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FACHBERICHT NR.

4 OKTOBER 2022

verstehen &
vorausschauen

Das Problem mit der Klimaarchäologie

Zur Geschichte des Zürichsees

Moor – Klimawandel – Archäologie


EDITORIAL

Das Klima wandelt sich und mit ihm unsere Siedlungs- und
Lebensräume. Der Handlungsbedarf ist längst erkannt –
und selbstverständlich auch in der Stadtplanung ange-
kommen: Die Stadt Zürich hat sich zum Ziel gesetzt, bis
2040 Klimaneutralität zu erreichen. Es gilt, Emissionen zu
senken, Bauvorhaben und Materialien zu revolutionieren,
Grün- und Freiräume zu bewahren und auszubauen sowie
städtische Kaltluftströme zu erhalten.
Diese Auflistung liesse sich fast beliebig fortführen – denn
ihre Vielfalt widerspiegelt die Komplexität der Klimathema-
tik. Und: Diesen Massnahmen und Strategien liegt stets
auch ein intensiver wissenschaftlicher Diskurs zu Grunde.
Als stetiger Prozess erlaubt er es, Vergangenes zu verste-
hen und daraus für die Zukunft zu lernen.
Dazu leistet die Unterwasserarchäologie der Stadt Zürich
einen wichtigen Beitrag: Ihre Forschungen zeigen auch,
mit welchen Umweltbedingungen der Mensch zurecht­
kommen musste, wie er auf klimatische Veränderungen
reagierte und wie er zunehmend selbst die natürliche
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­U mgebung prägte und veränderte.
Zugleich widerspiegeln sich diese Wechselwirkungen beim
Erhalt der archäologischen Fundstellen und deren Klima-
archiven: Der Klimawandel und ein steigender Nutzungs-
druck an den Seeufern verändern die Rahmenbedin­gungen
für die Unterwasserarchäologie Zürich. Auch Klima­­schutz-
Massnahmen erfordern von der Fachstelle neue Strate­gien.
Der vorliegende Fachbericht «verstehen und vorausschau-
en» beleuchtet solche aktuellen Fragen, Forschungen und
Erkenntnisse vor dem Hintergrund klimatischer Verände-
rungen – damals wie heute. Mein herzlicher Dank gilt den
engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unter-
wasserarchäologie Zürich und allen Autorinnen und Auto-
ren, die ihn mit ihren Beiträgen ermöglicht haben.

Katrin Gügler
Direktorin Amt für Städtebau

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EDITORIAL

Feuchtbodenarchäologie findet in Gewässern und an Or- derungen der Rahmenbedingungen, unter denen sich ar-
ten statt, wo archäologische Funde und Befunde in feuch- chäologische Feuchtbodenfundstellen lange Zeit erhalten
tem Ablagerungsmilieu für eine gewisse Zeit vom Zerfall haben, stellen ein komplexes System dar und betreffen
verschont geblieben sind. An solchen Orten – etwa in Seespiegel, Wellenaktivität, Trocken- oder Feuchtperioden,
­e inem See oder in einem Moor – haben sich organische Temperaturen oder eben auch die Gletscher. Klima- und
Reste von menschengemachten Relikten über lange ­Zeiten Umweltveränderungen, Bodeneingriffe, Veränderungen im
erhalten. Diese kulturgeschichtlichen Archive enthalten Wasserhaushalt in Feuchtgebieten, der allgemein zuneh-
aber auch Informationen über die naturräumlichen Rah- mende Nutzungsdruck auf unsere Umwelt und Ressourcen
menbedingungen, innerhalb derer sich die damaligen Men- gehen nicht spurlos am kulturellen Erbe vorbei.
schen bewegt hatten. Solche Fundstellen, allen voran die Mit Klimawandel – wenn damals auch nicht hausgemacht
Pfahlbauten, sind daher regelrechte, umfassende Zeit­ – und Umweltveränderungen, Ressourcenübernutzung und
kapseln aus unserer Vergangenheit, welche detaillierte In­ schwankenden Seespiegel hatten auch die Pfahlbauer be-
formationen zum Thema Mensch und Umwelt und deren reits zu tun.
Wechselwirkung liefern. Wir wissen heute, dass der Der vorliegende Fachbericht mit Schwerpunkt Feuchtbo-
Mensch bereits vor über 4000 Jahren damit begonnen hat, denarchäologie, Klima und Umwelt soll ein Schlaglicht auf
seine Umwelt zu verändern, etwa indem er die Wälder öff- die Vielfalt der Themen werfen, mit denen sich die Feucht-
nete, um Wiesen für die Viehzucht und Freiflächen für den bodenarchäologie auseinandersetzt. Dabei soll Feucht­
Ackerbau zu schaffen: Der Wandel von der Naturlandschaft bodenarchäologie als multidisziplinäres Forschungsfeld
zur Kulturlandschaft hatte begonnen. Diese Zeitkapseln verstanden werden, welches nebst der Archäologie insbe-
dokumentieren aber nicht nur Umweltveränderungen durch sondere naturwissenschaftliche Disziplinen wie Limnolo-
den Menschen, sondern enthalten auch natürliche Klima- gie, Geologie, Hydrologie, Paläoökologie oder eben Klima-
und Wetterdaten. forschung mit einbezieht.
Doch wie lange bleiben diese archäologischen Archive Für die geschätzten Beiträge der in diesem Fachbericht
noch erhalten? Obwohl sie mehrere tausend Jahre unter ­z itierten Autorinnen und Autoren möchte ich mich ganz
scheinbar idealen Rahmenbedingungen unbeschadet im herzlich bedanken!
Boden überdauert haben, stellt dies nur ein Wimpern-
schlag in der Geschichte dar: Die Bodenarchive sind heu- Andreas Mäder
te nicht nur durch landschaftsverändernde Eingriffe in den Leiter Unterwasserarchäologie / Dendroarchäologie
Boden zunehmend in Gefahr. Die Erdgeschichte selbst
schreibt das Klima und ändert damit laufend die Rahmen-
bedingungen – und bekanntermassen ist der Mensch zu-
nehmend Mitautor.
In diesem Sinn sind Klima- und Umweltveränderungen
auch für die Archäologie relevante Themen – die Auswir-
kungen des Klimawandels hat beispielsweise auch die
Gletschermumie «Ötzi» am eigenen Leib zu spüren be­
kommen: schmelzende Gletscher geben nach und nach
Jahrtausende im Eis verwahrte Zeitzeugen frei. Die Verän-

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INHALT

Intro

Andreas Mäder
Kommende Herausforderungen für das Mana­
8 gement der Feuchtbodenfundstellen

Schwerpunkt

Niels Bleicher
Das Problem mit der Klimaarchäologie –
14 Relevanz, Zeitgeist und Methodik

Niels Bleicher
Pfahlbauhäuser mit Ausblick – ein Blick
auf die Rekonstruktion und Interpretation
22 der prähistorischen Kulturlandschaft

Niels Bleicher, Dominik Letsch, David Brönnimann,


Petra Ohnsorg
30 Zur Geschichte des Zürichsees

Andreas Mäder, Hilmar Hofmann, Tim Wehrle


Windwellenexposition der Pfahlbau­fundstellen
40 am Zürichsee

Andreas Mäder, Michael Strupler


Rutschungen im Zürichsee
und ihre Auswirkungen
50 auf archäologische Fundstellen

Sandro Geiser
Kamberkrebs & Co. – Invasive Tierarten
58 in den Pfahlbaufundstellen

Renate Ebersbach, Judith Engelke, Katrin Fritzsch,


­Wolfgang Hohl
68 Moor – Klimawandel – Archäologie

Ole Grøn, Lars Ole Boldreel


74 Versunkene steinzeitliche Siedlungen

Sarah Brechbühl, Lieveke J.C. van Vugt, Erika Gobet,


César Morales-Molino, Joseph Volery,
André F. Lotter, Ariane Ballmer, Albert Hafner, Willy Tinner
Landnutzung und Vegetationsdynamik im Gebiet Andreas Mäder und Oliver Heiri im Gespräch
der neolithischen Seeufersiedlung Ploča Mičov «Archäologische Datensätze sind für uns sehr
80 Grad am Ohridsee ­relevant. Wir wollen diese den paläoökologischen
Daten gegenübersetzen, um Veränderungen
der Umwelt und Einflüsse durch den Menschen
90 aufzuzeigen»
Blickwinkel

Niels Bleicher und Heinz Wanner im Gespräch


86 «Dieser Graben muss übersprungen werden!» Aktuelles

Andreas Mäder und Thomas Oesch im Gespräch Andreas Mäder, Christine Michel, Alexandra Ulisch
«Wir versuchen grundsätzlich, unsere Projekte Öffentlichkeitsarbeit – ein Rückblick auf
88 aus der Geschichte heraus zu entwickeln» 93 das UNESCO-Jubiläum Pfahlbauten

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INHALT

Andreas Mäder, Christine Michel, Niels Bleicher,


Thierry Bossard
PastZurich – virtuelles Pfahlbaudorf
115 mitten in Zürich

Renate Ebersbach, Simone Benguerel, Markus Gschwind,


Franziska Pfenninger, Katharina Schäppi
PalaFitFood – Wissenschaft,
121 die durch den Magen geht

Tim Wehrle
Kontinuität und Wandel an der UNESCO-
125 Fundstelle Wädenswil-Vorder Au

Anna Kienholz
Das Ende einer 100-jährigen Suche – die erste
133 Seeufersiedlung mitten im Luzerner Seebecken

Julia Goldhammer
139 Der Einbaum aus dem Seerhein bei Konstanz

Urs Gut
Dendroprovenancing – Grundlagenforschung
zur Holzherkunftsbestimmung anhand der Jahres­
145 ringe

Jens O. Meissner, Claudia Kühne, Monika Schaad, Helmut


Spangler
153 Das Rätsel um den versunkenen Hafen

Cyril Dworsky, Henrik Pohl, Gerald Raab, Ronny Wessling


Prähistorischer Erosion mit dem interaktiven
163 3D-Viewer auf der Spur

Monika Isler
Holzkohlenanalyse am Beispiel der Kupfer­
171 verhüttung im Oberhalbstein (GR)

Aufgetaucht
174 Übersicht Projekte*

Etcetera
Stephan Wyss, Fabian Korn, Anatole Fleck
Archäologische Fenster – neue Impulse für eine
190 Glossar
97 ­renommierte Stadtzürcher Kulturinstitution
192 Literaturverzeichnis
Stephan Wyss, Tobias Frey, Christian Hürzeler,
196 Abbildungsverzeichnis
Micha Franz, Niels Bleicher
Historische 3D-Stadtmodelle – 199 Abkürzungsverzeichnis
103 ein interdisziplinäres Pilotprojekt
199 Autorinnen und Autoren
Niels Bleicher, Marie-Claire Ries
Ausgraben in Rekordzeit –
109 ohne IT, aber mit Datenbank

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INTRO

Andreas Mäder

Kommende Herausforderungen für das Manage­


ment der Feuchtbodenfundstellen

Unter dem Begriff «Feuchtbodenfundstellen» versteht man zeigt: Solche Vorhaben benötigen einen langfristigen
archäologische Fundstätten, welche sich entweder unter ­H orizont (siehe Beitrag «Moor – Klimawandel – Archäolo-
Wasser oder in einem anderen feuchten Milieu befinden. gie» S. 68). Sie sind nicht nur für den Erhalt von archäo­
Neben den bekannten Pfahlbauten, Schiffswracks, logischen Fundstellen sinnvoll, sondern tragen auch
­B rücken- und Steginstallationen, Fischfanganlagen oder ­s ub­s tanziell zum Klimaschutz bei: Moore entziehen der
Schiffsstegen in stehenden und fliessenden Gewässern, ­Atmosphäre grosse Mengen an Kohlendioxid. Handkehrum
umfasst der Begriff auch Moor- und Torfgebiete, landwirt- setzen sie bei deren Zerstörung durch landwirtschaftliche
schaftliche Nutzflächen oder aufgeschüttete, ehemalige Nutzung und Torfabbau grosse Mengen an Kohlendioxid
Seeuferbereiche. Letztere verbergen sich gerade im unte- frei, welches sich durch die Verbindung von Kohlenstoff
ren Zürichseebecken auf städtischem Gebiet unter einer und Sauerstoff bildet und die Atmosphäre aufheizt.
markanten Fläche, denn weite Teile des städtischen Eine grosse Anzahl von im Boden verborgenen Feucht­
­Zürichseeufers wurden durch künstliche Aufschüttungen bodenfundstellen ist jedoch noch unerkannt. Hier setzt die
umgestaltet, so dass die heutige Uferlinie kaum noch dem archäologische Prospektion, also die Suche nach und die
ursprünglichen Verlauf entspricht  Abb. 1. Inventarisation von Fundstellen an. Dazu braucht es Stra-
Wenn durch den zunehmenden Nutzungsdruck in den tegien, welche von den zuständigen Behörden und Fach-
h eute dicht besiedelten Gebieten Bodeneingriffe oder
­ stellen entwickelt werden: Für die Gewässer im Kanton
­Veränderungen des Wasserhaushaltes erfolgen, dann sind ­Z ürich ist die von der Kantonsarchäologie mandatierte
die archäologischen Fundstellen unmittelbar gefährdet. Fachstelle Unterwasserarchäologie und Dendroarchäolo-
gie der Stadt Zürich (UWAD) zuständig. Da es sich in über
Moore und Feuchtgebiete 90% der Fälle um Pfahlbaufundstellen an den Ufern der
Davon betroffen sind auch Moore, welche der landwirt- Zürcher Seen handelt – vorwiegend am Zürichsee, Greifen-
schaftlichen Nutzung geopfert werden. see und Pfäffikersee – müssen strategische Überlegungen
Denn um die Qualität von landwirtschaftlichen Nutzungs- und Handlungsoptionen für den zukünftigen Umgang und
flächen langfristig zu sichern, müssen diese entwässert den Schutz dieser sensiblen Bodendenkmäler ausgear­
werden. Die systematische Entwässerung von Feucht­ beitet werden (siehe Beitrag «Windwellenexposition der
gebieten hat jedoch einen verheerenden Einfluss auf die Pfahlbaufundstellen am Zürichsee» S. 40). Um die in Moo-
Erhaltung der archäologischen Fundstellen, indem organi- ren und Feuchtgebieten gelegenen Fundstellen kümmern
sche Funde – z.B. Holzpfähle oder Textilreste – im Boden sich die kantonalen Fachstellen.
austrocknen und zerfallen. Im Kanton Zürich sind bereits
rund 20% der landwirtschaftlichen Nutzflächen systema- Seeufer
tisch entwässert. Bei der vom Bund vorgegebenen Strategie zur Revitalisie-
Zwischen Archäologie und Landwirtschaft kann also in rung der Seeufer zwecks ökologischer Aufwertung denkt
­bestimmten Bereichen ein Zielkonflikt entstehen – voraus- man in erster Linie an den schwelenden Interessenskon-
gesetzt, die archäologischen Fundstellen in Feuchtgebie- flikt zwischen Naturschutz und Archäologie und an die
ten sind bekannt. möglichen negativen Auswirkungen, welche weitere Revi-
Demgegenüber können zwischen Naturschutz und Archäo- talisierungsmassnahmen auf noch unerkannte archäolo­
logie Synergien entstehen, wie etwa das Wiedervernäs- gische Fundstätten haben können. Gleichzeitig bergen
sungsprojekt am Federseemoor in Baden-Württemberg aber Projekte zur Seeuferaufwertung auch Chancen für die

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INTRO

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¯ 200 Meter

Archäologie. So kann etwa eine Ufermauer, an der sich die 1


Wellenenergie bricht, die strömungsbedingte Erosion einer Ursprüngliche Uferlinie ( blaue Linie )
davorliegenden Fundstelle stark beschleunigen; entfernt mit aufgeschütteten Bereichen und den
Pfahlbausiedlungen:
man diese Mauer und baut stattdessen ein flach auslau-
1 Mythenschloss ( 1982–1983 )
fendes Ufer, so wie es an vielen Stellen während Jahrtau- 2 Zurich-Versicherung ( 1994 )
senden bestanden hatte, dann wird dieser Effekt stark 3 Rentenanstalt ( 1961, 1994 )
­a bgeschwächt und die Erosion des Seebodens verläuft 4 Alpenquai ( 1916/1919, 1999–2001)
5 Bauschanze ( 1971, 1983 )
wesentlich langsamer  Abb. 2. In diesem Zusammenhang
6 Quaibrücke ( 1979/80 )
können auch künstliche Kiesschüttungen, etwa um die 7 Kleiner Hafner ( 1967–1969, 1981–1984 )
­biologische Artenvielfalt zu begünstigen, eine auch aus ar- 8 Grosser Hafner ( 1969/70,1978/79/80,
chäologischer Sicht erwünschte Massnahme sein: Denn 1998, 2000/01)
um frei am Seegrund liegende Kulturschichten vor dem 9 Parkhaus Opéra ( 2010–2011)
10 Mozartstrasse ( 1981–1982 )
weiteren Zerfall zu schützen, werden diese – nach vorgän­
11 Seehofstrasse 15 ( 1928–1930, 2011)
g­iger Dokumentation der Oberfläche – wenn möglich eben- 12 AKAD ( 1978 )
falls mit einer Kiesschicht überdeckt  Abb. 3. 13 Pressehaus ( 1975–1976 )
Laut Grundlagenbericht «Zürichsee 2050» (S. 69) haben ei- 14 K analisationssanierung Seefeld
( 1986–1988 )
nige Seegemeinden die Idee eingebracht, das G ­ eschiebe
15 Utoquai Seewarte ( 1928–1930 )
von Bächen für die Schüttung von Inseln zu nutzen. Auch 16 Utoquai Seewarte ( 1962–1963 )
dadurch könnten Synergien entstehen; allerdings würden 17 Utoquai Werkhof ( 1962–1964 )
damit die lokalen Strömungsverhältnisse entscheidend 18 Utoquai Panorama ( 1928–1930 )
19 Utoquai Färberstrasse ( 1962–1964 )
verändert. Dies könnte zur Folge haben, dass tangierte
Pfahlbaufundstellen besser vor der natür­lichen Strömung
2   
geschützt sind, oder es könnte auch genau das Gegenteil Das Züricher Arboretum bei der Fundstelle
bewirken. Hydrodynamische Untersuchungen an ausge- Zürich-Alpenquai mit auslaufendem Ufer.

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INTRO

wählten archäologischen Fundstellen haben bereits die tigen. Dies ist bei einer Veränderung des Seespiegelma-
Bedeutung und die Auswirkungen der natürlichen Strö- nagements zu berücksichtigen.» Weiter kommt der Bericht
mungen auf die Fundstellen exemplarisch aufgezeigt zum Schluss, dass der Wasserstand in Richtung na­tür­
(siehe Beiträge in den Fachberichten 1–3). Sie zeigen zu- licherer Wasserstandschwankungen angepasst werden
dem, dass sich die Folgen von Strömungsveränderungen, soll (S. 62). Damit könnte auch eine erhöhte Strömungs­
welche durch künstlich aufgeschüttete Inseln zu erwarten dynamik einhergehen – auch in diesem Fall würden Strö-
sind, modellieren und die Auswirkungen auf den Sediment- mungsmodellierungen in Bezug auf die archäologischen
haushalt differenziert darstellen lassen. Solche Modellie- Fundstellen eine wichtige Basis bilden, um mögliche Aus-
rungen sind daher für die Beurteilung aller zukünftigen wirkungen frühzeitig erkennen zu können.
Massnahmen, welche im Bereich von Seeufern stattfinden
werden, von grosser Bedeutung für das Management der Seewasserentnahme und Bootsplätze
Unterwasserfundstellen. Weitere Herausforderungen betreffen konkrete Vorhaben:
Konflikte mit archäologischen Fundstellen können hier in
Seewasserspiegel-Management der Regel vermieden werden.
In eine ähnliche Richtung zeigen Überlegungen zur Regu- Im Hinblick auf die 2000 Watt-Gesellschaft will die Stadt
lierung des Seewasserpegels, denn auch diese hat das Zürich die jährlichen CO2 -Emmissionen markant senken.
­P otenzial, die Strömungsverhältnisse zu verändern. Im Eine der damit verbundenen Massnahmen ist die vermehr-
Grundlagenbericht «Zürichsee 2050» (S. 37) wird festge- te Nutzung von Seewasser, aus dem thermische Energie
halten: «Der Wasserspiegel des Sees wird durch das Wehr gewonnen werden soll. Dazu müssen sowohl Pumpstatio-
am oberen Letten in der Stadt Zürich künstlich reguliert. nen als auch Leitungen gebaut werden, wodurch beste-
[...] Bei der Diskussion um die Regulierung des Seewas- hende und potenzielle archäologische Fundstellen tangiert
serspiegels sind jedoch mögliche Auswirkungen auf die wären. Davon betroffen ist das untere Zürichseebecken in
Moore zu berücksichtigen, welche sich direkt am See be- den Gebieten Seefeld bis Enge.
finden. Solche liegen beispielsweise in Au, Wädenswil, Auch der private Bootsverkehr in den Uferzonen hat einen
Feldbach, Hombrechtikon, Frauenwinkel und am Obersee. Einfluss auf archäologische Fundstätten, weil dadurch
Auch die Seeufersiedlungen (Pfahlbauten) und andere ­verursachte Strömungen und Ankermanöver nachweislich
a rchäologische Strukturen könnten bei veränderten
­ Schäden am Seegrund verursachen  Abb. 4. Bereits 1998
­S trömungsverhältnissen gefährdet sein. Eine Absenkung hatten die Kantone Zürich, Schwyz und St. Gallen in einer
des mittleren Seespiegels oder ungünstige Seespiegel- Übereinkunft beschlossen, die Anzahl Boote auf dem Zü-
schwankungen können die Fundstellen massiv beeinträch- richsee zu stabilisieren.

12
INTRO

Site Management
Die kommenden Herausforderungen für das Management
der Feuchtbodenfundstellen sind damit vielfältig und
­g eprägt durch den zunehmenden Nutzungsdruck an den
Gewässern und in Feuchtgebieten. Es wird offensichtlich,
dass Planungsgrundlagen und Modellierungen auf ver-
schiedenen Ebenen verbessert oder neu geschaffen wer-
den müssen: Sowohl hydrodynamische Modellierungen
der ufernahen Strömungen, Erosionsmodelle an den
­a rchäologischen Fundstätten und intensivierte Prospekti-
on seitens Archäologie sind nötig, als auch die frühzeitige
b
­E inbindung in Prozesse zu übergeordneten, naturräum­
lichen Themen und Strategien des Bundes und der Kan­
tone. Mit den Pilotprojekten Rapperswil-Jona Seegubel
und Freienbach-Hurden Seefeld haben die Kantone St. Gal-
len und Schwyz erste substanzielle Beiträge geleistet –
mit dem strategischen Projekt «Site Management 2022+» a
(siehe Beitrag «Windwellenexposition der Pfahlbaufund-
stellen am Zürichsee» S. 40) soll auch das Feuchtboden­
fund­s tellenmanagement im Kanton Zürich einen Schritt 4

weitergebracht werden.
Zweifellos werden zukünftig die generierten Datenmengen,
aber auch die technologischen Möglichkeiten zum Ma-
nagement der Fundstellen, kontinuierlich ansteigen. Um
den Überblick zu behalten, Potenziale auszuschöpfen, die
Effizienz zu steigern und Strategien zu entwerfen, bedarf es
innovativer Entwicklungen in der Unterwasserarchäologie
und in der Dendroarchäologie. So betritt das dendrochro-
nologische Labor der UWAD Neuland mit einem Projekt,
welches die automatische, KI-gestützte dendrochronolo-
gische Vermessung archäologischer Eichen zum Ziel hat:
Wir berichten in der nächsten Ausgabe darüber.

Fachbericht Nr. 1:
Bodendenkmalpflegerische Grund­
lagenforschung im Kanton Schwyz

Fachbericht Nr. 3:
Hydrodynamik und Archäologie –
Gefährdungsanalyse in Rappers­ 3
wil-Jona-Seegubel Von einem schwimmenden Ponton aus
wird die Fundstelle Greifensee-Storen Wilds-
berg mit Kies überdeckt.

Fachbericht Nr. 3: 4
Bathymetrie, Hydrodynamik und Bootsanker, welcher beim Anker-
Windwellenfeldsimulation als manöver Teile der Kulturschicht aus dem
Grundlage der Ressourcen-Fokussie­ Seegrund reisst. Kulturschicht in situ (a),
rung heraus­gerissene Kulturschicht ( b )

13
SCHWERPUNKT

Niels Bleicher

Das Problem mit der Klimaarchäologie –


Relevanz, Zeitgeist und Methodik
SCHWERPUNKT

Die Idee, dass das Klima die Geschichte geprägt habe, ist rie in Frankreich. Sie begannen in den 1960er-Jahren mit
schon recht alt. Über die Wanderung der Helvetier nach der Klimarekonstruktion anhand von Schriftquellen und
Süden in römisches Gebiet schrieben antike Autoren, dass entdeckten dabei die grossen historischen Schwankungen
eine Serie von klimatisch verursachten Missernten den wie die römische Warmzeit oder die Kleine Eiszeit. Le Roy
­A nlass geboten habe. Aristoteles sah die Wirkung eher Ladurie strebte dabei danach, dem Klimadeterminismus
­mittelbar: Er glaubte daran, dass das Klima die Mentalität ein anderes Menschenbild entgegenzusetzen  Abb. 2.
der Menschen präge und so schliesslich die Geschichte Auch die Schweiz hat ihren Pionier in diesem Forschungs-
 Abb. 1. Wo es zu warm sei, um sich anzustrengen (wie in gebiet: Der Berner Klimahistoriker Christian Pfister hat
Ägypten), da sei man klug, aber faul und feige. Wo es zu während Jahrzehnten Schriftquellen ausgewertet, die nicht
kalt sei (im Norden), da sei das Leben rau, was zu tapfe- nur gut datierte Einzelbeobachtungen zu Missernten, Ge-
ren, aber dummen Barbaren führe. Nur in Aristoteles Hei- treidepreisen oder zugefrorenen Seen und Flüssen bein-
mat Griechenland sei das Klima optimal, weswegen man halten. Sie bieten auch gleich die Bewertung aus der Sicht
dort sowohl klug als auch tapfer sei, was schliesslich auch der Betroffenen, Informationen zu gesellschaftlichen Aus-
die Vorherrschaft der hellenischen Kultur erkläre   Ein­ wirkungen und können dazu noch regional verglichen wer-
leitungsbild. den.
Von derlei deterministischen Verallgemeinerungen, die so All dies führte ihn schon in den 1980er-Jahren dazu, genau
gar nicht zu dem grossen Geist zu passen scheinen, des- zu analysieren, welcher Klimaparameter (Herbstnieder-
sen Wort danach während mehr als 1500 Jahren vielen als schläge, Sommertemperaturen etc.) sich wie auf welche
der Massstab aller philosophischen Belange galt, sind wir Wirtschaftszweige auswirkte und was das für einzelne Ge-
heute weit entfernt. Aber der Gedanke, dass klimatische sellschaften bedeutete. Niederschläge zur falschen Zeit
Schwankungen für das eine oder andere geschichtliche Er- liessen beispielsweise das Heu verschimmeln, das man
eignis verantwortlich sein könnten, welches man sich an- dringend als Winterfutter benötigte. Dieses vertiefte Ver-
sonsten schwer erklären kann, ist noch immer verlockend ständnis der Mechanismen liess sich schliesslich mit den
– und auch nicht unbegründet. Und er passt natürlich per- Erkenntnissen der Paläoklimatologie verbinden, wie sie
fekt in unseren Zeitgeist, da wir sehr konkret die Notwen- beispielsweise die Dendroklimatologie liefert. All dies er-
digkeit erleben, uns an ein sich änderndes Klima anzupas- gab eine beneidenswert plastische, vielfältige und oft prä-
sen. Das Problembewusstsein für den gesellschaftlichen zise Geschichte der Zusammenhänge von Klima und Ge-
Druck, der sich aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder sellschaft der letzten 1000 Jahre.
Verteilungskämpfen um knapper werdende Ressourcen Die Pfahlbauarchäologie war sogar noch früher dran:
­e rgeben kann, ist deutlich geschärft. Die Frage, wie man Schon 1854 wurde anlässlich der Entdeckung der Pfahl-
früher mit derlei Situationen umgegangen ist, liegt nahe. bauten während eines extremen saisonalen Seepegel­
Folglich hat «Klimaarchäologie» in den letzten zwei bis tiefstandes über Seepegelschwankungen spekuliert und
drei Jahrzehnten einige Bedeutung in der ur- und frühge- spätestens seit dem klimageschichtlichen Frühwerk von
schichtlichen Fachwelt erlangt. Gams und Nordhagen im Jahr 1923 war das Klima als mög-
In den Geschichtswissenschaften gibt es eine etwas län- liche Ursache identifiziert. Es dauerte aber noch einige
gere Tradition, solche Zusammenhänge zu identifizieren Jahrzehnte, bis diese Hypothese vertieft wurde: Ab dem
und zu erforschen. Den Anfang dabei machten Forscher Beginn der 1990er-Jahre forcierten verschiedene Forscher
wie Hubert Lamb in England oder Emmanuel Le Roy Ladu- die Hypothese, die Besiedlung der Seeufer sei von klima-

15
SCHWERPUNKT

 Einleitungsbild
Kreta, Griechenland

1
Aristoteles erklärte die Charaktere der Men-
schen verschiedener Regionen mit dem
­K lima.

2
Die von Klimahistorikern definierten Kalt-
und Warmphasen im Vergleich mit dendro-
klimatologisch rekonstruierten Sommer­
temperaturen und Frühjahrsniederschlägen.

3
Auch anlässlich der Juragewässerkorrek­
tionen fielen viele Pfahlbausiedlungen
­trocken, die bis dato im See gelegen hatten.

tisch getriebenen Seepegelschwankungen gesteuert «Krise» gelingt, die oft genug wenig präzise definiert ist,
­ orden. Eine Idee, die noch immer manche Fachleute
w sei dahingestellt.
überzeugt. Kronzeuge dabei war meist die Synchronität Zum zweiten weiss man oft genug gar nicht, ob es im
von bestimmten Schwankungen der Sonnenaktivität und ­betroffenen Gebiet überhaupt eine Klimaschwankung ge-
einiger Besiedlungsphasen an den Seeufern  Abb. 3. geben hat und wenn, ob sie das Zeug hatte, die prähis-
Die archäologische Beschäftigung mit dem Klima hat aber ­­to­rische Wirtschaft zu stören. Immerhin mangelt es an
mit mehreren grundsätzlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, spezifischen Quellen zu einzelnen Klimaparametern, die
die einen Vergleich mit dem Forschungsstand der Klima- beispielsweise für die Getreideernte relevant waren. Eine
historiker unpassend erscheinen lassen: Metaauswertung aller klimatologischer Studien zu Auswir-
Zum ersten gibt es für die Vorgeschichte keine Schriftquel- kungen der Sonnenaktivität auf einzelne Klimaparameter
len. Wir wissen also zunächst gar nicht, ob es irgendwo hat gezeigt, dass es für Mitteleuropa keine Zusammenhän-
eine Krise gegeben hat. Das gilt es ja erst herauszufinden. ge gibt. Selbstverständlich ist die Sonne der wichtigste
Dazu bedienen wir uns wirtschaftsarchäologischer Quel- Treiber des Erdklimas. Aber die allzu intuitive Gleichset-
len, wie den prozentualen Schwankungen bei den an­ zung von «Klima» und «Sonne» funktioniert nicht. Aus-
gebauten Getreidearten, dem Verhältnis von Wildtier- zu schliesslich in Nordeuropa gab es einen Zusammenhang
Haustierknochen, abrupten Veränderungen in der Keramik- von Sonnenaktivität mit Wintertemperaturen, aber dieser
typologie oder auch Veränderungen in der beobachtbaren Zusammenhang endet räumlich betrachtet ungefähr auf
Besiedlungsdichte. Wie sicher damit der Nachweis einer der Höhe von Kiel. Und der Einfluss der Wintertemperatu-

16
SCHWERPUNKT

mals gab es noch kein Grünland und ergo wurde kein Heu
getrocknet. Stattdessen machte man Laubheu. Aber wann
dieses im Neolithikum geschnitten wurde, wie es getrock-
net und gelagert wurde, ist weitgehend unbekannt.
Das gilt vor allem für die gemässigten Breiten im atlan-
tisch-europäischen Raum. Die Klimarekonstruktion ist hier
methodisch relativ schwierig. Am ehesten gelingt sie für
einzelne Aspekte des Klimas, von denen dann aber oft
nicht klar ist, ob und inwieweit sie beispielsweise über die
Ernten oder die Lagerhaltung gesellschaftlich relevant wa-
ren. Der Getreideanbau als wichtigster Wirtschaftszweig
2 ist in den gemässigten Zonen ausserdem von einer Viel-
zahl verschiedener Klimaparameter jeweils ein bisschen
abhängig und wird nicht von nur einem dominiert, wie es
ren auf beispielsweise die Weizenernte ist nicht dominant. beispielsweise in semiariden Gebieten wie Arizona der Fall
Tatsächlich ergab eine dendroklimatologische Studie, die war, wo man tatsächlich anhand von Jahresringen Nieder-
anhand hochalpiner Koniferen eine Rekonstruktion der schläge und gleichermassen die Maisernten rekonstruie-
Sommertemperaturen für das frühe 4. Jahrtausend v.Chr. ren konnte. Und es wird schliesslich noch komplizierter,
erlaubte, dass es gerade in Phasen niedriger Sonnenakti- denn die Zusammenhänge sind oft genug nicht linear. Zum
vität im Sommer eher warm war. Wenn auch nur im Som- Reifen des Getreides sollte der Sommer eine gewisse Wär-
mer, denn für die restlichen Jahreszeiten dieser Jahre kann me haben – aber auch nicht zu warm sein. Während für die
man es nicht sagen. Dennoch scheint uns unsere Intuition Kleine Eiszeit tatsächlich gilt, dass warme Sommer auch
in die Irre zu führen. Selbst wenn man nun nachweisen landwirtschaftlich erfolgreiche Sommer waren, sagt das
könnte, dass es in bestimmten Jahrzehnten zu genau der ­International Panel on Climate Change (IPCC) für unsere
Zeit viel geregnet hat, in der das Heu für das Winterfutter Zukunft vorher, dass ein weiterer Anstieg der Sommertem-
trocknen muss, dann ist die Bedeutung für neolithische peraturen beispielsweise in Norddeutschland die Ernte-
Gesellschaften immer noch schwer zu benennen, denn da- mengen reduzieren dürfte.

17
SCHWERPUNKT

4
In den Schichten von Parkhaus Opéra
ist ­intakte aDNA gefunden und untersucht
­w orden. Hier ein Beispiel des DNA-­
Vergleichs von Parasiten verschiedener
Fundorte und Epochen.

Das Grundproblem der Klimaarchäologie ist bei dieser während der Kleinen Eiszeit der Fall war. Viele weitere
­B etrachtungsweise also deprimierend schwierig: Wir ver- ­Aspekte mögen eine Rolle gespielt haben, wie beispiels-
suchen hypothetische gesellschaftliche Krisen mit Klima- weise eine im mittleren Holozän geringere Vereisung von
schwankungen zu erklären, von denen wir ebenfalls nicht Polkappen und Gletschern, was zu weniger Rückstrahlung
wissen, ob sie in der fraglichen Region stattgefunden ha- führte. Auch die deutlich geringere Entwaldung beeinfluss-
ben oder exakt welchen Aspekt des Klimas sie betrafen. te die Art, die Strahlung zu absorbieren. Eine Schwankung
Dabei stützen wir uns oft genug auf spekulative Zusam- der Sonnenaktivität derselben Amplitude kann daher zu
menhänge zwischen dem unbekannten Klimaparameter verschiedenen Zeiten völlig unterschiedliche Auswirkun-
und irgendeinem Aspekt der Wirtschaft, der seinerseits gen auf Gesellschaften gehabt haben: desaströse oder gar
von diversen Klimaparametern betroffen gewesen sein keine. Am Wichtigsten aber ist, dass die Geschwindigkeit
kann. Das sind eine Menge Fragezeichen. der Veränderung eine andere war: Eine Krise entsteht be-
Angesichts dessen ist es verständlich, wenn man zunächst vorzugt, wenn eine Veränderung eintritt, ohne dass für eine
versucht, sich an das zu halten, was man zu kennen glaubt. Gesellschaft Zeit bleibt, sich laufend anzupassen. Solche
Darauf gründet der Versuch, sich an den Minima der sola- abrupten Klimaänderungen sind für die Vorgeschichte nur
ren Aktivität zu orientieren, weil diese während der soge- wenige bekannt. Andererseits wäre eine langsame Klima-
nannten Kleinen Eiszeit tatsächlich mit kalten Phasen veränderung, die den Menschen Zeit lässt ihre Wirtschaft
­z usammenfielen. Damit aber unterschätzt man die Kom- anzupassen, ein Fall für die Klimaarchäologie – nur eben
plexität der Aufgabe, denn in der Vorgeschichte war das ohne Krise. Vermutlich war die schleichende, krisenfreie
Klimasystem in bedeutenden Punkten anders: Eine ande- Anpassung an permanenten Klimawandel sogar der Nor-
re Neigung der Erdachse und Distanz von Erde zur Sonne malfall. Veränderungen im Frühjahrsklima beispielsweise
hatten eine andere Sonneneinstrahlung zur Folge, als dies dürften durch ein angepasstes Aussaatdatum ausgegli-

18
SCHWERPUNKT

chen worden sein. Derartiges wäre archäologisch völlig un- chäologen, die in ihrem engeren archäologischen Themen-
sichtbar. Allerdings übt die zuweilen marktschreierische gebiet sehr vorsichtig sind, wenig Hemmungen Hypo­
und sicherlich krisenverliebte globale und mediale Auf- thesen zum Zusammenhang von Klima und Kultur zu
merksamkeitsökonomie einigen Druck auf Wissenschaft- formulieren. Folglich mangelt es nicht an geeigneten Fal-
ler aus, spektakuläre Resultate vorzuweisen. Daher wäre sifikationskandidaten. Die UWAD kann daher Beiträge zur
man wohl reichlich enttäuscht, wenn man als Ergebnis Klimaarchäologie leisten, indem sie solche Hypothesen
­seiner Forschungen nur in Händen hielte, dass vor 3000 überprüft und wenn nötig widerlegt (Typ I), wodurch im Sin-
Jahren die Aussaat um zwei Wochen verschoben wurde. ne Poppers Wissenszuwachs entsteht. Das kann anhand
Vielleicht spekuliert auch deshalb manch einer lieber über der Daten und Erkenntnisse geschehen, die wir im Rahmen
gesellschaftliche Zusammenbrüche. unserer denkmalpflegerischen Arbeit erarbeiten. In deut-
Die skizzierten Schwierigkeiten bedeuten nicht, dass es lich geringerem Masse (weitgehend getragen durch einen
keine klimatisch bedingten Kulturentwicklungen gab. Und sich in der Freizeit Bahn brechenden Forscherdrang), kön-
sie bedeuten erst recht nicht, dass man sich nicht damit nen auch anhand desselben Materials eigene Hypo­thesen
beschäftigen sollte. Seriöse Klimaarchäologie ist abseits entworfen werden (Typ II). Die fallen aber allein schon des-
der marginalen (meist semiariden) Gebiete aber sehr wegen etwas bescheidener aus, weil aus unserer Wahrneh-
schwierig. Denn auch wenn in irgendeiner der vielen pa- mung der Aufgabe eben nicht der grosse Wurf ganz oben
läoklimatologischen Quellen eine Schwankung sichtbar ist, auf der To-do-Liste steht, sondern zunächst die
die mit einer Veränderung im archäologischen Fundgut ein- ­Beleuchtung der kleineren Mechanismen und Zusammen-
hergeht, dann gilt doch zunächst der Grundsatz: Synchron hänge – und die Frage nach ihrer Stabilität über die Zeit
ist noch nicht kausal! hinweg.
Den Pfahlbauten kommt aufgrund ihrer organischen Erhal- Der erste grössere Beitrag zur Klimaarchäologie der UWAD
tung von Kulturpflanzen, Unkräutern, Pollen, Holz und ist bereits 2013 erschienen und gehört zum ersten Typ.
Knochen in der Erforschung all dieser Fragen eine Schlüs- Während vieler Jahre hatte eine Hypothese des Sedimen-
selrolle zu. Nirgendwo sonst lassen sich die Details des tologen Michel Magny in der archäologischen Fachwelt
menschlichen Wirtschaftens derart gut erforschen. Ent- aus­sergewöhnliche Popularität gewonnen. Magny ging da-
sprechend liegen hier bereits sehr grosse und gute Daten- von aus, dass die Seepegel Mitteleuropas und vor allem
mengen vor. Deswegen ist hier die Chance, einen Wir- des nördlichen Alpenvorlandes letztlich von der Sonnen-
kungszusammenhang zwischen Wirtschaft und Klima zu aktivität gesteuert seien. Bei geringer Sonnenaktivität sei
finden so gross wie nirgends sonst in den gemässigten das Klima kalt-feucht gewesen. Als Konsequenz seien
Breiten. Die bioarchäologische Erforschung dieser organi- nicht nur die Seepegel angestiegen und damit die Besied-
schen Reste darf daher nicht enden, sondern muss mit lung der Uferplatten unmöglich geworden, sondern dieses
neuen Methoden, wie beispielsweise der aDNA-Analyse, Klima habe auch die Kultur bzw. deren Wirtschaft direkt
stets neu erfunden werden  Abb. 4. betroffen. Seine Kronzeugen für diese Argumentation wa-
Die obigen Ausführungen dürften klarstellen, für wie ren einerseits Phasen, während derer die Seeufer teils
schwierig wir Klimaarchäologie halten, dass wir sie aber überregional unbesiedelt blieben und andererseits eine
dennoch als eine wichtige Aufgabe anerkennen. Eine Auf- kreative Score-Kurve.
gabe, die aufgrund der interdisziplinären Anforderungen Bei dieser handelte es sich um eine methodische Vorform
und des Auftrags zur freien Forschung eher in die Hände der später sehr populär gewordenen und substantiell wei-
einer grossen universitären Forschungsgruppe gehört, als terentwickelten «cumulative probability density functions»
auf den Schreibtisch einer kleinen städtischen (Unterwas- grösserer Datensätze von Radiokarbonmessungen. Stark
ser-)Denkmalpflege. Dennoch generiert die UWAD in ihrem vereinfacht formuliert werden die bei der Kalibration von
denkmalpflegerischen Alltag immer wieder als Nebeneffekt 14
C-Daten gewonnenen Wahrscheinlichkeiten, dass das
Daten, die in diesem Kontext relevant sind. gesuchte Datum in einem bestimmten Zeitbereich liegt, für
Aus unserer Sicht kann Klimaarchäologie nur gelingen, Seepegeltief- oder -hochstände über die Zeit hinweg auf-
wenn man versucht, verlässliche Indikatoren von klar de- summiert. Dabei entsteht die Score-Kurve, die danach mit
finierten Wirkungszusammenhängen zu finden. Folgt man der Rekonstruktion der Sonnenaktivität verglichen wurde
Karl Raimund Poppers kritischem Rationalismus, ist wis- und dabei höchst überzeugende Ähnlichkeiten aufwies.
senschaftlicher Wissenszuwachs eigentlich nie durch in- Der Haken an der Sache war allerdings, dass die Kali­
duktive Beweise möglich, sondern hauptsächlich durch brationskurve ihrerseits weitestgehend von exakt jener
Falsifikation bestehender Hypothesen. Dazu braucht es Sonnenaktivität geprägt ist, mit der das Ergebnis später
Leute, die bereit sind, sich mit Hypothesen zu exponieren. ­verglichen wurde. Die Sache roch also nach Zirkelschluss
Erstaunlicherweise haben viele Archäologinnen und Ar- und stand zudem im Widerspruch zu den stratigraphischen

19
SCHWERPUNKT

Ergebnissen, die wir bei Ausgrabungen gewonnen hatten. das der Sonnenaktivität ähnelte. Dieser Beitrag zur Klima­
Folglich testeten wir die Methode, die zu der Sonnen­ archäologie war zugegeben etwas destruktiv, weil keiner-
aktivitätshypothese geführt hatte: Derselbe Prozess des lei eigene Gegenhypothese präsentiert wurde, aber Pop-
Aufbaus einer Score-Kurve wurde mit Zufallsdaten und per wäre sicher sehr zufrieden mit dieser Falsifikation
zum Vergleich auch mit simulierten regelmässigen Ereig- gewesen.
nissen wiederholt (also z.B. einem hypothetischen See­ Eine Gelegenheit für einen Beitrag des zweiten Typs ergab
pegeltiefstand exakt alle 100 Jahre). Das Ergebnis war im- sich, als wir vor einigen Jahren eine automatische, bild­
mer weitgehend dasselbe. Es zeigte sich also, dass nicht analytische Messsoftware evaluierten, die nicht nur Jahr-
die S
­ onnenaktivität mit dem Umweg über die Seepegel die ringbreiten, sondern auch die Grösse der wasserleitenden
Kultur- und Siedlungsgeschichte der Pfahlbauten gesteu- Zellen in Eiche erheben konnte und zudem die Jahrring-
ert hat. Vielmehr war eine fehlerhafte Methode angewandt breite in Frühholz- und Spätholzbreiten unterteilte  Abb. 5.
worden, die im Normalfall ein Ergebnis hervorbrachte, Dadurch erhielten wir die dreifache Informationsdichte aus

20
SCHWERPUNKT

demselben Holz – mit saisonaler zeitlicher Auflösung. Dem


Gedanken folgend, dass Bäume während der Vegetations-
periode immerhin gleichzeitig und unter demselben Wet- Atlas von Edward Cook
tereinfluss wie das Getreide wachsen, das als Grundnah-
rungsmittel über sein Ernteergebnis den grössten Einfluss
auf die Menschen hat, versuchten wir uns, zusammen mit Sonnenfleckenzyklus
Martin Hinz von der Universität Bern, an einer Rekonstruk-
tion von Getreideernten anhand von Eichenholz und prä-
sentierten das an der European Association of Archeolo-
Astronauten
gists (EAA) 2019 in Bern. Vor allem interessierte dabei die
Frage, ob sich eine stabile Beziehung finden liesse, die
sich glaubwürdig auch in die Vorgeschichte hinein fort-
schreiben lassen könnte. Tatsächlich fanden sich völlig un-
strittig Bezüge zwischen den Datensätzen der Jahresringe
und den historischen Getreidedaten. Die Diskussion ent-
spann sich in der Folge darum, wie stabil sie denn wohl
waren. Wir fanden eindeutig Phasen hoher Ähnlichkeit
­z wischen den von uns modellierten und den realen Ernte­
ergebnissen – aber abwechselnd mit Phasen sehr geringer
Ähnlichkeit. Die gewünschte Signalstabilität haben wir also
nicht. Aber ein Anfang ist gemacht.
Weitere Beiträge der UWAD zur Klimaforschung beschrän-
ken sich auf Partnerschaften, wo wir im Rahmen unserer
Aufgabe als Archiv universitäre Forschungen mit unseren
denkmalpflegerischen Daten unterstützt haben. So gingen
unsere Jahrringmessungen in den international viel zitier-
ten Old World Drought Atlas von Edward Cook ein. Weite-
re Projekte von deutschen und Schweizer Universitäten
wurden angestossen. U.a. lieferten wir Hölzer für die tau-
sendjährige Rekonstruktion des elfjährigen Sonnenflecken­
zyklus durch Nicolas Brehm, einen Doktoranden der ETH
Zürich. Dessen Analysen wiederum fanden viel Beachtung
sowohl bei Studien der Klima- und Atmosphärenforschung
als auch bei weniger erwarteten Themen: So wurde der
Aufsatz auch in einer Studie zitiert, die sich der Frage wid-
mete, inwieweit Astronauten durch die kosmische Strah-
lung einem höheren Krebsrisiko ausgesetzt seien.
Für uns ergibt sich daraus im Mindesten eines: Man sollte
historische und archäologische Hölzer unbedingt aufhe-
ben, denn man weiss nie – wirklich nie! – wozu man sie
noch brauchen kann.

5
Makroaufnahme eines Eichenquerschnitts
mit Markierung der vermessenen Jahr­
ringparameter.

21
Niels Bleicher

Pfahlbauhäuser mit Ausblick – ein Blick


auf die Rekonstruktion und Interpretation
der prähistorischen Kulturlandschaft
SCHWERPUNKT

Es ist noch nicht lange her, da waren sich viele Archäolo- passen wollten. Die Diskussion blieb lange ohne Lösung
ginnen und Archäologen sicher, dass die vorgeschicht­ und Einigung, bis Tilman Baum, ein ehemaliger UWAD-­
lichen Siedler auf den Uferbänken ihre Heimstatt nur ver- Mitarbeiter, in seiner Dissertation den Flächenverbrauch
liessen, wenn entweder eine Brandkatastrophe oder ein für ein solches Wanderfeldbau-System berechnen konnte
Seepegelanstieg sie dazu zwangen. Irgendeinen wichtigen und auch aus dieser Perspektive zum Schluss kam, dass
Grund musste es für einen solchen Schritt ja gehabt ­haben. dies unmöglich der Modus Operandi gewesen sein konn-
Diese Ansicht ging auf eine frühere Vorstellung davon zu- te. Zuletzt gingen beide Seiten ein Stück aufeinander
rück, was denn ein Dorf sei und vor allem, wie lange so ein zu und mutmassten, dass vielleicht beide Modi situativ
Dorf denn bestehe. Bevor die Dendrochronologie in den ­nebeneinander angewandt worden sein könnten, wobei der
1980er-Jahren zeigte, dass prähistorische Dörfer oft nur dauerhafte Feldbau der Regelfall gewesen sein dürfte.
acht bis fünfzehn Jahre bestanden, glaubte man, die Was blieb, das war das Faktum häufiger Siedlungsverlage-
­Zeit­skala mittelalterlicher Dörfer auf die Vorgeschichte an- rungen im Rahmen eines noch zu erforschenden Systems.
wenden zu können – und die rechnet mit Jahrhunderten. In Die dendrochronologischen Ergebnisse zeigten schliess-
Abbildungen wurde jeweils eine Idylle mit Dorf im Vor­ lich auf, dass die wiederholten Anwesenheiten an ver-
dergrund und Feldern im Hintergrund gezeigt, während schiedenen Orten mindestens am Zürichsee im Wechsel
sich ringsum der unberührte Wald erstreckte  Abb. 1 und mit verschiedenen Uferabschnitten stattfanden. Man war
 Abb. 2. also eine längere Zeit am Uferabschnitt zwischen Meilen
Entsprechend stellte man sich vor, dass ein Dorf prinzipi- und Seedamm, wechselte dann für etwa 250 Jahre ins
ell zum dauerhaften Weiterbestehen gedacht war und nur Stadtgebiet von Zürich, ging dann wieder für etwa 300
unfreiwillig «aufgegeben» wurde. Auch als die dendrochro- Jahre in den südlicheren Uferabschnitt und kam dann wie-
nologischen Ergebnisse vorlagen, hielt sich diese Meinung der nach Zürich. Innerhalb dieser jeweiligen dauerhaften
in Teilen der Fachwelt – es erforderte bloss, deutlich Anwesenheiten aber wechselte man lokal oft kleinräumig
­h äufigere Katastrophen und Seepegelschwankungen zu den Siedlungsstandort.
rekonstruieren  Abb. 3, was implizit mit einem Menschen- Eine Frage, die puncto Siedlungsverlagerungen aber noch
bild von kurios lernunwilligen Siedlern einherging, die offenblieb, war, wie die Siedler es geschafft haben, gleich-
allein am Zürichsee deutlich über hundert Mal vom anstei- zeitig neue Häuser zu bauen und Wald für neue Felder
genden See überrascht worden wären. Entsprechend kam zu roden. Immerhin zeigte die Holzauswahl in den P­fahl­
die Idee auf, dass es sich nicht um ein katastrophengetrie- bausiedlungen, dass das Bauholz nicht von denselben
benes, sondern ein geplantes Siedlungssystem gehandelt ­Flächen kam, wo die Felder angelegt wurden. Es mussten
haben könnte, ein System mit mehreren, im Wechsel ge- also noch zusätzlich viele Bäume geschlagen werden. Ge-
nutzten Siedlungsgebieten. fällt sind diese verhältnismässig schnell. Aber abtranspor-
Noch eine andere Frage beschäftigte in den 1980er- und tiert noch lange nicht. Eine Buche wiegt schnell über vier
1990er-Jahren die Wirtschaftsarchäologie: Wurde im Tonnen. Sie muss also noch mehrfach durchtrennt werden,
­N eo­lithikum womöglich Wander-Brandfeldbau betrieben? damit sie bewegt werden kann. Abbrennen funktioniert
Während seitens der Pollendaten einiges dafür zu spre- erst, wenn man sie mindestens zwei Jahre trocknen gelas-
chen schien, wandten sich die meisten Archäobotanikerin- sen hat – vorausgesetzt, dass sie ohne direkten Boden-
nen entschieden dagegen, weil die Unkrautspektren, die kontakt lag. Dem Ackern stehen derweil die Wurzelstrün-
man in den Pfahlbausiedlungen gefunden hatte, nicht dazu ke im Weg, die sich leider nicht ausbrennen lassen  Abb. 4.

23
SCHWERPUNKT

 Einleitungsbild
Beispiel für historische Waldbewirtschaf-
tung: Hasel-Niederwald.

1
Rekonstruktion des Pfahlbaudorfes
von Twann aus dem Jahr 1983.

2
Rekonstruktion des Zürichsees mit neo­
lithischen Dörfern aus dem Jahr 1991.

3
Nach damaliger Vorstellung hätten allein die
Bewohner von Twann 15x ihre Siedlung im
überflutungsgefährdeten Bereich errichtet –
und wären 15x überschwemmt worden.

4
Wurzelstöcke lassen sich nicht ausbrennen
und hinterlassen auf mehreren Metern
­R adius Hindernisse für die Bodenbearbei-
tung.

5
Bild vorgeschichtlicher Landschaft aus
dem Jahr 1992 «Rodungsarbeiten in
den Wäldern […]». Die mühselige Arbeit an
den Wurzelstöcken wurde oftmals in den
Rekonstruk­tionen ausgespart.

