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Daniel Bremer M.A.

, Zürich
Macht
wahrnehmen

Macht und
Wissen

Macht und
Referat Workshop Sprache

Macht und
Diskurs

Macht und
Nähe
Praktische Zugänge zum Phänomen der Macht
Macht und Macht und Ordnung Macht und Sprache
Willensschwäche Das dürfen wir aus Pfleger zum Bewohner:
Ich würde ja schon, rechtlichen Gründen dem Hat er denn heute seinen
aber ich kann Bewohner nicht antun! Brei schon gegessen?
nicht!
?? ?? ?? Macht und Lust
Macht und Nähe
Wer oder was sagt: Mir geht es noch ganz
Kann ich Ihnen Phänomen gut, wenn man
bedenkt
helfen? ?
Ich ertrage es Macht Es ist mir sowieso
nicht, wenn diese lieber, wenn
Person ?? ?? ??

Macht und Führung Macht und Postmoderne Macht und Würde


Ich habe A gesagt, Die haben im Grunde doch Herr Doktor, geben Sie
jetzt muss ich auch B keine Ahnung! mir eine Spritze, ich mag
sagen das ziehe ich Was solls. dem Gesundheitswesen
durch! Das kann jeder erzählen! nicht länger zur Last
Die machen sowieso Es geht aber schneller so! fallen!
was sie wollen!
Theoretische Zugänge zum Phänomen der Macht
Macht und Macht und Ordnung Macht und Sprache
Willensschwäche Funktionalisierung des Menschen Macht und Ohnmacht im Gespräch
Normativer Druck Vokabulariertypen
Akrasia-Problem
Normgerechtigkeit versus Performative Effekte
Wünsche 1. und 2. Ordnung
Situation Woher stammt Bedeutung?
Was heisst willensstark ?
Gerechtigkeit Idealsprache versus Gebrauchstheorie
(Nietzsche)
Methode versus Inhalt der Bedeutung
Unsicherheitsumgangskompetenz
Sprache und Gewalt
?? ?? ?? Wahrheit, Meinung, Information
Macht und Nähe
Begegnung Macht und Lust
Therapeutische Narrative
Sympathie, Antipathie, Phänomen Körper und/oder Seele?
Motive des Handelns
Idiosynkrasie Verantwortung?
Wie entstehen moralische Netze
der Macht?
Macht Ich und der Andere
Schwarze Aufklärung: Sadismus und
Angst, Existenz, Überforderung Masochismus
Körper und Macht Geringster Widerstand oder
?? ?? ?? Leidenschaft am Hindernis? Lust und
Last der Verführung
Macht und Führung Macht und Postmoderne
Führungsstil: machiavellistisch Ist Wissen noch Macht? Macht und Würde
versus partizipativ? Wissenswertzerfall Menschenbild und Macht
Macht der Gewohnheit Zunahme von Wissen und Nichtwissen Quellen der Diskriminierung
Deontologie Beschleunigung Was ist Würde?
Utilitarismus Analytik der Macht: Wert des Menschen, Wert des
Tugendethik - Diskursmacht Lebens:
Problemsolidarität - Disziplinarmacht Autonomie, fatale
Rechtfertigung, Strategie, List - Strukturelle, systemische Macht Selbstpräsenz, sittliche
-Pastoralmacht Vernunft, Gemeinschaft und
-Überschneidung von Subjekt und Objekt Abhängigkeit,
Fachliterarische Zugänge zum Phänomen der Macht
Macht und Macht und Ordnung Macht und Sprache
Willensschwäche M. Foucault: Die Ordnung des Diskurses H. Schleichert: Wie man mit Fundamentalisten
Funktionalisierung des Menschen diskutiert ohne den Verstand zu verlieren.
Aristoteles: Nikomachische Ethik
J. Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit Richard Rorty: Kontingenz, Ironie, Solidarität
Harry. G. Frankfurt: Freiheit und
P. Feyerabend: Wider den L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen
Selbstbestimmung
Methodenzwang J.L. Austin: How to do things with words
F. Nietzsche: Fröhliche
Kant: Grundlegung zur Metaphysik der J. Butler: Kritik der ethischen Gewalt
Wissenschaft; Nachgelassene
Sitten J. Butler: Hass spricht
Fragmente

Macht und Nähe ?? ?? ??


Burkhard Liebsch: Menschliche Macht und Lust
Sensibilität. Göttingen 2008 M. Foucault: Sexualität und Wahrheit
Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Monika Sänger: Verantwortung
Kapitalismus
S. Bovenschen: Überempfindlichkeit
Phänomen J. Lacan: Ich und der Andere
Psychogische Fachartikel zu Sadismus und
S. Kierkegaard: Der Begriff Angst
Richard Sennett: Respekt im Macht Masochismus
J.F. Lyotard: Libidinöse Ökonomie 1974
Zeitalter der Ungleichheit Geringster Widerstand oder Leidenschaft
Leib-Seele-Problem am Hindernis?
Körpervorstellungen ?? ?? ?? I. Camartin: Lob der Verführung

Macht und Führung Macht und Postmoderne Macht und Würde


Machiavelli: Der Fürst. Reclam. J..F. Lyotard: Das postmoderne Wissen Hans Lenk: Kreative Aufstiege.
David Hume: Traktat über den J. Baudrillard: Lasst euch nicht verführen! Kant: Grundlegung zur Metaphysik
menschlichen Verstand. 1744 Hartmut Rosa: Beschleunigung der Sitten
Kant für Anfänger: Der kategorische Handeln trotz Nichtwissen H. Plessner: Zur Anthropologie des
Imperativ. M. Foucault: Die Ordnung des Diskurses, Schauspielers, Die Stufen des
J. S. Mill: Utilitarismus Überwachen und Strafen, Analytik der Organischen und der Mensch, Macht
Alasdair MacIntyre: Nach der Tugend Macht und menschliche Natur
Richard Rorty: Kontingenz, Ironie, Kurt Röttgers: Spuren der Macht, Freiburg
Solidariträt, 1990
Sextus Empiricus: Pyrrhonische Skepsis
H. von Senger: 36 Strategeme
Eine Expertenstimme: M. Foucault (1926-1984)
Die Macht gibt es nicht. Ich will damit folgendes sagen: die Idee, dass es an einem
gegebenen Ort oder ausstrahlend von einem gegebenen Punkt irgendetwas geben könnte,
das eine Macht ist, scheint mir auf einer trügerischen Analyse zu beruhen und ist jedenfalls
ausserstande, von einer beträchtlichen Anzahl von Phänomenen Rechenschaft zu geben. Bei
der Macht handelt es sich in Wirklichkeit um Beziehungen, um ein mehr oder weniger
organisiertes, mehr oder weniger pyramidalisiertes, mehr oder weniger koordiniertes Bündel
von Beziehungen. Folglich besteht das Problem nicht darin, eine Theorie der Macht zu
begründen, der die Aufgabe zukäme, zu wiederholen, was schon ein Boulainvilliers oder aber
ein Rousseau hat machen wollen. Beide gehen von einem Urzustand aus, in dem alle
Menschen gleich sind, und dann was passiert dann? Ein Einbruch der Geschichte für den
einen, das mythisch-juridische Ereignis für den anderen was auch immer man bevorzugt,
stets läuft es so: von irgendeinem Zeitpunkt an haben die Leute keine Rechte mehr gehabt,
und die Macht war da. Wenn man versucht, eine Theorie der Macht aufzustellen, wird
man immer gezwungen sein, sie als an einem gegebenen Ort, zu einer gegebenen Zeit
auftauchend anzusehen, und man wird genötigt sein, ihre Genese aufzuzeigen und dann
ihre Deduktion vorzunehmen. Wenn aber die Macht in Wirklichkeit ein diffuses, mehr oder
weniger (und ohne Zweifel eher schlecht) koordiniertes Bündel von Beziehungen ist,
dann stellt sich nur das Problem, ein Analyse-Raster zu schmieden, das eine Analytik der
Machtbeziehungen ermöglicht.

