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Jorge Luis Borges: An die deutsche 

Sprache
21. Juli 2008 von Jan Wilhelms

An die deutsche Sprache

Mein Schicksal ist die Sprache Kastiliens,


das Erz Francisco de Quevedos,
doch in der sacht schreitenden Nacht begeistern
mich andere, intimere Musiken.
Die eine wurde mir vom Blut gegeben –
o Stimme Shakespeares und der Heiligen Schrift -,
andre vom Zufall, der freigebig ist,
dich aber, milde Sprache Deutschlands, habe
ich selbst erwählt und ganz allein gesucht.
Durch Nachtwachen und durch Grammatiken,
durch den Dschungel der Deklinationen,
durchs Wörterbuch, das niemals die genaue
Schattierung trifft, hab ich mich genähert.
Voll von Vergil sind meine Nächte, hab ich
einmal gesagt; ich hätt auch sagen können,
voll Hölderlin und von Angelus Silesius.
Heine gab mir seine hohen Nachtigallen,
Goethe gab mir das Glück von später Liebe,
die nachsichtig und dabei käuflich ist;
Keller die Rose, die eine Hand läßt
in der Hand eines Toten, der sie liebte
und nie wissen wird, ob sie weiß, ob rot ist.
Du, Sprache Deutschlands, bist dein größtes Werk:
die verflochtenen Liebschaften
zusammengesetzter Wörter, offene Vokale
und Laute, die noch den beflissenen
Hexameter des Griechen ermöglichen,
und dein Raunen von Wäldern und von Nächten.
Einmal besaß ich dich. Heute, an der Grenze
der müden Jahre, kann ich dich noch ahnen,
so fern wie die Algebra und der Mond.

Al idioma alemán

Mi destino es la lengua castellana,


El bronce de Francisco de Quevedo,
Pero en la lenta noche caminada
Me exaltan otras músicas más íntimas.
Alguna me fue dada por la sangre –
Oh voz de Shakespeare y de la Escritura-,
Otras por el azar, que es dadivoso,
Pero a ti, dulce lengua de Alemania,
Te he elegido y buscado, solitario.
A traves de vigilias y gramáticas,
De la jungla de las declinaciones,
Del diccionario, que no acierta nunca
Con el matiz preciso, fui acercándome.
Mis noches están llenas de Virgilio,
Dije una vez; también pude haber dicho
De Hölderlin y de Angelus Silesius.
Heine me dio sus altos ruiseñores;
Goethe, la suerte de un amor tardío,
A la vez indulgente y mercenario;
Keller, la rosa que una mano deja
En la mano de un muerto que la amaba
Y que nunca sabrá si es blanca o roja.
Tú, lengua de Alemania, eres tu obra
Capital: el amor entrelazado
De las voces compuestas, las vocales
Abiertas, los sonidos que permiten
El estudioso hexámetro del griego
Y tu rumor de selvas y de noches.
Te tuve alguna vez. Hoy, en la linde
De los años cansados, te diviso
Lejano como el Agebra y la luna.

https://www.youtube.com/watch?v=8jfd8SLc8Bo

An die Deutsche Sprache

Die kastilische Sprache ist mein Schicksal,


Die Bronze Franzisco de Quevedos,
Doch auf dem langen Weg durch die Nacht
Begeistern mich andre, intimere Musiken.
Eine wurde mir ins Blut gelegt –
O Stimme Shakespeares und der Schrift –
Andere durch den Zufall, der freigiebig ist,
Dich aber, liebliche Sprache Deutschlands,
Dich habe ich erwählt und gesucht, ganz allein.
Durch Nachtwachen und Grammatiken,
Den Dschungel der Deklinationen,
Durch das Wörterbuch, das sich nie annäherte
Dem exakten Ton, habe ich mich Dir genähert.
Meine Nächte sind angefüllt mit Vergil,
So sagte ich einmal; auch könnte ich gesagt haben
Mit Hölderlin und Angelus Silesius.
Heine gab mir seine lauten Nachtigallen;
Goethe, das Glück einer späten Liebe,
Sowohl gütig wie auch abhängig von Güte;
Keller, die Rose, die eine Hand ließ
In der Hand eines Toten, der sie liebte
Und der nie wissen wird, ob sie weiß oder rot ist.
Du, Sprache Deutschlands, Du bist Dein
Hauptwerk: Die Liebe verflochten in
Wortverbindungen, die offenen Vokale,
Die Laute, die das Studieren der
Griechischen Hexameter erlauben
Und das Raunen Deiner Wälder und Nächte.
Dich besaß ich einmal. Heute, am Rande
Der müden Jahre gewahre ich Dich
Entfernt wie die Algebra und den Mond.

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