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Kluft, Öffnung, Höhlung: Anthropogene Senken der Land Art

und das Hervorkehren ihrer Mensch-Natur-Beziehung

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades


einer Magistra der Philosophie (Mag.a phil.)
an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der
Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Verena Walzl, Bakk.phil.

am Institut für Kunstgeschichte

Begutachter: Univ.-Prof. Dr.phil. Edgar Lein

Graz, Jänner 2013


Vorwort

Ich danke meinem Vater, der mir klug und querdenkend gezeigt hat, dass es oftmals richtig sein
kann, sich gegen gängige Denkmuster zu behaupten. Sein praktisches Verständnis von der Welt
und sein beobachtender Geist haben mir bei schwierigen Entscheidungen sehr geholfen. Ich
danke meiner Mutter, der Poetischen und Sorgenden, die immer für mich da war und alle meine
Probleme mitgetragen hat. Ohne das Vorbild ihres fühlenden Verständnisses, hätte ich meinen
Weg zu dieser Thematik nicht gefunden. Außerdem Dank an meinen geliebten Großvater, der mich
mein ganzes Studium lang unterstützt hat. Besonderen Dank möchte ich Dr. Rudolf Muhr von der
Forschungsstelle Österreichisches Deutsch aussprechen. Ich konnte mich immer Rat suchend an
ihn wenden. Er hat mich an den richtigen Stellen aufgebaut, ermuntert und ermahnt. Schließlich
richte ich meinen Dank noch an Prof. Dr. Edgar Lein, der dem langwierigen Entstehen meiner
Diplomarbeit immer die nötige Geduld entgegengebracht hat und immer ermutigende Worte für
mich übrig hatte.

  1
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Begriffsklärungen 5

I 13
MENSCH-MACHT-NATUR

2 Natur und Landschaft als ästhetische Kategorien 14


2. 1 Die Natur ist tot. Lang lebe die Natur! Ökologische Ästhetik und der 21
physiozentrische Streit

3 Goethes Erbe: Rehabilitierungsversuche von Natur und Material 31


3.1 Sam, Earthworks sounds possible. Erde als Materialmode 43

4 Künstliche Natur: Englische Parks und dialektische Landschaften. Robert Smithson 51


und Frederik Law Olmsted

5 Land-Art: Anti-Romantik? 56
5.1 Die Trübung des Denkens: Natur als Spiegel der Seele 61
5.1.1 1969: Die Fragen, die die Spiegel stellen, reichen nie bis zu Antworten 65

II 69
KLUFT – ÖFFNUNG -HÖHLUNG

6 Prolog: Anthropogene und anthropomorphe Depressionen: geomorphologisch 71


und psychologisch

7 Bergbau, Leib und Vagina Dentata. Zur Psychologie der Löcher bei Robert 74
Smithson

8 Major Depressions: Michael Heizers anthropogene Senken. Double Negativ und 82


Munich Depression

9 Worte und Erde. Exkurs: Lyrik. 88


9.1 Gedichte über das Graben: Paul Celan 94
9.2 Vergrabene Gedichte: Nancy Holt 97

10 Von Gräbern und Selbstbegräbnissen: Ana Mendieta, Keith Arnatt, Vito Acconci, 100
Claes Oldenburg, Sol LeWitt

11 Epilog: Et in Arcadia EGO 112

  2
12 Ausblick – Natur jetzt 115

13 Anhang 118

14 Literatur- und Abbildungsverzeichnis 121

  3
WOYZECK: Aber Herr Doktor, wenn einem die Natur kommt.
DOKTOR: Die Natur kommt, die Natur kommt! Aberglaube, abscheulicher Aberglaube! Die Natur! [...] Die
Natur! Woyzeck, der Mensch ist frei, in dem Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit. [...]
[...]
WOYZECK (vertraulich): Herr Doktor, haben Sie schon was von der doppelten Natur gesehen? Wenn die Sonn in
Mittag steht und es ist, als ging’ die Welt in Feuer auf, hat schon eine fürchterliche Stimme zu mir
gered’t!
DOKTOR: Woyzeck, Er hat eine Aberratio.
WOYZECK: Ja die Natur Herr Doktor, wenn die Natur aus ist.
DOKTOR: Was ist, wenn die Natur aus ist?
WOYZECK: Wenn die Natur aus ist, das ist, wenn die Natur aus ist. Wenn die Welt so finster wird, dass man mit
den Händen an ihr herumtappen muss, dass man meint, sie verrinnt wie ein Spinneweb. Das ist so,
wenn etwas ist und doch nicht ist, wenn alles dunkel ist und nur noch ein roter Schein im Westen, wie
von einer Esse. Wenn ...1

                                                        
1
Büchner, Georg: Woyzeck. Stuttgart 2001, S. 11f. (Universal-Bibliothek. 7733)

  4
1 Einleitung und Begriffsklärung

Einer Sache auf den Grund gehen bedeutet nicht nur:


etwas muss begründet werden (muss die Argumente
bereithalten können). Es heißt auch, eben diese Gründe,
warum es sich mit etwas so und nicht anders verhält,
unten zu suchen. Unten ist, wo der Druck, der von den
aufgestapelten Schichten ausgeht mit stärkster Kraft
wirkt. Unten ist verschüttet, das Unten wirkt immer
weiter, teils unbemerkt. Es ist der Anfang, der sich
unendlich weiter multipliziert. Neuanfänge sind nur Abb.1: Ian Hamilton Finlay, See
Appendixe, die Anhänge der Anfänge. So macht sich Ilse Poussin, Hear Lorraine, 1975,
Lanarkshire, Schottland
Aichingers Satz verständlich: „Vergleiche und wieder
Vergleiche, leere Schläuche, der Himmel ist nirgends mehr offen.“2 Auf der Suche nach den
Gründen stehen die endlosen Indizienvergleiche, das zu Viel der vergleichbaren Dinge, das
zu Viel ihrer aller Berechtigung und Richtigkeit, das Dilemma der menschlichen
Anschauungsmöglichkeiten kommt dem zu Viel an Indizien entgegen.

Warum nun gerade hier der Grund hier eine Rolle spielen soll, ist, weil sich der
Grund, der größte Grund auf dem (in dem) die Menschen „stehen“ die Erde selbst ist. Am
Grund der menschlichen Existenz steht die Erde, sie ist auch der Grund für alles andere.
Alles ging aus ihr hervor. So kann die Beziehung aller Dinge verwandtschaftlich genannt
werden.

Ist die Erde die Natur? Oder besser gesagt: wie viel davon? Die Kulturgeschichte der
Natur ist heute an einem Punkt angelangt, an dem die Natur begrifflich totgeweiht ist.3 Die
Menschen beeinflussen die „Natur“ so stark, dass sich die massiven Umwelt-Eingriffe
bereits geologisch, also in der Erdsubstanz nachweisen lassen. Diese wurden vor 13 Jahren
vom Nobelpreisträger Paul Crutzen begrifflich festgehalten. Das neue Erdzeitalter, in dem
                                                        
2
Aichinger, Ilse: Kleist, Moos, Fasane. Frankfurt am Main 1987, S. 50. (Fischer Taschenbuch. 11045.)
3
Vgl. z.B.: Žižek, Slavoj: The End of Nature. In: The New York Times vom 02.09.2010. URL:
http://www.nytimes.com/2010/12/02/opinion/global/02iht-GA12zizek.html?_r=0 [23.05.2013] Žižeks
Kritik gilt dem Denken, die Natur sei eine mütterliche Instanz, von der die Menschheit abhängig ist. Er
negiert die symbolische Mutterfigur in Verbindung mit der Erde, da sämtliche Entscheidungen die Erde
betreffend, dadurch moralisch und gefühlsbestimmt angesehen werden können. Im Anbetracht der
heftigen ökologischen Krisen, sollten Žižek zufolge rational und nicht emotional geleitete
Entscheidungen getroffen werden.

  5
die massiven Eingriffe des Menschen auf die Erde als irreversibel angesehen werden,
wurde Anthropozän4 genannt. Die heutige Begriffliche Auflösung von Natur spiegelt somit
vor allem die massiven Einflüsse der Menschen auf die Natur und auf die gesamte Erde
wider. Woyzecks fieberhafte Angst vor dem Tod der Natur hat sich zumindest begrifflich
somit vollzogen.

Die Erkundung der Beziehungsgeflechte zwischen den Menschen und ihrer Natur –
ihre Natur, da alle Vorstellung von Natur menschenerdachte Konzepte sind, die sich durch
jedes Sprechen über „die Natur“ in ihrer Mannigfaltigkeit und Bedeutungsvielheit
hindurchziehen – ist sowohl natur- als auch kulturgeschichtlich ein weites, kaum zu
begrenzendes Feld.5

Die gesamte Problemstruktur der physiozentrischen (Natur im Zentrum) und


anthropozentrischen (Mensch im Zentrum) Sichtweisen auf die Natur wird damit
augenscheinlich. Wenn neuerdings immer mehr Stimmen laut werden, welche die Natur
als nicht existent, da nicht als holistisches Ganzes beschreibbar, ansehen, werden dadurch
alle anderen, früheren Naturkonzepte für ungültig erklärt. 6 Das führt dazu, dass die
Verständigungsformen über „die Natur“ immer mehr in das Vokabular des Kapitalismus
abdriften. Beispielhaft zeichnet sich dies am Naturausschnitt Landschaft ab. So deutet
Günther Moewes die heutige moderne Landschaft als reines „Abbild ökonomischer

                                                        
4
Es ist jetzt 13 Jahre her, dass der Chemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen das Zeitalter des
Anthropozäns als nächstes Erdzeitalter, dem Holozän nachfolgend, ausgerufen hat. Anthropozän (griech.
das menschengemachte Neue) bedeutet, dass die anthropogenen Einflüsse auf den Erdkörper selbst,
mittlerweile so starke Veränderungen hervorgerufen haben, dass sich diese sogar geologisch nachweisen
lassen. Prozentuell sind es nach Angaben des Münchner Rachel Carson Center für Umwelt und Gesellschaft
nur noch 23 Prozent der eisfreien Erdoberfläche, die als „natürlich“ betrachtet werden können. Richter,
Gerhard: Radiosendung für Deutschlandradio Kultur mit O-Tönen von Paul Crutzen „Anthropozän“,
gesendet am 28.03.2013. Skript online unter: http://www.deutschlandradiokultur.de/das-
anthropozaen.1088.de.html?dram:article_id=241330 [04.12.2013]
5
Dieser Widerspruch zwischen vormenschlicher Natur und der Natur als menschengemachtes Konzept,
beschreibt Hartmut Böhme als paradoxen Situation, in welcher der Konstruktivismus die Natur zur
begrifflichen Auflösung bringt, indem alles von den Menschen Gedachte konzeptuell als Kulturleistung
begriffen wird. Trotzdem sei es Böhme zufolge auch nicht möglich, zu sagen, was letztendlich Kultur sei,
da die sogenannten kulturellen Errungenschaften des Menschen genau genommen bioevolutionären,
somit natürlichen, Entwicklungen zu verdanken sind. Vgl. Böhme, Hartmut: Natürlich/Natur. In:
Ästhetische Grundbegriffe. (ÄGB) Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Studienausgabe. Hrsg. v.
Karlheinz Barck [u.a.]. Bd. 4. Stuttgart-Weimar 2002/2010, S. 436. Das Problem dieser konstruktivistischen
Auflösung und ihre anthropozentrische Sichtweise auf die Natur und somit auch auf die Erde, ist, die
Herkunftsvergessenheit der Menschen (aus der Erde / aus der Natur), die wenn man den
anthropozentrischen Gedanken zu Ende denkt, tatsächlich zur Auslöschung des Naturbegriffes führen
musste. Herkunftsvergessenheit abgeleitet von Geburtsvergessenheit angelehnt an Samsonow, Elisabeth
von: Genitum – non factum. Die Ursachen der Geburtsvergessenheit. URL: http://genealogy-of-media-
thinking.net/wp-content/uploads/2013/01/ES0002.pdf [30.11.2013]

  6
Permissivität.“7 Jede Zeit hat ihr eigenes Verständnis von Natur, dieses Verständnis ist
Ausdruck der Mensch-Natur-Beziehung. Zurecht wird die Dualität von Kultur und Natur
und somit auch von Mensch und Natur von vielerlei Seiten als hinterfragungswürdig
betrachtet. So ist die Dekonstruktion der Naturbegriffe einerseits als Fortsatz des
anthropozentrischen Denkens zu verstehen8, andererseits im Sinne des Verständnisses
eines Naturseins des Menschen selbst, bzw. des Menschen als ein Ding unter vielen auf der
Erde, auch eben als Umkehrung des Anthropozentrismus zu verstehen.

Der hier in dieser Arbeit dargelegte Ausschnitt aus dem Spektrum des Mensch-
Natur-Verhältnisses strebt vom Kleinen ins Große. Das bedeutet, dass in künstlerischen
Auseinandersetzungen mit dem Material Erde, Schlussfolgerungen über das Verhältnis
zwischen Mensch und Natur gesucht werden. Die methodische Vorgehensweise mit der
dieser Text voranschreitet, ist dieser Größenfolge jedoch gegenlaufend und so erkunden
die ersten Kapiteln abrissweise das heutige und frühere Reden über die Natur aus
philosophischer Sichtweise und versuchen, allgemeinere, den Fächergrenzen der
Kunstgeschichte entweichende Diskurse einzubinden. Wesentliches Interesse dieser Arbeit
ist es, der Mensch-Natur-Beziehung aus dem speziellen Blickwinkel einer Kunstrichtung
nachzugehen, die sich Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts zu entwickeln begann
und als Materialien hauptsächlich Erde und Geröll verwendete. Es war der Anbeginn der
Idee Naturmaterialien „unverändert“, also nicht weiterverarbeitet als Kunstwerke zu
präsentieren. In dieser Zeit, als die Land Art (Landschaftskunst) bzw. auch Earthworks
(Erdarbeiten) in den USA das erste Mal größere Popularität erreichten, warfen sie Fragen
auf, die im Sinne des erstarkenden ökologischen Bewusstsein dieser Tage ohnehin auch in
einem breiteren öffentlichen Diskurs bereits vorhandene Themen waren.

Erst kürzlich wurde mit der Ausstellung Ends of Earth: Land Art to 1974, die in Los
Angeles im Moca und im Münchner Haus der Kunst zwischen 2012 und 2013 Station hielt,
ein wichtiger Beitrag zur Neuaufarbeitung der Land Art und den Earth Works, wie die
Arbeiten der 60er und 70er Jahre, die sich Erde und Landschaft als „Materialien“ bedienten
genannt werden, geleistet. Die Kuratoren unterstrichen die vielen unterschiedlichen und

                                                        
7
Moewes, Günther: Landschaft oder Arbeitswüste. In: Dialektik. Enzyklopädische Zeitschrift für Philosophie
und Wissenschaften. H. 2 (1994), S. 110.
8
Folgend der Idee, dass die Menschen bereits „alle Natur“ zu Kulturlandschaften gemacht haben oder etwa
einen großen Artenschwund im Tierreich zu verantworten haben. Ein Kritikpunkt an dieser Idee wäre
beispielsweise festzuhalten, dass entgegengesetzt die Einwirkungen der Natur den Kulturleistungen
ihren Status des „Kulturellen“ gerade eben nicht strittig machen.

  7
parallelen Ansätze und konnten so aufzeigen, dass es sich bei den Land Art-KünstlernInnen
nicht um eine, wie in älterer Literatur oft dargestellt, homogene Gruppe amerikanischer
und zumeist männlicher Künstler handelte, sondern es neben den populären Namen wie
Robert Smithson und Michael Heizer in Japan und Europa und innerhalb der USA ebenso
KünstlerInnen mit anderen Ansätzen und gab.9 Gerade aus diesen Erkenntnissen heraus
wird „Land Art“ innerhalb der Diplomarbeit oft mit dem Referenzpunkt einer in der
Literatur dominierenden Kerngruppe definiert, deren Mitglieder zudem untereinander
befreundet waren und die in ihrer Popularität und Wirkungsbreite unübertroffen blieb.

Die erste Hälfte der Diplomarbeit I MENSCH - MACHT - NATUR beschäftigt sich
deswegen nicht nur mit verschiedenen Natur- und Landschaftskonzepten. Ins Zentrum
rückt auch das künstlerische Material selbst, welches zwar mittlerweile aus seiner
kunsttheoretischen Irrelevanz, besser gesagt seiner Marginalisierung befreit wurde, doch
noch immer nicht der beliebteste kunsthistorische Untersuchungsgegenstand ist. Die zu
problematisierende Dualität von Geist und Körper gleicht der Dualität von Form und
Material. Die Zuschreibung des Weiblichen zum Material (mater, matrix) ist analog zur
Zuschreibung des Weiblichen zur Erde zu sehen. Die männliche konnotierte Dominierung,
die In-Form-Bringung, bzw. wie Schiller es nannte „die Vernichtung des Materials“ durch
den Prozess des Kunst-Machens stellt eine logische Verbindung mit den Ideen der
künstlerischen Materialpräsentationen der 60er Jahre her, wo das Material erstmals für sich
sprechen durfte und dies zudem oft mit dem „ersten“ Material10, also der Erde vollzogen
wurde. Doch was verrät die englische Bezeichnung ,dirt’ tatsächlich über den Umgang mit
dem Material Erde? Warum liegen Schmutz und Heiligkeit, rein und dreckig hier so eng
beieinander und tauchen in einem Miteinander auf? Das „schmutzige“ an der Erde ist
zugleich der Aspekt, der beim Anbeginn der Earthworks den größten Gegensatz zu den
sleeken Galerien der Großstädte bot, doch diese ambivalente Betrachtung von Erde
seitens KünstlerInnen wie Robert Morris und dergleichen, verrät meiner Ansicht nach viel
mehr als an der Oberfläche solcher Aussagen wie „and get my hands clean-dirty“11 von Claes
Oldenburg eine tiefergehende Bedeutung, im kulturellen Umgang mit Erde.

                                                        
9
Vgl. dazu: Ends of Earth. Land Art to 1974. Aust.Kat. Los Angeles-München (Museum of Contemporary Art –
Haus der Kunst) 2012-13. München-London-New York: 2012.
10
Beruhend auf der Erschaffung Adams aus Tonerde, bzw. die Erschaffung des ersten Menschen durch
Prometheus aus Erde.
11
Claes Oldenburg zit. n.: Boettger, Suzaan: Earthworks. Art and Landscape oft he Sixties. Berkeley – London -
Los Angeles 2002, S. 217., S. 17.

  8
Die Einführung Robert Smithsons als wichtigsten theoretischen Kopf der Land Art
im Folgekapitel lässt langsam die Verbindung zwischen Landschafts- und Naturkonzepten
mit den Kunstwerken der Land Art aufscheinen und führt dies anhand einer seiner
theoretischen Schriften über den Planer des New Yorker Central Parks, Frederik Law
Olmsted aus. Die Beziehung von Mensch und Natur wird abschließend mit der Frage nach
dem Romantischen und der Spiegelfunktion der Natur innerhalb der Land Art ausgeführt.

Dieses Kapitel leitet zu Teil II KLUFT – ÖFFNUNG – HÖHLUNG über und ist
gewissermaßen eine Andeutung dafür, worum sich die sechs Folgekapitel drehen werden.
Ein wichtiger Kern der Betrachtungen im zweiten Teil bildet die Verbindung der
Spiegelqualitäten der Landschaft bezüglich grundlegender Fragen menschlichen Seins.
Das vermeintlich sexuell Verhältnis zu Erde und zur Erde in der Höhlung und dem Loch
vermengt sich mit dem, mir in diesem Fall evidenter erscheinenden Gewahrwerden der
eigenen Endlichkeit in Betracht der Senke, Grube bzw. des Erdloches. Beide Aspekte
werden in unterschiedlichen Kapiteln abgehandelt. Die blanke Erde ist nicht nur der Ort
der symbolischen Herkunft des Menschen, weit deutlicher macht sie verständlich, dass sie
der Ort des unumstößlichen Schlusspunktes menschlicher Existenz sein wird. Könnte es
sein, dass all die Problematisierung der Erde, der Natur und des Natürlichen eventuell im
Bewusstsein über die eigene Sterblichkeit begründet liegt? Nichts macht die eigene
„Natürlichkeit“ realer als der Tod selbst. Die Unterscheidung der Organismen wird weniger
in der tatsächlich vergessenen gemeinsamen Ursprünglichkeit und Abstammung
aufgelöst, als in dem gleichen „Ende“, das sie erwartet. Elisabeth von Samsonow erinnert
an Hannah Arendts Aussage über das 20. Jahrhundert als Jahrhundert der
Geburtsvergessenheit. Die Geburtsvergessenheit inkludiert selbstverständlich auch die
Sterblichkeitsvergessenheit, die das Sterben immer mehr aus der gesellschaftlichen
Sichtbarkeit hinausgedrängt wird. Neben den Sexualitätsmetaphern des Bergbaus und
den Gräbern, die Todesassoziationen hervorrufen, beschäftigt sich der zweite Teil weiters
mit der Tätigkeit des Grabens selbst. In einem Exkurs in die Lyrik wird kurzerhand
aufgezeigt, dass Erde und Graben auch mit Erinnerung zu tun haben, mit verschütterter,
aufgehobener, konservierter und ewig gespeicherter Erinnerung. Die Tätigkeit des
Grabens ist immer auch eine Suchbewegung, wie Walter Benjamin anmerkte: „Wer sich der
eigenen verschütteten Vergangenheit zu nähern trachtet, muß sich verhalten wie ein Mann, der gräbt.“12

                                                        
12
Benjamin, Walter: Berliner Chronik. In: Schweppenhäuser/Tiedemann (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte
Schriften. Bd. 6: Fragmente, Autobiographische Schriften. Frankfurt am Main: 1984, S. 486.

  9
Bezüglich der frühen Land Art und dem Thema dieser Arbeit, ist vor allem das
Außenvorlassen dringender ökologischer Fragen seitens einiger KünstlerInnen augenfällig,
was aber die InterpretInnen nicht davon abhielt, in den unterschiedlichen künstlerischen
Handlungen etwas zu sehen, das entweder für oder gegen die Natur „Partei ergreift“. Dies
wird vor allem im Zusammenhang mit der Rezeption von Arbeiten Robert Smithsons
deutlich.

Das Verhältnis zur Natur unterliegt psychologischen Strukturen, wie jede Subjekt-
Subjekt bzw. Subjekt-Objekt-Beziehung es tut. Die Diplomarbeit umkreist diese
Psychologisierungen in Verbindung zur Land Art. Aus gegebenem und sehr aktuellem
Anlass soll auf die aktuelle philosophische Strömung der inhomogenen Gruppe der
spekulativen Realisten13 hingewiesen werden, die wiederum die alte Verbindung und Sicht
auf die Erde als Mutterfigur erneuert. Diese „Geopsychologie“, die in Horrorgenres
angesiedelt ist und die Erde als schwarze Rächerin der Verbrechen, die an ihr begangen
wurden, darstellt, knüpft an Ideen an, die weit in eine Zeit zurückreichen, in der noch
tatsächliche Angst vor der Natur im Sinne der Existenzgefährdung oder religiösem
ängstlichen Glauben bestanden. Gesetzt den Fall, man nimmt die Erde tatsächlich als den
bereits erheblich von den Menschen geschwächten Planeten wahr, so werden der
philosophische Psychoterror und die so erreichte weitere Entfremdung von ihr zu einer
recht unergründlichen Tatsache, die durch diese „psychologische Schwächung“ einer
schwarzen rachelustigen Mutter weiter verstärkt wird. Ein wichtiger überzeugender,
gedanklicher Anknüpfungspunkt ist somit Elisabeth von Samsonows Buch Anti-Elektra.
Totemismus und Schizogamie14 (2007) und ihre Vorlesungen zur Anthropologie der Kunst
an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, die ich seit nunmehr eineinhalb Jahren
besuche. Das komplizierte Verhältnis zwischen Menschen und Erde wird von Samsonow
analog gestellt mit dem Verhältnis Elektras zu ihrer Mutter. Diesen Elektra-Komplex, die
symbolische gestörte Verbindung zwischen den Töchtern (Menschen) und der Mutter
(Erde), gilt es nach Samsonow zuerst zu enttarnen und anschließend mit philosophischen
Mitteln aufzulösen.

Die Psychologisierung und Mythologisierung dieser Beziehung macht zur


Veranschaulichung globaler Probleme durchaus Sinn. Durch die Personen antiker
Geschichten wird verständlicher, unter welchen Umständen sich die krampfhafte
                                                        
13
Siehe u.a.: Reza Negarestani, Cyclonopedia (2008) und Nick Land, Fanged Noumena (2011)
14
Samsonow, Elisabeth von: Anti-Elektra. Totemismus und Schizogamie. Wien 2007 (transpositionen. 22)

  10
Trennung von Natur und Kultur immer wieder in komplizierteren Untiefen verfängt, und
schließlich, wie etwa beispielsweise spekulative Realisten zur Ansicht kommen mussten,
dass alles auf der Welt Existierende (vom Menschen bis zur Pflanze) gleichrangigen Wert,
gleichrangigen Objektcharakter hat,15 oder, wie etwa beim Philosophen Slavoj Žižek, zur
Auslöschung des Naturbegriffs führt. 16 Außerdem markiert es die Abstammung des
Menschen von der Erde. Diese aktuellen philosophischen Positionen, die sich selbstredend
auch über kurz oder lang in der Kunstproduktion widerspiegeln werden, sollen vor allem
Legitimationscharakter und Blickpunkterweiterung für die hier untersuchten Kunstwerke
der 60er und 70er Jahre darstellen.

In den theoretischen Auseinandersetzungen Robert Smithsons mit seinen eigenen


Land Art-Projekten und denen seiner Freunde und Freundinnen geht deutlich hervor, dass
die Selbstpositionierung der Menschen gegenüber der Natur sich doch als komplexer
darstellt, als vielleicht sogar von ihm selbst angenommen. Die Abgebrühtheit der Bagger-
und Bulldozer-Künstler führte gerade ob ihrer klaren, harten Formensprache zu vielerlei
Diskussionsstoff, auch hinsichtlich der ökologischen Position, die man ihnen zu diesem
Zeitpunkt einfach noch nicht abringen konnte. (Am deutlichsten ist dies bei Michael Heizer
zu sehen.) Das Interesse an der Landschaft, als Möglichkeit des Ausbruchs aus der
damaligen Galerie-Kunst, wirkt manchmal mehr als Interesse an einem unbeschriebenen
Blatt, an einem endlos wirkenden Raum in den Wüsten Amerikas als an dem, was in
Landschaft erdgeschichtlich bzw. kulturell gespeichert sein könnte. Vor allem bei Michael
Heizers megalomanen, überdimensionierten Gräben scheint es manchmal so, als habe ein
großes Kind aus purer Lust ein riesiges Erdloch gegraben und erkenne danach beim
Betrachten seiner Tat, was für existenzielle Fragen ein so großes Loch in der Erde
überhaupt aufwerfen kann, eigentlich aufwerfen muss. Andere KünstlerInnen, wie Ana
Mendieta, haben die großen Fragen bereits gestellt und reiben sich ihre Körper an der Erde

                                                        
15
Diese Zerschlagung des Anthropozentrismus stellt in gewissermaßen eine Versöhnung zwischen
anthropozentrischer und physiozentrischer Weltsicht dar. Alles auf der Welt Existierende ist als
gleichrangig zu verstehen. Vgl. u.a.: Riechelmann, Cord: Manifest des Akzelerationismus. Die Revolution
soll sich beeilen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.12.2013). URL:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/manifest-des-akzelerationismus-die-revolution-soll-sich-
beeilen-12722218.html [26.12.2013] und Rhensius, Phillip: Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. In:
taz (17.12.2013) URL: http://www.taz.de/1/berlin/tazplan-
kultur/artikel/?dig=2013%2F12%2F17%2Fa0136&cHash=6682fee8ee57aade1c0d0717b025b69c
[26.12.2013]
16
Die Auslöschung des Naturbegriffs, ist auch in Theorien präsent, die denen Žižeks gegenüberstehen. Die
Grenze zwischen Natur und Kultur, bzw. die Polarisierung dieser beiden Begriffe ist nicht erst seit dem
Zeitalter des Anthropozäns hinterfragt worden.

  11
wund, vergraben sich in ihr, wollen sensorisch direkt verstehen, wie es passieren konnte,
dass sich Mensch und Natur so fremd geworden sind.

Es soll mit dieser Diplomarbeit ein Versuch gemacht werden, diese doch sehr
unterschiedlichen künstlerischen Herangehensweisen hinsichtlich der ähnlichen Fragen,
die sie aufwerfen, zu vereinen. So sehr der Ödipus-Komplex von Robert Smithson als große
Lächerlichkeit abgetan wurde, die Sexualitätsmetapher von löchergrabenden
KünstlerInnen, von leinwandzerschneidenden Malern und von häuserzerteilenden
Bildhauern loszulösen ist gar nicht so einfach. Bei aller Pathosverweigerung: Tod und
Geburt gehören selbstredend zur Erde, zu ihrer Geschichtlichkeit.17

Untersuchungsgegenstände dieser Diplomarbeit sind, obgleich der bereits


mehrmals indirekt angedeuteten Verbindung von Kunst, Philosophie und Psychologie: die
philosophischen und vor allem ästhetischen Fragen nach Naturkonzepten, die
wiederkehrende Frage nach der Bedeutung der Landschaft für die bildende Kunst, das
auratische Phantom des Natur-Romantizismus, die Spiegelfunktion von Landschaft, die
historischen Bewertung des künstlerischen Materials – vor allem hinsichtlich der
Erkenntnis von Erde als dem ersten Material – (von Nihilierung, über Marginalisierung bis
hin zur Aufwertung), die Einführung der Melancholie in den Land Art Diskurs, die
Nachforschung des Löchergrabens der Land Art-KünstlerInnen in den
Sexualitätsmetaphern des Bergbaus, einen Exkurs in die bildhafte Sprache der Lyrik
bezüglich der Metaphern rund um Erde und Graben als Teil von Erinnerungskultur, die
Betrachtung des Grabes und des Selbstbegräbnisses als künstlerische Praxis der
Performance-Kunst sowie der Konzept-Kunst und schließlich ein Wiedereinführen der
arkadischen Landschaft in den Diskurs der Land Art.

Die Verwendung der Begrifflichkeiten Erde, Landschaft, Natur ist bedingt durch ihre
vielschichtige kulturelle Kodierung in unterschiedlicher und wechselhafter Bedeutung. Die
jeweilige Bedeutung ergibt sich aus den Kontexten, welche die Begriffe umgeben. Eine
homogene Verwendung dieser Begriffe kann somit nicht geleistet werden.

Anthropogen: Anthropogen ist alles, was nicht von „Natur aus“ bestehend oder von der Natur her generiert
ist. Alles Menschengemachte ist somit anthropogen, alles das, wo menschliche Beeinflussung
besteht, wird ebenso als anthropogen bezeichnet.
                                                        
17
Zur Frage nach dem künstlerischen Material und im speziellen auch dem der Erde siehe: Wagner, Monika:
Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne. München: 2001.

  12
I

MENSCH – MACHT – NATUR

„Perhaps there are always to Landscapes:

one which we physically perceive and one which we mentally construct.“18

                                                        
18
Treib, Marc: Traces Upon the Land: The Formalistic Landscape. In: Architectural Association Quarterly. Bd.
2. Nr. 4. (1979), S. 28-39.

  13
2 Natur und Landschaft als ästhetische Kategorien
„Über Natur sprechen (oder sie malen, oder sie im Labor inszenieren) heißt schon woanders stehen, in
einem anderen Medium, in einer Distanz und Fremdem die nicht einfach in Wort, Bild oder Zahl
aufgehoben werden kann.“19

Natur und Landschaft spielen in allen Ausformungen der Kunst eine Rolle. Sie sind ein
Spiegel des Bezugs des Menschen zu diesen Kategorien, egal wie weit entfernt oder nahe
sich ihre InterpretInnen von ihr wähnen. Musikstücke wurden beispielsweise Flüssen
gewidmet und auch für die Lyrik sind Naturerfahrungen ein wichtiger Bestandteil der
poetischen Ausdrucksfähigkeit. Diese Naturerfahrungen, die künstlerisch weiterverarbeitet
werden, sind kulturell geprägt bzw. prägen Kultur in einem außerordentlichen
Wechselspiel. So wäre etwa die Landschaftsmalerei ohne die ästhetische Aufwertung der
Landschaft, wie sie sich nach dem Mittelalter sukzessive entwickelt hat, heute nicht
denkbar. Erst im 16. und 17. Jahrhundert wurde der Natur mittels einer Neubewertung der
Landschaft, die man mit Hilfe technischer Entwicklungen immer beherrschbarer machen
konnte, ihr einstiger Schrecken genommen.20 Vor allem höher gestellte Schichten reisten
aus den Städten aufs Land, wo sie eine kultivierte und gezähmte Natur zu ihrem
Wohlgefallen vorfanden. Die antiken Bezeichnungen des locus amoenus und des locus
terribilis wurden zur ästhetischen Erfassung wiedereingeführt, und das Erhabene trat
langsam auf den Plan, was vor allem auch im ästhetischen Diskurs der englischen
Gartenarchitektur ein entscheidender Begriff wurde.21 Mit der Aufwertung der Landschaft
als ästhetischem Erfahrungsraum ging auch eine vermehrte künstlerische
Auseinandersetzung mit ihr einher. Hier zeigt sich bereits, wie sehr kulturelle Bewertungen
bedeutungs- und begriffsstiftend sind für das, was unter dem Begriff „Natur“ überhaupt
vorstellbar sein könnte.

