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Universität Osnabrück

Fachbereich 3: Erziehungs- und Kulturwissenschaften


Seminar: 3.2017 Universitäre Lehrer*innenbildung auf dem Prüfstand - Warum machen wir an
der Uni, was wir tun, so wie wir es tun? (WiSe 2022/23)
Kathi Vanessa Thönes, M. Ed.

Der berufsbiografische Ansatz der Professionstheorie – Wirklich


so eigenständig wie der Name vermuten lässt?

Sebastian Waldmann
Mat. Nr.: 977731
Kurt-Schumacher-Damm 21, 49078 Osnabrück
0157 59666642
swaldmann@uni-osnabrueck.de
Inhalt
I. Einleitung ........................................................................................................................ 3

II. Hauptteil ...................................................................................................................... 3

1. Terminologie ................................................................................................................... 3

1. Die Trias der Professionstheorien ................................................................................... 4

2. Die zweifelhafte Eigenständigkeit des berufsbiografischen Ansatzes ............................ 5

III. Fazit ............................................................................................................................. 6

Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 7
I. Einleitung

Diese Arbeit dient der Verschriftlichung des zugehörigen Podcast und soll das Nachvollziehen
der vorgebrachten Punkte und Argumente ermöglichen. Der Podcast beschäftigt sich mit den
zentralen Professionstheorien der Lehrerbildung und Lehrerprofessionalität. Im Detail wird das
Thema der Professionstheorien an sich umrissen, ein Überblick über die vorherrschende Trias
gegeben und vertiefend auf den berufsbiografischen Ansatz mit Blick auf seine strittige
Eigenständigkeit eingegangen.

II. Hauptteil

1. Terminologie
Mit diesen Professionstheorien in der Lehrerbildung sind eben solche Ansätze gemeint, die
Professionalität bzw. professionelles Handeln im Kontext der Lehrtätigkeit beschreiben, den
Lehrerberuf als eine Profession anerkennen und Lehrerinnen und Lehrer als Professionelle
sehen, die einen kollektiven Professionalismus und je individuelle Professionalität aufweisen
können.1 Hier eine kurze Erklärung der vorgebrachten Begrifflichkeiten: Professionen können
als „structural, occupational and institutional arrangements for dealing with work associated
with the uncertainties of modern lives in risk societies“ beschrieben werden und sind damit
besondere Berufe, die durch Risiken und Ungewissheiten in der Ausübung charakterisiert sind;
Professionelle gelten als „extensively engaged in dealing with risk, with risk assessment and,
through the use of expert knowledge, enabling customers and clients to deal with uncertainty“
und sind somit die Berufsinhabenden, die durch erlangtes Expertenwissen mit den Risiken und
Ungewissheiten der Profession – in diesem Kontext mit krisenhaften Problemlagen der Schüler,
die pädagogisches Handeln erfordern – umgehen; Professionalität ist im Sinne der „Qualität der
Ausübung und Erfüllung der professionellen Berufsaufgaben durch die Berufsinhaber“ der
individuelle Zustand, der für die Ausübung einer Profession als hinreichend angesehen werden
kann, wobei der Professionalismus dann als kollektives Verständnis der Profession im Sinne
eines „Selbstverständnis der Berufsgruppe als Ganzer“ beschrieben werden kann.2345

