carpe diem ZEIT FÜR EIN GUTES LEBEN

05/21
EUR 5,80
FISCH AHOI!
Feine Forelle, zarter Zander:
6 leichte Sommerrezepte

NUR DIE LIEBE

IM GEPÄCK
Geschichte einer
Weltreise, die zur
Paar-Therapie wurde

Heute mach ich nichts

Warum der kleine Leerlauf zwischendurch die beste Entscheidung
fürs Gehirn und die Welt ist. Plus: So geht gut schlafen wirklich

GENIALE GENE Nützen, was in uns steckt  LEBENSMUT UND PINGUIN Wie ein Vogel fünf Herzen heilte
SPRÜHENDES GLÜCK Sport mit Gartenschlauch  GESCHMACKSSACHE Warum wir mögen, was wir mögen
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��e�p����m��t
GLÜCKS-
MOMENTE
SEIT GENIESS DEN TAG
130 JAHREN
Intensiver Duft mit natürlichen ätherischen Ölen
und die pflanzliche Pflegeformel machen
jede Dusche zu einem einzigartigen Erlebnis.
kneipp.world/dusch-guide
  Editorial 

„Wir lagen in der Wiese

und baumelten mit der Seele.“
Aus: „Schloss Gripsholm“, Erzählung von Kurt Tucholsky (deutscher Dichter, 1890–1935)

„Von nichts kommt nichts!“

Diesen Satz kennen wir alle. Gebetsmühlenartig vorgetragen von Eltern,
Lehrern, Vorgesetzten, Politikern und Paul, dem leistungsoptimierten
­Schriftführer des jährlichen Minigolf-Turniers.
Zudem prangt dieser Satz in fetten Lettern auf unserem Abrisskalender.
Das trifft sich gut: Wir können ihn einfach abreißen und entsorgen …
Nicht nur, weil er schrecklich unsympathisch ist – er ist schlichtweg falsch.
„Schließlich führt das Nichtstun irgendwann zum allerbesten Irgendwas“,
sagt Pu der Bär (siehe Story ab Seite 28). Recht hat er!

Unser Kopf braucht das Nichtstun ebenso, wie er den Schlaf braucht.
Wie die Bewegung an der frischen Luft. Wie die Omega-3-Fettsäuren
(die in jeder einzelnen Nervenzelle des Gehirns verbaut sind und die wir
gut durch fangfrische Fischgerichte auftanken können). Deshalb haben
wir uns in der Ausgabe, die du in der Hand hältst, all diesen schönen,
kopfgesunden und herrlich erfrischenden Dingen gewidmet.

Und dazwischen haben wir unseren eigenen Rat befolgt und einfach
nichts getan. Wir haben das Handy in den Flugmodus geschaltet,
die Augen geschlossen und uns den Rücken von der Sonne wärmen lassen.
Ungewohnt war das – aber wir können’s weiterempfehlen. Probier’s mal!

carpe diem

PS: Ha! Da soll noch einmal jemand sagen, dass von nichts nichts kommt!
Bei uns hat all das Nichtstun zu einer feinen Idee geführt.
Geheimtipp: Ab Herbst tut sich was Neues in unserem Newsletter.
Am besten unter carpediem.life/newsletter anmelden und die Augen
offen halten. Bald verraten wir mehr.

carpe diem 3
Inhalt  Ernährung 
Gesund genießen.

54
Wasser marsch!
Sport mit Gartensprenkler und Wasser-
schlauch hat schon immer Spaß

28 gemacht. Und sinnvoll ist er auch.

64
Ätherische Öle
18 für mehr Energie
Das Gute aus So wecken Rosmarin, Wacholderbeere
den Genen kitzeln und Zirbe die Lebensgeister.
Jeder von uns ist einzigartig, und das
­verdanken wir unseren Genen. Der 66
­Molekularbiologe Daniel Wallerstorfer Fisch ahoi!
verrät, welche Chancen darin liegen. Aus der sommerlichen carpe diem-
Kombüse: sechs leichte Fischgerichte,

FOTOS: Philipp Schönauer, Mayer mit Hut; ILLUSTRATIONEN: Stephanie Wunderlich, Vanessa Lovegrove
28 die schmecken und schlau machen.
Heute mach ich gar nichts
Leichter gesagt als getan!
Robert M
­ aruna wagt in einer
hektischen Welt das Unerhörte:
Nichtstun ohne Ziel und Zweck.

38
Mein Sommerduft
Riecht gut, schützt gut, tut gut:
unsere Zitronen-Salbei-Deocreme
zum Selbermachen.

102
40
Warum wir mögen,
was wir mögen
Über Geschmack lässt sich zwar nicht
streiten, aber forschen: Wieso lehnen
wir manche Lebensmittel so sehr ab?
Und können wir dagegen etwas tun?

4 carpe diem
 Bewegung   Erholung   Bewusstsein 
Den Körper spüren. Durchatmen, loslassen. Dir selbst vertrauen.

110 „Mit einem Hallo

beginnen die besten
Geschichten.“

78
Wie gelingt Vertrauen?
Wer voller Zuversicht in sich und andere
66
durchs Leben geht, lebt glücklicher.
Lässt sich das auch lernen? Aber ja!

90
Eine Elster namens Pinguin
Wie ein kleiner, zerzauster Vogel
fünf Herzen heilte.
Standards
124 100
Eine Wohltat für die Haut  3 Editorial
Schlaf gut! Ist unsere natürliche Hautbarriere
aus dem Gleichgewicht, macht’s
6 Fragen,
die das Leben stellt
­dieser ­Essig wieder gut! 14 Daniela Zeller:
Wie funktioniert
Wir verschlafen ein Drittel
102 paradoxe Intervention?
unseres Lebens – ganz ohne
Wie man einen Eisberg 26 Ode an das Baumhaus
faul zu sein. Schlafen ist
zum Schmelzen bringt 50 Der optimierte Wagner
wie Wachsein, nur anders.
Gisbert absolviert einen Anti-Stress-­ 86 Maria Dorner:
Ein carpe diem-Dossier,
Onlinekurs. Dort lernt er, aus der Süßig- Geht’s noch?
das dabei unterstützt,
keitenlade der Erinnerungen zu naschen 120 Kopfknistern
besser zu schlummern und in der Gegenwart zu landen. 142 Leserbriefe
und am nächsten Morgen 144 Impressum
ausgeruhter aufzuwachen. 110 145 Rätsels Lösung
Hinterm Horizont 146 Cartoon
geht’s weiter
Waltraud Hable reist nach Mexiko
und erfährt dort ausgerechnet von
zwei Tirolern, was Freiheit bedeutet. Cover-Illustration: Oriana Fenwick

carpe diem 5
Was passiert, wenn ich Gedanken
mit der Hand aufschreibe?
Das Schreiben mit der Hand weist auch in Zeiten von Lap­
top, Tablet und Smartphone Vorzüge auf, die jeder tech­
nischen Entwicklung überlegen sind – und dabei geht es
nicht nur um den Erwerb feinmotorischer Fähigkeiten, die
durch das Führen eines Schreibgeräts erworben werden.
Tests mit Vorschulkindern ergaben, dass bei der Gruppe,
die Buchstaben frei abmalte, signifikant größere Netzwerke
im Gehirn aktiviert waren als bei den Kindern, die in eine
Tastatur tippten oder gepunktete Linien nachzeichneten.
Die Forscher erklärten das damit, dass Kinder haptisch
lernen und durch manuelles Schreiben die Buchstaben in
6 carpe diem
größerer kognitiver Tiefe wahrnehmen als durch bloßes
Eintippen.
Eine Studie mit Studenten zeigte, dass das händische
Schreiben auch zu besserem Verständnis führt. Das kann
damit zusammenhängen, dass man sich dabei auf das
Wesentliche konzentriert, weil die Schreibgeschwindigkeit
mit der Hand langsamer ist als auf der Tastatur.
Antwort von: PROF. DR. MICHAEL BECKER-MROTZEK,
­Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung
an der Universität Köln
  Fragen, die das Leben stellt 

Ist Kneippen wirklich

so gesund?
Na klar! Schon einmal deshalb, weil die Philosophie von Sebas-
tian Kneipp ein umfassendes, ganzheitliches Gesundheitskon-
zept ist, das Bewegung, Ernährung, die Kraft der Heilkräuter
und einen natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus in sich vereint.
Die meisten Menschen verbinden mit Kneippen nur die Was-
serbehandlungen. Dieses „Aah“ und „Ooh“, wenn man beim
Waten meint, die Waden würden von einer eiskalten Faust
umklammert … Dabei wird durch reflexartiges Schließen und
Weiten der Gefäße die Durchblutung gefördert und die Immu-
nabwehr in Schwung gebracht. Denn durch den „Mini-Stress“,
den das kalte Wasser im Körper auslöst, werden vermehrt
T-Lymphozyten gebildet – die Elitetruppe der Abwehrzellen.
Das ideale Kneipp-Ergebnis erzielt man im sogenannten Stor-
chengang, indem man ein Bein immer ganz aus dem Wasser
zieht. Durch das Abfließen vom leicht geneigten Fuß werden
zusätzlich die Sensoren der Haut und der Blutgefäße gereizt.

Nachgefragt bei: DR. HANS GASPERL, Allgemeinmediziner,

Kneipparzt und Homöopath in Eben im Pongau
Was kann
die ­Kaktusfeige
für mich tun?
Wo ist Sie ist, ähnlich wie die Drachenfrucht, nicht nur

der Platz, optisch ein Blickfang, sondern beeindruckt auch

mit inneren Werten: Die kräftigen Farbstoffe, die

an dem
sie von leuchtend gelb über orange bis rot färben,
heißen Betalaine und sind besonders wirksame
Antioxidanzien, sprich: Substanzen, die uns vor

du Kraft Krankheiten schützen und Alterungsprozesse ver-

langsamen können. Zudem ist die Kaktusfeige reich

tankst?
an Mineralstoffen wie Kalium, Kalzium und Ma-
TEXTE: Wolfgang M. Gran; FOTOS: Getty Images

gnesium und hat einen hohen Vitamin-C-Gehalt.

Was sie gegenüber anderen Früchten besonders
auszeichnet, ist ihr hoher Gehalt an der Amino-
säure Prolin. Diese ist wichtig für die Bildung von
Kollagen, also für Bindegewebe und Knorpel.

Nachgefragt bei: PROF. DR. VOLKER BÖHM,

Institut für Ernährungswissenschaften,
Friedrich-Schiller-Universität Jena

carpe diem 7
  Fragen, die das Leben stellt
Warum fallen
Kinder im Schlaf
aus dem Bett,
Erwachsene aber
nicht mehr?
Frage und Zeichnung von Emilia, 7 Jahre
Das liegt daran, dass Kinder noch echte
Schlafwanderer sind und sich prinzipiell
viel mehr bewegen als ein schlafender
Erwachsener. Denn sie haben ungefähr
doppelt so viele Leichtschlafphasen,
in denen sie auch immer wieder kurz
auf ­wachen (siehe auch Schlaf-Dossier
ab Seite 124). Das wird zwar oft nicht
bewusst wahr­genommen, aber für einen
Plumps kann es schon reichen.
Gleichzeitig haben Kinder in tieferen
Schlafsta­dien noch eine geringere Weck-
barkeit. Das Sprachbild „Schlafen wie
ein Baby“ kommt ebenso daher, dass
Klein­kinder auf Geräusche, auf eine volle
Blase, aber auch auf eine Bettkante samt
Absturzgefahr noch nicht mit dem glei-
chen raschen Erwachen reagieren wie ein
Erwachsener.
Nachgefragt bei: DR. WERNER SAUSENG,
Kinderarzt und Schlafmediziner in Kumberg
8 carpe diem
 
Wird Wasser gesünder,
wenn ich Obst hineinlege?
Geht man davon aus, dass man auch „mit dem Auge trinkt“, wird ei-
nem das Infused Water große Freude machen. Wasser mit Kräutern,
Früchten oder Gemüse zu aromatisieren lässt ausgesprochen hübsche
Getränke entstehen. Sie animieren Trinkfaule, sich mit der benötigten
Flüssigkeitsmenge von rund zwei Litern pro Tag zu versorgen.
Aber das ist, seriös betrachtet, auch schon die größte Qualität.
Denn Aussagen, man würde mit Infused Water gesundheitlich relevante
Wirkungen erzielen, sind mit Vorsicht zu genießen. Sicherlich gehen
wertvolle Inhalts­stoffe der Zutaten ins Wasser über, aber nicht in aus-
reichender Menge. Für ein gesünderes Herz, eine bessere Verdauung
oder gesteigerte Konzentration sorgt das Wasser auch ohne Zusätze.
Kurz: Infused Water ist ein feiner Tischschmuck und eine wohlschme-
ckende Option, den täglichen Flüssigkeitsbedarf zuckerfrei zu decken.
Mehr nicht. Wichtig: Darauf achten, Obst und Gemüse in Bio-Qualität
zu verwenden, damit keine Pestizidrückstände ins Wasser übergehen!
Nachgefragt bei: DANIELA BERGTHALER, MSC,
klinische Diätologin und Ernährungswissenschaftlerin in Wien
Woher kommt
die Höhenangst?
Korrekt formuliert ist das, was wir unter Höhenangst verstehen, Tiefen-
angst. Denn nicht das Obensein verursacht Panik, sondern der Blick nach
unten. Eigentlich ein sinnvoller evolutionärer Überlebensmechanismus –
ein gewisser Respekt vor Höhen kann ja nicht schaden.
Im Unterschied zum Höhenschwindel, der auf einer Gleichgewichts­
störung basiert, ist die Höhenangst (Akrophobie) eine Angsterkrankung, die
durch negative Gedanken hervorgerufen wird. Manchmal hängt das mit
einem Schreckensmoment zusammen, in dessen Folge ein Blick in die Tiefe
immer wieder mit dieser unangenehmen Erinnerung verknüpft wird. Viel
öfter aber liegen die Wurzeln in kindlichen Vertrauens- und Bindungs­-
erfahrungen, die zu sehr auf ständigen Halt von außen ausgerichtet waren.
Später, wenn dieser Halt wegfällt, kann aus Unsicherheit Panik werden.
Antwort von: DR. MARJENKA SCHUSTER,
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in Leverkusen
  Fragen, die das Leben stellt 
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FOTO: Mayer mit Hut

carpe diem 9
 Was können Bicycle Crunches?
BEANT WORTET, BESCHRIEBEN UND GEZEIGT VON Anna Seitner
Lust auf Bauchmuskeltraining? Gern
Das Video mit geschehen! Der sogenannte Bicycle
Sportwissenschaftlerin Crunch ist eine von Pilates inspirierte
Anna Seitner Übung, die an Radfahren erinnert
carpediem.life/ und praktisch den gesamten Rumpf
stärkt. Genauer gesagt: die geraden,
anna schrägen und pyramidenförmigen
Bauchmuskeln.
Je nach Intensität wird dabei auch
das Herz-Kreislauf-System beansprucht
und der Stoffwechsel angekurbelt. Das
sollte aber bestenfalls Nebeneffekt,
nicht Ziel sein. Es geht ja nicht darum,
die Übung möglichst schnell auszu ­
führen, sondern möglichst sorgfältig.
WORAUF ACHTE ICH? WIE OFT?
Zieh den Nabel aktiv ein Am Anfang genügen für ein Set
und achte darauf, dass dein zehn Wiederholungen pro Seite –
unterer Rücken immer in und zwei bis drei Sets hintereinan-
Kontakt mit der Matte bleibt. der mit kleinen Pausen dazwischen.
10 carpe diem
WIE GEHT’S?
1. Leg dich mit gestreckten Beinen
auf den Rücken. Der Nabel ist ein­
gezogen, der Rücken liegt flach auf.
2. Heb den Kopf leicht an. Die Hände
liegen locker auf dem Hinterkopf.
Die Ellbogen zeigen nach außen.
3. Jetzt die Beine anheben – das
rechte Knie dabei auf etwa 90 Grad
angewinkelt Richtung Brust ziehen.
4. Drehe dich mit dem Oberkörper
und dem linken Ellbogen zur rechten
Seite und berühre mit dem Ellbogen
das Knie, während du das linke Bein
in die Länge streckst, ohne es auf 
dem Boden abzulegen. Dabei nicht
aufs Ausatmen vergessen!
5. Wiederhole die Übung auf der
anderen Seite – und infolge immer
abwechselnd links und rechts. Im
Idealfall ergibt sich eine möglichst
fließende Bewegung, die tat-
sächlich ans Rad­fahren erinnert.
FOTO: Sophie Kirchner
  Fragen, die das Leben stellt 

Was ist der Atlaswirbel,

und warum ist er wichtig ?
Der Atlaswirbel spielt (so wie sein
mythologischer Namensgeber, der
das Himmelsgewölbe schultert)
eine tragende Rolle in unserem
Körper: Als erster Halswirbel
ist er das zentrale Element der
Kopfgelenke, die es uns erlauben,
das Haupt zu drehen und zu
neigen. Als Bindeglied zwischen
Kopf und Körper ist er zugleich
Stütze für das Skelett. Verschiebt
er sich, ändert sich die Körper­
statik, und das Fundament gerät
in Schieflage. Diese falsche Aus­
Der Atlas
richtung führt im schlimmsten Fall
ist der erste
zu einer Kettenreaktion mit gra- Halswirbel,
er verbindet
vierenden Auswirkungen auf Kopf und
den Bewegungs­apparat sowie Körper.

das Nerven- und Herz-Kreislauf-­

System. Die Atlastherapie bzw.
Atlaskorrektur kann helfen.

TEXT Maria Dorner

Nachgefragt bei PHILIPP SCHWARZ,
Atlasspezialist im Wiener
Gesundheitszentrum Nusswald
Wo genau liegt Wieso verschiebt
der Atlaswirbel? er sich überhaupt?
Er ist der oberste Wirbel Ursachen dafür sind u. a. Sport- oder
des Rückgrats und sitzt Autounfälle (Schleudertrauma), Stür-
direkt unter dem Kopf, ze, Fehlhaltungen des Kopfes, extre-
etwa auf Höhe der Ohr- me körperliche Belastung, eine starke
läppchen. Verspannung der Nackenmuskulatur,
ein Geburtstrauma oder auch nur
eine ungünstige Bewegung im Schlaf.

12 carpe diem
 Wie merke ich, dass
der Atlas verrutscht ist?
Symptome sind zum Beispiel Rücken-,
Schulter, Knie- und Nackenschmer-
zen, Schwindel, Übelkeit und Gleich­
gewichtsstörungen, beschleunigte
Herzfrequenz, zu niedriger oder zu
hoher Blutdruck, Tinnitus, Schwer­
hörigkeit oder Migräne. Bei Kindern
zeigt sich die Verlagerung oft
in einer gestörten Links-rechts-
Koordination, sie können dann
nicht richtig zeichnen, schreiben,
lesen oder rechnen.
Kann das eindeutig
diagnostiziert werden?
Das ist gar nicht so leicht. Atlas­
spezialisten ertasten die Position bzw.
die etwaige Blockade manuell – ganz
exakt lässt sich die Lage des Atlas
in Bezug auf den Schädel aber nur
mithilfe einer Computer­tomographie
feststellen. Erschwerend kommt hinzu,
dass sich viele Prob­leme nicht ein-
deutig mit dem Wirbel in Verbindung
bringen lassen, weil sie auch andere
Ursachen haben können. Oft wird
deshalb nach dem Ausschlussprinzip
vorgegangen. Sind die Ohren trotz
Schwerhörigkeit gesund? Gibt es kei-
nen anderen mög­liche Grund für die
Kopfschmerzen?
„Manche tragen einen
Erfahrungsschatz, andere
eine Erfahrungslast.“
FOTO: Getty Images
Philipp Schwarz, Atlasspezialist
Warum hat so ein
kleiner Wirbel so
eine große Wirkung?
Weil er direkt unterhalb jener Hirn-
bereiche liegt, die grundlegende
Mechanismen wie den Herzschlag,
die Atemfrequenz oder das Schlu-
cken steuern. Neben dem Atlas, aber
auch innerhalb verlaufen wichtige
Venen und Arterien bzw. Nerven.
Und: Eine falsche Ausrichtung muss
von der kompletten Wirbelsäule
abgefangen werden. Das kann den
ganzen Körper beeinflussen, weil
ja auch einige Organe an Wirbeln
aufgehängt sind.
Wer kann den Wirbel
in seine ideale
Position bringen?
Ärzte, Orthopäden, Osteopathen,
Physiotherapeuten, Chiropraktiker,
­Vitalogen (Wirbelsäulenspezialisten)
und Heilpraktiker. Ihre Techniken vari-
ieren stark, werden einmalig oder
wiederkehrend durchgeführt, nur mit
den Händen oder mechanisch mithilfe
spezifischer Geräte (z. B. die Atlanto­
med-Methode), durch ruckartige
­Bewegungen (z. B. chiropraktische
Behandlungen) oder als sanfte Impuls­
therapie (z. B. die Atlastherapie).
Zwei Methoden, um eine
Atlas-Blockade zu lösen
Klassische Atlastherapie nach Arlen
Hier üben speziell ausgebildete Ärzte mit
der Mittelfingerkuppe einen gezielten,
ultrakurzen Impuls auf die Muskeln und
Bänder am Übergang vom Kopf zum Hals
aus – mit dem Ziel, bestimmte Rezeptoren
zu stimulieren, die aufgrund der Blockade
falsche Informationen ans Gehirn weiter­
leiten (was wiederum zu Bewegungsstö­
rungen, Schmerzen etc. führen kann).
Fehlerhafte Wahrnehmungsmuster und
die Muskelspannung können durch diese
schonende Technik korrigiert werden. Oft
genügt eine einzige Behandlung.
Die Herausforderung: Impulsrichtung
und -stärke müssen für jeden Patienten
individuell ermittelt werden.
Atlaskorrektur
Bei der Atlantomed-Methode etwa kommen
in zwei Sitzungen Hochleistungsvibra­
tionsgeräte zum Einsatz, die nach dem
Prinzip der Resonanz arbeiten.
Atlasspezialist Philipp Schwarz: „Zu­
nächst ertaste ich die Querfortsätze des
Atlaswirbels, um festzustellen, ob eine
Blockade vorliegt. Wenn ja, mache ich Fo­
tos mit dem Lasermessgerät und lockere
dann die Rücken- und Nackenmuskulatur.
Durch anschließendes Bearbeiten der kur­
zen Nackenmuskulatur wird die Blockade
zwischen Atlas und Axis, dem zweiten
Halswirbel, nachhaltig gelöst. Abschlie­
ßend mobilisiere ich die Halswirbelsäule
durch Dehnungsübungen und mache Ver­
gleichsfotos. Erfahrungsgemäß erkennt
man deutliche Unterschiede bei der Kopf­
haltung, Wirbelsäulenausrichtung, Schul­
terblatt-, Becken- und sogar Fußstellung.“
Die Herausforderung: Die körperlichen
Re­ak­tionen auf diesen Neuausrichtungs­
prozess sind unterschiedlich. Es kann bis
zu zwei Monate dauern, bis man sich daran
gewöhnt hat. Die Kontrollbehandlung fin­
det nach etwa vier Wochen statt.
carpe diem 13
  Fragen, die das Leben stellt 

Der Podcast mit

Daniela Zeller &
Wie funktioniert Holger Potye auf:

paradoxe Intervention? carpediem.life/

podcast
Wer ein ungeliebtes Verhaltensmuster ändern will,
sollte ihm erst einmal ganz bewusst und übertrieben
folgen. So weit die Idee. Daniela Zeller hat sich
Daniela Zeller
Coach und Podcasterin
angesehen, wie das in der Praxis funktionieren kann.
für carpe diem

1 Der indirekte Weg

Der österreichische Psychiater
Viktor Frankl war der Erste, der
1939 auf die Idee kam, dass
sich manche Probleme effek­
tiver auf indirektem Weg lösen
lassen. „Durch Unerwartetes

2
und Widersprüch­liches kann
Selbstversuch „light“
der Kreislauf unerwünschter

3
Verhaltensweisen unterbrochen
und in eine andere, vielleicht
gesündere und angenehmere
Richtung gelenkt werden“,
­erklärt mir Psychothera­peutin
Sandra Kornsteiner.
Grundsätzlich sollte eine gezielte paradoxe
Intervention nur von erfahrenen Psycho­
logen und Psychotherapeuten angewendet
werden, da das Ganze sonst schnell nach
Anders gefragt hinten losgehen kann. Jedoch, meint Sandra
Überlege dir ein Verhalten, Kornsteiner, könne man eine Light-Version
das du gerne verändern in Selbstanwendung durchaus versuchen.
möchtest, und stelle dir selbst
folgende Fragen: Was könnte
ich machen, damit mein Prob­
lem auch weiterhin bestehen
bleibt und sich auf keinen Fall
verändert? Was könnte ich
tun, um mein momentanes

4
­Problem sogar noch um ein
Vielfaches zu verstärken?
Was wäre etwas Gegen­
teiliges, etwas, womit mein

5
Esst mehr Schokolade!
Problem im Moment über­ Wieso funktioniert das?
Gelingt das Einschlafen nicht,
haupt nicht rechnen würde? Psychologin Sandra Kornsteiner: „Wir
könnte man sich selbst verordnen,
solange es geht, wach zu bleiben. ­Menschen gewöhnen uns gern an Abläufe.
ILLUSTRATIONEN: Olga Kawa, Oriana Fenwick

Der Weg zu „mehr Sport“ funk­ Das gibt uns Sicherheit. Und genau das
tioniert, indem man sich jegliche gilt auch bei Verhaltensweisen: Wir wählen
sportliche Aktivität für einige den sicheren Weg, von dem wir wissen,
­Wochen verbietet. Möchte man er funktioniert. Eine paradoxe Intervention
Süßigkeiten vermeiden, streicht ­fordert ein unerwartetes Verhalten und so­
man am besten alle anderen Nah­ mit einen anderen Weg heraus. Dadurch
rungsmittel vom Speiseplan und unterbricht sie unsere gewohnten Abläufe –
bestreitet jede Mahlzeit mit Eis und er­öffnet einen Raum mit Möglichkeiten
oder Kuchen. Der Heißhunger für neue, kreative Ideen, Handlungen und
auf eine Tomate wird nicht lange Verhaltensweisen.“
auf sich warten lassen.

14 carpe diem
 WO DER SPORT DIE NR. 1 IST

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  Anfangen 

r a u.
g r a u in g te
ta t t e Zita
t e r b unt s w ir uns er de
Kun aben rg r ü n
d ie s mal h d ie Hinte
Au c h u r un d
as s d t. Hie
ltet, d kanns
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mit un agaz
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ILLUSTRATION: Getty Images

16 carpe diem
 „Ein Traum,
den man
alleine träumt,
ist nur ein Traum.
Ein Traum,
den man
zusammen träumt,
wird ­Wirklichkeit.“
Yoko Ono, 88,
japanisch-US-amerikanische Künstlerin
Der Doktor und das
liebe Gen. Molekular­
biologe und Autor
Dr. Daniel Wallers­
torfer, 39, erklärt,
wie wir „die Macht
unserer Gene“ für
uns nützen können.
Sein Kindheitstraum:
Dinosaurier klonen!

18 carpe diem
  Bewusstsein 

Das Gute aus

den Genen kitzeln
Jeder von uns ist einzigartig, und das verdanken wir
unseren Genen. „Mach sie zu deiner Chance
statt zu deinem Schicksal“, schlägt Molekularbiologe
Daniel Wallerstorfer vor – und verrät, wie wir
ihnen auf die Schliche kommen. Nur wer sein Erbgut kennt,
seine Stärken und Schwächen zu lenken weiß,
kann seine Gesundheit selbst in die Hand nehmen.