6   
Geschneitelte Eichen in der Türkei.
2

24
SCHWERPUNKT

Zwar gibt es seit dem frühen 4. Jahrtausend v. Chr. Pflüge, Der skizzierte Perspektivwechsel auf die Besiedlungs­
wie Pflugspuren unter norddeutschen Grabhügeln bewei- dynamik hatte einige Konsequenzen, denn damit war auch
sen. Zwischen den Pfahlbauten und Norddeutschland gibt eine grosse Bandbreite von Aspekten der Kulturlandschaft
es zu dieser Zeit leider eine grosse Armut an archäologi- plötzlich offen für neuartige Betrachtungsweisen. Inspiriert
schen Funden. Wie verbreitet der Pflug war, ist damit un- von geobotanischen und ökologischen Erkenntnissen las-
klar. Der Pflug wäre aber in einem Feld voller Wurzelstrün- sen sich eine Reihe Hypothesen aufstellen: Was ist bei-
ke nicht einsetzbar. Also ginge nur Hackfeldbau. Aber auch spielsweise mit dem Siedlungsgebiet, das man soeben
da stellt sich das Problem mit den Wurzelstrünken, denn verlassen hat? Lässt man dieses sich unter wucherndem
abgesehen von den grossen Wurzeln, die man stammnah Gestrüpp wieder schliessen? Oder wäre es nicht viel sinn-
vielleicht noch einfach umgehen kann, gibt es viele kleine- voller, es als Weidefläche zu nutzen? Schliesslich ist der
re und schliesslich den Wurzelfilz, wo man auch mit der damals dominierende Buchenwald sehr schlechtes Weide-
Hacke nicht recht vorwärtskommt. Folglich bliebe nur, sie land und offene Flächen sind viel ergiebiger. Zudem hielte
auszugraben. Wer sich die zu bewältigende Arbeit vor man sie auf diese Art länger frei und hätte nicht wieder
­Augen führen möchte, der versuche mit Grabstock und Ge- denselben Rodungsaufwand, wenn man später wieder zu-
weihhacke im Wald den Wurzelstock einer grossen Buche rückkehrt. Wenn diese Hypothese stimmt, dann sollte man
auszugraben. Für ein Dorf benötigt man ein paar Hektar auch von Unterkünften für Hirten ausgehen. Ausserdem
Fläche; das ergibt bei 12–15 grossen und ein paar Dutzend müsste man die Kulturlandschaft um einige Elemente
kleinen Buchen pro Hektar eine gehörige Arbeit. Sie wur- ­e rweitern: Wege beispielsweise, auf denen Hirten und
de bei Rekonstruktionen gerne ausgeblendet  Abb. 5. ­H erden von der permanenten Siedlung zu den saisonalen
Es bleibt eigentlich nur eine Schlussfolgerung: Die Acker- Weidegründen und zurück gelangten. Ausserdem dürften
flächen konnten nicht spontan verlagert werden. Es die Weidetiere einige Auswirkungen auf die Landschaft
brauchte Jahre der Planung und Vorbereitung. ­gehabt haben. Wir wissen beispielsweise, dass dornige

4 5

25
SCHWERPUNKT

Pflanzen im Wald durch Beweidung gefördert werden. Aus­ te den Winter zu verbringen erscheint unmöglich. Schliess-
serdem ist bekannt, dass bei knappen Weideflächen ger- lich fanden sich die Reste vieler solcher aus dünnen Erlen-
ne Laubheu von den Bäumen geschnitten («geschneitelt») und Birkenstangen errichteter Hütten übereinander, was
und verfüttert wurde. Das wiederum sorgt bei wiederholter wohl mit häufigem Neubau zu tun hat. Alles deutet hier also
Ernte für sehr charakteristische Wuchsformen der betrof- auf eine saisonale Hirtensiedlung hin. Erstmalig geäussert
fenen Bäume   Abb. 6. Da es im Neolithikum noch kein wurde die Vermutung saisonaler und wirtschaftlich spezia­
ständiges Grünland gab, liegt es nahe, dass Weideland lisierter Siedlungen vermutlich in Bezug auf Horgen-Schel-
knapp war. ler. Auch hier ist das Bauholz ungewöhnlich gering dimen-
Für all diese Hypothesen gibt es inzwischen gute Indizien, sioniert. Der Boden im Hinterland ist relativ steil und nur
dass sie korrekt sind oder der historischen Wahrheit mässig für ertragreichen Ackerbau geeignet. Die botani-
­z umindest nahekommen. Man hat beispielsweise die ge- schen Daten ergaben nur Hinweise auf Sommeranbau mit
schneitelten Zweige gefunden – und zwar teilweise in Lein und Mohn, aber keinen Winteranbau. Dafür fand sich
­g rossen Mengen. Besonders viel in der Siedlung Alles­ eine grosse Dichte von Resten dorniger Büsche und Wald-
hausen-Grundwiesen am Federsee in Baden-Württemberg, pflanzen – also genau das, was man bei intensiverer Be-
die zudem dadurch auffällt, dass sie zwar tonnenweise weidung erwarten würde. Ausserdem war die Dichte an
Rinderdung enthielt, aber keine Rinderknochen, sondern Haustierknochen gering, während die Dichte an Wildtier-
Wildtierreste. Ausserdem fand sich zwar Getreide, aber knochen normal war. Es gibt also auffällige Parallelen zwi-
kaum Unkraut, was auf den Konsum bereits gereinigten schen Horgen-Scheller und Alleshausen-Grundwiesen.
Getreides hinweist. Des Weiteren waren die Gebäude un- Weitere Beispiele lassen sich anführen, die dafür sprechen,
gewöhnlich klein und leicht konstruiert. Die Wände bestan- dass die Kulturlandschaft nicht nur die Felder neben dem
den bloss aus aufeinander gestapelten Knüppeln zwischen Dorf umfasste, sondern auch die Waldweideflächen mit ge-
Doppelpfosten – ohne Lehmbewurf. In einer solchen Hüt- schädigtem Unterwuchs und vielen Dornbüschen. Ebenso

26
SCHWERPUNKT

gab es Gruppen von regelmässig geschneitelten Bäumen Apropos Wandernde: Die Seen und Flüsse dürften als­­
mit ihren auffälligen Wuchsformen nahe den Hirtensiedlun- Ver­ kehrswege von grösster Wichtigkeit gewesen sein.
gen. Neben den permanenten Siedlungen gab es sie wohl Schlies­s­­­lich war schon in der Steinzeit niemand autark im
ebenso – wie auch die dem späteren mittelalterlichen Nie- engeren Sinne. Fast nirgendwo in Mitteleuropa steht
derwald ähnlichen Stockausschlagwälder, die im Unter- ­s owohl guter Silex (Feuerstein) als auch technisch gut
schied zum Niederwald auch gelegentlich geschneitelt ­geeignetes Felsgestein für Äxte und Beile an. Dazu gehört
wurden. Sie konnten durch die ökologische bzw. dendro- ­natürlich auch Salz, Markasit für die Feuerzeuge, Rötel und
typologische Analyse der Jahrringserien der Seeufersied- vermutlich noch manches weitere. Solches Material muss-
lungen nachgewiesen werden. te von weiter her besorgt werden – unabhängig, ob das
Es lassen sich weitere Elemente der Kulturlandschaft pos­ nun als Tausch oder als ein Netzwerk von Schuldigkeiten
tulieren: So finden sich in den Kulturschichten permanen- und Gefälligkeiten organisiert war, ob Rohmaterial, Halb­
ter Siedlungen oft sehr grosse Mengen an Schlehen. ­Diese fabrikate oder Fertigprodukte bewegt wurden. Das Mate-
aber benötigen über mindestens 15 Jahre hinweg stabile rial musste zum Konsumenten. Der Wasserweg war d ­ amals
Feldränder, um Früchte zu tragen. In historischer Zeit wur- die einzige realistische und effiziente Transportmethode.
den diese dornigen und sehr dichten Büsche aus zähem Und so rücken als Teil der Kulturlandschaft nicht nur die
hartem Holz gerne als lebende Zäune gezüchtet. Man Stein­brüche und Grubenfelder, sondern auch die Seen und
konnte mit ihnen römische Soldaten aufhalten und sogar Flüsse sowie die Engstellen zwischen zwei Wasserwegen,
Wildschweine von Feldern fernhalten. Welche Rolle spiel- die Portagen, ins Blickfeld. Wenn grössere Gewässer vor-
ten Schlehen in der neolithischen Kulturlandschaft? Viel- handen waren, erleichterte dies nicht nur den Warentrans-
leicht keine sehr grosse – aber vielleicht auch eine recht port und -austausch. Die Gewässer selbst wurden zum
bedeutende als Schutzhecken der Felder gegen Wildver- Wirtschafts- und manchmal sogar Wohnraum. Die Be­
biss. deutung der Gewässer als Nahrungsquelle wird höchst­
Eine ähnliche Argumentation führt uns von den unwahr- wahrscheinlich noch immer unterschätzt, weil sich viele
scheinlich grossen Mengen an Wildapfelresten in Kultur- ­F ischreste nur sehr schlecht erhalten. Selbst bei guter
schichten dazu, von einer Art Obstgärten auszugehen. ­c hemischer Erhaltung für Pflanzenreste und Knochen sind
Auch sie müssen 15 Jahre gepflegt werden, bevor sie die Fischreste oft nur in kleinsten Fragmenten vorhanden.
Früchte tragen. Und damit erhalten wir ein sehr viel detail- Entsprechend wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit
lierteres Bild der vorgeschichtlichen Kulturlandschaft: Wir erhalten sie. Ein gutes Beispiel sind Aale und Lachse.
reden von Feldern und Brachen, von Hecken, Laubgärten, Lachse waren im Gebiet um Zürich heimisch und sind ein
Obsthainen und in einzelnen Gruppen organisierten Kultur- wertvoller Speisefisch. Dennoch ist er in den Seeufersied-
waldbeständen  Abb. 7 und  Abb. 8. Und für all dies gab lungen bislang nicht nachgewiesen. Auch in anderen Re-
es auch die jeweiligen Sukzessionsstadien, wenn man fort- gionen war er das nicht, bis eine neue Methode entdeckt
ging und die jeweilige Nutzung gar nicht oder nur saisonal wurde, Lachs anhand von mineralischen Tracern im Boden
weiterführte. Wer also ein altes oder neues Siedlungsge- nachzuweisen. Und plötzlich war klar, dass er eben doch
biet urbar machen wollte, musste lange planen: Man muss- gefangen wurde. Wir haben also gute Gründe davon aus-
te Bäume fällen und mehrere Jahre trocknen lassen, um zugehen, dass wir die Bedeutung des Fischfangs unter-
sie abbrennen zu können. Falls es ehemalige Feldflächen schätzen. Dazu passt, dass es Fundorte gibt, wo haupt-
gab, musste man dornige Gebüsche abbrennen oder sie sächlich Fischköpfe gefunden wurden – aber nicht der
von Ziegen abweiden lassen. Man musste mindestens 15 Rest. Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei um saiso-
Jahre vorher Hecken anlegen und Obstbäume pflanzen nal genutzte Orte, wo es sich zu bestimmten Zeiten sehr
oder gezielt freischlagen und fördern. Derartiges impliziert, ertragreich fischen liess. Ein weiteres Element der Kultur-
dass es Pionierbauten gab und Leute, die diese Arbeiten landschaft also. Es überrascht nun wohl niemanden mehr,
erledigten. Kurz: Flächen in Vorbereitung waren ein ­eigenes dass sich dieselbe Argumentation auch für Landjagden
Kulturlandschaftsstadium. Sicher konnten vorgeschichtli- aufbauen und mit Funden belegen lässt.
che Wandernde schon von Weitem die sie umgebenden Seen und Flüsse als Transportwege, Kommunikations­
menschengemachten Flächen erkennen und lesen: Waren routen, Wirtschaftsfläche und Wohnort – die Verquickung
sie in gutem Zustand oder hatten die örtlichen Siedler ein der landseitigen und wasserseitigen Lebensbereiche ist
Problem mit abnehmender Produktivität? Oder war hier der-­a rt intensiv, dass manche Kolleginnen bereits im Eng­
schon seit Jahrzehnten niemand mehr und die Flächen lischen analog zur «landscape» von den «waterscapes»
entwickelten sich zurück zu Buchenwald? Dem geschul- sprechen.
ten Auge dürfte die Landschaft ein offenes Buch gewesen In einer Masterarbeit zur vorgeschichtlichen Raumordnung
sein. hat sich die ehemalige UWAD-Tauchpraktikantin Anna

27
SCHWERPUNKT

Bahss auch mit theoretischen Aspekten der Erforschung wieder in neuen Konstellationen auch im sozialen Raum
von (Kultur-)Landschaft auseinandergesetzt. Dabei hat in Szene gesetzt und so war im wahrsten Sinne Raum für
sich gezeigt, wie erstaunlich gross die Unterschiede in un- soziale Kontrolle, wie sie aus den Dorfplänen und Fund-
serer Deutung der vorgeschichtlichen Gesellschaften sind, kartierungen ersichtlich ist.
je nachdem, mit welchem theoretischen Rüstzeug wir Die Landschaft ist dabei ein Ort voller unterschiedlich dau-
an die Interpretation des Raums herangehen. Renate erhafter anthropogener Elemente (Gebäude, Wege, Felder,
Ebersbach hatte eine Theorie aus der Architektursoziolo- Haine oder Erinnerungsorte), an denen durch die dort
gie auf die Pfahlbauten angewandt, der zufolge das oben ­jeweils angesiedelten Tätigkeiten und räumliche Bezug-
beschriebene, hoch dynamische Siedlungssystem zu einer nahme soziale Bedeutung hergestellt wird. Die neolithi-
Gesellschaft mit geringer sozialer Kontrolle gehöre, in der sche Landschaft kann dabei als eine Kernzone der eige-
es nur eine geringe Übereinstimmung zwischen sozialen nen Kulturlandschaft und eine äussere Zone saisonaler
Identitäten und zusammen in einem Haus wohnenden Aktivitäten gesehen werden. Auch die Wege zu anderen
Menschengruppen gibt. Dies lässt sich sowohl vor dem Er- Menschen oder zu Rohstoffen sind darin bedeutungs­
gebnis der Ausgrabung von Parkhaus Opéra, als auch der tragende Kulturlandschaftselemente.
neuen theoretischen Reflektionen von Bahss nicht mehr Der Blick auf die vorgeschichtliche Landschaft hat sich in
aufrechterhalten. An ihre Stelle tritt nun eine Sichtweise, in den letzten Jahren enorm verändert. Federführend bei die-
der die konstante Bewegung und punktuelle räumliche sem Perspektivwechsel war die Kombination von Dendro-
Neuorganisation einer Gemeinschaft gerade die Basis der chronologie und Bioarchäologie an den Seeufern. Wenn es
gesellschaftlichen Stabilität ist. In einer solchen Gesell- etwas gibt, was insbesondere die Pfahlbauten bieten, dann
schaft bedeutet hohe Mobilität, ständige Umstrukturierung ist es diese Vernetztheit der Quellen: Dass Jahresringe so-
und kontinuierliches Auflassen und Neubau nicht die Ab- wohl zur Siedlungs- und Landschaftsdynamik als auch zu
wesenheit strenger Regeln. Vielmehr wurden diese ständig Landschaftselementen führen und dabei die Bühne für die

28
SCHWERPUNKT

7
Heutige Landschaftsrekonstruktionen
gehen stärker ins Detail und fokussieren auf
dynamische Entwicklungsstadien, wie z.B.
Ruinen älterer Siedlungen oder die Auswir-
kungen bisheriger Besiedlung auf die darge-
stellte Landschaft ( Schneiteleichen, Schilf-
gürtel etc. ). Dargestellt ist die Zeit um 3170
v.Chr.

8
Beispiel für komplexere Landschaftsrekons­
truktionen mit zusätzlichen Gebäuden bei
den Wirtschaftsflächen. Hier ein Beispiel aus
der schnurkeramischen Zeit.

Daten der anderen bioarchäologischen Disziplinen wie der


Archäobotanik vorbereiten, was schliesslich zusammen
mit den klassischen archäologischen Quellen eine Vielzahl
unterschiedlicher Perspektiven und Kombinationsmöglich-
keiten eröffnet. Die Pfahlbauten sind daher – landschafts-
theoretisch gesprochen – Bedeutung tragende und schaf­
fende Elemente unserer heutigen Kulturlandschaft. Sorgen
wir dafür, dass sie erhalten bleiben!

29
Niels Bleicher, Dominik Letsch, David Brönnimann, Petra Ohnsorg

Zur Geschichte des Zürichsees


SCHWERPUNKT

Der Zürichsee gehört zu den gut erforschten Seen der in den Tiefenbereich des Sees. Auch Sediment, das im
Schweiz   Einleitungsbild. Hydrologie, Beckenform, Se­ Flachwasser erodiert wurde, wird oft über die Haldenkan-
dimentationsgeschichte, Unterwasserrutschungen, See­ te in die Tiefe gespült. Was unten ankommt, ist dement-
uferarchäologie, diverse Aspekte der Ökologie und Was- sprechend eine gut aufbereitete Mischung verschiedener
serqualität sind akribisch untersucht worden – und die Areale und Tiefenbereiche.
Liste ist weit davon entfernt, vollständig zu sein. Für die
Archäologie ist die Rekonstruktion des Seepegels ein Das hydrologische System des Zürichsees
wichtiger Aspekt, der noch nicht erschöpfend erforscht Am Zürichsee bietet sich mit dem Zusammenspiel von Sihl
wurde. Entsprechende Untersuchungen fanden bislang nur und Limmat eine hydrologisch komplexe Situation, denn
für begrenzte Zeiträume statt. die Sihl, die heute beim Hauptbahnhof in die Limmat
­m ündet, reagiert sehr sensibel auf erhöhten Niederschlag
Quellen zur Seepegelgeschichte und Unwetter und ist somit eine schwer zu berechnende
Historische Quellen zum Seepegel liegen aus dem 18. Jh. Grösse im System. Unwetterbedingte Hochwasserspitzen
vor sowie seit 1811. Im Verlauf des 19. Jh. begann allerdings konnten immer zu spektakulären Überschwemmungen
bereits die Regulierung der Limmat und damit auch des ­f ühren   Abb. 1, sind jedoch Einzelereignisse, die von
Zürichsees. Zu den Pegelständen davor benötigen wir also ­langfristigen Seepegeländerungen strikt getrennt werden
andere Quellen. Die Erforschung von (prä-)historischen müssen. Nebst der Sihl und zahlreichen kleineren Zuflüs-
Seepegelständen ist eine anspruchsvolle interdisziplinäre sen hat der See mit der Limmat nur einen einzigen Abfluss.
Aufgabe, die sich Geologie, Hydrologie, Paläoökologie und Dessen Kote liegt auf rund 402.5 m ü.M. in glazial vorbe-
besonders Sedimentologie teilen, denn die hydrologischen lasteten und somit relativ erosionsresistenten eiszeitlichen
Systeme sind meist ausgesprochen komplex und die viel- Lockergesteinen (eiszeitliche Seeablagerungen und Morä-
fältigen Quellen entsprechend schwierig zu lesen. So wir- ne) und ist zudem durch weitverbreitete kiesige und teils
ken sich beispielsweise Pegelschwankungen im Flachwas- sehr grobkörnige Flussablagerungen im Limmattal (sog.
ser am stärksten aus: Im sogenannten Litoralbereich findet Limmattal-Schotter) in seiner Schwankungsbreite nach un-
durch geochemische Prozesse häufig eine (jährliche) Sedi­ ten begrenzt. Im Gegensatz zu anderen Seen kann sich der
mentation statt (Seekreide, Beckentone, Lehme etc.) – Pegel des Zürichsees nicht durch ein Erodieren der Aus-
­a llerdings nur bis zu einer kritischen Höhe, ab der keine flusssohle absenken und ebenso ist die Anhebung der
Sedimentation, sondern Erosion stattfindet. Unsere Infor- Ausflusssohle durch Schotter hier kein Thema. Im Prinzip
mationsquelle (das Sediment) versiegt ab diesem Zeit- wäre dieses System relativ träge gegenüber klimatischen
punkt also. Selbiges geschieht, wenn z.B. durch Absenken Veränderungen, denn aufgrund der Form der Abflussrinne
des Seepegels frühere Sedimente erodieren sowie um- würde die Abflussmenge bei steigendem Seepegel sehr
und anderswo abgelagert werden. Daher ist das Sediment schnell ansteigen und den Pegel wieder absenken. Es
im Uferbereich eine prinzipiell aufschlussreiche aber bräuchte für eine nennenswerte Hebung des Pegels also
schwer lesbare Informationsquelle. Weiter weg vom Ufer, sehr unwahrscheinliche Steigerungen der Niederschläge.
im Tiefenbereich des Sees, kann man den Seepegel meist Derartiges ist allenfalls kurzfristig denkbar.
nicht im Detail erforschen, denn das flache Ufer geht häu- Allerdings kommt nun die Sihl mit ins Spiel, denn sie war
fig in eine sog. Halde über, die in einer Abbruchkante en- immer ein launisches Gewässer, das bei Starkniederschlä-
det. Wird die Halde zu steil, rutscht das instabile Sediment gen kurzfristig extrem anschwellen und dabei sehr grosse

31
SCHWERPUNKT

32
SCHWERPUNKT

33
SCHWERPUNKT

34
SCHWERPUNKT

Geschiebemengen mit sich führen und lokal auch erosive  Einleitungsbild


Kraft entfalten kann. Entsprechend gross war die Dynamik Zürichsee mit Blick gegen Südosten.

in der Sihlebene, die dieser kleine Fluss während des frü-


 1
hen Holozäns aufschüttete indem er dort grosse Schotter- Das Hochwasser von 1732 bei
mengen ablagerte. Im Verlauf des Holozäns änderte die St. Jakob an der Sihl in der Darstellung
Sihl wiederholt ihr Bett. Dabei könnte die Sihl gelegentlich von David Redinger 1732.

grosse Geschiebemengen in die Limmat gebracht und die-


2
se kurzfristig gestaut haben, was wiederum zu höheren Pe- Der Murer-Plan von Zürich aus dem Jahr
geln geführt haben könnte. Im Spätglazial mündete die Sihl 1576 zeigt viele Wassermühlen in der
nicht in die Limmat, sondern direkt in den See, und aus ­Limmat.
­römischer Zeit ist ein in den See fliessender Sihlarm be-
3
kannt. Im Detail allerdings ist die Rolle der Sihl in der Vor-
Synthese des bisherigen Kenntnisstandes
geschichte allein deswegen schon schwer zu rekonstruie- zum holozänen Seepegel des Zürichsees.
ren, weil wir nur ihr aktuelles Verhalten messen können.
Heute ist sie von einem entwaldeten Einzugsgebiet voller
versiegelter Böden geprägt. Früher aber floss sie durch
Auen und naturnahe Wälder und war daher wahrscheinlich
weniger dynamisch.
Der letzte Faktor im hydrologischen System ist ab einem
unbekannten Zeitpunkt und in unbekanntem Ausmass der
Mensch. Er hat auf verschiedene Arten ins System einge-
griffen: Durch Entwaldung der Ufer und Hänge verdunste-
te weniger Niederschlag, sondern floss als Oberflächen-
wasser direkt in die Bäche und Flüsse, die deshalb mehr
Wasser und Geschiebe führten. Der Eingriff des Menschen
veränderte ein ganzes System und somit möglicherweise
auch den Zürichsee.

35
SCHWERPUNKT

4
Stratigraphien von Zürich-Parkhaus Opéra.
Die frühholozänen Sandschichten zeigen
eine klare Erosionskante ( links ) . Die See­
kreideschichten darüber hingegen sind in-
takt und zeigen keine Anzeichen von Boden-
bildung bis mindestens 404.65 m ü.M.
( rechts ) .

5
Höhenkoten von organisch erhaltenen Kul-
turschichten prähistorischer Ufersiedlungen
am Zürichsee.

Punktuell griff er unbeabsichtigt sogar sehr direkt ein: Im frühen 1970er-Jahren. Anhand der Höhenkoten verschie-
18. Jh. fiel den frühen Protokollanten des Seepegels auf, dener Sedimente und quartärgeologischer Beobachtungen
dass der See regelmässig sonntags einige Zentimeter ­a n­- wie der Richtung von Schrägschichtungen in Schuttkegeln
stieg. Der Grund war schnell gefunden. Die vielen Was­ an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet, konnte er eine
sermühlen, die man in die Limmat gebaut hatte, standen erste Geschichte des Seepegels vorlegen. Dabei kam
sonntags still – und verwandelten sich dabei in ein Abfluss- er zur Überzeugung, dass der Pegel schon seit Zeiten
hindernis  Abb. 2. vor der neolithischen Besiedlung der Seeufer kaum unter
Das gesamte System besteht also aus einem klimatisch 404.5 m ü.M. gesunken sein kann. Allerdings verwirrten ihn
gesteuerten Zufluss durch Niederschläge und Schmelz­ die Aussagen der damaligen Archäologen, die von eben­
wasser im Einzugsbereich, einem dämpfenden Faktor erdigen Siedlungen und folglich sehr niedrigen Seepegeln
durch die Grösse des Sees und schliesslich den zwei ausgingen, was Schindler sich nicht erklären konnte. Heu-
schwer zu beziffernden Faktoren Sihl und Mensch. Kom- te wissen wir, dass die Argumente seitens der Archäologie
pliziert genug, dass man ohne Informationen aus dem einer kritischen Betrachtung nicht standhalten. Zu den
­S ediment des Sees keine Aussagen über die holozäne Kronzeugen, die Schindler in einer Schichtenfolge unter-
­G eschichte des Seepegels treffen kann  Abb. 3. suchte, die vom Jungneolithikum bis ins Frühmittelalter
reichte, gehörten spezielle Kalkablagerungen (Onkoide)
Die Erforschung des Zürichseepegels und organische Schichten, die bei archäologischen Gra-
Einen Meilenstein der geologischen Betrachtung zum The- bungen auf dem heutigen Münsterhof gefunden wurden.
ma lieferte Conrad Schindler in den späten 1960er- und Sie wiesen auf teils sehr hohe Seepegel hin. Später wurde

36
SCHWERPUNKT

6
Mikroskop-Foto des neolithischen
«Ackerbodens». Nebst reichlich Holzkohle
( schwarz ) ist deutlich zu erkennen, wie
durch die Bodenbearbeitung verschiedene
Bodensubstrate miteinander vermischt
­w urden ( hell- und dunkelbraune Zonen ).
50-fache Vergrösserung, Normallicht.

7
Die wahrscheinlich grösste Ausdehnung
­e rreichte der See vermutlich im späten
1. Jahrtausend v.Chr.

37
SCHWERPUNKT

von alledem wurde bisher beobachtet – und zwar bis auf


eine Höhe von 404.5 m   Abb. 4. Betrachtet man ausser-
dem die Höhenkoten von Kulturschichten mit organischer
Erhaltung verschiedener Siedlungen am ganzen Zürichsee,
dann fällt auf, dass diese gegen oben hin gegen 405.5 m
ü.M. konvergieren  Abb. 5. Wäre der Seepegel also einst
jahrzehntelang nennenswert unter 405.5 m gefallen, wären
diese Schichten höchstens wegen der Kapillarwirkung der
Seekreide noch feucht und organisch erhalten geblieben.
Erosion und Bewuchs hätten dort dennoch stattfinden
müssen.
Interessanterweise wurde nur wenig höher im Fraumüns-
terquartier (Münsterhof) ein Befund dokumentiert, bei dem
es sich um einen ehemaligen Ackerboden handeln dürfte
 Abb. 6. Dieser lag auf 405.7 m ü.M. und gehört zu den
­ä ltesten Siedlungsspuren in Zürich. Da der historische
Seepegel etwa 1 bis 1.5 m saisonal schwankte, können wir
als Arbeitshypothese davon ausgehen, dass der sommer-
liche Pegel (das ist am Zürichsee der jährliche Höchst-
stand) zur Zeit dieses Ackerbaus kaum über 405.2 bis
405.5 m ü.M. gelegen haben kann, weil der Acker sonst alle
paar Jahre überflutet worden wäre. Es scheint unwahr-
scheinlich, dass die Siedler bei ihrer Hauptnahrungsquel-
le dieses Risiko ohne Not eingingen. Das verweist den
mittleren Seepegel auf maximal 404.5 m ü.M. Sollte der
8 prähistorische See eine geringere saisonale Schwankung
gehabt haben, könnte der Seepegel auch bei etwa 405 m
gelegen haben. Bodenkundliche Daten aus zahlreichen
der damalige Leiter der Stadtarchäologie, Dölf Wild, auf Profilen im Fraumünsterquartier lassen vermuten, dass der
­a rchäologische Hinweise zu historischen Pegelständen Pegel im mittleren Holozän (ungefähr 8.–5. Jahrtausend
aufmerksam und sammelte fortan während vieler Jahre im v. Chr.) meist unter 406.00, aber nicht deutlich unter 405.50
Zuge zahlreicher Ausgrabungen weitere Hinweise auf die lag, denn andernfalls hätte sich auf dem Sihldelta auch an
Geschichte des Zürichsees. tieferen Stellen Boden gebildet, was aber nicht der Fall ist.
Für das Jungneolithikum, also die Zeit der frühen Pfahl-
Prähistorische Siedlungen als Informationsquelle bauer, ist folglich ein etwas niedrigerer Seepegel möglich,
Derweil erlauben Ausgrabungen in Seeufersiedlungen und als es die Stratigraphien für das Spätneolithikum nahe­
besonders von Parkhaus Opéra, sich von einer völlig an- legen.
deren Seite – gewissermassen von unten – der Thematik
zu nähern. Längerfristige niedrige Seepegelstände bleiben Neue Erkenntnisse dank der Verbindung von Geologie
nämlich nicht ohne Folgen für höhergelegene Sedimente. und Archäologie
Seekreide ist relativ leicht erodierbar und neigt zum kräfti- In den letzten Jahren und mit der entsprechenden Sensi-
gen Schwinden und rissigen Trocknen, wenn sie über dem bilisierung konnten in archäologischen Grabungen auch für
Wasserpegel liegt. Ausserdem zeigen Studien an trocken die jüngeren Epochen, insbesondere von der römischen
gelegten Strandplatten in Frankreich, wie schnell diese be- Zeit bis ins Spätmittelalter, viele Hinweise zur Geschichte
wachsen werden. Krautige Pflanzen beginnen sofort mit des Zürichsees gesammelt werden. Die geoarchäologi-
der Kolonisierung und innert weniger Jahrzehnte herrscht schen Quellen wurden bei der Aufarbeitung der Ausgra-
eine mehrere Meter hohe Gebüschvegetation vor. Wenn bungen im Fraumünsterquartier durch David Brönnimann
der Seepegel also einst tiefer als eine im Profil beobach- auf den neusten Stand gebracht und danach mit den
tete Seekreideschicht gefallen sein sollte, müsste man ­a rchäologischen Befunden wie z.B. Resten von Uferver-
­E rosionskanten in der Seekreide sehen wie auch Trock- bauungen oder Drainageanlagen verglichen. Da das flache
nungsrisse und vor allem Wurzelstockhorizonte ehema­liger Gelände des Fraumünsterquartiers, das im Übergangs­
Gebüsche sowie Anzeichen einer Bodenbildung. Nichts bereich von See und Limmat liegt, sehr schnell von Verän-

38
SCHWERPUNKT

derungen des Seepegels betroffen ist, bietet es sich zur Ausserdem ist bis heute unklar, welche Faktoren (Klima,
Erforschung dessen Geschichte geradezu an: Bis ins Früh- Sihl, Mensch) zu welcher Zeit und in welchem Mass den
mittelalter zeigt sich dort eine grosse Dynamik – längere Pegel des Zürichsees beeinflussten. Dennoch dürfte der
Perioden mit sehr hohen und tiefen Pegelständen lösen Zürichsee eines der weltweit wenigen Gewässer sein, wo
sich ab. die Masse an Informationen zur Pegelgeschichte aus ver-
Eine mittels 14C und stratigraphischen Befunden datier- schiedenen Disziplinen der Archäologie stammen. Von der
te Schicht von Seekreide, die meistens um ca. 406.00– Zusammenarbeit profitieren hier alle.
406.50 m ü.M. anzutreffen ist, und Kalkknollenablagerun-
gen (Süsswasseronkoide), die stellenweise auf bis zu
407.10 m ü.M. dokumentiert wurden, zeugt von einem
­eisenzeitlichen Seehochstand. Dies, weil die Seekreide nur
in Flachwasser von mindestens einem Meter Wassertiefe
gebildet worden sein kann, die Kalkknollen allerdings nur
wenige Zentimeter Wasserüberdeckung benötigen  Abb. 7.
Der Pegel lag folglich auf ca. 407 m ü.M. und dürfte allmäh-
lich sogar bis maximal 408.00 m ü.M. angestiegen sein.
Ab der römischen Zeit mündete bis ins frühe Mittelalter
zeitweise ein Sihlarm direkt in den See und brachte seine
Sedimentfracht mit. Die Feinfraktion dieser Sedimentfracht
verteilte sich als Schwebefracht, die der See im Uferbe-
reich sedimentierte. Während die Sihl diese Schwebefracht
in den See führte, muss dessen Pegel zwischen ca. 406.00
und 407.00 m ü.M. gelegen haben, also höher als heute.
­A llerdings war das Sihldelta in römischer und frühmittel­
alterlicher Zeit während länger andauernden tiefen Pegel-
ständen auch besiedelt; davon zeugen u.a. ein Brandgrä-
berfeld des späten 1. Jh. und ein Glas- und Metallwerkplatz
des frühen 7. Jh. Zu diesen Zeiten muss der Pegel unter
406 m ü.M. gelegen haben. Diese Siedlungsreste liegen
folglich auf der genannten Schwebefracht, werden aber
auch von jüngerer Schwebefracht überdeckt, was die
mehrfach steigenden und sinkenden Pegel im 1. Jahrtau-
send n.Chr. belegt. Das Wechselspiel von Auf und Ab führ-
te nicht nur zu einer zeitweise vollständigen Überdeckung
der Siedlungsplätze, sondern auch zu Erosionen, so dass
die Siedlungsreste heute meist nur in Form von Reduk­
tionshorizonten fassbar sind   Abb. 8. Erst seit dem 8.
oder spätestens frühen 9. Jh. reduzieren sich die mittleren
Schwankungen auf einen Bereich, der das ehemalige Sihl­
delta nicht mehr längerfristig «versinken» lässt. Vielleicht
ist es kein Zufall, dass dieser Zeitpunkt mit der Entstehung
eines Klosters zusammenfällt, das um 853 sogar unter die
Obhut einer Tochter von König Ludwig dem Deutschen fällt.
Vielleicht ist es u.a. auf menschlichen Einfluss zurück­
8
zuführen, dass der mittlere Pegel, den wir aufgrund von
Profil aus dem Fraumünsterquartier.
Uferverbauungen oder ufernahen Gehniveaus fürs späte Ganz unten ( weiss ) die Onkoidschicht.
Früh- und bis ins Hochmittelalter fassen, um 406.20 m ü.M. ­Darüber das über 1 m mächtige
lag und somit dieses königliche Kloster am «Einfallstor» und aus mehreren Lagen bestehende
zur Stadt nicht mehr gefährdete. ­ockergraue Sediment, das von der
Sihl als Schwebefracht in den See einge-
Im Detail bleiben noch viele offene Fragen. Auch für die
bracht wurde. Darin befinden sich ein
vorgeschichtlichen Epochen sind hauptsächlich Mindest- ­römischer ( Pos. 969 ) und ein frühmittel­
höhen bekannt, aber noch keine absoluten Höhenkoten. alterlicher ( Pos. 633 ) Reduktionshorizont.

39
Andreas Mäder, Hilmar Hofmann, Tim Wehrle

Windwellenexposition der Pfahlbau­


fundstellen am Zürichsee
SCHWERPUNKT

UNESCO-Weltkulturerbe Pfahlbauten historiker Ulrich Ruoff, unter Einbezug privater Taucher


Der Begriff «Pfahlbauer» weckt in den meisten Menschen aus der Tauchsportgruppe «Turisub» mit ersten archäo-
auch heute noch emotionale Bilder: Man verbindet damit logischen Erkundungstauchgängen im unteren Zürich­s ee­
die romantische Vorstellung einer Schweizer Urbevölke- becken vor dem Zürcher Bellevue: Für die erste Unterwas-
rung, welche in idyllischer Landschaft auf Plattformen auf sergrabung, die an der Fundstelle «Kleiner Hafner» statt-
dem See gelebt hatte. Die Entdeckung der Pfahlbauten im fand, mussten neue Arbeitstechniken entwickelt w ­ erden,
Zürichsee 1854 durch Johannes Aeppli und Ferdinand Kel- die teilweise noch heute angewendet werden. Dank
ler erhielt in ganz Europa breite Beachtung  Abb. 1. An der ­P ioniergeist und innovativen Methoden zur Do­­­k u­m enta­-
Weltausstellung in Paris 1867 wurden die Schweizer Pfahl- tion unter Wasser übernahm die Unterwasser­a rchäologie
bauer mit Stolz der Weltöffentlichkeit präsentiert. Damit ­Z ürich eine internationale Vorreiterrolle.
haben sich die Pfahlbauer sozusagen als Nationalmythos Im Rahmen einer gross angelegten Bestandsaufnahme an
ins kollektive Gedächtnis der Schweiz eingeprägt. Ihre Ent- den seichten Uferabschnitten des Zürichsees und Obersees
deckung entfaltete für den damals noch jungen Bundes- konnten 1998 auch die Schwyzer Gewässer – im Auftrag
staat eine willkommene, identitätsstiftende Wirkung. des Kantons Schwyz – gezielt nach Hinweisen auf ­prä­-
In unseren Seen und Flüssen befinden sich archäologische historische Ufersiedlungen abgesucht werden. Ziel war es,
Zeugen aus mehreren Jahrtausenden – Mensch und Um- den Zustand der damals bereits bekannten Pfahlbausied-
welt haben im Verlauf der Zeit ein Bodenarchiv der Vergan- lung bei Freienbach «vor der Kirche» zu kontrollieren sowie
genheit geschaffen, das einmalig ist und es erlaubt, unse- Hinweise auf weitere Pfahlbausiedlungen zu finden. Mit Er-
re zivilisatorischen Wurzeln zu entdecken. Die Fülle an folg: Beim Abschwimmen der Flachwasserzonen, welche
Informationen dank der Erhaltung von organischem Mate- aufgrund der untiefen Seegrundtopographie als potenzielle
rial, wie Werkzeuge, Schmuck, Alltagsgegenstände und Siedlungsgebiete der Pfahlbauer gelten, entdeckten die
hölzerne Bauelemente von Pfahlbauhäusern aus der Stein- Zürcher Taucher mehrere, bislang unbekannte Fundstellen.
und Bronzezeit waren der Grundstein für die 2011 erfolgte Seit 1999 stellt der Regierungsrat des Kantons Schwyz zur
Ernennung der Pfahlbauten zum UNESCO-Weltkulturerbe. bodendenkmalpflegerischen Betreuung der Schwyzer Un-
Kleinste Pollenreste, verkohltes Getreide, Tier- und Pflan- terwasser-Fundstellen finanzielle Mittel zur Verfügung; seit
zenreste geben Auskunft zu den Lebensumständen und dem 1.1.2020 steht der nachhaltige Umgang und Schutz
dem Naturraum der damaligen Bevölkerung. Die Reste der Schwyzer Kulturgüter – und damit auch der Pfahlbau-
der Pfahlbauten haben unter Luftabschluss Jahrtausende fundstellen – auf einer neuen gesetzlichen Grundlage.
überdauert. Sie dokumentieren unsere Kultur- und Natur- Aufgrund dieser werden die Schwyzer Pfahlbaufundstellen
geschichte von 4300 bis 800 v.Chr. Mit ihnen lässt sich seit über 20 Jahren von der Unterwasserarchäologie Z ­ ürich
die Entwicklung jungsteinzeitlicher und metallzeitlicher kontinuierlich inventarisiert, dokumentiert, erforscht und
Siedlungsgemeinschaften im Kontext mittel-, südost- und geschützt.
westeuropäischer sowie mediterraner Kulturtraditionen er- Aus dem Kanton Schwyz sind bis heute neun Pfahlbau-
forschen. fundstellen bekannt, oft zeugen mehrere so genannte
­« Kulturschichten» – es handelt sich um die Abfallschich-
Pfahlbauarchäologie im Zürichsee ten der Pfahlbauer – von jeweils mehreren Siedlungs­
Zu Beginn der 1960er-Jahre begann der damalige Leiter phasen an einer Stelle. Dendrochronologisch lassen sich
des Baugeschichtlichen Archivs der Stadt Zürich, der P
­ rä­- Pfahlbausiedlungen im Kanton Schwyz in den Zeitraum

41
SCHWERPUNKT

von 3800 bis 2600 v.Chr. einschränken. Und just zum 10- schwinden. Dies bedeutet, dass in einem ersten Schritt die
jährigen Bestehen des UNESCO-Weltkulturerbes «Pfahl- im Boden vorhandene Substanz ermittelt werden muss,
bauten um die Alpen» entdeckte man 2020 in einer Bau- etwa mittels Kernbohrungen, Sedimentecholotmessungen
grube in Immensee eine neue Pfahlbaufundstelle, in der die oder mit Georadar. In einem zweiten Schritt müssen die
Überreste von fünf Siedlungsphasen aus dem Zeitraum gefährdeten Bereiche einer Fundstelle dokumentiert wer-
3150–2721 v.Chr. erhalten geblieben sind  Abb. 2. den – in der Regel handelt es sich um offen am Seegrund
Auf dem Gebiet des Kantons St. Gallen sind in der Region liegende Schichten und Funde, welche erodieren. Danach
Seedamm sieben Pfahlbaufundstellen bekannt, welche werden solche Bereiche mit einer Kiesschicht überdeckt,
ebenfalls seit den 1990er-Jahren von der Unterwasser­ damit erosionsverursachende Einflüsse wie Strömungen
archäologie Zürich betreut werden. oder ankernde Boote den sensiblen Pfahlbaurelikten nicht
weiter schaden können. In seltenen Fällen empfiehlt es
Erosion und Schutz sich, eine Ankerverbotszone einzurichten.
Mit dem steigenden Nutzungsdruck an den Gewässern Der zunehmende Nutzungsdruck an den Gewässern führ-
steigen auch die Zielkonflikte mit den archäologischen te dazu, dass der Bund 2011 mit einem neuen Gewässer-
­B odenarchiven, welche zunehmend in Mitleidenschaft ge- schutzgesetz reagierte, um den Lebensraum an den Ge-
zogen werden. Um dem vorzubeugen werden die archäo- wässern aufzuwerten, die Biodiversität zu fördern und die
logischen Fundstellen von der Unterwasserarchäologie im Auswirkungen auf die Seeufer zu dämpfen: Die strategi-
Auftrag der Kantone Zürich (Kantonsarchäologie Zürich), sche Planung für die Revitalisierung von Seeuferabschnit-
St. Gallen (Kantonsarchäologie St. Gallen) und Schwyz ten, welche Potenzial für eine ökologische Aufwertung
(Amt für Kultur des Kantons Schwyz) betreut: Schutzkon- ­a ufweisen, muss bis 2022 von den Kantonen verabschie-
zepte und -massnahmen sollen verhindern, dass die kul- det werden. Damit sind auch die archäologischen Fund-
turhistorischen Denkmäler unter Wasser erodieren und ver- stellen – allen voran die Pfahlbauten – tangiert, welche sich

42
SCHWERPUNKT

vornehmlich in den ufernahen Flachwasserzonen befinden.  Einleitungsbild


Eine kommende Herausforderung wird es daher sein, Ziel- Pfahlbaufundstellen sind der natürlichen
Erosion ausgesetzt.
konflikte und Synergien zwischen archäologischen Fund-
stellen und Uferrevitalisierungsprojekten zu erkennen. 1
Um dem Rechnung zu tragen, begann die Unterwasser­ Auguste Bachelin, Village lacustre de l'âge
archäologie Zürich 2019 im Auftrag der Kantone Schwyz, de la pierre ( 1867 ) .

Zürich und St. Gallen mit dem Projekt «Site Management


2
2022+», mit dem Ziel, langfristige strategische Handlungs- Pfahlbauschichten ( dunkle Schichten )
optionen für den Umgang mit den archäologischen Fund- in einem Profil der Rettungsgrabung 2020
stellen am Zürichsee und Obersee zu erarbeiten. Grundla- in Immensee.
ge bildet dabei in erster Linie eine Windwellenmodellierung
des gesamten Zürichsees.

Strategische Planung: Prognose und Fokussierung


Die prähistorischen Fundstellen an den Ufern des Zürich-
sees sind unterschiedlich exponiert und gefährdet. Diese
Gefährdung umfasst hauptsächlich die hydrodynamische
Exposition gegenüber windinduzierten Wellen (und z.T.
auch gegenüber schiffsinduzierten Wellen) und deren
­P otential, die Sedimente der Flachwasserzone zu mobili-
sieren und im Zusammenspiel mit Strömungen zu verfrach-
ten  Einleitungsbild. Besonders problematisch dabei sind
die hohe zeitliche und räumliche Variabilität des Wellen-
Fachbericht Nr. 1:
felds und damit die Exposition der Ufer. Exemplarisch
Bodendenkmalpflegerische Grund­
konnte an den Fundstellen Freienbach-Hurden Seefeld (SZ, lagenforschung im Kanton Schwyz
2014/2015) und Rapperswil-Jona Seegubel (SG, 2017/2018)
durch hydrodynamische Langzeitmessungen (siehe Beiträ-
ge in den Fachberichten 1 und 3) die Dynamik einer von
Fachbericht Nr. 3:
östlichen Winden bzw. einer von westlichen Winden
Hydrodynamik und Archäologie –
­g eprägten Expositionslage aufgezeigt werden. Die Mess­ Gefährdungsanalyse in Rappers­
resultate und deren Interpretationen konnten in Bezug wil-Jona-Seegubel

43
SCHWERPUNKT

3a Räumliche Verteilung des Wellenfelds (Hsig) für 3b Räumliche Verteilung des Wellenfelds (Hsig)
ein Sturmereignis aus westlichen Richtungen. für ein Sturmereignis aus nordöstlichen Richtungen.
Das Windfeld ist als Vektorfeld (schwarze Pfeile) Das Windfeld ist als Vektorfeld (schwarze Pfeile)
­dargestellt. ­dargestellt.

zur archäologischen Bestandesaufnahme gesetzt werden tationen und Schutzmassnahmen optimal und fokussiert
(Lokalisierung offen am Seegrund liegender Kulturschich- einzusetzen sowie eine langfristige Planung zu ermögli-
ten, 3D-Modellierung der Schichtkörper im Untergrund) chen.
und führten schliesslich zu fokussierten, fundstellenspezi-
fischen Empfehlungen von Massnahmen zum Schutz der Windwellenmodellierung
Fundstellen und dem zukünftigen Umgang mit denselben. Windwellen stellen den hydrodynamisch bedeutendsten
Die Resultate aus den beiden Pilotprojekten in den Kanto- Prozess in der Flachwasserzone des Zürichsees dar und
nen Schwyz und St. Gallen zeigen, dass konkrete Hand- sind durch eine sehr hohe räumliche und zeitliche Varia­
lungsanweisungen für die betreffenden Fundstellen er­ bilität gekennzeichnet, die nur mit Hilfe numerischer Mo-
arbeitet werden konnten, welche Priorisierungen und dellierung umfassend abgebildet werden kann. Neben
langfristige Planungen ermöglichen. Die Resultate können ­stationären Simulationen mit homogenem Windfeld (ähn-
jedoch nicht ohne Weiteres auf die übrigen rund 50 Fund- lich zum existierenden Wellenatlas) wurde erstmals für den
stellen am Zürichsee übertragen werden. Und Langzeit- Zürichsee eine räumlich (25 x 25 m) wie zeitlich (1 Stunde)
messungen an jeder einzelnen Fundstelle sind aufgrund hochaufgelöste, dynamische Langzeit-Modellierung (über
des grossen finanziellen Aufwands und dem Mangel an mehr als ein Jahr) des Wellenfelds mit einem räumlich auf-
­F achexperten nicht zielführend. gelösten Windfeld (COSMO1, MeteoSchweiz) und unter
Allerdings ist es möglich, analog zum Bodensee auch Berücksichtigung der Wasserstandsdynamik realisiert. Die
für den Zürichsee eine dynamische, räumlich aufgelöste mit Felddaten validierten Resultate geben ein realistisches
Modellierung des Windwellenfelds mit dem Modell SWAN Bild des Wellenfelds und seiner Eigenschaften wieder
(Simulating WAves Nearshore, Deltares) vorzunehmen. Die   Abb. 3 und erlauben darüber hinaus eine differenzierte
Ergebnisse der numerischen Modellierung ermöglichen Bewertung der Wellenexposition der Ufer auf unterschied-
u.a. die qualitative und quantitative Bestimmung des lichen Zeitskalen  Abb. 4, Abb. 5 und Abb. 6 und aller Fund-
­Wel­lenfelds, der hydrodynamischen Exposition und des stellen   Abb. 7 rund um den Zürichsee. Dies bildet die
Resuspensionspotenzials (Remobilisierung von Partikeln) Grundlage für eine detaillierte und umfassende Gefähr-
jeder einzelnen Fundstelle. dungsabschätzung der Fundstellen und ist Voraussetzung
Die Resultate der Modellierung sollen danach in Bezug zu für die Priorisierung von Schutzmassnahmen.
den tatsächlich vor Ort angetroffenen Situationen gesetzt Das Wellenfeld des Zürichsees ist durch eine sehr hohe
werden: Wo innerhalb der Fundstellen befinden sich die of- zeitliche und räumliche Variabilität gekennzeichnet (vgl.
fen am Seegrund liegenden Kulturschichten, welche Berei-   Abb. 3), die besonders stark bei Winden aus östlichen
che sind unproblematisch, wo liegt das grösste Erosions- Richtungen ausgeprägt ist und durch lokale Winde (Föhn)
potenzial? verstärkt wird. Die Verteilung der Eigenschaften des mitt-
Das Hauptziel ist letztlich, die beschränkten Ressourcen leren (Jahresmittel) Wellenfelds spiegelt die Dominanz
für Erosionsmessungen, Kontrollen, Oberflächendokumen- westlicher Winde und Starkwindereignisse wider. So treten

44
SCHWERPUNKT

die grössten Magnituden charakteristischer Wellenpara- Generell sind im Zürichsee die nördlichen Ufer zwischen
meter (z.B. signifikante Wellenhöhe, Hsig und wellenindu- Meilen und Rapperswil-Jona, die südlichen Ufer zwischen
zierte bodennahe Strömungsgeschwindigkeit, Ubot) im Wädenswil und Freienbach und die nordwestlichen Ufer-
östlichen Zürichsee und Obersee auf. Aber auch Winde abschnitte der beiden Inseln Ufenau und Lützelau sowie
aus nordöstlichen Richtungen können in einzelnen Mona- die nördlichen Ufer zwischen Bollingen und Schmerikon
ten das Wellenfeld dominieren. Dann treten die grössten und die süd­lichen Ufer zwischen Aahorn bei Lachen und
Magnituden im westlichen und südwestlichen Zürichsee Linth-Delta des Obersees durch die höchste Wellenexpo-
und Obersee auf. sition gekennzeichnet.
Die dynamische Modellierung des Wellenfelds und seiner
Eigenschaften gibt ein sehr differenziertes und detaillier- Fundstellenexpositionen
tes Bild der Wellenexposition der Ufer des Zürichsees Aus der Wellenexposition der Ufer leitet sich die Wellenex-
­w ider. Aufgrund der grossen Dynamik des Wellenfelds position der einzelnen Fundstellen rund um den Zürichsee
kann sich die räumliche Verteilung der Wellenexposition ab  Abb. 7. So konnten besonders exponierte Fundstellen
der Ufer innerhalb von wenigen Stunden und Tagen signi- identifiziert und ein Ranking der relativen Gefährdung der
fikant und entsprechend der Windrichtung ändern  Abb. 4. Fundstellen erstellt werden.
Einzelne, über wenige Tage andauernde Windereignisse Die grösste Exposition weisen die Fundstellen am nörd­
können die Verteilung und Intensität der Uferexposition lichen Ufer des Zürichsees zwischen Uetikon und Rap-
über einen längeren Zeitraum, z.B. einen Monat, bestim- perswil-Jona und am südlichen Ufer zwischen Richterswil
men. Entsprechend kann die Wellenexposition der Ufer und Rapperswil-Jona auf. Eine mittlere Wellenexposition
rund um den Z ­ ürichsee von Monat zu Monat sehr variieren erfahren die Fundstellen am nördlichen Ufer zwischen Er-
 Abb. 5 und von der über ein ganzes Jahr gemittelten ab- lenbach und Meilen und am südlichen Ufer zwischen Ober-
weichen (saisonale Variabilität)  Abb. 6. So ist in den Som- rieden und Horgen. Eine geringe bis sehr geringe Wellen­
mermonaten, abgesehen von lokal auftretenden Föhn- und exposition und damit Gefährdung weisen die Fundstellen
Unwetter­e reignissen, die mittlere Uferexposition gering. nördlich von Küsnacht, jene nördlich der Halbinsel Au und
Dagegen treten die höchsten, mittleren Wellenexpositio- einzelne in Buchten gelegene Fundstellen, auf. Die Fund-
nen der Ufer in den Wintermonaten auf. Die räumliche Ver- stellen des Obersees haben eine durchweg mittlere bis
teilung der Wellenexposition der Ufer variiert zum Teil auf hohe Wellenexposition.
sehr kleiner Skala  Abb. 6. Landspitzen sind hotspots der Die Gefährdungsabschätzung der Fundstellen sollte sich
Wellenexposition. Dagegen weisen Buchten und gegen- massgeblich an der langfristigen Wellenexposition (Jahres-
über den Hauptwindrichtungen (West und Nordost) ge­- mittel) orientieren, aber die spezifische Exposition gegen-
schützte Uferbereiche eine geringe Wellenexposition auf. über selten auftretenden Ereignissen mitberücksichtigen.

4 Mittlere Wellenexposition der Ufer des Zürichsees 5 Monatsmittel (Dez. 2017 bis Dez. 2018) der Wellen­
für charakteristische Sturmereignisse mit den exposition der Ufer rund um den Zürichsee.
­domi­­nanten Windrichtungen West (A, B), Nordost (C) Die Exposition ist als die relative Häufigkeit der
und West/Nord/Süd (D). Die Exposition ist als die ­signifikanten Wellenhöhe Hsig >0.15 m dargestellt.
­relative Häufigkeit der signifikanten Wellenhöhe Hsig
>0.15 m dargestellt.

45
SCHWERPUNKT

Denn, trotz geringer mittlerer Wellenexposition einzelner Hier besteht also prioritär Handlungsbedarf: Areal A muss
Fundstellen, können einzelne Starkwind- oder Sturmereig- demnach oberflächlich dokumentiert (inkl. Pfahlfeldauf-
nisse kurzzeitig zu einer hohen Exposition führen, die wie- nahme) und anschliessend mit einer Kiespackung ge-
derum mit einer hohen Sedimentumlagerung und Erosions- schützt werden. Das gleiche gilt für Areal B, wo erhöhte
gefahr einhergeht. bodennahe Strömungen ebenfalls mit offen am Seegrund
Die Resultate der numerischen Modellierung ermöglichen liegender Kulturschicht korrespondieren und so die Resul-
aufgrund der hohen räumlichen Auflösung nicht nur eine tate der numerischen Modellierung bestätigen. In Areal C
differenzierte Analyse und Bewertung der Wellenexposi­tion fehlen Bohrungen, aufgrund der beiden angrenzenden
zwischen den Fundstellen, sondern auch innerhalb dieser, ­K ulturschichtnachweise wäre aber auch hier mit Kultur-
was unter Einbezug aller bekannten Inventare, die Ablei- schichten zu rechnen: ob allfällige Kulturschichten in ­Areal
tung von Gefahrenzonen unterstützt. C vorhanden und noch mit Sediment überdeckt sind, muss
geklärt werden. Da hier Strömungsgeschwindigkeiten bis
Räumliche Variabilität innerhalb der Fundstellen 40 cm auftreten können, dürfte es nur eine Frage der Zeit
Exemplarisch werden im Folgenden die mit Hilfe der nu- sein, bis an dieser Stelle die schützenden Decksedimente
merischen Modellierung gewonnenen Daten mit bekann- abgetragen sind und allenfalls darunterliegende Kultur-
ten Inventaren von zwei Fallbeispielen kombiniert und auf schichten zum Vorschein treten – es sei denn, dass in die-
dieser Basis Handlungsoptionen formuliert: «Site Manage- sem Bereich beim Anlegen des Freibades massiv Material
ment 2022+» soll aber letztlich für jede einzelne Fundstel- aufgeschüttet wurde. Der natürliche Uferverlauf sollte bis
le am Zürichsee eine Einschätzung und Priorisierung der fast an die heutige Strasse reichen und somit die beiden
Gefährdungszonen innerhalb der Fundstelle ermöglichen. Buchtbereiche harmonisch miteinander verbinden.
Entscheidend sind die Geschwindigkeiten der bo­dennahen, Je nach Strömungsmuster sind solche «künstlichen» Land-
welleninduzierten Strömungen (Ubot), welche – als Farb­ spitzen aber auch Gebiete, in denen Material abgelagert
skala dargestellt – ab 7 cm pro Sekunde das Potenzial wird, da sowohl die Sedimente aus der östlichen als auch
­h aben, Oberflächensedimente zu remobilisieren und in den westlichen Buchten sich dort überlagern und anlagern
Kombination mit der Hintergrundströmung Sedimente zu können – der Ort dieser Anlagerung korreliert dann mit den
transportieren, was letztlich zu lokaler Erosion führen kann. Anteilen der westlichen und östlichen Hintergrundströ-
Dabei muss man bedenken, dass die lokalen Gegeben­ mung in Kombination mit der jeweiligen Wellenrichtung
heiten unterschiedlich sind und je nach Beschaffenheit des und deren Häufigkeit.
Seegrundes auch höhere bodennahe Strömungen benötigt Im westlichen Bereich der Fundstelle sind die Areale D und
werden, um Sedimente zu remobilisieren und letztlich zu E mit offener Kulturschicht primär gefährdet und sollten
verfrachten. Das Inventar beinhaltet die heute bekannte, oberflächlich dokumentiert und anschliessend geschützt
substanzielle Ausdehnung von Kulturschichten, Zonen mit werden. Areal F enthält ebenso offenliegende Kulturschich-
offen am Seegrund liegender Kulturschicht und die be- ten, hier ist die modellierte bodennahe Strömung aller-
kannte Ausdehnung von Pfahlfeldern  Abb. 8 und Abb. 9. dings ­geringer und Schutzmassnahmen nicht prioritär.

Meilen-Schellen Meilen-Vorderfeld
Die Fundstelle umfasst ein Pfahlfeld auf einer Fläche von An dieser Fundstelle sind drei mächtige Kulturschicht­
34 000 m 2 ; Kulturschichten sind auf 22 000 m2 belegt und pakete erhalten, welche sich über mehrere hundert Meter
datieren in die Cortaillod-Kultur, die Pfyner-Kultur, die entlang des Ufers ausdehnen. Die Datierungen von Höl-
Schnurkeramik sowie in die frühe und späte Bronzezeit. zern und Funden zeigen, dass hier Pfahlbausiedlungen aus
Auf rund 4000 m 2 zeigen die Kernbohrungen eine oder der Pfyner- und Horgener-Kultur, der Schnurkeramik sowie
mehrere Kulturschichten von über 150 cm Mächtigkeit. der frühen, mittleren und späten Bronzezeit existierten.
Pfähle ragen teilweise bis 40 cm aus dem Seegrund; dies In der gesamten südöstlichen Hälfte der Fundstelle liegen
zeigt, dass an dieser Fundstelle offensichtlich starke Ero- Kulturschichten offen am Seegrund (Areale A–C)  Abb. 9:
sion wirkt, welche die Hölzer in kurzer Zeit freigespült hat. Generell zeigen hier die bodennahen Strömungen denn
Meilen-Schellen wird durch den aufgeschütteten Bereich auch die höchsten Werte. Sie korrespondieren mit offen
des Strandbads in eine westliche und eine östliche Hälfte am Seegrund liegender Kulturschicht und bestätigen da-
geteilt   Abb. 8. Im östlichen Bereich ist das Areal A akut mit die numerische Modellierung. Schutzmassnahmen, wie
gefährdet: Dies zeigt sich einerseits durch die boden­nahen Oberflächenaufnahmen mit nachfolgender Kiesschüttung,
Strömungen, die 5–10 cm pro Sekunde betragen, und an- sollten daher auf die Areale A, B und C fokussiert werden.
dererseits wird an dieser Stelle die offen am Seegrund In den Arealen D und F hingegen sind die Kulturschichten
­liegende Kulturschicht vom Badebetrieb beeinträchtigt. noch mehr oder weniger überdeckt, aber die bodennahen

46
SCHWERPUNKT

47
SCHWERPUNKT

Strömungen sind gleichwohl hoch (aber niedriger als in ­ llerdings weiter geschärft werden. Das bedeutet, dass
a
den Arealen A–C) und wirken potentiell erosiv auf das auch die Beschaffenheit der lokal vorhandenen Sedimen-
Pfahlfeld. Als Handlungsempfehlung sind demnach die te mitberücksichtigt werden muss: konkret geht es um den
­D okumentation des Pfahlfeldes und die Installation von Seegrund, der Steinüberdeckungen, Schlick, Faulschlamm,
Erosionskontrollen zu nennen, um ein regelmässiges M ­ oni­-
Sand oder Seekreide aufweisen kann. So sind etwa Kul-
toring zu gewährleisten und im Bedarfsfall frühzeitig Mass-
turschichten in mit Steinen überdeckten Zonen weniger
nahmen treffen zu können. Im Areal E, ebenfalls mit hohenvon wellen- und strömungsbedingter Erosion betroffen –
Werten der bodennahen Strömung, fehlen weitere Anga- jedoch dadurch vor mikrobieller Zersetzung noch lange
ben zu Kulturschichten. An dieser Stelle sollten nebst der
nicht geschützt. Bei konsolidierter Seekreide als natür-
Dokumentation des Pfahlfelds auch Bohrungen durchge- liche Überdeckung von archäologischer Kulturschicht kann
führt werden, um allfällige Kulturschichtsubstanz zu erkun-
nicht uneingeschränkt angenommen werden, dass letz­tere
den. dauerhaft geschützt ist: Vielmehr muss der Verfestigungs-
grad der Seekreide berücksichtigt werden, um das Re-
Ausblick suspensionspotenzial in Abhängigkeit der Strömungs­
Mit der numerischen Modellierung des Windwellenfelds im geschwindigkeiten abschätzen zu können. Und schliesslich
Zürichsee und einer ersten Analyse der Fundstellen in Be- gibt es Fundstellen, an denen durch Rutschungen stark
zug auf deren Exposition und Gefährdungszonen ist eine ­ e xponierte Haldenkanten entstanden sind. An solchen
Grundlage für ein nachvollziehbares Site Management ge- Stellen können selbst geringe Strömungen starke Erosion
schaffen. Nachfolgend müssen die aufgezeigten Hand- bewirken.
lungsoptionen für die Seeufersiedlungen am Zürichsee

D
E

Legende
Inventar
C
Nachweis von Kulturschicht(en)

kein Kulturschichtnachweis

Ausdehnung der Kulturschichten


gefährdeter Bereich

untersuchte Bereiche
Ausdehnung des Pfahlfeldes B
Bodennahe Strömungsgeschwindigkeit ms -1
no data

0 - 0.05

0.05 - 0.10

0.100000001 - 0.2
0.2 - 0.3

0.3 - 0.4
no data

48
SCHWERPUNKT

 6 8
Jahresmittel ( 2018 ) der Wellenexposition Meilen-Schellen. Blaue Punkte: Kernboh­-
der Ufer rund um den Zürichsee. Die r­ungen bis 1.5 m Tiefe, in denen Kultur-
­Exposition ist als die relative Häufigkeit der schicht nachgewiesen ist. Weisse Punkte:
sig­n ifikanten Wellenhöhe Hsig >0.15 m keine ­K ulturschicht. Die Zahlen geben die
( links ) und welleninduzierten, bodennahen Über­d eckung der Kulturschicht in cm an.
Strömungsgeschwindigkeit Ubot >0.1 m s–1
( rechts ) dargestellt. 9
Meilen-Vorderfeld. Blaue Punkte: Kernboh-
 7 rungen bis 1.5 m Tiefe mit Nachweis von
Jahresmittel ( 2018 ) der Wellenexposition der Kulturschicht. Weisse Punkte: keine Kultur-
Fundstellen rund um den Zürichsee. Die schicht. Die Zahlen geben die Überdeckung
­Exposition ist als die relative Häufigkeit der der Kulturschicht in cm an.
signifikanten Wellenhöhe Hsig >0.15 m
­dargestellt.