1
Cramer 2020 S. 112
2
Evetts 2003 S. 357
3
Cramer 2020 S. 113
4
Horn 2016 S. 156
5
Cramer 2020 S. 112
1. Die Trias der Professionstheorien
Im Kontext von Lehrerprofessionalität hat sich im modernen Forschungsdiskurs eine Trias
gebildet. Hierzu gehört der strukturtheoretische Ansatz, der kompetenzorientierte Ansatz und
der berufsbiografische Ansatz. Der strukturtheoretische Ansatz geht von der Analyse der
grundlegenden Handlungsstruktur schulisch-pädagogischer Interaktionen und den damit
verbundenen Anforderungen an pädagogisch-schulisches Handeln aus. Hier stehen
insbesondere die Herausforderungen, die Spannungen, die Ambivalenzen, sog. Antinomien,
und die komplexen interaktiven Dynamiken des Lehrerhandelns im Fokus.6 Zu den zentralen
Antinomien der ersten Ordnung gehören unter anderem die Praxisantinomie, bei der ein
schnelles Reagieren in der Praxis dem Typus der theoretischen Reflexion gegenübersteht, und
die Begründungsantinomie, die eine hohe Begründungsverpflichtung und einen hohen
Entscheidungsdruck ohne Bedenkzeit gegenüberstellt.78 Der kompetenzorientierte Ansatz
hingegen baut eher auf der Expertiseforschung auf, welche im Laufe des ausgehenden 20. Jh.
auf den Lehrerberuf übertragen wurde. Hier werden die Wissensdomänen von Shulman –
namentlich allgemeines pädagogisches Wissen, Fachwissen und fachdidaktisches Wissen –
durch die folgenden Kompetenzdimensionen nach Baumert & Kunter ergänzt: Überzeugungen
und Werthaltungen, motivationale Orientierungen und selbstregulative Fähigkeiten.910
Dementsprechend ist für das Entwickeln von Professionalität die Identifikation von kognitiven
Merkmalen bzw. Kompetenzen von Lehrpersonen relevant, die zur Bewältigung beruflicher
Anforderungen beitragen können.11 Um die Trias zu vervollständigen, fehlt aber noch der
berufsbiografische Ansatz. Dessen Gegenstand besteht kurz gesagt in der Analyse von
Lebensläufen und Berufsbiografien von Lehrpersonen. Folgt man Professionsforschern wie
z.B. der Hildesheimer Professorin Melanie Fabel-Lamla, so hat der berufsbiografische Ansatz
zwei verschiedene Forschungslinien.12 Die erste der beiden Linien basiert auf der
erziehungswissenschaftlichen Biografieforschung, untersucht die Lern- und Bildungsprozesse
von Lehrern über deren gesamte Lebensspanne hinweg und diskutiert die beruflichen Verläufe
im Kontext des lebensgeschichtlichen Zusammenhangs. Diese erste Konzeption wurde in den
90er Jahren durch eine zweite ergänzt. Diese fokussiert sich auf die berufliche Tätigkeit der

6
Helsper 2016 S. 103
7
Radtke 2004 (Helsper)
8
Helsper 2016 S. 111 f.
9
Shulman 1986
10
Baumert & Kunter 2006
11
König 2016
12
Fabel-Lamla 2018
Lehrpersonen und untersucht mit Blick auf den gesamten Berufsverlauf oder auch einzelne
Phasen der beruflichen Entwicklung die beruflichen Veränderungsprozesse im Laufe der
Lehrertätigkeit. Hierzu werden Muster beruflicher Entwicklung sowie auch Phasen- und
Stufenmodelle der Berufslaufbahn aufgezeigt.1314