TEXT Maria Dorner  FOTOS Gregor Kuntscher  ILLUSTRATION Thomas Martos

carpe diem 19

H
Herr Dr. Wallerstorfer, bevor wir jetzt
in unserem Erbgut stöbern, bitte um
eine kleine Auffrischung: Was sind
Gene, und was machen sie mit uns?
Gene steuern unsere Körperfunktionen
und damit auch maß­geblich unsere Ge-
sundheit. Sie geben Anweisung, be-
stimmte Aufgaben zu erfüllen. Ein Gen
sagt etwa, dass ich g­ rüne Augen haben
soll, ein anderes erklärt meinen Knochen,
wie sie starkes Gewebe aufbauen. Jeder
Mensch erbt die Hälfte seiner Gene von
der Mutter, die andere Hälfte vom Vater
– wir haben also fast jedes Gen doppelt
und sind eine zu­sam­men­ge­w ürfelte
Kombination aus angeborenen Stärken
und Schwächen. Nur eineiige Zwillinge
haben dieselbe Erbinformation.
Das Leben ist also eine Lotterie – jeder
Mensch zieht bei seiner Entstehung
eine einzigartige genetische Karte?
20 carpe diem
So ist es. Die geerbten Gene sind dafür
verantwortlich, dass wir unterschiedlich
aussehen, andere Talente und Interessen
haben und verschiedene Krankheiten be-
kommen – oder eben auch nicht.
Was müssen meine Gene haben oder
tun, damit ich eben nicht krank werde?
Enthält ein bestimmtes Gen einen
Schreibfehler in seiner Anweisung,
also einen Defekt beziehungsweise eine
Mutation oder Variation, kann es seine
Funktion nicht ausüben. Das allein ist
aber noch kein Grund zur Sorge – ob-
wohl jeder Mensch rund 2.000 solcher
Veränderungen in  sei­nen rund 23.000
Genen trägt. Wenn eines der beiden
Gene von so einem Fehler betroffen ist,
die zweite Fassung des entsprechen-
den Gens aber die korrekte Anweisung
enthält, findet der gewünschte Prozess
zumeist trotzdem statt, und alles läuft
wie geplant. Die jeweilige potenzielle
Krankheit, die in diesem Gen schlum-
mert, bricht also nicht aus.
Und wenn es beide verpatzen?
Dann wird es problematisch, weil das
korrekte Reserve-Gen fehlt. Bekommen
Sie von beiden Elternteilen die mutierte
Fassung, wird Sie das auf die eine oder
andere Weise negativ beeinflussen.
Was heißt das genau? Werde ich nun
krank oder nicht? Und vor allem: Kann
ich das überhaupt beeinflussen?
Vielfach schon, das hängt von mehre-
ren Faktoren ab. Bestimmte Schwächen
bedeuten ein absolutes Schicksal. Sind
in diesen Fällen beide Gene von einer
Mutation betroffen, wird die Krankheit
zu hundert Prozent ausbrechen, und es
gibt nichts, womit wir das verhindern
können. Von dieser Kategorie gibt es
etwa 6.000 verschiedene genetische
Krankheiten, aber sie sind zum Glück
relativ selten. Es gibt jedoch auch häufig
vorkommende genetische Variationen,
die kein abso­ lutes Schicksal bedeuten
müssen. Diese führen beispielsweise zu
schlechteren Augen, einem schwächeren
Immunsystem et cetera.
 „Sein Erbgut
zu berücksichtigen
ist keine Zukunftsmusik,
sondern längst Alltag.“
Aber jetzt kommt die gute Nachricht:
Der weitaus größere Teil aller Erbkrank-
heiten tritt zwar häufiger auf, stellt aber
nur ein Risiko dar. Den genetischen,
unveränderbaren Faktoren stehen beein-
flussbare Faktoren gegenüber. Ob und
wann wir krank werden, hängt dann
maßgeblich von äußeren Lebensumstän-
den ab. Ich kann meine Gene also für
eine bessere Gesundheit steuern.
So, wie Sie das sagen, klingt das nach
einem heißen Eisen in der Ethikdebatte.
Wie kann ich meine Gene steuern?
Leichter, als Sie denken. Eine Frage: Wie
schützen Sie Ihre Haut vor der Sonne?
Mit einer mittelteuren Sonnencreme,
Lichtschutzfaktor 20. Ich bin da nicht
so empfindlich und bekomme selten
­einen Sonnenbrand.
Dann handeln Sie exakt Ihren Erbanlagen
entsprechend. Die bestimmen Ihr Haut-
bild nämlich massiv mit. Hätten Sie an-
dere Gene, würden Sie eine andere Creme
mit anderen Inhaltsstoffen und einem
anderen Lichtschutzfaktor verwenden
müssen, um die gleiche Wirkung – also
keinen Sonnenbrand – zu erzielen. Sein
Erbgut zu berücksichtigen ist also keine
Zukunftsmusik, sondern längst Alltag.
Gut – aber der richtige Sonnenschutz
ist keine Rocket Science. Wie schaut
das bei schweren Defekten aus, lassen
sich die durch die richtige Vorsorge
tatsächlich reparieren?
Nein, vom Reparieren sind wir leider
noch weit entfernt. Ist ein Gen völlig
­kaputt, dann ist die Anweisung für den
Körper zerstört und kann auch nicht
durch äußere Einflüsse gerettet werden.
Aber: Diese sogenannte Epigenetik, also
das Wechselspiel zwischen Erbgut und
Umwelt, kann Gene ein- oder ausschal-
ten, lauter oder leiser drehen. Das kann
wiederum dazu führen, dass gewisse
Mutationen überschrieben oder anders
abgelesen werden und wir Krankheits­
risiken umgehen.
Welche Krankheiten sind denn das, bei
denen wir aktiv gegensteuern können?
Etwa ein Blutgerinnsel – das entsteht oft
dann, wenn eine genetische Veranlagung
auf einen ungünstigen Lebenswandel
trifft. Erstere erhöht das Risiko um das
Fünf- bis Siebenfache, bei sehr seltenen
Variationen sogar um das Achtzigfache.
Raucht eine Risikopatientin nun auch
noch, ist sie übergewichtig oder verhütet
sie hormonell, steigt die Wahrschein­
lichkeit exponentiell an. Das heißt: Die
Risiken addieren sich nicht, sie multi­
plizieren sich.
Wie kann ich nun vorsorgen, auch ohne
mein genetisches Risiko zu kennen?
Werden oder bleiben Sie Nichtraucher,
achten Sie auf normales Körpergewicht,
vertreten Sie sich oft die Beine und trin-
ken Sie mindestens 1,5 Liter Wasser oder
ungesüßten Tee am Tag. Das empfehle
ich jedem, ein Blutgerinnsel braucht
nämlich keine genetische Erlaubnis.
Ein anderes – sehr plakatives – Bei-
spiel ist die Eisenspeicherkrankheit. Da 
führt die  Muta­tion beider HFG-Gene
dazu,  dass über lange Zeit viel zu viel
Eisen aufgenommen wird. Irgendwann
quillt der Speicher über, das Eisen lagert
sich in den Organen an, führt zur Ver­
giftung und schließlich zum Tod. Ob-
wohl sie zu den häufigsten genetischen
Stoffwechsel­erkrankungen zählt und im
Schnitt jeder 200. Mensch davon betrof-
fen ist, wird sie meist nicht diagnostiziert.
carpe diem 21
Wird sie aber diagnostiziert – krieg ich
das Eisen wieder aus meinem Körper?
Meistens ist es dann zu spät. Genau hier
wird das Problem unserer Medizin deut-
lich: Wir betreiben Schadensbegrenzung
statt Vorsorge! Es läuft so ab: Jemand hat
Beschwerden, geht zum Arzt und kriegt
eine Diagnose, die dann häufig mit-
hilfe eines Gentests bestätigt wird. Die
Krankheit ist zu diesem Zeitpunkt aber
schon ausgebrochen, und die Beschä-
digungen des Körpers sind irreversibel.
Andersherum ginge es aber ganz leicht.

Es ist also wesentlich einfacher, gesund

zu bleiben, als gesund zu werden?
Absolut. Weiß ich frühzeitig um diese
Mutation, gibt es einen sehr effektiven
Weg, um die Krankheit auszubremsen:
vier- bis sechsmal Blut spenden im Jahr,
um das überschüssige Eisen loszuwerden,
und eine eisenarme Ernährung.

Okay, das klingt schlüssig. Die Ernäh-
rung ist ohnehin mein nächstes Stich-
wort: Ist sie die Wunderwaffe im Kampf
gegen eigene „Fabrikationsfehler“?
Ja, sie ist vielfach der mächtigste Hebel,
über den wir verfügen. Jeder Mensch re-
agiert unterschiedlich auf Lebensmittel.
Es ist also möglich, anhand der Gene ab-
zulesen, was wir vertragen und was nicht.
Damit beschäftigt sich die Nutrigenetik.
Bitte um ein alltagstaugliches Beispiel,
wie ich meinen Speiseplan meinem
Erbgut anpassen kann.
Nehmen wir Milch oder Weizen. Vertra-
gen Sie eines dieser Lebensmittel nicht,
lassen Sie es einfach weg, dann bleiben
Sie symptomfrei. Oder Kaffee, ein sehr
zweischneidiges Schwert. Tatsächlich
hängt es von den jeweiligen Genen ab,
ob er für eine Person gesund oder unge-
sund ist. Zum einen ist er wegen seines
hohen Anteils an Antioxidanzien und
Poly­phenolen das vielleicht gesündeste
Lebens­mittel, das wir kennen. Anderer-
seits beinhaltet er Koffein, ein Nervengift,
das die Pflanze gegen Insekten einsetzt
und das für uns in der richtigen Dosis
aufputschend wirkt. Wir führen uns also
zugleich Gesundes und Ungesundes zu.
Und wieder sind es meine Erbanlagen,
die bestimmen, wer das Rennen macht?
Ja. Im Regelfall gibt es ein Gen, das Kof-
fein erkennt und es unschädlich macht.
Studien haben gezeigt: Bei Frauen, die
zwei funktionierende Exemplare davon
haben – allerdings ein genetisch erhöh-
tes Brustkrebsrisiko –, bricht der Krebs
im Schnitt sieben Jahre später aus als
bei jenen Frauen mit demselben Defekt,
die keinen Kaffee trinken. Hier schützt
der Kaffee also nachweislich. Bei etwa
16 Prozent der Menschen sind hingegen
beide Koffeinabbaugene defekt, sie spü-
ren den aufputschenden Effekt besonders
stark und besonders lange. Somit hat das
Gift ausreichend Zeit, seine gesundheits-
schädlichen Wirkungen zu entfalten.
In diesem Fall würde mein Körper aber
doch von selbst aufmucken, oder? Also
Herzrasen, Schwitzen und so weiter.
Ja, in diesem Fall ist es so. Die Faustregel
lautet: Wenn Sie nach zwei Tassen Kaffee
noch gut schlafen können, dann ist er mit
hoher Wahrscheinlichkeit gesund für Sie
und beugt zudem auch noch Alzheimer,
Brustkrebs und Herz-Kreislauf-Erkran-
kungen vor.
Übergewicht ist ja auch so ein Thema:
Sechzig bis achtzig Prozent sind aufs
Erbgut zurückführen, da mischen rund
vierhundert Gene mit. Auch diesen Stö-
renfrieden ließe sich im wahrsten Sinne
des Wortes an den Speck gehen.

22 carpe diem
 Ernährung ist einer
der mächtigsten
­Hebel, über die wir
verfügen, wenn es
darum geht, unsere
Heißt das, dass meine Gene auch
Zukunft selbst in die
­entscheiden, was mich dick macht?
Hand zu nehmen.
Natürlich. Jeder von uns kennt jemanden,
der essen kann, was er will, ohne zuzu-
nehmen. Insofern ist klar, dass Menschen
unterschiedlich auf Kalorienzufuhr re-
agieren.
Nehmen wir nur einmal die Fettkalo-
rien: Im Darm gibt es ein Gen, das die
Aufnahme von Fett reguliert. Der Kör-
per nimmt sich, was er braucht, dann
sorgt das Gen für einen Aufnahmestopp.
Ist das Gen defekt, tut es das nicht –
und der Körper nimmt sich alles. Je nach
genetischer Dis­position ist Fett also ein
Risikofaktor für die Zunahme von Kör-
pergewicht – oder auch nicht.
„Genau hier wird
das Problem
unserer Medizin deutlich:
Wir betreiben
Schadensbegrenzung
statt Vorsorge!“
Gilt das auch für Kohlenhydrate?
Bei mir schlägt Pasta nämlich viel mehr
an als die Grillerei …
Dann sind Sie genetisch genau anders
veranlagt. Ein Blick auf die eigene Aus-
stattung ist also von Vorteil, wenn Sie
wissen wollen, wie Sie Ihr Körpergewicht
relativ unkompliziert halten können.
Aber Sport hilft mir dabei in j­edem
Fall – oder wird da schon wieder
am Gen-Glücksrad gedreht?
Ja, tatsächlich. In diesem Bereich ist
die Natur sogar besonders unfair. Laut
Studien verlieren manche Menschen
beim Sporteln drei- bis sechsmal mehr
an Gewicht als andere. Auch damit sind
bestimmte Gene assoziiert. Das heißt
nicht, dass Sport nicht in jedem Fall ge-
sund wäre, es divergiert nur der Einfluss
aufs Gewicht ganz stark.
Medikamente wirken ja sicher auch
bei jedem Menschen anders. Heißt das,
wir dürften ohne Wissen um unsere
Veranlagung im Grunde überhaupt
­keine Tabletten schlucken?
Es wird hoffentlich irgendwann darauf
hinauslaufen. Die amerikanische Arznei-
mittelbehörde FDA hat bei mittlerweile
45 Medikamenten die Genetik im Bei-
packzettel erwähnt. Das heißt: Vor der
Verschreibung sollten gewisse genetische
Konstellationen ausgeschlossen werden.
Das ergibt durchaus Sinn, es wird ja auch
keine Bluttransfusion verabreicht, ohne
die Blutgruppe zu kennen.
Und warum wirken manche Tabletten
bei manchen Menschen gar nicht?
Viele Medikamente müssen zuerst von
einem Umwandlungsgen erkannt und
in die aktive Form gebracht werden, um
dann ihren Dienst zu tun. Bestimmte
gene­tische Typen sind dazu aber nicht in
der Lage. Codein, ein Schmerzstiller, ist
carpe diem 23

so ein Fall. Wird es nicht aktiviert, kann
es auch keine Schmerzen stillen. Wissen
wir das, können wir zu einer Alternative
greifen. Dasselbe gilt für das wichtige
Anti-Aging-Molekül Q10. Es kann un-
sere Zellen nur in umgewandelter Form
schützen. Bei 40 Prozent von uns klappt
das aufgrund einer Mutation aber nur sehr
eingeschränkt, bei neun Prozent über-
haupt nicht. Sie haben zwei defekte Gene
und cremen umsonst – ohne es zu wissen.
Und wie können sich diese Menschen
vor vorzeitiger Hautalterung schützen?
Indem sie auf andere Antioxidanzien
mit ähnlicher Wirkung ausweichen. In
Sachen Q10 hab ich übrigens noch einen
Tipp: Dieses Coenzym ist nicht nur ein
sehr teurer Wirkstoff in der Kosmetik­
industrie, sondern auch ein sehr farb­
intensiver. Ist Ihre Q10-haltige Gesichts-
pflege strahlend weiß statt gelbstichig,
handelt es sich eher um einen Marketing-
gag als um einen Jungbrunnen.
Angenommen, ich lasse meine Gene
tatsächlich analysieren: Woher weiß
ich, welche genau und wie viele?
Erfahre ich dann wirklich alles,
oder kann ich das eingrenzen?
Von der Lifestyle-Analyse bis zum ge-
zielten Suchen nach Krankheitsrisiken
ist alles möglich. Manche wollen nur
wissen, welche Medikamente sie gut ver-
tragen, dafür werden vierzehn spezifische
Gene untersucht. Andere möchten erfah-
ren, wie sie ihr Gewicht optimal halten
können, das sind wiederum acht andere
Gene. Wichtig ist aber immer, dass Sie
24 carpe diem
ein Ziel und die richtige Beratung durch
einen Arzt oder Experten haben.
Ganz ehrlich: Und wenn ich stattdessen
einfach jeden Tag einen üppigen Cock­
tail aus hochwertigen Vitaminen schlu­
cke – vorsorglich und nach dem Motto
„Hilft’s nicht, schadet’s nicht“ –, ließen
sich gewisse genetische Problemzonen
so nicht auch ganz gut kaschieren?
Sicher nicht so, wie Sie sich das vorstel-
len. Denn ganz abgesehen davon, dass
ein Zuviel an bestimmten Vitaminen
tatsächlich auch schädlich sein kann,
wirken andere eben gar nicht oder sind
in der falschen Dosierung. Es gibt keine
einmalige Empfehlung, die für alle gilt.
Die Bedürfnisse sind von Mensch zu
Mensch unterschiedlich. Und um sie zu
kennen, braucht es den Blick in die Gene.
Grundsätzlich sind Sie aber nicht gegen
Nahrungsergänzungsmittel, oder?
Nein, sie haben auf jeden Fall ihre Da-
seinsberechtigung – allerdings korrigie-
ren sie niemals eine falsche Ernährung.
Wenn die Ernährung stimmt, können sie
allerdings helfen, Schwächen in unserem
Erbgut zu kompensieren.
Kommt es eigentlich auch vor, dass
Träger einer Genmutation davon profi­
tieren? Also so ähnlich wie der grüne,
muskelbepackte Comic-Held Hulk?
Superkräfte verleihen sie mit Sicher-
heit nicht, aber ja – in seltenen Fällen
kann eine Veränderung des Erbmate-
rials tatsächlich auch Vorteile bringen.
(Mehr dazu im Kasten rechts.)
GENial!
Diese Mutationen
verleihen besondere
Eigenschaften.
Das Super-Ausdauer-Gen
Eine Störung im Gen EPOR sorgt
für eine um bis zu 50 Prozent
erhöhte Produktion roter Blut­
körperchen. Das führt dazu, dass
die Muskeln mit wesentlich mehr
Sauerstoff versorgt werden – die
Leistungskraft steigt. Ebendiesen
­Effekt erzielen schummelnde
­Athleten übrigens durch EPO-
und  Blut­doping.
Das Herkules-Gen
Das MSTN-Gen befiehlt unseren
Muskeln, mit dem Wachsen auf­
zuhören, und reguliert so den Auf­
bau von Muskelmasse im Körper.
Ist das Gen defekt, wachsen sämt­
liche Muskeln auch ohne Kraftsport
und Steroide auf ihr Maximum an.
Dieser Gendefekt macht Menschen
und Tiere (etwa die belgische
Rinderrasse Belgian Blue) zu
­Bodybuildern ganz ohne Training.
Das Kurzschläfer-Gen
Topfit nach höchstens drei bis sechs
­Stunden Nachtruhe? Das verdankst
du vermutlich deinem mutierten
Gen hDEC2, das für ein extrem
geringes Schlafbedürfnis verant­
wortlich ist.
Das Niedrig-Cholesterin-Gen
Das Gen CETP spielt eine wichtige
Rolle im Cholesterinstoffwechsel,
es schaufelt die fettähnliche Sub­
stanz quasi zwischen ihrer guten
(HDL) und ihrer schlechten (LDL)
Version hin und her. Funktioniert
das Gen nicht richtig, kommt es zu
einer Erhöhung der guten Variante.
Das senkt die Cholesterinwerte im
Blut und verhindert Herz-Kreislauf-­
Erkrankungen.
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Baumhaus

Unsere Liebeserklärung
an die kleinen Freuden
des Lebens.
„Abgehoben vom Alltag,
über den Dingen
schwebend, verschmolzen
mit dem Oben,
das Freiheit bedeutet.“
Jeden Tag in der Zehn-Uhr-Pause aß­
Sissy ein Brot mit bläulichem Schimmel­
käse, dessen Geruch uns andere, kaum
dass sie es ausgepackt hatte, erschlug.
Wenn wir uns verschämt abwandten,
lachte sie. Es klang wie ein schrilles
Quietschen, das einem in den Ohren ste-
cken blieb. Wir lachten mit, wir biederten
uns an. Um Sissy zu gefallen. Um von ihr
nach der Schule ausgewählt und mitge-
nommen zu werden: in ihr Baumhaus.
Sissys Vater, ein Tischler, hatte es
hoch in die alte Kastanie vor dem Haus
gebaut. Mit richtiger Wendeltreppe, die
sich um den zerfurchten Stamm wand,
mit Aussichtsplattform, gedrechseltem
Geländer und mit Fenstern zum Öff-
nen. Manchmal, wenn ich Glück hatte,
fiel Sissys Wahl auf mich, und ich stieg
mit klopfendem Herzen hinter ihr in die
Baumkrone hinauf.
Die köstlichsten Momente waren die,
wenn Sissy etwas holen ging und ich für
ein Weilchen alleine im Baum war. Auf
dem Rücken liegend schaute ich in das
Gewirr von Blättern und Zweigen. Ich
blinzelte in die Sonnenstrahlen von links
nach rechts, fasziniert davon, wie ­v iele
unterschiedliche Wege sich das Licht
in kräftigen und dann wieder in hauch-
über den Dingen schwebend, verschmol-
zen mit dem Oben, das Freiheit bedeutet.
Schnell, bevor Sissy zurückkam, klet-
terte ich auf das Dach des Baumhauses.
Von dort aus sah ich auf Giebel und Stra-
ßen, winzige sich bewegende Scheitel und
Autodächer. Alles, was Lärm machte, war
da unten und ging mich nichts an.
Jahre später las ich Italo Calvinos
„Der Baron auf den Bäumen“, in dem
der ­junge  Adelige Cosimo eines Tages
auf eine Steineiche klettert, um den
Zwängen der ebenen Erde für immer zu
entfliehen: „Er aber betrachtete die Welt
vom Baum aus: Alles, was man von dort
oben sah, war andersartig, und schon das
machte Vergnügen.“
Mit 44 ließ ich mir dieses Vergnügen
– ohne Zustimmung meines Mannes –
in den eigenen Garten bauen. Ich sagte,
ein Baumhaus sei wichtig für unseren
Sohn. Rückzugsort, kreative Werkstatt,
Naturraum. Ich gab ihm viele Namen.
Als das Häuschen mit blau-weißem
Anstrich, Terrasse samt Markise und
Fahnenmast auf 2,40 Metern über dem
Rasen in der alten Linde thronte, jauchzte
ich innerlich vor Freude.
Mein Sohn findet es auch toll. Manch-
mal schläft er im Sommer in seinem
ILLUSTRATION: Julia Zott

zarten Lichtbündeln durch das Dickicht Baumhaus.

Christiane Tauzher, Kolumnistin
bei stern.de, lebt und schreibt
am Stadtrand von Wien. Sie sitzt
gern im Baum hinter dem Haus.
bahnte. Der Baum surrte, brummte, Wenn er im Kindergarten ist, bin ich
rauschte und wiegte mich. Ich sog seinen es, die hinaufklettert, sich fallen lässt
Duft ein, fühlte mich stark und gleich- in die Geräusche des Baumes und davon-
zeitig geborgen. Abgehoben vom Alltag, getragen wird. Dann ist es meins.

26 carpe diem
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 Robert Maruna, 33,
ist Autor, Journalist
und nahezu hyper-
aktiv. Entsprechend
gedämpft war seine
Begeisterung,
als wir ihn baten,
einfach einmal
nichts zu tun.

28 carpe diem
  Erholung 

Heute mach
ich gar nichts!
Das süße Nichtstun – oder, wie die Italiener es nennen,
„il dolce far niente“ – war doch früher einmal ganz einfach.
Doch jetzt? Robert Maruna will es wieder lernen.
Ein Selbstversuch zwischen Ungeduld, Himmelblau
und Erkenntnissen.

TEXT  Robert Maruna  FOTOS  Philipp Schönauer

i
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich es
verloren habe. Als Kind hatte ich es auf
jeden Fall noch in mir. Dem Sandkasten
war es völlig gleich, ob ich ihm nun eine
Burg aus Sand oder ein Schloss aus Wol-
ken baute. Ich war glücklich, ohne es zu
hinterfragen. Aber irgendwann bin ich
dann unruhig geworden.
Robert, der Ruhelose
Heute bin ich 33, und mein Antrieb nach
Effizienz ist unbarmherzig. Selbst nach
einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag muss
ich noch irgendwo durch einen dunklen
Wald laufen oder mindestens hundert
Liegestütze machen, bevor ich erschöpft
zusammenklappe. Das Hirn rattert trotz-
dem weiter. Ich suche nach dem Pausen­
knopf, finde ihn aber nicht. Ich versuche
die Synapsen in den Feierabend zu schi-
cken, doch sie wollen nicht. Ich habe
schlicht und ergreifend vergessen, wie das
ist: glücklich zu sein, wenn man nichts tut.
Und genau deshalb brauche ich Ant-
worten. Ich frage Google. Gründe für
innere Unruhe seien vielfältig, lese ich,
vieles spricht jedoch dafür, dass wir uns
in einem „Zeitalter der Supereffizienz“
befinden: Jede Handlung wird einem
Zweck unterworfen, jeder Gedanke kur-
belt die Produktivitätsmühle weiter an;
wenn wir nichts zu tun haben, fühlen
wir uns schuldig. Folglich empfinden wir
auch Momente der Entspannung als ver-
lorene, nicht als gewonnene Zeit.
„Nichtstun ist die allerschwierigste
Beschäftigung und zugleich diejeni-
ge, die am meisten Geist voraussetzt“,
schrieb Oscar Wilde.
Aber wie legt man eine Pause ein?
Denn eine Pause muss sein. Selbst Gott
hat sich beim Erschaffen der Welt eine
Auszeit von einem Tag gegönnt, also
muss uns Menschen das wohl auch er-
laubt sein! „Schließlich führt das Nichts-
tun irgendwann zum allerbesten Ir-
gendwas“, sagt Pu der Bär. Der kommt
auch von den Britischen Inseln und ist
quasi ein Zeit­genosse von Oscar Wilde
– wenngleich man ihm attestiert, ein Bär
von sehr geringem Verstand zu sein.

carpe diem 29
 Irgendwo zwischen den beiden Polen
„Schließlich führt
„am meisten Geist“ und „von sehr gerin­gem
Verstand“ muss das Nichtstun beheimatet
das Nichtstun
sein. Ich beschließe, es zu probieren.
irgendwann
Leerlauf stabilisiert
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek
zum allerbesten
(siehe Interview ab Seite 36) ist Facharzt
für Neurologie in Wien, Systemischer
Irgendwas.“
Coach und Autor zahlreicher Fach­bücher
zu den Themen Burnout und Stress­ Pu der Bär
bewältigung. Darüber hinaus ist er ein
sehr angenehmer Gesprächspartner, der
mich auf dem Weg ins Nichts fachge-
recht begleiten soll. Die Idee gefällt ihm,
„weil Nichtstun ein schöner Kontrast
zu unserer aufgeladenen Zeit ist, in der
man immer etwas Besonderes tun muss,
damit es einem besser geht“.
Und wenn ich sage, dass ich wie ein
Duracell-Hase durchs Leben rase und
meine Batterieleistung so weit optimiert
habe, dass ich nicht mehr zu schlafen
brauche, sondern ständig machen kann,
dann wirkt er wenig verwundert: „Wir
haben unser Gehirn in Unruhe versetzt.
Jetzt läuft es wie ein Schwungrad, das
sich nicht mehr bremsen lässt.“
Aber irgendwann könne das unan-
genehm werden, sagt Prof. Lalouschek.
Denn in den Tiefen unseres Gehirns
sitzt das limbische System, das für unsere
Gefühlswelt und intellektuellen Leis-
tungen zuständig ist – eingebettet in
ein Netzwerk an Nervenbahnen, das ge-
nau eine Aufgabe erfüllt: Es wird beim
Nichtstun aktiv. Default Mode Network
nennt man das, und es ist vergleichbar mit
dem Leerlauf eines Motors. Es stabilisiert
so die allgemeine Gehirnfunktion.
„Bei den Menschen, die multitasking­
aktiv und ständig am Tun sind, wird das
Leerlaufnetzwerk instabil“, sagt Prof.
Lalouschek. „Wir empfinden das Nichts­
tun als einen unangenehmen Zustand.

30 carpe diem
carpe diem 31
 „Ich habe
den Raben
mit dem
weißen Fleck
Kurtl getauft,
den anderen
Dieter.
Der Kurtl ist
ein lässiger
Rabe.“

32 carpe diem
Und das ist ein gewaltiges Problem: Jede
Maschine, die durchgehend läuft, bricht
irgendwann zusammen.“
30 Minuten, 30 Tage
Dem wollen wir entgegenwirken, indem
ich nun 30 Tage lang mindestens 30 Mi­
nuten pro Tag versuche, nichts zu tun.
Und nichts tun bedeutet wirklich nichts
tun. Also nicht gehen, nicht sprechen,
nicht essen oder trinken, sondern einfach
nur dasitzen und nichts Besonderes ma­
chen. Am besten geht das draußen in der
Natur, im Idealfall geschieht das unge­
plant; und wenn die Gedanken kommen,
gibt mir Prof. Lalouschek noch mit auf
den Weg, dann sollte ich sie wie Wolken
vorbeiziehen lassen und einen neuen fin­
den. Ich sage, dass ich mir nicht sicher
bin, ob ich das wirklich kann.
Er grinst kurz und verabschiedet mich
mit den Worten: „Schauen wir doch ein­
fach einmal, was das mit Ihnen macht.“
Tag 1
Unter Sternen. Ich sitze auf der Haus­
bank meiner Eltern, es ist ein lauer Früh­
lingsabend. Gegenüber erkenne ich die
Umrisse unseres Hausbergs, links und
rechts herrscht Dunkelheit. Romanti­
scher könnte das Nichtstun wohl kaum
beginnen. So schwierig sollte es auch
nicht sein. Der Timer zeigt Minute 7 an,
und ich will nichts mehr als aufstehen
und mich bewegen.
Meine Freundin sagt, ich sei wie ein
Border Collie. Ständig brauche ich eine
Aufgabe und viel Aufmerksamkeit. Seit­
dem wir mehr Zeit zu Hause verbringen
als gewollt, wirft sie mir Stöckchen durch
die Wohnung. Jedes Mal tappe ich ihr
in die Falle und laufe hinterher.
Ich frage mich, wie ich das 30 Tage
lang durch­stehen soll. Mich überkommt
jetzt schon Langeweile. So eine Schnaps­
idee, denke ich mir …
Just in dem Moment läutet der Timer
– ich hab’s geschafft. 30 Minuten lang
nichts getan.
Ich spüre keine Veränderung in mir.
Tag 4
Zurück in Wien. Ich sitze mit überschla­
genen Beinen auf einer Parkbank und
blicke zum Himmel. Gerade habe ich
wirklich keine große Lust, nichts zu tun.
Ich habe noch so viel Arbeit zu erledi­
gen, würde gerne laufen gehen, einkau­
fen sollte ich auch, und meine Freundin
sagt, dass wir zu wenig Zeit miteinander
verbringen.
Ich kann das nicht nachvollziehen, seit
knapp einem Jahr kleben wir konstant
aufeinander. Aber vielleicht leben wir
gerade nur neben- und nicht miteinan-
der. Ich glaube, ich sollte ihr sagen, wie
gern ich sie habe. Vielleicht ist Nichtstun
ja gut für die Beziehung.
Tag 6
Heute gehen sich nur 20 Minuten aus.
„Aber besser als nichts“, denk ich mir.
Das mit dem Gedankenschweifenlassen
bereitet mir weniger Probleme. Was mich
wirklich zum Verzweifeln bringt, ist, dass
ich beim Nichtstun sitzen muss. Ich sitze
ja eh schon so viel vor dem Bildschirm!
Aber Spazierengehen geht nicht, hat
Prof.  Lalouschek gesagt, weil Gehen
nichts mit Nichtstun zu tun habe. Und
das geht mir mächtig auf die Nerven.
Ein Tischtennisball fällt mir vor die
Füße. Ich hebe ihn auf und werfe ihn
den beiden Jungen zu. Habe ich jetzt das
Nichtstun unterbrochen? Darf ich das?
Tag 10
Ich tue nichts auf dem Balkon. Ich lasse
die Wolken am Himmel vorbeiziehen,
zähle die roten Ziegel an der Hausmauer
gegenüber und beobachte zwei Raben auf
dem Dach. Einer der beiden sitzt immer
links und der andere rechts vom Schorn­
stein. Das kann ich deshalb so genau sa­
gen, weil einer von ihnen einen weißen
Fleck unter dem rechten Flügel trägt, der
andere nicht. Ich habe den Raben mit
dem weißen Fleck Kurtl getauft und den
anderen Dieter. Der Kurtl ist irgendwie
ein lässiger Rabe, der Dieter ist mehr so
ein stoischer Charakter. Zusammen sind
sie aber ein lustiges Pärchen.
Ich halte fest: Nichtstun ist gut für die
Beobachtungsgabe. Und: Ich fühle mich
inzwischen irgendwie gut und entspannt,
nachdem ich nichts getan habe.
Tag 11
Ich habe heute ehrlich gestanden keine
Zeit, keine Muße und auch keinen Nerv
fürs Nichtstun. Ich habe noch so viel zu
tun, dass ich zusätzliche 24 Stunden be­
nötigen würde, um alles fertig zu bekom­
men. „Ich muss heute noch so produktiv
carpe diem 33
„Wenn ich denke,
dass ich nichts denke,
dann denke
ich ja doch ...“
wie nur irgend möglich sein“, schießt es
mir plötzlich durch den Kopf. Und das
Nichtstun wird mich da wohl kaum wei-
terbringen. Aber ich will nicht schum-
meln, also überrede ich mich selbst dazu,
mittags auf der Parkbank zu sitzen und
die Gedanken schweifen zu lassen.
30 Minuten später fühle ich mich
befreiter. Und 18 Stunden später habe
ich die Textabgabe doch noch geschafft.
Nichtstun hilft, wenn man viel zu tun hat.
Tag 13
Es ist Sonntag. Schönes Wetter, milde
Temperaturen, perfekt zum Klettern.
Zuerst aber Nichtstun. Ich setze mich auf
den Balkon und lausche. Und da passiert
es zum ersten Mal: Obwohl ganz viele
Geräusche wahrzunehmen wären, höre
ich keines davon bewusst. Ich habe das
Gefühl, dass alles rund um mich herum
passiert, doch es betrifft mich nicht. Als
ob ich in so einer großen Gummiblase
sitzen und alles an mir abprallen würde.
Nichts kommt durch – nur die Sonnen-
strahlen.
Tag 15
Heute morgen bin ich aufgewacht und
dachte mir: Ich tue einfach einmal nichts.
Aber dann bin ich aufgestanden und
– dank Duracell-Antrieb – doch den
ganzen Tag von A nach B und nach C
gehetzt. Am Abend war ich schließlich
so erschöpft, dass ich mir dachte: Morgen
tue ich einfach einmal nichts.
Nichtstun geht eben nicht immer.
34 carpe diem
Tag 19
Mittlerweile mag ich das Nichtstun.
Manchmal klappt es, und ich drifte völ-
lig ab. Am besten gelingt es, wenn ich
rücklings auf einer Wiese liege und in
den Himmel blicke. Ich denke ganz viel
und ganz schnell, und dann – ich kann
selbst nicht genau sagen, nach wie vie-
len Minuten es passiert – glaube ich auf
einmal, nichts mehr zu denken. Oder
zumindest so gut wie nichts. Das fällt
mir aber glück­licherweise immer erst im
Nachhin­ein auf. Sonst hätte ich ja ge-
dacht, dass ich nichts denke, und dann
denke ich ja doch …
Aber wenn dieser Zustand eintritt,
habe ich das Gefühl, alles fällt von mir
ab. Raum und Zeit funktionieren weiter-
hin, aber ich darf mich kurz rausnehmen.
Ganz leicht fühl ich mich dann.
Nichtstun ist hilfreich, wenn viel an
einem dranhängt.
Tag 27
Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Ins
Blaue schauen hilft. Egal ob Himmel,
See oder Ozean. Hauptsache, blau.
Dann fällt das Nichtstun leichter.
Tag 28
Letzte Woche habe ich keinen Timer
mehr fürs Nichtstun verwendet, sondern
mich einfach so lange hingesetzt und
nichts getan, bis das Nichtstun wieder
zum Tun geworden ist.
So ähnlich ist es mir mit Yoga er-
gangen: Vor vielen Jahren, als ich damit
begonnen habe, war das Ausrollen der
Matte eingeplant, es war an Termine und
Uhrzeiten angepasst. Heute suche ich
die Matte auf, wann immer mir danach
ist. Yoga ist irgendwann ein Teil von mir
geworden. Und ich habe das Gefühl, das
Nichtstun möchte das auch werden.
Tag 30
Mein letztes Mal Nichtstun. Ich sitze auf
der Wiese vor dem Haus meiner Eltern
in den Bergen. Dort, wo alles begonnen
hat und wo ich davon ausgegangen bin,
dass das mit dem Nichtstun nicht lange
gutgehen wird.
Aber ich habe durchgehalten. Direkt
vor mir entdecke ich eine Ameise im
Gras. Sie transportiert ein kleines rundes
Blatt auf ihrem Rücken, viel größer als
sie selbst. Gleich dahinter bewegt sich
noch ein Blatt, darunter erkenne ich zwei
Ameisen. An meinen Füßen kitzelt es,
und unter mir sehe ich nun lauter Blät-
ter, die sich bewegen: Es ist keine Straße,
sondern eine ganze Armada an Ameisen.
Mir scheint, das gesamte Gras bewegt
sich, überall sind Ameisen.
Und ich weiß auch, wofür sie stehen:
für all die Gedanken, die gerade nicht
wichtig sind.
„Nicht wichtig“, sag ich zu mir selbst
und blicke vom Boden weg in den Him-
mel. Da ist es wieder: das Blau, mein
Blau. Augenblicklich verschwinden die
Ameisen aus meiner Wahrnehmung, und
alles, was bleibt, ist ein einziger Gedanke:
Ich will nicht aufhören, nichts zu tun.
M I T I M K LI M A -
S C H U T Z PAK E T:
GESUNDER BODEN
Dem Boden nicht mit Gewalt mehr abringen, als er bereit ist zu geben. Ihm in Form
von Kompost samt Regenwürmern das zurückzugeben, was er braucht, um wieder
Gutes hervorzubringen. So wird der Boden zum CO 2-Speicher und damit zum
Klimaschützer. Und ganz sicher keine chemisch-synthetischen Spritzmittel, wo es
doch gegen jeden Schädling einen Nützling gibt. Danke, sagt der Boden im Namen
der Artenvielfalt. Aus unseren gesunden, lebendigen Bio-Böden ernten wir unsere
Produkte und das schmeckt man. So beginnt Klimaschutz bereits auf dem Teller.