Legende
Inventar
Nachweis von Kulturschicht(en)

kein Kulturschichtnachweis

Ausdehnung der Kulturschichten C


gefährdeter Bereich

untersuchte Bereiche
Ausdehnung des Pfahlfeldes
Bodennahe Strömungsgeschwindigkeit ms -1
no data

0 - 0.05
B
0.05 - 0.10

0.100000001 - 0.2
0.2 - 0.3

0.3 - 0.4 F
no data

49
Andreas Mäder, Michael Strupler

Rutschungen im Zürichsee
und ihre Auswirkungen
auf archäologische Fundstellen
SCHWERPUNKT

Unterwasser-Hangrutschungen und Tsunamis dem Zählen von Warven (jahreszeitliche Ablagerungen von
in Schweizer Seen Seesedimenten) erlauben eine relativ präzise Datierung der
Gravitative Massenbewegungen sind natürliche Prozesse, ­E reignisse. Befinden sich mehrere Rutschungen auf dem-
welche regelmässig stattfinden und die Erdoberfläche ver- selben, sogenannten «seismischen Horizont» in reflexions-
ändern. Finden solche Massenbewegungen wie Rutschun- seismischen Daten, heisst das, dass sie zeitgleich (inner-
gen oder Deltaabbrüche unter der Wasseroberfläche statt, halb der seismischen Auflösung) aufgetreten sind. In einem
sind sie oftmals für den Menschen nicht direkt sichtbar. solchen Fall kann man folglich mit der Datierung einer ein-
Voraussetzungen für Unterwassermassenbewegungen zelnen Rutschung alle anderen Rutschungen auf demsel-
sind eine geeignete Topographie, genügend mobilisier­bare ben Horizont demselben Ereignis zuordnen.
Sedimente und ein Auslöser. Solche Auslöser beinhalten In verschiedenen Seen wie dem Vierwaldstättersee (datiert
nebst Erdbeben, Sediment-Überlast oder Wellenschlag 1601 und 1687), dem Genfersee (datiert 563) und dem Lau-
auch Bautätigkeit am Ufer  Einleitungsbild. Werden durch erzersee (datiert 1806) konnten historisch beschriebene
eine Massenbewegung grosse Wasservolumen verdrängt, Tsunamis den im Seeboden gefundenen Rutschungsereig-
können sogenannte Seetsunamis entstehen. nissen zugeordnet werden. Die historischen Berichte do-
Im alpinen Gebiet und am Alpenrand existieren viele, durch kumentieren Wellenhöhen von jeweils mehreren Metern,
glaziale Übertiefung oft an tektonisch begünstigten Orten welche zu Personen- und Sachschaden führten. Beim ­er­-
entstandene Seen. Limnogeologische Untersuchungen wähnten Ereignis von 563 n.Chr. löste ein massiver Berg­
konnten aufzeigen, dass sich in solchen Schweizer Seen sturz am Ostende des Genfersees in einer Kettenreaktion
seit dem Gletscherrückzug mehrere Unterwasserrutschun- eine Unterwasserrutschung im Rhône-Delta aus, welche
gen ereignet haben  Abb. 1. Mithilfe von geophysi­kalischen wiederum einen Tsunami auslöste. Noch im 90 km entfern-
und sedimentologischen Daten konnte man Anriss-, Trans- ten Genf kamen infolgedessen meterhohe Wellen an und
port- und Ablagerungszonen historischer und prähisto­ richteten grosse Zerstörungen an. Dieses Ereignis konnte
rischer Rutschungen im Holozän identifizieren. Rutschun- sowohl aufgrund historischer Berichte als auch seitens lim-
gen in alpennahen Seen treten häufig an Hängen mit nogeologischer Beobachtungen, welche den Ursprung des
Neigungen zwischen ca. 10 und 25º auf und entstehen oft Bergsturzes beim Rhône-Einfluss in den Genfersee lokali-
in einer lithologischen Schwachschicht aus spätglazialen sieren, bestätigt werden.
Tonen, welche mit einer bis zu rund 10 m mächtigen, holo- Aufgrund der Volumina der prähistorischen Rutschungen,
zänen Sedimentdecke beladen sind. welche aus bathymetrischen und reflexionsseismischen
Treten mehrere Rutschungen gleichzeitig in einem See­ Daten abgeleitet werden können, kann davon ausgegan-
becken auf, wird angenommen, dass diese durch ein gen werden, dass sich Tsunamis in Schweizer Seen schon
­E rdbeben ausgelöst wurden. Solche Informationen sind vor der Geschichtsschreibung ereignet haben. Die Aus-
extrem wertvoll für die Paleoseismologie, da sie Rück- masse prähistorischer Seetsunamis können nur mit Model-
schlüsse auf vergangene Erdbeben und deren Intensitäten lierungen, welche aufgrund von grossen Unsicherheiten
erlauben. Spuren von einzelnen oder mehreren gleichzei- bezüglich Rutschungsmechanismen und -parametern auf
tigen Massenbewegungen seit dem Rückzug der Gletscher stark vereinfachten Annahmen beruhen, abgeschätzt wer-
finden wir heute in fast allen Seen in Alpennähe. 14C-Datie- den.
rung von organischem Material im Sediment kombiniert mit

51
SCHWERPUNKT

 Einleitungsbild
1875 abgerutschter Hang bei Horgen-Sust
in 22 m Tiefe, ausgelöst durch Aufschüttung
der Bahnhofanlage.

1
Beispiel von Unterwasser-Hangrutschungen
im Zürichsee ( vor Oberrieden ) . Die Rut­
schung links ( a ) datiert ins Jahr 1918, die
Rutschung rechts ( b ) um 2210 vor heute.

2
b Pfahlbaufundstellen in Zentraleuropa.

Archäologische Fundstellen in Schweizer Seen wie etwa das Beispiel von Rüschlikon-Rörli am Zürichsee
In vielen Schweizer Seen gibt es eine grosse Bandbreite oder Stansstad-Kehrsiten am Vierwaldstättersee im Kan-
an kulturhistorischen Zeugen, welche über die Jahrtausen- ton Nidwalden zeigt.
de erhalten geblieben sind. Nebst den allgegenwärtigen
Pfahlbaufundstellen, welche anteilsmässig den grössten Tiefenmodell des Zürichsees
Teil der archäologischen Fundstellen in unseren Gewässern Bereits in der Antike wurden bathymetrische Messungen
ausmachen  Abb. 2, sind etwa eisenzeitliche Brückenüber- gemacht, damals allerdings in mühseliger und zeitaufwän-
gänge, römische, mittelalterliche oder neuzeitliche Hafen- diger Arbeit mit manuellen Lotmessungen. Die Entwicklung
anlagen und Uferverbauungen, Fischfachen oder Schiffs- des Echolots Anfang des 20. Jh. brachte einen grossen
wracks zu nennen. Fortschritt. Mit dieser Methode wird die Zeit, die zwischen
Die ältesten Überreste stammen aus dem Neolithikum und dem Senden von Schallwellen direkt unter der Wasserober-
datieren ins ausgehende 5. Jahrtausend v.Chr., als die ers- fläche und der Ankunft des am Gewässerboden reflektier-
ten Pfahlbauer ihre Dörfer an den Seeufern errichteten. ten Signals verstreicht, gemessen. Aus dieser gemessenen
Während der nachfolgenden vier Jahrtausenden nutzten Laufzeit lässt sich mit Hilfe eines Geschwindigkeitsprofils
die Pfahlbauer die Gewässer intensiv als Siedlungsraum, der Schallwellen die Wassertiefe berechnen. Eine Erweite-
aber auch als Verkehrsstrassen. Erst um 800 v.Chr. ver- rung dieser Methodik durch ein Fächerecholot (d.h. meh-
schwindet das Phänomen der Pfahlbauten in Zentraleuro- rere hundert Schallwellen werden gleichzeitig gesendet
pa mehr oder weniger schlagartig. Damit haben die Men- und empfangen) erlaubt eine hochauflösende, flächende-
schen über eine Zeitspanne von rund 3500 Jahren die ckende Abbildung der Unterwasserlandschaft innerhalb
Seeufer mehr oder weniger intensiv genutzt, ihre Dörfer auf kurzer Zeit.
den flachen Strandplatten gebaut und ihre Abfälle in den Für den Zürichsee gab es seit 1972 ein bereits relativ hoch
See entsorgt: Es bildeten sich so genannte Kulturschich- aufgelöstes Tiefenmodell, welches von Robert A. Schlund
ten, torfartige braune Sedimente, in denen die Hinterlas- mit einem singulären Echolot generiert wurde. 2014 haben
senschaften der damaligen Bevölkerung, aber auch natür- Forschende der ETH Zürich und der Universität Bern mit
liche Reste der Flora und Fauna ­e rhalten geblieben sind, einem Fächerecholot in einer mehrwöchigen Messkampa-
welche die Umweltgeschichte d ­ okumentieren. gne den Zürichsee (ohne Obersee) neu vermessen. Die
Tsunamis und Hangrutschungen haben im Verlauf der Zeit seichten, ufernahen Zonen mit Wassertiefen von weniger
immer wieder stattgefunden und nachweislich Mensch und als 5 m konnten aus technischen Gründen mit dem Fächer­
Umwelt in historischer, aber auch prähistorischer Zeit be- echolot nicht vollständig erfasst werden. Diese Flach­
troffen. Archäologische Fundstellen wurden dadurch zer- wasserbereiche können in Zukunft mittels luftgestützter
stört oder sind in tiefere Bereiche der Seen abgerutscht, ­LiDAR-Aufnahmen aufgenommen werden.

52
SCHWERPUNKT

D
Oberschwaben
Salzkammergut
Oberbayern

Bodensee

Jurafussseen
Zürichsee A
Zentralschweiz

Trois Lacs CH
Combe d' Ain
Keutschacher See

Lac Léman

F
SLO
Trento Alto
Adige Friule
Venezia Ljubljansko barje
Lacs alpins Giulia
savoyards Lombardia

I
Piemonte

Veneto

Das Resultat dieser Messung ist ein Rasterdatensatz mit tizität aufweisen. Diese Einheit wird durch eine dünne
­einer räumlichen Auflösung von 1 m und einer absoluten Schicht aus basalem Faulschlamm, der reich an orga­
vertikalen Genauigkeit von wenigen Dezimetern   Abb. 3. nischem Material ist, überdeckt. Während der weiteren
Dieser hochauflösende bathymetrischen Datensatz kann auf ­k limatischen Erwärmung im Holozän wurde während der
  map.geo.admin.ch («SWISSBATHY3D») betrachtet wer- letzten ca. 7000 Jahren eine Einheit, die aus Seekreide und
den und ist seit Frühjar 2021 für die Öffentlichkeit frei ver- Seemergel besteht, abgelagert.
fügbar. Er enthält neben wertvollen geomorphologischen In- Eine Studie vor Oberrieden zeigt, dass sich die Gleit-
formationen (z.B. Unterwasserrutschungen) auch Spuren schicht verschiedener vergangener Rutschungen im Z ­ ürich­-
von menschlicher Aktivität (z.B. versunkene Schiffe). see lithologisch in spätglazialen Tonen befindet. Hang­
Das durch Vergletscherungen entstandene bzw. ausgehöhl­ stabilitätsberechnungen legen nahe, dass zukünftige
te Zürichseebecken (ohne Obersee) kann in drei Sub-Be- Rutschungen im See sich in derselben lithologischen Ein-
cken aufgeteilt werden: ein ca. 25 m tiefes, relativ flaches, heit ereignen werden.
westost-orientiertes Sub-Becken im südlichen Teil des Die meisten dokumentierten Unterwasserhangrutschungen
Sees wird durch eine Stufe (gestrichelte Linie in Abbildung der letzten rund 5000 Jahre ereigneten sich im zentralen
3a) mit dem bis zu 136 m tiefen, zentralen Sub-Becken ver- Sub-Becken. Häufigkeitsverteilungen von aus den bathy-
bunden. Dieses nordwest-südost-orientierte, zentrale See- metrischen Daten kartierten Rutschflächen zeigen, dass es
becken flacht gegen Norden kontinuierlich aus und weist im Zürichsee ein paar wenige grosse (d.h. 0.2–0.3 km2 )
eine hügelige Topographie auf, welche durch glaziale Ab- Rutschflächen, und hauptsächlich viele sehr kleine (d.h.
lagerungen entstanden ist  Abb. 3. kleiner als 0.05 km2 ) Rutschungen gibt. Fast die Hälfte al-
ler Rutschungen entspringen in seichten (d.h. weniger als
Aufbau der Seesedimente 10 m tiefen) Zonen, und viele davon wurden in den letzten
Seit dem Rückzug des Linth-Gletschers lagerten sich an 150 Jahren durch Bautätigkeit am Ufer ausgelöst.
den Unterwasserhängen und am Seeboden Sedimente ab, Aufgrund von Seekreideablagerungen oberhalb des heuti-
die entweder vom Gletscher und durch Flüsse in den See gen Seespiegels wird angenommen, dass der See zwi-
hineintransportiert wurden, oder im See selbst gebildet wur- schen dem 1. Jahrtausend v.Chr. und dem 1. Jahrhundert
den. Der Aufbau der Seesedimente widerspiegelt folglich n.Chr. rund 2 m höher war (ca. 408 m) als heute (ca. 406 m).
die Umweltveränderungen seit der Entstehung der Seen.
Die Hänge des Zürichsees können in mehrere lithostra- Prähistorische Erdbeben am Zürichsee
tigraphische Einheiten gegliedert werden  Abb. 4: Auf dem Eine Studie, welche 2013 von M. Strasser und F. Ansel­metti
vom Gletscher deponierten Moränenmaterial findet man durchgeführt wurde, dokumentierte Spuren von drei gros­
blau-gräuliche, spätglaziale Tone, welche eine hohe Plas- sen, im ganzen Zürichseebecken verteilten Hang­rut­s ch­

53
SCHWERPUNKT

3 4

ungs­­ereignissen, welche sich ca. 2210, 11 600, und 13 760 gen einen Seetsunami ausgelöst haben könnten, model-
Jahre vor heute ereigneten. Aufgrund ihres gleichzeiti- lierten Geowissenschaftler ihre Konsequenzen mit verein-
gen, im Seebecken verteilten Auftretens wurden diese fachten Annahmen. Die Resultate ergaben, dass um das
Rutschungen als Zeugen von prähistorischen Erdbeben zentrale Zürichseebecken ein Tsunami mit resultierenden
­i nterpretiert. Fliesstiefen am Ufer von bis zu 3 m nicht auszuschliessen
Eine anschauliche Rutschung, die auf rund 2210 Jahre vor sind. Am gefährdetsten für Tsunamis waren (und sind) die
heute datiert wurde, befindet sich vor Oberrieden  Abb. 1 ufernahen Zonen der Dörfer des tiefen, zentralen Zürich-
und  Abb. 5. Ihr Rutschvolumen wird auf ca. 750 000 bis seebecken welche nicht durch eine Flachwasserzone ge-
1 Mio. m3 geschätzt. Um abzuschätzen, ob diese Rutschun- schützt sind.

54
SCHWERPUNKT

5 6

500 m

7 8

3 5 7
Hochauflösendes Tiefenmodell des Zürich- Rutschungsablagerung des 1918 erfolgten Die südliche Rutschung bei Rüschlikon
sees. a ) Übersicht. b ) Stufe als Übergang Ereignisses vor Oberrieden, dargestellt ( grün und gestrichelt ) und die Ausdehnung
vom zentralen Sub-Becken ins südliche als schattiertes Relief ( oben ) und mit refle­ der Fundstelle Rörli ( rot gestrichelt ).
Sub-Becken. c ) Ausschnitt aus dem nördli- xionsseismischen Daten ( unten, blau mar- Sondierflächen ( blau ) , offenliegende Kultur-
chen Sub-Becken mit hügeliger Topogra- kiert ) . schichten ( rot ) .
phie. d ) Sogenannte «gullies», die an steilen
Hängen oft vorkommen. 6 8
Durch Risse gestörte Schichtabfolge Rüschlikon-Rörli. Mit dem Sediment abge-
4 an der Haldenkante, verursacht durch Rut­ rutschte Bäume in 50 m Wassertiefe.
Lithologische Abfolge der nicht gerutschten schungen.
Seesedimente.

55
SCHWERPUNKT

2
3

10

56
SCHWERPUNKT

Gefährdung archäologischer Fundstellen Verändert sich jedoch das Klima, kann sich auch die Art
im Zürichsee und Menge der an den Hängen abgelagerten Sedimente
Rüschlikon-Rörli verändern und so langfristig das Rutschungspotenzial
Die Fundstelle Rüschlikon-Rörli   Abb. 2 am südlichen v erändern und vergrössern. Im Falle eines stärkeren
­
­Z ürichseeufer erstreckt sich über eine Länge von rund ­E rdbebens sind ufernahe Unterwasserrutschungen haupt-
450 m und umfasst sowohl neolithische als auch bronze- sächlich zwischen Thalwil und Horgen, nördlich der Halb-
zeitliche Funde und Hölzer. Sie befindet sich auf einer insel Au und zwischen Herrliberg und Meilen zu erwarten
­flachen Strandplatte, welche an der Halde abrupt und steil   Abb. 10.
abfällt. An dieser Stelle setzt die Abbruchkante an, die
nachweislich auf Rutschungen um die Jahrhundertwende
des 19./20. Jh. zurückzuführen ist, als Folge von Uferauf-
schüttungen. Durch diese Rutschungen ist archäologische
Substanz – Pfähle, Funde, Kulturschichten – bis in 24 m
Wassertiefe gelangt   Abb. 6. Es gibt jedoch auch Hinwei-
se auf ältere Rutschungen in diesem Gebiet, welche sich
etwa vor 1430 und vor 2210 Jahren ereignet haben  Abb. 7
und  Abb. 8.
Die Abbruchkante ist stark exponiert: Bis zu 1.7 m aus dem
Seegrund ragende Pfähle zeigen, dass sie relativ schnell
erodiert. Erosionskontrollpunkte, welche von den archäo-
logischen Taucherinnen und Tauchern der UWAD einge-
richtet worden sind, dokumentieren die fortlaufende Ero­
sion (bis zu 17 cm innerhalb von 10 Jahren) an der steilen,
stark exponierten Haldenkante durch natürliche Wellen so-
wie Schiffswellen, welche beim An- und Ablegen der Kurs-
schiffe am nahe gelegenen Schiffsteg entstehen  Abb. 9.
Aus archäologischer Sicht weisen Beobachtungen darauf
hin, dass nicht nur der Sedimentverlust an der Abbruch-
kante voranschreitet, sondern dass auch oberhalb der Ab-
bruchkante liegender Seegrund der Strandplatte entweder
erodiert oder sich absenkt.
Eine mögliche Ursache könnten Strömungen sein, die das
Sediment erodieren und mobilisieren, oder im Falle einer
Absenkung der Strandplatte entweder ein Kriechen des
Hanges oder eine Kompaktion des Seebodens. Für eine
Überprüfung dieser Hypothesen wären vertiefte Unter­
9
suchungen nötig. Aufgrund der relativ flachen Topographie Abbruchkante an der Fundstelle Rüschli-
der Funstelle Rörli kann angenommen werden, dass diese kon-Rörli. Die staubartigen Aufwirbelungen
nicht direkt rutschgefährdet ist. Fortschreitende Erosion dokumentieren den Moment des Auftreffens
könnte allerdings die Abbruchkante weiter verändern. von Schiffswellen auf die Haldenkante.

Die Tatsache, dass fast die Hälfte der kartierten Rutschun-


10
gen Anrisszonen im Flachwasserbereich aufweisen, zeigt, Ausschnitt aus dem Zürichsee: Vergangene
dass durch zukünftige Rutschungen archäologische Fund- Hangrutschungen ( braun ) , Flussdeltas
stellen potentiell gefährdet sind. Eine beckenweite Ab- ­( hellgrün ), archäologische Fundstellen ( rot )
und potentiell instabile Hänge für Erdbeben
schätzung der Unterwasser-Rutschungsgefahr, ausgelöst
mit einer Wiederkehrperiode von 475 Jahren
durch Erdbeben zeigt, dass Hangzonen, welche noch ( hellblau ).
mit einigen Metern dickem, potentiell mobilem Sediment 1 Rüschlikon
­beladen sind und Neigungen zwischen ca. 5 und 25° auf- 2 Thalwil
weisen, besonders gefährdet für Rutschungen sind. Die 3 Herrliberg
4 Oberrieden
Abschätzung zeigt allerdings auch, dass viele dieser ufer-
5 Horgen
nahen Zonen bereits gerutscht sind und daher heutzutage 6 Meilen
nur mit wenig potenziell mobilem Sediment beladen sind. 7 Halbinsel Au

57
Sandro Geiser

Kamberkrebs & Co. – Invasive Tierarten


in den Pfahlbaufundstellen
SCHWERPUNKT

Die Taucherinnen und Taucher der UWAD verbringen wäh- Die Tiere gewöhnen sich dabei schnell an die Besucher
rend des gesamten Jahres eine grosse Anzahl Stunden in von der «Oberwelt» und insbesondere Egli zeigen eine un-
den Gewässern der Zentral- und Ostschweiz, um das Kul- verhohlene Neugier  Einleitungsbild.
turerbe unter Wasser zu betreuen. Ihre Arbeit betreiben sie Die Taucherinnen und Taucher teilen sich ihr Interesse für
naturgemäss eher ufernah «am Seegrund hockend», da die den Seegrund unter anderem mit dem amerikanischen
hauptsächlich untersuchten Reste von jungsteinzeitlichen Kamberkrebs (Orconectes limosus), einer eingeschleppten,
und bronzezeitlichen Pfahlbausiedlungen in der Regel im maximal 12 cm grossen Krebsart, welche im Gegensatz
Flachwasserbereich oberhalb der Haldenkante liegen. zu den meisten anderen Krebsen auch tagsüber aktiv ist
Im Fachjargon wird der nahe am Ufer liegende Bereich der  Abb. 1. Bei der Dokumentation der Seegrundober­fläche
Binnengewässer als Litoral bezeichnet, also der im Som- kommt es häufig vor, dass ein Kamberkrebs sich aus sei-
mer warme, lichtdurchflutete Bereich der Bodenzone (Ben- ner – nonchalant in die archäologischen Schichten gegra-
thal). Diese flachen Gewässerbereiche sind in den (im Ver- benen – Höhle herauswagt, um den Störenfried in seinem
gleich zum Meer eher trüben) Binnengewässern aufgrund Vorgarten erst genauer in Augenschein zu nehmen und
der rasch abnehmenden Intensität der Sonneneinstrahlung dann mittels Imponiergehabe versucht, den in Neo­pren ge-
diejenigen Wassertiefen mit der grössten Biomasse. Hier packten Primaten in die Flucht zu schlagen. Abgesehen
ist der allergrösste Teil der aquatischen Flora anzutreffen, von einer gelegentlichen Anerkennung erreichen die Kreb-
da nur hier der biochemische Umsatz von Wasserpflanzen se mit ihren Drohgebärden zum Glück wenig. Bedenklich
durch Photosynthese in nennenswertem Ausmass möglich sind hingegen die schiere Anzahl und Dichte der Habitate,
ist. Auch wenn Fische und weitere Vertreter der aquati- welche von dieser Krebsart in den Zürcher Seen a­ nnektiert
schen Fauna ebenfalls in den uferfernen Freiwasserberei- wurden. Nebst ökologischen Negativfolgen verursacht dies
chen (Pelagial) vorkommen, so sind es die oben erwähn- auch Probleme für die Erhaltung der jahr­tausendealten
ten Flachwasserbereiche, in welchen nebst den Pflanzen Fundstellen des UNESCO-Weltkulturerbes   «Prähistori­
auch das tierische Leben im Wasser die grösste Populati- sche Pfahlbauten um die Alpen», welche häufig nahezu
onsdichte und Artenvielfalt zeigt. Die Unterwasserarchäo- ungeschützt an der Seegrundoberfläche liegen.
logie operiert also in der Kernzone des unter Wasser
­befindlichen Lebensraumes und agiert entsprechend rück- Auftauchen des Kamberkrebses
sichtsvoll. Das Aufkommen und die zunehmende Verbreitung nicht-
Für die genaue Dokumentation der Siedlungsspuren ist endemischer Tier- und Pflanzenarten ist derzeit – unter
die intensive Bearbeitung kleinräumiger Arbeitsbereiche ­a nderem begünstigt durch höhere Durchschnittswasser-
­unerlässlich, da die Komplexität der archäologischen Res- temperaturen aufgrund der Klimaerwärmung – ein sehr
te dies zwingend erfordert. Die Taucherinnen und Taucher ­a ktuelles Thema und eine grosse Herausforderung für den
der UWAD halten sich daher vergleichsweise lange auf den Umweltschutz. Jedoch ist die beabsichtigte wie unbe­
ihnen zur Untersuchung zugeteilten Arealen auf und bewe- absichtigte Einschleppung gebietsfremder Arten kein Phä-
gen sich im Rahmen eines Tauchganges auf überschau­ nomen der letzten Jahrzehnte, sondern so alt wie die
barem Radius. menschliche Einflussnahme auf ihre Umgebung. Vieles ge-
Hierbei kommt die Tauchequipe konstant in Kontakt mit schah gezielt aus ökonomischen Überlegungen und ent-
der reich vorhandenen subaquatischen Fauna und beob- puppte sich im Nachhinein als katastrophaler Eingriff in
achtet zahlreiche Tierarten in ihrer natürlichen Umgebung. das lokale Ökosystem. So auch bei aquatischen Neozoen:

59
SCHWERPUNKT

Um die durch Befischung und Gewässerbelastung beding-


ten Bestandesrückgänge der einheimischen Krebsarten
(Stein-, Dohlen- und Flusskrebs) zu kompensieren, wur-
den seit Ende des 19. Jh. nordamerikanische Krebsarten in
Schweizer Gewässer eingesetzt. Diese sind unempfind­
licher gegenüber schlechter Wasserqualität und so began-
nen Roter Sumpfkrebs, Signal- und Kamberkrebs sich in
der Folge stark auszubreiten. In den von uns betreuten ar-
chäologischen Fundstellen wurde meistens der Kamber-
krebs beobachtet, welcher sich als Unterschlupf bis zu
zwei Meter tiefe Höhlen in den Untergrund gräbt. Die an-
deren invasiven Krebsarten wurden kaum beobachtet und
spielen eine marginale Rolle bei der Gefährdung der ar-
 Einleitungsbild
chäologischen Substanz.
Möglichkeit für vielfältige Beobachtungen:
Die ursprüngliche Einschleppung der nordamerikanischen Flussbarsche und Weissfische besuchen
Krebse liegt länger zurück, aber ihre Ausbreitung und da- den Arbeitsplatz der Tauchequipe in der
mit die Verdrängung der endemischen Arten verstärkte Pfahlbaufundstelle Männedorf-Weieren.
sich in den letzten Jahrzehnten, da die Populationsgrössen
1
exponentiell zunehmen. Ist ein kritischer Wert an neuen In-
Aufgrund seiner orangen Scherenspitzen
vasoren überschritten, beschleunigt sich der Verlauf zu­ und der Querstreifen auf dem Schwanz ist
sehends. der Kamberkrebs einfach zu identifizieren.

60
SCHWERPUNKT

Insbesondere da der Kamberkrebs im Vergleich zu einhei- Bisherigen Bemühungen der Fachstellen für Naturschutz
mischen Krebsarten über einen schnelleren Lebenszyklus und Fischerei zur gezielten Reduktion der invasiven Krebs-
und eine höhere Nachkommenzahl verfügt, können die ein- arten blieb geringer Erfolg beschieden, weshalb sich die
geschleppten Krebsarten die einheimischen Arten stark Schutzbestrebungen primär darauf fokussieren, die wei­
unter Druck setzen. tere Ausbreitung der Neozoen zu verlangsamen oder im
Zusätzlich setzt den einheimischen Arten auch die Krebs- Idealfall aufzuhalten. Erreicht wird dies insbesondere durch
pest massiv zu, eine Pilzerkrankung, welche durch das Ein- die Installation sogenannter Krebssperren, welche die
setzen der nordamerikanischen Krebsarten eingeschleppt ­w eitere Ausbreitung der invasiven Arten weiter flussauf-
wurde. Roter Sumpfkrebs, Signal- und Kamberkrebs selbst wärts stoppen soll.
sind extrem resistent gegen diese für Grosskrebse poten-
ziell tödliche Tierseuche, während sie die durch Sporen Kamberkrebse als Problem
übertragene Krankheit in den von ihnen besiedelten Ge- Dass Kamberkrebse Höhlen graben und hierbei konse-
wässern weiterverbreiten. Dies liegt u.a. daran, dass die quent die archäologischen Schutzzonen der Fundstellen
krankmachenden Sporen ihren Krebspanzer viel seltener missachten, war bereits seit den späten 2000er-Jahren
durchdringen können als bei europäischen Arten. Im Fall ­bekannt. Dabei störten die Krebsgänge immer wieder in
einer erfolgten Infektion zeigen die amerikanischen Arten kleinen, lokalen Bereichen den am Seegrund liegenden
zudem weitere Abwehrmechanismen, welche sie vor einem ­Befund, da sie sich in die Kulturschichten hineingruben
Durchbruch der Erkrankung schützen.   Abb. 2 und auch vor im Untergrund liegenden Holz­
In den letzten Jahrzehnten kam die Problematik steigen- elementen der pfahlbauzeitlichen Hauskonstruktionen
der Wassertemperaturen hinzu, mit welchen der Kamber- nicht Halt machten  Abb. 3. Das Schadensausmass blieb
krebs deutlich erfolgreicher umgehen kann als seine ein- jedoch einigermassen überschaubar, meist waren wenige
heimischen Konkurrenten. Nach heutigem Kenntnisstand Löcher im Befund sichtbar, vergleichbar mit den Störun-
hat der Kamberkrebs bereits alle grossen Fliessgewässer gen von Wühlmäusen auf Landgrabungen  Abb. 4.
und grösseren Seen des Schweizer Mittellands besiedelt. Die erste Bewusstwerdung gravierender Gefährdung des
Die Kombination dieser Faktoren begünstigte die invasi- archäologischen Bodenarchivs in den Zürcher Gewässern
ven Arten und führte zu einem beschleunigten Rückgang durch invasive Neozoen erfolgte an der Fundstelle Greifen-
der ohnehin bereits dezimierten einheimischen Krebse, see-Starkstromkabel. Dass die Kamberkrebspopulation
welche heute aus nahezu allen grösseren Gewässern der und ihre Grabtätigkeit für die Fundstelle ein substanziell
Schweiz verschwunden sind. Die Refugien der überleben- problematisches Schadensausmass erreichen konnte,
den, einheimischen Krebsarten liegen in kleineren Fliess- wurde hier erstmals 2014 registriert. Die Fundstelle ist in
gewässern und sind nach wie vor rückläufig, d.h. sie wer- einem schlechten Erhaltungszustand, Pfahlfeld und im Un-
den immer noch flussaufwärts zurückgedrängt. Aufgrund tergrund befindliche Kulturschichten sind bedingt durch
der akuten Gefährdungslage für die einheimischen Krebs- Erosionsprozesse nur noch lückenhaft vorhanden.
arten wurde auf nationaler Ebene der «Aktionsplan Fluss- Bereits in Tauchaktionen der Jahre 2000 und 2004 wurde
krebse Schweiz» ausgearbeitet, nach welchem die noch eine «extrem unebene Oberfläche des Seegrunds mit
vorhandenen Restpopulationen der einheimischen Arten v ielen Vertiefungen» erwähnt. Die Ursache für diesen
­
geschützt, und gleichzeitig die nicht-einheimischen Popu- ­Z ustand der Seegrundoberfläche wurde damals nicht ge­
lationen reduziert oder zumindest an einer weiteren Aus- nauer eruiert. Das Auftreten des Kamberkrebses im Grei ­
breitung gehindert werden sollen. fensee wurde 2007 gemeldet, wobei hier sicherlich eine

2 3 4

61
SCHWERPUNKT

gewisse Unschärfe vermutet werden kann. Die ersten Be-  2


obachtungen wurden damals zwischen Niederuster und Beim Bau ihrer Höhlen scheren sich Kam-
berkrebse nicht darum, ob sie dabei
Riedikon gemacht, also im südöstlichen Bereich des Grei-
das Kulturerbe unter Wasser schädigen.
fensees. Der Fundstellenbereich liegt deutlich weiter nord- Im Vorfeld der Krebshöhle in der Fundstelle
westlich, vor einem ausgedehnten Schilfgürtel und wird Greifensee-Storen Wildsberg ist braune
unter Wasser nicht sehr häufig frequentiert. Daher ist es ­O rganik erkennbar, dabei handelt es sich um
vom Krebs herausgegrabene Kulturschicht.
gut denkbar, dass die Krebspopulation sich bereits einige
Jahre früher ansiedeln konnte, ohne bemerkt zu werden.  3
Bei neuerlichen Unterwasserarbeiten im August 2014 (Ero- Ebenfalls in der Fundstelle Greifensee-­
sionskontrolle, Kontrolle Profilschutz) wurden diese mas- Storen Wildberg arbeitete sich dieser
siven Beeinträchtigungen des Seegrunds im Bereich ab unter Wasser lebende Tunnelbauer durch
prähistorische Bauelemente aus Holz.
Haldenkante aufwärts Richtung Ufer abermals beobachtet
und als Problem eingestuft. Die Seegrundoberfläche war  4
durch Löcher perforiert und bot stärkere Angriffsfläche für Subaquatische Wühlmäuse: Grabungsprofil
Wellen, weshalb die archäologische Substanz schneller in der Fundstelle Meilen-Feldmeilen Vorder-
feld, 2010. Man beachte den Krebsgang
erodieren konnte  Abb. 5. Im Rahmen der damals durch-
links unten im Bild, unmittelbar am Über-
geführten Erosionskontrolle wurde ein erheblicher Sub­ gang vom Kulturschichtpaket zur darunter-
stanzverlust der deckenden Seekreideschicht von im liegenden Seekreide.
Durchschnitt 20 cm binnen sechs Jahren festgestellt. Da-
durch ist der Schutz der darunterliegenden Kulturschicht 5
Bei der Erosionskontrolle in Greifensee-
verringert worden und die Erosion der archäologischen
Starkstromkabel wurden 2014 eine mit
Substanz wurde stark beschleunigt. ­K ratern und Löchern übersähte Seegrund-
Entstanden sind die zahlreichen Löcher und Gänge durch oberfläche angetroffen.
die Grabtätigkeit von Krebsen im Flachwasserbereich so-
6
wie zum Teil durch die Nahrungssuche von Wasservögeln.
Die in den Seegrund gegrabenen Krebs­
Besonders auffällig sind die Auswirkungen im Bereich bis höhlen stürzen ein, übrig bleiben Stege aus
wenige Meter oberhalb der Haldenkante. weichem Sediment, welche durch Wellen-
Zwischen zwei Seekreidelagen liegt eine durch Steinkon- schlag erodiert werden.
zentrationen und Keramikscherben charakterisierte Trenn-
7
schicht, welche als reduzierte Kulturschicht angesprochen
Das Ausmass der von den Kamberkrebsen
wird und im Haldenbereich horizontal an die Oberfläche verursachten Störungen im Seegrund
tritt. Diese reduzierte Kulturschicht bildet für die Krebse an sind beachtlich und gefährden die archäo­
der Haldenkante das bevorzugte Milieu für ihre Bauten, logische Substanz der Pfahlbaufundstelle
erheblich.
während sie die Seekreidelagen eher zu meiden scheinen.
Sie arbeiten sich dabei von der Haldenkante her im Reduk-
8
tionshorizont horizontal in den Untergrund vor und legen Die Vorliebe für Kulturschicht als Habitat
zahlreiche Höhlen an. Diese sacken zusammen, Stege blei- konnte auch anderswo beobachtet werden:
ben stehen und erodieren  Abb. 6 und Abb. 7. in der Fundstelle Zürich-Wollishofen Hau-
messer suchte sich ein Kamberkrebs punkt-
Damit greifen die Krebse einerseits direkt in die redu­zierte
genau einen disloszierten Schichtrest als
Kulturschicht ein, andererseits untergraben sie die schüt- Baugrund aus.
zende Seekreideüberdeckung und erhöhen damit den zer-
störenden Effekt  Abb. 8. Vergleichbare Probleme mit sich
in die Kulturschichten eingrabenden und die E ­ rosion be-
schleunigenden Kamberkrebsen sind auch von den unter-
wasserarchäologischen Fachstellen im Kanton Bern und
am Bodensee bekannt.

Weitere Neozoen
Nebst den Kamberkrebsen sind weitere eingeschleppte
Tierarten in den Pfahlbaufundstellen anzutreffen. Deren
Gefährdungspotenzial ist geringer, sie überwachsen zuwei-
len den Untergrund und erschweren die freie Sicht auf die

62
SCHWERPUNKT

5 6

7 8

archäologischen Befunde oder machen durch ihr Verhal- bewegenden Flohkrebse kein Problem, da sie keinen Scha-
ten die Arbeit der Tauchequipe aufwändiger, indem z.B. den anrichten. Den Taucherinnen und Tauchern der UWAD
Werkzeug und Material von ihnen befreit werden muss. sind die in sehr grosser Zahl auftretenden Tiere vor allem
Hier sind die im Arbeitsalltag vielfach «lästigen» aquati- dadurch ­bekannt, dass sie beim Ausstieg aus dem Wasser
schen Einwanderer aufgeführt: von zig Dutzend Flohkrebsen befreit werden müssen. Die
Flohkrebse werden durch die unterwasserarchäologischen
Grosser Höckerflohkrebs (Dikerogammarus villosus) ­A rbeiten aufgeschreckt und verstecken sich dann unter
Der aus dem Mündungsgebiet der Schwarzmeerflüsse ­a nderem in allen Falten der Trockentauchanzüge  Abb. 9.
stammende Höckerflohkrebs wurde im Zürichsee erstmals
2006 in grosser Zahl nachgewiesen, Untersuchungen er- Wandermuschel (Dreissena polymorpha)
brachten stellenweise Bestandesdichten von mehreren Die heute in allen Stillgewässern des schweizerischen
hundert Individuen je Quadratmeter in den Flachwasser- M ittellands in grosser Anzahl und Dichte auftretenden
­
bereichen. Der bis zu 2 cm grosse Höckerflohkrebs stellt ­Dreikantmuscheln sind vor allem dadurch bekannt, dass
vor allem für die endemischen Flohkrebsarten sowie Was- man sich beim sommerlichen Badevergnügen im See lei-
serasseln eine Bedrohung dar und bedrängt deren Be­ der schmerzhaft die Fusssohlen an ihnen zerschneidet.
stände nicht nur durch Besetzung derselben ökologischen ­U rsprünglich aus dem Schwarzen Meer stammend, ver-
Nische und seine Reproduktionsfreudigkeit, sondern breiteten sie sich im Zürichsee ab den späten 1960er-Jah-
macht als räuberischer Fressfeind sogar aktiv Jagd auf sei- ren infolge des zunehmenden Schiffverkehrs, indem sie als
ne wirbellosen Verwandten. Aus archäologischer Sicht blinde Passagiere an Schiffsrümpfen und z.B. in Ballast-
sind die sich unter Steinen und zwischen Wandermuscheln tanks über die Wasserwege einschleppt wurden.

63
SCHWERPUNKT

9
Starke «Besiedlung» eines Tauchanzugs
durch Höckerflohkrebse nach freilegen
des Seegrundes im Rahmen einer Pfahlfeld-
aufnahme. Die Taucherinnen und Taucher
der UWAD müssen nach der Arbeit regel-
recht «entlaust» werden.

10
Beispiel für den häufig anzutreffenden, dich-
ten Besatz durch Wandermuscheln an einem
Bojenstein in der Fundstelle Zürich-Wollis-
hofen Bad.

11
Sonnenbarsche fallen primär durch ihr far-
benprächtiges Schuppenkleid auf. Seinen
Namen verdankt dieser Fisch dem runden
Punkt auf dem Kiemendeckel.

Die 2–4 cm langen Wandermuscheln verfügen über starke Armierungseisen und Grundbleche. Das Werkzeug muss
Haftfäden und besetzen in den Pfahlbaufundstellen S ­ teine, nach der Tauchaktion aufwändig gereinigt werden, um eine
Fundmaterial und Pfahlköpfe in grosser Dichte   Abb. 10. Verschleppung in andere Gewässer zu vermeiden.
Abgesehen von den schwierig zu entfernenden Haftfäden
am Fundmaterial, stellen sie für die Substanz der archäolo- Asiatische Körbchenmuscheln
gischen Fundstellen unter Wasser keine Bedrohung dar. Die (Corbicula fluminalis und Corbicula fluminea)
über den Seegrund ragenden Teile der Pfähle sind a­ ufgrund Hierbei handelt es sich um zwei Arten: die feingerippte
ihres Abbaus durch biochemische Prozesse und Erosion Körbchenmuschel (Corbicula fluminalis) sowie die grobge-
für eine dendroarchäologische Untersuchung ­ohnehin un- rippte Körchenmuschel (Corbicula fluminea). Da beide
brauchbar. Deshalb werden die Holzproben aus dem tiefer ­Arten sehr schwierig zu unterscheiden sind und beide aus
im Seegrund befindlichen Teil der Pfähle entnommen und Südostasien eingeschleppt wurden, werden sie daher
die Muscheln am nicht benötigten, freiliegenden Pfahlkopf o ftmals zusammenfassend als Asiatische Körbchen­
­
stören nicht. Die Wandermuscheln können sich je nach Jah- muschel bezeichnet. Wie diese Muscheln nach Europa ge-
reszeit stark vermehren und besetzen mit Hilfe ihrer Haftfä- langten, ist nicht abschliessend geklärt. Sicher ist, dass
den auch das Grabungsmaterial wie Pumpen, Massbänder, die M­ uscheln zu Beginn des 20. Jh. erstmals in Nord­

64
SCHWERPUNKT

10 11

amerika auftraten, wohin sie von chinesischen Einwande- sie die auf dem Seegrund liegenden Steine wegbewegen
rern aus kulinarischen Gründen mitgebracht worden w ­ aren. und ein kreisrundes «Nest» bauen. Diese Bautätigkeit stellt
Entweder reisten auch sie dann zu Beginn der 1980er-Jah- für die archäologischen Fundstellen ­k eine Gefährdung dar.
re illegal in Ballasttanks von Schiffen nach Europa ein oder Die Tauchequipe kommt mit diesen Fischen ab und zu in
sie wurden unüberlegt aus Aquarienbeständen in Gewäs- Konflikt, wenn die zu untersuchenden Fundstellenbereiche
ser freigesetzt. sich mit Laichplätzen der Sonnenbarsche überschneiden.
Die 2.5–3.5 cm langen Körbchenmuscheln treten stellen- In einem Fall konnte ein Taucher im Rahmen einer Pros-
weise in grösserer Anzahl auf. Sie sind aufgrund ihrer gold- pektion das kreisrunde Gebilde am Seegrund nicht auf
gelben Farbe und ihrer achsensymmetrischen, gerippten ­Anhieb identifizieren und begann, dieses näher zu unter-
Schale gut zu identifizieren. Ökonomisch sind die eher suchen, wobei er wiederholt in die Seite gestupst wurde.
­k leinen Muscheln kaum zu verwerten, werden aber von Er musste feststellen, dass er durch seine Tätigkeit an der
­w enigen innovativen Unternehmen trotzdem ausgebeutet, Laichgrube den Verteidigungsinstinkt des das Gelege be-
wenn auch eher aus gelebtem, kulinarischem Naturschutz wachenden Sonnenbarsches geweckt hatte und dieser ihn
denn aus wirtschaftlichem Kalkül. Die Muscheln können – bei nur ca. 15 cm Körpergrösse – unbeirrt immer wieder
dadurch zwar nicht ausgerottet werden, jedoch wird ihr anstiess, um den Taucher zu vertreiben. Mangels archäo-
Bestand zumindest etwas reduziert. logischen Befundes konnte den putzigen Angriffen Rech-
Die Körbchenmuscheln selbst richten an den Pfahlbau- nung getragen werden, der Taucher entfernte sich und der
fundstellen nach bisherigem Kenntnisstand keinen Scha- Sonnenbarsch durfte sich wieder beruhigen.
den an, die Unterwasserarchäologie ist eher herausgefor- Sonnenbarsche können aufgrund dieses Laichverhaltens,
dert, eventuelle Schäden durch die Ernte der Muscheln bei dem sie ihre Brut vehement verteidigen, gut geangelt
auszuschliessen. Erreicht wird dies durch Absprache ­ werden. Dadurch lässt sich die Vermehrung des Bestan-
mit den Beteiligten, so dass die archäologisch sensiblen des zumindest etwas abschwächen, indem mehrere Mit-
­Z onen nicht bewirtschaftet werden. glieder der Tauchequipe in ihrer Freizeit mit der Angelrute
in der Hand tatkräftig mithelfen  Abb. 11.
Gemeiner Sonnenbarsch (Lepomis gibbosus)
Dieser aus Nordamerika stammende, 10–20 cm gross wer- Mögliche Massnahmen
dende Fisch wurde Ende des 19. Jh. aufgrund seines Für eine Reduktion der Kamberkrebspopulation – noch
­farbenprächtigen Schuppenkleids als Aquarien- und Teich- besser wäre eine komplette Auslöschung des Bestandes
fisch nach Europa eingeführt. Er kommt insbesondere im im betroffenen Gewässer – gibt es in der Theorie verschie-
Zürichsee zahlreich vor und kann im Sommer besonders in dene Ansätze, welche sich jedoch in der Praxis aufgrund
Hafenbecken gut beobachtet werden, wenn die Männchen des dabei verursachten Kollateralschadens oder fehlender
nach der Laichzeit in den Laichgruben hocken und die Effizient als nicht zielführend erweisen. Der «Aktionsplan
Jungbrut gegen Fressfeinde bewachen. Die Sonnenbar- Flusskrebse Schweiz» schlägt folgende mögliche Mass-
sche legen zum Laichen eine flache Grube an, für welche nahmen vor:

65
SCHWERPUNKT

– Systematisches und wiederholtes Abfischen durch der nicht unerheblichen Kosten einer solchen Schutz­aktion
­F ischereivereinigungen unter Bewilligung und Be­ das Verhältnis gegenüber der noch erhaltenen archäologi-
gleitung durch die zuständigen Behörden  Abb. 12. schen Substanz sorgfältig abzuwägen.
– Fallenstellen (Reusen mit Ködern). Möglich wäre in Greifensee-Starkstromkabel ein kombi-
– Einsetzen natürlicher Fressfeinde (Aal, Hecht). niertes Vorgehen aus Grabungs- und Dokumentations­
– Temporäres Trockenlegen des Gewässers über einen arbeit und Schutzmassnahmen: Die an der Haldenkante zu
Zeitraum von mehreren Monaten bis zwei Jahren. Tage tretende Kulturschicht in der Fundstelle (welche von
– Aufgabe des Gewässers (z.B. Zuschütten). den Krebsen «bewohnt» wird) wäre abzugraben und zu
Daraus ergibt sich, dass im Falle nicht-einheimischer ­d okumentieren, die darunter liegenden Schichten durch
Krebsarten eine Ausrottungkampagne mit Bewilligungen geeignete Schutzmassnahmen vor weiterer Zerstörung
der zuständigen Behörden prinzipell möglich, allerdings im schützen. Dabei ist die Abdeckung im Bereich der Hal-
Falle eines grösseren Gewässers wie dem Greifensee denkante von besonderer Bedeutung und verspricht den
kaum von nachhaltigem Erfolg gekrönt wäre. besten Schutz bei geringst möglichem Schaden für die
subaquatische Flora und Fauna.
Fazit
Massnahmen zur Bekämpfung des Krebsbestands an der Ausblick
Fundstelle versprechen entweder wenig nachhaltigen Er- Das Einschleppen von weiteren Neozoen durch den inten-
folg oder sind aufgrund der verursachten Begleitschäden siven Handelsverkehr per Schiff sowie die begünstigenden
an Flora und Fauna im bedeutenden Naturschutzgebiet Verhältnisse durch höhere Wassertemperaturen im Jahres-
nicht durchführbar. mittel aufgrund der Klimaerwärmung werden voraussicht-
Ebenso bringt mechanischer Schutz der Fundstelle durch lich weiter anhalten. Da die aquatischen Lebenräume hoch
Geotextil und/oder Kiesdeckung nach Erfahrungen an­derer komplexe, vernetzte Biotope darstellen, wird ein wirkungs-
Dienststellen nicht den gewünschten Erfolg gegenüber der volles Vorgehen gegen unerwünschte Arten auch zukünf-
Bautätigkeit der Krebse. Ungeachtet dessen ist ­a ufgrund tig extrem schwierig bleiben.

12

66
SCHWERPUNKT

Für die weiteren Populationsentwicklungen des Kamber-


krebses gibt es wenig hoffnungsvolle Prognosen. Mit al­
lergrösster Wahrscheinlichkeit wird diese Krebsart irre­
versibel ihre festen Habitate in den Gewässern des
schweizerischen Mittellandes besetzt halten und sich je
nach Wassertemperaturen und Nahrungangebot weiter
vermehren. Daher ist davon auszugehen, dass die Gefahr
der mechanischen Zerstörung von an der Seegrundober-
fläche liegenden Kulturschichten weiter zunehmen wird
und vermehrt Fundstellen durch die Grabungstätigkeit der
Krebse negativ beeinträchtigt werden. Brauchbare Optio-
nen für eine Bestandesreduktion sind derzeit nicht in Sicht.
Ausgehend von den Erfahrungen der Unterwasserarchäo-
logie im deutschen Teil des Bodensees ist in den kom­
menden Jahren und Jahrzehnten mit weiteren Heraus­
forderungen durch neue invasive Tierarten zu rechnen.
Insbesondere die ursprünglich aus dem Aralsee und dem
Schwarzmeergebiet stammende Quagga-Muschel (Dreis-
sena rostriformis bugensis) verbreitet sich explosionsartig
und überzieht weite Teile der Flachwasserbereiche mit
­e inem dichten Muschelteppich. Diese Verwandte der Wan-
dermuschel tendiert zur Bildung von dichten Muschel­
bänken und hat im Gegensatz zu ihren bereits früher ein-
gewanderten Verwandten nochmals geringere Ansprüche,
was zum Beispiel die Wassertemperatur für die Fortpflan-
zung betrifft. Deshalb stagniert die Fortpflanzung im W ­ inter
weniger und sie vermehrt sich nochmals deutlich schnel-
ler. Aufgrund ihrer noch nicht abzuschätzenden Auswir-
kung auf das Ökosystem wird die Ausbreitung der Quag-
ga-Muschel am Bodensee unter anderem durch die
Internationale Gewässerschutzkommission für den Boden-
see (IGKB) sowie im Rahmen des Interreg-Projektes «See-
wandel» aufmerksam verfolgt.
Nebst problematischen Folgen für die Wasserversorgung
(die Muscheln verstopfen Leitungsrohre) und ähnlichen
wirtschaftlichen Folgen stellen die Muscheln auch für die
archäologischen Reste am Seegrund ein grosses Problem
dar. Die dichten Muschelteppiche erschweren das Er­
kennen archäologischer Reste am Seegrund massiv und
­m achen ein sinnvolles Monitoring der Fundstellen sehr
schwierig. Die Muscheln treten in dicht bestandenen
­K olonien auf und überziehen alle verfügbaren Oberflächen
mit Muschelbewuchs, so dass jedes frei am Seegrund
­liegende Objekt erst einmal von den Muscheln befreit
­w erden muss, um abzuklären, ob es sich um ein archäo­
12
logisches Artefakt von wissenschaftlichem Wert oder ledig- Kamberkrebse sind mit maximal 12 cm
lich um einen gewöhnlichen Stein handelt. Dies wird die ­K örperlänge zwar nicht besonders
Arbeit der Unterwasser­a rchäologie zwar nicht verunmög- gross, aber ausgesprochen schmackhaft.
lichen, aber erheblichen zeitlichen Aufwand mit sich Aufgrund der Gefahr der weiteren Aus­
breitung im Rahmen des Krebsfanges ist
­bringen. Zeit, welche dann an anderer Stelle für die Doku-
dieser nur in Einzelfällen, unter strengen
mentation und Sicherung der Fundstellen des UNESCO- Auflagen und mit Bewilligung der zustän­
Welterbes schmerzlich fehlen wird. digen Behörden gestattet.

67
Renate Ebersbach, Judith Engelke, Katrin Fritzsch, Wolfgang Hohl

Moor – Klimawandel – Archäologie


SCHWERPUNKT

Das Federseemoor – ein bedeutendes kulturgeschicht­ im Südlichen Federseeried im Fokus. Neben naturschutz-
liches Archiv und lebendige Natur fachlichen Überlegungen war immer auch die Lage archäo-
Das Federseegebiet in Oberschwaben gehört zu den fund- logischer Fundstellen ausschlaggebend für die Planungen.
reichsten Mooren Europas   Abb. 1. Allein im Federsee­ Aktuell ist das Thema Moorschutz auch auf Grund seiner
becken sind rund 100 Fundstellen bekannt  Abb. 2. Davon Klimarelevanz von hoher politischer Bedeutung. Als Koh-
sind über zwei Dutzend Feuchtbodensiedlungen, von lenstoffspeicher tragen intakte Moore aktiv zum Klima-
­d enen die ältesten um 4300 v.Chr. entstanden. Und es schutz bei. Dies fördert die Bestrebungen von Naturschutz
­w erden ständig weitere entdeckt; zuletzt wühlten Wild- und Denkmalpflege zusätzlich. Nach aktivem Grunderwerb
schweine in Alleshausen im Norden Reste einer bisher un- von Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Amt Ulm)
bekannten Siedlung aus der Zeit um 2900 v.Chr. frei. Seit und Landtausch können weitere Massnahmen des Natur-,
2011 sind die «Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen» Denkmal- und Klimaschutzes umgesetzt werden. Dazu
als UNESCO-Welterbe anerkannt und geschützt. ­gehört die Revitalisierung weiterer Teilbereiche, die Offen-
Gleichzeitig ist das Federseegebiet das grösste Moor haltung der ausgedehnten Niedermoorbereiche, aber auch
­Südwestdeutschlands mit einer international bedeutenden die Verbesserung und Instandhaltung der schon errichte-
Vielfalt seltener Tier- und Pflanzenarten. Diese werden im ten Vernässungsbauwerke  Abb. 3.
Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH) «Federsee und Blinder Zur Dokumentation der Auswirkungen bereits durchgeführ-
See bei Kanzach» sowie im Vogelschutz-Gebiet «Feder- ter Revitalisierungsmassnahmen im Federseegebiet wur-
seeried» geschützt. Die ersten Bestrebungen zum Natur- de ein umfassendes Pegelnetz mit ca. 120 Messpunkten
schutz erfolgten bereits vor mehr als 100 Jahren, als Lina eingerichtet, dessen Wasserstände wöchentlich durch das
Hähnle 1911 mit dem heutigen Banngebiet Staudacher die NABU-Naturschutzzentrum abgelesen werden  Abb. 4. In
ersten Moorflächen für den Deutschen Bund für Vogel- Verbindung mit den Daten der Wetterwarte Süd in Bad
schutz, heute Naturschutzbund Deutschland (NABU), er- Schussenried, die allgemeine Wetterdaten liefert, besteht
warb. Diese Ansätze setzt bis heute die Naturschutzver- so eine langjährige Datengrundlage zu Pegelgängen und
waltung u.a. durch weiteren Grunderwerb, die Ausweisung klimatischen Entwicklungen.
von Schutzgebieten und Revitalisierungsmassnahmen fort.
Ebenso alt sind die Bemühungen, das archäologische Erbe Trockenheit und Hitze. Was passiert im Moor?
vor Ort zu erhalten. So kaufte der Zahnarzt Heinrich For- 2020 war nach 2018 das zweitwärmste Jahr seit Mess­
schner bereits 1920 bei der später als «Siedlung Forsch- beginn der Wetterwarte; die Jahresdurchschnittstempera-
ner» bekannten Fundstelle Parzellen auf, um eine For- tur lag um rund 1.7º C. über dem langjährigen Mittel. Die
schungsreserve für die Zukunft zu erhalten. Die erfolgreiche Sommermonate (Juni bis September) waren überdurch-
Zusammenarbeit zwischen Archäologie und Naturschutz schnittlich warm; Trocken- und Nassperioden wechselten
führte in den 1980er- und 1990er-Jahren dazu, dass grosse sich ab; die Niederschläge gingen zu einem grossen An-
Flächen aufgekauft und wiedervernässt werden konnten. teil als kurze Starkregenereignisse nieder. Insgesamt fie-
So wurden in einem ersten LIFE-Projekt von 1998 bis 2002 len rund 20% weniger Niederschlag als im langjährigen
250 Hek­t­a r Moorwiesen renaturiert. Von 2009 bis 2012 Mittel  Abb. 5.
standen im LIFE+ Projekt «Restauration von Habitaten Trockenheit und Hitze haben Auswirkungen auf die Grund-
im Federseemoor» u.a. die Renaturierung im Nördlichen wasserstände im Gebiet. Einige im Rahmen der Renaturie-
Federseeried, aber auch die Optimierung der Vernässung rungsprojekte wiedervernässte Flächen mit archäologi-

69
SCHWERPUNKT

 Einleitungsbild
Pegel zur Messung der Grundwasserstände
im Moor. Der Pegel ist mit Stangen mar-
kiert, damit er beim Mähen der Wiesen nicht
beschädigt wird.

1
Der Federsee mit seinen ausgedehnten
Moorflächen aus der Luft.

2
Karte des Federseebeckens mit der heuti-
gen Nutzung, den bekannten archäolo­
gischen Siedlungen und Einbäumen und den
Grenzen von FFH- und Vogelschutzgebiet.

3a–b
a: Neubau einer Doppelspundwand im
­Nördlichen Federseeried. b: Wiedervernäs-
sungsmassnahmen der Naturschutz­
verwaltung, um Hangwasser aufzufangen
und in die Moorflächen zu leiten, in denen
die archäologischen Fundstätten liegen.
Abdeckung mit Torf, um das Bauwerk vor
schneller Verrottung zu schützen.

