Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
39. Sitzung
Inhalt:
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 3751 C Mündliche Frage 3
Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 3751 D Karin Roth (Esslingen) (SPD)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Beitrag zum Erreichen des Millenniument-
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 3752 A wicklungsziels 5
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3752 B Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3757 B
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 3752 B
Zusatzfragen
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . 3757 C
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3752 C
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 3752 C Mündliche Frage 4
Karin Roth (Esslingen) (SPD)
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3753 A Stärkere Berücksichtigung der Problemla-
gen behinderter Menschen in Entwicklungs-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
ländern in der Entwicklungszusammenar-
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3753 A
beit und Unterstützung der Partnerländer
Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 3753 B bei der Integration der Menschen mit
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin Behinderungen
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3753 C Antwort
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3759 B
Tagesordnungspunkt 3:
Zusatzfragen
Fragestunde
(Drucksache 17/1534) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . 3759 C
3753 D
Antwort Antwort
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin
BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3760 D BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3768 D
Zusatzfrage Zusatzfragen
Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 3761 B Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 3768 D
Anlage 2 Anlage 7
Mündliche Frage 11 Mündliche Frage 18
Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ Katja Keul (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Schutz des Weltkulturerbestatus Speyerer Kriterien für den Abzug der Bundeswehr
Dom aus Afghanistan
Antwort Antwort
Eckart von Klaeden, Staatsminister Cornelia Pieper, Staatsministerin
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3775 B AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3777 A
Anlage 8
Anlage 3
Mündliche Frage 19
Mündliche Fragen 12 und 13 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/
Angelika Krüger-Leißner (SPD) DIE GRÜNEN)
Konzept zur Digitalisierung der Kinos Bereitschaft lokaler aufständischer Grup-
Antwort pen in Afghanistan zu Gesprächen für eine
Eckart von Klaeden, Staatsminister politische Lösung des Konflikts
BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3775 C Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3777 B
Anlage 4
Mündliche Frage 14 Anlage 9
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Mündliche Frage 22
Teilnahme von Vertretern der Bundes- Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
regierung an Gedenkveranstaltungen an DIE GRÜNEN)
sowjetischen Gedenkstätten und Kriegs-
gräbern anlässlich des 65. Jahrestages der Orientierung der Kriterien für den schritt-
Befreiung vom Faschismus weisen Abzug der Bundeswehr aus Afgha-
nistan am Abzugsplan der US-Streitkräfte
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Antwort
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3776 A Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3777 C
Anlage 5
Anlage 10
Mündliche Frage 16 Mündliche Frage 23
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Voraussetzungen für den schrittweisen Einberufung einer Sudan-Konferenz im
Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Rahmen der UNO vor dem geplanten Refe-
Antwort rendum über die Unabhängigkeit des
Cornelia Pieper, Staatsministerin Südsudan
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3776 C Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3778 A
Anlage 6
Mündliche Frage 17
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ Anlage 11
DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 24
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
Etwaige Priorität sicherheitspolitischer
Kriterien für die Einleitung eines schritt- DIE GRÜNEN)
weisen Abzugs der Bundeswehr aus Afgha- Deutscher Beitrag zur Lösung noch stritti-
nistan gegenüber der Erfüllung von Krite- ger Fragen vor dem Referendum über die
rien im Bereich des zivilen Aufbaus Unabhängigkeit des Südsudan
Antwort Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3776 D AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3778 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 V
Anlage 12 Anlage 17
Mündliche Frage 25 Mündliche Frage 30
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN)
Beteiligung Taiwans als Beobachter an den Verhalten von Regierungsmitgliedern in
Aktivitäten der Internationalen Zivilluft- der Diskussion um das Verbot von Waffen
fahrt-Organisation (ICAO) in privater Hand
Antwort Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3778 C BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3780 B
Anlage 13 Anlage 18
Mündliche Frage 26 Mündliche Frage 31
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
DIE GRÜNEN)
Beanstandungen bei Kontrollen der Lage-
Einbindung Taiwans in die Mechanismen rung von Waffen in privaten Haushalten
der Klimarahmenkonvention der Verein- seit der letzten Änderung des Waffengeset-
ten Nationen (UNFCCC) zes
Antwort Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3778 D BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3780 C
Anlage 14 Anlage 19
Mündliche Frage 27 Mündliche Frage 32
Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
Einspruch des zypriotischen Parlaments
Konsequenzen aus dem Widerruf des soge-
gegen die Aufnahme von Handelsbeziehun-
nannten Schweine-Patents für die Neuver-
gen mit dem türkisch besetzten Teil Zypern
handlung des EU-Patentrechts
durch die EU
Antwort Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3779 A BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3780 C
Anlage 15 Anlage 20
Anlage 16 Anlage 21
Mündliche Frage 29 Mündliche Frage 34
Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ Martin Dörmann (SPD)
DIE GRÜNEN) Vorschläge der EU-Kommission zur Be-
Verhinderung der Abschiebung von Roma kämpfung kinderpornografischer Inhalte
in den Kosovo im Internet
Antwort Antwort
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3779 D BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3781 A
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Anlage 22 Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Mündliche Fragen 35 und 36
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3782 C
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Befürwortung einer europaweiten Einfüh- Anlage 27
rung von Internetsperren zur Bekämp-
fung der Kinderpornografie, insbesondere Mündliche Frage 42
im Rahmen eines entsprechenden EU- Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
Richtlinienentwurfs DIE GRÜNEN)
Antwort Aufhebung der Haushaltssperre für das
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär Marktanreizprogramm bzw. Alternativen
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3781 B zur weiteren Förderung des erneuerbaren
Wärmemarktes
Anlage 23 Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 37 BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3782 D
Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Einführung von Internetsperren für die Anlage 28
Bekämpfung der Kinderpornografie im In-
ternet Mündliche Fragen 43 und 44
Lisa Paus (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3781 D Beteiligung der Banken an der Finanzie-
rung der Hilfen für Griechenland durch
die Einführung einer Finanzumsatzsteuer
Anlage 24
Antwort
Mündliche Fragen 38 und 39 Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3783 A
DIE GRÜNEN)
Übergabe des Truppenübungsplatzes Witt-
stock an die Bundesanstalt für Immobilien- Anlage 29
aufgaben sowie Verfügbarkeit für die zivile
Nutzung Mündliche Frage 45
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3782 A Berücksichtigung von anderen Faktoren
als wirtschaftliche Fundamentaldaten bei
der Herabstufung von Portugal und Spa-
Anlage 25 nien durch Ratingagenturen
Mündliche Frage 40 Antwort
Fritz Rudolf Körper (SPD) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Vorschläge zur Aufspaltung der Kirchen- BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3783 B
steuer in ein Beitrags- und ein Spendenele-
ment zur Einschränkung des Steuerabzugs
Antwort Anlage 30
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 46
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3782 B
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 26 Differenz zwischen dem Anteil Deutsch-
Mündliche Frage 41 lands an der Wertschöpfung der Euro-
Kirsten Lühmann (SPD) Zone und dem anteiligen Abschreibungs-
bedarf der Banken
Steuerrückzahlungen infolge der Zustim-
mung der EU zu den Regelungen der Be- Antwort
steuerung von Rapsöl im Wachstums- Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
beschleunigungsgesetz BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3783 C
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 VII
Anlage 31 Anlage 36
Mündliche Frage 47 Mündliche Frage 53
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
Verhandlungen mit deutschen Banken Steuermehreinnahmen durch Anwendung
über einen Beitrag zum Rettungspaket für des Progressionsvorbehalts bei Kurzarbei-
Griechenland tergeld 2009 und 2010 infolge der Verlän-
Antwort gerung der Bezugsfrist
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Antwort
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3783 D Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3785 C
Anlage 32
Mündliche Frage 48 Anlage 37
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Mündliche Frage 54
Schlussfolgerungen aus der Griechenland- Dr. Martina Bunge (DIE LINKE)
krise für die Regulierung der Finanz- Übernahme sämtlicher Unternehmen auf
märkte und deren Umsetzung
die Liste der akkreditierten Stellen bei der
Antwort Deutschen Akkreditierungsstelle ohne vor-
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär herige Überprüfung
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3784 A
Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
Anlage 33 BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3785 D
Mündliche Frage 49
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Anlage 38
DIE GRÜNEN)
Mündliche Fragen 55 und 56
Maßnahmen der Bundesregierung zum Dr. Eva Högl (SPD)
Unterbinden von Spekulationsgeschäften
deutscher Banken zulasten von Griechen- Nationale Ziele im Rahmen der neuen Stra-
land, Portugal, Spanien und Italien tegie für Wachstum und Beschäftigung;
Einbeziehung der Sozialpartner und der
Antwort Zivilgesellschaft sowie Unterrichtung des
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Deutschen Bundestages
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3784 B
Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
Anlage 34 BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3786 B
Mündliche Fragen 50 und 51
Siegmund Ehrmann (SPD)
Anlage 39
Berücksichtigung der Interessen der Kul-
tur, der Kulturschaffenden und der Kultur- Mündliche Fragen 57 und 58
einrichtungen in der Zusammensetzung Andrea Nahles (SPD)
der Gemeindefinanzkommission und ihren Ausbau des barrierefreien Tourismus und
inhaltlichen Beratungen Gewinnung kleiner und mittlerer Unter-
Antwort nehmen für den Seniorentourismus
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Antwort
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3784 C Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3786 D
Anlage 35
Mündliche Frage 52 Anlage 40
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Mündliche Frage 59
Veröffentlichung von vier Nichtanwen- Heinz Paula (SPD)
dungserlassen durch das BMF
Konzeptionelle Gespräche mit den Län-
Antwort dern und der Tourismuswirtschaft über die
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär zu erwartenden Touristenströme in der
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3785 B Sommerferienzeit
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Mündliche Frage 78
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ Anlage 58
DIE GRÜNEN)
Mündliche Fragen 83 und 84
Hinweise auf thermobarische Sprengköpfe Kathrin Vogler (DIE LINKE)
in den Händen von Taliban-Gruppierun-
gen Gesetzliche Neuregelungen infolge der
Festlegungen der Gesellschafterversamm-
Antwort lung der Gesellschaft für Telematikanwen-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär dungen der Gesundheitskarte mbH zur
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3792 A Zukunft der elektronischen Gesundheits-
karte; Einsparpotenzial bei Umsetzung der
Festlegungen
Anlage 54
Antwort
Mündliche Frage 79 Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3793 D
X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Anlage 67
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3795 A
Mündliche Frage 95
Michael Groß (SPD)
Anlage 63
Krisenpläne für den Flugverkehr im Fall
Mündliche Fragen 90 und 91 weiterer Vulkanausbrüche mit Aschewol-
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ kenbildung
DIE GRÜNEN)
Antwort
Ursachen für die Baumängel an der Bun- Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
desstraße 6n in Sachsen-Anhalt und damit BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3796 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 XI
Anlage 77 Antwort
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
Mündliche Frage 108 BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3800 C
Martin Burkert (SPD)
Mögliche Beantragung von Sondergeneh-
migungen für Flüge im kontrollierten Anlage 82
Sichtflugverfahren vor dem 19. April 2010 Mündliche Frage 113
Antwort Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN)
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3799 C Etwaige Neuverpackung des in Ahaus zwi-
schengelagerten Atommülls für den Wei-
tertransport ins Endlager
Anlage 78
Mündliche Frage 109 Antwort
Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
DIE GRÜNEN) BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3800 D
Anlage 86 Anlage 89
Mündliche Frage 117 Mündliche Frage 120
Heinz Paula (SPD) Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Initiativen zur Entzerrung der Sommer-
ferienzeiten Soll-Kriterien bei der Vergabe von Stipen-
dien laut Entwurf des Stipendienpro-
Antwort gramm-Gesetzes und Stellenwert einzelner
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär Auswahlkriterien
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3801 D
Antwort
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
Anlage 87 BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3802 C
(A) (C)
Redetext
39. Sitzung
Europa muss sich entscheiden, ob es diesen Weg fort- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
setzen will, „Wir warten ab“, das ist das, was Sie deutlich
gemacht haben!)
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie müssen sich entscheiden!) dass wir Hilfen an Griechenland nur in strikter Überein-
stimmung mit dem europäischen Recht und dem deut-
dazu noch unter den Bedingungen der Globalisierung schen Verfassungsrecht, das heißt, nur unter folgenden
des 21. Jahrhunderts, oder ob es erkennt, dass auch für vier Voraussetzungen leisten werden und leisten kön-
die Union der 27 Mitgliedstaaten ein Zeitpunkt gekom- nen:
(B) men ist, an dem sie ihre Kräfte vielleicht überschätzen (D)
könnte, an dem sie von ihrer Substanz und über ihre Ver- Erste Voraussetzung. Der Schlüssel zur Lösung der
hältnisse lebt, an dem sie von Fehlentscheidungen der Krise liegt in Griechenland. Wir haben darauf bestanden,
Vergangenheit eingeholt wird, dass Griechenland sich zu einer umfassenden Eigenan-
strengung verpflichtet. Eine Konsolidierung ohne maxi-
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNIS- male Selbsthilfe Griechenlands hätte im Widerspruch zu
SES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin den bei uns durch die Rechtsprechung des Bundesverfas-
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Fehlent- sungsgerichts und die europäischen Verträge abgesicher-
scheidungen!) ten Prinzipien der Stabilitätsgemeinschaft gestanden. So
die sich nicht mehr verdecken lassen, sondern im Gegen- etwas war mit mir nicht zu machen. Das hat die Bundes-
teil nur noch behoben werden können durch ein konse- regierung, ganz gleich, wie stark der Druck in Europa
quentes Aufdecken, durch eine schonungslose Analyse und Deutschland auch immer war, von Beginn an strikt
der Lage und eine daraus folgende Therapie. abgelehnt.
(Joachim Poß [SPD]: Jetzt bin ich mal ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
spannt!) Seit Sonntag liegen der Bundesregierung die Einzel-
Ich bin der Überzeugung: Dieser Zeitpunkt ist spätestens heiten der geplanten Vereinbarung zwischen dem Inter-
jetzt gekommen. nationalen Währungsfonds, den 15 Mitgliedstaaten und
Griechenland vor.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La-
chen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Pech
wie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Trittin gehabt, was?)
