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BÜRGERSCHAFT

DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 22/3071


22. Wahlperiode 09.02.21

Schriftliche Kleine Anfrage


des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 01.02.21

und Antwort des Senats

Betr.: Heikles Ermittlungsverfahren gegen eine Mitarbeiterin der Hamburger


Staatsanwaltschaft

Einleitung für die Fragen


Einem Bericht des „Hamburger Abendblatts“ vom 1. Februar 2021 zufolge soll
eine 29-jährige Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft Hamburg bei einer Aktion
gegen Drogenhändler festgenommen worden sein. Sie habe nicht nur Drogen
deponiert, sondern soll auch ihren Freund und dessen Komplizen mit Informa­
tionen versorgt haben: „Regelmäßig soll sie die Männer über Ermittlungen
gegen die Drogenszene informiert haben.“ In ihrer Wohnung habe man zudem
30 Gramm Kokain und 90 Gramm Marihuana sichergestellt. Die Staatsanwalt­
schaft teilte gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ mit, dass die Mitarbeite­
rin Hausverbot habe und ihr der Dienstausweis abgenommen wurde, ihre
Zugangsberechtigung sei gesperrt worden. Zudem werden arbeitsrechtliche
Maßnahmen eingeleitet.
„(…) Der Fall ist ein weiterer Erfolg für die sogenannte Soko „Hammer“. Sie
hatte die Daten via Bundeskriminalamt aus den Niederlanden bekommen. Dort
war im vergangenen Juni bekannt geworden, dass dort von der Polizei die
Plattform „EncorChat“ geknackt worden war. Über 20 Millionen unbekümmert
geführte Chats aus dem vermeintlich „sicheren“ Netzwerk waren so Ermittlern
in die Hände gefallen. Die Chat-Verläufe sind extrem brisant. Das Netzwerk
mit rund 60.000 Nutzern wurde nahezu ausschließlich für Geldwäsche, Dro­
genhandel und anderen kriminellen Geschäften und sogar für die Einfädelung
von Mordkomplotten genutzt. Hier hat man bereits zahlreiche Erfolge deswe­
gen gehabt. Mehrere Haftbefehle wurden bereits vollstreckt, zuletzt gab es im
Dezember 2020 deshalb eine groß angelegte Razzia mit 15 Festnahmen und
Durchsuchungen in Hamburg und dem gesamten Umland. (…)“, heißt es wei­
ter in dem Artikel (https://www.abendblatt.de/hamburg/article231449333/
Staatsanwaltschaft-Mitarbeiterin-verriet-Dienstgeheimnisse.html).
Es ist erfreulich, dass die Soko „Hammer“ viele Erfolge bei Ermittlungen in die­
sem Kriminalitätsbereich verzeichnen konnte, auch in Hamburg. Gleichzeitig
ist es erschreckend, dass sogar eine Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft
Hamburg darin verwickelt zu sein scheint.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
Einleitung für die Antworten:
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat am 27. Januar 2021 gemeinsam mit Kräf­
ten des Landeskriminalamtes in einem Ermittlungsverfahren wegen bandenmäßigen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Durchsuchungsbeschlüsse an sieben Objekten
sowie einen Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vollstreckt. Auch der Arbeitsplatz
einer Servicemitarbeiterin bei der Staatsanwaltschaft Hamburg wurde durchsucht.
Drucksache 22/3071 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode

Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen drei männliche sowie die vorgenannte
weibliche Beschuldigte. Es beruht auf dem vertraulichen Hinweis eines Informanten
vom 28. Oktober 2020 und der Auswertung von Erkenntnissen aus sogenannten
EncroChat-Dateien. Bei der weiblichen Beschuldigten handelt es sich um eine seit circa
einem Jahr für die Staatsanwaltschaft Hamburg in einer Betäubungsmittelabteilung
tätige Bedienstete. Da diese im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugriff auf verfahrensbezogene
Daten im Bereich der dort geführten Betäubungsmittelvorgänge hatte, zog der General­
staatsanwalt die Ermittlungen am 29. Oktober 2020 an sich (§ 145 Absatz 1 Gerichts­
verfassungsgesetz (GVG)). Ein Zugriff der Beschuldigten auf Erkenntnisse des gegen
sie laufenden Verfahrens war fortan ausgeschlossen. Außerdem wurde die Beschul­
digte unter einer Legende nicht mehr mit der Bearbeitung von Verfahren gegen Perso­
nen aus ihrem Umfeld betraut.
Allen vier Beschuldigten wird vorgeworfen, mit Marihuana und Kokain aus einem Depot
Handel getrieben zu haben. Zwei männliche Beschuldigte sollen die vorportionierten
Betäubungsmittel nach vorheriger telefonischer Bestellung per Pkw zu den Endabneh­
mern gebracht haben. Der beschuldigten Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft wird wei­
ter vorgeworfen, die Geschäftsabläufe dadurch abgesichert zu haben, dass sie Infor­
mationen, die sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erlangt hatte, an die übrigen
Beschuldigten weiterleitete.
Bei den Durchsuchungen konnten insgesamt 37,5 g Kokaingemenge und 112,5 g
Marihuana (jeweils verkaufsfertig portioniert) sichergestellt werden, davon 30 g Kokain­
gemenge und 90 g Marihuana in der Wohnung der weiblichen Beschuldigten. Ferner
wurden Waagen, Verpackungsmaterial, Mobiltelefone und weitere elektronische Geräte
sowie Bargeld im mittleren vierstelligen Bereich und zwei zur Auslieferung der Betäu­
bungsmittel genutzte Kraftfahrzeuge beschlagnahmt. Einer der Beschuldigten kam auf­
grund eines zuvor erlassenen Haftbefehls in Untersuchungshaft. Die übrigen drei
Beschuldigten wurden vorläufig festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt.
Nach Durchführung dieser Maßnahmen wurden sie wegen fehlender Haftgründe aus
dem polizeilichen Gewahrsam entlassen.
Ein Verfahren zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin wurde eingeleitet. Der
Personalrat wurde bereits angehört.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

Frage 1: Ist es richtig, dass in der Wohnung einer (ehemaligen) Mitarbeiterin


der Staatsanwaltschaft Hamburg Drogen sichergestellt wurden? Ist
es richtig, dass die Mitarbeiterin im Verdacht steht, vertrauliche Infor­
mationen weitergeleitet zu haben?

Frage 2: Falls ja, wie stellt sich der Sachverhalt im Einzelnen dar? Bitte detail­
liert erläutern.

Frage 3: Falls ja, wann wurden welche Erkenntnisse darüber gewonnen und
welche Maßnahmen strafrechtlicher und arbeitsrechtlicher Art wur­
den daraufhin gegen die Mitarbeiterin jeweils wann von wem einge­
leitet?
Antwort zu Fragen 1, 2 und 3:
Siehe Vorbemerkung.

Frage 4: Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Beschuldigte wegen


jeweils welcher Delikte wurden in Hamburg aufgrund der sicherge­
stellten Chatverläufe auf EncroChat durch die Soko „Hammer“ bereits
eingeleitet? Wie viele Haftbefehle aufgrund jeweils welcher Tatvor­
würfe wurden erlassen?
Antwort zu Frage 4:
Bei den Staatsanwaltschaften Hamburg sind bisher 99 Ermittlungsverfahren mit Encro­
Chat-Bezügen eingeleitet worden. Die Verfahren wurden bei der Polizei von der Beson­
deren Aufbauorganisation (BAO) „Hammer“, aber auch von anderen Dienststellen, wie

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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Drucksache 22/3071

dem LKA 41 (Mordkommission), dem BKA und dem Zollfahndungsamt bearbeitet.