Michel Foucault: Ein Spiel um die Psychoanalyse. Gespräch mit Angehörigen des Département de Psychanalyse der Universität Paris VIII in
Vincennes. In: Ders. Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin 1977, S. 118-175; S. 126f
Foucault: Dispositiv
Was ich unter diesem Titel festzumachen versuche ist erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das
Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen reglementierende Entscheidungen, Gesetze,
administrative Massnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder
philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfasst. Soweit die Elemente des
Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann.

Zweitens möchte ich in dem Dispositiv gerade die Natur der Verbindung deutlich machen, die zwischen diesen
heterogenen Elementen sich herstellen kann. So kann dieser oder jener Diskurs bald als Programm einer
Institution erscheinen, bald im Gegenteil als ein Element, das es erlaubt, eine Praktik zu rechtfertigen und zu
maskieren, die ihrerseits stumm bleibt, oder es kann auch als sekundäre Reinterpretation dieser Praktik
funktionieren, ihr Zugang zu einem neuen Feld der Rationalität verschaffen. Kurz gesagt gibt es zwischen
diesen Elementen, ob diskursiv oder nicht, ein Spiel von Positionswechseln und
Funktionsveränderungen, die ihrerseits wiederum sehr unterschiedlich sein können.

Drittens verstehe ich unter einem Dispositiv eine Art von sagen wir Formation, deren Hauptfunktion zu einem gegebenen
historischen Zeitpunkt darin bestanden hat, auf einen Notstand (urgence) zu antworten. Das Dispositiv hat also eine vorwiegend
strategische Funktion. Das hat zum Beispiel die Resorption einer freigesetzten Volksmasse sein können, die einer Gesellschaft mit
einer Ökonomie wesentlich merkantilistischen Typs lästig erscheinen musste: es hat da einen strategischen Imperativ gegeben, der
die Matrix für ein Dispositiv abgab, das sich nach und nach zum Dispositiv der Unterwerfung/Kontrolle des Wahnsinns, dann der
Geisteskrankheit, schliesslich der Neurose entwickelt hat.

Ich würde an der Genese von Dispositiven zwei Momente als wesentlich ansehen. Zuerst gibt es immer die Prävalenz einer
strategischen Zielsetzung. In der Folge konstituiert sich das Dispositiv dann eigentlich als solches und bleibt in dem Masse
Dispositiv, in dem es Ort eines doppelten Prozesses ist: Prozess einerseits einer funktionellen Überdeterminierung, sofern
nämlich jede positive oder negative, gewollte oder ungewollte Wirkung in Einklang oder Widerspruch mit den anderen treten muss
und eine Wiederaufnahme, eine Readjustierung der heterogenen Elemente, die hier und da auftauchen, verlangt. Prozess einer
ständigen strategischen Wiederauffüllung andererseits.

Michel Foucault: Ein Spiel um die Psychoanalyse. Gespräch mit Angehörigen des Département de Psychanalyse der Universität
Paris VIII in Vincennes. In: Ders. Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin 1977, S. 118-
175; S. 120f
H. Popitz: Phänomene der Macht Pflege-
Gemäss Popitz gibt es vier anthropologische Grundformen von Macht: Beispiele:

Aktionsmacht Direkteste Form von Macht, anderen Den fixieren wir


etwas antun zu können. Voraussetzung: jetzt!
dauerhaft überlegene Machtmittel. (43)

Instrumentelle Macht Macht als Steuerung des Verhaltens Wenn sie sich
anderer durch Drohungen (erzeugen nicht wehren,
Furcht) und Versprechungen (erzeugen dann helfen wir
Hoffnungen) (79) Ihnen!
Autoritative Macht Das Autoritätsphänomen besteht in einer
spezifischen Gebundenheit eines Menschen an Das macht sie
das, was ein anderer tut oder lässt. Der für mich schon
Autoritätsabhängige ist auf den anderen fixiert, von alleine, da
fixiert insbesondere auf alle Handlungen, die er muss ich gar
als Reaktion auf sich selbst deuten kann. Er ist nichts befehlen!
gefesselt an die Beziehung, die ihn real oder
imaginär mit dem anderen verbindet. (107)

Datensetzende Macht Technisches Handeln (Verwenden Die Messdaten


Verändern Herstellen) erzeugt sprechen
datensetzende Macht in Form vollendeter Klartext: Jetzt
Tatsachen (180f) wird amputiert!
Heinrich Popitz: Phänomene der Macht. Tübingen 1992
Pierre Bourdieu (1930-2002): Kulturelles Kapital und Geschmack
Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (1979)

Neomarxistischer
doppelter
Indikatoren für Klassenkampf Sozialer Raum
Sozialklassenranking: Reiner,
Kampf um Distinktion legitimer
Drei Kapitalsorten zur Notwendigkeit Klasse A Geschmack
oben
Ökonomisches Kapital: Geld und Klasse B
Eigentum
Kulturelles Kapital: Wissen, Klasse C
Qualifikation, Bildungstitel,
Einstellungen, Handlungsformen; Klasse D
bestimmte kulturelle Kompetenz, Prätentiöser,
typ. Habitus Klasse E
mittlerer
Habitus: klassenspezifische erzeugt als Geschmack
Disposition gegenüber der Welt mit generatives
ästhetischem Ausdruck in Geschmack Prinzip
und Lebensstil. Funktionen: Motive,
Selbstvergewisserung, Distanzierung, Lebensstil, feine Unterschiede
Geschmack
Klassendifferenzierung; eine
Feinklassenkampf mit symbolischen
Mitteln, meist von unten nach oben.
Soziales Kapital: Soziale Klasse X Populärer,
Klasse Y
barbarischer
Beziehungen eines Individuums
Geschmack
Kampf um Prätention
unten
Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus.
Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2004. Frankfurt a.M. 2007.

Die Bildung des Kapitalismus ging Hand in Hand mit der Bildung einer stark emotionalen Kultur. (12)

Niemals zuvor ist das private Selbst so sehr auf die Diskurse und Werte der ökonomischen und
politischen Sphäre zugeschnitten worden. (12)

Kapitalistische Erzählstrukturen werden seit den 40er Jahren zusehends von systemimmunisierenden
therapeutischen Narrativen geprägt (24ff):

1.Wenden Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit der Person zu, mit der Sie sprechen, und machen Sie deutlich, dass Sie genau das tun.
2.Sprechen Sie nicht, sondern hören Sie zu.
3.Streiten Sie nicht; geben Sie keine Ratschläge.
4.Passen Sie darauf auf:
5.Machen Sie sich beim Zuhören versuchsweise und unbeschadet späterer Abänderungen ein Bild von dem Menschen, der vor
ihnen sitzt. Um dieses Bild zu überprüfen, fassen Sie von Zeit zu Zeit das, was er gesagt hat, zusammen und geben Sie ihm
Gelegenheit, sich noch deutlicher auszudrücken (zum Beispiel: Habe ich Sie so richtig verstanden? ). Stellen Sie solche Fragen nur
mit grösster Vorsicht, und dann ausschliesslich, um das Bild klarer zu machen, nicht aber, um etwas hineinzuführen oder etwas
abzuändern.
6.Denken Sie daran, dass alles, was Ihnen gesagt wird, vertraulich zu behandeln ist und nicht weitererzählt werden darf.

(Elton Mayo, The Social Problems of an Industrial Civilization, London 1949, S. 115f; zit. Nach Illouz 2007, S. 26)

Inwiefern bildet die epidemische Zunahme von Ratgeber-Literatur, Helpdesks, Hotlines u.ä. in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts eine Bestätigung der These, dass die postmoderne Vielfalt Menschen zusehends in eine Vereinsamung (H.
Arendt) und eine Desorientierung treibt?

Inwiefern lässt sich die These von Illouz bestätigen, dass hier therapeutische Narrative am Werk sind, welche durch ihren
diskriminierenden a priori asymmetrischen Charakter zu dieser Verlassenheit des modernen Menschen beitragen?

