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Mark van Thiel · Die Vortaten zur Geldwäscherei in der Schweiz GELDWÄSCHEREI

Mark van Thiel

Die Vortaten zur


Geldwäscherei in der Schweiz
Praxiserfahrungen der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS1) seit 1. April 1998

Als Ende der achtziger Jahre gesetzliche Massnahmen gegen die Geldwäscherei erlassen
wurden, standen primär die Erlöse aus dem Drogenhandel im Vordergrund. Das Schweize-
rische Strafgesetzbuch geht aber weit über dieses Delikt hinaus und erfasst zusätzlich die
Vermögenswerte aus anderen Straftaten, wie z.B. Vermögensdelikte (Raub, Betrug, Verun-
treuung etc.). Die Meldestelle für Geldwäscherei berichtet über ihre Erfahrungen und gibt
Hinweise wie Vermögenswerte aus solchen Verbrechen erkannt werden können.

1. Einleitung strafbaren Handlung nach Art. 305bis 2. Definition Geldwäscherei:


Strafgesetzbuch (StGB)3 stehen, dass die Gesetzliche Grundlagen in der
Ab Ende der achtziger Jahre wurden inter- Vermögenswerte aus einem Verbrechen Schweiz
national gesetzliche Massnahmen zur Be- herrühren oder der Verfügungsmacht ei-
kämpfung der Geldwäscherei eingeführt. ner kriminellen Organisation unterliegen Die Schweiz führte am 1. August 1990
Primäres Ziel war es, die Verbrecher und (Art. 260ter Ziff. 1 StGB). Schöpft MROS den Geldwäschereitatbestand (Art. 305bis
ihre Komplizen zu verfolgen, u.a. indem den begründeten Verdacht, dass bei einer StGB) ein. Dieser Artikel bestraft jenen,
das Waschen von kriminell erlangten Ver- Verdachtsmeldung einer der oben be- welcher eine Handlung vornimmt, die ge-
mögenswerten bestraft wurde. Der Fokus schriebenen Elemente zutrifft, so zeigt sie eignet ist, die Ermittlung, die Auffindung
lag dabei auf den Erlösen aus dem Dro- dies unverzüglich der zuständigen Straf- oder die Einziehung von Vermögenswer-
genhandel, im speziellen auf den Vermö- verfolgungsbehörde an (Art. 23 GwG). ten zu vereiteln, die, wie er annehmen
genswerten krimineller Organisationen. Der Autor ist stellvertretender Chef von muss, aus einem Verbrechen herrühren.
Dieser Artikel beschreibt erstens, aus MROS seit dem 1. April 1998. Die Vermögenswerte müssen also aus
welchen Vortaten Vermögenswerte stam- einem Verbrechen stammen. Der Begriff
men müssen, damit sie in der Schweiz Verbrechen wird in Art. 9 Ziff. 1 StGB de-
«geldwäschereifähig» sind. Zweitens zeigt finiert. Es sind dies jene Handlungen, wel-
der Autor, welche Erfahrungswerte seit che mit Zuchthaus bedroht sind. Art. 35
der Einführung des Geldwäschereigeset- StGB beschreibt die Zuchthausstrafe und
zes (GwG)2 in der Schweiz gemacht wur- dessen Dauer. Sie ist die schwerste Frei-
den, welche Vortaten im Vordergund stan- heitsstrafe und dauert mindestens 1 Jahr,
den und welchen Stellenwert die Drogen- längstens 20 Jahre. Wo es das Gesetz be-
delikte einnehmen. Zum Schluss gibt er sonders bestimmt, ist sie lebenslänglich.
noch Hinweise, wie die Finanzintermedi- Betreffend den Geldern aus dem Dro-
äre Vermögenswerte erkennen können, genhandel finden wir die gesetzliche
die aus bestimmten Verbrechen stammen. Grundlagen in den Art. 19 und 24 Betäu-
Seit 1. April 1998 ist das GwG in Kraft. bungsmittelgesetz (BetmG)4. Die kanto-
Gemäss Art. 9 GwG erhält MROS Ver-
dachtsmeldungen von Finanzintermediä-
1 Money Laundering Reporting Office Switzerland
ren, wenn diese wissen oder den begrün- Mark van Thiel, 2 Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei
deten Verdacht haben, dass die in die Stv. Chef MROS, im Finanzsektor, Geldwäschereigesetz, SR 955.0
Geschäftsbeziehung involvierten Vermö- Bundesamt für Polizei 3 Schweizerisches Strafgesetzbuch, SR 311.0
genswerte im Zusammenhang mit einer 4 SR 812.121