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der war schon
vor sechs Wochen da! – Joachim Poß [SPD]: Aus dieser Vereinbarung wird deutlich: Griechenland
Das wollten wir vor drei Wochen hören!) verpflichtet sich zu einer umfassenden, zu einer maxi-
malen Eigenanstrengung. Das Land muss alles tun und
Die Bundesregierung hat sich deshalb für den zweiten tut alles, um seine exorbitante Staatsverschuldung ab-
Weg entschieden. Sie hat sich für den zweiten Weg ent- zubauen. Die Vereinbarung sieht einschneidende Maß-
schlossen, weil sie überzeugt ist: Ein guter Europäer ist nahmen vor. Das Programm ist ehrgeizig. Es soll die
nicht unbedingt der, der schnell hilft und damit vielleicht Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands erhöhen, damit das
nur den Anschein erweckt, als ob er das Problem lösen Land seine Verschuldung aus eigener Kraft abbauen
würde. kann. Nur so lässt sich das Vertrauen der Kapitalmärkte
3724 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Ich füge aber hinzu: Wenn sich die Banken von einem (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
solchen freiwilligen Beitrag erhoffen sollten, dass wir Ich sage auch in Richtung der Banken: Wenn jemand
sie gleichsam als Gegenleistung bei einer Bankenabgabe in unserer Gesellschaft eine Gegenleistung erbringen
oder anderen Maßnahmen entlasten, muss, dann ist das nicht der Staat gegenüber den Ban-
(Lachen bei Abgeordneten der SPD) ken, sondern dann sind das die Banken gegenüber dem
Staat und damit gegenüber den Menschen in Deutsch-
dann haben sie sich gründlich getäuscht. land. Aus dieser Verantwortung werden wir sie nicht ent-
lassen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
An dieser Stelle auch ein Wort zur internationalen
Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Finanztransaktionsteuer. Der damalige Finanzminis-
Warme Worte!)
ter und ich haben uns beim G-20-Gipfel in Pittsburgh da-
für eingesetzt, dass eine solche internationale Finanz- Deshalb werden wir uns mit Nachdruck für weitere
transaktionsteuer Realität wird. Regulierungsmaßnahmen bei Derivaten, Hedgefonds
3726 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Oppermann, müssen wir nicht durch Vertrauensfra- (C)
Das Wort erhält nun die Kollegin Birgit Homburger gen zur Verantwortung gezwungen werden.
für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]:
der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE Wir werden sehen!)
LINKE]: Jetzt wird es richtig schlecht! –
Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das Niveau Wir werden unserer Verantwortung gerecht werden, und
sinkt!) wir werden Ihnen keine Hintertür öffnen, durch die Sie
sich von Ihrer Verantwortung verabschieden könnten.
Birgit Homburger (FDP): Wir handeln im Interesse der Menschen in Deutsch-
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die land und Europa, und wir handeln im Interesse der
Lage Griechenlands stellt Europa vor die bisher größte Stabilität unserer Währung. Wir Freien Demokraten
Herausforderung. Es ist eine Bewährungsprobe für die sind unserer Verantwortung übrigens auch in der Oppo-
Euro-Zone, aber auch für die Bundesregierung und für sitionszeit, beispielsweise beim Finanzmarktstabilisie-
dieses Parlament. rungsgesetz, gerecht geworden. Wenn es in Deutschland
Es geht um die Frage, ob die Zahlungsunfähigkeit um Stabilität für die Bürgerinnen und Bürger geht, dann
Griechenlands und damit eine Destabilisierung des Euro steht die FDP dafür ein. Diesen Beweis, Herr Steinmeier,
verhindert werden kann. Wir lassen uns bei unseren Ent- müssen andere Fraktionen hier im Deutschen Bundestag
scheidungen von dem Ziel leiten, die Stabilität der Wäh- in dieser Woche erst noch erbringen.
rung zu gewährleisten, und wir lassen uns von den Inte- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
ressen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Joachim Poß [SPD]: So ein Quatsch!)
Europa leiten. Wir spannen einen Schutzschirm für den
Euro. Der Präsident der EZB und der zuständige EU-Kom-
missar haben der Euro-Gruppe am Sonntag das Ergebnis
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schutz- ihrer Prüfungen mitgeteilt. Sie haben festgestellt, dass
schirm für die Banken meinen Sie!) sich die Finanzmarktentwicklungen in Griechenland,
Wir sichern die Währungsstabilität und retten damit die wenn jetzt nicht gehandelt wird, auf die Finanzstabilität
Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger. Mit diesem Ge- des Euro-Gebietes auswirkten. Es ist die Situation der
setzentwurf ziehen wir eine Brandmauer, damit die Krise Ultima Ratio eingetreten; Hilfen – das haben wir immer
eines Staates nicht auf den gesamten Euro-Raum über- wieder betont – sind das letzte Mittel. Daher müssen wir
(B) springen kann. jetzt konsequent handeln. Damit schützen wir das Ver- (D)
trauen der Bürger und Unternehmen in unsere gemein-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten same Währung und in die Euro-Zone.
der CDU/CSU)
Der gemeinsame Währungsraum hat wirtschaftlichen
Die FDP und die Koalition sind sich ihrer Verantwor- Erfolg und Stabilität gebracht und sich gerade in der Wirt-
tung bewusst. Es ist eine große Verantwortung, und wir schafts- und Finanzkrise wieder einmal bewährt. Des-
handeln im Bewusstsein dieser Verantwortung. Ich sage halb, meine Damen und Herren, war der Euro eine Er-
ganz deutlich: Die Bundesregierung hat überlegt und folgsgeschichte. Dieser gemeinsame Währungsraum
klug gehandelt. Das, Herr Steinmeier, ist auch öffentlich muss weiter für Stabilität sorgen. Daraus wird die Bedeu-
deutlich geworden, wie man an den Äußerungen in den tung gerade dieser Stabilisierungsbemühungen für den
letzten Tagen und Wochen erkennen kann. Aber das, was Euro klar, und genau deshalb werden wir entsprechend
Sie gemacht haben, indem Sie der Bundesregierung öf- handeln.
fentlich immer wieder vorgeworfen haben, sie betätige
sich als Brandbeschleuniger, ist unverantwortlich. Die Koalition hat auch in der richtigen Reihenfolge
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gehandelt. Wer dieser Bundesregierung, Herr Steinmeier,
der CDU/CSU) Blockadehaltung und Verzögerung von Hilfen vorwirft,
disqualifiziert sich selbst. Es ist doch so, dass man von
Dass Sie hier von der Finanzierung öffentlicher Straßen einem Land, das in eine solche Situation kommt, zu-
durch eine Finanzmarkttransaktionsteuer sprechen, ist nächst einmal eigene Anstrengungen erwarten muss. Ich
purer Populismus, Herr Steinmeier. Das müssen Sie sich frage Sie: Wollten Sie wirklich zu einem Zeitpunkt, als
an dieser Stelle sagen lassen. Griechenland öffentlich erklärt hat, es brauche keine Hil-
fen, Hilfen anbieten? Wozu hätte das denn geführt?
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Viele von uns – auch das gehört zur Wahrheit an ei- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
nem solchen Tage – tun sich mit der Entscheidung Es hätte ausschließlich dazu geführt, dass die Hilfen
schwer. Jeder von uns weiß um die Tragweite und die angenommen worden wären, dass aber keinerlei Sanie-
Bedeutung dieser Entscheidung. Deshalb ist es gut, dass rungsprogramm auf den Weg gebracht worden wäre.
wir ausführlich und intensiv im Deutschen Bundestag Das, Herr Steinmeier, wäre gegenüber den Bürgerinnen
beraten und die Alternativen abwägen. Das haben wir in und Bürgern in diesem Land unverantwortlich gewesen.
den Fraktionen getan. Unsere Koalition steht hinter dem
Gesetzentwurf. Anders als bei Vorgängerregierungen, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
3732 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Birgit Homburger
(A) Schwierige Situationen bewältigt man mit Besonnen- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C)
heit und eben nicht mit Aktionismus. Deshalb sind Hil- der CDU/CSU)
fen als Ultima Ratio jetzt auch unumgänglich. Ich sage
es an dieser Stelle deutlich: Ich bin froh, dass der IWF Wir wollen eine unabhängige europäische Rating-
mit im Boot ist, mit seiner Erfahrung mit solchen Situa- agentur und eine Kontrolle der Ratingagenturen, die im
tionen und mit Instrumenten, mit denen er umzugehen Übrigen bereits auf den Weg gebracht worden ist. Wir
weiß, sodass ganz klar wird: Hier wird ein hartes Sanie- wollen ein Frühwarnsystem etablieren. Wer falsche
rungsprogramm von Griechenland erwartet. Griechen- Angaben macht, untergräbt die Glaubwürdigkeit des ge-
land ist selbst in der Verantwortung, sich wieder Ver- samten Euro-Raumes. Deswegen müssen Eurostat, also
trauen an den Märkten zu erarbeiten. die europäische Statistikbehörde, und der Europäische
Rechnungshof weitergehende Befugnisse zur Kontrolle
(Beifall bei der FDP) bekommen. Europa darf nicht länger zusehen, wenn vor
unserer Nase getrickst und getäuscht wird. Dem muss
Es ist allerdings in dieser Zeit auch klar geworden, Einhalt geboten werden.
dass man auf europäischer Ebene nicht so weitermachen
kann wie bisher. Mit Ihrem Vorschlag, Herr Steinmeier, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
früher zu handeln, schneller Hilfen zu geben, sorgten Wir brauchen eine Ausweitung der Sanktionsmecha-
Sie, wenn er umgesetzt würde, nur dafür, dass man von nismen, den Entzug der Stimmrechte und die Sperrung
der Währungsunion zu einer Transferunion käme. Genau von EU-Direktzahlungen. Das alles muss auf den Weg
das wollen wir verhindern. gebracht werden, weil deutlich wird, dass die bisherigen
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Mechanismen für die Stabilisierung nicht ausreichen.
der CDU/CSU) Wir brauchen in letzter Konsequenz ein geordnetes In-
solvenzverfahren für Staaten. Das bedeutet eben auch
Deshalb fordern wir, dass wir von einer Krisenbewälti- Umschuldung zu einem Zeitpunkt, wo dies noch mög-
gung direkt zu einer Krisenprävention kommen und lich ist.
dass diese Maßnahmen zur Krisenprävention, Frau Bun-
Es braucht den entschiedenen Einsatz für diesen Stabi-
deskanzlerin, auf dem Europäischen Rat auch angespro-
litätspakt. Ich sage Ihnen, sehr verehrter Herr Steinmeier:
chen und sofort auf den Weg gebracht werden. Dazu ge-
Angesichts der Geschichte des Stabilitätspaktes in Eu-
hören die Revitalisierung grundsätzlicher Regeln des
ropa haben wir Aufforderungen von Ihrer Seite nicht nö-
europäischen Miteinanders und das Bekenntnis zur so-
tig. Sie tun gut daran, Ihrer Verantwortung gerecht zu
zialen Marktwirtschaft, zum Prinzip des marktwirt-
werden.
schaftlichen Wettbewerbs, aber auch zu einer nationalen
(B) Verantwortung für das gesamte Europa, für die gesamte (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wi- (D)
europäische Entwicklung. Das bedeutet, dass von jedem derspruch der Abg. Claudia Roth [Augsburg]
Land der Euro-Zone eine solide Wirtschafts- und Fi- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf der
nanzpolitik erwartet werden kann. Abg. Caren Marks [SPD])
(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Das Auch das gehört heute zur Diskussion: Wer Verant-
wollen wir mal abwarten!) wortung trägt, wird auch zur Verantwortung gezogen.
Der missbräuchliche Einsatz von Anlageformen wie
Wir wollen den Stabilitätspakt erneuern und schär- Kreditversicherungen zulasten der Stabilität von Staaten
fen. In diesen Tagen wird doch deutlich, dass wir harte muss europaweit unterbunden werden. Deshalb gibt es
Regeln brauchen. Die heutige Situation ist doch so, wie einen freiwilligen Beitrag der Finanzbranche. Ich sage
sie ist, weil damals, Herr Steinmeier, im Jahre 2005, un- allerdings auch: Das ist der erste und nicht der letzte
ter einer rot-grünen Bundesregierung die Stabilitätskrite- Schritt, den die Finanzbranche gehen muss. Deshalb
rien gelockert wurden, weil man beschlossen hatte, nicht werden wir entschieden handeln. Die Koalition hat an
mehr so genau hinzuschauen, und weil man Sanktionen dieser Stelle schon einiges auf den Weg gebracht. Sie,
verzögert hatte. Das wirkt sich jetzt fatal aus, und deswe- Herr Steinmeier, sagen hier, das Einzige, das helfen
gen müssen wir aus diesen Fehlern lernen. würde, sei eine Finanzmarkttransaktionsteuer, sie sei das
einzige Ihnen bekannte Instrument. Es ist ein Armuts-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
zeugnis, wenn Sie nur diese eine Option kennen. Es gibt
der CDU/CSU)
nämlich bessere.