GUT FÜR UNS. UND DAS KLIMA, NATÜRLICH!

#klimaschutzpaket
#klimateller
janatuerlich.at Gibt’s nur bei:
ANSTIFTUNG ZUM NICHTSTUN
Man kann nicht nichts tun. Aber man kann es versuchen –
und so die Welt ein bisschen besser machen.
Ein G
­ espräch mit dem Neurologen Wolfgang Lalouschek.
Kann man überhaupt nichts tun?
Nichtstun bedeutet atmen, hören, schauen – also irgend­
etwas werden Sie auf jeden Fall tun. Aber Sie werden im
Idealfall nichts Besonderes tun.
Nichtstun ist daher auch nicht Meditieren, denn wenn
ich jetzt 30 Minuten meditiere, dann tue ich ja wieder etwas
Besonderes. Also versuchen Sie einfach einmal: gar nichts.
Schauen Sie in die Luft. Das kommt noch am ehesten hin.
Was tue ich, wenn Gedanken kommen?
Man kann die Gedanken, die kommen, wahrnehmen, aber
dann lässt man sie einfach wieder ziehen, wie Wolken. Ich
verfange mich nicht in einem Gedanken, sondern lasse den
nächsten kommen. Wenn man das viele Jahre lang macht,
kommt man vielleicht in einen Zustand, in dem man tat­
sächlich nichts denkt – aber das kann niemand am Anfang.
Jeder hat ständig Gedanken. Auch die indischen Gurus. Die
trainieren das halt seit Jahrzehnten. Der spirituelle Meister
Sadhguru hat dazu etwas Nettes gesagt. Er verwendet das
Denken für bestimmte Situationen, doch dazwischen denkt
er recht wenig. Weil er das Denken nicht als das „Ich“ sieht,
sondern als ein Werkzeug, das hin und wieder hilfreich ist,
aber die meiste Zeit braucht er es nicht.
Wir Menschen sind zwar gewohnt, ständig zu denken,
aber nur deshalb, weil unser Gehirn ständig Gedanken pro­
duziert – und nicht, weil es so wahnsinnig sinnvoll wäre.
Es ist ungemein schwierig, das abzuschalten …
Schauen Sie auf ein Vogerl im Baum, oder beobachten Sie
36 carpe diem
ein Eichhörnchen. Das hilft. Nehmen Sie Ihren Körper
wahr. Wie stehen Ihre Füße auf dem Boden? Haben Sie
Ihre Schultern hochgezogen? Aber Sie müssen aufpassen,
dass Sie keine Körperübung daraus machen – sonst ist man
gleich wieder im Üben. Es sollte auf eine gewisse Weise
unverkrampft sein.
Wie die älteren Männer in Italien. Die sitzen einfach da
und sehen den Menschen nach, die machen das stunden­
lang so, die tun nichts. Ich glaube nicht, dass die Projekte
durchdenken oder Atem- und Entspannungsübungen ma­
chen. Die schauen mal hier, mal dort … Das Ganze sollte
kein großes Gewicht haben.
Sie sagen, der Leerlauf im Gehirn sei ungemein
wichtig (siehe Seite 30). Warum? Was passiert,
wenn wir den verlieren?
Die Stressverarbeitung läuft dann nicht mehr ganz rund.
Die Folgen sind Schlaflosigkeit, Burnout etc. Im Grunde
haben wir ein tolles, sehr komplexes Organ zwischen unse­
ren Ohren, aber wir haben den Ausschaltknopf vergessen.
Das ist ein Problem, weil es dadurch die ganze Zeit rennt,
bis es irgendwann völlig zusammenbricht.
Insofern ist Nichtstun ein schöner Kontrast zu dieser
aufgeladenen Zeit, wo man immer etwas Besonderes tun
muss, damit es einem besser geht. Das ist leider das Thema
unserer Leistungsgesellschaft. Wir sind ständig im Aktivis­
mus – am Abend sind wir aber trotzdem oft unbefriedigt.
Dabei ist der Schlüssel vielleicht ganz einfach: Wir müssen
nichts tun.
 Ich habe viele Patienten, die sich mehr Leichtigkeit und
Freiheit erhoffen. Eine halbe Stunde „Nichts“ pro Tag ist
doch gelebter Ausdruck einer solchen Leichtigkeit. Die
Menschen sehnen sich danach, aber sie machen es nicht.
Machen Sie selber nichts?
Vermutlich auch zu selten. Manchmal ist es so, dass ein
Patient ausfällt, und da gehe ich dann einfach nach Schön-
brunn spazieren, setze mich auf ein Bankerl und schaue in
die Luft. Es ist eine Zeit, die keinem bestimmten Zweck
gewidmet ist. Das ist sehr, sehr angenehm – gerade weil
man eben keine Entspannungsmethode lernen oder Acht-
samkeitsübungen machen muss, womit man ja schon wie-
der „etwas“ tun würde.
In unserem Experiment war das Nichtstun aber nicht
zwecklos. Es war für das Magazin …
Es ist trotzdem toll, weil es ein Gegenpol zum Zeitgeist der
Supereffizienz ist. Und man kann es weiterentwickeln. Sie
haben Nichtstun als Methode ausprobiert. Der nächste
Schritt wäre Nichtstun als Haltung. Das bedeutet, dass es
ein völlig natürlicher Teil des Lebens wird, den man gar
nicht mehr hinterfragt – so wie Zähneputzen. Eine ganz
normale Sache.
ZUSATZFOTO: Franz Weingartner
Anthropologen sagen, dass Naturvölker durchschnitt-
lich vier Stunden pro Tag gearbeitet haben, und den Rest
der Zeit haben sie nichts Besonderes getan. Wir bezeichnen
es als Fortschritt, dass wir 12-Stunden-Tage haben und
­unter Hochdruck arbeiten. Dabei haben wir immer noch
abends das Gefühl, dass so viel liegengeblieben ist. Ich
halte das für einen höchst zweifelhaften Fortschritt.
Es gibt übrigens Umweltratgeber, die sagen: „Jetzt tu
einfach einmal nichts. Damit schützt du unsere Umwelt am
meisten.“ Wie viel Unheil könnte allein durch das Nichts­
tun verhindert werden …
Also Nichtstun quasi als revolutionärer Gegenentwurf?
Ja. Es wäre absolut erstrebenswert für uns selbst und unse-
ren Planeten, wenn viele Menschen einfach damit beginnen
würden, wieder öfter nichts zu tun. Ich hatte vor ein paar
Jahren eine Patientin, die meinte: „Ich würde total gerne
wieder einmal wandern gehen, nur um zu wandern – nicht
um zu regenerieren.“ Und ich glaube, 90 Prozent der Men-
schen machen Sport eines Zweckes wegen.
Ihr Experiment ist ein großartiger Anlass, darüber zu
reflektieren, ob ständig alles einem Zweck unterliegen
muss. Warum kann es nicht einfach nur sein? Es wäre
wunderbar, wenn es in unserer Gesellschaft eine Selbst­
verständlichkeit wäre, nichts zu tun.
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang
­Lalouschek, MSc, ist Facharzt
für Neurologie, Systemischer
Coach und medizinischer Leiter
des Gesundheitszentrums
„The Tree“ in Wien.
carpe diem 37
  Das kleine Glück des Selbermachens 

Mein Sommerduft
Riecht gut, schützt gut, tut gut. Die Zitronen-Salbei-Deocreme steckt voller
natürlicher Inhaltsstoffe und ist im Handumdrehen zusammengerührt.

TEXT Eva Mühlbauer  FOTOS Karin Hackl  ST YLING Evelyne Zemplenyi

Natron Zitronenöl
(18 g) (5 Tropfen)

Du blühst erst auf bei Temperaturen jenseits der

30-Grad-Marke und genießt heiße Nächte in Palermo?
Oder stehst du eher in da Hitz an da Strada del sole,
denkst dir, es ist zu heiß für mich in dieser Stadt, und
hängst schlaff in der Landschaft wie alter Schnittlauch?
Egal welcher Sommertyp du bist, eins ist sicher:
Du schwitzt. Ein gutes Deo ist also in jedem Fall ge-
fragt. Und hier kommt unsere absolut naturbelassene
Zitronen-Salbei-Deocreme ins Spiel.
Natron, das du im Supermarkt in der Backabteilung
findest, neutralisiert Gerüche und wirkt desinfizie-
rend, ätherische Öle hemmen das Bakterienwachstum
unter den Achseln, ohne die Poren zu verstopfen. Und
die beste Nachricht: Bei der Zubereitung kommst du
garantiert nicht ins Schwitzen – du musst nur rühren.
Maisstärke
Kokosöl
1 2 (18 g) Salbeiöl
(2 EL)
(5 Tropfen)

Schritt für Schritt

zur Deocreme:
1. Natron und Maisstärke vermischen.
2. Das Kokosöl im Wasserbad schmelzen und anschließend
mit den trockenen Zutaten gut verrühren.
3. Je fünf Tropfen ätherisches Salbei- und Zitronenöl dazu­
träufeln. Die Masse gut durchrühren.
4. Abkühlen lassen und in einen ausgekochten verschließ­
baren Tiegel (ca. 40 ml Fassungsvermögen) füllen.

3 4
Gekühlt hält das Deo etwa ein bis zwei Monate. Es ist auch
für sensible Haut g
­ eeignet, allerdings lassen Schwangere
das Salbeiöl besser weg.
Anwendung: Eine haselnussgroße Menge mit den Fingern
unter den Achseln verteilen.

38 carpe diem
In unsere Deocreme
kommt nur Natur
rein. Ergebnis: ein
Kosmetikprodukt,
das pflegt, schützt
und duftet, ohne
den Organismus
zu belasten.

carpe diem 39
40 carpe diem
  Ernährung 

NEIN, MEINE SUPPE

ESS ICH NICHT!
Zu süß, zu fad, zu rot. Über Geschmack lässt sich zwar nicht streiten,
aber forschen: Warum mögen wir ausgerechnet Tomaten nicht?
Sind die Gene schuld? Oder können wir das irgendwie ändern?
Ein paar Schmankerl über das Gaumenspiel und seine Gesetze.

TEXT Maria Dorner  ILLUSTR ATION Lara Hies

carpe diem 41
 1

WA RUM E SS E N
N I C HT A LLE A LLE S?
Ob wir ein Lebensmittel
Der eine mag keine Rosinen, der andere ­m ögen oder nicht mögen,
ekelt sich vor Kutteln, und Fisch kommt
vielen nur in Stäbchenform auf den Teller. entzieht sich
Zufall? Angeboren? Anerzogen? „Sowohl
als auch“, sagt Sensoriker Ass.-Prof. Klaus
unserer bewussten
Dürrschmid von der BOKU Wien – und Steuerung.
rührt in seinem Buch „Zungenbekennt-
nisse“ ausgiebig in der Großküche der
Genusswahrnehmung. Grundsätzlich
lässt sich sagen: „Die Empfindung des
Mögens oder Nichtmögens eines Lebens-
mittels ist absolut intuitiv.“ Die Entschei- 3
dung treffen wir blitzschnell, sie entzieht
sich unserer bewussten Steuerung.
W E LC H E G E SC HM AC KS -
VO R LI E B E N H A B E N
N E U G E BO R E N E?
Wenige. Sie mögen Süßes, verabscheuen
Saures und Bitteres – ansonsten sind sie
2
weitgehend ein unbeschriebenes Blatt.
Sie beginnen so mit einer gewissen Basis,
die später durch Lernprozesse und Er-
K A N N I C H ME I N E S K E PS IS fahrungen überschrieben wird.
GEGENÜBER K ARFIOL Übrigens: Unsere angeborene Sauer/
A L SO E I N FAC H AU F Bitter-Abneigung ist aus evolutionsbio­
D I E G E N E SC H I E B E N? logischer Sicht sehr sinnvoll – schließlich
Schon – aber nicht nur! Tatsächlich gibt geht es hier ums Überleben! In der Natur
es gut 50 Gene, die unseren Geschmack könnte Bitteres nämlich ein Hinweis auf
beeinflussen. Aktiv ist nur ein Teil von Gift­stoffe und saure Nahrung verdorben
­ihnen und die Aktivierung willkürlich. sein. Diese Aversionen werden meistens
So gibt es fast unendlich  viele Kombi­ nicht lebenslang beibehalten – sonst wür-
nationsmöglichkeiten und damit Ausprä- de ja kaum jemand mit Genuss Kaffee
gungen des menschlichen Geschmacks­ oder Bier konsumieren …
empfindens. Das hängt auch sehr stark
mit dem Geschlecht, dem Gesundheits-
zustand sowie den persönlichen Gewohn­
heiten und Lebensumständen zusammen.
Und mit dem Alter: Ein Teenager besitzt
etwa 9.000 Geschmacksknospen, ein alter
Mensch nur noch rund 4.000.

42 carpe diem
 4

U N D WA S H AT M A M A
MIT ME I N E M GUS TO N AC H
G RÜ N E M SA L AT ZU TU N?
Viel! Im Mutterleib nehmen wir nicht nur
die vier Grundgeschmacksarten wahr,
sondern auch die im Fruchtwasser ent-
haltenen Duftstoffe. Studien zeigen, dass
Kinder, deren Mütter in der Schwanger-
schaft viel Knoblauch oder Anis essen,
später eine Neigung dafür haben.
Beeinflusst wird die Entwicklung kuli-
narischer Vorlieben auch noch durch die
in  die Muttermilch übergehenden Ge-
schmacks- und Aromastoffe: Lutscht eine
stillende Mutter regelmäßig Hustenbon-
bons, mag ihr Kind später Menthol.
6
HABE N WIR SO ET WAS
WIE EINEN URGESCHMACK?
Ja, dank der Muttermilch oder des Mut-
termilchersatzes. „Beides besteht fast nur
aus Fett und Zucker. Süßer Geschmack
verheißt Kalorien, also Energie“, erklärt
Univ.-Prof. Marguerite Dunitz-Scheer,
Mitbegründerin der Esslernambulanz
in Graz und Fachärztin für Kinder- und
Jugendheilkunde. „Kein Wunder, dass
unser Körper süße und fette Nahrung als
vertraut, nährend und zuträglich wertet.“

A L SO LI E B E N W I R , WA S
W I R E SS E N – A NS TAT T ZU
E SS E N , WA S W I R LI E B E N? Geschmack hängt mit
„Das Bekannte ist angenehmer als das
Unbekannte. Die mehrmalige  Konfron- dem Alter zusammen:
tation genügt allerdings, um eine höhere
Akzeptanz eines Geschmacks zu erzielen“,
Ein Teenager
erklärt Klaus Dürrschmid. Dieser E ­ ffekt hat et wa 9.000
heißt Liking by tasting. Er tritt bei Kin-
dern wie auch bei Erwachsenen auf und Geschmacksknospen,
sorgt, so der Lebensmittelwissenschaft-
ler, „langfristig für ein stabiles Essverhal-
ein alter Mensch
ten und auch für eine gewisse Kontinuität nur noch rund 4.000.
über Generationen hinweg“. Laut einer
französischen Studie müssen Kleinkinder
ein unbekanntes bitteres Gemüse elfmal
kosten, bis sie es freiwillig essen. Die bes-
sere Antwort auf die Frage wäre also: Wir
lieben, was wir zu essen gelernt haben.

carpe diem 43
 8

7
I C H H A B E A N S I C H N I C HT S
G E G E N S PI N AT. E SS E I C H
I H N , G E HT’S MI R A B E R
N I C HT GU T – W I E SO?
Nicht jeder Unpässlichkeit nach einem
bestimmten Essen liegt eine echte Aller-
gie oder Nahrungsmittelintoleranz zu-
grunde – auch wenn viele Menschen eine
solche bei sich vermuten. Der Grund ist
oft harmloser: In jedem Lebensmittel
stecken hunderte, tausende verschiedener
Substanzen. Wird einer dieser vielen
Stoffe nicht gut vertragen, äußert sich das
in vagem Unwohlsein. Das merkt sich der
Körper und schlägt nächstes Mal Alarm
– mitunter in Form einer Abneigung.
Häufig wird eine Speise auch unbe-
wusst abgelehnt, weil sie schon einmal in
einer negativen Situation verzehrt wurde
(siehe Punkt 8) – oder man hat tatsäch-
lich einmal etwas Verdorbenes erwischt
und die negativen Folgen durchlitten.
DA S S E T TI N G ÄN D E RT
A B E R DOC H A M (GU TE N)
G E SC HM AC K N I C HT S?
Nein, aber am Empfinden. „Es gibt keine
Geschmackswahrnehmung ohne emo-
tionale Mitverknüpfung“, sagt Margue-
rite Dunitz-Scheer. Das heißt: Weil wir
Erfahrungen in Form von Gefühlen ab-
speichern, ist unsere Geruchs- und Ge-
schmackswelt so bunt. Wer etwa wäh-
rend einer Krankheit oft Karottensuppe
isst, wird später dazu neigen, sie zu mei-
den – auch wenn er das Gemüse eigent-
lich mag und es nachweislich nichts mit
seinem schlechten Zustand zu tun hatte.
Spannend ist, dass für eine Geschmacks­
aversion ein einziger Reiz genügen und
selbst das Wissen über falsche Zusam-
menhänge sie nicht verhindern kann.
9

W E LC H E RO LLE S PI E LT
SAUC E B É AR N AIS E DAB E I?
Eine große und zugleich keine. Vor einem
Opernbesuch genoss der bekannte US-­
Psychologe Martin Seligman in einem
Restaurant ein Filet Mignon, ver­feinert
mit Sauce béarnaise. Einige Stunden spä-
ter musste er sich übergeben – der Grund
war eine Magen-Darm-Grippe, an der die
halbe Uni-Belegschaft laborierte. Trotz
des Wissens, dass mit der Sauce alles in
Ordnung gewesen war, blieb ihm eine aus-
geprägte Geschmacksaversion dagegen.
Eine einzige negative Kopplung von
Geschmack und Übelkeit genügt für
einen lebenslangen Widerwillen. Dieses
Phänomen ging als „Sauce-béarnaise-­
Syndrom“ in die einschlägige Koch- bzw.
Geschichtsliteratur ein.

44 carpe diem
 10

WAS SIND „SUPERTASTER“?

Das sind Menschen mit einer geneti­
schen  Sonderausstattung, der sie mehr
Geschmacksknospen verdanken – also
etwa 425 pro Quadratzentimeter Zunge
statt durchschnittlich 180. Das trifft auf
etwa ein Viertel der Bevölkerung zu, die
Mehrheit davon ist weiblich. Supertaster
nehmen den Geschmack vor allem bei
bitteren und sehr fettreichen Nahrungs­
mitteln weitaus intensiver wahr – ver­
gleichbar mit dem absoluten Gehör.

11

WA RUM E SS E N W I R
SC H AR F E S , AUC H
W E N N ’S W E HTUT ?
Dazu gibt es verschiedene Hypothesen.
Hier ist die von Klaus Dürrschmid, die
uns gut gefällt: Scharf essen ist wie eine
Achterbahnfahrt. Es ist zwar ein „ob­
jektiv nicht gefährliches Ereignis“, aber
dennoch ein Erlebnis, das durch körper­
lichen Alarm das allgemeine Aktivitäts­
niveau steigert. Und genau das empfinden
wir als angenehm. Eine andere Theorie
spricht vom „Masochismus des Alltags“,
was bedeutet, dass viele Menschen es
einfach genießen, wenn ein kleiner kon­
trollierter Schmerz (wie z. B. das Brennen
des Rasierwassers) nachlässt.
Übrigens: Mit der Wahrnehmung
von Schärfe haben Geschmackssensoren
Scharf essen ist wie rein gar nichts zu tun, sie entsteht einzig
durch die Reizung des Trigeminusnervs,
eine Achterbahnfahrt: des fünften Hirnnervs. Oder, wie Dürr­

Es ist objektiv nicht schmid ihn nennt, des „­Sadomaso-Nervs“,

weil Lust und Schmerz einander hier so
gefährlich, sorgt aber nahe sind.

für Ner venkitzel.

carpe diem 45
 12

G I BT E S LE B E NSMIT TE L ,
D I E Ö F TE R V E RW E I G E RT
W E R D E N A L S A N D E R E?
Ja, darunter etwa Austern, Schnecken,
Leber, Grünkohl, Kohlsprossen und die
Gewürze Kümmel, Ingwer, Anis, Dill
und Koriander. Auch Innereien kommen
seltener auf den Teller, Stichwort „In­
visibilisierung“. Das bedeutet: Wir wol­
len zwar Fleisch essen, es soll aber nicht
unbedingt wie Fleisch aussehen. Und
während sich ein Hühnerfilet in schönen
Streifen auf den Salat legen lässt, ver­raten
Beuschel und Nieren eben untrüglich,
woher sie stammen, und werden deshalb
öfter gemieden.

13

APRO P OS KO R I AN D E R :
WARUM SC HME C K T
DA S K R AU T W I E S E I F E?
Das tut es tatsächlich für 17 Prozent der
Europäer. Schuld daran ist jener Erbgut­
14
abschnitt, der für den Bau eines Geruchs­
rezeptors zuständig ist, der wiederum
VOR TOMATEN GRAUT sehr sensibel auf die Aldehyde (kommen
ES MIR. KANN IC H auch in Seifen vor) im Koriander-Aroma
SIE TROTZDEM LIEBEN anschlägt. In Versuchen reagierten Test­
LERNEN? personen, die dieses Gen in zweifacher
Ja. Der biochemische Prozess des Schme­ Ausführung geerbt haben, mit Abwehr.
ckens lässt sich zwar nicht beeinflussen Jene, die nur eine oder gar keine Kopien
(er ist an physiologische Gegebenheiten des „Seifen-Gens“ in ihrem Erbgut tru­
gebunden, die Beschaffenheit unserer gen, empfanden es hingegen als köstlich.
Zunge ist ja genetisch vorgegeben), die
Interpretation des Geschmacks allerdings
schon! „Voraussetzung dafür ist die per­
sönliche Motivation und/oder ein guter
Grund, das verschmähte Lebensmittel
zumindest kennenlernen zu wollen“, sagt
die Expertin. Wer seine intuitive oder
subjektiv begründete Abwehr oder seinen
Ekel genau beschreiben und definieren
kann, hat gute Chancen, das Thema re­
flektierbar und so veränderbar zu machen.

46 carpe diem
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­G E SC HM AC KSS I N N
Ausprobieren,
schmecken,
mit allen Sinnen erleben:
Bessere Wahrnehmung
bedeutet mehr Genuss.
15
U N D WA S G E N AU MUSS
I C H DA FÜ R TU N?
Um die Wahrnehmung „umzuprogram­
mieren“ und die negative Erfahrung im
Gehirn zu überschreiben, bedarf es neuer
positiver Situationen (etwa im Urlaub),
in denen ungeliebte Lebensmittel geges­
sen werden. Manchmal kann auch schon
eine andere Zubereitungsart kleine Wun­
der wirken (Kohlsprossen etwa werden
durch Backen oder Braten milder im Ge­
schmack).
Ein anderer Trick ist, etwas wohl­
schmeckendes Bekanntes, das das Be­
lohnungszentrum im Hirn aktiviert, mit
einem unbekannten oder ungeliebten Ge­
richt zu kombinieren. Auch dann werden
Glückshormone ausgeschüttet.
48 carpe diem
16
K A N N I C H ME I N E N
TR A I N I E R E N?
Natürlich – und das gelingt am besten
im Alltag. Idealerweise regelmäßig an
frischen Kräutern, Blumen und Lebens­
mitteln riechen und dem Wahrgenom­
menen auch einen Namen geben: „Das
ist Thymian!“
Auch wichtig: unbekannte Zutaten
ausprobieren, sie herausschmecken und
mit allen Sinnen erleben. Denn eine bes­
sere Wahrnehmung bedeutet auch mehr
Genuss.
Bin ich ein „Supertaster“?
So findest du es heraus.
Lustig, aber natürlich nicht
ganz seriös: Färbe den vor­
deren Bereich deiner Zunge
mit Lebens­mittelfarbe, stanze
dann mit ­einem Locher ein Loch
aus e
­ inem Blatt Papier und
lege d
­ ieses Blatt auf die Zunge.
Aufgrund der Färbung kannst
du nun die kleinen erhabenen
­Knötchen innerhalb des Lochs
zählen. Sind es mehr als 30,
bist du ein „Superschmecker“.
15 bis 30 hat der Durchschnitt,
Menschen mit weniger gelten
als „Nichtschmecker“.
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O
Der Wagner
AUS DEM LEBEN EINES BIO­HACKERS: Es ist
mir ja peinlich, aber: Ich bin ein bisschen
dick geworden. Wie nimmt ein Biohacker
zu? Wie nimmt ein Biohacker ab?
Mein Zustand ist optimierbarer, als ich das
gern hätte. Der suboptimierte Wagner hat
eine Coronawampe, plus acht Kilo seit An-
fang 2020, mindestens 7,5 davon sind keine
Muskeln. Mein Gesicht ist erheblich rund-
licher, als das schick wäre, mit dem Bart
sehe ich aus wie ein grimmiger Teletubby.
Wenn ich in eine enge Hose schlüpfe, wölbt
sich ein Wulst wie eine Dachrinne über den
Bund. Ich besitze nur mehr enge Hosen.
„Wie kann das einem Biohacker passie-
ren?“, höre ich Sie fragen. (Ich nehme Ihnen
die Häme im Unterton nicht übel.)
„Was macht ein Biohacker, wenn es pas-
siert ist?“, höre ich Sie auch fragen. (Ich höre
da keine Häme, weil es Ihnen wahrschein-
lich gerade ein bisschen ähnlich geht.)
Ad 1: Zunehmen funktioniert bei mir
­genau wie bei Ihnen. Zu viele falsche Kalo-
rien (Schokolade, Brot, Nudeln, Wein) zur
Jetzt müssen acht Kilo
falschen Zeit (in den letzten drei Stunden
vorm Schlafengehen) rein, Blutzucker-Insu-
lin-Achterbahnen und zu wenige Kalorien
raus: zu wenige Schritte im Alltag, zu wenig
oft/intensiv trainiert, über Monate. Und da-
mit ich wenigstens an irgendwas nicht selber
schuld bin: monatelang kein Tennis.
50 carpe diem
 Kolumne 
MIER
TI
P
TE
Ad 2: Ich habe vieles trotzdem ganz okay
gemacht. Der Schlaf passt, das nüchterne
5-Minuten-High-Intensity-Morgentraining
hat es durch den Lockdown geschafft, und
mir sind bis mittags keine Kalorien und bis
abends keine Kohlenhydrate passiert.
Darauf lässt sich aufbauen – und zwar das
folgende 8-Kilo-in-8-Wochen-Programm.
STEFAN WAGNER Erstens: Ich kümmere mich um meine
ist Biohacker, Tennis- Motivation. Das ist immer der Anfang, egal
spieler, Buchautor („Viel was Sie sich im Leben vornehmen.
Erfolg beim Misserfolg“), Sich um seine Motivation kümmern geht
Werbeagentur-Inhaber so: Man startet mit einem Grund dafür,
und vom Gedanken
dass man das, was man sich vorgenommen
beseelt, 120 Jahre alt
hat, auch durchzieht. (Man nennt das das
zu w
­ erden. Mindestens.
„War­um“.) Das muss emotional stark sein,
sonst klappt es nicht. „Ich hätt gern“ oder
„Wär eigentlich super“ können Sie kübeln.
Ein gutes „Warum“ ist etwas, was Ihnen viel
Leid zufügt oder großes Glück bedeutet –
„Ich sehe
und zwar ernsthaft viel oder ernsthaft groß,
mit dem rundlich ernsthaft tief im Herzen.
gewordenen Gesicht Ich greife zum großen Leid, das ist der
und dem Bart aus stärkere Impuls. (So sind wir Menschen.)
wie ein grimmiger Mein „Warum“ ist: Ich will mich vor I­ hnen
nicht blamieren. Ich schreibe d
­ iese Kolumne
Teletubby.
mit 97,7 Kilo bei 20,8 Prozent  Körperfett.
ILLUSTRATION: Oriana Fenwick
(Dieser Satz vernichtet sich in fünf Sekun-
Coronawampe weg.“ den automatisch.) Die Kolumne fürs nächs-
te Heft schreibe ich in zwei Monaten  mit
maximal 89,7 Kilo bei maximal 15,8 Pro-
zent. Das wird mir gelingen, und wenn ich
mir dafür ein Stück Unterarm abschnei-
den muss.
 Mehr aus der Welt
eines Biohackers auf:

carpediem.life/
wagner

Sanftes
Beauty-Treatment
Zweitens: kein Tag unter 10.000 Schrit-
ten, mindestens dreimal pro Woche 20.000
Schritte. Stehschreibtisch, Online-Meetings
im Stehen oder Gehen. Zum Morgen-­HIIT

für die Füße

kommt täglich eine zweite kleine Trainings­
einheit, am besten Krafttraining, weil das
die Muskulatur aufbaut. „Sport“ im enge-
ren Sinn braucht eine halbe, maximal eine
Stunde pro Tag. Was wirklich was bringt, ist
ohnehin die Bewegung im Alltag.
Drittens gibt es an Werktagen keine
Schokolade, keinen Wein, nichts, was sich
als „Sättigungsbeilage“ bezeichnen ließe,
und kein herkömmliches Brot. (Es gibt da
schon gute Low-Carb-Alternativen.)
Viertens: ausreichend Kalorienzufuhr.
Ja, Sie haben richtig gelesen. Wenn wir
unserem Körper „Diät“ sagen, versteht er
„Hungersnot“. Unser Körper rettet uns
dann, indem er ein bewundernswert intel-
ligentes Notprogramm aktiviert: Er macht
uns schlapp, dadurch hält er uns von Bewe-
gung fern, was den Kalorienverbrauch dros-
selt. Er deckt seinen Proteinbedarf, indem GEHWOL
er Muskulatur abbaut, was aus seiner Sicht
GEHWOL Perlmutt-Peeling
Perlmutt-Peeling
•
• Entfernt
Entfernt behutsam
behutsam abgestorbene
abgestorbene Hornhautschüppchen
Hornhautschüppchen
gleich drei Vorteile hat: erstens noch weni- • Mit hautberuhigende und entzündungshemmende
ger Bewegungsdrang, zweitens noch weni-
• Mit hautberuhigende und entzündungshemmende
Pflegestoffe
ger Grundumsatz (ja, Muskeln verbrennen
Pflegestoffe
• Samtig-weiches Hautgefühl
auch in Ruhe Kalo­rien), drittens Schutz der • Samtig-weiches Hautgefühl
Fettreserven. GEHWOL Bein-Balsam
GEHWOL Bein-Balsam
Ein paar Tage Fasten ist super. Aber klas- • Nicht fettender Heilkräuterbalsam
• Nicht fettender Heilkräuterbalsam
sische Diäten sind fürs Abnehmen so intelli- • Glatte, geschmeidige und schöne Haut
• Glatte, geschmeidige und schöne Haut
gent, wie sich den Unterarm abzuschneiden. • Reizlindernd und wohltuend bei Hautunreinheiten
• Reizlindernd und wohltuend bei Hautunreinheiten
Auf Wiedersehen im nächsten Heft, es und Rötungen
und Rötungen
erwartet Sie eine schlanke Kolumne.
AUS ÜBERZEUGUNG GEHWOL
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Reformhaus und unter www.cosmetic-gallery.at
52
carpe diem
 Aufleben 

ILLUSTRATION: Getty Images

 „Der beste Tag
deines Lebens
ist der,
an dem du
entscheidest,
dass dein Leben
dein eigenes ist.“
Robert Abraham „Bob“ Moawad (1941–2007),
US-amerikanischer Basketball-Coach und Vortragender
 Bewegung

Wasser
Mathias, 32, und Cecilia,
30, haben ihre berufliche
Liebe zu Hochzeiten (De-
signer bei „We are Flower-
girls“) gerade auch privat
ausgelebt und sich im
Juli das Jawort gegeben.
­Davor haben sie noch „Ja!“
zum Sommer gesagt: Für
carpe diem tollten sie durch
ihren Gartensprinkler.

