde).
Das Revolutionärwerden des Konservatismus führte unter anderem zu
einer engen Verbindung mit dem Jugendmythos der bündischen Jugend-
bewegung, die sich in der Weimarer Republik ebenfalls radikalisierte.
Vor allen Dingen aber resultierte daraus die von Breuer konstatierte
Kombination von Apokalyptik und Gewaltbereitschaft. Apokalyptisch
wurde der Konservatismus insofern, als der anzustrebende fundamentale
Umbruch der Verhältnisse vielfach geschichtsphilosophisch und chilia-
stisch aufgeladen wurde. Die Revolution sollte als totaler Umschwung
durch die gewalttätige Verschärfung der Krise und die radikale Zerstö-

 Vgl. zu diesem Wandel des Konservatismus von einer status quo- zu einer Oppo-
sitions-Bewegung Bussche, Konservativismus. Während sich der Konservatismus
im Kaiserreich, so Bussche, als Herrschaftsideologie überparteilich und damit
unpolitisch geben konnte, war er im Parlamentarismus der Weimarer Republik
gezwungen, sich als parteiisch zu politisieren.
 Greiffenhagen, Dilemma, S. . Vgl. dazu schon Stern, Kulturpessimismus, S. :
»Konservativ waren sie aus Sehnsucht, revolutionär aus Verzweiflung. Einen
Kompromiß gab es für sie nicht.«
 Zit. n. Greiffenhagen, Dilemma, S. . Vgl. dazu auch Ernst Jüngers Ansicht,
dass es gegenwärtig »nicht von Traditionen zu reden, sondern Traditionen zu
schaffen gilt« (EJ , ).
 Vgl. dazu Mommsen, Generationskonflikt und Jugendrevolte; ders.: Generatio-
nenkonflikt und politische Entwicklung; zur bündischen Jugend Treziak, Deut-
sche Jugendbewegung.
     

rung des Bestehenden hervorgerufen werden. In diesem Sinn wurde


auch das Bewusstsein, im Moment eines fundamentalen Epochenbruchs
zu leben, selbst politisch eingesetzt, um diesen Epochenbruch herbeizu-
führen. Es ist nicht falsch, hier von einem »konservativen Utopismus«
zu sprechen. Das konservative Kennzeichen dieses Utopismus bestand
darin, von einem mythischen »Denken aus dem Ursprung« geleitet zu
sein. Die konservative Revolution sollte nicht einfach im Sinne einer
Reaktion den Vorkriegs- oder sonst einen historisch früheren Zustand
wiederherstellen, sondern den Wiederanschluss an ein Ursprüngliches,
Elementares ermöglichen, der durch die modernen Verhältnisse unter-
brochen worden war.
In diesem Sinn strebten die konservativen Revolutionäre eine »alter-
native Moderne« an, die auch als »Übermoderne« bezeichnet werden
kann. Dies zeigt sich nicht zuletzt an ihrem ambivalenten Verhältnis zur
modernen Technik. Denn die konservativen Revolutionäre waren keines-
wegs durchweg »kulturelle Maschinenstürmer«, wie noch Fritz Stern an-
nahm. Vielmehr liegt es in der Logik der panischen Vorwärtsbewegung
der konservativen Revolution, sich zur angestrebten Überbietung der
Moderne moderner und vom traditionellen Konservatismus abgelehnter
Mittel wie der Technik oder der Massenmobilisierung zu bedienen. Jef-

 Vgl. zum apokalyptischen Denken in der Weimarer Republik Brokoff, Apoka-


lypse; Vondung, Apokalypse.
 Vgl. Hübinger, Säkulare Zeitwendung.
 Bussche, Konservatismus, S. . Karl Mannheim definierte das utopische Be-
wusstsein als »wirklichkeitstranszendente Orientierung«, die, »in das Handeln
übergehend, die jeweils bestehende Seinsordnung zugleich teilweise oder ganz
sprengt« (Mannheim, Ideologie, S. ). Der ›sprengende‹ und ›ins Handeln
übergehende‹ Charakter des konservativen Utopismus wird im Folgenden als
Tat-Denken näher gefasst. Vgl. zum Kontext auch Graf, Mentalisierung.
 Greiffenhagen, Dilemma, S. . Schon Siegfried Marck hat in seiner im Exil
verfassten Untersuchung des »Faschismus als Sophistik der konservativen Revo-
lution«, die den Begriff schon vor Mohler zur Kennzeichnung der jungkonserva-
tiven Intellektuellen der Weimarer Republik verwandte, auf die Bedeutung des
»Ursprungs« im konservativ-revolutionären Denken hingewiesen; vgl. Marck,
Neuhumanismus, S. -; dazu auch Wiedmann, German Quest.
 Sieferle, Konservative Revolution, S. ; dazu auch Rohkrämer, Andere Moder-
ne; ders., Cultural Criticism.
 Herzinger, Feldzeichen; ders.: Wachtposten.
 Stern, Kulturpessimismus, S. .
 Lopuis Dupeux schlägt deshalb vor, grundsätzlich zwischen Kulturpessimismus
und Konservativer Revolution zu unterscheiden und mit letzterem Begriff nur
diejenigen Neokonservativen zu bezeichnen, die der Technik, der Großstadt und
dem Massenzeitalter allgemein bejahend gegenüberstanden; vgl. Dupeux, Révo-
lution Conservatrice; ders., Kulturpessimismus; ders., Aspects.
  - -

frey Herf hat dieses Phänomen, dass die Ablehnung der Aufklärung und
des westlichen Liberalismus nicht notwendig mit einer Ablehnung der
Technik und des industriellen Fortschritts einhergehen muss und dass
politisch reaktionäre Konzepte sich mit technischem Modernismus paa-
ren können, auf den Begriff des »reaktionären Modernismus« gebracht.
In diesem Sinn waren viele der konservativen Revolutionäre auch reak-
tionäre Modernisten.
Zentrales Kennzeichen der Konservativen Revolution war aber nicht
so sehr ihr affirmatives Verhältnis zur technischen Moderne. Hier gab es
durchaus unterschiedliche Bewertungen. Entscheidend war vielmehr
die dargestellte Verschärfung des konservativen Dilemmas in der Ver-
zweiflungstat des Revolutionärwerdens, die zur politischen Radikalisie-
rung führte. Denn diese Verzweiflungstat äußerte sich in einer Art poli-
tischem Salto mortale, durch den der Konservatismus seine bewahrenden
Kräfte verlor und der ideologischen wie realpolitischen Selbstaufhebung
entgegen trieb. Diese Radikalisierung bis hin zur Selbstzerstörung hat
wiederum zentral mit der Idee der revolutionären Gewalt-Tat zu tun, die
sämtliche Formen des konservativ-revolutionären Denkens durchzog.
Denn das Revolutionärwerden ging gleichzeitig mit dem Verlust von in-
haltlich konkreten politischen Zielvorstellungen einher, die durch reinen
Aktionismus und Voluntarismus ersetzt wurden. Die apokalyptische Ge-
waltbereitschaft, von der auch Breuer spricht, war zunächst nur auf die
Zerstörung der gegenwärtigen Verhältnisse ausgerichtet. Die konserva-
tiven Revolutionäre erscheinen so als »Nihilisten der Tat«, die ihren
inhaltsleeren Dezisionismus nur durch immer noch größere Radikalität
überspielen konnten und ihn dadurch in die Aporie trieben. Profitiert
hat von diesem Mechanismus am Ende die Bewegung, die letztlich bereit
war, tatsächlich zur Gewalttat zu schreiten: die NSDAP. Diese Konstel-
lation eines Wettlaufs der Tatbereitschaft, den am Ende nur die Natio-

 Vgl. Herf, Reactionary Modernism; ders., Technikdiskurs; dazu auch Rohkrä-


mer, Antimodernism.
 Zum Spektrum der konservativ-revolutionären Technikeinschätzung vgl. Breuer,
Anatomie, S. -.
 Vgl. zum Begriff der Radikalisierung Malinowski, Vom König, S. f. Mali-
nowski definiert Radikalisierung hier anhand von sechs Merkmalen: . bezeichne
sie eine Veränderung und Bewegung, die . mit einer Reduktion und Dichotomi-
sierung komplexer Zusammenhänge, . mit Emotionalisierung und . Brutalisie-
rung der Sprache sowie . Brutalisierung der Mittel einhergehe. Durch diese
Struktur produziere Radikalisierung . die Tendenz zur Anarchie der erzeugten
Gewalt und damit eine Tendenz zur Selbstzerstörung.
 Weyergraf, Konservative Wandlungen, S. .
     

nalsozialisten gewinnen konnten, soll im Folgenden näher beleuchtet


werden. Am Begriff des Konservatismus wird für dieses Tat-Denken zum
einen festgehalten, um die gemeinsame Herkunft aus der Gegenauf-
klärung im Blick zu behalten. Vor allen Dingen aber lässt sich aus dem
darin aktualisierten Dilemma des modernen Konservatismus dessen
historische Dynamik am besten erklären, die zu seiner (partiellen) Selbst-
auflösung in der radikalen neuen Rechten der Zwischenkriegszeit führte.

Die Konservative Revolution und die Tat

»Aktion, nicht opinion«, das war es, was Carl Schmitt  von der radi-
kalkonservativen Zeitschrift Die Tat erwartete. Dieser Devise folgte
allerdings nicht nur Die Tat, die  im Umfeld der Lebensreform ge-
gründet worden war und nach dem Ersten Weltkrieg, besonders unter
ihrem neuen Herausgeber Hans Zehrer, eine »realpolitische Radikalisie-
rung« erfuhr und zum Sprachrohr des aktivistischen Jungkonservatis-
mus wurde. Auf Aktion statt bloßer Meinungsäußerung war die gesamte
Konservative Revolution der Weimarer Republik gerichtet. Sie wurde in
erster Linie von jüngeren Rechtsintellektuellen getragen, die durch das
Erlebnis des Ersten Weltkriegs nachhaltig geprägt wurden. Sie erfuhren
nicht nur die deutsche Niederlage , sondern auch die Novemberrevo-
lution und die Errichtung der Weimarer Republik als krisenhaftes Ge-
schehen, das nach einer gewaltsamen (Er-)Lösung verlangte.
Die Erfahrung der Krise war allerdings nicht auf das rechte politische
Lager beschränkt. Die Weimarer Periode lässt sich vielmehr allgemein
als Krisenepoche deuten. Schon der Erste Weltkrieg, aus dessen kata-

 Vgl. dazu den klassischen Text von Berlin, Gegenaufklärung, sowie Holmes,
Anatomie. Dieser Begriff der Gegenaufklärung ist im aufklärerischen Sinn nor-
mativ und z.T. noch unbeleckt von der Erkenntnis der »Dialektik der Aufklä-
rung«, die dann ja selbst Gegenstand nicht nur nachaufgeklärten, sondern auch
konservativen Denkens geworden ist. Er erlaubt m.E. aber dennoch die notwen-
dige Kennzeichnung des konservativen Denkens als antirationalistisch, worin
wiederum dessen Einheit über alle Metamorphosen hinweg zu erkennen ist.
 In einem Brief an den Verleger Eugen Diederichs, zit. n. Hübinger, Die Tat, S. .
Vgl. zur Tat auch Fritzsche, Politische Romantik.
 Hübinger, Die Tat, S. .
 Zudem war sie auch nicht auf Deutschland beschränkt; vgl. dazu Mai, Europa.
 Vgl. zum Krisentopos der Weimarer Republik neben der einflussreichen Studie
von Peukert, Weimarer Republik auch Föllmer/Graf (Hg.), »Krise«; Fritzsche,
Landscape; ders.: Did Weimar Fail?; zur Krisenwahrnehmung der Zeitgenossen
Bialas, Krisendiagnose; Müller-Seidel, Krisenjahre.
  - -

strophischem Ende die Republik hervorging, wurde von vielen Betrof-


fenen als Zivilisationskrise erfahren, die den destruktiven und ambiva-
lenten Charakter der Moderne offenlegte. Mit seiner technischen, wirt-
schaftlichen und sozialen, aber auch propagandistischen und politischen
Mobilisierung markierte der Erste Weltkrieg den Beginn einer Phase der
forcierten Modernisierung, die in der Weimarer Republik zusammen mit
der Durchsetzung der parlamentarischen Demokratie auch der moder-
nen Massen- und Mediengesellschaft zum Durchbruch verhalf. Diese
Modernisierungsdynamik äußerte sich gleichzeitig als tiefgreifende Krise
der bürgerlichen Gesellschaft. Die Aufkündigung der bürgerlichen
Sekurität in Krieg, Revolution und Nachkriegszeit behinderte die Ent-
stehung einer gesellschaftlich verankerten, bürgerlich-demokratischen
politischen Kultur, die das neu errichtete parlamentarische System hätte
tragen können. Die Gewalterfahrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre
bewirkten zudem eine »Brutalisierung der Politik«, die zu einer in der
Weimarer Republik weit verbreiteten Akzeptanz von illegaler politischer
Gewalt führte, wie sich sowohl an den Kämpfen der Freikorps und den
politischen Morden in der Frühphase der Republik, als auch an der zu-
nehmenden Militarisierung der politischen Auseinandersetzung an ih-
rem Ende ablesen lässt. Der verlorene Krieg prägte somit nachhaltig die
Gesellschaft der Weimarer Republik, die bis zur Machtergreifung der
Nationalsozialisten eine Nachkriegsgesellschaft blieb und auch in der so
genannten Stabilisierungsphase von  bis  ein nur scheinbar ge-
festigtes politisches System hervorbrachte.
Die Krisenreaktion des Konservatismus in dieser Situation ist bereits
beschrieben worden: er wurde revolutionär. Zwar lässt sich mit dem Be-
griff der Konservativen Revolution sicher nicht das ganze Spektrum des
Weimarer Konservatismus erfassen. Die durch das Revolutionärwerden
vieler konservativer Intellektueller und Politiker entfachte Radikalisie-
rungsdynamik verhinderte aber letztlich auf breiter Front die Etablierung
eines stabilen und demokratischen Parteienkonservatismus, dem es mög-
lich gewesen wäre, das parlamentarische System der Weimarer Republik

 Vgl. stellvertretend für die breite Literatur zum Ersten Weltkrieg Eksteins, Tanz.
 Vgl. Mommsen, Auflösung; Weisbrod, Krise; ders., Crisis.
 Mosse, Gefallen, S. .
 Vgl. Weisbrod, Gewalt; Bessel, Politische Gewalt; Schulz, Ästhetisierung; zur Re-
lativierung und Einordnung der Brutalisierungsthese Schumann, Politische Ge-
walt; ders., Europa; Ziemann, Germany.
 Vgl. Bessel, Krise; ders.: Kriegserfahrungen; zur europäischen Dimension der
Nachkriegsveränderungen Mommsen (Hg.), Der Erste Weltkrieg.
     

zu unterstützen. Die Haltlosigkeit des revolutionären Konservatismus


ging dabei auch auf seine Unfähigkeit zurück, jenseits des Kampfes gegen
das »Novembersystem« ein positives politisches Programm zu entwerfen.
Hans Freyer hat diese inhaltliche Unbestimmtheit in seinem Manifest
»Revolution von rechts« von  offensiv zum »revolutionären Prinzip«
erhoben, das als »reine Kraft, reiner Prozeß« bewusst von jeglicher inhalt-
lichen Konkretisierung freigehalten werden müsse:
»Die Frage, zu welcher Form es sich fügen wird, wenn es am Ziel sei-
ner Bewegung ist, ist nicht nur falsch, sondern feige. Denn es kommt
gerade darauf an, daß das neue Prinzip das aktive Nichts in der Dia-
lektik der Gegenwart, also die reine Stoßkraft zu bleiben wagt; sonst
ist es über Nacht eingebaut und kommt nie zu seiner Aktion.«
Hinter dieser Propaganda des aktiven Nichts und der reinen Aktion ver-
barg sich nicht nur ein »emphatische[r] Verzicht auf das Denken«. Sie
war auch Ausdruck des für den revolutionären Konservatismus zentralen
Dezisionismusproblems, das Karl Löwith schon  als Hauptcharakte-
ristikum im Denken Carl Schmitts erkannte. Dessen »Entscheidung für
die Entschiedenheit« sei letztlich inhaltsleer und nur durch die Gewalt-
Tat einzulösen. In der Übertragung auf Martin Heidegger sprach Löwith
vom »innere[n] Nihilismus dieser nackten Entschlossenheit«. Mit Blick
auf Heidegger lässt sich dieser Dezisionismus auch als »politischer Exi-
stenzialismus« verstehen, der den existenzialistischen Vorrang der Existenz
vor der Essenz, des »Dass« vor dem »Was«, und das daraus resultierende
Primat der Praxis auf die Politik übertrug. Die existenzialistische Grenz-
situation kehrte dann etwa bei Carl Schmitt als politischer Ausnahme-
zustand wieder.

 Vgl. Klemperer, Germany’s New Conservatism; Weisbrod, Das »Geheime


Deutschland«; Mergel, Scheitern.
 Freyer, Revolution, S. .
 Greiffenhagen, Dilemma, S. .
 Löwith, Karl: Der okkasionelle Dezisionismus Carl Schmitts, in: ders., Heideg-
ger, S. -, hier S. .
 Löwith, Karl: Der politische Horizont von Heideggers Existenzialontologie, in:
ders., Weltgeschichte, S. -, hier S. . In einem weiteren Text hat sich
Löwith auch mit Ernst Jüngers inhaltsleerem heroischen Realismus beschäftigt;
vgl. ders., Von Hegel zu Nietzsche, S. -. In der Nachfolge Löwiths hat
Christian Graf von Krockow das Dezisionismusproblem bei Schmitt, Heidegger
und Jünger weiter verfolgt; vgl. Krockow, Entscheidung.
 Der Begriff »politischer Existentialismus« geht wohl auf einen Aufsatz Herbert
Marcuses von  zurück; vgl. dazu Schnädelbach, Politischer Existentialismus;
Großheim, Begriffsbestimmung; ders., Politischer Existenzialismus.
  - -

Der Dezisionismus lag auch im Zentrum der oben erörterten Kombi-


nation von Apokalyptik und Gewaltbereitschaft. Je weniger angegeben
werden konnte, was nach der Zerstörung und der revolutionären Wende
kommen sollte, desto reiner wurde der Glaube formuliert, dass dieses
Nachher eben nicht durch den Intellekt zu erreichen sei, sondern nur
durch die Gewalttat. In diesem Sinn gerierten sich die Rechtsintellektu-
ellen als Propagandisten der revolutionären Tat und schritten dabei nicht
selten selbst zur politischen Aktion.
Nun riefen in der Weimarer Republik nicht nur rechte Intellektuelle
nach Revolution und drängten zur Tat. Auch auf der Linken wurde,
wie schon im literarischen Expressionismus der Vorkriegszeit, die Not-
wendigkeit des politischen Engagements von Intellektuellen auf neue
Weise formuliert. Georg Lukács etwa rief  zur proletarischen »Tat-
handlung« auf.  forderte Walter Benjamin den »strengen Wechsel
von Tun und Schreiben« und die Nutzung von »unscheinbaren Formen«
literarischer Produktion wie »Flugblättern, Broschüren, Zeitschriften-
artikeln und Plakaten« um den gesellschaftlichen Einfluss intellektueller
Tätigkeiten zu erhöhen. Darin spiegelt sich zum einen die allgemeine
Tatsache, dass in der Modernisierungskrise bereits der Jahrhundertwende
und dann der Weimarer Republik das klassische Bildungsideal des Bür-
gertums erheblich erschüttert wurde und sich unter diesem Eindruck
Rolle und Selbstverständnis der künstlerisch-publizistischen Intelligenz
grundlegend wandelten. Zum anderen kann man bei Benjamin und
anderen Revolutionstheoretikern der Linken tatsächlich formale Paralle-
len zum dezisionistischen und apokalyptischen Denken der Konserva-
tiven Revolution erkennen. Diese sind zugleich eine Äußerungsform
der den rechten wie linken Revolutionären gemeinsamen radikalen Anti-
bürgerlichkeit, die auch dem Tat-Denken zugrunde lag. Darüber hinaus
verband sie ein die politischen Lager übergreifender intellektueller Habi-

 Vgl. Gumbrecht, , S. -.


 Kittsteiner, Stufen der Moderne, S. . Für Kittsteiner ist der Aufruf zur Tat
Ausdruck der »heroischen Moderne«, die er mit Nietzsche beginnen und bis zum
Ende des Zweiten Weltkriegs dauern lässt. In dieser »heroischen Moderne« sei der
Glaube des . Jahrhunderts an den historischen Fortschritt dem Bewusstsein ge-
wichen, dem sinnlosen Geschichtsprozess »mit übermenschlichen Kräften« Sinn
abringen zu müssen. Zu den Vertretern der »heroischen Moderne« zählt Kittstei-
ner auch Ernst Jünger und Martin Heidegger; vgl. ebd., S. -.
 Benjamin, Einbahnstraße, S. ;.
 Vgl. Phelan, Weimar Theories.
 Vgl. neben Brokoff, Apokalypse, S. - auch Heil, Gefährliche Beziehungen;
Söllner, Linke Schüler.
 Vgl. Meuter/Otten, Einleitung.
     

tus der Härte und des Einverständnisses mit der Modernisierung, der aus
dem Versuch resultierte, sich in der Trümmerlandschaft der Nachkriegs-
zeit zu behaupten. Hier war es wiederum Walter Benjamin, der den
Schock des Kriegserlebnisses und die durch ihn produzierte Entleerung
der Erfahrung rückblickend für die Entstehung eines »neuen Barbaren-
tum[s]« verantwortlich machte, das sich dazu gezwungen sah, nach dem
Krieg »von Neuem anzufangen« und »erst einmal reinen Tisch« zu ma-
chen. Der destruktive Charakter des Krieges habe destruktive Charak-
tere hervorgebracht, die sich als neue Barbaren wortkarg Wege durch die
Trümmerlandschaft der Nachkriegsmoderne brachen. Den Begriff von
den neuen Barbaren beanspruchte auch Ernst Jünger für sich, der etwa
von der »klirrende[n] Wiedergeburt des Barbarentums« (EJ , ) im
Krieg sprach. Tatsächlich lassen sich viele konservative Revolutionäre –
unter ihnen nicht zuletzt die Brüder Jünger und Martin Heidegger – als
destruktive Charaktere im Sinne Benjamins verstehen, die zur Neu-
fundierung ihrer politischen (und philosophischen) Ordnungssysteme
nach dem Ersten Weltkrieg erst einmal reinen Tisch mit dem bisherigen
Kulturbestand machen wollten.
Allerdings haben die »unheimlichen Nachbarschaften« in den die
politischen Lager verbindenden »Austauschdiskursen« der Weimarer Re-
publik auch ihre Grenzen. So war etwa der Messianismus Walter Benja-
mins oder Ernst Blochs wesentlich weniger radikal und stärker attentiver
Art als der politische Chiliasmus Hans Freyers oder Ernst Jüngers. Vor
allen Dingen aber verband sich das dezisionistische Tat-Denken auf der
Rechten mit spezifisch konservativen Motiven wie der antirationalisti-
schen »Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe«, dem schon angesproche-
nen »Denken aus dem Ursprung«, einem soldatischen Heroismus der
Opferbereitschaft und des Todesmutes, einem Elitismus der Eingeweih-
ten und einem »männlichen Fundamentalismus«, der mit einer spezi-

 Vgl. Lethen, Verhaltenslehren; ders., Habitus; Lindner, Leben.


 Benjamin, Erfahrung und Armut, S. .
 Vgl. Benjamin, Der destruktive Charakter; dazu Wohlfarth, No-man’s-land.
 Vgl. dazu Bullock, Walter Benjamin; Stiegler, Zerstörung; Caygill, Benjamin;
allg. Schneider, Barbar, S. -.
 Lethen, Unheimliche Nachbarschaften; Gangl/Raulet (Hg.), Intellektuellendis-
kurse; vgl. zur politischen Unschärfe vieler Weimarer Intellektuellendiskurse
auch Barnouw, Weimar Intellectuals, S. -; Bialas, Intellektuellengeschicht-
liche Facetten; Llanque, Politische Theorie.
 Vgl. Rabinbach, Shadow, S. -.
 Eickhoff/Korotin (Hg.), Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe.
 Weisbrod, Kriegerische Gewalt.
  - -

fisch männerbündlerischen Ausprägung des Führerprinzips einherging,


die sich so auf der Linken nicht finden ließen. Schließlich blieb das ge-
samte Denken der konservativen Revolutionäre stets auf Deutschland
und das deutsche Reich fixiert, um dessen Unter- und Wiederaufgang es
ihnen in ihrem »catastrophic nationalism« immer zu tun war. Die von
den rechtsintellektuellen Umstürzlern angestrebte Revolution sollte
nicht irgendeine, sondern eine »deutsche Revolution« sein – und dass
auch dort, wo ihr, wie in Ernst Jüngers »Arbeiter«, ein planetarischer
Charakter zugeschrieben wurde.
Mit dieser Fixierung auf Deutschland geht schließlich noch ein weite-
res Unterscheidungsmerkmal zwischen links und rechts einher, das mit
Begriff und Funktion von Intellektualität zusammenhängt und in der
Einleitung bereits thematisiert wurde. Die Avantgardetheorien der Lin-
ken beinhalteten nicht nur einen gänzlich anderen Begriff von Gesell-
schaft als die der Rechten. Sie schrieben auch der Aufgabe der Kritik und
damit der Funktion intellektueller Tätigkeiten eine besondere Bedeu-
tung im dialektischen Prozess der (revolutionären) Gesellschaftsentwick-
lung zu. Die rechten Avantgardisten bezeichneten sich dagegen selbst
nie als Intellektuelle, sondern waren gerade auf eine Überwindung der
Spaltung von »Geist« und »Leben« aus, wodurch sie das Problem der Ver-
mittlung von Theorie und Praxis, statt es als solches zu thematisieren,
einseitig verdeckten. Die Wahrnehmung dieser Spaltung ging in erster
Linie auf die Lebensphilosophie nietzscheanischer Prägung des späten
. Jahrhunderts zurück, die etwa in Ludwig Klages’ Hauptwerk »Der
Geist als Widersacher der Seele« von  eine ihrer prägnantesten Aktu-
alisierungen in der Weimarer Republik fand. Sie stand aber auch in der
Tradition des deutschen Kulturnationalismus, der gegen die westliche Zi-
vilisation gerichtet war und in dem der deutsche Dichter dem westlichen
Literaten entgegengesetzt wurde. In dieser Tradition entwickelten die
konservativen Revolutionäre einen spezifischen intellektuellen Antiintel-
lektualismus, der ihrem Tat-Denken zusätzliche Radikalität verlieh, sich
aber letztlich selbst den Boden unter den Füßen entzog.
Ernst Robert Curtius, selbst »der Sympathie für die Demokratie un-
verdächtig«, hat diesen Mechanismus des rechtsintellektuellen Antiin-

 Geyer, Insurrectionary Warfare.


 Vgl. Rohkrämer, Andere Moderne, S. -; Großheim, Ökologie, S. -; zur
Lebensphilosophie in diesem Kontext Schnädelbach, Philosophie in Deutsch-
land, S. -.
 Vgl. zu diesem Antiintellektualismus, der auch vom Nationalsozialismus bedient
wurde und ihm in die Hände spielte, Hartmann, Denker, S. -.
 Hoeges, Wahre Leidenschaft, S. .
     

tellektualismus als Zeitgenosse bereits erkannt. In seinem  erschienen


Aufruf »Deutscher Geist in Gefahr« beschäftigte er sich unter anderem
mit der Zeitschrift Die Tat, die hier bereits als Publikationsorgan der
Konservativen Revolution und als Versinnbildlichung ihres Tat-Denkens
genannt wurde. Curtius entdeckte bei ihren Autoren einerseits einen
»ausgesprochene[n] Intellektualismus«, verurteilte aber gleichzeitig ihren
»Revolutionismus« als ein nihilistisches »Nichts als Bewegung«. Für
Curtius war diese antitraditionalistische Attitüde eines »substanzlosen
Intellektualismus« gleichbedeutend mit einem »Opfer des Intellekts«. Er
folgerte:
»Deutschland ist das erste Land, in dem der internationale Nationalis-
mus eine geschlossene Front gegen den Geist – auch den des eigenen
Volkes – und gegen die Kultur – auch die auf eigenem Boden gewach-
sene – errichtet. Und diese Geistgegner sind nicht etwa Pöbelhorden,
sondern… Intellektuelle. Der vielgepriesene moderne Irrationalismus
hat hier seinen Gipfelpunkt erreicht und sein Meisterstück geliefert.
Wir sind soweit, daß die Vertreter des geistigen Prinzips selber den
Geist bekämpfen – weil sie sich seiner schämen. Damit vollendet sich
der Abfall der Intelligenz von sich selber, den ein französischer Kriti-
ker des Nationalismus schon vor Jahren untersucht hat […].«
Curtius verwies damit auf die in der Einleitung bereits zitierte Streit-
schrift »La Trahison des Clercs« Julien Bendas von , in der Benda den
als »clercs« bezeichneten Intellektuellen vorwarf, dass sie sich nicht nur
seit Ende des . Jahrhunderts den politischen Leidenschaften der welt-
lichen Massen, vor allem dem Nationalismus verschrieben hätten, son-
dern dass sie diese auch noch schürten, anstatt sie von der Warte des Gei-
stigen aus zu kritisieren. Während Bendas Kritik sich allgemein gegen
die Politisierung des Geistes in der Moderne richtete, machte Curtius mit
seiner Übertragung des Arguments auf die Tat auf das spezifische Para-
dox des revolutionären Konservatismus aufmerksam, da dessen antiratio-
nalistische Polemik sich tatsächlich als geistfeindlich gerierte, obgleich sie
selbst von »Geistigen« vorgetragen wurde. Ernst Jünger brachte diese
Haltung im »Arbeiter« auf die Formulierung, dass die »beste Antwort auf

 Curtius, Deutscher Geist, S.  u. ; vgl. dazu auch Hoeges, Kontroverse, S. -
.
 Ebd., S. ,  u. f.
 Vgl. Benda, Verrat.
 Vgl. zum Begriff der »Geistigen«, der in Deutschland häufig statt »Intellektuelle«
benutzt wurde, Bering, Die Intellektuellen, S. -; Phelan, Weimar Theories.
  - -

den Hochverrat des Geistes gegen das Leben […] der Hochverrat des
Geistes gegen den ›Geist‹« (EJ , ) sei. Dieser Hochverrat des Geistes
gegen den Geist war Ausdruck für das die gesamte Konservative Revolu-
tion charakterisierende Dilemma des intellektuellen Antiintellektualis-
mus. Die Struktur dieses rechtsintellektuellen Antiintellektualismus ist
neben Curtius auch anderen Zeitgenossen aufgefallen. So bemerkte Kurt
Hiller angesichts von Jüngers Angriffen gegen den Intellekt, »daß Herr
Jünger ja selber Literat ist und selber Intellektueller, wenngleich kein
sonderlich intelligenter; so daß seine These ihn selber ohrfeigt«.
Vor allen Dingen aber trug diese Geistfeindschaft auf besondere Weise
zur Radikalisierung des konservativ-revolutionären Tat-Denkens bei.
Schon  forderte Hans Freyer eine »Philosophie der Tat«, die sich
nicht mehr mit der intellektuellen Erfassung der Welt zufrieden geben
wollte: »Wir sind fertig mit den Begriffen, nun greifen wir ein in die
Welt. Wir haben widerlegt, nun revoltieren wir. Und ziehen aus den Prä-
missen der Philosophie den großen Schluß: die Tat.«  verkündete
Ernst Jünger dann, dass mit dem Auftreten eines neuen Typus von Arbei-
ter-Krieger im Ersten Weltkrieg der »Schritt vom romantischen Protest
zur Aktion« (EJ , ) vollzogen worden sei: »die Debatte [ist] ge-
schlossen, und es beginnt die Aktion« (ebd., ). Er fuhr an derselben
Stelle fort: »Es beginnt die Revolution, als deren stärkstes Mittel die reine
Existenz, das bloße Vorhandensein zu betrachten ist.« (Ebd.) Diese
Kopplung von Aktion und reiner Existenz verweist erneut auf das schon
genannte Dezisionismusproblem, auf die pure Entschlossenheit des poli-
tischen Existenzialismus, in dem die inhaltliche Unbestimmtheit gerade
zur Radikalität des Tat-Denkens beitrug. Schon  hatte Jünger an
Franz Schauwecker geschrieben: »Das einzig erstrebenswerte ist die Tat.
Alles andere ist Notbehelf.«

 Ein anderes Beispiel für diesen rechtsintellektuellen Antiintellektualismus war


ein Artikel von Ernst von Salomon von , in dem er dem bindungslosen Ich
des Intellektuellen das blutsverbundene Wir der nationalistischen Jugend entge-
genstellte: »Den Intellektualismus verwerfen wir. […] Unser ›Wir‹ wächst aus
unserem Wollen und unserem Dienen. Und unser Wollen und unser Dienen ge-
hört bis zum letzten Fanatismus dem deutschen Volke.« (Salomon, Wir und die
Intellektuellen, S. ) Vgl. dazu Bielefeld, Nation.
 Hiller, Linke Leute, S. .
 Freyer, Prometheus, S. . Freyer fährt an derselben Stelle fort: »Sicherlich ist
der Wirrwarr des Umsturzes peinlich für denkende Menschen, aber jetzt ist keine
Zeit, zimperlich zu sein. Müssen wir morden und brennen: umso schlimmer für
die widerstrebenden Mächte, die uns dazu gezwungen haben.« An anderer Stelle
fügt er hinzu: »Die Situation wird jede Zerstörung rechtfertigen, und wenn es
not tut, unserer Hände von jedem Blut reinigen.« (Ebd., S. )
     

Der Vorsatz aber, »das Wort durch die Tat, die Tinte durch das Blut,
die Phrase durch das Opfer, die Feder durch das Schwert« (EJ -,
) zu ersetzen, den Ernst Jünger schon  im Völkischen Beobachter
formulierte, dem er  erneut die »Aufforderung zur Tat« (ebd., )
folgen ließ und der etwa in Carl Schmitts Forderung nach »Aktion« statt
»Opinion« wiederkehrte, initiierte einen Wettlauf der Tatbereitschaft,
den letztlich nur diejenigen gewinnen konnten, die am Ende wirklich
bereit waren, mit der Tat Ernst zu machen und vor der politischen Ge-
walt nicht zurückzuschrecken. In dieser aktivistischen Logik der Kon-
servativen Revolution lag das Scheitern jener Art von Arbeitsteilung
schon begründet, die Edgar Julius Jung  entwickelte, indem er die
NSDAP zum »Referat Volksbewegung« des nationalen Lagers erklärte,
dem die konservativ-revolutionären Intellektuellen als »geistige Men-
schen« und Vordenker die Richtung zu weisen hätten. Indem sich die
konservativen Revolutionäre als »geistige Menschen« letztlich selbst ver-
leugneten, machten sie sich – in einer Formulierung von Karl Kraus – zu
»Worthelfern der Gewalt«. Sie begaben sich auf eine abschüssige Bahn,
an deren Ende nur die reale Gewalt des Nationalsozialismus liegen konnte.
Einige haben diese Bahn zwar zu einem früheren oder späteren Zeit-
punkt verlassen. Deren Verlauf konnten sie dadurch aber nicht mehr än-
dern. Dass wiederum einige mit diesem Verlauf dann nicht einverstan-
den waren, soll Hitler kurz nach der »Machtergreifung« mit den Worten
kommentiert haben: »Jetzt, da wir Ernst machen, markieren sie erstaunte
Kinderaugen.« Ernst Jünger brachte diese Gravitationsbewegung des

 Zit. n. Fröschle, Oszillationen, S. f. Im September  schrieb Friedrich Ge-


org Jünger im Rückblick über seinen Bruder: »Schon seit  droht ihm immer
auch die physische Vernichtung. Und damals schon hat er sich rücksichtslos auf-
geopfert. Das Handeln ging bei ihm dem Denken voraus; man wittert in seinem
Denken immer den Täter.« (F. G. Jünger an K. F. Baedeker, .. (Abschrift),
D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
 Einzelne dieser Rechtsintellektuellen schreckten tatsächlich nicht vor der realen
Gewalttat zurück, wie etwa Ernst von Salomon, der nicht nur bei den Freikorps
kämpfte, sondern sich auch am politischen Terrorismus, u. a. dem Mord an Wal-
ther Rathenau, beteiligte. Vgl. zum Verhältnis von Tatrhetorik, Gewalttat und
Resignation bei von Salomon Herzinger, Ein extremistischer Zuschauer.
 Jung, Neubelebung. Jung wurde als Verfasser der berühmten »Marburger Rede«
Franz von Papens im Zuge des so genannten »Röhm-Putschs« am . Juni 
ermordet; vgl. Jahnke, Edgar Julius Jung.
 Kraus, Dritte Walpurgisnacht, S. .
 Rauschning, Gespräche, S. . Zum problematischen Quellenwert von Rausch-
nings »Gesprächen« vgl. Ender, Deuter, S. -.
  - -

Tat-Denkens zur Gewalt-Tat  selbst auf den Begriff der »wachsenden
Schwerkraft« (EJ -, ) des Nationalsozialismus, ohne dabei
recht zu verstehen, in welchem Maße auch er mit seinen Texten dieser
Schwerkraft unterlag. Erst retrospektiv erkannte er, mit seinen publizisti-
schen Aktivitäten letztlich denjenigen genutzt zu haben, die sich dann
trauten, »die Sache zu machen«.

 So schrieb er am . Januar  an Gerhard Nebel: »Wäre ich dreißig Jahre jün-
ger, so würde ich eine jener Zeitschriften gründen, mit denen ich in den zwan-
ziger Jahren viel Zeit vertan habe. Aber wozu das dient, und wer dann kommt
und sich zutraut, die Sache zu machen, das haben wir gesehen.« (EJ/GN, )
An Friedrich Hielscher schrieb er schon  über die Nationalsozialisten: »Vieles
von dem, was wir in unserer politischen Zeit gesagt und geschrieben haben, wur-
de später von ihnen stellvertretend durchexerziert und ad absurdum geführt.«
(EJ/FH, )


.. Der neue Nationalismus der Brüder Jünger


Die Geburt des neuen Nationalismus im Krieg

In der zweiten Hälfte der er Jahre bildete Ernst Jünger den Kristal-
lisationskern einer Gruppe radikaler Rechtsintellektueller, die sich selbst
nationalrevolutionär nannten und zu denen auch Friedrich Georg Jünger
gehörte. Diese Gruppierung, zu der neben den Jüngers etwa Franz
Schauwecker, Ernst von Salomon, Friedrich Hielscher und andere zu
zählen sind, war eine unter vielen Strömungen der rechten und antide-
mokratischen Agitation in der Weimarer Republik, die je einzeln oftmals
sektiererischen Charakter hatten, die in ihrer Gesamtheit aber die poli-
tische Kultur Weimars nachhaltig prägten. Innerhalb dieses Spektrums
zeichneten sich die so genannten neuen Nationalisten um Ernst Jünger
unter anderem durch die Art ihrer permanenten Berufung auf das
Kriegserlebnis aus. Der Erste Weltkrieg, die Niederlage von  und der
Friedensvertrag von  bildeten für jede Form des deutschen Natio-
nalismus während der Weimarer Republik das Menetekel, an dem die
nationalen Erneuerungsbemühungen sich abzuarbeiten hatten. Für die
Brüder Jünger stellte das Kriegserlebnis aber in besonderem Maße den
Ausgangspunkt der nationalistischen Agitation dar. »Der Vater dieses
Nationalismus ist der Krieg« (EJ -, ), wie Ernst Jünger im
Vorwort zum Manifest seines Bruders Friedrich Georg »Aufmarsch des
Nationalismus« von  verkündete. Tatsächlich lässt sich besonders für
Ernst Jünger behaupten, dass der Krieg nicht nur der Vater seines politi-
schen Engagements, sondern auch der Motor seines literarischen Schaf-
fens war.  als Freiwilliger ins Feld gezogen, hatte er seit November
 als Leutnant und seit  als Stoßtruppführer an der Westfront ge-
kämpft, wurde mehrfach verwundet und kurz vor Kriegsende schließlich
mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet. Nach der Demobilisierung
blieb er noch bis  in den Diensten der Reichswehr und beschäftigte

 Vgl. Hietala, Der Neue Nationalismus; Prümm, Literatur sowie das instruktive
Nachwort von Stefan Breuer und Ina Schmidt in EJ/FH, S. -. Daneben
finden sich in Untersuchungen zu anderen Protagonisten dieses Lagers vielfach
Darstellungen der personellen Verflechtungen, z. B. bei Meinl, Nationalsoziali-
sten, S. - u. -; Schmidt, Herr des Feuers, S. -.
 Vgl. Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. -; Faye, Totalitäre Spra-
chen, S. -.
 Vgl. Barth, Dolchstoßlegenden; Heinemann, Verdrängte Niederlage; Schivel-
busch, Kultur der Niederlage, S. -.
  - -

sich als Mitglied der »Heeres-Vorschriftenkommission« mit der Aus-


arbeitung einer neuen Ausbildungsvorschrift, deren Grundüberlegungen
er in mehreren Artikeln des Militär-Wochenblattes darlegte (EJ -,
- u. -). Vor allen Dingen aber publizierte er schon  seinen in
Tagebuchform verfassten Kriegsbericht »In Stahlgewittern«, der seine
Bekanntheit als Kriegsschriftsteller begründete. Dieser ersten Veröffent-
lichung folgten nicht nur mehrere Überarbeitungen desselben Textes,
sondern noch vier weitere Kriegsbücher:  der Essay »Der Kampf als
inneres Erlebnis«,  die Novelle »Sturm«,  die Kriegsberichte
»Feuer und Blut« und »Das Wäldchen «.
Mit Hans-Harald Müller lässt sich diese Aufeinanderfolge von litera-
rischen Bearbeitungen des immer selben Stoffes als wiederholter und je-
weils neu gescheiterter Anlauf interpretieren, die traumatische Erfahrung
des Krieges zu verarbeiten. Die einzelnen Variationen dieser Bearbeitung
können hier nicht ausführlich dargestellt werden. Schon in der ersten
Auflage der »Stahlgewitter« wurde allerdings deutlich, dass das Traumati-
sche der Kriegserfahrung vor allen Dingen aus der etwa auch von Walter
Benjamin hervorgehobenen Inkommensurabilität des Erlebten resultier-
te, das mit den Kategorien der Vorkriegserwartung nicht zu verstehen
war. Für Jünger bedeutete das in erster Linie, dass seine Vorstellungen
von Abenteuer, Heldentum und ritterlichem Kampf an der grauen und
zermürbenden Realität des Stellungskriegs zerschellt waren. Ein Großteil
seiner schriftstellerischen Bemühungen (und wohl auch seiner Überle-
bensbemühungen an der Front) bestand darin, eine neue Konzeption des
Heroismus gegen die Anonymisierung und Entpersönlichung des Tötens
und Sterbens im modernen Krieg zu entwickeln. Diese Anonymisierung
des Todes wiederum resultierte in besonderem Maß aus dem technischen
Charakter der Materialschlachten, der nicht nur das Kriegsgeschehen in
seinem Ablauf dominierte, sondern auch zu einem gegenüber früheren
Kriegen unvorstellbaren Anstieg der Gefallenenzahlen führte. Das Ge-

 Vgl. zum Problem der Überarbeitungen bei Jünger Kunicki, Projektionen; Kne-
bel, ›Fassungen‹; Dempewolf, Blut und Tinte; Böhme, Fassungen; zu den Kriegs-
büchern als gelungene Synthese der umfangreichen Literatur Martus, Ernst Jün-
ger, S. -.
 Vgl. Müller, Im Grunde; ders.: Krieg; ders.: Wandel.
 Vgl. Benjamin, Erfahrung und Armut; allg. Mülder-Bach (Hg.), Modernität und
Trauma.
 Vgl. Blotzheim, Ernst Jüngers »Heldendehrung«; zum Wandel des Heldenmythos
von »Langemarck« zu »Verdun« auch Hüppauf, Schlachtenmythen.
 Vgl. Ziemann, Soldaten; Spilker/Ulrich (Hg.), Tod.
    

dächtnis dieser Toten führte vor allen Dingen nach der Niederlage zu
dem dringlichen Bewusstsein, dass sie nicht umsonst gestorben sein dür-
fen. Es galt vielmehr, der offensichtlichen Sinnlosigkeit des anonymen
Sterbens und des verlorenen Krieges einen Sinn zu verleihen.
Im Einzelnen bestand die Sinngebung für Jünger darin, den Krieg
einerseits als elementares, schicksalhaftes Ereignis zu werten, das der
menschlichen Entscheidung enthoben sei, wobei der Heroismus dann
darin bestehe, dieses Schicksal aktiv anzunehmen, sich ihm zu stellen.
Andererseits erschien Jünger der Krieg als Fanal einer neuen Epoche.
Dieses Motiv fand sich bereits in den Kriegsbüchern und wurde in den
Texten des neuen Nationalismus fortgeführt, in denen der Krieg zur
metaphysischen Zeitenwende überhöht, seine Funktion als die des »Um-
werters der Werte, des großen Zerstörers des Gewordenen und des Vaters
der zukünftigen Dinge« (EJ -, ) beschrieben wurde. Der
Krieg markierte für Jünger den Eintritt in ein neues Zeitalter, in das er
die durch ihn Gestählten als ein »neues Geschlecht« (ebd., ) entlassen
habe, und erschien damit gleichzeitig als der »große, rote Schlußstrich
unter der bürgerlichen Zeit« (ebd., ). Dieses bürgerliche Zeitalter sei
in erster Linie durch das Streben nach Sicherheit gekennzeichnet gewe-
sen, der Krieg dagegen stelle einen Ausbruch des Elementaren und Ge-
fährlichen dar, der sich durch die Kruste der Zivilisation hindurch Bahn
gebrochen habe: »Das Ungeteilte, der Ursprung wurde lebendig und
schrie nach Entladung, nach einfacher und wilder Tat.« (EJ , ) Die
neue Zeit, die durch den Krieg eingeläutet wurde, erschien daher als
gleichzeitig moderner und elementarer als die bürgerliche Epoche. In
diesem neuen »Maschinenzeitalter« (ebd., ) könnten nur diejenigen
bestehen, die als neue Menschen aus dem Krieg hervorgegangen seien.
Auf diese Weise konnte außerdem auch die militärische Niederlage des
Kaiserreichs relativiert werden. Denn verloren haben auf allen Seiten nur

 Vgl. Mosse, Gefallen; Behrenbeck, Heldenkult.


 Vgl. Vondung, Propaganda. Ernst Jünger brachte die Logik der Verzweiflung, die
hinter dieser Sinngebung des Sinnlosen steckte,  erstaunlich offen zum Aus-
druck: »Wir müssen an einen höheren Sinn glauben als an den, den wir dem
Geschehen zu geben imstande sind […]. Sonst wird uns der Grund, auf dem wir
stehen, mit einem Ruck unter den Füßen fortgerissen und wir taumeln in einer
sinnlosen, chaotischen, zufälligen Welt. […] Wir müssen glauben, daß alles sinn-
voll geordnet ist, sonst stranden wir bei den Scharen der innerlich Unterdrück-
ten, der Entmutigten oder der Weltverbesserer oder wir leben wie die Tiere als
Duldende in den Tag hinein. […] Das, wofür Männer sterben, kann niemals
sinnlos sein.« (EJ -, f.) Nach dieser Logik heiligt also nicht das Ziel
die Opfer, sondern die Opfer müssen verbürgen, dass es überhaupt ein Ziel gab.
  - -

die Vertreter der alten Zeit, gewonnen haben überall die durch den Krieg
gehärteten neuen Menschen.
Diese Härtung bestand im Übrigen auch im Erlernen eines neuen
Umgangs mit der Maschinentechnik, die nicht nur dem Krieg, sondern
der neuen Epoche insgesamt ihr stählernes Gepräge gebe. Dabei war die
Haltung Ernst Jüngers zur Technik durchaus ambivalent. Denn einerseits
war es ja gerade die Technik, die zur Entpersönlichung und kalten De-
struktion im Maschinenkrieg geführt hatte. Da im Krieg »selbst der
Mensch […] als Material gewertet« (EJ , III) wurde, offenbarte sich
auch für Jünger darin zunächst die »Herrschaft der Maschine über den
Menschen, des Knechtes über den Herrn« (b, ). Doch gemäß der
oben schon erläuterten Logik der Verzweiflung blieb Jünger bei diesem
Befund nicht stehen. Vielmehr postulierte er, dass sich nur der schwache
Mensch von der Technik erdrücken lasse. Der Starke aber zeige, »daß der
Mensch dem Material überlegen ist, wenn er ihm die große Haltung ent-
gegenzustellen hat« (ebd., ). Diese große Haltung entdeckte Jünger
besonders in den neuartigen Soldatengattungen, den Panzerfahrern und
Fliegern sowie den Stoßtruppführern, zu denen er selbst gehörte und die
er als »Stahlgestalten« beschrieb:
»Es sind die Stahlgestalten, deren Adlerblick geradeaus über schwir-
rende Propeller die Wolken durchforscht, die in das Motorengewirr
der Tanks gezwängt, die Höllenfahrt durch brüllende Trichterfelder
wagen, die tagelang, sicheren Tod voraus, in umzingelten, leichenum-
häuften Nestern halbverschmachtet hinter glühenden Maschinenge-
wehren hocken. Sie sind die Besten des modernen Schlachtfeldes, von
rücksichtslosem Kämpfertum durchflutet, deren starkes Wollen sich
in geballtem, zielbewußtem Energiestoß entlädt. Wenn ich beobachte,
wie sie geräuschlos Gassen in das Drahtverhau schneiden, Sturm-
stufen graben, Leuchtuhren vergleichen, nach den Gestirnen Nord-
richtung bestimmen, erstrahlt mir die Erkenntnis: Das ist der neue
Mensch. Die Sturmpioniere, die Auslese Mitteleuropas. Eine ganz
neue Rasse, klug, stark und Willens voll. Was hier im Kampfe als Er-
scheinung sich offenbart, wird morgen die Achse sein, um die das
Leben schneller und schneller schwirrt.« (EJ , )
In dieser Passage aus dem »Kampf als inneres Erlebnis« von  wird
bereits die in dieser Kriegsdeutung enthaltende Zukunftsprojektion
deutlich. Tatsächlich lässt sich der etwa  einsetzende politische Akti-
vismus Jüngers als Praktischwerden der Kriegsdeutung verstehen, dem es

 Vgl. dazu Rohkrämer, Verzauberung; ders., Strangelove.


    

darum ging, die Stahlgestalten des Frontsoldatentums im politisch kon-


kreten Sinn zur Avantgarde der neuen Zeit zu machen und mit dieser
Avantgarde die »Totgeburt« (EJ -, ) der ersten deutschen Re-
publik als letzte Erscheinung der eigentlich schon vergangenen Zeit zu
beseitigen.
Obwohl Friedrich Georg Jünger im Ersten Weltkrieg eine wesentlich
kürzere Soldatenkarriere durchlief als sein Bruder Ernst, stellte auch für
ihn das Kriegserlebnis den zentralen Ausgangspunkt seiner nationalisti-
schen Agitation dar. Drei Jahre jünger als Ernst, konnte sich Friedrich
Georg Jünger erst  als Freiwilliger zum Heer melden und wurde erst
Anfang  zum ersten Mal für kurze Zeit an die Front geschickt. Schon
bei seinem zweiten Einsatz an der Front im Juli  wurde er von
Schrapnellschüssen in Brust und rechter Schulter getroffen und – auf
Veranlassung seines zufällig in der Nähe stationierten Bruders Ernst –
schwer verletzt vom Schlachtfeld geborgen. Nach Aufenthalt in verschie-
denen Lazaretten kam es für ihn nicht mehr zu einem Fronteinsatz. Nach
Kriegsende reichte er im August  sein Entlassungsgesuch ein und
wurde im März  formell aus dem Heer verabschiedet. Seine rechte
Schulter blieb dauerhaft geschädigt. Im Gegensatz zu seinem Bruder er-
hielt er als einzige Auszeichnungen das Eiserne Kreuz II. Klasse und das
schwarze Verwundetenabzeichen.
Dass die Niederlage in den nationalistischen Texten Friedrich Georg
Jüngers zumeist noch deutlicher als schmachvolle Demütigung verstan-
den und angesprochen wurde als in denen Ernst Jüngers, liegt vielleicht
auch daran, dass für ihn das Scheitern der deutschen Kriegsanstrengun-
gen wesentlich direkter mit einem persönlichen Scheitern verknüpft war
als für seinen Bruder, der die »Stahlgewitter« immerhin mit der Verlei-
hung des Pour le Mérite enden lassen konnte statt mit der Kapitulation.
Anders als Ernst übernahm Friedrich Georg Jünger auch ungebrochener
die in den er Jahren verbreitete Dolchstoßlegende, wonach das deut-
sche Heer im Felde unbesiegt, jedoch von der Heimatfront in ihrem
»zerstörende[n] Unglaube[n]« (FGJ a, XVI) im Stich gelassen wor-
den sei. Ganz im selben Sinne wie Ernst verstand allerdings auch er den

 Was sich ebenfalls aus dieser Passage ersehen lässt, ist Jüngers Fixierung auf Kate-
gorien der Männlichkeit, die nicht nur in der Propaganda von Härte und Opfer-
bereitschaft zutage tritt, sondern auch in seiner metaphorischen Sprache mit
ihren »geballten Entladungen«; vgl. dazu v.a. Weisbrod, Kriegerische Gewalt.
 Vgl. Fröschle, La Grande Guerre; zu Friedrich Georg Jüngers nationalistischer
Publizistik Beismann, Spurensuche; Heyer, Maschine, S. -.
 Vgl. FGJ a,  u. FGJ a, ; zu Ernst Jüngers Zurückweisung der Dolch-
stoßlegende EJ -, .
  - -

Nationalismus als »Erbe unserer Toten« und als »Vollstrecker ihres un-
geheuren Nachlasses« (ebd., f.). Auch für Friedrich Georg Jünger er-
schien der Krieg zugleich als »schicksalhafter Vorgang« (ebd., ) und als
Beginn einer neuen Epoche. Die Ankündigung dieser neuen Epoche
gestaltete sich bei ihm jedoch noch deutlicher als revisionistisches Pro-
gramm, denn der Krieg war ihm nicht nur allgemein »Auftakt einer ge-
waltmäßigen, bewaffneten Zeit«, sondern auch konkret »Beginn einer
furchtbaren, alle Kräfte anspannenden Auseinandersetzung« im »großen
Gegensatz von Volk zu Volk« (ebd., f.). Der Nationalismus wolle »das
Deutsche in eine neue aggressive Form bringen« (ebd., ), um für den
»Endkampf des Imperialismus« (ebd., ) gerüstet zu sein. Dabei erscheine
im »Zeitalter der Maschinen […] kein Mittel mehr als verwerflich«, denn
»Menschen und Methoden sind brutalisiert« (ebd., ).

Die Agitation des neuen Nationalismus

Beide Brüder Jünger werteten die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in


den er Jahren also als Verpflichtung, sich politisch für die Durch-
setzung des von ihnen so genannten »Frontgedankens« einzusetzen, der
gleichzeitig die der neuen Zeit angemessene Haltung repräsentiere. Ernst
Jünger verstand bereits seine Kriegsbücher als »Beiträge zur geistigen Ver-
tiefung des Frontgedankens«, so besonders die beiden  erschienen
Kriegsberichte »Feuer und Blut« und »Das Wäldchen «, die bereits
sehr viel stärker nationalistisch gefärbt waren als die »Stahlgewitter« der
ersten Auflage. Geschrieben hat Jünger diese Bücher in Leipzig, wo er
nach dem Ausscheiden aus der Reichswehr  ein Zoologiestudium
aufgenommen hatte. Den ersten im engeren Sinn politischen Artikel mit
dem Titel »Revolution und Idee« veröffentlichte er schon  im Völ-
kischen Beobachter (EJ -, -), seine kontinuierliche politische
Publikationstätigkeit begann aber erst . Zu dieser Zeit lebte auch
Friedrich Georg Jünger in Leipzig, wo er Jura studiert hatte und nun als
Referendar am Leipziger Amtsgericht tätig war. Beide Brüder arbeiteten
seit  an verschiedenen in Berlin erscheinenden nationalistischen
Zeitschriften mit, wobei Ernst Jünger sich stärker auf diese publizistische
Arbeit konzentrierte und selbst als Herausgeber verschiedener Zeitschrif-

 So lautet die Unterüberschrift der Standarte, die Ernst Jünger ab  mit heraus-
gab.
 Vgl. neben der Edition EJ - auch Reimann, Feder.
    

ten fungierte.  siedelte er schließlich nach Berlin über, auch um di-
rekter an den diversen nationalistischen Projekten mitarbeiten zu kön-
nen. Friedrich Georg Jünger folgte ihm . In Berlin unterhielten die
Brüder vielfältige Kontakte, nicht nur zu nationalistischen Agitatoren,
sondern auch zu Intellektuellen anderer politischer Lager. In den späten
er Jahren verzweigten sich auch ihre publizistischen und literari-
schen Aktivitäten, wobei sie an politischer Eindeutigkeit, nicht aber an
Radikalität verloren.
Dass Ernst Jüngers politische Agitation unmittelbar aus der nach-
holenden Bearbeitung des Kriegserlebnisses erwuchs, zeigt sich sehr
deutlich an einer Artikelfolge, die er  in der Zeitschrift Die Standarte.
Beiträge zur geistigen Vertiefung des Frontgedankens veröffentlichte. Der
erste dieser Artikel erschien Anfang September  unter dem Titel »We-
sen des Frontsoldatentums« (EJ -, -), der letzte unter dem
schlichten Titel »Schluß« (ebd., -) Ende Dezember . Im Rah-
men dieser Artikelfolge setzte sich Jünger mit der wilhelminischen Zeit
(ebd., -), mit dem Krieg als »äußerem« und als »innerem« Erlebnis
(ebd., -), mit »Revolution« (ebd., -), »Reaktion« (ebd., -
) und »Tradition« (ebd., -), den gegnerischen Weltanschauungen
des »Pazifismus« (ebd., -) und »Internationalismus« (ebd., -),
dem Gegensatz von »Blut und Intellekt« (ebd., -), der Technik
(ebd., -) sowie dem Verhältnis von Frontsoldat und »innerer Poli-
tik« (ebd., -) auseinander. In systematischer Absicht entwickelte
Jünger hier das politische Programm des neuen Nationalismus, der Poli-
tik als »Fortsetzung des Krieges mit veränderten Mitteln« (ebd., ) be-
treiben wolle. Denn im Krieg habe der Frontsoldat »eine neue, unbe-
kannte Welt« betreten, »und dieses Erlebnis rief in vielen jene völlige
Veränderung des Wesens hervor, die sich am besten mit der religiösen
Erscheinung der ›Gnade‹ vergleichen läßt, durch welche der Mensch
plötzlich und von Grund auf verwandelt wird« (ebd., ). Der Front-
soldat, so Jünger in Fortsetzung dieser apokalyptischen Vorstellung einer
metaphysischen Wende, »erlebte in sich die Vernichtung einer alten und
die Auferstehung einer neuen Welt« (ebd., ).

 Im Mai  schrieb er an Ludwig Alwens, er habe sich entschlossen nach Berlin
zu ziehen, um auf den Lauf der Dinge besseren Einfluss nehmen zu können; vgl.
E. Jünger an L. Alwens, .., A: Ernst Jünger, DLA Marbach; zu Ludwig
Alwens und seinem Verhältnis zu Jünger Berggötz, Zwei Wege; zu Jüngers Ber-
liner Jahren Mühleisen, Ernst Jünger.
 Als anschauliche Beschreibung der Berliner »Bohème« um Jünger vgl. Noack,
Ernst Jünger, S. -.
  - -

Die vollständige Durchsetzung dieser neuen Welt gegen die Reste der
alten sei die politische Aufgabe des modernen Nationalismus. Er richte
sich gegen Demokratie, Pazifismus und Internationalismus und strebe
eine nationale Diktatur nach innen und eine imperialistische Politik
nach außen an. Das bedeutete gleichzeitig, dass der Nationalismus sich
auch von restaurativen Bestrebungen des Monarchismus und Konser-
vatismus distanzierte. Analog zu der oben schon wiedergegebenen Ar-
gumentation, dass im Weltkrieg einerseits die »Technik als zerstörendes
Element« (ebd., ) hervorgetreten sei, dass sich aber andererseits gerade
in der Konfrontation des Frontsoldaten mit der Kriegstechnik erwiesen
habe, »daß die innere Kraft dem Material überlegen ist« (ebd., ), for-
derte Jünger, dass sich der Frontsoldat als »Beherrscher der Materie und
Beherrscher seiner selbst« (ebd., ) im nationalistischen Kampf der
modernsten Mittel bediene: »In Krieg und Frieden wird der moderne
Nationalismus auf die Maschine angewiesen sein« (ebd., ), wobei es
darum gehe, »die furchtbare, gebundene Energie des modernen Staates
in den Dienst des Reiches zu stellen, sie den Fangarmen des zweckmäßig
denkenden Intellekt[s] zu entwinden und sie bis in das letzte Schwung-
rad, das letzte Stückchen Eisen den Gesetzen des Blutes zu unterwerfen«
(ebd., ). In diesem Sinn sei der Nationalismus eine moderne Erschei-
nung, eine »Bewegung der Jungen« (ebd., ), die auch den »Arbeiter in
die nationale Front« (ebd., ) einbeziehen müsse, denn der Arbeiter sei
»das brauchbarste Instrument des modernen Nationalismus« (ebd., ),
ja sogar der »erste und stärkste Faktor beim Aufmarsch des modernen
Nationalismus« (ebd., ). Dieser moderne Nationalismus sei daher
»eine revolutionäre Erscheinung« (ebd., ), die nicht auf eine Teilhabe
am gegenwärtigen Staat gerichtet sei, sondern auf dessen vollständige Be-
seitigung:
»Wir wollen keine Partei bilden, wir wollen nicht wählen, das hieße
den Staat anerkennen, das hieße eins seiner Organe werden, statt gegen
ihn gerichtet zu sein. Wir wollen uns zu einer selbständigen Macht
entwickeln, die eines Tages mächtiger sein wird als der Staat. […] Der
Tag, an dem der parlamentarische Staat unter unserem Zugriff zusam-
menstürzt und an dem wir die nationale Diktatur ausrufen, wird unser
höchster Festtag sein.« (Ebd., f.)
Mit der Ausformulierung dieses revolutionären Programms war Ernst
Jünger maßgeblich an dem Versuch einer Gruppe junger Rechtsintellek-

 Vgl. zum Verhältnis des neuen Nationalismus zur Technik Wege, Stahl und Seele;
zur Entgegensetzung von Blut und Intellekt unten, S. .
    

tueller beteiligt, die Politik der paramilitärischen Soldatenverbände der


Weimarer Republik und besonders des »Stahlhelm. Bund der Frontsolda-
ten« zu radikalisieren. Der Stahlhelm, Ende  als Reaktion auf die
Novemberrevolution unter Federführung von Franz Seldte gegründet,
war der größte Kampfbund ehemaliger Kriegsteilnehmer, dessen Agita-
tion zunächst gegen den Versailler Friedensvertrag und die Ausbreitung
des Bolschewismus gerichtet war, sich zunehmend aber auch gegen die
Weimarer Republik selbst wandte. In der so genannten Stabilisierungs-
phase der Republik seit etwa  war er allerdings in eine Phase allge-
meiner »Stagnation und Selbstzufriedenheit« geraten, in der nun einige
vor allem jüngere Mitglieder versuchten, die nationalistische Position des
Stahlhelms theoretisch neu zu fundieren und dadurch eine neue politische
Dynamik zu entfachen. Besonders Helmut Franke, enger Mitarbeiter des
Stahlhelmführers Franz Seldte und zwischen  und  kurzzeitig
Generalsekretär des Stahlhelms und Hauptschriftleiter der Stahlhelm-
Bundeszeitschrift, war um ein Sprachrohr für die junge Frontkämpfer-
generation bemüht. Als solches Sprachrohr wurde Die Standarte im Juni
 unter Federführung Frankes gegründet. Sie erschien als Sonderbei-
lage der Mitgliederzeitschrift Stahlhelm. Wochenzeitschrift des Bundes der
Frontsoldaten und erreichte damit eine Auflagenhöhe von . Exem-
plaren. Neben Ernst Jünger arbeiteten auch Autoren wie Franz Schau-
wecker, Friedrich Wilhelm Heinz und Goetz Otto Stoffregen an der
Standarte mit.
Die radikalen Konzepte dieser Gruppe wurden der Führung des Stahl-
helms jedoch zunehmend unangenehm, da diese sich unter der Parole
»Hinein in den Staat!« mittlerweile auf einen Legalitätskurs eingestellt
hatte, der umgekehrt zu einer immer harscher werdenden Kritik durch
die Autoren der Standarte führte. Deshalb wurde Die Standarte bereits im
März  von der Wochenschrift Stahlhelm losgelöst und mit dem etwas
geänderten Titel Standarte. Wochenschrift des neuen Nationalismus im
Frundsberg-Verlag Franz Seldtes als eigenständige Zeitschrift, aber im-
mer noch in Assoziation mit dem Stahlhelm, herausgegeben. Neben
Franz Schauwecker, Helmut Franke und Wilhelm Kleinau fungierte jetzt

 Nach der Ermordung Rathenaus  wurde er in Preußen zeitweilig verboten.


Er zählte Mitte der er Jahre reichsweit etwa . Mitglieder. Vgl. Berg-
hahn, Stahlhelm; Klotzbücher, Der politische Weg; zum weiteren Kontext der
paramilitärischen Politik Diehl, Paramilitary Politics; Fritzsche, Rehearsals.
 Berghahn, Stahlhelm, S. .
 Vgl. zu den späteren Differenzen mit Franke aber EH/FH, f., - und pas-
sim.
  - -

auch Ernst Jünger als Mitherausgeber. Die Auflage belief sich allerdings
nur noch auf etwa  Exemplare.
In dieser veränderten Standarte veröffentlichte auch Friedrich Georg
Jünger seine ersten politischen Artikel (FGJ b-d). Gleichzeitig er-
schien im Frühjahr  sein »Aufmarsch des Nationalismus«, der als
zentrales Manifest des neuen Nationalismus angelegt war und als zweiter
Band in der von Ernst Jünger herausgegeben Schriftenreihe »Der Auf-
marsch« publiziert wurde. Friedrich Georg Jünger plädierte darin ganz
im Sinne der Standartegruppe für das nationalistische Engagement in
einem »soldatischen Verband« (FGJ a, ) und spielte dabei deutlich
erkennbar auf den Stahlhelm an: »Die nächste und dringendste Aufgabe
ist es, einen mächtigen, Deutschland umfassenden Verband in der Weise
durchzubilden und schlagfertig zu machen, daß er fähig ist, die Zügel des
Staates in die Hand zu nehmen.« (Ebd., f.) Gleichzeitig betonte er aber
genau wie Ernst Jünger, dass der Nationalismus »weder konservativ noch
monarchisch« (ebd., ) sei. Er müsse stattdessen im Sinne eines »deut-
schen Sozialismus« (ebd., ) die Arbeiterschaft für sich gewinnen und
sich der großstädtischen Energien und der Technik bedienen: »Die Ent-
wicklung der Technik, die heute dazu gelangt ist, die Erde mit einem
Spannungsnetz elektrischer Energien zu überziehen, läuft der Entwick-
lung des politischen Imperialismus vollkommen parallel.« (Ebd., )
Im »Aufmarsch des Nationalismus« war Friedrich Georg Jünger im
selben Maß um eine gedankliche Fundierung des neuen Nationalismus
bemüht wie Ernst Jünger in der zitierten Artikelserie. Diese geistige Fun-
dierung sollte nun in einer zweiten Phase des nationalistischen Engage-
ments in die politische Aktion münden. Im März  plädierte Ernst
Jünger für die »aktive Eingliederung in das politische Kräftespiel« (EJ
-, ) und sprach sich trotz der ersten Risse im Verhältnis zum
Stahlhelm noch im Mai  dafür aus, »unseren Einfluß in den Kampf-
bünden zu stärken« und ihre »Revolutionierung« voranzutreiben (ebd.,
). Schon im März  hatte er die Zusammenfassung der »nationalen
Frontsoldatenverbände«, der »Kräfte der radikalen, der völkischen und

 Womit ein Defizit von - RM verursacht wurde, welches der Stahlhelm
deckte; vgl. Berghahn, Stahlhelm, S. .
 Als Band  dieser Reihe war ebenfalls  Franz Schauweckers »Der feurige Weg«
erschienen. Für Herbst  wurde als dritter Band ein Buch von Ernst Jünger
selbst mit dem Titel »Die Grundlagen des Nationalismus« angekündigt, das je-
doch nie erschien.  wurde die eigens gegründete Verlagsgesellschaft »Der
Aufmarsch« aufgelöst. F. G. Jüngers Buch wurde  vom Vormarsch-Verlag
übernommen und unverändert wieder auf den Markt gebracht; vgl. Fröschle,
Kommentiertes Verzeichnis, S. f.
    

der nationalsozialen Gruppen« sowie des »blutmäßige[n] Kern[s] des


Frontsoldatentums der Arbeiterschaft« (ebd., ) gefordert. Im Juni 
veröffentlichte er in der Standarte schließlich einen direkten politischen
Aufruf an das gesamte nationale Lager mit dem Titel »Schließt Euch
zusammen!« (ebd., -). Die Reaktionen hierauf waren zunächst
durchaus positiv, die im Anschluss an den Aufruf geführte lebhafte De-
batte in der Standarte führte aber zu keinem konkreten Ergebnis. Statt-
dessen verschlechterte sich das Verhältnis der neuen Nationalisten zur
Stahlhelmführung. Als am . August  ein Artikel in der Standarte
erschien, in dem der Ruhrkämpfer Leo Schlageter, der Erzberger-Mör-
der Tillesen und die Rathenau-Mörder Fischer und Kern als »Nationa-
listische Märtyrer« gerühmt wurden, wurde das Blatt für drei Monate
verboten, Helmut Franke wurde als Schriftleiter entlassen und in seiner
Gefolgschaft trennten sich auch die meisten anderen Autoren der Stan-
darte, unter ihnen Ernst und Friedrich Georg Jünger, vom Stahlhelm.
Dieser Bruch stellte zugleich das Scheitern der politischen Ambitionen
der jungen Frontkämpfer dar, die im Stahlhelm als der größten und ein-
flussreichsten Organisation von nationalistischen Frontkämpfern eine
wirkungsmächtige Plattform für die aktive Umsetzung ihrer Ideen ge-
sucht hatten. In der neuen Nachfolgezeitschrift der Standarte, dem
Arminius. Kampfschrift für deutsche Nationalisten, musste Helmut Franke
im November  zudem feststellen: »Der im Sommer dieses Jahres von
Ernst Jünger in der ›Standarte‹ ausgesprochene Ruf ›Schließt Euch zu-
sammen!‹ ist ergebnislos verhallt.« Friedrich Georg Jünger kommen-
tierte die misslungene Sammlung im selben Heft wie Franke als »Fiasko
der Bünde« (FGJ e).

 Vgl. zu dieser Debatte die in insgesamt fünf Blöcken abgedruckten Antworten in


der Standarte von , S. -, S. -, S. -, S. - u. S. -
 sowie die Antwort von Jünger »Schließt euch zusammen! Schlußwort«
(EJ -, -); für eine zusammenfassende Darstellung Woods, Ernst
Jünger, S. -; zur Unfähigkeit des nationalen Lagers, sich auf ein Programm
zu einigen, auch ders., Konservative Revolution.
 Der auch von den Nationalsozialisten als nationaler Märtyrer verehrte und in-
strumentalisierte Leo Schlageter stellte für Friedrich Georg Jünger ebenfalls einen
Gegenstand besonderer Bewunderung dar; vgl. FGJ b u. c
 Vgl. dazu Struve, Elites, S. . Dass das Standarte-Projekt innerhalb des Stahl-
helms scheiterte, bedeutet allerdings nicht, dass es dort keine Wirkung gezeitigt
hätte. Vielmehr trug die Standartegruppe trotz ihres Weggangs zu einer Radikali-
sierung des Stahlhelms bei; vgl. Fritzsche, Rehearsals, S. ; Diehl, Paramilitary
Politics, S. .
 Franke, Schließt Euch zusammen, S. .
  - -

Trotz dieser Misserfolge hielten die neuen Nationalisten aber an ihrem


politischen Programm fest. Nach dem Bruch mit dem Stahlhelm nutzten
sie ihre Kontakte zu Hermann Ehrhardt, dem berüchtigten Freikorps-
führer, um sich neue Agitationsmöglichkeiten zu verschaffen. Ehrhardt
hatte sich nach dem Verbot seines eigenen Verbandes »Bund Wiking« im
Mai  mit seiner Gefolgschaft dem Stahlhelm angeschlossen und war
von den Standarte-Leuten als Mann der Tat begrüßt worden. Er war es
auch, der den Arminius, das neue Zeitschriftenprojekt der Standarte-
gruppe, finanzierte. Doch auch der Arminius, den sie als Nachfolgeblatt
des Völkischen Kuriers übernommen hatten, um ihn als »neue Standarte«
weiterzuführen, hielt sich nur bis zum September . Danach waren
die Brüder Jünger wiederum an einer von Ehrhardt getragenen Zeit-
schrift beteiligt, dem Vormarsch. 
In diesen beiden Organen entwickelten beide Brüder Jünger die be-
reits angedeutete scharfe Kritik am traditionellen Nationalismus, wie sie
ihn im Stahlhelm erlebt hatten, den Ernst Jünger nun abfällig mit einem
»Kegelverein« (EJ -, ) verglich. Als Ehrhardt im Oktober 
nach schweren Differenzen bereits wieder aus dem Stahlhelm ausschied,
bestärkte das die Männer um Ernst Jünger in ihrer Kritik an der »Ver-
einsmeierei« und dem »Altväternationalismus« des Stahlhelms (ebd.,
-). Zunächst der Arminius, danach auch der Vormarsch sollten des-

 Hermann Ehrhardt,  geboren, war als Korvettenkapitän am Ersten Weltkrieg


und danach als Gründer und Führer der »Brigade Ehrhardt« an den innenpoli-
tischen Kämpfen der Nachkriegszeit beteiligt. Während des Kapp-Putsches
kämpfte er auf Seiten der Putschisten und die von ihm gegründete »Organisation
Consul« (OC) war an der Ermordung Erzbergers und Rathenaus maßgeblich be-
teiligt. Mehrfach gesucht, lebte er zeitweise unter verschiedenen Decknamen.
Nach Auflösung der OC war er v. a. als Führer des  gegründeten »Bundes
Wiking« aktiv. Vgl. Vasold, Hermann Ehrhardt; Krüger, Brigade Ehrhardt. Zu
den von Erhard geförderten Zeitschriften vgl. Breuer/Schmidt, Wiking.
 Der Arminius wurde offiziell von Helmut Franke im Verein mit Ernst Jünger und
Wilhelm Weiß herausgegeben. Letzterer war NSDAP-Mitglied und wechselte
schon im Januar  als Chef vom Dienst zum Völkischen Beobachter. Vgl. dazu
und zum völkischen Hintergrund des Arminius sowie den internen Differenzen
zwischen Ehrhardt und den Brüdern Jünger Breuer/Schmidt, Wiking, S. ff.
 Ernst Jünger zeichnete hier vom Oktober  bis zum März  zusammen mit
Werner Laß als Herausgeber verantwortlich. Der Vormarsch war im Juni  auf
Initiative Ehrhardts als Nachfolgeorgan des Vereinsblattes des »Bundes Wiking«,
Der Wikinger, gegründet worden und führte zunächst den Untertitel »Blätter der
Wikinger«, später dann »Blätter für die nationalistische Jugend«. Ab Juni 
hieß er »Kampfschrift des deutschen Nationalismus«. Die Mitglieder des Bundes
Wiking wurden zum Bezug des Blattes angehalten, so dass seine Auflage zwi-
schen  und  Exemplaren schwankte; vgl. Schwarz, Anarchist, S. .
    

halb zu einer Radikalisierung und Revolutionierung des Nationalismus


beitragen, der sich als »durch und durch revolutionärer Aktivismus«
(FGJ e, ) »von organisatorischen Bindungen, die sich als Fesseln er-
wiesen haben« (EJ -, ), befreien und als reine Idee verwirk-
lichen sollte. Kompromisslosigkeit und »Reinheit der Mittel« (ebd., )
lauteten die neuen Parolen. Der Wille zur politischen Sammlung war da-
mit allerdings noch nicht erloschen. So schrieb Ernst Jünger im Mai 
an Ludwig Alwens: »Gleichzeitig mit der geistigen Durchdringung muß
am Aufmarsch gearbeitet werden. […] Der Wille zur Gewalt ist da, es
kommt darauf an, ihn zu vertiefen und zu richten.«
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bewegten sich die Brüder
Jünger auf der Suche nach neuen Verbündeten zunehmend weg von den
nationalreaktionären Gruppen vom Schlage des Stahlhelms, hin zu nati-
onalrevolutionären Kräften, wie sie sie etwa in der Jugendbewegung und
dem so genannten Nationalbolschewismus zu finden hofften. Ernst
Jünger fungierte zeitweise als Schirmherr der von Werner Laß  als
Abspaltung der »Schilljugend« gegründeten »Freischar Schill« und der
dazugehörigen Erwachsenenorganisation »Die Eidgenossen«. Außer-
dem war er seit April , nachdem er die Mitarbeit am Vormarsch auf-
gegeben hatte, an der Zeitschrift Die Kommenden beteiligt, die seit 
als Organ rechtsradikaler Jugendbünde erschien. Beide Brüder Jünger
knüpften Ende  Kontakt zu Ernst Niekisch, dem führenden Kopf
des Nationalbolschewismus, und veröffentlichten seit  regelmäßig in
dessen Zeitschrift Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutionäre Poli-
tik. 
Diese Entwicklung bestärkte sie gleichzeitig darin, den neuen Natio-
nalismus als moderne Erscheinung zu profilieren und die Umgründung
seiner politischen Basis vom Land auf die Stadt, vom Bauerntum auf die
Arbeiterschaft anzustreben. So distanzierte sich Ernst Jünger etwa in

 E. Jünger an L. Alwens, .., A: Ernst Jünger, DLA Marbach.


 Vgl. zum Nationalbolschewismus Dupeux, Nationalbolschewismus.
 Vgl. Faye, Totalitäre Sprachen, S. -. Die »Schilljugend« war der Jugend-
bund des ehemaligen Freikorpsführers Gerhard Roßbach, für dessen Freikorps
Jünger  kurzzeitig als Landesführer Sachsen tätig war; vgl. Sauer, Gerhard
Roßbach; Campbell, Schilljugend.
 Schüddekopf, Linke Leute, S. . Jünger zeichnete hier wiederum zusammen
mit Werner Laß von Januar  bis Oktober  als Herausgeber verantwort-
lich, bis zum August  fungierte Karl Otto Paetel als Schriftleiter; dazu auch
Elfe, Weimar.
 Vgl. zu Niekisch ausführlich Kap. ..
 Vgl. Breuer, Nationalismus, S. ; Segeberg, Revolutionärer Nationalismus.
  - -

einem Aufsatz mit dem Titel »Großstadt und Land« deutlich vom Anti-
modernismus rechter Kreise. Der »romantische Glaube« an das »Land«
gehöre dem »Wertsystem einer vergangenen Zeit« an, während der »Geist
der modernen Stadt«, vom »eisernen Stil der Maschinen« geprägt, der
neuen Zeit entspreche (EJ -, ff.). Ein neuer Nationalismus
tue deshalb not, der sich als »großstädtisches Gefühl« (ebd., ) offensiv
zur neuen Zeit bekennen und sich die ihr adäquaten Mittel des Kampfes
aneignen solle: »Wir müssen eindringen in die Kräfte der Großstadt, in
die Kräfte unserer Zeit, die Maschine, die Masse, den Arbeiter.« (Ebd.,
) Jünger machte allerdings sofort deutlich, dass für ihn »Maschine
und Amerikanismus« ebenso wenig dasselbe seien wie »Arbeiterschaft
und Marxismus« (ebd.). Es gehe also nicht um eine Übernahme des
westlichen Fortschrittsdenkens, sondern um eine heroische Annahme des
technischen Zeitalters, das man in der Materialschlacht des Weltkrieges
zum ersten Mal geschaut habe.
Jünger benutzte diesen Aufsatz auch, um sich vom biologistischen
Rassismus der völkischen Bewegung zu distanzieren, den er mit dem Pa-
radigma »Land« verband: »Das Blut wiederum ist für den neuen Natio-
nalismus nicht wie für das ›Land‹ ein vorwiegend biologischer, sondern
ein vorwiegend metaphysischer Begriff. Das Wort Rasse beginnt in seiner
Anwendung ebenso peinlich zu werden wie das Wort Tradition […].«
(Ebd., f.) Ein Hauptargument gegen den biologistischen Rassismus
war seine Ableitung aus naturwissenschaftlichen Verfahren, die ihn in die
Nähe des »Intellekts« rücke, zu dem das »Blut« aber gerade eine Gegen-
macht darstelle:
»Daher lehnen wir alle jene Bestrebungen ab, die die Begriffe Rasse
und Blut verstandesmäßig zu stützen suchen. Den Wert des Blutes
durch das Gehirn, durch Mittel der modernen Naturwissenschaften
beweisen zu wollen, das heißt den Knecht für den Herren zeugen las-

 Im Völkischen Beobachter vom . Januar  sprach Jünger auch vom »Arbeiter-
tum«, wohl um sich von der sozialistischen Terminologie abzusetzen: »Arbeiter-
tum, das ist etwas anderes wie [sic !] Arbeiterschaft, als jener Begriff des historischen
Materialismus, den auch nur das Bürgertum und die Weisheit ihrer Katheder-
Professoren erfunden hat. Eine Arbeiterschaft in diesem Sinne gibt es nur im
Rahmen des Klassenstaates, und das ist der liberalistische Staat des Bürgertums
mit seinen Parteien, die heute noch im Grunde nichts anderes sind als Klassenvertre-
tungen. Aber ebenso wie der Klassenstaat den dynastischen Staat ablöste, wird der
nationalistische Staat den Klassenstaat ablösen. Das Arbeitertum im neueren Sinne
ist die blutsverbundene Gemeinschaft aller innerhalb der Nation und für die Nation
Arbeitenden.« (EJ -, )
    

sen. Wir wollen nichts hören von chemischen Reaktionen, von Blut-
einspritzungen, von Schädelformen und arischen Profilen. Das alles
muß ausarten in Unfug und Haarspaltereien und öffnet dem Intellekt
die Einfallspforten in das Reich der Werte, die er nur zerstören, aber
niemals begreifen kann.« (Ebd., f.)
Trotz dieser Distanzierung blieb die Bedeutung der Blut- und Rasse-
rhetorik in den nationalistischen Texten der Brüder Jünger allerdings am-
bivalent. Einerseits markierte Ernst Jüngers Unterscheidung von meta-
physischer und biologischer Verwendung eine tatsächliche Differenz
etwa zum völkischen Rassismus der Nationalsozialisten, da die »Blutmä-
ßigkeit« einer Haltung oder Bewegung für die Brüder Jünger keine Frage
der Abstammung, sondern des Glaubens und des Opfers war. Wenn
Friedrich Georg Jünger ankündigte, dass die nationalistische Revolution
auch eine »elementare Befreiung des Blutes« (FGJ a, ) bedeute,
und betonte, dass die neuen Nationalisten »auf der Blutseite des Lebens«
(ebd., XIX) stünden, dann war damit in erster Linie die vitalistische und
irrationalistische Dimension des neuen Nationalismus angesprochen.
Andererseits verflochten sich vitalistische und rassistische Begriffe dabei
aber auf prekäre Weise, etwa wenn Friedrich Georg Jünger davon sprach,
dass sich die »Blutsgemeinschaft« der Nationalisten »rassemäßig durch
das nationalistische Gefühl« begrenze und ihr »jede Vermischung und
Gleichberechtigung der Rassen ein Greuel« (ebd., ) sei. Hier bestand
allerdings ein gradueller Unterschied zwischen Ernst und Friedrich Ge-
org Jünger, denn das Vokabular von Friedrich Georg war stärker völkisch
eingefärbt als das von Ernst. So betonte Friedrich Georg Jünger etwa
auch die »Notwendigkeit eines völkischen Bestandes« (ebd., XVIII) und
bezeichnet die Deutschen als »wahres Volk, in dem noch der Drang nach
Sonderung und Entwicklung aus dem organischen Bestand gestaltend
wirkt« (ebd., ).
Ein ähnliches Problem wie bei der Blutmetaphorik besteht bei der
Frage des Antisemitismus. Hier betonte Ernst Jünger einerseits, dass der
Antisemitismus keine »wesentliche Fragestellung« (EJ -, ) für
den neuen Nationalismus sei. Er erkannte aber anderseits doch »die zer-
störerischen Qualitäten dieser Rasse [der Juden] an« (ebd., ) und
wandte sich gegen die jüdische Assimilation und Integration. Ohne dass

 Vgl. dazu auch Ernst Jüngers Artikel »Blut und Intellekt« von  (ebd., -
). Martin Heidegger lehnte den biologistischen Rassismus mit ähnlichen Ar-
gumenten ab; vgl. unten, Kap. ..; zur vergleichbaren Haltung auch anderer
konservativer Revolutionäre Kroll, Nationalsozialistische Rassenutopien.
  - -

die Brüder Jünger einen im engeren Sinn rassebiologischen Antisemitis-


mus vertraten, waren ihre nationalistischen Texte doch durchsetzt von
antisemitischen Stereotypen, nach denen die Juden stets dem feindlichen
Lager, also dem Liberalismus, Pazifismus und Internationalismus, ange-
hörten und am metaphysischen »Deutschtum« keinen Anteil haben
konnten. Nur genügte es in den Augen Ernst Jüngers, diesem Deutsch-
tum in Reinheit zum Ausdruck zu verhelfen, um die »jüdische Frage«
gleichsam en passant zu erledigen, denn die »Erkenntnis und Verwirk-
lichung der eigentümlichen deutschen Gestalt scheidet die Gestalt des
Juden ebenso sichtbar und deutlich von sich ab, wie das klare und unbe-
wegte Wasser das Öl als eine besondere Schicht sichtbar macht« (ebd.,
).
Für beide Brüder Jünger war die »Blutgemeinschaft« aber in erster
Linie der Gegenentwurf zur »Geistgemeinschaft« des Intellekts und rich-
tete sich gegen eine rationalistische und ungebundene Auffassung des
Lebens. In diesem Sinn war »Blut« einer der Zentralbegriffe des rechts-
intellektuellen Antiintellektualismus der Brüder Jünger, der im ersten
Abschnitt dieses Kapitels näher erläutert wurde. So betonten die Brüder
Jünger auch, dass zwar ihre eigene Tätigkeit eine geistige, intellektuelle
sei, aber immer an die Tat und das Leben gebunden bliebe. Den Kampf
mit den weltanschaulichen Gegnern »auch auf erkenntnismäßigem Ge-
biete aufzunehmen«, sei, wie Ernst Jünger schrieb, lediglich eine »unum-
gängliche Spezialaufgabe im Rahmen des nationalen Komplexes« (ebd.,
). Dabei gehe es aber immer darum, dass sich »das Blut […] den Ver-
stand dienstbar machen« (ebd., ) müsse und nicht umgekehrt. Im glei-
chen Sinn wandte sich auch Friedrich Georg Jünger gegen die Umtriebe
eines »zügellosen Literatentums« (FGJ a, ): »Denn jeder Kampf,
der auf einer blutmäßigen Idee beruht, ragt in die Körperwelt hinein. Er
wird einheitlich geführt vom philosophischen System bis zum letzten
Faustschlag, der für die Idee ausgeteilt wird. Und wer diese bejaht, muß
auch den letzten Faustschlag bejahen.« (Ebd., )
In diesen Worten spiegelt sich Ernst Jüngers schon zitierter Anspruch,
»das Wort durch die Tat« und »die Feder durch das Schwert« (EJ -
, ) zu ersetzen und zwar durch das »Schwert, das alle Diskussionen
beendet« (ebd., ). Denn diese Art des Antiintellektualismus war zu-

 Das letzte Zitat stammt aus Jüngers einschlägigem Artikel »Über Nationalismus
und Judenfrage«, der erstmals im September  in den Süddeutschen Monats-
heften erschienen ist (EJ -, -); vgl. dazu Segeberg, Über Nationalis-
mus; Martus, Ernst Jünger, S. -.
    

gleich zentrale Komponente des nationalistischen Antiparlamentarismus,


der die »nationale Diktatur« an die Stelle des »Schwatzbuden«-Parla-
ments setzen wollte: »Während in allen Beratungszimmern des Intellekts
noch gemessen, gewogen und geklügelt wird, pocht unten schon die ge-
panzerte Faust gewaltig gegen das Tor, und mit einem Schlage sind die
schwierigsten Probleme gelöst.« (Ebd.)
Trotz Friedrich Georg Jüngers Beteuerung eines einheitlich bis in die
gewalttätige Aktion hinein zu führenden Kampfes verband sich die be-
schriebene Bewegung von nationalreaktionären zu nationalrevolutionä-
ren Strömungen aber gleichzeitig mit einem Rückzug aus den taktischen
und strategischen Diskussionen und einer Diversifizierung der publizi-
stischen Tätigkeit. Während die Brüder Jünger bis  in der Standarte
und im Arminius tatkräftig zur Radikalisierung der Bünde beizutragen
versuchten und wohl auch glaubten, dort selbst eine führende Position
einnehmen zu können, zogen sie sich angesichts des ausbleibenden Er-
folgs mehr und mehr auf die Position nationaler Schriftsteller zurück, die
sich nicht die Umsetzung, sondern die möglichst reine Erfassung der
Idee des Nationalismus zur Aufgabe machten. Gleichzeitig schwanden
in der Zeitschriftenpublizistik beider Brüder ab  die strategischen
Kampfaufrufe, und es mehrten sich die Rezensionen, literarischen Be-
trachtungen und die Wieder- und Vorabdrucke. Für Ernst Jünger mar-
kierte besonders das Erscheinen von »Das abenteuerliche Herz. Aufzeich-
nungen bei Tag und Nacht«  einen mehr oder weniger deutlichen
Schnitt in seinem politischem Engagement, auch wenn es vom Deutschen
Volkstum noch als »Kriegstagebuch des Geistes« begrüßt wurde. Jüngers
nationalistische Haltung hatte auch nichts an Schärfe verloren, doch di-
stanzierte er sich nun bereits vorsichtig vom eigenen politischen Engage-
ment in den Bünden, indem er schrieb: »Man kann sich heute nicht in
Gesellschaft um Deutschland bemühen; man muß es einsam tun wie ein
Mensch, der mit seinem Buschmesser im Urwald Bresche schlägt und
den nur die Hoffnung erhält, daß irgendwo im Dickicht andere an der
gleichen Arbeit sind.« (EJ a, )
Diese behutsame Distanzierung von den nationalistischen Kampf-
bünden ist zum einen damit zu erklären, dass die Brüder Jünger den
Mangel ihres realpolitischen Einflusses erkannt haben und sich nicht län-

 Günther, »Das abenteuerliche Herz«, S. . Albrecht Erich Günther hatte aller-
dings schon  befürchtet, »daß wir diesen Helden, den uns der Krieg gelassen
hat, an die Literatur verlieren könnten« (Günther, Ernst Jünger, S. ). Vgl. zum
»abenteuerlichen Herz« Staub, Wagnis; zur zweiten Fassung von  unten,
Kap. ..
  - -

ger vor den propagandistischen Karren politischer Unternehmer wie


Hermann Ehrhardt oder Gerhard Roßbach spannen lassen wollten. Zum
anderen hat sie aber auch mit Ernst Jüngers Selbstplazierungsstrategien
im literarischen Feld der Weimarer Republik zu tun, in dem er aus dem
engen Kreis der Kriegs- und Nationalismusliteratur hinauszugelangen
suchte und sich als moderner Literat eigenen Rechts etablieren wollte.
Gleichzeitig orientierte sich seine Selbststilisierung zum einsamen Kämp-
fer am esoterischen Elitismus des von ihm bewunderten Stefan George,
dessen geheimbündlerischen und prophetischen Redegestus er sich zu
eigen machte. Hatte Jünger schon vorher geschrieben, dass der Natio-
nalismus als »bewegende Idee« (EJ -, ) »keine Parteien und
keine Vereinsabzeichen« (ebd., ) kenne, so nannte er ihn  in
einem »Der unsichtbare Kern« überschriebenen Artikel eine »Verschwö-
rung geheimerer und gefährlicherer Art« (ebd., ). Die »unsichtbare
Parteigängerschaft der Idee« bedürfe keiner organisatorischen Bindung,
»die geheimste Organisation« sei vielmehr »der unorganisierte Zustand
des schweigenden Einverständnisses« (ebd., ). Auch Friedrich Georg
Jünger schrieb : »Das Haupt- und Herzstück aller Arbeit ist nicht
organisatorischer Natur und kann nicht im Rahmen von Organisationen
in Angriff genommen werden.« (FGJ f, ) Noch  polemisierte
er zwar gegen »das Sektierertum und die Verzettelung der Kräfte« und
wandte sich gegen eine »Abwendung vom Staate, von der Politik, von
den Weltinteressen« (FGJ , ). Doch zu diesem Zeitpunkt hatte
sich der Nationalismus beider Brüder Jünger bereits selbst im Zuge der
zunehmenden organisatorischen Enttäuschung von der aktivistischen
Führungs- und Avantgardeidee des Frontsoldatentums verabschiedet
und in Richtung einer solipsistischen Esoterik des »unsichtbaren Kerns«
bewegt.

Der neue Nationalismus als Nihilismus der Tatbereitschaft

Mit diesem Rückzug vom Anspruch auf Organisation war bereits eine
Art Endpunkt im konkreten politischen Engagement der Brüder Jünger
erreicht. Allerdings führte die realpolitische Enttäuschung, auf die dieser
Rückzug zurückzuführen ist, nicht zu einer Relativierung des nationali-

 Vgl. Mottel, »Vor Acitum«; zur prophetischen Redeweise auch unten, Kap. ..
 Ernst Jüngers Artikel »Stahlhelm am Kreuzwege« von , aus dem das erste
Zitat stammt, war im Übrigen eine Antwort auf den Vorwurf von Friedrich Wil-
helm Heinz, sich mit dem Weggang vom Stahllehm »von der eigentlichen Arbeit,
von der Politik getrennt« zu haben (Heinz, Kampf dem Stahlhelm, S. ).
    

stischen Standpunkts und seiner antidemokratischen Radikalität. Dies


zeigt sich sehr deutlich an einem Artikel, den Ernst Jünger  für die
liberale Zeitschrift Das Tagebuch verfasste.  sorgte die schleswig-hol-
steinische »Landvolkbewegung« mit ihren Bombenanschlägen für Auf-
sehen und verhalf dadurch auch den mit ihr sympathisierenden neuen
Nationalisten zu mehr Aufmerksamkeit in der bürgerlichen Öffentlich-
keit. Das Tagebuch bat daher Ernst Jünger als den »unbestrittenen gei-
stigen Führer« des neuen Nationalismus, die Anliegen dieses revolutio-
nären Nationalismus einem bürgerlichen Publikum zu erläutern.
Jünger nutzte diese Gelegenheit nicht nur, um die Position des neuen
Nationalismus in seinen zentralen Gehalten darzustellen, sondern auch
dazu, ihn noch einmal klar von anderen Positionen des nationalen Lagers
abzugrenzen und diese letzteren als reaktionär zurückzuweisen. Beson-
ders in der radikalen Rhetorik der Zerstörung stellt dieser Artikel eine
Art Endpunkt und klarste Ausformulierung des neuen Nationalismus
beider Brüder Jünger dar.
Jünger definierte den Nationalismus darin zunächst als »reinen und
unbedingten Willen zum Einsatz für die als einen zentralen Wert gefühlte
und erkannte Nation« (EJ -, ), der den »nationalen, sozialen,
wehrhaften und autoritativ gegliederten Staat aller Deutschen« (ebd.,
) anstrebe. Gleichzeitig machte er deutlich, dass dieser Nationalismus
nicht im eigentlichen Sinn als Ideologie verstanden werden könne, da er
»weit weniger als der Liberalismus in allen seinen Schattierungen auf den
Kampf mit geistigen Waffen beschränkt« (ebd., ) sei. Zu diesen Schat-

 Die Landvolkbewegung entstand als eine Folge der Wirtschaftskrise in Schles-


wig-Holstein. Die Protestbewegung, der im Januar  circa . Landwirte
angehörten, verübte unter anderem auch Bombenanschläge zur Durchsetzung
ihrer Ziele. Einzelne Freunde der Brüder Jünger, wie v. a. die Brüder Ernst und
Bruno von Salomon, nahmen publizistisch so regen Anteil, dass sie im Zuge der
juristischen Verfolgung des Landvolks zeitweise festgenommen wurden. Vgl. dazu
Paetel, Versuchung, S. -; zur Landvolkbewegung allg. Weisbrod, Krise der
Mitte.
 In der redaktionellen Vorbemerkung zu Jüngers Artikel hieß es: »Manchen unse-
rer Leser wird nicht einmal der Name Ernst Jüngers bekannt sein, des unbestrit-
tenen geistigen Führers jenes ›jungen Nationalismus‹, von dem seit den Höllen-
maschinen-Attentaten und dem Sichtbarwerden der ›Landvolk‹-Bewegung die
Zeitungen voll sind. Noch viel weniger wissen die meisten von der Ideenwelt
dieses Kreises, für den sogar Hugenberg, Hitler und die Kommunisten reaktio-
näre Spießbürger sind. Daß wir heftigste Gegner dieser Ideen sind, brauchen wir
nicht zu versichern. Aber ebenso brauchen wir nicht zu erklären, weshalb wir für
notwendig hielten, dass die Leser des TB einmal Authentisches darüber hören.«
(Zit. n. EJ -, f.)
  - -

tierungen des Liberalismus zählte Jünger dabei nicht nur die Linke, son-
dern auch bürgerliche Strömungen der Rechten, weshalb er betonte, dass
der Nationalismus »weder mit dem Monarchismus, noch mit dem Kon-
servativismus, noch mit der bürgerlichen Reaktion, noch mit dem Patri-
otismus der wilhelminischen Ära das mindeste zu schaffen« (ebd., )
habe. Auch der Antisemitismus sei für ihn »keine Fragestellung wesent-
licher Art« (ebd.). Der Hass der neuen Nationalisten richte sich vielmehr
gegen den Bürger in allen seinen Erscheinungsformen, ja diese seien die
einzigen »echten, wahren und unerbittlichen Feinde des Bürgers« (ebd.
). Als »Söhne von Kriegen und Bürgerkriegen« (ebd.) seien sie zudem
bereit, sich im Kampf auch »der Mittel einer modernsten Technik, der
letzten stählernen Ausprägung des Bewußtseins zu bedienen« (ebd., ).
Statt nach bürgerlicher Sicherheit strebten sie nach dem »Elementaren«,
»das uns im Höllenrachen des Krieges seit langen Zeiten zum ersten Male
wieder sichtbar wurde« (ebd., ). Ihre Hoffnungen setzten sie auf die
»stolzere, kühnere und noblere Jugend«, die die »Aristokratie von morgen
und übermorgen« bilde (ebd., ). Da sich angesichts der Herausfor-
derung der Landvolkbewegung der Großteil der nationalen Rechten als
bürgerlich erwiesen habe, sei nun deutlich geworden, dass die Haltung
des neuen Nationalismus »nicht durch Organisationen vertreten« (ebd.)
werden könne. Man müsse vielmehr lernen, dass man »in einer Zeit wie
dieser auch ohne Fahne marschieren kann« (ebd., ).
Damit waren die meisten zentralen Elemente des neuen Nationalis-
mus erneut angesprochen: die Rhetorik des »reinen und unbedingten
Willens«, die Berufung auf das Kriegs- als Erweckungserlebnis, die anti-
rationalistische Grundhaltung, die radikale Feindschaft gegenüber dem
Liberalismus und der Demokratie bei gleichzeitiger Abkehr vom reaktio-
nären Konservatismus, die Hinwendung zur Moderne in Gestalt der
Technik, der Jugend und der Arbeiterschaft, der ›antipolitische‹ Affekt,
der sich in einer Geringschätzung der Parteien, Verbände und politischen
Organisationen ausdrückte und zu einem aktivistischen Avantgarde-Eli-
tismus führte. Vor allen Dingen fanden sich in diesem Artikel aber die
Legitimierung politischer Gewalt und die radikale Rhetorik der Zerstö-
rung, die den neuen Nationalismus besonders kennzeichneten:
»Der wahre Wille zum Kampf jedoch, der wirkliche Haß hat Lust an
allem, was den Gegner zerstören kann. Zerstörung ist das Mittel, das
dem Nationalismus dem augenblicklichen Zustande gegenüber allein an-

 Zum prägenden Einfluss von Jüngers soldatischem Nationalismus auf die milita-
ristische Jugend und zur Resonanz dieses Artikels vgl. Rusinek, Krieg als Sehn-
sucht, S. f.
    

gemessen erscheint. Der erste Teil seiner Aufgabe ist anarchischer Natur,
und wer das erkannt hat, wird auf diesem ersten Teil des Weges alles
begrüßen, was zerstören kann. […] Wir werden nirgends stehen, wo
nicht die Stichflamme uns Bahn geschlagen, wo nicht der Flammen-
werfer die große Säuberung durch das Nichts vollzogen hat.« (Ebd.,
f.) 
Die »große Säuberung durch das Nichts«, das war gleichsam die Apothe-
ose einer wild gewordenen Rhetorik der Tat, die an jeder konstruktiven
Vision gescheitert war und nun Zuflucht in einer reinen Vernichtungs-
phantasie genommen hatte. Erst müsse das Bestehende vollständig zer-
stört werden, bevor die »Möglichkeit neuer Formen« (ebd., ) gegeben
sei. »Die Aufgabe Deutschlands ist die Durchführung dieses Vernich-
tungsprozesses« (FGJ b, f.), wie Friedrich Georg Jünger seinem
Bruder sekundierte, wobei er sich und den Seinen selbst den »Ehrenna-
men« der Barbaren zuerkannte und den »Schatz hunnischer Qualitäten
in uns« anzapfen wollte: »Wir werden Europa in die Luft sprengen, die
Skythen Freunde nennen und mit den Tartaren aus einem Kelche Brü-
derschaft trinken.« (FGJ e, f.) Im Kreis der neuen Nationalisten
wurde diese Haltung selbst als Nihilismus bezeichnet. Wie Ernst Jünger
in einem Aufsatz, der auf die vielfältige Kritik an seinem Tagebuch-Artikel
antwortete, schrieb, habe sich die »Wendung zur Anarchie« im »kleinsten
Kreis« etwa um  durchgesetzt – also unmittelbar nach dem Abschied
vom Stahlhelm – und zu dem geführt, »was wir damals den Nihilismus
nannten« (EJ -, ). Jünger zitierte einen an ihn gerichteten
Brief aus dieser Zeit, in dem ihm ein Kampfgenosse zustimmte, »dass wir
als Glieder einer Generation vorläufig nur echt sind, als wir durch den
Nihilismus hindurchgehen und unseren Glauben noch nicht formulie-
ren« (ebd., f.). Man wolle, wie Jünger hinzufügte, »nicht das Opfer,
sondern die Triebkräfte der Katastrophe« (ebd., ) sein. In »Das aben-
teuerliche Herz« propagierte Jünger im selben Sinn die »konsequente
Durchführung eines nihilistischen Aktes bis zu seinem notwendigen
Punkt« und fügte hinzu: »Wir marschieren seit langem einem magischen
Nullpunkt zu, über den nur der hinwegkommen wird, der über andere,
unsichtbarere Kraftquellen verfügt.« (EJ a, )

 Vgl. dazu Rohkrämer, Kult der Gewalt, der allerdings die hinter dieser Gewalt-
bereitschaft liegende »Sehnsucht nach Ordnung« stärker betont als deren nihili-
stischen Charakter.
 Bei dem von Jünger nicht genannten Briefschreiber handelte es sich um Hugo
Fischer; vgl. H. Fischer an E. Jünger, .., A: Ernst Jünger, DLA Marbach.
  - -

Dieser »Nihilismus des Übergangs« speiste sich zum einen aus dem
am Beginn des neuen Nationalismus stehenden Bewusstsein, dass der
Erste Weltkrieg ein neues Zeitalter eingeläutet habe und dass man diesem
neuen Zeitalter zum Durchbruch verhelfen müsse. In seiner Radikalität
resultierte er aber gleichzeitig aus dem Scheitern konkreter politischer
Ambitionen, das mit einer Verflüchtigung der politischen Inhalte ein-
herging. Diese führte schließlich zu der tautologischen Struktur eines in-
haltsleeren Dynamismus, der das Bestehende revolutionär überwinden
wollte, ohne angeben zu können wohin. Gemäß dieser Haltung wurde
der Kampf wichtiger als das, wofür man kämpft, der Glaube wichtiger als
das, woran man glaubt, der »unbedingte[…] Wille zum Opfer« (ebd.,
) wichtiger als das, wofür man opfert: »Der Glaube, gleichviel an
welche Idee, ist eine große Sache.« (Ebd.) Aus diesen Worten sprach eine
politische Religiosität, die sich gleichzeitig als Aufruf zur Tat verstand.
Alfred von Martin sprach schon  in Bezug auf diese Haltung von der
»pure[n] Tapferkeit eines reinen Aktivismus«. Dieser reine Aktivismus
spiegelte sich auch in der überanstrengten Rhetorik des Willens, die dem
neuen Nationalismus der Brüder Jünger allerdings von Anfang an eigen
war. So postulierte Friedrich Georg Jünger schon zu Beginn seines »Auf-
marsch des Nationalismus«: »Unsere persönliche Haltung ist eine tätige,
willensmäßige. Die Kraft des Willens ist entscheidend.« (FGJ a, )
Der Nationalismus war für Friedrich Georg Jünger daher eine »Kampf-
bewegung, die den Willen zur Herrschaft verkörpert« (ebd., ). Der Ein-
fluss Friedrich Nietzsches auf diese Metaphysik des Willens war dabei
unverkennbar und wurde von den Brüdern Jünger selbst benannt: »Auf
den Spuren Nietzsches sind wir überzeugt von der Permanenz des Wil-
lens zur Macht.« (EJ /FH, ). Gleichzeitig mussten sie allerdings ein-
gestehen, dass der rabiate Voluntarismus auch aus einer emotionalen

 Dupeux, Nationalbolschewismus, S. ; vgl. auch ders., Nationalismus.


 So nannte auch Helmut Franke den neuen Nationalismus »die Religion des Dies-
seits« (zit. n. Schwarz, Anarchist, S. ) Goetz Otto Stoffregen sprach vom neuen
Nationalismus der Frontkämpfer ebenfalls als von einem »neuen Glauben«
(Stoffregen, Aufgabe, S. ). Bei Ernst Jünger selbst hieß es an andere Stelle:
»Nationalismus, dieses Wort gehört keiner Gruppe, sondern es gehört jedem, der
glaubt.« (EJ -, ) Im Kontext der Religiosität des neuen Nationalismus
ist besonders der Kontakt der Brüder Jünger zu Friedrich Hielscher aufschluss-
reich; vgl. neben EJ/FH Schmidt, Herr des Feuers, S. -; Breuer/Schmidt,
Literat; Bahn, Ernst Jünger; ders., Theologe.
 Martin, Nihilismus, S. .
 Vgl. dazu Aschheim, Nietzsche, S. -; Ohana, Nietzsche; ders., Fascist
Dimension.
    

Notlage entstanden war: »Dieser Wille ist gedrängt und von Haß beflü-
gelt. Das Herz des Nationalismus ist von einer schweren Not gepresst.«
(FGJ a, )
Diese Not erklärt sich nicht zuletzt aus der im Krieg und Nachkrieg
erlebten Sinnlosigkeit des Geschehens. Die dezisionistische Lösung die-
ser Not bestand darin, dem Geschehenen einen Sinn zu geben, einfach
weil es geschehen war, und die Sinnsetzung damit an ein übergeordnetes
Schicksal zu delegieren, das nicht zu hinterfragen war: »Wir Nationali-
sten haben uns entschlossen, das Notwendige zu wollen – das, was das
Schicksal will.« (EJ -, ) Die dieser Haltung zugrundeliegende
Überzeugung, »daß das Schicksal und nicht der Mensch das eigentlich
Bewegende ist« (ebd., ), führte allerdings in eine handlungslogische
Aporie, denn wozu bedarf es der Tat des Einzelnen, wenn sie ohnehin
ohne Einfluss auf das Schicksal ist? Diese geschichtsphilosophische
Problematik wurde von den Brüdern Jünger selbst erkannt und als Ver-
hältnis von »Freiheit und Notwendigkeit« mehrfach thematisiert. Gelöst
wurde sie durch die dezisionistische Ineinssetzung von Freiheit und Not-
wendigkeit und die Selbstbeauftragung, »das harte Werkzeug eines har-
ten Schicksals zu sein« (EJ b, ). So schrieb Friedrich Georg Jünger:
»Indem aber das Notwendige erfüllt wird, gewährt es das einzige Be-
wußtsein von Freiheit, das verehrungswürdig ist und aus der Verwirk-
lichung eines schicksalhaften Müssens aufblüht. Denn Notwendigkeit
heißt nichts anderes als Schicksal, und das Notwendige tun bedeutet, in
der schicksalhaften Ordnung des Lebens zu handeln.« (FGJ a, )
Im Sinne des nietzscheanischen amor fati resultierte aus der Selbsthingabe
an das Schicksal also zugleich der Auftrag, »das Notwendige zu tun – das,
was das Schicksal will« (EJ -, ) und was daher selbst nicht
mehr legitimiert werden musste. Dies war der aktivistische Kern des
neuen Nationalismus, der, je weiter er sich von der konkreten politischen
Organisation entfernte, desto rückhaltloser als Aufruf zur puren Tatbe-

 Dass diese Selbstbindung an das Schicksal asketische, wenn nicht gar masochisti-
sche Züge trug, wurde z. B. in Ernst Jüngers Artikel »Das Sonderrecht des Natio-
nalismus« von  deutlich, in dem er schrieb: »Selbst wenn es eine allgemeine
Glückseligkeit gäbe, so möchten wir sie nicht, denn wir wollen nicht das Ange-
nehme, sondern das Notwendige.« (EJ -, ) In diesem Artikel betonte
Jünger gleichzeitig, dass mit Notwendigkeit von den neuen Nationalisten immer
»unsere besondere Notwendigkeit« (ebd., ) gemeint sei, die sich gegen univer-
salistische Ideale der Gleichheit und Freiheit des Einzelnen abgrenze. Schicksal
war für Jünger immer Bindung an ein Konkretes, das sich gegenüber Fremdem in
einem Gegensatz befand.
  - -

reitschaft erschien. Obwohl Jünger in dem Tagebuch-Aufsatz Hitler und


den Legalitätskurs der NSDAP kritisierte, kann die Analogie zum »Hero-
ismus des Willens« bei den Nationalsozialisten nicht übersehen werden.
Vor allen Dingen kann nicht übersehen werden, dass es realpolitisch
letztlich die Nationalsozialisten und nicht die neuen Nationalisten wa-
ren, die diesen Aufruf in die (Gewalt-)Tat umsetzten. Es liegt daher die
Frage nahe, wie sich die Brüder Jünger in der Zeit ihres politischen Enga-
gements zu dieser Bewegung stellten, die im Laufe der Weimarer Repu-
blik die höchste systemoppositionelle, in diesem Sinne revolutionäre
Durchschlagkraft entwickelte und sich anschickte, die von den neuen
Nationalisten herbeigesehnte »nationale Diktatur« Wirklichkeit werden
zu lassen.

Die Schwerkraft des Nationalsozialismus

Es ist sicher nicht ganz zufällig, dass Ernst Jünger seinen ersten im engeren
Sinn politischen Artikel  im Völkischen Beobachter veröffentlichte. In
diesem »Revolution und Idee« betitelten Text schrieb er, wenige Wochen
vor dem gescheiterten Hitlerputsch:
»Die echte Revolution hat noch gar nicht stattgefunden, sie marschiert
unaufhaltsam heran. Sie ist keine Reaktion, sondern eine wirkliche
Revolution mit all ihren Kennzeichen und Äußerungen, ihre Idee ist
die völkische, zu bisher nicht gekannter Schärfe geschliffen, ihr Ban-
ner ist das Hakenkreuz, ihre Ausdrucksform die Konzentration des
Willens in einem einzigen Punkt – die Diktatur!« (EJ -, )
Allgemein begrüßte Jünger die nationalsozialistische Bewegung in den
ersten Jahren seiner politisch-publizistischen Tätigkeit als eine der radi-
kalsten und unbürgerlichsten des nationalen Lagers. In ihr erblickte er
»mehr Feuer und Blut, als die so genannte Revolution in den ganzen Jah-

 Vgl. Stern, Hitler, S. -; Vondung, ›Gläubigkeit‹.


 Vgl. Reichardt, »Märtyrer«.
 Sie kann im Folgenden allerdings nur für Ernst Jünger detailliert beantwortet
werden, da sich in den politischen Artikeln Friedrich Georg Jüngers so gut wie
keine direkte Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten findet. Angesichts
der weitgehenden Übereinstimmung ihrer nationalistischen Positionen und dem
Gruppencharakter des neuen Nationalismus kann jedoch davon ausgegangen
werden, dass Ernst Jüngers Ansichten auch von seinem Bruder weitgehend geteilt
wurden.
    

ren aufzubringen imstande war« (ebd., ).  kommentierte er den


gescheiterten Putsch von  und die Neugründung der NSDAP:
»Nun, wir haben als Anhänger den plötzlichen Aufstieg dieser Partei
erlebt, wir waren in den Novembertagen begeistert dabei, und wir ha-
ben den Fehlschlag für einen unerklärlichen Irrtum der Geschichte
gehalten. […] Heute, wo wir schon wieder einen kleinen Abstand von
den Ereignissen gewonnen haben, sehen wir, daß die Arbeit, die in
dieser Partei geleistet wurde, nicht vergebens war […].« (Ebd., )
Während er selbst dazu beitrug, die Hoffnungen auf einen nationalen
Führer zu schüren, erblickte er in der »Gestalt des Gefreiten Hitler« eine
»Gestalt, die unzweifelhaft schon wie die Mussolinis die Vorahnung eines
ganz neuen Führertypus erweckt« (ebd., ). In seinen Aufruf »Schließt
euch zusammen!« von  bezog er die Nationalsozialisten ausdrücklich
mit ein: »Es gibt aber heute keine Kampftruppe, die für den Nationalis-
mus in Frage kommt, als die Bünde und die Nationalsozialisten.« (Ebd.,
) Dabei bot er ihnen, was die »taktische Regelung des sozialen Pro-
gramms« anbelangt, eine klare Arbeitsteilung an: »Soldaten [gemeint wa-
ren die Bünde; D. M.] als Führer im Machtkampf, Arbeiter [die NSDAP]
als Führer im Wirtschaftskampf« (ebd., ).
Aus diesen Zitaten geht klar hervor, dass die neuen Nationalisten die
NSDAP als gleichgesinnte Kraft des national-revolutionären Lagers be-
trachteten. Dies galt trotz ideologischer Unterschiede, die vor allen Din-
gen in der unterschiedlichen Bewertung des völkischen Rassismus und
Antisemitismus lagen. Dafür gab es weitgehende inhaltliche Überein-
stimmungen in der Propagierung eines »nationalen Sozialismus«. Der
entscheidende Unterschied zwischen neuem Nationalismus und Natio-
nalsozialismus lag nicht auf inhaltlicher Ebene, sondern bestand in der
Organisationsform als esoterische Zirkel auf der einen und als (Massen-)
Partei auf der anderen Seite. Auf diesen Unterschied ging Ernst Jünger
 in einem Artikel mit dem Titel »Nationalismus und Nationalsozia-
lismus« näher ein:

 Nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerte sich Ernst Jünger in einem Brief an Ar-
min Mohler, Hitler  in einer Münchner Großversammlung gehört und ihm
von da an seine Bücher geschickt zu haben.  habe sich Hitler zu einem Be-
such bei Jünger angekündigt, der dann aber wegen einer Reiseänderung Hitlers
nicht zustande gekommen sei; vgl. E. Jünger an A. Mohler, .., A: E. Jün-
ger, DLA Marbach. Im selben Rückblick auf seine Beziehung zum NS berichtete
Jünger auch von seinen Kontakten zu Rudolf Heß, Joseph Goebbels und Otto
Straßer ab , bei denen die Differenzen allerdings schon zu Tage getreten seien.
 Vgl. EJ -, ; Werth, Sozialismus und Nation.
  - -

»Es besteht jedoch der Unterschied, daß der Nationalsozialismus in


seiner Eigenschaft als politische Organisation auf die Gewinnung von
tatsächlichen Machtmitteln angewiesen ist, während die Aufgabe des
Nationalismus eine andere ist. Auf der einen Seite besteht der Wunsch,
eine Idee zu verwirklichen, auf der anderen Seite der, sie möglichst tief
und rein zu erfassen. Für den Nationalsozialismus spielt daher die
Masse mit Recht eine Rolle, während dem Nationalismus die Zahl
ohne Bedeutung ist […].« (Ebd., )
Er schränkte aber sofort wieder ein: »Dieser Unterschied ist jedoch kei-
neswegs solcher Natur, daß er nicht innerhalb ein und desselben Körpers
möglich wäre, wie denn auch der einzelne Mensch nicht entweder sich
nur besinnt oder nur handelt, sondern beides tut.« (Ebd.) Nach Voll-
endung des nationalen Kampfes und nach »Schaffung eines neuen
Deutschland«, so Jünger weiter, müsste dieser Gegensatz ohnehin zu-
gunsten einer gegenseitigen Verschmelzung aufgehoben werden:
»Es müßte vielmehr dann auch die nationalsozialistische Idee eine sol-
che Vertiefung und eine so weitgreifende Bedeutung erfahren, daß sie
und keine andere als die deutsche anerkannt werden kann. Gelingt das
– und welcher Nationalist sollte nicht von ganzem Herzen hoffen, daß
es gelingt – so werden allerdings die Begriffe Nationalsozialismus und
Nationalismus immer mehr zusammenschmelzen. Ideenmäßig wird
sich das dadurch ausdrücken, daß der Nationalsozialismus die ent-
scheidenden Fragestellungen immer mehr auf seinem Boden auszutra-
gen sucht, persönlich dadurch, daß sich die Begabungen seiner wach-
senden Schwerkraft immer weniger entziehen können.« (Ebd., )
Diese Formulierung von der wachsenden Schwerkraft des Nationalsozia-
lismus war  einigermaßen hellsichtig, denn tatsächlich haben sich
mit wachsendem politischem Erfolg der NSDAP immer mehr Angehö-
rige des nationalistischen Lagers dem Nationalsozialismus angeschlossen.
Dass Jünger selbst das in den er Jahren trotz der Annäherungsver-
suche durch Goebbels und der Ermunterung durch manche Kampfge-
nossen nicht tat, mag weniger an inhaltlichen Differenzen und mehr an
seiner elitären Haltung gelegen haben. Auch dass Jünger  ein ihm

 Zu den Kontakten mit Goebbels und dem Vorschlag Ludwig Alwens’ von ,
die neuen Nationalisten sollten geschlossen der NSDAP beitreten, sowie Jüngers
Reaktion darauf vgl. Berggötz, Nachwort, S. -; allg. zu den Versuchen von
Goebbels, in den Kreisen rechter Intellektueller Fuß zu fassen, auch Hamilton,
Appeal of Fascism, S. -. Hamilton geht in dieser frühen vergleichenden
    

von Hitler angebotenes Reichstagsmandat mit der Bemerkung ausge-


schlagen haben soll, »er halte das Schreiben eines einzigen guten Verses
für verdienstvoller als . Trottel zu vertreten«, lässt sich eher als
Geringschätzung des Parlamentarismus denn als Ablehnung des Natio-
nalsozialismus interpretieren.
Die aus dieser unterschiedlichen Haltung zur Realpolitik resultieren-
den Differenzen verstärkten sich, als Jünger  in seinem oben zitierten
Artikel im Tagebuch heftige Kritik am Legalitätskurs der NSDAP und ih-
rer Haltung gegenüber der Landvolkbewegung übte und sie zu den von
ihm verhassten Bürgern zählte, woraufhin ihm von Seiten der NSDAP
ebenfalls eine Abfuhr erteilt wurde. Aber selbst danach noch, im Okto-
ber , beteuerte er, dass er sich mit der nationalsozialistischen Partei
immer nur »in freundschaftlicher Weise beschäftigt« habe, »und nicht
anders als freundschaftlich, positiv, von kameradschaftlicher Sorge er-
füllt, kann alles sein, was wir hier zu ihr und ihrer Entwicklung zu sagen
haben« (ebd., ). Er hielt sie nach wie vor für »die stärkste und gefürch-
tetste Waffe des nationalen Willens« (ebd., ) und gerade deshalb, weil
er sich offensichtlich noch immer die Zerschlagung der Weimarer Re-
publik und die Errichtung der »nationalen Diktatur« von ihr erhoffte,
wiederholte er seine Kritik an ihrem Legalitätskurs und schloss mit den
Worten, offenbar in der Absicht, damit noch zur Radikalisierung der
NSDAP beizutragen:
»Wir wünschen dem Nationalsozialismus von Herzen den Sieg; wir
kennen seine besten Kräfte, deren Begeisterung ihn trägt, und deren
Wille zum Opfer über jeden Zweifel erhaben ist. Aber wir wissen
auch, daß er seinen Sieg nur dann erfechten kann, wenn seine Waffen
aus diesem reinsten Metall geschmiedet sind, und wenn auf jeden Zu-
satz aus den brüchigen Resten einer vergangenen Zeit verzichtet
wird.« (Ebd., )

Studie über die Schwer- bzw. Anziehungskraft des Faschismus auf Intellektuelle
auch auf den »hysterical pamphleteer« Jünger ein (ebd., S. -).
 Paetel, Wandlung, S. .
 Vgl. Prümm, Soldatischer Nationalismus, S. ff; Berggötz, Nachwort, S. .
 Wachsmann, Marching, weist darauf hin, dass es sich bei dieser Auseinanderset-
zung im Anschluss an Jüngers Tagebuch-Artikel nicht einfach um einen Streit
zwischen Jünger und der NSDAP handelte, sondern dass Jünger den ›linken‹,
revolutionären Flügel der Partei um Otto Straßer gegenüber dem Hitler-Flügel
stärken wollte, wie auch die Reaktionen auf Seiten der NSDAP je nach Flügel-
zugehörigkeit unterschiedlich ausfielen. Zu Jüngers Beziehungen zur national-
sozialistischen ›Linken‹ im Zusammenhang mit der Landvolkbewegung vgl. auch
Moreau, Nationalsozialismus, S. -; Meinl, Nationalsozialisten, S. -.
  - -

Anscheinend hielt Jünger hier trotz der bereits offenbar gewordenen


Konflikte an dem Glauben fest, die Nationalsozialisten zum Instrument
der eigenen nationalistischen Ziele machen zu können. Damit unterlag
er der gleichen Fehleinschätzung, die auch anderen konservativen Revo-
lutionären zum Verhängnis wurde und in Edgar Julius Jungs Wort vom
»Referat Volksbewegung« so schlagend zum Ausdruck kam. Tatsächlich
ließ sich die nationalsozialistische Bewegung aber von den radikal-kon-
servativen Intellektuellen nicht extern steuern, sondern zog stattdessen
eine Reihe dieser Intellektuellen in ihre Reihen hinein, in denen sie allen-
falls noch intern an Einfluss gewinnen konnten. Zu diesen Intellektuel-
len gehörte etwa Werner Best, der am . November  der NSDAP bei-
trat, nachdem er zuvor in den Zirkeln um die Brüder Jünger aktiv
gewesen war und deren Konzept des heroischen Realismus mitgeprägt
hatte. Wie Best waren auch andere Vertreter der »Generation des Un-
bedingten« maßgeblich durch die national-revolutionären Lehren der
Härte, der Schicksalsgläubigkeit und des Kampfes geprägt worden, um
sich mit dieser Prägung nun dem Nationalsozialismus anzuschließen und
nicht selten Schlüsselpositionen im späteren Herrschafts- und Vernich-
tungsapparat des »Dritten Reichs« einzunehmen. Dass sich viele der
Leser und Anhänger von Ernst Jünger schon am Ende der Weimarer Re-
publik immer erkennbarer zur NSDAP hin orientierten, zeigte sich unter
anderem darin, dass sie seine Kritik am Legalitätskurs des Nationalsozia-
lismus in Leserbriefen deutlich ablehnten.
Der Rückzug der Brüder Jünger aus der Tagespolitik ab  mag bis
zu einem gewissen Grad auch der Einsicht geschuldet gewesen sein, dass
die erstarkende NSDAP das nationalistische Lager zu dominieren begann
und in eine Richtung drängte, die sich von den neuen Nationalisten
nicht mehr beeinflussen ließ. Dass aber auch die Texte, die sie weiterhin
produzierten, der wachsenden Schwerkraft des Nationalsozialismus, von
der Ernst Jünger selbst gesprochen hatte, unterworfen waren, schienen
sie nicht zu realisieren. Waldemar Gurian dagegen erkannte schon ,
dass man der NSDAP auch dann in die Hände spielen konnte, wenn man

 Vgl. Herbert, Best, S. ; zum heroischen Realismus den folgenden Abschnitt.
Ein weiterer war Friedrich Wilhelm Heinz, der sich später allerdings zum Wider-
stand gegen Hitler entschloss; vgl. Meinl, Nationalsozialisten.
 Vgl. dazu neben Herbert, Best auch Wildt, Generation.
 Vgl. die Belege bei Prümm, Soldatischer Nationalismus, S. -. Samuel
Saenger hatte schon  über Jünger geschrieben: »In der nationalsozialistischen
Bildungsschicht genießt er das Ansehen eines neudeutschen Homers.« (Saenger,
Politische Chronik, S. )
    

sich kritisch von ihr distanzierte. So schrieb er in seiner frühen, unter


dem Pseudonym Walter Gerhart veröffentlichten Geschichte der natio-
nalrevolutionären Zirkel:
»Die geistigen und theoretischen Träger des neuen Nationalismus, von
Moeller van den Bruck bis Stapel, brauchen sich gar nicht zum Natio-
nalsozialismus zu bekennen; im Gegenteil, sie stehen zu ihm meist in
einer gewissen kritischen Distanz, aber sie fördern die Entwicklung,
durch die der Nationalsozialismus als organisierter Ausdruck der Ent-
wicklung des deutschen Nationalbewußtseins zur Massenmacht ge-
worden ist.«
Angesichts dieser Konstellation lässt sich also argumentieren, dass der
neue Nationalismus der Brüder Jünger und mit ihm das gesamte Spek-
trum der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik eine po-
litische Radikalisierungserscheinung darstellte, deren destruktive Kraft
letztlich das Feld des Nationalsozialismus bestellte. Zwar begannen die
Brüder Jünger schon vor , sich langsam von ihrem politischen Enga-
gement und vom Nationalsozialismus zu distanzieren, und nicht alle
konservativen Revolutionäre landeten in den Reihen der NSDAP oder
der SS. Für einen großen Teil der politischen Öffentlichkeit jedoch
schien der Nationalsozialismus die logische Konsequenz der Ablehnung
der Weimarer Republik zu sein und die Nationalsozialisten erschienen als
die legitimen Vollzugsvollstrecker der Konservativen Revolution, die
endlich Ernst machten mit der nationalen Erneuerung.

 Gerhart, Um des Reiches Zukunft, S. f. Zum »zeitweiligen Bündnis von Mob
und Elite« vgl. auch das gleichlautende Kapitel in Arendt, Elemente, S. -,
in dem sie den post-nietzscheanischen Radikalismus und »Bombenexpressionis-
mus« der intellektuellen Elite beschreibt. Aus der Tatsache, dass die Rolle der
Intellektuellen nach Errichtung des totalitären Regimes sehr bald ausgespielt war,
und dass, »was immer diese verzweifelten Menschen des . Jahrhunderts began-
gen oder unterlassen haben, sie auf die totalen Herrschaftsapparate niemals und
nirgendwo irgendeinen Einfluß hatten« (S. ), schließt Arendt allerdings an-
ders als ihr Freund Gurian, daß die Bedeutung der »geistigen und künstlerischen
Eliten« (S. ) für die totalitären Bewegungen insgesamt nicht überzubewerten
sei.


.. Technische Apokalypse in Ernst Jüngers »Arbeiter«


Der heroische Realismus und die technische Moderne

Nach seinem partiellen Rückzug aus dem politischen Tagesgeschäft des


neuen Nationalismus versuchte Ernst Jünger in seinen »phänomeno-
logisch-militanten Schriften« der frühen er Jahre, sein weltanschau-
liches Programm geschichtsphilosophisch zu erweitern. Diese Bemühun-
gen gipfelten in dem Großessay »Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt«
von , in den allerdings noch viele Motive seines nationalistischen
Denkens Eingang fanden und dort eine nicht immer widerspruchsfreie
Einheit mit einer Phänomenologie der technischen Moderne eingingen,
die zwischen nüchterner Beschreibung und politisch-totalitärem Ord-
nungsentwurf schwankte. Wie zu zeigen sein wird, stellt dabei auch der
»Arbeiter« noch ein Dokument jener Kombination von »Apokalyptik
und Gewaltbereitschaft« dar, die als Kennzeichen der Konservativen
Revolution bereits mehrfach angesprochen wurde. Dies zeigt sich nicht
zuletzt in der weiteren Ausformung jener Haltung des aktivistischen Ein-
verständnisses mit der als schicksalhaft empfundenen Moderne, die Jün-
ger bereits in seinen nationalistischen Artikeln entwickelt hatte und die
nun den Namen eines »heroischen Realismus« erhielt. Im »Arbeiter« war
dieser heroische Realismus auf besondere Weise mit dem Problem der
Technik verknüpft.
Schon während der er Jahre bezog Ernst Jünger das Problem von
Freiheit und Notwendigkeit auch auf die technische Welt. So machte er
in einem Artikel über »Fortschritt, Freiheit und Notwendigkeit« von
 deutlich, dass in seinen Augen nicht nur der Mensch allgemein an
ein überpersönliches Schicksal gebunden sei, sondern dass dieses über-
persönliche Schicksal in der Moderne in Form des technischen Systems
erscheine: »Je technischer sich die Welt gestaltet, […] desto schärfer wird
der Einzelwille unterdrückt« (EJ -, ). Auch in diesem Artikel
thematisierte Jünger das Dilemma, dass die Technik zwar einerseits vom
Menschen hervorgebracht werde als »stählerne[…] Übersetzung unseres
Blutes und unseres Hirns«, dass sie den Menschen aber mit wachsender
Komplexität auch zunehmend in Abhängigkeit von sich bringe, da der
Einzelne etwa »auf ein elektrisches Kraftwerk keinen Einfluß hat« (ebd.,
). Jüngers Antwort auf diese Abhängigkeit bestand nun wie in den
schon zitierten Texten darin, sie als schicksalhafte Gegebenheit zu akzep-
tieren und zu behaupten, dass es »unser innerster Wille [ist], unsere Frei-
 Kaempfer, Gewalt, S. .
 Breuer, Anatomie, S. .
     »« 

heit zum Opfer zu bringen, uns aufzugeben als Einzelne und einzu-
schmelzen in einen großen Lebenskreis« (ebd.), der als technischer Schalt-
kreis erscheint. Gleichzeitig betonte Jünger die heroische Dimension
dieser Selbstpreisgabe: »Der Nationalismus ist der erste Versuch, einer
brutalen Wirklichkeit mit Brutalität ins Auge zu sehen.« (Ebd., )
Dieser Anspruch, einer harten Wirklichkeit hart zu begegnen, korres-
pondierte mit einer in den er Jahren weitverbreiteten sachlichen
Haltung, die Helmuth Lethen als Versuch definiert hat, »sich dem des-
truktiven Prozeß der Modernisierung ohne symbolisches Polster auszu-
setzen«. Sie entsprach auch den neuen Barbaren von Walter Benjamin,
die sich ebenfalls durch »gänzliche Illusionslosigkeit über das Zeitalter«
auszeichneten »und dennoch ein rückhaltloses Bekenntnis zu ihm« ab-
legten. Bei Ernst Jünger erschien dieser »Desillusionsrealismus« wieder-
um als »furchtbare[r] Tatsachensinn« (EJ -, ), wobei im »nüch-
ternen Tatsachenstil […] die heroische Seite des modernen Menschen am
schärfsten zum Ausdruck« (ebd., ) komme.  bezeichnete Ernst
Jünger diese »heroische Akzeptanz der Moderne« schließlich als »hero-
ischen Realismus«. In Jüngers Definition des heroischen Realismus wur-
de allerdings deutlich, dass es sich dabei durchaus nicht um einen gänz-
lichen Verzicht auf »symbolische Polster« handelte, sondern dass er auf
die schon dargelegte Schicksalsmetaphysik zurückging, wonach alles Ge-
schehen als Ausdruck eines übergeordneten Seins erschien, um dessen
Erfassung es dem heroischen Realismus ging:
»Seine [des ›deutschen Nationalismus‹] Haltung ist vielmehr die eines
heroischen Realismus, und das, was er zu begreifen wünscht, ist jene
Substanz, jene Schicht einer unbedingten Wirklichkeit, von der sowohl
die Ideen wie die verstandesmäßigen Schlüsse nur die Äußerungen
sind. Daher ist diese Haltung zugleich eine symbolische, insofern sie
jede Tat, jeden Gedanken und jedes Gefühl als das Symbol eines ein-
heitlichen und unveränderlichen Seins begreift, dem es unmöglich ist,
sich seiner eigenen Gesetzmäßigkeit zu entziehen.« (EJ -, f.)

 Lethen, Habitus, S. .


 Benjamin, Erfahrung und Armut, S. .
 Lethen, Verhaltenslehren, S. .
 Sieferle, Konservative Revolution, S. ; dazu auch ders.: Ernst Jüngers Versuch.
 Der Begriff geht wohl auf Werner Best und seinen Aufsatz in dem von Ernst
Jünger  herausgegebenen Band »Krieg und Krieger« zurück, wurde von Jün-
ger aber schon im selben Jahr als Titel eines Artikels für die Literarische Welt auf-
gegriffen; vgl. EJ/FH, ; EJ -, -; Herbert, Best, S. ; Merlio,
Grundhaltung; allg. Hof, Weg.
  - -

Der heroische Realismus fungierte also als Terminus für die Schicksals-
ergebenheit des neuen Nationalismus, für die sich die Freiheit im Vollzug
der Notwendigkeit äußerte: »In diesem Blickfelde schließen sich Freiheit
und Notwendigkeit nicht aus, sondern sie decken sich.« (Ebd., )
Während Jünger den heroischen Realismus in diesem Aufsatz von
 also noch dem neuen Nationalismus zuordnete, stellte er ihn in wei-
teren Schriften der frühen er Jahre in einen etwas veränderten Kon-
text. Schon seit  hatte sich seine publizistische Tätigkeit verzweigt
und nicht mehr auf die Mitarbeit an nationalistischen Zeitschriften be-
schränkt. Zwischen  und  veröffentlichte er als Herausgeber
mehrere Sammel- und Bildbände, die sich zumeist dem Andenken an
den Ersten Weltkrieg und dessen Mobilisierung für die nationalistische
Sache widmeten. Zu diesen Bänden gehörte auch der  erschienene
Band »Krieg und Krieger«. Neben dem titelgebenden Aufsatz von Fried-
rich Georg Jünger (FGJ a) fand sich darin unter anderem Ernst
Jüngers Abhandlung »Die totale Mobilmachung«, die ein Jahr später
auch als Einzeldruck veröffentlicht wurde und die Jünger  schließlich
in seinen Sammelband »Blätter und Steine« aufnahm. Zusammen mit
dem  erschienen Buch »Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt« und
dem ebenfalls in »Blätter und Steine« veröffentlichten Essay »Über den
Schmerz« von  stand »Die totale Mobilmachung« für Ernst Jüngers
Versuch, sich nach dem politischen Scheitern des neuen Nationalismus
aus dem engen Gedankenkorsett des Nationalismus herauszuarbeiten
und einen neuartigen Zugriff auf die Wirklichkeit zu erproben, der dem
neuen Nationalismus gleichwohl noch in vielen Dingen verhaftet blieb.
In »Die totale Mobilmachung« ging Jünger wiederum vom Zentraler-
eignis des Ersten Weltkriegs aus, in dem sich zum ersten Mal »der Genius
des Krieges mit dem Geiste des Fortschritts durchdrang« (EJ a, ).
Die im Weltkrieg erlebte Mobilmachung nicht nur des Heeres, sondern
der Gesamtgesellschaft und -wirtschaft für die Kriegsführung erkannte
Jünger als Strukturprinzip der Moderne, das er als »wachsende Umset-
zung des Lebens in Energie« (ebd., ) beschrieb und nicht mehr nur im
Krieg, sondern auch in Friedenszeiten verwirklicht sah. Durch die totale
Mobilmachung, so Jünger, vollzog sich gerade die Aufhebung des Unter-
schieds von Krieg und Frieden, da sich nun der Krieg als permanente

 Vgl. EJ a, b, b, b, c, .


 Vgl. Ketelsen, Historische Strukturen; zum »Arbeiter« auch Gauger, Moderne-
deutung; Großheim, Ernst Jünger; Hermand, Explosion; Wünsch, Ernst Jüngers
Der Arbeiter.
     »« 

Rüstung in den Frieden hinein verlängert und die Industriestaaten »in


vulkanische Schmiedewerkstätten verwandelt« (ebd., ) habe. In dieser
»absoluten Erfassung der potentiellen Energie« deute sich »der Anbruch
des Zeitalters des vierten Standes« an (ebd.).
Jüngers Hauptanliegen in »Die totale Mobilmachung« bestand aller-
dings noch nicht darin, dieses Zeitalter des vierten Standes detailliert zu
beschreiben. Zunächst war er darum bemüht, den Begriff der Mobil-
machung von der Idee des Fortschritts zu entkoppeln und zu zeigen,
»daß der Fortschritt kein Fortschritt ist« (ebd., ), dass sich die energe-
tische Mobilmachung mithin nur hinter einer »Maske der Vernunft«
(ebd.) verberge, selbst aber nicht rational steuerbar sei, sondern eigenen
Gesetzen gehorche. Diese Trennung des technischen Fortschritts von der
Idee der Aufklärung war grundlegend für Jüngers Technikverständnis,
gemäß welchem die rational konstruierte Technik selbst irrational und
»magisch« werden könne. In »Die totale Mobilmachung« wollte Jünger
damit aber in erster Linie zeigen, warum Deutschland den Ersten Welt-
krieg verloren hatte: Weil es ihn noch mit den ihm eigentlich fremden
Ideen des westlichen Fortschritts geführt habe, diesem Westen dabei aber
zwangsläufig unterlegen gewesen sei. Deutschland müsse daher die »Maske
der Vernunft« ablegen und den Anschluss an die ihm eigenen elementa-
ren Kräfte des »tieferen Deutschland« (ebd., ) finden, die gleichzeitig
die Kräfte der totalen Mobilmachung seien. Die »neue Rüstung, in der
wir bereits seit langem begriffen sind« müsse daher »eine Mobilmachung
des Deutschen sein, – und nichts außerdem« (ebd.).
Diese Argumentation war nicht frei von Widersprüchen, da sie zwar
den universalen Charakter der totalen Mobilmachung betonte, gleich-
zeitig aber die »Mobilmachung des Deutschen« propagierte. In ähnlicher
Weise blieb auch der zwei Jahre später erschienene Großessay »Der Ar-
beiter. Herrschaft und Gestalt« in den Aporien eines Denkens gefangen,
das einerseits die planetarischen Veränderungen der technischen Moderne
neutral beschreiben wollte, andererseits aber noch von der Hoffnung auf
einen »neuen Aufgange Deutschlands« (EJ , ) genährt wurde. Im
»Arbeiter« ging Jünger aber dennoch über »Die totale Mobilmachung«
hinaus und legte den groß angelegten Entwurf einer umfassenden Be-
schreibung des bereits vielfach beschworenen »Zeitalter[s] der Massen
und Maschinen« (EJ a, ) vor, das mit dem Ersten Weltkrieg begon-
nen habe und das Jünger als das Zeitalter des Arbeiters bezeichnete.

 Vgl. dazu auch Herf, Reactionary Modernism, S. -.


 Vgl. dazu auch Brenneke, Militanter Modernismus, S. -.
  - -

Der Arbeiter.
Herrschaft und Gestalt

In dem im November  bei der Hanseatischen Verlagsanstalt erschie-


nenen Buch »Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt« knüpfte Ernst Jünger
nicht nur an »Die totale Mobilmachung« an, sondern auch an das Pro-
gramm des neuen Nationalismus, der schon in den er Jahren die Ar-
beiterschaft in die nationale Bewegung integrieren wollte und in ihr den
Stand sah, »der bestimmt ist, dem . Jahrhundert seine entscheidende
Form zu geben« (EJ -, ), wobei wiederum der Frontsoldat als
das Vor- und »Sinnbild des modernen Arbeiters« (ebd., ) erschien.
Jünger übernahm auch die schon in der politischen Publizistik entwik-
kelte Dichotomie von Bürgern und Arbeiter-Soldaten, wobei der Bürger
für das nach Sekurität strebende . Jahrhundert stand und der Arbeiter
für das gefährliche und elementare neue Zeitalter. Der Krieg erschien
auch hier wiederum als Epochenscheide, da er – so in der Wiederaufnah-
me einer Formulierung aus der politischen Publizistik – einen »breiten,
roten Schlußstrich« (EJ , ) unter die bürgerliche Zeit gezogen habe.
Im Unterschied zur nationalistischen Publizistik entwickelte Jünger im
»Arbeiter« aber sein geschichtsphilosophisches Konzept weiter, indem er
den Arbeiter nun nicht mehr einfach als politische und soziale Größe im
gesellschaftlichen Spiel der Kräfte konzipierte, sondern als ein übergeord-
netes Seinsprinzip, das er als Gestalt bezeichnete.
Unter Gestalt verstand er dabei eine überzeitliche Entität, eine »Totali-
tät« (ebd., ), die selbst nicht der Geschichte unterworfen sei, sondern
ihrerseits auf die Geschichte einwirke, indem sie in ihr zur Herrschaft
gelange. Sie erschien somit als jenes »einheitliche und unveränderliche
Sein«, von dem Jünger schon im Aufsatz über den heroischen Realismus
gesprochen hatte (EJ -, ). Im »Arbeiter« bezeichnete Jünger
das Prinzip, nach dem die Gestalt die Wirklichkeit präge, als das »Gesetz
von Stempel und Prägung«, da »in der Epoche, in die wir eintreten, die
Prägung des Raumes, der Zeit und des Menschen auf eine einzige Ge-
stalt, nämlich auf die des Arbeiters, zurückzuführen ist« (EJ , ).
Ähnlich total definierte Jünger in Analogie zur Gestalt des Arbeiters auch
den Begriff der Arbeit selbst:

 Mit diesem Gestaltbegriff partizipierte Jünger an einem im ersten Drittel des


. Jahrhunderts weitverbreiteten Gestaltdenken, das hier nicht im Einzelnen er-
läutert werden kann; vgl. dazu Ash, Gestalt Psychology. Direktestes Vorbild für
Jüngers Gestaltmetaphysik war Oswald Spenglers Geschichtsmorphologie; vgl. da-
zu Lübbe, Oswald Spengler; Merlio, Jünger und Spengler; Koebner, Erwartung.
     »« 

»Man muß wissen, daß in einem Zeitalter des Arbeiters, wenn es sei-
nen Namen zu Recht trägt und nicht etwa so, wie sich alle heutigen
Parteien als Arbeiterparteien bezeichnen, es nichts geben kann, was
nicht als Arbeit begriffen wird. Arbeit ist das Tempo der Faust, der
Gedanken, des Herzens, das Leben bei Tage und Nacht, die Wissen-
schaft, die Liebe, die Kunst, der Glaube, der Kultus, der Krieg; Arbeit
ist die Schwingung des Atoms und die Kraft, die Sterne und Sonnen-
systeme bewegt.« (Ebd., )
Diese Totalerfassung des Lebens durch das Prinzip Arbeit bedeutete für
Jünger zunächst eine hochgradige Dynamisierung der Lebensverhältnisse.
So sprach er ähnlich wie in »Die totale Mobilmachung« – und im selben
Sinn Kriegs- und Friedenszustand in eins setzend – auch im »Arbeiter«
von der vollständigen »Verwandlung des Lebens in Energie, wie sie sich
in Wirtschaft, Technik und Verkehr im Schwirren der Räder oder auf
dem Schlachtfeld als Feuer und Bewegung offenbart« (ebd., ). Insge-
samt zeichnete Jünger seine Gegenwart als entfesselte Übergangsepoche,
in der alte Bindungen durch die totale Bewegung aufgelöst würden. Jün-
ger sprach hier von der »ungeheuren Schmiedewerkstätte« der Gegenwart,
die den Charakter eines »provisorischen Raum[s]«, einer »Übergangs-
landschaft« besitze (ebd., ). Allerdings zeichne sich die zukünftige
Ordnung, die aus dieser Schmiedewerkstätte erwachsen werde, bereits in
der Physiognomie der Gegenwart ab, deren energetische Verflüchtigung
so auf eine neue Verfestigung zustrebe. Letztlich ging Jünger also davon
aus, dass die Bewegung der Gegenwart auf ein Ziel, auf einen Endzu-
stand ausgerichtet war, der durch die Gestalt des Arbeiters determiniert
werde. Sein Konzept zielte damit auf die Wiederverfestigung der flüchtig
gewordenen und total in Bewegung versetzten Strukturen, da sich hinter
dem »Übermaß an Bewegung«, hinter dem »Sturm der Hämmer und
Räder, der uns umgibt« (ebd., ), ein ruhendes Zentrum verberge.
Uwe-Karsten Ketelsen spricht deshalb von einer »Reintegration der be-
obachteten zersplitterten Wirklichkeiten in eine alles durchwaltende,
globale Struktur«.
Diese globale Struktur zeigt sich in Jüngers Vorstellung von der »die
reine Werkstättenlandschaft ablösenden Planlandschaft« (EJ , ), in
der sich der spezielle Arbeitscharakter in einen totalen verwandelt haben

 Vgl. ebd., : »Je mehr wir uns der Bewegung widmen, desto inniger müssen wir
davon überzeugt sein, daß ein ruhendes Sein sich unter ihr verbirgt und daß jede
Steigerung der Geschwindigkeit nur die Übersetzung einer unvergänglichen Ur-
sprache ist.«
 Ketelsen, Ernst Jüngers Der Arbeiter, S. .
  - -

werde. In den letzten Abschnitten des »Arbeiters« entwarf Jünger das al-
lerdings vage bleibende Bild von einem »Arbeitsstaat« (ebd., ), den er
an anderer Stelle auch als »Arbeitsdemokratie« (ebd., ) bezeichnete.
Sein Konzept zielte also auf die »Ablösung eines dynamischen und revo-
lutionären Raumes durch einen statischen und höchst geordneten Raum«
(ebd., ), der dadurch zustande komme, »daß hier der aktive Typus die
Wendung zum Staate vollzieht« (ebd., ). Bei der Aufzählung der Eigen-
schaften dieses Arbeitsstaates wird deutlich, dass er mehr oder weniger
totalitäre, in jedem Fall technokratische Züge trug:
»Hier ist zu nennen die Umwandlung der Parlamente aus Organen
des bürgerlichen Freiheitsbegriffes und Institutionen der Meinungs-
bildung in Arbeitsgrößen, die ihrem Sinne nach einer Umwandlung
von Gesellschaftsorganen in Staatsorgane gleichbedeutend ist. […] Es
ist ferner zu nennen der Ersatz der sozialen Diskussionen durch die
technische Argumentation, der dem Ersatz von Sozialfunktionären
durch Staatsbeamte entspricht. In diesen Zusammenhang gehört auch
die Trockenlegung jenes Sumpfes der freien Meinung, in den sich die
liberale Presse verwandelt hat.« (Ebd., )
Die Wirtschaft sollte in diesem Arbeitsstaat durch einen »Arbeitsplan«
(ebd., ) geregelt sein, wobei allerdings auch hier Jüngers Ausführun-
gen einigermaßen vage blieben. Entscheidend ist aber, dass sich Jüngers
Staatsvorstellungen nicht auf den nationalen Rahmen beschränkten, son-
dern dass es ihm um die »Fähigkeit zu echten imperialen Bildungen«
(ebd., ) ging: »Das Ziel, in dem sich die Anstrengungen treffen, be-
steht in der planetarischen Herrschaft als dem höchsten Symbol der
neuen Gestalt.« (Ebd., ) Jüngers Beschreibung einer fragmentierten,
chaotischen, in diesem Sinn anarchischen Gegenwart mündete also letzt-
lich in die Vision eines totalen Macht- und Weltstaats, in dem die zuvor
entfesselte Dynamik nur noch als »leichtes Zittern der Kristallstruktur«
spürbar war.

 Sieferle, Konservative Revolution, S. . In diesem Sinn ist Jüngers Vorstellung


von Totalität, die auch die einer »Totalität des technischen Raumes« (EJ ,
) ist, nicht nur repräsentativ für die totalitären Herrschaftsentwürfe der Zwi-
schenkriegszeit, sondern weist auch voraus auf die Posthistoire-Ideen nach ,
in denen die »Perfektion der Technik« (ebd., ) ebenfalls als »Kristallisation«
(Arnold Gehlen) gedacht wird und in die Vorstellung von der »sich von den Sub-
jekten ablösende[n] Selbststeuerung der technisch-ökonomischen Struktur der
Gesellschaft als ›Megamaschine‹« (Niethammer, Posthistoire, S. ) mündet; dazu
auch Sokel, ›Postmodernism‹ und unten, Kap. ..
     »« 

In diesem technokratischen Machtstaat war der Zugriff auf den Ein-


zelnen technisch zentralisiert. Schon die totale Mobilmachung beschrieb
Jünger als einen Akt, »durch den das weitverzweigte und vielfach diffe-
renzierte Stromnetz des modernen Lebens durch einen einzigen Griff am
Schaltbrett dem großen Strome der kriegerischen Energie zugeleitet
wird« (EJ a, ). Im »Arbeiter« setzte Jünger diese Transformation der
im Systemcharakter der Technik angelegten Entindividualisierungs- und
Uniformierungstendenzen in ein totalitäres Politikkonzept fort. Hier er-
schienen etwa auch die technischen Medien als »totale Nachrichten-
mittel« (EJ , ), die die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit im ver-
netzten Raum gewährleisten sollten. Die Gesellschaft als Ganze wurde als
durchherrschter Schaltkreis imaginiert, in dem »eine Nachricht, eine
Warnung, eine Androhung in wenigen Minuten jedes Bewußtsein er-
reicht haben muß« (EJ a, ). Die mentale Einordnung des Einzel-
nen in dieses funktionale Herrschaftssystem erfolgte wiederum vermittels
des heroischen Realismus, der die freiwillige Selbstgleichschaltung als
Vollzug des Notwendigen legitimieren sollte. Jüngers zentrale Begriffe
hierfür waren »Typus« und »organische Konstruktion«.

Der Typus in der organischen Konstruktion

Jüngers Darstellungsmethode im »Arbeiter« bestand in einer repetitiven


Beschreibung der Physiognomie des Arbeitszeitalters, bei der die Allge-
genwart der Gestalt des Arbeiters an den verschiedensten Erscheinungen
der Lebenswelt aufgezeigt werden sollte. Die unterschiedlichen Lebens-
bereiche zeichneten sich dabei für Jünger durch eine wachsende Verein-
heitlichung aus, die eben auf die Gestalt des Arbeiters zurückzuführen
sei. Diese Vereinheitlichung zeige sich in erster Linie in der »Auflösung
des Individuums« (EJ , ), an dessen Stelle der »Typus« als »Schlag
des . Jahrhunderts« (ebd., ) getreten sei, der nicht mehr als Person,
sondern nur noch als Repräsentation der Gestalt des Arbeiters gedacht
wurde. Dieser Übergang vom Individuum zum Typus äußerte sich unter
anderem im »Verfall der individuellen Physiognomie« (ebd., ) und in
einer Uniformierung und Vereinheitlichung auch der äußeren Erschei-
nung des Einzelnen und seiner Lebensverhältnisse, die zur »Maskenhaf-
tigkeit« (ebd., ) des Typus führe. Jünger führte hier als Beispiele nicht
nur die Schutzmasken und Uniformen in den Fabriken an, sondern auch
die »Gasmaske« im Krieg und die »Gesichtsmaske für Sport und hohe
Geschwindigkeiten, wie sie jeder Kraftfahrer besitzt« (ebd.). Allgemein
dienten ihm besonders die Großstadt mit ihrer Verkehrs- und Konsum-
  - -

welt und der moderne Sport als Belege dafür, dass sich auch die Freizeit-
gestaltung dem »veränderten Rhythmus des Lebens« (ebd., ) anpasse
und »Arbeitscharakter« annehme. Besonders am Sport zeigte er, dass die
Uniformierung nicht rein äußerlich stattfinde, sondern im »Training«
auch als planmäßige »Durchbildung des Körpers« erfolge, die zu Hervor-
bringung »sehr gleichmäßig gezüchteter Körper« führe (ebd., ).
Entscheidend war für Jünger nun, dass sich diese Uniformierung
nicht freiwillig vollziehe, sondern durch die wachsende Autonomisierung
der technischen und organisatorischen Abläufe gesteuert werde. Der Typus
sei nicht mehr einmalig, sondern eindeutig, er zähle nicht als einzelner,
sondern als Angehöriger eines Kollektivs. Die Art dieses Kollektivs hat
sich für Jünger dementsprechend ebenfalls verändert. Die aus Individuen
sich zusammensetzende Masse des bürgerlichen Zeitalters sei verschwun-
den und habe neuen Formen des gegliederten Kollektivs Platz gemacht:
»Man versammelt sich nicht mehr, man marschiert auf. Man gehört
nicht mehr einem Verein oder einer Partei, sondern einer Bewegung oder
einer Gefolgschaft an.« (Ebd., ) Diese neuen Formen der Gefolgschaft
nannte Jünger »organische Konstruktionen«, wobei er in deren Beschrei-
bung an die Formulierung von  anknüpfte, der gemäß der Einzelnen
keinen Einfluss auf ein Kraftwerk habe:
»Einer organischen Konstruktion gehört man nicht durch individuel-
len Willensentschluß, also durch Ausübung eines Aktes der bürger-
lichen Freiheit, sondern durch eine tatsächliche Verflechtung an, die
der spezielle Arbeitscharakter bestimmt. So ist es, um ein banales Bei-
spiel zu wählen, ebenso leicht, in eine Partei einzutreten oder aus ihr
auszutreten, wie es schwierig ist, aus Verbandsarten auszutreten, denen
man etwa als Empfänger von elektrischem Strom angehört.« (Ebd.,
f.)
Die wachsende Durchsetzung des »speziellen Arbeitscharakters« äußere
sich also zugleich in einem »Anwachsen der sachlichen Zusammenhänge,
durch die der Einzelne in Anspruch genommen wird« (ebd., ) und
denen er sich nicht mehr ohne weiteres entziehen könne. Der Einzelne
sei als Typus durch »existentielle Einbeziehung« (ebd., ) an das Kollek-
tiv gebunden. Hiermit war auch die Problematik von Freiheit und Not-
wendigkeit wieder aufgerufen, denn Freiheit konnte für Jünger nicht
mehr in der Entscheidung bestehen, sich einer organischen Konstruktion

 Zusammen mit der bürgerlichen Freiheit erteilte Jünger hier auch jeder liberalen
Vertragstheorie eine Absage.
     »« 

anzuschließen oder nicht, sondern nur darin, diesen Anschluss als not-
wendig zu affirmieren:
»Damit aber bedeutet Freiheit nicht mehr ein Maß, dessen Urmeter
durch die individuelle Existenz des Einzelnen gebildet wird, sondern
Freiheit besteht in dem Grade, in dem in der Existenz dieses Einzelnen
die Totalität der Welt, in die er einbezogen ist, zum Ausdruck kommt.
Hiermit ist die Identität von Freiheit und Gehorsam gegeben« (ebd.,
).
Der Charakter dieser Identität von Freiheit und Gehorsam wird noch
deutlicher, wenn man näher auf die Bedeutung eingeht, die Jünger der
Technik in diesem Zusammenhang zumaß, denn die Technik spielte für
ihn bei der Transformation der Welt zur Arbeitswelt eine zentrale Rolle.
Jünger definierte sie in einer immer wiederkehrenden Formulierung als
»die Art und Weise, in der die Gestalt des Arbeiters die Welt mobilisiert«
(ebd., ). In diesem Sinn entsprach sie der »Beherrschung der Sprache,
die im Arbeitsraume gültig ist« (ebd.). An anderer Stelle schrieb Jünger,
dass die Maschinentechnik als das »Symbol« der Gestalt des Arbeiters zu
begreifen sei (ebd., ). Die Technik fungierte gleichsam als »Kataly-
sator« der von Jünger diagnostizierten Umwälzungen: »In der Technik
erkennen wir das wirksamste, das unbestreitbarste Mittel der totalen Re-
volution.« (Ebd., ) Sie wurde so zum Motor der von Jünger beschrie-
benen Uniformierung der Lebensverhältnisse. Überall, wo der Mensch
»in den Bannkreis der Technik« trete, ziehe das »einen ganz bestimmten
Lebensstil nach sich, der sich sowohl auf die großen wie auf die kleinen
Dinge des Lebens erstreckt« (ebd., ). Selbst den »berühmte[n] Unter-
schied zwischen Stadt und Land«, den Jünger selbst noch  zugunsten
der Stadt profiliert hatte, hebe die Technik auf, denn auch der »Acker, der
mit Maschinen bewirtschaftet wird und mit dem künstlichen Stickstoff
der Fabriken gedüngt wird, ist nicht derselbe Acker mehr« (ebd., ).
Die Werkstättenlandschaft des Übergangs vom bürgerlichen Zeitalter
zum Arbeitsstaat erschien daher in erster Linie als »technische Land-
schaft« (ebd., ).
Die Technik war für Jünger allerdings nicht nur Mittel zur Revolutio-
nierung und Beseitigung der bestehenden Verhältnisse, sondern auch
Instrument der zu errichtenden totalen Ordnung. Ihre »letzte Aufgabe«
bestehe darin, »an jedem beliebigen Orte und zu jeder beliebigen Zeit in
jedem beliebigen Maße Herrschaft zu verwirklichen« (ebd., ), denn

 Meyer, Ernst Jünger, S. .


  - -

nur der »totale technische Raum« könne die »totale Herrschaft ermög-
lichen« (ebd., ). Die schon beschriebene Doppelung von Dynamik
und Statik spiegelte sich dabei auch im Bild der Technik. Während die
Maschine als dynamisches Artefakt die Vorstellung Jüngers vom chaoti-
schen Übergangsraum prägte, symbolisierte die Technik als System den
erstarrten Machtstaat. In jedem Fall aber war die Technik gleichzeitig
prägendes Kennzeichen und wichtigstes Machtmittel der Herrschaft des
Arbeiters.
Dem Arbeiter diente die Technik dabei allerdings nicht, wie noch dem
Bürger, zur Hebung des Komforts. Deutete der Bürger jeden »Sieg der
Technik« als einen »Sieg der Bequemlichkeit« (ebd., ), so offenbare
sich dem Arbeiter ihr destruktives und gefährliches Potential. Dieses
destruktive Potential der Technik habe sich wiederum vor allen Dingen
im Ersten Weltkrieg gezeigt, welcher Jünger auch in diesem Zusammen-
hang als zentrale Epochenscheide erschien, eben »weil er den der Technik
innewohnenden Machtcharakter unter Ausschluß aller wirtschaftlichen
und fortschrittlichen Elemente enthüllt« (ebd., ) habe. Der Krieg
habe, indem er »das doppelte Gesicht der Technik« (ebd., ) und be-
sonders die »martialische Seite ihres Januskopfes« (ebd., ) offenbarte,
nicht nur die »Volkskirche des . Jahrhunderts, nämlich [die] Verehrung
des Fortschritts« (ebd., ) zerstört, er habe auch die besondere Funk-
tion der Technik für die totale Mobilmachung deutlich gemacht.
Mit diesem Rückgriff auf das Kriegserlebnis wird nicht nur die bei
aller Entwicklung gegebene Einheit von Jüngers Frühwerk deutlich, das

 Darauf verweist Helmut Lethen, der davon spricht, dass Jünger die »technische
Zentralmetapher« wechselt, je nachdem, ob er den anarchischen oder den tota-
litären Charakter des Arbeitsraums beschreiben wolle: »›Elektrizität‹ mit ihrem
›Kraftfeld‹, ›Netz‹ und ›Anschluß‹ beherrscht im Arbeiter immer dann das Bild,
wenn die systematische, der Verbrennungsmotor herrscht als Metapher, wenn die
dynamische Qualität des Phänomens betont werden soll.« (Lethen, Elektrische
Flosse, S. .) Zur Unterscheidung von Artefakt- und Systemcharakter der Tech-
nik vgl. Sieferle, Konservative Revolution, S. .
 Vgl. dazu Jüngers Aufsatz » Über die Gefahr« (EJ -, -).
 Die Entfesselung der Technik habe im Übrigen nicht nur den Glauben an den
Fortschritt, sondern auch den christlichen Glauben in Frage gestellt. Sie sei, so
Jünger, »die entschiedenste antichristliche Macht, die bisher in Erscheinung ge-
treten ist«, die zum Niedergang der Kirchen und zur »Ermöglichung eines um-
fassenden Säkularisierungsprozesses« beitrage (EJ , ). Gleichzeitig aber sei
»die Technik selbst kultischen Ursprunges« (ebd., ) und offenbare so den dem
Arbeiter eigenen »anderen Glauben« (ebd., ). Dadurch erlaube sie die »Wie-
derentdeckung der großen Tatsache […], daß Leben und Kultus identisch sind«
(ebd.).
     »« 

bis in die er Jahre hinein vom Bezug auf den Ersten Weltkrieg be-
stimmt blieb. Es zeigt sich auch, dass Jüngers Arbeiter-Krieger von 
bereits in der »Stahlgestalt« von  angelegt war, wie sich nicht zuletzt
am Begriff der »organischen Konstruktion« erkennen lässt. Denn unter
organischer Konstruktion verstand Jünger im »Arbeiter« nicht nur ein
geordnetes Kollektiv, also eine harmonische Verbindung von Mensch
und Mensch, sondern auch eine Amalgamierung von Mensch und Tech-
nik. So sprach er von ihr als einer »engen und widerspruchslosen Ver-
schmelzung des Menschen mit den Werkzeugen, die ihm zur Verfügung
stehen« (EJ , ), und strebte damit nichts weniger an als die »Ver-
schmelzung des Unterschiedes zwischen organischer und mechanischer
Welt« (ebd., ). Das Auseinandertreten von organischer und mecha-
nischer Welt hatte Jünger aber, wie bereits gezeigt, vor allen Dingen im
Weltkrieg leidvoll erfahren. In der »Stahlgestalt« wurde dieser Gegensatz
von Mensch und Technik einfach durch Synthese aufgehoben, die Stahl-
gestalt wurde zur »Utopie der Körpermaschine«, die durch Anpassung
unverwundbar gemacht ist. Wenn Jünger schon  erkannte: »Wo die
Maschine auftaucht, erscheint der Wettlauf des Menschen mit ihr aus-
sichtslos« (EJ -, ), so glaubte er, diesen Wettlauf dadurch doch
noch gewinnen zu können, dass er den Mensch gleichsam auf die Ma-
schine aufspringen ließ, um mit ihr gemeinsam ins Ziel getragen zu
werden. Das erkannte Wulf Dieter Müller, einer der ersten Jünger-Bio-
graphen, schon :
»Vor keinem Feinde je ausgewichen, zieht Jünger sich auch nicht vor der
Technik zurück. Er merkt sehr schnell, daß es mit einer Ablehnung
nicht getan ist. Die annähernde Vervollkommnung der technischen
Mittel wird als Tatsache anerkannt, die sich in der Materialschlacht
offenbart. Die technischen Mittel bestimmen die Kampfesweise, die
den Soldaten von Grund auf verändert. Der Technik Herr werden
kann hier auf dem Schlachtfeld, wo jeder Flucht die Grenze gesetzt ist,
nur heißen: Sich ihr anpassen, mit den Mitteln zu einer Einheit ver-
schmelzen.«
Jüngers organische Konstruktion, seine Vorstellung der Verschmelzung
von Mensch und Technik bekam so den Charakter einer »Abwehr, die

 Vgl. dazu Pekar, »Organische Konstruktion«; Segeberg, Technikverwachsen; ders.,


Regressive Modernisierung; ders., Untergang.
 Theweleit, Männerphantasien, S. ; vgl. zu den »Stahlnaturen« auch Haß,
Militante Pastorale, S. -.
 Müller, Ernst Jünger, S. .
  - -

sich dem Mittel des Aggressors assimiliert«. E. Günther Gründel hat


diese Logik schon in seinem zeitgleich mit dem »Arbeiter« erschienen
Buch »Die Sendung der Jungen Generation« knapp zusammengefasst,
indem er über Ernst Jünger schrieb: »Er triumphiert über den Krieg, in-
dem er ihn bejaht.« Über etwas zu triumphieren, indem man es bejaht –
dies erscheint tatsächlich als der Kern von Jüngers heroischer Haltung
und als Movens seiner Idee der organischen Konstruktion.
Für diesen Triumph zahlte das Subjekt allerdings einen hohen Preis.
Denn wie bereits deutlich wurde, zählte der moderne Arbeiter-Krieger
nicht mehr als Individuum, sondern als Teil eines funktionalen Ganzen.
Er wurde buchstäblich zum Rädchen im Getriebe, das gegebenenfalls er-
setzbar war: »Seine Kampfkraft ist kein individueller, sondern ein funk-
tionaler Wert: man fällt nicht mehr, sondern man fällt aus.« (EJ , )
Das Dilemma des Gegensatzes von Mensch und Technik konnte Jünger
letztlich also nur zugunsten eines neuen Dilemmas auflösen. Die Be-
hauptung des ohnmächtigen Einzelnen gegenüber der seine Subjektivität
bedrohenden Übermacht der technischen Systeme gelang ihm nur, in-
dem er sich seiner Individualität entkleidete und zum Typus wurde. Die
Aporie dieser Logik bestand darin, dass Jünger die Souveränität des Ein-
zelnen glaubte retten zu können, indem er sie freiwillig aufgab, dass er
glaubte, »Selbstgewinn durch Selbstverlust« erlangen zu können. Die
Haltung, die dieser Logik des Selbstopfers zugrunde lag, ist wiederum
die des heroischen Realismus, der bestrebt war, »nicht nur Material, son-
dern zugleich Träger des Schicksals zu sein, das Leben nicht nur als Feld
des Notwendigen, sondern zugleich der Freiheit zu begreifen« (ebd., ).
Die »Identität von Freiheit und Gehorsam« (ebd., ) zu postulieren, wie
Jünger das tat, erscheint somit als definitorischer Trick, der das Resultat
der beschriebenen Flucht nach vorn, in die Arme der als »notwendig«
erkannten Technisierung und Entindividualisierung war. Das Bewusstsein
des Vollzugs einer schicksalhaften Notwendigkeit konnte dabei sogar
noch Gedanken und Taten beschwingen: »Zu den Kennzeichnen der
Freiheit gehört die Gewißheit, Anteil zu haben am innersten Keime der
Zeit – eine Gewißheit, die Taten und Gedanken wunderbar beschwingt
und in der sich die Freiheit des Täters als der besondere Ausdruck des
Notwendigen erkennt.« (Ebd., )
An dieser Formulierung von der »Freiheit des Täters« wird bereits
deutlich, dass der heroische Realismus tatsächlich als Freibrief für die Tat

 Lethen, Verhaltenslehren, S. ; dazu auch Huyssen, Fortifying the Heart, S. f.
 Gründel, Sendung, S. .
 Lübbe, Oswald Spengler, S. .
     »« 

verstanden werden kann, und es lässt sich mit einigem Recht argumen-
tieren, dass er auch so verstanden worden ist. Er war Ausdruck jener
»Mentalität der Dissoziation«, die in der entsubjektivierenden Destrukti-
onserfahrung des Ersten Weltkriegs ihren Ursprung hatte und in der af-
fektiven Leere der Täter des Zweiten Weltkriegs ihre Fortsetzung fand.
In Jüngers eigener Logik bestand die ultimative Erfüllung des heroischen
Realismus aber vor allen Dingen in der »Synthese von Täter und Opfer
im Selbstopfer«: »Das tiefste Glück des Menschen besteht darin, daß er
geopfert wird, und die höchste Befehlskunst darin, Ziele zu zeigen, die
des Opfers würdig sind.« (Ebd., ). An anderer Stelle sprach Jünger zur
Bezeichnung dieser Befähigung zum Selbstopfer von der »metallischen
Kälte, aus der heraus das heroische Bewußtsein den Leib als reines Instru-
ment zu behandeln« (ebd., ) wisse.
Diese Formulierung vom Leib als reinem Instrument griff Jünger in
dem Essay »Über den Schmerz« wieder auf, den er selbst als Fortsetzung
zum »Arbeiter« bezeichnete. Er ging in diesem Text von  davon aus,
dass die bürgerliche Welt auf eine Vermeidung des Schmerzes gerichtet
gewesen sei, während es in der Welt des Arbeiters darauf ankomme, »ihn
zu bestehen« (EJ a, ). Ein besonderes Kennzeichen des Arbeiters sei
daher die Disziplin, denn die Disziplin sei die »Form, durch die der
Mensch die Berührung mit dem Schmerze aufrechterhält« (ebd., ). Sie
sei gleichzeitig die Messlatte dafür, inwieweit »der Leib als Gegenstand
behandelt werden kann« (ebd., ):

 Hüppauf, Schlachtenmythen, S. ff.


 Vondung, Apokalypse, S. 
 Wobei es natürlich immer diejenigen geben muss, die die Befehle erteilen, und die-
jenigen, die sich opfern. Dass Opferbereitschaft und »Angriffskraft« voneinander
abhängen, machte Jünger auch in folgender Passage deutlich: »In diesem Sinne
ist der Motor nicht der Herrscher, sondern das Symbol unserer Zeit, das Sinnbild
einer Macht, der Explosion und Präzision keine Gegensätze sind. Er ist das kühne
Spielzeug eines Menschenschlages, der sich mit Lust in die Luft zu sprengen ver-
mag und der in diesem Akte noch eine Bestätigung der Ordnung erblickt. Aus
dieser Haltung, die weder dem Idealismus noch dem Materialismus vollziehbar
ist, sondern die als ein Heroischer Realismus angesprochen werden muß, ergibt
sich jenes Maß an Angriffskraft, dessen wir bedürftig sind.« (EJ , )
 So schrieb er im Vorwort von »Blätter und Steine«, dass in der Abhandlung
»Über den Schmerz« »die im ›Arbeiter‹ als optisches Hilfsmittel eingeführte Ter-
minologie noch einmal zur Anwendung kommt«. Während die »Totale Mobil-
machung« den »großen Prozeß« geschildert habe und der »Arbeiter« »die Gestalt,
deren historische Aufgabe in der Durchführung des Prozesses besteht«, treibe die
Betrachtung »Über den Schmerz« »die Untersuchung um einen Schritt weiter
vor« (EJ a, f.); vgl. dazu Koschorke, Traumatiker; Morat, Schmerzlose Kör-
permaschine.
  - -

»Es gibt offenbar Haltungen, die den Menschen befähigen, sich auf
sehr bedeutende Art von dem Raume abzusetzen, in dem der Schmerz
als unumschränkter Gebieter regiert. Diese Abhebung tritt dadurch in
Erscheinung, daß der Mensch den Raum, durch den er am Schmerze
Anteil hat, das heißt, den Leib, als einen Gegenstand zu behandeln ver-
mag. Dieses Verfahren setzt freilich eine Kommandohöhe voraus, von
der aus der Leib als ein Vorposten betrachtet werden kann, den man
gewissermaßen aus großer Entfernung im Kampf einzusetzen und auf-
zuopfern vermag.« (Ebd., )
Diese Haltung ist unschwer als der heroische Realismus wiederzuerkennen,
den Jünger im »Arbeiter« predigte. Er kann somit als ein Mittel verstanden
werden, nicht nur das Schicksal, sondern auch den körperlichen Schmerz
zu meistern. An anderer Stelle bezeichnete Jünger die »Fähigkeit, sich
selbst als Objekt zu sehen«, als das »zweite und kältere Bewußtsein«, das
dem Typus eigen sei (ebd., ). Als zweites Bewusstsein bezeichnet Jün-
ger allerdings auch die technischen Aufnahme- und Wiedergabemedien
wie die Kamera und das Tonband. Auch hier funktionierte die habituelle
Prägung des Typus also als Assimilation an die Technik, die in Form der
technischen Medien den Wahrnehmungsmodus eines emotionslosen Re-
gistrierens vorgab. Besonders an »Über den Schmerz« wird also deutlich,
was auch für den »Arbeiter« gilt: dass der heroische Realismus in erster
Linie der Selbstanästhetisierung und Immunisierung gegenüber dem
Leiden diente, und zwar dem eigenen Leiden ebenso wie dem anderer.

Die apokalyptische Aufforderungsstruktur des »Arbeiters«

Die zitierten Passagen lassen keinen Zweifel daran, dass Jünger die Op-
ferbereitschaft des heroischen Realismus nicht einfach als Gegebenheit
beschrieb, sondern in der Beschreibung gleichzeitig heraufbeschwor und
propagierte. Sie dementieren damit Jüngers Eigenaussage, wonach er »die
Formen einer veränderten Welt« (EJ , ) unparteiisch und neutral
nachzeichnen wollte und an »Fragen weltanschaulicher Art« kein Interesse
habe. Allerdings war die Weltanschauung im »Arbeiter« tatsächlich

 Vgl. zur Medientechnik in diesem Zusammenhang Morat, Körper; Kaes, Cold


Gaze; Werneburg, Veränderte Welt; dies., Ernst Jünger.
 Vgl. Stern, Ernst Jünger, S. f.; ders., Zwischenkrieg.
 So in einer Radiosendung, die die Hanseatische Verlagsanstalt als Werbemaß-
nahme aufnehmen und ausstrahlen ließ; zitiert in Paetel, Ernst Jünger in Selbst-
zeugnissen, S. .
     »« 

nicht mehr in den Schlagworten des Nationalismus gefasst, sondern vom


politischen Tagesgeschäft gleichsam abstrahiert. Dass die scheinbar neu-
trale Beschreibung der neuen Welt, wie sie durch die Gestalt des Arbei-
ters hervorgebracht werde, dennoch Appellcharakter besaß, liegt zum ei-
nen an Jüngers Idee der historischen Übergangsepoche und zum anderen
an der symbolischen Logik des Gestaltbegriffs. Beides zusammen verlieh
Jüngers Vision des Arbeitszeitalters apokalyptischen Charakter.
Zunächst ist auffällig, dass Jünger im »Arbeiter« denselben »Nihilis-
mus des Übergangs« vertrat wie im neuen Nationalismus. Die Tatsache,
dass das Zeitalter des Arbeiters durch den Weltkrieg zwar eingeläutet
worden sei, dass die Gegenwart aber gleichzeitig noch zu viel Ballast aus
dem bürgerlichen Zeitalter mit sich führe, machte in den Augen Jüngers
eine »Gepäckerleichterung« notwendig, »die man sich gar nicht gründ-
lich und umfassend genug vorstellen kann« (EJ , ). Und für Jün-
ger gehörte es »zu den hohen und grausamen Genüssen unserer Zeit, an
dieser Sprengarbeit beteiligt zu sein« (ebd., ). Seine Forderung nach
»Zerstörung der alten Bindungen« (ebd., ) bezog sich dabei explizit auf
die kulturelle und zivilisatorische Tradition. Seine »brutale Frage nach
der Notwendigkeit« angesichts des »museale[n] Betrieb[es]«, der »nichts
anderes dar[stellt] als eine der letzen Oasen der bürgerlichen Sicherheit«
(ebd., ) erinnert wiederum an den destruktiven Charakter Benjamins,
welcher gemäß der Einsicht handelte, »wie ungeheuer sich die Welt ver-
einfacht, wenn sie auf ihre Zerstörungswürdigkeit geprüft wird«. An
anderer Stelle klagte Jünger, auf seine Weise ein neues Barbarentum ein-
fordernd, dass »uns das Zeitalter der allgemeinen Bildung einer tüchtigen
Reserve von Analphabeten beraubt« (ebd., ) habe.
Mit diesen Ansichten vertrat Jünger den »polemischen Antitraditio-
nalismus« der »historischen Avantgardebewegungen« in extremer Aus-
prägung. Mit anderen Avantgardedenkern verband ihn auch die Idee
eines notwendigen Durchgangs durch die Destruktion, bei dem die Ne-
gativität der Verhältnisse noch zu steigern sei in der Hoffnung auf einen
Umschlag ins Positive. So postulierte er im »Arbeiter«, »daß man zu
neuen Harmonien nicht vordringen kann, ohne durch diese Zerstörung
hindurchgegangen zu sein« (ebd., ). Diese Zerstörung wiederum soll-
te von einer »neue[n] Aristokratie« vorangetrieben werden, »die sich in
den Besitz der entscheidenden geistigen und technischen Mittel setzt«

 Vgl. dazu Brokoff, Apokalypse, S. -; Vondung, Apokalypse, S. -.


 Benjamin, Der destruktive Charakter, S. .
 Lindner, Technische Reproduzierbarkeit, S. .
  - -

(ebd., ), um den notwendigen und unwiderruflichen Gang der Ge-


schichte zu beschleunigen. Der Nietzscheanischen Maxime folgend, dass
man das, was fällt, noch stoßen soll, plädierte Jünger dafür, »die Wucht
und die Geschwindigkeit der Prozesse zu steigern, in denen wir begriffen
sind« (ebd., ). Schon in »Das abenteuerliche Herz« betonte Jünger,
»daß man der Zivilisation nicht in die Zügel fallen darf, daß man im
Gegenteil Dampf hinter ihre Erscheinungen setzen muß« (EJ a,
f.). Im »Arbeiter« lautete derselbe Gedanke dann: »Es gibt keinen Aus-
weg, kein Seitwärts und Rückwärts; es gilt vielmehr, die Wucht und die
Geschwindigkeit der Prozesse zu steigern, in denen wir begriffen sind.«
(EJ , )
Diese »Logik des Extrems«, die die Moderne gleichsam auf Über-
touren bringen wollte, kann gleichzeitig als »Vehikel des Auszugs aus der
entzauberten Welt« verstanden werden, da die total mobilgemachte Mo-
derne umschlagen sollte in eine magische Übermoderne. Dies drückte
sich in Jüngers Idee des »magischen Nullpunkts« aus, von dem er schon
in »Das abenteuerliche Herz« sagte, dass die Menschen und Dinge der
Gegenwart auf ihn zusteuerten: »Ihn passieren, heißt der Flamme eines
neuen Lebens ausgeliefert zu sein; ihn passiert zu haben, ein Teil der
Flamme zu sein.« (EJ a, f.). Im »Arbeiter« ging Jünger dann davon
aus, »daß der Nullpunkt bereits überschritten ist« (EJ , ). Das
Zeitalter des Arbeiters lag also jenseits des Nullpunkts, und Anteil an ihm
zu haben hieß, Teil der Flamme zu sein. Diese Idee der Transzendenz war
dabei schon im Konzept der Gestalt selbst begründet, denn die Gestalt
lag als ein Jenseits hinter den Erscheinungen. Das Gestaltsehen bekam als
solches prophetische, und das heißt: religiöse Qualität.
Diese Gestalt-Metaphysik ging auf Jüngers in den er Jahren ent-
wickelten »magischen Realismus« zurück. Bereits im April  sprach
Jünger im Zusammenhang einer Auseinandersetzung über Gehalt oder
Oberflächlichkeit des neuen Nationalismus und der Jugendbewegung
davon, »daß jede Oberfläche ihre Tiefe und jede Tiefe ihre Oberfläche
besitzt, und daß es nicht darauf ankommt, diese beiden zu scheiden, son-
dern darauf, sie zu umfassen in ihrer göttlichen Totalität« (EJ -,

 Bolz, Auszug, S. .


 Vgl. Katzmann, Magischer Realismus. Auf dieses poetische Verfahren Jüngers
kann hier nur sehr verkürzt eingegangen werden; vgl. dazu v. a. Bohrer, Ästhetik,
der seine umfangreiche Untersuchung zu Jüngers Frühwerk von der ersten Fas-
sung des »Abenteuerlichen Herzens« ausgehen lässt, in dem der »magische Realis-
mus« am ausführlichsten entwickelt wird.
     »« 

f.)  brachte Jünger diese Vorstellung der Gleichzeitigkeit von


Oberfläche und Tiefe dann auf den Begriff des magischen Realismus. Im
Arminius schrieb er über das moderne Leben:
»Denn dieses Leben ist in jedem Augenblick Tiefe und Oberfläche,
Werdendes und Gewordenes zugleich. […] Wir haben nach Erlebnis
des großen Krieges einen Zustand erreicht, in dem dieser doppelte
Blick wieder möglich geworden ist. Es ist der Blick, der sich in unserer
Zeit in jenen Bildern des magischen Realismus offenbart, in deren
Rahmen jede Linie der äußeren Welt mit der Bestimmtheit einer ma-
thematischen Formel gebannt ist, und deren Kälte doch auf unerklär-
liche Weise, gleichsam durchscheinend, ein zauberhafter Hintergrund
erleuchtet und erwärmt.« (EJ -, )
Diesem doppelten Blick, der es erlaube wahrzunehmen, »daß jede un-
serer vertrautesten und alltäglichsten Erscheinungen sich gleichzeitig als
Symbol eines wesentlichen Lebens erfassen läßt« (EJ a, ), gab
Jünger in »Das abenteuerliche Herz« noch einen weiteren Namen, indem
er ihn als »Stereoskopie« bezeichnete. Dabei bedeutete »stereoskopisch
wahrnehmen […], ein und demselben Gegenstande zwei Sinnesquali-
täten abgewinnen, und zwar – dies ist das Wesentliche – durch eine ein-
ziges Sinnesorgan« (ebd., ). In einem weiteren Text, und zwar dem
»Sizilischen Brief an den Mann im Mond« von , beschrieb Jünger
schließlich, wie ihm bei einer Wanderung im Frühjahr  plötzlich der
beschriebene Doppelcharakter der Wirklichkeit zu Bewusstsein kam:
»Und da stand in einer seltsam blitzhaften Geburt das Bild des Man-
nes im Monde wieder auf. Gewiß, die Mondlandschaft mit ihren Fel-
sen und Tälern ist ein Gebiet, das der astronomischen Topographie
ihre Aufgaben stellt. Aber ebenso gewiß ist es, daß sie zugleich jener
magischen Trigonometrie, von der eben die Rede war, zugänglich ist,
– daß sie zugleich ein Gebiet der Geister ist […]. Aber das Unerhörte
für mich in diesem Augenblicke war, diese beiden Masken ein und des-
selben Seins unzertrennlich einschmelzen zu sehen. Denn zum ersten
Male hob sich hier ein quälender Zwiespalt auf, den ich, Urenkel eines
idealistischen, Enkel eines romantischen und Sohn eines materialisti-
schen Geschlechtes bislang für unlösbar gehalten hatte. Dies geschah
nicht etwa so, daß sich ein Entweder-Oder in ein Sowohl-Als-Auch

 Im »Arbeiter« benannte Jünger dieselbe Erkenntnis mit den Worten: »Im We-
sentlichen gibt es den Unterschied zwischen Tiefe und Oberfläche nicht.«
(EJ , )
  - -

verwandelte. Nein, das Wirkliche ist ebenso zauberhaft, wie das Zau-
berhafte wirklich ist.« (EJ a, )
Jünger verglich dieses Wiedererwachen mit dem Betrachten von stereo-
skopischen Aufnahmen: »Im gleichen Augenblicke, in dem sie in ein ein-
ziges Bild zusammenschmolzen, brach die Dimension der Tiefe in ihnen
auf.« (Ebd.) Diese in der »Epiphanie des Augenblicks« geschaute unio
mystica von Logik und Magie wurde für Jünger zum Schlüsselerlebnis,
das ihm das quälende Gefühl der Entfremdung in der technischen Mo-
derne zu überbrücken half. Im Vorwort zu »Blätter und Steine« schrieb
Jünger selbst, dass diese momenthafte Erleuchtung auch die Geburts-
stunde bzw. -zehntelsekunde des »Arbeiters« gewesen sei:
»Für eine Zehntelsekunde wurde mir deutlich, daß wir uns wieder
einem Punkte nähern, von dem aus gesehen Physik und Metaphysik
identisch sind. Es ist dies der geometrische Ort, an dem die Gestalt des
Arbeiters zu suchen ist. Das Buch, das diesen Titel trägt, stellt eine
zweijährige Anstrengung dar, die der Wiederentdeckung dieser Zehn-
telsekunde gewidmet ist.« (Ebd., )
Die angestrebte Wiederversöhnung der quälenden Gegensätze von orga-
nischer und mechanischer Welt, von Freiheit und Notwendigkeit, von
Kälte und Hitze, von Geist und Leben, hatte ihren Ursprung laut Jüngers
Selbstinterpretation also in der momenthaften Vision einer neuen Ein-
heit. Indem Jünger diese Epiphanie in eine visuelle Metapher kleidete,
nämlich in die der stereoskopisch aufbrechenden Tiefe, stilisierte er sich
selbst zum Seher. Als solcher verkündete er das Zeitalter des Arbeiters,
wobei diese Verkündigung einer bestimmten »optischen Logik« folgte.
Bereits im Vorwort des »Arbeiters« kündigte Jünger an, »die Gestalt
des Arbeiters sichtbar zu machen jenseits der Theorien, jenseits der Par-
teiungen, jenseits der Vorurteile«, deshalb komme »alles auf die Schärfe
der Beschreibung an, die Augen voraussetzt, denen die volle und unbe-
fangene Sehkraft gegeben ist« (EJ , ). Im Verlauf der Darstellung
kam er immer wieder darauf zurück, dass zum »Sehen von Gestalten« die
»Fähigkeit zur schärfsten optischen Ausrüstung« (ebd., ) notwendig

 Vgl. dazu Gaudin, De la lune; Rausch, Ernst Jüngers Optik,; ders.: Qual.
 Bohrer, Ästhetik, S. .
 Zur »unio mystica« vgl. auch Herzinger, Deus abscondidus.
 Zur Bedeutung des Visuellen im »Arbeiter« vgl. auch Hasselbach, Politics; Ber-
man, Written; Bullock, Violent Eye.
 Vgl. zum Folgenden neben Brokoff, Apokalypse, auch ders./Hitz, Zum apoka-
lyptischen Ton.
     »« 

sei und man »über neue Augen verfügen« (ebd., ) müsse. Der Leser
müsse sich bemühen, »durch die stählernen und menschlichen Masken
der Zeit hindurchzusehen, um die Gestalt, die Metaphysik, zu erraten,
die sie bewegt« (ebd., ). Diese wiederholte Aufforderung gipfelte
schließlich darin, die eigenen Begriffe als solche für unwichtig zu erklä-
ren, wenn sie nur dem neuen Sehen dienten:
»Alle diese Begriffe sind notabene zum Begreifen da. Es kommt uns
auf sie nicht an. Sie mögen ohne weiteres vergessen oder beiseite
gestellt werden, nachdem sie als Arbeitsgrößen zur Erfassung einer
bestimmten Wirklichkeit, die trotz und jenseits der Begriffe besteht,
benutzt worden sind. Auch ist diese Wirklichkeit durchaus von ihrer
Beschreibung zu unterscheiden; der Leser hat durch die Beschreibung
wie durch ein optisches System hindurchzusehen.« (Ebd., )
Der »Arbeiter« bekam so den Charakter eines Offenbarungstextes, wobei
die apokalyptischen Züge nicht nur in dem geschichtsphilosophischen
Anspruch seiner Zeitalterlehre zu erkennen waren, wonach »ein wer-
dendes [Zeitalter] ein untergehendes verschlingt« (ebd., f.). Sie lagen
schon in der Logik des Optischen, die der hier beschriebenen Gestalt-
schau Jüngers innewohnte. Indem Jünger die Gestalt als Verkörperung
der oben beschriebenen Epiphanie erkannte und nicht nur für sich, son-
dern auch für sein Publikum zu beschreiben, (wieder) herzustellen such-
te, bekam diese Beschreibung automatisch den Charakter einer Verkün-
dung. Jünger wurde zum Propheten und apokalyptischen Mahner, der
sein eigenes Erleuchtungserlebnis weiterzugeben versuchte. Daher war
auch der Beschreibung der Gestalt des Arbeiters ihre Propagierung schon
inhärent. Denn wenn das »Sehen von Gestalten« selbst ein »revolutionä-
rer Akt« (ebd., ) war, wie Jünger schrieb, und wenn der »Arbeiter«,
indem er die Gestalt sichtbar machen wollte, eine Anleitung zu solchem
Sehen war, dann konnte er nicht neutral bleiben. Das »Neue zu sehen
und sich zu beteiligen« (ebd., ), gehörte untrennbar zusammen. Indem
Jünger das Zeitalter des Arbeiters als eine völlig neue, das Zeitalter des
Bürgers ablösende, durch eine überzeitliche Gestalt geprägte Epoche
beschrieb, verkündete er es gleichzeitig. Die Gestalt im Sinne Jüngers
konnte nur gleichzeitig gesehen und dadurch schon repräsentiert wer-
den; das Gestalt-Sehen war selbst ein Akt des Arbeiter-Seins. Der Text
selbst wurde so zur ersten und gültigen Repräsentation des neuen Zeit-
alters, das er heraufbeschwor.
Der Aufforderungscharakter des »Arbeiter« lag also nicht allein in der
Propagierung des heroischen Realismus und dem Nihilismus des Über-
gangs begründet, sondern auch in der Textform der »apokalyptischen
  - -

Rede«, weshalb im doppelten Sinn von Jüngers »Metaphysik des apoka-


lyptischen Aktivismus« gesprochen werden kann. Der Leser wurde von
Jünger dabei vor eben jene Entscheidungssituation gestellt, die er im Text
beschrieb, nämlich »die Gestalt des Arbeiters zu vertreten oder unter-
zugehen« (ebd., ). In diesem Sinn ist auch Jüngers Anspruch zu verste-
hen, »jenseits der Parteiungen« (ebd., ) zu argumentieren: Nicht als Ab-
kehr von der Politik, sondern als Einführung einer ganz neuen Kategorie
in die Politik, die das politische Kräftefeld entlang einer neuen Entschei-
dungslinie ausrichten solle: »Auch in der Politik hängt alles davon ab,
daß man Gestalten und nicht etwa Begriffe, Ideen oder bloße Erschei-
nungen zum Kampfe bringt« (ebd., ). In einem Gespräch mit Ludwig
Alwens, das dieser in einem Zeitungsartikel vom . Dezember  wie-
dergegeben hat, brachte Jünger diesen aktivistischen Anspruch unver-
hohlen zum Ausdruck, indem er über den »Arbeiter« sagte: »Ich habe
versucht, eine kleine Kampfmaschine zu konstruieren. Es kommt nun
darauf an, dass sie anwendbar ist.«
Die Spezifik von Jüngers »Arbeiter« lag also unter anderem darin, dass er
den politischen Aktivismus der nationalistischen Zirkel darin zwar einer-
seits hinter sich gelassen, dass er auf der Ebene einer Metapolitik aber
nicht an politischer Brisanz verloren hat. Siegfried Kracauer erkannte
diesen Doppelcharakter als einer der frühen Kritiker sehr klar. In seiner
Rezension für die Frankfurter Zeitung mit dem Titel »Gestaltschau oder
Politik?« stellte er fest, dass Jüngers Situationsanalyse »durchaus antilibe-
ralistisch« sei und dass er sie auch »zum Zweck politischer Aktivierung«
einsetzen möchte. Er erkannte den »Konstruktionsfehler des Buches«
aber darin, dass Jünger, indem er »die Gestalt metaphysiziert«, »ins Ima-
ginäre« entweiche:

 Vondung, Metaphysik. Nach Jürgen Brokoff zeichnen sich apokalyptische Texte


dadurch aus, dass sie nicht nur die apokalyptische Überwindung einer immanen-
ten Vergangenheit und Gegenwart zugunsten einer transzendenten Zukunft an-
kündigen, sondern für sich in Anspruch nehmen, diese Überwindung selbst
schon vollzogen zu haben und damit der transzendenten Zukunft bereits anzuge-
hören. Genau aus diesem Anspruch resultierte die spezifische Verführungskraft
der apokalyptischen Texte, denen der Aufforderungscharakter im Sinne eines
»Ich sehe es, ich weiß es, ich sage es Dir, jetzt weißt Du es, komm« (Brokoff,
Apokalypse, S. ) stets eingeschrieben ist. Hierin liegt auch ihre spezifische
sprachliche Gewaltförmigkeit: »Das diskursive Regime der Apokalypse ist selbst
eine Form der Gewaltherrschaft.« (Ebd., S. ) Analog spricht J. P. Stern in Be-
zug auf die Reden Adolf Hitlers von der »realen Gewalt dieser Rhetorik« (Stern,
Hitler, S. ).
 Alwens, Gespräch.
 Kracauer, Gestaltschau, S.  u. .
     »« 

»Er stellt sich gar nicht den politischen Lehren, die er bekämpft; er
erklärt sie von einer Dimension aus für nichtig, die keine politische
Realität hat. Sein Buch erhebt den Anspruch, ein Ziel zu weisen und
politisch aktiv zu sein; es betrachtet faktisch das Werdende aus der
Scheinperspektive des Gewordenen und verhält sich ästhetisch-kon-
templativ. Kurzum, die Schau Jüngers ist alles andere eher als eine po-
litische Konstruktion.«
Kracauer urteilte weiter: »Dergleichen mag metaphysisch sein, politisch
praktizieren läßt es sich nicht«, und kam zu dem Schluss: »Diese Gestalt-
schau eröffnet nicht so sehr einen Weg in die Politik als eine Fluchtmög-
lichkeit aus ihr heraus.« Doch auch wenn Jüngers Konzeption letztlich
über- oder unpolitisch sei, so erkannte Kracauer doch, dass »der von
Jünger angesprochene und vertretene Typus früher oder später zur wirk-
lichen Politik durchdringen« werde.
Damit bezeichnete Kracauer am Beispiel Jüngers das eingangs erläu-
terte Grundproblem des Weimarer Jungkonservatismus, der in Form des
Tat-Denkens der Konservativen Revolution ebenfalls metapolitisch argu-
mentierte, sich dadurch aber letztlich der »wirklichen Politik« des Natio-
nalsozialismus auslieferte. Diese Schieflage resultierte wiederum aus
dem von Jünger im »Arbeiter« ausgerufenen »Hochverrat des Geistes ge-
gen den ›Geist‹« (EJ , ), der als intellektueller Antiintellektualismus
bereits behandelt wurde. In Anlehnung an diese auch von Julien Benda
vertretene Verratsrhetorik ließe sich Ernst Jünger mit seinen eigenen Ka-
tegorien kritisieren. Denn im »Arbeiter« verurteilte er den »losgelösten
und selbstherrlich gewordenen Geist[…]« (ebd., ) und warf ihm vor,
dass es ihm »an echter, ursprünglicher Bindung und damit an Verant-
wortung fehlt« (ebd., ). Letztlich erscheinen aber gerade seine eigene
radikale Rhetorik und seine Aufforderung zur nihilistischen Destruktion
als ungebunden und in diesem Sinne als unverantwortlich, da sie (nach
Max Weber) als reine Gesinnungsethik von jeder Verantwortungsethik
absahen. »Unsere Aufgabe ist es«, schrieb Jünger an anderer Stelle,
»nicht die Gegen-, sondern die Vabanquespieler der Zeit zu sein« (ebd.,
). Man kann so gesehen durchaus Züge eines »antipolitischen Dandy-
tums« bei ihm entdecken, eine zynische Bereitschaft, »mit dem Teufel zu

 Ebd., S. f.
 Ebd., S. .
 Ebd.
 Vgl. zum Problem der Metapolitik auch Bussche, Konservatismus, der diese Struk-
tur mit dem Begriff der »Politisierung des Unpolitischen« zu fassen versucht.
 Vgl. Weber, Politik als Beruf.
  - -

pokern«. Dieses antipolitische Dandytum, das auch Friedrich Georg


Jünger und andere Nationalrevolutionäre an den Tag legten, äußerte sich
realpolitisch als Unwille, politische Verantwortung zu übernehmen, und
resultierte aus der partiellen intellektuellen Selbstverleugnung als »Gei-
stige«. Der eigentliche »Verrat« dieser Rechtsintellektuellen, so könnte
man gegen Julien Benda argumentieren, lag also nicht im politischen En-
gagement als solchem, sondern gerade in dem mangelnden politischen
Realitätssinn und in der Verantwortungslosigkeit eines metapolitischen
Radikalismus, der letztlich zur Aufhebung der Politik als geregeltem
Konfliktaustrag in der totalitären Herrschaft führte.

Der »Arbeiter« im »Dritten Reich«

Als diese Abschaffung der freiheitlichen Politik mit der Machtübernahme


und -entfaltung der Nationalsozialisten  in die Wege geleitet wurde,
hatten die Brüder Jünger sich bereits weitgehend von ihrem politischen
Aktivismus und damit auch von ihrer Unterstützung der nationalsoziali-
stischen Bewegung zurückgezogen. Nach dem . Januar  legten sie
Wert darauf, nicht als Befürworter des neuen Regimes zu erscheinen.
Dies änderte allerdings nichts daran, dass vor allen Dingen Ernst Jünger
zunächst weithin als »Philosoph des neuen Deutschland« und als »the
intellectual exponent of Nazi youth« wahrgenommen wurde. Das lag
nicht zuletzt am »Arbeiter«, der im Spätherbst  erschienen war und
im Laufe des Jahres  als jüngste politische Meinungsäußerung Ernst
Jüngers rezipiert wurde, wie etwa ein Artikel Golo Manns in der Exilzeit-
schrift seines Bruders Klaus zeigt.
Viele der Nationalsozialisten selbst verstanden den »Arbeiter« aller-
dings nicht als Ausdruck der nationalsozialistischen Weltanschauung. Im
Völkischen Beobachter wurde er wenig wohlwollend aufgenommen. Ri-
chard Bie und Alfred Mühr warfen ihm in einem offenen Brief »abstrak-

 Herzinger, Feldzeichen, S. ; Lethen, Verhaltenslehren, S. . Zum Dandytum


bei Jünger schon Gruenter, Formen des Dandysmus.
 Vgl. zu diesem Argument Trommler, Verfall Weimars, S. .
 Vgl. unten, Kap. ..
 Mann, Ernst Jünger.
 Kahler, Man the Measure, S. .
 Golo Mann ging in diesem Artikel allerdings noch davon aus, dass Jünger in die
gleichgeschaltete »Deutsche Akademie der Dichtung« eingetreten sei (vgl. Mann,
Ernst Jünger, S. ), was nicht der Fall war.
 Vgl. Trotha, Das endlose dialektische Gespräch.
     »« 

ten Radikalismus« vor. Angesichts des »spürbaren und enttäuschenden


Mangel[s] an Naturgefühl« in Jüngers technischem Weltbild und des
damit einhergehenden Verlusts von »Sinn für Tradition« bleibe letztlich
unklar, »wo bei Ihnen das Preußentum aufhört und der Bolschewismus
beginnt«. Die nationalsozialistischen Vorbehalte gegen Jüngers Denken
kamen auch in einem Artikel von Rudolf Ibel zum Ausdruck, der dem
»Arbeiter« einen »abstrahierende[n] Geist« vorwarf, »der den Zwiespalt
des technischen Zeitalters ohne Rücksicht auf das Erlebnis der Wirklich-
keit zu beseitigen sucht«. Der »Arbeiter« stelle eine »erhitzte Übersteige-
rung des technischen Intellekts« dar, so Ibel weiter, seine »organisch-me-
chanische Vernebelung« ignoriere die »wesentlichen Gegensätze von Blut
und Geist, Technik und Natur«. Jünger habe nicht Teil am »mythischen
Raum des Germanentums«. Ironischerweise griff Ibel Jünger mit dessen
eigenen Kategorien an, indem er ihm entgegenhielt, »daß sein Arbeiter
keinen Zugang mehr hat zum elementaren Kräftestrom des Lebens«, in-
dem er ihm attestiert, er vereinige »die rücksichtslose Intellektualität des
Stalinistischen Plan-Bolschewismus mit der technischen Naivität eines
amerikanischen Großingenieurs«, und indem er schließlich zu dem Schluss
kam, dass der »Arbeiter« ein »eindeutiges Dokument für den Untergang
des Lebens am Geiste« darstelle.
Doch Ibels Blut-und-Boden-Position war nicht die einzige für einen
Nationalsozialisten mögliche. Von der Warte der totalitären Staatstheorie
aus konnte etwa Ernst Forsthoff  schreiben: »Was Ernst Jünger vor
Jahresfrist in seinem Buch ›Der Arbeiter‹ mit seherischer Intuition im
Werden sah, ist weithin Wirklichkeit geworden. Der totale Staat ist –
dafür war der . Mai ein Symbol von bezwingender Kraft – ein totaler
Arbeitsstaat geworden.« Auch Gottfried Benn bezog sich in seinem
Bekenntnis zum neuen Staat auf Ernst Jüngers »Arbeiter«, ebenso wie
Martin Heidegger. Hermann Rauschning war  gar der Ansicht, dass
die Ideen des »Arbeiters« indirekt »als politische Prinzipien hinter den
entscheidenden Handlungen und praktischen Überlegungen im Reich
stehen«. Ein frühes Dokument für die Inkorporierung Ernst Jüngers in

 Bie/Mühr, Kulturwaffen, S. f. u. .


 Ibel, Leben und Technik, S. f.; die folgenden Zitate S. , ,  u. .
 Forsthoff, Der totale Staat, S. . Auch in der Forschung wurde der »Arbeiter«
mehrfach als »Blaupause« für das »Dritte Reich« bezeichnet; vgl. Herf, Reactio-
nary Modernism, S. ; Sombart, Nachdenken, S.-; Schwarz, Technik-
philosophie.
 Vgl. Benn, Der neue Staat, S. ; zu Heidegger unten, Kap. ..
 Rauschning, Revolution des Nihilismus, S. .
  - -

den Ideologiehaushalt des »Dritten Reiches« stellt auch die Biographie


von Wulf Dieter Müller aus dem Jahr  dar, in der Müller ebenfalls
davon ausging, dass die »rasche politische Entwicklung seit dem Erschei-
nen des ›Arbeiter‹ […] das Werk in wesentlichen Zügen bereits bestätigt«
habe: »Die Mobilmachung der Arbeitskraft macht täglich Fortschritte.«
Müller betonte außerdem, dass es vor allen Dingen Jüngers Einstellung
zur Technik und zum Maschinenzeitalter sei, die die deutsche Jugend auf
das Dritte Reich vorbereitet habe. Entscheidend war für Müller außer-
dem, dass sich der »Arbeiter« nicht in der Beschreibung der neuen Wirk-
lichkeit erschöpfte, sondern dass Jünger ein Künder sei, der »selber den
notwendigen Anteil an den Vorgängen« nehme: »Er ist nicht Seher eines
Schicksals, sondern Material und Träger des Geschehens zugleich. Er wird
nicht müde, uns die Schwere und Härte des Kommenden vor Augen zu
führen, um alle Kräfte dafür zu gewinnen. […] Er selbst ist als Handeln-
der dabei, ganz in der Gegenwart.«
An diesen Rezeptionsbeispielen wird deutlich, dass Jüngers »Arbeiter«
gerade aufgrund seiner Doppelstruktur von Beschreibung und Propagan-
da für den Aufbau des »Dritten Reiches« und die nationalsozialistische
Erziehung benutzt werden konnte, auch wenn Ernst Jünger selbst 
und  schon nicht mehr als Handelnder dabei war. Allerdings glaubte
er selbst noch  an die Richtigkeit seines Konzepts von der totalen
Mobilmachung und rief seine Leser am Ende von »Über den Schmerz«
dazu auf, »sich trotz allem an der Rüstung zu beteiligen« (EJ a, ).

 Müller, Ernst Jünger, S. .


 Vgl. ebd., S.  u. f.
 Ebd., S. .
 Einen weiteren Beleg dafür, dass Jünger auch nach der Machtergreifung der Nati-
onalsozialisten an seiner Theorie des Arbeitszeitalters festhielt, stellt sein Artikel
»Untergang oder neue Ordnung?« vom Mai  dar. Dort sprach er erneut von
der »Notwendigkeit einer autoritären Durchbildung des Staates«, welche die
»Aufgabe der nationalen Revolution« sei, und ordnete die gegenwärtige »große
Umwälzung« in seine Theorie des heraufkommenden Arbeitszeitalters ein
(EJ -, f.). Dabei ging er aber nicht davon aus, durch die Machtergrei-
fung der Nationalsozialisten schon zu einer endgültigen »neue Ordnung« vor-
gedrungen zu sein: »Hier befinden wir uns noch mitten im Stadium des Experi-
ments, während man in anderen Ländern, wie in Italien oder Rußland, schon zu
eindeutigen Entscheidungen vorgedrungen ist.« (Ebd., ) Vgl. zu Jüngers am-
bivalenter Position im »Dritten Reich« unten, Kap. ..


.. Destruktion und Tatbereitschaft bei Martin Heidegger


Martin Heideggers Destruktion der akademischen Philosophie

Im Unterschied zu Ernst und Friedrich Georg Jünger ist Martin Hei-


degger während der Weimarer Republik nicht als politischer Aktivist her-
vorgetreten. Seine Tätigkeit blieb vielmehr auf das akademische Feld
beschränkt, seine Karriere verlief äußerlich ganz in den Bahnen des uni-
versitären »Mandarinentums«.  als Sohn eines Mesners im ober-
schwäbischen Meßkirch geboren, hatte Heidegger zunächst mit einem
kirchlichen Stipendium in Freiburg Theologie studiert, bevor er mit dem
»System des Katholizismus« brach und sich der Philosophie zuwandte.
Die ländlich-kleinbürgerliche katholische Herkunft sowie die frühe ma-
terielle und geistige Abhängigkeit von der Kirche gehören aber sicher zu
den entscheidenden Faktoren seiner Biographie. Noch vor dem Krieg
studierte Heidegger bei Heinrich Rickert in Freiburg und wurde  mit
der Arbeit »Die Lehre vom Urteil im Psychologismus« promoviert. Auf-
grund eines Herzleidens wurde er  nicht zum Kriegsdienst eingezogen
und konnte daher weiter an seiner Habilitationsschrift »Die Kategorien-
und Bedeutungslehre des Duns Scotus« arbeiten, die er  abschloss.
Nach der erfolgreichen Habilitationsprüfung wurde er erneut militärisch
erfasst und im November  als Landsturmmann zur militärischen
Postüberwachungsstelle Freiburg versetzt, wobei er aber seine universitäre
Tätigkeit mit einem Lehrauftrag fortsetzen konnte.  wurde er von
Ende August bis Mitte November auf einer Frontwetterwarte vor Verdun
eingesetzt und danach endgültig aus dem Militärdienst entlassen. 
wurde er Assistent des  nach Freiburg berufenen Edmund Husserl.
Nach mehreren gescheiterten Lehrstuhlaspirationen erlangte er  ein
Extraordinariat in Marburg, wo er sich schnell einen Ruf als charismati-
scher und unkonventioneller Lehrer erwarb. , ein Jahr nach Erschei-
nen seines Hauptwerks »Sein und Zeit« von , wurde er schließlich als
Nachfolger Edmund Husserls nach Freiburg berufen und blieb dort –
mit dem Zwischenspiel des Rektorats / – bis zum Ende des Zwei-
ten Weltkriegs Ordinarius für Philosophie.
Die Rahmendaten dieser akademischen Karriere verraten allerdings
noch nichts über das zwiespältige Verhältnis, das Heidegger zeitlebens
zur Universität als wissenschaftlicher und sozialer Einrichtung unterhielt.
In Anlehnung an Pierre Bourdieu lässt sich angesichts dieses ambivalen-
 Vgl. zum Begriff des Mandarinentums und zum ideengeschichtlichen Kontext
Ringer, Die Gelehrten.
 Vgl. dazu neben Ott, Unterwegs, S. - auch ders., Biographische Gründe.
  - -

ten Verhältnisses von einer doppelten Distinktion sprechen: zum einen


von der Distinktion gegenüber den nicht-akademischen Laien, die Hei-
degger als einen Repräsentanten des deutschen Mandarinentums auswies,
zum anderen von der Distinktion innerhalb dieses Mandarinentums, ge-
mäß der er sich zeitlebens als universitärer Außenseiter gerierte. Einer-
seits strebte er nichts so sehr an, wie die Erlangung eines Ordinariats, und
litt darunter, dass er aufgrund seiner zurückhaltenden Veröffentlichungs-
praxis bis  darauf warten musste. Andererseits schrieb er schon ,
nach der Berufung auf das Extraordinariat in Marburg, an seinen Heidel-
berger Kollegen Karl Jaspers, mit dem er in einer »Kampfgemeinschaft«
(MH/KJ, ) die »grundsätzliche Umbildung des Philosophierens an den
Universitäten« (ebd., ) anstrebte, er sei »nicht gesonnen, ein vornehm-
tuender und vorsichtiger Professor zu werden« (ebd., ). Dieser dop-
pelte Ehrgeiz, einerseits an der Universität zu reüssieren und von ihr an-
erkannt zu werden, sie andererseits aber radikal zu kritisieren und sich ihr
nicht anzupassen, spiegelte sich auch in Heideggers bewusst kultiviertem
Ausnahmehabitus wider, der pädagogischen Eros mit sozialer Unange-
passtheit verband. So hatte er sich etwa nach der Berufung nach Marburg
speziell einen der Volkstracht angenäherten Anzug anfertigen lassen, um
ihn bei Universitätsveranstaltungen zu tragen und damit seine Verpflich-
tung nicht gegenüber der Tradition der Universität, sondern gegenüber
dem, was er seine faktische Existenz nannte, zum Ausdruck zu bringen.