Wir brauchen klare Kriterien, und es darf auf europäi- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
scher Ebene keine Unterscheidung zwischen guten und Joachim Poß [SPD]: Nennen Sie doch mal an-
schlechten Schulden mehr geben. Es bedeutet auch, dass dere!)
wir automatische Sanktionsmechanismen einbauen müs-
sen. Es darf bei Sanktionen keine politischen Rabatte Der IWF – das hat die Bundeskanzlerin schon ausge-
mehr geben. Wenn wir den Stabilitätspakt wieder wetter- führt – hat uns deutlich gesagt, dass dieses Instrument
fest machen wollen, dann müssen wir entschieden han- nicht treffsicher ist. Deshalb werden wir sicherstellen,
deln, und dann ist Klarheit nötig. Sie haben im Deut- dass alle ihrer Verantwortung auf andere Weise gerecht
schen Bundestag die Chance, mit der Zustimmung zum werden: über die Bankenabgabe, die wir bereits auf den
Entschließungsantrag Ihrer Verantwortung gerecht zu Weg gebracht haben, aber eben auch über das Verfahren
werden. einer geordneten Insolvenz; denn bei einer Umschul-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3733
Birgit Homburger
(A) dung werden genau diejenigen zur Verantwortung heran- (Zurufe von der FDP: Nein!) (C)
gezogen, die die Verantwortung zu tragen haben. Des-
halb ist dies das Instrument der Wahl und in seiner Nun wollen Sie Milliarden für Griechenland beschließen
Wirkung durchschlagend. und vergessen, zu erwähnen, wie viele Milliarden davon
wieder in die Hände der Spekulanten fallen. Das ist näm-
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten lich das eigentliche Problem, mit dem wir es zu tun ha-
der CDU/CSU) ben.
Wir sind längst an einem Punkt, wo es nicht um tech- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
nische Abwicklung von Problemen, sondern darum geht, neten der SPD)
verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. Wenn
wir wollen, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht Wir haben im September 2008 hier über eine Finanz-
zur Krise unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems krise geredet, die niemand gesehen hat. Wir haben Ihnen
auswächst, müssen wir Vertrauen schaffen. Deshalb ste- recht frühzeitig gesagt, dass daraus Staatskrisen werden
hen wir zur sozialen Marktwirtschaft und zum Wettbe- können, und zwar über Schuldenkrisen bestimmter Staa-
werb. ten. Das, was wir jetzt in Griechenland erleben, droht
auch anderen Ländern, wie wir wissen, wenn wir an Ir-
Soziale Marktwirtschaft hat auch ein ethisches Fun- land, Italien, Spanien und Portugal denken. Jedes Mal le-
dament. Eigentum ist ein zentrales Ordnungsprinzip der gen Sie Ihre Hände in den Schoß und machen erst ein-
freiheitlichen Gesellschaft. mal nichts, um dann innerhalb einer Woche Milliarden
zur Verfügung zu stellen, wie damals bei den Banken
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ei-
480 Milliarden Euro innerhalb einer Woche. So kann
gentum verpflichtet!)
man mit unserer Bevölkerung meines Erachtens nicht
Eigentum verlangt aber auch individuelle Verantwortung umgehen.
hinsichtlich der Auswirkungen auf andere Menschen. So
weit diese Verantwortung reicht, schuldet der Eigentü- (Beifall bei der LINKEN)
mer der Gesellschaft Rechenschaft. Dass Unternehmen Anlässlich der Finanzkrise, die logischer- und konse-
mit privatem Vermögen für die Folgen ihrer Entschei- quenterweise in die jetzige Krise führen musste, haben
dungen haften, sorgt für verantwortliches Handeln. Das wir Ihnen viele Schritte vorgeschlagen, die man gehen
tun viele Familienunternehmen und der Mittelstand in muss, um das zu verhindern. Wir waren es, die am
diesem Land vorbildlich. Das Prinzip der persönlichen 16. März 2010 – Herr Steinmeier, das ist auch für Sie in-
Haftung der Handelnden muss auch im Hinblick auf Ka- teressant – den Antrag „Eurozone reformieren – Staats-
pitalgesellschaften und die Finanzmärkte durchgesetzt bankrotte verhindern“ eingebracht haben. Wir haben da-
(B) werden. Dafür stehen wir ein. rauf hingewiesen, dass das Ganze passieren kann und (D)
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten haben Maßnahmen vorgeschlagen.
der CDU/CSU) (Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, wir werden den Prinzipien Die erste Lesung war am 25. März. Was haben Sie,
Haftung und Verantwortung durch neue Rahmenbedin- Frau Bundeskanzlerin – ich weiß nicht, wohin Sie ge-
gungen auf den Finanzmärkten zum Durchbruch verhel- gangen sind; ach, in die letzte Reihe; das ist gut –,
fen. Sie, Herr Steinmeier, haben in den letzten Jahren die
Chance dazu versäumt. Wir werden unsere Chance nut- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
zen. Diese Koalition ist sich ihrer Verantwortung für die am 25. März 2010 gesagt? Sie haben gesagt:
Stabilisierung des Euro, aber auch für die Sicherung des
Vertrauens in unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsord- Wir stellen fest: Es ist noch kein Euro und kein Cent
nung bewusst. Dieser Verantwortung werden wir ent- für die Unterstützung Griechenlands ausgegeben
schieden und entschlossen gerecht werden. worden. Bislang ist Griechenland nicht zahlungsun-
fähig geworden. Auch sind düstere Vorhersagen
(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei über die Entwicklung in anderen Mitgliedstaaten
der CDU/CSU) nicht Realität geworden. … Deshalb sage ich
Die größten Gläubiger Griechenlands sind übrigens Zweitens. Hedgefonds, also Heuschrecken, müssen eben-
die Banken Frankreichs, der Schweiz und Deutschlands. falls verboten werden. Zweckgesellschaften der Banken
Was Sie nie erzählen, ist: Wenn wir Griechenland Geld sind zu kontrollieren. Wechselkurse müssen festgelegt
geben, dann fließt es an die deutschen Banken zurück. werden.
Das ist der Weg, der gegangen wird. Das müssen wir Drittens. Wir brauchen die Schaffung einer staatli-
ehrlich benennen. chen europäischen Ratingagentur, die die käuflichen Pri-
vaten ins Abseits schiebt.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Viertens. Griechenland muss auf Jahre auf jeden Waf-
Es gab übrigens die Forderung, dass die Banken in fenimport verzichten.
Deutschland, in der Schweiz und in Frankreich ihre For-
derungen gegenüber Griechenland stornieren könnten. (Beifall bei der LINKEN)
Wenn sie das machten, wäre Griechenland schon fast aus
Fünftens. Griechenland und andere EU-Länder müs-
der Krise heraus. Dann müssten keine Hilfspakete in
sen endlich gerechte Steuern für Bestverdienende, Ver-
Milliardenhöhe beschlossen werden. Sie haben uns das
mögende, Banken und große Unternehmen einführen.
nicht geglaubt, sie haben das Kurt Biedenkopf nicht ge-
glaubt, der Ihnen das beschrieben hat. Sie haben auch (Beifall bei der LINKEN)
nicht auf ein Schreiben der BaFin vom 20. Februar 2010
reagiert, in welchem die Krise vorhergesagt wurde. Sie Präsident Dr. Norbert Lammert:
haben nichts gemacht. Sie haben das alles verzögert, Herr Kollege.
weil Sie keine Regulierung wollen, weil Sie sich aus
ideologischen und lobbyistischen Gründen so sehr dage-
gen wehren, endlich ein Primat der Politik über die Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Finanzwelt zu stellen und zu sagen: So darf es gemacht Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir brau-
werden, anders lassen wir es nicht mehr zu. chen für die Binnenmärkte endlich eine Börsenumsatz-
steuer und für die internationalen Finanzgeschäfte end-
(Beifall bei der LINKEN) lich eine Tobin- oder Transfersteuer.
Sie haben Griechenland einen Weg aus der Krise Sechstens. Zumindest in Deutschland und allen ande-
aufgezeigt, den Sie für Deutschland ausschließen: Ren- ren Euro-Ländern muss eine Bankenabgabe eingeführt
3736 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Volker Kauder
(A) Dritter Punkt. Wir wollen, dass diejenigen, die Risi- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)
kogeschäfte machen, wissen, dass sie zahlen müssen, NEN]: Na, Herr Kauder!)
wenn es schiefgeht. Deshalb fordern wir, ein Verfahren
Es geht nicht so, wie Sie, Herr Gabriel, formuliert haben:
für eine geordnete Insolvenz in Europa einzuführen.
Vielleicht machen wir mit, vielleicht machen wir nicht
Das nennt man auch Umschuldung. Wenn man Geld ir-
mit.
gendwo hingibt, muss man damit rechnen, dass es zu ei-
ner geordneten Insolvenz kommen kann. Das muss der- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
jenige, der dieses Risiko eingeht, wissen. NEN]: Das sagten wir schon, als Sie noch gar
nicht wussten, dass Griechenland Probleme
(Otto Fricke [FDP]: Sehr gut!) hat! Blasen Sie sich nicht so auf!)
Wie bei jedem Insolvenzverfahren ist es dann so, dass In dieser Frage kann man nur sagen: Jawohl, es muss ge-
Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen nicht realisieren handelt werden, damit der Euro stabil bleibt. Da kann
können. Es wäre gut, wenn wir dieses Verfahren schon man nicht sagen: Ein bisschen mache ich mit, ein biss-
jetzt durchführen könnten; aber diese Möglichkeit hat chen mache ich nicht mit. Ich hoffe, dass dies nachher in
man damals nicht eingeräumt. Für die Zukunft wollen der Besprechung mit den Fraktionsvorsitzenden gelin-
wir dies jedoch. gen kann.
Damit wir keine falschen politischen Diskussionen Die zentrale Frage wird sein: Gelingt es uns, die gro-
führen, sage ich Ihnen, Herr Steinmeier: Diese Maß- ßen Zusammenballungen von finanzieller Macht in den
nahme wird mehr bringen als die Steuer, über die Sie Griff zu bekommen? Ich bitte darum, dass wir uns etwas
diskutieren. Diese führt angesichts der kleinen Summen präziser ausdrücken. Natürlich geht es um Banken; aber
nicht dazu, dass Risiken begrenzt werden. Die Risiken es geht vor allem um die Hedgefonds, die bisher nicht
werden auf die Sparerinnen und Sparer umgelegt. Das kontrolliert werden und auch unter rot-grünen Regierun-
Risiko wird auf die kleinen Leute verteilt und nicht auf gen eher freigestellt als kontrolliert worden sind. Ich
diejenigen, auf die das Risiko verteilt werden muss. kann die Bundesregierung hier nur unterstützen: Jawohl,
da muss etwas getan werden. Wir wissen, wie schwer
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dies in Europa ist. Ich kann nur jeden in diesem Hause
Deswegen bringt diese Steuer keinen Erfolg. auffordern, auf seinen parteipolitischen Kanälen in Eu-
ropa dafür zu sorgen, dass beispielsweise die Regierung
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: in England nicht ständig blockiert, wenn es um die Re-
Lesen Sie mal den IWF-Bericht dazu!) gulierung von Hedgefonds geht. Da muss etwas getan
werden. Da darf man nicht wegsehen.
(B) Man kann darüber reden – Herr Trittin, wir werden es ja (D)
nachher machen –, ob diese Steuer Geld in die Kasse (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
bringt. Aber ich bitte Sie, nicht Verirrungen nachzuge- Das können Sie ja besser machen!)
hen und auch noch zu erklären, dass man mit dieser Es gibt Dinge, die sich nicht im nationalen Bereich, im
Steuer das Problem der Risikoverteilung lösen kann. Das nationalen Parlament lösen lassen. Dafür braucht die
funktioniert hinten und vorne nicht. Bundesregierung Unterstützung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Vierter Punkt. Ich glaube, dass es auch darum geht, Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Paket
dass wir zeigen, dass Politik handelt und nicht getrieben besteht aus drei Elementen:
wird.
Erstens. Wir werden – das wird die Koalition in dieser
(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Woche beschließen – zur Stabilität der Situation im
Euro-Raum die Kreditanstalt für Wiederaufbau ermächti-
– Ich glaube nicht, dass da Gelächter angebracht ist. Ich gen, Darlehen an Griechenland zu geben, keine Barzah-
möchte ohnehin sagen: Ich bin sehr für die Auseinander- lungen – und damit keine Belastung des Haushaltes –,
setzung und Diskussion über den richtigen Weg. Aber in sondern einen Kredit, den wir verbürgen.
dieser Woche geht es um die Stabilität und die Rettung
des Euro und Europas, nicht um billige Polemik und Par- Zweitens. In einem Entschließungsantrag werden wir
teitaktik, Herr Gysi. Darum geht es in dieser Woche die Dinge auflisten, die wir zur Vorbeugung, damit so et-
wirklich nicht. was nicht wieder passiert, für notwendig halten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Drittens werden wir den Weg konsequent weiterge-
hen, den wir schon beschritten haben – das ist heute üb-
Es geht darum, verantwortlich für unser Land zu han- rigens noch gar nicht gesagt worden –, nämlich durch
deln und den Menschen in unserem Land zu erklären: konkrete Maßnahmen auch diejenigen zu beteiligen, die
Was wir jetzt machen, dient dazu, den Euro zu stabilisie- am Finanzmarkt mit dazu beigetragen haben, dass wir in
ren, die Rettung dessen, was wir alle uns erarbeitet ha- diese Krise gekommen sind. Wir haben eine Banken-
ben, zu ermöglichen und Zukunft für uns in Europa zu abgabe und ein Gesetz über die Transparenz von
realisieren. Das ist das wahre Thema. Ich bitte darum, Ratingagenturen – das ist fast noch wichtiger als neue
dass sich die Opposition ihrer Verantwortung bewusst Agenturen – in Vorbereitung. Wir werden den Weg einer
wird. europäischen Ratingagentur beschreiten, die so selbst-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3739
Volker Kauder
(A) ständig und transparent sein muss wie die Europäische (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja! – Gegenruf (C)
Zentralbank. All dies werden wir voranbringen. Das der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜND-
zeigt: Wir sind in dieser schwierigen Stunde handlungs- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch!)
fähig, und wir handeln. Die Menschen können sich da-
rauf verlassen, dass alles, was getan werden kann, getan Herr Pinkwart, der stellvertretende Bundesvorsit-
wird, um den Euro und damit ihre Ersparnisse zu si- zende der FDP, erklärt auf einem Parteitag, auf dem Sie,
chern. Herr Vizekanzler, neben ihm sitzen: Eine Hilfe für Grie-
chenland ist ein Schlag ins Gesicht unserer Bürgerinnen
Vielen Dank. und Bürger. – Wo waren Sie da? Wo sind Sie da aufge-
standen und haben gesagt: „So geht das nicht“?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Präsident Dr. Norbert Lammert: und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
Das Wort hat nun der Kollege Jürgen Trittin, Fraktion LINKEN)
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Bundeskanzlerin, Sie werden jetzt sagen: Was habe
ich damit zu tun? Ich mache ja nur eine Koalition mit
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): diesem unzuverlässigen Kandidaten. – Ich sage Ihnen:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind Sie bedienen dieses nationale Ressentiment doch selber.
ja heute Zeuge einer großen Gemeinsamkeit zwischen
Gregor Gysi und Angela Merkel geworden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was?) der CDU/CSU: Das nehmen Sie zurück!)