54 carpe diem
marsch!
Runter vom Liegestuhl
und rein ins Leben –
denn der beste Sport ist der,
den du selbst erfindest!

TEXT Nicole Kolisch  FOTOS Ulrich Zinell

carpe diem 55
 S
Saftig grün glänzt der Rasen, die Wasser­
tropfen funkeln in der Mittagssonne, und
der Himmel ist in sein himmlischstes
Himmelblau geschlüpft. Das sind Bilder,
die Werner Schwarz liebt. „Da will ich
dabei sein“, schwärmt er, „mittendrin!“
Dr. Werner Schwarz ist Lehrbeauf­
tragter am Institut für Sportwissen­
schaften an der Universität Wien und
Entwickler des Bewegungsprogramms
„Simply Strong“. Der Sommer ist sein
Verbündeter – schon allein deshalb, weil
uns da vieles ganz selbstverständlich
erscheint, was im Winter erst in lang­
wierigen Gesundheitsvorträgen argu­
mentiert werden muss. „Die Natur ist

Es wird Zeit,
unser wichtigster Motivationspartner!“,
erklärt Schwarz. „Sie kitzelt unseren Be­
wegungsdrang wach.“
Die Natur hält sich erst gar nicht
damit auf, uns Vorschriften zu machen Bewegung nicht
oder Excel-Tabellen über den Nutzen
des Wassersports zu präsentieren. Sie
stellt uns einfach einen See vor die Nase. als eine weitere
Wer würde da Nein sagen?

Der zweite wichtige Motivationsfaktor? Aufgabe zu sehen,

Freunde! „Ladet Freunde in den Garten
ein – und dann tobt euch einfach aus“,
sagt der Experte. „Seid kreativ! Erfin­
die erledigt
werden muss.
det Spiele, purzelt durch einen Rasen­
sprenger, sucht eure eigenen Wege, euch
zu bewegen. Allzu oft schauen wir auf
Insta­gram, ob uns irgendein Schauspie­
ler eine Trendsportart vorgibt. So ein
Schwachsinn! Mein Motto lautet: Such’s

56 carpe diem
Trendsportarten sind
nur was für Einfallslose!
Die gesündeste Bewe-
gung entspringt unserer
eigenen Fantasie.

dir selbst! K­ reativität ist Teil eines akti-

ven, ­beteiligten Lebens.“
Was nach Spaß klingt und – wenn wir
ehrlich sind – eigentlich auch nach einer
Selbstverständlichkeit, hat einen durch-
aus ernsten Hintergrund. Denn „selbst-
verständlich“ ist die freie, ungezwunge-
ne Bewegung schon längst nicht mehr:
„In unserem modernen Arbeitsalltag ist
es doch meistens so, dass wir den ganzen
Tag sitzen. Der Körper wird überhaupt
nicht gefordert. Die Psyche hingegen
ist ständigem Druck ausgesetzt, und der
Kopf vollbringt Höchstleistungen. Sich
dann am Abend und am Wochenende
einfach aufs Sofa zu setzen und abzu-
schalten – klar, das bringt eine gewisse
Erholung. Aber viel besser ist, ich dreh’s
einfach um!“

carpe diem 57
 Sprich: Nach einem sitzenden Büro-
tag darf der Geist ruhig mal Pause ma-
chen – und der Körper sich austoben. „Es
wird Zeit, Bewegung nicht als eine wei-
tere Aufgabe zu sehen, die eben erledigt
werden muss“, sagt Werner Schwarz. „Ja,
mein Körper wird gefordert. Aber mei-
ner Psyche geb ich durch Bewegung eine
echte Auszeit. Vor allem wenn ich das
draußen mach!“

K und K … und K

Außerdem kommen dabei die „drei Ks“
ins Spiel, Eckpfeiler der modernen Trai-
ningslehre. Sie stehen für Kondition, Ko-
ordination und Kognition.
Klar, Kondition kennt jeder. Wir trai-
nieren sie, wenn wir laufen, radeln oder
sonstwie die Ausdauer fordern. Beim
Toben im Garten spielt die Kondition
aber eine untergeordnete Rolle; hier treten
die beiden anderen Ks ins Rampenlicht.
Fliegt der Ball auf mich zu und ich
fang ihn oder ducke mich vor dem Ra-
sensprengerstrahl, geht das aufs Konto
der Koordination – K Nummer zwei.
Werner Schwarz: „Wir orientieren uns
im Raum, schulen das Gleichgewicht …
Wenn wir einen Wasserball werfen,
müssen wir blitzschnell berechnen: Wie
schwer ist er? Wie wird er fliegen? Geht
gerade Wind? All das ist Kognition.“

58 carpe diem
Das Beste am Sommer?
Rasensprenger-Sport!
Als Kind war das für
uns selbstverständlich –
aber Erwachsenen tut’s
genauso gut. Großes
carpe diem-Ehrenwort!

„Jahrelang haben wir Sportler unter-

schätzt, wie gut unser Sport die Kogni-
tion trainiert. Das sehen wir erst jetzt,
weil viele Kinder aus dem Kindergarten
in die Volksschule kommen, die richtige
Lernprobleme haben.“
Als Schuldirektor, sagt Schwarz, habe
er sich lange Zeit gefragt, was eigentlich
mit den Kindern los sei. Mittlerweile
weiß man’s: „Die Lernvoraussetzungen
fehlen ih­nen! Weil sie nicht mehr mo-
torisch gefördert und gefordert werden.
Denn nichts fördert unsere Hirnent-
wicklung mehr, als sich in der Natur im
Raum zu bewegen. Stichwort: Use it or
lose it. Alles, was ich so fordere, das brin-
ge ich in Funktion: Ich sehe und höre
besser, kann bewusster wahrnehmen,
mich besser konzentrieren. Ich bin auf-
merksamer, kreativer, mein Arbeitsspei-
cher läuft auf Hochtouren. Den ganzen
Sommer Bewegung zu machen und zu
spielen – das ist tatsächlich die beste
Schulvorbereitung. Die Natur und der
liebe Gott haben sich das super überlegt.
Wir reden ihnen da nur zu oft drein!“

Nachgefragt bei:
DR. WERNER SCHWARZ,
Schuldirektor und Präsident des Vereins
Simply Strong sowie Entwickler
der Bewegungsprogramme
„Vital4Brain“ und „Vital4Heart“

carpe diem 59
60 carpe diem
 Sieht aus wie Spaß,
fühlt sich an wie Spaß
– und ist fürs Gehirn
dennoch eine hoch­
konzentrierte Ange­
legenheit: Jeder Wurf
schult Koordination
und Kognition.

Lust auf Kräftemessen?

Wer seine Bewegungseinheit
im Garten mit ein paar simplen,
aber hocheffektiven Kraft­
übungen ergänzen will, braucht
dazu nur einen Rechen (oder
Besen), einen Partner, der die
Herausforderung annimmt –
und die Übungen, die Werner
Schwarz als „Nordic Power
Workout“ zusammengestellt
hat. Mathias und Cecilia haben
es ausprobiert. Die Video-
Anleitung dafür findest du auf:
simplystrong.at

carpe diem 61
  Die UNIQA Privatarzt-Versicherung

 Wo Ihre Gesundheit 

 an erster Stelle steht 
Ist man gesund, denkt man nicht gerne daran, dass es eines
Tages auch mal anders sein könnte. Das ist auch gar nicht nötig Vorsorgemaßnahme, sondern ein ganzes
– wenn für den Fall des Falles optimal vorgesorgt wurde. Spektrum an Gesundheitsleistungen,
aus denen spezifisch und individuell
ausgewählt werden kann. Eine private
Auch der gesündeste Mensch braucht diese Möglichkeiten und hat zusätzlich Gesundheitsvorsorge ist somit der beste
ab und zu einen gesundheitlichen Rat viele wertvolle Leistungen inkludiert, Anreiz, aus dem vollen Angebot zu
oder medizinische Unterstützung, um die die Gesundheit unterstützen – egal schöpfen und aktiv für ein möglichst
wieder fit zu werden. Wie wäre es, in ob Homöopathie, Vorsorgeuntersuchung langes, beschwerdefreies Leben vorzu-
dieser Situation problemlos und schnell oder eine neue Brille. sorgen. Die Ausgaben dafür können
einen Termin beim Arzt des Vertrauens z. B. per myUNIQA App (s. rechte Seite)
zu bekommen, der sich wirklich Zeit In der modernen Medizin wird es eingereicht und rasch rückerstattet wer-
nimmt, um gegebenenfalls auch über immer wichtiger, den Menschen als den. Damit man sich im Fall des Falles
alternative Behandlungsmethoden zu Individuum und gesamtheitlich zu ganz aufs Gesundwerden konzentrieren
beraten? Unvorstellbar? Muss es nicht betrachten. Das bedeutet, es gibt nicht kann, ohne sich dabei über die Kosten
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Regelmäßige Gesundheitschecks helfen, Krankheiten schneller
leidenschaftliche Yoga-
zu erkennen und zu behandeln.
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Wunschtermine ohne Kompromisse beim Urologen, Gynäkologen, Stadt & Land gerne mit
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unabhängig von Kassenverträgen und finanziellen Überlegungen. wohnt in Wien.

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Komplementärmedizinische Methoden wie z. B. Homöopathie,
Akupunktur, Chiropraktik oder Osteopathie können ergänzend
zur etablierten Medizin genützt werden.
Entscheiden Sie gemeinsam mit dem
Arzt Ihres Vertrauens über die geeignete
Behandlung: Das umfassende Angebot bietet
für alle Beschwerden die passende alternativ­
medizinische Methode.
4.  Akut-Versorgt
Auch abends, nachts, am Wochenende oder an
Feiertagen bestens betreut – ohne Wartezeiten.
Die Akut-Versorgt Partner bieten Betreuung per
Videotelefonie (ortsunabhängig ohne Terminvereinbarung)
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(derzeit in Wien, Salzburg, der Steiermark, Vorarlberg
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Fotos: UNIQA, AdobeStock, GettyImages
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als UNIQA ist es ein Anliegen, dass es den Men-
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  Erholung 
2
#1
e
ri
Se

Ätherische Öle
für mehr Energie
Angeschlagen, mutlos oder einfach nur eine kurze Nacht gehabt? Manchmal brauchen wir
eine Extraportion Kraft – schnell und am besten nach Rezeptur von Dr. Natur. Diese Öle wecken
die Lebensgeister, vertreiben böse Gedanken, bauen Geist und Körper wieder auf.

TEXT Maria Dorner  ILLUSTR ATION Luisa Rivera

 Rosmarin macht 
 so richtig wach 
Was bewirkt’s? Rosmarinöl mit
seinen belebenden Hauptinhalts-
stoffen Cineol und Kampfer ist laut
Aromapraktikerin Ingrid Karner
das Guten-Morgen-Öl schlechthin.
Äußerlich angewendet bringt es
den Kreislauf in Schwung, indem es
die Herzmuskelzellen zur Kontrak-
tion anregt. Die Durchblutung wird Je nachdem,
gefördert, die Herzleistung gestärkt wo die Rosmarin-
– der Blutdruck steigt. „Der Energie­
schub kommt prompt und zuverläs- pflanze wächst,
sig, das hilft auch bei Jetlag oder bildet sie ihre Duft-
nach einer feuchtfröhlichen Nacht.“
und Wirkstoffe in
Wie anwenden? Etwa als
Aroma­pflege (nur für Erwachsene):
unterschiedlichen
10 Tropfen Rosmarinöl der Chemo- Verhältnissen aus.
typen (mehr dazu im Kasten rechts)
Borneon oder 1,8-Cineol nach
Der Fachbegriff
dem Duschen auf der nassen Haut dafür lautet
verreiben.
„Chemotyp“ („ct.“)
Worauf achten? Epileptiker und und ist auf dem
Schwangere sollten den Chemotyp
Borneon meiden, Asthmatiker den Etikett angeführt.
Chemotyp 1,8-Cineol. Bei Bluthoch-
druck beide Varianten nicht als
Badezusatz verwenden, da warmes
Wasser die Wirkung verstärkt.

64 carpe diem

Mehr zu
ätherischen Ölen auf
carpediem.life/
oele
Ölt ein eure Füße … Höchste Zeit, wieder auf
die Beine zu kommen – und dafür tun sich gleich
mehrere Energiebündel zusammen: 1 Tropfen
Bergbohnenkrautöl, 2 Tropfen Weihrauchöl,
3 Tropfen Zirbenöl und 6 Tropfen Wacholder-
beerenöl mit 20 Milliliter Johanniskrautöl mi-
schen und die Füße bis über die Knöchel damit
einreiben. Über diese aktivierende Mischung
freut sich übrigens auch die Brust!
 Im nächsten carpe diem:
Ätherische Öle  gegen Verspannungen 
 ZIRBE HILFT BEIM GESUNDWERDEN 
Was bewirkt’s? Du bist nach einer Erkran-
kung noch nicht ganz fit, fühlst dich oft müde
oder lethargisch? Dann zeigt die Zirbe, was
sie kann. Ingrid Karner: „Der hohe Anteil
des Monoterpens Alpha-Pinen verleiht dem
Öl immunstärkende und erfrischende Eigen-
schaften und verströmt außerdem einen herr-
lich waldigen Duft.“
Worauf achten? Zirbendüfte wirken nicht
nur anregend, sondern auch schlaffördernd
– ihre schlummerfreundlichen ­Inhaltsstoffe
sind allerdings nicht in Öl, sondern nur in
Wasserdampf löslich. Für Kissensprays also
bitte nur das durch Dampf gewonnene
­Hydrolat verwenden.
Wie anwenden? Als Fußöl (siehe links).
 BERGBOHNENKRAUT KLÄRT DEN GEIST 
Was bewirkt’s? Seine medizinisch-scharfe
Note verdankt das Öl dem Inhaltsstoff Car-
vacrol, der aktivierende, antibakterielle und
pilzhemmende Kräfte entfaltet. Bergbohnen-
krautöl reinigt stickige Luft in geschlossenen
Räumen und fördert so die Konzentration
und Kreativität. „Das macht es sehr beliebt
bei Menschen, die etwa unter einem schlech-
ten Raumklima leiden, was sich z. B. in Kopf-
schmerzen oder Reizungen der Augen und
Atemwege äußern kann“, so die Expertin.
Worauf achten? Bei ­Hautanwendungen
(siehe links) immer stark verdünnen (maxi-
mal 1-prozentig), da Carvacrol haut- und
schleimhautreizend ist.
Wie anwenden? Zur Raumluftreinigung
6 Tropfen Litsea-cubeba-Öl, 4 Tropfen Berg-
bohnenkrautöl und 2 Tropfen Weihrauchöl
in die Duftlampe oder den Diffuser geben.
 WACHOLDERBEERE MUNTERT AUF 
Was bewirkt’s? Der holzig-balsamische
Duft ist eine Wohltat bei Niedergeschlagen-
heit, nach einem Streit oder wenn sich nega-
tive Gedanken einfach nicht zähmen lassen.
Die enthaltenen Monoterpen-Ketone wirken
äußerlich angewendet anregend auf das
Nervensystem.
Worauf achten? Nur 1½ Jahre haltbar
und nicht zur Hautpflege bei Säuglingen.
Wie anwenden? 1 Tropfen auf dem nas-
sen Handrücken verreiben und damit den
Nierenbereich morgens kurz massieren.
Mehr Infos: aromainfo-datenbank.com
carpe diem 65
  Ernährung 

Fisch ahoi!
Bringt das Flossentier zu mir. Denn wenn Forelle und Co auftauchen,
sind Genuss und Geistesblitze garantiert. Hier sind
sechs leichte Fisch-Gerichte, die schmecken und schlau machen –
frisch aus der sommerlichen carpe diem-Kombüse.

TEXT 
Wolfgang M. Gran,
Ines Glatz-Deuretzbacher
FOTOS
Mayer mit Hut
REZEPTE 
Maria Kornhofer
FOOD-STYLING
Alexander Höss-Knakal

66 carpe diem
Lachsforellen-Ceviche
mit Honigmelone
und Koriander

carpe diem 67
 f
Fisch ist gesund. Das mag eine Binsenweisheit sein,
wenig originell – aber allemal berechtigt!
Wer A wie Angeln sagt, darf sich nämlich auch
über O wie Omega freuen. Also zum Beispiel über
die im Fisch enthaltene Docosahexaensäure (DHA),
eine Omega-3-Fettsäure, die in den Membranen
menschlicher Gehirnzellen vorkommt und zudem
entzündungs- und gerinnungshemmend wirkt. Die
Flossentiere verdanken ihr den Ruf, optimale „Ge-
hirnnahrung“ zu sein. So kam etwa eine norwegi-
sche Forschergruppe zu dem Schluss, dass Testper-
sonen, die täglich 75 Gramm Fisch zu sich nahmen,
Denkaufgaben deutlich besser lösen konnten.
Noch mehr Gründe für eine Fischmahlzeit ge-
fällig? Ein hoher Gehalt an Jod (unter anderem super
für die Schilddrüse!) und Vitamin D, hochwertiges,
leicht verdauliches Eiweiß und ein eher geringer Ka-
loriengehalt. Wobei: Die konkreten Nährstoffe sind
je nach Art und Aufzucht unterschiedlich, auch
Transport und Lagerung spielen natürlich eine Rolle.
Da trifft es sich gut, dass Österreich in Sachen
Fische richtig gut aufgestellt ist. Der mangelnde
Meerzugang wird durch Biodiversität in den heimi-
schen Gewässern wettgemacht: Rund 75 Fischarten
tummeln sich hier.
Unsere Local Heroes wie Karpfen, Forelle, Hecht,
Wels, Saibling und Zander zählen mit zwei bis
zehn Prozent Fett zu den mittelfetten Fischen und
sind nicht nur aus ökologischen Gründen eine sehr
gute Wahl. Sie sind nicht mit Schwermetallen und
Pestiziden belastet und enthalten infolge des kurzen
Transportweges auch die meisten gesundheitsför-
dernden Inhaltsstoffe.
68 carpe diem
„Das hochwertigste Eiweiß hat der Fisch fang-
frisch, am besten aus dem Wasser in die Pfanne.
Wenn das nicht geht, sollte er längstens einen Tag
alt sein“, erklärt Helfried Reimoser, Geschäftsführer
der Teichwirte und des Fischzüchterverbandes Stei-
ermark. Daher empfiehlt es sich, auf Bauernmärkten
oder ab Hof direkt vom Züchter aus der Aquakultur
zu kaufen und den Fisch sofort zu verarbeiten.
„Wer diese Möglichkeit nicht hat, achtet im Han-
del auf das ‚Aquakultur Österreich‘-Siegel. Diese
­Fische entsprechen höchstmöglichen Standards.“
Für die Fischzucht bedeutet das: nicht auf Hoch-
mengen gehen, sondern mit geringer Besatzdichte
langsam und von der Ernährung der Fische her qua-
litätsvoll agieren.
Und für die Küche fasst es Marc Mößmer, Pionier
der biologischen Fischzucht in Österreich, schlüssig
zusammen: „Lieber weniger Fisch essen – aber dafür
einen g’scheiten!“
Worauf muss ich beim Fischkauf achten?
Ob ein Fisch frisch ist, erkennt man bei einem
tiefen Blick in seine Augen: Sind die klar und
prall nach außen gewölbt, ist das ein verläss-
liches Frischezeichen. Das Schuppenkleid sollte
von einer klaren Schleimschicht überzogen sein
und glänzen, und auch die Kiemen sind ein guter
Frische-Indikator, wenn sie feucht, glänzend und
kräftig rot gefärbt sind.
Wo bekomme ich heimische Topqualität?
Die Umweltberatung mit Sitz in Wien (umwelt-
beratung.at) listet heimische Fischanbieter vom
Ausseer Seesaibling bis zum Waldviertler Karpfen
detailliert auf. Unter biofisch.at findest du alle
Informationen über die Standorte und Öffnungs-
zeiten von Fischmärkten, und alles Wissenswerte
über Fische aus den Salzkammergut-Seen ist auf
fischereiausseerland.at nachzulesen.
Backpapier-Saibling
mit bunten Paprika,
Tomaten und
Babyspinat

carpe diem 69
 Flusskrebs-
schaumsuppe
mit Blätterteig-
stangerln

70 carpe diem
 Gebratener Zander
mit Erdäpfelschuppen
und Paprikakraut

carpe diem 71
 Im Glas gedämpftes
Forellenfilet
mit Wurzelgemüse
und Kren

72 carpe diem
 Focaccia mit
Räucherfisch, Zucchini
und Tomaten

carpe diem 73
Lachsforellen-Ceviche
mit Honigmelone
und Koriander
ZUTATEN
1 rote Zwiebel
½ Honigmelone
½ Chilischote
1 Bund Koriander
800 g Lachsforellenfilet
Salz und Pfeffer aus der Mühle
Saft von 4 Limetten
3 EL geröstete Hanfsamen
ZUBEREITUNG
Die Zwiebel schälen, halbieren und
in feine Streifen schneiden.
Die Honigmelone ent­kernen und
in 1 × 1 cm große Würfel schneiden.
Entkernte Chilischote hacken und den
Koriander grob zerkleinern.
Nun die Lachsforellenfilets ent­
häuten und entgräten. Ebenfalls
in 1 × 1 cm große Stücke schneiden
und mit den anderen Zutaten in eine
große Schüssel geben. Mit Salz,
Pfeffer, Limettensaft gut abschmecken.
Lachsforellen-Ceviche mit Zwiebel
und Melone anrichten. Mit Koriander
garnieren.
Neue
Rezeptvideos unter:
carpediem.life/
kochen
74 carpe diem
Backpapier-Saibling
mit bunten Paprika,
Tomaten und Babyspinat
ZUTATEN
jeweils 2 rote, grüne
und gelbe Paprika
100 g Kirschtomaten
1 rote Zwiebel
3 Knoblauchzehen, gepresst
1 EL Butter
Saft von 1 Zitrone
Salz, Pfeffer, Thymian
100 g frischer Babyspinat
2 Saiblingsfilets à ca. 400 g
2 Bögen Backpapier
ZUBEREITUNG
Paprika waschen, halbieren, entkernen
und mit der Hautseite nach oben im
Rohr bei 200 °C braten, bis die Haut
fast schwarz ist. Danach lassen sich
die Paprika gut schälen. Geschälte
­Paprika in Rauten schneiden, die Hälfte
in eine Schüssel geben.
Kirschtomaten waschen, halbieren
und zu den Paprika mischen. Zwiebel in
Streifen schneiden, mit dem Knoblauch
kurz in Butter anschwitzen und mit etwas
Zitronensaft zum Gemüse geben. Mit
Salz, Pfeffer und Thymian würzen und
den Baby­spinat untermengen.
Jetzt die Saiblingsfilets abschwemmen
und mit Küchenpapier gut abtupfen.
Gräten entfernen und den Fisch in vier
gleich große Stücke schneiden, salzen
und pfeffern.
Für die Päckchen zunächst die Back­
papierbögen halbieren und die vier
Teile nebeneinander auflegen.
Zuerst das Gemüse darauf verteilen,
danach den Saibling, die restlichen
Paprikarauten und die Thymianzweige
darauf legen. Backpapier zusammen­
klappen und zu rechteckigen Päckchen
falten. Mit Küchengarn fixieren und auf
einem Backblech bei 180 ºC Heißluft
ca. 15–20 Minuten garen.
Päckchen auf einen Teller geben und
oben leicht öffnen.
Flusskrebsschaumsuppe 
mit Blätterteigstangerln
ZUTATEN
500 g Flusskrebse, gekocht
(Innereien entfernen,
Schwanzfleisch und Schalen
aufheben)
2 EL Öl
80 g Stangensellerie
80 g Wurzelwerk (Karotten,
Gelbe Rüben, Sellerie)
100 g Schalotten
80 g Tomatenmark
20 g Mehl
6 cl Weinbrand
1/
 l Weißwein
8
¾ l Fischfond
¼ l Obers
1–2 EL Crème fraîche
Salz, Pfeffer
1 Pkg. Blätterteig
1 Ei, Sesam
evtl. Kräuter zur Deko
ZUBEREITUNG
Die gesäuberten Schalen der Krebse
zerkleinern. Öl in einen Topf geben
und die Schalen darin anrösten.
Selleriestangen, Wurzelwerk
und Schalotten klein schneiden und
dazu­geben. Tomatenmark und Mehl
untermengen, kurz weiterrösten und
mit dem Weinbrand und dem Weißwein
ablöschen.
Mit Fischfond und Obers auffüllen
und ca. 1 Stunde köcheln lassen.
Durch ein feines Sieb drücken und
mit Crème fraîche mit einem Stabmixer
gut aufmixen und abschmecken.
Das Schwanzfleisch in Stücke
schneiden und in die Suppe einlegen.
Den Blätterteig in 1 cm breite Streifen
schneiden und in sich verdrehen.
Auf ein mit Backpapier ausgelegtes
Blech legen und mit Ei bepinseln. Mit
etwas Sesam bestreuen und bei 210 ºC
auf Sicht goldgelb backen.
Gebratener Zander
mit Erdäpfelschuppen
und Paprikakraut
ZUTATEN
3 EL Öl
2 große Zwiebeln, in feine
­Streifen geschnitten
1 kg Kraut, fein geschnitten
1 roter Paprika (in feinen Streifen)
50 g Paprikapulver
1 TL geräuchertes Paprikapulver
1 EL Tomatenmark
2 Knoblauchzehen, gepresst
Salz, Pfeffer, Kümmel (gemahlen)
¼ l Gemüsefond
200 g mehlige Erdäpfel, geschält
100 g Crème fraîche
4 Zanderfilets à ca. 180 g
4 speckige Erdäpfel
1 EL Butter
Backpapierstücke in Fischgröße
ZUBEREITUNG
Einen Topf mit Öl erhitzen, Zwiebel und
Kraut darin kurz anbraten. Paprika­
streifen zugeben und kurz mitrösten.
Paprikapulver, Tomatenmark und Knob­
lauch untermischen, mit Salz, Pfeffer
und Kümmel würzen. Mit Gemüsefond
aufgießen, die rohen mehligen Erdäpfel
hineinreiben. Zudecken und weich düns­
ten. Crème fraîche untermischen.
Zander abspülen und trocken tupfen.
Speckige Erdäpfel schälen, in dünne
Scheiben schneiden, mit einem Rund­
ausstecher (ø 2 cm) Schuppen aus­
stechen und in kaltes Wasser legen.
Backpapier mit Butter bestreichen.
Den Zander salzen und pfeffern und auf
der Hautseite die Erdäpfel-Schuppen
andrücken. Noch einmal salzen und das
Backpapier mit der gebutterten Seite
draufdrücken. Den Fisch mit der Back­
papierseite nach unten in eine heiße
Pfanne legen. Langsam braten, bis
die Erdäpfelschuppen durch sind. Vor­
sichtig wenden und kurz an der Unter­
seite braten. Backpapier entfernen und
den Zander auf das Kraut setzen.
76 carpe diem
Im Glas gedämpftes
Forellenfilet mit Wurzel-
gemüse und Kren
ZUTATEN
je 100 g Karotten,
Gelbe Rüben, Sellerie
50 g Lauch
etwas Öl
Salz, Pfeffer
1 TL Weißweinessig
¼ l Fisch- oder Gemüsefond
1–2 EL geriebener Kren
1 EL Liebstöckl, grob zerkleinert
4 Forellenfilets à ca. 140 g
4 Rexgläser mit 250 ml
1 EL Erbsenkresse
ZUBEREITUNG  200 g geräucherte Forelle
Wurzelgemüse waschen, schälen und
in 1 cm große Würfel schneiden.
Lauch in 1-cm-Stücke schneiden und
alles in einer Pfanne in etwas Öl an­
schwitzen. Mit Salz und Pfeffer würzen,
mit Essig ablöschen, mit dem Fond
­aufgießen und 8–10 Minuten zuge­
deckt leicht köcheln lassen. Vom Herd
nehmen, Kren und Liebstöcklblätter
untermischen.
Gemüse samt etwas Flüssigkeit auf
die vier Rexgläser aufteilen.
Den Fisch mit kaltem Wasser ab­
schwemmen, mit Küchenpapier trocken
tupfen. Mit Salz und Pfeffer würzen
und vom Schwanz weg zusammen­
rollen, die Hautseite soll dabei außen
sein. Die Rolle in die Gläser stellen,
Gläser verschließen.
Gläser im Dampfgarer bei 100 ºC
ca. 10–15 Minuten dämpfen oder im
Wasserbad 15–20 Minuten kochen.
Gläser aufmachen, mit frischem
Kren und Erbsenkresse garnieren und
servieren.
Focaccia mit Räucherfisch,
Zucchini und Tomaten
ZUTATEN
Für den Teig:
160 g lauwarmes Wasser
10 g Olivenöl
280 g Weizenmehl
10 g Salz
½ Packung Trockengerm
1–2 EL Olivenöl
zum Bepinseln
Für den Belag:
130 g Kirschtomaten
1 Zucchini, in längliche
Scheiben geschnitten
2 Rosmarinzweige
grobes Salz zum Bestreuen
ZUBEREITUNG
Alle Teigzutaten mit der Küchen­
maschine oder per Hand ca. 6 Minuten
zu einem glatten Teig kneten und
ca. 30 Minuten an einem warmen Ort
gehen lassen.
Wenn der Teig gut aufgegangen ist,
zu einer Kugel schleifen und nochmals
10–15 Minuten gehen lassen. In der
Zwischenzeit das Backrohr auf 200 ºC
Heißluft vorheizen.
Nun die Teigkugel auf ein Back­
papier geben und oval ausrollen
(1 cm dick). Kurz rasten lassen und
mit dem Kochlöffelstiel mehrfach
etwas eindrücken.
Den Teig mit Olivenöl bepinseln und
Tomaten, Zucchinischeiben und Ros­
marin darauf verteilen. Mit viel Dampf
­(hitzebeständige Schüssel mit Wasser
ins Backrohr stellen) ca. 20 Minuten
backen.
Nach dem Backen mit der geschnit­
tenen Räucherforelle belegen und mit
Salz bestreuen.
 Bewusst genießen.

noem.at
  Bewusstsein 

Wie gelingt
Vertrauen?
Wer voller Zuversicht und Vertrauen in sich
und andere durchs Leben geht, lebt glücklicher.
Aber lässt sich das lernen? Klar!