 Vgl. Bourdieu, Politische Ontologie; auch Mehring, Überlieferungsgeschick,


S. ff. u. -.
 »Es ist erreicht!«, hat er  in sein Hüttenbuch geschrieben; zit. n. Martin/
Schramm, Gespräch, S. . Max Müller, Theologe und Freiburger Schüler Mar-
tin Heideggers – dem Heidegger  allerdings die Eignung für eine Dozentur in
Freiburg aus weltanschaulichen Gründen absprach – erinnert sich in diesem Inter-
view auf anschauliche Weise an das unakademische Lehrerverhalten Heideggers
und dessen ambivalentes Verhältnis zur Universität; vgl. dazu auch MH/MM.
 Zu Heideggers Verhältnis zu Karl Jaspers vgl. unten, Kap. ..
 Vgl. Hühnerfeld, In Sachen Heidegger, S. . Karl Löwith kommentierte dieses
lebensreformerische Habit im Rückblick wie folgt: »Er forderte auch noch selbst
diesen Abstand heraus durch das Ungewöhnliche seiner Kleidung: eine Art
Schwarzwälder Bauernrock mit breiten Aufschlägen und einem halb militäri-
schen Kragen und dazu Kniehosen, beides aus dunkelbraunem Tuch – eine ›je
eigene‹ Kleidung, die das ›man‹ vor den Kopf stoßen sollte und die wir damals
belächelten, aber noch nicht als eine eigenartige Zwischenlösung zwischen dem
bürgerlichen Anzug und der Uniform der S.A. erkannten.« (Löwith, Mein Le-
ben, S. .) Löwiths Erinnerungen an Heidegger und seine frühe Kritik an dessen
Dezisionismus gehören noch immer zum Prägnantesten, was über den Ursprung
von Heideggers philosophischer und politischer Radikalität aus seinem ›Wesen‹
     

Diese Distanz gegenüber den akademischen Gepflogenheiten ging


mit einer Distanz gegenüber der Schulphilosophie und mit dem An-
spruch ihrer radikalen Erneuerung und Revolutionierung einher. Dieser
Anspruch äußerte sich wiederum in Heideggers philosophischem Pro-
gramm einer »Destruktion« der Tradition der Philosophiegeschichte, die
als Rückgang zum Ursprung der Philosophie deren grundlegende Erneu-
erung erlauben sollte. Seine Philosophie, so schrieb Heidegger  in
»Kant und das Problem der Metaphysik«, ziele auf die »Zerstörung der
bisherigen Grundlagen der abendländischen Metaphysik (Geist, Logos,
Vernunft)« (MH a, S. ). Die Forderung nach dem »Wegräumen
der Verdeckungen und Verdunkelungen« (MH , f.) erinnert dabei
ebenso wie Ernst Jüngers »Gepäckerleichterung« (EJ , ) an Ben-
jamins destruktiven Charakter, der »nur eine Parole: Platz schaffen; nur
eine Tätigkeit: räumen« kannte und der in Heidegger einen akademi-
schen Vertreter fand. Vor allem aber verband sich Heideggers philosophi-
sches Destruktions- und Erneuerungsprogramm mit einem pädagogischen
Erneuerungsanspruch, der aus seiner Kritik an der Universität als Lehr-
einrichtung resultierte. So verkündete er schon in seiner ersten Vorlesung
als Privatdozent im Kriegsnotsemester , die »vielberedete Universi-
tätsreform« sei »gänzlich mißleitet und eine totale Verkennung echter
Revolutionierung des Geistes«, wenn sie sich »in Aufrufen, Protestver-
sammlungen, Programmen, Orden und Bünden« erschöpfe (MH ,
). Stattdessen bedürfe es zu »echten Reformen im Bereich der Universi-
tät« einer »Wiedergeburt des echten wissenschaftlichen Bewußtseins und
Lebenszusammenhanges«, wozu wiederum ein »Rückgang in die echten
Ursprünge des Geistes« notwendig sei (ebd., f.). Diese gleichzeitige Re-
volutionierung des Geistes und der Universität dürfe allerdings nicht der

gesagt worden ist; vgl. zu Löwith und Heidegger Wolin, Heidegger’s Children,
S. -.
 Vgl. Hans Slugas Zuordnung Heideggers zu den »philosophical radicals« der
Zwischenkriegszeit: Sluga, Heidegger’s Crisis, S. .
 Vgl. MH , : »Philosophische Auseinandersetzung ist Interpretation als
Destruktion.« Dazu Barash, Destruction; Moran, Destruktion; Buchheim (Hg.),
Destruktion.
 Vgl. zum Kantbuch in diesem Kontext Goebel, Konstellation, S. -.
 Benjamin, Der destruktive Charakter, S. .
 Zu Benjamins »neuem Barbarentum« passte wiederum Heideggers unakademi-
sches Auftreten. So erinnerte sich etwa Hans Jonas an die legendäre Begegnung
Heideggers mit Ernst Cassirer in Davos , bei der dem »homo humanus« Cas-
sirer der »›Barbar‹ Heidegger« entgegen getreten sei (Jonas, Heideggers Ent-
schlossenheit, S. ).
  - -

Gegenstand abstrakter Theorien sein, sondern müsse sich in der tätigen


Praxis des philosophischen Fragens und Lehrens vollziehen: »Die Erwek-
kung und Erhöhung des Lebenszusammenhangs des wissenschaftlichen
Bewußtseins ist nicht Gegenstand theoretischer Darlegung, sondern vor-
bildlichen Vorlebens« (ebd., ).
Schon in dieser frühen Äußerung kamen einige der entscheidenden
Elemente in Heideggers Denken zum Ausdruck, die sein Philosophieren
während der Weimarer Republik und auch sein praktisches Engagement
als Rektor während des ersten Jahres der NS-Herrschaft bestimmten:
zum einen die Wahrnehmung einer krisenhaften Gegenwart, die durch
ein falsches (philosophisches) Bewusstsein gekennzeichnet sei und die
durch dessen radikale Destruktion und die (Wieder-)Erlangung eines
echten philosophischen Fragens überwunden werde müsse, zum anderen
die Überzeugung, dass diese Überwindung nicht durch abstrakte Erörte-
rungen freischwebender Intellektueller, sondern nur durch die tätige Ver-
wandlung des gesamten Daseins und die praktische Anleitung durch
geistige Führung und Erziehung erlangt werden könne. Der Ort dieser
geistigen Führung und Erziehung müsse die Universität sein, deren Be-
trieb Heidegger schon während der Weimarer Republik kritisierte und
deren Umbau zur geistigen Führungseinrichtung er  dann ganz kon-
kret anstrebte. Bevor das praktische Engagement Heideggers  aller-
dings näher untersucht werden kann, sollen die in unserem Zusammen-
hang wichtigsten Grundlagen seines Denkens bis  knapp skizzierte
werden.

 Vgl. dazu auch Strube, Wissenschaft.


 Schon im November , noch von der Wetterstation hinter der Front und im
Angesicht der militärischen Niederlage, schrieb Heidegger an Elisabeth Bloch-
mann: »Wie das Leben überhaupt sich gestalten wird nach diesem Ende, das
kommen mußte u. unsere einzige Rettung ist, ist ungewiß – sicher ist u. uner-
schütterlich die Forderung an die wahrhaft geistigen Menschen, gerade jetzt
nicht schwach zu werden, sondern eine entschlossene Führung in die Hand zu
nehmen u. das Volk zur Wahrhaftigkeit u. echten Wertschätzung der echten Gü-
ter des Daseins zu erziehen.« (MH/EB, ) Vgl. zum Verhältnis von Heidegger zu
Elisabeth Blochmann Storck, Martin Heidegger.
 Vgl. Milchman/Rosenberg, Deutsche Universität.
 Die folgende Darstellung von Heideggers Frühphilosophie ist notwendigerweise
extrem verkürzt und fokussiert auf die hier interessierenden Verbindungen zum
aktivistischen Tat-Denken der Konservativen Revolution. Eine umfassende Wür-
digung von Heideggers Existenzialontologie und seines Hauptwerks »Sein und
Zeit« kann an dieser Stelle nicht geleistet werden.
     

Heroischer Existenzialismus und innerer Aktivismus

Heideggers philosophische Destruktion äußerte sich unter anderem als


Kritik an der modernen Bewusstseinsphilosophie, deren »Detranszenden-
talisierung« er anstrebte. Die von Heidegger in »Sein und Zeit« gestellte
»Frage nach dem Sinn von Sein« bzw. die »Seinsfrage« (MH , ) sollte
als Rückgang zur philosophischen Grundfrage diese Detranszendentali-
sierung erlauben. In »Sein und Zeit« wurde sie allerdings noch nicht als
Frage nach dem Sein selbst ausgearbeitet, sondern als Fundamentalana-
lyse des Daseins. Unter Dasein verstand Heidegger den Seinsmodus des
Menschen, dem es »in seinem Sein um dieses Sein selbst geht« (ebd., ),
der also immer schon ein bestimmtes Seinsverständnis ausbildete. Die
Frage nach dem Sinn von Sein sollte daher durch eine Analyse des Seins-
verständnisses des Daseins vorbereitet werden. Allerdings ist Heidegger
in »Sein und Zeit« über diese vorbereitende Daseinsanalyse nicht hinaus-
gekommen, da das Buch in seiner veröffentlichten Form ein Torso geblie-
ben ist und der zweite Teil – die Ausarbeitung der Seinsfrage selbst –
wohl nie geschrieben wurde. Obwohl Heidegger also von Anfang an
auch eine Kritik der Subjektphilosophie intendierte, erscheint die mit
»Sein und Zeit« vorliegende Existenzialanalyse des Daseins ohne ihren
zweiten Teil selbst in erster Linie als eine »Theorie der Subjektivität«.
Im Rahmen seiner Konzeption des Selbst entfaltete Heidegger durch
die Beschreibung des Daseins aber dennoch eine Kritik an der Subjekt-
Objekt-Spaltung der modernen Subjektphilosophie. Denn für Heidegger
steht der Mensch nicht als Subjekt einer Welt von Objekten gegenüber,
die ihm nur vermittels seines Bewusstseins gegeben sind, sondern er be-
findet sich als Dasein in seiner Alltäglichkeit immer schon »in der Welt«
(ebd., ). Die Analyse der »Weltlichkeit der Welt« und des »In-der-
Welt-seins« (ebd., -) lässt sich daher auch als Entfremdungskritik
lesen. Sich selbst entfremdet ist das Dasein allerdings nicht nur durch
die moderne Bewusstseinsphilosophie, sondern auch durch das, was Hei-
degger in § die »Diktatur« des »Man« (ebd., ) nennt.

 Blasche, Einleitung, S. .


 Vgl. als hilfreiche Einführung Rentsch (Hg.), Sein und Zeit.
 Thomä, Zeit des Selbst, S. .
 Vgl. Heinrichs, Zeit der Uneigentlichkeit, S. -.
 Heinz Dieter Kittsteiner gewinnt aus der Diagnose, dass Marx im Begriff des
»Geldes« und Heidegger im Begriff des »Man« gleichermaßen das Entfremdungs-
problem behandeln – Marx allerdings formgenetisch, Heidegger hermeneutisch
– eine weitreichende Analyse der Defizienz von Heideggers Entfremdungs-
  - -

Das »Man« steht bei Heidegger für die moderne Massenöffentlichkeit


und die nivellierende Einordnung des je einzelnen Daseins in diese »Öf-
fentlichkeit« (ebd., ). Laut Heidegger ist das Dasein in seiner Alltäg-
lichkeit »zunächst und zumeist« an dieses Man »verfallen« und damit
fremdbestimmt: »Nicht es selbst ist, die Anderen haben ihm das Sein ab-
genommen.« (Ebd., ) Dadurch »entlastet« das Man das »jeweilige Da-
sein in seiner Alltäglichkeit« zwar und nimmt ihm die »Verantwortlich-
keit« für seine Entscheidungen ab (ebd., ), gleichzeitig ist das Dasein
im Modus des Man durch dessen »Einebnung aller Seinsmöglichkeiten«
(ebd., ) aber seiner eigensten Seinsmöglichkeit beraubt. Denn diese
eigenste Möglichkeit sei immer nur »je mein«, das heißt nur in der In-
dividuation des Selbst zu erlangen. Diese »Jemeinigkeit« (ebd., ) des
Daseins wiederum offenbare sich in letzter Instanz vor dem Tod, den
jeder allein und für sich sterben müsse. Der Tod ist für Heidegger daher
die »eigenste Möglichkeit des Daseins« (ebd., ) und die Angst vor dem
Tod ist die Grundbefindlichkeit, die das Dasein vereinzelt und dadurch
aus dem »Verlorensein in die Öffentlichkeit des Man« (ebd., ) befreien
könne. Allerdings bedürfe es zu dieser Befreiung, zu der das Dasein sich
selbst im Gewissen aufrufe, der »Entschlossenheit zu sich selbst« (ebd., )
und des entschiedenen »Sich-selbst-wählens und -ergreifens« (ebd., f.).
Für den Unterschied zwischen Verfallenheit an das Man und Selbstwahl
im Angesicht des Todes entwickelt Heidegger das Begriffspaar von Eigent-
lichkeit und Uneigentlichkeit. In der Verfallenheit halte sich das Dasein
»zunächst und zumeist in einem uneigentlichen Sein zum Tode« (ebd.,
), während »eigentliches Sein zum Tode […] vor der eigensten, unbe-
züglichen Möglichkeit nicht ausweichen und in dieser Flucht sie verdecken
und für die Verständigkeit des Man umdeuten« (ebd., ) könne, son-
dern sich als »Freiheit zum Tode« (ebd., ) selbst wähle.
Mit dieser Gegenüberstellung von Eigentlichkeit und Uneigentlich-
keit, von nivellierender Öffentlichkeit des Man und entschiedener Wahl
der eigensten Möglichkeit hat Heidegger eine anspruchsvolle und philo-
sophisch elaborierte Form des heroischen Realismus entwickelt, wie ihn
in anderer Form auch die Brüder Jünger und weitere Vertreter des jung-

theorie, da diese nicht in der Lage sei, die »Weltgeschichte der Dinge« als nicht-
menschlich gemachten Strukturprozess zu begreifen und daher an ihre Stelle das
»Schicksal« einsetzen müsse; vgl. Kittsteiner, Mit Marx.
 Vgl. zur Gegenüberstellung von Man und eigentlichem Selbst auch MH ,
: »Das Selbst des alltäglichen Daseins ist das Man-selbst, das wir von dem
eigentlichen, das heißt eigens ergriffenen Selbst unterscheiden. Als Man-selbst ist
das jeweilige Dasein in das Man zerstreut und muß sich erst finden.«
     

konservativen und soldatischen Nationalismus der Weimarer Republik


vertraten. Heideggers Existenzialontologie lässt sich philosophisch sicher
nicht auf diesen »heroischen Existenzialismus« reduzieren. Es kann aber
kaum bezweifelt werden, dass Heidegger einerseits durch diesen zeittypi-
schen Heroismus geprägt und andererseits auch vor dessen Hintergrund
gelesen und verstanden wurde. Der in »Sein und Zeit« implizit trans-
portierte »existentielle Imperativ« (»Sei eigentlich!«) erinnert nicht
zufällig etwa an die Bekundung der freideutschen Jugend von , »aus
eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaf-
tigkeit ihr eigenes Leben gestalten« zu wollen. Und das Existenzideal
des »Vorlaufens in den Tod« und in die »äußerste Möglichkeit der Selbst-
aufgabe« erscheint gleichzeitig als das »Existenzideal des todesmutigen
Frontkämpfers«. An Ernst Jüngers soldatischen Heroismus erinnert
dabei auch die »Verachtung des Glücks«  und des bürgerlichen Aus-
weichens vor der Gefahr und dem gegenüber das Pathos des Aushaltens,
das mit einer ähnlichen »Ästhetik des Schreckens« einherging, in der die
Konfrontation mit dem »Grauen« (ebd., ) aus der Verfallenheit auf-
rütteln und der »Lebenssteigerung« (MH , ) dienen sollte. Da-
bei war auch bei Heidegger diese Lebenssteigerung durch das entschlos-
sene »Wählen der Wahl« (MH , ) mit dem schon skizzierten und
für den Heroismus der Konservativen Revolution charakteristischen
Dezisionismusproblem behaftet, da das Eigentlichwerden zunächst ein
formaler Prozess war, in dem der Entschluss zum Selbstsein inhaltsleer
blieb. Er erschien bei Heidegger wie bei den Brüdern Jünger als Vollzug

 Dieser Begriff hier nach Held, Welt, S. , der allerdings gerade gegen diese in
seinen Augen vereinfachende Etikettierung argumentiert.
 Vgl. zur »Zeitgebundenheit« von »Sein und Zeit« Gumbrecht, , S. -;
Zaborowski, Leben.
 Wolin, Seinspolitik, S. .
  sagte Heidegger in seiner Marburger Vorlesung über den verstorbenen Paul
Natorp: »Natorp war einer der wenigen und ersten, ja vielleicht der einzige unter
den deutschen Professoren, der vor mehr als zehn Jahren verstand, was die deut-
sche Jugend wollte, als sie im Herbst  auf den Hohen Meißner zog und gelobte,
aus innerer Wahrhaftigkeit und Selbstverantwortung ihr Leben zu gestalten.«
(MH /, )
 Rentsch, Martin Heidegger, S. .
 Löwith, Mein Leben, S. .
 Vgl. Bohrer, Ästhetik, S. ff.
 Heidegger räumte selbst ein: »Wozu sich das Dasein je faktisch entschließt, ver-
mag die existenziale Analyse nicht zu erörtern.« (MH , ) Rainer Marten
spricht in diesem Zusammenhang auch von Heideggers »Seinsformalismus«
(Marten, Heidegger Lesen, S. ).
  - -

einer Notwendigkeit, des »Einen was not tut«, als »Verwirklichung eines
schicksalhaften Müssens« (FGJ a, ), das inhaltlich aber unbe-
stimmt blieb. So erinnerte sich etwa Karl Löwith, dass Heidegger »immer
wieder betonte, es komme nur darauf an, ›daß jeder das macht, was er
kann‹, auf ›das je eigene Sein-können‹ oder die ›existenzielle Beschrän-
kung auf die eigene, historische Faktizität‹. Dieses Können nahm er zu-
gleich als ein Müssen in Anspruch oder als ›Schicksal‹.«
Mit der Kategorie des Schicksals ist auf einen weiteren Argumenta-
tionszusammenhang verwiesen, der die Zugehörigkeit von »Sein und
Zeit« zum ideologischen Feld der Konservativen Revolution markiert.
Denn obwohl das eigentliche Selbstsein zunächst immer »je meines« ist
und nur je allein errungen werden kann, führt es doch zur Einsicht in die
eben zitierte »historische Faktizität«, die das eigentliche Selbst als ge-
schichtliches ausweist. Die Kategorie der Geschichtlichkeit steht dabei an
der entscheidenden Schnittstelle zwischen dem heroischen Existenzialis-
mus des Selbst und der Option für die deutsche Volksgemeinschaft, die
in »Sein und Zeit« allerdings nur sehr vage angedeutet wird. Die Ge-
schichtlichkeit des Daseins leitet sich zunächst aus dessen »Zeitlichkeit«
(MH , ) ab, die sich wiederum aus dem schon genannten »Vor-
laufen« (ebd., ) in den Tod ergibt, aus dem steten »Sich-vorweg«
(ebd., ) des Daseins, das dessen Entwurf- und Sorgecharakter aus-
macht. Das »eigentliche Existieren« bezeichnet Heidegger daher auch als
»vorlaufende Entschlossenheit« (ebd., ). Auch in dieser Zukünftigkeit
der geworfenen Existenz bleibt das Dasein aber an sein faktisches Da »in-
der-Welt« gebunden: »Geworfen ist zwar das Dasein ihm selbst und sei-
nem Seinkönnen überantwortet, aber doch als In-der-Welt-sein. Geworfen
ist es angewiesen auf eine ›Welt‹ und existiert faktisch mit Anderen.«
(Ebd., f.) Bisher hatte Heidegger das Mit-sein mit anderen vornehm-
lich in seiner uneigentlichen Verfallsform als Man gekennzeichnet und
das Eigentlichwerden als vereinzelndes Heraustreten aus dem Man ge-
schildert. In §  von »Sein und Zeit«, in dem die Kategorie der Ge-
schichtlichkeit verhandelt wird, wird nun erstmals eine eigentliche Form

 Löwith, Mein Leben, S. 


 Ebd., S. .
 Als Heidegger  auf einer offiziellen Vortragsreise nach Rom den dort in der
Emigration lebenden Karl Löwith besuchte, betonte er selbst genau diese Bedeu-
tung der Geschichtlichkeit. Löwith sagte ihm, dass »ich der Meinung sei, daß
seine Parteinahme für den Nationalsozialismus im Wesen seiner Philosophie läge.
Heidegger stimmte mir ohne Vorbehalte zu und führte mir aus, daß sein Begriff
von ›Geschichtlichkeit‹ die Grundlage für seinen politischen ›Einsatz‹ sei.« (Lö-
with, Mein Leben, S. )
     

des Mitseins mit anderen entwickelt. Diese eigentliche Form des Mit-
seins wird vorbereitet durch den Begriff des Erbes: »Die Entschlossen-
heit, in der das Dasein auf sich selbst zurückkommt, erschließt die jewei-
ligen faktischen Möglichkeiten eigentlichen Existierens aus dem Erbe, das
sie als geworfene übernimmt.« (Ebd., ) Indem das Dasein sein Erbe als
überlieferte Möglichkeit wähle, mache es sich frei für sein Schicksal:
»Die ergriffene Endlichkeit der Existenz reißt aus der endlosen Mannig-
faltigkeit der sich anbietenden nächsten Möglichkeiten des Behagens,
Leichtnehmens, Sichdrückens zurück und bringt das Dasein in die
Einfachheit seines Schicksals. Damit bezeichnen wir das in der eigent-
lichen Entschlossenheit liegende ursprüngliche Geschehen des Daseins,
in dem es sich frei für den Tod ihm selbst in einer ererbten, aber
gleichwohl gewählten Möglichkeit überliefert.« (Ebd.)
»Wenn aber«, so Heidegger weiter, »das schicksalhafte Dasein als In-der-
Welt-sein wesenhaft im Mitsein mit Anderen existiert, ist sein Geschehen
ein Mitgeschehen und bestimmt als Geschick. Damit bezeichnen wir das
Geschehen der Gemeinschaft, des Volkes.« (Ebd., ) Mit dieser Se-
quenz von Erbe, Schicksal, Gemeinschaft und Volk entwirft Heidegger
einen eigentlichen Modus des Mitseins, der unschwer als konservativ-
völkischer Gegenentwurf zur demokratischen Öffentlichkeit des Man
erkennbar ist. Darüber hinaus verkoppelt Heidegger die Begriffe von
Erbe und Schicksal mit seinen existentialen Begriffen eigentlicher Zeit-
lichkeit:
»Nur Seiendes, das wesenhaft in seinem Sein zukünftig ist, […] das heißt
nur Seiendes, das als zukünftiges gleichursprünglich gewesend ist, kann,
sich selbst die ererbte Möglichkeit überliefernd, die eigene Geworfen-
heit übernehmen und augenblicklich sein für ›seine Zeit‹. Nur eigent-
liche Zeitlichkeit, die zugleich endlich ist, macht so etwas wie Schick-
sal, das heißt eigentliche Geschichtlichkeit möglich.« (Ebd., )
Diese Zukünftigkeit der Übernahme des Erbes bezeichnet Heidegger als
»Wiederholung«:
»Die Wiederholung ist die ausdrückliche Überlieferung, das heißt der
Rückgang in Möglichkeiten des dagewesenen Daseins. Die eigentliche
Wiederholung einer gewesenen Existenzmöglichkeit – daß das Dasein
sich seinen Helden wählt – gründet existenzial in der vorlaufenden
Entschlossenheit; denn in ihr wird allererst die Wahl gewählt, die für

 Vgl. dazu Fritsche, Historical Destiny; Kisiel, Komplex.


  - -

die kämpfende Nachfolge und Treue zum Wiederholbaren frei macht.


[…] Die Wiederholung des Möglichen ist weder eine Wiederbrin-
gung des ›Vergangenen‹, noch ein Zurückbinden der ›Gegenwart‹ an
das ›Überholte‹. […] Die Widerholung erwidert vielmehr die Mög-
lichkeit der dagewesenen Existenz. Die Erwiderung der Möglichkeit
im Entschluß ist aber zugleich als augenblickliche der Widerruf dessen,
was im Heute sich als ›Vergangenheit‹ auswirkt.« (Ebd., f.)
Mit diesen Begriffen von Wiederholung, Wahl des Helden und Erwide-
rung, in denen kämpfende Nachfolge des Ererbten und Widerrufung des
Vergangenen im Heute zusammenkamen, konstruierte Heidegger »a
brilliant summary of the politics of the revolutionary Right« , ohne sich
explizit zum politischen Geschehen seiner Gegenwart äußern zu müssen.
Zusammen mit dem Heroismus der Eigentlichkeit weisen diese Ab-
schnitte aus »Sein und Zeit« bereits auf das NS-Engagement Heideggers
voraus und belegen die Teilhabe seiner Existentialontologie am dezisioni-
stischen Denken der Konservativen Revolution. Heideggers Philosophie
hat sich also nicht erst nach  für »Gegenwartsdiagnosen jungkonser-
vativer Herkunft« geöffnet, wie Jürgen Habermas annimmt. Allerdings
lässt sich »Sein und Zeit« als ganzes sicher nicht einfach als Manifest der
Konservativen Revolution bezeichnen, und Heideggers Frühphilosophie
erschöpft sich nicht in dieser Zugehörigkeit. Darüber hinaus begegnet
das Ideal des Eigentlichwerdens in »Sein und Zeit« noch vornehmlich als
eine Form des »inneren Aktivismus« , da das Sich-aufrufen-lassen aus
der Verfallenheit des Man durch den Gewissensruf zunächst in Gestalt
einer inneren Umkehr erscheint und stärker in einer Haltung der Ab-

 Fritsche, Historical Destiny, S. .


 Habermas, Heidegger, S. . Dies ist die Grundlage von Habermas’ These einer
»Verweltanschaulichung« (ebd., S. ) von Heideggers Philosophie nach ,
mit der er »Sein und Zeit« von Heideggers NS-Belastung ausnehmen will. Auf
Oswald Spengler etwa bezog sich Heidegger aber nicht erst in seinen Vorlesungen
nach »Sein und Zeit« (vgl. MH /, ; MH /, ff.), sondern schon
in einem Vortrag von  (vgl. MH/KJ, ).
 Pierre Bourdieu spricht in einer etwas anders gelagerten Unterscheidung von der
relativen Autonomie des philosophischen Felds, um darauf hinzuweisen, dass
Heidegger als Philosoph der Konservativen Revolution deren Prinzipien eben
nicht direkt in der Politik, sondern in der Philosophie vollzog. Vgl. Bourdieu,
Politische Ontologie, S.  u . Allerdings würde Bourdieu wohl weiter darin
gehen, »Sein und Zeit« als ganzes konservativ-revolutionär zu nennen, als es m. E.
angebracht und zur Analyse von Heidegger revolutionärem Tat-Denken not-
wendig ist.
 Franzen, Existenzialontologie, S. .
     

gewandtheit (vom Man) resultiert als in einem Aufruf zur Aktion. Von
»Sein und Zeit« führt also noch kein direkter Weg zum NS-Engagement
Heideggers. Zu dessen Vorbereitung bedurfte es der Weiterentwicklung
des heroischen Existenzialismus zu einer politischen Konzeption des
Handelns und des Willens, mithin zu einem »politischen Existenzialis-
mus«.
Diese Weiterentwicklung erfolgte in mehreren Schritten in den Vor-
lesungen der Jahre  bis . Im Wintersemester / hat Heideg-
ger in einer auf das Weltanschauungsproblem gerichteten Rekapitulation
seiner Daseinsanalytik die »Wahl seiner selbst im Entschluß zu sich
selbst« mit »dem entsprechenden Handeln« (MH /, ) explizit
zusammengebracht. In der Vorlesung vom Wintersemester /
über »Die Grundbegriffe der Metaphysik« griff er die Motive seines hero-
ischen Existenzialismus dann erneut auf, um sie aktivistisch zu wenden.
In Wiederanknüpfung an die Kategorien des Entwurfs und der Selbst-
wahl betonte Heidegger, dass das Dasein etwas sei, »was der Mensch
eigens übernehmen muß« (MH /, ), »daß der Mensch, wenn er
werden soll, was er ist, je gerade das Dasein sich auf die Schulter zu wer-
fen hat« (ebd.). Dieser bewussten Wahl der Bürde des Daseins würde der
heutige Mensch allerdings ausweichen und sich in ein »sattes Behagen in
einer Gefahrlosigkeit« (ebd., ) flüchten, wodurch trotz der vielen
Nöte der Zeit die »Not im Ganzen« (ebd., ) ausbleibe: »Weil wir aber
der Meinung sind, es nicht mehr nötig zu haben, stark zu sein und uns
der Gefahr entgegenwerfen zu dürfen, haben wir uns auch schon alle zu-
sammen aus der Gefahrenzone des Daseins fortgeschlichen« (ebd., f.).
Das »Ausbleiben einer wesenhaften Bedrängnis unseres Daseins im Gan-
zen« (ebd., ) verhindere aber die Einsicht in die Notwendigkeit der
Daseinswahl. Aufgabe der Philosophie sei es daher, durch die Weckung

 Vgl. etwa Haucke, Welt, der herausarbeitet, dass Heidegger zwischen  und
 Ansätze einer den Dezisionismus überwindenden philosophischen Position
des Ausgleichs entwickelte, die er dann erst  wieder aufgab, um zur aktivisti-
schen Radikalität überzugehen. Die Konzeption der Eigentlichkeit wurde dabei,
so Haucke, erst in ihrer zweiten Reformulierung nach  zum entscheidenden
Moment des politischen Engagements.
 Vgl. Großheim, Politischer Existenzialismus, S. f.
 »Es gilt, nicht zu reden, sondern zu wirken« (MH /, ), wie es an anderer
Stelle hieß.
 Vgl. dazu Franzen, Sehnsucht; zur Bedeutung dieser Vorlesung auch Großheim,
Philosophie.
 Das hier entfaltete Motiv einer »Not der Notlosigkeit«, die erst gesteigert werden
müsse, um überwunden werden zu können, hat Heidegger auch nach seiner Ab-
kehr vom heroischen Existenzialismus beibehalten; vgl. unten, Kap. ..
  - -

der Grundstimmung der Langeweile das Eingedenkwerden der Bedräng-


nis des Daseins wieder hervorzurufen und es so vor die Entscheidung zu
sich selbst zu bringen. Diese Entscheidung selbst sei dann allerdings
nicht mehr Gegenstand der Philosophie, sondern des handelnden Da-
seins. Das philosophische Fragen könne nur
»an den Rand der Möglichkeit bringe[n], der Möglichkeit, dem Dasein
wieder Wirklichkeit, d. h. seine Existenz zu geben. Aber zwischen die-
sem äußersten Rand der Möglichkeit und der Wirklichkeit des Da-
seins ist freilich eine dünne Linie, jene Linie, über die man nie hin-
weggleiten kann, aber jene Linie, die der Mensch nur überspringt,
wenn er seinem Dasein einen Ruck gibt. Von diesem Rand des Mög-
lichen in den Ruck zur Wirklichkeit führt nur das einzelne Handeln
selbst – der Augenblick. Das Philosophieren dagegen kann nur bis an
den Rand führen; es bleibt immer im Vor-letzten.« (Ebd., )
Mit dem hier angesprochenen Konzept des Augenblicks, der als »Blick
der Entschlossenheit zum Handeln« (ebd., ) das »eigentlich Ermög-
lichende des Daseins« (ebd., ) sei, korrigierte Heidegger auch die Un-
terprivilegierung der Gegenwart durch die Zukünftigkeit in »Sein und
Zeit« und wies auf das Ergreifen des Augenblicks  voraus. Vor allen
Dingen aber überschritt er dabei die von ihm selbst als Metapher heran-
gezogene Linie zwischen dem inneren und dem äußeren Aktivismus und

 Dass die darin enthaltene und von Heidegger immer wieder erneuerte und vari-
ierte Forderung zum »Sich-hinein-Stellen in die Not« (MH /, ) auf die
»urchristliche Existenz« und ihre Heilserwartung zurückging, in der die »Er-
wartung der Wiederkunft des Herrn« eine »Not« und »Bedrängnis« (ebd., )
hervorbringe, die zum »vollen Bruch mit der früheren Vergangenheit, mit jeder
nicht-christlichen Auffassung des Lebens« (ebd., ) führe, hat Heidegger selbst
in einer Vorlesung zur »Phänomenologie des religiösen Lebens« vom Winterse-
mester / offen gelegt. Dies war ein von Heidegger später wieder verdeckter
Hinweis auf die religiöse Dimension seiner Seinsphilosophie und die prophe-
tisch-apokalyptische Struktur seines auf Verwandlung der Zuhörer gerichteten
Sprechens. Vgl. dazu Trawny, Martin Heidegger, S. -; zum apokalyptischen
Motiv der notwendigen Not auch Fischer, »Systemzeit«, der einen Tagebuchein-
trag Goebbels‹ von  zitiert: »Aber die deutsche Not muß noch größer wer-
den, damit sie heilend und fördern wirken kann« (S. ).
 Den voluntaristischen Schritt »über die Linie«, den Heidegger hier als Ruck des
Daseins in die aktive Entscheidung propagierte, hat er später bei Ernst Jünger als
unzureichenden Versuch kritisiert, den nihilistischen »Willen zur Macht« hinter
sich zu lassen. In der späteren Auseinandersetzung wurde diese Passage, die Hei-
deggers eigenen Voluntarismus der Tat dokumentiert, allerdings nicht wieder
aufgegriffen. Vgl. dazu unten, Kap. ..
 Vgl. Thomä, Zeit des Selbst, S. -.
     

propagierte den Ruck des Daseins als Aufforderung zum Handeln im


Augenblick.
Der heroische Existenzialismus von »Sein und Zeit« wurde ab 
noch in einer zweiten Hinsicht weiterentwickelt. Zwar sagte Heidegger
auch im Wintersemester / noch, dass den genannten Ruck »jeder
nur je für sich aus dem Grunde seines Wesens vollziehen kann« (ebd.,
). Dieser Ruck in die eigentliche Existenz führte allerdings nicht in
die Vereinzelung, sondern zu einem »Eingehen in das Geschehen des
Waltens der Welt« (ebd., ). Mit diesem »Walten der Welt« knüpfte
Heidegger an seine Begriffe von Schicksal und Geschick an und eröffnete
gleichzeitig den Weg zu der »wurzelhaften Einheit eines wesentlichen
Handelns« (ebd., ) mit anderen. Dieses Handeln erscheint so als
»Sicheinfügen und Sicheinstellen in das ganze Walten und Schicksal der
Welt« (ebd., ). Heidegger band das Handeln des eigentlichen Daseins
damit einerseits an eine übergeordnete Instanz, an ein ihm aufgegebenes
Geschick, das es zu erfüllen habe, und stellte es andererseits in den Kon-
text einer wesentlichen Mitwelt, denn das Schicksal sei immer »mitbe-
stimmt durch die innere Bereitschaft zur wechselseitigen Gemeinschaft«
(ebd., ). Seine Formulierung von der »innerste[n] Notwendigkeit der
Freiheit des Daseins« (ebd., ), die die Doppelung von Entscheidung
und Einordnung beschreibt, erinnert dabei an die Kombination von
Freiheit und Notwendigkeit im heroischen Realismus der Brüder Jünger.
Diese Parallele wurde in der Vorlesung vom Sommersemester 
»Vom Wesen der menschlichen Freiheit« noch deutlicher, in der Hei-
degger die menschliche Freiheit als »wirkliches Wollen des rein Gesollten«
(MH , S. ) definierte. In dieser Vorlesung steigerte sich Heideg-
gers schon im heroischen Existenzialismus von »Sein und Zeit« enthalte-
ner Dezisionismus zu einem begrifflichen Leerlauf, in dem das »wirkliche
Wollen und Handeln« (ebd., ) explizit als »Wollen um des Wollens
selbst willen« (ebd., ) erschien. Gegenüber »Sein und Zeit« bestehen
die entscheidenden Unterschiede allerdings in der aktivistischen Empha-
se des Sollens – dass man »das Sollen des reinen Willens wollen« (ebd.,
) und handelnd einlösen solle – und in der Suche nach »Einigkeit und
Gemeinschaft und d. h. Schlagkraft des Daseins« (ebd., ). Hier deute-

 Wobei er schon in dieser Vorlesung andeutete, dass es der herausragenden Einzel-


nen bedürfe, um den Menschen den Weg zum Ruck zu weisen. So sprach er – in
Wideranknüpfung an seine »Ästhetik des Schreckens« – davon, dass wir erst wie-
der rufen müssten »nach dem, der uns einen Schrecken einzujagen vermag«
(MH /, ), und beklagte an anderer Stelle, dass es keinen »Verwalter der
inneren Größe des Daseins und seiner Notwendigkeiten« (ebd., ) gebe.
  - -

te sich also schon an, was Karl Löwith als den entscheidenden Übergang
vom »je eigenen« Dasein zum »deutschen Dasein« in Heideggers Dezisio-
nismus gekennzeichnet hat. In seinen Erinnerungen zitierte Löwith aus
einem Brief Heideggers an ihn von , in dem Heidegger schrieb: »Ich
mache lediglich, was ich muß und was ich für nötig halte, und mache es
so, wie ich es kann […]. Ich arbeite aus meinem ›ich bin‹ und meiner
geistigen, überhaupt faktischen Herkunft. Mit dieser Faktizität wütet
(sic!) das Existieren.« Löwith fuhr fort:
»Wer von hier aus vorausblickt auf Heideggers Parteinahme für Hit-
lers Bewegung, wird schon in dieser frühesten Formulierung der ge-
schichtlichen Existenz die spätere Verbindung mit der politischen
Entscheidung angelegt finden. Es bedarf nur eines Heraustretens aus
der noch halb religiösen Vereinzelung und der Anwendung des ›je ei-
genen‹ Daseins und seines Müssens auf das eigene ›deutsche Dasein‹
und dessen geschichtliches Schicksal, um den energetischen Leerlauf
der Existenzkategorien (›sich zu sich selbst entschließen‹, ›vor dem
Nichts auf sich selbst stehen, ›sein Schicksal wollen‹ und ›sich selbst
überantworten‹) in die allgemeine Bewegung der deutschen Existenz
überzuführen und nun auf politischem Boden zu destruieren.« 
Diese Beobachtung besagt noch nicht, dass Heideggers Existenzialonto-
logie aus »Sein und Zeit« zwangsläufig in sein NS-Engagement münden
musste. Allerdings konnte Heidegger die in »Sein und Zeit« aufgestellten
Kategorien der Entschlossenheit, der Selbstwahl, des Schicksals etc. nach
dem Abbruch von »Sein und Zeit« in der gezeigten Weise weiterentwi-
ckeln und so seine konservativ-revolutionäre Tatbereitschaft steigern, die
schließlich zu seinem Engagement für den Nationalsozialismus führte.
Diese Weiterentwicklung erfolgte allerdings nicht linear, sondern ging
gerade auf die durch das Scheitern des Entwurfs von »Sein und Zeit«
entstandene Krise zurück, »aus der heraus der Nationalsozialismus als
eine politische Lösung philosophischer Fragen erscheinen konnte«.
Heidegger verband auf diese Weise seine eigene philosophische Krise mit
der allgemeinen politischen Krise und der »Krisis der Wissenschaft
schlechthin« (MH /, ), auf deren Verschärfung er mit der Hoff-

 Löwith, Mein Leben, S. .


 Haucke, Welt, S. . Hannah Arendt sagte allgemein von den Existenzialisten,
dass sie sich »zur Lösung philosophischer Fragen der Politik zugewandt« und so
versucht hätten, »aus dem Denken in das Handeln zu fliehen« (Arendt, Vergan-
genheit, S. ).
     

nung auf einen positiven Umschlag hinarbeitete. Den Auftakt dieses


positiven Umschlags sah er  mit der Machtergreifung der National-
sozialisten gekommen.

Heideggers NS-Engagement

Nach Heideggers eigener Darstellung ist er im April  von dem zum
Rücktritt gezwungenen Rektor der Freiburger Universität, Wilhelm von
Moellendorff, darum gebeten worden, dessen Nachfolge zu übernehmen.
Obwohl er bisher nie ein politisches oder akademisches Amt inne gehabt
und »keine Beziehung zu den maßgebenden Regierungs- und Parteistel-
len« (MH , ) unterhalten habe, habe er dem Drängen »im Interesse
der Universität« (ebd.) nachgegeben. Tatsächlich hatte Heidegger aber
schon im Vorfeld nach einer geeigneten »Einsatzstelle« bei der »Umge-
staltung der Universitäten« (MH /KJ, f.) gesucht und etwa am . April
an Elisabeth Blochmann von der zu leistenden »große[n] Arbeit eines
inneren Aufbaus der Universität« geschrieben, »dem erst wieder eine gei-
stige Welt entwachsen u. dem ganzen Volk einwachsen kann« (MH/EB,
). Auch seinem Freiburger Kollegen und Freund Kurt Bauch schrieb
Heidegger im März , dass er nach einem wirksamen Weg suche, »um
sich in den Apparat einzuschalten«. Als er in der Plenarsitzung der Uni-

 Vgl. MH /, : »Denn die Krisis soll nicht überwunden, sondern lebendig
werden […].« Schon in der ersten Nachkriegskrise  hatte Heidegger an Lö-
with geschrieben: »Ich will mindestens etwas anderes – das ist nicht viel: nämlich
was ich in der heutigen faktischen Umsturzsituation lebend als ›notwendig‹ er-
fahre, ohne Seitenblick darauf, ob daraus eine ›Kultur‹ wird oder eine Beschleuni-
gung des Untergangs.« (Zit. n. Löwith, Mein Leben, S. )
 Vgl. zur Wahrnehmung der Krise im Kontext der NS-Machtergreifung neben
Sluga, Heidegger’s Crisis auch ders., Nationalsozialismus; Oexle, »Wirklichkeit«.
 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz. Schon in einem Brief vom
. März hatte sich Heidegger ausführlich über die verschiedenen Möglichkeiten
der (hochschul-)politischen Einflussnahme mit Bauch verständigt. Kontakte zur
politischen Führung in Berlin versuchte er vor allen Dingen über Ernst Krieck
herzustellen, während die »Aufnahme der aussichtsreichen Verbindung meiner-
seits nach Karlsruhe […] bereits im Gang« sei. Heidegger kommentierte diese
Bemühungen: »M. E. können wir zunächst nur Mißgriffe verhüten und das Be-
wusstsein von der Notwendigkeit einer Gesamtwandlung wecken, die nicht
durch bloße ›Maßnahmen‹ zu erreichen ist – sondern eine Klärung u. Festigung
des Willens u. des Auftrags der jungen Generation voraussetzt. In dieser Hinsicht
habe ich auch bereits einen konkreten Vorschlag in der Sitzung [wahrscheinlich
der »Kulturpolitischen Arbeitsgemeinschaft Deutscher Hochschullehrer«; D. M.]
gemacht. Wollen wir aber im Augenblick nicht mit einem platonischen Pro-
  - -

versität am . April fast einstimmig zum Rektor gewählt wurde, hatte er
seine Einsatzstelle gefunden. Am . Mai trat er der NSDAP bei und
wurde von der regionalen NS-Zeitschrift Der Alemanne als »der geistige
Führer des zeitgenössischen Denkens« in der Partei begrüßt. Am . Mai
erfolgte schließlich die feierliche Rektoratsübernahme, bei der nicht nur
– erstmals bei einer offiziellen Universitätsveranstaltung – das Horst-
Wessel-Lied gesungen wurde, sondern bei der Heidegger auch seine viel
beachtete Rektoratsrede unter dem Titel »Die Selbstbehauptung der
deutschen Universität« hielt. Karl Löwith nannte sie im Rückblick »ein
kleines Meisterwerk an Formulierung und Komposition«, da sie es ver-
stehe, »die existenzialontologischen Kategorien dem geschichtlichen
›Augenblick‹ (Sein und Zeit, § ) in einer Weise dienstbar zu machen,
daß sie den Anschein erwecken, als könnten und müssten ihre philoso-
phischen Absichten mit der politischen Lage a priori zusammengehen«.
Tatsächlich erwähnte Heidegger den Nationalsozialismus, die natio-
nalsozialistische Revolution oder Adolf Hitler nicht direkt in seiner Rede,
sondern passte sein eigenes philosophisches Programm an die »Unerbitt-
lichkeit jenes geistigen Auftrags, der das Schicksal des deutschen Volkes
in das Gepräge seiner Geschichte zwingt« (MH a, ), an. Nach der
zuvor geschilderten Umformung des heroischen Existenzialismus in den
Jahren  bis  erschien nun die entschlossene Selbstwahl als »stän-
digste und härteste Selbstbesinnung« (ebd.) und »Selbstbehauptung« (ebd.,
), allerdings jetzt nicht des einzelnen Daseins, sondern der Universität
als wesentlicher Einheit: »Die Selbstbehauptung der deutschen Univer-
sität ist der ursprüngliche, gemeinsame Wille zu ihrem Wesen.« (Ebd.)

gramm ins Leere stoßen, dann müssen wir erst wissen, was ›man‹ in der Regie-
rung zunächst vorhat.« (M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz)
 Vgl. zu den näheren Umständen der Wahl Ott, Unterwegs, S. -.
 Zit. n. Schneeberger, Nachlese, S. . In diesem Artikel wurde auch betont, dass
Heidegger schon vor seinem Parteieintritt Anhänger der NSDAP gewesen sei:
»Wir wissen, daß Martin Heidegger in seinem hohen Verantwortungsbewußt-
sein, in seiner Sorge um das Schicksal und die Zukunft des deutschen Menschen
mitten im Herzen unserer herrlichen Bewegung stand, wir wissen auch, daß er
aus seiner deutschen Gesinnung niemals einen Hehl machte und daß er seit Jah-
ren die Partei Adolf Hitlers in ihrem schweren Ringen um Sein und Macht aufs
wirksamste unterstützte, daß er stets bereit war, für Deutschlands heilige Sache
Opfer zu bringen, und daß ein Nationalsozialist niemals vergebens bei ihm an-
pochte.« (Ebd., S. )
 Löwith, Mein Leben, S. . Als Ergebnis dieser engen Verkopplung von Philoso-
phie und Politik habe man, so Löwith weiter, nach der Rede gar nicht gewusst,
»ob man Diehls’ Vorsokratiker in die Hand nehmen soll oder mit der S.A. mar-
schieren« (ebd.).
     

Der »Wille zum Wesen der deutschen Universität« sei aber, so Heidegger
weiter, »der Wille zur Wissenschaft als Wille zum geschichtlichen geisti-
gen Auftrag des deutschen Volkes als eines in seinem Staat sich selbst
wissenden Volkes« (ebd.). Indem sich die deutsche Studentenschaft als
Teil dieses geschichtlichen Volkes darauf besinne, »selbst zu sein, was wir
sein sollen« (ebd., ), gelte für sie: »Wir wollen uns selbst.« (Ebd. )
Dass Heidegger hier seine eigenen heroisch-existenzialistischen Kate-
gorien von Schicksal und Selbstwahl mit dem ›geschichtlichen Augen-
blick‹ der nationalsozialistischen Revolution zusammenbrachte, wird nicht
nur an seinem voluntaristischen Vokabular deutlich, sondern etwa auch
daran, dass er den in seiner eigenen Philosophie angestrebten Rückgang
in »die Macht des Anfangs unseres geistig-geschichtlichen Daseins« in der
»griechischen Philosophie« (ebd., ) nun zur Aufgabe der gesamten aka-
demischen Selbstbesinnung machte. Im Rückgriff auf die griechische
Philosophie nahm Heidegger dabei gleichzeitig eine »Reformulierung
der Theorie-Praxis-Relation« vor, denn Theorie sei von den Griechen
»nicht um ihrer selbst willen« betrieben worden, sie sei vielmehr als
»höchste Verwirklichung echter Praxis« zu verstehen (ebd., ): »Den
Griechen ist die Wissenschaft nicht ein ›Kulturgut‹, sondern die innerst
bestimmende Mitte des ganzen volklich-staatlichen Daseins.« (Ebd.)
Heidegger wandte sich damit erneut gegen »das uferlose Treiben verstan-
desmäßiger Zergliederung« (ebd., ) und definierte Wissenschaft als das
»mithandelnde Wissen um das Volk« (ebd., ). In einer späteren Rede
bestimmte er den »Wissensanspruch« der Wissenschaft als »Wille zur
Verwandlung der Wirklichkeit«. Das Wissen, um das es der Wissen-
schaft gehe, bedeute, »des Wesens der Dinge in Klarheit mächtig und
kraft dieser Macht zur Tat entschlossen sein« (MH -, ). Wie
Ernst Jünger stellte Heidegger in diesem Zusammenhang dem falschen

 Damit wird auch deutlich, dass mit Selbstbehauptung von Heidegger nicht die
Behauptung gegenüber den Ansprüchen des nationalsozialistischen Staates ge-
meint war, wie er etwa  in einem Gespräch mit dem »Spiegel« behauptete
(MH , ). In einem Brief vom . Dezember  an alle Fakultäten beton-
te er in diesem Sinne noch einmal: »Ziel ist seit den ersten Tagen meiner Amts-
übernahme der grundsätzliche Wandel der wissenschaftlichen Erziehung aus den
Kräften und Forderungen des nationalsozialistischen Staates« (zit. n. Ott, Unterwegs,
S. ). In diesem Brief hieß es weiter: »Der Einzelne, wo er auch stehe, gilt
nichts. Das Schicksal unseres Volkes in seinem Staat gilt alles.«
 Vgl. zu diesem superlativischen Vokabular von Wille, Kampf und Entscheidung
Sternberger, Gang, S. -.
 Alisch, Rektoratsrede, S. .
 So in einer Rede an der Universität Tübingen am . November ; zit. n. Mar-
tin (Hg.), Kompendium, S. .
  - -

und deshalb in Anführungszeichen geschriebenen »Geist« einen echten


entgegen: »Denn ›Geist‹ ist weder leerer Scharfsinn, noch das unverbind-
liche Spiel des Witzes, noch das uferlose Treiben verstandesmäßiger Zer-
gliederung, noch gar die Weltvernunft, sondern Geist ist ursprünglich ge-
stimmte, wissende Entschlossenheit zum Wesen des Seins.« (MH a,
) Insofern sei auch die Wissenschaft nicht freischwebend, sondern ge-
bunden an das Volk und sein Schicksal, weshalb Heidegger einerseits die
»vielbesungene ›akademische Freiheit‹« als »unecht« und »verneinend«
ablehnen (ebd., ) und andererseits die »geistige Welt eines Volkes« als die
»Macht der tiefsten Bewahrung seiner erd- und bluthaften Kräfte« (ebd.,
) definieren konnte.
Als Folge dieser Bindung und als Ausdruck der Gleichzeitigkeit von
Wissen und Handeln definierte Heidegger im weiteren Verlauf der Rede
die drei Dienste, in denen die deutsche Studentenschaft zukünftig stün-
de: »Arbeitsdienst, Wehrdienst und Wissensdienst« (ebd., ). Heidegger
reagierte damit wahrscheinlich auf das kurz zuvor erlassene preußische
Studentenrecht, das eben diese drei Dienste für alle Studenten verbind-
lich machte. Obwohl er dabei verkündete, dass alle drei Dienste »gleich
notwendig und gleichen Ranges« (ebd., ) seien, kam dem Wissens-
dienst doch eine gewisse Sonderstellung zu, denn die »geistige Welt allein
verbürgt dem Volke die Größe« (ebd., ). Die Universität als Ort des
Wissensdiensts bekam daher die Aufgabe einer Führungseinrichtung und
erschien als »hohe Schule, die aus Wissenschaft und durch Wissenschaft
die Führer und Hüter des Schicksals des deutschen Volkes in die Erzie-
hung und Zucht nimmt« (ebd., f.). Die »Lehrerschaft der Universität«
müsse »vorrücken in den äußersten Posten der Gefahr« (ebd., ), und
die »Kampfgemeinschaft der Lehrer und Schüler« müsse ihr Dasein »ein-
facher, härter und bedürfnisloser als alle anderen Volksgenossen« (ebd., )
einrichten. Dabei müssten alle »willentlichen und denkerischen Vermö-
gen, alle Kräfte des Herzens und alle Fähigkeiten des Leibes […] durch
Kampf entfaltet, im Kampf gesteigert und als Kampf bewahrt« (ebd.)
werden. Schon am . Mai hatte Heidegger bei der feierlichen Immatri-

 Vgl. zu dieser Heideggerschen Version von Jüngers »Hochverrat des Geistes


gegen den ›Geist‹« (EJ , ) sowie zum Spiel der Anführungszeichen bei Hei-
deggers eigentlichem und uneigentlichem Gebrauch des »Geist«-Begriffs auch
Derrida, Vom Geist, S. -.
 Am . November  bekannte er sich in einer Ansprache in Leipzig explizit zur
»völkischen Wissenschaft«, die »gebunden [ist] in die Notwendigkeit des selbst-
verantwortlichen völkischen Daseins« (MH -, ): »Wir haben uns los-
gesagt von der Vergötzung eines boden- und machtlosen Denkens.« (Ebd.)
 Vgl. Dahms, Philosophie, S. .
     

kulation der Erstsemester davon gesprochen, dass diese den Übertritt be-
deute »in die Kampf- und Erziehungsgemeinschaft jener, denen die geistige
Sendung des deutschen Volkes das erste und letzte ist« (MH -, ),
und daraus gefolgert: »Die Aufnahme in die höchste Schule der geistig-
politischen Erziehung verpflichtet Sie zur größten Strenge und Härte
gegen sich selbst in allen inneren und äußeren Dingen« (ebd., ). Damit
erklärte Heidegger die Universität nicht nur zur Stätte heroisch-solda-
tischer Härte und Askese, sondern schrieb ihr auch eine Führungsrolle
in der »Erkämpfung der neuen Wirklichkeit« zu, von der er am . No-
vember  in Tübingen sprach. Ihm selbst als Rektor der Universität
komme aber die Aufgabe der »geistigen Führung dieser Hohen Schule«
(MH a, ) zu, was ihn ganz wörtlich zum Führer der Führer machte.
Als dieser selbsternannte geistige Führer entfaltete Heidegger in den
folgenden Monaten umfangreiche Aktivitäten zur Durchsetzung der na-
tionalsozialistischen Revolution. Zu diesen Aktivitäten gehörten unter
anderem mehrere öffentliche Auftritte in Freiburg und in anderen Uni-
versitätsstädten, bei denen er für die Unterstützung Adolf Hitlers warb.
Am prominentesten war vielleicht die Beteiligung bei einer Propaganda-
veranstaltung vor der Wahl am . November , bei der Hitler den
bereits im Oktober vollzogenen Austritt Deutschlands aus dem Völker-
bund durch ein Plebiszit bestätigen ließ. Der Nationalsozialistische Lehrer-
bund Sachsen versammelte hierzu mehrere NS-treue Professoren am
. November in Leipzig und veröffentlichte deren Ansprachen anschlie-
ßend als »Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten
und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen
Staat«. Heidegger wertete in seiner Ansprache die Wahl als dem Volk
vom Führer gegebene Gelegenheit zur Bestätigung der bereits erfolgten
Selbstwahl. Der sich darin bekundende »Wille zur völkischen Selbst-
verantwortung« (MH -, ) folge als »Wille zu einer wahren
Volksgemeinschaft« der »Forderung des selbstverantwortlichen Handelns«

 Am . Juni  soll Heidegger in Heidelberg vor Studenten ausgerufen haben:
»Schlagt das feine Porzellan entzwei, wir können auch von irdenem Geschirr
essen und trinken« (zit. n. Nolte, Irrtum, S. ). Er erinnerte damit wiederum an
das »neue Barbarentum« der Brüder Jünger. Im November  bezeichnete er
den »neuen Student« zustimmend als »primitiv« (MH -, ). Noch
 verteidigte er den Nationalsozialismus als »barbarisches Prinzip« (M. Heid-
egger an K. Bauch, .., Privatbesitz). Vgl. zu Heideggers Militanz der »neu-
en Armut« auch Kittsteiner, Mit Marx, S. f.
 Zit. n. Martin (Hg.), Kompendium, S. .
 Vgl. zu dieser Propagandaveranstaltung Laugstien, Philosophieverhältnisse, S. -
.
  - -

(ebd., ): »Diesen Willen hat der Führer im ganzen Volke zum vollen
Erwachen gebracht und zu einem einzigen Entschluß zusammenge-
schweißt. Keiner kann fernbleiben am Tage der Bekundung dieses Wil-
lens.« (Ebd., )
Bereits am . November  hatte Heidegger in einer Ansprache zum
Semesterbeginn verkündet: »Die nationalsozialistische Revolution bringt
die völlige Umwälzung unseres deutschen Daseins« (ebd., ). An die
»deutschen Studenten« richtete er die Aufforderung:
»Ihr seid verpflichtet zum Mitwissen und Mithandeln an der Schaf-
fung der künftigen hohen Schule des deutschen Geistes. […] Unauf-
hörlich wachse Euch der Mut zum Opfer für die Rettung des Wesens
und für die Erhöhung der innersten Kraft unseres Volkes in seinem
Staat. Nicht Lehrsätze und ›Ideen‹ seien die Regeln Eures Seins. Der
Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirk-
lichkeit und ihr Gesetz.« (Ebd., )
In diesen Worten kam nicht nur die vollständige Unterordnung unter die
»historische Faktizität« des sich selbst errichtenden Führerstaats zum
Ausdruck. Sie operierten auch mit den Kategorien des soldatischen He-
roismus, den Heidegger schon vor der Machtergreifung vertreten hatte.
Die bereits in seinem heroischen Existenzialismus implizit entfalteten
Ideale von Todesmut und Opferbereitschaft wurden von Heidegger nun
offen als solche propagiert. Das geschah etwa bei der von Heidegger
selbst inszenierten universitären Gedenkfeier für Albert Leo Schlageter
am . Mai , einen Tag vor der feierlichen Rektoratsübernahme, bei
der Heidegger dessen heldenhaftes Leben und Sterben als Schicksalsvoll-
zug würdigte: »Er mußte ins Baltikum, er mußte nach Oberschlesien, er
mußte an die Ruhr. Er durfte seinem Schicksal nicht ausweichen, um den
schwersten und größten Tod harten Willens und klaren Herzens zu ster-
ben.«  In einem »Ruf zum Arbeitsdienst« vom . Januar  beschwor
er schließlich die »›Beglückung‹ durch Opferbereitschaft und Dienst im
Bereich der innersten Notwendigkeiten deutschen Seins« (ebd., ).

 Zit. n. Schneeberger, Nachlese, S. . Schlageter, Freikorpskämpfer und Ruhr-


saboteur, wurde  von der französischen Besatzungsmacht hingerichtet und
seitdem im rechten Lager und von den Nationalsozialisten als nationaler Märty-
rer verehrt. Vgl. zum Schlagetergedenken in Freiburg und der von Heidegger
inszenierten Feier Scherb, Heldenverehrung.
 Vgl. dazu Ernst Jüngers Formulierung aus dem »Arbeiter«: »Das tiefste Glück des
Menschen besteht darin, daß er geopfert wird, und die höchste Befehlskunst da-
rin, Ziele zu zeigen, die des Opfers würdig sind.« (EJ , ) Zum Komplex der
     

Heideggers Aktivitäten erschöpften sich allerdings nicht in solchen


Aufrufen, sondern umfassten neben seiner Gutachtertätigkeit auch
ganz konkrete organisatorische Bemühungen um die Gleichschaltung
der Universitäten. Er verbündete sich dabei mit anderen nationalsoziali-
stischen Philosophieprofessoren wie Alfred Baeumler, Ernst Krieck und
Hans Heyse, die wie er die Chance sahen, durch die nationalsozialistische
Umformung der deutschen Universitäten an Einfluss zu gewinnen, und
die erst später zu seinen Konkurrenten im »Rennen um die Führung in
der deutschen Philosophie« wurden. Dieses Bündnis zeigte sich etwa in
den Konflikten um die Gleichschaltung der deutschen Universitäten, die
sich im »Verband der Deutschen Hochschulen« und der Krieckschen
Gegengründung der »Kulturpolitischen Arbeitsgemeinschaft Deutscher
Hochschullehrer«, der sich auch Heidegger (schon vor seiner Wahl zum
Rektor) angeschlossen hatte, abspielten. Im Rahmen seiner hochschul-
politischen Aktivitäten fuhr Heidegger nun regelmäßig zu Besprechungen

»Arbeit« und der Bedeutung Ernst Jüngers für Heideggers Aufrufe vgl. unten,
Kap. ..
 Diese politische Gutachtertätigkeit war es, die im Nachhinein zu den schwersten
moralischen Vorwürfen gegen Heidegger geführt hat. Vgl. zu den Fällen Eduard
Baumgarten und Hermann Staudinger Ott, Unterwegs, S. f., -; dane-
ben v.a. Ott/Grün, Rektorat. Ein Gutachten über den Münchner Neukantianer
Richard Hönigswald, der dann auf Druck der Nationalsozialisten – und nicht
zuletzt mit Hilfe des Gutachtens von Heidegger – in den Ruhestand versetzt wur-
de, wird bei Ott noch nicht erwähnt, ist aber in MH -, f. abgedruckt.
Heidegger kritisierte darin den Neukantianismus als eine »dem Liberalismus auf
den Leib zugeschnitten[e]« Philosophie, die das Wesen des Menschen »in ein frei-
schwebendes Bewußtsein« auflöse und damit den Blick ablenke »vom Menschen
in seiner geschichtlichen Verwurzelung und in seiner volkhaften Überlieferung
seiner Herkunft aus Boden und Blut« (ebd., ). Der denunziatorischen Gut-
achtertätigkeit Heideggers gegenüber ihm politisch oder persönlich unliebsamen
Kollegen standen auf der anderen Seite seine Bemühungen um einige vom
»Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« betroffene Schüler und
Freunde gegenüber. Zu diesen zählten etwa Werner Brock, Eduard Fraenkel und
Elisabeth Blochmann.
 Dahms, Philosophie, S. . Vgl. dazu neben Dahms auch Laugstien, Philoso-
phieverhältnisse, S. f. An Ernst Krieck sandte Heidegger am . Mai ein Glück-
wunschtelegramm zu dessen Übernahme des Rektorats in Frankfurt, in dem er
schrieb: »Ich vertraue auf eine gute Kampfgenossenschaft.« (MH -, )
 Vgl. Farías, Heidegger, S. -. Als die Leitung des Verbands der Deutschen
Hochschulen Hitler um eine Unterredung bat, um die inneren Konflikte zu klä-
ren, telegrafiert Heidegger an Hitler persönlich mit der Bitte, mit dieser Unter-
redung noch zu warten, »bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Leitung des Hoch-
schulverbandes im Sinne der gerade hier besonders notwendigen Gleichschaltung
vollzogen ist« (MH -, ).
  - -

nach Berlin und Karlsruhe, der badischen Landeshauptstadt. Im Som-


mer und Herbst erhielt er zwei Rufe an die Universitäten Berlin – »ver-
bunden mit einem politischen Auftrag« (MH /EB, ), wie Heidegger an
Elisabeth Blochmann schrieb – und München. In beiden Fällen lockte
ihn der »Vorteil des großen Wirkungskreises« und die »Möglichkeit, an
Hitler heranzukommen« (ebd., ). Im Oktober lehnte er diese Berufun-
gen dennoch ab. Nicht nur, weil er anderswo als im Schwarzwald »keinen
Boden für wirkliche Arbeit« (ebd., ) sah, sondern auch, weil er in Frei-
burg aufgrund der neu erlassenen Badischen Universitätsverfassung, an
deren Zustandekommen er nicht unmaßgeblich beteiligt war, am . Ok-
tober  offiziell zum »Führer-Rektor« ernannt wurde und seine dort
begonnene Umgestaltungsarbeit fortsetzen wollte.
Bei dieser Umgestaltungsarbeit setzte er von Anfang an auch auf die
Zusammenarbeit mit der NS-Studentenschaft und förderte etwa die
Fachschaftsbewegung, die die Politisierung von Lehre und Forschung
nach NS-Richtlinien vorantreiben wollte. Zu seinen eigenen hoch-
schulpolitischen Projekten zählten vor allen Dingen die Einrichtung
einer Dozentenakademie und die Abhaltung von Wissenschaftslagern,
die beide der politischen Schulung des akademischen Nachwuchses und
dem »lebendige[n] Näherbringen der Ziele einer nationalsozialistischen
Umwälzung des Hochschulwesens« (MH -, ) dienen sollten.
Das erste dieser Dozentenlager fand im Oktober  in Todtnauberg
statt.
Im Laufe dieses Dozentenlagers zeigten sich allerdings bereits die er-
sten Konflikte um Heideggers uneingeschränkten Führungsanspruch.
Es waren diese internen Konflikte an der Freiburger Universität, aber
auch mit der badischen Kultusverwaltung und seinen nunmehrigen
Konkurrenten wie Krieck und Baeumler auf Reichsebene, die Heidegger
schließlich dazu veranlassten, im April  seinen Rücktritt vom Rekto-
renamt zu erklären, von dem er am . April entbunden wurde. Damit
waren seine politischen Ambitionen als Umerzieher und geistiger Führer

 Vgl. zu Heideggers Mitarbeit an dieser Hochschulverfassung, die das Führerprin-


zip an den Universitäten festschrieb, v.a. Martin, Reform.
 So nahm Heidegger etwa an der von ihm selbst angeregten ersten Schulungs-
tagung des Amtes für Wissenschaft der deutschen Studentenschaft am . und
. Juli  in Berlin teil; vgl. Schneeberger, Nachlese, S. -.
 Vgl. Ott, Unterwegs, S. - und Heideggers eigene Darstellung in MH ,
f.
 Der konkrete Anlass des Rücktritts war der Streit um den von Heidegger einge-
setzten Dekan der juristischen Fakultät, Erik Wolf, den Heidegger nicht wieder
entlassen wollte. Vgl. Hollerbach, Im Schatten.
     

der nationalsozialistischen Revolution gescheitert. Der Rücktritt vom


Rektorat war allerdings nicht gleichbedeutend mit einer Distanzierung
von der nationalsozialistischen Bewegung als solcher. Vielmehr bekun-
dete Heidegger auch nach  seinen Glauben an die innere »Wahrheit
und Größe dieser Bewegung« (MH , ) und hielt an seiner eigenen
Vorstellung des Nationalsozialismus fest.

Heideggers revolutionäres Tat-Denken

Bevor Heideggers Verhältnis zum Nationalsozialismus nach  näher


untersucht werden kann, soll aber zunächst noch einmal genauer nach
der internen Verbindung seiner philosophischen Denkentwicklung mit
dem Eintreten für den Nationalsozialismus gefragt werden, an der Hei-
degger selbst keinen Zweifel ließ, hatte er doch im August  an Paul
Häberlin geschrieben, seine »philosophische Arbeit« müsse sich jetzt »im
›Praktischen‹ bewähren« (MH -, ). Wie genau konnte sich
sein Programm einer destruktiven Erneuerung der Philosophie mit dem
politischen Neuanfang des »Dritten Reiches« verbinden? Wieso konnte
es Heidegger so leicht fallen, in der NS-Bewegung sein eigenes philoso-
phisches Anliegen wiederzuerkennen? Wie gingen »praktisches Denken
und geschichtliche Tat«  in Heideggers tätiger Vision der nationalsozia-
listischen Revolution zusammen?
Die Beantwortung dieser Frage nach Heideggers »philosophische[m]
Nationalsozialismus«  ist anhand der Rektoratsrede bereits in Ansätzen
erfolgt. Die inhaltliche Verbindung von Heideggers Philosophie und
seinem NS-Engagement lässt sich allerdings noch deutlicher herausar-
beiten, wenn man sich mit den beiden Vorlesungen des Rektoratsjahres
beschäftigt. Besonders die Vorlesung des Wintersemester / »Vom

 Wie diese Ambitionen von vielen von Heideggers Kollegen wahrgenommen wur-
den, lässt sich etwa aus der erleichterten Reaktion Gerhard Ritters auf Heideggers
Rücktritt erahnen, der am . Mai  an seine Eltern schrieb: »Inzwischen ist
auch an der Universität alles sehr friedlich geworden. Heidegger hat als Rektor
abgedankt, ebenso alle von ihm ernannten Dekane. Ein braver Stahlhelmer ist
sein Nachfolger geworden, in unserer Fakultät einer meiner Freunde Dekan. Die
Ära der ewigen Aufregung und verrückten Experimente ist vorüber.« (Zit. n. See-
mann, Säuberungen, S. f.).
 Mehring, Führer.
 Bialas, Nationalsozialismus, S. .
 Diese beiden Vorlesungen wurden zudem in der Debatte um Heideggers Natio-
nalsozialismus bisher noch wenig berücksichtigt, da sie erst  im Rahmen der
  - -

Wesen der Wahrheit« ist dabei aufschlussreich, da sie einerseits eine aktu-
alisierte Wiederholung der gleichnamigen Vorlesung vom Winterseme-
ster / darstellt und ihr andererseits zwei kleinere Abhandlungen
Heideggers folgten, in denen er sich  und  erneut mit dem Be-
griff der Wahrheit bei Platon auseinandersetzte. Anhand dieser Texte
lässt sich also sowohl Heideggers politische Aktualisierung seines Den-
kens  als auch der Rückzug von dieser Aktualisierung während des
Zweiten Weltkriegs am gleichen Gegenstand beobachten.
Im Zentrum der Vorlesung von / und / stand eine Inter-
pretation des Höhlengleichnisses aus Platons »Politeia«. In ihm, so Hei-
degger, drückten sich gleichzeitig zwei unterschiedliche Begriff von
»Wahrheit« (griechisch aletheia) aus: ein älterer, vorsokratischer – in
diesem Sinn ursprünglicher – und ein davon abkünftiger, neuerer, der
aber im weiteren Verlauf der Philosophiegeschichte den älteren verdrängt
habe. Den ersten fasste Heidegger als »Unverborgenheit« (a-letheia: a-pri-
vativum + lethe = Verborgenheit, Vergessen), den zweiten als Richtigkeit
(im Sinne des Korrespondenzbegriffs von Wahrheit als Aussagewahrheit:
adaequatio intellectus et rei). Der Übergang vom ersten zum zweiten
Wahrheitsverständnis sei nun »das Geschehen, in dem der Anfang der
abendländischen Geschichte der Philosophie bereits einen abseitigen und
verhängnisvollen Gang nimmt« (MH /, f.). Er vollziehe sich pri-
mär in der Philosophie Platons, diese sei der Ort, »wo der frühere und
spätere [Wahrheitsbegriff ] im letzten Kampf gleichsam aufeinanderstoßen«
(MH /, ). Heideggers »Rückgang in die Geschichte« (MH /
, ) und auf Platons Höhlengleichnis diente deshalb einer Wieder-
gewinnung des ersten Wahrheitsbegriffs und damit des ursprünglichen
griechischen Denkens. Dieser Rückgang in den ersten Anfang zielte aller-
dings nicht auf eine historische Restitution, sondern auf die Überwin-
dung der Gegenwart hin auf ein Zukünftiges:
»Denn im echten Rückgang in die Geschichte nehmen wir den Ab-
stand von der Gegenwart, der uns erst den Zwischenraum schafft für

Gesamtausgabe erschienen sind; vgl. MH b u. MH /. Farías hat 


lediglich einzelne Zitate aus einer Abschrift der Vorlesung vom Sommersemester
 veröffentlicht; vgl. Farías, Heidegger, S. -; jetzt allerdings Faye, Hei-
degger, S. -.
 Vgl. MH /, MH b u. MH a.
 Vgl. zum Kontext der Platonrezeption in dieser Zeit Orozco, Platon-Rezeption.
 Heidegger entwickelte diese Unterscheidung auch schon im §  von »Sein und
Zeit« (MH , S. -). Vgl. als knappen Überblick über diese Begriffsun-
terscheidung und ihren Wandel Frede, Stichwort Wahrheit; als schon klassische
Kritik an Heideggers Wahrheitsbegriff Tugendhat, Heideggers Idee.
     

den Anlauf, der notwendig ist, um über unsere eigene Gegenwart hin-
auszuspringen, d. h. sie als das zu nehmen, als was genommen zu werden
jede Gegenwart als Gegenwart einzig verdient: daß sie überwunden
werden soll. Wahrhafter Rückgang in die Geschichte ist der entschei-
dende Anfang eigentlicher Zukünftigkeit.« (Ebd., f.)
Dies war erneut eine philosophische Fassung der Konservativen Revolu-
tion, die die Gegenwart durch ein »Denken aus dem Ursprung« grund-
stürzend verwandeln wollte. Diese »große Wandlung des Daseins des
Menschen« müsse gegen »die ganze bisherige abendländische Daseins-
geschichte« (MH /, ) errungen werden. Dabei handelt es sich
für Heidegger nicht um eine abstrakte Frage der Philosophie, sondern
um eine »Umwandlung unseres ganzen Daseins« (ebd., ), die auch das
tätige Leben mit einschloss:
»Bei der Frage nach dem Wesen der Wahrheit handelt es sich nicht
darum, irgendeiner gelehrten Theorie über den Wahrheitsbegriff eine
andere entgegenzustellen oder irgendeinen philosophischen Stand-
punkt gegenüber einem anderen zu vertreten […]. Sondern es handelt
sich bei der Frage allein um das handelnde Begreifen oder Nichtbe-
greifen der Weltstunde, in die der Geist dieser Erde eingetreten ist.«
(Ebd., f.)
Dieses handelnde Begreifen wiederum »zwingt uns in den Kampf und
versetzt uns in Entscheidungen, die in die Zukunft ausgreifen« (ebd.,
). Heideggers seit den er Jahren entwickeltes philosophisches Pro-
gramm der Destruktion der Philosophiegeschichte und sein Konzept des
tätigen Denkens spitzte sich hier zu auf eine »Weltstunde«, auf den Mo-
ment der Krise, in dem die Entscheidung für oder gegen das Wesen der
Wahrheit und damit das eigentliche Dasein fallen müsse. Das Entschei-
dende und über die Vorlesung von / Hinausgehende war nun, dass
Heidegger  in der »nationalsozialistische[n] Revolution« (MH -
, ) genau diese Weltstunde erblickte und den Nationalsozialismus
so als Ermöglichung und Vollzug seiner Daseins-Revolution begrüßte:
»Dieser ungeheure Augenblick, in den der Nationalsozialismus heute
gedrängt ist, ist das Werden eines neuen Geistes der Erde überhaupt.«
(MH /, ) An anderer Stelle betonte Heidegger abermals den
totalen Charakter dieses Wandels, der sich nun mit dem Nationalsozialis-
mus vollziehe und sich nicht auf »gelehrte Theorien« beschränke:

 Greiffenhagen, Dilemma, S. .


  - -

»Wenn heute der Führer immer wieder spricht von der Umerziehung
zur national-sozialistischen Weltanschauung, heißt das nicht: irgend-
welche Schlagworte beibringen, sondern einen Gesamtwandel hervor-
bringen, einen Weltentwurf, aus dessen Grund heraus er das ganze
Volk erzieht. Der Nationalsozialismus ist nicht irgendwelche Lehre,
sondern der Wandel von Grund aus der deutschen und, wie wir glau-
ben, auch der europäischen Welt.« (Ebd., )
Schon im Sommersemester hatte Heidegger in diesem Sinn von der
»Größe des geschichtlichen Augenblicks, durch den jetzt das deutsche
Volk hindurchgeht« (MH b, ), gesprochen und das Gelingen der
nationalsozialistischen Revolution davon abhängig gemacht, ob »wir es
erfahren und in aller Kraft ergreifen, daß die jetzige Wende des deutschen
Geschicks in sich trägt die schärfste Bedrängnis unseres Daseins, indem sie
vor die Entscheidung stellt; die Entscheidung, ob wir die im jetzt wer-
denden Geschehen noch verschlossene geistige Welt schaffen wollen und
schaffen werden – oder nicht« (ebd., ).
Aus diesen Worten sprach Heideggers Entschlossenheit, die »jetzige
Wende der deutschen Geschichte aus einem innersten Grunde [zu] be-
greifen« (ebd.), das heißt, in seiner eigenen Philosophie diesen innersten
Grund zu erblicken bzw. seine eigene Philosophie mit diesem unterstell-
ten innersten Grund der nationalsozialistischen Revolution in eins zu
setzen. Umgekehrt bedeutet das, dass Heidegger den Erfolg des Natio-
nalsozialismus davon abhängig machte, ob dieser sein eigenes philoso-
phisches Anliegen – nämlich die neuerliche Zuwendung zum Sein – zu
verwirklichen helfe oder nicht. So schrieb er in einem Brief an Elisabeth
Blochmann vom . März :
»Das gegenwärtige Geschehen hat für mich – gerade weil vieles dunkel
und unbewältigt bleibt – eine ungewöhnliche sammelnde Kraft. Es
steigert den Willen u. die Sicherheit im Dienste eines großen Auf-
trages zu wirken und am Bau einer volklich gegründeten Welt mitzu-
helfen. Seit langem ist mir die Blässe u. das Schattenhafte einer bloßen
›Kultur‹ u. die Unwirklichkeit sogenannter ›Werte‹ zur Nichtigkeit
herabgesunken u. ließ mich im Dasein den neuen Boden suchen. Wir
werden ihn u. zugleich die Berufung des Deutschen in der Geschichte
des Abendlandes nur finden, wenn wir uns dem Sein selbst in neuer
Weise u. Aneignung aussetzen.« (MH/EB, )
In dieser Passage kam die unmittelbare Verkoppelung von Heideggers
philosophischem Programm der Frage nach dem Sein mit seiner völ-
kischen Germanophilie und der nationalsozialistischen »Weltstunde«
     

beispielhaft zum Ausdruck. Verschiedene schon dargestellte Elemente


aus Heideggers Denken verknüpften sich darin und steigerten sich zum
radikalen Auf- und Umbruch. Zunächst ist hier Heideggers Überzeu-
gung zu nennen, dass Philosophie keine abstrakte Angelegenheit sei, son-
dern dass sie das Dasein als ganzes auch in seiner Praxis bestimme, dass
dieses sich Bestimmenlassen durch die Philosophie aber gleichzeitig einer
bewussten Entscheidung bedürfe, sich von der Oberflächlichkeit abzu-
wenden: »Das Wesen begegnet nicht durch einen Einfall, gestaltet sich
nicht durch eine ›Theorie‹, stellt sich nicht dar in der Lehre. Das Wesen
erschließt sich nur dem ursprünglichen Mut des Daseins zum Seienden im
Ganzen.« (MH /, ) Philosophie eignet nach Heidegger daher
eine »höchste Wesentlichkeit« und »Notwendigkeit« und wendet sich
»gegen die Zerstreuung des Menschen in die wurzellose Vielfalt seiner
Machenschaften, gegen die Auflösung und Ablösung in freischwebende
Gebiete« (MH b, ). In der Philosophie sei »wirklicher persönlicher
Einsatz des eigenen Schicksals gefordert« (ebd., ). Mit dieser schon
während der er Jahre entwickelten Kritik der zerstreuenden Machen-
schaften beteiligte sich Heidegger nicht nur an der allgemeinen Zivilisa-
tionskritik des Weimarer Konservatismus. Er spitzte sie – ebenso wie die
Brüder Jünger und andere konservative Revolutionäre – auf eine Kritik
am »freischwebenden« Intellektuellen zu. Philosophie sei nicht abge-
hobene Theorie, sondern führe, richtig betrieben, zur »Einsicht in die
Notwendigkeit des Handeln-müssens« (ebd., ).
Auch im Falle Heideggers lässt sich also wie schon bei Ernst und
Friedrich Georg Jünger von einem Tat-Denken sprechen, dass sich gegen
die reine Theorie wandte. Zwei weitere Überzeugungen waren mit diesem
Tat-Denken verbunden: Erstens, dass sich diese Wendung zur Tat in einer
existenziellen Situation der Not vollziehe, und zweitens, dass sie an ein
Schicksal gebunden sei, das hier als geschichtliches Volk gefasst wurde.
Zunächst müsse erst »eine wirkliche Not und eine höchste Notwendigkeit
uns bedrängen und uns zum erneuten Fragen der Grundfrage drängen«

 An anderer Stelle betonte Heidegger, dass philosophisches Fragen kein »müßiges


und neugieriges Grübeln« sei, sondern »höchster geistiger Einsatz« und »wesent-
lichstes Handeln« (MH b, ).
 Schon in der Vorlesung vom Wintersemester / achtete Heidegger darauf,
dass seine philosophischen Fragen »nicht in eine freischwebende, in sich selbst
ablaufende Spekulation entarten« und dass sie »dem dienen, was dem Philoso-
phieren aufgegeben ist: nicht das Bewusstsein des Menschen zu beschreiben, sondern
das Dasein im Menschen zu beschwören« (MH /, ). Vgl. dazu und zum
Vergleich mit Ernst Jüngers »Hochverrat des Geistes gegen den ›Geist‹« auch Lo-
surdo, Gemeinschaft, S. -.
  - -

(ebd., ). Diese Notwendigkeit verlange dann wiederum eine Entschei-


dung »für unser geschichtliches Mitsein mit den anderen in der Glied-
schaft des Volkes« (ebd., ). Aus diesem Bewusstsein des Handeln-
müssens in der schicksalhaften Stunde der Not des Volkes machte es
Heidegger sich und der Philosophie zur Aufgabe, »die geschichtlich-politi-
sche Wirklichkeit so radikal mit ausgestalten [zu] helfen in allen Gebieten
des Daseins, daß die neuen Notwendigkeiten des Seins unverfälscht zur Aus-
wirkung und Gestaltung kommen« (MH /, ).
In diesem Tat-Denken Heideggers finden sich noch weitere Elemente,
die an die Brüder Jünger und besonders an ihren heroischen Realismus
erinnern. Dazu gehört etwa die Verachtung für »Stillstand, Ausgleich,
Gleichmaß, Mittelmäßigkeit, Harmlosigkeit, Verkümmerung, das Brü-
chige und Laue« und demgegenüber die Bewunderung für »das Unbän-
dige, Zügellose, Rauschhafte und Wilde, Rasende, Asiatische« (ebd., ).
Vor allem aber gehört die ständige Berufung auf das Schicksal dazu und
die Aufforderung, sich als »heroische[r] Mensch« (ebd., ) zu diesem
Schicksal zu bekennen und sich ihm gewachsen zu zeigen. Alles hänge
davon ab, so Heidegger, ob wir »imstande sind, unserem Dasein eine
wirkliche Schwere und ein wirkliches Gewicht zu geben« (ebd., ), um
dann fortzufahren: »Das Wahre ist für uns zu erringen, die Entscheidung
über unseren Auftrag. Nur durch die Entscheidung dieses Kampfes
schaffen wir uns die Möglichkeit eines Schicksals. Schicksal gibt es nur da,
wo ein Mensch in freier Entscheidung sich der Gefahr seines Daseins aus-
setzt.« (Ebd.)
In dieser Formulierung klingt erneut an, dass auch Heideggers Schick-
salsdenken dieselbe paradoxe Verkoppelung von Freiheit und Notwen-
digkeit enthielt wie das der Brüder Jünger. Denn das »Sichaussetzen der
Notwendigkeit des Schicksals« war für Heidegger gleichzeitig das »Sich-
fügen in die Freiheit einer Entschließung« (MH b, ). Freiheit be-
deutete für Heidegger »Bindung an das Wesensgesetz des Menschen«
(MH /, ). Die Überzeugung, dass die Bindung an das ge-

 An derselben Stelle fuhr Heidegger fort: »Jeder entscheidet darüber mit, auch
dann und gerade dann, wenn er sich vor dieser Entscheidung drückt und meint,
er müsse vor dem heutigen Aufbruch überlegen tun und den vermeintlich ›gei-
stig‹ Vornehmen spielen.« (MH b, )
 Vgl. MH /, : »Ein Schicksal kann man nur bewältigen, oder man kann
daran zu Grunde gehen, ohne daß man es weiß.«
 An anderer Stelle sprach Heidegger davon, dass das, »was Wahrheit und Sein zu
ihrem inneren Zusammenhang und zu ihrem Eigenwesen ermächtigt«, zugleich
das sei, »was den Menschen befreit und damit gerade bindet, und in dieser Bin-
dung die eigentliche Notwendigkeit in das Dasein des Menschen bringt als die
     

schichtliche Schicksal in freier Entscheidung gewollt und erkämpft wer-


den müsse, ging mit einer grundsätzlichen Aufwertung der Kategorie des
Kampfes einher. Hatte Heidegger den Kampf schon in seiner Rektorats-
rede beschworen, so fügte er nun im Wintersemester / der Vor-
lesung über das Wesen der Wahrheit eine Einleitung an, die er im Win-
tersemester / noch nicht gehalten hatte und die unter anderem eine
Auslegung des Heraklitzitats beinhaltete, wonach der Krieg bzw. der
Kampf der Vater aller Dinge sei. Heidegger übersetzte: »Das Wesen des
Seins ist Kampf; jedes Sein geht durch Entscheidung, Sieg und Nieder-
lage hindurch.« (Ebd., ) Der Kampf sei die »innerste Notwendigkeit des
Seienden im Ganzen und daher Auseinandersetzung mit und zwischen
den Urmächten« (ebd., ). Er mache »das Wesen des Seins aus, und zwar
derart, daß er alles Seiende mit Entscheidungscharakter durchsetzt, jener
ständigen Schärfe des Entweder-Oder« (ebd., f.). Mit dieser Form des
Dezisionismus kam Heidegger nicht nur dem soldatischen Voluntaris-
mus der Brüder Jünger nahe, sondern auch dem Freund-Feind-Denken
Carl Schmitts, an das Heideggers Definition des Kampfs als »Stehen ge-
gen den Feind« (ebd., ) erinnerte: »Feind ist derjenige und jeder, von
dem eine wesentliche Bedrohung des Daseins des Volkes und seiner Ein-
zelnen ausgeht.« (Ebd., f.) In dieser Anlehnung an Schmitt kam Hei-
degger auch zu Formulierungen, die, ohne explizit auf die Juden bezogen
zu sein, zentrale Denkfiguren des antiassimilatorischen Antisemitismus
reproduzierten und im Herbst  entsprechend verstanden worden sein
dürften:

Voraussetzung der Freiheit« (ebd., ). Noch im Mai  definierte Heidegger
Freiheit als »Bindung an das innerste Gesetz und die Ordnungen unseres Wesens«:
»Freiheit heißt: Erweckung und Durchsetzung des Willens des Volkes zu seiner
eigensten Sendung.« (MH -, )
 Schon im Sommersemester hatte Heidegger postuliert, der Anfang der Philo-
sophie sei »der unausgesetzte fragende Kampf um das Wesen und Sein des Seienden.
[…] Dieser Kampf stellte den Menschen frei in seine Welt vor die Möglichkeit
seiner Größe und die Mächte seiner Gebundenheit.« (MH b, ) Vgl. zur
Zentralität des polemos-Begriffs für Heideggers gesamtes Denken Fried, Hei-
degger’s Polemos.
 Gregory Fried konnte diese Vorlesung noch nicht berücksichtigen, macht aber
darauf aufmerksam, dass sich Heideggers erste direkte Bezugnahme auf das
Heraklitzitat in einem Brief findet, mit dem sich Heidegger im August  für
die Übersendung des »Begriffs des Politischen« bei Carl Schmitt bedankte (Fried,
Heidegger’s Polemos, S. ). In diesem Brief, in dem Heidegger betonte, zur Zeit
selbst »mitten im polemos« zu stehen, teilte er Schmitt zugleich mit, »daß ich sehr
auf Ihre entscheidende Mitarbeit hoffe, wenn es gilt, die juristische Fakultät im
Ganzen nach ihrer wissenschaftlichen und erzieherischen Ausrichtung von Innen
her neu aufzubauen« (MH -, ); vgl. auch Radloff, Heidegger.
  - -

»Der Feind kann in der innersten Wurzel des Daseins eines Volkes sich
festgesetzt haben und dessen eigenem Wesen sich entgegenstellen und
zuwiderhandeln. Um so schärfer und härter und schwerer ist der
Kampf, denn dieser besteht ja nur zum geringsten Teil im Gegenein-
anderschlagen; oft weit schwieriger und langwieriger ist es, den Feind
als solchen zu erspähen, ihn zur Entfaltung zu bringen, ihm gegenüber
sich nichts vorzumachen, sich angriffsfertig zu halten, die ständige
Bereitschaft zu pflegen und zu steigern und den Angriff auf weite
Sicht mit dem Ziel der völligen Vernichtung anzusetzen.« (Ebd., ) 
Trotz dieser eliminatorischen Phantasie führten Heideggers Vorstellun-
gen von Geschichte und Schicksal, Entscheidung und Kampf aber auch
dazu, dass er eine zweifache Kritik an der nationalsozialistischen Wirk-
lichkeit der Jahre / übte, und zwar zum einen an den Bestrebun-
gen, die »nationalsozialistische Revolution« nach Erringung der Macht
durch die NSDAP für beendet zu erklären, und zum anderen am Bio-
logismus des nationalsozialistischen Weltbildes. Beides stellte für Heideg-
ger noch eine Verhaftung in Vorstellungen des . Jahrhunderts dar. Das
lässt sich etwa an der Ansprache sehen, die Heidegger am . Januar 
aus Anlass des ersten Jahrestages der nationalsozialistischen Machtergrei-
fung in der Vorlesungsstunde hielt. Er reagierte damit auf einen Vortrag
Erwin Guido Kolbenheyers, der am . Januar in Freiburg über »Lebens-
wert und Lebenswirkung der Dichtkunst in einem Volke« gesprochen
hatte. Kolbenheyer war für Heidegger das Paradebeispiel eines »reaktio-
nären nationalen und völkischen Bürgers« (MH /, ), der sich zum
Sprecher des Nationalsozialismus erkläre, ohne eigentlich »in der neuen
politischen Wirklichkeit« (ebd., ) zu stehen. Dieser Bürger berufe sich
auf das »Wort des Führers: die Revolution [ist] zu Ende, es beginnt die
Evolution« (ebd., ). Worauf Heidegger entgegnete: »Evolution – ge-
wiß, aber eben da, wo die Revolution zu Ende ist. Aber dort, wo wie im
Geistigen und zum Beispiel im Schulwesen die Revolution noch nicht
nur nicht zu Ende ist, vielmehr nicht einmal begonnen hat, – wie steht es
da?« (Ebd., ) Dieser Einwand entsprach Heideggers auch an anderer
Stelle geäußerter Ansicht, dass die nationalsozialistische Revolution eben
erst der »Anfang[…] unseres geistig-volklichen Daseins« (MH b, )

 Zur intrinsischen Verknüpfung von Freund-Feind-Denken und Antisemitismus


bei Carl Schmitt vgl. Gross, Carl Schmitt; zu Ernst Jüngers Antiassimilations-
Antisemitismus vgl. oben, Kap. ..
 Schon am . November  hatte sich Heidegger in seiner Rede vor Studenten
und NSDAP-Anhängern in Tübingen gegen das Wort vom Ende der Revolution
gewandt; vgl. Martin (Hg.), Kompendium, S. .
     

sei und dass das deutsche Volk »seine Metaphysik erst gewinnen muß
und gewinnen wird« (ebd., ). Von Bürgern wie Kolbenheyer aber wer-
de die Revolution »umgefälscht zu einem bloßen Organisationsbetrieb«
(MH /, ). Heidegger fürchtete hier also, dass die mit dem
nationalsozialistischen Aufbruch ermöglichte totale Verwandlung nicht
grundlegend genug durchgeführt werde und auf halben Wege stecken
bleibe:
»Es wird nachgerade peinlich, daß es immer mehr Leute gibt, die ent-
deckt zu haben glauben, der Liberalismus müßte widerlegt werden.
Gewiß soll er überwunden werden, aber nur dann, wenn begriffen ist,
daß der Liberalismus ja nur eine sehr schwache und letzte Rand-
erscheinung von großen, noch unerschütterten Wirklichkeiten ist.
Und es besteht die Gefahr, daß die übereifrigen Töter des Liberalismus
alsbald sich entpuppen als sogenannte ›Vertreter‹ eines liberalen Natio-
nalsozialismus, der von Harmlosigkeit und Biederkeit und Jugend-
bewegtheit nur so trieft.« (Ebd., )
Die Parallelen zu Ernst Jüngers Kritik am nationalreaktionären Spießer-
tum und seiner Einreihung auch der Nationalsozialisten unter die Bürger
(EJ -, ) sind hier nicht zu übersehen. Im Schema Hermann
Rauschnings müsste man Heidegger demnach zusammen mit den Brü-
dern Jünger zu denjenigen zählen, die noch  eine »zweite Phase der
Revolution« propagierten.
Noch mehr als die Spießbürgerlichkeit Kolbenheyers aber kritisierte
Heidegger dessen biologistisches Weltbild. Das von ihm angelegte »Sche-
ma einer Biologie, die er vor  Jahren kennengelernt hat« (ebd., ),
gründe »auf dem Grundsatz des Darwinismus«, der seinerseits »von der
liberalen Auffassung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft,
wie sie im englischen Positivismus im . Jahrhundert herrschte« (ebd.,
) geprägt sei. Demgegenüber betonte Heidegger, dass der Mensch in
seiner Zugehörigkeit zu einem »Volk ein geschichtliches Wesen« sei, zu

 Schon im August  hatte Heidegger in einem Brief an Elisabeth Blochmann


die Befürchtung geäußert, dass »das Ganze an lauter Organisation ersticken«
(MH/EB, ) könne.
 Vgl. Rauschning, Revolution des Nihilismus, S. -. Farías leitet aus dieser
Position Heideggers dessen Nähe zur SA und zum revolutionären Flügel der
NSDAP ab, weshalb deren Ausschaltung im Sommer  auch mit Heideggers
Rückzug von seinem NS-Engagegement zusammenfalle; vgl. Farías, Heidegger,
S. -. Vgl. dazu auch Kittsteiner, Mit Marx, S. , der Heidegger eine
»nicht besonders klare Zwischenlage zwischen der Position der ›konservativen
Revolution‹, dem Strasser-Flügel der NSDAP und der SA« zuschreibt.
  - -

dessen geschichtlichem Sein »die Entscheidung zu einem bestimmten


Seinwollen und Schicksal« gehöre, wozu wiederum »Einsatz des Han-
delns, Verantwortung im Ertragen und Durchhalten, Mut, Zuversicht,
Glaube, Opferkraft« notwendig seien (ebd.). Im »Sicheinsetzen und
Durchhalten und Opfern« werde eine »grundsätzlich andere Seinsart
mächtig« als im »Funktionieren der Magensäfte und Geschlechtszellen
und der Brutpflege« (ebd., ). Hier wird deutlich, in welcher Weise der
Heroismus von Freiheit und Notwendigkeit einem biologistischen De-
terminismus entgegenstand. Die wesentliche Bindung »ins Gesetz und
Gefüge des Seienden« (ebd., ) müsse in freier Entscheidung gewollt
und erkämpft werden, damit sie in den Augen Heideggers gültig war. Er
sprach daher von der »Blindheit des Biologismus gegenüber der ge-
schichtlichen existenziellen Grundwirklichkeit des Menschen bzw. eines
Volkes« (ebd., ).
Diese Kritik des Biologismus bedeutet allerdings nicht, dass Heidegger
jegliche Form des Rassismus verurteilt hätte. Vielmehr sprach er etwa
in Bezug auf das Erbe der griechischen Philosophie selbst vom »Volk der
Griechen, deren Stammesart und Sprache mit uns dieselbe Herkunft hat«
(MH b, ) und zu dem es zurückzukehren gelte, »um die Grund-
möglichkeiten des urgermanisches Stammeswesens auszuschöpfen und
zur Herrschaft zu bringen« (MH /, ). Auch hatte er bereits in
der Rektoratsrede von den »erd- und bluthaften Kräften« (MH a, )
des Volkes gesprochen. Doch waren für ihn »Blut und Boden […] zwar
mächtig und notwendig, aber nicht hinreichende Bedingung für das Da-
sein eines Volkes« (MH /, ). Vielmehr sei der »Wille zu Wissen
und Geist« entscheidend, denn »das Wissen bringt erst das Strömen des
Blutes in eine Richtung und in eine Bahn, bringt erst den Boden in die
Trächtigkeit dessen, was er zu tragen vermag« (ebd.). Auf diese Weise
versuchte sich Heidegger zwar von einem rein biologistischen Rassismus
abzugrenzen, vertrat selbst aber ebenfalls ein völkisches Blut-und-Boden-

 In diesem Sinn einer Kritik des Determinismus und Funktionalismus verglich


Heidegger die biologistische »Denkart« auch mit der »Psychoanalyse von Freud
und Konsorten« und mit dem Marxismus (MH /, ). An anderer Stelle
sprach er von einer »veralteten liberalistischen Biologie« (ebd., ). Auch in der
Vorlesung vom Wintersemester / kritisierte Heidegger Kolbenheyers Bio-
logismus als »liberalistisch« (MH /, ).
 Vgl. zur Diskussion über Heideggers Kritik am NS-Rassismus und seine eigene
Form rassistischen Denkens Bernasconi, Alleged Challenge.
 Vgl. zu dieser »Einheit von Volksgeschichte und Geistesgeschichte«, die den
»Keim des Rassismus« in sich trage, Marten, Heideggers Geist, S. .
     

Denken, das den »ethnischen Fundamentalismus« mit der NS-Partei-


doktrin gemeinsam hatte.
Jenseits der Anklänge, die sich hier wiederum an die voluntaristische
Blutsgemeinschaftsidee der Brüder Jünger ergaben, lag Heideggers Beto-
nung aber vor allen Dingen auf der Bedeutung der Philosophie. »Wissen
und Geist« waren, wie oben schon verdeutlicht, nicht als ungebundene
Kategorien gemeint, verwiesen aber auf die herausgehobene Rolle, die
Heidegger der Philosophie und damit den Philosophen zuwies. In der
Auslegung von Platons Höhlengleichnis verstand Heidegger denjenigen,
der den in der Höhle Gebundenen von seinen Fesseln befreit und ans
Licht der Wahrheit führt, als den Philosophen. Da der Höhlenbewohner
seiner Befreiung zunächst widerstrebe, sei die »Befreiung […] gewaltsam«
(ebd., ). Indem der Philosoph die Höhlenbewohner aber gewaltsam
befreie und ihnen ans Licht voran steige, sei er derjenige, »der als Befreier
mithandelt in der Geschichte derer, die seinsmäßig mit ihm in eine Ge-
meinschaft zusammengehören« (ebd., ), und gleichzeitig derjenige,
»der seinem Zeitalter vorausgeworfen ist und der sein Schicksal vorweg-
nimmt« (ebd., ). Aus dieser besonderen Bedeutung der Philosophie
resultierte auch die Rolle, die der Philosoph in der Gesellschaft spielen
sollte:
»Im landläufigen Sinne gefasst müsste der Herrschende im Staat ein
Philosoph sein. Das bedeutet nicht, daß die Philosophieprofessoren
Reichskanzler werden sollen, das wäre von vorneherein ein Unglück.
Aber es bedeutet, daß die Menschen, die die Herrschaft des Staates in
sich tragen, philosophierende Menschen sein müssen. Philosophen,
als philosophierende Menschen, haben die Aufgabe und die Leistung
der fúlakev, Wächter. Sie haben darüber zu wachen, daß die Herr-
schaft und die Herrschaftsordnung des Staates durchwaltet ist von der
Philosophie; aber nicht von irgendeinem System, sondern von einem
Wissen, das das tiefste und weiteste Wissen vom Menschen und
menschlichen Sein ist.« (MH /, )
Diese Formulierungen erinnern einerseits an den »Wissensdienst« der
Rektoratsrede. Darüber hinaus machen sie aber deutlich, dass der Philo-
sophie in Heideggers Platonauslegung eine herausgehobene Bedeutung
zukam, da es ihre Aufgabe sei sicherzustellen, dass die geschichtliche Ge-
meinschaft als ganze vom wesentlichen Wissen durchwaltet werde. Die
Philosophie selbst sei das »Herumführen und Herausführen […] des

 Vgl. zum Begriff des »ethnic fundamentalism« Koonz, Nazi Conscience, S. -;
darin zu Heidegger im NS S. -.
  - -

Menschen aus einer Lage in die andere« (ebd., ). Der Philosoph sei
folglich derjenige, der allein jene »große Wandlung des Daseins des Men-
schen« (ebd., ) herbeiführen könne, die oben schon zitiert wurde und
deren Chance Heidegger mit dem nationalsozialistischen Aufbruch ge-
kommen sah. Die Philosophie war nach Heidegger das »Grundgeschehen
in der Geschichte des Menschen […], in dem und durch das das Wesen des
Menschen sich verwandelt« (ebd., ).
Aus dieser Überzeugung resultierten Heideggers Bemühungen, die
Universität zu einer Stätte dieses mittätigen Philosophierens und damit
im eigentlichen Sinn zu einer Führungseinrichtung zu machen. Jaspers’
Bemerkung, »Heidegger wollte den Führer führen«, war nicht lediglich
ein alliterierendes Bonmot, sondern traf genau diese der Philosophie von
Heidegger zugewiesene Rolle als grundstürzende Verwandlerin. Dass die
wesentliche Verwandlung des Menschen im Zuge des philosophischen
Fragens vonstattengehen sollte, verlieh Heideggers eigenem Sprechen
darüber hinaus den Charakter der apokalyptischen Rede in dem Sinn,
wie er in der Analyse des »Arbeiters« von Ernst Jünger beschrieben wor-
den ist, und verweist erneut auf die für die Konservative Revolution kon-
stitutive Verbindung von Apokalyptik und Gewaltbereitschaft. Denn
indem Heidegger in seiner Vorlesung sein philosophisches Fragen ent-
wickelte, wollte er seine Studenten in dieses Fragen versetzen und da-
durch im genannten Sinn »gewaltsam« aus ihrer Verfallenheit befreien
und verwandeln. Auch auf dieser Ebene des Tat-Denkens finden sich
also Parallelen zu Ernst Jünger und anderen Vertretern der Konservativen
Revolution, mit dem Unterschied, dass Jünger das nationalsozialistische
Regime zwar mit der von ihm herbeigeschriebenen Arbeitswelt identifi-
ziert haben mag, sich selbst aber schon  davon distanzierte, während
Heidegger seine Vision einer aus dem Ursprung des philosophischen

 Pöggeler, Den Führer führen?, S. .


 Vgl. oben, Kap. .. Karl Löwith bezeichnete Heidegger in der Rückschau auf
seine Lehrtätigkeit ebenfalls als »Prediger« (Löwith, Mein Leben, S. ).
 Dies war schon vor  die Grundstruktur von Heideggers Vorlesungen. Am
deutlichsten wird das etwa in der Vorlesung vom Wintersemester / »Die
Grundbegriffe der Metaphysik«, in der Heidegger ausdrücklich die »Weckung
einer Grundstimmung« inszenierte, die dazu dienen sollte, »den Menschen und
damit die überlieferte Metaphysik in ein ursprünglicheres Dasein zu verwandeln«
(MH /, ). Aus dieser Weckung der Grundstimmung sollte dann expli-
zit das Handeln resultieren: »Wenn wir unsere Aufgabe begriffen haben, dann
müssen wir gerade darauf halten, daß wir jetzt nicht wieder unversehens über die
Stimmung und gar über das Wecken verhandeln, sondern in der Weise dieses
Weckens als Handlung handeln.« (Ebd., ) Vgl. dazu Mehring, Überlieferungs-
geschick, S. -.
     

Fragens gestifteten Revolution des Wesens des Menschen mit der histori-
schen »Weltstunde« des deutschen Volkes und der Machtergreifung der
Nationalsozialisten aktivistisch in eins brachte.

Der Wahrheitsbegriff zwischen Früh- und Spätphilosophie

In Heideggers Vorlesung vom Wintersemester / über das »Wesen


der Wahrheit« kamen also sein zum Aktivismus gewendetes Denken der
Entschlossenheit und sein apokalyptisches Programm einer totalen Ver-
wandlung des menschlichen Daseins durch den philosophischen Rück-
gang in die Ursprünglichkeit des Fragens nach dem Sein mit seinem En-
gagement für die »nationalsozialistische Revolution« auf exemplarische
Weise zusammen. Innerhalb der Denkentwicklung Heideggers kam der
Auseinandersetzung mit dem Wahrheitsbegriff dabei eine besondere Be-
deutung zu, da sie, wie oben bereits angedeutet wurde, in mehreren
Schritten vor , im Laufe des Rektoratsjahres und nach  erfolgte.
Auf die Veränderungen in dieser Auseinandersetzung mit dem Begriff der
Wahrheit muss daher kurz eingegangen werden.
 hat Winfried Franzen in seiner grundlegenden Studie über Hei-
deggers Entwicklung »Von der Existenzialontologie zur Seinsgeschichte«
die beiden Abhandlungen »Vom Wesen der Wahrheit« (MH a) und
»Platons Lehre von der Wahrheit« (MH b) als Gelenkstellen identi-
fiziert, in denen sich die »Kehre« von der Früh- zur Spätphilosophie voll-
ziehe. Allerdings folgte er dabei Heideggers eigenen Angaben, dass
diese Texte beide um  konzipiert und bis zu ihren Erstveröffent-
lichungen  und  nicht wesentlich verändert worden seien, und
datierte die Kehre daher auf . Anhand der beiden nach Franzens Stu-
die veröffentlichten Vorlesungen von / und / lässt sich nun
sehen, dass zwar einerseits die für die Spätphilosophie zentrale Konzep-
tion der Philosophiegeschichte als Verfallsgeschichte der abendländischen
Metaphysik tatsächlich in der Idee der Verdeckung der Wahrheit als Un-
verborgenheit durch die Wahrheit als Richtigkeit schon angelegt war,
dass aber andererseits die Ausformulierung dieses Wahrheitsbegriffs in
den Vorlesungen der frühen er Jahre in vielem an die Subjektphilo-
sophie von »Sein und Zeit« gebunden blieb und nur bedingt auf die
Spätphilosophie voraus wies. Der Wandel vom »aktiven« zum »passiven«
Verständnis der Wahrheit fand erst nach Heideggers Niederlegung des

 Franzen, Existenzialontologie, S. -.


  - -

Rektorats statt. / wurde die Rückgewinnung des anfänglichen,


griechischen Wahrheitsverständnisses der Unverborgenheit von Heideg-
ger noch als voluntaristischer Akt der Entscheidung und des Kampfes
propagiert, die sich zusammen mit der nationalsozialistischen Revolution
vollziehen sollte. Dabei blieb er in einer aktivistischen Aneignung des
platonischen Höhlengleichnisses befangen, in der der Philosoph als gewalt-
tätiger Befreier am Schicksal seines Volkes mithandle, ja dieses eigentlich
zur Bindung an die Wahrheit wende.
Dieser zwiespältige Charakter der Vorlesungen der frühen er Jahre
lässt sich anhand zweier philosophischer Problemkomplexe erkennen,
die hier allerdings nur sehr knapp skizziert werden können: der Kritik
des Idealismus und der Kritik des Anthropozentrismus. Schon im Win-
tersemester / bezeichnete Heidegger die »Fassung des Wesens als
›Idee‹« bei Platon als »Anlaß zu einem großen, jahrhundertelangen Irr-
tum« (MH /, ) und die Ideenlehre allgemein als Ursprung der
Wertphilosophie und damit wiederum der Aufklärung und des Liberalis-
mus, der Wurzel »alle[r] heute zu bekämpfenden Mächte« (ebd., ). In
der konkreten Auslegung von Platons Höhlengleichnis wurde die dort
entwickelte Idee des Guten, die über der Wahrheit stehe, allerdings noch
zustimmend als »Ermächtigung« interpretiert, die nicht mit einer Wert-
idee verwechselt werden dürfe, sondern als »Art und Weise der Macht-
durchsetzung« (ebd., ) verstanden werden müsse: »Das Gute ist die
Ermächtigung des Seins und der Unverborgenheit zu ihrem in sich zusam-
mengehörigen Wesen.« (Ebd.) Das Gute sei dasjenige, was über der Wahr-
heit und dem Sein stehe und so, beide zusammenspannend, »ihren We-
senszusammenhang ermöglicht« (ebd., ). Zwar sprach Heidegger hier
schon von dem »Joch« (ebd.) des Guten, meinte das aber eben in dem
Sinne des Übergeordneten und Zusammenbindenden und gliederte es
zustimmend in den Kontext seiner voluntaristischen Platoninterpreta-
tion ein. Erst in der Platon-Abhandlung von  erschien das Joch dann
tatsächlich als unterjochend in dem Sinn, dass die Idee des Guten die
Wahrheit beherrscht und damit überformt habe. Indem die aletheia un-
ter das Joch der idea komme, entfalte sich das »Wesen der Wahrheit nicht
als das Wesen der Unverborgenheit aus eigener Wesensfülle«, sondern
verlagere sich auf das Wesen der idea: »Das Wesen der Wahrheit gibt den
Grundzug der Unverborgenheit preis.« (MH b, ). Erst in der spä-
teren Abhandlung wurde Platons Ideenlehre also stringenter als Beginn
des neuzeitlich-metaphysischen Denkens interpretiert und in den Kon-
text von Heideggers Kritik dieser Metaphysik eingeordnet.

 Vgl. Frede, Stichwort Wahrheit, S.  u. S. f.


     

Mit dieser Entwicklung der Kritik des Idealismus ging eine signifikante
Verschiebung in der Bewertung des Subjektivismus einher. Am neuzeit-
lichen Wahrheitsbegriff wurde vom späten Heidegger in erster Linie kri-
tisiert, dass nach ihm die Wahrheit nicht dem Sein selbst entspringe, son-
dern dem Bewusstsein eines Subjekts, das sich dem Seienden gegenüber
stelle. Daraus resultierte Heideggers Kritik am »Humanismus«, wonach
der Mensch »in die Mitte des Seienden rückt« (ebd., ) und dadurch
für die Unverborgenheit des Seins selbst unempfänglich werde: »Kein
Versuch, das Wesen der Unverborgenheit in der ›Vernunft‹, im ›Geist‹,
im ›Denken‹, im ›Logos‹, in irgendeiner Art von ›Subjektivität‹ zu be-
gründen, kann je das Wesen der Unverborgenheit retten.« (Ebd., )
Diese Kritik am ›vor-stellenden‹ Denken des modernen Subjektivismus
stand im Zentrum von Heideggers spätem Ereignis-Denken und seiner
Abkehr von der Subjektphilosophie, wie er sie in »Sein und Zeit« noch
selbst betrieben hatte. In der Platonvorlesung vom Wintersemester /
war diese Subjektkritik aber noch nicht voll ausgebildet. Heidegger ver-
band die Frage nach dem Wesen der Wahrheit hier vielmehr explizit mit
der Frage nach dem »Wesen des Menschen« (MH /, ). Diese
Verbindung von der Frage nach der Wahrheit und der Frage nach dem
Mensch ging dabei mit der ausdrücklichen Aktualisierung von Katego-
rien aus »Sein und Zeit« einher. So betonte Heidegger auch in dieser Vor-
lesung, »dass der Mensch ein Selbst ist, ein Seiendes«, dessen Sein »das-
jenige ist, worum es diesem Seinenden in seinem Sein geht« (ebd., ).
Diese wörtlich aus »Sein und Zeit« stammende Bestimmung wurde von
Heidegger dezisionistisch aufgeladen, da der Mensch als Selbst perma-
nent »über das eigene Sein entscheidet« (ebd., ) und »sich in seinem Sein
überantwortet ist«, das heißt, zur »ständigen Wahl und Entscheidung«
aufgerufen (ebd., ). »Dieser Selbstcharakter des Menschen ist zugleich
der Grund dafür, daß er seine Geschichte hat.« (Ebd., ) Schließlich
aktualisierte Heidegger auch seinen Begriff der »Sorge«, welche nun er-
schien als »Grundart des Menschen, auf Grund deren es so etwas gibt wie
Entschlossenheit, Dienstbereitschaft, Kampf, Herrschaft; Handeln als
Wesensmöglichkeit« (ebd.). Die Wahrheit erschien in diesem Kontext als
»Grundgeschehen im Wesen des Menschen« (ebd., ) und noch nicht
als von jedem »Selbstcharakter« losgelöstes Ereignis des Seins.

 Nicht zufällig hat Heidegger die Abhandlung über »Platons Lehre von der
Wahrheit«  als eine seiner ersten Nachkriegsveröffentlichungen zusammen
mit dem »Brief über dem Humanismus« veröffentlicht, der wiederum als wich-
tigstes Dokument von Heideggers »Kehre« und als Manifest seiner Spätphilo-
sophie gelesen wurde; vgl. dazu unten, Kap. ..
  - -

Anhand dieser Zitate wird deutlich, dass Heideggers aktivistische


Deutung der Wahrheitsfrage in den Jahren  und  die spätere
Wende zur Kritik des Subjektivismus noch nicht vollzogen hat, sondern
in vielem auf den heroischen Existenzialismus von »Sein und Zeit« zu-
rückging. Die Ablösung vom Subjektivismus und die Umdeutung der
eigenen Frühphilosophie ist dagegen ein Prozess, der erst nach  ein-
setzte und mit der Abstandnahme vom revolutionären Tat-Denken des
NS-Engagements einherging. Dieser Prozess wird im folgenden Kapitel
näher untersucht.


. Abschied von der Tat


in der »inneren Emigration« -

.. Auf dem Weg zum anderen Anfang.


Heidegger zwischen Jünger, Nietzsche und Hölderlin
Nach dem Rektorat

Nach  hat Heidegger mehrfach betont, dass er sich mit Niederlegung
des Rektorats gänzlich vom Nationalsozialismus und der nationalsoziali-
stischen Hochschulpolitik abgewandt habe und durch seine philosophi-
sche (Lehr-)Tätigkeit in den »geistigen Widerstand« (MH -,
) gegangen sei: »Seit April  lebte ich außerhalb der Universität
insofern, als ich mich um die ›Vorgänge‹ nicht mehr kümmerte, sondern
nur das Nötigste der Lehrverpflichtung nach meinen Kräften zu erfüllen
versuchte.« (MH , ) Gegenüber Karl Jaspers behauptete er 
ebenfalls, im Frühjahr  »in die Opposition« (MH/KJ, ) gegangen
zu sein. Bereits da habe er den wahren Charakter des Nationalsozialismus
erkannt, der dann mit den Mordaktionen des sogenannten »Röhm-
Putschs« vom . Juni  vollends zu Tage getreten sei. »Wer nach die-
ser Zeit noch ein Amt in der Leitung der Universität übernahm, konnte
eindeutig wissen, mit wem er sich einließ.« (MH , )
Allerdings hat sich auch Heidegger noch nach dem Juni  mit Ver-
tretern des NS-Regimes eingelassen. Am deutlichsten belegt dies seine
Stellungnahme zur Errichtung einer Dozentenakademie, die schon zu
Heideggers Rektoratszeiten zu seinen bevorzugten Projekten gehört hatte.

 Bei anderer Gelegenheit hat Heidegger allerdings zugestanden, sich erst  end-
gültig vom NS distanziert zu haben. So erinnert sich der Pädagoge Heribert
Heinrichs in seinem Tagebuch an einen Spaziergang mit Heidegger am . Okto-
ber , bei dem dieser von sich aus über sein NS-Engagement berichtet habe.
Er habe, so Heidegger bei diesem Gespräch, »seit  das totale Verhängnis er-
kannt und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus radikal revidiert«,  sei ein
»Wendejahr« in seinem Leben gewesen (zit. n. Vietta, Heideggers Kritik, S. ).
Tatsächlich sprechen auch andere Indizien für eine folgenreiche persönliche Krise
/ (vgl. MH/KJ, ), die sich etwa auch bei seiner Beschäftigung mit
Nietzsche zeigte, der ihn, so Heidegger, »kaputtgemacht« habe (vgl. Müller-Lau-
ter, Heidegger, S. ff.). Es erscheint allerdings als müßig, nach einem Moment
des radikalen Wandels zu suchen. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist eher
von einem schrittweisen Distanzierungsprozess auszugehen.
 Zu Beginn des Jahres  galt Heidegger wohl auch als aussichtsreicher Kandi-
dat für die Leitung der einzurichtenden Dozentenakademie; vgl. dazu und zum
Folgenden Farías, Heidegger, S. -.
     -

Als er im August  vom Staatssekretär im Preußischen Ministerium


für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Wilhelm Stuckart, ne-
ben anderen Professoren um seine Meinung zu einem entsprechenden
Entwurf gebeten wurde, sandte er einen sechsseitigen Kommentar, in
dem er detaillierte Vorschläge zur Gestaltung einer solchen Dozenten-
schule machte (MH -, -). Zu den wichtigsten Aufgaben
der »Erziehung zum Lehrersein« gehöre das »Umdenken der bisherigen
Wissenschaft aus den Fragerichtungen und Kräften des Nationalsozialis-
mus« (ebd., ). Die jungen Dozenten müssten in der klosterähnlichen
»Schulgemeinde« in den Stand versetzt werden, »als Nationalsozialisten
des Geistes die Revolution der Wissenschaft von innenher [sic] vorzube-
reiten« (ebd., ).
Außerdem gehörte Heidegger auch nach  noch einem Ausschuss
der »Akademie für Deutsches Recht« an und seine Unterschrift fand sich
im August  unter einer Erklärung »deutscher Wissenschaftler« zur
Unterstürzung Hitlers. Insgesamt relativiert sich durch die Forschungen
unter anderem von Hugo Ott und Victor Fariás, Thomas Laugstien und
George Leaman das von Heidegger selbst gezeichnete Bild nachhaltig,
wonach er ab  vom Regime bespitzelt und befeindet, von Ernst
Krieck und Alfred Baeumler bekämpft und von der Beteiligung an Aus-
landskongressen sowie von Publikationsmöglichkeiten ausgeschlossen
worden sei. Es trifft durchaus zu, dass vor allen Dingen die Konkurren-
ten Baeumler und Krieck Heideggers Einfluss ab  einzuschränken
suchten und dass er auch von anderen Parteistellen kritisch beobachtet
und zum Teil schikaniert wurde. Andererseits begab er sich  mit Bil-
ligung des Karlsruher Ministeriums auf eine Vortragsreise nach Rom,

 Heideggers Sehnsucht nach einer klösterlichen Konzentration des Denkens fin-


det sich noch ein Jahr später in einem Brief an Kurt Bauch vom . August :
»Worunter ich seit jeher leide, u. in den letzten Jahren mehr denn je, ist die Form-
losigkeit unseres ›geistigen‹ Daseins. Wir brauchen nur in wesentlich verwandelter
Gestalt das ›Kloster‹ der Jesuiten, nicht die Übertragung halbmilitärischer For-
men auf ›geistige‹ Schulung, sondern die Strenge u. ständige Bewährungsweise
des Wissensdienstes. Aber dazu gehört auch die Einfachheit, d. h. hier Wesent-
lichkeit u. Unbedingtheit der Aufgaben u. Fragen.« (M. Heidegger an K. Bauch,
.., Privatbesitz) Wie aus den Briefen an Elisabeth Blochmann hervorgeht,
hatte Heidegger in den Jahren vor  tatsächlich mehrere längere Klausurauf-
enthalte im oberschwäbischen Kloster Beuron verbracht (vgl. MH/EB,  u. ).
 Vgl. Farías, Heidegger, S. f., -.
 Vgl. Ott, Unterwegs, S. -; Farías, Heidegger, S. -; Laugstien, Philo-
sophieverhältnisse; Leaman, Heidegger.
 Wo er, wie sich Karl Löwith erinnerte, das Parteiabzeichen auch bei privaten Be-
suchen nicht ablegte; Löwith, Mein Leben, S. .
  , ,  

konnte mehrere Texte veröffentlichen und erhielt noch  die Zustim-
mung der Regierung zu seiner Beurlaubung im Wintersemester /,
welche der Vorbereitung des zweiten Bandes von »Sein und Zeit« dienen
sollte. In der heute in Frankreich aufbewahrten Akte des Sicherheits-
dienstes (SD) des Reichsführers SS über Martin Heidegger findet sich
ein »Fragebogen zur politischen Beurteilung« Heideggers vom . Mai
, in dem er nach wie vor als politisch zuverlässig eingestuft wurde.
Dem Eindruck einer ambivalenten und partiell bleibenden Margina-
lisierung Heideggers im Kontext der NS-Wissenschaftspolitik entspricht
die Ambivalenz von Heideggers inhaltlicher Distanzierung von seinem
NS-Engagement. Auch diese erfolgte nicht aufgrund einer schlagartigen
Erkenntnis des eigenen politischen Irrtums, sondern als langwieriger »Pro-
zeß einer eigentümlich uneinsichtigen Enttäuschungsverarbeitung«. Im
Sommer  war auch davon im Übrigen noch wenig zu bemerken.
Ende Mai, also unmittelbar nach Niederlegung des Rektorats, betonte
Heidegger bei einem Klassentreffen in Konstanz noch immer die not-
wendige »Umerziehung« und »völlige Umschaffung des ganzen Gefüges
des Volkes« (MH -, ) angesichts der »neue[n] Bewegung, die
durch dieses Volk« (ebd., ) gehe. Mitte August hielt er zwei Vorträge
bei den sogenannten »Ausländerkursen« der Freiburger Universität, in
denen er erneut von der »großen Umwälzung« sprach, die vermittels der
»nationalsozialistischen Revolution« »durch das ganze geschichtliche Da-
sein unseres Volkes hindurchgreift« (ebd., ). Er erklärte hier ein wei-
teres Mal die Notwendigkeit der »Selbstbehauptung« (ebd., ) der Uni-
versität angesichts der »Entwurzelung der Wissenschaften« (ebd., ),
welcher durch die erneute Weckung des »Erziehungswille[ns]« (ebd., )
zu begegnen sei, so wie das »Wesen der nationalsozialistischen Revolu-
tion« selbst in der »innere[n] Umerziehung des ganzen Volkes zu dem
Ziel, seine eigene Einigkeit und Einheit zu wollen« (ebd., ), bestehe.
Im November  wiederholte Heidegger schließlich auch seine Recht-
fertigung des Austritts aus dem Völkerbund von , wenn auch jetzt
mit einer stärkeren Betonung der gemeinsamen Front des »Abendlands«
gegen das »Asiatische« (ebd., ).
Bekenntnisse dieser Art fanden sich ab  nicht mehr in solch ein-
deutiger Form. Seit dieser Zeit wuchs Heideggers Kritik am nationalsozi-

 Vgl. Farías, Heidegger, S. f.


 Vgl. zu dieser Akte, aus der auch für die Kriegsjahre hervorgeht, dass Heidegger
zwar von Krieck befeindet, von anderen Stellen der NS-Führung aber durchaus
nicht als politischer Gegner wahrgenommen wurde, Faye, Heidegger, S. -.
 Habermas, Heidegger, S. .
     -

alistischen Regime und seiner Herrschaftspraxis, die allerdings von der


Warte eines »wahren« Nationalsozialismus aus erfolgte, der durch die
reale Entwicklung verraten worden sei. Heidegger distanzierte sich in der
zweiten Hälfte der er Jahre also nicht vom Nationalsozialismus als
solchem. Vielmehr blieben die meisten seiner Positionen mit bestimmten
Strömungen innerhalb des in sich pluralen Nationalsozialismus kompa-
tibel. Allerdings relativierte Heidegger seine öffentliche Zustimmung zu
dem Regime, das seine Erwartungen enttäuscht hatte, und korrigierte
seine eigenen Vorstellungen von der praktischen und politischen Bedeu-
tung der Philosophie.
Die schrittweise Umdeutung der metaphysischen Stellung des Natio-
nalsozialismus, die mit Umdeutungen von Heideggers eigener philoso-
phischer Position und seinem Verhältnis zur Geschichte der Metaphysik
einherging, wurde im vorigen Kapitel mit den Hinweisen zur Wahrheits-
frage bereits angedeutet. Sie bestand vor allen Dingen in einer weiteren
Ausdifferenzierung von Heideggers Darstellung der Philosophiegeschichte
als Verfallsgeschichte, bei der sich aber der Stellenwert der Metaphysik
entscheidend wandelte. Während Heidegger  noch verlangte, das Volk
müsse »seine Metaphysik erst gewinnen« (MH b, ), zielte er Ende der
er Jahre auf eine »Überwindung der Metaphysik« (MH /b).
Diese Entwicklung, die im Folgenden genauer dargestellt wird, ist in
den Vorlesungen und Schriften der er und frühen er Jahre doku-
mentiert. Zu den wichtigsten gehören die Vorlesungen und Abhand-
lungen über Nietzsche und Hölderlin, die Vorlesung »Einführung in die
Metaphysik« von , die zu Heideggers Lebzeiten unveröffentlichten
»Beiträge zur Philosophie« von - mit zugehörigen Aufzeichnungen
sowie einzelne Abhandlungen wie etwa »Der Ursprung des Kunstwerkes«
von  oder »Die Zeit des Weltbildes« von , die  in den »Holz-
wegen« veröffentlicht wurden. Besonders deutlich zeigt sich Heideggers
Positionswechsel in seiner Auseinandersetzung mit Ernst Jünger. Denn
während er sich zur Zeit seines nationalsozialistischen Engagements po-
sitiv auf Jüngers Vision eines totalen Arbeitsstaates berief, entwickelte er
gegen Ende der er Jahre eine Interpretation von dessen Theorie des
Arbeitszeitalters, die in erster Linie auf dessen Überwindung gerichtet
war. Dieser Wandel verband sich mit einem Wechsel von Heideggers
»Helden«. In »Sein und Zeit« hatte er gefordert, »daß das Dasein sich
seinen Helden wählt«, um sich in seine »kämpfende Nachfolge« stellen
zu können (MH , ).  befand sich Heidegger, so lässt sich ar-
gumentieren, in der kämpfenden Nachfolge Nietzsches und damit auf
einer Linie mit dem Ernst Jünger der er Jahre. Die Abkehr von dieser
Nachfolge ging mit der Wahl eines neuen Helden einher: Friedrich Höl-
  , ,  

derlins. Um diesen Heldenwechsel genauer untersuchen zu können,


muss zunächst die Bedeutung von Jüngers »Arbeiter« für Heideggers NS-
Engagement näher beleuchtet werden.

Heidegger und der »Arbeiter«


in der nationalsozialistischen Revolution

Auf die Analogien von Heideggers »heroischem Existenzialismus« und


dem »heroischen Realismus« der Brüder Jünger ist bereits mehrfach
hingewiesen worden. Ähnlich wie die Brüder Jünger berief sich Heideg-
ger dabei noch in den eben herangezogenen Vorträgen vom Mai und
August  auf Ereignis und Erlebnis des Ersten Weltkriegs, dessen Tote
– deren »Opfer für das Schicksal des Volkes« der »schönste und größte
Tod« (MH -, ) gewesen sei – den Überlebenden den Auftrag
zur Erneuerung ihrer »volkhaften Ordnung« (ebd., ) erteilen würden:
»Nicht wir rufen durch Erinnerung unsere Toten […], sondern umge-
kehrt sie – die Toten – zwingen uns zur Entscheidung und Bewährung.«
(Ebd., ) Durch das »Erwachen des Frontgeistes im Kriege« (ebd., )
habe dieser die »eigentliche Vorbereitung der nationalsozialistischen Re-
volution« (ebd., ) bewirkt. Denn der »Frontgeist ist der wissende
Wille zu einer neuen Gemeinschaft« (ebd., ), die als Kameradschaft
auf dem »lebendige[n] Verhältnis von Gefolgschaft und Führerschaft«
(ebd., ) gründe. »Das Wesen der nationalsozialistischen Revolution
besteht darin, daß Adolf Hitler jenen neuen Geist der Gemeinschaft zur
gestaltenden Macht einer neuen Ordnung des Volkes erhöht und durch-
gesetzt hat.« (Ebd., ) Diese neue Ordnung des Volkes im Geiste der
Frontgemeinschaft erhalte ihre »wahrhafte Gliederung und Geschlossen-
heit« aber nun dadurch,
»daß das Tun und Lassen jedes Einzelnen, jeder Gruppe und jedes
Standes als Arbeit begriffen wird. Das Wort ›Arbeit‹ bekommt durch
den neuen Geist der Gemeinschaft allerdings einen anderen und erst
echten Sinn. Der ›Arbeiter‹ ist nicht, wie der Marxismus wollte, der
bloße Gegenstand der Ausbeutung durch die herrschende Klasse. […]
Arbeit ist jedes wissentliche Tun und Handeln aus der Sorge für das
Volk in der Bereitschaft zum Staatswillen.« (Ebd., f.)
Mit dieser Argumentationskette hat Heidegger ganz ähnlich wie Ernst
Jünger aus der Berufung auf das Kriegserlebnis einen neuen und anti-
marxistischen Begriff der »Arbeit« und des »Arbeiters« gewonnen, der zur
Grundlage des nachbürgerlichen Führerstaats werden sollte. Die gleiche
     -

Argumentationsfigur durchzog bereits die Reden und Ansprachen Hei-


deggers während der Zeit seines Rektorats. Das ließe sich zunächst allge-
mein auf die antimarxistische Arbeiterrhetorik der NSDAP zurückführen,
die als nationalsozialistische Arbeiterpartei die Arbeiterschaft gewinnen
und in die Volksgemeinschaft integrieren wollte. Dass Heidegger diese
Propaganda der Arbeit in seinen politischen Reden aufnahm, bedeutet
daher noch nicht zwangsläufig, dass er dazu durch Jüngers »Arbeiter«
veranlasst worden ist. Dieser direkte Bezug wird allerdings nicht nur
durch formale und inhaltliche Analogien nahegelegt. Heidegger hat ihn
sowohl  als auch im Rückblick auf seine Rektoratszeit selbst explizit
hergestellt. So erklärte er bei seiner Rede zur »feierlichen Immatrikula-
tion« am . November  in Freiburg:
»Ernst Jünger hat neuerdings aus einem schöpferischen Verständnis
Nietzsches heraus und auf Grund der Erfahrung der Materialschlacht
im Weltkrieg die heraufkommende Seinsart des Menschen des näch-
sten Zeitalters durch die Gestalt des Arbeiters schlechthin gedeutet.
Die Arbeit versetzt und verfügt das Volk in das Wirkungsfeld aller
wesentlichen Mächte des Seins. Das in der Arbeit und als Arbeit sich
gestaltende Gefüge des völkischen Daseins ist der Staat. Der national-
sozialistische Staat ist der Arbeitsstaat. Weil der neue Student sich an-
gesetzt weiß für die Durchsetzung des völkischen Wissensanspruchs,
deshalb ist er Arbeiter.« (Ebd., )
Mit dieser Äußerung brachte Heidegger seine eigene Vision des national-
sozialistischen Staates mit Jüngers Vision des Arbeitsstaates affirmativ zur
Deckung. Deutlich erkennbare Anleihen nahm Heidegger zudem dort
bei Jünger, wo er den neuen »Schlag von Studenten« als Typus beschrieb
und »die Festigkeit ihrer Gesichtszüge, die Rücksichtslosigkeit ihrer
Rede, ihren stählernen Charakter« hervorhob. So wie für Jünger war
auch für Heidegger die idealtypische Gegengestalt des neuen Arbeiters
der Bürger: »Wer ist das – der neue deutsche Student? Etwa ein ›akade-
mischer Bürger‹? Natürlich nicht. Der deutsche Student geht jetzt durch
den Arbeitsdienst; er steht bei der SA; er treibt Geländedienst. […] Das
Studium hat jetzt den Namen ›Wissensdienst‹.« (Ebd., ) Wie Jünger
verstand Heidegger »Arbeit« nicht einfach als eine bestimmte Art von
Tätigkeit, sondern als neue »Seinsart«, die das Leben von Grund auf präge.
So erklärte er am . November  in Tübingen: »Der Mensch stellt
sich als Arbeiter in Auseinandersetzung mit dem Seienden im Ganzen

 Vgl. Wege, Kult der Arbeit.


 Zit. n. Martin (Hg.), Kompendium, S. .
  , ,  

[…]. Das so verstandene Wesen der Arbeit bestimmt das Dasein der
Deutschen, und vielleicht das Dasein des Menschen der Erde überhaupt.
Unser Dasein beginnt, sich in eine andere Seinsart zu verwandeln.«
(Ebd.)
In der Vorlesung vom Wintersemester / definierte Heidegger
das »Wesen der Arbeit« in ähnlicher Weise als das, »was den Vollzug der
Weltbemächtigung im Kleinsten und Größten als Ermächtigung unseres
Daseins durchwaltet« (MH /, ). Dieses weitreichende Verständ-
nis von Arbeit erlaubte es Heidegger, sie an seine Begriffe von Volk und
Staat zu koppeln und darin die Verwirklichung der schon  herbei-
gewünschten »wurzelhaften Einheit eines wesentlichen Handelns« (MH
/, ) mit anderen zu sehen: »›Arbeit‹ ist uns der Titel für jedes
wissentlich geregelte Tun und Handeln, das von der Verantwortung des
Einzelnen der Gruppe und des Staates getragen wird und so dem Volke
dienstbar ist.« (MH -, )
Neben diesen deutlichen Analogien zu Ernst Jünger war Heideggers
Rhetorik der Arbeit allerdings insgesamt durch einen anderen Schwer-
punkt geprägt, der mit seiner Position als Professor und Hochschulange-
höriger zusammenhing. Denn in seiner Eigenschaft als Universitätsrektor
und in seinem Selbstverständnis als radikaler Universitätsreformer muss-
te es Heidegger in erster Linie darum gehen, die akademische Tätigkeit in
den Rang einer national bedeutsamen Arbeit zu erheben, oder, um es in
seinen eigenen Worten zu sagen, »zwischen dem Arbeiter der ›Faust‹ und
dem Arbeiter der ›Stirn‹ eine lebendige Brücke zu schlagen« (ebd., ).
Noch auf eine andere Weise als bei Jünger gehörte Heideggers Apotheose
der »Arbeit« daher in den Problemzusammenhang des intellektuellen
Antiintellektualismus und stellte eine bewusste Bearbeitung des Geist-
Tat-Problems dar. Sie war der Versuch einer Antwort auf die sich 
stellende Frage, »wie man sich als Wissenschaftler, Intellektueller, Akade-
miker mit einer Ideologie und Praxis arrangieren oder sogar solidarisieren
konnte, die erklärtermaßen wissenschafts-, intellektuellen und akademi-
kerfeindlich war«.
Heideggers Antwort auf diese Frage bestand in einer Gleichsetzung:
Echte geistige Tätigkeit sei Arbeit, und echte Arbeit müsse geistig in dem
Sinn sein, dass sie von Wissen getragen und angeleitet werde. Daher sei
jede Arbeit als »wissentliche[s] Tun und Handeln« etwas »Geistiges« (ebd.,
): »Die Leistung des Erdarbeiters ist im Grunde nicht weniger geistig
als das Tun des Gelehrten« (ebd., ), was umgekehrt bedeutet, dass das

 Franzen, Existenzialontologie, S. .


     -

Tun des Gelehrten nicht weniger Arbeit ist als das des Handwerkers.
Folglich wollte Heidegger auch nicht mehr zwischen »Gebildeten« und
»Ungebildeten« unterscheiden, sondern nur noch »zwischen echtem Wis-
sen und Scheinwissen« (ebd., ). Wissen wird so zum Bindeglied und
zum Gleichstellungsmerkmal zwischen Arbeiten und Denken: »›Die Ar-
beiter‹ und die ›wissenschaftlich Wissenden‹ sind keine Gegensätze. Jeder
Arbeiter ist je in seiner Weise ein Wissender und nur als Wissender kann
er überhaupt arbeiten. […] und umgekehrt: jeder wissentlich Handelnde
und wissenschaftlich Entscheidende ist Arbeiter« (ebd., ). Die prak-
tische Konsequenz dieser Gleichsetzung war, dass Heidegger als Rektor
sowohl den Arbeitseinsatz von Studenten förderte als auch universitäre
Schulungskurse für Notstandsarbeiter durchführen ließ.
In dieser Gleichsetzung blieb Heideggers ständische Konzeption aller-
dings begrifflich unpräzise. Einerseits ist klar erkennbar, dass sein Begriff
der Arbeit eine die Klassengegensätze aufhebende Integrationsfunktion
haben sollte: »Arbeiter und Arbeit, wie der Nationalsozialismus diese
Worte versteht, trennt nicht in Klassen, sondern bindet und einigt die
Volksgenossen und Stände in den einen großen Willen des Staates.« (Ebd.,
) Heidegger betonte deshalb an anderer Stelle: »Es gibt nur einen ein-
zigen deutsche ›Lebensstand‹. Das ist der in den tragenden Grund des
Volkes gewurzelte und in den geschichtlichen Willen des Staates frei
gefügte Arbeitsstand, dessen Prägung in der Bewegung der nationalsozia-
listischen deutschen Arbeiterpartei vorgeformt wird.« (Ebd., ) An-
dererseits sprach Heidegger wiederholt von der inneren Gegliedertheit
dieses Arbeitstands. »Arbeit« sollte gerade nicht eine gleichmacherische
Kategorie sein, sondern jede echte Tätigkeit war für Heidegger nur da-
durch Arbeit, dass sie es an dem ihr zugewiesenen Platz war: »Bauern und
Handwerker, Bergleute und Ingenieure, Gelehrte und Soldaten [stehen]
durch ihren Arbeitskreis je in einem eigenen Rang und Stand. Und alle
Stände sind in ihrer Arbeit getragen und geführt von der Sorge um die
geschichtliche Bestimmung des Volkes.« (Ebd., ) Dieser Betonung des
ständischen Prinzips entsprach auch Heideggers Definition des »deut-
schen Sozialismus«, der gerade nicht »öde Gleichmacherei« bedeute: »Der
deutsche Sozialismus ist der Kampf um die Maßstäbe und Gesetze der
unserem Volke wesensmäßigen Ordnungen; der deutsche Sozialismus will
Rangordnung nach innerer Bewährung und Leistung; er will die Unbe-
dingtheit des Dienstes und die unantastbare Ehre jeder Arbeit.« (Ebd., f.)

 Vgl. MH -, f. u. -.


 Mit dieser Formulierung knüpfte Heidegger auch an die drei Dienste aus der
Rektoratsrede an, die ebenfalls ständisch verstanden werden können. Heideggers
  , ,  

Obwohl »Rang« und »Dienst« auch zu den Zentralvokabeln Ernst


Jüngers gehörten, lag in der Frage der ständischen Gliederung der Dienste
doch ein signifikanter Unterschied zwischen Heideggers Idee des deut-
schen Sozialismus und Jüngers Vision des Arbeitszeitalters. Während in
Jüngers Arbeitslandschaft die Uniformierung der Lebensverhältnisse zur
Einebnung der alten Standesgrenzen geführt hatte und der neuen Masse
der Arbeiter lediglich eine kleine Elite von Arbeitsaristokraten voran
ging, war Heideggers Modell der drei Dienste und der nationalen Arbeit
stärker an klassisch konservativen Ständevorstellungen orientiert. Bei
Heidegger blieb der Handwerker auch als Arbeiter Handwerker, wobei
seiner Tätigkeit durch ihren Rang als Arbeit nur eine neue nationale Be-
deutung zuwuchs. Bei Jünger verwandelte sich dagegen der Charakter
der Arbeit tatsächlich in ihrer Gestalt derart, dass sie nicht mehr sinnvoll
als Handwerk bezeichnet werden konnte.
Dieser Unterschied kommt am deutlichsten bei der Bewertung der
modernen Technik zum Ausdruck. Während bei Jünger die Technik als
»Art und Weise, in der die Gestalt des Arbeiters die Welt mobilisiert«
(EJ , ), einen zentralen Stellenwert bei der Gestaltung der Arbeits-
welt und damit auch des Arbeitsstaats einnahm, stand ihr Heidegger von
Anfang an kritisch gegenüber. Während in »Sein und Zeit« das Konzept
der »Zuhandenheit« in erster Linie anhand der »Werkwelt« des (vormo-
dernen) Handwerks entwickelt wurde und die Technik keine nennens-
werte Rolle spielte, nannte sie Heidegger  »eine entfesselte Bestie«,
die »in die ›Welt‹ hineinwütet« (MH , ). Diese skeptische Hal-
tung gegenüber der Technik revidierte Heidegger auch im Moment seiner
nationalsozialistischen Aufbruchseuphorie nur geringfügig. In derselben
Rede vom . November , in der er sich auf Jünger berief und den
deutschen Student als Arbeiter definierte, kam Heidegger zu einer vor-
sichtigen Bejahung der »echten Technik«, die allerdings der gesunden
Natur dienstbar gemacht werden müsse:
»So wird z. B. die Natur offenbar als Raum eines Volkes, als Landschaft
und Heimat als Grund und Boden. Die Natur wird frei als Macht und
Gesetz jener verborgenen Überlieferung der Vererbung wesentlicher
Anlagen und Triebrichtungen. Die Natur wird maßsetzende Regel als
Gesundheit. Je befreiter die Natur waltet, um so großartiger und ge-
bändigter ist die gestaltende Macht der echten Technik ihr dienstbar zu
machen.« (MH -, f.)

Nähe zu einem konservativen ständestaatlichen Modell drückte sich zudem in


seiner Betonung der Bedeutung des Staates aus, der das Volk in seine Form fügen
sollte.
     -

Dieser Entwurf einer »echten Technik« erscheint eher zurückhaltend.


Deutlicher dagegen war die Annäherung an nationalsozialistische Vor-
stellungen von Erbgesundheit und »Gesundung des Volkskörpers« (ebd.,
), an die »erd- und bluthaften Kräfte« (MH a, ), die Heidegger
schon in der Rektoratsrede beschwor. Wie etwa auch an der Berufung auf
Albert Leo Schlageter und dessen schwarzwälderische »Heimatberge«
und »Heimatwälder« (MH -, ) deutlich wird, sollte die nati-
onale Revolution in erster Linie ein neues Verhältnis zur Natur stiften. So
beklagte Heidegger auch in der Vorlesung vom Wintersemester /,
dass die Technik in der Neuzeit zwischen den Menschen und die Natur
geschoben habe (MH /, f.). Die nationalsozialistische Revoluti-
on sollte dazu beitragen, diese Vormachtstellung der Technik zu brechen
und Natur und Mensch wieder in ein ausgewogenes Verhältnis zueinan-
der zu setzen.
Anders als bei Jünger war das primäre ideologische Bezugssystem für
Heideggers Begriff der (nationalsozialistischen) Arbeit also nicht die
Technik, sondern die »Erde«, sowohl im Sinne der konservativen Agrar-
romantik wie des völkischen Denkens. Dass Heidegger beim »Arbeiter«
nur bedingt an den Industriearbeiter dachte, zeigte sich etwa dort, wo er
von dem »Wissen des Bauern, des Holzfällers, des Erd- und Grubenar-
beiters, des Handwerkers« sprach, das dem »Wissen der echten Wissen-
schaft« (MH -, ) gleichgestellt sei. Seine Kritik der »Ver-
städterung« (ebd., ) kam nicht nur in seiner Ablehnung des Rufs nach
Berlin zum Ausdruck, die er im Herbst  in einer Rundfunkrede mit
dem Titel »Schöpferische Landschaft. Warum bleiben wir in der Pro-
vinz?« (MH c) rechtfertigte. Sie äußerte sie etwa auch in seiner Rede
zur Eröffnung der oben erwähnten universitären Schulungskurse für
»Notstandsarbeiter«, in der er als ein Ziel der Errichtung der Volksge-
meinschaft definierte, dass der »deutsche Mensch« »dem Boden und
Land in der Siedlung zurückgegeben werden soll« (MH -, ).
Heidegger war also nicht im selben Ausmaß »reaktionärer Modernist«
wie Ernst Jünger und ist im Spannungsfeld der uneinheitlichen NS-Posi-
tionen zur technischen Moderne eher dem völkisch-reaktionären Lager
zuzurechnen. Daraus lässt sich allerdings noch nicht folgern, dass er mit

 Vgl. Thomä, Zeit des Selbst, S. -.


 Vgl. zu Heideggers »Bodenständigkeit« und dem völkisch-›erdhaften‹ Leitmotiv
seines politischen Denkens Bambach, Heidegger’s Roots.
 Vgl. Herf, Reactionary Modernism, S. -, der in seiner Einordnung Heideg-
gers daher unentschlossen bleibt; dazu und zu den ideologischen Widersprüchen
innerhalb des NS auch Losurdo, Gemeinschaft, S. -.
  , ,  

seinem NS-Engagement von Anfang an dem von Jünger im »Arbeiter«


prognostizierten und propagierten technischen Nihilismus habe entge-
genarbeiten wollen, wie er selbst später behauptete und wie etwa auch
Michael Zimmerman annimmt. Diese Interpretation folgt vorschnell
Heideggers eigener späterer Darstellung. Tatsächlich scheint Heidegger
 die Widersprüche zwischen technischer Mobilisierung und »erd- und
bluthaften Kräften« (MH a, ) noch gar nicht als solche thematisiert
oder überhaupt wahrgenommen zu haben. Seine positive Bezugnahme
auf Jüngers »Arbeiter« im November  legt vielmehr den Schluss nahe,
dass er im Begriff der Arbeit zunächst eine Lösung fand für das ihn seit
 beschäftigende Problem des Übergangs vom Geist zur Tat. Mit Jün-
ger betonte er im Begriff der Arbeit den Willen zum tätigen Einsatz, zur
Ein- und Unterordnung in die Volksgemeinschaft und zum Aufbau des
Staats als Arbeits- und Machtstaat.
Nach  war es dann allerdings genau die  noch ungelöste Span-
nung zwischen »Erde« und »Technik«, die es Heidegger erlaubte, sich
durch eine Kritik des technischen Nihilismus von seinem Engagement für
den Nationalsozialismus zu distanzieren. Er vereindeutlichte den ideolo-
gisch in dieser Hinsicht uneindeutigen Nationalsozialismus in Richtung
auf seine technokratische Ausprägung und konnte das eigene Bezugs-
system der »Erde« auf diese Weise von der (Selbst-)Kritik ausnehmen
und für sich retten. Die Auseinandersetzung mit Jüngers »Arbeiter« in
den späten er Jahren diente ihm zur Ausformulierung dieser Denk-
und Abstandsbewegung.

 Vgl. Zimmerman, Heidegger’s Confrontation, S. -; ders., Ontological


Aestheticism.
 Vgl. dazu auch Palmier, Écrits politiques. Palmier wies als einer der ersten auf die
Bedeutung von Jüngers »Arbeiter« für Heideggers politisches Engagement /
hin und konzentrierte einen gewichtigen Teil seiner Darstellung auf die »Begeg-
nung« von Jünger und Heidegger (S. -), machte dabei aber denselben Feh-
ler wie Zimmerman, Heideggers eigener späteren Darstellung zu folgen und bereits
sein NS-Engagement aus dem Horizont der späteren Nihilismuskritik zu erklä-
ren.
 Vgl. Thomä, Zeit des Selbst, S. f.; zur ausufernden Debatte über die (techni-
sche) Modernität des NS, auf die hier nur verwiesen werden kann, den neueren
Überblick bei Bavaj, Ambivalenz.
     -

Heideggers Auseinandersetzung mit Ernst Jünger /

In seiner Rechtfertigungsschrift »Das Rektorat. Tatsachen und Gedan-


ken« von  betonte Heidegger selbst den prägenden Einfluss, den Jün-
gers Schriften auf seine damalige Bewertung der politischen und ge-
schichtlichen Lage hatten, und schilderte seine frühe Auseinandersetzung
mit Jünger:
»Im Jahre  war Ernst Jüngers Aufsatz über ›Die totale Mobilma-
chung‹ erschienen; in diesem Aufsatz kündigten sich die Grundzüge
des  erschienenen Buches ›Der Arbeiter‹ an. In kleinem Kreis habe
ich damals mit meinem Assistenten Brock diese Schriften durchge-
sprochen und zu zeigen versucht, wie sich darin ein wesentliches Ver-
ständnis der Metaphysik Nietzsches ausspricht, insofern im Horizont
dieser Metaphysik die Geschichte und Gegenwart des Abendlandes
gesehen und vorausgesehen wird. Aus diesen Schriften und noch we-
sentlicher aus ihren Grundlagen denkend, dachten wir das Kommende,
d. h. wir versuchten, ihm zugleich in der Auseinandersetzung zu begeg-
nen. […] Im Winter / habe ich dann noch einmal mit einem
Kreis von Kollegen Jüngers Buch ›Der Arbeiter‹ teilweise durchgespro-
chen und erfahren, wie damals noch diese Gedanken fremd waren
und noch befremdeten, bis sie durch ›die Tatsachen‹ bestätigt wurden.
Was Ernst Jünger in den Gedanken von Herrschaft und Gestalt des
Arbeiters denkt und im Lichte dieses Gedankens sieht, ist die univer-
sale Herrschaft des Willens zur Macht innerhalb der planetarisch ge-
sehenen Geschichte.« (MH , f.)
In seinem Festschriftenbeitrag für Jünger von  bezog sich Heidegger
erneut auf sein »Arbeiter«-Kolloquium von / und erhob es noch
deutlicher in den Status einer geistigen Widerstandstätigkeit, die sogar
von NS-Funktionären verboten worden sei:
»Im Winter  und  erläuterte ich in einem kleinen Kreis von
Universitätslehrern den ›Arbeiter‹. Man staunte, daß ein so hellsichti-
ges Buch seit Jahren vorlag und man selber noch nicht gelernt hatte,
einmal den Versuch zu wagen, den Blick auf die Gegenwart in der
Optik des ›Arbeiters‹ sich bewegen zu lassen und planetarisch zu den-
ken. […] Man las damals eifrig die ›Marmorklippen‹, aber, wie mir
schien, ohne den hinreichend weiten, d. h. planetarischen Horizont.
Man war aber auch nicht überrascht, daß ein Versuch, den ›Arbeiter‹
zu erläutern, überwacht und schließlich unterbunden wurde. Denn es
gehört zum Wesen des Willens zur Macht, das Wirkliche, das er be-
  , ,  

mächtigt, nicht in der Wirklichkeit erscheinen zu lassen, als welche er


selber west.« (MH , )
Wie bereits gezeigt worden ist, hat Heideggers Jüngerlektüre zu Beginn
der er Jahre seine Einschätzung der politischen Lage tatsächlich be-
einflusst, allerdings gerade nicht in Richtung einer Kritik des Willens zur
Macht der Nationalsozialisten. Diese setzte erst im Laufe der er Jahre
ein. Ihre Ausformulierung am Ende der er Jahre lässt sich anhand
der Aufzeichnungen »Zu Ernst Jünger« von / genauer betrach-
ten. Darin interpretierte Heidegger Jünger bereits in der  angege-
benen Weise, nämlich als wesentlichen, ja als »einzige[n] echte[n] Nach-
folger Nietzsches« (MH /, ), der im Ersten Weltkrieg die
Manifestation des von Nietzsche gedachten »Willens zur Macht« erkannt
und Nietzsches Denken von diesem grundlegenden Verständnis aus in
das kriegerische . Jahrhundert übersetzt habe:

 Die Heidegger-Akte des SD enthält allerdings keine Erwähnung dieses Jünger-


Seminars oder gar davon, dass es überwacht und unterbunden worden wäre; vgl.
Faye, Heidegger, S. . Auch an anderer Stelle hat sich bisher kein Beleg für die
Behauptung Heideggers gefunden.
 Leider finden sich für den Wandel von Heideggers Jüngerrezeption im Laufe der
er Jahre nur wenige Quellen. Einen Hinweis darauf, dass Heidegger seine
Kritik an der Unzulänglichkeit der nationalsozialistischen Bewegung  noch
im Geiste von Jüngers Totalisierung übte, gibt ein Brief an Kurt Bauch vom
. August : »Mir scheint, E. Jüngers Vision bestätigt sich über das hinweg
oder unter dem her, was sonst als ›Bewegung‹ passiert u. immer kleinbürgerlicher
wird. Diese ›Vereinfachung‹ des Daseins, die doch offenbar im Gesamten etwas
Neues ist, wird notwendig sein, wenn unsere Welt gelingen soll, die freilich etwas
ganz anderes ist als ein geistiger Anbau, ›geistig‹ aber ganz anders hart u. gerüstet
sein muß als das, was heute als ›Weltanschauung‹ herumgeboten wird.« (M. Hei-
degger an K. Bauch, .., Privatbesitz)
 Vgl. MH /. Die aus dem Nachlass veröffentlichten Aufzeichnungen »Zu
Ernst Jünger« stammen zwar aus einer mit »/« datierten Nachlassmappe,
was den Eindruck erweckt, sie seien zwischen  und  kontinuierlich ent-
standen. Aus der inhaltlichen Ausrichtung sowie aus dem Verweis auf andere Tex-
te Heideggers der späten er Jahre geht allerdings eindeutig hervor, dass mehr
oder weniger alle jetzt edierten Notizen aus den Jahren / stammen und in
den Kontext von Heideggers Jünger-Kolloquium im Wintersemester /
gehören. Diese zeitliche Zuordnung bestätigte der Herausgeber Peter Trawny in
einer Email vom . Juli ; vgl. auch Trawny, Heidegger und »Der Arbeiter«.
 Heidegger ging in diesem Zusammenhang gelegentlich auch auf Spengler ein, be-
tonte aber, dass »Jüngers Einsprung in die metaphysische Grundstellung Nietzsches
wesentlicher [ist] als die zur Zeit sehr oberflächliche Auswertung Nietzschescher
Gedanken durch Spengler« (MH /, ). Vgl. dazu auch MH /a, f.
sowie den Seminarplan und die Protokolle von Heideggers Seminar im Sommerse-
mester , in dem er Jünger ebenfalls neben Spengler als maßgeblichen Nachfol-
ger Nietzsches behandelte: MH /, , f.,  u. .
     -

»Ernst Jünger hat als Einziger eine Deutung des ersten Weltkrieges in
seinem kriegerischen Wesen vollzogen, die aus den härtesten Erfah-
rungen des Stoßtruppführers der Materialschlachten entspringt und
zugleich im Bezirk derjenigen Metaphysik Fuß faßt, die das Zeitalter
bereits und wider sein Wissen bestimmt; das ist Nietzsches Lehre vom
›Willen zur Macht‹. Jünger ersetzt diesen aus der Überlieferung der
deutschen Metaphysik seit Leibniz vorbestimmten Titel durch den
unserem Jahrhundert gemäßeren Namen ›Arbeit‹. […] ›Arbeit‹ und
›Arbeiter‹ sind metaphysische Begriffe.« (Ebd., f.)
Der »Titel ›Arbeiter‹« sei dabei gleichzeitig »der nüchterne Name für
die Gestalt des Menschen, die Nietzsche den ›Übermenschen‹ nennt«
(ebd., ). Während Nietzsche als »wesentlicher Denker« (ebd., )
den Willen zur Macht als Endgestalt der neuzeitlichen Metaphysik aber
genuin gedacht, das heißt denkerisch entfaltet habe, sei Jünger kein Den-
ker, sondern ein »Beschreiber« (ebd.), der sich selbst ganz in die von ihm
beschriebene Wirklichkeit stelle und diese in ihrem Charakter als Willen
zur Macht kenntlich mache: »Ernst Jünger ist ein Erkenner des Wirk-
lichen im Lichte der von Nietzsche und diesem allein und vollständig
gedachten Wirklichkeit. Jünger ist ein Erkenner, aber nirgends ein Den-
ker.« (Ebd., ). Darin lag für Heidegger allerdings kein geringes Ver-
dienst: »Jüngers Beschreibungen (und Auslegungen) leisten dieses Eine:
durch Sehenlassen des Seienden (im Charakter des Willens zur Macht)
auf das Sein hinzuweisen, ohne doch nach ihm zu fragen.« (Ebd., )

 Dass Heidegger bei Nietzsches Übermensch an Jüngers »Arbeiter« und dessen


organische Konstruktion gedacht hat, wird auch in einer Passage aus Heideggers
Nietzsche-Vorlesung von  deutlich: »Jetzt zeigt sich, was Nietzsche bereits
metaphysisch erkannte, daß die neuzeitliche ›machinale Ökonomie‹, die maschi-
nenmäßige Durchrechnung alles Handelns und Planens in ihrer unbedingten
Gestalt ein neues Menschentum fordert, das über den bisherigen Menschen hin-
ausgeht. Mit anderen Worten: Es genügt nicht, daß man Panzerwagen, Flugzeu-
ge und Nachrichtengeräte besitzt; es genügt auch nicht, daß man über Menschen
verfügt, die dergleichen bedienen können; es genügt nicht einmal, daß der
Mensch die Technik nur beherrscht, als sei diese etwas an sich Gleichgültiges
jenseits von Nutzen und Schaden, Aufbau und Zerstörung, beliebig von irgend-
wem und zu beliebigen Zwecken brauchbar. Es bedarf eines Menschentums, das
von Grund aus dem einzigartigen Grundwesen der neuzeitlichen Technik und
ihrer metaphysischen Wahrheit gemäß ist, d. h. vom Wesen der Technik sich
ganz beherrschen lässt, um so gerade selbst die einzelnen technischen Vorgänge
und Möglichkeiten zu lenken und zu nützen. Der unbedingten ›machinalen
Ökonomie‹ ist nur der Übermensch gemäß, und umgekehrt: Dieser bedarf jener
zur Errichtung der unbedingten Herrschaft über die Erde.« (MH a, )
  , ,  

Auch wenn Heidegger in seinen Notizen mit kritischen Bemerkungen


über »Jüngers Unklarheit« (ebd., ) nicht sparte, war Jüngers »Ahnungs-
losigkeit über das, was da verhandelt wird« (ebd., ), für Heidegger doch
strukturnotwendig. Denn insofern, als Jüngers Denken in Heideggers
Augen selbst »eine Gestalt des Willens zur Macht« (ebd., ) war, konnte
Jünger sie als solche notwendigerweise gar nicht erkennen: »Ernst Jün-
gers Blendung und Grenze ist die Verblendung der abendländischen Me-
taphysik – wie sie durch Nietzsches Denken geprägt wurde.« (Ebd., ).
Um die Metaphysik des Willens zur Macht in ihrem Wesen zu deuten
und ihre seinsgeschichtlichen Bedeutung zu erkennen, bedürfe es, so
Heidegger, einer denkerischen Position, die bereits jenseits dieser Meta-
physik liege. Die metaphysische Grundstellung sei »erst aus der Über-
windung der Metaphysik schlechthin auszumachen« (ebd., ): »Nur aus
der Geschichte des Seyns her ist der zureichende Standort zu gewinnen«
(ebd., ). Diese »Geschichte des Seyns« war Heideggers Name für das
nachmetaphysische Denken. Dass Heidegger selbst den nachmetaphy-
sischen Standort der Seinsperspektive für sich reklamierte, war der ent-
scheidende Trick seiner Distanzierungsstrategie.
Die grundlegende Struktur von Heideggers Auseinandersetzung mit
Jünger bestand also in diesem Positionswechsel, durch den sich Heideg-
ger selbst an einen Punkt versetzte, der jenseits der Metaphysik des Wil-
lens zur Macht lag. Von diesem Standort aus deutete er durch Jünger das,
»was Jünger nicht sieht« (ebd., ), und ordnete es von einer höheren
Warte aus in die Geschichte der Metaphysik ein. Zu dieser Einordnung
gehörte auch, dass er das von Jünger proklamierte Arbeitszeitalter nicht
als gänzlich neues Zeitalter anerkannte, sondern es gerade als »Fortfüh-
rung der bereits eingeleiteten Vollendung der bisherigen zwei Jahrtausen-
de« (ebd., ) deutete: »Jünger sieht nicht, daß das Zeitalter des Arbeiters
(das moderne Zeitalter) nur die äußerste Fortsetzung und Vollendung der
Neuzeit ist. Er sieht darin, daß der ›Arbeiter‹ die Herrschaft antritt, eine
neue Ordnung und neue Werte.« (Ebd., ) In Wirklichkeit sei das aber
nur eine »Verendung, die sich als Anfang ausgeben möchte« (ebd., ).
Die eigentlich neue Zeit, der »andere Anfang« (ebd., ) könne nur
durch eine Überwindung der Metaphysik erreicht werden. Die Voraus-
setzung für diese Überwindung sei aber zunächst, dass die Metaphysik

 Vgl. dazu und zur Schreibweise »Seyn« unten, S. . Da Heidegger diese
Schreibweise nicht nur später wieder aufgegeben, sondern auch in den späten
er Jahren nicht immer konsequent und widerspruchsfrei angewandt hat,
wird im Folgenden die normale Schreibweise außerhalb wörtlicher Zitate auch
dann beibehalten, wenn sinngemäß von Heideggers »Seyn« die Rede ist.
     -

des Willens zur Macht in ihrer reinen Gestalt ganz zum Austrag ge-
kommen sei: »Die Überwindung der Metaphysik ist Zu-Ende-kommen-
lassen ihres Wesens« (MH /b, ). Genau darin sah Heidegger Jün-
gers wichtigstes Verdienst. Auch wenn seine Position »in den Grundlagen
nicht durchdacht und begründet« sei, vollziehe er doch »eine Hinfüh-
rung in das Wirkliche des Willens zur Macht« und mache »rücksichtslos
ernst mit diesem Wirklichen« (MH /, ). Für Heidegger bestand
die entscheidende Frage nun darin, »ob wir diese Wirklichkeit hinreichend
wissen und aus diesem Wissen die Entscheidungen mitvorbereiten, die
im Dienste ihrer Überwindung stehen« (ebd., ).
Die Bemerkungen Heideggers über diese »wesentliche Entscheidung«
(ebd., ) zwischen der Metaphysik des Willens zur Macht und der
Wahrheit des Seins sind dabei in ihrer Wortwahl sehr aufschlussreich.
Denn vielfach erinnern seine Begriffe von »Wider-spruch« (ebd., ),
»Auseinander-setzung« (ebd., ), Entscheidung und »Kampf« (ebd.,
) noch an das dezisionistische Vokabular des heroischen Existenzialis-
mus und der nationalen Revolution. Doch Heidegger war / be-
reits bemüht, von diesem Aktivismus auch begrifflich Abstand zu gewin-
nen und etwa die »Entscheidung« nicht mehr voluntaristisch zu deuten:
»›Entscheidung‹ kann weder vom ›Willen‹ noch vom ›Bewußtsein‹ her
gefasst werden.« (Ebd., ) Deutlich wird dieses Bemühen in einer Passa-
ge, in der er Jüngers »Sprengarbeit« (EJ , ) zunächst konjunktivisch
auf eine andere Ebene verlegte, bevor er sich darauf besann, dass es über-
haupt nicht mehr um Sprengarbeit gehen könne:
»Jünger sprengt nur die Schlacken weg, die noch verhindern, das jet-
zige Zeitalter ganz unverhüllt als den bloßen und höchst gedanken-
losen Fortschritt des Bisherigen (der Neuzeit) zum Ende seines Un-
wesens und damit zu seiner geschichtlichen Vollendung zu erkennen.
Aber wenn schon gesprengt sein müßte und die Sprengung jemals
Gründungscharakter haben könnte und nicht bloß Zerstörung wäre,
dann müßte eben das, worauf Jünger blindlings steht […], nämlich
die Metaphysik überhaupt (Platonismus) und die neuzeitliche Meta-
physik der Subjektivität gesprengt werden. Aber es bedarf nicht der
Sprengung; denn ein Anderes ›überwindet‹ und überwindet wesentlich
und einzig – der andere Anfang; und der als seynsgeschichtlicher.«
(MH /, )
Dieser andere Anfang aber, so schrieb Heidegger wiederholt, könne nicht
aktivistisch herbeigeführt, seine »Zu-Schickung« (MH , ) könne
nur erwartet und denkerisch vorbereitet werden. Hierin verbarg sich eine
Reflexion auf die Frage, wie mit dem gescheiterten Aktivismus der frühen
  , ,  

er Jahre umzugehen war. Denn die »Rückflucht in das Bisherige,


worin man sich inzwischen von den ›Abenteuern‹ erholt« (MH /,
), war für Heidegger keine akzeptable Lösung. Diese »Rückflucht ge-
hört in die Umkehrung und bedeutet nur die ausdrückliche Übernahme
dessen, was der Umkehrung als Grund und Boden dienen muß« (ebd.,
f.). Diese negative Verhaftung an das Umzustürzende erkannte Heideg-
ger nun als das grundlegende Problem jeder Revolution: »Ob nicht alle
›Revolution‹ als Umwälzung, Umkehrung nur noch tiefere Verstrickung
ist?« (Ebd., ) Damit schien sich Heidegger einerseits einzugestehen,
dass die von ihm enthusiastisch begrüßte und unterstützte nationalsozia-
listische Revolution nicht nur nicht zu der erhofften Überwindung der
entfremdeten Moderne geführt hatte, sondern diese auf einer noch radi-
kaleren Stufe fortsetzte. Andererseits machte er deutlich, dass die Abkehr
von dieser Revolution in seinen Augen nun nicht im erneuten Ausrufen
einer Umkehr bestehen könne. Vielmehr suchte er nach einem denke-
rischen Verfahren, durch das er sich ganz grundlegend auf eine andere
Ebene begeben und von allen Revolutionen verabschieden könne. Dieses
Verfahren bestand darin, alles Revolutionieren zu einer Äußerung des
Willens zur Macht zu erklären, für sich selbst aber einen nachmetaphy-
sischen Standort zu reklamieren, der auf die nicht-aktivistische Überwin-
dung der Metaphysik des Willens zur Macht zielte.
Damit ist nicht nur die Grundstruktur von Heideggers Auseinander-
setzung mit Jünger gekennzeichnet, sondern die seiner gesamten Denk-

 Die Abenteuer selbst waren für Heidegger ebenfalls Formen des Willens zur Macht.
So schrieb er in der Hölderlinvorlesung vom Wintersemester / mit Blick
auf Jünger: »Das ›abenteuerliche Herz‹ gehört in den Bereich der Metaphysik des
Willens zur Macht.« (MH /, ) Und gegen Jüngers Ideal der Härte: »Der
abenteuerliche Mensch kann die Sorge nur als Schwäche und Kümmernis be-
greifen, da er nur subjektiv und d. h. metaphysisch denkt und angeblich die
Härte liebt. Wenn diese versagt, nimmt er Zuflucht zu irgend einem Rausch und
sei dies nur der Blutrausch.« (Ebd., ) Vgl. zur Kritik des Abenteurers auch
MH , f.
 Diese Frage, wie man die Metaphysik überwinden könne, ohne ihr durch den
Akt des Überwindens selbst verhaftet zu bleiben, prägte nicht nur Heideggers
Auseinandersetzung mit Jünger zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, sondern stand
auch im Zentrum ihres Festschriftenaustauschs in den er Jahren; vgl. unten,
Kap. .. Vgl. zur Formulierung desselben Problems eines anderen Anfangs in den
»Beiträgen« MH /, f.; zum Abschied von der Revolution auch MH
/, ; MH /, . Noch in der Vorlesung vom Wintersemester /
 verteidigte er allerdings die Revolution als »Umwälzung des Gewöhnlichen«,
die einen »echte[n] Bezug zum Anfang« herstelle, gegenüber dem »Konserva-
tiven« (MH /, f.).
     -

bewegung in den späten er und frühen er Jahren. Im Folgenden


sollen die verschiedenen, zum Teil schon erwähnten Elemente dieser
Denkbewegung genauer analysiert werden. Dazu wird zunächst Heideg-
gers Auseinandersetzung mit Nietzsche näher beleuchtet, da bereits deut-
lich geworden ist, wie eng sie mit seiner Jüngerinterpretation verknüpft
war. Im Anschluss daran wird Heideggers Entfaltung des Seinsdenkens
anhand der zwischen  und  entstandenen »Beiträge zur Philoso-
phie« sowie seine Kritik der Gegenwart im Lichte dieses Seinsdenkens
erläutert, die sich vor allen Dingen als Kritik der »Machenschaften« der
Technik äußerte. Abschließend geht es um Heideggers neuen Helden
Hölderlin und seine Beanspruchung des Dichters als Prophet nicht nur
des anderen Anfangs, sondern auch des geheimen Deutschlands.

Heideggers Nietzsche

Wie gezeigt wurde, ordnete Heidegger Ernst Jünger in die Nachfolge


Nietzsches ein, so dass seine Jüngerkritik und -interpretation nur vor
dem Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit Nietzsche zu verstehen
ist. Umgekehrt lässt sich aber auch zeigen, dass Heideggers Nietzsche-
rezeption ihrerseits maßgeblich durch seine Jüngerlektüre beeinflusst
und geprägt wurde. So schrieb er selbst, dass man nicht in erster Linie
Nietzsche brauche, um Jünger besser zu verstehen, sondern dass umge-
kehrt »für die Heutigen eher Nietzsche durch Jünger verständlicher
wird« (MH /, ). Es ist also durchaus nicht abwegig anzuneh-
men, dass es die von Heidegger selbst als einschneidend erinnerte Begeg-
nung mit Jüngers Schriften zu Anfang der er Jahre war, die ihn dazu
veranlasste, sich ausführlicher mit Nietzsche zu beschäftigen. Diese Be-
schäftigung selbst war dann allerdings noch intensiver als die mit Ernst
Jünger und ist in mehreren Vorlesungen, Seminaren und Abhandlungen
der Jahre  bis  und  dokumentiert. Einen Großteil dieser
Texte veröffentlichte Heidegger  in überarbeiteter Fassung als zwei-
bändiges Werk mit dem schlichten Titel »Nietzsche«. Darüber hinaus
war Heidegger von  bis  Mitglied im wissenschaftlichen Beirat

 Vgl. dazu auch Ibáñez-Noé, Heidegger; Günzel, Linien.


 Vgl. MH /, a, /, /c, , a, c, c, c und
a,b; als Überblick über alle Nietzscheerwähnungen in den bis  erschie-
nenen Heideggerschriften Günzel u. a., Nietzsche; aus der umfangreichen Litera-
tur zu Heideggers Nietzscherezeption v. a. Müller-Lauter, Heidegger; Seubert,
Anfang.
  , ,  

der historisch-kritischen Gesamtausgabe Nietzsches im Nietzsche-Archiv


Weimar.
Wie nicht zuletzt der Verweis auf Nietzsche in der oben zitierten Rede
vom November  deutlich macht, war Nietzsche allerdings schon vor
 für Heideggers philosophische und politische Position von Bedeu-
tung. Heidegger selbst erinnerte sich  an seine erste prägende
Nietzschelektüre in den »erregenden Jahre[n] zwischen  und «
(MH , ). Auch sein philosophisches Destruktionsprogramm der
er Jahre lässt sich als nietzscheanische »Form des Machtwillens«
interpretieren. Vor allem aber deutet neben dem eben genannten Zitat
auch der inflationäre Gebrauch der Begriffe »Wille« und »Macht« in der
Rektoratsrede und in anderen Ansprachen der Rektoratszeit darauf hin,
dass Heideggers politischer Existentialismus und sein revolutionäres Tat-
Denken ebenfalls vom politisierten Nietzscheanismus der Zeit geprägt
waren. Vielleicht war es tatsächlich die eigene Einsicht, dass er sich »von
Nietzsche zu Hitler« habe (ver-)führen lassen, die Heidegger ab der zwei-
ten Hälfte der er Jahre dazu veranlasste, sich durch die Auseinander-
setzung mit Nietzsche auch wieder von Hitler zu lösen. Diese Distan-
zierungsbewegung verlief allerdings nicht immer geradlinig und spiegelte
sich in den unterschiedlichen Wendungen und Widersprüchen von Hei-
deggers Nietzschedeutung zwischen  und . Zu diesen Wendun-
gen gehörte unter anderem, dass Heidegger Nietzsches Philosophie zwar
schon in seiner ersten Nietzsche-Vorlesung im Wintersemester /
als das »Ende der abendländischen Metaphysik« (MH /) bezeich-
nete, die Perspektive eines diese Metaphysik überwindenden »anderen
Anfangs« darin aber noch nicht deutlich ausformulierte. Aus dieser Tat-
sache resultierte eine zwischen Kritik und Affirmation pendelnde Unein-
deutigkeit in der Bewertung von Nietzsches Philosophie, insbesondere
seiner Lehre des Willens zur Macht.

 Vgl. Heinz/Kisiel, Heideggers Beziehungen.


 Vgl. neben Seubert, Anfang, S. - auch Kapferer, Entschlossener Wille.
 Moran, Destruktion, S. .
 Vgl. Müller-Lauter, Heidegger, S. -; zum politischen Nietzscheanismus der
Weimarer Republik und des Dritten Reiches Aschheim, Nietzsche, S. -
(darin zu Heidegger S. -).
 Vgl. Pöggeler, Von Nietzsche zu Hitler?; ders., Politics.
 Vgl. zu diesen Wendungen detailliert Bambach, Heidegger’s Roots, S. -.
 Dass er mit dieser Vorlesung bereits den »Seinssprung« aus dem von Nietzsche re-
präsentierten »Ende der abendländischen Metaphysik« in den »anderen Anfang des
abendländischen Denkens« (MH /, ) vorbereiten wollte, formulierte
Heidegger erst in einem (undatierten) Rückblick auf die Vorlesungen von /
 und  (vgl. ebd., -).
     -

Doch trotz oder gerade wegen dieser Uneindeutigkeit liest sich Hei-
deggers Beschäftigung mit dem »Willen zur Macht« in seiner ersten
Nietzsche-Vorlesung streckenweise wie eine verdeckte Auseinanderset-
zung mit seinem eigenen Machtwillen von . Noch  hatte Hei-
degger in der »Einführung in die Metaphysik« die Verkoppelung seiner
Begriffe von Entschlossenheit, Wollen und Handeln im Sinne des exi-
stenzialistischen Tat-Denkens erneuert:
»Wer will, wer sein ganzes Dasein in einen Willen legt, der ist ent-
schlossen. Die Entschlossenheit verschiebt nichts, drückt sich nicht,
sondern handelt aus dem Augenblick und unausgesetzt. Ent-schlos-
senheit ist kein bloßer Beschluß zu handeln, sondern der entscheiden-
de, durch alles Handeln vor- und hindurchgreifende Anfang des Han-
delns. Wollen ist Entschlossenheit.« (MH , ) 
Dieselben Begriffe fanden sich im Wintersemester / erneut, jetzt
allerdings nicht mehr zur Markierung der eigenen Position, sondern zur
Beschreibung der Philosophie Nietzsches. Für Nietzsche bedeute der
Ausdruck »Wille zur Macht« als Titel für den »Grundcharakter alles Sei-
enden« (MH /, ) eine Einheit, da »Wille« und »Macht« je fürein-
ander Wesensbeschreibungen seien: »Wille ist für ihn nichts anderes als
Wille zur Macht, und Macht ist nichts anderes als das Wesen des Willens.
Wille zur Macht ist dann Wille zum Willen, d. h. Wollen ist: sich selbst
wollen.« (Ebd., )  Der Wille habe dabei immer »den Charakter der
Aktion und Aktivität« (ebd., ), Wollen bedeute: »Sich unter den eigenen
Befehl stellen, die Entschlossenheit des Sichbefehlens, die in sich schon
Ausführung ist.« (Ebd., ) Wille sei »Entschlossenheit zu sich«, die im-
mer schon »über sich hinaus« (ebd., ) wolle und dadurch auf stetige
»Machtsteigerung« (MH a, ) ziele, wie er in einer späteren Vor-
lesung hinzufügte.

 In einem Zusatz der Druckfassung von  versuchte Heidegger, diese Passage
nachträglich im Sinne der späteren »Gelassenheit« umzudeuten. Das Wesen der
Entschlossenheit liege »in der Ent-borgenheit des menschlichen Daseins für die
Lichtung des Seins und keineswegs in einer Kraftspeicherung des ›Agierens‹. […]
Der Bezug zum Sein aber ist das Lassen. Daß alles Wollen im Lassen gründen soll,
befremdet den Verstand.« (MH , ) Vgl. zur »Gelassenheit« unten, Kap. ..
 In diesem Zusammenhang warf Heidegger Ernst Jünger eine »Fehlauslegung«
(MH /, ) vor, da dieser den Willen zur Macht als ein »Streben nach
etwas, was einem noch fehlt« (ebd., ), verstehe und vom Besitz der Macht
unterscheide. »Wille zur Macht« sei aber als ein Begriff der »Name für den
Grundzug der Macht – als Ermächtigung ihrer selbst zu sich selbst«. Der Gegenbe-
griff zum »Willen zur Macht« sei daher nicht der Besitz der Macht, sondern »die
Ohnmacht zur Macht« (ebd.).
  , ,  

Wenn Heidegger hier von der »Entschlossenheit zu sich« und dem


»Befehlscharakter des Willens« (MH /, ) sprach, liegt die Erin-
nerung an das dezisionistische »Wollen um des Wollens selbst willen«
(MH , ) von  und das Sich-selbst-Wollen der Rektoratsrede
von  nicht weit, welches Heidegger während seines NS-Engagements
als »Wille zur völkischen Selbstverantwortung« (MH -, ) kon-
kretisierte. Während Heidegger diesen Willen  allerdings eindeutig
propagierte, war seine Sprecherposition  nicht mehr ohne weiteres
affirmativ. Das liegt unter anderem an seiner ebenfalls noch uneindeu-
tigen Einschätzung des Nihilismus.
Mit Nietzsche sprach Heidegger vom Nihilismus als der »Grundtat-
sache der abendländischen Geschichte«, die im »Tod Gottes« (MH /
, ) und der »Entwertung der obersten Werte« (ebd., ) zum Aus-
druck komme. In seiner späteren Ausformulierung des Nihilismusbegriffs
attestierte Heidegger der gesamten abendländischen Metaphysik, »in ih-
rem Wesen Nihilismus« (MH c, ) zu sein, der demnach nur im
nachmetaphysischen Denken zu überwinden sei. Im Winter / ging
er mit Nietzsche allerdings noch davon aus, dass nicht nur die Kunst eine
»Gegenbewegung gegen den Nihilismus« (MH /, ) darstelle,
sondern dass er auch durch die »große Politik« (ebd., ) überwunden
werden könne. Dies korrespondierte mit einer Äußerung vom Sommer-
semester  über den Einfluss Nietzsches auf die europäischen Gegen-
bewegungen gegen den Nihilismus:
»Es ist überdies bekannt, daß die beiden Männer, die in Europa von
der politischen Gestaltung der Nation bzw. des Volkes her – und zwar
in je verschiedener Weise – Gegenbewegungen [gegen den Nihilis-
mus] eingeleitet haben, daß sowohl Mussolini wie Hitler von Nietz-
sche wiederum in verschiedener Hinsicht wesentlich bestimmt sind
und dieses, ohne daß dabei der eigentliche metaphysische Bereich des
Nietzscheanischen Denkens unmittelbar zur Geltung käme.«
(MH b, f.)
Seine eigene Hoffnung von , dass der Nationalsozialismus eine
grundlegende Wandlung der abendländischen Geschichte gegen deren

 Dieser – teilweise allerdings uneindeutig bleibende – Wechsel von Heideggers


Sprecherposition während der er Jahre wird in vielen Untersuchungen, wie
zuletzt in der von Emmanuel Faye, die die ungebrochene Kontinuität von Hei-
deggers Bekenntnis zum NS während des »Dritten Reichs« belegen wollen, über-
sehen. Dadurch entgehen ihnen allerdings die Veränderungen innerhalb von
Heideggers nazistischer Position.
     -

nihilistische Verfallenheit bedeuten könne, schien Heidegger  also


noch nicht ganz aufgegeben zu haben. Die Erfahrung des gescheiterten
Aktivismus hat ihn aber offenbar skeptisch gemacht. In der Vorlesung
vom Wintersemester / erkannte er bereits, dass Nietzsches »Um-
wertung aller Werte« zwar eine »Gegenbewegung zum Nihilismus« dar-
stelle, aber eben eine »Gegenbewegung zum Nihilismus innerhalb des
Nihilismus« (MH /, ) und damit dem Nihilismus verhaftet bleibe.
Dieses oben schon angesprochene Problem einer Überwindung, die an
das Überwundene gebunden bleibt, war hier noch nicht entfaltet, ge-
wann in der weiteren Auseinandersetzung Heideggers mit Nietzsche aber
an Bedeutung. In der Vorlesung vom Sommersemester  sprach Hei-
degger noch immer von Nietzsches Philosophie als »Gegenbewegung« zur
»Gesamtgeschichte der abendländischen Philosophie« (MH a, )
und als »Gegenglaube« zum »Nihilismus« (ebd., ). Erst  kam er
dann eindeutig zu der Ansicht, dass »Nietzsche den Nihilismus nur nihi-
listisch denkt« (MH a, ) und damit nicht über ihn hinaus komme.
Die »Überwindung des Nihilismus« führe bei Nietzsche als dessen »Voll-
endung« zur »eigentlichen Verstrickung in den Nihilismus« (ebd., ).
Heidegger griff in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von
unvollständigem und vollendetem, passivem und aktivem Nihilismus
auf, die er schon  von Nietzsche übernommen hatte.  charakteri-
sierte Heidegger den aktiven Nihilismus als ein »Nein der Tat« gegenüber
einem bloßen »Nein des Urteils« (ebd., ). Der aktive Nihilismus be-
seitige das Nichtige, »stürzt um und schafft freies Feld« (ebd.). In der
Vorlesung von  wurde deutlich, dass Heidegger diesem aktiven und –
im Sinne Benjamins – destruktiven Nihilismus den Vorzug vor dem pas-
siven gab. Der aktive Nihilismus bewege sich als »Nihilismus großen
Stils« durch seine Radikalität schon »auf dem einzig möglichen Weg zur
Überwindung« (MH a, ), da er »die großen Augenblicke der
großen Entscheidung« (ebd., ) vorbereite. Man müsse, statt sich dem
»unvollständigen Nihilismus« des positivistischen Zeitalters (ebd., )
zu ergeben, den Nihilismus »bis an sein äußerstes Ende« (ebd., )

 Dieser relative Vorrang des aktiven vor dem passiven Nihilismus wurde auch
noch in der Vorlesung von  deutlich: »Nietzsches Begriff des Nihilismus hat
durchaus nicht ›negativen‹ Charakter; ›negativ‹ bleibt nur der unvollendete und
passive Nihilismus – jenes seichte Bestreben, die bisherigen Werte durch solche
der gleichen, aber bereits abgeschwächten Art zu ersetzen und etwa an der Stelle
des ›Christentums‹ den ›Sozialismus‹ und die ›allgemeine Weltbeglückung‹ als
Ideal aufzurichten. Durch diesen ›unvollständigen‹ Nihilismus wird der eigent-
liche Nihilismus – die Neusetzung der neuen Werte – jedoch nur verzögert.«
(MH a, )
  , ,  

durchdenken und fortführen: »Nur wer in die äußerste Not des Nihilis-
mus hinausdenkt, vermag auch den überwindenden Gedanken als den
notwendenden und notwendigen zu denken.« (Ebd.)
Diese Denkfigur des Durchstehens der Not, das allein den Umschlag
bringen könne, war bereits für den heroischen Realismus und Existenzia-
lismus der er und frühen er Jahre charakteristisch, wurde von
Heidegger aber auch in seinem späteren Denken beibehalten. Allerdings
distanzierte er sich nun explizit vom Begriff des Heroismus, was daran
lag, dass er im Heroismus eine Selbstauslieferung an das bloß Seiende –
in diesem Sinn Wirkliche, Reale – sah, während es dem wesentlichen
Denken um die (verborgene, sich erst entbergende) Wahrheit des Seins
gehe. Dies wird in einer Passage der Aufzeichnungen zu Ernst Jünger
deutlich, in der Heidegger erneut auf die Frage des aktiven Nihilismus
einging, ihn nun aber nicht mehr für geeignet hielt, die Überwindung
des Nihilismus einzuleiten. Schon Nietzsche bestimme mit denselben
Worten, mit denen er den »aktiven Nihilismus« kennzeichne, auch das
»Wesen der ›heroischen‹ Haltung, die ›Ja‹ sagt zu dem, was ist – zum
›Realen‹, ohne Rücksicht auf sich selbst« (MH /, ). Der »aktive
Nihilismus« sei daher gleichzeitig »der äußerste Realismus« und Jüngers
»heroischer Realismus« somit Nihilismus (ebd.). Der Heroismus erschien
Heidegger nun als »reine Kapitulation vor der Wirklichkeit« (ebd., ).
Dadurch untergrabe er als fraglose »Übernahme des Wirklichen« aber
jede »anfängliche Entscheidung«: »Das ›Aktive‹ und die ›Aktion‹ des
›heroischen Realismus‹ ist kein Kampf mehr, gesetzt, daß wir darunter
verstehen den Austrag; d. h. die Entfaltung und Gründung wesentlicher
Entscheidungen.« (Ebd., ) Heidegger propagierte damit noch immer
den Kampf im Sinne der Gründung einer wesentlichen Entscheidung,
doch dieser Kampf sollte nun nicht mehr den Charakter einer »Aktion«
besitzen. Während Nietzsches und Jüngers »Bestimmung des ›hero-
ischen Geistes‹« »in der Metaphysik der Neuzeit« gründeten, »dergemäß
der Mensch als Subjektum« begriffen werden müsse (ebd., ), wandte
sich Heidegger einer anderen Form des Heldentums zu, die er mit Fried-

 Deshalb sprach Heidegger auch von der »Schwäche der Flucht in das Heroische«
(ebd., ), wobei natürlich der darin implizite Appell, stark zu sein und nicht zu
flüchten, selbst heroischen Charakter hatte.
 Heidegger distanzierte sich in dieser Kritik am heroischen Realismus auch von
einem seiner eigenen Lieblingsbegriffe des Jahres , und zwar dem der Einsatz-
bereitschaft: »›Einsatzbereitschaft‹ [ist] das Kennzeichen […] der Zugehörigkeit
zu dem Menschentum, das in der Macht ist und die Macht ermächtigt und dabei
stets die ›Wirklichkeitsnähe‹ fordert.« (Ebd., )
     -

rich Hölderlin in Verbindung brachte. »Hölderlins Erfahrung des Hel-


den und des Heroischen« stehe, »wenngleich der historischen Zeitrech-
nung nach in die Neuzeit fallend, geschichtlich – außerhalb ihrer – an
einem eigenen, von uns noch nicht erkannten Ort (der Seynsgeschichte)«
(ebd.). Mit Hölderlin wollte Heidegger nun »für einen anderen Anfang
bereit« (ebd., ) werden.
Diese Argumentation entsprach dem Stand der Nietzsche-Vorlesun-
gen von  und , in denen Heidegger Nietzsche nun eindeutig als
»letzte[n] Metaphysiker des Abendlandes« (MH , ) beschrieb, der das
Denken durch die konsequente Vollendung der Metaphysik zwar »in die
härteste Schärfe der Entscheidung« (ebd., ) zwinge, »ob diese Endzeit
der Abschluß der abendländischen Geschichte sei oder das Gegenspiel zu
einem anderen Anfang« (ebd., ), der diesen anderen Anfang selbst aber
noch nicht eröffne. Die klarste und geschlossenste Ausformulierung
dieser Nietzschedeutung findet sich in der Vorlesung »Nietzsches Meta-
physik«, die Heidegger schon  für das Wintersemester / ausge-
arbeitet, die er dann aber nicht gehalten hat (MH c). Eine knappere
Zusammenfassung stellt der Aufsatz »Nietzsches Wort ›Gott ist tot‹« von
 dar, der  in den »Holzwegen« veröffentlicht wurde (MH c).
Diese Deutung von Nietzsches »metaphysischer Grundstellung« am
Ende der Neuzeit sollte allerdings nicht mit einer Kritik an Nietzsche
verwechselt werden. Vielmehr war es in Heideggers Augen gerade Nietz-
sches Verdienst, als der letzte große Denker die Metaphysik ganz in ihre
Endstellung vorangetrieben und dadurch die Entscheidung zum anderen
Anfang erst eröffnet zu haben. Für Heidegger war es erforderlich, die
Geschichte der Metaphysik von Platon bis Nietzsche ganz durchdacht
und durchquert zu haben, sich auf sie und ihren ersten Anfang zu besin-
nen, um für den anderen Anfang bereit zu werden. Daher verwahrte er
sich auch gegen das, was er für eine oberflächliche tagespolitische In-
dienstnahme Nietzsches hielt. Er kritisierte sowohl die Vereinnahmung
seines »angebliche[n] Biologismus« (MH , ) für die rassistische
Weltanschauung, als auch die in seinen Augen einseitige Auslegung und
politische Adaption von Nietzsches »Willen zur Macht« durch Alfred
Baeumler und andere Naziideologen. Während Heidegger in der ersten

 Vgl. dazu etwa MH /, ff. Heideggers Kritik an Baeumler betraf u. a. des-
sen unzulängliche Interpretation der Lehre von der »ewigen Wiederkehr des
Gleichen«, die nicht in dessen politische Konzept des »Willens zur Macht« passe,
während für Heidegger beide Lehren integral zusammengehörten (MH a,
).  sprach Heidegger allerdings noch selbst davon, dass Nietzsche mit
  , ,  

Hälfte der er Jahre noch mit der heroischen NS-Deutung Nietzsches
konform ging, spiegelte sich seine wachsende Distanz zum Regime also
auch in dieser Nietzscheauslegung am Ende der er Jahre. Das zeigte
sich ebenfalls an den Spannung im wissenschaftlichen Beirat der histo-
risch-kritischen Gesamtausgabe im Nietzsche-Archiv, aus dem Heidegger
zwar erst  formell ausschied, in dem er aber schon seit Ende der
er Jahre kaum noch kontinuierlich mitgearbeitet hatte.
Diese Feststellung ist noch nicht gleichbedeutend mit Heideggers ei-
gener Behauptung, durch die Nietzsche-Vorlesungen »geistigen Wider-
stand« (MH -, ) geleistet zu haben. Sie lenkt das Augenmerk
aber auf die schrittweisen Wandlungsprozesse im Laufe der er Jahre,
während derer sich Heidegger durch die Entfaltung des von ihm so ge-
nannten seinsgeschichtlichen Denkens langsam von seinem politischen
Aktivismus löste. Dieses seinsgeschichtliche Denken hat er vor allen Din-
gen in den erst nach seinem Tod veröffentlichten »Beiträgen zur Philo-
sophie« entwickelt.

Seinsgeschichte und anderer Anfang


in den »Beiträgen zur Philosophie«

In der zweiten Hälfte der er Jahre hat Heidegger neben seinen Vor-
lesungen umfangreiche Aufzeichnungen verfasst, die allerdings nicht
immer den Charakter in sich geschlossener Abhandlungen hatten und
die erst nach seinem Tod im Rahmen der Gesamtausgabe veröffentlicht
wurden. Unter ihnen nehmen die »Beiträge zur Philosophie. (Vom Er-

seiner Metaphysik »in die Sackgasse der Lehre von der ewigen Wiederkunft«
(MH a, ) geraten sei.
 Vgl. dazu wie zum gesamten Kontext der Nietzscherezeption im NS und speziell
der »Konkurrenzdeutung« von Alfred Baeumler neben Heinz/Kisiel, Heideggers
Beziehungen, auch Riedel, Nietzsche, S. -. Endre Kiss versucht demgegen-
über, Heideggers gesamte Nietzsche-Deutung als von Baeumler und seiner »posi-
tiven politischen Metaphysik« beeinflusst zu sehen und ihr in diesem Sinn eine
affirmative Bedeutung im Kontext der NS-Ideologie zuzuschreiben. Damit über-
sieht er aber die entscheidenden Veränderungen im Denken Heideggers während
der er Jahre; vgl. Kiss, Stellung.
 Vgl. MH /, /a, /b u. /. Lediglich aus den Aufzeichnun-
gen zur »Überwindung der Metaphysik« (MH /b) hat Heidegger  einen
Teil in überarbeiteter Fassung veröffentlicht (MH /) [die Jahreszahlen der
Siglen orientieren sich hier an den jeweiligen editorischen Hinweisen, die sich
allerdings leicht widersprechen, da Heidegger selbst  behauptete, die Auf-
zeichnungen seien zwischen  und  entstanden, während der Herausgeber
des Nachlassbands den Entstehungszeitraum auf / eingrenzt].
     -

eignis)« einen besonderen Stellenwert ein, da sie nicht nur als weitgehend
abgeschlossenes und durchgearbeitetes Werk erscheinen, sondern da
Heidegger in ihnen auch das von ihm so genannte seinsgeschichtliche
Denken am weitesten ausformulierte. Allerdings blieben auch die »Bei-
träge« in vielem vage und dunkel. Das liegt einerseits daran, dass sich
Heidegger mit dem seinsgeschichtlichen Denken in einen denkerischen
Such- und Versuchsprozess begab, der bis zum Ende des »Dritten Rei-
ches« noch nicht abgeschlossen war. Andererseits wandte er sich bewusst
gegen eine »systematische« Darstellung und Entfaltung des Seinsden-
kens, da »Systeme« nur »im Gefolge der Herrschaft des mathematischen
(im weiten Sinne) Denkens« (MH /, ) möglich seien. Das von
Heidegger angestrebte anfängliche Denken war daher absichtlich »un-
systematisch« (ebd.). An die Stelle einer Systematik trat in den »Beiträ-
gen« die Gliederung in sechs »Fugen«, die sich der »Fügung des Seyns«
(ebd., ) durch einen fugenhaft ineinandergreifenden »Gedanken-gang«
(ebd., ) nähern sollten, der allerdings nicht wenige Wiederholungen und
auch unfertige Passagen beinhaltete.
Auf diesem Gedankengang vollzog Heidegger ein Doppeltes: Zum einen
entfaltete er die auch in den Nietzsche-Vorlesungen entwickelte Darstel-
lung der Geschichte der Metaphysik im Sinne einer Besinnung auf den
ersten Anfang der abendländischen Philosophie und dessen Verfall und
formulierte eine daraus resultierende Kritik des gegenwärtigen Zeitalters
als seinsvergessene Endzeit. Zum anderen setzte er dieser metaphysischen
Endzeit ein »anfängliches«, seinsgeschichtliches Denken entgegen, das
den anderen, die Metaphysik überwindenden Anfang der Seinsgeschich-
te vorbereiten sollte, in dem sich die »Wahrheit des Seyns« als »Ereignis«
eröffne. Die von Heidegger später wieder aufgegebene Schreibweise von
»Seyn« mit y sollte dabei anzeigen, »daß das Sein hier nicht mehr meta-
physisch gedacht wird« (ebd., ). Denn die Metaphysik war in Heideg-
gers Darstellung geprägt von der »Leitfrage« nach der »Seiendheit des
Seienden«, womit gemeint war, dass sie das Sein immer nur »vom jewei-
ligen Seienden her« denken könne (ebd., ). Das anfängliche Denken
folge demgegenüber der »Grundfrage« nach dem »Seyn aus seiner ur-
sprünglichen Wesung« (ebd.), d. h. ohne ›Umweg‹ über das Seiende bzw.
im »Außerhalb jener Unterscheidung von Seiendem und Sein« (ebd.,

 Otto Pöggeler bezeichnete die »Beiträge« daher mehrfach als Heideggers zweites
oder gar eigentliches Hauptwerk; vgl. Pöggeler, Heidegger in seiner Zeit, S. .
 Es kann an dieser Stelle keine ausführliche Inhaltsangabe der »Beiträge« gegeben
werden; vgl. als knappen Überblick Polt, Beiträge; in unserem Kontext außerdem
Schwan, Heideggers Beiträge.
  , ,  

): »Jetzt denkt das Fragen nach dem Seyn nicht mehr vom Seienden
her, sondern ist als Er-denken des Seyns […] durch das Seyn selbst er-
nötigt.« (Ebd., )
Die für Heidegger entscheidende Frage war nun, wie im »Zeitalter des
Übergangs von der Metaphysik in das seynsgeschichtliche Denken«
(ebd., ) der andere Anfang des Denkens eingeleitet werden könne. Denn
damit war die im Kontext von Heideggers Auseinandersetzung mit Ernst
Jünger schon erläuterte Distanzierungsstrategie verbunden, durch die
Heidegger sich selbst aus der Metaphysik heraus und in den anderen
Anfang hinein stellte. Diese Distanzierungsstrategie war aber mit dem
Problem behaftet, dass Heidegger das von ihm angestrebte ganz andere
Denken notwendigerweise im Umfeld, und d. h. auch im sprachlichen
Kontext des bisherigen Denkens vorbereiten musste. Fragen der Über-
windung, des Umschlags, des Heraus- und Hineinführens waren daher
für ihn ebenso zentral wie die Suche nach einer neuen, in seinem Sinne
nicht-metaphysischen philosophischen Sprache. Zu der Distanzierungs-
strategie gehörten zudem seine Bemühungen, einen stetigen, wenngleich
nicht geradlinigen »Denkweg« von der frühen zur späten Fassung der
»Seinsfrage« zu konstruieren, obwohl an entscheidender Stelle dieses
»Wegs« doch ein »Sprung« (ebd., ) lag, den Heidegger selbst später als
»Kehre« bezeichnete. Da es bei diesem Denk-Sprung auch um die Her-
auslösung des eigenen Denkens aus dem Kontext des Nationalsozialis-
mus ging, hat Heidegger mehrfach behauptet, dass sein Denken vor dem
Sprung von Anfang an der Sprungvorbereitung gegolten habe. Eine Pas-
sage aus den »Beiträgen« über den Übergang von der »Leitfrage« der Me-
taphysik zur »Grundfrage« des seinsgeschichtlichen Denkens behandelte
genau dieses Problem:
»Von der Leitfrage zur Grundfrage gibt es nie einen unmittelbaren,
gleichsinnigen, die Leitfrage noch einmal (auf das Seyn) anwendenden
Fortgang, sondern nur einen Sprung, d. h. die Notwendigkeit eines
anderen Anfangs. Wohl dagegen kann und muß durch die entfaltende
Überwindung der Leitfragenstellung und ihrer Antworten als solcher
ein Übergang geschaffen werden, der den anderen Anfang vorbereitet
und überhaupt sichtbar und ahnbar macht. Dieser Übergangsbereitung
dient ›Sein und Zeit‹, d. h. es steht eigentlich schon in der Grundfrage,
ohne diese rein aus sich anfänglich zu entfalten.« (MH /, )
Wenn der Nationalsozialismus Teil und Produkt der Metaphysik und ihrer
Leitfrage war, Heidegger aber schon  die Grundfrage des seinsge-
schichtlichen Denkens zu fragen begonnen hatte, dann konnte seine
Philosophie, so die implizite Aussage, gar nichts mit dem Nationalsozia-
     -

lismus zu tun haben. Aus diesem Grund bemühte sich Heidegger noch
an vielen anderen Stellen der »Beiträge« darum, seine Schriften der er
und frühen er Jahre bereits als Beginn des seinsgeschichtlichen Den-
kens auszulegen.
Die Kontinuitäten zum Frühwerk waren allerdings nicht allein eine
Schutzbehauptung. Tatsächlich ging es Heidegger – wie gezeigt wurde –
auch schon in seinem Projekt der »Destruktion« der abendländischen
Philosophie um eine Überwindung der modernen Subjektphilosophie.
Allerdings erhoffte er sich deren Überwindung noch durch den Rück-
gang in »die Macht des Anfangs unseres geistig-geschichtlichen Daseins«
in der »griechischen Philosophie« (MH a, ), auf dem auch die natio-
nalsozialistische Revolution beruhen sollte. Nach dem philosophischen
wie politischen Scheitern dieses Projekts sollte der Rückgang durch die
abendländische Philosophie zu diesem ersten Anfang nun nicht mehr
dazu dienen, »die Größe des Anfangs zurückzugewinnen« (ebd., ), son-
dern durch die »Besinnung« (MH /a) auf diesen Anfang und sein
Ende in den anderen Anfang des Denkens zu gelangen.
Diese Besinnung beinhaltete eine umfangreiche Rekonstruktion der
Verfallsschritte der abendländischen Philosophie, die hier nicht im Ein-
zelnen nachgezeichnet werden können. Heideggers Grundthese war da-
bei die schon genannte von der »Vormacht des Seienden gegenüber dem
Sein« (MH , ) in der Metaphysik, die ihn auch von »Seinsverlassen-
heit« (MH /, ) und »Seinsvergessenheit« (ebd., ) sprechen
ließ. Darin offenbare sich auch der nihilistische Charakter aller Metaphy-
sik, denn das »Wesen des Nihilismus ist die Geschichte, in der es mit dem
Sein selbst nichts ist« (MH b, ). Dieses Abrücken vom Sein habe
schon mit der Umdeutung der aletheia von der »Unverborgenheit« zur
»Richtigkeit« begonnen, weshalb der platonische Idealismus als erste
Grundform der Metaphysik erscheine. Aus diesem Idealismus resultiere
das Denken in Werten sowie die moderne Erkenntnis- und Bewusst-

 Vgl. zu »Sein und Zeit« etwa MH /, , f., ff., f., , , , 
u. . Heidegger selbst hat seine Denkbewegung von der Früh- zur Spätphilo-
sophie auch als Übergang »vom Seinsverständnis zu Seinsgeschehnis« (MH ,
) beschrieben, in anderen Kontexten aber deutlicher darauf hingewiesen, dass
er auf diesem Weg mit seiner Frühphilosophie zunächst stecken geblieben war. So
sei etwa der letzte Abschnitt von »Sein und Zeit« nicht erschienen, »weil das Den-
ken im zureichenden Sagen dieser Kehre versagte und so mit Hilfe der Sprache
der Metaphysik nicht durchkam« (MH a, ). Der »Brief über den ›Huma-
nismus‹«, aus dem dieser Satz stammt, diente Heidegger nach  ebenfalls
dazu, eine Kontinuität von »Sein und Zeit« zur Spätphilosophie zu konstruieren;
vgl. dazu unten, Kap. ..
  , ,  

seinsphilosophie mit ihrer »Subjekt-Objekt-Beziehung« (MH /a,


), aus dem Subjektivismus der Anthropozentrismus und aus der »An-
thropomorphie« (MH , ) die Zurichtung alles Seienden im »Wil-
len zur Macht«, den Heidegger in den Nietzsche-Vorlesungen bekannt-
lich als »Vollendung der Neuzeit« (ebd., ) bezeichnete. Besonders die
moderne Erkenntnistheorie nach Descartes habe als »Haltung des Vor-
stellens« (ebd., ) zum »Weltbild« der modernen Wissenschaften und
des modernen Denkens überhaupt geführt, für welches Seiendes nur sei-
end sei, »sofern es durch den vorstellend-herstellenden Menschen gestellt
ist« (MH , ). In diesem vorstellenden Herstellen liege das Wesen
der modernen Technik, die als »Machenschaft« auf »Machbarkeit des Sei-
enden« (MH /a, ) und Berechenbarkeit ausgerichtet sei: »Alles
›wird gemacht‹ und ›lässt sich machen‹, wenn man nur den ›Willen‹ dazu
aufbringt. […] Denn dieser Wille, der alles macht, hat sich im voraus der
Machenschaft verschrieben, jener Auslegung des Seienden als des Vor-
stellbaren und Vor-gestellten.« (MH /, f.) In dieser Genealogie
der vorstellenden Machenschaft erscheint dann der Cartesianismus als
Ursprung der modernen Technik: »Descartes’ Deutung des Seins als Vor-
gestelltheit ist die metaphysische Möglichkeit der Kraftmaschinentech-
nik.« (MH a, ) Da auch Descartes wiederum nur eine Stufe in-
nerhalb der Metaphysik repräsentiert, galt noch grundsätzlicher:
»Die schrankenlose Herrschaft der modernen Technik in jeder Ecke des
Planeten ist nur die späte Folge einer sehr alten technischen Auslegung
der Welt; welche Auslegung sonst Metaphysik heißt. Der Wesensur-
sprung der neuzeitlichen Technik liegt im Beginn der Metaphysik bei
Platon.« (MH /, ) »Die Technik ist der höchste und umfang-
reichste Triumph der abendländischen Metaphysik« (MH /a,
).

 Der  gehaltene Vortrag »Die Begründung des neuzeitlichen Weltbildes durch
die Metaphysik« stellt nicht nur eine wichtige Quelle dar, weil er als einer der
wenigen Texte aus den er Jahren schon  unter dem Titel »Die Zeit des
Weltbildes« in den »Holzwegen« erschienen ist. Er gibt als ein für ein breiteres
Publikum geschriebener Vortrag auch einen guten Einblick in Heideggers Meta-
physikkritik. Aus dem darin entwickelten Begriff des »Vorstellens« (im Sinne des
vor sich hinstellenden Zum-Bild-Machens) gewann Heidegger später seinen für
die Technikkritik zentralen Begriff des »Ge-stells«; vgl. dazu unten, Kap. ..
Während der er Jahre sprach Heidegger im Bezug auf die Technik allerdings
zumeist noch von »Machenschaften«; vgl. dazu auch Vietta, Heideggers Kritik,
S. -, der Einsicht in das Originalmanuskript des Vortrags von  hatte und
mehrere Abweichungen von der veröffentlichten Fassung von  zitiert.
     -

Der so gefassten »Vormacht der Machenschaft« (MH , ) in der


seinsverlassenen Metaphysik (die im nächsten Abschnitt noch näher be-
leuchtet wird) stellte Heidegger nun das seinsgeschichtliche Denken ent-
gegen, das sich das Seiende nicht vor-stelle, sondern das den »Zeit-Spiel-
Raum« (MH /, ) fragend eröffne, in dem sich die »Wahrheit des
Seyns« von sich aus, d. h. aus der »Wesung des Seyns« (ebd., ) selbst
ereignen könne. Heideggers Entfaltung dieses nachmetaphysischen Den-
kens vom »Ereignis« kann hier ebenfalls nicht ausführlich rekonstruiert
werden, zumal es aufgrund des schon beschriebenen Problems der (Un-)
Sagbarkeit des Ereignisses in der bisherigen Sprache in vielem vage und
unverständlich blieb. Die Wahrheit des Seins, so Heidegger, könne im
Grund nur »erschwiegen« werden, das »anfängliche Denken« vollziehe
sich als »Erschweigung des Ereignisses« (ebd., ). Dieses Moment der
Unverfügbarkeit wird in Heideggers dunkler Rede vom »letzten Gott«
besonders deutlich, für den das anfängliche Denken nach der »Flucht der
Götter« (ebd., ) die »Stille des Vorbeiganges« (ebd., ) bereiten solle.
Sowohl die gewollte Unverständlichkeit als auch die Rhetorik des
Schweigens und des »letzten Gottes« waren schon Teil von Heideggers
Selbststilisierung zum prophetischen Denker, durch die er sich dem kriti-
schen Argument entzog, und seiner Strategie der geheimbündlerischen
Elitenbildung, die weiter unten genauer untersucht wird. Zunächst ist
aber entscheidend, dass Heidegger mit dem anfänglichen Denken eine
Abkehr vom Aktivismus des heroischen Existenzialismus vollzog. Die
»Grundstimmung« des seinsgeschichtlichen Denkens war die »Verhal-
tenheit« (ebd., ), es könne die Metaphysik »nicht durch einen Gewalt-
streich« (ebd., ) abschütteln, sondern bestehe in einem »Wesenlassen
des Seyns als Ereignis« (ebd., ). Der Philosoph sei als anfänglicher Den-
ker nicht mehr gewalttätiger Befreier wie in der Platon-Vorlesungen vom
Wintersemester /, sondern »Sucher, Wahrer, Wächter« (ebd., ).
Die »Herrschaft« des Seins bedürfe »keiner Macht und somit keiner Ge-
walt« (ebd., ). Das »Ereignis« sei »nicht denkmäßig zu erzwingen«

 Dieses Problem wurde von Heidegger selbst benannt: »Die übergänglichen und
dem Wesen nach zweideutigen Denker müssen auch dieses ausdrücklich wissen,
daß ihr Fragen und Sagen unverständlich ist für das in seiner Dauer nicht erre-
chenbare Heute. Und das nicht etwa, weil die Heutigen zu wenig klug und zu
kurz unterrichtet wären für das Gesagte, sondern weil Verständlichkeit schon die
Zerstörung ihres Denkens bedeutet. Denn Verständlichkeit zwängt ja alles in den
Umkreis des bisherigen Vorstellens zurück. […] Das Sichverständlichmachen ist
der Selbstmord der Philosophie.« (MH /, )
 Vgl. dazu Figal, Gottesvergessenheit.
 Vgl. unten, S. ff.
  , ,  

(ebd., ), sondern nur zu erwarten. Das anfängliche Denken könne


nicht von sich aus zum Sein vorstoßen, es könne sich nur darauf vorbe-
reiten, den »Stoß des Seyns zu empfangen« (ebd., ).
Diese Abkehr vom heroischen Existenzialismus blieb allerdings partiell.
Auch wenn Heidegger sich in den »Beiträgen« erneut vom »lärmende[n]
›Heroismus‹« (ebd., ) seiner Zeit abzugrenzen versuchte, blieb seine
Heraufbeschwörung der »Entscheidung […] zwischen der Vormacht der
Machenschaft und der Herrschaft des Ereignisses« (MH , ) doch
den Strukturen des apokalyptischen Heroismus verhaftet. Noch immer
ging es darum, sich nicht in der »Entscheidungslosigkeit« (MH /,
) und Seinsvergessenheit zu verlieren, sondern den Mut und die »Ent-
schlossenheit zur äußersten Besinnung« (ebd., f.) sowie den »Willen
zum Ereignis« (ebd., ) aufzubringen, das »Wagnis« des »Sprungs« in die
Seinsgeschichte (ebd., ) einzugehen und den »Kampf gegen die Zer-
störung und Entwurzelung« (ebd., ) aufzunehmen. Die »Verlorenheit
in den Betrieb der bloßen Begebenheiten und Machenschaften«, aus der
uns nur »das innigste Ereignis« (ebd., ) erretten könne, nahm dabei die
»Verfallenheit« an das »Man« aus »Sein und Zeit« wieder auf. Heideggers
Manichäismus einer uneigentlichen Jetztzeit – die nun seinsverlassene
hieß – und einer eigentlichen bzw. anfänglichen Zukunft blieb erhalten.
Der Weg dahin führte noch immer nicht über »Auswege« (MH /,
), sondern verlangte die »schonungslose Nötigung in die Not der Be-
sinnung« (MH /, ). Die »Not der Notlosigkeit« müsse durch
eine »Anerkenntnis der Not« (ebd., ) überwunden werden, damit die
»Not der Seinsverlassenheit« (ebd., ) ganz ausgetragen werden könne:
»Das Denken muß deshalb durch die Seinsverlassenheit hindurch«
(MH /, ), es müsse »der Verwüstung gewachsen« sein und sie

 In den Aufzeichnungen zur »Besinnung« bezeichnete Heidegger den »hero-


ische[n] Realismus« erneut als »›Kapitulation‹ vor dem Vorhandenen« und damit
als eine »Art des Ausweichens vor dem Sein« (MH /a, f.), ohne den eige-
nen Heroismus der »schonungslosen Besinnung« als solchen zu erkennen.
 In den Aufzeichnungen zur »Besinnung« von / aktualisierte Heidegger
selbst seine Begriffe von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit im Sinne des seins-
geschichtlichen Denkens; vgl. MH /a, . Heinz Dieter Kittsteiner
spricht in diesem Zusammenhang von Heideggers erster und zweiter Gnosis,
wobei sein »erster gnostischer Anlauf« aus »Sein und Zeit«  im Führer den
»Vorbereiter und Ermöglicher eines eigentlichen Daseins« gesehen habe, dann
aber enttäuscht wurde, so dass es in der zweiten Gnosis der »Beiträge«, die »im
Nationalsozialismus auch wieder nur das Wirken des falschen ›Demiurgen‹« se-
hen könne, zu einer Neuauflage der »alte[n] Zivilisationskritik aus ›Sein und
Zeit‹« komme (Kittsteiner, Mit Marx, S. ).
     -

»aushalten« (ebd., ). Auf diesem Weg war die seinsgeschichtliche Besin-
nung keine bloß historische Rekapitulation des Bisherigen, sondern ge-
schichtlich denken bedeutete für Heidegger wiederum, die Entscheidung
über die Zukunft zum Austrag zu bringen, weshalb er auch von der »Härte
und Schärfe der Geschichtlichkeit« (MH /, ) sprechen konnte.
Wie passten diese bekannten Vokabeln der Härte und Schärfe zu der
neu ausgerufenen »Verhaltenheit des Suchens« (ebd., )? Das Neben-
einander dieser Tonlagen in den Texten der späten er Jahre war nicht
zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sich Heidegger nur schrittweise vom
heroischen Aktivismus der frühen er Jahre lösen konnte. »Der Passi-
vität, die er predigt, ist sein gehämmerter Ton noch nicht nachgekom-
men«, wie Günther Anders schrieb. Zugleich bemühte sich Heidegger
aber bereits in den »Beiträgen« um eine semantische Neubesetzung der
bekannten Begriffe. Zwar sprach er weiterhin von »Entscheidung«, doch
sollte damit nun kein »Tun des Menschen« (ebd., ) mehr bezeichnet
werden, kein »›Akt‹ einzelner Menschen« mehr, wie er in den zur glei-
chen Zeit entstandenen Aufzeichnungen zur »Besinnung« schrieb, son-
dern ein »Stoß des Seyns selbst« (MH /a, ). Diese Umwidmung
bekannter Begriffe hat Heidegger selbst reflektiert und auf das schon ge-
nannte Problem zurückgeführt, wie innerhalb der bisherigen Sprache der
Metaphysik der Übergang in das andere Denken zu vollziehen sei:
»Das bedingt ein Verfahren, das in gewissen Grenzen zuerst immer dem
gewöhnlichen Meinen entgegenkommen und eine gewisse Strecke
weit mit ihm gehen muß, um dann im rechten Augenblick den Um-
schlag des Denkens zu fordern, aber unter der Macht des selben Wor-
tes. Z. B. ›Entscheidung‹ kann und soll zunächst, wenn auch nicht
moralisch, so doch vollzugsmäßig als ›Akt‹ des Menschen gemeint
sein, bis es plötzlich das Wesen des Seyns selbst meint, was nun nicht
heißt, daß das Seyn ›anthropologisch‹ ausgelegt, sondern umgekehrt:
daß der Mensch in das Wesen des Seyns zurückgestellt und den Fes-
seln der ›Anthropologie‹ entrissen wird. Ebenso: ›Machenschaft‹ –
eine Art des Verhaltens des Menschen und plötzlich und eigentlich
umgekehrt: das Wesen (Un-wesen) des Seyns, worin erst der Grund
der Möglichkeit der ›Betriebe‹ gewurzelt ist. Dieses ›umgekehrt‹ aber ist
nicht einfach ein ›formaler‹ Trick des Bedeutungsumschlags in bloße
Worte, sondern die Verwandlung des Menschen selbst.« (MH /,
f.)