Beide haben reine Rechtfertigungsreden gehalten: Wir Was sonst ist denn Ihr Vorschlag, den Sie ja auch in ei-
haben recht gehabt. – Nun ist das bei Gregor Gysi eher nen Entschließungsantrag schreiben wollen, von der
ein esoterisches Problem. Suspendierung der Stimmrechte von Mitgliedstaaten?
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])
DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Dagmar
Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, Fakt!) Europa ist eine Gemeinschaft von 27 gleichberechtigten
Mitgliedstaaten. Da kann nicht ein Mitgliedstaat einem
Aber bei Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, hat das schwer-
anderen Mitgliedstaat die Rote Karte zeigen und sagen:
wiegendere Konsequenzen;
Du setzt dich jetzt mal eine Weile auf die Bank!
(B) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: (D)
Oberlehrer der Nation!) (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wer sich nicht
an die Spielregeln hält …!)
denn das, was Sie hier in den letzten sechs Wochen
abgeliefert haben, der Versuch, aus Angst vor der Nord- Das wird es in diesem gemeinsamen Europa nie geben.
rhein-Westfalen-Wahl, aus Angst vor dem nächsten Wenn es das nie geben wird, dann sollten Sie das auch
Sonntag diese Krise auszusitzen, hat die Bundesrepublik nicht fordern, meine Damen und Herren.
Deutschland, hat übrigens auch Europa unglaublich viel (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gekostet. und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN LINKEN)
und bei der SPD – Claudia Roth [Augsburg]
Ihre Politik hat nicht nur zu einem Verlust an Euro-
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Teuerster
pafähigkeit Deutschlands geführt, kostet uns nicht nur
Wahlkampf aller Zeiten!)
politisch etwas. Dass Sie sich seit Februar/März gegen
Sie haben noch im März gemeint, hier die Maggie Hilfe für Griechenland gesperrt haben,
Merkel geben zu müssen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: War richtig!)
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie heißt
Angela!) hat uns, hat Europa und übrigens auch die Griechen viel
Geld gekostet.
Und was ist heute? – Das politische Klima in diesem
Lande kann man sich jeden Morgen in der Bild-Zeitung (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
angucken. SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LIN-
KEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Quatsch! –
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]:
GRÜNEN]: Heute schon wieder!) So ein Unfug!)
Die Folgen: Die griechische Botschaft wird mit Hass- Herr Kauder, Sie haben hier gesagt: Der IWF hat eine
mails überschwemmt. Vor dem Konsulat von Griechen- ganze Woche gebraucht, um mit den Griechen zu ver-
land in Düsseldorf demonstriert die NPD. Aber das ist handeln.
nicht nur ihr Privileg. Auch die Leute in Ihren eigenen
Reihen sagen, es solle Naxos oder was auch immer ver- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie hätten das
kauft werden. Geld doch schon vorher rausgegeben!)
3740 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Jürgen Trittin
(A) Ich finde, das ist eine ziemliche Leistung. Die Wahrheit Zeit blockiert –, dass wir eine europäische Ratingagen- (C)
ist doch: Sie haben den IWF sechs Wochen daran gehin- tur brauchen.
dert, in dieser Frage zu handeln.
Stellen Sie sich einmal vor, die Steuervorschläge der
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN FDP kämen durch und im Ergebnis würden wir gegen
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der den Stabilitätspakt verstoßen.
LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE
Quatsch!) GRÜNEN]: Würden wir ja auch! – Sigmar
Wir haben den Direktor des IWF, Herrn Strauss-Kahn, Gabriel [SPD]: Tun wir schon!)
gefragt: Wie war das denn mit dem Faktor Zeit? Er hat Ich sehe schon den Jubel in Ihren Reihen, wenn für
gesagt: Wenn der IWF im Februar/März hätte tätig wer- Deutschland keine Agrarsubventionen und keine Struk-
den können, würden wir über geringere Summen re- turfondsmittel mehr fließen.
den. – Dass wir heute mit 22 Milliarden Euro ins Risiko
gehen, haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, mit Ihrer Zöge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
rei und Zauderei zu verantworten. und bei der SPD)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich habe immer den Eindruck: Das gilt immer nur für die
und bei der SPD) anderen, aber nie für Sie selber.
Ich finde, die Menschen in diesem Lande hätten es (Birgit Homburger [FDP]: Das ist bei euch so!
verdient, dass man ihnen erklärt, warum man Griechen- Der Hintergrund ist, dass Sie es genauso ge-
land auf diese Weise hilft. Es ist nicht so, dass diese macht haben!)
Hilfe für Griechenland alternativlos wäre. Selbstver- Wenn solchen Krisen jetzt vorgebeugt werden soll,
ständlich gibt es, wie im wirklichen Leben, Alternati- muss man zwei Dinge in den Mittelpunkt stellen: Zum
ven, über die man entscheiden kann. Wie ist es mit den einen kann es keine europäische Währungspolitik ohne
Vorschlägen, die aus Ihren Reihen gekommen sind? Was eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik ge-
würde es heißen, Griechenland aus der Währungsunion ben. Das geht eben nur zusammen.
auszuschließen, damit die Griechen die Drachme wieder
einführen und sie entsprechend abwerten? Das Ergebnis (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wären eine gigantische Kapitalflucht aus Griechenland und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
und der Zusammenbruch des griechischen Bankensek- LINKEN)
tors – mit allen Folgen für das europäische Bankensys- Zum anderen kann man sich nicht wie der badische
(B) tem. Das wären die Folgen der Alternative, die Sie ge- Nationalökonom Kauder (D)
predigt haben, lieber Herr Friedrich.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNIS-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der [CDU/CSU]: Baden-Württembergische!)
LINKEN)
hier hinstellen und erklären, die Griechen hätten über
Wie ist es mit der Alternative – auch das ist gefordert ihre Verhältnisse gelebt. Das stimmt zwar, aber das ist
worden –, Griechenland den Staatsbankrott erklären zu nur ein Teil der Wahrheit. Herr Kauder, den anderen Teil
lassen? Die Folge wäre keine andere als bei dem vorigen der Wahrheit muss man als guter Europäer auch sagen.
Vorschlag, nämlich eine massive Gefährdung und Zer- Der andere Teil der Wahrheit lautet nämlich: Davon,
störung des Bankensystems. Das System, mit dem wir dass die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt haben,
uns nun einmal herumzuschlagen haben, ist ein Kapita- haben andere gut gelebt.
lismus, der sehr stark von Finanzmarktmechanismen ge- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja!)
prägt ist. Wenn man das weiß, wenn man weiß, dass man
dem Kapitalismus das Spekulieren in dieser Form nicht Ich kann das auch anders ausdrücken: Das Rekorddefizit
abgewöhnen kann, wenn man weiß, dass es zyklisch im- in Griechenland spiegelt sich im Handelsüberschuss der
mer wieder Krisen geben wird, dann darf man sich doch Bundesrepublik Deutschland gegenüber Griechenland
nicht, wie Sie es jetzt – zu spät – tun, auf Nothilfe be- wider. Das ist die simple ökonomische Wahrheit.
schränken, dann muss man doch darangehen, künftigen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Krisen vorzubeugen und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
(Birgit Homburger [FDP]: Entschuldigung! LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Man-
Das wollen wir doch!) nomann! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]:
Das ist Voodoo-Ökonomie! – Norbert Barthle
und damit Schadensbegrenzung zu betreiben. Das ist die [CDU/CSU]: Dagegen war Gysi ja seriös! –
Herausforderung, vor der wir stehen. Zurufe von der FDP)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Meine Damen und Herren, Sie können sich beruhigen.
sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich muss Ihnen das vielleicht so erklären, wie man das
sonst den Kollegen von der Linkspartei erklärt:
Sie bewegen sich an einigen Punkten: Plötzlich darf
Eurostat auch in die deutschen Bücher schauen. Plötz- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Trittin, hö-
lich sind auch Sie der Auffassung – Sie haben das lange ren Sie auf! Sie blamieren sich!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3741
Jürgen Trittin
(A) Wenn Sie 350 Leopard-Panzer an Griechenland verkau- Präsident Dr. Norbert Lammert: (C)
fen, dann ist es unfair, sich darüber aufzuregen, dass sich Der Kollege Dr. Friedrich ist der nächste Redner für
die Griechen für das Geschäft verschuldet haben. – Ich die CDU/CSU-Fraktion.
halte das jedenfalls nicht für einen Vorwurf, den man
leichtfertig erheben sollte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Er hat
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Griechenland raus!“ gefordert!)
sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker
Kauder [CDU/CSU]: Mannomann!) Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):
Der Kern ist aber ein anderer. Der Kern ist: Wir brau- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
chen einen Abbau der Ungleichgewichte innerhalb der Herren! Lieber Kollege Trittin, dafür, dass Sie 2002, als
Europäischen Union. Das, was es anderswo zu viel an Griechenland in die Währungsunion geholt wurde, Bun-
Binnennachfrage gibt, gibt es hier zu wenig an Binnen- desminister waren,
nachfrage. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ablenkungs-
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie wollen also manöver!)
Deutschlands Wohlstand verringern?) dass Sie 2004, als der Betrug der Griechen aufgeflogen
Durch eine europäische Wirtschaftskoordination, eine ist und die Grünen, als Sie noch Bundesminister in die-
Koordination der Wirtschaftspolitik innerhalb der Euro- ser Regierung waren, windelweich reagiert haben – ich
päischen Union, wird Deutschlands Wohlstand nicht be- habe die dpa-Meldung vom 24. September dabei –,
schädigt, (Zuruf von der SPD: Sagen Sie doch mal was
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch!) zu Ihren Vorschlägen!)
und dafür, dass Sie als Bundesminister in diesem rot-
sondern gemehrt, weil das langfristig zu mehr Stabilität
grünen Kabinett zugeschaut haben, als Ihr damaliger Fi-
und zu mehr Binnennachfrage der Menschen hier führt.
nanzminister Hans Eichel den Euro-Stabilitätspakt auf-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geweicht hat, riskieren Sie hier eine dicke Lippe.
sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Kauder [CDU/CSU]: Das ist Unsinnswirt-
schaft!) In Griechenland sind in den letzten Wochen und Mo-
naten Illusionen geplatzt, und zwar erstens die Illusion,
Wenn Sie die Banken und andere beteiligen wollen, dass Wohlstand schon durch die geografische Lage in (D)
(B) dann müssen Sie eine Finanztransaktionsteuer einfüh-
Europa garantiert ist, und zweitens die Illusion, dass
ren. Frau Merkel, ich habe es im Bericht des IWF nach- Wohlstand auch dadurch gewährleistet ist, dass man dem
gelesen. Darin steht ausdrücklich: Durch diese Steuer Euro-Raum angehört. Tatsache ist: Jeder Staat, jede
werden hochspekulative Geschäfte belastet. – Das ist der Volkswirtschaft ist nur so wohlhabend, wie es die Men-
Grund, weswegen wir sagen: Sie ist zielgenau – anders schen in dieser Volkswirtschaft durch Fleiß, Ehrgeiz,
als Ihre Bankenabgabe –, und durch sie wird dafür ge- Disziplin und Leistungskraft ermöglichen.
sorgt, dass Spekulationen verteuert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Das ist die Wahrheit, und das müssen die Griechen jetzt
LINKEN) lernen, und zwar unabhängig davon, ob in Dollar, Euro
oder Gold bezahlt wird. Entscheidend ist: Die Währung
Ich sage Ihnen: Wir kommen in diesem Hohen Hause ist die geronnene Leistungskraft einer Volkswirtschaft.
nicht überein, auch wenn Sie jetzt die Position einneh-
men, man müsse Griechenland helfen, was Sie lange Dafür, dass es Deutschland in dieser schwierigen
Zeit blockiert haben, wenn Sie nicht den Schritt gehen, wirtschaftlichen Situation gut geht, sind Reformen ver-
endlich dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen, die mit antwortlich, die den Menschen in unserem Lande über
Spekulationen Geschäfte machen, künftig auch für die viele Jahre auferlegt worden sind, begonnen in den 90er-
Folgen dieser Spekulationen in Haftung genommen wer- Jahren unter Helmut Kohl und Theo Waigel mit den Re-
den. formen zur Sicherung des Standortes Deutschland bis
hin zu den Hartz-Reformen, die Sie unter Rot-Grün
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchgeführt haben und die unseren Bürgerinnen und
sowie bei Abgeordneten der SPD) Bürgern schwere Belastungen auferlegt haben.
Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass endlich Griechenland hat in all dieser Zeit keine Reformen
wieder wirtschaftlich geordnete Verhältnisse in dieses durchgeführt, im Gegenteil.
gemeinsame Europa einziehen.
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die konserva-
Vielen Dank. tive Regierung! Die Sozialdemokraten müssen
jetzt aufräumen!)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Deswegen muss jetzt die internationale Staatengemein-
LINKEN) schaft, vertreten durch den IWF, die Europäische Zen-
3742 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Jürgen Trittin
(A) dass er dies als Schlag ins Gesicht der Bürger sieht, aus- paket – ganz ohne die Unterstützung und die Hilfe des (C)
drücklich bestätigt. IWF und auch ohne den Druck vonseiten des IWF an ei-
ner Lösung des Problems. Deutschland hat an dieser
(Otto Fricke [FDP]: Nicht „dies“! Sie haben
Stelle nichts dazu beigetragen, dass Griechenland sich
etwas anderes gesagt!)
dazu entschlossen hat, sein Defizit zurückzufahren.
