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DbU/VFA/VWA/2021-2022 Polizei- und Gewerberecht (Skript)

Einführender Fall zum Polizeirecht

Fall 1 „Randale in Connewitz“

Zitiert aus: Schlussmeldung zum Einsatz der Leipziger Polizei anlässlich des Versamm-
lungsgeschehens vom 6. und 7. November
Medieninformation: 534/2020
Verantwortlich: Olaf Hoppe
Stand: 08.11.2020, 13:23 Uhr

Die Polizeidirektion Leipzig hat zum Versammlungsgeschehen an diesem Wochenende,


beginnend ab Freitag in den Medieninformationen 529 bis 533, über ihre Sprecher, auf der
Webseite sowie über die Kanäle der sächsischen Polizei in den sozialen Medien bis zum
Stand des Samstagabends berichtet.

Die folgenden Angaben ergänzen diese Meldungen um statistische Informationen (Stand:


8. November 2020, vormittags) sowie das Geschehen am Samstagabend im Stadtteil
Connewitz.

Am gestrigen Abend sammelten sich im Leipziger Stadtteil Connewitz bis zu 500 gewalt-
bereite Personen, errichteten auf der Wolfgang-Heinze-Straße mehrere Barrikaden und
setzten diese in Brand. Im Zuge der Löscharbeiten wurde die Polizei in Amtshilfe für die
Branddirektion Leipzig tätig, da es zum Bewurf auf die Feuerwehr kam. Die Brände hatten
bereits auf die Oberleitung der Straßenbahn übergriffen. Im Rahmen der Aufklärungsmaß-
nahmen wurden erhebliche Mengen an Stein- und Flaschendepots festgestellt, so dass
entschieden wurde, die Feuerwehr nicht erneut zum Einsatz zu bringen. Zur Gefahrenab-
wehr und Strafverfolgung wurden Polizeieinheiten und Sondertechnik (Wasserwerfer und
Sonderwagen) in den Stadtteil verlegt. Die Wasserwerfer kamen vorrangig zum Löschen
der Barrikaden zum Einsatz. Nach kurzen Widerstandhandlungen durch Bewurf der Ein-
satzkräfte zerstreuten sich die Personen im Umfeld. Nach Mitternacht bis in die Morgen-
stunden kam es in Connewitz nur noch vereinzelt zu Bränden (Unrat, Mülltonnen).

Im Rahmen der Einsatzmaßnahmen wurden 102 Straftaten mit 89 Beschuldigten regis-


triert, darunter ein schwerer Landfriedensbruch, zehn Landfriedensbrüche, 14 tätliche An-
griffe auf Vollstreckungsbeamte, neun Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte, 13 Kör-
perverletzungen und elf Sachbeschädigungen.

Die Einsatzkräfte führten insgesamt 31 freiheitsentziehende Maßnahmen durch - 13 vor-


läufige Festnahmen und 18 Gewahrsamnahmen. Zudem wurden über 140 Ordnungswid-
rigkeiten nach der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung und dem Sächsischen Ver-
sammlungsgesetz geahndet.

In den am Samstag ab 9:00 Uhr durchgeführten Vorkontrollen im Anreiseverkehr auf den


angrenzenden Bundesautobahnen wurden 40 Reisebusse mit dem Reiseziel Leipzig auf
Infektionsschutz sowie Verkehrssicherheit kontrolliert. Verstöße konnten keine festgestellt
werden.

Im Rahmen der Einsatzmaßnahmen am 7. November 2020 wurden 31 Einsatzkräfte leicht


verletzt. Alle verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten sind weiterhin dienstfähig. Im
Einsatz waren insgesamt ca. 3.200 Einsatzkräfte. Darunter befanden sich 21 Hundert-
schaften, zwei Wasserwerferstaffeln, drei Polizeihubschrauber, acht Polizeipferde und sie-
ben taktische Lautsprechertrupps.

Rechtsanwalt Christoph Häntzschel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und für Arbeitsrecht, Mediator
Gustav-Adolf-Straße 17 04105 Leipzig, haentzschel@hgra.de
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Die Polizeidirektion Leipzig wurde dabei neben Kräften aus den Polizeidirektionen sowie
der sächsischen Bereitschaftspolizei aus Bayern, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpom-
mern, Thüringen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Berlin und
Bundespolizei unterstützt.

Weiterhin wurde der Polizei über eine Publizierung der Deutschen Journalistinnen- und
Journalisten-Union (dju/ver.di) bekannt, dass es 32 Übergriffe auf Medienvertreter im Rah-
men des Versammlungsgeschehens in Leipzig gegeben haben soll. Daraufhin wurden die
betroffenen Medienvertreter über soziale Netzwerke aufgefordert, sich bei der Polizei zu
melden und die Einsatzkräfte entsprechend sensibilisiert. Bisher sind keine Strafanzeigen
im Sachzusammenhang bekannt. (Zitat Ende)

Fragen:

1. Welche polizeilichen Aufgaben wurden wahrgenommen?

2. Gehört die Brandbekämpfung zu den Aufgaben der Polizei? Wenn ja, auf welcher
Rechtsgrundlage?

3. Welchen Schutzgütern diente das polizeiliche Einschreiten?

4.2.1 Allgemeines

a. Begriff Polizei

Bestimmung von der Aufgabe her:


Jede Staatstätigkeit zum Abwenden von Gefahren, d.h. Verhüten und Beseitigen von Be-
einträchtigungen der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. § 1 Abs. 1
SächsPolG).

b. polizeiliches Einheitssystem

in Sachsen gilt auch nach der Gesetzesnovelle das sog. Einheitssystem: „Polizei“ sind
grds. alle Verwaltungsbehörden mit polizeilichen Aufgaben, d.h. sowohl Ordnungsbehör-
den (z.B. Stadtverwaltung, dort das Ordnungsamt, das Bauordnungsamt usw.) als auch
Polizeivollzugsdienst, die Polizeibehörden und der Polizeivollzugsdienst haben jetzt nur
unterschiedliche Gesetze

Anmerkung: für die Polizei galt bis Ende 2019 ein einheitliches allgemeines Ordnungs-
und Polizeigesetz (SächsPolG), seit 1.1.2020 außer Kraft, nunmehr SächsPBG und
SächsPVDG in Kraft (vgl. Novelle Polizeirecht in Sachsen)
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Exkurs: Die wesentlichen Änderungen nach der Polizeirechtsnovelle ab 1.1.2020 im


Überblick

Das Polizeirecht wurde in Sachsen neu gestaltet: Statt dem SächsPolG gibt es nun das
Polizeibehördengesetz (SächsPBG) für das Handeln der Polizeibehörden und das Polizei-
vollzugsdienstgesetz (SächsPVDG) für den Polizeivollzugsdienst.

Die Grundprinzipien des Polizeirechts wurden dabei nicht angetastet, d.h. die Prüfungs-
struktur und die elementaren Begriffe bleiben gleich.

Geändert haben sich aber die Standorte der einzelnen Regelungen. In einer Prüfung müs-
sen also die neuen Vorschriften zitiert werden!