Für die zeitgenössische Kunst, der sich die Natur immer wieder einmal verstärkt
aufdrängt, muss auch auf Seiten der theoretischen Nachbearbeitung eine geeignete
Auseinandersetzung stattfinden. Wie auch immer man dies bewertet will, innerhalb der

                                                        
19
Böhme, Hartmut: Natürlich/Natur. In: Ästhetische Grundbegriffe. (ÄGB) Historisches Wörterbuch in sieben
Bänden. Studienausgabe. Hrsg. v. Karlheinz Barck [u.a.]. Bd. 4. Stuttgart - Weimar 2002/2010, S. 437.
20
Ebd., S. 480.
21
Graber, Klaus: Der locus amoenus und der locus terribilis. Bild und Funktion der Natur in der deutschen
Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Köln – Wien 1974

  14
Kunst muss keine Rechtfertigung gegenüber einem richtigen oder falschen Naturbegriff
stattfinden.

Obwohl der Glaube an eine natura naturans22, eine aus sich heraus produzierende
und ganzheitliche Natur, philosophisch mittlerweile größtenteils skeptisch betrachtet wird,
ist er doch in Alltagskultur, Literatur, Sprachgebrauch, in Filmen, bei der Erforschung
fremder Weltbilder und dergleichen weiterhin präsent. Vielleicht mag es sich in vielen
Formen nur mehr um spielerische Anlehnungen handeln, um eine teilweise postmoderne,
teils ironisierende Haltung, die es gar nicht so ernst meint mit ihrer Anbiederung an Mutter
Natur. Relativ aktuell wäre da an das Mainstream Kino und James Camerons Film Avatar zu
denken. In Bezug auf Amerikas Kriegsbeteiligungen und wirtschaftliche Krisen ist der Film
und sein Erfolg ein klarer Indikator dafür, dass die Ausbeutung der Natur in der
Verarbeitung dieser Fiktion doch in irgendeiner Form mit der Idee des schlechten
Gewissens gegenüber einer subjektivierten Natur operiert. Ist es tatsächlich das rationelle
Wissen, fundiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen um gefühlsgeleitete
Entscheidungen, die gerade zur Rettung der Natur beitragen sollen, oder liegt es sowieso
auf der Hand, dass die Menschheit, egal wie aufgeklärt und selbstbestimmend denkend sie
sich selbst erachten, die letzte Bastion eines Glaubens an etwas Größeres doch nicht so
leicht aufgeben wird? Hier werden mahnende Stimmen laut, sie bemängeln die Rückkehr
zu vereinfachten Archaismen, zu irrationalen Bildern einer scheinbar längst obsoleten
Vorstellung von einer mütterlichen Natur im Kontext ökologischer Bewegungen.
Verniedlichungen, die dem eigentlichen Problem der Krise angeblich nicht gerecht
werden.23 Die Philosophin und Künstlerin Elisabeth von Samsonow, die an der Akademie
der Bildenden Künste in Wien eine Professur innehat, hält eben dieser Abwehrhaltung
einen erhellenden Standpunkt entgegen. In genau diesem Phänomen der steten
Problematisierung der Erde durch die Menschen sieht sie einen Elektra-Komplex. Ihr Buch
Anti-Elektra. Totemismus und Schizogamie (2007) knüpft an die Publikation der beiden

                                                        
22
Schelling, Friedrich Wilhelm Jakob: Einleitung zu dem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie. Oder
über den Begriff der spekulativen Physik und die innere Organisation eines Systems dieser Wissenschaft
(1795). In: Ders.: Schriften von 1795-1801. Darmstadt 1975, S. 282ff. Während die natura naturans, die aus
sich selbst heraus stetig produzierende Natur meint, stellt ihr Schelling den Begriff der natura naturata
entgegen. Prinzipiell handelt es sich dabei um den Unterschied der Natur als Subjekt bzw. als Objekt. Die
Naturwissenschaften folgen dabei der Idee der natura naturata, die Natur als Produkt ansehen und
untersuchen. Böhme, Gernot: Für eine ökologische Naturästhetik. Frankfurt am Main 1989. (edition
suhrkamp 1556), S. 100.
23
Žižek, Slavoj: The End of Nature. In: The New York Times vom 02.09.2010. URL:
http://www.nytimes.com/2010/12/02/opinion/global/02iht-GA12zizek.html?_r=0 [23.05.2013]

  15
französischen Philosophen Félix Guattari und Gilles Deleuze mit dem Titel Anti-Ödipus.
Kapitalismus und Schizophrenie (1972) an. Samsonow gibt aus psychoanalytischer und
poststrukturalistischer Sichtweise eine feministische Antwort auf die Frage der Mensch-
Natur-Beziehung. In der Atriden-Tochter Elektra liegt die Möglichkeit, dem männlichen
Ödipus-Komplex ein weibliches Gegenüber zu stellen, begründet. Wie Deleuze und
Guattari, die den Ödipus-Komplex dekonstruierten, so gelingt es Samsonow, den Elektra-
Komplex, wie sie ihn nennt, „in Luft“ aufzulösen. Im Komplex des Mutterhasses Elektras
und ihrer Vaterliebe stellt Samsonow die komplizierte Beziehung des Menschen zur
mutterhaften Gestalt der Erde und als väterliche Instanz der Sonne her. Sie plädiert für ein
Verständnis der Menschen als diejenigen, die eigentlich nie geboren werden, weil sie das
System der Erde ja nie verlassen, ähnlich den Pflanzen. Erst das Draußen, das außerhalb
Stehen führe zu dem Problemfeld, das sich immer deutlicher in ökologischen Krisen
ausdrückt.24

Die Aufkündigung einer übergeordneten Sinnhaftigkeit und der Schönheit eines


Naturganzen wurden andernorts mittels ästhetischer Theorien in die Kunsttheorie
hinübergerettet. Natur- und Kunstschönes waren ja ursprünglich voneinander getrennte
Bereiche. Versuche Ästhetik, Natur und Ökologie miteinander zu verbinden finden sich bei
Martin Seel und Gernot Böhme 25 . In Martin Seels Eine Ästhetik der Natur 26 wird die
menschlich sinnliche Erfahrung von einem rein ästhetischem Zugang in drei
unterschiedlichen Mustern beschrieben: dem kontemplativen, dem korresponsiven und
dem imaginativen. Seel verkürzt die menschlichen Naturerfahrungen folgendermaßen:27

„Schöne oder erhabene Natur tritt uns gleichzeitig als sinnfremdes Spiel der Erscheinungen, als ein
gestaltgebender – und darin eminent sinnhafter – Ort des Lebens und schließlich als bildhafter
Raum der Kunst entgegen.28

Allerdings ist fragwürdig, wie dieses Naturschöne und seine kategorisierten Erfahrungen
nun wiederum in die zeitgenössische Kunst passen. In der zeitgenössischen Kunst wird das

                                                        
24
Samsonow, Elisabeth: The Plasticity of the Real. Vortrag beim Speculative Art Histories Symposium, Witte
de With Center for Contemporary Art, 2.5. – 4.5.2013. Vortrag online:
http://www.youtube.com/watch?v=GGBzbHMf7iI [02.07.2013]
25
u.a.: Böhme 1989.
26
Seel, Martin: Eine Ästhetik der Natur. Frankfurt am Main 1992. (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1231)
27
Groh, Dieter / Groh, Ruth: Die Außenwelt und die Innenwelt. Zur Kulturgeschichte der Natur. Bd. 2.
Frankfurt am Main 1996. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 1218), S. 123.
28
Seel, Martin: Ästhetische und moralische Anerkennung der Natur, In: Jörg Huber / Alois Martin Müller (Hg.),
Interventionen 2. Raum und Verfahren. Frankfurt am Main - Basel 1992, S. 133.

  16
Naturschöne höchstens noch als geschichtlicher Begriff zitiert. Nicht falsch zu verstehen ist,
dass traditionell unter dem Naturschönen, die Ästhetik der außermenschlichen Natur
gemeint war, die dann im Kunstschönen nachgeahmt wurde. Ernstgemeinte
Naturschönheit in ihrer Abbildung steht heute wohl unter dem Verdacht des Hochverrats
an der Kunst, nämlich des Kitsches.29 Als Verlorene taucht sie hier und da doch noch auf, ihr
Nachhall wird spürbar, wo man sich alte Naturauffassungen angeeignet oder fremde
Kulturen nach deren Naturbegriff untersucht werden. Neubewertungen der Moderne
beispielsweise führten zu einer Reaktivierung des Animismus-Begriffs in der
zeitgenössischen Kunst.30 Zur Frage nach der Mensch-Natur-Beziehung werden angesichts
der Aneignung animistischer Traditionen neue Fragestellungen offen, jedenfalls scheinen
sie für die Kunst äußerst attraktive Beschäftigungsfelder darzustellen.

Doch zurück zur ästhetischen Wahrnehmung der Natur und ihrer Verbindung zur
zeitgenössischen Kunst. Gernot Böhme spart diese in Für eine ökologische Naturästhetik
einfach aus. Zwar finden sich gelegentlich Hinweise auf Kunsthistorisches, das bis in die
Kunst der Gegenwart als Traditionslinie hineinreicht, doch tatsächlich zeitgemäßen
künstlerischen Beispielen wird kein Platz darin geboten. Eine dieser Traditionen ist etwa
die der englischen Gartenarchitektur, die bis in die Land-Art hinein ihre Nachwirkungen
gezeigt hat, wie im Folgekapitel 2.3 Künstliche Natur noch gezeigt werden wird.31 Es geht
aus Böhmes Publikation leider nicht hervor, wie seine Vorschläge einer ökologischen
Naturästhetik beispielsweise mit den ökologischen Kunstwerken unserer Zeit vereinbar
sind bzw. allgemein mit jenen, welche die Natur thematisieren. Einen Hinweis darauf, dass
er dies sogar für unmöglich hält, gibt Böhme, wenn er die intellektuelle und elitäre
Kunsttheorie aufgrund ihres snobistischen Umgangs mit Kitsch kritisiert. 32 In der
Erstausgabe seines Buches Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik Mitte der Neunziger wird
Böhme dahingehend präziser. Er stellt deutlicher heraus, dass die Ästhetik von der Kunst
losgelöst betrachtet werden müsse. Vor allem in der Wahrnehmung von Umwelt ginge es
um eine Aisthesis, also um eine sinnliche Wahrnehmung, die in erster Linie nicht

                                                        
29
In Adornos Ästhetischer Theorie (1970) empfand dieser das Naturschöne als etwas sukzessiv Verdrängtes. Er
gab aber bereits kritisch zu denken, dass die Natur außertechnisch in Verbindung mit ihrer Abbildung
etwas Kitschiges sei. Böhme, ÄGB, S. 495.
30
Animismus. Moderne hinter den Spiegeln. Hrsg. von Anselm Franke/Sabine Folie. Aust.Kat. Wien (Generali
Foundation) 2011-2012. Köln 2011
31
Böhme, Gernot 1989, S. 63.
32
Ebd., S. 163.

  17
intellektualisierbar und am eigenen Körper zu erfahren sei.33 Schließlich erklärt Böhme,
dass er zwar sehe, dass sich die Natur in der Kunst wieder vermehrt aufdrängt, nur der
Umgang mit ihr ist für ihn wenig zufriedenstellend:

„... nicht einmal mehr als Andenken oder Vorschein der Versöhnung imponiert sie.
Nein – anklagend und fordernd präsentiert sie die umweltkritische Kunst, zeigend und
artikulierend spürt ihr die land-art nach. Die Elementenkunst vermittelt ihre sinnliche
Wiederaneignung, minimal-art und Materialkunst tasten sich über Klassifikationen – Erden,
Hölzer, Wachs, Pollen – zum reinen Dies-da vor. [...] Doch bei alldem blieb die Natur
merkwürdig abwesend. Die land-art unterscheidet sich nicht prinzipiell von der
Haldenkunst. [...] die naturale minimal-art bleibt meist nur ein zufälliges Botanisieren. Und
wo immer die ästhetische Theorie die Sensationen angesichts der Natur auf den Begriff
bringt, stellt sich der Satz ein: »Es muß nicht Natur sein«.34

Zwar will Böhme eine Versöhnung zwischen Mensch und Umwelt anhand
ästhetischer Kriterien herleiten, bei der er die künstlerische Auseinandersetzung mit ihr
jedoch nicht für kompetent genug in ihrem „fühlenden“ Sinne hält. Während
beispielsweise die englische Gartenkunst durchaus im Sinne einer ökologischen Ästhetik
sei, verschließt Böhme in seiner Ablehnung gegen zeitgenössische Tendenzen
Möglichkeiten, seine Theorien und Forderungen für diese auch anwendbar zu machen. Die
Atmosphären Böhmes waren ein vieldiskutiertes Buch, sie wiesen den Weg in die
atmosphärischen Gesamtgestaltungen von Museen und Ausstellungen als
Erholungsoasen und Beiwerk von Museumsshops. Die Diskussion des Atmosphärischen in
Böhmes Schrift ließ für Thomas Assheuer Gedanken an das Atmosphärische in Shopping-
Centern, den Flair, die Musik, die guten Gerüche, die Springbrunnen, die zum Kauf
animieren sollen, aufkommen. 35 Das Stürzen der Kunst von ihrem ästhetischen Thron
(welches sich einzig in den Köpfen von TheoretikerInnen erst sehr langsam vollzog, aber in
der Realität doch in der Bedeutung von Kunst schon früher augenscheinlich wurde), mag
anhand gesellschaftlicher Entwicklungen ein logischer Schritt sein, doch ihr quasi
Ausschluss lässt Zweifel an Böhmes Theorien aufkommen. Das ästhetische Ärgernis, dass
die Kunst in der Moderne und Postmoderne eingegangen ist, waren für Böhme vor allem

                                                        
33
Böhme, Gernot: Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik. 7., überarb., erw. A. Berlin 2013. (edition suhrkamp
2664), S. 15f.
34
Ebd., S. 249.
35
Assheuer, Thomas: Wie auf Wolken. Die Kunst der Gegenwart wird atmosphärisch. Was soll das bedeuten?.
In: DIE ZEIT (Hamburg) vom 26.11.2012. URL: http://www.zeit.de/2012/47/Kunst-Gegenwart-Gernot-
Boehme-Atmosphaere/komplettansicht?print=true. [26.05.2013]

  18
die unüberwindbare Tatsache, dass die idealisierte Natur verloren gegangen ist. Böhme
bemängelt an der Kunst das Fehlen der Natur in ihr, zumindest des Bildes von Natur,
welches er gerne in Kunstwerken reproduziert sehen möchte. 36 Damit soll wohl zum
Ausdruck gebracht werden, dass es im Sinne seiner Ästhetik gar nicht möglich ist, Natur via
zeitgenössischer Kunst erfahrbar zu machen, während es beispielsweise mit früheren
Idyllen und Landschaftsmalereien diese stimmungshafte Abbildung der Natur, den
Stimmungen, die die Natur selbst zu erzeugen fähig ist, noch näher gewesen wären.

Diese Einschätzungen werden vielen zeitgenössischen Positionen einfach nicht


gerecht. So wichtig Böhmes Anregungen für einen zeitgemäßen Ästhetikbegriff sind, so
eng sind auch seine Vorstellungen zeitgenössischer Kunstpraxis. Landschaft und Natur
sind im ästhetischen Diskurs zerfranste Begrifflichkeiten geworden. Sie zerfallen in
Ansichten, sind als solche nicht mehr fassbar und stets individuell und nur in
Kontextsystemen zu betrachten. Kunst und Ästhetik haben von Seiten Böhmes einige
andersartige, interessante Ansichten erlebt. Aus Sicht seiner Kritik an der fortschreitenden
Umweltzerstörung und seiner steten Auseinandersetzung mit dem Mensch-Natur-
Verhältnis wird auch seine Kritik an zeitgenössischer Kunstpraxis zumindest verständlicher,
die er in diesen Schriften als zu „verkopft“ betrachtete. Dieser Kritik kann
entgegengehalten werden, dass bildenden Kunst zu keiner anderen Zeit mehr leisten
konnte, als sich an den Naturbegriffen ihrer Zeit abzuarbeiten.

                                                        
36
Hier kommt der Gedanke an Goethes Gedicht Natur und Kunst sie scheinen sich zu fliehen auf.

  19
Abb. 2: Ibon Aranberri, Organogramme, Abb. 3: Nicolas Poussin, Der Frühling oder das
Installationsansicht, 2011, Fundació Antoni irdische Paradies, 1660-1664, Louvre, Paris
Tàpies, Madrid

Abb. 4: Ibon Aranberri, Organogramme,


Installationsansicht, 2011, Fundació Antoni Tàpies, Madrid

  20
2.1 Die Natur ist tot. Lang lebe die Natur! Ökologische Ästhetik und der
physiozentrische Streit
„Könnte man mich nur davon überzeugen, daß sie im bloßen Mechanismus besteht, so wäre meine
Bekehrung sogleich vollbracht; dann ist die Natur unleugbar todt, und jeder andere Philosoph kann Recht
haben, nur ich nicht.“37

Die Erfassung allgemeiner Begriffe wie Natur und Landschaft kann sich als weitreichendes
Unterfangen darstellen. Die Bedeutung dieser Begrifflichkeiten hat sich im Wandel der Zeit
stark verändert und sie tut dies auch weiterhin. Sie ist, kurz gesagt, Spiegel ihrer Zeit. Je
nach kultureller Entwicklung, kommt es zu Verschiebungen und Bedeutungswandel, zu
Entladungen, Aufladungen, Pflege und Verwahrlosung, bloß „falsch“ kann keine
beschreibende Kategorie sein. Gerade deswegen können Naturauffassungen parallel
nebeneinander existieren und ein Naturbegriff löst den anderen nicht automatisch ab,
sondern gehört an sich zum Spektrum kultureller Vielfalt. 38
Selbst über
naturwissenschaftlich-empirische Erkenntnisse erhebt sich die Summe der diversen
Naturbegriffe, auch wenn diese untereinander konkurrieren mögen. Eine Definition der
Begriffe ist dementsprechend nur in epochenweisen Etappen möglich und stets
unzureichend, da sie aus dem Blickpunkt so vieler unterschiedlicher Gebiete zu betrachten
sind, dass sich schnell die Frage stellt, wie es möglich ist, überhaupt mit ihnen
umzugehen. 39 Was die Natur sei und ob der Begriff aus heutigem Standpunkt noch
Geltung hat, soll im Folgenden kurz ausgeführt werden.

Mittlerweile haben sich im aktuellen Umgang der Philosophie mit der großen Frage
nach der Natur zwei Fronten gegeneinander erhoben. Die eine Seite folgt dem
cartesianischen und kantischem Weltbild, sie verneint einen “gefühlsmäßigen“ Zugang
gegenüber der Natur, sie negiert die Existenz eines Naturganzen und sieht ein Vermeiden
der absoluten ökologischen Krise lediglich durch Vernunft geleitete Entscheidungen,
welche die Umwelt vor der weiteren exzessiven Ausbeutung und Zerstörung bewahren
sollen, als möglich. Einige Vertreter dieser Auffassung, die im Folgenden zur Sprache

                                                        
37
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Darstellung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zu der
verbesserten Fichteschen Lehre. Schriften von 1813-1830. In: Schelling, F. W. J.: Ausgewählte Werke.
Darmstadt 1966, S. 103.
38
In den „Lehrlingen von Sais“ (1802) von Novalis werden 20 unterschiedliche Naturbegriffe aufgezählt, diese
Menge an unterschiedlichen Auffassungen ist kennzeichnend für modernes Sprechen über Natur. Schon
damals waren die Naturwissenschaften die herrschende Disziplin im Diskurs über die Natur, dem Novalis
eine ästhetische Sicht auf die Dinge entgegenhalten wollte. Böhme ÄGB 2002, S. 436.
39
Böhme ÄGB 2002, S. 432f.

  21 
kommen werden, sind Dieter und Ruth Groh, Michael Hampe und aus dem
außerdeutschen Sprachraum Slavoj Žižek. Diese Sichtweisen werden als anthropozentrisch
bezeichnet, da ihr Denken über den Naturbegriff und seine Infragestellung eine vom
Menschen als Mittelpunkt aus geführte ist. Der Mensch als entscheidungsfähiges und im
besten Falle freies Wesen stellt sich somit über alle außermenschliche Natur.40 Dies stellt
bereits in sich ein Verhaltensmuster gegenüber der Natur dar, auf welchem auch die Idee
der Naturausbeutung fußt.

Die andere Seite hat einen insgesamt schwierigeren Stand. Die erste Gruppierung
kreidet ihr voraufklärerische Naivität, Naturromantizismus und einen verklärten Blick auf
die Welt an. Gernot Böhme und eine ganze Handvoll anderer WissenschaftlerInnen sehen
in der Tradition Goethes die Natur weniger als Umwelt, sondern vielmehr als Mitwelt.
Deutlicher als die erste Gruppe unterstreichen sie die Natürlichkeit des Menschen, der sich
erst durch die Evolution von den anderen Tieren abheben konnte. Für sie ist der Ausgang
aus der ökologischen Krise vor allem in einem erhöhten Bewusstsein für das
Außermenschliche begründet, das es ihrer Meinung nach zu schärfen gilt. Physiozentrisch
kann dieses Weltbild dahingehend bezeichnet werden, da es den Menschen als Teil der
Natur mitdenkt, ihm in anteilnehmender und fühlender Weise einen respektvollen
Umgang mit dieser abverlangt.

Beide Gruppen eint, dass ein Nachdenken über den Naturbegriff heute immer auch
in der großen Frage der ökologischen Krise verhaftet bleibt. Ein ähnliches Denken über
Ökologie ist auch in der zeitgenössischen Kunst zu spüren.

In ihrer Auseinandersetzung mit der Natur haben die Naturwissenschaften jedoch


vor Jahrhunderten ihren Siegeszug angetreten und mittlerweile spielt die Philosophie
dahingehend nur mehr eine marginale Rolle. In der Geschichte der Philosophie ist die
Aufrechterhaltung einer Art Naturphilosophie nach dem Zeitalter der Romantik und des
deutschen Idealismus auch innerhalb der eigenen Disziplin angesichts
naturwissenschaftlicher Erkenntnisse häufig problematisiert worden, handle es sich dabei
doch vor allen Dingen um eine ideologisch aufgeladene Glaubensfrage. Das Naturganze
wird dabei negiert, als natürlich könne zwar vieles bezeichnet werden: „Ozeane, Wälder, das
Blut der Adern, [...] Grundkräfte und Naturkonstanten“,41 die Existenz einer Natur als solches

                                                        
40
Die Gegenüberstellung anthropozentrisch und physiozentrisch ist aus Groh/Groh 1996 entnommen.
41
Hampe, Michael: Die Natur. Gibt es sie überhaupt?, In: Zeit Philosophie. Nr. 25 (2013), S. 22.

  22 
gäbe es aber insofern nicht, weil sie sich nicht empirisch als dieses Ganze fassen lässt.
Somit gehört der Glaube an sie – nach Meinung Michael Hampes – gleich bewertet wie der
Glaube an ein höheres Gottwesen, welches sich ebenfalls nicht empirisch beweisen lässt.
In seinem kürzlich in der Philosophie-Beilage der ZEIT erschienenem Artikel Die Natur. Gibt
es sie überhaupt? kritisiert Hampe hauptsächlich die menschliche Angewohnheit, sich in
Krisenzeiten an der Natur zu orientieren, und den Fehler, Natur, Kultur und Technik
voneinander getrennt zu behandeln.42 So ist die Naturphilosophie innerhalb ihrer Disziplin
auch nach Aussagen Gerhard Gamms „obsolet“ geworden, da sich die Natur als ein
existierender Gegenstand immer mehr entzogen hat und zu dem Begriff Umwelt
transformiert wurde.43 Hartmut Böhme fasst diese philosophischen Tendenzen prägnant
zusammen:
„Heute, wo vor allem konstruktivistische Annahmen dominieren, die verdeutlichen, dass wir es
prinzipiell nicht mit Natur, sondern mit kulturellen Konstruktionen von ihr zu tun haben, ist eine
paradoxe Situation eingetreten. In radikaler Konsequenz des Konstruktivismus, der zur Auflösung
des referentiellen Naturdenkens führt, kann man nicht mehr sagen, was Natur ist, weil alles Kultur ist.
Umgekehrt zeigt sich ebenso, dass es unmöglich ist zu sagen, was denn Kultur sein soll, wenn man
zeigen kann, dass alle kulturellen Leistungen, also auch diejenigen, dass wir uns „Konzepte“ bilden,
bioevolutionäre Funktionen innerhalb einer die Kultur umfassenden Naturgeschichte sind.“44

Auch Slavoj Žižek, mit seiner handlungsorientierte Philosophie, die an Marx und Lacan
geschult ist, sieht in der neuen Ökologie eine Art Religionsersatz, die romantisierend auf
naive und sentimentale Naturvorstellungen der heilen Erde zurückgreift, dabei aber
handlungsunfähig bleibt und stets mahnend-moralisch einen pfleglicheren Umgang mit
der Natur angesichts der Naturausbeutungen fordert. Damit kritisiert er das Bild von einer
leidenden Welt, welche der Mensch aus dem Gleichgewicht gebracht hat, da Zufälle für die
Entstehung der Erde verantwortlich gemacht werden können und Naturkatastrophen
auch in Zukunft nicht ausschließbar sind. Auch für ihn existiert „Natur“ als solche nicht, das
Weiterbestehen dieses Begriffes sei für ihn in einer veralteten und nunmehr obsolet
gewordenen Naturauffassung begründet. Die Auswirkungen der ökologischen Krise
scheinen ihm nach eigenen Anschauungen bewusster als jenen, die eine Art „Heilung“ des

                                                        
42
ebd.
43
Gamm, Gerhard: Der deutsche Idealismus. Eine Einführung in die Philosophie von Fichte, Hegel und
Schelling. Stuttgart 1997, S. 190. (Reclams Universal-Bibliothek. 9655)
44
Böhme ÄGB 2002, S. 437.

  23 
gestörten Ökosystems anstreben. Weil für ihn die Krise tiefer sitzt und ökologische Liberale,
die er als konservativ beschreibt, die Augen vor der schrecklichen Realität der wirklichen
Bedrohung des menschlichen Lebensraums seiner Meinung nach verschließen, bot er mit
einem ökologischen Manifest praktische Handlungsanleitungen, wie etwa einen pro Kopf
an ErdenbürgerInnen festgelegten maximalen täglichen Energieverbrauch und
dergleichen.45

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der ersten Gruppe Einigkeit darüber
besteht, dass Menschliches, wie Außermenschliches natürlich ist bzw. sein kann, doch
weder Pflanzen, Tiere noch Menschen Teil eines großen Naturganzes sind, weil es sich
dabei nach deren Ansicht um ein bloßes kulturelles Konzept von Natur handle. Diese
Konzepte sind historisch nachzeichenbar, sie sind aber auch ein wichtiger Bestandteil aller
Kulturen und allen kulturellen Ausdrucks. Was zwischen den Zeilen lesbar wird, und hier
kommt es jetzt allerdings zu einer Ebenenverschiebung des Diskurses, ist die alte
Erhebung allen menschlichen Seins über andere Organismen, wie es bereits in der jüdisch-
christlichen Schöpfungsgeschichte vorgegeben ist. Gerade die aufgeklärteste Philosophie
kritisiert dabei häufig, dass Umweltschutz nicht durch Mitfühlen oder Mitleid mit dem
Außermenschlichen zu erlangen sei, sondern nur durch reine rationale Entscheidungen zu
Lösungen finden könne. Wie lassen sich nun wieder die naturwissenschaftlichen
Kenntnisse der Hirnforschung damit vereinen, die angeben, dass die meisten der
menschlichen Entscheidungen gefühlsbestimmter „Natur“ sind?46 Diese Abtrennung der
Gefühlswelt von der rationalen Entscheidungsfähigkeit ist Teil einer philosophischen
Tradition, die in Gefühlen oft etwas Bedrohliches und Hemmendes sah. Die alte Erhebung
des Menschen über alle anderen Lebewesen und alles außermenschlich Natürliche ist es,
was die zweite Gruppe als großen menschlichen Irrtum festzumachen versucht und der
europäischen Geistesgeschichte und teilweise der Menschheitsgeschichte in ihrer
technischen Beherrschung der Natur auch in summa vorwirft.

Žižek versucht die gefühlshafte Wahrnehmung der Natur in seinem Essay


Unbehagen in der Natur. Ecology against Nature anhand von Textauszügen eines Buches des
isländischen Philosophen Páll Skúlason aufzuzeigen, dass der Glaube an ein Naturganzes
für ihn als ideologische Blendung aufzufassen ist. Skúlason beschreibt seine

                                                        
45
Žižek, Slavoj: Auf verlorenem Posten. Frankfurt am Main 2009. (edition suhrkamp. 2562)
46
Unbewusste Entscheidungen im Gehirn. http://www.spektrum.de/alias/neurowissenschaft/unbewusste-
entscheidungen-im-gehirn/949689 [06.05.2013]

  24 
Naturwahrnehmung des isländischen Vulkansees Askja, der von schneebedeckten Bergen
umgeben ist. Beim Betrachten des Sees hätte sich ihm plötzlich die ganze Welt, die
gesamte Natur zu einem sinnhaften Ganzen zusammengefügt.47 Skúlason fragt sich: „Is the
world really a unified totality? Isn´t it just reality just an infinitely variegated manifold of
particular phenomena?“48 Diese Auffassung teilt Žižek mit Skúlason. Er folgt Kants strikter
Auffassung der Welt als ein Konstrukt des menschlichen Geistes, der automatisch versucht,
Dinge zu ordnen und ihnen Sinnhaftigkeit zu verleihen. Skúlason unterstreicht, dass das
menschliche Ordnen von Dingen Realitäten erzeugt, in denen es sich dann bewegt und
gelebt werden kann. Für ihn ist das Leben ein stetes Aufbauen eines Vertrauens
gegenüber dieser konstruierten und variablen Realität. 49 Freilich ist Žižek dieser Glaube
und dieses Vertrauen suspekt, er sieht keine Ordnung, der Vertrauen zu schenken wäre.
Sein Weltbild ist dieses einer chaotischen durch Zufälle zusammengewürfelten
Mannigfaltigkeit, der keine Gesamtbedeutung hervorzulocken sei. Sein Plädoyer gilt einer
Ökologie „without nature“, einem fundamentalen Neuverständnis von Natur.50

Žižeks Denken ist provozierend und aufklärerisch in seinem Drängen. Seine


Argumente geben sich gegenüber der ökologischen Philosophie als angriffslustig.
Allerdings zeigen sich Žižeks Forderungen indifferent gegenüber dem außermenschlichen
Leben, Tieren und Pflanzen etwa. Sie scheinen keine Relevanz zu haben. Seine
Objektifizierung der Natur ist eine naturwissenschaftlich geschulte und an und für sich
keine neue. Neu an Žižeks Denken ist die philosophische Deutung von etwa
Naturwahrnehmung als eine Art Realitätskonstruktionen, die er mit Hilfe
naturwissenschaftlicher Erkenntnisse verfolgt. Seine Sicht auf die Dinge negiert dabei nicht
nur alle Weltanschauungssysteme außerhalb des Kulturkreises, aus dem er selbst
hervorgeht, er negiert jegliche Bedeutungszuschreibung und jegliches sinnhafte Ordnen
von Dingen per se. Dieser Bruch mit Kultur- und Naturgeschichte scheint unüberbrückbar
zu sein. Es sind zwei voneinander getrennte Sichtweisen, die sich hier präsentieren und
unüberbrückbar anmuten.

                                                        
47
Žižek, Slavoj: Unbehagen in der Natur. Ecology Against Nature. In: Bedeutung, Bd. 1, H. 1. London 2008, S.
47.
48
Skúlason, Páll: Reflections at the Edge of Askja. Reykjavik 2005, S. 11.
49
ebd., S. 31-33.
50
Žižek 2008, S. 49.

  25 
Etwas versöhnlicher klingen Dieter und Ruth Groh: Bloß weil die Natur uns
gegenüber indifferent sei, dürfe man ihr gegenüber nicht ebenfalls gleichgültig sein.51
Damit widersprechen sie allen ihren zuvor angeführten Thesen, die auf einer strikten
Objektifizierung der Natur und einer Dekonstruktion des Naturbegriffs fußen. Konsequenz
gegenüber der Vernichtung alter Naturauffassungen ist selbst bei ihren stärksten
GegnerInnen nicht zu finden. Es gibt nun einmal keine anderen Verständigungsformen
über sie, als die bewährten.

Ruth und Dieter Groh, die im Zeitraum zwischen 1991 und 1996 zwei Bände zur
Kulturgeschichte der Natur mit den Titeln Weltbild und Naturaneignung sowie Die
Außenwelt der Innenwelt verfasst haben, warnen nachdrücklich von einem gefühlsbetonten
Zugang zur Natur. Ihnen zufolge solle das Nachdenken über die Natur und die Kritik an
derer Ausbeutung strikt rational abgehandelt werden und von einer Subjektivierung der
Natur abgesehen werden, da Gefühle keine Kriterien darstellen können. In ihrer Kritik an
einer physiozentrischen Naturästhetik, die sie mit dem Begriff Ökoästhetik versehen,
wobei „öko“ in diesem Fall als abwertendes Präfix vorangestellt wurde, plädieren sie gegen
die von ihnen postulierte Vernunftfeindschaft derartiger Auseinandersetzungen und zielen
mit ihrer Kritik wohl zu größten Teilen auf die Brüder Hartmut und Gernot Böhme, die mit
ihren zahlreichen Publikationen rund um Natur, Elemente, Aisthetik und Natur-Ästhetik
zumindest in der Beharrlichkeit ihrer Auseinandersetzung mit dieser Thematik zwei
führenden Köpfe im deutschsprachigen Raum sind.52

Was Friedrich Wilhelm Joseph Schelling mit dem Sein der Natur erfassbar machen
wollte, scheint für viele Philosophen daher nicht mehr haltbar. Durch die fortwährende
wirtschaftlich-industrielle Aneignung der Natur wurde ihr Begriff nach Gamm sukzessive
vom Begriff der Umwelt verschlungen bzw. in diesen überführt. Derlei
Rationalisierungsprozesse, die im cartesianischen Zeitalter Einzug gehalten hatten, wollte
Schelling in seiner Kritik entgegenwirken. Die Romantik ist die erste nachkantische Zeit, in
der das „Zurückwollen“ und der Bruch mit der Natur angesichts der sich immer stärker
entwickelnden Technik so deutlich als schmerzhaft empfunden wurde.53 Das Auflösen der

                                                        
51
„Daß die Natur uns gegenüber gleichgültig ist, bedeutet aber nicht, daß sie uns gleichgültig sein darf. Die
unersetzliche Lebensgrundlage sowie den unersetzlichen Raum ästhetischer Naturerfahrungen nicht
weiter zu zerstören, sondern diesen Prozeß aufzuhalten und Remedien zu suchen, liegt in unserem
Interesse und in unserer Verantwortung.“ Groh/ Groh, 1996, S. 136.
52
Groh/ Groh 1996, S. 137.
53
Böhme, ÄGB, S. 437.

  26 
Natur in rein mathematische Formeln bedeutete für Schelling den eigentlichen Tod der
Natur, den er für sich schlichtweg nicht akzeptieren wollte. Stattdessen betonte er, dass die
Natur nicht mechanisch, sondern dynamisch sei. Diese Dynamik ist das Produktive an ihr
und so wird von Schelling der gesamte Kosmos als riesiger Organismus betrachtet, was in
der früheren Zeit als sogenannte „natura naturans“ bekannt war. Alles in allem sind dies
Subjektvierungsprozesse der Natur, die der Natur menschliche Eigenschaften
einzuschreiben trachtet, nämlich etwa die der Produktivität, eine Eigenschaft die
normalerweise an Handlungssubjekte gekoppelt ist. Hier wird nochmals die Trennung zur
Naturwissenschaft deutlich, die die Natur objektiviert hat und nur an der Entschlüsselung
ihrer Mechanismen interessiert ist, sie aber nicht als Ganzes zu erklären trachtet, bzw. die
Fragestellung nach einem Naturganzen in ihrer Beschränktheit empirischer
Forschungsmethoden unfähig macht, danach überhaupt zu fragen.54

Genau dieser Zwiespalt ist es auch, der als scharfe Trennungslinie zwischen den
später besprochenen Kunstwerken auffällig werden wird. Während beispielsweise Ana
Mendieta in ihrer Kunst, vor allem bedingt durch ihre afro-kubanische Abstammung und
ihre Auseinandersetzung mit dem Santería-Kult, sich selbstverständlich auf ein
ganzheitliches Naturkonzept bezieht, waren es vor allem auch Künstler der Land-Art, wie
etwa Robert Smithson, die in ihrer Kunst das Industrielle stark miteinbezogen. Dafür
wiederum äußerte Ana Mendieta ihren männlichen Kollegen gegenüber Kritik.55

Die Geschichte der Technik kann, angetrieben von marktwirtschaftlichen Prozessen,


als eine sich fortschreitende Geschichte der Naturausbeutung gelesen werden.
Mittlerweile ist selbst die Welt zu „klein“ geworden und der Mensch ist aufgebrochen, um
mit hohem technischem Aufwand neue Lebensräume im Weltall zu erschaffen. Egal wie
sehr sich die ökologische Krise den Gesellschaften immer wieder aufdrängt, gegenüber der
Ökonomie hat sie keine Stimme. Verständlich, warum die immer wieder aufkeimende
Technikkritik der Moderne auch die Natur als Teil der alten, bedrohten Welt oftmals
mitgedacht hat. Für manche ist die Ausbeutung der Natur, ausgehend vom sich über alles
erhebenden Menschen des jüdisch-christlichen Schöpfungsmythos, religiösen

                                                        
54
Gamm, 1997, S. 190.
55
Viso, Olga: Ana Mendieta. Earth body, sculpture and performance 1972 – 1985. Aust.Kat. Washington DC-
New York (Hirshhorn Museum and Sculpture Garen – Whitney Museum of American Art) 2004-2006.
Ostfildern-Ruit 2004, S. 21.