Inwiefern lassen sich in den Strukturen der techno-kapitalistischen Moderne Züge totaler Herrschaft (Bewegung, Ideologie,
deduktive Logik, Terror, Verlassenheit, Verlust eines Prinzips des Handelns, Zerstörung der Beziehung) erkennen?
Reemtsmas triadische Gewalttypologie
An militärstrategische Hinweise anschließend hat der Literaturwissenschaftler
und Sozialtheoretiker Jan Philipp Reemtsma in seiner 2008 erschienenen
Studie Vertrauen und Gewalt aktuell drei Typen von Gewalt unterschieden:

einmal die lozierende Gewalt, die einen anderen Körper entfernt, weil er der
Verfolgung eigener Interessen im Wege steht (z.B. im Krieg, bei Raub und
Mord),

zum anderen die raptive Gewalt, die sich des anderen Körpers bemächtigt, um
ihn für seine Interessen zu benutzen (vor allem in Formen sexueller Gewalt),
und schließlich

die autotelische Gewalt, die im Unterschied zu den beiden erstgenannten


Gewaltformen keinem außerhalb der Gewalthandlung(en) liegenden Zweck
dient, sondern vielmehr um ihrer selbst willen angewandt wird. Hierunter
thematisiert er ausdrücklich auch den unmittelbaren Lustgewinn Vieler, wenn
sie Gewalt anwenden (schrecken, quälen, foltern) können.

Jan Philipp Reemtsma: Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburger Edition HIS,
Hamburg 2008.
26. Februar 2009, Neue Zürcher Zeitung
«Gewalt gehört zum Menschsein»
NZZ-Podium mit dem Literaturwissenschafter und Essayisten Jan Philipp Reemtsma
Der Wissenschafter, Publizist und Mäzen Jan Philipp Reemtsma am NZZ Podium zum Thema Gewalt. (Bild: )

Unter bestimmten Umständen sind in jeder Kultur Gewaltexzesse möglich. Diese These vertritt Jan Philipp Reemtsma,
der am NZZ-Podium für eine Enträtselung der Gewalt plädiert hat.
vö. Warum gibt es auch in aufgeklärten Gesellschaften Gewalt? Die so gestellte Frage nach dem Gewaltphänomen könne
niemals beantwortet werden, ist der Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma überzeugt. Denn die Geschichte lehre,
dass es nie eine gewaltfreie Epoche gegeben habe. Anknüpfend an sein Essay über Gewalt und Vertrauen, sprach
Reemtsma gestern am NZZ-Podium unter der kundigen Leitung von NZZ-Feuilletonchef Martin Meyer von der
«autotelischen», der selbstzweckhaften Gewalt. Diese verfolgt den Selbstgenuss einer unbeschränkten Macht, indem sie
den Körper des Opfers zerstört. Einem solchen vollkommen sinnlosen Gewaltakt haftet nichts Rätselhaftes an, jeglicher
Erklärungsversuch läuft ins Leere, wie Reemtsma ausführte. Gewalt gehört seines Erachtens nicht nur zum Menschsein,
sondern ist auch «eine Fähigkeit, in bestimmten Situationen davon Gebrauch zu machen. Niemals hat eine Diktatur ein
Personalproblem gehabt», formulierte Reemtsma provokativ. Trotz seinem Pessimismus bezeichnete der
Gewaltphänomenologe die Moderne als eine Erfolgsgeschichte bezüglich Gewalt und nannte die Abschaffung der Folter als
Beispiel. Gleichwohl ist für ihn ihre teilweise Rückkehr im 20. Jahrhundert der Beweis, dass «der Zivilisationsprozess eine
permanente Anstrengung ist» und wir «traumaempfindlicher» werden sollten. Gerade weil wir in der Moderne keinen Ort
mehr für die autotelische Gewalt hätten, also sagen, die abscheulichste Form der Gewalt dürfe es nicht geben, verdrängen
wir sie. «Aber Illusionen nützen nichts.» Illusionslos zeigte sich Reemtsma bis zum Schluss, so etwa auch in der Frage,
warum das «Prinzip Hoffnung» nicht brauchbar sei. Seine Begründung war eindrücklich: 1996 war Reemtsma während 32
Tagen als Geisel in einem Keller angekettet. Die Hoffnung auf ein gutes Ende habe ihn damals vollkommen demoralisiert.
Um Ordnung im emotionalen und intellektuellen Chaos zu schaffen, habe er zwei Tage nach der Freilassung eine
Chronologie der Ereignisse zu schreiben begonnen. Und: «Was macht man, wenn man nicht zurückschlagen kann? Man
schreibt ein Buch.» Allerdings entschied sich der Pragmatiker erst für dessen Publikation, als ihm bewusst geworden war,
dass die akribische Beschreibung seiner Wahrnehmung auch anderen in vergleichbaren Situationen helfen könnte.
Walter Benjamin: Zur Kritik der Gewalt (1921)

Walter Benjamin verfasste 1921 mit der Schrift Zur Kritik der Gewalt in der er sich auf
Georges Sorels Réflexions sur la violence (dt. Über die Gewalt) bezieht einen
philosophischen Grundlagentext für die moderne Gewaltkritik. Spätere Theoretiker wie
Theodor W. Adorno, Hannah Arendt, Jacques Derrida, Enzo Traverso und Giorgio Agamben
wurden in ihrer Analyse davon beeinflusst und beziehen sich auf die kritische Theorie
Benjamins.
Nach Benjamin entsteht Gewalt dann, wenn eine wirksame Ursache in Verhältnisse
eingreift, die als sittlich verstanden und die durch Begriffe wie Recht und Gerechtigkeit
markiert werden.
Gewalt dient dabei in einer Rechtsordnung zuerst als Mittel und nicht als Zweck. Ist Gewalt
lediglich das Mittel in einer Rechtsordnung, so lassen sich Kriterien für diese Gewalt finden.
Gefragt werden kann, ob Gewalt ein Mittel zu gerechten oder zu ungerechten Zwecken
darstellt.
Benjamin kritisiert das Naturrecht, nach dessen Anschauung Gewalt ein Naturprodukt
sei, dessen Verwendung keiner Problematik unterliegt, es sei denn, daß man die Gewalt zu
ungerechten Zwecken mißbraucht. An diesem Punkt weist er auf die Nähe zwischen
rechtsphilosophischen Dogmen, die aus den natürlichen Zwecken als Maß die Rechtmäßigkeit
der Gewalt ableiten, und naturgeschichtlichen Dogmen des Darwinismus hin, der neben der
natürlichen Zuchtauswahl die Gewalt als ursprüngliches und allen vitalen Zwecken der Natur
allein angemessenes Mittel ansieht. Anknüpfend an die naturrechtliche Gewaltvorstellung
kritisiert Benjamin die gegenläufigen Thesen des Rechtspositivismus, denen zufolge die
Gewalt aufgrund geschichtlicher Prozesse von Ablehnung und Zustimmung (Sanktionierung)
in ihrer Rechtmäßigkeit beurteilt werden müsse.
Gewalt Macht Etymologie
Der Begriff Gewalt (eine Bildung des althochdeutschen Verbes verwalten, bzw. waltan stark sein,
beherrschen) findet vor allem Verwendung, wenn mit Zwang vor allem physischem, aber auch psychischem
etwas durchgesetzt werden soll. Von den etymologischen Wurzeln ausgehend, bezeichnet der Begriff das
Verfügen-können über das innerweltliche Sein .
Die ursprüngliche und gelegentlich heute noch verwendete Bedeutung bezeichnet also rein das Vermögen zur
Durchführung einer Handlung und beinhaltet kein Urteil über deren Rechtmäßigkeit. Gewalt im Sinne von
Walten findet sich wieder in Begriffen wie Staatsgewalt oder Verwaltung. Inhaltliche Anwendung findet der Begriff
bei den wissenschaftlichen Disziplinen Staatstheorie, Soziologie und Rechtsphilosophie. Die Definition des
Begriffs ist schwierig, da seine Verwendung in Abhängigkeit von dem jeweiligen Erkenntnisinteresse stark variiert
(dies verursacht z.B. Probleme bei der statistischen Erfassung von Gewaltdelikten). Im Strafrecht ist Gewalt ein
Zwangsmittel zur Einwirkung auf die Willensfreiheit eines anderen, z.B. bei Raub, Entführung, Erpressung und
Nötigung; bei Delikten wie Mord, Körperverletzung und Sachbeschädigung geht das Strafrecht vom Ergebnis aus,
d.h. jemand wird getötet, verletzt oder eine Sache wird beschädigt bzw. zerstört. Wird nach einer allgemein
gültigen Definition gesucht, muss der Begriff der Gewalt nach dem Schriftsteller Wolfgang Bittner über das
Strafrecht hinaus vom Sprachgebrauch im täglichen Leben her entwickelt werden. Danach ist Gewalt jede Kraft-
oder Machteinwirkung auf Menschen oder Sachen, und zwar in negativer Weise.
Eine ursprünglich positive Begrifflichkeit ist bei gewaltige Wirkung oder gewaltige Leistung erkennbar, wenn
eine über das übliche Maß hinausgehende Leistung anerkennend beschrieben werden soll.