Zudem gibt es inhaltliche Änderungen, die in Prüfungen berücksichtigt werden müssen:

- Der Grundsatz, dass der Polizeivollzugsdienst nur tätig wird, wenn die Polizeibehörden
nicht oder nicht rechtzeitig handeln können, gilt jetzt nach § 2 Abs. 3 SächsPVDG auch
für die sog. Standardbefugnisse

- § 4 SächsPVDG definiert die zentralen Begriffe des Polizeirechts (im SächsPolG gab es
keine Definitionen, die mussten gelernt werden)

- Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nichtstörern wurden geändert, sie
finden sich nun in den § 9 SächsPVDG und § 17 SächsPBG

- Die Regelung über die Inanspruchnahme der Zustandsverantwortlichkeit findet sich in §


7 SächsPVDG sowie in § 15 SächsPBG, die wortgleich sind. Die neuen Normen regeln
die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit genauer als die alte Regelung; zudem gibt es
eine Bestimmung zur Verantwortlichkeit bei herrenlosen Sachen

- Die Generalklausel findet sich in beiden Gesetzen in § 12. Hier nicht verwirren lassen:
Die Systematik ist in beiden Gesetzen unterschiedlich, d.h. im SächsPBG stehen einige
Vorschriften, die im SächsPVDG nach der Generalklausel einsortiert wurden, vor der Ge-
neralklausel. Hintergedanke des Gesetzgebers war, dass die Vorschriften im gleichen Pa-
ragraphen geregelt werden sollten, damit die Gesetze übersichtlich sind

- Die Standardbefugnisse sind in beiden Gesetzen ganz unterschiedlich geregelt, insbe-


sondere gibt es weniger Befugnisse für die Polizeibehörden als für den Polizeivollzugs-
dienst, relevant ist hier vor allem, dass Meldeauflagen bisher auf die Generalklausel ge-
stützt wurden, jetzt aber in § 20 SächsPVDG eine explizite Ermächtigungsgrundlage ha-
ben

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c. Rechtsquellen im Polizeirecht

Allgemeines Polizeirecht: SächsPBG und SächsPVDG

Spezialgesetze: z.B. Gewerbeordnung, Gaststättengesetz, Ausländergesetz, Sächs. Bau-


ordnung (Regelungen für spezielle Gefahrbereiche; gehen dem SächsPolG vor)

4.2.2 Aufgaben der Polizei

a. Gefahrenabwehr
Hauptinhalt des Polizeirechts, jeweils § 2 SächsPBG und SächsPVDG

Schutzgüter: öffentliche Sicherheit und Ordnung

aa. Öffentliche Sicherheit, hierunter fallen

1. Individualrechte, d.h. Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen (Leben, Gesundheit,


Freiheit, Ehre, Eigentum)

2. Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, d.h. Schutz der Straf- u. Ordnungswidrigkei-


tentatbestände sowie der Verwaltungsgesetze

3. Bestand u. Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen

bb. Öffentliche Ordnung

- soziale und ethische Mindestvoraussetzungen für ein geordnetes Zusammenleben


(praktisch kaum noch relevant, da Verstoß gg. öff. Ordnung regelmäßig auch Verstoß ge-
gen öff. Sicherheit)

Aufgabe 1: Die Polizisten P und O bemerken auf einer Streifenfahrt, dass sich in einer
Scheune ein kleines Feuer entzündet hat, das sich mit dem im Polizeifahrzeug mitgeführ-
ten Feuerlöscher ohne weiteres löschen ließe. Welche Schutzgüter sind betroffen?

- Gefahrbegriffe im Polizeirecht

Unterscheidung ist wichtig, da je nach Gefahrenart verschiedene Handlungsermächti-


gungen folgen (vgl. im einzelnen Übersicht 1 „Gefahrenbegriffe“)

Aufgabe 2: Was für eine Gefahrenart liegt in Aufgabe 1 vor?

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Aufgabe 3: Der völlig übermüdete Polizist P sieht auf einer grell beleuchteten Straße,
wie zwei Männer aufeinander einschlagen. Nachdem P die beiden getrennt hat, hört er
den Ausruf „Cut!“ und stellt fest, dass es sich bei der Auseinandersetzung um eine Film-
aufnahme handelte. Welche „Gefahrenart“ liegt vor?

Aufgabe 3 a: Der Mieter Reißaus (R) fliegt für 3 Wochen in den Urlaub. Damit seine Woh-
nung keinen unbewohnten Eindruck macht hat er eine Zeitschaltuhr installiert, an der
mehre Geräte (Licht, Radio, Fernseher) angeschlossen sind. Diese gehen entsprechend
mehrmals tagsüber und nachts an und wieder aus. Die Nachbarin von R, Frau Sorge (S)
wundert sich, dass R nicht öffnet, als sie ihm ein bei ihr abgegebenes Päckchen abgeben
will, obwohl aus der Wohnung des R Geräusche deutlich vernehmbar sind. Als R auf Klin-
geln und Klopfen nicht reagiert, ruft sie die Polizei. Auch den Bediensteten öffnet niemand.
Da weder S, andere Nachbarn noch der Hausmeister Angaben zum Verbleib von R ma-
chen können, brechen sie die Tür auf und stellen fest, dass R im Urlaub ist und die „Le-
benszeichen“ von der Zeitschaltuhr/den angeschlossenen Geräten stammten.

Welche Gefahrenart lag hier vor?

b. Wichtige andere Aufgaben der Polizei (beachte Verweisung in § 2 III)

- Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (§§ 35, 36, 53 OWiG)


- Ausnahmsweise Schutz privater Rechte (vgl. § 2 II)

Beispiel: Bei einem Einsatz werden die Kriminalkommissare K und S zu einer Wohnung
gerufen, aus der laut Angaben einer Nachbarin Schreie zu hören seien. Als K und S ein-
treffen, finden sie den A blutüberströmt tot auf dem Boden der Wohnung vor. Daneben
sitzt B, der ein blutiges Messer in der Hand hält.

Hier kommen die Polizisten für eine Gefahrenabwehr zu spät. Ihnen obliegt aber auch die
Aufgabe, an der Strafverfolgung mitzuwirken (ergibt sich aus der Strafprozessordnung),
hier also den Sachverhalt aufzuklären, B und Nachbarin zu vernehmen, Beweise zu si-
chern usw.

Weitere Beispiele in Fall 1 „Randale in Connewitz“

Aufgabe 4: Grundstückseigentümer G schildert der herbeigerufenen Polizei, dass sein


Nachbar N zum wiederholten Male einen Fahrweg auf dem Grundstück des G als Durch-
fahrt benutzt habe, um auf sein Grundstück zu gelangen. Gegenwärtig parke N sogar sein
Fahrzeug darauf. G, der eine weitere Grundstückszufahrt besitzt, behauptet, N stehe nach
dem Grundbuch kein Recht an der Durchfahrt zu. N behauptet das Gegenteil. Darf die
Polizei einschreiten?

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4.2.3 Organisation und Zuständigkeit der Polizei

a. Organisation

unterscheide zunächst Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst, die nun in unterschied-


lichen Gesetzen geregelt sind

- Polizeibehörden: alle Stellen mit polizeilicher Aufgabe Gefahrenabwehr


dabei zu unterscheiden: allgemeine und besondere Polizeibehörden:

- allgemeine Polizeibehörden (§ 1 Abs. 1 SächsPBG):

Bestandteil der inneren Verwaltung, keine selbstständige Behörde, lediglich Organisati-


onseinheit der Verwaltung, z.B. die Gemeinden als Ortspolizei: nehmen neben anderen
gemeindlichen Aufgaben auch Gefahrenabwehr wahr, z.B. durch das Ordnungsamt, Aus-
länderamt

außerdem gehören zu den allg. Polizeibehörden andere Behörden der Gefahrenabwehr


außerhalb des Polizeigesetzes, wie z.B. Bauaufsichtsbehörde, vgl. § 59 SächsBO (öffent-
liches Baurecht ist auch Gefahrenabwehrrecht, also letztlich Polizeirecht!)

- Besondere Polizeibehörden (§ 1 Abs. 3 SächsPBG)

alle Behörden, denen im Rahmen ihres speziellen Aufgabenbereiches auch die bereichs-
spezifischen Aufgaben der Gefahrenabwehr zugewiesen sind
z.B.: Bergamt, Forstamt

- Polizeivollzugsdienst

strikt von den o.g. Polizeibehörden zu trennen und organisatorisch unabhängig ist der Po-
lizeivollzugsdienst:
hierbei handelt es sich um die landläufig als „Polizei“ bekannten Kräfte, d.h. die „Män-
ner/Frauen in Blau/Grün“, Kripo usw. (vgl. im einzelnen 97 SächsPVDG)

Gliederung des PVD siehe § 97 SächsPVDG

- Landespolizeipräsidium im SMI (Nr. 1):


SMI - oberste Dienstbehörde u. Führungsstelle für den gesamten PVD, übt oberste Dienst-
u. Fachaufsicht aus, siehe auch § 99 SächsPVDG

- Landeskriminalamt (Nr.2):
fachliche Leitung u. Beaufsichtigung der polizeil. Verbrechensbekämpfung u. Zusammen-
arbeit mit den anderen Bundesländern u. dem BKA in Angelegenheiten der Kriminalpoli-
zei; Spezielle Einsatz- und Ermittlungskräfte (z.B. SEK, OFA)

- Polizeiverwaltungsamt (Nr. 3): Verwaltungsaufgaben von landesweiter Bedeutung; Un-


terstützung anderer Polizeidienststellen bei Einsätzen mit Einsatzkräften, Führungs- und
Einsatzmitteln; Kommunikation und Information; Kampfmittelbeseitigung u.a.
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- Präsidium der Bereitschaftspolizei u. die ihm nachgeordneten Dienststellen der Bepo,


(Nr. 4): Ausbildung des Nachwuchses für den polizeil. Einsatz u. Unterstützung bei größe-
ren Polizeieinsätzen. Gegliedert in Bepo-direktion, Abteilungen u. Hundertschaften

- Polizeidirektionen (Nr. 5): Schutzpolizei u. Kriminalpolizei

- gemeindliche Vollzugsbedienstete, § 9 SächsPBG

- gehören direkt weder zu Polizeibehörden noch Polizeivollzugsdienst


- dürfen von Gemeinden für bestimmte polizeiliche Aufgaben eingesetzt werden, insbes.
Überwachung des ruhenden Verkehrs

b. Zuständigkeit

(1) Sachliche Zuständigkeit


(nach dem Aufgabenbereich)

Vorgehen bei der Ermittlung der sachl. Zust.