4
Ablesung von Pegeldaten durch das Team
des NABU-Naturschutzzentrums Federsee.

5
Temperatur und Niederschlagswerte 2020
und langjährige Mittel.
2

70
SCHWERPUNKT

3a 3b

schen Fundstätten, in denen durch den Verschluss von


Entwässerungsgräben der Wasserstand zunächst erfolg-
reich angehoben werden konnte (   Abb. 6 vgl. die Jahre
2014–2017) reagieren sensibel auf die Trockenheit. Die flur-
nahen Wasserstände konnten auch 2020 nicht wieder
­e rreicht werden. Positiv zu verzeichnen ist, dass es trotz
Trockenheit nicht wieder zu so dramatischen Absackungen
der Wasserstände wie im Rekordtrockenjahr 2018 kam. Die
vermehrt als Starkregenereignisse erfolgenden Nieder-
schläge heben die Wasserstände in Trockenjahren zwar
kurzfristig, aber offensichtlich nicht mehr nachhaltig. Mit
Pegelständen weit unter Flur ist zu vermuten, dass die

4 5

71
SCHWERPUNKT

Wasserstände dann nicht bis in die Torfauflage reichen, kung von Sauerstoff schreitet die schleichende Zersetzung
sondern unterhalb im Bereich der Mudde liegen. des trockenen Torfes voran, es werden Nährstoffe freige-
setzt und die moortypischen Pflanzen und Tiere verschwin-
Auswirkungen auf Naturschutz und Archäologie den. In trockeneren, nährstoffreichen Bereichen breiten
Für die Erhaltung archäologischer Kulturschichten ist ent- sich zusätzlich vermehrt Gehölze aus, die z.B. die Lebens-
scheidend, dass sie möglichst immer ausreichend feucht räume für seltene Arten wie das Braunkehlchen oder den
bleiben  Abb. 7. Sinken die Pegelwerte über längere Zeit Goldenen Scheckenfalter ungeeignet machen. Ohne an-
so weit ab, dass die Schichten in den wechselfeuchten haltende Frostperioden im Winter sind die Gehölze in Rah-
­B ereich kommen oder gar dauerhaft dem Sauerstoff aus- men der Landschaftspflege auf dem wenig tragfähigen
gesetzt sind, beginnen Zersetzungsprozesse, die schliess- Moorboden wiederum nur schwer zurück zu drängen.
lich zum Verlust der organischen Reste in den Schichten Fazit: Der Einfluss des Klimawandels ist im Federsee­gebiet
führen. Aus archäologischer Sicht ist deshalb vor allem bereits deutlich spürbar. Hohe Jahresdurchschnittstem­
wichtig, dass die Pegel langfristig auf einer gewissen Höhe peraturen verbunden mit geringen Niederschlägen bzw.
stabil bleiben und nicht unter die erhaltenen Schichtreste ­Starkregenereignissen, die die Wasserreserven des Gebie-
abfallen. tes nicht nachhaltig füllen können, führen zu negativen
Auch für den Naturschutz hat das Trockenfallen der Torf- Auswirkungen auf Natur und Kulturdenkmäler. Die Ergeb-
schichten gravierende Auswirkungen. Unter der Einwir- nisse der Pegel- und Wetterdaten machen die Notwen­

72
SCHWERPUNKT

digkeit deutlich, zeitnah zu handeln. Und die Prognosen Inzwischen kann im Federseegebiet auf Jahrzehnte der
für das Klima in Baden-Württemberg lassen befürchten, ­E rfahrung mit Revitalisierungen zurückgegriffen werden.
dass Trockenperioden künftig auch am Federsee noch zu- Es gibt Erfahrungen, welche Massnahmen tatsächlich zu
nehmen werden und sich die Probleme verschärfen. der gewünschten Vernässung führen und langfristig wirk-
sam sind. Moore sind «Kinder der Landschaft», Moor-
Klimwandel im Moor – was tun? schutz ist daher nur in grösserem räumlichen Zusammen-
Zum Erhalt des Torfkörpers und der oberflächennahen hang sinnvoll.
Fundstätten ist ein flurnaher Wasserstand unerlässlich. Die Bei allen Bestrebungen waren und sind diverse Akteure
wichtigste und nachhaltigste Massnahme ist, dem Moor und Disziplinen beteiligt. Die gute Zusammenarbeit
das Wasser, welches früher ins Gebiet floss, wieder zu­ ­z wischen Grunderwerb, Flurneuordnung, Landwirtschaft,
zuleiten. Trotz Renaturierungen sorgen bis heute zahl­reiche ­N aturschutz-, Forst- und Wasserverwaltung, NABU sowie
wasserbauliche Massnahmen der vergangenen Jahrhun- Denkmalpflege hat im Federseegebiet bereits einiges er-
derte immer noch dafür, dass viel Wasser um das Moor möglicht  Abb. 8. Diese Kontakte gilt es zu pflegen und
­h erum oder über Gräben schnellstmöglich abgeleitet wird, auszubauen, um gemeinsam eine zukunftsfähige Entwick-
ohne dass es für das Moor verfügbar wäre. Nur durch eine lung voranzubringen.

7 8

6
weitere Verbesserung der hydrologischen Situation kann Pegeldaten von vier Standorten im Bereich
langfristig ein Absinken der Grundwasserstände in Trocken- archäologischer Fundstellen im langjähri­-
jahren verhindert oder zumindest gemindert werden. gen Vergleich. Die Pegel 247, 254 und 226
befinden sich im Nördlichen Federseeried,
Auch die Bestockung mit Wald kann Probleme ver­schärfen.
Pegel 84 im Südlichen Ried.
Besonders standortfremde, immergrüne Fichten­f orste ent-
ziehen dem Moorkörper viel Wasser. Aber auch B ­ irken und 7
Erlen können durch die Durchwurzelung der Fundschich- Blick auf einen gut erhaltenen Fussboden
ten Schäden an Bodendenkmälern verur­s achen. Die cha- mit Hölzern rund um die rechteckige, mit
Lehm ausgekleidete Feuerstelle. Fundstelle
rakteristischen Offenland-Vogelarten des Federseerieds
Alleshausen-Täschenwiesen ( Goldberg III
wie Braunkehlchen und Wiesenpieper sind aus­ serdem Gruppe Oberschwabens, um 2900 v.Chr. ) .
auf ausgedehnte, weitgehend gehölzfreie Nie­­dermoor­land­- Die Schichten sind durch zufliessendes
schaften angewiesen. Der Erhalt und die Entwicklung von Hangwasser dauerfeucht erhalten geblieben.
Moorwiesen ist daher in vielen Bereichen gemeinsames
8
Ziel von Natur- und Denkmalschutz. Deshalb wird weiter-
Fichtenforste aus den 1960er-Jahren werden
hin aktiv öffentlicher Grunderwerb im Federsee getätigt im südlichen Ried gefällt, die Fläche wird
und eine hydrologische Gesamtkonzeption angestrebt. in Offenland umgewandelt ( Frühjahr 2022 ) .

73
Ole Grøn, Lars Ole Boldreel

Versunkene steinzeitliche Siedlungen


SCHWERPUNKT

In den Jahren 1853–54 entdeckte der Schweizer Altertums- vor etwa 21 000 Jahren rund 84 Mill. Kubikkilometer – mehr
forscher Ferdinand Keller steinzeitliche Siedlungen am Ufer als doppelt so viel. Die von Eisschilden bedeckte Fläche
des Zürichsees. Die von ihm untersuchten Pfahlbauten auf der Nordhalbkugel betrug damals etwa 27 Mill. Quad-
­lagen im Flachwasserbereich, weil die Menschen damals ratkilometer gegenüber etwa 2 Mill. Quadratkilometern
in Häusern auf Pfählen an den Seeufern lebten. Kellers heute. Dieses eisgebundene Wasser stammte hauptsäch-
Entdeckung führte auch dazu, dass tiefer im Wasser gele- lich aus dem Meer, dessen Wasserstand während des LGM
gene steinzeitliche Fundstellen mit Funden aus viel älteren deshalb auf ein Niveau von etwa 134 m unter dem heuti-
Kulturphasen im Meer, aber auch in Seen erforscht wur- gen Stand gesunken war.  Abb. 1 zeigt, wie sich die Bil-
den. Zweifelsfrei von Menschen errichtete Konstruktionen dung von Eiskappen während der vielen Vergletscherun-
für die Rentierjagd mit Obsidianartefakten wurden in den gen der letzten Millionen Jahre auf den Meeresspiegel
Grossen Seen in Nordamerika bis in eine Tiefe von 35 m auswirkte.
und im Meer vor British Columbia (USA) von Menschen In Zeiten steigender Temperaturen gewöhnten sich die
hergestellte Steingeräte bis in eine Tiefe von 50 m gefun- steinzeitlichen Menschen an den äusserst ertragreichen
den. Meeresküsten an den stetigen Meeresspiegelanstieg in der
Auch in Seen und Flüssen schwankte der Wasserstand im Grössenordnung von 12–14 mm pro Jahr. Die heutigen Um-
Laufe der Zeit. Während der kältesten Phasen der Eiszeit weltveränderungen lassen ein im Prinzip ähnliches Szena-
sank der Meeresspiegel bis zu 130–140 m unter dem heu- rio erwarten, bei dem das vollständige Abschmelzen aller
tigen Stand, weshalb wir dort die am tiefsten gelegenen Eisschilde zu einem Anstieg um 80 m auf eine noch nie zu-
menschlichen Siedlungen erwarten können. Der Grund vor registrierte Höhe des Meeresspiegels führen wird.
­dafür sind geologische und klimatisch bedingte Umwelt-
veränderungen, die im Folgenden skizziert werden. Dabei Veränderungen des Wasserstandes in Binnen­
werden auch die Auswirkungen solcher Veränderungen auf gewässern
die menschlichen Kulturgruppen thematisiert. Ein Anstieg des Meeresspiegels auf rund 80 m über dem
heutigen Niveau stellt für ein Alpenland wie die Schweiz
Der Meeresspiegel und die Vergletscherung keine direkte Bedrohung dar. Doch können verschiedene
Die rund 1410 Mill. Kubikkilometer Wasser auf unserem Einflüsse auch lokale oder regionale Veränderungen des
Planeten sind Teil eines globalen Wasserkreislaufs. Das Wasserstands von Seen, Flüssen und nichtmarinen Feucht-
Wasser verdunstet aus Meeren, Seen, Sümpfen, Flüssen, gebieten verursachen.
Gletschern und Eisschilden oder wird zu Sprühnebel aus So ist etwa der felsige Untergrund nicht so stabil wie es
kleinsten Wasserteilchen und gelangt als Regen, Schnee, scheint. Er kann sich entlang geologischer Bruchlinien auf
Gischt oder Luftfeuchtigkeit in den Kreislauf und in die und ab bewegen und sich im Laufe der Zeit langsam
Grundwasserspeicher. Das bedeutet, dass ein ständiger ­n eigen. Sowohl in Gebirgsregionen als auch in flachen
Austausch zwischen diesen verschiedenen Aggregatzu- ­G egenden können solche Prozesse beobachtet werden,
ständen stattfindet. Nimmt der Wassergehalt des einen zu, die oft verzögerte Reaktionen auf Gewichtsveränderungen
muss er dem anderen entzogen werden. Liegt die Gesamt- von Eisschilden (glacioisostatic rebound) sind. Bei einem
menge des in Gletschern, Eiskappen und Dauerschnee ge- 29 km langen, ostwest-orientierten See wie dem «Jølstra-
bundenen Wassers heute bei etwa 32 Mill. Kubikkilome- vatnet» in Norwegen hat sich seit der letzten Vereisung vor
tern, so waren es beim letzten glazialen Maximum (LGM) 10 000–9000 Jahren das östliche Ende gegenüber dem

75
SCHWERPUNKT

 Einleitungsbild 1 3
Blick über den Limfjord in Dänemark von Der Meeresspiegel der letzten 500 000 Jahre Generelle Verteilung der primären Biomasse-
Norden. Der sogenannte Limfjord ist eigent- in Metern unter dem heutigen Niveau ( blau ) . produktion in Form der jährlichen Brutto­
lich eine Meerenge, welche die Nordspitze Die Zeit wird in ky angegeben ( 1 ky = 1000 produktion, gemessen in Megakalo­r ien pro
der ­H albinsel Jütland in eine eigenständige Jahre ) . LGM = Last Glacial Maximum ( weis- Quadratmeter.
Insel abspaltet. ses Rechteck ) .

2
Die durchschnittlichen Wasserstände des
östlichen und des westlichen Endes des
29 km langen, ostwest-ausgerichteten Sees
Jølstravatnet ( N ) in Meter über dem heuti-
gen Meeresspiegel. Im Verhältnis zum öst­
lichen ist das westliche E­ nde in den letzten
9000 Jahren um etwa 22 m gesunken.

76
SCHWERPUNKT

westlichen um mehr als 22 m angehoben  Abb. 2. Eine sol- schwer und verursachte offenbar eine Materialanhäufung
che Neigung ist ein bekanntes Phänomen in Norwegen und im angrenzenden Seeausfluss, die zu einem Anstieg des
erklärt, warum steinzeitliche Siedlungen im westlichen Teil Wasserspiegels um einige Meter führte. Auch moderatere
von Seen oft unter Wasser, im östlichen Teil aber auf dem Sedimentationsprozesse können sich erheblich auf den
Trockenen liegen. Steinzeitliche Fundstellen können in Wasserstand von Seen auswirken. Ein interessantes Bei-
­e inigen Seen örtlich recht tief liegen, dies auch wenn sie spiel ist der jüngste katastrophale Anstieg des Wasser-
den Schwankungen des Meeresspiegels nicht ausgesetzt spiegels der «Rift-Valley-Seen» in Kenia sowie des Vic­
waren. toriasees, bei dem neben tektonischen und vulkanischen
Der Wechsel von Vergletscherungsphasen mit kilometer­ Prozessen die Verschlammung eine wichtige Rolle zu
dicken auf dem Untergrund lastenden Eisschilden zu ­s pielen scheint. Durch die zunehmenden Regenmengen
­P hasen in denen dieses Gewicht ins Meer verlagert wird, gelangen mehr Sedimente in die Wassersysteme, und sie
führt zusammen mit anderen Prozessen dazu, dass sich werden zudem alkalischer als früher. Dies hat Auswirkun-
der Felsuntergrund morphologisch anpasst. In einigen Ge- gen auf Flora und Fauna und damit auf die Fähigkeit
bieten kann beobachtet werden, dass er sich in Vielecke des Systems, eine weitere Zunahme der Sedimentaus­
(Polygone von 20–30 x 20–30 km) aufspaltete, die sich waschung zu verhindern.
­relativ zueinander selbst in flachen und scheinbar wenig Die Wasserstände in Seen, Flüssen, Mooren, Meer und
dynamischen Gebieten mit Geschwindigkeiten von bis zu Grundwasser dürfen nicht unabhängig voneinander be-
1 mm pro Jahr auf und ab bewegen können. Solche fort- trachtet werden. Ein örtlich steigender oder fallender Mee-
laufenden «neotektonischen» Prozesse können zu Verwer- resspiegel oder Seepegel kann sich auf die Wasserstände
fungen in den Seebecken führen, die sich auf die Abfluss- der flussaufwärts gelegenen Wasserkörper ebenso auswir-
schwellen auswirken und zu erheblichen Veränderungen ken wie auf die flussabwärts gelegenen. So können, wie
der Wasserstände führen können. das Jahr 2021 beispielsweise für Mitteleuropa gezeigt hat,
Katastrophale Ereignisse wie Erdrutsche, Vulkanausbrü- Veränderungen von Klimafaktoren wie der Regenmenge
che, Erdbeben oder Tsunamis, die Material verlagern, wel- dramatische Auswirkungen auf die Wasserstände im Bin-
ches enge und tiefe Abflüsse von Seebecken blockiert, nenland haben. Gleichzeitig können die Wassersysteme an
sind geologisch gut bekannt. Der historisch bekannte Land in Gebieten mit abnehmenden Regenmengen aus-
­Tsunami von 1601, der durch ein Erdbeben im Gebiet des trocknen, da sich ein zunehmender Teil des globalen Was-
Vierwaldstättersees ausgelöst wurde, traf die Stadt Luzern sers im Meer konzentriert.

77
SCHWERPUNKT

Prähistorische Kulturen und wechselnde Wasser­ pen gelang, im Wettbewerb mit grösseren und unflexible-
stände im Meer und in Binnengewässern ren Gruppen im Landesinneren an die Meeresküsten vor-
Wenn die Archäologie versucht, die Entwicklung der zudringen.
menschlichen Kultur fast 4 Mill. Jahre in die Vergangenheit Der schwierige Zugang zu den heute tief unter Wasser
zurückzuverfolgen, neigt sie dazu zu vergessen, dass ein ­liegenden, früher besiedelten Küstenzonen und die Ab­
grosser Teil dieser Entwicklung wahrscheinlich in jenen lagerung von Sedimenten durch Wellenschlag könnten zu
Küstengebieten stattgefunden hat, die heute überflutet einem verzerrten Bild unserer Vorgeschichte geführt haben,
sind und die daher nie untersucht wurden. Es stellt sich das sich auf die Geschehnisse im Landesinneren konzen-
die Frage, inwieweit dies die Gültigkeit der Out-of-­Africa- trierte und die potenziell dynamischeren und kulturell viel-
Hypothese beeinflusst, wonach die grundlegenden kultu- fältigeren Gruppen an den Küsten vernachlässigte, von
rellen und evolutionären Entwicklungen der Hominiden in ­denen möglicherweise die kulturelle Dynamik und Entwick-
Afrika stattfanden und diese sich danach in andere Gebie- lung ausging.
te ausbreiteten. Dieses Modell und die damit verbundenen Auch wenn die Binnengewässersysteme und ihre nähere
aDNA-Ergebnisse spiegeln möglicherweise ein hohes Umgebung als Ressourcengebiete nicht mit den Meeres-
Mass von auf Afrika fokussierten archäologischen Unter- küsten vergleichbar sind, ist bekannt, dass ihre Fisch­
suchungen im Vergleich zu anderen Gebieten wider. Heu- ressourcen in Kombination mit den verfügbaren Land­
te scheint eine zunehmende Anzahl sehr alter Fundstellen ressourcen historisch gesehen die Grundlage für relativ
auch in andere Richtungen zu weisen. dauerhafte Wildbeuterdörfer von einiger Grösse bildeten.
Der Grund für die Attraktivität der marinen (Salz-)Küsten In den Grossen Seen Nordamerikas gibt es ausgedehnte
für die Menschen ist die weltweit grösstmögliche Biomas- Strukturen aus grossen Steinen, die von spätpaläoindiani-
seproduktion dieser Gegenden   Abb. 3. Das bedeutet, schen/früharchaischen Menschen (12 600–9100 v.Chr.) für
dass mehr Nahrung produziert wird als in jeder anderen die Karibujagd errichtet worden waren und bei denen von
Umweltzone. Fische, Meeressäugetiere, essbare Mollus- Menschen bearbeiteten Steingeräte in Tiefen bis zu etwa
ken und Algen sind in grossen Mengen zusätzlich zu den 35 m unter dem heutigen Wasserspiegel gefunden wurden
vorhandenen Landressourcen innerhalb einer engen Küs-  Abb. 4. Strukturen zur Rentierjagd wurden neulich in die-
tenzone verfügbar. Daher ist es logisch, und die archäolo- sem Gebiet gar in 50 m Tiefe gefunden. Selbst in grösse-
gischen Daten stützen diese Hypothese zunehmend, dass ren Seen können sich also in der Tiefe unerwartete prähis-
die Meeresküsten das Ressourcenparadies waren, wel- torische Kulturgüter verbergen.
ches von den Menschen als bevorzugtes Territorium be-
siedelt wurde. Historische Quellen, die der australische Wie werden steinzeitliche Fundstellen unter Wasser
Sozialanthropologe Peter Sutton zusammengetragen hat, gefunden, untersucht und geschützt?
deuten auf eine Entwicklung in Australien hin, wonach es Angesichts der potenziell grossen Anzahl steinzeitlicher
kleineren, dynamischeren und kulturell vielfältigeren Grup- Fundstellen, die in einigen Seen bis in Tiefen von 50 m und

78
SCHWERPUNKT

im Meer bis zu 140 m unter dem heutigen Meeresspiegel scheint ein wichtiges Problem der Unterwasserarchäolo-
liegen, lautet eine zentrale Frage, wie diese Fundstellen gie gelöst, es führt aber auch zur nächsten Frage: Wie
gefunden werden können, um sie vor Bauarbeiten, Roh- ­gehen wir mit den versunkenen Fundstellen um und wie
stoffabbau, schädlichen Fischereimethoden (wie Grund- ­e rforschen wir sie?
schleppnetze) zu schützen.
Der traditionelle Ansatz besteht darin, die Unterwasser­ Fazit
topographie (Bathymetrie) zu analysieren und aufgrund Das Siedlungsverhalten des Menschen scheint seit Anbe-
von Annahmen über das Verhalten der prähistorischen ginn stärker von Küstengewässern geprägt gewesen zu
­K ulturen zu versuchen, die wahrscheinlichsten Siedlungs- sein als man früher dachte. Dies hat dazu geführt, dass die
plätze zu bestimmen. Bei diesem Ansatz gibt es einige Archäologie «blinde Flecken» in Bezug auf einige längere
zentrale Probleme: Er geht davon aus, dass sich die Topo- Phasen unserer Vorgeschichte entwickelt hat. Es bleibt zu
graphie/Bathymetrie im Laufe der Zeit nicht verändert hat. hoffen, dass die technologische Entwicklung, die heute
Sowohl im Meer als auch in Seen und Flüssen ist die Um- durch die zunehmende Nachfrage nach den Ressourcen
lagerung von Sedimenten durch die Strömung jedoch ein im Meer vorangetrieben wird, zu einer umfassenderen Per-
bekanntes und in einigen Fällen bedeutendes Phänomen. spektive beitragen wird.
Ausserdem wird angenommen, dass die Vegetation der Wie heute war das Wasser in früheren Zeiten sowohl ein
Landflächen relativ stabil und einheitlich war. Die moder- guter Freund als auch ein gefährlicher Meister. Die Ge-
ne Landschaftsökologie hat gezeigt, dass dies keineswegs schichte der Beziehung von Mensch und Wasser ist also
der Fall ist. Die Vegetation, die für das Vorkommen der ver- eine, aus der wir heute lernen können. Die Erforschung der
schiedenen wirtschaftlich interessanten Tierarten wichtig Anpassungen früherer Gesellschaften an sich ändernde
ist, und damit auch für die Frage, wo sich eine Ansiedlung Wasserpegel und Lebensbedingungen an den Küsten ist
«lohnte», kann auch auf lokaler Ebene hochdynamisch sein. daher entscheidend.
Das bedeutet, dass sich die attraktiven Siedlungsplätze im
Laufe der Zeit verändern. Zudem hat die Sozialanthropo- Übersetzung aus dem Englischen:
logie gezeigt, dass verschiedene Kulturgruppen in identi- Claire Hauser Pult, promediala.ch
schen Landschaften sich sehr unterschiedlich verhalten,
weil sie kulturell unterschiedliche Subsistenzstrategien ha-
ben. Dies gilt auch für Wildbeutergesellschaften. Eine kürz-
lich durchgeführte Evaluierung der administrativen Anwen-
dung eines topographisch/bathymetrischen Ansatzes zur
Erkennung von Siedlungen in Dänemark hat ergeben, dass
nur etwa 0.6 % der Fundstellen, die an Land erkannt wor-
den wären, identifiziert werden konnten. Ein neuer und an-
derer Ansatz ist also erforderlich.
Die akustische Ortung von versunkenen steinzeitlichen
Fundstätten, selbst wenn sie von einigen Metern Sediment
bedeckt sind, scheint eine viel effektivere Methode zu
sein. Wenn Menschen kleinere, scharfe Silexwerkzeuge
aus grös­seren Stücken herstellen, verwenden sie eine spe-
zielle Schlagtechnik. Wir haben beobachtet, dass dieser
­P rozess offenbar auf Druck beruht, der sich wie ein star-
kes Schallsignal verhält. Durch diesen Druck werden die
kleineren scharfen Stücke nicht nur aus dem grösseren
Kern herausgelöst, sondern auch so geformt, dass sie
die Eigenschaften kleiner Stimmgabeln erhalten, die bei
4
Schallsignalen im Bereich von 1–17 kHz stark mitschwin- Zusammengesetztes Photogrammetriebild
gen. Diese Resonanz ist so stark, dass sie selbst dann eines Teils des «Funnel Drive» im Huron-
­registriert werden kann, wenn die Stücke unter mehreren see in einer Wassertiefe von etwa 24 m.
Metern wassergesättigtem Sediment vergraben sind. Eine Es handelt sich um eine der flacheren Struk-
turen, die im Zusammenhang mit der ­Ren-
erste Version dieser Technik wird jetzt erfolgreich ein­
tierjagd untersucht wurden. Die Struktur
gesetzt, um steinzeitliche Unterwasserfundstellen in der wurde zwischen 9500 und 8500 v.Chr. ge-
Schweiz, in Schweden und in den USA zu finden. Damit nutzt.

79
Sarah Brechbühl, Lieveke J.C. van Vugt, Erika Gobet, César Morales-Molino, Joseph Volery,
André F. Lotter, Ariane Ballmer, Albert Hafner, Willy Tinner

Landnutzung und Vegetationsdynamik im


Gebiet der neolithischen Seeufersiedlung
Ploča Mičov Grad am Ohridsee
SCHWERPUNKT

Feldarbeit am Ohridsee wir vier Sedimentkerne mit einem Durchmesser von 6 cm
Der Ohridsee mit seiner eindrucksvollen Grösse von ca. in der Nähe der Seeufersiedlung gebohrt   Abb. 1 und
358 km2 liegt in Nordmazedonien und Albanien   Abb. 1. Abb. 2. Zwei Bohrkerne vom Standort «Ohrid Siedlung»
Durch ein unterirdisches Karstsystem ist er mit dem etwas (OHS) wurden direkt am Rande der prähistorischen Sied-
höher gelegenen Prespasee verbunden, welcher zum Teil in lung entnommen. In ca. 20 m Entfernung davon, am Über-
Griechenland und Albanien liegt. Etwa 13 km südlich der gang vom Seeuferplateau zum tieferen Beckenbereich,
Stadt Ohrid befindet sich in der «Bay of Bones» (Knochen- bohrten wir die anderen beiden Kerne des Standorts
bucht) ein Freilichtmuseum   Einleitungsbild und Abb. 2. «Ohrid Plateau» (OHP). Bei beiden Kernstationen (OHS
Die Rekonstruktion der Befunde von Ploča Mičov Grad ist und OHP) wurden tiefenversetzte Parallelbohrungen durch-
in Wirklichkeit ein Modell einer prähistorischen Seeufersied- geführt und die parallelen Sedimentkerne haben wir im
lung nach den Vorstellungen Ferdinand Kellers von 1854. ­Labor anhand lithologischer Merkmale zu je einem Haupt-
Ploča Mičov Grad ist eine archäologische Fundstelle, die kern für OHS und OHP kombiniert. Sie haben eine totale
schon mehrmals im Zentrum von Ausgrabungen stand und Länge von 8 m, respektive 7 m. Von diesen Kernen haben
deren Anfänge auf ca. 4400–4600 v.Chr. datiert werden. Im wir Proben für die Analyse von terrestrischen pflanzlichen
Sommer 2019 reiste ein f­ ünfköpfiges Team der Forschungs- Makrofossilien entnommen und im Labor für Radiokarbo-
gruppe Paläoökologie der Universität Bern nach Pesthani, nanalysen der Universität Bern mit der 14C-Methode datie-
Nordmazedonien. Ziel der Expedition waren subaquatische ren lassen. Dies bildete die Grundlage zur Erstellung eines
Bohrungen von See­sedimenten im Rahmen des European Alters-Tiefenmodells. Zusätzlich entnahmen wir Proben
Research Council (ERC) Synergy Projekts  «EXPLO». Hier- für die Pollenanalyse und bereiteten sie chemisch auf.
bei handelt es sich um ein internationales, interdisziplinäres ­Anschliessend haben wir unter dem Durchlicht- bzw. Auf-
Forschungsprojekt der Universitäten Bern, Oxford und lichtmikroskop die verschiedenen Mikro- und Makrofos­
Thessaloniki, welches Fragen zur Entwicklung sozialer Ge- silien bestimmt und gezählt. Die graphische Darstellung
sellschaften und zur Landnutzung in einer dynamischen zeigt Prozentwerte von Subfossilien (z.B. Pollen) je Probe
Umwelt fachübergreifend angeht. Aus den Geistes- und auf einer Zeitachse  Abb. 3. Da beide Hauptkerne alleine
­Naturwissenschaften gehören archäologische, archäobio­ vermutlich aufgrund von Sedimentrutschungen nicht die
logische (Botanik, Zoologie) und paläoökologische Ansätze komplette stratigraphische Sequenz beinhalteten, wurden
dazu. Paläoökolo­gische Studien bieten sich als gute Ergän- die Resultate von OHS und OHP ergänzend zusammen­
zung zur Archä­o­logie an, um Siedlungstätigkeiten zu erfas- gefügt. Aus der Interpretation der zeitlichen (radiokarbon-
sen und die Vegetation der Vergangenheit zu beschreiben. datierten) Abfolge der Mikro- und Makrofossilien wird im
Dabei w ­ erden in den Seesedimenten abgelagerte Pollenkör- Folgenden die Vegetations-, Feuer- und Landnutzungs­
ner, Sporen, Spaltöffnungen, weitere Zellen, Holzkohle so- dynamik abgeleitet.
wie Makroreste (z.B. Blattfragmente, Samen, Zapfenschup-
pen) bestimmt und numerisch ausgewertet. Anhand der Vegetations-, Feuer- und Landnutzungsdynamik
Ergebnisse können Rückschlüsse auf die Art der Ökosyste- Unsere Rekonstruktion beginnt im Frühholozän mit der
me und die Dynamik der Vegetation, der Landnutzung und Wiederbewaldung der steppenähnlichen Landschaft nach
der Waldbrände gezogen werden. der Jüngeren Dryas um ca. 9500 v.Chr. Laubwerfende
Um den Einfluss des prähistorischen Menschen auf die ­W älder der gemässigten Breiten breiteten sich stark aus,
­n atürliche Vegetation am Ohridsee zu untersuchen, haben bestehend aus Kiefern (Pinus), Eichen (Quercus pube-

81
SCHWERPUNKT

 Einleitungsbild
Rekonstruierte Pfahlbausiedlung in der
«Bay of Bones» am Ohridsee, Nordmaze­
donien.

1
Übersicht über die Forschungsstelle und
­d eren Umgebung. a ) Luftaufnahme der Seen
Ohrid und Prespa. b ) Luftaufnahme der
­Umgebung von Ploča Mičov Grad sowie der
modernen Siedlungsrekonstruktion.
Die Bohrstellen «Ohrid Siedlung» ( OHS )
und «Ohrid Plateau» ( OHP ) sind durch rote
Punkte markiert.

2
Die Bohrplattform und das Freilicht-
museum «Bay of Bones» ( Knochenbucht )
von Ploča Mičov Grad.

scens, Q. cerris), Tannen (Abies) und Linden (Tilia), aber ­Getreide­a nbau genutzt werden. Parallel zum Pollensignal
auch Erlen (Alnus glutinosa), Eschen (Fraxinus ornus) und treten vermehrt Funde von Brombeer- oder Himbeersamen
Ulmen (Ulmus). Sie bildeten eine geschlossene Vegeta­ (Rubus) auf. Die Beeren waren im Neolithikum eine belieb-
tionsdecke. Steppenkräuter wie verschiedene Arten der te Nahrungsquelle, zeigen Störungen der Vegetation an
Gattung Artemisia (z.B. Beifuss) gingen in ihrer Verbreitung und weisen oft auf eine Ausbreitung der Siedlungstätigkeit
stark zurück. Wacholder (Juniperus) trat nur spärlich auf. des Menschen hin. Trotz dieser klaren Anzeichen ist bei
Diese Vegetationszusammensetzung blieb bis ca. 5600 dieser ersten paläoökologisch abgeleiteten Kulturphase
v.Chr. relativ konstant. Ab diesem Zeitpunkt sind erstmals stratigraphisch keine eindeutige Kulturschicht erkennbar,
Anzeichen menschlicher Anwesenheit in der Umgebung obwohl die Seesedimente einen Wechsel zu dunkleren,
von Ploča Mičov Grad sichtbar. Dies zeichnet sich durch ­organischeren Ablagerungen zeigen.
eine graduelle Öffnung der Landschaft ab, vor allem durch Anstatt sich jedoch in eine dunkle, organische Kultur-
einen Rückgang der Koniferen. Dazu erschienen Landnut- schicht zu entwickeln, werden die Sedimente nach ca.
zungszeiger wie zunächst Knöterichgewächse (Polygo­- 4800 v.Chr. wieder kalkhaltiger und sandiger. Die in diesem
num aviculare) und später Spitzwegerich (Plantago lanceo- Bereich untersuchten Pollenproben zeigen, dass dieser
lata). Die Öffnung der Landschaft nahm weiterhin fast unerwartete Wechsel mit einer Phase der Wiederbewal-
durchgehend zu und die Feueraktivität stieg kontinuierlich dung einherging. Dabei breitete sich der Wald während ca.
an. 100–150 Jahren stark aus und störungsempfindliche Arten
Ab ca. 5200 v.Chr. ging schliesslich der Baumanteil r­ apide wie Linden und Tannen, welche zuvor reduziert wurden,
zurück und die landwirtschaftlichen Erzeugnisse wie ­e rholten sich. Dass die neolithischen Siedler während die-
z.B. Getreide (Cerealia) nahmen zu. Das Auftreten ­hoher ser Zeit wahrscheinlich trotzdem anwesend waren, zeigt
Cerealia-Pollenwerte zeigt, dass die entsprechende Sied- das durchgehende Signal des Getreidepollens. Die Dyna-
lung nicht in grosser Entfernung zur Bohrstelle gewesen mik des pollen-rekonstruierten Getreideanbaus lässt dar-
sein kann. Cerealia-Pollen sind ein Anzeichen für den auf schliessen, dass die Felder vermutlich in kleinerem
­lokalen Getreideanbau, da die Körner aufgrund ihrer Pro- Umfang oder in grösserer Distanz, jedoch kontinuierlich,
duktions- und Verbreitungseigenschaften nicht weit mit bewirtschaftet wurden. Ab ca. 4600 v.Chr. begann eine
dem Wind transportiert werden und schnell zu Boden neue Phase der Waldöffnung mit noch intensiverer land-
­s inken. Unsere Rekonstruktion weist darauf hin, dass sich wirtschaftlicher Nutzung. So war um 4500 v.Chr. das Aus-
die Siedlungstätigkeit stetig veränderte. Frisch gerodete mass der Getreidefelder wieder auf dem gleichen Stand
Flächen, oft mittels Feuer, konnten für den erweiterten wie vor der Vegetationsschliessung vor 4800 v.Chr. In den

82
SCHWERPUNKT

83
SCHWERPUNKT

Seesedimenten ist für diesen Zeitabschnitt eine eindeuti- der späteren Landnutzungsphase, nahm die Feueraktivität
ge Kulturschicht erkennbar, mit Resten von Holzpfählen, hingegen sehr stark zu. Dies deutet darauf hin, dass
Tonscherben und Knochenfragmenten. Es handelt sich ­m öglicherweise bei der späteren Öffnung vermehrt Brand­
­dabei um die Hinterlassenschaften der ältesten Phase der rodungen eingesetzt wurden, wobei die frühere vermutlich
archäologisch gefassten, neolithischen Seeufersiedlung durch selektive Abholzung entstanden ist. Alternativ dazu
von Ploča Mičov Grad, datiert auf 4400–4600 v.Chr. können die erhöhten Holzkohlewerte der zweiten Phase
von Bränden stammen, die ganz nah am Bohrstandort
Ploča Mičov Grad als neolithischer Siedlungsplatz stattfanden, während bei der ersten Phase die Siedlung
Die Umgebung von Ploča Mičov Grad scheint eine geeig- weiter weg lag und damit nicht direkt von lokalen Holz-
nete Umgebung für neolithische Siedler gewesen zu sein. kohleschichten ausgegangen werden kann.
Ressourcen wie Holz und Wasser waren ausreichend und Durch seine grosse Fläche hat der Ohridsee zudem Aus-
in unmittelbarer Nähe vorhanden. Die Artenvielfalt der Wäl- wirkungen auf das lokale Klima und mildert Kälte- wie auch
der bot Bäume mit unterschiedlichen Eigenschaften wie Hitzeextreme. Diese klimatischen Bedingungen wirkten
besonders harte, feuchtigkeitsresistente oder weiche, sich vermutlich für viele essbare Pflanzenarten wie Getrei-
leicht zu bearbeitende und biegsame Hölzer. Untersuchun- de, Früchte, Nüsse und Beeren und deren intensivierten
gen der Siedlung zeigen, dass die meisten Holzpfähle aus Anbau positiv aus. Isotopenanalytische Untersuchungen
Eichen-, Wacholder- oder Kieferholz bestanden. Unsere spätmesolithischer und neolithischer Skelettfunde in der
Analyse von Holzkohlepartikeln (durchschnittliche Anzahl Balkanregion zeigen, dass die Ernährung der damaligen
Partikel pro Jahr) zeigt um 5200 v.Chr. sowie in der ersten Siedler vorwiegend auf Fisch und Fleisch (Hirsch, Wild-
intensiven Siedlungsphase um 5000 v.Chr. nur einen leich- schwein) basierte. Nach ca. 6000 v.Chr. war Getreide eine
ten Anstieg der Waldbrände. Um 4600 v.Chr., zu Beginn zusätzliche wichtige Nahrungsquelle.

84
SCHWERPUNKT

Vegetationsstörungen und Artenvielfalt kann Forschungsergebnisse ideal ergänzen. Im konkreten


Verglichen mit der Vegetation vor der menschlichen Land- Beispiel von Ploča Mičov Grad zeigen die paläoökologi-
nutzung zeigen heutige Sedimentoberflächenproben und schen Resultate, dass die lokale Wirtschafts- und Sied-
Vegetationsaufnahmen markante Unterschiede. Die Zu- lungstätigkeit bereits mehr als 1000 Jahre vor dem archäo-
sammensetzung der Wälder hat sich grundlegend verän- logischen Nachweis der ersten Ufersiedlung in der «Bay of
dert. Tannen, Birken und Linden, welche schon seit Jahr- Bones» in der Mitte des 5. Jahrtausends v.Chr. einsetzte.
tausenden fester Bestandteil der Vegetation waren, sind
heute stark reduziert. Dafür haben Buchen- und Hasel­
gewächse mit Fähigkeit zum Stockausschlag (Carpinus
betulus, Ostrya, Fagus) stark zugenommen. Ebenso ist
eine leichte Zunahme der lichtliebenden Wacholdersträu-
cher (Juniperus) sichtbar. Die taxonomische Vielfalt der
Vegetation zeigt in jüngeren Zeiten, zwischen 4000–3200
v.Chr., einen leichten Abwärtstrend. Interessanterweise
­e rhöhte sich die Diversität der Vegetation mit den dras­
tischen neolithischen Öffnungen zuerst sehr stark und sank
während der dazwischenliegenden Wiederbewaldungs-
phase. In der Zeit der beginnenden Siedlungsaktivtäten
blieben fast alle Arten erhalten, einige wurden jedoch stark
reduziert. Die menschliche Landnutzung brachte zusätz­
liche neue Arten. Mit den vermutlich neu eingeführten
­Getreidesorten kamen unweigerlich Unkrautarten mit, was
einen Teil der erhöhten Diversität erklärt. Der Hauptgrund
liegt aber wahrscheinlich in der gesteigerten Störungs­
dynamik. Verschiedene Studien zeigen, dass Brandflächen
eine normalerweise einheitliche Landschaft unterbrechen
und dadurch neue, konkurrenzarme Habitate entstehen,
welche Licht und Nährstoffe bieten, wobei meist die Viel-
falt im Offenland zunahm, diejenige der Wälder aber dras-
tisch abnahm. Obwohl die störungsbedingten Öffnungen
der Vegetation die Artenvielfalt in den beiden intensiven
Siedlungsphasen erhöht haben, scheint dies nur bis zu
­e inem gewissen Grad der Fall zu sein. Mit der Zunahme
der industrialisierten Landwirtschaft begann vor 100 bis 50
Jahren der Abwärtstrend der Diversität, wobei vermutlich
die Art und Intensität der Störungen eine Erholung der
­n atürlichen Vegetation nicht mehr erlaubten. Wo genau
sich die Schwelle am Ohridsee befindet, ist aufgrund von
Lücken in unserer Rekonstruktion noch unklar.

Wertschöpfung durch fachübergreifende Ansätze


Trotz der Lücken und offenen Fragen gibt unsere Beschrei-
bung der Vegetations-, Feuer- und Landnutzungsdynamik
wertvolle Informationen zur Umwelt, in welcher sich die
neolithischen Gemeinschaften niedergelassen hatten. Dies 3
unterstreicht die Bedeutung interdisziplinärer Forschungs- Pollen- und Makrofossiliendiagram von
ansätze. Obwohl eine fachübergreifende Zusammenarbeit Ploča Mičov Grad mit ausgewählten Arten,
gewisse Hürden aufweisen kann, zeigt sich in diesem Altersachse ( v.Chr. ) und Lithologie. Weisse
Flächen unter schwarzen Kurven zeigen
Fall deren grosses Potential. Eine Umrahmung archäologi-
10-fache Überhöhungen der Pollenprozente.
scher Studien mit botanischen und zoologischen Gross- Die schwarzen Sternchen markieren das
rest­a nalysen sowie paläoökologischen Untersuchungen Auftreten von Samen ( nicht quantitativ ) .

85
BLICKWINKEL

Niels Bleicher und Heinz Wanner im Gespräch

«Dieser Graben muss übersprungen werden!»

Herr Wanner, Sie haben immer Interesse an der Pfahl­ fährlich, wie wenn Archäologen andersherum gewisse kul-
bauarchäologie bekundet. Auch in Ihrem neusten turelle Ereignisse einfach dem Klima zuschreiben.
­Klimatologie-Artikel im Holocene verweisen Sie auf
archäologische Funde wie den Ötzi. Woher stammt Gibt es aus Ihrer Sicht Kommunikationsschwierig­
dieses Interesse? keiten zwischen Geisteswissenschaften und Natur­
Ich bin im Berner Seenland aufgewachsen und mein Vater wissenschaften?
und Grossvater waren sehr interessiert an heimatkund­ Ich habe soeben mit Christian Pfister ein Buch geschrie-
lichen Aspekten. Sie haben mir Ufersiedlungen gezeigt und ben (  Klima und Gesellschaft in Europa. Die letzten 1000
auch keltische Grabhügel oder Schalensteine in den Wäl- Jahre). Da hat es uns einige Mühe gekostet, eine gemein-
dern. Das liegt in der Familie. same Sprache zu finden. Ich habe wieder einmal gelernt,
dass die Naturwissenschaften die Gründe gesellschaft­
Die Archäologie versteht sich trotz naturwissenschaft­ licher Handlungen oft nicht verstehen. Es braucht wirklich
licher Teildisziplinen wie Archäobotanik als Geistes­ die interdisziplinäre Vernetzung.
wissenschaft. Wir veröffentlichen deutschsprachige
Hardcover-Bände, während der Rest der Welt kurze Die Archäologie arbeitet viel mit Nachbardisziplinen.
peer-reviewte Artikel auf Englisch verfasst. Wie blickt Dabei gilt es oft, einen disziplinären Graben zu über­
ein international erfahrener Naturwissenschaftler springen. Wie kann das gelingen?
auf dieses seltsame Fach? Dieser Graben muss übersprungen werden. Ich war ja
Die gute Dokumentation vieler archäologischer Publikatio­ Gründungspräsident des Oeschger Zentrums an der Uni-
nen ist auch eine Stärke. Besonders, wenn ich sie mit den versität Bern. Dort machen wir genau das. Wir integrieren
zum Teil etwas salopp abgefassten, sehr kurzen Beiträgen Physik, Chemie und Geowissenschaften, die im Bereich
mit eingängigen Überschriften in Nature und Science ver- der Klimaforschung arbeiten, aber auch Geschichte und
gleiche. Allerdings bin ich im Zweifel, dass der Umfang in Politologie. Bei uns müssen Naturwissenschaftler geistes-
dieser Form noch lange möglich sein wird. Möglicherwei- wissenschaftliche Kurse belegen und umgekehrt. Und ich
se könnte man weniger drucken, aber vieles in elektroni- denke, das ist die Zukunft der Lehre.
scher Form publizieren.
Ich jedenfalls habe Freude an einem Mittelweg: längere Ar- Der Klimawandel mit seinen Dürresommern ist eine
tikel mit solider wissenschaftlicher Dokumentation. Gefahr für Denkmäler in Mooren wie Untersuchungen
im schwäbischen Federseeried gezeigt haben. Sehen
Archäologinnen haben oft Vorbehalte gegenüber Sie die Gefahr, dass der Klimawandel auch die See­
­Hobbyarchäologinnen und ihren Methoden. pegel rings um die Alpen senken und die prähistori­
Wie geht es einem Klimaforscher mit Archäologen, schen Seeufersiedlungen grossflächig gefährden
die sich an Paläo­klimatologie versuchen? könnte?
Ich habe da keine Vorbehalte. Wichtig ist das Gespräch. Wenn wir von Trockenheit sprechen, so ist die Dramatik süd-
Es gibt auch Klimatologen, die bei jedem Peak einer rekon- alpin, von der Alpensüdseite bis nach Nordafrika. Auf der
struierten Temperaturkurve sofort zu suchen beginnen, ob Alpennordseite wird es tendenziell zwar wärmer, aber auch
dort irgendein Krieg war oder ob die Bevölkerungszahl feuchter mit längeren Trockenzeiten und häufigeren Stark­
­irgendwie geschwankt hat. Das ist natürlich ebenso ge- niederschlägen. Ich erachte es hier nicht als derart drama-

86
BLICKWINKEL

dann oft von der Temperatur, meint im Hinterkopf aber


das Jahresmittel – und das stellen die Jahresringe oft gar
nicht dar. Wir haben insgesamt viel zu wenig Quellen zur
Wintertemperatur. Die Schriftquellen für die Dokumenten­
analyse reichen ja oft nur etwa 1000 Jahre zurück. Im
­m itt­leren Holozän war auch die Verteilung der Sonnen­
einstrahlung zwischen Winter und Sommer ganz anders
als heute. Und natürlich wird man da genauer hinsehen
müssen, was das für das Wirtschaften und die Gesellschaft
bedeutete.

Klima-Auswirkungen auf die Kultur in niederschlags­


armen Gebieten wie Mesopotamien scheinen aus
­klimatologischer und archäologischer Sicht plausibel.
Aber wie ist es in Europa?
Im atlantisch-europäischen Raum mit seiner komplexen
Dynamik ist das Klima schwieriger zu modellieren als in
den vom Monsun beeinflussten Gebieten. Es ist hier des-
halb schwieriger, Zusammenhänge zwischen Kultur und
Klimaentwicklung aufzuzeigen.

Was wünschen Sie sich von der Archäologie?


Ich wünsche mir, dass sie bei der Anwendung natur­
wissenschaftlicher Methoden genau hinschaut, was diese
Heinz Wanner bringen können. Häufig sind Naturwissenschaftler ent­
husiastisch bezüglich ihrer Methoden. Die Archäologie hat
dann den Auftrag dies zu hinterfragen.
tisch. Für die meisten Seen hierzulande kann man daher
vermutlich für die nächsten Jahrzehnte Entwarnung geben.

Oft wird hinsichtlich solarer Minima der direkte Ver­


gleich zwischen der Kleinen Eiszeit und beispiels­
weise dem mittleren Holozän unternommen, um zu
argumentieren, dass ähnliche Krisenzustände statt­
gefunden haben. Ist der Vergleich valide?
Nein. Treibender Faktor des Klimas im mittleren Holozän
waren die sich langsam wandelnden Erdbahnbewegungen.
Dadurch nahm z.B. auf etwa 60º Nord die Einstrahlung im
Sommer um etwa 40 Watt ab – das ist gewaltig. Das hat
beispielsweise das Monsungeschehen in Asien stark be-
einflusst.
In der Kleinen Eiszeit dagegen gab es schnelle Tempe­
raturschwankungen aufgrund gleichzeitiger Gruppen von
Vulkanausbrüchen und solaren Minima. Die Kleine Eiszeit
war übrigens vor allem ein Winterphänomen. Die Sommer
Prof. em. Dr. Heinz Wanner ist Geograph und Klimatologe.
waren meist gar nicht so kalt. Er forschte in der Schweiz und den USA u.a. an Luftströmungs­
dynamiken und Luftverschmutzung sowie intensiv an Paläo­
Man macht es sich also zu leicht, wenn man von klimatologie. Dabei interessierten ihn stets auch die gesell­
«dem Klima» spricht? schaftlichen Auswir­kungen von Klimaschwankungen. Er war
Gründungspräsident des Oeschger Klimaforschungszentrums
Man muss hier immer differenzieren. Die Dendrochrono­
an der Universität Bern, war am vierten und fünften IPCC-­
logie beispielsweise muss sich bewusst sein, dass sie Report beteiligt und Berater von Regierungen zum Thema Kli­
­z unächst einmal das Sommerklima abbildet. Man spricht mawandel. Seit 2010 ist er emeritiert.

87
BLICKWINKEL

Andreas Mäder und Thomas Oesch im Gespräch

«Wir versuchen grundsätzlich, unsere Projekte


aus der Geschichte heraus zu entwickeln»

Als Kulturingenieur beschäftigen Sie sich u.a. mit Der Seespiegel und seine Schwankungen spielen insbe-
Seeuferrevitalisierung, Landschaftsgestaltung, sondere beim Übergang vom See zum Land, also in den
­Freiraumplanung und Naturschutz – wo setzen Sie­ Flachwasser- und Uferzonen, eine grosse Rolle. Die Wel-
­inhaltliche Schwerpunkte? lenkraft etwa setzt an der Uferlinie an und sorgt dort für
Im Modul Landschaftsgestaltung setzen wir uns mit ästhe- Veränderung. Wenn nun diese Kräfte immer an derselben
tischen und gestalterischen Werten der freien, grossräumi- Stelle ansetzen, dann entsteht lokal grosse Erosion, was
gen Landschaft auseinander: Wir wollen dabei nach Mög- nach harten Massnahmen ruft. Im natürlichen System sind
lichkeit auch einen Mehrwert für den Menschen schaffen. diese Kräfte auf grösserer Fläche verteilt. Starke Seespie-
Das ist oft die Erholung, die auch durch eine ökologisch gelschwankungen oder auch Extremereignisse sind aus
motivierte Gestaltung verbessert werden kann. Die Erho- ökologischer Sicht wichtig, denn viele heimische Arten
lung wird in der Gesellschaft immer wichtiger, nicht nur im können sich nur in amphibischen Bereichen fortpflanzen.
urbanen Raum. Gerade auch die Agglomerationen zeich- Durch die künstliche Seespiegelregulierung, wie wir sie
nen sich aus durch grosse Hektik. heute praktizieren, sind somit ökologisch wertvolle Prozes-
Ein Hotspot als Naherholungsraum ist sicher der Raum um se stark eingeschränkt.
den Seedamm im Übergang vom unteren Zürichsee zum Allgemein müssen bei Revitalisierungen dynamische Pro-
Obersee; er bietet starke Bezüge zur Geschichte und Öko- zesse gefördert werden, dies verlangt auch das Gewässer-
logie des Sees in einer immer dichteren Agglomeration. schutzgesetz. Eine Revitalisierungsmassnahme strebt also
keinen starren, statischen Zustand an, sondern es soll eine
Wo sehen Sie Synergien zur Pfahlbauarchäologie, naturnahe Weiterentwicklung ermöglicht werden.
wo Konflikte?
Wir versuchen nach Möglichkeit, unsere Projekte aus der Auf welche historischen Daten stützt man sich bei der
Geschichte heraus zu entwickeln. Will man die Akzeptanz Rekonstruktion der landschaftsgeschichtlichen Ent­
der Bevölkerung erreichen, dann ist diese Herangehens- wicklung? Wie weit sollten dabei auch prähistorische
weise oft erfolgversprechend. Wir zeigen zum Beispiel, Daten, z.B. aus dem Neolithikum, berücksichtigt wer­
dass unsere Seen – insbesondere der Übergang vom Was- den?
ser zum Land – einer fortdauernden Veränderung unter- Wir wollen die Informationen nutzen, welche uns aus der
worfen sind: Seen entstehen, Seen vergehen, Ufer werden archäologischen Forschung zur Verfügung gestellt werden.
überschüttet und wieder freigelegt. Um zu einem Verständnis über die Veränderungen auf der
Zielkonflikte zwischen Landschaftsgestaltung und Archäo- geologischen Zeitachse zu gelangen, müssen wir auch den
logie kann es geben: Während die archäologischen Fund- prähistorischen Menschen und dessen Siedlungsverhalten
stellen geschützt werden müssen, also ein statischer Zu- an den Seeufern wahrnehmen. So sind viele unserer Schilf-
stand geschützt wird, verstehen wir die Landschaft in bestände an den Seen massgeblich durch die damaligen
dynamischer Entwicklung. Meine Erfahrungen zeigen aber, Rodungen der Urwälder gefördert worden.
dass die beiden Interessen meist gut unter einen Hut zu
bringen sind. Jüngst haben Sie das Thema Vermittlung der Pfahl­
bauarchäologie im Rahmen Ihrer Lehre als Modul
Inwiefern spielt bei der Revitalisierung der Seeufer für Ihre Studierenden angeboten: Worum ging es da
die landschaftsgeschichtliche Entwicklung eine Rolle? und was sind die Resultate?

88
BLICKWINKEL

In der Lehre gehört die Pfahlbauarchäologie wie auch die Integral bedeutet in diesem Zusammenhang, dass mög-
Biologie oder Geologie zu den Grundlagenfächern, welche lichst alle Naturwerte und Nutzungsaspekte berücksichtigt
den Studierenden in den ersten Semestern vermittelt wer- werden, d.h. der Mensch ist Teil davon. Revitalisierte
den. Konkret ging es beim angesprochenen Modul um das ­B ereiche müssen auch nach Projektabschluss gepflegt
Thema «Vermittlung des UNESCO-Weltkulturerbes Pfahl- und bewirtschaftet werden. Man muss also die nachfol-
bauten». Die Studierenden mussten sich mit einer konkre- gende Betriebsphase im Auge behalten, etwa indem man
ten Standortsuche am Obersee/Zürichsee auseinander­ die Bauern als Partner für die Pflege eines Areals gewinnt.
setzen und Gestaltungsvorschläge ausarbeiten. Es zeigte Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Besucherlenkung
sich, dass das Synergiepotential zwischen Landschafts­ und -sensibilisierung, gerade in Zeiten von Corona, in
gestaltung, Freiraumplanung und Naturschutz einerseits ­denen der Druck auf naturnahe Landschaften, insbeson-
und der ­P fahlbauarchäologie sehr hoch ist. dere auch an den Seeufern, deutlich zugenommen hat.

Vor welchen Herausforderungen stehen wir bei der Mit welchen Methoden lässt sich die Geschichte des
Revitalisierung der Seeufer? Seespiegels am Zürichsee rekonstruieren?
Es ist vor allem die Verfügbarkeit der knappen Landres- Wir haben vor einiger Zeit ein Gutachten zur Regulierung
sourcen am Ufer zu nennen. Dann sind die massiven Ein- des Seespiegels im Auftrag des Zürichsee Landschafts-
griffe der 1960er- und 1970er-Jahre eine grosse Heraus­ schutz (ZSL) erstellt. Für die Rekonstruktion der Seespie-
forderung, denn damals wurden viele Uferabschnitte mit gelgeschichte sind die diversen Zuflüsse von entscheiden-
Aushubmaterial überschüttet, um Bauland zu gewinnen. der Bedeutung, denn sie beeinflussen die Morphologie der
Oft müssen diese Altlasten zuerst beseitigt werden. Noch Seeufer, der Zu- und Abflüsse, was sich indirekt auf den
schwieriger ist aber die Ablösung der Nutzungsrechte auf Seespiegel auswirkt. Seit den Eiszeiten haben sich mar-
diesen, meist öffentlichen Parzellen. kante Schuttfächer gebildet. Erosion findet weiter statt. Die
Fliessgewässer aus den Alpen transportieren viel Geschie-
Wie sieht zukünftig ein integrales Seeufermanage­ be und Schwebstoffe in die Seen und tragen dazu bei,
ment aus? dass diese – langfristig betrachtet – immer kleiner werden.
Hier ist die Schnittstelle zur spannenden Geomorphologie.

Der Nutzungsdruck an den Seeufern des Zürichsees


und Obersees ist enorm: Wie lassen sich private,
­öffentliche und touristische Nutzungen in Einklang
bringen?
Ein gängiges Schlagwort ist die raumplanerische Nut-
zungsentflechtung, um Konflikte zu vermeiden. Die Aus-
scheidung der Gewässerräume wird in Zukunft mehr Klar-
heit bringen, auch wenn dies eine grosse Herausforderung
darstellt, vor allem auch im privaten Uferanstoss. Ein Dau-
erkonflikt besteht zwischen dem öffentlichen Interesse des
Seezugangs und der Eigentumsgarantie der Privaten. Es
ist übrigens nicht von vornherein klar, dass bei einer öffent-
lichen Nutzung dem Uferbereich und der Seeökologie bes-
ser Sorge getragen wird. Wir müssen versuchen, wo mög-
lich die Besucherströme zu lenken und Schutzgebiete zu
beruhigen. Der Vollzug der geltenden Regeln ist bei Zuwi-
derhandlungen oft noch sehr schwach, etwa wenn Stand-
Up-Paddler in Naturschutzgebiete eindringen.

Thomas Oesch gründete als Kulturingenieur ETH 1986 das Büro


für Landschaftspflege in Rapperswil, nachfolgend das Büro
OePlan, mit Hauptsitz in Altstätten im St.Galler-Rheintal. Ab
2011 lehrte er als Professor für Landschaftsgestaltung an der
Fachhochschule OST ( ehem. Technikum Rapperswil ) und ist
seit 2021 in Teil-Pension. Er ist spezialisiert auf naturnahen
Thomas Oesch Wasserbau, Ingenieurbiologie und Bodenschutz.

89
BLICKWINKEL

Andreas Mäder und Oliver Heiri im Gespräch

«Archäologische Datensätze sind für uns sehr


­relevant. Wir wollen diese den paläoökologischen
Daten gegenübersetzen, um Veränderungen
der Umwelt und Einflüsse durch den Menschen
aufzuzeigen»

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf? Paläoökologie besteht nun darin, diese neuen Ansätze
Ich habe Biologie studiert und mich auf Ökologie speziali- ­zusammen mit den bereits etablierten Methoden, wie der
siert. In meiner Diplomarbeit habe ich Wasserinsekten in Pollenanalyse, zu kombinieren. Wir sollten das Rad nicht
der Engelberger Aa untersucht. Später, im Rahmen meiner neu erfinden, sondern neu entwickelte, vielversprechende
Doktorarbeit, habe ich die Überreste (Mikrofossilien) die- Methoden mit den bereits etablierten und sehr verläss­
ser Insektengruppe in Seesedimenten analysiert. Dieser lichen Ansätzen komplementär verwenden, eine sehr an-
Ansatz erlaubt es, langfristige Veränderungen von See- spruchsvolle, aber spannende Aufgabe!
ökosystemen und der Umwelt zu rekonstruieren. Das hat
mich begeistert. Heute fasziniert mich besonders das in- Welchen Stellenwert nehmen archäologische Daten­
terdisziplinäre Umfeld, in dem meine Forschungen stattfin- sätze bei Ihren Forschungstätigkeiten ein?
den – wir haben etwa mit Geologinnen, Archäologen oder Archäologische Datensätze sind für uns sehr relevant. Wir
Geographinnen, aber auch mit Umweltämtern zu tun. wollen diese den paläoökologischen Daten gegenüberset-
zen, um Veränderungen der Umwelt und Einflüsse durch
Welches sind Ihre Forschungsschwerpunkte? den Menschen aufzuzeigen. Beispielsweise wie sich im
Die Paläoökologie, als Spezialgebiet innerhalb des breit Verlauf der Zeit die Naturlandschaft zur heutigen Kultur-
gefächerten Gebiets der Geoökologie, befasst sich mit den landschaft verändert hat.
Ökosystemen der Vergangenheit und betrachtet die Ver­
änderungen derselben über die Zeit. Wie haben sich Um- Sie waren an der wissenschaftlichen Auswertung
welt und Klima in bestimmten Situationen verändert und der Pfahlbaufundstelle Parkhaus Opéra beteiligt.
Ökosysteme beeinflusst? Um dies herauszufinden unter- Welche neuen Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
suchen wir natürliche Umweltarchive wie z.B. die See­ Wir haben realisiert, dass unsere Ansätze auch auf die ar-
sedimente. Meine Spezialität sind die Mikrofossilien – Pol- chäologischen Feuchtbodenfundstellen anwendbar sind.
len, Algen-, Pflanzen- und Insektenreste – die in solchen Beim Parkhaus Opéra haben wir viele Reste von aqua­
Sedimenten gefunden werden können. tischen Organismen gefunden, welche in stehenden Ge-
wässern leben und nahelegen, dass die Siedlung grossen-
Vor welchen aktuellen und zukünftigen Herausforde­ teils im Wasser gestanden haben muss. Wir sehen auch,
rungen steht die Paläoökologie? dass der Mensch bereits damals das Ökosystem beein-
Es werden spannende neue Methoden entwickelt, bei- flusste, indem er das Gewässer mit seinen Abfällen ver-
spielsweise in den Bereichen der Umwelt-DNA oder aDNA. schmutzte.
Hierzu untersucht man Bruchstücke alter DNA, die über
Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende in Umweltarchiven Was wissen wir zum Klima in der Pfahlbauzeit?
erhalten geblieben sind. Gleichzeitig werden laufend neue In den zeitgleichen Sedimenten von Bergseen finden wir
Ansätze mit sogenannten Biomarkern entwickelt, das sind Organismen, die auf höhere Sommertemperaturen als in
organische Moleküle die von bestimmten Organismen- der jüngeren Vergangenheit schliessen lassen. Zudem lag
gruppen stammen, in Umweltarchiven abgelagert wurden die Baumgrenze höher als heute. Daraus schliessen wir,
und anhand deren man Veränderungen von Umweltbedin- dass es im Sommer vor 6000 Jahren rund 1–2° wärmer
gungen und Ökosystemzuständen rekonstruieren kann, ­gewesen sein muss. Die Frage, mit welchen Temperaturen
ähnlich wie mit Mikrofossilien. Die Herausforderung für die die Menschen in den Wintermonaten konfrontiert waren,

90
BLICKWINKEL

mit Datensätzen aus natürlichen Kontexten vergleichen.


