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Matthias Tomenendal
Christian Bressem Hrsg.
Digitalisierung
in Bund, Ländern
und Gemeinden
IT-Organisation, Management
und Empfehlungen
Digitalisierung in Bund, Ländern und
Gemeinden
Roland Heuermann · Matthias Tomenendal
Christian Bressem
(Hrsg.)
Digitalisierung in Bund,
Ländern und Gemeinden
IT-Organisation, Management
und Empfehlungen
Herausgeber
Roland Heuermann Christian Bressem
Bonn, Deutschland Hamburg, Deutschland
Matthias Tomenendal
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Berlin, Deutschland
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail-
lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Springer Gabler
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„E-Government und damit die Digitalisierung im Öffentlichen Bereich gehört oft zu den
unterschätzten Themen im Rahmen der Digitalen Transformation unserer Wirtschaft
aber auch Gesellschaft. Dabei ist es eine immer stärker werdende Schnittstelle zwischen
Staat und Bürger, in der jeder von uns die Digitalisierung fast täglich spüren kann und
sollte. Insofern bietet das Buch einen wertvollen Beitrag, um die diese Bedeutung des
E-Government für alle Beteiligten nochmals zu unterstreichen.“
Univ.-Prof. Dr. Tobias Kollmann, Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship,
Universität Duisburg-Essen
„Den Autoren ganz unterschiedlicher Herkunft und Erfahrung ist es gelungen, ein voll-
ständiges Bild der zerklüfteten Digitallandschaft im Öffentlichen Sektor darzustellen.
Dabei spannen sie den Bogen von der frühen Entwicklung über den gegenwärtigen Stand
bis zu Zukunftsbildern mit Handlungsempfehlungen. Sie sprechen den Praktiker im
Management ebenso an, wie den Wissenschaftler. Die Perspektive reicht von der klei-
nen Kommunalbehörde über Landes- und Bundesbehörden bis zu Ministerien und in die
Politik. Dabei werden die Verknüpfungen mit der Wirtschaft nicht außer Acht gelassen.
Bei all der Vielschichtigkeit des Themas und den Verästelungen im Öffentlichen Sektor
folgt das Buch einem logischen roten Faden, sodass der Leser nie die Orientierung ver-
liert. Für Politiker, Verwaltungsmanager, Wissenschaftler, Studenten und auch Interes-
sierte aus der Wirtschaft ist das Werk anregende Lektüre und Fundgrube.“
Giso Schütz, Vizepräsident des Bundesverwaltungsamtes a.D.
V
Vorwort
Deutschland ist eine auf vielen industriellen Schlüsselmärkten an der weltweiten Spitze
liegende Wirtschaftsnation. Unbestritten sind die Fahrzeugindustrie, der Maschinenbau,
immer noch Teile der chemischen Industrie, aber auch die Logistikbranche und viele
kleine, von mittelständischen „hidden champions“ beherrschte Marktsegmente Domä-
nen deutscher Weltmarktführer. Gelobt werden deren Innovationskraft und – besonders
bei den mittelständischen Anbietern – die hohe Kundennähe. Im Bereich der preiswerten
Konsumentenwaren beherrschen asiatische und amerikanische Hersteller den Weltmarkt,
Deutschlands Industrie ist gerade im Bereich der Produkte für das „Backoffice“ der Wirt-
schaft, also in erzeugenden Branchen, besonders stark.
Im Öffentlichen Bereich hält sich unser Land zugute, eine besonders verlässliche und
kompetente Verwaltung zu haben. Auch die hohe Leistungsfähigkeit der deutschen Ver-
waltung wird von manchen Politikern gelobt. Allerdings ergibt sich ein anderes Bild,
wenn man die Innovationskraft betrachtet: Hier liegt Deutschland gegenüber den führen-
den Ländern zurück und belegte z. B. in 2017 nur Platz 11 von 26 im EU-Digitalisie-
rungsindex (EU-Kommision, 2017 [4]). Auch in der Meinung befragter Bürger über die
Qualität des E-Governments erreicht Deutschland durchgängig nur Plätze im Mittelfeld
internationaler Vergleiche, seit Jahren liegt Deutschland hinter den anderen deutschspra-
chigen Ländern Österreich und der Schweiz im eGovernment-Monitor zurück (IPIMA &
Initiative D21, 2016 [6]).
Das deutsche Selbstlob über die Leistungsfähigkeit der Verwaltung kontrastiert auch
mit einzelnen schlaglichtartig öffentlich bekannt werdenden Struktur- und Ablaufproble-
men, wie sie sich der breiten Öffentlichkeit beispielsweise angesichts der administrativen
Bewältigung der „Flüchtlingskrise“ 2015 oder dem Behördenverhalten im Vorfeld einzel-
ner, leider gelungener Attentate, z. B. demjenigen auf einem Berliner Weihnachtsmarkt
2016, offenbaren.
Daher die Fragen: Wie managt der Öffentliche Bereich eine Schlüsselkompetenz,
d. h. die eigene Informationswirtschaft? Wie stehen Bund, Länder und Kommunen
konkret da, nachdem die Digitalisierung etwa ab 2013 auch von der „großen Poli-
tik“ als Megathema entdeckt wurde? Welchen Stand hat das IT-Management in diesen
drei Gliederungsebenen? Welche Trends gibt es in der dynamisch voranschreitenden
VII
VIII Vorwort
Digitaltechnologie, und welche Auswirkungen haben diese auf den einzelnen Menschen,
die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Politik, die Verwaltung und den Staat? Welche Emp-
fehlungen lassen sich daraus ableiten?
Nun, ab Kap. 2 sollen Antworten auf diese Fragen gegeben werden!
Herzlichen Dank möchten wir an dieser Stelle den mitwirkenden Autoren aus dem
Öffentlichen Bereich, der Wissenschaft und der Beratungsbranche sagen. Am Inhalt der
Beiträge kann man erkennen, dass ein gehöriges Maß an Enthusiasmus der Autoren für
eigene Ideen mitschwingt. Und in Vielem sind sich diejenigen, die täglich operative Top-
Management-Verantwortung zu komplexen und dynamischen Gestaltungsaufgaben in
Strukturen und Abläufen der Digitalisierung des Öffentlichen Bereichs tragen, einig mit
denen, die das Geschehen als Wissenschaftler und Berater begleiten. Teilweise sind es
genau jene Personen, die aus der Praxis des Öffentlichen Bereiches selbst kommen, die
zäh für Innovationen und Effizienzsteigerungen in der Verwaltung kämpfen. Dafür sei
ihnen an dieser Stelle noch mehr Lob ausgesprochen als für den Beitrag von Artikeln in
diesem bescheidenen Buch!
Einen herzlichen Dank möchten wir auch dem Springer-Verlag und namentlich der
Lektorin Frau Susanne Kramer und ihrem Kollegen Herrn Michael Bursik dafür sagen,
die Idee zu diesem Buch gefördert und das Werk in seiner Entstehung geduldig begleitet
zu haben. Kleine Terminschwierigkeiten, die bei Herausgebern und Autoren mit einem
operativen Hauptberuf gerade in einer boomenden Branche schwer zu vermeiden sind,
wurden ohne Murren verziehen. Diese Gnade muss verdient werden, daher haben sich
alle Autoren auch besonders angestrengt und danken dem Springer-Verlag. Wir hoffen,
dass man es am Ergebnis sieht.
Trotz aller Fachlichkeit und des Ernstes der Sache soll der geneigte Leser heiteren
Gleichmut behalten. Diesen zu bewahren, helfen hoffentlich gelegentlich eingestreute
Karikaturen mit dem sanften Humor des Hamburger Grafikers Klaus Bergner. Vielen
Dank für die künstlerische Begleitung!
Last but not least sei für unermüdliche Hilfe bei allen kleinen und großen hand-
werklichen Fragen der Bucherstellung sowie darüber hinaus in einigen Bereichen auch
redaktionell Frau Bettina Heuermann gelobt, die mit großer Geduld die Optik der Dar-
stellungen, die Orthografie und Lesbarkeit der Texte verbesserte, Recherchen durch-
führte und zahlreiche kleine und große redaktionelle Vorschläge machte. Ohne sie würde
es den Lesern bei einigen Beiträgen ihres Ehemanns in diesem Buch eventuell manchmal
allein des Satzbaus wegen gruseln.
Die trotz allen Bemühens verbleibenden Fehler und Schwächen sind allein den drei
Herausgebern anzulasten, sie würden sich über Verbesserungsvorschläge, aber natürlich
auch über Lob der Leser freuen!
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Roland Heuermann
1.1 Warum dieses Buch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Übersicht der bisherigen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.3 Zielgruppen und Aufbau des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Roland Heuermann, Andreas Engel und Jörn von Lucke
2.1 Begriff Digitalisierung und neuzeitliche Technikgeschichte . . . . . . . . . . . . 9
2.2 Digitalisierung der Verwaltung – Ziele und Organisation . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2.1 Ziele der Digitalisierung im Öffentlichen Bereich allgemein . . . . . 13
2.2.2 Ziele der Digitalisierung in der Öffentlichen Kernverwaltung. . . . . 15
2.2.3 Managementthemen und Organisation der IT-Steuerung. . . . . . . . . 18
2.3 Digitalisierung in der Kernverwaltung – Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.3.1 Einsatz von Informationstechnik im Öffentlichen Sektor . . . . . . . . 28
2.3.2 Multidisziplinarität rund um den IT-Einsatz im
Öffentlichen Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.3.3 Wissenschaft Verwaltungsinformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.3.4 Trends der Verwaltungsinformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.3.5 Electronic Government. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.3.6 Open Government . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.3.7 Open Government Data . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.3.8 Smart Government . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.3.9 Real-Time-Government . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.4 Quintessenz IT-Geschichte und Frage der „Disruption“ . . . . . . . . . . . . . . . 40
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Roland Heuermann, Carsten Jürgens, Peter Adelskamp und Tanja Krins
3.1 Konventionelle IT in einzelnen Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
IX
X Inhaltsverzeichnis
3.1.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3.1.2 Fachliche Aufgaben der Kommunen und Services der
Kommunal-IT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.1.3 Digitale Dörfer – ein neuer kommunaler Service? . . . . . . . . . . . . . . 61
3.2 Smart City: Das Konzept und generelle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.2.1 Übersicht und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.2.2 Projektvorgehen Smart Citys . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3.3 Smart-City-Herangehensweisen einzelner Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . 67
3.3.1 Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
3.3.2 Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.3.3 Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3.3.4 Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.3.5 München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
3.3.6 Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
3.4 Bewertung Situation Konventionelle IT und Smart City . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.4.1 Konventionelle kommunale IT-Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.4.2 Smart-City-Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
4 Digitalisierung auf Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Roland Heuermann, Stefan Krebs, Christian D. Kohl, Carsten Jürgens, Johann
Bizer und Michel Golibrzuch
4.1 Übersicht Landes-Aufgaben und IT-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4.2 Situation in ausgewählten Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.2.1 Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.2.2 Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.2.3 Dataport-Kernländer Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein . . . . . 111
4.2.4 Niedersachsens IT-Strategie: Kooperation mit
kommunalen Partnern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
4.2.5 Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
4.3 Bewertung Situation und Landesstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
5 Digitalisierung auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Falk A. Schmidt und Gerhard van der Giet
5.1 Übersicht Bundes-Aufgaben und Struktur der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . 137
5.2 Ziele, Management und Mittel der Digitalisierung Bund . . . . . . . . . . . . . . 140
5.2.1 Verbesserung der Steuerung, Konsolidierung der Dienstleister . . . . 140
5.2.2 Beschlüsse zur inhaltlichen Beschleunigung
der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
5.3 Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
5.3.1 Die Bedeutung der Informationstechnik für die Bundeswehr . . . . . 143
5.3.2 Die administrative IT der Bundeswehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Inhaltsverzeichnis XI
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
XIII
XIV Abbildungsverzeichnis
XV
XVI Tabellenverzeichnis
Die „Digitalisierung“ ist ein seit wenigen Jahren geradezu inflationär verwendetes
Schlagwort für den Einsatz der Informationstechnologie in Privatwirtschaft und Öffent-
licher Verwaltung. Gemeint ist hiermit – anders als der Begriff es bei wortwörtlicher
Auslegung nahelegt – nicht die schon seit den 1990er Jahren weit fortgeschrittene Über-
führung analoger Daten in digitale Speicherformate, sondern die teils radikale Einfüh-
rung „disruptiver“ Geschäfts- und Organisationsmodelle, die vollständige elektronische
Abbildung aller Kommunikationswege zwischen Kunden/Bürgern und Anbietern/Behör-
den sowie – als neuerem Megatrend – das Aufkommen cyber-physischer Systeme in
der Erstellung von Gütern und Dienstleistungen. In der Privatwirtschaft firmieren diese
neuen, digital gesteuerten Produktionsweisen als „Industrie 4.0“ und beinhalten die auto-
matisch gesteuerte Produktion in der Industrie und das „Internet der Dinge“. Im Öffent-
lichen Bereich ist die intelligente Steuerung kommunaler Infrastrukturen in „Smart
Cities“ – teilweise – das Pendant.
Teils angejahrte Stichwörter für digitale Programme und Leistungsbündel sind
„E-Commerce“ und „E-Government“. Aktuell en vogue sind die programmatisch
gemeinten Begriffe „Industrie 4.0“, „Smart City/digitale Stadt“ und „Verwaltung 4.0“.
Einzelne fachliche und technische Angebote in der jüngeren Diskussion sind „Big Data“,
„Cloud“, „virtual“ und „augmented reality“, „E-Akten“, „Block Chains“ und „Künstli-
che Intelligenz“.
R. Heuermann (*)
Bonn, Deutschland
E-Mail: roland_heuermann@t-online.de
Viele Schlagwörter und das Nachlaufen hinter einzelnen Visionen begleiten zwar die
aktuelle Diskussionswelle über Digitalisierung, thematisieren aber nicht das ganze Bild,
sondern nur einzelne Fragmente des Puzzles. Digitalisierung ist kein fertiges Ergebnis,
sondern ein mehrstufiger und mehrschichtiger Prozess. Digitalisierung in diesem Sinne
meint zunächst Investition, Innovation und manchmal langjährige Transformation, dann
aber schnell auch „neue Konvention“. Digitalisierung meint ebenso eine immer stärkere
Durchdringung der privaten Freizeit und des privaten Kommunikationsverhaltens durch
digitale Angebote an Nutzer. Dies birgt Chancen für den Einzelnen, die Gesellschaft und
alle Verantwortlichen für öffentliche und private Organisationen, aber auch Herausforde-
rungen und Risiken.
Zu den Management-Chancen und Herausforderungen dieser Entwicklung gibt es
zahlreiche prophetische und erklärende Bücher, die fast ausschließlich Szenarien aus der
Privatwirtschaft oder dem Verhalten privater Nutzer beschreiben. Eine Gesamtdarstel-
lung der Situation aus dem Blickwinkel der Öffentlichen Verwaltung und der sie teils
steuernden, teils laufen lassenden Politik Deutschlands fehlt jedoch. Nur wenige Auto-
ren kümmern sich darum, die Anstrengungen des Staates selbst bei der eigenen Digita-
lisierung darzustellen und hier einen Beitrag zur gezielten Weiterbildung von Politikern/
Entscheidern sowie einen Überblick für alle an diesem Thema interessierten mitdenken-
den Bürger inner- und außerhalb der Verwaltung zu leisten.
Dieses Werk möchte hier Abhilfe schaffen und eine erste Zusammenstellung von
Konzepten, Initiativen und Ansichten zur Digitalisierung im Öffentlichen Sektor vorle-
gen. Gleichzeitig würden wir uns freuen, wenn wir dazu anregen, dass demnächst noch
weitere Bücher zu diesem Thema erscheinen.
1Detaillierte Analyse der Gründe für diese und andere Pannen Öffentlicher IT in Mertens [11].
2Zum Beispiel fälschliche Überweisung von 5 Mrd. EUR durch die KfW-Bank am 20.03.2017 [2].
3Zum Beispiel bei der Personalsoftware KoPers für Hamburg und Schleswig-Holstein [13].
4Zum Beispiel das zum länderübergreifenden Austausch von Umsatzsteuerdaten verwendete VIES,
dessen deutscher Teil schon 2006 veraltet und sogar 2015 noch nicht erneuert war [3].
4 R. Heuermann
Tab. 1.1 Literatur über IT-Management und Digitalisierung im Öffentlichen Bereich. (Eigene
Darstellung)
Titel + Erscheinungsjahr Autor(en) Kommentar
Deutschland 4.0. Wie die digi- Kollmann & Schmidt breit und fundiert angelegte Darstel-
tale Transformation gelingt [10] lung – die IT in der Kernverwaltung
wird nicht dargestellt
Die smarte Stadt – den digitalen Kaczorowski
Wandel intelligent gestalten [8]
IT-Governance in Staat und Engel (Hrsg.) und Positionen, Fakten und Beispiele zur
Kommunen [3] mehrere Autoren Steuerung Öffentlicher IT
IT im Korsett organisatorischer Neudhart Insider stellt typische kulturelle Kon-
Rahmenbedingungen [12] fliktzonen deutscher Büro-kratiekultur
mit den Erfordernissen des IT-
Managements dar
Smart City wird Realität [7] Jaeckel Darstellung der Stadtentwicklung hin
zu einer Smart City
Stein-Hardenberg 2.0 [9] Köhl, Lenk, Löbel, Ideen und Konzept für stärker als
Schuppan & Viehstädt bisher digitale Möglichkeiten nutzende
Verwaltungsabläufe
1 Einleitung 5
• Das Buch gibt nach dieser Einleitung in Kap. 2 einen Überblick der IT-Steuerung
im Öffentlichen Bereich, beginnend mit den Zielen und folgend den Konzepten.
Da sich ein erheblicher Teil der geschichtlichen und sachlichen Digitalisierungs-
themen – nämlich diejenigen an der Schnittstelle der Verwaltung zu Bürgern und
Unternehmen – mit E-Government-Lösungen verbindet, ist dem Thema E-Govern-
ment hier ein besonderer Platz eingeräumt.
• Danach folgen in Kap. 3, 4 und 5 Darstellungen jeweils zur IT im Bereich der Kom-
munen, der Länder und des Bundes. Da in einer von der Seitenzahl her begrenzten
Monografie nicht alle Kommunen und Bundesländer einzeln beschrieben werden kön-
nen, wurde eine Auswahl nach Größe und Verfügbarkeit von Informationen getroffen.
Die IT in der Europäischen Union, als möglicherweise hier zu nennende vierte Ebene
der Gebietskörperschaften, ist nicht dabei. Der Grund dafür ist, dass sie keine eigenen
Verwaltungsorgane für die Durchsetzung ihrer Beschlüsse auf nationaler Ebene hat
und damit praktisch keine eigenen digitalen Services in Deutschland betreibt.
• Kap. 6 ist eine Mischung aus der Darstellung institutioneller Thinktanks und den indi-
viduellen Stellungnahmen bekannter Unternehmens- und Systemberatungshäuser.
• Die nicht auf einen einfachen Nenner zu bringenden Wirkungen und Erfolge der Digi-
talisierung enthält das Kap. 7. Es nimmt sich Zeit, aktuelle technische Hypethemen
auf das Potenzial für die Öffentlichen Dienstleistungen abzuklopfen. Gleichzeitig wer-
den auch gesellschaftliche und politische Wirkungen der Digitalisierung betrachtet.
• Schlussendlich bündelt und erläutert das Kap. 8 Empfehlungen an die politischen Ent-
scheider über Strategie und Mittel der Verwaltungs-IT.
Die Inhalte des Buches sind von verschiedenen Autoren nach einer gemeinsamen Glie-
derung erstellt worden. Die Namen der Autoren werden jeweils unterhalb der Überschrift
eines Abschnitts genannt. Für den Inhalt ihres Abschnitts und die hierin dargestellten
Meinungen sind sie verantwortlich, für den „roten Faden“ trotz aller Freiheiten haben die
Herausgeber „den Hut“ aufgehabt. Verweise auf andere Abschnitte im Buch sind von den
Herausgebern nachträglich eingefügt worden. Es gibt ein gemeinsames Glossar am Ende
dieses Buches, Literaturhinweise sind jeweils in den Literaturverzeichnissen am Ende
eines Kapitels in alphabetischer Reihenfolge gesammelt worden. Bei Links auf Quellen
im Internet wurde die Verfügbarkeit nachträglich im Frühjahr 2017 geprüft.
Der besseren Lesbarkeit wegen wurde weitestgehend nur die männliche Form der
Grammatik verwendet. Aus Erfahrung wissen die Herausgeber, dass auch die meisten
Mitbürgerinnen diesen Stil bevorzugen und darin keine Benachteiligung sehen.
Literatur
1. DPA: Fünf Milliarden Euro auf falsche Konten. FAZ, 24.03.2017. http://www.faz.net/aktuell/
finanzen/ueberweisungspanne-fuenf-milliarden-euro-auf-falsche-konten-14941061.html.
Zugegriffen: 24. Apr. 2017
2. Eggers, E.: Alte Computerprogramme erleichtern Umsatzsteuer-Betrug. FAZ, 12.10.2015
3. Engel, A. (Hrsg.): IT-Governance in Staat und Kommunen. Edition Sigma, Berlin (2015)
4. Europäische Kommission: Digitalisierung in Deutschland kommt voran: Deutschland beim Digi-
talisierungsindex auf Platz 11. 03.03.2017. https://ec.europa.eu/germany/news/digitalisierung-
europa-kommt-voran-deutschland-beim-digitalisierungsindex-auf-platz-11_de. Zugegriffen: 24.
Apr. 2017
5. Heuermann, R.: Strategisches IT-Management. Oldenbourg, München (2014)
6. IPIMA & Initiative D21: eGovernment-Monitor 2016. http://www.egovernment-monitor.de/
startseite.html (2016). Zugegriffen: 30. Apr. 2017
8 R. Heuermann
7. Jäkel, M.: Smart City wird Realität. Wegweiser für neue Realitäten in der Digitalmoderne.
Springer, Berlin (2015)
8. Kaczorowski, W.: Die smarte Stadt – den digitalen Wandel intelligent gestalten. Handlungsfel-
der – Herausforderungen – Strategien. Boorberg, Stuttgart (2014)
9. Köhl, S., Lenk, K., Löbel, S., Schuppan, T., Viehstädt, A.-K.: Stein-Hardenberg 2.0: Architek-
tur einer vernetzten Verwaltung mit E-Government. Edition Sigma, Berlin (2014)
10. Kollmann, T., Schmidt, H.: Deutschland 4.0. Wie die digitale Transformation gelingt. Springer,
Wiesbaden (2016)
11. Mertens, P. (Hrsg.): Schwierigkeiten bei IT-Großprojekten der Öffentlichen Verwaltung.
http://wi1.uni-erlangen.de/sites/wi1.uni-erlangen.de/files/swp_4_aufl_arbeitsbericht.pdf
(2012). Zugegriffen: 31. März 2017
12. Neudhart, N.: IT-Organisationen im Korsett organisatorischer Rahmenbedingungen. Verlag D.
Müller, Saarbrücken (2009)
13. Witte, J.: Pannen-Programm KoPers wird noch teurer. Die Welt, 18.08.2016. https://www.
welt.de/regionales/hamburg/article157738742/Pannen-Programm-KoPers-wird-noch-teurer.
html. Zugegriffen: 31. März 2017
Digitalisierung: Begriff, Ziele und
Steuerung 2
Roland Heuermann, Andreas Engel und Jörn von Lucke
Roland Heuermann
Der seit ca. 2014 im und vom Öffentlichen Bereich geradezu inflationär benutzte Aus-
druck „Digitalisierung“ ist für das aktuelle Geschehen schon fast ein Anachronismus,
da die erstmalige Digitalisierung – genau: die Digitalisierung von Daten – tatsächlich
schon Jahrzehnte zuvor stattgefunden hat. Digitalisierung meint im engen Wortsinn das
Überführen analoger Daten in ein diskretes System mit nur sehr wenigen Wertezustän-
den, im Extremfall sogar nur zwei (Binärsystem). Von Vorteil ist die Nutzung digitaler
Abbildungen analoger Daten erst mit dem Einsatz technischer Systeme, die mit viel bil-
ligeren technischen Bauteilen digitale als analoge Zustände abbilden können. Erstmalig
wurde dieser Vorteil „großtechnisch“ nach der Erfindung des Schreibtelegrafen 1833 in
der Signalübermittlung durch das Morsealphabet mit drei Zuständen (kurzes Signal, lan-
ges Signal, Pause) genutzt.
R. Heuermann (*)
Bonn, Deutschland
E-Mail: roland_heuermann@t-online.de
A. Engel
Frechen, Deutschland
E-Mail: andreas.engel@stadt-koeln.de
J. von Lucke
The Open Government Institut, Zeppelin Universität Friedrichshafen,
Friedrichshafen, Deutschland
E-Mail: jorn.vonlucke@zu.de
Tab. 2.1 Vier industrielle Revolutionen – grobe sachliche und zeitliche Eingrenzung. (Eigene
Darstellung)
Ereignis Beginn Erläuterung der sachlichen Errungenschaften
Erste Industrielle 1760 ff., Schwerpunkt Dampfmaschinen ersetzen in vielen Indus-
Revolution 19. Jahrhundert trien bei schwersten Arbeiten die blanke
Muskelkraft
Zweite Industrielle 1870 ff., Schwerpunkt ca. Eisenbahn, Fließbänder, Gas- und Wasser-
Revolution 1900 bis 1970 versorgung, Telefonie, Schreibmaschinen,
Autos und vor allem die flächig verfügbar
gemachte Elektrizität verbessern die Lebens-
bedingungen und Produktion dramatisch
Dritte Industrielle 1950, Vermehrt Elektronik und Digitaltechnik in
Revolution, „digitale Schwerpunkt ab 1970 Einzelgeräten, erste Computer im Mas-
Revolution“ seneinsatz von Wirtschaft und Verwaltung,
Verbesserung von Abläufen
Vierte Industrielle ca. 2000 f. Über das Internet medienbruchfreie Kom-
Revolution munikation zwischen Menschen, Behörden
und Unternehmen möglich, cyber-physische
Systeme vernetzen Maschinen in Produk-
tionswirtschaft, Haushalt und im mobilen
Einsatz
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 11
Tab. 2.2 Digitalisierungsthemen „4.0“ – Schlagworte. (Eigene Darstellung – angeregt durch [31,
S. VI])
Schlagwort Erläuterung
Arbeit 4.0 Vielgestaltige Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsangebot und
Arbeitsnachfrage. Eine durch mehrere Expertenrunden vorbereitete Sammlung
von Aspekten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales enthält zahlrei-
che Facetten – und Fragen [8]
Gesellschaft 4.0 Selten verwendet
Industrie 4.0 Cyber-physische Systeme, d. h. per Internet vernetzte und sich selbst per Sen-
soren und ggf. Aktoren wartende Maschinen, Internet der Dinge. Der Ausdruck
„Industrie 4.0“ wurde in Deutschland geprägt [39, S. 173], im Ausland ist er
bisher praktisch kaum übernommen worden
Politik 4.0 Frage nach mehr Transparenz, mehr Beteiligung und direkter Demokratie,
höhere Meinungsmacht der Bürger durch leichteren Zugang zum öffentlichen
Meinungsmarkt
Technologie 4.0 Begrenzt den Inhalt von Industrie 4.0 auf den technologischen Anteil, d. h. per
standardisierter Schnittstellenwelt digital steuerbarer Maschinen
Verwaltung 4.0 Begriff stammt von Kruse & Hogrebe (vgl. [39]), in ihm sammeln sich mit
Bezug auf die Verwaltung wieder Teilthemen der allgemeinen Digitalisierung
Wirtschaft 4.0 Ein neben der Industrie 4.0 auch die Dienstleistungsgewerbe einschliessender
Begriff. Selten verwendet
12 R. Heuermann et al.
Arbeitsplätze, Politik und auch Verwaltung. Viel gewonnen ist damit hinsichtlich einer
komplexitätsreduzierenden Wirkung aber zumeist nicht. Zunächst sind diese Begriffe
teils nicht ganz sauber trennbar, manche hängen als Teilmenge oder mit gemeinsamer
Schnittmenge zusammen – so ist „Politik“ letztlich ein Teil der „Gesellschaft“, „Arbeit“
ein Teil der „Wirtschaft“ und der „Industrie“, andere Begriffe haben eine wechselweise
Beziehung („Technologie“ und „Gesellschaft“).
Wenn man hinter diese Schlagworte in Tab. 2.2 schaut, entdeckt man zumeist die
gleichen Themen und Fragen wieder, deren Antwort zuvor zur Suche nach einem erklä-
renden Begriff führte. Dies gilt auch für „Verwaltung 4.0“. Das sehen Schuppan und
Köhl [54, S. 32] ähnlich: „Bei Verwaltung 4.0 […] handelt es sich um einen ‚Container-
begriff‘, der teilweise verwirrend wirkt, weil alte Konzepte und Ideen einfach nur neu
gelabelt werden“. Gleiches könnte man analog für Arbeit 4.0, Politik 4.0 oder Indust-
rie 4.0 sagen. Dies entwertet die in diesen „Containern“ enthaltenen Detailthemen nicht,
es sagt nur: Der „4.0“-Obergriff hilft dann nicht viel weiter, wenn man sich von der
Technik entfernt und alle betroffenen sozialen Aggregate damit etikettiert. Außerhalb
Deutschlands spricht man hier statt von „Industrie 4.0“ von cyber-physikalischen Sys-
temen. Das bezeichnet die technische Veränderung, die den Unterschied macht. Diesen
Ursprung von allem fest im Blick zu behalten erscheint sinnvoll, weil es über den Kern
der gemeinten Veränderungen in der Technik kaum Meinungsunterschiede geben kann.
Es ist dann ein zweiter Schritt, zu fragen, ob und wo diese cyber-physischen Veränderun-
gen Wirkung zeigen und wie diese aussehen. Hier ist etwas Vision und vor allem unter-
schiedlich weit ausfransende Spekulation dabei – daher gibt es auch einen erheblichen
Überlapp der verschiedenen „4.0“-Derivate. Ob diese dann zusätzlichen Erklärungswert
bringen oder eher um ihrer selbst Willen Fragen generieren oder Listen auch ohne sie
zu erzeugender Unterfälle mag der Leser entscheiden. Wegen seiner Begrenzung auf
den Kern macht das Häfler-Stufenmodell der Entwicklung einen plausiblen Ansatz, von
Lucke stellt es in Abschn. 2.3.4 dieses Kapitels näher vor. Demzufolge ist die aktuelle
Entwicklungsstufe des Internets und seiner Nutzenpotenziale die vierte Evolutionsstufe,
d. h. „Web 4.0“.
Die Wirkungen von Web 4.0 und seine Vorgängerversionen streuen auf alles. Die
zuvor genannten verschiedenen 4.0-Themen haben keinen zusätzlichen Wert bei der
Komplexitätsreduzierung, daher kann man sich davon auch ohne Nachteil wieder lösen.
Es bleibt also, mangels besserer und diskussionsfreier Alternativen, bei dem nicht
ganz scharf den jetzigen geschichtlichen Augenblick treffenden Ausdruck der „Digitali-
sierung“. Wichtiger als das Etikett sind jedoch der Sinn und die Bedeutung, daher fragt
der nächste Abschnitt nach den zu erwarteten Chancen und Risiken, den die Verwaltung
und der Staat von der Digitalisierung haben.
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 13
Roland Heuermann
Die Digitalisierung ist eine Entwicklung, die Chancen und Risiken sowohl für Einzel-
personen, Organisationen, Gesellschaften wie auch Staaten bietet. Die Erwartungen und
Befürchtungen an die Digitalisierung im Öffentlichen Bereich kann man pragmatisch
durch geeignete Aggregation in sieben große Handlungsbereiche sortieren, die alphabe-
tisch in der Tab. 2.3 aufgelistet sind. Die Öffentliche Verwaltung ist einer davon. Die
genannten Handlungsbereiche sind nicht vollständig unabhängig voneinander. Die Ver-
waltung profitiert oder leidet ggf. unter Entwicklungen in allen anderen allgemeinpoliti-
schen Handlungsbereichen:
• Der allgemeine Arbeitsmarkt ist für die IT-Bereiche der Verwaltung ein Markt für
zukünftige eigene IT-Arbeitskräfte. In Deutschland wächst dank einer gestiegenen
Zahl von Ausbildungsplätzen und Studienplätzen das Angebot an für IT-Tätigkeiten
qualifizierten Absolventen und berufserfahrenen Arbeitskräften, Engpässe an Bewer-
bern gab es z. B. 2016 nur punktuell [7, S. 4]. Auch in der Öffentlichen IT ist seit
Jahren das befürchtete Problem eines generellen Engpasses bei der Einstellung von
Nachwuchs nicht flächendeckend eingetreten. „Normal“ sind jedoch (wie überall in
der IT-Wirtschaft) temporäre Engpässe bei gerade aktuellen neuen Technologien oder
im IT-Sicherheitsbereich sowie gelegentlich lokale Probleme in besonders hochpreisi-
gen Städten, wie z. B. München. Es gibt eine strategische Aufmerksamkeit für dieses
Thema (siehe z. B. Ausarbeitung zur Personalgewinnung durch den IT-Planungsrat
[27]) und aus Sicht vieler Öffentlicher Dienstleister eine erfolgreiche Rekrutierung
von Personal im knappen Segment des gehobenen Dienstes (Qualifikationsstufe 3)
durch die Einrichtung eigener dualer Studiengänge (ergänzende Betrachtung des IT-
Arbeitsmarktes in Abschn. 7.5.3.3).
• Vor allem die digitale Bildung in der Schule ist wegen der Kompetenzen und Kapazi-
täten von Schulen immer noch ein Thema für die Allgemeinpolitik. Direkte Wirkung
auf den Nachwuchs für die Verwaltungs-IT lässt sich nicht beobachten. Indirekt sollte
der Öffentliche Bereich selbst davon profitieren, wenn ein immer größerer Teil der
Schüler und Jugendlichen hohe digitale Kompetenz erwirbt und sich dafür interes-
siert, im IT-Bereich beruflich tätig zu sein.
• Forschungsergebnisse: Technische Forschungsthemen wie auch Fragen des Manage-
ments, sowohl von Prozessen wie auch Ressourcen, beeinflussen die Effizienz und
Effektivität des IT-Einsatzes. Aus Erkenntnissen hierzu kann auch der Öffentliche
Bereich unmittelbar Nutzen ziehen.
14 R. Heuermann et al.
Tab. 2.3 Themencluster der Digitalisierung aus Sicht von Staat und Politik. (Eigene Darstellung)
Handlungs- Positive Erwartungen, Hoffnungen Negative Erwartungen, Befürchtungen
bereich
Arbeitsmarkt • Neue Arbeitsplätze • Netto-Verlust an Arbeitsplätzen durch
• Hochwertige Jobs schaffen disruptive Wirkungen
• Wettbewerbskraft deutscher Firmen • Im Tempo der Änderungen gegenüber
• Start-ups und Gründerszene beflügeln Konkurrenz zurückzufallen
Bildung • Gute Bildung: Vorteile für Einzelper- • Hohe Zahl digitaler „Analphabeten“
sonen und den Standort Deutschland oder Verweigerer sind Standort-
• Web-basierte Technologien und/oder nachteil und belasten künftig den
Künstliche Intelligenz können die Ver- Arbeitsmarkt
mittlung von Bildung erleichtern
Forschung • Marktfähige Erfindungen oder nütz- • Forschung führt nicht zu verwertba-
liche Grundlagenforschung bringen ren Ergebnissen oder die Ergebnisse
Vorteil für die deutsche Wirtschaft und verwerten andere
Gesellschaft
Infrastruktur • Gute Infrastruktur, besonders schnelle • Verwundbarkeit kritischer Infrastruk-
Breitbandnetze (Stand 3/2017: turen steigt
Schnell = könnte durchschnittlich > 25 • Servicediskriminierung ist möglich,
Mbps sein; zu Gründen von relativ politischer Widerstand dagegen
langsamem Netz in Deutschland siehe • Aktuelles Hinterherhinken Deutsch-
Kratz [33]), höhere Geschwindigkeit lands bei Breitbandangebot ist Stand-
könnte Standortvorteil sein ortnachteil
Politik selbst • Wünsche nach höherem Maß an • Meinungsmanipulation durch
Transparenz, Teilhabemöglichkeiten Falschnachrichten („fake news“) oder
und Open Government fordern zwar, durch Roboter („Bots“), die künstlich
fördern aber am Ende auch den Staat massenhafte Meinungsäußerungen
erzeugen
Verwaltung • Effizienz und Effektivität der Verwal- • Ein Zurückbleiben der Verwaltung ist
tung werden gestärkt, Akzeptanz in der ein Standortnachteil
Bevölkerung und Wirtschaft wachsen • Angst vor mangelndem Datenschutz
Wirtschaft • Digitales Wachstumsland Nr. 1 werden • Deutschland fällt gegenüber den USA
und Asien weiter zurück
geringem Umfang evtl. einen Leistungsaustausch zwischen Behörden gibt, zum ande-
ren aber auch ein Leistungsvergleich stimulierend wirken kann.
• Wirtschaft: Die Wirtschaft ist „Kunde“ der Verwaltung und in Teilen auch Lieferant.
Eine stark digitalisierte Wirtschaft „treibt“ die Verwaltung vermutlich auch zu stärke-
rer eigener Digitalisierung, auf der anderen Seite stellt sie vermutlich mehr innova-
tive Produkte auch für die Verwaltungsarbeit bereit. Die Bundesregierung hat in 2010
und wiederum in 2013 in Koalitionsverträgen das Ziel formuliert, Deutschland zum
digitalen Wachstumsland Nr. 1 zu machen. Genaue, messbare Maßstäbe für das Errei-
chen der Ziele wurden nicht formuliert. In dem in 2017 veröffentlichten „Weißbuch“
des BMWi wird festgestellt, dass die USA – gemessen an einem von der Fa. Roland
Berger (mit einer Befragung von ca. 240 Unternehmen) ermittelten Index mit 21
Indikatoren – mit 18 % des realisierten Digitalisierungspotenzials weltweit führend
ist, während Europa zurückhängt: „Auch Deutschland gehört zu den Nachzüglern“ –
Deutschland hat nur 10 % seines Potenzials erreicht und liegt sogar hinter Großbritan-
nien, Frankreich und den Niederlanden [10, S. 24 f.].
Roland Heuermann
Alle rationalen Motive der Öffentlichen Verwaltung, über Themen der Digitalisierung
nachzudenken, sind mit dem Begriff „Innovation“ verbunden. Da der Einsatz von IT-
Technologie, auch der fortschrittlichsten, kein Selbstzweck ist, sondern den Zielen und
Aufgaben der Verwaltung dienen muss, sind die Bereiche des Innovationsbedarfs mög-
lichst genau zu bestimmen. In absteigender Reihenfolge der Bedeutung für die Ziele des
Staates sind dies vier Bereiche der Innovation:
1. Leistungen (im Folgenden „Services“) für die Bürger und die Gesellschaft,
2. Arbeitsabläufe in der Verwaltung und zwischen Verwaltung, Bürgern und Unter-
nehmen,
3. die Informationstechnik (IT) selbst, geschuldet den eigenen Kontrollbedarfen, sowie
4. die Steuerung der Verwaltung in Gänze wie auch der eigenen IT.
Diese vier großen Innovationsbereiche kann man – wie in Abb. 2.1 dargestellt – auf eine
Vielzahl ihnen untergeordneter Themen herunterbrechen.
Eine kurze, ergänzende Erläuterung dazu:
• Service- und Prozessinnovation: Für den Außenstehenden wird der Wert der digita-
len Kompetenz der Verwaltung unmittelbar durch das Ergebnis, den Verwaltungs-
service (d. h. das Produkt), sichtbar. Gegebenenfalls werden in manchen Fällen
einige Etappen der dahin führenden Zwischenschritte (d. h. Zwischenprodukte) in
16 R. Heuermann et al.
Tab. 2.4 Mögliche mit der Digitalisierung verbundene Innovationsziele der Verwaltung. (Eigene
Darstellung)
Innovationsbereich Mögliche Nutzen-Ziele der Innovation
Serviceinnovation • Kompletter Entfall eines Verwaltungsverfahrens
➩ Hauptzweck • Entfall von Nachweisen
• Erleichterung für den Verwaltungskunden (Zeitbedarf, Kosten)
• Effektivität (Ergebnissicherheit) erhöhen
• Transparenz über Verfahrensstand und Inhalt erhöhen
• Proaktiv auf Kunden zugehen können
Innovation der Abläufe • Ablauf überflüssig machen
(Verwaltungsverfahren) • Sachliche Qualität erhöhen
Hilfsmittel 1. Ebene • Verfügbarkeit erhöhen (bis zu 7 × 24 h), Ausfallrisiko mindern
• Kosten bei gleichbleibender Qualität senken
• Geschwindigkeit erhöhen
• Automatisieren, Erleichterung für die Beschäftigten
• Bessere Verzahnung mit anderen Abläufen
• Komplexität verkleinern
• Wirtschaftlichkeit erhöhen
Informationstechnologie • Skalierbarkeit nach Bedarf der Leistungsnachfrage
Hilfsmittel 2. Ebene • Flexibilität zur Anpassung auf neue Situationen erhöhen
• Bedienung erleichtern
• Automatisieren
Steuerungsinnovation • Transparenz: Nutzdaten und Betriebsdaten der Verwaltung in einem
„Cockpit“ zentral und drill-down-fähig verfügbar machen
• Daten aus verschiedenen Verwaltungsbereichen vernetzen können
und damit neue Steuerungsinformationen gewinnen
• Daten aus dritten Quellen (z. B. sozialen Netzwerken) nutzen
18 R. Heuermann et al.
Die Themen im Management der Digitalisierung der Öffentlichen Verwaltung kann man
nach dem in der Abb. 2.2 dargestellten Raster mit 15 sachlichen Kategorien systematisie-
ren. Die Steuerungssituation stellt sich kurz gefasst wie folgt dar:
1. Bedarfe der Bürger, Unternehmen und der Exekutive: „Kunde“ ist für die Öffentli-
che IT sehr oft die eigene Fachverwaltung, Nutzer sind die eigenen Mitarbeiter der
Behörde, andere Behörden, aber auch Bürger und Unternehmen. Der Öffentliche
Bereich setzt zur Klärung der Bedarfe alle „klassischen“ Mittel der Anforderungs-
analyse ein, hierzu gibt es u. a. den Leitfaden des Bundesinnenministeriums zu
Organisationsuntersuchungen [6].
2. Service Level Management: Es gibt bei vielen, vermutlich bei allen in der Rolle
eines Shared Service Centers betriebenen IT-Dienstleistern explizite Servicekatego-
rien.
3. IT-Kommunikation und Marketing: Die IT-Dienstleister bewerben in unterschied-
lichem Ausmaß ihre Kunden in der Öffentlichen Verwaltung. Es gibt viele pro-
fessionelle, inhaltlich interessant und abwechslungsreich erstellte Homepages,
gelegentlich auch Periodika und Messeauftritte.
4. Produkt-/Leistungskatalog: Mit dem Leistungskatalog „LeiKa“ (siehe Abschn. 7.4.2)
gibt es eine im weiteren Aufbau befindliche, behörden- und ebenenübergreifende
detaillierte Liste von Verwaltungsverfahren.
5. Produkt-/Service-/Portfoliomanagement: Öffentliche IT-Dienstleister kennen die
Rolle des „Kundenbetreuers“ und des Servicemanagers für bestimmte IT-Services.
Anders als in der Privatwirtschaft geht es hier aber nicht um ggf. das Wecken ganz
neuer Bedarfe, sondern eher um die Betreuung von Behörden, die aufgrund rechtli-
cher Vorgaben einen ganz bestimmten IT-Service benötigen, aber evtl. in der Wahl
der Bezugsquelle die Freiheit der Auswahl unter zwei oder mehr Anbietern oder
Entwicklungspartnern haben.
6. Qualitäts- und IT-Sicherheitsmanagement: Es gibt mit dem IT-Grundschutzkatalog
und vielen Detailvorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstech-
nik (BSI) eine standardisierte Vorgehensweise zur Erhöhung der Sicherheitsqualität
von Öffentlichen IT-Services.
7. Aufbauorganisation und Betriebsprozesse: Behörden in Deutschland arbeiten inzwi-
schen weitgehend – dem Anspruch nach – mit den auch in der Wirtschaft bekannten
Standards, d. h.für die Prozessorganisation des Servicebereichs mit ITIL (IT Infra-
structure Library), bei der Bestimmung des Personalbedarfs mit einer analytischen
Personalbedarfsermittlung. Die Aufbaustruktur trennt meist den Servicebereich von
dem Betrieb, einem Bereich mit IT-Entwicklung und einem Bereich für Steuerung,
Budgetierung usw.
8. IT-Governance und IT-Rollen: Der Öffentliche Bereich hat kein verbindliches,
behördenübergreifendes Rollenset, auch die Steuerung ist – jenseits der Rechtsform –
behördenindividuell.
9. IT-Projektmanagement: Für die Bundesebene gilt formell das allerdings anpassungs-
bedürftige V-Modell XT; praktisch dürfte es auch viele Behörden geben, die agile
Projektmanagement-Methoden durch entsprechende „Anpassung“ des V-Modells
XT und gleich nach der Methode SCRUM einsetzen.
10. IT-Beschaffung und Vendorenmanagement: Bund, Länder und Kommunen haben
zunehmend Instanzen für die Bündelung der Beschaffung gebildet, allerdings kaum
ebenenübergreifende. Außerdem ist die Nutzung von zentralen Beschaffungsein-
richtungen längst nicht über alle Instanzen zwingend. Darüber hinaus bündeln auch
viele überregionale kommunale IT-Dienstleister und die praktisch als Bundesver-
band der kommunalen Dienstleister arbeitende ProVitako den Einkauf für Öffentli-
che IT-Dienstleister.
11. Personalmanagement: Es gibt kein gemeinsames behördenübergreifendes IT-Perso-
nalmanagement, jede Behörde rekrutiert für sich. Eine Rotation zwischen Behörden
und ein Austausch von Spezialisten wären bei Beamten per Abordnung möglich,
dürften aber sehr selten stattfinden. Dagegen kommen Beauftragungen eines Öffent-
lichen Dienstleisters an einen anderen, um mit dessen Personal Dienste im Namen
des Auftraggebers zu erstellen, durchaus vor (s. z. B. die virtuellen Rechenzenten
des Dachverbandes kommunaler IT-Dienstleister in NRW, KDN, in Rechenzentren
von Mitgliederbetrieben, siehe Abschn. 4.2.5).
12. Architekturmanagement: Es gibt auf Bundesebene mit der Koordinierungsstelle für
IT-Standards (KoSit) ein speziell für Architektur tätiges „Kompetenzcenter“, das als
Referat in der Verwaltung der Freien- und Hansestadt Bremen angesiedelt ist und
sowohl für den IT-Planungsrat als auch andere öffentliche Auftraggeber arbeitet.
20 R. Heuermann et al.
Architekturvorgaben des Bundes werden vom CIO des Bundes in Form einer regel-
mäßig aktualisierten Richtlinie [11] herausgegeben. Die Idee des ganzheitlichen
Managements von IT-Landschaften ist gerade bei konsolidierten IT-Dienstleistern,
die eine große Zahl, in der Regel mehrere hundert, ihnen vorher unbekannte Ver-
waltungsfachverfahren „geerbt“ haben, besonders wichtig. Einzelne Bundesländer
haben ein sehr strukturiertes Vorgehen oder wollen es einführen und stärken (z. B.
IT-Architekt ITDZ Berlin, Herzberg, 2014 [19]). Ein ebenen- und regionenübergrei-
fendes angestimmtes Vorgehen fehlt praktisch jedoch selbst im IT-Planungsrat, der
einen Leitfaden Architekturmanagement für die Bundesverwaltung herausgegeben
hat [11].
13. IT-Strategie: Viele Öffentliche IT-Bereiche haben eine explizite, nicht unbedingt
öffentlich bekannt gegebene Strategie.
14. IT-Controlling: Es gibt kein systematisches, behördenübergreifendes IT-Controlling
über die klassischen Kennzahlen des Öffentlichen Haushaltsmanagements hinaus,
d. h. keine Standard-Kosten-Leistungsrechnung (KLR) und keine definierten Kalku-
lationswege von Servicekosten. Die Kennzahlen von zwei verschiedenen Öffentli-
chen IT-Dienstleistern sind somit oft eigentlich nicht vergleichbar.
15. Budgetierunf: Sach- und Personalhaushalt: Die in einer öffentlich-rechtlichen
Rechtsform geführten IT-Dienstleister unterliegen den dort gepflegten Regeln, die
zumindest eine jährliche kameralistische Ein- und Auszahlungsrechnung beinhalten.
Viele Behörden dürften darüber hinaus eine Kosten-Leitungsrechnung (KLR) mit
KLR-Produkten haben, außerdem werden Anlagegegenstände in einem „Gerätein-
ventar“ erfasst. Darüber hinaus dürften einige, auf jeden Fall die in privater Rechts-
form geführten Behörden-IT-Dienstleister, ein „echtes“ doppisches System mit
Abschreibungen haben.
• Als in die Fachbehörde eingebetteter IT-Bereich. Es gibt viele IT-Bereiche, die Teil
der Zentralbereiche ihrer Behörde sind. Andere sind teils auf Fachbereiche aufgeteilt,
teils zentral. Wieder andere sind gleichrangig mit dem Zentralbereich der Behörden-
leitung zugeordnet.
• Als eigenständige, behördenübergreifende IT-Dienstleister im Stile eines Shared
Service Centers. Hier sind verschiedene Rechtsformen, öffentlich-rechtliche (z. B.
Anstalt Öffentlichen Rechts, aber auch Regiebetriebe) wie privatrechtliche (Genos-
senschaften, GmbH), zu finden.
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 21
Eine Mischform besteht darin, den örtlichen IT-Service und evtl. einzelne behördenspe-
zifische Fachverfahren vor Ort in der eigenen Behörde zu betreiben, Querschnittsservices
aber und evtl. das Hosting besonders anspruchsvoller Fachverfahren einem Shared Ser-
vice Center zu überlassen.
Für die sachliche Abstimmung über die Schnittstellen der Zusammenarbeit und die
Zuordnung der Verantwortung zwischen den fachlichen Kunden der IT und den IT-
Dienstleistern gibt es kein bundesweit verbindliches Vorgehensmodell. Damit wird es
vermutlich von Behörde zu Behörde, von Bundesland zu Bundesland verschiedene
Vorgehensweisen geben. Einige Gebietskörperschaften haben standardisierte Vorgaben
zumindest für ihre eigene Arbeit näher geprüft, wie es z. B. NRW mit dem TOGAF-
Modell getan hat [43]. Ob und wie diese tatsächlich gelebt werden, ist eine hier nicht
untersuchte Frage. Der Mindestrhythmus und der Mindestinhalt von Abstimmungen
zwischen Fachbereichen und IT-Bereichen wird durch die jährliche Haushaltsplanung
und die Gliederungstiefe der dafür zu erstellenden IT-Rahmenplanungen bestimmt. Eine
standardisierte Sicht der Aufgabenteilung am Beispiel der Aufgabenzuschnitte zwi-
schen IT-Landesdienstleister und den Auftraggebern in den Ressorts mit Begriffen des
TOGAF-Modells ist in Abb. 2.3 dargestellt.
Oberhalb der Ebene einzelner Behörden und einzelner IT-Dienstleister hängt es von
der Ebene der Verwaltungsgliederung und ggf. von der Zugehörigkeit zu bestimmten
Ressorts ab, welche Abstimmungswege einzuhalten und welche Gremien zuständig
sind. Abb. 2.4 zeigt, mit dem IT-Planungsrat an der Spitze, eine schematische Darstel-
lung der Zusammenhänge von Gremien, beratenden Instanzen und operativen IT-Dienst-
leistern auf der Ebene Bund und Länder: Der IT-Planungsrat auf Bund-Länderebene
Abb. 2.4 Übersicht Steuerungsgremien Bund und Länder sowie benachbarte Instanzen
des Bundes. Den Vorsitz haben turnusmäßig im Jahreswechsel der Bund und einzelne
Länder, die sich untereinander einigen müssen. Nachweisbare, besondere IT-relevante
Berufsqualifikationen oder langjährige eigene IT-Berufserfahrungen – wenn auch nur in
der Politik – werden im Vorsitz des Planungsrats nicht erwartet. Daher ist das Gremium
in der personellen Zusammensetzung auch in dieser Hinsicht sehr gemischt.
Um seinen eigenen Auftrag und seine inhaltliche Vorgehensweise zu präzisieren,
hat der IT-Planungsrat im September 2010 eine „nationale E-Government-Strategie“
(NEGS) beschlossen [25] und in 2015 fortgeschrieben, deren Inhalt in zuletzt fünf Ziel-
festlegungen für das E-Government besteht [26, S. 9]:
Für die Umsetzung haben die Mitglieder des IT-Planungsrats mit „koordiniertem Han-
deln in Eigenverantwortung“ zu handeln, d. h., es gibt keine zentrale Kontrollinstanz und
keine gegenseitige Rechenschaftspflicht.
In operativen Themen koordiniert sich der IT-Planungsrat bei Bedarf insbesondere mit
den Fachministerkonferenzen, wenn es z. B. um verwaltungsfachliche IT-Anwendungen
geht.
Die Binnenstruktur des Planungsrates wird in der Abb. 2.5 aufgezeigt. Im Vertrag zwi-
schen Bund und Ländern wird die Geschäftsstelle des IT-Planungsrates angesprochen
und deren Finanzierung durch Bund und Länder geregelt. Die Struktur der sechs in der
Abbildung darunter befindlichen Aufgabenbereiche ist heterogen und nicht permanent,
sondern folgt derzeitigen pragmatischen Gesichtspunkten. Neben den projekären Aufga-
ben ist insbesondere die mit IT-Standardisierungsaufgaben beauftragte KoSIT zu erwäh-
nen, die seit Jahren für den IT-Planungsrat die unter dem Stichwort „xÖV“ bekannten
Standardformat-XML für den behördenübergreifenden Datenaustausch erstellt, aber
auch z. B. für die Innenministerkonferenz arbeitet (Stand 3/2017) und organisatorisch
einem E-Government-Referat der Verwaltung im Bundesland Bremen zugeordnet ist. Die
bis 2017 im IT-Planungsrat gegebene Kapazität zum Wissensaustausch und zur Steue-
rung gemeinsamer Projekte wird als zu gering betrachtet, um den eigentlich anstehen-
den Aufgaben nachzugehen (Hessens CIO Schäfer am 13.10.2016, Kommune21 [32]),
daher kam der Vorschlag einer ergänzenden operativen Einheit mit Namen „Föderale IT-
Kooperation“ als unterstützende Instanz für den IT-Planungsrat [32, S. 3].
Die an der Spitze der Gremien wie dem IT-Planungsrat, aber auch in den Gebietskör-
perschaften stehenden CIOs sind wichtige Gestalter der Digitalisierung in der Verwaltung.
Auf sie kommt es ganz wesentlich an, von alleine bewegt sich der Apparat vermutlich nicht
wirklich. Außerdem haben Bund und Länder keine ausreichend differenzierten allgemeinen
24 R. Heuermann et al.
Corporate-Governance-Regeln, aus denen sich bereits für den IT-Apparat klare IT-Gover-
nance-Regeln und Erwartungen ableiten lassen (s. [59, S. 57]). Die Person selbst prägt
damit sehr stark die Rolle und Funktion des CIOs, hierin liegen große Chancen für Kön-
ner und auch systemische Risiken im Falle von weniger kompetenten Vorsitzenden. Daher
stellt der folgende Abschnitt diese Rolle und neuere Entwicklungen näher vor.
2.2.3.3.1 Rollendefinition
Ein Chief Information Officer (CIO) ist nach allgemeinem Verständnis die ranghöchste
Position oder Führungskraft in einer Organisation mit Gesamtverantwortung (Ergeb-
nisverantwortung) für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik.
Sie ist in der Regel im Vorstand vertreten und zeichnet dafür verantwortlich, dass die
Organisationsstrukturen (IT-Management) und Leistungsprozesse der IT-Bereitstellung
(IT-Servicemanagement) optimal gestaltet werden und eine den Organisationszielen
entsprechende, zeitgemäße und effektive IT-Unterstützung gewährleistet wird (business
alignment), vgl. [15, S. 8, 21, 22].
Nach klassischem Rollenverständnis ist es Aufgabe eines CIOs, den Einsatz der Infor-
mations- und Kommunikationstechnik in der Organisation strategisch zu steuern, d. h. eine
IT-Strategie zu entwickeln, im Vorstand abzustimmen und organisationsweit umzusetzen.
Im Zentrum der Aufgabe steht die Koordination und Steuerung der organisationsinternen
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 25
Bedarfsträger und Stakeholder, um die Nachfrage zu bündeln und das Angebot an IT-Leis-
tungen in einer integrierten Infrastruktur- und Anwendungslandschaft zu harmonisieren und
zu standardisieren. Der CIO ist verantwortlich für das IT-Controlling und die IT-Gover-
nance.
In Abgrenzung zum CIO obliegt dem Chief Technology Officer (CTO) bzw. dem
Chief Information Manager (CIM) die Verantwortung für die effektive Bereitstellung
der IT-Leistungen (IT-Supply) bzw. den IT-Betrieb. Gegenüber internen bzw. exter-
nen IT-Dienstleistern nimmt der CIO die Auftraggeberrolle wahr, er bestimmt die Fer-
tigungstiefe der IT-Produktion in der eigenen Organisation und wirkt beim internen
IT-Dienstleister darauf hin, dass die Betriebsorganisation und das Leistungsangebot opti-
miert und konsolidiert werden.
In der Öffentlichen Verwaltung stand in den vergangenen Jahren die Grundsatzfrage
der Institutionalisierung eines CIOs im Mittelpunkt (in der Regel bezeichnet als IT-
Beauftragte bzw. IT-Beauftragter), die Ausstattung mit Entscheidungsbefugnissen und
in diesem Zusammenhang die Anbindung in der Entscheidungshierarchie von Regierung
oder Verwaltung. Im Bund und in den meisten Ländern wird die Aufgabe im Rang eines
Staatssekretärs wahrgenommen, in einzelnen Ländern auch von Ministern oder höheren
Beamten. Im Unterschied zum Bund und allen Bundesländern ist die CIO-Rolle in den
Kommunen vielerorts noch nicht etabliert, ganz zu schweigen von einer Verankerung auf
der Chefebene.
Noch sind die Positionen mit sehr unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten und
Entscheidungsrechten ausgestattet. Aufgrund der ausgeprägten Eigenständigkeit von
Regierungs- bzw. Verwaltungsträgern (Ressortprinzip, Fach-, Organisations- und Bud-
getverantwortung) ist es für die effektive Wahrnehmung der Steuerungsrolle jedoch
wichtig, dass der CIO mit einem Budget bzw. mit Genehmigungsvorbehalten in der Bud-
getbewirtschaftung ausgestattet ist.
die Trennung von Frontoffice- und Backoffice-Aufgaben eine Option mit neuen Organi-
sationsmodellen wie Shared Service Center und Leistungsnetzwerke für das Backoffice.
Die Digitalisierung führt schließlich zu einer Öffnung von Staat und Verwaltung im
Sinne einer höheren informationellen Transparenz (Open Data) und einer stärkeren Teil-
habe an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen.
Diese durch die Digitalisierung angestoßenen Veränderungsprozesse haben weitrei-
chende Folgen für die Aufgaben des CIOs, mit der Konsequenz einer Spezialisierung
bzw. Differenzierung von drei neuen Rollen (vgl. [15, S. 11, 29]):
und Verwaltung, den digitalen Wandel zum Wohl der Bürger sowie der Unternehmen
aktiv mitzugestalten. Unter den Rahmenbedingungen einer digitalisierten, vernetzten
Wirtschaft und Gesellschaft kann der CIO sich daher nicht nur auf die Rolle eines
organisationsinternen Modernisierers zurückziehen. Sein Aufgabenfeld ist nicht mehr
nur das Gestalten von internen Regierungs- und Verwaltungsprozessen (E-Govern-
ment), sondern auch das (Mit-)Gestalten der Digitalisierung in Staat, Wirtschaft und
Gesellschaft. Dazu ist er gefordert, eine Digitale Strategie für die Kommune bzw. die
Region oder das Land mitzuentwickeln, d. h. ein Programm für innovative techni-
sche, organisatorische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse,
die darauf abzielen, die Lebens-, Aufenthalts- und Arbeitsqualität zukunftsfähig zu
gestalten.
Der Umsetzungsplan für eine Digitale Strategie ist eine Digitale Agenda. Sie ist mehr
als E-Government und Verwaltungsmodernisierung. Sie betrifft alle Lebensbereiche,
den Wirtschafts- und Bildungsstandort, Kultur, Mobilität, Gesundheit und das sozi-
ale Zusammenleben. Nicht nur der Bund, sondern jede Kommune, jede Region, jedes
Land braucht eine eigene Digitale Agenda. Jede Gebietskörperschaft muss ihre eigenen
Schwerpunkte setzen, die zu den Lebensverhältnissen, den wirtschaftlichen und sozio-
kulturellen Rahmenbedingungen vor Ort passen und alle Interessen berücksichtigen.
Wegen ihrer Bedeutung sollte die Entwicklung einer Digitalen Agenda Chefsache sein.
Daraus folgt, dass auch der CIO sich in den Prozess zur Entwicklung einer Digitalen
Agenda aktiv einbringen muss. Er wird zu einem CDO – dem Chief Digital Officer oder
präziser: Chief Digital Community Officer –, und erweitert damit sein Rollen-Set um das
des Digitalisierungsbeauftragten.
Als Digitalisierungsbeauftragter ist es eine der wichtigsten Aufgaben, den Multista-
keholder-Prozess zur Entwicklung einer Digitalen Agenda (mit) zu organisieren und
Anreize zur Selbstorganisation im Agenda-Prozess zu schaffen. Denn die Digitalisierung
ist nur in dem Maße erfolgreich, wie Zivilgesellschaft und Wirtschaft sich auch aktiv ein-
bringen und beteiligen. Der Erfolg der Digitalisierung steht und fällt mit der Einbindung
der Betroffenen und Beteiligten. Noch nimmt diese Aufgabe weder die Wirtschaft noch
die Zivilgesellschaft selbst an. So bleibt die Verantwortung dafür, den organisatorischen
Rahmen für einen Agenda-Prozess zu entwickeln, in erster Linie bei den Öffentlichen
Institutionen und damit beim CIO.
Organisationen reagieren auf neue Aufgaben und Veränderungen in der Umwelt,
indem sie Aufgaben und Rollen, Prozesse und Strukturen anpassen und (weiter-)entwi-
ckeln, um die Herausforderungen besser bewältigen zu können. Auch die Verwaltung
reagiert auf die Digitalisierung von Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung mit
einem Wandel der Rolle des Verwaltungs-CIO, mit Erweiterungen zu einem Rollen-Set,
siehe Abb. 2.6. Aus dem auf die organisationsinternen Steuerungsprozesse fixierten IT-
Manager wird zusätzlich ein Innovations- und stärker nach außen orientierter Koope-
rations- und Teilhabe-Manager. Vom Verwaltungs-CIO wird erwartet, dass er all diese
Rollen beherrscht und für seine Verwaltung den situativ passenden Rollen-Mix findet.
28 R. Heuermann et al.
Nicht auszuschließen ist, dass die Komplexität dieser Aufgaben und Anforderungen
zukünftig dazu führt, dass jede einzelne Rolle für sich institutionalisiert und mit entspre-
chenden Ressourcen und Entscheidungskompetenzen ausgestattet wird.
Die Digitalisierung und damit der Einsatz von Rechnern zur Datenverarbeitung in der
Öffentlichen Verwaltung besitzen eine lange Tradition. Bereits 1890 wurden in den USA
Lochkartenmaschinen zur Aufbereitung der Volkszählung eingesetzt, um die statistische
Auswertung der Zensusdaten zu erleichtern und zu beschleunigen. Die erste elektroni-
sche Datenverarbeitungsanlage in der Öffentlichen Verwaltung in Deutschland ist 1956
bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin aufgestellt worden. In der
Finanz-, Sozial- und Personalverwaltung begann dann rasch die Umstellung der großen
Verwaltungsverfahren auf elektronische Datenverarbeitung (EDV). Diese Systeme boten
Vorteile, weil sie hohe Arbeitsvolumina übernahmen und bereits vorgegebene Arbeits-
methoden automatisierten. Seit Mitte der 1960er Jahre findet die EDV breiten Einzug
in die Öffentliche Verwaltung in Deutschland. Rechenzentren wurden eingerichtet, spä-
ter weiter ausgebaut. Erste Rechnernetzwerke kamen hinzu. Eine immer größere Anzahl
von Verwaltungsverfahren wurde über Datenverarbeitungsanlagen abgewickelt. Seit den
1980er Jahren setzten sich die mittlere Datentechnik, Arbeitsplatzrechner und Personal
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 29
Bedingt durch die lange Tradition wissenschaftlicher Lehre und Forschung, den skiz-
zierten Kosten- und Veränderungsdruck für bestehende Strukturen, aber auch durch die
vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung, ist es nicht überraschend,
dass sich unterschiedliche Wissenschaften mit dem Einsatz von Informationstechnik im
Öffentlichen Sektor auseinandersetzen. Multidisziplinarität ist in einem sehr heteroge-
nen Umfeld das Gebot der Stunde, denn es gilt, die Bereiche Recht, Politik, Verwaltung,
Organisation, Bürger, Unternehmen und Technik – siehe Abb. 2.7 – einzubinden.
Im Kern sind es die Verwaltungsinformatik und die Rechtsinformatik, die sich mit
dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Staat, Verwaltung,
Gesetzgebung und Justiz auseinandersetzen. Rasch wird aber klar, dass auch andere
30 R. Heuermann et al.
Dazu ist sie auf Kenntnis, Weiterentwicklung und Anwendung von Methoden der Projek-
torganisation, der Istanalyse, der Informationsbedarfsplanung, des Systementwurfs, der
Alternativenbewertung, des Software-Engineering und der Implementierung von Neue-
rungen angewiesen (vgl. [45, S. 888 f.]). Als Teilbereich der Verwaltungswissenschaften
strebt sie grundsätzliche Erkenntnisse und Regelungen für Staat und Verwaltung an, die
sich aus dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien ergeben kön-
nen. Dementsprechend beschäftigt sie sich mit der informationstechnikgestützten Gestal-
tung von Verwaltungshandeln. Somit ist sie auch eine spezielle Organisationslehre, die
auf organisationstheoretischer Grundlage arbeitet, Methoden der Organisationsanalyse
auf die Öffentliche Verwaltung anwendet und einen fundamentalen Organisationsas-
pekt behandelt. Ausgehend von konkreten Situationen und Aufgabenstellungen in der
Verwaltung einerseits und generellen Problemlösungskonzepten der Informatik anderer-
seits sollen auf der Grundlage organisationstheoretisch gestützter Ziele, Verfahren und
Methoden Problemlösungen gefunden werden, die in einer optimalen Zuordnung von
Aufgaben und Methoden beziehungsweise Systemen bestehen (vgl. [4, S. 4 f. und 18 ]).
