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Lehreinheit 8
Produktionsergonomie
Sommersemester 2016
Kräfte Bewegungen
Was verlangt abgeben ausführen
die
Erledigung "Mecha- Genaue und
der Aufgabe nische schnelle Häufige Kennzeichen:
vom Arbeit“ im Bewegungen repetitive Tätigkeiten mit geringer Zykluszeit
Menschen? Sinne der bei geringer weitreichende Zeitvorgaben bzw. getaktete
Physiologie Kraftabgabe Prozesse
Welche
• Muskeln • Sinnes-
Organe
• Sehnen organe
oder einseitige körperliche Belastung
• Skelett • Muskeln
Funktionen
• Atmung • Sehnen und geringe Handlungsspielräume
werden be-
• Kreislauf • Kreislauf
ansprucht?
• Lasten- • Manuelle
transport Bearbeitung mit
Beispiele • Maschinen- handgeführten
beschickung Werkzeugen
• Feinmechanische
Montagearbeiten
Metabolisches System
Herz-Kreislaufsystem (O2-Umsatz und Nährstoffverarbeitung)
(Energietransportfunktion
und Wärmeausgleich)
...durch die
Tätigkeit
Andrücken
Halten von Lasten manuelle Betätigung
Beispiele: Stehen einer
Lasten transportieren Montage einer Presse
Bohrmaschine
Ruhedehnungskurven
Kraft
Kraft
Muskellänge Muskellänge Muskellänge
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Quelle: Silbernagl & Despopoulos 2007 8-7
Blutversorgung und Blutbedarf bei
arbeitenden Muskeln
Dynamische Statische
Ruhe
Arbeit Arbeit
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Quelle: Schlick et al. 2010 8-8
Maximale Haltezeit bei statischer Muskelarbeit
Bereits ab 15% der Maximalkraft können bei statischer
Arbeit Muskelermüdungen auftreten!
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Quelle: Rohmert 1960 8-9
Körperkräfte des Menschen nach DIN 33411-1
„Körperkraft [...] ist die Kraft, die im Zusammenhang mit dem menschlichen Körper entsteht.
Körperkräfte können in Muskel-, Massen- und Aktionskräfte eingeteilt werden.“ (DIN 33411-1)
Muskelkraft: Wirkt durch Aktivität der Muskeln innerhalb des Körpersystems
Massenkraft: Kraft, die durch die Körpermasse als Eigengewichts- oder Trägheitskraft wirkt
Aktionskraft: Die Körperkraft, die nach außen vom Körper aus wirkt,
z.B. Arm-, Hand-, Finger-, Bein, Knie-, Fuß- und Ganzkörperkraft
α: Höhenwinkel zwischen
Verbindungslinie P1-P3 und
Horizontalebene
β: Seitenwinkel zwischen
Verbindungslinie P1-P3 und
Körpersymmetrieebene
a: Abstand P1-P3
amax: maximaler Abstand P1-P3
(gestreckter Arm)
a/amax: relative Arm-Reichweite
Das Koordinatensystem legt den Bewegungsraum
des Armes mit Winkel α und relativer Arm-Reichweite
a/amax fest. Die Kraftrichtung und der Winkel β
müssen separat angegeben werden.
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen 8 - 12
Ermittlung maximaler statischer Aktionskräfte nach
DIN 33411-4 am Beispiel der Kraftrichtung –B
Für Armkräfte horizontal, senkrecht zur Körpersymmetrieebene hin ergibt sich bei
einem Seitenwinkel β = 90o, einem Höhenwinkel = -10o und einer relativen
Reichweite a/amax = 70% eine maximale Aktionskraft von 160 N.