- vorrangige Spezialgesetze für Sonderbereiche beachten (z.B. §§ 110, 109 SächsWas-


serG, 57 SächsBO)

- gibt es kein Spezialgesetz, ist im Polizeirecht das jeweilige Gesetz anwendbar, wenn
also die Polizeibehörde handelt das SächsPBG, das SächsPVDG, wenn der Polizeivoll-
zugsdienst handelt, wobei ist also nur zuständig, wenn die Gefahrenabwehr durch die Po-
lizeibehörde nicht oder zumindest nicht rechtszeitig möglich ist

(2) Instanzielle Zuständigkeit


(welche Ebene innerhalb des Verwaltungsapparats, kann auch innerhalb der sachlichen
Zuständigkeit geprüft werden)

- für Polizeibehörden ist § 6 SächsPBG anzuwenden: soweit keine besondere Regelung,


sind Ortspolizeibehörden sachlich zuständig. Dies sind gemäß § 1 I Nr. 4 die Gemein-
den.

(3) Örtliche Zuständigkeit


(nach dem Einsatzgebiet, geografisch)

aa. für Polizeibehörden gilt § 5 SächsPBG

- § 5 I, II: Polizeibehörde nach Dienstbezirk der polizeil. Aufgabe


- § 5 III: bei Gefahr im Verzug angrenzende Polizeibehörde
- § 5 IV regelt, dass die örtliche Zuständigkeit von der Fachaufsichtsbehörde geregelt wird,
wenn eine Aufgabe in mehreren Dienstbezirken zweckmäßig nur einheitlich wahrgenom-
men werden kann

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bb. für Polizeivollzugsdienst gilt § 103 SächsPVDG


PVD grds. im gesamten Landesgebiet zuständig, sie sollen aber in der Regel nur in ihrem
Dienstbezirk tätig werden

Aufgabe 5: Das Ordnungsamt der Stadt L möchte gegen einen Bürger wegen Ruhestörung
vorgehen. Prüfen Sie die Zuständigkeit!

Aufgabe 6: In einem Park der Stadt A läuft ein bissiger Schäferhund frei herum. Ein
Kind wurde bereits von ihm angefallen. Der Hund droht weitere Kinder auf einem nahege-
legenen Spielplatz anzufallen. Ein anwesender Mitarbeiter des Ordnungsamtes der be-
nachbarten Stadt B überlegt, ob er für Maßnahmen gegen den Hund in dieser Situation
zuständig ist. (Das GefHundG ist nicht anwendbar.)

Aufgabe 7: Polizeibediensteter P einer Polizeidienstelle der Stadt L bemerkt in einer


Fußgängerzone von L einen Betrunkenen, der Passanten handgreiflich belästigt. Ist P für
das Aussprechen eines Platzverweises zuständig?

c. Dienstaufsicht und Fachaufsicht

„Aufsicht“ - Mittel zur Gestaltung der Beziehungen innerhalb des Behördenaufbaus

für Polizeibehörden geregelt in § 8 SächsPBG (nur Fachaufsicht), für PVD in § 101


SächsPVDG (Dienst- und Fachaufsicht)

Dienstaufsicht - organisatorische u. personalrechtliche Kontrolle einer Verwaltungsein-


heit (z.B. Erfüllung d. Dienstpflichten, Verhalten d. Bediensteten, Geschäftsablauf, Aus-
stattung)

Fachaufsicht - Kontrolle der Recht- u. Zweckmäßigkeit von Maßnahmen

typische Mittel der Dienst-/Fachaufsicht:


- Anfordern von Akten u. Berichten
- Befragungen und Besichtigungen
- Erteilen von Weisungen
- Aussprechen von Beanstandungen
- ggf. Selbsteintrittsrecht d. Fachaufsichtsbehörde bei Nichtbefolgen einer Weisung

Verpflichtungen der „beaufsichtigten“ Polizeibehörde:

- Befolgen der erteilten Weisungen bzw. Maßnahme durch die Fachaufsichtsbehörde,


wenn die allgemeine Polizeibehörde die erteilte Weisung nicht befolgt (vgl. § 8 SächsPBG)
- Unterrichtung der unmittelbar übergeordneten weisungsbefugten Behörde (§ 8 IV
SächsPBG)

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4.2.4 Spezialermächtigungen und Generalklausel

a. Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage

Hintergrund: Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes - Eingriffe in Rechte des Bürgers
müssen durch ein Gesetz erlaubt sein

Bsp. Wohnungsdurchsuchung: Eingriff in Grundrecht Unverletzlichkeit der Wohnung

d.h. aber auch, dass bei schlichtem Verwaltungshandeln ohne Eingriff (z.B. Empfeh-
lung „die Kriminalpolizei rät“, Warnung u.ä.) keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage
erforderlich ist

Aufgabe 7 a: Ein Einsatzfahrzeug der Polizei fährt Samstagnacht über einen längeren
Zeitraum hinter dem Auto des A her und beobachtet, ob Anzeichen für Trunkenheit vorlie-
gen. Da das Fahrverhalten auffällig ist und Zweifel daran bestehen, ob A nüchtern ist,
halten die Polizisten A an und kontrollieren ihn. Ist für die Maßnahmen eine Ermächti-
gungsgrundlage nötig? Wenn ja, welche ist/sind anzuwenden?

Aufgabe 7 b: Welche Ermächtigungsgrundlage hat die Polizei für das Veröffentlichen der
Meldung in Fall 1 „Randale in Connewitz“

b. Generalklausel und Spezialgesetze

- Begriff
Die Generalklausel ist im Polizeirecht in § 12 SächsPBG und SächsPVDG geregelt. Han-
delt die Polizeibehörde muss § 12 SächsPBG zitiert werden, handelt der Polizeivollzugs-
dienst ist § 12 SächsPVDG einschlägig.

- Anwendbarkeit

Ob diese als Ermächtigungsgrundlage anwendbar ist, richtet sich danach, ob ein Spezi-
algesetz vorrangig ist. Spezialgesetze sind zum einen andere Ordnungsgesetze (z.B. die
SächsBO). Soll also z.B. die Nutzung eines Gebäudes wegen eines Gefahrenzustand un-
tersagt werden, ist nicht die Generalklausel, sondern § 80 S.2 SächsBO anzuwenden.

Zum anderen finden sich Spezialgesetze im Polizeirecht selbst, insbesondere in §§ 18 ff.


SächsPBG und §§ 13 ff. SächsPVDG. Soll z.B. ein Platzverweis wegen Ruhestörung aus-
gesprochen werden, darf nur § 18 SächsPVDG bzw. § 20 SächsPBG angewendet werden.
Für die Generalklausel ist hier kein Raum. Dieser ist im Verhältnis zu Spezialnormen sub-
sidiär.

Oder anders gesagt: Nur bei nicht durch Spezialgesetz erfassten Angelegenheiten
darf die Generalklausel angewendet werden.

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- Prüfung von § 12 SächsPBG und SächsPVDG

siehe Anlage „Schema für die Prüfung polizeirechtlicher (belastender) Verwaltungsakte“

c. § 2 sind in den jeweiligen Gesetzen nur Aufgabenzuweisungsnorm, aber keine


Ermächtigungsgrundlage!