Durch die zunehmende Ubiquität von Daten, Personen, Programmen und Objekten erge-
ben sich vollkommen neue Ansätze zur Gestaltung von Aufbau- und Ablauforganisation
der bestehenden Verwaltung und des Öffentlichen Sektors insgesamt [46, S. 434 ff., 49,
S. 5 f., 48, S. 128 f., 37, S. 15].
Bei der Verwaltungsinformatik handelt es sich um eine praxisorientierte Wissenschaft.
Sie lässt sich den Ingenieurwissenschaften und den Geisteswissenschaften gleicherma-
ßen zuordnen. Bedingt durch die verschiedenen Wissenschaftstraditionen bedient sie
sich verschiedener Methoden zur Erkenntnisgewinnung: Zur Konzeption neuartiger IT-
Systeme, die für den künftigen Einsatz in der Öffentlichen Verwaltung gedacht sind und
die selbst Grundlage für eine Reorganisation der Verwaltung sein können, wird normativ-
gestalterisch im Sinne von „Design Science“ vorgegangen. Im Rahmen der Systement-
wicklung müssen Visionen, Konzepte, Pflichtenhefte und Prototypen entwickelt werden,
wozu auch auf die Rechtswissenschaften und die Verwaltungsökonomie Bezug genom-
men werden kann. Zur Implementierung dieser oft sehr innovativen Systeme wird auf
Vorgehensstrategien und -modelle zurückgegriffen. Ihre Programmierung erfolgt mit-
hilfe von Programmiersprachen, die auf Basis axiomatischer Modelle entwickelt wurden.
Empirisch-analytische Methoden können zur Beschreibung, zur Erklärung, zur Folgen-
abschätzung und zur Wirkungsforschung verwendet werden. Mit deskriptiven Analysen
lassen sich beschreibende Abbildungen der Erkenntnisobjekte, etwa bereits eingesetzter
IT-Systeme, anfertigen. Erklärende Aussagen stellen über die beschreibenden Aussagen
hinaus die Bedingungen, Ursachen, Wirkungen und sodann erkannten Gesetzmäßigkei-
ten des Erkenntnisobjekts fest. Dabei kann es sich auch um Vermutungen handeln, die
durch Beobachtungen und Experimente zu bestätigen sind (vgl. [2, S. 102]). Mit der
Technikfolgenabschätzung sollen die Auswirkungen des Einsatzes von Informationstech-
nik auf die Organisation, die Aufgabenerledigung und die Umwelt der Verwaltung vor
einem Einsatz untersucht werden, damit frühzeitig auf Risiken und unerwünschte Ent-
wicklungen reagiert und gestaltend eingegriffen werden kann. Sie kann auch während
32 R. Heuermann et al.
und nach der Implementierung durchgeführt werden (vgl. [13, S. 3–9 ff.]). Nach der
Implementierung eignen sich empirisch-analytische Methoden, um die Akzeptanz und
die Wirkungen des eingesetzten IT-Systems zu messen und um Anregungen zu seiner
Weiterentwicklung zu gewinnen. Für die Aufgaben des Systembetriebs, der Systemwar-
tung und der Systemablösung werden wiederum technisch-handwerkliche Methoden
verwendet. Hermeneutische Methoden eignen sich für die historische Betrachtung der
Einführung von IT-Systemen in der Öffentlichen Verwaltung. Als ursprüngliche Hand-
lungswissenschaft will die Verwaltungsinformatik allerdings nicht nur Erkenntnisobjekte
beschreiben, erklären und beobachten, sondern diese auch und vor allem aktiv gestalten.
Die Verwaltungsinformatik als Wissenschaft verfolgt also gleichermaßen beschreibende,
erklärende und gestalterische Erkenntnisinteressen aus einer objektiven Perspektive. Sys-
tematische und mit Methoden erzielte Erkenntnisfortschritte tragen zur Weiterentwick-
lung dieser vergleichsweise jungen wissenschaftlichen Disziplin bei (vgl. [37, S. 15 f.]).
Einige Wissenschaftler fassen den Begriff „Verwaltungsinformatik“ sehr breit auf und
schließen in ihrem umfassenden Verständnis auch Themen der Rechtsinformatik, der
Justizinformatik, der Politikinformatik und der Wirtschaftsinformatik mit ein. Wissen-
schaftler dieser durchaus eigenständigen Wissenschaften sehen tatsächlich bestehende
Gemeinsamkeiten, betonen mit Blick auf das jeweilige Erkenntnisobjekt aber auch die
unterschiedlichen Ziele sowie die Entwicklung und Verwendung eigenständiger Theo-
rien, Modelle und Methoden. So bündelt die Rechtsinformatik sowohl Forschungsfragen
rund um das elektronisch unterstützte Handeln von Gesetzgebung, Gesetzesumsetzung
und Justiz, beschäftigt sich aber auch mit dem Recht der Daten- und Informationsver-
arbeitung sowie mit dem Datenschutz. Die Justizinformatik deckt dabei nur den Teil ab,
den das Justizwesen betrifft. Die sich gerade erst entwickelnde Politikinformatik fokus-
siert sich auf die Rolle der Politiker und ihre Gestaltungsmöglichkeiten durch die zuneh-
mende Digitalisierung, denkt aber auch über neuartige digitale Formen der politischen
Meinungsbildung und politischen Entscheidungsfindung nach. Das Verständnis der Wirt-
schaftsinformatik ist dagegen viel umfassender angelegt. Gegenstand der Wirtschaftsin-
formatik sind Informations- und Kommunikationssysteme in Wirtschaft und Verwaltung.
Die Internet-Technologien sorgen seit den 1990er Jahren für nachhaltige Veränderun-
gen im gesamten Öffentlichen Sektor. Für diese Entwicklung fand weltweit zunächst
der noch näher zu spezifizierende Anglizismus „Electronic Government“ weite Verbrei-
tung. Bedingt durch den rasanten technischen Fortschritt und eine intensivere Vernet-
zung in allen Bereichen gewinnen weitere charmante Schlagwörter an Bedeutung, die
allerdings ebenso wie der Begriff „Digitalisierung“ zur Verwirrung beitragen. Im Rah-
men von Lehre und Forschung wird an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen daher
das „Häfler-Stufenmodell für die weitere Entwicklung des Internets und des World Wide
Webs“, Abb. 2.8, verwendet. Es orientiert sich an den populären Marketing-Begriffen
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 33
Abb. 2.8 Häflers Trends des World Wide Web und des Internets. (Quelle: [39, S. 175])
„Web 1.0“, „Web 2.0“, „Web 3.0“, „Web 4.0“ und „Web 5.0“ und deren Verwendungen
in der Öffentlichkeit. Oft werden diese Begriffe für ganz unterschiedliche Ideen, Kon-
zepte und Produkte verwendet. Mit dem Stufenmodell wird eine Struktur in die Diskus-
sion, die Entwicklung und die Verwendung von Schlagwörtern gebracht, um im Kontext
der Vernetzung über das Internet und das World Wide Web über dieselben Inhalte zu
sprechen. Zugleich dient es als Grundlage für die weiteren Ausführungen (vgl. [40,
S. 225 f.]).
Das Häfler-Stufenmodell (Abb. 2.8) zeigt Entwicklungsschritte für das World Wide
Web auf, die seit 1990 zu beobachten sind und als Trends des Internets bezeichnet wer-
den können. Mit dem Internet der Systeme, dem Internet der Menschen, dem Internet
der Daten, dem Internet der Dinge und dem Internet der Dienste wird die technische
Entwicklung der Digitalisierung jedoch nicht abgeschlossen sein. Weitere Technologie-
fortschritte, etwa in Richtung des taktilen Internets, sind in den kommenden Jahrzehnten
zu erwarten. Technisch handelt es sich bei diesen, in den folgenden Abschnitten noch
näher aufzubereitenden Trends um evolutionäre Entwicklungen, die vom andauernden
Ausbau der Bandbreiten und Fortschritten bei Datennutzung, Datenspeicherung, Daten-
verarbeitung und Datenkommunikation profitieren. Mit weiteren, durchaus signifikanten
Entwicklungsschüben ist in den kommenden Jahren durch die verbesserten Maschine-
zu-Maschine-Kommunikationsmöglichkeiten noch zu rechnen (vgl. [39, S. 174, 40,
S. 226]).
Das Internet selbst ist der weltweit größte zusammenhängende Verbund von Compu-
ternetzwerken, in dem alle beteiligten Rechner und Server auf Basis der Internet-Proto-
kolle kommunizieren und so wie ein virtuell verbundenes Netzwerk funktionieren. Seine
Simplizität, seine Interoperabilität und seine weite Verbreitung sorgten früh für eine Ver-
drängung anderer elektronischer Datennetze und -dienste. 1989 entwarf Tim Berners-Lee
am CERN mit dem World-Wide-Web-Dienst (Web 1.0; Berners-Lee 1989) ein hypertext-
basiertes System zur Lösung von Organisationsproblemen im „Internet der Systeme“.
34 R. Heuermann et al.
Diesem folgten 1990 ein Prototyp und seit 1993 viele marktfähige und immer leistungs-
fähigere Produkte und Anwendungen für Internet, Intranet und Extranet. Der seitdem
andauernde rapide technische Fortschritt im Bereich von Servern, Software, Netzwerken
und Bandbreiten sorgt für immer neue Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten
(vgl. [39, S. 174 f., 40, S. 226]).
Der Begriff „Electronic Government“ (E-Government) findet seit dieser Zeit Verwen-
dung. Nach der „Speyerer“ Definition aus dem Jahr 2000 wird darunter die mithilfe von
IKT durchgeführte Abwicklung jener geschäftlichen Prozesse über nicht traditionelle
elektronische Medien verstanden, die im Zusammenhang mit dem Regieren und Ver-
walten (Government) stehen. Bei E-Government geht es sowohl um Prozesse innerhalb
des Öffentlichen Sektors als auch um jene zwischen diesem und der Bevölkerung, der
Wirtschaft und dem Dritten Sektor. Aufgrund der technischen Entwicklung wird ange-
nommen, dass diese Prozesse künftig sogar vollständig elektronisch durchgeführt wer-
den können, sodass Medienbrüche in Abläufen entfallen. Diese Definition umfasst
sowohl die lokale oder kommunale Ebene, die subnationale oder Landesebene, die natio-
nale oder Bundesebene sowie die supranationale oder globale Ebene. Eingeschlossen ist
somit der gesamte Öffentliche Sektor, bestehend aus Legislative, Exekutive und Jurisdik-
tion sowie öffentlichen Unternehmen [41, 49, S. 1 ff., 37, S. 38].
Der Fachausschuss Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik definierte
2000 in seinem Memorandum „Electronic Government“ als Durchführung von Prozes-
sen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in
Politik, Staat und Verwaltung unter sehr intensiver Nutzung der Informationstechnik.
Eingeschlossen sind in dieser ebenfalls gebräuchlichen Definition auch die zahlreichen
Hilfs- und Managementprozesse sowie die Prozesse der politischen und finanziellen
Rechenschaftslegung (vgl. [16, S. 3, 37, S. 38]).
E-Government wird von beiden Definitionen als ganzheitlicher Ansatz verstanden, der
das gesamte sozio-technische System beschreibt und die Verwaltungsstrategie, die Ver-
waltungsprozesse und die Verwaltungsorganisationsformen umfasst (vgl. [60, S. 8, 51,
S. 32]). Im Gegensatz zu anderen Interpretationen beschränken sich diese beiden Defi-
nitionen nicht nur auf das Internet oder das World Wide Web (WWW). Denkbar wäre
auch eine Abwicklung über andere elektronische Datennetze, -dienste und -protokolle,
über Sprachtelekommunikationsnetze (Call-Center, Sprachcomputer) oder mithilfe von
elektronischen Offline-Lösungen (CD-ROM, DVD, USB-Sticks). Diese Auslegung bein-
haltet eine Erreichbarkeit des Öffentlichen Sektors über alle verfügbaren elektronischen
Medien im Sinne einer allgegenwärtigen Verwaltung „Ubiquitous Government“ (vgl.
[47, S. 78 f., 41, S. 2, sowie 37, S. 38 f.]).
In den vergangenen 25 Jahren waren es aber vor allem die Internet-Technologien
und das WWW, die sich weltweit erfolgreich durchgesetzt und zahlreiche beobachtbare
Internet-Effekte ausgelöst haben. Die zunehmende Digitalisierung, Vernetzung und
Multimedialität ermöglicht eine Dematerialisierung und Digitalisierung vieler Produkte
und Dienstleistungen. Papier, Texte, Bilder, Musikstücke, Hörbeiträge und Filme las-
sen sich in Form digitaler Dateien speichern und einfach über das Internet verbreiten.
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 35
Dadurch entwickelt sich eine neuartige Konkurrenz zum bisherigen Angebot. Durch
die Digitalisierung verändern sich auch die Kostenstrukturen. Im Digitalen lässt sich
eine Dominanz der Fixkosten beobachten. Die Herstellungskosten des ersten digita-
len Endprodukts sind für die Kostenkalkulation entscheidend. Da aber vom Original
nahezu ohne zusätzliche Kosten beliebig viele digitale Kopien angefertigt werden kön-
nen, tendieren die Grenzkosten gegen Null. Dies eröffnet ganz neue Kostenmodelle,
die sich bei hohen Stückzahlen für die Anbieter besonders rasch rentieren (vgl. [50]).
Über das Internet und die mobilen Datendienste sind Angebote und Produkte zudem
ubiquitär verfügbar. Territoriale Grenzen spielen bei der Datenübertragung kaum noch
eine Rolle. Die globale Zugänglichkeit eröffnet Organisationen einen weltweiten Ver-
trieb zu vertretbaren Kosten. Insofern ist es nicht überraschend, dass sich viele Unter-
nehmen mit einem Fokus auf das Internet gegründet haben, die sich mit neuen und
weltweit verfügbaren Dienst-, Geschäfts-, Preis- und Erlösmodellen gegenüber der
Konkurrenz erfolgreich positionieren. Vor allem beim Vertrieb von Produkten profitie-
ren diese vom langen Schwanz, „Long Tail“ (vgl. [1]), also der Möglichkeit, bei einem
Digitalvertrieb über räumlich verteilte Lager ein größeres Angebot anbieten zu können,
das sich auch bereits bei überschaubarer Nachfrage rentiert (vgl. [40, S. 226 f.]).
Für die Verwaltungsinformatik stellen sich vor diesen Entwicklungen zahlreiche
Forschungsfragen rund um das elektronisch unterstützte Regierungs- und Verwaltungs-
handeln (E-Government). Im Kern geht es um die Gestaltung des Behördenhandelns
mithilfe von Informationstechnik. Dies hat Auswirkungen auf die Aufbau- (Frontoffice,
Backoffice, Leistungsportfolio, Bürgerbüros, Dienstleistungszentren, Portale) und die
Ablauforganisation (Neuausrichtung der Prozesse, Einführung elektronischer Akten- und
Vorgangsbearbeitungssysteme, elektronische Rechnung, elektronische Bezahlung) sowie
die Zusammenarbeit. Die skizzierten Internet-Effekte lassen sich zur Neugestaltung des
Kontakts mit den Bürgern, Angeklagten und Mittlern sowie des Vertriebs von Verwal-
tungsleistungen nutzen. In diesem Zusammenhang reicht es aber nicht, das bestehende
Portfolio einfach anzupassen, also unreflektiert „in Softwarebeton zu gießen“. Viel-
mehr müssen auch dort, wo dies einer effizienteren und effektiveren Erfüllung öffent-
licher Aufgaben dient, neue Angebote und Dienste durchdacht, konzipiert, eingeführt
und betrieben werden. Dabei sind die besonderen Anforderungen an Datenschutz und IT-
Sicherheit zu berücksichtigen, denn der Staat trägt hier den Bürgern und den Unterneh-
men gegenüber eine besondere Verantwortung (vgl. [40, S. 227]).
Tim O’Reilly skizzierte 2006 das durchaus schon wahrnehmbare Web 2.0 mit sei-
nen neuartigen Entwurfsmustern und Geschäftsmodellen [44]. In diesem „Internet der
Menschen“ können Menschen dank der „gesellschaftlichen Medien“ (Social Media)
vielfältige Angebote und Dienste einfach nutzen, ohne Details über Handhabung, Funk-
tionsweise, Programmierung und Schnittstellen kennen zu müssen. Das Angebot dieser
36 R. Heuermann et al.
zweiten Generation an Webdiensten ist sehr breit gefächert. Es umfasst unter anderem
Text-, Bilder-, Musik-, Audio- und Videoplattformen, soziale Netzwerke, Kurznachrich-
ten, Blogs, Wikis, Apps, Foren und Bewertungsgemeinschaften. Viele dieser sich selbst
tragenden Angebote werden als Dienste aus der Cloud bereitgestellt. Ihren jeweiligen
Betreibern liegt viel an einer laufenden Erweiterung, um deren Attraktivität, Nutzerzahl
und gegebenenfalls Werbeumsatz zu steigern (vgl. [38, 39, S. 175, 40, S. 227]).
Das Internet der Menschen profitiert vor allem von den Netzwerkeffekten und
den dadurch entstehenden positiven Rückkopplungen. Je mehr Menschen an einem
Netzwerk(-dienst) teilnehmen, desto höher steigen dessen Reichweite, dessen Nutzer-
zahl, dessen Attraktivität und der damit verbundene Mehrwert für die Teilnehmer (vgl.
[30, S. 146 f., 55]) Einigen Anbietern gelingt der Aufbau von sowohl äußerst attraktiven
als auch den Markt dominierenden Social-Media-Netzwerken, die der gesamten Konkur-
renz nur noch geringe Marktanteile übrig lassen. Oft bieten sie ihre Dienste für die Nut-
zer kostenlos an, analysieren und vermarkten dann jedoch die generierten Nutzerdaten
etwa für Werbezwecke, zur Einnahmegenerierung oder zum Schutz der (US-amerikani-
schen) nationalen Sicherheit. Um Nutzer an sich zu binden, erschweren Social-Media-
Anbieter das Verlassen ihrer Netzwerke. All dies führt zu einem Ende der Privatheit,
denn die Nutzer müssen damit rechnen, dass ihre Kommunikation im Internet der Men-
schen von Dritten ausgespäht und ausgewertet wird. Bei aller Beteiligungsfreude verlau-
fen Diskussionen und Debatten in Social Media nicht immer nur fair, konstruktiv und
ausgleichend. Möglichkeiten der Anonymität und der Pseudonyme enthemmen einige
Akteure. Sogenannte „Trolle“ geben häufig abwertende, verletzende und hasserfüllte
Beiträge und Kommentare von sich. All dies führt zu einem Strukturwandel von Öffent-
lichkeit im Internet. Social Media verfügen in der Regel über keine eigene filternde
Chefredaktion, wie es sie zur Qualitätssicherung in den klassischen Medien gibt. Ande-
rerseits erfolgen Diskussionen und Debatten zunehmend transparenter. Alternativen,
Argumentationen, Entscheidungen und Umsetzungen lassen sich über das Internet sehr
transparent darstellen, analysieren und verfolgen. Durch die soziale Offenheit könnte
sich theoretisch jeder einbringen, an Entscheidungen mitwirken und seine Teilhabe voll
ausschöpfen. Durch das „Internet zum Mitmachen“ eröffnen sich auch neue Formen der
Zusammenarbeit. Aus Konsumenten können „Prosumenten“ (vgl. [57]) werden, die nicht
nur wie bisher Vorgesetztes (Text, Bilder, Hörbeiträge, Videos) konsumieren, sondern
auch eigene Beiträge produzieren und sich Angebote nach ihren eigenen Vorstellungen
zusammenstellen und mit anderen teilen (vgl. [40, S. 227 f.]).
Dieses „Internet zum Mitmachen“ bietet Staat, Verwaltung und Justiz neuartige Mög-
lichkeiten zur Öffnung und für Transparenz, Mitwirkung und Zusammenarbeit. Dies
kann zur Stärkung von Demokratie und Bürgergesellschaft beitragen. Die Verwaltungsin-
formatik beschäftigt sich mit dem breit interpretierbaren Sammelbegriff „Open Govern-
ment“. Konkret geht es um die inhaltliche Gestaltung von offenen Verwaltungsdaten,
Transparenz 2.0, Bürgerbeteiligung 2.0, Zusammenarbeit 2.0, Informationsfreiheit, Open
Innovation, offene Standards, offene Schnittstellen und Open-Source-Software aus staat-
licher Sicht. Auch hier stellen sich Fragen nach den Grenzen, etwa beim Datenschutz
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 37
und der IT-Sicherheit. Sollten sich andere Staaten oder Feinde der offenen Gesellschaft
vorhandener Social Media bedienen, um mit Desinformation, Gegenpropaganda und
gezielten Netzangriffen die Öffentliche Ordnung zu stören und den Staat zu destabilisie-
ren, so muss der wehrhafte Staat dagegen vorgehen (vgl. [40, S. 228]).
Tim Berners-Lee et al. ([1, S. 34–43] entwarfen 2001 bereits eine Vision eines semanti-
schen Webs, in dem Daten und Informationen für Computer verwertbar sind. Das „Inter-
net der Daten“ (Web 3.0) vernetzt mittlerweile vorhandene Datenbestände und erschließt
sie so für eine offene Weiternutzung durch Dritte. Durch eine Öffnung ihrer Daten (Open
Data) und deren Vernetzung (Linked Open Data) bieten sich für Behörden, Unterneh-
men, Verbände und Vereine neuartige Perspektiven zur Integration, Analyse, Bewertung
und Nutzung von großen wie vielfältigen Datenbeständen, die künftig nach Möglichkeit
in Echtzeit auszuwerten sind (Big Data). Gerade in diesen Bereichen besteht für den
Öffentlichen Sektor auf Basis seiner Datenbestände (Open Government Data) ein gro-
ßes Potenzial zur Generierung zusätzlichen Wirtschaftswachstums (vgl. [38, S. 17, 39,
S. 175, 40, S. 228]).
Offene und zur weiteren Nutzung frei zugängliche Datenbestände erzeugen weitere
Effekte, denn die an diesen Daten Interessierten werden sie sich herunterladen, analysie-
ren und nach eigenen Vorstellungen verarbeiten und verwerten. Dies kann zum Beispiel
zu einer Veredelung der Datenbestände, zu neuartigen Visualisierungen und zu neuen
Anwendungen führen. Das trägt zur Stärkung der Datenwissenschaften (Data Science)
bei, also einer auf Daten gestützten und statistischer Analyse und Methodik fundierten
Wissenschaft, die Wissen aus Daten extrahiert. Gerade die zunehmend so ausgebildeten
Datenanalysten werden künftig dazu beitragen, dass die von ihnen noch zu entwickeln-
den datengetriebenen Lösungen neue Antworten auf bestehende Probleme und Heraus-
forderungen liefern werden, an die bisher aus verschiedensten Gründen nicht zu denken
war. Mit zunehmender Verarbeitungskapazität werden solche Lösungen den Anforderun-
gen von Big Data Analytics gerecht (vgl. [12, S. 64–73]) Eine solche datenorientierte
Herangehensweise bedeutet aber auch, übrigens ganz im Gegensatz zu einer postfakti-
schen Politik, dass evidenzbasierte Entscheidungen eine zunehmend wichtigere Rolle
für Meinungsbildung, Entscheidung und Management spielen werden. Zudem sind die
Effekte einer Datenökonomie (vgl. [17]) zu berücksichtigen, in der datengestützte Unter-
nehmen durch ihre Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen einen nicht zu vernachläs-
sigenden Beitrag zum Bruttosozialprodukt leisten (vgl. [40, S. 228 f.]).
Das „Internet der Daten“ eröffnet Staat, Verwaltung und Justiz vielfältige Möglich-
keiten zu Bereitstellung und Nutzung von Daten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben.
Datenschutz und Datensicherheit (IT-Sicherheit) sind in diesem Zusammenhang ganz
entscheidende Herausforderungen, mit denen sich staatliche Stellen seit mehr als 50 Jah-
ren intensiv auseinandersetzen müssen. Laufend werden datenschutzkonforme Lösungen
38 R. Heuermann et al.
erarbeitet und überprüft, die aus unterschiedlichen Gründen und durch die technische
Weiterentwicklung eigentlich ständig wieder infrage gestellt werden. Die Verwaltungs-
informatik setzt sich zudem mit Forschungsfragen auseinander, inwieweit offene und
vernetzte Datenbestände etwas zur Verbesserung der Abläufe, Prozesse und Verfahren in
Regierung und Verwaltung beitragen. Während einerseits oft gefragt wird, welches Wis-
sen aus vorhandenen Datenbeständen generiert werden könnte, sollte auch überlegt wer-
den, welche „Public-Big-Data“-Bestände, etwa im Bereich von Bildung, Wissenschaft,
Kunst, Kultur und Medien, vernetzt aufzubauen sind, um dauerhaft neues Wissen zu
generieren und zu etablieren (vgl. [40, S. 229]).
Die vierte Generation der Web-Technologien (Web 4.0) wird vom Internet der Dinge und
vom Internet der Dienste geprägt. Das Internet der Dinge verbindet intelligent vernetzte
Objekte mit ihren Sensoren und Aktoren sowie die darauf aufsetzenden cyber-physischen
Systeme über die IP-Protokolle. Eingebettete Alltagsgegenstände und cyber-physische
Systeme lassen sich von Personen, Programmen, Diensten und Datenpaketen über eine
IP-Adresse eindeutig identifizieren, ansprechen, nutzen und gegebenenfalls auch steu-
ern. Das Internet der Dinge steht damit für die globale „elektronische Vernetzung von
Alltagsgegenständen“ (vgl. [9]) und den direkten gegenseitigen Informationsaustausch
von Objekten ohne menschliche Eingriffe im Sinne einer echten Kommunikation von
Maschine zu Maschine. Im Internet der Dienste werden Dienste und Funktionalitäten
als feingranulare Softwarekomponenten abgebildet und von Providern auf Anforderung
über das Internet zur Verfügung gestellt werden. Web Services, Cloud Computing und
standardisierte Schnittstellen ermöglichen dies. Die einzelnen Softwarebausteine sind so
miteinander integrierbar. Die enge Verzahnung des Internets der Dienste mit dem Inter-
net der Dinge beruht darauf, dass sich eine Reihe an realen Dingen wie etwa Papier bei
mindestens gleichwertiger Funktionalität auch in webbasierte Dienste überführen und
um ergänzende durchdachte Funktionen erweitern lässt. Vor allem durch die direkte
Maschine-zu-Maschine-Kommunikation eröffnen sich hier zahlreiche neue Ansätze, die
bei konsequenter Umsetzung grundlegende Veränderungen und mit smarten Objekten
auch einen Einstieg in „Smart Government“ bedeuten (vgl. [38, S. 18 f., 39, S. 175, 40,
S. 229]).
Die direkte Kommunikation von Maschinen untereinander und ohne Einbindung von
Menschen wird den signifikantesten Effekt haben. Deswegen wird mit Blick auf die
industrielle Nutzung bereits von der „vierten industriellen Revolution“ gesprochen. IT-
Systeme werden sich zunehmend eigenständig informieren und eine Situation analysie-
ren, aber auch automatisch und autonom Entscheidungen treffen und diese umsetzen.
Sensoren und sensorbasierte Datensammlungen werden in diesem Zusammenhang eine
besondere Rolle einnehmen, denn Industrie, Wirtschaft, Politik, Gesetzgebung, Verwal-
tung und Justiz werden sich zunehmend auf sie verlassen. Sensorbasierte Entscheidungen
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 39
2.3.9 Real-Time-Government
Das taktile Internet (Web 5.0) als erkennbare nächste Entwicklungsstufe des Internets
wird dafür sorgen, dass schrittweise ab 2020 über Gigabit-breitbandige Netzwerke und
die künftige fünfte Mobilfunkgeneration (5G) eine Netzwerkkommunikation und ein
Handeln nahezu in Echtzeit erfolgen können. Durch minimale Reaktionszeiten im Mil-
lisekundenbereich, höchste Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit wird es einen
weiteren Innovationsschub für Wirtschaft und Gesellschaft bringen. Es ermöglicht durch
taktile und haptische Sinneseindrücke eine neue Dimension in der Mensch-Maschine-
Kommunikation und beschleunigt zugleich die Interaktion von Maschinen [58, 38, S. 25,
39, S. 175 f., 40, S. 230].
Das taktile Internet wird zahlreiche Effekte zur Folge haben, die derzeit in ihrem
Umfang weder voll abschätzbar noch vorstellbar sind. Die minimalen Reaktionszeiten
40 R. Heuermann et al.
Roland Heuermann
Prof. von Lucke zeichnete in Abschn. 2.3 detailliert die Entwicklung der Digitalisierung
bis zur Jetztzeit nach und eröffnete einen Blick auf Web 5.0, das Real Time Management
ermöglichen wird. Die Frage ist natürlich, ob der Öffentliche Bereich diese theoretischen
Angebote auch für seine Verwaltungspraxis zügig erschließen kann oder nicht. Was lehrt
die Geschichte?
Der Einsatz von IT im Öffentlichen Bereich startete in ersten Ansätzen schon in den
1950er Jahren, massiv dann in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren. Als das Internet zu
Beginn der 1990er Jahre für den kommerziellen Gebrauch freigegeben wurde und sich
im privatwirtschaftlichen Bereich mit dem „E-Commerce“ ein regelrechter dot.com-Hype
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 41
Ende der 1990er Jahre entwickelte, blieb der Öffentliche Bereich in der Nutzung dieses
Mediums als Kanal für Informationen und Services sehr abwartend. Um diese Situation
zu überwinden und mit „E-Government“ ein Pendant zu E-Commerce voranzutreiben,
wurde im Jahr 2000 mit dem programmatischen Titel „BundOnline 2005“ unter Feder-
führung des Bundesinnenministeriums eine Projektgruppe gestartet, die zwei große Ziele
hatte: Steigerung der Leistungsfähigkeit des Staates und Einsparen von Kosten. Rund
einhundert Bundesbehörden bearbeiteten unter Zuhilfenahme teils kostenloser Beratungs-
leistungen und teils kostenloser Software (wie dem Government Site Builder als generelle
Content Management Lösung) innerhalb von fünf Jahren einige ihrer Verwaltungsverfah-
ren und stellten bis Ende 2005 ca. 440 Verwaltungsverfahren oder einzelne Dienste im
Internet bereit [5, S. 3]. Das kommunale Pendant zu BundOnline 2005 war das Projekt
Media@Komm-Transfer. Mit einem – allerdings in der Praxis als recht komplex empfun-
denen – Signaturgesetz für elektronische Signaturen wurde im Jahr 2001 außerdem ein
Ersatz für die händischen Unterschriften geschaffen.
Wie die Abb. 2.9 in einer schematisierten Darstellung einer vielschichtigen Situa-
tion zeigt, kam es dann in manchen Behörden zur Erkenntnis, dass die angestrebten
Wirtschaftlichkeitsvorteile sich nicht in dem erwarteten Ausmaße einstellten, weil eine
Anbindung des Internets an die Prozesse im „Backend“ der Behörden fehlte. Seltener
wurde auch thematisiert, dass parallel zu den elektronischen Zugangswegen weiterhin
die alten analogen Wege bestehen blieben, sodass die Behörden jetzt doppelte Struktu-
ren hatten. Schuppan [53, S. 189] nennt diese Zeit „nachholende aktionistische Phase“,
weil ihr ein verwaltungspolitisches Leitbild fehlte und die Politik auf Bundesebene alles
online stellen wollte, was da war, ohne dass der tatsächliche Nutzen aus dieser techni-
schen Möglichkeit konsequent berücksichtigt wurde. Da der Bund relativ wenig Verwal-
tungsverfahren mit direktem Kontakt zu Bürgern hat, war der Erfolg auf Bundesebene
von vornherein begrenzt. Außerdem: „Online“ meinte nur den Außenkontakt mit Web-
seiten, die Veränderung der Verwaltungsprozesse selbst war nicht mitgedacht. Nur, wenn
sich von Nutzern via Web-Eingabe liebevoll ausgefüllte Formulare auch in der Verwal-
tung medienbruchfrei weiter verarbeiten lassen, ist der Datenfluss gut. Die Erkenntnis
dazu und die Umsetzung medienbruchfrei(erer) Verwaltungsverfahren brachte in der
2005 begründeten Initiative „Deutschland online“ in Bund, Ländern und Kommunen
wieder einen Aufschwung der Zufriedenheit mit der eigenen E-Government-Arbeit.
Allerdings wurden in der öffentlichen Diskussion immer mehr die weiterbestehenden
Schwächen der Öffentlichen IT sichtbar, diesmal weniger in einzelnen Behörden als in
der Behördenlandschaft als Ganzes: ein Zoo an parallelen Anwendungen für gleiche
Zwecke, Mängel in der Vernetzung von Behörden untereinander usw. Die Reaktion dar-
auf war das Einsetzen von Standardisierungsbestrebungen, die u. a. die Welt der heute
von der KoSIT betreuten xÖV-Schnittstellenstandards begründeten – Schuppan nennt
das „Standardisierungsbürokratie“ [53, S. 189]. Das Ergebnis auch dieser Bemühungen
blieb hinter den Erwartungen zurück, weil zwar eine Vielzahl von „Einer-für-alle“-Ein-
zelanwendungen und Schnittstellenstandards entstanden ist, aber eine stärkere Vernet-
zung der behördlichen Fachprozesse nur langsam voranging. Außerdem gab und gibt
es weder für „Einer-für-alle“-Produkte einen Abnahmezwang der Behörden noch einen
Vernetzungszwang, sodass weiterhin ein Zoo an Anwendungen und Parallelentwicklun-
gen existiert. Dass selbst bei eigentlich durchgängigen Fallgeschichten, wie z. B. Asyl
(man könnte aber auch „Problemkinder“ und andere Betreuungsfälle quer über mehrere
Behörden nennen), teils zu wenig Vernetzung der Sacharbeit und wenig vernetzte IT-
Systeme über die Ebenen hinweg zu sehen sind, zeigte die „Flüchtlingskrise“ in 2015. In
der Abb. 2.9 wird der Beginn dieser als „Krise“ bezeichneten Erkenntnis zwischen den
Jahren 2012 und ca. 2014 verortet. Sie ist letztlich Teil der Frage nach richtiger Gover-
nance der Verwaltung im Staat insgesamt und der IT-Governance im Besonderen. Einige
Publikationen thematisieren das auch direkt mit mehr oder weniger weitem Fokus (z. B.
[14, 56]). Ein Teil der Betrachtungen ist das zentrale Problem der oft für durchgehende
IT-Lösungen hemmenden Wirkung von Ressortprinzip, Föderalismus und Silodenken
der Behörden als Teil der deutschen Verwaltungskultur. Die Jahre 2014 und 2015 zeigten
erste praktische Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen: Dies ist die Zeit der E-Govern-
ment-Gesetze von Bund und Ländern. Sie schreiben u. a. verbindlich die Bereitstellung
der Möglichkeit zu einer digitalen Signatur, die digitale Abbildung aller Verwaltungs-
verfahren und teils die komplette digitale Abbildung aller dafür geeigneten innerbehörd-
lichen Abläufe vor. Dazu kommt die 2016 zwischen Bund und Ländern am Rande der
Verhandlungen über eine Neuordnung der Finanzbeziehungen erreichte Einigung über
einen Portalverbund Bund-Länder und die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des
Bundes bei dem ebenenübergreifenden Zugang auf digitale Verwaltungsleistungen.
In den folgenden Kapiteln über die Situation in Kommunen, Ländern und Bund wer-
den hier genannte Themen der IT-Governance – neben anderen – teils aus der besonde-
ren Perspektive der Ebenen von Gebietskörperschaften gezeigt.
Die Darstellung in Abb. 2.9 endet mit einem dritten Gipfel des E-Governments, der
hier programmatisch „Smart E-Government“ genannt wird und eine Lösung der Frage
des optimalen Managements bzw. der IT-Governance beinhaltet. Eine offene Frage ist,
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 43
wie es „danach“ weitergeht. Sicher ist, dass die Digitalisierung mit ihren Evolutions-
stufen Web 3.0 und Web 4.0 schon ein – wenn nicht der größte und tiefste – Umbruch
in der Technikgeschichte der Menschheit ist. Die Frage aber, ob sie auch zu komplett
neuen Spielregeln für eine Branche, hier dem Öffentlichen Bereich, führt und damit
kein „glatter“ Übergang stattfindet, sondern „disruptiv“ für das „Geschäftsmodell“ des
Öffentlichen Bereichs wirkt, lässt sich derzeit nicht mit letzter Sicherheit beantworten,
weil der Prozess noch nicht beendet ist und somit auch noch keine genaue Abgrenzung
von Wirkungen der digitalen und nicht-digitalen Entwicklungen zu finden ist. Außerdem
ist eine genaue Definition für die Eigenschaft „disruptiv“ nötig. Es gibt Stimmen, die von
„disruptiver“ Entwicklung durch Digitalisierung sprechen [42], andere vermeiden diesen
eine große Heftigkeit und einen Bruch suggerierenden Begriff: „Die Technik, die heute
die Welt verändert, ist selbst ein Produkt der Industriegesellschaft. Deshalb rede ich nicht
gern von Disruption. Was wir jetzt erleben, sind Prozesse, die vor mehr als 100 Jahren
begonnen haben“ (Rödder, zit. n. [35, S. 51]).
Wenn man die Frage „Disruption oder nicht?“ systematisch mit Blick auf den Öffent-
lichen Bereich untersuchen will, kann man sich an einer von Meyer [42] verwendeten
Liste mit sieben Merkmalen von Disruption orientieren. In der Tab. 2.5 sind diese Merk-
male aufgelistet und mit einem Vermerk darüber versehen, ob sie auch auf Behörden
zutreffen können oder nicht. Das Ergebnis ist einfach zu interpretieren:
Einige Kriterien schlagen nicht oder nur sehr gebremst an: Die Digitalisierung kann
in einzelnen Behörden ganz erhebliche Veränderungen nach sich ziehen. Eine „Erschüt-
terung“ mit der Folge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, wie in manchen privatwirt-
schaftlichen Branchen, wird es aber nicht flächig für die ganze „Branche“ Öffentlicher
Bereich geben. Die Geschäftsgrundlage ist hier ein in Gesetzen geronnener politischer
Willen, nicht eine besonders bequeme und effiziente Art der Bedarfsbefriedigung für
(Kauf-)Kunden. Die Internet-Revolution „Web 4.0“ an der Kundenschnittstelle kann
nicht zum Verlust des Marktzugangs führen, weil die Behörden der Kenverwaltung per
Gesetz zum regionalen oder bundesweiten Monopolisten privilegiert wurden und selbst
die Kanäle festlegen können. Natürlich können sie aber den Zugang selbst modernisie-
ren, mit anderen Behörden zusammenlegen („Bundesportal“) und alle ihre IT-Erstel-
lungsprozesse im Backend der Behörde radikal automatisieren („Bundes-Cloud“). Dies
ist – wenn es geschieht – ein Fortschritt im Denken der Behördenleitungen. Viele Behör-
den im kommunalen Bereich und auch auf Landesebene kennen und arbeiten mit ihren
Kunden persönlich und im Rahmen der rechtlichen Vorgaben auch individuell angepasst.
Ein grundsätzlicher technischer Durchbruch vom anonymen Massenmarkt zum indivi-
duellen Dienstleister ist hier nicht mehr möglich und nötig, dennoch aber vermutlich
mehr Individualisierung und Bequemlichkeit des Zugangs zu Behörden durch „Bürger-
konten“, Sortierung der Dienste nach „Lebenslagen“ und Verschlankung der Pflichten
zum Beibringen von Nachweisen, Belegen und Unterschriften dadurch, dass sich Behör-
den im Hintergrund besser vernetzen. Dazu aber mehr in den folgenden Kapiteln und in
Abschn. 3.1.2.2 sowie Abschn. 8.2.5.
44 R. Heuermann et al.
Tab. 2.5 Merkmale disruptiver Wirkungen der Digitalisierung. (Eigene Darstellung, angelehnt an
[42, S. 23 f.])
Nr Merkmal Erläuterung Anwendbarkeit auf Behörden
1 Nutzung ohne Eigentum „Shared economy“, der Ja. Es gibt öffentliche
Nutzer leiht sich Produktions- „Shared Service Center“, es
mittel gibt auch Ent-/Verleihungen
unter Behörden
2 Crowdifikation Statt klarer persönlicher Nein. Behörden können die
Zuordnung übernimmt Aufgabenerledigung nicht
irgendwer mit helfender Hand dem Zufall oder der freihän-
Tätigkeiten digen Zuordnung überlassen
(Fristen, Haftung, formale
und meist auch hoheitliche
Kompetenz)
3 Personalisierung Individuell zugeschnittene Ja, aber hier überaschungs-
Leistungen frei. Staatliche Services sind
in großem Umfang personali-
siert, allerdings durch Daten-
schutz auch fragmentiert. Die
Personalisierung ließe sich
steigern
4 Datengestützte Vorhersagen Big Data, „Sozioskopie“ JEIN. Mehr Predictive
Analytics könnten Nutzen
bringen, die Effekte sind nur
in bestimmten Behörden groß
5 Kompetenzstandardisierung Ja. Es gibt ein sehr großes
Standardisierungspotenzial,
Regelungslücken und unter-
schiedliche Praxis
6 Kundenschnitt-stelle Die Kundenschnittstelle selbst Nein. Die Kundenschnittstelle
und die dahinter liegenden aller Behörden ließe sich im
Backoffice-Systeme in die Sinne der „One stop agency“
eigene Hand nehmen radikal zentralisieren, den-
noch verbleibt sie damit im
Öffentlichen Bereich und
„unter Kontrolle“
7 Radikale Effizienzsteigerung Große Vorteile möglich, ver- Jein. Nur wenn die nicht-digi-
mutlich keine „radikalen“ talen Kanäle „dicht“ gemacht
werden, können Effizienzvor-
teile resultieren.
Abschließend stellt sich die theoretische Frage, ob eventuell auch schon dann „Disrup-
tion“ vorliegt, wenn sich das Denken der Verantwortlichen schlagartig ändert. Hill [33,
S. 8] schreibt unter Verweis auf eine kleine Kette von Vor-Autoren „unter Disruption wird
[…] nicht nur der radikale technische Wandel, sondern auch die Managementfähigkeit,
2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 45
mit dem Wandel umgehen zu können, verstanden“. Nun, man kann Hill zustimmen oder
nicht. Von einem schlagartigen Wandel in der Mentalität der Öffentlichen Verwaltung
spricht auch er nicht. Deshalb klingt der Gedanke interessant, ist es aber für dieses Buch
letztlich doch nicht.
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46 R. Heuermann et al.
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2 Digitalisierung: Begriff, Ziele und Steuerung 49
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Digitalisierung auf kommunaler Ebene
3
Roland Heuermann, Carsten Jürgens, Peter Adelskamp
und Tanja Krins
Roland Heuermann
3.1.1 Übersicht
In Deutschland gibt es ca. 11.054 Gemeinden, davon haben ca. 2059 das Stadtrecht
(Stand 2017). Fast alle Gemeinden sind in ca. 294 (Land-)Kreisen organisiert, hiervon
ausgenommen sind ca. 107 kreisfreie Städte [81]. Diese Körperschaften unterhalb der
Ebene von Bund und Land versorgen die Bevölkerung einerseits mit IT-Fachverfahren
zur Abdeckung der Kernaufgaben Öffentlicher Verwaltung, andererseits erfüllen sie –
mit oder ohne rechtlichen Zwang – noch eine ganze Reihe weiterer Aufgaben, wie z. B.
die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, betreiben den Öffentlichen Nahverkehr,
R. Heuermann (*)
Bonn, Deutschland
E-Mail: roland_heuermann@t-online.de
C. Jürgens
Berlin, Deutschland
E-Mail: carsten.juergens@computacenter.com
P. Adelskamp
Erkrath, Deutschland
E-Mail: peter.adelskamp@duesseldorf.de; peter@adelskamp.de
T. Krins
Köln, Deutschland
E-Mail: Tanja.Krins@stadt-koeln.com
fördern den Wohnungsbau und stellen selbst Wohnraum zur Verfügung usw. Für diese
Aufgaben neben der Kernverwaltung haben sie teils rechtlich unselbstständige Regie-
betriebe, wie z. B. Bauhöfe und manchmal Friedhöfe, Schwimmbäder usw., teils aber
auch privatrechtlich (z. B. als GmbH) organisierte Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaf-
ten und Mitgliedschaften in privatrechtlichen Vereinen wie z. B. Fördervereinen. Diese
rechtlich selbstständigen Einrichtungen können zu 100 % staatlich sein oder aber auch
nur den Staat als Miteigentümer haben neben privaten Investoren bzw. Gesellschaftern,
Aktionären oder Mitgliedern. Alle Kommunen benötigen für ihre Aufgaben IT-Services,
typischerweise wird die IT-Versorgung der Kernverwaltung und ihrer Regiebetriebe
getrennt von der IT rechtlich selbstständiger Öffentlicher Einrichtungen organisiert. Des-
halb dürfte ein Großteil der großen Stadtwerke keinen gemeinsamen IT-Betrieb mit der
Kommune haben. Im Folgenden wird – um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren –
ausschließlich die Digitalisierung der kommunalen Kernverwaltung betrachtet, nicht die
aller Öffentlichen Beteiligungen.
Die Geschichte der kommunalen IT ist ein Weg von der anfänglichen Zersplitterung
vieler eigenständiger IT-Dienstleister auch in kleinen Kommunen hin zu einer kleineren
Anzahl mehr oder weniger großer, überregionaler Shared Service Center für mehrere
Gebietskörperschaften. Über diese historische Entwicklung – zumindest zu bestimm-
ten Zeitstrecken daraus – gibt es teils sehr fundierte Berichte damals verantwortlicher
Personen, so z. B. von Tramer [72] für Baden-Württemberg, Trageser [71] in Bayern,
Weggen [75] in NRW und Kammer im Bereich der Dataport-Länder Hamburg, Bremen
und Schleswig-Holstein [34]. Der Weg zu mehr Konsolidierung verlief dabei aber kei-
neswegs linear: Engel [14, S. 135–137] schildert, dass sich nach einer ersten Konsolidie-
rungswelle mit dem Bedarf nach Finanzierung der teuren Großrechner-Architekturen in
den 60er Jahren des letzten Jahrtausends wieder Auflösungserscheinungen in den 1970er
und 1980er Jahren zeigten, als die preiswerteren und leistungsfähigen Client-Server-
Architekturen aufkamen. Erst mit dem Marktauftritt der Cloud-Technologie als in vielen
Fällen wohl kostengünstigerer Alternative zum weniger automatisierten und virtualisier-
ten Rechenzentrum früherer Jahre, dem anhaltenden Kostendruck, der Furcht vor einem
Fachkräftemangel usw. baut sich wieder Druck zu mehr Konsidierung auf.
Heutiger Sachstand ist: Nur einige der größten von über 12.000 deutschen Kommu-
nen, z. B. die Städte Köln und München, haben noch einen eigenen IT-Dienstleister mit
Rechenzentrumsbetrieb, wie dies zu Beginn der Einführung von IT in den 1960er Jah-
ren der Fall gewesen sein mag (zur Geschichte der kommunalen IT siehe Aufsätze in
VITAKO [73]). Die meisten kleineren und mittleren Kommunen sind Kunden regiona-
ler oder überregionaler kommunaler Shared-Service-Rechenzentren. Diese sind öffent-
lich-rechtlich, z. B. als Zweckgesellschaften, Genossenschaften, oder privatrechtlich als
GmbH organisiert. Eine Übersicht zu einigen der größten kommunalen IT-Anbieter ist
in der Tab. 3.1 enthalten. Da viele der Dienstleister aufgrund ihrer Rechtsform keiner
Veröffentlichungspflicht unterliegen, sind die Angaben zur Höhe des Umsatzes, der Zahl
an Kunden und der Zahl betreuter IT-Arbeitsplätze unvollständig und werden auch von
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 53
Haus zu Haus unterschiedlich gezählt. Selbst bei Vorhandensein von Zahlen zum glei-
chen Gegenstand sind die Daten nicht ohne Kenntnis der Zählmethode unbesehen ver-
gleichbar. Ergänzend zu dieser Liste überregionaler IT-Dienstleister sind ebenfalls sehr
große IT-Bereiche einzelner Städte zu nennen, so z. B. in der Stadt München, Köln, das
Dortmunder Systemhaus Dosys usw.
54 R. Heuermann et al.
Eine „amtliche Statistik“ der Zahl öffentlicher kommunaler IT-Anbieter gibt es nicht,
Daten hierzu lassen sich nur schätzen. Dadurch kommt für Dritte ein lückenhaftes Bild
wie in der vorstehenden Tabelle zustande. Neben den regionalen Zusammenschlüssen
von Kommunen zur gemeinsamen Versorgung durch die genannten Shared-Service-IT-
Betriebe gibt es auch eine überregionale Organisation, die Bundes-Arbeitsgemeinschaft
kommunaler IT-Dienstleister VITAKO. Hier sind 55 Öffentliche IT-Betriebe, vermutlich
die größten, Mitglieder (Stand 1/2017). VITAKO betreibt mit ihrer Tochtergesellschaft
ProVitako auch eine Einkaufsgenossenschaft für 36 Mitgliedsbetriebe (eigene Zählung,
Stand 3/2017). Die Mitglieder von VITAKO haben nach eigenen Angaben über 12.000
IT-Beschäftigte, betreuen 590.000 Öffentliche IT-Arbeitsplätze, versorgen mehr als
10.000 Kommunen und stehen für einen Umsatz von jährlich ca. 2,17 Mrd. EUR (Anga-
ben 7/2017 in VITAKO [74]). Wenn man diese Angaben mit den Schätzungen für den
Umsatz kommunaler IT-Dienstleister bundesweit vergleicht (ca. 3,8 Mrd. EUR in 2013,
[82, S. 104]), dann steht die VITAKO rein rechnerisch betrachtet für ca. 57 % aller
kommunalen IT-Dienstleistungen für die Kernverwaltung1. Die Rolle von VITAKO als
„Lobby“ der Kommunen in der politischen Diskussion über Digitalsierung stellt der
Abschn. 6.2.1 etwas näher dar.
Die weitere Analyse der Situation in den Bundesländern zeigt einen markanten Unter-
schied zwischen den Ländern im Grad ihrer vertikalen Konsolidierung: Es gibt einige
Bundesländer, die praktisch nur einen einzigen, sehr großen kommunalen IT-Dienstleis-
ter haben, daneben evtl. mehrere kleine. In den drei deutschen Stadtstaaten Hamburg,
Bremen und demnächst zumindest teilweise Berlin ist dieser Anbieter zudem teilweise
identisch mit dem Landes-IT-Dienstleister (Dataport bzw. ITDZ Berlin). Die Tab. 3.2
zeigt diese Situation. In den anderen Bundesländern ist der Anbietermarkt stärker zer-
splittert, namentlich in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gibt es jeweils mehrere
starke kommunale IT-Dienstleister.
Anzunehmen ist, dass die in der Übersichtsliste in Tab. 3.2 gezeigte Situation kom-
munaler IT-Anbieter letztlich nur eine historische Zwischenetappe der Anbieterland-
schaft auf dem Weg zu noch stärkerer vertikaler Konsolidierung ist: Viele der genannten
Betriebe sind bereits Zusammenschlüsse mehrerer früherer kommunaler und/oder über-
regionaler Dienstleister, und dieser Prozess der vertikalen Konsolidierung wird ver-
mutlich weitergehen. Die bisherigen Dienstleister agieren untereinander oft schon in
Netzwerken gegenseitiger Tauschbeziehungen von Leistungen, d. h. horizontaler Kon-
solidierung. Die Rechtsform der Genossenschaft ist hier besonders en vogue, weil sie
den formal aufwandsarmen Leistungsaustausch ohne öffentliche Ausschreibung sowie
gemeinsame Entwicklungsarbeiten ermöglicht. Gleichzeitig ist es so leicht möglich, das
1Diese Betrachtung ist aus mehreren Gründen nicht ganz exakt: Dataport ist Mitglied der VITAKO
und versorgt auch die IT-Services für mehrere Bundesländer. Auch ist der Zeitbezug bei den Zah-
len nicht der gleiche. Die Berechnung überschätzt also vermutlich etwas den „wahren“ Anteil der
VITAKO an allen kommunalen IT-Dienstleistern.
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 55
Tab. 3.2 Beispiele: In ihrem Bundesland jeweils dominierende kommunale IT-Anbieter. (Eigene
Darstellung)
Landes-IT-Kommunalanbieter Größenhinweis Kommentar
AKDB, Träger sind die kommunalen
Bayern Spitzenverbände
Dataport, Auch Landes-IT-Anbieter
Hamburg/Bremen/Schleswig-
Holstein
EGo Saar Alle Kommunen vertreten
Ekom21,
Hessen
ITDZ Berlin, Auch Landes-IT-Anbieter,
Berlin Anschlusszwang für Quer-
schnitts-IT
„Frontend“ zur eigenen Kommune mit eigener Marke und individueller Corporate Iden-
tity zu belassen. Manchmal wird diese Form der Zusammenarbeit auch als Gegenargu-
ment für den Vorschlag noch weitergehender vertikaler Zusammenschlüsse gebraucht.
Die Begründung ist sinngemäß, dass man auch mit den Netzwerken und arbeitsteiligem
Vorgehen bereits diejenigen Skalierungseffekte erzielen könne, die die Befürworter der
vertikalen Konsolidierung erst durch einen vollständigen rechtlichen Zusammenschluss
erwarten (s. sinngemäß z. B. [15]). Der rechnerische Beweis hierfür steht allerdings noch
aus und dürfte vor allem auch deshalb schwer sein, weil es keine behördenübergreifen-
den normierten Standards der internen Kostenrechnung für IT-Leistungen Öffentlicher
Anbieter gibt und unabhängig davon die Öffentlichen IT-Dienstleister auch ein unter-
schiedliches Maß an Transparenz über ihre betriebswirtschaftlichen Eckdaten haben.
Sicher erscheint aber, dass alle vier in der Abb. 3.1 genannten Arten der Konsolidie-
rung einen Beitrag für die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit leisten könnten.
Es ist daher aus betriebswirtschaftlicher Sicht vorteilhaft und konsequent, wenn die
vertikale Konsolidierung zügig weiterginge. Das natürliche Ende dieses Prozesses muss
nicht „ein kommunaler IT-Dienstleister je Bundesland“ sein, weil Bundesländer nicht die
natürliche, sondern nur eine politisch-administrative Grenze sind, die man auch sogar
innerhalb des bisherigen Rechtsrahmens überwinden könnte: Am Beispiel von Dataport
sieht man, dass der Schlusspunkt auch ein einziger Dienstleister für Kommunen meh-
rerer Bundesländer, wenn nicht sogar einer für alle Kommunen aller Bundesländer sein
könnte (vgl. auch Abschn. 8.2.6).
56 R. Heuermann et al.
würde, wäre die Frage, ob dann große Skalierungseffekte auftreten würden: Zu hinterfra-
gen ist z. B., ob diese Produkte auch mandanten- und/oder cloudfähig sind. Viele sind es
vermutlich nicht, weil die Anforderungen bisher so nicht gestellt wurden und die klein-
bis mittelständischen Anbieter mit ihren Produktentwicklungen dem Markt nicht weit
vorauslaufen können. Die Frage ist hier, ob der Öffentliche Bereich in der Vergangen-
heit seine potenzielle Marktmacht optimal gebündelt und die Hersteller genügend dahin
getrieben hat, ihre Produkte bestmöglich zu einer Optimierung der Betriebskosten der
Öffentlichen Betreiber hin entwickelt zu haben.
auf beiden Seiten – den Behörden wie auch der Wirtschaft und den Bürgern – bieten.
Auf fachliche Verbesserungsdetails einzelner Verfahren kann hier wegen der Vielzahl
an Verwaltungsverfahren nicht eingegangen werden. Generell empfehlenswert wäre ein
Vergleich der Arbeitsweise vieler Kommunen untereinander, um „Best Practices“ heraus-
zufinden. Diesen Weg können sie bisher freiwillig z. B. über Vergleichsringe der Kom-
munalen Gemeinschaftsstelle (KGSt) beschreiten, eine regelmäßige Detail-Überprüfung
durch die in den Innenministerien der Bundesländer sitzende Kommunalaufsicht findet
jedoch nicht statt. Dennoch gibt es eine Reihe von besonders auch die Digitalisierung
betreffenden Erkenntnissen. Diese werden nachfolgend aufgezeigt.
Über die Qualität der über das Bürgerkonto zu erreichenden Services, d. h. vollständige
Abdeckung und behördenübergreifende Bearbeitung von Anliegen, sagt die Erhebung
des IT-Planungsrates nichts.
Ein zweiter Aspekt der Erleichterung des Zugangs zu Behördendiensten ist die Frage,
wie leicht ein Bürger oder Mitarbeiter von Unternehmen entsprechende Verwaltungs-
leistungen finden kann. Manche Städte sortieren ihre Dienste alphabetisch, andere nach
sogenannten „Lebenslagen“. Beispiele für die Häufigkeit von Lebenslagen zeigt die
Tab. 3.3. Da die alphabetische Sortierung in manchen Fällen eine Kenntnis der internen
Zuständigkeiten und Sprechweise von Behörden voraussetzt, ist eine nach Lebenslagen
sortierte Darstellung sicher besser.
Umfang und Qualität der Behörden-Leistung bei digitaler Anfrage durch Bürger &
Unternehmen
Wenn der Zugriff auf Behördenleistungen gelungen ist, stellt sich für den Behördenkun-
den die Frage, wie serviceorientiert und leicht, d. h. aufwandsarm die Beantwortung sei-
nes Anliegens erfolgt. Nicht nur die Zahl überflüssiger, weil gesetzlich nicht notwendiger
Nachweise und Unterschriftserfordernisse kann hier stören, sondern auch die Mehrfach-
eingabe von Daten, wenn der Behördenapparat die benötigten Vor-Informationen eigent-
lich schon selbst hat, aber auf diese Datentöpfe aus technischen, verwaltungsegoistischen
oder unnötig hohen Hürden des Datenschutzes nicht zugreifen will. In einigen Fällen
60 R. Heuermann et al.
berichten Kommunen darüber, wie sie durch bessere interne Zusammenarbeit und Ver-
netzen von Registern usw. ihren internen Datenaustausch zum Vorteil von Bürgern ver-
bessern. Ein schönes Beispiel für die Überwindung solcher Hürden gibt Kubicek [49,
S. 249], der davon berichtet, dass bei Wohnortwechsel die Kommune des neuen Wohn-
ortes den Umziehenden bei der alten Kommune abmeldet. So spart der Bürger unnötige
Wege. Ein anderes Beispiel zeigt, wie kommunale Behörden durch Datenaustausch die
von Bürgern bis dato immer wieder bei Anträgen einzureichenden Geburtsurkunden
untereinander anfordern und damit den Antragssteller davon entlasten, diese mehrfach
einreichen zu müssen. Das dahinter stehende Problem ist allerdings größer als der Ein-
zelfall: Die Vernetzung verschiedener Datenbestände kommunaler Behörden im Backend
ist generell kaum zu finden. Am Beispiel des Bayernportals und des Portals service-bw
kritisiert Kubicek [49, S. 242 f.], dass dort zwar kommunale Dienstleistungen im Fron-
tend gut erläutert und nach Lebenslage sortiert gut zu finden sind, eine Vernetzung
der Dienste und Daten im Backend aber nicht gegeben ist, sodass der Nutzer statt zu
einer „one stop agency“ wie früher – diesmal nur digital – mit einem Lebenssachver-
halt ggf. zu mehreren Behörden gehen muss, um sein Anliegen abzuarbeiten. Die letzt-
lich erwartete Reduzierung des Aufwandes im Sinne eines Bürokratieabbaus erfolge so
nicht, die Frontend-Lösung sei nur ein schöneres Schaufenster. Kubicek kritisiert auch,
dass im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD aus 2013 zwar die Digitalisierung
von 100 der wichtigsten Verwaltungsverfahren vereinbart wurde, aber die Vernetzung
der Behördenarbeit im Backend auch in einer für die Bundesregierung erstellten Studie
des Nationalen E-Government-Zentrums in 2015 (siehe [24]) nicht erkennbar zwingend
dazugehört. Hier bliebe man im Vagen und verschiebe die Festlegung von Details auf
eine bis dato (Stand 3/2017) nicht vorliegende Machbarkeitsstudie.
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 61
Es gibt eine Reihe kommerzieller sozialer Medien, die Personen miteinander vernetzen.
Sie zielen auf beruflich vernetzungswillige Teilnehmer (Xing, LinkedIN), Schulfreunde
(Stayfriends), allgemeine Nutzergruppen (Facebook), Dating-interessierte Personen
(Parship, Friendscout24) usw. Eine für kommunalpolitische Zwecke interessante Lücke
haben manche Kommunen erspäht: die Vernetzung von Einzelpersonen und Organisatio-
nen (Vereine, Betriebe, Verwaltung) mit regionalem Bezug. Die Themen dieser digitalen
Vernetzung können u. a. sein:
Die begriffliche Klammer für kommunal, d. h. nicht privat betriebene Plattformen speziell
zur Bündelung mehrerer digitaler Services für die genannten Zwecke ist „digitales Dorf“
(alternativ: „digitale Gemeinde“). Eine sehr detaillierte Übersicht mit Beschreibung der
gebotenen Services von deutschen Gemeinden mit sozialen E-Plattform-Diensten findet sich
in einem Übersichtsbericht von Höhn-Consulting. Abb. 3.3 zeigt daraus beispielhaft Kom-
munen, die speziell für die Stärkung lokaler Bürgernetzwerke Web-Plattformen betreiben.
Zweck der Idee für digitale Dörfer und der Grund, wieso sie – wenn auch schwach –
politisch gefördert werden, ist die Hoffnung, mithilfe lokaler identitätsstiftender Vernet-
zung ein Gegengewicht zu den Nachteilen des Lebens in Gebieten mit dünnerer Besied-
lung zu schaffen und damit letztlich auch die Landflucht einzudämmen. Daher fördern
auch einige Bundesländer entsprechende Projekte:
Diese beiden genannten Initiativen sind Pilotvorhaben, deren Services noch entwickelt
oder stärker in die Fläche getragen werden sollen. Ob sie sich bewähren und diese weni-
gen Leuchtturmprojekte viele andere Gemeinden – auch ohne Fördermittel – dazu anre-
gen, gleiche Wege zu beschreiten, ist offen.
62 R. Heuermann et al.
Abb. 3.3 Landkarte mit Ortsangabe digitaler Dörfer. (Quelle: [23, S. 176])
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 63
Carsten Jürgens
Der Begriff „Smart City“ bezeichnet ein Stadtentwicklungskonzept mit dem Ziel, alle
kommunalen Services – öffentliche wie private, selbst erstellte wie durch Dritte betrie-
bene – möglichst energie-, zeit- und kosteneffizient sowie bequem für die Nutzer anzu-
bieten. Neben der blanken Notwendigkeit, die besonders in noch nicht ganz so weit
entwickelten Staaten bestehenden Infrastrukturprobleme wie einen beinahe täglichen
Verkehrskollaps (z. B. Mexiko Stadt) und eine sehr starke Umweltverschmutzung (z. B.
Volksrepublik China) in Schwellenländern mit starkem Wirtschaftswachstum mit digi-
talen Ideen zu mildern, hat die „Smart-City“-Idee auch einen werbenden Charakter für
Tourismus und vor allem eine unternehmerische Gründungszene, weil es „chic“ ist,
„smart“ zu sein, und von Experimentierfreude und Investitionsbereitschaft kündet. Das
beinahe allen Ideen für Smart-City-Maßnahmen zugrunde liegende unabdingbare Hilfs-
mittel für diese Optimierung ist der Einsatz digitaler Steuerungswerkzeuge und teils
der Einsatz einer Vielzahl von Sensoren und Aktoren. Optimiert werden sollen u. a.
der Energieverbrauch, Umweltschutz, öffentliche und private Infrastrukturen, Gesund-
heit, Bildung und die Stadtverwaltung selbst. Diese teils heterogenen Themen werden
durch den Begriff „Smart City“ zusammengehalten, selten werden weitgehend synonym
Begriffe wie „digitale Stadt“ oder „E-Stadt“ verwendet.
Die Bezeichnung „Smart City“ ist vermutlich erstmals durch IT-Unternehmen
wie IBM (Programm „Smarter Planet“ in 2008) und Cisco („smart + connected“)
sowie Energie- und Infrastruktur-Versorger benutzt worden, die hierin auch ein neues
Geschäftsfeld mit großem Potenzial für ihre Dienste sehen. Es gibt inzwischen einige
Literatur über Smart Citys, die den Begriff und die Themen dahinter bekannt machen.
Darüber hinaus sind auch Wirtschaftsprognoseinstitute wie IDC und Beratungsfir-
men wie PwC (IBM) mit vergleichenden Untersuchungen und Vorgehenskonzepten zu
Smart-City-Projekten aktiv. Es gibt aber mehr als nur ideelle Förderung: Die Europäi-
sche Union (Programm Horizont 2020, Fördervolumen für Smart Citys 25 Mio. EUR)
sowie einige große Konzerne, wie z. B. IBM und Cisco, haben teils beachtliche För-
dergelder oberhalb einer Million Euro für Smart-City-Planungen ausgelobt und verge-
ben diese Subventionen für Smart-City-Vorhaben im Rahmen von Auswahlverfahren für
Städte, die sich einzeln oder als Städtepartnerschaft bewerben. In der Bundes- wie der
Landesverwaltung Deutschlands gibt es (Stand 1/2017) keine über Leuchtturm-Vorhaben
hinausgehenden Initiativen für Smart Citys, ebenfalls eher homöopathisch sind private
und verbandliche Initiativen in Deutschland: Der deutsche Städte- und Gemeindebund
DSTGB sowie der Branchenverband Bitkom mit zahlreichen Sponsoren fördern ab 2018
eine einzige Stadt als „Digitalstadt“ für zwei Jahre „pro bono“ und haben die Absicht,
diese eine deutsche Stadt – nach eigenen Worten – so in die internationale Spitzenliga
64 R. Heuermann et al.
der Smart Citys zu führen [6]. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung för-
dert in einem „Wettbewerb Zukunftsstadt“ mit bis zu 200.000 EUR zwanzig Kommunen,
die innovative Ideen für ihre Stadtentwicklung haben [9]. Ob hiermit auch die Erwartung
von Spitzenergebnissen im Weltmaßstab verbunden ist, verlautbart das BMBF nicht.