 Anders, Über Heidegger, S. .


  , ,  

Auch wenn man im Sinn der genannten Distanzierungsstrategie in die-


sen semantischen Umwidmungen sehr wohl einen »formalen Trick« er-
kennen kann, fällt zugleich auf, dass die »Wesensverwandlung des bis-
herigen Menschen« (ebd., ) bereits eine Forderung von Heideggers
revolutionärem Tat-Denken gewesen war. Allerdings sollte sich der
Mensch Anfang der er Jahre zu sich selbst entscheiden, während die
Verwandlung den Menschen nun vom Sein her in das Wesen des Seins
zurückstellen sollte: »Jetzt aber ist not die große Umkehrung, die jenseits
ist aller ›Umwertung aller Werte‹, jene Umkehrung, in der nicht das
Seiende vom Menschen her, sondern das Menschsein aus dem Seyn ge-
gründet wird.« (Ebd., ) Diese Umkehrung vom Menschen zum Sein
ging mit einem Wechsel der Akteursposition einher, die ebenfalls vom
Mensch auf das Sein überging. In Heideggers seinsgeschichtlichem Den-
ken wuchs dem Sein tatsächlich die Rolle eines Akteurs zu, auch wenn
Heidegger das nicht so genannt hätte. Es war aber die entscheidende
Voraussetzung dafür, das der Mensch sich auf seine »Sucher-, Wahrer-
und Wächterschaft« (ebd., ) zurückziehen und auf das »Zuspiel«
(ebd. ) des Seins warten konnte. In dieser Logik war auch die Seins-
verlassenheit ein Zug des sich verbergenden Seins selbst. Das Sein, so
Heidegger, müsse die »Loslassung des Seins in die Machenschaft« selbst
verhängen, »um sein Wesen dem Menschen wesentlich werden zu lassen«
(MH a, ).
Diese Akteursverschiebung wurde von Heidegger nicht klar benannt
und blieb in vielem zweideutig. Sie war aber der ungenannte Kernpunkt
der von Heidegger in verschiedenen Anläufen bearbeiteten Frage, wie der
Übergang in den anderen Anfang herbeizuführen sei. Wenn das seins-
vergessene Machen der Machenschaften ein Symptom der Seinsverlas-
senheit, diese aber zudem vom Sein selbst verhängt ist, bleibt dem
anfänglichen Denken streng genommen überhaupt keine Handlungs-
möglichkeit. Es kann nur warten, bis das Sein sich von sich aus zeigt und
die Seinsvergessenheit beendet. Da dieser radikale Seinsattentismus

 Maria Perrefort spricht deshalb von der »Projektion eines heimlichen Subjekts«
(Perrefort, Opfer, S. ). Otto Friedrich Bollnow schrieb schon , noch ohne
die »Beiträge« zu kennen, dass das »Sein« in Heideggers Spätphilosophie »als
etwas Handendes und Leidendes erscheint, man möchte sagen als Subjekt« (Boll-
now, Heideggers neue Kehre, S. ).
 Das hat sehr weitreichende Folgen, denn wenn die Seinsverlassenheit vom Sein
selbst verhängt ist und auch nur von ihm wieder aufgehoben werden kann, dann
trägt der Mensch (und folglich auch Heidegger selbst) keine Verantwortung für
die Verstrickung in diese Seinsverlassenheit. Da darüber hinaus der Durchgang
durch die Seinsverlassenheit seinsgeschichtlich notwendig ist (vgl. MH /,
     -

aber offenbar nicht in Heideggers Intention lag, entwickelte er in mehre-


ren Anläufen ein Modell, in dem das Sein und der Mensch aufeinander
ver- und angewiesen sind. In den »Beiträgen« sprach er bereits vom »Ge-
genschwung des Brauchens und Zugehörens«: »Das Seyn braucht den
Menschen, damit es wese, und der Mensch gehört dem Seyn, auf daß er
seine äußerste Bestimmung als Da-sein vollbringe.« (MH /, )
Später hat Heidegger dieses Bezugsmodell im sogenannten »Geviert« wei-
ter entwickelt. In den »Beiträgen« war das Verhältnis von Aktion und
Passivität aber noch nicht eindeutig austariert. Auch daher rührte das ir-
ritierende Nebeneinander von »Verhalten-« und »Entschlossenheit«.

Die Kritik der technischen Machenschaften


Die von Heidegger behandelte Frage nach dem Übergang in den anderen
Anfang stellte als Bearbeitung des Aktivismusproblems also auch eine
Auseinandersetzung mit seinem NS-Engagement in den frühen er
Jahren dar. Diese Auseinandersetzung vollzog sich dabei noch auf einer
zweiten Ebene. Während das anfängliche Denken als Heideggers neues
Positivmodell gelten kann, entfaltete er als negative Kontrastfolie eine
Kritik des gegenwärtigen Zeitalters in seinsgeschichtlicher Perspektive.
Dieses kennzeichnete er mit den bereits genannten Begriffen der »Seins-
verlassenheit«, der metaphysischen Herrschaft des »Willens zur Macht«
und des »Nihilismus«. Der moderne »Fortschritt« erschien ihm als »Ver-
massung, Verwahrlosung, Verelendung« und als »Ent-wurzelung« (ebd.,
), das »Ausweichen« des neuzeitlichen Menschen »vor der Besinnung«
als »Flucht in die Begebenheiten und Machenschaften« (ebd., ). Im
Begriff der »Machenschaft«, die »Vernichtung« und »Gewalt« bedeute
(MH /a, ), wird dabei erneut deutlich, dass es Heidegger wieder-
um um die Frage des Aktivismus ging, denn mit ihm kritisierte er das
moderne Machbarkeitsdenken, das planend-rechnende Eingreifen und
tätige Zurichten der Dinge. Im »Riesenhaften« der Machenschaften ent-
deckte er den »unbedingten Vorrang der ›Tat‹ (d. h. des berechneten, im-
mer ›großangelegten‹ Betriebs) und der ›Tatsachen‹«, welcher zur »Aus-
treibung jeder Besinnung« führe (MH /, ).

), kommt den Protagonisten der Seinsverlassenheit sogar noch eine besondere
Legitimität zu. Winfried Franzen fragt daher zu Recht, ob Heidegger auf diese
Weise den NS-Machthabern als den »Spitzenfunktionären der Seinsverlassen-
heit« nicht auch dort noch eine »Höchstlegitimation« verschafft, wo er sie vorder-
gründig kritisiert (Franzen, Existenzialontologie, S. f.).
 Vgl. dazu unten, Kap. ..
  , ,  

Die »Machenschaft« war als Name für das Machen zugleich Heideg-
gers wichtigste Kategorie zur Annäherung an das Wesen der Technik vor
. Während die Technik bis zur Mitte der er Jahre in Heideggers
Denken keinen besonderen Stellenwert einnahm, gewann sie nach sei-
nem NS-Engagement zunehmend an Bedeutung. Der Grund dafür ist
zum einen darin zu suchen, dass Heidegger durch die Betonung der tech-
nisch-modernen Seite der »Machenschaften« des Nationalsozialismus
sein eigenes ideologisches Bezugssystem der »Erde« von der NS-Konta-
mination retten wollte. Zum anderen stellte die Technik als eine Form
des Machens, als ein Handlungs- und Herstellungssystem für Heidegger
einen Stein des Anstoßes dar, an dem er seine eigene Kategorien des
Schaffens und des Schöpferischen zu überprüfen hatte, weshalb er die
Technik auch in unmittelbarer Verbindung mit der Kunst diskutierte.
Sowohl bei der Frage nach der Technik allgemein, als auch bei der
Kritik der technischen Machenschaften während des »Dritten Reiches«
war der Einfluss Ernst Jüngers und seines »Arbeiters« auf Heidegger
deutlich erkennbar. Seine Darstellung der technischen Machenschaften
war in vielem an Jünger orientiert. Auch der grundlegende Anspruch, in
der Technik mehr und anderes zu erblicken, als die bloß vordergründige
»›Tatsache‹, die wir ›Technik‹ nennen« (MH /b, ), und etwa in
der »›Motorisierung‹ der Wehrmacht« einen »metaphysische[n] Akt«
(MH a, ) zu erkennen, scheint von Ernst Jünger übernommen –
auch wenn Heidegger Jünger gerade vorwarf, »das metaphysische Wesen
der Technik nicht begriffen« (MH a, ) zu haben. An einigen Stel-
len verwies er selbst auf Jüngers »Arbeiter« (MH /, ). An ande-
ren Stellen war seine Wortwahl deutlich von Jünger entlehnt, etwa wenn
er im Weltbildvortrag von  sagte: »Der ›Wissenschaftler‹ drängt von
sich aus notwendig in den Umkreis der Wesensgestalt des Arbeiters u. des
Soldaten.« Noch deutlicher wurde das in der Vorlesung vom Sommer-
semester :
»Inzwischen hat sich aber auch über alle im engeren Sinn ›politischen‹
Lehrgebäude hinweg entschieden, daß durchgängig ›der Arbeiter‹ und

 Später trat an diese Stelle das »Ge-stell«; vgl. unten, Kap. ..
 Vgl. EJ a, : »Diese technische Seite der totalen Mobilmachung ist indessen
nicht die entscheidende. Ihre Voraussetzung liegt vielmehr, wie die Voraussetzung
jeder Technik, tiefer.« Im »Arbeiter« suchte Jünger die tiefergehende Grundlage
der Technik dann wie dargestellt im Begriff der »Gestalt«.
 Zit. n. Vietta, Heideggers Kritik, S. . Diese Formulierung stellt eine Textvariante
gegenüber der veröffentlichten Fassung von  dar, in der es hieß: »Der For-
scher drängt von sich aus notwendig in den Umkreis der Wesensgestalt des Tech-
nikers im wesentlichen Sinne.« (MH , ).
     -

›der Soldat‹ das Gesicht des Wirklichen bestimmen. Diese beiden Na-
men sind da nicht als Namen für eine Volksklasse und einen Berufs-
stand gemeint, sie bezeichnen in einer einzigartigen Verschmelzung
die Art des Menschentums, das maßgebend von der jetzigen Welt-
erschütterung zu deren Vollzug in Anspruch genommen ist und dem
Bezug zum Seienden die Richtung und Einrichtung gibt.« (MH ,
) 
Schließlich deutete Heidegger auch die zunehmende Medialisierung der
Öffentlichkeit wie Jünger als Teil des planetarischen Vorgangs der Tech-
nisierung. So sprach er von der beständigen
»Inszenesetzung des Menschen, die schließlich und mittelbar eine ins
Maßlose verlaufende Veröffentlichung alles Menschenbetriebs in ›Bild
und Ton‹, durch Fotomontage und Reportage zur Folge hat: eine Er-
scheinung planetarischen Ausmaßes, die in Amerika und Russland, in
Japan und Italien, in England und Deutschland ihrer Wesensgestalt
durchaus denselben gleichläufigen Charakter hat und vom Willen
Einzelner, von der Art der Völker, der Staaten, der Kulturen merkwür-
dig unabhängig ist.« (MH , )
In dieser Äußerung kam zugleich Heideggers »Gleichsetzungs- und Ein-
ebnungsstrategie«  zum Ausdruck. Denn indem Heidegger alle Erschei-
nungen der Gegenwart als Folgeerscheinungen der metaphysischen Seins-
verlassenheit deutete, verschwanden die Unterschiede zwischen ihnen.
Dies wird etwa in einer Passage der Nietzsche-Vorlesung vom Sommerse-
mester  deutlich, in der Heidegger von dem metaphysischen Vorgang
sprach, »daß alles Seiende mehr und mehr bis in seine verborgendsten
Schichten und Gründe in die Macht der Berechnung und Planung rückt«
(MH , ), um dann fortzufahren:
»Die Herrschaft der Berechnung und des Rechenhaften und planmäßig
Gesicherten entspringt nicht der Absicht und Tätigkeit einzelner
Menschen, Menschengruppen, Kulturkreise und Nationen; es ist um-
gekehrt: der planende, rechnende Mensch, die ausnahmslos tech-

 Heidegger zitierte die Begriffe des Arbeiters und des Soldaten hier von Nietzsche,
wodurch wiederum deutlich wird, dass er Nietzsche durch Jünger auslegte. In
seinen Jünger-Aufzeichnungen schrieb Heidegger: »Was Jünger deutlicher sieht
als Nietzsche ist das, was Nietzsche zu seiner Zeit in diesen Erscheinungen noch
nicht sehen konnte, da sie selbst noch in der Wirklichkeit versteckt lagen. Im
Ganzen sind es die Erscheinungen der Technik als der Grundweise der Einrich-
tung und Sicherung des Wirklichen als Willen zur Macht.« (MH /, )
 Schwan, Heideggers Beiträge, S. ; vgl. dazu auch ders., Zeitkritik.
  , ,  

nisch-politische Einrichtung des Lebensganges ist in den sogenannten


autoritären und angeblich demokratischen Staaten zwar der Art und
Gesinnung nach grundverschieden, dem metaphysischen Wesens-
grund nach jedoch abendländisch, und das heißt: dieselbe.« (Ebd.)
Heidegger sprach auch von der metaphysischen »Selbigkeit dieser neu-
zeitlichen Gestalten der politischen Machtentfaltung«, womit der »die
›autoritären‹ Staaten« und »die ›parlamentarischen‹ Staaten« meinte
(MH /, ). Eines Tages werden, so prophezeite er an anderer
Stelle, »der common sense der Demokratien und die vernünftige Plan-
mäßigkeit der ›totalen Autorität‹ sich finden und als dasselbe erkennen«
(MH /a, ). Von dieser Position aus konnte Heidegger seine
Abneigung gegen die Demokratie aufrecht erhalten und sie nun als eine
Erscheinungsform des Nihilismus bezeichnen, die zusammen mit Libe-
ralismus und Pazifismus noch dazu den Nachteil einer »seichten« Form
des passiven Nihilismus habe:
»Europa will sich immer noch an die ›Demokratie‹ klammern und will
nicht sehen lernen, daß diese sein geschichtlicher Tod würde. Denn
die Demokratie ist, wie Nietzsche klar sah, nur eine Abart des Nihilis-
mus, d. h. der Entwertung der obersten Werte, derart, daß sie eben
nur noch ›Werte‹ und keine gestaltgebenden Kräfte mehr sind.«
(MH /, ) 
Gleichzeitig konnte er nun aber auch Kritik an einzelnen Elementen des
Nationalsozialismus üben, die er ebenfalls als Erscheinungsformen des
Nihilismus wertete. Dabei knüpfte er an die Kritikpunkte an, die er
schon während seines NS-Engagements formuliert hatte, und ordnete
sowohl den nationalsozialistischen »Biologismus« als auch dessen »Orga-
nisation« in seine seinsgeschichtliche Perspektive ein. Der Rassegedanke
sei selbst nur »auf dem Boden der Subjektivität möglich« und damit eine
Erscheinungsform der Ende der er Jahre bereits abgelehnten Meta-
physik, da dieser darin bestehe, den Menschen zum »Grund und Ziel des
Seienden im Ganzen« (MH /, ) zu erklären: »Nur wo die unbe-
dingte Subjektivität des Willens zur Macht zur Wahrheit des Seienden im
Ganzen wird, ist das Prinzip der Einrichtung einer Rassezüchtung, d. h.
nicht bloße aus sich wachsende Rassebildung, sondern der sich selbst
wissende Rassegedanke möglich und d. h. metaphysisch notwendig.«
(MH c, f.)

 Vgl. Schwan, Politische Philosophie, S. ff.


 Diese Passage des Vorlesungsmanuskripts vom Wintersemester / hat Hei-
degger nicht in das Nietzschebuch von  übernommen.
     -

»Rasse« war für Heidegger daher ein »technisch-subjektivitätsmäßiger


Begriff« (MH /, ), die »Rassen-pflege« eine »machtmäßige Maß-
nahme« (MH /, ). Auch die Wissenschaften, die als moderne
ohnehin in den »Wesensbezirk« der »Machinalisierung« (MH c, )
gehörten, würden sich folglich nicht durch die vom Nationalsozialismus
angestrebte Gleichschaltung wieder in wesentliche Wissensformen zu-
rückverwandeln lassen. Im Gegenteil: »Nur eine durchaus neuzeitliche
(d. h. ›liberale‹) Wissenschaft kann ›völkische Wissenschaft‹ sein. […]
Die ›völkische‹ ›Organisation‹ ›der‹ Wissenschaft bewegt sich auf dersel-
ben Bahn wie die ›amerikanistische‹« (MH /, f.). In der Linie
dieser Argumentation konnte Heidegger seine Aufklärungs- und Libera-
lismuskritik als Technik- und Machtkritik auch auf den totalitären Impe-
rialismus ausdehnen:
»Der Mensch als Vernunftwesen der Aufklärungszeit ist nicht weniger
Subjekt als der Mensch, der sich als Nation begreift, als Volk will, als
Rasse sich züchtet und schließlich zum Herrn des Erdkreises sich er-
mächtigt. […] Im planetarischen Imperialismus des technisch organi-
sierten Menschen erreicht der Subjektivismus des Menschen seine
höchste Spitze, von der er sich in die Ebene der organisierten Gleich-
förmigkeit niederlassen und dort sich einrichten wird. Diese Gleich-
förmigkeit wird das sicherste Instrument der vollständigen, nämlich
technischen Herrschaft über die Erde.« (MH , f.)
In diesem ( allerdings nicht vorgetragenen) Zusatz zum Weltbildvor-
trag wird deutlich, dass Heideggers Kritik an den technischen Machen-
schaften Ende der er Jahre tatsächlich auch die Herrschaftspolitik
des Nationalsozialismus traf. Das war allerdings nicht von Anfang an so.
In der »Einführung in die Metaphysik« von  bezog Heidegger die
»metaphysische Selbigkeit« noch allein auf Amerika und die UdSSR:
»Europa […] liegt heute in der großen Zange zwischen Rußland auf
der einen und Amerika auf der anderen Seite. Rußland und Amerika
sind beide, metaphysisch gesehen, dasselbe; dieselbe trostlose Raserei
der entfesselten Technik und der bodenlosen Organisation des Nor-
malmenschen. […] Unser Volk erfährt als in der Mitte stehend den
schärfsten Zangendruck, das nachbarreichste Volk und so das gefähr-
detste Volk und in all dem das metaphysische Volk.« (MH , f.)
Die »trostlose Raserei der entfesselten Technik« und die »bodenlose Or-
ganisation des Normalmenschen« spielten sich für Heidegger Mitte der
er Jahre also noch vornehmlich in Russland und Amerika ab, wäh-
rend in Europa, wie schon zitiert, Hitler und Mussolini »Gegenbewegun-
  , ,  

gen« (MH b, ) gegen den Nihilismus eingeleitet hatten. Erst im
Laufe der kommenden Jahre deutete Heidegger den Nationalsozialismus
schrittweise vom erhofften Überwinder der nihilistischen Moderne zu
einem ihrer Symptome um. In der »Einleitung in die Metaphysik« war
Heideggers wachsende Distanz zum nationalsozialistischen Regime
gleichwohl schon erkennbar. Allerdings wurde darin auch die Art seiner
Distanzierung deutlich, denn es handelte sich um eine Distanzierung
vom real existierenden Nationalsozialismus, der von der Warte eines ei-
gentlichen bzw. wahren Nationalsozialismus aus kritisiert wurde. Diese

 Heideggers Bestimmung des Verhältnisses von Bolschewismus und Amerikanis-


mus und der Frage, was von beidem die größere Gefahr darstelle, war dabei nicht
immer eindeutig. Zu Beginn der er Jahre und in seinem NS-Engagement
schien er einerseits stark durch den im deutschen Bürgertum weitverbreiteten
Antibolschewismus und die Gegnerschaft zum »Widergeist der kommunisti-
schen Welt« (MH/EB, ) motiviert gewesen zu sein. Noch zu Beginn des Zwei-
ten Weltkriegs nannte er den »›Kommunismus‹ die metaphysische Verfassung der
Völker im letzten Abschnitt der Vollendung der Neuzeit« (MH /, ; vgl.
auch ebd., ff., f.) und sprach etwa von der »bürgerlich-christliche[n] Form
des englischen ›Bolschewismus‹« (ebd., f.). Damit setzte er den »Kommunis-
mus im metaphysischen Sinne« mit der von ihm konstatierten Herrschaft des
Willens zur Macht gleich, von der dann die »jeweiligen Staatswesen, die demo-
kratischen, faschistischen, bolschewistischen und ihre Mischformen« nur »Fassa-
den« seien (MH /, ). Im selben Sinn nannte er auch »Ernst Jüngers
›Der Arbeiter‹ […] die aus der Grundstellung der Metaphysik Nietzsches ge-
schaffene Metaphysik des recht verstandenen, d. h. von allen ›bürgerlichen‹
Vorstellungen gereinigten imperialen ›Kommunismus‹« (ebd., ). Andererseits
polemisierte er aber in den Hölderlin-Vorlesungen der mittleren Kriegsjahre in
erster Linie gegen die »Preisgabe des deutschen Wesens an den Amerikanismus«
(MH /, ) und nannte den »Bolschewismus […] nur eine Abart des
Amerikanismus« (MH , ). Obwohl er schon vor  davon sprach, »dass
alles Grauenhafte im Amerikanismus liegt und gar nicht im Russentum«
(MH /b, ), war für die spätere Bewertung wahrscheinlich der Kriegsein-
tritt der USA entscheidend, den Heidegger wie folgt kommentierte: »Wir wissen
heute, daß die angelsächsische Welt des Amerikanismus entschlossen ist, Europa,
und d. h. die Heimat, und d. h. den Anfang des Abendländischen, zu vernichten.
Anfängliches ist unzerstörbar. Der Eintritt Amerikas in diesen planetarischen
Krieg ist nicht der Eintritt in die Geschichte, sondern ist bereits schon der letzte
amerikanische Akt der amerikanischen Geschichtslosigkeit und Selbstverwü-
stung. Denn dieser Akt ist die Absage an das Anfängliche und die Entscheidung
für das Anfangslose. Der verborgene Geist des Anfänglichen im Abendland wird
für diesen Prozeß der Selbstverwüstung des Anfanglosen nicht einmal den Blick
der Verachtung übrig haben, sondern aus der Gelassenheit der Ruhe des Anfäng-
lichen auf seine Sternstunde warten.« (MH , S. ) Vgl. dazu Kittsteiner,
Heideggers Amerika.
 Vgl. dazu auch Franzen, Existenzialontologie, S. -.
     -

Unterscheidung traf Heidegger selbst in einer vieldiskutierten Passage, in


der er die Gegenwartsphilosophie kritisierte und schließlich auf die »Phi-
losophie des Nationalsozialismus« zu sprechen kam: »Was heute vollends
als Philosophie des Nationalsozialismus herumgeboten wird, aber mit
der inneren Wahrheit und Größe des Nationalsozialismus nicht das ge-
ringste zu tun hat, das macht seine Fischzüge in diesen trüben Gewässern
der ›Werte‹ und der ›Ganzheiten‹.«
Bei der Veröffentlichung der »Einführung in die Metaphysik«  hat
Heidegger diesen Satz modifiziert, indem er an Stelle der zweiten Erwäh-
nung des Nationalsozialismus »diese Bewegung« setzte und eine erläu-
ternde Klammer einfügte, so dass er nun lautete:
»Was heute vollends als Philosophie des Nationalsozialismus herum-
geboten wird, aber mit der inneren Wahrheit und Größe dieser Bewe-
gung (nämlich mit der Begegnung der planetarisch bestimmten Technik
und des neuzeitlichen Menschen) nicht das Geringste zu tun hat, das
macht seine Fischzüge in diesen trüben Gewässern der ›Werte‹ und
›Ganzheiten‹.« (MH , )
Was genau Heidegger  mit der »Begegnung« der Technik und des
neuzeitlichen Menschen meinte und ob darin eine Kritik oder eine Apo-
logie des Nationalsozialismus enthalten war, ist nicht einfach zu entschei-
den.  brachte Heidegger den Nationalsozialismus jedenfalls noch
nicht mit der »planetarisch bestimmten Technik« in Verbindung. Viel-
mehr berief er sich noch auf dessen »innere Wahrheit und Größe«, die in
der Realität des »Dritten Reiches« für ihn aber offenbar verwässert war.
Wie er sich diese innere Wahrheit vorstellte, geht aus einem Brief Hei-
deggers an Kurt Bauch vom . Juni  hervor, in dem er schrieb: »der
N.S. wäre schön als barbarisches Prinzip – aber er sollte nicht so bürger-
lich sein«. Heidegger glaubte also ganz offensichtlich noch an die Idee
des Nationalsozialismus, die in seinen Augen durch die Realität des
»Dritten Reiches« aber verraten zu werden drohte.
Allein mit Blick auf diesen »Verrat« der realen an der idealen Bewe-
gung funktionierte auch Heideggers explizite Selbstkritik. So äußerte er

 Zit. n. Ott, Unterwegs, S. .


 Rainer Marten, der Heidegger als Student bei der Überarbeitung der Vorlesung
behilflich war, erinnert sich an diesen Eingriff; vgl. Marten, Rassistisches Kon-
zept; dazu auch Pöggeler, Denkweg, S. -.
 In jedem Fall schrieb Heidegger dem Nationalsozialismus damit eine besondere
seinsgeschichtliche Bedeutung zu; vgl. zur Debatte, die dieser Satz  auslöste,
unten, Kap. ..
 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz.
  , ,  

sich im November  im Rahmen eines von ihm abgehaltenen Arbeits-


kreises zur »Bedrohung der Wissenschaft« über seinen »Anlauf zur ›Selbst-
behauptung‹«, der ein »Irrtum nach allen nur möglichen Richtungen«
(MH c, ) gewesen sei. Allerdings nur ein Irrtum aus »Unkenntnis
des wirklichen Getriebes und der Machenschaften andrängender Grup-
pen und Interessen« (ebd.):
»Ich habe während meines Rektorats viele und große Fehler gemacht.
Aber die beiden größten Fehler waren: . daß ich nicht mit der Ge-
meinheit der sogenannten Kollegen rechnete und mit der charakter-
losen Verräterei der Studentenschaft. . daß ich nicht wusste, daß man
einem Ministerium gegenüber nicht mit schöpferischen Forderungen
und weit gesteckten Zielen kommen darf.« (Ebd., )
An den weitgesteckten Zielen von  selbst schien Heidegger  keine
Revisionen anbringen zu wollen. Er gestand sich lediglich eine Art real-
politischer Unbedarftheit ein. Als Konsequenz seines wissenschaftspoliti-
schen Scheiterns revidierte er daher nicht seine inhaltlichen Vorstellun-
gen einer notwendigen Wandlung zum wesentlichen Dasein des Volkes,
sondern nur seinen Anspruch, durch die philosophische Tätigkeit diese
Wandlung direkt herbeiführen oder gar organisieren zu können. Eben-
falls Ende  beteuerte Heidegger daher, dass Philosophie nie unmittel-
bar »nutzbar zu machen« (MH /, ) sei. Sie wirke vielmehr »nur
mittelbar, indem die philosophische Besinnung allem Verhalten neue
Blickbahnen und allem Entscheiden neue Maßstäbe bereitstellt« (ebd.).
In diesem Sinn grenzte Heidegger Philosophie auch klar von »Weltan-
schauung« ab und sprach in den »Beiträgen« von der »Loslösung der Phi-
losophie aus den Verstrickungen […] in die Weltanschauungsdiener-
schaft« (MH /, ). Schon in der »Einführung in die Metaphysik«
hatte er im selben Sinn gesagt, dass alle wesentliche Philosophie »not-
wendig unzeitgemäß« bleiben müsse und »nie einen unmittelbaren Wie-
derklang in ihrem jeweiligen Heute finden« (MH , ) dürfe.
Was oben schon deutlich wurde, geht also auch aus diesen Bemerkun-
gen hervor, dass nämlich mit der Umdeutung des Nationalsozialismus
von einer Gegenbewegung zum Symptom des Nihilismus eine Neu-
bestimmung der Aufgabe der Philosophie einherging. Diese sollte den
Umschwung nun nicht mehr unmittelbar tätig herbeiführen, sondern
ihn durch verhaltene Besinnung vorbereiten. Gleichzeitig wandelte sich
die Naherwartung des neuen Anfangs in eine Fernerwartung.
Diese Gemengelage von Heideggers Einstellung gegenüber seiner uni-
versitären Tätigkeit und seinem Verhältnis zum Nationalsozialismus wird
in unterschiedlichen Facetten durch die Briefe beleuchtet, die Heidegger
     -

während des »Dritten Reiches« an seinen Freiburger Freund und Profes-


sorenkollegen Kurt Bauch schrieb, der schon während Heideggers Rekto-
ratszeit zu seinen politischen Verbündeten gehört hatte. In einem Brief
vom . Februar  etwa wurde deutlich, dass Heidegger durchaus wei-
ter gewillt war, »für den Nationalsozialismus zu arbeiten«, dass er sich
angesichts der Lage an der Universität aber keine großen Hoffnungen auf
die Umsetzung seiner Ziele machte:
»Aber im Grunde ist es doch gleichgültig; so wie es jetzt aussieht, wird
für die nächsten Jahrzehnte an den Universitäten u. durch sie nichts
mehr entschieden. Vor allem werden sie immer mehr sich selbst durch
die jetzt schnell voranschreitende – ganz geräuschlose innere Auflösung
der Selbstvernichtung entgegen führen. Was bleibt? Und was sollen
wir da noch mitspielen? Es bleibt noch die Möglichkeit eines Zufalls-
treffers, daß diesem oder jenem – u. auf Wenige wird es auch künftig
ankommen – ein wesentlicher Stoß versetzt wird. Zwar kenne ich Ihr
›Publikum‹ nicht; aber ich fürchte, auch Sie lesen u. mühen sich ab
vor jenen, die von vorne herein gewillt sind, nicht für den Nationalso-
zialismus zu arbeiten – Versprengte Juden, Halbjuden, sonst Miss-
glückte, Jesuiten u. Schwarze in Laiengestalt u. einige Schöngeister –
Aber vielleicht ist es ein Irrtum zu meinen, es gäbe außerdem noch
etwas, was eine echte Hörerschaft darstellen könnte, daß eben keine
anderen kommen, ist entscheidend – diese anderen kommen nämlich
[…] nie u. haben bereits für ihre Mittelmäßigkeit ein so gutes Ge-
wissen bekommen, daß man sich lächerlich machte, wollte man sie gar
doch holen. Und trotzdem müssen wir da stehen bleiben u. wirklich
stehen u. selbst nur für uns selbst – gesetzt daß wir alle Arbeit dem
Geschick des Volkes opfern.«
Ein ähnlicher Heroismus des verlorenen Postens sprach auch aus einem
Brief vom . Dezember , in dem aber zudem klar zum Ausdruck
kam, dass sich Heideggers Wandel vom Wollen zum Warten durchaus
nicht freiwillig vollzog, sondern den realpolitischen Umständen geschul-
det war:
»Ich frage mich täglich: ist es eine hinreichende Entschädigung zu sa-
gen, daß uns die Möglichkeit, eine geistige Welt zu bauen, genommen
ist? Wir werden zwar auch in der äußersten Not nicht darauf verfallen,
dergleichen zu organisieren u. unmittelbar aufstellen zu wollen; und

 Vgl. zu Bauch Papenbrock, Kurt Bauch.


 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz.
  , ,  

dennoch komme ich über den Zwiespalt nicht hinweg, daß unser
Wirken zu schwach ist u. zerflattert, ein Nichts gegenüber dem, was
wir als Notwendigkeit ahnen. Und so gerät denn das Wollen auf den
einzigen Ausweg, nach Kräften das Mögliche vorzubereiten, bereitzu-
stellen – und zu warten. Aber dürfen wir warten im zunehmenden
Niedergang u. der Loslösung von allem Wurzelhaften? Müssen wir
einfach da hindurch? Auch das wäre zu tragen, wenn es im Durchgang
wäre u. nicht doch ein europäischer Untergang mit dem russischen u.
römischen Segen. Die Zeichen sind schwer zu deuten. Um so mehr
müssen wir auf unseren unscheinbaren Posten bleiben – auch wenn es
zu keinem Vormarsch mehr kommt.«
Heidegger hatte sich im Laufe der er Jahre also tatsächlich von seinem
NS-Engagement entfernt. Allerdings nicht einfach im Sinne einer Kritik
des Nationalsozialismus und einer Revision der eigenen politischen
Überzeugungen. Vielmehr behielt er seine politische Position weitge-
hend bei, veränderte aber seine Einschätzung des NS-Regimes und der
Wirkungsmöglichkeiten philosophischer Tätigkeit. Beides lässt sich an
Heideggers Auseinandersetzung mit Hölderlin weiter verfolgen. Denn in
ihr kam einerseits der Übergang vom Glauben an die nationalsozialisti-
sche Bewegung zum Glauben an ein eigentliches »Deutschland«, das
nicht mehr unbedingt mit dem Deutschland unter nationalsozialistischer
Herrschaft identisch war, zum Ausdruck, weshalb Otto Pöggeler Heideg-
gers Hölderlin-Interpretation in den er Jahren die »Fortsetzung des

 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz. Noch am . Januar 


schrieb Heidegger, enttäuscht über die »Jugend« an der Universität: »Und den-
noch! immer wieder dieses vielleicht zermürbende ›dennoch‹. Wir müssen, so gut
es geht, hinstehen und – nicht anders können.« (M. Heidegger an K. Bauch,
.., Privatbesitz) Am . Juni  schrieb er über die universitäre Arbeit,
»die im Grund nutzlos ist, da unter den gegebenen Umständen nichts verhindert
werden kann. Außerdem ist das bloße Verhindern und Beseitigen nicht das, was
heute allein not tut. Nur das, was wir an geistig schöpferischer Arbeit gegen alle
Zurückwollenden hinzustellen vermögen, hat ein Gewicht; alles Herumwerken
in Einrichtungen und Stubenunternehmungen bringt die besten Kräfte in eine
schiefe Front, die eines Tages in die Gefahr kommt, überhaupt keine Front zu
sein, weil sie kein Gegenüber mehr hat, da sich niemand an sie kehrt. Ich glaube,
daß die Neubesinnung und Wiederbesinnung auf unsere Aufgaben an den Stel-
len, die wir nun einmal innehaben, erneut einsetzen aber auch unmittelbar in der
Arbeit sich auswirken muß.« (M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz)
Die Frustration über mangelnde Wirkungsmöglichkeiten ist diesen Briefen deut-
lich anzumerken. Allerdings schrieb Heidegger  nicht mehr explizit, welche
Art von »Front« er genau meint.
     -

›Freiburger Nationalsozialismus‹ auf anderen Wegen« nennen konnte.


Andererseits spiegelte sich in Heideggers Deutung von Hölderlin als dem
Künder eines künftigen Deutschland auch seine geänderte Wirkungs-
strategie, die nun auf die Elite der »Wenigen« und der »Kommenden«
setzte.

Hölderlin und das »geheime Deutschland«

Während des »Dritten Reiches« hielt Heidegger drei Vorlesungen über


Friedrich Hölderlin: im Wintersemester /, im Wintersemester
/ und im Sommersemester . Zudem entstanden zwischen 
und  weitere Vorträge und Abhandlungen, die als »Erörterungen zu
Hölderlins Dichtung« erstmals  und nach dem Krieg in mehreren
um spätere Texte ergänzten Auflagen erschienen sind. Damit erreichte
Heideggers Auseinandersetzung mit Hölderlin nicht ganz den Umfang
derjenigen mit Nietzsche. Hölderlin war für Heidegger aber deswegen
nicht weniger wichtig als Nietzsche, eher im Gegenteil. Beide galten ihm
als jeweils wichtigster Denker und Dichter (vgl. MH b, -),
wobei aber mit Nietzsche das zu denken sei, »was ist« (ebd., ), also das
Zeitalter der vollendeten Metaphysik, während er in Hölderlin den
»Vorbote[n] der Überwindung aller Metaphysik« (MH /, ) sah.
Noch im Spiegel-Gespräch von  sagte Heidegger, dass sein Denken
»in einem unumgänglichen Bezug zur Dichtung Hölderlins« stehe, da
Hölderlin der Dichter sei, »der in die Zukunft weist« (MH , ).
Diese Zukunftsfunktion bestand für Heidegger darin, dass Hölderlin
durch seine Dichtung das Bleibende als das Kommende stifte. Dies war
die Grundannahme von Heideggers Begriff der Dichtung, wie er ihn von
Hölderlin gewann. Er nannte diese Grundannahme bereits ganz zu Be-

 Zit. n. Alisch, Rektoratsrede, S. . Wobei es hier eben auf die Definition von
Heideggers »Privat-« oder »Freiburger Nationalsozialismus« ankommt. Tom
Rockmore bestimmte als Kern von Heideggers Nazismus dessen »Glauben an die
schicksalhafte Bestimmung des deutschen Volkes« (Rockmore, Heidegger und
der Nationalsozialismus, S. ). Dieser blieb auch nach Heideggers Abkehr vom
NS-Regime bestehen, wodurch er weiterhin am »ethnischen Fundamentalismus«
partizipierte, den Claudia Koonz als Fundament der nationalsozialistischen Ethik
ausgemacht hat; vgl. Koonz, Nazi Conscience.
 Vgl. MH /, MH /, MH  und MH /. Als (weitgehend
affirmative und entpolitisierende) Rekonstruktion von Heideggers Hölderlin-
Rezeption während des »Dritten Reiches« vgl. Ziegler, Heidegger; in kritischerer
Perspektive Wright, Erläuterungen.
  , ,  

ginn seiner Vorlesung im Wintersemester /, indem er ihr folgende


Verszeile Hölderlins voranstellte: »Was bleibet aber, stiften die Dichter.«
(MH /, ) Dass Hölderlin selbst diesen Dichtungsbegriff aufstellte,
war gleichzeitig der Grund, warum ihm in den Augen Heideggers eine
herausgehobene Stellung zukam. Denn als »Dichter des Dichters« (ebd.,
) habe Hölderlin das »Wesen der Dichtung« (ebd., ) selbst offenbart.
Dieses Wesen der Dichtung bestand für Heidegger wiederum darin, als
»Ursprache« (MH /, ) auch das Wesen der Sprache zu stiften
und dadurch zugleich »worthafte Stiftung des Seins« (ebd., ) zu sein.
Der Dichter selbst erschien so als schöpferisch schaffender Stifter des
Seins.
Entscheidend ist nun, dass Heidegger diese Vorstellung von der Dich-
tung als »Stiftung des Seyns« (MH /, ) mit der Annahme ver-
band, dass auch »das Dasein der Völker je aus der Dichtung entspringt«
(ebd., ). Hölderlin habe also nicht nur als »Dichter des Dichters« eine
»einzigartige geschichtliche Stellung und Sendung«, sondern auch als
»Dichter der Deutschen« (ebd., ). Denn als »Dichter, der die Deut-
schen erst dichtet«, sei er zugleich der »Stifter des deutschen Seyns«
(ebd.) und damit »der Deutscheste der Deutschen« (MH -, ).
Von den Deutschen aber erwartete Heidegger allein die »Bändigung der
Gefahr der Weltverdüsterung«, wie er in der »Einführung in die Meta-
physik« schrieb, denn diese läge in »der geschichtlichen Sendung unseres
Volkes der abendländischen Mitte« (MH , ). Der andere Anfang
könne »sich nur so wie der erste Anfang in einem abendländisch ge-
schichtlichen Volk der Dichter und Denker ereignen« (MH /, ).
Heidegger sprach in der ersten Hölderlin-Vorlesung daher auch von der
»griechisch-deutschen Sendung« (MH /, ), denn allein die
Deutschen hätten einen wesentlichen Bezug zum griechischen Denken:
»Bedenken wir, daß für das Abendland zuerst und maßgebend im
Griechentum das Wesen der Wahrheit sich öffnete, dann erkennen
wir, inwiefern das dem Griechentum gewordene Geschick nichts Ver-
gangenes und Antiquiertes, auch keine ›Antike‹ ist, sondern ein noch

 Damit setzte Heidegger, obwohl er den Geniebegriff ablehnte, den Geniegedan-


ken des deutschen Idealismus und der Romantik doch fort; vgl. Gethmann-Sie-
fert, Heidegger, S. .
 Die Schreibweise von Seyn mit y folgte hier noch nicht Heideggers grundsätz-
licher Unterscheidung von Seyn und Seiendem aus den »Beiträgen«, sondern
Hölderlins Orthographie der Wende vom . zum . Jahrhundert. Das deutet
umgekehrt darauf hin, dass Heideggers Schreibweise auf seine Hölderlinaneig-
nung zurückgeht.
     -

unentschiedenes Kommendes, dem wir, die Deutschen, zuerst und auf


lange Zeit hin wohl alleine, entgegendenken können und müssen.«
(MH a, )
Dieser Glaube an die »geschichtliche Bestimmung« (MH b, ) des
deutschen Volks zeigte sich besonders deutlich in den Vorlesungen und
Aufzeichnungen der Kriegsjahre. Da Heidegger den Weltkrieg als letz-
tes Symptom der Seinsverlassenheit interpretierte, die Überwindung der
Seinsverlassenheit in seinen Augen aber allein durch eine Besinnung auf
das Wesen der Wahrheit des Seins erfolgen könne, welche wiederum nur
vom deutschen Volk der Dichter und Denker zu leisten sei, war es folge-
richtig, dass er die Rettung aus dem Weltkrieg von den Deutschen er-
wartete, auch wenn sie es waren, die ihn angezettelt hatten. So schrieb er
in der Heraklit-Vorlesung vom Sommersemester : »Der Planet steht
in Flammen. Das Wesen des Menschen ist aus den Fugen. Nur von den
Deutschen kann, gesetzt, daß sie ›das Deutsche‹ finden und wahren, die
weltgeschichtliche Besinnung kommen.« (MH d, S. ) Nur die
Deutschen, so Heidegger in derselben Vorlesung, könnten »im Einver-
nehmen […] mit der Wahrheit des Seyns« die »Kleingeisterei der moder-
nen Welt« überwinden. Allerdings müssten sie sich dafür auf ihr eigent-
liches Wesen besinnen:
»Daher gilt es zu wissen, daß dieses geschichtliche Volk, wenn es über-
haupt hier auf ein ›Siegen‹ ankommt, schon gesiegt hat und unbesieg-
bar ist, wenn es das Volk der Dichter und Denker ist, das es in seinem
Wesen bleibt, solange es nicht der furchtbaren, weil immer drohenden
Abirrung von seinem Wesen und so einer Verkennung seines Wesens
zum Opfer fällt.« (MH /, )

 In einem Brief an Kurt Bauch vom . Oktober  sprach Heidegger von der
»stiftende[n] Bestimmung der Deutschen« (M. Heidegger an K. Bauch, ..,
Privatbesitz).
 »Was immer und wie immer das äußere Geschick des Abendlandes gefügt werden
mag, die größte und die eigentliche Prüfung der Deutschen steht noch bevor,
jene Prüfung, in der sie vielleicht von den Nichtwissenden gegen deren Willen
geprüft werden, ob sie, die Deutschen, im Einvernehmen sind mit der Wahrheit
des Seyns, ob sie über die Bereitschaft zum Tode hinaus stark genug sind, gegen
die Kleingeisterei der modernen Welt das Anfängliche in seine unscheinbare Zier
zu retten. Die Gefahr, in der das ›heilige Herz der Völker‹ des Abendlandes steht,
ist nicht die eines Untergangs, sondern die, daß wir, selbst verwirrt, uns selbst
dem Willen der Modernität ergeben und ihm zutreiben. Damit dieses Unheil
nicht geschehe, bedarf es in den kommenden Jahrzehnten der Dreißig- und Vier-
zig-Jährigen, die gelernt haben, wesentlich zu denken.« (MH d, f.)
 Wie aus Heideggers letzter Vorlesung vor Kriegsende hervorgeht, die im Novem-
  , ,  

Auch wenn Heidegger zur Zeit des Wintersemesters / im real exi-
stierenden Nationalsozialismus bereits eine solche Abirrung sah, glaubte
er offenbar immer noch daran, dass die Deutschen den mit der Schlacht
um Stalingrad gerade kritisch gewordenen Krieg gewinnen könnten, wenn
sie sich nur auf ihre »innere Wahrheit und Größe« als Volk der Dichter
und Denker besännen. Schon zu Beginn des Krieges fragte er, »ob nicht
gerade des deutschen Wesens es ist, die ›Macht‹ aus der Ur-kraft des deut-
schen Wesens zu überwinden« (MH /, ), und antwortete sich
selbst: »Daß die verborgene und noch ungeläuterte Wesenskraft der
Deutschen so weit hinausreicht, das ist unser Glaube.« (Ebd., )
Heideggers Enttäuschung durch den Nationalsozialismus führte also
nicht zu einer Erschütterung seines Glaubens an die »Wesenskraft der
Deutschen«. Allerdings trennte er nun zwischen der Abirrung des tech-
nisch-metaphysischen Nationalsozialismus und der Besinnung auf das
eigentliche Wesen der Deutschen, das er zudem verstärkt in den Kontext
Europas und der »Rettung des Abendlandes« (MH a, ) einordnete,
für das die Deutschen als »Volk der abendländischen Mitte« (MH ,
) eine besonderen Aufgabe und Bedeutung hätten. Diese Trennung
zwischen dem Wesen der Deutschen und dem Nationalsozialismus ver-
band sich im bereits genannten Sinn mit der Kritik an der Technik und
der technokratischen Seite des NS-Regimes auf der einen und der Vertei-
digung von Heideggers ideologischem Bezugspunkt der »Erde« auf der
anderen Seite. Letztere kehrte in den Hölderlin-Vorlesungen im Begriff
der »Heimat« wieder. Die Heimat war als »Macht der Erde« (MH /
, ) die vom Dichter gestiftete Ortschaft des »Wohnens« und umge-
kehrt war die »Erde« der »›Grund‹ des Heimischen« (MH , ): »In
solcher Heimat erfährt sich der Mensch erst als zugehörig der Erde«

ber  abgebrochen wurde, war es für ihn eine offene Frage, ob diese Abirrung
noch vermieden werden könne: »Allein, daß wir das Volk der Denker und Dich-
ter sind – und wir sind es und werden es sein –, das heißt nicht, daß wir Denker-
und Dichterpersönlichkeiten für kulturelle Ausstellungen hervorbringen, son-
dern daß unsere Denker und Dichter uns in unser Wesen hervorbringen. Die
Frage bleibt, ob wir noch im Wesen groß und edel genug sind, um uns dergestalt
in unser Wesen hervorbringen zu lassen, ganz abgesehen davon, was die Fremden
darüber meinen.« (MH b, )
 Vgl. dazu Heideggers Vortrag »Europa und die deutsche Philosophie« (MH a)
und seinen Aufsatz »Wege zur Aussprache« (MH b) sowie das Kapitel »The
Geo-Politics of Heidegger’s Mitteleuropa« bei Bambach, Heidegger’s Roots,
S. -. Diese Hinwendung zu Europa fand sich während des Krieges auch bei
Ernst Jünger; vgl. unten, Kap. ..
 Vgl. dazu auch Marten, Heideggers Heimat; McNeill, Heimat; zum »Wohnen«
in der »Heimat« unten, Kap. ..
     -

(MH /, ). Die »heimatliche Erde« ist »heilige Erde«, während sie
durch den »Verfall der Heimat« zur bloßen »Stätte der Nutzung und Aus-
beutung« degradiert wurde (ebd., f.). Damit wird deutlich, dass die
andernorts geübte Kritik an der technischen »Erderoberung« als »Frevel
an der Erde« (MH c, ) und daran, dass die »Natur« in der Neuzeit
nur noch als »Gegenstand der Technik« (MH c, ) erscheine, in
diesen Kontext der Abgrenzung vom machenschaftlichen Nationalsozia-
lismus und der Rettung eines positiven Begriffs der heimatlichen Erde
und der »erdhafte[n], landschaftliche[n] Verwurzelung« des »geschicht-
lichen Daseins« (MH /, ) einzuordnen ist.
In den letzten Jahren des »Dritten Reiches« verhießen für Heidegger
also nicht mehr die Nationalsozialisten die Überwindung des Nihilis-
mus, sondern die noch ungeläuterten Deutschen, die allerdings erst noch
in ihrem Wesen zu läutern und zur »Einkehr in die Heimat« (ebd., )
anzuleiten seien. Diese Distanzierung vom Nationalsozialismus war
gleichwohl ambivalent, denn die Berufung auf die »erdhafte Verwurze-
lung« in der Heimat blieb nach wie vor mit Teilen der nationalsozialisti-
schen Weltanschauung kompatibel. Diese Ambivalenz zeigt sich etwa
auch in Heideggers Versuch, am Begriff des »Volks« festzuhalten und ihn
gleichzeitig von der Idee des »Völkischen« abzugrenzen:
»Nur vom Da-sein her ist das Wesen des Volkes zu begreifen und d. h.
zugleich jenes zu wissen, daß das Volk nie Ziel und Zweck sein kann
und daß solches Meinen nur eine ›völkische‹ Ausweitung des ›libera-
len‹ ›Ich‹-gedankens und der wirtschaftlichen Vorstellung der Erhal-
tung des ›Lebens‹ ist. Das Wesen des Volkes aber ist seine ›Stimme‹.
[…] Die Stimme des Volkes spricht selten und nur in Wenigen, und ob
sie noch zum Klingen zu bringen ist?« (MH /, )
Damit war wiederum auf den Dichter verwiesen, denn die Stimme des
Volkes zum Klingen zu bringen – und dadurch die Läuterung des deut-

 Vgl. schon Heideggers Versuch in den »Beiträgen«, den Begriff des Volks in sein
Seinsdenken zu integrieren: »Die Besinnung auf das Volkhafte ist ein wesent-
licher Durchgang. So wenig wir dies verkennen dürfen, so sehr gilt es zu wissen,
daß ein höchster Rang des Seyns errungen sein muß, wenn ein ›völkisches Prin-
zip‹ als maßgebend für das geschichtliche Da-sein gemeistert ins Spiel gebracht
werden soll. Das Volk wird erst Volk, wenn seine Einzigsten kommen, und wenn
diese zu ahnen beginnen. So wird das Volk erst frei für sein zu erkämpfendes
Gesetz als die letzte Notwendigkeit seines höchsten Augenblicks. Die Philosophie
eines Volkes ist jenes, was das Volk zum Volk einer Philosophie macht, das Volk
geschichtlich in sein Da-sein gründet und zur Wächterschaft für die Wahrheit
des Seyns bestimmt.« (MH /, f.)
  , ,  

schen Wesens zu bewirken – war in erster Linie dessen Aufgabe (vgl.


MH /, ), wodurch er aber immer zu den »Wenigen« gehörte. Als
Dichter in »dürftiger Zeit« – das heißt »im Nichtmehr der entflohenen
Götter und im Nochnicht des Kommenden« (MH /, ) – sei er
notwendig ein Einsamer, weshalb Heidegger auch am . April  an
Elisabeth Blochmann schreiben konnte, »daß wir in ein Zeitalter treten,
in dem anders u. härter als sonst alles Wesentliche die Einsamkeit über-
stehen muß« (MH/EB, ).
Der Rückzug in die Einsamkeit war nicht nur ein Motiv der »inneren
Emigration«, er bildete auch einen wesentlichen Bestandteil des Mythos
vom »geheimen Deutschland«, das in »unkaiserlicher Zeit« von weni-
gen bewahrt werde, um dereinst wieder aufzugehen. Norbert von Hellin-
grath hatte Hölderlin schon vor dem Ersten Weltkrieg zum »Souverän«
des »geheimen Deutschland« erklärt, was wiederum wesentlichen Ein-
fluss auf die Hölderlinrezeption sowohl im George-Kreis als auch bei
Heidegger hatte. Heidegger pries von Hellingrath mehrfach als »Schöp-
fer« der maßgeblichen Hölderlinausgabe (MH /, ) und widmete
ihm seinen  in Rom gehaltenen Vortrag über »Hölderlin und das
Wesen der Dichtung« (MH /, ). Ähnlich wie im Georgekreis
verband sich auch bei Heidegger die Rede vom »heiligen Vaterland«, das
»nicht das Vaterland als vorhandene politische Konstellation« (MH /
, ) meine, mit einem Elitismus der Eingeweihten. Heidegger adelte
seinen Rückzug vom politischen Aktivismus dadurch gleichzeitig zum

 Heidegger zitierte im Zusammenhang mit der Einsamkeit nicht nur Hölderlins


Verszeile »Ich aber bin allein« (MH /, ), sondern auch einen Brief Höl-
derlins von , in dem er angesichts seines Fortgangs nach Frankreich bedau-
ernd über die Deutschen schrieb: »Aber sie können mich nicht brauchen.« (Ebd.,
) Otto Pöggeler interpretiert diese Zitate auch als Ausdruck von Heideggers
eigenem Bedauern, dass die Deutschen seine revolutionären Konzepte  nicht
(mehr) brauchen konnten und er daher in die Einsamkeit genötigt wurde; vgl.
Pöggeler, Denkweg, S. .
 Ernst Kantorowicz in der Vorbemerkung seines Buches über Friedrich II. von
, zit. n. Fröschle, Deutschland, S. .
 Vgl. Pornschlegel, Souverän, S. S. -; zum Mythos des »geheimen Deutsch-
land« neben Fröschle, Deutschland auch Raulff, Verborgenheit; zum George-
Kreis in diesem Kontext Breuer, Ästhetischer Fundamentalismus.
 Von Hellingrath hatte die Neuausgabe von Hölderlins Schriften als junger Mann
begonnen und war  jährig vor Verdun gefallen, was ihn in doppelter Weise
für die Märtyrerrolle des geheimen Deutschland und der deutschen Jugend prä-
destinierte. In der Vorlesung vom Wintersemester / sprach Heidegger vom
»Stillen Glanz dieser Gestalt« (MH /, ) und zitierte Stefan Georges Ge-
dicht »Norbert« (ebd., f.).
     -

eigentlichen Patriotismus. »Das Vaterland, unser Vaterland Germanien«,


so Heidegger zu Beginn seiner Auslegung von Hölderlins Hymnenge-
dicht »Germanien«, sei »am meisten verboten, entzogen der Eile des All-
tags und dem Lärmen des Betriebs. Das Höchste und daher Schwerste,
das Letzte, weil im Grunde das Erste – der verschwiegene Ursprung.«
(MH /, )  Damit sei auch gesagt, dass seine Hölderlinvorlesung
weder »etwas Griffiges und Gangbares für Tagesbedürfnisse« anbieten
noch »Hölderlin eine billige Zeitgemäßheit verschaffen« wolle: »Wir
wollen nicht Hölderlin unserer Zeit gemäß machen, sondern im Gegen-
teil: wir wollen uns und die Kommenden unter das Maß des Dichters
bringen.« (Ebd.) Denn die »Weltstunde unseres Volkes« – jene Welt-
stunde, die Heidegger  mit ergreifen wollte – sei gegenwärtig noch
»verborgen« (ebd., ) und könne erst durch das Hören auf den Dichter
vorbereitet werden.
Die Rede vom verborgenen Vaterland verband sich gleichzeitig mit
einer Anleitung zur Schweigekunst, so etwa in der Hölderlinvorlesung
vom Wintersemester /. »Das Eigenste, das Vaterland«, hieß es dort,
»ist das Höchste, aber deshalb das am meisten Verbotene« (MH /,
). Weshalb gelte: »Das Höchste suchen heißt, von ihm schweigen.«
(Ebd., ). Dieses Schweigen übergehe nicht das Verschwiegene, son-
dern bewahre es gerade. Die verschwiegene Bewahrung des Höchsten
vollziehe sich aber nicht im Stummsein, sondern nur in der Rede:
»Wahrhaft schweigen kann nur, wer zuweilen wahrhaft sagt.« (Ebd.) Da
das Verschwiegene aber nicht direkt benannt werden könne, dürfe es im
Gesagten nur indirekt erscheinen: »Schweigen heißt hier: Alles Zu-sa-
gende so sagen, daß es als das Verschwiegene geahnt und als das Geahnte
zu dem wird, was all das langharrende Suchen durchstimmt und be-
stimmt.« (Ebd., )
Das »Zu-sagende so sagen, daß es als das Verschwiegene geahnt« wird
– was Heidegger hier über Hölderlins dichterisches Verfahren sagte, traf
in erster Linie auf seine eigene Sprachpraxis zu. So schrieb er selbst in
seiner ersten Hölderlin-Vorlesung: »Wie mit dem dichterischen Sagen ist
es entsprechend – nicht gleich – auch mit dem denkerischen Sagen der
Philosophie. In einer wirklich philosophischen Vorlesung z. B. kommt es
nicht eigentlich darauf an, was unmittelbar gesagt wird, sondern auf das,
was in diesem Sagen erschwiegen wird.« (MH /, ) Das Erschwie-

 Das »geschichtliche Seyn des Volkes, das Vaterland«, hieß es an anderer Stelle, »ist
im Geheimnis verschlossen« (MH /, ). Gleichzeitig sei das Vaterland im
oben genannten Sinn an die Erde gebunden: »Das Vaterländische selbst ist hei-
misch bei der Mutter Erde.« (MH , )
  , ,  

gene erahnen können aber wiederum nur die Wenigen, die Eingeweih-
ten. Die Vielen merkten nie, »wovon und zu wem eigentlich gesprochen
wird« (ebd.). Auf diese Weise verband sich der Topos vom verborgenen
Vaterland mit einer Textstrategie der »Sigetik« (MH /, ), der
Kunst der »Erschweigung«, die auf die Inklusion der Eingeweihten und
die Exklusion der Unverständigen zielte. Diese »Vereinnahmungs-
strategie«  von Heideggers Texten spiegelte sich etwa auch in dem Ge-
gensatz von exoterischem und esoterischem Titel, den Heidegger in den
»Beiträgen« konstruierte. »Beiträge zur Philosophie« sei der »öffentliche
Titel«, der angesichts der gegenwärtigen Seinsvergessenheit »notwendig
blaß und gewöhnlich« bleiben müsse (ebd., ). »Vom Ereignis« sei dem-
gegenüber die »wesentliche«, allerdings nur für das »künftige Denken«
verständliche Überschrift (ebd.). Damit war für die »Beiträge« von vorne
herein ein esoterisches Programm gesetzt.
Tatsächlich sprach Heidegger dann auch mehrfach von den »verborge-
nen Einzelnen«, von ihrem »verschwiegenen Einklang der Bereiten« und
davon, dass »die Wenigen und ihre Bünde« sich von den »Massenwesen«
der Öffentlichkeit unterschieden, welche »nichts […] ahnen von dem,
was geschieht« (ebd., ). Dieses sei »nur wißbar für die Zugehörigen«

 Heidegger knüpfte damit auch an das schon diskutierte Problem der »Unsagbar-
keit« des »künftigen Denkens« im Rahmen des gegenwärtigen an und nutzte es
für seine Inklusionsstrategie. In der Hölderlinvorlesung vom Sommersemester
 sprach er selbst von der »Unverständlichkeit« von Hölderlins Dichtung, die
»in einem gewissen Verständigungsbezirk immer unverständlich« bleibe und die
erst verstanden werden könne, wenn »ein wesentlicher Wandel unseres Wesens
sich ›ereignet‹ hat« (MH , ), d. h. wenn man qua Initiationsereignis zum
Eingeweihten und Zugehörigen geworden ist. Umgekehrt gilt natürlich – analog
zu des Kaisers neuen Kleidern – dass, wer dazu gehören möchte, nie zugeben
darf, das Ungesagte nicht verstanden zu haben. Im Übrigen propagierte Heideg-
ger das Schweigen auch schon vor dem Scheitern des Rektorats und der Suche
nach einem »anderen Anfang«, etwa wenn er in »Sein und Zeit« das Schweigen
als »wesenhafte Möglichkeit des Redens« (MH , ) bezeichnete oder am
. Dezember  an Elisabeth Blochmann schrieb: »Wir müssen erst wieder
schweigen lernen u. lange geschwiegen haben, um die Kraft u. Macht der Sprache
wieder zu finden u. die Maßstäbe dafür, was gesagt werden darf u. soll« (MH/EB,
). Hier richtete sich das Lob des Schweigens allerdings in erster Linie gegen das
»Gerede« des »Man«. Eine systematische Textstrategie der »Sigetik« entwickelte
Heidegger erst ab Mitte der er Jahre, die ihm dann allerdings auch nach ,
ebenso wie den Brüdern Jünger, als Selbstbehauptungsstrategie in Zeiten der
Entnazifizierung diente; vgl. dazu unten, Kap. ..
 Hartmann, Denker, S. .
 An anderer Stelle nahm Heidegger eine Art Dreiteilung vor zwischen den »Ein-
zelnen«, den »Wenigen« und den »Vielen« (MH /, ), wobei die »Bündi-
     -

(ebd., ), die »wenigen Zukünftigen«, »denen keine Öffentlichkeit


gehört« (ebd., ). »Diese Zukünftigen gilt es vorzubereiten. Solcher
Vorbereitung dient das anfängliche Denken als Erschweigung des Ereig-
nisses.« (Ebd., )
Damit hat Heidegger eindeutig Abstand genommen von der Massen-
politik des Nationalsozialismus und einen bündischen Elitismus entwik-
kelt, wie er sich etwa schon im neuen Nationalismus der Brüder Jünger
finden ließ. Zugleich war Heideggers Elitismus auch der Jüngersche He-
roismus des einsamen Streitens zu eigen, wie etwa eine Passage aus den
Aufzeichnungen zur »Besinnung« deutlich macht: »Die Besinnung und
so auch die Philosophie gehört stets nur den Zukünftigen. […] Die Zu-
künftigen freilich sind des harten Geschlechts, das die Deutschen wieder
in die Not ihres Wesens rettet. Sie sind die Schweigenden.« (MH /
a, ). Dieser Heroismus der Zukünftigen kam auch in einem Brief an
Kurt Bauch vom Dezember  zum Ausdruck:
»[W]ir müssen uns und die Künftigen stark machen in einem Wissen,
daß das Kommende, das die Deutschen überragt, weder ein fades ›In-
ternationales‹ sein wird noch ein langweiliges, über den Zeiten liegen-
des ›Ewiges‹ – sondern die Geschichte des Seyns selbst als des Zeit-
Spiel-Raumes, in dem eine Entgegnung des Menschen und des Gottes
zum Austrag kommt. Weil die längste Vorbereitung dieser Bereitschaft
nie öffentlich sein kann, müssen Einzelne und Wenige die verborge-
nen Gänge gehen und die dunklen Fahrten fahren; nur zuweilen mag
ein fernes u. schwer deutbares Einverständnis ihnen gewährt sein.« 
Äußerungen wie diese lassen sich einerseits als Ausdruck eines sich in »in-
nerer Emigration« befindlichen »geheimen Deutschlands« interpretieren.
Andererseits fällt darin aber auch die Ähnlichkeit zur elitären Selbstbe-
auftragung und zur schweigenden Gewissheit über die eigene Mission
auf, die zur gleichen Zeit das Selbstverständnis der SS-Elite prägte.
Nicht nur weil es die Aufgabe der wenigen Zukünftigen war, »dem
Vorbeigang des Gottes die Stille [zu] schaffen« (ebd., ), fällt die reli-
giöse Struktur von Heideggers Esoterik ins Auge. Der Künder des künf-
tigen Denkens wird zum Propheten und die im Sinne dieses künftigen
Denkens Fragenden »sind die eigentlich Glaubenden« (ebd., ) und bil-

schen« zu den Wenigen gehörten, denen das »Begreifen« der schaffenden »Grün-
dungen der Einzelnen« gegeben sei (ebd., ); vgl. zu den »Schaffenden« den
folgenden Abschnitt.
 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz.
 Vgl. Wildt, Generation.
  , ,  

den als »Zugehörige« die verschwiegene Urgemeinde des anderen An-


fangs. Heidegger hat mit einer wiederkehrenden Bescheidenheitsgeste
darauf hingewiesen, dass er selbst lediglich eine Art Johannes dieser Ur-
gemeinde sei, ein »Vordenker der künftigen Denker« (MH /a, ),
dem es nur darum gehe, »Hölderlins Wort das Gehör zu schaffen« (MH
/, ). Tatsächlich erschien Hölderlin als der eigentlich »Zu-
künftigste« (ebd., ), der das »Heilige« (MH /, ) erdichte. Als
»Dichter des Dichterischen« kam ihm sogar der Status eines »Halbgottes«
(MH , ) zu, denn der Dichter sei »die vermittelnde Mitte zwischen
Göttern und Menschen« (MH /, ): »Das Sagen des Dichters ist
das Auffangen dieser Winke [d. h. der »Winke der Götter«; D. M.], um
sie weiter zu winken in sein Volk.« (MH /, ) Damit übernahm
er die klassische Prophetenrolle. Er sei »ausgesetzt den Blitzen Gottes«
(ebd., ), und indem er sie an das Volk weiterleite, bewege er dieses zur
Umkehr bzw. zur Abkehr von ihrer weltlichen Verstrickung. Er war da-
mit der »Dichter des Übergangs«, der den anderen den »Gang zum Hei-
mischen« (MH /, ) vorangegangen sei und sie nun ihrerseits
zum »Heimischwerden« anhalte. Dieses »Heimischwerden als Gang zum
Eigenen« (ebd., ) sei dabei wiederum die »Wendung zum Heiligen des
Vaterlandes« (ebd., ). Der Übergang in den anderen Anfang, den Hei-
degger auch in den »Beiträgen« anstrebte, erscheint also hier als religiös
strukturiertes Heimischwerden im Eigenen des geheimen Vaterlands.
Auch wenn Heidegger die Rolle des Propheten in seinen Hölderlin-
vorlesungen dem Dichter zuschrieb, ist nicht nur aufgrund der von ihm
selbst betonten »Nachbarschaft« von Dichten und Denken erkennbar,
dass auch seine eigene Rede- und Textpraxis prophetischen Charakter
trug. Dies wird besonders dort deutlich, wo Heidegger unmittelbar um
die Pflege einer Schülerschaft bemüht war. Ein eindrucksvolles Doku-
ment dieser Bemühungen ist »Ein Brief an einzelne Krieger«, den Hei-
degger im November  an einen an die Front eingezogenen Schüler
adressierte. Darin spendete er ihm gleichsam seinsgeschichtlichen Trost
(»der Tod vermag nichts gegen das Seyn« (MH /, )) und be-
schwor das »Übergänglich leben [sic]« (ebd., ) und die »Unsichtbaren«

 Vgl. MH /, -. Bei dem Schüler handelte es sich um Hans-Hermann


Groothoff, der Heidegger geschrieben hatte, dass ihm Ernst Jünger in seiner ge-
genwärtigen Lage näher sei als Hölderlin oder Nietzsche. Da Heidegger in sei-
nem Antwortbrief des Längeren auf Jünger einging und den Brief auch in seinem
Jüngerkurs erwähnte (ebd., ), ist er nun im Anhang der »Aufzeichnungen zu
Ernst Jünger« erschienen. Groothoff hat sich im Übrigen in der Nachkriegszeit
zum »Fall Jünger« geäußert; vgl. Groothoff, Ansätze.
     -

und »Einzelnen«, die »aus der Inständigkeit des Wissens vom Seyn in die
Bezirke des Übergangs« (ebd., ) hinausstehen. Dieses »Wissen vom
Seyn« selbst war dabei durch Heideggers Eingabe gestiftet: »Aus einem
Wissen, das nicht ›beweisbar‹ ist, weiß ich, daß eine anfängliche Grün-
dung der Wahrheit des Seyns sich ereignen wird« (ebd., ). Die »Wis-
senden«, die gegenüber dem Unbill der »Seinsverlassenheit« durch die
»Nähe des Seyns« (ebd., ) gewappnet seien, waren solche also nur als
(von Heidegger) Erleuchtete. Und nur aus der »Zugehörigkeit der Fra-
genden und Wissenden zueinander« eröffne sich der Weg, »der nie zur
Straße werden darf« (ebd.).

Dichter, Denker, Täter

Der Dichter und dichterische Denker war als Prophet also nicht nur
Stifter des Seins, sondern auch Stifter einer exklusiven Gemeinschaft von
Eingeweihten. In jedem Fall aber war er als Stifter ein Schöpfer und als
solcher ein »Schaffender«. Dadurch stellte sich auch für Heideggers Zu-
wendung zur Dichtung und zum Dichter Hölderlin – die zugleich eine
Abwendung von der Politik und dem Politiker Hitler war – das Problem
des politischen Handelns. Tatsächlich war Heideggers Abwendung vom
politischen Aktivismus Mitte der er Jahre noch keineswegs abge-
schlossen. Auch wenn er in der ersten Hölderlinvorlesung / in
erster Linie auf die seinsgründende Qualität der Dichtung einging, be-
stimmte er doch insgesamt »drei schöpferische Gewalten des geschicht-
lichen Daseins« (MH /, ), nämlich das Dichten, Denken und
staatliche Handeln. Die »Dichter, Denker und Staatsschöpfer« seien die-
jenigen, »die eigentlich das geschichtliche Dasein eines Volkes gründen
 Einen parallelen, wenn auch etwas anders gelagerten Fall stellen Heideggers Kon-
dolenzbriefe zum Tod eines  gefallenen Schülers dar, die Reinhard Mehring
erstmals abgedruckt hat und von denen ausgehend er Heideggers »Andenken«-
Vorlesung über Hölderlin vom Wintersemester / als »Inszenierung des
Lehrer/Schüler-Verhältnisses« interpretiert, die der Stiftung eines »Philosophen-
bundes« diente (Mehring, Überlieferungsgeschick, S.  u. ). Mehrings Un-
tersuchung ist m. W. die einzige, die sich bisher eingehend und systematisch mit
Heideggers esoterischen Textstrategien beschäftigt hat.  hat allerdings schon
Fritz Heinemann in einer Randbemerkung auf den Unterschied zwischen dem
»exoterischen« und dem »esoterischen« Heidegger hingewiesen, wobei die Zir-
kulation von Heideggers esoterischen Schriften »in einem kleinen Kreis von Ein-
geweihten« dazu dienten, »einen Mythus zu schaffen« (Heinemann, Existenz-
philosophie, S. ). Hans Jonas sprach in seinen Erinnerungen schon für die
Marburger Zeit von einer »Heidegger-Kultgemeinde« (Jonas, Erinnerungen,
S. ).
  , ,  

und begründen« (ebd., ). Dabei ergab sich eine Art Arbeitsteilung. Das
geschichtliche Sein eines Volkes, so Heidegger an anderer Stelle, »wird
dichterisch gestiftet, denkerisch gefügt und ins Wissen gestellt und in der
Täterschaft des Staatsgründers der Erde und dem geschichtlichen Raum
verwurzelt« (ebd., ). Heidegger sprach daher von einer »ursprüng-
lichen Zusammengehörigkeit« von Dichten, Denken und politischer Tat:
»Weil unser Dasein ein wissendes ist, was nicht gleichbedeutend ge-
nommen werden darf mit verstandesmäßiger Berechnung, deshalb
gibt es nie mehr für uns ein rein dichterisches Werden des Daseins, so-
wenig wie ein rein denkerisches, aber ebenso wenig ein nur tathaftes.
Von uns wird gefordert werden, nicht nur passende und laufende Aus-
gleiche zwischen den dichtenden, denkenden und handelnden Mäch-
ten einzurichten, sondern ihre verborgene gipfelhafte Vereinzelung
ernst zu nehmen und darin das Geheimnis ihrer ursprünglichen Zu-
sammengehörigkeit zu erfahren und zu einem neuen, bisher unerhör-
ten Gefüge des Seyns ursprünglich zu gestalten.« (Ebd., f.)
Auch wenn Dichten, Denken und politisches Handeln also ursprünglich
zusammengehören, sind sie doch nicht miteinander identisch und voll-
ziehen sich auf je unterschiedliche Weise. Das Denken stand für Heid-
egger zu diesem Zeitpunkt also nach wie vor in einer wesentlichen Bezie-
hung zur Tat, sollte aber nicht mehr unmittelbar selbst tätig werden.
Diese Unterscheidung findet sich auch in einem Vortrag über »Die ge-
genwärtige Lage und die künftigen Aufgaben der deutschen Philosophie«
vom November , in dem Heidegger parallel zu seiner ersten Hölderl-
invorlesung ebenfalls den Dreiklang von Dichten, Denken und politi-
scher Tat entwickelte. Er betonte dafür zunächst, so wie in der Hölderlin-
vorlesung, die Unzeitgemäßheit der Philosophie:
»Die Philosophie ist wesenhaft unzeitgemäß, weil sie zu jenen wenigen
Dingen gehört, deren Schicksal es bleibt, nie einen unmittelbaren

 Eine vergleichbare Idee von Arbeitsteilung scheint auch in einer eigentümlichen


Passage der »Beiträge« auf. Heidegger spricht darin von zwei Arten der Herr-
schaft, einer mithilfe der »Organisation« errichteten »Herrschaft über die frei (d.
i. bodenlos und eigensüchtig) gewordenen Massen« (MH /, ), die deren
»Entwurzelung« entgegentritt, sowie »einer anderen Herrschaft«, einer »verborge-
nen und verhaltenen, langhin vereinzelten und stillen«, die die neue »Verwurze-
lung« vorbereite soll (ebd., ). »Beide Herrschaftsformen – grundverschieden –
müssen von den Wissenden gewollt und zugleich bejaht werden.« (Ebd.) Auch
wenn Heidegger den ersten Typus von organisatorischer Herrschaft nicht mehr
selbst anstrebte, verurteilte er ihn in dieser Passage noch nicht grundsätzlich als
seinsverlassen.
     -

Wiederklang in ihrem jeweiligen Heute finden zu können, und nie


finden zu dürfen. Die Philosophie ist daher auch kein Wissen, das
man im Handumdrehen so wie technisches, wirtschaftliches, hand-
werkliches Wissen unmittelbar und überhaupt auf seine Nutzbarkeit
verrechnen könnte.« (MH -, )
Dies lässt sich unschwer als Reaktion darauf verstehen, dass Heidegger
selbst nicht den von ihm erhofften Wiederklang in seiner Gegenwart
gefunden hatte. Von der Hoffnung auf die unmittelbare politische Wirk-
samkeit der Philosophie hat er damit offenbar Abstand genommen, aller-
dings nicht von dem Glauben an die Wirksamkeit der Philosophie über-
haupt. Vielmehr schrieb er ihr eine umso größere Bedeutsamkeit zu:
»Aber – was nutzlos ist, kann doch und erst recht eine Macht sein; was
den unmittelbaren Wiederklang in der Alltäglichkeit nicht kennt,
kann mit dem eigentlichen Geschehen der Geschichte eines Volkes im
innigsten Einklang stehen, ja sogar dessen Vorklang sein; was unzeit-
gemäß ist, kann seine eigene Zeit haben. So ist es mit der Philosophie.
So ist es mit den beiden anderen Grundmächten, durch die ein ge-
schichtliches Dasein eines Volkes gestiftet wird, mit der Dichtung und
der Tat der Staatsschöpfung.« (Ebd.) 
»Dichten, Denken, politische Tat« seien daher, so fuhr er fort, »die in sich
zusammengehörigen Grundgeschehnisse der Zeiten, der Völker und ihrer
Weltstunde« (ebd., f.). 
In der »Einführung in die Metaphysik« vom Sommersemester 
finden sich zum Teil wortgleiche Formulierungen, dass Philosophie
»wesenhaft unzeitgemäß« sei und keinen »unmittelbaren Widerklang«
(MH , ) in der Gegenwart finden, wohl aber im »innigsten Ein-
klang« mit dem »eigentlichen Geschehen in der Geschichte eines Volkes«
stehen und daher dessen »Vorklang« (ebd., ) sein könne. Die Philoso-
phie gehe »unmittelbar immer Wenige« an, aber diese »Wenigen« seien
»die schaffend Verwandelnden«, die die »denkerische Eröffnung der Bah-
nen und Sichtweisen des maß- und rangsetzenden Wissens« vollzögen,

 Inwiefern auch die staatsgründende Tat »nutzlos« und »unzeitgemäß« sein soll,
ließ Heidegger offen. In Bezug auf die Philosophie brachte Heidegger die Dop-
pelung von Nutzlosigkeit und Macht in der Vorlesung vom Wintersemester
/ auf die Formel: »Philosophie ist das unmittelbar nutzlose und gleichwohl
herrschaftliche Wissen vom Wesen der Dinge.« (MH /, )
 Diese »Weltstunde unseres Volkes« sei allerdings noch »verborgen«, solange »wir
nicht wissen, wer wir selbst sind.« (MH -, ) Nur ein Jahr zuvor wollte
Heidegger diese »Weltstunde« noch aktiv ergreifen.
  , ,  

»in dem und aus dem ein Volk sein Dasein in der geschichtlich-geistigen
Welt begreift und zum Vollzug bringt« (ebd., ). Diese »Schaffenden«,
die Heidegger auch die »Kämpfenden« nannte, seien wiederum die Dich-
ter, Denker und Staatsmänner (ebd., ). Auch hier stand das dichteri-
sche und denkerische Schaffen also in einem wesentlichen Bezug zur po-
litischen Tat. Heideggers Rückzug vom politischen Aktivismus befand
sich gleichsam noch auf halber Strecke.
Dies zeigt sich auch in einer Passage, in der Heidegger im Rahmen
seiner Auslegung des ersten Chorlieds von Sophokles’ »Antigone« die
Dichter, Denker und »Herrscher« als »Gewalt-tätige« bezeichnete, die
»Gewalt brauchen und Hochragende werden im geschichtlichen Sein als
Schaffende, als Täter« (ebd., ). Als Hochragende ragten sie über die
polis hinaus – worunter Heidegger die »Geschichtsstätte« verstand, worin
»das Da-sein als geschichtliches ist« (ebd., ) – und seien »ohne Satzung
und Grenze«, da sie »als Schaffende dies alles erst gründen müssen« (ebd.,
). Die Gründung vollziehe sich als Schaffung von Werken, in denen
sich die Wahrheit als Unverborgenheit ereignen könne: »Die Unverbor-
genheit geschieht nur, wenn sie erwirkt wird durch das Werk: das Werk
des Wortes als Dichtung, das Werk des Steins in Tempel und Standbild,
das Werk des Wortes als Denken, das Werk der πoliv [polis] als der all Griechisch bitte
prüfen
dies gründenden und bewahrenden Stätte der Geschichte.« (MH ,
)
Aus dieser Formulierung lässt sich ein Vorrang des Werks der polis
ableiten, da sie als Geschichtsstätte die übrigen Werke erst ermögliche.
Alexander Schwan nannte daher den Staat in Heideggers Konzeption das
»Werk für die Werke«. Dies galt aber allenfalls für Heideggers stände-
staatliche Vorstellungen der Rektoratszeit. In den Hölderlinvorlesungen

 Vgl. zum Kontext der gewalttätig Schaffenden auch Wolin, Seinspolitik, S. -
.
 In der Hölderlinvorlesung vom Sommersemester  legte Heidegger dasselbe
Chorlied von Sophokles ein zweites Mal aus, wobei die »Gewalttätigen« aller-
dings nicht mehr vorkamen. Die Auslegung zielte nicht auf die polis, sondern
endete nun beim »Herd« als der »Stätte des Heimisch-seins« (MH , ).
 Diese Ergänzung der Dichter, Denker und Staatsschöpfer um den Architekten
findet sich auch in der Vorlesung vom Wintersemester /, in der Heidegger
vom »Schaffen des Dichters, des Baumeisters, des Denkers, des Staatsmannes«
(MH /, ) sprach.
 Vgl. Schwan, Politische Philosophie, S. . Schwan interpretiert Heideggers ge-
samte »politische Philosophie« vom Werkbegriff her, den Heidegger allerdings
erst nach dem Scheitern des Rektorats entwickelte. Vgl. zu diesem Einwand
gegen Schwans insgesamt immer noch vorzügliche Studie auch Mehring, Über-
lieferungsgeschick, S. .
     -

wurde bereits deutlich, dass Heidegger nunmehr der Dichtung als der
»Stiftung des Seyns« (MH /, ) diese übergeordnete Bedeutung
zukommen ließ. Die Wendung vom politischen Handeln zum dichteri-
schen Hüten ging also mit einer Abkehr vom Staat einher, die Mitte der
er Jahre allerdings noch nicht abgeschlossen war. In der zur selben
Zeit wie die »Einführung in die Metaphysik« entstandenen Abhandlung
»Der Ursprung des Kunstwerkes« , in der Heidegger den Werkbegriff
am ausführlichsten entwickelte, ging es zwar ebenfalls schon in erster
Linie um die Kunst und damit um die Dichtung, da »alle Kunst im We-
sen Dichtung ist« (MH /, ). Das Wesen der Kunst wurde von
Heidegger dabei als »Sich-ins-Werk-setzen der Wahrheit« (ebd., ) be-
stimmt. Allerdings erschien die Kunst hier noch nicht als einzige Form,
in der sich Wahrheit gründen könne. Andere Weisen, »wie Wahrheit
west«, waren wiederum »die staatsgründende Tat«, »das wesentliche Op-
fer« und »das Fragen des Denkens« (ebd., ).
Mitte der er Jahre scheint es also noch eine Art gleichberechtigtes
Nebeneinander von Dichten, Denken und politischer Tat gegeben zu
haben. Auch in den »Beiträgen« erscheinen »Dichtung – Denken – Tat –
Opfer« gleichermaßen als die »wesentlichen Bahnen des gründenden Da-
seins«, in denen die »wenigen Einzelnen […] für die Bereiche des Seien-
den die Stätten und Augenblicke vorausgründen« (MH /, ). Die
»Wissenden, Glaubenden, Handelnden, Schaffenden« seien gemeinsam
»die Geschichtlichen« (ebd., ), und die Wahrheit »west nur in der Ber-
gung als Kunst, Denken, Dichten, Tat« (ebd., ). Schon unmittelbar im
Anschluss an die »Beiträge« unternahm Heidegger aber den Versuch, das
»Wesen der Tat von aller ›Aktion‹ und ›Mache‹« abzugrenzen und die
»echte Tat« als Befreiung in die »Inständigkeit des Zugehörens zum Seyn«

 Vgl. MH /. Die Abhandlung ging auf  und  gehaltene Vorträge
zurück und wurde  in den »Holzwegen« erstmals veröffentlicht. Wie Hei-
degger im Dezember an Elisabeth Blochmann schrieb, hatte er die Arbeit an
dem ersten Kunstwerkvortrag schon in den Jahren / begonnen (MH/EB,
). Eine »erste Ausarbeitung« aus dieser Zeit wurde  in den Heidegger-
Studien (Bd. , S. -) veröffentlicht.
 Dies war im Kunstwerkaufsatz allerdings nur eine Nebenargumentation. Die
eigentliche Frage nach dem »Sich-ins-Werk-setzen der Wahrheit« betraf das
Problem, inwiefern dieses Ins-Werk-setzen als schaffendes »Hervorbringen«
(MH /, ) dennoch kein vernutzendes Zurichten des Seienden sei. In der
Frage nach der Kunst als téchne suchte Heidegger also nach einer Weise der »au-
thentic production« (Zimmerman, Heidegger’s Confrontation, S. ), die sich
vom Gestell der Technik unterscheide, weshalb dieses Verhältnis von Kunst und
Technik in den späteren Texten zur Technik wiederkehrte; vgl. unten, Kap. ..
  , ,  

(MH /a, ) zu deuten. Im selben Sinn bezeichnete er die »Ge-


walt« nun als »Feigheit« und stellte dieser den »Mut zum Warten« ent-
gegen (ebd., ). Die »Überwindung der Metaphysik« solle eine »reines
›Geschehen‹ möglich [machen], das anfänglich alle Absichten und Taten
unter sich läßt« (MH /b, ). Die wahllose »Proklamation der
›Tat‹« zählte Heidegger demgegenüber nun zusammen mit der »Ausru-
fung der ›Ideen‹ und ›Werte‹« zu den »Zeichen der letzten Seinsverlassen-
heit« (MH /, ). In einem Brief an Kurt Bauch vom November
 kritisierte er zusammen mit dem »Heroismus« auch die »Behexung«
durch Taten und stellte dem die »Wissenden« als die »eigentlich Han-
delnden« gegenüber:
»›Heroismus‹ kann jetzt nur noch ein eitles u. öffentliches Gezappel
sein vor dem ›Notwendigen‹ als dem Unausweichlichen. Dieser Auf-
wand an Selbsttäuschungen ist weniger als das Nichts. Den Zukünf-
tigen aber gehört die Leidenschaft zur Armut der großen Stille. Und
diese Zukünftigen sind wie jedesmal die Einzigen u. Unsichtbaren.
Wir sind durch öffentliche ›Taten‹ u. ›Erfolge‹ so vom ›Seienden‹ be-
hext, daß wir nur schwer u. selten in das Wissen vordringen, daß in
der Nähe des Seyns der fernste Gott sich einem anderen Menschen-
tum zuwinkt. Um solches Wissen zu meistern bedarf es einer Spann-
weite des Herzens, die ihre Pfeiler zugleich in der Aufdringlichkeit
und Härte einer Kommandobrücke bei nächtlicher Sturmfahrt – und
in der Zuversicht zur Nähe des Seyns hat. Die Entscheidungen, die
fallen, sind so einfach, daß alle Menschenmache dazu nichts vermag.
Jedes Geleistete trägt jetzt nur soweit, als der Bezirk ist, den jenes Wis-
sen schon geöffnet hat. Deshalb sind jene Wissenden, auch wenn sie
nicht ›wirken‹, die eigentlich Handelnden.«
In der Hölderlinvorlesungen vom Wintersemester / erschienen
»das Dichten und das Denken« dann als Formen »eines geschichtlichen
Handelns, das nicht der ›Taten‹ bedarf, um zu wirken und nicht der
›Wirkungen‹, um zu sein« (MH /, ). Gleichzeitig fehlte bei der
Aufzählung der schaffenden Mächte die politische Tat. Im Sommer-
semester  definierte Heidegger die »eigentliche Geschichtlichkeit«
als »Handeln im Wesentlichen aus dem Wartenkönnen auf die Zu-Schik-

 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz. Dieser Brief stellt gleich-


zeitig ein weiteres Beispiel von Heideggers Elitismus der Wenigen und Unsicht-
baren dar, in dem er seinen eigenen Heroismus des »übergänglichen Lebens«
entfaltete, das »auf die kleinen Aushilfen u. Tröstungen verzichten« (ebd.) kön-
nen müsse.
     -

kung des Eigenen« (MH , ). In ähnlicher Weise wurde auch der
»Wille« umgedeutet und meinte nun nicht mehr »die nur selbst betrie-
bene Erzwingung eines selbst errechneten Wunsches«, sondern das »Mit-
wollen« sei »das Sich-ein- und -los-lassen in das Sein« (MH /, ).
In der letzten Vorlesung vor Kriegsende formulierte Heidegger schließ-
lich eine Absage an die Begriffe des »Schaffenden« und des »schöpfe-
rischen Menschen«, die er als »Anthropomorphie« kritisierte, wodurch
sich seine Willenskritik mit der Kritik am Geniegedanken verband
(MH b, ff.).
Damit schien der Abschied von der politischen Tat am Ende des Zwei-
ten Weltkriegs abgeschlossen. Bei dieser Feststellung ist es allerdings
wichtig, genau zu unterscheiden, wovon sich Heidegger damit verab-
schiedet und woran er festgehalten hat. Die Diagnose der Seinsvergessen-
heit, der Verfallenheit und Wurzellosigkeit des modernen Menschen, die
Heidegger schon in den er Jahren formulierte und die auch sein
Engagement für den Nationalsozialismus motivierte, blieb weitgehend
bestehen, auch wenn sie nun zum Teil mit anderen Begriffen formuliert
wurde. Aber am Ende des »Dritten Reiches« machte sich Heidegger keine
Hoffnung mehr auf eine schnelle Abhilfe durch eine politische Revolu-
tion. Die apokalyptische Erwartung einer totalen Verwandlung, die er in
der »Weltstunde« der nationalsozialistischen Revolution formulierte, er-
hielt Heidegger in ihren Grundzügen ebenfalls aufrecht, sie wandelte sich
nun aber in eine Fernerwartung. Der »andere Anfang« wurde zum »fern-
sten Ziel« (MH c, ): »Noch ist Alles lange nicht reif zu einem ande-
ren Anfang.« (MH /, ). Auch das Ziel einer Neugründung der

 An dieser Stelle erneuerte Heidegger allerdings auch die für den heroischen Rea-
lismus kennzeichnende Kopplung von Bindung und Freiheit: »Das Mitwollen
ist ein Müssen, aber ein Müssen, das außerhalb des mechanischen Zwanges sich
ereignet und aus der offenen Zugehörigkeit zum Seyn stammt und in sie zurück-
kehrt. Diese Zugehörigkeit aber ist das innerste Wesen der Freiheit.« (MH /
, )
 Heideggers Kritik an der »Vorstellung vom schöpferischen und schaffenden
Menschen«, die »dem griechischen Wesen fremd« (MH b, ) sei, stand
hier im Kontext der Unterscheidung des neuzeitlichen Herstellens und des grie-
chischen poieín, das aus der »Erfahrung des Seins« gedacht werden müsse und
ein »Hervor-bringen« »in das Unverborgene« (ebd.) meine.
 In einem Brief an Kurt Bauch vom Dezember  schrieb Heidegger, Fern-
erwartung und Glaube an die seinsgeschichtliche Bestimmung der Deutschen
verbindend, »daß vielleicht in zweihundert Jahren Deutsche wieder erwachen
und lang Verwehrtes als ein Zukünftiges ankommen lassen. Vielleicht bedarf es
einer noch längeren Verschlossenheit des Seyns. Aber daß sie gebrochen wird u.
Deutsche dafür gefordert sind, dessen bin ich gewisser als des Vorhandenseins
  , ,  

Universität und der entwurzelten Wissenschaften »aus ihrem Wesens-


grunde« (MH , ) blieb bestehen, schien Heidegger schon Mitte der
er Jahre aber ebenfalls in weite Ferne gerückt. Schließlich ist bereits
darauf hingewiesen worden, dass Heidegger auch an seinem »Privatnatio-
nalsozialismus« (MH , ) mit dessen antimodernen Boden-Heimat-
Koordinaten festgehalten hat und ihn seit Ende der er Jahre lediglich
in Opposition zum real existierenden Nationalsozialismus rückte.
Bei der Betonung dieser Kontinuitäten ist allerdings darauf hinzu-
weisen, dass der Wandel innerhalb des Gleichgebliebenen von nicht un-
erheblicher Bedeutung für Heideggers Selbstverständnis als Denker und
seiner Position als Intellektueller war. Durch die Ausformulierung des
seinsgeschichtlichen Denkens seit den »Beiträgen« erneuerte Heidegger
zwar seine manichäische Unterscheidung von Eigentlichkeit und Un-
eigentlichkeit in den Begriffen der Seinsvergessenheit und der Seinszu-
gewandtheit, wodurch auch das Programm der »Destruktion« als Über-
windung der bisherigen Philosophie fortgesetzt wurde. Durch die
Rekonstruktion der Geschichte der abendländischen Metaphysik und
ihres Endes im nihilistischen Willen zur Macht hat Heidegger der Cha-
rakterisierung der von ihm zu überwindenden Philosophie allerdings
eine signifikante Dimension hinzugefügt, die nun auch seine eigene
bisherige Philosophie betraf. Indem er die neuzeitliche Metaphysik als
Denken der Macht und des »Vorstellens«, des Zurichtens und Handelns
beschrieb, geriet auch seine eigene frühere Konzeption des tätigen Philo-
sophierens unter Metaphysikverdacht. Der »andere Anfang« war also
nicht nur der angestrebte Neubeginn der abendländischen Philosophie
als ganzer, sondern auch ein neuer Anfang für Heideggers eigenes Den-
ken, in dem er das Problem der Vermittlung von Geist und Tat auf neue

eines beliebigen Gegenstandes vor mir« (M. Heidegger an K. Bauch, ..,


Privatbesitz).
 Vgl. neben Bambach, Heidegger’s Roots, S.  auch Rockmore, Heidegger und
der Nationalsozialismus, der davon spricht, »daß aus Heideggers Bruch mit dem
realen Nationalsozialismus keine Abkehr von der allgemeinen Idee des National-
sozialismus folgt« (S. ); dies auch gegen Rohkrämer, Martin Heidegger, der
zwar zu Recht betont, dass Heidegger sich erst nach dem Scheitern seines NS-
Engagements Fragen der Technik und der Naturbewahrung zuwandte, der dar-
aus aber zu Unrecht folgert, dass Heideggers positive Begriffe von Heimat und
Erde nichts mehr mit dem Nationalsozialismus zu tun hätten.
 Nicht zuletzt deshalb fiel es Heidegger auch leicht, die Seinsfrage von »Sein und
Zeit« nachträglich als erste Formulierung der Frage nach der »Wahrheit des
Seyns« zu erklären und damit ein kontinuierliches Fortschreiten seines Denk-
wegs zu behaupten.
     -

Weise zu lösen versuchte. Während er bis zur Mitte der er Jahre das
Aktivwerden des Denkens selbst favorisierte, verurteile er diesen Aktivis-
mus nun zusammen mit der neuzeitlichen Metaphysik und suchte statt-
dessen nach Formen eines untätigen, wartenden, hütenden Denkens.
Diese Wandlung war in den er Jahren und auch bis  noch
nicht gänzlich abgeschlossen. Wie sich gezeigt hat, war besonders in den
»Beiträgen« noch viel von Entschlossenheit, Entscheidung und Wille die
Rede. Bereits hier erkannte Heidegger aber das für ihn späterhin zentrale
Problem, nämlich wie die Überwindung der Metaphysik nichtaktivi-
stisch herbeizuführen sei, wo doch jede aktive Umwertung dem Um-
gewerteten verhaftet bleibe, wie Heidegger bei Nietzsche und auch bei
Ernst Jünger zu erkennen glaubte. Diese Frage nach der aktiven oder pas-
siven Überwindung der Metaphysik stellte sich Heidegger nicht nur bei
seiner Beschäftigung mit Ernst Jünger in den Jahren  und . Sie
war auch der zentrale Gegenstand ihres späteren Austauschs »über die
Linie«. Heidegger warf Jünger darin vor, durch seine aktivistische Spra-
che an die Metaphysik gebunden zu bleiben. Er schien damit den Wan-
del auch von Jüngers Denken seit dem »Arbeiter« aber nicht hinreichend
zu berücksichtigen. Dieser Wandel setzte, genau wie der von Friedrich
Georg Jünger, ebenfalls schon während der er Jahre ein und vollzog
sich wie bei Heidegger hauptsächlich in einer Auseinandersetzung mit
der modernen Technik. Um diese Veränderungen im Denken der Brüder
Jünger geht es im folgenden Kapitel.

 Dieser Wandel der Bearbeitung des Geist-Tat- oder auch Theorie-Praxis-Problems
bedeutete allerdings keine Verabschiedung des Antiintellektualismus als solchem,
sondern lediglich eine Modifikation. Der »freischwebende Geist« blieb für
Heidegger zeitlebens das Gegenmodell zum wesentlichen Denken. So forderte
er etwa auch in der »Einführung in die Metaphysik« die »Beschneidung der Aus-
wüchse des heutigen Intellektualismus« (MH , ) und verlangte, man
müsse den »Intellektualismus bekämpfen« (ebd.).


.. Die Rückzugsstrategien der Brüder Jünger


und die »Illusionen der Technik«
Die »Nichtbeteiligung am Niedrigen«

Von den Brüdern Ernst und Friedrich Georg Jünger ist bekannt, dass sie
sich – im Unterschied zu Martin Heidegger – von Anfang an nicht an der
Errichtung der nationalsozialistischen Herrschaft beteiligten und den
neuen Machthabern ihre öffentliche Unterstützung verweigerten. Von
Ernst Jünger findet sich zwar ein bisher wenig beachtetes Lippen-
bekenntnis im Nachrichtenblatt für die Ritter des Ordens »Pour le Mérite«
vom September , in dem er  als »Jahr der Wiederbesinnung des
deutschen Volkes auf seine großen Aufgaben« bezeichnete und davon
sprach, das der »neue Staat […] die Mitarbeit jeder wertvollen Kraft«
(EJ -, ) fordere. Diese Mitarbeit hat er ihm, abgesehen von
seinem späteren Dienst in der Wehrmacht, aber weitgehend vorenthal-
ten. Im November  lehnte er seine Wahl in die »Deutsche Akademie
der Dichtung« ab  – wobei die Veröffentlichung seines Absageschreibens
in der Presse verhindert wurde – und protestierte im Juni  gegen den
von ihm nicht genehmigten Abdruck eines Auszugs aus dem »Abenteuer-
lichen Herz« in einer Beilage des Völkischen Beobachters, da er nicht als
ein Mitarbeiter des Parteiorgans erscheinen wollte. Beide Brüder Jünger
verließen Berlin, das Zentrum der politischen Macht und den Ort ihres
nationalrevolutionären Aktivismus, und zogen in die Provinz: Ernst Jün-
ger  nach Goslar im Harz,  nach Überlingen am Bodensee und
 nach Kirchhorst bei Hannover; Friedrich Georg Jünger folgte ihm
jeweils mit kurzem zeitlichen Abstand an diese drei Wohnorte, zog aber
 von Kirchhorst wieder nach Überlingen, wo er den Rest seines Le-
bens verbrachte. Darüber hinaus unternahmen beide Brüder während

 Vgl. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. f. Wie aus dem Nachlass Ernst Jüngers
hervorgeht, war es Hans Grimm, der ihn zur Wahl in die Akademie vorschlug
und sich hinterher bei Jünger über dessen Absage beschwerte; vgl. die Briefe von
Hans Grimm an Ernst Jünger vom .. und .., A: Ernst Jünger, DLA
Marbach. In einem Brief an Werner Beumelburg vom . November  schrieb
Jünger zwar erneut, »zur positiven Mitarbeit am neuen Staate, ungeachtet man-
cher persönlichen Verärgerung, wie etwa der Haussuchung, die in meinen Räu-
men stattgefunden hat, durchaus entschlossen« zu sein (zit. n. Wulf, Literatur,
S. ). Dieses Schreiben an Beumelburg in dessen Eigenschaft als Funktionär der
Deutschen Akademie der Dichtung hatte aber wohl in erster Linie taktische Be-
deutung.
 Vgl. Dietka, Ernst Jünger, S. ; Fröschle, Kommentiertes Verzeichnis, S. f.;
zum Leben der Brüder Jünger am Bodensee Bosch, Bohème, S. -.
     -

der Vorkriegsjahre des »Dritten Reiches« mehrere ausgedehnte Auslands-


reisen. Bei beiden wurden schließlich auch – vor allen Dingen wegen ihres
engen Kontakts zu Ernst Niekisch, der Mitarbeit an dessen im Dezember
 verbotenen Zeitschrift Der Widerstand und der Unterstützung seiner
Familie nach Niekischs Verhaftung  – mehrere Hausdurchsuch-
ungen vorgenommen und sie wurden zeitweilig von der Gestapo über-
wacht.
Dabei ging der Argwohn der Nationalsozialisten nicht allein auf ihre
passive Verweigerung zurück, sondern auch auf einzelne Veröffentlich-
ungen, die als regimekritisch wahrgenommen wurden. Dazu zählten in
erster Linie Friedrich Georg Jüngers Gedicht »Der Mohn« von  und
Ernst Jüngers Erzählung »Auf den Marmorklippen« von , die schon
während des »Dritten Reichs«, vor allem aber nach  regelmäßig als
Zeugnisse der »inneren Emigration« und des geistigen Widerstands ge-
deutet wurden. Dass etwa auch der »Arbeiter« im »Dritten Reich« ein
geteiltes Echo fand und von nationalsozialistischer Seite zum Teil scharf
kritisiert wurde, ist bereits geschildert worden.
An der Rezeption des »Arbeiters« wurde aber auch deutlich, dass sich
die Kriegsbücher und die phänomenologisch-militanten Schriften Ernst
Jüngers wie etwa »Die totale Mobilmachung« durchaus sehr gut in den
ideologischen Haushalt des »Dritten Reiches« integrieren ließen. So ge-
hörte Ernst Jünger trotz seiner partiellen Verweigerung als gefeierter
Kriegsheld und -autor dennoch in den Kanon der nationalsozialistischen

 Friedrich Georg Jünger schilderte eine dieser Hausdurchsuchungen und Verneh-


mungen in einem Tagebucheintrag vom . Dezember : »Heute erschienen
zwei Beamte der Geheimen Staatspolizei bei mir. Sie durchsuchten mein Schlaf-
zimmer und verhörten mich dann über vier Stunden auf der Polizeiwache. Über
meine Beziehungen zu Niekisch und anderen Leuten und über meine Veröffent-
lichungen. Über Auslandsreisen u. s. w. Der Beamte, der das Protokoll führte,
war so unfähig, daß ich ihm das Protokoll diktieren mußte. Auch fehlten ihm alle
Kenntnisse des Zweckes und Zieles dieser Untersuchung; er führte seinen Auf-
trag mangelhaft aus. Endlich fehlte ihm der Begriff der Ironie. ›Es ist möglich‹,
sagte er, ›ein Gedicht so abzufassen, daß etwas darin steht, das eine ganz andere
Bedeutung hat.‹ ›Das ist doch wohl nicht möglich‹, antwortete ich. ›Doch, doch‹,
sagte er mit Nachdruck. Er trat drohend auf. Ich mußte das Protokoll unterzeich-
nen, meinen Paß abliefern und mich verpflichten, je ein Stück meiner Bücher an
die Staatspolizeistelle in Leipzig einzusenden. Auch wurde mir Schweigepflicht
unter Androhung von Zwangsmaßnahmen geboten.« (Tagebücher aus den Jah-
ren -, D: F. G. Jünger, DLA Marbach) Vgl. zum Verhältnis der Brüder
Jünger zu Ernst Niekisch unten, Kap. ..
 Vgl. etwa Paetel, (Hg.), Deutsche Innere Emigration, S. ff.; Ehrke-Rotermund/
Rotermund, Zwischenreiche, S. - u. -.
    

Literatur; seine Kriegsbücher erlebten während des »Dritten Reiches«


mehrere Auflagen und Auszüge daraus erschienen in verschiedenen An-
thologien und nationalen Erbauungs-Breviers. Zudem konnten beide
Brüder Jünger während des »Dritten Reiches« mehr oder weniger unge-
hindert publizieren. Von Ernst Jünger erschienen bis  die Bücher
»Blätter und Steine« (), »Afrikanische Spiele« () und »Das aben-
teuerliche Herz. Figuren und Capriccios« (). Die »Marmorklippen«
von  konnten bis  sogar in sechs Auflagen erscheinen. Erst dem
Kriegstagebuch »Gärten und Straßen« von  wurde im Reich die zweite
Auflage verwehrt – offiziell wegen Papiermangels, laut Ernst Jünger
selbst, weil er sich weigerte, eine Erwähnung des . Psalms zu streichen.
Friedrich Georg Jünger veröffentlichte während des »Dritten Reiches«
mehrere Gedichtbände – »Gedichte« (), »Der Krieg« (), »Der
Taurus« () und »Der Missouri« () – sowie kulturphilosophische
Essays – »Über das Komische« (), »Griechische Götter« (), »Die
Titanen« () – und Reisebücher – »Briefe aus Mondello« und »Wan-
derungen auf Rhodos« (beide ).

 Vgl. Dietka, Ernst Jünger, S. . Die Neuauflagen seiner Kriegsbücher hat Ernst
Jünger nach  allerdings von einigen nationalistischen Passagen gesäubert und
damit gleichsam ›entpolitisiert‹; vgl. Dempewolf, Blut und Tinte. In einem Brief
an seinen Bruder vom April  kommentierte er diese Überarbeitungen auch
mit Rückblick auf die nationalistische Nachkriegszeit: »Gestern habe ich die Be-
arbeitung des ›Wäldchens ‹ abgeschlossen; ich darf damit zufrieden sein. Ich
habe auf diese Weise den ersten Teil des Jahres damit zugebracht, meine Autoren-
schaft nach rückwärts auszubauen, damit kein Satz hinter mir bleibt, dem ich
nicht zustimmen kann. Es handelt sich dabei im Grunde um die Herausschälung
des Kernes, der mir immer deutlich war, den sichtbar zu machen aber meine
Mittel inzwischen gewachsen sind. Als ich aus dem Kriege zurückkam, fand ich
eine Reihe von Worten vor, die man zunächst auf Treu und Glauben übernehmen
mußte, deren zweifelhafter Charakter mich jedoch immer stärker beunruhigte.
Nicht zuletzt hat die Pöbelherrschaft, die sich auch der Sprache bemächtigt hat,
jene Vorliebe für alles Schlechte, Billige, Abgestandene und Künstlich-Gesteiger-
te, mir Sinn und Verantwortung geschärft. Es gibt heute auch gute Dinge, die
man nicht mehr aussprechen darf.« (zit. n. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. )
 Michael Ansel hat in einem Vergleich mit Gottfried Benn darauf hingewiesen,
dass Ernst Jünger sich die politische Enthaltsamkeit im »Dritten Reich« leisten
konnte ohne seine Position im literarischen Feld merklich zu verschlechtern, weil
er noch nach  von seinem zuvor angesammelten »politischen Kapital« als mi-
litanter Nationalist zehren konnte, während umgekehrt Benn seinen Diskredit
als Weimarer »Asphaltliterat« auch durch sein offenes Bekenntnis zum NS-Staat
nicht wettmachen konnte; vgl. Ansel, Solitär.
 Vgl. Ehrke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. . Sowohl die »Mar-
morklippen« als auch »Gärten und Straßen« erschienen aber auch nach 
noch in Wehrmachtsausgaben.
     -

Wie die Titel bereits anzeigen, handelte es sich bei diesen Veröffent-
lichungen allerdings nicht mehr um unmittelbar politische Texte, so dass
man bei den Brüdern Jünger durchaus von dem für die »innere Emigra-
tion« typischen »Rückzug in die Innerlichkeit« sprechen kann, der mit
ihrem Rückzug von der Stadt auf das Land korrespondierte. Dieser ver-
band sich auch mit den entsprechenden ideologischen Implikationen:
Während der neue Nationalismus noch »der vitalen Energie unserer gro-
ßen Städte verwandt« (EJ -, ) war, ging die »innere Emigra-
tion« der Brüder Jünger mit einer neuen Hinwendung zur Natur und zur
klassisch konservativen Stadt- und Technikkritik einher. Nach dem Ver-
bot des Widerstands enthielten sich beide auch der Mitarbeit an politi-
schen Zeitschriften, während sie noch in Kulturzeitschriften wie der Co-
rona publizierten. Dass der Widerstand verboten wurde, so Ernst Jünger
im Januar  in einem Brief an seinen Bruder, habe »auch seine guten
Seiten […], denn es gibt Dinge, die man auch mit dem Stocke nicht
mehr anrühren soll. Man tut gut daran, sich einzukapseln; ich arbeite
meine alten Bücher durch.« Drei Jahre später erklärte er noch katego-
rischer, das politische Gespräch ganz allgemein vermeiden zu wollen. Er
wolle »in politicis« in den nächsten Jahren eine strengere Haltung ein-
nehmen und auch seine Bekanntschaften, »insoweit sie au fond politisch
und sonst unbedeutend sind«, abbauen. Schon im Juni  hatte Ernst
Jünger seinem Bruder geschrieben, man müsse »alle Bekannten, die sich
auf den Leim eingelassen haben, mit Nichtachtung behandeln«: »Es han-
delt sich da um Auslesen, durch die sich die Elite kristallisiert.«

 Denk, Zensur, S. . Denk versucht die Autoren der so genannten »inneren
Emigration« allerdings gerade gegen den in der literaturwissenschaftlichen For-
schung u. a. von Franz Schonauer, Reinhold Grimm und Ralf Schnell erhobenen
Vorwurf der Innerlichkeit zu verteidigen und sie mit zum Teil zweifelhaften Ar-
gumenten von dem Makel der ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus zu
befreien; vgl. zur Diskussion über die »innere Emigration« aus geschichtswissen-
schaftlicher Perspektive Philipp, Distanz.
 Wobei einzelne Corona-Beiträge Friedrich Georg Jüngers durchaus seine regime-
kritische Haltung erkennen ließen. So berichtete er in den »Streifzügen auf Rho-
dos« anerkennend von der friedlichen Koexistenz von »Juden, Christen und
Mohammedaner[n]« (FGJ b, ) und lobte in seinen Porträts orientalischer
Dichter deren »skeptische Heiterkeit« (FGJ a, ) und geistige Freiheit, die
sich gegen den »pöbelhaften und zügellosen Instinkt« des »Fanatismus« (FGJ
b, ) wandten.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
    

Umgekehrt erlangten die persönlichen Beziehungen in der Situation


der politischen Defensive neue Bedeutung. So begründete Friedrich Ge-
org Jünger seine Absage zur Mitarbeit an der Zeitschrift Das Innere Reich
wie folgt:
»Wenn ich meine eigene Lage mit der Zeit in Verhältnis bringe, eine
Bemühung, die wie Wasser und Brot für das Denken ist, so gebe ich
dem Monolog, dem Gespräch unter guten Freunden und der brief-
lichen Mitteilung, die unmittelbar ihren Weg geht, einen grossen Vor-
zug. Lassen Sie diesen Vorzug für mich gelten und entschuldigen Sie,
dass ich Ihrem freundlichen Ersuchen nicht Folge leiste.«
Der Monolog, das persönliche Gespräch und der private Briefverkehr
waren die zentralen Elemente einer Kommunikationsstrategie der Ver-
schwiegenheit, die nicht nur für die »innere Emigration« kennzeichnend
war, sondern von den Brüdern Jünger auch nach  fortgesetzt wurde,
und die mit Martin Heideggers Textstrategien der »Sigetik« und der Eli-
tenbildung der »Wenigen« korrespondierte. Dies spiegelte sich einer-
seits in einer »verdeckten Schreibweise«, bei der es darauf ankam, »dass
die Worte ein Gitter bilden, das Ausblick auf das Unaussprechliche
gewährt« (EJ /, ), bei der der Leser folglich wie bei Heidegger
das Ungesagte selbst ahnen musste. Andererseits kam es auch in Ernst
Jüngers Rede von der Elite zum Ausdruck, die sich durch die Auslese
unter den Bekanntschaften bilde. Der Abschied von der politischen Pu-
blizistik und dem politischen Aktionismus vollzog sich also als Rückzug
in geschlossene Kommunikationskreise und in die Einsamkeit des den-
kerischen Selbstgesprächs, von der Jünger auch in den »Marmorklippen«
(EJ , ) sprach. Diese Haltung der »Nichtbeteiligung« mag im Falle
Ernst Jüngers, dem propagandistisch weiterhin gefeierten Kriegsautor,
rückwirkend nicht unbedingt als Widerstand gewertet werden. Von ihm
selbst wurde sie durchaus als solcher verstanden. So schrieb er im No-
vember  an seinen Bruder:
»Das revolutionäre Stadium, in das wir eingetreten sind, kann nur
durch tiefere Kräfte bestanden werden, als durch die rhetorischen, lite-
rarischen oder ideologischen – es prüft uns in der Substanz. Man muß

 F. G. Jünger an P. Alverdes, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 Tatsächlich verbanden sich die verschwiegenen Kommunikationsnetzwerke Hei-
deggers und der Brüder Jünger ab . Vgl. dazu unten, Kap. ..
 Sternberger, Figuren, S. .
 An anderer Stelle sagte Ernst Jünger über den Autor: »Er führt mit Worten an das
Schweigende heran.« (EJ /, )
     -

jetzt das Blatt aufdecken und zeigen, wer man ist. In einem Zustand
des üblen Spukes und des Betruges wird der Gedanke rein dadurch
gefährlich, daß er richtig ist, und Geister, die das rechte Maß besitzen,
wirken wie Spiegel, in denen sich die Nichtigkeit der Schattenwelt
enthüllt. Ein logischer Gedanke, ein reines Metrum, eine edle Tat, ja
selbst die Nichtbeteiligung am Niedrigen – das sind heute Dinge, die
sich erheben wie drohende Waffen, die umso schärfer wirken, je weni-
ger man sie auf die Zeit bezieht. Dem ist kein Untermensch gewachsen,
ja er sieht es kaum. Doch selbst wenn er dagegen bis zum Äußersten,
ja bis zum Meuchelmorde schreiten wollte, so würde er nur umso
sicherer sich in seiner Nichtigkeit enthüllen und das Wirkliche bestä-
tigen. In diesem Sinne gleicht ein Gedicht wie ›Der Mohn‹ dem Punk-
te, an dem die Feindschaft auch dem trüben Auge sichtbar wird. Weit
wirklicher ist diese Feindschaft im ›Gesang des Prometheus‹ oder im
›Tod des Orpheus‹ – hier ist sie so groß, daß der Niedere sie nicht
einmal zu ahnen vermag; sie gleicht einem Gerichte, das jenseits der
Wolken über ihn abgehalten wird.«
Welche politische Bedeutung ein solches jenseits der Wolken abgehal-
tenes Gericht haben konnte, blieb bei Jünger allerdings unbestimmt. Es
ging ihm vielmehr darum, die Politik als solche zur nichtigen Schatten-
welt zu erklären, der man »tiefere Kräfte« entgegenzusetzen habe. Darin
offenbart sich ein grundlegender Wandel gegenüber der Haltung des
neuen Nationalismus, mit dem sich die Brüder Jünger aktiv in das politi-
sche Kräftespiel einschalten wollten. So hieß es auch in den »Marmor-
klippen«, dass die beiden Protagonisten, der Erzähler und sein Bruder
Otho, »in Erinnerungen an unsere Mauretanierzeit«, den »Ausweg der
Gewalt« (ebd., ) durchaus erwogen. Schließlich entschlossen sie sich
aber dazu, sich nur noch der Botanik und der Poesie zu widmen, um so
»allein durch reine Geistesmacht zu widerstehen« (ebd.). Die Distanzie-
rung vom Nationalsozialismus vollzog sich bei den Brüdern Jünger nach
 also als grundsätzliche Abkehr vom politischen Aktionismus. Dies
zeigt sich etwa auch daran, dass Ernst Jünger zwar Kontakte zu militä-
rischen Widerstandskreisen unterhielt, in Diskussionen aber vom poli-

 E. Jünger an F. G. Jünger, Goslar, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


»Gesang des Prometheus« und »Tod des Orpheus« waren weitere Gedichte aus
F. G. Jüngers Gedichtband von .
 Die »Mauretanierzeit« stand bei Jünger ab Mitte der er Jahre als Chiffre für
den politischen Aktionismus der er Jahre; vgl. dazu und zu den »Marmor-
klippen« unten, S. -.
    

tischen Attentat abriet und sich auch nicht an konkreten Widerstands-


aktionen beteiligen wollte.
Diese Ablehnung der politischen Tat war allerdings nicht gleichbe-
deutend mit einem grundlegenden Wandel inhaltlicher Positionen. Ernst
Jünger räumte politische Irrtümer zwar ein, legte aber gleichzeitig Wert
darauf, »nicht zu jenen Zahllosen [zu] gehören, die heute nicht mehr an
das erinnert werden wollen, was sie gestern gewesen sind« (EJ/GN, ).
Vielmehr ging er weiterhin von der Richtigkeit seiner in der »Totalen
Mobilmachung« und dem »Arbeiter« getroffenen Diagnosen aus, zog aber
nun entgegengesetzte Schlussfolgerungen daraus. Während es ihm bis
zu Beginn der er Jahre noch darum ging, sich aktiv an der Durchset-
zung des Arbeitzeitalters zu beteiligen, bewertete er dieses nun eindeutig
negativ und versuchte, ihm andere Kräfte entgegenzusetzen. Der politi-
schen Arbeitswelt der Techniker und Demagogen stellte er eine geistige
Welt der Naturbetrachtung und musischen Kontemplation gegenüber.
Im Umkehrschluss identifizierte Jünger die Herrschaft des Nationalsozi-
alismus mit der Herrschaft des Arbeiters. So konnte er in der Distanzie-
rung gleichzeitig für sich in Anspruch nehmen, die analytischen Begriffe
zur Erklärung und Einordnung des »Dritten Reiches« schon vor dessen
Entstehung entwickelt zu haben. Das konnte auch – genau wie bei
Martin Heidegger – dazu dienen, den Nationalsozialismus als nur eine
Erscheinungsform der technischen Arbeitsmoderne neben anderen zu
bewerten.
Allerdings gab es auch eine signifikante inhaltliche Verschiebung. Das
Arbeitszeitalter wurde von Ernst Jünger zwar von Anfang an als kollekti-
vistisches Zeitalter der formierten Massen betrachtet, weshalb er an einer
Stelle auch von »Arbeitsdemokratie« (EJ , ) sprach. Während sei-
nes nationalrevolutionären Engagements stand die Demokratie aber in
erster Linie für die verhasste Herrschaft des Bürgers, die von der Herr-

 Wobei er auch das nur schrittweise tat. Wie schon zitiert, forderte Ernst Jünger
seine Leser noch am Ende der Abhandlung »Über den Schmerz« von  dazu
auf, sich »trotz allem an der Rüstung zu beteiligen« (EJ , ). In einem Brief
an seinen Bruder über den Schmerzessay ging er im März  noch immer
davon aus »im nihilistischen Raume [zu] stehen«, und folgerte wie zu national-
revolutionären Zeiten, dass ein »großer Teil unserer Aufgabe« daher »noch auf
nihilistische Weise gelöst werden« müsse (E. Jünger an F. G. Jünger, .., D:
F. G. Jünger, DLA Marbach).
 So interpretierte Ernst Jünger etwa den sogenannten Röhm-Putsch im Sommer
 in einem Brief an seinen Bruder als Zeichen für den Abschluss der Moderne,
mit dem auch der letzte Abglanz der alten Ritterschaft erloschen sei; vgl. E. Jün-
ger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

schaft des Arbeiters abgelöst werden sollte. In der nun errichteten Herr-
schaft der nationalsozialistischen Arbeiter erblickte Ernst Jünger aber
eine »Pöbelherrschaft« und damit eine Art vollendete, des bürgerlichen
Parlamentarismus entkleidete Form der Demokratie. Im Juli  sprach
er in einem Brief an Friedrich Georg Jünger von »einer wüsten Repeti-
tion der nationaldemokratischen Ideologie«. Auf diese Weise konnte er
seine Feindschaft gegenüber der Demokratie mit seiner Gegnerschaft
zum Nationalsozialismus verbinden und sich auf die aristokratisch-elitäre
Position eines antipolitischen Demos-Verächters zurückziehen. Als solcher
schrieb er  im »epigrammatischen Anhang« von »Blätter und Steine«:
»Der Demos ist sein eigener Tyrann.« (EJ a, )
Diese Haltung fand sich besonders ausgeprägt auch bei Friedrich Ge-
org Jünger. In seinem ersten Artikel für den Widerstand nach dem Januar
 übte er unter dem Titel »Über die Gleichheit« eine durchaus deut-
liche Kritik an den neuen Machthabern. Er deutete die »Umbildung der
deutschen Reichsführung« als eine Umwandlung der »konstitutionelle[n]
Demokratie in eine unmittelbare«, welche wiederum »einen natürlichen
Hang zur Diktatur« habe (FGJ b, ). Die Machtübernahme der
Nationalsozialisten stellte für ihn also gerade nicht die in den er Jah-
ren erhoffte Abschaffung der Demokratie dar, sondern deren Fortsetzung
auf einer neuen Stufe. Die gleichmacherische Tendenz der »Volksherr-
schaft« kritisierte er dabei mit deutlicher Abneigung gegen die »Massen«:
»Das ungeheure, unterschiedslos dahinflutende Volk der plebiszitären
Demokratie erfüllt die Hallen und Plätze, und in grenzenloser Popula-
rität bewegt sich die Führung in ihm.« (Ebd., ) Dieselbe Kritik an der
»jubelnden Akklamation« (ebd.) der politischen Massenveranstaltungen
und dem vulgären Populismus der nationalsozialistischen Propaganda übte
Friedrich Georg Jünger auch in seinem zur selben Zeit entstandenen Ge-
dicht »Der Mohn«, das unmittelbar nach Erscheinen als »Widerstandsge-
dicht« wahrgenommen wurde.»Widrig ist mir der Redner Geschlecht«,
so hieß es darin, und: »Schmerzend hallt in den Ohren der Lärm mir,
mich widert der Taumel, / Widert das laute Geschrei, das sich Begeiste-
rung nennt.« (FGJ a, f.)  Die Begeisterung, die Friedrich Georg

 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. neben Ehrke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. - auch Speier,
Klassizismus. Thomas Mann notierte nach Lektüre des Gedichts am . Novem-
ber  in seinem Tagebuch, dieses sei »von fabelhafter Aggressivität gegen die
Machthaber« (zit. n. ebd., S. ). Für Hermann Rauschning bedeutete »Der
Mohn« allerdings nicht eine Kritik am NS als solchem, sondern nur an seinem
    

Jünger hier als hohl kritisierte, bezeichnete er in seinem Widerstands-Arti-


kel als eine »politische Aktion der Demokratie«, die die »Gleichheit zwi-
schen Führung und Volk« (FGJ b, ) bekunden solle. Er bestimmte
darüber hinaus auch den herrschenden Begriff der »Rasse« als einen
politischen Begriff, durch den sich die nationale Gleichheit abgrenze:
»Juden, Neger und Mongolen sind deshalb, selbst wenn sie deutsche
Staatsbürger sind, nicht politisch gleich, denn sie stehen außerhalb der
durch Nationalität und Rasse begrenzten Gleichheit.« (Ebd., ) Mehr
als ein Jahr vor Verabschiedung der Nürnberger Gesetze sah Jünger poli-
tisch hellsichtig die »Notwendigkeit eines neuen ius connubii« voraus:
»Ist einmal der Begriff der Rasse als Kriterium der Gleichheit aufgenom-
men, dann strebt er eine alle Gebiete des politischen Lebens umfassende
Gültigkeit an, er will Totalität.« (Ebd.)  In dieselbe Richtung wie dieser
Artikel ging auch ein Brief Friedrich Georg Jüngers an seinen Bruder
vom Februar :
»Wo Fanatismus und Halbbildung zusammen regieren, dort wird alles
eng, finster und schief. Man sieht weder Himmel noch Erde vor den
schmutzigen Mythen, in denen sich das Selbstbewusstsein des Klein-
bürgers abspiegelt. Das Ganze ist ein System von Täuschungen. Der
Appell an das Blut, an das Volk, an die Rasse geht aus dem Bewusst-
sein des Mankos hervor. Die Sehnsucht nach Reinheit des Blutes lebt
immer nur in den schlechten Mischungen und unglücklichen Kreu-
zungen. Alle Rassen-Theorien sind Demokratismus übelster Sorte.
Den Enthusiasmus wegen der neugewonnenen deutschen Einheit
kann ich nicht teilen, weil wir diese Einheit allein dem Vorgange der
Nivellierung verdanken, der auf Erzeugung des billigsten Typs hinaus-
läuft. Ich leugne auch, dass dieser nationale Zentralismus unsere Kraft
wirklich erhöht. Er ist mit dem Gedanken einer grösseren Herrschaft,
mit universellen Bestrebungen unvereinbar. Wie sehr leidet unsere
Sprache jetzt schon, und was für ekle Wörter werden in sie einge-
schleppt. Was wird das für eine Rasse geben, wenn die Grünkram-
waren-Händler in Begriffen, wenn dieses ganz rabiate Kleinbürgertum
zu züchten anfängt!«

plebejischen Charakter, dem die Sachlichkeit des ›eigentlichen‹ NS entgegen-


gestellt werde; vgl. Rauschning, Revolution, S. f.
 In der nationalsozialistischen Bücherkunde wurde in einem Generalangriff auf
den Widerstand auch diese Position Friedrich Georg Jüngers zum Rassebegriff
kritisiert; vgl. Statt eines besonderen Vorworts!, in: Bücherkunde der Reichsstelle
zur Förderung des deutschen Schrifttums,  () /, S. ff.
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Diese Äußerungen markierten genau wie der Widerstand-Artikel also nicht


nur eine deutliche Distanz zu den Positionen des Nationalsozialismus,
sondern befanden sich in der Ablehnung der Demokratie, des biologisti-
schen Rassismus und des Kleinbürgertums gleichzeitig in Kontinuität
zum revolutionären Nationalismus der Weimarer Jahre. Entscheidend
war, dass beide Brüder Jünger die Etablierung des »Dritten Reichs« nicht
als Beginn der »nationalen Diktatur« wahrnahmen, deren Ausrufung, so
Ernst Jünger , eigentlich ihr »höchster Festtag« (EJ -, )
hätte sein sollen, sondern als Vollendung der plebiszitären Demokratie,
mit der sie nichts zu tun haben wollten.

Die Wandlung des »abenteuerlichen Herzens«

Bei der Frage nach dem Wandel im Denken und der politischen Haltung
der Brüder Jünger während der er Jahre ist also genau zu differenzie-
ren, welche Elemente sich wandelten und welche gleich blieben. Als Test-
fall für diese Frage bietet sich Ernst Jüngers Textsammlung »Das aben-
teuerliche Herz« an, die Jünger  in einer ersten und  in einer
zweiten, gründlich überarbeiteten Fassung veröffentlichte. An erster
Stelle fällt bei einem Vergleich der beiden Fassungen auf, dass Jünger in
der zweiten Fassung die nationalistischen Passagen der ersten weitgehend
gestrichen hat. Gegenüber der ersten Fassung rückten nun die Naturbe-
schreibungen und die Traumsequenzen in den Vordergrund. Das Sehen
war für Jünger nicht mehr wie zuvor selbst ein dynamischer Akt, sondern
einer der Kontemplation und Versenkung. »[I]nmitten der riesigen Städte
und im Sturm der Bewegung« suchte Jünger nun »die herrliche Wind-
stille der Einsamkeit« (EJ , ). Während im »Arbeiter« der »museale
Betrieb« als »eine der letzen Oasen der bürgerlichen Sicherheit« (EJ ,
) abgeschafft werden sollte, verteidigte Jünger den »musealen Trieb«
nun als »Gegengewicht« zu den »wirtschaftlichen und technischen Ver-
heerungen« (EJ , ) der Zivilisation. Die vielleicht wichtigste Ver-
änderung bestand aber in der Andeutung einer neuen Mitleidsethik, die
Jünger in den Kriegstagebüchern der »Strahlungen« noch weiter ausformu-
lierte und die im diametralen Gegensatz zur propagierten Gefühllosigkeit
des »Arbeiters« stand. So beschrieb Jünger im »abenteuerlichen Herz«
der zweiten Fassung »Menschen von asiatischer Lebensart«, die sich »an

 Vgl. zum Vergleich der beiden Fassungen Staub, Wagnis; Schlosser, Lebenssteige-
rung, S. -.
 Vgl. dazu auch Keller, Wrestling.
    

den Qualen anderer weiden können«: »Ihr Ziel ist die mehr oder minder
intelligente, stets aber nach dem Muster des Tierreiches gebildete Des-
potie. Daher pflegen sie auch in ihren Reden und Schriften den Opfern,
nach deren Vernichtung sie trachten, tierische Züge zu verleihen.« (EJ
, ) Diesen »verzehrenden Trieben« wollte Jünger eine Haltung des
»Wohlwollen[s]« entgegensetzen, »die den Mächtigen wie den Einfachen
in gleicher Weise ziert«: »Dieses Wohlwollen gleicht einem Licht, in dem
allein die Würde des Menschen in rechter Weise erscheint.« (Ebd., )
Diese Passage war nicht nur gegen die Vernichtungsrhetorik und die
Verfolgungspraktiken der Nationalsozialisten gerichtet, sondern auch ge-
gen Jüngers eigene Propaganda der »totalen Mobilmachung«, in der die
Menschenwürde keinen besonderen Platz eingenommen hatte. Noch im
»epigrammatischen Anhang« von »Blätter und Steine« von  schrieb
Jünger: »Die Zahl der Leidenden ist bedeutungslos.« (EJ a, ) Im
Mai  zitierte sich Jünger – im Angesicht von Befreiten aus dem Kon-
zentrationslager Bergen-Belsen – mit diesem Satz selbst und fügte hinzu:
»das ist auch einer der Sätze, durch die ich mich nutzlos exponiert habe«
(EJ /, ). Schon während des Krieges hatte er sich vorgenommen:
»Nie darf ich vergessen, daß ich von Leidenden umgeben bin.« (EJ /
, ) Und am . Januar  nahm er sich für das neue Jahr vor, »im-
mer ein Auge für die Unglücklichen« (ebd., ) zu haben.
Diese neue Betonung des Mitleids und der Achtung der Menschen-
würde stand auch im Zusammenhang mit dem Begriff der »Désinvol-
ture«, den Jünger in der zweiten Fassung des »abenteuerlichen Herzens«
einführte und der für Jüngers Haltung ab Ende der er Jahre kenn-
zeichnend wurde. Jünger definierte sie zunächst als eine nicht willens-
förmige Art der Macht. So bezeichnete er sie als die natürliche Haltung
der edlen Herrscher, die allerdings verloren gegangen sei. Heute sei das
»Denken über die Macht […] seit langem durch die übertriebene Bezie-
hung zum Willen verfälscht« (EJ , ). Die Tyrannen seien »unter-
geordnete Techniker« (ebd.), während die »Désinvolture« nur dem fürst-
lichen Menschen zukomme. Sie sei »als die unwiderstehliche Anmut der
Macht« zugleich »eine besondere Form der Heiterkeit« (ebd., ). Die
Heiterkeit, die Jünger auch als eine der »gewaltigen Waffen, über die der
Mensch verfügt« (ebd.), bezeichnete, wurde von ihm noch an anderer

 Vgl. dazu auch unten, Kap. .. Helmut Lethen hat allerdings darauf hingewie-
sen, dass Jünger mit diesem Vorsatz nicht »der ›inneren Stimme‹ des Gewissens«
folgte, sondern ihn sich als externe Verhaltensregel setzte. Die selbst auferlegte
Empathie bleibe aber ohne Äquivalent in der kalten Beschreibung; vgl. Lethen,
Jüngers Desaster, S. f.
     -

Stelle als Haltung genannt, die der Wahrung der Würde diene und auf
diese Weise mit der »Nichtbeteiligung am Niedrigen« korrespondierte.
Es lässt sich also tatsächlich davon sprechen, dass Jünger angesichts der
Herrschafts- und Gewaltrealität des »Dritten Reiches« von der für seinen
heroischen Realismus entscheidenden Gefühlsabstraktion abrückte und
sich um eine Art neue Humanität bemühte, in der Mitleid für die Leiden
der anderen und Wahrung der Würde des einzelnen im Vordergrund
standen. Dass diese neue Mitleidsethik mit der von Jünger weiterhin
praktizierten Ästhetisierung von Gewalt des Öfteren in Widerspruch
geriet, zeigt sich sowohl in den »Marmorklippen« als auch in den Kriegs-
tagebüchern der »Strahlungen«. Entscheidend ist aber zunächst, dass
diese Hinwendung zum »Wohlwollen« sich gleichzeitig als Abwendung
vom »Willen« und damit auch von der voluntaristischen Aktion vollzog.
Jan T. Schlosser sieht darin einen Übergang »von Nietzsche zu Schopen-
hauer« und vom Ziel der »dynamische[n] ›Lebenssteigerung‹« zu dem der
»kontemplative[n] ›Lebenserweiterung‹«.

Ernst Jüngers »Auf den Marmorklippen«

Ein zentrales Dokument dieses Übergangs von der Dynamik zur Kon-
templation stellt die Erzählung »Auf den Marmorklippen« dar, die Jün-
ger im Frühjahr  verfasste und die kurz nach Ausbruch des Krieges
erschien. Jünger erzählt darin die Geschichte zweier Brüder, die sich nach
einem verlorenen Krieg und der Mitgliedschaft im paramilitärischen Or-
den der »Mauretanier« in ein »Rautenklause« genanntes Haus »auf den
Marmorklippen« zurückgezogen haben, um sich dort dem Studium der
Natur und der Sprache zu widmen. Im Umland der Marmorklippen
schwelt allerdings ein Konflikt, da der »Oberförster«, Anführer der Mau-
retanier, die Ordnung durch schleichenden Terror zu untergraben und
die Herrschaft über die »Marina« zu erlangen sucht. Als sich dagegen
Widerstand bildet, besuchen zwei Widerständler die Brüder auf den
Marmorklippen und wollen sie zur Teilnahme am Widerstand bewegen:
Braquemart, einer der Mauretanier, und der junge Fürst von Sunmyra,
ein Angehöriger des alten Adels. Die Brüder wollen sich an der Wider-
standsaktion nicht beteiligen. Als diese scheitert, werden Braquemart
und der Fürst von Sunmyra ermordet und ein offener Bürgerkrieg bricht

 Schlosser, Lebenssteigerung, S.  u. . Nietzsche und Schopenhauer sind für


Schlosser Jüngers »Pole der Willensbejahung und Willensverneinung« (ebd.,
S. ).
    

aus. In diesem Bürgerkrieg greifen die Brüder noch einmal zu den Waf-
fen, doch als die Niederlage unabwendbar ist, retten sie sich auf die »Alta
Plana«, das Land, gegen das sie selbst einst Krieg geführt haben. Hinter
ihnen geht die Marina und auch die Rautenklause mit dem »Herbarium«
und der Bibliothek in Flammen auf.
Angesichts der Parallelen sowohl zum Zeitgeschehen als auch zur
Biographie der Brüder Jünger bei gleichzeitiger Verfremdung durch das
Setting in einer zeitlosen, tendenziell vormodernen Phantasielandschaft
wurde seit Erscheinen immer wieder darüber diskutiert, inwiefern »Auf
den Marmorklippen« im engeren Sinn ein »Schlüsselroman« war, ob die
einzelnen Figuren und Situationen also ganz konkrete Entsprechungen
in der Realität hatten und ob sich z. B. hinter dem Oberförster eindeutig
Hitler oder Göring oder ein anderer NS-Führer verbarg. Jünger selbst
hat sich dazu in unterschiedlicher Weise geäußert und wollte die »Mar-
morklippen« vor allen Dingen nach  nicht einfach als »Tendenz-
schrift« oder als Widerstandsbuch verstanden wissen, wohl in erster Linie,
um ihren Status als eigenständiges literarisches Kunstwerk nicht zu be-
einträchtigen. So notierte er am . April  in seinem Tagebuch: »Bei
Ausbruch des Krieges erschien ›Auf den Marmorklippen‹, ein Buch, das
mit dem ›Arbeiter‹ das eine gemeinsam hat, daß die Vorgänge in
Deutschland zwar in seinen Rahmen paßten, daß es aber nicht speziell
auf sie zugeschnitten war. Ich fasse es daher auch heute nicht als Tendenz-
schrift auf.« (EJ /, )
Unmittelbar nach Abschluss des Buches hatte er allerdings in einem
Brief an Carl Schmitt vom . September  geschrieben: »Mein neues
Buch heißt ›Auf den Marmor-Klippen‹; es enthält eine Geheim-Ansicht
unserer Zeit« (EJ/CS, ). Der Bezug zur Situation im »Dritten Reich«
war also eindeutig, und man kann die »Marmorklippen« mit Recht als
Beispiel für die »verdeckte Schreibweise« der regimekritischen Literatur
ansehen, in der es um die »Tarnung nonkonformer Aussagen« ging. Vor
allen Dingen ist entscheidend, dass die »Marmorklippen« auch von den
Zeitgenossen als Parabel auf das »Dritte Reich« gelesen wurden. »Nie-
mand unter den Lesern, die ich kannte, hat daran gezweifelt, daß in den
Visionen dieser Erzählung die Erkenntnis unserer gegenwärtigen Lage
ausgesprochen war«, erinnerte sich Dolf Sternberger. Dementsprechend

 Vgl. neben Ehrke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. - und Mar-


tus, Ernst Jünger, S. - auch Kiesel, Marmor-Klippen; Gutmann, Politische
Parabel; Keller, Auf den Marmorklippen; Scholdt, Gescheitert.
 Ehrke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. .
 Sternberger, Gang, S. . Entsprechend eindeutig war Sternbergers Bewertung
der oppositionellen Bedeutung dieses Buches, das er »das kühnste Erzeugnis der
     -

wurden die »Marmorklippen« auch von den Nationalsozialisten kritisch


aufgenommen, so dass sich Ernst Jünger mit der Veröffentlichung durch-
aus in Gefahr brachte.
Liest man die »Marmorklippen« in diesem Sinn als mythisierende und
enthistorisierende Parabel auf das »Dritten Reich«, so liegt es nahe, sie
zugleich autobiographisch zu verstehen und in den beiden Brüdern der
Erzählung die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger zu erkennen.
Tatsächlich spricht vieles für diese Lesart, so vor allem die intertextuellen
Bezüge zwischen den »Marmorklippen« und den Tagebüchern und Brie-
fen Ernst Jüngers derselben Zeit. Ernst Jünger verwendete etwa den Be-
griff der »Mauretanier« auch an anderer Stelle als Chiffre für die national-
revolutionären Zirkel der er Jahre. Dies tat er nicht nur in mehreren
Tagebucheintragungen während des Krieges, sondern auch in einer Pas-
sage der zweiten Fassung des »abenteuerlichen Herzens«, in der Jünger
von seinem naturwissenschaftlichen Studium und seinem »Nigromon-
tanus« genannten Lehrer erzählte, um dann fortzufahren: »Es ist leider
richtig, daß ich seine Lehren allzu bald vergaß. Statt bei meinen Studien
zu verweilen, trat ich bei den Mauretaniern ein, diesen subalternen Poly-
technikern der Macht.« (EJ , ). Diesen Irrtum haben die Brüder

Schönen Literatur« nannte, »das während der Zeit des Dritten Reiches in
Deutschland ans Licht getreten ist. Die Lektüre erregte und bewegte uns außer-
ordentlich. […] Es bot Stärke und wirkte als ein Mittel der Verständigung unter
denen, die gegen Bedrohung oder Versuchung der Tyrannei sich festigten.« (Ebd.)
 Verschiedene parteioffizielle Stellen wollten, so Jüngers eigene Darstellung, ge-
gen ihn vorgehen, Hitler persönlich habe aber entschieden, »ich sei nicht zu be-
helligen« (EJ /, ). Während des Krieges machten Jünger aber besonders
die Rezensionen im Ausland Sorgen, die die »Marmorklippen« als Zeugnis des
Widerstands interpretierten; vgl. dazu und zur zeitgenössischen Rezeption im In-
und Ausland Ehrke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. -.
 Die Figur des »Nigromontanus« kommt an verschiedenen Stellen in Jüngers
Werk vor und war wohl in erster Linie durch Jüngers philosophischen Mentor
Hugo Fischer inspiriert; vgl. Martus, Ernst Jünger, S. . Auch die Figur des
Oberförsters kam bereits in einer Traumbeschreibung im »abenteuerlichen Herz«
von  vor, wobei dieser Traum ebenfalls autobiographisch deutbar ist, und
zwar so, dass Jünger in seiner »Mauretanierzeit« den Nationalsozialisten durch
unfreiwillige Komplizenschaft »ins Garn gegangen war«: »Und ich begann, mei-
ner Klugheit zu fluchen und meinem einsamen Übermut, der mich in solche
Gesellschaft verstrickt hatte, denn zu spät sah ich ein, daß die Feinheit meiner
Operationen nur dazu gedient hatte, die Fäden unsichtbar zu machen, mit denen
er [der Oberförster] mich umspann.« (EJ , ) Diesen Traum vom Oberför-
ster erwähnte Jünger schon  in einem Brief an seinen Bruder (vgl. E. Jünger
an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach).
    

Jünger korrigiert und sich ab / von der Politik zurückgezogen, um


sich »nach den Plagen der Kampagne den stillen Studien« (EJ , ) zu
widmen. Insofern stellen die »Marmorklippen« tatsächlich eine Bearbei-
tung der Biographie der beiden Brüder Jünger dar und spiegeln allegorisch
den Übergang vom Aktionismus zur Kontemplation und den Abschied
von der Tat nach dem Scheitern der eigenen politischen Ambitionen.
Gustav Steinbömer sprach in einer Rezension der »Marmorklippen« von
einer »Fluchtreaktion nach dem Scheitern am Nihilismus«, in deren Folge
»die Aktion in reine Kontemplation umgeschlagen« sei. Auch Friedrich
Georg Jünger bemerkte mit Blick auf die »Marmorklippen« am Denken
seines Bruders, dass es sich »von der Aktion, der willensmässigen Anstren-
gung und dem Martialischen abwendet«. Ernst Jünger selbst schrieb in
den »Marmorklippen«: »Ich hörte später Bruder Otho über unsere Maure-
tanierzeit sagen, daß ein Irrtum erst dann zum Fehler würde, wenn man
in ihm beharrt.« (Ebd., )
An der Stelle, an der die Erzählung auf die »Mauretanierzeit« eingeht,
findet sich auch eine rückblickende Charakterisierung der psychischen
Lage, die den revolutionären Aktivismus begünstigte und zum »Herois-
mus aus Langeweile«  führte:
»Wir spürten Sehnsucht nach Präsenz, nach Wirklichkeit und wären
in das Eis, das Feuer und den Äther eingedrungen, um uns der Lange-
weile zu entziehen. Wie immer, wo der Zweifel sich mit Fülle paart,
bekehrten wir uns zur Gewalt – und ist nicht sie das ewige Pendel, das
die Zeiger vorwärts treibt, sei es bei Tage, sei es in der Nacht? Also
begannen wir, von Macht und Übermacht zu träumen und von den
Formen, die sich kühn geordnet im tödlichen Gefecht des Lebens auf-
einander zubewegen, sei es zum Untergange, sei es zum Triumph.«
(Ebd., )
Auch den für Jüngers heroischen Realismus kennzeichnenden Wahrneh-
mungsmodus der emotionslosen Kälte und Distanz kommentierte er in
den »Marmorklippen«:
»Wenn man in den Abgrund stürzt, soll man die Dinge in dem letzten
Grad der Klarheit wie durch überscharfe Gläser sehen. Diesen Blick,
doch ohne Furcht, gewann man in der Luft der Mauretania, die von
Grund auf böse war. Gerade wenn der Schrecken herrschte, nahmen

 Vgl. Steinbömer, Pilgerfahrt, S. .


 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Schwarzschild, Heroismus.
     -

die Kühle der Gedanken und die geistige Entfernung zu. […] Damals
wurde es mir deutlich, daß die Panik, deren Schatten immer über
unseren großen Städten lagen, ihr Pendant im kühnen Übermut der
wenigen besitzt, die gleich Adlern über dumpfem Leiden kreisen.«
(Ebd., )
Doch dieser kühne Übermut war nun vorbei: Es »erfaßte uns der Sinn
nach einem Leben, das von Gewalt gereinigt war« (ebd., ). Vor allen
Dingen wollte Jünger das Leiden der anderen nicht länger ignorieren. So
schrieb er über den Abschied von den Mauretaniern, dass die Brüder in
diesem »Orden« wohl weiter hätten »emporsteigen« können, dass ihnen
aber die dafür notwendige Gabe fehlte, »auf das Leiden der Schwachen
und Namenlosen herabzusehen« (ebd., ).
Dieses Leiden der Schwachen wurde in den »Marmorklippen« auf
neue Weise thematisiert. Bereits in der zweiten Fassung von »Das
abenteuerliche Herz« gewannen Visionen und Albtraumbilder von Men-
schenschändung und -vernichtung an Bedeutung, die für das »verruchte
Böse« standen. In den »Marmorklippen« fasste Jünger die von ihm
verurteilten Formen der schändlichen Gewalt nun mit dem Begriff der
»Schinderwelt«, der ihm später auch in den Kriegstagebüchern zur
Umschreibung der Verbrechen und »Ausmordungen« (EJ /, )
diente. Bei der Beschreibung der Taktik des Oberförsters sprach Jünger
von der allmählichen Ausbreitung der »Meintat« (EJ , ) und der
»Menschenjagden« (ebd., ). Das Böse in Reingestalt offenbarte sich
den beiden Brüdern der Erzählung dann bei einem zufälligen Blick auf
die »Schinderhütte« in »Köppelsbleek« (ebd., ), in der sich ein »Männ-
lein« in »lemurenhafter Heiterkeit« mit dem Ausweiden menschlicher
Kadaver beschäftigte (ebd., ). Der Erzähler kommentierte diesen An-
blick, der ihn »im Innersten geschreckt« (ebd., ) habe:
»Das sind die Keller, darauf die stolzen Schlösser der Tyrannis sich er-
heben und über denen man die Wohlgerüche ihrer Feste sich kräuseln
sieht: Stankhöhlen grauenhafter Sorte, darinnen auf alle Ewigkeit ver-
worfenes Gelichter sich an der Schändung der Menschenwürde und
Menschenfreiheit schauerlich ergötzt.« (Ebd., f.) 

 Vgl. Schlosser, Lebenssteigerung, S. .


 Das verworfene »Larvengelichter« (EJ , ) wurde von Jünger an verschiede-
nen Stellen auch »Lemurenvolk« (ebd., ) genannt, wobei mit Lemuren nicht
die madagassischen Halbaffen gemeint waren, sondern die antiken Totengeister,
die etwa auch in Goethes Faust als Totengräber vorkamen (vgl. Wilczek, Lemu-
ren). Jünger benutzte den Begriff einerseits zur Evozierung der »dämonischen«
    

Für Jünger bedeutete die Schinderhütte das Ende der ehrenhaften Gewalt
und damit auch das Ende der Option eines gewaltsamen Widerstands.
Wie schon zitiert, entschlossen sich die beiden Brüder der Erzählung, der
»Meintat« »allein durch reine Geistesmacht zu widerstehen« (ebd., ).
Dies wird in der Koppelsbleek-Szene dadurch symbolisiert, dass sie sich
nach dem ersten Schrecken nicht davon abhalten ließen, in Sichtweite
der Schinderhütte zu botanisieren, denn sie fühlten, »wie selbst das
schwache Blümlein in seiner Form und Bildung, die unverwelklich sind,
uns stärkte, dem Hauche der Verwesung zu widerstehen« (ebd., ).
Während Jünger noch im Kriegstagebuch schrieb, dass die »Gärtner und
Botaniker« die »Gegenspieler des Oberförsters« (EJ /, ) seien,
fragte sich der Erzähler in den »Marmorklippen« selbst: »Wie kam es,
daß wir die Arbeit nicht im Stiche ließen, als der Oberförster in unserem
Gebiet an Macht gewann und als der Schrecken sich verbreitete?«, um zu
antworten: »Wir hatten eine Ahnung der Heiterkeit gewonnen, vor deren
Glanze die Truggestalten sich verflüchtigen.« (EJ , ) Die Heiterkeit
stand hier wiederum für eine Geisteshaltung der »Désinvolture«, die sich
der niederen Dämonenwelt überlegen wusste. Noch mehr als der Natur-
betrachtung wies Jünger dabei der Sprache die Funktion einer Gegen-
macht zu:
»Indes die Untat im Lande wie ein Pilzgeflecht im morschen Holze
wucherte, versenkten wir uns immer tiefer in das Mysterium der Blu-
men, und ihre Kelche schienen uns größer und leuchtender als sonst.
Vor allem aber setzten wir unsere Arbeit an der Sprache fort, denn wir
erkannten im Wort die Zauberklinge, vor deren Strahle die Tyrannen-
macht erblasst. Dreieinig sind das Wort, die Freiheit und der Geist.«
(EJ , )
 propagierte Ernst Jünger also nicht mehr den »Hochverrat des Gei-
stes gegen den ›Geist‹« (EJ , ), im Gegenteil: Der Geist war für
Jünger jetzt die letzte Bastion der Freiheit gegen die Tyrannei. Entschei-
dend ist dabei, dass Jünger bei dieser Kehrtwende jeder Art von politi-
scher Aktion den Rücken kehrte. So wie die beiden Protagonisten in den

Seite der Gewaltverbrechen. Andererseits bezeichnete er mit »Lemuren« aber


auch ganz allgemein und in pejorativer Absicht die seelenlosen und geistfeind-
lichen Menschen der Moderne, so etwa schon in einem Brief an seinen Bruder
vom November  (vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger,
DLA Marbach). Während des Krieges sprach er davon, »daß innerhalb dieser
Lemuren- und Automatenwelt jedes Gefühl der Verantwortung gegenüber dem
Menschen erloschen ist« (E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger,
DLA Marbach).
     -

»Marmorklippen«, so votierten auch die Brüder Ernst und Friedrich Ge-


org Jünger trotz mehr oder weniger enger Kontakte zu Widerstandskrei-
sen gegen ein Attentat auf Hitler. Der Widerstand sollte allein durch
»Geistesmacht« erfolgen, wobei diese Geistesmacht in erster Linie durch
die Versenkung in die magischen Strukturen des Seins zu erlangen war,
die jenseits und unbeeinflussbar von den politischen Zeiterscheinungen
existierten.
Mit dieser Haltung waren eine Reihe moralischer Probleme verknüpft.
Diese lagen nicht nur in der konkreten historischen Konstellation, dass
sich die Brüder Jünger zunächst tatkräftig an der Zerstörung der Weima-
rer Republik beteiligt hatten, nach , als aktiver Widerstand gegen das
herrschende Regime in gänzlich anderer Weise zu rechtfertigen gewesen
wäre, aber jede Art von unmittelbarer politischer Aktion ablehnten und
sich auf eine politisch unspezifische Haltung der Heiterkeit zurückzogen.
Ein grundsätzliches Problem bestand auch darin, die Gewalttäter als Dä-
monen und Lemuren zu bezeichnen und ihnen so den Charakter von
»Truggestalten« (EJ , ) zu geben, die sich allein durch eine über-
legene Haltung auflösen ließen. Der darin enthaltene Attentismus ver-
knüpfte sich auf folgenreiche Weise mit einem fatalistischen Schicksals-
glauben, der gleichzeitig apokalyptisch überhöht wurde. »Doch was sind
Menschenrat und -wille«, so fragte der Erzähler der »Marmorklippen«,
»wenn in den Sternen schon der Untergang beschlossen liegt?« (Ebd., )
Der finale Flächenbrand der Marina wurde als notwendige Reinigung
beschrieben, die auf einem anderen Weg als dem des Untergangs nicht
möglich gewesen wäre. Darüber hinaus erschien er als erhabenes Schau-
spiel. Jüngers Betonung der »Schönheit des Unterganges« (ebd., ) setz-
te die aus seinen Kriegsbüchern bekannte Ästhetisierung der Gewalt fort,
stand aber zu der neu angestrebten Mitleidsethik im Widerspruch. Viel-
mehr lässt sich darin ein »fascist style« erkennen, der trotz Jüngers Re-
gimekritik den »Kitsch der Apokalypse« mit der nationalsozialistischen
Ästhetik teilte. Die Verbindung von »Untergangslust« und »Attentatsver-

 Die Vorlage für den Besuch von Braquemart und Sunmyra in den »Marmor-
klippen« bildete ein realer Besuch von Heinrich von Trott zu Solz (nicht Adam
von Trott zu Solz, wie gelegentlich falsch geschrieben wird) und anderen bei den
Brüdern Jünger in Überlingen, an den sich Ernst Jünger in den »Adnoten zu ›Auf
den Marmorklippen‹« erinnerte; vgl. EJ , ; EJ /, f. u. ; Ehr-
ke-Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. ff.
 Später sprach Jünger vom »Illusionäre[n] der Schreckenswelt« (EJ /, ).
 Neaman, Dubious Past, S. .
 Friedländer, Kitsch und Tod, S. .
    

zicht« konnte die Nationalsozialisten also durchaus wieder mit den


»Marmorklippen« versöhnen, die sich eben auch als »Literatur der Ein-
stimmung in den Untergang« lesen ließen.
»Auf den Marmorklippen« war also beides: Dokument der regimekri-
tischen »inneren Emigration« und ein Beispiel der typisch nazistischen
Verbindung von »Kitsch und Tod«, deren »ästhetizistischer Amoralis-
mus« auch in den »Strahlungen« wieder begegnete. In erster Linie ist
dieser Roman aber ein Beleg für Ernst Jüngers Abschied von der Tat und
seine Wandlung vom Aktivismus zur Kontemplation. Mit Blick auf
Jüngers Wandlung fällt dabei noch ein Weiteres auf: das schon von
einem Zeitgenossen bemerkte weitgehende »Fehlen der Technik« in
den »Marmorklippen«. Zwar wurden die Mauretanier als »Techniker der
Macht« (ebd., ) beschrieben, womit auf die Nähe zur Gestalt des »Ar-
beiters« hingewiesen wurde. Abgesehen davon kam die Bilderwelt der
»Marmorklippen« aber gänzlich ohne Technik und Maschinen aus. Die
technischen Landschaften des Ersten Weltkriegs und des »Arbeiters«
waren durch die bukolische Landschaft der Marina ersetzt, während das
Böse nicht mehr im kalten Gewand des Maschinenstahls erschien, son-
dern den waldgrünen Jagdmantel des Oberförsters übergestreift hatte.
Darin kam auch ein Wandel der apokalyptischen Haltung zum Aus-
druck: Während die technische Apokalypse des »Arbeiters« futuristisch
auf das durch die Katastrophe entstehende Neue gerichtet war, war die
Grundstimmung der Untergangslust in den »Marmorklippen« nostalgisch,
wie schon der erste Satz der Erzählung verriet, der die »wilde Schwermut«
bei der »Erinnerung an Zeiten des Glückes« (ebd., ) beschwor. Der Ab-
schied von der Tat war für Ernst Jünger so gleichzeitig ein Abschied von
der Technik und eine Hinwendung zur Natur und den Kräften der Erde.
Dies erinnert wiederum an Martin Heidegger, der seine explizite Tech-
nikkritik erst nach dem Scheitern seines NS-Engagements zu entwickeln
begann und gleichzeitig ein (ebenfalls mit der NS-Ideologie kompatibles)

 Kiesel, Marmor-Klippen, S. .


 Herzinger, Deutsche Untergänge, S. .
 Martus, Ernst Jünger, S. .
 Vgl. zu dieser Doppeldeutigkeit auch Kiesel, Kritik.
 Steinbömer, Pilgerfahrt, S. .
 In den »Strahlungen« schrieb Jünger über die Mauretanier, »daß sie das morali-
sche Gepäck eher als die Mehrzahl der anderen abwarfen, und dass sie die Gesetze
der Maschinentechnik in die Politik einführten« (EJ /, ).
 Dies ist im Übrigen eine weitere Parallele zur »verflachten Romantik«, die Saul
Friedländer im nazistischen Kitsch entdeckt; vgl. Friedländer, Kitsch und Tod,
S. .
     -

Ideal der Erdverbundenheit kultivierte. Doch während bei Heidegger die


Beschäftigung mit der Technik im Rahmen dieser »Kehre« in den Vorder-
grund rückte, trat sie bei Ernst Jünger nach dem »Arbeiter« und »Über
den Schmerz« zunächst zurück. Stattdessen beschäftigte sich Friedrich
Georg Jünger während der zweiten Hälfte der er Jahre zunehmend
mit der Technik und schrieb  das eigentliche Fortsetzungs- und Ge-
genbuch zum »Arbeiter«. Friedrich Georg Jüngers »Illusionen der Tech-
nik«, die später als »Perfektion der Technik« veröffentlicht wurden, sind
daher ebenfalls im Kontext des Abschieds von der Tat zu lesen.

Friedrich Georg Jüngers »Illusionen der Technik«


als Anti-»Arbeiter«

Friedrich Georg Jüngers Haltung zur modernen Maschinentechnik war


während der Jahre des neuen Nationalismus ähnlich affirmativ wie die
seines Bruders Ernst, wobei jedoch das Zwiespältige dieser Affirmation bei
ihm von Anfang an deutlicher zum Ausdruck kam. Grundsätzlich teilte
Friedrich Georg Jünger die Ansicht, dass sich der neue Nationalismus als
moderne Bewegung der Kräfte der Technik bedienen müsse: »Rüstung
ist die größte Forderung der Zeit« (FGJ a, ), wie er  schrieb,
weshalb dem Nationalismus »jede Schraube an einem Maschinengewehr,
jede Vervollkommnung des Gaskrieges wesentlicher [ist] als der Völker-
bund« (ebd., ). Gleichzeitig betonte er aber gegen die »Überschätzer
des Materials«, dass nicht die »gesammelte Wucht der Maschinen« kampf-
entscheidend sei, sondern »der kämpfende Mensch mit der Reinheit
seines Willens zum Siege« (ebd., ). In einem Artikel über Manfred von
Richthofen von  feierte er den technisch begabten Flieger ähnlich wie
Ernst Jünger als Prototypen des neuen Arbeiter-Soldaten (FGJ b).
Im »Aufmarsch des Nationalismus« machte er aber zugleich deutlich,
dass der neue Nationalismus »gegen die mechanistische Auffassung des
Lebens« (FGJ a, S. ) gerichtet sei. Diese mechanistische Auffas-
sung des Lebens war für Friedrich Georg Jünger vor allem ein Kennzei-
chen des bürgerlichen Denkens, das ihm ebenso verhasst war wie seinem
Bruder. Genau wie dieser und im Sinne des reaktionären Modernismus
löste er aber seine Einschätzung der Technik von der bürgerlichen Idee
des Fortschritts und schrieb ihr ein unbürgerliches Eigengewicht zu. So
schrieb er in einem Brief an Ernst Jünger vom . Dezember :
»Wenn mir die Wissenschaft und die Wissenschaftler verhaßt sind, so
doch nur deshalb, weil sie ganz und gar dem Sicherheitsbedürfnis des
homme bourgeois dienen. Das ist der Grund, warum ich die Technik,
    

die Maschine nicht rein genießen konnte. Aber die Maschine hat ei-
nen Januskopf, dessen martialische Schönheit mir aufgegangen ist.«
Wie für Ernst, so hat sich auch für Friedrich Georg Jünger diese martia-
lische Seite der Technik im Ersten Weltkrieg offenbart. In seinem na-
mensgebenden Aufsatz »Krieg und Krieger« aus dem Sammelband seines
Bruders beschrieb Friedrich Georg Jünger den Ersten Weltkrieg genau
wie Ernst als »gewaltigen Arbeitsprozeß« (FGJ a, ). Für ihn offen-
barte sich darin »ein zum Letzten entschlossener Machtwille«, der im
»Maschinenzeitalter« (ebd., ) ein vom ökonomischen Gewinnstreben
des Bürgers unabhängiges Eigenleben führe:
»Das Wesen der Maschine ist aus ökonomischen Prinzipien nicht
ableitbar. Eisenbahnen, Flugzeuge, Kriegsschiffe, Untergrundbahnen,
Hochspannungsleitungen, Kraftwerke sind nicht deshalb geschaffen,
weil sie Instrumente einer höheren Ökonomie darstellen. Sie sind Er-
scheinungen und Mächte eines Lebens, sie rüsten, schützen, stärken
es, und erst deshalb, weil sie es tun, kommt ihnen eine wirtschaftliche
Bedeutung zu. Eine solche Bedeutung gewinnt heute alles, was ge-
eignet ist, die Bewegung zu steigern, was brauchbar ist, das unablässig
wachsende Quantum der Arbeit zu bewältigen, was Kraft erspart, um
die Leistung zu erhöhen und den ungeheuren Verzehr der Energien
fördert.« (Ebd., )
Diese Unterscheidung von technischer und ökonomischer Logik war
später auch ein zentrales Argument von Friedrich Georg Jüngers Tech-
nikkritik. Zu Beginn der er Jahre erlaubte sie es ihm aber noch, die
Technik in ihrer martialischen Qualität als dynamische und unbürger-
liche Kraft zu begrüßen. Schon  war ihm zwar klar, »daß sich hier
etwas außerordentlich Drohendes vorbereitet« (ebd., ). Noch , ein
Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, ordnete Friedrich
Georg Jünger die Technik aber in sein antibürgerliches Denken ein und
sprach erneut von ihrer Janusköpfigkeit. Die Technik sei nur scheinbar ein
Instrument, »um das bürgerliche Leben zu sichern und zu bereichern«,
und dem Menschen sei lange verborgen geblieben, »daß er hier seiner-
seits etwas zu entrichten hat« (FGJ d, ). Der Krieg habe diesen
»Schwindel« aufgedeckt und das »dämonische Eigenleben« der Technik
offenbart: »Die Zerstörung ist zugleich Selbstzerstörung. In die Zerstö-
rung einbegriffen ist auch das Bild, das der Bürger von der Technik be-
saß, diese selbst aber ist zerstörende Kraft. Der technische Janus wendet

 Zit. n. Fröschle, Vom Aufmarsch, S. .


     -

sich und zeigt ein entsetzliches, dem Bürger unerträgliches Riesengesicht.«


(Ebd., ) Dadurch habe die Technik die »Salamandernatur des Men-
schen« (ebd.) frei gelegt und sich aus der Herrschaft des Bürgers befreit,
der sich ihr gegenüber als zu schwach erweise:
»Sie befindet sich schon in den Händen einer Rasse, von der die Rasse-
forscher bisher keine Notiz nahmen. Die Technizität ist die Durchbruch-
stelle der elementar-geistigen Menschennatur. Wer diesen Vorgang nicht
als befreiend empfindet, wer sich seiner ordnenden Gesetzlichkeit nicht
fügt, der ist zugleich von ihm abgesondert, und was eine solche Nicht-
zugehörigkeit bedeutet, darüber erteilt jeder Tag grausame Lehren.
Die Macht ist von der Technizität nicht mehr abzusondern, der Grad
der Technizität entscheidet über den Anspruch auf jegliche Herr-
schaft, und in hoffnungsloser Defensive befindet sich alles, was Ein-
wände erhebt.« (Ebd., )
Dieses Pathos der Unerbittlichkeit stand noch ganz in der Tradition der
Flucht nach vorn des heroischen Realismus, welcher die Einwände gegen
die technische Moderne aus der Angst ausblendete, in die Defensive zu
geraten. Nur die neue »Rasse« der willensstarken Arbeiter-Krieger könne
sich den elementaren Kräften der Technik anpassen und sie sich so für
ihre Herrschaft zu Nutze machen. Ende  hat Friedrich Georg Jünger
die nationalrevolutionäre Rhetorik des Willens zur Macht also noch
nicht ganz aufgegeben. Mit Blick auf andere Äußerungen der gleichen
Zeit lässt sich seine Polemik gegen die »Kleinbürger und Kleinstbürger«
(ebd., ) und die »Rasseforscher« (ebd., ) zwar als versteckte Kritik
an den Nationalsozialisten lesen. Seine Hauptkritik richtete sich aber
nach wie vor gegen das bürgerliche Denken des . Jahrhunderts, wobei
er auch antikapitalistische (und darin antijüdische) Stereotype bediente,
die mit der nationalsozialistischen Propaganda durchaus vereinbar wa-
ren. So bezog er den später für seine Technikkritik zentralen Begriff des
»Raubbaus« noch allein auf »Geldschwindel und Spekulation« der »ka-
pitalistische[n] Kondottieri« (ebd., ), während die Technik als solche
angeblich »in keinem Widerspruche« (ebd., ) zur Natur stünde. Ja die
»elementare Geistigkeit« der Technizität befinde sich gar in »Verwandt-
schaft mit der Erde«, ihr eigne ein »mächtigerer Tellurismus« als der ro-
mantischen Agrarideologie: »Die Einheit des kühnen, die ganze Erde
umfassenden Intellekts mit der elementaren Kraft der Erde, diese schöne
Einheit von Arm und Waffe, erschließt sich uns in der Technizität.« (Ebd.)
 versuchte Friedrich Georg Jünger also noch ein letztes Mal, die
moderne Technik mit der Vision einer neuen elementaren Kraftentfaltung
zu vereinbaren und sein Weltbild eines heroischen, nachbürgerlichen
    

Zeitalters aufrecht zu erhalten. Diese Haltung stand noch in Kontinuität


zum politischen Aktionismus der er Jahre, auch wenn sich beide
Brüder Jünger zu dieser Zeit schon vom neuen Nationalismus und aus
Berlin zurückgezogen hatten und sich Friedrich Georg Jünger in einem
vorherigen Artikel für den Widerstand bereits gegen die »Überschätzung
des Willens« (FGJ c, ) gewandt hatte. Vor allen Dingen beinhal-
tete diese Position aber inhaltliche Widersprüche, denn die bereits for-
mulierte Einsicht in den zerstörerischen Charakter der Technik, den
Friedrich Georg Jünger mit den Begriffen »Raubbau« (FGJ d, )
und »Verzehr« (FGJ c, ) beschrieb, wurde von ihm noch allein der
bürgerlichen Techniknutzung zugeschrieben. Inhaltlich kohärenter war
seine spätere Position, wonach dieser verzehrende Charakter der Technik
gerade ihre antibürgerliche und unwirtschaftliche Qualität ausmache
und vor allen Dingen auch zur Zerstörung der Erde und der Natur führe.
In dieser späteren Position waren die Anklänge an den Heroismus und
Voluntarismus des neuen Nationalismus weitgehend verschwunden.
Ausformuliert hat Friedrich Georg Jünger diese Position in derselben
Zeit, in der sein Bruder Ernst die »Marmorklippen« verfasste, nämlich
im Frühjahr und Sommer des Jahres . Im Herbst schloss er das Ma-
nuskript mit dem Titel »Illusionen der Technik« ab und sandte es an die
Hanseatische Verlagsanstalt in Hamburg, bei der es erscheinen sollte.
Dort wurde der Text auch gesetzt, der Verlag entschied sich allerdings im
Frühjahr , das Buch vorerst nicht zu veröffentlichen, denn, so erklär-
te es Friedrich Georg Jünger in einem Brief vom Juli , »der Wider-
spruch, in dem es zu den kursfähigen Gedanken über diesen Gegenstand
steht, ist gross«. Jünger überarbeitete und erweiterte das Manuskript
daraufhin noch einmal und ließ es erneut setzen. Beim zweiten Mal wur-
de der fertige Satz allerdings beim Bombenangriff auf Hamburg am
. Juli  vernichtet. Schon vor diesem Bombenangriff hatte Friedrich
Georg Jünger erwogen, die Hanseatische Verlagsanstalt zu verlassen, was
er nun tat und zu Vittorio Klostermann wechselte, bei dem das Technik-

 Bei der Hanseatischen Verlagsanstalt waren neben anderen Büchern der Brüder
Jünger auch der »Arbeiter« und die »Marmorklippen« erschienen, der Verleger
Benno Ziegler gehörte seit der Spätphase der Weimarer Republik zu den politi-
schen Weggefährten der Brüder Jünger; vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt,
S. -.
 F. G. Jünger an F. Schanz, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Allerdings sind  und  zwei Vorabdrucke erschienen; vgl. FGJ  u. ;
zur Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte auch Fröschle, Kommentier-
tes Verzeichnis, S. f.
     -

buch in einer weiteren Überarbeitung schließlich gedruckt wurde.


Doch auch dieser Druck wurde vernichtet, dieses Mal bei dem Bomben-
angriff vom . November  auf Freiburg, wohin Klostermann mit
einem Großteil seines Verlags geflohen war, um den Angriffen auf Frank-
furt zu entgehen. Zwar sollen sich, so Friedrich Georg Jünger an seinen
Bruder, »einige dreissig oder vierzig Exemplare« erhalten haben, »da sie
an anderen Orten untergebracht waren«. Doch regulär erscheinen
konnte das Buch auf diese Weise gar nicht mehr während des »Dritten
Reichs« und es wurde erst im Jahr , nun unter dem Titel »Die Perfek-
tion der Technik«, bei Klostermann veröffentlicht.
Die »Illusionen der Technik«, die im Manuskript  Seiten umfassten
und in  Abschnitte gegliedert waren, erscheinen als weitgehend nüch-
tern gehaltener Essay und verstanden sich als Kritik an den in Friedrich
Georg Jüngers Augen gängigen, aber illusorischen Annahmen über den
technischen Fortschritt. Zu diesen gehöre etwa die Vorstellung, die Tech-
nik führe zu einer »Verminderung der Arbeit« und dadurch zu einem
Mehr an »Muße und freier Beschäftigung« (FGJ , ). In Wirklich-
keit, so Jünger, steigere der technische Fortschritt insgesamt das Quan-
tum an Arbeit, da er expansiver Natur sei und immer mehr Ressourcen
und Bereiche des Lebens in seinen Vernutzungskreislauf hineinziehe.
Und selbst dort, wo er arbeitsfreie Zeit produziere, erlaube er nicht mehr
Muße, da diese auch ein »musisches und geistiges Leben« (ebd.) voraus-
setze, das durch die Technik aber gerade zerstört werde. Mit diesen Be-
merkungen waren in den ersten Abschnitten bereits zwei der wichtigsten
Punkte gesetzt: die Gegenüberstellung von Muße und Technik bzw. von

 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach;


vgl. zu Klostermann unten, Kap. ..
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Von den verschiedenen Satzfassungen der Kriegszeit sind wohl einzelne Exem-
plare erhalten, konnten für diese Arbeit aber nicht eingesehen werden. Allerdings
gibt es ein maschinenschriftliches Typoskript der ersten Fassung mit der Auf-
schrift »Illusionen der Technik, F. G. Jünger, Kirchhorst «, das mir durch
Herrn Dr. Ulrich Fröschle zugänglich gemacht wurde, wofür ich ihm herzlich
danke. Im Folgenden wird die Erstfassung der »Illusionen« nach diesem Typo-
skript zitiert (FGJ ), die spätere Fassung der »Perfektion« nach der Erstaus-
gabe von  (FGJ ). Spätere Auflagen (FGJ a, a) werden nur bei
signifikanten Änderungen herangezogen; vgl. zur »Perfektion der Technik« auch
Gauger, Perfektion der Technik.
 Die Erstauflage von  hat  Druckseiten und  Kapitel, die noch einmal
erweiterte Auflage von  dann  Kapitel auf  Seiten.  wurden »Die
Perfektion der Technik« und »Maschine und Eigentum« von  zusammenge-
fasst, wobei die »Perfektion« allerdings nur noch geringfügig erweitert wurde.
    

musischem und technischem Denken, sowie die Grundannahme, dass die


Technik nie spendenden, sondern immer verzehrenden Charakter habe,
dass sie mithin nie ein Mehr an Leben hervorbringe, sondern »Raubbau«
(ebd., ) an allen Lebensressourcen betreibe. Eine weitere Illusion der
Technik sei daher die »Illusion des Reichtums« (ebd., ). Die »für unsere
Technik typische menschliche Lage« sei vielmehr der »Pauperismus«
(ebd., ). Dieses Argument von Raubbau und Pauperismus verband sich
mit einer weiteren Grundannahme Jüngers, dass nämlich der technische
Fortschritt entgegen gängigen Vorstellungen nicht im Dienst der Wirt-
schaft stehe, sondern »daß technische und wirtschaftliche ratio sich nicht
decken, daß sie ihrem Ziele und Zwecke nach verschieden sind« (ebd.,
):
»Zu den Kennzeichen jeder geordneten Wirtschaft gehört es, daß die
bewirtschaftete Substanz erhalten und geschont wird, daß aller Kon-
sum und Verzehr vor jener Grenze haltmacht, deren Überschreiten
diese Substanz selbst vernichtet oder gefährdet. Da die Technik den
Raubbau voraussetzt, da ihre Entfaltung von ihm abhängt, ist es un-
möglich, sie in irgendein ökonomisches System einzugliedern, sie un-
ter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Man kann den
radikalen Verbrauch von Erdöl, Kohle und Erzen nicht Wirtschaft
nennen, so rational immer der Abbau betrieben werden mag.« (Ebd., )
Die Technik als solche »besitzt keine Rentabilität« (ebd., ). In diesem
Argument war eine grundlegende Kritik an der »zerstörende[n] Kraft des
technischen Fortschritts« (ebd., ), an der »Verwüstung« (ebd.) und
»Anzapfung« (ebd., ) der Natur durch die Technik enthalten: »Der
Techniker hat jene alte Scheu verloren, die den Menschen davor zurück-
hält, die Erde zu verwunden und die Gestalt ihrer Oberfläche zu verän-
dern.« (Ebd.) Wobei der Techniker nicht nur die Erde zum Gegenstand
der »universalen Ausbeutung« mache, »auch der Mensch gehört zu den
Beständen, welche dem technischen Konsum unterworfen werden«
(ebd., ).
Wenn an dieser und an anderer Stelle vom Techniker die Rede war, so
erschien er dabei in erster Linie als Agent eines anonymen, von der Tech-
nik selbst gesteuerten Prozesses. Der technische Fortschritt entfalte eine
Eigendynamik und ein eigenes »Machtstreben« (ebd., ), durch das er
alle anderen Lebensbereiche zu kolonialisieren und unter seine Herr-
schaft zu bringen versuche. Dies äußere sich unter anderem in einem
wachsenden »Automatismus« aller Arbeits- und Lebensvorgänge, wie er
an der »Vermehrung der Automaten aller Art« (ebd., ) abzulesen sei,
sowie an der allgegenwärtigen »Vermehrung der Organisation« und dem
     -

»stets wachsenden Bürokratismus« (ebd., ). Diese Tendenz der Ver-


selbständigung resultiere aus dem der Technik eigenen »Streben nach
Perfektion« (ebd., ), das nicht eher ruhe, bis die ganze Welt in einen
technischen Apparat verwandelt sei.
Diese Grundthese einer wachsenden Durchdringung aller Lebens-
bereiche durch technisches Denken und technische Artefakte verfolgte
Friedrich Georg Jünger an weiteren Beispielen. Nicht nur die Wirtschaft
sei einem »wachsende[n] Grad von Technizität« (ebd.) unterworfen. Die
Technik dringe etwa auch in den Staat ein und versuche, »die staatliche
Organisation durch eine technische zu ersetzen«, mithin eine »Techno-
kratie« (ebd., ) zu errichten. Zu dieser Technokratie gehöre auch die
technokratische »Organisation der Masse« (FGJ , ), die als Masse
überhaupt erst im Zuge des technischen Fortschritts entstanden sei, denn
»technischer Fortschritt und Massenbildung« gingen »Hand in Hand«
(FGJ , ).
In diesem Kontext kritisierte Jünger auch Sozialismus und Bolsche-
wismus als technische Erscheinungen. Denn die Bildung von Gewerk-
schaften sei nur scheinbar ein selbstbestimmtes Mittel zur Stärkung der
Arbeiter. In Wirklichkeit erfülle der Arbeiter, indem er sich organisiert,
»eine Forderung des technischen Fortschritts, der überall auf Organisa-
tion drängt«, sein »Zusammenschluß in Gewerkschaften« sei die »Folge
des mechanischen Zwangs, dem er unterworfen ist« (ebd., ). Der Bol-
schewismus als Ideologie und Herrschaftspraxis habe sich die Forderungen
des technischen Fortschritts dabei sogar selbst auf die Fahnen geschrieben.
Er bedeute die »Vermehrung alles Mechanischen und Verwaltungsmäßi-
gen«, den »Arbeitsplan« und die »Technisierung und Elektrifizierung
Russlands«: »Die Ausbeutung durch den Kapitalisten hat hier allerdings
ein Ende, aber an ihre Stelle tritt die Ausbeutung durch die technische
Organisation, die abstrakter und deshalb kälter und erbarmungsloser
ist.« (Ebd., )

 Aus dieser Grundthese erklärt sich der spätere Wechsel des Titels von »Illusionen«
zu »Perfektion der Technik«.
 In den späteren Erweiterungen der »Perfektion« und in »Maschine und Eigen-
tum« von  beschäftigte sich Friedrich Georg Jünger etwas ausführlicher mit
Marx und dem Marxismus, dem er vorwarf, Ausbeutung nur ökonomisch ge-
dacht zu haben und selbst technischen Utopien zu folgen: »Die Abhängigkeit des
Arbeiters wurde zunächst als eine ökonomische begriffen. Darin liegt ein Miss-
verständnis. Marx, der die ökonomische Seite des Vorgangs klar und erschöpfend
beschrieb, hat in seine technischen Bedingungen keine genügende Einsicht.«
(FGJ a, ) Vgl. dazu auch Heyer, Maschine, S. -.
    

Ein weiteres Phänomen, an dem Friedrich Georg Jünger die wachsen-


de Technisierung ablas, war das Vordringen der »toten Zeit« in die »Le-
benszeit«, wobei er mit toter Zeit die mechanisch gemessene Zeit meinte,
die die technischen Abläufe strukturiere: »Uhrzeit ist tote Zeit […]. Ohne
Uhren gibt es keine Automaten.« (Ebd., ) Denn alle »Zeitmeßver-
fahren« seien »Verfahren, durch welche der in der Lebenszeit wachsende
Organismus einem mechanischen Zeitdenken, der toten Zeit unterwor-
fen wird« (ebd., ):
»Indem die tote Zeit mechanisch verwertbar wird, beginnt sie die Le-
benszeit des Menschen überall zu bedrängen und einzuengen. Denn
sie ist auf die exakteste Weise messbar und teilbar und durch ein prä-
zises Messverfahren zu ermitteln, mit dessen Hilfe jetzt die Lebenszeit
mechanisch reguliert und einer neuen Zeitorganisation unterworfen
wird. Der Mensch, der die Technik beherrscht, wird zugleich ihr Die-
ner und muß sich ihren Gesetzen fügen. Der Automat zwingt ihn zu
automatischer Tätigkeit.« (Ebd., ) 
Da das »Uhrwerk« gleichzeitig »der erste Automat ist, der einen durch-
schlagenden Erfolg gehabt hat« (ebd., ), thematisierte Jünger an seinem
Beispiel auch die Genese des technischen Denkens und des technischen
Fortschritts. Die sich mit Blick auf diese Genese stellende Frage, ob das
naturwissenschaftlich-technische Denken die Technik oder umgekehrt die
Technik das naturwissenschaftliche Denken hervorgebracht habe, blieb
in den »Illusionen der Technik« allerdings weitgehend unbeantwortet.
Am Beispiel der Biologie und der Medizin argumentierte Jünger einer-
seits, dass das technische Denken auch die Wissenschaften vom Leben zu
durchdringen und zu verändern beginne. Auch in den Universitäten
werde keine Bildung, sondern nur noch »technische[s] Wissen« (ebd., )
vermittelt. Andererseits machte er aber Andeutungen, dass das kausale
und mechanistische Denken der exakten Naturwissenschaften selbst am
Beginn des technischen Fortschritts gestanden habe. Diese Andeutungen

 Diese Unterscheidung von mechanischer und Lebenszeit fand sich auch bei Ernst
Jünger, der sie vor allen Dingen am Unterschied zwischen mechanischen und
Sanduhren festmachte: »Die Sanduhrzeit ist eine andere, dem Leben inniger ver-
knüpfte – es schlägt da keine Stunde und rückt kein Zeiger vor. Es ist dies Zeit,
die abläuft, verrinnt, verrieselt – unangespannte, unrhythmisierte Zeit.« (EJ /
, f.) Vgl. dazu auch »Das Sanduhrbuch« (EJ ) und »An der Zeitmauer«
(EJ a); dazu unten, Kap. ..
 »Die Wissenschaft tritt in den Dienst der Technik« (FGJ , ), wie Jünger
diese Passage in einer späteren Fassung ergänzte.
     -

wurden erst in den späteren Fassungen des Technikbuchs expliziert, in


denen Friedrich Georg Jünger dann ganz ähnlich wie Martin Heidegger
in Descartes – der Tiere und den menschlichen Körper »für Maschinen
und Uhren hielt« (FGJ a, ) – einen der entscheidenden Begründer
und Wegbereiter des technischen Denkens entdeckte. Da im cartesiani-
schen Denken die Umwelt der res cogitans, die res extensa, als leblose Ma-
terie angesehen werde, die mechanischen Gesetzen gehorche, befördere
es die Vorstellung, man könne in diese Umwelt nach Belieben und ge-
stützt auf rationale Erkenntnis eingreifen und sie umgestalten. In einem
Brief vom Mai  ging Friedrich Georg Jünger sogar so weit, die Wis-
senschaft unmittelbar mit Zerstörung gleichzusetzen: »Wissenschaft ist
in ihrem letzten Begriffe nach [sic] nichts anderes als Zerstörung und
kann nichts anderes sein, denn es mangelt ihr jede Fähigkeit, Leben her-
vorzubringen.«
Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass die in den späteren Fassungen
ergänzten Passagen zum naturwissenschaftlichen Denken bereits unter
dem Einfluss Martin Heideggers entstanden sind. In der ersten Fassung
der »Illusionen« war aber vor allen Dingen der Einfluss Ernst Jüngers
deutlich zu bemerken, der schon im »Arbeiter« die Überzeugung ge-
äußert hatte, das technische Zeitalter entspreche »einer Zeit des großen
Verzehrs« (EJ , ), und der auch eine von Friedrich Georg Jüngers
Grundannahmen vorweggenommen hatte, da auch er davon ausging,
»daß die Technik ebenso wenig eine wirtschaftliche Anngelegenheit ist,
wie der Arbeiter durch eine ökonomische Betrachtungsweise erfasst wer-
den kann« (ebd., ). Mehrere Abschnitte der »Illusionen« schienen die
Darstellung der technischen Verhältnisse darüber hinaus direkt aus dem
»Arbeiter« übernommen zu haben. Das gilt etwa dort, wo Friedrich
Georg Jünger die moderne »Industrielandschaft« beschrieb, der »etwas
Vulkanisches« (FGJ , ) anhafte und in der eine wachsende Gefahr
vom systemnotwendigen »Betriebsunfall« (ebd., ) ausgehe. Auch die
»Mechanik des Verkehrs« (ebd., ) in der Großstadt, das »Rekord-Prin-

 Vgl. FGJ , f.


 F. G. Jünger an F. Schranz, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. zum Gedankenaustausch über die Technik und die Naturwissenschaften
zwischen Heidegger und F. G. Jünger unten, Kap. ..; dazu auch Schuurman,
Technology, S. f. u. ff. Schuurman berücksichtigte bei seiner Darstellung
von F. G. Jüngers Technikkritik die zeitlichen Etappen von deren Ausformulie-
rung allerdings nicht und konnte die wechselseitige Beeinflussung mit Heidegger
daher nur pauschal konstatieren. Es bleibt aber bemerkenswert, dass Schuurman
diese Wechselwirkung schon  erstmals ansprach, ohne dass das in der späte-
ren Heidegger-Forschung aufgegriffen worden wäre.
    

zip« im modernen »Sportbetrieb«, in dem der Sportler selbst »zu einer


Art Maschine« werde (ebd., ), und die mechanischen Massenvergnü-
gungen wie das »Lichtspiel« (ebd., ) waren von Ernst Jünger in ähnli-
cher Weise dargestellt worden. Auch Ernst Jüngers Idee der »organischen
Konstruktion«, der man »etwa als Empfänger von elektrischem Strom«
durch eine »tatsächliche Verflechtung« (EJ , f.) angehöre, fand
sich bei Friedrich Georg Jünger als mechanische Organisation wieder:
»Wo immer der Mensch das Feld des technischen Fortschritts betritt,
dort erfolgt ein organisatorischer Zugriff gegen ihn. Die Technik deckt
nicht nur den Bedarf, sie organisiert ihn zugleich. Wenn ich Gas, Was-
ser, Wärme, Elektrizität durch ein mechanisches Werk beziehe, werde
ich zugleich einer Organisation unterworfen, die sich netzförmig,
ringförmig, kreisförmig ausdehnt und durch eine technische Zentrale
verwaltet wird. Wenn ich mir ein Telephon ins Haus einbauen lasse,
oder einen Rundfunk-Apparat, erhalte ich nicht nur eine Sache, deren
ich mich bedienen kann, ich werde zugleich an einen Stromkreis, an
ein Empfangsnetz angeschlossen, ich trete einer großen Organisation
bei.« (FGJ , )
Schließlich wurde Ernst Jüngers »totale Mobilmachung« von Friedrich
Georg Jünger nicht nur indirekt zitiert, wenn er davon sprach, dass die
Technik eine »Mobilmachung alles Immobilen« (ebd., ) sei. In dem
Abschnitt über den »totalen Krieg« (ebd., ), der die »totale technische
Organisation« zur Voraussetzung und die »totale Vernichtung« (ebd., )
zum Ergebnis habe, wurde die »totale Mobilmachung« (ebd., ) auch
direkt genannt. Wie für Ernst Jünger offenbarte sich für Friedrich Georg
Jünger die zerstörerische Qualität des technischen Fortschritts in seiner
Beziehung zum Krieg, durch die er »seine ökonomische Maske« schließ-
lich ganz abstreife und immer eindeutiger seinen »Rüstungscharakter«
zeige: »Der technische Arbeitsvorgang wird zum Rüstungsvorgang, er
richtet sich immer eindeutiger auf den Krieg aus.« (Ebd., ).
Wenn die »Illusionen der Technik« also in vielen Punkten direkt auf
den »Arbeiter« zurückgreifen, wie ist das Verhältnis der beiden Bücher
zueinander dann näher zu bestimmen? In seinem Kriegstagebuch ging
Ernst Jünger selbst auf dieses Verhältnis ein:
»Zum ›Arbeiter‹. Die Zeichnung ist genau, doch gleicht er einer scharf
gestochenen Medaille, der die Rückseite fehlt. Es wäre in einem zwei-
ten Teile zu schildern die Unterstellung der beschriebenen dynamischen
Prinzipien unter eine ruhende Ordnung von höherem Rang. […] Wer
weiß, ob sich für mich noch einmal die Zeit, hier wieder anzuspinnen,
     -

finden wird? Doch glückte Friedrich Georg in dieser Richtung mit


seinen ›Illusionen der Technik‹ ein bedeutender Schritt. Das zeigt, daß
wir doch wahre Brüder sind, im Geist noch ungetrennt.« (EJ /,
)
Am . März  notierte er dann, der »Arbeiter« und die »Illusionen der
Technik« glichen »dem positiven und dem negativen Abzug einer Auf-
nahme – die Gleichzeitigkeit der Verfahren deutet auf eine neue Objek-
tivität, während der enge Geist nur den Widerspruch darin erblicken
wird« (ebd., ). Friedrich Georg Jünger, dem Ernst diesen Vergleich
auch brieflich mitgeteilt hatte, antwortete darauf:
»Die Bemerkung über die ›Illusion‹ hat eine gewisse Richtigkeit. Ihr
Verhältnis zum ›Arbeiter‹ muss aber mit mehr Akuratesse festgestellt
werden, denn dieser ist die Prämisse, da er ja den ganzen Vorgang ins
Licht rückte und seine Gesetzlichkeit hervorhob. Seitdem arbeitet die
Erfahrung in diesen Gehäusen. Was mich frappierte, war die Erkennt-
nis, dass der ganze Bereich der Technik immer mehr den Charakter
brutaler Ausbeutung annimmt. Der Vorwurf, den die Sozialisten dem
Kapital machten, ist nun ganz universal gültig und trifft auch den Ar-
beiter und jeden Menschen, der innerhalb der technischen Organisa-
tion lebt und sie bejaht, also uns alle. Dieses im Kern lieblose Verhältnis
gegen unsere Mutter Erde, das nur auf Zwang aufgebaut ist, war es
auch, dass mich zuerst beunruhigte. Dass ein solches Verhältnis einsei-
tig ist und keine Folgen heraufbeschwört, glaubt der Techniker immer
noch. Doch denke ich, dass über die Gegenschachzüge bald niemand
mehr im Zweifel sein wird.«
Friedrich Georg Jünger sprach also davon, dass ihm der »Arbeiter« als
»Prämisse« gedient habe, als erste Darstellung und Hervorhebung des
Vorgangs, den auch er beschreiben wollte, dass seit dieser ersten Darstel-
lung aber die »Erfahrung« zu einer veränderten Einschätzung der Tech-
nik geführt habe. Welche Erfahrungen können damit gemeint sein und
worin bestehen die Unterschiede zwischen »Positiv« und »Negativ«?
Bei einem Vergleich der beiden Bücher fallen trotz der Analogien an
erster Stelle die Unterschiede auf. Denn auch wenn Friedrich Georg Jün-
ger die Phänomenologie der technischen Moderne in vielem von seinem

 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Aus die-


sem Brief geht auch hervor, dass der Vergleich auf einen Bekannten zurückging,
dem Ernst Jünger die »Illusionen« zum Lesen gegeben hatte.
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
    

Bruder übernommen hatte, ordnete er sie doch in einen gänzlich anderen


Interpretationsrahmen ein. Ernst Jüngers Gestaltmetaphysik fand in den
»Illusionen« keine Entsprechung. Es ging Friedrich Georg Jünger nicht
um ein überzeitlich, geschichtsphilosophisch bestimmtes Sein, das in der
Technik seinen Ausdruck fände. Die Technik selbst wurde vielmehr zum
Motor einer Entwicklung, die auch nicht wie Ernst Jüngers Gestaltidee
in eine manichäische Zwei-Weltalter-Lehre eingespannt wurde. Auch der
heroische Realismus der beiden Brüder Jünger, der die Technik als eine
notwendige Erscheinung des Arbeitszeitalters begrüßte, fand sich in den
»Illusionen« nicht mehr, der »Techniker« war keine heroische Gestalt.
Die für den heroischen Realismus kennzeichnende und von Friedrich
Georg Jünger noch  erneuerte Polemik gegen den Bürger, der der
Technik nicht gewachsen sei, hatte er nun aufgegeben. Die Technik er-
schien nicht mehr in erster Linie als bürgerliche oder antibürgerliche
Kraft, und der Liberalismus kam nur dort in den Blick (ohne allerdings
explizit benannt zu werden), wo er sich in Form der Wirtschaftslehre die
von Friedrich Georg Jünger kritisierten Illusionen über den technischen
Fortschritt machte.
Geschichtsphilosophisch erscheinen die »Illusionen« aber insofern,
als sie den technischen Fortschritt als eigengesetzlichen, unaufhaltsamen
Prozess der »Perfektion der Technik« schilderten, der notwendig auf seine
Selbstzerstörung zulaufe. Darin eignete ihnen auch eine apokalyptische
Dimension. Dabei ist aber wiederum – wie auch in Ernst Jüngers »Mar-
morklippen« – eine spezifische Verlagerung der Apokalyptik gegenüber
dem »Arbeiter« zu beobachten. Die notwendige Katastrophe erschien
nicht als Untergang einer alten und Aufgang einer neuen Welt, sondern
als Rache der Elementarkräfte, die durch die Technik unterjocht und in
Dienst gestellt wurden. Denn in dem Maße, in dem die Technik »die
Elementarkräfte in eine Mechanik« (FGJ , ) zwinge, so Friedrich
Georg Jünger, dringe auch das Elementare in das Mechanische ein und
führe zu dessen »Elementarisierung« (ebd., ). Die »explosive Wucht«
der Technik rühre aus diesen eingepferchten Elementarkräften, die die
Maschinen »bis zum Bersten« (ebd.) füllten und irgendwann zur Entla-
dung kämen. Spätestens im totalen Krieg wende sich diese in der Technik
angestaute Elementarkraft gegen den Menschen selbst »und bedroht ihn
mit Zerstörung« (ebd., ). Der geschichtsphilosophische Fatalismus,
der in diesem Zerstörungsszenario lag, offenbarte sich gerade da, wo sich
Friedrich Georg Jünger gegen die ubiquitären »Katastrophen-Theorien«
und die »Lehre von Weltaltern und Weltzeiten« (ebd.) wandte:
     -

»Nun ist es gewiß, daß wir alle sterben müssen, und man braucht kein
Prophet zu sein, wenn man für die Zukunft große Unglücksfälle und
Veränderungen voraussieht. Indessen beweist sich die Macht des To-
des nur am Leben; und es ist zu allen Zeiten ein genaues Verhältnis
zwischen der Zerstörung und dem Bestande, der reif ist, ihr anheim-
zufallen. Dieser aber ist zu keiner Zeit und durch keine menschliche
Anstrengung zu retten.« (Ebd., f.)
In diesen Sätzen klang der amor fati des heroischen Realismus noch von
ferne an, aber Friedrich Georg Jünger propagierte hier kein heroisches
Einverständnis mit dem Untergang, sondern suchte Tröstung in der Evo-
kation einer ewigen Natur und eines Lebens, das jenseits der technischen
Katastrophe fortbestehe. Diese Distanzierung vom Heroismus kam auch
in seiner Kritik der nietzscheanischen »Willensphilosophie« (ebd., ) zum
Ausdruck, die für ihn an »Akte der Zerstörung« (ebd., ) gebunden war:
»Das Wollen und das Gelingen sind nicht identisch, deshalb realisiert
der bloße Wille zur Macht noch nichts. […] Die Darstellung eines
überall wirksamen Willens zur Macht bleibt einseitig, solange nicht
die Ermächtigung geprüft wird, die diesen Willen zur Macht wirksam
und erfolgreich macht. Schon in der Überbewertung des Willens liegt
aber etwas Zerstörendes. Nicht nur schließt sie eine Überschätzung
der Bewegung in sich, der direkten Aktion, des blind und instinktiv
handelnden Menschen und der nackten Vitalität, die dem Leben in-
newohnt, diese Bewegung nimmt auch etwas Mechanisches und
Zwangsläufiges an, weil sie unter allen Umständen etwas erzwingen
will, auch dort, wo ihr das Gelingen nicht gewährt ist.« (Ebd.)
Genau wie sein Bruder unterschied Friedrich Georg Jünger hier zwischen
dem energetischen Willen zur Macht, der aber selbst »arm an Macht«
(ebd.) sei, und dem ruhenden Besitz von Macht, der nicht erzwungen
werden könne. Diese Auslegung von Nietzsches Begriff des Willens zur
Macht hat Martin Heidegger zur selben Zeit in seiner Auseinanderset-

 Auch wenn diese Prognose mit Blick auf den nahenden Zweiten Weltkrieg nicht
besonders prophetisch erscheint, fällt auf, dass Friedrich Georg Jünger diese Pas-
sagen über die nahende Katastrophe in den Nachkriegsfassungen der »Perfek-
tion« unverändert gelassen hat; vgl. FGJ , f.
 Diese Unterscheidung korrespondierte mit der früher getroffenen Gegenüber-
stellung von »Sein« und »Haben« (FGJ , ), wobei die Technik immer nur
das Haben vergrößern, nie aber ein »reiches Sein« (ebd.) hervorbringen könne.
Friedrich Georg Jünger nahm damit auch den Titel des späteren Bestsellers von
Erich Fromm vorweg.
    

zung mit dem »Arbeiter« kritisiert. Alle drei waren sich im Jahre 
aber einig, die Technik mit dem Willen zur Macht zu identifizieren,
selbst aber von der »Überbewertung des Willens« Abstand zu nehmen.
Insofern stellen die »Illusionen der Technik« sowohl eine Selbstkritik in
Bezug auf die Zeit dar, als die Brüder Jünger noch der »direkten Aktion«
und dem »instinktiv handelnden Menschen« huldigten, als auch eine
Kritik des »Arbeiters«, in dem die Macht der Technik noch voluntari-
stisch angeeignet werden sollte.
Nach Friedrich Georg Jüngers Lesart der Technik erlag der »Arbeiter«
noch in einer weiteren Dimension deren »Illusionen«: Im »Arbeiter«
sprach Ernst Jünger ebenfalls bereits von der »Perfektion der Technik«
und meinte damit den »Abschluß der Totalen Mobilmachung«, der zur
»Ablösung eines dynamischen und revolutionären Raumes durch einen
statischen und höchst geordneten Raum« (EJ , ) führen sollte, das
heißt, zur endgültigen Etablierung der Herrschaft des Arbeiters. Für
Friedrich Georg Jünger war aber klar, dass die Perfektion der Technik
niemals zu einer ruhigen Ordnung führen könne oder gar zu einem
»friedlichen und liebenswürdigen Idyll« (FGJ , ). Das »Endstadi-
um der Technik« (ebd.) bedeute totale Verwüstung durch Raubbau und
schließlich Selbstzerstörung.
Die »Illusionen der Technik« sind somit gleichermaßen als Fortset-
zungs- und als Gegenbuch zum »Arbeiter« erkennbar und enthalten eine
mehr oder weniger explizite Kritik an den früheren Positionen der Brü-
der Jünger. Die Erfahrung, die zwischen dem »Positiv« des »Arbeiters«
und dem »Negativ« der »Illusionen« lag, war also auch die Erfahrung des
Irrtums dieser frühren Positionen. Dieser Irrtum hat sich den Brüdern
Jünger in der Machtentfaltung der Nationalsozialisten offenbart, mit
denen sie früher selbst sympathisiert hatten. Inwiefern verbarg sich in
den »Illusionen« also auch eine Kritik am »Dritten Reich« und der Herr-
schaftspraxis des Nationalsozialismus? Friedrich Georg Jüngers Kritik an
der Rüstung und der »totalen Mobilmachung« und seine Ansicht, »daß
jener totale Verzehr, der durch den totalen Krieg hervorgerufen wird,
auch den Nutzen aufzehren kann, der aus einem gewonnenen Kriege
resultiert, daß ein Zustand eintreten kann, in dem es weder Sieger noch
Besiegte gibt, sondern nur einen Zustand allgemeiner Erschöpfung«
(ebd., ), konnte den Nationalsozialisten bei der Kriegsvorbereitung
und dann Kriegsführung im Jahr  wenig willkommen sein, weshalb
das Buch von der Hanseatischen Verlagsanstalt ja auch vorsorglich nicht

 Vgl. oben, S. .


     -

gedruckt wurde. Direkte Analogien zur Herrschaft im »Dritten Reich«,


wie sie sich in den »Marmorklippen« oder auch in den Vorlesungen Mar-
tin Heideggers fanden, enthielten die »Illusionen« aber kaum. Die Kritik
an der »Massenbildung« (ebd., ), an den »Ideologien« und der »Macht
der Ideologen« (ebd., ) sowie an dem auf die Massenbildung folgenden
»Imperialismus« (ebd., ) ließ sich zwar auf das »Dritte Reich« beziehen,
galt aber allgemeiner der modernen Massendemokratie, gegen die sich
auch die Nationalsozialisten ihrem eigenen ideologischen Verständnis
nach wandten. Die konkrete Einordnung des Nationalsozialismus als
eine Form der technischen Herrschaft erfolgte erst nach dem Zweiten
Weltkrieg und passte sich dabei in die auch von Ernst Jünger und Martin
Heidegger betriebene Nivellierungsstrategie ein, da der Nationalsozialis-
mus als nur eine Form der Technokratie neben Bolschewismus und Ame-
rikanismus gestellt wurde.
Will man die »Illusionen der Technik« also als ein Beispiel der »ver-
deckten Schreibweise« im »Dritten Reich« verstehen, muss man von einer
sehr weitgehenden Verdeckung ausgehen. Tatsächlich fällt bei der heuti-
gen Lektüre nicht nur die verschiedentlich hervorgehobene Weitsicht in
ökologischen Fragen auf, sondern auch die scheinbare Zeitungebunden-
heit. Denn vieles von dieser Technikkritik hätte schon während der
er Jahre im Zuge der Debatte um Taylorisierung und Automatisie-
rung geschrieben werden können, und das meiste wurde von Friedrich
Georg Jünger nach  unverändert aufrechterhalten. Der hohe Grad an
Zeitgebundenheit kommt erst dann deutlicher zum Ausdruck, wenn
man die weiteren Debatten der beiden Brüder Jünger während des Zwei-
ten Weltkriegs berücksichtigt, der von beiden als Krieg von Technikern
und als Bestätigung sowohl des »Arbeiters« als auch der »Illusionen der
Technik« interpretiert wurde. Bevor diese Deutung des Zweiten Welt-
kriegs als Krieg von Arbeitern und Technikern näher untersucht wird,
soll aber zunächst noch ein Blick auf Friedrich Georg Jüngers Beschäf-
tigung mit der griechischen Mythologie geworfen werden, die sich zeit-
lich mit der Arbeit an den »Illusionen« und dann der »Perfektion der
Technik« überschnitt. Denn Jüngers Wiederaneignung des griechischen
Mythos stellt in doppelter Hinsicht eine Ergänzung zu den Arbeiten über
die moderne Technik dar: Zum einen entwickelte er in seiner Darstel-
lung der griechischen Mythen ein Gegenbild zur technischen Moderne,

 Ernst Jünger schrieb dazu rückblickend in einem Tagebucheintrag vom . Februar


: »Da dieses Buch den Geist der Stille beschwört, gehört es zu seinem Schick-
sal, daß es damals nicht erschien. Es steht zu den Aktionen im Gegensatze, nach
deren Ablauf es wirken wird.« (EJ /, )
    

zum anderen schilderte er mit der Darstellung der Titanen und des
Titanismus aber auch das, was er für die mythische Vorgeschichte dieser
technischen Moderne hielt.

Friedrich Georg Jüngers griechische Mythologie

Schon am Ende der »Illusionen« hatte Friedrich Georg Jünger mit Blick
auf Prometheus als dem Urvater des homo faber geschrieben: »Alle Tech-
nik aber ist titanischen Ursprungs, der homo faber gehört immer zu den
Titaniden«, wobei gleichzeitig gelte, »daß die Götter den homo faber
nicht lieben« (FGJ , ). Den ewigen Kampf zwischen Göttern und
Titanen, dessen Schattenspiel Jünger noch in der modernen Technik zu
entdecken glaubte, beschrieb er nun in mehreren Abhandlungen, die im
Anschluss an die Fertigstellung der ersten Fassung der »Illusionen der
Technik« im Sommer  und parallel zu deren Überarbeitungen wäh-
rend des Zweiten Weltkriegs entstanden und in drei Schritten veröffent-
licht wurden:  in »Griechische Götter. Apollon – Pan – Dionysos«,
 in »Die Titanen« und  in dem Sammelband »Griechische
Mythen«, in den die beiden Vorgänger über Götter und Titanen unver-
ändert und ergänzt durch einen dritten Abschnitt über »Heroen« auf-
genommen wurden.
In der Vorrede zu den »Titanen« thematisierte Friedrich Georg Jünger
selbst, inwiefern seine Beschäftigung mit der griechischen Mythologie
ebenso wenig unabhängig von den zeithistorischen Umständen ihrer Ent-
stehung zu verstehen war wie die Auseinandersetzung mit der Technik:
»Heute, an einem Wendepunkt des Denkens, im Zustand jener Unge-
wissheit, der mit dem Fortgang des wissenschaftlich exakten Wissens
genau zusammenhängt, auf dem Höhepunkt der Organisation und
der damit verbundenen Schutzlosigkeit des Menschen, hat ein Thema
wie das hier dargestellte einen doppelten Nutzen für den aufmerk-
samen Leser. Er kann das Vergangene auf die Gegenwart und die Ge-
genwart auf das Vergangene anwenden.« (FGJ , )

 Vgl. zum Titanenmotiv bei Friedrich Georg Jünger, das später auch von Ernst
Jünger aufgegriffen wurde, Schröter, ›Titanen‹; zu Friedrich Georg Jüngers Aus-
einandersetzung mit der griechischen Antike allgemein auch Richter, Thematic
Approach, S. -.
 Vgl. FGJ a,  u. . Teile der Abhandlung über die Götter sind zugleich
als Zeitschriftenbeiträge in Corona (FGJ ) und Die neue Rundschau (FGJ
a) erschienen.
     -

Die Art dieser reziproken Beziehung von Gegenwart und Vergangenheit


wurde von Jünger allerdings nicht genauer beschrieben und ihre Ent-
schlüsselung und Anwendung blieb dem »aufmerksamen Leser« anheim
gestellt. Man kann in diesem Hinweis die Andeutung einer Verschlüs-
selung vermuten, wie sie typisch für die verdeckten Schreibtechniken der
»inneren Emigration« wäre. Da sich Friedrich Georg Jünger allerdings
genötigt sah, diese Verschlüsselung auch  (FGJ , ) aufrecht zu
erhalten, kann man davon ausgehen, dass sie nicht einfach der Zensur
des »Dritten Reiches« geschuldet war. Die Beziehung des Vergangenen
zum Gegenwärtigen hatte für Jünger vielmehr eine Bedeutung, die nicht
durch eine einfache Entschlüsselung nach dem Schema ›Hades steht für
Hitler‹ zu erschließen war und die sich nicht in der Anwendung auf eine
konkrete politische Situation erschöpfte. An anderer Stelle gab er einen
weiteren Hinweis auf diese Beziehung: »Wir wiederholen beständig
mythische Situationen, ohne daß uns die Widerholung zum Bewußtsein
kommt. Inmitten einer Zeit des Titanismus haben wir vergessen, wie oft
er schon überwunden worden ist.« (FGJ ,  u. , ) Zweierlei
lässt sich aus diesen Sätzen schließen. Zum einen ging Jünger davon aus,
dass der Mensch in der Moderne im Sinne einer »ewigen Wiederkehr des
Gleichen« noch immer denselben Gesetzen unterworfen war, die schon
die griechische Mythologie beschrieb. Zum anderen sei sich der
Mensch in der Moderne, die Jünger hier als eine »Zeit des Titanismus«
beschrieb, dieser Wiederkehr bzw. Konstanz aber nicht bewusst.
Den Grund für diese Bewusstlosigkeit des modernen Menschen sah
Jünger wiederum im Verlust des mythischen Denkens, das dem Ratio-
nalismus nicht mehr zugänglich sei. Die »ausschließliche Beschäftigung
mit den Naturwissenschaften« (FGJ a, ) habe den Menschen zwar
belehrt, aber »auch ein wenig verdummt« (ebd., ). In einer »Zeit, die
dem Technischen viel einräumt, in einer Zeit der rationalen Planung, die
alles umfassen, alles in sich einbeziehen möchte« (ebd., ), bilde es daher
ein heilsames Gegengewicht, »wenn wir über die Muße der griechischen
Götter, des griechischen Menschen nachdenken« (ebd.). Denn für Jün-
ger galt: »Die Mythe belehrt uns über manches, das die Wissenschaft
vergessen hat.« (Ebd., ) Insbesondere stelle sie der »historische[n] Welt-
sicht« (ebd.) ein alternatives Zeitbewusstsein gegenüber, von dem aus der
»historische Prozeß« erst als »auflösender Prozeß größten Umfangs«
(ebd., ) erkannt werden könne. Diese Unterscheidung von Mythos

 Zur Denkfigur der Wiederkehr bei Friedrich Georg Jünger vgl. Fröschle, Kyklen.
 Vgl. auch FGJ , : »Die Mythe ist aber nicht Geschichte, sie ist kein histo-
    

und Geschichte korrespondierte im Übrigen mit Martin Heideggers


Unterscheidung von Geschichte und Historie, der den »historischen Pro-
zeß« ebenfalls dem metaphysischen, in diesem Sinn neuzeitlichen Den-
ken zuschrieb und den ersten Anfang der Griechen als außerhistorisches
Ereignis wertete, das als »Geschichte« stets zukünftig sei. Daher stellte für
beide, Heidegger wie Friedrich Georg Jünger, das griechische Denken
eine Ressource der nichttechnischen und (im Sinn Heideggers) antimeta-
physischen Besinnung dar. Für Jünger setzte die Mythologie dem »Man-
gel an Imagination, der unser abstrakt gewordenes Denken bezeichnet«
(FGJ , ) zudem einen Reichtum an Bilderwissen entgegen. Die Ge-
stalten der mythischen Imagination erschienen Jünger daher, mit dieser
Formulierung wiederum an Heidegger erinnernd, als »die großen Hüter
und Wächter des Seins« (ebd., ).
In den Augen Friedrich Georg Jüngers ging es also nicht in erster Linie
darum, mythische Geschichten als Parabeln auf die Gegenwart zu über-
tragen, sondern vielmehr darum, das in ihnen transportierte Wissen und
die ihnen zugrunde liegende Weltsicht für die Gegenwart zu retten und
fruchtbar zu machen. Weite Teile von Jüngers Beschreibung der griechi-
schen Mythologie waren in diesem Sinn eine nachvollziehende Wieder-
belegung des mythischen Denkens, das dem abstrakten Denken gegenüber
gestellt war und die angeblich darunter verschütteten Wirklichkeitsbe-
reiche wieder erschließen sollte. Seine mythologischen Abhandlungen
sollten also gerade keine »wissenschaftliche Mythologie« (ebd., ) sein,
sondern künstlerische, musische Aneignung.
Für dieses der Wissenschaft entgegengesetzte Musische standen in be-
sonderem Maß die drei Götter, die Friedrich Georg Jünger in das Zen-
trum seiner ersten Abhandlung stellte: Apollon für die Künste und die
gute Ordnung, Pan für den Eros und die Wildnis und Dionysos für das

rischer Prozeß, der vom Bewußtsein als solcher aufgefasst wird. Historisch gesehen
liegt sie als etwas Geschichtsloses vor der geschichtlichen Zeit.«
 Die Wildnis war für Jünger gleichzeitig der Inbegriff für die durch den techni-
schen Raubbau zerstörte Natur: »Die Wildnis ist der Ursprung. Wir kommen
von ihm, und wir können zu ihm zurückkehren. Die Mythe kennt dieses Verhält-
nis, und sie berichtet uns darüber. […] Die Forderung nach Schonung, die hier
erhoben wird, ist kein nebensächliches Verlangen, sondern ein Anliegen, das der
Mensch zu erfüllen hat. Wir haben heute mehr als je Anlaß, uns daran zu ent-
sinnen, denn der Mensch unserer Zeit hat die Wildnis nicht geschont, er zehrt an
ihr, er verwüstet sie und breitet die Dürre in ihr aus, die zu ihm zurückkehren
muß. Es ist das Land des Pan, in das er so eindringt, in dem er Raubbau treibt.«
(FGJ , ff.).  widmete Friedrich Georg Jünger Martin Heidegger, mit
dem er die »Forderung nach Schonung« teilte, einen Text mit dem Titel »Die
Wildnis« zum . Geburtstag (FGJ b); vgl. unten, Kap...
     -

ausschweifende Fest und den Rausch. Indem Jünger betonte, dass Apol-
lon, dem »Führer der Musen« (FGJ , ), und daher auch dem »apol-
linischen Menschen« (ebd., ) das »Gigantische, Titanische, Kyklopische
[…] fremd und widrig« (ebd.) sei, machte er zugleich den Grundkonflikt
deutlich, in den er seine Darstellung der griechischen Mythologie ein-
spannte: den »ewige[n] Streit zwischen Göttern und Titanen« (ebd., ).
In diesem Grundkonflikt lag auch die Aktualität von Friedrich Georg
Jüngers Mythologie, da er im Titanismus den Ursprung der Technik zu
erkennen glaubte. So schrieb er in der Abhandlung über die Titanen,
»daß schon die Anfänge aller Technik titanischen Ursprungs sind«
(FGJ , ).
Dabei unterschied er zwischen zwei Spielarten des Titanismus, der des
Kronos und der des Prometheus, wobei gelte: »Der Titanismus des Kronos
ist elementar, der des Prometheus geistig.« (Ebd., ) Kronos herrschte
vor den Göttern und wurde von Zeus, dem Gott der Mitte, verdrängt,
während Prometheus nach den Göttern kam und gegen diese aufbegehr-
te. Auch er wurde von Zeus besiegt, war aber gleichzeitig der Urvater des
titanischen Menschen. In Prometheus »kommt das titanische Wesen zu
einer eigentümlichen Vollendung« (ebd., ). Es zeichne sich aus durch
willensmäßiges Streben, Individualität und titanische Intelligenz, die
»rastlos, tätig, kunstfertig, auf Veränderung bedacht und […] in die Zu-
kunft weisend« (ebd., ) sei. Prometheus sei vor allem ein Arbeiter und
als solcher der Ahnherr des homo faber: »Die prometheische Welt ist im-
mer auch eine Arbeitswelt; ihr Titanismus wird uns nirgends deutlicher
als dort, wo sie in rastlos erfinderischer Arbeit tätig ist, in dem Umkreis
ingeniöser Gedanken, im Bereich der Werkstätten.« (Ebd., )
Der titanische Mensch war für Jünger also in erster Linie ein pro-
metheischer Arbeiter, der sich dessen »Übermaß des Willens« zu Eigen
gemacht hatte und dadurch »in das titanische Wesen verflochten wird«
(ebd., ). Der »zur Autonomie strebende Verstand« (ebd., ) des pro-
metheischen Menschen schaffe aber nur eine scheinbare Freiheit. Tat-
sächlich verstricke sich der Mensch durch die »Willensmäßigkeit der
Anstrengungen« in eine »titanische Notwendigkeit« (ebd., ), der er
letztlich ausgeliefert sei. Durch Selbstüberschätzung und Anmaßung er-
liege er der Versuchung des »Gigantischen« (ebd., S. ). In dieser Rede
vom Gigantischen und »Riesenhafte[n]« (FGJ , ) der titanischen
Technik ist eine weitere Parallele zu Martin Heidegger zu entdecken, der
die technischen Machenschaften ebenfalls als Auswüchse des »Riesenhaf-
ten« (MH /, ) bezeichnete. Für Friedrich Georg Jünger wurde
angesichts dieser Konfrontation mit dem Riesenhaften Sisyphos zum
Sinnbild des titanischen Menschen:
    

»Sisyphosarbeit ist alle Arbeit, die ohne Frucht bleibt, ist Anstren-
gung, bei der nichts herauskommt. Derjenige also, der die Arbeit als
solche anpreist, der für sie um ihrer selbst willen Respekt verlangt,
führt den Sisyphismus wieder in unser Leben ein. Der Titanismus des
Menschen tritt immer wieder dort hervor, wo das Leben als Arbeits-
leben, die Welt als Arbeitswelt begriffen wird; er wird sichtbar in
riesenhaften Plänen und Anstrengungen, die alles Maß überschreiten
und kläglich scheitern an der Erschöpfung aller Kräfte.« (FGJ ,
)
Diese Passage kann durchaus als Kommentar gelesen werden zur Selbst-
überhebung des Krieg führenden »Dritten Reiches«. Vor allem aber er-
scheint sie als Kommentar zu Ernst Jüngers »Arbeiter«, in dem ja tat-
sächlich »das Leben als Arbeitsleben« und »die Welt als Arbeitswelt«
beschrieben und gepriesen wurde. An anderer Stelle findet sich ein ähn-
licher Kommentar, der zugleich das apollinische Gegenbild Friedrich
Georg Jüngers beinhaltete, für den nur musische Arbeit nicht-entfremdete
und -entfremdende Arbeit war:
»Die Arbeit kann nicht als solche geehrt werden, nicht deshalb weil sie
Arbeit ist, denn wo das geschieht, dort verliert sich aller Fleiß, alle
Tätigkeit in der Finsternis, dort wird das Knechtische und auch das
Fruchtlose unseres Mühens rasch sichtbar. Die Musen dürfen sich von
unsrer Arbeit nicht zurückziehen und sie nicht fliehen, denn wo sie es
tun, dort nehmen sie die Freude mit, dort geht auch das Schöne unter.
Die Zeiten der amusischen Arbeit sind immer auch die dunkelsten, im
Leben des Einzelnen wie der Völker; sie sind erinnerungsleer, weil
Mnemosyne, welche die Mutter der Musen heißt, ihnen fern bleibt.«
(FGJ , f.)
An anderer Stelle bemerkte Jünger: »Prometheus und Apollon stehen sich
fremd gegenüber« (FGJ , ). An dieser Einordnung seiner Technik-
kritik in den Kontext des mythischen Denkens wird zum einen deutlich,
was Friedrich Georg Jünger dem technisch-prometheischen Leben entge-
gensetzen wollte: das musisch-apollinische. Zum anderen offenbarte sich
darin Jüngers Perspektive auf den Mensch im technischen Zeitalter, der
in der Moderne nur wieder aufs Neue zwischen die Fronten von Göttern
und Titanen geraten sei:
»Die Titanen nähern sich dem Menschen in dem Verhältnis, in dem
die Götter sich von ihm entfernen und sich ihm entfremden. In einer
entgötterten Welt muß das Titanische in seiner alten Kraft wieder ein-
ziehen. […] Der Mensch aber, der sich dem Titanischen wieder zu-
     -

neigt, ist bedroht, denn es ist offenbar, daß die Götter das Titanische
am Menschen nicht lieben.« (Ebd., )

Martin Heidegger sprach zwar nicht von den Titanen, aber ebenfalls von
der »Flucht der Götter« (MH /, ) und der Gottlosigkeit des
technischen Zeitalters. Da er dabei ebenfalls an den griechischen Götter-
himmel dachte, war ihm Friedrich Georg Jünger darin näher als seinem
Bruder Ernst, der während des Zweiten Weltkriegs durch seine Bibel-
lektüre den christlichen Gott wiederentdeckte. Für Martin Heidegger
galt in ähnlicher Weise wie für Friedrich Georg Jünger, dass der Mensch
in der entgötterten Moderne selbst zum Opfer seines prometheischen
Dranges werde und sich »in seiner eigenen Mühle« (FGJ , ) fange,
wie es bei Jünger hieß.
In einer offen apokalyptischen Passage wiederholte Friedrich Georg
Jünger noch einmal seine in den »Illusionen der Technik« entwickelte
Vision der »Elementarisierung« der Maschinenwelt, die deren explosive
Selbstzerstörung herbeiführe, und ordnete so seine technikkritischen
Grundideen in die mythologische Deutung ein (vgl. ebd., f.). Damit
kam er in den »Titanen« zu demselben Schluss wie in den »Illusionen der
Technik«. Anders als dort entwickelte er in seinen Arbeiten über die grie-
chische Mythologie allerdings deutlicher das Gegenbild eines musischen,
götternahen Lebens, das er dem technisch-prometheischen entgegen setzen
wollte. Durch die Betonung der »Willensmäßigkeit« und der Täterschaft
des prometheischen Menschen wird zugleich erkennbar, dass diese Ge-
genüberstellung von musischem und technischem Leben ebenfalls in den
Übergang von der Aktion zur Kontemplation eingeordnet und damit als
Ausdruck des Abschieds von der Tat verstanden werden muss. So schrieb
Friedrich Georg Jünger über Prometheus: »Die Leidenschaft des Schaf-
fens und Hervorbringens macht ihn zum Handelnden; wie alle Täter kann
er sich der Tat nicht entziehen, und das Element, das er in Bewegung
gesetzt hat, verschlingt ihn zuletzt.« (Ebd., ) Der musische Mensch
hingegen könne sich der Tat entziehen.
Schon in den »Illusionen der Technik« hatte Friedrich Georg Jünger
von dem »geistigeren Wissen, das keiner Mechanik unterworfen werden
kann« (FGJ , ), gesprochen, das dem Techniker aber unzugänglich
sei. In den Abhandlungen zur griechischen Mythologie demonstrierte er,
welcher Art dieses geistigere Wissen seiner Meinung nach sein könne.
Die Idee des musischen Seins wurde dabei zum Leitbild auch aller seiner
späteren Essays und literarischen Schriften und vor allen Dingen seiner
Auseinandersetzung mit der Politik und seiner eigenen politischen Ver-
gangenheit. Indem die Arbeiten zur griechischen Mythologie schon wäh-
    

rend des »Dritten Reiches« begonnen und zum Teil publiziert, nach 
von Friedrich Georg Jünger aber unverändert weitergeführt und ver-
öffentlicht wurden, demonstrieren sie ebenso wie die Abhandlungen zur
Technik die Bruchlosigkeit, mit der er die unmittelbar vor und während
des Zweiten Weltkriegs gewonnenen Ansichten in die Nachkriegszeit
transportierte.  wähnte er sich noch genauso »inmitten einer Zeit des
Titanismus« (FGJ , ) wie . Diese Kontinuität wird weiter
unten noch genauer zu thematisieren sein. Zunächst gilt es aber zu unter-
suchen, welchen Stellenwert der Zweite Weltkrieg innerhalb dieses kon-
tinuierlich fortgeführten Denkens hatte.