Im Sinne der Rechtsphilosophie ist Gewalt gleichbedeutend mit Macht (englisch power, lateinisch potentia)
oder Herrschaft (lateinisch potestas).

Im Althochdeutschen, Altslawischen und Gotischen bedeutete das Wort Macht soviel wie Können, Fähigkeit,
Vermögen. Vergleichbar stammt das lateinische Substantiv für Macht , potentia, von dem Verb possum, posse,
potui ab, welches heute mit können übersetzt wird.
Macht wird im allgemeinen Sprachgebrauch oftmals dem Wortfeld des Begriffs Herrschaft zugeordnet. Wörter wie
Machtapparat, Machtergreifung, Machtwechsel, Machthaber legen dieses Verständnis nahe.
Machttypen:
Macht
legitime illegitime
Zwang Macht Macht
Autorität
Belohnung
Machtgebrauch Machtmissbrauch
Identifikation
Fachwissen Hannah Arendt: Macht als
Information Zusammenwirken von Max Weber: Nach dieser
Institution freien Menschen im wohl bekanntesten
Struktur politischen Raum zugunsten Definition ist Macht jede
Soziale des Gemeinwesens. Diese Chance, innerhalb einer
Beziehungen Macht tritt nicht hierarchisch sozialen Beziehung den
Handlung als Institution oder eigenen Willen auch gegen
Entscheidung Rechtsordnung auf, sondern Widerstreben
Mobilisierung als Möglichkeit, die durchzusetzen, gleichviel,
Verfügung Geschichte zu beeinflussen. worauf diese Chance
Definition Sie kann in Verfassungen, beruht. Diese Definition
Strafend Institutionen usw. einfließen, abstrahiert von den Quellen
Beschützend die aber wiederum der Macht, sieht also etwa
Durchsetzung wandelbar sind. von einer Legitimiertheit der
Veränderung Hannah Arendt: On Violence New York und London
Macht völlig ab.
1970. Dt. Macht und Gewalt. Piper, München, 1970
Ressource (15.Aufl. 2003)
Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß
der verstehenden Soziologie, 1. Halbband,
Tübingen 1956/1980, S. 28
Repression / Gewalt

Asymmetrische Machtrelationen Symmetrische Machtrelationen


Herr - Knecht - Verhältnisse Prinzipiell umkehrbar
Herrschaftszustände Selbstmächtigkeit der Individuen
Strukturelle, institutionelle Macht Diskurs als Regulativ der Macht
Regelförmige Macht Spiel der Macht
Umgangsweisen: Umgangsweisen:
1. Widerstand, Gegengewalt Macht wahrnehmen: Phänomenologie der Diskriminierung,
(transparent oder strategisch) Zurückhaltung
2. Anpassung, Submission, Gehorsam, Macht und Diskurs: Innere würdige Distanz, Exzentrische
Selbstunterwerfung (unbewusst unter Positionalität; Probleme erkennen, benennen, aussprechen;
Tauschmechanismen (er)kennen (Gerechtigkeiten); die
Wahrung des Scheins der freien Anderen teilhaben lassen am Erleben des Problems; Erzeugen
Selbstentfaltung; kalkuliert) von Problemsolidarität
3. Diskurs Macht und Nähe: Ethik der Idiosynkrasien
4. Flucht Anerkannte unabhängige Abhängigkeit
Umgehen mit Wissen der Macht

Da Phänomene der Macht sehr komplex und vielschichtig sind,


müssen mögliche auftretende Aspekte immer auch für sich selbst
und für andere in den Situationen bemerkt, zu einer Sprache
gebracht und soweit wie möglich geklärt werden.