Alle genannten Autoren, städtischen Akteure und Firmen haben i. d. R. eigene, aller-
dings manchmal nur in Nuancen voneinander abweichende Vorstellungen über die
Inhalte von Smart-City-Vorhaben. Tab. 3.4 zeigt im Vergleich die Meinung einiger aus-
gewählter Quellen.
Sachlogisch gibt es Überlappungen und Synergien zwischen den Teilthemen, aber
auch teils völlig unabhängig voneinander stehende Vorhaben. Abb. 3.4 zeigt dies in
einem Kreisdiagramm.
Eine Smart City kann auf zwei Wegen entstehen: Durch komplette Neugründung „auf
der grünen Wiese“ („Greenfield City“) oder durch Wandel („Retrofitting“) einer beste-
henden Stadt. International gibt es einige „Grüne-Wiese“-Projekte am Reißbrett ent-
worfener Städte, wie z. B. New Songdo City, Südkorea (Sponsor Cisco), Masdar City,
Vereinigte Arabische Emirate (Sponsor Siemens AG), Living PlanIT in Paredes (Portu-
gal), Nano Stadt und Lavasar (Indien), Neapolis (Zypern), Skolkovo (Russland), Meixi-
Dongtan-Wuxi Huishan (China), Putrajaya (Malaysia), König Abdullah Economic City
(Saudi-Arabien), Fujisawa (von Panasonic geplante kleine Fertighaus-Stadt nahe Tokio,
hier sollen auch Roboter zum Einsatz kommen), Toyota-City, Santander – die „Stadt
mit 20.000 Sensoren“ (s. [70]) usw. Der Zweck solcher Städte ist es, ein Schaufenster
von Modernität & Selbstversorgung, energetischer Effizienz und dem Zusammenwirken
aller oder zumindest vieler der Smart-CityThemenfelder zu sein. Keine dieser Reißbrett-
Smart-Citys war Ende 2016 komplett fertig und bevölkert.
In Deutschland gibt es keine „Grüne-Wiese“-Projekte. Die größte geschlossene Reiß-
brett-Entwicklung ist wohl diejenige eines Forschungs- und Technologieparks in Berlin:
Unter dem Namen „urban tech republic Berlin“ ist das Gelände des Flughafens Tegel
als Showbühne und gleichzeitig als Entwicklungszentrum für digitale Technologien der
zukünftigen Gestaltung von Städten vorgesehen, siehe Abschn. 3.3.1. Durch die jahre-
langen Verzögerungen bei der Fertigstellung des neuen Berliner Großflughafens BER ist
dieses Vorhaben bis 2018 bislang eine reine Vision geblieben.
Zur idealen Vorgehensweise bei solchen Vorhaben gibt es u. a. Vorschläge von Kaczo-
rowski [32] und PwC [62], hier wird nun ein eigener „Best-of-the-breed“-Ansatz vorge-
stellt:
1. Ein Ziel/eine Vision, ein digitales Leitbild und auf dieser Basis eine Digitale Strate-
gie für jede Kommune entwickeln: Wertvolle Informationen zur Vorbereitung dieses
Arbeitsschritts könnten eine grobe IST-Analyse und eine Recherche der „Best Practi-
ces“ bei den Smart-City-Projekten anderer Kommunen sein. Ideal ist es, wenn man
bereits in dieser frühen Phase Wünsche der Bürger, der am Projekt als Sponsor, Teil-
projekt-Gestalter oder Kunde interessierten Firmen, eigener städtischer Beteiligungen
sowie gesellschaftlicher Gruppen einbezieht. Die Strukturierung der Ziele, die Unter-
teilung in Kurz- und das Setzen von Langfristzielen, das Aufzeigen möglicher Wider-
sprüche zwischen konfliktären und das Zusammenwirken konkordanter Ziele können
hilfreich sein, Prioritäten zu setzen und Außenstehenden zu verdeutlichen, dass man-
ches schnell und anderes langsam kommen wird. Engagierte Strategie-Entwicklung
ist kein Privileg großer Städte, ein schönes Beispiel mit der Stadt Norderstedt gibt
hierfür Weißenfels [76].
2. Digitalisierung zur Chefsache machen: Smart-City-Vorhaben brauchen wegen ihres
querschnittlichten Charakters unbedingt die Spitzeninstanz, d. h. den Hauptverwal-
tungsbeamten (Stadtdirektor/Bürgermeister) als „Sponsor“ des Vorhabens. Dies des-
halb, weil sie sowohl in die Verwaltung hinein wirken wie auch in Gesellschaft und
Wirtschaft der Kommune, auch wegen der Außenwirkung. Ohne diesen operativ für
den Verwaltungsapparat der Stadt verantwortlichen Macher laufen Smart-City-Vor-
haben Gefahr, eher Marketingprojekte als operative, an sonstige Investitionsvorhaben
der Stadt angebundene Umsetzungsprojekte zu werden.
3. Die Finanzierung und die Organisation des Vorhabens sind zu klären. In Smart-City-
Vorhaben dürfte ein Großteil der Finanzmittel durch Sachspenden der beteiligten Fir-
men, die digitale Services pilotieren wollen, sowie ggf. durch deutsche/europäische
Fördermittel aus Wettbewerben kommen. Spannend zu beobachten ist, ob städtische
Haushaltsmittel für mehr als nur ggf. die Projektmanagement-Stelle zur Steuerung der
Smart-City-Vorhaben investiert werden.
4. Das operative Projektgeschäft sollte in die Kompetenz eines hoch angesiedelten Pro-
jektleiters, einer „Leitstelle“ oder der bisherigen CIOs gegeben werden. Da viele der
Teilprojekte in eigener operativer Zuständigkeit von Fremdfirmen und stadteigenen
Regiebetrieben liegen, ist deren Rolle eher mit „Programm-Manager“ zu beschreiben,
weil das Mikro-Management und die operative Umsetzungsverantwortung in anderer
Zuständigkeit liegen.
5. Ganz wesentlich ist es, die Innovationskultur in der Kommune – gerade auch der Ver-
waltung selbst – zu stärken und offen für neue technische Konzepte und Pilotanwen-
dungen zu sein. Smart-City-Vorhaben sind i. d. R. eine Mehrzahl von Pilotvorhaben,
die ggf. einen leichteren Weg durch behördliche Genehmigungsinstanzen bekommen
sollten als übliche Vorhaben.
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 67
3.3.1 Berlin
Carsten Jürgens
Berlin ist – Stand 2015 [80] – die mit ca. 3,5 Mio. Einwohnern vor Hamburg
(ca. 1,8 Mio.) und München (ca. 1,5 Mio.) bevölkerungsreichste und seit der deutschen
Wiedervereinigung ab 1989 auch in der Stadtentwicklung – sozial, wirtschaftlich und
städtebaulich – dynamischste deutsche Stadt. In der Privatwirtschaft ist Berlin ein rela-
tives nationales IT-Eldorado: 17 % aller Start-ups in Deutschland haben ihren Hauptsitz
in Berlin [47, S. 17], der Anteil von IT-Neugründungen lag im Jahr 2015 mit 6,4 Grün-
dungen pro 1000 Bestandsbetrieben ebenfalls mit deutlichem Abstand vor dem nächst-
platzierten Bundesland, Baden-Württemberg, mit 4,8 Gründungen an der Spitze [48].
Die öffentliche Steuerung der Smart-City-Vorhaben in Berlin ist nicht einer eigens für
dieses Thema gewidmeten Geschäftsstelle oder einem städtischen Projektbüro zugeord-
net, sondern der allgemein im Auftrag des Berliner Senats für alle Kontakte der Stadt
zu Wirtschafts- und Technologiepartnern tätigen Berlin Partners GmbH. Berlin sieht sich
generell als den Standort mit einer großen Dynamik innovativer Technologieunterneh-
men, darunter viele Start-up-Unternehmen. Die Berlin Partner GmbH betreut diese alle
und hat ein Netzwerk von über 200 Firmen, Forschungseinrichtungen und Behörden.
Smart-City-Vorhaben werden nach eigenen Angaben in einem eigenen „Netzwerk Smart
City“ mit ca. 130 Mitgliedern geführt. Welche Vorhaben das genau sind, lässt sich aller-
dings (Stand 3/2017) aus keiner konsolidierten veröffentlichten Berichterstattung entneh-
men. Die städtische Smart-City-Strategie ist in einem 2015 herausgegeben Konzept [4]
68 R. Heuermann et al.
mit eher visionärem und allgemeinem Inhalt niedergelegt, eine konkrete Umsetzungspla-
nung soll folgen. Genannt werden hier als integraler Bestandteil weitere kommende oder
schon vorhandene Konzepte:
Ein detailliertes Umsetzungskonzept des Senats mit einer Liste konkreter Planungen für
Vorhaben ist bis Anfang 2017 nicht bekannt geworden. Die Koalitionsvereinbarung der
Ende 2016 gebildeten neuen Regierung des Landes Berlin verspricht neuen Schwung
in Digitalthemen und eine aktualisierte Smart-City-Strategie [4, S. 50 f.]. Deutlich wird
hierin genauso wie aus der schon zuvor erkennbaren Situation in Berlin, dass sich diese
Stadt auch in ihrem Smart-City-Denken mit besonderem Schwerpunkt auf die Moder-
nisierung und Digitalisierung der Verwaltung konzentriert und weniger auf eine große
Bandbreite von Initiativen in den sonstigen Themenbereichen von Smart City. Einige aus
der Presse zu entnehmende Smart-City-Vorhaben in Berlin sind in Tab. 3.5 zu finden.
Das größte Vorhaben ist der seit 2007 schrittweise gewachsene, von der privatwirt-
schaftlichen EUREF AG errichtete Gewerbepark rund um ein altes Gasometer. Vision
Tab. 3.5 Smart-City-Vorhaben der Stadt Berlin und privater Betreiber. (Eigene Darstellung)
Projekte (alphabetisch) Erläuterung des Service
EUREF Schon 2007 mit wachsendem Umfang (jeweils neu dazukommender
Campus) errichteter Gewerbepark mit Schwerpunkt Umwelt und Ener-
gie, ca. 2500 Arbeitsplätze
Hotspots 650 kostenlose Hotspots an 250 Standorten freigeschaltet (seit März
2017)
Service Konto Unter service.berlin.de soll es ab ca. 2018 mit einem persönlichen Konto
Zugriff auf sehr viele antragsbedürftige Verwaltungsdienste geben, in
2017 waren schon 70 Dienste digital zugänglich
Urban Tech Republic Geplantes Quartier in Tegel mit Gewerbepark und Wohnraum
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 69
Tab. 3.6 Betrachtung über „Smart Technologies“ und „Urban Technologies“. (Quelle: [17, S. 8])
Smart Technologies Urban Technologies
• Vorhandene Technologien zu neuen Lösungen • Verdichtete Systeme lebenswert managen
vernetzen • Innovative Technologien mit bestehenden
• Innovative Serviceangebote für Bürger und Infrastrukturen verbinden
Besucher • Den Einzelnen versorgen und dabei vorhan-
• Prozesse integrieren und umsetzen dene Ressourcen effizient nutzen
• Schnittstellen organisieren und Mehrwert • Überblick schaffen, individuelle Orientierung
erzeugen geben, neue Handlungsoptionen anbieten
• Effizienzsteigerung durch intelligentere Nut-
zung von Ressourcen
der Betreiber ist es, ein Symbol für die Energiewende und Umweltschutz zu sein [19].
Der Park bietet ca. 2500 Arbeitsplätze (Stand 2016) und erreicht nach eigenen Angaben
auf dem 5,5 ha großen Gelände schon seit 2014 die Klimaschutzziele der Bundesregie-
rung für 2050.
Größer als der EUREF-Gewerbepark wird die von der Stadt Berlin auf dem Gelände
des jetzt (Stand 3/2017) noch aktiv betriebenen Flughafens Tegel, Kürzel TXL, nach
dessen Schließung geplante „Urban Tech Republic“ sein [5]: ein Gewerbe- und For-
schungspark, für den in seiner Endausbaustufe in ca. 25 Jahren 17.500 Arbeitsplätze
prognostiziert werden. Darüber hinaus soll das Schuhmacher-Quartier, eine für ca. 5000
Wohnungen ausgelegte smarte Wohnsiedlung, in Tegel entstehen [3]. Da der Flughafen
Tegel erst nach der immer wieder in den letzten Jahren verschobenen Inbetriebnahme
des neuen Großflughafens Berlin geschlossen werden soll, sind beide Vorhaben derzeit
noch eine Vision.
Ein anderes Vorhaben ist schon gestartet. Die Technische Universität Berlin hat 2013
angekündigt, mit einer Smart-City-Plattform ein Forum für die vor allem interdiszipli-
näre technologische Forschung über Smart-City-Services einrichten zu wollen. Die Kon-
zepte für einzelne technische Services in Smart Citys werden dort als Teil der Lösung
für die auch ohne das Schlagwort bekannten Herausforderungen an urbane Technologien
gesehen, wie in Tab. 3.6 gezeigt. Soweit es der Internetplattform zu entnehmen ist, hat
dieses Forum seine praktische Tätigkeit zu Jahresbeginn 2017 noch nicht gestartet (Stand
3/2017).
3.3.2 Düsseldorf
Peter Adelskamp
3.3.2.1 Ausgangslage
Die Entwicklung einer Großstadt ist von vielen Faktoren abhängig. Wird sie als attraktiv
und zukunftsfähig wahrgenommen, wächst sie und mit ihr ihre Infrastruktur. So bieten
70 R. Heuermann et al.
insbesondere Städte auf kompaktem Raum ein breites Angebot an Kultur, Bildung, For-
schung, Veranstaltungen, beruflichen Möglichkeiten, Gastronomie und anderen Freizeit-
angeboten, was zu einer weiteren Urbanisierung unserer Lebensweise führt. So wuchs
die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf Anfang 2016 auf 628.437
Menschen [54] und konnte zum zweiten Mal in Folge einen positiven Bevölkerungs-
saldo erreichen. Den größten Teil des Wachstums machten, wie auch in anderen Städten,
Zuzüge aus.
Wachsende Städte können häufig nicht in die Breite expandieren. Sie müssen daher
mit dem vorhandenen Raum intelligent umgehen. Dies betrifft insbesondere die Lan-
deshauptstadt Düsseldorf, die von der Einwohnerzahl her die siebtgrößte Stadt [80]
Deutschlands ist, nach der Fläche in km2 jedoch nur an 17er Stelle liegt. Neben Wohn-
raum und Kindergarten- und Schulplätzen muss die gesamte Infrastruktur an die größere
Nachfrage angepasst werden, die auch durch eine immer älter werdende Bevölkerung
erfolgt. Der Bewegungsraum in einer Stadt verdichtet sich, was auch Auswirkungen auf
den Nah- und Individualverkehr und damit auf die Luftreinheit und die Lärmemissionen
hat. Bei der Stadtplanung müssen immer neue Lösungen für die räumlichen und ökolo-
gischen Anforderungen gefunden werden. Solche Lösungen werden zunehmend dadurch
begünstigt, dass es durch die technische Entwicklung Lösungsmöglichkeiten gibt, die in
den zurückliegenden Jahren nicht oder nicht wirtschaftlich realisiert werden konnten.
Insbesondere die Digitalisierung und die Vernetzung von Datenbeständen bieten nun ein
enormes Potenzial, durch Information und Kommunikation Lösungen auf eine einfache
Art und Weise für die Menschen nutzbar zu machen.
Um sich diesen Herausforderungen zu stellen hat die Landeshauptstadt Düsseldorf
bereits 2009 ein Stadtentwicklungskonzept aufgelegt, das im Jahr 2013 [51] überarbei-
tet wurde. Besonders dem Thema Nachhaltigkeit widmet sich das Programm „Lokale
Agenda 21“, das im Sinne des Mottos „Global denken – Lokal handeln“ über 30 Pro-
jekte und Aktionen in Düsseldorf umsetzt. Ökologisch, sozial und wirtschaftlich aus-
gewogen zeigen diese, wie gehandelt werden kann, ohne künftige Generationen oder
andere Nationen zu belasten. Alle Bürger sind eingeladen, sich bei Aktionen einzubrin-
gen und in den Fachforen der Lokalen Agenda mitzumachen.
Der Trend zum Wachstum in urbanen Räumen wird sich in Zukunft fortsetzen. Es ist
daher erforderlich, die Stadtentwicklung als fortlaufendes und lernendes System zu ver-
stehen, das sich den Erfordernissen anpassen kann. Hierfür ist es wichtig, die Bürger,
Touristen und Unternehmen in die Entwicklung einzubeziehen und ihren Interessen mit
Blick auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu folgen.
zeigt sich, dass sich viele Organisationen und auch städtische Töchter mit ähnlichen The-
men der Digitalisierung befassen und dass es immer mehr Schnittstellen untereinander
gibt. Dies war der Grund für die Initiative des Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas
Geisel, Anfang 2017 eine Stabsstelle „Smart City Düsseldorf“ in seinem Büro einzu-
richten und damit zu beauftragen, neben der Entwicklung neuer Projekte insbesondere
die Vernetzung der lokalen Akteure sicherzustellen. Hierzu wurde auch erstmals im Mai
2017 ein Chief Digital Officer (CDO) bestellt, der unmittelbar dem Oberbürgermeister
zugeordnet ist. Neben der Stadtverwaltung und den städtischen Töchtern und Beteili-
gungen wie Stadtwerke Düsseldorf AG, Rheinbahn AG, Flughafen Düsseldorf GmbH,
Messe Düsseldorf GmbH sind es die Düsseldorfer Bürger und Unternehmen, die in die
weitere Entwicklung und Kommunikation einbezogen werden.
Gerade im Bereich „Smart Governance“ und hier bei den Maßnahmen des E-Govern-
ments, gibt es für die Kommunen noch viele Herausforderungen. Auch wenn sich durch
die E-Government-Gesetze von Bund und Ländern bereits viele gesetzliche Anforderun-
gen an die persönliche Identifizierung und die Schriftform verbessert haben, bestehen
weiterhin noch erhebliche Hürden für die Bereitstellung medienbruchfreier transakti-
onsorientierter Verwaltungsdienstleistungen. Technische Lösungen hierzu wie der elek-
tronische Identitätsnachweis (E-ID) des neuen Personalausweises (nPA) oder die sichere
E-Mail über De-Mail finden nicht den Zuspruch der Bürger.
Nach einer Studie des IPIMA und der Initiative D21 [28] sind nur 4 % der Besitzer
des nPA in der Lage, dessen digitale Möglichkeiten zu nutzen. Hierfür muss die E-ID-
Funktion freigeschaltet und ein Ausweislesegerät vorhanden sein. Von den Befragten
nutzten nur 17 % ein De-Mail-Konto oder überlegten überhaupt, sich ein solches zuzu-
legen. Fast die Hälfte der Befragten kannte das Angebot gar nicht, der Rest hatte man-
gels wahrnehmbarer Mehrwerte, fehlender Usability und anderer Gründe kein Interesse
daran. Es muss daher das Ziel sein, für die Nutzung behördlicher Dienstleistung niedrig-
schwellige Angebote bereitzustellen, die einfach und schnell zur Anwendung kommen
können. Diesem Ziel dient das Teilprojekt zur Schaffung eines Serviceportals, das ver-
schiedene Verwaltungsdienstleistungen unter einem Dach bündelt und modular E-Pay-
ment-Möglichkeiten und ein Servicekonto anbietet. Hierdurch wird es möglich sein, dass
z. B. Unternehmen, die häufig Kontakt zu der Verwaltung haben, durch die Vorausfül-
lung von Anträgen Aufwand sparen und den Bearbeitungsstand abfragen können.
Dieses Projekt dient auch den Zielen der Digitalen Strategie [2], die Ende 2016 für
die Stadtverwaltung Düsseldorf erarbeitet wurde. Das Serviceportal stellt eine wich-
tige Schnittstelle zwischen dem digitalen Eingangskanal und der unmittelbaren digita-
len Weiterverarbeitung durch die Verwaltung dar, die sich derzeit sehr intensiv mit dem
Thema der Digitalisierung ihrer Prozesse befasst. Ein verwaltungsweites Modernisie-
rungsprojekt mit dem Titel „Verwaltung 2020“ [53] hat 2016 eine Vielzahl von Opti-
mierungsansätzen hinsichtlich Prozessabläufen, Aufbauorganisation, Schnittstellen und
Digitalisierung aufgezeigt. Hierbei werden die größten Investitionen in den Bereichen
elektronische Vorgangsbearbeitung und automatisierte Workflows gesehen. Konserva-
tive Schätzungen gehen hier von einem Investitionsbedarf in Höhe von 12 Mio. EUR bis
2020 aus, von denen der Düsseldorfer Stadtrat für 2017 bereits 3,1 Mio. EUR bereitge-
stellt hat.
3.3.2.2 Unternehmensförderung
Während die kommunale IT häufig in langlaufenden und damit betagten Fachverfahren
gefangen ist, geht technologische Innovation oftmals von kleinen und agilen Start-up-
Firmen aus. Junge Gründer und Spin Offs größerer Konzerne treiben Ideen voran, die
die Zukunft prägen. So unterstützt die Landeshauptstadt Düsseldorf aktiv die Start-
up-Szene, die sich insbesondere im STARTPLATZ Düsseldorf [69] im Medienha-
fen etabliert hat und dort Hilfestellung bei der strategischen Weiterentwicklung ihrer
Firmen erhält. An gleicher Stelle hat sich 2016 der „Digital Innovation Hub (digihub)
74 R. Heuermann et al.
3.3.3 Hamburg
Roland Heuermann
Hamburg ist die zweitgrößte deutsche Metropole und liegt – anders als die weiteren hier
vorgestellten Städte – durch eine gute Anbindung über den Fluss Elbe praktisch, nicht
geografisch, an der Nordseeküste. Historisch ist sie durch eine lange und sehr erfolg-
reiche Hafenwirtschaft und die Handelsschifffahrt geprägt. Der offizielle Start von
Smart-City-Vorhaben in Hamburg kann mit der Unterzeichnung eines Memorandums
of Understanding mit der Fa. Cisco am 30.04.2014 gesehen werden. Hierin wurde
die Zusammenarbeit für eine Reihe von konkreten Projekten – namentlich der Hafen-
City und dem Smart Port – vereinbart [21]. Ziele sind hier u. a., bis zum Jahr 2025 die
Betriebskosten bei gleichem Umsatz um ca. 70 % zu senken und die Zahl der Contai-
ner, die umgeschlagen werden können, ohne Mehrverbrauch an Fläche gegenüber der
Kapazität von 2014 nahezu zu verdoppeln [22]. Neben den detaillierteren Planungen
im Aufgabenbereich der Hamburg Port Authority gibt es weitere im übrigen Stadtge-
biet. Der Schwerpunkt auf verkehrsbezogenen Projekten, die den wirtschaftlichen und
geografischen Besonderheiten Hamburgs entsprechen, ist sehr deutlich. Seitdem hat es,
ausweislich diverser einzelner Verlautbarungen auf Internetseiten des stadteigenen Lan-
desbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer [55] und einzelner Meldungen des Ham-
burger Senats sowie Darstellungen in der lokalen Presse, die in Tab. 3.7 aufgelisteten
Vorhaben gegeben. Ein Teil der Vorhaben ist mit Piloten bereits gestartet. Der Senat
Hamburgs mit seiner Leitstelle Digitale Stadt bietet hierzu keine genaue Auflistung
der Vorhaben mit Angaben zu Reichweite/Abdeckungsgrad stadtweit, Meilensteinen,
Umsetzungsstand, Kostenanteilen der Stadt und der Fa. Cisco an. Eine Darstellung der
Gesamtstrategie fehlt. Hierzu gibt es teils lokalpolitischen Streit [77]. Der Senat sieht
Hamburg in der internationalen Spitzengruppe von Smart-City-Vorhaben vergleichbar
großer Städte.
76 R. Heuermann et al.
3.3.4 Köln
Tanja Krins
Abb. 3.5 stellt die Handlungsfelder des „Konzepts Internetstadt Köln“ 2012 den Begriff-
lichkeiten gegenüber, die mit Veröffentlichung der Digitalen Agenda des Bundes in der
Diskussion des Jahres 2016, siehe hierzu Abb. 3.6, gebräuchlich sind.
Die „Digitale Stadt“ ist Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte in der Stadt (Bürger-
schaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Stadtpolitik, Stadtverwaltung …) und wird daher als
ein umfassendes Querschnittsthema verstanden. E-Government und Verwaltungsmoder-
nisierung sind Voraussetzung und Basisdienste für digitale Geschäftsmodelle; sie stellen
die Grundlagen für eine ganzheitliche Betrachtung der Digitalisierung im Dialog mit
allen Akteuren der Stadtgesellschaft dar (vgl. Positionspapier der Fokusgruppe „Kom-
munale Digitale Agenda“, [33, S. 2]). Dies beinhaltet mehr als eine reine Elektrifizierung
sieben Einrichtungen in städtischer und freier Trägerschaft in der Kölner Altstadt, von
der Kindertagesstätte über eine Grundschule und eine Realschule bis zu Gymnasien und
Freizeiteinrichtungen. Ziel ist es, ausgehend von abgestimmten pädagogischen Zielen
Räume mit entsprechender technischer Ausstattung baulich und pädagogisch gemeinsam
zu nutzen (vgl. [60, S. 9]).
Die innovativen Digitalprojekte der Kölner Stadtbibliothek geben ein weiteres
Beispiel erfolgreicher digitaler Aktivitäten im Bereich der Bildung und Weiterbildung.
Sie resultieren aus dem Verständnis, dass sich mit der Digitalisierung sukzessive die
Anforderungen an Stadtbibliotheken verändert haben. Im Zentrum steht nicht mehr nur
die Informationsbereitstellung für einen breiten Adressatenkreis, sondern verstärkt die
Vermittlung von Kompetenzen. Die Rolle des Bibliotheksnutzers wandelt sich vom rei-
nen Konsumenten, der ausleiht, zum Prosumenten, der nicht nur ausleiht, sondern auch
selber Ergebnisse produziert (vgl. [38, S. 3]). Diese reichen von der Digitalisierung von
Schallplatten bis zur Herstellung von 3-D-Objekten, vom Umgang mit Nao-Computern
bis zum Einstieg in Virtuelle Erlebniswelten. Vor diesem Hintergrund hat sich die Kölner
Stadtbibliothek mit unterschiedlichsten digitalen Angeboten breit aufgestellt und bietet
für alle Altersstufen und Nutzergruppen Angebote an. Dabei wird bewusst die Koope-
ration mit weiteren Akteuren in der Stadt gesucht, beispielsweise aus den Bereichen
Gaming und IT, aber auch mit Schulen im Rahmen von Bildungspartnerschaften und mit
der Kölner Volkshochschule.
Dabei wird durch die intelligente und moderne Raum(aus)nutzung insgesamt der
Büroflächenbedarf reduziert. Inzwischen hat sich das Modellhaus innerhalb der Kölner
Verwaltung als eine Blaupause für eine moderne Arbeitsplatzgestaltung etabliert.
Vor diesem Hintergrund wird die Stadt künftig die Rolle eines Breitbandkoordinators
besetzen, der im Sinne der gesamtstädtischen Breitbandversorgung Zuwendungen für die
Finanzierung von Maßnahmen und weitere Fördermaßnahmen beantragt.
3.3.5 München
Carsten Jürgens
Die Stadt München hat das Thema Smart City im Jahr 2015 über die Teilnahme an
dem europäischen Förderwettbewerb „Smarter Together“ aufgegriffen und im Rah-
men einer gemeinsamen Bewerbung mit Lyon und Wien für sich einen Anspruch auf
EU-Fördermittel in Höhe von 6,85 Mio. erworben. Im Wettbewerb waren insgesamt 42
Städteteams, gewonnen haben fünf Teams, darunter dasjenige mit München. Zu den För-
dermitteln der EU kommen ergänzend durch Zusagen der Wirtschaft, eigene Mittel und
Forschungsgelder insgesamt weitere ca. 20 Mio. EUR. Diese Gelder werden innerhalb
eines Zeitrahmens von fünf Jahren – so lang ist die Dauer des EU-Förderprojekts für die
Gewinner des Wettbewerbs in 2015 – verfügbar werden. Aus europäischer Sicht sind die
Gewinner-Projekte der fünf Städteteams Leuchtturmprojekte, die auf andere europäische
Städte abstrahlen sollten.
Die Koordination der Smart-City-Aktivitäten liegt bei dem vom Bürgermeister selbst
geleiteten Referat für Arbeit und Wirtschaft und bei der zu 100 % der Stadt gehören-
den Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung. Auf deren Internetseiten findet sich
(31.03.2017) allerdings das Stichwort „Smart City“ bisher nicht im Hauptmenü. Die
Ausrichtung der bisher bekannten Münchner Smart-City-Vorhaben ist in der Gewichtung
bau-/infrastrukturorientiert und wird auf zwei Stadtteile konzentriert:
Der offizielle Start dieser Smart-City-Vorhaben in München war am 16. Februar 2016,
als eine Vereinbarung von München mit den Städten Wien und Lyon für Zusammenarbeit
geschlossen wurde.
Eine nur grobe Darstellung der Detailthemen von Smart-City-Projekten in diesem
Rahmen findet sich im Stadtprotal München, die Tab. 3.8 zeigt die geplanten Inhalte.
Über diese unmittelbar mit dem Förderprojekt zusammenhängenden Maßnahmen hin-
aus gibt es die Ankündigung weiterer teils privat initiierter Vorhaben, z. B. ein gemein-
sam von der BMW-Eignerin Susanne Klatten mit der Stadt München und dem Land
Bayern geplantes Innovations- und Gründerzentrum für Smart-City-Start-ups [56].
84 R. Heuermann et al.
Tab. 3.8 Smart-City-Vorhaben der Stadt München. (Eigene Darstellung, sachlich entnommen aus
[59])
Projekte (alphabetisch) Erläuterung des Service
Aufbau von Niedrigenergie-Quartieren Fernwärmeausbau und Ausbau erneuerbarer Energie
Infrastruktur: Stadtteil-Labore Veranstaltungen, in denen Anbieter von Smart-City-Pro-
dukten, externe Experten, Verantwortliche für Konzepte
und Bürger ihre Erwartungen an Smart Citys „vor Ort“
austauschen und gemeinsam Lösungen entwickeln
sollen
Ganzheitliche Sanierung Vor allem energetische Sanierung eines Wohnungsbe-
standes mit ca. 40.000 m2 Wohnfläche
Ausbau integrierter Infrastrukturen Gemeint sind Apps, Laternenmasten mit Steckdosen für
E-Autos, Außenlicht- und situationsabhängig leuchtende
Laternen, Paketboxen mit Kühlfunktion
Lösung für nachhaltige Mobilität Verleihstationen für E-Autos, E-Fahrräder, Infosäulen
usw.
3.3.6 Wien
Roland Heuermann
Die Hauptstadt Österreichs Wien ist von der Einwohnerzahl her mit Hamburg vergleich-
bar (ca. 1,84 Mio. Einwohner) und damit zusammen mit Hamburg die zweitgrößte
deutschsprachige Stadt. Wien spielt in Geschichte, Kultur, Städtebau und Politik Öster-
reichs, wie auch Europas, eine ganz eigene Rolle und hat eine weit in das Umland, auch
in die anliegenden Länder Osteuropas, strahlende kulturelle Rolle. In der deutschspra-
chigen Literatur über Smart-City-Konzepte ist Wien wegen der als sehr engagiert und
fortschrittlich wahrgenommenen Strategie prominent vertreten und erreicht in internatio-
nalen Rankings oft Spitzenplätze.
Eine Besonderheit Wiens: die am 25.06.2014 verabschiedete, sehr langfristige
Dachstrategie mit Laufzeit bis 2050 [78]. Hier sind ehrgeizige Ziele zum Klima- und
Umweltschutz, zur Mobilität und praktisch – wenn auch teils sehr grob – allen anderen
Handlungsfeldern der Kommunalpolitik gesetzt. Ziel ist es, das gesamtstädtische Niveau
der Lebensqualität zu heben, nicht nur punktuelle digitale Entwicklungsthemen. Um das
zu erreichen, ist Smart City quasi „Gesetz“ und damit bindend für alle Teilplanungen
in den städtischen Handlungsfeldern. Daher werden Smart-City-Vorhaben in Wien auch
integriert in der städtischen Haushaltsplanung berücksichtigt. Smart-City-Vorhaben sind
demzufolge kein einzelnes Projekt, sondern können Linienaufgabe UND Projekt sein.
Wegen der großen thematischen Breite der Vorhaben gibt es auch viele, unter dem Dach
von Smart City geführte Projekte, die keinen digitalen Anteil haben. Am 24.07.2013 ver-
einbarte Wien mit der österreichischen Bundesebene in einem Memorandum of Under-
standing eine Zusammenarbeit zur Förderung von Smart-City-Vorhaben, u. a. mit dem
Ziel, durch koordiniertes Vorgehen eine höhere Chance auf internationale Fördergelder
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 85
Tab. 3.9 Smart-City-Vorhaben der Stadt Wien. (Eigene Darstellung auf Basis von Informationen
aus Smart City Wien [68])
Themenbereich Projekte (Beispiele)
Bildung DigitalCityWien. Diskussionsplattform für Bürger, Experten usw. zwecks
Austauschs über Ideen für weitere Smart-City-Vorhaben
Digitales Seniortab – Tablet für Senioren. WAALTeR– in 83 Haushalten Test integrier-
ter Digitaldienste
Energie ECOTram, E-Taxi Wien, LED-Straßenbeleuchtung
Gebäude Marxbox (Grünes Laborgebäude) und andere einzelne Maßnahmen
Gesundheit E-Health, Mobile Health – Gesundheitsdienste am Smartphone
Infrastruktur wien.at Public LAN, IKT Integration Aspern
Innovation Smart Hubs 2.0 – Optimierung multimodaler Knoten im Donaukorridor
Mobilität Optihubs – logistische Prozessoptimierung wasseraffiner Gütersegmente
Soziales wien.at live – Apps für Kulturelles
Stadtentwicklung Autofrei wohnen, Bike City
Umwelt Die 48er-App – Informationen zur Müllentsorgung
zu erhalten. Wien hat nach eigener Einschätzung mehr öffentlich finanzierte Fördergel-
der von der Europäischen Union für Smart-City-Vorhaben erhalten als irgendeine andere
europäische Stadt.
Es gibt bei den Smart-City-Vorhaben Wiens keine besonders privilegierten Indust-
riepartnerschaften mit einzelnen privatwirtschaftlichen Partnern, sehr wohl aber breit
gestreute Kooperationen in vielen Projekten. Wien widmet den Smart-City-Themen
einen sehr prominenten, konsolidierten, differenzierten und bis hin zur Beschreibung ein-
zelner aktueller Projekte professionell durchgestylten Auftritt in den Internetseiten der
Stadt. Verantwortlich für den medialen Auftritt ist die, zur Wienholding GmbH gehö-
rende, Agentur TINA Vienna Wien. Tab. 3.9 enthält eine nach den von Wien definierten
Themenbereichen sortierte Liste mit Beispielen in 2017 aktueller Smart-City-Projekte
(bei Durchsicht fällt die teilweise Mehrfach-Zuordnung von Projekten zu Themen auf).
Roland Heuermann
Belastbare exakte Zahlen und Daten zu diesen gesamthaften Entwicklungen sind bei
dem unübersichtlichen Anbietermarkt leider nicht zu berichten.
Die Qualität der IT-Services sowohl für Bürger wie für Kunden lässt sich pauschal
ebenfalls nicht beurteilen. Zu vermuten ist, dass weiterhin ein sehr erhebliches Potenzial
an Verbesserungen durch eine Kombination einer fachlichen mit drei technisch-fachli-
chen Maßnahmen zu erreichen wäre:
Die Landschaft der Öffentlichen IT-Dienstleister für die Eigenversorgung der Stadtver-
waltung und ihr unmittelbar angegliederten kommunalen Einrichtungen ist deutsch-
landweit durch eine weiterhin erhebliche Zersplitterung gekennzeichnet, obwohl es eine
zunehmende Anzahl vertikal konsolidierter, überregionaler IT-Dienstleister gibt. Die
organisatorische Verschmelzung ist noch nicht abgeschlossen, immer wieder ist in Ein-
zelfällen von Fusionen zu lesen, wie z. B. bei der Fusion großer kommunaler IT-Dienst-
leister in Baden-Württemberg in das DZBW hinein.
Neben der vertikalen Konsolidierung gibt es auch eine horizontale Entwicklung: Die
Zusammenarbeit der Netzwerke (horizontale Konsolidierung) selbstständiger kommuna-
ler IT-Anbieter dürfte ebenfalls zugenommen haben. Die Qualität der Kooperation lässt
sich flächig vermutlich an u. a. Bündelungen des Einkaufs erkennen: Hier ist durch Pro-
Vitako und andere kleinere Einkaufsgemeinschaften ein erhebliches Synergiepotenzial
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 87
gehoben und Marktmacht gegenüber den Herstellern aufgebaut worden. Die Richtung
stimmt, allerdings gilt auch: Hier existiert sicher noch einiges Verbesserungspotenzial,
denn eine systematische überregionale Transparenz über eigene Kosten je Serviceeinheit
und bezahlte Preise für bezogene Leistungen hat niemand und kontrolliert auch niemand.
Das Gesamtsystem der Öffentlichen Verwaltung lässt hier also vermutlich Effizienzvor-
teile ungenutzt.
Digitale Services der Stadtwerke und anderer großer kommunaler Beteiligungen sind
meist nicht Teil der kommunalen Verwaltungs-IT, hier ist auch keine besondere Konsoli-
dierungsbewegung zu erkennen. Künftig könnten die Smart-City-Dienste verstärkt auch
Services von den Stadtwerke-ITs verlangen. Betrachtet man alle digitalen Services von
Kernverwaltung und Smart-City-Diensten zusammen, wird ein immer größerer Teil des
realen kommunalen Lebens – nicht nur die Verfahren in der Kernverwaltung – ein digita-
les Steuerungsabbild haben. Abb. 3.7 will das andeuten.
• Eine große Bandbreite interessanter Ideen, Konzepte und Produkte: Mit der etwas
künstlichen begrifflichen Klammer „Smart City“ gelingt es, die Aufmerksamkeit
sowohl der Städte selbst wie auch der Industriepartner und der Bevölkerung für einen
ganzen Strauß an interessanten Ideen und Konzepten für ein besseres Infrastruktur-
management, ökologische Effekte und ein kluges Mobilitätsmanagement in Verdich-
tungsräumen zu bekommen. Ohne den Impuls eines Marketings der Innovationen
88 R. Heuermann et al.
täten diese sich vermutlich deutlich schwerer, angesichts der teils sehr kleinen Piloten
(z. B. drei digitale Ampeln …) überhaupt wahr- und ernst genommen zu werden.
• Leider sind alle betrachteten Städte noch keine echten „Smart Cities“, wenn man die
flächendeckende Versorgung mit auch nur einem der pilotierten Services als Maßstab
nimmt. Bereits implementierte Smart-City-Services sind ganz überwiegend allenfalls
„Mini-Piloten“, von flächendeckenden Lösungen auch nur in einem der Themenfelder
sind alle Kommunen noch – teils weit – entfernt. Dies ist keine als Kritik an den Ver-
antwortlichen gemeinte Feststellung, sondern eher wohl ein Hinweis darauf, dass die
Aufgabe eine sehr große ist: Die Fläche der hier zu gestaltenden Infrastruktur und das
Volumen der zu tätigenden Investitionen ist noch von keiner Instanz für Deutschland
insgesamt geschätzt worden. Es dürfte im deutlich dreistelligen Milliardenbereich
liegen, wenn nicht sogar bei mehr als einer Billion Euro. Die zu einem erheblichen
Teil noch in der Haushaltssicherung lebenden oder erst kürzlich aufgrund eines oder
zweier günstiger Jahre aus der Überschuldung herausgewachsenden Kommunen
haben nicht das Geld, um die Pilotvorhaben selbst zu finanzieren. Das Geschick und
die Hartnäckigkeit einiger Verantwortlicher, für ihre Stadt das Beste aus dieser Situa-
tion zu machen, sind sehr zu loben.
Auf einige der deutschen Kommunen mit Smart-City-Vorhaben trifft Folgendes zu:
Da das Themenfeld Smart City viele Services abdeckt, kann man der Literatur viele
Kommentare und Verbesserungsvorschläge zu einzelnen Fachthemen entnehmen. Hier
sind einige punktuell ausgewählte Meinungen:
Strukturen einfach als Funktionen entworfen, es fehlt das Prinzip der architektoni-
schen Diversität“. Diese Kritik trifft vermutlich nicht den visionären technologischen
Kern der Smart-City-Services, sondern eher die fantasiearme zeitgenössische Archi-
tektur und Stadtplanung – hässliche und „kalte“ Städte gab es schon im vordigitalen
Zeitalter.
2. Eine speziell dem Thema „digitalisierte urbane Mobilität“ gewidmete Studie des
DIVSI (Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet) widmet sich einer
Reihe offener sachlicher und rechtlicher Fragen autonomen Fahrens [35]. Hier kön-
nen nur auszugsweise einige besonders wichtige Aspekte wiedergegeben werden: Ein
grundsätzliches Dilemma optimaler Angebote zur Verkehrslenkung ist darin zu sehen,
dass bestmögliche Tipps für Autofahrer zur Umgehung von Staus nur möglich sind,
wenn das Navigationsgerät des Autofahrers auch die Daten des aktuellen Standorts
ständig an ein zentrales System meldet. Wenn alle Verkehrsteilnehmer ihre Daten mel-
den, können optimale Tipps zum Ausweichen, ohne die Gefahr auf Umfahrungsstre-
cken wieder in einen Stau zu geraten, gegeben werden. Diese zentral gesammelten
Daten sind ein Pool, für den aber auch kommerzielle oder polizeiliche Zwecke denk-
bar sind [35, S. 44 f.]. Regeln für die Verfügbarkeit dieser Daten sind daher noch zu
definieren und die Nutzer müssen diesen zustimmen. Digitale Angebote für das Park-
platzmanagement erfordern nicht nur Sensoren für das Melden freier Parkplätze sowie
digitale Formen der Abrechnung, sie müssten eigentlich auch Aktoren zum Verhindern
von Falschparkern haben [35, S. 52 f.]. Immerhin sind diese Systeme gewissermaßen
kollateral auch automatische Falschparker-Meldesysteme. Automatische Falschpar-
ker-Verhinderungssysteme gibt es außerhalb geschlossener Gebäude bisher nicht.
3. Die generelle Angreifbarkeit von stärker digital gesteuerten Städten ist Gegenstand
vieler Betrachtungen. Die Wirkungen eines Angriffs kann man aus zwei Blickwinkeln
betrachten: Der objektiven und der „gefühlten“ Wirkung: Objektiv sind Städte digi-
tal umso angreifbarer, je mehr digitale Steuerung vorhanden ist. Subjektiv ist auch
das vom deutschen Bundesinnenministerium selbst so genannte „Verletzlichkeitspa-
radox“ zu betrachten: Je sicherer eine digitale Infrastruktur ist, desto verheerender
kann sich ein doch einmal auftretender seltener Ausfall auswirken (mehr dazu in: [64,
S. 225]). Zu vermuten ist, dass man die Auswirkungen eines Ausfallszenarios eher
dann beherrschen kann, wenn ähnlich wie beim Szenario „Feuer“ regelmäßige Not-
fallübungen stattfinden und der Ausfall kritischer digitaler Infrastruktur mit rettenden
analogen Ersatzlösungen – die vermutlich ein deutlich geringeres Qualitätsniveau
haben – durchgespielt wird.
4. Neben dem Angriff mit dem Ziel der Lahmlegung einer ganzen Stadt wird es vermut-
lich viel häufiger Angriffe auf die sensiblen Datenschätze einer Stadtverwaltung und
einzelner Bürger geben, um personenbezogene Informationen und Geschäftsgeheim-
nisse im weitesten Sinne zu erfahren. Die Angreifbarkeit von Smart-City-Services ist
ohne große Fantasie zu erahnen. Beispiele sind:
• Selbststeuernde Fahrzeuge → Personendaten mit Bewegungsmustern
• intelligente öffentliche Parkraumbewirtschaftung → Personendaten mit Bewe-
gungsmustern
3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 91
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3 Digitalisierung auf kommunaler Ebene 93
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Digitalisierung auf Landesebene
4
Roland Heuermann, Stefan Krebs, Christian D. Kohl, Carsten Jürgens,
Johann Bizer und Michel Golibrzuch
Roland Heuermann
Die 16 Bundesländer Deutschlands sind hinsichtlich ihrer Größe und Binnenstruktur sehr
unterschiedlich: Zum einen gibt es mit Hamburg, Berlin und Bremen drei Stadtstaaten,
von denen einer „historisch“ ist und zwei erst nach Ende des 2. Weltkriegs in ihrer jetzi-
gen Form gegründet wurden. Die 13 Flächenstaaten sind ebenfalls teils erst nach Ende des
2. Weltkriegs und nach der Wiedervereinigung entstanden (NRW, Baden-Württemberg,
R. Heuermann (*)
Bonn, Deutschland
E-Mail: roland_heuermann@t-online.de
S. Krebs · C. D. Kohl
Stuttgart, Deutschland
E-Mail: Stefan.Krebs@im.bwl.de
C.D. Kohl
E-Mail: christian.kohl@im.bwl.de
C. Jürgens
Berlin, Deutschland
E-Mail: carsten.juergens@computacenter.com
J. Bizer
Altenholz, Deutschland
E-Mail: johann.bizer@dataport.de
M. Golibrzuch
Hannover, Deutschland
E-Mail: Michel.Golibrzuch@lgln.niedersachsen.de
Brandenburg), teils historisch älter. Sie unterscheiden sich stark in territorialer Größe
und Zahl der Einwohner: Das Saarland als kleinster Flächenstaat hat ca. 995.600 (Stand
2015) Einwohner, während Nordrhein-Westfalen mit ca. 17,9 Mio. Einwohnern ca. um
das 18-fache größer ist. Das Bundesland „Freie Hansestadt Bremen“ mit den zwei Stadt-
gemeinden Bremen und Bremerhaven (genau genommen also ein Doppelstadt-Stadtstaat)
hatte 2015 ca. 671.000 Einwohner, Nordrhein-Westfalen hat insgesamt 270 Städte, davon
vier Städte mit mehr Einwohnern als Bremen und ca. 20 mit mehr Einwohnern als Bremer-
haven. Hinsichtlich der fachlichen Aufgaben der Landesverwaltungen gibt es jedoch – mit
Ausnahme von Extra-Aufgaben bei geografischen Besonderheiten von Küstenländern und
der beiden Länder mit sehr hohen Bergen (Bayern und Sachsen) – prinzipiell keine großen
Unterschiede. Abb. 4.1 zeigt am Beispiel von NRW schematisch in vereinfachter Bezeich-
nung der Landesministerien die Aufgabenbereiche und die ihnen typischerweise nachgeord-
neten Behörden mit großem Personalkörper und erheblichem Bedarf an IT-Unterstützung.
Abb. 4.1 Typische Aufgaben der Länder und große zugeordnete IT-Behörden
4 Digitalisierung auf Landesebene 101
Aus dieser Übersicht kann man erkennen, dass die Ressorts der Landesregierungen mal
große, mal kleine Behördenwelten im nachgeordneten Bereich haben. Schulen und Hoch-
schulen, Polizei, Finanzämter sowie Justiz arbeiten mit recht großen Zahlen an Mitarbei-
tern, weil sie in der Fläche präsent sind. Sie haben auch eine Zahl von IT-Arbeitsplätzen, die
Anforderungen sind aber unterschiedlich anspruchsvoll: Die Justiz benutzt im Wesentlichen
Office-Anwendungen, während die Polizei einige teils in länderübergreifender Kooperation
entwickelte, anspruchsvolle IT-Fachverfahren einsetzt und eine relativ gute Vernetzung zu
verschiedenen Registern u. a. auch der Kommunalverwaltung (z. B. Einwohnermelderegis-
ter) besitzt. Außerdem profitiert sie von Erfolgen in der bundesweiten Vereinheitlichung und
Zusammenführung von Registern, wie z. B. dem Nationalen Waffenregister.
Die formale Spitze des IT-Managements in den Ländern ist der jeweilige Landes-
CIO; in allen Bundesländern gibt es einen Landes-CIO. Die organisatorische Anbindung,
die formalen Kompetenzen und der dem CIO zugeordnete Apparat ist in den Ländern
verschieden: Die CIOs sind fast zur Hälfte je dem Finanz- und dem Innenministerium
zugeordnet. Einzig in Schleswig-Holstein ist der CIO, vermutlich einer zuvor vom dorti-
gen Landesrechnungshof ausgesprochenen Empfehlung folgend, dem Ministerpräsiden-
ten direkt zugeordnet. Abb. 4.2 zeigt eine Übersicht der in 3/2017 tätigen CIOs und ihrer
organisatorischen Zuordnung.
Neben den Unterschieden in der aufbauorganisatorischen Zuordnung der CIOs gibt es
auch erhebliche Unterschiede in der organisatorischen Verantwortung für die IT-Versor-
gung. Alle Bundesländer haben mittlerweile zentralisierte IT-Dienstleister für die Lan-
desressorts, allerdings gibt es hinsichtlich der Zahl dieser zentralen Dienstleister, ihrer
Verantwortungsreichweite für die Ressorts der Landesregierungen und im Grad ihrer
Zusammenarbeit mit kommunalen Dienstleistern Unterschiede. Allgemeine Aussagen
über die Zuständigkeit der IT-Landesdienstleister sind:
• Die zentrale Zuständigkeit bezieht sich NICHT auf die IT der Landespolizei (Aus-
nahmen: Mecklenburg-Vorpommern und – teilweise durch einen Polizei-Clienten –
Niedersachsen). Polizei-IT ist oft den allgemeinen Technik-Abteilungen der Polizei
zugeordnet, sie wird nicht vom landesweiten Öffentlichen IT-Dienstleister bezogen.
• Die zentrale Zuständigkeit bezieht sich nicht auf die IT der Justiz – diese Situation
folgt dem lange Zeit geltenden Dogma, dass der Justiz als „3. Gewalt“ nicht zuzumu-
ten sei, ihre IT-Services von einem Dienstleister zu beziehen, der auch die Exekutive
versorgt.
• Die zentrale Zuständigkeit bezieht sich nicht auf IT der Hochschulen.
Tab. 4.1 zeigt eine Übersicht der landeseigenen zentralen IT-Dienstleister in Deutschland
und – sofern vorhanden – voll konsolidierter kommunaler Dienstleister.
Die Bundesländer sind in der Hierarchie der Gebietskörperschaften das „Zwischen-
glied“, sie haben sowohl mit dem Bund als auch mit den Kommunen zahlreiche Arbeits-
kontakte. In der digitalen Weltsicht sind Kontakte „Schnittstellen“, die Bundesländer
haben den höchsten ebenübergreifenden Bedarf an Schnittstellen zu anderen Ebenen der
Gebietskörperschaften. Dazu kommen noch horizontale Arbeitsbeziehungen zu ande-
ren Bundesländern. An einem realen Thema, der Verwaltungsarbeit zur Erfassung und
Tab. 4.1 Bundesländer und ihre IT-Dienstleister auf Landesebene. (Eigene Darstellung)
Bundesland Landes-IT-Dienstleister
Baden-Württemberg BITBW
Bayern Aufsicht: Landesamt für Digitalisierung, Vermessung und Breitband
Dienstleister: 1) Landesamt für Steuern und 2) IT-Dienstleistungs-
zentrum (IT-DLZ)
Berlin IT-Dienstleistungszentrum Berlin, ITDZ
Brandenburg ZIT-BB
Bremen Dataport, Mehrländer-Anstalt
Hamburg Dataport, Mehrländer-Anstalt
Hessen Hessische Datenzentrale, HZD
Mecklenburg-Vorpommern DVZ-MV, Zuständigkeit Steuern bei Dataport
Niedersachsen IT.Niedersachsen, IT.N
Nordrhein-Westfalen IT.NRW
Rheinland-Pfalz Landesbetrieb Daten und Information, LDI
Saarland IT-Dienstleistungszentrum, ITDLZ
Sachsen Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste, SID
Sachsen-Anhalt Dataport, Mehrländer-Anstalt
Schleswig-Holstein Dataport, Mehrländer-Anstalt
Thüringen Thüringer Landesrechenzentrum, TLRZ
4 Digitalisierung auf Landesebene 103
Versorgung von Asylbewerbern, zeigt Abb. 4.3 fiktive Vernetzungsbedarfe. Das ist fach-
lich nicht ganz korrekt, zeigt aber das Wichtige besonders prägnant: Sehr verschiedene
Behörden, die oft lange Jahre ihr Einzeldasein gepflegt haben und/oder sich in ganz
verschiedenen Zuständigkeiten befinden, müssen sich über die gegenseitigen Zugriffs-
möglichkeiten auf Daten, auf deren Formate usw. einigen. Der Austausch findet in der
Verwaltungswelt sehr oft über „Register“ statt. Wie schon in der horizontalen Beziehung
zwischen Ämtern in den Kommunen (vgl. Abschn. 3.1.2.2) ist hier Vernetzung das Zau-
berwort zur Steigerung der Effizienz.
Die wichtigste Ressource der Digitalisierung ist keine einzelne Technologie, son-
dern der Mensch. Ähnlich wie in den Kommunen sind auch auf Länderebene der
jeweilige CIO und die unter ihm für die Weiterentwicklung der IT-Services zuständige
Mannschaft ein ganz wesentlicher Faktor für die Innovation. Prof. Dr. Engel hat in
Abschn. 2.2.3.3 auf die gewandelte Rolle des CIOs hingewiesen, der nicht nur intern in
seinem Bereich die Technik und Organisation voranbringen muss, sondern zunehmend
auch als Netzwerker zwischen Behörden, d. h. letztlich als Organisationsentwickler
der Gesamtverwaltung, arbeiten muss. Auf Ebene der Länder gibt es die gleiche Situ-
ation, darüber hinaus haben die CIOs als Vertreter der Länder auch eine Rolle im IT-
Planungsrat. Sie wirken – theoretisch – in diesem ebenenübergreifenden Gremium auch
an bundesweiten IT-Standards mit und damit an Regeln oberhalb ihrer eigenen Region.
Abb. 4.4 zeigt diese Aufgaben als Teil des sehr umfangreichen Rollenprofils der CIOs in
den Ländern.
Die tatsächliche Rolle der CIOs, die Stärke ihrer Durchsetzungskraft ist sowohl per-
sonen- wie auch organisationsabhängig. Die organisationalen Befugnisse sind grundsätz-
lich schwächer als in manchen Privatunternehmen, weil CIOs im Öffentlichen Bereich
an einigen harten Grenzen nicht rütteln können: der Ressorthoheit, den Autonomierech-
ten von Gebietsköperschaften, den Regeln des Beschaffungsrecht usw. [17]. Analoge
Regeln in Großkonzernen sind leichter zu ändern, wenn der betriebswirtschaftliche Nut-
zen dafür spricht. Innerhalb der im Öffentlichen Bereich möglichen Kompetenzen unter-
scheiden sich die organisationalen Befugnisse der CIOs in den Bundesländern ebenfalls
stark (siehe [18, S. 56]): Formal hat ein CIO auf Ministerebene (z. B. Finanzminis-
ter Markus Söder in Bayern) eine ganz andere Durchschlagskraft als ein CIO, der aus-
schließlich seiner CIO-Funktion wegen Staatssekretär ist, oder ein Staatssekretär, der die
CIO-Funktion nebenbei ausübt.
CIOs im Nebenjob und Minister, die evtl. gar keine eigene persönliche IT-Kompetenz
durch entsprechende berufliche Erfahrung haben, mögen in der Sache nicht die beste Beset-
zung sein, weil sie entweder nicht genügend Zeit oder Willen haben, sich evtl. zeitlich oder
sachlich zulasten ihrer parallelen politischen Themen mit größerem Lustfaktor – z. B. auch
Minister für Sport zu sein – für ihre Aufgaben in der Digitalisierung zu verkämpfen. So wird
z. B. aus einem Bundesland berichtet, dass ein frisch nach den Wahlen zum Staatssekre-
tär gewordener Politiker erst nach Antritt seines Postens bemerkte, dass der CIO-Job auch
daran hing. Ein anderer – so hieß es – weihe lieber neue Turnhallen ein als neue Rechen-
zentren. Das politische Umfeld und die Behördenwelt unter einem CIO registriert selbst
schwache Signale über das Engagement der Person und die Ergebnisse tatsächlicher Durch-
setzung. Umgekehrt kann auch ein formal schwach aufgestellter CIO in der Sache Stärke
zeigen, wenn sein Ministerpräsident hinter ihm steht. Allerdings ist es unwahrscheinlich,
4 Digitalisierung auf Landesebene 105
dass „der Apparat“ und Außenstehende das so wahrnehmen, weil im politischen Umfeld für
Themen, die dem Ministerpräsidenten wichtig sind, immer noch der geeignete Dienstgrad
gefunden wird, diese Wichtigkeit auch äußerlich darzustellen. Insofern ist es verwunderlich,
wenn ein Bundesland die Digitalisierung als Topthema ansieht, der CIO aber aufgrund zu
geringer Hierarchie über die Maßen zu sehr vorsichtigen und aufwendigen Abstimmungsa-
rien mit der Bürokratie in vielen Ministerien und ggf. nachgeordneten Behörden gezwungen
wird.
4.2.1 Baden-Württemberg
auf die Ressorts verstreuten Rechen- und IT-Entwicklungszentren, soweit dies rechtlich
möglich ist, bei einem zentralen IT-Dienstleister für die Landesverwaltung zu bündeln.
Dies soll es ermöglichen, mit der raschen Weiterentwicklung im IT-Bereich Schritt zu
halten, die wachsenden Anforderungen an IT-Sicherheit noch besser zu erfüllen und
Kosten durch die Nutzung von Synergien, beispielsweise durch die Konsolidierung von
Rechenzentren, sowie durch Standardisierung, etwa durch die Einführung eines landes-
weit einheitlichen PC-Arbeitsplatzes, senken zu können.
Ein weiteres zentrales Element der IT-Neuordnung war die Einsetzung eines haupt-
amtlichen Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnologie. Aufgabe
dieses Chief Information Officers (CIO) für die Landesverwaltung ist es, Betrieb und
strategische Weiterentwicklung der Landes-IT ressortübergreifend zu planen, zu koordi-
nieren und voranzutreiben.
Am 1. Juli 2015 wurde Ministerialdirektor Stefan Krebs als erster hauptamtlicher CIO
des Landes Baden-Württemberg eingesetzt. Am selben Tag wurde im Geschäftsbereich
des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration die Landesoberbehörde „IT
Baden-Württemberg“, die BITBW, als zentraler IT-Dienstleister für die Landesverwal-
tung errichtet.
Um tatsächlich Synergien, beispielsweise durch die Bündelung von Softwarelizenzen,
generieren zu können, besteht für die Dienststellen und Einrichtungen der unmittelba-
ren Landesverwaltung eine grundsätzliche Pflicht zur Nutzung des Dienstleistungsange-
bots der BITBW. Gleichzeitig können die Ministerien ihre Interessen als Kunden über
den Verwaltungsrat der BITBW einbringen. Der Verwaltungsrat überwacht die Einhal-
tung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der BITBW. Ferner hat
er ein Informationsrecht zu allen wichtigen Fragen der Betriebsführung. Der Verwal-
tungsrat wird durch einen Fachbeirat unterstützt, in welchem ebenfalls alle Ministerien
und der Rechnungshof Baden-Württemberg vertreten sind. Die Gesetzeslage lässt einen
schrittweisen und individuellen Eintritt der Nutzungspflicht zu. Spätestens im Jahr 2021
müssen Betrieb, Entwicklung und Pflege der IT-Verfahren von der BITBW bezogen wer-
den, sofern nicht zuvor abweichende Termine vereinbart werden. Dabei gilt der Grund-
satz „Personal folgt Aufgabe“. Mit dem Übergang von IT-Verfahren zur BITBW ist in
der Regel auch der Übergang des jeweils zugehörigen Personals verbunden. Ausgangs-
punkt für die Errichtung der BITBW bildeten das Informatikzentrum Landesverwaltung
Baden-Württemberg (IZLBW) und der nicht steuerliche Teil des Landeszentrums für
Datenverarbeitung (LZfD).
Aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben wurden die steuerfachabhängigen Verfah-
ren des Rechenzentrums der Steuerverwaltung von der IT-Bündelung ausgenommen.
Ebenso wurden besondere Regelungen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Judikative
getroffen.
4.2.1.4 E-Government
Für eine Vielzahl von Verwaltungsangelegenheiten sind die Kommunen erste Anlauf-
stelle für die Bürger. Insbesondere für einzelne, kleine Kommunen wäre die Vorhaltung
von E-Government-Angeboten häufig kaum realisierbar. Das Land Baden-Württemberg
entwickelt daher bereits seit über zehn Jahren mit „service-bw“ (www.service-bw.de) ein
Service-Portal, dessen Inhalte nahtlos in kommunale Internetauftritte integriert werden
können. Im Jahr 2016 wurde eine technisch vollständig überarbeitete Version von „ser-
vice-bw“ in den Wirkbetrieb übernommen, welche über die Funktion eines reinen Service-
Portals hinaus zur zentralen E-Government-Plattform des Landes ausgebaut werden soll.
Das Referat „E-Government, Open Government, Verwaltungsmodernisierung“ des
Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration koordiniert die strategische
4 Digitalisierung auf Landesebene 109
Ausrichtung des E-Governments der Landesverwaltung und ist zuständig für Pflege und
Weiterentwicklung von service-bw.de. Darüber hinaus ist das Referat zuständige für
Strategie und Projekte in den Bereichen Open Data und Open Government.
4.2.1.5 digital@bw
Ergänzend zur Digitalisierung innerhalb der Landesverwaltung sieht die Landesre-
gierung die Digitalisierung als Chance, die Lebensqualität der in Baden-Württemberg
lebenden Menschen zu verbessern und den Wirtschaftsstandort des Bundeslandes zu
stärken. Dementsprechend soll die Digitalisierung von Wirtschaft, Industrie und Lebens-
welt der Menschen in Baden-Württemberg unterstützt und kanalisiert werden. Hierzu
wurde im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration eine eigene Stabstelle
für Digitalisierung geschaffen. Aufgabe der Stabstelle ist es beispielsweise, die Bemü-
hungen zur Digitalisierung ressortübergreifend zu bündeln.
Der amtierende Landes-CIO ist in Personalunion auch zuständig für die Digitalisie-
rungsstrategie „digital@bw“ des Landes Baden-Württemberg.
4.2.2 Berlin
Carsten Jürgens
Berlin ist mit ca. 3,5 Mio. Einwohnern Deutschlands größte Gemeinde, die größte
Stadt und gleichzeitig ein Bundesland. Die Besonderheit der Stadt Berlin ist, dass sie
aus zwölf Stadtbezirken mit jeweils eigener Verwaltungsautonomie, eigener Verwaltung
sowie je einem Bezirksbürgermeister an der Spitze besteht. Die zwölf Bezirksbürger-
meister bilden zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister den Rat der Bürgermeis-
ter, der wiederum den gewählten Senat berät.
Diese fragmentierte politische Situation ist für eine Stadt überraschend, nicht jedoch
für ein Flächen-Bundesland. Sie zu kennen ist hilfreich, wenn man die Situation der Ver-
waltungsmodernisierung, der Digitalisierung und der Organisation der Öffentlichen IT in
Berlin verstehen will.
Das Land Berlin hat der hohen Verschuldung wegen in den 1990er Jahren massive
Sparprogramme gestartet, die u. a. fast zu einer Halbierung der Zahl der Beschäftigten
im Öffentlichen Dienst führten. Der Schrumpfungsprozess war ca.von 2000 bis Ende
2015 in der Bezirksverwaltung mit über 50 % deutlich stärker als in der Senatsverwal-
tung mit ca. 12 %. Zwischen der Senatsverwaltung und den Bezirksverwaltungen gibt
es anhaltende Spannungen [19]. Gleichzeitig hat Berlin den Anspruch, eine moderne
Servicestadt zu sein. Um zu guten Ideen und strategischen Lösungen für die Vielzahl an
Herausforderungen zu kommen, hat Berlin – genauso wie manche andere Bundesländer
– teils mit externen Beauftragungen Ratschläge eingeholt. Herauszuheben ist das 2007
mit dem Titel „ServiceStadt Berlin“ gestartete Programm, zu dessen Zielen u. a. mehr
elektronische Bürgerdienste und die elektronische Baugenehmigung zählten. Das 2008
110 R. Heuermann et al.
mit einem Gutachten zur Situation in Berlin beauftragte Deutsche Instituts für Urbanistik
stellte 2009 fest:
In Berlin gibt es eine Vielzahl von innovativen Überlegungen und Handlungsansätzen, die
in dieser Vielfalt und Gedrängtheit kaum anderswo in Deutschland zu finden ist […] Das
entscheidende ‚Aber‘ ist allerdings: Diese Aktivitäten sind sehr verteilt, bleiben teilweise
in der Umsetzung stecken, bleiben vielfach Insel- oder Pilotlösungen ohne Ausstrahlung
z. B. auf andere Bereiche oder Bezirke und gehen teilweise im ‚Gesamtrauschen‘ unter.
Wenn Berlin aus all den verteilten Innovationen zu einer breiter getragenen Innovations-
offensive käme, die sich alleine aus dem Vorhandenen speist, wäre die Stadt Vorreiter in
Modernisierungsfragen […] [7, S. 165 f.].
Das Besondere an Berlin ist, dass es eine stattliche Anzahl bis ins Detail gehender,
öffentlich gemachter Gutachten mit Empfehlungen an die Politik zur Verbesserung der
Verwaltungs-IT gibt. In anderen Ländern mag es Ähnliches geben, öffentlich gemacht
wurden entsprechende Unterlagen aber viel zurückhaltender. Tab. 4.2 enthält einen Über-
blick einiger auf die IT-Organisation zielender Untersuchungen und Gutachten.
In der Berliner Presse wurde 2016 weiter von schlechten, weil langsamen und unzu-
verlässigen Verwaltungsservices berichtet [6, 20].