Diese Regelung ist lediglich eine „Aufgabenzuweisungsnorm“, d.h. hier wird der Aufga-
benbereich der Polizei dargestellt

Beachte daher: § 2 nie als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe anwenden! Die Norm darf
aber in Verbindung mit § 12 des jeweiligen Gesetzes zitiert werden.

4.2.5 Opportunitätsprinzip

Hier geht es um die Frage, ob, in welchem Umfang und gegen wen die Polizei bei Gefah-
ren einschreitet.

Dies ist nur fraglich, sofern ein Ermessen (vgl. §§ 1 SächsVwVfZG i.V.m. 40 VwVfG) ein-
geräumt wird, also nicht bei gebundenen („-ist“) Entscheidungen, sondern nur bei „kann“-
Entscheidungen. Die meisten Gesetze im Polizeigesetz sind jedoch Ermessensvorschrif-
ten.

a. Arten von Ermessen

Zu unterscheiden sind:

- Entschließungsermessen (Frage, „Ob“ eingeschritten wird) und

- Auswahlermessen (Frage, „Wie“ eingeschritten wird, d.h. Wahl des richtigen Mittels u.
des richtigen Adressaten (bei mehreren Verantwortlichen))

b. Ermessensreduzierung auf Null

Das Ermessen kann aufgrund einer speziellen Situation eingeschränkt sein, im Einzelfall
sogar soweit, dass nur noch eine Entscheidung in Betracht kommt. Diese Situation nennt
man Ermessensreduzierung auf Null. Praktisch bedeutsam ist dies bei sehr ernsthaften
Gefahren für Leben, Gesundheit, Freiheit.

c. Ermessensfehler

- Ermessensnichtgebrauch (Behörde erkennt Ermessen nicht bzw. macht keinen


Gebrauch davon)
- Ermessensüberschreitung (gesetzliche Grenzen des Ermessens werden über-
schritten)
- Ermessensmissbrauch (Behörde handelt außerhalb des Zwecks der Ermessens-
norm, insbesondere Einfließen von sachfremden Erwägungen)

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Aufgabe 8: Bei der Polizei der Stadt S melden sich früh um 3:00 Uhr mehrere Bürger.
Diese schildern, man könne nicht schlafen, da in der Nähe eine Party stattfinde. Als Polizist
P die Gegend aufsucht, bestätigt sich der Sachverhalt. Beurteilen Sie das Ermessen von
P!

Aufgabe 9: Der lebensmüde S hat das Geländer auf der Aussichtsplattform des „Uni-
riesen“ der Stadt Leipzig überwunden und droht, sich hinabzustürzen. Beurteilen Sie den
Ermessenspielraum der hinzugerufenen Polizei!

Aufgabe 10: Im Leipziger Stadtteil Connewitz haben ca. 30 Personen eine kaum befah-
rene Straße nachts zur Partyzone umfunktioniert. Durch die aufgestellten Tische und
Stühle sowie ein Lagerfeuer ist die Straße nicht mehr für Autos passierbar. In der Vergan-
genheit hatte die Polizei eine solche Veranstaltung bereits einmal „aufgelöst“. Hierbei war
es zu schweren Ausschreitungen mit den Feiergästen gekommen.

Ermächtigungsgrundlage(n) für ein Einschreiten der Polizeibehörde?

Prüfen des jeweiligen Tatbestandes.

Welche Maßnahmen könnten getroffen werden?

Ist die Polizei verpflichtet einzuschreiten?

Aufgabe 11: A lässt seinen Schäferhund bei Spaziergängen in Leipzig frei laufen. Da-
raufhin erhält er von der Stadt Leipzig einen Bescheid, in dem er aufgefordert wird, seinen
Hund nur angeleint außerhalb seines Grundstückes zu führen. In der Begründung heißt
es u.a.: „... eine solche Anordnung müsse immer ergehen, wenn die Voraussetzungen
nach dem Gesetz vorliegen, nämlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht.“
Prüfen Sie die Rechtmäßigkeit des VA. (Hinweis: Das GefHundG ist nicht anzuwenden.)

(Nach Besprechung der Lösung stelle ich Ihnen beispielhaft eine ausformulierte Lösung in
Teams ein.)

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Aufgabe 12: Auf dem Grundstück von Eigentümer E befindet sich ein Tankbehälter für
Heizöl. Durch fehlerhaftes Betanken seitens Lieferant L läuft ein Teil des Öls ins Erdreich.
Nun erhält L einen Bescheid mit u.a. folgendem Inhalt: „Da Sie die entstandenen Verun-
reinigungen des Erdreichs verursacht haben, kommen Sie allein für die Beseitigung des
Schadens in Betracht.“ Wer ist Störer? Ist die Entscheidung ermessensfehlerfrei? (EGL ist
§ 12 SächsPBG)

Aufgabe 13: Der betrunkene B beschimpft lautstark Passanten in der Fußgängerzone


Petersstraße in Leipzig. Da er der Aufforderung des Polizisten P, dies zu unterlassen nicht
folgt, verbietet P dem B die Petersstraße jemals wieder zu betreten. Ermessensfehlerfrei?

d. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot)

Hier ist zu beachten, dass polizeiliche Maßnahmen stets folgende Anforderungen erfüllen
müssen (vgl. § 5 SächsPVDG und § 13 SächsPBG, in der Fallbearbeitung immer zitieren!):

- Geeignetheit, d.h. durch Maßn. kann das pol. Ziel erreicht bzw. zumindest geför-
dert werden, § 5 I SächsPVDG und § 13 I SächsPBG, die wortgleich sind
- Erforderlichkeit, d.h. es gibt kein milderes Mittel zur Verwirklichung des polizeili-
chen Zwecks, § 5 II SächsPVDG und § 13 II SächsPBG (Grundsatz des gerings-
ten Eingriffs)
- Angemessenheit des Mittels, d.h. die Nachteile durch die Maßnahme stehen nicht
erkennbar außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg (also Abwägung zwischen
Nachteilen für Betroffene, Unbeteiligte, Allgemeinheit einerseits und Ziel der Ge-
fahrenabwehr andererseits), § 5 III SächsPVDG und § 13 III SächsPBG

Aufgabe 14: Polizist P beobachtet bei einem nächtlichen Streifengang, wie Ganove G
versucht einen Wagen kurzzuschließen. Um ihn am Wegfahren zu hindern, schießt er
durch die geöffnete Scheibe und trifft G am Arm. Dieser muss wegen der Verletzung sein
Vorhaben aufgeben. War die Maßnahme des P verhältnismäßig?

(Nach Besprechung der Lösung stelle ich Ihnen beispielhaft eine ausformulierte Lösung in
Teams ein.)

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Aufgabe 15: Frau Lautlos ist Halterin eines PKW BMW in Leipzig. Eine im Fahrzeug feh-
lerhaft eingebaute Alarmanlage löst zu jeder Tages- und Nachtzeit häufig Fehlalarme aus.
Zwischen Oktober und Ende Dezember 2014 ereigneten sich insgesamt 60 Fehlalarme,
davon 33 in der Nachtzeit zwischen 22.00 und 6.00 Uhr. Jede leichte Erschütterung des
Fahrzeugs durch einen Windstoß oder vorbeifahrende Fahrzeuge löste Alarm aus. Die
ständige Störung der Ruhe im Wohngebiet hat zu einer Vielzahl von immer massiver wer-
denden Beschwerden geführt. Daraufhin ordnet die Stadt Leipzig die Stilllegung des Fahr-
zeugs an.

Prüfen Sie die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides! (EGL ist § 12 I SächsPBG)

Aufgabe 16: P sieht bei seiner Streife vormittags in einer stark von Fahrzeugen und Stra-
ßenbahnen befahrenen Einkaufsstraße, wie auf der anderen Straßenseite in etwa 50 m
Entfernung A gerade mit einem Stein ausholt, um die Scheibe eines Schnapsladens ein-
zuwerfen. Die Aufforderung des P an A, den Stein fallen zu lassen, bleibt wirkungslos, da
der Autoverkehr zu laut ist. Daraufhin gibt P einen gezielten Schuss mit seiner Dienstwaffe
auf A ab. A lässt, am Arm verletzt, den Stein fallen. Verhältnismäßig?