Das Problematisieren verschiedener Machtformen kann dazu


dienen, entlastende und Perspektivenwechsel vorzunehmen.
Management von
Überempfindlichkeiten
1. Homo habilis
2. Homo rudolfensis
3. Homo ergaster
4. Homo erectus
5. Homo antecessor
6. Homo (erectus) heidelbergensis
7. Homo steinheimensis
8. Homo neandertalensis
9. Archaischer Homo sapiens
10. Homo sapiens sapiens
11. Animal saccos cibi (secum) ferens
12. Homo praedans et comportans ( praedator )
13. Homo iactans
14. Homo venator , homo systematice et communi consilio
venans
15. Homo res simulatas venans
16. Homo permanente sexualis
17. Animal (diu) retardatum
18. Animal rationale = zoon logon echon Das Humanum (Homo, der Mensch): zum
19. Homo / animal rationabile Teil notwendige und/oder hinreichende
Merkmale
20. Homo ratiocinans
21. Homo causator , causa petens et intelligens et causis utens Aus: Lenk, Hans: Kreative Aufstiege. Zur
Philosophie der Kreativität. Frankfurt a.M.
22. Homo in classes redistribuens, « reclassificans » 2000. Erweitert ab Nummer 271 und
23. Homo semper expliciter explicans ergänzt um bibliographische Angaben von
Daniel Bremer.
24. Homo « illuminatus » ratione ductus
25. Homo sibi conscius, homo 39. Homo configurans 53. Homo duplex, homo fas
subjectivus (construens) nefasque persequens
26. Homo ego dicens 40. Homo destruens 54. Homo sibi alienatus
27. Homo noosphaericus , 41. Homo supervacanea petens 55. Homo demens
homo mentis particeps et eorum indigens 56. Animal degeneratum
28. Homo (sensum) quaerens 42. Homo supernaturalis 57. Homo se ipsum degenerans
(et generans) 43. Homo automatos, Homo 58. Homo inermis
29. Homo loquens ex machina 59. Homo relationum
30. Homo rhetoricus 44. Homo innaturalis, 60. Homo reciprocans
31. Homo dialogiae, dialogicus denaturalis 61. Homo imperfectus
32. Homo discursivus 45. Homo natura , homo 62. Homo perfectum petens
33. Homo loquax naturalis 63. Homo sciens, sciendi
34. Homo nomina dans et 46. Homo instinctu agitatus cupidus et indigens
tribuens 47. Homo imitans, homo 64. Homo semper melius sciens
35. Homo signans et mimeticus 65. Homo papyris sciens
significans 48. Homo asceticus , homo se 66. Homo silico sapiens
36. Homo per signa in dialogis constringens 67. Homo insipiens, insciens
agens (Anthropos semiotikos 49. Homo modestus sive 68. Homo interveniens
kai pragmatikos) modicus 69. Homo faber, homo
37. Homo grammaticus, 50. Homo clemens instrumenta (instrumentis)
syntacticus, linguisticus 51. Homo immodestus faciens
38. Homo analysans 52. Hono ambiguus, homo 70. Animal rotis fabricatis
(anthropos analyon) et (semper) interim (essendi) (artificialiter agitatis utens)
componens et integrans
71. Homo nodos faciens 83. Homo scientificus, 95. Homo se cum ideis identificans
72. Homo retis, homo plexus theoreticus 96. Homo fingens
et plectens 84. Homo inveniens et 97. Homo ecentricus , expositus
73. Homo technicus, innovans, homo inventor 98. Animal improvisum,
technologicus, (anthropos 85. Homo creator, Homo improbabilissimum
technites) ingeniosus 99. Homo negantropicus
74. Homo/ animal metans et 86. Homo semper (magis) 100. Homo ludens
numerans procreans, producens 101. Homo praecipitans
75. Homo experiens, homo 87. Homo investigans, 102. Homo admodum immobilis
experimenta agens curiosus 103. Homo dercernens, homo libre
76. Homo agens 88. Homo academicus decernens
77. Homo pictor, homo (non solo gallicus, sed 104. Homo se ipsum definiens et
depictor, imagines faciens etiam germanicus etc.) praedicans
imaginibusque fingens 89. Homo obstupescens 105. Homo (inter)rogans, quaerens
78. Homo symbolicus (animal 90. Homo semper discens, 106. Homo dubitans
symbolicum) homo signa semper se educans 107. Homo quaestiones solvens
constituens et signis utens 91. Homo mentiens, 108. Homo errans
79. Homo mathematicus mentiti capax 109. Homo conjecturas fingens
80. Homo informator 92. Homo simulationis 110. Homo providens, promethëicus
81. Homo mundos virtuales 93. Animal ideologicum, 111. Homo mentalis machinae
producens homo ideologicus, homo Darvini
82. Homo nova petens, opinionibus nitens 112. Homo (prae)curans, procurans
neotenus , rerum novarum 94. Animal illusionibus usus 113. Homo sperans
cupidus animae spiritusque utiens 114. Homo utopiarum indigens
115. Homo promittens 130. Homo metaphysicus, 143. Homo furens
116. Homo conans philosophans, animal 144. Homo malignus, maleficus
117. Homo audax, audens Metaphysicum, homo 145. Homo moralis / ethicus
118. Homo (se) periclitans philosophicus 146. Homo opportunitatibus
119. Homo existens, homo 131. Homo transcendens moralibus abutens
se in discrimen vocans 132. Homo immortalitatem 147. Homo virtutes petens et
120. Homo timens quaerens, homo aeternus secundum virtutes et valores
121. Homo mortis memor 133. Homo coelestis iudicans
122. Homo mortuos (in 134. Homo naturaliter 148. Homo signis aestimans
sepultram) humans religiosus, homo orans, 149. Homo aestheticus
123. Homo maerens homo numinosum petens 150. Homo artifex
124. Homo lacrimans, 135. Homo creatus 151. Homo poeta
plorans 136. Homo imago/ simile 152. Homo musicus
125. Homo ridens Dei 153. Homo normativus ,
126. Homo hilaritate et 137. Homo contra Deum praescriptis cohibitus
aequitate animi utens, rebellans 154. Homo iudicans
homo humoricus 138. Homo rite agens, 155. Homo se ipsum aestimans et se
127. Homo subridens homo rituum ipsum incitans
128. Homo ironia utens, 139. Homo sacrificia agens 156. Homo legis et iuris particeps
homo ironicus 140. Homo (rite) necans 157. Homo responsabilis , officia
129. Homo se ipsum 141. Homo (rite) violentia suscipiens
irridens, se ipsum ironice utens 158. Homo conscientiae subditus
tractans, homo 142. Homo crudelis, 159. Homo culpae, obnoxius
autoironicus violentus, homo tortor 160. Homo peccator
161. Homo pudicus 174. Homo artificiosus et 185. Homo bellicosus
162. Homo a progressibus suis mundum artificialem faciens 186. Homo semper se cum
abhorrens 175. Homo horologii aliis comparans
163. Homo obsoletus 176. Homo se ipsum 187. Homo hierarchicus
164. Homo patiens , homo horologio excitans/ excitatus 188. Homo ambitiosus
aegritudinibus laborans, homo 177. Homo se ipsum 189. Homo excellens
aegrotus determinans, (de)limitans 190. Homo per simulationem
165. Homo morbis fictis 178. Homo se ipsum signaque aemulans
laborans, se ipso patiens constituens 191. Homo sportivus , homo
166. Homo miserens, 179. Homo se ipsum varians, corpore certans et exercens
mosericordia affectus et utens se ipsum transformans 192. Homo olympicus sive
167. Homo sui ipsius miserens 180. Homo fractalis athleticus , viribus suis
168. Homo tragicus ( fractatus [?]) semper procedens et aliis
169. Homo domesticus , 181. Homo antecedens
homo se effeminans technotransformatus , 193. Homo semper maior,
170. Homo se ipsum custodiens hono cybermind semper lus moliens
et gubernans 182. Homo 194. Homo performator, homo
171. Homo secundariarum gentechnologicus , homo per formas et symbolis
rerum indigens, cultum naturam suam consulto performans, normis
humanitatemque appetens mutans valoribusque res semper
172. Homo secundarias 183. Homo egoisticus melius gerens
volitions appetens et agens geneticus 195. Homo oeconomicus
173. Homo sensus suos semper 184. Homo competitor , 196. Homo laborans , animal
magis acuens aemulator laborans
197. Homo producens , 210. Homo ab originibus 224. Homo viator, terminus suos
conficiens et consumens solutus transgredi temptans
198. Homo expertus , homo 211. Homo cupiditates 225. Homo navigans
singulorum tantum peritus coercens sive removens 226. Homo vehiculis fabricans
199. Homo dilator , 212. Homo compensator et utens
aestimationem bonorum supercompensator imbecillit 227. Homo expressivus, se
postponens ates (abunde) compensans expromens, externalisans, homo
200. Homo politicus, homo 213. Homo protheticus , operibus suis apparens
socialis , ad societatem adminiculis artificialibus se 228. Homo mundanus, urbanus
propensus sustinens 229. Homo naturaliter culturalis,
201. Homo imperandi et 214. Homo crapulae indigens homo culturae indigens
potestatis cupidus 215. Homo alcoholicus 230. Homo culturalis progrediens
202. Homo rei publicae 216. Homo fumans 231. Homo historicus
subditus 217. Homo neuroticus, 232. Homo finis sui ipsius
203. Homo institutionis / animo aeger 233. Homo causa dignitatis suae
institutionum indigens 218. Homo sublimator et 234. Homo individuum, homo
204. Homo organisationis , supersublimator , animum singularis
homo res administrans ferum (bene) excolens 235. Homo persona
205. Homo burocraticus 219. Homo absconditus 236. Homo humanus
206. Homo socii (incl. Sociae) 220. Homo/animal non 237. Homo (ad)iuvans
indigens definitus/definitum 238. Homo caritatis, saluti
207. Homo communicans 221. Homo flexibilis aliorum providens
208. Homo sociologicus 222. Homo inquietus 239. Homo superogationis,
209. Homo publicus, in 223. Homo se excolere ubera bona largiens
publicum prodiens studens
240. Homo amans, eroticus 253. Homo oecologicus 269. Homo interpretans
241. Homo voluptarius, 254. Homo comercii mutandi 270. Homo interpretata
libidinosus, cupiditatis cupidus particeps interpretans, homo
242. Homo ad odium pronus 255. Homo se testimoniis nitens metainterpretans
243. Homo complexitatem et documentis utens ( superinterpretans et
reducens, res difficilis perspicuas 256. Homo metaphoricus transinterpretans )
reddens 257. Homo creataphoricus ( animal metasymbolicum
244. Homo ad universalia 258. Homo metaphora 271. Homo egoisticus
spectans et generalisationem 259. Homo caricatura 272. Homo effodens et
temptans 260. Homo reflectans, homo res effodendum
245. Homo universalis in se revolvens et referens 273. Homo sacer
246. Homo componens, 261. Homo coreflectans, se cum 274. Homo seducens vel
integralis, integrans mundo (intelligibili) confundens seductus
247. Homo varius, (multiplex) 262. Homo negans 275. Homo idiosyncratus
multidimensionalis, pluralitatem 263. Homo se confutans
quaerens 264. Homo verbis rebellans
248. Homo occasiones quaerens 265. Homo revolutionis,
et petens actionibus rebellans
249. Homo omnia faciens/agens 266. Homo metareflectans,
(omnifax) homo cogitata cogitans
250. Homo superandus 267. Homo explicatus
251. Homo superbiae 268. Homo metarepraesentans,
252. Homo cosmocentricus, homo repraesentata
homo mundanus repraesentans
Jeder Mensch erwirbt, bildet und verwaltet dutzende von
Überempfindlichkeiten.