Es braucht also Sedimentprofile aus dem Seichtwasser­
bereich des Sees, in denen Arten, die in seichtem und
feuchtem Milieu lebten, ohne den Einfluss des damaligen
Menschen studiert werden können. Die Problematik bei
diesen so genannten «off site»-Datensätzen ist deren Da-
tierung und Korrelation mit den Siedlungsschichten aus
der Archäologie.

Welche Erwartungen und Synergien sehen Sie zu­


künftig, wenn Sie an die Zusammenarbeit von Paläo­
ökologen und Archäologinnen denken?
Unsere Forschung hat in der Vergangenheit oft unabhän-
gig von der Archäologie stattgefunden. Wir sollten gemein-
same Fragestellungen entwickeln, so wie dies bei der Aus-
wertung der Fundstelle Zürich-Parkhaus Opéra erfolgte.
Die Bearbeitung der Fragestellungen aus verschiedenen
Perspektiven unter Einbezug beider Wissenschaften hat
grosses Potenzial.

Gibt es aus der Sicht einer projektbezogenen Nach­


bardisziplin einen Unterschied zwischen der Zu­
sammenarbeit mit der Archäologie und mit anderen
Fächern?
Oliver Heiri Ja, den gibt es. Die archäologische Forschung ist sowohl
von den Geisteswissenschaften als auch von den Natur-
wissenschaften geprägt. In den Naturwissenschaften wird
ist schwieriger zu beantworten, da fehlen uns noch Daten- grösstenteils in Englisch publiziert, in der schweizerischen
grundlagen und Ansätze um Wintertemperaturen zu rekon- Archäologie oft in der jeweiligen Landessprache. In den
struieren. Vermutlich war es aber im Winter eher kälter als Naturwissenschaften werden meist kurze Aufsätze in Fach-
heute. zeitschriften veröffentlicht, in der Archäologie haben
­B ücher und Monographien einen grösseren Stellenwert.
Klima- und Umweltveränderungen durch den Men­ So haben die Fachbereiche eine eigene Veröffentlichungs-
schen sind aktuelle Themen. Welchen Einfluss aber auch Diskussionskultur.
hatten prähistorische Gesellschaften wie die Pfahl­
bauer auf die Ökosysteme an den Seeufern? Unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit
Das Beispiel der Fundstelle Parkhaus Opéra zeigt, dass einem Amt im Gegensatz zur Zusammenarbeit
der Mensch einen starken Einfluss auf die Arten hatte, mit einem universitären Institut?
­w elche im seichten Uferbereich lebten. Menschlicher und Ja. Bei staatlichen Institutionen spielen in meiner Erfah-
tierischer Dung und Abfall wanderten in den See und führ- rung regionale und politische Aspekte in vielen Fällen eine
ten so zu erhöhten Nährstoffkonzentrationen im Wasser grössere Rolle als bei internationalen Forschungsprojek-
und verstärkten Abbauprozesse und Sauerstoffarmut im ten im universitären Umfeld. Da ist die Politik oft sekundär.
Sediment. Es ist faszinierend, zu sehen, dass der Mensch
bereits seit über 6000 Jahren den aquatischen Bereich, zu-
mindest lokal, stark beeinflusste!

Die Seespiegelgeschichte des Zürichsees ist noch


nicht endgültig entschlüsselt: Was braucht es, Prof. Dr. Oliver Heiri ist Paläoökologe und lehrt an der Uni­
um die Seespiegelschwankungen detailliert zu re­ versität Basel im Departement Umweltwissenschaften.
Er studierte Biologie an der ETH Zürich und spezialisierte sich
konstruieren?
im Verlauf seiner Forschungsarbeiten an der Universität Bern,
Wir müssen Datensätze aus archäologischen Kontexten, der Universität Basel und im Ausland auf Paläoökologie, die
also dort wo der Mensch seine Umwelt verändert hat, Untersuchung von Seesedimenten und Umweltrekonstruktion.

91
AKTUELLES
AKTUELLES

Andreas Mäder, Christine Michel, Alexandra Ulisch

Öffentlichkeitsarbeit – ein Rückblick auf


das UNESCO-Jubiläum Pfahlbauten

Mit dem 10-jährigen Jubiläum des UNESCO-Weltkulturer- Inwertsetzung von Neuentdeckungen


bes «Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen», welches Rechtzeitig zum 10-jährigen Pfahlbaujubiläum entdeckte
2021 gefeiert wurde, blicken wir auf ein ereignisreiches die UWAD zwei bislang unbekannte Pfahlbaufundstellen –
Jahr zurück, in dem schweizweit vielfältige Aktivitäten für die spätbronzezeitliche Fundstelle Luzern-Seewasserlei-
die Öffentlichkeit durchgeführt worden sind. Anlässlich des tung (siehe Beitrag «Das Ende einer 100-jährigen Suche –
Jubiläums präsentierte das Amt für Städtebau im Bauge- die erste Seeufersiedlung mitten im Luzerner Seebecken»
schichtlichen Archiv der Stadt Zürich vom 12.4.–12.6.2021 S.133) und Küssnacht-Immensee Dorfplatz (siehe Beitrag
eine Ausstellung zu den beiden Zürcher UNESCO-Fund- «Ausgraben in Rekordzeit – ohne IT, aber mit Datenbank»
stellen Zürich-Kleiner Hafner und Zürich-Alpenquai. Die S.109). Die Fundstellen wurden im Rahmen von Mandaten
Ausstellung «Pfahlbauarchäologie in Zürich – 10 Jahre UN- der Kantone Luzern und Schwyz entdeckt.
ESCO-Weltkulturerbe» zeigte mit historischen Aufnahmen Luzern-Seewasserleitung konnte anlässlich einer Medien-
die Anfänge der Unterwasserarchäologie in Zürich in den konferenz in Luzern der Öffentlichkeit und dem Regie-
1960er- bis 1980er-Jahren, als an der Fundstelle Kleiner rungsrat vorgestellt werden (siehe Link am Ende des Bei-
Hafner – die gleichzeitig die älteste Siedlung von Zürich trags).
um 4300 v.Chr. repräsentiert – die ersten Unterwasser­ In Küssnacht-Immensee Dorfplatz erfolgte 2020 eine Ret-
ausgrabungen erfolgten   Einleitungsbild. Zürich-Alpen- tungsgrabung und Mitte 2021 lag mit dem Beitrag von
quai stellt den Schlusspunkt der Pfahlbauzeit dar, welche ­N iels Bleicher, Philippe Gleich, Marie-Claire Ries, Monika
um 800 v.Chr. in ganz Zentraleuropa mehrheitlich zu Ende Isler und Eda Gross: «Durch diese Hohle Gasse muss er
ging. Anhand von Filmen, Modellen, Funden und Tauchge- kommen, der grüne Stein vom Gotthard», bereits eine ers-
rätschaften konnte die Arbeit der Unterwasserarchäologie te Publikation in den   Mitteilungen des Historischen
Zürich (UWAD) visualisiert werden. ­Vereins des Kantons Schwyz vor. Beide Ereignisse gene-
Nebst der öffentlich zugänglichen Ausstellung, in der sich rierten eine ganze Reihe von weiteren Pressemitteilungen
aufgrund der damaligen Pandemie-Situation nur gerade sowie eine Wanderausstellung.
fünf Personen gleichzeitig aufhalten durften (gleiches galt
für die zahlreich angebotenen Führungen), realisierte die Wanderausstellung im Kanton Schwyz
Stadt Zürich die Augmented Reality (AR)-App  pastZurich, Durch das glückliche Zusammentreffen des Jubiläums 10
mit der das Pfahlbaudorf Parkhaus Opéra auf dem Sech- Jahre UNESCO-Welterbe Pfahlbauten mit der Entdeckung
seläutenplatz interaktiv erkundet werden kann (siehe Bei- der ersten Fundstelle am Zugersee auf Schwyzer Kantons-
trag «PastZurich – virtuelles Pfahlbaudorf mitten in Zürich» gebiet war die Voraussetzung gegeben, eine archäolo­
S. 115). Die App wurde einerseits mittels eines kurzen Film- gische Ausstellung – übrigens die erste überhaupt im Kan-
Spot im archäologischen Fenster des Parkhauses Opéra ton Schwyz – zu den Pfahlbauten im Kanton Schwyz und
sowie an einer zweiwöchigen Plakatausstellung auf dem den ersten Erkenntnissen zur Fundstelle Küssnacht-Im-
Sechseläutenplatz beworben. mensee Dorfplatz zu realisieren.
Die öffentlichkeitswirksamen Projekte der UWAD bezogen Die UWAD konzipierte im Auftrag des Staatsarchivs
sich auf städtische Fundstellen. Sie wurden mit der Kan- Schwyz eine kleine, aber spezielle Ausstellung, die nicht
tonsarchäologie Zürich koordiniert, welche ihrerseits meh- nur an verschiedenen Standorten im Kanton Schwyz gas-
rere Jubiläumsprojekte im Zürcher Oberland durchführte, tierte, sondern auch bequem zu Hause am Bildschirm mit
zu deren Gelingen die UWAD ebenfalls beitrug. vielen zusätzlichen Informationen aufwarten konnte.

93
AKTUELLES

 Einleitungsbild
Taucher in der Ausstellung «Pfahlbauarchäo-
logie in Zürich – 10 Jahre UNESCO-Welt­
kulturerbe».

1
Mit dem Merge-Cube können Funde
3-dimensional dargestellt und angeschaut
werden.

Ausstellungsrundgang «Pfahlbauarchäologie
in Zürich – 10 Jahre UNESCO-Weltkulturerbe».

Werbe-Spot zu «pastZurich» im archäologischen Das Einbaum-Team der UWAD: Am 11.9.2021 fand


Fenster Parkhaus Opéra. in Uster eine internationale Einbaum-Regatta
statt, organisiert von der Kantonsarchäologie Zürich
und dem Ruderclub Uster.

In Zusammenarbeit mit dem Ausstellungsgestalter René mensee über die App «Object Viewer» auf mobilen Gerä-
Kindlimann wurden vier Stelen-Tafeln zu den drei Themen ten dreidimensional erlebt werden konnten  Abb. 1.
UNESCO-Welterbe, Pfahlbauten im Kanton Schwyz und Nach Ausstellungseröffnung wurde ausserdem ein Film
Ergebnisse der Auswertung der Grabung Immensee er- produziert, welcher einen vertieften Einblick in die ver-
stellt. Ein originales Profil war in einer Stele eingebaut und schiedenen Themen vermittelt, und der auch nach Ab-
stellte einen direkten Bezug zur Grabung her, ebenso wie schluss der Ausstellung nicht an Aktualität eingebüsst hat.
auch wenige ausgewählte Funde, welche dadurch bereits Die Wanderausstellung startete im Heimatmuseum Küss-
neun Monate nach Grabungsabschluss öffentlich zugäng- nacht (16.9.–17.10.2021), danach gastierte sie im Komplex
lich gemacht wurden. des öffentlich zugänglichen Wohnprojekts Im Bethlehem
Zusätzlich zu dieser analogen Ausstellung wurde eine (bis 12.1.2022) und konnte anschliessend im Bundesbrief-
Homepage mit ergänzenden Informationen aufgeschaltet, museum in Schwyz (12.1.–3.3.2022), im Gemeinschafts-
auf der zudem die 3D-Präsentation von dreidimensionalen zentrum in Freienbach (3.3.–22.4.2022) und in Lachen im
Funden und Befunden ein erweitertes digitales Erlebnis Alten EW (24.4.–8.5.2022) und schlussendlich noch im
boten. Dieses ermöglicht auch die analoge Ausstellung, in ­Migros Center in Einsiedeln (9.5.-20.6.2022) gezeigt wer-
der das Fundmaterial und die Grabungssituation von Im- den.

94
AKTUELLES

Der Zürcher Oberländer berichtet am 29.8.2021 über


die Vorführungen der Unterwasserarchäologie Zürich
anlässlich des Jubiläums «10 Jahre UNESCO-Welt­
kulturerbe Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen»
vom 28.–29.8.2021 in Pfäffikon.

Archäologen tauchen im Glascontainer


(züriost 29.8.2021).

Filmbericht von Tele1 am 1.9.2021 über die archäolo­


1
gischen Untersuchungen im Luzerner Seebecken.

Kurzfilm zur Ausstellung «Pfahlbauarchäologie


im Kanton Schwyz».

Podcasts
«Eintauchen in die Unterwasser­ «Using sound to find Stone Age ruins
archäologie» – archäo.logisch. under Lake Lucerne» – Swissinfo.
Schweizer Archäologie-Podcast von Ein Beitrag von Susan Misicka und
Aaron Gwerder und Sarah Wicki Michele Andina

In dieser Sommerfolge informieren Andreas Mäder und Bauarbeiter erlebten kürzlich eine Überraschung, als sie
Sandro Geiser über die Arbeit der UWAD und die archäo- eine Seewasserleitung unter dem Vierwaldstättersee in der
logischen Fundstellen unter Wasser. Zentralschweiz verlegten. Auf dem Grund des Sees fanden
sie die Spuren eines prähistorischen Dorfes! Damit wurde
eine langjährige Theorie von Fachleuten bestätigt, die
d avon ausgingen, dass in diesem Gebiet bereits vor
­
­t ausenden von Jahren Menschen gelebt haben.

95
AKTUELLES

Stephan Wyss, Fabian Korn, Anatole Fleck

Archäologische Fenster – neue Impulse für eine


­renommierte Stadtzürcher Kulturinstitution

Die Archäologischen Fenster der Stadt Zürich präsentie- sub­stanz nicht erhalten oder erschlossen werden konnte
ren an verschiedenen Orten im Stadtzentrum und in den (z.B. Wandbild Parkhaus Urania, 2003).
Aussenquartieren prähistorische und historische Befunde Für die Stadt und Besuchende ist es ein Glücksfall, dass
und Funde mit Relevanz für die Stadtgeschichte. Sie ge- das bestehende Angebot durch Kooperationen erweitert
ben dabei auch Einblick in die kulturpflegerische Arbeit der wird: Das Kleinmuseum   Schauplatz Brunngasse bietet
städtischen Behörden und ermöglichen der Zürcher Bevöl- seit 2020 Zugang zur mittelalterlichen, mit ausserordent­
kerung, Schulklassen aller Altersstufen und Touristen am lichen Wandmalereien geschmückten Wohnstätte einer
örtlichen Kulturerbe teilzuhaben. ­j üdischen Familie  Abb. 2. Seit 2021 ist die Station «Eh­
Dieses bisweilen als «dezentrales Stadtmuseum» bezeich- graben» auch als Teil des neu konzipierten Parcours  Gaia
nete Konglomerat von Vermittlungsstationen weist eine von Foxtrail erlebbar.
lange Tradition auf und ist sowohl im historischen Be-
wusstsein vieler Zürcherinnen und Zürcher wie auch im Idee mit Aktualität
städtischen Kulturwesen tief verankert. Der ursprüngliche und bis heute tragende Gedanke hinter
den Archäologischen Fenstern ist die Sichtbarmachung
Historie und Bestand von Archäologie und Geschichte im Stadtbild. Damit wur-
Die Archäologischen Fenster vermitteln (Stadt-)Geschich- de bereits vor Jahrzehnten nebst den traditionellen Kern-
te und stellen gewissermassen die Fortsetzung der archäo- aufgaben der Kulturpflege (Untersuchen, Dokumentieren,
logischen Feldarbeit dar. Mit der 1940/41 ausgegrabenen Auswerten und Schützen) dem Vermittlungsaspekt Rech-
Krypta der Wasserkirche entstand im Jahr 1943 das erste nung getragen. In der Zwischenzeit ist die Öffentlichkeits-
Fenster seiner Art  Abb. 1. Mit dem Archäologischen Fens- arbeit als Auftrag der Archäologie breit abgestützt und seit
ter «Lindenhofkeller» und dessen begehbaren Ruinen ver- den jüngsten europäischen Übereinkommen zum Kultur­
schiedenster Bauten am «zentralen Machtort» der f­rühen erbe (La Valetta und Faro, beide von der Schweiz ratifiziert)
Geschichte Zürichs begann sich in den späten 1960er-Jah- auf der internationalen Agenda.
ren aus dem Einzelfall eine Reihe zu bilden. Grossmehr- Die Archäologischen Fenster der Stadt Zürich waren von
heitlich wurden die Archäologischen Fenster in den Jahr- Anbeginn nicht als Ersatz für oder in Konkurrenz zu einem
zehnten nach 1970 eingerichtet. klassischen historischen Stadtmuseum angedacht, son-
Die begehbaren Stationen bilden eine Kerngruppe, welche dern als eigenständiges Angebot mit den Alleinstellungs-
mit der Ausstellung im Parkhaus Opéra (2012) und der in merkmalen «Dezentralität» und «Ortsgebundenheit» (örtli-
Kooperation mit der reformierten Kirche Kreis 1 entwickel- che Nähe zum Befund/Fund). Der Stadtraum selbst sollte
ten musealen Präsentation in der Krypta des Fraumünsters zum Museum werden. Dabei kann en passant auch einer
(2016) zuletzt erweitert worden ist. weiten Klientel der Wert und die Bedeutung der kulturpfle-
Für die Innenstadt sind seit den späten 1970er-Jahren acht gerischen Arbeit der städtischen Verwaltung aufgezeigt
weitere kleinere Stationen mit begrenztem Zugang oder als werden.
Informationstafeln im öffentlichen Raum hinzugekommen.
In den Aussenquartieren sind sechs Fundorte inszeniert. Bedeutung in der Zürcher Museenlandschaft
Ausschlaggebend für die Positionierung der Stationen Die Archäologischen Fenster erfreuen sich seit vielen Jah-
bleibt dabei immer die örtliche Nähe zu den archäo­ - ren eines konstanten Publikumsinteresses. Eine effektive
lo­g ischen Befunden, auch dort, wo die historische Bau­ Quantifizierung dieser Beliebtheit ist indes nur für diejeni-

97
AKTUELLES

gen Archäologischen Fenster möglich, für die eine Zutritts- Der Zahn der Zeit und weitere Herausforderungen
regelung mit Erfassung (Schlüsselabgabe im Stadthaus) Obschon beliebt und gut besucht, ist die Inszenierung der
besteht. Die entsprechenden Zahlen werden im jährlichen Archäologischen Fenster durch ihre gestaffelte Entstehung
Geschäftsbericht des Amts für Städtebau (AfS) publiziert seit den 1940er-Jahren sehr heterogen und teilweise nicht
 Abb. 3. mehr zeitgemäss. Sie reicht von der einfachen Informa­
Die Archäologischen Fenster sind Mitglied des  Vereins tionstafel bis hin zum immersiven digitalen Erlebnis  past­
der Zürcher Museen (VZM). Die vom Verein publizierten Zurich.
Jahresbesucherzahlen erlauben eine vergleichende Einord- In Bezug auf die konservierte Bausubstanz zeigt sich
nung in die Zürcher Museumslandschaft: Die Archäologi- d arüber hinaus, dass die teils seit Jahrzehnten offen
­
schen Fenster rangieren – trotz genannt lückenhafter Er- ­liegenden Befunde durch verschiedene Faktoren Schaden
fassung – mit jährlich mindestens 26 100 Besuchenden genommen haben. So musste zuletzt 2021 in der Krypta
(2019) auf Platz 17 von 53 beteiligten städtischen Museen. der Fraumünsterkirche ein durch Klimaschwankungen ent-
Sie bewegen sich auf Augenhöhe mit dem Kulturama standener Algen-/Flechtenbelag aufwändig entfernt wer-
(26 200), dem Haus Konstruktiv (25 800) oder dem den. Die an der Thermengasse der Witterung ausgesetz-
Tram-Museum Zürich (25 000). Und dies bei minimaler Be- ten Hypokaustpfeiler eines kaiserzeitlichen Badegebäudes
werbung, welche sich auf den monatlichen Veranstaltungs- weisen regelmässig neue Abplatzungen an Mörtel und
kalender der lokalen Printmedien und eine  amtseigene Sandsteinen auf. Durch das Besteigen von Ruinen sind in
Website beschränkt. der Krypta der Wasserkirche oder im Lindenhofkeller
Seit Jahren erfolgreich und gut besucht werden zusätz­ Mauerkronen aufgebrochen und Steine losgelöst worden.
liche Vermittlungsformate wie Führungen durch Mitarbei- Auch Einrichtungen zur Vermittlung weisen bisweilen
tende der städtischen Fachstellen oder die «Lange Nacht A ltersschäden oder Beschädigungen auf. Bildmaterial/­
­
der Museen»  Abb. 4. Plakate sind teils verblichen (Parkhaus Urania), Informa­

98
AKTUELLES

 Einleitungsbild
Das Archäologische Fenster in der Thermen-
gasse: Abfallentsorgung in römischen
­R uinen.

1
Krypta der Wasserkirche: das erste Archäo-
logische Fenster der Stadt Zürich.

2
Mit Partnerschaften zu mehr Attraktivität.
Brunngasse 8: Archäologisches Fenster und
Kleinmuseum zugleich.

tionstafeln sind verkritzelt oder stellenweise abgelöst (u.a. Weise mit der bereits gegebenen stadtweiten Streuung der
Lindenhofkeller). Standorte.
Ferner ist das Littering im öffentlichen Raum in den letzten Die thematische Vielfalt – von mittelalterlicher Wandmale-
Jahren auch für die Archäologischen Fenstern zunehmend rei bis hin zur städtischen Abwasserentsorgung sowie der
und sehr sichtbar zur Herausforderung geworden   Ein­ weitgefasste zeitliche Rahmen – von den Pfahlbauten bis
leitungsbild. Man wird sich die Frage stellen müssen, hin zur Neuzeit – soll weiterhin gepflegt werden. Aus der
­welches Mass an freier öffentlicher Zugänglichkeit sich mit Kombination resultiert ein breites Angebot für verschie-
dem gesetzlichen Schutzauftrag für Bodendenkmäler ver- denste Interessengruppen.
trägt – und welche technischen Lösungen gleichermassen Angleichungen und Aktualisierungen werden insbesonde-
dem Anspruch der Teilhabe/Vermittlung und dem Schutz re in Bezug auf die Vermittlung und Gestaltung von Inhal-
Rechnung tragen können. ten notwendig sein: Die Archäologischen Fenster sollen in
Zukunft noch stärker als einheitliches Gefäss positioniert
Neue Impulse geplant und erkannt werden. Dabei spielt insbesondere auch das
Um all diese Aspekte zu berücksichtigen, nimmt das für Instrument der digitalen Vermittlung und Kommunikation
die Archäologischen Fenster zuständige Amt für Städte- (Internetplattform, Film, 3D-Rekonstruktionen, VR, soziale
bau seine Verantwortung wahr und hat eine Fachgruppe Medien u.v.m.) eine tragende Rolle.
einberufen. Das Thema figuriert amtsintern als strate­ Im weiteren Projektverlauf plant das Amt für Städtebau, die
gischer Schwerpunkt 2022. Unter der Federführung der internen Studien und Abklärungen Ende 2022 abzuschlies­
Fachbereiche Stadtarchäologie und Kommunikation ist ein sen und im Folgejahr ein Projekt mit entsprechendem
Konzept zur Erneuerung der Archäologischen Fenster in ­Kredit zur Realisierung zu beantragen. Mit diesem Schritt
Arbeit. Dieses wurde zum Zeitpunkt der Veröffentlichung soll auch der politische Auftrag zur Aktualisierung und
dieses Beitrages im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zur künftigen Pflege dieser einzigartigen Stadtzürcher Kul-
plausibilisiert. turinstitution geklärt werden.
Konkret wird vorgeschlagen, dass der ursprüngliche An- Besucherinformation: Die Schlüssel zu den Archäolo­
satz des «dezentralen Museums» beibehalten werden soll. gischen Fenstern sind am Schalter S (Sicherheit) im Erd-
Er ist ein Alleinstellungsmerkmal in der Zürcher Museums- geschoss des Stadthauses zu beziehen (Stadthaus Stadt
landschaft. Die in der aktuellen Vermittlungs­theorie – nicht Zürich, Stadthausquai 17, 8001 Zürich; Öffnungszeiten
zuletzt aufgrund der neuen digitalen Möglichkeiten – hoch Montag bis Freitag 8–18h, Samstag 9–12.30h).
im Kurs stehende «Ubiquität» verbindet sich auf ideale

99
AKTUELLES

3
Diagramm der Besucherzahlen 2011–2019
( ohne die Pandemiejahre 2020 und 2021).

4
Impression von der langen Nacht der Muse-
en 2021: Besucherandrang bei den von
der Stadtarchäologie angebotenen Krypta-
führungen.

Archäologische Fenster
4 der Stadtarchäologie Zürich

100
AKTUELLES

101
AKTUELLES

Stephan Wyss, Tobias Frey, Christian Hürzeler, Micha Franz, Niels Bleicher

Historische 3D-Stadtmodelle –
ein interdisziplinäres Pilotprojekt

Im Rahmen der Strategie «Digitale Stadt» von Zürich dend, dass die inhaltliche Themenführerschaft bei den
­arbeitet das Amt für Städtebau zurzeit an einem mehr­ städtischen Fachbereichen verbleibt.
jährigen Pilotprojekt. Dabei entsteht in den kommenden Diesen gegenwärtigen Herausforderungen kann mit den
Jahren eine Reihe von digitalen 3D-Stadtmodellen, die neuen digitalen 3D-Stadtmodellen begegnet werden – sie
nicht nur der Vermittlung von Kulturerbe dienen, sondern sind jederzeit und mit minimalem Aufwand aktualisierbar.
auch administrative Prozesse unterstützen werden. Das
Projekt hat im Jahr 2020 einen Innovationskredit von Smart Neue historische 3D-Stadtmodelle
City Zürich gewonnen, der als Anschubfinanzierung diente Den Auftakt zur Publikationsserie bis Ende 2024 machen
 Einleitungsbild. zwei erste Stadtmodelle, die in ihrer zeitlichen Einordnung
rund 5000 Jahre auseinanderliegen und die gesamte chro-
Kulturerbe vermitteln – und neueste Erkenntnisse nologische Spanne unseres Vorhabens illustrieren. Sie
sichtbar machen wurden am 3. März 2022 veröffentlicht. Es handelt sich um
Zu Recht gelten historische Lebensbilder als wichtiges Ins- eine Ansicht des gesamten heutigen Stadtgebietes zur Zeit
trument zur Sichtbarmachung und Vermittlung archäologi- der Pfahlbauten des Neolithikums (um 3000 v.Chr.) und um
scher Erkenntnisse. Mit der Ratifizierung zweier wegweisen- ein Stadtmodell des neuzeitlichen Zürich um das Jahr 1800.
der Europäischer Übereinkommen zum Kulturerbe hat sich Die Besiedlung Zürichs zur Zeit der jungsteinzeitlichen
die Schweiz unlängst verpflichtet, dem Aspekt der Teilhabe Pfahlbauten im ausgehenden 4. Jahrtausend v.Chr. ist von
und Vermittlung angemessene Bedeutung zuzugestehen. kurzlebigen Dörfern geprägt, die ihre Standorte oft um
In früheren Zeiten behielten solche historischen Illustra­ ­wenige hundert Meter am Ufer verlagerten. Teils standen
tionen über Jahrzehnte ihre Gültigkeit. So fasziniert der sogar mehrere Dörfer in Sichtweite voneinander. Das
Blick vom Lindenhof auf «Zürich zur Gletscherzeit» aus ­Kapital der Menschen war die intensiv gestaltete Kultur-
dem Jahr 1865 von Oswald Heer noch heute. Und manche landschaft mit Obsthainen, zyklisch intensiv genutzten
Zürcherin oder mancher Zürcher wähnt das kaiserzeitliche Baumbeständen, Hecken, Feldern, Brachen und den zur
Turicum so, wie es Jörg Müller (1982) und später Thomas Laubheugewinnung geschneitelten Bäumen.
Germann (2004) mit ihrem jeweiligen Wissensstand zu Die Stadt Zürich ist um 1800 geprägt von der barocken
­P apier gebracht haben. ­Befestigung, die sich sternförmig um den mittelalterlichen
Die Halbwertszeit solcher Bilder ist heutzutage indes stark Stadtkern und dessen Mauern legt. Das Fraumünsterklos-
verkürzt: Die gegenwärtig hohe Baudynamik löste viele ter und die weiteren Klöster der Stadt sind als Gebäude-
­B odeneingriffe aus, die zu grundlegend neuen archäo­­ - komplexe noch intakt. Im neu erschlossenen Gebiet zwi-
lo­g ischen Erkenntnissen geführt haben – und dies auch schen Altstadt und Schanzen hat sich das frühindustrielle
künftig tun werden. Dabei haben neue wissenschaftliche Textilgewerbe angesiedelt. Hier liegen gleichzeitig die vor-
Auswertungen alte Sichtweisen widerlegt und neue Fragen nehmen Wohnbauten der Fabrikantenfamilien. Die 1893
gestellt. So zuletzt die 2020 erschienene umfassende und 1934 eingemeindeten Vororte von Zürich sind noch
­Publikation von Annina Wyss-Schildknecht zum kaiserzeit- kleine, ländlich geprägte Dörfer.
lichen Turicum.
Generell ist der Anspruch an die Archäologie hoch, jeder- Einfacher und freier Zugang
zeit aktuelle und akkurate Grundlagen für Vermittlungs­ Die technische Umsetzung orientiert sich an den heute
projekte bereit zu stellen. Dabei ist es freilich entschei- etablierten Standards, was ein Zusammenspiel mit aktuel-

103
AKTUELLES

len Geodatensätzen garantiert. Die historischen 3D-Stadt- Beispiel Strassen als Liniendatensatz geführt und sind in
modelle sind in der Applikation Zürich 4D im Internet frei- der Folge einfacher zu aktualisieren als Flächen.  Abb. 4
geschaltet und können d­ irekt erkundet werden. zeigt die verwendeten Ebenen, wobei sich deren Auswahl
Sämtliche im Amt für Städtebau erarbeiteten Grundlagen und Struktur an heute bestehenden Datensätzen orien-
für diese Modelle stehen auch als   Open Government tiert. Die Datenebene «Bodenbedeckung» entspricht
Data für Nutzerinnen und Nutzer zum Download zur Verfü- ­b eispielsweise der heutigen amtlichen Vermessung von
gung. Bodenflächen. Dieses Vorgehen ermöglicht den direkten
Vergleich mit aktuellen und künftigen Geodaten.
Technische Hintergründe
Damit sich die historischen 3D-Stadtmodelle als Daten­ Sachdaten und das Zusammenspiel von 2D und 3D
produkt etablieren können, ist deren Aktualität in Bezug Die 2D-Geodaten sind mit verschiedenen relevanten Sach-
auf archäologische und denkmalpflegerische Erkenntnis- daten ergänzt. So sind für jede Fläche der Bodenbede-
gewinne zentral. Deshalb werden die Datengrundlagen ckung nebst deren Art (z.B. Obsthain) auch die Quelle,
­z unächst in 2D verwaltet und nachgeführt; sie werden an-die Art der Quelle sowie deren Verlässlichkeit angegeben.
schliessend durch automatisierte Prozesse in 3D-Modelle Diese Zusatzinformationen ermöglichen eine differenzier-
umgewandelt  Abb. 1 und Abb. 2. te Betrachtung und Analyse der Daten besonders in der
Als Datenquellen stehen historische Karten, Ausgrabungs- Unterscheidung von dokumentierten Erkenntnissen und
und Bauuntersuchungsdokumentationen sowie weitere Ar- wissenschaftlichen Hypothesen, welche für eine Rekons­
chivalien und historische Bilddokumente zur Verfügung. truktion unumgänglich sind  Abb. 5.
Fehlen jegliche Informationen, so schliessen aktuelle, wis-
Die Informationen zur Bodenbedeckung werden in der
senschaftliche Hypothesen diese Lücken – werden aber Form von einfachen Flächen (z.B. Äcker), Linien (z.B. Land-
stets auch als solche ausgewiesen. strassen) und Punkten (z.B. Einzelbäume) gespeichert und
verwaltet. Diese einfachen Datenformen werden anschlies­
Datenebenen send in automatischen Prozessen mit unterschiedlichsten
Jedes vorgelegte historische 3D-Stadtmodell beruht auf Geodatenverarbeitungsmethoden kombiniert und durch
bis zu zehn Datenebenen. Dies ermöglicht das einfache Er- Details wie Wagenspuren oder Uferbereichen ergänzt. In
fassen und Nachführen der Daten  Abb. 3. So werden zum Kombination mit fotorealistischen Abbildungen der ent-

104
AKTUELLES

sprechenden Oberflächen ergibt sich eine Art «histori-  Einleitungsbild


sches Satellitenbild», lange bevor die ersten Satelliten um Zürich um 1800: Ausschnitt aus Zürich 4D.

die Erde gekreist sind.


1
Das letzte und visuell zentrale Element bildet die Bebau- Zürich um 3000 v.Chr. visualisiert basierend
ung. Auch hier werden die Daten initial in einem einfachen auf den erarbeiteten 3D-Stadtmodelldaten.
2D-Format erfasst. Aus diesen Grundrissen werden dann
2
mithilfe sogenannt «parametrischer Modellierung» die
Zürich um 1800 visualisiert basierend
3D-Modelle automatisch erzeugt. Die verfügbaren Parame- auf den erarbeiteten 3D-Stadtmodelldaten.
ter decken Dachformen, Fassadenmaterialien, Stockwer-
kanzahl und eine Vielzahl weiterer für die Form und das
Aussehen der Gebäude zentraler Faktoren ab. Die verwen-
deten fotorealistischen Texturen, welche die Bebauung
­z ieren, sind zu einem Grossteil aus bestehendem, bei dem
im  Baugeschichtlichen Archiv der Stadt Zürich archivier-
ten Bildmaterial abgeleitet  Abb. 6.
Neben den parametrisch modellierten Gebäuden bleibt
eine kleine Anzahl von Gebäuden, welche über ein sehr
spezifisches Aussehen verfügen. Diese Gebäude werden
manuell modelliert, um ihrer Einzigartigkeit gerecht zu wer-
den. Beispiele dafür sind das Grossmünster, die Schanzen­
anlage oder auch das Kloster Oetenbach um 1800.

Erweiterung des digitalen Zwillings der Stadt Zürich


Die total sechs Zeitschnitte erweitern den bestehenden
­digitalen Zwilling, das räumliche, digitale Abbild der Stadt
Zürich. Sie fügen sich damit ein in die bestehende 3D-­ Historische 3D-Stadtmodelle
Geodatenbasis und steuern zudem wertvolle historische von Zürich

105
AKTUELLES

3
Einblick in die initiale Erfassung der Daten-
grundlagen basierend auf historischen
­K arten.

4
Übersicht über die verwendeten Daten­
ebenen, die vom Baumbestand bis zu den
Höhenlinien reichen.

2D-Geodaten bei, welche für unterschiedlichste Analysen,


Simulationen und Visualisierungen verwendet werden kön-
nen.

Ausblick und Dank


Die beiden hier vorgelegten und diskutierten historischen
3D-Stadtmodelle machen den Auftakt zu einer Reihe
­weiterer Zeitschnitte, welche bis Ende 2024 erarbeitet wer-
den. Sie umfassen die römische Kaiserzeit und mehrere
Zustände Zürichs im Mittelalter. Auf die jeweiligen Veröf-
fentlichungen wird über Medienmitteilungen, städtische In-
formationskanäle und Newsletter von Fachorganen hinge-
wiesen.
Das Amt für Städtebau bedankt sich herzlich bei allen in-
volvierten Fachpersonen. Sie tragen mit ihrem spezifischen
Fachwissen dazu bei, dass Zürichs bauliche Geschichte
in einer bisher nicht gekannten Präzision dargestellt wer-
den kann. Besonders zu erwähnen und zu verdanken ist
­Raphael Volery, wissenschaftlicher Illustrator aus Zürich.
Er hat in langjähriger Arbeit Prototypen für 3D-Stadtmo-
delle entwickelt und damit die Grundlage für diese Arbeit
gelegt.

4 Digitaler Zwilling der Stadt Zürich

106
AKTUELLES

5
Alle erfassten Elemente sind mit zusätz­
lichen Informationen angereichert.
Hier am Beispiel eines Obsthains sowie
­e ines Wohngebäudes im «Zeitschnitt»
um 1800.

6
Dank des guten Kenntnisstands der Ge­
bäudearchitektur konnten ­s pezifische
­G ebäudetypen erkannt und ­d arauf ange-
passte automatische Modellierungswork-
flows erstellt werden.
Mit den Parametern auf der rechten Seite
kann das Aus­s ehen des Hauses ge-
steuert werden, es sind keine 3D-Model­
lierungskenntnisse nötig.

107
AKTUELLES

Niels Bleicher, Marie-Claire Ries

Ausgraben in Rekordzeit –
ohne IT, aber mit Datenbank

Die Ausgrabung von Küssnacht-Immensee Dorfplatz SZ gesagt, die enorm dichten und vielfältigen Daten korrekt
Im Sommer 2020 stand die UWAD Zürich unvermittelt miteinander zu vernetzen und auswertbar zu gestalten.
vor der Aufgabe, eine Rettungsgrabung feucht erhaltener ­U nsere Datenbank war nicht ausreichend. Eine nachträg-
prähistorischer Siedlungsreste in einer Baugrube in Küss- liche Optimierung mit einer externen Firma führte zu einem
nacht-Immensee SZ durchzuführen. Seit der letzten gros­ Datenbanknetzwerk mit mehr als 100 Tabellen und entspre-
sen Rettungsgrabung hatten sich die Ansprüche an eine chend vielen Bezügen dazwischen  Abb. 1.
moderne Dokumentation und Auswertung sowohl inhalt- Selbst damit war es noch immer unmöglich, die einzelnen
lich als auch hinsichtlich der Datenstruktur stark verändert.Schichten und Schichtbefunde zu kartieren und die Ver­
Die Digitalisierung rollt seit vielen Jahren wie eine Sturm-teilung ihrer Eigenschaften darzustellen, denn zu vieles
front auf uns zu und macht gewissermassen nicht einmal war im Format «Textfeld» oder «Bleistifthandschrift, einge-
vor der Vergangenheit halt – jedenfalls ganz sicher nicht scannt». Und selbst wenn Handschrifterkennung zuverläs-
vor den Prozessen einer archäologischen Ausgrabung. sig funktioniert hätte, dann bestünde noch immer das
Auf vieles kann man sich gut vorbereiten. Wenn man es ­Problem, dass die Verwendung der Begriffe durch die ver-
aber erstmals umsetzt, zeigen sich unvorhergesehene schiedenen Schnittleitenden so unterschiedlich war, dass
Schwierigkeiten, die manchmal kreative Lösungen erfor- diese Informationen nur schwer in einer Kartierung nutz-
dern  Einleitungsbild. bar gewesen wären. Das Problem war also seit etwa 2013
erkannt. Aber Feuchtboden-Ausgrabungen an Land sind
Vorgeschichte – oder vorgeschichtliche Datenbanken selten und Auswertungen dieser Grössenordnung noch
Die Ausgrabung von Parkhaus Opéra 2010 in Zürich war seltener. Der Alltag mit all den während der Grossprojekte
die letzte grosse Landgrabung, die in der UWAD zu bewäl- liegen gebliebenen kleineren und mittelgrossen Projekten
tigen war. Sie wurde noch vollständig traditionell durch­ forderte ebenso unsere Aufmerksamkeit. Entsprechend
geführt. Bewährte Methoden und Prozesse garantierten blieben vom Vorhaben, aus den Fehlern zu lernen, ein paar
­e inen zügigen Arbeitsfortschritt und Vergleichbarkeit mit Gedanken und Skizzen in einem flüchtig geschriebenen
anderen Ausgrabungen. Also wurden Befunde gezeichnet Konzeptpapier  Abb. 2.
und verbal beschrieben. Funde wurden in Excel-Listen ver-
waltet. Der Grabungsleiter war der Einzige, der ein Tablet Neue Fundstelle – neues Konzept
hatte – damals ein schwergewichtiges Gerät mit Henkel. Dann kam der 21.8.2021. An diesem Tag wurde in Küss-
Der Rest der Ausgrabungs-IT bestand hauptsächlich aus nacht-Immensee auf der Baustelle des Hotels Rigi Royal
stationären Rechnern mit begrenzter Vernetzung unterein- durch Christian Bader eine Pfahlbausiedlung entdeckt.
ander. Ein Konzept, wie verschiedene Leute (Funderhe- Das Staatsarchiv des Kantons Schwyz band sofort die
bung, Fundverpackung und Transport etc.) Notizen zum UWAD ein. Es war unmittelbar klar, dass es eine Ausgra-
selben Datensatz gleichzeitig ablegen sollten, fehlte. bung geben würde, nur ihr Umfang war zunächst nicht ab-
Schon während der Ausgrabung war es schwierig, die zuschätzen. Sofort wurden Trockeneissondierungen durch
Fundlisten und dergleichen à jour zu halten. Das böse Er- Peter Schwörer und Christine Michel veranlasst, um we-
wachen bei der Auswertung kam, als es darum ging, nigstens eine Schätzung der Fläche mit erhaltener Kultur-
Grundlagen für die GIS-gestützte Kartierung bereit zu stel- schicht zu erhalten. Darauf aufbauend und aufgrund der
len, die Ergebnisse der vielen naturwissenschaftlichen Da- Erfahrungswerte anderer Grabungen wurde grob der Zeit-
ten auf die einzelnen Befunde zu beziehen oder allgemein und Finanzbedarf geschätzt. Nachdem der Kanton Schwyz

109
AKTUELLES

 Einleitungsbild
Dunkle Wolken und Sonne über dem Zuger-
see in Immensee.

1
Datenbanken können komplex werden.

2
Mehrere tausend verbale Kommentare sind
schwierig auszuwerten.

3
Peter Schwörer bei der Trockeneissondie-
rung.

4
Nein, sauber war die Grabung nicht.

1 5
Winterliche Pause bei Corona-Bedingungen
im Freien und mit Abstand.

6
Ein Sedimentblock und seine Schichtkörper.
Die Ausgräberin hält in ihrer Rechten die
«Datenbank».

bald darauf grünes Licht gegeben hatte, musste nicht nur Fundkomplex einem Schichtkörper zuzuweisen und schon
ein Team von etwa zwanzig Leuten gefunden und einge- waren die Funde dreidimensional verortet. Das Wichtigste
stellt werden. Es galt auch, die Arbeitsprozesse zu defi­ aber war: Zeichnungen waren verboten und Textfelder
nieren. Und damit wurden die bösen Erinnerungen an streng limitiert.
Parkhaus Opéra wach. Also mussten die Lehren aus den Die Datenbank war innerhalb weniger Tage programmiert.
damaligen Datenbankproblemen sowie den Zeichnungen Mit Unterstützung des GIS-Kompetenzzentrums im AfS
und Textfeldern gezogen werden. Das bedeutete, mög- wurden zwei dynamische Tabellen daraus auf Knopfdruck
lichst schnell eine Datenbank zu programmieren, die die in eine SQL-Datenbank gespiegelt und standen damit
standardisierte Dokumentation durch verschiedene Aus- in GIS in 2D und 3D zur Verfügung. Prinzipiell konnte da-
gräberinnen und Ausgräber ermöglichte und dabei auch mit der Grabungsstand jederzeit live dargestellt werden
die Funde verwaltete. Es war naheliegend, eine semiquan-  Abb. 3.
titative Erfassungsmaske zu verwenden, in der standardi-
sierte Schichteigenschaften dokumentiert würden. Grund- Ein dreckiger Anfang
lage dabei war der Schichtkörper – eine dreidimensionale Die Grabung begann am 14.9.2020 – nur drei Wochen nach
Schichteinheit in jedem Quadratmeter. Es reichte, einen Entdeckung der Fundstelle. Die Datenbank stand, das Gra-

110
AKTUELLES

3 4

bungshandbuch ebenso, das Sicherheitskonzept, das Co- te reichen letztlich auch, um die Bürocontainer einer Aus-
rona-Konzept, die Finanzen, der Zeitplan und sogar das grabung auszustatten. Was fehlte, war die digitalisierte
Team. Zwei Dinge fehlten: Zum ersten ein Frontend der Datenerhebung im Grabungsschnitt. So mussten die Er-
­Datenbank, das es ermöglicht hätte, von der Grabung aus fassungsmasken der Datenbank auf Papier ausgedruckt
mit Tablets über einen Browser die Datenbank auszufüllen. und per Bleistift ausgefüllt werden. Dieses Konzept nann-
Für dessen Entwicklung fehlten Vorlaufzeit und auch die te sich grabungsintern augenzwinkernd die «analoge Da-
Ressourcen im Entwickler-Team. Zum zweiten fehlten die tenbank». Später mussten die Zettel zwar manuell abge-
Tablets. So wie auch keine Laptops oder sonstige Rechner tippt werden, aber bei diesem Arbeitsschritt konnten
vorhanden waren und kein Grabungs-WLAN: Die Informa- sogleich eine erste Datenprüfung und Fehlersuche erfol-
tik der Stadt Zürich war lange unsicher, ob sie für eine gen. Daher hielt sich der Schaden in Grenzen. Einzig auf
nicht-städtische Ausgrabung zuständig war und machte die Live-Darstellung des aktuellen Grabungsstandes muss-
sich Sorgen, dass die Geräte «schmutzig» zurückkommen te verzichtet werden  Abb. 4.
würden. Diese Argumente waren durchaus nachvollziehbar
und im Fall des Sauberkeits-Vorbehalts verblüffend weit- Ungewohntes Arbeiten
sichtig. Doch der Bürorechner des technischen Leiters Nicht jeder war mit dem neuen Vorgehen sofort glücklich.
Christian Bader, ein paar private alte Laptops mit Windows Besonders einige sehr erfahrene Ausgräber hatten zu-
2000, ein basisorientierter Rechner aus dem Sonderange- nächst Mühe, von den gewohnten freien verbalen Schicht-
bot sowie ein mobiler Hotspot mit einer privaten SIM-Kar- beschreibungen und Zeichnungen Abschied zu nehmen

5 6

111
AKTUELLES

und sich nun in semiquantitativen Beschreibungen auszu- ­ uche nach Fehlern und Widersprüchen erfolgen. Die
S
drücken. Trotz anfänglichen Schwierigkeiten des ad hoc Kombination aus der dreidimensionalen Darstellung des
zusammengestellten Teams, das grossenteils noch nie Datenstandes und den Profilfotos erlaubte eine konsis­
Feuchtbodenbefunde ausgegraben hatte und erstmals mit tente Prüfung und Rückversicherung bei der Korrektur.
einem Dokumentationssystem in Datenbanklogik konfron- Nachdem diese Arbeit abgeschlossen war, konnten die
tiert war, fassten wir bald Tritt. Die Geschwindigkeit der Schichten mit einfachen GIS-Kartierungen in grosser Ge-
Ausgrabung nahm zu. Das Fehlen der Tablets machte sich schwindigkeit dargestellt und mit den Verteilungen der
insofern schmerzhaft bemerkbar, als dass das von vielen Funde daraus verglichen werden. Der bereinigte Daten-
Teilzeitkräften und daher grosser Fluktuation geprägte stand erlaubte auch auf Knopfdruck das Erstellen von
Team jeden Morgen eine Viertelstunde mit der Suche nach 3D-Modellen der Schichten, Pfähle, Profile und liegenden
den richtigen Erfassungszetteln verbrachte. Auch der Ab- Hölzern  Abb. 7.
gleich mit den Nachbar-Quadranten würde von einem Währenddessen unternahmen Eda Gross und Philipp Gleich
­korrekten Frontend enorm profitieren. Dennoch konnten eine erste Sichtung und Darstellung des Fundmaterials.
wir uns bald über eine grosse Zahl an dreidimensional ­Typologie und jeweilige Mengen lagen nach etwa zehn
im Rechner montierten, entzerrten Profilfotos, einen sehr ­Wochen in Form von Datenbankeinträgen und Texten vor
fehlerarmen Prozess im Fundmanagement und erste Kar- und waren für erste Auswertungen und Vergleiche nutzbar.
tierungen von Schichten und Pfählen freuen. Im selben Zeitraum schloss Monika Isler die Bestimmung
Ungewohnt war auch das Arbeiten unter Corona-Bedin- der Holzarten ab, und es wurde eine erste Serie von
gungen. Abstand wahren funktioniert in der Mittagspause dendrochronologischen Messungen unternommen. Nach
recht gut, wenn gutes Wetter ist. Bei Schneeregen und fünf Monaten und zwei Wochen stand das Publikations­
­Minusgraden wird es schon anspruchsvoller. Es blieb glück- manuskript für den «Werkstattbericht», der inzwischen
licherweise bei nur einem einzigen Corona-Fall im Team. im Band 113 der  «Mitteilungen des Historischen Vereins
Ansteckungen während der Arbeit hat es also keine gege- des Kantons Schwyz» erschienen ist.
ben. Offensichtlich war das Team umsichtig und diszipli- Die von Céline Griessen und den Autoren mit Unterstüt-
niert genug  Abb. 5. zung des GIS-Kompetenzzentrums erstellten 3D-Modelle
Wie ungewohnt das Arbeiten mit Papierdatenbank und standen für die kleine Wanderausstellung zur Verfügung,
Maske auch gewesen sein mag – viele im Team haben sich die Christine Michel im Auftrag des Staatsarchivs Schwyz
schliesslich damit arrangiert. Nichts demonstriert das so für die Schwyzer Bevölkerung konzipierte und die im Sep-
deutlich wie der letzte Grabungstag. Als am Freitag, 18.12., tember 2021 – fast auf den Tag genau ein Jahr nach Gra-
um 16h den Ausgrabenden freigestellt wurde, ob sie ab- bungsbeginn – eröffnet wurde. Die Ausstellung hat – wie
schliessen oder auf der letzten technisch erreichbaren die Ausgrabung auch – analoge und digitale Elemente, und
­F läche noch einen letzten Quadratmeter ausgraben woll- einiges kann auf Pfahlbauten im Kanton Schwyz online be-
ten, votierten sie geschlossen für den weiteren Quadrat- trachtet werden.
meter. Was können Grabungsleiter mehr wollen?  Abb. 6.
Ein Schritt nach vorn
Auswertung im Turbogang Eine Schichtgrabung am Seeufer ist relativ einfach in
Nachdem die Schichtkörper im Januar und Anfang Febru- ­D atenbank-Form darzustellen. Gewissermassen ist sie
ar 2021 digitalisiert waren, konnte die abschliessende der Idealfall einer archäologischen GIS-Anwendung. Eine

112
AKTUELLES

Stadtkerngrabung mit komplexen Baustrukturen ist im 7


­Vergleich viel schwieriger. Deswegen und wegen der Er­ Ein Schichtblock, seine tabellarische
­Darstellung und die generische Darstellung
fahrungen von Parkhaus Opéra war es möglich, mit wenig
in 3D ( links ). Schichtkörper der Schicht 1
Vorbereitungszeit eine Grabung mit einem datenbankge- ( rechts ) .
triebenen Dokumentationssystem durchzuführen. Die Aus-
grabung von Immensee-Dorfplatz hat gezeigt, welches 8
Das Luftbild zeigt die Ausgrabung. Im Mo-
­Potential in der Digitalisierung von Ausgrabungsprozessen
dell lassen sich Zeitebenen überblenden.
steckt. Wissenschaftliches Potential und mehr noch finan- Hier ist die Lage der Grabung mit der heuti-
zielles. Die schnelle Auswertung hat sich auch in geringe- gen Bebauung und dem neolithischen
ren Kosten niedergeschlagen. Die Daten sind leicht publi- Seepegel dargestellt. Das «x» markiert ein
zierbar. Die Auswertung liesse sich teils sogar noch weiter abgerissenes Gebäude, die violette Linie
­e inen früheren Bachlauf.
beschleunigen, weil wir das Erstellen der 3D-Modelle erst
lernen mussten. Es gibt also noch viel zu optimieren, aber
ein Anfang ist gemacht  Abb. 8.

Die dreidimensional montierten Schichtprofile. Pfahlbauten im Kanton Schwyz

113
AKTUELLES

Andreas Mäder, Christine Michel, Niels Bleicher, Thierry Bossard

PastZurich – virtuelles Pfahlbaudorf


mitten in Zürich

Pfahlbaufundstelle Parkhaus Opéra lich aufbereiteten, virtuellen Erlebnissen, die mit wenig
Die Ufer des Zürichsees waren in der Jungsteinzeit wäh- Zeitaufwand konsumiert werden können – im vorliegenden
rend hunderten von Jahren dicht besiedelt. Die Überreste Fall sozusagen wissenschaftlich fundiertes, aber thema-
der einstigen Pfahlbausiedlungen haben die Jahrtausende, tisch fokussiertes «archäologisches Fastfood» mit ausge-
eingelagert in schützende Seesedimente, unbeschadet wählten Leckerbissen. Das standortgetreue Modell zeigt
überdauert. Mit dem Bau eines unterirdischen Parkhauses das Pfahlbaudorf in Originalgrösse vor rund 5000 Jahren
unter dem Sechseläutenplatz mitten in Zürich, kamen mitten im heutigen Zürich  Abb. 2.
Pfahlbauschichten zum Vorschein: 2010 erfolgte deshalb
eine umfangreiche Rettungsgrabung, um die international Grundidee
bedeutenden Funde zu bergen. Zwar ist mit der Grabung Das Ziel war die Entwicklung einer mobilen Anwendung,
und dem Bau des Parkhauses die archäologische Origi­ mit welcher die Öffentlichkeit in einer digitalen und in­
nalsubstanz nun verschwunden, doch anhand der zahlrei- novativen Form die Geschichte der Stadt vor Ort erleben
chen Funde und detaillierter Analysen der archäologischen kann. Das System sollte als interaktive, mobile App mit
Schichten und Hölzer konnten das Pfahlbaudorf und die AR-Inhalten auf gängigen Smartphones und Tablets funk-
Umwelt in der Jungsteinzeit rekonstruiert werden. tionieren. Verständlich und spannend gestaltete Inhalte
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Analyse werden der sollen ein spielerisches Eintauchen in Zürichs Pfahl-
breiten Öffentlichkeit auf verschiedenen Ebenen zugäng- bau-Vergangenheit erlauben, ohne dass die App mit Infor-
lich gemacht. Originale Funde und Replikate sowie weite- mationen überladen ist. In sieben der 25 rekonstruierten
re Informationen zur Fundstelle Parkhaus Opéra können im Häuser werden die sieben UNESCO-Fundstellen des
archäologischen Fenster im Parkhaus Opéra besichtigt ­Kantons Zürich, im achten Haus die Fundstelle Parkhaus
werden; dort sind auf einer grossen Medienwand kurze ­O péra thematisiert   Einleitungsbild. Das virtuelle Pfahl-
Film-Spots zur Pfahlbauarchäologie und im Speziellen baudorf befindet sich am ursprünglichen Standort auf dem
zur AR-App  pastZurich zu sehen  Abb. 1. Das reich be- Sechseläutenplatz. Jedes Haus ist genau dort platziert,
bilderte und verständlich geschriebene Buch «Steinzeit wo es vor über 5000 Jahren stand  Abb. 3.
im Parkhaus» von Niels Bleicher erlaubt spannende Ein-
blicke in den international beachteten Fundort und die Welt Datengrundlagen, Umsetzung und Funktionalitäten
der Pfahlbauer. Als primäre Datengrundlage dienten die riesigen Daten- und
Fundmengen aus der mehrjährigen wissenschaftlichen Aus-
Virtuelles Pfahlbaudorf mitten in Zürich wertung. Diese umfassen hunderttausende von Pfählen,
Seit 2011 gehört eine Auswahl von 111 Pfahlbaufundstel- Funden, Proben sowie zeichnerische und fotografische
len aus der Schweiz, Österreich, Frankreich, Deutschland, ­Dokumentationen. Zahlreiche interdisziplinäre Forschungs-
Italien und Slowenien zum UNESCO-Weltkulturerbe «Prä- teams generierten daraus umfassende Analysen, auf deren
historische Pfahlbauten um die Alpen». Anlässlich des Grundlagen schliesslich das Pfahlbaudorf Opéra in Zusam-
10-jährigen Jubiläums bot sich die Gelegenheit, mit der menarbeit mit vrbn Studios AG und dem GIS-Kompetenz-
Entwicklung der AR-App pastZurich ein neues spannen- zentrum des Amts für Städtebau digital rekonstruiert und als
des Angebot an die Zürcher Bevölkerung, Touristen und 3D-Modell mit GIS dargestellt werden konnte.
weitere Interessierte zu richten. Augmented Reality (AR) In einem ersten Schritt wurden, mit Unterstützung von
entspricht den Bedürfnissen unserer Zeit nach anschau- Spark Works AG, Ansprüche und Probleme der zukünfti-

115
AKTUELLES

Zurück in
die Steinzeit
Tauchen Sie mit der Augmented Reality App «pastZurich»
in das virtuelle Pfahlbaudorf auf dem Sechseläutenplatz
vor 5000 Jahren ein.

 Einleitungsbild 2
Interaktive POI's in einem Pfahlbauhaus. Das Pfahlbaudorf Zürich Parkhaus Opéra
mitten im Winter, im Hintergrund das Opern-
1 haus Zürich.
Die App pastZurich wurde auf dem Sechse-
läutenplatz mit Plakaten beworben. Sie 3
ist seit dem 12.4.2021 im App Store ( iOS ) Inhaltliche Themen und Standorte
und Play Store ( Android ) kostenlos ver­ der sieben UNESCO-Weltkulturerbe-Häuser
fügbar. ( 2–8 ).