Der zentrale Berliner IT-Dienstleister ITDZ leistete 2015/2016 nur für ca. 14 % der
Berliner Bezirksbehörden eine IT-Vollversorgung, den Rest erbrachten die Bezirke
selbst. Als Grund hierfür wurde vom ehemaligen Leiter des ITDZ ein Strukturfehler im
Auftrag des ITDZ gesehen, der in einem Spagat zwischen hohem Leistungsanspruch der
Behörden und der Erwartung niedrigerer Preise mündet [13]. Angesichts der allgemeinen
Beziehungssituation zwischen Senats- und Bezirksverwaltungen waren auch noch ergän-
zend andere Gründe für die geringe Nutzung der Dienste des dem Senat zugeordneten
Landes-IT-Dienstleisters denkbar.
Die Frage, wie man die Bezirke in Berlin zu mehr IT-Nachfrage beim IT-Landes-
dienstleister bewegt, ist mittlerweile beantwortet worden – mit Abnahmezwang: Am
09.06.2016 wurde ein Berliner E-Government-Gesetz veröffentlicht [11], das zwei große
Zielrichtungen vorgibt: zwingende konkrete Vorgabe an die Verwaltung der Berliner
Bezirke zu mehr und besseren E-Government-Services und, an die IT in den Bezirken
gerichtet, robuste Regeln für eine wesentlich stärkere Zentralisierung der Berliner IT-
Versorgung. Der Landesdienstleister ITDZ hat das Privileg des zwingenden Angebots für
Tab. 4.2 IT-relevante Gutachten, Empfehlungen und Maßnahmen zur Innovation in Berlin.
(Eigene Darstellung)
Themenbereich Gegenstand des Gutachtens oder der Maßnahme
Innovationspartnerschaft Das Land Berlin schließt mit dem Land Brandenburg eine Ver-
einbarung über einen stärkeren Austausch und eine Partnerschaft
bei Innovationsthemen, darunter auch IT
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Plädoyer für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der landeswei-
ten IT, Beispiel Standardarbeitsplatz
4 Digitalisierung auf Landesebene 111
Johann Bizer
4.2.3.1 Vorwort
Vor einigen Jahren wurde in der Öffentlichkeit intensiv über soziale Medien und die Ver-
änderungen in der Kommunikationskultur und der politischen Meinungsbildung debat-
tiert. Die „digitale Agora“ hieß das damals. Parallel dazu wurde über die „entörtlichte
Verwaltung“ gesprochen – über digitale Daseinsvorsorge, den Zugang zum Amt online.
E-Government 2.0. Dann wurde es still um diese Themen.
112 R. Heuermann et al.
Jetzt, ein paar Jahre später, ist es selbstverständlich geworden, einen Großteil des
Lebens online abzuwickeln, einzukaufen, Bankgeschäfte zu tätigen, zu diskutieren und
zu kommentieren. Man weiß, dass Amazon, Google und Co. die Daten der Menschen
sammeln und auswerten sowie ihre Angebotsstrukturen auf deren individuelle Vorlie-
ben ausrichten. Das Internet der Dinge, Smart Home und Smart City sind zu Begriffen
geworden, die vertraut klingen. Obwohl man nicht immer sicher ist, ob – und wenn ja,
wie – die digitalisierte Lebenswelt gesteuert werden kann oder in welcher Dimension die
Menschen gesteuert werden können.
Nun erlebt man, wie der digitale Informationsfluss zunehmend das Bewusstsein
prägt. Man sieht, welche Rolle soziale Netzwerke für die politische Meinungsbildung
spielen und wie Informationen digital auf Wegen jenseits der alten organisatorischen
Grenzen fließen. Das Internet hat die Menschen verändert. Dieser steht inmitten eines
der radikalsten Veränderungsprozesse, den die Menschheit erlebt hat: der digitalen
Transformation.
Dabei ist der Begriff Digitalisierung nicht neu. Seit mehr als dreißig Jahren verändert
Informationstechnik in all ihren Facetten die Art zu leben, zu arbeiten und auch zu den-
ken. Die Welt kommuniziert digital, Informationen stehen übergreifend digital zu Verfü-
gung. Doch die deutsche Verwaltung tut sich mit diesem digitalen Kommunikationsfluss
noch schwer. Das muss nicht immer verkehrt sein, „arbeitet“ Verwaltung doch primär
mit den Daten der Bürger dieses Landes. Es ist aber dort verkehrt, wo Verwaltung sich
Neuerungen verschließt, die eben diesen Bürgern einen großen Nutzen bringen.
Der derzeit zu beobachtende radikale Umbruch birgt Chancen in sich, aber auch
Gefahren. Mag es bequem sein, am späten Abend noch den Einkauf für den morgi-
gen Tag zu bestellen oder schnell noch eine Rechnung online zu bezahlen, nach dem
Wetterbericht über das Smartmeter die Heizungseinstellungen für den morgigen Tag
festzulegen, so steht der Mensch doch skeptisch der Frage gegenüber, ob er all seine
Gesundheitsdaten zentral gespeichert auf einer Gesundheitskarte will.
Es gilt, sich mit den Möglichkeiten und den Risiken der digitalen Transformation aus-
einanderzusetzen. Neben den Chancen, die die Menschen nutzen sollten – und vor allem
auch nutzen müssen –, werden Grenzen benötigt, ein sinnvoller Rahmen, der vor digita-
ler Übergriffigkeit schützt und sicherstellt, dass die Daten und Lebenszusammenhänge
der Menschen selbstbestimmt bleiben.
Die digitale Transformation ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der sämtliche
Facetten des Lebens, Kommunizierens, Arbeitens und auch des Denkens verändert. Bis
dieser Prozess vollständig durchlaufen ist, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Danach
wird die Gesellschaft eine andere sein als heute – mit anderen Möglichkeiten und viel-
leicht auch mit anderen Regeln. Also sollten Verwaltung und Politik diesen Prozess jetzt
vorausschauend und aktiv gestalten. Gerade die Öffentliche Verwaltung kann und sollte
hier eine Vorreiterrolle spielen, damit nicht Amazon und Google allein das Rahmenwerk
für die Zukunft festlegen.
4 Digitalisierung auf Landesebene 113
4.2.3.3.1 Hamburg
„Digital First – Chancen der Digitalisierung für eine bürgerfreundliche und moderne Verwal-
tung nutzen“ – so lautet die Digitalisierungsstrategie in Hamburg (s. ergänzende Informa-
tion in [16]). Der Weg zur „Digitalen Verwaltung“ wird als ein ganzheitlicher Reform- und
Organisationsentwicklungsprozess verstanden. Konzeptionelle Grundpfeiler für die vollum-
fänglich digitale Verwaltung sind Datenschutz sowie Daten- und Techniksicherheit. Hohe
Standards sind, so Hamburg, die Voraussetzungen dafür, dass digitale Angebote angenom-
men und akzeptiert werden. Wo rechtliche oder fachliche Hemmnisse entgegenstehen, sollen
sie abgebaut werden. Dabei umfassen die Neuregelungen Formerfordernisse (Schriftform,
Vorlage von Originalen) und Verfahrenshindernisse ebenso wie Zuständigkeitsfragen.
Um die Attraktivität und Nutzung digitalisierter Verwaltungsdienstleistungen zu erhö-
hen, hat sich Hamburg vier Leitlinien gesetzt:
1Hier soll der Blick auf die Bundesländer im Dataport-Verbund gelenkt werden, die bereits kon-
krete Strategien vorgelegt haben und diese mit Dataport umsetzen. Auch die weiteren Trägerlän-
der von Dataport haben Digitalisierungsstrategien vorgelegt, respektive erarbeiten diese zurzeit. So
wird die Landesregierung Sachsen-Anhalt bis September 2017 eine Digitalisierungsstrategie vor-
legen. In Niedersachsen hat das Kabinett am 25.09.2016 eine IT-Strategie „Digitale Verwaltung
2025“ beschlossen (siehe [12, S. 8]). Mit dem „Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digi-
talisierung“ hat die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern der zunehmenden Bedeutung der
Digitalisierung Rechnung getragen.
4 Digitalisierung auf Landesebene 115
Mit ihrem Smart-City-Memorandum von 2014 (siehe [15]) hatte die Hansestadt Ham-
burg bereits eine Vision für die vernetzte und „kluge“ Stadt der Zukunft entwickelt: die
Digitale Stadt. Mit der Vision von der Digitalen Stadt und Digital First als Strategie für
die Verwaltungsdigitalisierung hat sich Hamburg konsequent und vorausschauend aufge-
stellt. Ein konkreter Umsetzungsplan wird folgen. Da Digitalisierung als Querschnitts-
thema verstanden wird, hat Hamburg in der Senatskanzlei eine Leitstelle Digitale Stadt
eingerichtet. Damit ist deutlich: Digitalisierung ist Chefsache.
4.2.3.3.2 Schleswig-Holstein
Ähnlich wie Hamburg sieht auch Schleswig-Holstein in der Digitalisierung ein „Quer-
schnittsthema für sämtliche politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche“
[14, S. 41]. Die Digitale Agenda Schleswig-Holsteins bündelt die Maßnahmen der ein-
zelnen Bereiche. Schleswig-Holstein sieht für sich als Flächenland eine große Chance
darin, dass in der digitalen Welt wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung nicht
mehr an bestimmte Produktionsstätten, Rohstofflager oder logistisch vorteilhafte Orte
gebunden sind. Durch die Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstech-
nologie lösen sich zudem klassische Zuständigkeitsgrenzen im Verwaltungshandeln
zunehmend auf und interdisziplinäre Zusammenarbeit wird nötig.
Schleswig-Holstein verfolgt sieben strategische Kernthemen:
2Das Konzept Privacy by Design sieht die rechtzeitige Identifikation von Datenschutzproble-
men bei der Entwicklung neuer Technologien vor. Datenschutz wird damit von vornherein in das
Gesamtkonzept eingebunden.
3Privacy by Default sieht Standardeinstellungen in Produkten oder bei Dienstleistungen vor. Sie
4.2.3.3.3 Bremen
Die Digitalisierungsstrategie von Bremen ist im Programm „Zukunftsorientierte Verwal-
tung“ verortet. Die Strategie Verwaltung 4.0 [5] betrachtet primär die Verwaltungspro-
zesse bzw. die Verzahnung aller Vorgänge und Abläufe in der Öffentlichen Verwaltung
mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik. Bremen definiert die Rolle
von Verwaltung klar: „Die Öffentliche Verwaltung muss auf die neuen Anforderungen
reagieren. Sie muss einerseits regulatorisch oder kontrollierend durch entsprechende
Rechtssetzung und Vollzugsmethoden reagieren. Dabei ist eine papierbasierte Vorge-
hensweise nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sondern auch ineffektiv“ [5, S. 2]. Bremen
verweist auf die Vorbildfunktion der Verwaltung. Das heißt, sie muss sich selbst digita-
lisieren. Die Stärke der Verwaltung im Rechtsstaat, ihre gute Berechenbarkeit und ihre
Verlässlichkeit sind entscheidende Qualitäten, die auch den neuen digitalen Angeboten
innewohnen müssen. Bremen setzt mit sieben konkreten Zielen an:
Bremen setzt, ähnlich wie Hamburg, auf den Grundsatz „Digital by default“. Zugleich
fordert auch Bremen vollständig neue Verwaltungsangebote auf Basis zeitgemäßer Tech-
nologien. Verwaltungsverfahren sollen so verändert werden, dass Anträge oder andere
4Ein Aspekt, der nicht zu vernachlässigen ist – sind es doch gerade die Kommunen, die die gesell-
schaftlichen Herausforderungen vor Ort lösen müssen. Die Bertelsmann-Stiftung konstatiert aus
ihrem Projekt „Die Kommune der Zukunft“ heraus: „Der Stellenwert der Kommunen wird wachsen.
Gleichzeitig wachsen wird auch die Anzahl der Herausforderungen, denen sich Kommunen künftig
gegenüber sehen. Die Finanznot, der Demografische Wandel, die Gestaltung der Bildung sind zent-
rale Schlüsselfaktoren für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Sie wollen gemeistert werden.
Künftig werden die Impulse nicht von einigen wenigen kommen, sondern das Zusammenspiel zwi-
schen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft wird unter dem Aspekt der Kooperation und einem
wachsenden Anspruch an Transparenz und Beteiligung neu verhandelt werden“ [1].
4 Digitalisierung auf Landesebene 117
persönliche Verwaltungskontakte entfallen können. Dabei ist nicht mehr der Wegfall der
Schriftform gemeint, sondern der Wegfall des (Teil-)Verfahrens. Das Antragsverfahren
wird durch den Datenaustausch zwischen (bestehenden) IT-Verfahren ersetzt. Um das
verbriefte Recht der Bürger auf digitale Souveränität zu schützen, ist ein zuverlässiger
und sicherer IT-Betrieb notwendig. Datenschutz und integere und verlässliche Datenver-
arbeitung sind Voraussetzungen für die Akzeptanz der digitalen Anwendungen. Sie sind
zudem verfassungsmäßig verbriefte Grundrechte.
Bremen betrachtet Digitalisierung zunächst streng auf Verwaltung bezogen und legt
damit Grundlagen für den gesellschaftlichen Digitalisierungsprozess – umso mehr, als
der Fokus auf digitaler Souveränität und dem Schutz der Bürgerrechte liegt. Grundpfei-
ler für das Erreichen der Ziele sind Bremen-weite Kooperationen zwischen den Ressorts
sowie länderübergreifende Kooperationen im IT-Planungsrat und mit ihrem IT-Dienst-
leister Dataport.
5Dataportstellt mit dem ZeRD eine Lösung bereit, die verschiedene Eingangsformate in ein
gewünschtes Format für die Verarbeitung der angeschlossenen Buchhaltungssysteme an deren
Workflow übergibt.
118 R. Heuermann et al.
und einheitliche Software unterstützt bei der Automatisierung von Aufgaben. Das Ergebnis
ist ein modulares E-Government, das dynamisch nach Bedarf abgerufen werden kann. Man
nennt dies „Government as a Service“, da standardisierte Fachverfahren und modularisierte
Servicebausteine aus einer sicheren Verwaltungs-Cloud abgerufen werden. Die Services
sind so weit modularisiert, dass sie ohne Weiteres in unterschiedlichen Systemen eingesetzt
werden können. Hinter GaaS steckt damit mehr als die bekannten Servicemodelle des Cloud
Computings: Es geht um die prozessuale Umsetzung und Bereitstellung von Verwaltungs-
leistungen (Einsatz von Micro-Services) an Bürger und Unternehmen sowie an andere Ver-
waltungseinheiten.
Die Chance hinter GaaS: Die modular bereitgestellten und skalierbaren Services
ermöglichen es auch kleineren Verwaltungseinheiten zu moderaten Kosten, die entschei-
denden Schritte auf dem Weg zu einer digitalen Verwaltung zu gehen.
Cloud Computing
Zentrales Prinzip für die Digitalisierung mit GaaS ist Cloud Computing. Entscheidend
beim GaaS-Ansatz ist damit die Cloud-Fähigkeit sowohl des Anbieters als auch der
eingesetzten Fachverfahren. Dataport selbst ist Cloud-ready und bietet sowohl eigene
Lösungen als auch externe Services an. Dazu gehört, als eigene Lösung der Community
Cloudmail Service (CMMS) mit einem Volumen von rund 100.000 elektronischen Post-
fächern. Die Verwaltungen von Hamburg, Bremen und auch Dataport arbeiten in dieser
E-Mail-Infrastruktur. Schleswig-Holstein hat einen Piloten gestartet. Der Cloudmail-
Service steht als dSecureMail inzwischen auch für Behörden in ganz Deutschland zur
Verfügung.
Daneben betreibt Dataport eine interne Cloud für den Abruf von Infrastructure as a
Service (IaaS). Dieser Cloud-Service wird zurzeit primär für Test- und Entwicklungsar-
beiten genutzt. Durch den hohen Sicherheitsstandard unseres Rechenzentrums eignet sie
sich auch für die Verarbeitung personenbezogener Daten.
Ausgelöst durch die verschiedenen Digitalisierungsstrategien der Länder ist der
Bedarf an selbst abrufbaren und flexibel skalierbaren Services gestiegen. Deshalb stellt
Dataport seit Mitte November einen weiteren Cloud-Service zur Verfügung. Nach einer
Ausschreibung können Kunden über einen Rahmenvertrag IaaS als Self-Service aus
einer in Deutschland befindlichen Cloud abrufen.
Servicekonten
Zentrale Schnittstelle für den Zugang zu E-Government-Leistungen und damit ein wei-
terer entscheidender Baustein für Digitalisierung der Verwaltung ist das Servicekonto.
Mit dieser Infrastrukturkomponente lassen sich Prozesse durchgängig und automatisiert
ausgestalten. Servicekonten ermöglichen es, Verwaltungsdienstleistungen online abzu-
wickeln und können als zentrale Identifizierungskomponente dienen. So sieht auch der
IT-Planungsrat von Bund und Ländern ihren Einsatz vor. Mithilfe der Ergänzung des Arti-
kels 91c Grundgesetz [3] soll die Grundlage für einen Portalverbund geschaffen werden,
über den alle Nutzer übergreifend auf Verwaltungsdienstleistungen zugreifen können8.
Hamburg und Schleswig-Holstein setzen bereits seit Jahren eine vergleichbare techni-
sche Infrastruktur ein – das „HamburgGateway“ bzw. „Schleswig-Holstein Portal“. Auch
Rheinland Pfalz, Berlin und Sachsen-Anhalt setzen die von Dataport entwickelte Infra-
struktur ein. Das „GovernmentGateway“ ist auf hohe Sicherheitsstandards ausgerichtet
und stellt alle Services bereit, die für den Online-Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen
notwendig sind. Das sind unter anderem: die Verwaltung, Identifikation und Authentifi-
zierung der Kunden (Bürger, Verwaltung, Wirtschaft), die sichere Kommunikation zwi-
schen Kunden und Verwaltung, Bezahlmodelle sowie die Ablage der Ergebnisse und
6Erreicht wird dies durch die Bündelung von 26 regionalen Anbietern und 1&1 Versatel als Auf-
tragnehmer. Kommunen aber auch Stadtwerke in Schleswig-Holstein verfolgen bereits seit 2008
das Ziel, den Glasfaserausbau in Eigeninitiative voranzutreiben. Diese Netze stehen jetzt gebündelt
zur Verfügung.
7Die beiden Standorte des Twin-Data-Centers sind über eine redundante Hochgeschwindigkeits-
datenanbindung gekoppelt. Das Designprinzip basiert auf zwei identischen Rechenzentren mit
verteilten IT-Systemen. Die Infrastruktur ist so ausgelegt, dass jederzeit flexibel auf Technologie-
sprünge reagiert werden kann. Nur wenige Rechenzentren in Deutschland verfügen über ein ver-
gleichbares Sicherheits- und Redundanzkonzept.
8Durch die Ergänzung des Artikels 91c GG wird die Einrichtung eines verbindlichen, bundeswei-
ten Portalverbunds ermöglicht, über den alle Nutzer einfach und sicher auf die Online-Anwendun-
gen der öffentlichen Verwaltung von Bund und Ländern zugreifen können. Grundlage ist die von
den Regierungschefs von Bund und Ländern am 14. Oktober 2016 beschlossene Verbesserung der
Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in Deutschland [3].
120 R. Heuermann et al.
Unterlagen in einem Postfach. In Hamburg interagieren mehr als 300.000 Nutzer, dar-
unter viele Unternehmen, über dieses Portal mit der Verwaltung. Hamburg und Dataport
arbeiten zurzeit daran, das Hamburger Servicekonto im Hinblick auf Digitalisierungsan-
sätze zu modernisieren und setzen dabei bereits Überlegungen zu einem interoperablen
Servicekonto in die Praxis um. In Schleswig-Holstein erfolgt der Zugang zu den Online-
Diensten des Landes über den Schleswig-Holstein-Service. Der darüber abgebildete
zentrale E-ID-Service für den neuen Personalausweis (nPA) und den elektronischen Auf-
enthaltstitel sowie die Infrastruktur für das sogenannte Bürgerkonto sind Elemente der
E-Government-Infrastruktur der Kommunen und des Landes.
mit der Einsetzung von Dataport als zentraler IT-Dienstleister für Bremen, Hamburg,
Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt festgeschrieben (siehe [4]).
IT-Dienstleister wie Dataport, die für ihre Träger nach kooperativen Modellen arbei-
ten und über die sich Verwaltungen Kosten aufteilen, haben zudem einen vergleichsweise
großen Spielraum, wenn es darum geht, hochsichere IT-Infrastrukturen bereitzustellen,
um den größtmöglichen Schutz zu bieten.
Unabhängig davon, wie verantwortlich die Öffentliche Verwaltung mit den ihr anver-
trauten Daten umgeht: Digitalisierung wird zu einem Anstieg an Datenmengen und zu
höheren Bedarfen an dahinterliegender Technik, Prozessen und IT-Sicherheit – Cyber-
Kriminalität spielt eine immer größere Rolle – führen. Infrage steht, ob sich dies künftig
für die vergleichsweise kleinen Verwaltungs-IT-Einheiten wirtschaftlich abbilden lässt.
Müssen hier neben der Kooperation von Verwaltungseinheiten oder öffentlich rechtli-
chen IT-Dienstleistern andere Umsetzungsmodelle gefunden werden? Modelle, die sich
mit den zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten abbilden lassen? Die wirt-
schaftlich attraktiv sind – auch für kleinere Verwaltungseinheiten – und gleichzeitig ein
Maximum an Sicherheit bieten? Ein Gedankenspiel: Die Kulturbehörde Hamburg erar-
beitet zurzeit die „Digitale Speicherstadt“. Die Hamburger Speicherstadt gehört zum
UNESCO-Weltkulturerbe. Nun sollen Besucher und alle, die sich für die Speicherstadt
interessieren, einen vollumfänglichen digitalen Zugang erhalten. Die Generalunterneh-
merschaft für das Projekt hat Dataport übernommen. Die Bilddaten werden über den
Rahmenvertrag von Dataport in der Deutschland Cloud von T-Systems gehostet. Der
Speicherplatz ist variabel und wird automatisiert an den tatsächlichen Bedarf angepasst.
Die Daten sind nicht personenbezogen oder vertraulich. Sie können in einer Cloud, auf
die der Zugriff über das Internet erfolgt, ohne Weiteres gelagert werden. Die Digitalisie-
rung von Bilddaten von Kulturgütern, wie z. B. der Hamburger Speicherstadt, erscheint
zunächst unkritisch. Eine Vielzahl von Bildern kursiert im Netz. Sieht man von Urhe-
berrechtsfragen ab, erscheint es auf den ersten Blick unkritisch, diese Bilddaten in einer
öffentlichen Cloud, wie sie Microsoft, Amazon oder andere anbieten, zu speichern. Per-
sönliche Daten scheinen nicht involviert zu sein. Aber was, wenn Metadaten mitgespei-
chert werden sollen? Daten, die Auskunft über den Besitzstand eines Gemäldes geben?
Die Namen ehemaliger Besitzer oder über seine Herkunft preisgeben? Personenbe-
zogene Daten, die einen besonderen Schutzbedarf haben? Lassen sich Metadaten und
Bilddaten an verschiedenen Orten bereithalten? Daten, die bei Bedarf und nach entspre-
chender Authentifizierung zusammengeführt werden?
Es wird über Modelle nachgedacht werden müssen, die ein solches Zusammenspiel
ermöglichen. Wie sieht es mit Archiven aus, die ein bestimmtes Alter überschritten
haben? Die Chancen der digitalen Gesellschaft liegen nicht nur, bezogen auf die Kom-
munikation, in der Vernetzung. Bekannte Strukturen mit Silos für einzelne Aufgaben und
einer streng getrennt verteilten Verantwortung brechen auf. Vernetzung meint dann nicht
nur, dass Verwaltungen untereinander digital vernetzt agieren, sondern auch, dass Verwal-
tungen über ihre öffentlich-rechtlichen IT-Dienstleister mit Unternehmen der Privatwirt-
schaft kommunizieren. Grundvoraussetzung wäre auch hier, wie bei der Vernetzung der
122 R. Heuermann et al.
Verwaltung: Es braucht Schnittstellen und Standards. Nicht mehr Schnittstellen für den
Datentransfer zwischen einzelnen Verwaltungseinheiten, sondern für den übergreifen-
den Transfer von Daten zwischen Verwaltung, Privatwirtschaft und Bürgern. Die Rolle
des Staates? Er ist der Souverän, der entscheidet und steuert: Was gebe ich ab, was muss
zwingend von mir verwaltet werden? Und das unter der Prämisse des maximalen Schut-
zes der Bürgerdaten?
Auch hier werden noch neue Modelle für die Zusammenarbeit gefunden werden müssen.
9DieIdee hatte Dataport mit Klaus Vitt, dem CIO des Bundes, diskutiert. Bund und Länder haben
dann in einer Sondersitzung des IT-Planungsrats am 30.11.2015 einstimmig ein Projekt für ein
medienbruchfreies, digitalisiertes Asylverfahren beschlossen. Von vornherein wurde dabei die
Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT) als „Werkbank“ des Planungsrates in die Überle-
gungen einbezogen.
4 Digitalisierung auf Landesebene 123
4.2.3.7 Fazit
Die Öffentliche Verwaltung kann die digitale Transformation im positiven Sinne gestal-
ten. Eine entscheidende Rolle wird sie dann einnehmen, wenn sie bereit ist, die positiven
Aspekte – Transparenz, Vernetzung, Ausbrechen aus Silos – voll und ganz auszuspielen.
Dass dies mit durchaus unterschiedlichen Ansätzen umsetzbar ist, zeigen die digitalen
Agenden von Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Den Trägerländern von Data-
port stehen für die digital-kompatible Neuausrichtung von Verwaltungsprozessen bereits
die notwendigen, sicheren IT-Infrastrukturen zur Verfügung.
Das föderale System selbst ist für konsequente Digitalisierung kein Handicap. Im
Gegenteil: Im Sinne eines kooperativen Föderalismus, durch gemeinsame IT-Steuerung
und die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen werden Bund, Länder und Kommunen
erfolgreich zusammenarbeiten. War es möglich, zur Erfassung der Flüchtlinge ein gemein-
sames Datensystem zu schaffen, das von allen Behörden auf Bundes- bis Kommunalebene
124 R. Heuermann et al.
gleichermaßen genutzt wird, wird es auch möglich sein, dieses Vorgehen auf andere Pro-
jekte und Vorhaben zu übertragen.
Auf diesem Weg wird Verwaltung zum entscheidenden (Mit-)Gestalter der digitalen
Transformation.
Michel Golibrzuch
Im Leistungsumfang noch übertroffen wird dieses TK-Projekt von der geplanten Aus-
weitung des standardisierten Client-Betriebs in der Verantwortung des Landesbetriebs
IT.N. Nach dem Vorbild des vor allem in der Ministerialverwaltung, aber auch im Lan-
dessozialamt und in der Landesaufnahmebehörde bereits eingeführten sogenannten Nie-
dersachsen-Clients sollen bis 2019 zusätzlich rund 19.000 Arbeitsplätze10 in der Polizei
mit standardisierten Endgeräten ausgestattet werden. Neben einem höheren Schutzniveau
für die zentral betriebenen Tablets und Computer soll damit vor allem erreicht werden,
die Polizei zu entlasten, damit diese sich noch stärker auf ihre Vollzugsaufgaben konzen-
trieren kann.
Zu erneuern sind in den nächsten Jahren auch zahlreiche IT-Fachverfahren der Lan-
desverwaltung. Im Bereich der Justiz und der Steuer folgt Niedersachsen dabei den bun-
desgesetzlichen Vorgaben bzw. den Vorgaben aus dem Entwicklungsverbund KONSENS,
allerdings mit dem Alleinstellungsmerkmal, dass rund 12.500 Arbeitsplätze in den
Finanzämtern zwischen Ems und Elbe auf einem Linux-Betriebssystem aufgesetzt sind.
Soweit bekannt, handelt es sich hierbei um die größte „Linux-Insel“ im Client-Betrieb
einer Öffentlichen Verwaltung in den Bundesländern.
Mit der Modernisierung der Fachverfahren strebt das für die IT in Niedersachsen
federführende Innenministerium grundsätzlich eine zentrale Datenhaltung und -verarbei-
tung an. Insbesondere Anwendungsserver, die heute noch zahlreich in den Dienststellen
der Verwaltung im ganzen Land verteilt sind, sollen auf diese Weise in die geschützte
Umgebung eines Rechenzentrumsverbundes hinein konsolidiert werden. Gleichzeitig
sollen die Fachverfahren aber auch in einer Weise ertüchtigt werden, dass sie künftig den
Anforderungen an einen strukturierten Datenaustausch mit anderen Behörden, inklusive
Bund oder Kommunen, genügen.
Die Schwierigkeiten im Asylverfahren haben beispielhaft deutlich gemacht, wel-
che Folgen eine fehlende Interoperabilität von IT-Verfahren haben kann. Der selbstver-
ständliche Anspruch an jede künftige IT-Entwicklung – auch in länderübergreifenden
Verbünden – muss daher sein, die Interoperabilität eines auch ressort- oder ebenenüber-
greifenden Datenaustausches zu gewährleisten und einen medienbruchfreien Geschäfts-
prozess zu unterstützen. Fach- wie Querschnittsverfahren können daher nicht mehr in
Silostrukturen bzw. mit einer monolithischen Architektur entwickelt werden, sondern
müssen definierte Schnittstellen aufweisen, um den vorgenannten Anforderungen zu
genügen.
Wichtigster Qualitätsmaßstab für die Leistungsfähigkeit und Qualität der elektroni-
schen Verwaltungsarbeit in einer digitalen Landesverwaltung ist der medienbruchfreie
Geschäftsprozess. Es entspricht dem Organisationskonzept „Elektronische Verwaltungs-
arbeit“ des BMI, dass sich die Themen E-Zusammenarbeit, E-Vorgangsbearbeitung und
E-Fachverfahren modular ergänzen bzw. der E-Akte anschließen – im Gegensatz zu der
Vorstellung des alten DOMEA-Konzepts mit dem monolithischen Ansatz für Workflow
10Die Differenz zu den oben erwähnten 25.000 Beschäftigten ergibt sich aus dem Schichtbetrieb.
4 Digitalisierung auf Landesebene 127
und Akte. Die Lösung aller Aufgaben für die digitale Verwaltung lässt sich deshalb auch
nicht als ein integriertes Softwareprodukt am Markt einkaufen. Vielmehr handelt es sich
um eine von vornherein mehrjährige Transformation, als deren treibender Faktor der
Geschäftsprozess dient.
Sowohl die bereits bestehenden E-Government-Gesetze als auch das E-Justice-
Gesetz haben zum Ziel, die Grundlagen für den medienbruchfreien Geschäftsprozess
zu legen. Um den Medienbruch an der Schnittstelle zum Bürger bzw. zur freien Wirt-
schaft zu vermeiden, sind digitale Zugänge einzurichten. Die Steuerverwaltung hat bei-
spielsweise mit dem Onlineportal ELSTER eine einheitliche zentrale Schnittstelle der
Steuerverwaltungen bundesweit mit Bürgern, Unternehmen, Beratern, Kommunen usw.
geschaffen. Auch arbeitet man derzeit intensiv an einer Erweiterung der medienbruch-
freien Zusammenarbeit etwa mit der Finanzgerichtsbarkeit oder wegen der vielfältigen
Unterstützungsfunktionen bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften auch mit Banken
und Versicherungen. Die Justiz hat das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach
(EGVP) etabliert, das E-Government-Gesetz des Bundes sieht u. a. die Anerkennung der
De-Mail als sicheren Kommunikationskanal vor. Mit der flächendeckenden Einführung
des neuen Personalausweises und der Möglichkeit, diesen für E-ID-Funktionen frei-
zuschalten, ist die Voraussetzung für eine digitale Bürgerschnittstelle geschaffen. Als
„Anwendungscontainer“ für die E-ID bietet sich ein Servicekonto an, das den Nutzern
nach der Authentifizierung auch noch weitere Funktionen zentral bereitstellen (sichere
Datenablage, Datenaustausch) und das dazu dienen kann, die jeweils unterschiedlichen
Portale der medienbruchfreien Kooperation noch enger und für die Bürger noch komfor-
tabler zusammenzuführen.
Die Diskussion um die fehlende Digitalisierung des Asylverfahrens macht deutlich,
dass erst mit einer medienbruchfreien Abwicklung und einem Zusammenspiel von Fach-
verfahren, Vorgangsbearbeitung und E-Akte die Bearbeitungszeiten in der Verwaltung
drastisch verkürzt, Anpassungen schnell vorgenommen und Durchsatzmengen deutlich
erhöht werden können. Während in der Asylpolitik die Unzulänglichkeiten des Fach-
verfahrens Auslöser der notwendigen bundesweiten Modernisierung waren, war es in
Niedersachsen die fehlende Akzeptanz der alten E-Akte-Systeme. Mit Beschluss der
Landesregierung wurde daher festgelegt, die Einführung der E-Akte in Niedersachsen
auf eine neue Basis zu stellen. Ziel war und ist es, eine flexible und leicht handhabbare,
kollaborative Benutzeroberfläche zu schaffen und diese in einem ersten Schritt mit den
Funktionalitäten eines Ablage- und Registrierungssystems zu verbinden. In weiteren
Schritten sollen insbesondere eine vollständige Integration der Bürokommunikationssys-
teme sowie ein möglichst unkompliziertes Vorgangsbearbeitungssystem bereitgestellt, in
der Endausbaustufe aber auch Funktionen geschaffen werden, die denen eines verwal-
tungsinternen Sozialen Netzwerkes gleichkommen.
Dem modularen Aufbau des Organisationskonzeptes folgt auch die Software-Archi-
tektur des „Niedersachsen-DMS“. Neben einer für den Nutzer allein sichtbaren, integ-
rierenden Oberfläche wird bereits in dem bisher entwickelten Basismodul unterschieden
zwischen dem dahinterliegenden DMS-Kern (Repository) und einem weiteren Modul für
128 R. Heuermann et al.
kollaboratives Arbeiten. Der modulare Aufbau sorgt u. a. dafür, dass das Repository fle-
xibel einsetzbar und kompatibel ist durch standardisierte Schnittstellen auch mit anderen
Benutzeroberflächen, beispielsweise auch mit Fachverfahren. Durch den modulhaften
Aufbau des „Niedersachsen-DMS“ können prinzipiell sämtliche in der Niedersächsi-
schen Landesverwaltung mit dieser E-Akte ausgerüsteten Arbeitsplätze auf die gleichen
Basisinfrastrukturkomponenten zurückgreifen, ohne gezwungen zu sein, alle miteinan-
der die gleiche Benutzeroberfläche einsetzen zu müssen. Mit dem vorliegenden Entwurf
eines Niedersächsischen Gesetzes zur Förderung und zum Schutz der digitalen Verwal-
tung ist vorgesehen, die in der Landesverwaltung bisher nur pilothaft eingesetzte E-Akte
bis 2025 flächendeckend einzuführen.
Damit die Gestaltung einer medienbruchfreien digitalen Landesverwaltung
gelingt, ist vor dem Hintergrund der sehr komplexen Zusammenhänge der IT-Bau-
steine die Erarbeitung einer konkreten niedersächsischen Landesarchitektur im Sinne
von Bebauungsplänen unabdingbar. Nicht nur der Begriff „Bebauungsplan“ verweist
dabei auf die Analogie zur städtebaulichen Planung, sondern auch die Vorgehens-
weise und Handhabung. Ähnlich wie der Bebauungsplan in der Stadtentwicklung die
aktuelle Flächennutzung dokumentiert und die zukünftige festlegt, werden in einem
IT-Bebauungsplan die aktuelle und die zukünftig einzusetzende IT-Infrastruktur und
Anwendungssoftware einer Organisation zur Unterstützung ihrer Geschäftsprozesse
dokumentiert bzw. festgelegt.
Orientiert am Organisationskonzept zur elektronischen Verwaltung und an den Emp-
fehlungen zur zugehörigen Referenzarchitektur des Bundes müssen diese Pläne und
Architekturen für die jeweiligen Geschäftsprozessanwendungen entwickelt und zur
Abstimmung geführt werden. Notwendig ist dabei die Beachtung leitender Architektur-
prinzipien, wie sie etwa im Beschluss des Niedersächsischen IT-Planungsrates aus dem
Juni 2012 zum Ausdruck kommen. Dieser IT-Architekturleitfaden verfolgt die gleiche
Stoßrichtung wie das modulare Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit
des BMI. Ebenso wichtig ist die frühzeitige und umfassende Einbindung der Beschäf-
tigten, denn der notwendige Kulturwandel kann nur unter ihrer Beteiligung zum Erfolg
geführt werden. Jede IT-Entwicklung hat daher nicht nur barrierefrei zu erfolgen, son-
dern ist auch mit Blick auf Gebrauchstauglichkeit, Ergonomie und beschäftigtenorien-
tierte Gestaltung von digitalisierten Arbeitsprozessen zu prüfen.
Partnern, die ebenso wie das Land Niedersachsen die rechtliche Eigenständigkeit ihres
IT-Dienstleisters und damit ihren politischen Einfluss auf dessen Leistungsportfolio,
Preise und Führungspersonal wahren wollen und die auch allen Kommunen offen stehen
soll, die ihre IT in Eigenerledigung betreiben. Strukturprinzip der ebenenübergreifenden
Zusammenarbeit ist mithin die garantierte Selbstständigkeit der Kooperationspartner, die
von der Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen nach-
drücklich begrüßt und als wesentliches Erfolgskriterium begriffen wird.
Ziel ist es, die Genossenschaft in 2017 zu gründen und den neuen Rechenzentrums-
verbund noch in 2018 in Betrieb zu nehmen. Mit Blick auf die Globalisierung und ihren
sichtbarsten Ausdruck, die Digitalisierung, kann es eigentlich keine bessere Antwort
geben als die genossenschaftliche Kooperation öffentlich beherrschter Unternehmen:
eine Konstellation, in der man sich wechselseitig stützt und alle gemeinsam für das Wohl
ihres Bundeslandes einstehen.
4.2.5 Nordrhein-Westfalen
Roland Heuermann
In NRW hat sich oberhalb der Ebene einzelner überregionaler Öfffentlicher IT-Dienst-
leister ein Dachverband, der KDN, gebildet. Hier sind neben Shared-Service-Rechenzentren
auch einzelne Städte und – ein „Exot“ – der Landeswohlfahrtsverband Hessen als Mitglied
vertreten. Der KDN ist ein virtueller Dienstleister insofern, als er selbst zwar Services für
seine Mitglieder bietet, die IT-operativen Services aber in den Rechenzentren und mit Per-
sonal der Mitglieder erstellt [10]. Neben IT-Services, wie einer Speicher-Cloud, SAP-HCM
und einer Reihe kommunaler Fachanwendungen, führt der KDN auch gemeinsame Beschaf-
fungen durch. Der KDN sieht sich als Teil eines Drei-Ebenen-Modells [9, S. 137]) in der
Rolle des Abstimmungspartners für die kommunalen IT-Dienstleister einerseits und für die
landesweite IT des zuständigen Ministeriums für Inneres und Kommunales in NRW (MIK)
andererseits. Über ihn ist aus Sicht des KDN ein Großteil der kommunalen IT-Dienstleis-
tungen im Wege der Vernetzung, also horizontal, konsolidiert. Einen Anschluss- und Nut-
zungszwang gibt es nicht. Ob diese freiwillige Vernetzung in ihrer Wirkung den erzielbaren
Skaleneffekten bei einer vertikalen Konsolidierung gleicht, ist mangels transparenter Kos-
teninformationen für Außenstehende nicht zu erkennen (vgl. Empfehlungen zu Wirtschaft-
lichkeitsbetrachtungen in Abschn. 8.2.2 und zur Konsolidierung in Abschn. 8.2.3).
Auf Landesebene gibt es mit ITD einen IT-Dienstleister ausschließlich für die Justiz-
verwaltung und einen allgemeinen IT-Landesdienstleister, IT.NRW, für die Ministerien
der Landesregierung. IT.NRW wurde 2009 in Form eines rechtlich unselbstständigen
Teils der Landesverwaltung aus dem IT-Bereich des Landesamts für Statistik und den
Gebietsrechenzentren Hagen, Köln und Münster gebildet. IT.NRW ist nach Angaben
auf der eigenen Homepage (Stand 3/2017) seit 2011 dabei, ca. 200 Fachverfahren der
Landesverwaltung in einen konsolidierten Betrieb zu überführen. IT.NRW hat aktuell
ca. 2000 Mitarbeiter (alle Angaben aus [8]) und veröffentlicht, obwohl die Rechtsform
dazu nicht verpflichtet, im Stil einer publizitätspflichtigen Gesellschaft Bilanzen der
Finanzdaten.
Nordrhein Westfalen hat im Jahr 2013 – im zeitlichen Mittelfeld aller Bundeslän-
der – einen eigenen CIO bestellt, Herrn Hartmut Beuß. Seine Schilderungen über die
Arbeitssituation eines CIOs in NRW legen die Vermutung nahe, dass bei Themen der
landesweiten IT-Organisationsentwicklung teils intensive Überzeugungsarbeit – ver-
mutlich vor allem zwischen den Ressorts – zu leisten ist [2, S. 16]). Einen wichtigen
Impuls für die Weiterentwicklung in NRW hin zu einer besseren digitalen Landesver-
waltung (außer Justiz, Strafverfolgungsbehörden und Steuerverwaltung in Sachen der
Abgabenordnung) setzte NRW durch Verabschieden eines E-Government-Gesetzes
am 08.07.2016. Seine wesentlichen Forderungen sind in Tab. 4.4 aufgelistet. Vergli-
chen mit den Bestimmungen in einigen anderen Bundesländern sind dies – bezogen auf
die gesamte Landesverwaltung – hinsichtlich Terminen, Verbindlichkeit (muss, kann)
und Vollständigkeit aller Behörden bei bloßer Betrachtung der Daten im Vergleich zu
anderen Bundesländern keine besonders ehrgeizigen Ziele. Dies mag aber außer Acht
lassen, welche „weichen“ Faktoren die Innovation aufwendiger machen als in anderen
Bundesländern.
132 R. Heuermann et al.
Roland Heuermann
Die Situation der Digitalisierung in der Verwaltung der hier einzeln vorgestellten und
der weiteren, nicht mit Einzelbeiträgen vertretenen Länder ist weiter durch einen dyna-
mischen Prozess der prozessualen und technischen Organisationsentwicklung geprägt.
Diese kann man unter zwei Ober- und mehreren Untergesichtspunkten betrachten:
Maßnahmen zur Erleichterung für Bürger und Unternehmen, summarisch „Entbüro-
kratisierung“:
• Durch die E-Government-Gesetze der Länder gibt es jetzt zumeist verbindliche und
zwingende Termine für die Möglichkeit der medienbruchfreien Einreichung von
Anträgen und Belegen, die elektronische Unterschrift, die Nutzung der Authentifi-
zierung mittels E-ID sowie das Eröffnen elektronischer Zahlwege. Einschränkend
ist zwar zu vermuten, dass der hieraus resultierende Erleichterungseffekt für Bürger
und viele Unternehmen, die anteilig mehr Behördenkontakt mit Kommunen als mit
den Landesverwaltungen haben, begrenzt sein mag, das davon ausgehende Signal der
Modernisierung ist aber sehr positiv.
• Zu hoffen ist, dass die bei Einführung organisatorischer Änderungen eigentlich zwin-
gend durchzuführende Aufgabenkritik und Organisationsverbesserung zum Entfall der
einen oder anderen Unterschriftserfordernis, Nachweispflicht u. Ä. führen wird. Dies
könnte entweder über die komplette Entbehrlichkeit oder über eine bessere Vernetzung
4 Digitalisierung auf Landesebene 133
von Landesbehörden untereinander oder mit Kommunalbehörden sowie dem Weg über
Bürgerkonten in den bundesweit verbundenen Landesportalen geschehen. Hier lau-
fen dann die Daten, nicht der Bürger. Diese eigentlich schon fast „alt“ zu nennende
Idee, die schon einmal bei der Darstellung der Situation in den Kommunen aufgezeigt
wurde (siehe Abschn. 3.1.2.2), wird leider manchmal durch vermeintliche Grenzen des
Datenschutzrechts behindert. Die Erleichterung von Services durch Vernetzung von
Behörden sollte man dem Bürger als Option weitestmöglich öffnen.
• Einschränkend zu erwähnen ist, dass die in den E-Government-Gesetzen geplanten
Entbürokratisierungswirkungen zwingend nur in denjenigen Landesbehörden eintreten
werden, die den Regeln der E-Government-Gesetze ihrer Länder unterliegen. Das sind
nicht alle Maßnahmen für eine effizientere, flexiblere und leistungsfähigere Verwaltung.
• Die Einführung von E-Akten bewirkt eine höhere Flexibilität und Leistungsfähigkeit
der Verwaltung, weil sie zwingend für eine medienbruchfreie elektronische Verarbei-
tung elektronisch ein- und ausgehender Akten erforderlich ist. Für sich betrachtet ist
diese Maßnahme nicht unbedingt an jedem Arbeitsplatz – einzeln betrachtet – kosten-
günstiger oder zeitsparender als der Betrieb mit Papierakten. Der Systemeffekt sollte
jedoch überwiegend positiv sein, wenn man genügend „Last“, d. h. Anteile von Nut-
zern, auf diesen Kanal bringt und andere Kanäle abbaut. Darüber hinaus sollte man
alle Sparpotenziale nutzen. Auffallend ist, dass via IT-Planungsrat eigentlich eine stär-
kere Kooperation stattfinden und die „Einer-für-alle“-Beschaffungsstrategie greifen
sollte. Tatsächlich zeigten die Bundesländer bei E-Akten in 2016/2017 aber Allein-
gänge, sodass eine heterogene Plattformlandschaft entstanden ist und bundesweite
Skaleneffekte im Betrieb nicht optimal genutzt werden können.
• Auffallend ist auch, dass bei einigen IT-Landesdienstleistern nicht alle Ressorts ihrer
Landesverwaltung auf Ebene der Ministerien als Kunden auftreten. Darüber hinaus ist
es so, dass die großen nachgeordneten Bereiche Polizei und Justiz i. d. R. mit eigenen
IT-Dienstleistern versorgt sind. Hier liegt noch ein Potenzial für höhere Skaleneffekte.
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136 R. Heuermann et al.
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Digitalisierung auf Bundesebene
5
Falk A. Schmidt und Gerhard van der Giet
Falk A. Schmidt
In Artikel 20 Abs. 1 GG wird mit dem Prinzip der Bundesstaatlichkeit der wesentliche
Eckpfeiler des Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland definiert: Der Bund nimmt
die Aufgabe als oberste von drei Gliederungsebenen der Verwaltung wahr [1]. Im Unter-
schied zu den Ländern und Kommunen kommen die fachlichen Bundesaufgaben, d. h.
alles außer den Querschnittsservices für Organisation, Personal, Haushalt und Liegen-
schaftsmanagement, hier aber jeweils nur einmal vor und nicht 16-fach (wie bei den Ver-
waltungsverfahren auf Ebene der Länder) oder sogar maximal ca. 12.000-fach (wie auf
der Kommunalebene).
Die Rolle des Bundes gliedert sich allgemein in drei große Handlungsfelder, die fol-
gend mit ihrem Bezug zu Digitalisierungsthemen kurz erläutert sind:
• International: Der Bund vertritt deutsche Interessen im Ausland und gegenüber der
internationalen Gemeinschaft. Hier verfolgt er das Ziel, internationale Standards mit
Nutzen für die deutsche Industrie auszuarbeiten und festzulegen. Sachliche Themen,
wie Datenschutz, Wettbewerb, IT-Sicherheit und technologische Festlegungen zur
F. A. Schmidt (*)
Köln, Deutschland
E-Mail: falk.alexander.schmidt@computacenter.com
G. van der Giet
Swisstal, Deutschland
E-Mail: gerhard.vandergiet@computacenter.com
Eine grobe Übersicht der sachlichen Aufgabengliederung des Bundes sowie der Behör-
den und Einrichtungen dahinter enthält Abb. 5.1.
Die in Abb. 5.1 unvollständig gezeigten Behörden kann man neben der sachlichen
Sortierung auch in eine hierarchische, nach ihrer Stellung im Behördenaufbau des Bun-
des, bringen und findet dann folgende Mengenangaben [9]:
Hierzu zählen wieder viele der kleinen Behörden mit Sekretariatscharakter („Bundesbe-
auftragte für xy“), aber auch einige mittelgroße und größere Behörden wie vermutlich der
Bundesrechnungshof. Andere wiederum haben ganz besondere Anforderungen entweder hin-
sichtlich der Performance und/oder Menge der Daten oder hinsichtlich der Qualität, wozu
auch die IT-Sicherheit zählt.
Aus dem Gesagten folgt, dass man nur sehr begrenzt belastbare Aussagen zu fach-
lichen Themen der Digitalisierung auf Bundesebene machen kann. Die Besonderheiten
der Bundesverwaltung im Vergleich zu Ländern und Kommunen sind:
• Der Bund hat mit den meisten seiner Behörden wegen seiner Rolle die größte Entfer-
nung von den täglichen Lebenslagen einzelner Bürger und Unternehmen. Seine Behör-
den haben eher digitale B2B-Kontakte zu anderen Behörden in Deutschland, der EU oder
anderen internationalen Organisationen. Erkenntnisse aus Zufriedenheitsbefragungen
140 F. A. Schmidt und G. van der Giet
und Nutzerstatistiken beinhalten kaum Aussagen über die Qualität digitaler Services der
Bundesbehörden.
• Die Ministerien selbst als „Schreibstuben“ sind – abgesehen vom unterschiedlichen
politischen Inhalt ihrer Arbeit – vermutlich die untereinander ähnlichsten der Bundes-
behörden, alle darunter befindlichen Ober-, Mittel- und Unterbehörden dürften wegen
ihrer Spezialisierung außer im allgemeinen Management (Personal, Haushalt, Organi-
sation, Liegenschaften) wenig fachliche Skalierungsmöglichkeiten bieten.
Falk A. Schmidt
5.2.1.1 Konzept der IT-Steuerung des Bundes aus 2007 und Revisionen
Die Bundesregierung hat erstmalig am 18.12.2006 mit besonderem politischen Nach-
druck und einer Mehrzahl von Maßnahmen auf dem 1. Nationalen IT-Gipfeltreffen in
Potsdam auf den besonderen Bedarf übergreifender professioneller Steuerung der Ver-
waltungs-IT aufmerksam gemacht. Die Folge waren das von BMI und BMF erstellte und
von der Bundesregierung beschlossene Konzept zur IT-Steuerung des Bundes [2]. Es
beinhaltete folgende Kernaussagen:
• IT-Nachfrage und IT-Angebot sollen innerhalb der Grenzen der Ressorts getrennt
werden. In den Ressorts soll die IT-Nachfrage in Eigenregie des Ressorts vertikal
konsolidiert werden.
• Es sollen (mehrere) Dienstleistungszentren für das Angebot von IT-Services durch
vertikale Konsolidierung eingerichtet werden.
• Basis-IT und zentrale Infrastrukturen können „bedarfsweise“ ressortübergreifend
gebündelt werden.
• Es wird ein Rat der „IT-Beauftragten“ („CIO-Council“) der Bundes-Ressorts einge-
richtet, der Näheres zur Umsetzung der Nachfrage- und Angebotsbündelung erarbeitet
und vorschlägt.
• Vorschläge werden in einem „IT-Rahmenkonzept“ gebündelt.
• Ein Staatssekretär des Bundesinnenministeriums wird zum CIO der Bundesregierung.
• Es wird eine „IT-Steuerungsgruppe“ eingerichtet. Sie besteht aus je einem Staatssekretär
des Bundesfinanz- und Bundesinnenministeriums und einem Vertreter des Kanzleramtes.
Die in 2006 gefassten Beschlüsse des Konzepts zur IT-Steuerung des Bundes und die
nachfolgenden Bemühungen zur Umsetzung hatten teilweise aus unterschiedlichen
Gründen keinen langen Bestand:
5 Digitalisierung auf Bundesebene 141
Inhaltlich umfasst das Vorhaben eine Betriebs-, Dienste- und Beschaffungsbündelung [5]:
Als Form des Services werden mehrere Modelle angeboten, von der Bereitstellung von
Infrastrukturleistungen (IaaS – Infrastructure as a Service), über Entwicklungsplattfor-
men (PaaS – Platform as a Service), bis hin zu Software-Angeboten (SaaS – Software as
a Service). Über diese verschiedenen Leistungsformen wird der Bedarf des Bundes an
IT-Leistungen bis auf einige ressort-abhängige Spezialitäten gebündelt und konsolidiert
abgedeckt.
Neben der vertikalen Konsolidierung der meisten großen IT-Dienstleister zum ITZBund
hat die Bundesregierung in relativ kurzer Zeit zwei für die Digitalisierung in der Bundes-
verwaltung besonders wichtige Vorgaben gemacht:
Fortdauernde Wirkung (Stand 3/2017) hat dagegen das „Gesetz zur Förderung der elekt-
ronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften“ vom 25. Juli 2013 (im
Folgenden E-GovG, [3]): Es hat zum Ziel, die Bestrebungen des Bundes in seiner Digi-
talisierungsstrategie zu vereinheitlichen und konkrete Umsetzungspunkte per Gesetz vor-
zugeben. Unter anderem beinhaltet das Gesetz folgende Ober- und Unterziele:
5 Digitalisierung auf Bundesebene 143
5.3 Bundeswehr
Die Bundeswehr versteht sich als Sicherheit produzierendes Unternehmen, das für eine
effiziente Durchführung dieser Aufgabe soweit möglich unternehmerische Strukturen,
auch gestützt durch eine angemessene IT, benötigt. Die Einführung und Nutzung der IT
erfolgte dabei so wie in anderen Institutionen und Unternehmen auch: vorhandene Pro-
zesse wurden jeweils durch neue IT-Verfahren unterstützt, ohne durch Anpassung oder
Schaffung neuer angemessener Prozesse das volle Potenzial der IT zu nutzen. Eine tech-
nische Inselbildung der Verfahren war dadurch wie anderenorts auch unvermeidlich.
Zugleich waren bereits um die Jahrtausendwende viele der technischen Systeme veral-
tet, sodass eine grundlegende Modernisierung der Informationstechnik dringend erfor-
derlich wurde. Zugleich stand die Frage im Raum, ob eine solche „Herkules“-Aufgabe
mit eigenen Kräften und mit den zur Verfügung stehenden (Haushalts-)Mitteln in einem
angemessenen Zeitrahmen bewältigt werden kann. Nach umfangreichen Analysen und
5 Digitalisierung auf Bundesebene 145
Prüfung verschiedener Möglichkeiten fiel schließlich die Entscheidung, für die Moder-
nisierung der administrativen IT der Bundeswehr einen teilweise völlig neuen und bis
heute weltweit einmaligen Weg zu gehen.
Angesichts des hohen Zeitdruckes, knapper Haushaltsmittel und der damals auf poli-
tischer Seite hohen Bereitschaft zur Privatisierung wurde entschieden, die administrative
IT der Bundeswehr in eine neu zu gründende IT-Gesellschaft mit Bundesbeteiligung zu
geben. Es wurde also nicht der klassische Weg gegangen, Aufgaben und Personal nach
einem Wettbewerb an bestehende Firmen zu vergeben, sondern der Weg der Neugrün-
dung eines Unternehmens gewählt, weil sich damit für die Bundeswehr wichtige und
notwendige Möglichkeiten der Steuerung und Kontrolle der Gesellschaft auch in Kri-
sensituationen ergeben. Mithilfe unternehmenstypischer Handlungsweisen und Einsatz
privater Finanzmittel sollte die notwendige schnelle Modernisierung erreicht werden.
Ende 2006 wurde der sogenannte Herkules-Vertrag mit Unternehmen aus der Wirt-
schaft unterzeichnet, der die Gründung der „BWI Informationstechnik GmbH“ vorsah,
an der der Bund mit 49,9 % und die private Wirtschaft mit 50,1 % beteiligt sind. Damit
verfügte die Bundeswehr im Gegensatz zu bis dahin selbst erbrachten und immer mit
Risiken behafteten Ergebnissen zum ersten Mal über privatwirtschaftlich erbrachte, ver-
traglich garantierte Leistungen. Das Volumen des Vertrages beträgt ca. 6,5 Mrd. EUR
über 10 Jahre und entspricht damit etwa den Kosten, die auch bei Eigenbetrieb vorgese-
hen waren. Zahlreiche Beschäftigte der Bundeswehr wurden in die IT-Gesellschaft ent-
sandt. Neben der technischen Erneuerung wurden auch viele neue Services eingerichtet
und der Betrieb des im folgenden Abschnitt beschriebenen SASPF-Systems ermöglicht,
um nur einige Beispiele zu nennen. Heute gilt Herkules als Erfolg, die administrative IT
der Bundeswehr kann als konsolidiert angesehen werden. Auch nachdem der Herkules-
Vertrag am 28. Dezember 2016 ausgelaufen ist, wird die IT-Gesellschaft weiter bestehen,
sie wurde jedoch ohne Unterbrechung vollständig vom Bund übernommen. Sie ist damit
neben dem „IT-Zentrum Bund“ der zweite große IT-Dienstleister des Bundes, primär für
die Bundeswehr, jedoch offen auch für andere Bereiche.
Die Digitalisierung der Bundeswehr ist eng verknüpft mit der Einführung eines
unternehmensweiten ERP-Systems, dessen Möglichkeiten auch für den militärischen
Bereich früh erkannt wurden. Neben der grundlegend zu erneuernden administrativen
Ausstattung und der Schaffung eines effektiven IT-Betriebes durch Herkules wurde etwa
zeitgleich entschieden, ein solches System einzuführen. Wegen der breit gefächerten
Aufgaben im Verteidigungsressort sollten hunderte (je nach Zählweise auch tausende)
vorhandene Anwendungen („Systeme in Nutzung“) modernisiert oder eingebunden wer-
den. Daraus entstand das Projekt „Standard-Anwendungs-Software-Produkt-Familien“
(SASPF), das die vorhandene Inselbildung ablösen sollte. Wesentlicher Bestandteil die-
ser Arbeiten war naturgemäß die äußerst aufwendige Neugestaltung der Prozesse, um
die Möglichkeiten einer ERP-Software optimal nutzen zu können. Auch in Einsatzge-
bieten wird ein Zugriff auf Daten im Heimatland benötigt, ebenso auf Schiffen der
Marine, auch dann, wenn die Verbindung zu den Zentralsystemen gewollt oder ungewollt
unterbrochen ist. Dazu hat die Bundeswehr in einem eigenen Teilprojekt gemeinsam
146 F. A. Schmidt und G. van der Giet
mit SAP entsprechende Software entwickelt, die heute zum Standardangebot der SAP
gehört. Die Durchführung eines solchen Projektes in der Größenordnung der Bundes-
wehr steht immer wieder vor neuen Herausforderungen und nimmt naturgemäß einige
Zeit in Anspruch. Heute wird das SAP-System bereits von ca. 60.000 Personen genutzt,
die damit wesentlich effektiver ihre Aufgaben erledigen können.
Die oben genannten Technologien haben die militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr
deutlich verbessert, unterstützten aber zunächst im Wesentlichen tradierte militärische
Vorgehensweisen, auch daran erkenntlich, dass etwa der eingeschränkte und wenig für
die breite Rolle der IT angemessene Begriff der „Führungsunterstützung“ erst mit der
genannten Entscheidung vom 17. September 2015 durch „Informationstechnik“ abgelöst
wurde. Mit dem Konzept der Vernetzten Operationsführung ergaben sich erste Ansätze
zu einem Paradigmenwechsel, der die besondere Rolle einer Informationsüberlegenheit
stärker würdigte. Während noch vor wenigen Jahren die IT im militärischen Bereich
mit dem Kürzel „C3ISR“ (Command, Control, Communication, Information, Surveil-
lance, Reconaissence) umschrieben wurde, wird heute bereits aufgrund der schnellen
technischen Entwicklung von C5ISR gesprochen, weil „Computer“ und „Cyber“ hin-
zugekommen sind. Diese Entwicklung dürfte nicht zu Ende sein, da weitere neue, teil-
weise disruptive Entwicklungen wie z. B. der Roboter-Soldat, mit dem auch kleinere
Staaten mit ausreichend Geldmitteln eine bedeutsame Streitkraft aufstellen können, in
absehbarer Zeit ihre Einsatzreife erreichen werden und bestehende Konzepte der Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik nachhaltig verändern werden, wenn nicht sogar obsolet
machen.
Mit der Anerkennung des Cyberraumes als fünfte Dimension des Krieges und künftig
Teil der kollektiven Verteidigung der NATO wird die umfassende Bedeutung der Infor-
mationstechnik für die Verteidigung überaus deutlich. Durch die schnellen Entwicklun-
gen im Cyberraum ergeben sich in kürzester Zeit immer wieder neue Herausforderungen
und Bedrohungen, sowohl von staatlichen wie auch privaten Akteuren, die entsprechende
Fähigkeiten auch in diesem Bereich zur Verteidigung voraussetzen. Cyberangriffe bieten
die Möglichkeit, mit geringem Aufwand eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Die
bekannten Methoden zur IT-Sicherheit, u. a. das Verhindern von Eindringen in die eige-
nen Systeme von außen, reichen schon lange nicht mehr. Im Nachhinein vorgenommene
Maßnahmen der IT-Sicherheit sind nicht ausreichend, sie müssen von vornherein Teil
der Planung neuer Systeme sein. Für die Fähigkeit zur Verteidigung im Cyberraum sind
robuste zuverlässige und gut geschützte Netzwerke und Systeme unverzichtbar, die auch
nach teilweisem Ausfall oder Zerstörung die notwendigen Funktionen zur Verfügung
stellen. Da absolute Sicherheit nicht geschaffen werden kann, werden heute zu Recht
5 Digitalisierung auf Bundesebene 149
Netzwerke und Systeme mit hoher Resilienz gefordert und Metriken verlangt, die den
Grad der Resilienz ganzer Systeme messbar machen. Das Weißbuch 2016 fordert darü-
ber hinaus den „Ausbau der Gesamtresilienz“ als „Produkt der fortschreitenden Resili-
enzbildung“ in verwundbaren Bereichen [8, S. 49].
Während im konventionellen kinetischen Bereich Angriffe mit allen Mitteln zu ver-
hindern sind, ist der „Angriff“ im Cyberraum gängiges Mittel der Abwehrmaßnahme,
z. B. um Störquellen möglichst frühzeitig auszuschalten, falls sie zu ermitteln sind, und
gegebenenfalls auch ohne Kenntnis, wer ihr Urheber ist. Deswegen gehören die soge-
nannten „Computer Network Operations (CNO)“ mit ihren Teilbereichen wie Network
Attack, Network Exploitation usw. zwingend zu den notwendigen Fähigkeiten, über die
eine Streitkraft verfügen muss. Auch ist noch offen, ob und wie im Cyberraum gegebe-
nenfalls ein Abschreckungspotenzial analog zum physischen Bereich aufgebaut werden
kann. Der Begriff „Angriff“ wird hier einer eigenen Definition bedürfen, da zwischen
dem alltäglichen Ausschalten von Störversuchen und dem Angriff mit Parlamentsvorbe-
halt unterschieden werden muss. Auch moderne Waffensysteme mit kinetischer Wirkung
sind auf interne funktionierende IT-Komponenten (Waffen-IT) angewiesen, die deshalb
Angriffen ausgesetzt sind. Es bedarf also eines entsprechenden Schutzes bis hin zur Klä-
rung der Frage, ob vorbeugend nur noch Komponenten aus bestimmten Staaten verbaut
werden dürfen.
Das BMVg hat mit der Entscheidung zur Einrichtung einer neuen Abteilung im
BMVg sowie neben Heer, Marine, Luftwaffe, Sanität und Streitkräftebasis des militä-
rischen Organisationsbereiches „Cyber- und Informationsraum Kommando“ angesichts
der genannten Bedrohungen die notwendigen organisatorischen Maßnahmen ergriffen.
Im KdoCIR sollen alle Fähigkeiten, die im Cyberraum erforderlich sind, einschließlich
offensiver Maßnahmen, zur Verfügung stehen und stetig weiterentwickelt werden. Zur
Bereitstellung des benötigten und auf dem Markt knappen Fachpersonals wurde neben
Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber außerdem
an der Bundeswehruniversität in München das sogenannte „Cyber-Cluster“ eingerichtet,
eine Lehr-und Forschungseinrichtung, die einen eigenen Studiengang „Cyber“ entwi-
ckelt und jährlich Studienabgänger mit einschlägigem Abschluss bereitstellen soll. Es ist
zu erwarten, dass Cyber-Experten zukünftig auch regelmäßig Teil der Einsatzkräfte sind
und auch vor Ort benötigt werden.
Neue technische Entwicklungen, auch wenn sie nicht dem unmittelbaren militärischen
Bereich entstammen, sind für die Bundeswehr fast immer relevant. Eine Bundeswehr-
Cloud wird es geben müssen, um die im Leistungsportfolio vorgesehenen weltweiten
Services erbringen zu können, ebenso wie Big Data Predictive Analysis genutzt werden
wird, um mit den gigantischen Massendaten einer Streitkraft umzugehen und Schluss-
folgerungen zu ziehen. Mobile Kommunikation, seit jeher ein wichtiger Faktor, kann
150 F. A. Schmidt und G. van der Giet
National und international ist anerkannt, dass staatliche Einrichtungen und Unterneh-
men mit der rasanten Entwicklung neuer Bedrohungen im Cyberraum kaum Schritt hal-
ten können. Hier sind mehr als je zuvor Staat und Wirtschaft aufeinander angewiesen,
die einen, um die notwendigen Produkte zu entwickeln, die anderen, um angemessene
gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Innovationen müssen schnell erkannt, auf-
gegriffen und zur Anwendungsreife gebracht werden, Beschaffungen müssen schneller
als bisher erfolgen und komplexe IT-Vorhaben schneller durchgeführt werden, gegebe-
nenfalls mit einer Lockerung derzeitiger Vergabevorschriften. Die Möglichkeit, Innova-
tionspartnerschaften zu bilden, weist hier ebenfalls einen Weg. Eine engere und nicht
durch Vergaberichtlinien zu sehr eingegrenzte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und
der Forschung ist erforderlich, insbesondere auch mit den Start-up-Unternehmen, weil
gerade diese kleineren Firmen Lieferanten von neuen und guten Ideen sind. Andere Staa-
ten, und erst recht auch Firmen, gehen bereits den Weg, Innovation auszulagern und in
eigene Einrichtungen einzubringen, um den Ballast tradierten Denkens zu vermeiden.
Auch in den nationalen Branchenverbänden der Wirtschaft und im Bereich der Bundes-
wehr wird bereits an derartigen Lösungen gearbeitet.