Überempfindlichkeiten bilden sich bei Erstkontakten rasch aus und


äussern sich in entsprechendem unmittelbaren Verhalten (positiv oder negativ).

Überempfindlichkeiten können skurril, belanglos oder bedeutungsvoll sein, je nachdem, wie


sie gerade in die Standardverhaltensmuster einer Gesellschaft passen.

Überempfindlichkeiten weisen moralgenerativen Charakter auf: Für den betroffenen


Menschen haben die entsprechenden Regeln meist unbedingte Geltung und prägen
deontologisch das Handeln.

Darüber, wie Überempfindlichkeiten zu deuten und zu bewerten sind, gehen die Theorien
und Meinungen weit auseinander: Das Spektrum reicht von der Irrationalisierung über die
Pathologisierung bis zur identitätsstiftenden Verklärung.

Überempfindlichkeiten finden sich somit sowohl auf Bewohnerseite, wie auf Betreuerseite
(Angehörige und Pflegekräfte).

Überempfindlichkeiten bilden manchmal selber den Anlass für ein Überempfinden.


Frau F. reagiert überempfindlich, wenn sie Männer in weissen Tennissocken und Sandalen
sieht

Herr G. will die Butter im 90 Grad-Winkel geschnitten haben, sonst kriegt er die Wut

Frau B. muss seit 73 Jahren jedes angeschnittene Brot auf dem Tisch so drehen, dass die
angeschnittene Seite zum Tischzentrum hin zeigt

Herr Q. kann es nicht ertragen, wenn die beiden Tasten am Doppellichtschalter in seinem
Wohnzimmer nicht beide gleichzeitig gedrückt werden

Frau A. muss immer alle Schranktüren geschlossen haben, damit sie in ihren vier Wänden
leben kann

Herr W. erträgt es nicht, wenn der Teelöffel aus der Zuckerdose nach dem Umrühren nass
zurück in den Zucker gesteckt wird, so dass sich dann am Löffel bräunliche Zuckerkristalle
bilden
Deutungsspektrum der Idiosynkrasie
Wortbedeutung: gr. idiosynkrasia, eigene, eigentümliche Mischung ;
medizinisch: Überempfindlichkeit, allergische Reaktion

irrational irrational irrational (falsch) rationalisiert bedeutungsvoll:


bedeutungslos spontan, pathologisch rationalisiert, bedeutend identitätsstiftend
unmittelbar sich bedeutend
einstellend

Kant: qualitas Horkheimer / Psychologie / Nietzsche: das Valéry: Rorty / Larkin:


occulta wie Adorno: Überrest Psychiatrie: aufgrund von Ordungsmacht / Dynamisierung
Antipathie einer biologischen Zwangshandlung, Überempfindlichkeit Gewebe, das und
und Urreaktion, Phobie, Marotte, sich einstellende Regeln schafft, Kristallisierung
Sympathie; Beispiel: Tick; von Gefühl der die lebenslang von
individuelle Kreidekreischen an Betroffenen nicht Verachtung zeigt wirksam werden deontologischen
Hausgrille, Wandtafeln ähnelt mehr kontrollierbar echte Abneigung an, (unbedingt
die tschirpt einem äffischen und belastend / aber auch die Bremer: Liegen geltenden)
Fluchtschrei, der störend Falschheit des Idiosynkrasien moralischen
noch in den nachgeschobenen allenfalls vielen Regeln und
Überresten der Grundes kulturellen Prinzipien;
Instinktstruktur zu Höchstleistungen Summe der
finden ist zugrunde, weil Idiosynkrasien ist
diese zufällig in gleich der
die normativen Individualität
Erwartungen einer Person als
einer Individuum:
Gesellschaft Bewahre alle
gepasst haben? Idiosynkrasien!
Quelle: Bovenschen, Silvia: Überempfindlichkeit.
Frankfurt a.M. 2007
Beispiele: Lebensqualität am Lebensende?
Diskutieren Sie anhand beider Fallbeispiele a) Probleme und b) Möglichkeiten, ob und wie idiosynkratische, moralkonstitutive Reaktionsmuster
entweder gewinnbringend umgestaltet oder so verwendet werden können, dass sie den normierten Tagesablauf nicht stören und zur
Lebensqualität der einzelnen Idiosynkratiker beitragen.

Fallbeispiel A: Lebensqualität bei dementen Bewohnern

Frau H., Jahrgang 1920: Trägt gerne stundenlang lautstark Gedichte vor
Herr F., Jahrgang 1923: Putzt sich während und nach dem Essen am Gemeinschaftstisch übergründlich, aber
offenbar gerne die Zähne mit Zahnstochern und Zahnseide, jedoch ohne die Hand vor den Mund zu nehmen
Frau S., Jahrgang 1922: Hatte vor dem Heimeintritt eine starke Neigung mit ihren drei Katzen zu sprechen
Herr G., Jahrgang 1933: Weigert sich fast immer, Aufforderungen zu befolgen, reagiert aber aufgrund seiner
militärischen Biographie auf scharfen Drill- und Kommandoton

Fallbeispiel B: Überempfindlichkeiten am Arbeitsplatz

Pflegefachfrau Müller kann es nicht ertragen, wenn prinzipiell geltende und von ihr strikt befolgte
hygienische Regeln von anderen ständig gebrochen werden.
Pflegefachmann Meier reagiert empfindlich, wenn moralische Dilemmata nicht klipp und klar in die eine
oder andere Richtung entschieden werden
Pflegedienstleitung Mahlzahn regiert empfindlich, wenn Mitarbeiter ihr inszeniert und strategisch
vorjammern, dass es ihnen aus den und den Gründen schlecht ginge und sie deshalb ausnahmsweise frei
bekommen sollten (etc.)
Stationsärztin Mesmer ist vordergründig offen für Formen partizipativer Kooperation, reagiert empfindlich,
wenn sie bemerkt, dass die Pflegekräfte sie belehren wollen
Lebensqualität im Heim wird
mitbestimmt durch

a)ein normiertes System rechtlicher Pflichten


und moralischer Normen (Ethos des
Leitbildes und der rechtlichen und
pflegerischen Standards)

und

b) einen idiosynkratisch entstandenen


moralischen Bezugsrahmen in den drei
Perspektiven:

- Bewohner
- Angehörige
- Professionelle
These 1: Idiosynkrasien bestimmen die Binnenmoralisierungeines
jeden Menschen mit, nicht selten weisen deren Regeln eine unbedingte,
lebenslange Geltung auf, die nachträglich ethisch reflektiert und
begründet wird.

These 2: Eine Pathologisierungder Idiosynkrasie ist nur dann


angebracht, wenn die Inhalte derselben den gesellschaftlich etablierten
Standardnormen nicht entsprechen, wenn deren Auswirkungen Dritte
schädigen oder bedrohen oder wenn sie als Idiosynkrasien vom
Beteiligten nicht erkannt und reflektiert werden können.