  27 
Ursprungs.56 Andere halten dies jedoch für eine Fehlinterpretation der Bibel.57 In all den
Überlegungen wurde angesichts der westlichen Geistesgeschichte oftmals vergessen, dass
Natur in anderen kulturellen Systemen andersartig betrachtet wird und die in der
westlichen Zivilisation vorgenommene Trennung von Kultur und Natur durchaus nicht
immer ein als Selbstverständnis zu betrachten ist.58 Der Ethnologe Philippe Descola, der
2011 die Publikation Jenseits von Natur und Kultur vorgelegt hat, ist eben dieser
Betrachtung anderer Natur- und Kulturbegriffen in den unterschiedlichsten indigenen
Kulturen und Naturvölkern nachgegangen. Da die in dieser Diplomarbeit vorgestellten
künstlerischen Arbeiten allerdings fast ausnahmslos dem westlichen Kulturkreis
entstammen, wird die kurzweilige Erarbeitung der für die Arbeit bedeutende Begriffe auch
hauptsächlich in der westlichen Kulturgeschichte verankert bleiben. Deutlich wird in der
gesamten geistesgeschichtlichen Debatte rund um das Thema Natur auch, dass allein die
Auseinandersetzung damit bereits zu Stigmatisierungen führen kann und tatsächlich
ideologisch aufgeladen ist. Beide Gruppierungen finden ihre Leidenschaft über die Natur
und was von ihr in unserer heutigen Weltvorstellung übrig geblieben ist, jedoch in
ähnlichen Ursprüngen begründet. Das erste erfahrbare Konzept von außermenschlicher
Natur bleibt dasjenige der Kindheit, sei es nun real oder medial erlebt und später im
Aufwachsen die leidvolle Erfahrung, dass dieses kindliche Ideal, Verbunden mit all den
Ängsten und essentiellen Leibeserfahrungen in der Realität in ärgster Bedrohung steht.
Hier möchte ich wiederum an Elisabeth von Samsonow anschließen. Die Feindlichkeit
gegenüber der Erde als Mutter, aus der alles Leben hervorgegangen ist, ist nicht nur im
philosophischen Ringen mit dem Naturbegriff vorhanden, sie findet sich auch in den
Formen der Kunst wieder. Samsonow problematisiert etwa die Pornographisierung der

                                                        
56
„Religiöse Wurzeln der Ökologischen Krise“ lautet ein Kapitel aus: Groh, Dieter/Groh, Ruth: Weltbild und
Naturaneignung. Zur Kulturgeschichte der Natur. Bd. 1. Frankfurt am Main 1991. (suhrkamp taschenbuch
wissenschaft. 939) Hier gilt ein Hinweis auf den Text der Genesis 1,28 zu machen: „ Gott segnete sie und
Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und
herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem
Land regen.“
57
Schelkshorn, Johann: Audiokommentar in der Ö1 Sendung Radiokolleg „Wie natürlich ist die Natur“ Teil 2,
gesendet am: 16.04.2013.
58
Hier ist im Besonderen auf die Arbeit des französischen Ethnologen Philippe Descola hinzuweisen. Das von
Descola 2011 vorgelegte Buch beschäftigt sich mit den Weltbildern unterschiedlicher indigener Kulturen
und Naturvölkern, die eine derartige Trennung von Kultur und Natur nicht implizieren. Descola, Philippe:
Jenseits von Natur und Kultur. Berlin 2011. Selbstverständlich führte diese Auseinandersetzung auch zu
Kritik: Diebitz, Stefan: Aberwitzige Ontologien und bizarre Metaphysiken. Nr. 5 Mai 2012
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=16590 [06.05.2013] Diebitz wirft dem Autor
unter anderem ein zu verallgemeinerndes Bild indigener Glaubensvorstellungen und einem
unnachvollziehbare Verwendung des Begriffs Naturalismus vor.

  28 
zeitgenössischen Architektur als Ausdruck des gestörten Verhältnisses. Dafür verwendet
sie den Begriff der Architektur-Häresie.59 Die Aufarbeitung des Risses, den die Menschen
durch den alten Dualismus von Natur und Kultur geprägt hat, mag KünstlerInnen und
PhilosophInnen gleichermaßen beschäftigen, egal ob physiozentrisch oder
anthropozentrisch denkend. Damit scheint es auch im Diskurs noch immer um den „Bruch
der Moderne mit der Natur“, wie es Hartmut Böhme bezeichnete, zu handeln. Die
Ungewissheit über die Natur mag auf der Mitgefühls- oder der rationalistischen Ebene
ausgefochten werden, was daran unvereinbar scheint, ist die alte Frage der Vereinbarkeit
von Ratio und Gefühl. Beide können nicht getrennt voneinander gedacht werden, das eine
ergänzt das andere, das eine leitet das andere und bildet in Symbiose das, was den
Menschen an sich ausmacht. Sie auch in Fragen der Naturbetrachtung künstlich
auseinanderhalten zu wollen, scheint tatsächlich ein Fehler zu sein. Die Kunst kann hierfür
die nötigen Brücken schlagen und Kontradiktorisches in sich einen.

                                                        
59
Samsonow 2013: http://www.youtube.com/watch?v=GGBzbHMf7iI [02.07.2013]

  29 
Abb. 5: Mark Menders, Two connected
Houses, Teil des Entwurfs für eine
Tunnelgrabung vom Guggenheim
Museum in New York zu einem
gegenüberliegenden Haus, 2010

Abb. 6: Mark Menders, Two connected


Houses, Teil des Entwurfs für eine
Tunnelgrabung vom Guggenheim
Museum in New York zu einem
gegenüberliegenden Haus, 2010
 

  30 
3 Goethes Erbe: Rehabilitierungsversuche von Natur und Material. Natur
als Material?

Im folgenden Abschnitt soll ein historischer Abriss der Materialbewertung gegeben


werden, der unter anderem an Monika Wagners Lexikonartikel zu „Material“ im
Sammelband des historischen Wörterbuchs Ästhetischer Grundbegriffe angelehnt ist.
Durch die neueren wissenschaftlichen Bestrebungen des sogenannten material turns60, der
auch die Bildwissenschaften beschäftigt, werfen die Überlegungen von Klaus Meyer-Abich,
einem Schüler Viktor Weizsäckers, der sich unter anderem mit Goethes Naturbewertung
auseinandergesetzt hat, neue Fragen auf. Meyer-Abich vermeidet bewusst den Begriff
„Umwelt“ und versieht sie mit dem Terminus „Mitwelt“, welcher beeinhaltet, dass der
Mensch vor allem durch sein eigenes Natursein eine bessere Wahrnehmung für die
Bedürfnisse seiner Mitwelt entwickeln solle.61 Bei der Sichtung von Texten über Goethes
Naturanschauungen stellte sich heraus, dass deutliche Parallelen zwischen seinen
Anschauungen zum Material in der bildenden Kunst und zu seiner Bewertung von Natur
bestehen. Seine eigenwillige Betrachtungsweise von Naturwissenschaft gilt bis heute als
singulär und soll hier ebenso angesprochen werden. Durch die stete Objektivierung der
Natur, wie sie die Geistesgeschichte in Verbindung mit den Naturwissenschaften
immerwährend fortschreibt, ist sie für alle menschlichen Projekte zum reinen Material
geworden. Dies muss auch aus einer christlichen Tradition heraus betrachtet werden, die
in der Genesis die Menschen entließ, damit sie sich die Erde und alle ihre Geschöpfe
untertan mache, womit Natur überhaupt erst zum „Anderen“ gemacht wurde.

Ich schlage vor, Monika Wagners Ausführungen über das künstlerische Material aus
einem größeren Blickwinkel zu betrachten. Sie sind in einem weiteren Sinne ebenso als

                                                        
60
Nach dem iconic turn in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts werden nun langsam aber sicher die Rufe
nach einem material turn bzw. new materialism in Kultur-, Bild- und Sozialwissenschaften laut. Vor allem in
der Ethnologie begann man sich intensiv mit der Bedeutung des Materiellen in unterschiedlichen
Kulturen zu beschäftigen. So argumentiert etwa der Ethnologe Hans Peter Hahn, dass die Ordnung von
den höher und niedriger bewerteten Dinge unserer Kultur noch immer von der Absonderung des
Materiellen vom Geistigen des Menschen bestimmt sei. Die Dualität von Materiellem und Geistigem, die
die Wertigkeit des Materiellen und des Materials zu jeder Zeit unterwandert hätte und mehr das Geistige
hinter den Objekten zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht hätte. Den
VertreterInnen der ,materiellen Kultur‘ ist es jedoch wichtig zu konstatieren, dass eine scharfe Trennung
zwischen Materiellem und Immateriellen schlichtweg nicht möglich sei und zur Verständnis des Alltages
sowohl Überlegungen zu Handeln und Wissen als auch zu materiellen Dingen angestrebt werden sollten.
Hahn, Hans Peter: Materielle Kultur. Eine Einführung. Berlin 2005, S. 7-11.
61
Meyer-Abich, Klaus Michael: Erinnerung an die natürliche Mitwelt. In: Naturerkenntnis und Natursein. Für
Gernot Böhme. Hrsg. von Michael Hauskeller [u.a.]. Frankfurt am Main 1998, S. 211-226.

  31 
Aussagen lesbar, welche die Geschichte über die Natur gemacht hat. Nicht zuletzt ist Erde
als erstes Material, aus dem der Mensch geformt wird, in der Bibel (Genesis 2, 7) erwähnt.
Diese Aussage deutet darauf hin, dass – wenn schon nicht durch die Hand eines
Schöpfergottes, so doch durch die Evolution – alles Leben aus der Erde kommt und der
Mensch somit unumstößlich selbst Natur ist.62 Der hoch entwickelte menschliche Geist
muss ebenso auf diese gemeinsame Natur rückzuführen sein. Wie Wagners Sammlungen
zeigen, wurde Material stets als weibliches, formbares, Pedant zum männlichen
schöpferischen Geist betrachtet.63

Spätestens hier fällt auf, dass auch die Natur in ihrer Kulturgeschichte und im
Besonderen die Erde ebenso weiblich konnotiert sind und waren. Goethes Material- und
Naturgerechtigkeit stehen auch in ihrer ihnen vorgeworfenen Sinnlichkeit zwar für eine
Subjektivierung der Natur, doch deuten sie auch auf die Bedeutsamkeit der menschlichen
Sinne für die Wahrnehmung von Kunst und Natur hin, die ein Zusammenspiel aus
geistigen und körperlichen Prozessen sind, wie bereits im vorhergehenden Kapitel mit den
Ausführungen Karl Schawelkas zum Earth Room von Walter De Maria aufgezeigt wurde.
Zunächst aber der historische Abriss zum Thema des Materials mit der Empfehlung einer
erweiterten Lesart, angeschlossen von Goethes Naturüberlegungen:

Sowohl ästhetische Theorien und Künstlerschaft waren stets darauf bedacht, die
schöpferische Materialverarbeitung von der handwerklichen klar zu trennen und sie
voneinander abzuheben. Material wurde als etwas Alltägliches und Niederes betrachtet,
das durch den künstlerischen Prozess, wie es bei Schiller heißt „vernichtet“ bzw. wie Hegel
es formulierte „aufgehoben“ werden muss.64

Mit diesem Wunsch nach vollkommener Auflösung des Materials geht ein wichtiger
Entwicklungsstrang der Materialästhetik einher. Mit der niederen Bewertung des Materials,
sprich seiner Marginalisierung, stehen auch die Bewertung der Künstlerfigur als
gottgleichen Schöpfer und eine strikte hierarchische Ordnung der schönen Künste in
Verbindung. Dadurch entwickelte sich eine pathetisch überspitzte Ansicht des
                                                        
62
Meyer-Abich 1998, S. 211. Hier noch ein Hinweis auf Genesis 3, 19: Im Schweiße deines Angesichts sollst du
dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du,
zum Staub musst du zurück.
63
Wie noch gezeigt wird, hat sich die feministische Theorie dahingehend kritisch geäußert.
Selbstverständlich sind Zuschreibungen von Passivität und Formbarkeit assoziiert mit Weiblichkeit klar
diskriminierend zu lesen.
64
Wagner, Monika: Materialvernichtung als künstlerische Schöpfung. In: Material im Prozess. Strategien
ästhetischer Produktivität. Hrsg. v. Andreas Haus/Franck Hofmann/Änne Söll. Berlin 2000, S. 111.

  32 
künstlerischen Schöpfungsaktes und dem damit verbundenen Sieg des Geistes und der
Idee über die niedere Materie, die im Akt des kreativen Prozesses in Form gebracht wird.

In der griechischen Mythologie, der jüdisch-christlichen und islamischen Tradition


waren es Prometheus und Gottvater, die den Menschen aus Tonerde formten. Diese
Transformation wurde zum Urbild künstlerischer Produktivität und so entwickelten sich
aus den Eigenschaften männlichen Genietums und dessen Formfindungen ihre weiblichen
Entsprechungen aus der Marginalisierung des Materials heraus. Karl Schawelka listet
folgende Gegensatzpaare auf, die jeweils der Form und der ihr gegenüberstehenden
Materie in diesem traditionellen Sinn zugeordnet wurden:
Aktivität - Passivität;

Idee - Chaos;

göttlicher Hauch - weiblicher Schoß

männliche Befruchtung - empfangende Muttererde;

künstlerischer Akt - träge Materie.

Es ist vor allem der feministische Kunstwissenschaft zu danken, dass diese


klischeehaften Dualitäten dekonstruiert wurden.65

Von Aristoteles und Platon ausgehend wurde deren Anschauung über die
Beziehung von Material, Form und Idee lange tradiert. Für eine im engeren Sinne
ästhetische Diskussion über das künstlerische Material war jedoch Ovids Ausspruch:
„Materiam superbat opus.“ (Und den Stoff übertraf das Werk) bedeutend.66 Diese Bewertung
des Materials zugunsten des Künstlerlobs war zu allen Zeiten populär und wurde in Erwin
Panofskys Schrift Idea. Ein Beitrag zur Geschichte der älteren Kunsttheorie aus dem Jahr 1924
eingehend beschrieben.

Er verfolgte diese Spur der Materialabwertung von Beginn der Antike, über die
Scholastik, über den Neoplatinismus bis in die Renaissance. Dabei beschrieb er auch
sogenannte Materialhierarchien, die je nach Epoche unterschiedlich gestaltet sein konnten.
Im Mittelalter etwa wurde das Material Glas hierarchisch, im Vergleich zu anderen
Materialien, verhältnismäßig hoch eingestuft. Durch die Verwendung von Glas in den
Fenstern gotischer Kathedralen verlor das Material seinen Eigenwert und wurde zu einem
                                                        
65
Schawelka, Karl: „More matter with less art?“. Zur Wahrnehmung von Material. In: Material in Kunst und
Alltag. Hrsg. v. Monika Wagner/Dietmar Rübel. Berlin 2002. (Hamburger Forschungen zur
Kunstgeschichte 1), S. 13.
66
Ovid: Metamorphosen. Hrsg. u. übers. von Erich Rösch. München 1952, S. 45.

  33 
intermediären Körper für das Licht und somit stellvertretend auch für Gott. Dennoch
schätzten mittelalterliche Auftraggeber die Verwendung kostbarer Materialien, und so
manche Materialien, wie etwa antike Spolien oder Reliquien, galten als heilig. Im 15.
Jahrhundert trat schließlich ein entscheidender Wendepunkt mit Leon Battista Albertis
Traktat De pictura von 1435 ein. Ein wahrhaft meisterhafter Künstler müsse nach der
Meinung des berühmten Humanisten, Theoretikers, Künstlers und Architekten Alberti sein
Geschick mittels seiner Originalität, seiner Ideen und weniger mittels teurer Materialien
beweisen.67

In Zeiten, in denen die verschiedenen Kunstgattungen noch streng voneinander


getrennt waren und von Intermedialität noch keine Rede war, war nicht nur die Wertigkeit
einzelner Materialien, sondern viel mehr noch die Wertigkeit einzelner Kunstgattungen
hierarchisch klar abgestuft. Die Bildhauerei als solche stand in ihrem Ansehen auf einer
sehr niedrigen Stufe, da sie an ein physisches Material am meisten gebunden ist. Innerhalb
der Bildkünste war es die Zeichnung, die sich den klaren Siegern – Musik und Poesie am
meisten annäherte und deswegen die ranghöchste Kunstgattung unter ihren Schwestern
war.

Seit der Renaissance war man der Auffassung, dass die Zeichnung die nächste
Annäherung an die „Idea“ hatte und somit an oberster Stufe stand. Diese Tradition fasste
Georg Wilhelm Friedrich Hegel in seiner Ästhetik aus den Jahren 1835-38 wieder auf und
versuchte diese alte Hierarchie mittels der Überwindung des Materials neu zu begründen.
Je unabhängiger vom Material, desto höher müsse man die von den Kunstschaffenden
hervorgebrachte Leistung bewerten.68

Auch Hegel sah die Bildkünste auf unterster Stufe, darauf folgend die Musik, deren
Materialien Instrumente und Töne sind. Auf der höchsten Stufe sah er die Poesie in der „der
lebendige Mensch selbst das Material der Äußerung ist.“69 Hegel sieht die Poesie nicht so sehr
als etwas an, das seine Materialisierung durch Verschriftlichung und damit als Gebundenes
erreicht, sondern als etwas dem Körper und dem Menschen selbst Nahestehendes. Er führt
weiters aus, dass auf dieser höchsten hierarchischen Stufe die Kunst selbst über sich

                                                        
67
Wagner, Monika: Material. In: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Hrsg.
von Karlheinz Barck [u.a.]. Bd. 3. Stuttgart, Weimar 2001, S. 871f.
68
ebd.
69
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik III. URL:
http://www.scribd.com/doc/78870511/Georg-Friedrich-Wilhelm-Hegel-Vorlesungen-uber-die-Asthetik-III
[15.07.2012] S. 486.

  34 
hinauswächst und sich gewissermaßen selbst aufhebt.70

Friedrich Theodor Vischer führte die Marginalisierung des Materials und die Idee
der Materialüberwindung in seiner Schrift Das Material von 1852 fort. Vischers Ideen
wurden stark von Hegels Ästhetik geprägt und führen in detaillierter Weise die
Eigenschaften und Erscheinungsformen der unterschiedlichen künstlerischen Materialien
aus:
„Der Stoff muß aber für den Zweck der darstellenden Phantasie roh sein in dem Sinne, daß die Form,
die er vorher hatte, mit der Form, die jene ihm aufdrückt, nichts zu schaffen hat.“71

Johann Wolfgang von Goethe war der erste, der in mehreren Schriften für das
plädierte, was man heute unter dem Begriff Materialgerechtigkeit kennt. In seinem Aufsatz
Material der bildenden Kunst, der 1788 im Teutschen Merkur veröffentlicht wurde, verleiht er
dem Material eine starke Aufwertung. In seinem Sinne sollen sich KünstlerInnen mit dem
Material verbinden, anstatt es zu unterwerfen und sich gewissermaßen in das Material
einfühlen, um herauszufinden und auszuloten, welche Form daraus entstehen könnte.

Er geht sogar davon aus, dass sich vielerlei Formen erst aus dem Vorbild der Natur
herausgebildet hätten, so, wie sich zum Beispiel die Form der Obelisken aus dem Granit
ergeben hätte. Goethe nennt dies „Bildungstrieb der Stoffe“ und er stützt sich dabei auf
die Vorstellung, dass es kein Material gibt, das nicht bereits eine Form besitzt. Schließlich
glaubt er an ein Scheitern ganzer Kunstepochen, wie etwa der Gotik, die das Material
gewaltsam in unangepasste Formen gedrängt hat. Das Ganze kulminiert letztendlich in
seinem Aufsatz Baukunst aus demselben Jahr, in dem er vom Quälen der Steine beim „Dom
zu Mailand, wo man einen ganzen Marmorberg [...] in die elendeste Formen gezwungen hat, ja
noch täglich die armen Steine quält“72 spricht.73

„Kein Kunstwerk ist unbedingt, wenn es auch der größte und geübteste Künstler verfertigt: er mag
sich noch so sehr zum Herrn der Materie machen, in welcher er arbeitet, so kann er doch ihre Natur
nicht verändern. [...] So verdienen auch jene Künstler unsere große Verehrung, welche nicht mehr
machen wollten als die Materie ihnen erlaubte und doch eben dadurch so viel machten, dass wir
                                                        
70
Wagner 2000, S. 114.
71
Vischer, Friedrich Theodor: Das Material. In: Ders.: Aesthetik oder die Wissenschaft des Schönen. Dritter Teil:
Die Kunstlehre. Stuttgart 1852, S. 489.
72
Goethe, Johann Wolfgang von: Baukunst. In: Theoretische Schriften 1788. URL:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Theoretische+Schriften/Aus+Goethes+Bri
eftasche/2.+Dritte+Wallfahrt+nach+Erwins+Grabe+im+Juli+1775 [20.07.2012]
73
Wagner ÄGB 2001, S. 873.

  35 
mit einer angestrengten und ausgebildeten Geisteskraft ihr Verdienst kaum zu erkennen
vermögen.“74

Für Friedrich Schiller war der von Goethe geforderte einfühlsame Umgang mit den
Materialien ein Trugschluss und er verglich den „schönen Künstler“ mit dem
„mechanischen“ und sah bei beiden ein notwendiges Gewaltverhältnis zum Material:

„ ... wenn der schöne Künstler seine Hand in die nämliche Masse legt, so trägt er keine Bedenken,
ihr Gewalt anzutun, nur vermeidet er, sie zu zeigen. Den Stoff, den er bearbeitet, respektiert er
nicht im Geringsten mehr als der mechanische Künstler.“75

Mit Goethes Plädoyer für einen neuen Umgang mit den Materialien war ein
wichtiger Schritt in Richtung Materialaufwertung getan. Um 1900 begann sich die
Kunstgeschichte eingehender mit dem Thema Materialikonologie auseinanderzusetzen. In
der Geschichte der Kunstgeschichte wurde die Frage nach der Bedeutung der einzelnen
Materialien selten gestellt. So wie die Künstler und Künstlerinnen das Material als etwas
Niederes betrachteten, so wurde auch in der Kunstgeschichte die Frage nach dem Material
als untergeordnete oder sogar negativ besetzte Tätigkeit betrachtet.76

Obwohl sich das Material im 20. Jahrhundert als eigenständiger Bedeutungsträger


etabliert hatte, blieb seine Unterordnung weiter vorhanden. Als sich um 1900 die
Kunstgeschichte als eigene Disziplin an den Universitäten zu etablieren begann, beschritt
auch sie eine Loslösung von der Praxis. Die Kunstwissenschaft entfernte sich von Museen
und nicht-akademischen Räumen. Die Bestrebungen Alois Riegels und Erwin Panofskys,
die mit dem Begriff des Kunstwollens in Verbindung stehen, entmaterialisierten das Bild
und stellten die Ikonologie als Bildsprache voran. Es wurden Theorien zu Stil, Form,
Ästhetik, Wahrnehmung, Rezeption, Ikonologie und Ikonographie entwickelt, aber keine
Materialtheorie. Alles Materialwissen wurde rein als praktisches Wissen verhandelt, das
etwa in Bereichen der Restaurierung benötigt wurde.77

Erste manifestierte Zugeständnisse, dass die Wahl des künstlerischen Materials


etwas zur Bedeutung eines Kunstwerkes aussagen könnte, erfolgte 1969 in Günter
                                                        
74
Goethe, Johann Wolfgang von: Material der bildenden Kunst. In: Ders.: Gesamtausgabe der Werke und
Schriften. Hrsg. v. Wolfgang von Löhneysen. Bd. 16: Schriften zur Kunst I. Stuttgart 1961, S. 665.
75
Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen. Mit einem Nachwort von Käte Hamburger.
Stuttgart 1975, S. 13. (Universal-Bibliothek. 8994)
76
Wagner ÄGB 2001, S. 873f.
77
Lehmann, Anne-Sophie: Das Medium als Mediator. Eine Materialtheorie für (Öl-)Bilder. In: Zeitschrift für
Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaften 57 (2012), S. 71f.

  36 
Bandmanns Aufsatz Bemerkungen zu einer Ikonologie des Materials. 78 Im selben Jahr
erschien auch sein Aufsatz Der Wandel der Materialbewertung in der Kunsttheorie des 19.
Jahrhunderts. 79
In seiner Formulierung von zwei unterschiedlichen „ästhetischen
Systemen“ unterscheidet er zum einen das „idealistische“ und zum anderen das
„materialistische“ System. Ersteres gehe auf Platon und Aristoteles zurück und es dauerte
bis ins 18. Jahrhundert weiter, zweites sei seit dem 19. Jahrhundert dominierend. Das
neuere materialistische System versuche das Material nicht mehr zu überwinden, sondern
gestehe dem Material eine eigenständige Stellung und Wertigkeit für das Kunstwerk zu,
wie es Goethe bereits mit seiner Materialgerechtigkeit gefordert hatte.80

Einen weiteren Faktor für die Materialaufwertung spielte der Einfluss asiatischer,
insbesondere japanischer Theorien und Anschauungen. Das künstlerische Material verfügt
in der kulturellen Tradition Japans einen völlig anderen Stellenwert. Diese Ansichten
wurden in Europa und Amerika etwa durch die Künstlergruppe Gutai bekannt, die die
Ideen des Wabi-Sabi81mit ihrer Kunst verbreiteten.82

Als noch wichtiger für die europäisch-amerikanische Materialaufwertung ist jedoch


die Arbeit der feministischen Kritik zu bewerten. Wie bereits erwähnt, liegt der Dualität von
Form und Materie die Unterwerfung des weiblich konnotierten Materials zugrunde. Dabei
sei auf die begriffliche Nähe des Terminus Material zu „mater“ und „matrix“ hingewiesen. In
der Auffassung von Aristoteles sehne sich das Material nach der Form „so wie wenn
Weibliches nach Männlichem und Häßliches nach Schönem“83 begehrt.

Im Subtext der abendländischen Kunstgeschichte hat sich diese Auffassung lange


gehalten und das erklärt auch, warum das Material als etwas Niedriges angesehen wird.

                                                        
78
Bandmann, Günter: Bemerkungen zu einer Ikonologie des Materials. In: Städel-Jahrbuch 2 (1969), S. 75-100.
79
Bandmann, Günter: Der Wandel der Materialbewertung in der Kunsttheorie des 19. Jahrhunderts. In:
Beiträge zur Theorie der Künste im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Helmut Koopmann/Josef Adolf Schmoll
gen. Eisenwerth. Frankfurt am Main 1971, S. 129-157.
80
Raff, Thomas: Die Sprache der Materialien. Anleitung zu einer Ikonologie der Werkstoffe. München 1994, S.
10f. (Kunstwissenschaftliche Studien. 61)
81
Unter den Begriffen Wabi-Sabi versteht man ein ästhetisches Konzept, das mit den Lehren des Zen-
Buddhismus in Verbindung steht. Er wurde im 16. Jahrhundert vom japanischen Zen-Mönch, Teemeister
und Gelehrten Sen no Rikyu begründet. Die Unvollkommenheit der Dinge, Einfachheit und das
Sichtbarmachen natürlicher Prozesse sind einige der wesentlichen Leitvorstellungen des Wabi-Sabi, die
sich gegen das offenkundige und sterile Schöne aussprechen. Verschiedene japanische Kunstrichtungen
und sogar die Teezeremonie stehen mit diesem schwer zu fassenden ästhetischen Konzept in
Verbindung. Koren, Leonard: Wabi-sabi für Künstler, Architekten und Designer. Japans Philosophie der
Bescheidenheit. Hrsg. v. Matthias Dietz. Tübingen 2007.
82
Wagner ÄGB 2001, S. 869.
83
Aristoteles: Philosophische Schriften. Bd. 6: Physik. Hrsg. u. übers. v. Hans Gunter Zekl. Hamburg 1995, S. 23.

  37 
Die Dualität von Form und Material verweist weitergeführt auch auf die Dualität von Geist
und Körper. In ihrem feministischen Diskurs hat Judith Butler versucht, gegen diese
dualistische Sicht anzukämpfen, indem sie den Körper als Material beschreibt, dessen
geschlechtliche Identität sich erst aus einer kulturellen Prägung bzw. Zuschreibung heraus
ergibt. Für sie bedeutet das weiterführend, dass selbst Material nicht als etwas
Vorgegebenes zu verstehen ist, sondern sich aus einer historischen Konstruktion heraus
entwickelt hat.84

Trotz der Zuschreibung des Materials zum weiblichen Geschlecht, gibt es einzelne
Materialien, wie Granit, Eisen oder Stahl, denen großteils eher männliche Eigenschaften
zugesprochen wurden. Anhand von Eigenschaften wie Verlässlichkeit und Härte wurde der
Einsatz dieser Materialien in der Architektur und für Skulpturen idealistisch aufgeladen.
Kritisch ist auch der Umgang mit Materialien in der Kunst des Informel und des damit
verbundenen Action-Paintings zu bewerten. Die Künstler der „formlosen“ Kunst
argumentierten zwar oftmals, dass ihr Umgang mit dem Material eine neue Art der
Materialgerechtigkeit sei und das Material nicht einer Form unterworfen werde, doch diese
Angaben können als recht zwiespältig angesehen werden.

Die Materialperformance bei der Documenta II. von Karel Appel sah der Maler Klaus
Jürgen-Fischer etwa als „wild tobender Kampf mit der Farbe“ 85 Die heroisierenden
Beschreibungen der Akteure des abstrakten Expressionismus waren mit Kampf- und
Sexualitätsmetaphern durchzogen, die das Action-Painting als klare männliche Domäne
etablierten und wiederum die ewige Schlacht des männlichen Künstlers mit der niederen
Materie neu aufleben ließ. Die Kunst des Informel stellte zentrale Vorstellungen der
althergebrachten Kunsttradition in Frage, denn durch die Formgebung mittels
Unterwerfung des Materials, war die Erschaffung konkreter Formen nun nicht mehr das zu
erlangende Ziel. Der Fokus verlagerte sich auf den Herstellungsprozess und die Gestik
beim Auftragen bzw. Schleudern der Farbe.86

Auch die Künstlerin Ana Mendieta, die als bekannteste weibliche Künstlerin ihrer
Zeit ihren Körper in etlichen Serien in den Erdboden hineingearbeitet hat, sieht ihren
Bezug zum Material als Kontrast zum Umgang etablierter Land-Art Künstler. Die
                                                        
84
Wagner ÄGB 2001, S. 869f.
85
Jürgen-Fischer, Klaus zit. n. Wagner, Monika: Form und Material im Geschlechterkampf oder: Aktionismus
auf dem Flickenteppich. In: Das Geschlecht der Künste. Hrsg. von Corinna Caduff. Köln [u.a.] 1996, S. 189.
(Literatur, Kultur, Geschlecht. Kleine Reihe 8)
86
ebd., S. 190.

  38 
monumentalen Gesten ihrer männlichen Künstlerkollegen stehen ihrem mystischen und
die Erde anthropozierenden Zugang diametral gegenüber und ihr Schreiben und ihre
Arbeiten subvertierten die Anschauung der Erde als bloßes Material.87

Vor allem die praktischen Beispiele der Folgekapitel werden aufzeigen, wie
unterschiedlich bei aller Formgleichheit mit Erde und ihrer Verlängerung mit Natur
umgegangen wurde. Es ist bestimmt nicht beweisbar, dass man Goethes Aussagen noch in
irgendeiner direkten Art und Weise auf das Kunstschaffen des 20. Jahrhunderts anlegen
könnte. Es kommt aber nicht von ungefähr, dass sich Menschen repetitiv an Goethes
eigenwilliger Naturanschauung abarbeiten und sie in ihre eigenen philosophischen und
kulturgeschichtlichen Auseinandersetzungen einfließen lassen.88 Vor allem der material
turn und die Öffnung des Sinnlichen hinein in die Kunstbetrachtung, die bei der
Ausstellung reiner Materialien plötzlich eine so große Rolle zu spielen begann, gründen
auf Goethes Schriften, die zur damaligen Zeit für einen reflektierten Denker zwar etwas
altertümlich und doch eigenwillig anmuteten.

Nun aber zu Goethes Naturbegriff, der hier in sehr verkürzter Form wiedergegeben
wird. Dieser bezieht sich nämlich auf die antike Physis und baut auf der Ansicht von
Aristoteles. Seine Ansichten über die Natur haben nichts mit mathematischer oder
mechanischer Physik zu tun, sie sind Spekulationen. Seiner Forschung liegen Empfinden
und Sinne als Fundamente zugrunde, sie sind gekoppelt an das Sichtbare, deswegen für
die Erkenntnisse der Ästhetik von Relevanz. In seiner Wissenschaft tritt er der Natur
gewaltfrei gegenüber, er bleibt dabei jedoch nur anschauend. In einer älteren Auffassung
von Natur, ist dieses Wunderwerk ewiger Produktion und Inbegriff des Lebens, wobei er
vor allem die Absonderung vom Menschen, den die Naturwissenschaften in ihren
Erforschungen vollzogen hatten am meisten kritisierte: „Der Mensch an sich selbst ist der
größte und genaueste physikalische Apparat, den es geben kann.“89

Im Anbetracht der immer stärkeren Verkürzung der Darstellung menschlicher


Körperfunktionen und ihrer Untersuchung durch die Naturwissenschaften, ist zu
beobachten, dass der menschliche Körper, aber auch seine seelischen Prozesse immer
weiter vereinfacht und verallgemeinert werden. Es klingt zwar so, als wäre Goethes

                                                        
87
Viso, 2004, S. 21.
88
Einfluss nahm Goethe dabei vor allem auf Carl Friedrich von Weizsäcker, seinen Schüler Claus Meyer-Abich
und Gernot Böhme.
89
Goethe zit. n.: Böhme ÄGB 2002, S.491.

  39 
Aussage eine Vorwegnahme für die immer differenziertere und technisch aufwendigere
naturwissenschaftliche Erforschung des menschlichen Körpers und zugleich eine
Aufforderung, ihn in seinen biologischen Prozessen genauer zu untersuchen. Er wollte
jedoch vielmehr aufzeigen, dass für ihn auch der Mensch Teil der Natur ist und die äußere
Natur nicht einfach von der Natur des Menschen zu trennen ist.

Interessant an Goethes Ansatz ist vor allem sein Widerspruch zu Kant, der nach
Decartes der Auffassung folgte, der Mensch sei vor allem durch seinen Geist bestimmt und
dann erst, unterfernerliefen sei da noch der Körper. Goethe stand dem Subjektivismus
Kants und seinem Nachfolger Fichte jedenfalls skeptisch, wenn auch offen gegenüber: „Ich
danke der kritischen und idealistischen Philosophie, dass sie mich auf mich selbst aufmerksam
gemacht hat, das ist ein ungeheurer Gewinn: sie kommt aber nie zum Objekt.“90

In einem Brief an seinen Schriftstellerkollegen Christian Gottfried Körner äußerte


sich Schiller die Denkweisen seines Freundes Goethe folgend: „Überhaupt ist seine
Vorstellungsart zu sinnlich und betastet mir zu viel.“91

In mehreren Korrespondenzen zwischen Schiller und Goethe lässt sich belegen,


dass die beiden ihre grundlegenden Differenzen hinsichtlich ihrer Weltbetrachtung in
Diskussionen immer und immer wieder ausfochten. Für Goethe konnte sich der Mensch
nur selbst kennenlernen, indem er auch die äußere Welt kennt. Für Kant war es genau
anders herum, in Kants Philosophie ist für den Menschen nur dasjenige erkennbar, dass er
auch selbst hervorgebracht hat. Meyer-Abich schließt diesen Grundleitsatz Kants mit den
Mechanismen der heutigen industriellen Wirtschaft gleich, in der wir „im Wesentlichen nur
noch das gelten lassen, was wir nach unserem eigenen Entwurf hervorgebracht haben, und
alles andere zugrunde richten.“92

Jedenfalls bewertet Meyer-Abich die „Prüderie“ Kants und Schillers und ihre
Auswirkungen auf die wissenschaftlich-technische Welt als maßgebend für deren
„bemerkenswerte Unsinnlichkeit, Abwaschbarkeit und Sterilität“.93

Eben aufgrund Goethes Schwerpunktsetzung auf alles Sichtbare und Sinnliche


können seine Ansichten auch noch für den heutigen Umgang mit Natur und
wahrscheinlich in besonderer Weise mit Naturmaterialien noch ihre Nachwirkung haben.
                                                        
90
Goethe zit. n.: Meyer-Abich 1998, S. 221.
91
Schiller zit. n.: ebd.
92
Meyer-Abich 1998, ebd.
93
ebd.

  40 
Obwohl er selbst keinen mystischen, religiösen oder alchemistischen Naturkonzepte für
seine Theorien übernahm, war ihm doch an einer Art lebendigem Ganzen gelegen. In der
Übergangszeit von alten Weltbildern und Naturauffassungen steht Goethe genau an der
Grenze zum industrialisierten Zeitalter, 94 dem Scheidepunkt, der die Romantiker als
Entzauberung der Welt in den Folgejahren schmerzlich beklagen werden.