.. Heidegger und die Brüder Jünger


im Zweiten Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg als Krieg von Technikern

Schon in der ersten Fassung der »Illusionen der Technik« hatte Friedrich
Georg Jünger den Ersten Weltkrieg als Fortsetzung des technischen Fort-
schritts mit gewaltsamen Mitteln gedeutet. Die erweiterte Ausgabe der
»Perfektion der Technik« ergänzte er  um einen Anhang, in dem er
die beiden Weltkriege gemeinsam als technische Phänomene behandelte.
Darin kam zweierlei zum Ausdruck: Zum einen deutete Friedrich Georg
Jünger den Zweiten Weltkrieg als unmittelbare Fortführung des Ersten
und zum anderen passte er ihn vollständig in seinen Interpretations-
rahmen der technischen Moderne ein. Gleichzeitig wird deutlich, dass
Friedrich Georg Jünger den modernen Krieg nach  wiederum mit
denselben Begriffen beschrieb wie Ernst Jünger nach . So sprach er
etwa vom »strenge[n] Arbeitscharakter der Weltkriege« (FGJ a, ).
Der Krieg selbst werde zur Arbeit, die »Soldaten wandeln sich zu Arbei-
tern«, die »Schlachtfelder gleichen nun Industrielandschaften«, es »ver-
schwinden Pracht und Glanz der Uniformen«, der Soldat »schlüpft jetzt in
seine farblose Arbeitsuniform und Arbeitsmontur« (ebd., ). All das sind
Formulierungen, die Ernst Jünger in ähnlicher Form schon nach dem Er-
sten Weltkrieg verwandte. Auch bei Friedrich Georg Jünger sprach sich
darin die Trauer über den Verlust eines heroischen und sinngeladenen
Kriegsgeschehens aus. Es gebe kein Heldentum mehr, sondern nur noch
einen »Mut des Aushaltens«, der Tod »hat nichts Feierliches mehr; er
kommt als Mechaniker«, der Soldat sei inmitten der »kahlen, leblosen,
zerstörten Landschaft […] isoliert, schutzlos, ungetröstet« (ebd., ).
Anders als Ernst Jünger betonte Friedrich Georg Jünger aber nun den
zerstörerischen Charakter des Krieges mit seiner »abnutzenden Kraft«
(ebd., ) auch gegenüber der Natur und ordnete ihn in seine Technik-
kritik ein. Die Mobilmachung erschien als Aufzehrung aller »festen Besitz-
stände«, als »Zugriff auf die Substanz« (ebd., ), denn der Krieg »frißt
einfach alles auf, was in seinem Bereiche liegt« (ebd., ). Im Krieg werde
der Mensch so zum Opfer seiner eigenen technischen Machenschaften:
»Die Materialschlacht in ihrer ganzen Ideenlosigkeit und Planmäßigkeit
bietet ein Bild des Menschen, der sich in die Netze seines eigenen Den-
kens verfangen hat und von seiner eigenen Maschinerie vernichtet wird.«
(Ebd., )
Der Unterschied zwischen den beiden Weltkriegen bestand in der
Darstellung Friedrich Georg Jüngers nur noch darin, dass der Erste Welt-
     

krieg den Übergang von der alten zur neuen Kriegsordnung markierte,
während der Zweite von Anfang an als technischer Arbeitskrieg begann
und dementsprechend in seinem Arbeitscharakter noch ausgeprägter und
fortgeschrittener war: »Die Erfahrungen des ersten Weltkrieges, die tech-
nischen nämlich, sind im zweiten Weltkrieg verwertet worden« (ebd.,
), »Krieg und Technik verzahnen sich immer genauer« (ebd., ), der
Krieg »ist total geworden; er stützt sich auf eine totale Apparatur, auf eine
totale Organisation«, die »Umwandlung der Staaten in riesenhafte, auto-
matisierte Rüstungsfabriken schreitet fort« (ebd., ). Dementsprechend
waren auch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs noch umfassender
und wurden von Friedrich Georg Jünger als Ergebnis der technischen
Selbstzerstörung gedeutet, denn der »totale Arbeitscharakter« der beiden
Weltkriege laufe folgerichtig auf »totale Abnutzung« (ebd. ) hinaus.
Da ein »stabiler Zustand« im »Zeitalter der Technik« und seiner »Revo-
lution in Permanenz« (ebd.) nicht erreicht werden könne, dieses trotz
der Zerstörungen mit dem Zweiten Weltkrieg aber noch nicht beendet
worden sei, war es für Friedrich Georg Jünger nur eine Frage der Zeit,
wann es zum »dritten Weltkrieg« (ebd., ) komme. Die einzige Mög-
lichkeit, diesen zu verhindern, liege in einer Überwindung des techni-
schen Denkens, das Jünger an dieser Stelle eindeutig als kausale Ursache
der kriegerischen Zerstörungen benannte.
An dieser rückblickenden Deutung der beiden Weltkriege von 
wird deutlich, dass Friedrich Georg Jünger die Ereignisse der Jahre 
bis  in erster Linie als Bestätigung seiner Vorkriegsprognose der tech-
nischen Selbstzerstörung verstand, die ihrerseits nicht zuletzt durch das
Erlebnis des Ersten Weltkriegs inspiriert gewesen war. Anhand seiner
Tagebücher und Briefe der Kriegszeit zeigt sich, dass er den Zweiten
Weltkrieg schon unmittelbar nach dessen Beginn mit den Kategorien zu
deuten begann, die er in den »Illusionen der Technik« entwickelt hatte.
So notierte er schon am . September, also vier Tage nach dem deutschen
Überfall auf Polen und zwei Tage nach der britisch-französischen Kriegs-
erklärung, über den Auftakt des Krieges:
»Mir fällt auf, daß alles, was der Organisation unterliegt, perfekter ist
als . Ich will damit nicht sagen, daß wir gerüsteter und vorbereite-
ter sind als ; darüber weiß ich nichts. Daß die Organisation fort-

 So schrieb er, »daß diese massiven Zerstörungen im Denken des Technikers prä-
formiert sind, daß dieses Denken sie hervorruft und aus sich entlässt, daß die
Welt von Ruinen und Leichen und das gewaltige Trümmerfeld, das den Menschen
umgibt, ein Korrelat, eine Entsprechung dieses Denkens ist« (FGJ a, ).
     -

geschrittener ist, merke ich am Fehlenden. Das Freiwillige, das 


sich zeigte, fehlt; es muß fehlen, weil es in Organisationen, die nichts
mehr außer acht lassen, keinen Platz mehr behält. Indem der Krieg
sich wie das Arbeitsleben als Ablauf mechanischer Bewegungen dar-
stellt, indem er sich automatisiert und zum laufenden Band für alle
Produktion, für allen Konsum wird, fällt alle Freiwilligkeit von selbst
fort. Daher nichts von Begeisterung, nichts von amor fati. Wir stehen
am Anfang des zweiten großen Krieges.«
Da Friedrich Georg Jünger den Krieg als weitere Stufe im technischen
»Abbau der alten Ordnungen« wahrnahm, der seit dem Ersten Weltkrieg
noch fortgeschritten sei, ging er auch davon aus, das die Verheerungen
des neuen Krieges größer sein würden als die des letzten. So schrieb er
seinem Bruder Ernst im September : »Merkwürdig aber wäre es,
wenn dieser Krieg nicht mehr Opfer forderte als der vorherige, denn die
technische Organisation ist in den zwanzig Jahren, die vergangen sind,
um vieles stärker geworden, deshalb lassen sich heute Kräfte mobili-
sieren, die damals noch schlummerten. Der Mensch selbst ist mobiler
geworden.« In diesem Sinn verstand Friedrich Georg Jünger die Ereig-
nisse schon während des Krieges als Bestätigung seiner Technikkritik.
Das schrieb er selbst in einem Brief an seinen Bruder Hans Jünger im
März :
»Mir bestätigt sich jetzt manches, was mich in den Jahren / be-
schäftigte. Von Anfang an habe ich den Krieg in seiner Beziehung zur
Technik betrachtet, zur technischen Mechanik und Organisation. Die
ganze Blindheit des Technikers kommt in diesem Kriege zum Aus-
druck, die zerstörende Kraft, die seinem Denken und Planen inne-
wohnt. Der Mensch wird heute in einer früher nicht vorstellbaren
Weise ausgelaugt und bis zur äussersten Schäbigkeit abgenutzt. Es

 Tagebücher aus den Jahren -, Eintrag .., D: F. G. Jünger, DLA


Marbach. Einen Monat später bezeichnete er »diesen Krieg als die Fortsetzung
des vorigen«, wobei er hinzufügte: »Und beide sind nur ein Anfang«: »Seit  ist
der Abbau rapid geworden, die Zerstörung nimmt ungeahnte Dimensionen an.
Der Radikalismus zieht seine Kraft aus dem Abbau einer alten Ordnung. Doch
wo ist die neue? Die Bemühungen haben insgesamt etwas Liquidatorisches. Ge-
meinsam ist ihnen allen der nivellierende Zug, die Einebnung der Gefälle. Ge-
meinsam die wachsende Technizität, das Vertrauen auf Apparatur und Orga-
nisation. Beschleunigter Abbau, gesteigerter Konsum.« (Ebd., Eintrag ..,
D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
 F. G. Jünger an C. Podewils, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     

wird nicht viel von ihm übrig bleiben. Alles ist in jener rationalen
Weise geordnet, die der Auszehrung und Aufzehrung willig entgegen-
kommt, und da eine totale Organisation keine ruhenden Bestände
duldet, sind dem Abbau keine Schranken gesetzt.«
Auch wenn der Krieg für Friedrich Georg Jünger vorgeblich also wenig
Überraschendes bereithielt, schrieb er ihm doch eine »verwandelnde
Kraft« zu. Damit bezog er sich allerdings nicht auf sein eigenes Denken,
das die Verwandlung schon vollzogen hatte. Er erwartete vielmehr, dass
sich durch die Zerstörungen und Verheerungen des Krieges auch das
Denken der anderen verwandeln werde, der Technikgläubigen, die durch
die Katastrophe des Krieges nun ihrer Illusionen beraubt werden sollten.
In einem Brief an seinen Neffen Gert Deventer vom September , den
er ihm an die Ostfront sandte, brachte er diese Erwartung zum Ausdruck
und wiederholte dabei gleichzeitig noch einmal seine Einordnung des
Krieges in den Fortschritt der Technik und der »Demokratie«, womit bei
ihm das Zeitalter der Massen gemeint war. Da der Krieg »im Zusammen-
hang mit den allgemeinen Gedanken, die alle Begriffe von Schonung
aufheben, mit dem Fortschritt der Technik und der Richtung, die die
Demokratie genommen hat«, stehe, nehme er an, »dass diese Kämpfe ei-
nen Eindruck hinterlasse werden, der nicht zu verwischen ist, dass sie das
Denken, den Geist und die Empfindungen der Beteiligten verändern
werden. Für manche mag diese Medizin wohl zu stark gewesen sein, aber
das Gute an ihr bleibt doch, dass sie die Illusionen beseitigt und den
Trug, der die Augen blendet.« In diesem Sinn ordnete Friedrich Georg
Jünger dem Zweiten Weltkrieg eine Art apokalyptischen Sinn zu, da er
den Untergang der technischen Welt beschleunigen und so zu einer Rei-
nigung und Erneuerung führen sollte. »Das, was sich heute gegen den
Menschen kehrt, hat der Mensch seit langem an der Natur ausprobiert
und nicht geargwöhnt, dass eine Antwort zurückkommen würde«, schrieb
er im September  an seinen dritten Bruder Wolfgang Jünger. »Darin
liegt für mich der Sinn des Krieges, dass er zu einem neuen Denken
zwingt, je länger er dauert, desto tiefer wird die Korrektur gehen.«
Inwiefern die Antwort auf den technischen Raubbau von der Natur
selbst komme, blieb unklar. Aber es wird deutlich, dass Friedrich Georg

 F. G. Jünger an H. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 F. G. Jünger an W. Jünger (Abschrift), .., D: F. G. Jünger, DLA Mar-
bach.
 F. G. Jünger an G. Deventer, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an W. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Jünger in der kriegerischen Selbstzerstörung eine Art übergeordneter Ge-


rechtigkeit erkannte. Mit Anklängen an die destruktiven Theorien der
Zwischenkriegszeit ging er davon aus, dass der Krieg nur das zerstören
könne, was für die Zerstörung reif sei, während dahinter ein Unzerstör-
bares zum Vorschein komme, das der nichttechnischen Natur angehöre:
»Es gibt etwas, das von der Zerstörung nicht berührt wird. Deshalb
glaube ich auch, dass wir uns von ihrem Fortschreiten nicht zu sehr
erschrecken lassen dürfen. Man muss zunächst auf den Gang der Zer-
störung achten, auf das, was von ihr betroffen wird. Wir leben doch in
Zuständen, die weithin reif für den Abbau sind, und was heute die
Stimme erhebt, arbeitet ja an nichts anderem. Der Mensch erhält zwar
nicht, was er begehrt, wohl aber das, was ihm gemäss ist, was seinen
Bemühungen entspricht. Was er erdacht und erfunden hat, wird nun an
ihm selbst ausprobiert. Das Unheil sprengt die Retorte, in der es aus-
gebrütet wurde. Solche Retorten sind aber die grossen Städte, die tech-
nischen Zentren und die Massenquartiere. Es kehrt zu ihnen zurück,
was von ihnen ausging. Dabei sinkt freilich vieles Ehrwürdige und Lie-
benswerte in Trümmer, vieles, an dem wir hängen und das wir erhalten
sehen möchten. Das zu verhindern liegt nicht mehr in unserer Macht.
Ich bin aber ganz sicher, dass es grosse Bereiche gibt, die der Zerstörung
entzogen sind. […] Es zeigt sich schon jetzt, dass an Menschen und
Ereignisse ein neuer Maßstab gelegt werden wird; darin äussert sich die
verwandelnde Kraft des Krieges. Vieles wird sinken, anderes steigen.
Das Denken selbst wird sich verändern und damit auch alles Urteilen.«
Die Vorstellung, dass nur die »Dinge, die für die Zerstörung reif sind«,
zerstört würden, und dass »alle Zerstörung im Dienste eines Ordnungs-
vorganges steht«, äußerte Friedrich Georg Jünger schon im September
. Am Ende des Krieges kam die apokalyptische Dimension dieser
Reinigungsidee aber noch stärker zum Ausdruck, wobei er jetzt, ange-
sichts der drohenden Niederlage, erstmals seit dem neuen Nationalismus
auch das Vaterland als einen der unzerstörbaren Bestände wiederentdeckte.
So schrieb er im Februar  an Ernst Jünger:
»So ist alles in Bewegung oder doch in banger Vorbereitung, und un-
ermessliches Leiden erfüllt den Menschen inmitten des ungeheuren
und mechanisch arbeitenden Hammer- und Walzwerks der Zerstö-
rung. Diese qualvolle Arbeit bietet einen düsteren Anblick, denn der

 F. G. Jünger an W. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     

Wahn des Menschen umgibt sie finster wie der Ruß die Schmieden.
Dennoch glaube ich, dass dieser Schmerz nicht umsonst erlitten wird
und dass er reinigender ist als Meerwasser, Schwefel und Lorbeer. Der
Schmerz des Menschen ist ja nicht blind wie der der gepeinigten Krea-
tur, er hat Augen. Mit der Zerstörung bricht zugleich eine Flut von
Schlamm und Schmach herein, und indem ich dieser entgegensehe,
spüre ich deutlicher, was das Vaterland dem Menschen ist.«
Diese Art des apokalyptischen Optimismus wechselte allerdings, gerade
in den letzten Kriegsmonaten, mit Momenten des Pessimismus, in denen
Friedrich Georg Jünger davon ausging, dass das Ende der technischen
Vorherrschaft trotz der Kriegskatastrophe nicht absehbar sei. »Der Krieg
nähert sich seinem Ende,« schrieb er in seinem Tagebuch am . Januar
, »nicht aber das Unheil.« Im März  ergänzte er, dass der »Fort-
gang alles Technischen« auch bedeute, »daß die Zerstörung fortgeht«.
Dieses Schwanken zwischen einer apokalyptischen Sinnzuschreibung an
den Krieg einerseits und der Überzeugung, dass durch ihn im Wesent-
lichen nichts entschieden worden sei, wie Heidegger später sagte, an-
dererseits, findet sich im Übrigen auch bei Ernst Jünger. Dieser schrieb
im März  an seinen Bruder Friedrich Georg über den Krieg, dass
darin »ein neues Bild des Menschen« ausgetragen werde, wozu »der alte
Mensch zerbrochen werden« müsse. Im Dezember  war er dagegen
der Meinung, dass das kommende Jahr zwar »große Veränderungen brin-
gen« werde, »aber nur in der empirischen Verteilung der Macht. Solange
sich die Anschauung nicht über den technischen Prozeß erhebt, wird von
einer wirklichen Besserung nicht die Rede sein«.

 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


Nach der Niederlage, am . Juni , schrieb er erneut: »Ich fühle lebhafter als
in den vergangenen Jahren, dass ich ein Vaterland habe. Ich spüre das bei der
Erinnerung an die Toten.« (F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D:
F. G. Jünger, DLA Marbach)
 Tagebücher aus den Jahren -, Eintrag .., D: F. G. Jünger, DLA
Marbach.
 Tagebücher aus den Jahren -, Eintrag .., D: F. G. Jünger, DLA
Marbach.
 Vgl. MH /, : »Was hat der zweite Weltkrieg eigentlich entschieden, um
von seinen furchtbarsten Folgen für unser Vaterland, im besondere vom Riß
durch seine Mitte, zu schweigen? Dieser Weltkrieg hat nichts entschieden, wenn
wir hier die Entscheidung so hoch und so weit nehmen, daß sie einzig das We-
sensgeschick des Menschen auf dieser Erde angeht.«
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Dass der
Zweite Weltkrieg, wie der Erste, nicht zu »reinen Lösungen« führen werde, hatte
     -

Diese Unterscheidung einer »nur empirischen« und einer wesent-


lichen Wirklichkeit teilte Ernst Jünger nicht nur mit seinem Bruder Fried-
rich Georg, sondern auch mit Martin Heidegger. Heidegger empfand das
Kriegsgeschehen genau wie Friedrich Georg Jünger als Bestätigung der
eigenen Interpretation des Weltzustands. So schrieb er mit Blick auf
den Kriegsverlauf im November  an seinen Freund Kurt Bauch: »Die
innere Folgerichtigkeit und Unaufhaltsamkeit, worin der Planetarismus
abrollt, ist ein Ereignis, das mir das Wesen der Geschichte des Seins
bestätigen könnte, wenn es noch einer Bezeugung bedürfte.« In dieser
Logik ordnete er den Krieg in seine Diagnose der Seinsverlassenheit im
Zeitalter des vollendeten Nihilismus ein. Die »Technik« und das »Ma-
schinenzeitalter« und damit auch die gegenwärtige »Steigerung der Zer-
störungsmittel«, so Heidegger in einer seiner Kriegsvorlesungen über
Nietzsche, seien Folgen und nicht Ursachen des Nihilismus (MH a,
f.). Demnach erschienen ihm auch die »›Weltkriege‹ und ihre ›Tota-
lität‹« nicht als politische Konflikte verfeindeter Parteien, sondern als
»Folgen der Seinsverlassenheit« (MH /, ). Der Krieg bringe als
»Kampf um die Erdherrschaft« das »Weltalter der Erde und des ge-
schichtlichen Menschentums zur Vollendung«, das Heidegger an anderer
Stelle als Neuzeit kennzeichnete, »denn hier verwirklichen sich äußerste
Möglichkeiten der Weltbeherrschung und des Versuchs, den der Mensch
unternimmt, rein von sich aus, über sein Wesen zu entscheiden« (MH
c, f.). Schließlich übte Heidegger während des Krieges genau wie
Friedrich Georg Jünger Kritik am »Kampf um die unbeschränkte Aus-
nutzung der Erde als Rohstoffgebiet und um die illusionslose Verwen-
dung des ›Menschenmaterials‹ im Dienste der unbedingten Ermächti-
gung des Willens zur Macht« (MH c, ).
Dieser knappe Blick auf Heideggers Kriegsdeutung macht die Paralle-
len zu der von Friedrich Georg Jünger deutlich. In ähnlicher Weise wie
Jünger schwankte Heidegger auch in der Frage, ob der Zweite Weltkrieg
eine Verwandlung des technischen und seinsverlassenen Zeitalters her-
beiführen könne oder nicht. In Variation seiner Rede von der »Not der
Notlosigkeit« war Heidegger der Meinung, dass »wir trotz der Nöte eines
zweiten Weltkrieges immer noch nicht die eigentliche Not zu erfahren

Ernst Jünger allerdings auch schon  vermutet; vgl. seinen Brief an F. G. Jün-
ger vom . Juni , in: Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. .
 Vgl. zu Heideggers Deutung des Zweiten Weltkriegs auch Losurdo, Heidegger,
der allerdings in erster Linie die Verschiebungen in Heideggers Nihilismusbegriff
während der Kriegsjahre untersucht, die hier schon behandelt worden sind.
 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz.
     

vermögen« (MH /, f.). In einem ausführlichen Brief an Kurt


Bauch vom August , in dem er das Kriegsgeschehen und dabei be-
sonders den Beginn des Kriegs gegen die Sowjetunion erneut als Selbst-
bestätigung verbuchte, argumentierte er zunächst ebenfalls, dass durch
den Weltkrieg die Entscheidungslosigkeit des gegenwärtigen »Zeitalters
der unbedingten Seinsverlassenheit« nur noch vertieft werde:
»Und nun ist der russische Krieg da; dieser aber bedeutet ja mehr als er
selbst ist. Ich brauche Dir ja nichts zu erzählen, da du mehr weißt.
Aber ich weiß genug. Dieses eine Eindeutige kommt jetzt herauf, daß
alle Begebenheiten, sie mögen mit noch so riesigen Zahlen ausgestat-
tet sein, in der völligen Gleichgültigkeit versunken bleiben. Es bleiben
noch die nächsten persönlichsten Bindungen an das Wohlergehen der
Nächsten. Das Seiende, das ganz auf die Rolle des nur noch Wirken-
wollenden abgedrängt worden ist, ist vom Sein verlassen. Im Zeitalter
der unbedingten Seinsverlassenheit laufen unübersehbare u. daher für
die Rechnung ›große‹ Begebenheiten ab. Dies aber ist das Zeichen,
daß jetzt etwas Entscheidendes, d. h. ein Aus- u. Gegeneinanderauf-
stehen von Wesenhaftem gar nicht mehr sich ereignen kann. Es steht
nichts mehr auf dem Spiel, da alles sein inneres Gewicht verloren hat.
Freilich gibt es auch hier noch eine eigene Art von ›Größe‹, diejenige
der unbedingten Entscheidungslosigkeit. Wenn jetzt das Seiende als
das nur Wirksame in den Vorrang kommt, ›Ideen‹, ›Werte‹ u. dgl.
metaphysische Altwaren nur noch in den halbblinden Schaufenstern
gezeigt werden, u. jeden Tag andere, da offenbart sich, daß jetzt als
Kennzeichen des Wirklichen die Brutalitätsfähigkeit sich heraus ge-
bildet hat. Demgegenüber ist das, was Nietzsche als Nihilismus ahnte,
das reine Kinderspiel. Gelegentlich lese ich noch die OKW Berichte.
[…] Dies alles sind mir Bestätigungen von Zusammenhängen, über
die ich mir seit Jahren klar bin. […] Es handelt sich nicht darum,
welche ›Hemisphäre‹ die Vormacht erlangt, da die ganze Sphäre des
Erdballs in den Prozeß der Verwüstung eingetreten ist. Verwüstung
aber ist wesentlicher denn Zerstörung u. Vernichtung. Diese führen
nur zum Nichts, jene aber macht die Entscheidungslosigkeit u. den
Ausschluß des Anfangens u. Wachsens zum Dauerzustand im Schein
einer Ordnung. Jünger kann seinen ›Arbeiter‹ ruhig einstampfen las-
sen, falls er noch wieder aufgelegt werden sollte.«

 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz. Im selben Brief nannte Hei-


degger auch einen Zeitungsbericht »eine, in Wahrheit ganz überflüssige, Bestäti-
gung meines Vortrags von «.
     -

Unabhängig davon, dass Heidegger Ernst Jünger später selbst ermutigte,


den »Arbeiter« in unveränderter Form wieder aufzulegen, bezog sich
seine Polemik hier wohl auf den schon genannten Einwand, dass mit
dem Arbeitszeitalter und den Arbeitskriegen die Neuzeit gerade nicht
überwunden, sondern nur auf neuer Stufe fortgesetzt werde. Trotz dieses
seinsgeschichtlichen Pessimismus äußerte Heidegger aber noch im selben
Brief die apokalyptische Hoffnung, dass die »Selbstverwüstung« im Krieg
doch zu einem neuen Anfang führen könne, der ein neuer Anfang des
»deutschen Wesens« sein müsse: »Jeder deutsche Mann ist umsonst ge-
fallen, wenn wir nicht stündlich dafür wirken, daß über die jetzt ganz los-
gelassene u. endgültige Selbstverwüstung des gesamten neuzeitlichen Men-
schentums hinaus ein Anfang des deutschen Wesens gerettet wird.«
Diesen Glauben an einen anderen Anfang der Deutschen hatte Hei-
degger schon im ersten Kriegswinter bekundet, wobei er nicht einfach an
einen Kriegserfolg des »Dritten Reiches« dachte, sondern an eine Läute-
rung der »noch ungeläuterten Wesenskraft der Deutschen« durch die
Machtentfaltung im Krieg:
»Denn gesetzt, daß der Machtbesitz im Sinne der imperialen Diktatur
der unbedingten Rüstung um der Rüstung willen zugleich die wesent-
liche Möglichkeit der vollständigen Verwüstung des Erdkreises in sich
birgt, dann erhebt sich die Frage, ob der höchste Machtbesitz zur
höchsten Machthabe fähig wird, die Macht selbst als Wesen der Wirk-
lichkeit zu überwinden und eine neue Wahrheit des Seyns wenn nicht
zu stiften, so doch in ihrer Gründung vorzubereiten. Erst wenn dieser
Ort solcher Entscheidung erreicht ist, kann das Weltalter der Neuzeit
für überwunden gelten. Daß die verborgene und noch ungeläuterte
Wesenskraft der Deutschen so weit hinausreicht, das ist unser Glaube.«
(MH /, )
Die Gegenüberstellung von »Verwüstung« und »deutschem Wesen« fin-
det sich schließlich auch im letzten Text, den Heidegger während des
Zweiten Weltkriegs schrieb und der ebenfalls erst nach seinem Tod ver-
öffentlicht wurde. Im letzten Kriegswinter und im Frühjahr  verfasste
Heidegger drei fiktive Gespräche, die er »Feldweggespräche« nannte und
deren letztes er als »Abendgespräch in einem Kriegsgefangenenlager in
Rußland zwischen einem Jüngeren und einem Älteren« (MH /,
) bezeichnete. In diesem Gespräch, das Heidegger niederschrieb,
während sich seine beiden Söhne tatsächlich in sowjetischer Kriegsge-
fangenschaft befanden, sprach er von einer »Verwüstung«, die »nie durch

 Ebd.
     

eine Aufzählung der Zerstörungen und der Auslöschung von Menschen-


leben verrechnet werden« (ebd., ) könne, da sie »keineswegs erst die
Folge der Weltkriege« sei, sondern umgekehrt seien »die Weltkriege […]
ihrerseits schon und nur eine Folge der Verwüstung, die seit Jahrhunder-
ten die Erde anzehrt« (ebd., ). Da Heidegger dieses »Zeitalter der Ver-
wüstung« wiederum durch die »Seinsverlassenheit« (ebd., ) gekenn-
zeichnet sah, wird deutlich, dass damit nichts anderes gemeint war als das
Zeitalter der Metaphysik bzw. des Nihilismus. Noch deutlicher als in
anderen Texten sprach Heidegger hier allerdings aus, dass die Verwüst-
ung dieses nihilistischen Zeitalters gerade dort am vollständigsten sei,
wo sie sich hinter dem Schein eines »befriedigenden Lebensstandard[s]«
(ebd., ) verberge, dass also
»die Verwüstung auch dort und gerade dort herrscht, wo das Land
und Volk von den Zerstörungen des Kriegs nicht getroffen wurden.
[…] Wo also die Welt im Glanz des Aufstiegs, der Vorteile und der
Glücksgüter erstrahlt, wo die Menschenrechte geachtet sind, wo die
bürgerliche Ordnung eingehalten und wo vor allem die Zufuhr für die
ständige Sättigung eines ungestörten Behagens gesichert ist, so daß
alles übersehbar ins Nützliche verrechnet und eingerichtet bleibt«
(ebd., ).
Nach Lage der Dinge konnten im Frühjahr  damit nur die USA ge-
meint sein, die nicht nur als Mutterland der Menschenrechte und des
ökonomischen und technischen Fortschritts galten, sondern die auch als
einzige kriegführende Nation von den Zerstörungen des Zweiten Welt-
kriegs weitgehend verschont geblieben waren. Heidegger wiederholte mit
dieser Äußerung also nicht nur seine allgemeine Demokratie- und seine
spezifische Amerikakritik, sondern erneuerte auch seine Ansicht, dass

 Wobei die Protagonisten von Heideggers Gespräch bei den Zerstörungen offen-
sichtlich in erster Linie an die Zerstörungen der »Heimaterde« (MH /,
) dachten.
 Auffallend ist, dass Heidegger zur Kennzeichnung des »Zeitalters der Verwüstung«
in diesem Gespräch auch die Kategorie des »Bösen« verwendete, die in seinen
übrigen Schriften eine untergeordnete Rolle spielte; vgl. dazu Irlenborn, Ingrimm.
 Heideggers Formulierung, dass die verwüstete Welt im Glanz ihres Aufstiegs »er-
strahle«, stellt eine frappierende Ähnlichkeit zu der berühmten Eröffnung der
»Dialektik der Aufklärung« von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno dar,
die vollends aufgeklärte Erde »strahle« im Zeichen triumphalen Unheils (Hork-
heimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. ); vgl. zu den Grenzen des Ver-
gleichs von Heidegger und Horkheimer/Adorno, der hier leider nicht durchge-
führt werden kann, Rabinbach, Shadow, S. -; McCormick, »Questioning«.
     -

sich in der scheinbaren »Notlosigkeit« des modernen Komforts und der


bürgerlichen Sicherheit die eigentliche Not der Seinsvergessenheit am
gründlichsten verberge. Folglich ging er auch in diesem Text vom Früh-
jahr  davon aus, dass der Krieg mit der Niederlage des deutschen
Reiches und dem Sieg der Alliierten an dieser Seinsvergessenheit nichts
geändert und folglich nichts Wesentliches entschieden habe. In einer
Notiz zu dem Gespräch schrieb er: »Der Krieg zu Ende, nichts geändert,
nichts Neues, im Gegenteil.« (Ebd., ) Den Text selbst datierte er mit
dem . Mai  und setzte unter dieses Datum den Satz: »Am Tage, da
die Welt ihren Sieg feierte und noch nicht erkannte, daß sie seit Jahrhun-
derten schon die Besiegte ihres eigenen Aufstandes ist.« (Ebd., )
Hieran wird wiederum deutlich, dass Heidegger den Krieg auch in
diesem Text ganz in sein Deutungsmodell der seinsverlassenen Metaphy-
sik einordnete. Die mögliche Überwindung der Metaphysik erwartete er
dabei erneut vom deutschen Wesen. Denn in der zweiten Hälfte des Ge-
sprächs entwickelte Heidegger die Idee einer Haltung des »Wartens«, das
die angemessene Reaktion auf die Verwüstung darstelle und die einzige
Möglichkeit, ihr zu entkommen. Indem Heidegger dieses »Warten« als
ein »Hüten und Pflegen« (ebd., ), als ein »Lassenkönnen« (ebd., )
beschrieb, wird deutlich, dass darin wiederum die Abstandnahme vom
Aktionismus zum Ausdruck kam, die er in einem der anderen Gespräche
bereits als »Gelassenheit« (ebd., ) bezeichnete und die seine Vorstel-
lung eines anderen, nichtmetaphysischen Denkens kennzeichnete. Die-
ses nichtaktivistische Lassenkönnen sah Heidegger, wie in den späteren
Hölderlinvorlesungen, besonders im dichtenden Denken verwirklicht,
weshalb »die Dichtenden und Denken eines Volkes nichts anderes [sind]
als die in edelster Weise Wartenden« (ebd., ). Im Umkehrschluss sei
dann das »Volk der Dichter und Denker das in einem einzigen Sinne
wartende Volk« (ebd., ), weshalb es die Aufgabe der Deutschen sei,
»den Völkern« dieses Wartenkönnen zu »lehren« (ebd., ). Auch in
diesem Dokument des Kriegsendes bekundete Heidegger also seinen
Glauben an das »noch vorenthaltene Wesen unseres geschlagenen Vol-
kes« (ebd., ) und ging wie schon  davon aus, dass nur »von den
Deutschen […], gesetzt, daß sie ›das Deutsche‹ finden und wahren, die
weltgeschichtliche Besinnung kommen« (MH d, S. ) könne.
Ernst und Friedrich Georg Jünger hielten diesen Glauben an die
»Wesenkraft der Deutschen« nach dem Scheitern ihres revolutionären
Nationalismus nicht im selben Maße aufrecht wie Martin Heidegger.

 Vgl. dazu unten, Kap. ..


     

Alle drei waren sich in Bezug auf die »seinsgeschichtliche« Bedeutung des
Zweiten Weltkriegs aber einig, dass er auf der Ebene der »empirischen
Wirklichkeit« nichts wesentliches entscheide, dass er aber die Möglich-
keit einer Reinigung und Läuterung eröffne, insofern in ihm die tech-
nische Selbstzerstörung zur Vollendung komme. Nach dem Krieg waren
sie dann gleichermaßen der Meinung, dass diese Überwindung der tech-
nischen Neuzeit durch den Krieg noch nicht erreicht worden sei.
Die Unterscheidung zwischen dem äußerlichen Kriegsgeschehen und
einer dahinter verborgenen wesentlicheren Bedeutung führte besonders
bei Friedrich Georg Jünger und Martin Heidegger dazu, dass die tatsäch-
lichen Leiden und Zerstörungen auf spezifische Weise ausgeblendet wur-
den. So schrieb Heidegger schon im November  an Frau Bauch, de-
ren Mann bereits zur Wehrmacht eingezogen war: »Dieser Krieg verlangt
von den Wissenden die größten Opfer; denn die inneren Verwüstungen
übertreffen wesentlich alle künftigen äußeren Zerstörungen.« Vor allen
Dingen scheint es aber die Tatsache gewesen zu sein, dass Friedrich
Georg Jünger und Heidegger den Krieg gänzlich in ihre schon vor 
entwickelten Interpretationsschemata des technischen Selbstlaufs und
des Zeitalters der Seinsverlassenheit einordneten, die sie daran hinderte, die
neue Qualität der Kriegsführung und besonders der Kriegsverbrechen
und der im Zuge des Krieges verfolgten »Endlösung« wahrzunehmen.
Bei Friedrich Georg Jünger fanden diese Verbrechen nahezu keine Erwäh-
nung. In einem Tagebucheintrag vom . November  kam er zwar
auf die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten zu sprechen, deutete sie
aber nicht als Ergebnis des rassistischen und eugenischen Denkens, son-
dern als Resultat »rationaler Erwägungen«:
»Es bestätigt sich, was ich nicht glauben wollte, daß man einen großen
Teil der Geisteskranken und Geistesschwachen in Deutschland getötet
hat. Raskolnikow tötete eine alte Wucherin, weil er sie für nutzlos
hielt, aus rationalen Erwägungen also. Auf diesem Wege ist schwer ein

 M. Heidegger an Frau Bauch, .., Privatbesitz. Diese Unterscheidung von


inneren und äußerer Verwüstung spiegelt sich auch in einer Aussage Jüngers über
die unterschiedlichen Gefährdungen in den beiden Weltkriegen: »Obwohl ich in
diesem zweiten Weltkrieg zum größten Teile von den Kulissen des Komforts um-
geben bin, lebe ich doch in größerer Gefährdung als während der Somme- oder
der Flandernschlacht.« (EJ /, ) Da die Gefahr der physischen Tötung
für ihn im Ersten Weltkrieg wesentlich höher war, konnte es Jünger hier nur um
die innere Gefährdung beim Übertritt »aus der heroischen in die Dämonensphäre«
(ebd.) gehen, die der Übergang vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg für ihn be-
deutete; vgl. dazu auch Bullock, Fallen Altars.
     -

Halt zu finden. Wenn rationale Erwägungen den Ausschlag geben,


warum soll man dann nicht die alten Leute töten, warum nicht die
pensionierten Beamten? Warum soll man die Toten nicht zu Seife ver-
kochen, da das Nutzen bringt? Und bietet sich die Menschenfresserei
nicht als Mittel an, um die Fleischnot ein für allemal zu beseitigen?
Diese Mechaniker denken, daß man dem Wahnsinn beikommt, in-
dem man die Wahnsinnigen tötet, dem Blödsinn, indem man die
Blödsinnigen umbringt.«
Auch in seiner Darstellung der zwei Weltkriege von  ging Friedrich
Georg Jünger auf die Kriegsverbrechen und den Holocaust nicht ein.
Eine Formulierung, die an die Deportationen der Juden aus dem Reich
in die Konzentrations- und Vernichtungslager erinnern könnte, war er-
kennbar auf die Vertreibungen und ethnischen Säuberungen nach dem
Krieg gemünzt, die er dem technischen Ordnungs- und Organisations-
denken zuschrieb. Diese Nichtthematisierung des Holocaust hatte
Friedrich Georg Jünger mit Martin Heidegger weitgehend gemeinsam.
Bei Ernst Jünger war das etwas komplizierter, da er während des Zweiten
Weltkriegs als Offizier der Wehrmacht unmittelbarer mit den Kriegs-
verbrechen konfrontiert wurde. Seine Denkentwicklung während des
Krieges bedarf daher einer eingehenderen Analyse.

Ernst Jünger im Arbeiterkrieg

Während Friedrich Georg Jünger und Martin Heidegger nicht zur Wehr-
macht eingezogen wurden ( Jünger wegen seiner Schulterverletzung aus
dem Ersten Weltkrieg, Heidegger wegen seines Alters) und den Krieg als
Zivilisten erlebten, erhielt Ernst Jünger schon im August  seinen
Mobilmachungsbefehl und nahm als Hauptmann am Frankreichfeldzug

 Tagebücher aus den Jahren -, Eintrag .., D: F. G. Jünger DLA


Marbach.
 Vgl. FGJ a, : »Jetzt zeigt sich auch jene mobilisierende Kraft, die aus der
Verbindung von Apparatur und Organisation hervorgeht und den Menschen
hart und rücksichtslos trifft. Er wird in allen seinen Wurzeln aus der Erde geris-
sen. Nicht nur die Heere, auch die Bevölkerungen werden mobilisiert. Durch die
Evakuierungen werden Millionen von Menschen aus den Städten abgeschoben.
Und das Ende des Krieges wird dadurch bezeichnet, daß ganze Völker aus ihren
alten Wohngebieten gerissen und auf dem Schienenwege wie Schlachtvieh ab-
transportiert werden. Die Dislozierungen mit mechanischen Transportmitteln
zerreißen wirksamer als jede Granate die geschichtlichen Strukturen.«
 Vgl. dazu unten, Kap. ..
     

teil, »als einer der Wenigen, die sich freiwillig an die Front gemeldet
haben« (EJ/FH, ), wie seine Frau an Friedrich Hielscher schrieb. Als
Kompaniechef befehligte er ein Infanterieregiment, das zunächst im Be-
satzungs- und Sicherheitsdienst und nach dem Waffenstillstand als
Wachtruppe in Paris zum Einsatz kam. Im Juni  wurde er auf Be-
treiben Hans Speidels, der zu dieser Zeit Chef des Generalstabs beim
Militärbefehlshaber in Frankreich war, als Hauptmann »zur besonderen
Verwendung« in den Kommandostab des Militärbefehlshabers Otto von
Stülpnagel versetzt, mit Speidel als seinem direkten Vorgesetzten. Jünger
verbrachte die meiste Zeit des Krieges in Paris, unterbrochen durch
mehrere Heimaturlaube in Kirchhorst und eine Inspektionsreise an die
Ostfront im Winter /. Nach dem . Juli  wurde er aufgrund
seiner Kontakte zu den Widerstandskreisen um Carl-Heinrich von Stülp-
nagel (der seinen Vetter Otto  als Militärbefehlshaber abgelöst hatte)
»vorläufig beurlaubt« und, nach Kirchhorst zurückgekehrt, im Oktober
 aus dem Militärdienst entlassen. Anfang  wurde er zum Kom-
mandanten des Volkssturms im Kreis Burgdorf bei Hannover bestellt
und veranlasste dort die kampflose Übergabe an die im April  einrük-
kenden amerikanischen Truppen.
Ernst Jüngers Pariser Jahre während des Zweiten Weltkriegs sind häufig
beschrieben worden und sollen hier nicht noch einmal in aller Ausführ-
lichkeit dargestellt werden. Dokumentiert sind sie in Jüngers »Pariser
Tagebüchern«, die er  zusammen mit den »Kaukasischen Aufzeich-
nungen« vom Winter / und den »Kirchhorster Blättern« von den
letzten Kriegsmonaten unter dem Titel »Strahlungen« veröffentlichte,
nachdem das Tagebuch vom Frankreichfeldzug schon  unter dem
Titel »Gärten und Straßen« erschienen war. Jüngers ausführliche Schil-

 In späteren Darstellungen hat Jünger immer wieder darauf beharrt, von sich aus
aus der Armee ausgetreten zu sein, so etwa schon im Dezember  in einem
Brief an Gerhard Nebel (EJ/GN, ). In seinem Tagebuch schrieb er am . Ok-
tober  allerdings selbst, »daß meine Entlassung verfügt worden ist« (EJ /
, ).
 Vgl. als biographischen Überblick Meyer, Ernst Jünger, S. -; Noack, Ernst
Jünger, S. -.
 Vgl. EJ / u. /.  folgte dann das Tagebuch der Jahre  bis 
unter dem Titel »Jahre der Okkupation« (EJ /). In den späteren Ausgaben
wurden alle Tagebücher der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsjahre unter
dem Titel »Strahlungen« zusammengefasst. Vgl. dazu auch Hüppauf, Unzeit-
gemäßes; Bluhm, Tagebuch, S. -; ders.: Ernst Jünger. Die Tagebücher, die
Jünger von Anfang an mit Blick auf die Veröffentlichung schrieb, vor der Pub-
likation aber noch einmal gründlich überarbeitete, werden im Folgenden nach
den Erstausgaben zitiert.
     -

derungen seiner Lektüre und seiner Streifzüge durch die Pariser Antiqua-
riate, seiner Teestunden bei der Damenwelt und seiner Abende in den
Salons der Kollaborationskultur sind nach dem Krieg vielfach kritisiert
worden. Seine bewusste Hinwendung zum Schönen und Geistigen kann
zwar einerseits als absichtsvolle Abwendung vom Politischen und Kriege-
rischen und damit als Ausdruck einer politischen Läuterung verstanden
werden. Sie stand andererseits aber gerade im Widerspruch zu seiner
Selbstaufforderung, »in keinem Augenblick [zu] vergessen, daß ich von
Unglücklichen, von bis in das Tiefste Leidenden umgeben bin« (EJ /
, ). Dieser Widerspruch wird dort noch deutlicher, wo Jünger im
Stil seiner früheren Kriegsbücher und in Fortführung des apokalyptischen
Kitsches der »Marmorklippen« Szenen kriegerischer Gewalt als erhabe-
nes Schauspiel beschrieb. Das berühmteste Beispiel für diesen Ästhetizis-
mus ist wohl der Eintrag vom . Mai , in dem Jünger beschreibt,
wie er bei Sonnenuntergang auf dem Dach des Hotel »Raphael« stand,
»ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand«, und
die Bombardierung der Seinebrücken durch alliierte Flieger beobachtete:
»Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schön-
heit, gleich einem Kelche, der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird.«
(Ebd., ) 
In dieser Szene blickte Jünger noch im Modus der optischen Distanz-
nahme auf das Gewaltgeschehen, den er im und nach dem Ersten Welt-
krieg entwickelte hatte. An anderen Stellen der »Strahlungen« wird aber
deutlich, dass diese Distanzierungstechnik im Zweiten Weltkrieg immer
öfter versagte. Dies zeigt sich vor allen Dingen in den »Kaukasischen
Aufzeichnungen«, die seinen Besuch an der Ostfront im Winter /
dokumentieren.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Ernst Jünger mehrfach von der »Ab-
straktion des Soldaten« (EJ a, ) gesprochen, die er mit der des

 Tobias Wimbauer hat durch eine ausführliche philologische Rekonstruktion die-


ser Szene und durch den Hinweis auf ihre Literarizität versucht, sie und damit
Jünger vom Vorwurf des Gewaltästhetizismus freizusprechen; vgl. Wimbauer,
Kelche. Allerdings geht seine Argumentation an diesem Vorwurf vorbei. Denn
auch wenn es an diesem Tag bei Sonnenuntergang wahrscheinlich gar keine
Bombardierungen gab, Jünger die Szene also erfunden (oder falsch erinnert)
haben muss, er darin zudem auf literarische Vorbilder der Décadence bei Oscar
Wilde und Marcel Proust zurückgegriffen und seine durch eine Pariser Liebschaft
ausgelöste Ehekrise auf allegorische Weise thematisiert hat, dann widerlegt das ja
nicht, sondern bestätigt eher noch seinen »kulinarischen Umgang mit der Ge-
walt« (Martus, Ernst Jünger, S. ). Die Faszination angesichts des Kriegsschau-
spiels, die Jünger durchaus mit vielen anderen Kriegsbeobachtern und -teilneh-
mern teilte, wurde von ihm bewusst in eine literarische Genussästhetik überführt.
     

Arztes verglich und die ihm die Distanzierung von den Schrecken des
Krieges erlauben sollte. Als sich im Verlauf des Zweiten Weltkriegs die
Nachrichten über die systematischen Kriegsverbrechen besonders an der
Ostfront häuften, rief sich Jünger diese Distanzierungsmethode wieder
ins Gedächtnis. Angesichts von Berichten, dass es »in den großen Schin-
derhütten, die in den östlichen Randstaaten errichtet worden sind, ein-
zelne Schlächter gibt, die soviel Menschen mit eigener Hand getötet
haben, wie eine mittlere Stadt Einwohner zählt«, schrieb er im März :
»Solche Nachrichten löschen die Farben eines Tages aus. Man möchte die
Augen vor ihnen schließen, doch ist es wichtig, daß man sie mit dem
Blick des Arztes betrachtet, der eine Wunde prüft.« (EJ /, ) Es
war wohl nicht zuletzt diese Selbstbeauftragung zur unerschrockenen Be-
obachtung, die Jünger veranlasste, sich in den folgenden Monaten um
eine zeitweilige Versetzung an die Ostfront zu bemühen, wohin seine
Pariser Kameraden Hans Speidel, Clemens Graf Podewils und Horst
Grüninger bereits beordert worden waren. So schrieb er im August 
an seinen Bruder Friedrich Georg:
»Es ist leicht möglich, daß ich mich in Kürze nach dem Kaukasus
begebe und erst gegen Ende des Winters nach Paris zurückkehre. Es
scheint mir notwendig, daß die Dinge dort unten von einem Auge
gesehen werden, und es scheint auch, daß der Staat oder die Armee
sich Kosten deswegen machen will. Ich hätte wohl Lust, die Berge und
Wälder, die Tolstoi in seinen ›Kosacken‹ schildert, einmal zu sehen und
darüber hinaus ein wenig vom Wüten der beiden Titanen, die dort
gegeneinander prallen.«
An Hans Speidel schrieb er, dass er glaube, sich »einmal im Osten umzu-
sehen« sei notwendig, »um ein vollständiges Urteil über den Krieg und

 Im selben Tagebucheintrag vom . März  schrieb Jünger: »Abends im ›Ra-


phael‹. Traf dort auch Weinstock und Grüninger, der voll von östlichen Capric-
cios war. Vielleicht wird eines Tages für diese Desastros ein neuer Goya erstehen,
der die Skala am absoluten Nullpunkt kennt.« (EJ /, ) Es ist wohl nicht
ganz abwegig anzunehmen, dass Jünger davon ausging, diese Skala zu kennen
und selbst ein Goya der Sprache sein zu können. Die Schilderungen der Gräuel-
taten werden von Jünger regelmäßig »Capriccios« genannt.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Auf den bei
beiden Brüdern Jünger beliebten Titanenmythos spielte Jünger auch in einem
Brief an Carl Schmitt vom . Oktober  an, in dem er ihn über seine bevor-
stehende Kaukasusreise informierte und auf den Titan Prometheus, der dem
Mythos nach am Kaukasus angekettet war, Bezug nahm: »Im nächsten Monat
hoffe ich den Kaukasus zu sehen, der als prometheisches Gebirge ja für diese
Titanen-Zeit seine besondere Bedeutung hat.« (EJ/CS, )
     -

auch die zweite Hälfte des . Jahrhunderts zu gewinnen«. Darüber


hinaus hatte, so berichtet Jünger in seinem Tagebuch, Carl-Heinrich von
Stülpnagel über die »russischen Städte« gesagt, dass deren »Kenntnis
wichtig für mich sei, vor allem für gewisse Korrekturen an der ›Gestalt
des Arbeiters‹«, worauf Jünger erwiderte, »daß ich mir zur Pönitenz seit
langem einen Besuch New Yorks verschrieben hätte, doch auch mit einem
Kommando zur Ostfront einverstanden sei« (ebd., ).
Aus diesem Zitat geht nicht nur hervor, dass Ernst Jünger »Amerika-
nismus« und Bolschewismus noch immer für die zwei avanciertesten For-
men der »Gestalt des Arbeiters« hielt. Dass er das Kommando zur Ost-
front als »Bußübung« bezeichnete, legt auch nahe, dass er seine frühere
Affirmation der Gestalt des Arbeiters mittlerweile bereute. Die Bußübung
sollte darin bestehen, sich selbst dem auszusetzen, was er zuvor herauf-
beschworen hatte. Diese Doppelung, einerseits die Prognosen des »Ar-
beiters« zu bestätigen, vor ihrer Richtigkeit aber nun zu erschrecken,
hatte sich schon während des Frankreichfeldzugs angedeutet. Dessen un-
erwartet einfachen Erfolg bezeichnete er als »Sieg des Arbeiters« (EJ /
, ) und schrieb im Juni  seinem Bruder: »Meine im ›Arbeiter‹
gestellten Diagnosen und Prognosen waren doch sehr zutreffend […].«
Zwei Wochen zuvor, am . Mai , hatte er über die leergefegte Kriegs-
landschaft, aus der die Franzosen vor den vorrückenden Deutschen ge-
flohen waren, geschrieben:
»Das Ganze ist ein ungeheures Foyer des Todes, dessen Durchschrei-
tung mich gewaltig erschütterte. In einem früheren Abschnitt meiner
geistigen Entwicklung versenkte ich mich oftmals in Visionen einer
völlig ausgestorbenen und menschenleeren Welt, und ich will nicht
bestreiten, daß diese dunklen Träumereien mir Genuß bereiteten.
Hier sehe ich die Idee verwirklicht und möchte glauben, daß, auch
wenn die Soldaten fehlten, der Geist sehr bald gestört sein würde – ich
fühlte schon in diesen beiden Tagen, wie der Anblick der Vernichtung
an seinen Angeln hob.« (Ebd., )
Der von Ernst Jünger wiederentdeckte Geist trat nun in Gegensatz zur
Verwirklichung der von ihm selbst in Zeiten seiner Selbstverleugnung
ausgeheckten Ideen und wurde durch sie angegriffen. Diese Konstella-
tion wird in den »Kaukasischen Aufzeichnungen« noch deutlicher. Denn
an der Ostfront fühlte sich Ernst Jünger angesichts der brutalisierten

 E. Jünger an H. Speidel, .., zit. n. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. .


 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     

Kriegsführung noch unmittelbarer an seine Gestalt des Arbeiters erin-


nert. So schrieb er etwa am . Dezember  in seinem Tagebuch, er
fahre »bei den Generalen herum und beobachte auch deren Verwandlung
zum Arbeiter« (EJ /, ). Dabei sei es besonders die Technik, die
zur Enthumanisierung des Krieges beitrage. Die »automatische Gewohn-
heit des Tötens« (EJ /, ) zeige, »wie tief die Technik bereits in
das Moralische gedrungen ist« (ebd., ). Dies bestätigte sich Jünger
auch bei der Nachricht, dass  Geisteskranke aus Platzgründen durch
den Sicherheitsdienst umgebracht wurden: »In einem solchen Zuge verrät
sich die Neigung des Technikers, die Moral durch Hygiene zu ersetzen«
(ebd., ). Am Silvesterabend  resümierte er: »Das alte Rittertum ist
tot, wie es noch in den Kriegen Napoleons, ja noch im Weltkrieg der
Macht den Adel gab. Die Kriege werden von Technikern geführt« (ebd.,
).
Tatsächlich lässt sich argumentieren, dass vor allen Dingen die »Welt-
anschauungssoldaten« der Waffen-SS und die Einsatzgruppenmitglieder
des Sicherheitsdienstes zumindest in der Propaganda der SS-Führung
dem Ideal des von Jünger beschriebenen Arbeiter-Kriegers entsprachen.
Denn die Selbstanästhetisierung durch das »zweite Bewußtsein« (EJ a,
), die Jünger noch in dem Essay »Über den Schmerz« von  aus-
formuliert hatte, erlaubte nicht nur eine Abstraktion von den eigenen
Schmerzen, sie konnte auch zur Immunisierung gegenüber den Schmer-
zen des anderen führen. Jüngers »Abstraktion des Soldaten« konnte so
zur Abstraktion des mit sachlicher Kälte Tötenden und damit zum
»Modell für den ›Dissoziationscharakter‹ der Täter im Ausrottungs-
programm«  werden. Die geschichtsphilosophische Entlastung lieferte
Jünger mit dem Modell des heroischen Realismus als Einheit von Frei-
heit und Notwendigkeit, denn in der »Gewissheit, Anteil zu haben am
innersten Keime der Zeit« erkenne sich »die Freiheit des Täters als der
besondere Ausdruck des Notwendigen« (EJ , f.).

 Sie seien nur noch »Arbeiter auf dem Gebiet der Befehlstechnik« (EJ /,
). An anderer Stelle schrieb Ernst Jünger über die Generale: »Die Generale
sind meist energisch und dumm, das heißt: von jener tätigen und disponierenden
Intelligenz, die jedem besseren Telefonisten innewohnt, und der die Masse eine
so stupide Bewunderung zollt.« (Ebd., ) Vom Krieg sprach er auch allgemein
als von einem »Kriege zwischen Arbeitern« (ebd., ).
 Hüppauf, Schlachtenmythen, S. . Bernd Hüppauf weist auf die Verbindung
von Jüngers Arbeiter-Krieger zum nationalsozialistischen ›Neuen Menschen‹
auch mit Hinweis auf Hitlers »Mein Kampf« hin; vgl. ebd., S.  sowie Vondung,
Apokalypse, S. .
     -

Jünger lag also durchaus nicht falsch, wenn er in den Wehrmachts- und
SS-Soldaten des Zweiten Weltkriegs seine Gestalt des Arbeiters wieder-
erkannte. Jan Philipp Reemtsma hat Jüngers schriftstellerische Reaktion
auf diese erschreckende Erkenntnis als »Fading«, als »genaues Vorbei-
sehen« beschrieben. Denn in den »Kaukasischen Aufzeichnungen« löste
Jünger seinen Anspruch, die »Vernichtungsstätten« mit dem unerschrok-
kenen Blick des Arztes zu beobachten und zu beschreiben, nicht ein.
Tatsächlich ist unklar, was genau er während seines Aufenthalts an der
kaukasischen Front gesehen und in Erfahrung gebracht hat. Die Schilde-
rungen von Gewalt und Tod, die Eingang in die »Kaukasischen Aufzeich-
nungen« gefunden haben, beziehen sich jedenfalls nicht direkt auf Mas-
senerschießungen und Judenmord. Jünger selbst stellte fest, »daß ich zu
einer Bestandsaufnahme in diesem Lande nicht kommen werde: es gibt zu
viele Stätten, die Tabu für mich sind. Dazu gehören alle, an denen man
sich an Unschuldigen und Wehrlosen vergreift, und alle, an denen man
durch Repressalien und Kollektivmaßnahmen zu wirken sucht.« (EJ /
, ) Hannes Heer hat durch einen Abgleich von Jüngers Aufzeich-
nungen mit anderen Quellen zum damaligen Geschehen im Kaukasus
allerdings gezeigt, dass Jünger unmittelbar mit den dortigen Verbrechen
konfrontiert worden sein muss. Die Erwähnung einer Erschießung von
» Juden« durch den SD übertrug Jünger aber nicht von seinem Origi-
nalmanuskript in die veröffentlichte Fassung, ein Gespräch mit dem
Kontaktbeauftragten der Wehrmacht zu den Kommandos der Einsatz-
gruppe strich er aus den späteren Auflagen wieder heraus, ebenso wie den
Hinweis, dass Gespräche über den Judenmord bei seinen Begegnungen
mit Offizieren »üblich« (ebd., ) gewesen seien. Darüber hinaus muss
Jünger bei bestimmten Gelegenheiten vor der Wahl gestanden haben, als
Beobachter noch näher an die Verbrechen heranzukommen, denn in sei-
nem Tagebuch fragt er sich, »ob es nicht doch vielleicht gut wäre, die
Schreckensstätten aufzusuchen, als Zeuge, um zu sehen und festzuhalten,
welcher Art die Täter und die Opfer sind« (ebd., ). Dass er es nicht
tat, begründete er gleich darauf: »Dem steht entgegen der Ekel, der mich
schon bei der Vorstellung von solchen Schauspielen ergreift. Ich würde
sofort als Widersacher sichtbar sein. Wem wäre damit gedient?« (Ebd.)

 Reemtsma, Es schneet der Wind, S. .


 Heer, Schweigen.
 Vgl. ebd., S. ,  u. . An anderer Stelle sprach Jünger andeutungsvoll von
einer »Unterhaltung über das ›Thema‹« (EJ /, ).
 Diese Sätze hat Jünger in späteren Ausgaben durch eine andere Begründung er-
setzt: »Auch der Schau sind Grenzen gesetzt.« Vgl. Lethen, Jüngers Desaster,
     

Die »dem Ekel angemessene Gestik« aber ist, so Reemtsma, »das Weg-
drehen des Kopfes«.
Ernst Jünger ist allein aus der Tatsache, dass er sich von der unmittel-
baren Konfrontation mit den Mordaktionen emotional überfordert fühlte
und sie deshalb scheute, schwerlich ein moralischer Vorwurf zu machen.
Für den Kontext seiner Kriegsdeutung ist aber entscheiden, dass er den
eigenen Anspruch, scharf gestochene »Capriccios« von den Verbrechen
an der Ostfront zu liefern, so nicht einlösen konnte. Der Kaukasus wurde
zum »Desaster seines Wahrnehmungsprogramms«, und zwar genau des
Wahrnehmungsprogramms, das er unter anderem im »Arbeiter« ent-
wickelte hatte und dessen Verwirklichung ihm nun Ekel bereitete. In-
dem Jünger den »Arbeiter« verwirklicht sah, entglitt ihm zugleich der
wahrnehmungsscharfe Zugriff auf die Erscheinung, die sich aus seiner
Phantasie gelöst hatte. Symptomatisch für dieses Entgleiten war, dass für
Jünger das Deutungsangebot des »Arbeiters« zur Beschreibung des Ge-
waltgeschehens im Zweiten Weltkrieg nicht mehr ausreichte. Er griff nun
gleichermaßen auf die Gedankenwelt der »Marmorklippen« zurück, in
denen er seine Visionen der Menschenschlächterei im Vokabular des Dä-
monischen beschrieben hatte. So bemerkte er im Dezember  lapidar:
»Die Schinderhütte, das ist die Realität.« (Ebd., ) Indem ihm der
von Technikern geführte Krieg und der »Mord als Verwaltungssache«
(EJ /, ) gleichzeitig als Vorgang der »dämonischen Gewalt«
(EJ /, ) erschienen, brachte Jünger nun die Technik, die in den
»Marmorklippen« keine Rolle gespielt hatte, mit dem Dämonischen und
Bösen zusammen, so dass er in einem Atemzug von der »Lemuren- und
Automatenwelt« sprechen konnte. Vor allen Dingen aber bedeutete die

S. . Peter de Mendelssohn antwortete  auf die Frage, wem mit Jüngers
Zeugenschaft gedient gewesen wäre: »mir zum Beispiel« (Mendelssohn, Gegen-
strahlungen, S. ).
 Reemtsma, Es schneet der Wind, S. .
 Lethen, Jüngers Desaster, S. .
 Am . Mai , einen Tag vor der oben zitierten Burgunder-Szene, hat Jünger
seinen »Ekel« übrigens selbst als »Schwäche« bezeichnet und sich ermahnt, »der-
gleichen« zu betrachten »wie der Arzt den Kranken« (EJ /, ), also sein
im Kaukasus zusammengebrochenes Wahrnehmungsprogramm wieder aufzu-
nehmen. Gemeinhin wird auf den Zusammenhang dieser Passage zur Burgun-
der-Szene hingewiesen, auch wenn ein Arzt beim Anblick von Fliegerangriffen
vielleicht nicht ohne weiteres an eine tödliche Befruchtung denken muss.
 Vgl. zur Wiederkehr des Schinderhüttenmotivs in den »Strahlungen« auch Ehrke-
Rotermund/Rotermund, Zwischenreiche, S. -.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

vage Rede vom »Hauch der Schinderwelt« (ebd., ) den Abschied von
der zuvor propagierten Wahrnehmungsschärfe. Die nebulöse Formulie-
rung von den »Lemuren-Wäldern im Osten« (ebd., ), von denen Jün-
ger im April  gesprochen hatte, wurde auch durch seine Inspektions-
reise im darauffolgenden Winter nicht nachhaltig konkretisiert.
Bernd Hüppauf hat mit Blick auf die Nachkriegszeit darauf hingewie-
sen, dass man diese entkonkretisierende Redeweise vom »Dämonischen«
der »Schandtaten« im Osten nicht vorschnell als eine absichtsvolle Ver-
drängung interpretieren sollte, da Jünger in seiner Zeitgenossenschaft
noch keine anderen Sprachformen zur Verfügung gestanden hätten, um
das zu beschreiben, was erst später als »Holocaust« bezeichnet wurde.
Dieser Hinweis auf die Wahrnehmungskarenz während des Krieges und in
der Nachkriegszeit ist sicher nicht falsch, zumal Jünger nicht der einzige
war, dem die Sprache für die neuartigen Verbrechen fehlte. Gleichwohl
lässt sich nicht übersehen, dass die Entkonkretisierung des Geschehens
auch eine entlastende Funktion hatte und von Jünger zudem bewusst
betrieben wurde. Das zeigt sich etwa dort, wo Jünger aus den späteren
Bearbeitungen seiner ursprünglichen Aufzeichnungen Namens- und Zu-
ständigkeitsangaben wieder herausstrich, gerade auch dann, wenn es um
seine eigene Verantwortung als Offizier der Besatzungsarmee ging. In ei-
ner weiteren berühmten Szene der »Strahlungen« beschrieb Jünger etwa,
wie er am . Mai  der Hinrichtung eines deutschen Deserteurs bei-
wohnte. Vergleicht man diese Passage in den »Strahlungen« mit Jüngers
Originaltagebüchern, wird deutlich, dass er seine eigene Funktion als lei-
tender Offizier dieser Erschießung in der Veröffentlichung weitgehend
ausblendete und sich zum rein von »höherer Neugier« (ebd., ) angetrie-
benen Beobachter stilisierte. Seine Befehlsgewalt spiegelte sich nur noch
in der Behauptung, er habe »manches menschlicher fügen [können], als
es vorgesehen war« (ebd.), ohne dass genau angegeben wird, worin diese
menschlichere Fügung bestand.

 Hüppauf, Whereof.
 Vgl. zu diesem Vergleich Krömer, Handschriften, S. ff. Gerhard Heller, einer
der mit Jünger befreundeten Offiziere in Paris, bemerkte angesichts dieser Schil-
derung, dass »Jünger sich auf eine andere Stufe stellte als jeden x-beliebigen Be-
fehlsvollstrecker, obwohl er doch in der gleichen Zwickmühle steckte wie wir alle
und mit den gleichen Widersprüchlichkeiten fertigzuwerden hatte« (Heller,
Land, S. ).
 Eine ähnliche Schutzbehauptung fand sich auch im Sommer , als das Be-
satzungsregime in seine erste Krise geraten war und mit groß angelegten Geisel-
erschießungen und Deportationen reagierte. In diesem Zusammenhang schrieb
Jünger: »Doch darf ich mich rühmen, daß in diesem Kriege in meiner Nähe
     

Auch unabhängig von diesen Stilisierungen in eigener Sache ist die


Szene ein Beispiel für Jüngers Tendenz, konkrete Verantwortlichkeiten
hinter der allgemeinen Rede von der Schinderwelt verschwinden zu lassen.
Diese Tendenz wurde an einzelnen Stellen kurzfristig in Frage gestellt, so
etwa in der oben zitierten Absicht »festzuhalten, welcher Art die Täter
und die Opfer sind« (ebd., ). Schon im Februar  notierte Jünger
angesichts von Speidels Berichten über die Pläne der NS-Führung:
»Sie modifizieren meine Ansicht, daß die Vernichtungstendenzen, die
Erschießungs-, Ausrottungs- und Aushungerungsbestrebungen aus
allgemein-nihilistischen Zeitströmungen hervorgehen. Das ist natür-
lich auch der Fall, doch treten hinter den Heringsschwärmen Hai-
fische als Treiber auf. Es ist kein Zweifel, daß es einzelne gibt, die für
das Blut von Millionen verantwortlich zu machen sind.« (Ebd., )
Die in dieser Feststellung enthaltene Aufforderung zur genauen Unter-
scheidung der Verantwortlichkeiten wurde von Jünger in den übrigen
Passagen der »Strahlungen« allerdings nicht befolgt. Die Zurückführung
der »Vernichtungstendenzen« auf »allgemein-nihilistische Zeitströmun-
gen« überwog bei weitem, Opfer und Täter verschwammen in Jüngers
Bild eines amorphen »Lemuren- und Amphibiengewimmels« (ebd., ).
So schrieb Jünger auch im Kaukasus über die dortigen Verbrechen, »der-
artiges gehört zum Zeitstil«, die »Gegner sehen es voneinander ab« (ebd.,
). Schon in einem Brief an seinen Bruder vom . März  hatte
Ernst Jünger in Bezug auf die Kriegsführung selbst zugestanden, dass er
keine politischen Unterscheidungen mehr traf und nivellierte:
»Was die reine Veränderung anbetrifft, so bemühe ich mich, obwohl
ich kämpfe, kaum noch, die Parteien zu unterscheiden, die im Streite
sind. Gewiß ist nur das eine, daß gewaltige Umschichtungen im Gange
sind, demgegenüber ist die Frage der Sieger und Besiegten sekundär.
Auch werden alle Sieger etwas verlieren und allen Besiegten wird Neu-
es zufallen; wir sahen das bereits nach dem ersten Weltkriege. Desglei-
chen ziehen sich Recht und Unrecht unentwirrbar durch den ganzen
Knäuel. Gewiß ist nur das eine, daß sich die Welt in neue Formen
preßt, und keinem bleibt die Beteiligung erspart. Das Leiden ist das

noch nie ein Rechtsbruch stattgefunden hat, und daß ich manchen verhinderte.«
(EJ /, ) Hannes Heer kommentiert diese Behauptung: »Von diesem
Selbstlob bleibt bei näherem Hinsehen nicht viel übrig – in seiner Dienststelle
war der Rechtsbruch zum Alltag geworden.« (Heer, Schweigen, S. ). In der
späteren Fassung der »Strahlungen« hat Jünger diesen Satz gestrichen.
     -

Eintrittsgeld, das einem jeden abgenommen wird, und das den Rän-
gen angemessen ist.«
Bei dieser geschichtsphilosophischen Verallgemeinerung, die Jünger spä-
ter auch auf die Verbrechen anwandte, kamen ihm die Interpretamente
der »Gestalt des Arbeiters« und der »Dämonenwelt« gleichermaßen zu
Hilfe, denn beide funktionierten ohne unmittelbare Verantwortungszu-
weisung an politische und militärische Entscheidungsträger. Auch wenn
Jüngers Wahrnehmungsprogramm der unerschrockenen Beobachtung im
Kaukasus erschüttert wurde, fühlte er sich in seinen Deutungsmustern
aus dem »Arbeiter« und den »Marmorklippen« doch bestätigt, ja diese
Deutungsmuster erlaubten ihm gerade, das angeekelte Wegsehen als hö-
here Schau der geschichtsphilosophischen Zusammenhänge auszugeben.
Ähnlich wie Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger ordnete
letztlich also auch Ernst Jünger den Zweiten Weltkrieg in die Deutungs-
modelle ein, die er schon vor Kriegsausbruch entwickelt hatte; wobei er
im Falle des »Arbeiters« an seiner Idee eines Arbeitszeitalters festhielt und
lediglich deren Bewertung umkehrte. Die »Bilder der Entzauberung«
(ebd., ), die er vor allem im Kaukasus sah, bestätigten aber erst den
Abschied vom Militärischen, den er schon nach  eingeläutet hatte.
Noch  fragte er in Erinnerung an seine Kriegslust aus dem Ersten
Weltkrieg seinen vorgesetzten General: »Darf man hoffen, daß man noch
ins Feuer kommt?« (EJ /, ) Erst im Kaukasus übertrug sich der
Ekel vor den Mordaktionen auch auf das Militärische selbst:
»So erzählte der General Müller von den ungeheuerlichen Schandtaten
des Sicherheitsdienstes nach der Eroberung von Kiew. Auch wurden
wieder die Giftgastunnels erwähnt, in die mit Juden besetzte Züge
einfahren. Das sind Gerüchte, doch sicher finden Ausmordungen im
größten Umfang statt. Ich dachte dabei an die Frau des guten Potard
in der Rue Lapérouse, um die er sich damals so ängstigte. Wenn man
in solche Einzelschicksale hineingesehen hat und dann die Ziffern
ahnt, in denen die Ermordung in diesen Schinderhütten sich voll-
zieht, eröffnet sich die Aussicht auf eine Potenzierung des Leidens, vor
der man die Arme sinken läßt. Ein Ekel ergreift mich dann vor den
Uniformen, den Schulterstücken, den Orden, dem Wein, den Waffen,
deren Glanz ich so geliebt. « (EJ /, ) 

 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 Der »gute Potard« war Ernst Jüngers Apotheker in Paris, dessen jüdische Frau im
Juli  deportiert wurde; vgl. EJ /, . Genau wie sein Bruder Friedrich
     

Der endgültige Übertritt »aus der heroischen in die Dämonensphäre« ,


den der Zweite Weltkrieg für Jünger bedeutete, führte also auch zu einem
partiellen Abschied vom Glauben an die Qualitäten des Militärischen.
Darin setzte sich auch der Abschied von der Tat fort, den Jünger schon
vor  eingeläutet hatte. Denn grundsätzlich glaubte er durchaus noch
an die Tugenden der Ritterlichkeit und auch daran, dass Einzelne in der
Armee diese Tugenden noch aufrechterhielten. Er glaubte aber nicht
mehr daran, dass man innerhalb der dämonischen Automatenwelt, in die
sich das nationalsozialistische Herrschafts- und Militärsystem in seinen
Augen verwandelt hatte, mit ritterlichen Aktionen noch viel ausrichten
konnte. Gegen die »brutalen Willenstypen« (ebd., ) der automatisier-
ten Machtsphäre ließ sich nur mit »geistigen Mitteln« widerstehen.
Dies zeigt sich besonders in seinem Votum gegen ein Attentat auf Hit-
ler, das er schon in den »Marmorklippen« vorweggenommen hatte. So
schrieb er einen Tag nach dem gescheiterten Attentat vom . Juli ,
er sei »seit langem der Überzeugung, daß durch Attentate wenig geändert
und vor allem nichts gebessert wird« (ebd., ). Nach Jüngers Ansicht
ließ sich die »Hydra« (ebd., ) nicht durch das Abschlagen des Kopfes
besiegen, vielmehr sollte der Zustand, der sie erst hervorbringen konnte,
von Grund auf überwunden werden, wozu der Abgrund des Nihilismus
aber zunächst ganz durchschritten werden musste: »Wir stehen in einer
Prüfung, die begründet und die notwendig ist, und diese Räder schraubt
man nicht zurück.« (Ebd., ) Die »Überwindung der Vernichtungs-
welt« könne »nicht auf der historischen Ebene gelingen« (ebd., ). Wie
sie gelingen sollte, versuchte Ernst Jünger in seinem Aufruf zum »Frie-
den« zu schildern, den er in den letzten Kriegsjahren verfasste.

Georg im November  dachte Ernst Jünger bei den »Ausmordungen« übri-
gens an Raskolnikow: »Der Mensch hat also jenen Stand erreicht, der sich seit
langem angedeutet, und wie ihn Dostojewski im Raskolnikow beschrieben hat.
Dann sieht er seinesgleichen als Laus, als Ungeziefer an. Gerade davor muß er
sich hüten, wenn er nicht in die Insektensphäre hineingeraten will.« (Ebd., )
 So Jünger in einer späteren Fassung des zweiten Pariser Tagebuchs; vgl. Jünger,
Ernst: Strahlungen II, München , S. .
 Im Vorwort zu den »Strahlungen« von  erklärte Jünger seine Zweifel am
Nutzen des Attentats erneut: »Ich war der Überzeugung, daß ohne einen Sulla
jeder Angriff auf die plebiszitäre Demokratie notwendig zur weiteren Stärkung
des Niederen führen musste, wie es denn auch geschah und weiterhin geschieht.«
(EJ /, ) In einem Brief an Alfred Andersch vom . Oktober  gab
Jünger in einer weiteren Äußerung zum . Juli zudem zu bedenken, dass Hitler
bei einem geglückten Attentat zu einem Heiligen geworden wäre; vgl. E. Jünger
an A. Andersch, .., A: Andersch, Fiche-Nr. , DLA Marbach.
     -

Im Übergang zum »Frieden«

Dass Ernst Jünger ein Attentat auf Hitler für sinnlos hielt, bedeutete nicht,
dass er den militärischen Widerstand gegen das NS-Regime ablehnte. Im
Gegenteil, in Paris hatte er unmittelbaren Kontakt zu den militärischen
Widerstandskreisen und war zum Teil auch an deren taktischen Über-
legungen beteiligt. Vor allen Dingen aber fungierte er als eine Art weltan-
schaulicher Ideengeber und als metaphysisches Orakel für die »Fronde
im totalen Staat« (ebd., ). Der Gesprächsort, an dem sowohl die
geistigen wie gelegentlich auch die taktischen Fragen des militärischen
Widerstands besprochen wurden, war die so genannte »Georgsrunde«,
benannt nach dem Hotel »George V«, in dem Hans Speidel residierte.
Sie bildete, so Jünger »im Innern der Militärmaschine eine Art von Farb-
zelle, von geistiger Ritterschaft; wir tagen im Bauche des Leviathans und
suchen noch den Blick, das Herz zu wahren für die Schwachen und
Schutzlosen« (ebd., ).
Diese Rede von der »geistigen Ritterschaft« war bereits Teil von Jün-
gers Stilisierung der Wehrmacht und speziell des Offizierskorps um den
Militärbefehlshaber in Paris zum aristokratischen Gegenspieler von
NSDAP, SS und Gestapo. Diese Stilisierung entsprach auch der Intention
Hans Speidels, der Jünger damit beauftragte, »den unterirdischen Kampf
zwischen Partei und Wehrmacht« innerhalb des Besatzungsregimes zu
dokumentieren. In Erfüllung dieses Auftrags verfasste Jünger zwei
Denkschriften, von denen allerdings nur diejenige über die Geisel-
erschießungen in den Jahren  und  erhalten blieb; die andere
über den »Kampf um die Vorherrschaft in Frankreich zwischen Partei
und Wehrmacht« verbrannte Jünger nach dem . Juli .
In der Frage der Geiselerschießungen, mit denen die Besatzungsmacht
auf Attentate französischer Widerstandskämpfer reagierte, gab es tatsäch-
lich massive Differenzen zwischen dem Militärbefehlshaber in Frankreich
auf der einen und dem Oberkommando der Wehrmacht und der NS-
Führung auf der anderen Seite, da letztere auf wesentlich drakonischere
Repressionsmaßnahmen drängten als es dem Militärbefehlshaber zur
Aufrechterhaltung eines kontrollierbaren Besatzungszustands ratsam er-

 Vgl. als Erinnerungen anderer Mitglieder dieser Runden Heller, Land; Speidel,
Zeit, S. -; Bargatzky, Hotel Majestic.
 Speidel, Zeit, S. . Allgemein erinnerte sich Speidel über die Abmachung mit
Jünger: »Das Arbeitsgebiet sollte historiographische Aufgaben umfassen, ihm
aber auch Zeit und Möglichkeit zu eigener Arbeit lassen.«
 Vgl. Berggötz, Ernst Jünger; Meyer, Kleistische Prosa.
     

schien. Gleichzeitig war es Otto von Stülpnagel, der zwar als Reaktion
auf die besagten Differenzen im Februar  von seinem Posten als Mili-
tärbefehlshaber zurücktrat, der zuvor aber von sich aus die Deportation
von Juden aus Paris als Kompensation dafür vorgeschlagen hatte, weniger
französische Geiseln erschießen zu müssen. Jünger sprach rückblickend
durchaus zu Recht von Stülpnagels Zwangslage, »in der man eigentlich
nur Fehler machen kann« (EJ /, ). Seine Schilderung lief aber
dennoch auf eine klare Dichotomisierung von verbrecherischer Partei
und anständiger Militärführung hinaus. Die in den Originaltagebüchern
zum Teil deutlichere Kritik an Otto von Stülpnagel hat er für die Veröf-
fentlichung geglättet, die Zeit der ersten Geiselerschießungen im Spät-
sommer  wurde in den »Strahlungen« einfach ausgespart, genau wie
Jüngers Kontakt zu dem ebenfalls in Paris stationierten SS-Offizier Werner
Best. All das diente ebenso wie die oben beschriebene Verschleierung
von Verantwortlichkeiten dazu, den Anschein zu erwecken, man habe in
der Wehrmacht seiner vaterländische Pflicht nachkommen können,
ohne sich durch die Beteiligung am Unrechtsregime des Nationalsozialis-
mus kompromittieren zu müssen. Gottfried Benn prägte dafür den auch
auf Jünger passenden Ausdruck von der »Armee als der aristokratischen

 Vgl. dazu neben Herbert, Best, S. - auch ders., Militärverwaltung.


 Vgl. dazu auch den Eintrag vom . September  in den »Jahren der Okkupa-
tion« (EJ /, -).
 Vgl. Krömer, Handschriften, S. ff. Zu dieser Modifikation wurde Jünger
nach dem Krieg allerdings auch von anderen gebeten, da Otto von Stülpnagel in
Frankreich vor Gericht stand; vgl. den Brief Gerhard Nebels vom . Januar 
sowie Jüngers Antworten vom . und . Februar  (EJ/GN, f.,  u. ff.).
Im Februar  erhängte sich Stülpnagel allerdings in seiner Zelle, so dass das
Argument, Jüngers Darstellung könne ihm schaden, bei Veröffentlichung der
»Strahlungen« nicht mehr galt.
 Vgl. die Lücke zwischen den Eintragungen vom . Juli und . Oktober 
(EJ /, ).
 Werner Best, den Jünger noch aus der Zeit des neuen Nationalismus kannte,
unter anderem als Mitautor von »Krieg und Krieger« (EJ b), war als SS-Offi-
zier von  bis  als Chef der Verwaltung beim Militärbefehlshaber in
Frankreich – also auch im Hotel »Majestic« – tätig und verbrachte mit Jünger
»manchen nachdenklichen Abend am Kamin« (Herbert, Best, S. ; vgl. dazu
auch EJ , ). Nach eigener Aussage habe sich Best auch für Jünger einge-
setzt, als dieser wegen der »Marmorklippen« von der NS-Führung angegriffen
worden sei, wollte selbst aber angeblich nicht in den »Strahlungen« erwähnt wer-
den; vgl. Herbert, Best, S. . Im Übrigen traf Jünger in Paris noch weitere
Kampfgenossen der nationalrevolutionären Zeit, wie er seinem Bruder berichte-
te; vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Form der Emigration«. Entsprechend sprach Jünger in Bezug auf die


Wehrmachtsoffiziere immer wieder von den »Reste[n] des Rittertums«
(EJ /, ) und charakterisierte den militärischen Widerstand als
Auseinandersetzung »zwischen dem plebiszitären Demos und den Resten
der Aristokratie« (ebd., ).
In diese Auseinandersetzung wollte Jünger nun wie gesagt selbst nicht
aktiv eingreifen. Aber er verfasste während der letzten Kriegsjahre einen
politischen Aufruf mit dem Titel »Der Friede«, den er selbst als »aussen-
politische Mitgift« (EJ/GN, ) für den militärischen Widerstand be-
zeichnete. Hans Speidel gab ihn im Frühjahr  unter anderem Erwin
Rommel zur Lektüre, auf dem zu diesem Zeitpunkt noch die Hoffnun-
gen der Widerständler lagen. Speidel erinnerte sich später außerdem, dass
Ernst Jünger schon im Oktober  in der »Georgsrunde« »eindringlich
von der Notwendigkeit« gesprochen habe, »einen schöpferischen Frieden
vorzubereiten«. Noch im selben Herbst habe er den »Entwurf eines ›Auf-
rufs an die europäische Jugend mit dem Ziel eines für alle gerechten Frie-
dens und der Bestrafung der am Kriege Schuldigen‹« präsentiert, der als
»Vorläufer der Friedensschrift« gelten könne. Diesen ersten Entwurf
hat Jünger allerdings vernichtet. Erst im Sommer  begann er, im
ständigen Austausch mit den Offizieren der »Georgsrunde«, erneut mit
der Arbeit an einem entsprechenden Aufruf, der dann mehrfach über-
arbeitet und von der Hanseatischen Verlagsanstalt bereits zum Druck
vorbereitet wurde, so dass »eine Publikation im Augenblick des von uns
erwarteten Zusammenbruchs erfolgen könnte«, wie sich der Verleger
Benno Ziegler erinnerte. Nach dem gescheiterten Attentat vom . Juli
 war an eine Veröffentlichung nicht mehr zu denken, aber auch im
Frühjahr  konnte sie wegen eines allgemeinen Druckverbots nicht
erfolgen und wurde später durch Jüngers Publikationsverbot verhindert.

 Zit. n. Noack, Ernst Jünger, S. .


 Speidel, Briefe, S. ; vgl. zu Rommel ebd., S. .
 Zit. n. Coudres, Geschichte, S. .
 Wie Ernst Jünger seinem Bruder Friedrich Georg im ersten Nachkriegsbrief
berichtete, sei er nach dem gescheiterten Attentat vom Personalchef von Stülp-
nagels wegen der Friedensschrift denunziert worden, aber sonderbarerweise un-
behelligt geblieben; vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger,
DLA Marbach. In seinem Nachkriegstagebuch erklärt sich Jünger das mit Hitlers
persönlichem Wohlwollen, das auf ihre Kontakte während der er Jahre zu-
rückgehe, denn »Hitler hatte nach Art vieler politischer Führer ein Gedächtnis
mit festen Fächern; er änderte ungern die Meinung, die er über Personen gefaßt
hatte« (EJ /, ). Vgl. auch EJ/GN, f. und EJ/FH, .
 Die Hanseatische Verlagsanstalt hatte den Satz im Mai  fertiggestellt und
mehrere Korrekturabzüge gedruckt, die z. T. in Umlauf gerieten. Damit verstieß
     

Stattdessen kursierte der Aufruf »an die Jugend Europas und an die Ju-
gend der Welt« seit den letzten Kriegsmonaten in verschiedenen Ab-
schriften und Fassungen und wurde an verschiedenen Stellen im Ausland
publiziert. In Deutschland erschien er schließlich erst  im Rahmen
von Jüngers erster Gesamtausgabe.
Der Grundgedanke der Friedensschrift wurde bereits auf der ersten
Seite ausgesprochen: Der Zweite Weltkrieg sei »das erste allgemeine Werk
der Menschheit« gewesen, weshalb nun auch der Frieden »für alle Segen
bringen« (EJ , ) müsse. Jünger verlangte zwar auch die »Wieder-
herstellung des Rechtes« (ebd., ) und damit die Verurteilung der »Hen-
ker« und »Mörder« (ebd., ). Er warnte aber in klassischer Weise vor
einer parteiischen Siegerjustiz und betonte, dass die Rechtssprechung
nicht auf Rache gerichtet sein dürfe, sondern der »Gesundung« (ebd., )
dienen müsse. Vor allen Dingen benannte er selbst an keiner Stelle die
»am Kriege Schuldigen«, die offenbar im ersten Entwurf der Friedens-
schrift noch im Titel vorkamen. Das nationalsozialistische Regime wurde
an keiner Stelle als in besonderer Weise verbrecherisch hervorgehoben.
Stattdessen sprach Jünger vom »stets gleiche[n] Antlitz der Tyrannei«, bei
der »der weisse mit dem roten Schrecken wechselte« (ebd., ). Folglich
wurden auch die Kriegsverbrechen und genozidalen Morde nicht genauer
unterschieden, denn »die grossen Massengräber sind einander gleich«
(ebd.).
In konsequenter Fortführung der Entkonkretisierung und Entdifferen-
zierung, die schon in den Kriegstagebüchern angelegt war, führte Jünger
die »Schreckenswelt« (ebd., ) auf den allgemeinen »Nihilismus« als der
»tiefste[n] Quelle des Uebels« (ebd., ) zurück. Er sprach wiederum von

sie allerdings bereits gegen das alliierte Gesetz Nr. , das Vorbereitung, Druck
und Verbreitung nicht genehmigter Schriften verbot. Benno Ziegler wurde des-
halb im Februar  vom britischen . Information Control Unit verhört, wor-
aufhin der Hanseatischen Verlagsanstalt die Lizenz entzogen wurde; vgl. dazu
neben Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S.  auch den Bericht Benno Zieg-
lers in Coudres, Geschichte, S. ff.
 Vgl. zur komplizierten Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte Tommis-
sen, Friedensschrift. Im Folgenden wird »Der Friede« nach der ersten eigenstän-
digen Buchpublikation zitiert, die  mit einem aktuellen Geleitwort von Ernst
Jünger in Amsterdam erschienen ist; vgl. EJ .
 Darin war auch die Warnung enthalten, »die Fehler von Versailles« (EJ , )
nicht zu wiederholen.
 Hierin äußert sich auch bereits das Totalitarismusdenken des Kalten Krieges, das
vor allen Dingen in Deutschland dazu diente, die deutschen Verbrechen mit
Hinweis auf die sowjetischen zu relativieren.
     -

der »Schinderhütte« (ebd., ), wobei er die »kalte Mechanik der Verfol-
gung« und die »überlegte Technik der Dezimierung« (ebd., ) für deren
besonderen Schrecken verantwortlicht machte. Er spielte auch konkret
auf die Konzentrations- und Vernichtungslager an – allerdings ohne
Namen zu nennen –, in denen »die bleierne Tyrannis im Bunde mit der
Technik endlose Bluthochzeiten feierte« (ebd., ). Doch auch hier verall-
gemeinerte er die Schuld ins Unverbindliche, denn »die Schändung war
derart, dass sie das ganze menschliche Geschlecht berührte, und keiner
sich der Mitschuld entziehen kann« (ebd.).
In dieser welthistorischen Situation der ubiquitären Schuld bedürfe
es, so Jünger, einer allgemeinen »Sühne« (ebd., ), die nur durch eine
»Heilung zunächst im Geist« (ebd., ) zu erlangen sei: »Ein jeder war
mitschuldig, und es gibt keinen, der nicht der Heilung bedürfte, die
durch die Welt des Schmerzes vorbereitet ist.« (Ebd., ) Dieser Heilung
sei aber zuvor die »Reinigung durch Feuerflammen« (ebd., ) voraus-
gegangen. Dieser Vorstellung einer Reinigung durch Vernichtung und
Schmerz eignete wiederum eine apokalyptische Qualität, die man schon
von Jüngers früheren Schriften kennt. Die Opfer des Krieges wurden auf
diese Weise zum »Grundstock« (ebd., ) für den Bau einer neuen Welt
und dadurch für sinnvoll erklärt, wobei galt, das die neuen Bauten um so
»höher in das Licht emporragen« (ebd., ), je größer die Opfer waren.
Anders als nach dem Ersten Weltkrieg sollte die neue Welt aber nun
nicht mehr auf dem Prinzip des Nationalen aufgebaut werden. Jünger
propagierte vielmehr die Vereinigung Europas, denn dass sei der einzige
Weg, »auf dem der Bruderzwist gerecht und mit Gewinn für jeden be-
endet werden kann« (ebd., ). An die Stelle der »Logik der Gewalt«
müsse die »höhere Logik des Bundes« (ebd., ) treten.
Diese Überwindung der Gewaltlogik konnte für Jünger aber nur durch
die besagte geistige Heilung gelingen, die er nun auch explizit als geistli-
che, das heißt religiöse Heilung bezeichnete. Schon in den »Strahlungen«
war Jüngers Hinwendung zum Theologischen erkennbar geworden.
Ähnlich wie auch Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger emp-

 Vgl. zu dieser »Neutralisierung geschichtlicher Abläufe« auch Reinhold, Ernst


Jünger, S. .
 Allerdings spielten dabei offensichtlich auch geopolitische Überlegungen an-
gesichts der heraufziehenden Blockkonfrontation eine Rolle, denn, so Jünger,
»Europa muss Partner werden der grossen Imperien« (EJ , ). Im Inneren
sollte Europa föderal und nach dem Subsidiaritätsprinzip organisiert sein, womit
Jünger an den integralföderalistischen Europadiskurs der Zwischenkriegszeit an-
schloss, der in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Westdeutschland auch exkul-
patorische Funktion besaß; vgl. Ruge, Regionen.
     

fand er die dämonische Automatenwelt als gottlos: »Der Weg zu Gott in


unserer Zeit ist ungeheuer weit, als hätte der Mensch sich in den grenzen-
losen Räumen verirrt, die sein Ingenium erfand.« (EJ /, ) An-
ders als Heidegger und Friedrich Georg Jünger, die bei ihrer Rückwen-
dung zum Göttlichen eher an den griechischen Götterhimmel dachten,
wandte sich Ernst Jünger aber dem Christentum zu, wovon nicht zuletzt
das Protokoll seiner ausführlichen Bibellektüre in den »Strahlungen«
zeugte. Die schon in ihnen erhobene Forderung nach einer Rückkehr
zum Glauben kehrte nun im »Frieden« wieder. Die »Bekämpfung des
Nihilismus« könne nur mithilfe einer »Neuen Theologie« (EJ , )
gelingen: »Die wahre Besiegung des Nihilismus und damit der Friede
wird nur mit Hilfe der Kirchen möglich sein.« (Ebd., ) 
Der Weg von Jüngers Affirmation der Technik als »antichristliche[r]
Macht« (EJ , ) im »Arbeiter« zu dieser Verteidigung der christ-
lichen Kirche scheint weit. Doch Jünger hielt auch im »Frieden« an sei-
ner Deutung des . Jahrhunderts als Arbeitszeitalter fest. Dabei sprach
er nicht nur – ebenso wie Friedrich Georg Jünger – vom zerstörerischen
»Arbeitscharakter« (EJ , ) der beiden Weltkriege. Auch in Bezug
auf die Frage nach der »Neuen Ordnung« (ebd., ) in Friedenszeiten
ging er noch immer davon aus, dass es sich um eine Frage der »Lebensfor-
men des Arbeiters« (ebd.) handele. Allerdings entwickelt er nun die Idee
einer Umwidmung der Kräfte der totalen Mobilmachung, die vom Zer-
störerischen ins Schöpferische zu wenden seien:
»Der Friede ist dann gelungen, wenn die Kräfte, die der Totalen Mobil-
machung gewidmet waren, zur Schöpfung freiwerden. Damit wird das
heroische Zeitalter des Arbeiters sich vollenden, das auch das revolu-
tionäre war. Der wilde Strom hat sich das Bett gegraben, in dem er
friedlich wird. Zugleich wird die Gestalt des Arbeiters, aus dem Tita-
nischen sich wendend, neue Aspekte offenbaren: es wird sich zeigen,
welches Verhältnis sie zur Überlieferung, zur Schöpfung, zum Glück,
zur Religion besitzt.« (EJ , ) 

 In dieser christlichen Wendung wird gleichzeitig deutlich, dass Jünger mit der
Einigung Europas auch die »Einheit des Abendlandes« (EJ , ) anstrebte.
 In einer Notiz zum »Frieden« in den »Strahlungen« thematisierte Jünger ebenfalls
diese Wandlung: »Es ist richtig, daß viele meiner Ansichten und insbesondere
meine Wertung des Krieges und auch des Christentums und seiner Dauer sich
änderten. Doch weiß man bei der Arbeit in diesen alten Schächten niemals, ob
und wann man auf Minen stößt. Auch muß man den Einschnitt sehen, der dem
der Sanduhr gleicht. Während die Körnchen sich dem Punkte der größten
     -

Dieser Versuch Ernst Jüngers, den Begriff der »Gestalt des Arbeiters«
auch für seinen Entwurf eines nachrevolutionären und postheroischen
Zeitalters zu retten, illustriert sehr deutlich sein Bemühen, die eigene
intellektuelle Wandlung als organische Weiterentwicklung zu interpre-
tieren. Dabei hielt er auch länger als etwa sein Bruder Friedrich Georg an
der Vorstellung fest, die Technik könne mit einem schöpferischen und
musischen Dasein versöhnt werden, wenn man sie nur »in ihr Gebiet«
verweise: »Die Mittel und Methoden des technischen Denkens dürfen
nicht dorthin übergreifen, wo dem Menschen Glück, Liebe und Heil er-
wachsen soll. Es müssen die geistig-titanischen Kräfte von den mensch-
lichen und göttlichen getrennt und ihnen unterstellt werden.« (Ebd., ) 
Auch wenn in diesen Sätzen der Einfluss Friedrich Georg Jüngers er-
kennbar ist, waren sich die Brüder nicht immer darüber einig, inwiefern
diese Unterstellung gelingen kann oder inwiefern die selbstzerstörerische
Eigendynamik des technischen Fortschritts eine solche Einhegung un-
möglich macht. Diese Frage war nach dem Krieg auch Gegenstand des
Gesprächs mit Martin Heidegger.
Allen dreien war unabhängig von der Antwort auf diese Frage ge-
meinsam, dass sie in der »Katastrophe« des Zweiten Weltkriegs zunächst
die Chance einer epochalen Wandlung der seinsvergessenen und gottes-
fernen Zeit erblickten. Darin wiederholte sich die apokalyptische Erwar-
tung, die besonders die Brüder Jünger schon an den Ersten Weltkrieg
gerichtet hatten. Der Zweite Weltkrieg sollte aber nicht mehr wie der
erste den »Auftakt einer gewaltmäßigen, bewaffneten Zeit« (FGJ a,
) bilden, sondern gerade den Auftakt einer friedlichen, der Schöpfung
zugewandten Epoche. Diese Hoffnung auf eine Ȇberwindung der Ver-
nichtungswelt« (EJ /, ) bzw. eine »Überwindung der Meta-
physik« (MH /b), wie es bei Martin Heidegger hieß, wurde in der
Nachkriegszeit allerdings enttäuscht, denn die Brüder Jünger und Hei-
degger erblickten in der Besatzungsherrschaft der Alliierten und in der
Errichtung der Nachkriegsdemokratie nichts als die Fortsetzung des Be-

Dichte, der größten Reibung zubewegen, ist ihre Tendenz eine andere, als wenn
sie ihn passiert haben. Die erste Phase steht unter dem Gesetz der Konzentration,
des Engpasses, der Totalen Mobilmachung, die zweite unter dem der endgültigen
Lagerung und Ausweitung. Es sind ein und dieselben Atome, deren Umlauf das
Bild ergibt.« (EJ /, )
 In den »Strahlungen« empfahl er das Gebet als Gegenmittel gegen die technische
Übermacht: »Was kann man dem Menschen, und vor allem dem einfachen Men-
schen empfehlen, um ihn der Normung, an der auch die Technik ununter-
brochen mitwirkt, zu entziehen? Nur das Gebet.« (Ebd., )
     

stehenden. Die Erwartung eines »anderen Anfangs« wurde, wie schon


bei Heidegger gezeigt, auf eine ferne Zukunft verlegt und das Programm
des »Friedens«, also die geistige Überwindung des Nihilismus, wurde
zum Projekt einer »kleine[n] Elite« (EJ , ), die inmitten einer feind-
lichen Umwelt der Seinsvergessenheit trotzte. Anhand dieser Konstella-
tion, die in den folgenden Kapiteln genauer ausbuchstabiert wird, zeigt
sich erneut, dass der Zweite Weltkrieg für die Denkentwicklung von Hei-
degger und den Brüdern Jünger keinen markanten Einschnitt bedeutete.
Die Denkmuster, mit denen sie ihn interpretierten und einordneten und
an denen sie auch nach  festhielten, hatten sie schon Mitte der er
Jahre, nach dem Scheitern ihres politischen Aktivismus und ihrer Distan-
zierung vom Nationalsozialismus, entwickelt. Nach  änderte sich al-
lerdings das öffentliche Umfeld, in dem sie diese Denkmuster und damit
auch ihre intellektuellen Biografien verteidigen mussten.

 Wobei darin auch ganz konkrete Enttäuschungen deutscher Interessen zum Aus-
druck kamen. So notierte Ernst Jünger kurz nach der Konferenz von Jalta im
Februar : »Wie man hört, soll Polen für an Rußland abzutretende Gebiete
entschädigt werden durch Oberschlesien und Ostpreußen. Das heißt, daß man es
auf der Gegenseite auch nicht besser zu machen gedenkt, als Kniébolo [Hitler] es
gemacht hätte. Die Blindheit der Menschen gegenüber allem, was seit Jahren die
Flammenzeichen so sichtbar lehren, flößt Entsetzen ein.« (Ebd., )
. Streit um die Tat
in der Nachkriegszeit -

.. Kritik und Apologie im Okkupationsdiskurs


Die Brüder Jünger und die Katastrophe der Niederlage

Das Kriegsende im Frühjahr  erlebten sowohl Martin Heidegger als


auch die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger als nationale Nieder-
lage und als Beginn eines neuen Unrechtsregimes. Obwohl die wesent-
liche Zäsur ihrer Denkentwicklung schon Mitte der er Jahre statt-
gefunden hatte und sie die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs in erster
Linie als Bestätigung ihres Denkens verbuchten, bedeutete das Kriegs-
ende daher auch für sie einen markanten Einschnitt. Dies lag zum einen
an ihrem weiterhin bestehenden Nationalismus, für den das Ende des
»Dritten Reiches« trotz aller Kritik am Nationalsozialismus eben auch
das Ende des »Deutschen Reiches« war, weshalb sie die Zerstörung der
deutschen Städte und die Besatzung durch alliierte Truppen, die Gebiets-
abtrennungen im Osten und den »Verlust der nationalen Souveränität«
(EJ /, ) in erster Linie als Demütigung der eigenen Nation emp-
fanden, die mit »ungeheurem Schmerz« (EJ /, ) verbunden war.
Zum anderen sahen sich Heidegger und die Brüder Jünger auch ganz
persönlich einer gewandelten Situation gegenüber. Während sie in den
letzten Jahren des »Dritten Reiches« in der Öffentlichkeit weitgehend
beschwiegen wurden – Goebbels hatte sowohl die Erwähnung von Hei-
deggers Platonaufsatz von  als auch von Ernst Jüngers . Geburtstag
im März  in der Presse verboten – wurden sie ab  in doppelter
Weise zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen: einerseits im Zuge der
alliierten Entnazifizierungs- und Säuberungsanstrengungen und anderseits
auf dem Feld der publizistischen Debatten der Nachkriegszeit. Besonders
Ernst Jünger wurde zum exemplarischen »Fall« gemacht, an dessen Bei-
spiel die Frage nach Wandlung und Beharrungskraft des deutschen Mili-
tarismus, nach Schuld und geistiger Erneuerung diskutiert wurde. Hei-
degger und die Brüder Jünger selbst verweigerten sich dieser Diskussion
allerdings gerade.

  schrieb Ernst Jünger rückblickend an seinen Bruder: »Ich weiß, daß ich den
Krieg, den ich nicht hätte mitgewinnen können, doch mitverloren habe, daher
war  ein Stichjahr […].« (E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger,
DLA Marbach)
     -

Alle drei erlebten das Kriegsende und den Einmarsch der alliierten
Truppen in ländlicher bzw. kleinstädtischer Abgeschiedenheit. Friedrich
Georg Jünger hat seine Erlebnisse am Bodensee in einem kurzen, post-
hum veröffentlichten Manuskript mit dem Titel »Besatzung «
(FGJ ) festgehalten, in dem er nicht nur den Ein- und Durchmarsch
französischer Truppen mit Einquartierungen, Beschlagnahmungen und
Plünderungen schilderte, sondern auch die eigene zeitweilige Internie-
rung in einem Barackenlager, in das er wie alle männlichen Einwohner
zwischen  und  Jahren für ein paar Tage eingewiesen wurde. Ernst
Jüngers Erfahrungen des Kriegsendes und der unmittelbaren Nachkriegs-
zeit in Kirchhorst nordöstlich von Hannover sind in dem  publizier-
ten Tagebuch »Jahre der Okkupation« (EJ /) festgehalten, das den
Zeitraum vom April  bis zum Dezember  umfasst und erst in
späteren Ausgaben als sechster Teil in die »Strahlungen« integriert wurde
(dann unter dem Titel »Die Hütte im Weinberg«). In den Eintragungen
des Jahres , die den Großteil der Aufzeichnungen ausmachen, proto-
kollierte auch er den Einmarsch der amerikanischen Truppen sowie das
materielle Elend der Zivilbevölkerung und der in Niedersachsen ankom-
menden Heimatvertriebenen aus dem Osten.
Jüngers besondere Aufmerksamkeit galt dabei den Nachrichten von
den »grauenhaften Dingen, die aus den Ostprovinzen durchsickern, wo
Mord, Plünderung und unterschiedslose Vergewaltigung offensichtlich
Heereseinrichtungen sind« (ebd., f.). Die Erzählungen von diesen
»grauenhaften Ausmordungen« würden »alles unterbieten, was ich in un-
serer an solchen Schrecken doch überreichen Zeit seit  vernommen
habe« (ebd., ). Jünger setzte die an Deutschen begangenen Verbrechen
damit bewusst in eine Relation zu den von Deutschen begangenen Ver-
brechen der vorangegangenen Jahre und ging noch über eine Gleich-
setzung hinaus. Dies tat er zu einem Zeitpunkt, an dem er nicht nur von
den selbst an der Ostfront beobachteten Kriegsverbrechen wusste, son-
dern auch Details aus den nun befreiten deutschen Konzentrationslagern
kannte. Denn schon am . Mai  berichtete er in seinem Tagebuch,
ausführlich mit einem von zwei ehemaligen Häftlingen aus Bergen-Belsen

 Die »Hütte im Weinberg« stammt aus einer von Jünger zitierten Bibelpassage aus
dem Buch Jesaja, die »eine Lage schildert, die der unseren gleicht: […] ›Euer Land
ist wüst, eure Städte sind mit Feuer verbrannt; Fremde verzehren eure Äcker vor
euren Augen, und es ist wüst wie das, so durch Fremde verheert ist. Was aber
noch übrig ist von der Tochter Zion, ist wie ein Häuslein im Weinberge, wie eine
Nachthütte in den Kürbisgärten, wie eine verheerte Stadt.‹« (EJ /, )
     

gesprochen zu haben, die durch Kirchhorst gekommen waren. Die un-


terschiedliche Bewertung dieser Verbrechen – bei Annnahme ihrer struk-
turellen Gleichartigkeit – begründete Jünger selbst in dem Eintrag vom
. Mai :
»Mord, Vergewaltigung, Raub, Diebstahl, Edelmut, Größe, Beistand
in höchster Not – das alles ist nicht starr auf die Nationen aufgeteilt.
Jede trägt alle Möglichkeiten in sich, in denen der menschliche Cha-
rakter spielt. Wir können jedoch die Zugehörigkeit zu unserem Volk
nicht abstreifen. Es liegt in der Natur der Dinge, daß uns das Unglück
der Familie, das Leiden des Bruders stärker ergreift – und ebenso, daß
wir seiner Schuld enger verhaftet sind. Sie ist die unsere. Wir müssen
dafür gutsagen, müssen sie abzahlen.« (Ebd., )
Aus der hier vorgenommenen Gleichsetzung von Volks- und Familien-
zugehörigkeit wird deutlich, dass Jünger noch immer einem essentialisti-
schen Volksverständnis folgte und etwa die ermordeten deutschen Juden
offenbar nicht zu seinen »Brüdern« zählte. Es bleibt aber bemerkenswert,
dass er hier ausdrücklich von der Annahme einer deutschen Schuld sprach,
auch wenn die Empathie nicht den Opfern dieser Schuld, sondern den
»eigenen« Opfern galt. Von der deutschen Schuld war in den übrigen
Tagebucheintragungen allerdings kaum noch die Rede. Vielmehr diente
der Verweis auf die Ubiquität der Verbrechen und ihre Begründung mit
dem »menschlichen Charakter« gerade der Relativierung dieser Schuld.
Die Gleichsetzung der NS-Verbrechen vor allen Dingen mit der Vertrei-
bung in Osteuropa war dabei ein gängiger Topos der deutschen Nach-
kriegsdiskussion. Er fand sich etwa auch in einem Brief von Sophie Do-
rothee Podewils, den Ernst Jünger in seinem Tagebuch zitierte: »Was sich
im deutschen und auch im ungarischen Gebiet der Tschechoslowakei
abspielte, ist an Tragik nur dem zu vergleichen, was die Juden hier zu
ertragen hatten.« (Ebd., ) Auch Martin Heidegger benutzte diesen
Vergleich in einem Brief an Herbert Marcuse vom . Januar . Sein
ehemaliger Schüler hatte ihn in einem Brief vom August  zu einer
Stellungnahme aufgefordert und ihm unter anderem vorgeworfen, dass
sich ein Philosoph wohl politisch täuschen könne, dass er sich aber nicht
täuschen dürfe »über ein Regime, das Millionen von Juden umgebracht
hat – bloß weil sie Juden waren« . Darauf antwortete Heidegger:

 Vgl. Ebd., f.: »Ich fragte ihn, der eine Reihe von Lagern durchlaufen hatte,
nach Einzelheiten aus. Das grelle Licht fällt jetzt auf diese Orte und löst die Ge-
rüchte ab.«
 Zit. n. Farías, Heidegger, S. .
     -

»Zu den schweren berechtigten Vorwürfen, die Sie aussprechen ›über


ein Regime, das Millionen von Juden umgebracht hat, das Terror zum
Normalzustand gemacht hat und alles, was je wirklich mit dem Begriff
Geist und Freiheit und Wahrheit verbunden war, in sein Gegenteil
verkehrt hat‹, kann ich nur hinzufügen, daß statt ›Juden‹ ›Ostdeut-
sche‹ zu stehen hat und dann genau so gilt für einen der Alliierten, mit
dem Unterschied, daß alles, was seit  geschieht, der Weltöffent-
lichkeit bekannt ist, während der blutige Terror der Nazis vor dem
deutschen Volk tatsächlich geheimgehalten worden ist.« (MH -
, )
Diese Äußerungen Heideggers waren ebenso wie die Jüngers Teil des weit
verbreiteten aufrechnenden Opferdiskurses der Nachkriegszeit und der
frühen Bundesrepublik, den schon Hannah Arendt bei ihrem ersten
Deutschlandbesuch nach dem Krieg als Teil der deutschen »Flucht vor
der Verantwortung«  erkannte. Die meisten ihrer deutschen Gesprächs-
partner tendierten dazu, so Arendt, »die Leiden der Deutschen gegen die
Leiden der anderen aufzurechnen«, und dadurch nahe zu legen, »daß die
Leidensbilanz ausgeglichen sei«. Genau in diesem Sinn schrieb etwa
Gerhard Nebel am . Mai  an Ernst Jünger: »Inzwischen ist nämlich
wohl doch der grösste Teil der ›Schuld‹ durch Leiden aufgearbeitet wor-
den und die Restitution der nationalen Substanz und der verloren ge-
gangenen Ehre ist durch das Unrecht, das uns geschieht, auf dem besten
Wege.« (EJ/GN, )
Die Aufrechnung richtete sich dabei in erster Linie gegen die von der
roten Armee und der Sowjetunion begangenen Gewalttaten, die mit
denen der Deutschen verglichen wurden. Dieser Vergleich fügte sich in
den Antikommunismus der westlichen Staaten und die aufkommende
Blockkonfrontation ein. Er richtete sich aber nicht allein gegen die Sow-

 Vgl. dazu auch Heideggers Stellungnahme zu einem Bericht in der Süddeutschen


Zeitung vom Juni : »Wo Verbrechen geschehen sind, müssen sie gesühnt wer-
den. Wie lange aber will man noch fortfahren, diejenigen, die sich kurze oder
auch längere Zeit politisch geirrt haben, immer neu in der Öffentlichkeit zu dif-
famieren und dies in einem Staat, nach dessen Verfassung jeder Mitglied und
Kämpfer der kommunistischen Partei sein kann. Eine seltsame Verblendung be-
treibt auf diese Weise die Zermürbung und die innere Auflösung der letzten sub-
stantiellen Kräfte unseres Volkes.« (MH -, ) Vgl. zum Briefwechsel
mit Marcuse auch Müller, Bearing Witness, S. f.
 Arendt, Besuch, S. .
 Ebd., S. ; vgl. auch Knoch, Tat als Bild, S. - sowie zum Opferdiskurs der
frühen Bundesrepublik Moeller, War Stories; ders., Deutsche Opfer.
     

jetunion und die unter ihrer Herrschaft vollzogenen Vertreibungen. Der


Verweis auf die deutschen Opfer war gleichzeitig mit der Klage verbun-
den, dass die Deutschen auch von den westlichen Siegermächten unge-
recht behandelt würden. Denn was den Deutschen moralisch zur Last
gelegt würde, würde nun bei anderen gebilligt. So beklagte sich Ernst
Jünger in seinem Tagebuch, dass der »weiße« und der »rote Schrecken«
mit zweierlei Maß gemessen würden, »daß die Beurteiler und Aburteiler
unserer Greuel sich nicht an der Tatsache stoßen, daß sie mit notorischen
Menschen- und Völkerschlächtern an einem Tisch sitzen« (EJ /,
). Am . Juni  notierte er über die Berichte von der Lage in den
von der Roten Armee besetzten Gebieten:
»Die Nachricht kam durch den Londoner Sender, dessen Empörung
über die bei uns zulande begangenen Greuel ich während der letzten
Jahre oftmals billigte. Was soll man aber von dem Behagen denken, das
offenkundig über der Mitteilung dieser neuen Scheußlichkeiten wal-
tete? […] Einäugige Humanität ist widriger als Barbarei.« (Ebd., )
Ernst Jünger sprach in diesem Zusammenhang von einem allgemeinen
»Antigermanismus«, der ebenso wie der »Antisemitismus« zu den »Grund-
stimmungen der Welt« gehöre und »keiner Begründungen« bedürfe
(ebd., ). Diese schiefe Gleichsetzung von »Antigermanismus« und
Antisemitismus war wiederum ein Korrelat des Opfervergleichs, bei dem
aber die deutschen Opfer in der moralisch noch bedauernswerteren Lage
erschienen:
»Der Opfer der vergangenen Jahre wurde, in welch schauerlichen Ver-
liesen sie auch erloschen, doch auf der anderen Seite des Erdballs mit-
leid- und liebevoll gedacht. Sie hatten ihre Anwälte. Die Zahl- und
Namenlosen, die das gleiche Schicksal heute erleiden, sind ohne Für-
sprecher. Ihr Todesröcheln verhallt in fürchterlicher Einsamkeit. Und
wo trotz allen Verheimlichungen ihr Leiden ein wenig durchdringt, da
ruft es ein Gefühl dämonischer Befriedigung hervor.« (Ebd., )
Hier wird deutlich, dass die Deutschen nun gleichsam in den Paria-Status
der Juden eingesetzt und dadurch historisch rehabilitiert werden sollten.
Für Ernst Jünger hatte dies zudem zur Folge, dass er sich nach dem Un-

 An anderer Stelle kommentierte er die moralisch ungünstige Situation der Deut-


schen wie folgt: »Das Schlimmste ist, wenn man sich Schurken gegenüber ins
Unrecht setzt. Man wird dann von ihnen moralisiert, und es gibt keinen uner-
bittlicheren Richter als den, der erstens im Recht und zweitens ein Schurke ist.«
(EJ /, )
     -

tergang des »Dritten Reiches« wieder ganz mit den Deutschen identifi-
zieren konnte, die in der letzten Kriegs- und ersten Nachkriegszeit selbst
von Tätern zu Opfern geworden seien: »Die Lage des Deutschen ist jetzt
ganz ähnlich, wie die der Juden innerhalb Deutschlands war. Dennoch
ist’s besser, als ihn in ungerechter Macht zu sehen; an seinem Elend kann
man sich beteiligen.« (EJ /, ) Gerhard Nebel brachte diese
Wendung mit einer Formel zum Ausdruck, die auch für Ernst Jünger
galt: »Das Elend meines Volkes hat mich wieder an seine Seite ge-
bracht.« So notierte Jünger am . Juni  in seinem Tagebuch: »Daß
ich auf der Seite der Besiegten stehe, kann ich nicht abstreiten. […] Aber
man kann und will sich sein Vaterland nicht aussuchen. Es gehört zum
Schicksal, zur Aufgabe.« (EJ /, f.)
Dieses identifikatorische Bekenntnis war nicht zuletzt Ausdruck einer
Trotzreaktion. Obwohl Ernst Jünger ebenso wie Friedrich Georg Jün-
ger und Martin Heidegger während des »Dritten Reiches« mehr oder
weniger deutliche Kritik am nationalsozialistischen Regime geäußert
hatte und sich selbst zu den geistigen Widerständlern zählte, hatte er
doch stets zwischen diesem Regime und dem deutschen Vaterland unter-
schieden. Als nach dem Krieg nun die Gesamtheit der Deutschen für
den Nationalsozialismus zur Verantwortung gezogen werden sollte, be-
harrte er auf der Unterscheidung zwischen dem Nationalsozialismus und
den Deutschen und forderte in einem Brief an Gerhard Nebel vom
. Februar : »Es ist sehr wichtig, daß das große Opfer des Volkes in
diesen Jahren als Positivum gesehen und als solches vom Negativum der
Partei getrennt werde. Die Tradition muß vom Hakenkreuz getrennt
werden.« (EJ/GN, ) In denselben Kontext gehörte auch die Abwehr
der sogenannten »Kollektivschuldthese«, die von Jünger nicht nur als

 Nebel, Tyrannis, S. .
 Vgl. Laak, Trotz.
  erklärte Jünger seine Zurückhaltung gegenüber dem militärischen Wider-
stand rückblickend in einem Brief an Gerhard Nebel: »Ich hatte zuweilen wäh-
rend dieses Krieges sonderbare Pläne, doch schreckte mich immer das Schicksal
Coriolans. Zu den Distinktionen, auf deren Aufrechterhaltung ich Wert lege, ge-
hört auch die von Hoch- und Landesverrat.« (EJ/GN, ) Darauf antwortete
Nebel: »Die Distinktion von Hoch- und Landesverrat hat mich, als ich in Italien
tätig war, verhindert, überzugehen. Ich hätte mehrmals die günstigsten Gelegen-
heiten gehabt, und hätte den Alliierten auch allerlei mitbringen können. Heute
bedauere ich allerdings, dass ich damals dieser Distinktion unterworfen war. Es
wäre konsequenter und klarer gewesen, wenn ich radikal die aktionsmässigen
Konsequenzen aus meiner Überzeugung gezogen hätte. Es ist dies einer der
schwersten Vorwürfe, die ich mir überhaupt zu machen habe.« (Ebd., f.) Ernst
Jünger hat sich diesen Vorwurf offenbar nicht gemacht.
     

Vorwand der Sieger für die »Ausplünderung« der Deutschen interpretiert


wurde, sondern ihm wiederum Anlass gab, sich mit seinen deutschen
Landsleuten zu solidarisieren. So notierte er am . August  in sei-
nem Tagebuch:
»Die These von der Kollektivschuld hat zwei Stränge, die nebeneinan-
der herlaufen. Für den Besiegten heißt es: ich muß für meinen Bruder
und seine Schuld eintreten. Für den Sieger gibt sie den praktischen Vor-
spann zur unterschiedslosen Ausplünderung. Wird der Bogen über-
spannt, so kann die gefährliche Frage auftauchen, ob der Bruder wirk-
lich so stark im Unrecht war.« (EJ /, ) 
Ernst Jünger verweigerte sich also ostentativ dem von außen auferlegten
Rechtfertigungszwang und opponierte gegen das alliierte Besatzungsre-
gime, das er als unrechtmäßig empfand. Seine Weigerung, einen Entna-
zifizierungsfragebogen auszufüllen, wurde bereits in der zeitgenössischen
Auseinandersetzung um den Fall Jünger bekannt und als Ausweis seiner
Unbelehrbarkeit oder, noch häufiger, seiner Unabhängigkeit gewertet.
Der Spiegel etwa schrieb in seinem Jünger-Porträt von : »Einen Frage-
bogen der Militär-Regierung hat er bis heute nicht ausgefüllt. Er weigerte
sich auch, einen Spruchkammerbescheid zu beantragen, weil er nie der
NSDAP angehört hat.«
Diese Weigerung wird seitdem in der Jünger-Literatur gemeinhin als
Grund für das Publikationsverbot in der britischen Besatzungszone an-
geführt, dem Jünger bis  unterlag. Die genauen Umstände von Jün-
gers verweigertem Entnazifizierungsverfahren sind allerdings gar nicht
im Einzelnen geklärt. Tatsächlich stand Jünger schon seit Mitte  auf

 Vgl. zur Debatte um den Kollektivschuldvorwurf Frei, Einbildungskraft; Lübbe,


Kollektivschuld; allg. auch Eberan, Luther.
 In den Erinnerungen von Ernst Jüngers Frau, die sie  unter ihrem Mädchen-
namen Gretha von Jeinsen publizierte, findet sich ebenfalls eine Passage, in der
die Kollektivschuldthese zurückgewiesen wird und die darüber hinaus einen Ein-
druck von der Haltung des verletzten Stolzes gibt, die viele Deutsche an den Tag
legten; vgl. Jeinsen, Silhouetten, S. .
 Jünger. Der Traum von der Technik, in: Der Spiegel, . Januar , S. -,
hier S. .
 Vgl. etwa Noack, Ernst Jünger, S. ; zeitgenössisch etwa Kuby, Ernst Jüngers
Strahlungen, S. f.: »Würdiger gegenüber der sogenannten Denazifizierung als
viele Deutsche von Rang, entzog er sich dem Spruchkammerverfahren, obschon
er es nicht zu scheuen gehabt hätte, durch einen vier Jahre dauernden Verzicht
darauf, sich gedruckt zu sehen.«
 Darauf hat als einer der wenigen Elliot Neaman hingewiesen, obwohl auch er die
     -

der schwarzen Liste der amerikanischen und britischen Besatzungsbehör-


den mit prominenten Personen aus dem Kulturleben, denen eine Betä-
tigung aus politischen Gründen untersagt werden sollte. An seinen
Bruder schrieb er am . Dezember : »Wie ich höre, stehe ich in der
Russischen Zone auf dem Index, desgleichen im Amerikanischen Gebiet.
Es ist kein neuer Zustand für mich, denn er bestand ja mehr oder minder
deutlich unter allen Regierungen.« Im Juni  musste sich Jünger
dann einer mehrtägigen Befragung vor dem militärischen Oberkomman-
do der Briten in Bad Oeynhausen stellen, über die er seinem Bruder
schrieb: »Ich komme aus Oeynhausen zurück, wo ich für eine Reihe von
Tagen beim englischen Oberkommando war. Es scheint sich dabei um
eine Art von geistiger Skalpjägerei zu handeln; doch brachte ich, wie ich
glaube, die Locke unversehrt zurück.«  Tatsächlich handelte es sich um
ein psychologisches Testverfahren, nach dessen Abschluss Jünger als »für
die Zwecke der Besatzungsmacht untauglich« befunden wurde, weshalb
er weiterhin auf der schwarzen Liste der Information Services Control
Branch geführt wurde. Zur Zeit dieser Befragung war die Entnazifizie-
rung in der amerikanischen Zone bereits auf das Spruchkammerver-
fahren umgestellt worden, das nicht mehr von den Besatzungsbehörden,
sondern von einer deutschen Laienbürokratie getragen wurde und in
dessen Zusammenhang die Registrierung der gesamten erwachsenen Be-
völkerung durch den berüchtigten, von der amerikanischen Militärregie-
rung entworfenen großen Fragebogen erfolgte. In der britischen Zone
wurde das Spruchkammerverfahren aber erstens erst später eingeführt
und zweitens ohne allgemeine Registrierungspflicht, so dass unklar ist,
wann genau Ernst Jünger das Ausfüllen welchen Fragebogens und das
Erscheinen vor welchem Spruchkammergericht verweigert hat. Das schon
seit  bestehende Publikationsverbot kann jedenfalls nicht auf die Ver-
weigerung zur Teilnahme am Entnazifizierungsverfahren  zurück-

Darstellung übernommen hat, dass Jünger  wegen seiner Weigerung, vor
einem Denazifizierungsausschuss zu erscheinen, auf die schwarze Liste gesetzt
worden sei, auf der er aber schon seit  stand; vgl. Neaman, Dubious Past,
S. f.
 Vgl. S. B. J.: Die »Weiße Liste« deutscher Kultur. Ausschaltung nationalsozialisti-
scher Elemente aus dem Kunstleben, in: Die Neue Zeitung. Eine amerikanische
Zeitung für die deutsche Bevölkerung, . Oktober , zit. n. EJ/GN, f.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. EJ/GN, f.
 Vgl. Vollnhals, Entnazifizierung, S. f.; als knappen Überblick auch Henke,
Trennung.
     

gehen. In »Jahre der Okkupation« ist nur einmal von einem Fragebogen
die Rede, und zwar im Eintrag vom . September , allerdings nicht
im Zusammenhang mit Entnazifizierung oder Publikationsverbot.
Auch wenn die Art von Jüngers Verweigerung gegenüber dem Entna-
zifizierungsverfahren also nicht eindeutig zu klären ist, geht seine Oppo-
sition dazu aus den angeführten Zitaten doch eindeutig hervor. Diese
zeigen zudem, dass Jünger das Regime der Alliierten in direkte Kontinui-
tät zu dem des »Dritten Reiches« setzte und sich selbst zum strukturellen
Oppositionellen erklärte. So schrieb er auch im Vorwort zu den »Strah-
lungen« von : »Die Aufeinanderfolge der Autoritäten im modernen
Staate ändert die Argumente, nicht aber die Mittel der Gewalt. Bei eini-
ger Abweichung von der Norm wird man auf alle Fälle gefährdet sein.«
(EJ /, )  Die Kontinuität vom »Dritten Reich« zur Besatzungs-
herrschaft sah Jünger einerseits im modernen, technisch-rationalen Cha-
rakter der Verwaltung, wie er ihn im Instrument des Fragebogens selbst
versinnbildlicht sah. Darüber hinaus sprach er aber auch von der »Politik
des niederen Demos«, die »seit  nicht abgerissen ist, sondern ihre di-
rekte Fortsetzung und Steigerung erfährt«. So schrieb er am . Juli 
an seinen Bruder:
»Niekisch fragte mich brieflich, ob ich wirklich englischen Besuchern
gegenüber die Bildung eines gegen den Volkswillen gerichteten Ober-
hauses befürwortete. Ich antwortete ihm, daß das zu den Erfindungen
zähle, die zahlreich umlaufen, doch daß ich damit nicht sagen wolle,
daß die Erfahrungen, die ich in diesen Jahren sammelte, nun eine
besondere Ehrfurcht vor dem Volkswillen in mir entwickelten. Merk-
würdig, wie alles, was man im dritten Reiche sah, geradlinig weiter-
läuft, nicht nur die Einrichtungen, Methoden und Bedrückungen,
sondern sogar die Redensarten, die man sich kaum zu frisieren die
Mühe macht.«

 Vgl. EJ /, : »Rückkehrend fand ich auf meinem Schreibtisch einen lan-
gen Fragebogen des Arbeitsamts für meinen Hausstand vor. ›Falsche Angaben
werden durch die Gerichte der Militärregierung verfolgt.‹ Jetzt haben sie einen
neuen Herrn. Ich wußte wohl, daß man dergleichen beibehalten würde, das In-
strument ist zu bequem. Die Regierungen lösen sich wie Glieder eines Band-
wurms ab; ihr Kopf, ihr intelligibler Charakter bleibt bestehen.«
 In späteren Auflagen fügte Jünger dieser Passage noch den Satz hinzu: »Die Ver-
folger lösen sich ab, allerdings nur auf den Treibjagden.« ( Jünger, Ernst: Strah-
lungen I, München , S. .)
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Die oben beschriebene Gleichsetzung der Opfer bedeutete also auch eine
Gleichsetzung der Täter, die wiederum aus der schon während des »Drit-
ten Reiches« entwickelten Nivellierungsargumentation resultierte, die im
Nationalsozialismus nur eine Form des nihilistischen Massenregimes ne-
ben anderen erkennen wollte. Diese Nivellierung bezog sich nicht nur
auf Nationalsozialismus und Bolschewismus, sondern auch auf die USA.
Im Zusammenhang einer Bemerkung, die die »bedingungslose Kapitula-
tion« als »Gegenstück zum totalen Krieg« (EJ /, ) und als Frei-
brief zur Entrechtung der Unterlegenen interpretiert, notierte Jünger:
»Der Anspruch auf bedingungslose Kapitulation kündet die Absicht
an, den Feind unter Sachenrecht zu stellen; Menschen- und Völker-
recht, einschließlich der Unverletzlichkeit der Gefangenen, sind auf-
gehoben – es wird eine physikalische, zoologische oder technische Tat-
sache konstatiert. Man kann den Besiegten ausrotten und austreiben,
wie es in unseren Ostprovinzen geschieht, man kann ihn wirtschaft-
lich vernichten und versklaven, wie es in New York entworfene Pläne
vorsehen.« (Ebd., )
In ähnlicher Weise setzte auch Friedrich Georg Jünger die Besatzungs-
mächte miteinander und mit dem Nationalsozialismus gleich. Der »Ter-
rorismus« sei »das Prinzip aller Regierung und Verwaltung geworden« und
habe in der Moderne zum »perfekt gewordenen Polizeistaat« (FGJ/GN,
f.) geführt, in dem man auch gegenwärtig noch lebe. In einem Brief
an seinen amerikanischen Verleger vom . November  schrieb er:
»Die Besatzungsmächte wirken in Deutschland durch ihre Machtbe-
fugnisse wie durch ihr Auftreten als totalitäre Systeme, galvanisieren
also die Mumie des Nationalsozialismus. Der jetzige Zustand ist gro-
tesk, denn von allen Seiten wird uns von schwerbewaffneten Leuten
Demokratie gepredigt. Da diese die Souveränität des Volkes voraussetzt,
können Sie leicht ermessen, welcher Schwindel mit Begriffen hier im
Gange ist.«
Mit Äußerungen wie diesen beteiligten sich beide Brüder Jünger am
»Diskurs der Okkupation«, für den etwa auch Ernst von Salomons Best-
seller »Der Fragebogen« von  ein markantes Beispiel war. Schon der

 F. G. Jünger an H. Regnery, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 Vgl. Streim, ›Diktatur‹. Gretha Jünger berichtete dem Weggefährten aus der Zwi-
schenkriegszeit brieflich, dass sie der abendlichen Hausgemeinschaft der Jüngers
regelmäßig aus dem »Fragebogen« vorlese; vgl. G. Jünger an E. v. Salomon,
.., A: Jünger, DLA Marbach.
     

»Fragebogen« ist allerdings erst nach dem Scheitern der Entnazifizierung


und dem Beginn der restaurativen Vergangenheitspolitik der jungen
Bundesrepublik erschienen (und war insofern nur halb so oppositionell,
wie von Salomon sich gerierte). Ernst Jünger rechtfertigte die Tatsache,
dass er seine Nachkriegsaufzeichnungen bei der Veröffentlichung der
Kriegstagebücher  zunächst zurückhielt, damit, dass sie »noch der
Nachreife bedürftig« (EJ /, ) seien. Als sie dann  erschienen,
bemerkte Franz Schonauer in einer zeitgenössischen Rezension, dass es
»nicht nur ein zeitlicher Unterschied [ist], wenn ein solches Buch statt
etwa  acht Jahre später erscheint. Was damals – aus der Situation –
als Kritik am Verhalten der Besatzungen in Deutschland zum Beispiel
Berechtigung gehabt hätte, ist heute, ohne daß der Versuch einer
historischen Objektivierung gemacht wird, kein Beweis für Vater-
landsliebe, sondern eher einer für Ressentiment.« 
Dass sich dieses Ressentiment zwischen  und  hauptsächlich in
Briefen und unveröffentlichten Aufzeichnungen aussprach, ist allerdings
gerade eines der Charakteristika des Okkupationsdiskurses, denn dieser
entfaltete sich bewusst klandestin und gegen die angeblich herrschende
Meinung gerichtet. Ein weiteres einschlägiges Dokument dieses Dis-
kurses ist Carl Schmitts posthum veröffentlichtes »Glossarium«, das Tage-
bucheinträge der Jahre  bis  enthält und in dem er am . März
 notierte: »Wir sind besiegt, zu Boden geworfen, subjugiert, gevierteilt
und zertreten, aber wir sind in keiner wesentlichen Hinsicht vernichtet,
auch nicht moralisch oder juristisch. Wir sind okkupiert, aber nicht er-
obert.« Dass Carl Schmitt und die Brüder Jünger mit dieser Haltung

 Vgl. zum Übergang von der Entnazifizierung zur bundesrepublikanischen Ver-


gangenheitspolitik Frei, Vergangenheitspolitik.
 Schonauer, Ressentiment, S. .
 Im Übrigen richtete er sich auch gegen »gewisse Emigrantenkreise« (EJ/GN, ),
von denen Ernst Jünger annahm, dass sie die Unterdrückung der »originale[n]
Kräfte« (ebd.) – d. h. der in Deutschland gebliebenen Autoren – gezielt betrieben
und ihre diskursive Vorherrschaft »im Schatten der Bajonette« (ebd.) der Alliier-
ten errichteten; vgl. dazu auch den Streit zwischen innerer und äußerer Emigra-
tion in den Personen von Thomas Mann, Walter von Molo und Frank Thiess, bei
dem von Molo und Thiess ebenfalls im Sinne des Okkupationsdiskurses gegen
Mann argumentierten; Grosser (Hg.), Grosse Kontroverse; Olick, House, S. -
.
 Schmitt, Glossarium, S. . Am . März  nannte Schmitt den Fragebogen
»eine bolschew.-amerikanische Erfindung« (ebd., ). Vgl. zu Schmitt unten,
Kap. ..
     -

nicht allein standen und mit ihrem verletzten Nationalstolz und der
Kritik an der Besatzungsherrschaft eine in der deutschen Nachkriegsbe-
völkerung weit verbreitete Stimmung vertraten, änderte nichts an ihrem
Selbstbild und ihrer Selbststilisierung als verfolgte Außenseiter.
Die trotzige Selbstbehauptung richtete sich dabei zunächst gegen die
von den Alliierten erhobenen Vorwürfe an die Deutschen. Diese waren
dem Kriegslogiker Ernst Jünger als Recht des Siegers allerdings bis zu
einem gewissen Grad verständlich. Noch stärker als über die Alliierten
empörte er sich über die Deutschen, die ebenfalls eine Aufarbeitung der
deutschen Schuld forderten, sich dem alliierten Reeducation-Programm
anschlossen oder gar direkt im Dienst der Besatzungsbehörden standen.
So bemerkte er am . März  in seinem Tagebuch über die Lage der
Besiegten:
»Das wäre erträglich und wird verständlich, wenn man sich mit der
Tatsache abfindet, daß man den Krieg verloren hat und daß Schulden
abzutragen sind. Unangenehmer sind die Landsleute, die sich ein-
bilden, daß sie den Krieg mitgewonnen haben, wobei sie sich einer
verhängnisvollen Täuschung hingeben. Das Gespräch mit solchen
Gästen erinnert an die Zeiten der Gleichschaltung, in denen es mit
umgekehrten Vorzeichen geführt wurde. Der Typus des Belasteten
durchwandert die Systeme und mit ihm der Typus des Verfolgers, sich
mit ihm ablösend, oft in derselben Person.« (EJ /, )
Zum Zeitpunkt dieser Bemerkung hatte Jünger bereits erste Erfahrung
mit Deutschen gemacht, die in ihm einen Repräsentanten wenn nicht
des Nazismus, dann des deutschen Militarismus und radikalen Nationa-
lismus sahen, der im neu zu errichtenden Deutschland keine Rolle mehr
spielen dürfe. Die öffentliche Kontroverse um die Person Ernst Jüngers
setzte zu dieser Zeit aber gerade erst ein. Sie folgte unter anderem auf den
Bericht des französischen Journalisten Didier Raguenet über einen Be-
such bei Jünger, bezog sich dann aber in erster Linie auf Jüngers Frie-
densschrift und die Frage, ob der Appell zum »allen Frucht bringenden«

 Vgl. zur weit verbreiteten Kritik an den Alliierten Foschepoth, Reaktion; Olick,
House.
 Vgl. Raguenet, Ernst Jünger. In der schweizerischen Weltwoche wurde dieser Be-
richt zusammen mit einem Porträt Ernst Jüngers von Jean Schlumberger zusam-
mengefasst, was wiederum im April  in der in Deutschland erscheinenden
Neuen Auslese aus dem Schrifttum der Gegenwart nachgedruckt wurde. Ein wei-
terer ausländischer Besucher Jüngers, dessen Besuchsbericht später für Kontro-
versen sorgte, war Stephen Spender; vgl. Spender, Deutschland, S. - .
     

Frieden aus dem Mund eines bekannten Militaristen überzeugend sei.


Einer der schärfsten Kritiker Jüngers war Wolfgang Harich, der mit Blick
auf den »Frieden« nicht nur kritisierte, dass Jünger »die deutsche Schuld
in einer mystischen Weltschuld« versenke, sondern Jünger auch zu den
»aktiven Schrittmachern des Nationalsozialismus« zählte und forderte,
»daß diesem Mann das Handwerk gelegt und daß er daran gehindert
wird, Deutschland geistig zu repräsentieren«. Da sich neben Harich auch
andere prominente Mitglieder des »Kulturbunds zur demokratischen Er-
neuerung Deutschlands«, der Schriftstellervereinigung in der sowje-
tischen Besatzungszone – Gerhard Nebel sprach im Sinne Jüngers von
der »marxistische[n] Literatenclique« (EJ/GN, ) –, an der Jüngerkritik
beteiligten, ging dieser davon aus, dass es sich um eine (mehr oder weni-
ger direkt aus Moskau) gesteuerte Pressekampagne gegen ihn handelte.
Tatsächlich wurde der »Fall Jünger« aber auch in Westdeutschland kon-
trovers diskutiert, wie etwa eine Radiodiskussion im Nordwestdeutschen
Rundfunk und eine Zusammenstellung von » Meinungen über Ernst
Jünger« in der Hamburger Akademischen Rundschau zeigen.
Diese umfangreiche Kontroverse um Jünger kann hier nicht im Ein-
zelnen nachgezeichnet werden. Ihr zentrales Thema war aber stets die
Frage nach seiner Wandlung. Denn auch die Verteidiger Jüngers bestrit-
ten in der Regel nicht, dass er während der er Jahre ein militanter
Nationalist und Wegbereiter des Nationalsozialismus gewesen sei. Sie
wiesen aber auf die Veränderungen hin, die sein Werk und seine politi-
sche Haltung seit den er Jahren durchlaufen hätten, und betonten
dabei seine oppositionelle Haltung während des »Dritten Reiches«, wie
sie etwa in den »Marmorklippen« dokumentiert sei, sowie seine Hinwen-
dung zum Christentum. Die Kritiker dagegen hielten diese Wandlung
für unglaubwürdig oder vordergründig und gingen davon aus, dass Jün-

 Harich, Ernst Jünger, S. ,  u. ; vgl. auch ders., Und noch einmal.
 Innerhalb des Kulturbunds gehörte Ernst Niekisch zu den wenigen Verteidigern
Jüngers; vgl. dazu unten, Kap. ..
 Vgl. Debatte über Ernst Jünger, in: Nordwestdeutsche Hefte  (), S. ff.; 
Meinungen über Ernst Jünger, in: Hamburger Akademische Rundschau  (/
) , S. -; Um Ernst Jünger. Fortsetzung einer Debatte, in: Hamburger
Akademische Rundschau  (/) , S. -.
 Vgl. als zeitgenössischen Überblick Paetel, Weg und Wirkung, der insgesamt 
deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel zu Jünger aus den Jahren -
auflistet (S. -) und auf mehrere der Diskussionsbeiträge eingeht; außer-
dem Dietka, Ernst Jünger nach , S. -.
 Vgl. Paetel, Wandlung; Clair, Ernst Jünger; Arnold, Weg und Wandlung; Baden,
Wandlung.
     -

ger sich gleich geblieben sei. Vor allen Dingen vermissten sie ein klares
Bekenntnis Jüngers zu seiner Wandlung, denn, so Kurt Hellmer: »Von
Schuldbekenntnis, Reue und Sühne ist bei Jünger nicht die Rede.« Die-
ser Kritikpunkt blieb auch nach der Veröffentlichung der »Strahlungen«
und des Romans »Heliopolis«  bestehen. So schrieb Peter de Men-
delssohn in seiner ausführlichen, durchaus abgewogenen, letztlich aber
vernichtenden Kritik an den »Strahlungen«: »Ich sehe aber, daß der
Mehrzahl der Menschen ihre Irrtümer und Widersprüche unerträglich
sind und bedauere, daß Jünger zu dieser Mehrzahl gehört.« Und ein
Rezensent von »Heliopolis« erklärte, er »vermisse die schonungslose Selbst-
befragung« .
Friedrich Georg Jünger blieb im Vergleich zu seinem Bruder wesent-
lich unbehelligter, sowohl von den Besatzungsbehörden als auch von der
öffentlichen Kritik. Er stand anfänglich zwar ebenfalls auf der black list der
amerikanischen Besatzungsbehörden, doch offenbar ohne Konsequen-
zen, denn sobald sein Frankfurter Verleger Vittorio Klostermann die Ver-
lagslizenz erhalten hatte, konnten wieder Bücher von Jünger erscheinen,
so schon  »Die Perfektion der Technik« und der Gedichtband »Der
Westwind«. Friedrich Georg Jünger hat von dieser schwarzen Liste offen-
bar auch nichts gewusst (vgl. FGJ/EN, ). Zur Erlangung der Lizenz für
die »Perfektion der Technik« musste der Verleger Vittorio Klostermann
allerdings eine ausführliche Darlegung von Friedrich Georg Jüngers Un-
bedenklichkeit bei der Militärregierung einreichen. Darin nannte er
nicht nur Jüngers Verbindungen zum Widerstand, sondern argumentierte
auch mit dem kritischen Gehalt der »Perfektion« selbst:
»Für den aufmerksamen Leser geht aus dem Text deutlich hervor, daß
mit der Perfektion der Technik der Versuch des Dritten Reiches, durch
eine ins äußerste gesteigerte technische Organisation zu einem Erfolg
zu kommen, gemeint war. Das Buch enthält eine Fülle von kritischen

 Zit. n.  Meinungen, S. .


 Mendelssohn, Gegenstrahlungen, S. . Aufgrund von Jüngers mangelnder Ehr-
lichkeit gegenüber der eigenen Verantwortung befürchtete de Mendelssohn, die
»Strahlungen« könnten »zu einem Handbuch und Wegweiser: ›Wie entnazifizie-
re ich mich selbst?‹ werden« (ebd., ); vgl. dazu auch ders., Geist, S. -.
 Berglar-Schroer, Heliopolis, S. . Alfred Andersch nahm Jünger gegen diese Art
der Kritik in Schutz. In seiner Rezension der »Strahlungen« konstatierte er zwar
auch Jüngers Wandlung und dabei besonders die »Liquidation des eigenen natio-
nalistischen Denkens von früher«, wies aber die Enttäuschung anderer Kritiker
zurück, dass »der Autor sich aus diesem Anlaß nicht als ›großer Gescheiterter‹
präsentiert«, denn »man ist nicht gescheitert, weil man seine Ideen zu ändern
gezwungen ist« (Andersch, Strahlungen, S. ).
     

Bemerkungen zu den Zuständen im totalen Staat. Um eine Veröffent-


lichung zu ermöglichen, wurde jedoch der Nationalsozialismus nicht
ausdrücklich genannt. […] Von einer Kommission amerikanischer
Offiziere (Strategic bombing survey), die auch die Aufgabe hatte, die
Formen und Methoden des Widerstandes gegen den Nationalsozialis-
mus zu studieren, wurde es als ein besonders eindrucksvolles Beispiel
zitiert, wie in Deutschland versucht wurde, die Kritik am National-
sozialismus wachzuhalten.«
 füllte Friedrich Georg Jünger den Fragebogen der französischen Be-
satzungszone aus und wurde daraufhin von der Chambre d’épuration im
August  als unbelastet eingestuft. Im August  wurde er aller-
dings in den Streit um seinen Bruder hineingezogen. Gerard W. Speyer
erinnerte in der amerikanischen Zonenzeitung Die Neue Zeitung an Fried-
rich Georg Jüngers »Aufmarsch des Nationalismus« und wollte auch in
seinem Fall nichts von einer Wandlung wissen: »Es besteht kein Grund
anzunehmen, daß Friedrich Georg Jünger – von Ernst ganz zu schweigen
– etwas anderes ist als der Vertreter der Totalität und des Militarismus.« 
Wie Friedrich Georg Jünger nach einem Besuch in Frankfurt an seine
Frau schrieb, interessierten sich aufgrund dieses Artikels nun auch die
alliierten Besatzungsbehörden für seinen Fall:
»In der Höhle des Löwen war ich auch, nämlich bei Mr. Frenkel, dem
amerikanischen Überwacher des Verlags- und Buchwesens. Der An-

 Vittorio Klostermann, Liz. Nr. , Zu Friedrich Georg Jünger, Die Perfektion der
Technik, A: Klostermann, DLA Marbach.
 Auf dem Fragebogen gab er zu seiner Tätigkeit während des »Dritten Reichs« an:
»Ich war Mitarbeiter der Widerstandsbewegung, einer antinazistischen Gruppe,
die sich vor  in Berlin unter der Führung von Ernst Niekisch bildete. Im
Jahre  wurde diese Gruppe verboten. Ernst Niekisch wurde verhaftet und zu
lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Befreit im Jahre , wohnt er jetzt er-
blindet und gelähmt in Berlin. Er war mein Verleger, und ich war Mitarbeiter
seiner Zeitschrift ›Widerstand‹. Bei ihm veröffentlichte ich das Buch ›Gedichte‹,
in dem sich ein Angriff auf Hitler und seine Partei findet, der geheim in Deutsch-
land verbreitet und oft in ausländischen Zeitungen gedruckt wurde. Als Mit-
arbeiter der ›Widerstandes‹ wurde ich auf die Liste der Gestapo gesetzt und zwei-
mal vernommen, einmal in Leisnig (Sachsen), ein anderes Mal nach dem ..
in Überlingen in Gegenwart meiner Frau.« (Dokumente aus der Zeit der franzö-
sischen Besatzung, D: F. G. Jünger, DLA Marbach) Unter der Rubrik »alle Ver-
öffentlichungen von  bis zum heutigen Tage« nannte er unter den Büchern
zwar auch den »Aufmarsch des Nationalismus«, gab bei den Aufsätzen seine Bei-
träge für die nationalistischen Zeitschriften der Weimarer Republik aber nicht an.
 Speyer, Die Stillen.
     -

griff gegen mich hat viel Staub aufgewirbelt, stösst aber auf Gegen-
wehr. Klostermann reist in den nächsten Wochen nach Berlin, be-
gleitet von Mr. Frenkel, der mich seiner Hilfe versicherte. Die Hinter-
gründe des Angriffs sind wohl ganz diejenigen, die ich vermutete.
Verwundert war ich doch von dem Interesse, das dieser Steinwurf her-
vorruft, denn Kontrollrat, Generalität, Administration stecken nun
ihre langen Nasen in meinen kleinen Garten.«
Wie auch aus dem Briefwechsel mit seinem Verleger Klostermann hervor-
geht, führte der Artikel in der Neuen Zeitung zwar nicht direkt zu Publi-
kationseinschränkungen, bis  gab es in einzelnen Fällen aber immer
wieder Schwierigkeiten bei der Lizenzvergabe für Friedrich Georg Jüngers
Bücher. Nicht zuletzt aufgrund der Solidarität zu seinem Bruder fühlte
sich daher auch er als ein von der gelenkten Öffentlichkeit Verfolgter.
Die Antwort auf diese gefühlte Verfolgung und das angeblich grassie-
rende »Denunziantenwesen«  war der Rückzug aus der Öffentlichkeit
und die Rückbesinnung auf die eigene musische Tätigkeit, die von den
Angriffen der Presse ganz unberührt bleibe. In einer »ruhmlosen Zeit«, so
schrieb Friedrich Georg Jünger im August  an seinen Bruder, und
angesichts eines »ehrlos gewordenen Volke[s]«, dem das »Bild des gei-
stigen Menschen« nichts gelte, weiche er »in Räume aus, in denen die
Anstrengungen der Mißgünstigen ganz illusorisch werden«. An Ernst
Niekisch schrieb er angesichts der zeitweiligen Unsicherheit seiner Publi-
kationsmöglichkeiten: »Würde man mich auf eine schwarze Liste setzen,
so könnte auch das mich nicht berühren, denn weder Bilder noch Ge-
danken werden mir dadurch abgeschnitten.« (FGJ/EN, f.) In einem
späteren Brief fügte er mit Blick auf Gerard W. Speyer, den Autor des
Artikels in der Neuen Zeitung, der auch mit Niekisch ein Streitgespräch
über den Fall der Brüder Jünger hatte, hinzu: »Er hat nicht die Fähigkeit,
mich zu schädigen. Er denkt vielleicht, dass er einen Autor schädigen
könne, wenn er es dahin bringt, ihm das Publizieren zu verbieten. Aber
das schädigt einen Autor nicht, allenfalls seine Leser. Diese Methoden
haben sich schon in den letzten zwölf Jahren nicht bewährt.« (Ebd., )

 F. G. Jünger an C. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


Schon Anfang August, also noch vor Veröffentlichung des Artikels in der Neuen
Zeitung, hatte Jünger an seinen Bruder geschrieben, er habe von Klostermann
erfahren, dass »auch gegen mich beim Kontrollrat Beschwerden eingegangen [sei-
en], die das Technikbuch betreffen« (F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Ab-
schrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach).
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     

Dieser Hinweis auf die Methoden der letzten zwölf Jahre erneuerte
nicht nur die Gleichsetzung von NS- und Besatzungsherrschaft, sondern
signalisierte auch eine Fortsetzung der »inneren Emigration« unter verän-
derten Bedingungen, aber mit gleichen Mitteln. Die Idee einer Kontinu-
ität der Verfolgungssituation, in der auch die Reaktionsmuster darauf
identisch bleiben, zeigte sich besonders deutlich in einem Text, den Carl
Schmitt im Winter / während seiner Internierung in Berlin-
Wannsee geschrieben hatte und der  in seinem schmalen Sammel-
band »Ex Captivitate Salus« erschien. Schmitt unternahm darin eine
Verteidigung in eigener Sache. Er betonte zunächst, dass die Totalität des
NS-Regimes nicht so lückenlos gewesen sei, wie dessen Propaganda es
habe glauben machen wollen und dass auch »im Inneren, in den Fängen
des Leviathan selbst« die »unveräußerliche Freiheit« des Geistes habe
bewahrt werden können. Zum Beleg der eigenen inneren Emigration
zitierte Schmitt sich selbst mit einem Satz aus seiner  veröffentlichten
Abhandlung »Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes«:
»Wenn in einem Lande nur noch die von staatlicher Macht organisierte
Öffentlichkeit gilt, dann begibt sich die Seele eines Volkes auf den ge-
heimnisvollen Weg, der nach Innen führt; dann wächst die Gegenkraft
des Schweigens und der Stille.« Für die Zeit nach  reklamierte
Schmitt nun einen fairen, vorurteilslosen Umgang mit seinen wissen-
schaftlichen Erzeugnissen aus der Zeit des »Dritten Reiches«, der ihm in
einer »freie[n] Öffentlichkeit« zustehe. Für den Fall aber, dass dieser faire
Umgang ausbleibe, kündigte Schmitt an, dass er nicht vergessen werde,
»was wir in der Gefahr jener zwölf Jahre erfahren haben: den Unterschied
von echter und falscher Öffentlichkeit und die Gegenkraft des Schwei-
gens und der Stille« . Da in Schmitts Augen die faire Auseinanderset-
zung mit seinem Denken nach  nicht stattgefunden hat und die neue
Öffentlichkeit ihm verschlossen blieb, wird deutlich, dass er nun in Fort-
setzung der »inneren Emigration« weiter auf die besagte Gegenkraft
setzte. Sie bestand vor allen Dingen in einem Beharren auf dem Eigenen
und Eigentlichen, das durch Angriffe von außen nicht zu beschädigen
sei. Schmitt sprach im »Glossarium« von seinem »Recht auf Riservata
und Arcana« , und in »Ex Captivitate Salus« rechtfertigte er, dass er

 Vgl. zu Carl Schmitt unten, Kap. ..


 Schmitt, Ex Captivitate Salus, S. .
 Ebd.
 Ebd., S. f.
 Schmitt, Glossarium, S. .
     -

überhaupt zum Mittel der Publikation griff: »Ich spreche, weil ich eini-
gen verstorbenen Freunden ein Wort nachrufen will […]; weil ich einigen
lebenden Freunden, von denen ich getrennt bin, und treuen Schülern in
allen Ländern ein Zeichen geben möchte […]. Mit ihnen zu sprechen,
verletzt kein Arcanum. Uns alle verbindet die Stille des Schweigens
[…].«
Dieser Rückzug ins Schweigen, in dem nur mit engen Freunden und
Gleichgesinnten kommuniziert werden sollte, erscheint hier als defensive
Krisenbewältigungsstrategie, die der Selbstbehauptung diente. Sie wurde
auch von den Brüdern Jünger verfolgt, die ja unter anderem zu den von
Schmitt gemeinten Freunden gehörten. So erklärte Ernst Jünger in einem
Brief an den französischen Schriftsteller Robert Morel vom . September
, er gedenke den »Frieden« »erst erscheinen zu lassen, wenn ich über-
zeugt bin, daß von geistiger Freiheit die Rede sein kann […]. Der Autor
spricht nicht nur, wenn er publiziert, sondern auch, wenn er schweigt.«
Friedrich Georg Jünger begründete die Absage, die er Alfred Döblin auf
dessen Aufforderung zur Mitarbeit an der Zeitschrift Das Goldene Tor er-
teilte, mit den Worten: »Ich habe mich nun, um meine Arbeit nicht aus
dem Auge zu verlieren, nach der Weise indischer Büsser zu einer völligen
Askese entschlossen und in den Turm des Schweigens zurückgezogen.«
Das Bild des Büßers war dabei allerdings nur bedingt passend, denn das

 Schmitt, Ex Captivitate Salus, S. f.


 E. Jünger an R. Morel, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an A. Döblin, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
In den Briefjournalen Friedrich Georg Jüngers finden sich in den Nachkriegsjah-
ren viele vergleichbare Absagen. Die folgende vermittelt ebenfalls ein gutes Bild
von F. G. Jüngers Rückzugsstrategie, die gleichzeitig eine Absage an die politische
Tätigkeit überhaupt beinhaltete: »Wichtiger scheint mir im Augenblick eine be-
scheidenere Aufgabe, nämlich freundlicher Austausch von Gedanken und Emp-
findungen, der keinerlei Organisation bedarf, humanes Gespräch mit jedermann
und Heilung der Wunden, die offen und empfindlich sind. Dieser Aufgabe suche
ich zu genügen, so gut ich kann, und glaube ihr am besten zu genügen, wenn ich
still für mich arbeite. Von dieser Arbeit darf ich mich nicht wegbegeben. Das ist
nicht immer leicht, denn es vergeht keine Woche, in der nicht Ansuchen um
Mitarbeit an mich gestellt werden, von Deutschen, Franzosen, Schweizern und
Amerikanern. Ich muss, wenn ich arbeiten will, diese Ansuchen ablehnen, selbst
wenn ich dem Gegenstand zustimme. Den Glauben des Menschen an Organi-
sation teile ich nicht; man muss doch sehen, dass alles, was durch Organisation
geleistet werden konnte, in den letzten Jahrzehnten getan worden ist. Das Er-
gebnis sieht auch danach aus. Zudem entferne ich mich Jahr für Jahr von allem
Polemischen.« (F. G. Jünger an Schneider-Hassel, .. (Abschrift), D: F. G.
Jünger, DLA Marbach)
     

Schweigen war ja gerade auch eine Abwehr der Aufforderung zum


Schuld- und Reuebekenntnis. So notierte Friedrich Georg Jünger im
März  in seinem Tagebuch: »Was mich abstößt an der Gegenwart, ist
die Geschwätzigkeit, der Bekenntnisdrang, der Hang zur Selbsterniede-
rung [sic], das Bußgeschrei, die falsche, aufgenötigte Christlichkeit. Men-
schen, die einem geschichtlichen Moment nicht gewachsen sind, treten
hervor und schlagen sich vor die Brust. Schweigen aber wäre Gold.«
Ein Schuldbekenntnis verweigerte Friedrich Georg Jünger – ebenso
wie Ernst Jünger oder Carl Schmitt – allerdings nichts allein, weil er der
Meinung war, sich nichts vorzuwerfen zu haben. In erster Linie erkannte
er weder die Öffentlichkeit noch die Besatzungsbehörden als legitime
Instanz an, vor der er sich zu rechtfertigen hätte. Das geht aus einem
Brief hervor, in dem Jünger seine Beteiligung an einer Gedichtanthologie
unter anderem wegen eines geplanten Anhangs mit Angaben zu den
Autoren absagte:
»Dieser Anhang ist nicht nur biographisch, er enthält auch Anmer-
kungen aus der politischen Biographie der Autoren. Für wen? Für die
Zensoren der Besatzungsmächte? Oder für die antifaschistischen Or-
ganisationen, die jetzt den Nationalsozialismus fortsetzen, indem sie
ihm opponieren? Ich will weder anklagen noch verteidigen. Auch ist
mein polemisches Bedürfnis sehr gering. Es ist wahr, ich habe die Par-
tei in Gedichten angegriffen, und zwar zu einer Zeit, in der sie an der
Macht war. Aber es widerstrebt mir durchaus, aus diesen Gedichten
eine Art von Beweisstücken zu machen. Vor wem denn hätte ich mich
zu rechtfertigen? Vor einer Konfession, einer Allianz, einem Staate,
einer Partei? Oder auch vor dem Landsmann, der Denunziationen
schmiedet? Ich weiss recht gut, was gewesen ist, und ich ahne auch,
was heraufkommt.« 
Dem Aufruf zum Reuebekenntnis und zur Umkehr setzten die Brüder
Jünger gerade die Behauptung einer Treue zu sich selbst und die Selbst-
darstellung als unabhängige und freie Geister entgegen. In einem Brief
an seinen Bruder vom Juli  schrieb Ernst Jünger: »Die Berliner Zei-
tungs-Campagne nimmt immer noch an Umfang und Gereiztheit zu. Es

 Tagebücher aus den Jahren -, Eintrag .., D: F. G. Jünger, DLA


Marbach.
 F. G. Jünger an Dr. Groll, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Ernst Jünger schrieb am . Januar  an Gerhard Nebel: »Wir dürfen uns vor
allem nicht in die Situation drängen lassen, als hätten wir uns zu entschuldigen«
(EJ/GN, ).
     -

scheint, daß diese technische Welt als ihre höchste Gefahr den unabhän-
gigen Geist erkennt. Sowie man sich irgendwo ›gleichschaltet‹ ist man
gesichert, ist alles gut.« Die auf Gleichschaltung gerichtete Presse und
Öffentlichkeit gleiche aber immer dem Prokrustes, der »den Menschen
bald nach seinen Maßen recken, bald ihn gewaltsam verkürzen« wolle, so
Jünger in einem Brief an Karl Otto Paetel: »Demgegenüber gibt es nur
eine Waffe: zu bleiben, wer man ist.«  Dabei war Jünger durchaus bereit,
eine Wandlung innerhalb seines Werkes zuzugeben, die er aber nicht als
Bruch, sondern als Fortentwicklung verstanden wissen wollte: Ȇber-
haupt muß ich meine Leser bitten, meine Autorschaft als Ganzes zu neh-
men, in dem zwar Epochen, nicht aber Widersprüche zu unterscheiden
sind. Ich möchte nicht zu jenen Zahllosen gehören, die heute nicht mehr
an das erinnert werden wollen, was sie gestern gewesen sind.« (EJ/GN,
) Für die verschiedenen Epochen seiner »Autorschaft« benutzte Ernst
Jünger wie schon zitiert das Bild vom Alten und Neuen Testament: »Das
Verhältnis von Schriften wie etwa der ›Totalen Mobilmachung‹ oder ›Der
Arbeiter‹ zu anderen wie ›Gärten und Straßen‹ oder ›Der Friede‹ gleicht
dem von Altem und Neuem Testament – erst ihre Zuordnung schafft die
Dimensionen, innerhalb deren ich begriffen werden will.« (Ebd., ) Die
rückwirkende Interpretation dieser Schriften des »Alten Testaments«
diente dabei durchaus auch der Entlastung angesichts der Vorwürfe,
Schrittmacher des »Dritten Reiches« gewesen zu sein. Denn nach 

 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 E. Jünger an K. O. Paetel, .., A: Jünger, DLA Marbach. Noch 
schrieb Jünger in den »Adnoten zu: ›Auf den Marmorklippen‹«: »Ein Mann kann
mit den Mächten der Zeit harmonieren, er kann zu ihnen in Kontrast stehen.
Das ist sekundär. Er kann an jeder Stelle zeigen, wie er gewachsen ist. Damit
erweist er seine Freiheit – physisch, geistig, moralisch, vor allem in der Gefahr.
Wie er sich treu bleibt; das ist sein Problem.« (EJ , ) Ein Brief Benno Zieg-
lers, Jüngers Verleger bei der Hanseatischen Verlagsanstalt, an Ernst Jünger vom
. Dezember  ist ein weiteres Beispiel dieses Pochens auf die »Treue zu sich
selbst«. Ziegler kritisierte darin die Rede vom »Recht auf geistige Wandlung«:
»Aber unser Stolz ist gerade, uns nicht zu denen zu zählen, die das Recht dieser
Wandlung nötig haben […]. Alles, was wir für uns in Anspruch nehmen, ist das
Recht auf Entwicklung, aber nicht im Sinne einer Wandlung, sondern nur im
Sinne einer Vertiefung, Ausweitung und Läuterung dessen, was wir von An-
beginn unseres politischen Seins an waren. Wir haben den festen Standort, der
Strom der Verhältnisse mag sich ändern, mit denen wir zu rechnen haben, aber
wir beziehen nicht von ihnen unsere Orientierung, sondern wir orientierten [sic]
uns von uns aus und bestimmen das uns gemässe Verhalten, aber in Treue zu uns
selbst, aber nicht indem wir durch Wandlung frühere Irrtümer korrigieren oder
zum Konjunkturisten werden.« (Zit. n. EJ/GN, )
     

nahm Jünger für sich in Anspruch, mit Schriften wie der »Totalen Mobil-
machung« und dem »Arbeiter« stets nur Deuter, nie Propagandist des
Totalitarismus gewesen zu sein. Diese Behauptung brachte er im Vorwort
der »Strahlungen« von  auf die berühmte Formel: »Nach dem Erd-
beben schlägt man auf die Seismographen ein. Man kann jedoch die
Barometer nicht für die Taifune büßen lassen, falls man nicht zu den
Primitiven zählen will.« (EJ /, ) Diese Umdeutung der eigenen
Rolle vom Agitator zum Beobachter gehörte dabei gleichsam zum Stan-
dardrepertoire der ehemaligen konservativen Revolutionäre. So schrieb
etwa auch Carl Schmitt: »Aber wehe den Diagnostikern. Die Wut auf
Ernst Jüngers ›Arbeiter‹ und vielleicht noch mehr meinen ›Begriff des
Politischen‹ ist die Wut des Kurhausdirektors auf den Arzt, der im Kurort
einen Pestfall diagnostiziert.«
Dass der selbst verordnete Rückzug in den »Turm des Schweigens« kein
tatsächliches Verstummen zur Folge hatte, belegen alle angeführten Zita-
te aus dieser Zeit. Die Kommunikation unter Freunden, die innerhalb
der von Carl Schmitt beschworenen »Stille des Schweigens« stattfand und
der Selbstbehauptung gegenüber der feindlichen Umwelt diente, war viel-
mehr sehr rege. Sie wird im nächsten Kapitel ausführlich dargestellt. Doch
zuvor muss noch der in vielem parallele »Fall Heidegger« geschildert wer-
den.

Der Fall Heidegger

Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte Heidegger nicht in Freiburg,


sondern in Oberschwaben, wohin er sich zur Sicherung und Ordnung
seiner Manuskripte schon im Dezember  zurückgezogen hatte, nach-
dem er im November  kurzeitig zum »Volkssturm« eingezogen worden
war. Im März  stieß er hier zu den Vertretern der Philosophischen

 Schmitt, Glossarium, S. . Vgl. dazu auch Laak, Nach dem Sturm.
 Die paradoxe Struktur des Redens über das Schweigen ist den Beteiligten selbst
zumeist auch aufgefallen. So notierte etwa Friedrich Georg Jünger am . Januar
 in seinem Tagebuch: »Picard sandte mir vor einiger Zeit sein Buch über das
Schweigen. Ein Paradoxon, denn wie läßt sich über das Schweigen reden?« (Tage-
bücher aus den Jahren -, D: F. G. Jünger, DLA Marbach) Das Buch »Die
Welt des Schweigens« von Max Picard ist im Übrigen ein Beispiel für den in der
Nachkriegszeit weit verbreiteten Schweigensdiskurs. Über diesen machte sich,
obwohl selbst daran beteiligt, auch Carl Schmitt lustig: »Sieh Dir genau den
Autor an, / der schön vom Schweigen reden kann. / So lange er vom Schweigen
spricht, / solange nämlich schweigt er nicht.« (Schmitt, Glossarium, S. )
     -

Fakultät der Universität Freiburg, welche ebenfalls aus der Stadt geflohen
waren und sich übergangsweise in der Burg Wildenstein im Donautal
eingerichtet hatten. Während Freiburg am . April  von französischen
Truppen eingenommen wurde und das »Dritte Reich« zu Ende ging, im-
provisierte die Philosophische Fakultät in der Abgeschiedenheit des obe-
ren Donautals ein Sommersemester, in dessen Rahmen Heidegger am
. Juni  seinen letzten Vortrag als Ordinarius hielt. Als er danach
nach Freiburg zurückkehrte, war nicht nur sein Haus als »Parteiwoh-
nung« beschlagnahmt worden. Der Senat der Universität hatte am Tag
des offiziellen Kriegsendes auch beschlossen, eine selbst organisierte Rei-
nigungskommission einzusetzen, die die politische Säuberung der Uni-
versität unter Aufsicht der französischen Militärregierung durchführen
sollte. Vor dieser Reinigungskommission musste sich im Sommer 
auch Martin Heidegger verantworten, dem als wohl prominentestem
Universitätsangehörigen und erstem Nazi-Rektor besondere Aufmerk-
samkeit gewidmet wurde.
Der Verlauf von Heideggers Bereinigungsverfahren muss hier nicht im
Einzelnen nachgezeichnet werden, da er bereits gründlich erforscht und
ausführlich dargestellt wurde. Berichtet sei nur so viel: Die Reinigungs-
kommission, der unter anderem Gerhard Ritter und Adolf Lampe an-
gehörten, formulierte nach Anhörungen und Gesprächen im Juli  im
September  unter Vorsitz von Constantin von Dietze ein relativ
mildes Gutachten über Heidegger, der zwar »den großen Glanz seines
wissenschaftlichen Namens und die eigentümliche Kunst seiner Rede in
dem Schicksalsjahr  bewußt in den Dienst der nationalsozialistischen
Revolution gestellt« habe, im Grunde aber unpolitisch gewesen sei und
»schon seit « nicht mehr als »Nazi« hätte bezeichnet werden können.
Die Kommission schlug daher (mit einem abweichenden Votum von Adolf
Lampe) eine Emeritierung vor, »die ihm die Möglichkeit beschränkter
Lehrtätigkeit belassen, ihn jedoch aus der aktiven Beteiligung an der
Selbstverwaltung, den Prüfungen und Habilitationen entfernen wür-
de«. Nachdem ihn auch die französische Militärregierung für disponi-

 Vgl. Ott, Unterwegs, S. -.


 Vgl. neben Ott, Unterwegs, S. - auch ders.: Martin Heidegger; zur »Selbst-
reinigung« der Freiburger Universität insgesamt Seemann, Säuberungen, darin
zu Heidegger bes. S. -. Viele von Heideggers eigenen Stellungnahmen
während des Bereinigungsverfahrens finden sich in MH -, -.
 Vgl. den Wortlaut des Gutachtens bei Ott, Unterwegs, S. ff. Die Feststellung,
dass Heidegger vor  »in einer völlig unpolitisch geistigen Welt« gelebt habe,
wurde allerdings durch den Hinweis relativiert, dass er »in freundschaftlicher Be-
     

bel erklärt hatte (MH -, ), beantragte Heidegger im Herbst


 formell die Emeritierung und die Wiedereinstellung in die Lehrtä-
tigkeit (ebd., ). Innerhalb der Universität regte sich allerdings Wider-
stand gegen diese in den Augen einiger Universitätsangehöriger unange-
messene Lösung. Nach Intervention unter anderem Walter Euckens und
Adolf Lampes beschäftigte sich die Philosophische Fakultät im Dezem-
ber  daher erneut mit dem Fall Heidegger. Auch der Bereinigungs-
ausschuss revidierte sein Urteil vom September und gab eine zweite um-
fangreiche Stellungnahme ab.
Heidegger schlug im Rahmen dieser erneuten Verhandlungen von sich
aus vor, seinen ehemaligen »Kampfgenossen« Karl Jaspers, der nach Kriegs-
ende zu hohem moralischen Ansehen gelangt war, um ein Gutachten zu
bitten, wohl in der Hoffnung auf eine positive Stellungnahme. Jaspers
urteilte, auch zur Überraschung anderer Beteiligter, allerdings nicht in
Heideggers Sinn. Er würdigte zwar Heideggers Bedeutung als Philosoph
und betonte, dass ihm die »Fortführung seiner philosophischen Arbeit«
und auch das »Herausbringen[…] seiner Werke« (MH/KJ, ) ermöglicht
werden solle. Gleichzeitig ließ er aber keinen Zweifel an der in seinen
Augen bestehenden Notwendigkeit, »dass zur Verantwortung gezogen
wird, wer mitgewirkt hat, den Nationalsozialismus in den Sattel zu set-
zen. Heidegger gehört zu den wenigen Professoren, die das getan haben«
(ebd., ). Er sei mit Alfred Baeumler und Carl Schmitt einer der drei
»unter sich sehr verschiedenen Professoren, die versucht haben, geistig an
die Spitze der nationalsozialistischen Bewegung zu kommen« (ebd., ).
»Solange in ihm nicht eine echte Wiedergeburt erfolgt«, so Jaspers’
Schlussfolgerung, »kann m. E. ein solcher Lehrer nicht vor die heute in-
nerlich fast widerstandslose Jugend gestellt werden« (ebd.), weshalb er für
eine »Suspension vom Lehramt für einige Jahre« (ebd., ) plädierte.
Als der Senat daraufhin im Januar  die Emeritierung unter Ver-
sagung der Lehrbefugnis beschloss (unter Protest der Philosophischen
Fakultät), erlitt Heidegger im Frühjahr  einen Nervenzusammen-
bruch und begab sich in das von Viktor Freiherr von Gebsattel geführte

rührung (auch durch seine Söhne) mit der damaligen Jugendbewegung und ge-
wissen literarischen Wortführern der deutschen Jugend, wie Ernst Jünger« ge-
standen habe, »die das Ende des bürgerlich-kapitalistischen Zeitalters und das
Heraufkommen eines neuen deutschen Sozialismus ankündigten« (ebd., S. ).
 Abgedruckt in Martin (Hg.), Kompendium, S. -; darin auch eine knappe
Schilderung des Bereinigungsverfahrens bis zum Dezember  sowie eine
ausführliche Darstellung von Heideggers Verhalten /.
 Vgl. zu Jaspers unten, S. Kap. ..
     -

Sanatorium »Haus Baden« in Badenweiler, wo er sich von Februar bis


Ende Mai  aufhielt. Das Bereinigungsverfahren war damit aller-
dings noch nicht abgeschlossen. Denn der im Sommer  von der fran-
zösischen Militärregierung eingesetzte Landesbereinigungsausschuss ging
noch über das Urteil des Senats hinaus und dekretierte im Winter 
nicht nur ein Lehrverbot, sondern untersagte Heidegger jegliche Teil-
nahme am akademischen Leben.
In den Jahren  bis  war Heidegger also tatsächlich gänzlich
vom Betrieb der wieder aufgebauten Freiburger Universität ausgeschlos-
sen. Auch der schon  von Rudolf Stadelmann vorangetriebene Ver-
such, Heidegger einen Ruf an die Universität Tübingen zu verschaffen,
war gescheitert. Erst als im Frühjahr  das parallel zu den universitä-
ren Bereinigungsverfahren laufende Spruchkammerverfahren Heideggers
abgeschlossen und er lediglich als »Mitläufer« eingestuft wurde, tat sich
wieder etwas im Fall Heidegger. Die Philosophische Fakultät lancierte
eine Initiative zur formellen Emeritierung Heideggers, durch die er die
Lehrbefugnis zurückerlangen sollte. Nach neuerlichen Verhandlungen
zwischen Fakultät, Rektor und Senat ging daraus eine vorläufige Pensio-
nierung hervor, die schließlich mit Vollendung von Heideggers zweiund-
sechzigstem Lebensjahr, also im September , in eine Emeritierung mit
voller Lehrbefugnis (allerdings ohne Prüfungsbefugnis) umgewandelt
wurde. So konnte Heidegger im Wintersemester / wieder eine
reguläre Vorlesung halten (MH /), die erste seit , nachdem er
schon im Winter / mit einigen Studenten eine private »Übung im
Lesen« (MH/EB, ) im eigenen Haus veranstaltet hatte. Als Heideg-
ger dann im Juni  auch in das umfangreiche Festprogramm zum
jährigen Jubiläum der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität einbe-

 Vgl. Ott, Biographische Gründe, S. . Im Frühjahr  verbrachte Heidegger


einen weiteren Erholungsaufenthalt in Badenweiler (vgl. MH/EB, ).
 Vgl. Ott, Unterwegs, S. .
 Vgl. ebd., S. f.
 Vgl. zum Wechsel des französischen Entnazifizierungskonzepts von den Reini-
gungsausschüssen zu den Spruchkammern und zum zweiten Verfahrensabschnitt
im Fall Heidegger Seemann, Säuberungen, S. f. u. ff.
 In diesem zweiten Verfahrensabschnitt unterstützte Karl Jaspers die Bemühungen
zur Wiedereinsetzung Heideggers dann mit einem weiteren Gutachten vom Juni
, in dem er schrieb: »Wie mein damaliges Gutachten vorsah, sollte die Wie-
dereinsetzung Heideggers nach einigen Jahren nachgeprüft werden. Die Zeit
scheint mir jetzt reif. Die deutsche Universität kann meines Erachtens Heidegger
nicht mehr abseits lassen.« (MH/KJ, )
 Vgl. zu dieser privaten Übung auch MH/MM, ff.
     

zogen wurde – er hielt als Vertreter der Philosophie einen Festvortrag


über den »Satz der Identität« und veranstaltete ein Kolloquium über den
»Satz vom Grund« –, bestätigte das vollends seine Reintegration in die
Universität und das akademische Leben, die ebenfalls  zusätzlich
durch seine Aufnahme in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften
beglaubigt wurde.
Diese Reintegration bereitete Heidegger offensichtliche Genugtuung.
So hatte er die formale Emeritierung im September ausdrücklich als
Möglichkeit begrüßt, »mich wieder zu meiner Heimatuniversität in das
gemäße Verhältnis zu bringen« (MH -, ). Gleichwohl blieb
durch das langwierige Bereinigungsverfahren und den in seinen Augen
ungerechtfertigten sechsjährigen Ausschluss vom akademischen Leben
eine irreparable Entfremdung in diesem Verhältnis, bei dem schon vor
 und  unklar war, welche Form ihm eigentlich »gemäß« war.
Denn so sehr Heidegger zeitlebens die Anerkennung innerhalb der Uni-
versität und der Professorenschaft erstrebte, so sehr gehörte es doch im-
mer schon zu den zentralen Merkmalen seines Habitus als Ausnahme-
denker, sich als akademischer Außenseiter zu gerieren. Dieser Zwiespalt
zeigte sich deutlich in den Verhandlungen um Heideggers Emeritierung
/. Denn auch wenn Heidegger die neuerlichen Bemühungen um
seine Reintegration begrüßte und unterstützte, empfand er die andauern-
den Streitigkeiten und Auseinandersetzungen um seinen Fall doch als un-
würdig. »Ich wünsche jetzt vor allen Dingen«, so schrieb er am . August
 an seinen Schüler Max Müller, der seit  den Konkordatslehr-
stuhl für Philosophie in Freiburg inne hatte und sich für Heideggers Re-
integration eingesetzt hatte, »daß der Fall Heidegger nun endgültig an der
Universität erledigt ist. Das fortgesetzte Hin und Her der Verhandlungen
belastet meine Arbeitsruhe nachgerade in einem Maße, daß ich gebeten
habe, die Sache jetzt in Ruhe zu lassen.« (MH/MM, f.) Denn das Ver-
fahren habe klar gezeigt, »daß ich von der Universität, von wenigen Wei-
terblickenden abgesehen, im Grunde nicht mehr gewünscht werde« (ebd.,
). Gegenüber dem Rektor betonte er etwa, als es darum ging, ihm für

 Vgl. zum Freiburger Festprogramm die Übersicht in: Die Albert-Ludwigs-Uni-


versität -, Bd. : Die Ansprachen, Glückwünsche und Ehrungen bei der
Jubiläumsfeier, Freiburg im Breisgau , S. -; Heideggers Vortrag ist abge-
druckt in: Die Albert-Ludwigs-Universität -, Bd. , Die Festvorträge bei
der Jubiläumsfeier, Freiburg im Breisgau , S. -; zur Kontroverse um Hei-
deggers Teilnahme im Vorfeld der Feier Seemann, Säuberungen, S. ff.
 Im Juni  hat Heidegger aber offenbar dennoch erwogen, »den Klageweg
durch einen Anwalt zu beschreiten« (MH/MM, ).
     -

die Zeit seiner Pensionierung einen Lehrauftrag zu erteilen, er sehe sich


kaum in der Lage, den »im Hinblick auf meine dreißigjährige akademische
Lehrtätigkeit unehrenvollen Lehrauftrag anzunehmen«, da er sich nicht
als »Hilfslehrer« anstellen lassen wolle (MH -, ). In privaten
Aufzeichnungen hielt er zur gleichen Zeit fest, dass »keine Institution
mehr ein Recht hat, auch die nicht, der ich lange angehörte und die mich
schließlich lange genug unbeachtet ließ und für entbehrlich hielt, jetzt
gleichsam wie eine Gesetzesmacht aufzutreten und ihre Forderungen als
absolute zu setzen« (ebd., ). Überhaupt verabsolutiere man die Univer-
sität auf falsche Weise und gestehe ihm nicht zu, dass »aus den einfachen
Notwendigkeiten meines Denkweges sich Aufgaben entfaltet haben, die
eine Preisgabe der Lehrtätigkeit fordern« (ebd., ).
Bekanntlich hat Heidegger die Lehrtätigkeit nicht von sich aus preis-
gegeben. Dass er diese »Preisgabe« gleichwohl auf die »Notwendigkeiten«
seines »Denkweges« zurückführte, erinnert nicht nur an den Fuchs und
die Trauben. Es verweist auch auf Heideggers biographische Strategie, die
Brüche seiner Denkentwicklung und seiner akademischen Karriere in
einen stringenten »Denkweg« einzuordnen, in dessen Entwicklung auch
die »Kehre« einer inneren Logik und keinem externen Scheitern geschul-
det war. Diese biographische Strategie erlaubte zwar das Eingeständnis
begrenzter Irrtümer, aber kein Eingeständnis grundsätzlichen Fehlgehens
oder gar von Schuld. So hielt Heidegger in seiner apologetischen Argu-
mentation nach  stets daran fest,  durchaus das Richtige gewollt
zu haben, nämlich die wesenhafte Erneuerung der Universität, und sich
lediglich über das politisch Mögliche und den Charakter der nationalso-
zialistischen Bewegung zeitweilig getäuscht zu haben. So schrieb er etwa
im Dezember  an den Vorsitzenden des Bereinigungsausschusses:
»Ich habe viele Fehler im Technischen und Personalen der Universitäts-
verwaltung gemacht. Ich habe aber niemals den Geist und das Wesen der
Wissenschaft und der Universität an die Partei preisgegeben, sondern die
Erneuerung der Universitas versucht.« (MH -, )
Die ersten Ansätze seiner in den folgenden Monaten und Jahren unter-
schiedlich variierten Rechtfertigungsargumentation entfaltete Heidegger
bereits in einem Brief an den Freiburger Oberbürgermeister vom . Juli
, in dem er gegen die Beschlagnahmung seines Hauses Einspruch
erhob. Er habe in der Partei nie ein Amt innegehabt, die Niederlegung
seines Rektorats sei als Akt des Widerstands zu werten und er sei seit 
auch von Seiten des Regimes angegriffen und schikaniert worden (ebd.,
S. ff.). Wenige Tage später fügte er in einem Brief an Rudolf Stadel-
mann hinzu, dass schon das Rektorat selbst »alles andere war als ein Ein-
treten für die Partei und Parteidoktrin« (ebd., ). Als er ebenfalls noch
     

im Juli  zum ersten Mal von der universitären Bereinigungskommis-


sion vernommen wurde, präzisierte er weiter, dass er zur Annahme des
Rektorats genötigt worden sei und mit ihr nur habe Schlimmeres verhin-
dern wollen. Adolf Lampe gab in einer Aktennotiz über eine Unterredung
mit Heidegger am . Juli  dessen Verteidigungsargumente wie folgt
wieder:
»Herr H. hielt mir […] entgegen: daß er in der Unterstützung des
Nationalsozialismus die einzige und letzte Möglichkeit gesehen habe,
einem Vordringen des Kommunismus Einhalt zu gebieten; daß er sein
Rektorat nur mit größtem Widerstreben und ausschließlich im Inter-
esse der Universität angetreten habe; daß er nur deshalb – trotz ständi-
ger schlechter Erfahrungen – im Amte geblieben sei, weil er Schlim-
meres (etwa den Übergang des Rektorats an Herrn Aly) habe verhüten
wollen; daß ihm die besonders turbulenten Verhältnisse, unter denen
sein Rektorat zu führen war, zugute gehalten werden müßten; daß er
effektiv viele drohende Gefahren einer noch fataleren Zuspitzung der
Lage abgewendet habe, ohne daß ihm diese Leistungen jetzt als Aktiv-
um zugerechnet würden; daß er keinerlei Resonanz für die eigentlich
von ihm verfolgten Ziele im Kollegenkreise gefunden habe und daß er
späterhin in seinen Vorlesungen, vor allem in seinen Nietzsche-Semi-
naren, deutliche Kritik geübt habe.«
Im Rahmen des Bereinigungsverfahrens gab Heidegger dann noch meh-
rere Stellungnahmen zu seinem Verhalten während des »Dritten Reiches«
ab. Die umfangreiche Rechtfertigungsschrift, die er im Sommer  nie-
derschrieb und »Das Rektorat /. Tatsachen und Gedanken« nannte,
scheint er damals allerdings nicht zu seiner Verteidigung eingereicht zu
haben. Sie wurde  erstmals veröffentlicht. In ihr finden sich eben-
falls die schon genannten Argumente, wobei Heidegger besonders seine
Konflikte mit der Partei hervorhob und das Scheitern seines Rektorats als
Ergebnis einer »zwiefachen Opposition« (MH , ) sowohl zu den
Nationalsozialisten als auch zu den Beharrungskräften innerhalb der
Universität darstellte. Gerade den Verteidigern des akademischen Status
quo warf Heidegger die »Schuld der wesentlichen Versäumnis« (ebd., )
vor, nicht wie er den Versuch gemacht zu haben, »die an die Macht ge-
kommene ›Bewegung‹ zu läutern und zu mäßigen« (ebd., ) und durch

 Zit. n. Martin (Hg.), Kompendium, S. f.


 Vgl. das Vorwort von Hermann Heidegger zu MH . Die Rechtfertigungs-
schrift findet sich auch in MH -, -.
     -

die »Sammlung aller vermögenden Kräfte« das »Positive zu retten und zu


läutern und zu festigen« (ebd., ). Dass er dieses Positive »in der zur
Macht gekommenen Bewegung« gesehen habe, nämlich »die Möglichkeit
zu einer inneren Sammlung und Erneuerung des Volkes und einen Weg,
zu seiner geschichtlich-abendländischen Bestimmung zu finden« (ebd.,
), gab er dabei offenherzig zu.
In diesem Kontext ging Heidegger auch auf die philosophischen Hin-
tergründe seines Rektorats ein, wobei er in der rückwirkenden Deutung
subtile Veränderungen vornahm. Er rechtfertigte seine Rektoratsrede –
die heute absichtlich falsch interpretiert werde, aber auch damals schon
nicht verstanden worden sei – als »nur philosophisch« (ebd., ) ge-
meinte Abhandlung über das Wesen der Universität, wobei er etwa die
Betonung des »Kampfs« im Sinne seiner Spätphilosophie umdeutete, da
»Kampf« nur das »hervor-stellen in den offenen Anblick« (ebd.) meine.
Ebenso behauptete er, bereits mit dem Rektorat »auf eine Überwindung
der Metaphysik des Willens zur Macht« (ebd., ) gezielt zu haben, ob-
wohl er, wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde, diese Perspektive einer
Überwindung des Willens zur Macht erst nach dem Scheitern des Rekto-
rats und als Antwort darauf entwickelte.
Dass diese Kritik am Willen zur Macht ab Mitte der er Jahre dann
tatsächlich als Kritik am real existierenden Nationalsozialismus verstan-
den werden konnte, ist ebenfalls bereits dargestellt worden. Das machte
Heidegger während seines Bereinigungsverfahrens dann auch mehrfach
geltend. So schrieb er etwa in einem Brief an den Rektor der Freiburger
Universität vom . November , in dem er die Wiedereinstellung in
die Lehrtätigkeit beantragte und dazu noch einmal ausführlich zu seiner
Tätigkeit im »Dritten Reich« Stellung nahm, dass die Tatsache, dass er
seit dem Sommersemester  »als Philosoph in meiner Weise tätig ge-
wesen war, Widerstand genug« (MH -, ) gewesen sei. Einige
Zeilen später präzisierte er: »Seit dem Jahre  ging ich durch die Reihe
der bis  fortgesetzten Nietzsche-Vorlesungen und Nietzsche-Vorträge

 Den »Zusammenhang« der Rektoratsrede »mit meinen philosophischen Schrif-


ten« (MH -, ) betonte Heidegger auch in einem Schreiben vom
Dezember  an den Vorsitzenden des Bereinigungsausschusses. Der darin ent-
haltene Rückzug auf die professionelle Identität war im Übrigen ein typisches
Element der »Entpolitisierung des eigenen Lebens« (Rosenthal, Zweiter Welt-
krieg, S. ), die Gabriele Rosenthal als eine typische Form der biographischen
Strategie nach  beschrieben hat. Auch Carl Schmitt behauptete etwa :
»Ich habe immer als Jurist gesprochen und geschrieben und infolgedessen eigent-
lich auch nur zu Juristen und für Juristen.« (Schmitt, Glossarium, S. )
     

noch deutlicher in die Auseinandersetzung und in den geistigen Wider-


stand.« Denn, so Heidegger weiter, »auf einem höheren Niveau ist die
Auseinandersetzung mit Nietzsches Metaphysik die Auseinandersetzung
mit dem Nihilismus, als dessen eine politische Erscheinungsform sich der
Faschismus immer deutlicher herausstellte« (ebd., ).
Unabhängig davon, ob diese Art der Kritik wirklich als »geistiger Wi-
derstand« bewertet werden kann, ist auf ihre exkulpatorische Funktion
bereits hingewiesen worden. Denn wenn der Faschismus nur eine politi-
sche Erscheinungsform des Nihilismus war, dann war er grundsätzlich
auch nicht stärker zu verurteilen als dessen andere Erscheinungsformen.
Diese nannte Heidegger in seiner Rechtfertigungsschrift, in der er davon
sprach, dass heute alles unter der »universale[n] Herrschaft des Willens
zur Macht« stehe, »mag es Kommunismus heißen oder Faschismus oder
Weltdemokratie« (MH , ). Diese Art der Kritik relativierte gleich-
zeitig die Besonderheiten des Nationalsozialismus und damit auch die
historischen Verantwortlichkeiten. Die Art von Heideggers seinsgeschicht-
licher Betrachtung hob insgesamt die Verantwortung des Handelns ein-
zelner auf. Das »Wühlen in vergangenen Versuchen und Maßnahmen«
sei unfruchtbar, so Heidegger, da sie »innerhalb der Gesamtbewegung
des planetarischen Willens zur Macht so geringfügig sind, daß sie nicht
einmal winzig genannt werden dürfen« (ebd., ).
Innerhalb dieser geschichtsphilosophischen Entlastungsargumentation
hielt Heidegger auch an seinem Glauben an das deutsche Wesen fest, den er
in seiner Hölderlinaneignung während der Kriegsjahre ausformuliert hatte.
So glaubte er  noch immer, dass sich »die Verwindung des Nihilismus
ankündigt im dichtenden Denken und Singen des Deutschen«, weshalb er
auch seine Forderung einer »Sammlung auf das abendländisch geschicht-
liche Wesen der Deutschen« (ebd., ) erneuerte. An Rudolf Stadelmann
schrieb er zur selben Zeit: »Alles denkt jetzt den Untergang. Wir Deutschen
können deshalb nicht untergehen, weil wir noch gar nicht aufgegangen
sind und erst durch die Nacht hindurchmüssen.« (MH -, )

 Heidegger hat immer darauf insistiert, dass seine geistige Opposition für »jeden
Wissenden und Besinnlichen« (MH -, f.) erkennbar gewesen und
von parteioffizieller Seite auch erkannt worden sei. Adolf Lampe hat in seiner
Auseinandersetzung mit Heidegger allerdings argumentiert, dass die »nur mittel-
bare Kritik« der Vorlesungen »nicht als Kompensation« für das öffentliche Auf-
treten als Rektor zu werten sei, da »diese nur zu erreichen gewesen [wäre] durch
ein der Entschiedenheit seiner Rektoratsführung entsprechendes offenes Hervor-
treten in der Kritik unter Inkaufnahme daraus resultierender persönlicher Ge-
fährdungen« (zit. n. Martin (Hg.), Kompendium, S. ).
     -

Heidegger setzte  also mehr oder weniger nahtlos seine nach dem
Scheitern des Rektorats kultivierte Haltung einer esoterischen Opposi-
tion zur ihn umgebenden »Weltnacht« fort, die in der nun herrschenden
»Weltdemokratie« ebenso fortdauere wie unter der Herrschaft des Nati-
onalsozialismus. In dieser Weltnacht bliebe nur das »Selbstgespräch des
wesentlichen Denkens mit sich selbst« (MH , ), das auch darin
bestehe, dass sich die Wenigen und Wissenden sammeln und auf den
anderen Anfang warten. So schrieb Heidegger, auch hier sein schon wäh-
rend des »Dritten Reichs« praktiziertes Prophetentum fortsetzend, im
Mai  aus Badenweiler an einen seiner Schüler:
»Meine Zuversicht für die wenigen Wissenden und daß sie das Blei-
bende hüten und mehren, bleibt fest. Ihre Zeit kommt, auch wenn der
Schrecken noch nicht die längst vorbestimmte Gestalt erreicht hat. Die
Kleingeisterei freilich, die sich die Geschichte aus vordergründigen Be-
gebenheiten und der Willkür einiger Hampelmänner des Weltgeistes
zusammenrechnet, wird vorerst das öffentliche Meinen bestimmen.«
In diesem »öffentlichen Meinen« der Nachkriegszeit wurde der »Fall Hei-
degger« allerdings durchaus unterschiedlich bewertet. Eine Besonderheit
stellte dabei die Rolle von Heideggers Reputation in Frankreich und bei
Teilen der französischen Militärregierung dar, die auch auf die Heideg-
gerdiskussion in Deutschland zurückwirkte. Schon seit den er Jahren
war Heideggers Existentialphilosophie in Frankreich gelesen worden und
beeinflusste maßgeblich den französischen Existentialismus, besonders
dessen berühmtesten Vertreter Jean-Paul Sartre. Nach der französischen
Besetzung Badens  nutzten verschiedene französische Intellektuelle,
die zum Teil als Offiziere für die Militärregierung tätig waren, die Gele-
genheit, Heidegger zu besuchen und sich für ihn einzusetzen. Unter
ihnen war Frédéric de Towarnicki, der Heidegger im Herbst  eine Ein-
ladung ins französische Hauptquartier nach Baden-Baden verschaffte,
wo er mit Sartre zusammentreffen sollte. Dieses Treffen kam dann nicht
zustande, die Gerüchte um Heideggers privilegierte Kontakte zu franzö-
sischen Kreisen trugen aber mit zum Unmut an der Freiburger Universi-
tät bei, der dann im Winter / zu der Verschärfung des Urteils des

 Zit. n. Ott, Biographische Gründe, S. .


 Vgl. zur französischen Heidegger-Rezeption Janicaud, Heidegger.
 Heidegger kommentierte das in einem Brief an Rudolf Stadelmann im Septem-
ber : »So wie die Dinge jetzt liegen, werde ich von Paris und Frankreich aus,
wo ich zur Zeit als ›Modephilosoph‹ gelte, gegen die Landsleute gehalten« (MH
-, ).
     

Bereinigungsausschusses führte. In Frankreich erschien dagegen noch


im Winter / in der ersten Nummer der von Sartre herausgegeben
Zeitschrift Les Temps Modernes ein Bericht de Towarnickis über seinen
Besuch bei Heidegger, in dem er dessen apologetische Argumentation
weitgehend übernahm. In dem gleichzeitig abgedruckten Bericht von
Maurice de Gandillac fanden sich allerdings auch kritischere Töne. Im
folgenden Jahrgang von Les Temps Modernes wurde dann ein Text Karl
Löwiths über die politischen Implikationen von Heideggers Philosophie
abgedruckt, der Antworten von Alphonse de Waehlens und Erik Weil pro-
vozierte und damit die erste wissenschaftliche Kontroverse über das Ver-
hältnis von Heideggers Philosophie zu seinem NS-Engagement auslöste.
Schon vor dieser Kontroverse war allerdings auch in Frankreich Kritik
an der Heideggerbegeisterung laut geworden, besonders von kommunis-
tischer Seite, wie etwa eine scharfe Polemik von Henri Mougin belegt.
Dass diese Polemik von Mougin, die neben Heidegger auch Ernst Jünger
als prominentes Beispiel der wieder zu Ehren gelangten »nazistischen
Denker und Schriftsteller« attackierte, auch ins Deutsche übersetzt und
in der ostdeutschen Kulturbundzeitschrift Aufbau abgedruckt wurde, in
der etliche Anti-Jünger-Artikel erschienen, macht deutlich, dass auch die
deutsche Linke eine scharfe Heideggerkritik übte. In diesem Sinn blieb
Heidegger auch über die universitären Bereinigungsfragen hinaus in der
deutschen Nachkriegsöffentlichkeit ein »umstrittener« Denker, dessen
mangelnde Bereitschaft zum Schuldeingeständnis von kritischer Seite als

 Vgl. Ott, Unterwegs, S. ff. Heidegger schrieb nach dem Scheitern des Tref-
fens einen von Towarnicki übermittelten Brief an Sartre, in dem er ihn nach
Todtnauberg einlud; vgl. Ott, Skihütte. Sartre besuchte Heidegger dann tatsäch-
lich erst ; vgl. die Erinnerungen von Towarnicki, Martin Heidegger, S. .
Die Beziehung Heideggers zu Sartre im Besonderen und zur französischen Nach-
kriegsphilosophie im Allgemeinen kann hier leider nicht ausführlicher dargestellt
werden, obwohl sie für auch für die deutsche Heideggerrezeption von einiger Be-
deutung war; vgl. aber zu Heideggers Antwort auf Sartre in Form des »Briefs über
den ›Humanismus‹« unten, Kap. ..
 Vgl. Towarnicki, Visite.
 Vgl. Gandillac, Entretien.
 Vgl. Löwith, Implications; Waehlens, Philosophie; Weil, Cas; Löwith, Réponse;
Waehlens, Réponse; zu dieser Kontroverse auch Rockmore, Heidegger’s French
Connection.
 Mougin, Gott.
 Vgl. den einflussreichen Aufsatz von Lukács, Heidegger Redivivus, in dem er
Heideggers erstaunliches Lob des Marxismus aus dem Humanismusbrief zurück-
wies und Heideggers Seinsphilosophie nach der »Kehre« als Spätform des deut-
schen Idealismus bezeichnete.
     -

Symptom des restaurativen Umgangs mit der jüngsten Vergangenheit


gewertet wurde. Dies zeigte sich etwa bei einem der ersten Auftritte
Heideggers vor größerem Publikum in der Bayerischen Akademie der
schönen Künste in München , der prompt zu einer kontroversen
Aussprache im Münchner Stadtrat führte.
Gleichzeitig entwickelte sich schon seit den späten er Jahren eine
regelrechte Heideggermode.  konnte etwa in den Frankfurter Heften
ein Heideggerportrait erscheinen, in dem das »Dritte Reich« und Hei-
deggers Rolle darin mit keinem Wort erwähnt wurde. Innerhalb des
philosophischen Diskurses war Heideggers Philosophie die »alle Diskus-
sionen bestimmende Denkrichtung in Deutschland«. In einer scharf-
sichtigen Beobachtung hat Günther Anders genau erkannt, worin die
Attraktivität von Heideggers Seinsdenken im Nachkriegsdeutschland be-
stand:
»Die Niederlage, der Zusammenbruch des Terrorsystems und die Tat-
sache, daß man in einem Land lebt, über das letztlich von anderen
entschieden wird, hat begreiflicherweise eine extreme moralische und
politische Indolenz gezeitigt. Heideggers Religion, die, mindestens
verbal, beansprucht, daß von ihr schlechthin alles, das Seinsschicksal
abhängt; also mehr abhängt, als je von irgendeiner entschiedenen Ak-
tion in einer bestimmten Situation abhängen könnte; und die dabei
doch nichts anderes verlangt, als daß man des Seins gedenke (was jeder
zu tun vorgeben oder sich selbst weismachen kann), ist in solcher
Situation für Tausende unwiderstehlich.«
Hannah Arendt kommentierte Heideggers Popularität während ihrer er-
sten Europareise nach dem Krieg in einem Brief an ihren Mann Heinrich
Blücher vom . Januar : »In Deutschland ist wieder alles von Heideg-
ger überschwemmt.« Nach ihrem Treffen mit Heidegger beschrieb sie
die merkwürdige Ambivalenz dieser Situation, in der sich Heidegger
noch immer isoliert und ungerecht behandelt fühlte, während er gleich-
zeitig in aller Munde war: »Er hat mich mit Publikationen und Manu-
skripten überschüttet; nur sprechen können, nur verstanden werden.

 Vgl. Hanfstaengl contra Heidegger, Süddeutsche Zeitung, . Juni ; zu die-
sem Vortrag und zu Heidegger Verbindungen zur Bayerischen Akademie der
schönen Künste unten, Kap. ..
 Vgl. Homann, Martin Heidegger.
 Schnädelbach, Deutsche Philosophie, S. .
 Anders, Über Heidegger, S. f.
 Arendt/Blücher, Briefe, S. .
     

Dabei ist er berühmter als je, ohne das im mindesten zu verstehen oder,
sagen wir, zu realisieren.«
, im selben Jahr, in dem auch von Karl Löwith eine ausführliche
Heideggerkritik erschien, führte die Publikation der Vorlesung von 
»Einführung in die Metaphysik«, in der Heidegger den schon zitierten
Satz von der »inneren Wahrheit und Größe« des Nationalsozialismus durch
den Klammerzusatz von der »Begegnung der planetarisch bestimmten
Technik und des neuzeitlichen Menschen« (MH , ) zwar verän-
dert, aber eben nicht komplett gestrichen hatte, dann erneut zu einer Kon-
troverse um Heideggers Verhältnis zum Nationalsozialismus. Der damals
jährige Doktorand Jürgen Habermas fragte in der Frankfurter Allge-
meinen Zeitung, was Heidegger einerseits  getrieben hatte, Sätze wie
diesen zu sagen – »wie also ein Denker dieses Ranges in einen so offen-
baren Primitivismus verfallen konnte«  – und was ihn andererseits ver-
anlasste, ihn  unkommentiert wieder zu veröffentlichen. Er erkannte
in Heideggers Verhalten das grundsätzliche »Problem der faschistischen
Intelligenz«, wobei die »deutsche Situation seit « durch das »kon-
stante Ausweichen vor diesem Problem gekennzeichnet« sei. Heideggers
unkommentierte Wiederveröffentlichung sei allerdings konsequent »für
eine Einschätzung, die nicht nur den eigenen Irrtum, sondern auch den
›Irrtum‹ der nationalsozialistischen Führung seinsgeschichtlich begrün-
det an Stelle der moralischen Klärung«. In der Zeit vom . August 

 Ebd., . Bei ihrer nächsten Europareise zwei Jahre später schrieb Arendt erneut
über die intellektuellen Moden in Deutschland: »Auch um Heideggers Ruhm bin
ich in der Richtung eher besorgt, d. h. besorgt für ihn; das ist eine ›Bewegung‹
und eine ›Richtung‹ geworden, die morgen anders wehen und sich umorientieren
kann. Er weiß das im Grunde ganz gut, schwimmt aber doch mit, wenn ich ihn
jetzt nicht vielleicht doch ein bißchen mißtrauischer gemacht habe. Sehr vor-
sichtig. Von Jünger z. B., von dem vor zwei Jahren alles sprach, spricht keine tote
Katze mehr, seine Bücher liegend nirgends mehr aus, es ist, als gäbe es ihn nicht
mehr. Das geht von einem Tag auf den anderen. Das gleiche gilt augenblicklich
für Jaspers, besagt aber auch nichts. Das ist die augenblickliche deutsche Atmo-
sphäre, in der alles schnell verfliegt.« (Ebd., S. ) Vgl. zum Verhältnis Arendt-
Heidegger nach dem Krieg unten, Kap. ..
 Vgl. Löwith, Denker.
 Habermas, Mit Heidegger (wiederabgedruckt in ders., Profile, S. -); vgl.
dazu auch Meyer, Innere Wahrheit.
 Ebd. Habermas kommentierte in dieser frühen Auseinandersetzung mit Heideg-
ger auch die Kontinuität von dessen appellativer Denkstruktur trotz der »Kehre«
von der »Gewalttat« zur »Wächterschaft« auf erhellende Weise: »Es ist für die
bewußte Geschichtsgebundenheit des Heideggerschen Philosophierens bezeich-
nend, daß sich der Appell verändert, während die Sinnstrukturen über die Jahr-
     -

erschien daraufhin eine Antwort von Christian Lewalter, der Habermas


nicht nur als Marxisten Adornoscher Prägung (ab-)klassifizierte, sondern
auch eine Heideggerapologie entwickelte, die von diesem selbst hätte
stammen können. So schrieb Lewalter über den Satz von der »inneren
Wahrheit und Größe«:
»Was zeigt aber der Satz wirklich? Erstens, daß Heidegger  die
NS-Philosophie lächerlich fand und das auch sagte. Zweitens: daß er
die NS-Bewegung als ein charakteristisches Resultat der Begegnung
von Technik und Mensch bezeichnete […]. und drittens: daß in dieser
geschichtlichen Funktion der NS-Bewegung ihre ›innere Wahrheit‹
(›innere‹, also von Hitler selbst nicht erkannte) und ›Größe‹ liege. Ist
das eine politisch-moralische Zustimmung zum Programm und zur
Praxis der NSDAP? Es ist eine deutende Beschreibung, die etwa so zu
verstehen gewesen sein mag: die NS-Bewegung ist ein Symptom für
den tragischen Zusammenprall von Technik und Mensch, und als ein
solches Symptom hat sie ›Größe‹, weil ihre Wirkung auf das ganze
Abendland übergreift und es in den Abgrund zu reißen droht.«
Karl Korn polemisierte gegen diese »Advokatentricks« wiederum in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung und stellte fest, »daß kein anderer als
Heidegger selbst das Wort zur Selbstauslegung zu ergreifen hätte«. Be-
vor sich Heidegger allerdings tatsächlich selbst zu Wort meldete, druckte
die Frankfurter Allgemeine Zeitung am . August  unter der Über-
schrift »Notwendige Diskussion über Heidegger« eine komplette Seite
mit Zuschriften zum Thema, auf der auch Habermas erneut zu Wort
kam. Heidegger reagierte auf diese Debatte schließlich nur mit einem
kurzen Leserbrief an die Zeit, in dem er einerseits feststellte, die Ver-
öffentlichung der »Einführung in die Metaphysik« diene dazu, »eine

zehnte seiner Entwicklung die Kontinuität wahren. […] Dagegen drängt sich die
Variabilität der Appellqualität von selbst auf. So ist heute von Hut, von Anden-
ken, von Wächterschaft, von Huld, von Liebe, von Vernehmen, von Ergeben die
Rede immer dort, wo  die Gewalttat gefordert wurde, während Heidegger
noch acht Jahre vorher die quasireligiöse Entscheidung der privaten, auf sich
vereinzelten Existenz pries als die endliche Autonomie inmitten des Nichts der
entgötterten Welt. Der Appell hat sich mindestens zweimal, entsprechend der
politischen Situation verfärbt, während die Denkfigur des Ausrufs [sic] zur Ei-
gentlichkeit und der Polemik gegen die Verfallenheit stabil blieb.« (Ebd.)
 Lewalter, Wie liest man. Lewalter entwickelte hier im Prinzip schon die gleiche
Argumentation wie später Vietta, Heideggers Kritik.
 Korn, Warum schweigt Heidegger?
 Vgl. Habermas, Freiheit.
     

Strecke des Weges von ›Sein und Zeit‹ () bis zu den letzten Veröffent-
lichungen sichtbar zu machen« (MH d), und andererseits hinzufügte:
»Christian E. Lewalters Auslegung des Satzes, den man aus der Vorlesung
aufgriff, ist nach jeder Hinsicht zutreffend, wie denn überhaupt seine In-
terpretation anderer Sätze meine politische Haltung seit  richtig
kennzeichnet.« Die Streichung des Satzes habe er aus Gründen der histo-
rischen Redlichkeit unterlassen, sei aber auch der Meinung,
»daß die Vorlesung die erwähnten Sätze durchaus verträgt für einen
Leser, der das Handwerk des Denkens gelernt hat. Was damals in einer
solchen Vorlesung zu sagen im äußersten möglich war und was nicht,
können heute nur noch wenige ermessen. Ich aber weiß, daß die Hö-
renden unter den Hörern das Gesagte sehr genau verstanden haben.«
(Ebd.)
Mit dieser Beschwörung der »Hörenden unter den Hörern« aktivierte
Heidegger wiederum seine Vereinnahmungsstrategie der Bildung von
Eingeweihten, die er schon nach seinem Rückzug vom politischen Enga-
gement während des »Dritten Reiches« entwickelt hatte und die ihm nun
erneut dazu diente, sich durch die Bildung einer Anhängerschaft gegen
öffentliche Kritik zu immunisieren. Diese Taktik der Kreisbildung, die
Heideggers prekäres Verhältnis zur Öffentlichkeit nach  ebenso kenn-
zeichnet wie das der Brüder Jünger, wird im Folgenden genauer unter-
sucht.