116
AKTUELLES

117
AKTUELLES

gen Nutzerinnen evaluiert und erste Lösungsansätze s­ owie Mit der App können die Häuser in lebensgrossem Mass-
«Personas» skizziert – mit Interviews in der Öffentlichkeit stab betreten und die Innenräume erkundet werden. Unter
und dem «Design-Thinking-Ansatz». Ein von Smart City dem Hausrat der damaligen Bewohnerinnen und Bewoh-
Zürich organisierter Kreativ-Workshop schuf in einem zwei- ner finden sich verschiedene sogenannte «Points of In­
ten Schritt bei allen Projektbeteiligten ein gemeinsames terest»  Abb. 4–6, in denen weiterführende Informationen
Verständnis. Die technische Umsetzung der App erfolgte und Bilder zu Themen aus der Pfahlbauzeit abgerufen wer-
durch die Firma Bitforge AG im Rahmen weiterer Work- den können.
shops, um die Möglichkeiten von Augmented Reality mög-
lichst breit zu nutzen. Erst danach begann die App-Ent- Ausblick
wicklung, welche – dank der soliden Konzeption – innert Die Bezeichnung pastZurich erlaubt es, unter diesem Titel
weniger Wochen durch Bitforge AG umgesetzt werden die modular aufgebaute Applikation bei Bedarf mit weite-
konnte. Das Projekt konnte somit innerhalb eines Jahres ren Modulen zu Zürichs Vergangenheit zu erweitern. Die-
realisiert werden. se virtuellen archäologischen Fenster sollen zusammen mit
Die Grösse des Sechseläutenplatzes und des 3D-Modells den physisch vorhandenen  Archäologischen Fenstern der
mit mehreren Häusern und Stegen in Originalgrösse stellte Stadt Zürich das Rückgrat der nachhaltigen Vermittlung
die Entwickler vor eine grosse Herausforderung. AR-Model- der kulturhistorischen Vergangenheit und insbesondere
le im mobilen Anwendungsbereich sind in der Regel kleiner. von archäologischen Fundstätten in Zürich bilden.
Dazu kam das wichtige Element der Immersion: Wie schafft Am Best of Swiss App Award 2021 vom 03.11.2021 ist past-
man es, das Pfahlbaudorf geografisch so zu positionieren, Zurich zwar in den Kategorien «Extended Reality» mit dem
dass sich Nutzende auf der Höhe der Pfahlbau-Stege be- zweiten und «User Experience und Usability» mit dem drit-
wegen und zugleich das Gefühl erhalten, dass sich ein paar ten Platz ausgezeichnet worden. Allerdings zeigt die Nut-
Meter unter ihnen Pfähle im See befinden? Ein guter Mittel- zungsstatistik auch, dass noch vermehrte Anstrengungen
weg für das ideale Erlebnis musste gefunden werden. unternommen werden müssen, um pastZurich breiter be-
Die App bietet einerseits ein interaktives AR-Erlebnis, in- kannt zu machen. Bis Januar 2022, also innerhalb von
dem man mit dem eigenen Smartphone oder Tablet vor Ort neun Monaten, haben 12 736 Personen den Store-Eintrag
in eine vergangene Welt einzutauchen kann, welche in die- besucht und rund 1500 Interessierte haben pastZurich
ser archäologischen Detailliertheit, Grössenordnung und letztendlich auf ihrem Gerät installiert.
Performanz sicherlich herausragend ist. Andererseits gibt
es zusätzlich ein Miniaturmodell, das man an einem belie-
bigen Ort und in verschiedenen Grössen platzieren kann
und dem die wichtigsten Informationen entnommen wer-
den können, sollte der Sechseläutenplatz einmal belegt
sein oder man nicht vor Ort sein kann. Das immersive Er-
lebnis und die interaktive Erkundung des Pfahlbaudorfs ist
jedoch nur vor Ort möglich.

Vorschau der App pastZurich

118
AKTUELLES

4–6
3D Beispiele von 3D-Objekten als POI's
in der App pastZurich.

3D

3D

119
AKTUELLES

Renate Ebersbach, Simone Benguerel, Markus Gschwind, Franziska Pfenninger, Katharina Schäppi

PalaFitFood – Wissenschaft,
die durch den Magen geht

2011 wurden die «Prähistorischen Pfahlbauten um die ­ rchäologie. Was kann man herausfinden und was nicht?
A
­ lpen» zum UNESCO-Welterbe. Zum 10-jährigen Jubiläum
A Kann man die Verwendung von unsichtbaren Nahrungsmit-
hat der PalaFitFood-Blog ein ganzes Jahr lang Spannen- teln wie Salz oder Alkohol vielleicht doch irgendwie bele-
des, Leckeres und Überraschendes rund um das Thema gen? Die Verwendung von verschiedensten Sammelpflan-
Essen zur Zeit der Pfahlbauer vermittelt. zen (nachgewiesen sind über 300 Pflanzenarten) sollte die
Dank guter Erhaltungsbedingungen in den Pfahlbau-Fund- Nahrungsvielfalt und das gute Umweltwissen der Pfahl-
stellen rund um die Alpen verfügt die Feuchtbodenarchäo- bauerInnen aufzeigen und das Publikum dazu animieren,
logie über sehr detaillierte Kenntnisse zu den Themen­ beim nächsten Sonntagsspaziergang selbst Essbares mit
bereichen Ernährung, Vorratshaltung, Anbautechniken, nach Hause zu bringen.
Der Name   PalaFitFood ist von «palafittes» abgeleitet,
Tier- und Pflanzennutzung über mehrere tausend Jahre hin-
weg  Einleitungsbild. Dieses Wissen wurde im Food-Blog ­einer französischen Bezeichnung für Pfahlbauten. Der Blog
palafitfood.com und auf dem gleichnamigen Instagram-­ war einer von zahlreichen Beiträgen zum von der Interna-
Kanal «palafitfood» allgemeinverständlich und kurzweiligtional Coordination Group Palafittes (ICG) des Welterbes
präsentiert, mit Themen, die auch heute (wieder) relevant
Pfahlbauten ausgerufenen Jubiläumsjahr. Gegenüber den
sind: Nose to Tail, vegetarisch und vegan, Saisonalität und
geplanten Präsenzveranstaltungen hatte er den Vorteil,
Regionalität von Lebensmitteln. Er sollte neben Archäolo-dass PalaFitFood im digitalen Raum stattfand und daher
gie- und Geschichtsinteressierten vor allem auch Foodies selbst in Zeiten pandemiebedingter Kontaktbeschränkun-
ansprechen, die sich generell für gesunde Ernährung inte-gen jederzeit und für einen breiten Kreis an Interessierten
zugänglich war.
ressieren und selbst gerne kochen. Wöchentlich wechseln-
de Blogthemen, die sich an den Jahreszeiten und der prä-Entsprechend positiv war die Resonanz. Innerhalb des
historischen Verfügbarkeit von Lebensmitteln orientierten,
letzten Jahres haben nicht nur über 1000 Personen @pala-
wurden durch passende Rezepte zum Nachkochen ergänzt. fitfood abonniert, sondern die Homepage hatte über 48 000
Monatliche Challenges mit einem Warenkorb an passen- Aufrufe von 16 400 verschiedenen Besuchern, darunter mit
den Zutaten luden zum Mitmachen ein. hohen Zahlen auch aus nicht-deutschsprachigen Ländern
Der Blog orientierte sich an den durch archäozoologische
wie den USA, Frankreich, Holland oder England. Sehr er-
und archäobotanische Analysen nachgewiesenen Tier- und freulich war auch die Beobachtung, dass sich ein jüngeres
Pflanzenarten und an der – im Vergleich zu heute – be- Publikum für das Projekt interessierte, so waren die Alters-
schränkten saisonalen Verfügbarkeit von Lebensmitteln. gruppen 35–44 und 25–34 auf Instagram am häufigsten
Alles, was an essbaren Pflanzen und Tieren belegt ist bzw.
vertreten. Diese Zusprache hat uns ermutigt, aus dem Blog
vorgekommen sein könnte, durfte verwendet werden. Über ein PalaFitFood-Kochbuch zu machen, das sich bereits in
das ganze Jahr hinweg gab es spannende Informationen Arbeit befindet.
zur Pfahlbauarchäologie und überraschende Fakten über Obwohl es sehr viel Arbeit und Disziplin erforderte,
das Leben in den jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen
­wöchentliche Blogs mit erstklassigen Bildern und korrek-
Pfahlbaudörfern (ca. 5000–800 v.Chr.), die nicht nur dastem wissenschaftlichem Inhalt zu erstellen, hatten wir alle
Kochen und Essen betrafen. Angesprochen wurden auch viel Spass bei diesem Projekt und haben eine Menge
Themen wie Hygiene, Nachhaltigkeit, Umgang mit (Haus-) ­g elernt. Auf unserer inneren Landkarte sind jetzt auch
Tieren, Drogen oder Mangelernährung. Ein wichtiger As- Schlehen­h ecken, Wildapfelbäume oder Bärlauchvorkom-
pekt war auch die Vermittlung der Arbeitsweisen der men verzeichnet, wir haben Blut, Innereien, Schweine­

121
AKTUELLES

 Einleitungsbild 1
Einheimische Zutaten für herbstliche Die entwickelten Rezepte decken ver­
Früchte-Chutneys. schiedene Gänge, Zubereitungsarten und
vor a­ llem die unterschiedlichen Jahres-
zeiten mit den jeweils in der Jungsteinzeit
ver­fügbaren Lebensmitteln ab.

122
AKTUELLES

köpfe und I­nsekten gegessen, Ötzis Mageninhalt nach­


gekocht, Frischkäse und Rindenbrot gemacht und Erdöfen
ausgeschaufelt, und wir besitzen jetzt alle einen Falt-­ PalaFitFood
Reflektor für phantastisch ausgeleuchtete Essensbilder
 Abb. 1.

Holler-Grünkern-Brei
Kochtopfscherben mit verkohlten Essensresten, die Mit diesem Rezept haben wir getestet, wie zu Griess
­A rchäolog*innen in Pfahlbaufundstellen finden, lassen vermahlener Grünkern schmeckt, wenn er zu einem süs-
vermuten, dass Getreidebrei-Gerichte bei den Pfahlbau- sen Brei verkocht wird. Überrascht waren wir, wie inten-
er*innen ebenso häufig auf dem Speiseplan standen wie siv der Griess beim Aufkochen nach dem Buchenholz-
bei den Römern. Letzteres wissen wir, weil der römische feuer riecht und schmeckt, über dem der Grünkern
Dichter Plautus seine Landsleute in der Komödie Mos- gedörrt wurde. Durch das Garkochen wurde der Rauch-
tellaria von hochnäsigen Griechen als «pultiphagi bar- geschmack dann aber so stark abgemildert, dass er
bari» – breifressende Barbaren – verspotten liess (Plau- nicht mehr störte, sondern dem Brei eine milde, interes-
tus, Mostellaria 828, ca. 200 v. Chr.). sante Geschmacksnote verlieh.

Zutaten
– Gedarrter Grünkern
– Holunderbeeren
– Honig
– Getrocknete Kornelkirschen
2

Zubereitung
1 Grünkern zu Griess vermahlen.
2 Holunderbeeren waschen und von den Dolden abzupfen.
3 Holunderbeeren mit etwas Wasser aufkochen.
4 A bwechselnd unter Rühren den Grünkern-Griess und heisses Wasser
den Holunderbeeren beigeben und aufkochen.
5 D en Brei auf kleiner Flamme garkochen und mit etwas Honig abschmecken.
6 Von getrockneten Kornelkirschen das Fruchtfleisch in Streifen vom Kern
schneiden und in den Brei einrühren.
7 Brei mit Kornelkirsch-Fruchtfleischstreifen bestreuen und heiß servieren.

123
AKTUELLES

Tim Wehrle

Kontinuität und Wandel an der UNESCO-


Fundstelle Wädenswil-Vorder Au

Die Fundstelle Wädenswil-Vorder Au, welche seit 2011 zum Die Arbeit wurde später durch Kurt Altorfer aufgearbeitet
UNESCO-Weltkulturerbe «Prähistorische Pfahlbauten um und 2005 in der Publikationsreihe «Zürcher Archäologie»
die Alpen» gehört (siehe Beitrag in Fachbericht 2), ist für veröffentlicht.
die archäologische Forschung eine der interessantesten
Fundstellen am Zürichsee   Einleitungsbild. Die Kultur- Neues aus Wädenswil
schichten, welche in die Epochen des Horgen, der Schnur- Neben den Erkenntnissen von Anne-Catherine Conscien-
keramik und der Frühbronzezeit eingeordnet werden kön- ce wurden auch die schnurkeramischen Funde durch Beat
nen, liefern zudem Daten und Zeugnisse aus kulturellen Eberschweiler und die Horgener Funde durch Annick de
Übergangsphasen. Die Veränderungen der materiellen Kul- Capitani publiziert. Seit diesen Publikationen wurde die
tur können Hinweise geben über die Ursachen und gesell- Fundstelle durch die Taucher der UWAD weiter untersucht.
schaftliche Bedeutung des Geschehens. Die frühe archäo- Dabei wurden 141 neue Bohrungen vorgenommen und
logische Forschung ging bei solchen Wechseln meist 202 m 2 oberflächlich untersucht und die Hölzer beprobt
von «neuen Kulturen», mitgebracht von eingewanderten  Abb.1. Neue Dendrodatierungen von Niels Bleicher be-
­M enschengruppen, aus. Diese Szenarien sind heute nur stätigten einige ältere Datierungen, ergaben aber auch
noch für wenige Übergangsphasen, wie der von Horgen neue Schlagphasen.
zur Schnurkeramik, haltbar – und selbst da nur in ab­ Eine umfassende Auswertung des Fundmaterials dieser
geschwächter Form. Die neuesten Daten zeigen meist neuen Aktionen und eine überarbeitete Pfahlfeldanalyse
­e inen graduellen Wandel mit einer Kontinuität traditionel- reichte der Autor 2021 als Masterarbeit an der Universität
ler ­F ormen an, welche nur langsam verschwinden. Solche Bern ein.
w eniger spektakulären Entwicklungen lassen sich am
­
ehesten mit inneren Entwicklungen, Fremdkontakten, Han- Rätselhaftes Topffragment
del und Know-how-Transfer erklären. Im neu ausgewerteten frühbronzezeitlichen Fundmaterial
Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des UNESCO-Welt- wurde ein rätselhaftes Keramikfragment entdeckt, welches
kulturerbes «Pfahlbauten um die Alpen», welches 2021 ge- zu einigen rauchenden Köpfen in der Fachwelt geführt
feiert werden konnte, sollten die neuesten Erkenntnisse hat. Es weist eine wulstartige, für die Frühbronzezeit am
aus Wädenswil-Vorder Au kurz dargelegt werden. Gleich- Zürichsee einzigartige Verzierung auf. Ähnliche Funde sind
zeitig gedenken wir unserer vor 20 Jahren verstorbenen von Cazis-Cresta in Graubünden bekannt; damit besteht
Kollegin, der Archäologin Anne-Catherine Conscience. Der für Wädenswil-Vorder Au eine Verbindung in die Alpen­täler
Unfall ereignete sich im Einsatz unter Wasser an der Fund- und zu den Pässen in den Süden. Für die Frühbronzezeit
stelle Zürich-Alpenquai. Ihre Abschlussarbeit an der Uni- ist dies der früheste Nachweis einer solchen Verbindung
versität Zürich umfasste die Auswertung der frühbronze- am Zürichsee  Abb. 2.
zeitlichen Befunde und Funde von Wädenswil-Vorder Au. Um diese These weiter zu erhärten, müsste das Topffrag-
ment mit den Funden aus Cresta-Cazis verglichen werden:
Dazu wird die sogenannte Magerung der Scherbe analy-
siert, d.h. die dem Ton beigemengten Zuschlagstoffe, mit
denen beim Brand Spannungsrisse vermieden werden.
Fachbericht Nr. 2:
UNESCO-Fundstelle ­Damit könnte aufgezeigt werden, ob die Keramik lokal her-
Wädenswil-Vorder Au gestellt oder importiert worden war.

125
AKTUELLES

 Einleitungsbild
Einsatz der Unterwasserarchäologie Zürich
an der Fundstelle Wädenswil-Vorder Au.

1
Überblick über die Fundstelle Wädens-
wil-Vorder Au mit allen Sondierungen
( Kernbohrungen, Trockeneissondierungen ),
Feld B im Norden und Feld A im Süden
­s owie die Oberflächenaufnahmen 2012 und
2014 im Süden.

2a–b
Töpfe mit Wulstverzierungen.
a: Cazis-Cresta, b: Wädenswil-Vorder Au.

Schnurkeramische und frühbronzezeitliche Fund­ Eintrag organischen Materials durch die Bewohner dafür
stellen verantwortlich, beispielsweise in Form von Abfall.
Dank den jüngsten dendrochronologischen Datierungen Nebst Wädenswil-Vorder Au gibt es am Zürichsee vier wei-
des Zürcher Labors und einer eingehenden Pfahlfeldana- tere Siedlungen mit datierten Kulturschichten der späten
lyse konnten mehrere neue Bauphasen der Schnurkeramik Frühbronzezeit  Abb. 4 (Nr. 2–4 und 6). Sie datieren in den
(2800–2200 v.Chr.) und der frühen Bronzezeit (2200–1550 Zeitraum von 1665–1602 v.Chr. Dazu kommen zwei weite-
v.Chr.) festgestellt werden. re Fundstellen, die typologisch in die Frühbronzezeit da-
Am Zürichsee sind acht schnurkeramische Fundstellen mit tieren  Abb. 4 (Nr. 6–7). Die vier jahrgenau datierten Sied-
ähnlicher Datierung wie Wädenswil-Vorder Au bekannt lungen sind alle etwas jünger als Wädenswil-Vorder Au und
 Abb. 3. Sie datieren in den Zeitraum von 2570–2419 v.Chr. zeigen noch nicht den Reichtum an Keramikverzierungen,
Neben Wädenswil-Vorder Au ist nur Erlenbach-Winkel welcher für die spätere, entwickelte Frühbronzezeit typisch
­besser untersucht, die übrigen sechs schnurkeramischen zu sein scheint  Abb. 5. Die Siedlung in Wädenswil-Vorder
Fundstellen sind nur ausschnittsweise untersucht oder Au ist die einzige mit viel reich verzierter Keramik, welche
noch nicht ausgewertet. Generell sind die schnurkerami- den Übergang zur nachfolgenden Mittelbronzezeit am
schen Siedlungsschichten am Zürichsee schlecht erhalten, ­Z ürichsee um 1550 v.Chr. repräsentiert. Dieser Übergang
wenig ausgeprägt oder erodiert. Diese Überlieferungslü- ist deshalb von Bedeutung, da in der folgenden Mittelbron-
cke ist noch nicht enträtselt. Womöglich ist der geringere zezeit ab 1550 v.Chr. an den zirkumalpinen Seen keine

2a 2b

126
AKTUELLES

127
AKTUELLES

Rätselhaftes Keramikfragment aus Wädenswil- 5a


Vorder Au.

 3
Fundstellen der Schnurkeramik mit ähnlicher
Datierung wie Schicht 2 und 3 von Wädens-
wil-Vorder Au:
1 Wädenswil-Vorder Au
2 Zürich-Mythenschloss
3 Rüschlikon-Rörli
4 Küsnacht-Hörnli
5 Erlenbach-Winkel
6 Horgen-Scheller
7 Meilen-Schellen
8 Männedorf-Strandbad
9 Hombrechtikon-Feldbach West
5b

 4
Fundstellen der Frühbronzezeit mit ähnlicher
Datierung wie Schicht 1 von Wädenswil-­
Vorder Au:
1 Wädenswil-Vorder Au
2 Zürich-Bauschanze
3 Meilen-Schellen
4 Meilen-Rorenhaab
5 Rapperswil-Jona-Feldbach Ost
6 Rapperswil-Jona-Technikum
7 Freienbach-Hurden Rosshorn
1–4: Kanton Zürich, 5–6 Kanton St. Gallen,
7 Kanton Schwyz

5a–c
Reichverzierte Keramik aus Wädenswil-­
Vorder Au.
5c

128
AKTUELLES

6
Frühe Siedlungsphase der Schnurkeramik
in Wädenswil-Vorder Au mit Zaun oder
­P alisade zwischen den Gebäuden 12 und 13.

129
AKTUELLES

7a 7b

7a–b
Späte Siedlungsphase der Schnurkeramik
in Wädenswil-Vorder Au. Links datiertes Ge-
bäude, rechts undatiertes Gebäude.

8
Siedlungsphasen der Frühbronzezeit in
­W ädenswil-Vorder Au.

130
AKTUELLES

Pfahlbausiedlungen mehr beobachtet werden können. Fazit


Was genau zu diesem Hiatus führte, ist eine zentrale Fra- Die Masterarbeit des Autors bestätigt die grosse Bedeu-
ge der Forschung. Mögliche Szenarien reichen von klima- tung der Fundstelle Wädenswil-Vorder Au. Gerade für die
tischen Einflüssen bis zu kriegerischen Auseinanderset- Epochenübergänge könnte sie entscheidende Hinweise
zungen. liefen. Was führte zur Aufgabe der Siedlungen an den Seen
Dank den jahrgenauen Dendrodaten und der Pfahlfeld­ rund um die Alpen? Die Häufung von Schwertfunden aus
analyse konnten in Wädenswil-Vorder Au Siedlungsphasen dieser Zeit könnte auf eine Zunahme von Gewalt deuten
erfasst werden, welche allein aus den Funden bislang nicht und das Bedürfnis von sichereren Siedlungsorten. Erste
ersichtlich gewesen sind. Dies zeigt die Bedeutung von klimaarchäologische Untersuchungen deuten auf eine
grossflächigen und zusammenhängenden Pfahlfeldaufnah- ­Verschlechterung des Klimas in dieser Zeit. Diese Inter­
men und -analysen. pretation der Daten wird aber noch diskutiert (siehe Bei-
Mit den neuen Daten konnte zum ersten Mal ein kleiner trag «Das Problem mit der Klimaarchäologie – Relevanz,
Ausschnitt aus den Dörfern zweier Siedlungsphasen in Zeitgeist und Methodik» S. 14).
­W ädenswil-Vorder Au rekonstruiert und die Dorfgeschich- Die neuen Daten erhärten Trends, welche andernorts am
te diskutiert werden. Dies erlaubt Aussagen über die Er- Zürichsee schon festgestellt werden konnten. So finden
richtung der Siedlung und die Wirtschaftsformen. sich quadratische Bauten und Zäune oder Palisaden, wel-
che mitten durch die Siedlung verliefen und zumindest
Schnurkeramische Hausstrukturen ­e inen Teil der Häuser physisch voneinander trennten. Die-
Es konnten zwei schnurkeramische Hauptsiedlungsphasen ses frühe Social Distancing ist ebenso Teil der neuesten
identifiziert werden. Eine frühe um 2570 v.Chr. und eine Forschungen. Handelt es sich hier um Abgrenzung zwi-
späte um 2425 v.Chr. Die frühe Phase dauerte drei Jahre schen möglichen Grundstücken oder hatte die Trennung
 Abb. 6. Dabei wurden 2570 v.Chr. drei Gebäude (10–12) eine soziale Komponente, wie etwa die Trennung von
errichtet und jeweils eines 2569 v.Chr. (13) und 2568 v.Chr. Reich und Arm? Von Fremden und Einheimischen? Oder
(14). Gebäude 15 konnte leider nicht datiert werden, passt könnte es sich auch um eine Abgrenzung von Berufsgrup-
aber in seiner Ausrichtung gut zu den anderen. Ob es sich pen handeln?
bei den Gebäuden 10–12 um die ersten an diesem Sied- Ebenso spannend ist die vermutete Beziehung in die Al-
lungsplatz handelt, kann nicht gesagt werden, da noch pen. Dass das Kupfer für die Bronzeartefakte aus den
nicht die ganze Siedlungsfläche aufgenommen wurde. ­Alpen kommt, konnte schon mehrfach bestätigt werden.
Die späte Phase besteht nur aus einem datierten Gebäu- Das Zinn hingegen kam von weither. Handelsbeziehungen
de (18) und einem undatierten (16), welches aber in ­Grösse waren somit unerlässlich, um den neuen Werkstoff Bronze
und Ausrichtung identisch ist mit dem datierten  Abb. 7. herzustellen: Mehrere Keramikfragmente aus Wädenswil-
Der Abstand der Gebäude ist allerdings mit ca. 135 m sehr Vorder Au zeigen – nebst dem oben gezeigten, verzierten
gross und die Zuordnung bleibt somit vage. Fragment – deutliche Verbindungen in die Alpen und so-
mit in Richtung zu diesem Rohstoff. Zusammen mit den
Frühbronzezeitliche Hausstrukturen gefundenen Schmelztiegelfragmenten, könnte es sich bei
In den 32 Jahren zwischen 1630 und 1598 v.Chr. konnten der Siedlung in Wädenswil-Vorder Au um einen Werkplatz
vier Bauetappen identifiziert werden   Abb. 8. Ein erstes für Bronze handeln.
Gebäude wurde um 1630 v.Chr. errichtet. Ob es das ein­ Die weitere Untersuchung des Siedlungsplatzes wird nicht
zige ist an diesem Siedlungsplatz ist unklar, da nicht die nur für die Schnurkeramik und Frühbronzezeit, sondern
ganze Fläche untersucht wurde. Im Jahre 1614 v.Chr. er- auch für die Horgenerzeit (3400–2800 v.Chr.) neue Ergeb-
folgte dann der Bau von drei weiteren Gebäuden nördlich nisse liefern. Zudem konnten in Bohrungen ältere Schich-
des ersten. Vier weitere Gebäude wurden in den ­J ahren ten beobachtet werden, welche allerdings noch nicht den­
1610–1603 v.Chr. errichtet. Eines davon wurde über den drodatiert werden konnten. Diese UNESCO-Fundstelle
Standort von Gebäude 1 gebaut. Im Jahr 1598 v.Chr. wird somit auch in Zukunft weitere wichtige Erkenntnisse
schliesslich, wurde ein neues Gebäude über die Standor- für die Archäologie bereithalten.
te der ehemaligen Gebäude 2 und 4 gebaut.
Warum die Dörfer schliesslich aufgegeben wurden, konn-
te bis jetzt noch nicht festgestellt werden. Einzig eine
Brandkatastrophe kann ausgeschlossen werden, da in den
verschiedenen Schichten keine Anzeichen von Brandereig-
nissen gefunden wurden.

131
AKTUELLES

Anna Kienholz

Das Ende einer 100-jährigen Suche – die erste


Seeufersiedlung mitten im Luzerner Seebecken

Hundert Jahre wurde nach den prähistorischen Ufersied- fanden sich keine Funde und auch keine Spuren einer Kul-
lungen im Luzerner Seebecken geforscht. Dank einem turschicht.
­Leitungsgraben für eine Wasserentnahme wurde die erste Wegen dem tieferen Seespiegel lag das Luzerner Seebe-
Fundstelle entdeckt  Einleitungsbild. Sie liegt rund fünf cken in prähistorischer Zeit und vermutlich bis ins 7./8.
Meter unter dem heutigen Seespiegel des Vierwaldstätter- Jahrhundert n.Chr. teilweise trocken. Die postulierte prä-
sees in einer mächtigen Schlickablagerung begraben. historische Uferlinie kann noch heute auf Flugaufnahmen
Die schriftliche Erwähnung des ehemaligen Klosters St. oder auf bathymetrischen Karten beobachtet werden
Leodegar im 8. Jh. gilt als frühester Hinweis auf die Besied-   Abb. 2. Auf der Linie zwischen dem Verkehrshaus und
lung Luzerns. Neolithische Einzelfunde wie Steinbeile ohne dem Tribschen ist eine deutliche Abbruchkante in den tie-
weitere Zusammenhänge deuteten aber darauf hin, dass feren Bereich des Vierwaldstättersees ersichtlich. Das heu-
Luzern bereits in prähistorischer Zeit besiedelt war. Wis- tige Seebecken dagegen ist eine Flachwasserzone mit
senschaftlich handfeste Beweise, die auf eine konkrete ­lediglich rund drei bis vier Meter Wassertiefe, viel Schlick
­B esiedlung schliessen lassen, standen bisher aus. Die auf dem Seegrund und prächtig gedeihenden Wasserpflan-
Funde sind vorhanden, die Siedlungen dazu fehlen. zen.
Bereits 1887 beobachtete der Geologe Franz J. Kaufmann
beim heutigen Löwenplatz Torfablagerungen in fünf Metern Murgänge und Tsunamis
Tiefe, worauf er einen deutlich tieferen Seespiegel des Vier- Der Seespiegelanstieg im Vierwaldstättersee unterlag bis
waldstättersees in prähistorischer Zeit vermutete. In den ins Mittelalter natürlichen Begebenheiten. Vermutlich ver-
1920er-Jahren suchte der Archäologiepionier Wilhelm Am- liess die Reuss in prähistorischer Zeit beim Tribschen den
rein im Luzerner Seeufer mit einem Schwimmbagger nach See, um mäandrierend in Richtung des heutigen Bahnhofs
prähistorischen Fundstellen, allerdings erfolglos  Abb. 1. zu fliessen. Anschliessend zwängte sie sich wie heute durch
Auch Tauchgänge in den 1980er-Jahren waren nicht von ein schmales Tal Richtung Emmenbrücke. Der Krienbach,
Erfolg gekrönt, da im Seebecken zu viel Schlick lag, der der im Bereich der heutigen Neustadt in die Reuss mündet,
allfällige Befunde überdeckte. führte mit Beteiligung des Ränggbachs bei Unwettern sehr
Konkrete Hinweise zum Seewasserspiegel in prähistori- viel Geschiebe in Richtung Seeausfluss. Die trägere Reuss
scher Zeit fanden sich erst 1998 beim Aushub des Park- konnte das Geschiebe nicht weiter verlagern, wurde einge-
hauses Casino-Palace. Eine verpasste Chance, denn die engt und gestaut. Der Pegel des Vierwaldstättersees stieg
Arbeiten wurden ohne archäologische Begleitung durch- an. Mindestens zweimal sind katastrophale Murgänge be-
geführt: Die Kantonsarchäologie wurde erst informiert als legt, die zu Schuttablagerungen von mehreren Metern führ-
die Baugrube ausgehoben war. Es konnten daher lediglich ten. Historische Überlieferungen zeigen bildlich die drama-
die Profile der Baugrubenwand dokumentiert und Proben tischen Folgen von grossen Unwetterereignissen.
entnommen werden. Mittels Pollenanalysen und 14C-Datie- Felsstürze, Rutschungen und Erdbeben lösten auch meh-
rungen konnten prähistorische, römische und frühmittel­ rere Tsunamis im Vierwaldstättersee aus. Insbesondere
alterliche Verlandungsschichten gefasst werden. Damit das Ereignis von 1601 ist historisch eindrücklich überliefert
­bestätigte sich die Vermutung von Amrein, dass der prä- und konnte auch bei geologischen Untersuchungen in
historische Seespiegel tiefer lag als heute. Direkte Hinwei- Bohrkernen bestätigt werden. Bis zu vier Meter hohe Wel-
se auf eine Seeufersiedlung an diesem Ort konnten an den len schwappten damals über das Seebecken in die Stadt
untersuchten Profilen aber nicht nachgewiesen werden; es Luzern und richteten beträchtlichen Schaden an.

133
AKTUELLES

Ab dem Hochmittelalter wirkte auch der Mensch auf den Der geplante Leitungsgraben für eine Wasserentnahme
Seespiegel ein. Bauten zur Nutzung der Wasserkraft und aus dem tieferen Bereich des Vierwaldstättersees, der auf
Gebäude, die in die Reuss hinaus gebaut wurden, schmä- einer Länge von 1.1 km rund 1.2 m tief das Luzerner See-
lerten den Seeausfluss und stauten den Vierwaldstätter- becken quert, war der Anlass einer taucharchäologischen
see zusätzlich. Der Anstieg des Seepegels ist dafür ver­ Begleitung im Jahr 2020. Im Auftrag der Kantonsarchäolo-
antwortlich, dass Überreste baulicher Art aus all diesen gie Luzern führte die Unterwasserarchäologie Zürich die-
früheren Epochen unter meterdickem Schlick und Sedi- se Tauchaktion durch in der Hoffnung, die prähistorische
mentschichten im heutigen Seebecken verborgen sind. Siedlungslücke in Luzern endlich schliessen zu können.
Hinweise auf frühe Siedlungen in Luzern fehlen bis jetzt Die Begleitung war mit Erfolg gekrönt! Am 5.3.2020 erfolg-
nicht nur für prähistorische Zeiten, sondern auch für die te die Meldung der verantwortlichen Baufirma KIBAG, dass
römische und frühmittelalterliche Epoche. beim Aushub in der Baggerschaufel Pfahlfunde zum Vor-
schein gekommen waren  Abb. 3.
Taucher werden erstmals fündig Die UWAD war am nächsten Tag vor Ort  Abb. 4. Es z­ eigte
Der Fund der längst erwarteten ersten prähistorischen sich, dass die Hölzer eindeutig die charakteristischen Be-
Fundstelle im Vierwaldstättersee erfolgte 2003 durch einen arbeitungsspuren prähistorischer Pfähle aufweisen. Beim
Sporttaucher an ganz unerwarteter Lage in Stansstad- später erfolgten Taucheinsatz konnten weitere Pfähle und
Kehrsiten am Fusse des steilen Bürgenstocks. An einer Keramik mit typisch spätbronzezeitlichen Merkmalen der
Abbruchkante kamen – in 7 m Tiefe – schräg stehende Zeit um 1000 v.Chr. geborgen werden  Abb. 5 und Abb. 6.
Pfähle zum Vorschein. Eine Untersuchung der Fundstelle Die Funde lagen offen auf dem ausgebaggerten Sediment.
ergab mehrere neolithische Siedlungsphasen. Damit war Eine Kulturschicht wurde nicht beobachtet. Reste von
erwiesen, dass im Vierwaldstättersee mit prähistorischen bräunlicher Seekreide, mit Holzkohlestücken und Holzres-
Siedlungen zu rechnen ist. ten, hafteten jedoch noch an einer der Keramikscherben,

134
AKTUELLES

 Einleitungsbild
8 Pfahlfund aus dem Seebecken.
7
9
1
Frühe Pfahlbauforschung. Wilhelm Amrein
4 auf dem Schwimmbagger bei Altstadt LU.

2
5 6 Luftbildaufnahme von 2020 mit dem See­
2
becken Luzern. Mit 1 und 2 sind die beiden
1
neuen Fundstellen markiert,
3 Tribschen
4 Verkehrshaus
5 heutige Einmündung Krienbach
in die Reuss
6 Reuss
7 Hofkirche
8 Löwenplatz
9 Parkhaus Casino-Palace

und die gute Oberflächenerhaltung einer weiteren lässt da- die Pfähle an die Oberfläche gerieten, da in diesem Be-
rauf schliessen, dass mit Schichterhaltung gerechnet wer- reich keine Bodeneingriffe stattgefunden haben. Mögli-
den kann. Pfähle wurden in situ keine beobachtet, zumal cherweise wurden sie durch die Schifffahrt verlagert. Um
der mächtige Schlick unablässig in den ausgehobenen diese Fragen beantworten zu können, müssen weitere Un-
­Leitungsgraben rieselte und eine klare Beurteilung vor Ort tersuchungen an den vorhandenen Holzpfählen abgewar-
unmöglich machte. tet werden.
Der ausgehobenen Leitungsgraben führte an dieser Stelle
also durch mindestens eine Seeufersiedlung. Die Pfähle Wie weiter?
­lagen 0.5–1.5 m unter dem heutigen Seeboden, d.h. sie Die 100 Jahre erfolgloser Suche nach Hinweisen über die
sind im Schlick und in den Ablagerungssedimenten einge- Frühgeschichte von Luzern wurden mit dem 2020 erfolg-
lagert und somit von der Seeoberfläche aus nicht sichtbar. ten Nachweis einer Ufersiedlung im Luzerner Seebecken
Im oberen Bereich sind die Hölzer gekappt und nicht ero- endlich gekrönt. Dank dem Aushub des Leitungsgrabens
diert. Dies geschah offensichtlich bei einer früheren Aus- konnten die Überreste von mindestens einer prähistori-
baggerung, vermutlich für den Schifffahrtskanal. schen Siedlung im Schlick aufgedeckt werden. Damit stellt
Die Baubegleitung fand unter schwierigen Bedingungen sich nicht mehr die Frage, ob es prähistorische Siedlun-
statt: Die schlechte Sicht beim Ausbaggern durch den auf- gen im Seebecken gab, sondern wo diese liegen.
gewirbelten Schlick verunmöglichte eine direkt anschlies­ Die potentiellen Fundstellen sind durch Ausbaggerungen
sende Begleitung durch die Tauchenden, und kurz nach für Schifffahrtskanäle, Verlegung von Leitungen und auch
der Entdeckung der Pfähle erschwerten die Corona-­ den geplanten Tunnel durch das Seebecken für den Durch-
Regeln, die zeitweise weitere Tauchgänge untersagten, gangsbahnhof Luzern gefährdet. Durch den Schlick sind
weitere Baubegleitungen. allfällige Befunde zwar geschützt. Allerdings können sie
Erst im Winter 2020/21 konnten weitere Tauchprospek­ nicht mit gängigen Methoden (Tauchprospektion) entdeckt
tionsgänge durchgeführt werden. Im Februar 2021 wurden werden. Und richtig geschützt werden kann nur, was ge-
– rund 300 m von der im Vorjahr entdecken Fundstelle ent- nau bekannt ist. Das zeigt, dass im Luzerner Seebecken
fernt und direkt bei der Abbruchkante in den tieferen andere Methoden für die archäologische Prospektion ein-
Bereich des Vierwaldstättersees – weitere liegende Hölzer gesetzt werden müssen.
geborgen. Die neu entdeckten Pfähle lagen deutlich aus­ Seit Ende August 2021 laufen Abklärungen zum Vorprojekt
serhalb des Leitungsgrabens   Abb. 2. Eine 14C-Analyse für den geplanten Durchgangsbahnhof Luzern, die von der
weist auf die Zeit zwischen Ende des 10. und Mitte des Kantonsarchäologie Luzern gemeinsam mit der UWAD
9. Jh. v.Chr. hin. Vermutlich handelt es sich hier um eine ­k oordiniert und durchgeführt werden. Im Bereich des Tras-
weitere Fundstelle. Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, wie sees des geplanten Seetunnels fanden Kernbohrungen für

135
AKTUELLES

136
AKTUELLES

3
Baggerschaufel mit Pfählen. Die erste
Feuchtbodensiedlung im Luzerner See­
becken kommt ans Tageslicht.

4
Dokumentation der Pfähle auf dem Ponton.

5
Spätbronzezeitliche Keramikscherben
aus der neuentdeckten Fundstelle.

6
Spätbronzezeitliche Pfahlspitze aus dem
­Luzerner Seebecken.

paläoökologische Untersuchungen durch das Institut für


Pflanzenwissenschaften der Universität Bern statt. Spezia­
listen der Universität Kopenhagen führten Akustikmessun-
gen mit Sonar im Seebecken durch. Beide Methoden er-
lauben einen Blick unter den Schlick. Diese Feldarbeiten
wurden im September 2021 abgeschlossen, seither sind
die Auswertungen im Gange. Fortsetzung folgt.

137
AKTUELLES

Julia Goldhammer

Der Einbaum aus dem Seerhein bei Konstanz

Im Seerhein bei Konstanz entdeckte ein Stand-Up-Paddler Die Teilstücke des Einbaums wurden von der Archäologi-
das älteste erhaltene Wasserfahrzeug des Bodensees schen Restaurierung des Landesamtes für Denkmalpflege
 Abb. 1. Mit einem Alter von über 4000 Jahren gehört der im Regierungspräsidium Stuttgart erst innen laminiert,
Einbaum zu den seltenen Funden aus der Übergangszeit dann gedreht und schliesslich aussen einlaminiert. An-
zwischen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit. Er ist aus­ schliessend wurde das Wasserfahrzeug abtransportiert
serdem einer der am vollständigsten erhaltenen Einbäume, und in ein Konservierungsbad gelegt. Nach der Konservie-
aber auch sehr fragil und weich, was sich als Herausfor- rung sollen die Teilstücke wieder aneinandergepasst wer-
derung für die Bergung und die weitere Arbeit am Objekt den um den Einbaum auszustellen.
herausstellte. Der Rumpf des Einbaums wurde aus einer stattlichen Lin-
Aufgrund seiner Lage und der daraus resultierenden Ge- de gearbeitet. Lindenbäume mit einem zum Einbaum von
fährdung durch Frostschäden oder Austrocknung bei Nied- Konstanz vergleichbaren Umfang sind schätzungsweise
rigwasser sowie durch Ankermanöver oder Badende war rund 200 Jahre alt  Abb. 6. In den Rumpf des Einbaums
relativ bald nach der Fundmeldung klar, dass der Einbaum war am Heck ein Brett aus Eiche in eine Nut eingesetzt
nicht an Ort und Stelle verbleiben konnte. Wie bereits die  Abb. 5. Die Konstruktion des Hecks mit Heckbrett ist bei
Voruntersuchungen gezeigt hatten, ist der Teil der Bord- einigen prähistorischen und historischen Einbäumen über-
wände, der frei im Wasser lag, bereits sehr weich und zeigt liefert. Diese Heckbretter werden meist bei Einbäumen aus
Risse, während der von Sediment überdeckte Teil des Weichholz genutzt. Auch der Einbaum aus Moosseedorf
­Objektes besser erhalten ist. Der Rumpf des Bootes misst (BE), der älteste der Schweiz (4550–4450 v.Chr.) wurde aus
an der breitesten Stelle 81 cm und ist noch 40 cm hoch Lindenholz gefertigt und es wird vermutet, dass hier eben-
­e rhalten, der Abschluss der Bordwände ist bereits der Ero- falls ein separates Heckbrett vorhanden gewesen sein
sion zum Opfer gefallen. Der Einbaum war bereits in situ muss. Es ist jedoch nicht erhalten. Zum Abdichten des
in mindestens zwei Teile zerbrochen. Die Lage der Fund- Zwischenraums zwischen Heckbrett und Nut wurde beim
stelle nah an einem Naturschutzgebiet und das flache Einbaum von Konstanz Moos verwendet. Die Nut war kom-
Wasser erlaubten lediglich eine Bergung in per Muskelkraft plett mit Moos ausgefüllt. Das Pflanzenmaterial war be-
bewegbarer Teilstücke. merkenswert fest in die Nut hineingepresst und dadurch
Nach Voruntersuchungen am Wasserfahrzeug und der Um- stark komprimiert und gut erhalten.
gebung fand schliesslich im Frühjahr 2021 die Bergung statt. Einbäume aus dem Bodensee sind bisher selten, im Ge-
Der Einbaum aus Lindenholz wurde durch das Fachgebiet gensatz zum Federsee in Oberschwaben, wo bis heute
Feuchtbodenarchäologie des Landesamtes für Denkmal- rund 60 solcher Wasserfahrzeuge gefunden wurden. Vom
pflege im Regierungspräsidium Stuttgart und die beauftrag- Zürichsee kennen wir lediglich eine Handvoll Einbäume.
te Spezialfirma UwArc komplett freigelegt, dokumentiert In prähistorischen Zeiten hatten Gewässer eine grosse Be-
und in Teilen geborgen   Abb. 2–4. Das auf etwas mehr deutung, nicht nur als Quelle für Nahrung und Trinkwasser,
als 8.5 m Länge erhaltene Boot (katalogisiert unter Boden- sondern auch als Wasserwege, die zum Transport von Wa-
see2018) wurde nach der Bergung an Land nochmals ren und Menschen genutzt wurden. Sie waren auch für den
­detailliert untersucht, Besonderheiten und Baudetails wur- Fernverkehr wichtig. Aus den Pfahlbausiedlungen sind
den beschrieben und fotografiert  Einleitungsbild. Für die exotische Objekte in grossen Mengen überliefert, beispiels-
3D-Dokumentation wurde jedes Teilstück erfasst. Inzwi- weise Silex aus Oberitalien oder Gegenstände aus Kupfer
schen liegt ein Gesamtmodell des Einbaums vor  Abb. 7. und Bronze, für die zumindest das Rohmaterial in die

139
AKTUELLES

2 3

4 5

140
AKTUELLES

 Einleitungsbild 2 4
Dokumentationsarbeiten an den geborgenen Ein Taucher beim Reinigen des freigelegten Kranen eines geborgenen Teilstücks
Teilstücken des Einbaums an Land. Sichtbar Einbaums im Seerhein bei Konstanz, des Einbaums aus dem Seerhein.
ist jeweils die Unterseite des Wasserfahr- Blick Richtung Bug. Sichtbar sind Risse im
zeugs. Rumpf, durch die eine Bergung am Stück 5
nicht möglich war. Heck des Einbaums mit Heckbrett in Fund-
1 lage.
Triboltinger Bohl, Kr. Konstanz. Die Fund- 3
stelle im Seerhein mit Arbeitsboot «Netta», Vier Taucher heben ein bereits auf einer 6
Beiboot und Arbeitsplattform am Einbaum. ­P alette stehendes Teilstück des Einbaums Ein vergleichbar grosser Lindenbaum
an die Wasseroberfläche. auf dem Bodanrück, Kreis Konstanz.

141
AKTUELLES

­ oralpen importiert werden musste. In der Bronzezeit wur-


V
den ausserdem Glasperlen aus Norditalien und Bernstein
von der Ostsee in die Pfahlbaudörfer gebracht. Sicherlich
spielte hier der ein oder andere Einbaum eine bedeutende
Rolle.
Der Einbaum von Konstanz stammt aus der Übergangs-
phase zwischen dem Ende der Steinzeit und dem Beginn
der Bronzezeit. Aus dieser Zeit sind bisher keine Pfahlbau-
siedlungen am Bodensee und generell nur wenige Fund-
stellen in Süddeutschland bekannt. Die Siedlungslücke der
Seeufersiedlungen am Bodensee dauert von 2400 bis kurz
nach 2000 v. Chr. an. Weiter landeinwärts sind jedoch
durchaus Spuren von Menschen bekannt, beispielsweise
sind aus Singen am Hohentwiel, Kr. Konstanz, Grabfunde
aus dieser Zeit überliefert. Erste Grabungsarbeiten am Fundplatz des Einbaums
vom Seerhein im Jahr 2019.
Es ist durchaus vorstellbar, dass in der Zeit des Kons­tanzer
Einbaums die Menschen nicht direkt am Seeufer, sondern
etwas höhergelegen oder landeinwärts lebten, t­rotzdem
aber den Bodensee als Wasserstrasse und Nahrungsquel-
le nutzten.

142
AKTUELLES

7
Ansicht des dreidimensionalen Ein-
Reportage des SWR baum-Modells von oben, zusammengefügt
«Der Schatz im Bodensee – aus Fotos jedes Teilstücks der Ober- und
Die Einbaumretter». Unterseite, ohne Textur.

143
AKTUELLES

Urs Gut

Dendroprovenancing – Grundlagenforschung
zur Holzherkunftsbestimmung anhand der Jahres­
ringe

Wer an Dendrochronologie denkt, denkt zumeist an Al- Anwendung auf historische Fragestellungen:
tersbestimmung  Einleitungsbild. Das war auch mein Ein- ein Projekt entsteht
stieg in die Dendrochronologie, als ich 2011 mein erstes In der vorindustriellen Zeit bezog die Stadt Zürich ihr
Praktikum im Dendrolabor der UWAD absolvierte. Die im Brenn- und Bauholz aus den eigenen Stadtwaldungen
Zürcher Dendrolabor gepflegte dendrotypologische Heran- ­beziehungsweise aus den bewaldeten Gebieten um den
gehensweise zeigte mir schnell, dass die Dendrochronolo- Zürich- und Walensee sowie deren zahlreichen Zuflüssen.
gie mehr umfasst als die blosse Datierung; zum Beispiel Besonders wichtig waren die Linth und die Sihl  Abb. 1.
die ökologische Analyse der vorgeschichtlichen Bauholz- Trotz des eng begrenzten Gebiets, liegen die Wälder auf
nutzung. Es folgten Vertiefungspraktika. verschiedenen Höhenstufen und sind somit unterschied­
In meiner von Professor Della Casa an der Uni Zürich und lichen Wuchsbedingungen ausgesetzt. In den einzelnen
Niels Bleicher von der UWAD betreuten Masterarbeit be- Tälern existieren zudem unterschiedliche Bodenbeschaf-
schäftigte ich mich dann aus dendrochronologischer Sicht fenheiten, Expositionen und Hanglagen, die ebenfalls zur
mit der bronzezeitlichen Besiedlungsdynamik und Wald- Ausprägung verschiedener Wuchsmuster in Bäumen bei-
wirtschaft. Auf der anschliessenden Suche nach einem tragen können  Abb. 2. Ob diese lokalen und regionalen
Dissertationsthema wurden wir schliesslich in einem wei- Wuchsunterschiede fürs Dendroprovenancing ausreichen,
teren Zweig der Dendrochronologie fündig, dem Dendro- hatte bislang niemand untersucht. Fragen zur Holzversor-
provenancing. gung konnte deshalb nur anhand historischer Quellen
nachgegangen werden.
Was ist Dendroprovenancing? Zu Beginn des Dissertationsprojekts gab es mit Ausnahme
Wenn alle Bäume eines bestimmten Gebietes ähnliche weniger Untersuchungen im bayrischen und österreichi-
Jahrringfolgen bilden, dann kann man nicht nur an­hand schen Alpenraum kaum Arbeiten, die als Vorbilder hätten
e ines Referenzkalenders dieses Gebiets auf das Alter
­ dienen können. Der Gedanke mittels Dendroprovenancing
­e ines Holzes schliessen. Wenn man ein Holz mit verschie- die Holzversorgung der vorindustriellen Stadt Zürich zu er-
denen regionalen Referenzen vergleichen kann, sollte man forschen und neue methodische Erkenntnisse gegebenen-
doch auch auf die Herkunft eines Holzes schliessen kön- falls auf andere Gebiete übertragen zu können, war faszi-
nen. Genau das versucht das Dendroprovenancing. Auf nierend und motivierte mich dazu beim Schweizerischen
grosser Skala, wie beispielsweise bei in Irland gefundenen Nationalfonds ein entsprechendes Projekt einzureichen,
Wikingerschiffen, wurde es bereits häufig angewandt. Aber das auch bewilligt wurde (Projekt-Nr. P0ZHP1_162299).
würde es auch auf kleinerer Skala funktionieren, wie bei- Da Fichte das am meisten verbaute Holz der frühen Neu-
spielsweise der Schweiz? Oder dem Zürcher Umland und zeit in Zürich war, beschränkte ich mich auf die Untersu-
den Innerschweizer Kantonen? Wenn das möglich wäre, chung der regionalen Wuchsunterschiede dieser Holzart.
könnten Fragen zur historischen Holzversorgung und zum Das Dendrolabor der Stadt Zürich verfügte zudem über
-handel geklärt werden. Es zeigte sich aber schnell: Die tausende gemessener Jahrringbreitenserien historischer
Grundlagen der Methodik waren bei Weitem noch nicht Fichten. Im Rahmen meiner Dissertation habe ich verschie-
hinreichend erforscht. dene Teilfragestellungen rund ums Dendroprovenancing

145
AKTUELLES

 Einleitungsbild 1
Der Baum: Gegenstand der Dendro­ Im Untersuchungsgebiet eingezeichnet
archäologie. sind die 15 rezenten Fichtenbestände,
in welchen Proben entnommen worden sind.

146
AKTUELLES

2
Beispiel für den Einfluss des Untergrunds
auf das Baumwachstum und die Aus­
formung unterschiedlicher Wuchsmuster.

3
Illustration des Referenzchronologie-­
Ansatzes und der Suche nach dem besten
Match ( dem Nächsten Nachbarn ) .
Ref = Referenzchronologie, Geb = Gebäude,
t = t-Wert.

untersucht, was mich in anfangs ungeahnte statistische ben Probleme: Ein Beispiel dafür ist ein Holzhaus in einem
und programmiertechnische Tiefen geführt hat (siehe Links Tal. Hier kann eine Kartierung aller potenziellen Fichtenbe-
am Schluss des Beitrags). Hier werden nur ein paar Kern­ stände Hinweise auf die Herkunft geben. Da der Transport
ergebnisse der Methodenforschung grob skizziert. von manchen Bezugsquellen zum Bauplatz zu aufwändig
wäre, können einige Quellen plausibel ausgeschlossen
Auf welchen Annahmen basiert Dendroprovenancing? werden  Abb. 4, aber es bleiben diverse Unsicherheiten.
Vereinfachend kann man sich die Basis des statistischen Eine direkte Verknüpfung von Referenzchronologie und
Dendroprovenancings als paarweise Ähnlichkeitsverglei- Wuchsort ist also nur möglich, wenn heute wachsende
che zwischen Jahrringserien eines Holzes unbekannter Wälder beprobt werden.
Herkunft mit einer Reihe von Referenzchronologien vor- So plausibel das Dendroprovenancing also im ersten
stellen, deren Herkunft als geklärt betrachtet wird. Der ­Augenblick erscheint, so schwierig ist es im Detail. Es kann
Herkunftsort wird dann über die Referenz bestimmt, wel- ja nur funktionieren, wenn es hinreichende Unterschiede
che die grösste Ähnlichkeit zum Holz mit unbekannter Her- in den Wuchsregionen gibt. Und wie können wir diese
kunft aufweist  Abb. 3. identifizieren, wenn wir nicht alle denkbaren Quellen be-
Bald stellte ich allerdings fest, dass viele grundlegende An- reits beprobt haben? Reicht es, wenn unsere Referenzen
nahmen nicht oder nur unzureichend anhand von Daten «nahe dran» sind? Und wie messen wir die Unterschiede
aus heute lebenden Wäldern überprüft worden waren. Oft eigentlich?
wurde ohne Voruntersuchung direkt Dendroprovenancing Folgende Annahmen waren meinen Überlegungen zufolge
an historischen Hölzern betrieben. Doch das Problem bei zentral:
historischen Hölzern ist, dass der Wuchsort bestenfalls 1. Im Untersuchungsgebiet variiert das Baumwachstum
vage eingegrenzt werden kann. In vielen Fällen wurde Holz ausreichend, was zur Ausprägung regional oder lokal
verwendet, das aus Regionen flussaufwärts stammte und charakteristischer Jahrringbreitenmuster führt.
mittels Flösserei herangeschafft worden war. Aber selbst 2. Die (Un-)Ähnlichkeit im Zuwachs ist über statistische
wenn es mehr oder weniger aus der Umgebung kam, blei- Ähnlichkeits- bzw. Distanzmasse quantifizierbar.

147
AKTUELLES

4
Beispiel für die Eingrenzung der Holz­
bezugsquellen anhand topographiegestütz-
ter Überlegungen zum Transportaufwand.
­W ährend die Bestände 3 und 4 fluss­
aufwärts des untersuchten Gebäudes liegen
und transporttechnisch in Frage kommen,
liegen die Bestände 1 und 2 in viel schwerer
erreichbaren Gebieten.

3. D
 ie grösste statistische Ähnlichkeit wird zwischen Zu- Das Problem «kontaminierter» Regionalchronologien
wachsserien festgestellt, die sich in nächster geographi- Bereits während der ersten Untersuchungen hatte ich zu-
scher Nachbarschaft befinden. sammen mit Felix Walder (Dendrolabor Zürich) begonnen,
Diese konkreten aber allzu oft unbewussten Annahmen zu in historischen Gebäuden im Untersuchungsgebiet Proben
überprüfen, war der Einstieg in die Untersuchung. zu entnehmen, um erste lokale Referenzen aufzubauen.
Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr schien
Klärung der Grundlagen es mir suspekt, dass man annahm, dass Lokalchronologien
Im ersten Schritt wurden in Wäldern nahe historisch beleg- tatsächlich lokale Wuchsmuster repräsentieren sollten.
ter Flössereirouten gezielt Fichtenbestände ausgewählt, Schliesslich stammte das Bauholz wohl kaum je aus so eng
die die häufigsten Standortbedingungen und wichtigsten begrenzten, einzelnen Beständen, wie ich sie in meiner
Höhenlagenunterschiede im Gebiet abdeckten   Abb. 1. ersten Studie untersucht hatte. Hinzu kamen mögliche
­
Nachdem die ersten Bestände dank tatkräftiger (und leid- ­Wiederverwendungen von Balken früherer Holzlieferungen
voller) Mithilfe freiwilliger Helferinnen und Helfer erfasst und eingehandelte Bauhölzer. Meine lokale Jahrringchrono-
worden waren, begann ich mit Vorabstudien, die zum Ziel logie beinhaltet also vermutlich fremde Wuchsmuster. Für
hatten, die statistischen Methoden auszuloten, welche be- die Zwecke des Dendroprovenancings eine katastrophale
reits andernorts für die Herkunftsbestimmung verwendet ­Erkenntnis! Ein fremdes Holz von hundert würde vielleicht
worden waren. nicht das lokale Signal verwässern. Aber zehn fremde Höl-
Bei einer Übungsstudie, die Statistikstudenten der ETH zer? Deshalb fragte ich mich, wieviele ortsfremde Hölzer
Zürich an einem Teil meiner Daten durchführten, sowie bei ­Lokalchronologien vertragen würden, wenn man Jahrhun-
meinen parallel dazu geführten eigenen Recherchen, fiel derte umfassende Chronologien aufbauen wollte, die im
mir ein Algorithmus, die «Nächster-Nachbar-Suche», be- Idealfall lokale oder zumindest regionale Wuchsmuster
sonders auf. Dieser Klassifikationsalgorithmus entsprach ­abbildeten. Ausserdem gab es auch in meinem Datensatz
ziemlich genau dem, was Dendroprovenancing-Forschen- heute wachsender Fichtenbestände besonders in den mitt-
de ebenfalls seit ihren ersten Untersuchungen praktizier- leren und tieferen Lagen einige, die sich schlechter vonein-
ten   Abb. 3. Auf dieser Grundlage konzipierte ich eine ander unterscheiden lassen. Welche Kontaminationsrate
­speziell fürs Dendroprovenancing entwickelte Evaluations- war in solchen Beständen wohl nötig, bis sich ihre Chrono-
methode. Diese ermöglichte es, die Resultate kreuzvali- logien nicht mehr auseinanderhalten liessen?
dierter Nächster-Nachbar-Suchen über Scheren-Plots zu
visualisieren und zu bewerten   Abb. 5. Mit diesem Tool
­g elang der Nachweis, dass in den untersuchten Fichten- Wenn dir Holz fehlt, tu einfach so als hättest du es!
standorten ausreichend unterschiedliche Wuchsmuster Ein neuartiger Simulationsansatz
vorhanden waren. Die oben formulierten Grundannahmen Mit einem Simulationsansatz  Abb. 6 konnte ich zwei Pro-
liessen sich damit verifizieren. bleme umgehen. Erstens: Bei den Jahrringserien heute

148
AKTUELLES

5
Beispiel eines Scherenplots.

6
Schematische Darstellung des Simulations-
ansatzes zur Quantifizierung des Konta­
minationsrisikos von Referenzchronologien.