5 Digitalisierung auf Bundesebene 151
5.3.8 Zusammenfassung
Die IT der Bundeswehr hat im administrativen Bereich durch die Projekte Herkules und
SASPF eine Modernisierung auf den neuesten Stand der Technik erfahren. Zugleich werden
über leistungsfähige Kommunikationsnetze weltweit neue und dringend notwendige Servi-
ces geboten. In der einsatznahen IT haben zahlreiche Projekte dazu geführt, die Führungs-
unterstützung zu verbessern und Fähigkeiten zur vernetzten Operationsführung zu erreichen.
Die weit darüber hinausgehenden neuen Herausforderungen durch die Bedrohungen
aus dem Cyberraum erfordern zur ihrer Abwehr und zur Aufrechterhaltung der Verteidi-
gungsbereitschaft speziell darauf ausgerichtete Mittel und eine angemessene Aufstellung
gut ausgebildeter Kräfte, die die Bundeswehr zurzeit vornimmt. Die Abwehr von kom-
plexen Cyberangriffen stellt jedoch eine gesamtstaatliche Aufgabe dar, da hier innere
und äußere Sicherheit eng zusammenfallen. Unter Beachtung der verfassungsmäßigen
Rolle der Bundeswehr zur Abwehr äußerer Gefahren und dem Zuständigkeitsbereich
des Bundesministeriums des Inneren (innere Sicherheit) und des Auswärtigen Amtes
(Cyber-Außenpolitik) ist eine ressortübergreifende Kooperation notwendig. Vor die-
sem Hintergrund ist ein gemeinsames Cyber-Abwehrzentrum mit einem gemeinsamen
Lagebild unverzichtbar, um schnell und angemessen reagieren zu können. Dies gilt auch
für die schwierigen rechtlichen Fragen, die sich aus Aktionen im Cyberraum ergeben,
z. B. wann ein Angriff als solcher zu betrachten ist (z. B. bezüglich des Artikels 5 des
NATO-Vertrages) und entsprechende Reaktionen erfordert, und gegebenenfalls mit wel-
chen Mitteln. Ein Cyberangriff wird sich in einer Auseinandersetzung hoher Intensität
nicht auf den Cyberraum beschränken. Bereits heute ist zu beobachten, dass auf Angriffe
aus dem Cyberraum auch im physischen Raum reagiert wird. Insofern ist die eingangs
getroffene Feststellung gerechtfertigt, dass eine innovative moderne IT zur Verfügung
stehen muss, da ohne sie Verteidigung nicht mehr möglich ist, und entsprechende Kosten
in Kauf genommen werden müssen.
Literatur
1. Bogumil, J., Jann, W.: Verwaltung und Verwaltungswissenschaft in Deutschland, 2. Aufl. VS-
Verlag, Wiesbaden (2009)
2. Bundesministerium des Innern (CIO): Das Konzept IT-Steuerung Bund. http://www.cio.bund.
de/SharedDocs/Publikationen/DE/Bundesbeauftragter-fuer-Informationstechnik/konzept_it_
steuerung_bund_download.pdf;jsessionid=1D7C080EB318069945CFBE190D30ECC9.2_
cid322?__blob=publicationFile (2007). Zugegriffen: 24. Apr. 2017
3. Bundesministerium des Innern (CIO): E-Government-Gesetz. 18.04.2013. http://www.bmi.
bund.de/DE/Themen/IT-Netzpolitik/E-Government/E-Government-Gesetz/e-government-
gesetz_node.html (2013). Zugegriffen: 26. Apr. 2017
4. Bundesministerium des Innern (BMI): Digitale Verwaltung 2020. 17.09.2014. https://www.
bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2014/regierungsprogramm-digitale-
verwaltung-2020.html?nn=3315468 (2014). Zugegriffen: 22. Apr. 2017
152 F. A. Schmidt und G. van der Giet
Weiterführende Literatur
1. Quillet, R., Moser, R.: Ordnungsgemäß und systematisch: Aktenführung als Führungsinstru-
ment. https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/besondere-behorden/staatsarchiv/akten-
fuhrung/infoheft/downloads/nr-_157-_fuehrungsinstrument.pdf. Zugegriffen: 25. Apr. 2017
2. Wikipedia:Bundesbehörden.https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesbeh%C3%B6rde_(Deutschland)
(2017). Zugegriffen: 25. Apr. 2017
Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher
6
Jörn von Lucke, Roland Heuermann, Helmut Poder, Mario Walther,
Heinrich Rentmeister, Marc Reinhardt, Jan Reddehase, Ulf Schitkowsky,
Mathias Oberndörfer, Ferdinand Schuster, Philipp Kleinmanns, Carsten
Hentrich und Michael Pachmajer
6.1.1.1 Übersicht
Die Professoren an den sich mit der Digitalisierung im Öffentlichen Sektor auseinan-
dersetzenden Lehrstühlen sind sowohl lehrende als auch forschende Akteure, die oft
als neutrale Beobachter, Beschreiber, Erklärer und Gestalter fungieren und vor allem
maßgeblich zur Ausbildung beitragen. Sie profitieren von der Infrastruktur ihrer Uni-
versität oder Hochschule, deren gutem Ruf, von ihrer Einbettung in ganz unterschied-
liche Forschungseinrichtungen und Akademien, von Bibliotheken, Inkubatoren und
Gründungszentren. Universitäten und Hochschulen ermöglichen Professoren und
wissenschaftlichen Mitarbeitern, Habilitanden, Doktoranden und wissenschaftlichen
Hilfskräften, mit eigenen Beiträgen zur Erkenntnisgewinnung beizutragen. Diese profi-
tieren alle von der grundgesetzlich geschützten Freiheit von Lehre und Forschung, lei-
den aber unter der finanziell nur noch bedingt attraktiven Besoldung beziehungsweise
bei angestellten Professoren kaum noch wettbewerbsfähigen Gehältern. Hinzu kommt,
dass volkswirtschaftlich betrachtet in der Ausbildung die Verwaltungswissenschaften
nur eine untergeordnete Rolle spielen. Mit Blick auf den Anteil des Öffentlichen Sek-
tors am Bruttosozialprodukt mit knapp 50 % überrascht etwa die geringe Anzahl der an
Digitalisierung im Öffentlichen Sektor arbeitenden Professoren an den Universitäten und
Hochschulen sowohl in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. Die
folgenden Abschnitte stellen die Situation der ordentlichen Professoren in chronologi-
scher Reihenfolge ihrer Berufung in ihre aktuelle Position mit dem Stand März 2017 dar.
Keine Berücksichtigung finden emeritierte oder sich im Ruhestand befindliche Kollegen
wie etwa Herbert Kubicek, Klaus Lenk, Heinrich Reinermann und Roland Traunmül-
ler1, ebenso Honorarprofessuren und Gastprofessuren. Die Analyse erfolgt zudem ohne
Kenntnis über künftige Wechsel und sonstige Veränderungen.
6.1.1.2 Verwaltungsinformatik
Die Anzahl der deutschsprachigen Lehrstühle der Verwaltungsinformatik an Universitä-
ten ist sehr überschaubar. Abb. 6.1 zeigt eine Übersicht.
Maria Wimmer hat seit 2005 einen Lehrstuhl für Verwaltungsinformatik am Institut
für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik an der Universität Koblenz-Landau inne. Jörn
von Lucke ist seit 2009 Lehrstuhlinhaber für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik an
1Einen breiten Überblick über Aktivitäten und Wirkungen dieser Generation von Pionieren liefert
die Festschrift zum 80. Geburtstag für Heinrich Reinermann [15].
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 155
der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, zugleich steht er als Direktor dem The Open
Government Institute vor. Seit 2014 wirkt Robert Krimmer an der Ragnar Nurkse School
of Innovation and Governance an der Technischen Universität Tallinn (Estland). Peter
Parycek ist seit 2015 Universitätsprofessor für E-Governance und Leiter des Departments
für E-Governance in Wirtschaft und Verwaltung an der Donau-Universität Krems. Sara
Hofmann ist seit 2016 Juniorprofessorin für Digitale Medien im Öffentlichen Sektor am
Fachbereich 3 (Mathematik und Informatik) der Universität Bremen. Dort arbeitet sie in
der Arbeitsgruppe Informationsmanagement und am Institut für Informationsmanage-
ment Bremen GmbH (ifib).
Auf der Ebene der Hochschulen und Fachhochschulen findet sich eine etwas breitere
Basis an Professoren, weil an diesen Einrichtungen der gehobene Dienst in der Öffentli-
chen Verwaltung ausgebildet wird. Abb. 6.2 enthält eine Übersicht.
Margit Scholl unterrichtet seit 1994 Wirtschaftsinformatik und Verwaltungsinforma-
tik an der Technischen Hochschule Wildau (FH). Detlef Rätz lehrt Verwaltungsinforma-
tik an der sächsischen Hochschule für Öffentliche Verwaltung und Rechtspflege (FH)
in Meißen und leitet seit dem Jahr 2000 das dortige Zentrum für Informationstechno-
logie. Thomas Schaller unterrichtet seit 2002 Informatik und Verwaltungsinformatik
an der Hochschule Hof. Anne-Dore Uthe lehrt seit 2002 Verwaltungsinformatik und
156 J. von Lucke et al.
6.1.1.3 Wirtschaftsinformatik
Eine Auflistung von Professuren mit Relevanz für die Informatik in der Verwaltung darf
allerdings nicht nur auf die reinen Vertreter der Verwaltungsinformatik beschränkt sein.
Zahlreiche wissenschaftlich tätige Wirtschaftsinformatiker nehmen für sich zu Recht
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 157
der Technischen Universität München (TUM). Zudem sitzt er im Direktorium der for-
tiss GmbH, einem An-Institut an der TUM und damit einer universitätsnahen, aber recht-
lich unabhängigen, nichtkommerziellen Forschungseinrichtung in der Rechtsform einer
gemeinnützigen GmbH. Günther Pernul ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhl Wirtschafts-
informatik I − Informationssysteme an der Universität Regensburg. Bernd W. Wirtz
publiziert seit 2004 als Inhaber des Lehrstuhls für Informations- und Kommunikations-
management an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Peter
Loos hat seit 2005 eine Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschafts-
informatik am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum
für Künstliche Intelligenz (DFKI) an der Universität des Saarlandes inne. Markus Nütt-
gens unterrichtet seit 2005 als Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsinformatik an der Univer-
sität Hamburg. Gerhard Schwabe leitet nach Stationen an der Universität Koblenz seit
2007 die Forschergruppe Information Management an der Fakultät Informatik der Uni-
versität Zürich. Andreas Maier ist seit 2011 Lehrstuhlinhaber für eBusiness & eGovern-
ment an der Universität Fribourg in der Schweiz. Julia Krönung hat seit 2014 an der
Universität Mannheim die von der Dieter Schwarz Stiftung geförderte Juniorprofessur
für E-Business und E-Government inne. Björn Niehaves ist seit 2014 Inhaber des Lehr-
stuhls für Wirtschaftsinformatik an der Universität Siegen und forscht zu digitalen Inno-
vationen und ihrer Bedeutung für die unternehmerische Wertschöpfung und Arbeitswelt.
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 159
Seit 2016 ist er Direktor des Forschungskollegs der Universität Siegen (FoKoS). Moreen
Heine wirkt seit 2015 als Juniorprofessurin Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digital
Government, an der Universität Potsdam.
Aus der Riege der Hochschulen und Fachhochschulen sind an dieser Stelle Wolfgang
Eixelsberger, seit 2006 Professor für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kärn-
ten in Villach, René Schumann, seit 2012 Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik
der Hochschule Wallis, und Konrad Walser mit seiner Professur für Wirtschaftsinforma-
tik und E-Government an der Berner Fachhochschule zu erwähnen.
6.1.1.5 Rechtsinformatik
Bedauerlicherweise sind die professoralen Vertreter der Rechtsinformatik im deutsch-
sprachigen Raum ebenfalls sehr überschaubar. Erich Schweighofer ist seit 1997
außerordentlicher Universitätsprofessor an der Universität Wien in den Fächern Rechts-
informatik, Völkerrecht und Europarecht. Stephan Breidenbach hat seit 2005 den Lehr-
stuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Internationales Wirtschaftsrecht an
der Europa-Universität Viadrina inne. Er ist Mitgründer von betterplace.org und Pionier
im Legal-Tech-Bereich. Christoph Sorge darf seit 2014 über die juris-Stiftungsprofessur
für Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes wirken. Er beschäftigt sich mit
Fragestellungen der Rechtsinformatik, der IT-Sicherheit und des Datenschutzes. Zudem
ist Sayeed Klewitz-Hommelsen zu erwähnen, der seit 1999 als Professor für Rechtsinfor-
matik und E-Commerce-Recht an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg tätig ist. Die Kon-
taktdaten finden sich in Abb. 6.6.
Universitäten eher aus einer rechtlichen als einer technischen Perspektive wissenschaft-
lich mit Fragen der Digitalisierung im Öffentlichen Sektor auseinander.
Zunächst werden die sich mit dem öffentlichen Recht beschäftigenden Universitäts-
professoren vorgestellt, die Kontaktdaten finden sich in Abb. 6.7.
Alexander Rossnagel ist Professor für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Recht
der Technik und des Umweltschutzes an der Universität Kassel. Dirk Heckmann wirkt
seit 1996 an der Universität Passau und hat heute einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht,
insbesondere Sicherheitsrecht und Internetrecht inne. Bernd Holznagel ist seit 1997 Lehr-
stuhlinhaber für Staats- und Verwaltungsrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster. Als Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medien-
recht (ITM) leitet er die öffentlich-rechtliche Abteilung. Jan Ziekow hat seit 1997 den
Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere allgemeines und besonderes Verwaltungs-
recht, an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer inne. Zugleich
ist er Direktor des Deutschen Forschungsinstituts für Öffentliche Verwaltung Speyer
und Leiter des Instituts für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation. Utz Schliesky
ist seit 2007 außerplanmäßiger Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der
Christian-Albrechts-Universität Kiel, heute im Hauptamt Direktor des Schleswig-Hol-
steinischen Landtags und im Nebenamt geschäftsführender Vorstand des Lorenz-von-
Stein-Instituts an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Mario Martini ist seit 2010
Inhaber des Lehrstuhls für Verwaltungswissenschaft, Staatsrecht, Verwaltungsrecht und
Europarecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und
zusätzlich seit 2016 Leiter des Programmbereichs „Transformation des Staates in Zeiten
der Digitalisierung“ am Deutschen Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer.
Wolfgang Schulz ist seit 2011 Lehrstuhlinhaber für Medienrecht und Öffentliches Recht
einschließlich ihrer rechtstheoretischen Grundlagen an der Universität Hamburg und als
Seniorforscher am Hans-Bredow-Institut aktiv. Gerrit Hornung unterrichtet seit 2015 als
Professor für Öffentliches Recht, IT-Recht und Umweltrecht an der Universität Kassel.
Dort ist er als Direktor im Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestal-
tung (ITeG) tätig. Meinhard Schröder ist seit 2016 Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches
Recht und Informationstechnologierecht an der Universität Passau. Im selben Jahr hat
auch Hubertus Gersdorf von der Universität Rostock kommend an der Universität Leip-
zig den Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht übernommen.
162 J. von Lucke et al.
Jenseits des öffentlichen Rechts sind es vor allem das Informationsrecht und das
Medienrecht, die Professoren zu einer Auseinandersetzung mit der Digitalisierung im
Öffentlichen Sektor bewegen. Thomas Hoeren forscht seit 1997 an der Juristischen
Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Direktor des Instituts für
Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM). Gerald Spindler hat eben-
falls seit 1997 den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht,
Rechtsvergleichung, Multimedia- und Telekommunikationsrecht an der Georg-August-
Universität zu Göttingen inne. Auch Jürgen Taeger übernahm 1997 seine Lehrstuhlpro-
fessor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Rechtsinformatik
am Fachbereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Carl von Ossietzky Univer-
sität Oldenburg. Nikolaus Forgó ist seit 2002 Inhaber einer Professur für Rechtsinfor-
matik und IT-Recht und an der Leibniz Universität Hannover. Am dortigen Institut für
Rechtsinformatik forscht er zu Datenschutz- und Datensicherheitsrecht sowie in imma-
terialgüter- und verbraucherschutzrechtlichen Fragen der Informationstechnik. Walter
Blocher unterrichtet seit 2005 mit einer Professur für Bürgerliches Recht, Unterneh-
mensrecht und Informationsrecht am Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Kassel.
Andreas Wiebe hat seit 2009 den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wettbewerbs- und
Immaterialgüterrecht, Medien- und Informationsrecht an der Georg-August-Universität
zu Göttingen inne. Georg Borges ist seit 2014 Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht,
Rechtsinformatik, deutsches und internationales Wirtschaftsrecht sowie Rechtstheorie
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 163
an der Universität des Saarlands und in das Institut für Rechtsinformatik eingebunden.
Axel Metzger wechselte 2014 auf den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Immaterial-
güterrecht, insbesondere Gewerblicher Rechtsschutz, an die Humboldt-Universität nach
Berlin und forscht wie vorher in Hannover auch weiter zum Recht der Informationstech-
nologie. Abschließend zur erwähnen ist Elisabeth Staudegger, die als Professorin in den
Fächern Rechtsinformatik und IT-Recht (Informationstechnologierecht), Bürgerliches
Recht und Immaterialgüterrecht am Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen an
der Karl-Franzens-Universität Graz lehrt und forscht.
und politische Prozesse. Christoph Neuberger lehrt und forscht seit 2011 am Institut für
Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Univer-
sität München. Seine Schwerpunkte liegen in Journalismus- und Öffentlichkeitstheorie
sowie Öffentlichkeit und Journalismus im Internet, Aktivitäten von Presse und Rundfunk
im Internet, Suchmaschinen und partizipativen Internetformaten. Markus Rhomberg ist
nach seiner positiven Bewährung als Juniorprofessor 2013 zum Lehrstuhlinhaber für
Politische Kommunikation an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen berufen wor-
den. Er betrachtet analoge und digitale Kommunikationsprozesse, die sich auf politische
Themen und Akteure beziehen bzw. von diesen ausgehen, und untersucht verwandte
Themenfelder der Wissenschaftskommunikation und der Kommunikation von Organisa-
tionen. Christian Pieter Hoffmann ist seit 2015 Professor für Kommunikationsmanage-
ment am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig.
Roland Heuermann
6.1.2.1 Übersicht
Da Digitalisierung ein weltweites branchenübergreifendes Wachstumsthema mit gro-
ßen Hoffnungen auf weitere erschließbare Potenziale der Nutzung ist, forschen weltweit
eine Vielzahl von Privatunternehmen sowie private und öffentliche Institute außerhalb
von Universitäten in allen zentralen Themengebieten der Digitalisierung. Hier sollen
in Tab. 6.1 und nachfolgend im Text deutschsprachige Einrichtungen mit regelmäßiger
Forschungs- und Publikationstätigkeit speziell für den Öffentlichen Bereich vorgestellt
werden. Die Zahl der regelmäßig speziell auch für den Öffentlichen Bereich arbeiten-
den Institute in Deutschland mit Einfluss auf die Öffentliche Verwaltung ist sehr viel
eingegrenzter als die Zahl der in Deutschland insgesamt zur Digitalisierung forschenden
Einrichtungen. Nachfolgend werden nur die speziell auch für den Öffentlichen Bereich
wiederholt oder dauerhaft tätigen Institute genannt.
Das DFKI wird regelmäßig extern evaluiert und erhielt zuletzt sehr gute Beurteilungen.
Nach eigenen Angaben hat es im Laufe seines Bestehens 78 Ausgründungen (Spin-offs)
gegeben, hierdurch wurden ca. 1500 Arbeitsplätze geschaffen. Das DFKI hat (Stand
3/2017) ca. 485 Wissenschaftler und Angestellte sowie ca. 400 Studenten. Die Finan-
zierung erfolgt zu erheblichem Teil aus projektgebundenen Mitteln und dürfte daher
von Jahr zu Jahr schwanken, in 2014 betrug das Budget nach Pressemeldungen ca.
36 Mio. EUR [4].
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 167
von 2/2017 wird darüber berichtet, dass 14 Städte (darunter auch ausländische: Lissabon,
Prag, Buenos Aires), 24 Industrieunternehmen, 11 Fraunhofer-Institute und 4 strategi-
sche Partner zusammen einen ganzheitlichen Ansatz der Stadtentwicklung über mehrere
Städte hinweg vorantreiben wollen. Er schließt Aspekte der Smart-City-Ideen ein. Das
mehrstufige Verfahren (Phase I, II und III) sieht zunächst „City Labs“ vor, in denen
strukturierte örtliche Datenerhebungen (Phase I) stattfinden, bevor Konzepte (Phase II)
erstellt werden. In Deutschland werden die Stadt Chemnitz und das in Berlin geplante
Vorhaben der „TXL Urban Tech Republic“ auf dem Flughafengelände Tegel (siehe auch
Abschn. 3.3.1) als Beispiele genannt.
Roland Heuermann
(eigene Zählung aufgrund von Angaben in der Homepage von Euritas). Aus Deutsch-
land sind folgende Landes-IT-Dienstleister dabei: Dataport, ITDZ Berlin, die Hessische
Datenzentrale (HZD) und das DVZ aus Mecklenburg-Vorpommern.
Da Europa sehr viel mehr Öffentliche IT-Dienstleister und Länder hat, als sie in Euri-
tas vertreten sind (praktisch nur Mittel- und Nordeuropa sowie Italien), stellt sich die
Frage, wieso Euritas nicht mehr Mitglieder hat. Ein möglicher Grund könnte sein, dass
es nur wenige EU-Projekte mit direkt auf die nationalen IT-Dienstleister durchschlagen-
der Wirkung und keine direkten Beauftragungen durch die EU gibt. Daher berichtet Euri-
tas (3/2017) nur von zwei durch EU-Regeln veranlassten Projekten, eIDAS (electronic
identification) und TOOP („Once-only“-Projekt der Europäischen Kommission − es hat
zum Ziel, innerhalb Europas die Kosten der Meldepflichten von Unternehmen dadurch zu
senken, dass die nationalen Behörden untereinander Daten austauschen, und es in meh-
reren Ländern tätigen Unternehmen dann zu ersparen, einzeln in jedem Land den glei-
chen Meldepflichten nachzukommen). Darüber hinaus gibt es (Stand 3/2017) nur zwei
Arbeitsgruppen, eine zu Clouds und eine zweite zu Innovationsmanagement.
Die KGSt veröffentlicht für ihre Mitglieder kostenlose Berichte und „Arbeitsergebnisse“
genannte Empfehlungen. Hierzu zählen auch eine zweiteilige Empfehlung zum Etab-
lieren einer wirkungsvollen IT-Strategie (6/2017) und Empfehlungen zur Ausgestaltung
170 J. von Lucke et al.
digitaler Räume und E-Partizipation. Obwohl die KGSt sich nicht in erster Linie − wie
die VITAKO − als Interessenvertretung Öffentlicher IT-Dienstleister versteht, hat sie
dennoch teils unterhalb der Wahrnehmungsschwelle externer Beobachter eine sehr wert-
volle Rolle bei der fachlichen Innovation kommunaler Verwaltungen. Sie adressiert das
Thema der Digitalisierung auf diese Weise schon indirekt, weil gute Arbeitsabläufe und
optimierte Strukturen eine sehr gute Grundlage für eine besonders wirksame Verbesse-
rung auch durch technische Mittel sind.
Helmut Poder
Regionen (z. B. Thüringen) oder bestimmte wirtschaftliche Segmente mit ihrem spezifi-
schen IT-Bezug (z. B. Mittelstand, Gesundheitswesen oder Sozialwirtschaft). In Tab. 6.3
ist eine nicht abschließende Auswahl im Jahr 2017 aktiver privater Interessenverbände
im IT-Bereich aufgelistet.
Nachfolgend soll näher auf zwei Verbände eingegangen werden, die aufgrund ihrer
Größe, breiten Mitgliederstruktur und allgemeinen Ausrichtung in besonderem Maße auf
die IT-Politik in Deutschland und die IT-Management-Gestaltung einwirken. Preis- oder
Lohninteressenverbände, die als reine Lobbyisten direkt, zugunsten eigener wirtschaft-
licher Vorteile, auftreten, wurden bei der nachstehenden Betrachtung daher ebenfalls
außen vor gelassen.
Tab. 6.3 Ausgewählte private Interessensverbände im IT-Bereich (Vgl. teils auch „Öffentliche
Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern“ des Deutschen Bundestages,
www.bundestag.de). (Eigene Darstellung)
lfd. Nr. Interessenverband Homepage
1 Arbeitgebervereinigung für Unternehmen aus dem Bereich www.agev.de
EDV und Kommunikationstechnologie e. V.
2 Bitkom − Bundesverband Informationswirtschaft, www.bitkom.org
Telekommunikation und neue Medien e. V.
3 BITMi − Bundesverband IT-Mittelstand e. V. www.bitmi.de
4 BREKO − Bundesverband Breitbandkommunikation e. V. www.brekoverband.de
5 Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e. V. www.biu-online.de
6 Bvitg − Bundesverband Gesundheits-IT www.bvitg.de
7 FINSOZ e. V. − Fachverband Informationstechnologie in www.finsoz.de
Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung
8 ITnet Thüringen e. V. www.itnet-th.de
9 Verband der Anbieter von Telekommunikations- und www.vatm.de
Mehrwertdiensten e. V.
10 Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V. www.eco.de
172 J. von Lucke et al.
Aufgrund der breiten Ausrichtung des Bitkom auf IT, Telekommunikation und „Neue
Medien“ sind die Mitgliedsunternehmen Anbieter von Hard- und Software, IT-Services,
Telekommunikations- und Internetdiensten oder im Bereich der digitalen Medien oder
der Netzwirtschaft tätig. Aktuelle Schwerpunktthemen des Verbands sind die digitale
Transformation, neue Technologien und zum Beispiel IT-Sicherheit und Datenschutz.
Der Verband setzt sich zudem für innovative Wirtschaftspolitik, moderne regulatorische
Umsetzung sowie zukunftsorientierte Netzpolitik wie auch für die Themen Bildung und
Arbeit ein. Bitkom gibt nach eigener Darstellung Impulse für Wirtschaft, Politik und
Gesellschaft und versteht sich als Dienstleister für seine Mitglieder. Im Rahmen von
Verbändeanhörungen wirkt Bitkom an Gesetzesvorhaben mit (z. B. zu Vergabe- oder IT
Sicherheitsgesetzen) und verhandelt neben Mustererklärungen und -empfehlungen, als
einziger Verband mit entsprechendem Mandat, auch die verbindlich geltenden sog. EVB-
IT-Standardverträge mit dem Bundesministerium des Innern (EVB-IT = Ergänzende
Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik, vgl. www.cio.bund.
de). Starke Themenfelder sind daher auch Politik und Recht sowie das Segment Public
Sector (Öffentliche Aufträge, E-Government etc.).
Organisiert ist der Verein mit einem Präsidium, einem Hauptvorstand, einer Geschäfts-
führung und zahlreichen Gremien in Form von Arbeitskreisen, Ausschüssen, Projektgrup-
pen und sog. Task-Forces. Zudem engagiert sich Bitkom mit eigenen Landessprechern in
sieben Bundesländern. Die Landessprecher werden vom Bitkom-Präsidium ernannt und
agieren an der Schnittstelle zwischen digitaler Wirtschaft und Landespolitik. Zwei Unter-
nehmen der Bitkom-Gruppe ergänzen als 100-prozentige Tochtergesellschaften das Leis-
tungsportfolio: Dies sind die Bitkom Research GmbH (Schwerpunkt Marktforschung)
sowie die Bitkom Servicegesellschaft mbH (Schwerpunkt Beratung, Weiterbildung und
Veranstaltungen, zu der auch die Bereiche Bitkom Consult und Bitkom Akademie zäh-
len). Insgesamt beschäftigt Bitkom ca. 100 eigene Mitarbeiter (Stand 2017).
Aktuell verteilen sich die Forderungen des Bitkom auf ihre hervorgehobenen The-
menfelder digitale Transformation, Bildung und Arbeit, Datenschutz und Sicherheit,
Technologien und Software, Start-ups, Politik und Recht, Management und Mittelstand.
Aus dem Bereich Politik und Recht sind dies zum Beispiel das aktuelle Positions-
papier mit der Stellung zum Referentenentwurf eines Gesetzes des Bundesministeri-
ums für Finanzen zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, Positionen an
die G20-Staaten zur Verfolgung einer Digitalen Agenda für das digitale Zeitalter sowie
Empfehlungen für rechtliche Rahmenbedingungen von Industrie 4.0. Letzeres enthält
wiederum 11 dedizierte Positionen und konkrete Forderungen zu den Themen Datenho-
heit, Datenschutz, Allgemeines Vertragsrecht sowie AGB, IT-Sicherheit, Verantwortlich-
keit, Arbeitsrecht, Urheberrecht und Know-how-Schutz. Den Forderungen des Bitkom
liegt grundsätzlich der Wunsch nach zweckmäßigen zukunftsorientierten Lösungen unter
Wahrung der berechtigten Interessen der IT-Wirtschaft zugrunde, notfalls unter Aufzei-
gen klarer Schranken. Hierbei wirkt sich aus, dass die Interessen einer Vielzahl teils sehr
heterogener Mitgliedsunternehmer zu berücksichtigen sind. Aktuell artikuliert Bitkom
etwa eigene konkrete Vorstellungen zur Gestaltung der IT-Konsolidierung des Bundes
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 173
Betreffend Netzpolitik:
Betreffend Wachstumsfelder:
• Das wirtschaftliche Potenzial des Cloud Computings für die deutsche Wirtschaft wei-
ter vorantreiben.
• Die Chancen der Vernetzung und Digitalisierung der gesamten traditionellen Indust-
rieproduktionsprozesse, der sogenannten Industrie 4.0, ergreifen.
• Die Zukunftsperspektiven von Big Data, insbesondere für den Mittelstand, stärken.
• Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Möglichkeiten mobiler Technologien aus-
schöpfen.
• Ein mittelstandsgerechteres öffentliches Vergabewesen schaffen und transparente und
faire Verträge vorhalten.
Die inhaltlichen Forderungen der in Form von privaten Vereinen organisierten Verbände
lassen sich weitgehend bereits aus ihren vorbeschriebenen Zielsetzungen und Bezeich-
nungen ableiten und sind der Natur der Sache nach aktuellen Strömungen unterworfen.
Aus der Vielzahl der in der Presse berichten Stellungnahmen und Positionspapiere sowie
in Veranstaltungen und Gesprächen formulierten Forderungen sollen daher jeweils einige
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 175
exemplarische Forderungen der beiden Verbände hervorgehoben werden. Sie richten sich
vor allem an Politik, Ministerien und Behörden.
aber im Kontext der jeweiligen Gesamtlösung zu sehen, und hier ergibt sich häufig ein
sehr wohl positiveres Bild. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verabschieden sowohl
von Gesetzen wie auch von IT-Muster-Einkaufbedingungen der Öffentlichen Hand oder
selbst Standarderklärungen (etwa zur ökologischen oder sozial nachhaltigen öffentlichen
Beschaffung von IT) letztlich aus ihrer eigenen Zuständigkeit der Öffentlichen Hand (je
nach Schwerpunkt Legislative oder Exekutive) entspringt und damit dem Wirken und
Einfluss der privaten Verbände gewisse Grenzen gesetzt sind. Die Praxis hat gezeigt, dass
die Zielerreichung der privaten Verbände umso höher ist, je mehr nachhaltig und langfris-
tig an den verfolgten Zielen gearbeitet wird und je mehr mit sachlich nachvollziehbaren
Gründen anstelle kommerziell getriebener Erwägungen argumentiert wird. Umso mehr
darf sie dabei auch Mehrheiten und die Öffentlichkeit hinter sich sehen. Insofern erfüllten
die privaten Verbände, weit über Impulse hinaus, eine wichtige Aufgabe in der Gestaltung
der Informationstechnologie und letztlich des technologischen Fortschritts in Deutsch-
land. Und gerade die „Typenreinheit“ als rein privater Verband mag dabei ihren Mehr-
wert an Klarheit und Unabhängigkeit von der Öffentlichen Hand ausmachen, wenn es um
das Ringen um Lösungen geht. Dabei sollte im Auge behalten werden, dass eine zu große
Zersplitterung der Interessenverbände letztlich kontraproduktiv für den von jedem Ein-
zelnen angestrebten Einfluss sein dürfte. Sie stellen einen wichtigen Baustein im Gesamt-
konzert aller wirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutsamen Meinungsmotoren dar.
Roland Heuermann
Neben den jeweils „brancheninternen“ Verbänden gibt eine kleine Zahl von Vereinen, in
denen aktive Vertreter des Öffentlichen Bereichs, Wissenschaftler und Unternehmen wie
auch Einzelpersonen, darunter auch Pensionäre aus verschiedenen Ebenen der Verwal-
tung, sich auf verschieden hohem Detaillierungsgrad und mit verschiedener Zielrichtung
mit Themen der Digitalisierung im Öffentlichen Bereichs beschäftigen. Zu nennen sind
vor allem folgende bundesweit tätige Vereinigungen:
Die AWV organisiert sich in temporären Arbeitskreisen (2016: Über 20), die teils in
mehrjährigen gelegentlichen Sitzungen konkrete Vorschläge zu Verwaltungsverfah-
ren, zur Normierung und Rechtsfragen ausarbeiten. Die Themen adressieren zum Teil
direkt oder indirekt digitale Lösungen der Kernverwaltung wie auch der sozialen Siche-
rungssysteme, z. B. −Titel von Arbeitskreisen − die elektronische Rechnung FeRD,
Rechtsfragen der digitalen Kommunikation, Vereinheitlichung von Datenübermitt-
lungssystemen im personalwirtschaftlichen Bereich. Darüber hinaus gibt es zahlreiche
Arbeitskreise, die sich mit der fachlichen Standardisierung von Datenübermittlungsfor-
maten beschäftigen und damit nützlich für nachlaufende Digitalisierungsarbeiten sind.
Nationales E-Government-Zentrum
Das Nationale E-Government-Zentrum (NEGZ) ist ein am 20.06.2016 mit dem früher
selbstständigen ISPRAT verschmolzener eingetragener Verein, der nach eigenen Anga-
ben (Stand 3/2017) aus ca. 100 Mitgliedern besteht, die entweder Einzelpersonen sind
oder private − teils sehr namhafte − wie öffentliche Betriebe vertreten [18]. Ziel des
NEGZ sind es, Innovation, Modernisierung und Transformation von Bund, Ländern und
Kommunen zu fördern und bestehende Schwächen der Forschung im Themenumfeld
E-Government abzuschwächen [21]. Das NEGZ lässt hierzu teils auf eigene Initiative,
teils auch auf Anregung durch den IT-Planungsrat, qualitativ hochwertige Studien − ca.
zwei bis fünf je Jahr − mit eher übergreifenden Themen im weiteren Kontext des The-
mas E-Government erstellen (Beispiele siehe in Tab. 6.4), außerdem erscheinen zudem
gelegentlich Stellungnahmen und Interviews. Einmal jährlich gibt es eine „Herbstkonfe-
renz“, in der u. a. die im Jahr erstellten Studien vorgestellt werden.
Mario Walther
In den letzten Jahrzehnten haben Verwaltungen auf der ganzen Welt umfangreiche und
grundlegende Modernisierungen durchgeführt: Beginnend mit dem New Public Manage-
ment (NPM) der 1980er Jahre über das Electronic/Open Government bis hin zu den
heutigen ersten Ansätzen des Digital Government. Mit der Entwicklung der Moderni-
sierungsparadigmen wandelten sich auch die Schwerpunkte, Rahmenbedingungen und
Methoden des Projektmanagements in der Öffentlichen Verwaltung. Dieser Beitrag zeigt
auf, wie Projektmanagement in dem sich nun abzeichnenden neuen Leitbild des Digital
Government ausgestaltet werden sollte.
Technologien entwickeln und betreiben. Auf Bundesebene sind dies vor allem die im
Grobkonzept zur IT-Konsolidierung Bund benannten fünf Dienstleistungszentren: das
Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund), das Bundesamt für Informationsmanage-
ment und Informationstechnik der Bundeswehr (BWI), das IT Systemhaus der Bun-
desagentur für Arbeit, die IT der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) und die
Auslands-IT des Auswärtigen Amtes. Besonders diese müssen einen Projektmanagemen-
tansatz etablieren, der den Anforderungen von Digitalisierungsprojekten gerecht wird.
Dazu zählt die Integration von internen und externen Digitalisierungskomponenten.
Zu den internen Digitalisierungskomponenten zählen beispielsweise hochstandar-
disierte Cloud-Services und modulare Plattformdienste. Digital Government bedeutet
auch, Plattformkomponenten wiederverwendbar über Ressortgrenzen hinweg einzuset-
zen. Anstatt spezifische Dienste oder IT-Verfahren individuell zu entwickeln, können im
Bereich der Basis- und Querschnittdienste Cloud-basierte Services verwendet werden.
Genau das ist ein Ziel des im Mai 2015 beschlossenen Grobkonzepts zur IT-Konsolidie-
rung. Geeignete Basis- und Querschnittsdienste sollen zukünftig auf der Bundes-Cloud-
Infrastruktur betrieben und als „Software as a Service“ angeboten werden. Mit dem
Aufbau der Bundes-Cloud als technologisch einheitlicher Plattform ist auch eine Stan-
dardisierung und Bündelung der darauf angebotenen Cloud-Services notwendig. Dafür
ist ein Projektmanagement erforderlich, das die Anforderungen der Bedarfsseite so
moderiert, dass eine Standardisierung der angebotenen Dienste möglich ist. Die
Bedarfsträger sind bei zentralen Cloud-Services auf viele fachliche Beteiligte in unter-
schiedlichen Ressorts verteilt. Das Projektmanagement sollte daher eine einheitliche
Vorgehensweise für die Erhebung von Anforderungen basierend auf einer abgestimmten
Kommunikations- und Verantwortungsstruktur etablieren.
Bei den großen Fachverfahren der Öffentlichen Verwaltung ist eine Standardisierung,
wie bei den Basis- und Querschnittsdiensten, aufgrund fachspezifischer Anforderungen
nur begrenzt möglich. Allerdings kann auch hier ein höherer Grad an Modularisierung
erreicht werden, der Synergieeffekte bei der Entwicklung und dem Betrieb von Fachver-
fahren ermöglicht. Ein Beispiel für diese Modularisierung ist das IT-Verfahren zur Kraft-
fahrzeugsteuer, das auf Bundesebene auch für andere Steuerarten verwendet werden soll.
Dieses Vorgehen entspricht dem Kerngedanken der Digitalisierung, der Innovationen in
der Leistungserbringung über die schnelle und einfache Kombination von digitalen Ser-
vices oder Plattformen postuliert. Das Arbeiten nach dem Baukastenprinzip erfordert die
Berücksichtigung unterschiedlicher fachlicher Anforderungen. Dem integrativen Projekt-
management kommt bei solchen Digitalisierungsprojekten die Aufgabe zu, unterschiedli-
che Anforderungen in modulare Angebotskomponenten zu fassen.
Die externen Digitalisierungskomponenten umfassen sowohl Standardprodukte, die
am Markt eingekauft werden, als auch externe Dienstleister, die den Transformationspro-
zess mit entsprechender Expertise begleiten. Der Schlüssel zur Etablierung des Digital
Government ist die Vernetzung mit Partnern. Doch der Aufbau und Erhalt eines solchen
Kooperationsnetzwerks ist herausfordernd. Wesentlicher Teil des integrativen Projekt-
managements ist die Steuerung sind Partner-Ökosysteme durch gemeinsame Ziele, eine
180 J. von Lucke et al.
offene Kultur für den effektiven Wissenstransfer und ein transparentes Schnittstellenma-
nagement. Es ist erfolgskritisch, dass die Steuerung der externen Dienstleister durch aus-
reichendes und qualifiziertes internes Personal sichergestellt werden kann.
Heinrich Rentmeister
Industrie 4.0 ist eine industrielle Revolution, die Produktionsweisen, aber auch Wert-
schöpfungsketten und Geschäftsmodelle grundlegend verändert. Vergleichbares vollzieht
sich auch im Dienstleistungssektor. Basierend auf neuen Technologien entstehen mit
„Service 4.0“ eine neue Form und Qualität von Dienstleistungen, effizienter, kundenori-
entiert und in höchster Qualität [20].
Die Öffentliche Verwaltung in Deutschland hat zu Recht einen guten Ruf für ihre
hohe Qualität und die Rechtssicherheit, die für Bürger und Unternehmen gleichermaßen
wichtig sind. Doch hinsichtlich Bürgerfreundlichkeit, Effizienz und Innovationsfähigkeit
hinkt sie inzwischen hinter Estland, Singapur oder auch Ländern im Nahen und Mittle-
ren Osten deutlich hinterher.2
Analysiert man Erfolgsbeispiele aus Wirtschaft und Öffentlicher Verwaltung, dann
zeigen sich klar drei wesentliche Ansätze, die gemeinsam ein völlig neues Serviceniveau
ermöglichen:
2Deutschland belegt Platz 18 von 28 im Digital Progress Report der Europäischen Kommission.
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 183
Konsequente Kundenorientierung
Besonders auf kommunaler und Landkreisebene sowie bei großen Dienstleistungsin-
stitutionen, also dort, wo die meisten Kontakte der Öffentlichen Verwaltung mit Bür-
gern und Unternehmen stattfinden, gibt es viele positive Beispiele für eine nachhaltige
Kundenorientierung. Insgesamt jedoch ist man in zu vielen Bereichen noch sehr stark
in einer fachlichen Struktur organisiert, nach der sich der Kunde zu richten hat. Ansätze,
diese Strukturen stärker an der Kundensicht zu orientieren, wie beispielsweise mit zen-
tralen 115-Nummern, sind als Callcenter „stecken“ geblieben. Die grundlegenden Pro-
zesse haben sich jedoch nur wenig verändert. Die „Customer Journey“ spielt keine
Rolle. Und selbst die Kommunikation mit den Kunden ist für diese allzu oft schlicht
unverständlich.
Sicherlich: Die Organisation nach Fachlichkeit bietet viele Vorteile. Aber andere
Servicedienstleister haben gezeigt, dass dies nicht nur sehr wohl durch eine Integration
der Kundenperspektive ergänzt werden kann, sondern dass hierdurch Mehrwert für alle
Beteiligten entsteht: Für die Kunden ein einfacher zugänglicher Service in besserer Qua-
lität − für die Verwaltung eine Konzentration auf das Endprodukt und damit eine höhere
Effizienz des Handelns. Daher hat es sich bewährt, die „Customer Journey“ nachzuzeich-
nen und alle Prozesse daran zu orientieren.
6.3.3.1 Abstract
Trotz langjähriger Bemühungen, E-Government in Deutschland umzusetzen, zahlreicher
Digitalisierungsvorhaben auf behördlichen Seiten und der erfolgreichen Erprobung von
über das Bundesgebiet verteilten Leuchtturm-Projekten, konnte sich ein flächendecken-
des E-Government nicht etablieren. Der Nationale Normenkontrollrat nahm dies zum
Anlass, in zwei Gutachten 2015 und 2016 sowohl die Kosten und Nutzen von E-Govern-
ment darzustellen als auch einen Umsetzungsplan für einen beschleunigten Ausbau des
E-Governments vorzulegen. Diese Gutachten wurden mit prägnanten Vorschlägen zu
einem Debattenbeitrag, der die Diskussion um die Digitalisierung der Öffentlichen Ver-
waltung neu belebte. Innerhalb dieser Diskussion kristallisierten sich einzelne Aspekte
heraus, wie etwa das gemeinsame Digitalisierungsbudget, der Innovationstransfer, die
Stärkung der Governance und die Übernahme von Führungsverantwortung durch die
politische Leitungsebene als elementare Lösungsbausteine für eine erfolgreiche Umset-
zung von E-Government.
Zugleich fasst das Gutachten auch die größten Hindernisse und Hemmnisse zusam-
men, die dazu führen, dass Deutschland bei der Umsetzung bislang im Vergleich mit
anderen EU-Länder einen hinteren Platz einnimmt. Zu diesen gehören vorrangig eine
fehlende Verbindlichkeit der verabschiedeten Strategien bei den föderalen Akteuren,
eine zu niedrig priorisierte Handlungsnotwendigkeit (Digitalisierung war bis dato keine
„Chefsache“) sowie fehlende Standards und Prinzipien zur Umsetzung eines erfolgrei-
chen E-Governments.
Eine zentrale Empfehlung des Gutachtens ist die Schaffung eines gemeinsamen Digi-
talisierungsbudgets als Basis für eine erfolgreiche Digitalisierung. Dass Digitalisierung
mit Kosten verbunden ist, erscheint nicht überraschend, für die Umsetzung sind zusätz-
liche finanzielle Mittel erforderlich. In der aktuellen Lage hat der Bund die finanziellen
Spielräume für eine Bereitstellung der erforderlichen Mittel, sodass er hier die Initiative
übernehmen sollte. Durch die Vereinbarungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanz-
beziehungen ist derzeit Bewegung im föderalen System, was die einmalige Chance bie-
tet, ein zusätzliches gemeinsames Budget zu schaffen.
Der Aufbau einer föderalen IT-Infrastruktur und die Bereitstellung gemeinsamer
Strukturen und Basiskomponenten für digitale Dienstleistungen der Verwaltungen von
Bund, Ländern und Kommunen gehören ebenso zu den Themen des NKR-Gutachtens
wie Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von E-Government-Maßnahmen. Hierfür wurden
neben internationalen Best Practices aus der Verwaltung auch Digitalisierungsinitiativen
der Wirtschaft ausgewertet.
Es sticht hervor, dass eine erfolgreiche Digitalisierung nicht meint, alte Prozesse
und Geschäftsmodelle elektronisch abzubilden, sondern dass durch technologische und
organisatorische Innovationen neue Verfahren, Modelle und ganze Geschäftszweige ent-
standen sind. Eine einfache Übertragung der Bemühungen aus Industrie und Wirtschaft
erscheint jedoch aufgrund der offensichtlichen Unterschiede zur Öffentlichen Verwal-
tung hinsichtlich Kultur, Organisationsstruktur etc. als nicht zielführend. Daher schlägt
das Gutachten vor, eine innovative Organisation zu schaffen, die zwar eng mit der Ver-
waltung verwoben ist, jedoch so viel Freiheit besitzen solle, dass Innovationen entstehen
können. In einer solchen Organisation sollen fachlich geprägte, praxisnahe und anwend-
bare Ideen umgesetzt werden. Die Trennung von den Arbeitsrhythmen und Zwängen
einer Behörde ermöglicht kreative Freiheit für Innovationen im öffentlichen Raum,
zugleich schafft die Verankerung im Verwaltungsumfeld fachlichen und praktischen
Bezug und ermöglicht den Transfer in einen Regelbetrieb.
Durch einen neuen IT-Staatsvertrag zwischen den Ländern und dem Bund soll die
Verbindlichkeit zur gemeinsamen Umsetzung bei den Akteuren gestärkt werden. Ein
solcher Vertrag legt nach Empfehlung des Gutachtens nicht nur das gemeinsame Budget
fest, sondern schreibt auch die Verpflichtung zur Einhaltung gemeinsamer Standards fest.
Der sogenannte „Digitale Service Standard Deutschland“ (kurz DSSD) umfasst Maß-
nahmen zur Nutzerorientierung und Bedienbarkeit, zur (Weiter-)Entwicklung und Pflege
digitaler Services, aber auch zur regelmäßigen Kontrolle und Evaluation der Dienstleis-
tungen auf eben diese Standards. Damit sollten Dienstleistungen bundesweit mit einem
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 187
Mindestniveau einheitlich gestaltet sein, sodass die Qualität des E-Governments nicht
vom individuellen Wohnort abhängig ist.
3. Innovationstransfer schaffen
Der Transfer von Innovationen und neuen Technologien in die Verwaltung ist eine grund-
legende Aufgabe, um rege nachgefragte E-Government-Lösungen zu schaffen. Bürger,
die die modernen Online-Angebote von Unternehmen gewöhnt sind, werden immer
mehr erwarten, dass sie solche Angebote auch von der Verwaltung erhalten. Daher wird
es notwendig sein, sich erstens Innovationen aus Wirtschaft, Forschung und internationa-
len Verwaltungsbeispielen anzueignen und zweitens diese in die Verwaltung zu überfüh-
ren, ohne dass die Innovation verloren geht.
Der Vorschlag einer unabhängigen Organisation, die Innovationen schaffen und so den
Transfer neuer technischer Lösungen vorantreiben soll, wurde mit Zurückhaltung aufge-
nommen. Vor allem der IT-PLR, dessen originärer Zuständigkeitsbereich davon betroffen
sein würde, hält eine solche Organisation für nicht notwendig. Der nach der Veröffentli-
chung des Gutachtens gefasste Beschluss, die FITKO institutionell zu unterfüttern, soll
den IT-PLR bei der operativen Arbeit unterstützen. Dies sieht die Bundesregierung als
eine mögliche Antwort auf eine innovative Organisation, wie sie im Gutachten vorge-
schlagen wurde. Derzeit befindet sich die FITKO noch in der Konstituierungsphase. Es
ist daher noch nicht absehbar, ob sie über eine ausreichende personelle Ausstattung und
den erforderlichen Auftrag verfügen wird, über die operative Arbeit hinaus auch „öffent-
liche Innovationen“ zu fördern. Der NKR hat mit seinem Vorschlag eine Idee unterbrei-
tet, an dem sich die FITKO messen lassen muss. Der Blick in andere Länder zeigt, dass
Innovationslabore, Mindlabs oder Government-Start-ups ernst zu nehmende Ansätze
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 189
sind, um die Agilität und Innovationskraft der Verwaltung zu erhöhen. Sollte dies der
FITKO nicht in zufriedenstellendem Maße gelingen, wird die Diskussion über solche
Institutionen weitergeführt werden.
Umsetzung und die Schnittstelle zum Bürger. Ihre Erfahrungen sollten daher Grundlage
der IT-PLR-Diskussionen sein und sie sollten von Beginn an, als Teil der Umsetzungs-
strategie, mit gedacht und einbezogen werden.
Offen bleibt dabei die Diskussion um die Notwendigkeit eines Chief Digital Officers
(CDO) für die Verwaltung, der im Gutachten benannt wurde und in dessen Aufgaben-
bereich der Innovationstransfer fallen solle. Der Bund nimmt hier noch eine zurückhal-
tende Stellung ein, während beispielsweise in Baden-Württemberg diese Rolle explizit
besetzt, jedoch mit dem CIO zusammengelegt ist.
6.3.3.4 Fazit
Deutschland steht, was die digitale Verwaltung betrifft, noch im Mittelfeld. Die Beiträge
des NKR haben dies, wie viele weitere Studien, offengelegt. Wenn Deutschland den
Anschluss an die Nachbarländer nicht verlieren und zu den Spitzenreitern aufschließen
will, muss jetzt gehandelt werden. Das im Auftrag des NKR von CSC und Capgemini
geschriebene Gutachten hat dazu eine Debatte erneuert und mit Argumenten unterfüttert.
In den anschließenden Diskussionen hat sich gezeigt, dass die Chancen für die Digitali-
sierung vorhanden sind. Wenn die finanziellen Grundlagen geschaffen werden, der Geist
der Zusammenarbeit und die Bereitschaft für gemeinsame ebenenübergreifende Vorhaben
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 191
gestärkt und die Digitalisierung endlich als wichtige Aufgabe verstanden wird, kann die
erfolgreiche Umsetzung von E-Government gelingen.
Ulf Schitkowsky
wirklich konkret angegeben werden können. Das bedeutet, dass die zugrunde liegende
Infrastruktur dynamisch im Leistungsverhalten anpassbar sein muss. Durch die oft nur
mäßig genauen Nutzungsprognosen der Dienste sollte die IT-Infrastruktur sehr flexibel
und skalierbar sein, sodass die IT-Verfahren, bei sich verändernden Bedarfen, möglichst
einfach und automatisiert IT-Infrastruktur-Ressourcen nutzen oder nicht mehr benötigte
Ressourcen freigeben können.
Wenn diese Anforderungen gegeben sind, fällt die Wahl der künftigen IT-Infrastruktur
fast automatisch auf Cloud-Systeme. Sie wurden speziell mit dem Blick auf den schwer
in seiner Größenordnung vorhersehbaren Datenhunger, die Fokussierung der IT-Kunden
auf die Fachanwendungen und nicht auf Details der IT-Infrastruktur sowie die Erwartung
an schnelle Bereitstellungszeiten und das Vermeiden unnötiger Leerkosten hin entwickelt.
Um Cloud-Dienste nutzen zu können, sind neben den technischen Voraussetzungen
aber auch organisatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, um die neuen Infrastruktu-
ren und Applikationsarchitekturen zu betreiben.
Als methodischer Rahmen zur Darstellung von Clouds hat sich das Cloud Delivery
Model (vgl. Abb. 6.10) als sinnvoll erwiesen. Das Modell sieht vor, Services und deren
Betrieb stellten und recht unflexibel im Management waren. Das Ergebnis waren rela-
tiv hohe Betriebskosten und größerer Zeitbedarf der Bereitstellung neuer Dienste. Seit
ca. 2008 haben sich dann sogenannte „Referenzarchitekturen“ und „konvergente Inf-
rastrukturen“ am Markt durchgesetzt, die alle Infrastrukturbestandteile in einer Blau-
pause bewährter Architekturen enthielten. Durch den Ansatz „alles aus einer Hand“ oder
zumindest den Aufbau und das Management nach einem Blueprint eines oder mehrerer
Hersteller wurde dabei das Management, d. h. die Betriebsführung, deutlich verein-
facht. Die Flexibilität der Infrastruktur war aber immer noch sehr stark durch die durch
die Hersteller vorgedachten „Building Blocks“ vordefiniert. In der Folge wurden dann
„Hyperkonvergente Systeme“ entwickelt, die den Ansatz weiter standardisierten und vor
allem deutlich stärker auf homogene Standardhardware bauten. Der wesentliche Aspekt
dieser Systeme ist die komplette Bereitstellung und Steuerung der Infrastrukturfunktio-
nen durch Software, wobei aber bei den meisten Systemen, je nach Bauart in bestimm-
ten Leistungsbereichen, Grenzen in der Skalierbarkeit gesetzt sind, sodass diese Systeme
nicht unbesehen für alle Anwendungsfelder passen.
Diese Schwächen hyperkonvergenter Systeme überwindet der aktuellste Trend bei
den Cloud-Systemen, die sog. „Composable Infrastructures“. In ihnen werden alle Kom-
ponenten durch Software gesteuert und in sog. „Fluid Ressource Pools“ bereitgestellt,
die dann durch die Anwendungen per Software bedarfsgerecht dynamisch konfiguriert
werden. Dabei sind diese Systeme sehr breitbandig für traditionelle Anwendungen und
Architekturen wie auch für moderne Architekturen wie z. B. Container-Umgebungen
einsetzbar und in sehr weitem Rahmen skalierbar.
Wesentlich für die Nutzung der Infrastrukturen im Cloud-Umfeld und damit als
Grundlage für Digitalisierungsvorhaben sind im technischen Bereich u. a.
bei der Servicebereitstellung und auch bei sich ändernden Anforderungen automatisch
anzupassen.
– Modernisierung der Applikationsarchitektur: Mindestens mittelfristig muss die Appli-
kationsarchitektur überdacht werden. Aktuelle Applikationen sind zu monolithisch
aufgebaut, um sie in hochdynamischen Infrastrukturen effektiv zu verteilen und zu
betreiben. Hier geht der aktuelle Trend zu lose gekoppelten Micro-Servicearchitektu-
ren, die eine granularere Zuordnung zu Infrastrukturen erlauben, einzeln skaliert wer-
den können und damit eine bessere Anpassung der Systeme an die Anforderungen der
Anwender erlauben. Hierzu setzen sich aktuell Container-Umgebungen und entspre-
chende Managementsysteme als Plattform as a Service durch. Modernisierungsvorha-
ben im Bereich der Infrastruktur müssen diesen Aspekt deutlich in den Fokus nehmen.
Die konkrete Umsetzung des Modells mit seinen Rollen und Prozessen muss immer
an die bestehende Organisation und die Anforderungen angepasst werden. Eingebettet
wird diese Betriebsorganisation in die bestehenden Bereiche wie IT-Governance und
IT-Service-Management.
Die wesentlichen neuen Aspekte in der Organisation sind einerseits die Rollen und
Prozesse im Bereich der agilen Cloud-Entwicklung, die sich mit der Entwicklung der
Konzepte und der Umsetzung der Software-Methodik zur Infrastruktur- und Service-
Entwicklung befassen. Andererseits sind auch in den anderen Schichten neue Rollen
zu finden, die konkret den Bedarf von Cloud-Systemen im Kontext der Digitalisierung
betreffen. So muss auch in der Schnittstelle zum Service-Anwender (Cloud Service Ope-
rations) u. a. durch den Cloud-Service-Architekten die neue Art der Servicebereitstellung
bearbeitet werden.
Organisatorisch ist die übergreifende Nutzung von technischen Infrastrukturen anzu-
streben, um die eingangs beschriebene Flexibilität zu erreichen und damit dynamisch auf
sich ändernde Bedarfe der Digitalisierungsvorhaben reagieren zu können. Hierzu macht
es Sinn, auch behördenübergreifende Infrastrukturen wie Netzwerke, Rechenzentren,
aber vor allem auf allgemeinen Standards beruhende Cloud-Umgebungen aufzubauen,
um die Grundlage für diese Art der Nutzung zu erstellen.
(3) Schlussfolgerungen
Die weitere Digitalisierung der Fachverfahren wird insbesondere für die IT der Öffent-
lichen Verwaltung ein wesentlicher Treiber der eigenen Weiterentwicklung in den kom-
menden Jahren sein. Eine wesentliche Aufgabe ist es, die bestehenden Infrastrukturen
zu modernisieren und dafür eine übergreifende Konzeption zu erstellen, um die flexible
Nutzung dieser Strukturen und die kostengünstige Abdeckung auch weiter steigender
Bedarfe nach IT-Services zu ermöglichen. Wie entsprechende Projekte auf Bundesebene
und einzelnen Ländern zeigen, geht dabei an der Cloud kein Weg mehr vorbei.
Diese Erkenntnis hat außerhalb der Infrastrukturwelt nicht nur Auswirkungen auf die
aktuell schon betriebenen IT-Anwendungen, sondern wird auch die Entwicklung neuer
Fachverfahren beeinflussen.
unter dem Stichwort „Big Data“ − derzeit große Hoffnungen verbunden [19]. Big Data
steht für eine fortgeschrittene Art von Datenanalyse, die erst durch den derzeitigen Sta-
tus der Verfügbarkeit von großen und nicht zuletzt auch unstrukturierten Datenmengen,
etwa aus Social-Media-Anwendungen, und in der Regel unter Einbezug neuartiger Ana-
lysesoftware ermöglicht wird. Der Branchenverband Bitkom definiert Big Data als „die
Analyse großer Datenmengen aus vielfältigen Quellen in hoher Geschwindigkeit mit
dem Ziel, wirtschaftlichen Nutzen zu erzeugen“ [2].
Für Datenanalysen unter dem Schlagwort „Big Data“ sind dabei fünf Faktoren cha-
rakteristisch („fünf V“ nach den englischen Begriffen, [13]):
Um eine trennscharfe Definition handelt es sich dabei aber nicht. In vielen Fällen kann
nicht eindeutig gesagt werden, ob es sich bei einer Anwendung noch um eine traditio-
nelle Form der Datenverarbeitung handelt oder schon um eine Big-Data-Analyse.
Die fachlichen Erwartungen, die an den Einsatz von Big-Data-Datenanalysen
geknüpft werden, sind gleichwohl vielfältig. Hoffnungen bestehen etwa darin, Verkehrs-
staus und lange Parkplatzsuchen zu vermeiden, Krankheiten früher zu erkennen, Sozial-
und Arbeitsförderungsmaßnahmen passgenauer zu vermitteln, die Wartung von Anlagen
bei der Energieversorgung oder im Schienenverkehr zu optimieren, Steuern effektiver zu
erheben, Gesetzesfolgen besser abzuschätzen und unnötige Verwaltungskosten einzuspa-
ren [19]. Ein in der Öffentlichkeit bekanntes Anwendungsbeispiel ist Predictive Policing,
das seit 2014 von der Zürcher Stadtpolizei zur Einbruchsprävention eingesetzt wird. Mit-
hilfe der vom Deutschen Institut für musterbasierte Prognosetechnik entwickelten Soft-
ware „Precobs“ wird auf Basis einer Auswertung vergangener Straftaten eine Prognose
für künftige Einbruchsfälle erstellt, die wiederum effektive Präventionsarbeit und bessere
Aufklärungsergebnisse ermöglichen soll. Nach ersten internen Evaluationen soll durch
den Einsatz der Prognosetechnik die Verhaftungsquote bei regulären Streifendiensten
verdoppelt worden sein, während die Zahl der Einbrüche in den besonders überwachten
Gebieten um bis zu 30 % gesunken sei [13].
KPMG hat das Thema Big Data im Frühjahr 2016 mit Unterstützung von Bitkom
Research und des von KPMG geförderten Instituts für den Öffentlichen Sektor unter-
sucht [13]. Dabei wurden 102 Behörden- und Abteilungsleiter aus deutschen Bundes-,
Landes- und Kommunalverwaltungen mit mindestens 100 Mitarbeitern anhand eines ein-
heitlichen Fragenbogens telefonisch interviewt. Dabei hat sich herausgestellt, dass das
Thema Big Data insgesamt auf großes Interesse stößt. 49 % der befragten Verwaltungs-
einheiten standen dem Thema ausdrücklich aufgeschlossen gegenüber, nur drei Pro-
zent sahen es eher kritisch und ablehnend. Fast zwei Drittel erwarteten, dass das Thema
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 199
innerhalb der eigenen Organisation in den kommenden drei Jahren wichtiger wird und
ein Drittel hatte damals nach eigenen Angaben bereits Big-Data-Lösungen im Einsatz.
Im Hinblick auf die eigene Arbeit gaben fast drei Viertel der befragten Verwaltun-
gen (72 %) an, dass die Analyse von Daten an Bedeutung gewinnt. Allerdings gilt dies
offenbar nicht für fortgeschrittene Datenanalysen, bei denen mithilfe neuer Technologien
Daten unterschiedlichster Herkunft und Struktur zur freien Suche von Zusammenhängen
und Erkenntnissen verarbeitet werden. Fast alle Verwaltungen setzten einfache IT-Instru-
mente zur Analyse ein, nur 17 % nutzten fortgeschrittene Datenanalysen mit neuen Tech-
nologien. Allerdings erörterten damals weitere 38 % deren Einsatz, siehe Abb. 6.13.
Bemerkenswert erscheint auch, dass der Nutzen von Big Data für die Öffentliche
Verwaltung offenbar noch nicht alle Erwartungen erfüllt. Weniger als die Hälfte der Ver-
waltungen war der Befragung zufolge der Auffassung, dass sie bereits regelmäßig die
Erkenntnisse aus den Datenanalysen in einen konkreten Nutzen umwandeln. Andere
Verwaltungen beobachteten nur zum Teil direkte Wirkungen, wie verbesserte Entschei-
dungsgrundlagen, verminderte Risiken oder individuellere Dienstleistungsgestaltung.
Als größte Hürden beim Einsatz von Big-Data-Lösungen nannten die befragten
Verwaltungen Unsicherheiten beim Datenschutz, die fehlende Bereitschaft zur Koope-
ration mit externen Dienstleistern und Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit (vgl.
Abb. 6.14). Zwei Drittel der Verwaltungen, die bislang keine fortgeschrittenen Datenana-
lysen einsetzten, gaben Datenschutzbedenken als einen der Gründe für den Nichteinsatz
an. Bei gut einem Drittel mangelt es an technischen und personellen Ressourcen. Externe
Dienstleister werden von den Verwaltungen allerdings nur selten genutzt. Im Vergleich
zur deutschen Wirtschaft lagern die Verwaltungen auch deutlich seltener Prozesse im
Zusammenhang mit Datenanalysen und großen Datenmengen aus. Fast zwei Drittel der
Verwaltungen fürchten hierbei wiederum Datenschutzprobleme [13].
zu steigern und dies, wie gesagt, nicht um Menschen zu entlassen, sondern um wesentli-
che Aufgaben des Öffentlichen Dienstes überhaupt noch bewältigen zu können [16].
Dabei lässt sich der lange und komplexe Weg in die Digitalisierung nicht ohne ein
entsprechendes strategisches Konzept bewerkstelligen. Aus Sicht der Öffentlichen Hand
bedarf es einer gewissen Organisation und Steuerung, um Wissen zu bündeln und zen-
traler Ansprechpartner zu sein, auf staatlicher Ebene etwa durch eine Digitalagentur.
Auch auf kommunaler Ebene wird eine organisatorische Bündelung öffentlicher Kom-
petenzen und Verantwortlichkeiten notwendig sein. Nicht zuletzt bei der Umsetzung von
„Smart-City“-Konzepten kommt es auf die Koordination einer Vielzahl unterschiedlicher
Akteure aus öffentlichem, privatem und ggf. auch dem Non-Profit-Sektor an.
Im Rahmen der Umsetzung von Digitalisierungsstrategien geht es darum, sowohl Pro-
zesse bei der Information und Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern bzw. der
Wirtschaft digital abzubilden als auch im Verhältnis von Behörden untereinander. Beson-
ders wesentlich ist dabei, nicht nur bestehende Verfahren zu digitalisieren, sondern eine
insgesamt vereinfachte Ablauforganisation zu erreichen. Die Digitalisierung hat damit
eine umfassende Prozessanalyse und -reorganisation zur Voraussetzung. Nur so kann für
die Öffentliche Hand die Chance genutzt werden, durch eine Digitalisierung ihre Dienst-
leistungen auch wirtschaftlicher erbringen zu können.
Hierbei geht es beispielsweise um die Entwicklung und Einrichtung von Bürgerpor-
talen und Servicezentren, welche den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen digital
bündeln, wie auch um die externe und interne Nutzung von Social-Media-Anwendun-
gen. Erreicht werden muss auch die Digitalisierung einzelner Dienstleistungsbereiche,
wie etwa der Einführung elektronischer Steuererklärungen oder elektronischer Identi-
tätsnachweise. Im Endeffekt kann durch vermehrte digitale Dienstleistungen auch eine
gesteigerte Transparenz gegenüber dem Bürger erreicht werden, etwa durch eine lau-
fende internetbasierte Vorgangsverfolgung.
Bei all dem darf auch die Sicht auf neue Risiken nicht ausgeblendet werden. Infolge
des digitalen Wandels und der damit verbundenen digitalen Öffnung der betroffenen Ins-
titutionen wird die Öffentliche Hand vermehrt anfällig für Angriffe aus dem Cyberspace.