Goethes Auffassungen lassen Kunst und ästhetische Erfahrungen die Natur rettend
sichtbar werden. Er transformierte die altertümlichen Mythen, Alchemie und
Naturfrömmigkeit hinein in die Kunst.95 Diese Rettung und das Hinübertragen sind in den
Bildkünsten bis heute erhalten geblieben und tauchen an unterschiedlichen Stellen immer
wieder auf, teils bewusst und teilweise unbewusst. Die Hinwendung zum anderen, zur
äußeren Natur und zu einer Mitwelt sind in diesem Sinne eigentlich politische, in dem
Sinne, dass sie durch den Aufruf zur sinnlichen Erfahrung aller Dinge, gekoppelt an
positive sensorische Erlebnisse und Emotionalisierungen selbstredend auch den Respekt
ihnen gegenüber schulen.

                                                        
94
Böhme ÄGB 2002, S.491.
95
ebd.

  41 
Abb. 7: Nobou Sekine: Phase – Mother Earth, Dokumentationsbild, 1968,
Sammlung des Künstlers

  42 
3.1 Sam, Earthworks sounds possible. Erde als Materialmode

Um von den allgemeinen philosophischen, ökologischen und Ästhetik-geschichtlichen


Fragestellungen nun weiter in Richtung kunstgeschichtlicher Betrachtungsweise zu rücken,
soll zunächst erörtert werden, wie die Kunst der 60er und 70er Erde als Material in den
damals als radikal empfundenen Materialpräsentationen zu Popularität und Legitimation
verholfen hat. Das „wertlose“ und doch in einem oftmals territorialen Sinne
„wertvolle“ Material wurde von den amerikanischen KünstlerInnen mit „dirt“ betitelt. Die
ambivalente Beziehung zur Erde und zur Natur wird alleine schon in der Bezeichnung von
„Erde“ als „Dreck“ deutlich. Was bedeutete Natur zu jener Zeit und wie konnte sie sich im
Umfeld der großstädtischen Galerien Amerikas jener Jahre in die Kunst einschleusen?

Die Möglichkeit, allein mit der Wahl des Materials die Kunstgeschichtsschreibung
fortzuführen, scheint heute ja vorerst ausgeschöpft. Anything goes, meint man zu glauben.
Materialtabuisierungen finden heute unter anderen Kriterien statt, beispielsweise unter
dem Anzeichen von Abgegriffenheit. Insgesamt scheint es jedoch, als seien die wildesten
Kämpfe, dieses oder jenes Material als kunstfähig zu verteidigen zu wollen, bereits
ausgefochten. So verhält es sich auch mit natürlichen Materialien wie Erde, Pflanzen und
anderen Naturspolien, die ihrer Zeit in den sechziger Jahren als Materialpräsentationen
noch für Verwunderung sorgten.96

Keinesfalls unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang die Problematisierung


des Erdmaterials. Einige kritische Stimmen stoßen sich schnell an der problematischen
Vergangenheit des Materials – nicht zuletzt angesichts seiner politischen Zuschreibungen.
Wie also ist mit der politischen Aufladung des Materials umzugehen? Ist Erde hie und da
gar eine Reminiszenz nationalsozialistischer Blut-und-Boden-Ideologie? 97
Die

                                                        
96
Entscheidend für die endgültige Öffnung der Kunst hin zu „neuen“ Materialien, die mit den Jahrhunderte
lang tradierten Materialien der Kunst endgültig brachen, war die Ausstellung Wenn Attitüden Form werden.
Werke - Konzepte - Vorgänge - Situationen - Information des Kurators Harald Szeemann, der 1969 etwa
fünfzig Kunstschaffenden als Repräsentanten neuer Tendenzen der westeuropäischen und US-
Amerikanischen Kunstwelt eine Präsentationsfläche für ihre Arbeiten in Bern bot. Vgl. dazu: Wagner,
Monika: Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne. München 2001, S. 9.
97
Einige KünstlerInnen provozierten so ein begriffspolitisches Verwirrspiel. Hier ist vor allem an Hans Haackes
Arbeit Der Bevölkerung aus dem Jahr 2000 zu erwähnen. Haacke spielte typischer Weise mit Nazi-
Symboliken und ließ Abgeordnete aller Wahlkreise Deutschlands im Lichthof des Reichstagsgebäudes
einen Sack voll Erde aus ihrer Region ausstreuen. Der Arbeit folgte heftige Kritik, denn einige
Abgeordnete fühlten sich angegriffen und auf die Zeit des Nationalsozialistischen Regimes in
Deutschland erinnert. Haacke spielte mit dem Titel auf den Satz Dem deutschen Volke an der Front des
Reichstagsgebäudes an. Den Begriff ,Volk’ empfindet Haacke im Gegensatz zu ,Bevölkerung’ als

  43 
Verbindungen von Territorium und Erdboden sind immerhin noch in jüngeren
Kunstwerken anzutreffen, etwa bei der Künstlerin Ana Mendieta als Rückbesinnung auf
ihre kubanische Heimat, sehr aktuell auch beim kosovarischen Venedig-Biennale-
Teilnehmer Petrit Halilaj. Der Rückruf der Erde als etwas Verbindliches, als ein Grund und
Sicherheit verheißenen Symbol in einer entwurzelten Welt, lässt sie jedenfalls neuerlich als
einfach zu lesende Symbolik auf den Plan treten. Aufgrund ihrer ökologischen oder
territorialen Aufladungen gilt sie mitunter als ideologisch stark besetztes Material. Die
amerikanische Land-Art wollte das schwierige Material aus ihrem Zuschreibungs-
Fegefeuer befreien und verwies wieder mehr auf das Allgemeine und kosmologische, vor
allem auf das phänomenologische Erfahren ihrer Materialität.

Während sich vor allem Erdschüttungen in Ausstellungskontexten durchgesetzt


haben, wie sie mittlerweile durch den Begriff Earthworks historisiert in diversen
Nachschlagewerken vorzufinden sind, gehören die größeren Land-Art-Projekte der
Sechziger und Siebziger eher der Vergangenheit an. Ein Blick auf die Documenta XIII und
die 55. Kunstbiennale in Venedig zeigt allerdings ein neu aufkeimende Interesse am
Material Erde und den damit verwachsenen Kontexten von Landschaft und Natur. Viele
Themen, die für die Earth- und Land-Art Bewegungen früherer Jahrzehnte relevant waren,
finden sich in den Arbeiten neuer Positionen wieder. Claire Pentecost ließ beispielsweiße
für ihre Arbeit Soil-erg, Humus in Goldbarrenform pressen. Territorium und Saatgut sind
hier klar auf ihre wirtschaftliche Komponente reduziert. Für die Künstlerin ist Erde die
Währung der Zukunft und Saatgut „das älteste quelloffene Wissenssystem der
Geschichte“.98 Es dürfe daher nicht den Händen privatisierter Firmen überlassen werden.99
Der chinesische Künstler Song Dong ließ mitten im Karlsaue-Park während der Documenta
einen stattlichen Berg aus Müll aufschütten, der von Gras und Blumen überwuchert wurde.
Der Müllberg unter dem Grashügel bleibt der Imagination vorenthalten, die bloße Ahnung
davon, was sich unter dem prächtigen Grün verbirgt, verdirbt den Geruch frisch duftender
Blumen. Eine Kritik also an der oberflächlichen Unsichtbarmachung von Umweltsünden.
Michael Portnoy hingegen erbaute in einer der großflächigen Hallen des Kasseler

                                                                                                                                                                             
exkludierenden Begriff. Lau, Jörg: Deutscher Mutterboden. Volk oder Bevölkerung? Hans Haacke streitet
mit dem Bundestag. In: DIE ZEIT (Hamburg) vom 24.02.2000. URL:
http://www.zeit.de/2000/09/200009.haacke_.xml [14.05.2013]
98
Claire Pentecost zit. n.: Documenta XIII. Das Begleitbuch. Bd. 3. Aust.Kat. Kassel – Kabul – Alexandria – Kairo
– Banff. 2013, Ostfildern 2012, S. 210.
99
ebd.

  44 
Kulturbahnhofs einen großen Krater aus Lehm, den man mit einer Leiter besteigen konnte.
Der Blick in das Innere des Kegels offenbarte einen Performancespace für eine theatrale
Gameshow, die zu bestimmten Zeiten zur Aufführung kam.100 Derlei Beispiele für die
Verwendung von Erde gab es bei der letzten Documenta zu genüge.

Allgemein ist feststellbar, dass sowohl „Natur“ als auch Politik im aktuellen
Kunstgeschehen wieder einmal ins Zentrum rücken, weswegen eine Aufarbeitung ihrer
kunsthistorischen Vorgängerpositionen und deren Umgang damit unumgänglich sind. 101

Eine derartige Verwendung von Naturhappen deutet auf die vorherrschende


ökologische Krise hin – sie verarbeiten den Verlust des Fortschrittsglauben, die
weiterreichende Maschinisierung und Automatisierung, den Verlust der politischen
Öffentlichkeit, die Bedrohung des Menschen gegenüber seines eigenen Lebensraumes
und die wahrzunehmende Orientierungslosigkeit.

Was die neuerlich wiederum ökologisch politisierte Erde zumindest beweisen kann,
ist Monika Wagners These, die angelehnt an Ideen von Wolfgang Kemp und Theodor W.
Adorno, Erde als aufgeladenen Speicher bzw. speicherfähiges Material sieht.102 Egal wie
sehr sich etablierte Land-Art-Künstler wie etwa Robert Morris, Robert Smithson und
Michael Heizer in ihrer Zeit von einer ikonographischen Deutbarkeit ihrer Erdarbeiten
lossagen wollten, die Potenzialität ihrer Bedeutungsschwere, ihre Naturgeschichte, ihre
Kulturgeschichte, ihrer politische Instrumentalisierbarkeit ist nicht abzuschütteln, und
wenn derlei Faktoren schon nicht explizit an einzelnen Kunstwerken durchexerziert
werden, so bleiben sie doch als Möglichkeitsräume in den Arbeiten erhalten. 103 Die
ökologische Kunst, die explizit nicht Thema dieser Arbeit ist, ist eine spätere Entwicklung,
der hier in einer Ausarbeitung kein Platz geboten werden kann. Die ökologische
                                                        
100
ebd., S. 362.
101
Vgl. dazu: Rauterberg, Hanno: Lost in Kassel. In: DIE ZEIT (Hamburg) vom 06.06.2012. URL:
http://www.zeit.de/2012/24/Kunst-Documenta [23.08.2012] Hanno Rauterberg beschreibt das Verhältnis
zwischen Kunst und Natur auf der Documenta XIII, wobei er von einer Aufhebung der Grenzen zwischen
Kunst und Natur spricht. Eine eindeutige Zuordnungen mancher Arbeiten zum einen oder zum anderen
gar nicht treffen ließen. Der kuratorische Stil von Carolyn Christov-Bakargiev zielte auf ein Verschmelzen
zwischen Wissenschaft, Kunst und Natur zu einer untrennbaren Gesamtheit. In der Rotunde des
Fridericianums, dem Hauptgebäude der Documenta, stellte Bakargiev ihr sogenanntes ,brain‘ aus, eine
Sammlung von Kunstwerken, Objekten und Dokumenten, die in ihrer Vielschichtigkeit die Facetten der
13. Dokumenta in einem geschlossenen Raum aufzeigen. Kritik übte etwa: Hübl, Michael: Eine
Omnipotenzphantasie. Die Documenta (13) zwischen kosmischem Einschlag und Kleingarten-Appeal, NS-
Reminiszenzen und Quantenphysik. In: Kunstforum Bd. 217 (2012), S. 27-41.
102
Wagner nennt dies die Historizität der Naturstoffe. Wagner 2011, S. 109.
103
Vgl. dazu auch: Hoormann, Anne: Land Art. Kunstprojekte zwischen Landschaft und öffentlichem Raum.
Berlin 1996, S. 22.

  45 
Komponente ist allerdings, wenn auch unbewusst und eventuell nicht intendiert, bereits in
den meisten Kunstwerken ohnehin enthalten. Die Hinwendung zum Bild von der Natur, zu
ihrer Umgrabung und Aushöhlung, selbst in einer ,unromantischen’ Form, ist bereits eine
Beziehungsangabe, selbst wenn es sich um eine Aussage über die Distanz zu ihr handelt.104

Vielleicht sind es Annäherungen an das Verlorene, Andere, durch die


Naturwissenschaften Entmystifizierte, und Suchbewegungen, um doch noch auszuloten,
wie es mit der Umwelt, mit der verlorenen unbesetzten Natur eigentlich steht, und ob
dieses Bild von ihr überhaupt noch haltbar ist. In den Earthworks und der Land Art sind
diese Fragestellungen enthalten, vielleicht nicht immer explizit gestellt und doch fordernd,
in dem, was sie anstoßen.

Auch die Aussage von Künstlern wie Morris, dass das Erdmaterial in seiner Kunst
selbstreferentiell und kein Bedeutungsträger mehr ist,105 ist nur insofern wahr, als das man
diese Aussage nicht bereits als tatsächlich getroffene Aussage zum Verhältnis von Mensch
und äußerer Natur bzw. auch Material lesen kann. Oberflächlich betrachtet, ist der Wunsch,
dem Material keine Bedeutung zuzuweisen, es selbst sprechen zu lassen und es somit
eigentlich aufzuwerten, eine Novität der Zeit. Genauer betrachtet, stellt es sich als recht
traditionelle Form im Umgang mit dem Material dar, wie sich in den folgenden Kapiteln
noch zeigen wird. Die Dualität von Geist und Materie, wie sie Künstler und
Kunstgeschichte fortsetzend geschrieben haben, ist hier auf die Spitze getrieben, ähnlich
dem Duchampschen Readymade. Durch eine Kontextverschiebung erlangte durch Marcel
Duchamp industriell Gefertigtes bzw. in dem Fall der Erdschüttungen von der Industrie
scheinbar Unberührtes Kunststatus. Das ist nun nicht einmal mehr eine Fortschreibung des
Sieges des Geistes über die Materie, es ist die Auslöschung des künstlerischen Materials
per se. In dem Sinne, als es in einem Fall keine Potenzialität für seine Weiterverarbeitung
mehr bietet und im anderen Fall alle Potenzialität scheinbar unausgeschöpft brach liegt.
Scheinbar deswegen, weil selbstverständlich selbst für die Präsentation reinen Materials
gestalterische Fragen eine wichtige Rolle spielen, aber immerhin ist dem Künstler und der
Künstlerin ein Lob für seinen Einfall bestimmt. Material bzw. gefundenes Ding sind durch

                                                        
104
„wenn nicht einmal darauf vertraut werden kann, dass die Natur „da“ ist, so wie man auf einen Baum zeigt;
wenn das Heranreichen der Sprache an die Natur in Frage steht; wenn Natur nicht in sich selbst ruht und auf ihr
Herausgerufenwerden ins Wort wartet, dann befindet man sich ein einem Zustand des Bruches mit der
Natur.“ Böhme, ÄGB, S. 437.
105
ebd., S. 21.

  46 
die Idee des Künstlers, es als Kunstwerk zu bezeichnen, eben deshalb zu einem solchen
geworden. Diese Kunstpraxis trägt den Namen Konzeptkunst.

Am 13. Februar 1967 schrieb der Künstler Robert Morris eine Postkarte adressiert an
Samuel Wagstaff, einen Freund und Kurator: „Sam, Earthworks sounds possible. Dirt art. Dirty
art. Bogs. Geometric quagmires. […] No hairy grabbing vines. To tormented trees; not even any
plane trees. No bushes, golfers or ducks. Nature at her fatous flat chested best.“106 (Abb.8)

Bereits die Art, wie das Schreiben verfasst wurde, macht einige Beziehungen und
Werturteile erkennbar werden, die im Folgenden exemplarisch untersucht werden sollen.
Betrachtet man den Begriff dirt, über den Robert Morris hier in Stakkato-Tönen referiert,
wird man einer Ambivalenz gewahr, die sowohl für den künstlerischen Umgang mit Erde
als auch für den Umgang mit künstlerischem Material im Allgemeinen Interessantes zu
Tage bringt. Das Wort dirt, das man in einem ersten Schritt wohl mit Schmutz übersetzen
würde, hat im Englischen eine Vielzahl von Bedeutungen und meint im Zusammenhang
mit der Kunst in den 60ern jedoch hauptsächlich den Boden bzw. Humus als künstlerisches
Ausdrucksmittel. Bereits Robert Rauschenberg arbeitete in den 50er Jahren mit Erde und
trug sie auf seine John Cage gewidmeten Dirt Paintings auf, um beispielsweise seine
eigenen Schritte als Abdruck, als Relief zum Kunstwerk zu machen. Dirt, also Erde allein,
vermag es, in einem uralten Dualismus schmutzig und rein, minderwertig und erhaben,
dreckig und pur zu sein. Da der Erdkörper meistens über eine Haut verfügt, seien es
Straßen oder Wiesen, wird man ihrer Stofflichkeit erst durch ein Auftun gewahr.
Beispielsweise, wenn Leitungen gelegt, wenn Straßen gebaut und auf den Äckern Aussaat
betrieben wird. Sie wird einmal marginalisiert und als scheinbar unendliche Ressource
selbstverständlich in ihrer Dinghaftigkeit ausgebeutet, ein andermal wird sie
anthropologisch subjektiviert und zur ewigen Mutter gekrönt. Das Schreiben an Wagstaff
legt jedenfalls offen, wie Künstler ihr Material sahen, wie Erde heruntergebrochen auf klare,
kurze Worte alles und nichts gilt, auch umzulegen für Natur an sich, deren repräsentativer
Platzhalter sie ist.

Weitere Belege für die ambivalente Betrachtung von Erde finden sich am Plakat der
Ausstellung Pure Dirt. Pure Earth, Pure Land, die 1968 erstmals amerikanische Land-Art und
Earth-Works nach Europa brachten. Die Münchner Galerie von Heiner Friedrich warb für
den Besuch der Ausstellung mit folgenden Worten:

                                                        
106
Robert Morris zit. n.: Ends of Earth 2012, S. 184.f.

  47 
PURE DIRT. PURE EARTH. PURE LAND

NO OBJECT ON IT
NO OBJECT IN IT

NO MARKINGS ON IT
NO MARKINGS IN IT

NOTHING GROWING ON IT
NOTHING GROWING IN IT107

Das Bild der exponierten, reinen Erde wurde bei keinem anderen Künstler so eindeutig
wiedergegeben wie bei Walter De Maria, der bereits 1967 in München den Boden des
ersten Stockwerkes des Galeriegebäudes mit 50 m3 und später 1977 in seinem weitaus
bekannterem New York Earth Room mit 140 Tonnen Humus in einem Gebäude mitten in
New York hat aufschütten lassen. (Abb. 8) Der Antagonismus von „Mutter Erde“ und „Hure
Großstadt“ zeigt die Qualitäten dieses Urstoffes am deutlichsten. 108
In einen
Ausstellungsraum gepferchte Erdmassen stehen dem Kulturraum der Stadt plötzlich als
Repräsentantin für Natur per se gegenüber. Es sind nicht mehr die Landschaftsidyllen
früherer Epochen, die für die Künstler von Interesse sind. Was Pop Art, Informel, Ready
Mades, Minimal Art und Konzeptkunst als logisch folgende Konsequenz
heraufbeschworen haben, ist der direkte Zugriff auf das Material und seine Präsentation.109

Entgegen der Objektbezogenheit der Pop Art und gegebenenfalls auch des Ready
Mades waren derlei Installationen wie der Earth Room bzw. die großen Land-Art Projekte
in den Wüsten Amerikas vom Umgang mit dem Unbestimmten und Formlosen bestimmt.
Nicht durch das, was die StädterInnen ohnehin ständig umgibt, also die doppelte
Sichtbarmachung des ohnehin Sichtbaren, wie etwa in der Pop Art oder den Ready Mades,
lenken die Earth Works die Aufmerksamkeit der Betrachter auf scheinbar wert- und
nutzloses Material, und ähnlich der Arte Povera Bewegung wird dieses durch seine
kulturelle Rahmung, in die es überführt wird, sinnstiftend und zu einem meditativen

                                                        
107
Ends of Earth 2012, S. 163.
108
Diese Assoziation zu De Marias Werk brachte Anne Hoormann in den Diskurs ein. Hoormann, Anne: Erde.
In: Lexikon des künstlerischen Materials. Werkstoffe der modernen Kunst von Abfall bis Zinn. 2., durchg.
Aufl. Hrsg. v. Monika Wagner [u.a.] München 2010, S. 41-43. (Becksche Reihe. 1497)
109
ebd., S. 75.

  48 
Erfahrungsraum. Die bei vielen KünstlerInnen gefeierte Reinheit des Materials Erde in
dieser Zeit, zeigt bis heute ihre Nachwirkungen.

Der Artikel mit dem Titel Escapes: ´The Earth Room‘ and Other Art by Walter de Maria
in New York aus der Washington Post von 2009 beschreibt sehr gut, welche Wirkkraft 140
Tonnen Erde in einer fremdelnden Umgebung entwickeln können. Der Journalist William
Powers beschreibt seine erste Begegnung mit dem Earth Room als ein zunächst
minutenlanges Starren auf die große Menge angefeuchteter Erde inmitten des New Yorker
Stadtteils SoHo. Auf die Frage des Autors, warum sich die Besucherzahlen im Jahr 2008
plötzlich verdoppelt hätten, antwortete der Galeriewärter Bill Dilworth Folgendes: „Earth.
And there are two other reasons: First, we're in a recession, and the 'Earth Room' is free. Second,
it's a sanctuary in crisis. Safe, and priestly."110

Dieser Kommentar des Galerie-Angestellten beschreibt im Wesentlichen, was den


Erfolg der Installation ausmacht. In vielen Beschreibungen von Walter De Marias Arbeit ist
von der meditativen Wirkungskraft der Installation die Rede. Insgesamt kann festgehalten
werden, dass die Gründe, um mit Erde zu arbeiten, sehr unterschiedlicher Natur sind und
in den einzelnen Kunstwerken auch dementsprechend anders damit umgegangen wird. In
jedem Fall aber zeigt sich hier, in welcher Umgebung ein Stückchen Natur Kunststatus
erreichen kann und wie ambivalent es sich mit dem Material Erde verhält, denn zwischen
den beiden Polen von meditativ und schmutzig zeigt sich die allgemeine Unschlüssigkeit
der Bewertung von Natur. Eine derartige unschlüssige Bewertung setzt voraus, dass das,
was als kontradiktorisch empfunden wird, nur mit der ewigen verwirrenden Frage des
eigenen Naturseins des Menschen einhergehen kann.

                                                        
110
Bill Dilworth, Galeriewärter des Earth Rooms in New York. zit. n. Powers, William: Escapes: ,The Earth
Room‘ and Other Art by Walter De Maria in New York. In: The Washington Post (Washington D. C.) vom
20.05.2009. URL: http://www.washingtonpost.com/wp-
dyn/content/article/2009/05/29/AR2009051903443.html [23.08.2012]

  49 
Abb. 8: Postkarte von Robert Morris gesendet an Samuel
Wagstaff, 13.2.1967, Archives of American Art, Smithsonian
Institute

Abb.9: Walter De Maria, The New York Earth Room, 140 Tonnen Erde, 1977, 141
Wooster Street, New York

  50 
4 Künstliche Natur: Englische Parks und dialektische Landschaften – Robert
Smithson und Frederick Law Olmsted

Folgender Abschnitt soll das Verhältnis von Mensch und Natur bei Robert Smithson als
exemplarischem Vertreter der Land Art darstellen. Sein Nachdenken über den Begriff der
Landschaft steht eng im Zusammengang mit früheren Landschaftsbegriffen und wirft Fragen
hinsichtlich der politischen künstlerischen Haltung gegenüber dem Umweltschutz auf.

Über Robert Smithson wurde unter den anerkannteren Land Art Künstlern am meisten
publiziert.111 Das liegt vor allem auch an der Tatsache, dass er, wie kaum ein anderer Künstler,
in seinem Umfeld selbst auch als Kunsttheoretiker agierte und Texte produzierte, welche sich
mit den für die Land Art relevanten Themen auseinandersetzten. Seine Texte sprachen über
geplante Projekte, kunstgeschichtliche Themen, die Arbeiten von Künstlerkollegen, gingen
dabei aber bis hinein in philosophische Themengebiete, die er unter anderem mit seinen
Kenntnissen der Psychoanalyse zu verbinden verstand.

Die ökologische Frage und somit das Verhältnis von Mensch und Natur bezüglich
Smithson Arbeiten sollen hier vor allem aufgrund ihrer Ambivalenz zur Sprache kommen. Im
Gegensatz zu Michael Heizer, der in den Wüsten Amerikas für die Realisierung seiner Projekte
vom Menschen vermeintlich unberührte Natur aufsuchte, arbeitet Smithson mit
postindustriellen und verlassenen Industriegebieten. Sein Naturbegriff gleicht dem der
bereits völlig von der Kultur absorbierten Natur. Idealisierte Landschaftsbilder hatten in seiner
Kunstauffassung keinen Platz. Er nimmt in seinem Kunstschaffen eine interessante
Zwischenposition ein, in der er sich selbst als Vermittler zwischen ÖkologInnen und
Industriellen sah, aber nicht vor einer Kritik beider Seiten zurückschreckte:112 „The ecologists
tend to see the landscape in terms of the past, while most industrialists don’t see anything at all.“113

Ein Jahr vor seinem tragischen Unfalltod publizierte er 1973 im Artforum einen Artikel
mit dem Titel Frederick Law Olmsted and the Dialectical Landscape. Die KünstlerInnen der Land
Art, zu der Smithson als eine der führenden Personen zählte, wandten sich zwar der
Landschaft zu, vollzogen darin aber alles andere als einen romantischen Rückzug in die Natur.

                                                        
111
U.a.: Reynolds, Ann: Robert Smithson. Learing from New Jersey and Elsewhere. Cambridge – London: 2005;
Graziani, Ron: Robert Smithson and the American Landscape. Cambridge 2004.
112
Hoormann, Anne: Die künstlerische Erforschung der amerikanischen Landschaft. Heizer, Smithson, Turrell. In:
Dies.: Medium und Material. Hrsg. v. Dieter Burdorf [u.a.], München 2007, S. 94.
113
Smithson, Robert: Proposal. In: The Writings of Robert Smithson. Essays with Illustrations. Hrsg. v. Nancy Holt.
New York 1979, S. 221.

  51 
Das Naturschöne, welches in Amerika eine andere Tradition hatte, spielte in den Ansichten
und in der Herangehensweise an die Landschaft eine nebensächliche Rolle.
Industrielandschaften, verlassene Bergwerke, allesamt Überbleibsel industrieller Arbeiten,
und Teilweise auch Testgebiete für Atomtests wurden reklamiert und für die eigenen
Kunstwerke nutzbar gemacht. Das Interesse an der Kulturgeschichte der Landschaft und dem
Erhabenen galten bei Smithson nicht mehr der Eigenwilligkeit einer wilden Natur, die hier
und da in der gezähmten Natur von Parks und Landschaftsgärten zu Tage treten kann, bereits
1810 mussten Theoretiker, darunter Uvedale Price, den Smithson im Zuge seiner Studien las,
anerkennen, dass die Industrialisierung und die Spuren, die sie hinterlassen hatte, nun auch
Teil der Landschaft geworden sind, mit denen man über kurz oder lang umzugehen lernen
müsse. Smithson zitierte Price in seinem Artikel über die dialektische Landschaft:

„Wenn der Hang eines sanften grünen Hügels von Wildwassern aufgerissen ist, so kann man das
zunächst mit Recht eine Entstellung nennen; und nicht unter demselben Eindruck, wie man eine
klaffende Wunde bei einem lebendigen Tier so bezeichnet. Wird aber eine solch klaffende Wunde im
Erdreich durch die Wirkung der Zeit gemildert, von der sich ausbreitenden Vegetation teilweise
überwachsen und von Blumen bestanden, so verwandelt dieser natürliche Prozess die Entstellung in
malerische Schönheit. Auf diese Weise geschieht es gerade bei Steinbrüchen, Kiesgruben etc., die
zunächst eine Entstellung des Ortes sind; allerdings werden sie häufig noch in ihrer malerischsten
Verwandlung von nicht urteilsfähigen Landschaftsgärtnern als Entstellung erachtet.“114

Dieser überraschenderweise für Smithson sehr frühe Text zu Fragen der


Landschaftsästhetik und der Suche nach Einigkeit mit den menschlichen Eingriffen in diese,
steht in direkter Verbindung zu Smithsons Kunst. Noch beinahe hundert Jahre später, 1904
verfasste Friedrich Naumann, ein Mitglied des Deutschen Werkbundes, eine Programmschrift
mit dem Titel Die Kunst im Zeitalter der Maschine. Nauman spricht umständlich von der
Lernfähigkeit des menschlichen Auges, welches lernen könne, die Maschinen zu sehen. Dieses
angedeutete Lob des Maschinellen und seine Ästhetisierung münden bekannterweise in den
Folgejahrzehnten in den Fortschrittsfanatismus der Futuristen. 115 Hierzu noch ein Wort

                                                        
114
Uvedale Price zit. nach: Smithson, Robert: Frederik Law Olmested und die dialektische Landschaft. (1973) In:
Robert Smithson. Gesammelte Schriften. Übers. v. Christioph Hollender. Hrsg v. Eva Schmidt/Kai Vöckler. Wien
2000, S. 194.
115
Lobsien, Eckhard: Landschaft. In: Ästhetische Grundbegriffe. (ÄGB) Historisches Wörterbuch in sieben Bänden.
Studienausgabe. Hrsg. v. Karlheinz Barck [u.a.]. Bd. 3. Stuttgart - Weimar: Metzler 2001/2010, S. 638.

  52 
Naumanns: „Jeder Techniker aber weiß, wie viel Aesthetik in seinen vollkommensten Instrumenten
liegt, und wie die Linien seiner Apparate zu Grundlinien seiner Seele werden.“116

Knapp hundert Jahre später hatte die Errichtung industrieller Stätten natürlich stark
zugenommen, eine ästhetische Legitimation dieser im ehemals hochgelobten Naturschönen
war etwas, das die Gesellschaft sehr wohl zu beschäftigen schien.

Wenn Anfang des 20. Jahrhunderts noch der ästhetische Bruch mit der verlorenen
„idealen“ Landschaft verarbeitet werden musste und alles bereits als Maschinenlandschaft117
galt, die alle vorhergehenden Konzepte von Landschaft zu über- und belagern scheint, so
sieht Günter Moewes die moderne Landschaft heute angekommen als reines „Abbild
ökonomischer Permissivität.“118

Die Umwelt, ehemals Natur und erfahrbar durch ein Konzept von Landschaft, ist reine
Ressourcengeberin geworden.119 Noch heute ist diese Tatsache Grundlage eines Streites, wie
bereits in einem der früheren Kapitel erörtert wurde. Der Ästhetik wird in politischen Fragen
eine besondere Rolle zuteil. Die romantischen und erhabenen Ruinen von damals sind heute
aufgelassene und verwahrloste Industriegelände, die als trostlose, rostende Zeitzeugen vor
sich hinvegetieren. Diese Industrieruinen, etwa in Form von aufgelassenen Tagebauten,
waren es, die sich Smithson aneignete. Seine Industriekritik ist gehemmt, Smithson erkennt,
dass es kein Zurück gibt. Löschung und Tilgung sind für ihn nur Oberflächlichkeiten, er hält
die Sichtbarmachung, das Hervorstreichen für einen weitaus wertvolleren Akt. Er arbeitet mit
dem, was ihm augenscheinlich wird. Für ihn sind die gefunden Stätten keine Schandflecken,
er strebt lediglich an, sie als Arbeitsgrundlage für seine Kunst zu reklamieren und einen
Begegnungsort zu erschaffen, der die industriellen Eingriffe in die Landschaft nicht kaschiert
und zum Verschwinden bringen will, indem er sie beispielsweise als Kunstorte vermeiden
hätte können.

Auch wenn sich Smithson in früheren Jahren von der „ökologischen Seite“ abgrenzen
wollte, sind in seinen späteren Schriften, wie etwa der zur dialektischen Landschaft, durchaus
politische Züge feststellen. Dabei legt er seine Spuren überraschenderweise zurück auf das

                                                        
116
Naumann, Friedrich: Die Kunst im Zeitalter der Maschine. Berlin: 1908, S. 20.
117
Eugen Diesel zit. n.: Lobsien ÄGB 2001, S. 642.
118
Moewes, Günther: Landschaft oder Arbeitswüste. In: Dialektik. Enzyklopädische Zeitschrift für Philosophie und
Wissenschaften. H. 2 (1994), S. 110.
119
Lobsien ÄGB 2001, S. 643.

  53 
Pittoreske des englischen Landschaftsgartens.120 Der titelgebende Name seines Aufsatzes,
Frederick Law Olmsted, verweist auf den Mann, der Mitte des 19. Jahrhunderts während der
beginnenden Bauarbeiten der Stadt New York für die Gestaltung diverser Parkanlagen, unter
anderem der des Central Parks, angeheuert wurde. Olmsted wollte üppige Natur, angelehnt
an die englische Garten- und Landschaftsarchitektur, nach New York holen. Dabei, so
rekonstruiert Smithson in seinem Artikel, befasste sich Olmsted mit zwei englischen
Theoretikern des 18. Jahrhunderts, nämlich Uvedale Price und Edmund Burke, die sich in ihren
Schriften mit dem Schönen und Erhabenen auseinandersetzten.121

Timothy D. Martin arbeitet an dem Olmsted-Text anschaulich heraus, dass Smithsons


Begeisterung für Olmsted und die englische Gartenarchitektur auch in dessen Absage an den
Idealismus des 19. Jahrhunderts begründet liegt. Olmsteds Vision war ein Park in New York für
alle seine Bürger, unabhängig von Klassen- bzw. Rassenzugehörigkeiten.