4.2.6 Ordnungspflicht von Störern und Nichtstörern

Wer von polizeilichen Maßnahmen in Anspruch genommen werden darf (sog. Störer) und
unter welchen Voraussetzungen, ist in den §§ 6 ff. SächsPVDG bzw. §§ 14 ff. SächsPBG
geregelt. Im Lehrbrief auf Seite 65 finden Sie eine Darstellung zu den Arten von Störern.

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- unmittelbare Ausführung einer Maßnahme

Zur Gefahrenabwehr ist grundsätzlich der Störer in Anspruch zu nehmen.

Sollte dieser einmal nicht rechtzeitig erreichbar sein, besteht für die Polizei die Möglichkeit,
eine Maßnahme ohne Inanspruchnahme eines konkreten Störers selbst auszuführen, sog.
unmittelbare Ausführung (§ 8 SächsPVDG, § 16 SächsPBG).

Voraussetzungen:

- Gefahr für öff. Sicherheit/Ordnung


- Eilbedürftigkeit (d.h. Störer nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen)

Beispiel: A stellt sein Auto auf dem Gehweg vor dem Landeskriminalamt ab. Das Auto
verstellt den gesamten Bürgersteig. Zwei Polizeibeamte bemerken das Fahrzeug und las-
sen es von einem Abschleppunternehmer wegbringen.

4.2.7 Einzelmaßnahmen der Polizei

Die sog. Einzelmaßnahmen der Polizei sind in den §§ 13 ff. PVDG bzw. 18 ff. PBG gere-
gelt.

Beispiel: Platzverweis gemäß § 18 SächsPVDG: vgl. Aufgabe 13

Beispiel: Die Polizisten P und O suchen auf einen telefonischen Hinweis über einen be-
vorstehenden Selbstmord hin das Haus des F auf. Aus der Wohnung hören sie laute Mu-
sik; auf ihr Klingeln, lautes Klopfen und Rufen öffnet niemand. Der anwesende Hausmeis-
ter wird nach einem Notschlüssel befragt, die Nachbarin, ob sie Angaben zu F machen
könne. Schließlich brechen P und O die Tür auf, schauen sämtliche Räume und Schränke
durch, bevor sie F im Bad mit einer Pistole in der Hand vorfinden. Nachdem F diese nicht
freiwillig herausgibt, überwinden ihn P und O und nehmen ihm die Waffe weg. Anschlie-
ßend bringen sie F gegen dessen Willen ins Krankenhaus.

Welche Einzelmaßnahmen wurden getroffen? Nennen Sie die entsprechenden Ermächti-


gungsgrundlagen!

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Aufgabe 16 a: Durch extremes Hochwasser der Mulde und damit verbunden Zerstörungen
von Häusern und Wohnungen sind zahlreiche Einwohner der Stadt Eilenburg obdachlos
geworden. Da die gesamte Region betroffen ist, sind auch sämtliche Hotels, Turnhallen
u.a. Notunterkünfte hoffnungslos überfüllt. Die Stadtverwaltung von Eilenburg überlegt
deshalb, ob sie einige Familien mit Kindern in das nicht vom Hochwasser betroffene Miets-
haus von Herrn Stein einquartieren kann, wo 4 Wohnungen leer stehen. Herr Stein lehnt
das ab. Könnte die Maßnahme gegen den Willen von Herrn Stein umgesetzt werden?

Aufgabe 16 b: Schnell hat seinen 35 Jahre alten, heruntergekommenen VW Golf in Halte-


verbot abgestellt. Das Ordnungsamt lässt das Fahrzeug abschleppen. Auf eine Anhörung
reagiert Schnell nicht. Das verhängte Bußgeld bezahlt er. Trotz mehrfacher schriftlicher
Aufforderung holt Schnell den Golf allerdings nicht ab. Nach 9 Monaten erhält Schnell
einen Leistungsbescheid, wonach er 970 EUR Kosten für Sicherstellung und Verwahrung
des Fahrzeugs bei einem Abschleppunternehmen zuzüglich Verwaltungskosten bezahlen
soll. Schnell ist entrüstet. Er legt Widerspruch ein. Zur Begründung führt er aus, der Wagen
sei schrottreif gewesen (Restwert 100 €). Die Polizei hätte ihn zur Vermeidung unverhält-
nismäßig hoher Kosten entsorgen müssen.

Muss Schnell den Leistungsbescheid bezahlen?

4.2.8 Polizeilicher Zwang

a. Rechtsgrundlagen des Verwaltungszwangs

SächsVwVG (§§ 19 ff.)

- im SächsPBG findet sich darüber hinaus keine Regelung, d.h. es ist allein das Sächs-
VwVG maßgeblich

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- im SächsPVDG gibt es ergänzende Regelungen in §§ 39-46

b. Zwangsmittel

Vorbemerkung: Zwangsmittel dienen allein der zwangsweisen Durchsetzung von öffent-


lich-rechtlichen Pflichten, insbesondere Verwaltungsakten. Dies hat also nichts mit Strafe,
insbesondere nichts mit Geldstrafe, Ordnungsgeld bzw. Bußgeld zu tun. Achten Sie auf
Verwendung der richtigen Begriffe!

nach § 19 Abs.2 SächsVwVG sind die Zwangsmittel:

- Zwangsgeld § 22 SächsVwVG (Regelzwangsmittel)


(ersatzweise Zwangshaft; Zwangshaft ist aber kein eigenständiges Zwangsmittel!),

- Ersatzvornahme § 24 SächsVwVG

- unmittelbarer Zwang §§ 25 SächsVwVG bzw. §§ 41 ff. SächsPVDG

c. Verfahren des Verwaltungszwanges und Voraussetzungen

- Grundverwaltungsakt i.S.v. § 19 SächsVwVG (§ 2 SächsVwVG)

- Vollstreckbarkeit, § 80 Abs.2 VwGO oder unanfechtbar (§ 2 SächsVwVG)

- Androhung, § 20 SächsVwVG (ggf. entbehrlich gemäß § 21 SächsVwVG)

- Festsetzung/Anwendung

Beispiel 1: Besprechung Abschleppen eines Fahrzeugs aus dem Halteverbot.

Beispiel 2: Besprechung anhand der Aufgabe 11

beachte Abgrenzung Ersatzvornahme zur unmittelbaren Ausführung:

- Ersatzvornahme - wenn ein VA vollstreckt wird, vgl. § 2 SächsVwVG


- unmittelbare Ausführung - wenn kein VA vorhanden, sondern Gefahr für öffentliche Si-
cherheit und Ordnung ohne vorherigen Versuch der Inanspruchnahme eines Störers ab-
gewehrt wird

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4.2.9 Polizeiverordnungen

- abzugrenzen von Allgemeinverfügung, § 35 S.2 VwVfG: diese regelt stets nur ei-
nen konkreten Fall (z.B. Halteverbotsschild). Hingegen richtet sich die Verordnung
auf eine unbestimmte Anzahl von Fällen.

- Gebote/Verbote für unbestimmte Anzahl von Fällen an unbestimmte Anzahl von


Personen gerichtet, vgl. § 32 ff. SächsPBG, Polizeiverordnungen sind im
SächsPBG geregelt, da diese Verordnungen nur von der Behörde erlassen wer-
den. Bei der Frage, ob eine Vorschrift im SächsPBG oder im SächsPVDG geregelt
ist, sollte man sich fragen, ob die jeweilige Aufgabe besser von der Behörde oder
aber vom Polizeivollzugsdienst bewältigt werden kann

- Bsp.: vorliegende Polizeiverordnung der Stadt Leipzig

- Rechtmäßigkeit einer Polizeiverordnung

1. Ermächtigungsgrundlage: § 32 I i.V.m. § 2 I SächsPBG

- für den Erlass örtlich und zeitlich begrenzter Alkoholkonsumverbote gibt es eine
spezielle Ermächtigungsgrundlage mit besonderen Tatbestandsvoraussetzungen
in § 33 Abs. 1 SächsPBG

- es war lange Zeit umstritten, ob die Ermächtigungsgrundlage verfassungsgemäß


ist (Streit bisher um alte Norm des § 9a SächsPolG, § 33 Abs. 1 SächsPBG redu-
ziert die Anforderungen für den Erlass einer Polizeiverordnung sogar nochmal), die
sächsischen Gerichte haben aber bisher keine Zweifel an der Vereinbarkeit des
alten § 9a SächsPolG mit der Verfassung, eine Entscheidung über § 33 SächsPBG
bleibt abzuwarten

2. Formelle Rechtmäßigkeit

a. Zuständigkeit des Verordnungsgebers

- allgemeine Polizeibehörden für ihren Dienstbezirk bzw. Teile des Dienstbezirks, §


34 SächsPBG

- bei PolVO der Ortspolizeibehörden wird diese erlassen (§ 35 I SächsPBG):


- wenn max. 1 Monat Geltung („Eilverordnung“) – Bürgermeister
- wenn längere Geltung – Gemeinderat

- bei PolVO der Kreispolizeibehörden gilt § 35 I SächsPBG nach § 35 II entspre-


chend

- b. Ordnungsgemäßes Verfahren

insbesondere Einhaltung der kommunalrechtlichen Vorschriften (SächsGemO bzw.