2. Die zweifelhafte Eigenständigkeit des berufsbiografischen Ansatzes


Dem gerade eben umrissenen berufsbiografischen Ansatz der Professionstheorie wird von
einigen Forschenden jedoch die eigenständige Position als vollwertige Professionstheorie in der
Trias neben dem strukturtheoretischen und dem kompetenzorientierten Ansatz abgesprochen.
So spricht gegen die Eigenständigkeit des Ansatzes zum einen, dass der Gegenstand des
Ansatzes und die damit verbundenen Fragestellungen inhaltlich Schnittmengen zu den
Erkenntnisinteressen der beiden anderen Ansätze der Trias aufweist. Dementsprechend nimmt
der berufsbiografische Ansatz oft die Position einer querliegenden Forschungsperspektive ein,
die sich der Biografie von Lehrern mit theoretischen Annahmen der anderen beiden Ansätze
nähert. Des Weiteren kann der diskutierte Ansatz nicht eindeutig einem empirisch-
methodischen Zugang zuzuordnen ist. Beide Forschungslinien basieren auf einem subjektiven
Zugang, der u.a. durch Erzählungen und Selbsteinschätzungen in Interviews und Fragebögen
zum Vorschein kommt. Er legt sich somit nicht auf einen qualitativen oder quantitativen
Zugang fest, sondern bedient sich an bekannten Studien der beiden anderen Zugänge.15 Ein
drittes Argument gegen die Eigenständigkeit des berufsbiografischen Ansatzes stellt der
fehlende professionstheoretische Kern dar. So sind die theoretischen und paradigmatischen
Bezüge des Ansatzes – von der quantitativ-empirischen Bildungsforschung bis hin zur
ethnografischen Sozialforschung – zwar breit gefächert, aber dadurch auch wenig präzise und
mit einem Mangel an Schärfe versehen.16
Im Gegensatz dazu spricht für die Eigenständigkeit des berufsbiografischen Ansatzes, dass
sowohl die Theorie als auch die Forschungspraxis verdeutlichen, wie eine Triangulation
unterschiedlicher theoretischer Annahmen für Belange der Lehrerprofessionalisierung
durchaus gewinnbringend sein kann. Daran anschließend kann gesagt werden, dass die
Eigenständigkeit dann gestützt und weniger diskutabel ist, wenn sein Inhalt idealtypisch klar
innerhalb der Trias von den anderen Ansätzen abgegrenzt wird. Dies ist hier eindeutig der Fall,
da insbesondere eine konsequent diachrone Vergleichsdimension einen Unterschied zu den

13
Wittek & Jacob 2020 S. 196 f.
14
Fabel-Lamla 2018 S. 87
15
Wittek & Jacob 2020 S. 200
16
Cramer & Drahmann 2019 S. 17 - 33
restlichen Ansätzen darstellt.17 Neben der Abgrenzung zu dem strukturtheoretischen und
kompetenzorientierten Ansatz zieht der berufsbiografische Ansatz seine eigenständige
Legitimation aber auch aus seiner Anschlussfähigkeit bzw. Vermittlungsposition zu den
anderen Ansätzen und aus der Perspektive auf die Biografie als Grundkategorie
erziehungswissenschaftlichen Denkens.18 Verstärkend kommt hier noch hinzu, dass die
angesprochene fehlende klar umrissene Grundlagentheorie oder methodische Rahmung bei
genauerer Betrachtung auch bei den beiden anderen Ansätzen der Trias diverser gestaltet ist als
oft angenommen.

III. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Eigenständigkeit des berufsbiografischen Ansatzes
durchaus strittig ist und durch seine Großteils unklaren Abgrenzungen zu den anderen Ansätzen
der Trias eine nicht unerhebliche Angriffsfläche bietet. Meiner Meinung nach überwiegen die
Argumente für eine Eigenständigkeit des Ansatzes allerdings. Als besonders überzeugend sehe
ich die Daseinsberechtigung des Ansatzes eben nicht in einer klaren Definition und Rahmung,
sondern in der gewinnbringenden Position der querliegenden Forschungsperspektive als
Vermittler zwischen den beiden anderen Ansätzen. Abschließend steht noch der konkrete
Bezug des berufsbiografischen Ansatzes zur Lehrerbildung offen. Der berufsbiografische
Ansatz erweitert die Perspektive auf den Lehrerberuf als lebenslanger, potenziell krisenhafter
Entwicklungsprozess und stützt die Erkenntnis der doppelten Sozialisation im Privat- und
Berufsleben, wodurch das Berufsbild an sich und auch die Ausbildung zum Guten hin
beeinflusst werden können.1920 So besteht u.a. die Hoffnung, dass die curriculare Verankerung
berufsbiografischer Entwicklungsaufgaben von Lehrpersonen im Berufseinstieg die
Krisenbereitschaft und somit die Professionalisierung erhöht.21 Bisher halten
berufsbiografische Angebote allerdings nur wenig Eingang in die Ausgestaltung der
Lehrerbildung.22