Olmsted war kein Anhänger des Idealismus der britischen Romantik und des
amerikanischen Transzendentalismus. Dieser Idealismus führte auch zum Wunsch der
Verbannung der Industrialisierung ihrer Maschinen. Smithson erkannte, dass Olmsted im Park
einen Ort physischer Zusammenkunft sah, einen Ort der Gleichberechtigung. Wie Olmsted
benutzte auch Smithson große Maschinen, um die Erde umzugraben, wie Olmsted vermied
Smithson eine romantische Idealisierung der Natur. Land Art und das Pittoreske vereinen sich
in ihrer politisch demokratischen Gesinnung und ihrem philosophischen Materialismus. Wie
Timothy weiter beschreibt, sei die postmoderne Land Art an sich materialistisch, da sie
weniger mit Ideen als mit Material und seiner physischen Erfahrbarkeit arbeite. Smithson
bediente sich auch Martin Heideggers phänomenologischem Konzept der „groundedness of
consciousness“, der Begründetheit der Wahrnehmung. Heidegger strebte danach, alles auf
den Kern zurückzuführen, auf seine Ursprünglichkeit. Dieses „Herunterbrechen“ auf seine
Grundfragen musste auch Smithson interessiert haben. Die Strukturen der Landschaft regen
analog dazu die mentalen Strukturen an, die ein Verständnis der Landschaft ermöglichen.122 In
Smithsons Originalton: „Das Malerische ist keineswegs eine innere Bewegung des Bewusstseins,

                                                        
120
Kerstin Walter untersuchte die Fragestellung der zeitgenössischen Landschaftskunst mit den Theorien des
Pittoresken in ihrer Dissertation eingehend. Walter, Kerstin: Das Pittoreske. Die Theorie des englischen
Landschaftsgartens als Baustein zum Verständnis von Kunst der Gegenwart. Düsseldorf 2006. (Benrather
Schriften. Bibliothek zur Schlossarchitektur des 18. Jahrhunderts und zur Europäischen Gartenkunst. 2) [zugl.
Bochum, Univ., Diss. 2004]
121
Smithson 1973, S. 193.
122
Martin, Timothy D.: Robert Smithson and the Anglo-American Picturesque. In: Anglo-American Exchange in
Postwar Sculpture. 1945-1975. Hrsg. von Rebecca Peabody. Los Angeles 2011, S. 168f.

  54 
sondern beruht auf der wirklichen Landschaft; in seiner äußerlichen materiellen Existenz geht es
dem Bewusstsein voraus.“123

Diese Ansichten der Wahrnehmung wiederum erinnern an Goethes Schriften, der


davon überzeugt war, dass viele Kunstformen überhaupt erst durch die Vorbildfunktion der
Natur entstanden seien.124 Auch Smithson arbeitete bei genauer Betrachtung so, dass er
kleine kristalline Formen in größeren Dimensionen, wie mit einem Lupeneffekt, darstellte. Das
Hauptinteresse vieler Land-Artists galt der Phänomenologie, also der Lehre alles Sichtbaren,
die in der Materialität, beispielsweise eben der Sinneswahrnehmungen von Erde. Darin war
für sie auch das Erhabene begründet, ein Ästhetik-geschichtlich stark aufgeladener Begriff.

Im Vergleich zur späteren ökologischen Kunst sieht man bei Smithson noch deutlicher,
wie ältere Landschaftsdarstellungen und die Tradition des Landschaftsgartens in Bezug zur
Land Art eine wesentliche Rolle spielen.

                                                        
123
Smithson 1974, S. 194.
124
Goethe bezeichnet dies als „Bildungstrieb der Stoffe“. Goethe, Johann Wolfgang von: Baukunst. In:
Theoretische Schriften (1788. URL:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Theoretische+Schriften/Aus+Goethes+Briefta
sche/2.+Dritte+Wallfahrt+nach+Erwins+Grabe+im+Juli+1775 [20.07.2012]

  55 
5 Land Art: Anti-Romantik ?
„Sol [LeWitt] would call [Smithson] a romantic, which was a very negative word to us.“125

Allein der künstlerische Umgang mit Natur hat noch nichts Romantisches an sich, obgleich die
Natur in ästhetischer Hinsicht gerne mit dem Romantischen in Verbindung gebracht wird.
“Romantisch” soll hier nicht nur bezüglich des Zeitalters der Romantik gedacht werden. Die
Anti-Romantik der Kunst der 60er und 70er richtet sich vor allem gegen ältere Formen der
Naturdarstellung in der Bildenden Kunst und die Darstellungen der Natur in der Populärkultur.
Im folgenden Abschnitt soll die Frage nach der Mensch-Natur-Beziehung noch weiter in
Richtung der Kunstproduktion der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gelenkt werden.
Die Zuschreibung einiger KünstlerInnen zu einer romantischen Ausdrucksweise, welche in der
Literatur größtenteils – vor allem durch Eigenaussagen einiger KünstlerInnen – wieder
revidiert wurde, sollen hier nochmals dargestellt werden.

Nichts störte die amerikanischen KünstlerInnen der Land-Art126 mehr, als unter dem
Verdacht des Naturromantizismus zu stehen. Bukolische Idyllen und idealisierte Landschaften
waren nichts, womit sie gerne in Verbindung gebracht werden wollten. Die minimalistischen
klaren Formen und Abstraktionen, die sie für ihre Arbeiten verwendeten, hatten tatsächlich
wenig Malerisches an sich. Für die großformatigeren Arbeiten bedurfte es zudem schwerer
technischer Maschinen, die teilweise weit in die amerikanischen Wüsten hineingebracht
wurden, wo diese für Sprengungen und das Baggern und Umgraben von Erde und Geröll
verwendet wurden. Dabei galt – fernab von einer anschauenden Romantisierung der Natur –
„Bulldozer statt Pinsel“ als Devise.127 Die langjährige Herausgeberin des Magazins Art in America,
Elizabeth C. Baker, sah in den Earthworks eine klare Polarität, welche die Arbeiten zu ihrer
natürlichen Umgebung herstellten: „Minimalism [...] is the antithesis of the accidental, free,
organic shapes of nature; it is the essence of the artifical – of art.“128

                                                        
125
Dan Graham zit. n.: Boettger, Suzaan: Earthworks. Art and Landscape oft he Sixties. Berkeley – London - Los
Angeles 2002, S. 208.
126
Hier sind vor allem jene KünstlerInnen gemeint, die aus der Minimal Art hervorgegangen sind. U.a.: Robert
Smithson, Michael Heizer, Sol LeWitt, Nancy Holt, Robert Morris. Im erweiterten Land-Art-Begriff wäre die
Frage nach dem romantischen Moment eine neu zu stellende. Darüber lassen sich keine generalisierende
Aussagen treffen.
127
„Robert Morris würde statt eines Pinsels lieber eine Bulldozer benutzen, um Kunst herzustellen“ Robert
Smithson zit. n.: Wallis, Brian: Überblick. In: Kastner, Jeffrey: Land und Environmental Art. Hrsg. v. Dems. Berlin
2004, S. 19.
128
Baker, Elizabeth: Artworks on the Land. In: Art in America Bd. 64, H. 1 (1976), S. 93f.

  56 
Die Geste der KünstlerInnen, den großen Städten den Rücken zuzukehren, ließ sich
dennoch leicht als Flucht in die Natur, als ein „Zurück-zur-Natur“ deuten. Einige Aussagen
Heizers wurden in diesem Zusammenhang zu Recht missverstanden – wie etwa: „In the desert I
can find that kind of unraped, peaceful, religious space artists have always tried to put in their
work.“129 Wer würde darin nicht einen Rückzug in die Natur vermuten? Für Smithson und Co
fühlte sich diese Zuschreibung jedoch wie eine politische Instrumentalisierung ihrer Arbeiten
an, zudem wurde die ökologische Bewegung ihrer Zeit von ihnen als zu anti-intellektuell und
ideologisch aufgefasst. Die betraf wohl vor allem die Anschauungen über Natur innerhalb der
New-Age-Bewegungen, die sich begannen bis in die Populärkultur auszuweiten. Mit der von
ihnen beschworenen Reinheit unangetasteter Natur konnten die aus der Minimal-Art
stammenden KünstlerInnen wenig anfangen. 130
Außerdem galt noch immer der
voreingenommene Zusammenhang zwischen Weiblichkeit, Natur und empfindsamer
Naturwahrnehmung, den die männlichen Künstler zu brechen versuchten. Der „unraped,
peaceful, religious space“ wird hier von Heizer hauptsächlich ob seiner Weite und des großen
Handlungsfreiraumes hochgehoben, den er den KünstlerInnen für die Ausführung ihrer
Projekte bot und nicht, wie irrtümlicher Weise anzunehmen, weil er die Natur als Ganzes
tatsächlich als solche wahrnehmen konnte. Das Einschreiben, die Markierung und die
Verwundung der Landschaft sind Akte der männlich geprägten Land-Art, dahinter verbirgt
sich selbstredend eine Geste der Landschafts-Dominierung, wie dies von KirtikerInnen auch
immer wieder hervorgebracht wurde.

Dabei gilt es jedoch etwas Grundlegendes zu unterscheiden: Die Land Art soll jedoch
auch nicht feindselig gegenüber der Natur verstanden werden. Was sie, dies vor allem
bedingt durch die Arbeit Smithsons, hauptsächlich anfeindet, sind die unrealistischen
Vorstellungen idealisierter Landschaften, die aufgrund starker industrieller Eingriffe in die
Natur vielerorts keineswegs Realitätsnähe zeigten. Smithson führt vor allem eines, einen
Kampf mit dem Bild, also der idealisierten Vorstellung von Landschaft und Natur. Besonders
veranschaulicht dies seine Arbeit Dead Tree (1969). Der Baum, als eines der aussagestärksten
Symbole der ökologischen Bewegung, wurde ausgerissen und samt Wurzeln auf Spiegeln
positioniert in einen Münchner Galerieraum gelegt.131 Diese Geste verrät doch sehr viel über
Smithsons Anschauungen und seinem Zugang zur Natur, er führte einen regelrechten

                                                        
129
Michael Heizer zit. n.: Ebd., S. 185.
130
Boettger, Suzaan: Earthworks. Art and Landscape oft he Sixties. Berkeley – London - Los Angeles 2002, S. 217.
131
Ebd., S. 216.

  57 
ikonographischen Kampf mit der Vorstellung von Natur als Postkartenmotiv. 1970 plante er
seine Island of Broken Glass in einer kanadischen Wasserstraße mit dem Namen Strait of
Georgia. Dabei handelte es sich um ein Projekt, bei dem hunderte Tonnen von grüngefärbten,
gebrochenen Industrieglasscherben ins Meer gekippt werden sollten. Zunächst gab es dafür
sogar eine Bewilligung des kanadischen Land- und Forstwirtschaftsminister und einen
zahlungswilligen Finanzier. Bevor die Züge mit dem Glas jedoch die US-Grenze nach Kanada
passierten, gab es öffentliche Proteste gegen die Insel aus gebrochenem Glas. Smithson soll
danach seinen Glauben an eine gänzlich von Tieren unbewohnte Insel beibehalten haben.132

Land-Art als „romantisch“ zu betiteln, ist ein heikles Unterfangen. Diese Assoziation
wurde dennoch oft vorgebracht. Herauszufiltern, was an Land-Art romantisch sei oder eben
nicht, ist nahezu unmöglich, dazu ist bereits der Begriff des Romantischen in seiner
Bedeutungsvielfalt zu unscharf. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die KünstlerInnen nicht müde
wurden, die Zuschreibung des Romantischen stets von sich zu weißen. Frommes Staunen
über die Erhabenheit und Schönheit der Natur waren bei Heizer und Smithson sicher nicht zu
finden. Das Tun, also das tatsächliche Umschichten von Erde, waren teilweise auch als
performativer Akt auf den Plan getreten, als etwas, das bereits als reine Handlung dem
Neuverständnis von Kunst hinzugefügt wurde. Die BetrachterInnen-Rolle wurde bei der
Planung der Kunstwerke stärker miteinbezogen. Die Earthworks sind begehbare Gräben und
Erdhügel, die vor allem die menschliche Machbarkeit von übergroßen Gräben und
tonnenschweren Erdumschichtungen demonstrieren.

Dennoch lassen sich vor allem bei Smithson Spuren festmachen, die ins Romantische
führen. Was man an Smithson beispielsweise romantisch nennen könnte, wäre beispielsweise
sein Interesse an Ruinen. Was den Malern aus dem Zeitalter der Romantik zerfallene Burgen
und Klöster waren, waren für Smithson Industrieruinen, die er in etlichen Projektvorhaben zu
rekultivieren trachtete und von deren natürlichen Überwucherungen durch Pflanzen er
angetan war. Was das Sehnen zurück nach einer unangetasteten Natur betrifft, so kann man
Smithson und Heizer sicherlich kaum als Landschafts-Romantiker bezeichnen. Die Hinweise
darauf, was manche TheoretikerInnen den Land-Art-KünstlerInnen als romantisch
zuschrieben, liegen eher in der Ästhetisierung des Ruinenhaften und des „Erhabenen“ als in
der Naturschönheit. Genau dieses Interesse, welches sich vor allem bei Smithsons

                                                        
132
Ebd.

  58 
Auseinandersetzung mit der Natur ableiten lässt, wurde in der Literatur allerdings bislang
eben nicht mit der Romantik in Verbindung gebracht.

Die Ablehnung der alten Landschaft-Abbildungen der Kunstgeschichte durch die


Land-Art-KünstlerInnen kreuzt sich auch mit ihrer Abneigung gegen die Postkarten-Idyllen
der amerikanischen Nationalparks und Naturschauplätze. Gerade diese Ablehnung gegen
jene Art von romantischen Naturdarstellungen macht aber auch eine ganz bestimmte Form
von Sentimentalität aus. Worin liegt nun der melancholische Ton der Land-Art, der bei der
Durchsicht der teilweise nur in Schwarz-Weiß-Abbildungen erhaltenen
Projektdokumentationen ganz augenscheinlich wird. Der Verlust des Glaubens an ein
Naturganzes und die KünstlerInnen, die mit schweren technischen Geräten Gräben in
Landschaften ziehen, exponieren die vermeintliche aufgekündete Dualität von Mensch und
Natur als immer stärker augenscheinlich werdendes Problemfeld. Dass die Natur nichts
Tröstendes mehr bietet, dass sie durch naturwissenschaftliche Rationalisierungen entzaubert
wurde, wird überhaupt erst bewusst durch die Anti-Romantik jener Zeit. Die Land-Art sieht
sich mit verkitschten Landschaftsbildern auf der einen und mit völlig distanzierter
Naturwissenschaft und Industrie auf der anderen Seite konfrontiert. Smithson arbeitet sich
beharrlich an dieser perversen Situation ab. Sein Denken dreht sich in vielerlei Hinsicht um
eben dieses paradoxe Moment zeitgenössischer Naturanschauungen, das zwischen
bedenkenloser Naturausbeutung und Hochstilisierung und Überästhetisierung changiert.
Immer wieder tritt bei Smithson und den anderen mit ihren aus der Minimal-Art heraus
entwickelten Negativformen und Einschnitten die große Leere zutage. Die Löcher und Gräben
der Land-Art sind schwarze Löcher, Negative. Sie konkurrieren mit den Hochhäusern der
Metropolen mit dem phallischen Hoch und immer Höher der Architekturlandschaft. Loch und
Graben bleiben Wunde, bleiben Einschnitt, und eben weil sie Negativformen sind, werfen sie
mehr Fragen auf als die Statements, die von Gebäuden als Antipole zu diesen Löchern protzig
hingeworfen werden. Der dunkle, untere Teil ist eine Kontradiktion zum in die Höhe
strebenden, zur Luft. Erde und Melancholie sind somit nicht von ungefähr elementar
verbunden. Im dunklen Erdreich liegt das Verborgene, das noch zu Fürchtende, das wohin
jeder Lebensweg führt, aber keine Auskunft darüber besteht.

  59 
Gibt es eine Sensibilität der sechziger Jahre? Wenn ja, wie würden Sie sie beschreiben?

Es gibt nicht eine Sensibilität der sechziger Jahre, sondern zehn Sensibilitäten der sechziger Jahre.

1. Die Sensibilität der momentanen Lähmung.


2. Die Sensibilität der unauthentischen Langeweile.
3. Die Sensibilität der Gewohnheit.
4. Die Sensibilität des monotonen und erbaulichen Plagiats.
5. Die Sensibilität der unwillkürlichen Erinnerung.
6. Die Sensibilität von abstumpfenden ununterbrochenen Anpassungen.
7. Die Sensibilität der Dynamik des Banalen.
8. Die Sensibilität der erstarrten Zeit.
9. Die Sensibilität von weder morgen noch gestern.
10. Die Sensibilität von abgedroschenen Gedanken.133

Abb. 10: Robert Smithson, Museum of the Void, Bleistiftzeichnung, 1966-1968,


Verholland Museum, Niewersluis

                                                        
133
Robert Smithson beantwortete 1966 eine Umfrage von Irving Sandler, die er zusammen mit Barbara Rose für
Art News initiierte.

  60 
5.1 Trübung des Denkens: „Die Natur als Spiegel der Seele“

Die „Natur als Spiegel der Seele“ ist ein bekanntes Idiom, wenngleich Seele und Natur
Begrifflichkeiten zu sein scheinen, die aus Sicht der heutigen Philosophie zu problematisieren
sind. Dennoch hat außermenschliche Natur für den Menschen einen ihr nicht
abzusprechenden Symbolcharakter. Naturerfahrungen laden die eigene Existenz mit
Bedeutung auf bzw. spiegeln die eigene Gefühlswelt in sie hinein – interpretieren sie.

Ein stetes Problem, vor allem in dem alten Konzept der Trennung von Natur und Kultur,
ist, dass der Mensch nicht recht weiß, wo er sich positionieren soll. Ist nun alles Kultur?
Existiert nichts, ohne dass wir ihm Bedeutung zumessen? Ist Natur ein kulturelles Konstrukt?
Aber nur in dem Fall, indem behauptet wird, dass es nichts gäbe, was nicht von uns gedacht
werden kann. Die Erde aber ist immer da, egal wie man über sie denkt, schreibt und sinniert.
Tatsächlich kommt alles aus ihr und geht alles in sie zurück. „Wir sind höhere Tiere, und als
solche erkennt uns auch die Physiologie. Insoweit die Tiere von den Pflanzen abstammen, sind sie
im historischen Sinn auch Pflanzen, die nämlich zu Tieren aufgelebt sind.“134 Zumindest sagt das
die Naturwissenschaft, die daraus aber keine moralischen Schlüsse ziehen möchte. Ein Blick in
die „Natur“ sagt uns also demnach etwas, weil wir unseres eigenen Naturseins bewusst
werden.

Einigen intellektuellen KünstlerInnen der 60er und 70er galten derlei Zugänge zur
Natur allerdings als Kitsch. Sie interpretierten in „Naturwahrnehmung“ auch den
Abbildungsdrang einer verkitschten, idealisierten Natur, wie sie etwa auf
Postkartendarstellungen zu finden ist. Robert Smithson gab in einer seiner Schriften einen
deutlichen Hinweis auf die Wirkung von Natur und Naturmaterialien als eine „Trübung des
Denkens“:

„Die Erdoberfläche und die Erfindung des Bewusstseins neigen dazu, in separate Regionen der
Kunst zu zerfallen. Verschiedene fiktionale und reale Faktoren tauschen irgendwie die Plätze –
wenn es um Erdprojekte oder, wie ich sie nennen möchte, ,abstrakte Geologien’ geht, läßt sich eine
Trübung des Denkens nicht vermeiden. Die Erde und das menschliche Bewußtsein werden
unablässig erodieren, Gedankenströme tragen abstrakte Dämme ab, Gehirnwellen unterspülen

                                                        
134
Meyer-Abich 1998, S. 219.

  61 
Denkklippen, Ideen verwittern zu Steinen des Nichtwissens, und konzeptuelle Kristallisierungen
zerfallen zu Ablagerungen sandiger Vernunft.“135

Was Robert Smithson hier in komplizierter Art und Weise versuchte, zum Ausdruck zu bringen,
ist die Wirkung von Landschaft, Natur und Naturmaterialien auf das Bewusstsein und die
menschliche Psyche. Für ihn handelt sich dabei um eine „Trübung des Denkens“, die dazu führt,
dass „Ideen“ zu „Steinen des Nichtwissens“ verwittern.

In weiteren Abschnitten des Textes Eine Sedimentierung des Bewußtseins: Erdprojekte


wird deutlich, wie bewusst sich Smithson über den Zusammenhang von Psyche und
Naturwahrnehmung war. Dennoch oder gerade deswegen blieb eines von Smithsons
Feindbildern, in seiner sehr rationalen und dennoch phänomenologische Herangehensweise
an Natur, die unreflektierte Naturwahrnehmung, die das mögliche Grausame und
Katastrophische an ihr, nicht miteinschließt. Im Freud’schen Sinne und im Sinne Smithsons
verstand Norman O. Brown die Angst des Menschen, mit der Natur zu brechen
folgendermaßen:

„The Freudian dualism prevents us from positing any break with nature, and consequently precludes the
notion of a return to nature; and since the failure to posit a break with nature entails the necessity or
projecting man’s sickness back to nature, a return to nature, even if it were possible, would not be a
return to health.“136

Doch wozu mit der Natur brechen? Anders als Slavoj Žižek, der durch die Aufkündigung eines
für ihn „verkitschten“ und „ideologischen“ Naturbegriffes, die Wahrung und Erhaltung des
menschlichen Lebensraumes durch rationale Entscheidungen getroffen werden sehen will, ist
Robert Smithsons Dekonstruktionswille des Naturbegriffs nur aufklärerisch und ernüchternd
zu bewerten:

„We have to develop a different sense of nature; we have to develop a dialectic of nature that includes
man ... a kind of ,virgin’ beauty was established in the early days of this country and most people who

                                                        
135 Weiter heißt es: „In diesem geologischen Miasma werden enorme Bewegungskräfte freigesetzt, und sie
bewegen sich in höchst physischer Weise. Ihre Bewegung scheint reglos, doch sie erdrückt die Landschaft der Logik
unter glazialen Phantasien. Dieses langsame Fließen macht einem die Trübheit des Denkens bewußt. Im brüchigen
Bannkreis des Gehirns lösen sich Steinschläge, Erdrutsche, Lawinen.“ Smithson, Robert: Eine Sedimentierung des
Bewußtseins: Erdprojekte. In: Smithson 2000, S. 130.
136
Norman O. Brown zit. n.: Reynolds, Ann: Robert Smithson. Learning from New Jersey and Elsewhere.
Cambridge – London 2005, S. 194.

  62 
don´t look too hard tend to see the world through postcards and calendars so that that effects their idea
of what they think nature should be rather than what it is.“137

Dahinter steckt kein Gedanke an die Katastrophe der voranschreitenden Umweltzerstörung,


keine Technikkritik. Die Kampfansage ist mehr eine ästhetische als inhaltliche: Es gilt ihm das
führende Bild von Natur aufzukündigen. Der oben genannte Ausspruch impliziert, dass sein
Urheber im Gegensatz zu anderen wisse, was die [Natur] sei. Seine Idee davon zu
untermauern, was sie tatsächlich sei, sah er ähnlich wie Žižek darin gegeben, dass die Natur
dem menschlichen Leben gegenüber indifferent ist. Er wollte, dass die Gewalt und
Aggressivität, die von Naturkatastrophen ausging, auch in das Verständnis von Natur
integriert werden.138 Den wichtigsten Aspekt in Smithsons Denken stellt sein Beharren auf die
Zerstörung von idealisierten Landschaften und Naturdarstellungen dar. In der Aufkündigung
des Versöhnlichen, des Ideellen und des Nachdenkens darüber liegt allerdings die
Melancholie begründet, ein romantisch anmutender Topos. Ein tieferes Verständnis der
Melancholie und ihres Bezugs zur heutigen kulturellen Produktion und im weitesten Sinne zur
Natur liefert Hartmut Böhme:

„Wenn heute wieder in der Kunst ein ,melancholischer Allegorismus’ zu beobachten ist, so unterscheidet
sich dieser von der barocken Allegorie dadurch, daß nicht nur die Geschichte im Bild der Natur als ewige
Vergängnis erscheint, sondern daß der Akt des allegorischen Bedeutens selbst veraltet und verfällt. Die
barocken Modifikationen entspringen noch einer Heilshoffnung, die ihre unwiderstehliche Kraft gerade
aus der Insistenz der Trauer über das Vergängliche zieht. Solche Hoffnung ist heute selbst vom Tode
gezeichnet. [...] Heute ist es so, als erschienen die heilsgeschichtlichen wie sie säkularisierten
Geschichtsphilosophien der Moderne nur noch im Zeichen ihrer Auflösung. Dies wäre ein Symptom der
Posthistorie. Wir haben wohl davon auszugehen, dass die authentische kulturelle Produktion heute
daran erkennbar sind, daß sie sich jedem Schein von Versöhnung widersetzen [...] der bis hin zur
Moderne anhaltende Glaube, daß die Problemlösungsfähigkeit der Menschen die zu bewältigenden
Probleme übersteigt. Dies hieße, daß Geschichte in den Zustand des unaufhaltsamen Verfalls und der
Verwüstung überginge. [...] Der luziferische Absturz, in den alles gezogen wird, entbehrt dabei des alten
melancholischen Wissens, daß der gefallenen Natur und der Schädelstätte, als den Umschlagpunkten
der Geschichte, das Heil entspringt.“139

Was wurde eigentlich aus der Natur als Spiegel der Seele in den 60ern und 70er Jahren? Die
„gefallene Natur“, der kein „Heil entspringt“, wie Böhme bemerkte, hat sich in dieser Zeit
                                                        
137
Smithson
138
Boettger 2002, S. 223.
139
Böhme 1988. Zugl.: URL: http://www.culture.hu-berlin.de/hb/static/archiv/volltexte/texte/
natsub/melancho.html [01.07.2013]

  63 
vollkommen entfaltet. Landschaftsdarstellungen in der Malerei waren bereits lange vorher
von einem melancholischen Ton begleitet. Auch in der Land-Art hat sich das nicht verändert.
Das Melancholische ist aber nur in einigen Fällen (beispielsweise Ana Mendieta) ein
romantisches Zurück-Wollen zu einer ganzheitlichen Natur. Das Menschengemachte in der
Natur wird nun selbst thematisiert, oftmals in Negativformen wie etwa in Gräben und Löchern.
In der Natur spiegelt sich Mensch nun immer seltener im Anderen und Fremden wider – sie ist
durch und durch menschlich besetzt, modifiziert und naturwissenschaftlich in chemischen
Formeln aufgeschlüsselt.

  64 
5.1.1 1969: „Die Fragen, die die Spiegel stellen, reichen nie bis zu Antworten.

Spiegel gedeihen im Irrationalen und erzeugen Unfähigkeit. Reflexionen fallen ohne Logik auf die Spiegel und
widersprechen so jeder rationalen Behauptung. Unbeschreibbare Grenzen sind auf der anderen Seite der
Begebenheiten, sie werden nie verstanden werden.“140

Die Suche nach der Bedeutung des Menschen in der Natur und die Verwirrung über die
eigene Naturzugehörigkeit sind seit einiger Zeit in vielen Kunstwerken merklich
hervorgetreten. Der Spiegel dient als narzisstisches Instrumentarium der Selbstsuche und
Selbsterkenntnis. Dem Publikum bei Performances entgegengehalten, enttäuscht er
Erwartungshaltungen. Die Natur als Spiegel, die reine Abbildung der Natur hat sich
verabschiedet. Das Erlebnis der BetrachterInnen innerhalb von Kunstwerken, die Naturnähe
ausstrahlen, ersetzt das Erlebnis von Natur selbst.

So ist es wenig verwunderlich, dass bei unterschiedlichen KünstlerInnen, die sich in


den 60ern und 70ern den Themen der Landschaft anzunähern versuchten, der Spiegel auch
als tatsächlicher Gegenstand auftaucht. Mehr als früher, stellt sich damit die Frage, welche
Rolle der Mensch im Gefüge der Umwelt eigentlich spielt.

Ab 1969, dem Jahr in dem die Apollo 11 auf dem Mond landete, taucht der Spiegel bei
vier sehr unterschiedlichen KünstlerInnen im Zusammenhang mit der Landschaft auf. Im
Kontext der Performance-Kunst trifft man den Spiegel bei Joan Jonas und Ana Mendieta.
Beinahe surrealistisch löst Jonas den BetrachterInnen-Blick in ihrem Performance-Video Mirror
Piece I (1969) auf. Das Video dokumentierte eine Performance, in der TänzerInnen den
ZuschauerInnen mit langsamen Bewegungen in einer Landschaft Spiegel entgegenhielten.141
Ana Mendieta filmte sich ebenso in der Landschaft für ihr Video Mirage selbst: Nackt und mit
Baby-Bauch beobachtet sie sich selbst im Spiegel, bis sie beginnt ihre Bauchprothese mit
einem Messer zu durchlöchern und aus ihr weiße Hühnerfedern herausquellen.142

Auch der britische Fotograf Keith Arnatt, ein eher unbekannter Künstler, der sich selbst
für einige Selbstbegräbnisse in die Erde versinken ließ, hantiert für seine Fotos mit Spiegeln.
Im selben Jahr wie Jonas Mirror Piece I, vergrub sich Arnatt für sein Self-Burial with Mirror. Vor
Arnatts ansonsten gänzlich vergrabenen Körper platzierte er einen Spiegel, in dem er sein
eigenes Gesicht beobachten konnte. Sein Blick scheint aber via Spiegel in die Kameralinse zu
                                                        
140
Smithson, Robert: Begebenheiten auf einer Spiegel-Reise in Yucatan. (1969) In: Smithson 2000, S. 147.
141
Trotman, Nat: Mirror Piece. URL: http://www.guggenheim.org/new-york/collections/collection-
online/artwork/24749 [15.06.2013]
142
Mendieta. URL: http://www.alisonjacquesgallery.com/artists/47-Ana-Mendieta/overview/ [15.06.2013]

  65 
lugen. Überhaupt ist zu bedenken, dass die Kamera im Einsatz performativer Arbeiten ja stets
auch eine Spiegelfunktion übernimmt. Fotos und Videos von Performances ermöglichen, wie
alle selbstintendierten Aufnahmen, den Moment des Abgleichens, des Kontrollierens und
Verstehens der eigenen Performance durch die PerformerInnen selbst. Arnatts
Selbstbegräbnisse haben allerdings einen humoristischen Unterton, der die Schwere seiner
Thematik erleichtert und ein wenig den Pathos vom Erdmaterial nehmen. Spiegel, Mensch
und Landschaft in ihrer Kombination sind ein Versuch des Positionierens, des Verstehens.

Auch Robert Morris, der sogar seine minimalistischen Würfel mit Spiegelglas
überzogen hatte, filmte für ein neunminütigen Film mit dem Titel Mirror 1969, in dem der
Künstler einen Spiegel vor seinen Körper hält, der diesen partiell zur Landschaft werden
lässt.143

Und schließlich platzierte auch Robert Smithson Spiegel in der Landschaft oder
schüttete Erde auf sie. Smithson Nine Mirror Displacements, erschienen ebenfalls 1969,
gemeinsam mit seinem Text Incidents of Mirror Travel in Yucatan. Bereits in früheren Arbeiten
hatte Smithson Spiegel auf die Erde gelegt und somit „Erdfenster“ erzeugt, die Löcher aus
Wolkengestaden in die Erdoberfläche rissen.144

                                                        
143
Ends of Earth 2012, S. 221.
144
Reynolds 2005, S. 179.

  66 
Abb. 11: Robert Smithson, Nine Mirror Abb. 12: Robert Morris, Mirror, 16 mm Film-Still, 9
Displacements, je Druck 61 x 61 cm, 1969, min, 1969, Besitz des Künstlers
Guggenheim Museum, New York

Abb. 13: Joan Jonas: Mirror Piece 1, Abb. 14: Ana Mendieta, Mirage, Video-Still aus
Video-Still aus Performance-Video, Performance-Video, 1974, The Estate of Ana Mendieta
Druck, 101 x 55, 6 cm, 1969, Collection
Guggenheim Museum, New York

  67 
Abb. 15: Keith Arnatt, Self Burial with Mirror, 1969,
Druck, 127 x 127 cm

  68 
II

KLUFT – ÖFFNUNG -HÖHLUNG

„Die ,Bohrung’, als ein eigener Schritt im Rahmen der Erschließung des Ortes
betrachtet, besitzt einen ästhetischen Wert. Sie ist ein „unsichtbares“ Loch und
könnte mit Carl Andres Motto definiert werden: ,Ein Ding ist ein Loch in einem
Ding, das es nicht ist.’ ‚Bohrungen’ und andere ,Erdarbeiten’ werden immer
wichtiger für Künstler. Gepflasterte Flächen, Löcher, Gräben, Hügel, Haufen, Wege,
Rinnen, Straßen, Terrassen usw. besitzen alle ein ästhetisches Potential.“145

                                                        
145
Robert, Smithson: Anmerkungen zur Erschließung eines Flughafengeländes. (1967) In: Robert Smithson.
Gesammelte Schriften. Übers. v. Christoph Hollender. Hrsg. v. Eva Schmidt/ Kai Vöckler. Wien 2000.
  69 
 
Abb. 16: Michael Heizer, N/NESW (Norden/NorthEasthSouthWest), 122 x 122 x 122 cm, 1967, Sierra
Mountains, Nevada, zerstört

  70 
 
6 Prolog: Anthropogene und anthropomorphe Depressionen:
geomorphologisch und psychologisch

Die mittelalterliche Viersäftelehre (Humoralpathologie) brachte die Melancholie mit dem


Saft der „schwarzen Galle“ in Verbindung. Diese wiederum entsprach dem Element der
Erde und stand unter dem Einfluss des Planeten Saturns.146 Im Laufe des 20. Jahrhunderts
wurde die Melancholie vom Begriff der „Depression“ abgelöst.

Auch die Geologie kennt Depressionen: Für die Geomorphologie sind das
anthropogene Landschaften, die durch menschlichen Einfluss auf die Oberflächenform der
Erde entstanden sind. 147 Nach wikipedia sind heute „je nach Betrachtungsweise rund 50% bis
70 % aller Landschaften anthropogen beeinflusst“. Sowohl die kahlen Hügel Schottlands, die
ursprünglich bewaldet waren, also auch die deutschen Wälder mit ihren fast ausnahmslos
im 19. Jahrhundert angelegten Forsten, zählen zu den Beispielen anthropogener
Landschaften.148 Geht es nach AnhängerInnen der Idee des Zeitalters des Anthropozäns149
beeinflusst der Mensch bereits über 90 Prozent des Pflanzenwachstums und hinterlässt
seinen CO₂- Fußabdruck an jeder denkbaren Stelle der Welt.150

Anthropogene Depressionen (Senken) entstehen durch die Bewegung von


Erdmassen durch den Menschen bzw. durch aufgelassene Tagebaugruben und
eingestürzte Stollen.151

                                                        
146
Böhme, Hartmut: Kritik der Melancholie und Melancholie der Kritik. In: Ders.: Natur und Subjekt. Frankfurt
am Main: 1988. Zugl.: http://www.culture.hu-
berlin.de/hb/static/archiv/volltexte/texte/natsub/melancho.html [15.06.2013]
147
wikipedia: Anthropgenetische Geomorphologie. URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/Anthropogenetische_Geomorphologie [15.06.2013]
148
wikipedia: Anthropogene Landschaft. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Anthropogene_Landschaft
[15.06.2013]
149
„Der Begriff Anthropozän – Menschenzeit – soll zum Ausdruck bringen, dass wir die erdgeschichtlich
relativ stabile Epoche des Holozäns hinter uns gelassen haben und etwa seit dem Jahr 1800 in eine neue
Epoche eingetreten sind, in der der Mensch zum dominierenden geologischen Faktor geworden ist. Das
kann man an vielen Punkten festmachen: Mehr als 90 Prozent allen Pflanzenwachstums findet in
Systemen statt, die der Mensch beeinflusst, 90 Prozent der Biomasse aller lebenden Säugetiere werden
vom Menschen und seinen Haustieren gestellt, und mehr als drei Viertel der eisfreien Landoberfläche
sind nicht mehr im ursprünglichen Zustand.“ Reinhold Leinfelder zit. n.: Schnabel, Ulrich: Wir Weltgärtner.
In: DIE ZEIT (Hamburg) vom 10.01.2013 URL: http://www.zeit.de/2013/03/Anthropozaen-Projekt-Berlin-
HKW-Leinfelder [17.06.2013]
150
ebd.
151
wikipedia: Senke. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Senke_(Geographie) [15.06.2013]
  71 
 
Nicht nur, dass die Melancholie lange mit dem Element der Erde eng verbunden
gedacht wurde. In der Aufschlüsselung der „Depression“ aus dem Lateinischen, entfaltet
sich die Verbindungen von Erde, Pflug, Unterdrückung und dem Dumpfen,
Niedergeschlagenen erst vollends. „Depressus“ kommt von „deprimo“, seine
Primärbedeutung meint „nieder- bzw. herabdrücken“. Mitunter steht der Begriff auch mit
(tief) „hineingraben“, „einsinken“, „versinken“ und „demoralisieren“ in Verbindung.152

Das Irdene, Erdige liegt unter dem aktiven „deprimo“ (Niederdrücken), dass worauf
diese Kraft ausgeübt wurde ist das passive „depressus“. Von welchen Depressionen –
geomorphologisch oder psychologisch – auch immer gesprochen wird, sie wirken von und
auf den Menschen, sie stammen von ihm.