7
Belegungsdichten der 1190 Fichtenserien
der Stadt Zürich mit Endjahr nach 1500
und vor 1850. Grün: generierte Tief- und
Mittellagenchronologie. Schwarz: Hoch­
lagenchronologie.
7

149
AKTUELLES

wachsender Bäume ist zwar genau bestimmbar, wo sie Daneben testete ich weitere Szenarien: Was passiert bei-
­g ewachsen sind, jedoch ist die Länge der Chronologien spielsweise, wenn der Anfangspunkt gar kein reiner, leben-
beschränkt auf die Anzahl Wuchsjahre. Zweitens: Wenn der Bestand ist, sondern ein Haus, dessen Chronologie
man versucht, die in heute wachsenden Wäldern gewon- bereits durch Holzhandel leicht mit Wuchssignalen eines
nen Jahrringchronologien mit historischen Serien zu er­ benachbarten Gebietes kontaminiert ist? Das liess sich
weitern, kann es bereits zur Kontamination kommen, da leicht simulieren, indem bestimmte Prozentsätze von
deren Wuchsort eben nicht genau bestimmbar ist. In einer Fremdhölzern in die Anfangschronologien des Testlaufes
Simulation aber können Jahrringserien beliebiger Länge gemischt wurden.
generiert werden, deren Herkunft exakt definiert ist, und Trotz der Variabilität, die Teil solcher zufallsabhängiger
damit sind beide Probleme gelöst. ­E xperimente ist, liessen sich für das Untersuchungsgebiet
Um realistische Wuchssignale generieren zu können, nahm folgende Erkenntnisse gewinnen:
ich die Bestandeschronologien der heute wachsenden Fich- 1. N ur wenn die initialen Referenzchronologien keine Jahr-
tenwälder. Dann schaute ich mir die Verteilungen der Ring- ringserien anderer Bestände enthalten, also nicht bereits
breiten in den verschiedenen Wuchsjahren an und verglich durchmischt sind, haben die anschliessend generierten
die Daten aus den Beständen untereinander. Dabei waren Bestandeschronologien ein kleines Kontaminationsrisi-
sowohl Ähnlichkeiten wie Unterschiede in den Jahrring­ ko.
breitenverteilungen zu erkennen, die statistisch modelliert 2. Damit keine kontaminierten Bestandeschronologien ent-
werden konnten. Im Unterschied zu den originalen Bestan- stehen, muss die Mindestähnlichkeit, die erfüllt sein
deschronologien, deren Länge auf die Lebensdauer der be- muss, damit eine Jahrringserie zu einem Bestand ge-
probten Bäume begrenzt ist, war das statistische Modell in zählt werden darf, extrem hoch sein.
der Lage Bestandeswuchssignale beliebiger Länge zu ge- 3. Wenn der Schwellenwert für die Mindestähnlichkeit nicht
nerieren. Somit konnte ich beispielsweise für jeden der 15 so streng gewählt wird, können nur noch Wuchsignale
untersuchten Bestände dreissig 1000-jährige «Pseudofich- der beiden Höhenstufen Tief-/Mittellagen und Hoch­
ten» generieren. Solche Bäume existieren natürlich nicht im lagen unterschieden werden.
Untersuchungsgebiet. Deshalb wurden diese langen Serien
in kurze Stücke geschnitten, so dass ihre Längen typischen Was bedeuten die Simulationsergebnisse
Dendroproben entsprachen (meist zwischen 50–150 Jahr- für die Studie der historischen Zürcher Holz­­-
ringen). Nun hatte ich also 15 ausreichend belegte Pseu- v­ersorgung?
do-Bestandeschronologien mit mehreren hundert simulier- Die erste Erkenntnis ist ernüchternd: Für den Aufbau von
ten Pseudoproben pro Bestand, die 1000 Jahre abdeckten bestandesreinen Lokalchronologien müssten völlig unrea-
und bei denen ich von jeder Probe die Herkunft genau kann- listisch strenge Schwellwerte verwendet werden. Im zehn-
te, weil ich den Baum selbst im Modell generiert hatte. Mit tausende Proben umfassenden historischen Datensatz des
diesem Material konnte ich nun simulieren, was mit dem Dendrolabors Zürich weist nur ein sehr geringer Teil der
­lokalen Signal passiert, wenn man die Chronologie leben- Jahrringserien eine so hohe statistische Ähnlichkeit auf,
der Bäume mit genau jenen historischen Serien erweitert, wie aufgrund der Simulationsergebnisse eigentlich gefor-
die bei Anwendung unserer Dendroprovenancing-Methoden dert werden müsste.
mutmasslich aus demselben Gebiet kommen. Die zweite Erkenntnis ist, dass man ein extrem dichtes
Zu diesem Zweck erstellte ich für jeden Bestand für die Netz heutiger Lokalchronologien bräuchte. Es existieren
ersten 150 Jahre eine initiale Referenzchronologie aus aber nur die 15 Fichtenchronologien, die als zuverlässige
den «jüngsten» Bäumen  Abb. 6. Dann anonymisierte ich lokale Referenzen genutzt werden konnten. Trotzdem ver-
die restlichen Serien und liess eine statistische Nächs- suchte ich, die historischen Serien der Stadt Zürich mit
ter-Nachbar-Suche laufen. Anschliessend verglich ich de- diesen Referenzen zu verknüpfen. Zunächst liessen sich
ren Zuweisungen mit den tatsächlichen Herkunftsorten. keine Serien zuverlässig zuordnen.
Die Simulation wurde mit verschiedenen Einstellungen Erst als ich den Schwellenwert für die zulässige Min-
durchgeführt, sodass untersucht werden konnte, wie hoch destähnlichkeit zwischen historischen Serien unbekannter
beispielsweise die statistische Ähnlichkeit sein muss, Herkunft und den 15 Referenzchronologien so weit absenk-
­damit möglichst wenig Durchmischung der Bestandessig- te, dass nur noch Hoch und Tief-Mittellagenchronologien
nale riskiert wurde. Gleichzeitig dokumentierte die Simu- unterscheidbar waren, liessen sich einige hundert histori-
lation wie viele bestandesfremde Serien in die Bestandes- sche Fichtenserien klassifizieren. Dies erlaubte immerhin
chronologien gerieten. Damit die rein zufällige Variation der den Aufbau einer Tief-/Mittellagen und einer Hochlagen-
Simulationsergebnisse eingeschätzt werden konnte, wur- chronologie  Abb. 7.
de die Simulation 1000-fach wiederholt.

150
AKTUELLES

Ausblick
Meine Arbeit zeigte, dass ein detailliertes Dendroprove­
nancing im Untersuchungsgebiet bis jetzt nur theoretisch Evaluating the key assumptions
underlying dendro-provenancing:
möglich ist. Wenn man seine Ansprüche an die Präzision
How to spruce it up with a scissor
herunterschraubt, ist ein wenig mehr möglich, doch auch plot
dann bleibt der Grossteil der Hölzer ohne klare Zuweisung.
Die Studie der historischen Holzversorgung wird also auch
künftig auf historische Quellen angewiesen bleiben.
Assessing site signal preservation
Zudem zeigte sich, dass viele der aufgetauchten Probleme
in reference chronologies for
auch in anderen Teilen der Welt existieren. Bislang wurden dendro-provenancing
diese methodischen Probleme, etwa das Kontaminations-
risiko, kaum untersucht. Es gibt also Grund für das eine
oder andere Fragezeichen hinter den meisten dendrochro-
nologischen Herkunftsbestimmungen.
Mit dem derzeitigen Ansatz der Nächster-Nachbar-Suche
über die Ähnlichkeit der Jahrringbreitenmuster – der noch
immer europaweit gängiger Standard ist – müssten selbst
im eingehend untersuchten Gebiet um Zürich viel mehr
Proben gesammelt werden, damit überhaupt unkontami-
nierte historische Referenzen erstellt werden können. Es
müssten wohl mindestens sechs datierte Proben mit über
50 Jahrringen derselben Holzart pro Gebäude beziehungs-
weise Bauphase verfügbar sein. Selbst wenn diese Daten
vorhanden wären, bliebe aber aufgrund der Erkenntnisse
aus der Simulation unsicher, ob sich tatsächlich allein
­a ufgrund der Jahrringbreiten je die Herkunft auf bestimm-
te Regionen begrenzen liesse. Die Hinzunahme weiterer
messbarer Variablen (wie etwa der Holzdichte, Gefäss­
flächen oder Isotopenverhältnisse), scheint momentan der
effektivere Weg, methodische Fortschritte des Dendro­
provenancing voranzutreiben. Auch alternative und ela-
boriertere Klassifikationsalgorithmen sollten getestet wer-
den. Unabhängig vom gewählten Ansatz scheinen vor
allem grossangelegte Projekte die jetzige Situation verbes-
sern zu können, denn das Sammeln von Proben und Mess-
daten in ausreichender Menge erfordert entsprechend
zahlreiches sowie ausgebildetes Personal. Sollten solche
Projekte in Angriff genommen werden, lieferten die im Rah-
men der Dissertation entwickelten Methoden nun einen
ersten Werkzeugkasten.
Zehn Jahre nach meinem ersten Praktikum im Zürcher
Dendrolabor schloss ich meine Doktorarbeit in der Dendro-
chronologie ab. Sie hat mich weit weg von der üblichen
­A rchäologie getragen – bis in mein heutiges Arbeitsfeld im
Bereich der BigData-Analyse und der KI-Anwendungen.

151
AKTUELLES

Jens O. Meissner, Claudia Kühne, Monika Schaad, Helmut Spangler

Das Rätsel um den versunkenen Hafen

2018 fanden die Taucherinnen und Taucher der Gruppe 22–23 m Tiefe fand sich rund 10 m entfernt in nordöstlicher
­ Oceans in der Horgener Sust zufällig einen Haufen be­
7 Richtung in 25–27 m Tiefe ein weiterer ca. 25 m2 umfassen-
arbeiteter Hölzer in 25 m Wassertiefe. Was genau war der Stapel Hölzer   Abb. 1, Abb. 2 und Abb. 3. Nochmals
hier geschehen? Zusammen mit der Kantonsarchäologie­ rund 30 m weiter nördlich konnten 2021 in 30 m Tiefe zwei
Zürich wurde ein Citizen-Science-Forschungsprojekt zur weitere kleinere Haufen mit Holz- und Steinresten identifi-
Erforschung der weitgehend unbekannten Geschichte der ziert werden  Abb. 4 und Abb. 5, und wieder etwas später
Sust beschlossen. noch alte Schienen und eine weitere Fundstelle auf 40 m
Tiefe. Etwas nordwestlich des oben gelegenen Stapels
Ein Zufallsfund vor Horgen konnte noch ein etwa 6–7 m langes Rundholz identifiziert
Ein Explorationstag im April 2018: Tauchende der Gruppe werden, aber eine weitere Erkundung in diese Richtung war
7Oceans waren in der Horgener Sust unterwegs – weit aufgrund der Landungsstelle der Schifffahrtsgesellschaft
draussen vor dem Ufer gibt es in einer Wassertiefe zwischen nicht möglich.
50 und 60 Metern einen steilen Abbruch, den sie das erste Die Funde wurden von den Tauchenden von 7Oceans an
Mal erkundeten. Der Rückweg wurde nach Kompasskurs die Unterwasserarchäologie und Dendroarchäologie der
getaucht. Dieser ist meist nicht allzu genau. Im Zweifel run- Stadt Zürich (UWAD) gemeldet und das weitere Vorgehen
det man den Kurs in die sichere Richtung. So auch an die- besprochen. Ein Treffen mit der Kantonsarchäologie Zürich
sem Tag, als es darum ging, nicht in die Nähe der Zürich- fand im Mai 2019 in Stettbach statt. Es wurde eine Archiv-
seefähre zwischen Horgen und Meilen zu gelangen. recherche in Auftrag gegeben. Zudem galt es, die Funde
Der Rückweg führte also etwas nördlich an der Alten Sust genauer zu vermessen. Eine Entnahme von Holzproben
(dem Standort des heutigen Ortsmuseums) vorbei. Die Sicht und deren dendrochronolgische Untersuchung sollte De-
in 25 m Tiefe war schlecht, es war besonders still und die tailinformationen über den Fundort liefern. In den Jahren
Horgener Fähre ungewöhnlicherweise nicht zu hören. Doch 2020 und 2021 wurden die beiden oberen Fundorte num-
mitten aus der Schwärze erhoben sich plötzlich meterlange meriert, alle vier vermessen und die Holzproben genom-
Holzstämme über den Köpfen. Wie Finger einer greifenden men  Abb. 6.
Hand… Der Schrecken wich schnell der Neugier. Doch da In einer nächsten Phase wurden einzelne markante Stäm-
die genaue Position nicht bekannt war, mussten die Tau- me ausgewählt, um die Ausrichtung der Fundorte zu be-
chenden weiter, um den sicheren Ausstieg nach der Dekom- stimmen. Eine verlegte Referenzleine half, um die Relation
pression zu erreichen. Aber sie würden zurückkommen. der Fundorte zueinander genauer zu fassen. Sodann wur-
Dies war leichter gesagt als getan, denn die Fundstelle den zu jedem nummerierten Holz auch Angaben zu Tiefe,
musste zuerst einmal wiedergefunden werden. Länge, Durchmesser und Form erfasst  Abb. 7. Die Num-
merierung der Hölzer bildet die Grundlage für die digitale
Von der Entdeckung zur Erforschung Datensammlung. Wenn vier Tauchende in verschiedenen
Erst nach etwa 10 Suchtauchgängen wurde im Sommer Konstellationen in zahlreichen Tauchgängen über einen
2018 die Fundstelle unter Anwendung von Orientierungs- längeren Zeitraum Daten erfassen, ist ein zentraler Index
techniken aus dem Höhlentauchen wiedergefunden. Seit- zur Koordination unerlässlich. Aber natürlich geschehen
dem wurde insbesondere in den Jahren 2019 und 2020 der bei der Datenerfassung auch Fehler, beispielsweise durch
Fundort fotografisch inventarisiert und das Umfeld ab­ die Verwendung unterschiedlicher Kompasse, Tiefenmes-
gesucht. Neben der etwa 40 m 2 grossen Fundstelle in ser und Vermessungsinstrumente.

153
AKTUELLES

1 2 3

4 5 6

 Einleitungsbild
Grundriss des «Marct-Fleckens Horgen an
dem Zürich-See» ( Jacob Schäppi 1730 ) .

1
Der flacher liegende Stapel ragt in den See
hinein.

2
Hölzer und Steine liegen übereinander.

3
Einer gestürzten Palisade gleich – der mitt-
lere Stapel.

4
Hafenreste in 30 m Tiefe – der östliche Fund.

5
Der nahe liegende westliche Fund.

6
Monika Schaad vermisst den tiefen Stapel.

7
Die Datensammlung.

8
Vermessungsnotizen.

9
Ein Orthomosaik vom mittleren Stapel.

10
Der mittlere Stapel im Profil. 7

154
AKTUELLES

8 9

Unterwasser-Schreibtafeln haben leider die Eigenschaft,


dass auch die schönste Handschrift am Ende des Tauch-
gangs wie vorschulisches Gekritzel aussieht. Daher kam
auch das gefilmte digitale Navigationssystem ENC3 eines
Seacraft-Scooters zum Einsatz. Auf diese Weise liessen
sich während des Tauchgangs mehr Daten sammeln und
später die Fotos bezüglich Tiefe und Kompasskurs aus-
werten. Insgesamt lagen bis zum Herbst 2021 rund 35
­G igabyte an Bild- und Videodaten vor.
Dennoch zeigten sich Vermessungsfehler und rasch wur-
de deutlich, dass die Datensammlung verbesserungsfähig
war. Beispielsweise war nicht ersichtlich, wie weit die ein-
zelnen Baumstämme auseinanderlagen. Das Problem liess 10
sich per Orthogonalvermessung mit einer Referenzleine
­l ösen. Was aber in der Theorie simpel erscheint, war in der
Praxis herausfordernd: Welche Beschriftung braucht die
Grundleine? Wie viele Messpunkte sind sinnvoll? Wie wird
eine Tiefendifferenz berücksichtigt? Wie taucht man mit
vier 2 m langen Haselstangen, die als Fixpunkte notwendig
sind?
Die Referenzleine wurde alphabetisch nummeriert, um Ver-
wechslungen mit anderen Zahlen zu vermeiden. Während
eines Tauchganges über eineinhalb Stunden konnten 11
Referenzpunkte aufgenommen werden  Abb. 8. Die weite-
ren Bezüge zu den anderen Stämmen konnten dann über
die Fotodokumentation abgeleitet werden.

Mehr Effizienz dank virtueller Rekonstruktion Der mittlere Stapel animiert.


Dennoch wurde mit zunehmender Erkundung deutlich,
dass die Vielzahl der Stämme und deren Positionierung
­z ueinander zu einer wahren Herausforderung führte. Mitt-
lerweile hatten sich die Möglichkeiten der Structure from
Motion (SfM)-Methode zur dreidimensionalen Modellie-
rung und die entsprechenden Programme stark weiterent-
wickelt.

155
AKTUELLES

SfM gewinnt die dreidimensionalen Informationen durch 12-bit-Marker über die undifferenzierten Strecken ausge-
die Überlappung zeitversetzter Bilder, wobei der daraus legt und als Fixpunkte in die Software eingelesen wurden
entstehende Bildwinkel für die Tiefeninformationen be-  Abb. 9, Abb. 10 und Abb. 11.
rechnet wird. Somit genügt eine Reihe deutlich überlap- Die Aufnahmen sind skaliert und lassen nun eine bequeme
pender Fotos, um ein 3D-Modell berechnen zu können. und recht zuverlässige Vermessung am Computer zu
­Jedoch stammte wesentliche Software aus dem Bereich   Abb. 11. Die zuvor gemachten umfangreichen Vermes-
der Luftbildauswertung und nicht aus der Unterwasser­ sungsarbeiten werden damit zu interessanten Rahmen­
forschung mit ihren schlechten Sichtverhältnissen und der daten, sie können aber bei künftigen Untersuchungen er-
bei Unterwasserfotografien üblichen Linsenverzerrung. heblich reduziert werden, wodurch Zeit gespart werden
Hier ergaben zeitintensive Versuche mit verschiedenen kann. Allerdings ist erst rund die Hälfte der Funde der
Aufnahmetechniken, mit einer oder zwei Kameras, unter- ­H orgener Sust auf diese Weise dokumentiert. Und die Dar-
schiedlichem Licht und Geschwindigkeiten, wie die bes- stellungen können noch erheblich verbessert werden. Im
ten Ergebnisse zu erzielen waren. Letztlich gelang die nächsten Schritt werden die Bilder durch den Einsatz fern-
3D-Modellierung des mittleren, in 25 m Tiefe gelegenen gesteuerter Drohnen aufgenommen, entsprechende For-
Stapels anhand von rund 1300 Zeitraffer-Weitwinkel-Fotos schungen wurden durchgeführt und rücken langsam in
aus einer GoPro10-Kamera. Die korrekte Modellberech- ­e inen auch für die breite Masse an Tauchenden erschwing-
nung ergab sich allerdings erst, als so genannte visuelle liche Grössenordnungen.

Zusammenarbeit durch «Citizen Science»


als Schlüssel
Nach dem ersten Roundtable-Treffen mit Beteiligten der
verschiedenen Fachbereiche und anderen Interessengrup-
pen waren die Verbindungen geknüpft und ein weiteres
Treffen mit den Verantwortlichen der Neuzeitarchäologie
und der Dendrochronologie wurde am Standort Stettbach
realisiert. Früh stellte sich die Frage nach denkmalgerech-
tem Tauchen und gesetzlichen Regelungen. Für die Tau-
chenden sehr spannend war die Frage, wie man sich als
an der Archäologie interessierter Laie erfolgreich in ein sol-
ches Projekt einbringen könne. Die eigenen Tauchfertigkei-
ten sollten wissenschaftsgerecht eingesetzt werden – im
Sinne der Bürgerwissenschaft (Citizen Science), d.h. unter
Ein- oder Anbindung von interessierten Laien, so wie hier
geschehen.
In der Diskussion wurden an Land und im flachen Wasser
übliche Vorgehensweisen zur Probengewinnung aus der
Perspektive der Herausforderungen in Tiefen zwischen
20–30 m diskutiert. Sägen und Bohren im Schweben, wie
es denkmalgerechtes Tauchen erfordert, setzt ein gewis-
ses Können bei den Tauchenden voraus. Die Sicht in dem
Seebereich ist mit Ausnahme weniger Monate im Jahr
(ohne Algenblüte) eher schlecht. Die Fundstelle liegt aus­
serdem rund 300 m von der Einstiegsstelle entfernt. Es ist
also ein anspruchsvoller Tauchgang, der die Fähigkeiten
der meisten Sporttauchenden übersteigt   Abb. 13. Die
Probenentnahme an den Hölzern, die dann dendrochrono-
logisch untersucht werden sollten, gestaltete sich als b ­ e­-
sondere Herausforderung. Bis allerdings ausreichend Pro-
ben hinreichend guter Qualität geborgen waren, brauchte
es weiteren Wissensaustausch zwischen allen Beteiligten
 Abb. 14 und Abb. 15.
11

156
AKTUELLES

11
Am Modell kann man gefahrenlos
ver­messen.

12
Wildkarte 1850, Blatt 26 Horgen.

13
Helmut Spangler erkundet den mittleren
Stapel mit Spezialausrüstung.

14
Holzprobe.

15
Gewinnung einer Holzprobe.

12

Die dendrochronologische Untersuchung konnte einen Rat wurde im Winter 1550–1551 dokumentiert. Der Hafen
E ichenpfahl auf 1745 datieren (geschlagen vermutlich
­ wurde 1725–26 grundlegend erneuert und das Pfahlwerk
1768), zwei Tannen auf 1813 und 1843, sowie eine Fichte durch Quader mit eisernen Klammern verstärkt. Mitte des
auf 1844. Somit gehören die Hölzer in eine Story des 19. Jh. erfolgte dann ein letzter dokumentierter Umbau des
19. Jahrhunderts, bloss in welche? Hafens durch Erneuerung der Hafendämme und Haab­
haken. Unterhalb der Sust entstand eine neue Anlage mit
Die Katastrophe von Horgen steinernem Landungssteg und Kran.
Erste Internet-Recherchen zur Geschichte der Horgener Im Jahr 1875 fand dann die wohl grösste bauliche Katas­
Sust offenbarten den Tauchenden von 7Oceans, dass trophe der Gemeinde Horgen statt, als ein Grossteil der
nördlich der alten Sust der historische Hafen gelegen ­hatte. neu errichteten Eisenbahnanlage auf einer Länge von
Jetzt deutet nichts mehr darauf hin – dort liegt heute ein 204 m in drei Schüben im See versank. Über 6500 m2 Land
offenes Seebecken mit einer Fontäne ohne jeglichen Be- rutschten in den See auf 7–8 m ab, darunter auch der
zug zu einer Hafenanlage. Was also war geschehen? Licht ­H afen.
ins Dunkel brachte eine 2019 durchgeführte, interne Re- Ein neuer Hafen scheint in den Folgejahren errichtet und
cherche von Jonas Blum und Timo Geitlinger im Auftrag im 20. Jh. wiederholt umgebaut worden zu sein. Die Bau­
der Kantonsarchäologie Zürich. tätigkeiten sind jedoch nicht dokumentiert  Abb. 12.
Mehrere chronistische Erwähnungen der Sust im 15. und Blum und Geitlinger schlussfolgern aus ihrer Recherche,
16. Jh. belegen eine rege Handelstätigkeit   Einleitungs­ dass der Zusammenhang mit der Seerutschung am wahr-
bild. Der Neubau des Horgener Hafens durch den Zürcher scheinlichsten sei. Bei späteren Recherchen fanden wir

13 14 15

157
AKTUELLES

16
Lagebesichtigung an einem kalten
­Wintertag.

17
Perspektivisch ergibt sich vor Ort
immer noch ein anderes Bild.

18   
Poster der alten Horgener Sust.

19   
Poster der Fundstelle.

20   
Poster der Lagesituation.

16 17

158
AKTUELLES

159
AKTUELLES

aber noch weitere konkrete Daten in den Jahren 1877 und Interessiert durch die vorliegenden Daten (Fotos, Videos,
1883. Tatsächlich notiert die NZZ vom 25.9.1883: Messdaten, Berichte) entschlossen sich drei Studierende,
«Die diesen Sommer vorgenommene Auffüllung des See- diese Herausforderung gemeinsam anzunehmen. Mit Be-
gebietes beim Meierhof zur Erweiterung der Bahnhofanla- geisterung ging es an die Arbeit. Bei der Zwischenpräsen-
ge ist heute Morgen 5 Uhr in die Tiefe gerutscht und hat tation stellte sich heraus, dass für eine ansprechende und
noch viel alten Grund mitgerissen. Es sieht traurig aus. gut lesbare Darstellung des Uferbereichs noch Material
Die Bahngeleise sind noch unversehrt und können die fehlte. Es brauchte noch weitere Lagefotos, am besten
Züge passieren, immerhin aber hat der hiesige vorsichtige vom See her. Durch die Verbindung zur Richterswiler
Stationsvorstand angeordnet, dass bei den Frühzügen die Tauchgruppe Biber war es möglich mit dem Boot bei Wind
Personen aussteigen mussten und die Strecke vom Meier- und Regen das Fotomaterial zu sammeln   Abb. 16 und
hof bis zum Dampfschiffsteg die Züge leer durchlaufen. Abb. 17. Drei sehr ansprechende Poster zur Lage über und
Die seit Jahrhunderten stehende alte Susthabe ist ver- unter Wasser entstanden, die für die weitere Vermittlung
schwunden und die Dutzend Schiffe, die darin lagen, sind sehr wertvoll waren und sind  Abb. 18, Abb. 19 und Abb. 20.
zerschellt oder stark beschädigt.» In der Zusammenarbeit mit dem Team traten weitere wich-
Es wurde ein Abrutschen des Uferseebodens von 3–6 m tige Aspekte über den Umgang mit Messdaten zu Tage. Die
auf 19–22 m gemessen – der Tiefe der heutigen oberen Daten der ersten Untersuchungsphasen mussten jeweils
Fundstelle. Bereits am 26. September 1883 wurde das Ab- nur für einen kleinen Kreis von Experten verständlich sein.
rutschareal wieder mit 150 Wagenladungen aufgefüllt und Die Tauchenden kannten die Stapel von den Tauchgängen
der Zugverkehr provisorisch aufgenommen. Die Rutschun- und hatten eine räumliche Vorstellung von der Lage und
gen von 1875–1883 gingen glimpflich ab und forderten Szene. Für die Studierenden war dies nicht der Fall. Daher
­keine Menschenleben. 1883 räumten die 150 auf der Sust halfen in der späteren Phase die Fotos und Videos der
lebenden Personen noch nicht einmal ihre Wohnungen. Die Fundstellen, um die Daten verständlicher zu machen.
Bahnstrecke war erst am 20. September 1875 in Betrieb Die Studierenden ihrerseits entwarfen neben dem inhalt­
genommen worden und der Abbruch der unterliegenden lichen Konzept auch ein Farbkonzept, welches die Lage
Felsplatte löste wohl die entsprechenden Instabilitäten aus. vor Ort gut aufnahm, aber auch für Aussenstehende inte­
In der NZZ vom 17.10.1877 wurden drei Hypothesen geäus­ ressant wiedergab. Die Plakate mit ihrem Farbkonzept die-
sert: Entweder sei eines der jüngeren Erdbeben dafür nen nun auch als Leitlinie für eine geplante Ausstellung
­v erantwortlich, oder die Vibrationen des zunehmenden zum versunkenen Hafen im Ortsmuseum Horgen.
Bahnverkehrs oder die durch die Schiffschrauben der
Dampfschiffe verursachten Wellen hätten die Felsplatte Ein Plädoyer für offene Forschung
unterhöhlt. Ein historisches Erdbeben in diesen Jahren ist Die Geschichte der Hölzer in der Horgener Sust ist somit
nicht bekannt. Aber ein Zusammenhang mit der zuneh- etwas klarer. Die Seerutschung 1883 gilt als vermutetes
menden Belastung des Seeufer-Erdreiches durch schwe- ­E reignis für die Lage der Hölzer. Weitere Fragen werden
re Infrastruktur und Lastbetrieb scheint zumindest nicht geklärt werden, wenn alle Fundorte photogrammetrisch
unlogisch. dokumentiert und vermessen sind und auch die Umge-
Die gefundenen Reste liegen passenderweise zwischen 50 bung noch weiter abgesucht wurde.
und 80 m vom heutigen Ufer entfernt. Allerdings fanden Auch von Seiten der Unterwasserarchäologe gab es Fort-
Taucher von 7Oceans auch Bahngleise in rund 45 m Tiefe schritte: In verschiedenen Phasen der Vermessung kamen
und über 200 m vom Ufer entfernt, die vermutlich von der Diskussionen über die angestrebte Vermessungsgenauig-
ersten Rutschung 1875 stammen und mit den späteren keit auf. Ein Massband liefert Daten auf Zentimeter genau.
Rutschungen weiter in den See verschoben wurden. Ein Tiefenmesser auf Dezimeter, wobei sich die Tiefe mit
dem Pegelstand des Sees laufend ändert. Analoge und
Viele Daten – wie vermitteln? ­digitale Kompasse suggerieren Genauigkeit auf das Grad
Allmählich stellte sich auch die Frage, wie die Funde und genau. Doch wie präzise kann er platziert und abgelesen
Erkenntnisse einem interessierten Publikum zugänglich ge- werden? Was, wenn der Pfahl selbst nicht ganz gerade ist?
macht werden können. Die Erkenntnisse professionell zu Wie viel Toleranz ist zulässig? Fragen, für die hier projekt-
visualisieren war ein möglicher Ansatz, aber teuer. Doch bezogene Antworten gefunden wurden, welche aber sicher
dank guter Kontakte zur Hochschule Luzern und zur Zür- noch nicht abschliessend beantwortet sind.
cher Hochschule der Künste (ZHdK) konnte im Lehrmodul Es bleibt festzuhalten, dass das Besondere dieses Pro­
«Scientific Visualization» die Visualisierung der Fundstelle jektes, neben dem Inhalt, aus Perspektive der Citizen
Horgen Sust als mögliches Projekt für Studierende vorge- Science auch von organisatorischem Interesse ist, da sich
stellt werden. die multidisziplinäre Zusammenarbeit als sehr fruchtbar

160
AKTUELLES

18 19 20

­ rwiesen hat. Verschiedene Anspruchsgruppen finden als


e
Kooperationspartner zusammen: 7Oceans
– d as Exploration-Team von 7Oceans als Organisation Das TekTeam 7Oceans besteht aus ausgebildeten
tauch-interessierter Laien Tauchern und Tauchlehrerinnen mit modernstem
– die Kantonsarchäologie Zürich als archäologische Fach- technischem Tauchgerät, um in grosse Tiefen oder
stelle weit entlegene Orte in Höhlen vordringen zu
– d ie Zürcher Hochschule der Künste als vermittlungs­ ­k önnen. Im Rahmen regelmässiger Trainings wer-
orientierte Bildungsinstitution den Sicherheitsprozeduren trainiert, theoretische
– und zahlreiche interessierte Einzelpersonen mit Bereit- Grundlagen des technischen Tauchens vermittelt,
schaft zur Mitwirkung und Erkundungen von den letzten unbekannten
Dank der jahrelangen, stabilen Zusammenarbeit konnten Flecken der Erde geplant. Die Aktivitäten werden
im gegenseitigen Austausch stets gemeinsame Lösungen mit den entsprechenden Behörden abgesprochen
gefunden werden, die wissenschaftlichen Standards ent- und gemachte Funde und Entdeckungen nach wis-
sprechen. Die Mitwirkung der Teilnehmenden in einem senschaftlichen Standards publiziert. In den letz-
­solchen Projekt ist nicht beliebig und von Einzelpersonen ten zehn Jahren standen Explorationen am Zürich-
abhängig. Zudem war eine gewisse Ausdauer gefragt, um see und Höhlenerkundungen in Mexiko im Zentrum
ein solches Projekt mit geschätzt rund 50 Tauchgängen der Gruppe.
durch eine Krisenzeit wie der Corona-Pandemie zu tragen.
Als roter Faden für die Fachfremden kam dem «Agreement
des Roundtables Zürichsee» vom 8.2.2019 eine zentrale
Rolle zu. Unter Einbezug aller Protagonisten konnte so ein 7Oceans Tek Team
aussergewöhnliches Projekt nicht zuletzt im Interesse der
Öffentlichkeit durchgeführt werden.

Schienen auf 40 m Hafenreste 30 m östlich Hafenreste 30 m westlich

Hafenreste 40 m östlich Mittlerer Holzstapel 25 m

161
AKTUELLES

Cyril Dworsky, Henrik Pohl, Gerald Raab, Ronny Wessling

Prähistorischer Erosion mit dem interaktiven


3D-Viewer auf der Spur

Aus zwei- mach dreidimensional «Zeitensprung» – Die Grabung von Weyregg 2


In der Regel ist es nur einer sehr eingeschränkten und pri- im Attersee
vilegierten Zahl von Forschungstauchenden möglich, einen Das Forschungsprojekt «Zeitensprung» des Oberöster-
direkten Blick auf die Grabungssituation unter Wasser zu reichischen Landesmuseums (heute OÖ Landes-Kultur
werfen. Diskussionen zur Stratifikation, zu liegenden Höl- GmbH) und des Kuratoriums Pfahlbauten realisierte in den
zern in komplexer Lage, zum Befund im Allgemeinen ­finden Jahren 2015 bis 2021 acht Ausgrabungskampagnen an drei
nur im Nachhinein und meist anhand von Skizzen und unterschiedlichen Siedlungsplätzen. 2016 und 2017 wurde
­F otos statt. Die räumliche Information der Grabung ist auf in drei jeweils vierwöchigen Tauchkampagnen ein 12 m 2
diese Weise jedoch nur schwer zu transportieren. Der Neu- grosses Areal in der jungsteinzeitlichen Seeufersiedlung
start der Unterwasserarchäologie in Österreich mit Aus­ Weyregg 2 im Attersee ausgegraben   Einleitungsbild.
grabungen an den Pfahlbausiedlungen im Attersee und Hauptziel war es, innerhalb der Grabungsfläche eine hoch-
Mondsee ab dem Jahr 2015 ging deshalb mit der Imple- auflösende Stratigraphie sowie typochronologische Infor-
mentierung eines systematischen bildbasierten 3D-Scan- mationen zu erarbeiten  Abb. 1. Zusätzlich sollte ausrei-
verfahrens einher. Jede seitdem ergrabene Dokumenta­ chend Material für verschiedene naturwissenschaftliche
tionsoberfläche (DOF) wurde mittels Structure-from-Motion Untersuchungen (Palynologie, Makrorestanalyse, Sedi-
(SfM) und Multi-View-Stereo (MVS) systematisch erfasst. mentologie, Holzbestimmung und Dendrochronologie) ge-
Das Ergebnis sind digitale fotorealistische und dreidimen- wonnen werden, um Rekonstruktionsansätze für die Sied-
sionale Kopien der jeweiligen Grabungssituationen. Dies lungs- und Umweltgeschichte zu erlangen.
ermöglicht es allen Menschen, die Unterwasserszenen der Ungestörte Siedlungsbereiche haben sich in Weyregg vor
Ausgrabungen zu betrachten. allem im südlichen und westlichen, seeseitigen Bereich
Da noch immer kein vollumfängliches 3D-GIS in der ar- ­erhalten. Hier wurde nach Auswertung der Kernbohrungen
chäologischen Forschung verfügbar ist, wurde im Jahr der Grabungsschnitt von 6 x 2 m angelegt  Abb. 2. Dieser
2021 eine eigenständige Softwarelösung entwickelt. In Zu- kleine Ausschnitt zeigt das gleiche Bild, wie es flächende-
sammenarbeit zwischen dem   Kuratorium Pfahlbauten, ckend in der gesamten Siedlung in den Bohrkernen erkenn-
der OÖ Landes-Kultur GmbH und dem 3D-Studio  Crazy bar war: Uferseitig sind die Deckschichten und die obers-
Eye wurde im Rahmen des Projektes «Zeitensprung» ein ten Kulturschicht stark aufgearbeitet, seeseitig finden sich
3D-Viewer für die Grabungsdokumentation der Pfahlbau- mit Seekreide überdeckt gut erhaltene Kulturschichten. Mit
siedlung Weyregg 2 im Attersee erstellt. Dieser Pfahl- 14
C-Datierungen im Zeitraum von ca. 3750–3500 v.Chr. reiht
bau-3D-Viewer wurde als interaktives Präsentations-, Ana- sich Weyregg 2 gut in die Mondsee-Gruppe in Oberöster-
lyse- und Diskussionswerkzeug geschaffen. Ist es möglich, reich ein. Sie fällt damit in ein ähnliches Zeitfenster wie ver-
mit diesem Werkzeug grundlegende Fragen einer Aus­ gleichbare Kulturgruppen aus dem nordwestlichen Alpen-
grabung im Nachhinein zu beantworten? Lassen sich Zu- vorland (Cortaillod- und Pfyn-Altheim-Gruppe). Ebenfalls
sammenhänge zwischen den verschiedenen Schichten in interessant sind Spuren von menschlicher Aktivität zur
der Fläche sowie in den Profilen besser erfassen? Sind Bronzezeit im Bereich von Weyregg 2 in Form von Bronze-
eventuelle Erosionsschichten erkennbar? Kann dieser 3D- funden aus Altsammlungen und einem einzelnen Pfahl, der
Viewer die Öffentlichkeitsarbeit durch Visualisierungen un- in die Zeit 1890–1682 v.Chr. datiert.
terstützen? Erlaubt dieses Werkzeug Aussagen über einen Bei der Betrachtung der Profile und Dokumentationsober-
verbesserten Grabungsablauf? flächen wird deutlich, dass in Weyregg 2 drei jungsteinzeit-

163
AKTUELLES

1 2

164
AKTUELLES

4 3D-Animation des Grabungsschnitts Weyregg 2.

liche Hauptbesiedlungsphasen (SE 4, SE 5 und SE 6) vor-


gefunden wurden   Abb. 3. Im Nord- und Südprofil zeigt
sich, dass die ältere Kulturschicht SE 6 landwärts, die
­jüngere Kulturschicht SE 4 dagegen seewärts deutlich
mächtiger wird. Ebenso ist im Nord- und Südprofil
gut e ­ rsichtlich, dass die jüngere Kulturschicht SE 4 in Rich-
tung Ufer erodiert ist. Im gesamten flacheren Uferbereich
scheint diese im seewärtigen Bereich ausgeprägte Kultur-
schicht der Erosion zum Opfer gefallen zu sein.
Der Schichtverlauf der Kulturschichten ist vom Ufer in
Richtung See abfallend. Im Nord- und Südprofil ist zu
­sehen, dass die rezenten Deckschichten ebener liegen als
die stärker abfallenden, tieferliegenden Kulturschichten.
Dies könnte dafür sprechen, dass sich mit dem Anstieg
des Seespiegels die Halde durch Sedimentierung weiter
seewärts verschoben hat. In prähistorischer Zeit müsste
sie sich demnach näher am heutigen Seeufer befunden
­h aben; die Strandplatte also kleiner gewesen sein.
Die SE 4 lässt sich als jüngste Siedlungsphase um 3500
v.Chr. datieren; die Erstbesiedlungsphase mit der SE 6 um  Einleitungsbild
3750 v.Chr.  Abb. 4. Die dazwischen liegende SE 5 ist im Grabungsort Weyregg 2,
Ostufer Attersee ( A ) .
archäologischen Sinne nicht als steril anzusehen, sondern
zeigt wahrscheinlich eine Verlagerung der Siedlungsaktivi- 1
tät an. Analysen der Schicht ergaben Anzeichen für eine Forschungsgrabung in Weyregg
Siedlung, die sich in unmittelbarer Nähe befunden haben am Attersee ( A ) .
muss. Dieses Seekreideband mit organischen Resten zeigt
2
einen höheren Wasserstand an und kann als Überschwem-
Übersichtsplan der Siedlungsfläche ­
mungshorizont angesprochen werden. Es bleibt abzuklä- Weyregg 2.
ren, ob in dieser Zwischenzeit die Siedlungsaktivität in
Weyregg abgebrochen ist, oder sich vielleicht nur räumlich 3
Umzeichnung Nordprofil Weyregg 2.
verlagert hat. Denkbar wäre ein höherer Wasserstand,
durch den das eigentliche Siedlungszentrum disloziert
4
wurde. Erste Ergebnisse der palynologischen und sedi- Sicht auf den Erstbesiedlungshorizont
mentologischen Untersuchungen deuten darauf hin. DOF 12 Weyregg 2.

165
AKTUELLES

166
AKTUELLES

5
Ansicht der DOF 6 im 3D-Viewer, Weyregg 2.

6
Detailansicht der DOF 6 im 3D-Viewer,
­Weyregg 2.

Funktionsweise des 3D-Viewers.

Die kleine Grabungsfläche von 12 m2 macht es schwer, eine schlussendlich der Grund für die Entwicklung einer indivi-
umfassende Aussage zu der gesamten Siedlung und ihrer duellen Softwarelösung. Ausgewählte Grabungsdaten der
Umwelt zu treffen. Zudem war die Feinstratifikation wäh- Fundstelle Weyregg 2 wurden in ein Geländemodell der
rend der Grabung nicht immer einfach zu erkennen und zu umgebenden Landschaft eingebettet, um die Topographie
deuten. Es traten sehr dünne Schichten innerhalb der Kul- von Siedlung und Umgebung sichtbar zu machen.
turschichtpakete auf, die sich oft nur fleckenhaft in der Die Rohdaten der Ausgrabung können in Form von 3D-­
­F läche zeigten und keinen eindeutigen Schichtverlauf auf- Modellen zusammen mit davon abgeleiteten Vektor- und
wiesen. Erschwerend war die Tatsache, dass die Seiten- Rasterdaten kombiniert werden. Erst das Zusammenspie-
wände durch Stahlbleche abgestützt werden mussten und len von Rohdaten und interpretierten Daten erlaubt eine
dadurch die Profile erst zum Grabungsende sichtbar ­waren. räumliche Gesamtbetrachtung und somit eine schlüssige
Stratigraphische Interpretationen waren allumfassend erst Interpretation der räumlichen Daten  Abb. 5.
nach Beendigung der Grabung auf Grundlage der Profil­ Aus den exportierten Vektordaten der Pfähle und Hölzer
ansichten sowie der einzelnen Dokumentationsober­flächen wurden dreidimensionale Objekte erstellt, was eine an-
möglich  Abb. 5. Wie aber bereitet man die Daten für dies- schaulichere Darstellung der schon abgebauten Holz­
bezügliche Diskussionen mit Fachleuten auf und wie wer- befunde in ihrer Gesamtausdehnung über mehrere DOF
den aufgestellte Hypothesen überprüft? ­e rmöglicht  Abb. 6. Auch die Funde sind als interaktiv an-
klickbare Punkte in situ integriert.
Der Pfahlbau-3D-Viewer Direkt am dreidimensionalen Modell lassen sich so Befun-
Wie erwähnt, wurde der Pfahlbau-3D-Viewer als individu- de und Zusammenhänge diskutieren und Interpretationen
elles Präsentations-, Analyse- und Diskussionswerkzeug können anhand der Rohdaten überprüft werden. Der Gra-
geschaffen und in ständiger Absprache mit dem Team des bungsschnitt kann virtuell noch einmal freigelegt und neu
Kuratoriums Pfahlbauten umgesetzt. Anpassungen und bewertet werden, indem man sich durch die verschiede-
Änderungsvorschläge konnten so direkt in die Program- nen Dokumentationsoberflächen klickt. So lassen sich bei-
mentwicklung einfliessen. Die Idee war es, eine Plattform spielsweise Profile und DOF im Kontext zueinander be-
für 3D-Daten zu erschaffen, mit der das Team des Zeiten- trachten. Dieser Aspekt ist gerade im Hinblick auf den
sprung-Projektes untereinander sowie mit anderen Wis- Lerneffekt für andere Ausgrabungen nicht zu unterschät-
senschaftlern und Wissenschaftlerinnen die räumliche Ver- zen.
teilung von Hölzern und Funden im Verhältnis zu den
einzelnen Dokumentationsoberflächen (DOF) austauschen Funktionen
und stratigraphische Zusammenhänge diskutieren kann. Der Pfahlbau-3D-Viewer wurde in der Unreal Game Engi-
Im Vorfeld wurden sehr «technische» Lösungen wie das ne erstellt und liegt als ausführbare *.exe-Datei vor. Hilfe-
Blender GIS-Plugin oder der Agisoft-Viewer recherchiert, seiten sind bei Bedarf innerhalb des Programms zu finden.
getestet und für unzureichend befunden. Der Mangel an Auch ein ausführliches Handbuch zur Bedienung liegt bei.
nutzerfreundlichen interaktiven 3D-Viewern für gezielte Das Programm befindet sich derzeit in der Beta-Version,
­a rchäologische und kulturhistorische Fragestellungen war mit folgenden Funktionen:

167
AKTUELLES

– N ach Start der Anwendung gelangt man in das Haupt-


menü, wo unter anderem auf vorhandene Onlinemodel-
le zugegriffen oder eine geteilte Netzwerksession eröff-
net werden kann.
– Zu Vermittlungszwecken können webbasierte dreidimen-
sionale Ansichten als erweiterte Realität (AR) auch direkt
in Texte eingebettet werden  Abb. 7.
– Die Navigation kann je nach User individuell eingestellt
werden. So kann man eine normale «Gaming-Steuerung»
mit den Tasten W-A-S-D oder auch eine Orbitsteuerung
nur mit der Maus verwenden.
– Bei angeschlossenem VR-Headset gibt es auch die Mög-
lichkeit, den Viewer im 360°-Modus zu erleben. 7

– In der Geländeansicht lassen sich 1200 x 930 m der Re-


gion Weyregg als lagegerechtes 3D-Modell erforschen,
in drei möglichen Darstellungsarten: texturiert, Weiss­
modell, Weissmodell mit Höhenlinien  Abb. 8.
– DOF und Funde lassen sich einzeln, entsprechend des
jeweiligen Dokumentationsniveaus, ein- und ausblenden.
Die Fundbezeichnung wird per Klick auf einen Fundpunkt
angezeigt.
– Die DOF sind auch verschiebbar, um neben- oder unter-
einander betrachtet zu werden  Abb. 9.
– P fähle und Hölzer lassen sich jeweils getrennt oder zu-
sammen ein- und ausblenden. Diese werden als braune
und grüne halbdurchsichtige 3D-Objekte dargestellt.
– D ie umzeichneten Profile lassen sich inklusive einer
­Legende einblenden.
– Am 3D-Modell kann gemessen oder gezeichnet werden.
– Es können vordefinierte Kamerapositionen (Bookmarks)
gewählt werden.
– Ein Export von Fotos ist nach Kamerapositionierung (und
evtl. Ausblenden des Menüs) möglich. 7
Augmented Reality Marker für eine web­
basierte Detailansicht DOF 6. Bitte scannen
Zukunftsaussichten Sie diesen QR-Code mit ihrer Mobilfunk­
Zukünftige Versionen des 3D-Pfahlbau-Viewers sollen kamera und behalten Sie das Symbol
­w ei­tere nützliche Elemente sowie Verbesserungen beinhal- im ­K amerasichtfeld. Dann öffnet sich eine
ten. Geplant ist zum Beispiel eine neue Version mit der 3D-Ansicht der Unterwassergrabung in
Weyr­e gg 2, Attersee.
­I ntegration von Bohrkernen und Profilen aus den jüngsten
­A usgrabungen im Mondsee. Vorrangig soll aber mit dieser 8
­B eta-Version getestet werden, ob die genannten Frage- Funktion des 3D-Viewers: Geländemodell
stellungen positiv beantwortet werden können. Nach Weyregg 2.
­A bschluss der internen Tests könnte eine aktuelle Pro-
9
grammversion an Interessierte gesandt werden. Eine ge-
Funktion des 3D-Viewers: Betrachtung
meinsame Diskussion wäre über die Netzwerkfunktion des der verschiedenen DOF nebeneinander,
3D-Viewers möglich. Weyregg 2.

168
AKTUELLES

169
AKTUELLES

Monika Isler

Holzkohlenanalyse am Beispiel der Kupfer­


verhüttung im Oberhalbstein (GR)

Eine der häufigsten Erhaltungsformen von Holz ist Holz- Auf der Grabung wurden Sedimentproben entnommen,
kohle. Sie ist nicht auf nasse Böden angewiesen – und die ich im Labor auf Holzkohlen untersucht habe. Holz-
v erbrannt wurde eigentlich immer etwas. Also gibt es
­ kohlen sind äusserst fragil, entsprechend ist Vorsicht ge-
aus a­ llen Epochen Holzkohlen zu finden. In der Schweiz boten. Übliches Schlämmen und Sieben sollte vermieden
wird Holzkohle nur selten untersucht und ist eine viel zu werden, um die Holzkohlenfragmente nicht weiter zu zer-
selten genutzte umweltgeschichtliche Quelle. Das war kleinern. Für die Holzkohlenanalyse (Anthrakologie) ist es
e iner der Gründe, weshalb ich während Praktika im
­ empfehlenswert, wenn die Holzkohlestücke pro Kante
Dendrolabor ­Z ürich zunächst Holzanatomie und Holzkoh- mindestens fünf Millimeter lang sind. Dadurch ist die
lenanalytik erlernte und dann eine Masterarbeit über Holz- Wahrscheinlichkeit hoch, die genaue Holzart bestimmen
kohlen schrieb. zu können. Jedes Stück wird unter dem Mikroskop auf drei
Wenn ich durch die Zürichseeregion fahre, frage ich mich verschiedenen anatomischen Ebenen untersucht   Ein­
oft, wie die Gegend wohl früher ausgesehen hat, als noch leitungsbild. Im Gegensatz zu Holz wird Holzkohle auf-
nicht so viel überbaut war. In meinen Kopf entsteht schnell grund ihrer Beschaffenheit gebrochen und nicht geschnit-
ein romantisches Bild mit kleinen Siedlungen am See, mit ten (siehe Video am Schluss des Beitrags). Beim Brechen
Äckern, Wiesen und viel Wald. Doch war es tatsächlich so? wird die zu untersuchende Fläche uneben, was das Ar­
Wann hat der Mensch begonnen, die Landschaft nachhal- beiten am Mikroskop durch die geringe Tiefenschärfe er-
tig zu verändern? Solche Fragen stellen sich nicht nur im schwert  Abb. 3.
dicht besiedelten Raum, sondern auch in scheinbar unbe- Sämtliche Daten wie Holzart, Jahrringbreite, Pilzbefall,
rührten Gegenden. Das wurde mir klar, als ich auf der Lehr- Reak­tionsholz (legt der Baum beispielsweise bei Ästen an),
grabung Naturpark Ela im Oberhalbstein (GR) war. Dort Wurzelholz, Krankheitsbilder, Gewicht etc. werden in einer
wurde ab dem späten 2. Jahrtausend v.Chr. und im Mittel- Datenbank erfasst und ausgewertet. Um eine solide
alter Kupfererz abgebaut und Kupfer hergestellt. Ein ­Vergleichsbasis zu haben, konnte ich die Daten mit expe-
SNF-Projekt mit Lehrgrabungen der Universität Zürich rimentell verkohlten Proben lebender Bäume aus dem
(UZH) und Unterstützung des Archäologischen Dienstes Oberhalbstein vergleichen.
Graubünden (ADG) untersuchte etliche Fundstellen in der Eine Eigenschaft von Holz ist, dass bei seiner Verkohlung
Region. Bei den Unmengen an Holzkohlen und Metall- der Holzzustand (mit-)konserviert wird. Selbst die hauch-
schlacken, die wir dort antrafen, war schnell klar, dass die dünnen Strukturen von holzabbauenden Pilzen zerfallen
Landschaft nicht immer so unberührt war, wie es heute nicht, sondern verkohlen mit dem Holz. So können Pilz­
scheint. Im Gegenteil, der Erzabbau verursachte Schäden befall, Insektenbefall und Stressfaktoren der Bäume fest-
und die für die Verhüttung des Kupfererzes benötigten gestellt werden. Die hier untersuchten Stücke zeigen fast
Holzmengen mussten enorm gewesen sein. Denn das Ab- durchgehend einen mässigen Pilzbefall an. Folglich wurde
fallprodukt – Holzkohle – blieb ja in grossen Mengen vor das Holz erst gelagert, bevor es verfeuert wurde. Es war
Ort liegen und erhalten  Abb. 1. Gerade diese Holzkohlen aber noch in gutem Zustand. Sofern direkt mit Holz ver-
können verraten, wie stark der Wald genutzt oder gar über- hüttet worden ist, ist die Lagerung auch notwendig, damit
nutzt wurde. Dies untersuchte ich anhand ausgewählter das Holz die benötigte Hitze bis zum Schmelzpunkt des
Fundstellen in meiner Masterarbeit «Anthrakologie der Kupfers von über 1000º C. liefert.
Kupferverhüttung im Oberhalbstein (GR): Methodik und Die verwendeten Holzarten spiegeln die natürliche Vege-
Auswertung»  Abb. 2. tation im Umkreis der Fundstellen wider. Sämtliche unter-

171
AKTUELLES

 Einleitungsbild
Arbeitsplatz, um die Holzkohlen zu unter­
suchen.

1
Fundstelle Pareis I. Massives Holzkohlen­
packet.

2
Ausgewählte Fundplätze der Lehrgrabungen
der Universität Zürich. Prähistorische
­A bbau- und Schmelzplätze Val Faller Plaz,
Gruba I, Alp Natons, Pareis I, Vals. Mit­
telalterlicher Fundplatz Gruba II.

3
Dünnschnitt eines Holzes. Radialschnitt
von einer rezenten Fichte aus dem Ober-
halbstein.

4
Mittlere Jahrringbreiten der untersuchten
Holzkohlen. Die Fundstelle Pareis I liegt
am tiefsten ( 1735 m ü.M. ) , die Alp Natons
am höchsten ( 1947 m ü.M. ).
1

suchten Fundstellen liegen zwischen rund 1700 und 2000 m Auch die Jahrringbreite legt nahe, dass das Holz keine wei-
ü.M. Auf dieser Höhenstufe wachsen nur noch wenige ten Transportwege hinter sich hatte. Der Standort eines
Holzarten, hauptsächlich Lärchen, Fichten, Bergkiefern Baumes hat Einfluss auf die Jahrringbreite, je höher ein
und Arven. Baum steht, desto dünner werden seine Jahrringe. Die hier

172
AKTUELLES

eruierte Jahrringbreite nimmt an den verschiedenen Fund-


stellen kontinuierlich mit deren Höhe ab, so wie es zu er-
warten ist, wenn die Bäume vor Ort gefällt wurden  Abb. 4.
Nach Artenspektrum und Jahrringbreite zu urteilen, wurde
das Holz folglich lokal geschlagen.
Nur ein einzelnes Holzkohlefragment von knapp 5000 un-
tersuchten wuchs nicht vor Ort. Es handelt sich dabei um
Kernobst oder Feldahorn. Dieses Stück stammt vermutlich
von einem Gegenstand wie einem Holzwerkzeug, welches
in einer anderen Gegend gefertigt wurde.
Auch Äste und Wurzelholz konnten im Brennmaterial fest-
gestellt werden. Während Äste keine Überraschung dar-
stellen, ist Wurzelholz aufschlussreicher. Besonders am
Fundplatz Val Faller Plaz  Abb. 2 wurden einige Wurzeln 3-D Modell einer Holzkohle. Radialbruch von einer
festgestellt. Wurzeln auszugraben ist eine äusserst auf- r­ ezenten Lärche aus dem Oberhalbstein.
wändige Arbeit, nur um an Feuerholz zu kommen. Sofern
kein Sturm oder Hangrutsch diese freilegten, muss grosser
Aufwand betrieben worden sein, um diese auszugraben.
Im prähistorischen Bergbau fand keine Selektion des
Brennmaterials statt. Zudem geben die hinterlassenen
Holzkohlen Auskunft über den Waldzustand. Die hier ge-
nutzten Bäume waren alt und gesund, was bedeutet, dass
vor dem Erzabbau der Wald kaum genutzt worden war. Das
untersuchte Material erweckt den Eindruck, dass alles ver-
feuert wurde, was zur Verfügung stand. Somit ist es gut
vorstellbar, dass die jeweilige Umgebung um die Fundstel-
len innert kürzester Zeit komplett kahlgeschlagen wurde.
Eine längere Nutzungsdauer mit gezielter Aufforstung und
erneutem Schlagen fand nicht statt.
Der mittelalterliche Bergbau stellt sich leicht anders dar.
Die Zusammensetzung des verwendeten Holzes unter- 3

scheidet sich bei den mittelalterlichen Abbaugebieten der


Pingen  Abb. 2 von den anderen Fundstellen. Hier wurde
fast ausschliesslich Fichte verfeuert.
Wurde während des Mittelalters das Brennholz selektiert
oder die schnellwachsende Fichte aktiv gefördert? Diese
Fragen können mithilfe der Anthrakologie allein nicht be-
antwortet werden. Hierzu bräuchte es einen Vergleich mit
einer entsprechenden Pollenanalyse.
Es gibt für die Anthrakologie in der Schweiz und speziell
den Alpen noch viel zu tun. Die für die Ausbildung wichti-
gen Praktika und meine Masterarbeit führten inzwischen
zur Gründung meiner eigenen Firma. Ich bin gespannt, wel-
che weiteren Erkenntnisse in den Holzkohlen warten. 4

Bündner Kupfer –
Ein Projekt zur
prähistorischen
Kupfergewinnung

173
AUFGETAUCHT

Übersicht Projekte*

1 5

Stadt Zürich Kanton Schwyz

2 6

Kanton Zürich Kanton St. Gallen 3

3 7

Kanton Aargau Kanton Zug

Kanton Luzern

* 2020–2022

174
AUFGETAUCHT

Die Nummern auf den Kartenausschnitten


auf den Folgeseiten beziehen sich auf
die Kurzberichte auf den Seiten 182 bis 188.

175
AUFGETAUCHT

Stadt Zürich

2 4

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

Kanton Zürich

26

13 28

25

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

176
AUFGETAUCHT

27

23

11 22

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

15 18

10

8 20

17
24

16

21

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

177
AUFGETAUCHT

12 19

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

14

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

178
AUFGETAUCHT

Kanton Aargau

29 30

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

Kanton Luzern

31

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

179
AUFGETAUCHT

Kanton Schwyz

33 36

32 35

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

34

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

180
AUFGETAUCHT

Kanton St. Gallen

39
38 40

37

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

Kanton Zug

41

© Stadt Zürich, Geomatik + Vermessung 2022

181
AUFGETAUCHT

1 2 3

Aktion 157. 03 Aktion 108.10 Aktion 107. 33


21. 3 . 2022 ZH ( Stadt ) 10. 11.– 17. 12 . 2020 ZH ( Stadt ) 1.– 9. 9 . 2021 ZH ( Stadt )
Zürich-Mozartstrasse Wollishofen-Haumesser Riesbach-Varia

Aufgetaucht Detailinventarisation Prospektion


Ein Ausgräber, der namentlich nicht ge- Westlich anschliessend an die in den Im Rahmen eines Prospektionsprojekts
nannt werden will, hat nach 41 Jahren ein letzten Jahren untersuchten Flächen wurden auf seichten Uferplatten in
auf der Grabung Zürich-Mozartstrasse wurden weitere 272 m² des Pfahlfeldes Zürich Tiefenbrunnen, welche potentiell
beim Opernhaus entwendetes Kupferbeil dokumentiert, beprobt und Ober- als Siedlungsstandorte gedient haben
an die Stadtdarchäologie Zürich ge- flächenfunde geborgen. Dabei waren könnten, Sondierungen mit einem 2 . 5 m
schickt, mit dem Vermerk «lieber späte viele Störungen zu verzeichnen, welche langen Kernbohrer durchgeführt. Es
als überhaupt keine Reue!». Es handelt von Baggerungen aus dem 19. Jh. sollte abgeklärt werden, ob damit Kultur-
sich um ein jungneolithisches Flach- stammen. Damals wurde das Seegrund- schichten erfasst werden können,
beil vom Typ Bottighofen, welches aus material lokal so tief abgegraben, dass welche mit Oberflächenuntersuchungen
Feld 6, Schicht 4 stammen soll. Diese nicht nur die Kulturschichten, son- und kürzeren Bohrern bisher nicht er-
Schicht datiert dendrochronologisch auf dern auch die Pfähle vollständig zerstört kannt worden waren. In einzelnen Son-
3612 v. Chr. wurden. Trotzdem waren wiederum dierungen konnten Schichten mit
sehr gut erhaltene Funde ohne Spuren organischen Bestandteilen festgestellt
von Oberflächenerosion vorhanden. werden, bei welchen es sich aber ver-
mutlich um natürliche Einträge handelt.