5 min Arbeit, 7,5 min Pause (Gesamtarbeit 117680 Nm) Erholungswirkung in Anfangsphase
Vp. nach 10 min Arbeit erschöpft
Arbeit (Radfahren ca. 200W) der Pausenzeit am größten, weil
Pause Erholungsverlauf exponentielle
Charakteristik aufweist
Gestaltungsempfehlung:
statt seltener, langer Pausen besser
kurzzyklische Arbeits- und Erholungszeiten
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Quelle: Schlick et al. 2010 8 - 15
Prinzipien zur physiologischen Arbeitsgestaltung (II)
2. Prinzip: Wahl des Arbeitsverfahrens mit dem günstigsten Wirkungsgrad
Beispiel: Beschickung
eines Durchlaufofens
Der menschliche Energie-
umsatz lässt sich durch die
Verringerung der Hubhöhe
beim Be- und Entladen von
Lasten erheblich senken.
Die physikalischen Arbeits-
integrale sind in allen drei
Fällen bei einem konservati-
ven Kraftfeld gleich Null, da
sie nur vom Anfangs- und
Endpunkt des Werkstücks
abhängig sind. In Bezug auf
die menschliche Arbeit ist
jedoch eine positiv gerichtete
Arbeit beim Heben der
Werkstücke und eine negativ
gerichtete Arbeit beim
Gestaltungsempfehlungen:
Absenken der Werkstücke zu
Wahl der Muskelgruppe nach maximaler Kraftentfaltung leisten.
Wahl einer optimalen Gelenkstellung für den Krafteinsatz
Wahl einer günstigen Arbeitsgeschwindigkeit
100
der Kraft bei Beugungswinkel 90°
80
60
40
20
0
0 15 30 45 60 75 90 105 120 135 150 165 180
Beugewinkel α im Ellenbogengelenk in Grad
(Winkel zwischen Oberarm- und Unterarm-Längsachse)
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Quelle: Rohmert 1962 8 - 17
Zusammenhang von Muskelkraft und Verkürzungs-
geschwindigkeit und daraus berechneter Leistung
8 Verkürzungsgeschwindigkeit Leistung 150
7
Verkürzungsgeschwindigkeit in m/s
6 Berechnung der
Leistung erfolgt über
100 den empirisch
5
Leistung in W
bestimmten
Zusammenhang von
4 Kontraktions-
geschwindigkeit und
Kraft:
3
50
𝑃 = 𝐹 ∙ 𝑣
2
0 0
0 50 100 150 200 250
Kraft in N
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Quelle: Wilkie 1950 8 - 18
Prinzipien zur physiologischen Arbeitsgestaltung (III)
3. Prinzip: Vermeidung energetisch ungünstiger Arbeitsformen
m
Aufhängung
Kleinteil-
ablage Elektromyografische Untersuchung am musculus biceps (elektrische Aktivität)
μV
Montagearbeitsplatz
Zeit
Gestaltungsempfehlungen:
Minimierung statischer Arbeit
Optimierung der Kraftflüsse
Vermeiden von Körperhaltungen gegen die Schwerkraft
Nutzung der Schwerkraft von Körper- und Lastgewicht
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen 8 - 19
Skelettapparat in Vorderansicht und
Wirbelsäule in Seitenansicht
Bandscheibe
C1-C2
C2-C3
C2-C3
C4-C5
Die Wirbelsäule in
mehr als 600 C5-C6
Seitenansicht
C6-C7
Muskeln C7-Th1
Th1-Th2
alleine 43 im Th2-Th3
Gesicht Th3-Th4
Th4-Th5
Th11-Th12
bewegliche
TH12-L1 Wirbelkörper
Gelenke
L1-L2
Freiheitsgrade L3-L4
50 53 53 55 54 53
40
langjährige Tätigkeiten in extremer
30
Rumpfbeugehaltung.