Ich unterstreiche an dieser Stelle: Der gleiche Herr Am 4. März dieses Jahres wurde das dritte Sparpaket
Pinkwart, der sich in dieser Form verabschiedet, wieder ohne die Mitwirkung des IWF.
(Otto Fricke [FDP]: Nein! Stellen Sie es doch Erst in der letzten Woche ist der IWF auf den Plan getre-
klar!) ten. Man hat dann darüber diskutiert, was die Griechen
bereits selbstständig und eigenverantwortlich ausgear-
auf dem FDP-Parteitag und in diversen Hörfunkinter- beitet haben. Laut dem Handelsblatt von Montag dieser
views – ich könnte Ihnen auch Zitate aus dem Deutschland- Woche sagte der Direktor des IWF, dass er sehr zufrie-
funk mitbringen – geäußert hat, wird in seiner Funktion als den ist mit dem, was Griechenland vorgelegt hat. Erwe-
stellvertretender Ministerpräsident am kommenden cken Sie also bitte hier nicht den Eindruck, dass es der
Freitag genau diesem – in seinen Worten – „Schlag ins internationale oder sogar der Druck aus Deutschland ge-
Gesicht“ im Bundesrat zustimmen. wesen ist, der Griechenland dazu gebracht hat, Sparmaß-
(Birgit Homburger [FDP]: Das ist eine nahmen vorzunehmen. Das war es ganz bestimmt nicht.
unglaubliche Verdrehung!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
In einem Punkte gebe ich Ihnen aber ausdrücklich sowie bei Abgeordneten der SPD)
recht: Der Herr Außenminister war mit gutem Grund Die Griechen sind Gott sei dank im Oktober des letz-
– mit vollem Respekt von meiner Seite – am Samstag ten Jahres, als die neue Regierung ihre Arbeit aufgenom-
nicht auf dem Parteitag der FDP. men hat, selbst zu der Erkenntnis gekommen, dass sie
(Otto Fricke [FDP]: Er hat also nicht daneben- radikale Sparmaßnahmen vornehmen müssen. Bitte neh-
gesessen! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: men Sie das zur Kenntnis.
Sie haben doch gesagt, er hat danebengeses- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sen!) sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich vermute aber, so wie ich den Kollegen Westerwelle
kenne, dass er sich die wesentlichen Äußerungen der Re- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
den am Samstag angehört hat Herr Kollege Friedrich, bitte.
(B) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Bei der (D)
Trauerfeier, oder wie?) Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):
Frau Kollegin, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie
und auch diese Passage von Herrn Pinkwart kannte. Als noch einmal das bestätigt und unterstrichen haben, was
Herr Westerwelle am Sonntag auf dem FDP-Parteitag die Frau Bundeskanzlerin hier vorgetragen hat.
geredet hat, da hätte ich von ihm als Vizekanzler, als Au-
ßenminister der Bundesrepublik Deutschland und als Wir hatten auf europäischer Ebene gemeinsam die
Vorsitzenden der Partei von Hans-Dietrich Genscher er- Hoffnung, dass das, was Griechenland an Sparmaßnah-
wartet, dass er diese unglaubliche Äußerung von Herrn men und Schuldenreduzierung auf den Weg bringt, aus-
Pinkwart zurückweist. reichen könnte, um die Märkte wieder zu beruhigen und
das Land tatsächlich aus der Krise zu führen. Diese
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hoffnung konnte man haben. Deswegen war es richtig,
Dieser Erwartung ist Herr Westerwelle leider nicht ge- nicht gleich zu sagen: „Ihr braucht keine Reformen zu
recht geworden. machen, hier habt ihr Geld“, sondern die Griechen bei
ihren ehrlichen und ernsthaften Bemühungen im Rah-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN men ihrer Regierungsarbeit moralisch zu unterstützen.
und bei der SPD)
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Dann kann man sie
aber nicht zugleich niedermachen!)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort zu einer Kurzintervention auf die Rede des Aber dann – auch das ist in der Regierungserklärung
Kollegen Friedrich erteile ich der Kollegin Viola von deutlich geworden – hat sich plötzlich herausgestellt,
Cramon. dass all die Bemühungen, die Griechenland unternom-
men hat, nicht ausgereicht haben. Eurostat hat nämlich
Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE
festgestellt, dass die Nettokreditaufnahme noch höher
GRÜNEN): liegt. Diese Erkenntnis veranlasste die griechische Re-
gierung dazu, zu sagen: Jetzt sind wir mit unseren Mög-
Herzlichen Dank. – Herr Kollege Friedrich, Sie stel-
lichkeiten am Ende; jetzt brauchen wir die internationale
len hier in den Raum, dass es der IWF gewesen sei, der
Staatengemeinschaft.
Griechenland zu diesen sehr ambitionierten Sparpake-
ten getrieben hat. Das ist nicht korrekt. Griechenland ar- (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Nein! Weil
beitet – bereits im Dezember des letzten Jahres gab es Deutschland unklar war auf den Finanzmärk-
das erste und im Februar dieses Jahres das zweite Spar- ten!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3745
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
(A) Dann wurde der IWF eingeschaltet. Das ist die tatsächli- lebt, sich hoch verschuldet und es dabei versäumt, seine (C)
che Reihenfolge. Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Frau Kollegin, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
noch einmal unterstrichen haben, dass das, was die Bun- NEN]: Lassen Sie sich das bei Ihren Steuer-
deskanzlerin hier vorgetragen hat, zutreffend ist. senkungsplänen gesagt sein!)
Danke schön. Wir sind der Auffassung: Es gibt tatsächlich keine Al-
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei ternative zu dieser Rettungsmaßnahme, diesem Notfall-
Abgeordenten der SPD) programm, das wir in dieser Woche auflegen wollen. Es
ist mir wichtig, zu erklären: Damit tun wir alles, um das
Risiko von den deutschen Steuerzahlern so weit als ir-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
gend möglich fernzuhalten. Wir übernehmen eine Aus-
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol- fallbürgschaft für die Kredite der KfW. Diese Kredite
legen Norbert Barthle von der CDU/CSU-Fraktion das sind letztendlich nichts anderes als Hilfe zur Selbsthilfe.
Wort. Es gibt keinen Blankoscheck – teilweise wurde das for-
(Beifall bei der CDU/CSU) muliert –: Die Hilfe ist an strenge Auflagen geknüpft.
Griechenland hat sich zu einem wirklich drastischen
Norbert Barthle (CDU/CSU): Sparkurs verpflichtet, der daraus resultiert, dass Ein-
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- nahmeverbesserungen erzielt und durchgreifende Struk-
nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und turreformen vorgenommen werden müssen. Griechen-
Herren! Wir stehen heute in dieser historischen Stunde land will sein Defizit bis 2014 unter die 3-Prozent-
an einer Weggabelung für die Zukunft Europas. Ange- Grenze senken. Das ist alle Anerkennung wert. Das Me-
sichts der Dimension der Entscheidung, die wir in dieser morandum of Understanding, das abgeschlossen und
Woche zu treffen haben, finde ich es ein Stück weit be- von den Griechen unterzeichnet wurde, sichert uns zu,
merkenswert, mit welch teilweise billiger Polemik hier dass diese Maßnahmen umgesetzt werden.
vonseiten der Opposition versucht wird, innenpolitisches
Kapital – womöglich mit Blick auf eine Landtagswahl – Immer wieder kommt die Frage: Welche Sicherheiten
zu schlagen. haben wir? Natürlich kann niemand sagen, dass wir end-
gültige Sicherheit haben. Dennoch möchte ich an dieser
(Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜND- Stelle betonen, dass wir für die erfolgreichen, nach-
NIS 90/DIE GRÜNEN] – Volker Beck [Köln] drücklichen Verhandlungen unserer Bundeskanzlerin
(B) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Versuch und unseres Finanzministers dankbar sein müssen, die (D)
der Union und der FDP ist gründlich schiefge- erreicht haben, dass der IWF beteiligt wird.
gangen!)
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das müssen
Es besteht Konsens unter allen Euro-Ländern. Es geht
wir nicht! Die haben alles nur verschlimmert
nicht um eine einzelne nationale Maßnahme, sondern
durch ihre unklare Haltung!)
um ein Gesamtpaket, das in Abstimmung mit dem IWF,
mit der EZB und mit allen Euro-Ländern geschnürt wor- Durch die Beteiligung des IWF erhalten die Auflagen,
den ist. Aus dieser schwierigen Situation auf diese bil- die mit dem Paket verknüpft sind, eine wesentlich grö-
lige Weise innenpolitisches Kapital schlagen zu wollen, ßere Durchschlagskraft; wir erhalten bessere Kontroll-
ist schon bezeichnend. mechanismen. Dass sich der IWF mit 30 Milliarden
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Darum geht es Euro finanziell beteiligt, zeigt, dass die internationale
nicht!) Gemeinschaft Vertrauen in die Wirksamkeit dieses Pa-
kets hat. Das ist ein ganz wichtiges Signal.
Letztendlich geht es uns doch darum, die Stabilität des
Euro zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass diese Nebenbei bemerkt: Es ist Bestandteil dieses Paketes,
Währung, die Grundlage unseres gemeinsamen Wohl- dass regelmäßig, vierteljährlich, eine Überprüfung vor-
stands ist, auch in Zukunft sicher ist. Auf diese Weise genommen wird. Diese Überprüfung orientiert sich an
schützen wir den gesamten Euro-Raum. quantitativen Leistungskriterien und strukturellen Richt-
werten, um die erreichten Fortschritte zu bewerten und
Natürlich geht es primär darum, Griechenland wieder gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu beschließen. Im
zahlungsfähig zu machen. Es geht auch darum, die Wett- Kontext dieser Überprüfungen können wir als deutsches
bewerbsfähigkeit Griechenlands zu stärken. Ich finde es Parlament jederzeit gegensteuern. Vierteljährlich findet
bemerkenswert, wenn Herr Gysi an dieser Stelle fest- eine Unterrichtung durch die Bundesregierung im Haus-
stellt, dass die international vereinbarten Maßnahmen haltsausschuss des Deutschen Bundestages statt. Wir ha-
ökonomischer Blödsinn seien. Denn diese Maßnahmen ben die Möglichkeit, regelmäßig zu kontrollieren, ob die
zielen gerade darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit Grie- entsprechenden Fortschritte erzielt werden.
chenlands zu stärken und Griechenland in die Lage zu
versetzen, sich auf den Finanzmärkten zu refinanzieren. Die Zahlungspraxis des IWF gestaltet sich folgender-
Das ist schon bemerkenswert. Man kann an dieser Stelle maßen: Die Zahlung weiterer Tranchen ist immer daran
beobachten, was passiert, wenn ein Land leichtfertig geknüpft, dass die Maßnahmen erfolgreich sind. Das ist
über Jahre hinweg – viel zu lange – von fremdem Geld ein wichtiges Signal an die deutsche Öffentlichkeit; denn
3746 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Norbert Barthle
(A) damit haben wir ein Stück weit Sicherheit, dass das be- dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist offensichtlich (C)
schlossene Programm wirkungsvoll umgesetzt wird. nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Es wurde bereits von den Vorrednern betont, dass es Ich unterbreche nun die Sitzung bis 13 Uhr. Der Wie-
über dieses Programm hinaus notwendig sein wird, wei- derbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingel-
tere Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Vorfälle signal bekannt gegeben.
ähnlicher Dimension zu vermeiden. Ich will das unter-
Die Sitzung ist unterbrochen.
streichen. Wir denken da an zwei verschiedene Bereiche.
(Unterbrechung von 10.51 bis 13.00 Uhr)
Einerseits müssen wir es schaffen, auf europäischer
Ebene dafür zu sorgen, dass bessere Transparenz und
bessere Kontrollmöglichkeiten entstehen. Da ist Eurostat Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
gefragt. Wir müssen es Eurostat ermöglichen, schärfer Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
und besser zu kontrollieren, transparentere, klare Zahlen Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
zu bekommen. Wir müssen entsprechende Sanktionen
vorsehen. Bisher wurden auf europäischer Ebene noch Befragung der Bundesregierung
nie Sanktionen ausgesprochen. Damit sind Sanktionen Die Bundesregierung hat als Thema der Kabinettssit-
ein stumpfes Schwert. Wir müssen die Europäische zung von Montag mitgeteilt: Rücknahme der Erklärung
Union in die Lage versetzen, tatsächlich Sanktionen aus- der Bundesrepublik Deutschland vom 6. März 1992
zusprechen. zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
Unser Fraktionsvorsitzender hat klipp und klar darauf hat die Bundesministerin der Justiz, Frau Sabine
hingewiesen, dass es gelingen muss, ein Insolvenzver- Leutheusser-Schnarrenberger. Bitte schön.
fahren vorzusehen. Wir brauchen die notwendigen In-
strumentarien, damit es künftig, wenn noch einmal solch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ein Fall eintreten sollte, nicht notwendig ist, in einem ministerin der Justiz:
mühsamen europäischen Abstimmungsverfahren ein Recht herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kol-
Programm zu beschließen. Vielmehr müssen Regularien leginnen und Kollegen! Am 3. Mai 2010 wurde in der
bestehen, die sofort greifen können. Andererseits wird es Kabinettssitzung der Beschluss zur Rücknahme des Vor-
darum gehen, die Finanzmärkte in den Blick zu nehmen. behalts gegen die Kinderrechtskonvention gefasst. Das
Auch dazu hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungs- war ein wirklich guter Tag für die Kinderrechte. Mit der
(B) erklärung das Notwendige gesagt. Es wird darum gehen, Rücknahme der Erklärung zur Kinderrechtskonvention (D)
eine unabhängige europäische Ratingagentur zu instal- der Vereinten Nationen haben wir ein jahrelanges Anlie-
lieren; denn die Ratingagenturen – auch darauf hat der gen des Bundestages umgesetzt. Die Koalition hat jetzt,
Finanzminister immer wieder hingewiesen – haben in nachdem jahrelang über dieses Thema diskutiert worden
diesem Kontext eine ausgesprochen verstärkende Wir- ist, den Durchbruch erreicht.