.. Kommunikationsstrategien der Verschwiegenheit


Ernst Jünger unter Freunden

In der Situation der politischen Defensive und unter den Bedingungen


des Lehr- bzw. Publikationsverbots setzten sowohl Heidegger als auch die
Brüder Jünger auf die Organisation einer klandestinen Gegenöffentlich-
keit. Die Strategie einer gesteuerten Kommunikation unter Freunden,
die der eigenen Verteidigung und Positionierung gegenüber der publizi-
stischen Öffentlichkeit diente, lässt sich besonders bei Ernst Jünger ideal-
typisch beobachten. Schon im Januar  schrieb er angesichts der er-
sten Beiträge zum Streit um seine Person an Gerhard Nebel: »Ich muß
jetzt überhaupt auf meine Freunde setzen, die auch sehr rührig für mich
an der Arbeit sind.« (EJ/GN, ) Wenig später formulierte er in Bezug
auf einen Bericht über sich noch deutlicher: »Ich kann zu dem tollen
Zeug nicht Stellung nehmen, erwarte aber von meinen Freunden, daß sie
derartige Elaborate von Fall zu Fall berichtigen.« (Ebd., ) Damit sie die
»Elaborate« berichtigen konnten, mussten die Freunde Jüngers allerdings
in seinem Sinn informiert, das heißt von ihm entsprechend instruiert
werden, denn »mit wohlmeinenden, aber auf unzureichendes Material
gestützten oder stilistisch mangelhaften Erörterungen« (ebd., ) sei ihm
nicht gedient. Zu diesem Zweck ließ Jünger im Sommer und Herbst
 insgesamt drei »An die Freunde« gerichtete Rundbriefe zirkulieren,
aus denen auch das letzte Zitat stammt. Dem ersten dieser Briefe vom
. Juli  stellte er die Bemerkung voran: »Den Inhalt meines Grußes
bitte ich nur Freunden zu vermitteln – nicht etwa, weil es sich um Ge-
heimnisse handelt, sondern weil er nur ihnen sinnvoll ist.« (Ebd., )
Schon Anfang August  folgte ein »Zweiter Brief an die Freunde«, in
dem Jünger auf den raschen Erfolg des ersten Briefs einging:
»Wie ich von vielen Seiten höre, hat der ›Brief an die Freunde‹ blitz-
artig die Runde gemacht. Das spricht für meine Ansicht, dass eine
Feder in der rechten Hand der kombinierten Anstrengung der Rotati-
onspresse und ihrer Funktionäre überlegen ist. Die wachsende Presse-
Campagne, insbesondere gegen die unveröffentlichte Friedensschrift,
lässt es wünschenswert erscheinen, auf diesem Wege auch fernerhin

 Vgl. dazu auch Morat, Techniken.


 Die drei Briefe befinden sich im Nachlass Ernst Jüngers (Sammlung des Coudres).
Eine Fassung der Briefe wurde veröffentlicht von Tommissen, Briefe. Der leichte-
ren Zugänglichkeit wegen werden sie hier nach dem Abdruck im Briefwechsel
Jünger-Nebel zitiert (vgl. EJ/GN, - u. -).
   

die gröbsten Irrtümer zu berichtigen und jene Leser zu dokumentie-


ren, die auf ein sachliches Urteil Wert legen.« (Ebd., )
Aus diesen Briefen wird ersichtlich, dass Jünger die Kommunikation un-
ter Freunden gezielt als Gegeninstrument zur publizistischen Öffentlich-
keit nutzte. Er schilderte darin nicht nur die Geschichte der Friedensschrift
und nahm zu seiner eigenen Entwicklung Stellung, die er wie schon zitiert
»als Ganzes zu nehmen« (ebd., ) bitte, womit er sich gegen die ver-
meintlichen Opportunisten der Wandlung in der Nachkriegszeit wandte.
Er kultivierte darin auch seinen quasi-magischen Begriff von »Autor-
schaft«, der es nicht auf eine besonders große, sondern auf eine besonders
intensive Leser- und Anhängerschaft ankomme und die gegebenenfalls
auch ganz auf Veröffentlichung verzichten könne. Solange die »jungen
Deutschen« seine Bücher »noch mit der Hand abschreiben« (ebd., )
würden, sei das Publikationsverbot sogar begrüßenswert. Auch die »auf
die kleinste organische Gemeinschaft«, auf »enge Freundeskreise« und
die »Familie« beschränkte Vorlesung seiner Werke sei »wichtiger als ein
Vortrag im Rundfunk, dem Hunderttausende zuhören« (ebd., f.).
Mit einer Vielzahl von Briefen aus dem Umfeld Jüngers lässt sich bele-
gen, dass die »Briefe an die Freunde« tatsächlich weiträumig zirkulierten
und zur Schaffung einer »Jüngerschaft« beitrugen. Jünger selbst instru-
ierte auch einzelne seiner Briefpartner über die »Taktik in meinem ›Kasus‹«
(ebd., ) und vermittelte darüber hinaus Bekanntschaften zwischen ih-
nen, denn es sei ihm wichtig, »daß meine Freunde sich kennen lernen«
(ebd., ). Friedrich Georg Jünger bildete dabei einen wichtigen Kno-
tenpunkt in Ernst Jüngers Netzwerk und bemühte sich ebenfalls, »Hilfs-
truppen für ihn zu stellen« , wie er an ihre Mutter schrieb. In einem Brief
an Ernst Klett vom . Oktober  resümierte er die Reaktionen auf die
Kritik an seinem Bruder und begründete dabei noch einmal, warum der
Angegriffene seinen Gegnern nicht selbst antworten könne:
»Diese Angriffe sind samt und sonders inferior, auch beweist ihr
schlagartiges Losbrechen, dass sie in Auftrag gegeben wurden. Solche
Pamphlete können von dem Autor, dem sie gelten nicht beantwortet

 An anderer Stelle betonte Jünger, dass ihm die Publikation »nicht als das Wesent-
liche der Autorschaft« (EJ/GN, ) erscheine.
 Ein Beispiel ist Wolfgang Henning, ein Berliner Student, der ihm am . Oktober
 schrieb: »Ihren ›Brief an die Freunde‹ habe ich mit Dank erhalten, sogleich
abgeschrieben und an verschiedene mir befreundete Studenten weitergegeben.«
(Zit. n. EJ/GN, )
 F. G. Jünger an K. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

werden, denn sie beantworten, hiesse die eigene Arbeit einstellen und
auf die Jagd nach Flöhen gehen. Beantwortet sind sie aber von anderen
worden, selbst in der russischen Zone, wo das nicht ohne Gefahr ist,
zum Teil durch sehr drastische Repliken. Es gehört ja zu den Wirkun-
gen solcher Angriffe, dass sie auch die Sympathien beleben. Wie stark
diese nicht nur in Deutschland sondern in allen Ländern Europas und
auch in Amerika sind, wurde mir wieder deutlich.«
Auch Ernst Jünger war mit den Reaktionen seiner Freunde und dem Er-
folg seiner Netzwerkstrategie durchaus zufrieden. Im Juli  stellte er in
einem Brief an Gerhard Nebel fest: »Die Wirksamkeit meiner Freunde
hat das Angenehme, daß ich mich ganz in die inneren Gemächer zurück-
ziehen kann.« (EJ/GN, f.) Die Rede von den »inneren Gemächern«
verweist dabei nicht nur auf den Topos der schweigsamen Einsamkeit,
sondern auch auf eine höfische Konstellation, in der der (Dichter-)König
von seinen Paladinen abgeschirmt und bewacht wird.
Gerhard Nebel gehörte im Sinne dieser Führer- und Gefolgschaftskon-
stellation sicher zu den wichtigsten Gefolgsleuten Ernst Jüngers in den
ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. In den zahlreichen Briefen
der Jahre  bis  wurde Nebel nicht müde, Jünger, den er mit Vor-
liebe als »Capitano« (ebd., ) ansprach, seiner mythischen Funktion als
Deuter und Sinnstifter für die deutsche Jugend zu versichern: »Ich sehe
Ihre Hauptwirkung im mythischen Charakter Ihrer Existenz. Sie brauch-
ten überhaupt nicht zu produzieren und ständen doch als Mitte des Zeit-
alters, als der Katechon aus dem . Thessalonicher-Brief da.« (Ebd.) Die
Formulierung vom »Katechon«, dem »Aufhalter«, benutzte Nebel auch
in seiner – fragmentarisch gebliebenen – Autobiographie, in der er sich
daran erinnerte, beim Erscheinen von »Blätter und Steine«  erstmals
Jünger gelesen und ihn seitdem als seinen »Meister« angesehen zu haben.
Der  in Dessau geborene Gerhard Nebel hatte zuvor Philosophie
und klassische Philologie unter anderem bei Karl Jaspers und Martin
Heidegger studiert und danach an verschiedenen Stellen, unter anderem
in Ägypten, als Griechisch- und Lateinlehrer gearbeitet. Nachdem er sich

 F. G. Jünger an E. Klett, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 Vgl. zu Nebels Biographie, seinem Verhältnis zu Ernst Jünger und der Konstel-
lation des Dichter-Führers das instruktive Nachwort von Ulrich Fröschle und
Michael Neumann in EJ/GN, -; außerdem Kleinschmidt, Theologischer
Abenteurer.
 »Wie alle meine Meister, wie Stefan George, Max Weber und Martin Heidegger,
so sieht auch Ernst Jünger die Zivilisation als ein furchtbares Schicksal an, im Ver-
hältnis zu dem er sich als Katechon, als Aufhalter betätigt.« (Nebel, Gefühl, S. )
   

 erstmals brieflich an Jünger gewandt und ihn  persönlich ken-
nen gelernt hatte, wurde er  als Luftwaffenoffizier nach Paris versetzt
und gehörte dort zur »Georgsrunde« um Jünger und Hans Speidel. We-
gen eines defätistischen Artikels in der Neuen Rundschau vom Oktober
 wurde er  allerdings in eine Baukompanie auf die Kanalinsel
Alderney strafversetzt und später als Dolmetscher in Italien eingesetzt,
wo er die letzten Kriegsjahre verbrachte. Nach dem Krieg lebte er zu-
nächst in Dahlhausen und dann in Wuppertal, wo er an der Gründung
der privaten Kulturvereinigung »Der Bund« beteiligt war und als freier
Schriftsteller und Essayist arbeitete, bevor er  aus finanziellen Grün-
den in den Schuldienst zurückkehren musste.
Nebel hatte schon in seinem  erschienenen Essayband »Feuer und
Wasser« einen Aufsatz über Ernst Jünger publiziert. Seine drei Kriegstage-
bücher »Bei den nördlichen Hesperiden«, »Auf ausonischer Erde« und
»Unter Partisanen und Kreuzfahrern« waren stark von Ernst Jünger in-
spiriert und legten Zeugnis von Nebels Jüngerbegeisterung ab. Seit 
ergriff er bei den verschiedensten Gelegenheiten Ernst Jüngers Partei und
verteidigte ihn in Zeitungsartikeln, Vorträgen und öffentlichen, zum Teil
im Rundfunk ausgestrahlten Diskussionen. Sein mehrfach gehaltener
Vortrag »Ernst Jünger und das Schicksal des Menschen« erschien  im
Wuppertaler Marées-Verlag, dessen Verleger Hubert Tigges zu den Mit-
arbeitern des »Bundes« und den engen Vertrauten Nebels gehörte und
der sich zeitweise auch um die Publikation von Jüngers Texten bemühte.
In diesem Vortrag sprach Nebel zwar ebenfalls von Jüngers »Wandlung«,
betonte aber ganz in Jüngers Sinn, dass dessen »geistige Bewegung […]
Entfaltung, nicht Bruch« sei und wandte sich damit sowohl gegen die
Kritiker, die in Jünger den unverbesserlichen »Nationalisten und Milita-
risten« sahen, als auch gegen die, die die »Veränderung« überbewerten
und »ein öffentliches Schuldbekenntnis« verlangten.

 Vgl. zu Nebels Kritik am NS-Regime Ehrke-Rotermund/Rotermund, Zwischen-


reiche, S. - u. -.
 Zum »Bund« vgl. Mohler, Gerhard. Mohler gehörte selbst zum Jünger-Netzwerk
(s. u.) und sein Artikel über Nebel war in diesem Sinn Teil der gemeinsamen
Öffentlichkeitsstrategie.
 Nebel, Feuer, S. -.
 Nebel, Schicksal, S. f. Immerhin machte Nebel im Laufe seiner Darstellung
Jüngers Wende nach dem »Arbeiter« aber sehr deutlich und erklärte sie mit der
Erfahrung des Nationalsozialismus: »Er bricht mit der Gestalt des Arbeiters in
dem Augenblick, in dem sie in Deutschland die Herrschaft antritt, und so behal-
ten die Deskriptionen der Arbeitswelt ihren Wert, während die Bejahung sich in
Verneinung wandelt.« (Ebd., S. ) Aber auch im Briefwechsel mit Jünger be-
     -

Nebel hatte Jünger schon im Juni  erklärt, dass er mit seinen Akti-
vitäten auf Jüngers »Rehabilitierung vor der Besatzungsmacht und gewis-
sen Kreisen der deutschen Oeffentlichkeit hinarbeiten wollte« (EJ/GN, ).
Auch wenn Jünger ihm versicherte, dass er gar keinen Wert darauf lege,
»der behördlichen Anerkennung würdig zu sein« (ebd., ), war er mit
Nebels Engagement doch sehr einverstanden. Am . April  schrieb
er ihm über einen Vortrag, den Nebel in Wuppertal gehalten hatte: »Ich
hörte schon von verschiedenen Seiten, daß die gute Lanze, die Sie dort
für mich brachen, meine Freunde befriedigte. So sprachen auch Henin,
Podewils und Speidel davon.« (Ebd., ) Am . Juli  kommentierte er
Nebels großen Jüngervortrag: »Sie führen mir da in Scharen neue Adep-
ten zu.« (Ebd., ) Aus diesen Bemerkungen wird deutlich, dass Nebels
Bemühungen nicht nur Jüngers Rehabilitierung in der Öffentlichkeit
und gegenüber den Besatzungsbehörden dienten, sondern vor allen Din-
gen auch der Festigung und Erweiterung des Jüngerschen Netzwerks.
Schon im Mai  hatte Jünger Nebel ermuntert, seine Arbeit über
ihn »gelegentlich [zu] erweitern, da ja sowohl in meinem Opus als auch
in meinem Leben inzwischen neue Ansätze hinzugekommen sind.«
(Ebd., ) Der Klett-Verlag habe schon Interesse an entsprechenden
Büchern über Jünger geäußert und übernehme vielleicht die Publikation.
In der Folge entstand Nebels Plan, eine größere Monographie über Jün-
ger zu verfassen, die  schließlich unter dem Titel »Ernst Jünger.
Abenteuer des Geistes« erschien, allerdings nicht bei Klett, sondern wie-
derum im Marées-Verlag. Zwischen  und  berichtete Nebel
Jünger regelmäßig über den Fortgang seiner Arbeit, und auch wenn Jün-
ger behauptete, er habe es »streng vermieden […], Einfluß auf Ihre Mo-
nographie zu nehmen« (ebd., ), lässt sich anhand des Briefwechsels
doch die subtile Schreibsteuerung belegen, die Jünger an Nebel übte.

tonte Nebel, dass er mit seiner Darstellung »um Gotteswillen keine Entschuldi-
gung und Verteidigung« bezwecke: »Es ist ganz deutlich, dass hier kein Bruch,
sondern eine Erweiterung und Ueberhöhung vorliegt.« (EJ/GN, )
 Vgl. dazu auch die Berichte anderer Jüngerfreunde im Kommentar zum Brief-
wechsel: EJ/GN, f. Der Jurist Heinrich Gremmels, ein Schüler Carl Schmitts,
der / mit Jünger am Frankreichfeldzug beteiligt war und nach dem Krieg
mit Nebel, Jünger und Schmitt in enger Verbindung stand, berichtete über die
Diskussion im Anschluss an Nebels Vortrag, in der es »uns […], die wir die
›Sache Jünger‹ zu unserer eigenen gemacht haben, ein Leichtes und zugleich eine
grosse Genugtuung« gewesen sei, »die Einwände der Kritiker widerlegen zu kön-
nen und das Publikum auf unsere Seite zu ziehen« (ebd.).
 Vgl. Nebel, Abenteuer.
 Vgl. etwa EJ/GN, f.,  u. .
   

Nebels Monographie war nicht die einzige, die Ende der er Jahre
über Ernst Jünger erschien. Während das Buch von Alfred von Martin
im Jüngerkreis als unzulänglich und »belanglos« (ebd., ) abgetan wur-
de, schätzte Jünger die sympathisierende Darstellung des Jesuitenpaters
Hubert S. Becher. Direkten Einfluss übte er außer auf Nebel dagegen
nur auf Karl Otto Paetel. Jünger kannte Paetel schon aus der Weimarer
Republik, denn der  geborene und zeitweilig in der bündischen
Jugendbewegung aktive Paetel war  Hauptschriftleiter der von Ernst
Jünger und Werner Laß herausgegebenen Zeitschrift Die Kommenden
gewesen und wie Ernst Niekisch dem Lager der Nationalbolschewisten
zuzurechnen.  emigrierte er über Prag und Frankreich nach Portu-
gal und kam  schließlich in die USA, wo er für die Emigrantenzeit-
schrift Deutsche Blätter tätig war. Dort propagierte er die Existenz eines
»anderen Deutschlands« und gab  schließlich im Verlag Friedrich
Krause eine Materialsammlung »anti-nationalsozialistischer Zeugnisse«
heraus, in der unter anderem Friedrich Georg Jüngers Gedicht »Der
Mohn« abgedruckt war. Im gleichen Jahr widmete er Ernst Jünger eine
eigene Monographie, die in derselben Reihe zum »anderen Deutschland«
erschien und in der er Jünger als »Gestalt des deutschen Anti-Nationalso-
zialismus« portraitierte. Der Text dieser kurzen Abhandlung, die eben-
falls auf Jüngers »Wandlung« abhob, ging dann weitgehend in das Buch
von  ein, das darüber hinaus in erster Linie eine Materialsammlung
und Rekapitulation des Streits um Jünger in den Jahren  bis 
darstellte. Das Zustandekommen dieses zweiten Buches ging auf die In-
itiative Ernst Kletts zurück, der zunächst nur das New Yorker Buch in
Lizenz nachdrucken wollte, sich dann aber mit Paetel auf eine neue Ver-
sion einigte. Klett war es auch, der Jünger vorschlug, das Manuskript
vor der Drucklegung zu überprüfen. Es gäbe auch die andere Möglich-
keit:

 Vgl. Martin, Nihilismus; Becher, Ernst Jünger.


 Vgl. Paetel, Weg und Wirkung.
 Vgl. Paetel, Versuchung; zu seiner Biographie Wehage, Karl Otto Paetel; zu sei-
nem Verhältnis zu Jünger EJ b.
 Vgl. Paetel (Hg.), Deutsche Innere Emigration, S. ff.
 Paetel, Wandlung, S. .
 Vgl. EJ/GN, . Der Stuttgarter Verleger Ernst Klett (-) kannte Jünger
schon aus der Vorkriegszeit und bemühte sich nach dem Krieg dann von sich aus
um die Publikation und Verbreitung von Jüngers Schriften, woraus sich nicht
nur die Gesamtausgabe Jüngers im Klett-Verlag ergab, sondern auch eine seiner
wenigen Duzfreundschaften.
     -

»Sie lassen den Dingen ihren Lauf und nehmen das Buch erst zur
Kenntnis, wenn es fertig ist. Wenn ich recht sehe, dann läge Ihnen
diese Version am nächsten, da Sie es mit Recht Freunden, Verlegern
und sonstigen Wohlgesinnten überlassen, Ihre Sache durchzufechten.
Ob es in diesem Falle richtig wäre, möchte ich gleichwohl bezweifeln,
und mir persönlich wäre es recht lieb, wenn Sie die Arbeit gelesen und
gegebenenfalls verbessert hätten, bevor sie als Buch erscheint.«
Jünger las das Manuskript dann tatsächlich Korrektur und schlug dem
Verlag beträchtliche Kürzungen vor, in erster Linie bei Zitaten aus kriti-
schen Artikeln. Außerdem sollten seine publizistischen Texte der er
Jahre nicht in der Bibliographie aufgeführt werden, da das nur seinen
gegenwärtigen Antagonisten nützen könne. Paetels Bibliographie wurde
daraufhin von Karl Friedrich Baedecker und Armin Mohler überarbeitet
und entsprechend gekürzt, was Paetel in der Veröffentlichung damit
rechtfertigte, viele der »vor  publizierten Beiträge« seien »so an den
Tag gebunden, daß sie zum Verständnis der grundsätzlichen Position des
Dichters nichts beizutragen vermögen«. Auch wenn Jünger Paetel ge-
genüber sein Unbehagen angesichts von dessen Bemühen, »die Eintags-
fliegenarbeit der Journalisten wiederauferstehen« zu lassen, zum Aus-
druck brachte und Paetel nicht zum engsten Jünger-Kreis gehörte, war
seine Monographie doch Bestandteil der gezielten Rezeptionssteuerung,
um die sich Jünger und seine Gefolgsleute bemühten. Dass Paetel in sei-
nem Buch auch die »Briefe an die Freunde« zitieren konnte, belegt dabei
zugleich seine Zugehörigkeit zum inneren Kreis und dokumentiert die
gezielte Öffentlichkeitsstrategie aus diesem inneren Kreis heraus.
Die Bedeutung, die dabei der Bibliographie beigemessen wurde, kenn-
zeichnet ein weiteres Charakteristikum dieser Rezeptionssteuerung. Denn
von früh an gehörte zu Jüngers Strategie der Autorschaft die Tätigkeit von
Bibliographen und Materialsammlern, die ihn nicht nur selbst von der Be-
schäftigung mit seinen Kritikern entlasteten, sondern auch bei Bedarf mit
dem entsprechenden Spezial- und Geheimwissen aufwarten konnten.

 E. Klett an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 Vgl. E. Jünger an E. Klett, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Paetel, Weg und Wirkung, S. .
 E. Jünger an K. O. Paetel, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. Paetel, Weg und Wirkung, S. f.
 Zu diesen Bibliographen gehörten etwa Karl Friedrich Baedeker (aus der be-
rühmten Leipziger Buchhändlerfamilie, der auch mit Friedrich Georg Jünger in
brieflichem Kontakt stand), Armin Mohler und Hans Peter des Coudres; vgl. zu
des Coudres Neaman, Dubious Past, S. ff.
   

Paetel veröffentlichte  die erste einer Reihe von eigenständigen Jün-
ger-Bibliographien und war Jünger darüber hinaus als Außenposten in
den USA dienlich, da er bis zu seinem Tod  in New York lebte.
Auch die Verbindungen ins europäische Ausland waren für Jünger
gerade während der Zeit des Publikationsverbots von Bedeutung. Un-
mittelbar nach dem Krieg spielte dabei die Schweiz eine besondere Rolle,
zum einen, weil dort Publikationen auf Deutsch erscheinen konnten,
und zum anderen, weil sich in der Schweiz eine Gruppe jüngerer Intel-
lektueller um den Studenten Armin Mohler in Basel und den Verleger
Peter Schifferli in Zürich gebildet hatte, die sich von sich aus um den
Kontakt zu Jünger bemühte. Schon im September  hatte Ernst
Jünger seinem Bruder Friedrich Georg geraten, mit dem Zürcher Philo-
sophen Erich Brock Kontakt aufzunehmen, da dieser einen Schweizer
Verlag für die Brüder Jünger organisieren solle. Dieser Schweizer Verlag
wurde dann der  von Peter Schifferli gegründete Arche-Verlag, bei
dem  »Sprache und Körperbau« als erste Nachkriegsveröffentlichung
Ernst Jüngers erschien und der später noch einige kleinere Texte Jüngers
publizierte. / bestand auch der Plan, die »Strahlungen« im Arche-
Verlag erscheinen zu lassen, wobei Mohler gleichsam als freier Mitarbei-
ter das Lektorat übernehmen sollte. Die »Strahlungen« erschienen 
dann zusammen mit dem Roman »Heliopolis« in dem eigens dafür von
Ewald Katzmann in Tübingen gegründeten Heliopolis-Verlag. Armin

 Vgl. Paetel, Bibliographie.  schlug Jünger wiederum Paetel als Autor für die
im Rowohlt-Verlag geplante Jünger-Biographie vor, die dann  erschien; vgl.
ders., Ernst Jünger in Selbstzeugnissen. Bei der Arbeit an dieser ersten quasi-offi-
ziellen Biographie nahm Jünger allerdings so starken Einfluss, dass sich Paetel bei
Hans Peter des Coudres über Jüngers Einmischungen beschwerte; vgl. Neaman,
Dubious Past, S. .
 Neben Armin Mohler gehörten zur »Basler Trias« (G. Nebel), die Ernst Jünger,
aber auch andere ihrer Lieblingsautoren wie Gottfried Benn und Carl Schmitt in
der unmittelbaren Nachkriegszeit mit Lebensmittelsendungen und Kurierdien-
sten unterstützte, die Journalisten Hans Fleig und Erhard Hüsch. Peter Schifferli
lernte Mohler  kennen, als er in Zürich bei der Weltwoche mitarbeitete, in der
er  seinen ersten Artikel über Ernst Jünger veröffentlichte. Schifferli nahm
Mohler  zu einem Besuch bei den Brüdern Jünger am Bodensee mit; vgl. den
»Vorbericht« in Mohler, Ravensburger Tagebuch, S. f.; zu Mohler unten, Kap. ..
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Erich
Brock (-) hatte sich durch einzelne Rezensionen und sein Buch »Ernst
Jünger und die Problematik der Gegenwart« (Basel ) während des Krieges
wohlwollend mit Jünger beschäftigt.  erschien dann Brock, Weltbild. Seine
Frau hatte sich schon vor dem Krieg um die Rezeption beider Brüder Jünger in
der Schweiz bemüht; vgl. Brock-Sulzer, Ernst und Friedrich Georg Jünger.
     -

Mohler trat im selben Jahr die Stelle eines Privatsekretärs bei Ernst Jün-
ger an, die er bis  bekleidete. In dieser Position bildete er eine der
zentralen Schaltstellen im Netzwerk beider Brüder Jünger.
Neben der Schweiz war Ernst Jünger schließlich auch um seine Rezep-
tion in Frankreich bemüht, wohin er seit der Besatzungszeit in Paris gute
Kontakte unterhielt. Seine wichtigste Kontaktperson war dort zunächst
die französische Schriftstellerin aserbeidschanischer Herkunft Umm-el
Banine, die er in Paris kennen gelernt hatte und die er etwa  brieflich
bat, gegen den oben erwähnten Artikel Didier Raguenets Stellung zu be-
ziehen. Später wurde sein Übersetzer Henri Plard einer seiner wichtig-
sten französischen Gefolgsleute. Auch im Falle Plards findet sich ein für
Jüngers Strategie im Umgang mit seinen Kritikern bezeichnendes Bei-
spiel. So schrieb er ihm im Juni :
»Im Gange der Polemik, an die ich gewöhnt bin, ist in diesen Tagen
ein neues Opus hervorgetreten, und zwar von J. P. Stern, ›E. J.‹, verlegt
in Cambridge, bei Bowes and Bowes. Es scheint sich dabei um eine
Art von Übermendelssohn zu handeln, der seinem Angriff sprachliche
Sektionskünste zugrunde legt. Ich würde es begrüßen, wenn jemand
eben so kurz, auf etwa  bis  Seiten erwiderte, der auf [sic] von
Sprache einen Begriff hat, und zwar einen höheren. Die deutsche
Übersetzung könnte hier erscheinen. Wüßten Sie jemand, oder hätten
Sie Lust zu einem solchen Gang? Mir würde es auch Spaß machen,
aber ich habe mir zur Regel gesetzt, in eigener Sache nicht zu plaidie-
ren.«

 Vgl. EJ/GN, f.; zu Jüngers Verhältnis zu Banine auch Banine, Rencontres; zu


Jüngers »French Connection« Neaman, Dubious Past, S. -.
 E. Jünger an H. Plard, .., A: Jünger, Sammlung des Coudres, DLA Mar-
bach; vgl. dazu auch Neaman, Dubious Past, S. ff. Mit »Übermendelssohn«
spielte Jünger auf den Kritiker Peter de Mendelssohn an. Das Buch von J. P. Stern
»Ernst Jünger. A Writer of Our Time« stellt nach wie vor eine der gelungensten
sprachwissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit Jünger dar. Charakteristisch
für diesen Fall ist zudem, dass Jünger das Buch selbst offenbar gar nicht gelesen,
sondern sich auf das Urteil seiner »Freunde« verlassen hat. So konnte ihm Armin
Mohler am . Juli  schreiben: »Nun habe ich auch endlich die kleine Jün-
ger-Monographie von J.B. [sic] Stern in die Hand bekommen. Von wem haben
sie sich einreden lassen, dass das ein zweiter Mendelssohn sei? Ich fürchte, Sie
haben sich da von einer Verehrerin rapportieren lassen, für die alles, was nicht
Hagiographie ist, in die Schublade Pamphlet kommt.« (Zit. n. EJ/GN, ) Die-
ses Urteil Mohlers hat Jünger  allerdings nicht davon abgehalten, Protest zu
organisieren, als J. P. Stern die Jünger-Artikel im ersten Band des neuen Kindler-
Literaturlexikons verfasste, woraufhin dieser auch von der Mitarbeit an den wei-
teren Bänden ausgeschlossen wurde; vgl. ebd., ff.
   

Schreibaufträge wie diese belegen den instrumentellen Charakter von


Ernst Jüngers Netzwerk- und Kontaktpflege in der Nachkriegszeit. Über
diese strategische Bedeutung hinaus war die Kreisbildung aber auch eine
Folge und ein integraler Bestandteil von Jüngers Idee der »Autorschaft«,
die in vielem an den poeta vates, den sehenden Dichter Stefan George
erinnerte, dessen »ästhetischer Fundamentalismus« ebenfalls auf den
Phantasmen von Bindung und Gefolgschaft beruhte. Die Tendenzen
einer Geheimkultbildung und auch die Parallelen zu George wurden da-
bei im Kreis um Jünger selbst thematisiert. In seiner Rezension der
»Strahlungen« ging etwa Alfred Andersch, der nach dem Krieg ebenfalls
zu den Briefpartnern und Verteidigern Jüngers gehörte, aber kein Mit-
glied des Jünger-Kreises im engeren Sinn war, auf einen Artikel Gerhard
Nebels ein und distanzierte sich dabei von dessen Stilisierung Jüngers
zum Mystagogen:
»›Überhaupt ist das Werk stark verschlüsselt und öffnet sich in seinem
vollen Gehalt nur Eingeweihten, – aber alle hohe Literatur wendet
sich ja heute an solche ›Mysten‹.‹ So Gerhard Nebel in der ›Frank-
furter Allgemeinen‹. Ich versichere hingegen, daß sich das Werk in
seinem vollen Gehalt jedem öffnet, der sich darum bemüht. Die ›My-
sten‹ wollen wir doch den George-Leuten überlassen. Autoren vom
Range Ernst Jüngers zelebrieren keine Geheimkulte.«
Jünger selbst betonte mehrfach, dass ihm »alle Cliquenbildung, alle gei-
stige Inzucht […] zuwider« (EJ/GN, ) sei. Nach einem Besuch ihres
gemeinsamen Freundes Walter Henin, der zu den ungebremsten Jünger-
verehrern gehörte, schrieb Jünger am . März  an Nebel:
»Bei solchen Begegnungen bin ich immer ein wenig in Sorge, mit einer
Art von Führerposten belehnt zu werden, der meinen Begriffen von
Freiheit widerspricht. Ich kann mich nur als freier Waidmann, nicht
aber als Oberförster an der Jagd auf den kalydonischen Eber beteili-
gen. Alles Cliquenwesen ist mir verhaßt – ich ziehe solitudo oder freie
Heroengemeinschaft vor.« (Ebd., )
Nebel pflichtete Jünger in seiner Antwort bei: »Das Adorantentum ist
auch mir sehr peinlich.« (Ebd., ) In Bezug auf seine eigene Tätigkeit

 Vgl. Breuer, Ästhetischer Fundamentalismus.


 Andersch, Ernst Jüngers Strahlungen, S. . Vgl. zu Andersch, dessen Bekannt-
schaft mit Jünger Nebel vermittelt hatte und der etwa in seiner Eigenschaft als
Hörfunkredakteur bei verschiedenen Radiosendern Lesungen von Jüngers Wer-
ken veranstaltete, Scherpe, Ästhetische Militanz; Treichel, Alfred Andersch.
     -

als Jüngers Gefolgsmann betonte er, er setze sich »nicht als Ihr Propagan-
da-Minister für Sie ein, sondern aus völlig eigener Verantwortung, und
ich treibe keinen geistigen Ahnenkult, sondern ich will der Sache der
geistigen Freiheit dienen« (ebd., ). Armin Mohler warnte Jünger aller-
dings auch mit Blick auf Nebel vor »zwei Gefahren, die Sie im rechten
Augenblick sicher mit wenig Aufwand zurückweisen können: der Verein
und die Sekte«. Nach einer Deutschlandreise berichtete er über seine
Begegnungen mit Jüngerlesern: »[M]an stutzt Sie so zurecht (als Christ,
Westeuropäer, Partisan usw.), damit Sie zum Sekten-Oberhaupt taugen.
Die Ansätze zur Sektenbildung waren an einigen Orten doch peinlich
stark.«
Trotz dieser expliziten Distanzierungen ist aber unverkennbar, dass
alle genannten Protagonisten selbst nicht unerheblich zur Sektenbildung
um Jünger beitrugen. Karl Otto Paetel brachte dieses Paradox in dem
Bericht über seinen ersten Nachkriegsaufenthalt in Deutschland 
unfreiwillig zum Ausdruck. Er betonte darin einerseits, dass Ernst Jünger
»keiner politischen Gruppe« und »keinem literarischen Klüngel« angehöre
und dass er »auf den Schutz einer Kamarilla zu verzichten« vermöge.
Andererseits hob er aber selbst die »Freunde« hervor, die Jünger »in
Deutschland und überall auf der Welt« habe, und bezeichnete sie als
»eine unsichtbare […] ›Bruderschaft der Unruhigen‹«, die sich auch über
Differenzen im Einzelnen an der »Haltung« gegenseitig erkennen wür-
de. Eine unsichtbare Bruderschaft ist aber nichts anderes als eine Sekte,
zu deren Zustandekommen Jünger selbst durch seine Konzeption der
»Autorschaft« und durch seine netzwerkbildenden Kommunikations-
praktiken abgestufter Einweihung trotz aller gegenteiliger Behauptungen
maßgeblich beitrug. Dass es innerhalb dieses Netzwerks zu mancherlei
Konflikten kam, zu Konkurrenzkämpfen und Eifersüchteleien um die
Gunst des Meisters, die in einzelnen Fällen zu nachhaltigen Zerwürfnis-
sen führten – Armin Mohler und Gerhard Nebel zerstritten sich mehr-
fach,  kam es gar zum Bruch zwischen Jünger und Nebel, der zu einer
neunjährigen Pause im Briefwechsel führte –, gehört dabei gerade zur
Signatur einer solchen bündischen Gemeinschaft.
Die esoterischen Kommunikationspraktiken hielt Jünger im Übrigen
auch nach dem Ende des Publikationsverbots aufrecht, wie etwa die Pri-
vatdrucke deutlich machen, die Jünger regelmäßig »unter Ausschluß der

 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Paetel, Deutsches Tagebuch, S. .
 Ebd., S. .
   

Öffentlichkeit« (EJ/CS, ) erscheinen ließ, wie er  an Carl Schmitt


schrieb, und unter seinen Freunden und treuen Lesern verteilte. Der
Pflege einer intimen Leserschaft diente auch das von ihm  initiierte
Maximenspiel »Mantrana«, bei dem die Leser aufgefordert wurden, den
von Jünger vorgegebene Maximen weitere hinzuzufügen und an ihn ein-
zuschicken (EJ e). Ein Rezensent schrieb dazu:
»Ein heutiges Glasperlenspiel also, und der ›Magister ludi‹, der Glas-
perlenspiel-Meister, ruft seine Schüler, versammelt seine Gemeinde –
jedoch nicht in einer willkürlich getroffenen Auslese, denn ›jeder kann
mitspielen‹, sondern einer Auslese, für die jeder einzelne sich selbst
bestimmt. Ein großer Versuch also, eine neue, aus der anonymen Pas-
sivität erweckte Gemeinde zu bilden, ein wichtiges Beginnen, auf zeit-
gemäßem Weg den idealen Zustand von Autor und Leser auch im
Zivilisationsdschungel wiederherzustellen: nämlich das Gespräch.«
Jüngers Vorstellung einer elitären Abgeschlossenheit ging dabei schon auf
die Zeit der nationalistischen Bünde der Weimarer Republik zurück.
Während des »Dritten Reiches« setzte Jünger diese elitäre Haltung fort,
allerdings ohne den aktivistischen Impetus, da die Zurückgezogenheit
und die Verschwiegenheit des Gesprächs unter Freunden nun in erster
Linie dem Selbstschutz in der »inneren Emigration« dienten. Dass die
Haltung beider Brüder Jünger nach  in vielem einer Fortsetzung die-
ser »inneren Emigration« unter veränderten Bedingungen glich, ist be-
reits gesagt worden. Im März  schrieb Hans Speidel explizit, dass die
Gruppenbildung um die Brüder Jünger »eine neue ›Georgsrunde‹ als
Oase in unserer mechanisierten Welt«  entstehen ließe. Nun erweiterten
sich ihre Kommunikationskreise allerdings wieder schrittweise, und die
Anhänger und Bewunderer der Brüder Jünger begannen, auch in der

 Vgl. dazu auch Paetel, »Privatdrucke«.


 Kraus, Wolfgang: Modernes Glasperlenspiel? Ein origineller Versuch Ernst Jün-
gers, in: Remscheider Generalanzeiger, . März .
 Vgl. etwa  etwa E. Jünger an L. Alwens, .., A: Jünger, DLA Marbach:
»Um der neuen Rasse das Gemeinsamkeitsgefühl zu geben, sind wir natürlich auf
Verständigungsmittel angewiesen. Eine große Apparatur ist vorläufig noch gar
nicht nötig, im Gegenteil scheint es mir, als ob eine etwas exklusivere Haltung
nichts schaden könnte, denn es kommt zunächst noch auf Vermittler und Für-
sprecher an. Hier wäre sogar eine gewisse kultische Abgeschlossenheit anziehend,
weshalb ich auch mich in der letzten Zeit bemüht habe, zuweilen vom ›Wir‹ zu
reden.«
 H. Speidel an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Nachkriegs- und frühen bundesrepublikanischen Öffentlichkeit eine


nicht unerhebliche Rolle zu spielen. Die interne Kommunikation dieser
Anhängerschaft wurde von beiden Brüdern allerdings weiterhin im Sinne
einer der feindlichen Öffentlichkeit gegenüberstehenden verschworenen
Gemeinschaft Eingeweihter organisiert.

Die »freie Heroengemeinschaft«


von Heidegger und den Brüdern Jünger

Martin Heidegger hatte ebenfalls bereits vor  und besonders im Rah-
men seiner Auseinandersetzung mit dem auch im George-Kreis verehr-
ten Friedrich Hölderlin eine Text- und Sprachstrategie der »Sigetik« ent-
wickelt, die in ähnlicher Weise wie Jüngers Kommunikation unter
Freunden auf die Schaffung einer esoterischen Gemeinschaft von Einge-
weihten zielte. Diese Gemeinschaft der Heideggeranhänger diente auch
ihm in der unmittelbaren Nachkriegszeit als Schutzpolster gegen die An-
feindungen an der Universität und in der Öffentlichkeit. Ein Beispiel
dafür, dass Heidegger auch nach  seine Prophetenrolle aufrecht er-
hielt und weiterhin auf die Pflege seiner Schülerschaft bedacht war, lie-
fert der mittlerweile edierte Briefwechsel mit Max Müller. So schrieb
Müller  in einem Brief an Heidegger, den er mit dankbaren Grüßen
»von Ihrem Schüler« (MH/MM, ) unterzeichnete, Heidegger sei »kein
Philosophieprofessor, vielleicht auch kein Philosoph, weil das alles zu
wenig ist, sondern Weiser und Verkünder, Stimme und Werkzeug des
Seins selbst« (ebd., ). Jürgen Habermas konstatierte , dass sich Hei-
deggers Wirkung besonders in »kleinen Kreisen« und »Sekten« zeige:
»Gewiß ist Heideggers Wirkung nicht auf die Universitäten beschränkt;
ja, die Anhänglichsten versammeln sich eher ante portas. Diese kleinen
Kreise, zu Sekten manchmal zusammengeschlossen, sind im Lande
verstreut und schwer zu überschauen. In einer Hinsicht passen sie zum
Auftreten des Denkers, der die Kongresse der Fachkollegen meidet
und sich lieber den Kollegien von Laienbrüdern stellt. Unter ihnen
sind die auf Bühler Höhe Erholung suchenden Wirtschaftskapitäne
bereits zum sprichwörtlichen Ruhme gelangt.«

 Vgl. oben, Kap. ..


 Aufgrund der Quellenlage – Heideggers Nachlass ist anders als der der Brüder
Jünger der Forschung nicht zugänglich – lässt sich der enge Heidegger-Kreis leider
nicht in der gleichen Ausführlichkeit rekonstruieren wie der um die Brüder Jünger.
 Habermas, Profile, S. ; zur Bühlerhöhe vgl. unten, S. f.
   

Das Entscheidende ist nun, dass sich die Kreise von Heidegger und den
Brüdern Jünger in der Nachkriegszeit zu berühren begannen und zeit-
weise aufs Engste verflochten. Die erste persönliche Begegnung fand
schon  zwischen Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger statt,
vermittelt durch den Frankfurter Verleger Vittorio Klostermann. Mit
Martin Heidegger stand Klostermann seit seiner Tätigkeit im Verlag
Friedrich Cohen in Kontakt, bei dem Heidegger  »Kant und das Pro-
blem der Metaphysik« sowie die Freiburger Antrittsvorlesung »Was ist
Metaphysik?« veröffentlichte hatte. Seit Klostermanns eigener Verlags-
gründung  diente ihm Heidegger als philosophischer Berater, 
veröffentlichte Heidegger mit »Vom Wesen der Wahrheit« zum ersten
Mal im Klostermann-Verlag. Aus den Kriegsjahren stammt auch die Ver-
bindung mit Friedrich Georg Jünger, der sich nach der ersten Zerstörung
des Satzes seiner »Illusionen der Technik« bei der Hanseatischen Verlags-
anstalt an Klostermann gewandt hatte. Daraus entstand nicht nur eine
lebenslange Verlagsbindung, sondern auch eine enge Freundschaft, die in
privaten Treffen, gemeinsamen Reisen und Wanderungen zum Ausdruck
kam.
Die Zusammenarbeit mit Heidegger war dagegen zwischenzeitlich
getrübt und drohte  ganz abzubrechen, offiziell, da sich Heidegger
über die mangelhafte Qualität der zweiten Auflage der »Holzwege« be-
schwerte, die  bei Klostermann erschienen war. Hintergrund des
Streits von  bildeten aber wohl auch die vergeblichen Bemühungen
Klostermanns aus den Jahren  und , Heidegger Berufungen an
die Universitäten Frankfurt und Berlin zu verschaffen, deren Verlauf und
Scheitern Heidegger verstimmten. Diese Verstimmungen wurden spä-
ter allerdings wieder ausgeräumt. Vor seinem Tod legte Heidegger noch
selbst den Plan zu seiner Gesamtausgabe im Klostermann-Verlag fest.
Die erste persönliche Begegnung Klostermanns mit Ernst Jünger fiel
ebenfalls noch in die Kriegszeit.  war Klostermann dann an den Ver-
handlungen beteiligt, die eine Veröffentlichung von Jüngers »Frieden«
ermöglichen sollten, zunächst aber am Publikationsverbot der englischen
und amerikanischen Besatzungsbehörden scheiterten. Zwischen  und
 veröffentlichte Ernst Jünger schließlich vor allen Dingen seine es-
sayistischen Schriften im Klostermann-Verlag, entschied sich aber Ende

 Vgl. dazu und zum Folgenden Klostermann (Hg.), Vittorio Klostermann; Haus-
mann, Verleger.
 Vgl. M. Heidegger an V. Klostermann, .. u. .., A: Klostermann,
DLA Marbach.
 Vgl. Hausmann, Verleger, S. -.
     -

der er Jahre dazu, seine erste Gesamtausgabe dem Klett-Verlag anzu-
vertrauen, was zum Zerwürfnis mit Klostermann führte. In den späten
er und den er Jahren war Klostermann aber auch für Ernst Jün-
ger ein reger Verhandlungs- und Gesprächspartner und bildete eine der
wichtigsten Schnitt- und Verbindungsstellen zwischen Heidegger und
beiden Brüdern Jünger.
 hatte Klostermann einen Abzug der Druckfahnen der »Illusionen
der Technik« an Heidegger geschickt, nicht nur, weil er des Öfteren die
Meinung Heideggers zu unveröffentlichten Manuskripten einholte, son-
dern auch, weil er bei Heidegger zu Recht ein besonderes Interesse für das
Buch Friedrich Georg Jüngers vermutete. Klostermann war über Heideg-
gers intensive Beschäftigung mit Ernst Jüngers »Arbeiter« ebenso infor-
miert wie über seine während der er Jahre entwickelte Technikkritik.
Heidegger zeigte sich von Friedrich Georg Jüngers Arbeit beeindruckt
und bat Klostermann in einem Brief vom . Mai  um Jüngers
Adresse. Er lud Jünger zu sich ein, besuchte ihn aber im Oktober des-
selben Jahres schließlich selbst. Friedrich Georg Jünger berichtete von die-
sem Besuch in einem Brief an Vittorio Klostermann vom . Oktober :
»Gestern, als ich vom Balkon in den Garten hinabsah, stand Heideg-
ger vor der Tür. Ich erkannte ihn nach Ihrer Beschreibung wieder. Er
kam mit seinem Bruder von Meßkirch und benutzte die Gelegenheit,
mir einen Besuch zu machen. Wir hatten ein mehrstündiges Gespräch,
nicht unergiebig. Personalia, Universität, Situation des Gelehrten,
Techne und Technik, Verhältnis von Mythe und Historie. Er nannte
es eine verwünschte Situation, daß er sich aus der Reflexion immer
erst herausreflektieren müsse. Belustigte sich auch über die Forscher,
die etwas finden und dabei nicht merken, daß der Mensch, der zu
suchen anfängt, immer etwas findet, ein Gedanke, der auch mich hin
und wieder ergötzt. Beim Abschied bat er mich, das Gespräch als ein
Vorspiel zu betrachten.«
Tatsächlich war es das Vorspiel einer persönlichen Verbundenheit, die bis
zum Tod Heideggers  andauerte und nach  auch Ernst Jünger
einbeziehen sollte. Schon bald unternahm Friedrich Georg Jünger einen
Gegenbesuch. So schrieb er am . November  an seinen Bruder:

 Vgl. M. Heidegger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Mar-


bach.
 Vgl. F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger.
 F. G. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
   

»Ich werde morgen nach Freiburg fahren, wo ich einige Tage in Gesell-
schaft von Klostermann verbringen will. Ist Heidegger dort, so soll er
auch aufgesucht werden. Denn vor kurzem stattete er mir hier einen
Besuch ab, schickte mir auch zwei seiner Schriften. Wir hatten ein
längeres Gespräch, in dem auch Deiner gedacht wurde. Von Deinen
Schriften hat er den ›Arbeiter‹ am eifrigsten studiert.«
Heidegger sandte nicht nur seine Schriften an Friedrich Georg Jünger,
sondern ließ sich von Klostermann auch Jüngers Arbeiten über die grie-
chische Mythologie schicken, zum Teil in mehreren Exemplaren, die er
offenbar weiterverteilte. Bis zum Kriegsende und in der ersten Nach-
kriegszeit scheinen sich Friedrich Georg Jünger und Heidegger zunächst
nicht wieder gesehen zu haben. Das erste dokumentierte Nachkriegstref-
fen verzeichnete Friedrich Georg Jünger am . Oktober  in seinem
Tagebuch. Klostermann entwickelte aber schon ab Herbst  eine
rege Reisetätigkeit, bei der er nun auch mit Ernst Jünger in Kontakt trat
und die Brüder Jünger und Heidegger über die Pläne der jeweils anderen
auf dem Laufenden hielt. Anhand der Briefwechsel zwischen Kloster-
mann, den Brüdern Jünger und Heidegger zeigen sich dabei zwei Dinge,
die für die oben beschriebene Kreisbildung insgesamt gelten: Zum einen
entfalteten die Briefe durch die Weitergabe von Informationen, durch die
vielfältigen Überkreuzungen und Verknüpfungen über das rein dialogische
Gespräch hinaus ein kommunikatives Netzwerk und können deshalb als
»gruppenbildendes Kommunikationsmittel«  gelten. Zum anderen be-
ruhte dieses Netzwerk aber nicht allein auf der Briefkommunikation,
sondern auch auf einem regen Besuchsverkehr, der trotz der erschwerten

 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


Über den Besuch in Freiburg berichtete F. G. Jünger wenig später: »In Freiburg
war ich mit Klostermann bei den Professoren, die dort in ihren alemannischen
Klausen den Zeitlauf beobachten. […] Mit Heidegger, der in Zähringen wohnt,
verbrachte ich einen halben Tag unter mannigfachen Gesprächen. Seine Stellung
hier scheint eine isolierte zu sein. Wir machten einen Spaziergang zusammen,
und er schenkte mir beim Abschied sein Buch ›Sein und Zeit‹.« (F. G. Jünger an
E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
 Vgl. M. Heidegger an V. Klostermann, .. u. .., A: Klostermann,
DLA Marbach.
 Vgl. Tagebücher aus den Jahren -, Eintrag .., D: F. G. Jünger,
DLA Marbach: »Dann nach Todtnauberg, durch herbstliche Wälder, über das
Feldbergmassiv. Wir sprachen in Heideggers Hütte ein. Mir fiel wieder auf, wie
sehr er einem schwarzwälder Bauern gleicht. Er trug eine Zipfelmütze, Kniehosen
und lange Strümpfe.«
 Herres/Neuhaus, Vorwort, S. .
     -

Reisebedingungen der Nachkriegszeit schon bald nach Kriegsende ein-


setzte. Im August  schrieb Ernst Jünger zum Beispiel an Friedrich
Georg Jünger über seinen Besucher Armin Mohler: »Wie ich höre, wird
er Dich in diesen Tagen in Begleitung von Nebel aufsuchen. Auch mit
Carl Schmitt und Speidel hatte er gesprochen, und so alle Denkhütten
von Bedeutung berührt, die in dieser Trümmerwelt geblieben sind.« Jün-
ger selbst aber, so hatte er schon ein Jahr zuvor an seinen Bruder geschrie-
ben, wolle »in Kirchhorst bleiben wie der Alte vom Berg in Alamut«.
Das Bild des »Alten vom Berg« und das der in der Trümmerwelt ver-
streut erhaltenen »Denkhütten« vermittelt einen guten Eindruck von
den Pilgerfahrten, die in den Nachkriegsjahren ein Netzwerk zwischen
den zurückgezogen lebenden »Eremiten« entstehen ließen. Gleichzeitig
markiert es einen gewissen Unterschied zwischen der Anhängerschaft
einzelner Großdenker, wie sie vor allen Dingen Ernst Jünger und Martin
Heidegger um sich scharten, und der Beziehung unter Gleichen, die
diese Großdenker – gleichsam von Berggipfel zu Berggipfel – miteinan-
der unterhielten. Auch diese »freie Heroengemeinschaft« (EJ/GN, )
beruhte allerdings auf regelmäßigen Treffen und gegenseitigen Besuchen.
In der Nachkriegszeit konzentrierten sich die »Denkhütten« dieser in
freier Gemeinschaft verbundenen Geistesheroen zunehmend im süd-
deutschen Raum. Ernst Jünger erwog daher schon , von Hannover
nach Süddeutschland zu ziehen, und dachte dabei nicht allein an die
Vorteile, die ein Umzug aus der britischen Zone in das Herrschaftsgebiet
der ihm wohler gesonnenen Franzosen bedeuten würden. In einem Brief
vom . Januar  schrieb er auch, dass sich in Süddeutschland »geistige
Schwerpunkte bilden, die mich anziehen« (EJ/GN, ), womit er nicht
nur seinen Bruder Friedrich Georg in Überlingen, sondern etwa auch
Hans Speidel in Freudenstadt, Gerhard Heller in Baden-Baden, Carlo
Schmid in Tübingen und nicht zuletzt Martin Heidegger in Freiburg
meinte. Konkret wurden die immer wieder erwogenen Umzugspläne
allerdings erst im Herbst .
Den Ausschlag gab eine Reise nach Süddeutschland, bei der Ernst
Jünger im Anschluss an die Geburtstagsfeier Friedrich Georgs in Über-
lingen  zusammen mit Klostermann nach Freiburg und Todtnauberg

 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Hans Speidel erinnert sich in seinen Memoiren an die »traditionelle Geburtstags-
feier von Friedrich Georg Jünger« in Überlingen, die in der Nachkriegszeit zu
einer festen Einrichtung wurde: »Der . September war für uns zu einem festen
Termin geworden, an dem wir alljährlich mit Ernst Jünger, Monsignore Horion,
   

weiterreiste, wo er erstmals mit Martin Heidegger persönlich zusammen-


traf. Der Eindruck dieser Begegnung scheint so nachhaltig gewesen zu
sein, dass Jünger nicht nur mit seinen Umzugsplänen ernst machte, son-
dern auch einen Wohnsitz in unmittelbarer Nachbarschaft Heideggers
im Hochschwarzwald in Erwägung zog. »So hat mein Aufenthalt in der
Süduferklause und oben bei Heidegger in Todtnau doch Wichtiges ange-
rührt«, wie er an seinen Bruder schrieb. Klostermann bat er um Hilfe bei
der Suche nach einem passenden Haus und fügte hinzu, er könne dann
auch von dort aus eine Hütte für die Zusammenkünfte des Freundes-
kreises beaufsichtigen. Gegenüber seinem Bruder bemerkte er in einem
späteren Brief, die Nachbarschaft mit ihm und manchen Freunden werde
wohltätig für ihn sein.
Die Wahl des Wohnsitzes fiel dann doch nicht auf den Hochschwarz-
wald, unter anderem, weil auch Heidegger davon abriet, da Todtnauberg
zu hoch liege und »die Schneezeit im Winter zu lange dauert, so daß sich
dort nur perfekte Skiläufer bewegen können«, wie Klostermann an Ernst
Jünger weitergab. Im Dezember  zog Ernst Jünger schließlich mit
seiner Familie nach Ravensburg und damit in direkte Nähe zu Friedrich
Georg Jünger. Im Sommer  verlegte er seinen Wohnsitz erneut, und
zwar nach Wilflingen, wo er zunächst das Schloss, später und bis zu sei-
nem Lebensende das Forsthaus der Familie Stauffenberg bewohnte. Hier, in
der oberschwäbischen Provinz, ließ sich trotz der geographischen Abgele-
genheit der Besuchsverkehr leicht organisieren, da nicht nur der Boden-
see gut erreichbar war, sondern auf halber Strecke nach Überlingen auch
Meßkirch lag, der Geburtsort Martin Heideggers, wo dieser regelmäßige
Arbeitsaufenthalte bei seinem Bruder Fritz Heidegger verbrachte.
In unmittelbarer Nähe lag zudem das Örtchen Pfullingen, Sitz des 
gegründeten Verlags von Günther Neske, der in den er Jahren Werke

dem großen Entomologen, Vittorio Klostermann, Clemens Graf Podewils, Fried-


rich Schnack und Überlinger Freunden zusammenkamen.« (Speidel, Zeit, S. )
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Mit »Süd-
uferklause« war der Wohnsitz F. G. Jüngers in Überlingen gemeint.
 Vgl. E. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vittorio Klostermann an E. Jünger, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
Bei dem der Haussuche dienenden Besuch in Todtnauberg im Oktober  war
im Übrigen auch Friedrich Georg Jünger dabei, der seinem Bruder ebenfalls von
den Bedenken Heideggers berichtete; vgl. F. G. Jünger an E. Jünger, ..
(Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. zu Heideggers Verhältnis zu seinem Bruder Zimmermann, Martin und Fritz.
     -

sowohl Ernst Jüngers als auch Martin Heideggers verlegte. Günther


Neske gehörte bereits seit den er Jahren zu den emphatischen Jün-
ger- und Heideggerlesern.  lernte er Ernst Jünger persönlich kennen
und arbeitete nach dem Krieg an einer Dissertation über »Das Problem
des Todes im Werk Ernst Jüngers«. Martin Heidegger lernte Neske 
in München kennen und bemühte sich, ihn für seinen Verlag zu ge-
winnen, was ihm  gelang. Das Ehepaar Neske pflegte mit beiden
Brüdern Jünger und mit Martin Heidegger eine enge Bekanntschaft, so
dass Neske zu einer weiteren wichtigen Schnittstelle in ihrem Bezie-
hungsgeflecht wurde.

Elitenbildung unter Argonauten

Das personelle Netzwerk, in dem die Brüder Jünger und Martin Heideg-
ger nach  verbunden waren, diente nicht allein dem Rückzug und
der Verteidigung gegenüber der kritischen Öffentlichkeit. Es sollte auch
erlauben, aus der Sicherheit des Freundeskreises heraus schrittweise die
Rückkehr in die Öffentlichkeit zu organisieren. Denn der ostentative
Rückzug in den »Turm des Schweigens« bedeutete ja nicht, dass Heideg-
ger oder die Brüder Jünger der Meinung gewesen wären, nichts mehr zu
sagen zu haben. Die Bildung von esoterischen Zirkeln, von Gemeinden
von Eingeweihten beruhte vielmehr in hohem Maße auf dem Gedanken
einer Elite der Wissenden. Je dürftiger die Zeiten, desto mehr musste sich
diese Elite zunächst auf sich selbst konzentrieren, doch immer mit der
Perspektive und dem Anspruch, die Keimzelle künftiger Wirkung zu bil-
den. In seiner  erschienenen Erzählung »Besuch auf Godenholm«
beschrieb Ernst Jünger exemplarisch diese Idee einer Kleingruppe von
Wissenden, die aus der Einsiedelei heraus und qua tieferer Einsicht den
zukünftigen Gang der Dinge bestimmen würden:
»Der Plan, die Lage in kleinen Gruppen zu erwägen und in Versuchen
ihre Grenzen anzutasten, war nicht so unsinnig. Das war nichts Neues,
sondern immer während der großen Wenden der Fall gewesen – in

 Vgl. Neske/Seng (Hg.), Vierzig Jahre.


 Gretha Jünger schildert in ihren im Neske-Verlag erschienenen Erinnerungen die
Begegnung und Freundschaft mit Günther und Brigitte Neske sowie deren
Hochzeit in Pfullingen im Mai , bei der zugleich »eine kleine Lagebespre-
chung« (EJ/GN, ) der Jüngerfreunde abgehalten wurde und bei der sich etwa
Friedrich Georg Jünger und Gerhard Nebel zum ersten Mal persönlich begeg-
neten; vgl. Jeinsen, Silhouetten, S. -; FGJ/GN, ff.
   

Wüsten, in Klöstern, in Einsiedeleien, in stoischen und gnostischen


Gemeinden, um Philosophen, Propheten und Wissende herum. Im-
mer gab es ja ein Bewußtsein, eine Einsicht, die dem historischen
Zwange überlegen war. Sie konnte anfangs nur in ganz Wenigen ge-
deihen, und doch war hier die Marke, von der aus dann das Pendel in
neuer Richtung schwang.« (EJ , f.)
Auch Friedrich Georg Jünger verband seine Ablehnung der ihm ange-
tragenen Mitarbeit an diversen Zeitschriften oder »Gruppen und Klün-
geln« mit dem Anspruch der Konzentration auf die eigene Wirksam-
keit. In einem Brief vom . Januar  schrieb er, er habe sich »ganz auf
meinen eigenen Limbus beschränkt, nicht um in ihm zu privatisieren,
sondern weil ich nur von ihm aus kräftiger wirken kann, zunächst durch
die Publikationen, die bevorstehen«. Seinem Bruder hatte er schon im
Oktober  mitgeteilt, dass er dessen »Frieden« als Ausgangspunkt
einer Sammlung der wesentlichen Kräfte betrachtete:
»Deine Schrift über den Frieden habe ich in diesen Tagen studiert; ich
werde sie in dieser Woche mit nach Salem nehmen und sie dort einem
kleinen Kreise vorlesen. Wir können sie als ein Manifest betrachten, von
dem aus sich weiter arbeiten lässt, selbst wenn, was mir wahrscheinlich
ist, die Dinge zunächst einen anderen Gang nehmen sollten. Ich glau-
be, dass die darin ausgesprochenen Gedanken weit reichen und dass
sie präzis genug sind, um eine Arbeitsgemeinschaft zu begründen. Es
kommt jetzt darauf an, die europäischen Eliten zu sammeln und zu
vereinigen.«
Tatsächlich hatte Ernst Jünger schon im »Frieden« selbst »kleine Eliten«
(EJ , ) gefordert und erhoffte sich besonders von dieser Schrift
nach  eine politische Wirkung. Zudem dachte er darüber nach,
»dieser Arbeit ein Seitenstück zu geben durch einen innenpolitischen
Rückblick auf die letzten zwölf Jahre, der in ein ›Programm‹ ausmündet«,
wozu er aber zunächst die »Auswirkung der Friedensschrift als praktische
Grundlage« bräuchte. Dieses Vorhaben erwähnte er auch gegenüber
anderen Briefpartnern, wobei er gleichzeitig den attentiven Charakter
seines Rückzugs zum Ausdruck brachte. So schrieb er ein knappes halbes
Jahr später an Manfred Michler, den Herausgeber und Chefredakteur der

 F. G. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.


 F. G. Jünger an C. Grunert, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Monatszeitschrift Die Aussprache, in der Jüngers »Friede«  abge-


druckt wurde:
»Sie meinen, daß ich zur Lage Stellung nehmen soll. Ich halte diesen
Zeitpunkt für verfrüht. Es kommt vorläufig darauf an, daß ich nicht
nur innere, sondern auch äußere Autorität gewinne, die mir zu schaf-
fen ich der Arbeit meiner Freunde überlassen muß. Ich hege keinen
Zweifel daran, daß das im Laufe der Zeit geschehen wird. Dann werde
ich der Friedensschrift ein innenpolitisches Pendant geben. Zunächst
muß diese Schrift sich durchsetzen, da ich auf ihr aufbauen will.«
In den Augen Jüngers ließ der günstige Zeitpunkt allerdings noch eine
Weile auf sich warten, was aber nichts an seinem Bewusstsein änderte,
etwas Wesentliches zu sagen zu haben. Ein weiteres knappes Jahr später
schrieb er an seinen Bruder, er fühle, »daß es gut wäre, wenn ich mich zur
Lage äußerte. Doch will ich die Wirkung der Friedensschrift noch ab-
warten. Ich fühle aber, daß ich den jungen Deutschen den Star stechen
könnte, mit dem sie behaftet sind. Doch darf man sich nicht dem Wahne
hingeben, daß es damit eilt.« Gerhard Nebel gegenüber, der Jünger im-
mer wieder darin bestärkte, dass er sich an die Öffentlichkeit wenden
solle – die »Menschen brauchen Ihr Wort« (EJ/GN, ) –, gab er eben-
falls seine Überzeugung zum Ausdruck, »daß man dem jungen Deut-
schen doch einige Hinweise geben sollte – freilich ist die Materie, das
heißt die auf der Hand liegende, doch noch unsichtbare Wahrheit so in-
flammabel, daß sie nur von geübtesten Pyrotechnikern berührt werden
dar[f ]« (ebd., ) – zu denen sich Jünger zweifellos zählte. Jüngers »Auf-
ruf an das deutsche Volk« kam dann zunächst nicht in der geplanten
Form zustande. Seine erste im engeren Sinn politische Schrift nach dem
»Frieden« war der  erschienene Essay »Der Waldgang«. Doch seine
Äußerungen der unmittelbaren Nachkriegszeit bezeugen ein geistespoli-
tisches Sendungsbewusstsein, das in ähnlicher Form auch Martin Hei-
degger zueigen war, der sein Lehrverbot und damit das Moratorium seiner
geistigen und pädagogischen Wirkung gegenüber dem Rektor der Frei-
burger Universität mit den Worten kommentierte, »daß ich von mir aus
durchaus warten könne, daß aber die Frage sei, ob die Jugend und ob die
heutige geistige Lage der Deutschen warten könne« (MH -, ).

 E. Jünger an M. Michler, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 So Nebel in einem Brief an Armin Mohler vom . April , zit. n. EJ/GN, .
 Vgl. dazu unten, Kap. ..
 Dass Heidegger nach  am Glauben an seine pädagogische Berufung und an
   

Friedrich Georg Jünger verfügte ebenfalls über ein gewisses Sendungs-


bewusstsein, auch wenn es sich stärker wie das Martin Heideggers auf die
Ebene des Geistigen und Musischen bezog und weniger wie das Ernst Jün-
gers auf die Politik. Ausdruck dieses Sendungsbewusstsein war der schon
im Frühsommer  in Angriff genommene Plan, eine eigene Zeitschrift
herauszubringen. So schrieb Friedrich Georg Jünger am . Juni  an
seinen Verleger Klostermann, dass »eine Zeitschrift jetzt von großem
Nutzen« wäre, »um das zerstreute Gute zu sammeln, den geistig Verlasse-
nen Mut zu geben und gewissen inferioren und gehässigen Bestrebungen
den Wind aus den Segeln zu nehmen«. Diese Zeitschrift sollte aber ih-
rerseits auf der Konzentration auf die eigenen Kräfte und den inneren
Zirkel beruhen. An seinen Bruder schrieb Friedrich Georg Jünger daher,
dass sein Plan sei, »mit Dir zunächst eine Zeitschrift herauszugeben, die
wir allein bestreiten und an der wir nach und nach einen sehr kleinen
Kreis von Mitarbeitern beteiligen«. In einem anderen Brief schrieb Jün-
ger, dass die Zeitschrift »nicht in einer möglichst grossen, sondern einer
möglichst kleinen Auflage erscheinen« solle. Gegenüber dem Dichter
und Schriftsteller Hans Egon Holthusen schilderte er schließlich noch
einmal die hinter dem Zeitschriftenplan liegende Absicht der Schaffung
einer geistigen Elite:
»Wichtiger als diese Zeitschrift – denn sie ist nur eines der Mittel dazu
– ist mir, dass Verbindungen zwischen den freien Intelligenzen ge-
schaffen werden. Darunter verstehe ich diejenigen, welche ausserhalb
aller Ideologien tätig sind und sie weder hervorbringen noch von ih-
nen gesteuert werden. Das ist meine Definition der Eliten, zu denen
weder der Schauspieler gehört noch derjenige, der den Kult des Schau-
spielers betreibt, weder der Massenführer noch die Masse, die mit ihm
identisch ist.«

die Bedeutung der universitären Geisteserziehung festhielt, geht auch aus einem
Brief an Gerhard Nebel vom Juni  hervor: »Die Auseinandersetzung mit
dem, was jetzt u. seit langem ›Universität‹ heißt, bleibt für die künftige europä-
ische Erziehung zentral. Wir müssen sie selbst vollziehen – man könnte diese
Institution der fortschreitenden Amerikanisierung überlassen; aber das ist keine
Lösung; denn es handelt sich um die Frage, wie in den nächsten Jahrhunderten
Geist u. Wissen gedeihen und ihr Gepräge erhalten sollen.« (Zit. n. EJ/GN, )
 F. G. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an Dr. Groll, ..  (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an H. E. Holthusen, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA
Marbach. Vgl. zu Jüngers Definition des Schauspielers als Demagogen und Ideo-
logen, der sich technischer Manipulationsmittel bedient, FGJ c, -.
     -

Die konkrete Planung der Zeitschrift hatte bereits im Herbst  in Ver-
handlungen mit Klostermann Gestalt angenommen. Der Titel der Vier-
teljahresschrift sollte »Musische Blätter« lauten, das erste Heft sollte im
April  erscheinen. Nachdem Ernst Jünger von einer Mitherausge-
berschaft Abstand genommen hatte, aber bereit war, eigene Beiträge zur
Verfügung zu stellen, wollte Friedrich Georg Jünger als alleiniger Her-
ausgeber auftreten. Im April  zeichnete er dafür einen Herausgeber-
vertrag mit Klostermann, im ersten Heft, das nun im Juli  erscheinen
sollte, waren unter anderem Beiträge von dem Altphilologen Karl Rein-
hardt, dem Romanisten Werner Krauss, dem Kunsthistoriker Theodor
Hetzer und dem  verstorbenen Literaturwissenschaftler Max Kom-
merell geplant. Es gab allerdings Schwierigkeiten mit der Lizenzvergabe
durch die Besatzungsbehörden, die nicht zuletzt auf der geplanten Mit-
arbeit von »indizierten Autoren« beruhten, zu denen auch Ernst Jünger
gehörte. Klostermann und Friedrich Georg Jünger verfolgten den Plan
der Zeitschrift zwar noch eine Weile lang, konnten ihn aber schließlich
nicht verwirklichen, das erste Hefte, das in Teilen bereits gesetzt war,
blieb ungedruckt.
Die Mitarbeit an anderen Zeitschriften hat Friedrich Georg Jünger in
den ersten Nachkriegsjahren stets abgelehnt, so auch gegenüber Hans
Paeschke, der nach dem Krieg in der Redaktion der deutsch-französi-
schen Kulturzeitschrift Lancelot tätig war und  zusammen mit dem
ebenfalls beim Lancelot arbeitenden Gerhard Heller den Merkur grün-
dete. Gerhard Nebel war mit Hans Paeschke allerdings noch aus der
Kriegszeit bekannt, während derer Paeschke die Berliner Zeitschrift Die
Neue Rundschau redigierte hatte, für die auch Nebel schrieb. Gerhard
Heller kannten sowohl Nebel als auch Ernst Jünger aus der Besatzungs-
zeit in Paris. Beide beobachteten daher die verlegerischen und heraus-

 Vgl. F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Mar-


bach. Im November  berichtete Klostermann auch bereits Heidegger von der
geplanten Zeitschrift; vgl. V. Klostermann an M. Heidegger, .., A: Kloster-
mann, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. Fröschle, Kommentiertes Verzeichnis, S. f. Auch Rudolf Kassner wollte Fried-
rich Georg Jünger für die Mitarbeit gewinnen; vgl. F. G. Jünger an R. Kassner,
.. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. F. G. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
 Vgl. F. G. Jünger an H. Paeschke, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA
Marbach; zur Gründung des Merkur vgl. Bohrer, Hans Paeschke.
   

geberischen Bemühungen von Heller und Paeschke in Baden-Baden mit


Interesse und vor allen Dingen Nebel arbeitete zeitweise enger an der Pla-
nung des Merkur mit. An Ernst Jünger schrieb er am . November :
»Den ›Merkur‹ halte ich für sehr wichtig. Sie werden merken, dass Sie
der Capitano unserer Equipe sind, wie Friedrich Georg der Locote-
nente. Doch werden wir die Maske erst in der dritten oder vierten
Nummer (nämlich dann, wenn wir schon etwas bedeuten) fallen las-
sen. Ich werde in jedem der Hefte mit einem voluminösen Beitrag ver-
treten sein.« (EJ/GN, ) 
Wie mit vielen anderen überwarf sich Nebel zu einem späteren Zeitpunkt
allerdings auch mit Gerhard Heller (vgl. ebd., ), und obwohl die Brü-
der Jünger in späteren Jahren vereinzelt im Merkur veröffentlichten,
verabschiedeten sie sich bald von der Vorstellung, »dem ›Merkur‹ unse-
ren Stempel aufzudrücken« (ebd., ) und aus ihm gleichsam ihr Haus-
blatt zu machen. Stattdessen war es nun Ernst Jünger, der begann, über
eine eigene Zeitschrift nachzudenken. So schrieb er am . Februar 
an Nebel:
»Ich hatte den Eindruck, daß Sie dem ›Merkur‹ gegenüber eine Ver-
stimmung ergriffen hat. Früher oder später müßte man indessen an
eine Zeitschrift denken, sowohl um über ein Organ zu verfügen, als
auch, um junge Kräfte heranzuziehen. Mit Ihnen und Friedrich Georg
würde ich mir zutrauen, die Patres zu stellen, und die Fratres werden
sich dann einfinden. Zu diesen würde auch ein ausgezeichneter Re-
dactor gehören müssen, da der produktive Mensch seine Zeit nicht an
solche Dinge verlieren soll.« (Ebd., )
Im Briefwechsel zwischen Ernst Jünger und Gerhard Nebel wurde diese
Idee in den folgenden Monaten mehrfach thematisiert, wobei Jünger
und Nebel in Anlehnung an Jüngers Wort von der »freien Heroenge-
meinschaft« und im Rückgriff auf den griechischen Mythos der Argo-
nauten von dem Plan einer »Argo« sprachen. Später sollte die Zeitschrift
dann Pallas heißen. Doch die »Argo« als das Schiff der mythischen Helden
verwies noch deutlicher auf den Gemeinschaftscharakter ihrer Besatzung

 Tatsächlich erschienen von Nebel im ersten Jahrgang des Merkur mehrere Bei-
träge; vgl. EJ/GN, , auch , f.,  u. f. Auch Clemens Podewils, der
Heller und Ernst Jünger ebenfalls aus Paris kannte, legte beiden Brüdern Jünger
eine Mitarbeit am Merkur ans Herz; vgl. C. Podewils an F. G. Jünger, ..,
D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. EJ c, FGJ a, b, .
     -

hin, wie auch auf die feindliche Umwelt und das übergeordnete Ziel ei-
ner Schatzsuche, waren die Argonauten im Mythos doch aufgebrochen,
um das goldene Vlies zurückzuerobern. Dieses übergeordnete Ziel deu-
tete Jünger wiederum in Abgrenzung zum Merkur an, über den er am
. August  schrieb: »Ich stelle mir unsere Argo etwas anders vor.
[…] Die Dinge setzen aber doch eine eingehende Beratung voraus. Sie
lägen einfach, wenn wir nur eine Zeitschrift herausgeben wollten. Wir
wollen doch aber mehr.« (Ebd., )
Die erste eingehende Beratung fand dann auf derselben Süddeutsch-
landreise Ernst Jüngers im September  statt, bei der er auch Heideg-
ger persönlich kennen lernte und den Beschluss eines baldigen Umzugs
in die französische Besatzungszone fasste. Nun sollte auch Martin Heid-
egger an der Zeitschrift beteiligt werden, Armin Mohler sollte die Arbeit
des Redakteurs übernehmen. Nebel schrieb, nachdem ihn Jünger auf der
Rückreise in Wuppertal besucht hatte, an Mohler am . Oktober :
»Plan einer Zeitschrift mit Heidegger, für die Sie als Redaktor vorge-
sehen werden. ›Die kalydonische Jagd‹. Veranstaltet von Martin Hei-
degger, Ernst Jünger, Friedrich Georg Jünger, Gerhard Nebel – unter
Ausschluss des Oberförsters. Ich könnte mir denken, dass das kräftig
einschlüge. Heidegger und Jünger verstanden sich so gut, dass Jünger
im Begriff steht, sich ein Haus in Todtnauberg zu kaufen.«
Unter den Verlegern interessierte sich neben Hubert Tigges in Wuppertal
auch Vittorio Klostermann für das Zeitschriftenprojekt, zumal der Plan
der Musischen Blätter noch nicht ganz vergessen war, woran Friedrich
Georg Jünger seinen Bruder auch erinnerte. Ernst Jünger unterrichtete

 G. Nebel an A. Mohler, .., A: Mohler, DLA Marbach. Nebel zitierte hier


indirekt den Brief Ernst Jüngers vom . März , in dem Jünger schrieb, er
könne sich »nur als freier Waidmann, nicht aber als Oberförster an der Jagd auf
den kalydonischen Eber beteiligen« (EJ/GN, ). Anfang Oktober  stand
also offenbar der Name der Zeitschrift noch nicht fest. Im Übrigen äußerte sich
Nebel in diesem Brief abfällig über Heidegger: »Ich las den Brief über den Huma-
nismus, voller Mitleid. Ein wahrhafter Zerfall, eine saftlose Sprache, ein höchst
dünnes Sein, eine irrsinnige Hybris. Die ganze Entwicklung der abendländischen
Theologie und Metaphysik geht Irrwege, nur ER, MARTINUS, hat die unver-
deckte Wahrheit des Seins. Ich habe manchmal den Eindruck – unter uns – von
leichtem Irrsinn.« Nebels Neigung zu überspitzen Urteilen führte an anderer
Stelle allerdings auch zu überschwänglichem Lob auf Heidegger.
 Vgl. F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA
Marbach.
   

Klostermann daraufhin von seinen Plänen. Nach einem Besuch Ernst


Jüngers in Frankfurt Anfang Dezember  berichtete Klostermann
Heidegger von den Zeitschriftenplänen, wobei nun auch Werner Heisen-
berg als weiterer Herausgeber genannt wurde. Nach dem Wunsch von
Jünger sollten die Zeitschriftenfragen »einmal in einer Zusammenkunft
im Frühjahr in Todtnauberg besprochen werden«. Allerdings hatte sich
schon Anfang November  auch Ernst Klett in die Planung einge-
schaltet, wie Ernst Jünger am . November  an Nebel schrieb. An
diesem Brief zeigt sich nicht nur, dass nach drei Jahren des »Schweigens«
mehreren Mitgliedern des Jünger- und Heidegger-Netzwerks die Zeit reif
schien, einen konzertierten Vorstoß in die Öffentlichkeit zu wagen. Ernst
Jünger brachte darin auch seine ersten Bedenken zum Ausdruck, die »in-
neren Gemächer«, in die er sich zurückgezogen hatte, schon zu diesem
Zeitpunkt wieder zu verlassen:
»Hier besuchte mich der Verleger Klett und trug mir von sich aus den
Plan zu einer Zeitschrift vor. Da auch Klostermann mit Friedrich
Georg und Heidegger Ähnliches beabsichtigt, hätten wir bereits drei
Verleger und drei Pläne für Zeitschriften. Das alles bedarf gründlicher
Erwägungen und wahrscheinlich einer gemeinsamen Sitzung in Über-
lingen oder [im] Schwarzwalde. Mir ist ja bei dem ganzen Zeitschrif-
tenwesen ein wenig unheimlich. […] Das Schwierige an solchen Plä-
nen liegt eben darin, daß sie aus einer Reihe von stillen und in sich
abgeschlossenen Klausen in andere Räume, und nicht zuletzt in den
politischen hinausführen.« (EJ/GN, )
Carl Schmitt, der anfänglich ebenfalls als Mitherausgeber der Zeitschrift
im Gespräch war, bevorzugte in diesem Sinne noch den Aufenthalt in der
abgeschlossenen Klause. In einer Antwort an Vittorio Klostermann vom
Dezember  zitierte er abwandelnd die Maxime Rivarols: »L’obscurité
protège mieux que la loi et donne plus de sécurité que l’innocence.«

 Vgl. E. Jünger an V. Klostermann, .. u. .., A: Klostermann, DLA


Marbach.
 V. Klostermann an M. Heidegger, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
Vgl. zur Beziehung von Werner Heisenberg zu den Brüdern Jünger und Martin
Heidegger unten, Kap. ..
 Vgl. G. Nebel an A. Mohler, .., A: Mohler, DLA Marbach: »›Unsere‹
Zeitschrift kann doch erst hervortreten, wenn die Situation sich grundlegend ge-
ändert hat, und das wird sich erst zu Anfang des nächsten Jahres deutlicher ab-
zeichnen. Ausserdem sind die zu bewegenden Lasten (Heidegger, Carl Schmitt,
die Brüder) zu schwer, als dass man sie so schnell auf einen Haufen bringen
könnte.«
     -

(Ebd., )  Ernst Klett teilte diese Bedenken nicht. In den folgenden
Monaten waren es in erster Linie er und Gerhard Nebel, die den Zeit-
schriftenplan vorantrieben, wobei Nebel im diametralen Gegensatz zur
Obskurität forderte, dass die Herausgeber mit der Zeitschrift »wie eine
Atombombe in Erscheinung treten« (ebd., ) müssten. Im Januar 
machte Klett den Vorschlag, »die in Betracht kommenden Herren zu ei-
nem meeting in irgend einem Hotel im Schwarzwald oder am Bodensee«
einzuladen, »damit die Sache endlich aus dem Stadium der vorbereiten-
den Gespräche« (ebd., ) herauskomme. Die Initiative war damit auf
Ernst Klett übergegangen, wobei Ernst Jünger, der den Plan ursprünglich
angestoßen hatte, nun in die Rolle des Bedenkenträgers wechseln konnte.
So schrieb er am . Februar  an Gerhard Nebel:
»Die Zeitschriftenfrage ist recht kompliziert. […] Was mich betrifft,
so will ich dabei in keiner Weise aktiv werden, stecke ja gewiß mehr
Ansehen hinein, als ich heraushole. Auch fehlt es mir an Zeit dazu.
Anliegend nun ein Brief von Klett, demgegenüber ich gelegentlich
von dem Projekte sprach. Er erwägt eine Einladung an die in Frage
kommenden Geister, und ich sehe darin nichts Schlechtes, denn eine
solche Zusammenkunft dürfte gewiß anregen. Ich möchte aber erst
Ihre Meinung dazu hören. Ein Konsilium, von dem ich mir etwas ver-
spräche, könnte etwa so aussehen: Heidegger, Heisenberg, F. G. Jün-
ger, E. Jünger, Nebel, C. Schmitt, Speidel. Das würde ich begrüßen,
auch wenn der Plan einer Zeitschrift garnicht auf ’s Tapet käme.«
(Ebd., )
In einem späteren Brief fügte er hinzu, dass ohnehin noch ungeklärt sei,
»wer die Herausgabe übernehmen will« (ebd., ). Nebel erklärte sich
daraufhin bereit, die Zeitschrift gegebenenfalls auch alleine herauszu-
geben, »unter der Bedingung, dass Armin Mohler mir als Redaktor bei-

 Die Originalmaxime lautet: »Nous sommes dans un siècle où l’obscurité protège


mieux que la loi et rassure plus que l’innocence.« Ernst Jünger übersetzte in seiner
Rivarol-Übertragung: »Wir leben in einer Zeit, in der Bedeutungslosigkeit mehr
schützt als die Gesetze und ein besseres Gewissen als die Unschuld verleiht.«
(EJ a, )  korrespondierten Schmitt und Jünger über diese Übersetzung
(vgl. EJ/CS, -). Es mag bezeichnend sein, dass Schmitt  die »obscuri-
té«, die man auch mit Verborgenheit übersetzen könnte, in seinem freien Zitat
mit der »sécurité«, also der Sicherheit in Zusammenhang brachte, die im Original
nicht vorkommt, dafür aber in Schmitts eigener Formulierung von der Sicherheit
des Schweigens. In jedem Fall wurde auch zu einem späteren Zeitpunkt noch
daran gedacht, Beiträge von Carl Schmitt ohne Namensnennung zu veröffent-
lichen, wie es Schmitt auch an anderer Stelle getan hatte; vgl. EJ/GN, .
   

gegeben wird« (ebd., ). Mohler war mit dieser Regelung trotz gele-
gentlicher »Zusammenstösse« mit Nebel einverstanden.
Noch bevor aber die geplante »Zusammenkunft der Giganten« (ebd.,
) Ende Mai  stattfinden konnte, ergaben sich neue Schwierig-
keiten. Die englische hatte bei der amerikanischen und französischen
Militärbehörde gegen geplante Veröffentlichungen Jüngers Protest einge-
legt, und Jünger rechnete noch mit »weiteren Bestrebungen, sich meiner
höchst unerwünschten Erscheinung auf dem Verbotswege zu entledigen«
(ebd., ). Er schrieb daher am . Mai an Ernst Klett, dass er, um »die
Angriffsfläche so klein wie möglich zu halten«, auch bei der Zeitschrift
möglichst nicht »sichtbar hervortrete[n]« wolle. Er sei zwar bereit,
»Herrn Dr. Nebel so oft Beiträge zur Verfügung zu stellen, wie er es für
richtig hält«, wolle aber »nicht als einer der Initiatoren an ein Gremium
herantreten und an seinen Beratungen teilnehmen« (ebd.). Anstelle einer
großen Zusammenkunft unternahmen Nebel und Klett daher im Mai
eine Rundreise, bei der sie die Brüder Jünger und Heidegger einzeln auf-
suchten, um sie bei der Stange zu halten. Diese Reise war immerhin so
erfolgreich, dass Nebel Ernst Jünger am . Mai berichtete, Friedrich
Georg Jünger und Heidegger seien beide weiterhin an der Zeitschrift
interessiert, Heidegger wolle Heraklit-Interpretation zur Verfügung stel-
len: »Beide, Ihr Bruder und der Waldschratt vom Feldberg, sind bereit,
als Herausgeber zu zeichnen. Heidegger sprach ausserdem den Wunsch
aus, dass die Herausgeber in regelmässigen Abständen zusammenkom-
men.« (Ebd., f.) Das einzige Bedenken Heideggers, wie Nebel auch an
Friedrich Georg Jünger schrieb, bezog sich auf seinen noch in russischer
Kriegsgefangenschaft befindlichen Sohn: »Er fürchtet, dass die Russen
ihn als Geisel betrachten und so verhindern wollen, dass der Vater her-
vortritt.« (FGJ/GN, ) Nachdem auch Ernst Klett noch einmal mit
Ernst Jünger gesprochen hatte, berichtete er an Nebel, dass Jünger beson-
ders über die Zusage Heideggers erfreut gewesen sei, aber erneut Beden-
ken hervorgebracht habe, »dass sein Name genannt wird«:
»Auch nach Wuppertal wird er wohl kommen, wobei ihm besonders
wichtig war, dass Heidegger grundsätzlich zugesagt hat. Entscheidend
war auch für ihn, dass die dortige Tagung nicht öffentlich vor sich

 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. Im Übrigen ent-


stammte auch Ernst Jüngers Absicht, Mohler als Sekretär einzustellen, diesem
Kontext, da Klett Mohler kein volles Redakteursgehalt zahlen konnte und die
Stelle bei Jünger Mohler finanziell absichern sollte; vgl. G. Nebel an A. Mohler,
.., A: Mohler, DLA Marbach.
     -

geht. Jedenfalls ist auch er davon überzeugt, dass das Herausgeber-


gremium von ›Pallas‹ spätestens im September zusammentritt und
sich über Aufbau und Zukunft der Zeitschrift unterhalten sollte.«
Auch Martin Heidegger reagierte auf den Besuch von Nebel und Klett
und teilte Nebel am . Mai einige Bedenken mit, die sich ebenso wie die
Ernst Jüngers auf die Frage bezogen, wie »nach so langem Schweigen« der
Wiedereintritt in die Öffentlichkeit zu gestalten sei oder ob er gar noch
zu früh käme. Er habe den Zeitschriftenplan »hin und her überlegt«,
dieser sei aber »bei der Wichtigkeit dieses Hervortretens noch zu unbe-
stimmt«. Gleichzeitig dürfe es jedoch »zu keinem Programm kommen«.
Er wolle sich darüber mit den Brüdern Jünger noch direkt sprechen:
»Vor allem müsste auch Heisenbergs Mitarbeit nach Art und Sinn
geklärt werden, d. h. wir müssen eine klare Stellung gegenüber ›der
Wissenschaft‹ beziehen. Auch der weitere Mitarbeiterkreis muß noch
ein geprägteres Gesicht bekommen u. von sich aus vorbereitet sein.
›Akademie‹ ist so leer u. bodenlos wie die Universität. Noch bleibt es
fast namenlos, was uns gleich sehr sammeln muß. Irgendeinen Kern
dieser Art muß die Zeitschrift haben, sonst wird sie doch noch ein
Literatenunternehmen. […] Der Zeitschriftenplan soll auch noch
nicht bekannt werden.« (Zit. n. EJ/GN, )
Der Wunsch, den Zeitschriftenplan noch geheim zu halten, zeugte für
die noch immer favorisierte Kommunikationsstrategie der Verschwiegen-
heit, auch wenn er sich nicht realisieren ließ, wie sich bald herausstellte.
Gerhard Nebel antwortete Heidegger in einem sehr ausführlichen Schrei-

 E. Klett an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Marbach. Die Verlagsvereinba-


rung zwischen Nebel und Klett datierte ebenfalls vom . Mai  und enthielt
die Formulierung, Nebel übernehme »in Verbindung mit den Herren Martin
Heidegger, Werner Heisenberg, Ernst Jünger und Friedrich Georg Jünger die
verantwortliche Herausgeberschaft der Zweimonatsschrift ›Pallas‹, deren erstes
Heft in der ersten Oktoberhälfte  erscheinen soll« (zit. n. EJ/GN, ). In
Wuppertal sollte im September  eine Tagung des »Bunds« stattfinden, die
»zugleich als erste der Pallas-Konferenzen« (FGJ/GN, ) geplant war.
 Am . Mai  informierte Ernst Klett selbst einen seiner anderen Autoren
darüber, »dass die Zeitschrift ›Pallas‹ als Zweimonatsschrift, beginnend im Okto-
ber dieses Jahres, erscheinen wird«, und thematisierte dabei auch ihr Verhältnis
zum Merkur: »Leid tut es mir dabei nur um den ›Merkur‹, der natürlich mit dem
Augenblick des Erscheinend von ›Pallas‹ die Berechtigung seiner Existenz ver-
loren haben wird. Obwohl die Sache feststeht, bitte ich Sie doch, in den nächsten
Wochen noch nicht davon zu reden.« (E. Klett an W. Müller, .., Verlags-
archiv Ernst Klett Verlag, Ordner EK )
   

ben und versuchte, seine Bedenken zu entkräften. Dabei ging er nicht nur
auf die Frage der Mitarbeiter und des günstigen Erscheinungszeitpunkts
ein, sondern auch auf die politische Bedeutung der Zeitschrift:
»Wegen der Mitarbeiter mache ich mir keine Sorgen – nach den bei-
den ersten Heften wird sich alles, was in Deutschland noch ein eigenes
Wort wenigstens stammeln kann, um uns drängen. Was den Kairos
anbetrifft, so halte ich ihn, aufs Allgemeine gesehen, für günstig. Un-
ser Unternehmen hat, wie alles, was heute geschieht, auch eine politi-
sche Seite. Unsere Zeitschrift wird der erste Ausdruck der deutschen
Souveränität sein, zum ersten Mal keine Agentur irgendeiner Besat-
zungsmacht – und wir können damit nicht warten, bis wenigstens
scheinbar eine politische Souveränität hergestellt ist. Der Geist muss
vorangehen, muss Promachos sein.« (Zit. n. ebd., ) 
Heidegger antwortete darauf, den Kairos bestimme die Zeitschrift selbst.
Er komme aber »von dem Gedanken nicht los, daß die Sache im jetzigen
Stadium zu übereilt ist«. Auch dass »sich Viele herzudrängen« werden,
glaube er gern, doch »es handelt sich dann nicht nur darum, auszuson-
dern u. d. h. auch abzulehnen; wichtiger ist, daß schon eine genügend
vorbereitete Gruppe von sich aus u. für einen längeren Zeitraum die
Sache trägt. […] An gut schreibenden Autoren wird bei der heutigen
Sprachroutine kein Mangel sein. Umso schwieriger ist die Unterschei-
dung der Geister.« (Zit. n. ebd., f.) Ernst Jünger, den Nebel und Klett
von ihrem Briefwechsel mit Heidegger in Kenntnis gesetzt hatten,
schrieb an Nebel, ihm seien Heideggers Bedenken verständlich: »er will
sich in dieser Übergangsphase nicht unnötige Angriffe zuziehen« (EJ/
GN, ). An Heidegger direkt schrieb er am . Juni :
»Obwohl ich den Plan der Zeitschrift und des ins Auge gefaßten
Gremiums begrüße, begreife ich auch Ihre Bedenken, und zwar aus
meiner eigenen, ähnlichen Situation heraus. Die Tatsache einer Mit-
arbeit und auch der Zusammenarbeit erscheint mir als unbedenklich,
dagegen halte ich eine Fixierung dieser Zusammenarbeit, sei es auf
dem Titelblatt, sei es durch Propaganda, für einen Schritt, der wohl zu

 Ernst Klett sekundierte Nebels Argument zum Kairos in einem Brief an Heid-
egger vom . Juni : »Seit Beginn dieses Jahres ist deutlich spürbar, dass die
niedere Rachsucht sich totzulaufen beginnt. Man wird mit ziemlicher Sicherheit
sagen können, dass die Zeitschrift von politischer Seite – mit ein paar Stänkerern,
die es nicht lassen können, müssen wir immer rechnen – keine gefährlichen An-
griffe zu erwarten hat.« (E. Klett an M. Heidegger, . ., Verlagsarchiv Ernst
Klett Verlag, Ordner EK )
     -

erwägen und vielleicht einem späteren Abschnitt vorzubehalten ist.


[…] Ich denke, daß diese Meinung auch der meines Bruders ent-
spricht. Wir alle befinden uns ja in einer Lage, in der man der Polemik
möglichst nur den Stoff gibt, der unbedingt notwendig ist. Jedenfalls
müssen diese Dinge sorgfältig erwogen werden, denn es hängt viel da-
von ab.«
In einem Brief an Ernst Klett desselben Datums grenzte sich Ernst Jünger
zusätzlich von Nebels Betonung der politischen Bedeutung der Zeitschrift
ab. Es ist nicht davon auszugehen, dass Jünger in einem konzertierten
Auftreten mit Heidegger und Friedrich Georg Jünger nicht ebenfalls ein
Zeichen der deutschen Souveränität gesehen hätte und dass er nicht wie
Armin Mohler der Meinung war, dass es einer Zeitschrift bedürfe, »in der
das wesentliche Deutschland zum Worte kommt«. Doch hielt er es zu
dem gegebenen Zeitpunkt noch für notwendig, den »Anschein der poli-
tischen Aktion« zu vermeiden und gegenüber den politischen und publi-
zistischen Gegnern vorsichtiger zu sein:
»Die Bedenken, die Professor Heidegger vorbringt, sind nicht unbe-
gründet; sie decken sich zum Teil mit den meinigen, die ich Ihnen
und Dr. Nebel gegenüber ausführte. Sowohl Heidegger wie ich haben
während der letzten vier Jahre im Brennpunkt einer bedeutenden Po-
lemik gestanden und haben sie auch überstanden; es ist aber wichtig,
dass wir die Angriffsfläche nicht in einer Weise vergrössern, die un-
seren Gegnern dient. Ich glaube, dass Professor Heidegger die sub-
stantielle Äusserung ebenso wenig zu scheuen hat wie ich, wohl aber
den Anschein der politischen Aktion. Die Herausgeberschaft einer
Zeitschrift wird aber unter politischen Aspekten aufgefasst werden, ob
wir das nun beabsichtigen oder nicht – und zwar im Inlande sowohl
wie im Auslande.« (Zit. n. EJ/GN, )
Anfang Juni erfolgte auch die Absage Heisenbergs, der von Anfang kaum
an den Beratungen beteiligt war und daher auch eine »fiktive Herausge-
berschaft« (ebd., ) ablehnte. Nach eigener Aussage war Nebel über
diese Absage sogar erleichtert, denn Heisenberg sei ohnehin ein »Fremd-

 E. Jünger an M. Heidegger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 Mohler, Ravensburger Tagebuch, S. .
 Heisenberg verknüpfte seine Absage allerdings mit dem Ausdruck seines Be-
dauerns, denn »alle Äusserungen, die aus dem Munde von Heidegger oder Ernst
und Friedrich Georg Jünger kommen, sind mir im Hinblick auf unsere deutsche
Zukunft wichtig« (zit. n. EJ/GN, ).
   

körper« gewesen. Wesentlich bedenklicher sei, so Nebel in einem Brief


an Ernst Klett vom . Juni , »die kaschierte Absage Heideggers«.
Der »Alte« habe »einfach die auf alemannischer Bauernschläue beruhen-
de Angst, bei dieser Geschichte dupiert und vor einen fremden Wagen
gespannt zu werden – was ja nach Lage der Dinge nicht ganz unrichtig
ist«. Gleichzeitig dürfe man sich aber auch nicht »dem Joch des Wald-
schratt beugen«.
Im Anschluss daran versuchten Klett und Nebel vergeblich, eine bal-
dige Zusammenkunft zu organisieren und die Zeitschrift zu retten. Es
wurde erneut die Lösung einer alleinigen Herausgeberschaft Nebels ins
Auge gefasst, da so »die Angelegenheit das Cliquenhafte und den politi-
schen Anstrich« (FGJ/GN, ) verliere, wie Nebel an Friedrich Georg
Jünger schrieb. Besonders Klett, der anders als Nebel die Absage Hei-
senbergs bedauerte, pochte aber darauf, dass sich nicht nur Heidegger zur
Mitarbeit verpflichtet, sondern »in einer der ersten beiden Nummern
einer der paar bedeutenden Naturwissenschaftler« vertreten sei. Es dürfe
»unter gar keinen Umständen der Eindruck entstehen, dass sich hier eine
Jüngergruppe auftut, sondern wir müssen Wert darauf legen, dass die ur-
sprüngliche Konzeption erhalten bleibt, wonach nämlich alle, die etwas
zu sagen haben, und nur diese, bei der Zeitschrift mitwirken«.
Nebels und Kletts Bemühungen fruchteten allerdings nicht. In einem
Brief vom . Juni  teilte Heidegger Nebel mit, dass er nach »langer
u. ständiger Überlegung über das Vorhaben der Zeitschrift« zu der Ein-
sicht gekommen sei, »daß es auf ein Heraustreten in die Öffentlichkeit
hinausliefe, durch das wir die letzten noch verbliebenen Wachtposten
preisgäben. Das Wesentliche muß im Unscheinbaren bleiben. Ebenda
kann sich allein die Sammlung vollziehen, dafür wir freilich die prägende

 Vgl. EJ/GN, .


 G. Nebel an E. Klett, .., Verlagsarchiv Ernst Klett Verlag, Ordner EK
.
 G. Nebel an E. Klett, .., Verlagsarchiv Ernst Klett Verlag, Ordner EK
. In einem Brief an Ernst Jünger sprach Nebel auch von der »Herrschsucht
des Feldberg-Rübezahls« (EJ/GN, ).
 Im selben Brief beklagte sich Nebel, es sei leichter, »die Unschuld eines Mäd-
chenpensionats zu hüten als die vorgesehene Quadriga ins Ziel zu lenken« (FGJ/
GN, ). Am gleichen Tag schrieb er an Ernst Jünger: »So etwas von Bedenken,
Hinhalten, Verschiebungen, Skrupeln, Reserven wie in diesen Wochen habe ich
noch nicht erlebt.« (EJ/GN, )
 E. Klett an G. Nebel, Stuttgart, . Juni , Verlagsarchiv Ernst Klett Verlag,
Ordner EK .
     -

Form suchen müssen. « (Zit. n. EJ/GN, ) Auch gegenüber Ernst


Jünger begründete Heidegger den Entschluss, sich vorerst nicht an der
Zeitschrift zu beteiligen, und wies zugleich darauf hin, dass der Zeit-
schriftenplan ohnehin bereits bekannt geworden sei:
»Ich erinnere noch genau die Stelle des Weges, auf dem wir im vorigen
Herbst von der äussersten Gefährdung derer sprachen, die heute ver-
suchen, am Wesentlichen zu bleiben; dass es nicht Flucht sei, sondern
höchste Freiheit, die Einsamkeit auszustehen. Aber der natürliche
Drang, unmittelbar zu helfen, Stützen und Leitseil zu bieten, drängt
dann Dinge zu versuchen, die sich bei strenger Besinnung als irrig her-
ausstellen. Seit Herr Klett u. Dr. Nebel bei mir waren, vergeht kein
Tag, da ich nicht über das Vorhaben nachdenke. Der Wille, das Ei-
gene der abendländischen Überlieferung ursprünglicher zu entdecken
und sichtbar zu machen, die Wartenden zu sammeln, Suchende zu
stärken, muss bezaubern. Aber dies alles geht, wie ich heute deutlich
sehe, nur auf dem Wege eines Rückfalls in die abgenützte Form der
Zeitschrift. Die Diktatur der Öffentlichkeit lässt sich innerhalb ihrer
nicht brechen. Das geeinte Auftauchen unserer Namen, wenn auch
nur in der Form einer ständigen Mitarbeiterschaft, würde zu einem
Politikum, das vielleicht unsere letzte gewährte Position erschütterte
oder doch endgültig verwirrte. […] Darum meine ich, wir sollten das
Vorhaben zurücknehmen und seine Bestimmungen erst noch länger
wachsen lassen. Wir dürfen der fortbestehenden, aber inzwischen
schlauer gewordenen Rachsucht nicht das Letzte zum Frass vorwerfen;
wir müssen im eigentlichen unangreifbar bleiben. Die beste Taktik
hülfe nichts; wir sind da längst überholt. Vor wenigen Tagen erhielt
mein Freund, der als oberschlesischer Flüchtling bei uns wohnt, einen
Brief von einem jüdischen Emigranten (Prof. i. U.S.A.), worin er
schreibt, er (d. h. man) sei ausserordentlich gespannt darauf, was aus
der neuen Zeitschrift von Jünger und Heidegger würde.«

 Im gleichen Brief kommentierte Heidegger übrigens auch die Texte von Nebel,
die dieser ihm geschickt hatte. Über Nebels Jüngervortrag schrieb Heidegger:
»Die Rede über Ernst Jünger beruht auf einer weiten Architektur. Ich schätze
den ›Arbeiter‹ trotz allem noch positiver; er gehört zu den wenigen Büchern, die
seit Nietzsches Tod etwas von dessen Denken begriffen haben. Wir sind in dieser
Hinsicht noch in den ersten Anfängen. Die Flucht ins Christentum ist überall
eine zu eilige Sache. […] Ich habe das Gefühl, man sollte Jüngers Weg schweig-
samer behüten. Die Apologeten der Kirchen werden schon früh genug ihr Kapi-
tal daraus schlagen.« (Zit. n. EJ/GN, )
 M. Heidegger an E. Jünger, Freiburg, . Juni , A: Jünger, DLA Marbach.
Leider konnte nicht genau ermittelt werden, von welcher Zeitungsnotiz aus sich
   

Dieser Brief ist nicht nur ein eindrucksvolles Dokument von Heideggers
Pathos der Einsamkeit und seiner Selbstbeauftragung zur Stärkung der
Suchenden. Er dokumentiert auch die zwiespältige Haltung zur Öffent-
lichkeit, auf die man zur breiteren Wirksamkeit zwar angewiesen wäre,
unter deren »Diktatur« sich die Sammlung der Wartenden und Suchen-
den aber nicht vollziehen könne. Die Brüder Jünger teilten diese Hal-
tung Heideggers. In seiner Antwort vom . Juni schrieb Ernst Jünger,
Heideggers »Lagebeurteilung« treffe wohl das Richtige, auch wenn es
verlockend gewesen wäre, ein »Organ für die letzten selbstständig Den-
kenden und Schaffenden zu bilden«. Im Laufe der letzten Jahre sei ihm
aber »ganz deutlich geworden, daß Schweigen die stärkste Waffe ist,
vorausgesetzt, daß sich dahinter etwas verbirgt, das das Verschweigen
lohnt«. In einem Brief desselben Datums an seinen Bruder fügte er
hinzu, er nehme mit einem gewissen Gefühl der Erleichterung Abschied
von dem Projekt. An Nebel schrieb er:
»Es ist auf alle Fälle begrüßenswert, daß sich die Lage klärt, noch be-
vor es zu Unternehmungen kam. Der Gedanke an eine Argo war ver-
lockend, doch ist er nicht zu verwirklichen, wenn der gemeinsame
Eros fehlt. Das scheint mir weniger an den Personen zu liegen als an
der geistigen Situation überhaupt. Es gibt einzelne von Bedeutung,
aber keine Schulen und Gremien. Ich halte es daher für notwendig,
zum mindesten ein bis zwei Jahre zu warten und die Kräfte zu beob-
achten, die, wie ich hoffe, auftauchen.« (EJ/GN, f.)

die Nachricht von der geplanten Zeitschrift verbreitete. Armin Mohler, der im
Oktober  davon sprach, dass sich das Gerücht »in verschiedenen deutschen
Zeitschriften« (Mohler, Ravensburger Tagebuch, S. ) finde, machte Nebel
dafür verantwortlich; vgl. A. Mohler an G. Nebel, .., A: Mohler, DLA
Marbach. Im Klett-Archiv findet sich in der zugehörigen Post auch der Brief
eines Wilhelm Kiefer, der Klett darauf ansprach, er habe gelesen, »daß ein Kreis
um Ernst Jünger, Carl Schmitt und Martin Heidegger die Absicht habe eine
neue Zeitschrift herauszugeben« (W. Kiefer an E. Klett, .., Verlagsarchiv
Ernst Klett Verlag, Ordner EK ). Dass die Nachricht bis in die USA gedrun-
gen war, belegt auch ein Brief Thomas Manns an Karl Otto Paetel, der über
dessen Jüngerbuch schrieb: »Dazu ist auch die Nachricht nicht eben behilflich,
die gerade in diese Lektüre fiel, dass Jünger im Begriff ist, zusammen mit Heid-
egger und Carl Schmidt [sic], dem Kronjuristen des Dritten Reiches, eine Zeit-
schrift zu gründen.« (Zit. n. EJ/GN, )
 Von der »Diktatur der Öffentlichkeit« hatte Heidegger nach  bereits im
»Humanismusbrief« gesprochen (MH a, ).
 E. Jünger an M. Heidegger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Daraufhin legten auch Gerhard Nebel und Ernst Klett dem Zeitschrif-
tenplan zu den Akten, »allerdings auf Termin«, wie Klett hinzufügte,
denn sowohl Heidegger als auch Jünger hatten ja geäußert, dass der gün-
stige Zeitpunkt vielleicht noch einmal komme. Tatsächlich bemühten
sich Klett und Nebel noch den Herbst  über, das Projekt am Leben
zu erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt zu realisieren. Noch im
September  lud Klett Heidegger zum Einweihungsfest seines neuen
Hauses in Stuttgart ein, da dort die Möglichkeit bestünde, gemeinsam
mit den ebenfalls anwesenden Brüdern Jünger, Hans Speidel, Gerhard
Nebel und Armin Mohler
ȟber das seinerzeit schon besprochene und dann bis auf Weiteres zu
den Akten gelegte Zeitschriftenprojekt zu sprechen. Ich habe wohl-
weislich diese Sache auf sich beruhen lassen, und ich habe gewartet,
bis aus dem damals ins Auge gefassten Kreis heraus erneut die Anre-
gung käme. Dies ist nun geschehen: Man ist der Meinung, dass jetzt
der Zeitpunkt gekommen sei, wo man zumindest den Plan erneut ins
Auge fassen sollte.«
Allerdings hatte es schon um die Jahreswende / Streitigkeiten zwi-
schen Gerhard Nebel und Ernst Jünger sowie Armin Mohler gegeben,
die Anfang  schließlich zu einem neun Jahre währenden Abbruch der

 E. Klett an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. Nebel und Klett
waren angesichts ihres Scheiterns nicht ohne sarkastische Bitterkeit. Nebel kom-
mentierte Heideggers Rückzug gegenüber Armin Mohler: »Sicherlich bin ich
nicht begabt, Primadonnen zu karessieren – aber diesmal war ich unschuldig.
Heidegger, der Heros der Bedenklichkeit, hat sich eben auch in diesem Punkte
bis zum Nichts durchgedacht.« (G. Nebel an A. Mohler, .., A: Mohler,
DLA Marbach) Klett schrieb an Nebel: »[G]enau besehen, waren bei der Sache
wir beide die einzig klaren, loyalen und zu ihrem Wort stehenden Leute.«
(E. Klett an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Marbach)
 Am . Juli  schrieb Heidegger noch einmal an Nebel: »Der Augenblick, in
dem der Plan einmal vollzogen werden könnte, dauert noch sehr lange. Er ist
unabhängig von momentanen Zusprüchen. Ernst Jünger ist mit mir darin einig,
daß wir nicht voreilig die letzten Positionen dem Getümmel einer Öffentlichkeit
preisgeben dürfen […]. Ich beschäftige mich trotz allem auch jetzt noch fast
täglich mit dem Zeitschriftenplan. Die Brüder Jünger wollten im Herbst hier-
herauf kommen. Vielleicht können Sie Ihre Reise so einrichten.« (M. Heidegger
an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Marbach)
 E. Klett an M. Heidegger, .., Verlagsarchiv Ernst Klett Verlag, Ordner
EK . Wer »man« in diesem Fall war, d. h. von wem der Zeitschriftenplan
noch einmal angestoßen wurde, ließ sich leider nicht klären. In jedem Fall hat
Heidegger abgesagt; vgl. E. Klett an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Mar-
bach.
   

Beziehungen zwischen Jünger und Nebel führten. Damit war auch das
Zeitschriftenprojekt in der geplanten Form endgültig gestorben. Eigene
Zeitschriften gaben die Brüder Jünger erst später heraus: Ernst Jünger in
den er Jahren den Antaios (zusammen mit Mircea Eliade), Friedrich
Georg Jünger in den er Jahren die Scheidewege (zusammen mit Max
Himmelheber). Noch zu Beginn der er Jahre schien ihnen die Zeit
dafür nicht reif. So schrieb Ernst Jünger im Januar  noch einmal
rückblickend an Heidegger, er habe den Zeitschriftenplan ganz aufgege-
ben: »Wie richtig Ihr Zögern war, erkenne ich besonders in Anbetracht
der neuen Presse-Campagne, die gegen mich im Gange ist. […] Zwar
wäre ein solches Forum zur Klärung von Fragen wie der oben berührten
gut gewesen, doch besser bleibt wohl das den Lemuren entzogene Ge-
spräch.«

Das den Lemuren entzogene Gespräch

Die Geschichte der gescheiterten Pallas ist hier ausführlich dargestellt


worden, da sie ein Schlaglicht auf die Situation von Heidegger und den
Brüdern Jünger in der Nachkriegszeit wirft. Sie dokumentiert den Zwie-
spalt zwischen dem Drang zu Publizität und Wirksamkeit einerseits und
zum Rückzug in die Sicherheit des Schweigens andererseits. Nachdem
Heidegger und die Brüder Jünger  zu dem Ergebnis gekommen
waren, dass ihnen eine übergroße Öffentlichkeit noch schaden würde,
konzentrierten sie sich weiterhin auf die Pflege ihrer Freundeskreise und
ihrer unmittelbaren Anhängerschaft. Die Sammlung der wesentlichen
Kräfte sollte sich also nach wie vor im Unscheinbaren vollziehen, wie
Heidegger geschrieben hatte. Dabei kam dem unmittelbaren Gespräch
unter Gleichgesinnten und dem mündlichen Vortrag ein höherer Stellen-
wert zu als der schriftlichen Veröffentlichung. So beklagte sich Heideg-
ger auch in einem Brief an Elisabeth Blochmann vom . März  über
die »Diktatur der Öffentlichkeit, die eine Funktion der Technik« (MH/
EB, ) sei und die die Besinnung auf das Wesentliche verunmögliche.

 E. Jünger an M. Heidegger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 So schrieb etwa Gerhard Nebel nach seinem Besuch bei Heidegger an Ernst Jün-
ger: »Heidegger machte den alten starken Eindruck – er war väterlich zu mir, hat
mich als alten Schüler anerkannt. Übrigens hatte er am selben Tag die Nachricht
erhalten, dass man ihm seine Pension entzogen hat. Er schien unter dem Mangel
an pädagogischer Tätigkeit zu leiden und stellte das gesprochene Wort, ähnlich
wie Platon, weit über das geschriebene.« (EJ/GN, )
     -

Diese sei nur im »unmittelbaren Gespräch« (ebd., ) möglich. In der


Nachkriegszeit wurden von den Jünger- und Heideggeranhängern daher
verschiedenartige Zusammenkünfte organisiert, die als esoterische Kom-
munikationszirkel »das den Lemuren entzogene Gespräch« ermöglichen
sollten.
Einer dieser Zirkel – allerdings einer der weniger erfolgreichen – war
der schon genannte Wuppertaler »Bund«, dessen Jahrestagung von 
zum Thema »Dichtung und Metaphysik« Nebel gleichzeitig zur ersten
der »Pallas-Konferenzen« umfunktionieren wollte, die »auf Heideggers
Wunsch und Vorschlag« vierteljährlich stattfinden und so das Zeitschrif-
tenprojekt flankieren sollten (FGJ/GN, ). Heidegger sollte dort über
»Dichten und Denken« sprechen, Carl Schmitt über Theodor Däubler,
die Brüder Jünger waren als Teilnehmer eingeladen, wobei Nebel Fried-
rich Georg Jünger gegenüber versicherte: »Die Esoterik bleibt gewahrt –
es handelt sich um Gespräche im engen Zirkel.« (Ebd., f.) Nach
dem Rückzug von dem Zeitschriftenprojekt sagten Heidegger und die
Brüder Jünger ihre Teilnahme an dieser Tagung zwar ab, grundsätzlich
begrüßten und unterstützen sie diese Art der Initiative aber durchaus. Als
Heidegger noch mit seinem Kommen rechnete, schrieb er an Nebel: »Ich
könnte die Reise mit meiner Bremer Einladung (auch ein geschlossener
Kreis) verbinden.« (Zit. n. EJ /GN, )
Mit seiner »Bremer Einladung« meinte Heidegger den »Club zu Bre-
men«, in dem er im Dezember  einen Vortragszyklus unter dem Titel
»Einblick in das was ist« hielt. Der »Club zu Bremen« war eine Ge-
sprächsclub Bremer Wirtschaftsbürger, vor dem Heidegger auf Initiative
von Heinrich Wiegand Petzet schon  einen Vortrag gehalten hatte.
Der an Kunst und Philosophie interessierte Reedersohn Petzet studierte
zeitweilig bei Heidegger und gehörte in der Nachkriegszeit, in Icking
südlich von München wohnend, zu seinen engen Vertrauten. Nach dem
Bremer Besuch , der Heideggers erster vergleichbarer Auftritt nach
Kriegsende war, hielt Heidegger während der er Jahre insgesamt
noch sechs weitere Vorträge in Bremen,  veranstaltete er dort ein
Privatseminar zum Thema »Bild und Wort«.

 Die Formulierung Jüngers aus dem Brief an Heidegger vom . Januar  griff
dabei auf den Namen der antiken Totengeister zurück, den Jünger schon wäh-
rend des »Dritten Reiches« für die Handlanger des Totalitarismus verwandt hatte,
und übertrug ihn auf die Protagonisten der kritischen Öffentlichkeit.
 Vgl. zu dieser Tagung auch EJ/GN,  u. f.
 Vgl. MH a; dazu inhaltlich unten, Kap. ..
 Vgl. Petzet, Stern, S. - u. ders., Bremer Freunde. Heidegger hielt in der
   

Der »Club zu Bremen« wurde zwar nicht erst  gegründet. Sein
Wiederaufleben nach dem Krieg gehört aber dennoch in den Kontext
der für die Nachkriegszeit typischen Hochkonjunktur von Gesprächs-
und Vortragskreisen, die parallel zu den Kulturzeitschriften boomten
und zumeist an bildungsbürgerliche Traditionen des gelehrten Gesprächs
anschlossen. Die meisten dieser Kreise sollten der Wiederbelebung
geistiger, humanistisch-christlicher Traditionen dienen, wie sie auch in
»abendländischen« oder kirchlichen Akademien angestrebt wurde. Da-
bei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen tendenziell offenen Ge-
sprächsforen, in denen – wie zum Beispiel bei den Mittwochsgesprächen
auf dem Kölner Bahnhof  – neue und enthierarchisierte Formen der
öffentlichen Meinungsbildung erprobt wurden, und mehr oder weniger
geschlossenen Zirkeln, bei denen Mitglieder von selbsternannten Eliten
zusammenkamen, um hinter verschlossenen Türen über die Zukunft
Deutschlands zu beratschlagen. Einen solchen geschlossenen Gesprächs-
kreis stellte etwa die »Gesellschaft Imshausen« dar, die  und  drei
Tagungen auf dem Rittergut Imshausen in Nordhessen veranstaltete.
Von den Brüdern Werner und Heinrich von Trott (deren Stammsitz Ims-
hausen war) zusammen mit Eugen Kogon und Walter Dirks ins Leben
gerufen, sollten diese Tagungen die Tradition des Widerstands gegen Hit-
ler mobilisieren und ein Forum bieten, »dritte Wege« zur sittlichen und
politischen Erneuerung Deutschlands zu diskutieren und zu initiieren.
Man verstand sich als »demokratische Elite« und wollte an einem »Ort
der Begegnung« jenseits der politischen Lager ins Gespräch kommen.
Zur ersten Tagung der »Gesellschaft Imshausen« waren auch die Brü-
der Jünger eingeladen worden. Sie konnten zwar beide nicht kommen,
grundsätzlich waren sie für diese Art der esoterischen Elitenbildung ab-
seits der Öffentlichkeit aber durchaus aufgeschlossen, wie etwa auch
Friedrich Georg Jüngers oben erwähnte Lesung des »Friedens« bei einem
ähnlichen Treffen in Salem dokumentiert. Gänzlich von der Öffent-

Nachkriegszeit des Öfteren Privatseminare ab. Berühmt geworden sind die in


den er Jahren mit dem Schweizer Psychologen Medard Boss veranstalteten
»Zollikoner Seminare« (vgl. MH -). Ernst Klett berichtete Gerhard Nebel
von einer Stuttgarter »Studiengesellschaft«, in die er Heidegger  eingeladen
hatte; vgl. E. Klett an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Marbach.
 Vgl. Laak, Gespräche, S. -; Treiber, Salon-Geselligkeit.
 Vgl. Schildt, Abendland und Amerika, S. - u. -.
 Vgl. Steinberg, Rangierbahnhof.
 Vgl. Schwiedrzik, Träume.
 Hellmut Becker erinnert sich in einem Geburtstagsartikel für Alexander Mit-
scherlich an dieses Treffen in Salem und beschreibt dabei sehr anschaulich eine
     -

lichkeit abgeschlossen blieben solche Gesprächszirkel und -veranstaltun-


gen allerdings nicht, zumal das Interesse an geistiger Sinnstiftung groß
war und Intellektuelle wie die Brüder Jünger und Heidegger unter stän-
diger Beobachtung standen. Umgekehrt konnten ihnen diese Gesprächs-
kreise daher zum graduellen Wiedereintritt in die Öffentlichkeit dienen,
was auch an ihrem changierenden Publizitätsgrad abzulesen ist. Veran-
staltungen wie die des »Clubs zu Bremen« waren einerseits geschlossen,
stellten andererseits aber eine Attraktion in einer an intellektuellem An-
gebot nicht eben reichen Stadt wie Bremen dar.
Auf ähnliche Weise halb-öffentlich waren auch die Kulturveranstal-
tungen in dem Kurhotel Bühlerhöhe nahe Baden-Baden, das unter seinem
Leiter Gerhard Stroomann zu einem Ort des geistigen Austauschs ge-
worden war. Bei der seit  bestehenden Vortragsreihe der »Mittwoch-
abende« war Martin Heidegger einer der ersten Redner. Im März 
wiederholte er hier seine in Bremen gehaltenen Vorträge und besuchte
Bühlerhöhe auch in späteren Jahren des Öfteren, sowohl als Redner wie
auch als Zuhörer. Bei Heideggers Bühlerhöhe-Vortrag über Georg
Trakl vom . Oktober  war auch Friedrich Georg Jünger zugegen,
der anschließend in einem Brief an seinen Bruder die Atmosphäre dieses
Ortes beschrieb, an dem betuchte Sanatoriumsgäste mit versprengten In-
tellektuellen zusammenkamen:
»Vorher [vor einer Reise nach Homburg] war ich auf der Bühler
Höhe. Das Sanatorium hat es in sich. Medizin und Kommerz gehen
in solchen Häusern sehr glatte Verbindungen ein. Wunderlicher Ort

derartige für die Nachkriegszeit typische Zusammenkunft: »Im Herbst 


lernte ich Alexander Mitscherlich auf einer jener eigentümlichen Veranstaltun-
gen kennen, in der man sich damals mit Fahrrad oder Holzvergaserauto an
schwer erreichbaren Plätzen zusammenfand, die sich im wesentlichen dadurch
auszeichnen mußten, daß sie in der Lage waren, eine minimale gemeinsame Ver-
pflegung herzustellen. Gastgeber war hier der Markgraf von Baden in Salem am
Bodensee. Der Teilnehmerkreis reichte von Georg Friedrich Jünger [sic] bis zu
Thorwald Risler, dem späteren Generalsekretär des Stifterverbandes der Deut-
schen Wissenschaft, und von dem katholischen Psychologen Freiherrn von
Gebsattel bis zu Alexander Mitscherlich; eine bunt gewürfelte Gesellschaft von
Intellektuellen, Künstlern, aber auch von Wartenden aller Art und Güte. […]
Auf jener Tagung in Salem las Friedrich Georg Jünger die berühmte Schrift von
Ernst Jünger über den Frieden vor. Diese Schrift war gegen Ende des Dritten
Reiches geheim als antinationalsozialistisches Pamphlet unter interessierten In-
tellektuellen verbreitet worden; ihr Wortlaut war noch vielen unbekannt und
hatte unter damaligen Aspekten manches Verführerische an sich.« (Becker, Frei-
heit, S. f.)
 Vgl. Petzet, Stern, S. -; Stroomann, Notizbuch, S. ff.
   

für eine Trakl-Gedenkfeier. Heideggers Vortrag lohnte das Kommen.


Für mich war das Beste ein längeres Gespräch mit Ludwig von Ficker.
Erstaunlich divergierende Menschen waren erschienen, Schifferli, Trott,
Paeschke, Moras, Britting (mit dem ich mich gut unterhielt) und viele
andere.«
An letzter Stelle in dieser Reihe der Gesprächs- und Begegnungsstätten ist
die Kultureinrichtung zu nennen, die für die intellektuelle Beziehungsge-
schichte von Martin Heidegger und den Brüdern Jünger in den er
Jahren sicher den höchsten Stellenwert hatte: die Bayerische Akademie
der Schönen Künste in München. Die  gegründete Akademie wurde
unter ihrem ersten und langjährigen Generalsekretär Clemens Podewils
zu einem der wichtigsten Treffpunkte von Heidegger und den Brüdern
Jünger. Der  geborene Graf Podewils, der bereits vor dem Krieg als
Presse-Attaché im diplomatischen Dienst in Brüssel und Paris gelebt hat-
te, war während des Krieges als Offizier in Paris stationiert und gehörte
dort zur so genannten »Georgsrunde« um Ernst Jünger und Hans Spei-
del. Dass auch die Georgsrunde im Zeichen der esoterischen Elitenbildung
stand, machte Ernst Jünger in dem Brief an seinen Bruder vom . Juni
 deutlich, in dem er seine erste Begegnung mit Clemens Podewils
schilderte:
»Wie ich Dir wohl schon schrieb, begegnete ich in Paris dem Grafen
Podewils. Ich fand ihn sehr angenehm, und wir unterhielten uns gut.
Du weißt, daß er ein großer Leser und Kenner Deiner Schriften ist.
Ich traf ihn inmitten eines Kreises von intelligenten Offizieren an, de-
ren Mittelpunkt der Oberst Speidel, Chef des Stabes beim Ober-
befehlshaber von Frankreich ist. Der Eindruck, den ich dort erhielt,
bestätigte mir meine Theorie von der Bildung sehr kleiner geistiger
Eliten in unserer Zeit.« 
In seiner ersten Erwähnung von Podewils in den »Strahlungen« bemerkte
Jünger zudem, dass er ihm zwar in Paris zum ersten mal begegnet sei,
aber »mit ihm und mit der Gräfin seit Jahren Briefe wechsele« (EJ /
, ). Tatsächlich waren Clemens Podewils und seine ebenfalls als
Schriftstellerin und Publizistin arbeitende Frau Sophie Dorothee Pode-
wils schon vor dem Krieg begeisterte Leser beider Brüder Jünger gewesen

 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


Auch Hans Speidel erinnert sich in seinen Memoiren an einen der Vorträge
Heideggers auf Bühlerhöhe; vgl. Speidel, Zeit, S. .
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., zit. n. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. .
     -

und hatten von sich aus Briefwechsel mit ihren schriftstellerischen Idolen
begonnen.  erschien Sophie Dorothee Podewils’ Erstlingswerk, der
Roman »Die geflügelte Orchidee«, der stark von Ernst Jünger beeinflusst
war und dessen Figur des Heinrich Mantius unverkennbar Züge Jüngers
trug. Im November  besuchte Friedrich Georg Jünger Sophie Do-
rothee Podewils schließlich auf dem Schloss der Podewils’ im böhmi-
schen Schweißing.
Bei Kriegsende musste Sophie Dorothee Podewils das Schloss in Böh-
men räumen, während Clemens in englische Kriegsgefangenschaft geriet,
aus der er  entlassen wurde. Nach dem Krieg zogen Podewils’ an den
Stammsitz der Familie von Sophie Dorothee, nach Hirschberg am Haar-
see, unweit von Weilheim in Oberbayern. Dort war vor allen Dingen
Friedrich Georg Jünger in den er Jahren ein regelmäßiger Gast. Ein
weiterer Treffpunkt war der Wohnsitz der Schwester von Sophie Doro-
thee Podewils in Altreuthe über dem Bodensee, die mit dem Prinzen
Albrecht zu Schaumburg-Lippe verheiratet war. Diesem gehörte auch das
Schloss Walchen in Oberösterreich, das von Friedrich Georg Jünger
ebenfalls des Öfteren besucht wurde, so zum ersten Mal Ende September
und Anfang Oktober . In den er Jahren war in Hirschberg, Alt-
reuthe und Walchen auch Martin Heidegger regelmäßig zu Gast. Denn
Sophie Dorothee Podewils hatte sich in der Nachkriegszeit verstärkt den
Schriften Heideggers zugewandt und seine Bekanntschaft gesucht. Auf
diese Weise trafen Heidegger und die Brüder Jünger gelegentlich bei die-
sen Aufenthalten bei Podewils’ zusammen.

 Vgl. Schirnding, Podewils; Wulffen, Korrespondieren.


 Vgl. Podewils Orchidee. In den »Strahlungen« vermerkte Jünger die Lektüre
dieses Romans am . Januar  (vgl. EJ /, ).  erschien im Übri-
gen auch Clemens Podewils’ schriftstellerisches Erstlingswerk, die Verserzählung
»Söhne der Heimat«.
 Die Tochter von Clemens und Sophie Dorothee Podewils, Barbara von Wulffen,
berichtet in ihren Jugenderinnerungen sowohl von der Jüngerbegeisterung ihrer
Eltern als auch von dem Besuch Friedrich Georg Jüngers ; vgl. Wulffen,
Urnen.
 Im Oktober  berichtete Friedrich Georg Jünger von seinen ausführlichen Ge-
sprächen über Heidegger in Walchen; vgl. F. G. Jünger an C. Jünger, ..
(Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.  veröffentlichte Sophie Doro-
thee Podewils eine stark von Heidegger beeinflusste Studie; vgl. Podewils, Physis.
 Vor seinem Umzug von Ravensburg nach Wilflingen hat Ernst Jünger auch über
einen neuen Wohnsitz in Oberbayern nachgedacht und das Ehepaar Podewils um
Vermittlung gebeten, das offenbar ein Haus für die Jüngers an der Hand hatte.
Im Januar  schrieb Clemens Podewils an Jünger aber, dass »das Projekt Dei-
ner Ansiedlung in Oberbayern« offenbar »fallen gelassen wurde« (C. Podewils an
E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach).
   

Die Verbindung zu den Podewils’ hatte sowohl von Heideggers als


auch von der Seite der Brüder Jünger also durchaus den Charakter der
privaten Freundschaft. Sie war aber nicht auf das Private beschränkt.
Vielmehr hatte sie in den er Jahren eine eminente öffentliche Bedeu-
tung. Denn auf die Initiative des Ehepaars Podewils hin entwickelte sich
die Bayerische Akademie der Schönen Künste, deren Generalsekretär
Clemens Podewils seit  war, zu einem wichtigen öffentlichen Forum
vor allen Dingen für Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger.
Schon  hatte Clemens Podewils ganz im Sinne der esoterischen
Kommunikationskultur an Ernst Jünger geschrieben: »Es sind Zeiten, in
denen das Gespräch allein fähig ist, den Kreis der Gleichgesinnten enger
zu schliessen.« Die Akademie sollte zu einem Ort dieser Art der Ge-
spräche werden. Sie wirkte durch ihre Veranstaltungen und Veröffent-
lichungen zwar auch in die Öffentlichkeit hinein, die »persönlichen und
formlosen Kontakte der Mitglieder«, also vor allem ihre nichtöffent-
lichen Treffen und Sitzungen, seien aber eigentlich »das Wichtigste« für
die Akademie, wie Clemens Podewils im September  an Friedrich
Georg Jünger schrieb.
Auf Vorschlag von Wilhelm Hausenstein, dem ersten Präsidenten der
Akademie, wählte deren literarische Sektion Ernst und Friedrich Georg
Jünger im Herbst  einstimmig zu ihren Mitgliedern. Beide Brüder
Jünger lehnten die Mitgliedschaft allerdings ab. Ernst Jünger begründete
seine Ablehnung in einem Brief an Clemens Podewils mit seiner aktuel-
len Lage, da er »noch für zwei, drei Jahre« nicht in der Lage sei, »Bindun-
gen einzugehen«.Vor allen Dingen aber brachte er seine allgemeine Ab-
neigung gegen Akademien und ähnliche Vereinigungen zum Ausdruck.
Die Bayerische Akademie sei sicher »die beste und substantiellste der
neuen Gründungen«, »[m]ein Weg ist indessen derart, daß er nicht durch
Gremien führt. Das muß ich aus meiner Lage heraus entscheiden, und
meine Freunde dürfen es mir daher nicht verübeln, wenn ich allem derar-

 C. Podewils an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 C. Podewils an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. den Brief Hausensteins an Clemens Podewils vom . Juli , in: Hausen-
stein, Briefe, S. ff. Hausenstein hatte bereits in einem offenen Schreiben an
Thomas Mann vom . Dezember  im Zusammenhang von dessen Ausein-
andersetzung mit Walter von Molo um die äußere und innere Emigration Ernst
Jüngers »Marmorklippen« als positives Beispiel eines in Deutschland erschiene-
nen antinazistischen Buchs genannt (vgl. ebd., ), Jüngers »Frieden« aber spä-
ter in einem Brief an Podewils vom . März  als »nicht sehr überzeugend«
(ebd., ) kritisiert.
     -

tigen ausweiche.« An Friedrich Georg schrieb er ganz allgemein, er


sehe für sich »kein Heil in Akademien und ähnlichen Gremien«. Fried-
rich Georg Jünger lehnte die Mitgliedschaft wohl nicht zuletzt aus Soli-
darität mit seinem Bruder ab. Ungeachtet dieser Ablehnung verlieh die
Akademie im Frühjahr  aber ihren ersten Literaturpreis an Friedrich
Georg Jünger. Dieser las daraufhin in der ersten öffentlichen Sitzung
der Akademie im Mai  seine Erzählung »Die Pfauen«.
Wenig später, nämlich am . Juni , hielt Martin Heidegger seinen
ersten öffentlichen Vortrag in München, bei dem auch Friedrich Georg
Jünger anwesend war. Auf Einladung der Akademie wiederholte Heideg-
ger dort seinen Vortrag über »Das Ding«, den er zuvor als Teil des Vor-
tragszyklus in Bremen und auf Bühlerhöhe gehalten hatte. Wie aus der
Korrespondenz mit Sophie Dorothee und Clemens Podewils hervorgeht,
hegte Heidegger allerdings noch einige Bedenken gegen diesen Auftritt.
Nach der ersten Einladung wollte er »nur vor einem geladenen Kreis von

 E. Jünger an C. Podewils, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Im Juli  hatte Friedrich Georg Jünger bereits seine Mitgliedschaft im Vor-
bereitungskollegium der »Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung« ab-
gesagt, nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass man Ernst Jünger in diese
Akadmie zwar durchaus aufnehmen wolle, dass das aber erst später möglich sei,
da er gegenwärtig noch als »unerwünscht« gelte: »Ich bin nicht blind und nicht
anmassend genug, um mich in ein Gremium einzuschliessen, das meinen Bru-
der ausschliesst und seine Anwesenheit als ›unerwünscht‹ bezeichnet.« (F. G.
Jünger an O. Jancke, .., Sammlung Hans-Peter des Coudres, Dokumen-
tationsstelle, DLA Marbach)
 Allerdings hat Friedrich Georg Jünger auch diesen Preis offenbar nicht ohne
zwiespältige Gefühle angenommen; vgl. F. G. Jünger an E. Jünger, ..
(Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach. In einem Brief an Sophie Dorothee
Podewils sprach er von seiner grundsätzlichen »Abneigung, die gegenüber Aka-
demien, Preisen, Ehrungen und dergleichen besteht«, und allgemein davon, dass
»das Mißtrauen der musischen Menschen gegen den Staat, gegen die Organi-
sationen und Institute gewachsen« sei. (F. G. Jünger an S. D. Podewils, ..
(Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.)
 Im ersten Akademiejahrbuch, in dem im Übrigen auch Heideggers Vortrag »Das
Ding« abgedruckt wurde, bedankte sich Jünger für den Preis mit dem Essay
»Rhythmus und Sprache im deutschen Gedicht«; vgl. Bayerische Akademie der
Schönen Künste (Hg.), Gestalt und Gedanke, S. - u. -.
 In einem Brief vom . April begründete er die Beschränkung auf einen Vortrag:
»Die Vorträge auf der Bühlerhöhe waren doch mehr eine private Veranstaltung;
dagegen ich in München zum ersten Mal öffentlich spreche und darum mich bei
einem Vortrag begnüge.« (M. Heidegger an C. Podewils, .., Archiv der
Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Ordner A)
   

- Menschen sprechen, nicht öffentlich und ohne Presse«. Später


erklärte er sich zwar mit einer Ausweitung des Hörerkreises einver-
standen, war aber insgesamt um eine Begrenzung auch der den Vortrag
begleitenden Veranstaltungen bemüht und versuchte durch den in der
Nähe Münchens wohnenden Heinrich Wiegand Petzet, den er um Ver-
mittlung gebeten hatte, die Auswahl der anwesenden Pressevertreter zu
kontrollieren. Die Unsicherheit Heideggers vor diesem öffentlichen
Auftritt zu einer Zeit, da seine Stellung an der Freiburger Universität
noch ungeklärt war, zeigte sich auch in seiner Reaktion auf ein verfälsch-
tes Telegramm, das er zum Anlass nahm, seinen Vortrag zunächst ganz
abzusagen, bevor Sophie Dorothee Podewils das Missverständnis bei
einem eilig angesetzten Besuch in Freiburg klären konnte.
Tatsächlich erfuhr die Veranstaltung eine große öffentliche Aufmerk-
samkeit. Laut den zahlreichen Presseberichten war der Vortragssaal mit
über dreihundert Zuhörern überfüllt, während weitere Wartende nicht
mehr eingelassen werden konnten. Im Münchner Stadtrat erfolgte eine
kontroverse Aussprache, bei der der CSU-Stadtrat Edgar Hanfstaengel
den Auftritt des »Steigbügelhalters des Nazi-Regimes« Heidegger scharf
kritisierte. Auch innerhalb der Akademie regten sich kritische Stimmen
gegenüber Heideggers Vortrag und die von Podewils gefahrene Linie. So
schrieb etwa der Akademiepräsident Hausenstein an Max Picard:
»Die ganze Heideggerei habe ich schon vorgefunden, als ich zum Präsi-
denten gewählt wurde, und ich habe mich der politischen Anteceden-
tien nicht mehr genau erinnert. […] Hätte ich mich erinnert, dann
hätte ich den Vortrag überhaupt nicht passieren lassen. […] Die ganze
Sache ist die persönliche Politik des Grafen Podewils, der nach der
Seite Heidegger, Jünger usw. verpflichtet ist und diese Seite auf Kosten
der Akademie durchsetzt, um gleichzeitig sich selbst durchzusetzen
und sein Alibi zu haben. Obwohl Katholik (ehemals ›Germania‹), ist
der dem ›nationalen Aktivismus‹ in den bösen Jahren doch nicht fern-
gestanden.«

 M. Heidegger an S. D. Podewils, Freiburg, .., Archiv der Bayerischen Aka-


demie der Schönen Künste, Ordner A.
 Vgl. H. W. Petzet an C. Podewils, .., Archiv der Bayerischen Akademie
der Schönen Künste, Ordner A.
 Vgl. zu der gesamten Episode Petzet, Stern, S. -.
 Vgl. für eine atmosphärische Schilderung dieses Vortrags, die allerdings in erster
Linie auf die Erscheinung und Sprechweise Heideggers eingeht, Fechter, Men-
schen, S. -.
 Vgl. Hanfstaengl contra Heidegger, Süddeutsche Zeitung, . Juni .
 Hausenstein, Briefe, S. .
     -

Heidegger selbst wurde gegen die öffentliche Aufregung und die Kritik
so weit wie möglich abgeschirmt. Im Anschluss an die Münchner Veran-
staltung fuhren Podewils’ mit Heidegger und weiteren Freunden in ihr
Haus am Haarsee, wo Heidegger im engen Kreis einen zweiten Vortrag
aus dem Bremer Vortragszyklus hielt und Friedrich Georg Jünger aus
seinen Gedichten las. Schon im Vorfeld hatte Heidegger geschrieben,
diese Art der persönlichen Begegnung »erleichtert mir das Auftreten in
der Öffentlichkeit«. Zusammen mit Friedrich Georg Jünger verbrachte
er noch weitere Tage in Hirschberg, wovon Jünger seiner Frau berichtete.
So schrieb er am . Juni: »Am . mittags fuhren wir mit Heidegger nach
Haarsee hinaus. Abends las er noch einmal etwas vor, Gedanken über die
Technik, die er als Gestell bezeichnete.« Über den . Juni fügte er im selben
Brief hinzu: »Am Abend, als wir zurückgekehrt waren, las uns Heidegger
einige Gedichte von Hölderlin vor. Mir wurde dabei deutlich, daß er auf
den Hörer vor allem durch das wirkt, was er nicht sagt.«  Wenige Tage
später schrieb er dann: »Heidegger fuhr vorgestern mit seiner Frau ab.
Ich hatte etliche Gespräche mit ihm. Er war heiter und fühlte sich hier
sehr wohl. An Angriffen gegen ihn fehlt es auch nicht; vor allem sind ihm
die Wissenschaftler, und unter diesen die Positivisten nicht grün. Er hat
ihnen recht unverdauliche ›Dinge‹ vorgesetzt.« 
Wie dieses private Treffen im Anschluss an den Münchner Vortrag
verdeutlicht, wurde Heideggers noch tastendes Vordringen in die neue
bundesrepublikanische Öffentlichkeit bewusst durch die Kommunika-
tion in der schon bewährten Form des esoterischen Gesprächs im ge-

 Vgl. Podewils, Stämme, S. ff.


 M. Heidegger an C. Podewils, .., Archiv der Bayerischen Akademie der
Schönen Künste, Ordner A.
 F. G. Jünger an C. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach;
vgl. zum Vortrag über das »Gestell« unten, Kap. ..
 F. G. Jünger an C. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Schon im Vorfeld der Veranstaltung hatte Jünger seiner Mutter geschrieben:
»Anfang der nächsten Woche werde ich noch einmal nach München fahren.
Zunächst zu Hanna, dann zu einer Vorlesung, die Heidegger in der Bayerischen
Akademie hält. Das Denken dieses Mannes beschäftigt mich. Denn obwohl er
mit den abstraktesten Gegenständen umgeht und diese in einer Sprache vor-
trägt, die für das einfältige Ohr von chinesischer Fremdartigkeit ist, hat er eine
durchdringende Kraft, die ins Elementare hinabreicht. An philosophischen Wal-
lachen ist ja nirgends Mangel; er aber ist der einzige Hengst auf der Weide. Vor
Jahren besuchte er mich einmal hier in Überlingen, und seitdem stehen wir in
Verbindung. Von München aus wird er mit uns nach Hirschberg fahren und dort
noch einmal in kleinem Kreise lesen.« (F. G. Jünger an K. Jünger, .. (Ab-
schrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
   

schlossenen Zirkel flankiert und abgefedert. In den folgenden Jahren


suchte Heidegger immer öfter und offensiver den öffentlichen Auftritt
und nutzte dafür auch die Möglichkeiten, die ihm die Münchner Akade-
mie bot. Doch auch wenn er dafür den Schutzraum des Freundeskreises
verließ, gab er ihn deshalb nicht vollständig auf. Vielmehr wurden auch
die öffentlichen Vorträge Heideggers in den er Jahren von privaten
Zusammenkünften vorbereitet und ergänzt. So wiederholte Heidegger
etwa seinen Anfang August  in Darmstadt gehaltenen Vortrag »Bauen
– Wohnen – Denken« wenig später im privaten Kreis auf Schloss Wal-
chen. Am . April  wiederholte er den im Oktober  auf Büh-
lerhöhe gehaltenen Vortrag »… dichterisch wohnet der Mensch …« in
München und veranstaltete anschließend ein nichtöffentliches Gespräch
mit Münchner Künstlern zum Thema »Kunst und Technik« .  und
 war Heidegger dann maßgeblich an der Gestaltung und Planung der
großen Vortragsreihen über »Die Künste im technischen Zeitalter« und
»Die Sprache« beteiligt, bei denen auch Friedrich Georg Jünger sprach
und Ernst Jünger im Publikum saß. Diese Vortragsreihen wurden durch
ausführliche Vorbesprechungen und private Symposien in Hirschberg
und Altreuthe vorbereitet.
Der Erfolg dieser Öffentlichkeitsstrategie wurde allerdings auch von den
Angehörigen des inneren Kreises unterschiedlich bewertet. So schrieb
etwa Vittorio Klostermann im Anschluss an die Münchner Tagung 
an Ernst Jünger:
»Allerdings fand ich die Art der Veranstaltung in München nicht an-
gemessen. Für eine Veranstaltung von Niveau ist eine gewisse Intimi-
tät der Atmosphäre notwendig, aber keine Massenveranstaltung, die
doch stark an Veranstaltungen erinnert, wie wir sie aus anderen Spar-
ten kennen. Die Sache wird sonst leicht zur Schaustellung, bei der
jede echte Kommunikation fehlt. Dies hinterlässt beim Redner das
Gefühl der Unbefriedigung, wie dies bei Ihrem Bruder der Fall war.
Bei Heidegger wird wohl sein Machtwille befriedigt, den ein Redner
haben kann, wenn er spürt, daß ihm die Bändigung einer solchen
Masse gelingt.«

 Vgl. zum »Zweiten Darmstädter Gespräch« von  Barting, (Hg.) Mensch und
Raum.
 Ein Protokoll dieses Gesprächs findet sich im Archiv der Bayerischen Akademie
der Schönen Künste unter der Korrespondenz mit Martin Heidegger.
 Vgl. dazu unten, Kap. ..
 V. Klostermann an E. Jünger, .., A: Klostermann, DLA Marbach.
     -

Diese Bemerkung über das Fehlen »echter Kommunikation« in »Massen-


veranstaltungen« rekurriert nicht nur auf das Kommunikationsideal des
geschlossenen Gesprächskreises. Sie verweist auch auf die habituellen
Unterschiede zwischen Heidegger, der dem gesprochenen Wort einen
höheren Stellenwert beimaß und als Charismatiker die unmittelbare An-
sprache auch größerer Zuhörerkreise nicht scheute, und den Brüdern
Jünger, die öffentlichen Vorträgen skeptischer gegenüberstanden und
ihre Wirkung über enge Kreise hinaus lieber durch die Pflege einer em-
phatisch verstandenen Leserschaft organisierten. Letztere ließen sich da-
her zeitlebens von Podewils nicht zum Eintritt in die Akademie bewegen,
während Heidegger von Beginn an reger an ihren Aktivitäten Anteil
nahm und  schließlich Mitglied wurde. Doch unabhängig von die-
sen Unterschieden dienten Veranstaltungen wie die der Akademie ins-
gesamt dazu, den Radius der Gesprächskreise schrittweise zu vergrößern
und die Kommunikation unter Eingeweihten in einer regulierten Öffent-
lichkeit stattfinden zu lassen.
Auf diese Weise gelang sowohl Heidegger wie den Brüdern Jüngern
der Ausweg aus der politischen Defensive der Nachkriegszeit und der
Einstieg in die bundesrepublikanische Öffentlichkeit der er Jahre,
die noch weitgehend von einem konservativen Zeitgeist geprägt war und
sich für kulturkritische Deutungsangebote empfänglich zeigte. Auf
dieser Ebene erscheinen die Brüder Jünger und Heidegger in einer Linie
mit konservativen Intellektuellen wie José Ortega y Gasset oder Romano
Guardini, mit denen sie in München oder auf Bühlerhöhe auch mehr-
fach zusammentrafen. Doch bevor der intellektuelle Austausch der
er Jahre eingehender behandelt werden kann, sollen die Denkstra-
tegien von Heidegger und den Brüdern Jünger in der Nachkriegszeit an-
hand der Auseinandersetzung mit ihnen nahe stehenden Intellektuellen
noch genauer konturiert werden.

 Vgl. Schildt, Abendland und Amerika; ders., Moderne Zeiten, S. -.
 Der in München lehrende Religionsphilosoph Romano Guardini nahm als Aka-
demiemitglied des Öfteren an den Veranstaltungen der Bayerischen Akademie
der Schönen Künste teil und diskutierte dort auch mit Heidegger. Mit dem in
der frühen Bundesrepublik populären spanischen Philosophen José Ortega y
Gasset diskutierte Heidegger sowohl auf Bühlerhöhe wie auch bei dem Darm-
städter Gespräch ; vgl. MH f, zum Kontext auch Seubert Abendland;
Sánchez-Blanco, Ortega y Gasset.


.. Nach der Kampfgemeinschaft.


Martin Heidegger und Karl Jaspers
Freundschaft und Entfremdung  bis 

Als Heidegger im Dezember  im Rahmen seines Bereinigungsverfah-


rens vorschlug, Karl Jaspers um ein Gutachten zu bitten, nahm er wohl
an, dass Jaspers sich zu seinen Gunsten aussprechen würde. Diese Annah-
me resultierte vielleicht aus der Hoffnung darauf, »daß die Beziehung
zwischen den Schwerpunkten unserer denkenden Existenz nicht zu er-
schüttern sei« (MH/KJ, ), wie Heidegger noch  an Jaspers schrieb.
Tatsächlich hatte aber Heidegger selbst in den er Jahren maßgeblich
zur Erschütterung ihrer Beziehung beigetragen, die sich auch nach 
nicht mehr erneuern ließ. Ein Blick auf diese Beziehung erhellt die unter-
schiedlichen Handlungs- und Deutungsoptionen, die Intellektuelle mit
vergleichbaren Ausgangspositionen nach  und dann wieder nach 
hatten.
Heidegger und Jaspers lernten sich  im Hause Edmund Husserls in
Freiburg kennen, wo sich im Gespräch über universitäre Angelegenheiten
bald eine spontane »Solidarität der beiden Jüngeren gegen die Autorität
abstrakter Ordnungen« einstellte, wie sich Karl Jaspers später in seiner
philosophischen Autobiographie erinnerte. Diese Solidarität war nicht
von vorneherein selbstverständlich, denn Jaspers’ Werdegang war von
dem Heideggers durchaus verschieden.  ins Oldenburger Bürgertum
hineingeboren, hatte Jaspers zunächst Jura und Medizin studiert und sich
 in Heidelberg für Psychologie habilitiert. Erst nach seiner wegwei-
senden Untersuchung über die »Psychologie der Weltanschauungen« von
 wechselte er zur Philosophie und erhielt  eine philosophische
Professur in Heidelberg. Noch stärker als Heidegger fühlte sich Jaspers
zeitlebens als akademischer Außenseiter innerhalb der Universitätsphilo-
sophie, gegen die sich ihr gemeinsamer Impetus wandte. In seiner philo-
sophischen Autobiographie sprach Jaspers von ihrer »gemeinsame[n]

 Vgl. als knappen Überblick Mehring, Heidegger und Karl Jaspers; außerdem Ol-
son (Hg.), Heidegger and Jaspers.
 Jaspers, Philosophische Autobiographie, S. f. Jaspers schrieb das Kapitel über
Martin Heidegger wie den Rest der philosophischen Autobiographie bereits in
den er Jahren, nahm es aber auf Anraten seiner Frau und einiger Freunde
nicht in die Erstveröffentlichung  auf. Es wurde erst nach dem Tod von Jas-
pers und Heidegger in die erweiterte Neuausgabe integriert.
 Vgl. zur Biographie Kirkbright, Karl Jaspers.
     -

Opposition gegen die traditionelle Professorenphilosophie« . Schon im


ersten überlieferten Brief an Jaspers vom . April  bekundete auch
Heidegger, »daß wir aus derselben Grundsituation an der Neubelebung der
Philosophie arbeiten« (ebd., ).  sprach er dann von ihrer »Kampf-
gemeinschaft« (ebd., ) zur Erneuerung der Philosophie, was Jaspers
gerne aufnahm, indem er ihm die Gründung einer gemeinsamen Jahres-
schrift »Die Philosophie der Zeit, Kritische Hefte von Martin Heidegger
und Karl Jaspers« (ebd., ) vorschlug, in der nur sie beide schreiben
sollten. Diese Zeitschrift kam nicht zustande. Stattdessen besuchte Hei-
degger Jaspers im Laufe der er Jahre regelmäßig in Heidelberg zu
mehrtägigen Gesprächen.
Die philosophische Beziehung zwischen Jaspers und Heidegger entfal-
tete sich in erster Linie in diesen persönlichen Gesprächen. Ihnen stand
eine merkwürdige Unterbelichtung der jeweiligen schriftlichen Arbeiten
gegenüber. Heidegger verfasste zwischen  und  zwar eine aus-
führliche Kritik von Jaspers’ »Psychologie der Weltanschauungen«, die
zunächst nicht veröffentlicht wurde, die er ihm aber  zuschickte. Er
würdigte darin Jaspers’ grundlegenden philosophischen Neuansatz am
»Existenzphänomen« (MH /, ), unterzog diesen aber einer grund-
legenden Methodenkritik. Jaspers erinnerte sich jedoch, diese Kritik nur
flüchtig gelesen zu haben, »sie wurde in mir nicht fruchtbar«. Ähnliches
gilt für »Sein und Zeit«, das Jaspers »für das, was ich philosophisch be-
gehrte, unergiebig« erschien. Umgekehrt schien auch Heidegger Jaspers’
Hauptwerk, die  erschienene dreibändige »Philosophie«, nicht wirk-
lich zur Kenntnis genommen zu haben. Jaspers mag daher mit seiner
nachträglichen Einschätzung Recht gehabt haben, dass »durch unser bei-
der Werk die verborgene Fremdheit an das Licht« kam, die im leben-
digen Gespräch zuvor verdeckt worden war.
Bei allen Unterschieden sind aber die Gemeinsamkeiten zwischen
Heideggers »Daseinsanalytik« und Jaspers‹ »Existenzerhellung« nicht zu
übersehen, die wohl auch auf die Gespräche in Heidelberg zurückgingen
und die dazu führten, dass Heidegger und Jaspers schon seit den er
Jahren als gemeinsame Vertreter einer neuen philosophischen Strömung,

 Jaspers, Philosophische Autobiographie, S. .


 Vgl. dazu auch Denker, Neubelebung.
 Jaspers, Philosophische Autobiographie, S. . Jaspers gab rückblickend zu, dass
er mit seiner Unwilligkeit, auf Heideggers Kritik einzugehen, bereits zu einem
frühen Zeitpunkt ihrer Beziehung in »einem wesentlichen Punkte versagte«
(ebd.).
 Ebd., S. .
 Ebd., S. .
   

der Existenzphilosophie, wahrgenommen wurden, auch wenn sich später


beide von diesem Etikett distanzierten. Die gemeinsame Grundan-
nahme, dass dem Menschen seine Existenz als eine erst zu ergreifende
aufgegeben sei und dass er sie auch verfehlen könne, äußerte sich auch
bei Jaspers in einer ähnlichen Unterscheidung wie der, die Heidegger mit
den Begriffen Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit markierte. In seinem
Buch über »Die geistige Situation der Zeit« von , das Jaspers gegen-
über Heidegger als »eine Art konkreter Vorrede« (MH/KJ, ) zu seiner
»Philosophie« von  bezeichnete, wird zudem deutlich, dass er diese
Unterscheidung mit einer ganz ähnlichen Zeit- und Kulturkritik verband
wie Heidegger. Auch für Jaspers war die »Zerstreuung« und »Entschei-
dungslosigkeit« des modernen Menschen auf sein Leben unter den Be-
dingungen des »Massendaseins« und der »Entfaltung der technischen
Welt« zurückzuführen.
Jaspers’ Schilderungen dieses von »Rationalisierung« und »Mechani-
sierung« geprägten Daseins der »im Apparat gegliederten Masse« erinnert
wiederum in vielem an Ernst Jüngers »Arbeiter«. Auch Jaspers war der
Meinung, dass der mit der »Technisierung« beschrittene Weg »weiter-
gegangen werden muß«, warnte aber anders als Jünger vor einer »Verab-
solutierung der Technik« und rief dazu auf, »das Bewusstsein für das Nicht-
mechanisierbare bis zur Untrüglichkeit zu schärfen«. Jaspers teilte also
Ernst Jüngers Affirmation der technischen Arbeitswelt nicht, sondern
kritisierte sie ebenso wie Heidegger und andere Kulturkonservative.

 Der Begriff »Existenzphilosophie« geht wohl auf Fritz Heinemanns Abhandlung


»Neue Wege der Philosophie. Geist – Leben – Existenz« von  zurück, in der
er ihn als Bezeichnung für die durch Heideggers »Sein und Zeit« geprägte neueste
Strömung der deutschen Philosophie prägte.  widmete Heinemann der Exi-
stenzphilosophie dann eine eigene Monographie, in der er sowohl Heidegger als
auch Jaspers behandelte; vgl. Heinemann, Existenzphilosophie. Während Jaspers
den Begriff zeitweilig für sich in Anspruch nahm (vgl. Jaspers, Existenzphilo-
sophie) und erst später verwarf, hat Heidegger sein eigenes Denken selbst nie so
bezeichnet. In einem Brief an Jean Wahl von  distanzierte er sich sowohl vom
Begriff der Existenz als auch von Jaspers’ Philosophie (vgl. MH/KJ, ), 
schrieb er an Elisabeth Blochmann: »Mit dem Dunstgewölke des ›Existentialis-
mus‹ habe ich nichts zu schaffen« (MH/EB, ). Jaspers schrieb ebenfalls an Wahl:
»Daß Heidegger mit mir zusammen genannt wird, als ob wir dasselbe täten, ist,
wie mir scheint, für beide ein Anlaß zum Mißverstandenwerden.« (MH/KJ, )
Vgl. aus der Literatur auch Brecht, Heidegger und Jaspers; Veauthier, Ambiva-
lenz; Thurnher/Röd/Schmidinger, Philosophie, S. -.
 Jaspers, Geistige Situation, S. , ,  u. .
 Ebd., S.  u. .
 Ebd., .
     -

Dort, wo er dabei auch auf die moderne Naturzerstörung aufmerksam


machte, nahm er gar schon Positionen von Friedrich Georg Jüngers »Per-
fektion der Technik« vorweg. Im Vergleich mit Heidegger ist aber vor
allen Dingen bedeutsam, dass auch Jaspers zu einem Akt der Selbstwahl
aufrief, um aus dem Zustand der Verfallenheit und Ungebundenheit in
den der eigentlichen Existenz zu gelangen, und damit zu einem »Kampf
des Menschen […] um sein eigentliches Wesen« .
Mit Blick auf Jaspers’ »Entschiedenheit des Selbstseins« lässt sich also
auch hier von einem »politischen Existenzialismus« sprechen. In »Die
geistige Situation der Zeit« gab es gar einzelne Passagen über den »Staats-
wille[n]« als den »Wille[n] des Menschen zu seinem Schicksal« und über
die freiwillig zu ergreifende »Geschichtlichkeit eigenen Wesens« in ihren
»Bindungen«, die in vielem an den §  von »Sein und Zeit« erinnerten.
Im Prinzip bestanden aber gerade in dieser Frage nach (in Heideggers
Terminologie) den Modi des eigentlichen Mitseins mit anderen die ent-
scheidenden Unterschiede zwischen Heidegger und Jaspers. Denn bei
Jaspers fehlte die bei Heidegger  mit entscheidende völkische Ideo-
logie. Auch war seine »Haltung des Selbstseins« zwar ausdrücklich aristo-
kratisch und elitär – Jaspers sprach von einem »Adel der selbstseienden
Geister« –, aber nicht autoritär, sondern auf Kommunikation unter
Gleichen gerichtet. Der selbstseiende Mensch wollte bei Jaspers »nicht
Gefolgschaft, er will Gefährten«.

 Vgl. ebd., . Friedrich Georg Jünger hat Jaspers‹ Darstellung der Mechanisie-
rung des Lebens in einer kurzen Rezension dann auch zustimmend wiederge-
geben (FGJ c). Nach dem Zweiten Weltkrieg nannte Jaspers den »Arbeiter«
und die »Perfektion« allerdings als Beispiele zweier entgegen gesetzter Möglich-
keiten, »die technische Welt im Ganzen« zu deuten, d. h. einmal zu verherrlichen
und einmal zu verteufeln, die sich aber in ihrer »Denkungsart« glichen und »in
ihrer Verabsolutierung beide falsch« seien (Jaspers, Ursprung, S. ff.). Jaspers
selbst nahm  eine neutralere Haltung zur Technik ein, die ihr zwar einen
wesentlich Einfluss auf das moderne Leben, aber kein dämonisches Eigenleben
zugestand: »Die Technik ist nur Mittel, an sich weder gut noch böse.« (Ebd., )
Wie Armin Mohler Ernst Jünger berichtete, hat sich Jaspers auch im Rahmen
eines Seminars mit dem Technikbild der Brüdern Jünger beschäftigt; vgl.
A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Jaspers, Geistige Situation, S. .
 Ebd., .
 Vgl. Bielefeldt, Kampf, S. -; vgl. zur Abgrenzung von Jaspers’ Kulturkon-
servatismus zur konservativen Revolution aber Stäblein, Kulturkonservatismus;
zum Kontext Bialas, Distanzierung.
 Jaspers, Geistige Situation, S. ,  u. ; vgl. zum §  oben, Kap. ..
 Ebd., .
 Ebd., .
   

Dieser Unterschied von Elitismus und Autokratismus kam auch in


zwei Briefen vom Dezember  zum Ausdruck. Nachdem Jaspers’
Hauptwerk »Philosophie« zum Jahreswechsel / erschienen war, be-
glückwünschte ihn Heidegger, da er sich nun qualifiziert habe für »den
Gang des ›wissenden‹ Führers und Wächters in die echte Öffentlichkeit«
(MH/KJ, ). Jaspers antwortete sehr zurückhaltend, dass mit seiner
»Philosophie« ebenso wie mit »Sein und Zeit« nur ein »Flämmchen« der
Erkenntnis entzündet worden sei und dass das Nähren dieser Flämm-
chen nur durch kommunikative Kritik, nicht durch geistige Führerschaft
bewerkstelligt werden könne:
»Die Form für die Öffentlichkeit würde nicht ein Werk sein, das nun
die Wahrheit hätte, sondern die Bewegung einer Auseinandersetzung,
die zum ersten Mal in die philosophische Welt statt der Polemik die
kommunikative Kritik brächte. Ich müsste Ihr ›Sein und Zeit‹, Sie
müssten mein Buch in einer Weise auflockern, daß Kern und Mög-
lichkeit aus dem Zerstörten erst recht zu leuchten anfangen: das, wor-
in wir ›im voraus einig‹ sind. Wir müssten aufgrund dessen dann das
Hin und Her fortsetzen und das Ganze dann als gemeinsames Tun der
Öffentlichkeit vorlegen.« (Ebd., )
Jaspers skizzierte hier eine Form des öffentlichen kommunikativen Philo-
sophierens, die so mit Heidegger nicht möglich war, weshalb aus dem
von Jaspers mehrfach angeregten öffentlichen Austausch auch nie etwas
wurde. Später wurde der Vorwurf der »Kommunikationslosigkeit« zu
einem der wichtigsten Kritikpunkte von Jaspers an Heidegger, so etwa
auch in seinem Gutachten für die Freiburger Bereinigungskommission,
in dem er schrieb, dass ihm Heideggers »Denkungsart […] ihrem Wesen
nach unfrei, diktatorisch, kommunikationslos erscheint« (ebd., ).
Schließlich polemisierte zwar auch Jaspers gegen die angeblich »leere
Intellektualität«  der Zeit und teilte mit Heidegger das Anliegen, Philo-
sophie und Existenz miteinander zu verbinden, das heißt Theorie und
Praxis im eigentlichen Philosophieren zu versöhnen. Seine Rationalis-
mus- und Szientismuskritik blieb aber an einem von Kant gewonnenen
Vernunftbegriff orientiert, und sein Appell zum tätigen Philosophieren
geriet nicht im selben Maß in den Sog des antiintellektualistischen Tat-
Denkens wie der Heideggers. Jaspers versuchte vielmehr, »Vernunft und
Existenz«, wie ein Vortrag von  hieß, miteinander in Einklang zu
bringen.

 Jaspers, Geistige Situation, S. .


 Allerdings ist hierbei eine zeitliche »Verschiebung der Gewichtung« zu beobach-
     -

Jaspers’ »politischer Existenzialismus« war im Einzelnen also durchaus


anders gelagert als der von Martin Heidegger, und es hätte nicht un-
bedingt seiner Ehe mit einer jüdischen Frau bedurft, um ihn gegen die
Parteinahme für die Nationalsozialisten zu immunisieren, zumal er den
Faschismus (zusammen mit dem Bolschewismus) schon in »Die geistige
Situation der Zeit« als falsche Flucht in den Gehorsam zu einem Führer
verurteilt hatte. Im Jahre  war es neben einer gewissen politischen
Naivität vielleicht auch seine alte Verbundenheit zu Heidegger und ih-
rem gemeinsamen Anliegen der Universitätsreform –  sprach Jaspers
von ihrem »Plan einer aristokratischen Universität« (MH/KJ, ) –, der
ihn dazu bewog, Heideggers Rektoratsrede verhalten wohlwollend aufzu-
nehmen und ihm eigene Vorschläge zur Umgestaltung der Universitäten
zu schicken, von denen er hoffte, dass Heidegger sie bei den Nachver-
handlungen zur neuen badischen Universitätsverfassung einbrächte. In
seiner philosophischen Autobiographie ging Jaspers nicht auf diese von
Heidegger ignorierten Vorschläge zur Hochschulreform ein, machte sich
aber selbst Vorwürfe,  Heidegger gegenüber nicht klar genug Stellung
bezogen zu haben, auch nicht bei seinem letzten Besuch in Heidelberg
im Juni , wo Heidegger bereits als Freiburger Rektor einen Vortrag
über »Die Universität im neuen Reich« hielt:
»Unoffen waren meinerseits die Gespräche nachher. Ich sagte ihm, man
habe erwartet, daß er für unsere Universität und ihre große Überliefe-
rung sich einsetzen würde. Keine Antwort. Ich sprach über die Juden-
frage, über den bösartigen Unsinn von den Weisen von Zion, worauf
er: ›Er [sic] gibt doch eine gefährlich internationale Verbindung der
Juden.‹ Bei Tisch sagte er in etwas wütendem Ton, daß es so viele Phi-
losophieprofessoren gäbe, sei ein Unfug, man solle in ganz Deutsch-

ten, da Jaspers erst nach  verstärkt vor den »irrationalistischen Konsequenzen
eines reinen Existenzialismus ohne das ergänzende Moment der Vernunft« zu war-
nen begann (Thurnher/Röd/Schmidinger, Philosophie, S. ).  kritisierte er
dann selbst die »Unbedingtheit ohne Inhalt« des »Nihilisten der Tat«, die aus der
Aufgabe der Vernunft resultiere (zit. n. Großheim, Politischer Existenzialismus,
S. ).
 Vgl. Jaspers, Geistige Situation, S. . Abgesehen von dieser Bemerkung erscheint
Jaspers’ Essay aber auf erstaunliche Weise losgelöst von den politischen Turbulen-
zen der letzten Weimarer Jahre. Im »Geleitwort zur Ausgabe von « gab Jaspers
dann auch zu, dass er bei Abfassung »kaum Kenntnis vom Nationalsozialismus«
(ebd., ) hatte.
 Vgl. neben Jaspers’ Brief vom . August  (MH/KJ, ff.) auch Saner, Thesen.
 Vgl. Schneeberger, Nachlese, ff.
   

land nur zwei oder drei behalten. ›Welche denn?‹ fragte ich. Keine
Antwort. ›Wie soll ein so ungebildeter Mensch wie Hitler Deutsch-
land regieren?‹ – ›Bildung ist ganz gleichgültig‹, antwortete er, ›sehen
Sie nur seine wunderbaren Hände an!‹ […] Angesichts des selber vom
Rausche ergriffenen Heidegger habe ich versagt. Ich sagte ihm nicht,
daß er auf falschem Weg sei. Ich traute seinem verwandelten Wesen
gar nicht mehr.«
Tatsächlich führte Heideggers Parteinahme für den Nationalsozialismus
zum letztlich nicht mehr überbrückbaren Bruch in ihrer schon seit Be-
ginn der er Jahre angeschlagenen Freundschaft: »Gegen meine Er-
wartung war er durch seine öffentliche Wirksamkeit als Nationalsozialist
mein geistiger Feind geworden«, wie sich Jaspers erinnerte.
Nach Heideggers Rückzug von seinem NS-Engagement sprach er in
einem Brief an Jaspers vom . Juli  relativ unverhohlen vom »Miss-
lingen des Rektorats« (ebd., ), das es für ihn zu überwinden gelte.
 lobte er Jaspers’ Nietzsche-Buch (ebd., ), während er es in seiner
eigenen Nietzsche-Vorlesung kategorisch abqualifizierte.  äußerte er
sich nicht zu Jaspers’ Zwangspensionierung, so wenig wie zu den übrigen
Repressalien, denen das Ehepaar Jaspers aufgrund der jüdischen Herkunft
von Gertrud Jaspers ausgesetzt war, wie Jaspers in seiner philosophischen
Autobiographie vermerkte. Zwischen  und  scheint es über die
Zusendung einzelner Schriften hinaus keine direkte Kommunikation
zwischen Heidegger und Jaspers mehr gegeben zu haben.

 Jaspers, Philosophische Autobiographie, S. f.


 Ebd., S. .
 Vgl. MH /, : »Weil Jaspers im innersten Grund das philosophische Wis-
sen nicht mehr ernst nimmt, gibt es kein wirkliches Fragen mehr. Philosophie
wird zur moralisierenden Psychologie der Existenz des Menschen. Das ist eine
Haltung, der es trotz allen Aufwandes verwehrt bleiben muß, jemals in die Philo-
sophie Nietzsches fragend-auseinandersetzend einzudringen.« Vgl. auch MH
a, : »Die Grundmängel des Nietzschebuches von K. Jaspers: . daß er über-
haupt ein solches Buch schreibt […].« Ohne dass er diese Ausfälle kennen konn-
te, lag Jaspers mit folgender Einschätzung also nicht ganz falsch: »Er schien ein
Freund, der einen verriet, wenn man abwesend war« (Jaspers, Philosophische
Autobiographie, S. ).
 Ein im Briefwechsel abgedruckter längerer Brief von Jaspers vom Oktober 
wurde nicht abgeschickt; vgl. MH/KJ, ff.
     -

Schuld und Scham nach 

Nach dem Ende des »Dritten Reiches« kehrten sich die öffentlichen
Rollen von Heidegger und Jaspers im Vergleich zu  gleichsam um –
wenn auch in gänzlich anderen Verhältnissen und aus entgegengesetzten
Gründen. Während Heideggers akademische Karriere und universitäre
Zukunft in Frage gestellt wurde und er aufgrund seiner Haltung während
des »Dritten Reiches« in die politische Defensive geriet, erwuchs Jaspers
 aufgrund seines Status’ als Gegner und Verfolgter des Naziregimes
eine neuartige moralische Autorität, die mit einem hohen Ansehen bei den
amerikanischen Besatzungsbehörden einherging. Er wurde zwar nicht
wie Heidegger  Rektor (auch wegen seines schlechten Gesundheits-
zustands), erhielt aber seine Professur in Heidelberg zurück und wurde
Mitglied im so genannten »Dreizehnerausschuss«, der den Wiederaufbau
der Heidelberger Universität koordinierte. Darüber hinaus wandte er
sich mit mehreren politischen Stellungnahmen an die deutsche Öffent-
lichkeit und versuchte, zu deren moralischer und politischer Erneuerung
beizutragen. Zu diesen Stellungnahmen gehörte an erster Stelle sein 
erschienenes Buch zur »Schuldfrage«, das auf seine im Wintersemester
/ gehaltene Vorlesung über die geistige Situation in Deutschland
nach dem Krieg zurückging. Daneben fungierte er etwa auch als Mit-
herausgeber der von Dolf Sternberger geleiteten Zeitschrift Die Wand-
lung, die von  bis  erschien, und äußerte sich in zahlreichen
öffentlichen Vorträgen zu Fragen der Zeit.
Der Erfolg von Jaspers’ politischen Interventionen war allerdings be-
grenzt. Seine Vorstellung einer selbstkritischen Erneuerung der Univer-
sität kollidierte mit den Mechanismen der stillschweigenden akademi-
schen Selbstentnazifizierung, und für seine Aufforderung zur deutschen
Schuldannahme wurde er vielfach angefeindet, so dass er es  vorzog,
das sich immer stärker auf Restauration polende Nachkriegsdeutschland
zu verlassen und eine Professur in Basel anzunehmen. Doch dieses parti-
elle Scheitern seiner moralischen Erneuerungsbemühungen zeugte nicht
von seinem mangelnden öffentlichen Einfluss, vielmehr war es gerade
auf diesen Einfluss zurückzuführen. Denn auch wenn sich Jaspers mit
seiner »Schuldfrage« gegen die in der deutschen Nachkriegszeit perhor-
reszierte Kollektivschuldthese wandte und zu einer Differenzierung des

 Vgl. Jaspers’ Schuldfrage.


 Vgl. zu Jaspers’ Rolle in der Nachkriegszeit Clark, Prophet; Beyme, Karl Jaspers;
zu seinen späteren politischen Stellungnahmen auch Kadereit, Karl Jaspers.
 Vgl. Weisbrod, Geist.; ders., Moratorium.
   

Schuldbegriffs beitragen wollte, ließ er doch keinen Zweifel daran, dass


sich das deutsche Volk in seiner Gesamtheit mit politischer Schuld be-
laden und jeder Einzelne nach seiner individuellen moralischen Schuld
zu fragen hatte. Mit diesem Appell zum Eingeständnis von Schuld und
zur individuellen Gewissensprüfung machte sich Jaspers zum Exponenten
einer auch vom alliierten Reeducation-Programm vertretenen Schuldkul-
tur, die einer im Nachkriegsdeutschland weit verbreiteten Schamkultur
gegenüberstand.
Während die Schuldkultur, in Jaspers’ Worten, auf »restloser Selbst-
durchleuchtung« und einer »inneren Umkehrung« beruhte, mithin auf
»Verwandlung« und »Reinigung« abzielte, orientierte sich die Scham-
kultur an Ehrbegriffen, die auf Gesichtswahrung gerichtet waren und ge-
rade kein öffentliches Bußbekenntnis erlaubten. Folglich war im Scham-
diskurs nicht von deutscher Schuld die Rede, sondern von deutscher
»Schmach« und »Schande«. Während die Auseinandersetzung mit der
eigenen Schuld die Kommunikation, das »Miteinanderreden und Ver-
stehen« erforderte, flüchtete sich die Scham angesichts der unleugbaren
Niederlage in »aggressives Schweigen« und »trotzige[n] Stolz«.
Anhand dieser Gegenüberstellung wird auch die Zusammengehörig-
keit des oben beschriebenen Okkupationsdiskurses und des Rückzugs ins
Schweigen mit der Kultur der Scham in der Nachkriegszeit deutlich. Die
nicht am eigenen Gewissen, sondern am Blick des Anderen orientierte
Schamkultur prägte allerdings schon die Duellgesellschaft des Wilhel-

 Vgl. zu Jaspers’ Unterscheidung von krimineller, politischer, moralischer und


metaphysischer Schuld Jaspers, Schuldfrage, S. -.
 Diese Unterscheidung von Schuld- und Schamkultur geht auf eine  erschie-
nene Untersuchung der Anthropologin Ruth Benedict über die japanische Ge-
sellschaft zurück; vgl. dazu Assmann/Frevert, Geschichtsvergessenheit, S. -;
Olick House, S. - (dort auch zu Jaspers). Bei dieser Unterscheidung geht
es nicht darum, ob sich die Deutschen nach  tatsächlich mehrheitlich schäm-
ten oder schuldig fühlten oder keines von beidem. Sie zielt vielmehr auf zwei
unterschiedliche Arten des Umgangs mit Schuldvorwürfen.
 Jaspers, Schuldfrage, S. ,  u. .
 Auch bei Jaspers war gelegentlich von der »Schmach von zwölf Jahren« (Jaspers,
Erneuerung, S. ) die Rede, so dass sich bei Jaspers Schuld- und Schamdiskurs
durchaus berührten, was wiederum mit den Resten seines von Max Weber über-
nommenen Kulturnationalismus zu tun hatte. Dennoch überwogen bei ihm ein-
deutig die Topoi des Schulddiskurses.
 Jaspers, Schuldfrage, S. ,  u. . Aleida Assmann unterscheidet daher eine
»vom Paradigma der Schuld geprägte Öffentlichkeitskultur und eine vom Paradig-
ma der Scham geprägte Kultur des Schweigens« (Assmann/Frevert, Geschichts-
vergessenheit, S. ); vgl. dazu auch Rabinbach, Restoring.
     -

minischen Deutschland und dann die Niederlagengesellschaft nach .


Nach  erlebte sie noch einmal eine für die deutsche Vergangenheits-
politik folgenreiche Renaissance, um dann erst im Laufe der Bundesre-
publik mehr und mehr von der Schuldkultur abgelöst zu werden. In der
unmittelbaren Nachkriegszeit standen sich die beiden Paradigmen von
Schuld und Scham aber noch unaufgelöst gegenüber, und die vielfältige
Schuldabwehr fand nicht selten in den Kategorien von Schmach und
Ehre ihren Ausdruck. Helmut Lethen hat Carl Schmitt als einen der
hartnäckigsten Vertreter dieser Schamkultur nach  dargestellt. Tat-
sächlich lehnte Schmitt ein Schuld- und Reuebekenntnis für seine Hal-
tung im »Dritten Reich« bis zuletzt ebenso ab wie die Brüder Jünger und
Martin Heidegger. Er stilisierte sein Schweigen im oben schon beschrie-
benen Sinn als Treue zu sich selbst und verhöhnte Jaspers als »Bußpredi-
ger«. In der gleichen Weise verwahrte sich auch Martin Heidegger aus-
drücklich gegen den Anspruch öffentlicher Reuebekundungen. So schrieb
er in dem schon zitierten Brief an Herbert Marcuse vom . Januar :
»Ein Bekenntnis nach  war mir unmöglich, weil die Nazianhänger in
der widerlichsten Weise ihren Gesinnungswechsel bekundeten, ich aber
mit ihnen nichts gemein hatte.« (MH -, )
Die Gegenüberstellung von Scham und Schuld war allerdings nicht
nur ein Problem der Öffentlichkeit. Sie spielte auch im privaten Brief-
wechsel von Heidegger und Jaspers, der  noch einmal aufgenommen
wurde, eine entscheidende Rolle. Als Heidegger Jaspers Ende  als
Gutachter in seinem Bereinigungsverfahren vorschlug, hat er ihn selbst
nicht persönlich kontaktiert. Von Jaspers hatte er  noch keinen Brief,
sondern lediglich die erste Ausgabe der Wandlung erhalten. Während
der Zeit von Jaspers’ öffentlichem Wirken in Heidelberg hatten sie keinen

 Lethen, Verhaltenslehren, S. -.


 Vgl. zum Schamdiskurs bei Heidegger, Jünger und Schmitt auch Olick, House,
S. -.
 Schmitt, Glossarium, S. .  sandte er Armin Mohler folgendes Spottge-
dicht über Jaspers: »Wie hat sein Bußgerede mich empört! / Wie ekelt mir vor
seinen faulen Fischen! / Jetzt ist er endlich wo er hin gehört: / Im Spiegel und der
Deutschen Telewischen.« (Schmitt, Briefwechsel, S. ) Vgl. zu Schmitt unten,
Kap. ..
 Vgl. MH/KJ . Aus dem »Geleitwort« von Jaspers und seinem in dieser Ausgabe
abgedruckten Vortrag über die »Erneuerung der Universität« (beide wiederab-
gedruckt in Jaspers, Erneuerung, S. -) hätte Heidegger Jaspers’ schuldkultu-
relle Position eigentlich schon ersehen und daher ahnen können, dass er auch von
ihm eine »echte Wiedergeburt« (MH/KJ, ) verlangen würde, wie er es in sei-
nem Gutachten dann tat. Vielleicht hat Heidegger die Wandlung aber auch gar
nicht gelesen.
   

Kontakt. Erst von Basel aus, am . Februar , schrieb Jaspers wieder
einen Brief an Heidegger, zum ersten Mal seit . Er sprach darin seine
Enttäuschung über Heideggers Verhalten / und die Gründe ihrer
Entfremdung offen an, äußerte aber dennoch die Hoffnung, dass über
die »Dunkelheit« und den »Abgrund der Zeiten« hinweg »im Philosophie-
ren und vielleicht auch im Privaten zwischen uns ein Wort vom einen
zum anderen« (MH/KJ, f.) gehen könne. In seiner Antwort wollte
Heidegger auf einzelne von Jaspers genannte Punkte nicht eingehen. Er
erklärte stattdessen: »Die Auseinandersetzung mit dem deutschen Unheil
und seiner weltgeschichtlich-neuzeitlichen Verflechtung wird den Rest
unseres Lebens durchdauern!« (Ebd., ) Jaspers konnte mit dieser
Erklärung schwerlich zufrieden sein, war sie doch ein typisches Beispiel
für eben jenes »Ausweichen in ein Allgemeines«, das Jaspers in seiner
»Schuldfrage« als »Ausweichen vor der eigentlichen menschlichen Auf-
gabe« kritisiert hatte. Dennoch wechselten Heidegger und Jaspers in der
Folgezeit mehrere Briefe und sandten sich eigene Schriften, wobei sich
Jaspers verhalten kritisch um Verständigung bemühte, ohne allerdings zu
verschleiern, dass er Heidegger auf dessen neuen Denkwegen nicht fol-
gen könne. Trotz dieser Distanziertheit bemühten sich beide um einen
philosophischen Dialog und fassten Ende  und Anfang  gar
ihren »alten Plan, […] uns einmal öffentlich auseinanderzusetzen« (ebd.,
), erneut ins Auge.
Während dieses Austauschs kamen sie nicht wieder auf ihr persönli-
ches Verhältnis und Heideggers Verhalten während des »Dritten Reichs«

 Jaspers hatte vor allem Heideggers Gutachten über Eduard Baumgarten vom De-
zember , in dem Heidegger Baumgarten wegen seiner Nähe zu dem »Juden
[Eduard] Fraenkel« und dem »liberal-demokratischen Heidelberger Intellektuel-
lenkreis um Max Weber« (zu dem auch Jaspers gehörte) denunzierte und von
dem Jaspers  Kenntnis erhielt, als eine der »einschneidendsten Erfahrungen
meines Lebens« (MH/KJ, ) bezeichnet; vgl. zu dem Gutachten Ott, Unter-
wegs, S. f. In einem Brief an seine Frau vom März  behauptete Heidegger
allerdings noch, mit Jaspers über Baumgarten einer Meinung zu sein; vgl. MH/
EH, .
 Jaspers, Schuldfrage, S. .
 Heidegger sprach in seinen Briefen von seinem in den er Jahren entwickelten
seinsgeschichtlichen Standort aus, während Jaspers zugab, dass ihm dieser Stand-
ort »bis jetzt nicht zugänglich« (MH/KJ, ) sei. In einem Brief etwa schrieb
Heidegger über die Einsamkeit: »Aber sie bleibt die einzige Ortschaft, an der
Denkende und Dichtende nach menschlichem Vermögen dem Sein bei-stehen.
Aus dieser Ortschaft grüße ich Sie herzlich.« (Ebd., ) Jaspers antwortete: »Der
›Ort‹, von dem her Sie mich grüßen, – vielleicht habe ich ihn noch nie betreten,
empfange gern, mit Verwunderung und Spannung, solchen Gruß.« (Ebd., )
     -

zu sprechen. Erst im März  sprach Heidegger selbst diese Fragen in


Form eines Bekenntnisses erneut an und führte damit das Thema von
Schuld und Scham in den Briefwechsel ein. So schrieb er an Jaspers: »Ich
bin seit  nicht deshalb nicht mehr in Ihr Haus gekommen, weil dort
eine jüdische Frau wohnte, sondern weil ich mich einfach schämte.« (Ebd.,
) Jaspers antwortete darauf: »Daß Sie es aussprechen, sich ›geschämt‹
zu haben, bedeutet mir viel. Sie treten damit ein in die Gemeinschaft von
uns allen, die in einer Verfassung gelebt haben und leben, für die auch
›Scham‹ ein angemessenes Wort ist.« (Ebd., ) Jaspers schien bereit, es
mit diesem Bekenntnis sein Bewenden haben zu lassen, und bot Heideg-
ger eine nachsichtige Erklärung seines Verhaltens an:
»Sie werden mir verzeihen, wenn ich sage, was ich manchmal dachte:
daß Sie sich den nationalsozialistischen Erscheinungen gegenüber zu
verhalten schienen, wie ein Knabe, der träumt, nicht weiß, was er tut,
wie blind und vergessend auf ein Unternehmen sich einlässt, das ihm
so anders aussieht, als es in der Realität ist, dann bald ratlos vor einem
Trümmerhaufen steht und sich weitertreiben läßt.« (Ebd., )
Wenige Tage darauf sandte er Heidegger mit Blick auf dessen Wort von
der Scham aber doch noch seine »Schuldfrage« zu: »Ich denke mir, viel-
leicht könnte Sie meine alte Schrift interessieren, ja sie könnte Ihnen viel-
leicht in ihrem eigentlichen Impuls verständlich sein.« (Ebd., ) In sei-
nem Antwortschreiben ging Heidegger zwar nicht auf die »Schuldfrage«
ein, machte durch die Art seiner Erklärungen aber deutlich, dass er deren
»eigentlichem Impuls«, nämlich dem Impuls von Gewissensprüfung und
Umkehr, nach wie vor nicht folgen wollte. Er nahm Jaspers’ »Bild vom
träumenden Knaben« dankbar auf, sprach von seinem politisch naiven
»Machtrausch« , von seinem Rücktritt im Frühjahr  und erneut
von seiner danach wachsenden »Scham […], jemals hier unmittelbar und
mittelbar mitgewirkt zu haben« (ebd., f.). Die Erklärungen Heideg-
gers in diesem Brief entsprachen seinen schon während des Bereinigungs-
verfahrens entwickelten apologetischen Argumenten, die besonders auf
seine eigene Verfolgtheit und Unterdrückung ab  abhoben, und gip-
felten nach der einzigen Verwendung des Schuldbegriffs in einer Anklage
der Gegenwart:
»Die Schuld des einzelnen bleibt und ist bleibender, je einzelner er ist.
Aber die Sache des Bösen ist nicht zu Ende. Sie tritt erst ins eigentliche
Weltstadium.  und vorher haben die Juden und die Linkspolitiker
als die unmittelbar Bedrohten heller, schärfer und weiter gesehen. Jetzt
sind wir dran. Ich mache mir gar nichts vor. Ich weiß, durch unseren
   

Sohn in Rußland, daß mein Name jetzt auch wieder vorne an steht
und daß die Bedrohung sich jeden Tag auswirken kann.« (Ebd., )
Heidegger endete mit einer pseudoversöhnlichen Note:
»Trotz allem, lieber Jaspers, trotz Tod und Tränen, trotz Leiden und
Greuel, trotz Not und Qual, trotz Bodenlosigkeit und Verbannung, in
dieser Heimatlosigkeit ereignet sich nicht nichts; darin verbirgt sich ein
Advent, dessen fernste Winke wir vielleicht doch noch in einem leisen
Wehen erfahren dürfen und auffangen müssen, um sie zu verwahren
für eine Zukunft, die keine historische Konstruktion, vor allem nicht
die heutige, überall technisch denkende, enträtseln wird.« (Ebd., )
Von dieser Wendung aus dem Schambekenntnis in die seinsgeschichtliche
Prophetie war Jaspers offensichtlich irritiert. Er formulierte einen ersten
Antwortbrief, den er aber nicht abschickte. Erst zwei Jahre später, im Juli
 nahm Jaspers einen zweiten Anlauf, mit Heidegger über dessen Brief
ins Gespräch zu kommen. Er teilte Heidegger seine »Befangenheit«
(ebd., ) und sein Befremden über dessen Auslassungen mit, über de-
ren »Unbestimmtheit« und ihren »Schein der Großartigkeit« (ebd., ),
und kritisierte seine Abwendung vom Politischen als dem konkret Ge-
gebenen. Gehöre zu der »Macht des Bösen«, von der Heidegger schrieb,
nicht auch »die Verschleierung und das Vergessen des Vergangenen« (ebd.,
)? Stehe Heidegger mit seiner Rede vom kommenden Advent nicht in
der Gefahr, »als Prophet aufzutreten, der aus verborgener Kunde Über-
sinnliches zeigt, als ein Philosoph, der von der Wirklichkeit wegführt«
(ebd., f.)? In jedem Fall habe Jaspers das Gefühl, »als ob Sie mir in
einem wesentlichen, mir vielleicht Unumgänglichen, nicht geantwortet
hätten«, wobei er präzisierte: »ich erwartete nach Ihrem vorhergehenden
Briefe, auf den hin ich Ihnen meine ›Schuldfrage‹ schickte, ein kritisches
Wort zu dieser kleinen Schrift« (ebd., ). Dieses Wort war ausgeblieben.
Auf diesen Brief von Jaspers antwortete Heidegger nicht direkt. In den
folgenden Jahren schrieben sie sich nur noch zu den runden Geburts-
tagen. In diesen letzten Briefen ist zwar gelegentlich die vage Hoffnung
angesprochen, »ob nicht in aller Verschiedenheit der Denkwege eine
Nachbarschaft bleibt« (ebd., ). Schon  konstatierte Jaspers aber
sein Empfinden, »als ob zwischen uns diese letzten Jahre eigentlich keine
Antworten im Wesentlichen gebracht hätten« (ebd., ). Im September
 stellte er resigniert und gleichsam abschließend fest: »Seit  ist
zwischen uns eine Wüste gelegt, die mit dem nachher Geschehenen und
Gesagten nur immer unpassierbarer zu werden schien.« (Ebd., ) Den
Plan einer öffentlichen brieflichen Auseinandersetzung sowie einer
     -

eigenen Abhandlung über Heidegger schien Jaspers damit noch nicht auf-
gegeben zu haben, denn bis ins Jahr  hinein machte er sich Notizen zu
Heidegger, zum Teil in Briefform verfasst. Er brachte sie aber nicht mehr
in eine geschlossene Form und ließ sie schließlich unveröffentlicht.
Jaspers Idee einer kommunikativen Kritik war damit ebenso geschei-
tert wie die Verständigung über Schuld und Scham. Es bleibt auffallend,
dass Jaspers die Schuldauseinandersetzung mit Heidegger nur in der pri-
vaten Kommunikation gesucht hat und sich trotz deren Scheiterns wei-
gerte, öffentlich über Heidegger zu sprechen. Allerdings folgte diese
Haltung konsequent seiner Hoffnung auf eine ungeschützte Kommuni-
kation mit Heidegger, die er bei ihrem Gelingen durchaus der Öffentlich-
keit hätte zugänglich machen wollen, die er nach ihrem Scheitern aber
nicht durch ein Reden über Heidegger ersetzen wollte.
Dass es in dieser Auseinandersetzung auch private Gefühle waren, die
den Weg in die Öffentlichkeit erschwerten, wird deutlich, wenn man die
dritte Person in den Blick nimmt, die wesentlich an ihr beteiligt war:
Hannah Arendt. Arendt, in den er Jahren Schülerin beider und
zeitweilig Heideggers Geliebte, hatte den Kontakt zu beiden während
ihrer erzwungenen Emigration weitgehend verloren. Nach dem Ende des
»Dritten Reiches« schrieb sie bald wieder an Jaspers, woraus sich eine
enge und lebenslange Freundschaft mit regelmäßigen Besuchen in Basel
entwickelte, während sie zu Heidegger zunächst keinen Kontakt mehr
suchte.  war es sogar Jaspers, der Heidegger gegen von Arendt geäu-
ßerte Vorwürfe in Schutz nahm.  berichtete ihr Jaspers von seinem

 Diese Notizen wurden posthum veröffentlicht; vgl. Jaspers, Notizen; dazu Saner,
Aspekte; Willig, Stimme.
 Anson Rabinbach sieht in der Tatsache, dass Jaspers als »Philosoph der Kommu-
nikation« in Sachen Heidegger öffentliches Schweigen bewahrt hat und ihre Be-
ziehung als wesentlich private bezeichnete, eine entscheidende Schwäche seiner
Position zur Schuldfrage; vgl. Rabinbach, Shadow, S. .
 Die ganze Komplexität der Dreiecksbeziehung Arendt-Heidegger-Jaspers oder
auch nur der Beziehung Arendt-Heidegger kann hier nicht annähernd entfaltet
werden; vgl. als Einstieg mit weiterführender Literatur Thomä, Heidegger und
Hannah Arendt.
 Vgl. Arendt/Jaspers, Briefwechsel, S.  u. . Hannah Arendt hatte in ihrem
Aufsatz »Was ist Existenzphilosophie« von  Heidegger in einer Fußnote vor-
geworfen, Husserl  den Zugang zur philosophischen Fakultät verboten zu
haben, was Jaspers anzweifelte (vgl. Arendt, Existenz Philosophy, S. ; dieser
Vorwurf fehlt in der späteren deutschen Fassung; vgl. zur Unrichtigkeit des Vor-
wurfs Ott, Unterwegs, S. ff.). In diesem Aufsatz hat Arendt im übrigen Hei-
degger und Jaspers zwar beide als Vertreter der Existenzphilosophie beschrieben,
   

neu angeknüpften Briefwechsel mit Heidegger. Arendt pflichtete ihm in


seiner Skepsis gegenüber Heideggers neueren Schriften und seinem Ver-
halten nach  bei:
»Dies Leben in Todtnauberg, auf Zivilisation schimpfend und Sein mit
einem y schreibend, ist ja doch in Wahrheit nur das Mauseloch, in das
er sich zurückgezogen hat, weil er mit Recht annimmt, daß er da nur
Menschen zu sehen braucht, die voller Bewunderung anpilgern; es
wird ja so leicht nicht einer  Meter steigen, um eine Szene zu ma-
chen. […] Er hat wohl geglaubt, daß er sich auf diese Manier von der
Welt billigst loskaufen könne, aus allem Unangenehmen rausschwin-
deln, und nur Philosophie machen. Und dann ist ihm natürlich prompt
diese ganze verzwickt-kindische Unehrlichkeit doch in das Philoso-
phieren geschlagen.«
Im Februar  machte Arendt auf ihrer ersten Europareise nach dem
Krieg dann allerdings auch in Freiburg Station, wo sie Heidegger traf und
sich mehr oder weniger mit ihm aussöhnte. Als Jaspers ihr schrieb, dass er
seit Heideggers »Schuldbekenntnis« vom März  ihm gegenüber »ge-
hemmt« sei, »weil es doch kein echtes, kein wirklich verstehendes ist,
unnötig und folgenlos bleibt«, gestand sie ihm, »die unschuldig-schul-
dige Veranlassung des ›Schuldbekenntnisses‹« gewesen zu sein. In der
Folgezeit versuchte sie weiterhin, zwischen Heidegger und Jaspers zu ver-
mitteln, allerdings ohne Erfolg.
Auf Arendts eigene, philosophische wie private Beziehung zu Heideg-
ger kann hier nicht näher eingegangen werden. Obwohl sie in höherem
Maße als Jaspers bereit war, über Heideggers von ihr so benannte »Cha-
rakterlosigkeit«  hinwegzusehen und sich auch auf seine Spätphilosophie

Heideggers Philosophie aber zukunftslos genannt, während sie für Jaspers’ Philo-
sophie der Kommunikation votierte.
 Arendt/Jaspers, Briefwechsel, S. . Gegenüber ihrem Mann Heinrich Blücher
kommentierte Arendt Heideggers Briefe an Jaspers, die sie von ihm zu lesen be-
kam: »alle wie früher: das gleiche Gemisch von Echtheit und Verlogenheit oder
besser Feigheit, wobei beides gleich ursprünglich ist« (Arendt/Blücher, Briefe,
S. ).
 Arendt/Jaspers, Briefwechsel, S.  u. .
 Im Mai  schrieb Heidegger an Arendt: »Das eigentliche ›Und‹ zwischen ›Jas-
pers und Heidegger‹ bist nur Du.« (MH/HA, ) Am . April , also einige
Wochen vor dem Ende von Jaspers‹ Schweigen, schrieb Arendt an ihren Mann,
auf ihre Vermittlerposition zwischen Heidegger und Jaspers anspielend: »Meine
Philosophen machen mir viel Kummer.« (Arendt/Blücher, Briefe, S. )
 Arendt/Jaspers, Briefwechsel, S. .
     -

einzulassen, teilte sie mit Jaspers aber denselben grundlegenden Vorbe-


halt gegen Heideggers Absage an das »Politische« (MH/KJ, ). Arendt
und Jaspers wurden beide – wenn auch auf je unterschiedliche Weise –
durch die Erfahrung des Nationalsozialismus nicht nur persönlich be-
droht und biographisch erschüttert. Sie waren auch bereit, philosophisch
die Konsequenzen aus dieser Erschütterung zu ziehen und sich denke-
risch der Erfahrung des Totalitarismus zu stellen. In beiden Fällen hatte
das eine explizite Zuwendung zum Politischen zur Folge und eine Absage
an den deutschen Geist des Unpolitischen. Im Vergleich zu Heidegger
ergibt sich dadurch eine gegenläufige Bewegungsfigur. Während sich
Heidegger zu Beginn der er Jahre dem politischen Aktivismus zu-
wandte, zog er aus seiner Erfahrung des Nationalsozialismus (die für ihn
eine Erfahrung des politischen Scheiterns war) die Konsequenz, der
»Sphäre des ›Politischen‹« insgesamt nur noch ein »Scheindasein« (ebd.,
) zuzusprechen und sich selbst aus dieser Sphäre »rauszuschwindeln«,
wie Hannah Arendt geschrieben hatte. Arendt und Jaspers, die beide vor
 eher unpolitisch waren, zogen aus der Erfahrung des »Dritten Reiches«
die entgegengesetzte Konsequenz und machten das Politische zu einem
der Zentralthemen nicht nur ihres Handelns als öffentliche Intellektuel-
le, sondern auch ihres philosophischen Nachdenkens. In einer  vor
der American Political Science Association gehaltenen Rede ging Hannah
Arendt in einer kurzen Passage über Heidegger implizit auf diesen Unter-
schied ein und kritisierte sein defizitäres Verhältnis zu genuin politischen
Fragen. Dabei machte sie vor allen Dingen deutlich, dass Heideggers aus
seiner Konzeption der Seinsgeschichte erwachsende Zeitkritik im Grunde
unpolitisch sei und daher am Problem der menschlichen Freiheit vorbei-
gehe. Denn sein Begriff der Geschichtlichkeit könne
»mehr neues Licht auf die Geschichte als auf Politik, mehr Licht auf
die Ereignisse als auf das Handeln werfen. Das scheint der Grund zu
sein, aus dem diese philosophische Strömung sehr feinfühlig für all-
gemeine Zeitströmungen ist, so etwa die Technisierung der Welt, das
Aufkommen der einen Welt im planetarischen Maßstab, der zuneh-
mende Druck der Gesellschaft auf den Einzelnen und die damit ein-
hergehende Atomisierung der Gesellschaft usw., das heißt, für alle
modernen Probleme, die sich am besten historisch verstehen lassen;
dagegen scheint sie aber die dauerhafteren Fragen der Politikwissen-
schaft ganz vergessen zu haben, die in gewissem Sinne spezifischer

 Vgl. Kirkbright, Intellectuals; zum Politischen bei Arendt und Heidegger Villa,
Arendt and Heidegger; zu Jaspers’ politischem Wandel Fahrenbach, Zeitanalyse.
   

philosophisch sind, nämlich: Was ist Politik? Wer ist der Mensch als
ein politisches Wesen? Was ist Freiheit?«
Die Frage der Konsequenz aus den Erfahrungen der Jahre  bis 
betraf allerdings nicht nur das Verhältnis von (Seins-)Geschichte und Po-
litik, sie berührte auch erneut das Thema von Schuld und Scham. Denn
Jaspers’ Konzeption der Schuldbearbeitung verlangte eine Ein- und Um-
kehr, die er selbst auch vollzog, obwohl sie bei ihm streng genommen nur
in geringem Maße notwendig war. Heideggers schamkulturelle Abwehr
der Schuldanerkennung verbot hingegen eine demonstrative Umkehr
und erforderte die Behauptung von Kontinuität und von »Treue zu sich
selbst« auch angesichts eines tatsächlichen Wandels. Obwohl Heidegger
selbst von der »Kehre« seines Denkens sprach, war er daher stets bemüht,
diese Kehre als rein immanenten Vorgang eines kontinuierlichen Denk-
wegs dazustellen. Nach dem Krieg tat er das zum ersten Mal in dem »Brief
über den ›Humanismus‹« von , der  zusammen mit »Platons
Lehre von der Wahrheit«  erschien und den Arendt und Jaspers in ihren
Briefen kommentierten.
Entstanden ist der Humanismusbrief als Antwort auf die Frage von
Jean Beaufret, wie dem Wort »Humanismus« heute ein Sinn zurückzu-
geben sei (MH a, ). Heidegger benutzte die Gelegenheit einer
Antwort in doppelter Weise strategisch. Zum einen distanzierte er sich
durch sie sowohl konkret vom Existentialismus Sartres, den dieser selbst
als einen Humanismus bezeichnete, als auch allgemein von der Renais-
sance des Humanismusbegriffs in der Nachkriegszeit, wie sie auch von
Jaspers vertreten wurde. Zum anderen und in der Hauptsache diente
Heidegger dieser Brief dazu, der Nachkriegsöffentlichkeit sein eigenes
nachmetaphysisches Denken, wie er es seit der zweiten Hälfte der er
Jahre entwickelt hatte, zu präsentieren und als logische Weiterentwick-

 Zit. n. Young-Bruehl, Hannah Arendt, S. f.


 Bereits in dieser Abhandlung von  ordnete Heidegger den Humanismus in
seine Verfallsgeschichte der Metaphysik seit Platon ein: »Der Beginn der Meta-
physik im Denken Platons ist zugleich der Beginn des ›Humanismus‹.« (MH
b, ) Bei seinem ersten Erscheinen im Jahrbuch für geistige Überlieferung
 war dieser Text Bestandteil einer deutsch-italienischen Debatte über den
»dritten Humanismus« und Gegenstand heftiger Kritik von Seiten des Amts Ro-
senberg; vgl. dazu Ott, Unterwegs, S. -; Rabinbach, Shadow, S. -.
 Die zweite Frage Beaufrets war, ob Heideggers Ontologie durch eine Ethik zu
ergänzen sei; vgl. dazu Hodge, Heidegger and Ethics, S. -.
 Vgl. Sartre, Existentialismus.
 Vgl. Jaspers, Bedingungen; zur Gegenüberstellung von Jaspers und Heidegger in
diesem Zusammenhang auch Plümacher, Philosophie, S. -.
     -

lung von »Sein und Zeit« darzustellen. Jaspers und Arendt waren sich
darüber einig, dass die Tatsache, dass Heidegger »jetzt alles so aufzieht, als
sei es eine Interpretation von ›Sein und Zeit‹«, dafür spräche, »daß alles
wieder verdreht herauskommen wird«. Dieser Versuch, »Sein und Zeit«
als Beginn des nachmetaphysischen Denkens erscheinen zu lassen, ist be-
reits im letzten Kapitel als Teil von Heideggers Bemühen interpretiert
worden, seinen eigenen »Willen zur Macht« von  zu überdecken.
Im »Brief über den ›Humanismus‹« von  ordnete Heidegger den
Humanismus nun in seine Darstellung der abendländischen Philosophie
als seinsvergessene Metaphysik ein. Jeder Humanismus bleibe insofern
immer »metaphysisch« (ebd., ), als er alles Seiende vom Wesen des
Menschen her zu bestimmen versuche, statt umgekehrt das Wesen des
Menschen von seiner Zugehörigkeit zum Sein her zu denken. Dieses
Denken des Seins, als welches Heidegger seine Spätphilosophie verstan-
den wissen wollte, sei durch »Sein und Zeit« schon vorbereitet worden,
auch wenn er zugab, dass die eigentliche »Kehre« vom Dasein zum Sein
in »Sein und Zeit« noch nicht durchgeführt worden sei, da er »mit Hilfe
der Sprache der Metaphysik nicht durchkam« (ebd., ). Jeder Huma-
nismus, der den Menschen zum Ausgangspunkt und Maßstab mache,
bleibe aber ebenfalls in der Metaphysik stecken, da er das Wesen des
Menschen »nicht hoch genug ansetzt« (ebd., ). Das wesentliche Den-
ken müsse die »Humanitas« des Menschen »ohne den Humanismus im
metaphysischen Sinne« (ebd., ) denken. Von hier aus ergebe sich seine
Zugehörigkeit zur »Wahrheit des Seins«: »Der Mensch ist der Hirt des
Seins.« (Ebd., )
Die mehrfach wiederholte Wendung vom »Hirt des Seins« gehört
ebenso wie die vom »Wächter« (ebd., ) in das Wortfeld der Passivität,
das den Humanismusbrief insgesamt bestimmte und dadurch verdeut-
licht, dass sich Heidegger hier weiterhin um eine Überwindung des
»Willens zur Macht« bemühte und von der Tat distanzierte. Im Unter-
schied zur »technischen Interpretation des Denkens«, für die das Denken

 So Arendt in einem Brief an Jaspers vom . September  (Arendt/Jaspers,


Briefwechsel, S. ). Jaspers hatte zuvor ebenfalls von der »Selbstinterpretation
von ›Sein und Zeit‹« gesprochen, »als ob er immer ein und dasselbe gewollt und
getan habe« (ebd., S. ). Wahrscheinlich ohne dabei an Heidegger zu denken,
aber dennoch die gefolgschaftsbildende Funktion der Selbstinterpretation auch
bei Heidegger treffend, notierte Friedrich Georg Jünger in seinen »Gedanken
und Merkzeichen« von : »Autoren, die sich selbst zitieren, appellieren an ihre
eigene Unfehlbarkeit. Sie stiften Kirchen und lassen merken, daß die Austeilung
der Sakramente in ihrer Hand liegt.« (FGJ d, )
 Vgl. zu dieser These auch Rabinbach, Shadow, S. -.
   

ein »Verfahren des Überlegens im Dienste des Tuns und Machens« (ebd.,
) sei, bestimmte Heidegger das Denken als eine Form des Handelns,
die wesentlich ein »Lassen« (ebd., ) und als solches »weder theoretisch
noch praktisch« (ebd., ) sei. Das »unscheinbare Tun des Denkens«
(ebd., ) bringe »nur das ungesprochene Wort des Seins zur Sprache«
(ebd., ) und erscheint so wesentlich als ein passives Handeln. Denn
»alles Wirken […] beruht im Sein«, und das Denken »läßt sich vom Sein
in den Anspruch nehmen« (ebd., ), indem es »auf das Sein hört« (ebd.,
).
In diesem Zusammenhang benutzte Heidegger, da der »Brief über den
›Humanismus‹« an einen Franzosen gerichtet war und nicht zuletzt auf
die Rezeption in Frankreich und die Abgrenzung zu Sartre zielte, auch
den Engagement-Begriff und nannte das Denken »l’engagement par
l’Être pour l’Être« (ebd., ). Dabei ist aber unzweifelhaft, dass Heideg-
ger gerade nicht auf ein intellektuelles Engagement im Sinne Sartres
zielte. Vielmehr zog er sich nach seinem eigenen politischen Engagement
ganz in ein Denken zurück, das selbst nicht mehr politisch-praktisch
werden sollte und die Handlungsagentur an das Sein abgab. In diesem
Denken spielten politische Vorgänge nur noch als Oberflächenphäno-
mene eine Rolle. So nannte Heidegger als Ursache dafür, warum der
Begriff des Humanismus seinen Sinn verloren habe, nicht den gerade zu-
rückliegenden Zweiten Weltkrieg mit all seinen – vor allem von Deut-
schen begangenen und initiierten – Menschheitsverbrechen, sondern nur
die »Einsicht, daß das Wesen des Humanismus metaphysisch ist« (ebd.,
). Anders als Jaspers und Arendt erwähnte Heidegger die Verbrechen
der Deutschen in seiner ersten Nachkriegsveröffentlichung mit keinem
Wort.
Hannah Arendt hat in einer späteren Heideggerinterpretation die im
Humanismusbrief benannte »Kehre« als »konkretes autobiographisches
Ereignis« gedeutet: »die Kehre wandte sich ursprünglich in erster Linie
gegen den Willen zur Macht. Für Heidegger ist der Wille zum Herrschen
eine Art Sündenfall, dessen er sich selbst schuldig befand, als er seine

 Diese Bestimmung des Denkens als »Seinlassen« jenseits von Theorie und Praxis
fasste Heidegger auch im Begriff der »Gelassenheit«; vgl. dazu unten, Kap. ..,
sowie Heideggers Vorlesung »Was heißt Denken?« von / (MH /).
 Dass das »Sein« bei Heidegger tatsächlich als »etwas Handelndes« und damit »als
Subjekt« erscheint, auch wenn Heidegger selbst diesen Titel strikt abgelehnt
hätte, erkannte auch Otto Friedrich Bollnow in einer zeitgenössischen Auseinan-
dersetzung mit dem Humanismusbrief; vgl. Bollnow, Heideggers neue Kehre,
S. .
     -

kurze Vergangenheit in der Nazibewegung aufzuarbeiten versuchte.«


Arendt ging in diesem Zusammenhang auch auf Heideggers Bestim-
mung des Denkens ein, das er nach der Kehre »zu einer Funktion des
Seins« mache und ihm so »sein Subjekt« nehme, »den Menschen als den-
kendes Wesen«. Mit dieser Konsequenz aus dem »Sündenfall« konnte
Arendt nicht einverstanden sein. Unabhängig von ihrer Milde im Urteil
über Heidegger hat sie in ihrer eigenen Konzeption der vita avtica an
einem gegen Heidegger gewonnenen Begriff des handelnden Subjekts
festgehalten, dem Freiheit und Verantwortung zukommt. Beides fehlte
Heideggers seinshörigem Denken nach der Kehre. In dessen Unter-
privilegierung des Handelns verbarg sich gleichzeitig eine Abkehr vom
Politischen, die mit dem schamkulturellen Beschweigen von politischer
Verantwortung einherging.

 Arendt, Leben des Geistes, S. f.


 Ebd., .
 Vgl. Thomä, Verantwortung.


.. Das Musische und das Politische.