Der melancholische Ton, mit dem viele der Earthworks operieren, wird erzeugt
durch die gewaltsame Geste der Offenlegungen von Erdformationen. Die Löcher liegen
nackt und einsam da, Erdhaufen bleiben in ihrem ersten Zustand des Herausgebaggerten.
Das Graben der KünstlerInnen in der Erde erzeugte Löcher oder sie arbeiteten mit Löchern.
Ein Loch ist ein Negativ und das Graben ist ein Suchen. Wenn nun in den Löchern nichts
gefunden wird und sie als solche, als Resultate eines scheinbar sinnlosen Grabens (eines
Grabens nur um des Grabens Willen) als Öffnungen zurückbleiben, dann wird dieser
Unsinn offenbar. Diese Offenbarwerdung schmerzt und fördert das Melancholische zutage,
was in den Depressionen und Negativen der Erdhöhlen begründet liegt.

                                                        
152
„deprimo“. In: Stowasser. Österreichische Schulausgabe. Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch. Wien:
1997, S. 150.
  72 
 
Abb. 17: Lucas Cranach d. Ä.: Melancholie, Öl auf Leinwand, 1532, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen

  73 
 
7 Bergbau, Leib und Vagina Dentata. Zur Psychologie der Löcher bei
Robert Smithson

Die Vorstellung, dass die Erde mütterlich und weiblich ist, ist so alt wie die Menschheit. Sie
erklärt die Tabuisierungen, die mit der „Verletzung“ und der technischen Beherrschbarkeit
der Erde einhergehen. In Hesiods Theogonie gebar Gaia (Erde) den Himmel (Uranos) und
aus ihrer Heirat entsprang alles weitere Leben. Das Sexuelle, Gebärende, Mutterhafte und
Nährende liegt im ersten Nachdenken über die Erde begründet. Später als in Griechenland
Gaia von Demeter, der Göttin des Ackerbaus abgelöst wurde, setzte sich die Zuschreibung
der nährenden Mutter noch weiter fort. Auch andere Kulturen kannten und kennen
Erdmutterkulte, in manchen ist deswegen ein Pflügen des Erdbodens nicht gestattet.153
Der Religionswissenschaftler Mircea Eliade berichtet von einem indianischen Propheten
des Umahilla-Stammes, der sich gegen das Umgraben der Erde aussprach:
„Es ist eine Sünde, unser aller Mutter Erde durch Ackerarbeit zu verwunden oder zu schneiden, zu
zerreißen oder zu kratzen. [...] Ich soll den Boden bearbeiten? Würde ich ein Messer nehmen und es
meiner Mutter in den Schoß stoßen? Ich soll umgraben und die Steine herauswerfen? Würde ich ihr
Fleisch aufschneiden, um ihre Knochen freizulegen?“154

Während manche KritikerInnen Land-Art als ein Zurück-in-die-Natur werteten und für
politisches Engagement deuteten, wurden hier und da auch kritische Stimmen laut. Im
Sinne der Leibmetaphorik, also der Vorstellung der Erde als Körper, wurde gegenüber der
Land-Art Kritik vorgebracht. Am 12. März 1972 erschien in der New York Times ein Artikel
von Grace Glueck mit dem Titel Künstler als Beistand für Mutter Erde. Grace Glueck
berichtete darin von dem Maler Alan Gussow, den Glueck darin einen „spirituellen
Führer“ nennt. Dieser Artikel war für Smithson ein derartiges Ärgernis, dass er ihn direkt in
seinem Olmsted-Text thematisiert und Gussows Aussagen gegenüber der Natur als
„nebulösen Transzendentalismus“ betitelt. Alan Gussows Bewertung der Land-Art im
Vergleich zur naturalistischen Landschaftsmalerei sah in seinem Buch A Sense of Place:
Artists and the American Land, welches im Verlag der „Friends of Earth“ erschienen war,
folgend aus: „Diese Künstler machen Orte sichtbar, sie kommunizieren ihren Geist – anders als
                                                        
153
Eliade, Mircea: Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte. Frankfurt am Main: 1986,
S. 275.
154
Prophet Smohalla zit. n.: Ebd., S. 282f.
  74 
 
die Earthworks-Künstler, die die Erde aufsprengen und aushöhlen wie ein Bataillon von
Ingenieurtruppen. Was wir brauchen, sind lyrische Dichter, die die Erde preisen.“155

Kurzerhand befindet Smithson, dass Gussow von einem Ökologischen


Ödipuskomplex befallen sei, der ihn zu einer Hasstirade veranlasst: „Diese Art von
Spiritualität ist, was Rollo May in Power and Innocence als eine ,Pseudounschuld’ bezeichnet
die nur zu Pseudospiritualität und Pseudokunst führen kann. May spricht von einer Tendenz,
die Augen vor dem Bösen der Welt zu verschließen’“156 Wiederum befindet man sich damit
mitten im Žižek’schen Denkkosmos, der diese Meinung Smithsons mit Bestimmtheit teilen
würde. Im Sinne Žižeks und anderen Philosophen mit ausschließlich anthropozentrischer
Weltsicht, sind derlei Sentimentalisierungen oder Vermenschlichungen des ErdKÖRPERS
keine Lösung angesichts des Zeitalters des Anthropozäns, in dem wir gegenwärtig leben,
und werden als Ideologien zur Augenauswischerei des eigentlichen ökologischen
Problems gesehen.

Smithsons Reaktion auf Gussow ist auch deswegen interessant, weil er selbst
wiederum eine Fährte auf den Weg in das Sexuelle im Zusammenhang mit der Erde legt
und seinem Feind „persönliche sexuelle Ängste“ attestiert. Mittels der Kulturgeschichte des
Bergbaus lässt sich die Sexualisierung der Erde und das Problem ihrer technischen
Beherrschung, die immer wieder als Penetration gedeutet wurde, am besten aufzeigen.
Smithson interessierte sich ja selbst für verlassene Bergbauwerke, wie etwa seine Pläne für
das Bingham Kohlenbergbau-Werk beweisen. Der Entwurf für dieses Projekt stammt aus
der Zeit kurz vor seinem tragischen Unfalltod. In einem Schreiben über das geplante
Projekt wollte Smithson Finanziers aus der Wirtschaft mobilisieren und befand sogar, dass
Kunst in dieser Größenordnung immer seitens der Industrie gefördert werden sollte um sie
aus der Isolation der Kunstwelt zu befreien.157 Bei dem geplanten Projekt handelte es sich
um eine Rekultivierung der größten Tagebau-Stätte Amerikas. Smithsons Collage zeigt die
strudelartige Form, die die Abtragungen der Erde nach Jahren des Bergbaubetriebes
hinterlassen haben. Am Boden des Loches plante er, offene Wellenformen zu designen.
Die Bingham Copper Pit war zu jener Zeit das größte menschengemachte Loch. Timothy D.
Martin übt zu Recht Kritik an Smithsons Projekt, wenn er darin dessen Kapitulation vor den

                                                        
155
Alan Gussow zit. n.: Smithson, Frederik Law Olmsted 1973, S. 197.
156
Ebd., S. 198.
157
Smitson, Robert: Entwurf. In: Smithson 2000, S. 190f.
  75 
 
Großindustriellen sah. Smithson wollte aus dem Loch einen Garten wachsen lassen um aus
den Industriellen einen Affekt gegenüber den Parks und der Natur hervorzulocken. Die
Aufschüttung der ganzen zuvor abgetragenen Erde wollte Smithson mit dem Geld der
Industriellen bezahlt wissen.158

Abgesehen davon, dass Smithson die Kritik der Bearbeitung der Erde durch
technische Geräte als Pseudospiritualität ins Lächerliche zog, ist es doch etwas schwierig,
in den vielen gegrabenen Löchern der Land-Art-KünstlerInnen nicht auch etwas Sexuelles
zu sehen. Das Loch und das Sexuelle sind freilich eng verknüpft, bestimmt noch enger als
die Vorstellung des Zusammenhangs von Erde und Leib. Die Verschränkung aller vier
ergibt dann das, was Smithson einen ökologischen Ödipuskomplex nennt. Löcher, Ritzen
und Schlitze wurden beispielsweise auch in der Malerei, man denke nur an die durchritze
Bildfläche Fontanas, besonders von feministischer Seite als aggressiv-sexuellen Akt
gedeutet.

Das Problem beim Sprechen über Löcher bildet sich aus mehreren Sachverhalten
heraus. Ein Loch ist in erster Linie nichts. Es zeigt an, dass Etwas nicht da ist, da es fehlt. Es
sagt, dass einmal etwas war und wieder da sein könnte. Auch das Nichts ist – wenn man es
auch nicht anfassen kann, so kann man es als Fehlendes doch sehen. Das Loch ist in seinen
Zuschreibungen sexuell und hatte hier und da angsteinflößende Wirkung, es ist Abgrund
und unbekanntes Terrain. Glaubt man Marina Abramovičs Film Balkan Erotic Epic159 (2005),
so werden in manchen ruralen Gegenden Serbiens die Äcker und Felder noch immer mit
dem Sperma der Bauern als wachstumsfördernde Maßnahme besamt. In dem Video sieht
man unter anderem Männer, die den Erdboden penetrieren und sich dadurch eine
ertragreichere Ernte erhoffen. Dieses Beispiel soll nur offen legen, dass in vielerlei
möglichen Blickrichtungen, sexuelle Projektionen auf Erde und Vegetation noch immer tief
verankert sind. Auch der archaische Akt des Grabens hinterlässt Löcher. Dies sind Plätze
unheimlicher Entdeckungen und/oder Raum um Neues entstehen zu lassen. In William
Bryant Logans Buch Dirt. The Ecstatic Skin of Earth heißt es zu Löchern:
„There are holes for putting in. You put in seed, rootballs, drainage, tiles, foundations, treasure, the
dead. There are holes for taking out. You take out water, potash, peat, kaolin, potatoes, zinc, oil, the

                                                        
158
Martin 2011, S. 171.
159
Online zu sehen: http://milkandcookies.com/link/137083 [20.06.2013]
  76 
 
hidden treasures, the ancient dead. Whatever has come out will eventually go back in again.
Whatever has gone in will sooner or later come back out.“160

Am deutlichsten arbeitet Hartmut Böhme in seinem Text Geheime Macht im Schoß


der Erde heraus, wie im europäischen Bergbau der Akt des Grabens und Sprengens
Untertage mit Sexualität verknüpft wurde – allerdings in einer angsteinflößenden
Negativenergie, die von der Grube des Berginneren, wie von einer bezahnten Vagina
(vagina dentata) ausgegangen ist. Der Versuch die Penetration der Erde aufgrund ödipaler
Zuschreibungen zu rechtfertigen, ist eine weitaus ältere Geschichte als sich Smithson
vielleicht bewusst war. Böhme arbeitet heraus, dass der Bergbau beispielsweise in der
romantischen Literatur E.T.A. Hoffmanns nochmals dazu verwendet wurde, um das
Verhältnis von Mensch und Natur darzustellen. Wenn Hoffmanns Hauptfigur aus Die
Bergwerke zu Falun, Elis Fröbom, seine unterdrückten sexuellen Begierden im Inneren des
Berges bei der Märchenfigur der Bergkönigin zum Vorschein kehrt, dann ist dies auch ein
Zeichen der Unheimlichkeiten bürgerlicher Sexualität, die Frage nach dem eigenen
Natursein und Verarbeitungsversuche der zunehmenden Industrialisierung und
Technisierung der Gesellschaft. Hoffmanns Hauptfigur im Bergesinneren eine Art
romantischen Wahnsinns. „Wahnsinn aber ist hier bei Hoffmann die Wiederkehr der
Bedeutsamkeit der Natur“161 Weiter heißt es bei Böhme:
„Die romantischen Erzählungen verdeutlichen, daß die männlichen Phantasmen über die Symbiose
mit dem mütterlichen Erdleib nahezu unausweichlich zurückführen in die historische Vorgeschichte
des Subjekts, wo dieses noch nicht autonom setzte und die Natur noch nicht technisch zu
beherrschen gelernt hatte. Indem die Romantiker Geschichten erzählen von psychotischen
Durchbrüchen, in denen die domina mater, die Venus-Bergkönigin, wiederersteht, behaupten sie
umgekehrt – und das ist ihre Kritik der Aufklärung -, daß die Bildung des Vernunftsubjekts in eins mit
Strategien der Naturbeherrschung zu sehen ist.162

Ein Auszug aus dem Olmsted Text macht Smithsons Haltung gegenüber der
Leibmetaphorik der Erde deutlich:
                                                        
160
Logan, William Bryant: Dirt. The Ecstatic skin of the Earth. New York 2007, S. 75.
161
Böhme, Hartmut: Geheime Macht im Schoß der Erde. Das Symbolfeld des Bergbaus zwischen
Sozialgeschichte und Psychohistorie. Für Horst Bredekamp. In: Ders.: Natur und Subjekt. Frankfurt am
Main 1988, S. 67-144. (edition suhrkamp. 1470) Zugl. URL: http://www.culture.hu-
berlin.de/hb/static/archiv/volltexte/texte/natsub/geheim.html [01.07.2013]
162
Ebd.
  77 
 
„Gussows Projektion der ,Ingenieurtruppen’ auf seine Vorstellung von ,Earthworks-Künstlern’ scheint
in Zusammenhang mit seinen persönlichen sexuellen Ängsten zu stehen. So erklärt Paul Shepard in
Man in Landscape: ,Diese Ingenieurtruppen bilden offenbar das entgegengesetzte Extrem
gegenüber dem Ästheten, der bemüht ist, seine Sexualität wegzuästhetisieren. Doch die Autorität
und Macht der Ingenieurtruppen über die Gestalt der Landschaft versinnbildlicht die Kraft der
sexuellen Aggression – und vielleicht auch die Schuld.’ Ein ästhetischer naturalistischer Künstler wie
Gussow (er malt mediokre impressionistische Bilder) ist nicht imstande, die Möglichkeit direkter
organischer Eingriffe in die Landschaft ohne Gewalt zu denken. Der Spiritualismus vergrößert die
Kluft zwischen Mensch und Natur. Wie ein Farmer, ein Bergarbeiter oder ein Künstler mit Landschaft
umgeht, hängt davon ab, inwieweit er sich selbst als Teil der Natur begreift; schließlich besteht Sex
auch nicht nur aus einer Kette von Vergewaltigungen. Der Farmer oder Ingenieur, die die Erde
aufbricht, kann sie kultivieren oder verwüsten. Die Natur in ihrer Abgehobenheit von lyrischen
Gedichten und Landschaftsmalerei darzustellen, ist etwas anderes als die unmittelbare Kultivierung
von Erde. Wenn die Betreiber von Tagebaugruben weniger von der Natur in ihnen selbst entfremdet
und von sexueller Aggression beherrscht wären, würde dort Kultivierung stattfinden.“163

Auch wenn Smithson Gussow Pseudospiritualität vorwarf, hielt er doch auch selbst an dem
Vergleich des sexuellen Aktes und der Bergwerksarbeit, der Landwirtschaftsarbeit und der
Arbeit der Land-Art-KünstlerInnen fest und begann etwa, die Besitzer der
Bergwerksgruben zu psychologisieren.

Ähnlich wie bei Hoffmanns Hauptfigur Elis: „Unten liegt mein Schatz, mein Leben
mein alles. Da will ich wühlen und bohren und arbeiten und das Licht des Tages fürder nicht
mehr schauen!“ 164
kreiert auch Smithson ein psychopathologisches Attest der
vermeintlichen HauptdarstellerInnen auf der ökologischen Bühne. Auf der einen Seite sah
er die Neurosen der ökologischen Bewegung und auf der anderen Seite die Perversionen
der kapitalistischen Industriellen. Smithson sah in der Anthropomorphisierung der Erde
seitens der ÖkologInnen und ihre technische Bearbeitung die Erzeugung eines Tabus, das
erst aufzeigen würde, dass diejenigen, die diese Assoziationen hergestellt haben, selbst
unter einer unterdrückten Sexualität leiden würden. Das schlechte Gewissen gegenüber
der Umweltzerstörung der ökologischen Bewegung liege daran, dass sie sich selbst
mitschuldig fühlen, da sie selbst auch von den technischen Möglichkeiten, die Entwicklung
mit sich gebracht hat, profitieren würden. Auf der anderen Seite sah er die Industriellen in
                                                        
163
Smithson, Frederik Law Olmsted 1973, S. 198.
164
E.T.A. Hoffmann zit. n.: Eichler, Thomas (Hrsg.): Das Bergwerk zu Falun. Varianten eines literarischen Stoffes.
Münster 1991. (Literatur im Kontext. 1), S. 30.
  78 
 
ihrer sadistischen Art, mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Sie waren seiner
Meinung nach blind gegenüber ihrem eigenen Natursein. Smithson sah im Bergarbeiter
jemanden, der, durch die Abstraktion der Technik, nicht mehr mit seinem eigenen
Natursein beschäftigt war und es darüber hinaus vergaß.165

Sexualität, Tod, Wahnsinn, Neurosen, Sadismus werden in einem unvergleichlichen


Komplex auf den Themenfeldern des Loches, des Erdkörpers und des Bergbaus
ausgetragen. Der Kern der moralisierenden Mahnungen gegen die „Erdpenetrationen“ ist
zugegebener Weise befremdlich. Smithson hielt die Vorstellung der Leibmetaphorik der
Erde in seinem Olmsted-Text lebendig. Das Sprießende, Wachsende, Regenerierende ist
die positive Seite dieser Sexualisierungen der Natur. Auf der anderen Seite, und darin zeigt
sich wohl ein wesentlicheres Problem, musste die sexuelle Beziehung, die der Mensch zur
Natur durch Kultivierung pflegt, ebenso moralisch gerechtfertigt werden. Das muss sie,
angesichts der vielen Diskussionen rund um die Land-Art-Projekte, heute noch. Diese
Rechtfertigung lebt auch in Robert Smithsons regem Nachdenken über Begriffe wie Natur
und Kultur und seinem augenscheinlich aufrichtigem Interesse einen richtigen Weg zu
finden und niemandem, weder den Industriellen noch den extremen ÖkologInnen auf den
Leim zu gehen. Intuitiv wusste Smithsons, dass es im Prinzip darum gehen sollte, mit der
Welt, wie sie sich uns heute erschließt, zu arbeiten. Dabei galt es in dieser melancholischen
Ernüchterung nichts zu übersehen und die eigene Meinung gegebenenfalls auch für
Revidierungen offen zu halten. Man mag Smithson vor allem in seinen Seitenhieben
gegenüber der ökologischen Bewegung und seinen sicherlich teilweise ökologisch auch
zurecht verurteilten Projektvorhaben vorwerfen, in einer blinden Machtgeste seine
Möglichkeiten in etwas machistischer Art und Weise durchzusetzen versucht zu haben.
Inmitten der ereignisreiche 60er Jahre, man bedenke die Mondlandung 1969 und die sich
zum Rückzug aus dem Vietnam-Krieg aufmachenden US-Soldaten, drängten sich der
Bevölkerung ökologische Themen erstmals im Zuge richtiggehender ökologischer
Bewegungen auf. Vor allem die Mondlandung der Apollo 11 war ein dermaßen
entscheidender Wendepunkt in der Wahrnehmung der Erde durch den Menschen. Nun
war der Menschheit sogar die Erde zu klein geworden. In dem Taumel vom Menschen als
Alleskönner und Alleskönnerin wurde, ganzheitlich betrachtet, freilich oft vergessen, dass
eine derartige Entwicklung der menschlichen Spezies, vor allem auch von der
                                                        
165
Martin 2011, S. 171f.
  79 
 
menschlichen Umwelt bedingt, überhaupt erst möglich werden konnte. Man könnte die
moralischen Anflüge gegenüber „Mutter Natur“ freilich abseits von Sexualitätsmetaphern
auch auf eine einfachere Gleichung bringen und die Frage stellen, ob die selbst
auferlegten Schuldzuweisungen der Menschen eventuell daher rühren könnten, dass der
Mensch als höheres Tier die Fähigkeit besitzt, wenn er etwas genommen hat, was ihm
nicht gehört, ein Schuldgefühl zu entwickeln, mag es teilweise auch nur ein kollektives
sein. Viele KritikerInnen, die aus dem anthropozentrischen Lager stammen, wie im Übrigen
auch Robert Smithson, argumentieren oft mit der Indifferenz anderer Arten und der Natur
als solche gegenüber dem Menschen. Das soll noch lange nicht bedeuten, dass die
Menschheit allein wegen des Bildes von einer von Grunde her „bestialischen“ Natur ihr
gegenüber ebenso indifferent sein soll. Wir leben in Symbolen und Bedeutungsordnungen,
deren Werte sich ständig ändern. Auf den Grund und Ursprung der Dinge zu schauen,
kann auch im Zeitalter menschlicher Allmachtsphantasien – Stichwort Gentechnik – nicht
falsch sein.

In Smithsons Denkprozessen und Überlegungen wird erkenntlich, wie sehr sich die
ganze Sache bei genauerem Hinblicken bereits verkompliziert hat. Blinde Technikkritik lag
nicht in Smithsons Interesse, er wusste, dass die Zeit gekommen war, um mit dem, was
bereits da ist, umgehen zu müssen. Dazu zählen nun mal auch die Industriegebiete, die
weder oberflächlich und heuchlerisch unkenntlich zu machen irgendeinen Sinn ergäbe.

  80 
 
Abb.18: Robert Smithson, Bingham Copper Mining Pit, Utah Reclamation Project, Collage, 52 x 78
cm, 1973

  81 
 
8 Major Depressions: Michael Heizers anthropogene Senken. Double
Negativ und Munich Depression

„In the desert I can find that kind of unraped, peaceful, religious space
artists have always tried to put in their work.“166

„Es ist oft gesagt worden, dass die Land Art – wahrscheinlich ähnlich wie in seiner
Blütezeit der Abstrakte Expressionismus – eine der machohaftesten Kunstrichtungen der
Nachkriegszeit gewesene sei. Über ihren ersten Ausprägungen lag der Dunst von Diesel
und Staub; hier tummelten sich Männer mit Schutzhelm-Mentalität, die ihre Identität
fernab der Behaglichkeit von Kulturzentren fanden, die Löcher gruben und Schneisen in
Felsvorsprünge sprengten, die das Land mit ,maskuliner’ Gleichgültigkeit und ohne Blick
für die Zukunft umformten.“167

„Die Leere der Ebene erfüllt eine politische Funktion, die unterhalb der
Bewusstseinsgrenze bleibt. Sie impliziert – ohne dass es gesagt zu werden bräuchte -,
dass sie ein Bereich ist, in dem eine bestimmte Form der Beherrschung möglich ist, in
dem eine Person vollkommen auf sich gestellt bleiben kann, allein und als ihr eigener
Herr.“168

„Heizer is a ,one idea’ artist who hasn´t contributed much“.169

Wenn Robert Smithson der schreibende, denkende, alles abwägende und hinterfragende
Pläneschmieder war, so war Michael Heizer eher ein Künstler der Sorte des praktischen
Machers. Die beiden Freunde bereisten gemeinsam mit Smithsons Ehefrau Nancy Holt die
Wüsten und Naturschutzgebiete Amerikas und hielten nach Orten für mögliche Projekte
Ausschau. Heizers familiärer Hintergrund wird oft erwähnt. Sein Vater war Archäologe und
                                                        
166
Michael Heizer zit. n.: Boettger 2002, S. 185.
167
Kastner, Jeffrey: Land und Environmental Art. Hrsg. v. Ders.. Berlin 2004, S. 15.
168
Tomkins, Jane: Language and Landscape. An Ontology for the Western. In: Artforum Bd. 62. Nr. 28 (1990), S.
96-99. Zit. n.: Wallis 2004, S. 29.
169
Joseph Kosuth zit. n.: Rosen, Philipp von: Outside and Inside the White Cube. Michael Heizer. München
2005, S. 7.
  82 
 
Anthropologe, der den Sohn bereits im Kindesalter auf ausgedehnte archäologische
Forschungsreisen mitgenommen hatte.170

Heizers Arbeiten sind von beachtlichen Ausmaßen. Seine gigantomanischen


Riesenskulpturen waren an Radikalität und Monumentalität unüberboten und erforderten
die Sprengung und Umschichtungen von tausenden Tonnen Erde. Das Maschinelle gehört
mit einem großen Selbstverständnis zu Heizers Schaffen. Er erntete besonders dafür
allerdings auch immer wieder Kritik. Ökologische Fragestellungen tauchen in Heizers
Schaffen nicht auf, er negiert sie eher. Mit unterschiedlichen Mitteln riss und grub er
repetitiv Negative, Senken und Gruben in den Erdboden, die teilweise für die
BetrachterInnen begehbar waren.

Während Künstler wie Richard Long den Prozess der menschlichen Einschreibung
in die Natur mit seiner A line made by walking (1967) in dezenter Art und Weise vornahmen,
half sich Heizer lieber maschinell. Der Brite Richard Long ging auf einem Feld in Wiltshire
die selbe Strecke immer wieder auf und ab, bis seine Tritte als Pfad sichtbar wurden. Dies
konnte mehrere Stunden lang dauern.171 Heizer hatte eine ähnliche Idee. 1970 ließ er
nördlich von Las Vegas Motorradfahrer Kreise in die staubige Erde eines ausgetrockneten
Sees zeichnen.172 Sein Circular Surface Planar Displacement Drawing und einige Primitive
Dye Paintings waren, bereits ihrem Namen nach erkennbar, mitunter an die Geoglyphen173
der Nazca Indianer Perus angelehnt.

Bei Heizer spielen die Einschreibungen in die leeren Flächen, die er ja selbst mit den
Assoziationen der Virginität in Verbindung brachte, im Sinne der Dominierung eine Rolle.
Für eine seiner Arbeiten ließ er Gräben ausheben, deren Anordnung er durch das
Fallenlassen von Streichhölzern auf ein Blatt Papier erhalten hatte. 174 Für Heizer sind
Landschaft bzw. Wüste mit Leinwand und Papier äquivalent. Diese Spaltungen, die
einerseits an die durchschnitten Leinwände Lucio Fontanas und andererseits an das

                                                        
170
Rosen 2005, S. 12.
171
http://www.tate.org.uk/art/artworks/long-a-line-made-by-walking-p07149 [24.04.2013]
172
Boettger 2002, S. 216.
173
Bei den Geoglyphen handelt es sich um teils Kilometer-lange in die Erde gescharrte Figuren und Linien,
die 500 v. bis 500 n. Chr. entstanden sind. Sie zählen heute zum UNESCO Weltkulturerbe. Lines and
Geoglyphs of Nasca and Pampas de Jumana. URL: http://whc.unesco.org/en/list/700 [10.5.2013]
174
Wallis 2004, S. 29.
  83 
 
durchgeschnittene Haus Gordon Matta-Clarks erinnern, entkommen dieser als männlich
verstanden Geste selbstverständlich nicht.

Abgesehen von derlei machistischen Zuschreibungen, berühren Heizers Arbeiten


und machen melancholisch. Sein Hauptinteresse galt ganz offensichtlich der Negation des
Raumes und dem Verschwindenlassen des Objekthaften. Seine minimalistischen Formen,
die er als Einschnitte in die Erde vornahm, sah er in einem Wiederstreit mit ihrer
natürlichen Umgebung: „In dem Maß, wie das Physische verfällt, wuchert das Abstrakte,
wodurch sich die Standpunkte verändern.“175 Zwei seiner Hauptwerke Munich Depression
(1969) und Double Negative (1969-70) sind allein von ihrer Namensgebung her,
prädestiniert, diesen Zusammenhang etwas aufzuschlüsseln.

Double Negativ besteht aus zwei gigantomanischen, miteinander


korrespondierenden tiefen Erdeinschnitten. Einer der Gräben ist 230, der andere 100 m
lang. Beide sind jeweils 9 m breit und 15 m Tief. Insgesamt wurden 218 000 Tonnen
Gestein gesprengt und mittels Bulldozern anschließend in die Richtung des Tales
geschoben, das an die Arbeit angrenzt. Zwischen den beiden Einschnitten liegt ein
Abgrund, der die beiden in einer Weite von 128 m voneinander entfernt erscheinen lässt,
die äußersten Punkte der Gräben liegen 460 m voneinander entfernt.176 Anne Hoormann
zufolge evoziert ein Besuch das Gefühl, dass Natur erfahrbar wird. So schreibt sie etwa: „Bei
Heizer ist nicht mehr das Medium Malerei, sondern der Naturstoff selbst, an dem die Größe der
Natur anschaulich wird.“177

Die Zugänglichkeit zur Natur durch diesen Eingriff in sie ist ein interessantes
Faktum in der gesamten Land Art. Egal wie unorganisch die minimalistischen Formen der
KünstlerInnen waren, sie vermochten es, Natur näher zu bringen. In Arbeiten wie Munich
Depression (1969) ließ Heizer in München-Neuperlach auf einem Baugelände
„lediglich“ 1000 Tonnen Erde umschichten. Ein Loch von einem Durchmesser von über 30
Metern wurde dafür ausgehoben.

Die Galerie H. Friedrich, die die Kosten für das Projekt übernommen hatte,
organsierte sogar Busfahrten zu dem Krater. In Munich Depression versuchte Heizer das

                                                        
175
Michael Heizer zit. n.: Michael Heizer. Aust.Kat. Essen – Otterlo (Museum Folkwang – Rijkmuseum Kröller-
Müller) 1979. o.O. 1979, S. 13.
176
Rosen 2005, S. 43.
177
Hoormann 1996, S. 43.
  84 
 
Umfeld zum Verschwinden zu bringen. An der tiefsten Stelle des Kraters verschwanden die
umliegenden Neubauten allmählich. Was blieb, war ein Blick ins blanke Erdmaterial, der
Rest war Horizont.178

                                                        
178
Ebd., S. 32-35.
  85 
 
Abb.20: Michael Heizer, Double Negative, 240
000 t bewegte Erdmassen, 457 x 15 x 9 m, 1969-
70, Virgin River Mesa, Sammlung Virginia Dwan
Abb.19: Lucio Fontana, Concetto Spaziale
– Attesa, 146,5 x 114,3 cm, 1964-65,
Walker Art Center, Minneapolis

Abb. 21: Gordon Matta-Clark, Spliting, Druck, Abb.22: Michael Heizer, Double Negative, 240 000 t
40, 6 x 50, 8 cm, 1974, SFMOMA, San Francisco bewegte Erdmassen, 457 x 15 x 9 m, 1969-70,
Virgin River Mesa, Sammlung Virginia Dwan

  86 
 
Abb. 23: Michael Heizer, Munich Depression, 1969, 1000 Tonnen bewegte Erde, 4,5 m Tiefe, 30,4 m
Länge, mittlerweile zerstört, München

Abb.24: Michael Heizer, Circular Surface Planar


Displacement Drawing, 1970, Sammlung
Wagstaff, New York

  87 
 
9 Worte und Erde. Exkurs: Lyrik

Walter Benjamin stellte in seiner Berliner Chronik eine Verbindung zwischen dem Akt des
Grabens, der Sprache und der Vergangenheit her:

„Die Sprache hat es unmißverständlich bedeutet, daß das Gedächtnis nicht ein Instrument für die
Erkundung des Vergangenen ist, vielmehr das Medium. Es ist das Medium des Erlebten wie das
Erdreich das Medium ist, in dem alte Städte verschüttet liegen. Wer sich der eigenen verschütteten
Vergangenheit zu nähern trachtet, muß sich verhalten wie ein Mann, der gräbt.“179

Diese Idee findet sich auch beim 1938 verstorbenen, jüdisch-russischen Dichters Ossip
Mandelstam wieder: „Poesie ist ein Pflug, der die Zeit in der Weise aufreißt, dass ihre
Tiefenschichten, ihre Schwarzerde zutage tritt.“ 180 Im Graben selbst, im Sinne eines Auftuns
von Vergangenem, lässt sich somit ein poetischer Moment herausdestillieren. Paul Celan,
der sich eingehend mit Mandelstams Gedichten befasst und diese auch übersetzt hat,
nennt eines seiner Gedichte Schwarzerde:

1 SCHWARZERDE, schwarze
2 Erde du, Stunden-
3 mutter
4 Verzweiflung:

5 Ein aus der Hand und ihrer


6 Wunde dir Zu-
7 geborenes schließt

8 deine Kelche.181

                                                        
179
Benjamin, Walter: Berliner Chronik. In: Schweppenhäuser/Tiedemann (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte
Schriften. Bd. 6: Fragmente, Autobiographische Schriften. Frankfurt am Main 1984, S. 486.
180
Mandelstam, Ossip: Das Wort und die Kultur. In: Ossip Mandelstam: Über den Gesprächspartner. Hrsg. von
Ralph Dutli. Zürich 1991, S. 84-47.
181
Celan, Paul: Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. (PCG) Hrsg. und kommentiert
von Barbara Wiedemann. Frankfurt am Main 2003, S. 141.
  88 
 
Schwarzerde steht im Zusammenhang mit Celans Geburtsstadt Czernowitz (černyi =
schwarz), die sich in der Bukowina befindet. Auch Mandelstam verfasste in Voronež, einem
Gebiet inmitten der südrussischen Schwarzerde-Region, ein Gedicht mit dem Titel
Schwarzerde. 182 Die Verbindung zwischen Heimat und Erdboden und der fruchtbaren
Mütterlichkeit der Erde sind im Sinne der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie
und der nationalen Romantiken des 19. Jahrhunderts in der Zeit nach dem Zweiten
Weltkrieg zurecht problematisiert worden. Celan verwendet diese Metaphern, obgleich
dessen Familie selbst Opfer des Nationalsozialismus wurde, noch als
Verständigungsformeln für seine Herkunft in schmerzhafter Art und Weise. 183 Wenn
Monika Wagner von der „Historizität der Naturstoffe“ 184 und dem „Gedächtnis des
Materials“185 spricht, dann bedeutet dies, dass etwa Erde nicht von seiner geschichtlichen
Bedeutung getrennt werden könne. So heißt es bei Wagner:

„Diese Semantisierungen von Naturstoffen sind jedoch abhängig von tradierten kulturellen
Praktiken, in denen einzelne Materialien spezifische Aufgaben übernommen haben. Bei kaum einem
anderen Stoff klafft das Verhältnis von ahistorischem Anschein und historischer Befrachtung weiter
auseinander als bei Erde.“186

In Celans Lyrik stellt sich dies in besonderer Art und Weise heraus. Im Hinblick auf die
KünstlerInnen der Land-Art, die sich, wie etwa Michael Heizer, mehr auf die
phänomenologischen Wahrnehmung des Materials bezogen hatten, bedeutet dies, dass
auch ihnen die Naturgeschichte bzw. etwa auch die Geschichte der amerikanischen Wüste
als Ort für Atomtests und was auch immer die Kulturgeschichte einzelner Landschaften
zugeschrieben werden kann, innewohnen. Wagner erinnert dabei an Adornos Ausspruch,

                                                        
182
Čivikov, Germinal: Schwarzerde. Kommentar zu Paul Celans „Die Niemandsrose“. Hrsg. von Jürgen
Lehmann. Unter Mitarbeit von Christine Ivanovic. Heidelberg 1997. S. 170-172. (Beiträge zur neueren
Literaturgeschichte. Dritte Folge. 149.)
183
Vgl. dazu: Eidenbenz, Mathias: „Blut und Boden“. Zu Funktion und Genese der Metaphern des Agrarismus
und Biologismus in der nationalsozialistischen Bauernpropaganda R.W. Darrés. Bern 1993. (Europäische
Hochschulschriften. Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. 580)
184
Von Anselm Kiefer existieren unter anderem Bilder zu Celans Gedichten Es war Erde in ihnen und Todesfuge,
bei denen er Erde und Sand direkt auf die Bildoberflächen aufgetragen hat. Wagner 2001, S. 109.
185
Ebd.
186
Ebd., S. 110.
  89 
 
dass gerade in der Negation von Geschichtlichkeit, das Geschichtliche selbst enthalten
bleibt.187

Die Unterscheidungen und Abgrenzungen unterschiedlicher Kunstgattungen ist


angesichts der heutigen Kunstpraxis mit lyrischen Soundinstallationen, Textarbeiten und
Performances nicht mehr leicht zu treffen. Bereits zu früheren Zeiten gab es malende
DichterInnen, wie es schreibende bildende KünstlerInnen gab. Das Bildhafte und Stoffliche
an Celans Sprache kann hier eine Brücke zur bildenden Kunst sein, nicht nur weil der
deutsche Maler Anselm Kiefer Celans Gedichten entsprechend Bilder angefertigt hat und
diese sogar nach diesen benannt hat,188 sondern weil seine Oxymora189 beim Lesen eine
beinahe sensorische Empfindung evozieren, die stark mit der Stofflichkeit von Materialien
verbunden ist. Nach Schawelkas Ausführungen zur Materialwahrnehmung, die vor allem
durch die Verwendung „falscher“ bzw. nicht der Gewohnheit entsprechenden Materialien
erhöht wird, 190 (man denke etwa an die mit Pelz überzogene Kaffeetasse Meret
Oppenheims) gilt dies auch für die poetischen Figuren der Oxymora Celans (schwarze
Milch).