TEXT Claudia Minner  ILLUSTRATION Sarah Wilkins

d
Die Schaukel schwingt, vor und zurück, immer höher,
immer schneller. Kannst du dich an das Gefühl erinnern?
An dieses schöne Gefühl, ein bisschen zu fliegen, ohne
Angst vorm Fallen zu haben? Vertrauen zu haben ist wie
Schaukeln. Da ist etwas, das uns Halt gibt. Und mit die-
ser Sicherheit können wir locker durchs Leben schwingen,
Freude empfinden, glücklich sein. So hat zum Beispiel
eine Studie von Psychologen an der Uni Trier bestätigt,
dass Vertrauen die seelische Gesundheit stärkt und vor
Ängsten und Depressionen schützt.

Eine, die sich mit dem Thema auskennt, ist Eva Schulte-­
Austum, 35, Wirtschaftspsychologin, Rednerin und Coach
aus Münster. Ihr Buch „Vertrauen kann jeder: Das Rezept-
buch für ein erfülltes Leben“ ist das Ergebnis einer jahre-
langen Recherche zum Thema: Sie hat hunderte Studien
analysiert und ist um die Welt gereist, um in neun Ländern
mehr als 350 Menschen zu interviewen.

Hier ihre Antworten auf die fünf großen Vertrauensfragen.

78 carpe diem
Was ist
Vertrauen
eigentlich?

Vertrauen ist ein Gefühl, das

sich auf drei verschiedene
Bereiche beziehen kann: Auf
andere Menschen – das nennt
man interpersonales Vertrauen.
Auf sich selbst – das ist das oft
zitierte Selbstvertrauen (und
wird in der Psychologie auch
Selbstwirksamkeitserwartung
genannt). Und dann gibt es
auch noch das Vertrauen in
die Zukunft – oder etwas um­
fassender: ins Leben.
Kurz gesagt ist Vertrauen
also erstens das Band, das
Menschen verbindet, zweitens
die Kraft, die uns Neues aus­
probieren lässt, und drittens
die Gabe, die uns das Leben
als solches annehmen und ge­
nießen lässt.
Psychologisch betrachtet
bedeutet Vertrauen die Fähig­
keit, Kontrolle abzugeben,
Unsicherheit einzugehen und
auszuhalten sowie die Bereit­
schaft, sich damit verletzbar zu
machen – ohne sich schwach
zu fühlen. Vertrauen hat also
mit Mut zu tun. Man könnte
auch sagen: Vertrauen ist die
leiseste Form von Mut.
Und es ist eine Form von
Zuversicht. Denn Vertrauen
basiert auf einer positiven Er­
wartungshaltung: auf der An­
nahme, dass andere mich nicht
ausnutzen oder verletzen. Auf
der Annahme, dass ich das
schon schaffe. Oder auch: dass
alles gut wird.

carpe diem 79
 Wie entwickelt
man Vertrauen?
Jedes Baby kommt mit der
Fähigkeit und Bereitschaft
auf die Welt, anderen Men-
schen zu vertrauen. Das ist
ganz wichtig, schließlich ist
es auf die Liebe und Hilfe
von Eltern oder anderen en-
gen Bezugspersonen ange-
wiesen, es muss ihnen also
vertrauen können.
Aber: Wie gut sich dieses
Vertrauen im Laufe der Zeit
entwickelt, hat ab der Geburt
viel mit unseren persönlichen
Erfahrungen zu tun. Und mit
der Gesellschaft, in der wir
groß werden.
Studien zeigen: In man-
chen Regionen fällt es Men-
schen deutlich leichter, ande-
ren Menschen zu vertrauen;
die Vorreiter sind hier die
skandinavischen Länder, au-
ßerdem die Schweiz, Kanada
und Vietnam.
Hingegen ist andernorts
die Grundstimmung eher
misstrauisch – etwa in der
Türkei, Polen und Russland.
80 carpe diem
Warum ist das so? Wenn
man sich die vertrauensstarken
Länder genauer anschaut, ent-
deckt man einige Ähnlichkei-
ten. Wichtig für die Bildung
von Vertrauen ist zum Beispiel
eine wohlwollende Grund-
haltung gegenüber anderen
Menschen. Man wünscht und
gönnt anderen Gutes, nimmt
Rücksicht, unterstützt sich
gegenseitig, das Konkurrenz-
gefühl und Hierarchien sind
nicht so stark ausgeprägt.
Man betrachtet sich als Teil
einer großen Gemeinschaft,
hebt Gemeinsamkeiten hervor
und pflegt diese. Geprägt wird
diese Grundhaltung nicht nur
durch kulturelle Eigenheiten,
sondern auch durch das poli-
tische System: Demokratische
Länder mit einem intakten
Rechtssystem und Chancen-
gleichheit erleichtern es ihren
Bürgern, zu vertrauen.
Warum ist Vertrauen ist die Grundlage
einer jeden guten Beziehung
Vertrauen und damit unverzichtbar für
so wichtig? unser Glück. Forscher von
der Duke University in North
Carolina haben Folgendes ge­
zeigt: Menschen, die in ein
gutes Miteinander eingebun­
den sind, leben deutlich glück­
licher als Menschen, die sich
einsam fühlen. Und gesünder
(siehe auch nächste Seite).
Warum ist das so? Um das
zu erklären, ist es hilfreich,
sich einmal das Gegenteil
vorzustellen: Wer wenig Ver­
trauen in andere Menschen,
sich selbst und das Leben
hat, ist misstrauisch. Dieses
Misstrauen belastet uns. Weil
es uns zögern, zweifeln und
hadern lässt. Weil wir dann
ständig auf der Hut sind, uns
zurückziehen und innerlich er­
starren. Misstrauen macht uns
einsam und ängstlich. Angst
erzeugt Stress. Und Stress be­
lastet nicht nur unser Denken
und Fühlen, sondern auch un­
sere körperliche Gesundheit.
Misstrauen macht also krank.
Vertrauen hingegen ent­
lastet uns. Denn Vertrauen
schützt vor zu viel Grübelei
und macht so den Kopf frei
für Dinge, die für unser Glück
wirklich wichtig sind. Es lässt
uns entspannen und durch­
atmen, schenkt uns Momente
der Sorglosigkeit. Wir sind
gelassener, weniger stress­
anfällig, das Risiko für stress­
bedingte Erkrankungen wie
Herzbeschwerden oder De­
pressionen sinkt. Wir fühlen
uns mit anderen verbunden,
sicher und geschützt. Das
Leben fühlt sich leichter an,
wir können es genießen, sind
handlungsfähig.
Vertrauen macht übrigens
auch erfolgreich. Denn Mit­
arbeiter, die sich selbst und
ihrem Arbeitgeber vertrauen,
sind engagierter, konstruk­
tiver, einfallsreicher. Statt ge­
rade das Nötigste zu machen,
suchen sie eigenständig nach
Verbesserungen und überneh­
men Verantwortung.
carpe diem 81
Wie kann ich Eine wichtige Basis für unsere
Vertrauensfähigkeit ist Wohl-
Vertrauen befinden: Nur wer sich wohl-
stärken? fühlt in seiner Haut, wer ent-
spannt und gesund ist, kann
auf andere zugehen und sich
dem Leben öffnen.
Forschungen haben gezeigt:
Wer gestresst ist, ist weniger
risikofreudig und deshalb auch
weniger vertrauensvoll. Um
Vertrauen zu stärken, müssen
wir uns also zunächst einmal
um uns selbst kümmern, ge-
nauer: um unsere Grundbe-
dürfnisse – wir müssen ausrei-
chend schlafen, gesund essen,
uns regelmäßig bewegen und
82 carpe diem
auf genügend Erholung und
Entspannung achten. Das ist
die Basis, ohne die Vertrauen
schwierig ist.
Darüber hinaus hilft es,
wenn wir unseren Alltag so
gestalten, dass wir uns als
selbstwirksam erleben. Etwa
indem wir uns einem kreati-
ven Hobby oder einem Ehren-
amt widmen. Denn: Wenn wir
wahrnehmen, dass wir unser
Leben und damit auch unsere
Erfahrungen aktiv mitgestal-
ten können, fällt uns Vertrau-
en leichter. Weil wir nicht das
Gefühl von Willkür, sondern
von Einflussnahme haben.
Hilfreich ist es auch, wenn
wir uns immer wieder ver-
deutlichen, welche Vorteile
Vertrauen und welche Nach-
teile Misstrauen hat. Sicher,
wir können verletzt werden,
wenn wir jemandem vertrau-
en, etwa wenn wir uns in e­ iner
Beziehung öffnen oder einer
Freundin ein Geheimnis er-
zählen. Wenn wir deswegen
aber darauf verzichten und uns
misstrauisch vor schlechten
Erfahrungen schützen wollen,
verletzen wir uns selbst. Weil
wir uns damit jede Chance
auf echte Nähe, Geborgenheit
und Gemeinschaft nehmen.
Was tun, wenn
es verloren geht?

Viele glauben, dass einmal 

verloren gegangenes Vertrau-
en für immer weg ist. Falsch!
Vertrauen ist wie Fahrrad fah-
ren, man verlernt es nie. Aber
klar: Nach einem Vertrauens-
bruch fällt es jedem von uns
deutlich schwerer …
Die gute Nachricht: Wir
können etwas gegen die Ver-
trauenskrise tun! Denn Ver-
trauen ist eine Entscheidung.
Wer verlorenes Vertrauen auf-
bauen will, muss sich bewusst
dazu entschließen. Das be-
ginnt mit dem Satz: „Ich will
vertrauen.“
Es bedarf einer gewissen
Gewöhnung, wieder vertrau-
ensvoll auf andere zuzugehen.
Kleine Schritte, angefangen
bei ganz einfachen Smalltalk-­
Situationen, reichen oft – etwa
wenn man der Kollegin ein
Kompliment zu ihrem Outfit
macht. Mit solchen Mikro-­
Annäherungen lernen wir
schrittweise, uns zu öffnen –
und können irgendwann auch
wieder Privateres von uns
preisgeben. Bis wir es wieder
schaffen, mit der Freundin
über Sorgen und Glücksge-
fühle zu sprechen – ohne die
ständige Angst, dass sie etwas
ausplaudert.

Nachgefragt bei:
EVA SCHULTE-AUSTUM,
Wirtschaftspsychologin und
Vertrauensforscherin, Münster

carpe diem 83
 AUSZEIT BEI

Aufatmen, loslassen, ankommen.

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indivi­duellen Rückzug, Achtsamkeit und das
Auftanken im Einklang mit der Natur in den Fokus
rücken. Das exklusiv für carpe diem-Leserinnen
und -Leser gestaltete Programm bietet Abwechs-
lung, schenkt neue Erlebnisse und die Chance, den
eigenen Erfahrungshorizont spielerisch zu erweitern.
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Geht’s noch?
WILLKOMMEN IN DER WUNSCHFABRIK:
Ich bin eine richtige Wasserratte.
So ein, zwei Rahmenbedingungen
müssen halt passen, dann macht
Baden einen Heidenspaß (mit mir).
Es ist Winter. Ich bin acht Jahre alt und
plansche mit meiner Schwester im Erlebnis­
bad. Ein Tag, bis zum Rand gefüllt mit Un­
beschwertheit, Pritscheln, Pommes – und
dem ganz großen Grausen.
Ja. Das alles dominierende Gefühl, das
sich bei dieser glücklichen Kindheitser­
innerung in mir zusammenbraut und auf
jede einzelne Zelle überschwappt, ist Ekel.
Damals, vor 33 Jahren, war diese Emotion
noch eine schwammige Angelegenheit für
mich, kaum greifbar (abgesehen von den
Haaren, die sich bei jedem Schwimmzug
zwischen den Fingern verfingen) und dank
zahlreicher Adrenalinstöße gut neutrali­
siert. Heute ist das anders.
Das kleine Rinnsal der Abscheu ist zu
einer mächtigen Welle angeschwollen, die
mich immer dann überrollt, wenn die Wör­
ter „Kinder“, „Badespaß“ und „indoor“ in
einem Satz fallen. Dann plätschern die al­
ten Schreckensbilder wieder vor meinem
86 carpe diem
 Kolumne 
ARIA
M
D
ORNER
geistigen Auge vorbei: der triefnasse grüne
Filzteppich beim Rutschenaufgang, Win­
delpopos im Wasser, Badeschlapfenberge,
angeschwemmte Pflaster und die arglos an­
mutende Überlaufrinne, unter der sich die
wahren Abgründe erst auftun. Es riecht
nach Chlor und Mayo und Gummi, und
ich weiß bis heute nicht, warum mir das
alles so über die Maßen zusetzt.
Was ich aber weiß: Das Begehr, meinen
MARIA DORNER persönlichen Ort der Beklemmung zu um­
tut nicht immer so, wie es schiffen, beherrscht seit sieben Jahren meine
andere gerne hätten.
Freizeitplanung. Genauso alt ist mein Sohn
Das macht aber nichts.
– und ich behaupte, dass mir beides bisher
ganz gut gelungen ist. Nur ein einziges Mal
hab ich mich zu einem österlichen Kurztrip
„Ein Tag, bis zum in die Kindertherme hinreißen lassen (Leo
Rand gefüllt mit brauchte Fremdbespaßung, ich ein abend­
liches Buffet), und noch heute sehe ich sie
Unbeschwertheit,
vor mir: die tiefenentspannten Mamas und
Pritscheln, Pommes – Papas, sich stundenlang im Babybecken
und dem ganz
ILLUSTRATION: Oriana Fenwick
suhlend, bäuchlings zwischen Theodor und
großen Grausen.“ Felicitas, wie menschliche Gebirgsmassive
aus dem zwanzig Zentimeter seichten Lulu­
wasser ragend. Ich habe meinem Kleinen der­
weil von der Liege aus aufmunternd zuge­
winkt und dabei akribisch aufgepasst, das
sichere Handtuchterritorium mit den nack­
 Anzeige

Brandheiße
Sommer-Specials
bei VOX
Promis im Spiel mit dem Feuer bei den
„Grill den Henssler – Sommerspecials“
ab 8. August um 20.15 Uhr bei VOX.

Endlich heißt es wieder: Grillen unter freiem

Himmel! In den „Grill den Henssler – Sommer-
specials“ kann alles passieren – und überra-
schende Zutaten stehen garantiert ganz oben
auf der Karte.

Unter anderem mit dabei sind die Kult-Hip-

Hopper Michi Beck und Smudo (Die Fantasti-
schen Vier), die No-Angels-Sängerinnen Nadja,
ten Füßen nicht Richtung Plastik zu ver- Lucy, Sandy und Jessica, Rúrik Gíslason, Sänger
lassen. Damals hab ich mir geschworen: Pietro Lombardi, Moderatorin Jana Ina Zarrella,
nie, niemals wieder! Und wenn die Alter- Schlagersängerin Beatrice Egli, Alec Völkel und
nativen eine Woche Disneyland oder Sascha Vollmer von The BossHoss, Komikerin
Kleinkind-Rafting im Juragebirge sind. Ilka Bessin sowie der Broilers-Sänger Sammy
Und dann gibt es da noch diese ande- Amara.
re Kindheitserinnerung: Es ist Sommer.
Ich bin zwölf Jahre alt und erobere mit Talks aus dem Nähkästchen, exotische Grill-
meiner Familie das Burgenland. Wir variationen, grillen auf Motorhauben und jede
kleben am Asphalt, im Wohnmobil hat’s Menge Promis im Spiel mit dem Feuer – das
38 Grad, die Nerven aus Stahl sind längst erwartet die VOX-Zuschauerinnen und -Zu-
Brei, und es gibt nur eine Mission: Ab- schauer in vier Folgen „Grill den Henssler –
kühlung, jetzt! Meine weibliche Sipp- Sommerspecial“ ab dem 8. August, immer sonn-
schaft tickt da ganz wie ich: Das Konzept tags um 20.15 Uhr. Die Folgen sind jeweils
Wasser funktioniert für uns nur unter sieben Tage vorab auf TVNOW abrufbar.
freiem Himmel. Je kälter, desto lieber. Je
alleiner, desto besser. Je fließender, desto
famoser. Egal ob Bagger- oder Bergsee,
Fluss, Schwimmteich oder Wasserfall.
Wir springen in die Fluten, bevor andere
ihre Zehen reingestreckt haben. Schling-
pflanzen? Macht nichts. Kreuchendes
und Fleuchendes? Wird schon gehen.
Wer jetzt meint, ich sei beim Thema
Foto: © TVNOW/Frank W. Hempel

Baden etwas kapriziös: i wo! Der 16 Grad

kalte Maxi-Infinity-Pool geht zur Not
natürlich auch. Vorausgesetzt, ich hab ihn
ganz für mich. Sommer, ich liebe dich. Laura Wontorra schaut auch The BossHoss bei
den Vorbereitungen ganz genau auf die Finger.
88
carpe diem
 Loslassen 

ILLUSTRATION: Getty Images

„Lebenskünstler ist,
wer seinen
Sommer so erlebt,
dass er ihm noch
den Winter wärmt.“

Alfred Polgar (1873–1955),

österreichischer Schriftsteller und Aphoristiker
90 carpe diem
  Bewusstsein 

Eine Elster
namens Pinguin
Engel gibt es in allen Formen und Größen.
Unter ihren Schwingen tragen sie
Hoffnung, Heilung und Liebe. Bedingungslos.

Das ist die Geschichte von Sam Bloom –

und dem kleinen, zerzausten Engel,
der ihre Seele rettete.

SSie waren eine bunte und glückliche Familie: Papa Cameron war Fotograf
und Surfer (Letzteres versteht sich bei Australiern fast von selbst), Mama Sam
­arbeitete als Krankenschwester auf einer neurochirurgischen Station. Verbun-
den durch den brennenden Hunger, die Welt zu entdecken, die Liebe zum
Meer, zum Duft von frischen Kokosnüssen und zu exotischen Speisen – und
nicht zuletzt durch drei lebhafte Söhne: Brüder von Geburt, verschworene
Freunde aus eigener Entscheidung. Das Leben war perfekt.

Bis ein beinahe tödlicher Unfall Sam mit einer schweren Rückenmarksverlet-
zung und kleineren Funktionsstörungen im Gehirn an den Rollstuhl fesselte
und die lebenslustige Frau in eine tiefe Depression versank. Plötzlich hilflos
statt unabhängig, ohne Geruchs- und Geschmackssinn, dafür mit Schmerzen,
die mitunter abebbten, aber nie ganz verschwanden, hatte Sam ihren Kampf-
geist und ihre Hoffnung verloren.
TEXT Nicole Kolisch
FOTOS Cameron Bloom Und dann kam Penguin.

carpe diem 91
 Penguin war ein Elsterküken *, das Sohn Noah neben Groß­
mutters Haus fand. Etwas ramponiert, aus dem Nest ge­
fallen und mit angeknackstem Flügel hätte es in der Natur
nicht überlebt. Familie Bloom beschloss, den Vogel aufzu­
nehmen.
Ein Wäschekorb diente als Nest. Auch ein Name war
schnell  gefunden: Das schwarz-weiße Gefieder stach den
Jungen ins Auge. Klarer Fall: Diese Elster musste Penguin
heißen.
Miss Penguin Bloom.
* Um ornithologische Missverständnisse auszuräumen:
Australische Elstern sind mit der bei uns heimischen Variante
nur entfernt verwandt.
92 carpe diem
Für die Familie, die so viel Dunkelheit erfahren hatte,
war das flauschige Federknäuel weit mehr als eine will­
kommene Abwechslung: Penguin trällerte sich in fünf ge­
brochene Herzen – und fast unmerklich, Augenblick um
Augenblick, heilten sie.
Zwischen Sam und der Elster entwickelte sich eine tiefe
Freundschaft – nein, Seelenverwandtschaft.
Wie fühlt es sich an, Flügel zu haben und nicht fliegen
zu können?
Sam verstand Penguin. Und Penguin verstand Sam.
carpe diem 93
94 carpe diem
Bald wurden die beiden unzer-
trennlich.
Wenn es Sam Mühe bereitete,
ihre eigene Stimme zu erheben,
tat Penguin es an ihrer statt.
Wenn sie ihre Ängste und
Zweifel ihrer Familie nicht zu-
muten wollte, dann erwies sich
der Vogel als guter Zuhörer.
Die Physiotherapie absolvier-
ten sie gemeinsam. Sie raunten
einander Mut zu.
Und Durchhalteparolen.

„Penguin wurde unsere furcht-

lose Liebesbotschafterin und lei-
tende Motivationsbeauftragte“,
schreibt Cameron Bloom. „Zärt-
lich wie eine Flaumfeder – und
so subtil wie ein schwarz-weißer
Zaunpfahl.“

carpe diem 95
 „War Penguin schwach und kränklich, pfleg-
te Sam sie liebevoll, bis sie wieder gesund war.
Und wenn es Sam schwerfiel, in Schwung
zu kommen, zwitscherte ihr Penguin neue
Kraft zu. Als es mit ihrem Training voran-
ging, sah Sam endlich einen Lichtschimmer
am Horizont, und mit der Zeit eröffneten
sich ihr Perspektiven.
Kleine Siege führten zu größeren Siegen.
Neue Herausforderungen wurden zu
neuen Chancen.“

Auch Penguins großer Augenblick ließ nicht

mehr lange auf sich warten …

96 carpe diem
 „Bei allem Respekt für die Gebrüder Wright und ihren his­
to­rischen Jungfernflug in North Carolina im Jahre 1903  –
für Familie Bloom fand der bedeutsamste erste Flug aller
Zeiten in ihrem Wohnzimmer statt.
ZUSATZFOTO: Dallas Kilponen

Unser Geist schwang sich auf Penguins schwarz-weißen

Flügeln mit empor. Es war ein Augenblick reiner Freude. Zu­
mindest ein Mitglied der Familie Bloom hatte die Schwerkraft
bezwungen.“

***

carpe diem 97
 Zitate und Bilder stammen aus dem Buch „Penguin
Bloom“ (2016) von Cameron Bloom und Bradley Trevor
Greive sowie von Sams persönlichem Instagram-Account
(instagram.com/samjbloom).
Mittlerweile ist Sam Bloom international erfolgreiche
Parakanutin, Mitglied des australischen Nationalteams
­sowie zweifache Goldmedaillen-Gewinnerin bei den Para­
surfing-Weltmeisterschaften. Und sie ist Botschafterin der
Wings for Life Stiftung für Rückenmarksforschung.
98 carpe diem
Die kleine Elster namens Penguin verbrachte zwei J­ ahre
bei Familie Bloom.
Die Geschichte dieser außergewöhnlichen Freund-
schaft kann man ab 19. August auch im Kino sehen: N ­ aomi
Watts schlüpfte mit großem Einfühlungsver­mögen in die
Rolle der Sam Bloom, Andrew Lincoln p ­ or­trätiert ihren
Ehemann.
Teile der Bucheinnahmen unterstützen Wings for Life
(wingsforlife.com).
  Anzeige 

Ausgewogener Alltag
Wie Psychohygiene unser Wohlbefinden sowohl im Berufs- als auch im Privatleben stärken kann.
Die Basis dafür: die fünf Säulen der Identität.

Arbeit/Leistung
Soziales Netz

Werte, Sinn
Gesundheit

Wohlstand
Lydia Berka-Böckle,
consentiv Beraterin,
weiß aus eigener Erfahrung,
wie wichtig es ist, den Blick
auf alle fünf Säulen dieses
Gebäudes zu richten – „im
privaten als auch beruflichen
Kontext“!

Im vergangenen Jahr wurde das Home­
office für viele Menschen zur „neuen“
Normalität. Es vereint das Wohnen und
Arbeiten vor einem Bildschirm. Hier ist
aber der räumliche und zeitliche Rah-
men für die Arbeit umso wichtiger: Es
sollte zur Gewohnheit werden, Grenzen
zu setzen, indem man Pausen einplant,
zwischendurch frische Luft schnappt,
regelmäßig pünktlich Schluss macht
und den Laptop runterfährt. Denn nicht
jede E-Mails muss sofort beantwortet
werden, und mit ein wenig Abstand
kommt vielleicht sogar die eine oder an-
dere zusätzliche kreative Idee auf. Den
Feierabend sollte man auf jeden Fall aus-
Säulen-Illustration: GettyImages
Leben mit einem Bauwerk, so ist es auf
fünf Säulen gebaut (nach Hilarion Pet-
zold), siehe Grafik oben. Wenn alle Säulen
stabil sind, fühlen wir uns ausgeglichen.
Fokussieren wir uns beispielsweise zu sehr
auf nur eine dieser Säulen und verlieren da-
durch eine oder gleich mehrere andere aus
den Augen, fangen diese an zu bröckeln
und unser Bauwerk gerät ins Wanken.
PSYCHOHYGIENE HÄLT GESUND
Psychosoziale Beratung setzt nicht nur erst
dann an, wenn wir bereits ums Gleichge-
wicht ringen, sondern auch schon präven-
tiv. Ihr Ziel ist es, die Säulen der Identität
zu stärken und diese zu pflegen. „Psycho-
ist es schon schwieriger, richtig zu
­reagieren. Doch auch in diesen Situa-
tionen steht consentiv zur Seite und
begleitet auf dem Weg zurück ins
Gleichgewicht. Wir dürfen uns nur
nicht davor scheuen, rechtzeitig Un-
terstützung in Anspruch zu nehmen.
MENTALE
GESUNDHEITS-
VORSORGE
Die Expertinnen und
Experten von consentiv,
dem größten Anbieter
für betriebliche mentale

schließlich dem Privatleben widmen.
DIE 5 SÄULEN DER IDENTITÄT
Work-Life-Balance bedeutet, dass das
Verhältnis zwischen Arbeit und Leben
ausgewogen ist. Vergleicht man unser
soziale Beratung ist Psychohygiene, und Gesundheitsvorsorge,
immer wieder einen prüfenden Blick auf unterstützen dabei, die
die Balance von privaten und beruflichen Balance beizubehalten
Umständen zu werfen, hält uns gesund und oder wiederzufinden.
stärkt“, so das Motto von consentiv. Befin- consentiv.info
den wir uns bereits im Ungleichgewicht,
 05
e
#  Heilmittel aus der Küchenapotheke 
ri
Se

Ein Essig für heile Haut

Händewaschen, Desinfektion und Spülmittel stören das Arbeitsklima
unserer schützenden Hautbakterien. Dieser Essig macht’s wieder gut!

TEXT Karin Buchart  FOTO Karin Hackl  ST YLING Evelyne Zemplenyi

In der nächst
en
 Wohlfühlklima  Ausgabe setz
en wir
Es wuselt und wimmelt auf aus Kresse un
d Kren
der Haut, wo emsige Milch- eine schützen
de
säurebakterien rund um die Tinktur geg
en
Uhr damit beschäftigt sind, Erkältunge
n an.
unseren Schutzmantel zu
weben. Im Alltag wird ihnen
das oft schwer gemacht.
Da kommt unser Haut-
essig gerade recht: Mit
Gerbstoffen aus Salbei- und
Walnussblättern stärken wir
die Abwehr der Haut, Rin-
gelblume hilft der Zellteilung
auf die Sprünge. Keine Sorge,
der ­Essiggeruch „verduftet“
schnell. Was bleibt, sind gute
Lebens­bedingungen für die
Bakterienbewohner, die aus
dem Essig Energie gewinnen.
Zudem spielt der Essig mit
dem pH-Wert der Haut:
Er verwandelt das durch Seife
basisch gewordene Milieu
flugs wieder in ein saures.
Diese pH-Schaukel mögen
Viren und Pilze gar nicht –
sie verschwinden lieber!

ZUTATEN ZUBEREITUNG ANWENDUNG

¼ Liter Apfelessig und
dazu jeweils 1 EL frische
oder 1 TL getrocknete
Ringelblumenblüten,
Salbei- und Walnussblätter
Ringelblumen, Salbei-
und Walnussblätter mit
­Apfelessig übergießen,
­verschließen und zwei
­Wochen ziehen lassen.
Dann abseihen, Den Hautessig nach dem
mit fünf Teilen Wasser Waschen direkt auf die
­verdünnen und in eine Haut sprühen.
Sprühflasche füllen.

100 carpe diem

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Werde ein Teil des Rauch Juice Bar Waldes

Eine Patenschaft, die Früchte trägt

Um die Rauch Juice Bar in der Wiener Neubaugasse für das Jahr 2021 klimaneutral
zu machen, werden 220 Bäume gepflanzt. Einer davon könnte deinen Namen tragen.