These 3: Idiosynkrasien prägen die individuelle Biographie und den


Lebensvollzug eines Menschen in nicht zu unterschätzender Weise. Dies
gilt nicht nur für das private, sonder auch für das öffentliche und das
berufliche Leben.
These 4: Die auf Idiosynkrasien beruhende Konstituierung eines meist
zu unrecht tabuisierten binnenmoralischen Bezugsrahmens unterhöhlt
ein in einer Institution normierte Ethos des Kooperierens und bildet
lokal eigene moralische Regel aus: einen sozialen Holismus.

These 5: Diese binnenmoralischen Bezugsrahmen prägen das


Zusammenleben in Berufsgruppen stärker als die offiziellen Regeln.
Deshalb sollen diese ergänzend in den reflexiven und kritischen
gemeinsamen Diskurs mit einbezogen werden.

These 6: Die Idiosynkrasien, die sich lokal ausbilden, können und sollen
für das Bilden und Formulieren von Regeln der gegenseitigen
Kooperation dienen und im Pflegemanagement genutzt werden, indem
ökonomischer und zeitlicher Raum dafür eingeplant und genutzt wird.
These 7: In Bezug auf die Bewohnerseite sollten sich alle Beteiligten
bewusst sein und entsprechend darauf professionell reagieren können,
dass die Summe der Idiosynkrasien allenfalls die Basis der
Individualität ausmacht und deshalb hier die Menschenwürde nicht als
Gattungswürde, sondern als Individualwürde gedeutet ihren höchsten
Stellenwert erhält.

These 8: Angehörige bilden, was bei Erstkontakten meist der Fall ist.
mehr Idiosynkrasien aus, als seitens der Professionellen erwartet wird.
Deshalb ist diesem Phänomen entsprechend Rechnung zu tragen,
indem ein kritischer Idiosynkrasien-Diskurs darüber geführt wird und
für Professionelle problemlose, für Angehörige aber schockierende
Phänomene thematisiert und diskutiert werden.
These 9: Die Vielfalt möglicher Idiosynkrasien ist so mannigfaltig, dass
eine Normierung im Sinne einer Definierbarkeit und Messbarkeit
aussichtslos erscheint. Viel bedeutsamer und wichtiger ist es deshalb,
innerhalb der Pflegeplanung diesem bedeutsamen Phänomen Rechnung
zu tragen, weil sonst bei der Elimination durch
Standardbeschäftigungstherapieformen für alle Bewohner deren
Individualität und damit deren Individualwürde genommen wird.

These 10: Die Summe der Idiosynkrasien eines Menschen bilden


möglicherweise eine wesentlichen Teil, der von auf gleiche
Eigenschaften hin normierenden Standard-Menschenbildern nicht
erfasst wird. Ganzheitlichkeit in der Pflege könnte somit allenfalls
dann komplementär realisiert werden, wenn die idiosynkratischen
Phänomene bei den Beteiligten eines sozialen Gefüges als Phänomene
wahrgenommen, enttabuisiert zur Sprache gebracht und kritisch
reflektiert werden. Dies setzt voraus, dass die Idiosynkrasieformen
vermittelt-unmittelbar präsent sind.
These 11: Vermittelt-unmittelbar sind Idiosynkrasien nur aus einer
exzentrischen Positionalität, einer fatalen und zugleich würdevollen
Selbstpräsenz des Menschen. Fehlt eine solche Bezüglichkeit auf das
Wie der eigenen Realisierung, müssten im positiven Fall entweder
didaktische Bemühungen um die Entdeckung der je eigenen
Exzentrizität unternommen werden oder im negativen Fall
Stellvertretende diese Funktion übernehmen.

These 12: Idiosynkrasien sind dann als Basis des kooperierenden


Zusammenlebens nicht nutzbar, wenn eine vermittelt-unmittelbare
Selbstpräsenz nicht oder nicht mehr vorhanden ist.
Anthropologie des Anthropologische Grundgesetze
Identitätsproblems: 1. Natürliche Künstlichkeit
2. Vermittelte Unmittelbarkeit
Wer entscheidet, wer spricht? 3. Utopischer Standort

Zentrische Exzentrische
Auffassung von Person Auffassung von Person
4.

2. 2.
Empirische
Belege
Ich ? Lachen vs.
Lächeln
1. 1. Weinen vs. ein
Objekt trauriges
3. Gesicht machen
3.

Thomas von Aquin Helmuth Plessner


1225 - 1274 1892-1985
Problemsolidarität
erzeugen mit partizipativem
Führungsstil
Problem 225 Lebenswelt n
Lebenswelt 3
Lebenswelt 2
Lebenswelt 1

Sportweltprozess
Rechtsweltprozess

Wissenschaftlicher Forschungsweltprozess

Religionsweltprozess

Kunstweltprozess

Berufsweltprozess
Indirekter
Transfer
Theorie-Praxis

Direkter
Transfer
Problem 1 Problem 17 Problem 93
lösbare
Probleme

offene Probleme
Problem 9
Problem 35 Problem 103
© Daniel Bremer 5.5.2004
Problemlandschaft

Repulsorprobleme

Problematisierungsgrad

_
Attraktorprobleme

linear-kohärenter Diskurs
diskontinuierlich-
Diskursbewegungswege
transitorischer Diskurs
problemfreundlicher
Diskurs
problemfeindlicher
Diskurs
Umgehen mit Menschenbildern
Essentialistischer Umgang: Versucht, wesentliche
Eigenschaften am Menschen ausfindig zu machen und zu
überprüfen

Naturalistischer Umgang: Versucht, die natürlichen


Eigenschaften am Menschen zu beschreiben, zu prüfen oder
ggf. zu erzeugen.

Konstruktivistischer Umgang: Menschenbilder werden


hergestellt und angewandt durch sprachliche Bezugnahmen
auf Welt und Mensch.

Kontraktualistischer Umgang: Durch Verträge und


Abmachungen legen unterschiedliche Kulturen typische
Menschenbilder für sich und andere fest.

Kritisch-skeptischer Umgang: Menschenbilder sind als


defizitäre Strukturen stets reflexions- und deklarationswürdig,
um diskriminierende Effekte zu minimieren.
Typische Punkte ethischer
Entscheidungsvorbereitungsmodelle

Klärung von Vorfragen zu Gesprächsbedingungen


Problembeschreibung und Wertanalyse
Erarbeitung von Handlungsoptionen
Erhebung dafür relevanter Werte
Gewichtung / Güterabwägung
Entscheidungsempfehlung oder Dissens
Nachbereitung / Wiederholung / Evaluation
Modell Bremer (2003):
Offener Fragenkatalog zur ethischen Fallanalyse
Vorfragen

Lässt ein moralisch bedenklicher Fall ein ethisches Gespräch mit allen Betroffenen zu?

Ist genügend Raum, Zeit und ethische Kompetenz vorhanden, um ethische Gespräche zu einem Fall
führen zu können?

Woraufhin soll ein ethisches Gespräch geführt werden: Zur Entscheidungsfindung in einem moralisch
bedenklichen Fall? Zur Nachbearbeitung moralisch bedenklicher abgeschlossener Fälle (Prävention)? Zur
Etablierung, Aufrechterhaltung und Erweiterung der ethischen Kompetenz der regelmässig Betroffenen?

Wer führt in welchem Rahmen mit wem wie lange und wie ausführlich ethische Gespräche?

Werden Plenumsgespräche geführt?

Werden Einzelgespräche geführt?

Braucht es ethisch kompetente, am Fall aber unbetroffene Moderatoren?

Welche Gesprächsregeln sollten stets beachtet werden?

Welche Argumentationsfallen oder Fehlschlüsse können und sollen vermieden werden?

( )
Modell Bremer (2003):
Offener Fragenkatalog zur ethischen Fallanalyse
Hauptfragen

Worin besteht das Problem?