Das Allgemeine und das speziell Geschichtliche schließen sich demnach nicht aus.
Erde kann haptisch und phänomenologisch frei von dezidierten Bedeutungen für
Kunstwerke eine Rolle spielen, das hindert nicht daran, im selben Werk auch in
bestimmten Subkontexten die Geschichtlichkeit mitbedenken zu müssen. Wie Schawelka
anführt, vermittelt Erde im fühlenden und sensorischen Sinne, Assoziationen von Ruhe,
Passivität, Tod, Nähe, Schwere, Vergänglichkeit, 191 Geborgenheit und Wärme. Was in
seinen Ausführungen jedoch nicht erwähnt wird, ist die Annahme, dass sich diese
Zuschreibungen zum Teil auch aus den kulturellen Praktiken entwickelt haben und
beispielsweise die Assoziation Tod vor allem von der Totenbestattung in der Erde herrührt.
Diese Assoziationen sind in diesem Fall eine Mischung aus allen Sinneswahrnehmungen,
also beispielsweise auch dem modrigen Geruch feuchter Erde und den kulturellen
Praktiken, die mit dem Material in Verbindung stehen. Dies unterstreicht wiederum die

                                                        
187
Ebd., S. 109.
188
Ebd., S. 126.
189
Das Oxymoron bezeichnet eine rhetorische Figur aus der Poetik, die sich scheinbar Widerstrebendes in
einem Wortpaar vereint. (Schwarze Milch; offenes Geheimnis)
190
Schawelka 2002, S. 16.
191
Ebd., S.
  90 
 
These Wagners von der Geschichtlichkeit der Naturstoffe, die nicht von ihrer bloßen
phänomenologischen Wahrnehmung abzutrennen seien, sondern immer auch
kulturgeschichtlich eine Rolle spielen.

Die US-amerikanische Künstlerin Nancy Holt war die Ehefrau Robert Smithsons.
Insbesondere in den 1960ern, in der ersten Periode ihres Schaffens, ehe sie mit den
größeren Land-Art-Projekten begann, verfasste Holt einige konkrete Gedichte.192 An die
Poetik des Bildes bzw. des Räumlichen hat Gaston Bachelard gedacht: „By ist novelty, a
poetic image sets in motion the entire linguistic mechanism. The poetic image places us at the
origin of the speaking being.“ 193 In Nancy Holts späteren Earthworks sollte sie diesen
linguistischen Mechanismus der poetischen Sprache, den sie zuvor mit ihren Gedichten
ertastete, stets beibehalten und sich für ihre Arbeiten zu Nutze machen.194

Celan und Holt hier zusammenzubringen, bedeutet auf keinen Fall, dass die Erde,
mit denen beide umgehen, die gleiche ist. Im Falle Celans muss sein Sprechen über das
Graben und die Erde stets aus seinem biographischen Hintergrund und seiner jüdischen
Abstammung her betrachtet werden. Die Gedichte, in denen das Graben eine Rolle spielt,
stellte er in Eigenaussagen auch mit dem Tod seiner Eltern in den Konzentrationslagern
des nationalsozialistischen Regimes in Verbindung. 195 Das verknüpfende Element
zwischen Holt und Celan liegt in dem Moment des Ausgrabens und Vergrabens und der
Erschaffung von poetischen Erfahrungsräumen, die den RezipientInnen genügend
Freiheiten lassen. Wie Holt und andere KünstlerInnen der Land-Art waren für Celan die
RezipientInnen die eigentlich SchöpferInnen des Kunstwerkes, denn erst durch sie und
ihre persönliche Wahrnehmung und Begehung der Arbeiten bzw. beim Lesen der
Gedichte existiert es überhaupt.196 Die Verbindung von Lyrik und Bildender Kunst wird bei
beiden in gänzlich unterschiedlicher Form offensichtlich. Celans Gedichte handeln
ihrerseits oft vom Suchenden und oft auch aussichtslosen Graben. Sie legen die

                                                        
192
Williams, Alena J.: Concrete Traces: Nancy Holt’s Speaking Media. In: Ders. (Hg.): Nancy Holt Sightlines.
Berkeley – Los Angeles – London 2011, S. 183.
193
Gaston Bachelard zit. n.: ebd.
194
Ebd.
195
Zum Gedicht Todesfuge äußerte sich Celan: ... dass die Todesfuge auch dies für mich ist: eine Grabschrift
und ein Grab. [...] Auch meine Mutter hat nur dieses Grab“ PCG 2003, S. 676.
196
Wie Roland Barthes in Der Tod des Autors festhielt, seien es vor allem die RezipientInnen, die ein Werk
hervorbringen und nicht die alte hochstilisierte Künstlerfigur. Barthes, Roland: Der Tod des Autors. In:
Fotis Jannidis (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 185–193.
  91 
 
Verzweiflung des menschlichen Seins offen. Nancy Holt hingegen vergrub ihre für ganz
bestimmte Personen verfassten Gedichte. Mit Karten ausgestattet mussten die
AdressatInnen ihre personalisierten Gedichte als Schatzsuche aus der Erde bergen.
Schließen und Öffnen von Erinnerungen liegen beiden Praktiken zugrunde. Die Erde wird
zum Dreh- und Angelpunkt von Sprache und Gedächtnis, von Vergegenwärtigung und
Vergangenem. Das Graben ist demnach geschichtsforschende Tätigkeit und das Loch ist
ihr Beweis. Es gleicht einem archäologischen Verfahren.

  92 
 
Abb.25: Nancy Holt, The World through a circle, ca. 1970,
Besitz der Künstlerin

  93 
 
9.1 Gedichte über das Graben: Paul Celan

Paul Celan gilt mit seiner dunklen und hermetisch verdichteten Lyrik als einer der
bedeutendsten deutschsprachigen Nachkriegslyriker des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1920
mit dem Namen Paul Antschel als Sohn einer deutschsprachigen jüdischen Familie in der
Bukowina geboren. Seine Eltern wurden nach der nationalsozialistischen Machtergreifung
des Bukowina-Gebiets in Folge der Ghettoisierung 1941 in das Konzentrationslager
Michailowka bei Gasin abtransportiert. Celans Schicksal führte ihn in ein Arbeitslager, in
dem er, bis zu dessen Auflösung 1944, eingesperrt blieb.197

In meiner Bachelor-Arbeit habe ich anhand Celans Gedichtband Niemandsrose


aufzeigen können, dass es sich dabei um eine Akkumulation der Begriffe Erde, Lehm,
graben, Gräber, Schwarzerde, Nebenerde, erdig, Acker, Fruchtboden, Staub und
dergleichen handelt.198 Aufgrund Celans weitreichenden mythologischen, theologischen
und mystischen Kenntnissen des Judentums ist die Erde bei Celan eng mit ihrer
kulturgeschichtlichen Bedeutung verstrickt.
1 ES WAR ERDE IN IHNEN, und
2 sie gruben.
3 Sie gruben und gruben, so ging
4 ihr Tag dahin, ihre Nacht. Und sie lobten nicht Gott,
5 der, so hörten sie, alles dies wollte,
6 der, so hörten sie, alles dies wußte.
7 Sie gruben und hörten nichts mehr;
8 sie wurden nicht weise, erfanden kein Lied,
9 erdachten sich keinerlei Sprache.
10 Sie gruben.
11 Es kam eine Stille, es kam auch ein Sturm,
12 es kamen die Meere alle.
13 Ich grabe, du gräbst, und es gräbt auch der Wurm,
14 und das Singende dort sagt: sie graben.
15 O einer, o keiner, o niemand, o du:
16 Wohin gings, da’s nirgendhin ging?
17 O du gräbst und ich grab, und ich grab mich dir zu,
18 und am Finger erwacht uns der Ring.199

                                                        
197
Großens, Peter: Leben und Werk – eine kurze Chronik. In: Celan Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hrsg.
von Markus May; Peter Großens; Jürgen Lehmann. Stuttgart - Weimar 2008, S. 9-15.
198
Walzl, Verena: „Es war Erde in ihnen“. Zur Erdmetaphorik in Paul Celans Niemandsrose. Graz, Univ., Bakk.-
Arb. 2011.
199
PCG 2003, S. 125.
  94 
 
Das Graben derer, die Erde in sich haben, ist ein hoffnungsloses. Es hat weder Anfangs-
noch Endpunkt: „Wohin gings, da’s nirgendhin ging?“ (V 16) Hörvermögen (V 7 „und hörten
nichts mehr“), Wissenszuwachs, (V 8 „sie wurden nicht weise“) Phantasie und Kreativität (V
8 - 9 „erfanden kein Lied, / erdachten sich keinerlei Sprache) sind abhanden gekommen.
Das Gedicht, angelehnt an den Psalm 137 bietet Assoziationen von Enge und Ersticken, es
ist in seiner Aussichtslosigkeit seprulkal. Diese todesgewandten Figuren stellen wohl auch
einen Widerstreit mit dem eigenen Glauben dar. Im Gedicht Psalm heißt es: „Niemand
knetet uns wieder aus Erde und Lehm, / niemand bespricht unseren Staub.“200 Ein weiteres
Zeugnis einer Anklage eines abhanden gekommenen Gottes und ein Hinweis auf den
Schöpfungsmythos der Genesis, in dem Gott die Menschen aus Staub bzw. Ackerboden
formte um ihnen anschließend Leben einzuhauchen.

Celans Problematisierung der Erde deutet analog zur Todesnähe auf den biblischen
Schöpfungsmythos nach jüdisch-christlicher Tradition, bei dem der Mensch aus Erde bzw.
Lehm geformt wurde. Diese Idee, dass der Mensch in bildhauerischer Manier von Gott aus
der Erde gemacht wurde, findet sich auch in der ägyptischen Religionstradition und alten
sumerischen Überlieferungen wieder. Etymologisch stammt Adam vom weiblichen
„adama“ (=Erde) ab und entspricht „homo“ (=Mensch), der aus dem ebenfalls femininen
„humus“ (=Boden) hervorgegangen ist.201 Nach dem Ableben kommt es nach jüdisch-
christlicher Vorstellung zum Wiedereingehen der menschlichen Überreste in die Erde: „ ...
bis du wieder zur Erde kehrst, von der du genommen bist; denn Erde bist du und zur Erde
musst du zurück.“ (Gen 3,19)

Celans Verwendung von Naturbildern zeigt sich abseits der Erdthematik, die nur
aus einem religiösen Kontext heraus erfahrbar wird, jedoch als weitaus komplexer und
stehen unter anderem in Zusammenhang mit seinem Interesse an Geologie, Astrologie,
Biologie und Anatomie.202

                                                        
200
PCG 2003, S. 132f.
201
Böhme, Gernot / Böhme, Hartmut: Feuer, Wasser, Erde, Luft. Eine Kulturgeschichte der Elemente. Hrsg. von
Klaus Michael Meyer-Abich. München 1996, S. 33.
202
Vgl. dazu: Rouchelle, Tobias: The Discourse of Nature in the Poetry of Paul Celan. The Unnatural World.
Baltimore 2006. Rouchelle liefert eine umfassende Publikation zu diesem Themenfeld. Unter anderem
schlägt er vor diejenigen Gedichte über Naturereignisse und natürliche Prozesse mit Lyrik und Sprache im
Allgemeinen gleichzusetzen, sie also in einem autopoetischem Sinne als Metaphern für die Sprache zu
verstehen: „Celan’s preferred motifs are natural phenomena in the course of change, such as the site of a
vulcano interruption or a comet that is about to crash into the earth. In each case the metaphor in
  95 
 
Celans Lyrik des Grabens und der Erde sind geschichtlich auf mehreren Ebenen. Sie
verarbeiten Zeitgeschichte und persönliche Geschichte, sie tummeln sich sogar auf dem
Feld der Kulturgeschichte der Natur und bedienen sich mythologischen und religiösen
Vorstellungen des Elements und Stoffes Erde. Seine Verwendung von Erde negiert die
aufgeladene Bedeutung von Erde, die sich aus ihrer Kulturgeschichte heraus ergibt, nicht.
Im Gegenteil: er arbeitet diese kulturelle Bedeutung penibel heraus und ist so sicher auf
ihrem Terrain, dass er sie aus dem Gleichgewicht bringen kann und dennoch als
Verständigungsformeln für RezipientInnen erfahrbar sind. Auch die Stofflichkeit von Erde
und ihre Assoziationen sind aus phänomenologischer Sicht wichtiger Teil von Celans Lyrik,
abseits der kulturellen Decodierungsversuche seiner Metaphern, die stets ratend und vage
bleiben.

                                                                                                                                                                             
question enables the text to draw attention to the rupture that initiates it, a rupture that propels into
language.“ Rouchelle 2006, S. 6f.
  96 
 
9.2 Nancy Holt: Vergrabene Gedichte

Nancy Holt zählt als einzige Frau zur männerdominierten Kerngruppe der Land Art-
KünstlerInnen. Erst 2011 erschien mit Nancy Holt Sightlines herausgegeben von Alena J.
Williams eine erste große und umfassende Monografie zu ihrem Schaffen. Holt wurde 1938
in Massachusetts geboren. Nach ihrem Biologiestudium unternahm sie ausgedehnte
Reisen. Zum Freundeskreis des Ehepaares Holt und Smithson zählten KünstlerInnen wie
Michael Heizer, Sol LeWitt, Eva Hesse und Joan Jonas.203 Ihre wohl bekannteste Arbeit sind
ihre Sun Tunnels (1973-76) in der amerikanischen Great Basin Wüste in Utah. Dabei handelt
es sich um vier Tunnel aus Beton, die in der Form eines offen X zueinander positioniert sind.
Die Maße pro Tunnel belaufen sich auf 5,4 m x 2,7 m. In die Tunnelwand schnitt Holt
zusätzlich noch kleinere Löcher in unterschiedlichen Größen. Je nach Jahres-, Tages- und
Nachtzeit verändert sich die Lichtsituation innerhalb der Tunnel und korrespondieren mit
den Sternbildern Drachen, Perseus, Steinbock und Taube.204 Die Tunnel bieten so Raum für
Naturbeobachtungen unter sich ständig verändernden Lichtsituationen.205 Die Landschaft
wird im Schutze der Betontunnel in einer Art Rahmung beobachtbar, den BetrachterInnen
wird ein Versteck angeboten. Wieder dienen Löcher Erkundungszwecken und erlauben in
vielfacher Variation ein Hinausschielen.

Noch zwei Jahre vor der Planung und Errichtung der Sun Tunnels schrieb Hold
Gedichte. In einer Serien von vergrabenen Gedichten, ihren Buried Poems (1967-71),
fertigte Holt kleine Büchlein für FreundInnen an. Diejenigen, die mit diesen Büchlein
beschenkt wurden, fanden darin Bilder, Fotografien und Karten, individuell für jeden
einzelnen zusammengestellt und auf das jeweilige Gedicht abgestimmt. Holt vergrub die
Gedichte an Orten, die sie mit der jeweiligen Person in Verbindung brachte. In den
Gedichten wurden die LeserInnen aufgefordert, die von ihnen zu begehenden Orte lyrisch
durch die Sprache Holts zu erfahren. Das Ausgraben der Gedichte aus der Fundstelle
gehörte ebenso zu der von Holts auferlegten Arbeit wie das Planen der Reise, das Lesen,

                                                        
203
Williams 2011, S. 265f.
204
Holt, Nancy: Photographs and Writings on Selected Site-Specific Sculptures. In: Williams 2011, S. 79f.
205
Ebd., S. 31.
  97 
 
das Reisen selbst, die Reflektionen und Naturwahrnehmungen, die auf diesem Weg
begegneten.206

Was bei Celan das Graben im psychischen Sinne bezeichnet, findet sich in Holts
vergrabenen Gedichten in der tatsächlichen Aufforderung des Grabens an die LeserInnen
ihrer Gedichte wieder. Vergangenheit, Graben und Sprache liegen auch hier eng
beieinander. Selbst wenn der Fokus mehr auf der Bergung eines versteckten Schatzes liegt,
der Akt des Vergrabens der Gedichte, die persönliche Sprache der Erde einzupflanzen, ist
bereits ein sehr poetischer Moment für sich. Normalerweise ist die Natur beim Lesen der
Gedichte physisch abwesend. Mit Holts Gedichten wurde die Möglichkeit erschaffen, einen
Ort lyrisch und physisch simultan und individuell abgestimmt zu erfahren.

                                                        
206
Ebd., S. 188.
  98 
 
Abb.26: Nancy Holt, Buried Poem Nr. 4 (for Michael Heizer),
Detail, Teil eines Büchleins Nähe des Naturschauplatzes
Double Arch in Utah, Private Sammlung

Abb.27: Nancy Holt, Sun Tunnels (Detail), 1973-76, Maße


eines Tunnels: 5,4 m x 2,7 m, Great Basin Desert, Utah

  99 
 
10 Von Gräbern und Selbstbegräbnissen: Ana Mendieta, Keith Arnatt,
Vito Acconci, Claes Oldenburg, Sol LeWitt

Waren die vorangegangenen Kapitel mit kulturgeschichtlichen Anspielungen bezüglich


der Erde und ihrer problematischen Zuschreibung zu Mütterlichkeit, Sexualität und
Melancholie bzw. Sterblichkeit des Menschen besetzt, soll nun anhand einiger Beispiele
aus der jüngsten Kunst nochmals die explizite Auseinandersetzung einiger KünstlerInnen
mit dem zugeschütteten Erdloch als Grab dargestellt werden. Interessant ist in jedem Fall
die enge Verbindung von Leben und Tod im Kontext des Erdmaterials, wobei die nicht
bewachsene Erde zwingende Assoziationen in Richtung der Vergänglichkeit ermöglicht.
Das wieder durch pflanzliche Vegetation übersäte Erdmaterial symbolisiert im Gegensatz
dazu die Regeneration bzw. Wiedergeburt. Wenn Elisabeth von Samsonow in ihrem Artikel
Genitum – non factum. Die Ursachen der Geburtsvergessenheit207 an Hannah Arendts Analyse
des 20. Jahrhunderts als Jahrhundert der Geburtsvergessenheit erinnert, wird deutlich,
dass eine Geburtsvergessenheit auch eine Todesvergessenheit inkludiert.208 Als Sinnbild
sind die leeren Gräber und Erdlöcher bereits ein Indiz für diese Vergessenheit des Sterbens,
aber sie tragen auch eine starke Erinnerungsfunktion in sich. Einige der hier folglich
dargestellten Kunstwerke wollen mit dem Begräbnis freilich einzig auf den symbolischen
Tod von Kunstwerken bzw. der Entwürfe von Künstlersein verweisen, die etwa vor dem
Eintritt der Konzeptkunst und der Ready Mades in die Kunstgeschichte noch Gültigkeit
hatten.

Man findet das Grab in den Earthworks und der Land Art bzw. der Konzeptkunst der
60er und 70er Jahre so auffällig oft und unterschiedlich, wie etwa den bereits in den
vorhergehenden Kapiteln behandelten Spiegel. Claes Oldenburg, Sol LeWitt, Ana
Mendieta, Keith Arnatt und Vito Acconci werden hier exemplarisch mit ihren Versionen des
„künstlerischen“ Grabes vorgestellt.

Oldenburg und LeWitt bilden dabei eine Gruppe, da die von ihnen geschaffenen
Gräber in beiden Fällen nicht direkt mit dem menschlichen Körper konfrontiert werden,

                                                        
207
Samsonow, Elisabeth von: Genitum – non factum. Die Ursachen der Geburtsvergessenheit. URL:
http://genealogy-of-media-thinking.net/wp-content/uploads/2013/01/ES0002.pdf [30.11.2013]
208
Vgl. dazu: Lafontaine, Céline: Die postmortale Gesellschaft. Hrsg. v. Jörg Rössel [u.a.]. Wiesbaden 2010.
Todesvergessenheit meint vor allem die Verdrängung des Todes an den Rand der gesellschaftlichen
Wahrnehmung.
  100 
 
höchstens durch Platzhalter beispielsweise im Falle eines Kubus repräsentiert werden. Bei
Mendieta, Arnatt und Acconci hingegen handelt es sich um Selbstbegräbnisse, also
performative Akte, bei denen sich die KünstlerInnen selbst in ein Grab legten bzw.
vergruben.

Am 1. Oktober 1967 gruben Männer mitten im Central Park in New York ein Loch in
den Erdboden. Die Dimensionen dieses Loches entsprachen der Standardaushebung für
ein Grab. 209 Um sie herum standen einige Menschen, darunter der Künstler Claes
Oldenburg, der die „Totengräber“ für diese Tätigkeit engagiert hatte. Das Placid Civic
Monument besser bekannt als Hole bzw. Burial Monument (Abb.28) gilt als Vorläufer der
Land Art und der Earthworks. Schon im darauffolgenden Jahr sollte es in der Galerie
Virginia Dwan die erste Ausstellung mit dem Titel Earthworks geben, bei der auch Claes
Oldenburg mit seinem Hole vertreten war. Obwohl Placid Civic Monument für einige
kunsthistorische Betrachtungen den Ausgangspunkt der Earthworks und Land Art darstellt,
sollte Oldenburg nach dieser Aktion einen völlig anderen künstlerischen Weg einschlagen
und sich bald seinen überdimensionalen Skulpturen widmen. Was sich hier als kleines
Loch inmitten New Yorks auftat, sollte in naher Zukunft zu großen, teils Kilometer langen
Grabungen in den amerikanischen Wüstengebieten führen.

Die Deutungsmöglichkeiten bei Oldenburg erweisen sich als simpler, etwa


verglichen mit den Arbeiten Michael Heizers. Zunächst benennt Oldenburg, ähnlich wie
Heizer sein Interesse an einem Negativraum210, dazu kommt, dass er seine Arbeit als ein
„nonvisible monument“, also ein unsichtbares Monument, bezeichnet. Die Nicht-
Sichtbarkeit und Nicht-Erreichbarkeit sind klare Aspekte der Konzeptkunst. In den
Anfängen dieser mit minimalistischer Formensprache operierenden Arbeiten, wie man sie
etwa auch bei Carl Andre und vor allem bei Sol LeWitt findet, ging es im erster Linie um
eine Weiterentwicklung des Skulpturenbegriffes bzw. eine angestrebte Überwindung
früherer skulpturaler Formensprache.211

                                                        
209
Boettger 2002, S. 1f.
210
Heute sind ja die Negativräume in der Kunst schon vollends etabliert und finden sich auch in der
Formensprache neuerer Architektur wider. Vgl. dazu das von dem spanischen Architektenkollektiv Nieto
Sobejano umgestaltete Joanneumsviertel, bei dem den Kern die verglasten Löcher des Innenhofes des
Joanneums bilden.
211
Ebd., S. 8.
  101 
 
Suzaan Boettger bezeichnet Oldenburgs Hole als erstes skulpturales Kunstwerk,
welches sich direkt im Erdboden befindet. Wie bereits in Kapitel 3.1 angedeutet finden sich
auch bei Oldenburg die Lobpreisungen des Erdmaterials in der Ambivalenz von Schmutz
und Reinheit. Die „jungfräuliche“ Erde sah Oldenburg im Gegensatz zur kultivierten Zone
des Central Parks. Die Polarisierung von Natur und Kultur wird in einem seiner
Kommentare merklich:
„ ... This is the first clean dirt I´ve had in my hand in New York, and it took enormous pressure for me
to rupture the surface and get my hands clean-dirty with the damp red soil under the soot
superstructure.“212

Natur und Erde treten in dem Kommentar wieder einmal als das „dreckige Heilige“ zu Tage,
dieses Phänomen ist als recht durchgängig für die 60er Jahre zu betrachten. Als große
Ausnahme soll später noch Ana Mendieta vorgestellt werden. Die InterpretInnen des
Placid Civic Monument beabsichtigten jedenfalls, den zeitlich korrelierenden Vietnam-Krieg
mit dem Central Park-Grab Oldenburgs in Verbindung zu bringen. Im September, also ein
Monat vor der Realisierung des Placid Civic Monuments befanden sich 464 800
amerikanische Soldaten auf vietnamesischem Staatsgebiet. Die Bilder der sterbenden
Soldaten, welche in den USA über die Bildschirme der Fernsehgeräte ihren Weg in die
Wohnzimmer fanden, wurden nur nachts ausgestrahlt. Gerade die breite Zugänglichkeit
der Informationen und Bilder durch die Fernseh-Kriegsberichtserstattung führte innerhalb
der US-amerikanischen Bevölkerung zu einer zunehmenden Kritik am Vietnam-Krieg.213

Oldenburgs Grab erhält in diesem Zusammenhang neben der konzeptuellen auch eine
politische Komponente. Der Park als ein Ort der Erholung, wurde somit zu einem
öffentlichen Ort des Gedenkens.

Boettger erinnert in diesem Zusammenhang an das Sujet des Bildes Ein Begräbnis in
Ornans (1849-50) (Abb.30) des französischen Realisten Gustave Courbet. Die
Begräbnisszene zeigt Menschenansammlung vor einem offenen Grab. Auf dem Erdhügel
liegt ein Totenkopf, unweit davon befindet sich ein Hund. In Courbets Zeit galt das Bild als
Kritik am Wiedererstarken konservativ politischer Kräfte im damaligen Frankreich. Die

                                                        
212
Claes Oldenburg zit. n.: Boettger 2002, S. 17.
213
Um sich der neuerlichen Gefahr einer derartiger Kritik zu entziehen, reagierten die USA in den 1980er
Jahren mit strikteren Regeln zur Bestimmung über die Anwesenheit von JournalistInnen. Bei der US-
Invasion in Granada verhing die US-Regierung ein generelles Berichterstattungs-Verbot. URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsberichterstattung [01.12.2013]
  102 
 
Interpretation deutet das Begräbnis auch als das zu Grabe Tragen einer bereits früher
erkämpften Freiheit. 214 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Funktion des
Künstlers bei Oldenburg. Wen anders als den Priester aus Courbets Gemälde könnte er
darstellen? Im Videostill der Aktion, die übrigens mit der Wiederzuschüttung des Grabes
endete, stehen, dies ist sehr auffallend, um Oldenburg herum nur Kinder. Die Darstellung
des Grabes als Anti-Kriegs-Monument stellt jedenfalls den Auftakt zur Land Art dar und
operierte nicht nur auf formalistischer Ebene, sondern auch auf politischer. Diese primär
politische Sinngebung wird in den nachfolgenden Land Art-Arbeiten immer mehr
abhanden kommen. Anders verhält es sich mit der gefeierten „dreckigen Reinheit“ der
Erde als Material und mit der Negativform der Gruben, Senken und Gräber, die eine
außerordentliche Erfolgsgeschichte in dieser Zeit erlebten.

Sol LeWitts Buried Cube Containing an Object of Importance but Little Value (1968)
(Abb.32) baut auf Oldenburgs Hole auf. LeWitt stellt heute eine der bedeutendsten Figuren
der Konzept-Kunst dar. Seine Schriften waren maßgeblich an der Erschaffung eines
ideellen Gedankenguts für diese in den 60er Jahren aufkeimende Kunstrichtung. Die
Fotoserie dokumentiert den Akt des Vergrabens eines Kubus. Die auf der Fotoserie
auftauchenden Personen sind Sol LeWitt, das Ehepaar Carel und Mia Visser und Dick van
der Net, ein Schlosser, der den Kubus hergestellt hat. Die Handlung des Vergrabens bzw.
Beerdigens hatte LeWitt schon in Ideen für Vorgängerprojekte festgehalten, allerdings
mehr im Sinne eines Verhüllens. Beispielsweise wollte er den sogenannten Cellini-Becher215
und das Empire State Building mit Beton umschließen lassen. Diese frühen konzeptuellen
Gedankenspiele erklären viel über den neuen Kunstbegriff und den gedanklichen Umgang
mit früheren Auffassungen von Kunst und ihrem Repräsentationscharakter. Das Einzelne
steht symbolisch für die gesamte Kunst ein, das durch die Beton-Zensur ihrer sensorischen,

                                                        
214
Ebd., S. 19f.
215
Aus Boettgers Beschreibungen geht nicht hervor um welchen Cellini-Becher es sich dabei handelt. In den
Aufzeichnungen aus dem Leben des Florentiner Bildhauers Benvenuto Cellini (geb. 1500) geht hervor,
dass er zusammen mit einem Modell des berühmten Salzfasses für den Herzog von Ferrara einen Becher
mit einem silbernen Becken und Figuren anfertigen ließ. Im Louvre befindet sich ein sogenannter Cellini-
Becher, der von den Marrel-Brüdern 1839 als Hommage an die Kunst der Renaissance angefertigt wurde.
Auf welchen Becher Boettger und LeWitt anspielen lässt sich nicht rekonstruieren. URL:
http://www.textlog.de/10783.html [20.12.2013], URL: http://www.louvre.fr/en/oeuvre-notices/cellini-cup
[20.12.2013]
  103 
 
formalen, optischen und materiellen Aspekten beraubt wird. Der Sieg der Idee über alle
diese Kriterien ist Anliegen LeWitts.216

Im Falle des vergrabenen Kubus handelt es sich um ein Kunstwerk für die Familie
Visser, die aus ihrem eigenen Besitz ein anderes, der Öffentlichkeit nicht kenntlich
gemachtes Kunstwerk aussuchen sollte. Dieses wurde kurzerhand von dem Metall-Kubus
umschlossen und von LeWitt vergraben. Er selbst brachte die Assoziation einer Zeitkapsel
ins Spiel. Handelte es sich bei seinen früheren Überlegungen noch mehr um Gesten der
Auslöschung und der Zensur, erinnert das Vergraben derlei metallener Quadrate vielmehr
an Schatztruhen und gibt den Betrachtern auch den Handlungsspielraum zum Suchen und
erneuten Ausgraben frei, wobei der genaue Standort nicht überliefert ist. Suzaan Boettger
erinnert weiters an die alte Verbindung der geometrischen kubischen Figur als Platzhalter
für den menschlichen Körper, der für die gesamte Entwicklung der Bildhauerei eine
wichtige Rolle zu spielen scheint.217

Diese Körpertheorie könnte mit einer Fotoserie des britischen Künstlers Keith
Arnatt (1930-2008) gewissermaßen gleichgestellt werden. 1969 strahlte der Fernsehsender
WDR eine Woche lang, jeweils von 20:15 und 21:15 Uhr Keith Arnatts TV Project Self Burial
aus. Die Ausstrahlung erfolgte zwischen ganz gewöhnlichen Fernsehsendungen in der
Reihe der Fernsehgalerie Gerry Schum, ohne Einleitungen, ohne Kommentar. Nur am
letzten Tag erläuterte Arnatt seine Arbeit im Kulturmagazin Spectrum, in dem auch das
neunte Bild ausgestrahlt wurde. Die Ausstrahlung der Serie erfolgte täglich, wobei jeweils
zwei Bilder statisch in einer Aufeinanderfolge gezeigt wurden. Das jeweils zweite wurde
am nächsten Tag wiederholt und durch ein neues ergänzt. Arnatts erster Titelvorschlag
Disappearence of the Artist, den er letztendlich doch ändern ließ, war zu didaktisch,
benennt aber prägnanter, um was es Arnatt in seiner humoresken Darstellung des
Selbstbegräbnisses des Künstlers ging. Diese Art der Inszenierung des Künstlers bezüglich
seines Verschwindens bzw. seiner eigenen Art, sich zu Grabe zu tragen, stellte für Arnatt
die letzte Konsequenz, den nächsten logischen Schritt und finalen Gestus dar. Wenn die

                                                        
216
Boettger 2002, S. 88f.
217
Ebd., S. 89.
  104 
 
Konzeptkunst das Kunstwerk „verschwinden“ lässt, so muss auch der Künstler
verschwinden.218

Die Vorstellung der nächsten Künstlerin wird alle diese ironisierenden Gesten hinter
sich lassen, mitsamt den theoretischen Gebilden Robert Smithsons. Ana Mendietas
künstlerisches Schaffen ist sicherlich mit vielen Eigenschaften zu bedenken, bloß die
postmoderne Ironie, das slapstick-haft Distanzierte fehlt ihr zu Gänze. Interessant an der
afro-kubanischen Künstlerin Mendieta (1948-1985) ist vor allem die Tatsache, dass sie nach
wie vor, obgleich sie die feministische Kunstkritik ganz für sich in Anspruch genommen hat,
immer noch einer bestimmten Art von Diskriminierung innerhalb der Kunstwissenschaft zu
unterliegen scheint. Gleich von zwei Seiten wurde mir am Anfang meiner Recherchen zu
dieser Diplomarbeit, als ich begonnen hatte, mich mit WissenschaftlerInnen
auseinanderzusetzen, die auf diesem Themengebiet bereits Erfahrung gesammelt hatten,
abgeraten, mich im Rahmen der Abschlussarbeit mit Ana Mendieta zu befassen. Die Frage,
warum das so ist, ist mittlerweile in Anbetracht der Kunstwerke Mendietas
ZeitgenossInnen einfach zu beantworten. Die Frage aber, warum das so sein muss, bleibt
ärgerlicherweise unverständlich. Die gesamte Aufarbeitung der Rezeption Ana Mendietas
Werk bedürfe einen größeren Rahmen und kann hier nicht ausführlich unternommen
werden. Allerdings sollen einige Ansätze aus Jane Blockers Publikation Where is Ana
Mendieta? Identity, Performativity and Exile geliefert werden, welches eine ausgiebige
Auseinbandersetzung mit diesem Umstand bietet.219Der hauptsächliche Kritikpunkt an
Mendietas künstlerischem Schaffen, und das geht sehr deutlich aus Blockers Text hervor,
ist der Vorwurf des Essentialismus. Spätere feministische Strömungen warfen früheren
feministischen Ansätzen (wie etwa Mendieta) vor, sich auf ihre Weiblichkeit bzw.
bestimmte weibliche, archaische machtgebende Eigenschaften zu berufen und diese zu
verherrlichen. Aus Sicht späterer TheoretikerInnen, wie etwa Judith Butler, wurde dies
kritisiert, da für sie auch Geschlechterrollen kulturelle Konstruktionen sind und so weder
Männern noch Frauen genuine Eigenschaften zugeschrieben werden dürften, welche
eigentlich rein kulturell sind und während der Sozialisierung angelernt worden seien.