SächsLKrO)

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- c. Form und Zitiergebot

§ 37 SächsPBG

- danach zwingend einzuhalten: Erfordernisse nach Abs.1


- Sollerfordernisse: Abs. 2

- d. Verkündung, § 25 I 2 und II 2 SächsPBG


-

3. Materielle Rechtmäßigkeit

- a. Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage

- abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

- b. besondere Anforderungen

- Bestimmtheit

- ordnungsgemäße Ermessensausübung, Verhältnismäßigkeit

- Verstoß gegen Polizeiverordnung als Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld belegt


werden kann, § 39 SächsPBG

- Geltungsdauer, § 37 III SächsPBG

- In-Kraft Treten

- c. kein Verstoß gegen höherrangiges Recht (insbes. Grundrechte), § 36


SächsPBG

- Vorlagepflicht nach § 38 SächsPBG: Polizeiverordnungen, die länger als einen


Monat gelten sollen, müssen der Fachaufsichtsbehörde zur Genehmigung vorgelegt
werden, wobei die Genehmigung als erteilt gilt, wenn die Fachaufsichtsbehörde nicht
innerhalb von drei Monaten Bedenken mitteilt

Aufgabe 17: Überprüfen Sie die Rechtmäßigkeit der Polizeiverordnung der Stadt
Leipzig in Bezug auf § 17 I der VO!

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4.2.10 Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Polizei

vgl. Besprechung anhand des Lehrbriefs S. 87

4.2.11 Das Recht der Ordnungswidrigkeiten

- Begriff der Ordnungswidrigkeit, § 1 OwiG

- Rechtsquellen
zahlreiche Gesetze des besonderen Verwaltungsrechts, z.B. SächsWasserG,
SächsBO und SächsWaldG, StVO

Das OwiG selbst regelt hauptsächlich den Ablauf und die Grundsätze des Verfahrens
und daneben nur einige Ordnungswidrigkeitentatbestände.

- Verfahrensgrundsätze: (Erläuterung vgl. Besprechung)


-

- 1. keine Ahndung ohne Gesetz, § 3 OwiG

- 2. Opportunitätsprinzip

- 3. Untersuchungsgrundsatz

- 4. Unschuldsvermutung

- 5. „Im Zweifel für Betroffenen“

- 6. Rechtliches Gehör

- 7. Grundsatz des freien Ermittlungsverfahrens

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- Verfahrensablauf: vgl. Besprechung Übersicht Lehrbrief S. 97

Beispiel: Verfahren wegen Rotlichtverstoßes (vgl. Besprechung)

Gewerberecht

4.2.12 Einführung

a. Überblick und systematische Einordnung des Gewerberechts

Gewerberecht - Hauptteil des Wirtschaftsverwaltungsrechts, welches wiederum zum be-


sonderen Verwaltungsrecht gehört

Wirtschaftsverwaltung

Wirtschaftsförderung/ Wirtschaftsüberwachung
Wirtschaftslenkung

insbes. Leistungsverwaltung Ordnungsrecht (Abwehr speziell. Ge-


fahren aus
wirtschaftl. Betätigung)
z. B. Subventionen

Personen Anlagen

Spezialgesetze:
GastG, HandwO u.a.
Auffanggesetz:
GewO

b. Gewerbebegriff

Die GewO und die gewerberechtlichen Nebengesetze gelten grds. nur für die Ausübung
eines Gewerbes.

Gewerbe ist jede Tätigkeit die folgende Voraussetzungen erfüllt:

- erlaubt (nicht von vornherein verboten)


wenn die Tätigkeit nicht generell gegen Verfassungsrecht oder Strafgesetze verstößt
(kein Gewerbe etwa Betrieb von Glücksspielen, „gewerbsmäßiger“ Diebstahl oder Hehle-
rei)

- Gewinnerzielungsabsicht
wenn ein wirtschaftlicher Vorteil angestrebt wird (tatsächliches Erreichen unerheblich)

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- dauerhaft
wenn nicht nur gelegentlich, sondern mit Absicht der Regelmäßigkeit
(auch saisonale Tätigkeiten, z.B. Betrieb eines Campingplatzes im Sommer, Skischule)

- selbstständig
wenn der Betroffene das wirtschaftliche Risiko selbst trägt und grds. frei von Weisungen
Dritter tätig wird (im eigenen Namen, auf eigene Rechnung, auf eigenes Risiko;
wichtiges Merkmal: im Wesentlichen freie Gestaltung der Arbeit und Arbeitszeit)

und Folgendes nicht ist:

- Urproduktion (Gewinnung von Naturerzeugnissen durch Nutzung von Grund u. Boden


wie Ackerbau, Viehzucht, Fischerei, vgl. auch § 6 GewO)

- freiberufliche Tätigkeit (persönliche Dienstleistungen höherer Art), vgl. auch § 6 GewO,


z. B. Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten, freie schöpferische, künstlerische (z.B. Sänger,
Maler) oder wissenschaftliche Tätigkeiten (z.B: Hochschullehrer).

- Verwaltung eigenen Vermögens (z.B. Vermietung einer Wohnung durch den Eigentü-
mer)

4.2.13 Arten gewerblicher Betätigung

a. Einteilung gewerblicher Tätigkeit und deren Zulassungsvoraussetzungen

(1) stehendes Gewerbe (§§ 14 ff. GewO)

- Begriff: nicht gesetzlich bestimmt; liegt dann vor, wenn weder Reise- noch Marktgewerbe

- grds. erlaubnisfrei, es sei denn Erlaubnis nach GewO vorgesehen (§§ 30-34 GewO)
- erlaubnisfreie Gewerbe müssen jedoch stets angezeigt werden (§ 14 GewO)!

(2) Reisegewerbe (§§ 55 ff. GewO)

- Begriff: wenn Tätigkeit nach § 55 Abs.1 Nr. 1 oder 2 GewO

- grds. Erlaubnis erforderlich (§ 55 Abs. 2 - sog. Reisegewerbekarte)


Ausn.: § 55 a u. b GewO

(3) Marktverkehr (§§ 64 ff. GewO)

- Messen, § 64 GewO: Vertrieb nach Muster an Gewerbetreibende, z.B. die Frankfurter


Messe, Hannover-Messe

- Ausstellungen, § 65 GewO, z.B. Automobilausstellungen, Frankfurter Buchmesse

- Groß-, Wochen-, Spezial,- und Jahrmärkte (§§ 66-68 GewO)

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Zulassungsvoraussetzungen:

- grds. keine besondere gewerberechtliche Erlaubnis oder Anzeigepflicht

b. Anzeige- oder Erlaubnispflicht des Gewerbes

Abhängig vom Gefährdungspotential sieht das Gesetz unterschiedliche Überwachungs-


instrumentarien vor. Danach ergibt sich folgende Unterscheidung:

erlaubnispflichtige Gewerbe erlaubnisfreie Gewerbe

z.B. §§ 30-34c, 55 GewO u. keine Erlaubnis, aber Anzeige notwendig


Spezialgesetze, vgl. § 14 GewO, § 55c GewO
Erlaubnis erforderlich
- ggf. mit Nebenbestimmungen
bzw. nachträglichen Einschränkungen
(vgl. z.B. § 33a Abs. 1 S.3 GewO)

Zunächst ist stets zu untersuchen, ob die jeweilige Tätigkeit einem Erlaubnistatbestand


unterfällt. Dieser richtet sich nach der Art des vorliegenden Gewerbes (stehendes-, Reise,-
Marktgewerbe). Besteht keine Erlaubnispflicht, kann es sich nur um ein erlaubnisfreies
und damit lediglich anzeigepflichtiges Gewerbe handeln.