kung erzielt. Das muss künftig verhindert werden. Wir
1989 wurde die Kinderrechtskonvention von der Ge-
sind gerne bereit, über ein Verbot ungedeckter Leerver-
neralversammlung der Vereinten Nationen angenom-
käufe zu sprechen. Das ist in unserem Maßnahmenpaket
men. Im Jahr 1992 wurde sie von Deutschland ratifiziert,
vorgesehen. Wir sind auch gerne bereit, über ein Verbot
wobei aber mit der Interpretationserklärung bei der Hin-
der sogenannten Credit Default Swaps zu sprechen,
terlegung der Ratifikationsurkunde Anlass zur Diskus-
wenn sie ohne Eigenkapitalunterlegung nur zur Spekula-
sion gegeben wurde. Diese Erklärung betraf das Fami-
tion benutzt werden.
lienrecht, das Jugendstrafrecht sowie das Ausländerrecht
Das alles sind sinnvolle Maßnahmen, die wir ergrei- und ist seinerzeit auf Wunsch der Bundesländer zustande
fen wollen, um die Finanzmärkte besser als bisher regu- gekommen.
lieren zu können. Aber – das muss man immer wieder
Viele Initiativen und Flüchtlingsorganisationen haben
hinzufügen – das geht nur im internationalen Kontext.
sich seither für die Rücknahme der Erklärung stark ge-
Deshalb wünsche ich mir, dass der Deutsche Bundestag
macht, nicht nur der Bundestag, sondern besonders auch
in dieser Woche das vorliegende Maßnahmenpaket mit
die Kinderkommission, und zwar einstimmig. Die Bun-
großer Mehrheit verabschiedet und damit der Bundes-
desregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf
kanzlerin den Rücken stärkt, damit sie unser Vorhaben
verständigt, diesen Vorbehalt zurückzunehmen. Die Län-
auf internationalem Parkett durchsetzen kann.
der haben sich mit der Bundesratsentschließung vom
Danke sehr. 26. März 2010 für die Rücknahme ausgesprochen. Das
war ein ganz wichtiges Signal, ein wichtiger Schritt da-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hin, dass sich jetzt auch die Bundesregierung zur Rück-
nahme des Vorbehalts entscheiden konnte. Denn – das
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: hat die Debatten in den letzten Jahren geprägt – es sollte
Ich schließe die Aussprache. nicht gegen den Willen der Länder erfolgen.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent- Warum haben sich so viele für die Rücknahme des
wurfes auf Drucksache 17/1544 an die in der Tagesord- Vorbehaltes über Jahre hinweg eingesetzt, und welche
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es konkreten Folgen resultieren aus der Rücknahme?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3747
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(A) Deutschland hat natürlich immer die Kinderrechtskon- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- (C)
vention der Vereinten Nationen respektiert. Die Erklä- ministerin der Justiz:
rung sollte nicht die Rechte der Kinder einschränken Vielen Dank, Frau Deligöz, für die Frage. Ich möchte
oder außer Kraft setzen, sondern es ging darum, für die noch einmal betonen, dass es gerade dieser Regierung
genannten Bereiche Gefahren durch mögliche Fehl- oder gelungen ist, und zwar mit Zustimmung aller Bundeslän-
Überinterpretationen auszuschließen. Diese Sorgen hat- der, hier weiterzukommen. Das haben andere Regierun-
ten die Länder immer zum Ausdruck gebracht. gen, die sich natürlich auch immer um das Kindeswohl
bemüht haben, nicht erreicht.
Dies bezog sich besonders auf Aspekte des Auslän-
derrechtes. Deshalb hob die Erklärung hervor, dass die Auf Bundesebene haben wir keinen Gesetzgebungs-
Konvention kein Recht auf widerrechtliche Einreise und bedarf. Bei der Erklärung spielte zum einen das Fami-
Aufenthalt gewähre. Aber natürlich brauchen minderjäh- lienrecht eine Rolle. Hier sind nach 1992 mit der Kind-
rige Flüchtlinge einen ganz besonderen Schutz. Die schaftsrechtsreform bereits Änderungen erfolgt und
Frage, was wir für minderjährige Asylbewerber und Unterschiede zwischen ehelichen und nicht ehelichen
Flüchtlinge tun können, stellt sich in jedem Einzelfall. Kindern so weit wie möglich beseitigt worden. Nach der
Die Rücknahme der Erklärung ist daher vor allem ein Kinderrechtskonvention wird nicht ein ganz bestimmtes
ganz wichtiges politisches Signal für den Vollzug, das Modell vorgegeben. Aber vor dem Hintergrund der Ent-
heißt: für die Gesetzesanwender. Es sollte den Ländern scheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichts-
Anlass geben, ihre Praxis zu überprüfen und zu überle- hofs werden wir die Frage des Sorgerechts von nicht ver-
gen, wie das Kindeswohl stärker berücksichtigt werden heirateten Eltern, gerade auch von Vätern, zu beraten
kann. Ich denke an aktuelle Fälle, in denen Kinder in haben. Hier arbeiten wir bereits an einem Gesetzentwurf.
Abschiebehaft sitzen. Auch wenn die Abschiebehaft Im Bereich des Jugendstrafrechts geht es um einen
nach der Kinderrechtskonvention grundsätzlich zulässig rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand zur
bleibt, muss sie auf die kürzeste noch angemessene Zeit Vorbereitung und Wahrnehmung der Verteidigung. Nach
begrenzt werden. Hier sollten die Länder kritisch über- dem geltenden Recht besteht die Pflicht zur Bestellung
prüfen, wie viele Kinder sich wie lange in Abschiebehaft eines Pflichtverteidigers, wenn es keinen Wahlverteidi-
befinden, und dann entsprechend reagieren. ger gibt und das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu
Auch im Bereich der medizinischen Versorgung sollte verteidigen. Diese Regelung greift unmittelbar. Insofern
die Bewilligungspraxis der Sozialbehörden auf die be- müssen wir auch hier auf Bundesebene nicht gesetzgebe-
sondere Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendli- risch tätig werden.
chen, für die das Asylbewerberleistungsgesetz gilt, Auch im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts se-
(B) Rücksicht nehmen. hen wir keinen legislativen Handlungsbedarf auf Bun- (D)
desebene. Es wird verlangt, gerade Flüchtlingskindern,
Natürlich ist es richtig, im Asylverfahren nicht nur Ju- ob begleitet oder unbegleitet, angemessenen Schutz und
gendlichen bis zum 16. Lebensjahr, sondern bis zum humanitäre Hilfe zu gewähren. Insbesondere in diesem
18. Lebensjahr einen angemessenen Rechtsbeistand zur Bereich – ich habe einige Bereiche angesprochen –
Seite zu stellen und in diesen Verfahren auch besonders kommt es auf die Länder an. Die Länder waren im Vor-
geschulte Sachbearbeiter einzusetzen. feld der Befassung des Kabinetts sehr konstruktiv. Sie
Insgesamt ist mit der Entscheidung über die Rück- haben sich in mehreren Bundesratssitzungen damit be-
nahme ein ganz wichtiges Zeichen gesetzt worden, auch fasst, ob sie einer Rücknahme der Erklärung zustimmen
auf internationaler Ebene. Unsere Botschaft ist klar: Für können bzw. damit einverstanden sind. Die ursprüngli-
uns steht das Kindeswohl im Mittelpunkt unserer Politik. chen Vorbehalte der Länder – egal wer in den Ländern in
Regierungsverantwortung steht – sind in dieser Form
Vielen Dank. nicht mehr belegt. Aber wir werden natürlich – die
nächste Justizministerkonferenz im Juni bietet dazu si-
cherlich eine gute Gelegenheit – mit den Ländern da-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: rüber reden, was passiert und wie sich die Situation nach
Danke schön. – Als erste Fragestellerin zu diesem der Rücknahme des Vorbehaltes und der Zuleitung des
Themenbereich hat Ekin Deligöz, Fraktion Bündnis 90/ Kabinettsbeschlusses an den Generalsekretär der Verein-
Die Grünen, das Wort. ten Nationen konkret darstellt. Wir werden dann letzt-
endlich zu gewichten haben, ob es hier, an welche Stelle
auch immer adressiert, gesetzgeberischen Handlungsbe-
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
darf geben sollte.
Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre
Ausführungen. In der Tat ist es ein großer Schritt, diese
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Vorbehalte zurückzunehmen. Es steht Deutschland auch
international sehr gut zu Gesicht, das zu tun. Sie haben Die nächste Frage stellt Diana Golze.
hinsichtlich der Konsequenzen oft an die Länder appel-
liert. Mich interessiert, welche Konsequenzen Sie als Diana Golze (DIE LINKE):
Bundesministerin daraus ziehen. Das heißt: Was werden Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich möchte an die
Sie konkret tun, sei es gesetzlich oder untergesetzlich, Fragen meiner Kollegin Deligöz anschließen. Natürlich
um diese Rechte der Kinder bundesweit durchzusetzen? begrüße auch ich die bevorstehende Rücknahme des
3748 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Diana Golze
(A) Vorbehalts. Aber ich denke schon, dass sich hier für uns satz zu anderen Regierungen auf Verbesserungen ver- (C)
als Bund Handlungsbedarf für Gesetzesänderungen ständigt haben.
abzeichnet. Ich nenne als Beispiel die ausdrückliche Ver-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr
ankerung des Vorrangs des Kindeswohls im Asylverfah-
konkret war das nicht!)
rens- und Asylbewerberleistungsrecht sowie im Aufent-
haltsgesetz.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Sie haben vorhin gesagt, dass die Abschiebehaft laut Das Wort hat nun Kollege Peter Tauber.
UN-Kinderrechtskonvention grundsätzlich zulässig bleibt.
Wir könnten es uns doch durchaus erlauben, darüber hi-
Dr. Peter Tauber (CDU/CSU):
nauszugehen und zu sagen: Während des Verfahrens ver-
bieten wir die Aufnahme von minderjährigen Flüchtlin- Frau Ministerin, zunächst herzlichen Dank für diesen
gen in Abschiebehaft. Wir verbieten die Abschiebung Erfolg. Ich glaube, dass er zu gleichen Teilen der Ein-
minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge. sicht der Länder als auch Ihrem Charme geschuldet ist.
Mich interessiert nun: Erfüllt die Bundesregierung
Hier sehe ich den Bund in der Pflicht. Gerade jetzt, da bereits jetzt, das heißt unabhängig von der Rücknahme
wir auf die Zustimmung der Länder hoffen können, der Vorbehaltserklärung, alle sich aus der Kinderrechts-
sollte der Bund auf die Länder in den Fragen zugehen, in konvention ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtun-
denen die Landesgesetzgebungen betroffen sind. Ich gen? Oft hat man ein bisschen die Sorge, dass in der öf-
denke hier zum Beispiel an den Schulbesuch von Kin- fentlichen Debatte aufgrund dieser Rücknahme der
dern unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Eindruck entstehen könnte, das sei bisher nicht der Fall
gewesen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
Herzlichen Dank, Frau Kollegin, dass Sie noch ein- ministerin der Justiz:
mal meine Auffassung bestätigt haben, dass es nach der Deutschland hat sich allen völkerrechtlichen Ver-
Konvention jetzt nicht geboten und rechtlich vorgegeben pflichtungen nicht nur theoretisch verpflichtet gefühlt,
ist, die Abschiebehaft für Jugendliche abzuschaffen. Das sondern ist diesen Verpflichtungen natürlich auch immer
ist die richtige juristische Bewertung. Etwas anderes ist nachgekommen. Hier gab es gerade nach 1992 in man-
die politische Diskussion, die hierüber geführt werden chen Bereichen gesetzliche Änderungen. Ich denke
muss. besonders an die 1998 vorgenommene Kindschafts-
rechtsreform im Familienrecht, die, wenn sie vorher vor-
(B) Die Konvention verbietet die rechtswidrige oder will- (D)
genommen worden wäre, damals bei Zeichnung der
kürliche Inhaftierung und hält die Abschiebehaft als letz-
Konvention ohne Abgabe des Erklärungsvorbehaltes
tes Mittel in der kürzesten angemessenen Zeit für an-
eher zu Problemen hätte führen können. Aber wir erfül-
wendbar. Das ist der rechtliche Rahmen, in dem wir uns
len die Verpflichtungen aus der Konvention.
bewegen. Die Debatte darüber, ob man über diese Rege-
lungen hinausgeht, ohne dazu durch die Konvention ver- Für mich geht es jetzt vorrangig darum, zu klären,
pflichtet zu sein, ist natürlich den Ländern, aber auch was das für die Gesetzesanwendung bedeutet. Internatio-
dem Bundestag und den Fraktionen unbenommen. nal stehen wir damit gut da. Zu Recht sind die Organisa-
tionen – UNICEF, Pro Asyl und viele andere –, die sich
Ich darf auf einen weiteren Punkt hinweisen: Sie ha- der Situation von Kindern annehmen, mit der Entschei-
ben den Schulbesuch von Kindern ohne Aufenthaltsbe- dung des Kabinetts einverstanden. Ich denke, das ehrt
rechtigung angesprochen, die sich also illegal hier auf- diese Koalition.
halten. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist – ich
glaube nicht, dass das bei den Vorgängerregierungen in
den Jahren nach 1998 der Fall war –, im Koalitionsver- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
trag festzuschreiben, dass gerade die Vorschriften Das Wort hat nun Kollegin Katja Dörner.
hinsichtlich der aufenthaltsgesetzlichen Übermittlungs-
pflichten öffentlicher Stellen geändert werden, sodass Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
der Schulbesuch von Kindern ermöglicht wird. Ansons- Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen herzlichen Dank
ten können Kinder, die sich illegal in Deutschland auf- für Ihre Ausführungen. Ich möchte Sie ganz konkret
halten, nicht zur Schule gehen, weil in einem solchen fragen, ob die Bundesregierung jetzt als Folge der Rück-
Fall Meldepflicht besteht und dann entsprechende Kon- nahme der Vorbehaltserklärung plant, Kinder und Ju-
sequenzen gezogen werden. gendliche aus dem Asylbewerberleistungsgesetz heraus-
zunehmen. Sie wissen, dass das erhebliche Folgen hätte,
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE beispielsweise hinsichtlich der Versorgung im Gesund-
GRÜNEN]: Gesundheitsvorsorge!) heitswesen und mit Blick auf das Existenzminimum.