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Insolvenz- und Wirtschaftsrecht · 2/2000 51
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nalen Strafverfolgungsbehörden informie- können nun allenfalls ihre Vermögen teil- genswerte aus einem Verbrechen herrüh-
ren MROS über Urteile betreffend Art. weise oder ganz wiedererlangen. ren oder der Verfügungsmacht einer kri-
305bis StGB. Die meisten Urteile betreffen MROS führt die oben erwähnten Zahlen minellen Organisation unterliegen.
Geldwäscherei im Drogenhandel. auf folgende Faktoren zurück: Bei diesen Abklärungen sind Unterla-
Doch das StGB geht noch viel weiter. gen zu dessen wirtschaftlichem Hinter-
Betrachten wir Art. 137 ff StGB (Strafbare 1. Wenn das 3-Stufen Modell der grund zu verlangen. Oft kommt es vor,
Handlungen gegen das Vermögen). Eben- Geldwäscherei (Placement, Layering, In- dass diese Unterlagen von schlechter Qua-
falls mit Zuchthaus bedroht sind u.a. die tegration) als Basis genommen wird, lität sind und teilweise überhaupt keinen
Veruntreuung (Art. 138 StGB), der Dieb- dann dürfte die Schweiz vornehmlich von Sinn ergeben.
stahl (Art. 139 StGB), der Raub (Art. 140 der zweiten und dritten Stufe betroffen Weitere Indizien sind, wenn der Kunde
StGB), der Betrug (Art. 146 StGB), die Er- sein. Das heisst, dass die Gelder bereits bei seinen Erklärungen vage bleibt, aus-
pressung (Art. 156 StGB), die Wucher vorgewaschen in die Schweiz kommen. weicht, sich widerspricht und eventuell
(Art. 157 StGB), die ungetreue Geschäfts- Die Beziehung zu den verbrecherischen sich weigert, weiter mit dem Finanzinter-
besorgung (Art. 158 StGB) usw. Vortaten ist nur noch schwer oder viel- mediär zu kommunizieren. Wieso sollte
Art. 240 ff StGB (Fälschung von Geld, leicht gar nicht mehr zu erkennen. Neh- sich der Kunden weigern mitzuarbeiten,
amtlichen Wertzeichen, amtlichen Zei- men wir an, dass die Vortat Drogenhandel wenn seine Geschäfte legal sind und der
chen, Mass und Gewicht) gibt weitere ist und sich dieser im Ausland abgespielt Finanzintermediär seinen gesetzlichen
Grundlagen für geldwäschereifähige Vor- hat. Es fliessen nur noch die Gelder vor- Pflichten nachkommt?
taten. So werden u.a. die Geldfälschung gewaschen in die Schweiz. Der Finanzin- Behauptet der Kunde zum Beispiel im
(Art. 240 StGB), die Geldverfälschung termediär wird ohne zusätzliche Informa- Anlagegeschäft tätig zu sein, so können
(Art. 241 StGB) und das Inumlaufsetzen tionen wohl Mühe haben, die Verbindung seine Angaben über irgendwelche Anlage-
falschen Geldes (Art. 242 StGB) mit zum Drogenhandel herstellen zu können. instrumente überprüft werden. Sei dies
Zuchthaus bedroht. bei Spezialisten des Finanzintermediärs,
Der Schweizerische Gesetzgeber hat al- 2. Anders sieht es unseres Erachtens bei der Fachstelle Geldwäscherei (in-
so mit dem Art. 305bis StGB ein sehr um- bei Fällen von Wirtschaftskriminalität aus. tern/extern) oder bei anderen externen
fassende Definition von geldwäschereifä- Das Fachwissen der Finanzintermediäre Beratungsstellen.
higen Vortaten gewählt, welcher weit über dürfte, wie es ihr Name schon sagt, im Fi-
den Bereich Drogenhandel hinausgeht. nanzbereich liegen und eher weniger im
Betäubungsmittelbereich. Daher können 5. Schlussfolgerung
Finanzintermediäre eher Muster erken-
3. Erfahrungwerte von MROS seit nen, welche in der Wirtschaftskriminalität Ausgangspunkt für die Bekämpfung der
dem 1. April 1998 liegen als im Drogenhandel. Kunden der Geldwäscherei war ursprünglich die Be-
Finanzintermediäre erklären den Hinter- kämpfung des Drogenhandels. Die
Im ersten Berichtsjahr (1. April 1998 bis grund ihrer Transaktionen und behaupten Schweiz hat ihre Gesetzgebung weiter ge-
30. März 1999) erhielt MROS 160 Ver- zum Beispiel, im Handel von Bankgaran- fasst und alle jene Handlungen geldwä-
dachtsmeldungen. Zum Meldungszeit- tien, High Yield Instruments usw. schereifähig gemacht, die gemäss StGB
punkt vermutete MROS bei 27 Meldun- tätig zu sein. Der Finanzintermediär kann Verbrechen darstellen und mit Zuchthaus
gen, dass die Vermögenswerte aus Betrug mit seinem Wissen über den Finanzmarkt bedroht sind. Die Erfahrungen von MROS
stammten. Bei 14 Meldungen vermutete die Plausibilität der Erklärung der Kunden zeigen, dass die von ihr bearbeiten Mel-
sie Urkundenfälschung. Nur gerade bei 7 einschätzen. dungen hauptsächlich die Wirtschaftskri-
Meldungen vermutete sie, dass die invol- minalität (Betrug, Veruntreuung usw.) be-
vierten Vermögenswerte im Zusammen- trafen.
hang mit Drogen standen5. Auf den ersten 4. Wie können Finanzintermediäre
Blick mag es enttäuschend wirken, dass Muster der Wirtschaftskrimina-
die Drogendelikte nicht im Vordergrund lität erkennen
stehen. Doch ist es als Erfolg zu werten,
dass Vermögenswerte aus anderen Ver- Gemäss Art. 6 GwG sind Finanzinterme-
brechen ebenfalls gemeldet wurden. Dies diäre zu besonderen Abklärungen ver-
umso mehr, als dass z.B. bei Betrugs- oder pflichtet, wenn eine Transaktion ihres
Veruntreuungsfällen die Opfer Vermö- Kunden ungewöhnlich erscheint oder An- 5 1. Rechenschaftsbericht MROS 1998/1999, Sei-
gensschaden erlitten haben. Diese Opfer haltspunkte vorliegen, dass die Vermö- te 49

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