Die Brüder Jünger und Ernst Niekisch
Solidarität im Widerstand

Die zeitweilige »Kampfgemeinschaft« von Martin Heidegger und Karl


Jaspers war auf die Erneuerung der Universität und der akademischen
Philosophie gerichtet und beschränkte sich in diesem Sinn auf das Feld
des Geistigen. Als Heidegger  die politischen Konsequenzen aus sei-
nem philosophischen Radikalismus zog, zerbrach die Gemeinschaft mit
Jaspers. Die Brüder Jünger bewegten sich während der Jahre der Wei-
marer Republik dagegen in Kampfgemeinschaften, die von Anfang an
politisch und aktivistisch ausgerichtet waren. Einer der wichtigsten
Kampfgefährten der Brüder Jünger war in dieser Zeit Ernst Niekisch.
Als der am . Mai  in Schlesien geborene und in Bayern aufge-
wachsene Niekisch die Brüder Jünger im Herbst  durch Vermittlung
Alfred Baeumlers persönlich kennen lernte, hatte er bereits eine wechsel-
volle politische Karriere hinter sich. Unter dem Eindruck der russischen
Revolution war er  der SPD beigetreten und hatte beim Ausbruch
der Novemberrevolution  den Augsburger Arbeiter- und Soldatenrat
gegründet, dessen Vorsitzender er auch wurde. Im Januar  übernahm
er den Vorsitz des Münchner Zentralrats der Arbeiter-, Bauern- und
Soldatenräte Bayerns und wurde damit zeitweise einer der mächtigsten
Männer Bayerns. Nach der Niederschlagung der Revolution wurde Nie-
kisch festgenommen und zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Nach
seiner Haftentlassung zog er nach Berlin und engagierte sich im »Hof-
geismarkreis« der SPD, in dem sich rechte, an der Volksstaatskonzeption
Ferdinand Lassalles orientierte Sozialdemokraten zusammenfanden und
der unter Niekischs Einfluss eine sozialistisch-nationalistische Linie ver-
folgte.  kam Niekisch einem Ausschluss aus der SPD, in der diese

 Vgl. zur Biographie Niekischs am zuverlässigsten Rätsch-Langejürgen, Prinzip


Widerstand. Die frühere, aus dem direkten Umfeld von Niekisch stammende
Biographie von Kabermann, Widerstand, ist hagiographisch und in den Fakten
unzuverlässig. Die Arbeiten von Sauermann, Fronten, u. ders., Nationalismus,
konzentrieren sich auf die Zeit der Weimarer Republik und rekonstruieren in
sympathisierender Weise Niekischs politisches Weltbild. Die neuere Arbeit von
Pittwald, Ernst Niekisch, bemüht sich ebenfalls um eine allerdings ideologiekri-
tische Ideenanalyse und um den Nachweis von Niekischs kontinuierlicher Zuge-
hörigkeit zum völkischen Nationalismus; vgl. außerdem die Autobiographie
Niekisch, Erinnerungen, sowie den knappen Überblick bei Herzinger, Verhäng-
nis; zur ersten Begegnung der Brüder Jünger und Niekisch auch FGJ/EN, .
     -

Linie keine Mehrheit fand, durch Austritt zuvor und schloss sich den
sogenannten »Altsozialisten« in Sachsen an, scheiterte allerdings auch
hier mit seinem Versuch, in dieser linken Splitterpartei seine Politik eines
»proletarischen Nationalismus« durchzusetzen. Nachdem er  nach
Dresden gezogen war, kehrte er  nach Berlin zurück.
Bereits  hatte er die Zeitschrift Widerstand. Blätter für sozialistische
und national-revolutionäre Politik gegründet, wobei sich der Widerstand
gegen das von Niekisch nun als Hauptfeind erkannte »System« von Wei-
mar und Versailles richtete, gegen das er Kräfte von links wie von rechts
sammeln wollte. Unter dem Eindruck seines Scheiterns in den Organi-
sationen der politischen Linken änderte er  den Untertitel des Wider-
stand in Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik und suchte seine Ver-
bündeten nun in erster Linie im weiten Spektrum der rechten Bünde
und Organisationen. Seiner eigenen »Widerstandsbewegung« versuchte
er über die Zeitschrift hinaus den Charakter einer politischen Organisa-
tion zu geben, wobei er eine größere Zahl von Mitgliedern aus dem
»Bund Oberland« zum Übertritt in seine Gruppe bewegen konnte.
Auf diesem Weg von links nach rechts begegnete Niekisch Ende der
er Jahre auch den Brüdern Jüngern, die sich zu dieser Zeit von der
engen Bindung an den reaktionären Nationalismus des »Stahlhelms« ge-
löst hatten und sich ihrerseits von rechts nach links bewegten. Ernst
Jünger hatte schon  einen ersten Artikel im Widerstand veröffentlicht
(EJ -, -), seit  schrieben dann beide Brüder Jünger re-
gelmäßig für Niekischs Zeitschrift und wurden im Impressum zeitweilig
als »ständige Mitarbeiter« geführt. In Berlin pflegten sie einen freund-
schaftlichen Umgang und trafen sich etwa bei Sitzungen der »Arbeits-
gemeinschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft«, der
Ernst Jünger unter dem Einfluss Niekischs beigetreten war.
Die von Niekisch und dem Widerstand vertretene Strömung des Na-
tionalbolschewismus, die einen vehementen Antikapitalismus und preu-
ßischen Sozialismus mit der Ablehnung des Westens und der Forderung
nach einem Bündnis mit Sowjetrussland verband, war für Ernst Jüngers
Suche nach einer planetarischen Perspektive für seinen heroischen Ak-
tivismus von nicht geringer Bedeutung und beeinflusste seine zwischen
 und  entstehende Konzeption des »Arbeiters«. Dementspre-

 Vgl. zum Einfluss, den etwa August Winnig, von  bis  Mitherausgeber
des Widerstands, mit seinem Buch »Vom Proletariat zum Arbeitertum« von 
auf Jünger hatte, Dupeux, Nationalbolschewismus, S. ; zum Kontext eines
Arbeiter-Nationalismus bei Jünger und Niekisch auch Werth, Sozialismus und
Nation, S. - u. -.
      

chend wurde Jüngers »Arbeiter«  von den Nationalbolschewisten als


eines ihrer wichtigsten Werke begrüßt und hatte seinerseits großen Ein-
fluss auf Niekischs weitere ideologische Entwicklung, selbst wenn Jünger
sich gegen diese Vereinnahmung vorsichtig zur Wehr setzte. Zum einen
fühlte sich Niekisch durch Jünger in seiner Orientierung an der Sowjet-
union bestätigt, denn diese habe den Typus des »Arbeiters« bereits am
vollständigsten verwirklicht, wie Niekisch in seiner Rezension bemerkte.
Zum anderen verhalf der »Arbeiter« Niekisch zu einem neuen Verhältnis
zur Technik und beförderte dessen Umschwenken von einem bäuerlich-
völkischen, preußischen Bolschewismus zu einer die Technik bejahen-
den, kollektivistischen und imperialen Politikvorstellung. Diese verän-
derte Position formulierte Niekisch etwa in seinem unveröffentlichtem
Manuskript »Deutsche Mobilmachung« von , das schon im Titel
Anleihen bei Jünger nahm und ebenso wie dieser den Typus des soldati-
schen Arbeiters als Gestalt der Zukunft propagierte. Dieselben Ideen
verfolgte Niekisch in dem  erschienenen Buch »Die dritte imperiale
Figur« weiter.
Schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte sich Nie-
kisch scharf von der NSDAP distanziert und das mit seiner  erschienen
Broschüre »Hitler, ein deutsches Verhängnis« deutlich zum Ausdruck
gebracht. Nach dem . Januar  kritisierte Niekisch den National-
sozialismus ebenso wie die Brüder Jünger als »Übersteigerung des demo-
kratischen Prinzips« und als letzte Verfallsform der bürgerlichen Gesell-
schaft. Obwohl ihn ebenso wie die Brüder Jünger während der Zeit des
Kampfs gegen die Weimarer Republik manche ideologische und organi-
satorische Nähe mit der nationalsozialistischen Bewegung verbunden
hatte, war er so von Anfang an ein Gegner des »Dritten Reiches« und sein
Widerstand verwandelte sich unversehens von einem gegen die Demo-

 Vgl. Niekisch, Arbeiter, S. . Noch im ersten Teil seiner Memoiren von 
schrieb Niekisch über den »Arbeiter«: »Dieses Buch ist sicher eine der größten
Leistungen Jüngers; hierin formt er den geistigen Gehalt der russischen Revo-
lution und des Bolschewismus in deutsche Anschauungs- und Denkweise um.
Ohne die russische Revolution wäre dies Buch nie möglich gewesen.« (Niekisch,
Gewagtes Leben, S. ) Erst  erkannte er in der Festschrift zu Jüngers
. Geburtstag: »Ernst Jüngers Gestalt des Arbeiters hat die russische Revolu-
tion bereits weit hinter sich gelassen.« (Niekisch, Gestalt, S. )
 Vgl. Rätsch-Langejürgen, Prinzip Widerstand, S. -.
 Vgl. Niekisch, Imperiale Figur.
 Vgl. Niekisch, Hitler.
 Niekisch, Deutsche Mobilmachung, zit. n. Rätsch-Langejürgen, Prinzip Wider-
stand, S. .
     -

kratie zu einem gegen die Diktatur.  wurde der Widerstand, in dem
kurz zuvor auch Friedrich Georg Jünger seine verklausulierte Kritik am
NS-Regime geäußert hatte, verboten. Niekisch blieb aber zunächst auf
freiem Fuß und konnte den Widerstands-Verlag weiter betreiben, in dem
 Friedrich Georg Jüngers Gedichtband mit dem »Mohn« und 
zwei weitere seiner Bücher erscheinen konnten (vgl. FGJ a,b). Glaubt
man seinen Erinnerungen, so hat Niekisch im Rahmen seines Bemühens,
die Widerstandsbewegung als Untergrundbewegung am Leben zu erhal-
ten,  und Anfang  auch in der Wohnung Ernst Jüngers in Goslar
geheime Versammlungen abgehalten. Im März  wurde er allerdings
von der Gestapo verhaftet und  vom Volksgerichtshof schließlich
wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch die Brüder Jün-
ger wurden wegen ihrer Kontakte zur Widerstandsbewegung von der
Gestapo verhört und verbrannten vorsichtshalber ihre Korrespondenzen
mit Niekisch. Gleichzeitig bemühten sie sich, ihm und seiner Frau Anna
mögliche Unterstützung zukommen zu lassen, allerdings ohne großen
Erfolg.
Am . April  wurde Niekisch von der Roten Armee aus dem
Zuchthaus Brandenburg befreit. Trotz seiner körperlichen Gebrechen –
er war fast völlig erblindet und in den Beinen gelähmt – machte er sich
alsbald daran, eine neue politische Karriere zu starten. Im August 
übernahm er die Leitung der Volkshochschule in Berlin-Wilmersdorf,
wo er auch wohnte. Allerdings trat er noch im gleichen Sommer in die
KPD ein und bemühte sich um politischen Einfluss in der sowjetischen
Besatzungszone. Er wurde Mitglied im »Kulturbund zur demokratischen
Erneuerung Deutschlands« und der »Gesellschaft für deutsch-sowje-
tische Freundschaft«. Für Otto Grotewohl, den Parteivorsitzenden der

 Vgl. Niekisch, Gewagtes Leben, S.  u. . Im September  sandte Nie-
kisch Ernst Jünger die Abschrift eines Briefs an Wolfgang Hennig, der zu dieser
Zeit Assistent von Niekisch an der Humboldt-Universität war und auch mit bei-
den Brüdern Jünger in Verbindung stand, in dem Niekisch auf das zweite kon-
spirative Treffen in Goslar einging: »Kurz vor meiner Verhaftung , es war
Anfang Februar , berührte ich auf einer Vortragsreise durch Westdeutsch-
land auch Goslar. Wie andernorts hielt ich auch dort eine Geheimversammlung
ab. Ernst Jünger stellte hierzu seine Wohnung zur Verfügung. Nur deshalb, weil
sowohl die Teilnehmer wie auch ich der Gestapo gegenüber diese Tatsache ver-
schwiegen, blieb Jünger damals unbehelligt. Ich habe es damals Jünger hoch
angerechnet, den Mut gehabt zu haben, seine Wohnung zu einer derartigen Ver-
anstaltung zur Verfügung zu stellen.« (E. Niekisch an W. Hennig, Berlin, ,
A: Jünger, DLA Marbach)
 Vgl. FGJ/EN, ff.
      

 aus der Zwangsvereinigung von KPD und SPD hervorgegangenen


SED, in die auch Niekisch übernommen wurde, schrieb er Redeentwürfe.
 wurde er in den »Volkskongreß« und  in dessen Verfassungsaus-
schuss abgeordnet, in dem die Gründung der DDR vorbereitet wurde.
Zur gleichen Zeit erhielt er auch eine Professur für »politische und soziale
Probleme der Gegenwart« an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach
der Gründung der DDR, an der Niekisch als Mitglied des »Volksrats«
beteiligt war, wurde er Präsidiumsmitglied in der »Nationalen Front des
demokratischen Deutschland«, die die Wiederherstellung der deutschen
Einheit unter sowjetischen Vorzeichen zum Ziel hatte und in deren Auf-
trag Niekisch mehrfach nach Westdeutschland reiste.
Trotz seiner vorbehaltlosen Option für die Sowjetunion und seiner
Übernahme des marxistisch-leninistischen Ideologievokabulars blieb
Niekisch allerdings auch in der SBZ und dann der DDR ein politischer
Außenseiter. Vor allen Dingen sein anhaltender Nationalismus und sein
rebellisches Wesen machten ihn den Funktionären des neuen Staates ver-
dächtig. Schon ab  wurde er innerhalb der SED zunehmend ausge-
grenzt und verlor sukzessive seine politischen Ämter und schließlich auch
seine Professur. Nach dem . Juni  wandte sich Niekisch enttäuscht
von der DDR ab und lebte bis zu seinem Tod im Jahr  in Westber-
liner Isolation, da er sich auch mit dem System der BRD nicht arrangieren
wollte, gegen das er auf mehreren Instanzen eine Entschädigungsklage als
»Opfer des Faschismus« verloren hatte.
Dass Niekisch bei anderen Kulturfunktionären der SBZ schon bald in
Ungnade gefallen war, hatte unter anderem auch mit seinem Festhalten
an der Beziehung zu den Brüdern Jünger zu tun. Denn ungeachtet ihrer
nun offen zutage tretenden politischen Divergenzen haben beide Brüder
Jünger nach Kriegsende erneut den Kontakt zu Niekisch gesucht und
Briefe mit ihm gewechselt. Wie unter anderem aus Ernst Jüngers Tage-
buch und verschiedenen Briefen hervorgeht, hatten sich Niekisch und
die Brüder Jünger auch nach Niekischs Verhaftung gegenseitige Anteil-
nahme und Hochachtung bewahrt. Als Ernst Jünger Anfang  von
Niekischs Überleben erfuhr, schrieb er ihm einen teilnahmsvollen Brief
und hoffte auf ein baldiges Wiedersehen. Friedrich Georg Jünger tat das
gleiche und lud Niekisch zu einem Erholungsaufenthalt nach Überlingen

 Vgl. EJ /,  u. . Im Januar  korrespondierte Ernst Jünger mit
Anna Niekisch, die ihm schrieb, dass ihr Mann bei jedem ihrer Besuche nach
Jünger frage (vgl. A. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach).
 Vgl. E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

ein, den dieser allerdings nicht antreten konnte. Stattdessen besuchte er


Ernst Jünger Anfang April  in Kirchhorst.
Wenig später, am . Mai , fand auf Initiative Johannes R. Bechers
im »Kulturbund« eine Aussprache über Ernst Jünger statt, die nach dem
Willen Bechers eine eindeutige Verurteilung Jüngers zum Ziel haben
sollte. Allerdings beauftragte er ausgerechnet Niekisch mit der Durch-
führung der Veranstaltung. Als dieser Jünger vehement gegen Vorwürfe
des Wegbereitertums für den Nationalsozialismus verteidigte und auch die
anderen Beteiligten, unter ihnen Karl Korn, Jünger nicht einhellig verur-
teilen wollten, soll Becher wutentbrannt den Raum verlassen haben.
Diese Auseinandersetzung mit Becher wiederholte sich im Sommer 
auf einer Sommerakademie in Ahrenshoop, wobei diesmal Becher selbst
die Anklage übernahm, Niekisch Jünger aber erneut verteidigte, unter
anderem mit dem von Jünger übernommenen Argument, er sei nur
»Seismograph« gewesen, den man nicht für die von ihm aufgezeichneten
Katastrophen verantwortlich machen könne.
Niekisch sandte Ernst Jünger das Protokoll der Diskussion vom . Mai
 und gab ihm gegenüber zu erkennen, dass er sich auch auf der Ebene
der Zeitschriftendebatte um eine Verteidigung Jüngers bemühte: »Meine

 Vgl. FGJ/EN, ff. Gegenüber seinem Bruder Wolfgang Jünger, der in Berlin
lebte und während Niekischs Haft in Kontakt zu Anna Niekisch gestanden hatte,
brachte Friedrich Georg Jünger allerdings schon seine Skepsis gegenüber Nie-
kischs neuen Bestrebungen zum Ausdruck: »Aus Deinem Brief sehe ich, dass Du
in Berlin warst und Niekisch besucht hast. Was Du über ihn schreibst, erweckt
oder verstärkt in mir Bedenken, die in der letzten Zeit aufstiegen. Ich habe ihm
geschrieben und ihn eingeladen, einige Wochen bei mir zu verbringen. Ungern
aber würde ich ihn in Verbindungen sehen, die ich nicht eingehen kann.« (F. G.
Jünger an W. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. Niekisch, Gegen den Strom, S. ; dazu auch Rätsch-Langejürgen, Prinzip
Widerstand, S. f.; zur Beziehung Jünger-Becher auch Diesener/Kunicki, Liai-
son.
 Niekisch, Gegen den Strom, S. . Die Formulierung vom Seismographen hat
Jünger in einem Brief an Niekisch zunächst nicht zur eigenen, sondern zur Ver-
teidigung Carl Schmitts gebraucht, den Niekisch scharf als zu den »intellek-
tuellen Urhebern der grenzenlosen SS-Schlächterei« (E. Niekisch an E. Jünger,
.., A: Jünger, DLA Marbach) gehörend kritisiert hatte. Darauf antworte-
te Jünger: »Carl Schmitt […] sehen Sie zu einseitig. Man darf die Seismogra-
phen nicht verantwortlich machen für ein Erdbeben.« (E. Jünger an E. Niekisch,
.., A: Jünger, DLA Marbach) Später benutzte Jünger diese berühmt ge-
wordene Formulierung erneut im Vorwort zu den »Strahlungen« von . Nie-
kisch berichtete Jünger in einem ausführlichen Brief von den Diskussionen in
Ahrenshoop; vgl. E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
      

Taktik ist, (und damit habe ich mich nunmehr gegen Becher durchge-
setzt) dass Ihre Sache in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Darauf wollte
ich hinaus, weil ich überzeugt bin, dass Ihnen daraus mehr Nutzen als
Schaden erwachsen wird.« An Friedrich Georg Jünger hatte Niekisch
schon am . Mai  geschrieben: »Ich selbst dringe darauf hin, dass eine
offene, prinzipielle Aussprache in hiesigen Zeitschriften über das ›Pro-
blem Jünger‹ erfolgt.« (FGJ/EN, ) Diese Aussprache in den Zeitschrif-
ten der sowjetischen Besatzungszone ist bekanntermaßen nicht unbedingt
im Sinne der Brüder Jünger verlaufen. Auch war Niekischs Einfluss be-
grenzt und schwand noch mehr gerade wegen seines Eintretens für Ernst
Jünger, weshalb Friedrich Georg Jünger im August  etwas enttäuscht
an den gemeinsamen Bekannten Walter Hörstel über Niekisch schrieb:
»Ich hätte erwartet, dass er sich in die Fehde, welche die Friedensschrift
hervorrief als guter Kämpfer einmischen würde. Daran ist aber wohl
nicht mehr zu denken.« Tatsächlich hatte sich Niekisch aber in einem
Maße für Ernst Jünger eingesetzt, das ihm in der sowjetischen Besatzungs-
zone nicht unerheblich schadete. Da Niekisch auch von der Seite anderer
Jüngerfreunde der Vorwurf gemacht wurde, in der Ostzone gegen Jünger
zu opponieren, verteidigte er sich in einem Brief vom . Oktober :
»Ich führe seit Monaten in Ihrer Angelegenheit einen heimlichen und
zähen Kampf. Unter den schwierigsten Umständen suche ich Sie ab-
zudecken; das Protokoll jener Sitzung im Kulturbund habe ich Ihnen
seinerzeit übersandt. Der Aufsatz von Bassermann wurde durch mich
angeregt, der Aufsatz von Korn zu Ihren Gunsten von mir inspiriert.
Weyrauch, der Sie angriff, polemisierte in seinem Aufsatz stillschwei-
gend gegen mich. […] Den Angreifern gab ich auf allerlei Umwegen
zu bedenken, dass ein Angriff zum mindesten das Erfordernis erfüllen
müsse, sich auf dem Niveau des Angegriffenen zu bewegen. Mit Be-
cher habe ich mich Ihrer Sache wegen veruneinigt. Eine Zumutung
von ihm, über Sie im ›Aufbau‹ zu schreiben, lehnte ich brüsk ab. (Seit
dieser Zeit ist der ›Aufbau‹ für mich verschlossen.) Das Verhältnis
zwischen Becher und mir hat sich in Konsequenz der Meinungsver-
schiedenheit soweit entwickelt, dass ich aus meiner Position im Kultur-
bund am . Oktober ausschied. […] In den verschiedensten Zirkeln
nehme ich ungeniert immer wieder für Sie Partei.«

 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 F. G. Jünger an W. Hörstel, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

Im September  konnte er schließlich auch Friedrich Georg Jünger in


seiner Auseinandersetzung mit den Besatzungsbehörden behilflich sein.
Denn wie Niekisch am . September an Jünger schrieb, hatte sich die
amerikanische Militärbehörde aufgrund des Artikels von Gerard W.
Speyer »Die Stillen im Land« in der Neuen Zeitung mit der Bitte um eine
Stellungnahme an Niekisch gewandt. Das ging sehr wahrscheinlich auf
Jüngers Antwort an die Neue Zeitung zurück, in der er nicht nur auf seine
Kritik am Nationalsozialismus und seine Mitarbeit am Widerstand und
dem Widerstands-Verlag hingewiesen, sondern auch hinzugefügt hatte:
»Ernst Niekisch, der Leiter des Widerstandskreises, der im Jahre  ver-
haftet und für acht Jahre ins Zuchthaus gesperrt wurde, das er im Jahre
 als erblindeter und gelähmter Mann verliess, ist vielleicht der Mann,
der die Situation jener Jahre am besten kennt.« In seiner Stellungnahme
für die Information Control Division, die er auch an Friedrich Georg
Jünger schickte, betonte Niekisch dann auch, dass dieser zwar »vorüber-
gehend von den nationalistischen Strömungen« der er Jahre »be-
rührt gewesen« sei, auf den Nationalsozialismus aber seit  »nur mit
Abscheu« geblickt und sich »bis zum Jahre  vorbehaltlos und männ-
lich als Gegner des Hitlerismus« (FGJ/EN, f.) bewährt habe. Auch bei
einer späteren Begegnung mit Speyer hat Niekisch Jünger verteidigt (vgl.
ebd., f.).
Die Bekundungen der gegenseitigen Wertschätzung und das Eintreten
Niekischs für die Brüder Jünger konnten allerdings die immer deutlicher
zutage tretenden Differenzen nicht dauerhaft überdecken. Schon in Re-
aktion auf die erste Kontaktnahme nach dem Krieg schrieb Ernst Jünger
an Friedrich Georg Jünger, er wisse nicht, »ob die Bekanntschaft die Pro-
be bestehen wird, auf die er sie durch seine Entscheidung stellt«. Die
Differenzen bestanden allerdings nicht allein in der unterschiedlichen
politischen Entscheidung für die politischen Systeme des Westens oder
des Ostens. Sie markierten auch einen grundsätzlicheren Unterschied in
der Reaktion auf die Erfahrung des Nationalsozialismus und im Umgang
mit der eigenen politischen Vergangenheit.

 Der Brief wurde unter dem Titel »Nochmals ›Die Stillen im Lande‹« abgedruckt
in: Die Neue Zeitung, . September .
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Nach Nie-
kischs erstem Besuch in Kirchhorst schrieb Ernst Jünger an seinen Bruder: »Sein
Leiden und sein Wille zum Widerstande bleiben immer vorbildlich, verehrens-
wert, auch wenn sich unsere Wege trennen sollten, wie es den Anschein hat.«
(E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
      

Der musische und der aktive Mensch

Unmittelbar, nachdem Ernst Jünger von Niekischs Nachkriegsschicksal


erfahren hatte, ließ er ihm seinen Essay über den »Frieden« schicken, da
er ihm, wie er nachträglich erläuterte, einen Hinweis geben wollte auf die
ihn beschäftigenden Gedanken. Niekisch war von diesen Gedanken al-
lerdings nicht besonders angetan. Wie er an Friedrich Georg Jünger
schrieb, verstand er den »Frieden« als »Entscheidung für den Westblock
und das Abendland, für ein Vergangenes und Dahinsinkendes also«
(FGJ/EN, ). In den Augen Niekischs hatte sich Deutschland und mit
ihm die europäische Idee der Mitte durch das nationalsozialistische
Regime und den Zweiten Weltkrieg nicht nur politisch entmachtet,
sondern auch historisch delegitimiert. Die Zukunft konnte für Niekisch
nur in einer Anlehnung entweder an das sowjetische Russland oder das
imperialistische Amerika bestehen, wobei er davon ausging, dass die Sow-
jetunion langfristig eine Wiederherstellung der deutschen Souveränität
erlauben würde, während Amerika nur an einem deutschen Kolonialstaat
interessiert sei. Demgegenüber betonte Ernst Jünger, dass er weder für
einen Ostblock noch für einen Westblock optiere: »Ich sehe Europa viel-
mehr als die dritte Macht, und damit als den einzigen Faktor, der die sich
verschärfenden Gegensätze zwischen dem Osten und dem Westen, wie
sie schon Tocqueville voraussah, zu neutralisieren imstande ist.« Für
Niekisch gab es im »Kalten Kriege« zwischen Ost und West aber gerade
»keine Neutralität« und keinen Ausgleich mehr.
Diese Meinungsverschiedenheit beruhte nicht allein auf einer unter-
schiedlichen Einschätzung der politischen Zukunftsmöglichkeiten. Sie

 Vgl. E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach. Dass innerhalb
dieser europäischen dritten Kraft Deutschland die führende Rolle spielen sollte,
Europa den Brüdern Jünger folglich in vielem zur Sublimierung des gescheiter-
ten deutschen Großmachtstrebens diente, geht aus zwei Briefen Friedrich Georg
Jüngers an Karl Friedrich Baedeker hervor, in denen er betonte, »daß nur
Deutschland der europäische Leithengst sein könnte« (F. G. Jünger an K. F. Bae-
deker, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, -, DLA Marbach): »Euro-
pa ohne Deutschland ist nur ein Wrack, eine faulende Frucht.« (F. G. Jünger an
K. F. Baedeker, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach) Vgl. auch
F. G. Jünger an H. Speidel, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach:
»Die europäische Union, an der man heute zimmert, taugt nicht ohne Militär-
politik, Zolleinheit und Freizügigkeit. Ohne Deutschland ist sie nichts, und
ohne ein führendes Deutschland kann nie etwas aus ihr werden.«
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

ging vor allen Dingen auch auf eine unterschiedliche Bewertung der Ver-
gangenheit, und das heißt des Zweiten Weltkriegs und des »Dritten
Reichs« zurück. Niekisch war der Meinung, dass Ernst Jünger der »Kata-
strophe Deutschlands« nicht in ihrer »ganzen Grösse und Furchtbarkeit«
Rechnung trage. Denn diese habe nicht allein in einer Kriegsniederlage
und dem daraus folgenden Verlust der nationalen Souveränität bestanden.
Für Niekisch hatte sich das deutsche Volk durch seine Unterstützung des
NS-Regimes und dessen Verbrechen tatsächlich in seiner Substanz dis-
kreditiert.
Diese Ansicht legte er in seinem  erschienen Essay »Deutsche Da-
seinsverfehlung« dar, in dem er eine Art marxistisch gefärbte Sonderwegs-
these entwickelte, nach der die bürgerliche Gesellschaft im preußisch do-
minierten Deutschland seit der Reformation auf ihre Selbstzerstörung im
»Dritten Reich« zugesteuert habe. Gegenüber Ernst Jünger kündigte er
diesen Text mit der Bemerkung an: »Ich fasse das vergangene Geschehen
so tief in seinen Folgen, dass ich es nicht mehr für möglich halte, alte
Traditionen heraufzubeschwören. […] Mir scheint, wir stehen an einem
Punkte, an dem der tapfere Traditionsbruch fällig ist.« Die Brüder Jün-
ger konnten allerdings weder dem Begriff einer deutschen Daseinsver-
fehlung zustimmen, noch sich der Forderung nach einem radikalen
Traditionsbruch anschließen. Ernst Jünger forderte vielmehr gerade, die
»Tradition« müsse »vom Hakenkreuz getrennt werden« (EJ/GN, ),
und Friedrich Georg Jünger fürchtete in einem Kommentar zu Niekischs
Auslassungen die »Vernichtung aller konservativen Reste«.
Ernst Niekisch setzte also nach  die Haltung des politisch radikalen
Erneuerers fort, während die Brüder Jünger nun konservative Traditio-

 Ebd.
 Vgl. Niekisch, Daseinsverfehlung.
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Noch über zehn Jahre später schrieb Ernst Jünger an Armin Mohler: »Leider hat
auch ein Mann, den ich geachtet habe, wie Niekisch, den Stammbaum Luther-
Friedich-Bismarck-Hitler vertreten und ihm Früchte aufgebürdet, die nie und
nimmer auf seinem Holz gewachsen sind.« (E. Jünger an A. Mohler, ..,
A: Jünger, DLA Marbach.)
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Dieser Brief bezog sich auf ein früheres Schreiben Niekischs. Im direkten Kom-
mentar zur »Deutschen Daseinsverfehlung« konzentrierte sich Friedrich Georg
Jünger darauf, dass sich Niekisch durch sein Pamphlet und seinen »akkusato-
rischen Stil« in der Tagespolemik aufreibe und leider nicht die Kraft habe, zu
schweigen, worin auch die eigene Distanzierung von der politischen Auseinan-
dersetzung zum Ausdruck kam; vgl. F. G. Jünger an W. Jünger, .. (Ab-
schrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
      

nen wiederzubeleben suchten. Dies hing auch mit ihrem Bekenntnis


zum deutschen Volk zusammen, mit dem sie sich gerade in der Nieder-
lage identifizierten und das sie nicht in der gleichen Weise wie Niekisch
verurteilen wollten. Eines sei ihm gewiss, so antwortete Friedrich Georg
Jünger Niekisch auf die »Daseinsverfehlung«, »ich kann mich von diesem
Volke nicht mehr trennen, ich kann es nicht preisgeben« (FGJ/EN, ).
Gemäß der Logik des Okkupationsdiskurses verweigerten die Brüder
Jünger die Anpassung an einen der Sieger, die Niekisch vornahm, und
bekannten sich zu ihrem besiegten Vaterland, das im Kern eben unbe-
siegt sei und so Züge des »geheimen Deutschland« trug:
»Mein Denken wird auch nicht durch die Erwägung bestimmt, dass
den Russen die Zukunft gehört und das Abendland ein Kadaver ist.
Ich lebe zur Zeit unter Siegern und wünsche mir nicht, einer von ihnen
zu sein. Meine Zukunft gehört niemanden [sic], sie gehört mir allein.
Und mein Vaterland ist weder zu erobern noch zu unterwerfen.«
Auf den Vorwurf, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit zu verurteilen,
antwortete Niekisch mit der Präzisierung, dass es sich bei seiner »Deut-
schen Daseinsverfehlung« lediglich um eine »Abrechnung mit der deut-
schen bürgerlichen Klasse«, nicht mit den Deutschen überhaupt handle.
Mit Blick auf Ernst Jüngers »Frieden« äußerte er aber seine Bedenken,
»dass ich in Ihrer Schrift eben dieser bankrotten Klasse noch einmal
Chancen geboten sehe«. Darin lag eine richtige Beobachtung, denn
während Ernst Niekisch seine antibürgerliche Haltung beibehielt, voll-
zogen die Brüder Jünger mit ihrer Abkehr vom politischen Aktivismus
auch eine Abkehr von ihrem antibürgerlichen Affekt. Ihr neuer Haupt-
gegner war nicht mehr der reaktionäre Bürger, sondern der politisch-
technische Funktionär.
Das äußerte sich nicht zuletzt in der von Friedrich Georg Jünger ent-
wickelten Technikkritik, der Ernst Niekisch ebenfalls nicht zustimmen
konnte. In seinem Essay »Ost und West« von  setzte Niekisch weiter-
hin auf den technischen Utopismus, zu dem er Anfang der er Jahre
unter dem Einfluss von Ernst Jüngers »Arbeiter« gefunden hatte, und
kritisierte die Art der Technikkritik, wie sie von Friedrich Georg Jünger

 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. Auch an Fried-
rich Georg Jünger schrieb Niekisch, »dass meine Schrift sich eigentlich garnicht
gegen Preussen, sondern gegen das deutsche Bürgertum richtet« (FGJ/EN, ).
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

vorgebracht wurde, als bürgerlichen Pessimismus. Noch bevor er »Ost


und West« gelesen hatte, sagte Friedrich Georg Jünger mit Blick auf Nie-
kischs affirmative Aneignung von Ernst Jüngers »Arbeiter« voraus, »dass
mein Buch über die Technik, das ihm jetzt zugesandt wird, ihn beunruhi-
gen wird, denn es deckt Zusammenhänge auf, die ihm nicht behagen
können, reiht es doch den Arbeiter selbst unter die Expropriateure, die
Vernutzer, die Raubbau treibenden Konsumenten ein«.
Tatsächlich kündigte Niekisch sein Buch Friedrich Georg Jünger mit
der Bemerkung an, dass diesem nicht verborgen bleiben werde, »wie ich
hier eine Position beziehe, die sich in einher unverkennbaren Spannung
zu der befindet, die Sie in der ›Perfektion der Technik‹ eingenommen
haben« (FGJ/EN, ). Friedrich Georg Jünger antwortete auf Niekischs
Brief und Essay mit einer erneuten Bekräftigung seiner Technikkritik,
nach der sich ein »umfassender technischer Konstruktions-Plan, wie Sie
ihn befürworten« (ebd., ), notwendigerweise immer selbst zerstören
müsse. »Deshalb sind alle Komfort-Voraussagen für die Technik, ist jede
Hoffnung auf ›üppigere Daseinsausstattungen‹ unhaltbar. Vielmehr frißt
der Plan sich selbst auf.« (Ebd., )  Niekisch gab Jünger gegenüber zu,
dass vieles von dem, was er über die Technik sage, richtig sein möge, »dies
hindert aber nicht daran, daß hier etwas abläuft, woran der menschliche
Wille nichts ändern kann« (ebd., ). Woraufhin Friedrich Georg Jünger
resümierte: »Hierin steckt der Unterschied zwischen uns, daß Sie ihre
Kraft in den Plan hineinstecken, während ich solange, als mir das mög-
lich ist, außerhalb des Plans bleiben möchte.« (Ebd., )

 Vgl. Niekisch, Ost und West, S. - u. -. Niekisch berief sich in einem
Brief an Ernst Jünger auch auf den »Arbeiter«, nach dessen Logik Jünger doch zu
derselben Option für die Sowjetunion gelangen müsste wie Niekisch, wodurch
er ihm implizit die Abkehr von der Position des »Arbeiters« zum Vorwurf mach-
te; vgl. E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 In einem Brief an Walter Hörstel schrieb Jünger über Niekischs Verhältnis zur
Technik: »Die Technik ist nach ihm ein Weg in die Freiheit. Man müßte diese
Freiheit doch irgendwo sehen, hören, riechen, der Physiognomie der Menschen
ablesen. Er unterschlägt alle Erfahrungen, die eine solche These hinfällig und
absurd erscheinen lassen. Ich fasse den Begriff der Ausbeutung selbst viel weiter
als er, als schrankenlose Ausbeutung der für leblos gehaltenen Natur, die nicht
durchgeführt werden kann, ohne auf den Menschen vernichtend zurückzuwir-
ken.« (F. G. Jünger an W. Hörstel, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA
Marbach)
 Erst einige Jahre später, als Niekisch sich enttäuscht von der DDR abwandte,
entwickelte auch er eine pessimistischere Sicht auf die Technik und den techni-
schen Staat, die sich der der Brüder Jünger annäherte. Er fasste diese unter dem
      

Der heroische Realismus der Brüder Jünger hatte während der Wei-
marer Republik gerade darin bestanden, sich den als unumkehrbar er-
kannten Prozessen zu verschreiben und in diesem Sinn am Plan mitzu-
wirken. Ernst Niekisch setzte diese Haltung nach  fort und bekannte
Friedrich Georg Jünger gegenüber, in ihm sei noch immer der »Drang,
mich dem Notwendigen und Unaufhaltsamen zu fügen«: »Was über uns
verhängt ist, dem will ich mich stellen und will darin erfüllen, was erfüllt
werden muss.« (Ebd., ) Dies ist eine idealtypische Formulierung des
heroischen Realismus, die in der Zwischenkriegszeit von den Brüdern
Jünger hätte stammen können, nun aber, nach dem Krieg, von ihnen
abgelehnt wurde. In der Auseinandersetzung mit Ernst Niekisch nach
 stellte sich daher unweigerlich auch die Frage nach der »Treue zu
sich selbst«, die in den biographischen Selbsterhaltungsstratgien der ehe-
maligen konservativen Revolutionäre eine zentrale Rolle spielte.
In einem Brief vom . Januar  betonte Ernst Jünger, er sei seiner
Rolle eines Oppositionellen in allen Systemen treu geblieben, während
Niekisch »seit  ganz andere Bahnen beschritten« habe als er:
»Sie sind nun vom Widerstand zur Entscheidung übergegangen und
stehen vor bedeutenden Aufgaben. Für mich ist die Lage des Wider-
standes unverändert geblieben; ich sehe nach wie vor zuviel Leiden,
Gewalttat und Unterdrückung, als daß es mich verlockte, mich irgend-
wo zu beteiligen. So muß ich mich denn mit den Unannehmlich-
keiten der isolierten Position abfinden.«

 geprägten Begriff des »Clerk«, der für den entfremdeten technischen Funk-
tionär stand, der im östlichen Planstaat ebenso prägend sei wie im westlichen
Managerkapitalismus (vgl. Kabermann, Widerstand, S. -). Damit schloss
sich Niekisch der technikkritischen Totalitarismusthese an, die im Sowjetkom-
munismus und im westlichen Kapitalismus die gleiche Technokratie an der
Macht sah. So schrieb er etwa  über die »Verwaltungsmacht«: »Sie tritt in
zwei Erscheinungsformen auf: in Amerika als Managertum, in Rußland als
Funktionärswesen.« (E. Niekisch an A. Mohler, .., A: Mohler, DLA Mar-
bach) Schon  hatte Friedrich Georg Jünger an Wolfgang Hennig geschrie-
ben: »Solche Alternativen wie ›amerikanischer Monopolkapitalismus‹ oder ›rus-
sischer Staatskapitalismus‹ lehne ich ab, denn sie sind nichtssagend. Das sind
Formen technischer Organisation, der Substanz oder Substanzlosigkeit nach
identisch. Haben Sie einmal einen Direktor der Kruppwerke und einen Sowjet-
Trustdirektor nebeneinander gesehen? Diese Herren gleichen sich wie ein Ei
dem anderen und haben die gleichen technischen Präzisionsgesichter. Techni-
sche Perfektion strebt auf den perfekten Maschinensklaven hinaus. Gibt der Ar-
beiter seinen Konsens – um so schlimmer für ihn.« (F. G. Jünger an W. Hennig,
.. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
 E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

Darauf entgegnete Niekisch, er habe immer schon im Widerstand gegen


den »amerikanischen Imperialismus« gestanden und mit seiner Entschei-
dung für die sowjetische Politik folglich »nicht die geringste Wendung
vollzogen«: »Ich kann sagen, dass ich mich im grossen und ganzen noch
immer auf meiner alten Linie fortbewege.« Wenn sich Jünger und Nie-
kisch voneinander entfernt hätten, so müsse die Veränderung bei Jünger
liegen.
Diese konkurrierenden Deutungen von politischem Wandel und per-
sönlicher Kontinuität stellten unterschiedliche Strategien der biographi-
schen Vergangenheitsbearbeitung dar, die mit divergierenden Deutungen
der politischen Geschichte der Weimarer Republik und des »Dritten
Reiches« einhergingen. Für Ernst Niekisch war die Herrschaft des Natio-
nalsozialismus der Endpunkt der bürgerlichen Gesellschaft, der er von
Anfang an entgegengestanden habe. Indem er die Deutung der kommu-
nistischen Orthodoxie übernahm, wonach der deutsche Faschismus als
Herrschaft des Monopolkapitalismus erschien, vollzog Niekisch den glei-
chen Trick, den die Staatsführung der DDR für den gesamten Osten
Deutschlands anwandte: Er erklärte sich per Definition zum Antifaschis-
ten und blendete alles aus, was ihn selbst bis  mit den Nationalsozia-
listen verbunden hatte. Von dieser Position aus konnte er die Verbrechen
des »Dritten Reiches« sehr viel schärfer verurteilen als die Brüder Jünger,
die sich seiner Geschichtsdarstellung nicht anschließen wollten. Für sie
stellte die nationalsozialistische Bewegung zunächst eine legitime Ant-
wort auf das »Diktat« von Versailles dar, die erst in ihrer Exzessivität ver-
brecherisch wurde.
Ernst Jünger formulierte diese Ansicht in fünf ausführlichen Tagebuch-
einträgen zwischen dem . März und dem . April , die er unter die
Überschrift »Provokation und Replik« stellte und zu einem Rückblick

 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


  erschien Niekischs Buch »Das Reich der niederen Dämonen«, das er schon
/ geschrieben hatte und in dem er die Machtergreifung im genannten
Sinn als letzten Sieg des deutschen Bürgertums darstellte; vgl. Niekisch, Reich.
Friedrich Georg Jünger kommentierte dieses Buch in einem Brief an Vittorio
Klostermann: »Niekischs Buch konnte ich, was mir selten geschieht, nicht
zuende lesen. […] Er verschweigt vieles, so den klaren Verhalt [sic], daß es ohne
Marxismus keinen Nationalsozialismus gibt. Daß der Nationalsozialismus groß-
bürgerlich ist, davon habe ich nie etwas bemerkt. Es sind doch die kleinen Leute,
die ihn erfunden haben, und jeder weiß, daß kleine Leute großen Sachen nicht
gewachsen sind. Ja, die Soziologie! Wer sich auf deren Determinanten einläßt,
der sitzt schon in einer Maschine und beginnt mechanisch zu denken.« (F. G.
Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach)
      

auf die politische Entwicklung der Zwischenkriegszeit und die eigene


Rolle darin nutzte: »Nach  war Deutschland in die Rolle des Provo-
zierten geraten, und Hitler machte sich zu seinem Anwalt, übernahm die
Replik. Es lag in seinem Charakter, daß er aus der Replik heraus zur maß-
losen Provokation überging und damit wiederum zur massiven Replik
herausforderte.« (EJ /, ) Seine »persönliche Kurve« in Bezug auf
Hitler beschrieb Jünger wie folgt:
»Das Urteil wandelte sich etwa von: ›Der Mann hat recht‹ zu ›Der
Mann ist lächerlich‹ und ›Der Mann wird unheimlich‹. Im allgemeinen
entsprach das wohl dem Maß, in dem er von der Replik zur Provoka-
tion überging. Bei den ersten großen Wahlerfolgen und der Machtüber-
nahme war ich schon weit von den Ereignissen entfernt.« (Ebd., f.)
Unabhängig davon, wie weit Jünger zu welchem Zeitpunkt wirklich schon
von den Nationalsozialisten entfernt war, gestand er auf jeden Fall zu,
anfänglich mit den Forderungen Hitlers einverstanden gewesen zu sein.
In einem Brief an seinen Bruder, der ihre gemeinsame Korrespondenz mit
Niekisch kommentierte, stellte er die NSDAP als »Münchner Schule«
neben die »Hamburger Schule« um Wilhelm Stapels Deutsches Volkstum
und die eigene »Berliner Schule« um den Widerstand:
»Die Meinungsbildung der neuen Kräfte in Deutschland von  bis
, deren Geschichte noch nicht geschrieben ist, vollzog sich im We-
sentlichen in drei Schulen, die man als die Berliner, die Hamburger
und die Münchner bezeichnen kann. Die Münchner bot ihre Ideen
am billigsten aus und mußte daher unter den obwaltenden Umstän-
den den Sieg davontragen. Die Hamburger, zu der ich auch Spengler
mit seiner Anlehnung an das ›Deutsche Volkstum‹ zähle, war die kon-
servative, während die Berliner mit Niekisch und uns beiden eine
Linie verfolgte, die man als die des ›Widerstandes‹ bezeichnen kann,
und die, politisch gesehen, am wenigsten zum Zuge gekommen ist.
Ideologisch gesehen, ist sie jedoch die einzige, die nach der großen
Liquidation noch Bestände aufzuweisen hat.« 

 Vgl. EJ /, -. Diese Einträge fielen in dieselbe Zeit, in der Jünger die
ersten ausführlichen Nachkriegsbriefe mit Niekisch wechselte.
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Schon in
den »Strahlungen« hat Jünger unter dem Datum vom . April  vermerkt,
in Paris mit Alfred Toepfer, einem gemeinsamen Freund von Niekisch und ihm,
»Reminiszenzen an Cellaris [steht für Niekisch] und die alte Nationalistenzeit«
ausgetauscht zu haben: »Es ist die Geschichte dieser Jahre mit ihren Denkern,
ihren Tätern, Märtyrern und Statisten noch nicht geschrieben; wir lebten da-
     -

Anders als Niekisch gab Jünger also durchaus zu, eine Weile lang mit
Hitler konform gegangen zu sein. Vor allen Dingen ordnete Jünger die
Geschehnisse des »Dritten Reiches« durch sein Schema eines wiederkeh-
renden »Pendelschlag[s]« (EJ /, ) von »Provokation und Re-
plik« in einen als gleichförmig gedachten Geschichtsverlauf ein und wies
ihnen keine historische Herausgehobenheit zu. Daraus folgte eine andere
Bewertung der historischen Verantwortung und damit der Schuldfrage,
als Niekisch sie vornahm. Schon in seinem ersten Nachkriegsbrief, in
dem er auch Jüngers »Frieden« kritisierte, betonte Niekisch die singuläre
Bedeutung von »Auschwitz« und anderen Lagern:
»Die  Millionen Menschen, welche ermordet wurden, sind ein Fak-
tum, über welches wir uns nicht mit nachlässiger Nichtachtung hin-
wegsetzen können; sie graben dem Charakterbild des deutschen Vol-
kes einen sehr bösen Zug ein, der sich auch in Jahrhunderten kaum
mehr wird auslöschen lassen. […] Das sind Dinge, die wir sehen müs-
sen und an denen wir uns nicht vorbeidrücken dürfen.«
Das »deutsche Volk« habe folglich »kein Recht zu irgendeiner Klage«
über seine gegenwärtige Situation, denn es könne »niemanden ausser sich
selbst für die Auswirkungen« des Hitlerismus verantwortlich machen,
dem es sich freiwillig überlassen habe. Ernst Jünger versicherte in seiner
Antwort, er teile und billige Niekischs gerechten Zorn, sehe die Schuld-
frage aber nicht so schwarz wie dieser. Mit Verweis auf die russische Re-
volution und den spanischen Bürgerkrieg, die den nationalsozialistischen
Verbrechen vorausgegangen seien und diese erst möglich gemacht hätten,
argumentierte Jünger genau wie im »Frieden«, daß die Völker insgesamt
schuldig geworden seien. Zudem verwies er erneut auf die »ungeheuren
Ungerechtigkeiten des Versailler Vertrages, der erst den Nährboden schuf
für Hitler und seine Wirksamkeit« und gegen den sich auch Niekisch
gewandt habe: »In dem, was Hitler seine Ueberzeugungskraft verlieh, im
Kampfe gegen das Versailler Diktat und seine unheilvollen Folgen sind

mals im Dotter des Leviathans. Die Münchner Schule, das heißt, die flachste,
hat dann reüssiert; sie tat es am billigsten.« (EJ /, ) Die Nähe der For-
mulierungen zu dem Brief von  lässt vermuten, dass Jünger diese Passage
seiner Tagebücher im September  gerade bearbeitete. Peter de Mendelssohn
kommentierte die Bezeichnung der NSDAP als »Münchner Schule« mit dem
Ausruf: »Wenn Welten sie getrennt hätten! Aber es waren nur ›Schulen‹.« (Men-
delssohn, Gegenstrahlungen, S. )
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Ebd.
 Vgl. E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
      

Sie weitgehend identisch mit ihm. […] Ich erwähne das nur, um anzu-
deuten, daß Ihr eigenes Werk einer einseitigen Schuldauffassung wider-
spricht.«
Niekisch wollte diese Einwände nicht gelten lassen. Erstens sei er im-
mer schon ein Gegner Hitlers gewesen und zweitens bestehe ein grund-
sätzlicher Unterschied zwischen Gewalttaten, die mit einem politischen
Umsturz einhergingen, und rein verbrecherischen Mordtaten:
»Man kann weder auf die französische Revolution noch die russische
Revolution noch den spanischen Bürgerkrieg rekurrieren. In allen die-
sen Fällen handelt es sich in der Tat um zweifellos politische Vorgänge.
Die Vergasung aber, die kaltblütigen Mordtaten in den K.Z.’s hatten
mit Politik gar nichts gemein; sie waren scheussliche Bluttaten, für die
schlechthin nichts zur Rechtfertigung gesagt werden kann.«
Auch gegenüber Friedrich Georg Jünger bezeichnete Niekisch die »Hit-
lerei« als »rein kriminelles Ereignis« und wertete den Nürnberger Kriegs-
verbrecherprozess deshalb als »so fürchterlich, weil er dokumentarisch
die ganze schreckliche Kriminalität festlegt, auf deren Wegen sich das
deutsche Volk  Jahre hindurch wohlgefühlt hat« (FGJ/EN, ). Doch
Friedrich Georg Jünger wollte die deutschen Verbrechen ebenso wenig
wie sein Bruder als in einzigartiger Weise verbrecherisch ansehen: »Ich
beobachte den Fortgang der Methoden, und ich nehme wenig Unter-
schiede wahr.« (Ebd., )
Aufgrund der Annahme einer prinzipiellen Gleichartigkeit der Ge-
walttaten auf allen Seiten war Friedrich Georg Jünger auch der Meinung,
das deutsche Volke werde durch seine »Leiden« seit Kriegsende »voll auf-
kommen für alles, was es verfehlt hat« (ebd., ). Die Vertreibungen und
Verbrechen der Roten Armee bei Kriegsende konnten beide Brüder Jün-
ger im Sinne der oben geschilderten Opferarithemtik in diese Sühneidee
einordnen. Die dauerhafte Abtrennung der deutschen Ostgebiete ging in
ihren Augen aber über eine nachvollziehbare Vergeltung hinaus, weshalb
sie die durch die beiden deutschen Staatsgründungen mehr oder weniger
festgeschriebene Oder-Neiße-Linie nicht akzeptieren wollten. Die »Ein-
behaltung der entvölkerten Provinzen«, »ohne welche Deutschland im-
mer ein lebensunfähiger Torso bleiben wird«, so Ernst Jünger in einem
Brief an Niekisch vom . April , ginge über den Sühneausgleich hin-
aus, mit ihr »fängt eine neue Rechnung an, die noch größeres Unheil

 Ebd.
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

herbeizuführen droht als der Versailler Vertrag«. In Niekischs Augen


trugen aber auch für diesen »Gebietsverlust« allein »Hitler und alle die-
jenigen, die ihn in irgendeiner Weise unterstützen«, die Schuld, weshalb
er auch die »schlechte, unfaire Haltung« kritisierte, »mit der das deutsche
Volk die unvermeintliche Konsequenz seiner machtpolitischen Exzesse
trägt«.
In diesen unterschiedlichen Bewertungen der Schuld des deutschen
Volks und der Legitimität sowohl der Vertreibungen wie der sowjetischen
Herrschaft im Osten kamen divergierende Strategien der biographischen
Vergangenheitsbearbeitung zum Ausdruck. Niekisch sprach sich selbst
unter Verweis auf seine frühe Gegnerschaft zu Hitler von jeglicher Schuld
frei und votierte unter Umgehung aller Selbstkritik und im Bewusstsein
biographischer Kontinuität für ein neues Herrschaftssystem, dessen eige-
nen Unrechtscharakter er systematisch ausblendete. Vor diesem Hinter-
grund konnte er die Diskontinuität der historischen Entwicklung beto-
nen, den epochalen und singulären Charakter der nationalsozialistischen
Verbrechen hervorheben und für einen bewussten politischen Neuanfang
plädieren. Die Brüder Jünger betonten dagegen die Kontinuität der histo-
rischen Verhältnisse, weshalb sie die nationalsozialistischen Verbrechen
durch den Vergleich mit anderen Gewalttaten zu relativieren suchten
und dem deutschen Volk keine Schuldhaftigkeit vorwerfen wollten, die
über die anderer Völker hinausging. Gleichzeitig waren sie aber in höhe-
rem Maß als Niekisch bereit, biographische Diskontinuität zuzugeben.
In ihren eigenen Augen hatten sie aus dem grundsätzlich zerstörerischen
und unfruchtbaren Charakter der Politik als solcher gelernt und sich aus
ihr zurückgezogen.
Dies geht deutlich aus einem Rückblick hervor, den Friedrich Georg
Jünger in einem Brief an seinen Bruder auf die Berliner Jahre warf. Er
leitete diesen Rückblick mit der Frage ein, warum Niekisch »einen so
großen Raum in unseren Briefen« einnehme. »Er zwingt mich dazu«, so
Friedrich Georg Jüngers Antwort,
»mir meine eigene Position deutlicher zu machen. Denke an das Ber-
lin der zwanziger und dreißiger Jahre zurück. Das war ein giftiger,
scharfer Schmortopf, auf dessen Boden die Verzweifelten wunderliche
Sprünge machten. Auch wir strebten damals unter Qualen ans Licht.
[…] Denke ich heute an mein Leben in der Stadt zurück, so erkenne
ich, daß in meiner Bewegung etwas Erzwungenes war. Und wahr-

 E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
      

scheinlich geht es Dir nicht anders. Diese erzwungene Bewegung, diese


Torsion des Willens war ja in allen Anstrengungen fühlbar, diktiert
von der geschichtlichen Notwendigkeit. Ich konnte mich dieser Tor-
sion lange nicht entziehen, doch empfand ich sie immer als lästig und
irreführend. Berlin war damals noch eine unzerstörte Stadt; im Be-
wußtsein aber war die Ruinenwelt schon abgemessen und durchwan-
delt. Die ungeheure Willensanstrengung dieser Jahre des bevorstehen-
den Untergangs hatte zugleich etwas Zielloses, denn der Absprung ins
Nichts untersteht keiner Maßordnung mehr. Der pure Willensakt liegt
dort, wo die […] Zerstörung beginnt. […] Von diesem Drucke wurde
ich erst gegen Ende unseres Berliner Aufenthalts frei, in dem Augen-
blick, in dem ich zu produzieren begann. Da erkannte ich auch, daß
ich einer anderen Elementarität folge, daß mir eine freie Bewegung
möglich ist.«
Rückblickend sah es Friedrich Georg Jünger also als persönlichen Fort-
schritt an, sich von der Willensanstrengung des politischen Aktionismus,
vom »puren Willensakt« befreit und der dichterischen Produktion zuge-
wandt zu haben. Ernst Niekisch stand nach Jüngers Ansicht dagegen
noch immer unter dem politischen Willensdruck:
»In der rastlosen Arbeit von Niekisch ist etwas, das mich in Erstaunen
setzt. Er arbeitet im Dunkel und setzt seine Fähigkeiten für eine blin-
de Bewegung ein. Denn der Gang des Geschehens und der Zusam-
menfluß der Ereignisse ist unberechenbar, nicht vorherzusehen. Die
Energie, mit der er arbeitet und alles Weltgeschehen in politische
Brandröhren und Dynamitpatronen preßt, gibt einige Vorstellung des
Kommenden. Ich wünsche ihm, daß er nicht in seine eigenen Minen-
felder gerät. Seine Arbeit hat etwas finsteres und steht unter dem Ge-
setz der finsteren Ananke, der sich die Grazien sehr fern halten. […]
Eines ist sicher, ich nehme an gewissen Bewegungen keinen Anteil
mehr, vor allem nicht an den dialektischen. Die Hegelsche Dialektik
ist in der Hand seiner Schüler zu einem Prozeß geworden, der sich
selbst verdaut. Die Methoden aber, in denen die pure Gefräßigkeit
sich deckt, haben für mich nichts Verlockendes. Wer nichts tut, tut
auch etwas. Sich still halten zu können, erfordert heute eine eigene
Kraft. Und warum soll ich nicht zusehen können, wenn sich jemand
vernutzt. Ich arbeite an keinem Riß zwischen Ost und West, denn ich
fühle mich auf dem Punkte, an dem Orient und Okzident immer zu-

 F. G. Jünger an E. Jünger, .., D: F. G. Jünger (Abschrift), DLA Marbach.


     -

sammentrafen. Daher habe ich ihnen auch in meinen Gedichten


Klausen geschaffen.«
Umgekehrt waren es genau diese Abkehr von der Politik und der Rück-
zug in die Stille und die »Klausen« der Poesie, die Niekisch den Brüdern
Jünger an verschiedenen Stellen vorwarf und zum Kernpunkt seiner Kri-
tik machte. So bemerkte er etwa mit Blick auf die provinziellen Wohn-
orte der Brüder Jünger, dass es dort leichter sei, der harten Wirklichkeit
aus dem Weg zu gehen, als in der Trümmerstadt Berlin, aus der Niekisch
aber gerade deshalb nicht fortgehen wolle. »Die Abkehr von Berlin«,
schrieb er im Juni  an Ernst Jünger, »die z. Zt. geschieht und von der
ich auch Sie ergriffen sehe, ist eine Ausdrucksform des Rückzugs aus der
Politik überhaupt.« Angesichts von Friedrich Georg Jüngers Gedichten,
die so nur »in der unberührten Bodenseelandschaft« hätten geschrieben
werden können, sprach er von einer »Flucht aus der harten Gegenwart in
die reine Heiterkeit des Lebensgefühls« (FGJ/EN, ). In seinen Memoi-
ren berichtete er von einem Besuch in Wilflingen  und konstatierte
Jüngers »Abkehr von der politischen Realität«, die durch seine »Abge-
schiedenheit« noch begünstigt worden sei. Im ersten,  erschienenen
Band dieser Memoiren widmete Niekisch Ernst Jünger eine längere, por-
traitähnliche Passage, in der er das »Fluchtmotiv« als Konstante in Jün-
gers Leben und Werk beschrieb. Jünger treibe es, »den unmittelbaren
Entscheidungen auszuweichen; er will nur registrierender Beobachter –
oder, wenn man will, ›Kriegsberichterstatter‹ – sein«, vor allem die von
ihm nach  entworfene Figur des »Waldgängers« sei »schlechthin die
Gestalt des Fliehenden, der ein Schlupfloch sucht, in dem er sich vor den
Unheimlichkeiten des Leviathan verbergen möchte«.

 Ebd. Unter dem Titel »Orient und Okzident« veröffentlichte Friedrich Georg
Jünger  eine Reihe von Essays, die tatsächlich überhaupt nicht auf den sich
verschärfenden Ost-West-Konflikt eingingen, sondern verschiedene europäische
und orientalische Dichter porträtierten oder Reiseerfahrungen wiedergaben (vgl.
FGJ b). Niekisch schrieb  an Ernst Jünger, ihm sei unlängst dieser Band
Friedrich Georg Jüngers in die Hände gefallen, »der eine Reihe glänzender,
wenn freilich sehr zeitferner Abhandlungen enthält« (E. Niekisch an E. Jünger,
.., A: Jünger, DLA Marbach).
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Niekisch, Gegen den Strom, S. .
 Niekisch, Gewagtes Leben, S. f. Ernst Jünger schrieb Niekisch in Reaktion
auf »Gewagtes Leben«, dass er bei dessen Lektüre noch einmal allgemein über
die »Taktik im Bürgerkriege« nachgedacht habe, denn er habe Niekisch damals
geraten, weniger offen Widerstand zu leisten und vielleicht sogar wie einst Lenin
ins Exil zu gehen, um von dort wirksamer für Deutschland zu arbeiten; vgl.
E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
      

Tatsächlich konnte Niekisch mit Ernst Jüngers  veröffentlichtem


Essay »Der Waldgang« kaum einverstanden sein, denn Jünger plädierte
darin erneut dafür, sich keiner der beiden neuen Weltmächte des Ostens
oder des Westens anzuschließen und sich der »Fremdherrschaft« (EJ a,
) stattdessen durch Verweigerung zu entziehen. Niekisch formulierte
 eine ausführliche Kritik am »Waldgang«, die er nicht veröffentlichte,
Jünger aber mit der Bemerkung schickte, sie setze sich »mit dem von
Ihnen aufgeworfenen Problem als mit einem Problem auseinander, das
ich auch als das meinige betrachte«. Für Niekisch war der Waldgänger
ein »verkappter Nihilist«, der »sich an keinen Zustand« binde und immer
bereit sei, »einer Ordnung, die [ihm] lästig fällt, den Rücken zu kehren«.
Er ziehe sich als Einzelner in die Einsamkeit zurück, in das »Abseits von
aller Gesellschaft und Zivilisation«, der Waldgang erscheine so als »eine
provokatorische Demonstration des Individuums gegen den Kollektivis-
mus«. Wenn es aber überhaupt möglich sei, »den Leviathan in Schran-
ken zu halten, so kann das nicht vom Walde her und durch Partisanen
geschehen«:
»Die ›Waldgängerei‹ ist ein Rezept, das allen Individualisten, Anar-
chisten, Nihilisten, allen jenen Eigenbrötlern und Sektenheiligen, die
von ihrem Elite- und Auserwähltheitsbewusstsein nicht lassen kön-
nen, allen bürgerlichen Europäern, die aus dem trotzigen Protest
gegen unabwendbare Notwendigkeiten ihr Selbstgefühl nähren, wohl
eingeht; unter ihnen wird sie unvermeidlich in Mode kommen. Sie
glauben, eine Tat zu vollbringen, wenn sie durch ihren Waldgang dem
Leviathan ein Schnippchen schlagen; sie wähnen, ihm Eintrag zu tun,
indem sie einfach nicht mitmachen. Ihr Waldgang ist Flucht aus der
Geschichte; sie haben gegen den Leviathan noch lange keine Schlacht
dadurch gewonnen, dass sie ihm den Rücken zeigen.« 

 Vgl. zum »Waldgang« ausführlich unten, Kap. ..


 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. Niekisch fügte
noch hinzu: »Ich hoffe, daß Sie meine kritischen Einwände nicht als verletzend
empfinden; sie ergeben sich einfach aus der Sache selbst: Es handelt sich für
mich dabei um den Niederschlag einer Selbstauseinandersetzung; die Absicht,
Sie zu bemängeln, lag mir völlig fern. Ich glaube nicht, Ihnen versichern zu
brauchen, daß ich Ihrem Schaffen unverändert mit positiven Gefühlen gegen-
überstehe.«
 Niekisch, Ernst: Waldgang, unveröffentlichtes Manuskript, A: Jünger, Samm-
lung des Coudres, DLA Marbach, S. f.
 Ebd.
 Ebd., S. .
     -

Das war eine fundamentale Kritik, aus der deutlich wurde, dass Niekisch
»jede Form von Flucht und Ausweichen als eine Schwäche« wertete.
Wie diese Formulierung erneut zeigt, hielt Niekisch weiterhin am hero-
ischen Realismus der Zwischenkriegszeit und am Pathos des sich Ein-
schaltens fest und verstand die Abkehr von der Tat der Brüder Jünger als
Fahnenflucht. Dies bezog sich auch auf die Zuwendung zum Christen-
tum, die Niekisch in Ernst Jüngers »Frieden« erkannte. Er selbst, so Nie-
kisch an Jünger in Bezug auf den »Frieden«, hätte »keine Schwächezu-
stände« erlebt, »die mich nötigten, irgendwo einen Stecken und Stab zu
suchen, der mir das mich betroffene Schicksal zu tragen erleichtern hätte
können«, er sei vielmehr durchgehend »Heide« geblieben und wolle sich
weiterhin »allein auf meine innere Kraft« verlassen: »In Anbetracht dieser
Seelenlage wird es Sie nicht erstaunen, wenn ich Ihnen sage, dass mir für
die innere Wendung, welche sich in Ihrer Broschüre andeutet, das ganz
tiefe Verständnis vorerst noch fehlt.« In einem späteren Brief formulier-
te er diese Kritik noch deutlicher, wiederum die Sprache des heroischen
Realismus verwendend:
»Die Innerlichkeit ist zu jenem Feld geworden, auf das sich alle gern
zurückziehen, die das tapfere Unternehmen scheuen, der Wirklichkeit
unmittelbar ins Gesicht zu sehen und sich mit ihrer Folgerichtigkeit
auseinander zu setzen. Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich
auch die gegenwärtige Wendung zum Christentum als eine Fluchter-
scheinung solcher Art beurteile.«
Ernst Jünger betonte in seiner Antwort auf diesen Brief zwar, dass er
»ebenso unabhängig gegenüber dem Westen wie gegenüber dem Chri-
stentum« sei. In der Antwort auf den zuvor zitierten Brief gab er aber
durchaus zu, auf der Suche »nach einem Stecken und Stabe« zu sein, »der
außerhalb der politischen Machtsphäre und ihrer Konstellationen gültig
ist«. Diese »Sehnsucht nach einem höheren Zustand« sei nicht ohne
»theologisches Rüstzeug« zu befriedigen. Auch Friedrich Georg Jünger
 Ebd., S. .
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an E. Niekisch, .., A: Jünger, DLA Marbach. Am gleichen Tag
sandte Ernst Jünger seine Antwort an Niekisch auch an Friedrich Georg Jünger:
»Anbei die Antwort auf einen langen Brief[,] den ich von Niekisch erhielt. Ich
frage mich, ob ich ihm immer schon so fremd gewesen oder inzwischen in ande-
re Probleme hineingewachsen bin. Mit jener Wendung, die ich die theologische
nenne, werden die Eliten noch kleiner, als sie ohnehin gewesen sind.« (E. Jünger
an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
      

wies Niekischs Vorwürfe nicht einfach zurück, sondern verteidigte seinen


Rückzug in die »musischen Territorien« (FGJ/EN, ). Er sei überzeugt,
»daß inmitten dieser Welt der Zerstörung eine ganze heile und unverletz-
te Welt liegt, die von keiner Atombombe berührt wird« (ebd.), und ziehe
es vor, sich in dieser »heilen Welt« aufzuhalten.
Den Brüdern Jünger lag also nicht daran, die Kritik Niekischs zu ent-
kräften. Stattdessen nutzen sie die Auseinandersetzung mit Niekisch
dazu, ihre Position des Rückzugs argumentativ zu festigen und von Nie-
kischs Bindung an das Politische abzugrenzen. Sie bedienten sich dazu
des Gegensatzpaars vom Musischen einerseits und dem Politischen oder
auch Technischen andererseits, das Friedrich Georg Jünger schon in
seiner griechischen Mythologie als Gegensatz von Göttlichem und Tita-
nischem entwickelt hatte. Diese Gegenüberstellung diente gleichzeitig
der Abgrenzung vom Aktivismus. So schrieb etwa Ernst Jünger an Fried-
rich Georg Jünger im September :
»Dein Brief an Niekisch vom . August grenzt die Bezirke des musi-
schen Menschen gegen die des aktiven ab. Niekisch lebt eminent aktiv-
politisch und trägt das Risiko, das ein solches Leben mit sich bringt.
Er ist ein Mensch der Entscheidungen, und das Kontemplative ist für
ihn nur insofern bedeutend, als es die eigene Stellung zu stärken und
die des Gegners zu schwächen vermag. Das ist auch ein Erbteil der
marxistischen Schule, die er durchlaufen hat. Ihr werdet daher niemals
den Blickpunkt vereinigen.«
Wenige Wochen später kam Ernst Jünger noch einmal auf die Bedeutung
des historischen Materialismus für Niekischs Denken und die Zerstö-
rung des Musischen zurück und formulierte gleichzeitig seine grundsätz-
liche Ansicht, dass ein literarisches Werk durch Politisierung immer nur
verlieren könne.

 Von den »geistigen Abgrenzungen und Aktionen des musischen Menschen ge-
gen den Techniker« (EJ /, ) sprach Ernst Jünger auch in den »Jahren der
Okkupation«. Schon in den »Strahlungen« hatte er geschrieben: »Die großen
Kämpfe unserer Zeit werden unter der Oberfläche geliefert – so das Treffen, das
zwischen dem Techniker und dem musischen Menschen stattfindet.« (EJ /
, ) Das Musische gehöre dabei »zu unserer vegetativen und nicht zu unserer
animalischen Existenz« (ebd., ), während das Animalische dem Täter zuge-
ordnet sei: »Die eigentliche Kraft des produktiven Menschen liegt überhaupt im
vegetativen Leben, während sich die des Täters aus dem animalischen Willen
speist.« (Ebd., )
 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Schon im April  hatte Friedrich Georg Jünger über Niekisch ge-
schrieben, sein Denken gehe »ganz in politischen Kategorien auf« und
erschöpfe sich in ihnen. Er sei »der geborene Leiter eines Kollektivs. Ich
aber bin und bleibe ein Einzelner. Meine Aufgabe ist nicht, die Kombi-
nation des Tages zu verarbeiten.« Hatte Niekisch die »Flucht aus der
Geschichte« des Waldgängers kritisiert, so bemängelte Friedrich Georg
Jünger umgekehrt Niekischs »Naturlosigkeit«. Ihm sei »allein im Ge-
schichtlichen ein Leben gegeben«, sein Geschäft sei »immer politisch«,
während Friedrich Georg Jünger »auch für die Natur und das Geschichts-
lose, das vor, in und hinter den Menschen liegt, ein Auge habe«. Niekisch
sei folglich »ein viel determinierterer Mensch als ich«: »Für die Endlich-
keit des Historischen hat er keinen rechten Blick, auch für seine Substrate
nicht; er lebt sehr fern von den Quellen.« Wenn Friedrich Georg Jünger
die Wahl hätte »zwischen einer geschichtslosen Natur und einer naturlos
gewordenen Geschichte«, so zöge er die erste vor, wie er in einem Brief an
Walter Hörstel schrieb: »Die erste kann doch noch leben, die zweite muß
verkümmern.«
Mit den Gegensatzpaaren von musischem und aktivem Leben, von
Geschichtslosigkeit und Naturlosigkeit haben die Brüder Jünger in ihren
Briefen über Niekisch so ihre Position von der Niekischs abgegrenzt und
ihren eigenen Ausstieg aus der Aktion und dem rein Geschichtlichen be-
kräftigt. Es mag kaum überraschen, dass der Beziehung der Brüder Jün-
ger zu Ernst Niekisch vor dem Hintergrund dieser fundamentalen Ge-
gensätze keine große Zukunft mehr beschieden war. Der Briefwechsel
zwischen Friedrich Georg Jünger und Niekisch kam  mehr oder we-
niger zum Erliegen.  kam Niekisch zu einem überraschenden Be-

 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 So schrieb Friedrich Georg Jünger an Ernst Jünger über Niekischs »Ost und
West«: »Offenbar geht er auf eine ganz mechanische Demokratie aus, auf ein
technisches Kollektiv. […] Mir wird immer wieder die Naturlosigkeit dieses
Denkens spürbar, für das die Erde ganz tot und bloßes Objekt menschlicher
Einwirkungen ist. […] Mich frappiert nur, wie wenig er die Erfahrungen be-
rücksichtigt, unter denen er selbst gelitten hat. Ihn wurmt, daß die Antike den
Sklaven, der Feudalherr den Bauern, der Bürger den Arbeiter drückte, daß aber
sein technisches Kollektiv ohne Emigration und riesenhafte Konzentrationslager
von Widerspenstigen nicht denkbar ist, bekümmert ihn nicht.« (F. G. Jünger an
E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
 F. G. Jünger an W. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Mar-
bach. Vgl. zum Motiv der Posthistoire bei Heidegger und den Brüdern Jünger
unten, Kap. ..
 F. G. Jünger an W. Hörstel, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. F. G. Jünger an W. Hörstel, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA
Marbach.
      

such nach Überlingen, der allerdings nicht zu einer Wiederbelebung der


Beziehung führte. Ernst Jünger blieb mit Niekisch weiterhin in Kon-
takt, auch wenn die Briefe nach  spärlicher wurden. Ihre anhaltende
Verbundenheit beruhte in erster Linie auf der gegenseitigen persönlichen
Wertschätzung, die auf die Anerkennung der jeweiligen Haltung während
des »Dritten Reichs« zurückging, langfristig aber nicht über die politischen
Differenzen hinwegtäuschen konnte.  resümierte Niekisch in einem
Brief zu Ernst Jüngers . Geburtstag etwas resigniert, gleichzeitig aber
seine Wertschätzung bekräftigend:
»Ein Jahrzehnt etwa, das – wenigstens für mich – höchst fruchtbar
war, stand mein Lebensweg in innerer Beziehung zu dem Ihrigen. Ich
bedaure sehr, dies nicht öffentlich bezeugen zu können. Mich hindert
daran freilich nicht das Verhältnis zu meiner Umgebung; ich fühle
mich von ihr völlig unabhängig. Aber so unglückselig liegen die deut-
schen Dinge, daß die Kluft, die im Äußerlichen, im politisch Beding-
ten aufgerissen ist, der Entstehung von Klüften auch im Innerlichen,
im Menschlichen Vorschub leistet. Ich darf Ihnen die Versicherung
geben, daß mir dies sehr leid tut und daß sich in meiner Gesinnung
Ihnen gegenüber nichts geändert hat.«
 bezeugte Niekisch seine Verbundenheit mit Ernst Jünger dann doch
mit einem Beitrag zur Festschrift zu dessen . Geburtstag. Als Niekisch
zwei Jahre später starb, fuhr Ernst Jünger zu seiner Beerdigung nach
Berlin, wovon er seinem Bruder in einem Brief berichtete.  nutzte
Ernst Jünger die Geburtstagsrede für Alfred Toepfer, dem Jünger 
zum ersten Mal zusammen mit Ernst Niekisch begegnet war und der
später ebenfalls in Paris stationiert war und Jünger dort zu seiner Frie-
densschrift ermutigt hatte, um noch einmal ausführlich des Schicksals
von Niekisch zu gedenken. Er verband dieses Gedenken erneut mit einer
grundlegenden Reflexion über die unterschiedlichen Berufungen zur
Politik oder zur Dichtung und damit auch über seine eigene Stellung
zwischen Geist und Tat:
»Für den Dichter, wenn wir bei dem Namen bleiben wollen, bedeutet
die Politik eine eminente Gefahr. […] Politik und Dichtung: das ist

 Vgl. F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Mar-


bach: »Im ganzen war der Besuch nicht erquicklich.« Dazu auch FGJ/EN, .
 E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
     -

Wille und Vorstellung. Wird dichterische Kraft in das Wollen inve-


stiert oder wird sie vom Willen durchsetzt, so erleidet sie Einbuße.
Das ist ein Opfer, und es gibt Konstellationen, in denen es gebracht
werden muß – vor allem, wenn viele selbst ihr Leben darbringen. Die
Einsicht, daß ich in der Politik nichts zu suchen hatte, verdanke ich
Adolf Hitler; er war mein politischer Mentor ex negativo – inmitten
der durch ihn entfachten Begeisterungsstürme fühlte ich, ganz abgese-
hen von ihrem Anlaß, ihrer Richtung und ihrem Inhalt, daß ich damit
nichts zu tun hatte. (EJ , f.)
Auch in einem Brief an Alfred Andersch aus den gleichen Jahren bezog
sich Jünger auf Niekisch, um den grundsätzlichen Unterschied von musi-
schen und politischen Denkern zu markieren:
»Der musische Mensch schädigt sich, wenn er sich willensmäßig ein-
läßt, was allerdings nicht immer zu vermeiden ist. Ernst Niekisch, der
auch einmal einen Roman begonnen hatte, handelte richtig, obwohl
es ihm zum Unheil ausschlug, daß er sich für die Politik entschied. Er
war dazu berufen; für einen Um- oder gar Abweg hielte ich das sowohl
bei Ihnen wie bei mir.« 
»Tat und Idee werden immer nur im flüchtigen Augenblick des Glückes
übereinstimmen« (EJ , ), sagte Jünger bei seiner Geburtstagsrede
auf Alfred Toepfer. Dort, wo sie auseinander fielen, hatte sich Ernst Jün-
ger ebenso wie sein Bruder Friedrich Georg schon nach  für die Idee
entschieden und sich von der Tat verabschiedet. Hierin lag der entschei-
dende Unterschied zu Ernst Niekisch, der nach  weiterhin politisch
tätig sein wollte und den Rückzug der Brüder Jünger in die »musischen
Territorien« als Flucht in die Innerlichkeit kritisierte.

 E. Jünger an A. Andersch, .., A: Andersch, Fiche-Nr. , DLA Mar-


bach.


.. Carl Schmitt, Armin Mohler


und die Kritik des Unpolitischen
Unwägbarkeiten einer »Männerfreundschaft«:
Ernst Jünger und Carl Schmitt

Ein weiterer ehemaliger »Kampfgenosse« im Widerstand gegen die libe-


rale Demokratie, mit dem Ernst Jünger nach  in eine grundsätzliche,
allerdings verdeckter geführte Auseinandersetzung über das Verhältnis
zur eigenen politischen Vergangenheit und zur politischen Gegenwart
geriet, war Carl Schmitt. Der  in Plettenberg geborene Staatsrechtler
Schmitt hatte mit Schriften wie »Die geistesgeschichtliche Lage des heu-
tigen Parlamentarismus« von  und dem erstmals  als Buch er-
schienenen »Der Begriff des Politischen« fundamentale Kritik am parla-
mentarischen System der Weimarer Republik geübt. Nachdem sich
Ernst Jünger und Carl Schmitt  in Berlin, wo Schmitt zu dieser Zeit
eine Professur an der Handelshochschule innehatte, kennen gelernt hat-
ten, schrieb ihm Jünger am . Oktober  in einer berühmt geworde-
nen Formulierung, Schmitt sei mit dem »Begriff des Politischen« »eine
besondere kriegstechnische Erfindung gelungen: eine Mine, die lautlos
explodiert. Man sieht wie durch Zauberei die Trümmer zusammensin-
ken; und die Zerstörung ist bereits geschehen, ehe sie ruchbar wird.« (EJ/
CS, ) Aus der ersten Begegnung entwickelte sich ein jahrzehntelanger,
intensiver intellektueller Austausch, der auch zu einer engen persönli-
chen Beziehung führte, wie etwa die Freundschaft von Gretha Jünger mit
Schmitt und seiner zweiten Frau Duschka sowie die Patenschaft Schmitts
für den im März  geborenen zweiten Sohn der Jüngers, Carl Alexan-
der, zeigen.
Schmitts politisches Denken während der Weimarer Republik war auf
den Ausnahmezustand als den Entscheidungsfall der Politik und damit
gegen die deliberative Logik der parlamentarischen Demokratie gerich-
tet. Wie im Eingangskapitel bereits geschildert, vertrat er durch seine
Form des Dezisionismus ebenfalls die antiintellektuelle Tat-Rhetorik, die
das »endlose Gespräch« der parlamentarischen Beratungen durch die
(Gewalt-)Tat der Entscheidung beenden wollte. Anders als die Brüder

 Die Forschungsliteratur zu Leben und Werk von Carl Schmitt ist nicht weniger
umfangreich als die zu Martin Heidegger oder Ernst Jünger und kann hier nicht
ausführlich angeführt werden; vgl. zur Biographie nur Noack, Carl Schmitt; als
Einführung in sein Werk Mehring, Carl Schmitt.
 Die Frage von Schmitts Dezisionismus, der im Einzelnen durchaus anders gela-
     -

Jünger oder Ernst Niekisch suchte er die politische Aktion allerdings


nicht in den paramilitärischen oder konspirativen Kampfbünden der
radikalen Rechten. Stattdessen befürwortete er ab  die Weimarer Prä-
sidialkabinette als Form der »kommissarischen Diktatur« und vertrat
 nach dem so genannten »Preußenschlag« – der staatsstreichartigen
Absetzung der Regierung Otto Brauns durch den Reichskanzler von Pa-
pen, der sich gleichzeitig zum »Reichskommissar« für Preußen ernennen
ließ – die Sache des Reichs gegen das Land Preußen vor dem Staatsge-
richtshof. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die Schmitt
zuvor nicht unterstützt hatte, schwenkte er auf deren Linie ein, trat am
. Mai  der NSDAP bei und suchte die Legitimität des neuen Staates
durch sein nun vertretenes »konkretes Ordnungsdenken« zu begründen.
Nach einem kurzen Intermezzo in Köln erhielt er noch  einen
Lehrstuhl an der Universität Berlin, an deren Gleichschaltung er nicht
unmaßgeblich beteiligt war. Als »Preußischer Staatsrat« wirkte er am
Reichsstatthaltergesetz zur Gleichschaltung der Länder mit und über-
nahm verschiedene hochschulpolitische Ämter wie etwa die Leitung der
Reichsfachgruppe Hochschullehrer des Bundes Nationalsozialistischer
Deutscher Juristen.
Als »Märzgefallener«, der sich anschickte, eine geistige Führungsrolle
im »Dritten Reich« zu übernehmen, ist Schmitt in vielem Martin Hei-
degger vergleichbar, der sich im August  an Schmitt wandte und um
Unterstützung bat, »wenn es gilt, die juristische Fakultät im Ganzen nach
ihrer wissenschaftlichen und erzieherischen Ausrichtung von Innen her
neu aufzubauen« (MH -, ). Carl Schmitts Bezeichnung Hit-
lers als »nomos des deutschen Volkes« erinnert dabei nicht zufällig an
Heideggers Formulierung, der »Führer selbst und allein ist die heutige
und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz« (ebd., ). Anders
als Heidegger trat Schmitt allerdings nicht schon  wieder von seinen
Ämtern zurück, sondern rechtfertigte mit seinem berüchtigten Aufsatz
»Der Führer schützt das Recht« den sogenannten Röhmputsch vom Juni

gert war als der von Ernst Jünger oder Martin Heidegger, kann hier nicht aus-
führlich diskutiert werden; vgl. zum gemeinsamen Antiliberalismus dieser drei
Denker während der Weimarer Republik Krockow, Entscheidung; Hoeges, Lei-
denschaft.
 Mehring, Carl Schmitt, S. .
 Vgl. zu Schmitts Rolle als »Kronjurist« des »Dritten Reiches« Blasius, Carl Schmitt;
Koenen, Fall.
 Vgl. zu Heidegger und Schmitt Mehring, Führer; Posavec, Carl Schmitt; Rad-
loff, Heidegger.
 Zit. n. Mehring, Carl Schmitt, S. .
,       

 sowie mit einem Aufsatz über »Die Verfassung der Freiheit« die
Nürnberger Rassegesetze von .
 wurde er allerdings in der SS-Zeitschrift Das schwarze Korps scharf
angegriffen, verlor seine Partei- und Ehrenämter und ging so unfreiwillig
auf Distanz zum NS-Regime. Schmitts konkretes Ordnungsdenken war,
auch wenn es die Selbstermächtigung der NSDAP legitimieren sollte, für
den Maßnahmenstaat der Nationalsozialisten noch zu sehr Schranken
setzendes Rechtsdenken gewesen. Das galt auch für Schmitts völkerrecht-
liche Konzeption von »Großraumordnungen«, die er  im Vorfeld des
Zweiten Weltkriegs zur Legitimation des deutschen Expansionismus ent-
wickelte, die diesem Expansionismus aber wiederum engere Grenzen
setzte, als von der nationalsozialistischen Führung erwünscht. Trotz
seiner Bemühungen, während des Zweiten Weltkriegs noch einmal ins
politische Spiel zurückzufinden, blieb Carl Schmitt daher bis zum Ende
des »Dritten Reiches« weitgehend marginalisiert.
Nach dem Ende des NS-Regimes verlor Carl Schmitt seine Berliner
Professur und wurde als »intellektuelle Gefahr« von den Amerikanern
verhaftet und von September  bis Oktober  an verschiedenen
Stellen interniert. Im März  wurde er erneut festgenommen und ins
Justizgefängnis nach Nürnberg gebracht, wo er im April  im Rah-
men der Kriegsverbrecherprozesse mehrfach verhört wurde, allerdings
ohne dass Anklage erhoben worden wäre. Im Mai  wurde er schließ-
lich entlassen, woraufhin er von Berlin in seinen Geburtsort Plettenberg
im Sauerland übersiedelte. Dort lebte Schmitt bis zu seinem Tod im Jahr
, ohne wie etwa Heidegger akademisch je wieder rehabilitiert zu wer-
den, konnte aber nach einer ersten Zeit der Isolation wieder publizieren
und Vorträge halten und entfaltete durch sein umfangreiches Kontakt-
und Schülernetz eine weitreichende geistespolitische Wirkung. Die
ersten Nachkriegsjahre in Plettenberg hat Schmitt in seinem posthum
erschienen Tagebuch »Glossarium« festgehalten, während verschiedene
Aufzeichnungen aus der Haftzeit von  bis  von Schmitt  un-
ter dem Titel »Ex Captivitate Salus« veröffentlicht wurden.

 Vgl. zu der völkerrechtlichen Kontroverse zwischen Schmitt und Intellektuellen


im nationalsozialistischen Sicherheitsdienst während des Krieges Herbert, Intel-
lektuelle.
 Vgl. Hausmann, Deutsche Geisteswissenschaft, S. ff. u. f.
 Vgl. Schmitt, Antworten.
 Vgl. zu Schmitts Wirkungsgeschichte Laak, Gespräche; Müller, Dangerous Mind.
 Vgl. Schmitt, Glossarium; ders., Ex Captivitate Salus; dazu auch oben, Kap. ..
     -

Trotz ihrer unterschiedlichen politischen Haltungen waren Ernst Jün-


ger und Carl Schmitt auch während des »Dritten Reichs« in regem Kon-
takt geblieben und hatten sich bei regelmäßigen Besuchen gesehen, unter
anderem im besetzten Paris. Nach einer Begegnung im Herbst  in
Berlin hatte Ernst Jünger zwar eine »gewisse[…] Meinungsverschieden-
heit« konstatiert, aber gleichzeitig darauf insistiert, »daß unser Verhältnis
wohl einen gemeinsamen Ort besitzt, an dem eine solche Differenz gar
keine Rolle spielt. Was mich beschäftigt, das ist die absolute und substan-
tielle Größe des Menschen, deren Dimension festzustellen, ich über ganz
andere Maßstäbe verfüge als etwa über den politischen.« (EJ/CS, ) Im
Dezember  erklärte Jünger Schmitts Situation im »Dritten Reich«
dann zum beruflichen Missgeschick:
»Carl Schmitt ist unter allen Geistern, die ich kennenlernte, jener, der
am besten definieren kann. Als klassischer Rechtsdenker ist er der Krone
zugeordnet, und seine Lage wird notwendig schief, wo eine Garnitur
des Demos die andere ersetzt. Bei der Heraufkunft illegitimer Mächte
bleibt an der Stelle des Kronjuristen ein Vakuum, und der Versuch, es
auszufüllen, geht auf Kosten der Reputation. Das sind so Missge-
schicke des Berufs.« (EJ /, )
Nach dem Krieg und Schmitts Haftzeit setzte sich ihr intellektueller und
persönlicher Austausch bruchlos fort. Wie oben bereits gezeigt wurde,
war Carl Schmitt eng in das kommunikative Netzwerk um Ernst Jünger
eingebunden. / war er als Mitherausgeber der Pallas im Gespräch.
Zu den Jüngergefolgsleuten Armin Mohler und Gerhard Nebel hielt
Schmitt ebenfalls engen Kontakt, wobei er zeitweilig vor allem mit Nebel
regelmäßig zusammentraf, da Plettenberg wesentlich näher an Wuppertal
lag als an den süddeutschen Knotenpunkten der Jüngerzirkel. Genau
wie Jünger verweigerte sich Schmitt dem »Bußzwang« der Entnazifizie-
rung durch den Rückzug ins »Inkognito«  des Schweigens, bezeichnete
sich und Jünger als »Sündenböcke« (EJ/CS, ) und stilisierte sich zum
zu Unrecht verfolgten »outlaw« (ebd., ). Dadurch partizipierte Schmitt
nicht nur am Okkupationsdiskurs, sondern war durch eine ähnliche Art

 So schrieb Nebel am . Mai  an Ernst Jünger: »Carl Schmitt sehe ich oft.«
(EJ/GN, )  hat sich Nebel allerdings auch mit Schmitt überworfen. Zu
Mohler und Schmitt vgl. Schmitt, Briefwechsel. Zwischen Friedrich Georg
Jünger und Carl Schmitt hat sich allerdings nie eine engere direkte Beziehung
ergeben, Schmitt äußerte an verschiedenen Stellen, dass ihm die Poesie Friedrich
Georg Jüngers fremd sei; vgl. Tommissen, Bilan, S. .
 Eßbach, Formproblem, S. .
,       

der »existentiellen Vergangenheitsbewältigung« ebenfalls darum bemüht,


die eigene Biographie und Denkentwicklung vor sich und anderen zu ver-
teidigen.
Auch wenn Schmitt und Jünger nach  also im gleichen Boot saßen,
zeigten sich in ihrer Beziehung dennoch bald einige Irritationen, die
nicht zuletzt auf Schmitts Verbitterung über den Verlust seiner Professur
und seines öffentlichen Ansehens zurückgingen. Schmitt war unter ande-
rem verärgert über Jüngers andauernde Beziehung zu Ernst Niekisch, der
Schmitt nach  auf verschiedenen Ebenen angegriffen hatte. Auch
wenn Jünger Schmitt gegenüber Niekisch verteidigte, konnte Schmitt
Jüngers indifferente Haltung gegenüber den Schwächen seiner Gesprächs-
partner nicht verstehen. Schmitt verlangte eine klarere Freund-Feind-Ab-
grenzung, und Niekisch war für ihn nach  zum Feind geworden. Vor
allen Dingen aber schien sich Carl Schmitts Unmut über Ernst Jünger
genau in dem Maß zu steigern, in dem Jünger nach  wieder publizie-
ren konnte und öffentlich wirksam wurde, während Schmitt sich weiter-
hin als totgeschwiegenen Outcast sah. Schon im Oktober  schrieb
Gerhard Nebel nach einem Treffen mit Jünger und Schmitt an Armin
Mohler:
»Ueber C. S. hoffentlich bald mündlich. Sehr komplizierter Fall.
Gremmels ist mit ihm fertig. Trop de médisance. Er bezeichnete, als
Jünger am letzten Abend fortgegangen war, ihn als ›Autodidakten‹
und ›Apothekerssohn‹, was ja zweifellos stimmt, aber irgendwie bösar-
tig ist. Meine Luther-Begegnung begrüsst er sehr, weil sie mich von
Jünger unabhängig mache. Irgendwie leidet C. S. sehr darunter, dass
der Capitano und nicht er zum deutschen Mythos geworden ist.«

 Mehring, Vergangenheitsbewältigung, S. .


 Vgl. dazu oben, Kap. .. Die in einem Brief an Ernst Jünger geäußerte Meinung,
dass von »der Empfehlung der existentiellen Vernichtung durch Carl Schmitt zu
den Vernichtungslagern von Auschwitz und Maidanek« eine »gerade Linie« führe
(E. Niekisch an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach), hat Niekisch
auch in seiner  erschienenen »Deutschen Daseinsverfehlung« vertreten:
»Carl Schmitts ›Zum Begriff des Politischen‹, worin das Politische als Freund-
Feind-Unterscheidung definiert wurde, entwickelte die politische Methodik des
Bestialismus, die Schrift bot die Theorie, die dann von der SA und noch buch-
stäblicher von der SS in die Praxis umgesetzt wurde.« (Niekisch, Daseinsverfeh-
lung, S. ) Laut Duschka Schmitt hat diese »bösartige Behauptung« (EJ/CS,
) mit zur neuerlichen Verhaftung von Schmitt im März  geführt. Schmitt
beklagte sich noch in späteren Jahren über die Haltung von Niekisch, der
Schmitt etwa auch in seinen Erinnerungen  unvorteilhaft und ungerecht dar-
gestellt habe; vgl. Schmitt, Briefwechsel, S. f.
 G. Nebel an A. Mohler, .., A: Mohler, DLA Marbach.
     -

Als  die »Strahlungen« und der Roman »Heliopolis« erschienen,


häuften sich in Schmitts »Glossarium« die gehässigen Bemerkungen über
Ernst Jünger. An den »Strahlungen«, in denen Schmitt auch eigene
Aussprüche und Briefpassagen finden konnte, störte ihn in erster Linie
»Jüngers Verwertungsmethode«. Denn die »Methode der literarisch-
publizistischen Verwertung aller Einfälle, die Fruktifizierung des eigenen
Briefwechsels, die Ökonomie der schon bei der Niederschrift zum Druck
bestimmten Tagebücher« zerstöre »alle guten Möglichkeiten eines Brief-
wechsels«. Statt »zu einem schriftlichen Gespräch« komme es »nur zu
einigen zufälligen und einseitig nach der Rotationspresse schielenden
Notizen«. Schmitt warf Jünger also gleichsam die Verletzung des ge-
meinsamen Schweigegebots vor, neidete ihm aber wohl auch die neue
Öffentlichkeit. Vor allen Dingen zeige sich in Jüngers Konzentration auf
seine Textproduktion die mangelnde Öffnung »zum Mitmenschen«,
Jünger habe »für meine Lage als Outlaw weder Gefühl noch Verstand
noch einen Blick«: »Entsetzliche Sparsamkeit der ihre Einfälle restlos ver-
wertenden Vollmonade.«
Auch wenn Schmitt diese Kritik Jünger gegenüber nicht direkt äußer-
te, blieb diesem Schmitts zunehmende Animosität nicht verborgen. Im
Mai  vermerkte er in einem Brief an Schmitt Anzeichen »einer ge-
wissen Verstimmung«, er habe den Eindruck gewonnen, »daß sich unser
Verhältnis aus einem Grunde, den ich nicht übersehe, verändert hat« (EJ/
CS, ). Im Januar , nach einem Besuch Gretha Jüngers beim Ehe-
paar Schmitt, offenbarte Schmitt Jünger dann doch einige seiner Beden-
ken. Bei den Besprechungen von »Heliopolis« habe ihm besonders die
Bemerkung zu denken gegeben, »Ernst Jünger ist längst privat geworden
und flösst nicht einmal mehr Misstrauen ein« (ebd., ). Unter Beru-
fung auf das »Recht des älteren Weggenossen« warnte er Jünger: »Jeder

 Schmitt, Glossarium, S. . Schmitt sprach auch vom »Brief- und Traum- und
Tagebuch-Verwerter« Jünger (ebd., S. ).
 Ebd., S. .
 Ebd., S. . Wenig später notierte Schmitt: »Ernst Jünger ist eine Primadonna
geworden, eine Vollmonade, an deren Fassade Léon Bloy wie ein blindes Fenster
hängt.« (Ebd., S. ) Auf den französischen Katholik Léon Bloy, dessen Lektüre
in den »Strahlungen« einen wichtigen Platz einnahm, hatte Schmitt Jünger auf-
merksam gemacht. Die Betitelung Jüngers als »Vollmonade« war in diesen Noti-
zen eindeutig pejorativ gemeint. Es bleibt aber anzumerken, dass Schmitt auch
den von ihm verehrten Dichter Theodor Däubler als Monade bezeichnete; vgl.
Schmitt, S. f.: »Theodor Däubler ist eine Monade im unendlich deutschen
Sinne des Wortes: er spiegelt das Universum. […] Die deutsche Monade spiegelt
das Universum, aber sie hat kein Fenster zur politischen Gegenwart.«
,       

von uns beiden hat einen Namen und eine Sache, echten Ruhm und ein
Gesicht, und jeder von uns beiden kann alles das verlieren.« (Ebd.) Da-
rauf antwortete Jünger:
»Ich bin aber auch berechtigt, Ihnen in der Sache Rat zu erteilen; ich
habe das angesichts der folgenschwersten Entscheidung Ihres Lebens
nachgewiesen, und Sie werden sich der Nacht entsinnen, in der ich Sie
auf der Friedrichstraße verließ und in großer Trauer war. Auch damals
lebte ich in meinem Alltag nicht vorbildlich. Wären Sie aber in der
Sache meinem Rat und Beispiel gefolgt, so würden Sie heute vielleicht
nicht mehr am Leben sein, aber berechtigt zum Urteil in letzter In-
stanz über mich. Wäre ich damals Ihrem Rat und Beispiel gefolgt, so
würde ich gewiß nicht mehr am Leben sein, weder physisch noch
sonst.« (Ebd., )
Schmitt brach die Auseinandersetzung daraufhin mit den knappen Wor-
ten »capisco et obmutesco« (ebd., ), »ich verstehe und verstumme«,
ab, was Ernst Jünger als »weise und überlegen« (ebd., ) wertete. Im
»Glossarium« kommentierte Schmitt Jüngers »irrationale Konditional-
sätze« allerdings weniger vorteilhaft als »Rabulistik eines Ich-verrückten-
Rechthabers«. Tatsächlich muss Schmitts Verstummen nicht unbedingt
als Zeichen von Einsicht interpretiert werden. Vielmehr war ihre Ver-
ständigung über die Konsequenzen aus der eigenen Geschichte im »Drit-
ten Reich« gescheitert. Ernst Jünger hat in einem Gespräch mit Vittorio
Klostermann dessen Konflikt mit Heidegger mit seiner eigenen Ausein-
andersetzung mit Schmitt verglichen, wie Klostermann in einem Brief an
den Verleger Carl Hanser schrieb:
»Ernst Jünger, der jahrelang mit Carl Schmitt in Verbindung stand und
ihn auch in den für ihn schwersten Jahren nach  materiell unter-
stützte, exemplifizierte mir die Problematik klar an seinem Bruch mit
Carl Schmitt im vorigen Jahr: Ernst Jüngers Auffassung ist die Bewäh-
rung im Jahre . Carl Schmitts Auffassung ist die Bewährung im
Jahre .«
Diese Pointierung ist in der Tat treffend, denn was Schmitt Jünger in
erster Linie vorwarf, war dessen tatsächliche oder scheinbare Anpassung
an die neuen Macht- und Öffentlichkeitsverhältnisse nach . In den
Augen Schmitts hatte Jünger die »Bewährung« von  nicht bestanden,

 Ebd., S. .
 V. Klostermann an C. Hanser, .., A. Klostermann, DLA Marbach.
     -

da er sich zugunsten seines »Comeback« den Siegern angedient habe,


während Schmitt als einziger, aber unter Wahrung des Gesichts, die Rolle
des Besiegten auf sich genommen habe. Die Probe der »Treue zu sich
selbst« habe allein Schmitt bestanden. So behauptete er im »Glossarium«,
»daß ich der Einzige bin, der im Wirbel der Metamorphosen sich selbst
und seinen Freunden treu geblieben ist« . In diesem Sinn hat Schmitt
versucht, die Schamkultur konsequent aufrecht zu erhalten, während
Jünger sich der Schuldkultur angepasst habe, wobei es unerheblich sei,
»ob Ernst Jünger sich wirklich bekehrt hat oder nur so ein bisschen an-
gibt und tut, als ob er (Buße) täte«.
Auch diese Verurteilung Schmitts mag in erster Linie seinem Neid
geschuldet gewesen sein, selbst eben (noch) kein erfolgreiches Comeback
erreicht zu haben. Denn an Opportunismus war Schmitt Jünger eigent-
lich stets überlegen, wie nicht zuletzt die »Bewährung« von  gezeigt
hatte. Zudem hat Jünger gerade Wert darauf gelegt, seine »Wandlung«
nach  nicht als Bußfertigkeit erscheinen zu lassen und jeden An-
schein einer Fraternisierung mit den Siegern zu vermeiden. In Schmitts
Behauptung, sich als einziger treu geblieben zu sein, liegt dennoch etwas
Richtiges. Denn Schmitts politischer Opportunismus verlangte ihm tat-
sächlich keine inneren Wandlungen ab, der »okkasionelle Charakter
seiner Begrifflichkeit« erlaubte ihm eine Anpassung an den Nationalso-
zialismus ebenso wie an andere politische Regime »ohne innertheore-
tischen Bruch«. Das hatte auch zur Folge, dass er aus seinem »Fehler«

 Schmitt, Glossarium, S. .


 Noch  bedauerte Schmitt Mohler gegenüber, dass Ernst Jüngers »Jahre der
Okkupation« zu leicht als »Entlastungs-Literatur« (Schmitt, Briefwechsel, S. )
verstanden werden könne.
 Schmitt, Glossarium, S. . In einem Brief an Gretha Jünger schrieb Schmitt
über Ernst Niekisch, seine Äußerungen zum »Begriff des Politischen« von 
seien von denen nach  »so verschieden, dass es wie ein Bruch mit jeder Kon-
tinuität des Denkens und des Wesens, ja wie eine Geisteskrankheit wirkt. Denn
Diskontinuität ist doch schließlich Geisteskrankheit, mag im übrigen die Wand-
lungsmöglichkeit noch so gross und das Fest der Metamorphosen noch so phan-
tastisch sein.« (EJ/CS, )
 Ebd., S. . Vgl. dazu auch Lethen, Drei Männer, der argumentiert, dass in
Schmitts Augen Benn und Jünger durch ihre »Konversion« den vor dem Krieg
gemeinsam vertretenen »Habitus der Kalten Persona verraten« (S. ) hätten
(dieser Aufsatz hat auch Eingang gefunden in Lethen, Sound, S. -). Noch
 schrieb Schmitt an Armin Mohler: »Die Rolle des Nicht-Konvertiten im
Zeitalter der allgemeinen Konvertabilität ist schwer, aber ehrenvoll.« (Schmitt,
Briefwechsel, S. )
 Gangl, Gesellschaftliche Pluralität, S. .
,       

von  – den er selbst gar nicht als solchen wahrnehmen konnte – keine
Konsequenzen zog und sich keinen Irrtum eingestehen wollte. Der weni-
ger angepasste Ernst Jünger hat während der er Jahre demgegenüber
eine tatsächliche Wendung vom Aktivismus zur Kontemplation vollzogen,
wie hier bereits argumentiert worden ist. Diese Wendung wurde ihm
nach  nicht nur von Schmitt als Opportunismus ausgelegt.
Die Auseinandersetzung um die »Bewährung« von  und von 
hat  allerdings nicht zu einem endgültigen Bruch geführt. Jünger und
Schmitt blieben vielmehr bis in die er Jahre hinein in brieflichem
und persönlichem Kontakt, der jedoch immer wieder abebbte und zwi-
schen , dem Todesjahr von Gretha Jünger, und  ganz aussetzte.
Wie unter anderem aus dem Briefwechsel Schmitts mit Armin Mohler
hervorgeht, blieb die persönliche Beziehung von Jünger und Schmitt
dauerhaft gestört, die Entfremdung nach  ließ sich nicht mehr rück-
gängig machen.

Waldgänger und Partisanen

Diese Entfremdung hatte über die persönlichen Animositäten und die


Fragen von Schuld und Scham hinausgehende Gründe, die aus syste-
matischen Differenzen im politischen Denken von Jünger und Schmitt
resultierten. Jüngers Lob für Schmitts »Begriff des Politischen« hatte das
ihnen während der Weimarer Republik gemeinsame Anliegen zum Aus-
druck gebracht, durch ihre intellektuelle Tätigkeit »Waffen« gegen die
verhasste Demokratie zu liefern und dadurch den Transfer von Geist und
Tat zu leisten, das heißt durch ihre geistigen Aktionen unmittelbar poli-
tisch wirksam zu werden. Carl Schmitt hat diesen Anspruch bewahrt und
seinen agonalen Begriff des Politischen auch nach der Erfahrung des Na-
tionalsozialismus nicht aufgegeben. In Jüngers Wandlung vom Aktivis-
mus zur Kontemplation hat Schmitt dagegen zu Recht auch eine Abkehr

 »Ernst Jünger wird reifer und reifer«, wie Schmitt im »Glossarium« schrieb. »Jetzt
ist er bald reif für den Nobelpreis.« (Schmitt, Glossarium, S. )  kommen-
tierte Schmitt Jüngers Revisionen seiner früheren Schriften für die Werkausgabe:
»Was treibt ihn eigentlich zu solchen Selbst-Desavouierungen? Lockt ihn der
Traum, Nobelpreisträger und Nachfolger Pasternaks zu werden? Im Zeitalter der
totalen Motorisierung geht alles schnell, und von den Stahlgewittern zum Wald-
spaziergang ist kaum noch ein Schritt.« (Schmitt, Briefwechsel, S. )
 Vgl. dazu auch Noack, Asymmetrie, der die gesamte »Männerfreundschaft« von
Jünger und Schmitt »ein einziges großes Mißverständnis« (S. ) nennt. Am
Begriff der »Männerfreundschaft« hält trotz des »Glossariums« fest Mohler, Carl
Schmitt.
     -

vom Politischen als solchem erkannt. Darum war es das Stichwort, Jünger
sei »privat« geworden, das ihn Ende  »erstarren« ließ, wie er Jünger
schrieb (EJ/CS, ). Im »Glossarium« hatte Schmitt schon im August
 notiert, Jünger sei »Privatier, aber leider kein Privateer«, kein Frei-
beuter geworden. Für Schmitt war es folglich auch Jüngers Abschied vom
Abenteurertum und vom gefährlichen Leben, der ihn in seinen Augen
nach  politisch harmlos machte.
Dieses Urteil fällte Schmitt nach der Lektüre der »Strahlungen« und
von »Heliopolis«. Die darin enthaltene Divergenz lässt sich aber auch an
einem weiteren Text Jüngers exemplifizieren, der Schmitt eigentlich wie-
der mehr zusagte und an Jüngers früheres Freibeutertum anzuknüpfen
schien, und zwar am »Waldgang« von . Jüngers Essay »Der Waldgang«
war tatsächlich sein erster im engeren Sinn politischer Text seit dem »Ar-
beiter«, wie auch Mohler gegenüber Schmitt bemerkte. Er bündelte die
Erfahrungen der »Jahre der Okkupation« zwischen  und  und
stellt in diesem Sinn sowohl ein Dokument des Okkupationsdiskurses
und des Rückzugs in die Sicherheit des Schweigens als auch der trotzigen
Selbstbehauptung dar. »Der Waldgang folgte auf die Ächtung«, wie Jün-
ger schrieb, »durch ihn bekundete der Mann den Willen zur Behauptung
aus eigener Kraft« (EJ a, ). Ohne die Alliierten beim Namen zu
nennen, sprach Jünger von den »fragenstellende[n] Mächte[n]«, deren
»Fragebogen« gegenüber man zu bedenken habe, »daß Schweigen auch
eine Antwort ist« (ebd., ). Jünger kritisierte die »Theorie der Kollektiv-
schuld« (ebd., ) und die Praxis, »den Besiegten rechtsförmlich zu ver-
urteilen« (ebd., ), wodurch die Stoßrichtung gegen die Sieger des
Zweiten Weltkriegs, das Verfahren der Entnazifizierung und die Nürn-
berger Kriegsverbrecherprozesse deutlich wurde.
Allerdings bestand seine Kritik am Verhalten der Alliierten nicht da-
rin, es detailliert und konkret anzugreifen. Vielmehr setzte er die Herr-
schaft der Sieger mit der der Diktatoren gleich und skizzierte in allgemei-
nen Wendungen ein totalitäres Zeitalter, wodurch er in schon bekannter
Weise die Unterschiede zwischen Faschismus, Sowjetkommunismus und
westlicher Demokratie verwischte. Auf diese Weise war der »Waldgang«
zugleich eine Reflexion auf die Situation des besiegten Nachkriegsdeutsch-
lands und auf die Frage nach der »Freiheit des Einzelnen« (ebd., ) in
Zeiten der totalen politischen und organisatorischen Planung. Jünger
bündelte diese Bedeutungen im Begriff des »Leviathans« (ebd., ), der
nicht nur für die politische Diktatur stand, sondern allgemein für den

 Schmitt, Glossarium, S. .


 Vgl. Schmitt, Briefwechsel, S. .
,       

modernen, seine Untertanen total erfassenden und regulierenden Staat.


Gleichzeitig hielt er auch an seinem Begriff vom »Zeitalter des Arbeiters«
(ebd., ) für die Kennzeichnung der »statistisch überwachten und be-
herrschten Welt« (ebd., ) fest. Doch so, wie die Gestalt des Arbeiters
die des »Unbekannten Soldaten« nach dem Ersten Weltkrieg abgelöst
habe, trete nun der »Waldgänger« als dritte Gestalt auf, um »dem Auto-
matismus sich zu widersetzen« und »ein ursprüngliches Verhältnis zur
Freiheit« zurückzugewinnen (ebd., ). Im Waldgang vollziehe sich »die
Auseinandersetzung des Einzelnen mit dem technischen Kollektiv und
seiner Welt« (ebd., ), wobei der »Wald« ganz allgemein für den »Ort
der Freiheit« (ebd., ) stehe und überall liegen könne.
Hieraus wird bereits deutlich, dass Jünger mit dem »Waldgang« ver-
suchte, eine Gegengestalt zu der des Arbeiters zu entwerfen und so eine
Symbolfigur für den Widerstand gegen die technokratische Arbeitswelt
zu schaffen, die er selbst einst propagiert hatte und aus der er sich nun
zurückziehen wollte. Ging es im »Arbeiter« darum, sich in die von der
Statistik organisierten Kollektive einzuordnen, so war es das Anliegen des
»Waldgängers«, »aus der Statistik herauszutreten« und aus der »statistisch
fassbaren Ordnung« hinüberzuwechseln »in jene unsichtbare, die wir als
den Waldgang ansprechen« (ebd., f.). Auf diese Weise transformierte
Jünger auch seinen heroischen Realismus, der für die Anpassung der
Freiheit an die Notwendigkeit plädiert hatte, während Jünger nun den
»Mangel an Freiheit« (ebd., ) im Arbeitsstaat kritisierte und das Ver-
hältnis von Freiheit und Notwendigkeit umdrehte, indem er Geschichte
als die »Prägung« definierte, »die der Freie dem Schicksal gibt« (ebd., ).
Damit hat Jünger seinen Heroismus des »verlorenen Postens« nicht
gänzlich aufgegeben, aber der Heroismus bestand nun nicht mehr in der
Anpassung an die technischen Zwänge, sondern im Widerstand gegen
sie. Im Begriff des »Widerstands« kommt gleichzeitig die im »Waldgang«
letztlich unaufgelöste Spannung zwischen »Aktion« und »Besinnung«
(ebd., ) zum Ausdruck. Denn einerseits bezeichnete Jünger den Wald-
gänger als »Partisan« (ebd., ) und als »Mann der freien und unabhängi-
gen Aktion« (ebd., ). Er verglich ihn mit den »Guerillas« (ebd., ) der
antinapoleonischen Kämpfe in Spanien und schilderte in einer Passage
die Aktivitäten des Waldgängers »im Hinterland des Feindes« als klas-
sischen Guerillakampf:

»Er führt den kleinen Krieg entlang der Schienenstränge und Nach-
schubstraßen, bedroht die Brücken, Kabel und Depots. Seinetwegen
muß man die Truppen zur Sicherung verzetteln, die Posten verviel-
fachen. Der Waldgänger besorgt die Ausspähung, die Sabotage, die
     -

Verbreitung von Nachrichten in der Bevölkerung. Er schlägt sich ins


Unwegsame, ins Anonyme, um wieder zu erscheinen, wenn der Feind
Zeichen von Schwäche zeigt. Er verbreitet eine ständige Unruhe, er-
regt nächtliche Paniken. Er kann selbst Heere lähmen, wie man es an
der Napoleonischen Armee in Spanien gesehen hat.« (Ebd., )
Dies war die Dimension des »Waldgangs«, die Carl Schmitts besonderes
Interesse fand. Tatsächlich berichtete Jünger in einem Brief an Mohler
vom . September , mit Schmitt über den spanischen Partisanen-
krieg gesprochen und ihn mit der gegenwärtigen Aufgabe des Waldgän-
gers verglichen zu haben, der sowohl gegen den Osten wie den Westen
kämpfen müsse. In dieser doppelten Frontstellung gegen Ost und West
ging Schmitt mit Jünger konform. Als er den »Waldgang« schließlich
gelesen hatte, äußerte er sich Mohler gegenüber anerkennend darüber:
»Der Waldgang zeigt wirklich die Klaue des Löwen und zugleich die stell-
vertretende Bedeutung Jüngers für Deutschland.« Etwas mehr als zehn
Jahre später entwickelte er seine eigene »Theorie des Partisanen«, in der
er ebenfalls vom spanischen Guerillakrieg gegen Napoleon ausging und
Jüngers »Waldgang« als Referenzwerk zitierte.
Doch in dieser Konstellation gab es noch ein Andererseits. Denn auch
wenn Jünger den Guerillakämpfer und Partisanen als eine Erscheinungs-
form der Gestalt des Waldgängers nannte, wird in den übrigen Passagen
doch deutlich, dass dies für Jünger nicht die vorherrschende oder wich-
tigste Erscheinungsform war. Wenn, wie er schrieb, das »tätige Prinzip«

 Vgl. Neaman, Dubious Past, S. . Schon im Juni  hatte Jünger Gerhard
Nebel gegenüber angekündigt, mit Schmitt Fragen des Widerstands gegen den
»Leviathan« besprechen zu wollen: »Don Capisco [Carl Schmitt] schrieb mir
einen schönen Brief, ich hoffe, ihn demnächst einmal zu sehen. Ich habe einige
Fragen an ihn, die mir am Herzen liegen; sie betreffen die Taktik, die in den
nächsten Jahren zu verfolgen ist. Ich vermute, daß er als bester Kenner des Levi-
athans dazu Wichtiges mitzuteilen hat.« (EJ/GN, ) An Vittorio Klostermann
schrieb Jünger, dass der »Waldgang« so angelegt sei, dass er »unmittelbar in die
Praxis übergehen kann« (E. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann,
DLA Marbach). Auch Jüngers Absicht, »ein besonderes ›W‹ für die Schrift zu
entwerfen, ähnlich dem ›V‹, das man während des Krieges sah« (ebd.), zeugte von
seiner Vorstellung, der »Waldgang« könne unmittelbar zum Erkennungs- und
Protestzeichen des neuen Widerstands werden.
 Vgl. Pyta, Deutschlandkonzepte.
 Schmitt, Briefwechsel, S. . Schmitt fügte hinzu: »Darin und in zahlreichen
treffenden Sätzen ist das Buch gross. Viele Einzelheiten finde ich schwach.«
 Vgl. Schmitt, Theorie des Partisanen; zu Jünger S. f.
 Burkhardt, Innenseite, betont die Gleichzeitigkeit von »Tatbereitschaft« und
,       

sich »im Arbeiter entfaltet« (ebd., ), der Waldgänger aber die Gegen-
gestalt zum Arbeiter darstellte, dann konnte der Waldgänger nicht seiner-
seits eine Verkörperung des tätigen Prinzips sein. Während der Arbeiter
die Gestalt der totalen Mobilmachung und damit der fortwährenden
Dynamisierung und Bewegung war, waren dem Waldgänger die Ruhe
und das Beständige zugeordnet. Der »Mensch der Zivilisation, der Mensch
der Bewegung und der historischen Erscheinung«, so Jünger, werde in
der Gestalt des Waldgängers »seinem ruhenden und überzeitlichen We-
sen« (ebd., ) gegenübergestellt. Der Austritt aus der Arbeitswelt galt
Jünger als Eintritt in den Bezirk des Überzeitlichen und Unverletzbaren:
»Der Wald ist Heiligtum.« (Ebd., )  Folglich konnte der Waldgänger
auch nicht in erster Linie politischer Aktivist sein. Vielmehr könne er nur
Erfolg haben, so Jünger, »wenn ihm von den drei großen Mächten der
Kunst, der Philosophie und der Theologie Hilfe geboten und Bahn im
Ausweglosen gebrochen wird« (ebd., ). Die für Jünger wichtigste Ver-
körperung des Waldgängers war nicht der Guerillakrieger, sondern der
»Autor«, »denn Autorschaft ist nur ein Name für Unabhängigkeit« (ebd.,
). Aus der »Überlegenheit der musischen über die technische Welt«
folgerte Jünger: »der Dichter ist Waldgänger« (ebd., f.). Ernst Jünger
aktualisierte hier den auch von seinem Bruder und in der Auseinander-
setzung mit Ernst Niekisch konstruierten Gegensatz von musischem und
politisch-aktivem Menschen, wobei der Waldgänger als musische Figur
erschien. Folglich sollte der Widerstand im Wald wie schon in den »Mar-
morklippen« in erster Linie mit geistigen Mitteln geleistet werden. Jünger
beschäftigen im »Waldgang«, wie er selbst schrieb, »andere als politische
Ideen« (ebd., ). Dies war der zentrale Unterschied zu Carl Schmitt, der
mit seiner »Theorie des Partisanen« nicht an Formen des passiven Rück-
zugs, sondern des irregulären Kampfes interessiert war und der Jüngers
Quietismus nicht gutheißen konnte.

»Kontemplation« (S. ) schon beim frühen Jünger und findet diese Gleichzei-
tigkeit im »Waldgang« wieder, verfehlt dabei m. E. aber gerade die Verschiebun-
gen, die sich in diesem Verhältnis während des »Dritten Reichs« vollzogen haben
und die auch im »Waldgang« zum Tragen kamen.
 Schon in seinem Nachkriegstagebuch sprach Jünger vom »Dickicht mit seiner
webenden, heilenden Pracht. Dort ist die Heimat, das unzerstörbare Land.« (EJ
/, ) Zugleich schrieb er vom Trost durch den Waldgang: »Zum Glück
gibt es noch Gärten, Wälder, Bücher, Einöden.« (Ebd., ) In derselben Weise
figurierte auch für Friedrich Georg Jünger die »Wildnis« (FGJ b) als Refu-
gium des musischen Menschen.
 Vgl. Horn, Waldgänger.  verfasste Carl Schmitt dann auch eines seiner noto-
rischen Spottgedichte auf den »Waldgang«: »Die Knabenlehrerknaben traben /
     -

Diese Divergenz spiegelte sich zugleich auf der Ebene der Kultur-
kritik. Denn Schmitt teilte in weiten Teilen durchaus die Diagnose der
Brüder Jünger und anderer, in einem Zeitalter der Technisierung, Büro-
kratisierung und Vermassung zu leben. Der entscheidende Unterschied
lag aber darin, dass für Schmitt der technische Fortschritt zu einer »Ent-
politisierung« geführt habe, der gegenüber die Sphäre des Politischen zu-
rückerobert werden müsse. Für Jünger stellte das Zeitalter der totalen
Mobilmachung dagegen auch ein Zeitalter der totalen Politisierung dar,
wie er es im »Arbeiter« geschildert und begrüßt hatte, dem er sich nun
aber entziehen wollte. Der Waldgänger war auch in diesem Sinn der Ge-
gentypus zum Arbeiter, da er sich gerade nicht total politisieren lassen
wollte und die Freund-Feind-Unterscheidung unterlief, indem er sich
der Sphäre des Politischen entzog und die Entscheidung über die von den
»fragestellenden Mächten« gestellte Alternative des »Entweder-Oder«
(ebd., ) verweigerte.
Der Widerstand gegen den Leviathan war für Jünger also auch ein
Widerstand gegen den Zwang zur Politik und auf diese Weise ein Rück-
zug in das von Schmitt kritisierte Private. Gleichzeitig war er ein »Wi-
derstand gegen die Zeit«, und zwar »nicht nur gegen diese«, wie Jünger
präzisierte, »sondern jede Zeit überhaupt« (ebd., ). Der Waldgänger
müsse sich den Zugang offen halten »zu Mächten, die den zeitlichen
überlegen und niemals rein in Bewegung aufzulösen sind« (ebd., ). Der
Waldgang als Übertritt ins Zeitlose bedeutete so für Jünger zugleich
einen Austritt aus der Geschichte. Auch diesen Schritt ins Posthistoire
konnte Schmitt nicht mit vollziehen. Das lässt sich an einem weiteren
Text Ernst Jüngers aus den frühen er Jahren zeigen, der eine Antwort
von Carl Schmitt erhalten hat: dem »Gordischen Knoten« von .
Dieser Essay, der ursprünglich »Ost und West« betitelt werden sollte,
hatte auf den ersten Blick ebenso wie der »Waldgang« eine aktuell-poli-

schon längst nicht mehr im Schützengraben; / ihr Kampfrevier ist jetzt der
Wald, / in rein vergeistigter Gestalt.« (Vgl. das vollständige Gedicht in EJ/CS,
f.; die »Knabenlehrerknaben« bezogen sich wohl auf Jüngers Großvater, der
Gymnasiallehrer war.)
 Vgl. Vollrath, Kulturkritik.
 Vgl. dazu Schmitts Vortrag von  »Das Zeitalter der Neutralisierungen und
Entpolitisierungen«, in: Schmitt, Begriff des Politischen, S. -, sowie McCor-
mick, Critique.
 Alfred Weber kritisierte den »Gang in die ›Wildnis‹« aus der entgegengesetzten
politischen Richtung als »Weltflucht«, die gerade »nicht zu einem Kampf für
praktische politische Freiheit« führe (Weber, Flucht, S. ).
 Vgl. zu Jüngers Posthistoire unten, Kap. ..
,       

tische Dimension, da er als Kommentar zum Ost-West-Konflikt erschei-


nen konnte. Wie aus dem Text hervorgeht, war Jünger aber nicht an einer
politischen Analyse des Kalten Kriegs interessiert. Der von Alexander dem
Großen per Schwerthieb durchtrennte gordische Knoten diente Jünger
vielmehr als »Sinnbild aller großen Begegnungen zwischen Europa und
Asien« (EJ a, ) und damit als Symbol für die »Schicksalsfrage« der
Begegnung von Orient und Okzident, die »sich stets von neuem stellt«
(ebd., ), das heißt als Symbol einer gleichsam überhistorischen Dicho-
tomie, die sich in der Geschichte in ständiger »Wiederkehr« (ebd., )
abbilde und aktualisiere.
Das Zentrum dieser Dichotomie war für Jünger die Gegenüberstel-
lung von »Freiheit und Schicksalszwang« (ebd., ), wobei er die Freiheit
dem Westen und das Schicksal und die »Despotie« (ebd., ) dem Osten
zuordnete. In dieser Zuordnung wurde Jüngers Option für das »Abend-
land« (ebd., ) deutlich erkennbar, zumal er die asiatischen Despoten
mit rassistischen Stereotypen wie den »schlitzäugig Dunklen« oder den
»kleinen, lächelnden Gelben« beschrieb, deren Macht auf dem »Blut von
Massenmorden« (ebd., ) gründe. In diesem Sinn konnte Jünger auch
Hitler als östlichen Despoten charakterisieren (ebd., f.). Gleichzeitig
diente ihm die Unterscheidung von östlichen und westlichen Kriegen
dazu, die »Kriege an der Ost- und Westfront« im Zweiten Weltkrieg, die
er beide erlebte hatte, als »zwei grundverschiedene Feldzüge« (ebd., )
zu bezeichnen und den »Mordbrand« (ebd., ) und die »Strategie der
verbrannten Erde« an der Ostfront den »östlichen Macht- und Raumvor-
stellungen« (ebd., ) zuzuschreiben. Auf diese Weise konnte er in Vor-
wegnahme der späteren Thesen Ernst Noltes von der »asiatischen Tat«
den Antikommunismus der Adenauer-Republik mit einer entlastenden
Deutung des nationalsozialistischen Raub- und Vernichtungskrieges ge-
gen die Sowjetunion verbinden.
Allerdings ging es Jünger nicht in erster Linie darum, den asiatischen
Schicksalszwang moralisch zu verurteilen und die Überlegenheit der
westlichen Freiheit zu behaupten. Vielmehr sprach er von »zwei Schich-
ten des menschliche Seins, die jeder in sich trägt« (ebd., ) und deren
Balance in der immer neuen Begegnung von Morgen- und Abendland zu
erhalten »eine ständige Aufgabe« (ebd., ) bleibe. Das »Hin und Her

 In diesem Sinn stand Ernst Jüngers geschichtsphilosophischer Essay dem Auf-


satzband seines Bruders Friedrich Georg Jünger über »Orient und Okzident« we-
sentlich näher als dem politischen Pamphlet »Ost und West« von Ernst Niekisch;
vgl. dazu oben, Kap. ..
 Vgl. Seferens, Leute, S. ; Köhler, Niederlage.
     -

des Austausches« bedeute eine »gegenseitige Befruchtung zwischen dem


Geist des Westens und östlicher Substanz« (ebd., f.). Damit hielt Jün-
ger an seiner mythischen Weltsicht auf die überzeitlichen Prinzipien des
Ostens und des Westens fest.
Dieser zyklischen Geschichtsbetrachtung setzte Carl Schmitt  in
seinem Beitrag für die Festschrift zu Ernst Jüngers . Geburtstag eine
lineare Geschichtsauffassung entgegen. In seinen »Bemerkungen zu Ernst
Jüngers Schrift ›Der Gordische Knoten‹« beschrieb Schmitt den heutigen
»Weltgegensatz von Ost und West« als Gegensatz von Land und Meer,
der aus der maritimen Entwicklung Englands seit der frühen Neuzeit
entstanden sei, die zugleich die industrielle Revolution als prägende
Größe der gegenwärtigen Epoche hervorgebracht habe. Auch Schmitt
verklausulierte damit die Blockkonfrontation des Kaltes Kriegs und
nahm keine konkrete Stellung zu ihr. Der entscheidende Unterschied zu
Jünger bestand aber darin, dass er Jüngers zyklischem Geschichtsbild
einer »Wiederkehr des Ewigen in der Zeit« eine »konkret-geschichtliche«
Sichtweise entgegenstellte, die er als »dialektisch« bezeichnete. Mit Dia-
lektik meinte Schmitt die »Aufeinanderfolge einer konkreten Frage und
einer ebenso konkreten Antwort«, aus der die Geschichte bestehe und
die zur Einmaligkeit jeder konkreten historischen Situation führe. Diese
Dialektik unterscheide sich von Jüngers »Denken in Polaritäten« darin,
dass dieses auf einer »ewigen Wiederkehr« der polaren Gegensätze beruhe,
während die dialektische Sichtweise impliziere, dass »eine geschichtliche
Situation erst dann begriffen ist, wenn wir sie als einmalige konkrete Ant-
wort auf den Anruf einer ebenso einmaligen konkreten Situation begrif-
fen haben«.
Mit diesem Festschriftenbeitrag für Ernst Jünger wies Carl Schmitt
nicht nur dezent auf einige Ungenauigkeiten in Ernst Jüngers weltge-

 Vgl. Schmitt, Geschichtliche Struktur. Schmitt griff für diese Argumentation auf
seinen Essay »Land und Meer« von  zurück, der  in zweiter Auflage er-
schienen war; vgl. Schmitt, Land und Meer.
 Schmitt, Geschichtliche Struktur, S.  u. .
 Ebd., S. .
 Ebd., S. ff. Vgl. auch ebd., S. : »Mit dem Wort dialektisch ist hier der Ge-
gensatz zu allen Polaritätsvorstellungen zum Ausdruck gebracht. Das Wort soll
die Frage-Antwort-Struktur aller geschichtlichen Situationen und Ereignisse zum
Ausdruck bringen.« Schmitt bezog sich damit auf die von Arnold Toynbee be-
schriebene »Challenge-Response-Struktur der Kulturgeschichte« (ebd., S. ). Stef-
fen Martus weist zudem auf die »heilsgeschichtliche Dimension« von Schnitts
»christlich-linearem« Zeitmodell hin, das dem »mythisch-zyklischen« von Jünger
entgegenstehe; vgl. Martus, Ernst Jünger, S. .
,       

schichtlichen Betrachtungen hin. Er konstatierte auch die fundamentale


Andersartigkeit ihres geschichtlichen bzw. ungeschichtlichen Denkens.
Für Schmitt war zudem klar, dass sich nicht nur die Geschichte, sondern
auch die Politik immer nur in konkreten Frage-Antwort-Situationen ab-
spielen könne, während für Jünger der Ausstieg aus der Geschichte auch
der Vermeidung der politischen Frage diente, wie schon am »Waldgang«
deutlich wurde. Auch der »Gordische Knoten« musste für Schmitt also
als Beleg dafür erscheinen, dass Jünger seit dem Ende des Zweiten Welt-
kriegs »privat« geworden war.

Ernst Jünger und Armin Mohler

Armin Mohler hatte schon  in einem Brief an Carl Schmitt von der
»absoluten und nicht graduellen Andersartigkeit« von Schmitt und Jün-
ger gesprochen: »Sie beide müssen sich nun einmal damit abfinden, dass
Sie die beiden Möglichkeiten des deutschen Geistes heute paradigma-
tisch verkörpern.« Mohler fügte hinzu: »Jünger hat keinen Sinn für das
Geschichtliche, er sieht nur die unveränderlichen Dinge.« Diesen von
Schmitt ebenfalls benannten Unterschied von geschichtlichem und un-
geschichtlichem Denken hob Armin Mohler auch in seinem eigenen
Festschriftenbeitrag für Jünger hervor. Er nutzte darin die Beschreibung
einer Begegnung von Schmitt und Jünger, um ihre »Wesensverschieden-
heit« als die Verschiedenheit von mythischem, auf das »Zeitlose« ge-
richtetem Denken bei Jünger und geschichtlichem, auf die politische
Situation gerichtetem Denken bei Schmitt zu charakterisieren. Mohlers
eigene politische und intellektuelle Prägung vollzog sich in der Nach-
kriegszeit genau zwischen diesen »beiden Möglichkeiten des deutschen
Geistes«, die er in seinen beiden Idolen Schmitt und Jünger verkörpert
sah.
Der  in Basel geborene Schweizer Armin Mohler hatte sich schon
früh für die Fragen des »deutschen Geistes«, wie er sie verstand, interes-
siert. Nach dem Angriff des »Dritten Reichs« auf die Sowjetunion 
beschloss Mohler, »den Deutschen den Krieg gewinnen zu helfen« , und
ging als Soldat schwarz über die Grenze, um sich um Aufnahme in die

 Schmitt, Briefwechsel, S. .


 Ebd.
 Mohler, Begegnungen. Als Vertreter eines dritten Denktypus, den er den »ab-
strakten« nannte, beschrieb Mohler Friedrich Hielscher.
 Fringeli, Gespräch mit Armin Mohler, S. .
     -

Waffen-SS zu bemühen. Dort wurde er allerdings abgewiesen und in


einem Auffanglager für illegale Ausländer interniert. Nach seiner Entlas-
sung ging er zum Studium nach Berlin, kehrte aber nach einem Jahr in
die Schweiz zurück, wo er wegen seines deutschen Abenteuers zu einem
halben Jahr Festungshaft verurteilt wurde. Nach dem Ende des Kriegs
bemühte er sich, wie schon geschildert, zusammen mit anderen Schwei-
zer Studenten um seine geistigen Vorbilder in Deutschland, zu denen an
erster Stelle Ernst Jünger und Carl Schmitt gehörten.  schloss er sein
Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Germanistik in Basel mit
seiner Promotion über »Die Konservative Revolution in Deutschland
-« ab. Dieses  erschienene Buch, das in mehreren Auflagen
diskursbildend geworden ist, diente Mohler nicht nur dazu, die konser-
vativen Revolutionäre als »Trotzkisten des Nationalsozialismus« von den
Tätern des »Dritten Reichs« abzugrenzen und dadurch zu ihrer Rehabili-
tierung beizutragen. Er wollte die »Konservative Revolution« zugleich
als eine »geistige Erneuerungsbewegung« darstellen, die auch noch »heu-
te auf den verschiedensten Wegen« weitergehe. Schließlich verfolgte er
neben der politischen auch die persönliche Absicht, den eigenen intellek-
tuellen Standpunkt zu klären.
Nach Abschluss der Promotion wurde Mohler noch  persönlicher
Sekretär von Ernst Jünger, nachdem aus dem Redakteursposten für die
geplante Zeitschrift nichts geworden war. Im Sommer  gab Mohler
diese Stellung bei Jünger auf und ging als Korrespondent zunächst der

 Vgl. zu Mohlers Werdegang auch Laak, Gespräche, S. -; Neaman, Dubious


Past, S. -.
 Einer der Gutachter war Karl Jaspers, der sich, so Mohlers Erinnerung, trotz
abweichender Meinung für Mohler einsetzte; vgl. Mohler, Tendenzwende, S. -
.
 Vgl. oben, Kap. ..
 Mohler, Konservative Revolution, S. XXVIII. Angeblich soll Heidegger in einem
Brief an Ernst Jünger vom . Dezember  Mohlers »Konservative Revoluti-
on« ein Buch genannt haben, »für dessen Thematik der Kairos noch einmal oder
erst eigentlich ankommt« (zit. n. Mohler, Ergänzungsband, S. ). Im Heidegger-
Jünger-Briefwechsel ist zwar ein Brief Heideggers vom .. enthalten, in
dem Mohler allerdings nicht erwähnt wird. Wie Ernst Klett an Gerhard Nebel
schrieb, hat sich Heidegger aber auch in einem Brief an ihn »lobend über Moh-
lers Buch geäussert« (E. Klett an G. Nebel, .., A: Nebel, DLA Marbach).
 Im Dezember  hatte er an Ernst Jünger geschrieben: »Es ist schwer, eine
Autobiographie in eine wissenschaftliche Arbeit umzusetzen.« (A. Mohler an
E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach)
 Vgl. zu dieser Zeit Mohler, Ravensburger Tagebuch; zu Mohlers Verhältnis zu
Jünger allgemein Wimbauer, Kritische Verehrung.
,       

Schweizer Wochenzeitung Die Tat, später der Hamburger Zeit und an-
derer Zeitungen nach Paris.  kehrte er nach Deutschland zurück und
wurde  Geschäftsführer der Carl Friedrich von Siemens-Stiftung in
München. Von den er bis in die er Jahre war Mohler einer der
führenden Köpfe des deutschen Neokonservatismus und Rechtsextremis-
mus und Vordenker der so genannten »Neuen Rechten«, die nicht nur
maßgebliche Impulse von der französischen »Nouvelle Droite« um Alain
de Benoist erhielt, sondern auch auf die Ideen der Konservativen Revolu-
tion der Zwischenkriegszeit zurückgriff.  starb Mohler jährig in
München.
So eng die Beziehung von Armin Mohler zu Ernst Jünger in der Nach-
kriegszeit und den er Jahren auch war, so war sie doch von Anfang an
nicht ohne Spannungen.  bescheinigte Ernst Jünger ihm zwar noch,
dass er mit dessen Tätigkeit bei ihm in jeder Hinsicht zufrieden gewesen
sei. Dies war allerdings bereits eine beschwichtigende Reaktion auf
Missstimmungen, die nach Mohlers Abreise aufgebrochen waren. 
dokumentierte Mohler seine Verbundenheit und Dankbarkeit Jünger
gegenüber durch zwei Publikationen. So gab er nicht nur die Festschrift
für Ernst Jünger im Klostermann-Verlag heraus, für die er seine Geistes-
heroen Carl Schmitt, Martin Heidegger, Gottfried Benn und Friedrich
Georg Jünger zusammen brachte. Er stellte für den Schweizer Arche-
Verlag Peter Schifferlis auch einen kleinen Band mit »Dokumenten zum
Weg von Ernst Jünger« zusammen, in dem er unter anderem von seinen
Erfahrungen als Jüngers Sekretär berichtete. Doch schon  hatte
Mohler Carl Schmitt von seinen Differenzen mit Jünger geschrieben, die

 Vgl. Assheuer/Sarkowicz, Rechtsradikale; Rosellini, Literary Skinheads.


 Vgl. E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 An Ernst Jünger schrieb Mohler ausdrücklich, dass die Festschrift »auf die vier
Eckpfeiler Heidegger – C. S. – Benn – F. G. J. hinkomponiert« sei. Die »›geistes-
politische‹ Sensation« bestehe darin, »dass drei so verschiedenartige Potentaten
wie Heidegger, Carl Schmitt und Benn zur Begrüßung eines Vierten sich zum
ersten Mal unter einem Buchdeckel zusammengefunden haben« (A. Mohler an
E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach). Wie Mohler während der Arbeit
an der Festschrift an Friedrich Georg Jünger geschrieben hatte, sollten darin zwar
nur Personen schreiben, die »eine persönliche Beziehung zu Ihrem Bruder« ha-
ben, damit der Band das angemessenen Niveau erreiche, müssten dazu aber auch
»Freunde in einem distanzierteren Sinne« eingeladen werden, zu denen Mohler
Schmitt, Heidegger und Benn zählte (A. Mohler an F. G. Jünger, .., D:
F. G. Jünger, DLA Marbach).
 Vgl. Mohler, Schleife. Mohler widmete Jünger diesen Band mit den Worten:
»Für Ernst Jünger zum . März  von einem der vielen, die ihm verdanken,
›daß ihnen das Leben nicht etwas Gewöhnliches geworden ist‹.« (Ebd., S. )
     -

sich in erster Linie auf politische Fragen bezogen: »So gut wie ich mich
sonst mit E. J. verstehe, in politicis reden wir leider meist aneinander
vorbei, und mir scheint oft, dass er mich nicht verstehen will.« Dem-
gegenüber sei es Schmitt, dem Mohler die »Schärfung des Blicks für das
Politische« verdanke.
Mohler teilte Schmitts Bedenken, dass Ernst Jünger nach dem Krieg
durch Anpassung an die bürgerliche Öffentlichkeit harmlos zu werden
drohe. Schon vor Antritt seines Sekretärpostens hatte Mohler an Jünger
geschrieben, er werde »immer sauer auf alles reagieren, was die Tendenz
hat, aus Ihnen den Gerhart Hauptmann der zweiten Republik zu ma-
chen« . Nachdem Jünger  den Rudolf-Alexander-Schröder-Preis der
Stadt Bremen entgegengenommen hatte, gestand ihm Mohler, er habe
die darüber in Bremen geführte Kontroverse »mit einer Mischung aus
Aegriertheit und Amüsiertheit« verfolgt: »Eine Strafe musste schliesslich
sein, wenn man Ernst Jünger heisst und einen Literaturpreis annimmt …«
Auf diese Sottise Mohlers antwortete Jünger mit einer grundsätzlichen
Bemerkung über seine Eigenschaft als »Politikon«, auf die er gerne ver-
zichten würde, da er eigentlich kein politischer Mensch sei:
»Was die Bremer Angelegenheit betrifft, so haben Sie Recht. Man, das
heißt ich, darf sich aber nicht in persönlicher Gereiztheit verlieren,
sondern muß über das Grundsätzliche der Sache nachdenken. Das liegt
doch wohl im Politischen. Das Merkwürdige liegt darin, daß ich eigent-
lich kein politischer Mensch, sondern ein Politikon bin. Und daran ist
wieder das Mißliche, daß dieses Politikon sich nicht in den herrschen-
den Machtkampf eingliedern läßt. […] Wenn ich es könnte, würde
ich meine Eigenschaft als Politikon ablegen, was leider nicht möglich
ist. Sie liegt in dem, was ich sehe, nicht in dem, was ich will.«

 Schmitt, Briefwechsel, S. .


 Ebd., .
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. Mohler fügte noch
hinzu: »Denken Sie an Heideggers Entwicklung, seit er seine Hütte verliess. Er
ist dadurch nicht stärker geworden.« Jünger selbst wunderte sich in seiner Dan-
kesrede, dass die Jury ein »so heißes Eisen« wie ihn anfasste, »oder sollte das ein
Zeichen dafür sein, daß das Eisen kälter geworden ist?« (Zit. n. Dietka, Ernst
Jünger nach , S. ) Schmitt und Mohler hätten diese rhetorische Frage
Mitte der er Jahre sicher bejaht. Vgl. zum Streit in Bremen und zu anderen
bundesrepublikanischen Ehrungen Jüngers Neaman, Dubious Past, S. -.
 E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach. Jünger fügte hinzu:
»Wunderlich ist, daß mein Bruder, der doch auch viele heiße Eisen angefaßt hat,
in viel geringerem Maße Politikon ist.«
,       

Schon zwei Jahre zuvor hatte Jünger mit Mohler eine grundsätzliche Aus-
einandersetzung über sein Verhältnis zur Politik geführt. Mohler hatte
von ihm eine Stellungnahme zu aktuellen politischen Fragen verlangt,
worauf Jünger antwortete, diese bezögen sich nur auf »Vordergrunds-
Verteilungen«. Im Grunde gebe es »nur eine Macht, welche die großen
Probleme der Zeit mit sich selbst abhandelt und zum Ziele bringen wird,
und das ist die Gestalt des Arbeiters«, diese sei aber »natürlich keine poli-
tische Idee, sondern eine metaphysische«. Eine Ausrichtung an solchen
»politisch-metaphysischen Gesichtspunkten« sei aber »gründlicher als die
durch politische Konstellationen, die vorüberziehen«. Politisch könne
»man heute mit gleichem Recht entgegengesetzte Aktionen befürwor-
ten«. Mohler antwortete mit einer Kritik an dieser »metapolitischen«
Haltung Jüngers. Er könne zwar verstehen, dass Jünger sich nicht mit
politischem »Kleinkram« beschäftigen wolle. Seine Äußerungen über den
»Arbeiter« seien aber immer schon »im absoluten Raum gesprochen«.
Dazwischen gebe es noch eine Schicht, die Jünger zu leicht übergehe:
»Sie sagen ja: ›Politisch kann man heute mit gleichem Recht entgegen-
gesetzte Aktionen befürworten.‹ Das ist von der metapolitischen Sphäre
aus gesehen richtig. Aber Sie leben in der Zeit, das Schicksal hat Sie in
einen politischen Raum gestellt. Mir scheint, dass Sie es sich – aber nur
in politicis! – in diesem Bereich etwas zu leicht machen. Sie argumen-
tieren dann im politischen Bereich mit metapolitischen Schlüssen.«
Durch seine Schriften habe Jünger aber »auf die jetzt in die Politik ein-
tretende Generation in Deutschland sehr stark gewirkt«: »Sie treiben
keineswegs bloss Metaphysik, sondern Sie haben in jener mittleren kon-
kreten politischen Zone unmittelbare Wirkungen – ob Ihnen das nun lieb
ist oder nicht.« Jünger müsse es sich daher gefallen lassen, »dass Ihr stör-
rischer Ex-Secretarius Sie gerade auf dieser politischen Ebene zu stellen
sucht, auf der Sie nicht angetroffen werden möchten«. »Was Sie von

 E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 Ebd. Sechs Jahre später schrieb Jünger Mohler erneut, dass alle scheinbar entge-
gengesetzten politischen Bewegungen auf einer höheren Ebene der »Arbeitswelt«
dienten, und benutzte für dieses Argument das Bild eines Schachbretts. Jünger
interessiere sich nicht für die Bewegung der Figuren auf dem Brett, sondern die
Regeln und Begrenzungen des Bretts selbst, die nicht politischer Natur seien.
Jünger suche grundsätzlich nach Standpunkten, die von der Politik unabhängig
seien; vgl. E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Ebd.
 Ebd.
     -

meinen politischen Schriften schreiben, ist richtig«, antwortete Jünger,


»aber deren politische Wirkung ist ein Nebenprodukt.« Vielleicht, so
Jünger weiter, »muß man das Politische überholen; man nimmt es auf
wie eine Schützenlinie und geht über seine Ziele vor«. Jeder solle sich den
Aufgaben widmen, für die er »mit den entsprechenden Organen ausge-
rüstet« sei, und das seien in Jüngers Fall keine politischen:
»Sie haben auf die Dinge eine andere Sicht, und zwar notwendig, sind
ebenfalls gut ausgerüstet für Ihre Aufgabe. […] Es gibt nichts schlim-
meres, als wenn man sich Dinge zumutet, die dem Wuchs nicht ent-
sprechen, also etwa als Esel aufs Eis gehen will. Eben dieses politische
Eis wurde mir immer wieder gezeigt. Ich war doch nicht Esel genug,
um feste darauf zu gehen.«
Jünger nahm damit dieselbe Abgrenzung vor, die beide Brüder Jünger
gegenüber Ernst Niekisch vollzogen, und definierte sich als unpoliti-
schen Menschen, für den der zeitweilige politische Aktionismus eine
Abirrung gewesen sei. Für Mohler war aber gerade der politische Jünger
der Weimarer Republik das eigentliche Idol. Im selben Maß, in dem sich
Jünger von seiner politisch-aktivistischen Phase distanzierte, verlor er in
den Augen Mohlers auch an Kompetenz zur Beantwortung von Fragen
der Gegenwart. So schrieb er ihm im August :
»Unter meinen Notizen für Sie finde ich noch ein Zitat aus der
rechtsstehenden Wochenzeitung ›Der Fortschritt‹ (Düsseldorf ): ›Viele
unserer geistig Schaffenden – ein klassisches Beispiel dafür ist Ernst
Jünger – haben ihre Vergangenheit nach  so sehr verdrängt, dass
ihnen gültige Aussagen zur Gegenwart versagt bleiben.‹ Das ist in einem
Satze zusammengefasst die Kritik der extremen Rechten an Ihnen, in
den letzten Jahren.«
Es war auch Mohlers Kritik. Dabei gestand er Jünger durchaus eine Wei-
terentwicklung zu und vertrat in der nach  heiß diskutierten Frage
nach Jüngers »Wandlung« und der »Ganzheit« seines Werks die auch von
Gerhard Nebel vertretene Ansicht, »dass es sich bei Ihrer Entwicklung
[…] um eine ›Entfaltung‹ und nicht um einen ›Bruch‹ handelt«. Der

 E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 Ebd.
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. Eineinhalb Jahre
zuvor hatte Mohler ihm allerdings noch gestanden, dass er bei der ersten Lektüre
des »Friedens« »wie die meisten Ihrer Schweizer Freunde betroffen« gewesen sei:
,       

von Mohler besonders bewunderte frühe Jünger dürfe aber durch den
späten nicht verleugnet oder nachträglich retuschiert werden.
Diese Frage nach der späteren Retusche konzentrierte sich bald auf
den »Arbeiter«, den Mohler nicht nur für Jüngers wichtigstes Buch hielt,
sondern über dessen Wiederauflage, Überarbeitung oder Ergänzung
Jünger seit  verschiedentlich nachdachte. Im Januar  vermerkte
Mohler in einem Porträt Friedrich Georg Jüngers in der Weltwoche, des-
sen »Perfektion der Technik« er als »Gegenwerk zu Ernst Jüngers ›Ar-
beiter‹« bezeichnete, besorgt, ihn habe die Nachricht erreicht, »dass Ernst
Jünger sein Hauptwerk von  umschreibe: dass er die revolutionären
Elemente auszuscheiden und hinter dem Dynamischen der endlosen Be-
wegung das Statische der ewigen Ruhe hervorzuheben suche«. Jünger
schrieb ihm daraufhin, dass diese »Gerüchte« »nicht ganz zutreffend«
seien:
»Ich sehe in diesem Buche die Schilderung von Mächten, die immer
wirklich bleiben werden, ähnlich wie die Titanenwelt ja nicht ver-
schwindet, wenn der Olymp sie überhöht. Im Gegenteil gedenke ich
den Text noch schärfer durchzuzeichnen, und die wesentliche Ver-
änderung soll nun in der Anfügung eines dritten, theologischen Teils
bestehen.«
Mohler war über die Nachricht, dass Jünger »zu den Grundlinien« des
»Arbeiter« stehe, sehr erleichtert, denn für ihn und seine Freunde, »von
denen fast alle von Ihrem Werk in entscheidender Weise getroffen wor-
den sind«, sei er »vor allem und zuerst der Autor des ›Arbeiters‹. Dieses
Buch hat uns am tiefsten getroffen und uns zu Ihren Lesern gemacht.«

»ich hielt diese Schrift für einen absoluten Bruch mit den früheren Werken. Erst
die spätere Beschäftigung mit Ihrem Werk lehrte mich, sie wesentlicher zu se-
hen.« (A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach) Jünger hatte
ihm zuvor geschrieben: »Auch das Bekannte kann sich ändern, wie etwa das Alte
Testament durch die Hinzufügung des Neuen an Sinn gewinnt. So bin ich der
Meinung, daß zwei Schriften wie die über den ›Frieden‹ und die ›Totale Mobil-
machung‹ sich nicht nur nicht ausschließen, sondern daß sie sich gerade dadurch
vertiefen und erhöhen, daß ein und dieselbe Feder sie geschrieben hat.« (E. Jün-
ger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach)
 Mohler, Friedrich Georg Jünger.
 E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach. Jünger ergänzte
noch: »Übrigens besteht zwischen der ›Perfektion der Technik‹ und dem ›Ar-
beiter‹ nicht der Antagonismus, den Sie andeuten, sondern auch ein Verhältnis
ontogenetischer Art.«
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

Gerade wegen dieser Bedeutung habe Jünger auch keine absolute Ver-
fügungsgewalt über dieses Buch mehr, wie Mohler einige Monate später
ergänzte:
»Ueberhaupt möchte ich nun ›Stimme des Lesers‹ sein und Ihnen zu-
rufen, dass Sie auf Ihre frühen Werke kein Recht mehr haben, dass sie
nicht mehr Ihnen gehören. Wieso wollen Sie zum ›Arbeiter‹ einen
theologischen Teil schreiben? Der ›Arbeiter‹ lebt nun seit anderthalb
Jahrzehnten und bewegt sich von selbst fort, in einer Art, über die Sie
keine Macht mehr haben. Gewiss, jene ›neue Theologie‹ muss ge-
schrieben werden, und wir hoffen, dass Sie sie schreiben werden. Aber
das ist ein Buch, das mit dem ›Arbeiter‹ nichts zu tun hat.«
Schon zu diesem frühen Zeitpunkt deutete sich also der Konflikt an, der
später zum Bruch zwischen Mohler und Jünger führte, denn Mohler kri-
tisierte Jünger beim Erscheinen von dessen erster Werkausgabe  ge-
nau dafür, seine frühen Werke zu stark retuschiert zu haben. Für Mohler
war das Pochen auf die Eigenbedeutung von Jüngers militanten Schriften
deshalb so wichtig, weil diese militanten Schriften ihn und andere seiner
Altersgenossen nicht nur zu Jüngerlesern gemacht hatten, sondern auch
anleitend für ihr politische Handeln geworden waren, was die einschnei-
dende Bedeutung für ihr Leben dramatisch erhöhte. Wie sich Mohler
erinnerte, hat er nach seinem »Übertritt nach Deutschland« während des
Krieges angegeben, »dass ich unter dem Einfluss des ›Arbeiters‹ von Ernst
Jünger hergekommen sei«. An Jünger selbst schrieb er  über den
»Arbeiter«, dass er »das Buch zugeklappt« habe, »um in der nächsten
Nacht schwarz die Grenze nach Deutschland zu überschreiten«. 
berichtete er ihm von einem Gespräch mit dem Chefredakteur der Ober-
österreichischen Nachrichten in Linz, Walter Pollak, der Mohler gegenüber
nicht nur die Bedeutung des »Arbeiter« bestätigte, sondern auch Kritik
an Jüngers späterer Haltung dazu übte: »Ja moanen’s denn, wir seien
wegen eines Lackels wie dem Rosenberg zu den Nazis gegangen? Wegen
des ›Arbeiters‹ sind wir Nazis geworden, wir und viele anderen. Als ich
dann hörte, dass Jünger so tat, als hätte er mit all dem nichts zu tun, war
der Fall für mich erledigt.« Als Jünger auf diesen Bericht abwiegelnd
reagierte, hakte Mohler nach:

 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 Fringeli, Gespräch mit Armin Mohler, S. . Mohler fügte hinzu: »Dabei musste
ich erfahren, dass Ernst Jünger im Dritten Reich gar keine Empfehlung war.«
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
,       

»Nicht ganz geheuer ist mir bei Ihrer Formel zu dem erwähnten Ge-
spräch mit Pollak: ›Nun grollt er mir, weil er Heil Hitler gesagt hat …‹
Ich weiss nicht recht, ob Sie es sich damit nicht zu einfach machen.
(Ganz abgesehen vom Persönlichen bei Pollak, der ja durchaus zu
seinem Mitmachen bei den Nazis steht.) Aus dem ›Arbeiter‹ ist doch
schliesslich klipp und klar abzulesen, dass die Bewegungen, die im
Gange seien, zur Mobilmachung beitrügen und dass unter diesen Vor-
gang noch Dampf zu setzen sei. Ich glaube, dass diejenigen, welche
vom ›Arbeiter‹ aus in die SS gingen – und ich merke immer mehr, wie
ansehnlich doch ihre Zahl gewesen ist –, sich über Hitlers Wesen und
dasjenige seiner Partei schon im Klaren waren. Das traue ich den Sild,
Alwens, Traugott, Pollak etc. zu. Aber unter Ihrem Einfluss kamen sie
zu der Ueberzeugung, dass man in den Vorgang einsteigen müsse.«
Der von Mohler ebenfalls erwähnte Edgar Traugott, der nicht nur unter
dem Einfluss Jüngers in die SS eingetreten war, sondern  auch seine
Dissertation über Jüngers heroischen Realismus an der Universität Wien
geschrieben hatte, hielt  einen Vortrag über »Die Metanoesis des he-
roischen Realismus«, in dem er Jünger ebenfalls vorwarf, nicht zu seiner
Vergangenheit zu stehen.
Für Mohler konkretisierte sich dieser Vorwurf, als Jünger Mitte der
er Jahre daran ging, seine erste Gesamtausgabe für den Klett-Verlag
vorzubereiten und dafür seine bisherigen Bücher und Essays erneut zu
überarbeiten. Noch kurz vor Erscheinen der ersten Bände  plädierte
Mohler erneut dafür, den »Arbeiter« und die Sammlung »Blätter und
Steine« von  (in der unter anderem »Die totale Mobilmachung« und
»Über den Schmerz« erschienen waren) unverändert in die Werkausgabe
aufzunehmen, denn diese »gehören Ihnen gar nicht mehr, weil sie in die
Geistesgeschichte eingegriffen haben«. Jünger hat diesen Ratschlag

 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.


 Vgl. Traugott, Edgar: Die Metanoesis des heroischen Realismus, unveröffentlich-
tes Manuskript, A: Jünger, Sammlung des Coudres, DLA Marbach. Traugott be-
kannte in diesem Vortrag in Bezug auf seine Beteiligung am NS: »Ich habe diese
Welt des heroischen Realismus wie sie Jünger im ›Arbeiter‹ nennt, nicht nur ideo-
logisch und theoretisch, sondern auch tätig, gläubig und handelnd durchlaufen.«
Jünger selbst habe seinem »Anteil« an der »Heraufkunft seines Arbeiters« im
»Dritten Reich« zwar »keinen aktiven und äusseren Ausdruck verliehen«, dieser
Anteil sei aber dennoch unzweifelhaft. In der späteren Ablehnung des »Dritte
Reiches« durch Jünger, wie sie sich in den »Marmorklippen« oder später dem
»Frieden« äußere, suche man aber vergeblich »die Auseinandersetzung mit sich
selbst«.
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. In Bezug auf Jün-
     -

nicht befolgt und nicht nur eine von Mohler abgelehnte thematische
Gliederung der zwischen  und  erschienenen Werkausgabe vor-
genommen, sondern besonders auch seine Bücher über den Ersten Welt-
krieg einer erneuten Revision »ad usum democratorum« unterzogen.
Mohler reagierte darauf mit einer im Januar  in der Schweizer Tat
veröffentlichten Rezension der ersten Bände, in der er unter anderem die
unterschiedlichen Fassungen von »Der Kampf als inneres Erlebnis« und
»Über den Schmerz« verglich. Besonders gravierende »Sinnänderungen«
entdeckte er aber vor allem bei der Überarbeitung der »Totalen Mobil-
machung«. Die jetzt gestrichenen Sätze dieser Abhandlung von 
seien Mohler »wie so vielen anderen jungen Leuten durch und durch«
gefahren und dürften wegen dieser historischen Bedeutung nicht einfach
gestrichen werden. Die entsprechenden Leser würden Jünger jedenfalls
»auch weiterhin seine alten Ausgaben auf den Tisch knallen«.
Jünger nahm diese Kritik zum Anlass, den Kontakt mit Mohler abzu-
brechen. An seiner Stelle schrieb Liselotte Lohrer, Ernst Jüngers spätere
zweite Frau, einen langen Brief an Mohler, in dem sie Jüngers Recht auf
fortgesetzte Formung auch seiner alten Werke verteidigte. Demgegen-
über pochte Mohler wiederum auf sein »gottverdammtes Recht«, das er
sich »so wenig nehmen [lasse] wie all die anderen, für die ich zu sprechen
glaube: dass Ernst Jünger nicht nachträglich die Züge jenes Jünger ver-
harmlost, der uns zum Schicksal wurde«.

gers politische Publizistik billigte Mohler allerdings Jüngers Entschluss, diese


nicht in die Gesamtausgabe aufzunehmen: »Diese publizistischen Beiträge dien-
ten als Humus für das AH [»Das abenteuerliche Herz«] und den Arbeiter und
haben damit ihren unmittelbaren Zweck erfüllt. Tout le reste ist Angelegenheit
des Historikers (oder des Spruchkammer-Schnüfflers).« (A. Mohler an E. Jünger,
.., A: Jünger, DLA Marbach)
 Mohler, Dichter.
 Mohler, Gesammelte Werke.
 A. Mohler an L. Lohrer, .., A: Jünger, DLA Marbach. Mohler begründete
diesen Anspruch ausführlich: »Es handelt sich hier nicht, wie Sie glauben (und
wie Jünger wider besseres Wissen aufrechterhält), um die Auseinandersetzung
zwischen dem schöpferischen Menschen und seinem Historiker. Wenn es um
Kunst allein ginge, so hätten Sie recht. Es geht aber noch um etwas mehr: es geht
darum, dass der Jünger von den ›Stahlgewittern‹ bis zu ›Ueber den Schmerz‹ (in-
begriffen!) in das Schicksal von Tausenden von jungen Menschen eingegriffen
hat. Ich glaube, aus drei Gründen für sie sprechen zu müssen: weil auch meine
Existenz durch die Begegnung mit jenem Jünger von Grund auf verändert wur-
de, bis ins Physische hinein; weil ich zu denen gehöre, die übrig geblieben sind;
weil ich mich ausdrücken kann.«
,       

Jünger wollte diese Verantwortung als Schicksalsmacht nicht über-


nehmen. Vor allen Dingen betonte er, dass das Politische für ihn nur ein
Durchgangsstadium gewesen sei. Die eigentliche Bedeutung seiner frü-
heren Schriften liege dabei ebenfalls jenseits des Politischen. Die spätere
Bearbeitung habe diesen Kern nur herauspräpariert, indem sie ihn von
den Zeitgebundenheiten befreit habe. So schrieb er über Mohlers Kritik:
»Der politische Teil meiner Arbeit hat mir nicht die besten Anhänger
gebracht. Daß ich mich dem in verschiedenen Abschnitten unter-
zogen habe, halte ich auch heute noch für notwendig. Ich habe da aber
anderes zu vertreten als flüchtige historische Situationen – so ist ein
Begriff wie der der ›Totalen Mobilmachung‹ für mich nicht historisch,
sondern aktuell. Ebenso entspricht mein ›Arbeiter‹ keiner vergange-
nen, sondern einer künftigen Wirklichkeit. Darauf muß ich achten,
und zwar ohne Rücksicht auf die politischen Parteigänger aller Schat-
tierungen.«
Indem Jünger die »Totale Mobilmachung« und den »Arbeiter« aus ihrer
historischen Plazierung herauslöste und einer »künftigen Wirklichkeit«
zuschrieb, entkleidete er sie der konkreten politischen Bedeutung, die sie
am Ende der Weimarer Republik gehabt hatten, und verlagerte sie ganz
in den metapolitischen Raum, wie Mohler ihm das zuvor schon vorge-
worfen hatte. Dieser Vorwurf war Jünger allerdings gar nicht unwillkom-
men, denn er nutzte die Auseinandersetzung mit Mohler nun dazu, sich
noch deutlicher von der Ebene des Politischen zu verabschieden. »Das
Politische hat mich nur an den Säumen beschäftigt und mir nicht gerade
die beste Klientel zugeführt«, wie er an Curt Hohoff schrieb. »Würden
Mohlers Bemühungen dazu beitragen, daß ich diese Gesellschaft gründ-
lich loswürde, so wäre immerhin ein Gutes dabei.« An Wolfgang Hen-
ning schrieb er, dass Mohler »abstrusen politischen Ideen folgt«: »Mein
Freund Schlichter pflegte das als ›dunkles Gewure‹ zu bezeichnen. Nun,
das haben wir ja zur Genüge gehabt, etwa zwischen  und , und
dort sieht Mohler auch meine große Zeit. Er ist da pietätvoller als ich.
Aber jede Pietät sollte einmal aufhören.« Jüngers Abgrenzung vom po-
litischen »Gewure« Mohlers folgte dabei demselben Muster, das die

 E. Jünger an Müller-Hallwachs, .., A: Jünger, Sammlung des Coudres,


DLA Marbach.
 E. Jünger an C. Hohoff, .., A: Jünger, Sammlung des Coudres, DLA Mar-
bach.
 E. Jünger an W. Hennig, .., A: Jünger, Sammlung des Coudres, DLA
Marbach.
     -

Brüder Jünger in der Auseinandersetzung mit Ernst Niekisch zur Anwen-


dung brachten, indem sie eine grundsätzliche Trennung zwischen dem
musischen und dem politischen Menschen vornahmen. Das geht auch
aus einem Brief Ernst Jüngers an Friedrich Georg Jünger vom Februar
 hervor:
»Leistikow berichtete mir von einem merkwürdigen Abend, den Moh-
ler mit einer rechtsradikalen Studentengruppe in Tübingen abge-
halten hat. Mein Bild, daneben die von Spengler und Carl Schmitt,
hing an der Wand. ›Schielewotan‹ habe präsidiert. Vernichtung sei die
Hoffnung – daß alles erinnert an Sitzungen, wie sie Dostojewski bald
zuwider geworden sind. Leute wie Mohler kommen durch die poli-
tische Sphäre nicht hindurch, die doch […] nur wie ein galvanischer
Hauch die Substanz verbirgt. Daher fehlt ihnen jeder Begriff von der
Natur, vom Musischen und eigentlich auch vom Menschlichen.«
Umgekehrt hielt Mohler an seiner Bewunderung für die frühen Schriften
Jüngers fest und ließ sich den martialischen Jünger nicht als Schirmherrn
seines Projekts einer Wiederbelebung der radikalen Rechten nehmen.
Gleichzeitig bekräftigte er aber seine Kritik am späten Jünger. Dies tat er
im Dezember  mit einem in Christ und Welt erschienenen Portrait,
das gleichsam ein Resümee seiner Auseinandersetzung mit Jünger zog.
Darin beschrieb er Jüngers geistige Entwicklung vom »Arbeiter« zur 
erschienenen »Zeitmauer« als ein »Absinken der Aussagekraft«. Worauf
war dieses Absinken nach Mohlers Meinung zurückzuführen? Der frühe
Jünger sei »unbestreitbar seiner Zeit weit voraus« gewesen und habe gleich-
zeitig versucht »unmittelbaren Einfluß auf seine Umwelt zu nehmen«.
Auch sein späterer Rückzug in die »Einsamkeit« habe noch als »Heraus-
forderung« gewirkt und seine stolze »Verachtung« für die Weimarer Re-
publik, das Dritte Reich und die »›Okkupationsdemokratie‹ nach «
zum Ausdruck gebracht. Heute aber nähme der »Pour le mérite«-Träger
Jünger Literaturpreise und das Bundesverdienstkreuz an, den »unkriege-
rischsten« aller Orden. Sein spannungsreiches Verhältnis zur politischen
Wirklichkeit habe er damit eingebüßt.

 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Klaus Ulrich


Leistikow war ein mit Jünger befreundeter Botaniker, »Schielwotan« ein auf
Mohlers Sehfehler, Körpergröße und Germanophilie anspielender Spitzname.
 Mohler, Dichter. Der »Arbeiter« sei noch von Denkern wie Martin Heidegger
und Gottfried Benn bewundert worden, die »Zeitmauer« nur noch von Hermann
Hesse.
,       

Um diese Einbuße zu erklären, entwickelte Mohler den Begriff des


»osmotischen Schriftstellertypus«. Jünger sei wegen seiner Kriegstaten als
»Täterdichter« bezeichnet und mit Hemingway oder Malraux verglichen
worden. Dieser Ausdruck treffe aber nicht die ganze Wahrheit. Eigent-
lich sei Jünger ein »osmotischer« Mensch, »der die Wirklichkeit um ihn
herum nicht umzugestalten sucht, sondern auf sie reagiert«. »Der Arbei-
ter« und die anderen bedeutenden Schriften der Frühzeit seien in diesem
Sinn unter dem »Diktat« der Zeit geschrieben worden. Das »Elend« des
osmotischen Schriftstellertypus beginne aber dann, »wenn er sich aus
dem Strom der Zeit, von dem er sich bis dahin tragen ließ, ans ruhige
Ufer rettet«. Genau dies habe Jünger durch seinen Entschluss, »aus dem
revolutionären Strom seines Jahrhunderts auszusteigen« getan, wodurch
er »beliebig« geworden sei.
Man muss nicht alle Annahmen Mohlers über das »Diktat« der Zeit
und den »revolutionären Strom des Jahrhunderts« teilen, um in seiner
Formulierung, Jünger habe sich nach  »ans ruhige Ufer retten« wol-
len, etwas Treffendes zu finden. In den Augen Mohlers, aber auch Carl
Schmitts war Jünger durch diesen Sprung ins Ruhende unpolitisch und
damit uninteressant und harmlos geworden. Auch diesem Urteil muss
man sich nicht vollständig anschließen. Denn natürlich blieben beide
Brüder Jünger auch nach  an Politik interessiert und politisch wirk-
sam. Wie an der Auseinandersetzung mit Ernst Niekisch, Carl Schmitt
und Armin Mohler aber zu sehen war, grenzten sie sich selbst explizit von
der Sphäre des Politischen ab, die sie als vordergründige Sphäre der Ta-
gesaktualität und des unfruchtbaren Aktionismus charakterisierten. Dem
setzten sie das musische Prinzip als ein dem Ewigen und Schöpferischen
verpflichtetes entgegen.
Auf diese Weise vertraten die Brüder Jünger nach  klassisch konser-
vative Positionen, denn schon der Konservatismus des . Jahrhunderts
verstand sich als »Haltung des Unpolitischen« und setzte der Teleologie
des Fortschrittsdenkens die Orientierung an ewiggültigen Werten entge-
gen. Diese Orientierung am Konservatismus des . Jahrhunderts offen-
barte sich etwa an Ernst Jüngers Beschäftigung mit dem Revolutionsgegner

 Offenbar hat Mohler diesen Vergleich selbst auch angestellt. So schrieb er im Mai
 an Jünger: »Triangel findet also falsch, dass ich Sie mit Lawrence of Arabia,
Malraux, Saint-Exupéry vergleiche. Dabei standen alle drei vor dem gleichen
Problem wie Sie: wie die Täter-Jugend durch etwas anderes abzulösen sei.«
(A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach)
 Mohler, Dichter.
 Bussche, Konservatismus, S. .
     -

Antoine de Rivarol, dessen Maximen Jünger in einem  erschienenen


Buch übersetzte und mit einer längeren Einleitung versah. Im September
 schrieb Jünger an Mohler, dass ihn die Arbeit an der Rivarol-Einlei-
tung »ganz in die aktuellen Probleme geführt« habe, denn »ohne Zweifel
ist die Frage: ›Was ist heute den konservativen Kräften möglich‹ vielleicht
unsere wichtigste«. Jünger ging es bei dieser Frage nicht zuletzt darum,
die »Tradition« vom »Hakenkreuz« zu trennen, wie er schon  an Ger-
hard Nebel geschrieben hatte (EJ/GN, ), das heißt in diesem Fall den
Nationalsozialismus nicht aus konservativen Traditionen, sondern aus
der Nachgeschichte der Französischen Revolution abzuleiten. So schrieb
er  an Mohler:
»Die Kernfrage liegt vielmehr darin, daß Rivarol heute zu den Eck-
steinen und Steinen des Anstoßes gehört und einen politischen Fakt
darstellt. Ob Hitler von der französischen Revolution kommt oder
nicht – das ist eine Frage ersten Ranges, die auszufechten sich lohnt.
Für mich ist er der Napoleon des allgemeinen Wahlrechtes. Dieses
Kuckucksei möchte die Demokratie den Konservativen in die Schuhe
schieben. Das geht aber nicht.«
Vor allen Dingen aber war Jünger an einem Begriff des Konservatismus
interessiert, der sich im oben genannten Sinn der Tagespolitik entzog
und sich an transzendenten und überzeitlichen Größen orientierte. Wolle
man dem Wort »konservativ« einen Sinn geben, so Jünger im »Rivarol«,
handele es sich darum,
»das zu finden oder auch wiederzufinden, was der gesunden Ordnung
von jeher zugrundegelegen hat und auch zugrunde liegen wird. Das
aber ist ein Außerzeitliches, zu dem weder Rück- noch Fortschritt führt.
Die Bewegungen kreisen darum herum. Nur Mittel und Namen än-
dern sich. In diesem Sinne muß man der Definition von Albrecht
Erich Günther zustimmen, der das Konservative nicht versteht als ›ein

 E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach. Wie Jünger ergänz-


te, wollte er auch auf das Problem der konservativen Revolution eingehen, habe
davon später allerdings wieder Abstand genommen: »Meine Bemerkungen über
die ›konservative Revolution‹ habe ich nicht etwa gestrichen, weil ich sie für ver-
fehlt hielt, sondern weil es sicher mißdeutet werden würde, wenn ich mich über
eine von Ihnen als Titel verwendete Begriffspaarung aufhielte.« (E. Jünger an
A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach)
 E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach. In der Rivarol-Ein-
leitung schrieb Jünger, dass sich »der Triumph der Ideen von « (EJ a, )
im . Jahrhundert wiederhole und festige.
,       

Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was
immer gilt‹. Immer gelten aber kann nur ein der Zeit Entzogenes.«
(EJ a, )
Diese Definition Albrecht Erich Günthers stammte allerdings von ,
und in der Tat folgte auch der revolutionäre Konservatismus der Wei-
marer Republik einem »Denken aus dem Ursprung«, das sich gegen
den reaktionären Traditionalismus stellte. In den er und frühen
er Jahren diente dieses Ursprungsdenken allerdings der radikalen
Verneinung des Bestehenden und seiner aktivistischen Beseitigung. Die-
se Zeit der Zertrümmerung war für Jünger nun vorbei, es stellte sich ihm
jetzt die Frage, »wie im Zustande der tabula rasa neuer Humus zu bilden«
(ebd., ) sei. Dieser neue Humus könne nicht durch »politische An-
strengungen« erlangt werden, ja die »eigentlichen Probleme« seien »nicht
politisch« (ebd., ).
Armin Mohler hat zwanzig Jahre später noch einmal den revolutio-
nären Bruch beschworen, den der Konservatismus in den er Jahren
zu dem des . Jahrhunderts vollzogen habe, und beklagt, dass der Kon-
servatismus »unter dem Druck des Zusammenbruchs von « versucht
habe, »jenen Bruch wieder rückgängig zu machen«, woran er bis heute
kranke. Die Brüder Jünger wollten diesen Bruch nicht einfach rück-
gängig machen, sie wollten ihn aber gleichwohl hinter sich lassen und das
konservative Denken in ein nachrevolutionäres und posthistorisches Sta-
dium des Unpolitischen hinüberretten. Mohlers Kritik am »Gärtner-
Konservatismus« der Nachkriegszeit traf daher auch die Waldgänger
und Naturfreunde Jünger, ebenso wie den Seinshirten Heidegger.
In späteren Jahren haben Ernst Jünger und Armin Mohler ihren Streit
beigelegt und etwa ab  wieder freundschaftliche Briefe gewechselt.
Horst Seferens nimmt diese Erneuerung der alten Freundschaft in seiner
Studie über Ernst Jünger und die radikale Rechte in der Bundesrepublik
vorschnell als Indiz dafür, dass die »zwischenzeitlich unterbrochene Ver-
bindung zwischen der Sphäre praxisferner Reflexion und einem aktiven
Rechtsintellektualismus« wiederhergestellt worden sei. Er belegt die
Zugehörigkeit von Jüngers esoterischem Spätwerk zur »Gegenaufklä-
rung« ebenso schlüssig wie dessen fortgesetzte politische Bedeutung für

 Vgl. Mohler, Konservative Revolution, S. f.


 Greiffenhagen, Dilemma, S. .
 Mohler, Tendenzwende, S. .
 Mohler, Konservativ , S. .
 Seferens, Leute, S. .
     -

die Formierung der Neuen Rechten, die von Jünger durch die »Entfal-
tung eines impliziten Diskurses« transportiert worden sei. Gleichwohl
unterschätzt Seferens die Differenzen, die zwischen dem neokonserva-
tiven Aktivismus von Mohler und anderen neurechten Vordenkern und
dem politischen Eskapismus der Brüder Jünger nach  bestanden.
Deren Rückzug von der Politik und die Formulierung eines passiven
Konservatismus waren nicht rein taktischer Natur, sondern entsprachen
der Wendung ihres Denkens und dem Abschied von der Tat, mit dem sie
auf das Scheitern des eigenen politischen Aktivismus und die Erfahrung
des Nationalsozialismus reagierten. Wie besonders bei der Auseinander-
setzung mit Ernst Niekisch und Carl Schmitt schon deutlich wurde, ver-
band sich dieser Rückzug aus der Politik mit dem Abschied von der Ge-
schichte. Die von den Brüdern Jünger betriebene Suche nach über- und
außerzeitlichen Angelpunkten korrespondierte dabei mit Martin Hei-
deggers Versuchen einer »Überwindung der Metaphysik«. Die Frage, wie
der Ausstieg aus der Geschichte der Metaphysik auf nichtaktivistische
Weise zu bewerkstelligen sei, war eines der zentralen Themen des Dreier-
gesprächs, das Heidegger und die Brüder Jünger in den er Jahren
entfalteten und um das es im folgenden Kapitel gehen wird.

 Ebd., .


  schrieb Mohler an Ernst Jünger: »Wenn mir später einmal die Aufgabe zu-
fallen sollte, Ihre Biographie zu schreiben, so werden mir die verflossenen Jahre
einige Mühe machen. Wie soll ich dann bloss die vielen inkonsequenten Dinge
erklären – von Eranos über Heuss, zweitrangige Literaturpreise, Begegnung mit
Buber bis zu Gesellschaftsreisen mit der Lufthansa? Nun ich werde mich dann
wohl so aus der Affäre ziehen, dass ich das als ganz raffinierte Spurenverwischung
hinstelle…« (A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach) Etwas
Ähnliches unternimmt Seferens, der Jünger in beinahe verschwörungstheoreti-
scher Manier eine virtuose »Technik literarischer Camouflage« (Seferens, Leute,
S. ) attestiert, dabei aber den Wandel in Jüngers Konservatismus und seinen
tatsächlichen Rückzug vom politischen Aktivismus unterbewertet.


. Gelassenheit nach der Tat -

.. Die Überwindung des Nihilismus


Der Aufbruch zum Sein

Die Wege der ehemaligen Kampfgefährten Martin Heidegger und Karl


Jaspers einerseits, sowie der Brüder Jünger und Ernst Niekisch und Carl
Schmitt andererseits haben sich nach  und  auf je unterschied-
liche Weise getrennt. Was aber führte Heidegger und die Brüder Jünger
zusammen? Als Gerhard Nebel  versuchte, Martin Heidegger von der
Notwendigkeit der gemeinsamen Zeitschrift zu überzeugen, schrieb er
ihm ausführlich von seiner Idee eines gemeinsamen Ausgangspunkts, die
nicht als »Programm« missverstanden werden dürfe, aber doch ein Pro-
gramm ersetze und die er »an Ihnen und Ernst Jünger abstrahiert« habe:
»Ich setze ›Sein und Zeit‹ mit dem ›Arbeiter‹ in Parallele und sehe in
beiden Werken den ebenso notwendigen wie gescheiterten Versuch,
den Nihilismus in aller nur möglichen Breite und Tiefe anzunehmen,
sich gleichsam bis zur Zertrümmerung mit dem Nichts einzulassen,
dem Schicksal des modernen Menschen zu stellen. Damit sind die
Fassaden für uns unbewohnbar geworden, wir können nicht mehr in
verfaulten, verfallenen, antiquierten, bloss traditionellen Behausun-
gen heimisch sein, in Kirchen, Weltanschauungen, Humanismen oder
Bestialismen. Die Redlichkeit ist Voraussetzung, eine romantische
Scheinwirklichkeit wird nicht anerkannt. Aber wir können nun auch
nicht, wie es der ganze Westen tut, im Misthaufen des Nichts grun-
zend und mit Wollust wühlen. Jünger und Sie sind zum Sein auf-
gebrochen – und dieser Aufbruch, der natürlich kein Programm sein
kann, da er damit schon verraten wäre, soll dennoch der Sinn der Zeit-
schrift sein. […] Ich sehe in der Parallel-Bewegung, die zwischen Ihnen
und Jünger waltet, das wesentliche Ereignis der Gegenwart – und
diese Parallelbewegung, der ich mich ebenso angeschlossen habe wie
Friedrich Georg und einige andere, soll in der ›Zeitschrift‹ dargestellt
werden.« (Zit. n. EJ/GN, f.)
Tatsächlich lässt sich die »Parallelbewegung« zwischen Heidegger und
beiden Brüdern Jünger in dieser Weise als Versuch einer Überwindung
des Nihilismus des Willens zur Macht verstehen, den alle drei in ihrer
aktivistischen Phase selbst vertreten haben. Diese Parallelbewegung voll-
zog sich allerdings nicht gänzlich ohne Missverständnisse, welche unter
anderem auf eine gewisse Asymmetrie im gegenseitigen Rezeptionsver-
     -

halten zurückzuführen waren. Wie schon gezeigt wurde, hat sich Martin
Heidegger ausgesprochen intensiv mit Ernst Jüngers »Arbeiter« und
seinen phänomenologisch-militanten Schriften der frühen er Jahre
auseinandergesetzt, während Ernst Jünger bis  nichts von Heidegger
gelesen hatte und sich auch danach nur selektiv mit seinen Texten be-
schäftigte. Im Unterschied dazu hat sich Friedrich Georg Jünger schon
sehr viel früher und eingehender mit Heidegger befasst, wovon viele Be-
merkungen in seinen Tagebüchern und Briefen ebenso Zeugnis ablegen
wie einzelne Veröffentlichungen und unveröffentlichte Manuskripte in
seinem Nachlass. Nichtsdestotrotz war es ein von Ernst Jünger an Martin
Heidegger adressierter Essay, der  das Text gewordene Nachkriegsge-
spräch zwischen Heidegger und den Brüdern Jünger eröffnete und fünf
Jahre später eine ausführliche Antwort von Heidegger provozierte. Der
»Über die Linie« betitelte Beitrag Ernst Jüngers für die von Hans-Georg
Gadamer initiierte Festschrift zu Martin Heideggers sechzigstem Geburts-
tag enthielt zwar vage Reminiszenzen an Heideggers Denken, beruhte
aber nicht auf einer genauen Auseinandersetzung mit dessen Texten.
Stattdessen behandelte Jünger in verschlüsselter Weise die ihn ebenso wie
Heidegger bedrängende Frage – in Armin Mohlers Formulierung – »wie
die Täter-Jugend durch etwas anderes abzulösen sei« . Die Deckfrage zur

 Im Oktober  schrieb Jünger nach der ersten Begegnung mit Heidegger an
Gerhard Nebel: »Ich las jetzt, durch die persönliche Begegnung angetrieben, die
erste Schrift von Heidegger ›Was ist Wahrheit?‹. Von meiner Bilderwelt aus gese-
hen, liegt das freilich sehr fern. Doch ist da ohne Zweifel eine Kapazitä[t,] um die
es sich lohnt. Auch bin ich der Meinung, daß man durch einen engen Kontakt da
manches Unerwartete auslösen könnte. Da ich ja vielleicht Nachbar von Heideg-
ger werde, gedenke ich die Mühe des Eindringens nicht zu scheuen.« (EJ/GN,
f.)  bekannte Jünger, »ein schlechter Interpret« Heideggers zu sein, »da
ich mich hinsichtlich der Heideggerschen Texte und ihrer Terminologie wohl als
Liebhaber, nicht aber als Experten bezeichnen darf« (EJ , ).
 Bei den Veröffentlichungen ist neben denen, die sich direkt auf Heidegger be-
ziehen, besonders bei »Gedächtnis und Erinnerung« (FGJ ) Heideggers Ein-
fluss zu spüren. Im Nachlass F. G. Jüngers enthält der Bestand »Prosa« ein eigenes
»Konvolut Arbeiten und Entwürfe über Martin Heidegger«.
 Vgl. dazu Martus, Ernst Jünger, S. -; Neaman, Dubious Past, S. -;
Balke, Heidegger; Figal, Charakter; ders.: Erörterung.
 A. Mohler an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach. »Jugend« ist hier
natürlich relativ, da Heidegger bei seinem NS-Engagement schon  Jahre alt
war. Die Brüder Jünger brachten ihren Abschied vom Aktivismus aber verschie-
dentlich selbst in Zusammenhang mit dem Älterwerden. So schrieb Friedrich
Georg Jünger etwa an seinen Bruder: »Die Willensmässigkeit des Lebens nimmt
in dem Masse ab, in dem jemand reif wird.« (F. G. Jünger an E. Jünger, ..
(Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
    

Behandlung dieses Problems war die nach dem Nihilismus und seiner
Überwindung.
Die Rede vom Nihilismus hatte in der deutschen Nachkriegszeit und
noch bis in die er Jahre hinein allerdings den Charakter eines »in
aller Munde« befindlichen »Schlagworts« , mit dem die »deutsche Kata-
strophe« in den Zusammenhang eines länger währenden abendländischen
Verfallsgeschehens eingeordnet und dadurch zugleich relativiert werden
sollte. Beispielhaft tat dies etwa der Philosophen Ludwig Landgrebe in
einem  in Bremen gehaltenen Vortrag zur »Überwindung des euro-
päischen Nihilismus«. Landgrebe, der  nach dem Weggang Martin
Heideggers nach Marburg Assistent bei Edmund Husserl in Freiburg
geworden war, nannte den »europäischen Nihilismus« im Rückgriff auf
Nietzsche die »Krankheit, als deren Symptome wir das heutige Gesche-
hen betrachten lernen müssen«. Der Nihilismus habe als »Säkularisation
der Grundbegriffe« zur Infragestellung jeglicher transzendenten Instanz
und damit zur zerstörerischen »Überzeugung von der Selbstmacht des
Menschen« geführt, die sich besonders im rückhaltlosen »Vernunft-
glauben« äußere. Diese »neuzeitliche Emanzipation des Menschen« sei
allerdings nur eine »Befreiung in das Nichts« gewesen, die schließlich in
den »Rausch der Selbstzerstörung« gemündet habe. Das »Geschehen, das
über uns hinweggegangen ist«, sei also »nicht von ungefähr« gekommen,
sondern als das Ende einer Entwicklung, »deren Anfang mit der Emanzi-
pation der menschlichen Vernunft im Beginn der Neuzeit gesetzt war«.
Die Abkehr vom Nihilismus könne nur durch eine erneuerte »Bindung
an einen absoluten Zusammenhang« und damit zum Beispiel auf dem
Weg »einer neuen religiösen Gläubigkeit«, auf jeden Fall aber nur durch
eine Wendung jedes Einzelnen in sein »Inneres« geschehen.
Diese Argumentation entsprach in groben Zügen auch der von Ernst
Jünger und Martin Heidegger entfalteten Darstellung der europäischen
Verfallsgeschichte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Landgrebe Teile von
Heideggers Nietzsche-Vorlesungen in Freiburg gehört hatte und auf diese

 Gloege, Nihilismus, S. ; vgl. zum Nihilismusdiskurs der Nachkriegszeit und frü-
hen Bundesrepublik auch Bröcker, Strudel; Marcel, Philosophie der Hoffnung;
Niekisch, Nihilismus; Pannwitz, Nihilismus; Rauschning, Masken; Thielicke,
Nihilismus; Weber, Abschied; zur Geschichte des Nihilismusbegriffs Gawoll,
Nihilismus.
 Landgrebe, Überwindung, S. .
 Ebd., S. ff.
 Ebd., S. ff.
 Ebd., S. .
     -

Weise direkt durch Heidegger beeinflusst war. Landgrebes Vortrag ist al-
lerdings nur ein Beispiel für die weit verbreitete Tendenz, den Nihilismus
für das »über uns hinweggegangene Geschehen« des »Dritten Reiches«
und des Zweiten Weltkriegs verantwortlich zu machen. Hannah Arendt
bemerkte bereits  in polemischer Ironie, der »Durchschnittsdeut-
sche« suche »die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des
Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam
und Eva aus dem Paradies geführt haben«. Was ist also das Besondere
an Ernst Jüngers und Martin Heideggers Auseinandersetzung über den
Nihilismus?
In der zeitgenössischen Rezeption wurde diese Besonderheit bereits
darin gesehen, dass Jünger und Heidegger beide als Repräsentanten des
Nihilismus der Zwischenkriegzeit galten und dass die Überwindung die-
ses Nihilismus in ihren Personen daher besondere exemplarische Bedeu-
tung erhalte. Mit Blick auf diese denkbiographische Wendung stellt sich
die Frage nicht in erster Linie nach ihrer Diagnose eines nihilistischen
Zeitalters, die in weiten Teilen mit dem Mainstream der Nihilismusdis-
kussion konform ging, sondern nach den Konzepten für eine mögliche
Überwindung des Nihilismus. »Diagnose« und »Therapie« sind zwar nicht
so einfach zu trennen, wie sich besonders bei Heidegger zeigt, dessen
Nihilismusbegriff über den seiner Zeitgenossen hinausging und dessen
Vorstellungen einer Überwindung eng mit seiner Definition des Nihilis-
mus zusammenhing. Gleichwohl wird erst durch diese Verschiebung der
Fragestellung deutlich, in welcher Weise sich in der Diskussion über die
mögliche oder unmögliche Überwindung des Nihilismus zwischen Ernst
Jünger und Martin Heidegger eine erneute Bearbeitung des Problems
von Denken und Handeln, von Geist und Tat verbarg.
Ernst Jünger hatte schon in »Der Friede« den »Nihilismus« als »tiefste
Quelle des Uebels« (EJ , ) ausgemacht und zu seiner Bekämpfung
die Entwicklung einer »Neuen Theologie« (ebd., ) gefordert. In der
Nachkriegszeit wurde daher häufig von Jüngers Wendung zum Christen-

 Arendt, Besuch, S. .


 Vgl. für Jünger dazu neben Martin, Nihilismus, auch Herrmann, Ernst Jünger;
Horkel, Überwinder; Thielicke, Fragen, S. -. Der mit Gerhard Nebel be-
kannte Theologe Thielicke wertete in ähnlicher Weise wie Landgrebe und andere
die »Weltanschauung des Nationalsozialismus« als »schärfste nur denkbare Aus-
prägung« der »Säkularisation« (ebd., S. IX). Im Jünger der Zwischenkriegszeit
sah er den »Repräsentanten eines konsequenten ›heroischen Nihilismus‹« (ebd.,
S. ), der durch sein Manifest zum »Frieden« aber eine »echte Kehrtwendung«
(ebd., S. ) vollzogen habe.
    

tum gesprochen, wogegen er selbst sich allerdings regelmäßig verwahrte.


In einem Brief an Alexander Mitscherlich, der ihm angesichts des »Frie-
dens« die Flucht in den Glauben vorgeworfen hatte, stellte Jünger klar,
dass er nicht für sich in Anspruch nähme, Christ zu sein, dass er aber der
Meinung sei, »daß im Christentume sich auch heute noch gewaltige
Reserven verborgen halten«. In diesem Brief gab Jünger zudem zu, dass
seine Hinwendung zu theologischen Fragen eine Reaktion auf das Ge-
fühl gewesen sei, mit dem »Arbeiter« auf einen Weg geraten zu sein, des-
sen Fortsetzung im Nationalsozialismus er nicht mehr mitgehen wollte:
»Meine theologischen Studien gehen auf das Jahr  zurück als auf den
Zeitpunkt, an dem mir deutlich wurde, daß ich mit meinem Buche über
den Arbeiter eine Linie erreicht hatte, über die hinaus meine bisherigen
Mittel mich nicht fördern würden.«
Als Jünger in einem Brief an Martin Heidegger seinen Festschriften-
beitrag ankündigte, ging er auch auf seine Rede von der »neuen Theo-
logie« ein, von der er nicht behaupte, sie selbst zu vertreten: »Was mich
beunruhigt, das ist vielmehr der offensichtliche Mangel an theologischer
Durchdringung, dessen Behebung ich von den [Theologen] erhoffe; es
ist dies eine Aufgabe, die ihnen weder der Philosoph noch der Dichter
abnehmen kann, von anderen Kräften ganz abgesehen.« In »Über die
Linie« stellte Jünger dann allerdings fest, »daß sich die Theologie mit-
nichten in einem Stand befindet, der es mit dem Nihilismus aufnehmen
kann« (EJ , ). Der Essay ist damit noch kein Dokument von Jün-
gers Abwendung von der Theologie oder vom Christentum. Er macht
aber deutlich, dass die Theologie für Jünger lediglich pars pro toto stand
für eine neue und in seinen Augen notwendige Zuwendung zum Trans-
zendenten, das in der nihilistischen Moderne durch den »Schwund des
Wunderbaren« (ebd., ) verloren gegangen sei. Die entscheidende Frage
war, auf welchem Weg der Zugang zum Wunderbaren wiedererlangt wer-
den konnte.
Jünger lieferte anders als Heidegger keine exakte Definition des Nihi-
lismus, sondern grenzte ihn lediglich von den Phänomenen »des Kran-
ken, des Bösen und des Chaotischen« (ebd., ) ab. Bei seiner Argumen-
tation, dass sich der fortgeschrittene Nihilismus gerade in Formen des
körperlich Gesunden, des moralisch Neutralen und des organisatorisch
Geordneten manifestiere, verwendete er die gleichen Beschreibungskate-
gorien wie für die auch im »Arbeiter« beschriebene »Werkstättenland-

 E. Jünger an A. Mitscherlich, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 Ebd.
 E. Jünger an M. Heidegger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

schaft« (ebd., ) und machte so deutlich, dass er diese Arbeitswelt nun
in ihrer Gänze als Erscheinungsform des Nihilismus betrachtete. Der »durch-
gebildete Staat mit seinen Beamten und Apparaturen« (ebd., ) war für
ihn ebenso Ausdruck des Nihilismus wie die »technische Ordnung«
(ebd., ) oder »jener spezielle Arbeitscharakter, der als Sport bezeichnet
wird« (ebd. ). Die »Verachtung des Mitleids und des Schmerzes«, die
Jünger einst selbst propagiert hatte, erschien nun als Eigenschaft des
»aktive[n] Nihilist[en]« (ebd., ), dessen Erscheinen er auf die »Material-
schlachten des ersten Weltkriegs« zurückführte, die »den gehämmerten
Menschen […] und mit ihm einen neuen Stil des Handelns« (ebd., )
hervorgebracht hätten.
Es hätte des Hinweises auf die »frontistischen Bewegungen« (ebd.) der
er Jahre nicht bedurft, um erkennen zu lassen, dass Ernst Jünger sich
durch diese Beschreibung der nihilistischen Erscheinungen von seinem
eigenen nihilistischen Aktivismus der Weimarer Zeit distanzierte. Bei der
nun kritisch gewendeten Beschreibung der »Maschinen- und Automa-
tenwelt« bediente er sich zudem bei seinem Bruder Friedrich Georg, in-
dem er ihren »Grundzug« als »Ausbeutung« (ebd., ) und »Reduktion«
(ebd., ) beschrieb. Gleichzeitig diente die Kategorie des Nihilismus
erneut dazu, die Herrschaft des Nationalsozialismus in verdeckter Weise
zu thematisieren und durch Gleichsetzung mit anderen Erscheinungsfor-
men des Nihilismus historisch zu relativieren. So nannte Jünger als Bei-
spiele für ein »nihilistisches Gremium« den »Totenkopfverband« ebenso
wie »eine Versammlung von Ärzten, Technikern oder Wirtschaftsbeam-
ten« (ebd., ). Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs sei der
»Nihilismus ein normaler Zustand« (ebd.) geworden, bei dem es keinen
großen Unterschied mache, »ob völkermordende Mittel im Auftrage tyran-
nischer Oligarchen oder auf Parlamentsbeschluß ersonnen und gehäuft
werden« (ebd., ). Die »Totale Mobilmachung« sei mit dem Zweiten
Weltkrieg keineswegs zu Ende gegangen, sondern »in ein Stadium einge-
treten, das an Bedrohlichkeit noch das vergangene übertrifft« (ebd., ).
Jünger ließ keinen Zweifel daran, dass er mit diesen Charakterisierun-
gen Kritik am Nihilismus übte und auf seine Überwindung zielte. Den-
noch bezeichnete er ihn an einer Stelle als »notwendige Phase innerhalb
einer auf bestimmte Ziele gerichteten Bewegung« (ebd., ) und argu-
mentierte, dass durch »Läuterung im Inferno oder im ›Totenhause‹« eine
»höhere Stufe« gewonnen werden könne, »als sie vor dem Eintritt in den
Nihilismus bestanden hat« (ebd., ). Dadurch verschaffte er nicht nur
– wie schon im »Frieden«, in dem er die Opfer des Zweiten Weltkriegs als
»Saat« für den Frieden bezeichnet hatte – den historischen Erscheinungs-
formen des Nihilismus eine geschichtsphilosophische Legitimität. Diese
    

Passage lässt sich vor allen Dingen auch als Legitimation der eigenen
nihilistisch-aktivistischen Vergangenheit lesen. Entscheidend war für Jün-
ger aber nun die »Verwandlung« (ebd., ), durch die, wie er in seinem
Nachkriegstagebuch geschrieben hatte, die »Arbeitswelt […] in eine an-
dere Perspektive« gerückt und »subordiniert« (EJ /, ) werde.
Diese Verwandlung bezeichnete Jünger metaphorisch als »Passage des
Nullpunkts« und als »Überquerung der Linie« (EJ , ). Diese
Überquerung sei bereits erfolgt, doch markiere sie erst die Mitte, noch
nicht das Ende des nihilistischen Schauspiels: »Das Haupt ist jenseits der
Linie. Indessen steigert sich der niedere Dynamismus weiter und drängt
zur Explosion.« (Ebd., ) In dieser Situation stellte sich für Jünger die
Frage, »wie der Mensch im Angesichte der Vernichtung im nihilistischen
Soge bestehen kann« (ebd., ), wobei mit Mensch hier der »freie Mensch«
(ebd., ) gemeint war, der sich schon vom Nihilismus befreit habe und
seine Freiheit nun gegen diesen verteidigen müsse. Diese Freiheit zeigte
sich Jünger etwa im »musische[n] Leben« (ebd., ) der »Dichter und
Denker« (ebd., ), weshalb Jünger sich von der Kunst die »geistige
Überwindung und Beherrschung der Epoche« (ebd., ) und damit des
Nihilismus erhoffte. In Jüngers Rede vom Dichten und Denken waren
die Anklänge an Heidegger nicht zu überhören und wohl auch beabsich-
tigt. Das wurde dort am deutlichsten, wo Jünger davon sprach, dass die
Passage der Linie »eine neue Zuwendung des Seins« (ebd., ) bringe.
Auch Jüngers Aufforderung zum »Schweigen« und zum Rückzug in die
»Wildnis« als den »Gärten, zu denen der Leviathan nicht Zutritt hat«
(ebd., ), korrespondierte mit den Strategien der Verschwiegenheit, die
ihn nach  mit Heidegger ebenso verbanden wie mit seinem Bruder
Friedrich Georg.
Friedrich Georg Jünger war in der Festschrift für Heidegger ebenfalls
vertreten, und zwar mit einem Text über die »Wildnis«, der aus einem
fiktiven Dialog zwischen dem weisen Kentauren Cheiron und dem jun-
gen Heroen Palamedes bestand. Friedrich Georg Jüngers Lobpreisung
der Wildnis als dem »Land des Pan« (FGJ b, ), das zugleich als
»Land der Quellen ein heiliges Land« (ebd., ) sei, entsprach dabei so-
wohl seinem eigenen Natur- und Ursprungsglauben als auch Martin
Heideggers Wendung zum »Schonen« (ebd., ) und beider Abkehr
vom »Täter« (ebd., ).
Ernst Jüngers Verweis auf die »Wildnis« und die »Auseinandersetzung
mit dem Leviathan« (ebd., ) deutete demgegenüber in eine etwas
andere Richtung und ließ die Verbindung von »Über die Linie« zum ein
Jahr später erschienenen »Waldgang« erkennen. Tatsächlich sprach Jünger
auch im »Waldgang« von der notwendigen »Seinsverdichtung« (EJ a,
     -

) und der Herausforderung, »die Souveränität zu wahren inmitten des


Schwundes, der nihilistischen Unterwühlung des Seins« (ebd., ). Mit
der Beobachtung einer »Wendung von der Erkenntnis auf das Sein«
(ebd., ) und einer »Wendung der Philosophie von der Erkenntnis auf
die Sprache«, welche dem »Denker […] endlich wieder ein Bündnis
nicht nur mit dem Theologen, sondern auch mit dem Dichter« (ebd., )
ermögliche, spielte Jünger auch hier erkennbar auf Heidegger an. Wie
schon erwähnt, kam im »Waldgang« aber noch deutlich die Spannung
zum Ausdruck, die bei Jünger zwischen einer aktiven und einer passiven
Bekämpfung des Nihilismus herrschte. In einem Brief an Vittorio Klo-
stermann vom . Februar  nannte Jünger den »Waldgang« die »erste
Fortsetzung der ›Linie‹«, die für die Öffentlichkeit »insofern von höhe-
rem Interesse« sei, »als sie in die Praxis geht«. Auch in »Über die Linie«
selbst sprach Jünger schon davon, »praktische Winke hinsichtlich der
Bewegung im nihilistischen Felde« (EJ , ) geben zu wollen.
Diese praktische, und das heißt auch politische Bedeutung von Jüngers
Essay »Über die Linie«, der noch  in einer geringfügig überarbeiteten
Fassung zusätzlich als Einzelschrift veröffentlicht wurde, wurde auch von
der Kritik erkannt. Dabei wurde Jüngers Abschied vom Radikalismus
seiner Jugend durchaus zur Kenntnis genommen. So schrieb etwa Alfred
Andersch in seiner Rezension, es sei, »als träte Jünger wieder in die Reihen
des Konservatismus zurück«. Auch diese Rückkehr zum gemäßigten
Konservatismus erschien allerdings als politische Haltung mit praktischer
Absicht. Es war nicht zuletzt diese praktische Absicht, an der Martin Hei-
degger in seiner Reaktion auf Jüngers Festschriftenbeitrag Anstoß nahm.

Das Erdenken des Seins

Martin Heidegger hatte seiner Auseinandersetzung mit dem Nihilismus


bereits in den Nietzsche-Vorlesungen der er Jahre begonnen und da-
bei eine Nihilismusdefinition entwickelt, die über die Ernst Jüngers und
anderer Zeitgenossen hinausging, da sie der gesamten abendländischen
Metaphysik seit Platon attestierte, »in ihrem Wesen Nihilismus« (MH
c, ) zu sein. Nach  hielt Heidegger an dieser Definition und

 E. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.


 Andersch, Äquator, S. . Karl Otto Paetel hatte schon  in seiner Mono-
graphie über Jünger geschrieben: »Die Nihilisten von gestern werden die Boten
des neuen Konservatismus sein.« (Paetel, Weg und Wirkung, S. )
 Vgl. oben, Kap. ..
    

der darin enthaltenen Sichtweise auf die Philosophiegeschichte fest. Für


das Nachkriegspublikum nachzulesen war das erstmals in dem  er-
schienen Aufsatzband »Holzwege«, in den Heidegger seine Abhandlung
»Nietzsches Wort ›Gott ist tot‹« von  aufgenommen hatte, die wie-
derum die wesentlichen Ergebnisse seiner Nietzsche-Vorlesungen zusam-
menfasste. Schon unmittelbar nach Kriegsende hatte Heidegger seine
Diagnose des abendländischen Nihilismus aber nicht einfach nur bestätigt,
sondern in einer zwischen  und  entstandenen Abhandlung über
»Das Wesen des Nihilismus« (MH /) auch weitergeführt, die dann
 in gekürzter Form und unter dem Titel »Die seinsgeschichtliche Be-
stimmung des Nihilismus« im Rahmen der zweibändigen Zusammen-
stellung zu »Nietzsche« erschienen ist.
In dieser Abhandlung definierte Heidegger den Nihilismus erneut
über den Begriff der »Seinsverlassenheit« (ebd., ), da das Wesen des
Nihilismus die Geschichte sei, »in der es mit dem Sein selbst nichts ist«
(ebd., ). Die Metaphysik war nach dieser Definition insofern nihilis-
tisch, als sie nur nach dem Seienden bzw. dem Sein des Seienden frage,
nicht aber nach dem Sein selbst, welches daher »in der Metaphysik un-
gedacht« (ebd., ) bleibe. Wie schon in den er Jahren erklärte
Heidegger diese »Verborgenheit« (ebd., ) des Seins, die er auch als
»Ausbleiben des Seins« (ebd.) bezeichnete, nun aber nicht einfach zum
Ergebnis eines menschlichen Versäumnisses, das eben darin bestünde,
das Sein nicht ausreichend zu bedenken. Vielmehr ging Heidegger davon
aus, dass sich das Sein selbst in die Verborgenheit entzogen habe: »Das
Sein selbst entzieht sich.« (Ebd., ) Insofern die Verborgenheit vom
Sein selbst verhängt werde, sei sie vom Menschen nicht zu verantworten.
Das Versäumnis des Menschen liege aber darin, die Verborgenheit und
das Ausbleiben des Seins gar nicht als solche zu bemerken und das Wesen
des Nihilismus somit nicht zu erfassen. Heidegger sprach daher vom

 Ernst Jünger kannte diesen Text bei der Abfassung seines Festschriftenbeitrags für
Heidegger wahrscheinlich noch nicht, doch war ihm der Titel »Holzwege« bereits
bekannt, da er ihn am Schluss von »Über die Linie« zitierte (vgl. EJ , ).
Da Heidegger selbst in einem Vorspruch zu den »Holzwegen« darauf hinwies,
dass »Holz« ein altes Wort für »Wald« sei, ist die Nähe und Affinität zu Jüngers
Waldgang kaum zu übersehen.
 Vgl. MH b, -.  ist diese gekürzte Version dann wiederum in eine
»Studienausgabe« mit dem Titel »Der Europäische Nihilismus« aufgenommen
worden, die Friedrich Georg Jünger  zum Gegenstand eines Aufsatzes mach-
te (vgl. FGJ ). Dieser Aufsatz Jüngers dokumentiert am ausführlichsten seine
Beschäftigung mit Heideggers Werk, da er darin auch auf frühere Heideggertexte
einging.
     -

»Auslassen des Ausbleibens des Seins« (ebd., ) in der Gestalt der Me-
taphysik. Das Sein sei aber auf den Menschen angewiesen, um aus seinem
Ausbleiben wieder anzukommen. Denn diese »Ankunft« bedürfe einer
»Ortschaft«, und diese Ortschaft sei das »Wesen des Menschen« (ebd.,
). Der Mensch stehe »im Bezug des Seins selbst zu ihm«, und dieses
»Innestehen im Offenen der Ortschaft des Seins« sei das »Wesen des
Denkens« (ebd., ): »Als der so vom Sein Angegangene ist der Mensch
der Denkende.« (ebd., )
Heidegger konstruierte auf diese Weise einerseits ein gleichsam auto-
nomes, in sich handlungsmächtiges Sein, das sich von sich aus entzogen
habe, das aber andererseits in einem wesentlichen Verhältnis zum Wesen
des Menschen stehe, dessen es als »Ortschaft« seiner »Ankunft« bedürfe.
In dieser Konstellation kam dem Menschen zwar eine Verantwortung für
das Sein zu, aber keine, die er aktiv gestaltend wahrnehmen sollte: »Un-
mittelbar gegen das Ausbleiben des Seins selbst angehen wollen, hieße,
das Sein selbst nicht achten als Sein. Die so gewollte Überwindung des
Nihilismus wäre nur ein ärgerer Rückfall in das Uneigentliche seines
Wesens« (ebd., ). Stattdessen könne der Mensch nur versuchen, »dem
Sein selbst in seinem Sichentziehen entgegenzudenken« (ebd., ) und
auf diese Weise auf die »Winke des Seins« (ebd., ) zu achten. Die
»Überwindung des Nihilismus« könne also »von seiten des Menschen
nur mittelbar geschehen«, und zwar nur so, dass er das »Wesen des Nihi-
lismus als eine Geschichte des Seins selbst« erfasst und erfährt, da er nur
so »dem Sein in dessen Ausbleiben als solchem entgegengeht« (ebd., ).
Heidegger hielt mit dieser Abhandlung also an der Perspektive einer
Überwindung des Nihilismus und damit auch einer »Überwindung der
Metaphysik« (ebd., ) fest. Diese könne aber erstens nicht aktivistisch
geschehen, da das voluntaristische »Überwindenwollen« (ebd., ), wie
der Fall Nietzsche zeige, nur zu einer tieferen »Verstrickung in den Nihi-
lismus« (ebd., ) führe. Zweitens könne sie nur darin bestehen, den
Nihilismus als ein »Geschick des Seins selbst« (ebd., ) zu erfassen, wes-
halb es »vor aller Überwindung einer Auseinandersetzung mit dem Nihi-
lismus« bedürfe, »die erst einmal sein Wesen ans Licht stellt« (ebd., ).
Das metaphysische Wesen des Nihilismus könne aber nur von einer Warte
aus erfasst werden, die selbst nicht mehr metaphysisch ist. Ȇberwindung
der Metaphysik« bedeute also auch: »Verlassen der lediglich metaphysi-
schen Auslegung der Metaphysik« (ebd., ), da sich die Metaphysik
selbst in ihrem Wesen nicht kenntlich sei.
Diese beiden Punkte der von Heidegger in der unmittelbaren Nach-
kriegszeit erneut formulierten Antwort auf das Problem einer aktiven
oder passiven Überwindung des Nihilismus und auf die Frage nach der
    

Handlungsagentur innerhalb der »Seinsgeschichte« kamen dann auch in


seiner Auseinandersetzung mit Ernst Jüngers Beitrag »Über die Linie«
zum Tragen. Dass Jüngers Beitrag für Heidegger besondere Bedeutung
hatte, brachte dieser mehrfach zum Ausdruck. So schrieb er im Septem-
ber  an seinen Freund Kurt Bauch: »In der bei Klostermann jetzt
erscheinenden Festschrift ist ein ausgezeichneter Beitrag von Ernst Jün-
ger, der Dich interessieren wird.« Den Verleger Günther Neske ließ er
wissen, Jüngers Abhandlung sei »der schönste und wertvollste Beitrag zu
der Festschrift«. Bei Jünger selbst bedankte sich Heidegger dann am
. Dezember  mit einem ausführlichen Brief, in dem er nicht nur
schrieb, dass sich Ernst Jüngers »Anteil mit dem des Bruders von allen
übrigen Beiträgen wesentlich« abhebe, sondern dass darin auch eine »er-
mutigende Verwandtschaft des Gehens auf den von Ihnen klar gedeute-
ten ›Holzwegen‹« (MH c, ) ausspreche.
Gleichwohl kam in diesem Brief bereits Heideggers kritische Haltung
gegenüber Jüngers Beitrag zum Ausdruck. Neben mehreren Anmerkun-
gen kommentierte Heidegger vor allen Dingen Jüngers »metaphysischen
Kernsatz« (ebd., ), dass der Augenblick, in dem die Linie passiert wer-
de, »eine neue Zuwendung des Seins« (EJ , ) bringe. Müsse man
nicht, so Heidegger, umgekehrt sagen, dass die Linie erst in dem Augen-
blick passierbar werde, »den das Sein mit seiner Zuwendung erbringt,
welche Zuwendung zuvor ein erweckend ereignendes Ansprechen des
Menschenwesens ist« (MH c, )? Das »Überqueren der Linie« kön-
ne jedenfalls »kein bloßer Vormarsch des Menschen« (ebd.) sein. Damit
knüpfte Heidegger an seine Überlegungen der späten er Jahre und
der unmittelbaren Nachkriegszeit an, dass die erneute Zuwendung des
Seins nur von diesem selbst ausgehen und vom Menschen lediglich war-
tend vorbereitet werden könne. Genau denselben Kritikpunkt wieder-
holte er dann in seiner Antwort auf Jüngers Beitrag, der  unter dem

 M. Heidegger an K. Bauch, .., Privatbesitz.


 M. Heidegger an G. Neske, .., Verlagsarchiv Günther Neske Verlag,
Ordner a. An Vittorio Klostermann schrieb Heidegger im August  über die
Festschrift. »Ich habe natürlich sogleich darin gelesen u. ebenso natürlicherweise
vom Ende her. Die beiden Beiträge der Brüder Jünger sind hervorragend u.
schön aufeinander eingespielt.« (M. Heidegger an V. Klostermann, .., A:
Klostermann, DLA Marbach) Im November schrieb Klostermann an Jünger:
»Heidegger hat mir wiederholt zum Ausdruck gebracht, wie stark er von Ihrem
Beitrag in der Festschrift beeindruckt ist. Er wird Ihnen dies wohl auch direkt
mitgeteilt haben.« (V. Klostermann an E. Jünger, .., A: Klostermann,
DLA Marbach)
     -

Titel »Über ›Die Linie‹« in der Festschrift zu Ernst Jüngers sechzigstem


Geburtstag erschienen ist.
Heidegger machte sich in diesem Beitrag die doppelte Wortbedeutung
von »über« zu Nutze, um Ernst Jünger der Voreiligkeit zu überführen.
Während Jünger mit »über die Linie« den Schritt über die Linie im Sinne
von »trans lineam« meine, wolle Heidegger sich zunächst mit einer Be-
schäftigung der Linie selbst, »de linea«, als der »Zone des sich vollenden
Nihilismus« (MH a, ) aufhalten. Zwar konzedierte er: »Ihre Lage-
beurteilung unter dem Namen trans lineam und meine Erörterung unter
dem Namen de linea gehören zusammen.« (Ebd.) Er ließ aber keinen
Zweifel daran, dass die genaue »Kenntnis und Erkenntnis« (ebd., ) des
Wesens des Nihilismus dessen Überwindung voraus gehen müsse, dass
also Jünger den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht habe.
Auf diese Weise knüpfte Heidegger nicht nur inhaltlich, sondern auch
formal an seine Auseinandersetzung mit Jüngers »Arbeiter« der Jahre 
und  an, da seine Kritik schon damals darauf hinauslief, dass Jünger
gleichsam nicht gründlich genug gewesen sei und das von ihm Beschrie-
bene nicht wirklich durchdacht habe. In »Über ›Die Linie‹« erwähnte
Heidegger seine Beschäftigung mit dem »Arbeiter« im Wintersemester
/ (ebd., ) und strich als dessen besondere Bedeutung erneut
heraus, dass er »die Beschreibung des europäischen Nihilismus in seiner
Phase nach dem ersten Weltkrieg« (ebd., ) und in legitimer Nachfolge
Nietzsches geleistet habe. In der Diagnose, dass der Nihilismus nunmehr
zum »Normalzustand« (ebd., ) geworden sei und auch der zweite Welt-
krieg »die Bewegung des Nihilismus weder aufgehalten, noch aus ihrer
Richtung abgelenkt« (ebd., ) habe, stimmte Heidegger mit Jünger
überein. Seine Distanzierung von Jünger vollzog sich auf einer anderen
Ebene.
Zunächst stellte Heidegger fest, dass der »Arbeiter« durch die Beschrei-
bung des Nihilismus in »Aktion« selbst an dieser Aktion teilgenommen

 In leicht überarbeiteter Version ist dieser Beitrag unter dem Titel »Zur Seins-
frage« noch im selben Jahr auch als Einzelschrift erschienen (vgl. MH b). –
Was für Jünger recht war, musste für Heidegger billig sein. So hatte er im Okto-
ber  an Klostermann geschrieben: »Ich knüpfe an den Abdruck des Beitrags
zur Festschrift die Bedingung, daß die Abhandlung ebenso wie diejenige von E. J.
auch gesondert erscheint.« (M. Heidegger an V. Klostermann, .., A: Klo-
stermann, DLA Marbach)
 Anhand dieser Einschätzung wird erneut die relativierende Funktion der »seins-
geschichtlichen« Betrachtung deutlich, aus deren Sicht »Weltkriege« immer
»vordergründig« blieben: »Sie vermögen immer weniger zu entscheiden, je tech-
nischer sie sich rüsten.« (MH a, )
    

habe, weshalb der »Arbeiter« »in die Phase des ›aktiven Nihilismus‹«
(ebd., ) gehöre. Heute nehme Jünger zwar »an jener Aktion des aktiven
Nihilismus nicht mehr teil«, das einfache »Nichtmehrteilnehmen heißt
jedoch keineswegs schon: außerhalb des Nihilismus stehen« (ebd., ).
Jüngers »Dichten und Trachten« sinne darauf, »aus der Zone des vollen-
deten Nihilismus herauszuhelfen«, jedoch »ohne daß Sie den Grundriß
der Perspektive aufgeben, die ›Der Arbeiter‹ von Nietzsches Metaphysik
her öffnet« (ebd., ). Durch das Festhalten am Gestaltbegriff, den Hei-
degger auf die platonischen Idee zurückführte, bleibe Jünger »in der
Metaphysik beheimatet« (ebd., ). Von dort aber, soweit ist Heideggers
Argumentation bereits deutlich geworden, führte für ihn kein Weg zu
ihrer Überwindung. Um die Metaphysik als solche zu erfassen und gar
»in ihrem Wesen zu retten« (ebd., ), bedürfe es eines nicht-metaphy-
sischen Standpunkts, denn der Metaphysik selbst bleibe es »verwehrt, als
Metaphysik jemals ihr Wesen zu erfahren« (ebd., ).
Die Pointe von Heideggers Kritik an Jüngers Standpunkt bestand nun
darin, dass er den Beleg für dessen Festhalten an der Metaphysik und
damit für seine gedankliche Schwäche auf Jüngers eigenstem Gebiet aus-
machte: dem der Sprache. So bemerkte Heidegger, »daß Sie im ›Hinüber‹
über die Linie, d. h. im Raum diesseits und jenseits der Linie, die gleiche
Sprache sprechen« (ebd., ). Die »Position des Nihilismus« sei von Jünger
zwar »in gewisser Weise« schon aufgegeben worden, »aber seine Sprache ist
geblieben« (ebd.). Heidegger fragte daraufhin allgemein:
»Wie, wenn gar die Sprache der Metaphysik und die Metaphysik
selbst […] als Metaphysik jene Schranke bildeten, die einen Übergang
über die Linie, d. h. die Überwindung des Nihilismus verwehrt?
Stünde es so, müßte dann das Überqueren der Linie nicht notwendig
zu einer Verwandlung des Sagens werden und ein gewandeltes Ver-
hältnis zum Wesen der Sprache verlangen?« (Ebd., )
In Anlehnung an seine bisherigen Überlegungen zum Nihilismus be-
stimmte Heidegger dessen Wesen erneut als »Abwendung des Seins«
(ebd., ). Auf das »Wesen des Nihilismus« könne man sich daher »nur in
der Weise besinnen, daß wir zuvor den Weg einschlagen, der in eine
Erörterung des Wesens des Seins führt« (ebd., f.). Genau diese Erör-
terung könne aber nicht in der Sprache der Metaphysik geschehen, denn
»die Frage nach dem Wesen des Seins stirbt ab, wenn sie die Sprache der

 Dies war derselbe Distanzierungstrick, den Heidegger schon / angewendet


hatte; vgl. oben, Kap. ..
     -

Metaphysik nicht aufgibt, weil das metaphysische Vorstellen es verwehrt, die


Frage nach dem Wesen des Seins zu denken« (ebd., ). Heidegger bemühte
sich daher um eine Sprache, die das »Definierenwollen« (ebd., ) aufgibt
und Bestimmungen jenseits der »Subjekt-Objekt-Beziehung« (ebd., )
zulässt. Als Versuch, in diesem Sinn die definierenden »Aussagesätze«
(ebd., ) und die denominierenden Wortbezeichnungen zu umgehen,
kann Heideggers Vorschlag gewertet werden, das »Sein« fortan nur noch
in durchgestrichener Weise zu schreiben:
»Dementsprechend kann der denkende Vorblick in diesen Bereich das
›Sein‹ nur noch in folgender Weise schreiben: das Sein. Die kreuzweise
Durchstreichung wehrt zunächst nur ab, nämlich die fast unausrott-
bare Gewöhnung, ›das Sein‹ wie ein für sich stehendes und dann auf
den Menschen erst bisweilen zukommendes Gegenüber vorzustellen.«
(Ebd., )
Heideggers eigene Hypostasierung des Seins zum Agenten der Seinsge-
schichte sowie seine Aufforderung, als Mensch dem Sein »entgegenzu-
denken«, waren selbst nicht frei von der Tendenz, das Sein als ein »für
sich stehendes Gegenüber« des Menschen zu denken. Die Zusammen-
gehörigkeit von Mensch und Sein, die Heidegger vom Mensch als dem
»in das Sein gebrauchten Wesen« (ebd., ) sprechen ließ, hat er aller-
dings auch an anderer Stelle betont. Bereits zu Beginn der er Jahre
entwickelte er für dieses Bezugsmodell den Begriff des »Gevierts«, wes-
halb er in dem Beitrag für Jünger auch schreiben konnte, die kreuzweise
Durchstreichung verweise »in die vier Gegenden des Gevierts« (ebd.).
In der Auseinandersetzung mit Ernst Jünger war aber zunächst ent-
scheidend, dass Heidegger der voluntaristischen Überwindung des Nihi-
lismus durch seine Bestimmung eine Absage erteilte, dass »das Wesen des
Nichts zum Sein gehört« – als die von ihm selbst verhängte Abkehr – und
folglich der »Wesensort des Nihilismus das Wesen der Metaphysik«
(ebd., ) sei. Statt »den Nihilismus überwinden zu wollen«, so Heideg-
ger, »müssen wir versuchen, erst in sein Wesen einzukehren« (ebd., ).