Genau diesen Punkt haben wir in Verantwortung ge-
genüber den Kindern und dem Kindeswohl als CDU/ Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
CSU/FDP-Koalition in den Koalitionsvertrag aufgenom- ministerin der Justiz:
men. Ich glaube, daran sieht man, wie ernst wir gerade Die Regierung hat nicht die Absicht, jetzt das Asylbe-
diese Frage nehmen und wie konkret wir uns im Gegen- werberleistungsgesetz zu ändern. Natürlich können die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3749
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(A) Länder durchaus gerade für minderjährige Jugendliche Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- (C)
bis zum 18. Lebensjahr Regelungen schaffen, zum Bei- ministerin der Justiz:
spiel – in Bayern wird aktuell darüber verhandelt – dass Ich kann berichten, dass die Länder gerade in den ver-
keine Verpflichtung zur Unterbringung in Gemein- gangenen Jahren, was zum Beispiel die Schulpflicht an-
schaftsunterkünften besteht. Da ist die Situation in den betraf, das Recht dahingehend geändert haben, den
Bundesländern sehr unterschiedlich. Aber kaum ir- Schulbesuch auch ausreisepflichtigen Flüchtlingen zu
gendwo ist vereinbart worden, dass man das – ohne ge- gewähren. Das ist im Saarland, in Baden-Württemberg
setzliche Änderung – im Rahmen von § 53 Asylverfah- und in anderen Ländern geschehen. Zu meinen, es sei in
rensgesetz regelt. Auch hier besteht ganz klar die den vergangenen Jahren nichts passiert, ist nicht richtig.
Möglichkeit, in sehr viel größerem Umfang das Kindes- Vielmehr ist mit Druck des Bundestages, der in ständiger
wohl zu berücksichtigen und entsprechend tätig zu wer- Wiederholung deutlich gemacht hat, dass etwas passie-
den. Aber wir haben uns auf Bundesebene – das liegt ren muss, die Gesetzgebung in den Ländern angepasst
nicht in der Kompetenz des Justizministeriums – nicht und die Situation für jugendliche Flüchtlinge verbessert
darauf verständigt, das Asylbewerberleistungsgesetz zu worden.
ändern.
Was das Asylbewerberleistungsgesetz angeht, wird
eine Rolle spielen, wie sich nach Rücknahme des Vorbe-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: halts die Bewilligungspraxis in den Ländern gerade im
Kollegin Marlene Rupprecht ist die Nächste. Hinblick auf Kinder, besonders auf traumatisierte Kin-
der, entwickeln wird. Ich bin froh, dass es gelungen ist,
die Länder von diesem Schritt zu überzeugen. Sie haben
Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD):
sich im Bundesrat in eigener Verantwortung in mehreren
Frau Ministerin, ich kann es nur begrüßen, wenn die Sitzungen dazu eingelassen, zu sagen: Jawohl, wir sind
Vorbehalte zurückgenommen werden. Mit diesem damit einverstanden, dass der Vorbehalt zurückgenom-
Schritt signalisieren wir nach außen, dass wir nicht mehr men wird. – Jetzt wird auch in den Ländern debattiert
zwischen 0- bis 15- und 16- bis 18-Jährigen unterschei- – das wird von den jeweiligen Fraktionen und politi-
den. Das hat uns international immer Rüffel eingebracht. schen Kräften mit betrieben –, wie man konkret und
Deshalb begrüße ich diese Rücknahme und bin dankbar, vielleicht auch durch eine Gesetzesänderung gewisse
dass wir das geschafft haben. Dinge auf Landesebene verbessern kann. Dieser Prozess
wird jetzt in Gang kommen. Man merkt dies an den Re-
Mit der Rüge war aber immer auch verbunden, dass
aktionen der jeweils betroffenen Verbände, Organisatio-
es Folgen hatte, dass wir 16- bis 18-Jährige nicht als
nen und Initiativen.
Kinder angesehen haben, wie es die UN-Kinderrechts-
(B) konvention eindeutig vorschreibt. Die Vorbehalte, die (D)
Von daher wären wir ohne das Handeln der Bundes-
Sie eben schon erwähnt haben, haben wir mit gesetzli- regierung, ohne die Unterstützung der Länder und natür-
chen Regelungen außer Kraft gesetzt, zum Beispiel beim lich der Koalitionsfraktionen im Vorfeld und ohne die
Kindschaftsrecht und in Bezug auf die Kindersoldaten. Koalitionsvereinbarung überhaupt nicht in die Situation
Durch diese gesetzlichen Regelungen wurde die Wir- gekommen, über die Gesetzesänderungen, die in den
kung erzielt, die durch die Vorbehalte verhindert wurde. letzten Jahren vorgenommen worden sind, hinaus einen
möglichen Handlungsauftrag zu sehen.
Wenn wir nun nicht nur eine Wirkung nach außen er-
zielen wollen, sondern auch nach innen, wenn die Rück-
nahme der Vorbehalte also nicht nur ein Placebo oder ein Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Feigenblatt sein soll, müssen wir entsprechende Konse- Jetzt Kollegin Michaela Noll.
quenzen ziehen, vor allem im Jugendhilferecht. Kinder
bis 18 haben nach den internationalen Standards – egal Michaela Noll (CDU/CSU):
woher sie kommen und wer sie sind – das Recht auf Ju- Sehr geehrte Frau Ministerin, auch von meiner Stelle
gendhilfe, das Recht auf Bildung, das Recht auf Gesund- ein herzliches Dankeschön. Sie haben mit Ihrem Han-
heit, auch das Recht darauf, nicht eingesperrt zu werden. deln ein deutliches politisches Signal für mehr Kinder-
Wenn nun die Vorbehalte nur formal und mit Wirkung freundlichkeit in Deutschland gesetzt. Ich glaube, es war
nach außen zurückgenommen werden, ändert sich an nicht schädlich, dass dies zwei Mitglieder der Kinder-
den Fakten des Rechts nichts. Deshalb ist meine Frage: kommission – deswegen auch ein herzliches Danke-
Wann und wie – da ist der Bund nicht allein zuständig, schön an meine Kollegin Gruß – mitbegleitet haben. Wir
weil das Jugendhilferecht zum Beispiel auch auf die sind seit 2002 Mitglieder der Kinderkommission. Die
Schulgesetze durchschlägt und eine entsprechende Um- Zurücknahme des Vorbehalts war einheitlich unser
setzung erfolgen muss – beabsichtigen die Länder, das Wunsch. Jetzt haben wir es vollbracht. Es ist tatsächlich
tatsächlich umzusetzen? Denn sonst ist die Rücknahme die erste Bundesregierung, die dies jetzt auf den Weg ge-
ein Placebo, und wir hätten darauf verzichten können. bracht hat. Wir haben zwar vorher viel diskutiert; aber
Die bisherige Kritik war eben, dass die Folgen aus den jetzt wird es Tatsache. Ich glaube, dies ist ein wirklich
Vorbehalten mit Blick auf die Kinder nicht hinnehmbar gutes Zeichen für uns hier und meiner Meinung nach
sind. Deshalb die Frage an Sie: Wie sind die Länder- auch auf internationaler Ebene, das zeigt: Wir nehmen
minister Ihrer Partei aufgestellt? Denn die haben bisher unsere Vorbildfunktion wahr. Wir wissen, dass es noch
immer gebremst, wenn es ans Eingemachte, nämlich an ein, zwei Länder gibt, die dies nicht auf den Weg ge-
die tatsächliche Gesetzesänderung, ging. bracht haben. Vielleicht könnten wir diese mit diploma-
3750 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
Michaela Noll
(A) tischem Geschick anstoßen, unserem guten Weg zu fol- gen – und viele Kolleginnen und Kollegen aus den ande- (C)
gen. ren Fraktionen gekämpft haben: die Aufhebung der Vor-
behaltserklärung. Das wäre nicht gelungen, wenn nicht
Es wird oft in den Raum gestellt, dass wir, gerade was auch von Ihnen, Frau Justizministerin, ein permanenter
das Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht von Kindern Druck auf die Länder ausgeübt worden wäre, sich zu be-
angeht, den Vorgaben der Kinderrechtskonvention nicht wegen. Dass sich die Länder bewegt haben, merkt man
entsprechen. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass schon daran, dass der Bundesrat im März die aktuelle Kabi-
das jetzige Verfahren, die Art und Weise, wie wir mit nettsentscheidung ermöglicht hat.
Kindern umgehen, den Vorgaben der Kinderrechtskon-
vention entspricht. Ich würde das gerne von Ihnen darge- Mit dieser Entscheidung setzen wir Signale in zwei
legt bekommen. – Danke schön. Richtungen: nach innen, aber auch nach außen.
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- NEN]: Keine Rede! Frage!)
ministerin der Justiz:
Recht herzlichen Dank, Frau Noll. – Ich habe es deut- Es wurden schon viele Fragen dazu gestellt, wie sich die
lich gemacht: Ohne die fraktionsübergreifende Unter- Entscheidung nach innen auswirkt. Mich würde interes-
stützung der Kinderkommission, die sich diesen Fragen sieren, wie sie nach außen – –
aus tiefer Überzeugung und mit großem Nachdruck an-
nimmt, wären nicht dieser ständige Druck und diese Er- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
wartungshaltung aufgebaut worden, die dazu geführt ha-
ben, dass wir diesen Vorbehalt als erste Regierung nach Frau Kollegin, wollten Sie nicht ursprünglich eine
1992, nachdem der Vorbehalt eingelegt worden ist, zu- Frage stellen?
rücknehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN-
Ich möchte Ihnen bestätigen, dass ich unmittelbar aus KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
der Konvention keine legislative Handlungsnotwendig- NEN)
keit und keine Verpflichtung, Gesetze zu ändern, konsta-
tieren kann. Unsere Situation entspricht vielmehr den Miriam Gruß (FDP):
Forderungen der Konvention. Was man in der Praxis, in Herr Präsident, ich akzeptiere das; aber just in dem
der Gesetzesanwendung verbessern kann, ist vorrangig Moment wäre meine Frage gekommen: Wie waren die
Aufgabe der Länder. Weitere Diskussionen müssen dann Reaktionen im Ausland? Wurden schon Reaktionen an
dort geführt werden, wo man meint, Forderungen erhe- Sie herangetragen? Wir haben von UNICEF Deutsch- (D)
(B)
ben zu wollen. land gehört; vielleicht können Sie davon berichten. Ich
glaube, dass wir international ein großes Zeichen gesetzt
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: haben.
Es gibt noch eine ganze Reihe von Fragestellern. Des-
wegen bitte ich um Kürze bei den Fragen und vielleicht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
auch um Kürze bei den Antworten, damit wir noch viele ministerin der Justiz:
Fragesteller befriedigen können. Vor der heutigen Information des Parlamentes über
Jetzt Miriam Gruß. unseren Beschluss, der am Montag gefasst worden ist,
haben wir uns natürlich noch nicht an viele Stellen ge-
wandt. Wir haben die Rücknahme des Vorbehalts noch
Miriam Gruß (FDP): nicht übermittelt. Das wird jetzt, nach dieser Regie-
Sehr geehrte Frau Ministerin, auch bei der FDP-Frak- rungsbefragung, passieren: Durch Übermittlung an den
tion herrscht große Freude. Der Vorbehalt wäre in die- Generalsekretär der Vereinten Nationen wird die Rück-
sem Jahr 18 Jahre alt, also erwachsen geworden. Nun ist nahme verfahrensmäßig vollzogen.
er vom Tisch. Ich freue mich außerordentlich, dass es
dieser Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen Die E-Mails, die ich als Reaktion auf die Entschei-
gelungen ist, den Vorbehalt aufzuheben. dung erhalten habe, bringen große Freude und Begeis-
terung darüber zum Ausdruck, dass sich gerade Deutsch-
Ich darf daran erinnern: Wir hatten es geschafft, die land, ein wichtiges Land, in den Kreis derjenigen
Rücknahme der Vorbehaltserklärung im Koalitionsver- einreiht, die die Achtung der Kinderrechte und des Kin-
trag zu verankern. Wir haben später hier im Bundestag deswohls auf ihre Fahnen schreiben. Wenn ich Gelegen-
eine Debatte dazu geführt, in der zum Ausdruck kam, heit dazu erhalte, werde ich gern über weitere Reaktio-
dass die Opposition es uns nicht zutraut, das zu schaffen. nen berichten. Wir werden hier im Bundestag sicherlich
Ein paar Monate später haben wir es schon geschafft. in vielen Bereichen über das Kindeswohl diskutieren.
Deswegen wundern mich ein paar Fragen vonseiten der Dann werden Sie erfahren, welche Reaktionen es aus an-
Kolleginnen und Kollegen. deren Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen gab.
Ich will an das große Ziel erinnern, für das wir von
der FDP – ich habe in den letzten vier Jahren für meine Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Fraktion in der Kinderkommission Verantwortung getra- Nächste Fragestellerin ist Dagmar Enkelmann.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3751
(A) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): zen, dass es gemeinsame Sorge gibt. Wie wir das machen (C)
Frau Ministerin, man könnte in diesem Zusammen- wollen, da haben wir nach wie vor Handlungs- und Ent-
hang sagen: Was lange währt … Nach 18 Jahren wurde scheidungsspielraum.
der Vorbehalt aufgehoben; die Konvention ist älter.