Die Öffentliche Hand bedarf daher auch der Fortentwicklung von Cyber-Abwehr-Strate-
gien und eines entsprechenden Risikomanagements für Behörden und öffentliche Unter-
nehmen.
Philipp Kleinmanns
Computer oder mobilen Endgerät eröffnet werden. Dieselben Erwartungen haben Bürger
an ihre Öffentliche Verwaltung: Sie sehen sich als Kunden und möchten ihren Online-
Antrag nicht ausdrucken und per Post absenden, sondern − so wie es der Name ver-
spricht − online einreichen.
Damit dies gelingt, sind allerdings einige Voraussetzungen zu erfüllen: Die gesetzli-
chen Rahmenbedingungen müssen definiert, die Verwaltungsprozesse müssen durchgän-
gig und die dahinterliegenden IT-Prozesse müssen präzise aufeinander abgestimmt sein.
Die IT wird zum wichtigsten Pfeiler der digitalen Verwaltung. Klassische IT-Ansätze
haben hier ausgedient. Erst eine als professioneller IT-Service-Provider aufgestellte IT-
Organisation ist in der Lage, die Verwaltung zu digitalisieren.
Dadurch entsteht einerseits eine Vergleichbarkeit mit den großen Service-Providern
aus der Privatwirtschaft, andererseits sind die IT-Service-Provider der Öffentlichen Ver-
waltung jedoch hoch spezialisiert auf die Prozesse und Anforderungen der Öffentlichen
Verwaltung. Neben den üblichen Standardleistungen bieten sie beispielsweise auch die
Entwicklung und den Betrieb von Fachanwendungen.
Die Art der angebotenen Leistungen für Bürger und Unternehmen haben großen Ein-
fluss auf die Bereitstellung der IT-Services. Wenn die Verwaltung beispielsweise die
Übermittlung von Online-Anträgen anbietet, erfordert dies ein in die Verwaltungspro-
zesse integriertes Online-Portal.
6.3.6.2 IT-Strategie
Entscheidend für die Aufstellung als IT-Service-Provider der Öffentlichen Verwal-
tung sind eine konsequent darauf ausgerichtete IT-Strategie und die Sicherstellung der
Anwendung dieser Strategie (IT-Governance). Ein besonders wichtiger Punkt im Rah-
men der IT-Strategie ist in der Öffentlichen Verwaltung die Berücksichtigung von
Gesetzen. Dazu zählen beispielsweise das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die
Datenschutzgesetze der Länder, die den Umgang mit personenbezogenen Daten regeln.
Wenn der Online-Antrag aus dem o. g. Beispiel personenbezogene Daten enthält, erge-
ben sich somit besondere Anforderungen an den Datenschutz. Alle Einflüsse auf benö-
tigte IT-Services müssen in einem Anforderungs-Managementprozess behandelt werden,
um sicherzustellen, dass später gelieferte IT-Services diesen Anforderungen entsprechen.
Der Schlüssel innerhalb der IT-Organisation für die Digitalisierung der Öffentlichen
Verwaltung liegt darin, das IT-Portfolio an den Prozessen und Anforderungen der Öffent-
lichen Verwaltung auszurichten und die daraus resultierenden IT-Services in durchgängi-
gen und hoch automatisierten IT-Prozessen bereitzustellen und zu verwalten.
eine entsprechende Flexibilität nicht bieten. Hinzu kommt: Bei den großen Anbietern
sind diese Dienste kurzfristig wieder stornierbar, ohne dass für den Kunden weitere Fol-
gekosten entstehen. Dies ist im eigenen Rechenzentrum nur dann möglich, wenn eine
ausreichende Anzahl interner Nutzer vorhanden ist, um diese Kapazitäten anschließend
weiteren Anwendern zur Verfügung zu stellen. Anderenfalls trägt die das Rechenzentrum
finanzierende Behörde die Leerkosten für die ungenutzte Infrastruktur.
Zudem stehen die Aufwände für Automatisierungsprojekte in einem besseren Ver-
hältnis zu den daraus entstehenden Vorteilen, wenn die automatisierten IT-Prozesse
möglichst häufig durchlaufen werden. Die Grenzkosten sind degressiv. Diese Kosten-
degression kann dadurch erreicht werden, dass eine Konsolidierung der IT-Service-
Provider bzw. IT-Organisationen der Öffentlichen Verwaltung stattfindet (wie z. B. bei
ITZBund, siehe Abschn. 5.2.1.2).
1. Standardisierung/Automatisierung
2. Kontinuierliche Verbesserung
3. Modularisierung
4. Konzentration auf Kernkompetenzen
Die IT-Organisationen des Öffentlichen Sektors befinden sich größtenteils noch in der
Phase der Standardisierung/Automatisierung und der kontinuierlichen Verbesserung. IT-
Service-Kataloge stehen häufig noch sehr am Anfang und sind eher durch die IT-Organi-
sation als durch die Anforderungen der digitalen Verwaltung geprägt.
Die Modularisierung spielt eine wichtige Rolle bei der Leistungsfähigkeit, denn durch
das Zerlegen von IT-Services in Building Blocks können Bestandteile der IT-Services
wiederverwendet werden und in noch größerer Stückzahl gefertigt werden. Zudem
besteht die Möglichkeit, Building Blocks mit ihren Herstellungskosten zu versehen und
damit eine exakte Kalkulation der Kosten bestimmter IT-Services durchzuführen.
Die Konzentration auf Kernkompetenzen bedeutet für die behördeninternen IT-
Bereiche der Öffentlichen Verwaltung, sich auf die behördenspezifischen Fachaufgaben
zu konzentrieren und nur behördenspezifische Erweiterungen an zentral bereitgestellten
Standard-IT-Services vorzunehmen. Aktuell werden viele IT-Services noch vollständig
durch die dezentralen IT-Organisationen der Öffentlichen Verwaltung selbst erbracht.
Cloud-Anbieter stellen sich mit deutschen Standorten und angepassten Vertragswerken
aber bereits darauf ein, in Zukunft Standardleistungen für die Öffentliche Verwaltung
übernehmen zu können.
206 J. von Lucke et al.
viele kleine und mittelständische, oft inhabergeführte Unternehmen nicht die finanzielle
und personelle Ausstattung, um ein eigenes Innovation-Lab bei sich aufzubauen. Sie
sind vielmehr auf Orte in ihrer Nähe angewiesen, wo sie diese Kompetenzen erleben und
erlernen können − und das dauerhaft. Ein Digital Experience Center leistet hierbei zent-
rale Unterstützung.
Gleichzeitig ermöglicht ein Digital Experience Center die Vernetzung am Standort
und fördert damit eine der vorrangigen Aufgaben der Wirtschaftsförderung in den Kom-
munen: Es bildet eine Plattform, auf der Unternehmen mit Wissenschaftlern, Start-ups,
anderen Unternehmen, der Wirtschaftsförderung und vor allem mit Kunden bzw. Nutzern
zusammenkommen, sich gegenseitig stimulieren und voneinander lernen. Co-Creation,
die Nutzung der Schwarmintelligenz und der direkte Kundenkontakt beim Testen neuer
digitaler Produkte und Services sind Funktionen, die in einem Digital Experience Center
abzubilden sind.
Digital Incubator
Für die erfolgreiche digitale Transformation von Unternehmen genügt es nicht nur, digi-
tale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Sie müssen auch am Markt eingeführt werden.
Dazu sind oftmals Inkubatoren notwendig, um Ideen, Produkten oder Services, die noch
nicht marktreif sind, einen „Schutzraum“ zu geben, um sich (vor den traditionellen Ver-
haltensmustern der Legacy-Organisation geschützt) entwickeln zu können. Ähnlich wie
Neugeborene, die nach der Geburt noch eine Zeit lang in einem Brutkasten bleiben müs-
sen, bis sie selbstständig leben können.
Das Digital Experience Center kann der Ort für einen Digital Incubator sein. Es bietet
den Raum außerhalb der bestehenden Unternehmensstrukturen, um ein neues Geschäft
aufzubauen. Dort kann zudem die Kooperation mit Start-ups intensiviert werden, die den
Unternehmen Technologie-Know-how und digitale Talente zur Verfügung stellen kön-
nen. Oder sie dienen als interessantes Investitionsvorhaben.
Entscheidend bei der Realisierung digitaler Geschäftsmodelle ist die Geschwindig-
keit. Von und gemeinsam mit Start-ups können Unternehmen schlanke Organisations-
strukturen (Lean Start-up) übernehmen und dadurch den Kulturwandel im Unternehmen
anregen und vorantreiben.
Gleichzeitig können Kommunen ihre Gründungsinitiativen und Förderprogramme an
diesem Punkt konzentrieren.
Agile Collaboration
Die Möglichkeit, offen und agil zusammenzuarbeiten und neues Wissen zu teilen, ist
ein zentraler Bestandteil einer digitalen Kultur. Durch die in einem Digital Experience
Center angebotenen Arbeitsformate können Unternehmen in der Region wichtige Kern-
kompetenzen und neue Verhaltensweisen vermittelt werden, agile Kollaboration wird für
alle erlebbar gemacht. Prozesse, die alle Mitarbeiter flexibel in Kontakt treten lassen und
multi-disziplinäre Teams bilden, werden einstudiert, abteilungsbedingte Silos abgebaut
und ein hierarchiefreies Arbeiten erlernt.
6 Treiber, Ratgeber, Meinungsmacher 209
Das Digital Experience Center bietet einen „geschützten“ Raum, in dem die Wei-
tergabe von Erfahrung und selbstständige Arbeitsformen in Teams gefördert werden.
Grundlage dafür ist eine offene Fehlerkultur, die in einem gesicherten Umfeld am leich-
testen entsteht. Denn nur in einer Arbeitsumgebung, in der Fehler akzeptiert werden und
man aus ihnen lernen darf, werden Erfahrungen offen und freiwillig geteilt.
Workplace Design
Räume werden zum Enabler (Ermöglicher) digitaler Unternehmensstrategien. Sie tragen
zum Kulturwandel in einem Unternehmen bei. Sie fördern die offene und hierarchiefreie
Kommunikation, die multi-disziplinäre Zusammenarbeit, neue Arbeitsweisen und itera-
tive und explorative Innovationsprozesse sowie neue Organisationsmuster.
In dem Digital Experience Center werden unterschiedliche Arbeitsplatzumgebungen
vorgestellt, mit denen Unternehmen experimentieren können. Die Arbeitsumgebung wird
stärker den unterschiedlichen Arbeitssituationen und weniger statischen Raumkonzep-
ten folgen, an die sich die Menschen in den letzten Jahrzehnten immer mehr angepasst
haben. Im digitalen Zeitalter passt sich vielmehr der Raum den Nutzungserfordernissen
der Menschen an. Für die Innenarchitektur bedeutet das ein hohes Maß an Flexibili-
tät. So sind beispielsweise offene Raumstrukturen, in denen es keine festen Schreibti-
sche, sondern inspirierende Kreativitätsbereiche für die Ideengenerierung (Ideation)
neuer digitaler Geschäftsmodelle, für das Brainstorming oder um Prototypen zu bauen
gibt, notwendig, um Innovation und Kreativität zu fördern. Gleichzeitig müssen Rück-
zugsorte vorhanden sein, da ein offener, dynamischer Arbeitsplatz auch störend wirken
kann. Bereiche zur sozialen Interaktion (Social Collaboration) sind ebenso notwendig
wie Bereiche, die ohne funktionale Zielsetzung gestaltet sind und Raum für neue Gedan-
ken geben (Purpose-free Generic Thinking Areas). Räume werden sich in Zukunft daher
ständig anpassen müssen. Erforderlich sind Mobiliar und Wände, die flexibel nutzbar
sind. Mit innovativen Prozessen, wie Design Thinking, erhalten Unternehmen ein tiefes
Verständnis der Mitarbeiterbedürfnisse und können kontinuierlich ihre Arbeitsumgebung
verbessern. Das Digital Experience Center wird somit zum Experiementierfeld neuer
Raumkonzepte.
verfügt, um vor allem kleine und mittelständische Unternehmen in der Kommune bei der
digitalen Transformation zu begleiten.
Literatur
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Wirkungen und Erfolge der
Digitalisierung 7
Roland Heuermann, Matthias Tomenendal und Carsten Jürgens
Roland Heuermann
R. Heuermann (*)
Bonn, Deutschland
E-Mail: roland_heuermann@t-online.de
M. Tomenendal · C. Jürgens
Berlin, Deutschland
E-Mail: matthias.tomenendal@hwr-berlin.de
C. Jürgens
E-Mail: carsten.juergens@computacenter.com
neu hinzukommenden und der bedrohten Arbeitsplätze. Für manches gibt es nur vage
Vermutungen, da die Sachverhalte eigentlich zählbar wären, sich aber bisher niemand der
Mühe unterzogen hat, dies auch zu tun, und/oder aber eine übergreifende Normierung
der einbezogenen Größen fehlt, wie z. B. beim Anteil IT-unterstützter Verwaltungsver-
fahren. Weder gibt es derzeit eine abgeschlossene Liste aller öffentlichen Verwaltungs-
verfahren (Zwischenstand im Leistungskatalog der Öffentlichen Verwaltung LeiKa mit
über 5000 vgl. Abschn. 8.2.5), noch hat jemand eine vollständige Zuordnung im Öffent-
lichen Bereich eingesetzter IT-Anwendungen zu den im Leistungskatalog LeiKa befind-
lichen Verfahren vorgenommen. Darüber hinaus ist die Entwicklung der Digitalisierung
gewiss noch nicht zu einem absehbaren Ende oder einer flacher werdenden Innovations-
kurve gekommen, sodass im besten Fall ein Zwischenfazit in mehreren sachlich getrenn-
ten Betrachtungsdimensionen erfolgen kann (Tab. 7.1).
Erfolgsberichte zum Stand der Digitalisierung enthalten meist weniger umfangreiche
Listen von Indizes als die gezeigte Tabelle. Sie konzentrieren sich meist auf Zufrieden-
heits- und Nutzungszahlen. Es gibt sie sowohl in periodischen Veröffentlichungen wie
auch in nur jeweils einmalig erhobenen Beobachtungen. Die wichtigsten periodischen
Berichte sind:
Tab. 7.1 Erfolgs und Misserfolgsmaßstäbe der Digitalisierung (absolut und relativ). (Eigene Dar-
stellung)
Wirkung Sozio-kulturell Wirtschaftlich Politisch Verwaltung
Statistisch • Nutzungsverhal- • Wachstum Digi- • Aufmerksamkeit • %-Abdeckung
ten für IT-Services talbranche der Parteien für Verwaltungsab-
und Geräte (Häu- • Zahl neuer Digitalthemen läufe
figkeit, Dauer, % Arbeitsplätze • Förderung der • %-Abdeckung
der Bevölkerung) • Zahl bedrohter Forschung zu Rechtsgeschäfte
• Digitalkompetenz Arbeitsplätze Digitalthemen • % Nutzung
durch Bildung und • Kostenreduzie- • Förderprogramme E-Government
Ausbildung rung Produktion Wirtschaft • Kostensenkung
• Nutzerzahl und • Geschwindigkeits- • Förderliche • Innovationstreiber
Zufriedenheit vorteil Abläufe Gesetzgebung für Gesellschaft
Funktional • Neue Kommuni- • Wettbewerbsfä- • Höhere Transpa- • Leichterer
kationsformen/– higkeit digitaler renz Zugang zu Behör-
Foren und nicht-digitaler • Größere Kampag- den
• Digitaltechnik im Angebote nenfähigkeit • Behördensachen
Gesundheitswesen • Neue Services • Smarte Form besser verstehen
• Virtuelle Welten in und Geschäfts- Ressortprinzip • Höhere Rechtssi-
Spiel/Simulation ideen • Kooperation der cherheit
• Digitale Teilhabe • Bessere Qualität Ebenen • Höhere Effizienz
und Ausschluss der alten Services und Effektivität
• IT-Sicherheit • IT-Sicherheit • IT-Sicherheit
Ethisch • Soziale und Wis- • Effizienter Einsatz • Mehr Demokratie • Mehr „Open
sensteilhabe von Ressourcen möglich Government“
• Gefahr Cyberkri- • Neue Möglichkei- • Gefahr für Demo- • Mehr Kontroll-
minalität ten für Umwelt- kratie möglichkeit
• Echo-Räume & schutz
Fake-News • „Abhängen“ von
Menschen aus der
nicht-digitalen
Welt
Gemeinsam ist den Befunden aus den beiden periodischen Berichten, dass Deutsch-
land nicht an der Spitze der Nutzungshäufigkeit von E-Government-Diensten durch die
Bürger liegt. Methodische und inhaltliche Unterschiede in den beiden Berichtsformaten
erlauben es jedoch nicht, die deutlich unterschiedlichen Werte zur Nutzungshäufigkeit
direkt miteinander zu vergleichen.
In der Tendenz ähnliche Werte und Aussagen – nämlich einen Rückstand Deutsch-
lands gegenüber anderen Ländern (hier im Vergleich Großbritannien, Frankreich und
Norwegen) – wie bei den periodischen Studien findet sich auch in der Einmal-Studie
der Fa. IPSOS im Auftrag von Steria-Mummert mit dem schmückenden Namen „Digi-
tal Government Barometer“ [72]. Sie zeigt, dass die Deutschen sich vor allem mehr
E-Government im Meldewesen, in der Steuerverwaltung sowie im Gesundheitssektor
wünschen.
Auch der Digital Government Satisfaction Survey der Fa. Boston Consulting Group
mit 20.000 befragten Personen in 13 Ländern bleibt im „Range“ der zuvor berichteten
Befunde: Hier äußern immerhin 58 % der Deutschen Zufriedenheit mit den E-Government-
Angeboten, sie befinden sich damit auf Platz 13 einer von Estland (mit 81 %) und den USA
(mit 74 %) angeführten Liste [13].
So weit zu den ja vergangenheitsorientierten und auf wenige Kriterien reduzierten
Einschätzungen der absoluten wie relativen Situation der Digitalisierung in Deutschland.
Nachfolgend soll der Fokus geweitet und der Blick mehr in die Zukunft gerichtet werden.
Dazu werden die folgenden Darstellungen ab Abschn. 7.3 sich darauf konzentrieren,
einzelne Wirkungsbereiche der Digitalisierung systematisch aufzuzeigen und eine Wer-
tung der Situation vorzunehmen. Vorab sollen jedoch in Abschn. 7.2 ausgewählte neuere
Technologien auf ihre Potenziale für „neuen Schub“, hin zu noch mehr digitaler Innova-
tion in der Verwaltung, untersucht werden.
Roland Heuermann
7.2.1 Überblick
• Den Technologien selbst. Hier soll der Blick auf neue Technologien und ihre Funkti-
onsweise sowie ggf. besonders hervorstechende Produkte gelenkt werden.
• Neue Einsatz-/Managementszenarien im Öffentlichen Bereich für schon bekannte,
aber nicht genutzte oder neue digitale Technologien.
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 219
Tab. 7.2 Neue Technologien mit Potenzial großer Wirkung im Öffentlichen Bereich. (Eigene
Darstellung)
Technologiebereich ggf. Unterbereiche Anwendung im Öffentliche
Bereich, Bsp.
Blockchain • Private oder public • Noch keine. Potenzial für
Register, Zahlungsplattformen,
Kontraktmanagement und
-dokumentation
Cloud • Private, public, hybrid • Klassische Rechenzentren ablö-
• Converged, hyper-converged sen durch hoch automatisierte
oder „composable“ virtuelle Rechenzentren
Cyber-physische Systeme • Industrie 4.0 • Verkehrssteuerung
• Smart Citys • Gebäudemanagement
• Humanoide Roboter
Künstliche Intelligenz • Expertensysteme • Datenanalyse
• Musteranalyse und –vorhersage • Biometrische Verfahren, z. B.
Gesichtserkennung
Soziale Medien • Private Anbieter • Z. B. digitale Dörfer (siehe
• Öffentliche Anbieter Abschn. 3.1.3)
Virtuelle Realität • Augmented Reality, gemischte • Z. B. Headup-Display-Piloten
Realität • Potenzial: einige Außendienst-
tätigkeiten z. B. bei Polizei und
anderen Ordnungs- und Sicher-
heitsdiensten
• (reine) virtuelle Realität • Simulationen, z. B. polizeiliches
Tatgeschehen oder planerische
Szenarien
220 R. Heuermann et al.
7.2.2 Blockchain
Roland Heuermann
Das jüngste und mit sehr vielen Erwartungen für den Öffentlichen Bereich begleitete
Thema in der Diskussion über digitale Technologien ist die Blockchain1. Eine Meinung
hierzu:
Als „Blockchain“ wird eine Datenbank bezeichnet, die neue Datensätze als jeweils neue
verschlüsselte Blöcke ablegt, den Inhalt eines neuen Blocks Hash-codiert und die Hash-
werte sowohl des neuen Blocks, des vorhergehenden Blocks als auch der ganzen Kette
damit zusammenhängender anderer Blöcke speichert. Ob ein neuer Datensatz über-
haupt als Teil der Kette akzeptiert wird, hängt von der Zustimmung der berechtigten
Teilnehmer („Miner“) ab. Je nach Fachlichkeit der Blockchain, z. B. einer Anwendung
zur Darstellung von Zahlungsvorgängen, sollten zumindest die zahlende und die emp-
fangende Seite zustimmen dürfen. Denkbar ist aber auch, dass alle Nutzer einer Block-
chain oder eine Mehrheit (d. h. z. B. 50 % + 1) „Miner“ sind und zustimmen müssen,
bevor ein neuer Block akzeptiert wird. Die Historie wird aufbewahrt, sodass Verände-
rungen später nachweisbar sind. Je nach Art der Nutzdaten können diese auch außerhalb
der Blockchain abgelegt werden, die Blockchain verweist dann nur auf sie. Bei Nutzda-
ten mit geringem Speicherbedarf – wie sie bei Transaktionen im Bankbereich, Registern
von Behörden usw. vorkommen, d. h., die Größenordnung der Daten beträgt nur wenige
Bytes – ist vermutlich eine Ablage in der Blockchain selbst naheliegend.
Die Blockchain-Technologie wurde größeren Kreisen erstmals deshalb bekannt, weil
sie als digitale „Kontoverwaltung“ für die von anonymen Nutzern gehandelte Kunstwäh-
rung Bitcoin eingesetzt wird. Die Kernkompetenz aller späteren Varianten von Block-
chain-Anwendungsideen ist, wie bei der Bitcoin, die besonders sichere Funktion eines
Kontoführungssystems („General ledger“).
Aktuell gibt es nicht DAS Blockchain-Konzept und DAS Blockchain-Produkt, viel-
mehr entwickeln sowohl einzelne Hersteller (z. B. Accenture, IBM, Microsoft, Red Hat)
wie auch Konsortien mehrerer Hersteller/Beraterfirmen und mögliche Anwender, z. B.
Deutsche Börse und Deutsche Bundesbank, [2] und ein „R3CEV“ genanntes Konsortium
mit 42 Banken aus der Schweiz und Microsoft [62] eigene Konzepte und Technologien.
1Siehe gute Übersicht der Geschichte und Technik von Blockchains in Giese et al. [31].
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 221
Ähnlich wie bei Clouds kann man bei Blockchains je nach Offenheit des Kreises von
Nutzern „private“ Blockchains von „public“ Blockchains unterscheiden. „Public“ meint
hier „dezentral“, weil tatsächlich niemand Eigentümer des Systems ist, auch keine ein-
zelne private (im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen) Instanz oder Behörde. Das angeb-
liche „disruptive“ Potenzial der Blockchain-Technologie basiert im Wesentlichen auf der
Erwartung ihrer Zuverlässigkeit und Manipulationsfreiheit beim Einsatz in der Public-
Eigentümerform.
Die für sich betrachtet mit konventionellen Bauelementen, aber mit einem neuen
technischen Konzept gebaute Blockchain-Datenbank wird dann zu einem ganz neuen
und evtl. disruptiven Geschäftsmodell, wenn das System nicht innerhalb einer geschlos-
senen Einrichtung (Behörde, Unternehmen) aufgesetzt und verwaltet wird, sondern als
eine für den dezentralen Einsatz konzipierte Blockchain-Variante im Internet liegt und
keine Einzelperson oder Instanz das Gesamtsystem steuert und ggf. Inhalte manipulieren
kann. „Legale“ Kontrolle über diese Public-Blockchain könnte dann nur gewinnen, wer
die Mehrheit derjenigen Nutzer, die als „Miner“ neue Datensätze, d. h. Blockinhalte frei-
geben können (d. h. 50 % + X), unter Kontrolle bringt. Gegen illegalen Zugriff müssen
Public-Blockchains durch besonders starke Mechanismen geschützt sein, dies ist Teil des
Konzepts (Abb. 7.2).
Bei Public-Blockchains hat jeder dezentrale Teilnehmer dann die ganze, ständig
wachsende und aufgefrischte Blockchain-Datei lokal bei sich, kann aber wegen der Ver-
schlüsselung und der Berechtigungen nur die ihn betreffenden Teile lesen. In der Rolle
als Nutzer generiert der Teilnehmer eine neue Transaktion (z. B. Kauf, Zahlvorgang,
Vertrag usw.), in der Rolle als „Miner“ verifiziert er – je nach Variante des Blockchain-
Geschäftsmodells teils gegen Belohnung – Transaktionen anderer. Hiermit sind folgende
Erwartungen verbunden:
• Die Verteilung der ganzen Informationsmenge auf ungezählte Nutzer bietet maxi-
male Transparenz und extrem hohe Hürden für die „Machtübernahme“. Diese ist
theoretisch aber weiter möglich, nämlich dann, wenn jemand die Mehrheit unter den
Minern/zur Verifikation berechtigten Nutzern übernimmt. Je größer ein Blockchain-
Netzwerk ist, umso schwerer wird die Machtübernahme [79, S. 26]
• Die Verschlüsselung und Berechtigungsstruktur bieten trotz aller Transparenz einen
sicheren und gegen neue Bedrohungsszenarien nachrüstbaren Datenschutz für die
Nutzer des Systems.
• Bezahldienste: In 2015 und 2016 wurde vor allem der Einsatz von Blockchains für
die Transaktionsdaten in der Banken-/Finanzindustrie diskutiert. Treiber der Entwick-
lung könnte hier die Aussicht auf große finanzielle Sparpotenziale durch Wegfall prü-
fender und als Finanzmakler auftretender Instanzen, d. h. der Banken in Gänze oder
innerhalb der Banken agierender Bereiche mit Transaktionsaufgaben, sein.
• Kontraktmanagement: Analog zu den Bezahldiensten könnte ein weites Spektrum von
Diensten, die im Kern ein „analoges“ Vertragsmanagement beinhalten, über Block-
chains und „Smart Contracts“ abgewickelt werden. Die bisherigen Mittler von Ver-
tragsdokumentationsleistungen, wie Anwälte und Notare, könnten bei entsprechenden
rechtlichen Änderungen abgelöst werden. Verträge müssten so konstruiert werden,
dass „Wenn-dann“-Bedingungen im Vertrag auf außervertragliche Datenquellen ver-
weisen, die das Eintreten der unter „wenn“ genannten Bedingungen melden (z. B.
Lieferung einer Ware) und die unter „dann“ genannten Aktionen (z. B. Zahlungsvor-
gang) auslösen (siehe mehr Details in [56]).
• Handels- und Transaktionsplattformen für automatische Kommunikation von Geräten
im „Internet der Dinge“ (IoT): Der „Clou“ ist hier die automatische Kommunikation
von Einzelgeräten untereinander, deren Verlauf und Ergebnis in einem durch Block-
chain-Technologie sicher gemachten Protokoll erfolgt (siehe in [52]). Ein Beispiel:
Die Fa. IBM hat mit ADEPT (Autonomous Decentralized Peer-to-peer Telemetry) ein
Konzept für ein dezentrales „Handelsbuch“ des Internets der Dinge vorgestellt, das
sich u. a. auch für große Mengen beteiligter Geräte eignet, wie es z. B. im Rahmen
voll ausgerollter Smart-City-Ansätze in Großstädten vorkommen könnte [4].
• Register im Sinne von Anlagen- und Eigentumsverzeichnissen im privaten wie
Öffentlichen Bereich, also z. B. Grundbücher, Gewerberegister, Kfz-Zulassung usw.
Sie können – so die Erwartung einiger Marktteilnehmer – ohne zentrale Behörden
und einzelne Personen an entscheidender Stelle – das Einhalten und die Wirksamkeit
von Verträgen ebenso beglaubigen wie Eigentums- und Verfügungsrechte.
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 223
Für einige dieser Anwendungsbereiche gibt es junge Software- und Diensteangebote, die
in der Entwicklung oder Pilotierung sind. Im operativen Einsatz ist die BITCOIN-Block-
chain als Buchhaltungssystem der Kunstwährung – sowie kleine Private-Blockchains,
darunter auch solche im Öffentlichen Bereich (z. B.: Internationale staatliche Versteige-
rung in der Ukraine, [47].
Folgende Nachteile bisheriger Public-Blockchain-Lösungen werden genannt [39]:
2Es gibt auch im „konventionellen“ deutschen Recht die Möglichkeit, dass Wahlhelfer oder Ange-
hörige für behinderte Personen auf deren Anweisung hin das Kreuz setzen.
224 R. Heuermann et al.
7.2.3 Cloud
Roland Heuermann
Mit der schon seit einigen Jahren im Markt mit verschiedenen Varianten bekannten
Cloud-Technologie ist eine ganze Bandbreite technischer Architekturen in Rechenzent-
ren, Betriebsformen und Services gemeint, mit denen standardisierte Rechenzentrums-
leistungen als IT-Services über Browser-Schnittstellen bereitgestellt werden. Im Beitrag
der Fa. Computacenter (Abschn. 6.3.4) sind detailliertere Ausführungen zu technischen
Architekturen unterschiedlich stark integrierter Rechenzentren zu finden, daher werden
an dieser Stelle keine weiteren Angaben hierzu gemacht. Das Potenzial dieser Cloud-
Technologien liegt in ihrer zweifachen Wirkung:
(IaaP) oder Software (SaaP). Kunden sparen sich hier – ähnlich wie beim Outsour-
cing – die Infrastrukturkosten, zahlen aber für die Nutzung der Dienste. Anders als
bei vielen Outsourcing-Modellen können sie hier aber selbst direkt auf den Service
zugreifen und Konfigurationsmöglichkeiten nutzen.
• Möglichkeit, Leerkosten für die eigene Kapazitätsbereitstellung bei seltenen Last-
spitzen zu vermeiden und für Infrastruktur nur zu bezahlen, wenn und soweit man
sie braucht.
Clouds stiften für den Anbieter umso höheren Nutzen, je mehr interne und/oder externe
Kunden Leistungen beziehen. Da die Infrastruktur eine erhebliche Anfangsinvesti-
tion erfordert, rechnet sie sich i. d. R. nicht für kleine Anbieter. Der Bezug von Cloud-
Leistungen erfordert, je nach Art der transportierten Datenmenge und Erwartungen an
die Performance über die Cloud bezogener Dienste, ein sehr leistungsfähiges Netz.
Als integraler Bestandteil einer möglichen Gesamtstrategie zur Optimierung von
IT-Services sind Clouds das Herzstück künftiger Rechenzentrumsleistungen. Ergänzt
um eine Software-Plattform-Strategie und konsequente organisatorische wie auch tech-
nische, serviceorientierte Architekturen könnte ein Zielszenario so aussehen, wie es
Abb. 7.3 darstellt.
Obwohl es die Technologien mit schon seit Jahren erfolgreichen privaten Anbietern
im Weltmaßstab wie Google, Amazon, IBM, Salesforce und SAP gibt, sind im Öffentli-
chen Bereich Deutschlands die IT-Dienstleister gerade erst dabei, private Clouds aufzu-
bauen.
Abb. 7.3 Einsatzmöglichkeiten der Cloud als Element eines IT-architektonischen Zielszenarios
226 R. Heuermann et al.
Roland Heuermann
7.2.4.1 Übersicht
„Künstliche Intelligenz“ (KI) ist seit 19563 ein Begriff in der Forschung über das
menschliche Denken, gleichzeitig aber auch in der Diskussion über Chancen zum
gewerblichen Einsatz in der Privatwirtschaft und der Verwaltung. Inhaltlich ist hiermit
sowohl ein nach wie vor visionärer Ansatz gemeint – das gesamte menschliche Denk-
potenzial abzubilden und eine Maschine mit der Fähigkeit zu allgemeiner Problemlöse-
kompetenz zu schaffen („starke“ KI, ein „general problem solver“) –, gleichzeitig aber
auch eine Vielzahl eng umrissener Funktionen, die für Teilbereiche – bisher nur dem
Menschen mögliche Leistungen – maschinelle Alternativen anbieten. Diese Teilbereiche
sind:
Gemeinsamer Kern der Fähigkeit von KI-Software ist es, dass die Software selbst ihre
Fähigkeiten – zumindest innerhalb ihres Teilbereichs der „Intelligenz“ – weiterentwi-
ckeln kann und sich daher das Output-Verhalten je nach Lernzustand selbst bei gleichen
Eingangsinformationen im Idealfall in Richtung höherer Erkennensleistungen, Treffer-
quoten oder besserer Vorschläge verändert.
Es gibt darüber hinaus keine allgemein akzeptierte Definition der Künstlichen Intelli-
genz. Hier ergeht es dem digitalen Pendant nicht besser als der menschlichen Intelligenz,
für die auch bei den Psychologen keine allgemein akzeptierte Festlegung auf damit
umschriebene Kompetenzen vorliegt. Demzufolge gibt es für Menschen mehrere ver-
schiedene Intelligenztestverfahren, die auch teilweise Verschiedenes messen. In der
3Der US-Wissenschaftler John McCarthy nannte in 1956 eine Konferenz „Artificial Intelligence“
und zeigte dort ein Programm für das Brettspiel Dame [22, S. 39]. Später wurde Schach das Spiel,
mit dem KI-Forscher der menschlichen Intelligenz ebenbürtige Software testeten und öffentlich
präsentierten. Schach wurde in den 1950er und 1960er Jahren nach einem Ausspruch des Psycho-
logen Franz Weinert zur „Drosophila“ der KI (die Fruchtfliege Drosophila ist ein beliebtes Unter-
suchungsobjekt der Biologie zur Klärung genetischer Fragen).
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 227
Ein „Relikt“ aus der Frühphase der KI ist – immer vor dem Hintergrund der Erwar-
tung einer generalisierten technischen Intelligenz – die zwischen Furcht und Hoffnung
polarisierende Diskussion über die möglichen Folgen einer dem Menschen überlegenen
technischen Intelligenz. Fragen hierzu sind:
• Wird es überhaupt einen Zeitpunkt geben (manche nennen ihn „technologische Sin-
gularität“, zur Erläuterung des Begriffes im Zusammenhang mit KI siehe auch [76,
S. 98 f.], an dem Erkenntnisse von Systemen Künstlicher Intelligenz diejenigen der
klügsten Menschen übertreffen und Computerintelligenz vom Menschen unabhängig
grundsätzlich Neues schaffen wird, sodass von da an nur noch die Ideen der Maschi-
nen die Entwicklung mit ihrer „Superintelligenz“ theoretisch unendlich lange weiter
vorantreiben (können)? Manche bezweifeln das grundsätzlich aufgrund der weiten
Definition von Intelligenz. Alternativ zu einer generellen, alle Themen umfassenden
Fähigkeit könnte die Frage auch unspektakulärer lauten, ob es nicht fachspezifisch
verschiedene Zeitpunkte geben könnte.
• Wenn es einen solchen generellen Zeitpunkt gibt: Wann tritt er ein? Der berühmte,
von manchen seriösen Wissenschaftlern und der Fachpresse wie ein Guru verehrte,
englische Physiker Stephen Hawking sieht diesen Zeitpunkt erst in ca. 100 Jahren
[48]. Andere sehen diesen Zeitpunkt mit „in 40, 50 Jahren“ deutlich früher. Manche
nähern sich dem Thema, indem sie die „Rechenkapazität“ des menschlichen Gehirns
anhand der Zahl von Neuronen usw. als Vergleichsmaßstab heranziehen und fragen,
wann die weitere Miniaturisierung digitaler Bausteine Rechner mit einer ähnlichen
Leistung möglich macht – wobei die Emulation des menschlichen Gehirns vermut-
lich eine Rechnerkapazität erfordert, die ein Mehrfaches der nominellen menschli-
chen Kapazität erfordert. Dies liegt daran, dass man die Funktionsweise des Gehirns
bei komplexen Leistungen weiterhin nur in Ansätzen versteht, und alle Leistungen mit
aufwendigen Näherungsmodellen nachbildet. Obwohl Computermodelle für neuro-
nale Netze bereits an die Rechenkapazität des menschlichen Gehirns heranreichen, ist
ihre Leistung teils dramatisch schlechter.
• Ist die Zeit der technologischen Singularität das „Ende der Menschheit“, weil sich
die Maschinen gegen den Menschen wenden werden, oder werden die Maschinen
letztlich für den Menschen nützliche und beherrschbare Arbeit leisten? In drastischen
Zitaten belegt Tuck [75] die Skepsis mancher Zeitgenossen gegenüber KI, z. B. durch
eine Aussage von Elon Musk (Tesla): „Künstliche Intelligenz ist die größte existen-
zielle Bedrohung für die Menschheit. Wir beschwören den Teufel.“ Oder Bill Gates
(Microsoft-Gründer): „Ich verstehe nicht, warum nicht mehr Menschen beunruhigt
sind.“ Und Stephen Hawking (Physiker): „Künstliche Intelligenz kann die großar-
tigste Errungenschaft der Menschheit werden. Bedauerlicherweise kann sie auch die
letzte sein.“ In der Literatur sind viele reißerische Szenarien aggressiver KI-Maschi-
nen beschrieben, z. B. das Töten der Menschen, das Ende der Demokratie (da, wo
es noch eine gibt) usw. Beispielhaft folgender Literaturhinweis: Hofstetter [38, 75].
Dabei wäre dem eventuellen Spuk ganz schnell ein Ende zu machen: Man muss
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 229
nur den Strom abschalten. Jeder Computer ist da sehr empfindlich, auch ein super-
intelligenter.
Zurück zur Jetztzeit und der etwas weniger spektakulären Realität: Für die aktuell zum
Kern der KI-Teilfunktionen zählenden Fähigkeiten gibt es in mehreren Bereichen bereits
für private wie kommerzielle Zwecke im Einsatz befindliche Produkte. Tab. 7.3 zeigt
einige von ihnen.
Die gerade in den Jahren ab ca. 2015 wieder lebendiger werdende öffentliche Dis-
kussion, teils sogar in höchstrangigen internationalen Gremien wie z. B. dem Weltwirt-
schaftsgipfel in Davos 2017, über Chancen und Gefahren von Künstlicher Intelligenz hat
vermutlich weniger mit sprunghaften fachlichen Fortschritten der kontinuierlich, aber
langsam und weit hinter vielen optimistischen Prognosen früherer Jahrzehnte zurück-
bleibenden Leistungsfähigkeit der KI-Systeme zu tun, als mit dem Angebot und dem
Einsatz einzelner cloudbasierter Produkte am Konsumentenmarkt (z. B. Apple SIRI
und Amazon ALEXA inklusive des Sprachassistenten ECHO). Gleichzeitig wird für die
Geschäftswelt mit WATSON von der Fa. IBM ein universelles, für die Ausprägung als
Tab. 7.3 Konkrete kommerzielle Einsatzbereiche von Software mit Künstlicher Intelligenz.
(Eigene Darstellung)
Funktionsbereich Einsatzfelder/ggf. Arbeitsweise Produktbeispiele
Arbeitssteuerung Logistikvorschläge bei der Fa. Hitachi • IBM WATSON
Bilderkennung Neuronale Netzwerke und andere Tech- • NeuralTools
nologien zur Mustererkennung z. B. von
Verkehrszeichen, Gesichts- und Hand-
schriftenerkennung usw.
Expertensystem für Regelbasierte, fallbasierte oder induktiv • WATSON (IBM)
Auskünfte arbeitende Systeme. Hypothesengenerie- • MYCIN
rung, Antwortvorschläge
Sprachassistent Spracherkennung, Sprachanalyse, Aus- • Amazon ALEXA und
kunfts- und Eingabeassistent ECHO
• Apple SIRI
Textroboter Auswertung vorhandener digital verfügba- • AX-Symantics
rer Texte wie Berichte, Lexika • Retresco
Threat Intelligence Abwehr von Cyberattacken durch Erken- • BT Global Services
nen von Angriffsmustern in IT-Infrastruk-
turkomponenten
Übersetzunga Übersetzen fremdsprachlicher Texte in • Babylon
Berichtssprache oder umgekehrt • Naver
• Systran
aAktuelle Übersetzungsprogramme mit KI scheinen noch nicht konkurrenzfähig gegenüber
• Einige regelbasierte Systeme, die dazulernen, häufen eine immer größere Zahl von
Regeln an und werden daher unübersichtlich und nicht mehr nachvollziehbar.
• Viele Wissensgebiete erfordern auch intuitive und zunächst nicht-logische Überlegun-
gen. Logische Expertensysteme kommen daher nur schwer an eine 100-%-Treffer-
quote guter Lösungen.
• Bei selbstlernenden neuronalen Netzen gibt es keine auslesbare strukturierte Text-
Information über den aktuellen Lernzustand des Systems. Eine Dokumentation über
die Funktionsweise genügt daher vermutlich nur schwer den Anforderungen an
Beweiskraft und ggf. der identischen Wiederholbarkeit, sofern das System zwischen-
durch weitergelernt hat.
Angesichts der in den letzten Jahrzehnten immer wieder enttäuschten Hoffnungen auf
eine schnelle Marktreife von Produkten mit KI ist der Zeitpunkt, ab wann die Künstliche
Intelligenz sich selber weiterentwickelt („technologische Singularität“) und damit dann
den Menschen übertrifft, derzeit nicht sicher vorherzusehen – ja noch nicht einmal, ob
dieses Ereignis je eintritt.
4InDeutschland kooperieren die Fa. IBM und Accenture bei dem Versuch der Vermarktung des KI-
Tools WATSON und bieten ein Rapid Prototyping für KI-Lösungen an [67].
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 231
Tab. 7.4 Naheliegende potenzielle und schon gegebene Einsatzfelder für KI im Öffentlichen
Bereich. (Eigene Darstellung)
Mögliche Einsatzbereiche Technik Beispiele
Analyse von Bildern und Neuronale Netze • Handschriften
Erkennensleistungen • Gesichter
Analyse numerischer Daten Zeitreihenanalyse, Ausreißer • Überwachung durch Finanz-
und Anomalien erkennen aufsicht
• Steuerschätzung und Analyse
• Beobachtung der wirtschaft-
lichen Entwicklung und
Steuerschätzung
Analyse semantischer Daten Expertensysteme • Berichtserstellung, auch das
automatische Verfassen von
Texten
Assistenz jeglicher Antragstel- Sprachassistenz in Verbindung • Alle Anträge mit präzisen
ler und Behördengänger mit Expertensystemen und für Laien unverständli-
chen rechtlichen Anspruchs-
grundlagen und Formularen
• Hilfe für Sprach-, Schreib-
und/oder Lernbehinderte
Autonomes Fahren, Fliegen, Sensor • Drohnen bei Polizei und
Schwimmen oder Tauchen Militär
• Autonome Steuerungs-
systeme von Verkehr und
Parkflächen, Smart City
Entscheiden Expertensystem • Steuerbescheide
• Einfache Rechtssachen
Software lenkt den Leser auf Blickbewegungsmessung und • Lese-/Lernhilfe für Schüler
die wichtigsten Sachverhalte Textauswertung
juristischer Arbeiten in Behörden und Rechtsanwaltskanzleien sind das auf dem welt-
weit eingesetztem KI-Werkzeug von IBM, WATSON, basierende ROSS [63] und das
e-Discovery der Fa. Recommind, das nach Verkauf zum großen E-Aktenanbieter
OPENTEXT gehört [64]. Hier kann man vermuten, dass die Fa. OPENTEXT auf eine
zukünftige Verwendung KI-unterstützter Aktenbearbeitung setzt. Die Entwickler des
deutschen Rechtstools „rfrnz“ berichten, ihr Tool könne Risiken in Verträgen entde-
cken und z. B. Kündigungs- und Haftungsregeln analysieren [1]. Die Hersteller dieser
Produkte behaupten nicht, dass ihre Tools das ganze Spektrum bisheriger vollwerti-
ger Arbeitsplätze von Juristen ersetzen können, die Werkzeuge decken nur einen Teil
üblicherweise anfallender „Hilfs“-Arbeiten der Suche und Vor-Analyse ab. Sie leisten
dabei mehr als nicht-intelligente Suchwerkzeuge, sind aber vermutlich in ihren semanti-
schen Fähigkeiten gegenüber menschlichen Fachkräften beschränkt und benötigen noch
dringend eine Qualitätskontrolle der Ergebnisse. Ihre Arbeit könnte künftig erleichtert
werden, wenn sich sowohl der Gesetzgeber als auch die Gestalter von Verträgen seman-
tikbasierter Werkzeuge bedienen würden: Die Werkzeuge erfassen neben den verwen-
deten Rechtsbegriffen in Form von Annotationen auch einen Teil des semantischen
Kontextes. Dies ermöglicht KI-Maschinen eine viel höhere Trefferqualität bei der auto-
matischen Analyse, außerdem verkürzt der Einsatz die Lernzeiten. [61] schlagen ein
solches Vorgehen für den deutschen Gesetzgeber vor.
• Spracherkennung und Sprachübersetzung: Hier ist ein weites Spektrum von Services
bei Sicherheitsbehörden, Ausländerbehörden, Gerichten und in Behörden mit regel-
mäßigen Auslandskontakten usw. denkbar. Dieses Handlungsfeld ist in Behörden mit
öffentlichem Publikumsverkehr praktisch noch unerschlossen, der Umfang des Ein-
satzes bei Sicherheitsbehörden ist Außenstehenden nicht bekannt.
• Individuelle Assistenz von Bürgern beim Bearbeiten von Antragsverfahren, Formula-
ren usw. Gerade das zunehmende Angebot von webbasierten Services der Verwaltung
erzeugt neuen Beratungsbedarf, weil absolute oder relative „digitale Analphabeten“
benachteiligt sind.
• Entscheidungsvorschläge bei klassischen Aufgaben der Verwaltung in der Beantwor-
tung von Anträgen, Eingaben usw. Hier ist dem Autor bisher kein Beispiel aus der
deutschen Öffentlichen Verwaltung bekannt. Diskutiert wird in der Literatur aber ein
hohes Automatisierungspotenzial z. B. in der Steuerverwaltung.
• KI-Entscheidungsvorschläge für richterliche Urteile in Straf-, Staats- und Zivilrecht.
Das Ziel muss nicht das vollständige Ersetzen menschlicher Richter sein, sondern
kann in der Unterstützung von Richtern bei der schnellen Analyse in einer Fallge-
schichte enthaltener Muster und ihrer Lösung in anderen Fällen bestehen. Johnson
[45] berichtet von einem Test mit KI-Software, die anhand 584 alter Fälle am Euro-
päischen Menschenrechts-Gerichtshof Entscheidungsmuster in Straffällen mit Tatvor-
wurf der Folter und ähnlicher Handlungen lernte und anschließend bei neuen Fällen
in ca. 79 % genauso entschied wie menschliche Richter.
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 233
Roland Heuermann
Mit dem Begriff „Roboter“ werden in einer weiten Definition allgemein alle Handha-
bungs- und Bewegungsautomaten – manchmal sogar Software – beschrieben. In einer
engeren Definition sind Roboter im Unterschied zu klassischen mechanischen Maschinen
mit ausschließlicher Steuerung durch Menschen („Maschinenführer“) softwaregesteuerte
Maschinen, die teils sehr komplexe Handhabungsabläufe durchführen. Eine Teilmenge
dieser softwaregesteuerten Roboter wiederum ist durch den Einsatz einzelner Funktionen
mit Künstlicher Intelligenz in der Lage, sich teilautonom und/oder vollautomatisch auf
neue Situationen, sensorisch und/oder semantisch einstellen zu können. Hierunter befin-
det sich wiederum eine Teilmenge, die sich auch durch aktive und passive sprachliche
Fähigkeiten auszeichnet und oft äußerlich – mindestens im Kopf-/Gesichtsbereich und
durch Nachbilden des menschlichen Körpers, u. a. ein zweibeiniges Gehen – menschen-
ähnlich gestaltet ist. Diesen Typ Roboter nennen manche „humanoide Roboter“, spaß-
weise „Robo sapiens“. Sie haben grundsätzlich das Potenzial, in vielen Bereichen der
Dienstleistung bisher ausschließlich dem Menschen vorbehaltende Tätigkeiten komplett
zu übernehmen. In der produzierenden Industrie sind schon seit langer Zeit marktreife,
nicht-intelligente Roboter in großer Stückzahl im Einsatz: Die International Federation
of Robots (IFR) rechnet für den Zeitraum 2016–2019 mit ca. 1,4 Mio. Industrierobotern,
333.000 Servicerobotern im industriellen Einsatz und 42 Mio. Haushaltsrobotern. In
Deutschland wurden in 2015 ca. 20.105 Industrieroboter verkauft, es gibt ca. 301 Indust-
rieroboter pro 10.000 Beschäftigte [41, S. 12]. Dagegen sind humanoide Roboter im Jahr
2017 entweder noch – verglichen mit Menschen – sehr leistungsbeschränkt (und damit
eher Demo-Modelle) oder noch im Stadium langjähriger Prototypversionen. Außerdem
sind einige derjenigen Roboter, die nur in kleinen Stückzahlen produziert wurden, noch
sehr teuer, z. B. kostet ein Modell des Robotertyps „Sophia“ der Fa. Hanson Robotics
vermutlich (Schätzung des Wall Street Journals) ca. 200.000 US$. Der Zielpreis für den
Marktdurchbruch eines gehfähigen und emotional ausdrucksfähigen Roboters beträgt
nach Schätzungen des Hanson-Mitarbeiters Ben Goertzel dagegen vermutlich aber nur
ca. 5000 US$ [81, S. 29].
Teil- und vollautomatisch arbeitende, humanoide Roboter haben u. a. folgende Aufga-
ben zu lösen:
Für den Kernbereich der Öffentlichen IT-Dienstleister in der Ordnungs- und Leis-
tungsverwaltung sind wegen ihres für die Kommunikation mit dem Menschen anspre-
chenden Äußeren insbesondere humanoide Roboter interessant. In Japan und den
USA sind bereits in beachtlichen Stückzahlen verkaufte humanoide Roboter im kom-
merziellen Einsatz, z. B. über 10.000 Stück des Roboters Pepper. Die Kosten für die-
ses Modell betragen ca. 550 EUR monatliche Leasinggebühr [78]. Sie haben zumeist
eingeschränkte Butlerfunktionen außerhalb der Öffentlichen Kernverwaltung, z. B. als
Hotelpage und „Grüßonkel“ in Kaufhäusern, Arbeit auf Kreuzfahrtschiffen, in Senioren-
heimen usw. Der von Fraunhofer IPA entwickelte Roboter Care-O-bot 4 wird seit Okto-
ber 2016 als „Paul“ im Saturn-Markt Ingolstadt pilotiert und zeigt Kunden den Weg zu
gewünschten Verkaufsartikeln [70]. In der zivilen Verwaltung Deutschlands gibt es der-
zeit keine humanoiden und/oder autonom arbeitenden Roboter, auch keine explizit dar-
auf bezogenen Wünsche aus der Politik, der Verwaltungswissenschaft und – fast möchte
man sagen: demzufolge – auch keine entsprechende Forschung. Dabei gibt es einen sehr
großen europäischen Fond für Forschungsförderung. Die EU fördert mit 80 Mrd. EUR
von 2014 bis 2020 Innovationsprojekte, darunter auch Robotik, Smart Citys usw. [25].
Anders verhält es sich im militärischen Bereich: Hier sind teilautonome Flug- und
Fahrroboter bei der Bundeswehr für militärische Transport- und Aufklärungszwecke im
Einsatz oder in Erpobung5 – außerdem gibt es in geringer Stückzahl bei Polizei und Mili-
tär teilautonome Roboter für Sprengmittelbeseitigung, z. B. tEODor (Produkt der Fa.
Telerob) und Varianten von PackBots (Militärroboter). Einige dieser Geräte sind sowohl
teilautonom zu betreiben wie auch komplett durch Fernsteuerung. Für die Bundeswehr
erforscht u. a. das Fraunhofer Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung
und Ergonomie (FKI) im Projekt „Arminius – Assistenzfunktionen für Teilautonomie
in mobilen unbemannten Systemen“ zu diesem Thema [58]. Das besondere militärische
Interesse an teilautonomen Robotersystemen liegt darin, dass diese Systeme im Gelän-
deeinsatz auch außerhalb der Sichtweite und manchmal außerhalb der Erreichbarkeit
von Funksignalen operieren müssen. Das sind höhere Anforderungen als für polizeiliche
Einsätze, die meist im Nahfeld stattfinden. Außerdem interessiert sich das Militär für den
koordinierten Einsatz mehrerer Roboter im Team mit Menschen. Ein Soldat geht voran
und Roboter mit Gepäck, Waffen, Funkgeräten usw. folgen ihm. Das sind Anforderungen,
5Über den 2008 von der Bundeswehr bestellten autonomen Fahrroboter „Gecko TRS“ wurde in der
Presse berichtet [15]; ethische und militärpraktische Überlegungen zu autonomen Kampfrobotern
bei der Bundeswehr diskutiert Wellbrink [79] und sieht neben ethischen Fragen noch einen großen
Zeitbedarf für die technische Weiterentwicklung, bis autonome Kampfroboter tatsächlich erhebli-
chen militärischen Zusatznutzen versprechen.
236 R. Heuermann et al.
die man sich z. B. analog auch für polizeiliche Einsätze, im Strafvollzug, bei allgemeinen
Transporteinsätzen, der Müllabfuhr, der Verkehrsaufsicht oder der Kontrolle und Pflege
öffentlicher Infrastrukturen (Inspektionsfahrten der Straßenmeistereien) denken kann.
Diese Art „kollegialer“ Roboter muss „seinen“ Menschen anhand äußerer Merkmale
erkennen, wenn nicht, kehrt sich der Vorteil seines Einsatzes in das Gegenteil um. Bei-
spiel: Der Roboter folgt plötzlich einem gegnerischen Soldaten!
Neben dem weiten Spektrum „ziviler“ Serviceroboter regen vor allem die aus der Sci-
ence Fiction bekannten Kampfroboter die Fantasie an. Politisch plädiert die deutsche Poli-
tik bisher für den Verzicht auf die Entwicklung autonomer Tötungsmaschinen, auch gibt
es internationale Initiativen in dieser Richtung, z. B. eine internationale Initiative mehre-
rer Menschenrechtsorganisationen [51]. Allerdings ist hier haarscharf zwischen verschie-
denen Graden der Autonomie von Robotertypen zu unterscheiden, z. B. richtet sich ein
nach Pressemitteilungen von 2000 Wissenschaftlern unterschriebener Warnbrief [73] nicht
gegen teilautonome und per Funkbefehl auch kämpfende militärische Drohnen, sondern
nur gegen Maschinen, die autonom Entscheidungen zum Töten fällen. Militärisch sind
Roboter aber auch ohne Fähigkeit zur kinetischen Wirkung auf Gegner sehr interessant,
z. B. als Transportroboter für autonome Versorgungsfahrten, Bergung von Personen oder
Fahrzeugen aus Gefahrenlagen oder für Aufklärungsflüge. Diese logistischen Aufgaben
sind zwar weniger spektakulär als Kampfaufträge, von der Menge der dort anfallenden
Arbeiten her bieten sie aber ein sehr großes Potenzial. In konventionellen Streitkräften
ist nur ein kleiner Teil der Truppe tatsächlich kämpfend an der Front im Einsatz, der weit
überwiegende Anteil des Personals der Streitkräfte hat Logistik-Aufgaben zur Versor-
gung der Truppe und für die Instandhaltung der Waffen und Fahrzeuge. Erstmals wurden
in 2008 von der Bundeswehr autonome Roboter-Landfahrzeuge für Testzwecke gekauft.
Daneben gibt es in dreistelliger Anzahl wohl überwiegend ferngesteuerte Aufklärungsdroh-
nen von verschiedenen Herstellern beim deutschen Heer und der Luftwaffe. Das Motiv
zum Einsatz dieser Geräte ist vor allem die Erwartung, Kosten gegenüber dem Einsatz
bemannter Systeme zu sparen. Die Ausfall- und Verlustrate dieser Geräte ist recht hoch.
Tab. 7.5 gibt eine Übersicht bedeutender Roboterentwicklungen sowohl im zivilen als
auch im militärischen Bereich.
Matthias Tomenendal
7.3.1 Übersicht
Unter dem Begriff der Sozio-Kultur lassen sich alle kulturellen Elemente einer Gesellschaft
subsumieren, wobei im Folgenden nicht nur die Auswirkungen der Digitalisierung auf die
Gesellschaft als Ganzes, sondern auch mögliche Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 237
Tab. 7.5 Bekannte frühe (Teil-)Roboter für zivile und militärische Zwecke. (Eigene Darstellung)
Namen Bedeutung für Robotergeschichte Jahr 1.
Version
Asimo Erster weitgehend humanoider Roboter, Fa. Honda 2000
Atlas US-amerikanischer humanoider Militär-Roboter, Assistenz 2013
Care-O-Bot 4 Modular ausbaufähiger Serviceroboter, Fraunhofer IPA 2015
Gecko TRS Prototyp eines teilautonomen Fahrroboters für die Bundeswehr 2008a
PackBot Modular aufrüstbarer Vielzweck-Roboter, Fa. iRobot 1998
Pepper Emotional intelligenter Service-Roboter, Fa. Aldebaran Robotic 2015
Prädator Erstmals für „gezielte Tötung“ eingesetzte Drohne der USA 2001
Roomba Staubsauger – Hausroboter, Fa. iRobot 2002
Sharkey Erster teilautonomer mobiler Roboter, Forschungsobjekt 1965
aDas Gerät wird von Schubert [71] beschrieben, es wurde letztlich aber nicht beschafft
von Einzelnen betrachtet werden sollen. In diesem Abschnitt werden also gleichermaßen
soziale und individuelle Aspekte zunehmender Digitalisierung dargestellt, und dies anhand
der Wirkungen auf Kommunikation und Interaktion, Wissen und Fähigkeiten sowie Verhal-
ten und Einstellungen.
Über elektronische Netze sind Menschen im gesamten Land und der gesamten Welt
miteinander verbunden. Elektronische Daten und Nachrichten können so innerhalb
von Sekunden zwischen den Menschen versendet und geteilt werden. Die Reichweite
der Kommunikation erscheint mittlerweile grenzenlos, weil räumliche und zeitliche
Beschränkungen durch die zunehmende Digitalisierung geradezu aufgehoben werden.
Besonders schnelle und weitreichende Möglichkeiten des Informationsaustausches bie-
ten derzeit Microblogging-Dienste wie Twitter, Instagram oder Tumblr. So wird die
kommunikative Verbindung zwischen Menschen sowohl in quantitativer als auch in
qualitativer Hinsicht verändert, denn es wird gleichzeitig zwischen mehr Menschen, mit
tendenziell kürzeren schriftlichen Nachrichten und Bildern sowie schneller miteinander
kommuniziert. Über das Kommunikationsverhalten werden die sozialen Interaktionen
der Bürger beeinflusst, was wiederum die Gesellschaft und Kultur eines Landes mitprägt
[33, S. 167–168].
Es gibt Studien, nach denen 73 % der täglichen Kommunikation bereits jetzt digital
erfolgen, wobei etwa die Hälfte davon jeweils private und geschäftliche Kommunikation
darstellt. Bei den unter 35-Jährigen ist das Internet bereits der Lebensmittelpunkt. Rea-
les und digitales Leben sind bei ihnen nicht mehr einfach voneinander zu trennen [68,
S. 9]. Die zunehmende digitale Kommunikation führt gleichzeitig zu einem Rückgang
238 R. Heuermann et al.
eine digitale Akte von Mitarbeitern (und Bewerbern) anlegen, in der über das Schul- und
Sozialverhalten, Lesevorlieben, das Konsumverhalten, Suchttendenzen, Krankheitspro-
file oder die finanzielle Situation informiert wird. Gleichermaßen lässt sich jeder Mitar-
beiter über digitale Profile individuell beobachten, was z. B. für individuelle Anreize und
Motivation oder auch Sanktionen im Arbeitsleben genutzt werden kann.
Big Data bietet mithin die Möglichkeiten für eine „Differenz-Revolution“ [49, S. 21],
also eine massive sozio-kulturelle Veränderung, die sich in der granularen Betrachtung von
Menschen manifestiert: An die Stelle statistischer Durchschnitte zur Erfassung von Bür-
gergruppen, beispielsweise bei der Erfassung von Meinungen und Bedürfnissen – grup-
piert nach Alter, Geschlecht, Einkommen oder Wohnort – tritt die individuelle Betrachtung
Einzelner, was durch umfassende digitale Datensammlungen und -analysen ermöglicht
wird. So können Produkte und Dienstleistungen optimal auf Einzelne zugeschnitten wie
auch die Ansprache einzelner Bürgerinnen und Bürger priorisiert und spezifiziert werden.
Wenn Letzteres geschieht, können Einzelne zielgerichtet nur jene Informationen bekom-
men, die für sie relevant sind und/oder für die sie sich interessieren könnten; gleicherma-
ßen lässt sich dies in Anbetracht der grundgesetzlichen Maßgabe, dass alle Bürgerinnen
und Bürger vor dem Gesetz grundsätzlich gleich sind, trefflich kritisieren. Schon die mög-
liche Ausgrenzung „digitaler Analphabeten“, also die möglicherweise fehlende oder über
analoge Kanäle spätere Ansprache von Personen ohne Internet-Anschluss, ist problema-
tisch. Dies wird es erst recht, wenn zur Befriedung der öffentlichen Meinung lediglich ein-
zelne, über digitale Algorithmen ermittelte Personen adressiert werden, zum Beispiel im
Vorfeld von Wahlen oder Volksentscheiden. In diesem Zusammenhang ist auch von einer
„Kontroll-Revolution“ [49, S. 105] die Rede, indem die Digitalisierung die „Ausbeutung“,
wie auch eine stärkere „Ausdeutung“ von Menschen erlaube. Staatliches „profiling“,
also die „granulare Diskriminierung anhand von algorithmischen Profilen“ [49, S. 136]
könnte die Politikgestaltung stark verändern. Es könnten extrem individuelle Anreize für
bestimmtes Verhalten geschaffen werden, um politische Ziele effektiver zu verfolgen. Es
ist dann fraglich, wie solche singularisierten Behandlungen mit bisherigen Vorstellungen
von sozialer Gerechtigkeit zu vereinbaren sind.
Schließlich ermöglicht die Digitalisierung der Gesellschaft auch eine „Intelligenz-
Revolution“ [49, S. 65], indem intelligente Maschinen weniger intelligente Arbeitsplätze
übernehmen können, auch im Öffentlichen Sektor. Durch die Automatisierung von Pro-
zessen, auch von Analyse- und Entscheidungsfunktionen, wird teilweise die menschliche
Arbeitskraft ersetzt. Die Arbeit verändert sich zudem durch den unterstützenden Einsatz
digitaler Medien und Maschinen. Dort, wo die Regeln des Arbeitsvollzugs durch Gesetze
und organisatorische Vorgaben beeinflusst werden können (siehe auch Abschn. 7.5),
werden zunehmend Kompetenzen im Umgang mit Büro- und Fachsoftware sowie quer-
schnittlich eingesetzten Medien (wie E-Mail-Programmen und Internet-Suchmaschi-
nen) erforderlich, und komplexe Aufgaben, die soziale Kompetenz erfordern, werden
Routineaufgaben nach und nach ersetzen. Der effektive Einsatz von IT wird somit zur
umfassenden digitalen Kompetenz und kann die menschlichen Möglichkeiten deutlich
erweitern. So können körperliche Handicaps durch Maschinen teilweise ausgeglichen
240 R. Heuermann et al.
werden und Tätigkeiten, die auf Daten- und Informationsrecherchen aufbauen, schneller
und mit größerer Reichweite vollzogen werden.
Im engeren Sinne hat die digitale Kommunikation Auswirkungen auf die Sprachkom-
petenz der Kommunikationsteilnehmer: 62 % der Sprachwissenschaftler gehen davon
aus, dass die digitalen Medien einen Einfluss auf die deutsche Sprache haben, gerade
über die vermehrte Verwendung von Abkürzungen, Floskeln, neuen Wörtern und kur-
zen Sätzen sowie Anglizismen [28, S. 3 f.]. Die vermehrte Nutzung digitaler Medien
zur Kommunikation kann zu Problemen mit der Rechtschreibung (z. B. Ignorieren von
Groß- und Kleinschreibung), Interpunktion und Grammatik (z. B. vereinfachter Satz-
bau, Kürzungen von Endungen, Neologismen) führen [28, S. 4 f.]. Gleichzeitig ist es
möglich, dass sich bei den Teilnehmern der digitalen, vernetzten Kommunikation ein
größerer Wortschatz aufbaut [28, S. 9], da sich die Reichweite der Kontakte und der
wahrgenommenen Sprachmodi vergrößert.
des „quantified self“, also der Messung und Optimierung persönlicher Leistungen im All-
tag, wie z. B. der beim Fahrradfahren zurückgelegten Kilometer oder erreichter Zeiten.
Dies kann über den Vergleich der eigenen Daten mit denen anderer in sozialen Netzwer-
ken motivierend wirken, aber auch zu Abhängigkeiten und einer subtilen Verhaltenssteue-
rung führen.
Der Rückgang persönlicher zugunsten weitgehend digitaler Kommunikation kann
negative gesundheitliche Folgeerscheinungen wie Schlafstörungen, Einsamkeit, Angst
und sogar Depressionen mit sich bringen [33, S. 167]. In Extremfällen von Inter-
net- und Computerspielsucht können sich in der Folge weitere ernste gesundheitliche,
soziale und psychische Folgen entwickeln, wie z. B. Abkapslung, die Änderung von
Denkmustern oder gänzlicher Kontrollverlust [7, S. 170–177]. Bei Kindern kann durch
die starke, einseitige Nutzung digitaler Medien eine Entwicklungsstörung eintreten,
denn für das Wachstum des Gehirns sind verschiedene Sinneseindrücke verantwortlich,
während mit Smartphones, Tablets und Laptops im Wesentlichen nur die Sehkraft und
der Hörsinn angesprochen werden und weniger das Tasten, Schmecken, Riechen oder
der Schwerkraftsinn. Somit wird möglicherweise ein späteres erfolgreiches Lernen der
Kinder gehindert [57]. Ein zu früher Umgang mit Smartphones in der Jugend bei feh-
lenden motorischen, nicht-digitalen Erfahrungen [33, S. 167] kann zu Sprachentwick-
lungsstörungen und Störungen der Empathie führen. Kinder und Jugendliche können
sich teilweise z. B. nicht auf ihre Hausaufgaben konzentrieren, da sie durch Smartpho-
nes abgelenkt werden [33, S. 172]. Auch findet mittlerweile Cyberkriminalität sowie
„digitale Gewalt“ einige Verbreitung: Von sogenanntem Cyber-Mobbing, Bullying
oder Happy Slapping sind 34 % der deutschen Jugendlichen betroffen [7, S. 132–135].