                                                        
218
Ready to shoot. Fernsehgalerie Gerry Schum. Aust.Kat. Düsseldorf – Luxembourg – Porto (Kunsthalle
Düsseldorf – Casino Luxembourg – Museu de Arte Contemporanea de Serralves) 2003-2004. Köln 2003, S.
134-138.
219
Blocker, Jane: Where is Ana Mendieta? Identity, Performativity, and Exile. Durham – London 1999.
  105 
 
Mendietas Interesse galt urtümlichen Riten und Bräuchen, wie sie etwa in den
Schriften Mircea Eliades 220
beschrieben sind. Ein forscherisches Interesse an der
Rückführung von früheren Bedeutungen von Handlungsabläufen ins Rituelle liegt
Mendietas Schaffen zugrunde. Die bei Eliade beschriebenen Riten stehen im engen
Zusammenhang mit Mendietas Kunst. In Eliades Buch Rites and Symbols of Initiation. The
Mysteries of Birth and Rebirth (1961) brannte sie 1978 ihren Handabdruck auf den
Buchdeckel. Die KritikerInnen Mendietas brachten den Vorwurf, sie schwelge, ähnlich wie
Eliade, in einer Art kulturellem Exotismus und romantischer Verklärung
unwiederbringlicher Zeiten. Neben dem Essentialismus wurden Mendieta ihre
Hinwendung zum Primitivismus als romantisch-verklärten Blick auf die Welt vorgeworfen,
bzw. Mendieta spiele mit ihrer Herkunft und kreiere einen solchen „primitiven Blick“ auf
sich und ihre kulturelle Abstammung. Mendieta, die als politisches Flüchtlingskind ihre
Heimat Kuba früh verlassen musste, werden solche überspitzten Aussagen allerdings nicht
gerecht. Der Blickwinkel unter dem solche Aussagen getätigt werden, ist selbst schon ein
exotisierender Blick. 221

„The colonization of the Americas in which the natural inhabitants where [sic] submitted to a violent
system of inhuman exploitation which cost the loves of thousands of them including the extinction
if whole cultures and people (i.e.: the Antilles) are [sic] evidence for this type of colonization. [...] In
the past as well as in our own century [...], the process which has been and still is very much
implemented is DECULTURATION. Its purpose being to uproot the culture of the people to be
exploited.“222

Dieses Zitat Mendietas enttarnt ihre KritikerInnen als kulturelle und koloniale
Zensur. Die Auslöschung und Ausbeutung fremder Kulturen durch Kolonialmächte
vernichteten die Gleichwertigkeit aller Kultursysteme. Der Vorwurf des Spiels mit dem
Primitivismus und die darauf gerichtete Kritik wiederholen diese „Vernichtung“ im Sinne
von einer gewünschten Zensur gegenüber Mendietas Verwendung archaischer Gesten,
Riten und einer Verbindung zu einer mütterlichen Erde. Ihr Anrecht auf diese
Auseinandersetzung ist durch das Ausmaß der Kolonialisierung Lateinamerikas gegeben,
dazu bedarf es keiner Rechtfertigung westlicher Kunstkritik. Vor allem ihre

                                                        
220
Blocker erwähnt vor allem Eliades Buch Schamanismus und archaische Ekstasetechnik (1951), das Mendieta
ihrem Werk mit dem Umriss einer in das Papier des Buches eingebrannten Hand versah.
221
Blocker 1999, S. 39.
222
Ana Mendieta zit. n.: Blocker 1999, S. 40.
  106 
 
Auseinandersetzung mit dem Typus der weiblichen Erdgottheit unterlag dabei vielerlei
Problematisierungen und führte zur Marginalisierung Mendietas Schaffen, da es als
limitierende und eindimensionale Geste gedeutet wurde.

Ihr beliebtestes Material war Erde223, sie errichtete aus diesem Material in wieder-
kehrender Form ihre an Göttinnendarstellungen angelehnte Silhouette. In ihrem Werk First
Silueta (1973) wird die Rekonstruktion der Idee von Vergehen und Wiederauferstehen im
System einer Erdmutter offensichtlich. Die Künstlerin legte sich in eine grabesähnliche
Grube in Oaxaca in Mexiko. Die auf ihrem ausgestreckten Körper drapierten Pflanzen
sehen aus, als würden sie, in einer Symbiose zwischen Mensch und Vegetation, eben aus
diesem herauswachsen.224 Derlei Anspielungen auf den Kreislauf von Tod und Geburt
finden sich mannigfaltig in Mendietas Kunstwerken.

Jane Blocker gibt mit einem Zitat Alan Sonfists über Land Art und ihren kolonialen
Impetus bezüglich Landnahme und Markierung eine überdeutliche Anspielung auf den
Unterschied Mendietas zu der Kerngruppe der Land Art und erinnert an einen
wesentlichen Aspekt der Land Art, der mit dem Territorium zusammenhängt und gerne
übersehen wird. Dies gilt beispielsweise für die topographischen Arbeiten Robert
Smithsons, Nancy Holts Hinwendung zur Astronomie und Walter De Marias Interesse an
meteorologischen Experimenten.225
„The artists’ awareness of the Earth is growing worldwide, but the United States has become the
center of artistic activities focusing on the idea. Art in the land is an American movement. The
experimental atmosphere in the United States has led to the development of this innovative art
within only a few years. In addition, it is significant that America still possesses great quantities of
land to which artists have access. Land has always been a primary element in forging the American

                                                        
223
Zur problematischen Verbindung von Erde und Heimat ein Textauszug Blockers: „Although critics have
long discussed the role of gender and ethnicity in Mendieta’s work, understanding these themes remains
limited without a fuller accounting of nationality. That the bond between earth and nation has not been
discussed relative to her art is hardly surprising since the earth is so often interpreted as the antithesis of
nation. Earth is nature to the nations’s culture. It is free from politics while the nation is definded
politically, universal while the nation is particular, timeless while the nation is contingent. The invocation
of earth, then, may seem to be a tactic disavowal of the nation. I am suggesting that Mendieta invokes the
earth precisely because of its antithetical realtion with the nation, precisely as a tool to combat its
ideologies. [...] The earth is prehistorical, female, primitive, of the body; the nation is historical, male,
colonial, of the mind.“ Blocker 1999, S. 48.
224
Ebd.
225
Ebd., S. 47.
  107 
 
consciousness. One of the primary motives for coming to America was land. As long as there has
been land, the direction of culture has been one of constant expansion.“226

Die letzte hier vorgestellte Auseinandersetzung mit dem Thema Grab gilt Vito
Acconci (geb. 1940), der weniger in der Land Art als in der Body Art anzusiedeln ist. Bei
dem hier gezeigten Videostill (Abb.31) handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem
zehnminütigen Super-8-Film Digging Piece (1970). Ähnlich wie Keith Arnatt versucht sich
Acconci, in der Erde, in diesem Fall im Sand zu vergraben. Durch heftige Fußkicks werden
beständig geringe Sandmaßen aus dem dadurch entstehenden Loch befördert.227 Diese
„Versandung“ wirkt eigentümlich angestrengt, passt sie doch so gar nicht zu den
Assoziationen, die normalerweise mit Sand einhergehen. Hierbei handelt es sich weder um
Treibsand, der rieselnd und langsam einen Körper in die Tiefe zieht, noch werden die
Hände, wie beim Sandburgenbauen üblich, als Grab- oder Formgeräte verwendet. Dieser
athletischen Geste wohnt wütend stampfender Kampfcharakter inne, der gegen die
Schwere des Sandes anzugehen versucht. Abrupt endet das Video mitten in der Aktion,
das Eingraben gelingt Acconci bis zur Höhe der Kniekehlen.

                                                        
226
Sonfist, Alan: Art in the Land. A Critical Anthology of Environmental Art. Hrsg. v. ders. New York 1983, S 11f.
227
URL: http://www.eai.org/title.htm?id=8691 [27.12.2013]
  108 
 
Abb.28: Claes Oldenburg, The Hole, 1967, Abb.29: Claes Oldenburg, The Hole, Still aus
Still aus Super 8 Film, 9:45 min, Whitney Super 8 Film, 9:45 min, Whitney Museum of
Museum of American Art, New York American Art, New York

Abb.30: Gustave Courbet, Ein Begräbnis in Ornans, 1849‐50, Öl auf Leinwand, 315 x 668 cm, Musée 
d'Orsay, Paris 

  109 
 
Abb.31: Vito Acconci: Digging Piece, 1970,
Still aus Super 8 Film auf Video
übertragen, 10 min, Courtesy of Electronic
Arts Intermix, New York
Abb.32: Sol LeWitt, Buried Cube Containing an Object
of Importance but Little Value, 1968, LeWitt
Collection, Conneticut

Abb.34: Ana Mendieta, Tree of Life, 1976

Abb.33: Ana Mendieta, First Silueta, 1973, Galerie


Lelong, New York

  110 
 
Abb.35: Keith Arnatt: Self-Burial (Television Interference Project), 1969, Stills, Tate, London

  111 
 
11 Epilog: Et in Arcadia EGO

Die Verbindung von menschlicher und außermenschlicher Vergänglichkeit


innerhalb dieser speziellen Auswahl von Land Art-Projekten, die sich mit der Negativform
des Loches, den Gräbern und dem Akt des Grabens beschäftigen, haben die ihnen
innewohnende Melancholie dargelegt. Worüber nun Traurigkeit besteht, sei es die eigene
Sterblichkeit, das Sterben des idealisierten und versöhnlichen Landschaftsbildes, der Tod
des Naturbegriffes selbst oder der Blick in das von manchen so wahrgenommene,
sinnentleerte menschliche Dasein, muss allerdings eine offene Frage bleiben. Die Löcher
der Land Art sind die Negativräume und Fragezeichen der menschlichen Existenz im
Dialog mit der Natur.

Suzaan Boettger hat gezeigt, dass die Verbindung von Melancholie und Landschaft
bereits in Vergils fünfter Ekloge über Arkadien begründet liegt. Der Verlust vom Bild der
Ideallandschaft wird in der Aura von Arkadien weitergetragen. Der erste, der diese
Thematik verbildlichte, war der Barockmaler Guercino mit seinem Gemälde Et in Arcadia
Ego (1621-23). In den 1630er Jahren war es Nicolas Poussin, der die arkadische Todeselegie
gleich in zwei Gemälden darstellt. Bei allen drei Kompositionen handelt es sich um
Figurengruppen in arkadischen Landschaften. Dieses Sujet beschäftigte Generationen von
KunsthistorikerInnen. Die Botschaft „Et in Arcadia Ego“ ist entweder in einen Steinsockel
oder eine Grabplatte eingraviert. In den ersten beiden Abbildungen von Guercino und
Poussin betrachten die Hirten einen Totenschädel. Bei der von Poussin geschaffenen
letzten Version von 1637/38 stehen vier Personen vor einem Sarkophag und versuchen,
das darauf Geschriebene zu entziffern, auf die Darstellung des Totenschädels wurde dabei
verzichtet.

Die ersten Interpreten übersetzten diesen Satz mit „Auch ich war in Arkadien
geboren / Auch ich lebte in Arkadien“. Erwin Panofsky schlug vor, den Satz als „Auch in
Arkadien bin ich“ zu verstehen. Damit ist nach Panofsky die sprechende Person nicht ein
dahingeschiedener Hirte, sondern der Tod selbst, der zu den LeserInnen der Grabinschrift
spricht.228

                                                        
228
Boettger 2002, S. 224.
  112 
 
Auch Suzaan Boettger erkennt in vielen der Erdarbeiten einen elegischen,
melancholischen Modus. Robert Smithson selbst stellte diese Verbindung in einem seiner
Texte her, als er sein monumentale Spiral Jetty kommentierte. Smithson schrieb: „Et in Utah
ego“. Der Text wurde in einem Magazin mit dem Namen Avalanche (Lawine) veröffentlicht.
Für Boettger liegt es auf der Hand, dass die Earthworks zurecht nicht als romantisch im
Sinne bukolischer Idyllen verstanden werden wollen, aber die ihnen innewohnende
Melancholie durchaus eine elegische Kraft besitzt.229

Die groben Erdmassen, die riesigen begehbaren Klüfte Michael Heizers, die
Auseinandersetzung Smithsons mit der Frage nach der Verbindung von Psychologie,
Sexualität und Erde sowie die Gräber und vergrabenen Gedichte sind allesamt
Untersuchungen des gespannten Verhältnisses von Mensch und Natur und auch der
eigenen Vergänglichkeit (dem eigenen Natursein) des Menschen. Freilich liegt nichts
Versöhnliches in den Gräben und Löchern Heizers und Smithsons, in den Gedichten Paul
Celans und Nancy Holts und den mythischen Zugängen Ana Mendietas.

Die Arbeiten der KünstlerInnen sind ein Spiegel ihrer Zeit, sind ein Spiegel der
Gesellschaft, aus der sie entstiegen. So verwandeln die Earthworks die von ihnen
verwendete Erde wiederum in Geschichtliches, in Natur-, Kultur- und Kunstgeschichte. Die
60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts sprechen mit diesen Fragestellungen noch
immer zu uns.

                                                        
229
Ebd.
  113 
 
Abb.36: Nicolas Poussin: Et in Arcadia Ego. Öl auf Leinwand, 87 x 120 cm, Louvre, 1637-1638, Paris

  114 
 
12 Ausblick – Natur jetzt

Die 60er Jahre üben eine ungebrochene Faszination auf die kulturelle Produktion unsere
Tage aus. Das Gefühl von Veränderung und vor allem Neubeginn liegt in ihnen begründet.
Die grausamen Kriegsjahre des Zweiten Weltkrieges, des Korea-Krieges (1950-53) und des
Vietnam-Krieges (1955-75) und die sich daraus entwickelten konservativen Gesellschaften
der Nachkriegszeit enthielten Potenzial für einen Befreiungsschlag. Die Anziehung, die
diese Kunstwerke jener Zeit heute noch ausstrahlen, liegt in den Umständen begründet,
aus denen sie hervorgegangen sind. Die Absenz dieses Motors, der zum Glück fehlt,
zeichnet heute eine völlig neue Kunstlandschaft, die mit dem Kapitalismus verschwistert
ist und anderenorts vehement gegen ihn ankämpft. Wie sehr Wissenschaft, Geschichte
und Politik heute in einer Mannigfaltigkeit in die Kunstwelt hineinspielen, zeigen
Großveranstaltungen, wie die letzte Biennale in Venedig und die Documenta in Kassel.

Was die Natur anbelangt, so ist klar, dass die Wege, die Robert Smithson und seine
KollegInnen einschlugen, maßgeblich dafür sind, wie sich die Natur heute in der Kunst
weiterproduziert. Nach den Anfängen der Land Art entstanden in den 70er und 80er
Jahren politisch äußerst engagierte Kunstwerke, die der ökologischen Kunst zuzurechnen
sind. Heutige „junge“ KünstlerInnen, wie der Baske Ibon Aranberri, arbeiten hingegen
beispielsweise archivarisch, jedoch gegen den Willen einer sinnvollen archivarischen
Ordnung. Für seine Installation Organogramme schlichtete er zig gerahmte Fotografien
von Stauanlagen in Spanien in einem Raum auf. Der künstlerische Blick auf diese teilweise
starken Einschnitte in die naturgegebenen Ordnungen von Flüssen, ist kein anklagender
oder alarmierender. Die Betrachtung der Bilder tut ihr eigenes. Die künstlerischen Mittel
sind subtil, kühl und distanziert und bieten nichts an, außer der Irrationalität dieser
Ansammlungen. Für ein anderes Projekt schloss Aranberri eine Felsspalte in Spanien mit
einer riesigen schwarzen Platte. Darin blieb nur ein kleines Loch, durch das sich die in der
Felsspalte lebenden Flughunde weiterhin ein und aus bewegen konnten.

Das Spiel mit der Realität ist ein wesentliches Merkmal in der Kunst des Aranberris.
Es gibt aber auch extreme Gegenbeispiele, wie bei der 55. Venedig Biennale. Im ersten
Pavillon, den der junge Staat Kosovo als eigenständig anerkanntes Land bespielte,
arbeitete der junge kosovarische Künstler Petrit Halilaj mit Erd- und Naturmaterialien. Für

  115 
 
ein früheres Projekt grub er Erde vom ehemaligen Grundriss seines kosovarischen
Familienhauses aus, um diese in einer Schweizer Galerie zu präsentieren. Hier offenbart
sich ein (vermutlich nicht einmal intendierter) nationalistischer Rekurs auf das Erdmaterial
im Sinne von Heimaterde.

Es ist offensichtlich, dass sich die immer wieder neu stellenden Fragen rund um die
Natur, bzw. um das, was von dem Begriff Natur noch übrig geblieben ist und was Natur
heute bedeuten könnte, auch in der Kunst widerspiegeln. Das Anthropozän-Projekt im
Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist beispielhaft für den Versuch, Wissenschaft und
Kunst auf Augenhöhe miteinander in einen Diskurs zu bringen. Die Resultate stehen noch
aus. Die ökologischen Scheinlösungen täuschen immer wieder über das wahre Ausmaß
der Krisen hinweg, dahingehend war Smithsons Kritik gewissermaßen gerechtfertigt, der
bereits in den 60er Jahren zu bedenken gab, dass die Bestrebungen der ökologischen
Bewegungen eigentlich an ihrem Ziel vorbeilaufen. Das Problem liegt offensichtlich tiefer
begründet und kann nicht oberflächlich mit Naturschutzgebieten und Bio-Produkten
behoben werden.

Die neue Riege der spekulativen Realisten versucht, dahingehend mit ihrem
Akzelerationismus230 einen Vorschlag zu bringen, bei dem einem schwindelig wird. Der
Kapitalismus soll in seine Extreme vorangetrieben, sozusagen weiter beschleunigt werden,
um das kapitalistische System zum kompletten Zusammenbruch zu bringen. 231 Das
Herbeisehnen einer reinigenden Katastrophe birgt zugegebener Maßen eine gewisse
perverse Qualität in sich, allerdings ermöglicht es einen drastischeren Blick auf die
eigentlichen Problemfelder unserer Tage. Der pervertierte Blick zeigt die Fatalität der
Situation.

Die „Natur“ und die Erde, die Landschaften und das Bezugsetzen des Menschen zu
diesen Größen werden in den neuen Strömungen teilweise befreiend abgehandelt. Die
prinzipielle Gleichheit von allem, was sich auf der Erde befindet, also jedem Baum, jedem
Ding und jedem Menschen, ermöglicht und erweitert das Denken in eine Zeit, die vor der
Entwicklung des Menschen liegt bis weit in die Zukunft hinaus. Ansicht ist eine
überraschenderweise entspannende und enthebelt den Anthropozentrismus, indem es

                                                        
230
Avanessian, Armen (Hrsg.): Akzeleration. Berlin 2013
231
Rhenesius, Philipp: Mensch ist nur ein Ding unter Vielen. (18.12.2013) Online unter:
http://www.taz.de/!129660/ [22.12.2013]
  116 
 
ihn, ob der Tatsache, dass die Erde freilich schon vor den Menschen ein funktionierender
Planet gewesen ist, irrelevant erscheinen lässt. Diese simple Ansicht, die im Übrigen keine
neue ist, aber dennoch unter neuem Licht erscheint, wird dem Verhältnis von Mensch und
Natur hoffentlich eine neuerliche Wendung ermöglichen. Die Voraussetzungen dafür sind
zumindest gegeben. Bis dahin erinnern Land Art und Earthworks mit ihren
Todesmetaphern stellvertretend an das eigene Natursein des Menschen. Meine
Vermutung ist, dass gerade der Tod viel zu dem komplizierten Verhältnis von Mensch und
Natur beiträgt und all die Entfremdung und Gleichgültigkeit im Angesicht des
Kapitalismus der Natur gegenüber eigentlich Fluchtversuche vor der Identifikation mit
dem eigenen Sterben, dem eigenen Natursein sind. Würde man diesem Gedankengang
folgen, müsste man anfangen, Geschichten von hinten beginnend zu erzählen, so wie es
die Akzelerationisten mit ihren Horrorgeschichten – hoffentlich ohne prophetische
Weitsicht – schon ausgiebig tun.

  117 
 
13 Anhang
„Es ist ein allgemein verbreiteter Glaube, daß die Menschen aus der Erde geboren sind.
In vielen Sprachen heißt der Mensch ,aus der Erde Geborener’. Man glaubt, daß die
Kinder aus der Tiefe der Erde ,kommen’, aus Höhlen, Grotten, Schluchten, aber auch
aus Sümpfen, Quellen und Bächen. Als Legenden, als Aberglaube oder auch nur als
Metapher sind derartige Vorstellungen sogar noch in Europa lebendig. Jede Gegend,
fast jede Stadt und jedes Dorf kennt einen Felsen oder einen Quell, der die
Kinder ,bringt’: es sind die Kinderbrunnen, Kinderteiche, Bubenquellen usw. Noch wir
heutigen Europäer haben das dunkle Gefühl einer geheimen Verbundenheit mit der
Heimaterde. Das ist die religiöse Erfahrung der Autochthonie: man fühlt sich als einer
der Hiesigen, ein Gefühl von kosmischer Struktur, das über die Solidarität mit der
Familie oder der Ahnen weit hinausgeht.“232

„Wir haben schon gesagt: für den „Die Vorstellung, Natur sei
religiösen Menschen ist die Natur etwas für sich Seiendes, das
niemals nur ,natürlich’. Die Erfahrung dem Menschen, der Vernunft
einer radikal entsakralisierten Natur oder der Gesellschaft
ist eine neue Entdeckung und gegenüberstehe, führt in die
überdies nur eine Minorität der Irre. Diejenigen, welche «die»
modernen Gesellschaft zugänglich, Natur schützen wollen, teilen
an erster Stelle den Wissenschaftlern. diese Vorstellung mit
Für die übrige Menschheit hat die denjenigen, die «die» Natur als
Natur immer blosse Ressource betrachten.“234
noch ,Zauber’, ,Geheimnis’
und ,Majestät’, und daraus lassen
sich Spuren der alten religiösen
Werte herauslesen. Es gibt keinen
Modernen Menschen, der wie
irreligiös er auch sein mag – für
den ,Zauber’ der Natur nicht
empfänglich wäre. Es handelt sich
dabei nicht nur um ästhetische,
sportliche, oder hygienische Werte,
die man der Natur zuerkennt,
sondern auch um ein Gefühl, das
unklar und schwer zu definieren,
aber doch als Erinnerung an eine
abgesunkene religiöse Erfahrung zu
erkennen ist.“233

                                                        
232
Eliade, Mircea: Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen. 2. Aufl., Frankfurt am Main 1985, S.
123.
233
Eliade 1985, S. 134.
234
Hampe, Michael: Die Natur gibt es nicht. Über Hintergründe und Folgen einer falschen Vorstellung. In:
Neue Züricher Zeitung. 20. 8. 2011. URL: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/die-
natur-gibt-es-nicht-1.11980223
  118 
 
„Ein Loch verbindet Sphären, die „Das Mädchen, das seine Mutter
getrennt gedacht sind – ein Loch betrachtet, ahnt, daß sie etwas
ist daher beides, ein Durchgang in sich birgt, daß sie eine
und ein Defekt, oder (genau konstitutive Verborgenheit, ihre
besehen vielleicht immer) beides Innenansicht, geradezu
zusammen. [...] Als Teile eines verschluckt hat, so daß sie
Körperganzen sind solche Löcher immer wie ein Doppeltes, ein
Orte vermehrter Durchlässigkeit, Binom aus Vormensch und
wo Austausch und Abgrenzung Mensch wirkt. Freud hätte
stattfinden und geregelt werden. besser daran getan, den Schreck
So tragen sie Züge von Ein- vor dem Loch in Richtung auf
und/oder Ausgängen aller Art. [...] eine solche Erklärung zu
Ein Körper, dessen gesamter begründen, als den kleinen
Austausch mit seiner Umwelt sich Mädchen angesichts der seiner
an seinen verletzlichsten, den Auffassung bereits bestraften
Weg ins Innere freigebenden und kastrierten Mutter, denen
Stellen konzentriert, ist eben der Penis fehlt, den ersten
notwendig in seinem Austausch Abscheu vor ihrem inferioren
gestört. Er gleicht dem Geschlecht kommen zu lassen.
eßgestörten, dem sexuell Das Mädchen, das, ohne
mißbrauchten und dem Rücksicht auf Vernunft
traumatisierten Körper, verstörten und ,Realität’, eine Große
Körper, welche in vielfachen Tiermutter und ihre konkrete
Kombinationen um Mund, Anus, Mutter zur Dekkung zu bringen
Vagina und Wunde (griech. versucht, wird im ,Schreck vor
trauma = Wunde) zentriert dem Loch’ sich weniger des
sind.“235 verlorenen Penis als der Tiefe
des prokreierenden Container-
Du inne.“236

                                                        
235
Fischer-Homberger, Esther: Löcher in Sigmund Freuds Körperbild. In: Luzifer-Amon. Zeitschrift zur
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236
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„Anthropozän“, gesendet am 28.03.2013. Skript online:
http://www.deutschlandradiokultur.de/das-
anthropozaen.1088.de.html?dram:article_id=241330 [04.12.2013]
SAMSONOW, Elisabeth: The Plasticity of the Real. Vortrag beim Speculative Art Histories Symposium,
Witte de With Center for Contemporary Art, 2.5. – 4.5.2013. Vortrag online:
http://www.youtube.com/watch?v=GGBzbHMf7iI [02.07.2013]
SCHELKSHORN, Johann: Audiokommentar in der Ö1 Sendung Radiokolleg „Wie natürlich ist die
Natur“ Teil 2, gesendet am: 16.04.2013.

AUSTELLUNGSKATALOGE:

ENDS OF EARTH. Land Art to 1974. Aust.Kat. Los Angeles-München (Museum of Contemporary Art –
Haus der Kunst) 2012-13. München-London-New York 2012
ANIMISMUS. Moderne hinter den Spiegeln. Hrsg. von Anselm Franke/Sabine Folie. Aust.Kat. Wien
(Generali Foundation) 2011-2012. Köln 2011
ANA MENDIETA. Earth body, sculpture and performance 1972 – 1985. Aust.Kat. Washington DC-New
York (Hirshhorn Museum and Sculpture Garen – Whitney Museum of American Art) 2004-2006.
Ostfildern-Ruit 2004
DOCUMENTA XIII. Das Begleitbuch. Bd. 3. Aust.Kat. Kassel – Kabul – Alexandria – Kairo – Banff. 2013,

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Ostfildern 2012
MICHAEL HEIZER. Aust.Kat. Essen – Otterlo (Museum Folkwang – Rijkmuseum Kröller-Müller) 1979.
o.O. 1979
READY TO SHOOT. Fernsehgalerie Gerry Schum. Aust.Kat. Düsseldorf – Luxembourg – Porto
(Kunsthalle Düsseldorf – Casino Luxembourg – Museu de Arte Contemporanea de Serralves)
2003-2004. Köln 2003

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Lanarkshire, Schottland om/2012/06/see-pousin-hear-
lorrain.jpg
Abb.2 Ibon Aranberri, Organogramme, Installationsansicht, http://www.lttds.org/blog/blog.php?id
2011, Fundació Antoni Tàpies, Madrid =7820843183979543339

Abb.3 Nicolas Poussin, Der Frühling oder das irdische http://ensondeluz.com/2011/04/09/mi


Paradies, 1660-1664, Louvre, Paris scelanea-
primaveral/laprimaveratambinconocin
r2-2/
Abb.4 Ibon Aranberri, Organogramme, Installationsansicht, http://www.lttds.org/blog/blog.php?id
2011, Fundació Antoni Tàpies, Madrid =7820843183979543339

Abb.5 Mark Menders, Two connected Houses, Teil des http://www.markmanders.org/exhibiti


Entwurfs für eine Tunnelgrabung vom Guggenheim ons/two-interconnected-houses/slide-
Museum in New York zu einem gegenüberliegenden 14/?wire=52c9966a8aea44e2845450fe
Haus, 2010 6d789ad0

Abb.6 Mark Menders, Two connected Houses, Teil des Ebd.


Entwurfs für eine Tunnelgrabung vom Guggenheim
Museum in New York zu einem gegenüberliegenden
Haus, 2010

Abb.7 Nobou Sekine: Phase – Mother Earth, http://pictify.com/365540/phase-


Dokumentationsbild, 1968, Sammlung des Künstlers mother-earth-is-daichi-by-nobuo-
sekine-1968
Abb.8 Postkarte von Robert Morris gesendet an Samuel Ends of Earth. Land Art to 1974.
Wagstaff, 13.2.1967, Archives of American Art, Aust.Kat. Los Angeles-München
Smithsonian Institute (Museum of Contemporary Art – Haus
der Kunst) 2012-13. München – London
– New York 2012, S. 184.
Abb.9 Walter De Maria, The New York Earth Room, 140 http://www.diaart.org/sites/main/earth
Tonnen Erde, 1977, 141 Wooster Street, New York room

Abb.10 Robert Smithson, Museum of the Void, http://www.robertsmithson.com/drawi


Bleistiftzeichnung, 1966-1968, Verholland Museum, ngs/museum_void_lev_300.htm
Niewersluis

Abb.11 Robert Smithson, Nine Mirror Displacements, je Druck http://glasstire.com/2012/05/25/david-


61 x 61 cm, 1969, Guggenheim Museum, New York politzer-at-the-houston-center-for-

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photography-and-lawndale-art-center/
Abb.12 Robert Morris, Mirror, 16 mm Film-Still, 9 min, 1969, Ends of earth 2012, S. 221
Besitz des Künstlers
Abb.13 Joan Jonas: Mirror Piece 1, Video-Still aus Performance- http://www.guggenheim.org/new-
Video, Druck, 101 x 55, 6 cm, 1969, Guggenheim york/collections/collection-
Museum, New York online/artwork/24749
Abb.14 Ana Mendieta, Mirage, Video-Still aus Performance- http://www.alisonjacquesgallery.com/a
Video, 1974, The Estate of Ana Mendieta Collection rtists/47/works/
Abb.15 Keith Arnatt, Self Burial with Mirror, 1969, Druck, 127 x http://www.artrabbit.com/uk/events/e
127 cm vent/9975/box_body_burial_the_sculp
tural_imagination_of_keith_arnatt
Abb. 16 Michael Heizer, N/NESW Michael Heizer. Aust.Kat. Essen –
(Norden/NorthEasthSouthWest), 122 x 122 x 122 cm, Otterlo (Museum Folkwang –
1967, Sierra Mountains, Nevada, zerstört Rijkmuseum Kröller-Müller) 1979. o.O.
1979, S. 15.
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1532, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen meisterwerke.de/bilder/lucas-cranach-
d.-ae.-melancholie-02077.html
Abb.18 Robert Smithson, Bingham Copper Mining Pit, Utah http://www.kemperartmuseum.wustl.e
Reclamation Project, Collage, 52 x 78 cm, 1973 du/exhibitions/6743
Abb.19 Lucio Fontana, Concetto Spaziale – Attesa, 146,5 x http://blog.zhdk.ch/nuria/labor-
114,3 cm, 1964-65, Walker Art Center, Minneapolis zeichnen/fenster-und-
durchbrüche/lucio-fontana-pananti/
Abb.20 Michael Heizer, Double Negative, 240 000 t bewegte http://doublenegative.tarasen.net/dou
Erdmassen, 457 x 15 x 9 m, 1969-70, Virgin River Mesa, ble_negative.html
Sammlung Virginia Dwan
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Abb.22 Michael Heizer, Double Negative, 240 000 t bewegte http://doublenegative.tarasen.net/dou


Erdmassen, 457 x 15 x 9 m, 1969-70, Virgin River Mesa, ble_negative.html
Sammlung Virginia Dwan
Abb.23 Michael Heizer, Munich Depression, 1969, 1000 Tonnen http://experiments-in-contemporary-
bewegte Erde, 4,5 m Tiefe, 30,4 m Länge, mittlerweile art.tumblr.com/post/43238888411/mic
zerstört, München hael-heizer-munich-depression-1969
Abb.24 Michael Heizer, Circular Surface Planar Displacement http://zero1magazine.com/2009/08/th
Drawing, 1970, Sammlung Wagstaff, New York e-new-avant-garde/
Abb.25 Nancy Holt, The World through a circle, ca. 1970, Besitz Nancy Holt’s Speaking Media. Hrsg. v.
der Künstlerin Alena J. Williams. Berkeley – Los
Angeles – London 2011, S. 20.
Abb.26 Nancy Holt, Buried Poem Nr. 4 (for Michael Heizer), Ebd., S. 130
Detail, Teil eines Büchleins Nähe des Naturschauplatzes
Double Arch in Utah, Private Sammlung
Abb.27 Nancy Holt, Sun Tunnels (Detail), 1973-76, Maße eines Ebd., S. 89
Tunnels: 5,4 m x 2,7 m, Great Basin Desert, Utah
Abb.28 Claes Oldenburg, The Hole, 1967, Still aus Super 8 Film, http://www.aaa.org.hk/Diaaalogue/Det
9:45 min, Whitney Museum of American Art, New York ails/1157
Abb.29 Claes Oldenburg, The Hole, 1967, Still aus Super 8 Film, https://plus.google.com/+MOCA/posts
9:45 min, Whitney Museum of American Art, New York /VqeptAUHNjr
Abb.30 Gustave Courbet, Ein Begräbnis in Ornans, 1849-50, Öl http://de.wahooart.com/A55A04/w.nsf
auf Leinwand, 315 x 668 cm, Musée d'Orsay, Paris /Opra/BRUE-7YRE2T

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Abb.31 Vito Acconci: Digging Piece, 1970, Still aus Super 8 Film http://www.eai.org/title.htm?id=8691
auf Video übertragen, 10 min, Courtesy of Electronic
Arts Intermix, New York
Abb.32 Sol LeWitt, Buried Cube Containing an Object of http://www.dailytonic.com/friday-
Importance but Little Value, 1968, LeWitt Collection, food-for-thought-martin-visser-
Conneticut collector-designer-free-spirit/
Abb.33 Ana Mendieta, First Silueta, 1973, Galerie Lelong, New http://openspace.sfmoma.org/2012/02
York /fiss-on-mendieta/
Abb.34 Ana Mendieta, Tree of Life, 1976 http://icppdeborah.blogspot.co.at/201
3/10/research-artist-ana-
mendieta.html
Abb.35 Keith Arnatt: Self-Burial (Television Interference http://www.tate.org.uk/research/public
Project), 1969, Stills, Tate, London ations/tate-papers/ten-miles-on-
exmoor
Abb.36 Nicolas Poussin: Et in Arcadia Ego. Öl auf Leinwand, 87 http://www.udo-leuschner.de/sehn-
x 120 cm, Louvre, 1637-1638, Paris sucht/arkadien/s05schaefer.htm
Abb.37 Abb.37: Oskar Newmann, Nuklear-sicheres Manhattan http://io9.com/5869621/a-1969-plan-
unter der Erdeoberfläche, 1969 to-build-an-second-nuke+proof-
manhattan-below-new-york-city

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