 Alexander Schwan hat ebenfalls auf diesen Widerspruch hingewiesen und diese
Passage von »Über ›Die Linie‹« als »Widerruf des in den Beiträgen versuchten
Denkens des Seyns ›selbst‹« (Schwan, Heideggers Beiträge, S. ) bezeichnet.
Allerdings sprach Heidegger auch in den »Beiträgen« bereits vom »Gegenschwung
des Brauchens und Zugehörens« (MH /, ) von Mensch und Sein. Die
durchkreuzte Schreibweise von Sein hat er selbst in keinem seiner übrigen Texte
praktiziert; vgl. dazu auch Sheehan, Nihilism.
 Vgl. zum »Geviert« oben, Kap. ..
    

Die »Überwindung des Nihilismus« könne sich daher nur als »Verwin-
dung der Metaphysik« (ebd., ) gestalten, denn die »Verwindung wen-
det sich dem Wesen der Metaphysik zu« (ebd., ). Heidegger setzte
damit sein eigenes, schon in den er Jahren entwickeltes Programm
eines »seinsgeschichtlichen« Denkens, das erst den Rückgang durch die
Geschichte der abendländischen Metaphysik in den »ersten Anfang« voll-
ziehen müsse, um in den »anderen Anfang« zu gelangen, dem einfachen
»Überwindenwollen« (MH /, ) des Nihilismus entgegen, das
er bei Ernst Jünger zu erkennen glaubte, das sich aus der nihilistischen
Verstrickung aber nicht zu lösen vermöge.
Heidegger vollzog damit erneut die für ihn typische Überbietungs-
figur, mit der er sich selbst auf eine Erkenntnisstufe stellte, die noch kein
anderer erreicht haben konnte, und die mit der Selbststilisierung einher-
ging, zu den wenigen Wissenden »inmitten der Weltverwirrung und Ver-
finsterung« (MH c, ) zu gehören. Auch wenn er Jünger in seinem
Geburtstagsbrief in diese Selbstbeschreibung als »Einzelne und Vereinzel-
te« einbezog, konnte dieser das philosophische Programm Heideggers
tatsächlich nicht in seiner Gänze mit vollziehen – schon allein deshalb,
weil er sich gar nicht eingehend genug damit beschäftigte.
Trotz der Kritik von Seiten Heideggers und der Ignoranz von Seiten
Jüngers lassen sich in dem Festschriftenaustausch über den Nihilismus
dennoch die zentralen Elemente jener »Parallelbewegung« zwischen Hei-
degger und Jünger erkennen, von der Gerhard Nebel  gesprochen
hatte und an der auch Friedrich Georg Jünger beteiligt war. Sie bestand
in der Suche nach einer Reaktionsform auf den als unheilvoll beschrie-
benen Weltzustand, die einen Ausstieg aus dem Unheilszusammenhang
erlaubte, ohne in den Aktivismus und Voluntarismus zurückzufallen, den
Heidegger und die Brüder Jünger selbst einst praktiziert hatten, jetzt aber
als mitverantwortlich für den Unheilszustand ansahen. Sie vollzog sich

 Von »Verwindung« (MH /, ) hatte Heidegger auch schon in den Auf-
zeichnungen zur Überwindung der Metaphysik aus den Jahren  bis 
gesprochen, die er  in dem Sammelband »Vorträge und Aufsätze« veröffent-
lichte. Darin betonte er ebenfalls, dass »[k]eine bloße Aktion« den »Weltzustand
ändern« (ebd., ) könne; vgl. zum Begriff der Verwindung auch Figal, Verwin-
dung.
 Günter Figal betont zu Recht, dass Heideggers Urteil auch daher rührte, dass er
»kritisch auf den Jünger der frühen dreißiger Jahre fixiert« blieb, wodurch ihm
die Motive entgangen seien, »in denen sein Denken bei Jünger eine wesentliche
Bestätigung, aber auch eine spannungsvolle Ergänzung« (Figal, Charakter, S. )
hätte finden können.
 M. Heidegger an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

nicht nur in Auseinandersetzung mit dem Nihilismus, sondern auch mit


der Technik, die als System des praktischen Weltbezugs in besonderer
Weise das Problem des Handelns heraufbeschwor und der gegenüber
Heidegger ebenfalls von einer notwendigen »Verwindung« (MH a,
) sprach. Gleichzeitig verband Heidegger mit den Brüdern Jünger die
Suche nach einer dichtenden, nicht verrechnenden Sprache, die Hei-
degger in seinem Festschriftenbeitrag für Ernst Jünger forderte und die
die »Verwindung« der zurichtenden Technik erlauben sollte. Technik
und Sprache waren dann auch die Themen der beiden Tagungen der
Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München  und ,
an denen Heidegger und Friedrich Georg Jünger teilnahmen und um die
es im nächsten Abschnitt gehen wird. Der Schlusspunkt der Parallelbe-
wegung ist in der Haltung der »Gelassenheit« zu erkennen, die Heidegger
in einer Veröffentlichung gleichen Titels von  propagierte und die im
abschließenden Abschnitt dieses Kapitels behandelt werden soll.


.. Technik und Sprache


Exkulpative Technikkritik bei Ernst und Friedrich Georg Jünger

Die Rede von der Technik hatte im Westdeutschland der Nachkriegszeit


und der er Jahre in ähnlicher Weise Schlagwortcharakter wie die vom
Nihilismus. Dafür war nicht nur die Erfindung der Atombombe verant-
wortlich, von der etwa der Züricher Philosophieprofessor Donald Brink-
mann schrieb, dass sie »das Problem ›Mensch und Technik‹ plötzlich in
den Mittelpunkt des Interesses gerückt« habe. Auch die friedliche Ver-
breitung technischer Artefakte im Alltagsleben trug zu dem Bewusstsein
bei, in einer industrialisierten Gesellschaft zu leben, die zunehmend
durch Technisierung und »Vermassung« gekennzeichnet sei, wie es im
Vokabular der eine erneute Hochkonjunktur erlebenden Kulturkritik
hieß. Analog zur Nihilismusdiskussion wurden Technik und Masse viel-
fach als allgemeine Signaturen der hochzivilisierten Moderne angesehen,
die zugleich die Anfälligkeit dieser Moderne für Totalitarismen aller Art
erklären sollten. Auf diese Weise diente auch der Technik- und Massedis-
kurs der zum Teil offenen, zum Teil verdeckten Auseinandersetzung mit
der nationalsozialistischen Vergangenheit, nicht selten in exkulpativer
Absicht.
In diesen Kontext ist auch die Beschäftigung Martin Heideggers und
der Brüder Jünger mit dem Problem der Technik einzuordnen, wobei
Heidegger und die Brüder Jünger nicht nur auf eine laufende Debatte
reagierten, sondern selbst als zentrale Stichwortgeber dieser Debatte fun-
gierten. Dabei war vielen Kommentatoren Ernst Jüngers »Arbeiter« noch
im Gedächtnis, der nicht nur als Dokument des totalitären Machtwillens,
sondern auch als grundlegende Auseinandersetzung mit der Technik
wahrgenommen wurde. Dass Jüngers denkerische Weiterentwicklung
und verdeckte Selbstkritik im Anschluss an den »Arbeiter« weiterhin am
Problem der Technik orientiert blieb, ist bereits deutlich geworden. So
beinhalteten auch die essayistischen Schriften der frühen er Jahre,
von »Über die Linie« und dem »Waldgang« zum »Gordischen Knoten«
und dem »Sanduhrbuch« von , eine Bearbeitung des Technikthemas.

 Brinkmann, Mensch und Technik, S. .


 Vgl. Schildt, Moderne, S. -; Nolte, Ordnung, S. -; als zeitgenössi-
schen Beitrag zur Technikdebatte, der zugleich einen Überblick über die unter-
schiedlichen Positionen gibt, Dessauer, Streit.
 Vgl. Solchany, Antimodernismus; Lohmeier, Geschichtsdeutung.
 Vgl. etwa Schröter, Wirtschaft, S. .
 Vgl. Gauger, Essays.
     -

Dieses Thema lässt sich schließlich auch im erzählerischen Werk Ernst


Jüngers finden, besonders in dem utopischen Roman »Heliopolis« von
 und der Novelle »Gläserne Bienen« von .
»Heliopolis« kann dabei als gleichsam »technisierte« Fortsetzung von
»Auf den Marmorklippen« gelten. Jünger setzte in diesem von der Kritik
wenig geschätzten Thesenroman erneut sein Verfahren einer mythisie-
renden Verfremdung ein, um aktuelle Zustände zu beschreiben, indem er
diesmal die Hauptfigur Lucius de Geer in der fiktiven Stadt Heliopolis im
Machtkampf zwischen dem aristokratischen »Prokonsul« und dem dema-
gogischen »Landvogt« agieren ließ. Im Unterschied zu den »Marmor-
klippen« war die Welt von »Heliopolis« allerdings nicht mehr auf unbe-
stimmbare Weise vormodern, sondern zeichnete sich im Gegenteil durch
einen hohen Grad von Technizität aus, die dem Roman streckenweise
Science-Fiction-Charakter verlieh. Die unterschiedlichen technischen
Artefakte dienten dabei in erster Linie der Herrschaft des Landvogts, der
seine Macht von einem »Zentralamt« (EJ a, ) aus mithilfe einer
technisierten Bürokratie und unter propagandistischem Einsatz der Mas-
senmedien ausübte. Ernst Jüngers Schilderung der im Roman bereits
erreichten »Perfektion der Technik« (ebd.) sowie der mit ihr einhergehen-
den demagogischen Herrschaft orientierte sich dabei bis in einzelne For-
mulierungen hinein nicht nur an seiner eigenen Technikutopie aus dem
»Arbeiter«, sondern auch an der Technikkritik seines Bruders Friedrich
Georg. Ernst Jünger ließ wenig Zweifel daran, dass er sich dieser Tech-
nikkritik mittlerweile angeschlossen hatte, denn seine Hauptfigur Lucius

 Vgl. Segeberg, ›Gläserne Bienen‹.


 Schröter, Illusion, S. ; vgl. auch Esselborn, Verwandlung; Gauger, Weltschau;
Krah, Apokalypse.
 Carl Schmitt kritisierte dieses Verfahren als Ausweichen vor einer konkreten Po-
sitionierung, mit dem Jünger es im »Lizenzstaat« allen recht machen wolle: »Da
setzt einer sich die Nebelkappe einer halb mythologischen Verschleierung auf,
weicht in vielsagende Landschaften und Räume aus, malt historisch-politisch
Böcklin-Landschaften, spricht nicht mehr von Juden, sondern von Parsen, ob-
wohl jeder sieht, daß es sich um ihn und die Juden usw. handelt, spricht nicht
mehr von Nazis, sondern von Demos und von Landvögten, nicht mehr von der
SS, sondern von den Mauretaniern, nicht mehr von sich selbst, sondern vom
Kommandanten Lucius. So kann man von sich und seiner Zeit sprechen und alle
Reizmittel eines Schlüsselromans zur Anwendung bringen und hat schließlich
doch nichts Vergleichendes gesagt. Es ist alles wunderbar freibleibend und der
eifrige Leser, der nun wissen möchte, was der Autor über die Juden und die Nazis
denkt, bleibt ebenso gefoppt wie der Autor freibleibt. Eine sehr praktische, in
Zeiten schnell wechselnder Fronten überaus empfehlenswerte Methode der Dek-
kung durch Verschlüsselung.« (Schmitt, Glossarium, S. )
   

de Geer stand nicht nur auf Seiten des aristokratischen Prokonsuls, der
statt der Perfektion der Technik die »Vollkommenheit des Menschen«
(ebd., ) anstrebte. Sie folgte auch im Verlauf der Handlung zuneh-
mend ihren eskapistischen Neigungen, um den Schauplatz des Macht-
konflikts am Ende des Romans schließlich vorzeitig und mit Richtung
auf ein Jenseits der Technik- und Machtsphäre zu verlassen, in dem die
»Gesetze der Technik« (ebd., ) nicht gelten.
In »Heliopolis« fanden sich in angedeuteter oder expliziter Form
bereits fast alle wesentlichen Themen von Ernst Jüngers essayistischen
Schriften der er Jahre, von der Überwindung des Nihilismus und der
Technik bis zum Rückzug in den »Wald« und dem Widerstand gegen
die mechanisierte Zeit. Dieselben Themen beschäftigten auch Friedrich
Georg Jünger, dessen Nachkriegstexte sich allerdings noch expliziter mit
dem Problem der Technik befassten als die Ernst Jüngers. Bei Friedrich
Georg Jünger lässt sich diese Auseinandersetzung mit der Technik eben-
falls in den literarischen Texten, das heißt bei ihm in den Gedichten und
Erzählungen finden. Wichtiger war in diesem Zusammenhang aber
wiederum die umfangreiche Essayistik.
Dass die Technik für Ernst Jünger und Martin Heidegger ein wesent-
liches Element bzw. eine Erscheinungsform des Nihilismus war, ist an
ihrem Austausch über die »Linie« bereits deutlich geworden. Friedrich
Georg Jünger brachte seine Technik- und Massenkritik erstmals in seinem
 in einer ersten Fassung abgeschlossenen, aber erst  veröffent-
lichten Buch über Friedrich Nietzsche explizit in Verbindung mit dem
Begriff des Nihilismus. In diesem schmalen Buch finden sich unter an-

 Walter Delabar erkennt in der Entwicklung des Helden Lucius de Geer die »all-
mähliche Konversion des Tatmenschen zum Beobachter« (Delabar, Sonnenstadt,
hier S. ), die auch Ernst Jünger selbst durchlaufen hat.
 Vgl. Richter, Thematic Approach, S. -.
 Dieses Buch über Nietzsche diente Friedrich Georg Jünger, wie er in der Schlussbe-
merkung schrieb, vor allen Dingen der Klärung seiner eigenen Position gegen-
über Nietzsche, dem er einerseits mit einem gewissen »Mißmut« (FGJ c, )
begegnete, der ihm aber andererseits eine Art historische Solidarität abforderte,
da er in der Nachkriegszeit von allen Seiten angefeindet worden sei, was Jünger
zu dem Umkehrschluss führte, dass Nietzsches Werk »das zentral gelegene Boll-
werk des unabhängigen Geistes« sei, »der keinem Staatsauftrag, keiner politi-
schen Anweisung, keiner Partei-Instruktion gehorcht« (ebd.). Martin Heidegger
schrieb  an Vittorio Klostermann, der ihm Jüngers Nietzsche-Buch zuge-
sandt hatte: »Soweit ich das Buch von F. G. Jünger angelesen habe, erscheint es
mir sehr geeignet, eine ernsthafte und dringend nötige Auseinandersetzung über
unser Verhältnis zu Nietzsche in Gang zu bringen.« (M. Heidegger an V. Kloster-
mann, .., A: Klostermann, DLA Marbach)
     -

derem zwei Kapitel über den »Schauspieler« und die »Masse«, von denen
Jünger, wie aus seinem Briefwechsel mit Vittorio Klostermann hervorgeht,
zeitweise überlegte, sie in eine erweiterte Auflage seines Technikbuchs zu
integrieren. Darin betonte er erneut die Zusammengehörigkeit von
technischem Fortschritt und »Massenbildung« (FGJ c, ), wobei
die Technik der »Organisierung des Konsumtionsvorganges« diene,
»durch den die Masse auf den Minimalzustand hingesteuert wird« (ebd.,
), während der »Massenführer« als »Schauspieler« (ebd., ) erschei-
ne. Die Verbindung mit dem Nihilismusbegriff stellte er unter anderem
in dem Kapitel über den »Willen zur Macht« her, den Jünger, ebenso wie
Heidegger, als Erscheinungsform des »aktiven Nihilismus« definierte und
zu dessen Werkzeugen die »nihilistische Wissenschaft und Technik«
(ebd., ) gehörten.
Mit seinem Nietzsche-Buch leistete Friedrich Georg Jünger somit eine
Art vorgezogenen Beitrag zur Nihilismusdebatte zwischen Ernst Jünger
und Martin Heidegger, da er nicht nur ihr Ziel einer Überwindung des
Nihilismus teilte, sondern auch genau wie Ernst Jünger darauf hinwies,
dass der Nihilismus nicht als Chaos herrsche, sondern in Form von tech-
nischen »Zwangsordnungen, in denen der Mensch als Roboter vegetiert«
(ebd., ). Der Schilderung dieser technischen Zwangsordnungen wid-
mete Friedrich Georg Jünger in der Nachkriegszeit eine Reihe weiterer
Texte. An erster Stelle ist hier »Die Perfektion der Technik« zu nennen,
die  erstmals – gegenüber der Fassung von  an einigen Stellen
verändert und um mehrere Kapitel erweitert – erschien und eine breite
Rezeption erfuhr. Trotz der nicht selten ablehnenden Kritik wurde Jün-
ger mit diesem Text zu einem der wichtigsten Referenzautoren der Tech-
nikdebatte in der Nachkriegszeit, was nicht nur an der Zahl der Rezen-
sionen abzulesen ist, sondern auch an den zahlreichen Nachdrucken und
Vortragseinladungen.  erschien fast zeitgleich mit einer erweiterten

 Vgl. F. G. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.


 Von den ausführlicheren Rezensionen und Reaktionen seien hier nur genannt:
Bense/Günther, Perfektion der Technik; Borkenau, Technik und Fortschritt;
Hermlin, Friedrich Georg Jünger; Leithäuser, Gruselkabinett; Münster, Meinun-
gen; Reifenberg, Über die Technik; Stürner, Perfektion der Technik; Wenzl,
Labyrinth; einige der Kritiken referiert Richter, Thematic Approach, S. -.
 Vgl. für Nachdrucke und Übersetzungen Fröschle, Kommentiertes Verzeichnis,
S.  u. .  hielt Jünger z. B. einen Vortrag in Frankfurt, über den Vittorio
Klostermann an Martin Heidegger schrieb: »Der Vortrag von Friedrich Georg
Jünger über ›Normung und Automatismus‹ war recht eindrucksvoll. Die Auf-
nahme beim Zuhörerkreis zeigt, daß der Widerstand gegen seine Gedanken er-
   

zweiten Auflage der »Perfektion« ein weiteres Buch Friedrich Georg Jün-
gers zu diesem Thema, das als direkte Fortsetzung der »Perfektion« gelten
kann: »Maschine und Eigentum«.  integrierte Jünger diesen Text in
erweiterter Form als »zweites Buch« in eine abermals überarbeitete Neu-
auflage der »Perfektion«.
In »Maschine und Eigentum« nahm Friedrich Georg Jünger die
Hauptthese der »Perfektion« vom Raubbaucharakter der Technik zum
Ausgangspunkt für weitergehende Überlegungen. Aus der Beobachtung,
dass zu einer »geordneten Wirtschaft« die Pflege der »bewirtschafteten
Substanz«, gehöre, während die Technik durch »Raubbau«, »Konsum«
und »Verzehr« (FGJ , ) ihre eigene Substanz zerstöre, hatte Jünger
schon in der »Perfektion« geschlossen, »daß technische und wirtschaft-
liche ratio sich nicht decken, daß sie ihrem Ziele und Zwecke nach ver-
schieden sind« (ebd., ). Da die Technik für ihren Raubbau auf immer
neue Rohstoffe angewiesen sei, bekämpfe der »Techniker« auch das stati-
sche »Eigentum«, »indem er es seiner allmächtigen Organisation unter-
wirft« (ebd., ). Diesen Gegensatz von Technik und Wirtschaft entfal-
tete Jünger in »Maschine und Eigentum« nun in ausführlicher Weise und
ohne Scheu vor Redundanz. In den ersten Kapiteln grenzte er sich zu
diesem Zweck noch detaillierter als in der »Perfektion« von der sozialisti-
schen Theorie und dem Marxismus ab. Die »sozialen Theorien des neun-
zehnten Jahrhunderts« seien zwar erst als Reaktion auf den Aufstieg der
Maschinen entstanden, würden als »ökonomische Theorien« (FGJ a,
) aber gerade an der technischen Logik des Maschinenwesens vorbei-
gehen, die eben keinen ökonomischen Gesetzen gehorche. Umgekehrt
würde daher auch die Revolutionierung des Eigentumswesens und die
Enteignung der Kapitalisten nichts an der technischen Herrschaft der
Maschinen ändern, weshalb im »Maschinenmarxismus« noch immer das
gleiche mechanische »Prinzip der Ausbeutung« herrsche wie im »Maschi-
nenkapitalismus« (ebd., f.).
Um in der »Maschinenwelt« (ebd., ) zu bestehen, müsse diese also
ernster genommen werden als von den Marxisten. Dazu betrachtete Jün-

heblich ist.« (V. Klostermann an M. Heidegger, ..; A: Klostermann, DLA


Marbach) Vgl. dazu auch Minssen, Mensch.
 Vgl. für die beiden Fassungen FGJ b u. a, S. -; im Folgenden wird
»Maschine und Eigentum« nach der Fassung von  zitiert, da der Text von
 nur unwesentlich überarbeitet wurde, aber insgesamt fünf neue Kapitel hin-
zukamen.
 »Marx verstand von der Maschine nichts« (FGJ a, ), wie es an einer Stelle
bündig hieß.
     -

ger die Entwicklung des Maschinenwesens als eine geschichtliche Be-


wegung, die sich durch eine Reihe von »Abstraktionen« (ebd., ), die er
auch »Ablösungen« (ebd., ) nannte, aus dem »Ungesonderten« (ebd.,
) der Natur gelöst habe. Auch das Eigentum könne in diesem Sinn
nur als eine »Aussonderung aus dem Ungesonderten« (ebd.) begriffen
werden, weshalb Maschine und Eigentum als geschichtliche Größen zu-
nächst einen gemeinsamen Ursprung hätten. Das Eigentum sei aber auf
eine statische und durch Kontinuität gesicherte Ordnung angewiesen
und bedürfe der »Pflege« (ebd., ) und Bewahrung, während die Ma-
schine als dynamische Größe und als »Revolution in Permanenz« (ebd.,
) nicht auf Besitz, sondern auf Konsum ausgelegt sei und jedes Eigen-
tum auf Dauer verbrauche.
Zur Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung des Maschinen-
wesens, das von sich aus auf den »Automatismus« und die vollständige
»Normung« (ebd., ) aller Lebensgrößen zustrebe, griff Friedrich Georg
Jünger nicht nur auf seine »Perfektion« zurück, sondern wiederum auch
auf Ernst Jüngers »Arbeiter«. Das zeigte sich etwa dort, wo von den
»Werkstättenlandschaften« (ebd., ) die Rede war oder von der Trans-
formation des an der Maschine arbeitenden Handwerkers zum anonymi-
sierten und genormten »Arbeiter« (ebd., ). Wie bei Ernst war auch bei
Friedrich Georg Jünger der Fluchtpunkt der Darstellung ein durch die
nahtlose »Vereinigung von Apparatur und Organisation« (ebd., )
gesteuerter, planetarischer »Universalarbeitsplan« (ebd., ), der als ein
technisch hergestellter, totaler Herrschaftszusammenhang erschien. Fried-
rich Georg Jüngers für diesen Herrschaftszusammenhang neu eingeführ-
ter Begriff war der des einen »totalen Machtanspruch« stellenden »tech-
nischen Kollektivs« (ebd., ), wobei das stereotype Gegensatzpaar nun
nicht mehr Bürger gegen Arbeiter lautete, sondern »Eigentümer« gegen
»Funktionär« (ebd., ). Das technische Kollektiv sei als »mechanisches
Zwangskollektiv« (ebd., ) zugleich imperialistisch und zerstörerisch,
weshalb der »Weltkrieg« ebenso zu ihm gehöre wie die »Durchbrechung
von Grenzen« und die »Abtragung alter Herrschaftsformen« (ebd., ).
Die ihm gemäße Staatsform sei der »totalitäre Staat« (ebd., ), die ihm
gemäße Arbeitsform die »Zwangsarbeit« (ebd., ).
Indem Friedrich Georg Jünger die Maschinenwelt so als Welt der tota-
litären Herrschaft beschrieb, eröffnete er zwei Perspektiven. Zum einen
konnte er die eigene »Abkehr vom technischen Kollektiv« (ebd., ), die er
mit seinem Buch propagierte, in den Kontext des Widerstands des freien
Einzelnen gegen den »Leviathan« rücken, den zu leisten beide Brüder
Jünger seit Mitte der er Jahre für sich in Anspruch nahmen und dem
Ernst Jünger nach dem Krieg den Namen »Waldgang« gab. Noch deut-
   

licher als im »Waldgang« wurde bei Friedrich Georg Jünger allerdings die
geistige Natur dieses Widerstands, denn während der »tätige Wille« (ebd.,
) ein Kennzeichen des technischen Kollektivs sei, sollte sich die Ab-
kehr davon als ein »neues Denken« (ebd., ) vollziehen, als »Schweigen
und Ruhe« (ebd., ), die im technischen Kollektiv nicht zugelassen
seien, und als »Hüten« der »Substanz« (ebd., ).
Zum anderen diente Friedrich Georg Jünger die Charakterisierung
der Technik als unfrei und totalitär erneut dazu, den Nationalsozialismus
zu einer Erscheinungsform des technischen Kollektivs zu erklären –
»ohne technische Organisation kein Nationalsozialismus« (FGJ /EN, ),
wie er  an Ernst Niekisch schrieb – und damit zugleich mit anderen
Erscheinungsformen gleichzusetzen, zu denen für ihn auch die »unmit-
telbare Demokratie« mit ihrem »technischen Zentralismus« gehörte.
Diese argumentative Nivellierungsstrategie ist bereits mehrfach ange-
sprochen worden. In »Maschine und Eigentum« führte sie dazu, dass
Friedrich Georg Jünger von Konzentrationslagern und Praktiken der
Menschenvernichtung sprechen konnte, ohne einzelne Lager oder Täter
beim Namen zu nennen oder etwa Unterscheidungen zwischen den ver-
schiedenen Lager- und Verfolgungssystemen im Nationalsozialismus
oder Stalinismus zu treffen. Stattdessen nannte er die Konzentrations-
lager allgemein eine ständige »Begleiterscheinung eines entwickelten
technischen Kollektivs« (FGJ a, ). Über dieses technische Kollek-
tiv sagte er weiter:
»Sein Symbol ist das mit elektrischem Stacheldraht umgebene Konzen-
trationslager, um das herum Ketten von Türmen, Wachen und Hunden
laufen. Dieses Kollektiv wird rigoros gegen den Menschen, weil seine
Lage schwieriger wird. Und in ihm kommt es zu den Scheußlichkeiten,
deren Anfänge wir jetzt kennen, zur Anhäufung von Arbeitsgefange-
nen auf engem Raume, zur [sic] Deportationen, Evakuierungen, Ver-
schleppungen, Inhaftierungen, zur Abschlachtung ganzer Kategorien
von Missliebigen mit Mitteln, wie sie dem Kollektiv eigentümlich
sind, mit massenwirksamen Mitteln wie Gas, Gift und automatischen
Schnellfeuerwaffen. Im Kollektiv entwickelt sich eine mechanische
Gefühllosigkeit gegenüber dem Leiden; der Mensch des Kollektivs hat
die Fähigkeit, dieses Leiden ganz zu übersehen und den Tod zu büro-

 Diese Begriffe sind hier einem Brief Friedrich Georg Jüngers an Henry Regnery,
seinen amerikanischen Verleger, der  eine Übersetzung der »Perfektion« her-
ausbrachte, entnommen; vgl. F. G. Jünger an H. Regnery, .. (Abschrift),
D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
     -

kratisieren und mechanisch zu machen. Hier finden wir den Wissen-


schaftler und Techniker, der am Körper von Gefangenen experimen-
tiert. Hier haben sich ganze Schindereien und Abdeckereien entwik-
kelt.« (Ebd., )
Unabhängig davon, dass Ernst Jünger einst selbst die »mechanische
Gefühllosigkeit« propagiert hatte, ist in diesen Bemerkungen Friedrich
Georg Jüngers zur Bürokratisierung des Todes eine Dimension der Ver-
nichtungspraktiken des Zweiten Weltkriegs angesprochen, die auch an-
dere Beobachter und Theoretiker des Totalitarismus wie etwa Hannah
Arendt beunruhigte. Noch deutlichere Parallelen zu Hannah Arendts
Formulierung von der »Banalität des Bösen« finden sich bei Ernst
Jünger, der schon in seinem Tagebuch im Mai  vom »Mord als Ver-
waltungssache« gesprochen hatte: »Heut ist auch das Böse vom Schwund
ergriffen, ist reduziert und maschinell geworden, der Mensch nicht böser,
sondern billiger. […] Man sieht Funktionärsgesichter wie das von Himm-
ler« (EJ /, f.). Mit Blick auf Himmlers »penetrante Bürgerlich-
keit« notierte Ernst Jünger wenige Einträge später:
»Hieran wird andererseits der Umfang deutlich, in dem das Böse in
unsere Einrichtungen eingedrungen ist: der Fortschritt der Abstrak-
tion. Hinter dem nächstbesten Schalter kann unser Henker auftauchen.
Heut stellt er uns einen eingeschriebenen Brief und morgen das To-
desurteil zu. Heut locht er uns die Fahrkarte und morgen den Hinter-
kopf. Beides vollzieht er mit derselben Pedanterie, dem gleichen
Pflichtgefühl. Wer das nicht bereits in den Bahnhofshallen und im
keep-smiling der Verkäuferinnen sieht, geht wie ein Farbenblinder
durch unsere Welt.« (Ebd., )
In »Über die Linie« stellte Jünger dann fest, dass in nihilistischen Zeiten
selbst bei den »großen Untaten« das »Böse kaum als Beweggrund« auf-
trete, die Täter sich vielmehr durch »Indifferenz« auszeichneten und dass
»Passanten, die man an jeder Straßenecke und hinter jedem Schalter sieht,
in den moralischen Automatismus eintreten« (EJ , ) könnten.
Diese Einordnung der nationalsozialistischen Lager- und Vernich-
tungspraxis in die automatisierte und technisierte Moderne, die beide
Brüder Jünger vollzogen, verstellte letztlich aber mehr als sie aufhellte. So
überzeichnete sie etwa bei der Beschreibung der Konzentrationslager »das
Perfekte, das Desinfizierte der technischen Welt« (EJ /, ). Wenn
Ernst Jünger schrieb, dass selbst »an den Plätzen, an denen der Nihilis-

 Arendt, Eichmann in Jerusalem.


   

mus seine unheimlichsten Züge aufweist wie an den großen physischen


Vernichtungsstätten […] Nüchternheit, Hygiene und strenge Ordnung
bis zuletzt« (EJ , ) herrschten, so lässt sich darauf erwidern, dass
Nüchternheit und Hygiene wohl eher nicht zu den hervorstechendsten
Eigenschaften des Lebens und Sterbens in den Lagern gehört haben dürf-
ten. Noch entscheidender ist allerdings, dass diese geschichtsphilosophi-
sche Einordnung in den abendländischen Nihilismus oder die Perfektion
der Technik keine Unterscheidungen mehr zwischen den unterschied-
lichen Verbrechen und damit auch keine Zuweisung von Schuld mehr
erlaubte. Hinzu kam, dass beide Brüder Jünger die Allgegenwart der
bürokratischen Unterdrückung explizit auch in den kapitalistischen und
demokratisch verfassten Gesellschaften westlicher Prägung vermuteten.
Wenn man die »Inhumanität« (FGJ a, ) aber schon im »automa-
tischen Lächeln der keep-smiling-Gesichter« (ebd., ) erkannte, von
denen auch Friedrich Georg Jünger sprach, dann liegt der Verdacht nahe,
dass die Deutung der Konzentrationslager als Begleiterscheinung des
»technischen Kollektivs« eher der Verwischung von Unterschieden diente
als deren Aufdeckung. In diesem Sinn ist die Beschäftigung beider Brü-
der Jünger mit der Technik in der Nachkriegszeit in den exkulpativen
Technikdiskurs nach  einzuordnen.

Martin Heideggers Verwindung der Technik

Während die Brüder Jünger die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs


mehrfach in der erläuterten verdeckenden Weise thematisierten, finden
sich in den Nachkriegstexten Martin Heideggers – neben der direkten
Apologie wie in dem bereits zitierten Brief an Herbert Marcuse vom
. Januar  – kaum Stellen, die als Auseinandersetzung mit den deut-
schen Verbrechen gewertet werden könnten. Dieses Schweigen Heideg-
gers zum Holocaust ist seit Kriegsende vielfach bemerkt und kritisiert
worden.  ist im Rahmen der Gesamtausgabe allerdings der Wort-
laut von vier Vorträgen erschienen, die Heidegger  im »Club zu Bre-
men« und  noch einmal auf Bühlerhöhe unter dem Titel »Einblick in
das was ist« gehalten hat. In einem dieser Vorträge sprach Heidegger

 Vgl. Alisch, Heideggger’s »Silence«; Leaman, Strategies of Deception; zur Bedeu-


tung des Antisemitismus in Heideggers Schweigen Lang, Jewish Question; ders.,
Heidegger’s Silence.
 Vgl. MH a. Die vier Vorträge hatten die Einzeltitel »Das Ding«, »Das Ge-Stell«,
»Die Gefahr« und »Die Kehre«. Den Vortrag über »Das Ding« hielt Heidegger
     -

von der »Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungs-


lagern« (MH a, ) und setzte die deutschen »Todesfabriken« dabei
nicht nur mit anderen Massentötungen, sondern auch mit friedlichen
Formen der Techniknutzung gleich, indem er schrieb: »Ackerbau ist jetzt
motorisierte Ernährungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrika-
tion von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern, das Selbe wie
die Blockade und Aushungerung von Ländern, das Selbe wie die Fabrika-
tion von Wasserstoffbomben.« (Ebd.)  In dem darauf folgenden Vortrag
kam er erneut auf die »Fabrikation von Leichen« zurück:
»Hunderttausende sterben in Massen. Sterben sie? Sie kommen um.
Sie werden umgelegt. Sterben Sie? Sie werden Bestandstücke eines
Bestandes der Fabrikation von Leichen. Sterben sie? Sie werden in
Vernichtungslagern unauffällig liquidiert. Und auch ohne Solches –
Millionen verelenden jetzt in China durch den Hunger in ein Ver-
enden. Sterben aber heißt, den Tod in sein Wesen austragen. Sterben
können heißt, diesen Austrag vermögen.« (Ebd., )
Bei einer wohlwollenden Interpretation lassen sich auch hier Parallelen
zu anderen Deutungen der Konzentrationslager finden, wie wiederum zu
der Hannah Arendts, die die Entmenschlichung der Häftlinge schon vor
ihrer Ermordung hervorhob, wodurch ihnen ein »humanes« Sterben ver-
wehrt worden sei, und die an anderer Stelle ebenfalls von der »Fabri-
kation von Leichen« in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern
sprach. Doch bei Heidegger fällt noch stärker als bei den Brüdern Jünger
die nivellierende Stoßrichtung dieser Bemerkungen ins Auge. Heidegger
fragte eben nicht wie Arendt nach dem Wesen der Konzentrationslager

 noch einmal in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Der Vortrag
über »Das Ge-Stell« bildete die Grundlage für den  ebenfalls in der Bayeri-
schen Akademie der Schönen Künste, auf der Tagung über »Die Künste im tech-
nischen Zeitalter« gehaltenen Vortrag »Die Frage nach der Technik«. Außer in
den Akademiejahrbüchern wurden diese Vorträge  auch in dem Sammelband
»Vorträge und Aufsätze« von Heidegger publiziert; vgl. MH a u. a. 
erschien zudem eine kleine Sonderausgabe, in der »Die Frage nach der Technik«
zusammen mit der »Kehre« veröffentlicht wurde. Alle vier Vorträge, so wie sie
 und  gehalten wurden, sind zusammen aber erst  erschienen.
 Arendt, Nach Auschwitz, S. ; vgl. zur Problematisierung dieses Begriffs Lüdtke,
Bann der Wörter.
 Dieser Vergleich fehlte in den überarbeiteten Versionen des Vortrags; vgl. zur
amerikanischen Debatte um den so genannten »agriculture remark« Manning,
Cries; Fontenay, Essence; Milchman/Rosennberg, Planetary Technics.
 Vgl. Arendt, Elemente, S. -.
 Arendt, Nach Auschwitz, S. .
   

und ihrer historischen Besonderheit, sondern nach dem der Technik, und
ordnete die Lager in zwei lapidaren Bemerkungen in dieses Wesen ein,
wodurch er den Blick nicht auf ihre Besonderheiten, sondern von diesen
weg lenkte. Sein Vergleich von motorisierter Ernährungsindustrie und
der »Fabrikation von Leichen« trug nichts zur Erklärung des Genozids an
den europäischen Juden bei, sondern betrieb dessen »Banalisierung«.
Genau wie bei den Brüdern Jünger lässt sich also auch bei Heidegger
von der relativierenden und in diesem Sinn exkulpativen Funktion der
Technikkritik in der Nachkriegszeit sprechen. Diese Nivellierungsstrate-
gie ist bereits an Heideggers Texten der späten er und frühen er
Jahre analysiert worden. Die Kritik an der »Herrschaft der modernen
Technik« (MH /, ), die er in diesen Jahren vor allen Dingen mit-
hilfe des Begriffs der »Machenschaften« formuliert hatte, setzte Heideg-
ger nach  nahtlos fort und aktualisierte sie unter dem Begriff des
»Ge-Stells«, den er in dem besagten Vortragszyklus von  entwickelte.
Der Begriff »Ge-Stell« war dabei Heideggers neue Bezeichnung für das
»Wesen der Technik« (MH a, ). Zu dessen Erläuterung griff er (ohne
ihn direkt zu zitieren) auf seinen Vortrag über »Die Zeit des Weltbildes«
von  zurück, in dem er bereits die »Vergegenständlichung des Seien-
den« in der neuzeitlichen Wissenschaft und Technik als »Vor-stellen«
(MH , ) definiert hatte.  bezeichnete er erneut das »gegen-
ständliche Vorstellen« (MH a, ) als Grundzug des neuzeitlichen
Weltbezugs. Dieses Vorstellen sei aber nicht nur ein theoretischer, sondern
auch ein praktischer »Angang« des »Anwesenden« (ebd.). Als solches sei
das Vorstellen ein »Stellen«, das den »Charakter des Herausforderns«
(ebd., ) trage: »Stellen sagt jetzt: herausfordern, anfordern, zum Sich-
stellen zwingen« im Sinne eines »Gestellungsbefehls« (ebd., ). Heideg-
ger veranschaulichte dies zunächst anhand der Art, in der die Natur
durch die moderne Technik gestellt werde, nämlich in Hinblick auf die
in ihr auffindbaren Rohstoffe und Bodenschätze: »Durch solches Bestel-
len wird das Land zu einem Kohlerevier, der Boden zu einer Erzlager-
stätte.« (Ebd.) Diese »Ausbeutung« sei allerdings nicht einfach ein »Tun
und Treiben des Menschen« (ebd., ). Der Mensch gehöre zwar »zum
Vollzug des Bestellens«, in dieser Zugehörigkeit sei er aber selbst »für das
Bestellen des Bestellbaren in das Bestellen bestellt«, d. h. er erscheine nur
noch als der »Angestellte des Bestellens« (ebd., ). Um diese Eigenmäch-
tigkeit des Bestellens zu charakterisieren, erfand Heidegger den Begriff
»Ge-Stell« als Name für »die von sich her gesammelte Versammlung des
Stellens« (ebd., ). Das »Ge-Stell« meine folglich nicht »einen einzelnen

 Traverso, Auschwitz denken, S. .


     -

Gegenstand von der Art eines Büchergestells« (ebd.), sondern eine durch
das »Stellen« charakterisierte Art des Weltbezugs, der »in seinem Stellen
universal« (ebd., ) sei.
Bei Heideggers Beschreibung dieser universalen Herrschaft des Ge-
Stells in der Neuzeit lassen sich verschiedene Parallelen zu der Technik-
deutung der Brüder Jünger erkennen, die zum Teil auf deren direkten
Einfluss zurückgeführt werden können. Im Falle von Ernst Jüngers
»Arbeiter« ist dieser Einfluss bereits ausführlich dargestellt worden. In
seinem Festschriftenbeitrag für Jünger erklärte Heidegger selbst, dass sein
Nachdenken über die »Frage nach der Technik« »den Beschreibungen im
›Arbeiter‹ eine nachhaltige Förderung« (MH a, ) verdanke. Doch
auch Friedrich Georg Jüngers »Perfektion der Technik«, deren Manu-
skript Heidegger schon  von Vittorio Klostermann erhalten hatte,
scheint nicht ohne Einfluss auf Heideggers Technikkritik gewesen zu
sein. Schon in seinen laut editorischer Notiz zwischen  und 
entstandenen Aufzeichnungen zur »Überwindung der Metaphysik« fan-
den sich zahlreiche Anklänge an Friedrich Georg Jünger, etwa dort, wo
Heidegger von der »Vernutzung aller Stoffe, eingerechnet den Rohstoff
Mensch« (MH /, ), sprach, die »Verwüstung der Erde« (ebd., )
auf die neuzeitliche »Rechnung und Planung« (ebd., f.) zurückführte
und die Technik als »Organisation des Mangels« (ebd., ) beschrieb. In
einem Vortrag von  stellte er fest, dass auch »der totale Staat« eine der
notwendigen »Folgen des Wesens der Technik« (MH b, ) sei.
Weitere zehn Jahre später schien er direkt – und mit einer kleinen, für
Heidegger typischen Spitze – Friedrich Georg Jünger zu meinen, wenn er

 Vgl. dazu auch Seubold, Stellungnahme; zu Heideggers Technikkritik allg. ders.,


Heideggers Analyse.
 Vgl. dazu neben Schuurman, Technology, S. ff., auch Langenegger, Gesamt-
deutungen, S. .
 Die Aufzeichnungen zur »Überwindung der Metaphysik« sind  erstmals in
Heideggers Sammelband »Vorträge und Aufsätze« erschienen. Friedrich Georg
Jünger schrieb Heidegger nach Lektüre dieses Bands, in dem er ohne Zweifel
eigene Gedanken wiedererkannt hatte: »Die ›Überwindung der Metaphysik‹, die
ich noch nicht kannte, hat mich stark beschäftigt; entschiedener, härter haben
Sie weniges ausgesprochen.« (F. G. Jünger an M. Heidegger, .., D: F. G.
Jünger, DLA Marbach)
 In der betreffenden Passage des Vortrags über Rainer Maria Rilke »Wozu Dich-
ter?« griff Heidegger zur Charakterisierung der »technischen Herrschaft« (MH
b, ) noch stärker auf die Begriffe seiner Auseinandersetzung mit Nietzsche
zurück, indem er sie auf die »Totalität des Wollens« (ebd., ) zurückführte. In
den späteren Ausführungen über das Ge-Stell war diese Kritik am »Willen zum
Willen« (ebd., ) nicht mehr so präsent, aber gleichwohl noch impliziert.
   

schrieb: »Wir wissen heute, ohne es schon recht zu verstehen, daß die
moderne Technik unaufhaltsam dahin drängt, ihre Einrichtungen und
Erzeugnisse in die allumfassende, größtmögliche Perfektion zu treiben.«
(MH /, f.)
In dem Vortrag von  waren die Parallelen besonders dort erkenn-
bar, wo Heidegger vom »Stückcharakter« der »Bestandstücke« der »Ma-
schine« und ihrer »Gleichförmigkeit« (MH a, ) sprach und darauf
hinwies, dass auch der Mensch selbst zum »Bestand-Stück« und dadurch
»auswechselbar« werde: »Daß er Bestand-Stück ist, bleibt Voraussetzung
dafür, daß er Funktionär eines Bestellens werden kann.« (Ebd., ) In
ganz ähnlicher Weise definierte Friedrich Georg Jünger die »Stückelung«
im normierten Arbeitsprozess und die daraus resultierende »Ersetzbar-
keit« und »Auswechselbarkeit« des Einzelstücks, das nur noch als »funk-
tionierende Funktion« (FGJ a, ) bestehe, wobei auch der Mensch
zum »Bestandteil der Apparatur« (ebd., ) werde. Wie die Brüder Jün-
ger rechnete auch Heidegger »Funk und Film« als moderne Medien zu
den Bestandteilen des Ge-Stells: »Ihre Maschinerien sind Bestand-Stücke
des Bestandes, der alles ins Öffentliche bringt und so die Öffentlichkeit
unterschiedslos für alles und jedes bestellt.« (MH a, )
Neben diesen Beschreibungsanalogien hatte Heidegger mit den Brü-
dern Jünger auch die Grundannahme gemeinsam, dass die Technik einer
Eigengesetzlichkeit folge und nicht einfach als Instrument oder Werk-
zeug des Menschen angesehen werden könne, mithin »kein menschliches
Gemächte« (ebd., ) sei. Damit verbunden und entscheidend für Hei-
deggers Technikdeutung war zugleich die Unterscheidung der Technik
als solcher von ihrem »Wesen«, das eben als »Ge-Stell« schon vor der Er-
findung der ersten Kraftmaschine geherrscht und diese erst ermöglicht
habe. Folglich sei »das Wesen der Technik […] selbst nichts Technisches«
(ebd., ). Zu dieser Grundüberzeugung Heideggers finden sich eben-
falls Analogien bei den Brüdern Jünger, etwa in Ernst Jüngers schon im
»Abenteuerlichen Herz« geäußerten Ansicht, dass »die Technik noch
etwas anderes als Technik ist« (EJ a, ). Doch zugleich verband sie
sich mit Heideggers Einordnung der Technik in sein Modell der »Seins-
geschichte«, die über die Technikdeutung der Brüder Jünger hinaus ging
und Heidegger die denkerische Distinktion von dieser erlaubte.
Schon in den Bemerkungen zur »Überwindung der Metaphysik« hat
Heidegger die Technik auch als »vollendete Metaphysik« (MH /,
) gekennzeichnet. Von der Seinsvergessenheit der Metaphysik wissen
wir bereits, dass sie in den Augen Heideggers ein vom Sein selbst ver-
hängtes Geschick war. Im »Brief über den ›Humanismus‹« konnte er des-
halb schreiben: »Die Technik ist in ihrem Wesen ein seinsgeschichtliches
     -

Geschick der in der Vergessenheit ruhenden Wahrheit des Seins.«


(MH a, ) Diese seinsgeschichtliche Sicht auf die Technik, die für
Heidegger zugleich eine heilsgeschichtliche Perspektive eröffnete, ent-
wickelte er auch in dem Vortragszyklus von , und zwar in den beiden
auf den über das »Ge-Stell« folgenden Vorträgen über die »Gefahr« und
die »Kehre«. Im Vortrag über die »Gefahr« bezeichnete Heidegger das
»Ge-Stell« im genannten Sinn als vollendetes »Geschick der Vergessen-
heit des Wesens des Seins« (MH a, ). In einer anderen Formulie-
rung schrieb er, das »Ge-Stell« setze »der Wahrheit des Wesens des Seins
mit der Vergessenheit nach« (ebd.). Dieses Nachstellen bezeichnete er
auch als »Gefahr«: »Der Grundzug des Wesens der Gefahr ist das Nach-
stellen. Insofern das Sein als Ge-Stell sich selbst mit der Vergessenheit
seines Wesens nachstellt, ist das Seyn als Seyn die Gefahr seines eigenen
Wesens.« (Ebd.)  Daher gelte zugleich: »Das Wesen des Ge-Stells ist die
Gefahr.« (Ebd., )
Mithilfe der schon bekannten Denkfigur der »Not der Notlosigkeit«
argumentierte Heidegger nun, dass diese Gefahr so lange vorherrsche,
wie sie nicht als Gefahr in ihrem eigentlichen Wesen erkannt sei. Das
»gängige Meinen über die Technik« (ebd., ) bezeichne diese zwar auch
als gefährlich, denke die Technik aber nicht aus ihrem »Wesensbereich«
(ebd.), d. h. also für Heidegger aus dem »Ge-Stell«. Diese Argumentation
entsprach der für Heidegger typischen Überbietungsfigur, die er auch
gegenüber Ernst Jünger angewandt hatte und die ihn stets als den ein-
zigen »wesentlichen« Denker erscheinen ließ, da ja bisher noch niemand
sonst auf die Idee gekommen war, von der Technik als dem »Ge-Stell« zu
sprechen. Diese argumentative Figur kaschierte die faktische Ähnlichkeit
von Heideggers Technikdeutung etwa auch zu der von Friedrich Georg
Jünger, der hier zwar nicht explizit mit dem »gängigen Meinen über die
Technik« angesprochen wurde, implizit aber mit gemeint sein konnte.
Das »Wesen der Technik in der waltenden Versammlung eines universel-
len Stellens, d. h. im so zu denkenden Ge-Stell zu erfahren«, verband
Heidegger jedenfalls explizit mit dem »Anspruch, das Wesen der Technik
in einer Weise zu würdigen, die innerhalb des heutigen Denkens kaum
mehr überboten werden kann« (ebd., ).

 Heidegger griff hier für sein Vortragsmanuskript auf die Schreibweise von »Seyn«
mit y aus den »Beiträgen zur Philosophie« zurück, korrigierte sie in allen zu seinen
Lebzeiten veröffentlichten Versionen dieser Vorträge aber wieder zu »Sein«.
 Nachdem sie Zeugin eines Diskussionsabends mit Heidegger im Haus des Ehe-
paars Podewils geworden war, schrieb die Schwester von Sophie Dorothee Pode-
wils im Januar  in einem Brief an Friedrich Georg Jünger über Heidegger:
   

Im letzten Vortrag über die »Kehre« entwickelte Heidegger aus seiner


Bestimmung des »Ge-Stells« als »Gefahr« und unter Bezugnahme auf die
Verszeile Hölderlins: »Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch«
(ebd., ) schließlich die heilsgeschichtliche Perspektive einer »Verwin-
dung des Wesens der Technik« (ebd., ). Da das »Ge-Stell ein Wesens-
geschick des Seyns selbst« (ebd., ) sei, lasse sich »die Technik niemals
durch ein bloß auf sich gestelltes menschliches Tun meistern«, denn die
»Technik, deren Wesen das Sein selbst ist, läßt sich durch den Menschen
niemals überwinden« (ebd., ). Stattdessen müsse sich »das Sein selber«
»geschicklich wandeln« (ebd., ). Da aber zugleich das »Wesen des
Seyns das Menschenwesen braucht, um als Sein nach dem eigenen Wesen
inmitten des Seienden gewahrt zu bleiben«, könne »das Wesen der Tech-
nik nicht ohne Mithilfe des Menschenwesens in den Wandel seines Ge-
schicks geleitet werden« (ebd., ). Zur »Verwindung des Wesens der
Technik« werde daher der Mensch gebraucht, müsse »das Wesen des
Menschen erst dem Wesen der Technik sich öffnen« (ebd., ).
Diese Argumentationsfigur wiederholte Heidegger ganz analog in der
Auseinandersetzung mit Ernst Jünger über die »Über-« oder »Ver-
windung« des Nihilismus. Im Vortrag über die »Kehre« machte er noch
deutlicher, dass das, was der Mensch zu dieser »Verwindung« beitragen
müsse, kein »Tun«, sondern ein »Denken« sei, »denn das Denken ist das
eigentliche Handeln, wenn Handeln heißt: dem Wesen des Seyns an die
Hand gehen, um ihm jene Stätte zu bereiten, in die es sich und sein
Wesen zur Sprache bringt« (ebd., ). Die Sprache sei daher zugleich die
Voraussetzung dafür, »dem Sein und dessen Anspruch zu entsprechen«
(ebd.). Der Mensch müsse ein »Wartender« werden, »der des Wesens des
Seyns wartet, indem er es denkend hütet. Nur wenn der Mensch als der
Hirt des Seins der Wahrheit des Seyns wartet, kann er überhaupt eine
Ankunft des anderen Seinsgeschickes erwarten, ohne in das bloße Wis-
senwollen zu verfallen« (ebd., f.). Diese Ankunft des anderen Seinsge-
schicks wurde von Heidegger auch als »Kehre« bezeichnet, was nun nicht
mehr einen Wandel in seinem eigenen Denken meinte, sondern ein Ge-

»Manchmal scheint er mir eine Quelle an Güte u. Liebe, so rücksichtsvoll u.


einfühlend. Aber ich glaube, er hat es nicht gerne, wenn andere kluge Männer
auch auf gute Gedanken kommen, es sei denn als seine Jünger. Er kommt mir vor
wie ein grosser Prophet, er greift das, was in der Luft liegt auf u. kündet es gross-
artig. Manchmal findet aber ein bescheidenerer Prophet auch ein Körnchen oder
mehrere, z. B. Herr Giselher Wirsing u. das meine ich, hat der Professor garnicht
gern.« (W. zu Schaumburg-Lippe an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA
Marbach)
     -

schehen im Sein selbst als Kehre »der Vergessenheit des Seins zur Wahrnis
des Wesens des Seyns« (ebd., ).
Mit dieser Argumentation bestätigte Heidegger erneut seinen Ab-
schied von der Tat nach der Erfahrung des Nationalsozialismus und dem
Scheitern des eigenen Aktivismus. Er ging zwar noch immer, wie schon
in den er und frühen er Jahren, davon aus, in einem Zustand der
»Uneigentlichkeit« zu leben, den er jetzt als Herrschaft der »Seinsver-
gessenheit« und des »Ge-Stells« charakterisierte und der zudem von den
Zeitgenossen gar nicht als solcher erkannt werde. Anders als  wollte
Heidegger diesen Zustand aber nicht mehr handelnd überwinden, son-
dern, indem er ihn als vom Sein selbst verhängtes Geschick erkannte,
denkend verwinden. Aus der Erkenntnis, »daß alles bloße Wollen und
Tun nach der Weise des Bestellens in der Verwahrlosung beharrt« (ebd.,
), zog er den Schluss, dass das andere Seinsgeschick nur durch ein
»Hüten« und »Warten« vorzubereiten sei, dessen Medium die dichtende
und denkende Sprache sei.
Durch seine Rhetorik des Wesentlichen war Heidegger um eine den-
kerische Alleinstellung bemüht, die neben sich kaum andere wesentliche
Denker duldete. Doch obwohl diese Distinktionsbemühungen auch die
Brüder Jünger trafen, erkannte Heidegger selbst, dass diese eine parallele
Denkbewegung vollzogen hatten, die sich ebenfalls am Gegenstand der
neuzeitlichen Technik kristallisierte. Auch Friedrich Georg Jünger sprach
am Ende von »Maschine und Eigentum« davon, dass die Erde »des Men-
schen als eines Pflegers und Hirten« (FGJ a, ) bedürfe.  und
 veranstaltete die Bayerische Akademie der Schönen Künste in Mün-
chen zwei Tagungen, die sich mit der Technik und der Sprache beschäf-
tigten und sowohl Martin Heidegger als auch Friedrich Georg Jünger
die Gelegenheit boten, ihre Auseinandersetzung mit diesen Themen im
direkten Austausch fortzusetzen.

»Die Frage nach der Technik«.


München 

Im Juni  wiederholte Martin Heidegger den ersten der Bremer Vor-
träge über das »Ding« auf Einladung von Clemens Podewils in der Baye-
rischen Akademie der Schönen Künste in München. Wie schon darge-
stellt, schloss sich an diesen öffentlichen Vortrag eine mehrtätige private
Zusammenkunft in dem am Haarsee gelegenen Haus des Ehepaars Pode-
wils an, bei der Heidegger in abendlicher Runde erneut einen Vortrag hielt.
Wie sich Clemens Podewils erinnerte, handelte es sich dabei um den letz-
   

ten der Bremer Vorträge über die »Kehre«, in dem Heidegger ebenfalls
von der Technik als dem »Ge-Stell« sprach. Vielleicht entstand schon
bei diesem ersten Auftritt Heideggers in München und den sich daran
anschließenden Gesprächen der Plan, eine größere Tagung zum Problem
der Technik und ihrem Verhältnis zu den Künsten zu organisieren. In je-
dem Fall nahm Heidegger seit diesem Zeitpunkt verstärkt Anteil an den
Tätigkeiten der Akademie. Ende  begann der Plan zu einer Tagung
über »Kunst und Technik« sich dann zu konkretisieren, wie Clemens Po-
dewils an Ernst Jünger schrieb:
»Ein weiteres, noch nicht ausgegorenes Projekt besteht darin, ein Ge-
spräch oder einen Zyklus über ›Kunst und Technik‹ von der Akademie
aus zu veranstalten. Hierüber bin ich mit Heidegger in Korrespondenz.
Er wird vermutlich im Januar zu einer Vorbesprechung nach München
kommen, denn die Sache muß thematisch, persönlich und in mancher
anderen Hinsicht wohl überlegt und vorbereitet werden, wenn anders
daraus nicht, wie Heidegger selbst sagt, ›ein Theater‹ statt eines Ge-
sprächs werden soll.«
Von dieser Besprechung mit Heidegger im Januar , die ebenfalls am
Haarsee stattfand und an der unter anderem der Münchner Religions-
philosoph Romano Guardini als Akademiemitglied teilnahm, berichtete
die Schwester von Sophie Dorothee Podewils an Friedrich Georg Jün-
ger. Am . April  wiederholte Heidegger dann seinen im Oktober
 auf Bühlerhöhe gehaltenen Vortrag über Hölderlin mit dem Titel
»… dichterisch wohnet der Mensch …« (MH b) in München, woran
sich ein Gespräch mit mehreren Mitgliedern der Akademie über das Ver-
hältnis von »Kunst und Technik« anschloss. Im Oktober  schrieb
Clemens Podewils schließlich an Friedrich Georg Jünger:
»Wie Du weißt, laboriere ich gegen manchen Widerstand, manche
Gleichgültigkeit seit langem an dem Zustandekommen eines echten
und für Teilnehmer und Auditorium bedeutenden ›Gesprächs‹ über
Kunst und Technik. Ich hoffe, dass nunmehr einige in der Akademie

 Vgl. Podewils, Stämme, S. .


 C. Podewils an E. Jünger, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Vgl. W. zu Schaumburg-Lippe an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA
Marbach.
 Ein Protokoll dieser Aussprache sandte Martin Heidegger im August  an Fried-
rich Georg Jünger; vgl. M. Heidegger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger,
DLA Marbach.
     -

massgebende Leute die Sache ernstlich ins Auge fassen und die Tagung
etwa im Frühjahr oder Sommer  gelingen wird.«
Podewils versuchte Friedrich Georg Jünger für einen Vortrag über Tech-
nik und Sprache zu gewinnen, wobei sich Jünger mit einer festen Zusage
allerdings noch zurückhielt, wohl auch aus grundsätzlicher Scheu vor
öffentlichen Auftritten. Im Unterschied dazu erwies sich neben Podewils
vor allen Dingen Heidegger als treibende Kraft hinter dem Unterneh-
men. Er betrieb den inhaltlichen Austausch der Teilnehmer schon im
Vorfeld der Tagung, der sich unter anderem durch die Zirkulation von
Vortragszusammenfassungen und -manuskripten unter den Teilnehmern
gestaltete, und nahm auch an den meisten der Vorbesprechungen teil, die
im Laufe des Jahres  in München stattfanden. In einem Brief vom
. August  berichtete er Friedrich Georg Jünger seinerseits von den
Planungen und bat ihn, seine Zurückhaltung gegenüber der Teilnahme
aufzugeben. Zwar müsse die »Tagespolemik« (MH e, ) umgangen
werden, doch ein »maßgebendes, aus langem Erfahren gesprochenes
Wort« könne das erreichen: »Wer es vermag, darf sich nicht entziehen, es
in dieser heillosen Zeit zu sagen. Darum bitte ich Sie herzlich, helfen Sie
mit.« (Ebd., ) Nachdem daraufhin auch Jünger endgültig zugesagt
hatte, fand am . und . Oktober im Haus der Schwester von Sophie
Dorothee Podewils in Altreuthe am Bodensee ein letztes vorbereitendes
Treffen statt, an dem beide Brüder Jünger teilnahmen und Heidegger eine
erste Fassung seines Vortrags über »Die Frage nach der Technik« hielt.

 C. Podewils an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 Vgl. die Protokolle der Sitzungen vom . März , . März  und . August
 im Ordner »Künste im technischen Zeitalter , .A: Korrespondenzen«
im Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München. Podewils
versicherte Heidegger mehrmals, dass »Sie der Geist sind, der durch das Unter-
nehmen weht« (C. Podewils an M. Heidegger, .., ebd.). An Friedrich Ge-
org Jünger schrieb Podewils im August , dass Heidegger »mit bewunderns-
werter Selbstlosigkeit nun bald seit zwei Jahren mithilft, den Boden für diese
Tagung zu bereiten« (C. Podewils an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger,
DLA Marbach).
 Vgl. MH/EH, f.; C. Podewils an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA
Marbach. Friedrich Georg Jünger notierte am . Oktober  in seinem Tage-
buch: »Heidegger erläuterte seinen Begriff des Gestells. Technik als Gestell, das
allem Stellen vorausgeht. Er las seine Aufzeichnungen darüber vor. […] Er ist der
einzige lebende Denker, der mich beschäftigt. Er denkt langsam, umkreist das
Gedachte, prägt es durch Wiederholungen ein. Das Denken ist kein Resultat. Ist
nichts Fertiges, sondern unser Anliegen, das nicht endet. Mittags kam Ernst.
Blauer dunstiger Tag. Gänge am Berg und Gespräche.« (Tagebücher aus den Jah-
ren -, D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
   

Innerhalb der Akademie kam der Tagungsplanung zugute, dass im Mai


 Emil Preetorius zum neuen Präsidenten gewählt worden war, der der
»Heideggerei« aufgeschlossener gegenüberstand als sein Vorgänger Wil-
helm Hausenstein und sich schließlich selbst mit einem Vortrag an der
Tagung beteiligte.
Dass auch Werner Heisenberg zur Teilnahme eingeladen wurde,
scheint ebenfalls auf die Initiative Heideggers zurückgegangen zu sein.
Jedenfalls berichtete Clemens Podewils der Akademie Anfang März ,
»daß Prof. Heisenberg und Prof. Heidegger bereits in fortgeschrittenem
Gedankenaustausch stehen« . Tatsächlich stand Heisenberg nicht nur
mit Heidegger, sondern auch mit den Brüdern Jünger schon seit längerer
Zeit in losem Kontakt. Im Sommer  lernte er beide Brüder im Ab-
stand weniger Wochen persönlich kennen, nachdem er schon seit Ende
 mit Friedrich Georg Jünger in Korrespondenz über dessen »Perfek-
tion der Technik« getreten war, die ihm dieser selbst zugeschickt hatte.
Am . Januar  bedankte sich Heisenberg für die Übersendung des
Buchs und berichtete Jünger, dass er die »Perfektion« »schon in den letz-
ten Kriegsmonaten« gelesen und sie »zu vielen Diskussionen in unserem
Freundeskreis« geführt habe. Am . September  schrieb Friedrich
Georg Jünger an Vittorio Klostermann, dass in Göttingen »eine lange

 Hausenstein, Briefe, S. ; vgl. oben. S. .


 Podewils, Clemens: Gedächtnisprotokoll über die Besprechung »Kunst und
Technik« im Prinz-Carl-Palais am Donnerstag, .., . Uhr, Ordner »Künste
im technischen Zeitalter , .A: Korrespondenzen«, Archiv der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste, München.
 Im Juni  schrieb Ernst Jünger seinem Bruder über einen Besuch in Göttin-
gen. »Ich sah bei dieser Gelegenheit viele Bekannte, darunter auch Heisenberg,
mit dem ich Kaffee trank und den Weltlauf beredete. Ihn schien vor allem die
Frage zu bewegen, ob man es noch verantworten könne, in Zweigen der Wissen-
schaft wie dem der Atomphysik zu arbeiten. Er muß das mit sich ausmachen,
doch kann er sicher sein, daß diese Arbeit zu ihrem vorbestimmten Ziele führen
wird, gleichviel wie seine individuelle Entscheidung fällt.« (E. Jünger an F. G.
Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach) Am . August schrieb umge-
kehrt Friedrich Georg: »Speidel und Carlo Schmid waren noch nicht bei mir,
dagegen besuchte mich Heisenberg, mit dem ich ein langes und gutes Gespräch
hatte.« (F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA
Marbach)
 W. Heisenberg an F. G. Jünger, .., zit. n. Literatur im Industriezeitalter.
Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum,
Marbach a. N. , S. . Heisenberg musste also im Besitz eines der wenigen
Exemplare gewesen sein, die bei dem Bombenangriff  nicht vernichtet wor-
den waren. Vgl. Jüngers Antwort, F. G. Jünger an W. Heisenberg, .. (Ab-
schrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach).
     -

Debatte über die ›Perfektion‹ stattgefunden« habe, an der sich »unter


anderem Heisenberg, Weizsäcker, Pascual Jordan und Nikolai Hartmann
beteiligt« hätten.  war es dann Ernst Jünger, der Heisenberg als
Mitherausgeber für die schließlich nicht zustande gekommene Zeit-
schrift Pallas vorschlug.
Martin Heidegger war mit Werner Heisenberg schon seit  persön-
lich bekannt, als ihn dieser zusammen mit Viktor von Weizsäcker und
dessen Neffen Carl Friedrich von Weizsäcker zu einem mehrtägigen Ge-
spräch in Todtnauberg besuchte. Nach dem Krieg war der berühmte
Kernphysiker und Nobelpreisträger Heisenberg, der ebenfalls mit einer
kompromittierenden Vergangenheit belastet war, ähnlich wie Heidegger
zu einem gefragten Redner und wichtigen Stichwortgeber der öffent-
lichen Debatte über das »Atomzeitalter« geworden. Für Heisenberg war
der Kontakt mit Heidegger und den Brüdern Jünger wahrscheinlich vor
dem Hintergrund seiner Bemühungen interessant, über die rein wis-
senschaftsimmanente Reflexion hinauszugelangen und zur Debatte über
die »Kulturbedeutung« der Naturwissenschaft beizutragen. Umgekehrt
diente die Auseinandersetzung mit Heisenberg den Brüdern Jünger und
Heidegger dazu, ihre eigene Kritik an der exakten Naturwissenschaft zu
schärfen, wobei es für sie zudem schmeichelhaft war, dass diese Kritik
von einem Nobelpreisträger der Physik ernst genommen wurde.
Im Vorfeld der Münchner Tagung über »Kunst und Technik« kam der
Auseinandersetzung mit der Naturwissenschaft nun ein besonderer Stel-
lenwert zu. Im Juli  schrieb Heidegger an Podewils, er wolle seinen
Beitrag »auf das Prinzipielle eines Gesprächs mit Heisenberg« ausrichten.

 F. G. Jünger an V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach.


 Carl Friedrich von Weizsäcker, zu dieser Zeit Assistent Heisenbergs, erinnert sich
an diesen Besuch in seinem Beitrag für den Erinnerungsband an Heidegger; vgl.
Weizsäcker, Begegnungen; dazu auch MH/EH f. sowie die Briefe zu Heideg-
gers . Geburtstag von Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker in: Dem
Andenken Martin Heideggers. Zum . Mai , Frankfurt a. M. , S. f.
u. f.; zur Beziehung Heideggers zu Heisenberg auch Hempel, Natur; Pöggeler,
Hermeneutics.
 Vgl. Carson, Bildung; dies., Heisenberg. Ich danke Cathryn Carson für wichtige
Hinweise zur Beziehung von Heisenberg zu Heidegger und den Brüdern Jünger.
  schrieb Friedrich Georg Jünger an einen Kritiker der »Perfektion der Tech-
nik«: »Ich darf vielleicht bemerken, daß ein Physiker wie Professor Heisenberg,
ein Mann also, der die theoretischen Voraussetzungen zur Hand hat, ganz andere
Gedanken über das Buch hegt als Sie.« (F. G. Jünger an O. Stürner, ..
(Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach) Vgl. dazu Stürner, Perfektion.
 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
   

Am . August hielt Heidegger zur Vorbereitung der Tagung in München


dann einen Vortrag mit dem Titel »Wissenschaft und Besinnung« vor ei-
nem kleinen Kreis von Zuhörern, zu denen auch Heisenberg gehörte.
In diesem Vortrag kennzeichnete Heidegger die moderne Wissenschaft
als ein »Wissenwollen« (MH b, ), das über das griechische Ver-
ständnis von »Theorie« hinausging. Theorie »im alten und d. h. frühen,
keineswegs veralteten Sinne« sei »das hütende Schauen der Wahrheit« (ebd.,
). Die moderne Wissenschaft vollziehe sich aber als eine »eingreifende
Bearbeitung des Wirklichen« (ebd., ). Ohne in diesem Vortrag vom
»Ge-Stell« zu sprechen, kennzeichnete Heidegger die moderne Wissen-
schaft mit denselben Begriffen wie  das Wesen der Technik: »Das
nachstellende Vorstellen, das alles Wirkliche in seiner verfolgbaren Ge-
genständigkeit sicherstellt, ist der Grundzug des Vorstellens, wodurch die
neuzeitliche Wissenschaft dem Wirklichen entspricht.« (Ebd.) Die Be-
stimmung der Wissenschaft als nachstellendes Vorstellen entsprach der
von Heidegger schon im Vortrag über das »Ge-Stell« geäußerten Ansicht,
dass die »moderne Technik« nicht etwa »angewandte Naturwissenschaft«
sei, sondern umgekehrt »die neuzeitliche Naturwissenschaft Anwendung
des Wesens der Technik« (MH a, ). Dieses Argument wiederholte
Heidegger auch in seinem Tagungsvortrag von .
In »Wissenschaft und Besinnung« ging Heidegger mit Blick auf Heisen-
berg auch darauf ein, dass die »Gegenständigkeit der materiellen Natur«
in der »modernen Atomphysik völlig andere Grundzüge« zeige »als in der

 Vgl. Niederschrift über die Vorbesprechung zu der Tagung »Die Künste im tech-
nischen Zeitalter« am Dienstag, . August ,  Uhr, bei Präsident Preetorius,
Keplerstr. , Ordner »Künste im technischen Zeitalter , .A: Korresponden-
zen«, Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.  hat
Heidegger diesen Vortrag dann zusammen mit dem eigentlichen Tagungsvortrag
über »Die Frage nach der Technik« in seinem Sammelband »Vorträge und Auf-
sätze« veröffentlicht; vgl. MH b; zur Besprechnung mit Heisenberg im Au-
gust  auch MH/EH, .
 Vgl. MH a, . Es findet sich zudem schon in den »Feldweg-Gesprächen« der
letzten Kriegsmonate, in denen Heidegger einen »Weisen« nicht einfach sagen
ließ, die Physik sei »angewandte Technik« (MH /, ), sondern, die »theo-
retische Physik« sei »die eigentliche, reine Technik« (ebd., ). Heidegger erklärte
das auch in diesem fiktiven Gespräch schon mit der »Vergegenständlichung der
Natur« im »vor-stellenden« »Herstellen« (ebd., ), führte dafür aber noch nicht
den Begriff des »Ge-Stells« ein. Vgl. auch MH b, f.: »Die moderne Tech-
nik ist keineswegs erst die Anwendung der modernen Naturwissenschaft auf die
Anfertigung von Maschinen und Apparaten, sondern die moderne Naturwissen-
schaft ist in ihrem Wesen von Anfang an der technische Angriff auf die Natur
und deren Eroberung.«
     -

klassischen Physik« (MH b, ). Auch die »moderne Kern- und Feld-
physik« bleibe aber »Physik, d. h. Wissenschaft, d. h. Theorie, die den
Gegenständen des Wirklichen in ihrer Gegenständigkeit nachstellt«
(ebd.). Schon im Bremer Vortragszyklus von  hatte Heidegger ge-
sagt: »Die Atomphysik ist zwar experimentell-rechnerisch anders geartet
als die klassische Physik. Aus dem Wesen gedacht bleibt sie jedoch die
selbe Physik.« (MH a, ) Hier lässt sich argumentieren, dass Heideg-
ger das Revolutionäre der modernen Quantenphysik offenbar trotz seiner
Kenntnis der Heisenbergschen Schriften und ihrer Thematisierung nicht
hinreichend verstanden hat. Denn Heisenberg machte in seinem eigenen
Vortrag für die Münchner Tagung gerade deutlich, dass die Quanten-
theorie aufgrund der Unschärferelation zu einer Auflösung der klassi-
schen Einteilung der Welt »in Subjekt und Objekt« – und damit von
Heideggers »Gegenständigkeit« – geführt habe, da für sie der »Gegen-
stand der Forschung nicht mehr die Natur an sich, sondern die der
menschlichen Fragestellung ausgesetzte Natur« sei.
Für Heidegger war jedoch etwas anderes entscheidend. Auch die mo-
derne Physik, so Heidegger in dem Vortrag vom August , könne sich
nie mithilfe physikalischer Methoden über ihr eigenes Wesen Klarheit
verschaffen: »Die Physik kann als Physik über die Physik keine Aussagen
machen.« (MH b, ) Dies war in den Augen Heideggers allerdings
nicht allein ein Problem der Physik oder der Naturwissenschaft allge-
mein, sondern jeglicher Wissenschaft, die ihr eigenes Wesen nie wissen-
schaftlich ergründen könne. Das war mit Heideggers berühmtem Aus-
spruch gemeint: »Die Wissenschaft denkt nicht.« (MH a, ) Dieser
Satz stammte aus dem Vortrag »Was heißt denken?« von , der auf die
Vorlesung zurückging, die Heidegger im Wintersemester / unter
dem gleichen Titel und als erste Universitätsveranstaltung nach Auf-
hebung seines Lehrverbots in Freiburg gehalten und aus der er Teile bei
einer der ersten Vorbesprechungen zu der Münchner Tagung im Januar
 wiederholt hatte. Heideggers Verständnis der abendländischen Ge-

 Vgl. Weizsäcker, Heidegger.


 Heisenberg, Naturbild, S. . Die  von Heisenberg entdeckte Unschärferela-
tion hatte gezeigt, dass die Ergebnisse einer Beobachtung von Elementarteilchen
immer von dem Beobachtungsvorgang selbst beeinflusst werden, man also keine
Aussagen über die Elementarteilchen als solche treffen kann, sondern nur über das
Verhalten von Elementarteilchen in einer bestimmten Beobachtungssituation.
 Vgl. W. zu Schaumburg-Lippe an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA
Marbach: »Und Professor Heidegger sprach […] sein erstes Freiburger Kolleg,
das er nach den langen Schweigejahren gelesen hatte: Was ist denken? […] Das
   

schichte als Geschichte der seinsvergessenen Metaphysik, die ihre Voll-


endung im wissenschaftlich-technischen Denken gefunden habe, hat in
der Nachkriegszeit dazu geführt, dass er sich gänzlich von jeder Form der
Wissenschaft und damit auch der akademischen Philosophie lossagte.
Die Frage nach dem Sein könne nicht von der Wissenschaft, sondern nur
von einem »besinnlichen« Denken gestellt werden. Heidegger forderte des-
halb schon  in Bremen den »Schritt zurück aus dem nur vorstellen-
den, d. h. erklärenden Denken in das andenkende Denken« (MH a,
). Dieser Schritt, dieses »Sich-Absetzen« von der »Haltung des vorstel-
lenden Denkens« sei, so Heidegger  »ein Satz im Sinne eines Sprun-
ges« (MH b, ). In der Vorlesung »Was heißt denken?« von /
konnte er daher sagen: »Wir stehen außerhalb der Wissenschaft. […]
Wir sind nämlich jetzt gesprungen, heraus aus dem geläufigen Bezirk der
Wissenschaften und sogar […] der Philosophie.« (MH /, )
Der Vortrag »Wissenschaft und Besinnung« von  diente Heideg-
ger in diesem Sinn der Abgrenzung von der Wissenschaft und der Unter-
scheidung zwischen dem »bloß rechnenden Denken und dem besinnlichen
Denken« (MH /, ). Diese Unterscheidung teilte auch Friedrich
Georg Jünger, der Heidegger nach Lektüre des Bands, in dem beide Mün-
chner Vorträge von  veröffentlicht wurden, schrieb: »Ihr Denken be-
rührt mich dort, wo es das wissenschaftliche Denken und seine Metho-
den übersteigt, das heißt für mich durch seine Unverwendbarkeit.« Mit
Blick auf Heisenberg konzedierte Heidegger am Ende seines Vortrags,
dass die Wissenschaft selbst »auf ihren Wegen und mit ihren Mitteln«
zwar »niemals zum Wesen der Wissenschaft vordringen« könne, dass der
Wissenschaftler als Mensch und »denkendes Wesen« aber durchaus in
der Lage sei, »auf verschiedenen Ebenen der Besinnung sich zu bewegen
und sie wachzuhalten« (MH b, ). Es kann aber kaum ein Zweifel
darüber bestehen, dass Heidegger die Auseinandersetzung mit Heisen-

[sic] die Wissenschaft nicht denkt, diese Behauptung H’s löste gewiss bei manchen
einen Sturm der Entrüstung aus.«
 Diese Lossagung hatte gleichzeitig mit seinem prekären Verhältnis zur Univer-
sität als sozialer Einrichtung und seiner persönlichen Kränkung während des
sechsjährigen Lehrverbots zu tun; vgl. dazu Morat, Sprung.
 Dieser »Sprung« aus dem vorstellenden Denken in das »Gehören zum Sein«
(MH b, ) erinnert noch an Heideggers vormaligen Voluntarismus, auch
wenn er ihn als »loslassen« (ebd.) beschreibt.
 F. G. Jünger an M. Heidegger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach. Im selben
Brief versicherte Jünger Heidegger allgemein, »wie sehr Ihr Denken mich be-
schäftigt«.
     -

berg letztlich dazu diente, sich erneut als denjenigen zu präsentieren, der
Dank seines besinnlichen Denkens einen tieferen Einblick in das Wesen
der Wissenschaft gewonnen habe als der Wissenschaftler selbst.
Diese Selbstinszenierung Heideggers wurde schließlich im November
 in München auf die Bühne gebracht. Die Tagung »Die Künste im
technischen Zeitalter« fand zwischen dem . und . November im
großen Hörsaal der Technischen Hochschule als eine Folge von Abend-
vorträgen statt. Am Montag, den . sprach nach einer Eröffnung durch
Emil Preetorius Romano Guardini über »Die Situation des Menschen«.
Am Dienstag folgte Werner Heisenberg mit einem Vortrag über »Das
Naturbild der modernen Physik«, am Mittwoch Heidegger mit der
»Frage nach der Technik«. Diese ersten drei Vorträge sollten der grundle-
genden Erörterung der Problematik des technischen Zeitalters dienen.
Die folgenden Vorträge widmeten sich dann den einzelnen Künsten: Am
Donnerstagabend sprachen Emil Preetorius über »Die Bildkunst« und
Friedrich Georg Jünger über »Die Sprache«, am letzten Abend sprach
Walter Riezler über »Die Musik«, gefolgt von einem bilanzierenden
Schlusswort von Manfred Schröter. Der einwöchige Vortragszyklus
wurde in der Presse ausführlich besprochen und als geistiges Großereig-
nis gefeiert. Die einzelnen Vorträge waren fast alle überfüllt, der Reporter
der Abendzeitung sprach von einem »Andrang, wie man ihn sonst nur bei
Eisrevuen, ganz großen Filmpremieren oder ähnlich zugkräftigen Din-
gen gewohnt ist« . Der zweistündige Vortrag Heideggers stellte mit 
Zuhörern den Höhepunkt dar und musste per Lautsprecher in mehrere
angrenzende Hörsäle übertragen werden. Die Berichterstattung hob
zudem hervor, dass neben den zahlreich anwesenden Studenten auch
weitere geistige Prominenz im Publikum versammelt war, darunter Ernst
Jünger, Hans Carossa und José Ortega y Gasset.

 Vgl. das Programm im Ordner »Künste im technischen Zeitalter «, Archiv


der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München. Die Vorträge wurden
 gesammelt im Akademie-Jahrbuch Gestalt und Gedanke und  noch ein-
mal als gesonderter Sammelband veröffentlicht; vgl. Bayerische Akademie (Hg.),
Künste. Bei der Veröffentlichung trug Jüngers Vortrag dann den Titel »Sprache
und Kalkül«.
 Keine Sensation, sondern geistiges Bedürfnis! Die Vorträge der Akademie der
Schönen Künste in der TH sind überfüllt, in: Abendzeitung, . November .
 Vgl. Krämer-Badoni, Rettet; die Deutsche Zeitung nannte Heidegger »das erste
Reitpferd im Kolosseum dieser ungeheuren Zuschauermenge« (Schulz, Konzil).
 Vgl. Petzet, Künste.
   

Heidegger legte gegenüber diesem Ausmaß an Öffentlichkeit eine am-


bivalente Haltung an den Tag. Einerseits musste er seinen Auftritt, mit
dem er die klandestine Gegenöffentlichkeit der ersten Nachkriegsjahre
endgültig verließ, als Triumph und als Ausweis seiner gesellschaftlichen
und diskurspolitischen Rehabilitierung verbuchen. Er hatte zwar im Vor-
feld seine Sorge geäußert, »daß die Diktatur der Presse alles verschiebt
und trübt«. Diese Sorge wurde besonders durch die Zeitungsdebatte
befördert, die die Veröffentlichung seiner Vorlesung »Einführung in die
Metaphysik« von  und deren Besprechung durch den jungen Jürgen
Habermas im Juli  ausgelöst hatte. Doch nicht nur weil sich Cle-
mens Podewils um die Organisation einer »loyalen Berichterstattung«
bemüht hatte, war von der politischen Kritik an Heidegger in den Berich-
ten über die Münchner Vorträge kaum etwas zu finden, so dass Heidegger
auch das als Erfolg werten konnte.
Andererseits hielt er aber trotz dieser offenbar gesuchten öffentlichen
Bestätigung an seinem Elitismus der Wenigen fest. Die Veranstaltung stehe
zwar in derselben Gefahr der Oberflächlichkeit wie der »Darmstädter
Rummel«, wie er Anfang November  an Clemens Podewils schrieb,
doch wenn »einige Wenige Einiges merken u. nachdenklich werden u.
der Gefahr der unvermeidlichen Sensation dabei entgehen, wird sich
unsere Mühe, meine u. vor allem die Ihre, im stillen doch lohnen«. We-
nige Tage später und kurz vor Beginn der Tagung wiederholte er noch
einmal: »Das Wichtigste und Bleibende aller Mühe wird sein, daß gewiß
Hörende da sind, bei denen ein Licht aufgeht u. etwas in Bewegung
kommt – Und von diesen werden wir gerade nichts erfahren, weil sie
durch ein echtes Schweigen antworten.« Dieser esoterische Anspruch

 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,


Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
 Vgl. oben, Kap. ..
 C. Podewils an M. Heidegger, .., Ordner »Künste im technischen Zeitalter
, .A: Korrespondenzen«, Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen
Künste, München.
 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger, Ar-
chiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München. Mit dem »Darm-
städter Rummel« spielte Heidegger auf die regelmäßig stattfindenden »Darm-
städter Gespräche« an, an denen er  mitgewirkt hatte. Am . November hatte
Heidegger an seine Frau geschrieben, er sei ebenso wie Friedrich Georg Jünger
»gegen den ›freien Eintritt‹« (MH/EH, ).
 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
     -

verband sich dabei in für Heidegger typischer Weise mit einem welt-
geschichtlichen Sendungsbewusstsein. So hat Podewils eine Äußerung
Heideggers bei einer der Vorbesprechungen wie folgt wiedergegeben:
»Die großen Mächte, die heute die Welt beherrschen, sind außer Stan-
de die wesentlichen Fragen zu stellen. Nur vom Abendland, europäisch,
können sie gestellt werden, wegweisend gestellt werden, weil ihr Frag-
würdiges abendländischer Herkunft ist. Herr Heidegger möchte, ohne
die Gefahr einer Übertreibung zu verkennen, auf die weltgeschicht-
liche Bedeutung einer solchen Besinnung hinweisen.«
Eine ähnliche Ambivalenz wie gegenüber der Öffentlichkeit legte Hei-
degger auch gegenüber den anderen Tagungsrednern an den Tag. Einer-
seits suchte er für den öffentlichen Auftritt und die Inszenierung eines
»wesentlichen« Gesprächs gleichgesinnte Mitstreiter, mit denen er sich
auf ein gemeinsames Anliegen verständigen konnte. Andererseits bemüh-
te er sich auch gegenüber diesen Gleichgesinnten um Distinktion und
darum, als der am tiefsten Blickende zu erscheinen. Dies hat sich bereits
am Verhältnis zu Heisenberg gezeigt und lässt sich auch bei einem Blick
auf den Tagungsvortrag Romano Guardinis erkennen. Auch Guardini
definierte die moderne Technik und Naturwissenschaft als »Herrschaft
über die Natur«, in der die Natur »kontrolliert und reguliert« werde,
wodurch sie den »Charakter der Disponibilität« erhalte. Die »kontem-
plative Haltung« drohe zu verschwinden, weshalb er die »Entwicklung
einer Souveränität des Geistes den wissenschaftlichen und technischen
Möglichkeiten gegenüber« forderte. Diese zeige sich in »Haltungen des
Stillwerdens, des Schauens, Lauschens, Empfangens und Dankens« sowie
einer »Achtsamkeit zum anderen Bereich hinüber«.

 Podewils, Clemens: Kunst und Technik. Verkürzte Niederschrift über die Sitzung
am Freitag, . März , . Uhr im Prinz Carl-Palais, S. , Ordner »Künste
im technischen Zeitalter , .A: Korrespondenzen«, Archiv der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste, München.
 Während Heisenberg und Guardini von Heidegger noch als echte Konkurrenten
betrachtet werden konnten, qualifizierte er die Vorträge von Rietzler, Schröter
und Preetorius nach der Tagung einfach als »viel schlimmer, als ich befürchtete«
(MH/EH, ) ab.
 Guardini, Situation, S. f. Guardini fügte hinzu, in den Topoi durchaus an Hei-
degger und Friedrich Georg Jünger erinnernd: »Die unüberwachte Natur – die
›Wildnis‹ Hölderlins – verschwindet. Die Einsamkeit wird immer seltener, eben-
so wie die Stille.« (Ebd., S. )
 Ebd., S. f.
 Ebd., S. .
   

Diese Argumentation folgte nicht nur in den Begriffen, sondern auch


in ihrer Struktur genau wie die Heideggers der Logik des religiösen Er-
bauungsdiskurses, wonach der Krise der Gegenwart durch Besinnung
und innere Umkehr zu begegnen sei. Theodor W. Adorno hat diese Art
der Erbauungsrede schon  als gängige Münze des weit verbreiteten
»Jargons der Eigentlichkeit« gekennzeichnet und dabei auch Heideggers
Zugehörigkeit zu diesem Jargon bei gleichzeitiger Reserviertheit be-
stimmt. Obwohl Heidegger selbst einer der wichtigsten Stichwortgeber
des Jargons sei, »hütet er sich vor dessen Plumpheit«. Sein »Einverständ-
nis im verschwiegenen Kern« sei zwar unzweifelhaft, doch strebe er »nach
Reserve all den gängigen Sätzen gegenüber, die er spielend als vulgäres
Missverständnis abfertigen kann«.
Diese Abfertigung erfolgte im Falle des Technikthemas, wie schon zi-
tiert, als Kritik am »gängigen Meinen über die Technik« (MH a, ).
In seinem Tagungsvortrag von , der aus dem früheren Vortrag über
das »Ge-Stell« hervorgegangen war, aktualisierte Heidegger diese Kritik,
indem er explizit jede dem gesunden Menschenverstand zur Verfügung
stehende Haltung gegenüber der Technik als unzulänglich ablehnte:
Ȇberall bleiben wir unfrei an die Technik gekettet, ob wir sie leiden-
schaftlich bejahen oder verneinen. Am ärgsten sind wir jedoch der
Technik ausgeliefert, wenn wir sie als etwas Neutrales betrachten; denn
diese Vorstellung, der man heute besonders gern huldigt, macht uns
vollends blind gegen das Wesen der Technik.« (MH a, )
Erneut betonte er, dass das »Wesen des Technik« selbst »ganz und gar
nichts Technisches« (ebd.) sei. Anders als in dem Vortrag von  be-
stimmte er dieses Wesen aber zunächst unter Rückgriff auf den grie-
chischen Begriff der téchne als ein »Her-vor-bringen«, das »aus der Ver-
borgenheit her in die Unverborgenheit« hervorbringe und deshalb ein
»Entbergen« (ebd., ) sei: »Die Technik ist eine Weise des Entbergens.
Die Technik west in dem Bereich, wo Entbergen und Unverborgenheit,
[…] wo Wahrheit geschieht.« (Ebd., )  Auch die Kunst, die poiesis sei

 Clemens Podewils hatte schon  an Friedrich Georg Jünger geschrieben: »Die
innere Überwindung der Technik dürfte ja nicht durch die Rückkehr zu Pflug,
Pferd oder zum Handwebstuhl gelingen sondern durch die seelische Wieder-
geburt, nach deren Triebkräften viele vergeblich ausschauen.« (C. Podewils an
F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach)
 Adorno, Jargon, S. .
 Heidegger griff hier auf seinen Begriff der Wahrheit als aletheia, Unverborgenheit
zurück. Schon in seiner Vorlesung vom Wintersemester / hatte er die »heu-
     -

eine Form des Hervorbringens, weshalb Kunst und Technik ihrem Wesen
nach zusammengehörten und die Technik »etwas Poietisches« (ebd., ) sei.
Dass die Technik eine Form des Entbergens sei, gelte nicht nur für die
»handwerkliche Technik«, sondern auch für die »moderne Kraftmaschi-
nentechnik« (ebd., ). Das in der modernen Technik waltende Ent-
bergen sei aber nicht mehr »ein Her-vor-bringen im Sinne der poihsiv
[poiesis]«, sondern ein »Herausfordern, das an die Natur das Ansinnen
stellt, Energie zu liefern, die als solche herausgefördert und gespeichert
werden kann« (ebd., ). Im Anschluss an diese Unterscheidung ent-
wickelte Heidegger erneut seine Definition des »Ge-stells« als »Name für
das Wesen der modernen Technik« (ebd., ), die er aber nun kategorial
deutlicher von der antiken téchne trennte. Aus dieser Trennung folgte
ein weiterer Unterschied zum Vortrag von : Die Perspektive des
Rettenden, das in der Gefahr wachse, gewann Heidegger nun mit Blick
auf die ursprüngliche Gemeinsamkeit des Entbergens von Technik und
Kunst, denn moderne Technik und antike poiesis seien »zwar grundver-
schieden und bleiben doch im Wesen verwandt« (ebd.). Da nach Heideg-
ger ein »zureichender Blick in das, was das Ge-stell als ein Geschick des
Entbergens ist, das Rettende in seinem Aufgehen zum Scheinen bringen«
(ebd., ) könnte, bedürfe es eines Ortes, von dem aus der Mensch sich
»dem Wesen der Technik eigens öffnen« (ebd., ) könne, der aber selbst
nicht vom Ge-stell beherrscht werde, und dieser Ort sei die Kunst:
»Weil das Wesen der Technik nichts Technisches ist, darum muß die
wesentliche Besinnung auf die Technik und die entscheidende Aus-

tige Technik […] als eine Form der ›totalen Mobilmachung‹ (Ernst Jünger)«
(MH /, ) von ihren Ursprüngen in der antiken téchne getrennt und die-
se in ihrem Verhältnis zur physis, also zur Natur, als ein »Erkennen« bestimmt:
»Die tecnh ist die Weise des Vorgehens gegen die fusiv, aber hier noch nicht, um
sie zu überwältigen und auszunutzen, und vor allem nicht, um Nutzung und
Berechnung zum Grundsatz zu machen, sondern umgekehrt, um das Walten der
fusiv in der Unverborgenheit zu halten.« (Ebd., f.)
 Dolf Sternberger hat allerdings schon unmittelbar nach der Münchner Tagung
darauf aufmerksam gemacht, dass Heideggers grundsätzliche Unterscheidung der
angeblich »hegenden und pflegenden« Feldbestellung durch den Bauern von der
»motorisierten Ernährungsindustrie« (MH a, ) nicht überzeugend sei, da
es sich nicht um einen kategorialen, sondern nur um einen graduellen Unter-
schied der Nutzung handle. Die mittelalterlichen Mühlräder hätten sich die Was-
serkraft prinzipiell in gleicher Weise, nur eben weniger effizient zunutze gemacht
wie das von Heidegger angeführte moderne Kraftwerk, das den vormals von Höl-
derlin besungenen »Rheinstrom« zum reinen »Wasserdruckliferant« (ebd., )
degradiert habe; vgl. Sternberger, Gang, S. -.
   

einandersetzung mit ihr in einem Bereich geschehen, der einerseits


mit dem Wesen der Technik verwandt und andererseits von ihm doch
grundverschieden ist. Ein solcher Bereich ist die Kunst.« (Ebd., )
Diese Hoffnung auf eine »wesentliche Besinnung« durch die Kunst, die
das Rettende in der Technik »zum Scheinen« bringen solle, ergab sich
zwar aus einer anspruchsvolleren Argumentation, folgte aber letztlich
derselben Erbauungsstruktur wie Guardinis Appell an die »Souveränität
des Geistes« gegenüber der Technik. Die Ansicht, dass man sich von der
Technik nur frei machen könne, wenn man sich ihren Gesetzen nicht
durch Rebellion oder Anpassung unterwerfe, hat im Übrigen auch Ernst
Jünger im »Waldgang« vertreten. Er propagierte keine »gegen die Ma-
schinenwelt gerichtete Form des Anarchismus« (EJ a, ), sondern
nur eine Loslösung von den »optischen Täuschungen«, denen die gän-
gigen Ansichten über die Technik unterworfen seien:
»Man hat sich unter dem Banne mächtiger optischer Täuschungen
daran gewöhnt, den Menschen im Vergleich zu seinen Maschinen und
Apparaturen als ein Sandkorn anzusehen. Die Apparaturen sind und
bleiben jedoch Kulissen der niederen Imagination. Der Mensch hat sie
erstellt und kann sie abbrechen oder in eine neue Sinngebung einbe-
ziehen. Die Fesseln der Technik können gesprengt werden, und zwar
gerade durch den Einzelnen. (EJ a, f.)

 Heidegger hatte schon Mitte der er Jahre begonnen, das Wechselverhältnis
von Kunst und Technik in den Blick zu nehmen, als er die Technik im Begriff der
»Machenschaften« kritisierte und von der Kunst als einem nicht-technischen
»Hervorbringen« (MH /, ) schied; vgl. oben, Kap. ..  schrieb er an
seinen Freund, den Kunsthistoriker Kurt Bauch: »Die ungeheure Belastung, der
jetzt durch praktisch-politischen Notwendigkeiten unsere ohnehin schon tech-
nisierten Wissenschaften ausgesetzt werden, kann nur dann ohne Katastrophe
überstanden werden, wenn zugleich im entsprechend entschiedenen Ausmaß die
Wissenschaften wieder ›philosophisch‹ werden. Das meint ja nicht, sie sollen mit
den Titeln u. Sätzen irgendeiner ›Philosophie‹ sich aufputzen, sondern sie sollen
aus ihrem eigenen Fragebezirk her über die Zielsetzungen und den Wahrheitsan-
spruch ins Klare kommen. In dieser Hinsicht ist mir in den letzten Monaten –
zugleich auch von grundsätzlichen Überlegungen her hinsichtlich des Wesens der
Wahrheit überhaupt – deutlicher geworden, daß die innere Besinnung auf die
›kunsthistorische‹ Wissensarbeit unmittelbarer und zugleich grundsätzlicher an-
setzen muß bei der Frage Kunst u. Technik. Jünger bietet hier noch keine Lösung,
ja vielleicht nicht einmal die rechte Fragestellung, weil er die Technik einfach als
metaphysische Tatsache übernimmt.« (M. Heidegger an K. Bauch, .., Pri-
vatbesitz)
     -

Was bei Ernst Jünger der geistigen Souveränität des Einzelnen anheim
gestellt war, oblag in Heideggers Perspektive der Kunst, wobei für ihn
»alle Kunst im Wesen Dichtung« (MH /, ) und das heißt
sprachlich war. In der Sprache suchte auch Friedrich Georg Jünger das
Heil von der Technik. In seinem Tagungsvortrag über »Sprache und Kal-
kül« zeigte er sich bereits deutlich von Heidegger beeinflusst, der alle
»Dämonie der Technik« (MH a, f.) als unsachgemäß zurückgewie-
sen hatte. So erschien auch Friedrich Georg Jüngers Technikkritik gleich-
sam gemildert. Er nahm von seinen in der »Perfektion« und »Maschine
und Eigentum« entwickelten technikkritischen Kategorien zwar keinen
Abstand und benutzte sie erneut zur Beschreibung der Vorgänge von
»Planung, Normung, Automatisierung« (FGJ b, ), die die Sprache
auf ihre »instrumentale Verfügbarkeit, Brauchbarkeit und Nutzbarkeit«
(ebd., ) zu reduzieren trachteten. Der Schwerpunkt seiner Ausführun-
gen lag aber darauf, dass diese Reduzierung letztlich keinen Erfolg haben
könne, da »über die Sprache nicht verfügt werden kann« (ebd., ). Zwar
sei jede Wissenschaft, jede Form der Berechung auf Sprache angewiesen,
die Sprache aber nicht auf die Wissenschaft. Die Sprache sei »kein
logisches Gebilde« (ebd., ) und gehe aller Nutzbarkeit voraus, sie sei
»unverfügbar und übergreifend über jeden Bereich, sei er Kunst, Wissen-
schaft oder Technik« (ebd., ). Als »Universale« (ebd.) gehöre sie zum
Menschen und der Mensch zu ihr: »Wir selbst sind Sprache, und wo wir
nicht Sprache sind, begegnen wir einander nicht mehr.« (Ebd., f.)
Mit diesen Verweisen auf den nicht verrechenbaren Charakter der
Sprache zielte Friedrich Georg Jünger »in den selben Wesensbereich«
(MH e, ) wie Martin Heidegger, wie dieser ihm schon im Vorfeld
der Tagung versicherte, und zwar in eben den Wesenbereich der dichteri-
schen Sprache, der die »Verwindung« der Technik erlauben sollte. Diese
dichterische Sprache war in den Nachkriegs- und den er Jahren nicht
nur der Gegenstand vieler unterschiedlicher Texte beider Brüder Jünger

 Im Februar  wiederholte Friedrich Georg Jünger seinen Münchner Vortrag


an der Freiburger Universität, wo Heidegger die Diskussion leitete. Jünger be-
richtete seinem Bruder brieflich davon: »Die Tage in Freiburg waren anstrengen-
der als die in München, da lange Diskussionen gehalten wurden. Die Technische
Hochschule Karlsruhe hatte eine Deputation geschickt, die wohl mit der Absicht
kam, mir stark zuzusetzen. Doch wurde nichts daraus, und wir schieden versöhn-
lich. […] Bewundernswert ist Heideggers elefantenhafte Kraft in solchen Diskus-
sionen. Er ist ruhig, fast unbeweglich und zieht seinen stärksten Widersachern
den Ring durch die Nase, an dem er sie fortführt. Ich wohnte bei ihm und wurde
herzlich empfangen.« (F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G.
Jünger, DLA Marbach)
   

und Martin Heideggers, sondern  auch das Thema einer weiteren
Tagung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, die explizit an
die Vorträge von  anschloss.

»Der Weg zur Sprache«.


München 

Schon bei einer der Besprechungen zur Techniktagung  bemerkte


Romano Guardini, »dass das Thema der Sprache einen eigenen Vortrags-
zyklus wert wäre«. Auch wenn dieser Vortragszyklus zur Sprache dann
erst etwas mehr als fünf Jahre später zustande kam, schloss sich seine Pla-
nung doch unmittelbar an die Beschäftigung mit der Technik an. Dabei
spielte der Vortrag Friedrich Georg Jüngers über »Sprache und Kalkül«
eine wichtige Überleitungsrolle. Im November  schrieb Martin Hei-
degger an Clemens Podwils nicht nur, er »denke oft über die ›Akademie‹
als solche u. über den besonderen Plan ›Sprache‹ nach«, sondern auch,
dass Jüngers Vortrag »ein unausgesprochenes Programm für das nächste
überleitende Vorhaben« enthalte. Dessen ungeachtet fand die weitere
Planung, die wiederum maßgeblich von Heidegger vorangetrieben wurde,
aber zunächst ohne Friedrich Georg Jünger statt. Bei einer Besprechung
im Kurhotel Bühlerhöhe Ende Juli  waren neben Heidegger und Po-

  folgte im übrigen noch eine weitere Tagung der Bayerischen Akademie der
Schönen Künste, die ebenfalls an den Auftakt von  anschloss, über »Mensch
und Landschaft im technischen Zeitalter«. Friedrich Georg Jünger plädierte in
seinem Tagungsvortrag über »Wachstum und Planung« erneut für eine Haltung
der »Vorsorge, Rücksichtnahme und Schonung« (FGJ c, ) in einer »Zeit
zunehmender Technizität« (ebd., ). Martin Heidegger war an dieser Tagung
allerdings nicht beteiligt.
 Podewils, Clemens: Kunst und Technik. Verkürzte Niederschrift über die Sitzung
am Freitag, . März , . Uhr im Prinz Carl-Palais, S. , Ordner »Künste
im technischen Zeitalter , .A: Korrespondenzen«, Archiv der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste, München.
 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München. In diesem
Brief äußerte Heidegger zudem erneut seine Skepsis gegenüber der »Tagerei«, die
er gleichwohl selbst betrieb: »Was vor allem anderen bei der Vorbereitung als das
Neue erreicht werden muß, ist die Gewähr, daß die Aussprache über die Sprache
weiter gepflegt wird in einem echten u. zunächst eingeschränkten Wachstum.
Die Techniktagung ist nach dieser Hinsicht eben eine ›Tagung‹ geblieben u. im
Alltäglichen versackt. Die Seuche der ›Tagerei‹ u. gar mit großen Namen zerstört
im Grunde alles wahrhaft Geistige.«
     -

dewils nur der Akademiepräsident Emil Preetorius und der Tübinger


Altphilologe Walter F. Otto anwesend. Die  schon relativ konkret
gewordenen Pläne wurden zwischenzeitlich allerdings wieder zurück-
gestellt. Erst  wurden sie erneut aufgenommen, wobei für Heidegger
und Podewils neben dem schon  eingeladenen Carl Friedrich von
Weizsäcker nun vor allen Dingen Martin Buber zum wichtigen Ge-
sprächspartner wurde. Im Juli  trafen sich Heidegger, Buber, von
Weizsäcker und Podewils wiederum im Haus der Schwester von Sophie
Dorothee Podewils in Altreuthe am Bodensee zu einer Besprechung.
Zwischenzeitlich gab es die Überlegung, Ernst Jünger für einen Vortrag
über die »Sprache der Dichtung« zu gewinnen, die allerdings wieder ver-
worfen wurde. Zwischen Dezember  und Februar  hielt Hei-
degger zur Vorbereitung der Sprachtagung drei Vorträge über die Sprache
im Rahmen des »Studium Generale« der Universität Freiburg.
Obwohl die Zusammenarbeit von Heidegger mit Martin Buber nicht
unproblematisch war – »mit Buber bleibt die Sache schwierig« , wie Hei-
degger an Podwils schrieb – wertete er dessen Absage im Sommer 
doch als »großen Ausfall«. Da durch den Tod Walter F. Ottos im selben
Monat ein weiterer Redner ausfiel, wurde auf Vorschlag Heideggers nun
Friedrich Georg Jünger um die Übernahme eines Vortrags gebeten. Hei-
degger selbst formulierte diese Bitte in einem Brief an Jünger:
»Clemens Podewils rief mich an wegen der geplanten Tagung über die
Sprache. Dieser Tage ist Otto in Tübingen gestorben, den wir vorge-

 Vgl. Podewils, Clemens: Zusammenfassende Niederschrift der Besprechung auf


Bühlerhöhe am ./. Juli , Ordner »Sprache , .A: Korrespondenzen«,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
 Vgl. Podewils, Clemens: Niederschrift der Besprechung vom ./..  in
Altreuthe über eine geplante Sprachtagung der Akademie, Ordner »Sprache ,
.A: Korrespondenzen«, Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste,
München.
 Vgl. E. Preetorius an E. Jünger, .., Ordner »Sprache , .A: Korrespon-
denzen«, Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
 Vgl. MH /; dazu auch M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift),
Mitgliedsakte Heidegger, Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste,
München: »Weil die Sache auch mir selber immer schwieriger wird, habe ich das
Thema Sprache für drei Vorträge gewählt, die ich abends an der Universität halte;
der letzte ist im Februar –; hier kann ich nur propädeutisch vorgehen.«
 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München. Der Grund
für Bubers Absage war der Tod seiner Frau.
   

sehen hatten. Sie selbst wollten wir bei der Planung nicht bemühen,
da Sie schon nach einer Hinsicht Wesentliches bei der Techniktagung
zur ›Sprache‹ sagten. Jetzt aber ist die Lage u. Notlage eine andere. Das
Thema Sprache u. Dichtung ist verwaist; u. nach meinem Urteil kön-
nen nur Sie dazu etwas sagen. Für mich wäre es eine große Unterstüt-
zung, wenn Sie sich zu dem Thema entschließen könnten […].«
Dies tat Jünger auch, selbst wenn er es »nicht eben freudig« tat, wie er
Heidegger schrieb. Werner Heisenberg, der so wie Jünger nachträglich
eingeladen wurde, sagte ebenfalls zwischenzeitlich zu, am Ende aus Ter-
mingründen jedoch wieder ab. Die Tagung fand schließlich zwischen
dem . und . Januar  in der Aula der Universität München mit
Vorträgen von Romano Guardini über »Die religiöse Sprache«, Carl
Friedrich von Weizsäcker über »Sprache als Information«, Friedrich Ge-
org Jünger über »Wort und Zeichen«, dem Musikwissenschaftler Thrasy-
bulos Georgiades über »Sprache als Rhythmus« und Martin Heidegger
über den »Weg zur Sprache« statt. Zwischen dem . und . Januar
wurden alle Vorträge auf Einladung der Berliner Akademie der Künste in
Westberlin wiederholt, wozu die Redner direkt im Anschluss an die
Münchner Tagung eingeflogen wurden.
Inhaltlich schloss sich die Sprachtagung als eine Auseinandersetzung
mit der Instrumentalisierung der Sprache im technischen Zeitalter an die
Techniktagung an. So brachte Martin Heidegger das Verhältnis zur
Sprache in einem Brief an Clemens Podewils vom Juli  in ein direktes
Verhältnis zur »Macht des Ge-Stells«: »Bei der noch immer steigenden
Macht des Ge-Stells wird es eine lange Zeit brauchen, bis der Mensch in
ein anderes Verhältnis zur Sprache gelangt. Doch können wir nicht früh
genug beginnen, ein solches vorzubereiten.« Bei der ersten Bespre-

 M. Heidegger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 F. G. Jünger an M. Heidegger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Mar-
bach.
  veranstaltete die Akademie eine Anschlusstagung über »Wort und Wirklich-
keit« mit Buber und Heisenberg sowie Carl J. Burckhardt und Wolfgang Schade-
waldt, die ebenfalls zeitweilig für die Tagung von  vorgesehen waren; vgl.
Bayerische Akademie (Hg.), Wort und Wirklichkeit.
 Vgl. Bayerische Akademie (Hg.), Sprache; in diese Veröffentlichung wurde zu-
sätzlich der Vortrag des verstorbenen Walter F. Otto über »Sprache und Mythos«
aufgenommen. Martin Heidegger veröffentlichte noch im selben Jahr einen
Band mit dem Titel »Unterwegs zur Sprache«, in dem er neben dem Münchner
Vortrag weitere Texte zur Sprache der Jahre  bis  versammelte.
 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
     -

chung zur Sprachtagung im selben Monat nannte er die »Logistik« und


deren Folgen auf dem »Sprachgebiet« »gefährlicher als die Wege der
Atomforschung«. Die »Auseinandersetzung des Denkens u. Dichtens
mit der technischen Welt«, so Heidegger in einem späteren Brief, müsse
deshalb »noch viel radikaler angesetzt werden«. Für die Tagung in Mün-
chen sollte Carl Friedrich von Weizsäcker das instrumentelle Sprachver-
ständnis der modernen Wissenschaften und insbesondere der Kybernetik
erläutern, für die Sprache ein reines Informationsmedium sei. Gegen
dieses kybernetische Sprachverständnis argumentierten dann sowohl
Friedrich Georg Jünger als auch Heidegger in ihren Beiträgen.
Martin Heidegger kritisierte in diesem Sinn die »Informationstheo-
rie«, welche durch »Formalisierung« die »rechnerische Bestellbarkeit des
Sagens« (MH a, ) betreibe. Mit ähnlichen Worten wie Friedrich
Georg Jünger  setzte er dem entgegen, »daß sich das Sprachwesen
niemals in den Formalismus auflösen und verrechnen läßt« (ebd.). Die
hierbei vollzogene Gegenüberstellung von »natürlicher« und »formali-
sierter« Sprache entwickelte Heidegger drei Jahre später erneut in einem
Vortrag über »Überlieferte Sprache und technische Sprache«, in dem er
die »Herrschaft der Technik« (MH , ) für die »Umformung der
Sprache als Sagen zur Sprache als bloß zeichengebender Meldung« (ebd.,
) verantwortlich machte. Indem er erklärte, die »technische Sprache«
sei »der schärfste und bedrohlichste Angriff auf das Eigentliche der Spra-
che«, nannte er zugleich den Namen für sein Gegenmodell zur Infor-
mationstheorie: »das Sagen als das Zeigen und Erscheinenlassen des
Anwesenden und Abwesenden« (ebd., ). Diesen Begriff der »Sage« als
»Zeige« (MH , ) erläuterte er auch  in München. Er leitete
damit das Wesen der Sprache aus dem Sprechen her, distanzierte sich
aber zugleich von der Auffassung, das Sprechen sei lediglich »eine Art der
menschlichen Tätigkeit« (ebd., ) oder nur ein Mitteilungsinstrument

 Podewils, Clemens: Zusammenfassende Niederschrift der Besprechung auf Büh-


lerhöhe am ./. Juli , Ordner »Sprache , .A: Korrespondenzen«, Ar-
chiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
 M. Heidegger an C. Podewils, .. (Abschrift), Mitgliedsakte Heidegger,
Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München.
 Vgl. Weizsäcker, Sprache.
 Die Zentralität dieses Spannungsverhältnisses für die Tagung betonte Clemens
Podewils, wenn er an Friedrich Georg Jünger schrieb: »Aus Weizsäckers Vortrag
sehe ich wieder, wie grundlegend Dein Vortrag ›Sprache und Kalkül‹ für das Wer-
den der neuen Tagung war.« (C. Podewils an F. G. Jünger, .., D: F. G.
Jünger, DLA Marbach)
   

des Menschen. Das Sprechen sei zugleich ein »Hören auf die Sprache«
(ebd., ): »Demgemäß hören wir auf die Sprache in der Weise, daß wir
uns ihre Sage sagen lassen.« (Ebd., ) Das menschliche Sprechen sei als
das »entgegnende Sagen« immer schon ein »Antworten« (ebd., ).
Heidegger verlagerte auf diese Weise erneut die Handlungsagentur aus
dem Menschen heraus und in diesem Fall in die Sprache hinein, die nun
selber sprechen sollte: »Die Sprache spricht, indem sie sagt, d. h. zeigt.«
(Ebd., )  Allerdings veranschlagte er auch hier eine gegenseitige
Angewiesenheit von Mensch und Sprache: Das Wesen des Menschen sei
»in die Sage eingelassen« (ebd.), die »Sprache braucht das menschliche
Sprechen und ist gleichwohl nicht das bloße Gemächte unserer Sprech-
tätigkeit« (ebd., ). Heidegger sprach in diesem Sinn auch vom »Er-
eignis« (ebd., ) der Sage, das nicht vom Menschen ausgehe, aber sein
»Hörenkönnen« (ebd., ) verlange. Heideggers »Weg zur Sprache«, der
sich »aus unserem Tun in das ereignete Sprachwesen verlagert« (ebd., )
habe, wird so ebenfalls als Weg deutlich, der von der Vorstellung des han-
delnden Subjekts und damit von der Konzeption der Tat wegführte.
Diesen Weg hat Heidegger schon während der er Jahre einzu-
schlagen begonnen. Wie bereits erläutert, war die Abwendung vom poli-
tischen Aktivismus und dem Politiker Hitler mit einer Hinwendung zur
Dichtung und zum Dichter Hölderlin verbunden. Im Dichter fand Hei-
degger eine Figur des »Schaffenden«, die sich nicht zurichtend des Seien-
den bemächtigte, sondern hütend das Sein zur Sprache brachte. In die-
sem Sinn setzte Heidegger die Auseinandersetzung mit der Dichtung
nach  fort, wobei neben Hölderlin die Beschäftigung mit weiteren
Dichtern wie Rainer Maria Rilke, Georg Trakl, Stefan George und Jo-
hann Peter Hebel trat. Dabei verband Heidegger seine Vorträge über
Dichtung gerne mit Lesungen der Gedichte, die er auch im privaten
Rahmen regelmäßig vortrug.  nahm er eine Langspielplatte mit Ge-
dichten Hölderlins auf.
Von den Dichtern erwartete Heidegger, wie er  in seinem Vortrag
»Wozu Dichter?« erläuterte, nach wie vor die Vorbereitung der »Wende

 Dies geschah analog zur Subjektverlagerung vom Menschen auf das Sein. Dirk
Mende spricht deshalb davon, dass Heideggers »späte Sprachphilosophie« die
»systematische Struktur« seiner Seinsphilosophie »wiederholt« (Mende, Brief,
S. ).
 In diesem gegenseitigen Brauchen bleibe die Sprache aber, wie Heidegger an an-
derer Stelle betonte, »die Herrin des Menschen« (MH b, ).
 Vgl. MH -, - u. b (Hölderlin), b (Rilke), b (Georg Trakl),
 (George), c u.  (Hebel); allg. Thomä, Texte über Sprache.
     -

des Weltalters«, denn: »Im Weltalter der Weltnacht muß der Abgrund
der Welt erfahren und ausgestanden werden. Dazu ist aber nötig, daß
solche sind, die in den Abgrund reichen.« (MH b, ) Und solche
seien, so Heidegger, die Dichter, die dadurch auch zur Ȇberwindung
des Technischen« (ebd., ) beitragen sollten. Allerdings waren es nicht
allein die Dichter, sondern auch die Denker. Denn Heidegger hielt zu-
gleich an seiner Vorstellung einer »Nachbarschaft von Dichten und Den-
ken« (MH /, ) fest, weshalb er dem eigenen philosophischen
Sprechen dichterische Qualität zu verleihen suchte und eigene Über-
legungen gelegentlich gar in Versform verfasste (vgl. MH b). Denn
Heidegger sah die Gemeinsamkeit von Dichten und Denken vor allen
Dingen in ihrem Verhältnis zur Sprache: »Zwischen beiden, Denken und
Dichten, waltet eine verborgene Verwandtschaft, weil beide sich im
Dienst der Sprache für die Sprache verwenden und verschwenden.«
(MH d, )  Die auch auf zeitgenössische Leser und Zuhörer nicht
selten befremdlich wirkende Diktion und Begrifflichkeit Heideggers war
in diesem Sinn ein Versuch, die »Sprache der Metaphysik« (MH a,
) zu überwinden und eine philosophische Sprache zu entwickeln, die
aus dem »Sprachwesen« selbst erwachsen sollte und von Heidegger als
Antwort auf das sich in der Sprache zur Erscheinung bringende Sein ge-
dacht wurde. Denn die Sprache sei ihrem Wesen nach die »lichtend-
verbergende Ankunft des Seins selbst« (MH a, ). Deshalb hänge
die »Rettung von Welt«, davon ab, so Heidegger in einem Brief an Sophie
Dorothee Podewils vom . Juni , »in ein ganz anderes Verhältnis zur
Sprache« zu kommen, das über »ein bloßes Reflexionsverhältnis« (MH/
EJ/FGJ, ) hinausgelange.

 Schon  hat Heidegger geschrieben, das »Denken des Seins hütet das Wort«
(MH b, ), und dabei auch eine Art Arbeitsteilung zwischen Dichter und
Denker festgelegt: »Der Denker sagt das Sein. Der Dichter nennt das Heilige.«
(Ebd., )
 Schon ab der zweiten Hälfte der er Jahre versuchte Heidegger, gegen die den-
ominative Sprache der Metaphysik »die unzerstörte Nennkraft der Sprache und
Worte wieder zu erobern« (MH , ), welche durch ihr »Nennen«, das kein
prädikatives »Benennen«, sonder nur ein »Zeigen« sei, die Dinge so zum Erschei-
nen bringen solle, wie sie von sich aus seien; vgl. dazu Thomä, Zeit des Selbst,
S. -. Noch  definierte Heidegger das »Nennen« als das »erfahren-las-
sende Zeigen« (MH /, ); zur Unterscheidung von »Benennung« und
»Nennung« auch MH /, .
 Im »Brief über den ›Humanismus‹«, aus dem das letzte Zitat stammt, schrieb
Heidegger entsprechend: »Der Mensch muß, bevor er spricht, erst vom Sein sich
wieder ansprechen lassen« (MH a, ).
   

Vor dem Hintergrund der »Zwiesprache zwischen dem Dichten und


dem Denken« (MH b, ) ist auch die Beziehung von Heidegger zu
Friedrich Georg Jünger zu verstehen. Denn für Heidegger war es durch-
aus von Bedeutung, dass dieser nicht nur wie sein Bruder Ernst Essayist
und Erzähler war, sondern auch Dichter. Zwar hat er den Gedichten Jün-
gers keine eigene Exegese gewidmet. Aber Heidegger las, wie sich sein
damaliger Schüler Rainer Marten erinnert, zumindest an einem seiner
Poesieabende auch Jünger-Gedichte.  las umgekehrt Friedrich
Georg Jünger auf Bühlerhöhe Trakl-Gedichte nach dem Trakl-Vortrag
Heideggers. Bei den Feierlichkeiten zu Friedrich Georg Jüngers sieb-
zigstem Geburtstag  im schweizerischen Amriswil hielt Heidegger
einen Vortrag über Hölderlin (MH -, -). In diesem Aus-
tausch war es für Heidegger besonders wichtig, dass Jünger sich sowohl
als Dichter wie auch als Denker betätigte. »Sie sind Dichter«, wie er ihm
 schrieb, »und vermögen zugleich zu bedenken u. zu sagen, was ist«
(MH e, ). Dieses Lob wiederholte er aus Anlass von Jüngers sech-
zigstem Geburtstag, an dem er ihm bescheinigte, »daß Sie Dichten und
Denken in der Ihnen so einfach geglückten Harmonie lassen« . Aus
demselben Grund unterstützte Heidegger Jünger auch in seinen theore-
tischen Bemühungen um die dichterische Sprache. So schrieb Jünger im
Juni  an die Schwester von Sophie Dorothee Podewils: »Heideggers
freundliches und dringliches Zureden hat mich bewogen, meine Auf-
zeichnungen über Vers und Satz wieder vorzunehmen.« An Heidegger
selbst schrieb er: »›Vers und Satz‹ hat mich weiterhin beschäftigt. Ich
habe angefangen, meine Aufzeichnungen darüber ins Reine zu bringen.
Sollten wir uns in Walchen sehen, würde ich Ihnen einiges daraus vor-
lesen.« 
Diese Aufzeichnungen zu »Vers und Satz« mündeten in Jüngers 
erschienene Abhandlung über »Rhythmus und Sprache im deutschen
Gedicht«. Darin legte er allerdings Wert darauf, dass es sich nicht um
eine wissenschaftliche Studie handle, da »die Dichtung sich der Wissen-
schaft entzieht« (FGJ , ). Die Auseinandersetzung mit der Metrik
sei für den Dichter nicht Wissenschaft, sondern nur »Stütze seines eige-

 Gespräch mit dem Verfasser am . Dezember  in Freiburg.


 Vgl. Podewils, Erörterung.
 M. Heidegger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
 F. G. Jünger an W. zu Schaumburg-Lippe, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger,
DLA Marbach.
 F. G. Jünger an M. Heidegger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Mar-
bach.
     -

nen Hervorbringens« (ebd., ). Die hier vorgenommene Abgrenzung der


lebendigen Sprache von der Wissenschaft, für die Sprache nur »Mittel
und Werkzeug« (ebd., ) sei, wiederholte Jünger ein Jahr später in seinem
Münchner Vortrag über »Sprache und Kalkül«. Der zweite Münchner
Vortrag von  über »Wort und Zeichen« vollzog dieselbe Abgrenzung,
wobei es Jünger nun darum ging, die Bestimmung der Sprache als reines
Zeichensystem zurückzuweisen: »Die Symboltheorie deckt den Bereich
der Sprache nicht«, da »unsere Zugehörigkeit zur Sprache vor allem Be-
zeichnen liegt« (FGJ a, f.). Die Sprache sei nicht einfach ein Zei-
chenmittel des Menschen, sondern der Mensch sei umgekehrt eingelas-
sen in die Sprache als ein »Gemeinsames« (ebd., ) und ein »Schicksal«
(ebd., ): »Die Muttersprache ist immer schon in der Mutter da, und
das Kind wächst in sie hinein; es eignet sich die Muttersprache an.«
(Ebd., ) Diese Aneignung erfolge durch das Einschwingen in den
»Rhythmus« und den »Wohllaut« der Sprache, die durch eine Struktur
der »Wiederkehr« geprägt sei (ebd.) : »Rhythmus ist der Tanz der Wie-
derkehr.« (Ebd., )
Mit diesen Stichworten waren die zentralen Begriffe von Friedrich Georg
Jüngers positiver Bestimmung der Sprache und damit auch des Dichtens
genannt, die er schon  beschrieben hatte, denn die Dichtung bringe
das Wesen der Sprache als Rhythmus zum Klingen und könne nicht als
Zeichensystem verstanden werden:
»Das Gedicht entsteht […] dadurch, daß die Sprache immer schon
Rhythmus ist. […] Die Sprache ist Rhythmus, weil sie ein Wiederkeh-
rendes ist, und ihr Gedicht ist, daß sie die Genauigkeit dieser Wieder-

 Schon  hatte er einem Briefpartner geschrieben: »Die Grundfragen, die Sie
beschäftigen, sind für Musik und Dichtung die gleichen. Der mechanisch-phy-
sikalische Zeitbegriff ist für den Musiker wie für den Dichter untauglich. […]
Die Sprache ist deshalb für den Wissenschaftler und seine Zwecke ein unvoll-
kommenes Instrument; sein Streben, sie zu mechanischer Zuverlässigkeit zu
bringen, scheitert, weil sie sich einem mechanischen Zeitbegriff nicht unterwer-
fen lässt.« (F. G. Jünger an C. Lahusen, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger,
DLA Marbach)
 Heidegger hatte schon  geschrieben, die Sprache lasse sich »nie vom Zei-
chencharakter her« (MH a, ) verstehen.
 Die »Sprache in ihrer Beziehung zu Wiederkehr und Vergessenheit« (FGJ ,
) behandelte Friedrich Georg Jünger auch in seiner Abhandlung über »Ge-
dächtnis und Erinnerung« von , die im Übrigen als Beleg für den auch
sprachlichen Einfluss Heideggers auf Jünger gelten kann, da Jünger mit Formu-
lierungen wie der von der »Rückstellung des Gedachten in die Verwahrung der
Vergessenheit« (ebd., ) auf unfreiwillig komische Weise Heideggers Diktion
nachahmte.
   

kehr ausspricht. Der Dichter ist Dichter, weil er diese genaue Wieder-
kehr, die in Zeit, Rhythmus und Sprache entsteht, darzustellen ver-
mag.« (FGJ , )
Die Gemeinsamkeit zu Heidegger bestand also nicht nur darin, die
Sprache als ein Lebendiges anzusehen, das dem Menschen nicht als ein
Instrument zur Verfügung stehe, sondern in das er eingelassen sei und
dessen »Weite des Zulassens« (FGJ a, ) er sich durch Hören und
Nachahmen zueignen müsse. Friedrich Georg Jünger ging auch wie
Heidegger davon aus, dass sich das Wesen der Sprache vor allen Dingen
in der Dichtung erschließe. Das »Klingen und Schwingen des Sagens« im
Gedicht, so Heidegger, sei »nichts Vordergründiges«, sondern »das ur-
sprünglich und eigentlich Stimmende des dichtenden Sagens« (MH
, ). Heidegger zitierte in diesem Zusammenhang die romantische
Sprachvorstellung Joseph von Eichendorffs, dass die Welt zu singen an-
hebe, »triffst du nur das Zauberwort« (ebd.). Dieses zum-Klingen-Brin-
gen der Welt durch die dichterische Sprache traf wohl auch Friedrich
Georg Jüngers Ansicht, der zudem wie Heidegger davon ausging, dass
Dichten und Denken eng zusammengehörten: »Das Denken gründet in
der Sprache, die Sprache im Denken« (FGJ a, ).
Schließlich lässt sich auch im Fall Friedrich Georg Jüngers argumen-
tieren, dass seine Hinwendung zum Sprachgeist mit seiner Abwendung
von der Politik korrelierte. Jünger hatte zwar schon in der Zeit seines
nationalistischen Engagements einzelne Gedichte veröffentlicht, die nicht
selten agitatorischen Charakter trugen. Doch nach seiner Distanzierung
vom Nationalsozialismus, die er ebenfalls in Gedichtform zum Ausdruck
brachte, dienten ihm die »musischen Territorien« (FGJ/EN, ) explizit
als Rückzugsgebiet. Diese Territorien konnten dabei wie im Falle Hei-
deggers den Charakter des »geheimen Deutschland« annehmen, die
Dichtung nach der Enttäuschung über das reale Deutschland zum neuen
Vaterland werden, wie Jünger im »Vorspruch« zu seinem Gedichtzyklus
»Der Taurus« von  schrieb: »Vaterland ist mir das Lied, / Ist der offene,
helle Gesang mir. […] Vaterland, Sprache, du bist’s, / Dein Wuchs, dein
Gedeihn im Licht ist’s.« (FGJ a, )

 »Die Sprache ist Mensch, der Mensch Sprache« (FGJ c, ), wie Jünger in
seinem Nietzsche-Buch schrieb.
 In seinem Sammelband »Sprache und Denken« (FGJ ), in den auch die bei-
den Münchner Vorträge aufgenommen wurden, hat Jünger diese Beziehung
weiter verfolgt; vgl. zu Jüngers poetischen »Klang«-Vorstellungen schon Pode-
wils, Dichtung und Echo.
 Vgl. dazu Beltran-Vidal, Exil intérieur.
     -

Auch Ernst Jünger sprach im Zusammenhang mit der Sprache vom


Vaterland. So schrieb er im »Waldgang«: »Die Sprache gehört zum Eigen-
tum, zur Eigenart, zum Erbteil, zum Vaterland des Menschen, das ihm
anheimfällt, ohne daß er dessen Fülle und Reichtum kennt.« (EJ a,
). Sie ermögliche als ein »Schlüssel« zu den »Schätzen und Geheimnis-
sen« der Welt »echte Seinsberührung« (ebd.), ja sei im »Urgrund […]
identisch mit dem Sein« (ebd., ). Ernst Jünger entwickelte hier und in
anderen Texten seit den er Jahren eine »Sprachmystik«, die in vie-
lem der seines Bruders und Martin Heideggers glich. Auch Ernst Jünger
war auf der Suche nach einer »Sprache, der das Wort nicht als bloßes
Verständigungsmittel dient und der die ziffernmäßige Exaktheit nicht
genügt« (EJ a, ). Er hob darauf ab, dass die Sprache nur ein Zugang
sei zu den hinter ihr liegenden Seinsgeheimnissen, dass hinter den
»Buchstaben […] ein großes Geheimnis sich verbirgt, das unabhängig ist
von ihrem praktischen Gebrauch« (EJ b, ). Das Wort könne nur
»Fassung« sein für »das schweigende Sein«. Ernst Jüngers Sprachmagie
erinnerte so ebenfalls an das Eichendorffsche »Zauberwort«.
Diese sprachmagischen Vorstellungen entwickelte Ernst Jünger aller-
dings erst nach seiner Abwendung vom politischen Aktivismus. Im »Ar-
beiter« sprach er noch von der Technik als der »Sprache, die im Arbeits-
raume gültig ist« (EJ , ). Seine spätere Kritik an der Sprache, die
»zum Mittel von Technikern und Bürokraten herabgesunken ist« (EJ a,
), traf also durchaus auch sein eigenes Sprachverständnis aus jener Zeit,
in der er einem »Kursbuch« größere Bedeutung beimaß als dem »bürger-
lichen Roman« (EJ , ). Ab  begann er sich allerdings auf
neue Weise mit der Sprache, ihren Lautformen und nicht-technischen
Bezügen auseinanderzusetzen, wie an der  erstmals in »Blätter und

 Martus, Ernst Jünger, S. .


 Zit. n. ebd., .
 Beltran-Vidal, Überlegungen, macht auf diesen Wechsel in Ernst Jüngers Sprach-
auffassung aufmerksam.
 Martin Heidegger übte in seiner Hölderlin-Vorlesung vom Winter / in
diesem Sinn Kritik an Jüngers »Arbeiter«: »Unser Bezug zur Sprache, zu den
Wörtern und zum Wort ist seit langem verworren, unbestimmt, grundlos. Die
Sprache ist wie ein vorhandenes Ding; warum soll nicht auch sie als Instrument
der ›Organisation‹ und der Rüstung des Menschen, als Herrschaftsmittel und
Herrschaftsform gesichert werden? […] Dieses Verhältnis zur Sprache, in dem
z. B. Ernst Jünger steht, gehört noch ganz in den metaphysischen Raum, der
durch Nietzsches Auslegung des Seins als Wille zur Macht bestimmt ist.« (MH
/, f.)
   

Steine« erschienen Abhandlung »Lob der Vokale« abzulesen ist. Über


diese schrieb er im Januar  an seinen Bruder:
»Nach dem ›Arbeiter‹, in dem ich mich allen Gepäckes entledigt hatte,
und dem die konsumierende Großstadtluft zuträglich war, ist es jetzt
vielleicht an der Zeit, ein wenig neues Fleisch anzusetzen. Wenn man
von einer weiteren Steigerung des Willens nichts mehr erwarten darf,
muß man sehen, ob sich das Mehr nicht durch die tieferen Kräfte der
Zauberei, und müheloser erreichen läßt. Dies versuche ich im Augen-
blick mit einer Schrift über die Vokale, und empfinde dabei zuweilen
das Gefühl stark zuströmender Kraft.« 
Nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte Jünger dann eine zweite
Sprachabhandlung unter dem Titel »Sprache und Körperbau«, in der er
einleitend auf die Unzerstörbarkeit der Sprache angesichts der Zerstörun-
gen des Krieges einging:
»Die Sprache ist unter allen Bauten die unzerstörbarste und älteste
[…]. Welch Glück, dass sie uns inmitten der Vernichtung erhalten
blieb. Ruht doch in ihren Kammern, die unzerstörbar überdauern, das
volle Erbe der Vergangenheit. Wer hier zuhause ist, wird nie dem Nie-
deren verfallen und immer beschenkt und reich erquickt werden.«
(EJ , ) 
Die Rede von der Sprache als Bauwerk findet sich auch in einer Tage-
bucheintragung vom November , in der Jünger die »Aufgabe des
Autors« als die »Stiftung geistiger Heimat, geistiger Residenz« beschrieb:
»Die Dichter spenden die große Bleibe, die große Herberge.« (EJ /
, f.) Diese Metaphorik erinnert an Martin Heideggers berühmte
Formulierung aus dem »Brief über den ›Humanismus‹«, die Sprache sei
das »Haus des Seins« (MH a, ). Damit war zunächst die schon

 E. Jünger an F. G. Jünger, .., zit. n. Schwilk (Hg.), Ernst Jünger, S. .
 In der Schlussbemerkung ging Ernst Jünger noch einmal auf die Bedeutung der
Auseinandersetzung mit der Sprache gerade »nach der Katastrophe« ein: »Ein
letztes Wort sei noch dem Zeitpunkt gewidmet, der für diese Arbeit gewählt
wurde. Inmitten des fürchterlichen Elendes und der moralischen und physischen
Vernichtung, die uns umgibt, mag manchem die Beschäftigung mit solchen Fra-
gen als rätselhaft erscheinen, als luxuriöser Überfluss. Doch ist es nicht nur der
Horazische Gleichmut im Ungemache, der aus ihr spricht. Es ist zugleich auch
Folgendes: nach einem Unfall, einem jähen Sturze tasten wir zunächst den Kör-
per ab. Wir prüfen, ob wir unversehrt geblieben sind. So ist es auch hier: die
erste Arbeit nach der Katastrophe gilt diesem Ort und Ausgangspunkt der Frei-
heit, dem Ebenbilde göttlicher Macht.« (EJ , )
     -

dargelegte Auffassung Heideggers gemeint, dass in der Sprache das Sein


selbst zum Erscheinen käme. Die Rede von der »Behausung«, deren
»Wächter« die »Denkenden und Dichtenden« (ebd.) seien, erlaubte Hei-
degger aber zugleich eine Erweiterung in zwei Richtungen: in Richtung
auf die »Heimat« und in Richtung auf das »Wohnen«.
Heideggers Fassung der Sprache als »Heimat« kam besonders in seiner
Auseinandersetzung mit Johann Peter Hebels alemannischer Dichtung
zum Ausdruck.  leitete er in seinem Münchner Vortrag das Sprechen
aus der »Mund-art« (MH a, ) her. Diese Idee hatte er schon in den
Jahren zuvor in der Auseinandersetzung mit Hebel entwickelt. 
schrieb er in einem kleinen Büchlein unter dem Titel »Hebel – der Haus-
freund«: »Die Mundart ist der geheimnisvolle Quell jeder gewachsenen
Sprache.« (MH c, ) Gerade in ihrer dialektalen Form sei die
Sprache, so Heidegger in einem späteren Hebel-Vortrag, »das inständig
schenkende Hervorbringen der Heimat« (MH , ). In dieser
Aneignung Hebels setzte Heidegger die Rettung seines positiven Bezugs-
systems der Heimat und der Bodenständigkeit von ihrer NS-Kontamina-
tion fort, die er schon in seinen Hölderlin-Exegesen ab  begonnen
hatte. Robert Minder verglich Heideggers Lobpreisungen des »Volks-
dichters« Hebel daher mit denen des völkischen Dichters Hermann
Burte von . Wenn Heidegger schrieb, Hebels Gedichte seien »im
Bodenständigen gewurzelt« (MH e, ), die »Säfte und Kräfte der
heimatlichen Erde« seien stets »in Hebels Gemüt und Geist lebendig«
(MH c, ) geblieben und der Dialekt spräche »wurzelhaft aus
einem Bereich, in dessen Landschaft ein Volksstamm seine Heimat
bewohnt« (MH , ), dann kommentierte Minder zu recht, dass
Heideggers Stil zwar ziviler geworden, das »Denkschema von der Ver-
wurzelung in Heimat und Volkstum«  aber bestehen geblieben sei: »Die
politischen Bezüge sind bei Heidegger  verwischt, ja prinzipiell als
irrelevant ausgeklammert. Das Metaphernnetz der Stammes- und
Sprachsakralisierung ist geblieben.«  Tatsächlich bekräftigte Heidegger
in seinen späteren Jahren vielfach seine heimatliche Bindung und schrieb
mit dem berühmt gewordenen »Feldweg« von  eine von Todtnau-
berg nach Meßkirch verlagerte Erneuerung seines Lobs der »schöpfe-

 Heidegger teilte seine Vorliebe für den Dialekt im Übrigen mit Ernst Jünger, der
ihm  zum achtzigsten Geburtstag unter dem Titel »Federbälle« eine Samm-
lung schwäbischer Redensarten schenkte; vgl. EJ .
 Vgl. Minder, Heidegger und Hebel, S. .
 Ebd., S. .
 Ebd., S. .
   

rischen Landschaft« von . Hieraus wird die Kontinuität seines


völkischen Ideals der Bodenständigkeit und seines ethnischen Funda-
mentalismus über den Abschied von der Tat hinaus erkennbar.
Heideggers Rede von der Sprache als dem »Haus des Seins« und von
Hebel als dem »Hausfreund« deutete allerdings noch in eine anderer
Richtung. In seinem Hebel-Text von  nannte er »die Welt das Haus,
das die Sterblichen bewohnen« (MH c, ).  ergänzte er in sei-
nem Vortrag über »Sprache und Heimat«: »Das dichterische Sagen läßt
erst die Sterblichen auf der Erde unter dem Himmel vor den Göttlichen
wohnen« (MH , ). Mit dieser Reihung von Erde und Himmel,
Sterblichen und Göttlichen meinte Heidegger das »Gefüge des Gevierts«
(ebd., ), das in der Dichtung zur Sprache komme und in dem die
Menschen »dichterisch wohnen« (MH b) sollten. Dieses »Geviert«
war das Schlussstück auf Heideggers Weg von der Tat zur »Gelassenheit«,
der gleichzeitig sein »Weg zur Sprache« war. Um dieses Schlussstück geht
es im folgenden Abschnitt.

 Vgl. MH b. Heidegger wiederholte hier die Behauptung von der analogen
Betätigung des »Denkenden« und des »Landmannes« (MH b, ) und
nannte beide »Hörige der Herkunft« (ebd., ). Vgl. dazu auch Adorno, Jargon,
S. ff. Die neuere Darstellung von Büchin/Denker, Martin Heidegger, trägt
zwar wenig zur analytischen Schärfung der Kategorie »Heimat« bei Heidegger
bei, liefert aber eine anschauliche Beschreibung seiner tatsächlichen »Verwurze-
lung« in der oberschwäbischen Provinz. Wenn Heidegger  für das »Deutsche
Führerlexikon« behauptete, er entstamme »alemannisch-schwäbischem Bauern-
geschlecht, das mütterlicherseits (Kempf ), auf demselben Hof ansässig, lücken-
los bis  feststeht« (MH -, ), dann kann man diesen lückenlosen
Stammbaum jetzt bei Büchin und Denker nachlesen.


.. Gelassenheit an der Zeitmauer


Heideggers »Gelassenheit« im »Geviert«

Martin Heideggers Abwendung von der Tat und seiner Konzeptionalisie-


rung des Wollens und Handelns der frühen er Jahre war in der Zeit
nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer zunehmenden Hinwendung zu
einem topologischen Denken verbunden, zu einer »Topologie des Seyns«
(MH b, ), wie er  selbst schrieb. Räumliche Metaphern und
Begriffe, zu denen auch die Wendung von der Sprache als dem »Haus des
Seins« gehörte, häuften sich bei seinem Bemühen, die »Ortschaft des
Seins« (MH /, ) denkerisch zu erkunden. Das »Wesen des
Denkens« selbst sollte dabei als »Innestehen im Offenen der Ortschaft
des Seins« (ebd.) begriffen werden. Im »Brief über den ›Humanismus‹«,
der Heideggers elaboriertesten Versuch darstellt, seine Frühphilosophie
von »Sein und Zeit« mit seiner Spätphilosophie in Einklang zu bringen,
unterzog er den für »Sein und Zeit« zentralen Begriff des »Daseins« einer
entsprechenden Umdeutung, indem er die menschliche »Ek-sistenz« als
»Stehen in der Lichtung des Seins« (MH a, ) definierte, wobei
gleichzeitig galt: »der Mensch west so, daß er das ›Da‹, das heißt die Lich-
tung des Seins, ist« (ebd., ).
In späteren Nachkriegstexten hat Heidegger diese existenzphilosophi-
sche Begrifflichkeit allerdings mehr und mehr aufgegeben. Das Dasein
des Menschen, sein »Aufenthalt« (MH a, ) auf der Erde und bei
den Dingen, wurde von Heidegger stattdessen als ein »Wohnen« gefasst,
das den »Grundzug des Menschseins« ausmachen sollte: »Das Wohnen
ist die Weise, wie die Sterblichen auf der Erde sind.« (Ebd., ) Dabei
kam auch der Dichtung erneut eine herausgehobene Bedeutung zu, denn
das Dichten sei »das ursprüngliche Wohnenlassen« (MH b, ), wie
Heidegger unter Heranziehung der Verszeile Hölderlins: »Voll Verdienst,
doch dichterisch, wohnet / Der Mensch auf dieser Erde« (ebd., ) 
im Kurhotel Bühlerhöhe erläuterte. Gleichzeitig verlange das Wohnen
auch ein »Bauen«, um die Stätte des Wohnens zu schaffen. In seinem 
im Rahmen des Darmstädter Gesprächs über »Mensch und Raum« ge-
haltenen Vortrag »Bauen Wohnen Denken« definierte Heidegger das

 Eine solche »Topologie« (MH a, ) forderte er auch in seinem Festschriften-
beitrag für Ernst Jünger.  nannte Heidegger die Topologie des Seins seinen
dritten Ansatz der Seinsfrage nach der Frage nach dem Seinssinn in den er
und der Seinsgeschichte in den er Jahren; vgl. Pöggeler, Heidegger in seiner
Zeit, S. .
 Vgl. dazu auch Biemel, Entfaltung.
    

Bauen allerdings wiederum sehr allgemein als »auf der Erde sein« und
damit weitgehend synonym zum Wohnen: »Bauen heißt ursprünglich
wohnen.« (MH a, ) Indem Heidegger aber nicht nur vom Woh-
nen, sondern auch vom Bauen sprach, konnte er erneut die Frage des Her-
stellens und damit auch der »techne« (ebd., ) behandeln. Das Bauen als
ein »Stiften und Fügen von Räumen« (ebd., ) wurde für Heidegger zu
einem weiteren Modell des nicht-aggressiven und nicht-zurichtenden
Handelns. Das war besonders dort deutlich, wo er das Bauen im Sinne des
Landbaus als »hegen und pflegen« (ebd., ) verstand. Auch das Bauen
als »Errichten« von Bauwerken bleibe aber »in das eigentliche Bauen, das
Wohnen« (ebd.), und damit in das »Schonen« (ebd., ) einbehalten.
Heideggers Konzeptionalisierung des Wohnens und Bauens war wie-
derum um eine Distanzierung von den »Machenschaften« des »Ge-stells«
der modernen Technik bemüht. Sie zielte auf eine Harmonisierung und
Aufhebung der Frontstellung des modernen Menschen zu seiner Umwelt
und damit auch jeder Subjekt-Objekt-Spaltung. Durch das Wohnen stehe
der Mensch der bewohnten Erde nicht gegenüber, sondern sei ihr zuge-
hörig und werde seinerseits von ihr als Hüter und Pfleger gebraucht. Für
diesen »Gegenschwung des Brauchens und Zugehörens« (MH /,
), von dem Heidegger im Bezug auf den Mensch und das Sein schon
in den »Beiträgen zur Philosophie« gesprochen hatte, fand er um 
den Begriff des »Gevierts«. »Geviert« war sein Name für die gegenseitige
Zugehörigkeit von Sterblichen und Göttlichen, Erde und Himmel. So
sprach er im Bezug auf das Wohnen erneut vom »Aufenthalt der Sterb-
lichen auf der Erde«, um dann zu ergänzen:
»Doch ›auf der Erde‹ heißt schon ›unter dem Himmel‹. Beides meint
mit ›bleiben vor den Göttlichen‹ und schließlich ein ›gehörend in das
Miteinander der Menschen‹. Aus einer ursprünglichen Einheit gehören
die Vier: Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen in
eins. […] Diese ihre Einfalt nennen wir das Geviert. Die Sterblichen
sind im Geviert, indem sie wohnen. Der Grundzug des Wohnens aber
ist das Schonen. Die Sterblichen wohnen in der Weise, daß sie das
Geviert in sein Wesen schonen.« (MH a, f.)

 Die tautologische Struktur dieser Definition ist durchaus kennzeichnend für


Heideggers Spätphilosophie. Deren Tautologien können hier aber nicht im Ein-
zelnen auf die in ihnen aufzufindenden begrifflichen Widersprüche und Unge-
nauigkeiten untersucht werden.
 Heidegger sprach auch von der notwendigen Rettung der Erde: »Das Retten der
Erde meistert die Erde nicht und macht sich die Erde nicht untertan, von wo nur
ein Schritt ist zur schrankenlosen Ausbeutung.« (MH a, )
     -

Es wäre müßig, im Sinne einer exakten Definition bestimmen zu wollen,


was genau Heidegger mit den vier Bestandteilen des Gevierts meinte.
Besonders die Rede von den »Göttlichen« blieb hinreichend dunkel. Hei-
degger nannte sie »die winkenden Boten der Gottheit« (ebd., ) und
schrieb von den »Sterblichen«, sie »wohnen, insofern sie die Göttlichen als
die Göttlichen erwarten. […] Sie warten der Winke ihrer Ankunft und
verkennen nicht die Zeichen ihres Fehls. […] Im Unheil noch warten sie
des entzogenen Heils« (ebd., ). Es soll an dieser Stelle genügen, die
Rede von den Göttlichen als Ausweis für die religiöse Struktur von Hei-
deggers Konzeption des Gevierts und seiner späten »Frömmigkeitsphilo-
sophie«  insgesamt zu nehmen. Die Menschen als die Sterblichen sollten
eben nicht eigenmächtig, ihr Maß nur in sich selbst suchend, auf der
Erde leben, sondern ihre »Weisung« (ebd., ) aus dem »Zuspruch des
Gevierts« (ebd.) empfangen und diesem bauend entsprechen. Auch hier
zielte Heidegger also auf eine Verlagerung der Handlungsagentur aus dem
Menschen in eine übergeordnete Instanz, die er nun »Geviert« nannte.
Dass Heidegger mit dem »Geviert« auch die Subjekt-Objekt-Relation
aufheben wollte, wird unter anderem daran deutlich, dass er diesen Be-
griff erstmals in seinem Vortrag über das »Ding« einführte, den er 
im Rahmen des Vortragszyklus »Einblick in das was ist« in Bremen und
auf Bühlerhöhe gehalten,  in München wiederholt und  erstmals
gesondert publiziert hat. Heidegger bestimmte darin das »Ding«, unter
Rückgriff auf das »althochdeutsche Wort thing« für »Versammlung«, als
das, was die vier Teile des Gevierts zueinander »versammelt« (MH a,
). Die Dinge »bergen das Geviert« (MH a, f.), wie er in dem Vor-
trag »Bauen Wohnen Denken« sagte, weshalb das Wohnen im Geviert
immer schon ein »Aufenthalt bei den Dingen« (ebd., ) sei und diese
nicht als Objekte für von ihnen losgelöste Subjekte verstanden werden
könnten. Auch dabei zielte Heidegger auf eine Einschränkung des Herr-
schaftsanspruchs des Subjekts, wie er in einer Formulierung deutlich
machte, die zugleich als versteckter Kommentar zu seiner eigenen denke-
rischen und politischen Vergangenheit verstanden werden kann: »Wir
sind die im strengen Sinne des Wortes Be-Dingten. Wir haben die An-
maßung alles Unbedingten hinter uns gelassen.« (MH a, ).
Im Sinne dieses Hinter-sich-Lassens der früheren Anmaßungen war
das »Geviert« also auch eine Antwort auf das Problem des Handelns, das

 Anders, Über Heidegger, S. . Anders spricht an anderer Stelle auch von »Hei-
deggers Religion« (ebd., ).
 Dieses Hinter-sich-Lassen war freilich selbst mit Heideggers Anmaßung behaftet,
»in unserer bedenklichen Zeit« (MH a, ) als einer der wenigen Wissenden
    

sich für Heidegger durch das Scheitern seines politischen Aktivismus er-
geben hatte. Denn unter der »Herrschaft der Symmetrie« des »Gevierts«
ging es nicht mehr darum, einen »geschicklichen« Auftrag handelnd zu
erfüllen, sondern dessen »Zuspruch« wartend zu behüten. Das Handeln
der »Sterblichen« im »Geviert« erschien nur noch als Schonen, Hegen
und Pflegen und hatte nicht die Struktur eines Erzwingens oder tätigen
Hervorbringens, sondern die eines Zulassens. Dieses »Lassen« fasste Hei-
degger im Begriff der »Gelassenheit«.
»Gelassenheit« war der Titel eines schmalen Bändchens, das Heideg-
ger  im Günther Neske Verlag veröffentlichte. Darin fanden sich ein
 in Meßkirch gehaltener Vortrag sowie ein Auszug aus einem im letz-
ten Kriegswinter / verfassten »Feldweggespräch über das Denken«.
Der  zu Ehren des  in Meßkirch geborenen Komponisten Con-
radin Kreutzer gehaltene Vortrag versammelte die wichtigsten kultur-
kritischen Topoi von Heideggers spätem Denken in knapper Form und
dokumentierte auf diese Weise dessen Zugehörigkeit zum Konservatis-
mus der Zeit. Ohne das »Geviert« explizit zu nennen, verband Heidegger
es hier mit seinen Vorstellungen der Bodenständigkeit. Denn das »ruhige
Wohnen des Menschen zwischen Erde und Himmel« (MH c, ) ver-
lange die »Verwurzelung im Boden einer Heimat« (ebd., ). Diese »wur-
zelkräftige Heimat« drohe aber im »Getriebe der großen Städte«, in der
»Öde der Industriebezirke« und der Überreizung durch die »modernen
technischen Nachrichteninstrumente« (ebd., ) allenthalben verloren zu
gehen. Heidegger führte den »Verlust der Bodenständigkeit« zugleich auf
den »Geist des Zeitalters« (ebd., ) zurück. Denn der »heutige Mensch«
verlasse sich überall auf das »planende und forschende Denken« (ebd.,
) und verlerne so das »besinnliche Nachdenken« (ebd., ), das zum
Gedeihen »aus einem gewachsenen Heimatboden« (ebd., ) notwendig
sei. Heute gerate alles »in die Zange der Planung und Berechnung, der
Organisation und des automatischen Betriebes« (ebd.).
Heidegger verband seine Technikkritik hier mit der Kritik am Verlust
der Heimat und entwickelte zugleich ein Szenario der technischen Zu-

den »Zuspruch des Gevierts« empfangen zu haben und nun weiterverkünden


zu können. So aktualisierte Heidegger auch am Schluss seines Vortrags »Bauen
Wohnen Denken« die rhetorische Figur der Not der Notlosigkeit und behaup-
tete, dass inmitten der allgemeinen Wohnungsnot und »Heimatlosigkeit« die
»eigentliche Not des Wohnens« noch gar nicht erkannt worden sei und »daß die
Sterblichen das Wohnen immer erst wieder suchen, daß sie dasWohnen erst lernen
müssen« (ebd.).
 Thomä, Zeit des Selbst, S. .
     -

kunft, das im apokalyptischen Ton über seine Vorträge über das »Ge-
Stell« hinausging:
»Die Entwicklung der Technik wird indes immer schneller ablaufen
und nirgends aufzuhalten sein. In allen Bereichen des Daseins wird
der Mensch immer enger umstellt von den Kräften der technischen
Apparaturen und der Automaten. Die Mächte, die den Menschen
überall und stündlich in irgendeiner Gestalt von technischen Anlagen
und Einrichtungen beanspruchen, fesseln, fortziehen und bedrängen
– diese Mächte sind längst über den Willen und die Entscheidungsfä-
higkeit des Menschen hinausgewachsen, weil sie nicht vom Menschen
gemacht sind.« (Ebd., )
Mit Blick auf die Äußerung eines amerikanischen Chemikers, das Leben
sei bald »in die Hand des Chemikers gelegt«, ergänzte Heidegger, »daß
sich hier mit den Mitteln der Technik ein Angriff auf das Leben und das
Wesen des Menschen vorbereitet, mit dem verglichen die Explosion der
Wasserstoffbombe wenig bedeutet« (ebd., ). Das Gefährlichste an dieser
Entwicklung sei aber, dass der heutige Mensch es nicht vermöge, »be-
sinnlich denkend in eine sachgemäße Auseinandersetzung mit dem zu
gelangen, was in diesem Zeitalter eigentlich heraufkommt« (ebd.). Denn
auch wenn der Mensch gar nicht mehr in der Lage sei, »den geschicht-
lichen Verlauf des Atomzeitalters zu bremsen oder zu lenken« (ebd., ),
könne er durch Besinnung doch in ein freies Verhältnis zur Technik
gelangen und so den Boden für eine »künftige Bodenständigkeit« (ebd.)
bereiten.
An dieser Stelle kam Heideggers Idee der Gelassenheit ins Spiel. Denn
trotz seiner aus einem idealisierten Bild der ländlichen Vergangenheit ge-
speisten Modernekritik hielt Heidegger es für »töricht, blindlings gegen
die technische Welt anzurennen«, und für »kurzsichtig, die technische
Welt als Teufelswerk verdammen zu wollen« (ebd., ). Um aber der dro-
henden »Knechtschaft« unter den »technischen Gegenständen« zu ent-
gehen, müssten wir »bei aller sachgerechten Benützung uns von ihnen so
freihalten, daß wir sie jederzeit loslassen« (ebd.): »Wir können ›ja‹ sagen
zur unumgänglichen Benützung der technischen Gegenstände, und wir
können zugleich ›nein‹ sagen, insofern wir ihnen verwehren, daß sie uns
ausschließlich beanspruchen und so unser Wesen verbiegen, verwirren
und zuletzt veröden.« (Ebd., f.) Diese »Haltung des gleichzeitigen Ja
und Nein zur technischen Welt« nannte Heidegger »die Gelassenheit zu
den Dingen« (ebd., ). Diese Gelassenheit gewähre »einen neuen Grund
und Boden, auf dem wir innerhalb der technischen Welt, und ungefähr-
det durch sie, stehen und bestehen können« (ebd., ).
    

Was sich wie ein leicht naiver Appell ausnahm, öfter mal den Fern-
seher auszuschalten und stattdessen auf einem heimatlichen Feldweg
spazieren zu gehen, machte in erster Linie deutlich, dass Heidegger mit
der Gelassenheit eine Haltung der Distanz und inneren Abstandnahme
vom »Getriebe« der Technik meinte und keine tätige Begrenzung von
Technikfolgen anstrebte. Die Abwendung der unerhörten Gefahr, mit
der die Technik das Wesen des Menschen bedrohe, sollte allein durch
einen denkerischen Einstellungswechsel des Menschen gegenüber der
Technik erreicht werden. Es war genau diese in der »Aufforderung zum
Eingedenken« enthaltene »Aufforderung zum Nichtstun«, die Günther
Anders angesichts der realen Gefahren der atomaren Technik als »läh-
mend und defaitistisch« kritisierte, auch wenn er im Übrigen durchaus
von Heideggers Kritik der Technik beeinflusst war. Innerhalb von Heideg-
gers eigener Denkentwicklung wird daran aber vor allen Dingen deutlich,
dass sein Konzept der Gelassenheit eine Antwort auf das Problem der Tat,
d. h. auf die Frage nach dem Verhältnis von Denken und Handeln dar-
stellte.
Dass es sich so verhält, ging aus dem fiktiven Gespräch »Zur Erörte-
rung der Gelassenheit« allerdings noch deutlicher hervor, das in Argu-
mentation und Gedankenführung wesentlich anspruchsvoller war als der
Meßkircher Vortrag von . Der  veröffentlichte Auszug stammte
aus einem längeren, in Gesprächsform verfassten Text, den Heidegger
zusammen mit zwei weiteren fiktiven Gesprächen im letzten Kriegswin-
ter und im Frühjahr  geschrieben hatte. Auch wenn dieser Text erst
 publiziert wurde, ist es für unseren Zusammenhang von Bedeutung,
dass in diesen während des Zusammenbruchs des »Dritten Reiches«
geschriebenen Gesprächen bereits die wichtigsten Elemente von Heideg-
gers »nichtmetaphysische[m] Denken« (MH /, ) der Nachkriegs-
zeit enthalten waren. Vor allen Dingen zeigt sich darin, dass Heideggers
»Übergang aus dem Wollen in die Gelassenheit« (ebd., ) im Wesent-
lichen schon während des Zweiten Weltkriegs stattgefunden hatte.

 Anders, Über Heidegger, S. .


 Diese Gedankenführung und besonders die Form des Lehrgesprächs zwischen
einem »Forscher«, der die Naturwissenschaften vertrat, einem »Gelehrten«, der
die klassische Philosophie vertrat, und einem »Lehrer«, der in dem ursprüng-
lichen Text vom Winter / »der Weise« hieß und Heideggers eigene Position
vertrat, kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden; vgl. für eine aus-
führliche Kritik dieses Texts, die auch auf Unklarheiten und begriffliche Unstim-
migkeiten aufmerksam macht, Perrefort, Opfer.
     -

Das letzte der drei Gespräche, das »Abendgespräch in einem Kriegs-


gefangenenlager in Russland zwischen einem Jüngeren und einem Älte-
ren«, ist im Zusammenhang mit Heideggers Kriegsdeutung bereits erörtert
worden. Auch wenn in diesem Gespräch ebenfalls von der Haltung des
»Lassenkönnens« (ebd., ) die Rede war, ist im Zusammenhang der
»Gelassenheit« besonders das erste und längste der drei Gespräche inter-
essant, aus dem der  publizierte Auszug stammte. Dieses Gespräch
über die Gelassenheit begann wiederum mit Erörterungen zur »Frage nach
dem Wesen der Technik« (ebd., ) und deren Verhältnis zur naturwis-
senschaftlichen Erkenntnis, die in vielem Heideggers spätere Darstellun-
gen des »Ge-Stells« vorwegnahmen. Im Zusammenhang mit der Frage
nach der Erkenntnis ging es aber vor allen Dingen um das Denken und
seine Beziehung zum Wollen. Heidegger wandte sich gegen »die geläufige
Kennzeichnung des Denkens als eines Vorstellens« und argumentierte
zugleich, »daß das Denken mit dem Willen wesenhaft nichts zu tun hat«
(ebd., ). Heidegger war durch diese Abgrenzung und in Fortführung
seiner Auseinandersetzung mit der Willens-Metaphysik Friedrich Nietz-
sches um eine positive Bestimmung seines »anderen Denkens« bemüht,
das als das »nichtmetaphysische Denken« (ebd., ) vom Makel der Wil-
lensförmigkeit befreit werden sollte.
Wie bei der Frage nach der Überwindung der Metaphysik war das
zentrale Problem für Heidegger auch hier, wie man sich vom vorstellen-
den Denken abwenden könne, ohne ihm negativ verhaftet zu bleiben,
denn »alles Revolutionäre bleibt in der Gegnerschaft gefesselt« (ebd., ).
Diese Problematik ergab sich besonders bei der Frage nach dem Willen,
denn alles »Nicht-Wollen« bleibe als »Wollen des Nicht-Wollens« (ebd.,
) eben immer noch »eine Abwandlung des Wollens« (ebd., ). »Willent-
lich dem Wollen absagen« (ebd., ) konnte für Heidegger also nicht die
Lösung des Problems sein. Dennoch war er der Meinung, dass die »Ab-
sage an das Wollen« ein notwendiger erster Schritt sei, »damit wir uns
durch diese Absage hindurch auf das gesuchte Wesen des Denkens, das
nicht ein Wollen ist, einlassen können« (ebd., ). Man müsse sich so
»des Willens entwöhnen« (ebd., ): »Insofern wir uns wenigstens des
Wollens entwöhnen können, helfen wir mit beim Erwachen der Gelas-
senheit.« (Ebd.)

 Diese »Feldweggespräche« wurden erst nach Heideggers Tod  im Rahmen der
Gesamtausgabe vollständig veröffentlicht. Zu seinen Lebzeiten erschien nur das
besagte Stück von . Im Folgenden wird der vollständige Text aus der Gesamt-
ausgabe herangezogen.
 Vgl. oben, Kap. ..
 Vgl. Mitchell, Praxis and Gelassenheit.
    

»Gelassenheit« war also hier der Name für das von Heidegger gesuchte
nicht-voluntaristische Wesen des Denkens. Obwohl es explizit um eine
Verabschiedung des tätigen Willens und damit auch des Willens zur Tat
ging, war Heidegger gleichwohl bemüht, die Gelassenheit nicht einfach
als »eine Art von Passivität« (ebd.) erscheinen zu lassen. Es verberge sich
vielmehr »in der Gelassenheit eine höhere Aktivität als in allen Taten der
Welt und in den Machenschaften der Menschentümer« (ebd.), wobei
aber »diese höhere Aktivität doch keine Aktivität« (ebd., ) sei. Ge-
lassenheit liege stattdessen »außerhalb der Unterscheidung von Aktivität
und Passivität«, weil sie »nicht in den Bereich des Willens gehört« (ebd.).
Wenn man allerdings an dieser Unterscheidung festhält, kann kein Zwei-
fel darüber bestehen, dass die Gelassenheit als eine Haltung der Passivität
einzustufen ist. In jedem Fall war das ihr gemäße Handeln nicht aktiv,
sondern reaktiv. Denn Heidegger betonte, dass wir »die Gelassenheit
nicht von uns aus bei uns erwecken« (ebd., ) könnten. Auch hier ver-
anschlagte er also eine Handlungsinstanz jenseits des Menschen, auf
deren Zuruf der Mensch achten sollte, statt eigenmächtig zu handeln.
Die der Gelassenheit angemessene Handlungsform war daher nur das
»Warten«: »Wir sollen gar nichts tun, sondern warten.« (Ebd., )
Worauf sollte man warten? Zunächst auf nichts, denn wenn man etwas
Bestimmtes erwarte, dann wolle man es schon, was ja gerade vermieden
werden sollte. »Im Warten«, so folgerte Heidegger, »lassen wir das, worauf
wir warten, offen.« (Ebd., ) Dieses »Offene« sei der »Horizont« (ebd.,
), in den der Mensch gestellt sei. Heidegger nannte ihn in Abwand-
lung der »Gegend« die »Gegnet«: »Die Gegnet ist die verweilende Weite,
die alles versammelnd, sich öffnet, so daß in ihr das Offene gehalten und
angehalten ist, Jegliches aufgehen zu lassen in seinem Beruhen.« (Ebd., )
Auch hier wäre es müßig, in eine andere, exaktere Sprache übersetzen zu
wollen, was Heidegger unter der »Gegnet« verstand. Die »Gegnet« war ja
gerade jene Dimension, in der jede Art des konkreten Vorstellens verab-
schiedet werden sollte. Das Warten »auf das Sichöffnen der Gegnet«

 Heidegger hat selbst darauf hingewiesen, dass das von ihm Gemeinte nicht im
rationalen Sinn »verstanden« werden könne. So ließ er den »Gelehrten« sagen:
»Ich bin unsicher, ob ich etwas von dem verstehe, was Sie jetzt sagen«, um den
»Weisen« antworten zu lassen: »Ich verstehe es auch nicht, wenn Sie mit ›verste-
hen‹ das Vermögen meinen, Dargebotenes so vorzustellen, daß es im Bekannten
gleichsam untergestellt und dadurch gesichert ist; denn auch mir fehlt das Be-
kannte, worin ich das, was ich über das Offene als Gegend zu sagen versuchte,
unterbringen könnte.« (MH /, ) In Heideggers »anderem Denken« ging
es eben darum, »von allem Vorstellen loszulassen« (ebd., ).
     -

(ebd., ) war für Heidegger daher das einzig angemessene Verhalten ihr
gegenüber, »insofern das Warten sich auf die Gegnet einläßt und, im
Sicheinlassen auf sie, die Gegnet rein walten läßt als Gegnet« (ebd., ).
Als das zu Erwartende, das man so sein lassen sollte, wie es von sich
aus »anwest«, war die »Gegnet« mehr oder weniger funktionsäquivalent
mit dem »Sein« in Heideggers Spätphilosophie. Genau wie das »Ge-
viert« ist sie als Versuch einer topologischen Bestimmung des Seins zu
verstehen. Auch die »Gegnet« war folglich durch den schon bekannten
»Gegenschwung des Brauchens und Zugehörens« (MH /, )
gekennzeichnet. Denn das »Wesen des Menschen« sei zugleich »in die
Gegnet gelassen« und »von der Gegnet gebraucht« (MH /, ).
Die »Gegnet« erscheint so ebenso wie das »Geviert« als Modell einer Auf-
hebung der Subjekt-Objekt-Spaltung. Diese Aufhebung führte zugleich
zu einer Stillstellung des Theorie-Praxis-Problems und damit der Frage
nach dem Handeln. Denn das »Warten auf die Gegnet« (ebd., ) und
die »Gelassenheit zur Gegnet« erschienen nun beide als »Wesen des Den-
kens« (ebd., ), das sich durch »Verhaltenheit« (ebd., ) auszeichnete,
und nicht mehr als Weisen des Handelns.
Der Entstehungsmoment in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs
war diesem Gespräch über die Gelassenheit weniger deutlich eingeschrie-
ben als etwa dem »Abendgespräch in einem Kriegsgefangenenlager«.
Dennoch ist seine Konzeptionalisierung eines nicht-voluntaristischen
Handelns als unmittelbare Reaktion auf die Exzesse des Willens im Krieg
führenden Nationalsozialismus und in Heideggers eigenem NS-Engage-
ment zu verstehen. Dabei war entscheidend, dass Heidegger sich durch
den Abschied von der Tat und die Abgabe der Handlungsagentur vom
Menschen an das Sein auch von jeder Konzeption der zwischenmensch-
lichen Verantwortung verabschiedet hat. So wie er im »Abendgespräch«
sagte, die »Verwüstung« sei ein »Ereignis, das außerhalb menschlicher
Schuld und Sühne waltet« (ebd., ), definierte er auch im Gespräch
über die Gelassenheit die Gegend der »Gegnet« als eine, »wo es nichts zu
verantworten gibt«, »denn in der Gegend, in der wir uns aufhalten, ist
alles nur dann in der besten Ordnung, wenn es keiner gewesen ist« (ebd.,
). Dies schrieb Heidegger zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten
Deutschen bereits damit anfingen, es nicht gewesen sein zu wollen.
In seiner Rechtfertigungsschrift über das Rektorat vom Sommer 
sprach Heidegger von der »Schuld der wesentlichen Versäumnis« (MH
, ) derer, die  nicht wie er versucht hätten, »die an die Macht

 Vgl. Perrefort, Opfer, S. .


    

gekommene ›Bewegung‹ zu läutern und zu mäßigen« (ebd., ). Damit


versuchte er retrospektiv, sein Handeln von  zu rechtfertigen. Im
Horizont seiner Seinsphilosophie erhält die »Schuld der wesentlichen
Versäumnis« jedoch noch eine andere Bedeutung: Sie erscheint als Schuld
einer Versäumnis am Sein, die gerade durch ein Übermaß an Aktivität
den »Zuspruch« des Seins verpasst und diesem durch einen Mangel an
»Hörigkeit« nicht »entspricht«.  war Heidegger ebenfalls davon aus-
gegangen, in einem geschichtlichen bzw. »geschicklichen« Auftrag zu
handeln. Dieser Auftrag war Auftrag zur Tat. Die Autoritätsorientierung
der Beauftragungsidee blieb auch in Heideggers spätem Denken erhal-
ten. Der Auftrag erschien aber nun als ein Zuspruch, der keine Aktion,
sondern eine Reaktion verlangte. Statt das Geschick »vorlaufend« einzu-
holen, sollte es »gelassen« erwartet werden. Zusammen mit der Hand-
lungsagentur delegierte Heideggers Gelassenheitskonzeption so auch die
Verantwortung vom Menschen an das Sein und verunmöglichte auf diese
Weise jede Verantwortungsethik. Die Verantwortung des Menschen
bestand für Heidegger nur noch darin, vom Wollen abzulassen und sich
in die Gelassenheit einzulassen, aber nicht mehr in einer Form des ver-
antwortlichen Handelns, noch gar darin, für vollzogene Handlungen die
Verantwortung zu übernehmen.

Ernst Jünger an der »Zeitmauer«

Für Heideggers schon Mitte der er einsetzende Distanzierungsbe-


wegung von der Tat lässt sich mit der Gelassenheit also eine Art denke-
rischer Schlussfigur angeben, die bei Kriegsende bereits zum ersten Mal
formuliert und in den folgenden Jahren bis zu ihrer Veröffentlichung
 auf den Feldern der Technikkritik und der Sprachphilosophie ausge-
baut wurde. Gibt es bei den Brüdern Jünger und ihrer Entwicklung vom
heroischen Aktivismus zum musischen Quietismus einen ähnlichen
Schlusspunkt? Im Falle Friedrich Georg Jüngers kann nicht unbedingt
ein vergleichbarer Einzelbegriff oder -text genannt werden. Sein positives

 Vgl. oben, S. f.


 Vgl. Irlenborn, Ingrimm, S. -.
 Vgl. Perrefort, Opfer, S. . Dies unterschied Heideggers »Gelassenheit« im Üb-
rigen auch von der antiken Stoa, der Lehre Meister Eckharts oder dem Zen-
Buddhismus, mit denen sie gelegentlich verglichen wurde, die aber im Unter-
schied zu ihr als Ethiken im klassischen Sinn verstanden werden können; vgl.
ebd., S. -.
     -

Gegenmodell zur technischen Welt der Aktion und der Ausbeutung


bestand aber in einem Bild der musischen Ausgewogenheit, das in ähn-
licher Weise wie Heideggers Seinstopologie dem harmonisierenden Ge-
setz der Symmetrie unterworfen war. Anstelle des linearen Fortschritts-
denkens favorisierte Jünger ein Denken in zyklischen Zeitstrukturen des
Rhythmus und der Wiederkehr, die ebenfalls kein tätiges Eingreifen,
sondern ein gelassenes Einschwingen erforderten.  schrieb er in sei-
nem Nietzsche-Buch über die Idee des Fortschritts:
»Warum sollte ich diese hypothetische Bewegung nicht streichen und
an ihre Stelle eine andere setzen, die mir die ganze nutzlose Last dieses
unendlichen Fortschreitens, diesen Packträgergang der Erkenntnis
abnimmt? Diese Erkenntnis ist vielleicht nichts anderes als Hybris, ist
die Hybris des wissenschaftlichen Menschen, der von den Musen ver-
lassen ist. Denn der musische Mensch bewegt sich nicht so; er bewegt
sich in den Figuren des Tanzes, bewegt sich wie alle Tänzer in der
zyklisch geordneten Zeit.« (FGJ c, )
 formulierte er am Ende seines Essays »Die Spiele« mit der »Welt des
Spiels« einen utopischen Gegenentwurf zur technischen Arbeitswelt. In
dieser Welt des Spiels gäbe es keine »Masse« mehr, keine »Maschinerien«
und »Ideologien«, keine »Arbeitsordnungen« und »Arbeitspläne« (FGJ
c, ). Sie wäre eine »Welt ohne Zwecke« (ebd., ), in der auch
»Herrschaft und Freiheit« (ebd., ) harmonisiert wären: »In der Welt
des Spiels sind weder demokratische noch despotische Regierungen mög-
lich. Sie würde, schon weil Symmetrie und Rhythmus in ihr zunehmen,
streng hierarchisch sein, zugleich aber von einer uns unvorstellbaren Frei-
heit.« (Ebd., )
Die Versöhnung von Freiheit und Notwendigkeit war bereits das Pro-
jekt des heroischen Realismus der Brüder Jünger in den er Jahren.
Diese Versöhnung sollte damals allerdings tätig erkämpft werden. In
Friedrich Georg Jüngers »Welt des Spiels« von  ergab sie sich dagegen
durch ein unangestrengtes Zulassen natürlicher Ordnung. Der konser-

 Vgl. FGJ b, : »Alles Symmetrische wirkt harmonisch, und alle Harmonie
ordnet sich in Symmetrien an.« Zur Symmetrie bei Heidegger Thomä, Zeit des
Selbst, S. -.
 Dass sich Friedrich Georg Jüngers »Spiele« als Gegenentwurf direkt auf Ernst
Jüngers »Arbeiter« bezogen, wird etwa auch dort deutlich, wo Friedrich Georg
Jünger den Sport als »mechanisiertes Spiel« (FGJ c, ) und als »Kennzeichen
einer maßlos gewordenen, mechanisierten Arbeitswelt« (ebd., ) in direkter
Anlehnung an Ernst Jüngers Darstellung des modernen Sports beschrieb.
    

vative Charakter dieser Utopie offenbarte sich dabei durch die Betonung
der hierarchischen Struktur dieser natürlichen Ordnung, innerhalb derer
sich die Freiheit verwirklichen sollte, welche explizit nicht als demokra-
tische Freiheit gemeint war.
Während Friedrich Georg Jünger mit der »Welt des Spiels« und den
musischen Prinzipien von Rhythmus und Wiederkehr also explizite Ge-
genentwürfe zur technischen Arbeitswelt formulierte, lassen sich solche
Gegenentwürfe bei Ernst Jünger schwerer finden. Denn trotz seiner Di-
stanzierung vom politischen Aktivismus und seinem eigenen Rückzug in
die »musischen Territorien« versuchte er doch stets, an den Deutungen
des »Arbeiters« festzuhalten und sie in sein Spätwerk hinüberzuretten –
ähnlich wie Heidegger das mit »Sein und Zeit« getan hat. Dies zeigte sich
unter anderem daran, dass Ernst Jünger seit Ende des Krieges immer wie-
der daran dachte, den »Arbeiter« neu herauszugeben, wobei er zwischen
einem unveränderten Neudruck und einer »zweite Fassung« oder an-
deren Formen der Fortsetzung und Überarbeitung schwankte. Zudem
ordnete er selbst seine zeitkritischen Essays »Über die Linie« von ,
»Der Waldgang« von , »Der gordische Knoten« von  und »Das
Sanduhrbuch« von  in die direkte Nachfolge des »Arbeiters« ein.
 veröffentlichte Jünger den »Arbeiter« schließlich im Rahmen
seiner Werkausgabe im Klett-Verlag in der Fassung der dritten Auflage
von  mit einem knappen Vorwort und zusammen mit einer umfang-
reichen Kommentierung unter dem Titel »Maxima – Minima. Adnoten
zum ›Arbeiter‹«. In diesen Anmerkungen bemühte er sich unter anderem
um eine »schärfere Trennung metaphysischer und politischer Gesichts-
punkte«, wie er im Entwurf eines längeren Vorworts schrieb, der dann
in Teilen in die »Adnoten« eingegangen ist. Das »Verhältnis von Aktion
und Kontemplation oder, um es auf eine alte Formel zu bringen, des Für-
sten und des Dichters«  schien ihm nun bedenklich zu sein, denn die

 Vgl. etwa E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach; E. Jünger an


V. Klostermann, .., A: Klostermann, DLA Marbach; E. Jünger an V. Kloster-
mann, .., A: Klostermann, DLA Marbach; E. Jünger an V. Klostermann,
.., A: Klostermann, DLA Marbach; E. Jünger an V. Klostermann, ..,
A: Klostermann, DLA Marbach.
 Vgl. E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 Jünger, Ernst: Zum »Arbeiter«, A: Jünger: Prosa Einzeltitel »Der Arbeiter«, DLA
Marbach.
 Ebd. Schon  hatte Jünger an Carl Schmitt geschrieben: »Ich werde übrigens
nach der Meinung Heideggers und anderer, auf deren Urteil ich Wert lege, handeln
und bei Gelegenheit eine unveränderte Ausgabe des ›Arbeiters‹ herausbringen.
[…] Ich empfinde das Ganze mehr als Verpflichtung, weil ich aus der spezifi-
     -

»Begegnung zwischen beiden beruht auf Zufall und meist auf Mißver-
ständnissen« (EJ , ). Für den Dichter sei »die Berührung mit der
politischen Realität meist ungünstig; selbst dort, wo er Akklamation
erfährt«.
Auch wenn Jünger die »Abneigung gegen die politischen Geschäfte«,
die er dem »Weisen« und dem »musischen Menschen« (ebd., ) zuschrieb,
mittlerweile also selbst teilte, gab er doch offen zu, dass der »Arbeiter«
 ein politisches Buch gewesen war. So schrieb er über die politische
Situation nach dem Ersten Weltkrieg und der russischen Revolution:
»Tatsächlich ist der Deutsche weder auf der Rechten noch auf der
Linken über die Prinzipien der bürgerlichen Welt, also der Revolution
von , hinausgekommen […]. Der ›Arbeiter‹ sollte darüber hinaus-
führen, und zwar gründlicher, als das in Russland geschehen war. In-
sofern ist er ein politisches und zugleich ein historisch gewordenes
Buch.« (Ebd., ) 
Darüber hinaus sei er aber »noch etwas mehr« gewesen, da er »eine Größe
schildert, die nicht nur unversehrt, sondern machtvoller als je aus der
Katastrophe hervorgetreten ist und deren Studium erregender erscheint
als zuvor« (ebd.). Jünger ging also davon aus, dass sein Deutungskonzept
der »Gestalt des Arbeiters« nach der »Katastrophe« des Zweiten Welt-
kriegs weiterhin aktuell blieb. So schrieb er auch an anderer Stelle, dass
die Jahrhundertfrage, »ob die Gestalt des Arbeiters überzeugend vertreten
wird oder nicht«, »weder  noch  noch  hinreichend beant-
wortet« (ebd., ) worden sei. Die Herrschaft der Gestalt des Arbeiters

schen Velleität herausgekommen bin. Geblieben ist aber der Genuß an der De-
skription. Was mich über meinen Fall hinaus beschäftigt, ist das Verhältnis von
geistiger und empirisch politischer Aktion.« (EJ/CS, )
 Jünger, Ernst: Zum »Arbeiter«, A: Jünger: Prosa Einzeltitel »Der Arbeiter«, DLA
Marbach.
 An anderer Stelle unterschied Jünger in Bezug auf die Aktion zwischen dem Den-
ker und dem Weisen: »Das Ideal des Denkers ist, daß die Gedanken sich unmit-
telbar in Tat verwandeln wie durch einen Zauberspruch. Das unterscheidet den
Denker von dem Weisen, der weiß, daß die Gedanken Zeit haben und daß auch
jene, die keinen Anklang finden, nicht verloren sind.« (EJ , ) In diesem
Sinn sah sich Jünger  selbst wohl eher als Weisen denn als Denker.
 Dies widersprach bis zu einem gewissen Grad dem Argument, nur Seismograph,
nur neutraler Beobachter, nicht aber Propagandist gewesen zu sein, das Jünger in
abgewandelter Form auch in den »Adnoten« wiederholte: »Dem Autor, der Kun-
de bringt, und zwar dem Arbeiter über den Arbeiter, kann es ergehen wie einst
dem Boten, der dem König böse Nachricht brachte und dafür geköpft wurde.«
(Ebd., )
    

beschrieb Jünger nun allerdings in gewandelten Kategorien und versuchte


so, sein Deutungskonzept von  in einem neuen Deutungsentwurf
aufzuheben.
Dieser neue Deutungsentwurf wurde in den »Adnoten zum Arbeiter«
nur angedeutet, etwa dort, wo der Arbeiter als »Sohn der Erde« (ebd., )
und »neuer Titan« (ebd., ) bezeichnet wurde und Jünger davon sprach,
dass die Erde mit seinem Auftreten »eine ihrer großen metahistorischen
Phasen abschließt und eine andere beginnt« (ebd., ). Entfaltet hat ihn
Jünger in dem Buch »An der Zeitmauer« von , das  als zweiter
Teil in den »Arbeiter«-Band der Werkausgabe integriert wurde und dort
direkt auf die »Adnoten« folgte. »An der Zeitmauer« kann als das eigent-
liche Fortsetzungsbuch zum »Arbeiter« gelten, das dessen Gestaltidee zu-
gleich integrierte und umdeutete. Das bestätigte auch Friedrich Georg
Jünger, der nach der Lektüre an seinen Bruder schrieb:
»Ich hatte Dir hin und wieder gesagt, daß Du den ›Arbeiter‹ nicht
verändern, sondern unverändert wieder veröffentlichen solltest. Das
war auch Heideggers Ansicht. Selbst ein Nachwort, das erklärend sein
würde, schien mir überflüssig. Dieses alles ist jetzt in der ›Zeitmauer‹
geschehen, nicht als ein Hineinarbeiten in einen vergangenen Entwurf,
mit dem Vorsatz nachträglich zu verbessern, sondern auf neue Weise,
mit einem neuen Ansatz.«
Ernst Jünger selbst hatte schon während der Arbeit an der »Zeitmauer«
geschrieben, dass sie ihm unter der Hand zu einer Fortsetzung des »Ar-
beiters« gerate. Im Juli  schrieb er an Armin Mohler über das bal-
dige Erscheinen von »An der Zeitmauer«: »Das Buch hat sich zu einer
Fortsetzung von ›Der Arbeiter‹ entwickelt, führt allerdings in neue Rich-
tungen. Das Thema ist ungefähr die Schilderung der Überwältigung der
Weltrevolution durch Erdrevolution. Manches davon deutete sich bereits
im ›Arbeiter‹ an.«

 Die Gestaltidee als solche verteidigte Jünger auch in dem Essay »Typus, Name,
Gestalt« von , der zur hier interessierenden Problematik allerdings wenig bei-
trägt; vgl. EJ a.
 F. G. Jünger an E. Jünger, .. (Abschrift), D: F. G. Jünger, DLA Marbach.
Heidegger hatte schon  in Antwort auf »Über die Linie« an Jünger geschrie-
ben, dieser Essay sei vielleicht »der Keim zu einer nach Stil und Dimension neuen
Fassung ›des Arbeiters‹« (MH b, ). In »Über ›Die Linie‹« erinnert er an einen
gemeinsamen Spaziergang Ende der er Jahre: »Damals ermunterte ich Sie,
den ›Arbeiter‹ wieder und zwar unverändert erscheinen zu lassen.« (MH a, )
 Vgl. E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
 E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

Mit der »Überwältigung der Weltrevolution durch Erdrevolution« zielte


Jünger auf die Einordnung und Aufhebung der im »Arbeiter« geschilder-
ten politischen Revolution in einen übergeordneten, metahistorischen
Deutungsentwurf, nach dem mit der Herrschaft der Gestalt des Arbeiters
nicht nur ein geschichtliches Zeitalter zu Ende gehe, sondern das Zeital-
ter der Geschichte als ganzer. Jünger ging davon aus, dass »wir uns nicht
in einer nur weltgeschichtlichen, sondern auch erdgeschichtlichen Ver-
änderung befinden« (EJ a, ) und »daß zugleich mit dem histori-
schen Turnus eine Spanne abgelaufen ist, die seinen Maßstab übergreift«
(ebd., ). Damit war auch die politische Stoßrichtung des »Arbeiters«
entschärft, denn nach Jüngers Logik gehörte die Politik der Geschichte
an, weshalb es beim Austritt aus der Geschichte auch keiner Politik mehr
bedürfe. Neben den historischen sei der Mensch immer zugleich »in my-
thischen, urmenschlichen, zoologischen, geologischen und astronomischen
Prozessen begriffen« (ebd., ). Diese unhistorischen Prozesse, die jenseits
und unterhalb der Geschichte abliefen, würden nun wieder stärker ins
Bewusstsein rücken und deutlich machen, dass die Historie an ein Ende
gekommen sei, ja dass man von einer »Zerstörung der geschichtlichen
Welt in ihrem herkömmlichen Sinne« (ebd., ) sprechen könne.
Als Anzeichen dafür wertete Jünger die Hochkonjunktur der Astro-
logie, die er in seiner Gegenwart beobachtete und die als »Methodik, die
das Leben mit größeren Abläufen verknüpft« (ebd., ), auf das »Bedürf-
nis nach metahistorischen Maßstäben« (ebd., ) zur Sinngebung des
eigenen Lebens antworte. Durch die Astrologie erfolge der Einbruch der
»Schicksalszeit« in die »mechanische Zeit« (ebd., ). Jünger begrüßte
diesen Einbruch, denn in der Astrologie entwickle sich ein Widerstand
gegen die mechanische »Uniformierung« (ebd., ), eine »Gegenmacht
zum Leviathan«, die »aus ganz anderen Tiefen als der liberale Individua-
lismus stammt« (ebd., ).
Diese Abgrenzung zum liberalen Individualismus war nicht nur eine
Konstante von Jüngers schon in den er Jahren ausgeprägter Rationa-
lismuskritik. Sie folgte zugleich der Ablehnung des Anthropozentrismus,
die Jünger mit Martin Heidegger gemeinsam hatte. Denn durch die

 Vgl. auch Jüngers Aufsatz »Meßbare und Schicksalszeit. Aus den ›Gedanken
eines Nichtastrologen zur Astrologie‹« (EJ c), der eine Auskopplung aus der
»Zeitmauer« darstellt. Ernst Jünger griff mit dieser Unterscheidung nicht nur auf
die Gegenüberstellung von »toter Zeit« und »Lebenszeit« (FGJ ) seines Bru-
ders zurück. Schon  hatte er selbst in einem Aufsatz für den Arminius die
»Schicksalszeit« als »subjektive im Gegensatz zur objektiven Zeit« (EJ -,
) beschrieben.
    

Rückkehr der »Erdgeschichte« (ebd., ) würde der »Plan der Weltge-
schichte, soweit sie Menschengeschichte ist« (ebd., ), verlassen: »Der
alte Satz, daß der Mensch das Maß aller Dinge sei, wird fragwürdig. Er
war es übrigens seit Anbeginn.« (Ebd., ) Durch diese Abgrenzung voll-
zog Jünger ebenso wie Heidegger eine Delegierung der Handlungs-
initiative und damit auch der Handlungsverantwortung an Seinsmächte
und Erdkräfte, von denen die Menschen gelenkt würden und denen sie
zu entsprechen hätten. Dies galt allerdings bereits für die »Gestalt des
Arbeiters«, die Jünger schon  als überzeitliche Größe auffasste, die in
der Geschichte zur Herrschaft komme.  interpretierte er sie unter
Rückgriff auf mythische Deutungsmuster als neue Form des Titanismus,
der im Bunde mit der Erde gegen die Götter aufbegehre.
Jünger verglich die gegenwärtige posthistorische Wende mit der Wende
von der mythischen zur historischen Zeit, die er an Herodot festmachte:
»Herodot blickte aus dem historischen Raum, den er soeben betreten
hatte, auf den mythischen zurück. Er tat es mit Scheu. Die gleiche Scheu
ist heute dort geboten, wo sich jenseits der Zeitmauer Zukünftiges ab-
zeichnet.« (Ebd., )  Das »Ende der Geschichtswelt« (ebd., ) führe
allerdings nicht automatisch zu einer »Wiederkehr mythischer Mächte«
(ebd., ). Obwohl Jünger also davon ausging, dass eine »Wiederkehr
mythischer Figuren zur Herrschaft nicht zu erwarten« (ebd., ) sei und
»daß der Abschied von der Geschichte einschneidender und folgen-
schwerer sein wird, als es jener vom Mythos war« (ebd., ), griff er zur
Deutung der Wende zur nachgeschichtlichen Zeit dennoch auf mythi-
sche Figuren zurück. Dabei war er offensichtlich auch durch die Arbeiten
seines Bruders Friedrich Georg Jünger beeinflusst, etwa wenn er schrieb,
dem Mythos sei »zu entnehmen, daß die Erde ökonomische Eingriffe als
Frevel betrachtet« (ebd., ). Den mit der historischen Herrschaft des

 Im Begriff der »Erdgeschichte« war die »Geschichte« zwar noch enthalten, Jünger
benutzte ihn aber dennoch als Gegensatz zur eigentlichen »Geschichte«, mit der
die Welt- als die von Menschen bestimmte Geschichte gemeint war.
 In einem Brief an Henri Plard vom . März  schrieb Jünger über seine aktu-
elle Arbeit: »Die Zeitmauer umfriedet unser Grundstück – Herodot trat in sie
ein, und wir treten aus ihr heraus. Während der ›Arbeiter‹ sich mit soziologischen
Fakten beschäftigte, untersuche ich nun jenen Abschnitt des Planes, der die hi-
storischen Maßstäbe verläßt.« (Zit. n. Plard, Wende, S. )
 Zur Beschreibung der »kentaurischen Welt« (EJ a, ) griff Ernst Jünger auf
dieselbe Kentaurenfigur Cheiron zurück, die Friedrich Georg Jünger in seinem
Dialogstück »Die Wildnis« in der Festschrift zu Heideggers . Geburtstag auf-
treten ließ (vgl. FGJ b). Mit seinem Bruder Friedrich Georg teilte Ernst Jün-
ger auch das Bedauern, dass die »Wildnis schwindet« (EJ a, ).
     -

Menschen einhergehenden »Eingriff neuer Kräfte in das alte Bild der


Erde« illustrierte er am Beispiel der »Erwürgung des Antaios, dem die
Erdmutter unmittelbar ihre Kraft spendet« (ebd.).
Die mythische Figur des Erdensohns Antaios, der durch die Berüh-
rung mit der Erde stark wurde und den der Göttersohn Herakles in die
Luft heben musste, um ihn besiegen zu können, war auch Titel gebend
für die zwischen  und  erscheinende Zeitschrift Antaios. Zeit-
schrift für eine freie Welt, die Ernst Jünger zusammen mit Mircea Eliade
herausgab. In deren erstem Heft war es Friedrich Georg Jünger, der in
einem kurzen Beitrag das Schicksal des Antaios schilderte und dessen
Beziehung zur gegenwärtigen »Zeit technischer Planung« (FGJ c, )
herstellte, in welcher die »Beherrschung der Erde« zu deren Zerstörung
führe und in der die Wendung zum »Antaios in uns« eine erneute »Liebe
zur Erde« (ebd., ) erwecken solle.
In der »Zeitmauer« sprach Ernst Jünger mehrfach von der »antai-
ischen Unruhe« (EJ a, ), in der sich die neue Regsamkeit der Erde
zeige, welche gegen ihre Unterdrückung aufbegehre. Allerdings ging
Jünger nicht einfach davon aus, dass die Erde sich gegen den sie unterjo-
chenden Menschen wende. Vielmehr sprach er vom »Aufstand gegen die
olympischen Götter« (ebd., ), zu dem »Gäa« in mythischer Zeit die
Titanen angestiftet hätte und zu dessen Zwecken sie sich nun, am Ende
der geschichtlichen Zeit, des Menschen bediene, welcher in der vorhisto-
rischen Zeit auf der Seite der Götter gestanden habe: »Nun steht der
Mensch zum ersten Mal wieder in diesem Aufstand, diesmal antaiisch,
als klügster Sohn der Erde und Vernichter der Grenzmarken, deren letzte
die Zeitmauer ist. Dem musste der Göttersturz vorausgehen.« (Ebd., )
Dass »die personalen Götter sich entfernen oder bereits entschwunden
sind« (ebd., ), war für Jünger also eine Voraussetzung für die Rück-
kehr der Mutter Erde.
In dieser Vorstellung des Aufstands der Erde war eine »neue Konzep-
tion der Erdheimat« (ebd., ) enthalten, die Ernst Jünger sowohl in die
Nähe des Protoökologismus seines Bruders Friedrich Georg als auch der
Bodenständigkeit Martin Heideggers rückte. Wie bei den beiden ande-
ren war diese Hinwendung zur Erde auch bei Ernst Jünger mit bestimm-
ten Geschlechtsstereotypen verbunden. Während ihr Heroismus und po-
litischer Aktivismus eindeutig männlich codiert war, lässt sich bei allen
dreien argumentieren, dass sie ihre Hinwendung zu Idealen des Hütens
und Schonens mit Vorstellungen von mütterlicher Weiblichkeit kon-

 Vgl. dazu auch das Programm der Zeitschrift bei EJ d.


    

notierten. Im Falle Ernst Jüngers war auch das historische Zeitalter


männlich konnotiert, während die nachhistorische Zeit als Rückkehr zur
»Mutter Erde« unter dem Zeichen der Weiblichkeit stand. Dies äußerte
sich als Vorstellung eines Übergangs vom Patriarchat zum Matriarchat:
»Die vaterrechtlichen Bindungen müssen zugunsten der matriarchalen
an Macht verlieren, und das schon deshalb, weil die Mutter von sich aus
den Urgrund verkörpert, aus ihm gebiert.« (Ebd., ) 
Ernst Jüngers »Mutter-Erde-Mystik« ist allerdings nicht nur im Hin-
blick auf den Wandel der Geschlechtskonnotationen vom »männlichen«
zum »mütterlichen« Fundamentalismus aufschlussreich. Sie belegt auch
seine Hinwendung zu mystischen und esoterischen Lehren, die Jüngers
Nachkriegsinteresse am Christentum weitgehend ablöste. Oder ge-
nauer gesagt verschob sich sein Interesse am Christentum in Richtung
auf häretische Traditionen wie die der Gnosis. Obwohl er auch in der
»Zeitmauer« die Bedeutung der Kirchen betonte (vgl. EJ a, f.),
schien Jünger seine theologische Phase damit doch mehr oder weniger
abgeschlossen zu haben. An Armin Mohler schrieb er im April  über
die »Zeitmauer«, dabei zugleich den Unterschied zum »Arbeiter« hervor-
hebend:
»Bei der Beschreibung des Arbeiters hält sich der Plan im Historischen
und Soziologischen. Ich schildere nun den Abschnitt, in dem er Ge-
schichte, Erfahrung, menschliches Maß verläßt. Ich hatte immer ge-
dacht, dieser zweite Teil würde theologisch sein. Offenbar war das ein
Irrtum, notwendig ist nur die Schilderung des Verhältnisses des Arbei-
ters zur Theologie, einschließlich seiner eigenen kryptotheologischen
Substanz. Der Autor dagegen muß sich, ebenso wie von wissenschaft-
lichen Theorien, so auch von theologischen Neigungen freihalten. Sie
sind Belege, Fundstellen für ihn.« 

 Schon am . Juni  hatte Ernst Jünger an Hans Speidel geschrieben, »daß die
weibliche Intelligenz im Verhältnis zur männlichen im Wachsen begriffen sei«
(zit. n. Speidel, Briefe, S. ). Auf die unterschiedlichen Konnotationen von
»Vaterland und Mutterland« weist auch Großheim, Ökologie, S. -, hin.
 Plard, Wende, S. .
 Vgl. Löffler, Anverwandlung, der die »Zeitmauer« Jüngers »esoterische Haupt-
schrift« (S. ) nennt. Bezeichnend dazu auch das Lob von Hermann Hesse; vgl.
Hesse, Lektüre.
 Vgl. dazu die Arbeiten von Koslowski, Mythos; ders., Rückkehr; ders.: Motive.
 E. Jünger an A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach.
     -

Die wichtigste Folge von Jüngers Idee eines Aufstands der Erde mithilfe
des Menschen war allerdings eine weitreichende Umdeutung der Tech-
nik. Jünger wiederholte zwar auch in der »Zeitmauer« seine Rede von der
modernen »Werkstättenlandschaft« (ebd., ), wobei er noch deutlicher
auf den »brutal titanische[n] Charakter« der »Ausbeutung« in den »gro-
ßen Industrierevieren« (ebd., ) abhob und die »nivellierende und ent-
zaubernde Wirkung« des technischen »Maschinenparks« betonte, »von
seiner mörderischen Kapazität in Krieg und Frieden ganz abgesehen«
(ebd., ). Anders als Friedrich Georg Jünger und Martin Heidegger ging
er aber nicht von einem einheitlichen und unveränderlichen »Wesen der
Technik« aus, sondern beobachtete vor allen Dingen an den neuen Kom-
munikationstechnologien eine grundlegende Veränderung, die ihn von
einer neuen Stufe der technischen Entwicklung sprechen ließ. Während
die Kraftmaschinentechnik auf die Ersetzung körperlicher Arbeit gezielt
habe, sei die Informationstechnik inklusive der »großen Rechenma-
schinen« (ebd., ) dem menschlichen Nervensystem nachgebildet. Auf
diese Weise gewinne die Technik an geistiger Qualität:
»Wir haben eine Stufe der Ausrüstung gewonnen, auf der wir uns das
Instrumentale nur noch um eine Kleinigkeit verändert zu denken
brauchen, damit hervortritt, daß unsere Technik nicht nur eine Welt
der Abstraktionen ist, sondern auch erdgeistige Wirklichkeit unmittel-
bar. Dort sind wir an der Nabelschnur. Die Technik ist projizierter
Geist, wie das Steinbeil verlängerte Faust gewesen ist.« (Ebd., )
Die »erdgeistige Wirklichkeit« der Technik sah Jünger unter anderem
darin, dass der Planet durch die Kommunikationstechniken »eine neue
Haut bekommen« habe, »eine Aura, die aus Bildern und Gedanken, aus
Melodien, Signalen und Botschaften gewoben ist«, wodurch eine neue
»Stufe der Erdvergeistigung« (ebd., ) erreicht sei. Jünger verband diese
Idee »einer neuen Erdvergeistigung am Abschluß der historischen Zeit«
(ebd., ) mit Vorstellungen eines Magischwerdens der Technik: »Magi-

 Vgl. auch Segeberg, Schreiben. An einer Stelle bezog sich Ernst Jünger zwar auf
Heideggers Technikdeutung, allerdings ohne dessen Begriff des »Ge-stells« rich-
tig verstanden zu haben: »Die Technik ist in diesem Sinne Umstand, Kulisse, ist,
nach dem Ausdruck von Martin Heidegger, Gestell. Ihre ökonomische, loko-
motorische und ihre Machtseite ist ohne innere Bedeutung für den Menschen;
ihre eigentliche Aufgabe ist einweisend und hinleitend.« (Ebd., ) Umgekehrt
lässt sich argumentieren, dass Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger die
revolutionäre Bedeutung der modernen Kommunikationstechnologien nicht im
selben Maße erkannt haben wie Ernst Jünger.
    

sche Kräfte können auch in die Technik einfließen.« (Ebd., ) Diese
werde »elegant« und verliere »den Gigantencharakter der Anfänge« (ebd.,
).
Trotz dieser »Vergeistigung innerhalb der technischen Welt« (ebd.,
) hielt Jünger aber wie gesagt an der Gestaltidee des »Arbeiters« fest.
Mit Blick auf die »durch die Gestalt des Arbeiters entfesselten Schrecken«
schrieb er, dass die Gestalt selbst »aus jedem Brande mächtiger empor-
steige«, weshalb man darauf schließen könne, »daß feuerfeste Elemente
in ihr verborgen sind und daß sie ihren reinen Guß noch nicht gefunden
hat« (ebd., ). Erst wenn die Gestalt des Arbeiters »zur Weltherrschaft
gekommen« sei, erführen auch ihre Mittel »in ihrem energetischen Cha-
rakter eine Änderung. Sie können gehegt werden« (ebd., ). Die Welt-
herrschaft des Arbeiters erschien so nicht mehr als »Technokratie«, welche
Jünger nun als die »grauenvollste Aussicht« (ebd., ) bezeichnete, son-
dern eben als Ende der historischen Zeit und als Zustand der Erdvergei-
stigung. Sie falle außerdem zusammen mit dem »Weltstaat«, der das
Ende der »historischen Staaten« (ebd., ) anzeige. Diese Idee des Welt-
staats griff Jünger in einem  erschienen Essay noch einmal auf, der
somit auch als Fortsetzung von »An der Zeitmauer« zu lesen ist. Darin
ging er davon aus, dass mit dem Weltstaat als neuer »Erd- und Global-
ordnung« (EJ b, ) der »Weltplan« durch einen »Erdplan« (ebd., )
abgelöst werde, da »unsere alte Erde wieder einmal ihr Kleid verändern
will« (ebd., ).

 Ähnliches hatte Jünger schon in »Heliopolis« geschrieben: »Hinzu kommt, daß


die Technik als abgeschlossen gelten kann. Der Vorrat an potentieller Energie ist
größer als die Ausgaben. Die Technik tritt unmerklich in ihre dritte Phase ein.
Die erste war titanisch; sie lag im Aufbau der Maschinenwelt. Die zweite war
rational und führte dem perfekten Automatismus zu. Die dritte ist magisch, in-
dem sie die Automaten mit Sinn belebt. Die Technik nimmt zauberhaften Cha-
rakter an; sie wird den Wünschen homogen.« (EJ a, ) Auch in »Gläserne
Bienen« von  entwickelte Jünger Vorstellungen einer zauberhaft gewordenen
Technik im Science-Fiction-Format.
 Im November  schrieb Jünger an Mohler: »Im nächsten Jahr kann ich ent-
weder die ›Zeitmauer‹ noch ergänzen, was in vielfacher Richtung möglich ist, etwa
durch eine Schilderung des Weltstaates. Oder aber, wenn ich den Arbeiter als
erste, die Zeitmauer als zweite Station betrachte, kann ich noch einen dritten
Ganglienknoten vorschieben. Das wäre vielleicht verfrüht.« (E. Jünger an
A. Mohler, .., A: Jünger, DLA Marbach)
 Jünger ging in Fortsetzung des »Gordischen Knotens« auch auf den Kalten Krieg
ein, nannte Russland und Nordamerika als die zwei »Staaten von absoluter Sou-
veränität« (EJ b, ) aufgrund der »Ähnlichkeit der Riesenpartner« aber »die
beiden Hälften der Gußform zur Bildung des Weltstaates« (ebd., ).
     -

Die Vorstellung, dass sich die Erde selbst mithilfe des Menschen und
seiner späthistorischen Erscheinungsform als Arbeiter ein neues Kleid
gebe, veränderte zugleich die apokalyptische Perspektive Ernst Jüngers
im Vergleich zu . Während die Apokalypse des »Arbeiters«, wie oben
argumentiert wurde, eine unmittelbare Aufforderungsstruktur enthielt,
zielte »An der Zeitmauer« nicht auf eine politische Aktivierung ihrer
Leser. Jünger ging zwar auf die welthistorische Neuigkeit ein, dass mit
der Erfindung der Wasserstoffbombe und ihrer massenhaften Produk-
tion der Weltuntergang erstmals »als unmittelbare Folge menschlicher
Arbeit, menschlichen Tuns« (EJ a, ) möglich werde, und wertete
die »Weltuntergangsstimmung« des Atomzeitalters als »Zeichen dafür,
daß wir eine Station erreicht haben, an der das Schicksal der Erde als
solches in Frage steht« (ebd., ). Durch die erdgeschichtliche Perspek-
tive, nach der das Ende der Menschheitsgeschichte nur eine Verwand-
lung der Erde bedeute, wurde die Untergangsmöglichkeit aber gleichsam
entdramatisiert. Folglich endete »An der Zeitmauer« auch nicht mit
einem Aufruf, »sich trotz allem an der Rüstung zu beteiligen« (EJ ,
), sondern mit der optimistischen Hoffnung, dass »wenn wir uns
selbst nicht aufgeben, […] auch unsere Mutter, die Erde, uns nicht im
Stich lassen« (EJ a, ) werde.
Mit »An der Zeitmauer« war Ernst Jünger also endgültig in jenem ent-
politisierten Posthistoire angekommen, das Lutz Niethammer schon vor
einiger Zeit als metaphysisches Nachkriegsrefugium der ernüchterten
faschistischen Intelligenz beschrieben hat und in dem sich auch Martin
Heidegger mit seiner Seinstopologie befand. Denn auch wenn Heidegger
am Begriff der »Seinsgeschichte« festhielt, lässt sich das topologische
Modell des »Gevierts« im Unterschied zum dynamischen Aufbruchsden-
ken Anfang der er Jahre ebenfalls als posthistorisch begreifen. In

 Vgl. oben, Kap. ..


 Klaus Scherpe erkennt im Übergang von der Dramatisierung zur Entdramatisie-
rung des Untergangs den Wechsel von der Moderne zur Postmoderne um die
Mitte des . Jahrhunderts. Jüngers »Arbeiter« wäre nach dieser Deutung eine
Schrift der Moderne, die »Zeitmauer« eine der Postmoderne; vgl. Scherpe, Dra-
matisierung.
 Vgl. Niethammer, Posthistoire, bes. S. -.
 Vgl. Thomä, Zeit des Selbst, S. . Heidegger selbst hat im Rahmen seiner Ent-
faltung der »Seinsgeschichte« während der späten er und frühen er diese
mehrfach von der »Historie« (MH /, ) abgegrenzt, die gerade durch
»Geschichtslosigkeit« (ebd. , ) gekennzeichnet und »eine Art des technischen
Vorstellens« (MH b, ) sei. In seinem späteren Denken nach  trat aller-
dings seinerseits der Begriff der Geschichte hinter Motive des Ruhenden zurück.
    

ihm kam es gleichsam zu einer harmonisierenden Stillstellung der Seins-


geschichte. Diese Stillstellung kann zugleich als Abschied vom Anspruch
auf unmittelbare politische Wirksamkeit verstanden werden.
Dass dieser Abschied von der konkreten Politik nicht mit einer Auf-
gabe des Glaubens an die welthistorische oder auch seinsgeschichtliche
Sonderstellung des eigenen Denkens und zugleich der Deutschen ver-
wechselt werden darf, ist am Beispiel Heidegger bereits gezeigt worden.
Auch Ernst Jünger hielt daran fest, dass Deutschland das Land sei, »in dem
die kommenden Dinge seit über hundert Jahren zentral und zuweilen auf
prophetische Weise durchdacht wurden« (EJ b, ). Im Mai 
schrieb er an seinen Bruder:
»Ich meine, daß Du jetzt imstande bist, an den Roman zu gehen, der
unserer Epoche und ihre Wendung schildert: vom Bürger zum Arbei-
ter und darüber hinaus in die Neue Welt, die wir vorerst nur ahnen
und die der Arbeiter durch ungeheure Mühen und Opfer zu verwirk-
lichen bestimmt ist, wobei seine Theorien und Ideale nur Vorwände
und seine Fata Morganen Vorschüsse sind. Wenn es gelänge, dem
Deutschen zu zeigen, womit und wofür er eigentlich beschäftigt ge-
wesen ist und noch beschäftigt werden wird, so würde ihn das in das
Zutrauen zu sich selbst wieder einsetzen, das ihm verloren gegangen
ist. Keine Theorie, keine Philosophie, kein materieller Aufschwung
sind dazu imstande, sondern nur das Kunstwerk allein – wenigstens in
unserer diesseitigen Welt.« 
Die Nähe von Ernst Jüngers posthistorischem Denken zu dem Martin
Heideggers spiegelte sich unter anderem auch darin, dass Jünger für die
Festschrift zu Heideggers siebzigstem Geburtstag einen Auszug aus »An
der Zeitmauer« zusammenstellen ließ, der dort unter der Überschrift
»Vom Ende des geschichtlichen Zeitalters« (EJ b) erschien. Dieser
Beitrag kann einerseits als Fortführung des Gesprächs über die Zeit
zwischen Heidegger und Jünger verstanden werden, das sie etwa  aus
Anlass von Ernst Jüngers Rivarol-Übersetzung geführt hatten (vgl.
EJ a, ff.). Vor allen Dingen aber war es eine Fortsetzung des Fest-
schriftenaustauschs »Über die Linie«, auch wenn Jünger nicht, wie zeit-
weilig geplant, eine direkte Erwiderung auf Heideggers »Über ›die Linie‹«
geschrieben hat. Denn »An der Zeitmauer« antwortete insofern auf Hei-

 E. Jünger an F. G. Jünger, .., D: F. G. Jünger, DLA Marbach.


 Friedrich Georg Jünger war in dieser Festschrift von  mit einem Gedicht ver-
treten; vgl. FGJ b.
     -

deggers Kritik an Jüngers »Über die Linie«, als Jünger darin an der Per-
spektive einer Überquerung der Linie festhielt: »Der Weg führt über den
Nullpunkt hinweg, führt über die Linie, über die Zeitmauer und durch
sie hindurch.« (EJ a, )
Es ließe sich also argumentieren, dass Ernst Jünger nicht im selben
Maß wie Heidegger von jeder Art des aktiven Handelns Abstand nehmen
wollte, dass er immer noch von einem »Sprung« (ebd., ) über die
Zeitmauer sprach. Aber erstens benutzte auch Heidegger in seinem »ge-
lassenen« Denken die Metapher des Sprungs und zweitens fanden sich
umgekehrt auch beim späten Ernst Jünger Motive der Gelassenheit. So
geht aus dem Briefwechsel mit dem Verleger Günther Neske hervor, dass
Jünger zeitweilig daran dachte, für Heideggers Festschrift ein kurzes Pro-
sastück mit dem Titel »Vierblätter« zu geben, das  dann stattdessen
in der Textsammlung »Sgraffiti« erschienen ist. Darin dachte Jünger
ausgehend von dem gängigen Glauben, dass das Finden eines vierblätt-
rigen Kleeblatts nur dann Glück bringe, wenn man nicht nach ihm ge-
sucht hat, über das Glück nach. Dazu zitierte er Nietzsche:
»›Seit ich des Suchens müde ward, / Erlernte ich das Finden. / Seit mir
ein Wind hielt Widerpart, / Segl ich mit allen Winden.‹ Diesen Versen
gab Nietzsche die Überschrift: Mein Glück. Die beiden ersten gelten
auch für die Vierblätter, und die beiden letzten geben das Rezept für
dieses Finden: Gelassenheit.« (EJ a, )
Mit dieser Kurzform der Gelassenheit reagierte Jünger nicht einfach auf
Heideggers bis  noch unpublizierte Gelassenheits-Texte, die er sehr
wahrscheinlich auch nicht als Manuskripte kannte, sondern setzte gleich-
sam seine eigene in den er Jahren gefundene Haltung der »Désinvol-
ture« fort, kam dabei aber zu einem ganz ähnlichen Ergebnis wie Heideg-
ger. Denn auch Jüngers Verhältnis zur Technik wurde in den späteren
Jahren gelassener. Schon in einer Tagebucheintragung vom Januar 
hatte er geschrieben, im »Verhältnis zur Technik sollte eine dritte, vom
Fortschritt unabhängige Haltung möglich sein« (EJ /, ). In »An
der Zeitmauer« konstatierte er dann, dass die Frage des Glücks nicht an
der Technik hänge: »man kann mit und ohne Technik glücklich und un-
glücklich sein« (EJ a, ). Jüngers Idee der geistigen Unabhängigkeit
implizierte dabei zugleich die Möglichkeit der Passivität: »Es kann der

 Vgl. E. Jünger an G. Neske, .., Archiv des Günther-Neske-Verlags im


Klett-Archiv, Autorenkorrespondenz: Ernst Jünger -.
    