Schließlich kann der vereinfachte Zugang aller Altersgruppen zu kostenlosem Gewalt
verherrlichendem oder pornografischem Material zu problematischen Verhaltensän-
derungen führen, wie z. B. zu Pornosucht oder zu aggressivem Verhalten aufgrund der
Trivialisierung von Gewalt [7, S. 148–157]. Öffentliche Entscheidungsträger sollten also
insgesamt über Effekte der Digitalisierung reflektieren und entsprechende Maßnahmen
im Sinne des Gemeinwohls treffen.
Roland Heuermann
IT-Werkzeuge sind „nur“ Hilfsmittel der Sacharbeit und der Organisation, sie ermög-
lichen aber teils ganz neue Arten und Qualitäten von Abläufen oder der Facharbeit in
der Verwaltung. Unabhängig von der Digitalisierung hat die Zeit ab den 1990er Jah-
ren einige Innovationen in die Verwaltung gebracht, hierzu gehörten die in Tab. 7.6
242 R. Heuermann et al.
Tab. 7.6 Große Reformkonzepte der Verwaltungsmodernisierung auf allen Ebenen. (Eigene Dar-
stellung)
Reformidee Zeit/Verantwortliche Zentrale Ideen, Besonderheit
Gebietsreform in Kommunen, Kommunalreform in 1967– • Drastische Reduzierung
Struktur der Bundesländer 1978, Abstimmung in Berlin- der Zahl der Gemeinden, in
Brandenburg in 1996 geringerem Umfang auch der
kreisfreien Städte
• Gescheiterte oder „einge-
schlafene“ Anläufe der Kon-
solidierung, z. B. „Nordstaat“
und per Volksentscheid abge-
lehnter Zusammenschluss
Berlin-Brandenburg
Neues Steuerungsmodell, 1990er Jahre, KGSt, Kommu- • Kostentransparenz durch
„Tilburger Modell“ nen und später Länder Kosten-/Leistungsrechnung
• Dezentrale Verantwortung,
zentrale Rahmenvorgaben
• Ergebnis-/Produktverantwor-
tung
Schlanker Staat Bund in der „Kohl-Ära“, • Deregulierung
1995–1998 Sachverständi- • Zurückfahren der Staatsquote
genrat • Privatisierung, z. B. Post,
Lufthansa, Telekom, Bahn
Aktivierender Staat Bund in „Ära Schröder“ ab • Mehr Selbstregulierung der
1999 Gesellschaft statt staatlicher
Vorgaben
Vernetzte und transparente 2. Amtsperiode Merkel, 2010 • Mehr Serviceorientierung der
Verwaltung Verwaltung
vielfältigen fachlichen Funktionen der Verwaltung, aber in mehr oder weniger starkem
Ausmaß auch operative Außentätigkeiten. Durch die Programme „Bundonline“ (auf
Bundesebene seit 2000) und Mediakomm@transfer (in Kommunen, von 1999 bis 2003)
wurde zu Beginn praktisch stark auf die Außendarstellung der Verwaltung auf Home-
pages und die Bereitstellung nicht-interaktiver Informationen und Verwaltungsdoku-
mente geachtet, während später zunehmend interaktive Services hinzukamen, siehe auch
Geschichte der Digitalisierung in Abschn. 2.3.1. Tab. 7.7 enthält schlagwortartig eine
systematische Darstellung der Wirkung auf die Organisation.
Über diese Querschnittswirkungen hinaus sind neben den für die Kernverwaltung ein-
gerichteten IT-Dienstleistern einige neue Behörden bzw. Organisationseinheiten für Spe-
zialaufgaben gegründet worden. Die beiden bekanntesten sind:
Darüber hinaus gibt es zahlreiche, teils im Abschn. 6.1 dargestellte Lehrstühle und in
Abschn. 6.1.2 erwähnte Forschungseinrichtungen zu Themen der Digitalisierung.
Carsten Jürgens
7.4.2.1 Übersicht
Die vom Öffentlichen Bereich erbrachten Verwaltungsleistungen sind teils das Ergebnis
u. a. digital unterstützer Arbeitsabläufe (i. F. Prozesse), teils beinhalten sie selbst z. B.
als Teil der Kommunikation mit Bürgern, Unternehmen oder anderen Behörden digitale
Medien. Die Digitalisierung wirkt also doppelt: Einerseits unterstützt sie die verwal-
tungsinterne Leistungserbringung, ohne selbst direkt mit dem „Kunden“ der Verwaltung
in Kontakt zu kommen. Andererseits kommen aber auch „Kunden“ der Verwaltung direkt
auf digitalen Kanälen mit eventuell digitalen Medien der Verwaltung in Berührung und
nutzen diese, z. B. interaktive Web-Oberflächen oder digitale Offline-Dokumentenfor-
mate. Der verwaltungsinterne Teil der Digitalisierung ist praktisch meist die zwingende
Voraussetzung dafür, dass die digitale Interaktion der Verwaltung mit Außenstehenden
effizient gestaltet werden kann. Tatsächlich ist im Zuge der E-Government-Euphorie
gelegentlich dem digitalen Außenkontakt erste Priorität eingeräumt worden, während die
Verwaltung intern mit Medienbrüchen arbeitete und/oder parallel zum digitalen Zugang
weitere analoge Kommunikationskanäle abdecken muss, siehe Abschn. 2.4.
Die zunehmend IT-gestützte Serviceerbringung im Öffentlichen Bereich hat sich im
Laufe der Digitalisierung nicht gleichmäßig über alle Services, nicht in allen Behör-
den gleich schnell und auch nicht überall mit der gleichen Qualität ergeben. Ein schö-
nes, Außenstehenden sofort auffallendes Beispiel für die Ungleichzeitigkeit ist die
244 R. Heuermann et al.
Tab. 7.7 Organisatorische Wirkungen der Digitalisierung in der Verwaltung. (Eigene Darstellung)
Organisationsobjekt Digitalisierungsangebot Wirkung/Beispiele
Aufbaustruktur • Örtlich verteiltes Arbeiten selbst • Telearbeitsplätze
bei eng verzahnten Prozessen • Videokonferenzsysteme
möglich • Potenzial für „handwerklich“
• IT-Service-Center, IT-Dienst- leichtere und schneller zu
leister vollziehende Fusionen von
• In vielen Behörden spezielle Behörden/Gebietsreformen
Referate/Abteilungen für IT-
Fachverfahrensbetreuung
Abläufe/Arbeitsprozesse • Automatisieren von Arbeitsab- • Umläufe digitaler Akten
läufen und Verbesserung Ablauf- • Automatisch erstellte Doku-
geschwindigkeit und mögliche mentationen und Bescheide
Arbeitsmenge
• Workflow-Denken und -steue-
rung
Einkauf und Verkauf, • Elektronische Verkaufsplattfor- • Homepages von Behörden
Marketing men und Gebietskörperschaften
• Einkaufs-/Vergabeplattformen, • Vergabeplattformen der
immer größere Rahmenverträge Öffentlichen Hand
eingekaufter IT-Hard-/Software
sowie Leistungen
• Infoportale, u. a. Homepages
Städte
Entscheidungsunterstützung • Kosten-/Leistungsrechnung und • This book CRC Take care-
und Entscheidungen Statistik-Systeme für Reporting Sehr leistungsfähige Kosten-/
• Algorithmen steuern Arbeits- Leistungsrechnung und
einsätze, manche nennen das Controlling-Systeme
„Algokratie“ [35, S. 271] • This book CRC Take
care„Cockpit“-Systeme
Behördliche Korrespondenz • Alle digitalisierungsfähigen • Einreichen von Anträgen,
Kanäle erhalten digitalen Gerichtssachen usw.
Zugangsweg
Logistik • Sendungsverfolgungssysteme • Lagerhaltungssysteme
• Autonome Transportfahrzeuge
Produktion/Sacharbeit • Selbststeuernde cyber-physische • Automatisierung und Virtu-
Systeme mit Sensoren und alisierung, teils beginnend
Aktoren in Industrie 4.0 und auch Clouds
Smart Citys
• Assistenzsysteme
Transparenz • Einblick in Aufbaustruktur, • Informationsfreiheitsgesetz
Aktenpläne und Haushaltsdaten über Internetplattformen
• Extra aufbereitete Sichten auf Ver- • „Open-Government“-Ange-
waltungsdaten für Internetnutzer bote aufbereiteter Information
• Einblick in Akten(-auszüge)
Wirtschaftlichkeit • Make-or-buy-Entscheidungen • Größere Zahl an Alternativen
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 245
Einführung von E-Akten, die teils sogar in der gleichen Behörde zu unterschiedlichen
Zeitpunkten erfolgte, sodass man sowohl klassische Boten mit ihren Papierwägelchen
zweimal täglich Akten herumfahren sah, wie auch Behördenmitarbeiter an Computerar-
beitsplätzen. Der seit mittlerweile mehreren Jahrzehnten laufende Trend steigt stetig und
lässt sich unter folgenden Gesichtspunkten betrachten:
Tab. 7.8 Mögliche Wirkungen der Digitalisierung auf den Inhalt von Service. (Eigene Darstel-
lung)
Digitale Verwaltungsservices Beispiele
Abwicklungsoptimierung von Services • Komplett medienbruchfreie elektronische Abwick-
lung von Verwaltungsvorgängen
Anreicherung bisheriger Produkte mit • Personalausweis mit elektronischer Authentifizie-
zusätzlichen Mehrwertfunktionen rungsfunktion EID
Ersatz bisheriger Produkte • Digitale Zahlungsvorgänge
• Elektronische Vergabeplattformen
• Verkaufsplattformen des Zolls oder der Justiz für
beschlagnahmte Waren und Güter
Gänzlich neues Produkt • Webseiten der Städte mit Informationsangeboten
• Soziale Kontaktforen wie „digitale Dörfer“
• Digitale Parkplatzreservierung öffentlichen Park-
raums
Hybrides Produkt • Steuerformulare ELSTER, wenn ergänzend Papier-
belege eingereicht werden müssen
Paralleles Produkt • Steuerformulare ELSTER, sofern keine Papierbe-
lege eingereicht werden müssen
Unverändert in digitaler Form angeboten • Antragsformulare zum Ausdrucken
246 R. Heuermann et al.
im Verwaltungsgang beschränkte sich erst einmal auf den Ersatz der bisher mit Schreib-
maschinen erbrachten Arbeit an Texten. Von da aus haben IT-Services einen immer grö-
ßeren Anteil am jeweils ganzen Verwaltungsverfahren „erobert“, z. B. die komplette
elektronische Aktenführung mit der E-Akte, die Speicherung und die Recherche bei
fachlichen Datenbeständen, ggf. den Abgleich und die Plausibilitätskontrolle innerhalb
der behördlichen Daten selbst sowie bei durch Dritte eingereichten Daten usw.
Seit dieser Zeit hat es in allen Ebenen der Verwaltung (Bund, Länder und Kommen)
Bestrebungen zur Konsolidierung von IT-Services und darüber hinaus von Dienstleis-
tern, die gemeinsame Entwicklung von Softwareprodukten und -plattformen gegeben.
Niemand dürfte zu dieser Zeit einen statistischen Überblick über die Zahl digitalisierter
Verfahren und die Tiefe des durchschnittlichen Digitalisierungsgrades in den Verfahren
haben, weil es schon an einem standardisierten Überblick der Anzahl aller Verwaltungs-
verfahren6 und einer verbindlichen Festlegung des Begriffes „Verwaltungsverfahren“
(was gehört dazu, wann beginnt das nächste Verfahren?) fehlt. Kennzahlen wie „%-digi-
talisierter Verwaltungsverfahren“ und „%-Satz durchschnittlicher digitaler Abdeckung
aller Tätigkeiten innerhalb eines Verwaltungsverfahrens“ könnten etwas über den Fort-
schritt der Digitalisierung sagen, lassen sich aber mangels verfügbarer Daten nicht
berichten.
Mittlerweile werden – ohne dass hierfür genau Statistiken vorliegen – die meisten
kleinen Behörden bei einem Großteil der Fachverfahren und der OPH-(Organisation,
Personal, Haushalt)Verfahren vermutlich die Software nicht mehr selbst aussuchen kön-
nen oder in der Auswahl praktisch sehr eingeschränkt sein, weil sie diesen Service von
Service Centern oder gemeinsamen IT-Dienstleistern beziehen und „Sonderlocken“ auch
erkennbar zu höheren Gebühren führen würden. Die Eigenerbringung sollte bei korrek-
ter Ermittlung der Selbstkosten immer dann erheblich teurer sein als die Angebote der
konsolidierten größeren Öffentlichen IT-Dienstleister, weil diese den Vorteil der Erfah-
rungskurve, d. h. geringere Grenzkosten mit steigender Menge, und die Aufteilung der
Fixkosten auf alle nutzenden Behörden auf ihrer Seite haben (vgl. Beispiel für dramati-
sche Reduzierung der Entwicklungskosten für eine Einwohnermeldeamts-Software der
Stadt Goch bei Fremdbezug in Abschn. 8.2.6). Die inhaltliche Gestaltung der Fachver-
fahren wird – aus den gleichen Gründen – bei Nutzung der gleichen Softwareplattform
nur noch zum Teil möglich sein (s. Tab. 7.9 für einen kurzen Überblick).
6In 2015 wurde das Vorhaben einer nationalen Prozessbibliothek wegen mangelnder Mittel beendet.
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 247
Tab. 7.9 Grade der Auswahl- und Gestaltungskompetenz von Behörden für IT-Services. (Eigene
Darstellung)
Einwirkungsmöglichkeit Verfahren Software Beispiele
Volle Freiheit Ja Ja • Große Behörden, z. B. Bun-
desagentur für Arbeit
• Kleine Behörden, wenn sie
von niemandem sonst benö-
tigte Spezialsoftware einsetzen
müssen
Nur Verfahrensfreiheit, Ja, z. B. eigene Akten- Nein • Plattformbindung, z. B. Nutzer
Software ist vorgegeben pläne und Umläufe, von E-Akten-Services und
eigene Kontenpläne SAP-Services über behörden-
interne SAP-Plattformen
Weder Gestaltung des Nein Nein • Kleine Behörden z. B. im
Verfahrens noch Auswahl Kommunalbereich
der Software • Mitnutzende Behörden bei
Fachverfahren anderer
• Nutzende Behörden für
bestimmte E-Government-
Services
darüber hinaus die Abwicklung könnte individuell sein. Nachdem ein digitales Profil –
im Minimum zumindest wesentliche Personaldaten oder Daten des Unternehmens – in
der Behörde vorhanden ist, könnten sich diese Informationen mit den Erkenntnissen
der Behörde über typische, unter dem Stichwort „Lebenslagen“ beschriebene Bedarfe
nach Behördenservices verbinden und diese Services proaktiv anbieten oder sogar adap-
tiv gestalten. Abb. 7.5 zeigt personenbezogene Lebenslagen. Unternehmensbezogene
Lebenslagen fehlen hier, sie lassen sich in ähnlicher Weise darstellen.
Datenschutzrechtliche Aspekte außen vor, könnten die Behörden über die ihnen schon
aus dem behördlichen Kontakt hinaus bekannten, eventuell aus sozialen Medien erkenn-
baren Lebensereignisse wie z. B. Verlobung, Jobsuche, Umzug usw. einzelner Bürger
und Unternehmen zum Anlass nehmen, aktiv auf sie zuzugehen. In Smart Citys könn-
ten darüber hinaus digitale Angebote wie z. B. Parkplatzreservierung, freie Karten städ-
tischer Opernhäuser und Theater jeweils einschlägig interessierten Personen über den
Kreis bisher schon registrierter Kunden hinaus gezielt angeboten werden. Bisher meist
rein kalendarisch bestimmte Verfahrensweisen (z. B. Zusenden papierener Steuerformu-
lare) können durch weitere digitale oder nicht-digitale Services ergänzt werden – über
das „Ob“ und „Wie“ könnten die Bürger und Unternehmen selbst entscheiden, indem sie
einer Vernetzung zustimmen oder nicht.
Die Attraktivität Öffentlicher Portale soll durch die Vernetzung untereinander (in
3/2017 bereits geplant) gesteigert werden, darüber hinaus ist über das Dazunehmen
von Angeboten jenseits der Dienste in der Kernverwaltung nachzudenken, z. B. aus der
248 R. Heuermann et al.
Abb. 7.5 Lebenslagen nach Eintrittsalter und Ereignisketten. (Quelle: [40, S. 23])
Angebotspalette „digitaler Dörfer“. Diese sollten allerdings nicht durch eine via Bürger-
konto mögliche Authentifizierung ebenfalls auf gleiche Weise personalisiert werden kön-
nen, hier sind ggf. separate Authentifizierungen einzurichten.
• des kompletten Wegfalls von Verfahren wegen Verzichts auf behördliche Prüfungs-,
Genehmigungs- oder Versagenstatbestände,
• einer Verkürzung, Verlängerung oder des kompletten Entfalls von Fristen,
• des Wegfallens von Schriftformerfordernissen, von Unterschriftserfordernissen und
von Zahlungserfordernissen (Gebühren usw.),
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 249
Abb. 7.6 Arten und Gründe für Rechtsformvorschriften und persönliches Erscheinen. (Quelle:
nach [9, S. 14, 30 ])
• des Verzichts auf persönliches Erscheinen, siehe zu den Gründen Abb. 7.6.
• unterschiedlicher Gebühren je nach gewähltem Zugangsweg und eingereichter
Medien, z. B. Gebührenvorteile bei digitaler Einreichung.
im Jahr 2016 [9, S. 14]. Immerhin 483 Rechtsvorschriften (ca. 17 %) eigneten sich dafür,
statt bisher händisch künftig digital zu erfolgen.
• digitale Kopie mit oder ohne Ersatz der händischen Unterschrift durch digitale Signa-
tur,
• interaktive, evtl. sogar adaptive Variante
sein. Die digitale Kopie bisher analoger Verfahren bzw. bisheriger papiergebundener
Unterlagen ist der „primitivste“ Fall der Digitalisierung. Wenn parallel zu dem digita-
len Weg auch noch der bisherige analoge Weg beibehalten wird, neigen viele Behörden
dazu, die digitale Variante von Formularen als „1:1“-Kopie der analogen Version zu
belassen. Dies kann man z. B. weitgehend (2016) an den Steuerunterlagen im Elster-Ver-
fahren sehen. Fortgeschrittener ist es, die Möglichkeiten einer adaptiven Verkürzung der
Formulare und Verfahren je nach dem Inhalt bisherigen Eingaben vorzunehmen. Ergän-
zend könnte hierzu ein weiterer Vorteil kommen: Im Falle der Nutzung gemeinsamer
Stammdaten in verschiedenen Behörden könnten bestimmte Teile von Formularen, z. B.
der Name, die Adresse und andere persönliche Stammdaten bereits intelligent vorbefüllt
angeboten werden – und dies nicht nur wie bei den Steuerformularen von Elster dann,
wenn man das Formular selbst schon einmal in früheren Einreichungsvorgängen schlau
gemacht hat, sondern auch in erstmalig benötigten Dokumenten ganz anderer Behörden-
angelegenheiten.
Eine weitere Steigerungsmöglichkeit wäre auch die individuelle digitale Betreuung
des freiwilligen, aber auch der unfreiwilligen Verwaltungskunden durch intelligente digi-
tale Assistenzsysteme. Das Thema ist bereits kurz in Abschn. 7.2.4.3 über Künstliche
Intelligenz und bei „händischen“ Services auch im Abschn. 7.2.5 über humanoide Robo-
ter dargestellt worden und wird hier deshalb nicht weiter ausgeführt.
1. Virtuelle Rathäuser, die in jeder Privatwohnung oder im Betrieb web-basiert über den
eigenen Internet-Zugang mit Zugriff auf die öffentlichen Seiten der Behörden angeboten
werden. Alternativ dazu gibt es KIOSK-Systeme zur Selbstbedienung von Verwaltungs-
kunden, die keinen eigenen digitalen Zugang haben, praktisch spielen nur die virtuellen
Rathäuser über den eigenen Internet-Zugang heute noch eine Rolle. KIOSK-Systeme,
die es früher vereinzelt als spezielle Hardware gab, waren ortsfest und eigneten sich
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 251
wegen der Gefahr des Vandalismus nur für eine Aufstellung in besonders beobachteten
Bereichen, in Bonn z. B. wurde ein solches System im Eingangsbereich des Rathauses
aufgestellt.
2. „Rollende Rathäuser“, die in „dünner Fläche“ schwach besiedelter Gebiete z. B.
Nord- und Nordostdeutschlands in Kommunen ohne eigene Verwaltungseinrich-
tung tageweise vor Ort sein können – aber auch Großstädte wie Düsseldorf haben
sie ausprobiert – und dank der digitalen Anbindung in unterschiedlichem Umfang
auch ansonsten ortsgebundene Verwaltungsleistungen mit Bedarf nach persönlichem
Erscheinen oder intensiverem Beratungsbedarf erbringen. Beispiele für solche teils
nur zeitweise als Pilot betriebene oder noch bestehende Einrichtungen sind Mendig,
Friedeburg, Remagen, Düsseldorf und Neuss.
Roland Heuermann
Das Thema „Digitalisierung“ ist „mental“ spätestens ab ca. 2013 mit besonderer
Wucht in den Spitzengremien der Bundespolitik und den Programmen größerer Par-
teien Deutschlands „angekommen“. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach noch am
19.06.2013 anlässlich eines Besuches des damaligen US-amerikanischen Präsidenten
Barack Obama davon, dass das Internet „doch für uns alle Neuland“ sei. Unter anderem
in Folge solcher Aussagen waren die zu diesem Zeitpunkt vermutlich geringe digitale
Kompetenz der deutschen Regierungschefin und ihr sorgloser, im Zuge der sog. NSA-
Affäre 2015 aufgedeckter Umgang mit dem eigenen Smartphone auf IT-Branchenmessen
und in den sozialen Medien Anlass für viel Spott und Unverständnis [60]. Unabhängig
hiervon kritisierte in 2015 auch die Internetbotschafterin der Bundesregierung, Gesche
Joost, öffentlich, dass die Politik zu wenig von den Wirkungen der Digitalisierung auf
das Berufsleben und die Berufsbiografie verstehe [30]. Die langjährig als Bundesjustiz-
ministerin, Staatssekretärin und dann Wirtschaftsministerin tätige Brigitte Zypris fragte
2007 in einer Kindersendung der ARD auf die Bitte, doch mal einige Browser zu nennen:
252 R. Heuermann et al.
„Browser? Was ist denn das jetzt noch einmal?“ [83]. Ein anderes oft zitiertes Statement
für geringes persönliches Interesse am Medium Internet ist die Aussage von Michael
Glos, von 2005–2009 Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, „ich habe Gott sei
Dank Leute, die für mich das Internet bedienen“ [31].
Kurze Zeit nach der zu einem kleinen „Shitstorm“ des Spotts über Angela Merkel
führenden naiv klingenden Äußerung über das Internet, leitete man eine Reihe gesetz-
licher Maßnahmen ein – u. a. die E-Government-Gesetze – mit dem Ziel, u. a. die Ver-
waltung schneller zu digitalisieren und hier bis zum Jahr 2020 elektronische Akten
verpflichtend zu machen (vgl. zur Geschichte des Öffentlichen Managements der Digi-
talisierung Abschn. 2.3). Anders als in der Bundespolitik hat das Thema in einigen
Bundesländern schon früher, zumindest in seinen Wirkungen auf die Wirtschaft und pri-
vate Lebensbereiche, eine höhere Aufmerksamkeit gehabt, einige Bundesländer haben
auch weit früher als die Bundesebene die eigene IT-Erbringung konsequent konsoli-
diert (andere aber auch nicht). Digitalisierung ist aus mehreren Gründen ein politisches
Thema ersten Ranges geworden:
a) Sie bietet quer über Wirtschaft, Verwaltung und das private Leben ein weites Spekt-
rum neuartiger Services und neue Wege, alte Services zu ersetzen. Fast alle Klientel-
gruppen der politischen Parteien sind als private Nutzer, Beschäftigte, Unternehmer
usw. in der Doppelrolle als Kunde, Anbieter oder Interessensverband aktiv wie auch
passiv von den Wirkungen der Digitalisierung berührt. Demzufolge sind viele poten-
zielle Wähler und Lobbygruppen von Politikern inhaltlich betroffen.
b) Für ausgewählte Bereiche der Digitalisierung, das Angebot von „E-Government“-
Diensten, gibt es regelmäßige Vergleiche: a) EU-weit standardisiert [24], b) nur für
die drei Länder Deutschland, Österreich, Schweiz der „eGovernment-Monitor“, siehe
mehr Details in Abschn. 7.1. Deutschland belegt hier in den letzten Jahren keinen der
vorderen Plätze bei Nutzung und Angebot von E-Government-Services, gleichzeitig
ist die Abdeckung mit schnellem Internet ebenfalls rückständig und weit unter dem
Durchschnitt europäischer Länder. Dies muss gerade in Deutschland Aufmerksam-
keit erregen, weil man sich wegen der bedeutenden Rolle der Industrie und als vom
Export hochwertiger Leistungen lebendes Land auch als technologisch führender
Standort sehen möchte und gerade in der Schlüsselkompetenz Digitalisierung keinen
Spitzenplatz belegt.
c) Viele rechtlich relevante Themen in Wirtschaft, Verwaltung und Privatleben werden
berührt, die „Rechtssetzungsmaschine“ in Ministerien und Bundesparlament wird
nolens volens selbst beschäftigt mit Fragestellungen u. a. zu den manchmal gegen-
sätzlich wirkenden Zielen des Datenschutzes und der unternehmerischen Freiheit, der
informationellen Selbstbestimmung und der Bekämpfung von Kriminalität und Ter-
rorismus, der Beharrungskräfte von Bürokratie und der Innovation auch im Manage-
ment der Verwaltung.
d) Kurzzeitig trat mit der Partei „Die Piraten“ eine Partei mit bundespolitischem Anspruch
und oberhalb der 5-%-Hürde auf, die digitale Freiheitsrechte („Netzneutralität“)
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 253
Die Vielzahl dieser auf verschiedene politische Themenfelder wirkenden Aspekte der
Digitalisierung lässt erkennen, dass es nicht EINE Antwort der Politik und EINE Wir-
kung auf die politische Kultur eines Landes geben wird, sondern mehrere, die man
der besseren Übersichtlichkeit halber sortieren muss. Dies soll in den nachfolgenden
Abschnitten geschehen. Zunächst soll „Politik“ näher aufgeschlüsselt werden: Unter-
schieden werden soll zwischen
Ämter, die Gestaltung des staatlichen Apparates und zur Durchsetzung politischer Meinun-
gen mithilfe der Machtmittel des Staates – u. a. durch in Gesetze geronnenen politischen
Willen – oder gesellschaftlichem Druck.
Zu Beginn jeder Politik steht also Kommunikation. Insofern sind alle medialen Mit-
tel, die massenwirksam sind und deren Gebrauch mit unterschiedlichem Geschick,
unterschiedlicher Intensität, unterschiedlicher Reichweite und unterschiedlichem Ziel-
publikum versehen werden kann, auch potenziell politisch relevant. Die Frage, ob digi-
tale Medien eine politische Wirkung haben könnten, lässt sich eindeutig bejahen. Es
fragt sich nur, welche. Schliesky sieht, angelehnt an andere Autoren, ein Schwinden
der „Bürgerlichen Öffentlichkeit“, wenn sich in sozialen Netzwerken „Club Zirkel“ als
geschlossene Nutzergruppen bilden, die – wie er sagt – „in der Regel nur zur Bestäti-
gung vorgefertigter Meinungen dienen“. Hierin sieht er ein „großes Problem für die
klassische Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments“ [69, S. 17]. Eventuell kommen sol-
che fast alarmistisch anmutenden Meinungen nur dadurch zustande, dass man die paral-
lel zu Digitalisierung weiter bestehende vordigitale Welt nicht genau genug betrachtet:
Treffen von Mitgliedern im Parlament vertretener renommierter Parteien sind auch eher
Treffen der Selbstbestätigung, wie anders kämen sonst an 100 % reichende Stimmenan-
teile von Kandidaten für den Parteivorsitz von „Volksparteien“ zustande? Die Geschichte
des Buchdrucks, der Zeitungen, des Radios und des Fernsehens kennt Beispiele, wie sich
gerade in der Frühzeit dieser Medien einzelne Personen und Netzwerke kleiner Grup-
pen politische Vorteile verschaffen konnten, wenn sie diese Vorläufer-Medien geschickt
einsetzten. Teils war plötzlich ein neues Zielpublikum da – Konsumenten des neuen
Mediums – das geschickt angesprochen werden konnte. Umgekehrt wurde auch schon
im vordigitalen Zeitalter einzelnen Medien nachgesagt, den politischen Diskurs bestim-
mend zu beherrschen: Ein sprachlicher Reflex auf diese Situation in der neuesten, aller-
dings noch vordigitalen Zeit sind Begriffe wie „Fernseh-Demokratie“. Das Medium zieht
die inhaltliche Diskussion aus den sonstigen, z. B. parlamentarischen Foren ab und wird
selbst zum inoffiziellen Organ der Meinungsbildung. Beim Fernsehen ist es ja letztlich
nicht so, dass Talkshows den Deutschen Bundestag überflüssig gemacht und verdrängt
haben, aber sicher besitzt es eine große Beeinflussungsmacht. Aber anders als beim Fern-
sehen gibt es im Internet eine unüberschaubar große Zahl von „Sendern“, daher bedarf es
schon mehr als eines Auftritts im Internet, um das Parlament auszuhebeln.
Die Frage, ob die Digitalisierung mit der Möglichkeit für jedermann, sein Mei-
nung ohne großen Aufwand einem Millionenpublikum bekannt zu machen, der bishe-
rigen Politikerschicht oder den staatlichen Organen oder den klassischen Medien einen
Teil ihres Einflusses oder der Kompetenzen nimmt, ist die Frage nach der Macht über
die Digitalisierung und ihr zentrales mediales Verfahren, das Internet-System. Hier ist
entscheidend, ob jemand (eine Person, eine Partei oder der Staat) dieses Medium unter
seine Kontrolle bringen kann. Wenn „ja“, ist hierin durchaus eine Gefahr für die bishe-
rige Gesellschaftsordnung zu sehen und ein Vorteil für den Beherrscher der Medien. Da
das Internet als das zentrale digitale Medium der digitalen Nachrichtenverbreitung gera-
dezu „genetisch“ dezentral ist, eignet es sich jedoch gerade nicht für eine unentdeckte
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 255
Machtübernahme, im Gegenteil: Selbst autoritäre und totalitäre Staaten wie die Volks-
republik China, Nordkorea und Iran tun sich schwer, das Internet für ihre Zwecke zu
„zähmen“ und umzufunktionieren. Es kann viel leichter als Fernsehsender und Zeitun-
gen dezentral gestaltet, aber auch dezentral angegriffen werden.
Das Gegenteil der Gefahr einer undemokratischen Machtübernahme durch Einzelne
scheint eher richtig: Das Internet bietet nach Meinung einiger die Chance zu mehr Rech-
ten des Individuums in der Demokratie. Tab. 7.10 zeigt unter dem Stichwort „Kompe-
tenzen“ Forderungen nach MEHR direkter und weniger repräsentativer Demokratie: Das
Mandat der als Mittler zwischen den Wählern selbst und der (Entscheidungs-)Macht
auftretenden politischen Parteien und der weisungsunabhängigen Abgeordneten ist
potenziell durch die praktisch deutlich erleichterten technischen Möglichkeiten direk-
ter politischer Teilhabe – Stichwörter sind „Online-Wahl“ und „Plebiszite“ – infrage
gestellt. Die Wirkungen für die Handlungsfähigkeit des Staates und der logischen Strin-
genz aufeinanderfolgender Entscheidungen in einem Szenario der „Fall-zu-Fall“-Ent-
scheidungen mögen aus Sicht der bisherigen Politiker nicht positiv sein – der Wähler
wird sich aber eventuell besser fühlen, weil er einen größeren Teil seiner Meinung in
öffentlichen Beschlusslagen wiederfindet.
Die Abläufe in der Politik selbst können durch Digitalisierung betroffen sein, wenn
man an den Einsatz digitaler Werkzeuge bei der Wahldurchführung – elektronische
Stimmabgabe über das Internet oder in der Wahlkabine – und der Auszählung denkt
(E-Wahlen). In der radikalsten Form könnte vorgeschlagen werden, jeden Wähler die
Stimmabgabe zu Hause am eigenen Eingabegerät durchführen zu lassen. Moderater sind
Vorschläge zum Einsatz elektronischer Erfassungssysteme für die Stimmabgabe in Wahl-
kabinen (jeder Wähler bei allgemeinen Wahlen) und in Parlament am Sitz des Abgeord-
neten. Diese Veränderungen des Ablaufs von Wahlen beeinflussen die Inhalte der Politik
direkt überhaupt nicht, allerdings eröffnen sie in unterschiedlichem Ausmaß technische
Möglichkeiten der Manipulation bei Stimmabgabe und der Wahlauszählung. Zumindest
die verbreitete Meinung über die Gefahr einer solchen Manipulation spricht noch heute
gegen deren Einsatz. In der Sache gibt es in Deutschland eine sich praktisch durch alle
großen, in Parlamenten mit Berufspolitikern vertretenen Parteien ziehende Ablehnung
gegen mehr direkt-demokratische Elemente. Rein technische Argumente für nun gege-
bene praktikable, d. h. auch billigere Möglichkeiten von Wahlen treffen diese Wider-
stände vermutlich nicht in ihrem Argumentationskern und werden daher vermutlich auch
nicht genutzt (Abb. 7.7).
Die breitesten Einflussmöglichkeiten via digitale Medien in der Politik sind in der
Kommunikation selbst zu suchen. Es gibt zahlreiche soziale Medien, in denen sich jeder
politisch äußern kann und deren Inhalt teils auch durch die klassischen Medien gesich-
tet wird. Auch Politiker, denen parallel zu den sozialen Medien auch klassische Medien
mit nahezu exklusivem Zugang (z. B. Fernsehen, Radio) offenstehen, nutzen diese neuen
Foren der Meinungskundgabe. Mit besonderer Aufmerksamkeit wurde verfolgt, was
Donald Trump als amerikanischer Präsident oft twitterte. Auch manche deutsche Poli-
tiker, wie z. B. der SPD-Justizminister Heiko Maas (2013 bis 2017), tun das, ohne dass
256 R. Heuermann et al.
Tab. 7.10 Wirkungen auf Kompetenzen, Abläufe und Kommunikation in der Politik. (Eigene
Darstellung)
Wirkungen Maßnahme/Forderung Evtl. Effekt und Konsequenzen
Kompetenzen + politische • Forderung nach mehr • Digitale Techniken ermöglichen
Rechte der Wähler Basisdemokratie bei mehr Teilentscheidungen in bisher
1) Gesetzgebung und ganzheitlichen Entscheidungs-
2) im Verwaltungsvollzug ketten
• Auflösen des All-Vertretungs- • Mehr Volksentscheide bis zum
anspruchs der Parteien, mehr Extrem permanenter Volksent-
direkte Demokratie scheide
• Delegation der Rechte von Wäh-
lern auf eine Person, eine Partei
oder Selbstwahrnehmung im „Do
it yourself“ State [36, S. 205] einer
digitalen Demokratie
Abläufe • Einsatz von Wahl-Computern • Die Auszählung einer Wahl ist
in Gebietskörperschaften schneller
• Online-Wahl des Wählers von • Der Zählvorgang ist nicht mehr so
zu Hause aus transparent wie analog und tech-
• Einsatz von Wahlcomputern nisch manipulationsanfälliger
in Parlamenten • Wahlen sind preisgünstiger und
ohne langwierigen Vorlauf durch-
zuführen
Kommunikation • „Bots“, die eine große Zahl • Manipulationsmöglichkeiten, die
gleichlautender Meinungen Reaktion darauf: Jeglicher Inhalt
vortäuschena wird erst durch „neutrale“ Instan-
• „Shitstorms“ zen auf Wahrheit überprüft
• Psychometrische Verfahren • Verbot oder freiwilliger Verzicht
zur Analyse von Wählerseg- auf Bots als Wahlkampfhilfec
menten und deren gezielter • Abgeordnete, die sich der
Anspracheb Beantwortung von Wählerfragen
• Foren wie „Abgeordneten- entziehen, werden manchmal an
watch“, die Erklärungsdruck den „Pranger“ gestelltd
gegen Politiker aufbauen
aBots sind allgemein Softwareprodukte, die fremde Rechner für eigene Aktionen kapern können
ohne dass die Parteien aber eine formelle Vereinbarung darüber trafen
dBsp.: Der ehemalige Staatssekretär im BMF Steffen Kampeter, der deswegen einen Negativpreis
ihnen das besonders angelastet würde. Der politische Effekt dieser Art der Kommunika-
tion eines Amtsträgers ist, dass kein Außenministerium und kein Berater mehr eingreifen
kann, wenn der Präsident von privaten Endgeräten aus Nachrichten versendet, statt das
Prozedere eines angemeldeten Interviews mit späterer Freigabe der schriftlichen Fassung
zu durchlaufen. Das Nutzen sozialer Medien von persönlichen Endgeräten aus eröffnet
der Spontaneität Schleusen – und auch der Verbreitung irrtümlicher oder nicht genügend
hinterfragter Ansichten. Das neue Medium selbst hat an dieser Situation jedoch keinen
formenden Anteil – es ist der Politiker selbst, der twittert und andere soziale Medien
nutzt und bewusst „amtliche“ Wege umgeht. Deutsche Politiker der zweiten und dritten
Reihe nutzen Twitter ebenfalls regelmäßig (Abb. 7.8).
Eine unersetzliche Rolle dagegen spielen digitale Medien bei der Datenauswertung:
Politiker können sich der digitalen Datenwelten bedienen, um den IST-Zustand der
Gesellschaft, das aktuelle Meinungsbild wie auch die Faktenlage, in einer bisher nicht
möglichen Qualität und Aktualität zu erheben. Big-Data-Analysen über soziale Netz-
werke hinweg können eine Sozioskopie ganz neuen Ausmaßes ermöglichen, Predicitve
Analytics versprechen eine tiefer gehende Analyse des Zustandekommens individueller
politischer Meinungen und damit auch das Herausfinden indirekter Argumente zuguns-
ten ihrer auftraggebenden politischen Akteure. Das Vorgehen hierzu könnte, angelehnt
an die von Barack Obamas Team im Wahlkampf 2012 verwendete Verfahrensweise [77],
wie folgt sein:
258 R. Heuermann et al.
Spezielle Angebote aus dem Bereich der in der Privatindustrie tätigen Firmen wie Cam-
bridge Analytica7 an wahlkämpfende Parteien finden auch medial Beachtung, weil die
Anbieter von sich – nicht unwidersprochen – behaupten, ihre Daten hätten geholfen, das
7https://cambridgeanalytica.org/.
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 259
eigene Wählerpotenzial besser zu erschließen, und Wähler anderer Parteien auf die Seite
ihres Kunden gezogen zu haben.
Ein härteres und von vielen als illegitim eingeschätztes Mittel sind digitale Helfer bei
Täuschungsmanövern: Varianten computergesteuerter Social Bots können automatisch
Meinungen zu aktuellen Themen der Politik in öffentlichen Foren platzieren (vgl. [10]).
Durch Veränderungen der Texte und Verschleiern der Herkunft dieser Kommentare kann
damit das Meinungsbild beeinflusst und für außen stehende Beobachter evtl. ein falscher
Eindruck über Stimmungen in der Nutzergemeinde dieser Foren erzeugt werden. Auslän-
dischen Staaten wird vereinzelt nachgesagt, die Politik der NATO, der EU und einzelner
Staaten mit Bots zu kritisieren und auf die Innenpolitik Einfluss nehmen zu wollen. Die
Meinungen darüber, wie man mit diesen Bots umgehen soll, sind geteilt. Das einfache
Verbieten dieser Informationen oder strafrechtliche Vorgehen gegen die Verbreitung fin-
det unter einigen Experten keine Befürworter [17].
Jenseits möglicher Bedrohungen der Demokratie durch eine absichtliche Verzerrung
von Meinungsbildern stellt sich generell die Frage, ob die Digitalisierung zu einem stär-
keren politischen Engagement führt. Das Ergebnis zweier empirischer Studien ergibt
letztlich höchstens die Vermutung nach einem ganz leichten Effekt der Verstärkung poli-
tischen Interesses:
• Eine in 2013 mit 1000 repräsentativ ausgewählten Teilnehmern (in der Alterskohorte
22 bis 35 Jahre) durchgeführte Studie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
ergab, dass 8,7 % der jüngeren Erwachsenen einen Politiker im Internet kontaktiert
haben und 34,4 % schon einmal eine Online-Petition unterschrieben haben [66]. In
der gleichen Studie sagten allerdings nur ca. 5 % der Befragten, dass sie „voll und
ganz“ der Aussage zustimmen, lieber online als offline an politischen Vorgängen zu
partizipieren. Damit ist zu vermuten, dass der „Netto“-Effekt digitaler Medien auf das
politische Engagement gering ist. Ob diese Personen ohne digitale Medien überhaupt
nicht oder anders politisch aktiv geworden wären, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit
sagen, ist aber nach dem Befragungsergebnis nicht zu erwarten.
• Eine fast zeitgleich veröffentlichte, aber breiter angelegte Betrachtung [54, S. 20–24]
über mehrere, allerdings etwas ältere empirische Untersuchungen auch in anderen
Ländern, kommt angesichts gemischter Ergebnisse zu der vorsichtigen Vermutung,
dass die über das Internet gegebenen Möglichkeiten des politischen Engagements das
Gesamtniveau der politischen Tätigkeit außerhalb des Netzes nicht stören, sondern
eher leicht fördern. Allerdings werden die Angebote des Internets – wie auch die Off-
line-Angebote politischer Teilhabe – nicht in allen Schichten der Bevölkerung gleich
genutzt: das Alter, das soziale Milieu und der Bildungsstatus haben einen Einfluss auf
die Nutzungshäufigkeit. Jüngere und gebildete Personen engagieren sich auch über
das Internet in politischen Angelegenheiten, ältere Personen eher weniger.
260 R. Heuermann et al.
Tab. 7.11 Aufnahme von Digitalthemen in Parteiprogramme großer Parteien. (Eigene Darstel-
lung, Stand 1/2017)
Partei Themen
AFD • Betriebssysteme für Public Sektor nur mit geprüfter quelloffener Soft-
ware
• Nationale Software-Entwicklungen zum Schutz vor Industriespionage
• Inlandmontage geprüfter Hardware-Komponenten
• Digitalisierung der deutschen Literatur durch Deutschland selbst
• Keine Lizenzzahlungen an ausländische Unternehmen für deutsche
Literatur
CDU, SPD, FDP, Die • Mitfinanzierung des Glasfaserausbaus sowie des 5G-Mobilfunkstan-
Grünen dards
• Digitalinitiative für die Bildung, Ausstattung (Hoch-)Schulen mit digi-
talen Medien
• Innovationen (Grüne: „Grüne“ Innovationen, CSU & Grüne: Mobilität
4.0; SPD: Deutschland zum Leitmarkt für IT-Sicherheit machen und
BSI stärken; FDP: Start-ups fördern)
Die Grünen, Linke • Netzneutralität
CSU • Alle zentralen Digitalkompetenzen in einem Bundesministerium bün-
deln
Die Grünen • Entwicklung effizienter IKT-Geräte durch einen 3 Mrd.-Euro-Energie-
sparfonds
Die Linke • Digitalisierung, Roboterisierung, Potenzial der Abschaffung des Men-
schen
• Zugang zu digitalen Technologien als Teil des Existenzminimums
• Smart City nur bei Vergesellschaftung aller städtischen Infrastrukturen
FDP • Arbeitsgesetze/Sozialversicherungsregelungen für einen flexibleren
Arbeitsalltag
• Gegen anlasslose Vorratsdatenspeicherung
SPD • Stärkung des BSI, Stärkung „Selbstimmunisierungsfähigkeit“ der
Wirtschaft
• umfassende IT-Sicherheitskonzepte für Industrie 4.0 und Smart Services
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 261
Nicht nur was in den Programmen steht, ist Politik, sondern auch das, was nicht dort
genannt wird:
• Keine der genannten Parteien fordert (mehr), dass Deutschland eine führende Rolle
bei der Digitalisierung im Verwaltungsbereich spielen sollte. Es gibt zahlreiche
Beispiele konkreter Forderungen und Ankündigungen zu IT-Themen vergangener
Bundesregierungen, die nur nach erheblichem Zeitverzug oder gar nicht zustande
gekommen sind. So kündigte die Bundesregierung im Jahr 2010 in ihrer IKT-Stra-
tegie zum Beispiel den schnellen Einsatz der Cloud-Technologie in der Öffentlichen
Verwaltung an: „Ziel: Die Bundesregierung strebt an, die Entwicklung und Einfüh-
rung von Cloud-Computing-Lösungen zu beschleunigen. Gerade mittelständische
Unternehmen und der Öffentliche Sektor sollen frühzeitig von den Chancen profitie-
ren. Die bestehenden Herausforderungen werden mit dem neuen Cloud-Computing-
Aktionsprogramm adressiert“ [11, S. 12]. Tatsächlich wurde die Bundes-Cloud erst
im Januar 2017 pilotiert, der Wirkbetrieb beginnt Mitte 2017, also ca. 6,5 Jahre nach
der, wie die Ankündigung zu einer schnellen Umsetzung klingenden, Aussage der
Bundesregierung. Genauso deutlich verfehlte der IT-Planungsrat das Ziel einer noch
viel ehrgeiziger klingenden Ankündigung: In 2010 verkündeten Bund, Länder und
Kommunen, dass das deutsche E-Government bis zum Jahr 2015 zum internationalen
Maßstab für die effiziente und effektive Verwaltung gemacht werden solle [44, S. 7].
Alle bekannten Ländervergleiche der EU und privater Initiatoren zeigen leider, dass
Deutschland nicht einmal in die Nähe dieses Ziels gekommen ist.
• Keine der großen deutschen Parteien vermisst in ihren Parteiprogrammen einen im
Weltmaßstab agierenden deutschen Anbieter bei den sozialen Medien, keine wünscht
sich mehr einen deutschen Champion im Konsumentenmarkt für Software und IT-
Hardware oder trauert der Zeit nach, in der die Siemens AG und andere Hersteller in
Deutschland PCs und Smartphones fertigten.
262 R. Heuermann et al.
• Geschäftliche Ideen für Digitalthemen kann man nur sehen in den Aussagen der
SPD zu der Fokussierung auf IT-Sicherheit und der Zielstellung „Mobilität 4.0“ von
CSU und Grünen (wobei jeder etwas anderes damit meinen dürfte). Das „autonome
Fahren“ ist sicher ein Thema mit großem Marktpotenzial, wobei die regulatorische
Funktion des Staates vielfältig helfen könnte, der deutschen Kfz-Industrie in diesem
Themenfeld eine Poleposition zu verschaffen.
• Zur Organisation der Verwaltungs-IT ist allein von der CSU eine generelle Aussage
zu lesen. Sie verlangt die Konsolidierung der IT in einem einzigen Ministerium8.
Die SPD äußert sich nur punktuell und verlangt eine Stärkung des Bundesamtes für
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die AFD bietet keine generellen Aussa-
gen zum Management der Öffentlichen IT, geht aber bei IT-Sicherheit sogar auf eine
Detail-Ebene und macht sehr weitgehende Vorschläge für mehr IT-Sicherheit auf
Hardware- und Software-Ebene für Öffentliche IT-Dienstleister. Bei anderen Parteien
ist zur Organisation der Öffentlichen IT nichts zu lesen.
In dieser kurzen und sicher nicht vollständigen Analyse ist festzustellen, dass die bundes-
politischen Programme der größeren deutschen Parteien bisher kein Ort einer systemati-
schen Darstellung von Visionen für die Digitalisierung sind, sondern eher den Eindruck
punktueller Kundgabe von Absichten mit ganz verschiedener Körnungsgröße vermitteln.
Dies ist allerdings vermutlich keine Ausnahme im Vergleich zu anderen politischen The-
men in Parteiprogrammen, auch hier sind keine ganzheitlichen Darstellungen zu finden.
Daher ist im Folgenden die Skizze einer eigenen Betrachtung nötig.
8Auf persönliche Nachfrage des Autors hin äußerte der Bundesvorsitzende einer bekannten deut-
schen Partei, dass er für eine stärkere Konsolidierung von IT-Dienstleistern sei. Für diese Forde-
rung sei aber das Parteiprogramm nicht der richtige Platz, sondern erst das Regierungsprogramm.
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 263
Tab. 7.12 Mögliche inhaltliche Wirkungen auf politische Handlungsfelder. (Eigene Darstellung)
Handlungsfeld Einige mögliche Ziele einer deutschen Digitalpolitik
Arbeit und Soziales • Verstärken der positiven Wirkungen auf Menge und Art neuer Arbeits-
plätze durch Förderung von Start-ups und bestehender Unternehmen
• Abmildern negativer Wirkungen auf Arbeitsplätze
• Erkennen und Gestalten von Auswirkungen auf die Gestaltung von
Arbeitsplätzen, die Arbeitsorganisation und die Work-Life-Balancea
Bildungspolitik • Curricula für mehr digitale Kompetenzen (direkte und indirekte)
• Didaktik und ggf. Medien für digitale Wissensvermittlung bereitstellen
Forschungspolitik • Themen mit möglichem Alleinstellungsmerkmal oder Wettbewerbsvor-
teil identifizieren
• Grundlagenwissen und anwendungsreife Produkte fördern
Innenpolitik • Verwaltung mithilfe der Digitalisierung weiter modernisieren
• Verwaltung als Vorbild und Promotor digitaler Innovationen nutzen
• Öffentliche IT-Organisation verbessern
• Maßnahmen für mehr IT-Sicherheit
Kulturpolitik • Rechte von Autoren (jedweder digitaler Medien, Software-Ersteller)
gegenüber unerlaubter Nutzung besser schützen
• Eine Diversifizierung digitaler Nutzungsrechte reflektieren und ggf. in
neue Formen des Urheberrechts überführen („Creative Commons“)
• Nationales Kulturerbe vor exklusiver digitaler Inbesitznahme und kom-
merzieller Verwertung durch Dritte schützen
• Neue digitale Kunstformen erkennen und anerkennen
• Die Vernachlässigung nicht-digitaler Kulturtechniken vermeiden
Rechtspolitik • Verwaltungsregeln für digitale Entscheidungshilfen fitter machen
• Strafrecht: Internet-Straftaten definieren und härter sanktionieren
• Internetrecht, Erlaubnisse wie Verbote
• Urheberrecht
Verbraucherpolitik • Verbraucher vor Betrug und „Abzocke“ im Internet schützen
• Wettbewerb stärken, Monopole verhindern
Verteidigungs- und • Digitale Erstschlagsfähigkeit und Verteidigungsfähigkeit ausbauen
Sicherheitspolitik • Nachrichtendienstliche Kompetenzen verbessern
Wirtschaftspolitik • Innovationen durch Digitalisierung besser fördern
• Durch die Verwaltung selbst Impulse für die Wirtschaft geben
aEineSammlung vieler Aspekte und Diskussionsbeiträge zu diesem Themenfeld befindet sich im
„Weißbuch Arbeiten 4.0“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales [9]
beiden Jahrzehnten auf ca. 1,03 Mio. Personen gewachsen ist9, wobei sie in den Jah-
ren zuvor um ca. 20.000 jährlich anstieg. Die Zahl der IT-Beschäftigten im Öffentli-
chen Bereich betrug nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) in 2015 ca. 3 %
9Bitkom, [5]; die Bundesagentur für Arbeit meldet für 2015 dagegen nur 887.000 erwerbstätige
ITler in Deutschland [7].
264 R. Heuermann et al.
10Eigene Berechnung aufgrund der Angaben der Bundesagentur für Arbeit [7].
7 Wirkungen und Erfolge der Digitalisierung 265
7.5.4 Bewertung
Roland Heuermann
Obwohl die Digitalisierung schon seit den Neunzigerjahren des letzten Jahrtausends
zu einer starken Durchdringung von Privatleben und Arbeitsplätzen führte und einige
Wellen technischer Begeisterung und „Hypes“ auslöste, hat sich das Potenzial der
Digitalisierung zu drastischen Veränderungen in der Gesellschaft und im betrieblichen
Geschehen – sei es in der Wirtschaft oder der Verwaltung – noch nicht erschöpft: Auch
die aktuelle Situation bietet Jahrzehnte nach der ersten Welle der Digitalisierung in den
1980er und 1990er Jahren mit den Konzepten der Blockchain, dem nun scheinbar näher
gekommenen Termin wirklich marktreifer KI-Software im Konsumenten- und Wirt-
schaftsbereich, der Robotik, der Cloud usw. eine Reihe von Technologien kurz vor oder
schon kurz nach dem Reifepunkt, für einen flächendeckenden Innovationsschub.
Für die Verwaltung ist es wichtig, zu wissen, dass die Politik in Deutschland gerade
erst vor wenigen Jahren auch auf höchster Ebene den über die Tagesarbeit in Behörden
und punktuelle Forschungs- und Wirtschaftsförderung hinausgehenden Bedarf an strate-
gischer Steuerung der Digitalisierung in der Wirtschaft und im Staat erkannt hat, aller-
dings in den Parteiprogrammen aller größeren Parteien kein „rundes“ Programm zu allen
relevanten Themen der Öffentlichen IT bietet. Zu nennen sind hier folgende offene Ein-
zelthemen:
• Lassen sich Grundsätze für die Gestaltung und Governance guter sozialer Medien
entwickeln, ähnlich Grundsätzen zur ordnungsgemäßen Buchführung oder zur Gover-
nance von Unternehmen?
• Soll oder muss Internet-Konsum von Kindern und Heranwachsenden kontrolliert und
gesteuert werden? Wenn „ja“, wie kann man das dann tatsächlich tun?
• Wie sollen und können Kontrolleure für das Innenleben von Steuerungssoftware,
„Algorithmisten“, eingesetzt werden, um Big-Data-Algorithmen und ihre Ergebnisse
und sozio-kulturellen Einflüsse zu kontrollieren?
• Welche Möglichkeiten und Grenzen hat der Staat insgesamt, die Internetnutzung zu
steuern?
Die mit den Veränderungen innerhalb von Berufstätigkeit und Beschäftigung verbunde-
nen Folgen sind nicht die einzigen sozialen und individuellen Wirkungen der Digitali-
sierung. Digitale Endgeräte, wie vor allem das Smartphone, und digitale Medien haben
eine sehr starke Verbreitung gefunden und üben einen intensiven Einfluss auf das Sozi-
alleben und das berufliche Verhalten aus. Der damit verbundene geschäftliche wie indi-
viduelle Nutzen wird von den meisten Nutzern als sehr hoch angesehen. Kein Gegensatz
dazu, aber eine in einigen Fällen zu bemerkende Begleiterscheinung, ist die vor allem bei
jugendlichen Konsumenten auffällige, teils sogar bis hin zum Krankheitswert überstei-
gerte zeitliche Nutzung. Gleichzeitig werden „analoge“ soziale Kontakte und körperliche
Betätigungen vernachlässigt. Diese Phänomene gab es früher bei älteren elektronischen
Medien (Fernseher, Videospiele) auch, grundsätzlich sind sie nicht neu. Die Dosis und
das unvernünftige Verhalten sind hier das Gift, nicht die Substanz selbst.
268 R. Heuermann et al.
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Handlungsempfehlungen
8
Roland Heuermann
8.1 Übersicht
Der Staat hat viele Rollen – Empfehlungen an Entscheider in Politik und Verwaltung
müssen auf diese unterschiedlichen Rollen achten, wenn sie zielgenaue Vorschläge
geben wollen. Die Öffentliche Verwaltung deckt operativ sowohl das ganze Spektrum
der Verhaltensweisen eines Konsumenten wie auch eines Produzenten von digitalen
Leistungen ab. In beiden Rollen kann sie sowohl natürlicher als auch „Per-Order-di-
Mufti“-Monopolist sein, aber auch als ein Kunde oder Anbieter unter vielen auftreten.
Im Gegensatz zu Privatpersonen und Unternehmen kann sie hoheitlich tätig werden, d. h.
auch gegen den Willen anderer diese Regeln geben und sie durchsetzen. Abb. 8.1 zeigt
das Rollenspektrum und innerhalb der Rollen auch noch mögliche Varianten. Rollen mit
besonderer Bedeutung für die Digitalisierung sind mit dem Computersymbol markiert.
In der Digitalisierung tritt der Staat vor allem in folgenden fünf Rollen – eine davon
mit Varianten – auf:
• Rolle 1 ist die des direkten Gestalters, Gesetzgebers und Regel-Durchsetzers. Er kann
andere, d. h. Anbieter wie auch Kunden von digitalen Produkten, auch gegen deren
Willen, zu Tun oder Unterlassen zwingen. Dies kann er direkt tun (z. B. strafrecht-
liche Verbote, Verbot bestimmter Produkte oder Produkteigenschaften, wie z. B.
zeitweise die Rückwärtssuche bei elektronischen Telefonbüchern, Verbot von Roa-
ming-Gebühren, besonderes Kenntlichmachen von vertragsbegründenden Schaltflä-
chen auf Internet-Seiten) oder indirekt (z. B. durch zivilrechtliche Haftungsfolgen
R. Heuermann (*)
Bonn, Deutschland
E-Mail: roland_heuermann@t-online.de
wie der bis 2016 geltenden Providerhaftung bei Angebot öffentlich zugänglicher
WLAN-Hotspots). Sehr positiv an dieser Rolle ist, wenn sie auf klugen Ideen und
weitreichenden Strategien aufsetzt, dass sie auch markt- und ideenanregend, innova-
tionsfördernd und gestaltend wirken kann. Es gibt geschichtliche Beispiele für sehr
gute Erfolge bei Wegnahme hindernder Regeln, z. B. dem Endgeräte-Monopol bei der
Telekommunikation. Nachdem die damalige Staatspost ihr Monopol verlor, blühte
ein reichhaltiges Angebot an Geräten und Services auf, und die Preise sanken teils
drastisch. Umgekehrt gibt es Beispiele für die Geschäftsbelebung durch neue Regeln,
z. B. die für viele Bundesbehörden praktisch verpflichtend wirkenden Vorgaben des
Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI), die hindernd und
fördernd zugleich sein können.
• Rolle 2 ist diejenige eines Financiers, Subventionsgebers und/oder Organisators von
Forschungs- und Wirtschaftsförderungsvorhaben. Auch hier ist der Staat Gestalter,
wie in Rolle 1, allerdings greift er nur indirekt ein. Hier finanziert er (Geschäfts-)
Ideen und inspiriert Entwickler, Erfinder oder Geldgeber und Hersteller von Digi-
taltechnik zu noch mehr Innovationen und hofft auf Vorteile für die heimische
Wirtschaft. Es gibt eine leichte Überlappung der Rolle 3 (Staat als Kaufkunde von IT-
Services) mit Rolle 2 insofern, als dass der Staat auch eigene Beschaffungswünsche
durch Bevorzugen bestimmter Hersteller oder Technologien so lenken könnte, dass
er hiermit bei den Anbietern und letztlich im Markt absichtlich bestimmte Wirkungen
hervorruft.
• Rolle 3a sieht ihn als großen marktmächtigen Kauf-Kunden der primären IT-Wirt-
schaft: Macht im Markt ist relativ und hängt von der Größe der jeweils miteinander
in Kontakt tretenden Akteure ab. Deutschland gibt jährlich über 12 Mrd. EUR im
Bereich der Öffentlichen Kernhaushalte für IT aus (Schätzung 12,3 Mrd. EUR in
8 Handlungsempfehlungen 279
2013 von [37, S. 105]). Diese Ausgaben streuen über eigene Personalkosten, viele
Software- und Hardwareprodukte und externe Dienstleistungen. Oft hat der Staat
damit gegenüber einzelnen Anbietern, selbst wenn diese keine weltweiten Konzerne
sind, mangels großer Volumina an Bestellmengen und -wert nur begrenzte Durchset-
zungskraft, weil er ein Kunde unter mehreren ist. Manchmal ist dies eine Folge sei-
ner eigenen Versäumnisse, weil er seine über viele bestellende Behörden entstehende
Nachfragemacht nicht bündelt und Beschaffungen nicht gemeinsam und dann in viel
größeren Losgrößen und mit längerfristig laufenden Verträgen durchführt. Es gibt
jedoch in Einzelfällen, z. B. bei Herstellern von Spezialsoftware für den kommunalen
Bereich, bei Herstellern von E-Akten-Software usw. Konstellationen, wo ein Großteil
des Umsatzes einer Firma aus öffentlichen Aufträgen stammt, genügend Marktmacht,
um Produkte und teilweise Preise zu beeinflussen. Hier hat der Staat eine ähnliche
Rolle wie ein großer marktbeherrschender Konzern, der im freien Spiel der Kräfte auf
andere Marktteilnehmer erheblichen Druck ausüben kann.
• Rolle 3b sieht den Staat gegenüber weltweiten großen IT-Konzernen der primären
IT-Wirtschaft als Kunden mit wenig marktlicher Durchsetzungskraft bei der Produkt-
gestaltung und Preissetzung: Die Digitalisierung ist eine weltweit, auch außerhalb
des Öffentlichen Bereiches in Gesellschaft und Wirtschaft „von alleine“, d. h. ohne
eine zentrale Steuerungsinstanz, laufende Entwicklung. Der Staat und die Öffentli-
che Verwaltung sind in Rolle 1 gegenüber weltweit operierenden IT-Konzernen ein
relativ ohnmächtiger Konsument, wie die meisten Einzelpersonen oder Kleinunter-
nehmen auch: Sie ziehen aus technischen Fortschritten und wettbewerblichen Ange-
boten der Hersteller und IT-Dienstleister Nutzen. Allerdings unterliegen sie auch
zähneknirschend der Marktmacht großer Anbieter, z. B. bei Lizenzgebühren und
Releasewechseln eingesetzter Software. Hierauf können sie keinen Einfluss nehmen.
Gleichzeitig sind sie auch in gewissen Grenzen Getriebene der von eigenen Beschäf-
tigten oder Bürgern kommenden Wünsche, wie z. B. bei Schnittstellen für Endgeräte
und Betriebssysteme. Nolens volens müssen sie teilweise diesen Kunden ihrer Servi-
ces entgegenkommen und entsprechende Nutzeroberflächen und Schnittstellen bieten.
• Rolle 4 nimmt der Staat als Hersteller von IT-Services ein: Er ist sowohl Nachfrager
wie auch Anbieter und stellt in erheblichem Umfang auf allen drei Ebenen staatlicher
Gebietskörperschaften und in zig Behörden Öffentliche IT-Services bereit, sehr viele
davon auch mit selbst erstellter Software und einer eigenen Belegschaft. In dieser
Rolle als Dienstherr aller Beschäftigten des Öffentlichen Bereichs, als Organisations-
entwickler der Behörden inklusive ihrer Beziehungen zur Außenwelt und als Manager
des IT-Bereichs hat er komplexe – durch Menschen in verschiedenen Rollen, meh-
rere organisatorische Gestaltungsthemen und das facettenreiche Thema der IT selbst
(Technik und Betrieb) – vielfältige Querbeziehungen zu steuern, wie die zwei- und
dreidimensional zu lesende Abb. 8.2 schematisch zeigt.
• Rolle 5 ist eine hoheitliche Rolle: Deutschland ist selbst Regelsetzer für die Teilneh-
mer in der digitalen Welt. Die Wirkung des Staates in dieser Rolle lässt sich in drei
Facetten beschreiben:
280
R. Heuermann
Neben der Betrachtung der Rollen des Staates im „Markt“ des Digitalisierungsge-
schehens kann man eine an die Wertschöpfungskette angelehnte Sicht auf die Situa-
tion haben, indem man die Wirkungskette Kunden – Produkte (Services) – Prozesse
(Abläufe) – Ressourcen als „Aufgabenbereiche“ des Staates betrachtet und die überwöl-
benden Aufgaben der darauf bezogenen Zielsetzung sowie die operative Steuerung eben-
falls in den Blick nimmt. Tab. 8.1 zeigt eine solche Sicht.
In den folgenden Abschnitten werden die in Tab. 8.1 mit Stichworten benannten Emp-
fehlungen näher erläutert.
Die Services der IT sind in Behörden zu Beginn der Digitalisierung nur auf der unters-
ten Ebene der Managementaufmerksamkeit gesehen worden, als Thema des reinen
Ressourcen-Austausches – Ersatz Schreibmaschine durch Personalcomputer, Ersatz
vieler Rechenschieber durch Großrechner. Dann kam die noch nicht beendete Zeit des
Optimierens von Abläufen herkömmlicher Verwaltungsprodukte, mittlerweile jedoch
sind Transformationen ganzer Behörden und auch gänzlich neue Verwaltungsprodukte
(Lösungen innerhalb der Themen in Smart Citys, digitalen Dörfern) im Bereich des
Möglichen. Die digital unterstützten Arbeitsabläufe geben gleichzeitig weit mehr Mög-
lichkeiten zur Steuerung der eigenen Organisation als früher.
Die Vielzahl der durch digitale Mittel gegebenen Chancen bedeutet letztlich zwar keine
Situation, in der bei gleicher Auftragslage flächig eine komplette Neudefinition der Orga-
nisation von Öffentlicher Verwaltung, also keine „Disruption“ im Sinne komplett neuer
Geschäftsmodelle wie in bestimmten Branchen der freien Wirtschaft (siehe Abschn. 2.4)
nötig ist. Dennoch bieten sie eine deutliche Verbesserungsmöglichkeit nicht nur der Ser-
vices, sondern auch teils der Organisation des Staates im Bereich der Zuständigkeiten
282 R. Heuermann
für Querschnittsdienste in der Verwaltung und des Willens und der Durchsetzungskraft
betriebswirtschaftlicher Optimierung der Gesamtverwaltung gegenüber Gliederungsebe-
nen der Gebietskörperschaften oder Ressorts.
Ziele der Verwaltung lassen sich hierarchisch nach den Kategorien „Sachziel“ und
„Formalziel“ sortieren: Die oberste Zielebene sind die Sachziele des Staates in seinen
Kernaufgaben, diese sind u. a.