Diese 99 Verfahren richten sich insgesamt gegen 171 bereits identifizierte Beschul­
digte. In 60 der 99 Verfahren sind – zum Teil gegen mehrere Beschuldigte – Haftbefehle
beantragt beziehungsweise erlassen beziehungsweise schon vollstreckt worden. Die
Haftbefehle haben in der Regel Schwerkriminalität im Bereich des Drogenhandels zum
Gegenstand. Die personenbezogene Anzahl der Haftbefehle und die jeweilige Darstel­
lung der Tatvorwürfe ist innerhalb der für die Beantwortung einer Parlamentarischen
Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar, da dafür eine händische Auswer­
tung erforderlich wäre.
Über die bereits bei den Staatsanwaltschaften Hamburg anhängigen Ermittlungsverfah­
ren hinaus werden die weiteren Verfahren unter Leitung der Zentralstelle zur Bekämp­
fung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frank­
furt am Main geführt. Für die Beantwortung der Fragestellung ist daher die General­
staatsanwaltschaft Frankfurt am Main zuständig.

Vorbemerkung: § 34 Absatz 1a Hamburgisches Sicherheitsüberprüfungs- und


Geheimschutzgesetz (HmbSÜGG) sieht seit dem 24. Januar 2020
vor, dass vor der Einstellung in eine Laufbahn der Fachrichtung Poli­
zei oder als Angestellte oder Angestellter im Polizeidienst die zustän­
dige Stelle abweichend von Absatz 1 Satz 2 Erkenntnisse des Lan­
desamtes für Verfassungsschutz anfragt.

Frage 5: Welche entsprechenden Überprüfungen finden bei einzustellenden


Nachwuchskräften beziehungsweise Mitarbeitern/-innen der Staats­
anwaltschaft, der Gerichte (exklusive Richter/-innen) und im Justiz­
vollzug statt?
Antwort zu Frage 5:
Bei Gerichten und Staatsanwaltschaften wird bei Neueinstellungen ein aktuelles Füh­
rungszeugnis der Belegart 0 angefordert. Für die Nachwuchskräfte des Justizvollzuges
wird ebenfalls ein aktuelles Führungszeugnis der Belegart 0 und zusätzlich eine Sicher­
heitsüberprüfung gemäß § 34 Absatz 1 Hamburgisches Sicherheitsüberprüfungs- und
Geheimschutzgesetz (HmbSÜGG) unter Mitwirkung des Landeskriminalamtes abgefor­
dert.

Frage 6: Inwiefern wird gewährleistet, dass Mitarbeiter/Beamte in besonders


sensiblen Bereichen der Polizei sowie der Staatsanwaltschaft und der
Strafjustiz entsprechend vertrauenswürdig sind? Für wie viele Mitar­
beiter/Beamte bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgerichten
(exklusive Richter/-innen) wurden jährlich seit 2015 jeweils welche
Sicherheitsüberprüfungen gemäß § 7 fortfolgende HmbSÜGG durch­
geführt?
Antwort zu Frage 6:
Zuverlässigkeits- und Sicherheitsüberprüfungen für alle sicherheitsempfindlichen Berei­
che in Hamburg führt das Landeskriminalamt Hamburg, Abteilung Staatsschutz, Sach­
gebiet Zuverlässigkeits- und Sicherheitsüberprüfungen (LKA 7012) durch.
Ob und in welcher Form eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen ist, ist im Gesetz
über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen und den
Umgang mit eingestuften Geheimnissen der Freien und Hansestadt Hamburg (Ham­
burgisches Sicherheitsüberprüfungs- und Geheimschutzgesetz – HmbSÜGG) geregelt.
Bei Sicherheitsüberprüfen wird gemäß § 7 HmbSÜGG unterschieden zwischen
- einfacher Sicherheitsüberprüfungen (Ü 1),
- erweiterter Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) und
- erweiterter Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3).
Die Art der erforderlichen Sicherheitsüberprüfung orientiert sich an der Art des sicher­
heitsempfindlichen Bereiches, in der die Person eingesetzt werden soll, und der dort
zugänglichen und eingestuften Verschlusssachen; Einzelheiten sind in den §§ 8, 9 und
10 HmbSÜGG geregelt.