Beim erlaubnisfreien Gewerbe knüpft das behördliche Instrumentarium an die Anzeige


gem. § 14 GewO an (vgl. auch § 55c GewO). Dadurch soll die Behörde überhaupt Kennt-
nis von der Gewerbeausübung und folglich die Möglichkeit der Überwachung erlangen.
Auf Anzeige hin bescheinigt die Behörde innerhalb von drei Tagen den Empfang (im Volks-
mund: sog. „Gewerbeschein“, § 15 Abs. 1 GewO).

c. Begriff der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit

Zuverlässigkeit ist ein zentraler Begriff des Gewerberechts (vgl. z.B. §§ 30 Abs.1 S. 1 Nr.1,
33a Abs. 2 Nr. 1, 35 Abs. 1 S. 1 GewO) und wichtiges Kriterium bei der Entscheidung über
Gewährung/Versagung einer Erlaubnis bzw. bei Aufhebung einer solchen bzw. bei der
Untersagung der Ausübung eines Gewerbes.
Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Nach Rspr. gilt ein Gewer-
betreibender als unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens
nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt.

Erforderlich ist eine Prognoseentscheidung, die auf nachweisbaren Tatsachen beruht,


bloße Vermutungen reichen nicht. Da es bei der Entscheidung über die Zuverlässigkeit
um Gefahrenabwehr geht, kommt es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden nicht
an.

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besonders praxisrelevante Tatsachen für Unzuverlässigkeit:

- Begehung von Straftaten und OWis (Gesamtwürdigung des Verhaltens, insbes. Gewer-
bebezug der Tat, z.B. Vermögensdelikte bei einem Händler)
- Nichtabführung von Abgaben (häufigster Untersagungsgrund in der Praxis!)
- wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit

4.2.14 Verhinderung der Gewerbeausübung

Wie ein Gewerbe verhindert wird, richtet sich danach, ob eine Erlaubnis für dieses Ge-
werbe erforderlich ist.

Erlaubnisfreie Gewerbe erlaubnispflichtige Gewerbe

Gewerbeuntersagung Widerruf/Rücknahme der Erlaubnis

Stehendes Gewerbe Reisegewerbe


nach Spezialgesetz falls kein SpezG

z.B. § 33d Abs.4 §§ 48, 49 VwVfG


§ 35 GewO §§ 59 i.V.m. GewO
57 GewO

- infolge Untersagung ist die weitere - infolge Rücknahme/Widerruf weitere Aus-


übung illegal
Gewerbeausübung illegal
- bei Nichtbeachtung Schließungsverfügung
gem. § 15 Abs. 2 GewO möglich

- Bei Nichtbeachtung: - Bei Nichtbeachtung: Zwangsmittel möglich


Zwangsmittel möglich

Zuständigkeit im Gewerberecht

sachlich: § 155 Abs. 2 GewO i.V.m. GewODVO


örtlich: § 3 VwVfG bzw. § 61 S. 1 GewO für Reisegewerbe

Bsp.: - Untersagung nach § 35 GewO

- Gewerbeanzeige nach § 14 GewO

- Schließungsverfügung gem. § 15 II GewO

- Widerruf Reisegewerbekarte/stehendes Gewerbe

- Erteilung Konzession nach § 30 GewO

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Gaststättenrecht

4.2.15 Einführung

Ursprünglicher Zweck des Gaststättenrechts war die Bekämpfung des Alkoholmiss-


brauchs. Mittlerweile dient es aber auch dem Schutz der Gäste, Beschäftigten, Nachbar-
schaft sowie der Allgemeinheit.

Begriff und Arten des Gaststättengewerbes

Begriff (vgl. 1 Abs. 1 SächsGastG)

Ein Gaststättengewerbe setzt dreierlei voraus:

1. gewerbsmäßiges Anbieten von Getränken („Schankwirtschaft“) und/oder zubereiteten


Speisen („Speisewirtschaft“)
2. zum Verzehr an Ort und Stelle geeignet
3. der Betrieb ist jedermann oder einem bestimmten Personenkreis zugänglich

Die verschiedenen Tätigkeiten können alternativ oder gemeinsam vorliegen. Bereits das
Verabreichen alkoholfreier Getränke stellt den Betrieb einer Schankwirtschaft dar. Außer-
dem müssen die Getränke oder Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht wer-
den. Ein Verkauf durch Automaten oder die Möglichkeit der Selbstbedienung reicht aus.

Das SächsGastG über den Ausschank alkoholischer Getränke gilt entsprechend für Ver-
eine und Gesellschaften, die kein Gaststättengewerbe betreiben, § 1 Abs. 2 SächsGastG.

4.2.16 Inbetriebnahme eines Gaststättengewerbes – Anzeigepflicht

Wer ein Gaststättengewerbe betreiben will, hat dies der Gemeinde form- und fristgerecht
anzuzeigen.

Form

- grds. Angabe in Schriftform (Umkehrschluss aus § 2 Abs. 1 S. 4 SächsGastG), ob beab-


sichtigt ist, alkoholische Getränke, zubereitete Speisen oder beides anzubieten (vgl. § 2
Abs. 1 S. 2 SächsGastG)

- bei Vereinen und Gesellschaften, die kein Gaststättengewerbe betreiben, formlose An-
zeige des Ausschanks alkoholischer Getränke, Anschrift und Name des Vereins oder der
Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 S. 4 SächsGastG)

Frist

Anzeigepflicht grds. vier Wochen im Voraus, vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 SächsGastG, ausnahms-


weise,

- zwei Wochen im Voraus, wenn das Gaststättengewerbe nur vorübergehend betrieben


werden soll (z.B. Schausteller oder Straußwirtschaft)
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- oder die Gemeinde von der Frist absieht, § 2 Abs. 4 SächsGastG

Untersagung des Betriebes

- wenn die Anzeige nicht form-, frist-, oder wahrheitsgemäß erstattet wurde, § 2 Abs. 5
SächsGastG

- wenn der Gewerbetreibende unzuverlässig ist, § 13 Abs. 1 SächsGastG i.V.m. § 35 Abs.


1 S. 1 GewO (auch vor Inbetriebnahme, § 4 Abs. 1 S. 6 SächsGastG), insbes. bei Alko-
holmissbrauch oder bei Vorschubleisten von Straften und Ordnungswidrigkeiten

4.2.17 Überwachung und Anordnungen, Verbote und Gebote

Überwachung und Anordnungen

Die Gemeinde überwacht die Ausübung des Gaststättengewerbes und gibt ggf. Anord-
nungen, wenn dies zum Schutz der Gäste gegen Ausbeutung oder gegen Gefahren für
Leben und Gesundheit erforderlich ist, § 5 Abs. 1 S. 1 SächsGastG.

Dies kann bei Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden bis zur Untersagung der Gewer-
beausübung führen, § 13 Abs. 1 SächsGastG i.V.m. § 35 Abs. 1 S. 1 GewO.

Verbote

Verboten sind Tätigkeiten nach § 8 SächsGastG.

Sonstiges

Der Gewerbetreibende hat zudem die Arbeitsschutzvorschriften der Arbeitsstättenverord-


nung, die Bau- und Immissionsgesetze zu beachten.

Exkurs: Ordnungswidrigkeiten im Gaststättenrecht

Zuständigkeit im Gaststättenrecht: (Besprechung anhand der Übungsaufgaben)

Übungsaufgaben Gewerberecht

Teil I - Allgemeines Gewerberecht

Aufgabe 1: Handelt es sich in folgenden Fällen um ein Gewerbe im Sinne der GewO?

a. A und B bestreiten ihr Einkommen seit einigen Jahren dadurch, dass sie Elektrogeräte
aus Diebstählen weiterverkaufen.
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b. Hausmeister H arbeitet für verschiedene Hauseigentümer. In den jeweiligen Verträgen


sind u.a. die einzelnen Pflichten des H (Reinigung, Wartung, Winterdienst etc.) geregelt.

c. Bauer B hält Hühner und Kühe. Außerdem verkauft er einen kleinen Teil der Eier bzw.
Milch direkt vom Hof.

d. Rechtsanwalt R betreibt eine Anwaltskanzlei.

e. Hausfrau H betreut entgeltlich Schüler bei der Erledigung von Hausaufgaben.

f. E ist Eigentümer einer Wohnung in Leipzig. Diese vermietet er an eine Familie. Außer-
dem nutzt er einen Teil seines Geldes für Börsenspekulationen.

g. M führt seit zwei Jahren einen Schreibwarenladen, der jährlich bisher ca. 10.000,- €
Verluste einbrachte.