Punkt erreicht werden, von dem an jede weitere Zufuhr von Energie das
Unheil vermehrt und Nicht-Handeln besser als Handeln ist.« (Ebd., )
 fand Ernst Jünger mit »An der Zeitmauer« also ebenfalls zu einer
Art Schlusspunkt in der Abstandsbewegung vom politischen Aktivismus,
der den Deutungsentwurf des »Arbeiters« zugleich aufhob und politisch
entschärfte. An diesem Schlusspunkt favorisierte Jünger ähnliche For-
men des gelassenen Nicht-Handelns wie Heidegger in der Seinstopologie
des »Gevierts«. So wenig wie Heideggers oder auch Friedrich Georg
Jüngers denkerische Entwicklung war die Ernst Jüngers damit endgültig
abgeschlossen. Alle drei setzten ihre intellektuelle Produktion in den
er und er Jahren fort, Ernst Jünger gar bis in die er Jahre.
 erfand Ernst Jünger in dem posthistorischen Roman »Eumeswil«
mit dem »Anarchen« eine weitere Figur der »Désinvolture«, die noch
radikaler als der »Waldgänger« jenseits der Gesellschaft und dieser mit
»Gelassenheit« gegenüber stand. Doch auch wenn »Eumeswil« als wei-
tere Fortsetzung von »Auf den Marmorklippen« und »Heliopolis« gelesen
werden kann, ist doch zugleich erkennbar, dass die »Parallelbewegung«
beider Brüder Jünger und Martin Heideggers vom Denken der Tat zu
dem der Gelassenheit bereits Ende der er Jahre zu einem Abschluss
gekommen war.

 An anderer Stelle schrieb er: »Wir müssen uns hüten, den Charakter mit dem
Willen zu identifizieren, wie das in unserer Welt fast selbstverständlich geworden
ist. […] Ein Charakter kann sich auch durch Nicht-Wollen bewähren, etwa
durch ›Passen‹ im Sinne des Kartenspiels.« (EJ a, )
 Allerdings hielt Ernst Jünger bis zuletzt an der metahistorischen Perspektivge der
»Zeitmauer« fest. Noch , kurz vor seinem hundersten Geburtstag, lebte er in
der Erwartung einer »Erdrevolution« (EJ , ).
 Vgl. Martus, Ernst Jünger, S. -.
. Fazit

Am . April  gestand Martin Heidegger in einem Brief an Hannah


Arendt, im Politischen »weder bewandert noch begabt« (MH/HA, ) zu
sein. Das war wohl in erster Linie als Erklärung für sein »Versagen« 
gemeint und sollte zudem seine Abkehr von der Politik nach dem Ende
des »Dritten Reichs« entschuldigen. Es war allerdings eine Formulierung,
die zugleich besagte, Heidegger habe »nur« im Politischen versagt, nicht
aber im Philosophischen als dem für ihn Wesentlichen. Obwohl diese
Trennung des Politischen und des Philosophischen, wie diese Untersu-
chung gezeigt hat, nicht aufrechterhalten werden kann und Heideggers
politisches Engagement gleichermaßen aus seiner Philosophie resultierte
und darin zurückwirkte, steckt in der Selbsterklärung Heideggers doch
etwas Richtiges. Im Politischen bewandert zu sein, heißt auch, eine für
den geregelten Konfliktaustrag angemessene Vermittlung zwischen Ideal
und Wirklichkeit und in diesem Sinn zwischen Theorie und Praxis zu
finden. Heideggers Vermittlungsmodelle von »Geist« und »Tat« waren
dagegen nie auf Mäßigung gerichtet und zeichneten sich stets durch Ein-
seitigkeit aus, sowohl in der Phase des politischen Existentialismus der
Zwischenkriegszeit, der durch ein Primat der Tat geprägt war, als auch in
der passivistischen Phase der Nachkriegs-»Gelassenheit«.
Gleiches gilt für die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger. Wie im
zweiten Kapitel dieser Arbeit deutlich wurde, war auch ihr politischer
Aktivismus in den Jahren der Weimarer Republik durch ein voluntaristi-
sches Tat-Denken gekennzeichnet, das im Sinne einer für den Weimarer
Konservatismus typischen »Politisierung des Unpolitischen«  letztlich auf
eine Abschaffung der Politik zielte. Der Radikalismus ihres Tat-Denkens
war dabei auch auf das Dilemma eines intellektuellen Antiintellektualis-
mus zurückzuführen, der das für den Sozialtypus des Intellektuellen zen-
trale Problem der Vermittlung von Theorie und Praxis gerade verdeckte
und dadurch verschärfte. Wie sich anhand einer genauen Lektüre von
Ernst Jüngers »Arbeiter« gezeigt hat, war dieses Tat-Denken zudem mit
einem apokalyptischen Redegestus verbunden, der die Aufforderung zur
Tat schon in der vermeintlich sachlichen Beschreibung transportierte.
Apokalyptik und Gewaltbereitschaft sind mit Stefan Breuer als zwei
der zentralen Charakteristika der Konservativen Revolution benannt
worden. Während die Gewaltbereitschaft Heideggers und der Brüder
 Bussche, Konservatismus, S. .
 Vgl. Breuer, Anatomie, S. .
 

Jünger mit ihrem Rückzug von der Politik und dem Abschied von der Tat
ab Mitte der er Jahre tatsächlich zurückging, hielten sie an ihrem
apokalyptischen Denken in veränderter Form fest. Wie vor allem anhand
von Heideggers Hölderlin-Vorlesungen während des »Dritten Reichs«,
aber auch anhand der Kreisbildung um Ernst Jünger nach  herausge-
arbeitet wurde, kultivierten beide (noch in stärkerem Maß als Friedrich
Georg Jünger) weiterhin Sprachformen des Prophetischen und stilisier-
ten sich zu Kündern des »anderen Anfangs«. Die Apokalyptik dieses »an-
deren Anfangs« richtete sich allerdings nicht mehr auf eine nahe, mit zu
gestaltende »Weltstunde«, wie Heidegger sie in der Machtergreifung der
Nationalsozialisten erblickt hatte, sondern auf einen fernen, nur noch zu
erwartenden »letzten Gott«.
Dieser Wandel in der Apokalyptik und die Distanzierung von der Tat
waren nicht erst Folgeerscheinungen des Zusammenbruchs und der Nie-
derlage des »Dritten Reichs« im Zweiten Weltkrieg. Die Untersuchung
von Heideggers Vorlesungen und Abhandlungen der er und frühen
er Jahre hat deutlich gemacht, dass der Wandel seines Denkens »von
der Existentialontologie zur Seinsgeschichte«  und die darin enthaltene
Neukonzeptionalisierung der Theorie-Praxis-Relation schon durch das
Scheitern seines politischen Engagements  motiviert war. Die Aus-
einandersetzung mit Ernst Jüngers »Arbeiter« hat Heidegger ebenso wie
diejenige mit Nietzsche und Hölderlin dazu gedient, eine Kritik der tech-
nischen »Machenschaften« zu entwickeln, unter die auch die Realpolitik
des NS-Regimes und – implizit – Heideggers eigene Teilhabe daran fallen
konnten, die es ihm aber gleichzeitig erlaubte, an seinen völkischen Idea-
len der »Bodenständigkeit« und der Heimatverbundenheit festzuhalten.
Diese Heimatideale wurden in den Hölderlin-Vorlesungen in ein »ge-
heimes Deutschland« verlegt, das von »Dichtern und Denkern« bewahrt,
aber nicht mehr von »Staatsschöpfern« tätig verwirklicht werden sollte.
Noch in den er Jahren hat Heidegger das Ideal der durch den deut-
schen Dichter gestifteten Bodenständigkeit in seinen Vorträgen über Jo-
hann Peter Hebel vertreten.
Die Brüder Jünger verbanden ihren Rückzug von der Politik und in
die Provinz / ebenfalls mit einer Umcodierung ihres ideologischen
Denkhaushalts. Ihrem grundlegenden Antirationalismus und Antilibera-
lismus sowie ihrem Mystizismus des »Elementaren« blieben sie zwar treu.
Doch ersetzten sie die Gewaltrhetorik der er Jahre durch eine kon-
servative Ethik des schonenden Bewahrens (Friedrich Georg Jünger) und
des Mitleids (Ernst Jünger). Dass diese neue Mitleidsethik mit einer nach

 Franzen, Existenzialontologie.
 

wie vor gepflegten Gewaltästhetik kollidieren konnte, ist am Beispiel von


Ernst Jüngers Roman »Auf den Marmorklippen« sowie an seinen Tage-
büchern aus dem Zweiten Weltkrieg gezeigt worden. Friedrich Georg
Jünger hat in derselben Zeit durch seinen Essay über die »Perfektion der
Technik« und durch seine Beschäftigung mit der griechischen Mytho-
logie einen Gegenentwurf zu Ernst Jüngers »Arbeiter« entwickelt, der auf
eine Überwindung des tätigen Zurichtens der Welt durch den Menschen
zielte. Dieser Versuch einer Überwindung der Technik verband alle drei
hier untersuchten Denker seit den frühen er Jahren auch im direkten
Austausch miteinander. Die Auseinandersetzung mit der Technik als
einem System des Herstellens und Bearbeitens diente ihnen dabei zur
verdeckten Auseinandersetzung mit dem Problem des Handelns und der
eigenen Propaganda der Tat.
Der Zweite Weltkrieg wurde sowohl von Martin Heidegger wie von
Friedrich Georg Jünger bereits kurz nach seinem Beginn als Bestätigung
ihrer in den er Jahren entwickelten Kritik der technischen »Machen-
schaften« verbucht und hatte keinen nachhaltigen Einfluss auf ihre Denk-
entwicklung. Ernst Jünger wurde als Wehrmachtsoffizier auf direktere
Weise mit dem Kriegsgeschehen sowohl an der West- wie an der Ostfront
konfrontiert und hat sich in seinen Kriegstagebüchern ausführlich damit
auseinandergesetzt. Diese Erfahrungen führten einerseits zu einer weit-
gehenden Entfremdung von der modernen Kriegsführung. Andererseits
hat Jünger aber bis zuletzt versucht, die Gruppe der Wehrmachtsoffiziere
um den Militärbefehlshaber in Frankreich als »letzten Rest der Aristokra-
tie« von der angeblich plebejischen Gewaltpolitik der Nationalsozialisten
zu trennen. Die Kriegsverbrechen und die Existenz von Konzentrations-
lagern hat Jünger nicht geleugnet. Seine Art der entdifferenzierenden Be-
schreibung der »Lemurenwälder« und der »Schinderhütten« im Osten
führte aber nicht zu einer klaren Verurteilung der nationalsozialistischen
Vernichtungspolitik, sondern zu einer Kritik der »allgemein-nihilistischen
Zeitströmungen«, mit der auch die anderen Kriegsparteien gemeint waren
und die zudem seine eigene Rolle als Offizier im Angriffs- und Vernich-
tungskrieg verschleierte.
Die nivellierende Betrachtungsweise setzte Jünger in seiner noch vor
Kriegsende verfassten Denkschrift »Der Friede« fort, die in der Nach-
kriegszeit zu einer breiten öffentlichen Debatte über den »Fall Jünger«
führte. Die gleiche nivellierende Funktion hatte die Interpretation der
nationalsozialistischen Herrschaft als nur einer Erscheinungsform des
technischen Nihilismus neben anderen, die auch von Friedrich Georg
Jünger und Martin Heidegger geteilt wurde. Darin enthalten war zugleich
eine bewusste Nicht-Thematisierung des Holocaust als eines in irgend-
 

einer Weise herausgehobenen Verbrechens. Heideggers spezifische Form


der Schuldverweigerung wurde dabei anhand seiner Nachkriegsausein-
andersetzung mit Karl Jaspers näher analysiert.
Obwohl das sowohl bei Heidegger wie bei den Brüdern Jünger er-
kennbare Verfahren einer »Abstraktion durch Verwesentlichung«  mit
der allgemeinen »Entwirklichung« der NS-Vergangenheit und ihrer Ver-
brechen im deutschen Nachkriegsbewusstsein korrespondierte und sie
sich auch an dem ebenfalls weit verbreiteten Diskurs des Opferausgleichs
und der Okkupationskritik beteiligten, wurden Heidegger und beide
Brüder Jünger in der Nachkriegszeit doch auf je unterschiedliche Weise
für ihre politische Vergangenheit kritisiert und mit Sanktionen belegt.
Ihre Verteidigungsstrategie bestand unter anderem in der Pflege eines
Netzwerks der Verschwiegenheit, das von ihnen selbst als Fortsetzung der
»inneren Emigration« unter veränderten Bedingungen verstanden wurde.
Innerhalb dieses Netzwerks unterhielten Heidegger und die Brüder Jün-
ger nicht nur regen Kontakt zueinander. Sie kultivierten auch Haltungen
der Zurückgezogenheit und Weltabgewandtheit, denen Ernst Jünger mit
dem Traktat »Der Waldgang« einen eigenen Essay widmete und die eben-
falls als Abwendungen von der Tat interpretiert werden können.
Dieser Rückzug von der Politik hatte selbst politische Bedeutung und
kann als Widerstand gegen die Demokratisierungsbemühungen der Alli-
ierten und die Westorientierung der neu errichteten Bundesrepublik ver-
standen werden. Gleichwohl hat die nähere Untersuchung der Beziehung
der Brüder Jünger zu Ernst Niekisch, Carl Schmitt und Armin Mohler
gezeigt, dass sich die Brüder Jünger in der Nachkriegszeit bewusst als un-
politisch gerierten und dafür von ehemaligen »Kampfgefährten« ebenso
kritisiert wurden wie von jüngeren neokonservativen Aktivisten. Obwohl
sie zeitlebens bekennende Antidemokraten blieben, haben sie sich der
Integration in die bürgerliche Öffentlichkeit der Bundesrepublik in den
er Jahren – die unter anderem durch die Verleihung mehrerer Litera-
turpreise vollzogen wurde – nicht verweigert. Gleiches gilt für die Reinte-
gration Heideggers in die akademische Welt.
Der Rückkehr in die Öffentlichkeit dienten in den er Jahren auch
die Beziehungsnetzwerke, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor
allen Dingen zur Absicherung der Rückzugsstrategien geknüpft wurden.
Dies zeigt sich etwa an der Bedeutung der Bayerischen Akademie der
Schönen Künste, deren Generalsekretär Clemens Podewils zum inneren
Kreis der Jünger- und Heidegger-Freunde gehörte und die in den er

 Habermas, Heidegger, S. .


 Weisbrod, . Mai, S. .
 

Jahren ein Forum für die öffentlichen Auftritte und den inhaltlichen
Austausch von Martin Heidegger und Friedrich Georg Jünger bildete.
Dieser inhaltliche Austausch konzentrierte sich vor allen Dingen auf die
Technikkritik und auf die Suche nach einer dichterischen Sprache, die als
Medium einer nicht-aktivistischen Seinserschließung dienen sollte. Der
öffentliche Austausch zwischen Ernst Jünger und Heidegger spielte sich
in erster Linie als Austausch von Festschriftenbeiträgen ab, in denen Hei-
degger und Jünger die Möglichkeiten einer Überwindung des Nihilismus
diskutierten. Auch hier ging es darum, einen Modus des Hinter-sich-Las-
sens der Tat zu finden, der selbst nicht aktivistisch sein sollte. Diesen
Modus entwickelten Heidegger und die Brüder Jünger schließlich in der
Denkhaltung der »Gelassenheit«, die zugleich mit einer Denkfigur des
Posthistoire einherging, in welcher der Abschied von der Tat Ende der
er Jahre zu einem Abschluss kam.
Interpretiert man die Denkentwicklung von Martin Heidegger und
den Brüdern Jünger als Fallbeispiel für die Transformation des intellektu-
ellen Konservatismus im . Jahrhundert, so bestätigt deren Nachkriegs-
»Gelassenheit« auf den ersten Blick Jerry Mullers Befund einer »Deradi-
kalisierung« des Konservatismus durch die Desillusionierungserfahrung
des Nationalsozialismus. Denn die Verabschiedung des aktivistischen
Tat-Denkens und die Neukonzeptionalisierung der Geist-Tat-Relation
zugunsten des Geistes lassen sich durchaus als Deradikalisierung verste-
hen. Diese Deradikalisierung darf aber nicht mit einer Demokratisierung
oder Liberalisierung verwechselt werden. Die »Modernisierung des kon-
servativen Denkens«  in der frühen Bundesrepublik, von der Paul Nolte
spricht, fand ohne Heidegger und die Brüder Jünger statt.
Dabei ist eine interessante Verschiebung zu beobachten: Während der
radikale Antiliberalismus der Brüder Jünger in der Weimarer Republik mit
einer modernistischen Bejahung der Technik einherging, verband sich
ihre Abkehr vom Aktivismus mit einer Hinwendung zu einem technik-
kritischen und proto-ökologischen Denken. Demgegenüber war es in der
frühen Bundesrepublik gerade eine Spielart des »technokratischen Kon-
servatismus«, die sich mit den Bedingungen der parlamentarischen De-
mokratie und der industriellen Gesellschaft abfand und sich in deren
Steuerung einschalten wollte. Das ökologische Denken fand seine poli-
tische Heimat seit den er Jahren dagegen eher auf der Linken, auch
wenn durch diese politische Positionierung viele der kulturkritischen

 Muller, Other God.


 Nolte, Ordnung, S. .
 Vgl. Laak, Conservative Revolution.
 

und antimodernen Traditionslinien der Ökologiebewegung verdeckt


wurden.
In den er Jahren gehörte die kulturpessimistische Modernekritik
allerdings noch zum Mainstream der von einem konservativen Zeitgeist
geprägten Öffentlichkeit. Martin Heidegger und die Brüder Jünger wa-
ren entgegen ihrem eigenen Selbstbild als Außenseiter und Einzelgänger
zentrale Stichwortgeber dieser Modernekritik. Ihre Technik- und Nihilis-
muskritik diente dabei auch einer verdeckten Vergangenheitsbearbeitung,
die zugleich verdeckenden Charakter hatte. Denn die Suche nach den
Ursachen für die Gewaltgeschichte der totalitären Herrschaft und des
Zweiten Weltkriegs in einer allgemeinen »Seinsverlassenheit« vermied
gezielt die Frage nach politischer und moralischer Verantwortung, ja
machte diese Frage von vorneherein unmöglich. In dieser denkbiogra-
phisch motivierten und philosophisch überhöhten Schuldvermeidung
bestand das intellektuelle Angebot Heideggers und der Brüder Jünger für
die stille Rehabilitierung der deutschen Tätergesellschaft nach .
Mit Blick auf diese Schuldverdeckung fällt es schwer, die postaktivi-
stische Gelassenheitsphilosophie Heideggers und der Brüder Jünger in
die Perspektive einer Liberalisierungsgeschichte der Bundesrepublik ein-
zuordnen. Auch wenn ihre gezähmte Modernekritik im Unterschied
zum rabiaten Antiparlamentarismus der er Jahre durchaus mit einer
demokratisierten Bürgerlichkeit kompatibel war, ist sie doch in erster Li-
nie ein Beispiel für die lange Dauer und trotz aller Verwandlungen hohe
Beharrungskraft antidemokratischer und antiwestlicher Ideenbestände
des deutschen Kulturkonservatismus. Dass diese auch aggressiver gegen
die deutsche Nachkriegsdemokratie gewendet werden konnten, zeigt sich
daran, dass Heidegger und die Brüder Jünger auch der Neuen Rechten
als Stichwortgeber dienten. Diese Neue Rechte bezog sich zwar vor allen
Dingen auf das konservativ-revolutionäre Denken der Zwischenkriegszeit
und hatte mit der Nachkriegsentwicklung ihrer geistigen Heroen wegen
deren Rückzug vom Aktivismus ihre Schwierigkeiten, wie am Beispiel
der Auseinandersetzung zwischen Armin Mohler und Ernst Jünger deut-
lich wurde. Gleichwohl blieben Heidegger und die Brüder zeitlebens in
Distanz zum demokratischen Gemeinwesen und kultivierten noch mit
ihrer späten Esoterik der Zeitenwende und der »Gelassenheit« Denk-
haltungen der Auserwähltheit, die zum Ausstieg aus der bundesrepubli-
kanischen Gesellschaft einluden.
 Vgl. Rohkrämer, Contemporary Environmentalism.
 Vgl. Schildt, Moderne Zeiten, S. -.
 Vgl. Herbert, Liberalisierung.


Anhang

Quellen- und Literat urverzeichnis


. Primärtexte
Martin Heidegger
- Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, -, GA ,
Frankfurt a. M. .
 Zur Bestimmung der Philosophie (Vorlesungen Kriegsnot- und SS
), GA /, Frankfurt a. M. .
/ Anmerkungen zu Karl Jaspers »Psychologie der Weltanschauungen«,
in: Wegmarken, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
/ Phänomenologie des religiösen Lebens (Vorlesungen WS / und
SS ), GA , Frankfurt a. M. .
/ Platon: Sophistes (Vorlesung WS /), GA , Frankfurt a. M. .
 Sein und Zeit, GA , Frankfurt a. M. .
 Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz
(Vorlesung SS ), GA , Frankfurt a. M. .
/ Einleitung in die Philosophie (Vorlesung WS /), GA , Frank-
furt a. M. .
a Kant und das Problem der Metaphysik, GA , Frankfurt a. M. .
b Was ist Metaphysik?, in: Wegmarken, GA , Frankfurt a. M. ,
S. -.
c Vom Wesen des Grundes, in: Wegmarken, GA , Frankfurt a. M.
, S. -.
/ Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Einsamkeit
(Vorlesung WS /), GA /, Frankfurt a. M. .
 Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung in die Philosophie
(Vorlesung SS ), GA , Frankfurt a. M. .
/ Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet
(Vorlesung WS /), GA , Frankfurt a. M. .
a Die Selbstbehauptung der deutschen Universität, in: Die Selbstbe-
hauptung der deutschen Universität. Das Rektorat /. Tatsachen
und Gedanken, Frankfurt a. M. , S. -.
b Die Grundfrage der Philosophie (Vorlesung SS ), in: Sein und
Wahrheit, GA /, Frankfurt a. M. , S. -.
c Schöpferische Landschaft. Warum bleiben wir in der Provinz?, in:
Aus der Erfahrung des Denkens -, GA , Frankfurt a. M.
, S. -.
/ Vom Wesen der Wahrheit (Vorlesung WS /), in: Sein und
Wahrheit, GA /, Frankfurt a. M. , S. -.
 Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache (Vorlesung SS ),
GA , Frankfurt a. M. .
/ Hölderlins Hymnen ›Germanien‹ und ›Der Rhein‹ (Vorlesung WS
/), GA , Frankfurt a. M. .
 -  

 Einführung in die Metaphysik (Vorlesung SS ), GA , Frankfurt


a. M. .
/ Der Ursprung des Kunstwerkes, in: Holzwege, . Aufl., Frankfurt
a. M. , S. -.
a Europa und die deutsche Philosophie, in: Gander, Hans-Helmuth
(Hg.): Europa und die Philosophie (Schriftenreihe der Martin-Hei-
degger-Gesellschaft ), Frankfurt a. M. , S. -.
b Schelling. Vom Wesen der menschlichen Freiheit () (Vorlesung
SS ), GA , Frankfurt a. M. .
/ Nietzsche. Der Wille zur Macht als Kunst (Vorlesung WS /),
GA , Frankfurt a. M. .
/ Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), GA , . Aufl., Frankfurt
a. M. .
/ Überwindung der Metaphysik, in: Vorträge und Aufsätze, Pfullingen
, S. -.
/ Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, GA , Frankfurt a. M. .
a Nietzsches metaphysische Grundstellung im abendländischen Den-
ken. Die ewige Wiederkehr des Gleichen (Vorlesung SS ), GA ,
Frankfurt a. M. .
b Wege zur Aussprache, in: Aus der Erfahrung des Denkens -,
GA , Frankfurt a. M. , S. -.
c Die Bedrohung der Wissenschaft, in: Papenfuss/Pöggeler (Hg.), Zur
philosophischen Aktualität, Bd. , S. -.
/ Grundfragen der Philosophie. Ausgewählte »Probleme« der »Logik«
(Vorlesung WS /), GA , Frankfurt a. M. .
/ Nietzsche. Seminare  und , GA , Frankfurt a. M. .
 Die Zeit des Weltbildes, in: Holzwege, . Aufl., Frankfurt a. M. ,
S. -.
/a Besinnung, GA , Frankfurt a. M. .
/b Die Überwindung der Metaphysik, in: Metaphysik und Nihilismus,
GA , Frankfurt a. M. , S. -.
/c Zur Auslegung von Nietzsches II. unzeitgemäßer Betrachtung »Vom
Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben« (Seminar WS /
), GA , Frankfurt a. M. .
/ Die Geschichte des Seyns, GA , Frankfurt a. M. .
 Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis (Vorlesung SS
), GA , Frankfurt a. M. .
/ Zu Ernst Jünger, GA , Frankfurt a. M. .
a Nietzsche. Der europäische Nihilismus (Vorlesung II. Trimester ),
GA , Frankfurt a. M. .
b Platons Lehre von der Wahrheit, in: Wegmarken, GA , Frankfurt
a. M. , S. -.
c Nietzsches Metaphysik, in: Nietzsches Metaphysik. Einleitung in die
Philosophie. Denken und Dichten, GA , Frankfurt a. M. ,
S. -.
 Grundbegriffe (Vorlesung SS ), GA , Frankfurt a. M. .
 

/ Hölderlins Hymne »Andenken« (Vorlesung WS /), GA ,


Frankfurt a. M. .
 Hölderlins Hymne »Der Ister« (Vorlesung SS ), GA , Frankfurt
a. M. .
/ Parmenides (Vorlesung WS /), GA , Frankfurt a. M. .
a Vom Wesen der Wahrheit, in: Wegmarken, GA , Frankfurt a. M. ,
S. -.
b Nachwort zu »Was ist Metaphysik?«, in: Wegmarken, GA , Frank-
furt a. M. , S. -.
c Nietzsches Wort »Gott ist tot«, in: Holzwege, . Aufl., Frankfurt a. M.
, S. -.
d Der Anfang des abendländischen Denkens. Heraklit (Vorlesung SS
), in: Heraklit, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
a Logik. Heraklits Lehre vom Logos (Vorlesung SS ), in: Heraklit,
GA , Frankfurt a. M. , S. -.
b Einleitung in die Philosophie. Denken und Dichten, in: Nietzsches
Metaphysik. Einleitung in die Philosophie. Denken und Dichten,
GA , Frankfurt a. M. , S. -.
/ Feldweg-Gespräche, GA , Frankfurt a. M. .
 Das Rektorat /. Tatsachen und Gedanken, in: Die Selbstbe-
hauptung der deutschen Universität. Das Rektorat /. Tatsachen
und Gedanken, Frankfurt a. M. , S. -.
a Brief über den »Humanismus«, in: Wegmarken, GA , Frankfurt a. M.
, S. -.
b Wozu Dichter?, in: Holzwege, . Aufl., Frankfurt a. M. , S. -.
/ Das Wesen des Nihilismus, in: Metaphysik und Nihilismus, GA ,
Frankfurt a. M. , S. -.
a Einleitung zu »Was ist Metaphysik?«, in: Wegmarken, GA , Frank-
furt a. M. , S. -.
b Aus der Erfahrung des Denkens, in: Aus der Erfahrung des Denkens
-, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
- Aus den Briefen an Medard Boss, in: Zollikoner Seminare. Protokolle
– Gespräche – Briefe, hg. v. Medard Boss, Frankfurt a. M. ,
S. -.
a Einblick in das was ist. Bremer Vorträge , in: Bremer und Frei-
burger Vorträge, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
b Der Feldweg, in: Aus der Erfahrung des Denkens -, GA ,
Frankfurt a. M. , S. -.
a Das Ding, in: Vorträge und Aufsätze, Pfullingen , S. -.
b Die Sprache, in: Unterwegs zur Sprache, Pfullingen , S. -.
c Ein Brief an Ernst Jünger (. Dezember ), Jahresgabe der Mar-
tin-Heidegger-Gesellschaft, Meßkirch .
a Bauen Wohnen Denken, in: Vorträge und Aufsätze, Pfullingen ,
S. -.
b »… dichterisch wohnet der Mensch …«, in: Vorträge und Aufsätze,
Pfullingen , S. -.
 -  

/ Was heißt Denken?, Tübingen .


a Was heißt Denken?, in: Vorträge und Aufsätze, Pfullingen ,
S. -.
b Die Sprache im Gedicht. Eine Erörterung von Georg Trakls Gedicht,
in: Unterwegs zur Sprache, Pfullingen , S. -.
a Die Frage nach der Technik, in: Vorträge und Aufsätze, Pfullingen
, S. -.
b Wissenschaft und Besinnung, in: Vorträge und Aufsätze, Pfullingen
, S. - .
c Wer ist Nietzsches Zarathustra?, in: Vorträge und Aufsätze, Pfullin-
gen , S. -.
d Heidegger über Heidegger, in: Die Zeit, Nr. , .., S. .
e Ein Brief an Friedrich Georg Jünger (. August ), Jahresgabe der
Martin-Heidegger-Gesellschaft, Meßkirch .
/ Aus einem Gespräch von der Sprache, in: Unterwegs zur Sprache,
Pfullingen , S. -.
a Über »Die Linie«, in: Mohler (Hg.), Freundschaftliche Begegnungen,
S. -.
b Zur Seinsfrage, in: Wegmarken, GA , Frankfurt a. M. , S. -
.
c Gelassenheit, in: Gelassenheit, Pfullingen , S. -.
d Was ist das – die Philosophie?, . Aufl., Pfullingen .
e Die Sprache Johann Peter Hebels, in: Aus der Erfahrung des Denkens
-, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
f Begegnungen mit Ortega y Gasset, in: Aus der Erfahrung des Den-
kens -, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
/ Der Satz vom Grund, Pfullingen .
a Grundsätze des Denkens. Freiburger Vorträge , in: Bremer und
Freiburger Vorträge, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
b Der Satz der Identität, in: Die Albert-Ludwigs-Universität -,
Bd. : Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier, Freiburg im Breisgau
, S. -.
c Hebel – der Hausfreund, in: Aus der Erfahrung des Denkens -
, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
/ Das Wesen der Sprache, in: Unterwegs zur Sprache, Pfullingen ,
S. -.
 Das Wort, in: Unterwegs zur Sprache, Pfullingen , S. -.
a Der Weg zur Sprache, in: Bayerische Akademie der schönen Künste
(Hg.), Die Sprache, S. -.
b Aufzeichnungen aus der Werkstatt, in: Aus der Erfahrung des Den-
kens -, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
 Sprache und Heimat, in: Aus der Erfahrung des Denkens -,
GA , Frankfurt a. M. , S. -.
a Nietzsche I, GA ., Frankfurt a. M. .
b Nietzsche II, GA ., Frankfurt a. M. .
 Überlieferte Sprache und technische Sprache, St. Gallen .
 

 »Nur noch ein Gott kann uns retten.« SPIEGEL-Gespräch mit Mar-
tin Heidegger am . September , in: DER SPIEGEL, Jg. ,
Nr. , .., S. -.
 Martin Heidegger im Gespräch, in: Wisser (Hg.), Im Gespräch,
S. -.
 Vorwort zur ersten Ausgabe der »Frühen Schriften« (), in: Frühe
Schriften, GA , Frankfurt a. M. , S. -.
MH/HA Heidegger, Martin/Arendt, Hannah: Briefe  bis  und andere
Zeugnisse, hg. v. Ursula Ludz, Frankfurt a. M. .
MH/EB Heidegger, Martin/Blochmann, Elisabeth: Briefwechsel -,
hg. v. Joachim W. Storck, Marbach am Neckar .
MH/EH »Mein liebes Seelchen!«. Briefe Martin Heideggers an seine Frau El-
fride, -, hg. v. Gertrud Heidegger, München .
MH/KJ Heidegger, Martin/Jaspers, Karl: Briefwechsel -, hg. v. Wal-
ter Biemel u. Hans Saner, München/Frankfurt a. M. .
MH/MM Heidegger, Martin/Müller, Max: Briefe an Max Müller und andere
Dokumente, hg. v. Holger Zaborowski u. Anton Bösl, Freiburg/Mün-
chen .
MH/BW Heidegger, Martin/Welte, Bernhard: Briefe und Begegnungen, hg. v.
Alfred Denker u. Holger Zaborowski, Stuttgart .
MH/EJ/FGJ Heidegger, Martin/Jünger, Ernst/Jünger, Friedrich Georg: Briefe an
Sophie Dorothee und Clemens Podewils, in: Sinn und Form 
() , S. -.

Ernst Jünger
- Politische Publizistik -, hg. v. Sven Olaf Berggötz, Stuttgart
.
 In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers,
. Aufl., Berlin .
 Der Kampf als inneres Erlebnis, Berlin .
 Sturm, Stuttgart .
a Das Wäldchen . Eine Chronik aus den Grabenkämpfen , Ber-
lin .
b Feuer und Blut. Ein kleiner Ausschnitt aus einer großen Schlacht,
. Aufl., Berlin .
a (Hg.) Luftfahrt ist not!, Leipzig .
b (Hg.) Die Unvergessenen, Berlin .
a Das abenteuerliche Herz. Erste Fassung. Aufzeichnungen bei Tag und
Nacht (Cotta’s Bibliothek der Moderne ), . Aufl., Stuttgart .
b (Hg.) Der Kampf um das Reich, Berlin .
a Die totale Mobilmachung, Berlin .
b (Hg.) Krieg und Krieger, Berlin .
c (Hg.) Das Antlitz des Weltkrieges. Fronterlebnisse deutscher Solda-
ten, Berlin .
 -  

 Junior, Richard (= Ernst Jünger) (Hg.): Hier spricht der Feind. Kriegs-
erlebnisse unserer Gegner (Das Antlitz des Weltkrieges; Schlußband),
Berlin .
 Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt (Cotta’s Bibliothek der Mo-
derne ), Stuttgart .
a Blätter und Steine, Hamburg .
b Lob der Vokale. Dem Genius der Sprache, in: Corona. Zweimonats-
schrift  (), S. -.
 Atlantische Fahrt, Zürich .
 Das abenteuerliche Herz. Figuren und Capriccios (Zweite Fassung),
Hamburg .
 Auf den Marmorklippen, Frankfurt a. M./Berlin/Wien .
/ Gärten und Straßen. Aus den Tagebüchern von  und , Berlin
.
/ Strahlungen, Tübingen .
 »Myrdun«. Briefe aus Norwegen, Tübingen .
 Der Friede. Ein Wort an die Jugend Europas und an die Jugend der
Welt, Amsterdam .
/ Jahre der Okkupation, Stuttgart .
 Sprache und Körperbau, Zürich .
 Myrdun. Briefe aus Norwegen, Zürich .
a Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt, SW , Stuttgart .
b Geleitwort, in: Speidel, Hans: Invasion . Ein Beitrag zu Rom-
mels und des Reiches Schicksal, Tübingen/Stuttgart , S. -.
 Über die Linie, in: Anteile. Martin Heidegger zum . Geburtstag,
Frankfurt a. M. , S. -.
a Der Waldgang (Cotta’s Bibliothek der Moderne), Stuttgart .
b Am Kieselstrand, in: Fassungen II, SW , Stuttgart , S. -.
 Besuch auf Godenholm, Frankfurt a. M. .
a Der Gordische Knoten, . Aufl., Frankfurt a. M. .
b Drei Kiesel, in: Fassungen II, SW , Stuttgart , S. -
 Das Sanduhrbuch, Frankfurt a. M. .
 Am Sarazenenturm, Frankfurt a. M. .
a Rivarol (Cotta’s Bibliothek der Moderne ), Stuttgart .
b Karl O. Paetel zum . Geburtstag, in: Ad Hoc, SW , Stuttgart
, S. -.
 Gläserne Bienen (Cotta’s Bibliothek der Moderne ), Stuttgart .
a An der Zeitmauer (Cotta’s Bibliothek der Moderne), Stuttgart
.
b Vom Ende des geschichtlichen Zeitalters, in: Neske (Hg.), Festschrift,
S. -.
c Meßbare und Schicksalszeit. Aus den »Gedanken eines Nichtastro-
logen zur Astrologie«, in: Merkur  (), S. -.
d Antaios. Zeitschrift für eine freie Welt. Ein Programm, in: Ad Hoc,
SW , Stuttgart , S. -.
e Mantrana. Einladung zu einem Spiel, Stuttgart .
 

a Sgraffiti, Stuttgart .


b Der Weltstaat. Organismus und Organisation, Stuttgart .
a Typus, Name, Gestalt, Stuttgart .
b An Friedrich Georg zum . Geburtstag, in: Ad Hoc, SW , Stuttgart
, S. -.
 Maxima – Minima. Adnoten zum »Arbeiter« (Cotta’s Bibliothek der
Moderne ), Stuttgart .
 An Friedrich Georg zum . Geburtstag, in: Ad Hoc, SW , Stutt-
gart , S. -.
 Federbälle. Martin Heidegger zum . Geburtstag, Biberach an der
Riss .
 Ernst Jünger, in: Wisser (Hg.), Im Gespräch, S. -.
 Ausgehend vom Brümmerhof. Alfred Toepfer zum . Geburtstag,
in: Ad Hoc, SW , Stuttgart , S. -.
 Federbälle. Teil I und Teil II. Mit Briefen von Carl Jacob Burckhardt
und Martin Heidegger in Faksimile, Zürich .
 Prognosen, in: Der Pfahl. Jahrbuch aus dem Niemandsland zwischen
Kunst und Wissenschaft  (), S. -.
EJ/FH Jünger, Ernst/Hielscher, Friedrich: Briefe -, hg. v. Ina Schmidt
u. Stefan Breuer, Stuttgart .
EJ/GN Jünger, Ernst/Nebel, Gerhard: Briefe -, hg. v. Ulrich Frösch-
le u. Michael Neumann, Stuttgart .
EJ/RS Jünger, Ernst/Schlichter, Rudolf: Briefe -, hg. v. Dirk Heiße-
rer, Stuttgart .
EJ/CS Jünger, Ernst/Schmitt, Carl: Briefe -, hg. v. Helmuth Kiesel,
Stuttgart .

Friedrich Georg Jünger


a Aufmarsch des Nationalismus, hg. v. Ernst Jünger, Berlin .
b Die Kampfbünde, in: Standarte. Wochenschrift des neuen Nationa-
lismus  () , . April , S. -.
c Der Soldat, in: Standarte. Wochenschrift des neuen Nationalismus 
() , . Mai , S. .
d Kampf!, in: Standarte. Wochenschrift des neuen Nationalismus 
() , . Juli , S. -.
e Das Fiasko der Bünde, in: Arminius. Kampfschrift für deutsche Nati-
onalisten  () , . November , S. -.
a Deutsche Außenpolitik und Rußland, in: Arminius. Kampfschrift für
deutsche Nationalisten  () , . Januar , S. -.
b Gedenkt Schlageter!, in: Arminius. Kampfschrift für deutsche Natio-
nalisten  () , . Februar , S. .
c Opium fürs Volk, in: Arminius. Kampfschrift für deutsche Nationa-
listen  () , . Juli , S. -.
d Der Pazifismus. Eine grundsätzliche Ausführung (I), in: Arminius.
 -  

Kampfschrift für deutsche Nationalisten  () , . September


, S. -.
e Der Pazifismus. Eine grundsätzliche Ausführung (II), in: Arminius.
Kampfschrift für deutsche Nationalisten  () , . September
, S. -.
a Hermann Löns, in: Jünger (Hg.), Die Unvergessenen, S. -.
b Manfred von Richthofen, in: Jünger (Hg.), Die Unvergessenen, S. -
.
c Albert Leo Schlageter, in: Jünger (Hg.), Die Unvergessenen, S. -.
d Dreikanter, in: Der Vormarsch. Kampfschrift des deutschen Nationa-
lismus  (/) , Juni , S. -.
e Der entzauberte Berg, in: Der Tag, Nr. , . März .
f Der Krieg im Spiegel der Zeit, in: Der Tag, Nr. , . Dezember .
a Die Schlacht, in: Der Vormarsch. Kampfschrift des deutschen Natio-
nalismus  (/) , März , S. -.
b Chaplin, in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik
 () , Januar , S. -.
c Der Fährmann, in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutionäre
Politik  () , Mai , S. .
d Konstruktionen und Parallelen, in: Widerstand. Zeitschrift für natio-
nalrevolutionäre Politik  () , Juni , S. -.
e Vom Geist des Krieges, in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevo-
lutionäre Politik  () . August , S. -.
f Der Bombenschwindel, in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevo-
lutionäre Politik  () , Oktober , S. -.
g Hermann Möller: Der Weltkrieg im Spiegel der Gegenwartsliteratur,
in: Der Tag. Nr. , . April .
h De bello maximo. Zur neuen Kriegsliteratur, in: Der Tag, Nr. ,
. Juni .
a Krieg und Krieger, in: Jünger (Hg.), Krieg und Krieger, S. -.
b Revolution und Diktatur, in: Das Reich  (/) , Oktober ,
S. -.
c Wo bleibt die Kriegsgeneration? Reserve und Kern der Nation, in:
Der Tag, Nr. , . Februar .
a Einleitung, in: Schultz, Edmund (Hg.): Das Gesicht der Demokratie.
Ein Bilderwerk zur Geschichte der deutschen Nachkriegszeit, Leipzig
, S. -.
b Vom deutschen Kriegsschauplatze, in: Widerstand. Zeitschrift für na-
tionalrevolutionäre Politik  () , September , S. -.
c Die Krise im Spiegel der Literatur, in: Der Tag, Nr. , . Dezember
.
 Die Innerlichkeit, in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutio-
näre Politik  () , Dezember , S. -.
a Gedichte, Berlin .
b Über die Gleichheit, in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevoluti-
onäre Politik  () , April , S. -.
 

c Wahrheit und Wirklichkeit. Rückblick auf den Verfall der bürgerlichen
Welt, in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik 
() , Mai , S. -.
d E.T.A. Hoffmann, in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutio-
näre Politik  () , November , S. -.
a Über das Komische, Berlin .
b Der Krieg, Berlin .
a Der Taurus, in: Sämtliche Gedichte , Stuttgart , S. -.
b Galiani, in: Corona. Zweimonatsschrift  () , S. -.
a Omar Khajjam, in: Corona. Zweimonatsschrift  () , S. -.
b Streifzüge auf Rhodos, in: Corona. Zweimonatsschrift  () ,
S. -.
 Illusionen der Technik, Kirchhorst  (unveröffentlichtes Typos-
kript).
 Die tote Zeit. Aus den »Gedanken über den Fortschritt der Technik«,
in: Corona. Zweimonatsschrift  () , S. -.
 Über die technische Perfektion, in: Monatsschrift für das deutsche
Geistesleben. . Jg. des Deutschen Volkstums, Januar , S. -.
 Pan und Dionysos. Aus einer größeren Arbeit, in: Corona. Zwei-
monatsschrift  () , S. -.
a Griechische Götter. Apollon – Pan – Dionysos, Frankfurt a. M. .
b Apollon, in: Die neue Rundschau. . Jg. Der Freien Bühne  ()
, Januar , S. -.
c Träume, in: Corona. Zweimonatsschrift  () , S. -.
d Erinnerung an den Fürsten Sturdza, in: Corona, . Folge,  (/)
, S. -.
 Die Titanen, Frankfurt a. M. .
 Besatzung , in: Wimbauer (Hg.), Anarch, S. -.
 Die Perfektion der Technik, Frankfurt a. M. .
 Griechische Mythen, Frankfurt a. M. .
a Gespräche, Frankfurt a. M. .
b Orient und Okzident. Essays, Hamburg .
a Die Perfektion der Technik, . erweiterte Auflage, Frankfurt a. M. .
b Maschine und Eigentum, Frankfurt a. M. .
c Nietzsche, Frankfurt a. M. .
d Gedanken und Merkzeichen, Frankfurt a. M. .
a Morgenländische Stadt, in: Merkur  (), S. -.
b Die Wildnis, in: Anteile. Martin Heidegger zum . Geburtstag,
Frankfurt a. M. , S. -.
 Grüne Zweige. Ein Erinnerungsbuch, Stuttgart .
 Rhythmus und Sprache im deutschen Gedicht, Stuttgart .
a Die Perfektion der Technik, . durchgesehene und stark vermehrte
Auflage, Frankfurt a. M. .
b Sprache und Kalkül, in: Bayerische Akademie der schönen Künste
(Hg.), Die Künste, S. -.
c Die Spiele. Ein Schlüssel zu ihrer Bedeutung, Frankfurt a. M. .
 -  

 Gedanken und Merkzeichen. Zweite Sammlung, Frankfurt a. M. .


 Gedächtnis und Erinnerung, Frankfurt a. M. .
 Spiegel der Jahre. Erinnerungen, Stuttgart .
a Wort und Zeichen, in: Bayerische Akademie der schönen Künste (Hg.),
Die Sprache, S. -.
b Abendgang, in: Neske (Hg.), Festschrift, S. .
c Antaios, in: Antaios  (/), S. -.
a Auf meinen Bruder, in: Jahresring /, S. -.
b Vermittlung und Grenze. Zur Geschichte der Hegelschen Dialektik,
in: Merkur  (), S. -.
 Satzsinn und Satzbedeutung. Gedanken zu den »Schriften« von Lud-
wig Wittgenstein, in: Merkur  (), S. -.
 Sprache und Denken, Frankfurt a. M. .
a Grenzen und Gefahren der technischen Entwicklung, in: Prohaska,
Leopold (Hg.): Erziehung angesichts der technischen Entwicklung,
Wien/München , S. -.
b Der Bettler, in: Farbige Säume. Ernst Jünger zum siebzigsten Geburts-
tag, Stuttgart , S. -.
c Wachstum und Planung, in: Bayerische Akademie der schönen Künste
(Hg.): Mensch und Landschaft im technischen Zeitalter. Zehnte Fol-
ge des Jahrbuchs Gestalt und Gedanke, München , S. -.
a Die vollkommene Schöpfung. Natur oder Naturwissenschaft?, Frank-
furt a. M. .
b Lieber Herr Heidegger, in: Dem Andenken Martin Heideggers. Zum
. Mai , Frankfurt a. M. , S. -.
 Scheidewege, in: Scheidewege. Vierteljahresschrift für skeptisches
Denken  (/) , S. -.
 »Der europäische Nihilismus«. Gedanken zu Martin Heidegger, in:
Scheidewege. Vierteljahresschrift für skeptisches Denken  () ,
S. -.
FGJ/GN Briefwechsel mit Gerhard Nebel, in: Jünger, Friedrich Georg: »Inmit-
ten dieser Welt der Zerstörung«. Briefwechsel mit Rudolf Schlichter,
Ernst Niekisch und Gerhard Nebel, hg. v. Ulrich Fröschle u. Volker
Haase, Stuttgart , S. -.
FGJ/EN Briefwechsel mit Ernst Niekisch, in: Jünger, »Inmitten dieser Welt
der Zerstörung«, S. -.
FGJ/RS Briefwechsel mit Rudolf Schlichter, in: Jünger, »Inmitten dieser Welt
der Zerstörung«, S. -.


2. Archivalien
Deutsches Literaturarchiv, Marbach a. N. (DLA)

Nachlass Ernst Jünger (A: Jünger)


Prosa Einzeltitel
Der Arbeiter ( Heftkladden, mehrere Mappen).
Der Friede ( Kassette,  Mappen).
Prosa Konvolute
Gespräche und Interviews ( Mappen).
Personen ( Mappen) [»Glückwunsch an Martin Heidegger« aus Federbälle + An
FGJ u. Portraits etc. aus Ad Hoc].
Autobiographisches
Tagebücher - ( Mappen).
Briefe
Briefe von Ernst Jünger an: Martin Heidegger, Manfred Michler, Alexander Mit-
scherlich, Armin Mohler, Gerhard Nebel, Ernst Niekisch, Karl Otto Paetel, Cle-
mens Podewils, Sophie Dorothee Podewils, Ernst von Salomon.
Briefe an Ernst Jünger von: Alfred Andersch, Martin Heidegger, Ernst Klett, Vitto-
rio Klostermann, Manfred Michler, Alexander Mitscherlich, Armin Mohler, Ger-
hard Nebel, Günther Neske, Ernst Niekisch, Karl Otto Paetel, Clemens Pode-
wils, Sophie Dorothee Podewils, Ernst von Salomon.

Sammlung des Coudres (A: Jünger/des Coudres)


Manuskripte
»An der Zeitmauer«. Korrekturfahnen der Fassung von .
»An die Freunde«. Offene Briefe  bis , ,  Bl.
»Ernst Jünger. Interview der Woche«. Interview mit Curt Hohoff,  Bl.
»Der Friede«.  Bl.
»Der Friede«. Kopien der Marburger, Hamburger und der illegalen Fassung.
Prosa
»Der Friede«.  Bl. Absch.,  Bl. hekt.
Briefe und Dokumente
Briefe von Ernst Jünger an: Henri Plard, Benno Ziegler.
Manuskripte Dritter
Andersch, Alfred: Über Ernst Jüngers Roman »Heliopolis«. Rundfunkvortrag,  Bl.
Birkhäuser, Hans: Totalitarismus oder Menschlichkeit? Eine kritische Auseinander-
setzung mit Ernst Jüngers »Der Arbeiter«.
Fischer, Kurt: Ernst Jünger contra Goebbels,  Bl.
Heyer, Harro: Ernst Jünger. Zwischen Technik und Nihilismus,  Bl.
Hilligen, Wolfgang: Ernst Jüngers geistige Wandlung seit dem zweiten Weltkrieg,  Bl.
Krug, Rolf: Technik und Mensch. Eine Gegenüberstellung aus zwei Werken von
E. Jünger,  Bl.
Küntzel, Walter: Ernst Jünger und seine Gegner,  Bl.
 -  

Muiders, Hilda von: Die Überwindung des Nihilismus im Nachkriegswerk Ernst


Jüngers,  Bl.
Niekisch, Ernst : Zu Ernst Jünger,  Bl.
Paetel, Karl Otto: Ernst Jünger und der »Friede«,  Bl.
Podewils, Clemens: Stellungnahme zu einer Rezension von Ernst Jüngers Roman
»Heliopolis«
Podewils, Dorothee: Antwort an B. Reiffenberg,  Bl.
Schulin, Ernst: Ernst Jünger. Darstellung seines Wesens in der Entwicklung,  Bl.
Stapel, Wilhelm: Ernst Jünger,  Bl.
Stapel, Wilhelm: Was wird aus Heliopolis,  Bl.
Traugott, Edgar: Die Metanoesis des heroischen Realismus. Vortrag,  Bl.

Nachlass Friedrich Georg Jünger (D: F. G. Jünger)


Prosa
Besatzung ().
Konvolut Arbeiten und Entwürfe über Martin Heidegger.
Konvolut Entwürfe zu Essays, philosophischen Themen u. a.
Dokumente aus der Zeit der französischen Besatzung.
Autobiographisches
Tagebücher aus den Jahren -.  Bände und  Mappe.
Tagebücher -.  Band (maschinenschriftlich).
 Pult-Kalender aus den Jahren - mit Aufzeichnungen.
 Notizkalender mit autobiographischen Aufzeichnungen. , , -,
-.
Briefe
Maschinenschriftliche Abschriften seiner Briefe an verschiedene Empfänger, -.
Maschinenschriftliche Abschriften und Durchschläge seiner Briefe an verschiedene
Empfänger, -.
Handschriftliche Abschriften seiner Briefe an verschiedene Empfänger, -,
 Bände.
Briefe an F. G. Jünger von: Martin Heidegger, Ernst Jünger, Armin Mohler, Gerhard
Nebel, Clemens Podewils, Sophie Dorothee Podewils, Walburgis zu Schaum-
burg-Lippe, Hans Speidel, Wolfgang Weyrauch, Benno Ziegler, Leopold Ziegler.

Nachlass Hannah Arendt (A: Arendt, Hannah)


Manuskripte von Martin Heidegger
Die Vollendung der Neuzeit, , . Bl.
Der Weg. Der Gang durch Sein und Zeit, /,  Bl.

Nachlass Alfred Andersch (A: Andersch)


Briefe an Alfred Andersch von Ernst Jünger (Fiche-Nr. ).

Nachlass Gottfried Benn (A: Benn)


Briefe an Gottfried Benn von E. Jünger (Fiche-Nr. ), F. G. Jünger (Fiche-
Nr. ).
 

Nachlass Theodor Heuss (A: Heuss, Theodor)


Briefe von Th. Heuss an Ernst Jünger (/).
Briefe an Th. Heuss von Ernst Jünger (/).

Nachlass Karl Jaspers (A: Jaspers)


Briefe an Karl Jaspers von: Ernst Jünger, Armin Mohler.
Briefe von Karl Jaspers an: Ernst Jünger, Armin Mohler.

Nachlass Vittorio E. Klostermann/Verlagsarchiv (A: Klostermann)


Briefe von Vittorio Klostermann an: Martin Heidegger, Ernst Jünger, Friedrich Ge-
org Jünger.
Briefe an Vittorio Klostermann von: Martin Heidegger, Ernst Jünger, Friedrich Ge-
org Jünger, Gerhard Nebel.

Nachlass Armin Mohler (A: Mohler, Armin)


Briefe an Armin Mohler von: Martin Heidegger, Ernst Jünger, Gerhard Nebel, Ernst
Niekisch.

Nachlass Gerhard Nebel (A: Nebel)


Prosa
Besuch bei Martin Heidegger.
Briefe
Briefe von Gerhard Nebel an Ernst Jünger.
Briefe an Gerhard Nebel von: Martin Heidegger, Ernst Jünger, Armin Mohler.

Nachlass Herbert Steiner/Corona (A: Steiner/Corona)


Briefe an ihn von Ernst Jünger (-) u. Friedrich Georg Jünger (-).

Martin Heidegger Sammlung Fritz Werner (A: Werner, Fritz *Heidegger)


Manu- und Typoskripte von Martin Heidegger
Die Sprache, Vortrag gehalten am . Oktober  in Bühlerhöhe bei der Max Kom-
merell-Gedächtnisfeier.
Texte von Heidegger (Kopien)
Vortragsausschuss der Studentenschaft der Universität Zürich: Aussprache mit Mar-
tin Heidegger am . November , Zürich  (Photodruck).
Briefe von Martin Heidegger.
Spengler, Oswald: Der Mensch und die Technik. (Ausgabe von  aus Heideggers
Besitz mit seinen Randbemerkungen).
 -  

Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München


Ordner Allgemeine Korrespondenz
: I-J, Korrespondenz mit Ernst Jünger.
Ordner Vortragsveranstaltungen der Akademie, Korrespondenzen -
Akte Heidegger, Vortrag am ...
Akte Vorträge , Korrespondenz mit Gerhard Nebel.
Ordner Künste im technischen Zeitalter, 
.A: Korrespondenzen.
.B: Manuskripte und Besprechungen.
Order Sprache, 
.A: Korrespondenzen.
.B: Manuskripte.
.C: Besprechungen.
Mitgliedsakte Martin Heidegger, o. Mitglied, Abt. II, gewählt am ..
Heidegger, Martin: Erbetene Vorbemerkung zu einer Dichterlesung auf der Bühler-
höhe am . Februar .
Heidegger, Martin: Bauen – Wohnen – Denken, . Fassung (Vortrag, Darmstadt,
. August ; Schloß Walchen, . August ).
Maschinenabschrift der in Sütterlin handgeschriebenen Briefe Heideggers sowie sei-
ner Telegramme, transkribiert und erstellt von Stephan Kunze im Frühjahr und
Sommer .
Mitgliedsakte Clemens Graf Podewils, o. Mitglied, Abt II, gewählt am ...
Aktennotiz zu einer Tagungsplanung »Aufklärung«, .

Archiv des Ernst Klett Verlags/Klett-Cotta, Stuttgart


Verlagsarchiv Ernst Klett Verlag
Ordner EK , Allgemein -, Ha-Hy.
Ordner EK , Allgemein -, I-K.
Ordner EK , Allgemein -, L-M.
Ordner EK , Autorenkorrespondenz, Dr. Gerhard Nebel, ..-...
Ordner EK , Autorenkorrespondenz, Dr. Gerhard Nebel, ..-...
Verlagsarchiv Günther Neske Verlag (seit  im Klett-Verlag)
Ordner Nr. , Autorenkorrespondenz, Martin Heidegger, Herrman Heidegger, bis
.
Ordner Nr. a, Autorenkorrespondenz, Ablichtung der handschriftlichen Briefe
von Martin Heidegger.
Ordner [o.N.] Autorenkorrespondenz, Ernst Jünger -, Korrespondenz +
Ablichtung der Autographen.

Privatbesitz Familie Bauch


Briefwechsel Martin Heidegger – Kurt Bauch, -.


. Gedruckte Quellen
 Meinungen über Ernst Jünger, in: Hamburger Akademische Rundschau  (/
) , S. -.
Adorno, Theodor W.: Jargon der Eigentlichkeit. Zur deutschen Ideologie, Frankfurt
a. M. .
Alwens, Ludwig: Gespräch im Botanischen Garten. Eine Unterredung mit Ernst
Jünger, in: Tägliche Rundschau  () , . Dezember  – Unterhaltungs-
beilage.
Andersch, Alfred: Am Äquator des Nihilismus?, in: Frankfurter Hefte  (),
S. -.
Andersch, Alfred: Ernst Jüngers Strahlungen. Metaphysisches Logbuch, in: Frank-
furter Hefte  (), S. -.
Andersch, Alfred: Kann man ein Symbol zerhauen?, in: Texte und Zeichen  (),
S. -.
Arbogast, Hubert (Hg.): Über Ernst Jünger, Stuttgart .
Arendt, Hannah: Organisierte Schuld, in: Die Wandlung  (/) , S. -.
Arendt, Hannah: What Is Existenz Philosophy?, in: Partisan Review  () ,
S. -.
Arendt, Hannah: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen,
München .
Arendt, Hannah: Nach Auschwitz. Essays und Kommentare I, Berlin .
Arendt, Hannah: Vom Leben des Geistes, Bd. : Das Wollen, . Aufl., München/
Zürich .
Arendt, Hannah: Besuch in Deutschland. Mit einem Vorwort von Henryk M. Bro-
der und einem Portrait von Ingeborg Nordmann, Berlin .
Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Im-
perialismus, totale Herrschaft, . Aufl., München/Zürich .
Arendt, Hannah: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen
Denken I, . Aufl., München/Zürich .
Arendt, Hannah/Blücher, Heinrich: Briefe -, hg. v. Lotte Köhler, München/
Zürich .
Arendt, Hannah/Jaspers, Karl: Briefwechsel -, hg. v. Lotte Köhler u. Hans
Saner, . Aufl., München/Zürich .
Arnold, Fritz Volquard: Weg und Wandlung Ernst Jüngers, in: Prisma  (),
S. -.
Baden, Hans Jürgen: Ernst Jüngers christliches Zwischenspiel, in: Neue Zeitschrift
für systematische Theologie  (), S. -.
Baden, Hans Jürgen: Ernst Jüngers geistige Wandlung, in: Die Welt, . Dezember .
Baedeker, Karl Friedrich: Eine Stimme in der »Auseinadersetzung mit Ernst Jünger«,
in: Hamburger Akademische Rundschau  (/) , S. -.
Banine, Umm-el: Rencontres avec Ernst Jünger, Paris .
Bargatzky, Walter: Hotel Majestic. Ein Deutscher im besetzten Frankreich, Frei-
burg/Basel/Wien .
Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hg.), Gestalt und Gedanke. Ein Jahr-
buch, Folge , München 
 -  

Bayerische Akademie der schönen Künste (Hg.): Die Künste im technischen Zeit-
alter, München .
Bayerische Akademie der schönen Künste (Hg.): Die Sprache. Fünfte Folge des Jahr-
buchs Gestalt und Gedanke, . Aufl., München .
Bayerische Akademie der schönen Künste (Hg.): Wort und Wirklichkeit. Sechste
Folge des Jahrbuchs Gestalt und Gedanke, München .
Becher, Hubert: Ernst Jünger. Einführung in sein Werk, in: Leuchtturm (),
S. -.
Becher, Hubert: Ernst Jünger. Mensch und Werk, Warendorf .
Benda, Julien: Der Verrat der Intellektuellen, München/Wien .
Benjamin, Walter: Der destruktive Charakter, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. IV.,
Frankfurt a. M. , S. -.
Benjamin, Walter: Einbahnstraße, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. IV., Frank-
furt a. M. , S. -.
Benjamin, Walter: Erfahrung und Armut, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. II.,
Frankfurt a. M. , S. -.
Benn, Gottfried: Briefe an Ernst Jünger, E. R. Curtius, Max Rycher u. a., Zürich .
Benn, Gottfried: Der neue Staat und die Intellektuellen, in: ders., Gesammelte Werke,
Bd. : Reden und Vorträge, München , S. -.
Benn, Gottfried: Doppelleben. Zwei Selbstdarstellungen, Stuttgart .
Bense, Max: Heideggers Brief über den Humanismus, in: Merkur  (), S. -
.
Bense, Max: Ptolemäer und Mauretanier oder die theologische Emigration der deut-
schen Literatur, Köln/Berlin .
Bense, Max/Günther, Helmut: Die Perfektion der Technik. Bemerkungen über ein
Buch von F. G. Jünger, in: Merkur / (/), S. -.
Berglar-Schroer, Hans Peter: Wo liegt Heliopolis? Offener Brief an Ernst Jünger, in:
Aussprache  (), S. -.
Bie, Richard/Mühr, Alfred: Die Kulturwaffen des neuen Reiches. Briefe an Führer,
Volk und Jugend, Jena .
Boehm, Max Hildebert: Der Bürger im Kreuzfeuer, Göttingen .
Bollnow, Otto Friedrich: Heideggers neue Kehre, in: Zeitschrift für Religions- und
Geistesgeschichte  (/), S. -.
Borkenau, Franz: Technik und Fortschritt, in: Merkur  (), S. -.
Brecht, Franz Josef: Heidegger und Jaspers. Die beiden Grundformen der Existenz-
philosophie, Wuppertal .
Brinkmann, Donald: Mensch und Technik. Grundzüge einer Philosophie der Tech-
nik, Bern .
Brock, Erich: Gärten und Straßen, in: Neue Schweizer Rundschau,  (/),
S. -.
Brock, Erich: Ernst Jüngers Sprachphilosophie, in: Die Tatenwelt. Zeitschrift für
Erneuerung des Geisteslebens  (), S. -.
Brock, Erich: Ernst Jünger und die Problematik der Gegenwart, Basel .
Brock, Erich: Ernst Jüngers Leben und Werk, in: Schweizer Rundschau  (/
), S. -.
Brock, Erich: Das Weltbild Ernst Jüngers. Darstellung und Deutung, Zürich .
  

Brock, Erich: Offener Brief an Ernst Jünger, in: Neue Schweizer Rundschau, 
(/), S. -.
Bröcker, Walter: Im Strudel des Nihilismus, Kiel .
Brock-Sulzer, Elisabeth: Ernst und Friedrich Georg Jünger, in: Schweizer Monats-
hefte  (/) , S. -.
Clair, Louis: Ernst Jünger. From Nihilism to Tradition, in: Partisan Review  ()
, S. -.
Coudres, Hans Peter des: Zur Geschichte der ersten Drucke der Friedensschrift, in:
Antaios  (/), S. -.
Curtius, Ernst Robert: Deutscher Geist in Gefahr, Stuttgart/Berlin .
Debatte über Ernst Jünger, in: Nordwestdeutsche Hefte  (), S. ff.
Dessauer, Friedrich: Streit um die Technik, Frankfurt a. M. .
Dvorak, Robert: Technik, Macht und Tod, Hamburg .
Fechter, Paul: Menschen auf meinen Wegen. Begegnungen gestern und heute, Gü-
tersloh .
Franke, Helmut: Schließt Euch zusammen!, in: Arminius. Kampfschrift für deut-
sche Nationalisten, Heft , . November , S. -.
Freund, Michael: Konservatives Harakiri. Zu Mohlers Buch: Die Konservative Re-
volution, in: Die Gegenwart  (), S. -.
Freyer, Hans: Prometheus. Ideen zur Philosophie der Kultur, Jena .
Freyer, Hans: Revolution von rechts, Jena .
Gandillac, Maurice de: Entretien avec Martin Heidegger, in: Les Temps Modernes 
(/), S. -.
Gerhart, Walter (= Waldemar Gurian): Um des Reiches Zukunft. Nationale Wieder-
geburt oder politische Reaktion?, Freiburg .
Gloege, Gerhard: Nihilismus? (), in: Arendt, Dieter (Hg.): Der Nihilismus als
Phänomen der Geistesgeschichte in der wissenschaftlichen Diskussion unseres
Jahrhunderts, Darmstadt , S, -.
Groothoff, Hans-Hermann: Ansätze zu einer Auseinandersetzung mit Ernst Jünger,
in: Hamburger Akademische Rundschau  (/) , S. -.
Gruenter, Rainer: Formen des Dandysmus. Eine problemgeschichtliche Studie über
Ernst Jünger, in: Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte  (), S. -.
Gründel, E. Günther: Die Sendung der Jungen Generation. Versuch einer umfassen-
den revolutionären Sinndeutung der Krise, München .
Guardini, Romano: Die Situation des Menschen, in: Bayerische Akademie der schö-
nen Künste (Hg.), Die Künste, S. -.
Günther, Albrecht Erich: Ernst Jünger, Das Wäldchen , in: Deutsches Volkstum.
Monatsschrift des deutschen Geisteslebens  () , S. .
Günther, Albrecht Erich: »Das abenteuerliche Herz«, in: Deutsches Volkstum. Mo-
natsschrift des deutschen Geisteslebens,  () , S. -.
Günther, Albrecht Erich: Die Gestalt des Arbeiters. Zu dem neuen Buche von Ernst
Jünger, in: Deutsches Volkstum. Monatsschrift des deutschen Geisteslebens 
() , S. -.
Günther, Albrecht Erich: Der Mann als Zerstörer. Zu dem Buche von Ernst Jünger:
»Der Arbeiter«, in: Deutsches Volkstum. Monatsschrift des deutschen Geistes-
lebens  () , S. -.
 -  

Habermas, Jürgen: Mit Heidegger gegen Heidegger denken. Zur Veröffentlichung von
Vorlesungen aus dem Jahre , in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . Juli .
Habermas, Jürgen: Freiheit, Anruf und Gewissen, in: Frankfurter Allgemeine Zei-
tung, . August .
Harich, Wolfgang: Ernst Jünger und der Frieden, in: Aufbau  (), S. -.
Harich, Wolfgang: Und noch einmal Ernst Jünger, in: Tägliche Rundschau, . Juli
.
Hausenstein, Wilhelm: Ausgewählte Briefe -, hg. v. H. H. Rennert, Olden-
burg .
Heinemann, Fitz: Neue Wege der Philosophie. Geist – Leben – Existenz, Leipzig .
Heinemann, Fitz: Existenzphilosophie – lebendig oder tot?, . Aufl., Stuttgart .
Heinz, Friedrich Wilhelm: Kampf dem Stahlhelm?, in: Standarte. Zeitschrift des
neuen Nationalismus, Heft , .., S. -.
Heisenberg, Werner: Das Naturbild der heutigen Physik, in: Bayerische Akademie
der schönen Künste (Hg.), Die Künste, S. -.
Heller, Gerhard: In einem Besetzten Land. NS-Kulturpolitik in Frankreich. Erinne-
rungen -, Köln .
Hermlin, Stefan: Friedrich Georg Jünger: »Perfektion der Technik«, in: ders./Mayer,
Hans: Ansichten über einige neue Schriftsteller und Bücher, Wiesbaden ,
S. -.
Herrmann, Klaus: Ernst Jünger und der deutsche Nihilismus, in: Pandora  ()
, S. -.
Hesse, Hermann, Nach der Lektüre des Buches ›An der Zeitmauer‹, in: Arbogast
(Hg.), Über Ernst Jünger, S. -.
Hiller, Kurt: Linke Leute von rechts, in: Die Weltbühne  () , S. -.
Hiller, Kurt: Geistige Grundlagen eines schöpferischen Deutschlands der Zukunft,
Hamburg/Stuttgart .
Hohoff, Curt: Ernst Jünger nach dem zweiten Weltkrieg, in: Hochland  (/
), S. -.
Hohoff, Curt: Ernst Jüngers Weg und sein literarisches Werk, in: Universitas 
(), S. -.
Hohoff, Curt: Ernst Jüngers geistiger Weg, in: Hochland  (/), S. -.
Homann, Karin: Martin Heidegger. Leben und Werk, in: Frankfurter Hefte 
(), S. -.
Horkel, Wilhelm: Der Überwinder des Nihilismus. Zu den Kriegstagebüchern
Ernst Jüngers, in: Neubau  () , S. -.
Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische
Fragmente, Frankfurt a. M. .
Hühnerfeld, Paul: In Sachen Heidegger. Versuch über ein deutsches Genie, Ham-
burg .
Jaspers, Karl: Existenzphilosophie. Drei Vorlesungen, Berlin/Leipzig .
Jaspers, Karl: Über die Bedingungen und Möglichkeiten eines neuen Humanismus,
in: Die Wandlung  (), S. -.
Jaspers, Karl: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, München .
Jaspers, Karl: Notizen zu Martin Heidegger, hg. v. Hans Saner, München/Zürich
.
  

Jaspers, Karl: Philosophische Autobiographie. Erweiterte Neuausgabe, . Aufl.,


München/Zürich .
Jaspers, Karl: Erneuerung der Universität. Reden und Schriften /, hg. u. mit
einem Nachwort von Renato de Rosa, Heidelberg .
Jaspers, Karl: Die Schuldfrage. Von der politischen Haftung Deutschlands, . Aufl.,
München .
Jaspers, Karl: Die geistige Situation der Zeit, . Abdruck der im Sommer  bearb.
. Auflage, Berlin/New York .
Jeinsen, Gretha von: Silhouetten. Eigenwillige Betrachtungen, Pfullingen, .
Jonas, Hans: Heideggers Entschlossenheit und Entschluss, in: Neske/Kettering (Hg.),
Antwort, S. -.
Jonas, Hans: Erinnerungen, Frankfurt a. M./Leipzig .
Jung, Edgar Julius: Neubelebung von Weimar, in: Deutsche Rundschau,  (),
S. -.
Jünger. Der Traum von der Technik, in: Der Spiegel, . Januar , S. -.
Kahler, Erich: Man the Measure. A New Approach to History, New York .
Klett, Michael (Hg.): EK. Ernst Klett zum . Geburtstag, Stuttgart .
Korn, Karl: Warum schweigt Heidegger? Antwort auf den Versuch einer Polemik,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . August .
Korn, Karl: Der Antinihilist. Durch die Feuerzone der Technik zum kosmologischen
Spiritualismus, in: Arbogast (Hg.), Über Ernst Jünger, S. -.
Kracauer, Siegfried, Gestaltschau oder Politik?, in: ders.: Aufsätze -, Schrif-
ten ., Frankfurt a. M. , S. -.
Krämer-Badoni, Rettet den technischen Menschen. Guardini, Heisenberg, Heideg-
ger und F. G. Jünger sprachen, in: Die Zeit, . November .
Kraus, Karl: Die Dritte Walpurgisnacht, München .
Kuby, Erich: Ernst Jüngers Strahlungen. Die künstliche Provinz, in: Frankfurter
Hefte  (), S. -.
Landgrebe, Ludwig: Zur Überwindung des europäischen Nihilismus, in: Hambur-
ger Akademische Rundschau  (/) , S. -.
Leithäuser, Joachim G.: Im Gruselkabinett der Technik. Kritische Bemerkungen zur
Mode des romantischen Pessimismus, in: Der Monat  (), S. -.
Lewalter, Christian E.: Wie liest man  Sätze von ? Zu einem politischen
Streit um Heideggers Metaphysik, in: Die Zeit, . August .
Loose, Gerhard: Ernst Jünger. Gestalt und Werk, Frankfurt a. M. .
Löwith, Karl: Les implications politiques de la philosophie de l’existence chez Hei-
degger, in: Les Temps Modernes  (), S. -.
Löwith, Karl: Réponse à M. de Waehlens, in: Les Temps Modernes  (), S. -
.
Löwith, Karl: Heideggers »Kehre«, in: Die neue Rundschau  () , S. -.
Löwith, Karl: Heidegger. Denker in dürftiger Zeit, . Aufl., Göttingen .
Löwith, Karl: Der politische Horizont von Heideggers Existenzialontologie, in:
ders.: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Zur Kritik der Geschichtsphilosophie
(Sämtliche Schriften ), Stuttgart , S. -.
Löwith, Karl: Heidegger – Denker in dürftiger Zeit. Zur Stellung der Philosophie
im . Jahrhundert (Sämtliche Schriften ), Stuttgart .
 -  

Löwith, Karl: Mein Leben in Deutschland vor und nach . Ein Bericht, Stuttgart
.
Löwith, Karl: Von Hegel zu Nietzsche (Sämtliche Schriften ), Stuttgart .
Lukács, Georg: Heidegger Redivivus, in: Sinn und Form  () , S. -.
Mann, Golo: Ernst Jünger. Ein Philosoph des neuen Deutschland, in: Die Samm-
lung. Literarische Monatsschrift  (), S. -.
Mann, Golo: Der »stoische« Ernst Jünger, in: Der Monat  (/), S. -.
Marcel, Gabriel: Philosophie der Hoffnung. Überwindung des Nihilismus, Mün-
chen .
Marck, Siegfried: Der Neuhumanismus als politische Philosophie, Zürich .
Martin, Alfred von: Der heroische Nihilismus und sein Überwindung. Ernst Jün-
gers Weg durch die Krise, Krefeld .
Martin, Alfred von: Ernst Jünger. Soziologie der aktivistischen Elite einer Jugend-
generation, in: ders.: Geist und Gesellschaft. Soziologische Skizzen zur europä-
ischen Kulturgeschichte, Frankfurt a. M. , S. -.
Mendelssohn, Peter de: Gegenstrahlungen. Ein Tagebuch zu Ernst Jüngers Tage-
buch, in: Der Monat. Eine internationale Zeitschrift  (/) , S. -.
Mendelssohn, Peter de: Der Geist in der Despotie. Versuche über die moralischen Mög-
lichkeiten der Intellektuellen in der totalitären Gesellschaft, Frankfurt a. M. .
Meyerhoff, Hans: The Jünger Case. A Communication, in: Partisan Review  ()
, S. -.
Minssen, Friedrich: Der Mensch und die Technik. Friedrich Georg Jünger sprach in
Frankfurt, in: Frankfurter Rundschau, . März .
Mohler, Armin: Friedrich Georg Jünger, in: Die Weltwoche, . Januar .
Mohler, Armin: Gerhard Nebel und der Wuppertaler »Bund«, in: Neue Schweizer
Rundschau  (), S. -.
Mohler, Armin (Hg.): Freundschaftliche Begegnungen. Festschrift für Ernst Jünger
zum . Geburtstag, Frankfurt a. M. .
Mohler, Armin: Begegnungen bei Ernst Jünger. Fragmente einer Ortung, in: ders.
(Hg.), Freundschaftliche Begegnungen, S. -.
Mohler, Armin: Die Brüder Jünger. Ein Vergleich, in: Merkur  (), S. -.
Mohler, Armin: Ernst Jüngers gesammelte Werke, in: Die Tat. Schweizerische unab-
hängige Tageszeitung, . Januar .
Mohler, Armin: Der Dichter Ernst Jünger, in: Christ und Welt, . Dezember .
Mohler, Armin: Konservativ , in: Der Monat  () , S. -.
Mohler, Armin: Die Konservative Revolution in Deutschland -. Grundriß
ihrer Weltanschauung, . Aufl., Darmstadt .
Mohler, Armin: Tendenzwende für Fortgeschrittene, München .
Mohler, Armin: Die Konservative Revolution in Deutschland -. Ein Hand-
buch, . Auflage, Ergänzungsband, Darmstadt .
Mohler, Armin: Carl Schmitt und Ernst Jünger. Anläßlich von Carl Schmitts Nach-
laß-Werk »Glossarium«, in: Criticón  () , S. -.
Mohler, Armin: Ravensburger Tagebuch. Meine Jahre mit Ernst Jünger /,
Wien/Leipzig .
Mohler, Armin (Hg.): Die Schleife. Dokumente zum Werk von Ernst Jünger, Nach-
druck der Ausgabe von , Bad Vilbel .
  

Mougin, Henri: Wie Gott in Frankreich. Heidegger unter uns, in: Aufbau  (),
S. -.
Münster, Clemens: Meinungen über Technik, in: Frankfurter Hefte  (), S. -.
Nebel, Gerhard: Feuer und Wasser, Hamburg .
Nebel, Gerhard: Tyrannis und Freiheit, Düsseldorf .
Nebel, Gerhard: Bei den nördlichen Hesperiden. Tagebuch aus dem Jahre ,
Wuppertal .
Nebel, Gerhard: Ernst Jünger und das Schicksal des Menschen, Wuppertal .
Nebel, Gerhard: Ernst Jünger. Abenteuer des Geistes, Wuppertal .
Nebel, Gerhard: »Alles Gefühl ist leiblich«. Ein Stück Autobiographie, hg. von
Nicolai Riedel, mit einem Essay von Martin Mosebach, Marbach .
Neske, Günther (Hg.): Martin Heidegger zum siebzigsten Geburtstag. Festschrift,
Pfullingen .
Neske, Günther (Hg.): Erinnerung an Martin Heidegger, Pfullingen .
Neske, Günther/Kettering, Emil (Hg.): Antwort. Martin Heidegger im Gespräch,
Pfullingen .
Niekisch, Ernst: Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt. Zu Ernst Jüngers neuem Buche,
in: Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik  (), S. -.
Niekisch, Ernst: Hitler, ein deutsches Verhängnis. Mit Zeichnungen von A. Paul
Weber, Berlin .
Niekisch, Ernst: Die dritte imperiale Figur, Berlin .
Niekisch, Ernst: Deutsche Daseinsverfehlung, Berlin .
Niekisch, Ernst: Nihilismus, in: Burgmüller, Herbert (Hg.): Zur Klärung der Be-
griffe. Beiträge zur Neuordnung der Werte, München , S. -.
Niekisch, Ernst: Europäische Bilanz, Potsdam .
Niekisch, Ernst: Das Reich der niederen Dämonen, Hamburg .
Niekisch, Ernst: Ost und West. Unsystematische Betrachtungen, Hamburg .
Niekisch, Ernst: Die Gestalt des Arbeiters, in: Farbige Säume. Ernst Jünger zum
siebzigsten Geburtstag, Stuttgart , S. -.
Niekisch, Ernst: Erinnerungen eines deutschen Revolutionärs, Bd. : Gewagtes Le-
ben -, Bd. : Gegen den Strom -, Köln .
Paetel, Karl Otto: Ernst Jünger. Die Wandlung eines deutschen Dichters und Patrio-
ten (Dokumente des anderen Deutschland, Bd. ), New York .
Paetel, Karl Otto (Hg.): Deutsche Innere Emigration. Anti-nationalsozialistische
Zeugnisse aus Deutschland (Dokumente des anderen Deutschland, Bd. ), New
York .
Paetel, Karl Otto: Ernst Jünger. Weg und Wirkung. Eine Einführung, Stuttgart .
Paetel, Karl Otto: Ernst Jünger. Eine Bibliographie, Stuttgart .
Paetel, Karl Otto: Ernst Jüngers »Privatdrucke«, in: Die Sammlung. Zeitschrift für
Kultur und Erziehung  () , S. -.
Paetel, Karl Otto: Ernst Jünger in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek
bei Hamburg .
Paetel, Karl Otto: Versuchung oder Chance? Zur Geschichte des deutschen Natio-
nalbolschewismus, Göttingen .
Paetel, Karl Otto: Ein Deutsches Tagebuch, hg. v. Franz-Joseph Wehage, New York
u. a. .
 -  

Pannwitz, Rudolf: Der Nihilismus und die werdende Welt. Aufsätze und Vorträge,
Nürnberg .
Petzet, Heinrich Wiegand: »Die Künste im technischen Zeitalter«. Eine Vortragsreihe
in München, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . November .
Petzet, Heinrich Wiegand: Die Bremer Freunde, in: Neske (Hg.), Erinnerung,
S. -.
Petzet, Heinrich Wiegand: Auf einen Stern zugehen. Begegnungen und Gespräche
mit Martin Heidegger -, Frankfurt a. M. .
Picard, Max: Die Welt des Schweigens, Erlenbach/Zürich .
Plard, Henri: ›Jahre der Okkupation‹, in: Universitas  (), S. -.
Plard, Henri: Ernst Jüngers Antwort auf die Krise der Gegenwart: Vom ›Sanduhr-
buch‹ () bis zu ›Gläserne Bienen‹, in: Universitas  (), S. -.
Plard, Henri: Ernst Jüngers Wende. »An der Zeitmauer« und »Der Weltstaat«, in:
Arnold, Heinz Ludwig (Hg.): Wandlung und Wiederkehr. Festschrift zum . Ge-
burtstag Ernst Jüngers, Aachen , S. -.
Plard, Henri: Sur la notion de ›Gestalt‹ dans »Der Arbeiter« d’Ernst Jünger, in: Étu-
des Germaniques  (), S. -.
Podewils, Clemens: Erörterung eines Trakl-Gedichts, in: Die Neue Zeitung, ./
. Oktober .
Podewils, Clemens: Abschied von Friedrich George Jünger, in: Merkur  (),
S. -.
Podewils, Clemens: Die nachbarlichen Stämme, in: Neske (Hg.), Erinnerung,
S. -.
Podewils, Sophie Dorothee: Friedrich Georg Jünger. Dichtung und Echo, Hamburg
.
Podewils, Sophie Dorothee: Heimat und Heimatliches. Versuch einer Deutung, in:
Mohler (Hg.), Freundschaftliche Begegnungen, S. -.
Podewils, Sophie Dorothee: Physis und Physik. Bewegung und Wandel des Den-
kens, München .
Podewils, Sophie Dorothee: Zeit und Selbstsein, in: Merkur  (), S. -.
Podewils, Sophie Dorothee: Funktion und Erscheinung. Aus einem Gespräch zur
heute gegebenen Seinsfrage, in: Wissenschaft und Weltbild, Juni , S. -
.
Rausch, Jürgen: Ernst Jüngers Optik, in: Arbogast (Hg.), Über Ernst Jünger, S. -.
Rauschning, Hermann: Die Revolution des Nihilismus. Kulisse und Wirklichkeit
im Dritten Reich, Zürich/New York .
Rauschning, Hermann: Gespräche mit Hitler, Zürich/Wien/New York .
Rauschning, Hermann: Masken und Metamorphosen des Nihilismus. Der Nihilis-
mus des . Jahrhunderts, Frankfurt a. M. u. a. .
Reifenberg, Benno: Über die Technik, in: Die Gegenwart  () /, S. -.
Rilla, Paul: Der Fall Jünger, in: Die Weltbühne. Zeitschrift für Politik, Kunst, Wirt-
schaft  () , S. -.
Salomon, Ernst von: Wir und die Intellektuellen, in: Die Kommenden. Überbün-
dische Wochenschrift der deutschen Jugend, Heft , .., S. f.
Salomon, Ernst von: Der Fragebogen, Reinbek bei Hamburg .
Schmitt, Carl: Ex Captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit /, Köln .
  

Schmitt, Carl: Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, . Aufl., Stutt-
gart .
Schmitt, Carl: Die geschichtliche Struktur des heutigen Welt-Gegensatzes von Ost
und West. Bemerkungen zu Ernst Jüngers Schrift »Der Gordische Knoten«, in:
Mohler (Hg.), Freundschaftliche Begegnungen, S. -.
Schmitt, Carl: Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre -, hg. v. Eberhard
Freiherr von Medem, Berlin .
Schmitt, Carl: Briefwechsel mit einem seiner Schüler, hg. v. Armin Mohler, Berlin
.
Schmitt, Carl: Antworten in Nürnberg, hg. v. Helmut Quaritsch, Berlin .
Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen. Text von  mit einem Vorwort und
drei Corollarien, . Aufl., Berlin .
Schmitt, Carl: Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politi-
schen, . Aufl. Berlin .
Schneeberger, Guido: Nachlese zu Heidegger. Dokumente zu seinem Leben und
Denken, Bern .
Schonauer, Franz: Ressentiment ist ein schlechtes Denkprinzip, in: Frankfurter Hefte
 (), S. -.
Schröter, Manfred: Wirtschaft – Technik – Arbeit, in: Pandora  () , S. -.
Schröter, Manfred: Bilanz der Technik. Schlußwort, in: Bayerische Akademie der
schönen Künste (Hg.), Die Künste, S. -.
Schultz, Edmund (Hg.): Das Gesicht der Demokratie. Ein Bilderwerk zur Ge-
schichte der deutschen Nachkriegszeit, Leipzig .
Schultz, Edmund (Hg.): Die veränderte Welt. Eine Bilderfibel unserer Zeit, Leipzig
.
Schulz, Eberhard: Konzil über Technik. Heisenberg, Heidegger, F. G. Jünger in der
bayerischen »Akademie der Schönen Künste«, in: Deutsche Zeitung, . Novem-
ber .
Schwarzschild, Leopold: Heroismus aus Langeweile, in: Das Tagebuch  (),
S. -.
Speidel, Hans: Briefe aus Paris und aus dem Kaukasus, in: Mohler (Hg.), Freund-
schaftliche Begegnungen, S. -.
Speidel, Hans: Aus unserer Zeit. Erinnerungen, Frankfurt a. M. .
Speyer, Gerhard W.: Die Stillen im Lande, in: Die Neue Zeitung, . August .
Steinbömer, Gustav: Pilgerfahrt zu Ernst Jüngers »Auf den Marmorklippen«, in:
Europäische Revue  () , S. -.
Sternberger, Dolf: Gang zwischen Meistern (Schriften VIII), Frankfurt a. M. .
Sternberger, Dolf: Figuren der Fabel. Essays, Frankfurt a. M. .
Stoffregen, Goetz Otto: Die Aufgabe der Nationalisten, in: ders. (Hg.): Aufstand.
Querschnitt durch den revolutionären Nationalismus, Berlin , S. -.
Stroomann, Gerhard: Aus meinem roten Notizbuch. Ein Leben als Arzt auf Bühler-
höhe, Frankfurt a. M. .
Stürner, Otto: Von der Perfektion der Technik zur technischen Kultur, in: Pandora 
() , S. -.
Thielicke, Helmut: Fragen des Christentums an die moderne Welt. Untersuchungen
zur geistigen und religiösen Krise des Abendlandes, Tübingen .
 -  

Thielicke, Helmut: Der Nihilismus. Entstehung, Wesen, Überwindung, Tübingen


.
Towarnicki, Alfred (Frédéric) de: Visite à Martin Heidegger, in: Les Temps Moder-
nes  (/), S. -.
Towarnicki, Frédéric de: Martin Heidegger. Souvenirs et Chroniques, Paris .
Um Ernst Jünger. Fortsetzung einer Debatte, in: Hamburger Akademische Rund-
schau  (/) , S. -.
Waehlens, Alphonse de: La philosophie de Heidegger et le nazisme, in: Les Temps
Modernes  (), S. -.
Waehlens, Alphonse de: Réponse à cette réponse, in: Les Temps Modernes  (),
S. -.
Weber, Alfred: Abschied von der bisherigen Geschichte. Überwindung des Nihilis-
mus?, Hamburg .
Weber, Alfred: Flucht in die Wildnis. Randbemerkungen zu Ernst Jüngers politi-
schen Schriften, in: Der Monat  (/) , S. -.
Weber, Max: Politik als Beruf, in: ders., Gesammelte Politische Schriften, hg. v.
Johannes Winckelmann, . Aufl., Tübingen , S. -.
Weil, Erik: Le cas Heidegger, in: Les Temps Modernes  (), S. -.
Weizsäcker, Carl Friedrich von: Sprache als Information, in: Bayerische Akademie
der schönen Künste (Hg.), Die Sprache, S. -.
Weizsäcker, Carl Friedrich von: Heidegger und die Naturwissenschaft, in: ders./Ga-
damer, Hans-Georg/Marx, Werner: Heidegger. Freiburger Universitätsvorträge
zu seinem Gedenken, Freiburg/München , S. -.
Weizsäcker, Carl Friedrich: Begegnungen in vier Jahrzehnten, in: Neske (Hg.), Er-
innerung, S. -.
Wenzl, Josef: Im Labyrinth der Technik. Zu einem neuen Buch Friedrich Georg
Jüngers, in: Wort und Wahrheit  (), S. -.
Wiese, Benno von: Rede auf Friedrich Georg Jünger, in: Friedrich Georg Jünger
zum . Geburtstag, Privatdruck, München/Frankfurt a. M. .
Wulf, Joseph: Literatur und Dichtung im Dritten Reich. Eine Dokumentation,
Gütersloh .
Wulffen, Barbara von: Urnen voll Honig. Böhmen – Aufbruch in eine verlorene Zeit,
Frankfurt a. M. .
Wulffen, Barbara von: Korrespondieren als Remedium, in: Sinn und Form  (),
S. -.


. Literatur
Alisch, Rainer: Heideggers Rektoratsrede im Kontext, in: Haug (Hg.), Deutsche
Philosophen , S. -.
Alisch, Rainer: Heideggger’s »Silence« about the Holocaust. An Attempt at a Recon-
struction, in: Milchman/Rosenberg (Hg.), Heidegger and the Holocaust, S. -.
Altwegg, Jürg (Hg.): Die Heidegger Kontroverse, Frankfurt a. M. .
Ansel, Michael: Der verfemte und der unbehelligte Solitär. Gottfried Benns und
Ernst Jüngers literarische Karrieren vor und nach , in: Hagestedt (Hg.), Ernst
Jünger, S. -.
Aschheim, Steven E.: Nietzsche und die Deutschen. Karriere eines Kults, Stuttgart/
Weimar .
Ash, Mitchell G.: Gestalt Psychology in German Culture, -, Cambridge
.
Assheuer, Thomas/Sarkowicz, Hans: Rechtsradikale in Deutschland. Die alte und
die neue Rechte, . Aufl., München .
Assmann, Aleida/Frevert, Ute: Geschichtsvergessenheit, Geschichtsversessenheit.
Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach , Stuttgart .
Bahn, Peter: Ernst Jünger und Friedrich Hielscher. Eine Freundschaft auf Distanz,
in: Les Carnets Ernst Jünger  (), S. -.
Bahn, Peter: »Doch blieb er im Kern Theologe.« Begegnungen Friedrich Georg Jün-
gers mit Friedrich Hielscher, in: Wimbauer (Hg.), Anarch, S. -.
Bajohr, Frank/Johe, Werner/Lohalm, Uwe (Hg.): Zivilisation und Barbarei. Die
widersprüchlichen Potentiale der Moderne. Detlev Peukert zum Gedenken,
Hamburg .
Balke, Friedrich: Heidegger und Ernst Jünger. Kontroversen über den Nihilismus,
in: Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch, S. -.
Bambach, Charles: Heidegger’s Roots. Nietzsche, National Socialism, and the Greeks,
Ithaca/London .
Barash, Jeffrey Andrew: Martin Heidegger in the Perspective of the Twentieth Cen-
tury. Reflections on the Heidegger Gesamtausgabe, in: The Journal of Modern
History  (), S. -.
Barash, Jeffrey Andrew: Heidegger’s Ontological »Destruction« of Western Intellec-
tual Traditions, in: Kisiel, Theodore/Buren, John van (Hg.): Reading Heidegger
from the Start. Essays in his Earliest Thought, New York , S. -.
Barnouw, Dagmar: Weimar Intellectuals and the Threat of Modernity, Blooming-
ton/Indianapolis .
Baron, Ulrich/Müller, Hans-Harald: Weltkriege und Kriegsromane. Die literarische
Bewältigung des Krieges nach  und  – eine Skizze, in: LiLi. Zeitschrift für
Literaturwissenschaft und Linguistik  () , S. -.
Barth, Boris: Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Das Trauma der
deutschen Niederlage im ersten Weltkrieg -, Düsseldorf .
Bavaj, Riccardo: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus. Eine Bilanz
der Forschung, München .
Behrenbeck, Sabine: Heldenkult und Opfermythos. Mechanismen der Kriegsbe-
geisterung -, in: Linden/Mergner (Hg.), Kriegsbegeisterung, S. -.
 -  

Beilecke, François: »Der Intellektuelle ist tot, es lebe der Intellektuelle!« Anmerkun-
gen zur neueren französischen Intellektuellenforschung, in: vorgänge  () ,
S. -.
Beilecke, François: Netzwerke und Intellektuelle. Konzeptionelle Überlegungen zur
politischen Rolle eines zivilgesellschaftlichen Akteurs, in: ders./Marmetschke,
Katja (Hg.): Der Intellektuelle und der Mandarin. Für Hans Manfred Bock, Kas-
sel , S. -.
Beismann, Volker: Spurensuche im Labyrinth. Politische Publizistik im Frühwerk
Friedrich Georg Jüngers, in: Etappe. Zeitschrift für Politik, Kultur und Wissen-
schaft (), H. , S. -.
Beltran-Vidal, Danièle: Überlegungen der Brüder Jünger zum Wesen und zur Auf-
gabe der Sprache, in: Strack (Hg.), Titan Technik, S. -.
Beltran-Vidal, Danièle: Im Leben wie im Werk Brüder. Ernst und Friedrich Georg
Jünger, in: Les Carnets Ernst Jünger  (), S. -.
Beltran-Vidal, Danièle: Exil intérieur et recherche d’une nouvelle communauté. Le
recueil de poèmes Der Taurus de Friedrich Georg Jünger, in: Les Carnets Ernst
Jünger  (), S. -.
Benjamin, Andrew: Time and Task. Benjamin and Heidegger Showing the Present,
in: ders./Osborne (Hg.), Walter Benjamin’s Philosophy, S. -.
Benjamin, Andrew/Osborne, Peter (Hg.): Walter Benjamin’s Philosophy. Destruc-
tion and Experience, London/New York .
Bergen, Werner van/Pehle, Walter H. (Hg.): Denken im Zwiespalt. Über den Verrat
von Intellektuellen im . Jahrhundert, Frankfurt a. M. .
Berggötz, Sven Olaf: Nachwort. Ernst Jünger und die Politik, in: Jünger, Ernst: Politi-
sche Publizistik -, hg. v. Sven Olaf Berggötz, Stuttgart , S. -.
Berggötz, Sven Olaf: Zwei Wege. Ernst Jüngers politischer Diskurs mit Ludwig Al-
wens, in: Les Carnets Ernst Jünger  (), S. -.
Berggötz, Sven Olaf: Ernst Jünger und die Geiseln. Die Denkschrift von Ernst Jün-
ger über die Geiselerschießungen in Frankreich /, in: Vierteljahreshefte für
Zeitgeschichte  (), S. -.
Berghahn, Volker R.: Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten -, Düsseldorf
.
Bering, Dietz: Die Intellektuellen. Geschichte eines Schimpfwortes, Stuttgart .
Berlin, Isaiah: Die Gegenaufklärung, in: ders.: Wider das Geläufige. Aufsätze zur
Ideengeschichte, Frankfurt a. M. , S. -.
Berman, Russel A.: Written Right Across Their Faces. Ernst Jünger’s Fascist Moder-
nism, in: Huyssen, Andreas/Bathrick, David (Hg.): Modernity and the Text.
Revisions of German Modernism, New York , S. -.
Bernasconi, Robert: Heidegger’s Alleged Challenge to the Nazi Concept of Race, in:
Faulconer, James E./Wrathall, Mark A. (Hg.): Appropriating Heidegger, Cam-
bridge u. a. , S. -.
Bessel, Richard: Politische Gewalt und die Krise der Weimarer Republik, in: Niet-
hammer u. a., Bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. -.
Bessel, Richard: Die Krise der Weimarer Republik als Erblast des verlorenen Krieges,
in: Bajohr/Johe/Lohalm (Hg.), Zivilisation und Barbarei, S. -.
Bessel, Richard: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen. Nachwirkungen des
 

Ersten Weltkrieges auf das politische und soziale Leben der Weimarer Republik,
in: Linden/Mergner (Hg.), Kriegsbegeisterung, S. -.
Beyme, Klaus von: Karl Jaspers. Vom philosophischen Außenseiter zum Praeceptor
Germaniae, in: Heß/Lehmann/Sellin (Hg.), Heidelberg , S. -.
Bialas, Wolfgang: Intellektuellengeschichtliche Facetten der Weimarer Republik, in:
ders./Iggers (Hg.), Intellektuelle in der Weimarer Republik, S. -.
Bialas, Wolfgang: Krisendiagnose und Katastrophenerfahrung. Philosophie und Ge-
schichte im Deutschland der Zwischenkriegszeit, in: Küttler, Wolfgang/Rüsen, Jörn/
Schulin, Ernst (Hg.): Geschichtsdiskurs, Bd. : Krisenbewußtsein, Katastrophen-
erfahrungen und Innovationen -, Frankfurt a. M. , S. -.
Bialas, Wolfgang: Zwischen geschichtlicher Distanzierung und politischer Nähe.
Philosophische Diagnosen der Zeit um , in: Ehrlich, Lothar/John, Jürgen
(Hg.): Weimar . Politik und Kultur im Vorfeld der NS-Diktatur, Köln/Wei-
mar/Wien , S. -.
Bialas Wolfgang: Der Nationalsozialismus und die Intellektuellen. Die Situation der
Philosophie, in: ders./Gangl (Hg.), Intellektuelle im Nationalsozialismus, S. -.
Bialas, Wolfgang/Iggers, Georg G. (Hg.): Intellektuelle in der Weimarer Republik,
Frankfurt a. M. u. a. .
Bialas, Wolfgang/Gangl, Manfred (Hg.): Intellektuelle im Nationalsozialismus, Frank-
furt a. M. u. a. .
Bielefeld, Ulrich: Die Nation als Geheimnis. Ernst von Salomon und das »angedrehte
Wir« des Volkes, in: Meuter/Otten (Hg.), Aufstand gegen den Bürger, S. -.
Bielefeld, Ulrich: »Die Ausgangslage, von der aus nur noch nach vorn gedacht werden
kann«. Hans Freyer und die Bundesrepublik Deutschland, in: Hettling, Manfred/
Ulrich, Bernd (Hg.): Bürgertum nach , S. -.
Bielefeldt, Heiner: Kampf um Entscheidung. Politischer Existentialismus bei Carl
Schmitt, Helmuth Plessner und Karl Jaspers, Würzburg .
Biemel, Walter: Zur Entfaltung von Heideggers Denken – erläutert am Wandel des
Begriffs der »Existenz« in »Sein und Zeit« und im »Brief über den ›Humanis-
mus‹«, in: Wisser (Hg.), Unterwegs, S. -.
Biemel, Walter/Hermann, Friedrich-Wilhelm von (Hg.): Kunst und Technik. Ge-
dächtnisschrift zum . Geburtstag von Martin Heidegger, Frankfurt a. M. .
Blasche, Siegfried: Einleitung, in: Forum für Philosophie Bad Homburg (Hg.): Hei-
degger. Innen- und Außenansichten, Frankfurt a. M. , S. -.
Blotzheim, Dirk: Ernst Jüngers »Heldendehrung«. Zu Facetten in seinem Frühwerk,
Oberhausen .
Bluhm, Lothar: Das Tagebuch zum Dritten Reich. Zeugnisse der Inneren Emigra-
tion von Jochen Klepper bis Ernst Jünger, Bonn .
Bluhm, Lothar: Ernst Jünger als Tagebuchautor und die ›Innere Emigration‹, in:
Müller/Segeberg (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Böhme, Ulrich: Fassungen bei Ernst Jünger, Meisenheim am Glan .
Bohrer, Karl Heinz: Die Ästhetik des Schreckens. Die pessimistische Romantik und
Ernst Jüngers Frühwerk, München/Wien .
Bohrer, Karl Heinz: Hans Paeschke und der Merkur, in: Merkur  (), S. -.
Bollenbeck, Georg/Knobloch, Clemens (Hg.): Semantischer Umbau der Geistes-
wissenschaften nach  und , Heidelberg .
 -  

Bolz, Norbert: Auszug aus der entzauberten Welt. Philosophischer Extremismus


zwischen den Weltkriegen, München .
Bosch, Manfred: Bohème am Bodensee. Literarisches Leben am See von  bis
, Lengwil am Bodensee .
Bourdieu, Pierre: Die politische Ontologie Martin Heideggers, Frankfurt a. M.
.
Brandes, Wolfgang: Der ›Neue Stil‹ in Ernst Jüngers ›Strahlungen‹. Genese, Funk-
tion und Realitätsproduktion des literarischen Ich in seinen Tagebüchern, Bonn
.
Brekle, Wolfgang: Das Unbehagen Ernst Jüngers an der Nazi-Herrschaft, in: Wei-
marer Beiträge  (), S. -.
Brenneke, Reinhard: Militanter Modernismus. Vergleichende Studien zum Früh-
werk Ernst Jüngers, Stuttgart .
Breuer, Stefan: Die Gesellschaft des Verschwindens. Von der Selbstzerstörung der
technischen Zivilisation, Hamburg .
Breuer, Stefan: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt .
Breuer, Stefan: Ästhetischer Fundamentalismus. Stefan George und der deutsche
Antimodernismus, Darmstadt .
Breuer, Stefan: Der Neue Nationalismus in Weimar und seine Wurzeln, in: Berding,
Helmut (Hg.): Mythos und Nation, Frankfurt a. M. , S. -.
Breuer, Stefan: Grundpositionen der deutschen Rechten -, Tübingen .
Breuer, Stefan: Ordnungen der Ungleichheit. Die deutsche Rechte im Widerstreit
ihrer Ideen -, Darmstadt .
Breuer, Stefan/Schmidt, Ina: Vom Wiking zur Ehrhardtzeitung. Hermann Ehrhardts
publizistische Strategie in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik, in: Histo-
rische Mitteilungen  (), -.
Breuer, Stefan/Schmidt, Ina: Der Literat und der Theokrat. Ernst Jünger und Fried-
rich Hielscher, in: Figal/Knapp (Hg.), Verwandtschaften, S. -.
Brokoff, Jürgen: Die Apokalypse in der Weimarer Republik, München .
Brokoff, Jürgen/Hitz, Torsten: Zum apokalyptischen Ton bei Ernst Jünger und eini-
gen Nachfolgern, in: Weimarer Beiträge  (), S. -.
Brunkhorst, Hauke: Der Intellektuelle im Land der Mandarine, Frankfurt a. M.
.
Buchheim, Thomas (Hg.): Destruktion und Übersetzung. Zu den Aufgaben von
Philosophiegeschichte nach Martin Heidegger, Weinheim .
Büchin, Elsbeth/Denker, Alfred: Martin Heidegger und seine Heimat, Stuttgart .
Bude, Heinz: Lebenskonstruktionen als Gegenstand der Biographieforschung, in:
Jüttemann, Gerd/Thomae, Hans (Hg.): Biographische Methoden in den Human-
wissenschaften, Weinheim , S. -.
Bullivant, Keith: The Conservative Revolution, in: Phelan (Hg.), Weimar Dilemma,
S. -.
Bullock, Marcus Paul: The Violent Eye. Ernst Jünger’s Visions and Revisions of the
European Right, Detroit .
Bullock, Marcus Paul: Fallen Altars Are Occupied by Demons: The Disenchantment
of Ernst Jünger, in: Grimm, Reinhold/Hermand, Jost (Hg.): /. German
Reflections of the Two World Wars, Madison , S. -.
 

Bullock, Marcus Paul: Walter Benjamin and Ernst Jünger. Destructive Affinities, in:
German Studies Review  (), S. -.
Burkhardt, Alexander: Die Innenseite der Macht. Zum Partisanischen bei Ernst
Jünger, in: Münkler, Herfried (Hg.): Der Partisan. Theorie, Strategie, Gestalt,
Opladen , S. -.
Bussche, Raimund von dem: Konservativismus in der Weimarer Republik. Die Poli-
tisierung des Unpolitischen, Heidelberg .
Campbell, Bruce B.: The Schilljugend. From Wehrjugend to Luftschutz, in: Krabbe,
Wolfgang R. (Hg.): Politische Jugend in der Weimarer Republik, Bochum ,
S. -.
Carson, Cathryn: Heisenberg in West Germany. Science and the Public Sphere, un-
veröff. Manuskript, Berkeley .
Carson, Cathryn: Bildung als Konsumgut. Physik in der westdeutschen Nachkriegs-
kultur, in: Hoffmann, Dieter (Hg.): Physik im Nachkriegsdeutschland, Frank-
furt a. M. , S. -.
Caygill, Howard: Benjamin, Heidegger and the Destruction of Tradition, in: Benja-
min/Osborne (Hg.), Walter Benjamin’s Philosophy, S. -.
Celikates, Robin: Heidegger and National Socialism. New Contributions to an Old
Debate, in: H-German, H-Net Reviews, . März .
Chickering, Roger: We Men Who Feel Most German. A Cultural Study of the Pan
German League -, Boston .
Chytry, Josef: The Timeliness of Martin Heidegger’s National Socialism, in: New
German Critique  (), S. -.
Clark, Mark W.: A Prophet without Honour. Karl Jaspers in Germany, -, in:
Journal of Contemporary History  (), S. -.
Dahms, Hans-Joachim: Philosophie, in: Hausmann (Hg.), Rolle der Geisteswissen-
schaften, S. -.
Delabar, Walter: Sonnenstadt und Waldgang – Ernst Jünger, in: Heukenkamp (Hg.),
Schuld und Sühne, S. -.
Dempewolf, Eva: Blut und Tinte. Eine Interpretation der verschiedenen Fassungen
von Ernst Jüngers Kriegstagebüchern vor dem politischen Hintergrund der Jahre
 bis , Würzburg .
Denk, Friedrich: Die Zensur der Nachgeborenen. Zur regimekritischen Literatur im
Dritten Reich, Weilheim i. OB .
Denker, Alfred: Die Neubelebung der Philosophie in dürftiger Zeit. Martin Heideg-
ger und Karl Jaspers (-), in: Loos/Zaborowski (Hg.), Leben, S. -.
Denkler, Horst: Organische Konstruktion. Natur und Technik in der Literatur des
›Dritten Reiches‹, in: Eggert, Hartmut/Schütz, Erhard/Sprengel, Peter (Hg.):
Faszination des Organischen. Konjunkturen einer Kategorie der Moderne, Mün-
chen , S. -.
Derrida, Jacques: Vom Geist. Heidegger und die Frage, Frankfurt a. M. .
Diehl, James M.: Paramilitary Politics in Weimar Germany, Bloomington/London
.
Diesener, Gerald/Kunicki, Wojciech: Johannes R. Becher und Ernst Jünger – eine
glücklose Liaison?, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft  (), S. -
.
 -  

Dietka, Norbert: Ernst Jünger nach . Das Jünger-Bild der bundesdeutschen
Kritik -, Frankfurt a. M. u. a. .
Dietka, Norbert: Ernst Jünger – vom Weltkrieg zum Weltfrieden. Biographie und
Werkübersicht -, Bad Honnef/Zürich .
Dietka, Norbert: Anmerkungen zur Ernst-Jünger-Rezeption in Deutschland, in:
Études Germaniques  (), S. -.
Diner, Dan (Hg.): Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt a. M. .
Dornheim, Liane: Vergleichende Rezeptionsgeschichte. Das literarische Frühwerk Ernst
Jüngers in Deutschland, England und Frankreich, Frankfurt a. M. u. a. .
Draganoviç, Julia: Figürliche Schrift. Zur darstellerischen Umsetzung von Weltan-
schauung im erzählerischen Werk Ernst Jüngers, Würzburg .
Dupeux, Louis: »Nationalbolschewismus« in Deutschland -. Kommunisti-
sche Strategie und konservative Dynamik, München .
Dupeux, Louis: »Révolution Conservatrice« et modernité, in: ders. (Hg.): La Révo-
lution Conservatrice en Allemagne -, Paris , S. -.
Dupeux, Louis: ›Kulturpessimismus‹, Konservative Revolution und Modernität, in:
Gangl/Raulet (Hg.), Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik, S. -.
Dupeux, Louis: Der »Neuen Nationalismus« Ernst Jüngers -. Vom heroischen
Soldatentum zur politisch-metaphysischen Totalität, in: Koslowski (Hg.), Jagden,
S. -.
Dupeux, Louis: Aspects du fondamentalisme national en Allemagne de  à ,
Straßburg .
Eberan, Barbro: Luther? Friedrich ›der Große‹? Wagner? Nietzsche? …? …? Wer
war an Hitler schuld? Die Debatte um die Schuldfrage -, München .
Ehrke-Rotermund, Heidrun/Rotermund, Erwin: Zwischenreiche und Gegenwelten.
Texte und Vorstudien zur ›verdeckten Schreibweise‹ im »Dritten Reich«, Mün-
chen .
Eickhoff, Volker/Korotin, Ilse (Hg.): Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe. Der Geist
der Konservativen Revolution, Wien .
Eksteins, Modris: Tanz über Gräben. Die Geburt der Moderne und der Erste Welt-
krieg, Reinbek bei Hamburg .
Eley, Geoff: Conservatives and Radical Nationalists in Germany. The Production of
Fascist Potentials, -, in: Blinkhorn, Martin (Hg.): Fascists and Conserva-
tives. The Radical Right and the Establishment in Twentieth-Century Europe,
London , S. -.
Elfe, Wolfgang D.: Weimar aus der Sicht der »Linken Leute von rechts«: Karl Otto
Paetel, in: Koebner (Hg.), Weimars Ende, S. -.
Emmerich, Wolfgang/Wege, Carl (Hg.): Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-
Ära, Stuttgart/Weimar .
Ender, Wolfram: Konservative und rechtsliberale Deuter des Nationalsozialismus
-. Eine historisch-politische Kritik, Freiburg .
Eßbach, Wolfgang: Radikalismus und Modernität bei Jünger und Bloch, Lukács
und Schmitt, in: Gangl/Raulet (Hg.), Intellektuellendiskurse in der Weimarer
Republik, S. -.
Eßbach, Wolfgang: Das Formproblem der Moderne bei Georg Lukács und Carl
Schmitt, in: Göbel, Andreas/Laak, Dirk van/Villinger, Ingeborg (Hg.): Meta-
 

morphosen des Politischen. Grundfragen politischer Einheitsbildung seit den


er Jahren, Berlin , S. -.
Esselborn, Hans: Die Verwandlung von Politik in Naturgeschichte der Macht. Der
Bürgerkrieg in Ernst Jüngers »Marmorklippen« und »Heliopolis«, in: Wirkendes
Wort  (), S. -.
Faber, Richard/Holste, Christine (Hg.): Kreise, Gruppen, Bünde. Zur Soziologie
moderner Intellektuellenassoziation, Würzburg .
Fahrenbach, Helmut: Zeitanalyse, Politik und Philosophie der Vernunft im Werk
von Karl Jaspers, in: Harth (Hg.), Karl Jaspers, S. -.
Farías, Victor: Heidegger und der Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. .
Faye, Emmanuel: Heidegger. L’introduction du nazisme dans la philosophie. Autour
des séminaires inédits de -, Paris .
Faye, Jean-Pierre: Totalitäre Sprachen. Kritik der narrativen Vernunft, Kritik der
narrativen Ökonomie,  Bde., Frankfurt a. M./Berlin/Wien .
Figal, Günter: Der metaphysische Charakter der Moderne. Ernst Jüngers Schrift
»Über die Linie« () und Martin Heideggers Kritik »Über ›Die Linie‹«, in:
Müller/Segeberg (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Figal, Günter: Nochmals über die Linie, in: ders./Schwilk (Hg.), Magie der Heiter-
keit, S. -.
Figal, Günter: Erörterung des Nihilismus. Ernst Jünger und Martin Heidegger, in:
Études Germaniques  (), S. -.
Figal, Günter: Verwindung der Metaphysik. Heidegger und das metaphysische Den-
ken, in: Jamme (Hg.), Grundlinien der Vernunftkritik, S. -.
Figal, Günter: Gottesvergessenheit. Über das Zentrum von Heideggers Beiträgen zur
Philosophie, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie  (), S. -.
Figal, Günter/Knapp, Georg (Hg.): Prognosen (Jünger-Studien ), Tübingen .
Figal, Günter/Knapp, Georg (Hg.): Verwandtschaften (Jünger-Studien ), Tübingen
.
Figal, Günter/Schwilk, Heimo (Hg.): Magie der Heiterkeit. Ernst Jünger zum Hun-
dertsten, Stuttgart .
Fischer, Karsten: »Systemzeit« und Weltgeschichte. Zum Motiv der Epochenwende
in der NS-Ideologie, in: ders. (Hg.): Neustart des Weltlaufs? Fiktion und Fas-
zination der Zeitenwende, Frankfurt a. M. , S. -.
Föllmer, Moritz/Graf, Rüdiger (Hg.): Die »Krise« der Weimarer Republik. Zur
Kritik eines Deutungsmusters, Frankfurt a. M./New York .
Fontenay, Elisabeth de: »In Its Essence the Same Thing«, in: Milchman/Rosenberg
(Hg.), Heidegger and the Holocaust, S. -.
Foschepoth, Josef: Zur deutschen Reaktion auf Niederlage und Besatzung, in: Herbst,
Ludolf (Hg.): Westdeutschland -. Unterwerfung, Kontrolle, Integration,
München , S. -.
Franzen, Winfried: Von der Existenzialontologie zur Seinsgeschichte. Eine Untersu-
chung über die Entwicklung der Philosophie Martin Heideggers, Meisenheim
am Glan .
Franzen, Winfried: Die Sehnsucht nach Härte und Schwere. Über ein zum NS-Enga-
gement disponierendes Motiv in Heideggers Vorlesung »Die Grundbegriffe der Me-
taphysik« von /, in: Gethmann-Siefert/Pöggeler (Hg.), Heidegger, S. -.
 -  

Frede, Dorothea: Stichwort Wahrheit. Vom aufdeckenden Erschließen zur Offen-


heit der Lichtung, in: Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch, S. -.
Frei, Norbert: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-
Vergangenheit, München .
Frei, Norbert: Von deutscher Einbildungskraft. Die Kollektivschuldthese in der
Nachkriegszeit, in: Rechtshistorisches Journal  (), S. -.
Frei, Norbert (Hg.): Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach , Frankfurt a. M./
New York .
Fried, Gregory: Heidegger’s Polemos. From Being to Politics, New Haven/London
.
Friedländer, Saul: Kitsch und Tod. Der Widerschein des Nazismus, Frankfurt a. M.
.
Fringeli, Dieter: »Bei uns Nominalisten ist alles etwas schwieriger«. Gespräch mit
Armin Mohler, in: ders.: Mein Feuilleton. Gespräche, Aufsätze, Glossen zur Lite-
ratur, Basel , S. -.
Fritsche, Johannes: Historical Destiny and National Socialism in Heidegger’s »Being
and Time«, Berkeley/Los Angeles .
Fritzsche, Klaus: Politische Romantik und Gegenrevolution. Fluchtwege in der Krise
der bürgerlichen Gesellschaft. Das Beispiel des »Tat«-Kreises, Frankfurt a. M. .
Fritzsche, Peter: Rehearsals for Fascism. Populism and Political Mobilization in Wei-
mar Germany, Oxford .
Fritzsche, Peter: Landscape of Danger, Landscape of Design. Crisis and Modernism
in Weimar Germany, in: Kniesche, Thomas W./Brockmann, Stephen (Hg.): Danc-
ing on the Volcano. Essays on the Culture of the Weimar Republic, Columbia
, S. -.
Fröschle, Ulrich: Die Kyklen der Kykliker. Über die Wiederkehr der »Wiederkehr«
bei F. G. Jünger, in: Gruber (Hg.): Erfahrung und System, S. -.
Fröschle, Ulrich: Friedrich Georg Jünger (-). Kommentiertes Verzeichnis
seiner Schriften, Marbach am Neckar .
Fröschle, Ulrich: La Grande Guerre, point de départ de l’analyse politique et de la
création littéraire de Friedrich Georg Jünger, in: Les Carnets Ernst Jünger 
(), S. -.
Fröschle, Ulrich: Vom ›Aufmarsch des Nationalismus« zu den ›Illusionen der Tech-
nik‹ – Friedrich Georg Jüngers Revision des technischen Machtanspruchs, in:
Strack (Hg.), Titan Technik, S. -.
Fröschle, Ulrich: Oszillationen zwischen Literatur und Politik. Ernst Jünger und »das
Wort vom politischen Dichter«, in: Hagestedt (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Fröschle, Ulrich: Das andere Deutschland. Zur Topik der Ermächtigung, in: Nickel
(Hg.), Deutschlandkonzepte, S. -.
Fröschle, Ulrich: Friedrich Georg Jünger und der »radikale Geist«. Eine Fallstudie
zum literarischen Radikalismus der Zwischenkriegszeit, Dresden .
Gangl, Manfred/Raulet, Gérard (Hg.): Intellektuellendiskurse in der Weimarer Re-
publik. Zur politischen Kultur einer Gemengelage, Frankfurt a. M./New York .
Gangl, Manfred: Gesellschaftliche Pluralität und politische Einheit. Zu Carl Schmitts
politischer Theorie, in: Bialas/ders. (Hg.), Intellektuelle im Nationalsozialismus,
S. -.
 

Gaudin, Claude: De la lune à la terre. La vision stéréoscopique dans »La lettre sici-
lienne«, in: Les Carnets Ernst Jünger  (), S. -.
Gauger, Klaus: Zur Modernedeutung in Ernst Jüngers ›Der Arbeiter‹, in: Sprach-
kunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft  (), S. -.
Gauger, Klaus: Die Weltschau des Anarchen. Zu den utopischen Romanen Ernst
Jüngers, in: Revista de Filología Alemana  (), S. -.
Gauger, Klaus: Zu Friedrich Georg Jüngers Perfektion der Technik, in: Strack (Hg.),
Titan Technik, S. -.
Gauger, Klaus: Ernst Jüngers Essays von  bis . Überleben in der technischen
Welt, in: Les Carnets Ernst Jünger  (), S. -.
Gawoll, Hans-Jürgen: Nihilismus und Metaphysik. Entwicklungsgeschichtliche Unter-
suchung vom deutschen Idealismus bis zu Heidegger, Stuttgart/Bad Cannstatt .
Gerstenheimer, Heide: Der revolutionäre Konservatismus. Ein Beitrag zur Analyse
des Liberalismus, Berlin ,
Gethmann-Siefert, Annemarie: Heidegger und Hölderlin. Die Überforderung des
»Dichters in dürftiger Zeit«, in: dies./Pöggeler (Hg.), Heidegger, S. -.
Gethmann-Siefert, Annemarie/Pöggeler, Otto (Hg.): Heidegger und die praktische
Philosophie, . Aufl., Frankfurt a. M. .
Geyer, Michael: Insurrectionary Warfare. The German Debate about a Levée en
Masse in October , in: The Journal of Modern History  (), S. -.
Goebel, Eckart: Konstellation und Existenz. Kritik der Geschichte um . Studien
zu Heidegger, Benjamin, Jahnn und Musil, Tübingen .
Graf, Rüdiger: Die Mentalisierung des Nirgendwo und die Transformation der Ge-
sellschaft. Der theoretische Utopiediskurs in Deutschland -, in: Hardt-
wig (Hg.), Utopie, S. -.
Greiffenhagen, Martin: Das Dilemma des Konservatismus in Deutschland, Frank-
furt a. M. .
Gross, Raphael: Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre, Frankfurt
a. M. .
Großheim, Michael: Philosophie im Wandel der Grundstimmungen. Zu Martin
Heideggers Denkweg von  bis , in: Fechner, Rolf/Schlüter-Knauer, Cars-
ten (Hg.): Existenz und Kooperation. Festschrift für Ingtraud Görland, Berlin
, S. -.
Großheim, Michael: Ökologie oder Technokratie? Der Konservatismus in der Mo-
derne, Berlin .
Großheim, Michael: Ernst Jünger und die Moderne. Adnoten zum »Arbeiter«, in:
Figal/Schwilk (Hg.), Magie der Heiterkeit, S. -.
Großheim, Michael: Politischer Existenzialismus. Versuch einer Begriffsbestimmung,
in: Meuter/Otten (Hg.), Aufstand gegen den Bürger, S. -.
Großheim, Michael: Der Zauber der Moderne. Ernst Jüngers Absage an die Kultur-
kritik, in: Figal/Knapp (Hg.), Prognosen, S. -.
Großheim, Michael: Politischer Existenzialismus. Subjektivität zwischen Entfrem-
dung und Engagement, Tübingen .
Großmann, Andreas: Kunst, Geschichte und Technik. Konstellationen von Heideg-
gers Denken im Lichte seines Gesprächs mit Hegel und Friedrich Georg Jünger,
in: Zeitschrift für philosophische Forschung  (), S. -.
 -  

Gruber, Bettina (Hg.): Erfahrung und System. Mystik und Esoterik in der Literatur
der Moderne, Opladen .
Grün, Bernd: Fehlbarkeit auf fremdem Felde. Ein Literaturbericht über Heidegger
und die Politik, in: Schramm/Martin (Hg.), Martin Heidegger, S. -.
Günzel, Stephan. Linien. Nietzsche – Jünger – Heidegger, in: Schirmer, Andreas/
Schmidt, Rüdiger (Hg.): Widersprüche. Zur frühen Nietzsche-Rezeption, Weimar
, S. -.
Günzel, Stephan u. a.: Nietzsche in Heideggers Schriften, in: Salehi, Djavid/Schmidt,
Rüdiger (Hg.): : Nietzsche – Text, Kontext, Weimar , S. -.
Gumbrecht, Hans Ulrich: In . Living at the Edge of Time, Cambridge/London
.
Gutmann, Helmut J.: Politische Parabel und mythisches Modell. Ernst Jüngers Auf
den Marmorklippen, in: Colloquia Germanica  (), S. -.
Habermas, Jürgen: Philosophisch-politische Profile, . Aufl., Frankfurt a. M. .
Habermas, Jürgen: Geist und Macht – ein deutsches Thema. Heinrich Heine und die
Rolle des Intellektuellen in Deutschland, in: Kruse, Joseph A./Kortländer, Bernd
(Hg.): Das Junge Deutschland. Kolloquium zum . Jahrestag des Verbots vom
. Dezember , Hamburg , S. -.
Habermas, Jürgen: Heidegger – Werk und Weltanschauung, in: Farías, Heidegger,
S. -.
Habermas, Jürgen: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen,
. Aufl., Frankfurt a. M. .
Hacke, Jens: Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonservative Begründung
der Bundesrepublik, Göttingen .
Hagestedt, Lutz (Hg.): Ernst Jünger. Politik – Mythos – Kunst, Berlin/New York .
Hamilton, Alastair: The Appeal of Fascism. A Study of Intellectuals and Fascism
-, London .
Hardtwig, Wolfgang (Hg.): Utopie und politische Herrschaft im Europa der Zwi-
schenkriegszeit, München .
Harth, Dietrich (Hg): Karl Jaspers. Denken zwischen Wissenschaft, Politik und Phi-
losophie, Stuttgart .
Harth, Helene: Les Intellectuels. Zur Rollendefinition eines modernen Sozialtypus,
in: Sieß, Jürgen (Hg.): Widerstand, Flucht, Kollaboration. Literarische Intelligenz
und Politik in Frankreich, Frankfurt a. M./New York , S. -.
Hartmann, Frank: Denker Denken Geschichte. Erkundungen zu Philosophie und
Nationalsozialismus, Wien .
Haß, Ulrike: Militante Pastorale. Zur Literatur der antimodernen Bewegung im frü-
hen . Jahrhundert, München .
Hasselbach, Karlheinz: Politics from the Spirit of Poetics. The Aesthetic Perspective
of Ernst Jünger’s Der Arbeiter, in: Orbis Litterarum  (), S. -.
Hasselbach, Karlheinz: Das weite Feld jenseits von rechts und links. Zum konser-
vativ-revolutionären Geist von Ernst Jüngers Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt,
in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch  (), S. -.
Haucke, Kai: Welt oder Sein? Die gebrochene Neutralität menschlichen Daseins
und Heideggers Parteilichkeit, in: Bialas/Gangl (Hg.), Intellektuelle im National-
sozialismus, S. -.
 

Haug, Wolfgang Fritz: Philosophie im deutschen Faschismus, in: ders. (Hg.), Deutsche
Philosophen , S. -.
Haug, Wolfgang Fritz (Hg.): Deutsche Philosophen , Hamburg .
Hausmann, Frank-Rutger: Deutsche Geisteswissenschaft im Zweiten Weltkrieg.
Die »Aktion Ritterbusch« (-), Dresden/München .
Hausmann, Frank-Rutger: Ein Verleger und seine Autoren. Vittorio Klostermann
im Gespräch mit Martin Heidegger, Ernst und Friedrich Georg Jünger, Privat-
druck, Frankfurt a. M. .
Hausmann, Frank-Rutger (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten
Reich -, München .
Heer, Hannes: Das Schweigen des Hauptmanns Jünger. Ernst Jüngers Reise an die
Kaukasusfront /, in: Baßler, Moritz/Knaap, Ewout van der (Hg.): Die
(k)alte Sachlichkeit. Herkunft und Wirkung eines Konzepts. Festschrift für Hel-
mut Lethen, Würzburg , S. -.
Heil, Susanne: »Gefährliche Beziehungen«. Walter Benjamin und Carl Schmitt,
Stuttgart/Weimar .
Heinemann, Ulrich: Die verdrängte Niederlage. Politische Öffentlichkeit und Kriegs-
schuldfrage in der Weimarer Republik, Göttingen .
Heinrichs, Thomas: Zeit der Uneigentlichkeit. Heidegger als Philosoph des Fordis-
mus, Münster .
Heinz, Marion/Kisiel, Theodore: Heideggers Beziehungen zum Nietzsche Archiv
im Dritten Reich, in: Schäfer (Hg.), Annäherungen, S. -.
Held, Klaus: Die Welt und die Dinge. Zur Deutung der Philosophie Martin Hei-
deggers, in: Jamme/Harries (Hg.), Martin Heidegger, S. -.
Hempel, Hans-Peter: Natur und Geschichte. Der Jahrhundertdialog zwischen Hei-
degger und Heisenberg, Frankfurt a. M. .
Henke, Klaus-Dietmar: Die Trennung vom Nationalsozialismus. Selbstzerstörung,
politische Säuberung, »Entnazifizierung«, Strafverfolgung, in: ders./Woller, Hans
(Hg.): Politische Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus und
Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg, München , S. -.
Herbert, Ulrich: Rückkehr in die Bürgerlichkeit? NS-Eliten in der Bundesrepublik,
in: Weisbrod, Bernd (Hg.): Rechtsradikalismus in der politischen Kultur der Nach-
kriegszeit. Die verzögerte Normalisierung in Niedersachsen, Hannover ,
S. -.
Herbert, Ulrich: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung
und Vernunft -, Bonn .
Herbert, Ulrich: Die deutsche Militärverwaltung in Paris und die Deportation der
französischen Juden, in: ders. (Hg.): Nationalsozialistische Vernichtungspolitik
-. Neue Forschungen und Kontroversen, Frankfurt a. M. , S. -.
Herbert, Ulrich: Intellektuelle im »Dritten Reich«, in: Hübinger/Hertfelder (Hg.),
Kritik und Mandat, S. -.
Herbert, Ulrich: Liberalisierung als Lernprozeß. Die Bundesrepublik in der deutschen
Geschichte – eine Skizze, in: ders. (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutsch-
land. Belastung, Integration, Liberalisierung -, Göttingen , S. -.
Herf, Jeffrey: Reactionary Modernism. Technology, Culture and Politics in Weimar
and the Third Reich, Cambridge .
 -  

Herf, Jeffrey: Belated Pessimism. Technology and Twentieth Century German Con-
servative Intellectuals, in: Ezrahi, Yaron/Mendelsohn, Everett/Segal, Howard (Hg.):
Technology, Pessimism, and Postmodernism, Dordrecht/Boston/London ,
S. -.
Herf, Jeffrey: Der nationalsozialistische Technikdiskurs. Die deutschen Eigenheiten
des reaktionären Modernismus, in: Emmerich/Wege (Hg.), Technikdiskurs in der
Hitler-Stalin-Ära, S. -.
Hering, Rainer: Konstruierte Nation. Der Alldeutsche Verband  bis , Ham-
burg .
Hermand, Jost: Explosion in the Swamp. Jünger’s ›Worker‹ () in: Lauretis, Teresa
de/Huyssen, Andreas/Woodward, Kathleen (Hg.): The Technological Imagina-
tion, Madison, Wis. , S. -.
Herres, Jürgen/Neuhaus, Manfred: Vorwort der Herausgeber, in: dies. (Hg.): Politi-
sche Netzwerke durch Briefkommunikation. Briefkultur der politischen Oppo-
sitionsbewegungen und frühen Arbeiterbewegungen im . Jahrhundert, Berlin
, S. -
Herzinger, Richard: Feldzeichen des Nichts. Die Gewaltphilosophie der Konserva-
tiven Revolution und der Chiliasmus der deutschen Übermoderne, in: Meyer-
Gosau, Frauke/Emmerich, Wolfgang (Hg.): Gewalt. Faszination und Furcht (Jahr-
buch für Literatur und Politik in Deutschland ), Leipzig , S. -.
Herzinger, Richard: Deutsche Untergänge. Totalitarismuskritik als Zivilisationskritik
in Ernst Jüngers »Auf den Marmorklippen« und Christa Wolfs »Kassandra«, in:
Knapp, Gerhard P./Labroisse, Gerd (Hg.): -. Fünfzig Jahre deutschsprachi-
ger Literatur in Aspekten, Amsterdam/Atlanta , S. -.
Herzinger, Richard: Im deutschen Verhängnis. Ernst Niekischs Grenzgängertum,
in: Sinn und Form  (), S. -.
Herzinger, Richard: Deus abscondidus im Feuerschein der Explosion. Mystische
Elemente im Denken der Konservativen Revolution, in: Gruber (Hg.): Erfah-
rung und System, S. -.
Herzinger, Richard: Wachtposten in der Götternacht des Nihilismus. Der melancho-
lische Heroismus der Konservativen Revolution in: Heidbrink, Ludger (Hg.):
Entzauberte Zeit. Der melancholische Geist der Moderne, München/Wien ,
S. -.
Herzinger, Richard: Kulturkrieg und utopische Gemeinschaft. Die »Konservative
Revolution« als deutscher antiwestlicher Gegenmodernismus, in: Eickhoff/Ko-
rotin (Hg.), Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe, S. -.
Herzinger, Richard: Ein extremistischer Zuschauer. Ernst von Salomon. Konservativ-
revolutionäre Literatur zwischen Tatrhetorik und Resignation, in: Zeitschrift für
Germanistik, N.F.  (), S. -.
Heß, Jürgen C./Lehmann, Hartmut/Sellin, Volker (Hg.): Heidelberg , Stuttgart
.
Heukenkamp, Ursula (Hg.): Schuld und Sühne? Kriegserlebnis und Kriegsdeutung
in deutschen Medien der Nachkriegszeit (-), Amsterdam/Atlanta .
Heyer, Ralf: »Die Maschine ist kein glücksspendender Gott.« Fortschrittsskeptizis-
mus und ökologische Visionen im Werk von Friedrich Georg Jünger, Stuttgart
.
 

Hietala, Marjatta: Der Neue Nationalismus in der Publizistik Ernst Jüngers und des
Kreises um ihn -, Helsinki .
Hodge, Joanna: Heidegger and Ethics, London/New York .
Hoeges, Dirk: Kontroverse am Abgrund. Ernst Robert Curtius und Karl Mann-
heim. Intellektuelle und »freischwebende Intelligenz« in der Weimarer Republik,
Frankfurt a. M. .
Hoeges, Dirk: Die wahre Leidenschaft des . Jahrhunderts ist die Knechtschaft.
Die Nationalintellektuellen contra Menschen- und Bürgerrechte: Ernst Jünger,
Martin Heidegger, Carl Schmitt, in: Bialas/Iggers (Hg.), Intellektuelle in der
Weimarer Republik, S. -.
Hof, Walter: Der Weg zum heroischen Realismus. Pessimismus und Nihilismus in
der deutschen Literatur von Hamerling bis Benn, Bebenhausen .
Hollerbach, Alexander: Im Schatten des Jahres . Erik Wolf und Martin Heideg-
ger, in: Schramm/Martin (Hg.), Martin Heidegger, S. -.
Holmes, Stephen: Die Anatomie des Antiliberalismus, Hamburg .
Horn, Eva: »Waldgänger«, Traitor, Partisan. Figures of Political Irregularity in West
German Postwar Thought, in: The New Centennial Review  () , S. -.
Hübinger, Gangolf: Die europäischen Intellektuellen -, in: Neue Politische
Literatur  (), S. -.
Hübinger, Gangolf: Säkulare Zeitwendung und »konservative Revolution«. Zur Po-
litik mit historischem Epochenbewußtsein, in: Neue Politische Literatur  (),
S. -.
Hübinger, Gangolf: Die Tat und der Tat-Kreis. Politische Entwürfe und intellektuelle
Konstellationen, in: Grunewald, Michel/Puschner, Uwe (Hg.): Le milieu intellec-
tuel conservateur en Allemagne, sa presse et ses réseaux (-) / Das konser-
vative Intellektuellenmilieu in Deutschland, seine Presse und seine Netzwerke
(-), Bern , S. -.
Hübinger, Gangolf/Hertfelder, Thomas (Hg.): Kritik und Mandat. Intellektuelle in
der deutschen Politik, Stuttgart .
Hüppauf, Bernd: Schlachtenmythen und die Konstruktion des »Neuen Menschen«,
in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hg.): »Keiner fühlt sich hier
mehr als Mensch …« Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Frankfurt
a. M. , S. -.
Hüppauf, Bernd: Whereof Ernst Jünger Cannot Speak, Thereof He Can Also Not
Be Silent. An Early Example of »Forgetting« the Holocaust, in: Bonnell, An-
drew/Munro, Gregory/Travers, Martin (Hg.): Power, Conscience, and Opposi-
tion. Essays in Honour of John A. Moses, New York u. a. , S. -.
Hüppauf, Bernd: Unzeitgemäßes über den Krieg. Ernst Jünger: Strahlungen (-
), in: Wagener, Hans (Hg.): Von Böll bis Buchheim. Deutsche Kriegsprosa
nach , Amsterdam/Atlanta , S. -.
Huyssen, Andreas: Fortifying the Heart – Totally. Ernst Jünger’s Armored Texts, in:
New German Critique  () , S. -.
Ibáñez-Noé, Javier A.: Heidegger, Nietzsche, Jünger, and the Interpretation of the
Contemporary Age, in: The Southern Journal of Philosophy  (), S. -.
Irlenborn, Bernd: Der Ingrimm des Aufruhrs. Heidegger und das Problem des Bösen,
Wien .
 -  

Jahnke, Helmut: Edgar Julius Jung. Ein konservativer Revolutionär zwischen Tradi-
tion und Moderne, Pfaffenweiler .
Jamme, Christoph (Hg.): Grundlinien der Vernunftkritik, Frankfurt a. M. .
Jamme, Christoph/Harries, Karsten (Hg.): Martin Heidegger. Kunst, Politik, Tech-
nik, München .
Janicaud, Dominique: Heidegger en France,  Bde, Paris .
Kabermann, Friedrich: Widerstand und Entscheidung eines deutschen Revolutio-
närs. Leben und Werk von Ernst Niekisch, Köln .
Kadereit, Ralf: Karl Jaspers und die Bundesrepublik Deutschland. Politische Gedan-
ken eines Philosophen, Paderborn u. a. .
Kaempfer, Wolfgang: Gewalt und Wohlverhalten. Ernst Jünger und Die Revolte der
Moderne, in: Text+Kritik, Heft /, Januar , S. -.
Kaes, Anton: The Cold Gaze. Notes on Mobilization and Modernity, in: New
German Critique  () , S. -.
Kapferer, Norbert: Entschlossener Wille zur Gegen-Macht. Heideggers frühe Nietz-
sche-Rezeption -, in: Althaus, Gabriele/Staeuble, Irmingard (Hg.):
Streitbare Philosophie. Festschrift für Margherita von Brentano, Berlin ,
S. -.
Katzmann, Volker: Ernst Jüngers magischer Realismus, Hildesheim/New York .
Keller, Ernst: Wrestling with an Old Trauma. Ernst Jünger’s Changing Perception of
Destructiveness, in: Aumla  (), S. -.
Keller, Ernst. Ernst Jüngers Auf den Marmorklippen – eine Erzählung und ihre Kritiker,
in: Dunne, Kerry/Campbell, Ian R. (Hg.): Unravelling the Labyrinth. Decoding
Text and Language. Festschrift für Eric Lowson Marson, Bern/Frankfurt a. M.
, S. -.
Kemper, Peter (Hg.): Martin Heidegger – Faszination und Erschrecken. Die politi-
sche Dimension einer Philosophie, Frankfurt a. M./New York .
Ketelsen, Uwe-Karsten: Ernst Jüngers Der Arbeiter – Ein faschistisches Modernitäts-
konzept, in: Brackert, Helmut/Wefelmeyer, Fritz (Hg.): Kultur. Bestimmungen
im . Jahrhundert, Frankfurt a. M. , S. -.
Ketelsen, Uwe-Karsten: »Nun werden nicht nur historische Strukturen gesprengt,
sondern auch deren mythische und kultische Voraussetzungen.« Zu Ernst Jün-
gers Die totale Mobilmachung () und Der Arbeiter (), in: Müller/Segeberg
(Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Kiesel, Helmuth: Ernst Jüngers Marmor-Klippen. »Renommier«- und Problem»-
buch der  Jahre«, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen
Literatur  (), S. -.
Kiesel, Helmuth: Wissenschaftliche Diagnose und dichterische Vision der Moderne.
Max Weber und Ernst Jünger, Heidelberg .
Kiesel, Helmuth: Zwischen Kritik und Affirmation. Ernst Jüngers Auseinander-
setzung mit dem Nationalsozialismus, in: Rüther, Günter (Hg.): Literatur in der
Diktatur. Schreiben im Nationalsozialismus und DDR-Sozialismus, Paderborn/
München/Wien , S. -.
Kiesel, Helmuth: Ernst Jüngers »Fruktifizierung des eigenen Briefwechsels« für
Werk und Nimbus, in: Schöttker, Detlev (Hg.): Adressat: Nachwelt. Brief und
Autorschaft, Paderborn  (im Erscheinen).
 

Kirkbright, Suzanne: Karl Jaspers. A Biography. Navigations in Truth, New Haven/


London .
Kirkbright, Suzanne: Intellectuals of Our Time. The Humanist Approach of Karl
Jaspers and Hannah Arendt, in: Hartung, Gerald/Schiller, Kay (Hg.): Welt-
offener Humanismus. Philosophie, Philologie und Geschichte in der deutsch-
jüdischen Emigration, Bielefeld , S. -.
Kisiel, Theodore: Der sozio-logische Komplex der Geschichtlichkeit des Daseins.
Volk, Gemeinschaft, Generation, in: Weiß, Johannes (Hg.): Die Jemeinigkeit des
Mitseins. Die Daseinsanalytik Martin Heideggers und die Kritik der reinen so-
ziologischen Vernunft, Konstanz , S. -.
Kiss, Endre: Die Stellung der Nietzsche-Deutung bei der Beurteilung der Rolle und
des Schicksals Martin Heideggers im Dritten Reich, in: Papenfuss/Pöggeler (Hg.),
Zur philosophischen Aktualität, Bd. , S. -.
Kittsteiner, Heinz Dieter: Heideggers Amerika als Ursprungsort der Weltverdüste-
rung, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie  (), S. -.
Kittsteiner, Heinz Dieter: Die Stufen der Moderne, in: Rohbeck, Johannes/Nagl-
Docekal, Herta (Hg.): Geschichtsphilosophie und Kulturkritik. Historische und
systematische Studien, Darmstadt , S. -.
Kittsteiner, Heinz Dieter: Mit Marx für Heidegger – Mit Heidegger für Marx, Mün-
chen .
Kittsteiner, Heinz Dieter: Die Generationen der »Heroischen Moderne«. Zur kollek-
tiven Verständigung über eine Grundaufgabe, in: Jureit, Ulrike/Wildt, Michael
(Hg.): Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs, Ham-
burg , S. -.
Kleinschmidt, Sebastian: Theologischer Abenteurer. Gerhard Nebels Jünger-Bild,
in: Figal/Knapp (Hg.), Verwandtschaften, S. -.
Klemperer, Klemens von: Germany’s New Conservatism. Its History and Dilemma
in the Twentieth Century, Princeton .
Klostermann, Vittorio E. (Hg.): Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. -.
Verlagsgeschichte und Bibliographie, Frankfurt a. M. .
Klotzbücher, Alois: Der politische Weg des Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, in
der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Geschichte der »Nationalen Opposition«
-, Erlangen .
Knebel, Hermann: ›Fassungen‹. Zu Überlieferungsgeschichte und Werkgenese von
Ernst Jüngers ›In Stahlgewittern‹, in: Segeberg (Hg.), Wert der Arbeit, S. -.
Knoch, Habbo: Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erin-
nerungskultur, Hamburg .
Knoche, Stefan: Benjamin – Heidegger. Über Gewalt. Die Politisierung der Kunst,
Wien .
Koebner, Thomas (Hg.): Weimars Ende. Prognosen und Diagnosen in der deut-
schen Literatur und politischen Publizistik -, Frankfurt a. M. .
Koebner, Thomas: Die Erwartung der Katastrophe. Zur Geschichtsprophetie des
›neuen Konservativismus‹ (O. Spengler, E. Jünger), in: ders. (Hg.), Weimars Ende,
S. -.
Köhler, Kai: Nach der Niederlage. Der deutsche Faschismus, Ernst Jünger und der
Gordische Knoten, in: Hagestedt (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
 -  

König, Helmut: Von der Masse zur Individualisierung. Die Modernisierung des
Konservatismus in der Bundesrepublik, in: Leviathan  (), S. -.
Kondylis, Panajotis: Konservatismus. Geschichtlicher Gehalt und Untergang, Stutt-
gart .
Koonz, Claudia: The Nazi Conscience, Cambridge, Mass./London .
Korotin, Ilse (Hg.): »Die besten Geister der Nation«. Philosophie und Nationalso-
zialismus, Wien .
Koschorke, Albrecht: Der Traumatiker als Faschist. Ernst Jüngers Essay »Über den
Schmerz«, in: Mülder-Bach, Inka (Hg.): Modernität und Trauma. Beiträge zum
Zeitenbruch des Ersten Weltkrieges, Wien , S. -.
Koslowski, Peter: Der Mythos der Moderne. Die dichterische Philosophie Ernst
Jüngers, München .
Koslowski, Peter: Die Rückkehr des Titanen Mensch zur Erde und das Ende der ›Ge-
schichte‹. Jüngers Essay ›An der Zeitmauer‹ (), in: Müller/Segeberg (Hg.),
Ernst Jünger, S. -.
Koslowski, Peter: Motive der Gnosis bei Ernst Jünger, in: Études Germaniques 
(), S. -.
Koslowski, Peter (Hg.): Die großen Jagden des Mythos. Ernst Jünger in Frankreich,
München .
Krah, Hans: Die Apokalypse als literarische Technik. Ernst Jüngers Heliopolis ()
im Schnittpunkt denk- und diskursgeschichtlicher Paradigmen, in: Hagestedt
(Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Krockow, Christian Graf von: Die Entscheidung. Eine Untersuchung über Ernst
Jünger, Carl Schmitt, Martin Heidegger, Stuttgart .
Krömer, Felix: Die Handschriften von Ernst Jüngers Pariser Tagebüchern – ste-
reoskopisch betrachtet, in: Zeitschrift für Germanistik, N. F.  (), S. -
.
Kroll, Frank-Lothar: Nationalsozialistische Rassenutopien in der Deutungskultur
der Zwischenkriegszeit, in: Hardtwig (Hg.), Utopie, S. -.
Krüger, Gabriele: Die Brigade Ehrhardt, Hamburg .
Kunicki, Wojciech: Projektionen des Geschichtlichen. Ernst Jüngers Arbeit an den
Fassungen von »In Stahlgewittern«, Frankfurt a. M. .
Kurucz, Jenö: Struktur und Funktion der Intelligenz während der Weimarer Repub-
lik, Köln .
Laak, Dirk van: Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der
politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin .
Laak, Dirk van: »Nach dem Sturm schlägt man auf die Barometer ein …« Rechts-
intellektuelle Reaktionen auf das Ende des »Dritten Reiches«, in: Werkstatt-
Geschichte  (), S. -.
Laak, Dirk van: Trotz und Nachurteil. Rechtsintellektuelle im Anschluß an das
»Dritte Reich«, in: Loth/Rusinek (Hg.), Verwandlungspolitik, S. -.
Laak, Dirk van: From the Conservative Revolution to Technocratic Conservatism,
in: Müller (Hg.), German Ideologies, S. -.
Laak, Dirk van: Zur Soziologie der geistigen Umorientierung. Neuere Literatur zur
intellektuellen Verarbeitung zeitgeschichtlicher Zäsuren, in: Neue Politische
Literatur  (), S. -.
 

Lang, Berel: Heidegger’s Silence and the Jewish Question, in: Milchman/Rosenberg
(Hg.), Heidegger and the Holocaust, S. -.
Lang, Berel: Heidegger’s Silence, Ithaca/London .
Langenegger, Detlev: Gesamtdeutungen moderner Technik. Moscovici, Ropohl,
Ellul, Heidegger. Eine interdiskursive Problemsicht, Würzburg .
Laugstien, Thomas: Philosophieverhältnisse im deutschen Faschismus, Hamburg
.
Laurien, Ingrid: Politisch-kulturelle Zeitschriften in den Westzonen -. Ein
Beitrag zur politischen Kultur der Nachkriegszeit, Frankfurt a. M. u. a. .
Leaman, George: Heidegger im Kontext. Gesamtüberblick zum NS-Engagement
der Universitätsphilosophie, Hamburg .
Leaman, George: Strategies of Deception. The Composition of Heidegger’s Silence,
in: Milchman/Rosenberg (Hg.), Heidegger and the Holocaust, S. -.
Lenk, Kurt: Deutscher Konservatismus, Frankfurt a. M./New York .
Lenk, Kurt/Meuter, Günter/Otten, Henrique Ricardo: Vordenker der Neuen Rech-
ten, Frankfurt a. M./New York .
Lethen, Helmut: Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen,
Frankfurt a. M. .
Lethen, Helmut: Der Habitus der Sachlichkeit in der Weimarer Republik, in: Weyer-
graf (Hg.), Literatur der Weimarer Republik, S. -.
Lethen, Helmut: Die elektrische Flosse Leviathans. Ernst Jüngers Elektrizität, in:
Emmerich/Wege (Hg.), Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära, S. -.
Lethen, Helmut: Drei Männer im Schutt. Gottfried Benn, Ernst Jünger und Carl
Schmitt. Eine Episode aus der Nachkriegszeit, in: Lüdke, Martin/Schmidt, Delf
(Hg.): Der neue amerikanische Roman (Literaturmagazin ), Reinbek bei Ham-
burg , S. -.
Lethen, Helmut: Jüngers Desaster im Kaukasus, in: Wimbauer (Hg.), Anarch, S. -
.
Lethen, Helmut: Der Sound der Väter. Gottfried Benn und seine Zeit, Berlin .
Liebchen, Gerda: Ernst Jünger. Seine literarischen Arbeiten in den zwanziger Jahren.
Eine Untersuchung zur gesellschaftlichen Funktion von Literatur, Bonn .
Lilla, Mark: The Reckless Mind. Intellectuals in Politics, New York .
Linden, Marcel van der/Mergner, Gottfried (Hg.): Kriegsbegeisterung und mentale
Kriegsvorbereitung. Interdisziplinäre Studien, Berlin .
Lindner, Burkhardt: Technische Reproduzierbarkeit und Kulturindustrie. Benjamins
»Positives Barbarentum« im Kontext, in: ders. (Hg.): »Links hatte noch alles sich
zu enträtseln …«. Walter Benjamin im Kontext, Frankfurt a. M. , S. -.
Lindner, Martin: Leben in der Krise. Zeitromane der Neuen Sachlichkeit und die
intellektuelle Mentalität der klassischen Moderne, Stuttgart/Weimar .
Llanque, Marcus: Politische Theorie in politischer Heimatlosigkeit: Walter Benja-
min und Ernst Jünger, in: Bialas/Iggers (Hg.), Intellektuelle in der Weimarer
Republik, S. - .
Löffler, Thomas: Anverwandlung als gegenwartsdiagnostische Sinnkonstruktion. Ernst
Jünger und die hermetische Tradition, in: Trepp, Anne-Charlott/Lehmann, Hart-
mut (Hg.): Antike Weisheit und kulturelle Praxis. Hermetismus in der Frühen
Neuzeit, Göttingen , S. -.
 -  

Lohmeier, Anne-Marie: Geschichtsdeutung und Selbstverständnis der westdeut-


schen Intelligenz in den frühen Nachkriegsjahren. Konsensbildung in den poli-
tisch-kulturellen Zeitschriften -, in: Germanistentreffen Bundesrepub-
lik Deutschland – Polen, ..-... Dokumentation der Tagungsbeiträge,
Bonn , S. -.
Lokatis, Siegfried: Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches Buchmarketing im »Drit-
ten Reich«, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens  (), S. -.
Loos, Stephan/Zaborowski, Holger (Hg.): Leben, Tod und Entscheidung. Studien
zur Geistesgeschichte der Weimarer Republik, Berlin .
Losurdo, Domenico: Heidegger and Hitler’s War, in: Rockmore/Margolis (Hg.),
Heidegger Case, S. -.
Losurdo, Domenico: Die Gemeinschaft, der Tod, das Abendland. Heidegger und
die Kriegsideologie, Stuttgart/Weimar .
Loth, Wilfried/Rusinek, Bernd-A. (Hg.): Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der
westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Frankfurt a. M./New York .
Lübbe, Hermann: Der Nationalsozialismus im politischen Bewußtsein der Gegenwart,
in: Broszat, Martin u. a. (Hg.): Deutschlands Weg in die Diktatur. Internationale
Konferenz zur nationalsozialistischen Machtübernahme, Berlin , S. -.
Lübbe, Hermann: Oswald Spenglers »Preußentum und Sozialismus« und Ernst
Jüngers »Arbeiter«, in: Demandt, Alexander/Farrenkopf, John (Hg.): Der Fall
Spengler. Eine kritische Bilanz, Köln/Weimar/Wien , S. -.
Lübbe, Hermann: Kollektivschuld. Funktionen eines moralischen und juridischen
Unbegriffs, in: Rechtshistorisches Journal  (), S. -.
Lüdtke, Alf: Der Bann der Wörter: »Todesfabriken«. Vom Reden über den NS-Völker-
mord – das auch ein Verschweigen ist, in: WerkstattGeschichte  (), S. -.
Mai, Gunther: Europa -. Mentalitäten, Lebensweisen, Politik zwischen den
Weltkriegen, Stuttgart/Berlin/Köln .
Malinowski, Stephan: Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische
Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat, Berlin
.
Mannheim, Karl: Konservativismus. Ein Beitrag zur Soziologie des Wissens, Frank-
furt a. M. .
Mannheim, Karl: Ideologie und Utopie, . Aufl., Frankfurt a. M. .
Manning, Robert John Shefffler: The Cries of Others and Heidegger’s Ear. Remarks
on the Agriculture Remark, in: Milchman/Rosenberg (Hg.), Heidegger and the
Holocaust, S. -.
Marten, Rainer: Heideggers Heimat. Eine philosophische Herausforderung, in:
Guzzoni, Ute (Hg.): Nachdenken über Heidegger. Eine Bestandsaufnahme, Hil-
desheim , S. -.
Marten, Rainer: Ein rassistisches Konzept von Humanität, in: Badische Zeitung,
./. Dezember .
Marten, Rainer: Heideggers Geist, in: Altwegg (Hg.), Heidegger Kontroverse,
S. -.
Marten, Rainer: Heidegger Lesen, München .
Martin, Bernd (Hg.): Martin Heidegger und das ›Dritte Reich‹. Ein Kompendium,
Darmstadt .
 

Martin, Bernd: Martin Heidegger und der Nationalsozialismus – der historische


Rahmen, in: ders. (Hg.), Kompendium, S. -.
Martin, Bernd: Universität im Umbruch. Das Rektorat Heidegger /, in: John,
Eckhard u. a. (Hg.): Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialis-
mus, Freiburg/Würzburg , S. -.
Martin, Bernd: Heidegger und die Reform der deutschen Universität, in: Schramm/
ders. (Hg.), Martin Heidegger, S. -.
Martin, Bernd/Schramm, Gottfried: Ein Gespräch mit Max Müller, in: dies. (Hg.),
Martin Heidegger, S. -.
Martus, Steffen: Ernst Jünger, Stuttgart/Weimar .
Martus, Steffen: Scheitern als Chance. Ernst Jüngers Kunst der Niederlage, in:
Hagestedt (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Matz, Wolfgang: Nach der Katastrophe. Jünger und Heidegger, in: Text+Kritik, Heft
/, Januar , S. -.
McCormick, John P.: Carl Schmitt’s Critique of Liberalism. Against Politics as Tech-
nology, Cambridge u. a. .
McCormick, John P.: A Critical versus Genealogical »Questioning« of Technology.
Notes on How Not to Read Adorno and Horkheimer, in: ders. (Hg.): Confron-
ting Mass Democracy and Industrial Technology. Political and Social Theory
from Nietzsche to Habermas, Durham/London , S. -.
McNeill, Will: Heimat. Heidegger on the Threshold, in: Risser, James (Hg.): Heideg-
ger Toward the Turn. Essays on the Work of the s, Albany , S. -.
Mehring, Reinhard: Heideggers Überlieferungsgeschick. Eine dionysische Inszenie-
rung, Würzburg .
Mehring, Reinhard: Der philosophische Führer und der Kronjurist. Praktisches
Denken und geschichtliche Tat von Martin Heidegger und Carl Schmitt, in:
Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 
(), S. -.
Mehring, Reinhard: Vergangenheitsbewältigung bei Carl Schmitt, in: Bialas/Gangl
(Hg.), Intellektuelle im Nationalsozialismus, S. -.
Mehring, Reinhard: Carl Schmitt zur Einführung, Hamburg .
Mehring, Reinhard: Heidegger und Karl Jaspers. Zerfall einer »Kampfgemeinschaft«,
in: Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch, S. -.
Meinl, Susanne: Nationalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutionäre Oppo-
sition um Friedrich Wilhelm Heinz, Berlin .
Mende, Dirk: »Brief über den ›Humanismus‹«. Zu den Metaphern der späten Seins-
philosophie, in: Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch, S. -.
Mergel, Thomas: Das Scheitern des deutschen Tory-Konservatismus. Die Umfor-
mung der DNVP zu einer rechtsradikalen Partei -, in: Historische Zeit-
schrift  (), S. -.
Merlio, Gilbert: Der so genannte ›heroische Realismus‹ als Grundhaltung des Wei-
marer Neokonservatismus, in: Gangl/Raulet (Hg.), Intellektuellendiskurse in
der Weimarer Republik, S. -.
Merlio, Gilbert: Jünger und Spengler, in: Koslowski (Hg.), Jagden, S. -.
Meuter, Günter/Otten, Henrique Ricardo (Hg.): Der Aufstand gegen den Bürger.
Antibürgerliches Denken im . Jahrhundert, Würzburg .
 -  

Meuter, Günter/Otten, Henrique Ricardo: Einleitung. Der Bürger im Spiegelkabinett


seiner Feinde, in: dies. (Hg.), Aufstand gegen den Bürger, S. -.
Meyer, Ahlrich: Kleistische Prosa oder Polizeibericht? Anmerkungen zu Ernst Jün-
gers Denkschrift »Zur Geiselfrage«, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 
(), S. -.
Meyer, Martin: Ernst Jünger, München .
Meyer, Thomas: Die innere Wahrheit und Größe dieser Bewegung. Außer Wesen
nichts gewesen? Heute vor  Jahren eröffnete Jürgen Habermas einen Streit um
Heidegger und die seinsgeschichtliche Bewältigung des Nationalsozialismus, in:
Süddeutsche Zeitung, . Juli .
Meyer, Thomas: Denker für Hitler? Emmanuel Faye hat ein wildes Enthüllungsbuch
über den Philosophen Martin Heidegger geschrieben, in: Die Zeit, . Juli .
Milchman, Alan/Rosenberg, Alan (Hg.): Martin Heidegger and the Holocaust,
Atlantic Highlands, N. J. .
Milchman, Alan/Rosenberg, Alan: Heidegger, Planetary Technics, and the Holo-
caust, in: dies. (Hg.), Heidegger and the Holocaust, S. -.
Milchman, Alan/Rosenberg, Alan: Martin Heidegger und die deutsche Universität.
Radikalismus und Konformität, in: Bialas/Iggers (Hg.), Intellektuelle in der Wei-
marer Republik, S. -.
Minder, Robert: Heidegger und Hebel oder die Sprache von Meßkirch, in: ders.:
Dichter in der Gesellschaft. Erfahrungen mit deutscher und französischer Litera-
tur, Frankfurt a. M. , S. -.
Mitchell, Andrew: Praxis and Gelassenheit. The »Practice« of the Limit, in: Raffoul/
Pettigrew (Hg.), Heidegger and Practical Philosophy, S. -.
Moeller, Robert G.: War Stories. The Search for a Usable Past in the Federal Repub-
lic of Germany, Berkely 
Moeller, Robert G.: Deutsche Opfer, Opfer der Deutschen. Kriegsgefangene, Ver-
triebene, NS-Verfolgte. Opferausgleich als Identitätspolitik, in: Naumann, Klaus
(Hg.): Nachkrieg in Deutschland, Hamburg , S. -.
Mommsen, Hans: Generationskonflikt und Jugendrevolte in der Weimarer Repub-
lik, in: Koebner, Thomas/Janz, Rolf-Peter/Trommler, Frank (Hg.): »Mit uns zieht
die neue Zeit«. Der Mythos der Jugend, Frankfurt a. M. , S. -.
Mommsen, Hans: Die Auflösung des Bürgertums seit dem späten . Jahrhundert,
in: ders.: Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Ausgewählte
Aufsätze, Reinbek bei Hamburg , S. -.
Mommsen, Hans (Hg.): Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsord-
nung. Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik, Köln .
Mommsen, Hans: Generationenkonflikt und politische Entwicklung in der Weima-
rer Republik, in: Reulecke (Hg.), Generationalität, S. -.
Moran, Dermot: Die Destruktion der Destruktion. Heideggers Versionen der Ge-
schichte der Philosophie, in: Jamme/Harries (Hg.), Martin Heidegger, S. -.
Morat, Daniel: Die schmerzlose Körpermaschine und das zweite Bewußtsein. Ernst
Jüngers »Über den Schmerz«, in: Jahrbuch zur Kultur und Literatur der Weima-
rer Republik  (), S. -.
Morat, Daniel: Intellektuelle in Deutschland. Neue Literatur zur intellectual history
des . Jahrhunderts, in: Archiv für Sozialgeschichte  (), S. -.
 

Morat, Daniel: Der Sprung in den anderen Anfang. Martin Heidegger und die deut-
sche Universität nach , in: Weisbrod (Hg.), Akademische Vergangenheits-
politik, S. -.
Morat, Daniel: Die innere Medialität des Beobachtens. Benjamin, Kracauer und
Jünger in der Zwischenkriegszeit, in: Knoch, Habbo/ders. (Hg.): Kommunika-
tion als Beobachtung. Medienwandel und Gesellschaftsbilder -, Mün-
chen , S. -.
Morat, Daniel: Körper im Schmerz/Schmerz im Bild. Ernst Jüngers (In-)Differenz,
in: Jagow Bettina von/Steger Florian (Hg.), Differenzerfahrung und Selbst. Be-
wußtsein und Wahrnehmung in Literatur und Geschichte des . Jahrhunderts,
Heidelberg , S. -.
Morat, Daniel: Techniken der Verschwiegenheit. Esoterische Gesprächskommuni-
kation nach  bei Ernst und Friedrich Georg Jünger, Carl Schmitt und Martin
Heidegger, in: Föllmer, Moritz (Hg.): Sehnsucht nach Nähe. Interpersonale
Kommunikation in Deutschland seit dem . Jahrhundert, Stuttgart ,
S. -.
Moreau, Patrick: Nationalsozialismus von links. Die »Kampfgemeinschaft Revolu-
tionärer Nationalisten« und die »Schwarze Front« Otto Straßers -, Mün-
chen .
Mosse, George L.: The Crisis of the German Ideology. Intellectual Origins of the
Third Reich, New York .
Mosse, George L.: Gefallen für das Vaterland. Nationales Heldentum und namen-
loses Sterben, Stuttgart .
Mottel, Helmut: »Vor Acitum«. Ernst Jünger im Kontext der prophetischen Litera-
tur nach , in: Bia∏ek, Edward/Durzak, Manfred/Zybura, Marek (Hg.): Lite-
ratur im Zeugenstand. Beiträge zur deutschsprachigen Literatur- und Kulturge-
schichte, Frankfurt a. M. , S. -.
Mühleisen, Horst: Bibliographie der Werke Ernst Jüngers. Begründet von Hans
Peter des Coudres, Stuttgart .
Mühleisen, Horst: Ernst Jünger in Berlin -, Frankfurt an der Oder .
Müller, Hans-Harald: Der Krieg und die Schriftsteller. Der Kriegsroman der Wei-
marer Republik, Stuttgart .
Müller, Hans-Harald: »Im Grunde erlebt jeder seinen eigenen Krieg«. Zur Bedeu-
tung des Kriegserlebnisses im Frühwerk Ernst Jüngers, in: ders./Segeberg (Hg.),
Ernst Jünger, S. -.
Müller, Hans-Harald: Wandel und Konstanz im Frühwerk Ernst Jüngers, in: Les
Carnets Ernst Jünger  (), S. -.
Müller, Hans-Harald/Segeberg, Harro (Hg.): Ernst Jünger im . Jahrhundert,
München .
Müller, Jan-Werner: A Dangerous Mind. Carl Schmitt in Post-War European Thought,
New Haven .
Müller, Jan-Werner (Hg.): German Ideologies Since . Studies in the Political
Thought and Culture of the Bonn Republic, New York .
Müller, Tim B.: Bearing Witness to the Liquidation of Western Dasein. Herbert
Marcuse and the Holocaust -, in: New German Critique  () ,
S. -.
 -  

Müller-Lauter, Wolfgang: Heidegger und Nietzsche. Nietzsche-Interpretationen III,


Berlin/New York .
Müller-Seidel, Walter: Krisenjahre des Humanismus. Wissenschaft und Literatur in
der Weimarer Republik, in: Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften zu Göt-
tingen , S. -.
Muller, Jerry Z.: The Other God that Failed. Hans Freyer and the Deradicalization
of German Conservatism, Princeton .
Mulsow, Martin/Stamm, Marcelo (Hg.): Konstellationsforschung, Frankfurt a. M.
.
Nassehi, Armin: Die Form der Biographie. Theoretische Überlegungen zur Bio-
graphieforschung in methodologischer Absicht, in: BIOS  (), S. -.
Neaman, Elliot Y.: A Dubious Past. Ernst Jünger and the Politics of Literature after
Nazism, Berkeley u. a. .
Neske, Brigitte/Seng, Thomas (Hg.): Vierzig Jahre Verlag Günther Neske -,
Pfullingen .
Nevin, Thomas: Ernst Jünger and Germany. Into the Abyss, -, London .
Nickel, Gunther (Hg.): Literarische und politische Deutschlandkonzepte -
(Zuckmayer-Jahrbuch ), Göttingen .
Niethammer, Lutz: Posthistoire. Ist die Geschichte zu Ende?, Reinbek bei Hamburg
.
Niethammer, Lutz u. a.: Bürgerliche Gesellschaft in Deutschland. Historische Ein-
blicke, Fragen, Perspektiven, Frankfurt a. M. .
Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte -, Bd. : Arbeitswelt und Bürger-
geist, München .
Noack, Paul: Carl Schmitt. Eine Biographie, Frankfurt a. M./Berlin .
Noack, Paul: Ernst Jünger. Eine Biographie, Berlin .
Noack, Paul: Die Asymmetrie des Symmetrischen. Die Beziehungen von Ernst Jün-
ger und Carl Schmitt, in: Figal/Knapp (Hg.), Verwandtschaften, S. -.
Nolte, Ernst: Philosophisches im politischen Irrtum? Heideggers Rektorat im Um-
feld der Zeitgeschichte, in: Kemper (Hg.), Martin Heidegger, S. -.
Nolte, Paul: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbst-
beschreibung im . Jahrhundert, München .
Oexle, Otto Gerhard: »Zusammenarbeit mit Baal«. Über die Mentalität deutscher
Geisteswissenschaftler  – und nach , in: Historische Anthropologie 
(), S. -.
Oexle, Otto Gerhard: »Wirklichkeit« – »Krise der Wirklichkeit« – »Neue Wirklich-
keit«. Deutungsmuster und Paradigmenkämpfe in der deutschen Wissenschaft vor
und nach , in: Hausmann (Hg.), Rolle der Geisteswissenschaften, S. -.
Ohana, David: Nietzsche and Ernst Jünger. From Nihilism to Totalitarianism, in:
History of European Ideas  (), S. -.
Ohana, David: Niezsche and the Fascist Dimension. The Case of Ernst Jünger, in:
Golomb, Jacob/Wistrich, Robert S. (Hg.): Nietzsche, Godfather of Fascism? On
the Uses and Abuses of a Philosophy, Princeton/Oxford , S. -.
Olson, Alan M. (Hg.): Heidegger and Jaspers, Philadelphia .
Orozco, Teresa: Die Platon-Rezeption in Deutschland um , in: Korotin (Hg.),
»Die besten Geister der Nation«, S. -.
 

Ott, Hugo: Martin Heidegger und die Universität Freiburg nach . Ein Beispiel
für die Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit, in: Historisches
Jahrbuch  (), S. -.
Ott, Hugo: Biographische Gründe für Heideggers »Mentalität der Zerrissenheit«,
in: Kemper (Hg.), Martin Heidegger, S. -.
Ott, Hugo: Martin Heidegger. Unterwegs zu seiner Biographie, . Aufl., Frankfurt
a. M./New York .
Ott, Hugo: In der kleinen Skihütte zusammen philosophieren. Martin Heidegger
begrüßt Jean-Paul Sartre als Weggenossen und Wegbereiter, in: Frankfurter All-
gemeine Zeitung, . Januar .
Ott, Hugo/Grün, Bernd: Das Rektorat Heidegger. Ein schwieriges Kapitel der Frei-
burger Universitätsgeschichte, in: Freiburger Universitätsblätter  () ,
S. -.
Palmier, Jean-Michel: Les écrits politiques de Heidegger, Paris .
Papenbrock, Martin: Kurt Bauch in Freiburg -, in: Held, Jutta/ders. (Hg.):
Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus (Kunst und Poli-
tik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft ), Göttingen , S. -.
Papenfuss, Dietrich/Pöggeler, Otto (Hg.): Zur philosophischen Aktualität Martin
Heideggers, Bd. : Philosophie und Politik, Frankfurt a. M. .
Papenfuss, Dietrich/Pöggeler, Otto (Hg.): Zur philosophischen Aktualität Martin
Heideggers, Bd. : Im Gespräch der Zeit, Frankfurt a. M. .
Pekar, Thomas: »Organische Konstruktion«. Ernst Jüngers Idee einer Symbiose von
Mensch und Maschine, in: Strack (Hg.), Titan Technik, S. -.
Perrefort, Maria: Opfer und Gehorsam. Kritische Untersuchungen zur Struktur von
Heideggers Gelassenheitsidee, Würzburg .
Peukert, Detlev J. K.: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne,
Frankfurt a. M. .
Phelan, Anthony: (Hg.): The Weimar Dilemma. Intellectuals in the Weimar Repub-
lic, Manchester .
Phelan, Anthony: Some Weimar Theories of the Intellectual, in: ders. (Hg.), Wei-
mar Dilemma, S. -.
Philipp, Michael: Distanz und Anpassung. Sozialgeschichtliche Aspekte der Inneren
Emigration, in: Krohn, Claus-Dieter (Hg.): Aspekte der künstlerischen inneren
Emigration - (Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch ), Mün-
chen , S. -.
Pittwald, Michael: Ernst Niekisch. Völkischer Sozialismus, nationale Revolution,
deutsches Endimperium, Köln .
Plümacher, Martina: Philosophie nach  in der Bundesrepublik Deutschland,
Reinbek bei Hamburg .
Pöggeler, Otto: Den Führer führen? Heidegger und kein Ende, in: Philosophische
Rundschau  (), S. -.
Pöggeler, Otto: Heideggers politisches Selbstverständnis, in: Gethmann-Siefert/
ders. (Hg.), Heidegger, S. -.
Pöggeler, Otto: Der Denkweg Martin Heideggers, . Aufl., Pfullingen .
Pöggeler, Otto: Heidegger, Nietzsche, and Politics, in: Rockmore/Margolis (Hg.),
Heidegger Case, S. -.
 -  

Pöggeler, Otto: Von Nietzsche zu Hitler? Heideggers politische Optionen, in:


Schäfer (Hg.), Annäherungen, S. -.
Pöggeler, Otto: The Hermeneutics of the Technological World. The Heidegger-
Heisenberg Dispute, in: International Journal of Philosophical Studies  (),
S. -.
Pöggeler, Otto: Heidegger in seiner Zeit, München .
Polt, Richard: »Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis)«. Ein Sprung in die Wesung
des Seyns, in: Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch, S. -.
Pornschlegel, Clemens: Der literarische Souverän. Zur politischen Funktion der
deutschen Dichtung bei Goethe, Heidegger, Kafka und im George-Kreis, Frei-
burg .
Prehn, Ulrich: Deutungseliten – Wissenseliten. Zur historischen Analyse intellektu-
eller Prozesse, in: Führer, Karl Christian/Hagemann, Karen/Kundrus, Birthe (Hg.):
Eliten im Wandel. Gesellschaftliche Führungsschichten im . und . Jahrhun-
dert. Für Klaus Saul zum . Geburtstag, Münster , S. -.
Prümm, Karl: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus der er Jahre (-
). Gruppenideologie und Epochenproblematik,  Bde., Kronberg im Taunus
.
Puschner, Uwe: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache –
Rasse – Religion, Darmstadt .
Pyta, Wolfram: Die Deutschlandkonzepte Carl Schmitts, in: Nickel (Hg.), Deutsch-
landkonzepte, S. -.
Rabinbach, Anson: In the Shadow of Catastrophe. German Intellectuals between
Apocalypse and Enlightenment, Berkeley/Los Angeles/London .
Rabinbach, Anson: Restoring the German Spirit. Humanism and Guilt in Post-War
Germany, in: Müller (Hg.), German Ideologies, S. -.
Radloff, Bernhard: Heidegger and Carl Schmitt. The Historicity of the Political, in:
Heidegger Studies  (), S. - u.  (), S. -.
Rätsch-Langejürgen, Birgit: Das Prinzip Widerstand. Leben und Wirken von Ernst
Niekisch, Bonn .
Raffoul, François/Pettigrew, David (Hg.): Heidegger and Practical Philosophy, Albany
.
Raulff, Ulrich: »In unterirdischer Verborgenheit«. Das geheime Deutschland –
Mythogenese und Myzel. Skizzen zu einer Ideen- und Bildergeschichte, in:
Schlieben, Barbara/Schneider, Olaf/Schulmeyer, Kerstin (Hg.): Geschichtsbilder
im George-Kreis. Wege zur Wissenschaft, Göttingen , S. -.
Reemtsma, Jan Philipp: »Es schneet der Wind das Ärgste zu«. Ernst Jünger im Kau-
kasus, in: ders.: Mord am Strand. Allianzen von Zivilisation und Barbarei. Auf-
sätze und Reden, Hamburg , S. -.
Reichardt, Sven: »Märtyrer« der Nation. Überlegungen zum Nationalismus in der
Weimarer Republik, in: Echternkamp, Jörg/Müller, Sven Oliver (Hg.): Die Poli-
tik der Nation. Deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen -, Mün-
chen , S. -.
Reimann, Bruno W.: »… die Feder durch das Schwert ersetzen …«. Ernst Jüngers
politische Publizistik  bis , Marburg .
Reinhold, Ursula: Ernst Jünger: »Der Friede« – ein Beitrag zum Frieden?, in: Bock,
 

Sigrid/Klein, Wolfgang/Scholze, Dietrich (Hg.): Die Waffen nieder! Schriftstel-


ler in den Friedensbewegungen des . Jahrhunderts, Berlin , S. -.
Rentsch, Thomas: Martin Heidegger. Das Sein und der Tod. Eine kritische Einfüh-
rung, München .
Rentsch, Thomas (Hg.): Martin Heidegger. Sein und Zeit, Berlin .
Reulecke, Jürgen (Hg.): Generationalität und Lebensgeschichte im . Jahrhundert,
München .
Richter, Anton H.: A Thematic Approach to the Works of F. G. Jünger, Bern/Frank-
furt a. M. .
Riedel, Manfred: Nietzsche in Weimar. Ein deutsches Drama, Leipzig .
Riedel, Nicolai: Ernst-Jünger-Bibliographie. Wissenschaftliche und essayistische Bei-
träge zu seinem Werk (-), Stuttgart/Weimar .
Ringer, Fritz K.: Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine -
, Stuttgart .
Rockmore, Tom: Heidegger und der Nationalsozialismus: eine dreifache Kehre?, in:
Papenfuss/Pöggeler (Hg.), Zur philosophischen Aktualität, Bd. , S. -.
Rockmore, Tom: On Heidegger’s Nazism and Philosophy, London u. a. .
Rockmore, Tom: Heidegger’s French Connection and the Emperor’s New Clothes,
in: ders./Margolis (Hg.), Heidegger Case, S. -.
Rockmore, Tom: Die geschichtliche Kehre oder Otts Verdienst im Fall Heideggers,
in: Schäfer (Hg.), Annäherungen, S. -.
Rockmore, Tom/Margolis, Joseph (Hg.): The Heidegger Case. On Philosophy and
Politics, Philadelphia .
Rohkrämer, Thomas: Die Verzauberung der Schlange. Krieg, Technik und Zivilisa-
tionskritik beim frühen Ernst Jünger, in: Michalka, Wolfgang (Hg.): Der Erste
Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München/Zürich , S. -.
Rohkrämer, Thomas: Eine andere Moderne? Zivilisationskritik, Natur und Technik
in Deutschland -, Paderborn u. a. .
Rohkrämer, Thomas: Antimodernism, Reactionary Modernism and National Socia-
lism. Technocratic Tendencies in Germany, -, in: Contemporary Euro-
pean History  (), S. -.
Rohkrämer, Thomas: Cultural Criticism in Germany -, a Typology, in: Hi-
story of European Ideas  (), S. -.
Rohkrämer, Thomas: Kult der Gewalt und Sehnsucht nach Ordnung – Ernst Jünger
und der soldatische Nationalismus in der Weimarer Republik, in: Sociologus 
() /, S. -.
Rohkrämer, Thomas: Contemporary Environmentalism and its Links to the Germ-
an Past, in: Goodbody, Axel (Hg.): The Culture of German Environmentalism.
Anxieties, Visions, Realities, New York/Oxford , S. -.
Rohkrämer, Thomas: Strangelove, or How Ernst Jünger Learned to Love Total War,
in: Chickering, Roger/Förster, Stig (Hg.): The Shadows of Total War. Europe,
East Asia, and the United States, -, Cambridge u. a. , S. -.
Rohkrämer, Thomas: Martin Heidegger, National Socialism, and Environmenta-
lism, in: Brüggemeier, Franz-Josef/Cioc, Mark/Zeller, Thomas (Hg.): How Green
Were the Nazis? Nature, Environment, and Nation in the Third Reich, Athens
, S. -.
 -  

Rosales, Alberto: Zum Problem der Kehre im Denken Heideggers, in: Zeitschrift
für philosophische Forschung  (), S. -.
Rosales, Alberto: Heideggers Kehre im Lichte ihrer Interpretationen, in: Papenfuss/
Pöggeler (Hg.), Zur philosophischen Aktualität, Bd. , S. -
Rosellini, Jay Julian: Literary Skinheads? Writing from the Right in Reunified Ger-
many, West Lafayette, Indiana .
Rosenthal, Gabriele: Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus. Zwei Themen
ohne Zusammenhang? Ein Vergleich der Lebensgeschichten, in: dies. (Hg.): »Als
der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun.« Zur Gegenwärtigkeit
des »Dritten Reiches« in Biographien, Opladen , S. -.
Ruge, Undine: Regionen als organische Gemeinschaften. Der integralföderalistische
Diskurs in Deutschland nach , in: Knoch, Habbo (Hg.): Das Erbe der Pro-
vinz. Heimatkultur und Geschichtspolitik nach , Göttingen , S. -.
Rusinek, Bernd A.: Krieg als Sehnsucht. Militärischer Stil und »junge Generation«
in der Weimarer Republik, in: Reulecke (Hg.), Generationalität, S. -.
Safranski, Rüdiger: Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit, Frank-
furt a. M. .
Sánchez-Blanco, Francisco: Ortega y Gasset: Philosoph des Wiederaufbaus? An-
merkungen zu einer unbedachten Rezeption, in: Hermand, Jost/Peitsch, Helmut/
Scherpe, Klaus E. (Hg.): Nachkriegsliteratur in Westdeutschland, Bd. : Autoren,
Sprache, Traditionen, Berlin , S. -.
Saner, Hans: Aspekte der Heidegger Kritik von Karl Jaspers, in: Wisser (Hg.), Unter-
wegs, S. -.
Saner, Hans: Jaspers’ »Thesen zur Frage der Hochschulerneuerung« () in kritischem
Vergleich zu Heideggers Rektoratsrede, in: Salamun, Kurt (Hg.): Karl Jaspers.
Zur Aktualität seines Denkens, München/Zürich , S. -.
Sauer, Bernhard: Gerhard Roßbach – Hitlers Vertreter für Berlin. Zur Frühgeschichte
des Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für Geschichts-
wissenschaft  (), S. -.
Sauermann, Uwe: Ernst Niekisch. Zwischen allen Fronten. Mit einem bio-biblio-
graphischen Anhang von Armin Mohler, München/Berlin .
Sauermann, Uwe: Ernst Niekisch und der revolutionäre Nationalismus, München .
Schäfer, Hermann (Hg.): Annäherungen an Martin Heidegger. Festschrift für Hugo
Ott zum . Geburtstag, Frankfurt a. M./New York .
Scherb, Ute: »Dem Freiburger Studenten Alb. Leo Schlageter aus Schönau im
Schwarzwald«. Heldenverehrung an der Universität Freiburg, in: Freiburger Uni-
versitätsblätter  () , S. -.
Scherpe, Klaus R.: Dramatisierung und Entdramatisierung des Untergangs – zum
ästhetischen Bewußtsein von Moderne und Postmoderne, in: Huyssen, Andreas/
ders. (Hg.): Postmoderne. Zeichen eines kulturellen Wandels, Reinbek bei Ham-
burg , S. -.
Scherpe, Klaus R.: Ästhetische Militanz. Alfred Andersch und Ernst Jünger, in:
Müller/Segeberg (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Scheuer, Helmut: »Nimm doch Gestalt an« – Probleme einer modernen Schrift-
steller/innen-Biographik, in: Lühe, Irmela von der/Runge, Anita (Hg.): Biogra-
phisches Erzählen (Querelles ), S. -.
 

Schieb, Roswitha: Die Rezeption Ernst Jüngers nach , in: Jahrbuch der deut-
schen Schillergesellschaft  (), S. -.
Schildt, Axel: Radikale Antworten von rechts auf die Kulturkrise der Jahrhundert-
wende. Zur Herausbildung und Entwicklung der Ideologie einer »Neuen Rech-
ten« in der wilhelminischen Gesellschaft des Kaiserreichs, in: Jahrbuch für Anti-
semitismusforschung  (), S. -.
Schildt, Axel: Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und »Zeitgeist« in der Bun-
desrepublik der er Jahre, Hamburg .
Schildt, Axel: Konservatismus in Deutschland. Von den Anfängen im . Jahrhun-
dert bis zur Gegenwart, München .
Schildt, Axel: Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeutschen Ideen-
geschichte der er Jahre, München .
Schirnding, Albert von: Clemens und Sophie Dorothee Podewils. Eine Freundschaft
mit Ernst und Friedrich Georg Jünger, in: Figal/Knapp (Hg.), Verwandtschaften,
S. -.
Schivelbusch, Wolfgang: Die Kultur der Niederlage. Der amerikanische Süden ,
Frankreich , Deutschland , Frankfurt a. M. .
Schlich, Jutta: Geschichte(n) des Begriffs ›Intellektuelle‹, in: dies. (Hg.): Intellektuelle
im . Jahrhundert in Deutschland. Ein Forschungsreferat (Internationales Archiv
für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, . Sonderheft), Tübingen , S. -.
Schlosser, Jan T.: Lebenssteigerung. Zur zivilisationskritischen Problematik bei Ernst
Jünger, Kopenhagen/München .
Schmidt, Ina: Der Herr des Feuers. Friedrich Hielscher und sein Kreis zwischen
Heidentum, neuem Nationalismus und Widerstand gegen den Nationalsozialis-
mus, Köln .
Schnädelbach, Herbert: Philosophie in Deutschland -, Frankfurt a. M. .
Schnädelbach, Herbert: Politischer Existenzialismus – zur Vorgeschichte von ,
in: ders.: Zur Rehabilitierung des animal rationale. Vorträge und Abhandlungen,
Bd. , Frankfurt a. M. , S. -.
Schnädelbach, Herbert: Deutsche Philosophie seit , in: Prinz, Wolfgang/Wein-
gart, Peter (Hg.): Die sog. Geisteswissenschaften. Innenansichten, Frankfurt a. M.
, S. -.
Schneider, Christian: Identität und Identitätswechsel der Deutschen nach , in:
Loth/Rusinek (Hg.), Verwandlungspolitik, S. -.
Schneider, Manfred: Der Barbar. Endzeitstimmung und Kulturrecycling, München/
Wien .
Scholdt, Günter: Gescheitert an den Marmorklippen. Zur Kritik an Ernst Jüngers
Widerstandsroman, in: Zeitschrift für Deutsche Philologie  (), S. -.
Schramm, Gottfried/Martin, Bernd (Hg.): Martin Heidegger. Ein Philosoph und
die Politik, . erw. Aufl., Freiburg .
Schröter, Olaf: Es ist am Technischen viel Illusion. Die Technik im Werk Ernst Jün-
gers, Berlin .
Schröter, Olaf: Von den ›Titanen‹ zur ›Titanic‹. Der Titanenmythos bei Friedrich
Georg und Ernst Jünger, in: Strack (Hg.), Titan Technik, S. -.
Schüddekopf, Otto-Ernst: Linke Leute von rechts. Die nationalrevolutionären Min-
derheiten und der Kommunismus in der Weimarer Republik, Stuttgart .
 -  

Schulz, Petra Maria: Ästhetisierung von Gewalt in der Weimarer Republik, Münster
.
Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der Weimarer Republik. Kampf um die Straße
und Furcht vor dem Bürgerkrieg, Essen .
Schumann, Dirk: Europa, der Erste Weltkrieg und die Nachkriegszeit. Eine Kon-
tinuität der Gewalt?, in: Journal of Modern European History  (), S. -
.
Schuurman, Egbert: Technology and the Future. A Philosophical Challenge, Toronto
.
Schwan, Alexander: Politische Philosophie im Denken Heideggers, Köln/Opladen
.
Schwan, Alexander: Zeitkritik und Politik in Heideggers Spätphilosophie, in: Geth-
mann-Siefert/Pöggeler (Hg.), Heidegger, S. -.
Schwan, Alexander: Heideggers »Beiträge zur Philosophie« und die Politik, in: Jam-
me/Harries (Hg.), Martin Heidegger, S. -.
Schwarz, Hans-Peter: Der konservative Anarchist. Politik und Zeitkritik bei Ernst
Jünger, Freiburg .
Schwiedrzik, Wolfgang Matthias: Träume der ersten Stunde. Die Gesellschaft Ims-
hausen, Berlin .
Schwilk, Heimo (Hg.): Ernst Jünger. Leben und Werk in Bildern und Texten, Stutt-
gart .
Seemann, Silke: Die politischen Säuberungen des Lehrkörpers der Freiburger Uni-
versität nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (-), Freiburg .
Seferens, Horst: »Und hier gab es viel, was zu überspielen war«. Ernst Jüngers »Ver-
gangenheitsbewältigung«, in: Die Neue Gesellschaft. Frankfurter Hefte  (),
S. -.
Seferens, Horst: Leute von übermorgen und von vorgestern. Ernst Jüngers Ikono-
graphie der Gegenaufklärung und die deutsche Rechte nach , Bodenheim
.
Segeberg, Harro: »Letzthin ist der Untergang das einzig Normale«. Über Krieg und
Technik im Frühwerk Ernst Jüngers, in: Der Deutschunterricht  () ,
S. -.
Segeberg, Harro (Hg.): Vom Wert der Arbeit. Zur literarischen Konstitution des
Wertkomplexes ›Arbeit‹ in der deutschen Literatur (-), Tübingen .
Segeberg, Harro: Regressive Modernisierung. Kriegserlebnis und Moderne-Kritik in
Ernst Jüngers Frühwerk, in: ders. (Hg.), Wert der Arbeit, S. -.
Segeberg, Harro: Revolutionärer Nationalismus. Ernst Jünger während der Wei-
marer Republik, in: Scheuer, Helmut (Hg.): Dichter und ihre Nation, Frankfurt
a. M. , S. -.
Segeberg, Harro: Technikverwachsen. Zur Konstruktion des »Arbeiter« bei Ernst
Jünger, in: Der Deutschunterricht  () , S. -.
Segeberg, Harro: Prosa der Apokalypse im Medienzeitalter. Der Essay ݆ber den
Schmerz‹ () und der Roman ›Auf den Marmorklippen‹ (), in: Müller/
ders. (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Segeberg, Harro: Schreiben an der »Zeitmauer«. Der Autor und sein Mythos, in: Les
Carnets Ernst Jünger  (), S. -.
 

Segeberg, Harro: Über Nationalismus und Judenfrage (). Zur politischen Ästhetik
des National-Revolutionärs Ernst Jünger, in: Études Germaniques  (),
S. -.
Segeberg, Harro: Ernst Jüngers ›Gläserne Bienen‹ als ›Frage nach der Technik‹, in:
Strack (Hg.), Titan Technik, S. -.
Seubert, Harald: Das Abendland und Europa. Diskurs über Nähe und Ferne einiger
jüngst vergangener Denkbilder (Guardini, Ortega, Heidegger, Jaspers, Ernst Jün-
ger), in: Delvaux, Peter/Papiór, Jan (Hg.): Eurovisionen. Vorstellungen von Eur-
opa in Literatur und Philosophie (Duitse Kroniek ), Amsterdam/Atlanta ,
S. -.
Seubert, Harald: Zwischen erstem und anderem Anfang. Heideggers Auseinander-
setzung mit Nietzsche und die Sache seines Denkens, Köln .
Seubold, Günter: Heideggers Analyse der neuzeitlichen Technik, Freiburg/München
.
Seubold, Günter: Martin Heideggers Stellungnahme zu Jüngers »Arbeiter« im Spie-
gel seiner Technikkritik, in: Strack (Hg.), Titan Technik, S. -.
Sheehan, Thomas: Heidegger and the Nazis, in: The New York Review of Books,
. Juni , S. -.
Sheehan, Thomas: Nihilism an Its Discontents, in: Raffoul/Pettigrew (Hg.), Hei-
degger and Practical Philosophy, S. -.
Sieferle, Rolf Peter: Ernst Jüngers Versuch einer heroischen Überwindung der Tech-
nikkritik, in: Figal, Günter/ders. (Hg.): Selbstverständnisse der Moderne. For-
mationen der Philosophie, Politik, Theologie und Ökonomie, Stuttgart ,
S. -.
Sieferle, Rolf Peter: Die Konservative Revolution. Fünf biographische Skizzen, Frank-
furt a. M. .
Sirinelli, Jean-François: Les Intellectuels, in: Rémond, René (Hg.): Pour une histoire
politique, Paris , S. -.
Sirinelli, Jean-François/Ory, Pascal: Les Intellectuels en France, de l’affaire Dreyfus à
nos jours, Paris .
Slanitz, Fred: Wirtschaft, Technik, Mythos. Friedrich Georg Jünger nachdenken,
Würzburg .
Sluga, Hans: Heidegger’s Crisis. Philosophy and Politics in Nazi Germany, Cam-
bridge/London .
Sluga, Hans: Der Nationalsozialismus und die Idee der welthistorischen Krise, in:
Korotin (Hg.), »Die besten Geister der Nation«, S. -.
Söllner, Alfons: Linke Schüler der konservativen Revolution? Zur politischen Theo-
rie von Neumann, Kirchheimer und Marcuse am Ende der Weimarer Republik,
in: Leviathan  (), S. -.
Sokel, Walter H.: The ›Postmodernism‹ of Ernst Jünger in his Proto-Fascist Stage,
in: New German Critique  (), S. -.
Solchany, Jean: Vom Antimodernismus zum Antitotalitarismus. Konservative Inter-
pretationen des Nationalsozialismus in Deutschland -, in: Vierteljahres-
hefte für Zeitgeschichte  (), S. -.
Sombart, Nicolaus: Nachdenken über Deutschland. Vom Historismus zur Psycho-
analyse, München/Zürich .
 -  

Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die


politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen  und , . Aufl.,
München .
Speier, Hans-Michael: Klassizismus und Widerstand. Zu Friedrich Georg Jüngers
Elegie Der Mohn, in: Hartung, Harald (Hg.): Gedichte und Interpretatio-
nen, Bd. : Vom Naturalismus bis zur Jahrhundertmitte, Stuttgart , S. -
.
Spilker, Rolf/Ulrich, Bernd (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte
Krieg -, Bramsche .
Stäblein, Ruthard: Kulturkonservatismus oder konservative Revolution? Karl Jas-
pers’ und Hugo von Hofmannsthals Erkundungen einer authentischen Existenz,
in: Harth (Hg.), Karl Jaspers, S. -.
Staub, Norbert: Wagnis ohne Welt. Ernst Jüngers Schrift Das abenteuerliche Herz
und ihr Kontext, Würzburg .
Stegmann, Dirk: Vom Neokonservatismus zum Proto-Faschismus. Konservative
Partei, Vereine und Verbände -, in: ders./Wendt, Bernd-Jürgen/Witt,
Peter Christian (Hg.): Deutscher Konservatismus im . und . Jahrhundert.
Festschrift für Fritz Fischer, Bonn , S. -.
Stern, Fritz: Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideo-
logie in Deutschland, Bern/Stuttgart/Wien .
Stern, Joseph Peter: Ernst Jünger. A Writer of Our Time, New Haven .
Stern, Joseph Peter: Hitler. Der Führer und das Volk, München/Wien .
Stern, Joseph Peter: Ernst Jüngers Zwischenkrieg, in: Czucka, Eckehard (Hg.): »Die
in dem alten Haus der Sprache wohnen.« Beiträge zum Sprachdenken in der
Literaturgeschichte, Münster , S. -.
Stiegler, Bernd: Die Zerstörung und der Ursprung. Ernst Jünger und Walter Ben-
jamin, in: Les Carnets Ernst Jünger  () S. -.
Storck, Joachim W.: Martin Heidegger und Elisabeth Blochmann. Anmerkungen zu
einem Briefwechsel aus fünf Jahrzehnten, in: Jamme/Harries (Hg.), Martin Hei-
degger, S. -.
Strack, Friedrich (Hg.): Titan Technik. Ernst und Friedrich Georg Jünger über das
technische Zeitalter, Würzburg .
Streim, Gregor: Unter der ›Diktatur‹ des Fragebogens. Ernst von Salomons Best-
seller Der Fragebogen () und der Diskurs der ›Okkupation‹, in: Nickel (Hg.),
Deutschlandkonzepte, S. -.
Strube, Claudius: Wissenschaft wieder als Lebenswelt. Heideggers ursprüngliche
Idee einer Universitätsreform, in: Heidegger Studies  (), S. -.
Struve, Walter: Elites Against Democracy. Leadership Ideals in Bourgeois Political
Thought in Germany -, Princeton .
Taubes, Jacob: Ad Carl Schmitt. Gegenstrebige Fügung, Berlin .
Theweleit, Klaus: Männerphantasien, Bd. : Männerkörper. Zur Psychologie des
weißen Terrors, Frankfurt a. M. .
Thomä, Dieter: Die Zeit des Selbst und die Zeit danach. Zur Kritik der Textge-
schichte Martin Heideggers -, Frankfurt a. M. .
Thomä, Dieter: Verantwortung. Heidegger und Arendt, in: Bialas/Gangl (Hg.), In-
tellektuelle im Nationalsozialismus, S. -.
 

Thomä, Dieter (Hg.): Heidegger-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart/


Weimar .
Thomä, Dieter: Stichwort Kehre. Was wäre, wenn es sie nicht gäbe?, in: ders. (Hg.),
Heidegger-Handbuch, S. -.
Thomä, Dieter: Heidegger und der Nationalsozialismus. In der Dunkelkammer der
Seinsgeschichte, in: ders. (Hg.), Heidegger-Handbuch, S. -.
Thomä, Dieter: Die späten Texte über Sprache, Dichtung und Kunst. Im »Haus des
Seins«: eine Ortsbesichtigung, in: ders. (Hg.), Heidegger-Handbuch, S. -.
Thomä, Dieter: Heidegger und Hannah Arendt. Liebe zur Welt, in: ders. (Hg.),
Heidegger-Handbuch, S. -.
Thomä, Dieter: Alle zwanzig Jahre wieder. Eine neue französische Debatte über Hei-
degger und den Nationalsozialismus, in: Neue Zürcher Zeitung, . Juli .
Thurnher, Rainer/Röd, Wolfgang/Schmidinger, Heinrich: Die Philosophie des aus-
gehenden . und . Jahrhunderts : Lebensphilosophie und Existenzphilosophie
(Geschichte der Philosophie XIII), München .
Tilitzki, Christian: Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik
und im Dritten Reich, Berlin .
Tommissen, Piet: Ernst Jünger et Carl Schmitt. Un bilan provisoire, in: Les Carnets
Ernst Jünger  (), S. -.
Tommissen, Piet: Ernst Jünger: Briefe an die Freunde (), in: Etappe. Zeitschrift
für Politik, Kultur und Wissenschaft  (), S. -.
Tommissen, Piet: Ernst Jüngers Friedensschrift. Versuch einer Rekonstruktion ihrer
Geschichte und ihres Schicksals, in: Wimbauer (Hg.), Anarch, S. -.
Travers, Martin: Critics of Modernity. The Literature of the Conservative Revolu-
tion in Germany, -, New York u. a. .
Traverso, Enzo: Auschwitz denken. Die Intellektuellen und die Shoah, Hamburg
.
Trawny, Peter: Heidegger und »Der Arbeiter«. Zu Jüngers metaphysischer Grund-
stellung, in: Figal/Knapp (Hg.), Verwandtschaften, S. -.
Trawny, Peter: Martin Heidegger, Frankfurt a. M./New York .
Treichel, Hans-Ulrich: Alfred Andersch und Ernst Jünger. Zur Problemgeschichte
einer Anziehungskraft, in: Wirkendes Wort  (), S. -.
Treziak, Ulrike: Deutsche Jugendbewegung am Ende der Weimarer Republik. Zum
Verhältnis von bündischer Jugend und Nationalsozialismus, Frankfurt a. M.
.
Trommler, Frank: Verfall Weimars oder Verfall der Kultur? Zum Krisengefühl der
Intelligenz um , in: Koebner (Hg.), Weimars Ende, S. -
Tugendhat, Ernst: Heideggers Idee von Wahrheit, in: Pöggeler, Otto (Hg.): Hei-
degger. Perspektiven zur Deutung seines Werkes, Königstein i. Ts. , S. -
.
Veauthier, Frank Werner: Karl Jaspers – Martin Heidegger. Zur Ambivalenz der Exi-
stenzphilosophie, in: ders. (Hg.): Karl Jaspers zu Ehren. Symposium aus Anlaß
seines . Geburtstags, Heidelberg , S. -.
Vietta, Silvio: Heideggers Kritik am Nationalsozialismus und an der Technik, Tü-
bingen .
Villa, Dana R.: Arendt and Heidegger. The Fate of the Political, Princeton .
 -  

Vollnhals, Clemens: Entnazifizierung. Politische Säuberung unter alliierter Herr-


schaft, in: Volkmann, Hans-Erich (Hg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des
Zweiten Weltkriegs. Eine perspektivische Rückschau, München/Zürich ,
S. -.
Vollrath, Ernst: Kulturkritik bei Carl Schmitt, in: Jamme (Hg.), Grundlinien der
Vernunftkritik, S. -.
Vondung, Klaus: Propaganda oder Sinndeutung?, in: ders. (Hg.): Kriegserlebnis.
Der Erste Weltkrieg in der literarischen Gestaltung und symbolischen Deutung
der Nationen, Göttingen , S. -.
Vondung, Klaus: Ernst Jüngers »Der Arbeiter« – nach fünfzig Jahren. Faschistisches
Weltbild oder gültige Zeitdiagnose, in: Frankfurter Hefte  () , S. -.
Vondung, Klaus: Die Apokalypse in Deutschland, München .
Vondung, Klaus: Metaphysik des apokalyptischen Aktivismus. Ernst Jünger Ge-
schichtsdenken vor , in: Études Germaniques  (), S. -.
Vondung, Klaus: ›Gläubigkeit‹ im Nationalsozialismus, in: Maier, Hans/Schäfer,
Michael (Hg.): ›Totalitarismus‹ und ›Politische Religionen‹. Konzepte des Dikta-
turvergleichs, Bd. II, Paderborn u. a. , S. -.
Wachsmann, Nikolaus: Marching under the Swastika? Ernst Jünger and National
Socialism, -, in: Journal of Contemporary History  (), S. -.
Wege, Carl: Buchstabe und Maschine. Beschreibung einer Allianz, Frankfurt a. M.
.
Wege, Carl: Der Kult der Arbeit. Zu Reden und Schriften von Martin Heidegger
und Ernst Jünger aus den Jahren /, in: Bröckling, Ulrich/Horn, Eva (Hg.):
Anthropologie der Arbeit, Tübingen , S. -.
Wehage, Franz-Joseph: Karl Otto Paetel. Leben und Werk eines Literaturkritikers,
mit einer umfassenden Bibliographie seiner Publikationen, Bern/Frankfurt a. M./
New York .
Weisbrod, Bernd: Die Krise der Mitte oder: »Der Bauer stund auf im Lande«, in:
Niethammer u. a., Bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. -.
Weisbrod, Bernd: Gewalt in der Politik. Zur politischen Kultur in Deutschland zwi-
schen den beiden Weltkriegen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 
(), S. -.
Weisbrod, Bernd: Das »Geheime Deutschland« und das »Geistige Bad Harzburg«.
Friedrich Glum und das Dilemma des demokratischen Konservatismus am Ende
der Weimarer Republik, in: Jansen, Christian/Niethammer, Lutz/ders. (Hg.):
Von der Aufgabe der Freiheit. Politische Verantwortung und bürgerliche Gesell-
schaft im . und . Jahrhundert. Festschrift für Hans Mommsen zum . No-
vember , Berlin , S. -.
Weisbrod, Bernd: Die Krise der bürgerlichen Gesellschaft und die Machtergreifung
von , in: Wehler, Hans-Ulrich (Hg.): Scheidewege der deutschen Geschichte.
Von der Reformation bis zur Wende -, München , S. -.
Weisbrod, Bernd: Der . Mai in der deutschen Erinnerung, in: WerkstattGeschichte
 (), S. -.
Weisbrod, Bernd: The Crisis of Bourgeois Society in Interwar Germany, in: Bessel,
Richard (Hg.): Fascist Italy and Nazi Germany. Comparisons and contrasts,
Cambridge , S. -.
 

Weisbrod, Bernd: Kriegerische Gewalt und männlicher Fundamentalismus. Ernst


Jüngers Beitrag zur Konservativen Revolution, in: Geschichte in Wissenschaft
und Unterricht  (), S. -.
Weisbrod, Bernd (Hg.): Akademische Vergangenheitspolitik. Beiträge zur Wissen-
schaftskultur der Nachkriegszeit, Göttingen .
Weisbrod, Bernd: Dem wandelbaren Geist. Akademisches Ideal und wissenschaft-
liche Transformation in der Nachkriegszeit, in: ders. (Hg.), Akademische Vergan-
genheitspolitik, S. -.
Weisbrod, Bernd: The Moratorium of the Mandarins and the Self-Denazification of
German Academe. A View from Göttingen, in: Contemporary European Histo-
ry  (), S. -.
Werneburg, Brigitte: Die veränderte Welt. Der gefährliche anstelle des entscheidenden
Augenblicks. Ernst Jüngers Überlegungen zur Fotografie, in: Fotogeschichte.
Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie  () , S. -.
Werneburg, Brigitte: Ernst Jünger, Walter Benjamin und die Photographie. Zur
Entwicklung einer Medienästhetik in der Weimarer Republik, in: Müller/Sege-
berg (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Werth, Christoph H.: Sozialismus und Nation. Die deutsche Ideologiediskussion
zwischen  und , Opladen .
Weyergraf, Bernhard (Hg.): Literatur der Weimarer Republik -, München
.
Weyergraf, Bernhard: Konservative Wandlungen, in: ders. (Hg.), Literatur der Wei-
marer Republik, S. -.
Wiedmann, August K.: The German Quest for Primal Origins in Art, Culture, and
Politics -. Die »Flucht in Urzustände«, Lewiston u. a. .
Wilczek, Reinhard: Von Lemuren und anderen Dämonen. Zur Rezeption eines
Faust-Motivs bei Ernst Jünger und in der deutschen Literatur nach , in: Les
Carnets Ernst Jünger  (), S. -.
Wildt, Michael: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicher-
heitshauptamtes, Hamburg .
Willig, Angelika: Die Stimme des Freundes. Karl Jaspers über Martin Heidegger,
Berlin .
Wimbauer, Tobias: Kritische Verehrung. Armin Mohler und Ernst Jünger, in: Moh-
ler, Schleife, S. -.
Wimbauer, Tobias (Hg.): Anarch im Widerspruch. Neue Beiträge zu Werk und
Leben der Gebrüder Jünger, Schnellroda .
Wimbauer, Tobias: Kelche sind Körper. Der Hintergrund der »Erdbeeren in Bur-
gunder«-Szene, in: ders. (Hg.), Anarch, S. -.
Wisser, Richard (Hg.): Martin Heidegger im Gespräch, Freiburg/München .
Wisser, Richard (Hg.): Martin Heidegger – Unterwegs im Denken. Symposium im
. Todesjahr, Freiburg/München .
Wohlfarth, Irving: No-man’s-land. On Walter Benjamin’s ›Destructive Character‹,
in: Benjamin/Osborne (Hg.), Walter Benjamin’s Philosophy, S. -.
Wolin, Richard: Seinspolitik. Das politische Denken Martin Heideggers, Wien .
Wolin, Richard (Hg.): The Heidegger Controversy. A Critical Reader, New York
.
 -  

Wolin, Richard: French Heidegger Wars, in: ders. (Hg.), Heidegger Controversy,
S. -.
Wolin, Richard: Heidegger’s Children. Hannah Arendt, Karl Löwith, Hans Jonas,
and Herbert Marcuse, Princeton .
Woods, Roger: Ernst Jünger and the Nature of Political Commitment, Stuttgart .
Woods, Roger: The Conservative Revolution in the Weimar Republic, London/
New York .
Woods, Roger: Konservative Revolution und Nationalsozialismus in der Weimarer
Republik, in: Bialas/Iggers (Hg.), Intellektuelle in der Weimarer Republik,
S. -.
Wright, Kathleen: Die »Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung« und die drei Höl-
derlin-Vorlesungen (/, /, ). Die Heroisierung Hölderlins, in:
Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch, S. -.
Wünsch, Marianne. Ernst Jüngers Der Arbeiter. Grundpositionen und Probleme, in:
Hagestedt (Hg.), Ernst Jünger, S. -.
Young-Bruehl, Elisabeth: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit, Frankfurt a. M.
.
Zaborowski, Holger: Leben, Tod und Entscheidung. Die Philosophie Martin Hei-
deggers in zeit- und ideengeschichtlicher Perspektive, in: Loos/ders. (Hg.), Leben,
S. -.
Zahlmannn, Stefan: Sprachspiele des Scheiterns. Eine Kultur der biographischen
Legitimation, in: ders./Scholz, Sylka (Hg.): Scheitern und Biographie. Die ande-
re Seite moderner Lebensgeschichten, Gießen , S. -.
Ziegler, Susanne: Heidegger, Hölderlin und die ´Alhjeia. Martin Heideggers Ge-
schichtsdenken in seinen Vorlesungen / bis , Berlin .
Ziegler, Susanne: Zum Verhältnis von Dichten und Denken bei Martin Heidegger,
Tübingen .
Ziemann, Benjamin: Germany after the First World War – A Violent Society? Re-
sults and Implications of Recent Research on Weimar Germany, in: Journal of
Modern European History  (), S. -.
Ziemann, Benjamin: Soldaten, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich Gerd/Renz, Irina
(Hg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, . Aufl., Paderborn u. a. , S. -.
Zimmerman, Michael E.: Heidegger’s Confrontation with Modernity. Technology,
Politics, and Art, Bloomington/Indianapolis .
Zimmerman, Michael E.: Ontological Aestheticism. Heidegger, Jünger, and Natio-
nal Socialism, in: Rockmore/Margolis (Hg.), Heidegger Case, S. -.
Zimmermann, Hans Dieter: Martin und Fritz Heidegger. Philosophie und Fastnacht,
München .


Dank
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die leicht gekürzte Fas-
sung meiner Dissertation, die im Wintersemester / von der Philo-
sophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen angenom-
men wurde. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Betreuer und
Doktorvater Prof. Dr. Bernd Weisbrod, der mich seit meinem Studium
auf vielfältige Weise unterstützt und gefördert und der die Arbeit an die-
ser Studie mit Geduld, Kritik und intellektueller Anregung begleitet hat.
Desgleichen danke ich Prof. Dr. Irmela von der Lühe, die das Voran-
schreiten der Arbeit als Zweitgutachterin und -betreuerin durch ihre
literaturwissenschaftlichen Interventionen ebenso wie durch ihre pro-
duktive Ungeduld befördert hat. An dritter Stelle möchte ich Prof.
Dr. Anson Rabinbach danken, der mich während eines Studienaufent-
halts an der Princeton University betreute und meine Arbeit auch danach
noch mit viel Interesse verfolgt und unterstützt hat. Der Studienstiftung
des deutschen Volkes danke ich für die Förderung während des Studiums
und der Promotion. Hajo Gevers vom Wallstein Verlag danke ich für die
kompetente Betreuung des Manuskripts. Der Geschwister Boehringer
Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und der FAZIT-Stiftung
danke ich für die finanzielle Unterstützung des Drucks.
In den vergangenen Jahren hatte ich verschiedentlich die Möglichkeit,
mein Forschungsprojekt in seinen unterschiedlichen Stadien zu präsen-
tieren und zu diskutieren. Für die Einladungen und die bei diesen Dis-
kussionen erhaltenen Anregungen danke ich besonders Prof. Dr. Steven
Aschheim, Prof. Dr. Rüdiger vom Bruch, Prof. Dr. Roger Chickering,
Prof. Dr. Norbert Frei, Prof. Dr. Ulrich Herbert und Prof. Dr. Paul Nolte.
Prof. Dr. Cathryn Carson, Prof. Dr. Elliot Neaman und Prof. Dr. Volker
Berghahn haben mich bei Gesprächen in den USA an ihrem Blick auf die
deutsche Intellektuellengeschichte teilhaben lassen. Cathryn Carson hat
mir darüber hinaus unveröffentlichte Manuskripte und Materialien über-
lassen. Nützliche Hinweise und Zugang zu Material erhielt ich auch von
Prof. Dr. Wolfgang Eßbach, Prof. Dr. Günter Figal, Dr. Ulrich Fröschle,
Dr. Klaus Gauger, Prof. Dr. Frank-Rutger Hausmann, Rolf Hilbig, Felix
Krömer und Prof. Dr. Peter Trawny. Ihnen allen sei dafür herzlich
gedankt. Prof. Dr. Ernst Tugendhat und Prof. Dr. Rainer Marten danke
ich für Gespräche über ihre Erinnerungen und ihre Kritik an Martin
Heidegger. Rainer Marten war zusammen mit seiner Frau Helga Marten
darüber hinaus eine unschätzbare Hilfe bei der Entzifferung von Heideg-
gers Handschrift und stärkte durch wohlwollendes Interesse mein Selbst-
vertrauen als Nichtphilosoph im Umgang mit Heideggers Denken.
Für den Zugang zu unveröffentlichten Briefen und Schriften meiner drei
Protagonisten und ihres Umfelds sowie die Erlaubnis, daraus zu zitieren,
danke ich Hinner Bauch, Dr. Hermann Heidegger, Dr. Liselotte Jünger,
Johannes von Reumont, Dr. Thomas Klett, Vittorio E. Klostermann,
Dr. Armin (†) und Edith Mohler, Dr. Martin Nebel und Dr. Barbara von
Wulffen. (Der gegenwärtige Urheberrechtsinhaber der Schriften von Ernst
Niekisch konnte nach dem Tod seines Sohnes Ernst A. Niekich leider
nicht ermittelt werden.) Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach war
für viele Monate ein unvergleichlicher Ort des Forschens und Arbeitens.
Dort danke ich besonders Dr. Nicolai Riedel für viele nützliche Hinweise
zur Jünger-Forschung sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Handschriftenabteilung. Außerdem danke ich dem Generalsekretär der
Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München, Dr. Oswald
Georg Bauer, und der Akademiearchivarin, Christel Winkler, für den
Zugang zum Akademiearchiv sowie dem Archivar des Klett-Verlags in
Stuttgart, Volker Dietrich.
Von den Freunden haben besonders Robin Celikates, Sean Forner,
Rüdiger Graf, Jens Hacke und Michael Neumann durch Lektüre und
Kritik einzelner Kapitel zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Der »Ar-
beitskreis Geschichte + Theorie« ist für mich seit langem ein wichtiges
Forum des intellektuellen Austauschs, in dem ich meine Arbeit zweimal
vorstellen und diskutieren konnte. Von dessen Mitgliedern danke ich
besonders Frank Bösch, Moritz Föllmer, Alexa Geisthövel und Uffa Jen-
sen für freundschaftliche Unterstützung und produktive Kritik. Habbo
Knoch hat darüber hinaus das gesamt Manuskript kritisch gegengelesen
und durch viele Gespräche, durch Ermutigung und intellektuellen Bei-
stand zum Abschluss der Promotion beigetragen. Dafür und für seine
Freundschaft sei ihm herzlich gedankt.
Meinen Eltern Eva-Maria und Franz Armin Morat danke ich nicht
nur für die vielfältige Unterstützung während der Arbeit an dieser Studie
– zu der u. a. die unerlässliche Dauerleihgabe ihrer Heidegger-Gesamt-
ausgabe gehörte – sondern auch dafür, dass sie mir frühzeitig die Welt des
Geistes eröffnet haben: meinem Vater, von dem ich »die Geschichte«,
meiner Mutter, von der ich lesen gelernt habe.
Der größte Dank schließlich, den abzustatten eine solche Danksagung
immer nur zum Teil der richtige Ort ist, geht an meine Frau Undine
Ruge. Sie war stete Gesprächspartnerin und hat die Entstehung dieser
Arbeit in allen Phasen durch Unterstützung und konstruktive Kritik und
nicht zuletzt durch gründliche Lektüre des Manuskripts begleitet. Dafür
und für vieles mehr ist ihr dieses Buch gewidmet.

Das könnte Ihnen auch gefallen