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Drucksache 22/3071 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode

Maßnahmen bei den einzelnen Überprüfungsarten richten sich nach § 12 HmbSÜGG.


Überprüfungen der genannten Berufsgruppen werden einheitlich auf Grundlage des
§ 34 Absatz 1 HmbSÜGG beziehungsweise § 33 Absatz 2 HmbSÜGG durchgeführt.
Das LKA 7012 führt die entsprechenden Sicherheitsüberprüfungen zu den ihm benann­
ten Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen eingesetzt werden sollen,
durch und meldet die Ergebnisse an die jeweils zuständige anfragende Behörde zurück.
Der sachgerechte Umgang mit den übermittelten Ergebnissen obliegt der anfragenden
Stelle.
Im Übrigen werden Daten im Sinne der Fragestellung von der Polizei nicht erhoben.
Darüber hinaus löscht das LKA 7012 alle Daten der abgefragten Personen nach
Abschluss der Sicherheitsüberprüfungen und Übermittlung der Ergebnisse an die
anfragenden Stellen.
Innerhalb der Gerichte und der Staatsanwaltschaften werden Sicherheitsüberprüfungen
bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt, die über besondere Befugnisse ver­
fügen.
Für die Gerichte und Staatsanwaltschaften wurden folgende Sicherheitsüberprüfungen
durchgeführt:

Tabelle
§ 34 Abs. § 8 – einfache § 9 – erweiterte § 10 – erweiterte Sicher­
1 Hmb­ Sicherheits­ Sicherheitsüber­ heitsüberprüfung mit
Jahr SÜGG überprüfung prüfung Sicherheitsermittlungen
Ü1 Ü2 Ü3
2015 8 7 4 1
2016 4 2 5 1
2017 7 5 8 2
2018 1 5 4 4
2019 11 11 12 0
2020 9 6 6 2
2021 11 9 3 0

Vorbemerkung: Im Juni 2020 wurde eine 35-jährige Angestellte der JVA Fuhlsbüttel
dabei erwischt, Rauschgift ins Gefängnis eingeschmuggelt zu haben.
In der Drs. 22/542 gab der Senat dazu an: „Bei einer Mitarbeiterin der
JVA Fuhlsbüttel wurde in der 23. Kalenderwoche ein Paket entdeckt.
Das Paket wurde ungeöffnet an herbeigerufene Polizeibedienstete
übergeben. Dessen Inhalt ist Teil der laufenden Ermittlungen, über
die keine Auskunft gegeben werden kann, um diese nicht zu gefähr­
den.“ Mittlerweile sind fünf Monate vergangen. In der Drs. 22/2317
teilte der Senat mit: „Die Ermittlungen dauern an. Am 10. Juni 2020
wurden in diesem Verfahren verschiedene Durchsuchungsbeschlüs-
se vollstreckt. Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen und
Gegenstände wird andauern, nachdem die Betroffenen hiergegen
zunächst Rechtsmittel eingelegt hatten.“ Zwischenzeitlich sind zwei
weitere Monate vergangen.

Frage 7: Wie ist der Sachstand des Ermittlungsverfahrens?


Antwort zu Frage 7:
Die Auswertung der Beweismittel dauert an.

Frage 8: Nachdem der Mitarbeiterin fristlos gekündigt wurde, hat sie Kündi­
gungsschutzklage erhoben. Wie ist der Sachstand des Verfahrens
vor dem Arbeitsgericht Hamburg?
Antwort zu Frage 8:
Die Kündigungsschutzklage wurde abgewiesen.

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