Aufgabe 2: Hans Helfer (H) möchte einen privaten Sicherheitsdienst eröffnen. Angeboten
wird Personen- und Objektschutz. Handelt es sich um ein Gewerbe und wenn ja um wel-
che Art?

Aufgabe 3: H (aus Aufgabe 2) erkundigt sich bei Ihnen, was er bei Beginn seiner Tätigkeit
zu beachten hat. Was kann die Behörde veranlassen, wenn H Ihre Auskunft nicht beach-
tet?

Aufgabe 4: Die gelangweilte Hausfrau Gähn (G) möchte in Leipzig für eine Vertriebsfirma
Zeitschriftenabonnements auf Provisionsbasis vermitteln. Dazu soll sie die Kunden unan-
gemeldet an der Haustür aufsuchen. G fragt Sie, ob es sich hierbei um ein Gewerbe han-
delt und wenn ja, um welches.

Aufgabe 5: Berta Kaiser (K) möchte ein privates Geburtshaus gründen.


Erlaubnispflichtig ?

Aufgabe 6: Unter welchen Voraussetzungen erteilt die zuständige Behörde K in Aufgabe


5 die Konzession?

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DbU/VFA/VWA/2021-2022 Polizei- und Gewerberecht (Skript)

Aufgabe 7: Benötigt G in Aufgabe 4 eine Erlaubnis?

Aufgabe 8: Wie ist in Aufgabe 2 gegen H vorzugehen, wenn sich herausstellt, dass H nach
Erteilung der Erlaubnis über einen Zeitraum von einem Jahr in insgesamt 7 Fällen wert-
vollen Schmuck bei verschiedenen Kunden im Rahmen der „Hausdienste“ gestohlen hat?

Aufgabe 9: Aufgrund welcher Ermächtigungsgrundlage kann Frau Kaiser aus Aufgabe 5


die Konzession entzogen werden, wenn sich herausstellt, dass Frau K unerlaubte
Schwangerschaftsabbrüche an ihrer Klinik vornehmen lässt?

Aufgabe 10: Was wäre die Ermächtigungsgrundlage für eine Entziehung der Erlaubnis von
Frau G in Aufgabe 4, wenn sich herausstellt, dass sie sich im Verlauf ihrer Tätigkeit regel-
mäßig Abos durch betrügerisches Verhalten erschleicht? Wer ist dafür zuständig?

Variante zu Aufgabe 10: Wie wäre zu verfahren, wenn G in Aufgabe 4 ohne Reisegewer-
bekarte tätig wird?

Aufgabe 11: Gerd Schloss (S) betreibt seit einiger Zeit eine Sicherheitsfirma in Leipzig, die
sich mit Personen- und Objektschutz befasst. Eine Erlaubnis hat S nicht beantragt. Als
das Gewerbeamt der Stadt Leipzig hiervon erfährt, teilt es dem S mit, dass es die Fortset-
zung der Tätigkeit untersagen werde, falls S nicht innerhalb von zwei Wochen die erfor-
derliche Erlaubnis beantrage. Da S davon ausgeht, seine Tätigkeit bedürfe keiner Geneh-
migung, unternimmt er nichts. Zusätzlich stellt sich heraus, dass S bei 2 Kunden wertvollen
Schmuck „mitgehen“ lassen hat. Daraufhin verbietet die Behörde die Fortsetzung der Tä-
tigkeit. S legt form- und fristgemäß Widerspruch ein. Prüfen Sie die Begründetheit des
Widerspruchs!

Rechtsanwalt Christoph Häntzschel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und für Arbeitsrecht, Mediator
Gustav-Adolf-Straße 17 04105 Leipzig, haentzschel@hgra.de
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Variante zu Aufgabe 11: S hat auf Hinweis der Behörde die Erlaubnis beantragt, die ihm
auch erteilt wird. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass S bereits mehrfach wegen Ein-
bruchsdiebstahls vorbestraft ist, dies aber bei Antragstellung für die Erlaubnis verschwie-
gen hatte. Wie kann die Behörde dem S die Erlaubnis entziehen?

Teil II - Gaststättenrecht

Aufgabe 12: A möchte ein Bistro eröffnen, in das man zum Essen und Trinken einkehren
kann. Dafür will er eine Wohnung umbauen. Benötigt A eine Erlaubnis?

Aufgabe 13: Der Tennisverein Filz 01 möchte im Vereinsheim Erfrischungsgetränke (Bier,


Cola, Wasser u.ä.) an die Vereinsmitglieder zu kostendeckenden Preisen ausschenken.
Vereinsvorstand V fragt, ob hierfür das SächsGastG anwendbar ist.

Aufgabe 14: Die Firma F möchte eine Betriebskantine einrichten, die ausschließlich für
Betriebsangehörige zugänglich ist. Ist das SächsGastG anwendbar?

Aufgabe 15: Heinz Prost (P) betreibt mit seiner Familie ein florierendes Wein- und Spei-
selokal. P, der dies seiner Gemeinde angezeigt hat, wird eines Tages völlig unerwartet
aus dem Leben gerissen. Seine Witwe (W) fragt sich, ob sie nunmehr selbst das Gaststät-
tengewerbe der zuständigen Gemeinde anzeigen muss.

Aufgabe 16: Gerd Suff (S) möchte in Leipzig eine Kneipe eröffnen und zeigt dies bei der
Stadt entsprechend an. Als zuständiger Sachbearbeiter stellen Sie bei Prüfung der An-
zeige fest, dass S eine Vorgeschichte als Alkoholiker hat und in der Vergangenheit bereits
einmal eine Entziehungskur abgebrochen hat, seit fünf Jahren aber „trocken“ ist.

Wie haben Sie sich als rechtstreuer Sachbearbeiter zu verhalten? Woraus ergibt sich die
Zuständigkeit der Stadt Leipzig für eine gegebenenfalls anstehende Entscheidung?

Rechtsanwalt Christoph Häntzschel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und für Arbeitsrecht, Mediator
Gustav-Adolf-Straße 17 04105 Leipzig, haentzschel@hgra.de
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Variante: S ist nicht Alkoholiker. Seine einzige Vorstrafe (wegen fahrlässiger Körperver-
letzung) rührt aus einem Verkehrsunfall, bei dem das Unfallopfer infolge leichter Unauf-
merksamkeit des S bleibende Schäden erlitt. Wie entscheiden Sie nun?

Aufgabe 17: Aufgrund welcher Ermächtigungsgrundlage kann die Ausübung des Gast-
stättengewerbes wegen Unzuverlässigkeit untersagt werden?

Aufgabe 18: Nach welcher Ermächtigungsgrundlage verhindert man die Ausübung eines
nicht angezeigten Gaststättenbetriebes?

Aufgabe 19: Prost (P) hat in der kreisfreien Stadt L, ohne dies der Stadt anzuzeigen, eine
Kneipe eröffnet. Prost verfügt nicht über die notwendigen lebensmittelrechtlichen Kennt-
nisse. Als Bedienung hat er seine minderjährige Nichte gewonnen, die er im Lokal länger
arbeiten lässt, als es die für Jugendliche geltenden Höchstarbeitszeiten erlauben. Vor kur-
zem wurde bei der kreisfreien Stadt L eine mittelschwere Lebensmittelvergiftung eines
Gastes durch eine Anzeige bekannt. Nachforschungen haben den Sachverhalt bestätigt.
Unterbreiten Sie als zuständiger Sachbearbeiter einen Entscheidungsvorschlag!

Rechtsanwalt Christoph Häntzschel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und für Arbeitsrecht, Mediator
Gustav-Adolf-Straße 17 04105 Leipzig, haentzschel@hgra.de
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