8 Handlungsempfehlungen 283
Daneben gibt es Formalziele, sie fordern u. a., dass der Staat selbst
• möglichst transparent,
• regeltreu und
• wirtschaftlich
gestaltet werden sollte. Aus diesen Zielen können eine Vielzahl von Ideen für Maßnah-
men zur Digitalisierung abgeleitet werden. Manche dieser Digitalisierungsmaßnahmen
tragen, außer der bloßen Erfüllung von Zielen des Staates mit anderen Mitteln als zuvor,
das Potenzial in sich, dazu anzuregen, die Leistungsgrenzen des Staates bei Erfüllen sei-
ner Sachziele weiter zu erhöhen. Andere dienen nur dazu, bereits gesetzte Ziele anders
und besser, d. h. auch mit weniger Kollateralschäden (wie z. B. unnötige Kosten durch
einen unnötigen „Zoo“ an parallel entwickelten und betriebenen IT-Anwendungen),
umzusetzen.
Abb. 8.3 zeigt einen eigenen Vorschlag für konkrete Maßnahmenbündel der Digita-
lisierung. Er ist formal teils sachlich sehr dicht an dem mit der Überschrift „E-Govern-
ment in Deutschland: Wie der Aufstieg gelingen kann“ betitelten, Thesenpapier des
Normenkontrollrats [27], das schon durch die an seiner Erstellung mitwirkende Fa.
Capgemini in Abschn. 6.3.3 näher vorgestellt wurde. Allerdings sind die Zuordnung
von Ober- und Unterthemen hier teils anders, außerdem wird eine konsequente Zentra-
lisierung gefordert statt einer Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen für die Abmilde-
rung der Folgen von Nachteilen des Rechts von Ländern und Kommunen auf autonome
Gestaltung eigner digitaler Angebote für substanziell gleiche bundesweite Dienste.
Aus der Erkenntnis, dass sich der Staat ehrgeizige Ziel setzen und gewillt sein sollte,
diese in vollem Umfang und der gesetzten Frist ohne unnötige Reibungsverluste umzu-
setzen, folgt zwingend die Empfehlung, die Digitalisierung zur „Chefsache“ zu machen
und diese auch auf professionelle Weise wahrzunehmen. Das heißt konkret:
• Das Thema Digitalisierung muss direkt der obersten Chefebene, sprich dem Bun-
deskanzleramt, den Ministerpräsidenten und den (Ober-)Bürgermeistern zugeordnet
sein. Nur in Schleswig-Holstein ist bisher der CIO direkt dem Ministerpräsidenten
unterstellt, in allen anderen Bundesländern und dem Bund entweder dem Finanzmi-
nisterium, dem Innenministerium oder dem Ministerium für Justiz (nur Sachsen),
siehe Abschn. 4.1. Die Empfehlungen, die Instanz des CIOs höher anzuordnen, hat
nicht nur den Zweck, dem Thema höchste Aufmerksamkeit zu geben, sondern dem
284 R. Heuermann
53 % der Deutschen glauben, dass die Verwaltung die Digitalisierung weit oder sehr weit
vorangetrieben habe. In den anderen Ländern war die Einschätzung deutlich höher [33].
Nur 36 % der deutschen Befragten glauben, dass ihr persönliches Feedback zu einer Ver-
besserung der Behördenservices genutzt wird. Ein Zusammenhang zwischender innerer
Einstellung vieler Behördenleiter, den tatsächlichen relativen Rückständen in der Digita-
lisierung der Verwaltung gegenüber anderen Industrienationen und der Wahrnehmung in
der Bevölkerung ist plausibel zu vermuten.
Eigentlich wäre es eine Aufgabe der die Dienst- und Fachaufsicht führenden Minis-
terien, die Zusammenarbeitskultur in den ihnen nachgeordneten Behörden zu fördern.
Dies scheint nicht immer zu gelingen oder gar nicht auf der Agenda zu sein. Deshalb
ist die Änderungsarbeit an dieser manchmal für Innovationsthemen nachteiligen deut-
schen Verwaltungskultur auch Teil der ganz persönlichen Aufgaben eines für die Digi-
talisierung verantwortlichen CIOs in seiner Gebietskörperschaft. Hierzu braucht er die
volle Rückendeckung des Bundeskanzlers bzw. der Ministerpräsidenten oder Regie-
renden Bürgermeister der jeweiligen Bundesländer. Sehr diplomatisch drückte dies der
erste CIO des Bundeslandes NRW, Hartmut Beuß, aus: „Ich gebe zu, hin und wieder
träume ich von einer Art Richtlinienkompetenz zu Fragen der Informationstechnik,
weil das an der einen oder anderen Stelle Entscheidungsabläufe beschleunigen könnte.
Aber ich setze darauf, dass der Weg des konstruktiven Dialogs, manchmal auch des
konstruktiven Konflikts wie in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich bleibt“ [2,
S. 16]. Zu den konzeptuellen Arbeitsmitteln gehören damit auch Akzeptanzmanage-
ment, Konfliktmanagement, Schaffung von Transparenz (für die Ministerien, Ressorts,
Behörden, IT-Dienstleister) usw. Auch ein gewisses Maß an Fehlertoleranz ist Teil der
benötigten kulturellen Rahmenbedingungen. Denn: Die Digitalisierungsprojekte werden
immer größer und komplexer. Ein falscher Anspruch an Perfektion statt angemessener
„80:20“-Passung führt zu unverhältnismäßiger Abstimmerei, überlangen Zeitbedarfen für
Konzeptarbeit und Beschaffungsgänge und dies nur, um im Ergebnis verspätete, konzep-
tionell oder technisch veraltete Lösungen für zwischenzeitlich schon durch neuere Ent-
wicklungen veränderte Probleme zu schaffen – und das evtl. mit mittlerweile schon nicht
mehr der modernsten Technologie!
Aus diesem Grund ist sehr viel gesundes Augenmaß und hohe persönliche Kompe-
tenz des CIOs nötig, um in seinem Umfeld einen optimalen Weg im Umgang mit der
Komplexität des Themas und den Eigenarten sowie Veränderungsbedarfen der gelebten
deutschen Verwaltungskultur zu schaffen.
Zu empfehlen ist, diese Kultur systematisch „top down“ – d. h. beginnend in den
Ministerien – zugunsten teamorientierter und vernetzter Kulturen abzulösen. Maßnah-
men könnten sein:
• Stärkere Durchmischung der Verwaltung mit geeigneten Personen, die schon belast-
bare Berufserfahrung im Bereich der Privatwirtschaft und insbesondere im Bereich
Digitalwirtschaft haben.
• Werbend, aufklärend und mit konkreten praktischen Konsequenzen für das eigene
Entscheidungsverhalten die Anforderungen an Entscheidungsträger im Rahmen der
Digitalisierung ansprechen, insbesondere die Behördenleiter, die Organisationsberei-
che, den Haushaltsverantwortlichen und die Fachverantwortlichen für die großen Ver-
waltungsverfahren.
Da die regelmäßige Rotation oder die Rekrutierung eines höheren Anteils behördenfrem-
der Personen für Leitungsaufgaben leider als „Kollateralschaden“ Gefahr laufen, wegen
der Einarbeitungsbedarfe neuer Kräfte auch einen zeitweisen Kompetenzverlust nach
sich zu ziehen, sind ausgleichende Maßnahmen zu etablieren. Vorschläge hierzu sind:
• Die Pflicht zum Anfertigen von WiBe besteht nur bei Änderungsvorhaben ab einer
bestimmten Größe, nicht jedoch für unverändert bestehen bleibende Abläufe. Damit
wird praktisch ein Großteil des Behördenlebens viele Jahre lang überhaupt nicht unter
Effizienzgesichtspunkten betrachtet. Eine Behörde, die nichts ändert und keine Poten-
ziale zu Verbesserungen auslotet, wird so indirekt sogar noch „belohnt“.
• Viele Behörden nehmen die Pflicht, eine WiBe anzustellen, nicht ernst und unter-
lassen es, diese anzufertigen. Der Bundesrechnungshof berichtete in 2013 über die
Befunde aus Querschnittsuntersuchungen in Bundesbehörden, dass ca. 85 % der ins-
pizierten Behörden bei finanzwirksamen Maßnahmen gar keine WiBe anstellten [8,
S. 22]. Darüber hinaus gab es zahlreiche methodische Mängel bei den vorgefundenen
Untersuchungen. Dies ging teils so weit, dass die Behörden ihre eigenen WiBe nicht
verstanden, weil Externe diese gefertigt hatten und die Zahlen nicht genügend erläu-
tert wurden. Es gibt keinen Sanktionsmechanismus für Verantwortliche in Behörden,
die solche WiBe unterlassen. Es obliegt allein den Dienstvorgesetzten bzw. der vor-
gesetzten Behörde, ob und wie sie auf Befunde des Bundesrechnungshofes reagieren.
Damit sind WiBe praktisch dem Belieben der Behördenwelt ausgesetzt.
• WiBe sind teils methodisch komplexe, speziell auf die Art des Vorhabens zuzuschnei-
dende Analysen. Einerseits fehlt Behörden manchmal fachlich qualifiziertes Personal
für diese Analysen, anderseits gibt es auch keine öffentlich zugängliche Sammlung
guter WiBe für verschiedene Aufgabenstellungen. Es wäre sehr hilfreich, für typische
Investitionsfragen der Digitalisierung vorgeprägte Modelle der WiBe zu haben und
ein genügend großes Expertenteam innerhalb der Verwaltung, das für nachfragende
Behörden aktiv wird.
• Es fehlt an Vergleichsdaten aus anderen Behörden. WiBe sind letztlich Vergleiche von
Alternativen. Geeignete Vergleichsdaten anderer Behörden zu haben, wäre sehr hilf-
reich für das Nachdenken über eigene Verbesserungsideen.
• Befunde zeigen, dass Bundesbehörden praktisch ihre Pflicht zur Aufgabenkritik,
sowohl methodisch wie auch sachlich, nicht genügend wahrnahmen. Ziele und Ziel-
systeme waren nicht geeignet, daraus mit genügender Klarheit Maßnahmen abzu-
leiten. Aufgabenkataloge waren veraltet und wurden nicht gepflegt (14 untersuchte
Bundesbehörden [9]). Dieser nicht unmittelbar mit dem Thema WiBe zusammenhän-
gende Befund mag ein Indiz dafür sein, dass ein Mangel in Behörden schon darin
liegen mag, dass sie ihren tatsächlichen aktuellen Aufgabenbestand nicht genügend
kritisch hinterfragen und selbst bei vorhandenen WiBe die Frage gestellt werden
muss, ob behauptete sachliche Notwendigkeiten tatsächlich so gegeben sind, gegebe-
nenfalls kann also auch die bestmögliche Digitalisierung völlig unwirtschaftlich sein,
dann nämlich, wenn sie eigentlich gar nicht benötigt wird.
• Durch ein Vorgehen im Stil „Zuckerbrot und Peitsche“ sollten mehr Druck und
Zwang zur tatsächlichen Durchführung von WiBe ausgeübt und gleichzeitig mehr
8 Handlungsempfehlungen 289
• Der hohe Anteil von WiBe, die von Externen im Auftrag der Behörden erstellt werden
(ca. ein Drittel der durchgeführten Arbeiten [8, S. 25]) zeugt auch davon, dass Behör-
den nicht immer die fachliche Kompetenz für diese Arbeit haben. Als Lösung dieses
Kompetenzproblems ist eine entsprechende obligatorische Zuordnung bei den Haus-
haltsbeauftragten der Behörden anzuordnen und diese Fähigkeit bei der Personalaus-
wahl als K.-o.-Kriterium zu berücksichtigen.
IT-Services sind letztlich nur Werkzeuge der Gestaltung von Fachverfahren sowie der
aufbau- und ablauforganisatorischen Wünsche der Fachbereiche. Die Kompetenz der
Organisationsbereiche in Behörden zum Projektmanagement und zu innovativen fachli-
chen wie allgemein-organisatorischen Lösungen wird behördenintern oft als überschau-
bar wahrgenommen. Die benötigte Kompetenz muss sich messen lassen an den hohen
professionellen Ansprüchen, die Organisationsverantwortlichen sollten auf Augenhöhe
mit den Bedarfen des projektlastigen Geschäfts der IT-Bereiche agieren können und
selbst den Innovationsgedanken der Digitalisierung aktiv vorantragen. Viele Organisati-
onsverantwortliche in Behörden sehen sich im Wesentlichen als Sachwalter des Perso-
nalhaushalts und weniger als Organisationsentwickler und Change Manager, dabei ist
gerade ein Verständnis für diese Herausforderungen für den Erfolg technischer Innovati-
onen wichtig, siehe Lenk [26].
Die Empfehlung ist, die Profilanforderungen der Organisationsverantwortlichen in
Behörden stärker auf die Funktion des Innovators, des Change Managers und Personal-
entwicklers auszurichten als auf die buchhalterische Administration des Personalhaus-
halts.
Außerdem ist eine bessere Verzahnung im praktischen Management mit den IT-
Bereichen nötig, sofern diese noch in einer Fachbehörde sind. Zu empfehlen ist:
• Die Prozesshandbücher der Behörden sollten explizit auch den Grad der IT-Unter-
stützung und Digitalisierung von Fachverfahren berichten. Zwischen der Sicht des
IT-Bereichs auf die Anwendungslandschaft und der Sicht des Organisationsverant-
wortlichen auf die Landschaft der Verwaltungsverfahren sollte eine dokumentierte
und regelmäßig abzugleichende „Brücke“ sein.
• Die Höhe der „Fremdleistungsquote“ in der IT (d. h. der Anteile externer Dienstleis-
ter an der eigenen Leistungserbringung) ist oft nicht allein aus sachlichen Gründen
zu erklären, sondern zu einem bemerkenswerten Teil auch aus Mängeln des inneren
Managements von Personalhaushalt und Budgetierungsprozess im Haushaltsverfah-
ren: Personal- und Sachhaushalt werden oft in Behörden zu einem unterschiedlichen
Zeitpunkt festgelegt. Wenn z. B. der Sachhaushalt zeitlich voranläuft, kann es pas-
sieren, dass im späteren Abstimmungsgang des Personalhaushalts der IT Stellen für
Mitarbeiter verweigert werden, die sie eigentlich bräuchte, um die im Sachhaushalt
8 Handlungsempfehlungen 291
Übersicht
IT-Services sind alle an interne „Kunden“ und IT-Nutzer (Fachbereiche und Mitarbeiter
der Verwaltung) und an „externe Kunden“ (Bürger und Privatwirtschaft) „verkaufbaren“
IT-Leistungen. Generelle Anforderungen externer und interner Verwaltungskunden an
Öffentliche Services sind:
Jederzeitige Erreichbarkeit
Viele Bürger und privatwirtschaftliche Betriebe wünschen sich eine Erreichbarkeit von
Behördenservices auch jenseits der üblichen Bürozeiten der Verwaltung. Dies zeigen
Untersuchungen zu Erwartungen und Zufriedenheit bei der Nutzung von E-Government.
Sicher ist neben der ja zumeist 24/7-Verfügbarkeit von Homepages auch der dahinterlie-
gende Service zumindest telefonischer Auskünfte gemeint. Diese Forderung ist im Kon-
flikt mit den Kosten für die in Tagesrandzeiten ja auch vermutlich seltener nachgefragten
Auskunftsdienste.
Zu empfehlen ist, den Einsatz von Systemen mit Künstlicher Intelligenz für Zwe-
cke der allgemeinen Auskünfte und Beratung beim Ausfüllen elektronisch verfügbarer
Anträge zu testen. Der sachlogische Aufbau der Verwaltung und einige gut strukturierte
294 R. Heuermann
• Anfordern nur der wirklich rechtlich zwingend nötigen Nachweise, Unterlagen usw.
• Möglichst Besorgen der benötigten Nachweise durch Online-Verbindung zu ande-
ren Behörden, wann immer Nachweise dort verfügbar sind und die Erlaubnis auf den
Zugriff besteht.
• Beseitigen aller verwaltungsinternen Medienbrüche und volle Digitalisierung aller
geeigneten Teile der Prozesskette.
• Reduzierung der innerbehördlichen Arbeiten und Prüfungen auf das rechtlich Not-
wendige und pragmatisch betrachtet Machbare und Sinnvolle.
• Wo immer möglich Nutzen der technischen Angebote auf Automatisierung und
Assistenzsysteme, z. B. automatischer Dokumentenvergleich bei Nach-Einreichun-
gen, ggf. vorhandene KI-Werkzeuge (siehe Abschn. 7.2.4.3) zur inhaltlichen Vor-
Analyse juristischer Texte usw.
Abläufe
Die IT-Dienstleistungen der Öffentlichen Hand in Deutschland werden durch eine sehr
große Anzahl von IT-Dienstleistern erbracht (Schätzungen sprechen von mehr als 150,
eine exakte Zahl ist durch amtliche Statistiken nicht zu erfahren). Zwar ist auf allen Ebe-
nen der Gebietskörperschaften seit Jahren eine mehr oder weniger schnelle Konsolidie-
rung zu beobachten, jedoch schreitet dieser Vorgang insgesamt langsam und/oder ohne
eine fest beschlossene Zielvision voran.
Gebietskörperschaften und teils Ressorts in Gebietskörperschaften gestalten ihre
Verwaltungsprozesse und die Art der Verwaltungsprodukte auf individuelle Weise.
Juristisch wird argumentiert, dass dies eine praktische Konsequenz des Subsidiaritäts-
prinzips, der föderalen Grundordnung und des Ressortprinzips ist. Tatsächlich ist dies
aber auch – langfristig – vermutlich viel teurer als nötig, denn alle IT-unterstützten Ver-
fahren können aufgrund der relativ hohen Infrastrukturkosten und der Skalierungseffekte
8 Handlungsempfehlungen 295
Grundgesetzänderung, die den Ländern und Kommunen das Recht auf eigene Versionen
der IT-Services (bei bundesweit gleichen Verwaltungsservices) nimmt und grundsätzlich
einen Anschlusszwang an bundesweit zentral angebotene, einheitliche Lösungen vor-
sieht. Ausnahmen hierzu könnten IT-Dienstleister oder Netzwerke sein, die auf Basis
prüfbarer Kalkulationen nachweisen, dass sie qualitativ mindestens genauso gut und kos-
tengünstiger als der zentrale Dienstleister die angebotenen Services bereitstellen können
und dies auch tatsächlich tun. Diese Regel würde denjenigen Hoffnung lassen, die trotz
erkannter Mängel eine Überlebensfähigkeit der bisherigen aufbauorganisatorisch frag-
mentierten Struktur im föderalen System nicht ausschließen. Im Falle gleicher „echter“
Kosten eines kleineren Öffentlichen Dienstleisters mit denen eines großen konsolidier-
ten Anbieters, z. B. ITZBund oder Dataport, wäre allerdings nach den Gründen dafür zu
fragen: Ist der große IT-Dienstleister mit dem viel höheren Potenzial für Skaleneffekte
schlecht gemanagt?
Struktur
Die IST-Situation stellt sich wie folgt dar:
• Auf der Ebene des Bundes gibt es gerade mit dem Zusammenschluss ITZBund eine
Konsolidierung der IT dreier Bundesressorts (BMF, BMI und BMVI). Bis zum Jahr
2022 sollen ca. 150 nachgeordnete Behörden in den Bundesressorts ihre Querschnitts-
IT und die IT-Basisdienste ausschließlich über ITZBund und das separat daneben
weiterbestehende BWI („weiße“ Bundeswehr-IT) beziehen. Der politische Druck für
diese Konsolidierung kam aus dem Haushaltsausschuss des Bundestages, die Bun-
desregierung selbst schien von sich aus hier keine große Geschwindigkeit zu entfal-
ten. Außerdem wird über die organisatorische Verschmelzung von ITZBund mit der
BWI der Bundeswehr nachgedacht. Bei den Bundesländern gibt es schon mit Data-
port eine Mehrländeranstalt, die in drei Ländern vollumfänglich und in drei weiteren
Ländern Teile des Landesdienstes mit IT-Services versorgt. Der Zusammenschluss
der IT in den ersten beiden Dataport-Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein kam
eher durch den „Zufall“ einer auf beiden Seiten gut „verdrahteten“ Person und auf
deren Initiative hin stattfindenden abendlichen, privaten Gesprächsrunden zustande
als durch konkrete strategische Initiative von Politikern (s. [17, S. 39]). Das Saarland
beabsichtigt auch den Zusammenschluss seiner IT mit derjenigen eines anderen Bun-
deslandes, bzw. gleich des ganzen Saarlandes mit anderen Bundesländern [14].
• Daneben existieren im Bundesgebiet nur länderspezifische und darin alle Varian-
ten sonstiger Arbeitsteilung zeigende IT-Dienstleister: Zentrale Länderanstalten, die
aber nicht alle Ressorts bedienen (z. B. NRW, Niedersachsen, Sachsen), zwei parallel
arbeitsteilig die Landes-IT versorgende Anstalten (Bayern) und zentrale Dienstleister
wie in Hessen, die nahezu umfassend alle Dienste bieten, usw.
• Die Kommunen Deutschlands haben ihre IT in unterschiedlichem Umfang und unter-
schiedlicher Rechtsform (GmbH, Zweckgesellschaft …) entweder konsolidiert unter
dem Dach eines Verbandes, wie des KDN, zur Zusammenarbeit und teils Arbeitsteilung
8 Handlungsempfehlungen 297
Nur durch Zusammenfügen in eine einzige, gut gemanagte und mit ausreichend Res-
sourcen ausgestattete organisatorische Einheit kann man hier auf Dauer optimale Ska-
leneffekte ohne laufende hohe Zeit- und Geldaufwände für Abstimmungen ohne gar die
Gefahr des Rückbaus beim Wechsel der politischen Wetterlage zwischen den Behörden
erwarten. Der Kern der Leistungserstellung einer Verwaltung findet im Backoffice, d. h.
in den Fachbereichen, und für die IT-Dienste im „Rechenzentrum“ oder durch zuge-
kaufte externe Dienstleister statt. Eine größtmögliche Zusammenführung eigenerstellter
Leistungen in Kompetenz-/Dienstleistungszentren sowie eine möglichst weitgehende
Standardisierung und damit Skalierungsfähigkeit sind anzustreben.
Aus diesem Grund sollte die Zielstruktur der staatlichen IT-Erbringung möglichst
wenige eigenständige IT-Dienstleister vorsehen. Ein „radikaler“ Ansatz könnte wie in
Abb. 8.5 skizziert aussehen.
Als „Leitplanken“ können folgende Überlegungen gelten:
SOA-fähig sind, ist (genauso wie für den Vor-Ort-Service) evtl. eine eigenständige
Versorgung durch die IT einer Behörde beizubehalten.
Die bisherigen Darstellungen und Empfehlungen sind mit dem Blick auf die natio-
nale Situation gegeben worden. Darüber hinaus gibt es noch eine internationale Facette
der IT-Vernetzung, allerdings ergeben sich hieraus bei der derzeitigen Auftragslage keine
besonderen Ansprüche auf eine strategisch weitergehende IT-Integration:
„Europa“ als durchgehende vierte Ebene mit flächendeckenden Verwaltungsaufgaben
im Inneren ihrer Mitgliedsländer gibt es nicht. Zu anderen Ländern im Euro-System und
der Europäischen Union gibt es in Einzelfällen behördenspezifische bilaterale Schnitt-
stellenpartner. Sehr intensiv sind z. B. der Datenaustausch und die gemeinsame Arbeit
der Bundesbank mit den anderen Zentralbanken im Euro-System, um den täglichen
Zahlungsverkehr sicherzustellen. Ein Beispiel aus dem Bereich von Aufsichtsbehörden
ist der Datenaustausch nationaler Polizeibehörden über Interpol. Gleiches gibt es auch
bei der Aufsicht über Finanzmärkte z. B. durch vollumfänglichen Austausch von Wert-
papier-Transaktionsdaten beaufsichtigter Marktteilnehmer in einem Hub in Paris. Von
Verbesserungs- und Fortschreibungsbedarfen im Einzelfall – z. B. beim Datenaustausch
im Schengener Informationssystem SIS – abgesehen, ist hier nicht erkennbar, dass eine
stärkere Vernetzung einiger heterogener, sehr fachspezifischer Insel-Anwendungen oder
gar eine übernationale vertikale Integration der IT-Dienstleister empfehlenswert wären.
Die Ressourcen für die digitalen Services sind das IT-Personal sowie die Hersteller und
Lieferanten von Software und Hardware. Die wichtigste Ressource für die Öffentli-
che Verwaltung ist das eigene Personal, wobei hier nicht nur die IT-Fachkräfte auf der
Arbeitsebene, sondern wegen der Verzahnung von Digitalthemen bis weit in die Organi-
sations- und Fachfragen der Verwaltung hinein auch die Führungskräfte, d. h. Entschei-
der in Politik und Behördenmanagement, gemeint sind.
IT-Fachkräfte
Eine immer wieder öffentlich propagierte Befürchtung ist, dass die im Zuge der demo-
grafischen Entwicklung stark zurückgehende Anzahl von Jugendlichen in einer Alters-
kohorte letztlich ja auch zu einer geringer werdenden Anzahl junger Berufstätiger und
damit – auch angesichts des gegenüber der Freien Wirtschaft nicht konkurrenzfähigen
Einkommens – zu einer deutlich kleiner werdenden Zahl von Bewerbern für den Öffent-
lichen Dienst führt. Diese begründete Befürchtung ist bisher – soweit wahrzunehmen –
nicht in der erwarteten Dramatik eingetreten, eventuell auch, weil viele Behörden gerade
im besonders kritischen Segment der Bewerber für den gehobenen Dienst (Qualifikati-
onsstufe 3) in Kooperation mit Hochschulen duale Studiengänge anbieten. Derzeit gibt
es einige hundert, meist duale Studienplätze für E-Government und Verwaltungsinfor-
matik auf Hochschulniveau (frühere Bezeichnung: Fachhochschul-), nach eigenen Schät-
zungen in 2013/2014 knapp 300 je Jahr [15, S. 5 f.].
8 Handlungsempfehlungen 301
Eine Empfehlung ist es, den Bedarf nach weiteren dualen Studienplätzen für Verwal-
tungsinformatiker und Spezialisten für E-Government bzw. New Public Management
regelmäßig zu prüfen und die Zahl der Studienplätze ggf. anzupassen.
Allgemeine IT-Ressourcenentwicklung
Die digitalen Fähigkeiten des Öffentlichen Bereiches werden von dem Niveau der für
Digitalthemen benötigten Bildung allgemein beeinflusst, dem entsprechenden Bildungs-
niveau aller Beschäftigten des Öffentlichen Bereichs und der Zahl von Schülern, die ein
einschlägiges Studium oder eine Lehre in Digitalthemen aufnehmen wollen. Daher sind
die folgenden Vorschläge von Kollmann & Schmidt [21] und vielen anderen ebenfalls
nützlich:
Alle soeben genannten Effektunterschiede zwischen den Parteien waren absolut relativ
schwach. Die frühere Rolle als persönlicher Referent, Leiter Ministerialbüro usw. ist bei
allen Parteien ein deutlicher Vorteil. Hier kommt das Prinzip „Nasenfaktor“ deutlich zum
Vorschein. Verwaltungsgeneralisten haben eher weniger Chancen. Die durch die Art der
Personalselektion bedingten individuellen Erfahrungsmängel bei Entscheidern werden
teils durch einen strukturellen Nachteil, die Trennung von Gesetzgebung und Vollzug,
verstärkt: Die in der deutschen Verwaltungspraxis als Vorteil der Gewaltenteilung dar-
gestellte strikte Trennung von Gesetzgebung und Vollzug birgt leider auch ein großes
Potenzial für praxisferne und letztlich unwirksame Regeln in sich [20, S. 90]. Der Ein-
druck vieler Verwaltungspraktiker ist es, dass das aktuelle politische Leitungspersonal
die Verwaltungspraxis weniger kennt, als dies frühere Generationen von Politkern mit
einem längeren Karriereabschnitt in der Kommunalverwaltung taten. Dies hängt even-
tuell mit politischen Karrierewegen von der Hochschule direkt in die Parlamente zusam-
men, aber auch mit der wachsenden Komplexität von Verwaltungsverfahren. Um die
Nachteile dieser Trennung abzumildern, sind die Mechanismen der Normenkontrolle ex
ante und ex post zu verstärken, siehe Abschn. 8.3.1.
Auch für die Karrierewege jenseits der Spitzenpositionen gelten in den Laufbahn-
ordnungen für Beamte Regeln, die bei der Auswahl für IT-Leitungsfunktionen nicht
zwingend nach Erfahrungen in IT-Themen fragen. Beamte werden z. B. nicht nach
bestmöglicher fachlicher Eignung für ein neues Amt ausgewählt, sondern oft teils nur
aufgrund allgemeiner guter Beurteilungen aus früheren Verwendungen. Eine fachspezi-
fische Potenzialbetrachtung findet in vielen Behörden nicht in dem Maße statt, wie es
in der Privatwirtschaft als beste Praxis getan wird. So kommen z. B. teils absolute fach-
liche Laien in IT-Führungspositionen von Bundesbehörden, auch von systemkritischen
Einrichtungen mit hohem Potenzial an Folgeschäden durch Tun oder Unterlassen bei
schlechtem Management. Die Dienst- und Fachaufsicht wird oft nicht so intensiv wahr-
genommen, wie es bei vergleichbaren Aufgaben in der Privatwirtschaft der Fall ist. Wie
wenig mangelndes Fachwissen eines IT-Leiters in Bundesbehörden auffallen kann, zeigt
ein extremes Beispiel in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin),
wo im Jahr 2006 der IT-Leiter als ca. 200-facher Serienstraftäter mit Korruption und
Untreue nur durch eine zufällige externe Prüfung des Bundesrechnungshofs auffiel. Bei
der Gelegenheit stellte sich aus heraus, dass er seinen ganzen Bildungsweg, das angeb-
liche Informatikstudium inklusive des Doktortitels, gefälscht hatte. Der Täter betonte,
wie leicht es ihm gemacht wurde, seine Einstellung im Bundesfinanzministerium trotz
gefälschter Bildungsdokumente zu erreichen, seinen Erfahrungsmangel zu verbergen
und seine langjährigen Straftaten inmitten einer Bundesbehörde zu begehen [16]. Diese
Behörde – das sei angemerkt – hat den Auftrag, den gesamten Finanzmarkt in Deutsch-
land zu beaufsichtigen, das Einhalten von Regeln und die internen Kontrollmechanis-
men zu überprüfen. Selbst hier ist echte Sachkompetenz bei der internen Digitalisierung
offensichtlich nicht das wichtigste Kriterium der Personalauswahl für ein Funktionsamt:
Später wählte sie wieder einen IT-Leiter ohne jegliche IT-Vorerfahrung und Managemen-
terfahrung aus. In der nicht dem Leistungsprinzip und der Eignung folgenden Auswahl
8 Handlungsempfehlungen 303
von Laien in IT-Leitungsfunktionen der Verwaltung liegt ein unnötig hohes Risiko und
vermutlich ein erheblicher, allerdings meist nur Insidern erkennbarer Wirtschaftlichkeits-
nachteil der Öffentlichen Verwaltung, weil ein gutes Management von Digitalisierungs-
aufgaben i. d. R. Erfahrungen in der ganzen Wertschöpfungskette der behördlichen IT
voraussetzt. Dazu kommt Bedarf nach Mut mit Augenmaß, sich auch gegen Widerstände
in einem nicht gerade von Innovationsbereitschaft geprägten Klima vieler Behörden für
Änderungsvorschläge einzusetzen. Die Leitung des IT-Bereichs ist somit nolens volens
auch eine Schlüsselposition für die Innovationsfähigkeit der Behördenarbeit. Diese
Arbeit erfordert gestandene Fachleute mit starken sozialen Kompetenzen, keine Laien.
Dringend anzuraten ist daher, die Regeln für Karrieren zu öffentlichen Spitzenpositio-
nen nicht-politischer Beamter in der Verwaltung künftig möglichst eindeutig und ohne
Möglichkeiten des Tricksens zugunsten der jeweiligen Günstlinge an harten Fakten, d. h.
den objektiven fachlichen Leistungskriterien zu orientieren. Eine Möglichkeit wäre, die
Auswahl von IT-Leitungspersonen durch ein obligatorisch mit unzweifelhaft sachkompe-
tenten und unabhängigen IT-Experten (z. B. Inhabern entsprechender Lehrstühle) besetz-
tes Gremium vornehmen zu lassen. Alternativ dazu könnte man einzelnen Sachexperten
in gemischte Behörden-Auswahlgremien setzen und ihnen – eine Art „Personalauswahl-
TÜV“ – ein Vetorecht zu geben.
Unabhängig davon sollte die auch in den tieferen Verwaltungsebenen geltende Fiktion
einer allgemeinen Befähigung von Beamten zu jedweder Tätigkeit aufgegeben werden –
zugunsten funktionaler Karrieren und dementsprechender Auswahlkriterien.
Die Nutzung von E-Government-Angeboten leidet auch darunter, dass Bürger und
Unternehmen von Stadt zu Stadt und Bundesland zu Bundesland mit verschieden aufge-
bauten digitalen Zugängen zur Verwaltung konfrontiert sind. Nicht nur die Oberflächen,
auch die Abläufe und die Tiefe des elektronischen Zugangs zu Verwaltungsleistungen
dahinter sind verschieden. Da der durchschnittliche Bürger eher selten mit der Verwal-
tung in Kontakt tritt und Unternehmen evtl. mit vielen verschiedenen Behörden und
Gebietskörperschaften kommunizieren, wären Wiedererkennenseffekte und eine über-
all gleich intuitive Nutzerführung wichtig. Diese gibt es nicht, weil jede Gebietskörper-
schaft ihr eigenes Gesicht haben will und dies leider auch mit je einer eigenen Logik der
Navigation, einer eigenen Bezeichnung von Menüpunkten und einer Verschlagwortung
von Suchbegriffen usw. hinterlegt. Neben der Optik sind auch die technischen Plattfor-
men unterschiedlich. Im Zuge von Bundonline wurde vielen Behörden die Lizenz für
den Betrieb des Government Suite Builders kostenlos zur Verfügung gestellt, dennoch
gibt es in der Behördenlandschaft eine Vielzahl von Anwendungen. Empfehlenswert
wäre der Benutzungszwang für eine zentral bereitgestellte einheitliche, mandantenspe-
zifisch mit Logos und Marketingelementen der Behörden individuell auszustattende
Plattform. Die Querschnittsanwendungen wie E-Mail-System, E-Aktensystem usw.
304 R. Heuermann
könnten bei allen Behörden identisch sein. Gleiches gilt für alle Fachverfahren, auf die
der externe Nutzer zugreift und mit deren Oberfläche und/oder Logik der Benutzerfüh-
rung er bemerkbar in Kontakt kommt. Mit einem Bundesportal, das auf die Portale der
Länder verlinkt, ist die Ergonomie für den „naiven“ Nutzer noch lange nicht so weit ver-
einheitlicht und optimiert, dass er sich bei seltenen Kontakten mit den Behördenportalen
gleich schnellstmöglich zurechtfindet. Für überregional tätige Unternehmen wiederum
ist es wichtig, dass sie möglichst nur mit einer Schnittstelle auf die evtl. zu bedienenden
behördlichen Fachverfahren Daten liefern können.
Mit der Rechtssetzung definiert der Staat u. a. Aufgaben für die Verwaltung, er legt
teils zwingend Aufbau- und Ablaufstruktur fest, definiert Kommunikationswege, eröff-
net Bürgern, Unternehmen sowie anderen Behörden Ansprüche gegenüber den Behör-
den und legt umgekehrt auch deren Pflichten gegenüber Behörden fest. Da es praktisch
kein politisches Ziel mehr gibt, das in seiner operativen Umsetzung ohne IT auskommt
[30, S. 46], hat fast jedes Gesetz direkt oder indirekt Einfluss auf die digitale Gestaltung
der Verwaltung. Die Gesetzgebung selbst ist damit oft nicht nur ein Grund für Ände-
rungen in Verwaltungs-IT, sondern ggf. auch der Organisationsentwicklung in den mit
ihrer Umsetzung beauftragten Behörden. Daher ist die Qualitätssicherung der Inhalte
und Wirkungen von Gesetzgebung selbst ein wichtiges Element der ehrgeizigen strategi-
schen Organisationsentwicklung im Staat. Hierzu hat sich Deutschland auf Bundesebene
auferlegt, auf Vorschlag der Bundesregierung eingebrachte Gesetze noch im Entschei-
dungsgang „ex ante“ hinsichtlich der Möglichkeiten von Bürokratieabbau und besserer
Rechtssetzung zu überprüfen. Diese eigentlich schon für eine jedwede Bundesregierung
selbstverständliche Pflicht wird durch eine eigens hierfür eingerichtete kleine Behörde
mit zehn (vom Bundespräsidenten ernannten) ehrenamtlichen Mitgliedern und einem
Sekretariat, dem im Jahr 2006 im Rahmen eines Programmes für „Bürokratieabbau und
bessere Rechtssetzung“ eingerichteten „Normenkontrollrat“ (NKR), wahrgenommen.
Die Arbeitsweise des NKR ist wie folgt:
• Prüfobjekt sind die aus Gesetzesvorschlägen der Bundesregierung, seit 2016 auch
die aus EU-Gesetzen, stammenden Informationspflichten. Die durch sie verursachten
Einmal- und Folgekosten (sogenannte „Erfüllungskosten“) bei Unternehmen, Bürgern
und der Verwaltung werden mithilfe des EU-weit eingesetzten Standardkostenmo-
dells (SKM) geschätzt. Bei der Ermittlung der Kosten hilft das Statistische Bundes-
amt. Auf Basis dieser Ergebnisse verfasst der Normenkontrollrat eine Stellungnahme,
die die möglichst sparsame Umsetzung des Gesetzes, nicht aber den Nutzen (Impact)
8 Handlungsempfehlungen 305
und damit auch die Kosten-Nutzen-Relation betrachtet. Die Stellungnahme wird dem
vom Kabinett verabschiedeten und an die Ausschüsse des Bundestages weitergebe-
nen Kabinettsentwurf (=vom Kabinett verabschiedeter Referentenentwurf) beigelegt.
Spätere im Gesetzgebungsgang erfolgende Änderungen werden nicht mehr nach-
kommentiert, sodass die Entscheidung des Parlaments evtl. auf einer veralteten, nicht
mehr ganz dem Bericht des NKR zugrunde liegenden Fassung des Gesetzes basiert.
Seit 2013 gibt es neben der Ex-ante- eine zusätzliche Ex-post-Evaluation durch das
zuständige Fachressort, zwei bis fünf Jahre nach Einführung des Gesetzes.
• Prüfungsinhalt sind u. a. die Verständlichkeit des Gesetzes, der Zeitpunkt der Inkraft-
setzung und von Befristungen, Chancen zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
und das Ausmaß der Umsetzung von EU-Richtlinien („1:1“), nicht jedoch das eigent-
liche politische Ziel des Gesetzes.
• Als Verfahren der Ermittlung von Gesetzesfolgekosten wird das in den Niederlanden
entwickelte Standardkostenmodell (SKM) eingesetzt. Es ist ein grobes Schätzverfah-
ren mit Lücken: IT-Kosten für automatisierte Verfahren, die nicht seitens der Behörde
in die Kosten der Verwaltungsarbeit eingerechnet wurden, sind hier nicht erfasst.
1. Erweitern der Rolle und der Rechte des Normenkontrollrats auf die Möglichkeit,
neben den Gesetzesvorschlägen der Bundesregierung auch diejenigen des Bundesra-
tes und aus dem Bundestag selbst zu hinterfragen (so auch [22, S. 8 f.]). Bisher geht
das nur bei freiwilliger Vorlage. Um Größenordnungen anzuzeigen, folgende Anga-
ben: In der Legislaturperiode 2009 bis 2013 kamen die Vorschläge für die insgesamt
verabschiedeten 553 Gesetze zu 78,5 % (434) von der Bundesregierung, zu 15,9 %
(88) vom Bundestag, zu 3,1 %(17) vom Bundesrat und zu 2,5 %(14) von Bundesre-
gierung und einzelnen Fraktionen zeit- und wortgleich [13].
2. Ausdehnen der Rolle des NKR auf schon vor seiner Einrichtung bestehende Gesetze
in einer Ex-post-Betrachtung. Eine solche Ex-post-Betrachtung gibt es seit 2016 nur
bei ehemals vom NKR geprüften Gesetzen und soll nach ca. zwei bis fünf Jahren
stattfinden.
3. Der NKR sollte nicht nur den ersten entscheidungsreifen Regierungsentwurf (vom
Kabinett verabschiedeter Referentenentwurf), sondern die letzte, also nach Änderun-
gen durch Ausschüsse usw. nochmals modifizierte und wirklich final dem Parlament
vorliegende Fassung des Gesetzesvorschlags prüfen.
4. Die mit dem SKM durchgeführte Betrachtung der Gesetzesfolgekosten lässt mögliche
Erkenntnisse aus, die aus Informationen über die zu erwartende tatsächliche Verwal-
tungspraxis und die aus Sicht der Bürger und Unternehmen zu erwartende tatsächli-
che Belastung gewonnen werden könnten.
5. Normenkontrollräte sollten auch in allen Bundesländern eingerichtet werden. In 2015
verkündet z. B. das Land NRW auf seinem Landesportal stolz, erstmalig für ein Bun-
desland die Folgekosten eines Gesetzes ermittelt zu haben [25]! Da die Länder auch
306 R. Heuermann
Gesetzgeber sind und offenbar keinen Überblick über die Folgekosten ihrer Gesetze
haben, steuert ein Großteil der Legislative den Staat ohne Kenntnis der durch das
eigene Tun ausgelösten Belastungen von Verwaltung und Gesellschaft. Wenn man
ergänzend Verordnungen in Bund und Ländern sowie alle durch Kommunen festge-
legten Regeln hinzunimmt, dann wird das Potenzial für künftige Verbesserungen in
der Normenkontrolle noch größer und offensichtlicher. Derzeit gibt es nur in Sach-
sen (seit 01.01.2016) und in Baden-Württemberg solche Gremien. Die Normenkont-
rollräte der Länder sollten untereinander und mit dem Bundes-NKR kooperieren und
untereinander vernetzt sein.
6. Explizite Prüfung der Umsetzungsmöglichkeiten neuer Gesetze mit möglichst schlan-
ken, ggf. alternativen digitalen Hilfsmitteln. Dies bedeutet, auch genügend zeitlichen
Vorlauf zu haben, um die praktische Möglichkeit für das Ausarbeiten guter Vorschläge
und das Einleiten von Beschaffungsvorhaben zu haben. Ein von IT-Verantwortli-
chen in der Verwaltung oft beklagter Mangel in der Gesamtsteuerung der Behörden-
welt ist, dass die Politik den teils durch Verwaltungsregeln (wie dem Vergaberecht)
herbeigeführten Zeitbedarf für eine optimale IT-Umsetzung nicht berücksichtigt
und daher operative Hektik bei der Umsetzung von Vorhaben mit zu engen Fristen
zwangsläufig zu suboptimalen, neuen Verwaltungsverfahren führt. Seit 2013 gibt es
einen IT-Prüfleitfaden des NKR, anhand dessen im Gesetzgebungsprozess die etwa-
ige elektronische Bearbeitung, insbesondere bei Informationspflichten, berücksichtigt
werden soll [18]. Diese Prüfpflichten sind deutlich erweiterungsfähig, insbesondere
sollten Gesichtspunkte der Prozess- und IT-Optimierung wie Medienbruchfreiheit,
Vermeiden doppelter Datenerhebung usw. gleich mit berücksichtigt werden (so auch
[19, S. 38–40]). Dies bedeutet praktisch, dass nicht nur die neue zur Entscheidung
vorliegende Rechtsnorm, sondern auch das ganze damit vernetzte Umfeld bestehen-
der Normen und deren IT-Umsetzung gleich mit berücksichtigt werden muss. Hierzu
bräuchten der Gesetzgeber und der NKR möglichst auch einen geordneten Überblick
der betroffenen Rechtsnormen, der Verwaltungsfahren zu deren Umsetzung und der
diese Umsetzung unterstützenden IT-Services. Diese geordnete Übersicht wäre eine
behördenübergreifende Sicht auf die Anwendungslandschaften mit Bezug auf die
behördlichen Fachverfahren.
7. Derzeit gibt es keine Nutzenbetrachtung durch den NKR. Ob der beabsichtigte Geset-
zeszweck nicht letztlich komplett unwirtschaftlich ist oder das beabsichtigte Ziel
nicht auch mit anderen Mitteln zu erzielen ist – wozu auch die Umsetzung durch pri-
vate Anbieter statt durch die Öffentliche Verwaltung oder ganz andere Wege der Infor-
mationsversorgung in einer digital vernetzten Datenwelt gehören könnten – wird nicht
im Sinne einer Impact-Prüfung untersucht. Natürlich ist diese Prüfung zuvörderst
Aufgabe der Bundesregierung selbst, bevor sie Gesetzesvorschläge macht. Allerdings
ist die Geschichte der Bundesrepublik auch eine Geschichte mancher Gesetzesvor-
schläge, die evtl. schon im Zeitpunkt ihrer Entstehung von Kritikern als „Bürokra-
tiemonster“ bezeichnet wurden. Dies ist ja u. a. auch Grund für die Einrichtung des
Normenkontrollrats. Zu seinem expliziten Auftrag gehört die Nutzenbetrachtung aber
8 Handlungsempfehlungen 307
noch nicht, selbst wenn er in Einzelfällen wie z. B. der Pkw-Maut oder seiner gene-
rellen Stellungnahme zum Stand des E-Governments sehr engagierte und fachlich
gut begründete Nutzenbetrachtungen angestellt hat. Genau diese punktuell gezeigte
Fähigkeit sollte systematisch für alle gesetzgeberisch angefassten Themen genutzt,
d. h. zu dem offiziellen Aufgabenkatalog des NKR hinzugenommen werden (so auch
[22, S. 11 f.]).
8. Mehr digitale Fachkompetenz in den NKR: Die im Jahr 2016 für eine nächste Amts-
periode von fünf Jahren vom Bundespräsidenten ernannten ehrenamtlichen zehn Mit-
glieder des Normenkontrollrats waren überproportional viele Juristen und alle kamen
aus früheren Verwendungen im Staatsdienst, aus öffentlichen Hochschulen oder
dem Verbandswesen. Unter ihnen war keine einzige Person mit langjähriger opera-
tiver Managementerfahrung in der Privatwirtschaft und kein von außen als Experte
für Digitalisierungsthemen erkennbares Mitglied, z. B. ein Ex-CIO aus der Verwal-
tung. Diese letztlich hinsichtlich des beruflichen Erfahrungsspektrums sehr einseitige
Personalauswahl sollte künftig zugunsten eines angenäherten Proporzes für die von
Gesetzen besonders häufig betroffenen Akteure abgelöst werden. Insbesondere feh-
len Personen mit ausgeprägter ökonomischer, digitaler und unternehmenspraktischer
Erfahrung, ergänzend könnten der aktuelle oder ehemalige CIO des Bundes und je ein
CIO der Länder und Kommunen die persönliche Kompetenz für die Öffentliche IT in
diesem Gremium deutlich erhöhen. Ebenso ist auch die Länge der Amtsperiode ein
wegen der Schnelllebigkeit technischer Entwicklungen und der daraus resultierenden
Bedarfe an Sachkompetenz kritisch zu hinterfragender Faktor.
9. Systematische Anstrengungen zur Eingrenzung von Interpretationsunschärfen der
Rechtsregeln: Ein abstraktes grundsätzliches Thema der Rechtssetzung, das über
viele Regelungswerke streut, ist mit dem Begriff „unscharfes Recht“ (der Ausdruck
findet sich u. a. bei [5]) treffend zu umschreiben: Viele Rechtsregeln – seien es ein-
zelne Begriffe oder ganze Regelungsinhalte – sind relativ unbestimmt. Off et al. [28,
S. 46] sehen u. a. das „Bild eines heterogenen Rechtsbestands, der teilweise geprägt
ist durch Uneindeutigkeiten, Redundanzen, Inkonsistenzen (vor allem zwischen
Rechtsbereichen), durch unterschiedliche Definition gleicher lebenswirklicher Sach-
verhalte“ in der selbst auch in Silos arbeitenden Ministerialbürokratie Deutschlands.
Dies bedeutet für alle zur Umsetzung nötigen Verwaltungsverfahren, seien sie digi-
tal unterstützt oder nicht, einen höheren Aufwand, weil rechtliche Auslegungsfra-
gen, viele „Wenn“s und „Dann“s bei der Klärung von Anspruchsgrundlagen usw.
die Arbeitsprozesse und auch sie unterstützende IT-Anwendungen komplex machen.
Komplexität in der Verwaltung ist möglichst schon im Vorhinein durch präzise und
gleichzeitig möglichst schlanke Gesetze zu vermeiden. Eine ergänzende Hilfe zum
Erzeugen semantischer Eindeutigkeit könnten Annotationen sein, die man im Werde-
gang einer Rechtsregel beifügt. Off et al. [28] schlagen ein entsprechendes, elektro-
nisch gestütztes Verfahren vor. Zusätzlich sollen prozessuale Hinweise Informationen
über die Abläufe der Umsetzung in der Verwaltung geben. Die Autoren sehen ihren
Vorschlag primär als Hilfsmittel der Qualitätssicherung in der Rechtssetzung, eine
308 R. Heuermann
radikale Variante dreht die Reihenfolge um und leitet aus prozessualen Vorstellen Vor-
schläge für Rechtstexte ab. Mit dem Heranrücken digitaler Fähigkeiten zu technischen
Lösungen für juristische Entscheidungsfragen kommt es zu einer Situation, wie sie
schon bei der Entwicklung vieler „normaler“ Fachverfahren im Öffentlichen Bereich
zu beobachten ist: Die fachlich verantwortlichen Personen erschrecken über die durch
systematische Digitalisierung ihrer Fachverfahren offenbar werdenden Widersprüche
in der bisher praktizierten Arbeit, sei sie durch die Normen oder nur durch die indivi-
duelle Auslegung der Normen bedingt. Manche neigen dann zu nicht immer logisch
konsistent begründeten Verteidigungsreflexen. Falls der grundsätzliche Bedarf, das
deutsche Recht durchgängig noch systematischer, präziser definiert und damit besser
automatisierungsfähig zu machen, von der Politik aufgenommen und umgesetzt wer-
den soll, ist mit starken, teils kulturellen und berufsständisch begründeten Vorbehalten
gegen eine Modernisierung zu rechnen. Dies zu überwinden ist sicher eine Herkules-
arbeit. Der NKR ist hier schon „am Ball“, wünschenswert ist das energische weitere
Vorantreiben auch technisch unterstützter semantischer Klärungen.
Es gibt eine Reihe speziell auf IT- und Digitalthemen gerichteter Gesetze und Rege-
lungsgegenstände, die im digitalen Zeitalter eine teils grundsätzliche, teils in bestimmten
Zeitabständen immer wieder neue Überprüfung benötigen. Themen für eine grundsätzli-
che rechtliche (Neu-)Regelung sind:
• Die Definition der Details unserer föderalen Grundordnung: Ein großer Teil der auch
in diesem Werk beschriebenen Steuerungsfragen des Öffentlichen IT-Managements
kreisen um das Grundproblem, dass die Optimierung der E-Government-Services
sowie die IT-Backoffice-Organisation in Deutschland an den Prozess des Aushan-
delns und Vereinbarens unter gleichberechtigten Ebenen der Gebietskörperschaften
(Bund – Länder, Länder mit ihren Kommunen) gebunden ist. Unzweifelhaft ist in die-
ser rechtlich begründeten, föderalen Struktur ein Hemmnis – eine „Achillesferse“ –
für die effiziente Digitalisierung Deutschlands zu sehen [29, S. 62 f.]. Ein Beispiel:
Berichte über schwierige, für manche Seiten als unbefriedigend wahrgenommene
8 Handlungsempfehlungen 309
• Das Datenschutzrecht. Deutschland ist ein Land mit besonders weit gefassten Daten-
schutzrechten, und darüber hinaus interpretieren manche Behörden – manchmal auch
die Personalräte in Behörden – das Datenschutzrecht ziemlich streng. Die immer
wieder anlässlich terroristischer Bedrohungslagen geführten Debatten, welche Daten
Behörden austauschen dürfen oder nicht, sind in der Öffentlichkeit bekannt. Es gibt
aber eine Vielzahl „kleiner“ Themen innerhalb der Behördenwelt, in denen das Daten-
schutzrecht evtl. kaum schutzwürdige Interessen behandelt, sehr wohl aber einen
besseren Service oder mehr Rechtsschutz behindert: In einer Bundesbehörde durfte
z. B. das automatisch vom Zeiterfassungssystem geführte Anwesenheitstableau nicht
genutzt werden, um Telefonanrufern zu sagen, ob ihre Ansprechpartner am Tag des
Anrufes im Hause zu erreichen sind oder nicht. Wer auf dem Wege eines Schiedsver-
fahrens gegen Amtsträger wegen evtl. strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen vorge-
hen will, benötigt deren private Wohnadresse, weil ansonsten die Schiedsgerichte mit
Hinweis auf den Datenschutz und ihre Zuständigkeit nur für bestimmte Wohnbezirke
gar nicht tätig werden, selbst wenn man dem Gericht den Arbeitgeber und dessen Post-
adresse nennen kann. Das vermutlich sehr leicht mögliche Ermitteln der Privatadresse
aufgrund der zuvor genannten Daten ist ihnen mit Hinweis auf den Datenschutz ver-
wehrt. Umgekehrt zeigen gelegentliche Berichte aus der Verwaltung, dass der behörde-
ninterne Datenaustausch zugunsten des Bürgers zum Wegfall vieler Nachweispflichten
führen könnte, z. B. dem immer wieder geforderten Vorlegen der Geburtsurkunde. Der
oft als Widerspruch erlebte Anspruch von Servicekunden nach Reduzierung ihrer Auf-
wände bei Amtssachen und Amtsträgern, die eine strenge Auslegung des Datenschutz-
rechtes leben und damit Behörden künstlich als Datensilo führen, wird – so vermuten
manche – oft zugunsten der Amtsträger gelöst. Die „Informationelle Selbstbestim-
mung“ – so die Verfechter eines strengen Datenschutzes – führt dazu, dass Behörden
Daten nur zu dem bei der Erhebung bestimmten Zweck nutzen dürfen. Daher sei eine
Weitergabe an andere Behörden nicht zulässig. Bull [6, S. 230 f.] sieht diese Meinung
und den Einfluss von Datenschützern als Grund dafür, dass das Prinzip „die Daten sol-
len laufen, nicht die Bürger“ umgedreht sei. Als Konsequenz aus vermutlich ähnlichen
Erkenntnissen formuliert es ein Autorenduo radikal: „Datenschützern [sollte man]
nicht das Schicksal der digitalen Wirtschaft überlassen“ [21, S. 163].
• Digitale Signatur: die Ablehnung der elektronischen Unterschrift als Alternative für
die händische Unterschrift. Hier zeigt die Bundesregierung teils unerklärlichen Man-
gel an Mut und Durchsetzungsbereitschaft gegenüber Widerständen in der Behör-
denwelt. Zur Erläuterung ist auf einen Bericht des Bundesinnenministeriums zu
verweisen: Es hat in 2015 mit umfangreichen Befragungen von Behörden mit ein-
schlägiger Verwaltungspraxis eine große Zahl von Verwaltungsgesetzen daraufhin
geprüft, ob das darin enthaltene händische Schriftformerfordernis weiterhin nötig ist.
Der Ablauf dieser Prüfung war, dass man jeweils von einschlägig, mit dem jeweiligen
Verfahren befassten Behörden Stellungnahmen einholte. Die in Abb. 8.6 (linke Seite)
8 Handlungsempfehlungen 311
Abb. 8.6 Prüfung Schriftlichkeitsanforderung und Erscheinenspflicht (Quelle: BMI, 2015, S. 14, 30)
Literatur
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314 R. Heuermann
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8 Handlungsempfehlungen 315
Weiterführende Literatur
Algokratie Autoritärer Staat, der von Computeralgorithemen und den diese gestalten-
den Politikern und ihren technischen Helfern gesteuert wird.
Augmented Reality Computerunterstützte Erweiterung visueller und/oder (selten)
akustischer realer Umgebung.
Ambient Assisted Living Digitale Assistenzsysteme zur Erleichterung alltäglicher Ver-
richtungen, insbesondere auch für pflegebedürftige Personen.
BMI Bundesministerium des Innern.
BMWI Bundeministerium für Wirtschaft und Energie.
Bürgerkonto Authentifizierter Zugang natürlicher Personen oder Unternehmen zu inter-
aktiven digitalen Services von Behörden.
Bullying Phänomen im Kontext der Schule, bei dem ein Einzelner von einem oder meh-
reren in seiner Gruppe schikaniert und terrorisiert wird.
CDO Chief Digital Officer.
Crowdworking/crowdsourcing Auslagerung traditionell interner Teilaufgaben an eine
Gruppe freiwilliger User, z. B. über das Internet.
Disruptive Technologie Innovation, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes
Produkt oder eine bestehende Dienstleistung möglicherweise vollständig verdrängt.
Happy Slapping körperlicher Angriff (Körperverletzungsdelikt) auf meist unbekannte
Passanten, aber auch Mitschüler oder Lehrer, der über die Veröffentlichung von mit-
gefilmtem Material die Opfer der Angriffe erniedrigen soll.
Hermeneutisch Auslegend, erklärend, Ursprung des Begriffs ist das griechische
hermēneúein (deuten, auslegen).
Holakratie Rollen- statt personenzentrierte Hierarchie.
IaaS Infrastructure as a Service.
Incident-Management Störfall-Management, Begriff aus ITIL.
ITIL Standard für IT-Serviceprozesse.
NEGZ Nationale E-Government-Strategie.
NKR Normenkontrollrat.
Digitalisierung, 9, 260 I
als Chefsache, 284 Industrielle Revolution
Management, 18 dritte, 10
Digitalisierungsstrategie in Hamburg, 114 erste, 10
Disruption, 43, 281 vierte, 10
DIVSI (Deutsches Institut für Vertrauen und Zweite, 10
Sicherheit im Internet), 167 Initiative Morgenstadt, 167
Dorf, digitales, 61 Innovation, 15
dot.com-Hype, 40 Intelligenz-Revolution, 239
IT
Arbeitsplätze, 264
E der Hochschulen, 102
E-Government, 32, 34 der Justiz, 102
Gesetz, 42 der Landespolizei, 102
des Bundes 2013, 142 Innovation, 16
Kompetenzzentrum, nationales (NEGZ), Personal, 300
164, 177 Planungsrat, 22
Monitor, 216 Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen
Strategie, nationale (NEGS), 23 Bereich, 263
Studienplätze, 300 IT.Niedersachsen, 124
E-GovG, 142 IT.NRW, 131
E-Taxi Wien, 85 IT4IT-Referenzmodell, 202
Electronic Government s. E-Government IT-DLZ (IT-Dienstleistungszentrum), 102
ELSTER, 127 IT-Kooperationsrat Baden-Württemberg, 107
Entbürokratisierung, 249 IT-Management-Standard IT4IT, 202
Erfolgsmaßstab, 215 IT-Prüfleitfaden des NKR, 306
Euritas, 168 IT-Rat Baden-Württemberg, 107
ITD, 131
ITDZ, 110
F ITZBund, 141
FITKO (Föderale IT-Kooperation), 23, 188
FOMO (fear of missing opportunities), 240
Fremdleistungsquote, 290 K
KDN, 131
KGSt (Kommunale Gemeinschaftstelle für
G Verwaltungsmanagement), 169
Gates, Bill, 228 KI-Entscheidungsvorschläge, 232
Gemeinde, digitale, 61 Kommunalverwaltung, klassische, 56
Geschäftsmodell, digitales, 207 KONSENS, 126
Gesellschaft für Informatik, 164 Konsolidierungsarten, 55
Government Site Builder, 41 Konzept
Greenfield City, 64 Internetstadt Köln, 82
zur IT-Steuerung des Bundes, 140
Kosten-Benchmark, 289
H Künstliche Intelligenz, 226
Häfler-Stufenmodell, 33
Happy Slapping, 241
HZD (Hessische Datenzentrale), 102 L
Landes-CIO, 101
Landessystemausschuss (LSA), 105
Stichwortverzeichnis 321
VIKAKO, 170 X
VITAKO, 54 xÖV, 23
W Z
Web ZIT-BB, 102
1.0, 33
2.0, 33
3.0, 33
4.0, 33
5.0, 33
WiBe, 288
Wirtschaftlichkeit, 287
Die Autoren
Klaus Bergner, geb. 1961, Hamburg, bildender Künstler und Grafik-Designer. Auftrags-
arbeiten, Publikationen, Kunstausstellungen, freie Zeichnungen, großformatige Aqua-
relle, Portraits.
Dr. Johan Bizer, geb. 1960, Jurist, seit 2011 Vorstandsvorsitzender Dataport, Mitglied im
Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen IT-Dienstleister VITAKO.
Die Autoren 325
Prof. Dr. Andreas Engel, geb. 1954, Studium der Politikwissenschaften, Geschichte und
Philosophie, von 1988 bis 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter, zuletzt Akademischer
Direktor am Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik der Universität Kob-
lenz-Landau, 2006 Habilitation im Fach Verwaltungsinformatik. Von 2001–2004 Leiter
der Stabsstelle für Strategisches Informations- und Kommunikationsmanagement der
Stadt Köln, seit 2004 IT-Leiter der Stadt Köln und Geschäftsführer des KDN – Dach-
verband kommunaler IT-Dienstleister in Nordrhein-Westfalen. Mitglied im Vorstand der
Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. – VITAKO – und
des Nationalen E-Government-Kompetenzzentrums e. V. (NEGZ).
326 Die Autoren
Dr. Carsten Hentrich, geb. 1971, ist Director und Unternehmensberater bei PwC und
verantwortet im Kundensegment Familienunternehmen und Mittelstand den Beratungs-
schwerpunkt Digitale Transformation.
Die Autoren 327
Dr. Carsten Jürgens, geb. 1964, Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, nach verschiede-
nen Stationen in der Beratung, im Servicemanagement und Vertrieb seit 2005 Direktor
Geschäftsfeldentwicklung Public Sector bei Computacenter, Vorstandsmitglied des Nati-
onalen E-Government Kompetenzzentrums (NEGZ).
328 Die Autoren
Philipp Kleinmanns, geb. 1984, B.Sc. Angewandte Informatik, leitet das Portfolio
Management und den Solution Sales der Business Line IT Factory bei der Materna
GmbH. Zu seinem Tätigkeitsbereich gehört die marktbezogene Weiterentwicklung der
Leistungen rund um die IT-Fabrik.
Dr. Christian Dominik Kohl, geb. 1980, Dipl.-Informatiker der Medizin, Referent im
Referat IT-Koordination des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration
Baden-Württemberg.
Die Autoren 329
Prof. Dr. Jörn von Lucke hat den Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik
am The Open Government Institute (TOGI) an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen
inne. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen in E-Government, Web 2.0, Open
Government (offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln), offenen Daten, offenen
330 Die Autoren
Michael Pachmajer, geb. 1971, ist Director und Unternehmensberater bei PwC und ver-
antwortet im Kundensegment Familienunternehmen und Mittelstand den Beratungs-
schwerpunkt Digitale Transformation.
Die Autoren 331
Helmut Poder, geb. 1963, Jurist, Syndikusrechtsanwalt, er leitet für einen internationalen
IT-Dienstleister innerhalb der deutschen Rechtsabteilung den Bereich Öffentliche Auf-
träge/Public.
Jan Reddehase, geb. 1987, IT-Consultant und Business Analyst bei Capgemini Deutsch-
land GmbH, Schwerpunkt auf Strategie-Projekten zur digitalen Transformation der
Öffentlichen Verwaltung und E-Government.
332 Die Autoren
Marc Reinhardt, geb. 1969, Diplom-Ökonom, Executive Vice President des Public Sec-
tors (Öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung in Deutschland) bei Capgemini in
Berlin, Mitglied des Präsidiums der Initiative D21, Vorstand des NEGZ, Mitglied im
Nationalen IT-Gipfel der Bundesregierung.
Heinrich Rentmeister, geb. 1963, studierte an den Universitäten Münster und Bonn Poli-
tikwissenschaft, Germanistik, Philosophie und Publizistik. Langjährige Berufserfahrung
in führenden Funktionen im Öffentlichen Sektor und mehr als 12 Jahre als Berater für
den Öffentlichen Sektor tätig. Seit 2014 als Partner bei der Boston Consulting Group in
Berlin; er leitet die Praxisgruppe Public Sector Deutschland und Österreich.
Die Autoren 333
Ulf Schitkowsky, geb. 1964, Dipl.-Ing. der Elektrotechnik, seit mehr als 20 Jahren in
verschiedenen leitenden Positionen in der IT Beratung tätig. Ehrenamtliche Tätigkeit als
Mentor an der TU Berlin.
Falk A. Schmidt, geb. 1981, Bachelor of Business Administration, Senior Key Account
Manager Public Sector, Einstieg in die Strategieberatung nach dem Studium, danach seit
sieben Jahren Account Management bei der Fa. Computacenter für die Bundesverwal-
tung, insb. befasst mit Projekten rund um die IT-Konsolidierung im Bund.
334 Die Autoren
Prof. Dr. Matthias Tomenendal, geb. 1970, Diplom-Kaufmann, MBA, zehn Jahre Stra-
tegieberater bei der Boston Consulting Group, seit 2005 Professor für Management und
Consulting an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, seit 2010 Direktor des
IMB Institute of Management Berlin, seit 2015 Direktor der Berlin Professional School.
Die Autoren 335
Dr. phil. Dr. rer. nat. Dipl. Phys. Gerhard van der Giet, geb. 1947, Ministerialdirigent
a. D., zuletzt CIO der Bundeswehr im Verteidigungsministerium, General Manager der
NATO-Luftstreitkräfte und Control System Management Agency (NACMA), Senior
Consultant der Rüstungsindustrie, Senior Consultant Public, Computacenter.
Dr. Mario Walther, geb. 1980, in 2008 Promotion in Public Management an der Univer-
sität St. Gallen und der University of California, Berkeley. Seit über zehn Jahren Erfah-
rung als IT-Strategieberater, derzeit im Bereich CIO Advisory der Fa. Accenture für
öffentliche Auftraggeber tätig. Seine Beratungsschwerpunkte sind Programm-Gover-
nance, Analytics, IT-Strategie, IT-Konsolidierung und Sourcing-Strategien für Kunden
auf Bundesebene.