17
Wittek & Jacob 2020 S. 201
18
Marotzki 2002 S.53
19
Terhart 1995 S. 232
20
Wittek & Jacob 2020 S. 199
21
Hericks 2006 S. 79 – 89
22
Fabel-Lamla 2019 S. 93 – 95
Literaturverzeichnis

Baumert, J., & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften.
Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520.
Cramer, C., & Drahmann, M. (2019). Professionalität als Meta-Reflexivität. In M. Syring &
S. Weiß (Hrsg.), Lehrer(in) sein – Lehrer(in) werden – die Profession professionalisieren (S.
17-33). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Cramer, C. (2020). Professionstheorien. Überblick, Entwicklung und Kritik. In M. Harant, U.
Küchler & P. Thomas (Hrsg.), Theorien! Horizonte für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung
(pp.111-128) Publisher: Tübingen University Press.
Evetts, J. (2003). The Sociological Analysis of Professionalism. International Sociology, 18(2),
395–415.
Fabel-Lamla, M. (2018). Der (berufs-)biographische Professionsansatz zum Lehrerberuf. In J.
Böhme, C. Cramer, & C. Bressler (Hrsg.), Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung im
Widerstreit!? (S. 82-100). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Helsper, W. (2016). Lehrerprofessionalität – der strukturtheoretische Ansatz. In M. Rothland
(Hrsg.), Beruf Lehrer/Lehrerin. Ein Studienbuch (S. 103-125). Münster: Waxmann.
Hericks, U. (2006). Professionalisierung als Entwicklungsaufgabe. Rekonstruktionen zur
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Horn, K.-P. (2016). Profession, Professionalisierung, Professionalität, Professionalismus.
Zeitschrift für Pädagogik und Teologie, 68(2), 153–164.
König, J. (2016). Lehrerexpertise und Lehrerkompetenz. In M. Rothland (Hrsg.), Beruf
Lehrer/Lehrerin. Ein Studienbuch (S. 127-148). Münster: Waxmann.
Marotzki, W. (2002). Allgemeine Erziehungswissenschaft und Biographieforschung. In M.
Kraul & W. Marotzki (Hrsg.), Biographische Arbeit. Perspektiven
erziehungswissenschaftlicher Biographieforschung (S. 49–64). Opladen: Leske & Budrich.
Radtke, F. O. (2004). Der Eigensinn pädagogischer Professionalität jenseits von
Innovationshoffnungen und Effizienzerwartungen. Übergangene Einsichten aus der
Wissensverwendungsforschung für die Organisation der universitären Lehrerbildung. In B.
Koch-Priewe, F.-U. Kolbe & J. Wildt (Hrsg.): Grundlagenforschung und mikrodidaktische
Reformansätze zur Lehrerbildung (S. 99–151). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Shulman, L. S. (1986). Tose Who Understand: Knowledge Growth in Teaching. Educational
Researcher, 15(2), 4–14.
Terhart, E. (1995). Lehrerprofessionalität. In H.-G. Rolf (Hrsg.), Zukunftsfelder von
Schulforschung (S. 225-266). Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
Wittek, D., & Jacob, C. (2020). (Berufs-)biografischer Ansatz in der Lehrerinnen- und
Lehrerbildung. In C. Cramer, J. König, M. Rothland & S. Blömeke (Hrsg.), Handbuch
Lehrerinnen- und Lehrerbildung (S. 196-203). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Eigenständigkeitserklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit eigenständig verfasst, keine anderen als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet sowie die aus fremden Quellen direkt oder
indirekt übernommenen Stellen/Gedanken als solche kenntlich gemacht habe.

Osnabrück, 21.03.2023

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