Wie sieht jeder Betroffene die aktuelle Problemlage?
Was macht das Problem zum Problem? Worin liegt die Schwierigkeit?
Welches ist die Geschichte des Problems?
Welches waren die Bedingungen der Problementstehung?
Welche Personen / Institutionen sind am Problem in welcher Weise beteiligt?
Auf welche Werte nehmen die Beteiligten Rekurs?
Gibt es darunter unveränderliche Werte?
Welche Wertkonflikte bestehen bereits?
Wie ist die Verantwortung verteilt? Wer könnte Verantwortungs- und Entscheidungsträger sein?
Welche Handlungsmöglichkeiten bestehen und können realisiert werden? Hier gilt es, möglichst viele Alternativen zu
entwickeln!
Wie könnte das Problem gelöst oder zumindest Schritte hin auf eine günstige Veränderung der Lage vorgenommen werden?
Geht es um akute Lösungsfindung oder sollen mittel- bis langfristig Handlungsempfehlungen entwickelt werden?
Welche Werte werden zur Begründung für diese Handlungsmöglichkeiten herangezogen?
Hier gilt es, eine ganze Palette an Werten heranzuziehen!
Welche Folgen ergeben sich für alle Betroffenen aus den erwogenen Handlungen?
Verletzen die Handlungen irgendwelche unbedingte oder bedingte Geltung einfordernde ethische und rechtliche Prinzipien oder
Normen?
Welche Menschenbilder stehen hinter den jeweiligen Handlungsbegründungen?
Welche Idiosynkrasien liegen in welchem Ausmass an lokaler Geltung vor? Welche moralische Topologie zeigt sich?
Ist die gemachte Reduktion des Falles auf die gewählten Werte für alle Beteiligten ausreichend?
Auf welchen Verantwortungsebenen ist welche Handlungsalternative wie bewertet: individuell institutionell
gesellschaftspolitisch?
Sind die Bewertungskriterien der Handlungsmöglichkeiten herausgearbeitet, so können sie nun dem Versuch einer
Hierarchisierung unterzogen werden:
Welche Handlung ist die moralisch gebotene und ethisch am besten rechtfertigbare?
Kann ein Konsens gefunden werden, mit dem alle Beteiligten weiterhandeln können?
Besteht ein nicht auflösbares Dilemma? Haben die Beteiligten Mut zum Dissens?
Können sich die Verantwortungsträger zu einer Entscheidung durchringen?
Anthropologie
zuversichtlicher
Skepsis
Umformulierung der Frage:

Nicht: Was ist der Mensch?

sondern:

Wann ist der Mensch?


Ethik zuversichtlicher Skepsis
Sextus Empiricus (um 200 bis 250), Werte sind nicht unbezweifelbar, deshalb ist
griechischer Arzt und Philosoph eine Offenlegung der Bedingungen einer
Die Skepsis ist die Kunst, auf alle Wertepositionierung geboten, wenn
mögliche Weise erscheinende und grundlegendes Vertrauen erzeugt werden
gedachte Dinge einander soll. Hinter / unter vielen Werten stecken
entgegenzusetzen, von der aus wir Mehrdeutigkeiten, die auf offene Probleme
wegen der Gleichwertigkeit der hinweisen. Diese zur Sprache zu bringen ist
entgegengesetzten Sachen und Aufgabe einer zuversichtlichen Skepsis. Sie
Argumente zuerst zur Zurückhaltung
erzeugt in Konfliktsituationen über das
(epoché), danach zur Seelenruhe
(ataraxia) gelangen. Kunst nennen kritische Verfahren der Isosthenie eine
wir die Skepsis nicht in irgendeinem Problemsolidarität unter betroffenen
ausgeklügelten Sinne, sondern schlicht Entscheidungsträgern.
im Sinne von können .
Skeptisches Verfahren
Grad der Dogmatiker
gemässigte
Affirmation
Skeptiker: suchen
noch
Unentschiedenheit
Offenheit
t

Grad der negative


Negation Dogmatiker

Isosthenie: Versuch, vorliegenden Argumenten mindestens ebenso starke Argumente


entgegenzusetzen. Dadurch stellt sich Zurückhaltung (epoché) und Seelenruhe (ataraxia)
oder Meeresstille (galenotes) ein.
Gelingt dies nicht, bleibt vorläufiges Wissen, das sich bewährt hat, bestehen, wird aber
nicht unbezweifelbar.
Werden allen an Entscheidungsprozessen Beteiligten (den
Entscheidenden und den Betroffenen) die bislang
ungelösten Probleme einer Konfliktsituation ausdrücklich
offengelegt, so entsteht im günstigsten Falle eine erlebte
Problemsolidarität, der einen Entlastungseffekt zur Folge
haben kann.
Dies ist oft das Bestmögliche, was aus ethisch-
philosophischer Sicht bei Entscheidungen, die an offene
Grundfragen heranreichen und die schwer wiegende
Konsequenzen haben können, getan werden kann.
Solidarisch

Wer: Alle an einem Fall Beteiligten und Betroffenen

Womit: Mit gemeinsam und einzeln erkannten,


erfassten und erlebten offenen
Grundproblemen. (Nicht mit Inhalten.)

Wo: In der Fallsituation.

Wie: Durch empathisch-kritischen Diskurs und


Reflexion.
Sich die Problematik der Begründung einer
Konfliktsituation regelmässig bewusst machen...
... um dann aus einer anderen Haltung heraus zu
entscheiden
... um reflexive Tugenden zu entwickeln und kritischen
Situationen sachlicher und gelassener entgegentreten zu
können
Sokratisch-skeptisch gesprochen:
Zu wissen, dass man noch nichts weiss ist weit mehr, als
bloss zu beschliessen, dass man nichts weiss!
Symmetrisieren von Machtverhältnissen
Umgangsweisen mit Macht wahrnehmen: Phänomenologie der
asymmetrischen Diskriminierung, Zurückhaltung (keine voreiligen
Machtverhältnissen Schlüsse ziehen)
Macht und Wissen: verschiedene Deutungen
1. Widerstand, Gegengewalt von Macht (er)kennen, in Frage stellen, variieren
(transparent oder strategisch) Macht und Diskurs: Innere würdige Distanz,
Exzentrische Positionalität; Probleme erkennen,
2. Anpassung, Submission, benennen, aussprechen; Tauschmechanismen
Gehorsam, Selbstunterwerfung (er)kennen (Gerechtigkeiten); die Anderen
(unbewusst unter Wahrung des teilhaben lassen am Erleben des Problems;
Scheins der freien Erzeugen von Problemsolidarität; echte
Selbstentfaltung; kalkuliert) Gespräche auf Augenhöhe führen; ernst nehmen;
Vertrauen schaffen
3. Diskurs Macht und Sprache: Sensibilität im Umgang mit
Sprache entwickeln; Vokabulariertypen ermitteln;
4. Flucht Modulation des kategorialen Schärfegrades
Macht und Nähe: Ethik der Idiosynkrasien;
Kontexte miteinbeziehen und ggf. variieren;
Anerkannte unabhängige Abhängigkeit
Wandspruch im Vorlesungssaal 101 der Universität Bern
man beachte die Position des Risses!
15.10.2009
Vortrag (45-50 Min) und Gespräch
Titel: Lust an der Macht
Untertitel: Vom kritischen Problembewusstsein zum ethisch reflektierten
Handeln
Pflege ist nach einer verbreiteten Vorstellung eine Handlung der Fürsorge und
Zuwendung, eine Begegnung, wo Nähe Werte entstehen lässt. Zugleich aber sind
Menschen in Pflegeberufen in streng hierarchische Systeme der Macht
eingebunden. Bei der Betrachtung der vielfältigen Phänomene der Macht zeigt sich
der besorgniserregende Umstand, dass beim Erleben von Macht oder Ohnmacht
auch Lust erlebbar wird. Dadurch verschieben sich - entgegen mancher Erwartung -
moralische Werte, die nicht verschoben werden sollten. Wo und wie kann eine
Ethik des Gesprächs im Spannungsfeld von Mächten und Ohnmächten
unterschiedlicher Art wirksam eingreifen? Welche Voraussetzungen müssen dazu
erfüllt sein, wie können diese geschaffen werden und wo gibt es Grenzen, die nicht
diskursiv reguliert werden können?

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