D ie Natur versorgt uns mit allem,

was wir für ein gutes Leben brau-
chen, wie köstliche Früchte und Gemü-
se. Auf diesen natürlichen Schätzen
­beruht auch der Erfolg der Rauch Juice
Bar, deren Vision es ist, mit ihren
fruchtigen Kreationen möglichst viele
Menschen für einen gesunden Lebens-
stil zu begeistern. Damit verbunden ist
das Bewusstsein, dass es wichtig ist,
­dabei auch an morgen zu denken und
ent­sprechend nachhaltig zu handeln.
Nachhaltiges Handeln kann man mit
einem Baum vergleichen: Eine Wurzel
allein reicht nicht, um ihn wachsen und
gedeihen zu lassen. Es ist einiges mehr
notwendig, um den gewünschten Er-
folg zu erzielen. Daher setzt die Rauch
Juice Bar auf eine Vielzahl an Maßnah-
men, wie Becher aus nachwachsenden
Rohstoffen, Glaspfandflaschen und Re-
fill Bottles sowie Strom aus Solar- und
Wasserkraft. Ein weiteres, neues Pro-
jekt ist die Pflanzung eines Waldes aus
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102 carpe diem
  Erholung 
Wie man einen Eisberg
zum Schmelzen bringt
Das ist der zweite Teil meines Berichts über den Versuch, weniger
Stress in meinem Leben zu haben. Im ersten Teil habe ich gelernt,
dass es verschiedene Stresstypen gibt und dass ich so ziemlich alle
davon bin. Diesmal absolviere ich einen Anti-Stress-Onlinekurs.
Dabei bekomme ich die Chance, meine Vergangenheit zu ändern,
meine Zukunft anders zu sehen und in der Gegenwart zu landen.
I
Irgendwann, nach zwei oder drei Wo­
chen, kam der Moment, in dem ich mit
dem Kurs aufhören wollte. Mir war in
diesem Moment vor lauter Traurigkeit
ganz schlecht, und zwar wirklich körper­
lich schlecht, mit diesem Kotzdruck im
Magen, wie wenn man was Verdorbenes
gegessen hat oder wenn man ausweglos
nervös vor einer Prüfung steht.
Ich war mitten in einem Kurs, der mir
dabei helfen wollte, meinen Stress loszu­
werden, und mein Körper sagte zu mir:
„Puh. Das ist aber jetzt ganz schön
stressig.“
Also eigentlich, genau genommen,
brüllte er.
S-T-R-E-S-S!!!
TEXT  Bis zu diesem Moment war eigentlich
Gisbert Knüphauser  alles sehr einfach gewesen.
ILLUSTRATION  Ich hatte die Tipps aus dem Kurs mal
Stephanie Wunderlich mehr, mal weniger befolgt, war oft in
T FOR
ER S
B
CH
S
GI
T
Gisbert Knüphauser
beschäftigt sich als
carpe diem-Autor
mit medizinischen
Themen und deren
Grenzbereichen.
den Wald gegangen und überhaupt viel
mehr ins Freie, vor allem auch, weil mir
Verena die Sache mit dem Tageslicht und
der Bildung von Serotonin erklärt hatte,
diesem Hormon, das Wohlgefühl und
Zufriedenheit erzeugt. (Und das echtes
Licht braucht, damit es gebildet wer­
den kann.) Es hatte mir alles an diesem
Kurs ziemlich gutgetan, und manches
war sogar direkt in meinen Lebensalltag
eingesickert, zum Beispiel: Wann immer
sich eine Grübelei oder ein Gedanken­
karussell in meinem Kopf eingenis­
tet hatte, fokussierte ich mich auf eine
Sinneswahrnehmung. Eine Pflanze ganz
konzentriert anzusehen, in all ihren
Details, zum Beispiel. Oder beim Essen
nichts anderes zu tun als zu essen, kein
Handygedaddel daneben, keine Arbeit,
kein Fernsehen, sondern einfach nur rie­
chen, schmecken. (Ich dachte auch am
carpe diem 103
 Anfang, dass das unmöglich ist, aber es
geht.) Oder die Augen zu schließen und
in die Geräuschkulisse des Moments
„Ich kann mich hineinzulauschen: das Zwitschern eines
Vogels, das Hochdrehen eines Motor-
an den schönen rads in der Ferne, der Wind, der in den
Blättern rauscht.
Erinnerungen Und alles so sein lassen, wie es ist.
meines Lebens
Wenn man herumgrübelt oder Ge-
danken nachhängt oder im Kopf nicht
bedienen wie weiterkommt, überhaupt gleich einmal
der Supertipp: nichts anderes tun, als be-
an einer wusst und konzentriert einen der Sinne
zu benützen. Ohne irgendwas zu zer-
Süßigkeitenlade, denken, zu analysieren oder zu bewerten.
die ich immer Das ist, wie wenn man plötzlich einen
Lichtschalter gefunden hätte, mit dem
bei mir habe.“ sich Grübeleien abdrehen lassen. Also bis
dahin: Alles einfach, alles super, das ge-
fiel mir (Erklärung siehe Seite 106 unten).
Ich hatte auch recht bald verstanden,
woher meine Gefühle kommen. Verena
erklärte das mit dem Bild eines Eisbergs:
104 carpe diem
Das über der Wasseroberfläche, das sind
die Symptome. Also das, was man als
Stress empfindet, den trockenen Hals
und die feuchten Hände, die innere Rast-
losigkeit und die eigentlich grundlose
Gehetztheit. Wichtiger und, wie beim
Eisberg üblich, viel größer ist der Teil
unter der Wasseroberfläche. Diesen Teil
bilden meine Prägungen, Glaubenssätze,
Einstellungen, die ich im Lauf meines
Lebens (und vor allem in den ersten Jah-
ren davon) angesammelt habe.
Das ist eine sehr gute Nachricht.
Denn dass ich mich hilflos oder
verzweifelt oder traurig durch den Tag
schleppe oder vor lauter Aggressionen ex-
plodieren möchte, dass ich stottere, wenn
ich vor mehreren Leuten reden muss, oder
mich nicht nein zu sagen traue, wenn
jemand etwas von mir begehrt, das ich
eigentlich gar nicht will, kommt nicht
davon, dass ich all das wirklich bin. Son-
dern es kommt davon, dass irgendwann

rund um mich etwas passiert ist und ich
gelernt habe, daraus Schlussfolgerungen
zu ziehen, um damit gut umgehen zu
können. Ich hatte mir selbst in meinem
Leben antrainiert, schwierige Situationen
zu bewerten, zu interpretieren, zu über-
setzen, und das verselbständigte sich
mit den Jahren: „Viel zu tun haben“
rechnet mein Verstand heute hoch in
„überfordert sein“, „Mein Chef hat mich
gerade für einen Fehler kritisiert“ ver-
wandle ich automatisch in ein „Ich bin
ein Versager“, „Ich soll vor anderen re-
den“ bedeutet so viel wie „Gleich werde
ich ganz sicher ausgelacht“.
Und so weiter.
Es kam dann im Kurs der Moment,
um sozusagen ins Neopren zu schlüpfen.
Um jenen Teil meines inneren Eisbergs
zu untersuchen, der sich unter der Was-
seroberfläche angesammelt hatte. Und
um vor allem dort unten noch einmal
einzutauchen in all die Erlebnisse meiner
Kindheit und Jugend, ins Geliebtwerden
oder Sich-dann-doch-nicht-so-geliebt-
Fühlen seitens der Eltern, ins Bloßgestellt­
werden durch die Kindergärtnerin und
die tollpatschigen Willkürlichkeiten der
Volksschullehrerin und das Gehänselt-
werden, weil ich mit vierzehn noch aus-
sah wie sieben. (Und noch schlimmer:
das Mitleid der Mädchen, die ich toll
fand.) Ich schnorchelte rund um meinen
inneren Eisberg und lebte mich in diese
inneren Momente hinein, aus denen er
bestand.
Man könnte sagen: Das war intensiv
und emotional. Man könnte auch sagen:
Das war nicht schön. Und zwar so sehr
nicht schön, dass ich es sogar insgesamt
bleibenlassen wollte mit Verenas Kurs.
Dass ich dranblieb, lag an Verena.
Verena war im Lauf der Wochen zu ei-
ner Art Freundin geworden, einer wohl-
wollenden, beharrlichen Vertrauten bei
meinem plötzlich dann doch gar nicht
mehr so kleinen Anti-Stress-Abenteuer.
Verena ist Verena Kauzleben, du kennst
sie schon aus dem letzten Heft. Sie ist
Wissenschaftsjournalistin mit ­ernsthaftem
akademischen Hintergrund (sie hat ein
Studium der Biomedizin absolviert) und
einem journalistischen Vordergrund, der
sich sehen lassen kann: Sie ist Redakteu-
rin der TV-Sendung „Quarks“ im WDR.
Verena kennt sich wirklich aus, und
sie kleidet ihr Wissen in einen sehr enga-
gierten Plauderton, der macht alles leicht
konsumierbar, du fühlst dich ernst ge-
nommen und verstanden und angeleitet.
Es ist ein wirklich guter Kurs, den sie da
zusammengestellt hat, und er ist wirklich
fett. Verena selbst meint, man könnte in
einem Monat damit durch sein, sie meint
auch, man soll sich auf die Übungen be-
schränken, die einen direkt ansprechen,
aber ich halte das für übertrieben be-
scheiden. Ich glaube, man kann ruhig
alle Übungen machen, und man könnte
damit ein halbes Jahr verbringen, ohne
dass es fad würde.
Ich habe in Verenas Kurs ein paar
grundsätzliche Sachen übers Leben ge-
lernt. Ich schreibe sie jetzt auf, damit ich
sie nicht vergesse:
• Wenn ich mich an einen angenehmen
Moment in meinem Leben erinnere,
erlebt mein Körper diesen Moment, als
wäre er echt, und produziert Wohlfühl-
hormone. Glück lässt sich auch erleben,
ohne dass man es wirklich erlebt. Ich
kann mich an den schönen Erinnerun-
gen meines Lebens bedienen wie an einer
Süßigkeitenlade, die ich immer bei mir
habe und die mit jedem Tag meines Le-
bens immer voller wird.
• Die freie Natur ist die Umgebung, in
die wir Menschen am besten passen. Ein
Spaziergang durch den Wald ist wie eine
Superpille für unser Immunsystem.
• Wenn in der eigenen Kindheit nicht
alles toll gelaufen ist (bei wem ist es das
schon?): Ja, natürlich hat das Spuren
hinterlassen, einen ganzen Eisberg voll.
Aber man kann das, was einen belastet,
loswerden. Indem man es loslässt, ganz
buchstäblich: Zettel nehmen, drauf-
schreiben, was man sich damals unerfüllt
gewünscht hat (wirklich so formulieren:
„Ich hätte mir gewünscht, dass …“), den
Zettel in ein Kuvert stecken und an einen
Luftballon hängen und fliegen lassen.
Oder in einen Fluss werfen und davon-
treiben lassen. Hilft!
• Akuten Stress bekommt man super
in den Griff, wenn man bewusst ganz
langsam geht oder bewusst ganz freund-
lich ist. Und beim Arbeiten schafft man
Ordnung im Gehirn, indem man den
Schreibtisch leerräumt. (Man kann ruhig
alles, was auf der Tischplatte herumliegt,
in eine Kiste oder einen Karton schmei-
ßen, D­ eckel drauf.)
• Selbstbewusstsein entsteht ganz von
allein, wenn man die eigenen Grenzen
erkennt, achtet und auch dafür sorgt,
dass andere sie respektieren. Wunder-
mittel dafür ist das Wort „Nein“. Es gibt
viele verschiedene Neins, und für alle gilt
(überhaupt ein extrem cooler Satz, finde
carpe diem 105
ich): Begründungen stärken deine Aus­
sage, Rechtfertigungen schwächen sie.
• Wer sich Langeweile traut, wird mit
Lust auf Aktivität, auf Anspannung be­
lohnt. (Lass diesen Satz mal sacken!)
• Die beste Erholung? Nicht einfach
auf der Couch herumlümmeln. Sondern
Dinge tun, die man so gerne tut, dass
man die Zeit dabei vergisst.
• Egoismus ist etwas ganz anderes als
Egozentrik: Egozentrik kreist um sich
selbst und schließt sich von anderen ab.
Egoismus geht von sich aus und inter­
agiert selbstbewusst mit anderen.
• Ohne starkes Ich kann es kein erfülltes
Wir geben. (Find ich soo super!)
• Kritik, die nicht positiv ist, sondern
böswillig, hat nichts mit meiner Person
zu tun, sondern ist ganz allein ein Thema
dessen, der mich kritisiert.
• Der Satz „Du kannst alles schaffen,
wenn du es nur hart genug versuchst“
ist Bullshit. Es ist einfach nicht alles
möglich! Es gibt für jedes Leben Rah­
men­bedingungen, die man nicht ändern
kann, und je besser man sich an diese
anpasst, desto glücklicher lebt man.
• Schlimme Dinge, die passiert sind, an­
zunehmen heißt nicht, sie gut zu finden.
Sie anzunehmen bedeutet, zu akzeptie­
ren, dass sie passiert sind.
• Akuter Stress? – Atme langsam aus.
Zähle dabei bis sechs. Denn Lunge und
Herz sind über Nervenfasern verbunden,
langsames Ausatmen senkt die Herz­
frequenz und beruhigt dich. Lächle.
Gesicht und Körperhaltung drücken
nicht nur deine Gefühlswelt aus, sie wir­
ken auch umgekehrt auf deine Gefühle
und Gedanken. Wirklich!
• Unsere Ängste sind ziemliche Angst­
hasen: Sie breiten sich wohlig aus, wenn
sie abstrakte Macht über uns haben. So­
bald wir sie aber ganz konkret ansprechen
und ihnen direkt in die Augen sehen,
ziehen sie sich zurück. Angst mag es gar
nicht, wenn man ihr auf den Grund geht.
• Probier mal statt einer To-do-Liste
eine Tada!-Liste: Auf ihr schreibst du
nicht auf, was du noch zu tun hast, son­
dern was du geschafft, erledigt, Schönes
erlebt hast. Unbedingt auch Kleinig­
keiten!
Verena zitiert unterwegs auch Rainer
Maria Rilke, der dem jungen Dichter
Franz Xaver Kappus in einem Brief 1903
folgenden Rat gab:
[…] ich möchte Sie, so gut ich es kann,
bitten, lieber Herr, Geduld zu haben
­gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen
und zu versuchen, d i e F ra g e n
s e l b s t ­liebzuhaben wie verschlossene
­Stuben und wie Bücher, die in einer
sehr fremden Sprache g­ eschrieben sind.
Forschen Sie jetzt nicht nach Ant­wor­
ten, die Ihnen nicht gegeben werden
können, weil Sie sie nicht leben könnten.
Und es handelt sich darum, alles zu
­leben. L e b e n Sie jetzt die Fragen.
Vielleicht leben Sie dann allmählich,
ohne es zu merken, eines fernen Tages
in die Antwort hinein.

Man darf sich übrigens selbst erlauben,

das zu tun, was einem ganz oft am aller­
besten tut: nämlich nichts.
Man darf das, sagt Verena.
Was willst du heute alles nicht tun,
Gisbert?

Verena Kauzlebens Kurs heißt „Heimweg“,

der nächste startet im September 2021,
Wieso Stressbekämpfung mittels reduzierter Wahrnehmung so gut klappt, verena-kauzleben.de
ist leicht erklärt: Grübeleien und Gedankenkarusselle haben immer mit
Vergangenheit oder Zukunft zu tun, Sinneseindrücke jedoch mit der Gegen-
wart. So klaubt man die in der Vergangenheit und der Zukunft verstreuten Im nächsten carpe diem:
Aufmerksamkeitsteile zusammen, auf dass sie sich im Jetzt vereinen können. Gisbert und die Geheimkraft von Placebo.

106 carpe diem

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Freiheit beginnt mit der Frage „Wer will ich sein?“.
Das lernt Weltreisende Waltraud Hable ausgerechnet
von zwei Tirolern in Mexiko. Und sie spürt: Manchmal
muss man sein Leben verkleinern, um zu wachsen.

TEXT Waltraud Hable  FOTOS Jürgen Würtenberger

110 carpe diem

 In Playa del Carmen
trifft Reiseautorin
Waltraud Hable ein
Tiroler Pärchen, das
seit fast vier Jahren
mit einem Wohn­mobil
die Welt erkundet
– ohne Ziel, ohne
­Endpunkt. Weil man
mitunter ganz weit
weg gehen muss, um
bei sich anzukommen.
E
Ein leises Hallo vor ein paar Monaten auf
Social Media. Viel mehr schrieb sie nicht,
aber mehr ist oft auch nicht nötig. Mit
Hallo beginnen die besten Geschichten.
Ich hatte in einer Internetgruppe für
Langzeitreisende gepostet, dass ich An-
schluss suchte. Irgendjemanden, mit dem
ich in Mexiko – meinem damaligen Auf-
enthaltsort – etwas trinken oder essen
gehen könnte und der hoffentlich älter
als zwanzig Jahre wäre. Wenn man regel-
mäßig von blutjungen Backpackern zu
hören bekommt, „du könntest meine
Mutter sein“, wird man irgendwann mür-
be. Und mal ehrlich: Die Interessen von
112 carpe diem
WALTRAUDS REISEN jugendlichen Rucksacktouristen und,
ähm, meiner gereiften Wenigkeit – das
Herz über Kopf
passt irgendwie nicht ganz.
um die Welt Jedenfalls: Nina, 45, kontaktierte mich,
und wir trafen uns auf einen Burrito. Ich
erfuhr, dass sie ebenfalls aus Österreich
stammt, aus der Nähe von Innsbruck,
und dass sie mit ihrem Mann Jürgen, 44,
seit fast vier Jahren im Camper-Van um
die Welt reist. „Du musst ihn unbedingt
kennenlernen“, meinte sie. „Okay“, sagte
ich lächelnd und stellte mich auf das
Die Journalistin und Schlimmste ein. Pärchenreisende können
ILLUSTRATIONEN: Anna Frohmann, Oriana Fenwick
Buchautorin Waltraud anstrengend sein. Man fühlt sich schnell
Hable, 42, will sich als fünftes Rad am Wagen. Und nur weil
die Welt ansehen. man mit einer Hälfte des Duos klickt,
Die Route bestimmt
muss man nicht automatisch den anderen
ihr Herz. Es kennt
auch sympathisch finden. Doch Nina be-
den Weg, immerhin
schlug es, bevor sie
harrte darauf – und was soll ich sagen?
denken konnte. Wir wurden in Nullkommanix Freunde.
Sie sucht nichts Mehr noch: Durch sie und Jürgen tat sich
Bestimmtes, sagt sie. eine völlig neue Welt für mich auf. Eine,
Sie findet. die mir zeigte, dass man weniger braucht,
als man denkt – und sich trotzdem stein­
reich fühlen kann. Und dass man Dinge
niemals aufschieben soll, weil der Schlüs­
sel zum Glück im Jetzt liegt. „Wir agieren
gerne so, als wäre das Leben bloß die Ge­
neral­probe. Wir sagen: Ach, das mache
ich später“, hat Jürgen bei einem der ers­
ten Treffen zu  mir gemeint. „Aber wir
stecken mitten in der Aufführung. Und
man muss immer davon ausgehen: Es
gibt vielleicht kein Später.“

Als alles zu eng wurde

Dass sie ihr Dasein nicht mit „Proben“
vergeuden wollen, war für Nina und Jür­
gen prinzipiell früh klar. Letztlich muss­
ten beide aber über vierzig werden, um
wirklich nach diesem Credo zu ­leben.
Dabei gab es nach außen hin wenig zu
meckern: Sie waren seit mehr als drei­
zehn Jahren glücklich zusammen, lebten
in e­ inem schmucken Häuschen in Rang­
gen, einem 1.100-Seelen-Ort in der Nähe
von Innsbruck. Nina arbeitete als Heil­
praktikerin und gab Yogastunden in ih­
rem Garten. Jürgen hatte mehrere Unter­
nehmen im IT-Bereich. Dazwischen:
Golfplatz, Wandern, Fernreisen. Trotz­
dem machten sich langsam Leere und
Unzufriedenheit breit.
„Ich wollte schon mit Anfang zwanzig
auswandern und mir die Welt ansehen“,
sagt Nina. „Ich habe es aber letztlich nie
gewagt, weil ich immer in Beziehungen
war und den jeweiligen Partner als Aus­
rede benutzte.“ Das Thema Aussteigen
wurde zwar ab und zu diskutiert. „Aber
Jürgen war so beschäftigt mit seiner Kar­
riere, dass ich dachte, der trennt sich
­sicher nie von seinen Firmen.“ Irgend­
wann bei einem Spaziergang im Mai
2017 konnte Nina nicht mehr: „Mir wur­
de alles zu eng. Obendrein hatte ich ex­
treme Schlaf­störungen entwickelt.“ Sie
wusste: Wenn sie jetzt nichts ändert,
dann geht das auf Kosten ihrer Gesund­

carpe diem 113

heit. „Lass uns neu anfangen und einfach
losfahren“, bat sie Jürgen. Und zu ihrer
Überraschung sagte der: „Okay.“ Weil
auch er immer mehr den Verdacht hegte,
dass er irgendwo falsch abgebogen war.
„Als Kind habe ich Abenteuer­literatur
regelrecht verschlungen. Jack London,
‚Moby-Dick‘ … Mein Plan damals war:
Ich werde maximal die Hauptschule be-
enden, und dann hau ich ab.“ Lachender
Nachsatz: „Aber natürlich habe ich von
allen Seiten zu hören gekriegt: Aben­
teurer ist doch kein Beruf, du musst dir
Wohnfläche bietet: Darin befinden sich
eine Matratze, selbst gezimmerte Käst-
„Der Garten
­etwas aufbauen! Also habe ich mit acht-
zehn meine erste Firma gegründet – mit
chen und eine Toilette, die nach jedem
Gebrauch entleert werden muss. Keine
in Tirol war
dem Ziel, schnell Geld fürs Reisen zu ha-
ben. Und über Jahre habe ich mich dann
Dusche. Keine Sitzgelegenheit. Als Kü-
che und Wohnzimmer dient die freie Na-
für Nina
im sinnlosen Kohleverdienen verloren.“
Heute passt das, was Nina und Jürgen
tur. Strom liefern Solarzellen am Dach.
Als ich das erste Mal das Reisemobil
die Definition
zum Leben brauchen, in ein paar Reise-
taschen. Rund zehn Kleidungsstücke
inspizieren durfte, dachte ich nur: „Him-
mel, zu zweit muss man da drin ja wahn-
von ‚Zuhause‘.
führen sie pro Person mit. Wird ein sinnig werden!“ Aber die Enge sehen Jetzt ist
T-Shirt gekauft, muss ein anderes wei- Nina und Jürgen nicht. Sie sehen die
chen. Auf der Ladefläche ihres weißen Weite. Der Garten in Tirol, von dem der Garten
Pick-up-Trucks ist ein Mini-Camper Nina sich nur schwer trennen konnte, weil
montiert, der knapp drei Quadratmeter er für sie die Definition von „Zuhause“ überall.“
114 carpe diem
war, ist jetzt überall. Mal ist ihr Garten
ein einsamer weißer Sandstrand. Dann
wieder ein Wildblumenfeld. Der tosende
Ozean. Eine Felslandschaft. „Wir waren
übrigens nicht immer so mini­malistisch
unterwegs“, gibt Jürgen grinsend zu Pro­
tokoll, als er meine Skepsis bei der „Haus­
führung“ bemerkt. „Begonnen haben wir
mit einem zwanzig Quadratmeter großen
Wohnmobil. Dazu kamen sechs Koffer
und ein paar Kisten mit Büchern. Vieles
haben wir mittlerweile verschenkt oder
eingelagert.“
Seit Dezember 2017 ist die Welt ihr
Zuhause. Familie und Freunde wurden
mit dem Satz „Wir sind dann mal weg!“
verabschiedet. Was soll man auch sagen,
wenn man kein Rückflugticket und kei­
nen Endpunkt hat? Mit 130.000 Euro –
das Geld stammte noch vom Hausver­
kauf – und tausend Träumen im Herzen
machten sich die beiden nach Vancouver
„Inmitten
Island in Kanada auf. „Vor allem die
Amerikaner, die wir unterwegs trafen,
von Bäumen,
lachten uns aus wegen unseres Budgets.
Sie meinten: Damit kommt ihr höchstens
Blumen
ein Jahr aus.“ Die Kohle sollte knapp und Bergen
dreieinhalb Jahre reichen.
vergisst man
Die Magie da draußen
USA. Neufundland. Belize. Hongkong. darauf, mehr,
Thailand. Japan. Singapur. Bali. Neusee­
land. Australien. Frankreich. Dänemark. mehr, mehr
Schweden. Italien. Schottland. Mexiko.
Mittendrin wurde das Wohnmobil ver­ hinterher-
zujagen.“
kauft, um per Flieger die Welt zu ent­
decken. Als diese Form des Reisens ihren
Charme verlor, bauten Nina und Jürgen
eigenhändig einen Van zum Camper um.
Einfach so, weil sie es lernen wollten.
Jede Station, jeder Kontinent birgt
neue Abenteuer. Jürgen besitzt mittler­
weile einen ganzen Stapel an Tagebü­
chern. Er schreibt alles auf, weil man bei
der Fülle von Eindrücken recht schnell
vergessen kann, wie viel Magie da drau­
ßen ist. Vor allem die Natur ist für die
beiden ein Kraftplatz. Draußen, inmitten
von Bäumen, Blumen und Bergen, ver­
gisst man darauf, mehr, mehr, mehr
hinterherzu­jagen. Sie haben Bären erlebt
und wurden beim Schwimmen im Meer
von wilden Delfinen begleitet. Der majes­
tätische Anblick des Grand Canyon ließ
Nina ergriffen weinen.
„Ist das alles wirklich passiert?“, fragen
sie sich manchmal. Haben wir tatsächlich
für eine Woche auf dem Grundstück ei­
nes ehemaligen Hollywoodstars geparkt?
(Ja. Man hatte einander zufällig an einem
Strand kennengelernt.) Und hatte Nina
nach einem Knöchelbruch beim Kajak­
fahren im Grand-Teton-Nationalpark,
Wyoming, wirklich aus der tiefsten Wild­
nis evakuiert werden müssen? (Yep.) Und
carpe diem 115
sind sie echt und wahrhaftig nächte­
lang wie verzaubert dagesessen und haben
in den Sternenhimmel über Neuseeland
auf die u
­ nfassbar farbenprächtige Milch­
straße geschaut? Ja, das sind sie.
Ihr Leben erscheint als geballte Wild­
romantik. Doch das, was Nina und Jür­
gen auszeichnet, ist: Die beiden beschö­
nigen nichts. Kein Fotofilter, kein hohler
#lovemylife-­ Hashtag auf ihrem Blog
@­two_on_wheels bei Instagram. Sie ge­
ben freimütig zu: Die neu gewonnene
Freiheit hat auch ihre Tücken. In ihrer
Beziehung gab’s ordentlich Knatsch. Und
in der persönlichen Weiterentwicklung
viele Zweifel und Ängste.

An dieser Stelle scheint eine Anekdote

aus Neufundland angebracht. Sechs Mo­
nate waren sie damals schon unterwegs
gewesen, und trotz Hurra, wir leben unse-
ren Traum! zeigten die Mundwinkel nach
unten. Alles nervte. Dass man 24 Stun­
den täglich auf­ein­anderklebte. Dass man
plötzlich einen völlig fremden Menschen
neben sich sitzen hatte. Ninas Rufe –
„Schatzi, schau! Ist das nicht schön?“ –
trieben Jürgen zur Weißglut. Sie wie­­der­
um war gekränkt von seiner Teilnahms­-
losigkeit. „Irgendwann wollte ich mitten
in der Pampa meinen Rucksack schnap­
pen und ihn verlassen“, erzählt Nina.
Jürgen wäre das nur recht gewesen. „Ich
habe mir inständig gewünscht, dass sie
abhaut und nie mehr wieder auftaucht.“
Was folgte, war Drama. Nina schrie
sich den Frust nur so von der Seele. „Alles
war extrem trist. Die wolkenverhangene
Landschaft. An meinem Hals lief Blut
­hinunter, so zerfressen war ich von Neu­
fundlands Kriebelmücken.“ Dazu kam
noch eine unendliche Traurigkeit, ohne
wirklich festmachen zu können, warum.