20 BK 2109: Bandscheibenbedingte
n = 6341
n = 6016
n = 6013
n = 1673
n = 1865
n = 1811
n = 458
n = 472
n = 484
Überbelastungen werden erst bei Schädigung, in der Regel nach längerer Belastungszeit bei
großer Belastung, deutlich (starke Schmerzen; keine medizinischen Maßnahmen zur
Schädigungsminderung gegeben)
aL (Hand-Wirbelsäule) aM
aG
FLast FGewicht
FMuskel
FBandscheibe
(Lenden-Kreuzbein-Übergang L5-S1)
Gesamtkraft
auf L5-S1
Druck-
komponente
Scher-
komponente
L5-S1
i: Körperteil
ai Gi: Eigengewicht Körperteil
ai: körperstellungsabhängige Hebelarme
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Quelle: Jäger 1987 8 - 24
Biomechanische Modellbetrachtung der
Wirbelsäulenbelastung (III)
Scherkraft FS
Druckkraft FD
M F A a A Gi ai FAbd aP FM aM 0
i 1
n
F F G F
A,
i 1
i, Abd , FM , FD 0
n
F F A, Gi , FAbd , FM , FS 0
i 1
FA a A i1 Gi ai FAbd aP
n
FD FA , i1 Gi , FAbd , cos ( FM ; FD )
n
am
ai
FM
FA a A i1 Gi ai FAbd aP
n
i: Körperteil
FS FA , i1 Gi , FAbd , sin ( FM ; FD )
n
|FAbd|=pAbd·A FM
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen Quelle: Jäger 1987 8 - 25
Kräfte auf die Wirbelsäule in Abhängigkeit von der
momentanen Körperhaltung (statische Betrachtung)
kN kN kN
Kraft auf L5-S1[kN]
10 10 10
0 0 0
0° 30° 60° 90° 0° 30° 60° 90° 0° 30° 60° 90°
0° 30° 60° 90° 0° 30° 60° 90° 0° 30° 60° 90°
Neigungswinkel des Körpers [°]
Grenzwert
nach NIOSH
(3,4 kN)
Fortschrittszeit in s
Fortschrittszeit in s
Berechnung Risikoindex RI
Vergleich zwischen tatsächlicher Masse M der Last und Massegrenze RML
Risikoindex liefert eine Größe für relative Abschätzung des körperlichen
Beanspruchungsgrades für eine bestimmte Tätigkeit manueller Handhabung
von Lasten
M
RI =
RML
RML = Mref ∙ VM ∙ DM ∙ HM ∙ AM ∙ CM ∙ FM ∙ OM ∙ PM ∙ AT
Bezugsmasse Mref
- Auswahl entsprechend der anvisierten Anwenderpopulation nach DIN EN 1005-2
- z.B. Mref = 25 kg für 85 % der erwachsenen Arbeitsbevölkerung zulässig
Höhenmultiplikator VM
Mref
- Vertikaler Abstand V
D
Hubmultiplikator DM
- Hubdistanz D
Abstandsmultiplikator HM
- Horizontaler Abstand H
V
Asymmetriemultiplikator AM
- Asymmetriewinkel A
Greifmultiplikator CM
H
- Greifqualität A
Frequenzmultiplikator FM
- Hubfrequenz F und Arbeitsdauer d
Greifqualität
Multiplikatoren für einhändiges Arbeiten OM,
für Arbeiten zu zweit PM und für Nebenarbeiten AT
© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen 8 - 32
Erweiterte Analyse durch Modellierung und Simulation
AnyBody
System zur biomechanischen Simulation
menschlicher Bewegungen
simuliert das muskulo-skeletäre System
oder den Gesamtkörper mit detailliertem Modell
der Muskeln und Knochen des Körpers
kein Programm, sondern Rahmenwerk zur
Simulation auf PC (quasi Scriptsprache)
derzeitige Anwendungsfelder:
- Automobil
- Medizin/Rehabilitation
- Flugzeug/Aerospace
- Produktionsergonomie
- Sportwissenschaft
entwickelt von der Aalborg
University in Dänemark
www.anybodytech.com
(Bildquelle: http://www.anybodytech.com)