4 5 6

Aktion 108. 11 Aktion 106.4 Aktion 121.12


1. 11.– 10. 12 . 2021 ZH ( Stadt ) 10.– 17 . 11. 2021; 3 .– 8 . 2 . 2022 ZH ( Stadt ) 1. 1.– 31. 12. 2020 ZH
Wollishofen-Haumesser Riesbach-Utoquai/Seewarte, Männedorf-Surenbach
Färberstrasse
Detailinventarisation Schutzkonzept
In der mehrheitlich durch Baggerungen Baubegleitende Untersuchung Die archäologischen Nachweise in der
zerstörten Pfahlbaufundstelle wurden Im Zuge von Kanalisationssanierungen Fundstelle reichen bis unmittelbar an
mittels Photogrammetrie zwei gekippte in der Färberstrasse wurde neben und die heutige Uferlinie. Die Untersuchungen
Zeugenberge ( umgelagerte, aber in- unter den alten Leitungsgräben Schichten der letzten Jahre haben ergeben, dass
takte Schichtblöcke ) dokumentiert und und Pfähle beobachtet. Soweit es das jedoch nur im östlichen Bereich noch Kul-
daraus mehrere Profilkolonnen ent- eindringende Grundwasser zuliess, wel- turschicht vorhanden ist, die teilweise
nommen. An diesen kann die ursprüng- ches für die Arbeiten mit Pumpen ab- unmittelbar unter dem Schlick offen liegt.
liche Schichtabfolge rekonstruiert gesenkt werden musste, wurden die Als Schutz für offen liegende Kultur-
werden. Sie sind die letzten Hinterlassen- Pfähle eingemessen und beprobt sowie schicht ist das Abdecken mit Geotextil
schaften, welche noch die ehemalige die zwei bis drei Kulturschichten stich- und Überschütten mit einer 20 cm
Stratigraphie aufzeigen. Zudem wurde probenmässig untersucht. An Fund- dicken Schicht Kies geplant. Im Fall von
auf 220 m² eine Pfahlfeldaufnahme material kamen lediglich Knochenabfälle Männedorf-Surenbach wäre eine
durchgeführt und Fundmaterial geborgen. zum Vorschein. Fläche von etwa 117 m² zu schützen,
Kulturschicht wurde ausser in den was in den nächsten Jahren umge-
Zeugenbergen nirgends beobachtet. setzt werden soll.

182 * UNESCO-Weltkulturerbe
AUFGETAUCHT

7 8 9

Aktion 113.9 Aktion 115.30 Aktion 122. 28


13. 1.– 1.7. 2020 ZH 20.– 21. 1. 2020 ZH 27. 1. 2020 ZH
Meilen-Plätzli Meilen-Schellen Männedorf-Strandbad

Sondierungen Abklärungen vor Ort Sondierungen


Um ein detailliertes Inventar der Fundstelle In der Fundstelle im Strandbad Dorf- Der westliche Teil der Uferplatte, welcher
erstellen zu können, wurden 49 Kern- meilen sind Schutzmassnahmen für die durch einen Felsriegel vom Zentrum
bohrungen durchgeführt. Es konnten bis stark gefährdeten, offen am Seegrund der Fundstelle abgetrennt ist, war bislang
zu drei durch Seekreide getrennte Kul- liegenden Kulturschichten geplant. Um nur oberflächlich untersucht worden.
turschichten festgestellt werden. Der Be- den Aufwand abzuschätzen, wurden Mit Kernbohrungen wurde nun abgeklärt,
reich mit Kulturschicht dehnt sich mehrere kleine Versuchsflächen hinsicht- ob im Seegrund eingebettete Kultur-
wesentlich weiter nach Westen aus als lich Schlick- und Steinüberdeckung, schichten vorhanden sind. Auf keiner Seite
bisher angenommen. Wahrscheinlich Pfahldichte sowie Kulturschichtqualität des Felsriegels erfasste der Bohrer Kul-
infolge älterer Ausbaggerungen endet er untersucht. Im sehr seichten Wasser turschichten. Von der Fundstelle sind
jedoch landwärts früher als erwartet. zeichneten sich eine hohe Fund- und demnach nur die bekannten Reste von
Im östlichen Teil der Siedlungsstelle liegt Pfahldichte ab. Eine rasche Umset- einer bis drei Kulturschichten am öst-
eine Kulturschicht offen am Seegrund, zung von Schutzmassnahmen wird da- lichen Rand der Uferplatte und das Pfahl-
in westlicher Richtung taucht sie im Be- durch erschwert, ist aber umso drin- feld erhalten.
reich der Haldenkante unter die See- glicher.
kreide ab und ist daher gut geschützt.

10 11 12

Aktion 114.11 Aktion 111.32 Aktion 120. 14


30. 1. 2020 ZH 2. 3 .– 2. 6. 2020 ZH 25. 5.– 26 . 6 . 2020 ZH
Meilen-Im Grund Erlenbach-Winkel* Männedorf-Leuenhaab

Kontrolle Detailinventarisation Detailinventarisation


Mit einem Lowrance Hook 5 CHIRP Es wurde erstmals die 2011 an der Im akut von Erosion bedrohten Pfahlfeld
( Compressed High Intensity Radiated stillgelegten Sprungturmgrube des Strand- wurde eine 278 m² umfassende Ober-
Pulse) Sonar wurden in der gesamten bades eingerichtete Erosionskontrolle flächenaufnahme durchgeführt. Die mar-
Fundstelle Tiefenmessungen durchge- abgelesen. Die Wände waren in der Mess- kanten Pfahlreihen, welche bereits
führt, um daraus ein Höhenmodell periode 1–2 cm, in einem Fall 10 cm ero- 2018 beobachtet worden waren, konnten
des Seegrundes zu erstellen. Gut sicht- diert, das Sediment sammelt sich dabei weiterverfolgt und dokumentiert werden.
bar ist eine quer durch die Fundstelle in der Senke und ebnet das Relief. Im untersuchten Areal sind keine Kultur-
führende alte Baggerrinne, in welcher Am Nordrand der Sprungturmgrube schichten vorhanden.Die vom See-
sämtliche Schichten zerstört sind. wurde eine 17 m² grosse Fläche mit zwölf grund aufgelesenen Funde lassen sich
Der Abgleich zukünftiger Messungen frei liegenden Pfahlschuhen untersucht. mit Ausnahme einer spätbronzezeit-
mit dem Modell soll zeigen, ob an den In der Grubenwand wurden die Schicht- lichen Nadel ins ältere Horgen datieren.
Böschungen Erosion angreift. abfolge aufgenommen und ergänzend Neben stark erodierter Keramik sind
Bohrungen ausgeführt. Nachgewiesen sind zahlreiche Steinbeil- und Silexklingen
fünf Kulturschichten, wobei die oberste vorhanden.
teilweise offen am Seegrund liegt und in
die Frühbronzezeit datiert.

* UNESCO-Weltkulturerbe 183
AUFGETAUCHT

13 14 15

Aktion 301.2 Aktion 137.23 Aktion 112. 36


4. 6 . 2020 ZH 3. 8 .– 11. 9 . 2020 ZH 15. 9 .– 12. 10. 2020 ZH
Zollikon-Strandplatte Nord Greifensee-Storen/Wildsberg* Meilen-Feldmeilen Vorderfeld

Inventarisation Detailinventarisation Detailinventarisation


Nach der Entdeckung der Fundstelle 2019 Nördlich des Storenstegs wurde eine Durch den Sturm Burglind im Januar
wurden nun weitere Abklärungen zur Fläche von 230 m² untersucht. Das Pfahl- 2018 waren viele Befunde freigschwemmt
Ausdehnung und Anzahl vorhandener Kul- feld dünnt gegen Nordwesten deutlich worden, welche seither stark exponiert
turschichten vorgenommen. Zwölf Boh- aus, der Rand der Siedlungsstelle wurde sind. Die Oberflächenaufnahme bezweckt
rungen dokumentieren auf einer Strecke in der untersuchten Fläche aber nicht deren Dokumentation und dient der
von 70 m entlang des Ufers eine bis gefasst. Kulturschichten konnten weder Entwicklung eines Schutzkonzeptes. Das
drei durch Seekreide getrennte Kultur- am Seegrund noch mit Bohrungen 2020 untersuchte Feld umfasst 34 m².
schichten. Zwecks Datierung wurden nachgewiesen werden. Die Keramikfunde Offen am Seegrund angetroffen wurden
organische Schichtproben entnommen. sind stark erodiert und soweit typo- acht Pfahlschuhe und sehr viel stark
logisch ansprechbar horgenzeitlich. Wie erodierte, zum Teil jedoch gering fragmen-
viele Siedlungsphasen am nördlichen tierte Keramik. Belegt sind pfyn- und
Rand der Fundstelle vorhanden sind, horgenzeitliche sowie früh- und
werden die dendrochronologischen Un- spätbronzezeitliche Funde. Zehn Boh-
tersuchungen zeigen. rungen erbrachten den Nachweis
von bis zu vier durch Seekreide getrennte
Kulturschichten.

16 17 18

Aktion 210.9 Aktion 115.31 Aktion 112. 37


9. 10 . 2020 ZH 22. 2.– 9. 4. 2021 ZH 20. 4.– 27. 5. 2021 ZH
Wädenswil-Varia (Auseeli) Meilen-Schellen Meilen-Feldmeilen Vorderfeld

Prospektion Detailinventarisation Detailinventarisation


Im sogenannten Auseeli hinter der Halb- Zur Vorbereitung von Schutzmassnah- Innerhalb von fünf Wochen wurde eine
insel Au wurden mit einem 3 m langen men wurde östlich der Landzunge Fläche von 150 m² dokumentiert, in
Kernbohrer vier Sondierungen vorgenom- des Strand bads Dorfmeilen auf einer der die Kulturschichten unter Steinen und
men. Es kamen dabei keinerlei anthro- Fläche von 90 m² mit einer Oberflächen- Schlick weitgehend ungeschützt am
pogene Spuren zum Vorschein. Bis in eine aufnahme begonnen. Es wurden Funde Seegrund liegen. Die Fund- und Pfahldich-
Tiefe von 2. 7– 3 m waren Faulschlamm, geborgen und Holzproben für dendro- te war ausserordentlich hoch, die Kul-
wenig humoses Material und Seekreide archäologische Untersuchungen sowie turschicht gut ausgeprägt. Es wurden 49
vorhanden, darunter wurde Seeton sechs Profilkolonnen entnommen. Pfahlschuhe beprobt, viele davon mit
( feine Ablagerung, durch Vergletsche- Bemerkenswert ist die hohe Pfahldichte zugehörigem Pfahl, zwei ausserdem mit
rung in den Eiszeiten entstanden ) von mehr als 13 Pfählen pro m². Im um- Keilen. Es sind vermutlich zwei ver-
festgestellt. fassenden Fundmaterial sind auch gut schiedene Kulturschichten an der Ober-
erhaltene organische Funde vorhanden, fläche aufgeschlossen, denn die
wie beispielsweise Geflechte, eine Holz- Funde datieren in die Horgener Epoche
schale und ein Flügelholm. Das Fund- und die Frühbronzezeit.
material datiert ins Pfyn, die Keramik ist
mit typischer Spatelrauhung versehen.

184 * UNESCO-Weltkulturerbe
AUFGETAUCHT

19 20 21

Aktion 120. 15 Aktion 115.32 Aktion 165. 27


1. 6 .– 8 .7 . 2021 ZH 16. 6 . 2021 ZH 16. 6 . 2021 ZH
Männedorf-Leuenhaab Meilen-Schellen Wädenswil-Vorder Au*

Detailinventarisation Methodenvergleich Methodenvergleich


Die schon früher festgestellte Erosion Es galt, die Signale von Akustikmes- Es wurden Abklärungen und eine Vali-
am Pfahlfeld konnte auch in dieser Aktion sungen respektive die Interpretation der- dierung der Interpretation von Akustik-
bestätigt werden. In Ufernähe sind die selben zu veri- bzw. falsifizieren. Das messungen von im Untergrund
Pfähle besonders gefährdet, oftmals sind Augenmerk sollte auf dem südlichen Sied- befindlichen Strukturen und Pfählen
nur noch die Pfahlspitzen erhalten. lungsrand liegen. In den Zonen, wo vorgenommen. Dazu wurde in ver-
Vergleichswerte der Erosionskontrollen laut Interpretation mit Lehm zu rechnen schiedenen Bereichen der Fundstelle
zeigen einen Sedimentabtrag von gewesen wäre, war dieser mittels Bohrungen durchgeführt. Es konnten
maximal 2 cm innerhalb dreier Jahre. Es Bohrungen nicht nachweisbar, ebenso weder Hinweise auf die in den Akustik-
wurde eine Fläche von 290 m² unter- wenig wie Pfähle und Hölzer, welche messungen festgestellten Lehme
sucht. Kulturschichten konnten weder ausserhalb des bisher bekannten Pfahl- oder andere mineralische Elemente fest-
an der Seegrundoberfläche noch in feldes laut Akustikdatenauswertung gestellt werden, noch wurden die
den vier Tiefensondierungen mit dem vorhanden sein sollten. ausserhalb des bekannten Pfahlfeldes
2. 50-Meter-Kernbohrer beobachtet postulierten, einsedimentierten
werden. Das Fundmaterial datiert in die Hölzer angebohrt.
Horgener Epoche.

22 23 24

Aktion 111. 33 Aktion 174.23 Aktion 116. 22


17. 6 . 2021 ZH 17.– 21. 6. 2021 ZH 17.– 21. 6. 2021 ZH
Erlenbach-Winkel* Küsnacht-Hörnli Meilen-Obermeilen Rorenhaab*

Methodenvergleich Schutzerneuerung Schutzerneuerung


Um die Ergebnisse und Interpretation von Nachdem 2012 südlich der Schifflände Der von Hundehaltern stark frequentierte
Akustikmessungen zu validieren, wurde zum Schutz der Kulturschichten Larsen Platz östlich der Hafeneinfahrt, wo Kul-
im untersuchten Gebiet sondiert. Es konn- mit einer Kieshinterfüllung angebracht turschichten offenliegen, wurde 2011 mit-
ten lediglich zwei Bohrungen durch- worden waren, zeigte sich in den letzten tels Larsen und Kieshinterfüllung ge-
geführt werden, daher sind die Aussagen Jahren, dass sich die Schüttung teils schützt. Im Lauf der Jahre wurde immer
in Bezug auf die Akustikresultate, wel- über die Larsen in Richtung Seebecken mehr Kies weggeschwemmt, sodass
che es zu bestätigen galt, nur beschränkt verlagert hatte, und dass das schüt- das Geotextil, welches als Trennung von
beurteilbar. Es wurden aber weder zende Geotextil und demzufolge die Kul- Kulturschicht und Kies dient, mittler-
Steinartefakte gefunden (was in einer Boh- turschichten nicht mehr genügend weile frei lag. Es wurde erneut genügend
rung auch kaum zu erwarten ist ) , noch überdeckt waren. Daher wurde an drei Kiesauflage eingebracht, sodass
wurden linsenförmige Befunde oder Stein- Stellen erneut Kies eingebracht, der Schutz wieder gewährleistet ist.
haufen gefasst. Einzig einige Stickel um den Schutz wieder zu gewährleisten.
könnten auf signalgebende Objekte hin-
weisen.

* UNESCO-Weltkulturerbe 185
AUFGETAUCHT

25 26 27

Aktion 200. 3 Aktion 301.3 Aktion 201. 7


1.– 8 . 9 . 2021 ZH 1. 9. 2021 ZH 8. 9 . 2021 ZH
Zollikon-Varia Zollikon-Strandplatte Nord Küsnacht-Varia

Prospektion Inventarisation Prospektion


Im Rahmen eines Prospektionsprojekts Mit einem 2 . 5 m langen Kernbohrer Im Rahmen eines Prospektionsprojekts
wurden auf seichten Uferplatten, welche wurden sechs Sondierungen ausgeführt, wurden auf seichten Uferplatten, wel-
sich potentiell als Siedlungsstandorte um allfällige Überreste zu fassen, che potentiell als Siedlungsstandorte ge-
eignen, Sondierungen mit einem 2 . 5 m welche tiefer als die bisher bekannten dient haben könnten, Sondierungen
langen Kernbohrer durchgeführt. Es Kulturschichten liegen. In einer Boh- mit einem 2.5 m langen Kernbohrer durch-
sollte abgeklärt werden, ob damit Kultur- rung wurden in 1 . 6 m Tiefe Schichtreste geführt. Es sollte abgeklärt werden,
schichten und bisher unentdeckte gefunden, welche mit dem sonst üb- ob damit Kulturschichten gefasst werden
Pfahlbausiedlungen gefasst werden kön- lichen, 1. 5 m langen Bohrer nicht erreicht können, welche bisher mit Oberflä-
nen, welche bisher mit Oberflächen- worden wären. Durch die neuen Son- chenuntersuchungen und kürzeren Boh-
untersuchungen und kürzeren Bohrern dierungen konnte die Ausdehnung der rern nicht erkannt wurden. Allerdings
nicht erkannt wurden. Lediglich in Fundstelle exakter erfasst werden. blieben sämtliche Bohrungen ohne posi-
einer Sondierung konnte eine Schicht mit tiven Befund.
organischen Bestandteilen und Holz-
kohle gefasst werden, welche aber nicht
eindeutig als Kulturschicht interpretier-
bar ist.

28 29 30

Aktion 301.4 Aktion 239.5 Aktion 239. 6


7. 10 . 2021 ZH 6.– 7 . 2. 2020 AG 12.– 15 . 7 . 2021 AG
Zollikon-Strandplatte Nord Meisterschwanden-Erlenhölzli Meisterschwanden-Erlenhölzli

Methodenvergleich Inventarisation Inventarisation


Mit Sondierbohrungen wurden Abklä- Es wurden hauptsächlich ergänzende Der Fokus lag auf der Entnahme von
rungen und eine Validierung der Inter- und vorbereitende Massnahmen für Dendroproben ohne Bodeneingriffe in
pretation von Akustikmessungen von andere Aktionen durchgeführt. Das Pfahl- allen Bereichen der Fundstelle, um
im Untergrund befindlichen Strukturen feld wurde abgeschwommen und auf mit den Datierungen möglichst alle Sied-
und Pfählen vorgenommen. Darin potentielles Material für eine Dendrodatie- lungsphasen zu erfassen. Die zerstö-
waren keine Kulturschicht und keine Hin- rung beurteilt sowie Proben der obers- rungsfreie Probenentnahme erwies sich
weise auf prähistorische Artefakte ten Kulturschicht entnommen. Aus zwei im Bereich der Halde als problemlos.
vorhanden. Dass der hier vorhandene Bohrkernen wurde Material für die 14C- Um das gesamte Siedlungsareal zu er-
Sandanteil in der Seekreide oder der Datierung der Schichten geborgen und fassen, wurde neben der etwa 150 m
Bauschutt ein akustisches Signal erzeugt, die Unterwassertopographie mit ba- langen, uferparallelen Achse der Halde
ist ebenfalls unwahrscheinlich, da in thymetrischen Aufnahmen der Uferplatte auch eine ufersenkrechte definiert,
weiteren Bohrungen dasselbe Material erfasst. Die Pfähle sind auf der Ufer- wo jedoch u. a. aufgrund der Schlicküber-
kein akustisches Signal auszulöst. platte bodeneben erodiert, im Bereich deckung nicht viele Proben entnommen
der Haldenkante ragen sie jedoch werden konnten.
aus dem Seegrund und können ohne
Bodeneingriffe beprobt werden.

186 * UNESCO-Weltkulturerbe
AUFGETAUCHT

31 32 33

Aktion 303. 2 Aktion 134.13 Aktion 179. 11


12. 12 . 2019 – 24. 2. 2021 LU 24. 4.– 18 . 5 . 2020 SZ 6 .– 30. 7 . 2020 SZ
Luzern-Varia (Seewasserleitung) Freienbach-Vor der Kirche Freienbach-Hurden Seefeld*

Abklärung vor Ort Abklärung vor Ort nach Fundmeldung Detailinventarisation


Während der Verlegung einer See- Vor dem Schilfgürtel bei der Pfahlbau- Gemäss der 3 D-Modellierung der Fund-
wasserleitung im Luzerner Seebecken fundstelle Freienbach-Vor der Kirche wur- stelle auf Basis von Sondierbohrungen
wurden etappenweise die Graben- de von einer Privatperson die Sichtung liegen rund 130 m² der schnurkeramischen
profile und -sohlen auf prähistorische eines Schwertes gemeldet. Bei der Ber- Schicht offen am Seegrund und sind
Siedlungshinweise überprüft. Bei den gung wurde auch der umliegende See- damit der Erosion ausgesetzt. Davon wur-
Aushubarbeiten kamen in der Bagger- boden untersucht. Neben dem Schwert den 98 m2 offen liegende Kulturschicht
schaufel prähistorische Pfähle sowie kamen kleines Messer, ein Pfriem und dokumentiert. Sie soll später mit einer
spätbronzezeitliche Keramik zum Vor- ein ovaler Ring zum Vorschein, ein zuge- Kiesschüttung geschützt werden. Das
schein. In den Grabenprofilen fehlte höriger Befund war nicht vorhanden. keramische Fundmaterial ist teils stark,
jedoch jeglicher Nachweis für ein Pfahl- Das kleine Messer und der Pfriem lagen teils nur wenig erodiert. Daneben konn-
feld und Kulturschichten. In einem unterhalb der Parierstange neben der ten Knochen, Silices, Steinartefakte, Kno-
späteren Prospektionstauchgang wurden Schwertklinge. Dies bedeutet, dass das chen-/Geweihartefakte und eine Schnur
deutlich abseits der bereits entdecken Schwert wohl mitsamt seiner Leder- geborgen werden. Nebst drei 14C-Proben
Pfahlkonzentration noch weitere prähis- scheide in den See gelangte. Das Schwert wurden 666 Hölzer für dendrochrono-
torische Pfähle gefunden. kann in die erste Hälfte des 16 . Jh. logische Analysen beprobt.
datiert werden.

34 35 36

Aktion 319.1 Aktion 134.14 Aktion 179. 12


21. 8 .– 18. 12. 2020 SZ 4.– 5.11. 2020 SZ 20. 9 .– 1. 10. 2021 SZ
Küssnacht-Immensee Dorfplatz Freienbach- Freienbach-Hurden Seefeld*
Vor der Kirche (Pfarrmatte)
Rettungsgrabung Detailinventarisation
Bei der Aushubüberwachung auf dem Ge- Sondierungen Das untersuchte Feld befindet sich
lände des ehemaligen Hotels Rigi Royal Im Vorfeld der geplanten Revitalisierung im Stehwasserbereich unmittelbar vor
in Immensee kamen organische Schichten und Aufwertung der Pfarrmatte, welche der binsenbewachsenen Uferzone.
und Pfähle zum Vorschein, worauf eine auf der Höhe der Fundstelle Freienbach- Es wurde explizit nur die Fläche mit offen
Rettungsgrabung durchgeführt wurde. Es Vor der Kirche liegt, wurden in Ufernähe liegender Kulturschicht untersucht,
handelt sich um die erste Pfahlbaufund- Kernbohrungen durchgeführt, um zu über- welche in den nächsten Jahren mit einer
stelle am Zugersee auf Schwyzer Kantons- prüfen, ob hinter der Uferlinie mit ar- Kiesschüttung zugedeckt und vor
gebiet. Diese befindet sich verkehrs- chäologischen Schichten oder Pfählen weiterer Erosion bewahrt wird. In den
technisch an einer ausserordentlich wich- zu rechnen ist. An zwei Einsatztagen 37 untersuchten Quadratmetern wur-
tigen Stelle. Die vermutlich fünf erhal- wurden insgesamt 15 Kernbohrungen bis den Funde geborgen und Hölzer für den-
tenen Schichten datieren die Siedlungen in die Tiefe von 3 m durchgeführt, drochronologische Analysen beprobt.
in das späte 4. Jahrtausend v. Chr. Auf- ohne auf Hinweise von Kulturschicht zu Die Funde stammen aus der schnurke-
fällig ist das grosse Inventar aus Grünge- stossen. ramischen Schicht, es sind entspre-
stein, vom Rohmaterial bis zu den fer- chende Keramikfragmente mit datieren-
tigen Beilklingen. den Elementen nachgewiesen sowie
Beile, Knochen- und Geweihartefakte.

* UNESCO-Weltkulturerbe 187
AUFGETAUCHT

37 38 39

Aktion 195. 5 Aktion 289.4 Aktion 127. 12


29. 6 .– 3 . 7. 2020 SG 13.– 17 . 7 . 2020 SG 2.– 19 . 8 . 2021 SG
Obersee-Varia (Schiffsteg HSR) Rapperswil-Jona-Kempraten Rapperswil-Jona-Seegubel

Abklärung vor Ort Detailinventarisation Detailinventarisation


Vor der Hochschule Rapperswil war eine Auf insgesamt 54 m² erfolgte eine Ober- Aufgrund von hydrodynamischen Lang-
Anlegestelle innerhalb der Pufferzone des flächendokumentation. Nach Abtrag zeitmessungen 2018 konnte die Erosions-
archäologischen Schutzgebietes Tech- des Schlicks wurden Pfahlschuhe und gefahr in verschiedenen Bereichen der
nikum-Seedamm geplant. Es musste da- Pfähle eingemessen sowie Fundma- Fundstelle bewertet werden. Aufgrund der
mit gerechnet werden, dass sich auf der terial geborgen. Kulturschicht konnte Ergebnisse wurde eine Oberflächen-
Untiefe Pfahlstrukturen und/oder Fisch- nirgends beobachtet werden und und Pfahlfeldaufnahme in der am meisten
fanganlagen befinden, welche zerstört auch in fünf Kernbohrungen wurden gefährdeten Zone geplant und um-
werden könnten. Neben der Zone des ge- keine organischen Schichten ge- gesetzt. Es wurden auf einer Fläche von
planten Stegs wurde auch der Bereich fasst. Im Zuge der Dokumentation konn- 41 m² prähistorische Pfähle für dendro-
entlang der Fahrrinne untersucht und mit- te auch ein hälftig einsedimentierter archäologische Untersuchungen verprobt
tels Abschwimmen der Seegrund be- Pfahlschuh photogrammetrisch erfasst und auf der Seegrundoberfläche auf-
gutachtet. Durch Kernbohrungen konnte werden. Neben römischen Ziegeln liegendes sowie in der Überdeckung vor-
ausgeschlossen werden, dass im Bau- wurden bronzezeitliche Funde und einige handenes Fundmaterial geborgen.
perimeter Kulturschichten vorhanden sind, Netzschwimmer geborgen. Dabei konnte keine offen liegende Kultur-
die geschützt werden müssten. schicht beobachtet werden.

40 41

Aktion 289. 5 Aktion 251.5


12.– 27.10 . 2021 SZ 18 . 2.– 29. 10. 2020 ZG
Rapperswil-Jona-Kempraten Risch-Zweieren

Detailinventarisation Inventarisation
Aufbauend auf den letzten Aktionen Während insgesamt vier Wochen im
wurde das bisher untersuchte Feld Rich- Februar und Oktober wurden auf einer
tung Norden erweitert und die Ober- Fläche von 2400 m² 378 Pfähle ein-
flächenaufnahme weitergeführt. Ziel war gemessen, dokumentiert und beprobt.
es abzuklären, ob sich die in früheren Neben mutmasslich prähistorischen
Untersuchungen beobachtete Palisade Pfählen wurden vermutlich neuzeitliche
in diesem Bereich der Fundstelle fort- Fischfanganlagen beobachtet. Es konn-
setzt, was bestätigt werden konnte. Die ten keine prähistorischen Funde oder
untersuchte Fläche umfasst 80 m². Es Kulturschichten an der Seegrundober-
wurden zudem acht Tiefenbohrungen mit fläche festgestellt werden.
dem 2. 50-Meter-Kernbohrer durchge-
führt; Kulturschichten konnten dabei nicht
gefasst werden. Vom spärlichen Fund-
material ist eine Randscherbe typologisch
in die Spätbronzezeit datierbar.

188 * UNESCO-Weltkulturerbe
ETCETERA

Glossar Dendroklimatologie Helvetier


Befasst sich mit der Rekonstruktion ver­ Keltischer Volksstamm, welcher im 1. Jahr-
aDNA
gangener Klimata anhand der Analyse von hundert v.Chr. im heutigen Schweizer Mittel-
ancient DNA ( alte DNA ) bezeichnet die Res-
Jahrringen von Bäumen. land lebte.
te von Erbgutmolekülen in toten Organis-
men, von denen keine direkten Verwandten Dendroökologie Hydrodynamik
mehr leben. Teilgebiet der Dendroarchäologie, in dem Strömungslehre von Flüssigkeiten.
Klima- und Umweltinformationen aus den
Akkumulation Hydrologie
Jahrringen analysiert werden.
Ansammlung von Material, meist im Zusam- Wissenschaft, die sich mit dem Wasser
menhang mit der Ablagerung von Sedimen- Dendrotypologie ­b efasst.
ten. Klassifikation von Hölzern nach dendrologi-
Isotopenanalytik
schen, dendrometrischen und dendro­
Anthrakologie Methode, um den Anteil von Isotopen eines
chronologischen Parametern und deren In-
Wissenschaft der Holzkohleanalysen. chemischen Elements innerhalb einer Probe
terpretation aus waldwirtschaftlicher Sicht.
zu bestimmen. Die Isotopenzusammenset-
Archäobotanik
Endemisch zung wird mit einem Massenspektrometer
Untersucht die Vegetation vergangener
Pflanzen oder Tiere, welche ausschließlich ermittelt.
­Z eiten anhand von Makroresten
in einem begrenzten Gebiet vorkommen.
( Früchte, Samen, Holzreste ) und Mikro­ Jüngere Dryas
resten ( Pollen, Sporen ). Erosion Erdgeschichtlicher Abschnitt zwischen
Abtragung von Boden oder Sedimenten 10 730 und 9700 v.Chr., in der ein scharfer
Aristoteles
durch natürliche oder vom Menschen verur- Kälterückfall erfolgte.
Griechischer Philosoph und Naturforscher,
sachte Vorgänge.
der von 384–322 v.Chr. lebte. Jungneolithikum
Erosionskontrolle Zeitabschnitt zwischen 4400 und 3300
Augmented Reality ( AR )
Messmethode, welche die Erosion an Fund- v.Chr., in dem in Zentraleuropa die ersten
«Erweiterte Realität», computergenerierte
stellen unter Wasser quantifiziert. Pfahlbausiedlungen entstanden sind.
holografische Überlagerung der Realität.
Feuchtbodenarchäologie Kamberkrebs
Bathymetrie
Archäologie der Fundstellen, welche in Moo- Ein aus Nordamerika stammender Fluss-
Topografische Vermessung des Seegrunds.
ren, Feuchtgebieten oder unter Wasser er- krebs, der in unseren Gewässern als inva­
Beckenton halten geblieben sind. sive Art vorkommt.
Geologische Schicht, die aus verfestigten
Frühbronzezeit Kleine Eiszeit
Tonmineralien besteht, aber dennoch weich
Urgeschichtlicher Zeitabschnitt von 2200– Klimageschichtlicher Abschnitt zwischen
und unbeständig ist.
1600 v.Chr., in dem in Mitteleuropa eine dem Anfang des 15. Jahrhunderts und dem
Bioarchäologie neue Technologie, die Legierung von Kupfer 18. Jahrhundert, in dem ein relativ kühleres
Umfasst die Archäobotanik und Archäo­ und Zinn zu Bronze, Einzug hielt. Klima herrschte.
zoologie und befasst sich mit dem Studium
Frühmittelalter Klimadeterminismus
von ehemals lebenden Organismen im Rah-
Erster Abschnitt des Mittelalters, welcher Deutungen und Modelle, die Änderungen
men der Archäologie.
von ca. 550 bis 1050 n.Chr. dauerte. ­individueller oder gesellschaftlicher Verhält-
Bronzezeit nisse als Reaktionen auf Klimaänderungen
Geomorphologie
Abschnitt der Menschheitsgeschichte, erklären.
Teilgebiet der physischen Geographie, wel-
in dem Metallgegenstände vorherrschend
ches die Formen und Prozesse der Erdober- Konifere
aus Bronze hergestellt wurden ( in Europa
fläche untersucht. Nadelholz und grösste heute noch lebende
im Zeitraum von 2200–800 v.Chr.).
Gruppe der nacktsamigen Pflanzen.
Geoökologie
Cortaillod-Kultur
Teilgebiet der Umweltwissenschaften, wel- Kulturschicht
Kultur der frühesten Seeufersiedlungen in
ches die natürlichen Umweltsysteme und Bei Ausgrabungen verwendeter Begriff für
Zentraleuropa ( 4300–3900 v.Chr.) .
ihre Beeinflussung durch den Menschen un- durch die Anwesenheit von Menschen verur-
14
C-Datierung tersucht. sachte Ablagerungen.
Auch Radiokarbondatierung genannt:
Hochmittelalter LIDAR
­Verfahren mit dem kohlenstoffhaltige, orga-
Zweiter Abschnitt des Mittelalters, welcher Abkürzung für «light detection and ranging».
nische Materialien datiert werden können.
von 1050 bis Mitte des 13. Jahrhunderts Optisches Messverfahren, bei dem mit
Dendroarchäologie ­dauerte. ­e inem Laserscanner die Geländeoberfläche
Oberbegriff, welcher die Dendrochronologie, aufgezeichnet wird.
Holozän
Dendroökologie und die Dendrotypologie
Abschnitt der Erdgeschichte, der die Nach- Lithologie
umfasst.
eiszeit bezeichnet und vor rund 12 000 Wissenschaft, welche Herkunft, Alter,
Dendrochronologie ­Jahren begann. ­Z usammensetzung, Struktur und Verteilung
Datierungsmethode, bei der die unter- der Gesteine untersucht.
Horgener Kultur
schiedlich breiten Jahrringe von Bäumen
Jungsteinzeitliche Kultur zwischen 3400– Litoral
gemessen, auf der Zeitachse dargestellt
2800 v.Chr., benannt nach dem Fundort Der nahe am Ufer liegende Bereich von Bin-
und anhand von Referenzchronologien einer
­H orgen-Scheller am Zürichsee. nengewässern.
bestimmten Zeit zugeordnet werden.

190
ETCETERA

Makrofossilien Radiokarbondatierung Spätmittelalter


Organische Reste von pflanzlichen oder tie- Auch 14C-Datierung genannt: Verfahren, Letzter Abschnitt des europäischen Mittel­
rischen Organismen aus früheren Zeiten, mit dem kohlenstoffhaltige, organische alters, der von der Mitte des 13.Jahrhun-
welche von blossem Auge erkannt werden ­M aterialien datiert werden können. derts bis um 1500 dauerte.
können.
Reflexionsseismik Spätneolithikum
Mikrofossilien Verfahren zur Bestimmung von Schichtgren- Letzter Abschnitt der Jungsteinzeit, der von
Organische Reste von pflanzlichen oder zen im Erdinnern. ca. 3500–2800 v.Chr. dauerte.
­tierischen Organismen aus früheren Zeiten,
Resuspension Steinzeit
welche von blossem Auge nicht erkannt
Erneute Suspension ( Suspension: hetero­ Früheste Epoche der Menschheitsgeschich-
werden können.
genes Stoffgemisch in einer Flüssigkeit, te, die sich aus der Alt-, Mittel- und Jung­
Mittelbronzezeit ­welches zur Sedimentation tendiert ) und steinzeit zusammensetzt ( 3.4 Mio. Jahre bis
Urgeschichtlicher Zeitabschnitt von 1600– Mobilisierung von ausgefällten Feinpartikeln 2200 v.Chr. ).
1300 v.Chr., in dem in Mitteleuropa v.a. und Festkörpern.
Stratigrafie, stratifiziert
­H ügelgräber üblich waren, weshalb man
Schlämmen Bei Ausgrabungen verwendeter Begriff für
auch von der Hügelgräberkultur spricht.
Mechanisches Trennverfahren mit Wasser, die Abfolge von natürlichen und durch
Morphologie um feinkörnige organische Bestandteile den Menschen verursachten Ablagerungen
Allgemein die Lehre von der Form, Struktur ­einer Sedimentprobe extrahieren zu können. ( Schichten ).
und Gestalt. Im archäologischen und geo­
Schnurkeramische Kultur/Schnur­ Structure from motion ( SFM )
logischen Kontext versteht man darunter die
keramik Fotobasiertes, computergestütztes Rekons­
Struktur der Erdoberfläche.
Jungsteinzeitliche ( neolithische ) Kultur, ca. truktionsverfahren, mit dem aus zwei­
Mudde 2800–2200 v.Chr., benannt nach den cha- dimensionalen Bildern dreidimensionale
In Seen abgelagerte Sedimente, welche rakteristischen Schnureindrücken auf Kera- Strukturen dargestellt werden können.
­e inen organischen Anteil von mindestens mikgefässen.
Typochronologie/Chronotypologie
5% aufweisen.
Sediment Stilistisch sich wandelnde, auf der Zeit­a chse
Neolithikum Aus dem Wasser durch die Schwerkraft angeordnete Abfolge von Merkmalen.
Letzter Abschnitt der Steinzeit, auch Jung­ ­abgesetzte Schwebestoffe verschiedener
Ufermorphologie
steinzeit genannt ( 5500–2200 v.Chr.) . Korngrössen, z.B. Sand oder Seekreide.
Ausgestaltung des Ufers.
Neotektonik Seekreide
UNESCO
Fachgebiet der Geowissenschaften, das Plastisches Sediment, welches in kalkhalti-
United Nations Educational, Scientific and
sich mit der Erforschung der jüngsten geo- gen Seen abgelagert wird. Die Entstehung
Cultural Organization ( Organisation der
logischen Deformationsstrukturen befasst. geht hauptsächlich auf Kalkalgen zurück,
­Vereinten Nationen für Erziehung, Wissen-
die aus kalkreichem Wasser Calciumcarbo-
Neozoen schaft und Kultur ) .
nat ausfällen.
Durch den Menschen eingeschleppte, ge-
Unterwasserarchäologie
bietsfremde Tierarten, welche neue Popula- Seismik
Sie beschäftigt sich mit Fundstellen und
tionen aufgebaut haben. Methode, mit der sich durch künstliche,
Kulturgütern, welche unter Wasser­
in den Boden gerichtete Schwingungen
Obsidian bedeckung in Gewässern ( Seen, Meere,
( z.B. Schallwellen ) die Schichten im Unter-
Natürlich vorkommendes vulkanisches Glas. Flüsse ) erhalten geblieben sind.
grund aufzeichnen lassen.
Paläoklimatologie Virtual Reality ( VR )
Silex
Beschäftigt sich mit den klimatischen Virtuelle Realität, Darstellung einer compu-
Hartes Kieselgestein, auch Feuerstein ge-
­Verhältnissen der erdgeschichtlichen Ver- tergenerierten Wirklichkeit, die mittels
nannt: wurde in der Urgeschichte haupt-
gangenheit. VR-Brille in Echtzeit wahrgenommen werden
sächlich für die Herstellung von Geräten und
kann.
Paläoökologie Werkzeugen verwendet.
Wissenschaft der Ökosysteme der erdge-
Site management
schichtlichen Vergangenheit.
Bewirtschaftung einer archäologischen
Palynologie Fundstelle, die sowohl die Erforschung als
Wissenschaft der mikroskopisch kleinen auch den Schutz und die nachhaltige Über-
Pollen ( Blütenstaub ) und Sporen. wachung beinhaltet.

Pfahlbau Sozialanthropologie
Auf vertikalen Pfählen errichtetes Holzhaus. Wissenschaft der kulturellen und sozialen
Pfahlbauten waren im mitteleuropäischen Vielfalt.
Raum eine bevorzugte Konstruktionsweise
Spätbronzezeit
zwischen 4300 und 800 v.Chr.
Letzter Abschnitt der Bronzezeit zwischen
Prospektion 1300–800 v.Chr.
Zerstörungsfreie Erkundung und Erfassung
Spätglazial
von archäologischen Stätten.
Spätphase der letzten Eiszeit, die von 14 000
bis 10 000 v.Chr. dauerte.

191
ETCETERA

Literaturverzeichnis Seite 30–39


Zur Geschichte des Zürichsees
Seite 8–13 Christian Auf der Maur, Petra Ohnsorg, Andrea Rumo ( Hg.),
Kommende Herausforderungen für das Management Das Zürcher Fraumünsterquartier. Entwicklung eines Stadtteils von
der Feuchtbodenfundstellen der Urgeschichte bis ins Spätmittelalter, in Vorb. Archäologie Stadt
Zürichsee 2050. Grundlagenbericht: Analyse, Zielbild, Mass­ Zürich, voraussichtlich Nr. 2, 2022.
nahmen ( Beilage zu Leitbild ), Baudirektion Kanton Zürich 2013. Tilmann Baum, Niels Bleicher, Renate Ebersbach, Beatrice
Ruckstuhl, Felix Walder, Manuela Weber ( Hg. ), Jungsteinzeitliche
Seite 14–21 Ufersiedlungen im Zürcher Seefeld. Band 3: Die Siedlungsgeschich-
Das Problem mit der Klimaarchäologie – Relevanz, Zeitgeist te. Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 52, Zürich, Egg
und Methodik 2019.
Anna Bahss, Zwischen den Häuserzeilen: Soziale Interpretatio- Niels Bleicher, Beatrice Ruckstuhl, Die archäologischen Befun-
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am Beispiel Zürich Parkhaus Opera. Masterarbeit Institut für Ur- Eine neolithische Feuchtbodenfundstelle. Band 1: Befunde, Schich-
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Johann Strickler, Geschichte der Gemeinde Horgen. Zur hun- Alpine Copper II – Alpenkupfer II – Rame delle Alpi II – Cuivre des
dertjährigen Kirchenweihfeier, Horgen 1882. Alpes II. New Results and Perspectives on Prehistoric Copper Pro-
duction, Der Anschnitt Beiheft 42 Bochum 2019, S. 209–228.
Seite 162–169 https://bergbauprojekt.blogspot.com.
Prähistorischer Erosion mit dem interaktiven 3D-Viewer
auf der Spur
Arie Kai-Browne, Kay Kohlmeyer, Thomas Bremer, Aleppo – Abbildungsverzeichnis
Virtuelle 3D-Rekonstruktion des Tempels des Wettergottes von Alep-
po, in: Auferstehung der Antike – Archäologische Stätten digital Alle in diesem Heft enthaltenen Abbildungen –
rekonstruiert. Darmstadt 2019, S. 16–19. sofern nicht anders vermerkt – sind durch Mitarbeitende
Aenna Linzbauer, Multimediale Inszenierung von Archäologie in des Amts für Städtebau (AfS) erstellt worden.
ausgewählten Museen im Osten Österreichs, Unveröffentlichte Dip-
lomarbeit, Universität Wien 2019, S. 11–28, S. 110–111. Titelbild Simon Vogt, Kantonsarchäologie Zürich
Marko Mele, Jacqueline Balen, Matija Črešnar, Martin Fera,
Sarah Scoppie, Sustainable touristic value from digitization of ar-
Das Problem mit der Klimaarchäologie – Relevanz, Zeitgeist und
chaeological heritage. Digital approaches to the promotion of archa-
Methodik
eological landscapes in the Danube region. Interreg Danube Trans-
Seite 14
national Programme, Danube’s Archaeological eLandscapes,
Strategy, 2021, S. 16–21. Einleitungsbild Foto Christine Michel
Seite 17
Henrik Pohl, «Zeitensprung» eine Brücke zwischen unseren
jungsteinzeitlichen Vorfahren und der Zukunft. Sonius, Archäologi- Abb. 2 Illustration aus Büntgen et al. 2011
sche Botschaften aus Oberösterreich 24, 2019, S. 3–6. Abb. 3 Foto Umzeichnung nach Photographie. helvetia archaeolo­
gica 12/1981, Heft 45/48
Henrik Pohl, Bericht zur unterwasserarchäologischen Grabung
Weyregg II / Attersee 2017, MNR 50329.17.01, Bericht Teil B, Fund-
Pfahlbauhäuser mit Ausblick – ein Blick auf die Rekonstruktion
berichte aus Österreich 57/2018, S. D4891–4937.
und Interpretation der prähistorischen Kulturlandschaft
Henrik Pohl, Bericht zur unterwasserarchäologischen Grabung
Weyregg II / Attersee 2016, MNR 50329.16.01, Bericht Teil B, Fund- Seite 24
berichte aus Österreich 55/2016, S. D5897–D5923. Abb. 1 Illustration aus Furger 1983
Gerald Raab, Möglichkeiten und Grenzen von 3D-Dokumentati- Abb. 2 Illustration aus Ruoff 1991
on archäologischer Funde und Befunde anhand von Beispielen aus Seite 25
Hallstatt – Bronzezeitlicher Bergbau und latènezeitliche Bergbau- Abb. 3 Illustration aus Furger 1983
siedlung Dammwiese, Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Abb. 5 Illustration aus Ruoff 1991
Wien 2019, S. 43–55. Seite 26
AGISOFT 2022, Agisoft Viewer, agisoft.com/downloads/installer/ Abb. 6 Foto Stefanie Jacomet
https://www.agisoft.com/downloads/installer/ ( letzter Zugriff Seite 29
31.01.2022 ) . Abb. 8 Illustration aus Gross et al. 2018
GITHUB 2022, Domlysz, BlenderGIS, github.com/domlysz/Blen-
derGIS, https://github.com/domlysz/BlenderGIS ( letzter Zugriff Zur Geschichte des Zürichsees
31.01.2022 ) . Seite 32–33
Abb. 1 Illustration aus Redinger 1732
Seite 170–173 Seite 34
Holzkohlenanalyse am Beispiel der Kupferverhüttung Abb. 2 aus: Murer-Plan 1576
im Oberhalbstein (GR) Seite 36
Monika Isler, Anthrakologie der Kupferverhüttung im Oberhalbst- Abb. 5 Illustration aus Baum et al. 2019
ein ( GR ). Methodik und Auswertung, unpublizierte Masterarbeit der Seite 37
Universität Zürich 2021. Abb. 6 Foto David Brönnimann
Monika Oberhänsli, Mathias Seifert, Niels Bleicher, Werner H. Seite 38
Schoch, Leandra Reitmaier-Naef, Rouven Turck, Thomas Reit- Abb. 8 Verändert nach Auf der Maur et al. 2022
maier, Philippe Della Casa, Dendrochronological Dating of Charco-
al from High-Altitude Prehistoric Copper Mining and Smelting Sites Windwellenexposition der Pfahlbaufundstellen am Zürichsee
in the Oberhalbstein Valley ( Grisons, Switzerland ) , in: Rouven Turck,
Seite 42
Thomas Stöllner, Gert Goldenberg ( Hg. ), Alpine Copper II – Alpen-
kupfer II – Rame delle Alpi II – Cuivre des Alpes II. New Results and Abb. 1 Schweizerisches Nationalmuseum
Perspectives on Prehistoric Copper Production, Der Anschnitt Bei- Seite 44
heft 42, Bochum 2019, S. 245–260. Abb. 3 Animation Hilmar Hofmann
Leandra Reitmaier-Naef, Rouven Turck, Philippe Della Casa, Seite 45
Prähistorische Kupfergewinnung im Oberhalbstein, Minaria Helveti- Abb. 4 Animation Hilmar Hofmann
ca 36, 2015, S. 35–54. Abb. 5 Animation Hilmar Hofmann

196
ETCETERA

Seite 47 Seite 83
Abb. 6 Illustration Hilmar Hofmann Abb. 2 Foto Erika Gobet, Willy Tinner
Abb. 7 Illustration Hilmar Hofmann Seite 84
Abb. 3 Sarah Brechbühl
Rutschungen im Zürichsee und ihre Auswirkungen auf archäo­
logische Fundstellen Öffentlichkeitsarbeit – ein Rückblick auf das UNESCO-Jubiläum
Seite 52 Pfahlbauten
Abb. 1 Illustration Strupler et al. 2015 Seite 94
Seite 53 Foto Das Einbaum-Team der UWAD KAZH
Abb. 2 Illustration © ICG 2009 Seite 95
Seite 54 Abb. 1 Werbe-Spot zu pastZurich Yvonne Helfenstein, framepool
Abb. 3 Illustration verändert nach Strupler et al. 2019
Abb. 4 Illustration Strupler et al. 2017 Ausgraben in Rekordzeit – ohne IT, aber mit Datenbank
Seite 55 Seite 111
Abb. 5 Illustration verändert nach Strupler et al. 2019 Abb. 5 Foto Moritz Winiger
Abb. 7 Illustration AfS, Tiefenmodell ETH/AWEL, Rutschungen aus
Strupler 2017 PastZurich – virtuelles Pfahlbaudorf mitten in Zürich
Abb. 8 Foto Jens O. Meissner, 7Oceans Tek Team
Seite 114
Seite 10
Einleitungsbild Bitforge AG
Abb. 10 Illustration ergänzt nach Strupler 2017
Seite 117
Abb. 3 Bild 7 Wädenswil-Vorder Au: Ausschnitt aus Lebensbild
Moor – Klimawandel – Archäologie
von Stansstad-Kehrsiten, Illustration Joe Rohrer
Seite 68
Seite 118
Einleitungsbild Foto NABU Antonia Waibel
Film Vorschau der App pastZurich Bitforge AG
Seite 70
Abb. 1 Foto Luftbild Hans G. Wener PalaFitFood – Wissenschaft, die durch den Magen geht
Abb. 2 Karte LAD, P. Scherrer/R. Ebersbach
Seite 120
Seite 71
Einleitungsbild Foto Renate Ebersbach
Abb. 3 Foto NABU, Katrin Fritzsch
Seite 122
Abb. 4 Foto NABU, Hannah Konrad
Abb. 1 Fotos Simone Benguerel, Markus Gschwind, Renate
Abb. 5 Illustration NABU
Ebersbach, Franziska Pfenninger, Kathrin Schäppi
Seite 72
Seite 123
Abb. 6 Illustration NABU
Abb. 2 Foto Markus Gschwind
Seite 73
Abb. 7 Foto LAD, P. Scherrer
Kontinuität und Wandel an der UNESCO-Fundstelle Wädens­
Abb. 8 Foto NABU, Katrin Fritzsch
wil-Vorder Au

Versunkene steinzeitliche Siedlungen Abb. 2a aus Stöckli 2016

Seite 74
Das Ende einer 100-jährigen Suche: die erste Seeufersiedlung
Einleitungsbild Ole Grøn
mitten im Luzerner Seebecken
Seite 76
Seite 132
Abb. 1 Illustration nach Bickett, Firth, Tizzard, Benjamin 2014
Einleitungsbild KALU
Abb. 2 Illustration nach Klakegg & Rye 1990
Seite 134
Seite 77
Abb. 1 Foto aus Nachlass Wilhelm Amrein, Gletschergarten,
Abb. 3 Illustration Ole Grøn, basierend auf Odum & Barrett 2005,
im Archiv der KALU
Abb. 3–9
Seite 135
Seite 78
Abb. 2 Geoinformation Kanton Luzern/KALU
Abb. 4 Illustration O'Shea, unpubliziert
Seite 136
Abb. 3 Foto Kibag AG
Landnutzung und Vegetationsdynamik im Gebiet der neolithi­
schen Seeufersiedlung Ploča Mičov Grad am Ohridsee Der Einbaum aus dem Seerhein bei Konstanz

Seite 82 Seite 138


Abb. 1 Google Maps ( 2021) : Google Maps Ohrid. Online verfügbar Einleitungsbild LAD, Wolfgang Hohl
unter https://www.google.ch/maps/place/Ohrid,+Nordmazedoni- Seite 140
en/@41.0245416,20.7924274,84837m/da- Abb. 1 Foto LAD, F. Huber, Submaris
ta=!3m1!1e3!4m5!3m4!1s0x1350db6587ea6657:0xc46cfc65390bc9d Abb. 2 Foto LAD, F. Huber, Submaris
3!8m2!3d41.1230977!4d20.8016481?hl=de, zuletzt geprüft am Abb. 3 Foto LAD, F. Huber, Submaris
08.12.2021. Abb. 4 Foto LAD, F. Huber, Submaris
Abb. 5 Foto LAD im RPS, 3D-Modell C. Steffen, P. Scherrer

197
ETCETERA

Seite 141 Prähistorischer Erosion mit dem interaktiven 3D-Viewer


Abb. 6 Foto LAD, O. Nelle auf der Spur
Seite 142 Seite 162
Abb. 7 LAD, Foto M. Hermanns, UwArc Einleitungsbild Gerald Raab
Filmclip LAD, Drohnenaufnahme F. Huber, Submaris Seite 164
Abb. 1 Harald Hois
Dendroprovenancing – Grundlagenforschung zur Holzherkunfts­ Abb. 2 Illustration Kuratorium Pfahlbauten, Helena Seidl da Fonseca,
bestimmung anhand der Jahresringe Henrik Pohl
Seite 146 Abb. 3 Illustration Kuratorium Pfahlbauten, Helena Seidl da Fonseca,
Abb. 1 Illustration Urs Gut Henrik Pohl
Seite 147 Seite 165
Abb. 2 Illustration nach Schweingruber 1983 Abb. 4 Foto Kuratorium Pfahlbauten, Henrik Pohl
Abb. 3 Illustration Urs Gut Animation 3D-Studio Crazy Eye
Seite 148 Seite 166
Abb. 4 Illustration Urs Gut Abb. 5 Illustration 3D-Studio Crazy Eye
Seite 149 Abb. 6 Illustration 3D-Studio Crazy Eye
Abb. 5 Illustration Urs Gut Seite 167
Abb. 6 Illustration Urs Gut Animation 3D-Studio Crazy Eye
Abb. 7 Illustration Urs Gut Seite 168
Abb. 8 Illustration 3D-Studio Crazy Eye
Das Rätsel um den versunkenen Hafen Abb. 9 Illustration 3D-Studio Crazy Eye
Seite 152 Seite 169
Einleitungsbild Jacob Schäppi 1730 Abb. 7 3D-Studio Crazy Eye
Seite 154
Holzkohlenanalyse am Beispiel der Kupferverhüttung im Ober­
Abb. 1 Foto Jens O. Meissner
halbstein (GR)
Abb. 2 Foto Jens O. Meissner
Abb. 3 Foto Jens O. Meissner Seite 170
Abb. 4 Foto Jens O. Meissner Einleitungsbild Foto Monika Isler
Abb. 5 Foto Jens O. Meissner Seite 172
Abb. 6 Foto Jens O. Meissner Abb. 1 Universität Zürich, https://bergbauprojekt.blogspot.com
Abb. 7 Tabelle TekTeam 7Oceans Abb. 2 Illustration Monika Isler, Karte swisstop
Seite 155 Seite 173
Abb. 8 Foto Monika Schaad Animation Monika Isler
Abb. 9 Foto Jens O. Meissner Abb. 3 Foto Monika Isler
Abb. 10 Foto Jens O. Meissner Abb. 4 Illustration Monika Isler
Animation Jens O. Meissner
Seite 156
Abb. 11 Foto Jens O. Meissner
Seite 157
Abb. 12 Karte Amt für Raumentwicklung Kt. ZH
Abb. 13 Foto Jens O. Meissner
Abb. 14 Foto Jens O. Meissner
Abb. 15 Foto Jens O. Meissner
Seite 158
Abb. 16 Foto L. Baumberger Overtoom, E. Kaeser, A. Kaufmann
Seite 159
Abb. 17 Foto L. Baumberger Overtoom, E. Kaeser, A. Kaufmann
Seite 161
Abb. 18 Illustration L. Baumberger Overtoom, E. Kaeser, A. Kauf-
mann, ZHdK 2022
Abb. 19 Illustration L. Baumberger Overtoom, E. Kaeser, A. Kauf-
mann, ZHdK 2022
Abb. 20 Illustration L. Baumberger Overtoom, E. Kaeser, A. Kauf-
mann, ZHdK 2022

198
ETCETERA

Abkürzungsverzeichnis Autorinnen und Autoren

AfS Amt für Städtebau


Amt für Städtebau Niels Bleicher · UWAD
Thierry Bossard · GKZ
AWEL Anatole Fleck · AfS
Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft, Baudirektion Kanton Zürich Micha Franz · GKZ
Tobias Frey · GKZ
ETH Sandro Geiser · UWAD
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Christian Hürzeler · GKZ
Fabian Korn · AfS
GKZ Andreas Mäder · UWAD
GIS-Kompetenzzentrum, Amt für Städtebau Zürich Christine Michel · UWAD
Alexandra Ulisch · UWAD
IPNA Tim Wehrle · UWAD
Integrative Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie, Stephan Wyss · SAZ
Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften Culture & Preservation ApS
Ole GrØn
KALU
Kantonsarchäologie Luzern Dr. von Moos AG, Geotechnisches Büro
Dominik Letsch
KAZH Hochschule Luzern
Kantonsarchäologie Zürich Jens O. Meissner
https://are.zh.ch/internet/baudirektion/are/de/archaeologie/archaeo-
logie.html Institut für Pflanzenwissenschaften und Oeschger Zentrum
für Klimaforschung, Universität Bern
LAD Sarah Brechbühl, Ariane Ballmer, Erika Gobet, André F. Lotter,
Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg César Morales-Molino, Willy Tinner, Joseph Volery, Lieveke J.C.
van Vugt
NABU Kantonsarchäologie Luzern
NABU-Naturschutzzentrum Federsee: https://www.nabu-federsee. Anna Kienholz
de, Regierungspräsidium Tübingen, Naturschutz: https://rp.ba-
den-wuerttemberg.de/rpt/abt5/referat-56, Landesamt für Denkmal- Kuratorium Pfahlbauten, UNESCO-Welterbe Prähistorische
pflege: https://www.denkmalpflege-bw.de, UNESCO Welterbe Pfahl- Pfahlbauten um die Alpen
bauten international: www.palafittes.org, UNESCO Welterbe Cyril Dworsky, Henrik Pohl, Gerald Raab, Ronny Wessling
Pfahlbauten Deutschland: www.unesco-pfahlbauten.org Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
­Stuttgart, Fachbereich Feuchtbodenarchäologie
SAZ Renate Ebersbach, Judith Engelke, Katrin Fritzsch, Julia Gold­
Stadtarchäologie Zürich hammer, Wolfgang Hohl

UNESCO ProSpect gmbH


United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization Petra Ohnsorg

Universität Basel, IPNA


UWAD David Brönnimann
Unterwasserarchäologie/Dendroarchäologie Zürich,
Amt für Städtebau Universität Bern, Institut für Archäologische Wissenschaften
https://www.stadt-zuerich.ch/hbd/de/index/archaeologie_denkmal- Albert Hafner
pflege_u_baugeschichte/uwad/unterwasser.html Universität Kopenhagen, Departement of Geosciences
and Natural Resource Management ( IGN )
ZHdK Lars Ole Boldreel
Zürcher Hochschule der Künste
7Oceans TekTeam
Claudia Kühne, Jens O. Meissner, Monika Schaad, Helmut Spangler

Freiberuflich Tätige
Simone Benguerel, Markus Gschwind, Urs Gut, Hilmar Hofmann,
Monika Isler, Franziska Pfenninger, Marie-Claire Ries, Katharina
Schäppi, Michael Strupler

ISBN 978-3-905384-27-7

199
Herausgeberin:
Stadt Zürich
Hochbaudepartement
Amt für Städtebau (AfS)

Projektleitung/Lektorat:
Andreas Mäder, AfS

Redaktion:
Claire Hauser Pult, promediala.ch

Gestaltung:
Plan · Bild · Grafik, AfS

Stadt Zürich
Amt für Städtebau
Lindenhofstrasse 19
8021 Zürich
Telefon: + 41 44 412 11 11

www.stadt-zuerich.ch/hochbau

ISBN 978-3-905384-27-7

Zürich · Oktober 2022

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