116 carpe diem

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4. GOOD GIRL
EAU DE PARFUM LÉGÈRE
CAROLINA HERRERA
Aufenthalt für 2 Personen
in der Suite „Naturspiel“,
inklusive Gourmetmenü
aus der 2-Haubenküche,
3
Genießer Frühstück, Wellness &
viel Raum für
DIE BELIEBTESTEN 1 2 individuelle Zweisamkeit.
HERRENDÜFTE
DES JAHRES:
1 Nächtigung für 2 Personen
inklusive Dinner
1. BOSS BOTTLED aus der 2-Haubenküche & Day Spa
HUGO BOSS

2. SAUVAGE
DIOR
ODER GEWINNEN
3. TERRE D‘HERMÈS
HERMÈS SIE EINEN VON VIELEN
LUXUS-DÜFTEN!

„Die Stimme
in meinem
Kopf – ist das
wirklich meine,
oder sprechen
da tausend
andere Leute
mit?“
„Heute weiß ich: Ich war traurig, weil
mein altes Ich gestorben war – und ich
habe mich die neue Nina nicht zu leben
getraut. Ich bin damit aufgewachsen, dass
man ständig was schaffen muss und ge­
schäftig zu sein hat. Einfach im Wohn­
wagen sitzen und die vorbeiziehende
Landschaft genießen, das konnte ich
nicht. Deswegen war ich seit der Abreise
aus Österreich total angespannt.“
Auch Jürgen haderte mit dem neuen
Alltag. „Ich litt an totalem Identitäts­
verlust, weil ich keine Antwort auf die
Frage hatte: Wer bin ich, wenn ich nicht
Unternehmer bin? Ist die Stimme in mei­
nem Kopf wirklich meine, oder sprechen
da tausend andere Leute mit? Die ersten
Monate konnte ich gar nichts fühlen.“
Weil Neufundlands Einöde nicht der
beste Platz für Mir reicht’s!-Alleingänge
ist, blieb Nina gar nichts anders ü ­ brig,
als  weiter im Auto zu sitzen. Hunderte
Kilo­meter und viele Tage lang schwiegen
sich die beiden in der Fahrerkabine an.
Um dann zu beschließen: „Wenn es ge­
meinsam weitergehen soll, muss jeder erst
118 carpe diem
mal an sich selbst arbeiten und sich dabei
vor allem selbst treu bleiben, auch wenn
das dem Partner nicht schmeckt.“
Nina lernte in den kommenden Mona­
ten, sich abzugrenzen. Wenn Jürgen un­
zufrieden war, war es nicht ihre Aufgabe,
ihn da rauszureißen. Und Jürgen brachte
sich mit Onlinekursen langsam alles über
Fotografie bei. Das Festhalten von Mo­
menten, die Technik, die Lichtverhält­
nisse – das gab dem neuen Leben eine
Struktur. Aber vor allem kitzelte es seine
kreative Ader wach. Und: Es löste den
Knoten im Herzen.
Vierzig Sommer, vierzig Winter
Aktuell touren die beiden – harmonisch
und zufrieden – durch den Westen der
USA. Die endlosen Naturparks, die rau­
en Küsten, die Wälder, in denen man
mit­unter das Gefühl hat, allein auf die­
sem Planeten zu sein, ziehen sie magisch
an. Es war auch Amerika, wo sie vor Aus­
bruch der Pandemie die Geschäftsidee
entwickelten, ausrangierte Schulbusse zu
Wohnmobilen umzubauen. Der Business­
plan war bereits geschrieben und einge­
reicht, doch dann setzte die Regierung
die entsprechenden Visa aus. Also blieb
nur Plan B: Jürgen aktivierte ehemalige
berufliche Kontakte, um als IT-Experte
irgendwie Geld in die Reisekasse zu spü­
len. Und weil Gesundheit und ganzheit­
liches Wohlbefinden überall auf der Welt
Thema sind, ist Nina wieder als Heil­
praktikerin aktiv.
Wenn die vier Jahre sie eines gelehrt
haben, dann das: Alles lässt sich lösen.
„Dass wir in keiner Struktur sind und je­
den Tag neu entscheiden können, was wir
machen wollen, macht alles wieder wett.“
„Wohin geht es als Nächstes?“, will ich
wissen. Jürgen zuckt mit den Schultern.
Seine Standardantwort lautet: „Keine
Ahnung. Mich erfüllt es einfach nur, auf
dem Weg zu sein.“ Nina hingegen sehnt
sich in regelmäßigen Abständen nach
e­inem Nest und hält Ausschau nach
Housesitting-Möglichkeiten.
Wie passt das auf Dauer zusammen?
„Wir finden eigentlich immer einen guten
Kompromiss.“ Wahrscheinlich, weil bei­
de dasselbe Mantra verfolgen. Es heißt
Vierzig Sommer, vierzig Winter und lässt
sie jeden Tag aufs Neue ihre Komfort­
zone verlassen. „Geht man davon aus,
dass wir zwanzig Jahre in Schule und
Ausbildung investieren und im Pensions­
alter vielleicht nicht mehr hundertpro­
zentig fit sind, um alles zu tun, wovon wir
träumen, dann bleiben rund vierzig Jahre
zum Erfüllen von Träumen. Das klingt
nach viel. Aber letztlich sind es nur vier­
zig Sommer und vierzig Winter.“
Kurze Pause. Nachsatz: „Wir wollen
jeden einzelnen davon zu etwas Beson­
derem machen.“
DREI GOLDENE REGELN
FÜRS REISEN ZU Z WEIT
Was Nina und Jürgen von
­t woonwheels.com unterwegs über
Beziehungen gelernt haben.
1. Nichts persönlich nehmen.
Die schlechte Stimmung des
anderen hat selten etwas mit
einem selbst zu tun. Einfach
dem anderen Zeit für sich geben.
Dann löst sich ­vieles von allein.
2. Optimist bleiben. Gute L­ aune
ist mindestens so leicht übertrag­
bar wie schlechte Schwingungen
– gerade in einer kleinen Fahrer­
kabine oder auf sehr engem Raum.
3. Nie den Partner so nehmen,
wie man denkt, dass er gestern
war. Der andere entwickelt sich
laufend weiter. Man muss ihn an
seinen ­Taten messen und nicht an
dem, was man zu wissen glaubt.
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Hier findest du einige Anregungen.

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Hirten- fisch
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rische Vorsilbe Göttin d. fern
Schlacht ewigen
Jugend
bislang alte
Kultur-
pflanze
2 7
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wegung Zeichen art eines Dichter unter dem manns- baustein Doktor
zu Pferd für Tantal Mitlauts † 1209 Bruch- lohn
strich
Staat mutiger
in Süd- Retter
arabien

Tank- Halbinsel dänische Hühner-

stellen- Costa Insel im produkte
kette Ricas Kattegat
6
Abk.: Stadt Erholung US-
Bundes- in Thü- Hafen-
kanzler- ringen stadt
amt 1
Geruchs- Hunnen- Käse- Sohn der
organ könig sorte Aphro-
(5. Jh.) dite
5
Idol, Kana- Schiff kräftiger rissig,
Götze rische Noahs Schubs nicht
Insel glatt
8
Vor- Frauen-
speise unter-
(… d’ kleidung
œvre) (engl.)
weiches Pflanzen- Kfz-Z. englisch:
Gewebe halm Radkers- essen
burg

Fremd- Viehfutter Berliner

wortteil: Luftfahrt-
vor messe
(Abk.)
Glaube Figur der Aufbau Frauen- chem. niederl.
an Treue „Sesam- dramat. name Element Bildhauer
straße“ Dich- (giftig) † 1626
tungen
militä-
rischer
Ehren-
4 gruß
franzö- Staat selten Abk.:
sische im Hilfs-
Ver- Orient lösch-
neinung fahrzeug
ital. englisch: Anti- Abk.:
RÄTSEL: Rätselfabrik

Kloster- Bedarf trans- im Hause

bruder pirant
(Kw.) (Mz.)
keines- süd- Wurmtier
wegs amerik.
(ugs.) Rüsseltier
3
in den Initialen
Schlaf Freuds
sinken

Auflösung auf Seite 145

120 carpe diem

Hütte zunächst gefeierte antike Fluss Wurf- Madame blauer
in Baum- Künst- Stadt am durch spiel (Abk.) Natur-
krone lerin Mittel- München farbstoff
meer
Knob-
lauch- Luft
mayon­ holen
naise
Anti- fein ge- achtsame Süß-
lopen- mahlenes Planung wasser-
art Material fisch

Tanz- Inselstaat poly­ Kfz-Z.

bewe- vor China nesische Kirchdorf
gung Segel- an der
(franz.) boote Krems
Kolben- spanisch: Anteil osteuro-
weg im gut (engl.) päische
Motor Haupt-
stadt
Wind- umgangs- Abk.: int. Kfz-Z.
seite des spr.: April Rumänien
Schiffs Buben

flach eine Tennis- Wagen

positio- Steuer, verband
nieren Abgabe (Abk.)
10 (Kw.)
Südost- röm. bergm.: folgende
europäer Fürsten- Kohlen- Seiten
ge- abbau- (Abk.)
schlecht front
große Haustier latein.: veraltet: Insel-
Dumm- der Herrin Kusine gruppe
heit Lappen vor
Alaska
Verab- US- Tauf- englisch: Abk.:
redung Astronaut zeugin Ameise Anhang
(engl.)

Kellner Abk.: Feuer, Initialen

Rüstlösch- Hitze Mandelas
fahrzeug im Grill

Abk.: italie- Abk.: Stadt am

Body nisch: Mittel- Bodensee
Mass gestern alter
Index
gelb
blühende
Garten-
pflanze
ostasia- Körper- Schiffs- österr. engli-
tisches schafts- etagen Film- scher
Laubholz steuer regisseur Männer-
(Abk.) 11 name
Kriminal- Fremd- steiler
polizei wortteil: Bergpfad
(Kw.) Herz
12
be- Stelle, nein Landes-
stimmter wo etwas (ugs.) kran-
Artikel aufhört kenhaus
(Abk.)
Musik- florenti- Ausruf Bergbach Abk.:
richtung nische nieder-
(engl. Bankiers- ländisch
Abk.) familie
englisch: dt. Auto- Abk.:
sinken mobil- Kelvin
club
9
Spritz-
vor-
richtung

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

So riecht der Sommer:

carpe diem 121

 UX
SILBENJ

all aus aus ball be be be ber bur durch Schnellerwerden im Rechtssachenbearbeiten

e ein es ex fal fall fen fest ga ge gel gen
gen ger gie gung haft hän land len leuch
lis ma man milch miss ner ni pen preis rä Rühme Täuschungsmanöver!
rei richt satz schleu schmet schup schuss
sel sen sprung te ten ten ter ter trakt
der zu Ritterbehausungen gehörende Grund
turm ü wech wet

Aus den obigen Silben sind Wörter folgender –

einen Riss aufweisende Schachfigur
nicht ganz buchstäblich gemeinter – Bedeutung
zu bilden. Die vierten Buchstaben der Lösungs-
wörter ergeben ein Wort mit der Bedeutung Reportage in Minimalzahl von Aussagen
„in einen Heckenstrauch Vernarrter“.

nicht flüssige Mängelware

Lösungswort
Zahlung für Rauchabzüge

Plättgerät fürs Kraftpotenzial

Fangvorrichtungen für britisches Fräulein

mithilfe von Lampen

Freiheitsstrafe für ein Wertpapier

Entwicklung von meteorologischen Erscheinungen im Kosmos

Haarprobleme bei Werkzeugen

oberhalb von Bergseiten

Tanzveranstaltung des lauten Gesangs

Schmeckt ihm Kuhprodukt?

RÄTSEL: Eckstein

vormaliger Gebäudeflügel

Auflösung auf Seite 145

122 carpe diem

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carpe diem Meditation –

Zeit zum Zuhören
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„carpe diem Meditation“ – die kleine Schwester des carpe diem-Podcasts
– begibt sich jeden ersten Freitag im Monat mit dir gemeinsam
auf eine Meditationsreise zu innerer Balance und Zufriedenheit.
FOTO: UNSPLASH

carpediem.life/meditationspodcast

 Hersteller: Ursapharm Arzneimittel GmbH, 66129 Saarbrücken, Vertrieb: Ursapharm Ges.m.b.H., 3400 Klosterneuburg, ursapharm.at
1
   Dossier 

SC HL AF GUT!
Wir verschlafen ein Drittel unseres Lebens –

ganz ohne faul zu sein. Schlaf ist wie Wachsein, nur anders.

Ein carpe diem-Dossier, das dabei hilft,

besser zu schlummern und am nächsten Morgen

ausgeruhter aufzuwachen. Am besten gleich im Bett lesen.

Wir wünschen eine gute Nacht!

TEXT Waltraud Hable  ILLUSTR ATION Vanessa Lovegrove

124 carpe diem

carpe diem 125
Teil 1: Das wichtigste Drittel deines Lebens Junge, alte und kranke Menschen bringen
sich sogar untertags in diesen Zustand.

Was passiert,
Und irgendwann, keiner kann genau sa-
gen wann, springen plötzlich alle wieder
auf – und tun so, als wäre nichts passiert.

wenn nichts
Sie machen einfach damit weiter, womit
sie vor dem Umfallen aufgehört haben.

passiert?
Schlaf gilt als Wundermittel.
Er kommt jede Nacht zu uns –
und das vollkommen gratis.
Doch welche Prozesse laufen
eigent­lich ab, wenn wir abschal-
ten? Eine kleine Reise durch die
Nacht. Denn wer seinen Schlaf
versteht, schlummert besser.
Verschlafene Jahre
Die Menschen nennen es Schlaf. 25 Jahre
verbringen sie in diesem Zustand, nimmt
man eine Lebenserwartung von 75 Jah-
ren her. Ein Drittel des Lebens – einfach
verpasst. Oder ist „verpassen“ vielleicht
nicht das richtige Wort?
Was passiert, wenn nichts passiert?
Ist Schlaf tatsächlich vertane Zeit? Eine
Fehlprogrammierung, die bei allen Lebe-
wesen mit entwickeltem Nervensystem
auftritt?

Stellen wir uns kurz vor, Außerirdische

kommen zu Besuch. Die Aliens haben
keine Ahnung davon, wie das Leben auf
dem Blauen Planeten funktioniert. Sie
wollen sich nur ein bisschen umschauen.
Also beobachten sie die Erdenbewohner
dabei, wie sie herumwerkeln, arbeiten,
essen, lachen. So weit, so klar. Nur eine
Sache stellt die Besucher vor ein Rätsel.
Kaum verschwindet die Sonne hinter dem
Horizont, fallen die Leute reihenweise
um. Sie plumpsen in weiche Federbetten
oder lassen sich auf Strohmatten nieder.
Wieder andere strecken sich auf  dem
­Boden aus und bleiben dort über Stun-
den nahezu regungslos liegen. Die Augen
sind geschlossen, der Atem wird flach,
der Blutdruck sinkt, die Körpertempera-
tur nimmt um bis zu ein Grad Celsius ab.

126 carpe diem

 Experten meinen, Schlaf ist dazu da,
um unseren Wachzustand optimal zu
unterstützen. Mehr noch, er verbessert
unsere Überlebenschancen, obwohl nach
außen hin wenig zu geschehen scheint:
Wir drehen uns ein paarmal herum. Wir
knirschen mit den Zähnen, stöhnen,
sabbern und brabbeln. Manchmal ma-
chen wir mit unserem Schnarchen ­einem
­Sägewerk Konkurrenz. Ein bis drei Pro-
zent der Menschen sind Schlafwandler –
und erfahren nur davon, weil sie dabei
be­ob­achtet werden. Das war’s dann aber
auch schon.
Wir wissen nicht, wie oft wir uns die
Bettdecke hochgezogen haben. Oder wie
viel Zeit vergangen ist. Wie tief unser
Schlaf war. Oder ob und was wir genau
geträumt haben. Der größte Teil des
Schlafs ist ein bewusstloser und erinne-
rungsloser Zustand – mit dem Unter-
schied, dass man aus dieser Bewusstlo-
sigkeit jederzeit aufgeweckt werden kann.
„Nur durch Trotzdem: Die Frage „Hast du gut
geschlafen?“ ist eigentlich nicht seriös
das Vergessen zu be­antworten.
Denn man mag vielleicht Auskunft
während darüber geben können, wie erholt man
sich am Morgen fühlt. Aber war der
des Schlafs Schlaf deswegen gut? Konnten sämt-
liche Wartungsarbeiten erledigt wer-
können wir den? Im Schlaf schütten wir nicht nur
vermehrt Wachstumshormone aus, die
am nächsten Tag für die Reparatur von Zellen in Orga-
nen und Geweben wichtig sind. Auch
wieder Neues das Immunsystem fahndet hochaktiv
nach Eindringlingen. Schlaf dient inso-
aufnehmen.“ fern der Regeneration – aber auch dem
Lernen: Im Gehirn ordnen sich alle
Dinge, die wir tagsüber erlebt haben.
carpe diem 127
 der Körper fährt in Vorbereitung auf die bis sechzehn Stunden. Bei Erwachsenen
„Die Frage Ruhepause die Temperatur runter. Und gelten sieben bis neun Stunden als nor­
wer tagelang wach bleibt – der Wach­ mal, ab 65 Jahren braucht man oft bis zu
‚Hast du gut halterekord liegt bei 266 Stunden, der eine Stunde weniger.
Brite Tony Wright war elf Tage und elf Dazu kommt: Ist man eher ein Mor­
geschlafen?‘ Nächte wach –, muss gar mit Halluzi­ gen- oder ein Abendmensch?
nationen, Angstzuständen, Paranoia und Diese Prägung ist vorbestimmt. Wir
ist eigentlich nicht depressiven Verstimmungen rechnen. können sie nicht durch Disziplin ändern.
Das wirft unweigerlich die Frage auf: In unseren Zellen läuft ein eigenes Zeit­
zu beantworten.“ Wie viele Stunden Schlaf brauche ich? programm ab, genannt der zirkadiane
Eines vorweg: Eine allgemeingültige Rhythmus. Dieser wird zusätzlich von
Antwort gibt es hier nicht. der Masterclock im Gehirn beeinflusst.
Unser Schlafbedürfnis ist extrem in­ Diese Masteruhr reagiert auf Tageslicht,
dividuell – es hängt vom Alter, von der Nahrung und Schlaf – alles, was regel­
Wichtiges wird im Langzeitgedächtnis Körpergröße und den Genen ab. Kleine mäßig passiert – und regt entsprechend
abgespeichert. Unwichtige Nervenver­ Lebewesen etwa brauchen mehr Schlaf als die Ausschüttung von Hormonen wie
bindungen werden gelöscht. Nur durch große: Fledermäuse schlummern zwanzig Melatonin, Serotonin und Cortisol an.
das gezielte Vergessen während des Stunden, Giraffen nur zwei. Auf Men­
Schlafs können wir am nächsten Tag schen gemünzt gilt: Babys schlafen zwölf Darf’s ein bisserl mehr sein?
wieder Neues aufnehmen. Sehr komplex, nicht wahr? Merken wir
uns der Einfachheit halber nur: Wer sich
Es geht nicht ohne dabei ertappt, an freien Tagen ungewöhn­
Kurz: Der Schlaf ist Medizin für Körper lich lange zu schlafen (obwohl am Vor­
und Geist. Fehlt diese Medizin, kön­ abend keine Party stattfand), hat sehr
nen wir uns weniger klar ausdrücken, wahrscheinlich das eigene Schlafbedürf­
Sinnesreize stressen uns mehr als sonst. nis unter der Woche künstlich verkürzt.
Übermüdet frieren wir auch leichter, denn Es bedeutet: „Ich kriege weniger Schlaf
ab, als meine innere Uhr braucht.“ Und
man sollte sich die Frage stellen: Lässt
sich nicht jeden Tag etwas mehr einbau­
en? Ein bisschen mehr geht doch immer.
Jetzt werden manche einwerfen: „Ich
Wahr oder falsch? habe kleine Kinder und/oder einen stres­
„Der Schlaf vor Mitternacht ist der beste Schlaf“ sigen Job … Ich habe mich an weniger
Schlaf gewöhnt und funktioniere trotz­
Das sagt der Experte:
dem.“
Falsch. Der Erholungsgrad hängt nicht von der Uhrzeit ab. Subjektiv mag man es so empfinden.
Entstanden ist die Behauptung deshalb, weil der Tiefschlaf
Wir glauben, dass wir mehr zustande
üblicherweise in der ersten Hälfte der Nacht auftritt –
und diese Phase als erholsamste Phase gilt. Geht jemand bringen, weil uns mehr Zeit zur Ver­
regel­mäßig um 21 Uhr ins Bett – dann wird der Tiefschlaf fügung steht. Aber Studien zeigen: Die
ziemlich wahrscheinlich vor 24 Uhr eintreten. Wer sich Leistungsfähigkeit ist nicht die gleiche,
­hingegen erst um ein Uhr schlafen legt, erlebt die erhol- wenn die innere Uhr (aus welchen Grün­
samste Phase zwischen ein und vier Uhr nachts.
den auch immer) ignoriert wird. Wir
Gut zu wissen: Studien zeigen, dass mit Entspannungs­ sind fehleranfälliger, unkonzentrierter,
techniken der Tiefschlaf leicht verlängert werden kann. Sekundenschlaf passiert, und auch emo­
tional sind wir weniger belastbar.
Insofern tut man gut daran, so exakt
wie möglich seinem persönlichen Schlaf­

128 carpe diem

 Wahr oder falsch?

„Die Schlummer-Funktion
beim Wecker stört meine innere Uhr“

Das sagt der Experte:

Die Schlafforschung rät von der Snooze-Funktion ab–
also vom wiederholten und zeitlich versetzten Klingeln
des Weckers nach dem ersten Weckruf. Ist man beim
ersten Klingeln noch sehr müde, ist es sinnvoller, weiter­
zuschlafen, denn nur so lässt sich auch die Schlaftiefe
erreichen, die für unser Schlafbedürfnis ausreichend ist.

SO LÄUFT DEIN SCHLAF AB Fundierte Studien gibt es jedoch bis dato dazu nicht.
Over and out? Von wegen! Schlaf ist
kein gleichförmiger Vorgang. Während
eines achtstündigen Schlafs durchlaufen
wir etwa fünf Zyklen zu je 90 Minuten.
Nach jedem Zyklus wachen wir kurz auf,
können uns aber selten daran erinnern.
Zudem besteht jeder Zyklus aus vier
Phasen (siehe unten), die unterschiedlich
ablaufen: In der ersten Schlafhälfte
erleben wir mehr erholsamen Tiefschlaf bedürfnis nachzukommen und notfalls
und nur wenige Sekunden REM-Schlaf. auch mit Powernaps vorzuschlafen.
Gegen Morgen hin haben wir mehr REM-­ Ebenso wichtig ist, Störfaktoren aus
Phasen, die zwischen 30 und 60 Minuten dem Weg zu räumen. Smartphones und
dauern können.
Computer abends sind zum Beispiel
N1-PHASE: Leichter Schlaf, Übergangs-
Schlafkiller. Zum einen, weil sie uns in
stadium zwischen Wachzustand und Alarmbereitschaft versetzen: „Was läuft
Schlaf. in den News? Rabatt beim Online-Shop-
ping!“ Derart emotional aufgeschaukelt
N2-PHASE: Stabiler, mitteltiefer Schlaf wird das Abschalten schwierig. Oben-
– so verbringen wir die Hälfte der Lebens-
drein geben Bildschirme Blaulicht ab.
schlafenszeit.
Dieses kann dazu beitragen, dass das
N3-PHASE: Tiefschlaf. Die erholsamste Hormon Mela­ tonin, das bei Dunkel-
Schlafphase, wichtig für Immunsystem und heit produziert wird und den Körper auf
Gedächtnisbildung. Wir sind nur schwer Schlaf einstellt, unterdrückt wird und wir
weckbar, nehmen aber Geräusche oder später müde werden, als gut für uns ist
Düfte wahr. Schlafwandeln passiert meist
(mehr dazu auf den folgenden Seiten).
im Tiefschlaf.
Was man aber bei all den Empfeh-
REM-SCHLAF: REM steht für Rapid  lungen und Fakten, die wir präsentieren,
Eye Movement. Wir machen schnellere nicht vergessen sollte – und was auch
Augenbewegungen und haben stärker für Alien-Besucher als klares Muster er-
durchblutete Geschlechtsorgane; Hirn­
kennbar ist: Der Schlaf vergisst nicht auf
aktivität und Herzschlag ähneln jenen
im Wachzustand. Unsere Muskulatur
die Menschen. Niemals. Es mag zwar
ist vom Hirnstamm abwärts gelähmt, bis manchmal schwierig mit ihm sein. Aber
auf ein paar Zuckungen ist Bewegung irgendwann holt er sie dann doch. Wenn
unmöglich. Werden wir im REM-Schlaf nicht in dieser Nacht, dann eben in der
geweckt, sind wir oft wie gerädert. REM- nächsten. Und er kümmert sich darum,
Schlaf gilt als Haupt-Traumphase, emo­
dass alle nach einer guten Nacht auch ei-
tionale Ereignisse werden hier verarbeitet.
nen guten Morgen haben.
Eigentlich beruhigend, oder?

carpe diem 129

 Teil 2: Kluges Essen – ruhige Nächte

Ein Teller voller Schlaf

Mund auf, Augen zu. Welche Lebensmittel tun unserem Schlaf gut?
Welche stören ihn? Wir präsentieren vier schlummerfreundliche
­Kandidaten – und vier, die man besser schon nachmittags genießt.

130 carpe diem


JA
, B . ..
ITTE.......
Walnüsse
Gesundes Betthupferl: Das in
Walnüssen enthaltene Tryp­
tophan wird zu Serotonin
umgewandelt, das wiederum
zum Schlafhormon Melato­
nin wird.
..
..B
ITTE
NICH
Hartkäse
Hartkäsesorten wie Parme­
san, Bergkäse, Cheddar oder
Emmentaler sind reich an
ungesättigten Fettsäuren und
schwer zu verdauen. Geht
man direkt nach dem Verzehr
ins Bett, können Sodbrennen
und Brustschmerzen die Folge
sein. Lieber drei, vier Stunden
vor dem Schlafengehen den
letzten Käsehappen einwerfen.
.Z
...
. ..
Kichererbsen
Kichererbsen sind voll mit
Vitamin B6, das eine entspan­
nende Wirkung auf uns hat.
Entweder warm genießen oder
als Hummus.
. ...............
...
. ..
. ..
. ..
T.
Bitterschokolade
Was viele oft übersehen: Eine
halbe Tafel dunkler Schoko­
lade enthält so viel Koffein wie
eine halbe Tasse Schwarztee
bzw. ein Viertel der Koffein­
menge von Kaffee.
ZZZZZZZZ
ZZ
..
Warme Milch mit Honig
Vorweg: Die schlaffördernde
Wirkung dieses oft propagier­
ten Hausmittels ist nicht wis­
senschaftlich erwiesen. Zwar
enthält Milch Melatonin und
Tryptophan. Doch die Men­
gen sind zu gering, um den
Einschlafprozess zu beschleu­
nigen. Allerdings scheint ein
psychologischer Effekt zu be­
stehen. Milch macht satt, sie
entspannt, und wir kommen
leichter zur Ruhe.
..
Rohkost
Rohes Gemüse, Blattsalat und
Kohl liefern wichtige Ballast­
stoffe. Sie gären aber auch im
Darm und produzieren Gase.
Da man sich abends meist we­
nig bewegt – wir wandern von
der Küche höchstens ins Bad
oder gleich auf die Couch –,
können sie schlecht aus dem
Körper abtransportiert wer­
den. Das Ergebnis: Man plagt
sich mit einem Blähbauch her­
um und schläft unruhig.
..
..
..
..
...
....
Sauerkirschsaft
Sauerkirschen zählen zu den
besten Melatoninquellen der
Natur. Vor allem die Sor­
te Montmorency, die aus den
USA kommt, enthält sechsmal
so viel Melatonin wie andere
Sauerkirschsorten. Forscher
der britischen Northumbria-­
Universität fanden heraus,
dass ein Glas Montmorency-­
Sauerkirschsaft täglich so­
wohl die Schlafdauer als auch
die Schlaftiefe positiv beein­
flusst. Rund 25 Minuten mehr
Schlaf sollen damit drin sein.
Tipp: Das abendliche Glas
Wein oder Bier gegen Sauer-
kirschsaft austauschen.
..
..
..
...
......
Süße Obstsorten
Weintrauben, Mangos, Bana­-
nen oder Datteln geben uns
infolge ihres hohen Frucht­
zuckergehalts einen Energie­
schub. Doch wohin mit der
Power so kurz vorm Schlafen?
Wird mehr Fruktose auf­
genommen, als der Körper
benötigt, werden die über­
schüssigen Kohlenhydrate
umgehend in Fett umgewan­
delt. Kurz: Das Ganze ist eher
ungünstig – für den Schlaf
und die Gesundheit.
carpe diem 131
Teil 3: Erste Schlummer-Hilfe

Ich kann nicht

einschlafen
Kein Problem, das kriegen wir
gelöst! Eine Schlafforscherin
und eine Schlaf-Coachin
verraten, wie man besser TEHEN
V ERS
ein- und durchschläft. F
LA
H
C

S
N
TE
U
G

ch R
S

ri
tt FÜ
1: D I E B A S IS Lavendelkissen? Wechselatmung? Oder
doch Schäfchen zählen? Die Wiener
Schlafforscherin Dr. Brigitte Holzinger
(traum.ac.at) sieht die Sache so: „Guter
Schlaf braucht als Grundpfeiler vor allem
eines: die richtige Haltung. Wir müssen
Wahr oder falsch?
uns selbst entlasten, in vielen Bereichen
„Gemeinsam schlafen ist besser für die Gesundheit“ des Alltags.“
Das sagt der Experte:
Wer also mit Ein- und Durchschlaf-
problemen kämpft, kann sich folgende
Falsch. Rein objektiv betrachtet wird der Schlaf mehr
gestört, wenn man sich ein Bett teilt – durch Bewegungen Fragen stellen:
des anderen, Schnarchen etc.
Ist die Beziehung jedoch gut und der Partner hat keine Was stört meinen Schlaf?
Schlafstörungen, kann die Schlaferholung im geteilten „Gerne wird übersehen, dass Ein- und
Bett subjektiv als besser empfunden werden, weil man sich Durchschlafprobleme auch rein körper-
sicherer und geborgener fühlt. liche Ursachen haben können“, sagt Dr.
Gut zu wissen: Alles, was das Paar physisch trennt – zwei Brigitte Holzinger. „Atembezogene Stö-
­Matratzen, Bettdecken –, reduziert mögliche Schlafunter-
rungen wie Schlafapnoe – hier kommt
brechungen. Sollte ein Partner schnarchen, kann man z. B.
abends romantisch kuscheln und sich dann in seinen eige-
es nachts zu Atemaussetzern – bleiben
nen Bereich zurückziehen. Das ist langfristig oft besser für gerade bei allein lebenden Menschen oft
die Paarbeziehung, als ständig unausgeschlafen zu sein. unentdeckt. Auch das Restless-Legs-­
Syndrom, das sich in Bewegungsdrang
und Kribbeln in den Beinen äußert, kann
eine Rolle spielen.“

132 carpe diem

 Daher sollte man erst medizinisch ab-
klären, ob die Schlafprobleme vielleicht
physischer Natur sind.
Bin ich ein Morgen- oder
Abendmensch?
Ist körperlich alles in Ordnung, gilt es
her­auszufinden: Habe ich in der Früh
mehr Energie? Oder laufe ich abends
zur Hochform auf? „Prinzipiell ist unser
Schlaftyp vorherbestimmt, wir werden
damit ge­boren und können ihn auch nicht
ändern“, sagt Dr. Holzinger. Volle Ter-
minkalender und Verpflichtungen lassen
uns aber oft das Gefühl dafür verlieren.
„Erschwerend kommt hinzu: Wir haben
die Nacht gern, weil wir dann anders ge-
stimmt sind. Um nur ja nichts zu versäu-
men, ignorieren wir unsere Müdigkeit,
wir bleiben länger auf der Party, schauen
noch eine Folge der TV-Serie …“
Tipp: Im Urlaub – entkoppelt vom All-
tag – kann man seinen Chronotyp wieder
spüren lernen. Auch Schlaftypen-Tests
im Internet bieten eine Orientierung. Den
Schlaftypus zu leben setzt aber Disziplin
voraus. Ein erster Schritt diesbezüglich:
Überkommt mich die Müdigkeit, lege ich
mich nicht auf die Couch, sondern mache
mich gleich in Richtung Bett auf.
Bin ich zu müde zum Schlafen?
„Damit das Gehirn in den Schlafmodus
umschalten kann, braucht es Kraft“, er-
klärt Holzinger. „Diese fehlt aber oft-
mals. Wir sind schlicht zu müde, um
einzuschlafen – so paradox es klingt.
Insofern ist es wichtig, bereits untertags
Pausen einzulegen und sich nicht bis zur
Erschöpfung auszupowern. Damit wird
ein wichtiger Grundstein für besseren
Schlaf gelegt.“
Kann ich mein Hirn entlasten?
Für Holzinger eine vielversprechende
Methode aus der kognitiven Verhaltens-
therapie: Man schreibe vor dem Schlafen­
gehen alles auf, was einem durch den Kopf
geht; als Tagebuch, To-do-Liste, Notiz.
Wer seine Grübeleien zu Papier bringt,
parkt sie dort quasi über Nacht und kann
dann entspannter zu Bett gehen.
Wie schenke ich mir Struktur?
„Als Menschen haben wir drei wichtige
Zeitgeber: Licht, Essen und Schlaf “,
erklärt Dr. Holzinger. „Sie geben unse-
ren inneren Rhythmus vor. Kommt der
Schlaf etwa wegen Schichtarbeit aus dem
Takt, ist es wichtig, zumindest bei den
anderen Zeitgebern eine Regelmäßigkeit
zu leben, also etwa immer zur selben Zeit
zu Mittag zu essen oder immer zur selben
Zeit Sport und Bewegung zu machen.“
Ein Trost zuletzt:
Wer wach liegt, kann die Zeit zum Me-
ditieren und für Atemübungen nutzen,
anstatt sich frustriert herumzuwälzen.
Nicht nur kommt so der Geist zur Ruhe,
der Körper folgt ihm meist nach – und
wir schlafen automatisch ein.
carpe diem 133
 it t 2: W
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C
S
H
E
R
„Wer das richtige Entspannungs- und
Einschlafritual für sich finden will, sollte
sich erst mal fragen: Welcher Sinnestyp
bin ich?“, erklärt Melanie Pesendorfer
von dieschlafcoachin.at.
„Um den jeweiligen Sinnestyp zu eru­
ieren, lasse ich meine Klienten zum Bei­
spiel von ihrer letzten Reise erzählen.
Schwärmen sie von den Sonnenunter­
gängen, den Obstständen oder den bun­
ten Häusern, dann habe ich es tendenziell
mit visuellen Typen zu tun. Erinnert sich
jemand vor allem an das Meeresrauschen,
die Musik, das Singen der Vögel, zählt er
oder sie zum auditiven Typ.“
Insgesamt, so erklärt Pesendorfer,
gebe es fünf Typen, das Ganze nehme
An­leihen im Neuro-Linguistischen Pro­
grammieren (NLP). „Manche Menschen
sind auch Mischtypen. Aber zu wissen,
welche Hauptsinnesorgane angesprochen
werden müssen, ist zum Entwickeln von
Einschlafritualen essenziell.“
SEHEN:
Das hilft visuellen Sinnestypen
„Hier kann hilfreich sein, vor dem Schla­
fengehen zu malen, zu zeichnen, sich
­einen schönen Bildband, Kerzenflackern
oder die Sterne anzuschauen“, rät Mela­
134 carpe diem
S
IN
NES IC
TYP BIN
nie Pesendorfer. Auch eine Fantasiereise
im Kopf tut gut oder ein Dankbarkeits­
tagebuch, in dem man vor dem Einschla­
fen immer wieder liest.
HÖREN:
Das hilft auditiven Sinnestypen
Schön, dass es mittlerweile eine so große
Auswahl gibt (siehe auch Seite 136/137)!
Märchen in Hörbuchform für Erwach­
sene, geführte Meditationen, klassische
Musik, CDs mit Meeresrauschen, Kamin­
knistern oder Walgesängen …
„Erfolgversprechend sind außerdem
sogenannte binaurale Beats“, empfiehlt
die Schlafcoachin. Binaural bedeutet,
dass über Kopfhörer das linke und das
rechte Ohr mit jeweils unterschiedlichen
Schallfrequenzen bespielt wird. Links
hört man z. B. einen Ton mit 440 Hertz,
rechts mit 430 Hertz. Im Gehirn wird ein
Ton mit einem Mittelwert von 435 Hertz
erzeugt. Das Ganze habe entspannende
Wirkung auf unser Gehirn.
RIECHEN:
Das hilft olfaktorischen Typen
Mmmh, der beruhigende Duft von Zir­
benholz und Lavendel. Oder stimmungs­
aufhellendes Zitronenmelissenöl …
H ?
„Es geht aber auch subtiler“, meint
Melanie Pesendorfer, „man kann einfach
das Fenster öffnen und bewusst Frischluft
schnuppern oder an gutem Tee riechen.
Auch frisch gewaschene Bettwäsche sorgt
für ein wunderbar wohliges Gefühl.“

FÜHLEN:
Das hilft kinästhetischen Typen
Vereinfacht gesagt geht es hier ums Füh­
len, ums Angreifen, ums Berühren.
„Das kann das Streicheln der Katze
sein, oder man wickelt sich in eine Ku­
scheldecke. Viele vertrauen auch auf ein
Seitenschläferkissen, das man sich an
den Bauch drückt und das ein Gefühl
von Geborgenheit gibt“, sagt Pesendorfer.
Gewichtsdecke oder Kuschelroboter (sie-
he Seite 136) können eine gute Idee sein.
Ebenfalls wichtig: Steht das Bett rich­
tig? Fühle ich mich gut aufgehoben?
SCHMECKEN:
Das hilft gustatorischen Typen
„Menschen dieses Typus brauchen zur
Entspannung einen guten Geschmack im
Mund. Oft reicht schon ein Dragee oder
ein Minzbonbon“, so Pesendorfer.
„Der Anteil des gustatorischen Typus
in der Bevölkerung ist aber eher gering.“

Wahr oder falsch?
„Die gesündeste Schlafposition ist die Rückenlage“
Das sagt der Experte:
Grundfalsch. Aus motorisch-physiotherapeutischer Sicht ist
es günstig, die Schlafposition öfter zu wechseln. Nur so
können wir sicherstellen, dass Gelenke und Muskeln nicht
immer gleich belastet werden. Die Rückenlage kann sogar
eher zu Problemen führen. Sie begünstigt bei älteren M­ en-
schen das Schnarchen und nächtliche Atemaussetzer, weil
in dieser Position die Gaumen-/Rachenmuskeln einfallen.
Gut zu wissen: Sich eine „perfekte“ Schlafposition anzu-
trainieren, weil diese z. B. für weniger Falten im Gesicht
sorgt oder eine Körperpartie entlastet, ist sinnlos.
AUCH DAS KANN HELFEN …
Melanie Pesendorfer über drei Strategien,
die jeder in sein Leben integrieren kann:
 Der „Verkehrt im Bett“-Trick: 
Wachen Kinder nachts auf, drehen sie
sich oft einmal im Bett herum. Sie wan-
dern mit dem Kopf dorthin, wo vorher
die Füße waren – und schon schlafen sie
wieder ein. Der Ortswechsel scheint zu
beruhigen. Man verändert seine Schlaf-
position, man tut was gegen die Situation,
die einen hat aufwachen lassen, jetzt
kann man wieder weiterträumen …
 Die „Ein Schritt, ein Atemzug“-Strategie: 
Es reicht nicht, nur am Abend Entspannung
zu suchen. Wir müssen sie auch untertags
einbauen, etwa durch kontemplatives
­Gehen. Dabei schreitet man für ein
paar Minuten quasi in Zeitlupe dahin.
Ein Schritt, ein Atemzug.
 Die „My bed is my castle“-Taktik: 
Das Schlafzimmer sollte zum schönsten
Raum der Wohnung gemacht werden.
­Bügelbrett raus, Computer ebenso, hoch-
wertige Bettwäsche rein. Wir schlafen
25 Jahre unseres Lebens – dieser
Umstand allein sollte uns animieren,
den Schlafplatz zu zelebrieren.
Wie finde ich einen
guten Schlafcoach?
Der Begriff „Schlafcoach“ ist – wie
­übrigens die meisten Coaching-Berufe –
nicht geschützt. Umso wichtiger ist es,
wirklich qualifizierte Hilfe zu suchen.
In Österreich bietet die MedUni Wien
Ausbildungen zum „zertifizierten Schlaf-
coach“ an, ein Programm, das nicht-­
medikamentöse Lösungen für Ein- und
Durchschlafprobleme anbietet. Am besten
nach diesem Diplom Ausschau halten.
Mehr Infos: schlafcoaching.org
carpe diem 135
Teil 4: Vom Kuschelroboter bis zum Schlafring
Schlafen auf Knopfdruck?
Diese Gadgets versprechen ein schnelleres Date mit dem Sandmann.
Gewichtsdecken
Was? Manchmal braucht man das Ge­
fühl, ganzheitlich umarmt zu werden.
Gewichts- und Therapiedecken erfüllen
genau diesen Zweck. Sie sind mit win­
zigen Edelstahl- oder Glasperlen gefüllt
und wiegen idealerweise etwa zehn Pro­
zent des eigenen Körpergewichts. Der
Tiefendruck, den die schwere Decke auf
den Körper ausübt, soll das vegetative
Nervensystem anregen, die Serotonin­
produktion ankurbeln und ganzheitlich
entspannen. Die Decken kommen bei
Schlaf- und Angststörungen, Autismus
und ADHS zum Einsatz. Erhältlich für
Kinder und Erwachsene.
Wo? Zum Beispiel bei  gravitydecke.de
oder therapiedecken.de
Wahr oder falsch?
„Sprachen lernen im Schlaf kann funktionieren“
Das sagt der Experte:
Wahr. Trotzdem kommt man ums Vokabel- und Grammatik­
pauken nicht herum. In Laborsituationen hat sich gezeigt:
1. Sich ohne vorheriges Lernen nachts mit Vokabeln
­beschallen zu lassen bringt nichts.
2. Haben die Studienteilnehmer hingegen gelernt und
­hören sie die Sprache über Tonaufnahmen auch nachts,
ist ihr Erinnerungsvermögen leicht verbessert.
Gut zu wissen: Schlaf hilft generell beim Abspeichern,
und ausgeschlafen funktioniert u­ nser Gedächtnis besser.
136 carpe diem
Kuschelroboter
Was? Nie mehr allein im Bett! Der Schlaf­
roboter ähnelt optisch einem ergonomisch
geformten Kissen. Er wird im Bett sanft
an den Bauch gedrückt und gibt eine
Art Atemvibration ab, an deren Rhyth­
mus sich Schläfer automatisch anpassen.
Gleichzeitig kann das Kissen entspannen­
de Musik und beruhigende Herzschlag­
töne abspielen.
Wo? Bei somnox.com
SCHLUMMER-APPS
• Calm
Geführte Meditationen, Atemübungen,
Einschlafgeschichten, Musik – alles
in einer App.
• Headspace
Hunderte geführte Meditationen zum
Thema Schlaf.
• Sleep Cycle
Das Smartphone wird nachts auf der
­Matratze platziert (geht auch im Flug­
modus). Mittels Bewegungssensor werden
die S
­ chlafbewegungen aufgezeichnet.
Das Ziel: Die App weckt einen genau
dann, wenn man sich in einer l­eichten
Schlafphase befindet. Dies soll das 
Aufstehen erleichtern.

Licht-Metronom
Was? Schon mal von einem Licht-Metro­
nom gehört? Dabei wird von einem hand­
tellergroßen Gerät ein Licht an die Zim-
merdecke projiziert. Wird der Lichtkreis
größer, atmet man ein. Wird er kleiner,
atmet man aus. Ziel ist es, die Atmung zu
beruhigen und auf sechs Atemzüge pro
Minute herunterzufahren. Das Fokus-
sieren auf das Deckenlicht soll zusätzlich
das Gedankenchaos beruhigen und dabei
helfen, innerhalb von acht bis zwanzig
Minuten einzuschlafen.
Wo? Zum Beispiel bei mydodow.com
Schlafring
Was? Der Schlafring, bestehend aus kratz-
festem Titan, sieht aus wie ein normaler
Ring. Er wird Tag und Nacht am Finger
getragen. Untertags messen die Sensoren,
wann man aktiv und i­naktiv ist, wie viel
Schritte man getätigt hat etc. Abends
zeichnen sie die Schlafens­zeit auf, die
Herz- und Atemfrequenz, Körpertem-
peratur, nächtliche Bewegungen, Leicht-,
Tief- und REM-Schlaf. Der Ring ersetzt
kein Schlaflabor, aber das Gadget kann
für Faktoren, die guten Schlaf ausma-
chen, sensibilisieren.
Wo? Bei ouraring.com
Wahr oder falsch?
„Schlafmangel führt zu Übergewicht“
Das sagt der Experte:
Das ist richtig. Wer zu kurz schläft, hat ein um 35 Prozent
erhöhtes R ­ isiko, übergewichtig zu werden – denn unser
Verlangen nach fettigen, süßen – sehr kalorienhaltigen –
Nahrungsmitteln wird bei Schlafmangel größer.
Obendrein scheint kurzer Schlaf Verände­run­gen bei den
Hormonen zu bewirken, die für unsere Ver­dauung und
unsere Appetitregulation wichtig sind.
Generell ist das Schlafbedürnis von Person zu Person
jedoch unterschiedlich.
GUTE-NACHT-PODCASTS
• Einschlafen mit Wikipedia
Mit Fadesse in den Schlaf? Funktioniert!
Bei diesem Podcast wird enzyklopädisches
Wissen aus Wikipedia mit monotoner Stim-
me vorgetragen. Von „Der Cashewbaum“
bis „Das Faultier“.
• Beruhigende Geräuschkulissen
Badesee, Klimaanlage, Rauschen, Geschirr-
spüler, knisterndes Lagerfeuer – was darf’s
denn sein? Der jeweilige Geräuschteppich
wird jeweils 30 Minuten lang gespielt.
• Good Night Stories
Bietet zehn- bis fünfzehnminütige Einschlaf-
geschichten aus der Reisewelt, vorgelesen
von den jeweiligen Autoren.
• Mindful Sessions
Die deutsche Life-Coachin Sarah Desai gibt
Anregungen zum Thema Achtsamkeit, Spiri-
tualität und Selbstverwirklichung und bietet
auch geführte Meditationen.
• Gute Nacht mit carpe diem
Sich wohlig einkuscheln und in eine Ge-
schichtenwelt entführt werden – das geht
auch mit carpe diem! Einmal im Monat lesen
wir dir eine Gute-Nacht-Geschichte vor.
Einen Vorgeschmack gibt’s gleich auf der
nächsten Seite.
carpe diem 137
 D
ie Nacht löst den Tag ab. Und das Mäd­ erkennen, aber sie können keine ­Gestalt ausma­
chen starrt in die dunkle Stille des Zelts, chen. „Hier unten“, sagt die Stimme. Ein Busch­
in dem sie liegt. Wenn sich der schwar­ hase mit graubraunem Fell schaut sie belustigt aus
ze Vorhang über die Welt legt, ist ihr das dunklen, mandelförmigen Augen an. Hinter ihm
jedes Mal aufs Neue un­ thront freundlich lächelnd
heimlich. Alles, was Afri­ ein Stachelschwein. „Ihr
kas Savanne für sie schön könnt sprechen?“, fragt das
und aufregend macht, Mädchen. „Na klar“, sagt
scheint von einer finsteren
Wolke verschluckt zu sein. Von Sternen der Buschhase und kratzt
sich mit einem Hinterlauf
Das Steppengras: Unter­ seine Riesenlöffel. „Jeder
tags ist es grün, gelb, rot.
Jetzt geben die Halme und kann sprechen.“ – „Nein,
Tiere können das nicht“,
nur ­gespenstisch  rascheln­ schüttelt das Mädchen den
de Schatten ab. Auch das
Zwitschern der Vögel ist
sprechenden Kopf. „Bloß weil du unse­
re Sprache nicht sprichst,

Hasen
verschwunden, das Mäd­ heißt das nicht, dass wir
chen hört bloß den eige­ nicht sprechen können. Du
nen Atem und ein paar musst nur genau hinhören,
Kröten quaken. Ihre Au­ wie jetzt.“ Das Mädchen
gen wandern zum Feldbett
Noch immer wach? schaut von links nach
der Eltern. Es ist leer. Die Waltraud Hables ­ rechts. „Ich werde wie­
Erwachsenen sitzen noch Gute-Nacht-Geschichte der hineingehen“, sagt sie
draußen am Lagerfeuer, schließlich. „Wieso denn?“,
macht das Tor
der Nachtwind trägt Wort­ wollen der Hase und sein
fetzen und leises Lachen zur Traumwelt auf. stacheliger Kumpane wis­
herüber. sen. „Nachts gehen viele
gefährliche Kreaturen um,
„Komm raus“, flüstert plötz­ es ist nicht sicher“, flüstert
lich eine Stimme. Sie klingt fremd, aber trotzdem das Mädchen. Der Hase und das Stachelschwein
irgendwie vertraut. „Komm raus“, tönt sie beharrlich. blicken einander belustigt an. „Aber die Nacht ist
Das Mädchen öffnet den Reißverschluss ihres Zelts. genauso wie der Tag, nur die Lichtverhältnisse sind
Ihre Augen versuchen, in der Dunkelheit etwas zu anders“, meint der Hase. „Der Mond ist wie die

138 carpe diem

Sonne“, wirft das Stachelschwein ein. Und dann
meinen beide mit einladender Geste: „Ach komm,
setz dich zu uns. Bloß für ein paar Minuten. Die
Nacht macht dir nur deshalb Angst, weil du sie nicht
verstehst.“ Das Mädchen hockt sich zögerlich neben
den Busch­hasen. „Was verstehe ich nicht?“, fragt sie.
Auf dieses Stichwort scheint der Hase gewartet zu
haben. Er räuspert sich, streckt die Löffel kerzen­
gerade in die Höhe und beginnt, von den Vorzügen
und Geheimnissen der Dunkelheit zu schwärmen,
während das Stachelschwein nach jedem Satz thea­
tralisch mit seinem Schwanz klappert. Das Mädchen
bekommt zu hören, dass der Rückzug der Sonne eine
Wohltat sei, sowohl für lichtempfindliche Augen als
auch für pelzige Haut. Die Nacht biete obendrein
Schutz für kleine Lebewesen – Regenwürmer, Frö­
sche, Schnecken, Motten, Nachtfalter. „Sie alle ha­
ben in der Dunkelheit weniger Fressfeinde, und ihre
Haut bleibt elastisch und feucht, in der Sonne aber
würden ­viele verbrennen.“
Eine Fledermaus zischt vorbei und landet vor dem
Trio. „Ich habe euch belauscht von da oben. Die
Nacht ist großartig“, pflichtet sie dem Hasen und
dem Stachelschwein bei. „Vor allem aus meiner Per­
spektive passieren die unglaublichsten Dinge.“ Man
könne Liebespaare beobachten. Tierbabys, die erste
Schritte in die Welt machen. Sogar die Bäume seien
entspannter. Sie senken nachts ihre Äste ganz leicht
herab, bevor sie sich morgens wieder der Sonne ent­
gegenstrecken. „Nachts wird aber auch gejagt“, wirft
das Mädchen ein. „Löwen könnten euch was antun.“
Der Hase lacht, und das Stachelschwein plustert sich
auf. „Diese halbstarken Felltiger müssen uns erst
einmal kriegen. Und wenn – na, dann ist es eben
so. Wir alle brauchen was im Bauch.“ Das Mädchen
schüttelt resigniert den Kopf. In diesem Moment ge­
sellt sich eine Eule dazu und nimmt dem Hasen und
dem Stachelschwein mit ihrer natürlichen Autorität
die Gesprächsführung ab. „Mädchen, du bist in der
Nacht nicht so hilflos, wie du vielleicht glaubst. Du
hast von der Natur tolle Sinne mitbekommen. Wenn
du nicht sehen kannst, kannst du immer noch h ­ ören.
Du kannst tasten, riechen, schmecken. Vertraue auf
diese Fähigkeiten, sie sind ein Teil von dir.“ Und
dann sagt die Eule, die nicht umsonst als die Weise
gilt: „Du hast auch deine Intuition, deinen inneren
Kompass. Der lässt dich nie im Stich.“ Und so lautlos
wie sie gekommen ist, verschwindet sie auch wieder.
Das Mädchen schaut der Eule nach, und ihr Blick
verliert sich im Sternenhimmel, dem Glitzern und
Funkeln, der Himmel sieht wie ein endlos weiter
­Diamantenteppich aus. „Schön, nicht wahr?“, sagt
der Hase. „Die Magie kommt jede Nacht aufs Neue
zu uns. Die Sterne geben uns Licht und Orien­
tierung, damit wir uns besser zurechtfinden.“ Und
dann sagt der Hase, der immer ein bisschen neidisch
auf die Wortwahl der Eule ist, etwas, das auch dem
weisen Vogel gefallen würde. „Die Sterne sind aber
auch dazu da, dass du träumst. Vergiss niemals zu
träumen.“
Die Mutter deckt das Mädchen zu. „Pssst“, sagt sie
zum Vater. „Sie ist eingeschlafen. Ich hoffe, sie erlebt
etwas Schönes.“
Die Geschichte
zum Anhören auf:
carpediem.life/
gutenacht
carpe diem 139
ZEIT FÜR EIN ABO

carpe diem ZEIT FÜR EIN GUTES LEBEN

05/21
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Ausgabe 6 April / Mai 2020

ZEIT FÜR EIN GUTES LEBEN
5/20 ZEIT FÜR
ZEIT FÜR EIN
EIN GUTES
GUTES LEBEN
LEBEN
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5/20 ZEIT FÜR
ZEIT FÜR EIN
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EIN GUTES
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ZEIT FÜR EIN
EIN GUTES
GUTES LEBEN
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ZEIT FÜR EIN
EIN GUTES
GUTES LEBEN
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STARK WIE FÜR IMMER JUNG

Wie Intervallfasten
WUNDERSAME EIN BAUM frische Zellen zaubert
KRAFTPLÄTZE So gesund ist
das Training im Wald
Wie sie uns stärken UROMA UND ICH
und beleben
Unsere Ahnen als
LIEBE SONNE geheime Kraftquelle
SCHNUPPER Wie sie Sinne und
Seele wachkitzelt
DICH FROH n, mag er u
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Ätherische Öle m
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für gute Laune o

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ir ei
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ordn
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sein
gan
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Wes

„We
en .“

Denk anders
Wie wir unserem Gehirn die Flausen austreiben
DenkSuperhelden
Kleine anders
Warum die Erbse
Wie eine Riesenportion
wir unserem Gesundheit
Gehirn die auf deinen Teller zaubert
Flausen austreiben Wie es im Kopf entsteht,
Wie wirwie Langeweile
unserem
Denkzum
Zurück
Gehirnesdie
anders
nährt
Glück
und was
Flausen ein Kuss damit zu tun hat.
austreiben
Denk anders
Wie
Wie wir
wir unserem
unserem Gehirn
Gehirn die
die Flausen
Flausen austreiben
austreiben
Denk
Wir essen anders
uns gesund Lebensmittel,
Wie wir unseremdie das Immunsystem
Gehirn stärken,
die Flausen austreiben
AllesDenk
wird gut,anders
wenn du liebst
Die beste Medizin:
Wie wirWarum die Wissenschaft
unserem uns Herzenswärme
Gehirn die Flausen austreiben verschreibt
und dabei entspannter, freudvoller und länger leben unddu
Plus: Wie dabei entspannter,
Superfood freudvoller
erkennst undeinfach
und ganz länger leben
damit kochst Plus: Philosoph
und dabei Michael Köhlmeier
entspannter, über die
freudvoller undMacht
längerder Wahrheit.
leben und
und dabei
dabei entspannter,
entspannter, freudvoller
freudvoller und
und länger
länger leben
leben Verkühlungen verscheuchen
und dabei entspannter, und beimund
freudvoller Einschlafen helfen
länger leben und dabei entspannter, freudvoller und länger leben
GZ 19Z041675 P

KOMM, WIR GRILLEN Gesund, einfach und soooo gut WASSER, BITTE! Warum wir es lieben und brauchen KOMM, WIR
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liebendes
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brauchen
DURCH DICK UND DÜNN Wie Freundschaft unsere Welt verändert PLUS: 18 SEITEN SOMMERRÄTSEL DURCH DICK
PLÖTZLICH UNDWas
PALEO DÜNN Wie Freundschaft
der Speiseplan aus der unsere Welt
Steinzeit wirklich kannPLUS:
verändert 18 SEITEN
NEUGIERIG? GutSOMMERRÄTSEL
so! (Siehe Seite 122) DURCH
WASDICK UND DÜNN
WIRKLICH ZÄHLTWie
EinFreundschaft unsereEnde
Brief vom anderen Weltder
verändert PLUS: 18
Welt SHIATSU SEITEN Ein
DAHEIM SOMMERRÄTSEL
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DURCH DICK
DICK UND
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DÜNN Wie
Wie Freundschaft
Freundschaft unsere
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Welt verändert PLUS: 18
18 SEITEN
SEITEN SOMMERRÄTSEL
SOMMERRÄTSEL DURCHBALANCE
DICK UNDFINDEN
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News
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abonnie e/
ie m . li f
Noch nie habe ich eine Rezension geschrieben, carped tt e r
news le
noch nie habe ich jede Seite eines Magazins gelesen,
noch nie habe ich Ausgaben gesammelt,
aber was soll ich sagen – ihr seid einfach spitze!

Man sieht die Liebe in den Bildern,

man merkt die Begeisterung in der Gestaltung,
man fühlt die Ehrlichkeit in den Worten,
und man spürt die Energie zwischen den Zeilen!

DANKE, carpe diem, für die vielen schönen Momente,

für Momente der Freude, Momente der Inspiration
und Momente bewussten Lebens.
Jedes Exemplar ist ein Kunstwerk für sich!

Christina Mosser
Sie werden mir immer unheim­
licher! Es passiert so oft, dass
ich mich mit einem Thema be­
Gerade war ich auf schäftige, und in der folgenden
Ausgabe bringen Sie genau dar­
der Suche nach einem
über einen Artikel! Da beginne
schönen Geschenkpapier ich auch bald, mich diversen Ver-
mit ökologischem Aspekt. schwörungstheorien, dass wir
Deshalb wurde die alle vom All aus abgehört wer­
den, anzuschließen. Sollte ich
carpe diem-Beilage wirklich belauscht werden, bin
mit den zehn einzigartigen ich stolz, dass meinem Leben
Rezepten von Veggie-Pionier und meinen Gedanken so viel
Paul Ivić umfunktioniert :-) Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Spaß beiseite! Ich empfehle
Claudia Hebenstreit carpe diem sehr gerne weiter,
da es durch und durch lebens­
bejahend ist, Anregungen zu
positiven Veränderungen im
Leben gibt und einfach leicht
und glücklich macht!

Carmen Viereckl
FOTOS: Claudia Hebenstreit, Andrea Fazan

„Sonne, Pool und Folge uns auf:

carpe diem! Was carpediem.life

will man mehr?“ carpediem.magazin

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carpediemmagazin
Andrea Fazan carpediemmag

142 carpe diem

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Chefredaktion Managing Director Herausgeber & Geschäftsführer

Nicole Kolisch (Ltg.), Gundi Bittermann Stefan Ebner Andreas Kornhofer

Art Direction Publishing Management

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Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz:
Chefin vom Dienst Head of Media Sales & Partnerships ­Informationen zum Medieninhaber sind ständig
Eva Mühlbauer Lukas Scharmbacher und unmittelbar unter folgender Webadresse
­auffindbar: carpediem.life/impressum
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Thomas Gubier, Daniela Güpner, Thomas Druck Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H.,
Fotoredaktion Hutterer, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic- A-3580 Horn
Pinar Dagdevir Beisteiner, Alfred Minassian, Britta Pucher,
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Redaktion Schär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Presse Großvertrieb Austria Trunk GmbH,
Maria Dorner, Holger Potye (Podcast) Christian Wörndle, Sabine Zölß pgvaustria.at

Kolumnen Sales Operations & Development Vertrieb Deutschland und International

Stefan Wagner, Daniela Zeller
Redaktionelle Mitarbeit
Karin Buchart, Eckstein, Ines Glatz-
Deuretzbacher, Wolfgang M. Gran,
Waltraud Hable, Alexander Höss-Knakal,
Gisbert Knüphauser, Maria Kornhofer,
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Christiane Tauzher, Anna Wilczek
(Redaktion Digital), Evelyne Zemplenyi
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Gregor Kuntscher, Mayer mit Hut, Philipp
Schönauer, Jürgen Würtenberger, Ulrich Zinell
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Projektmanagement Digital Herstellung

Vanessa Elwitschger Veronika Felder
Geschäftsführer
Digital Product Management Produktion Dkfm. Dietrich Mateschitz,
& Development Martin Brandhofer, Markus Neubauer Dietmar Otti, Christopher Reindl,
Florian Janousek (Ltg.), Marco Bogner, Marcus Weber
Manfred Krammer, Max Moser Lithografie
Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis,
Audience Development & E-Commerce Nenad Isailovic, Sandra Maiko Krutz,
Elisabeth Hofhans (Ltg.), Raphael Bader, Josef Mühlbacher Ein Produkt aus dem
Lena Distelberger, Catharina Gaissmaier-Heindl,
Lukas Schleindl, Mathias Schuh Finanzen
Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger
Cooperation Management
Michael Holzer MIT
Christoph Kocsisek, Michael Thaler

Operations
Die nächste Melanie Grasserbauer, Alexander Peham,
Ausgabe von Yvonne Tremmel
carpe diem Assistant to General Management
erscheint am Sandra Artacker
6. Oktober 2021

Expertinnen & Experten dieser Ausgabe

Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek (Sprachwissenschaftler / Universität Köln),
Daniela Bergthaler, MSc (Diätologin und Ernährungswissenschaftlerin), Prof.
Dr. Volker Böhm (Ernährungswissenschaftler / Universität Jena), Dr. Marguerite
Dunitz-Scheer (Fachärztin f. Kinder- und Jugendheilkunde / Universität Graz),
Dipl.- Ing. Dr. Klaus Dürrschmid (Lebensmittelwissenschaftler / BOKU Wien),
Dr. Hans Gasperl (Kneipparzt und Allgemeinmediziner), Dr. Brigitte Holzinger
(Institut für Bewusstseins- und Traumforschung), Ingrid Karner (Aromapraktikerin),
Verena Kauzleben (Biomedizinerin), Mag. Sandra Kornsteiner (Psychologin und
Psychotherapeutin), Univ.- Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek (Neurologe / „The Tree“),
Marc Mößmer (Biofisch-Pionier), Melanie Pesendorfer (ausgebild. Schlafcoachin),
Helfried Reimoser (Fischzüchterverband Stmk.), Dr. Werner Sauseng (Kinderarzt
und Schlafmediziner), Eva Schulte-Austum (Vertrauensforscherin), Dr. Marjenka
Schuster (Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie), HR Mag. Dr. Werner
Schwarz (Verein Simply Strong), Philipp Schwarz (Alternativtherapeut)

144 carpe diem

Lösung „Kopfknistern“ (Seite 120): Lösung „Silbenjux“ (Seite 122):

1. Fallbeschleunigung
G C Z P T B V D P D M I 2. Preislisten
E K L OG E F O R E L L E A I O L I E I N A T M E N 3. Burgenland
N D U I D U N A F A R U R V O R S O R G E D
G E F E C H T N O C H S L I M P A L A G A T K I 4. Sprungturm
T N H M D K W H U B P A R T P R A G 5. Einsatzbericht
R I T T J E M E N H E L D A L B U A M A P R R O 6. Festausschuss
B K A O S A E E I E R L U V U S O L I A T P
7. Essenausgabe
E N T S P A N N U N G E S E L E I N W U F F
N A S E E N N E R O S R E N A B A S E E A 8. Energiemangel
E S A R C H E R E E GO D L A N T A N H 9. Missfallen
A B GO T T H O R S B R A D A T E O B E R R L R 10. durchleuchten
R O S T I E L T E A T R N M A B R E G E N Z
11. wechselhaft
S A M T I S T R O H U T BM I R I N G E L B L UM E
E P L O T A S I L S E N N E R F U T U 12. Allwetterreifen
V E R T R A U E N S A L V E T R K A R D I S T E I G 13. Geräteschuppen
F R A A I R A K R A R K R I P O E N D E N A 14. überhängen
N N E E D D E O S I H O M E D I C I I N L
15. Schmetterball
I WO T A P I R E G E L R N B S I N K A D A C K
E I N S C H L A F E N S F G A R T E N S C H L A U C H 16. Magermilch
17. Extrakt

Lösungswort: PFIRSICHDUFT Lösungswort: LIGUSTERSCHWÄRMER

Der carpe diem-Podcast

Zeit zum Zuhören

Daniela Zeller & Holger Potye
Jede Woche im Gespräch mit inspirierenden Menschen.
Über Ernährung, Bewegung, Erholung und Bewusstsein.

Unsere Podcast-Beiträge sind verfügbar auf:

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HERZ UND HIRN

von Nick Seluk

Nick Seluk / Herz und Hirn – Bauchgefühle

146 carpe diem

prince king

QUEEN