Sie haben auf die Länder abgehoben: Sie schieben die Ute Granold (CDU/CSU):
Verantwortung ein Stück weit auf die Länder. Ich Danke.
möchte dennoch nachfragen – das hat bei anderen Fra-
gen schon eine Rolle gespielt –: Was gedenkt die Bun- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
desregierung, die Justizministerin zu tun, um die Kon- Die nächste Frage stellt Andrea Voßhoff.
vention tatsächlich in nationales Recht umzusetzen? Vor
allen Dingen: An welchen Punkten will die Bundesregie- Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU):
rung im nationalen Recht über die Konvention hinausge- Frau Ministerin, auch ich möchte mich dem Dank für
hen? Ich nenne das Stichwort Abschiebehaft. die gute Entscheidung der christlich-liberalen Bundesre-
gierung anschließen. Mich würde in diesem Zusammen-
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- hang interessieren, wie sich das weitere Verfahren der
ministerin der Justiz: Rücknahme im Einzelnen gestaltet, insbesondere im
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass das nationale Lichte der Beteiligung der Länder nach dem Lindauer
Recht den geschriebenen Vorgaben in den Artikeln der Abkommen.
Konvention entspricht. Bei der Überlegung, was weiter
passieren kann, ist die Bundesregierung zuallererst an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
das Grundgesetz gebunden. Wir sind ein föderaler Bun- ministerin der Justiz:
desstaat. Deshalb verweise ich zu Recht auf die Länder Vielen Dank, Frau Voßhoff. – Zunächst zum formalen
und ihre Befindlichkeiten. Ich werde hier überhaupt Verfahren gegenüber den Vereinten Nationen. Der Kabi-
nicht sagen, welche Überlegungen die Länder vielleicht nettsbeschluss wird dem Generalsekretär der Vereinten
anstellen sollten, welche Gesetzgebung sie in Angriff Nationen mitgeteilt, und zwar durch das Auswärtige
nehmen könnten. Das ist wirklich zuallererst den Län- Amt auf dem Wege einer Verbalnote.
dern überlassen.
Zum Lindauer Abkommen. Das Lindauer Abkommen
Ich habe schon mehrmals betont: Es geht gerade und sieht bestimmte Regelungen zur Beteiligung der Länder
vor allem um die Gesetzesanwendung in den Ländern. vor. Es ist aber nicht unmittelbar einschlägig, da es sich
Es ist den jeweiligen Fachleuten und den Länderminis- bei der Rücknahme des Vorbehalts nicht um einen Akt
(B) tern unbenommen, auf den jeweiligen Treffen der Justiz- der Gesetzgebung handelt. Wir müssen kein Gesetz ver- (D)
minister, der Innenminister, der Familien- und Sozial- abschieden – dann hätten wir eine unmittelbare Anwen-
minister den Austausch zu pflegen und sich dabei mit dung des Lindauer Übereinkommens –, sondern wir neh-
konkreten Fragen zu befassen. Aus diesen Reihen kön- men den Vorbehalt durch Kabinettsbeschluss und eine
nen Initiativen der Länder hervorgehen. Mitteilung an den Generalsekretär der Vereinten Natio-
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die nen zurück. Wir reagieren so, damit die Konvention in
Regierung macht also nichts!) Deutschland in allen Punkten, ohne Einschränkung gilt.
Es könnte sich mittelbar aus dem Lindauer Abkom-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: men eine Anwendung ergeben, wenn es um ausschließli-
Nun stellt Ute Granold eine Frage. che Ländergesetzgebungskompetenz ginge. Das ist aber
nicht der Fall. Es hat nichts damit zu tun, ob sich aus der
Ute Granold (CDU/CSU): Konvention eine Verpflichtung zur Gesetzgebung ergibt
Frau Ministerin, die Diskussion über die Rücknahme oder nicht. Ich habe klar die Auffassung der Bundesre-
der Vorbehaltserklärung gehört bald der Vergangenheit gierung wiedergegeben. Ausländerrecht, Asylbewerber-
an. Ich habe eine konkrete Frage zu Art. 18 der UN-Kin- leistungsgesetz, Familienrecht, Jugendstrafrecht oder
derrechtskonvention. Bislang gab es eine Interpretation Kinder- und Jugendhilferecht unterliegen nicht der aus-
der Bundesregierung zur gemeinsamen elterlichen Sorge schließlichen Gesetzgebung der Länder, sondern auch
bei Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind. Hat die der Bundesgesetzgebung. Deshalb haben wir nach sorg-
Rücknahme der Vorbehaltserklärung Auswirkungen auf fältiger Prüfung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass
die aktuelle Arbeit, was die Neuregelung der elterlichen kein weiteres Verfahren gemäß dem Lindauer Überein-
Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern angeht? kommen einzuleiten ist.
Frank Heinrich
(A) derjährigen Flüchtlingen, die möglicherweise als Kin- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
dersoldaten eingesetzt waren. Wie ist es um deren Nun hat Ekin Deligöz das Wort.
Rechtssicherheit bestellt? Sind sie rechtlich geschützt?
Denn sie haben Furcht davor, dass sie wegen der Strafta-
ten, zu denen sie gezwungen wurden, belangt werden. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Ministerin, ich habe Ihnen sehr genau zugehört
und habe Ihren Ausführungen entnommen: Sie nehmen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
zwar symbolisch die Vorbehalte zurück, sehen aber auf
ministerin der Justiz:
der Bundesebene keinerlei Handlungsbedarf. Sie appel-
Zu Ihrem ersten Punkt. Ich kann Ihnen kein genaues lieren an die Länder, ihren Prüfauftrag wahrzunehmen
Datum nennen, weil das Auswärtige Amt die Verbalnote und darüber nachzudenken, ob sie die Möglichkeit se-
dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zuzuleiten hen, etwas zu verändern. Wenn Sie auf Bundesebene
hat, aber aufgrund der Tatsache, dass wir nach Einlegung nichts unternehmen wollen und an die Länder appellie-
des Vorbehaltes 18 Jahre gebraucht haben, um die Ent- ren, dann interessiert mich: Haben Sie im Zusammen-
scheidung zu fällen, werden wir natürlich dafür sorgen, hang mit der Rücknahme konkrete Vereinbarungen mit
dass es so zügig wie möglich vonstatten geht. Wir wer- den Ländern geschlossen, die darauf abzielen, dass sich
den Sie entsprechend unterrichten. etwas verändern soll und muss, oder hat das, was Sie sa-
gen, lediglich Appellcharakter, und wollen Sie das, was
Zum Thema Kindersoldaten. Es hat sich hinsichtlich Sie vorhaben, auf einer der nächsten Justizministerkon-
der Konvention nichts ergeben. Bei Kindersoldaten, die ferenzen – womöglich unter „Verschiedenes“ – anspre-
gezwungen werden, andere Menschen, Angehörige oder chen?
Freunde zu bedrohen oder zu schädigen, und die sich
wegen entsprechender Altersgrenzen möglicherweise
strafbar gemacht haben, kam es in Deutschland meines Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
Wissens noch nie zu Strafverfahren. Ich denke, in einer ministerin der Justiz:
solchen Notsituation sind andere Aspekte zu berücksich- Frau Deligöz, die Grünen selbst haben Regierungs-
tigen. Deswegen wird keiner daran denken, entspre- verantwortung in den Ländern. Ich kann mich überhaupt
chende Schritte einzuleiten. Man muss froh über jedes nicht erinnern, dass sich die Grünen, als sie selber noch
Kind sein – der Ausdruck „Kindersoldat“ verharmlost Verantwortung im Bund getragen haben, jemals im Ka-
das, was mit diesen Kindern passiert –, das aus dieser Si- binett mit der Rücknahme des Vorbehalts befasst hätten.
tuation herauskommen kann. Mir ist nichts erinnerlich. Es tut mir leid: Aber wir ma-
chen es! Das als einen reinen Appell niederzumachen,
(B) halte ich in der Sache für überhaupt nicht angemessen (D)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
und angebracht. Ich kann nicht verstehen, wie nun einige
Die beiden letzten Fragestellerinnen sind Katja Dör- anfangen, das kleinzureden. So viel zum ersten Punkt.
ner und Ekin Deligöz.
Der zweite Punkt ist: Mich freut sehr, wenn ich Vor-
schläge aus Hamburg bekomme, aus denen hervorgeht,
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
dass man nun dringenden Bedarf an Gesetzesänderungen
Ich möchte konkret nach der Schulpflicht fragen. Ich sieht. Ich warte auf solche Vorschläge und werde gerne
entnehme dem aktuellen Staatenbericht, dass beispiels- mit Herrn Steffen darüber sprechen. Ich mische mich
weise in Hessen Kinder und Jugendliche, die keinen aber angesichts unserer föderalen Struktur nicht in Über-
Aufenthaltsstatus haben, weiterhin nicht schulpflichtig legungen der Länder ein. Diese verbitten sich das zu
sind. Meine Frage lautet: Stimmen Sie mit mir darin Recht.
überein, dass das nach der Rücknahme der Vorbehaltser-
klärung nicht mit der UN-Kinderrechtskonvention über- (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
einstimmt? Wenn Sie nichts machen wollen, sagen Sie es
einfach!)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- Deshalb wird das die Bundesregierung auch nicht tun.
ministerin der Justiz:
Die Länder haben unterschiedliche Regelungen ge- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ekin
Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sa-
wählt. Baden-Württemberg knüpft die Schulpflicht an
gen Sie einfach, dass Sie nichts machen wol-
den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort,
len!)
aber nicht an den rechtlichen Aufenthaltsstatus. Ich habe
schon in mehreren Antworten zum Ausdruck gebracht,
dass nun die jeweiligen Länderregierungen genau prüfen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
müssen, inwieweit sie ihre Landesgesetze anpassen und Danke schön, Frau Ministerin. – Mir liegen bereits
in welcher Form sie das tun wollen. Aber eines ist klar: seit längerem noch zwei Anmeldungen von Fragen zu
Der Aufenthaltsstatus selbst, also die rechtliche Zuord- anderen Themen der Kabinettsitzung vor.
nung, soll nicht dafür ausschlaggebend sein, dass min-
derjährige Jugendliche von der Schule wegbleiben bzw. Zuerst Volker Beck und dann Kollege Matthias
dass ihnen der Schulbesuch verwehrt wird. Miersch.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3753
(A) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium. Frau Staatssekretärin.
In der Liste 1 zur Kabinettsitzung hat die Bundesregie-
rung den Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -versor-
gungsanpassungsgesetzes 2010/2011 verabschiedet, das Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
eine entsprechende Anpassung der Amts- und Versor- desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
gungsbezüge der Mitglieder der Bundesregierung und heit:
der Parlamentarischen Staatssekretäre beinhaltet. Kön- Herr Kollege Miersch, das Bundesumweltministe-
nen Sie uns bitte sagen, wie hoch diese Erhöhungen für rium streitet immer an vorderster Stelle, wenn es darum
die Bundesminister und die Parlamentarischen Staatsse- geht, sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.
kretäre jeweils ausfallen und warum Sie vonseiten der Darum bemühen wir uns nach wie vor.
Bundesregierung, obwohl weder ein Gesetz zur Anpas-
sung der Hartz-IV-Bezüge verabschiedet wurde noch das In der Tat ist es richtig, dass 115 Millionen Euro, die
Hohe Haus bisher über eine Anpassung seiner Bezüge wir für das Marktanreizprogramm dringend brauchten,
diskutiert hat, einseitig vorpreschen und es anders halten gesperrt sind. Wir wissen, wie erfolgreich dieses Pro-
als in der 16. Wahlperiode, als die Bundesregierung fest- gramm ist. Die 115 Millionen Euro Förderung hätten
gestellt hat – Drucksache 16/9341 –, dass sie auf die ent- dazu geführt, dass über 900 Millionen Euro Investitio-
sprechenden Anpassungen verzichtet? nen ausgelöst würden. Wir sind davon überzeugt, dass
diese Argumente und der Erfolg des Programms, der un-
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
mittelbar Auswirkungen auf die einheimische Wirtschaft
minister des Innern: hat, auch das Finanzministerium überzeugen wird, das
Programm fortzusetzen. Wir sind noch in Verhandlun-
Für uns ist wichtig, dass die Tariferhöhung bei den
gen. Ich weiß aber, dass die Haushälter und Fachpoliti-
Beamten wirkungsgleich umgesetzt wird. Dazu, welche
ker der Koalitionsfraktionen dies mit uns bestreiten. Wir
genauen Auswirkungen das hat, kann ich Ihnen zahlen-
hoffen, dass wir auf einem guten Weg sind.
mäßig nichts sagen. Ich würde Ihnen das gerne schrift-
lich übermitteln. Ein Zusatz sei mir erlaubt: Die Mittel kommen aus
dem Verkauf der Emissionszertifikate. Zur Wahrheit ge-
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): hört es, zu sagen, dass die Wirtschaftskrise auch dazu
Wenn das heute noch möglich wäre. Aber wie recht- geführt hat, dass wir nicht mehr in dem Maße über Ein-
fertigen Sie diese Maßnahme angesichts dessen, dass in nahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten ver-
der 16. Wahlperiode anders verfahren wurde? fügen, wie das in wirtschaftlich guten Zeiten der Fall
(B) war, als die Große Koalition sich entschlossen hat, Mit- (D)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: tel aus dem Verkauf von Zertifikaten für Klimaschutz-
Herr Staatssekretär, können Sie darauf noch antwor- maßnahmen auszugeben. Insofern müssen wir uns der
ten? Wenn nicht, wäre das erledigt. Tatsache gegenübersehen, dass wir nicht die Einnahmen
aus dem Verkauf von Zertifikaten zur Verfügung haben,
mit denen wir in wirtschaftlich guten Zeiten gerechnet
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- haben.
minister des Innern:
Wir würden Ihnen gerne schriftlich mitteilen, welche
konkreten Auswirkungen das hat. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Ich wollte die Begründung wissen!) Fragestunde
– Drucksache 17/1534 –
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Nun Kollege Matthias Miersch. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht die Par-
Dr. Matthias Miersch (SPD): lamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfü-
Ich habe eine Frage an das Bundesumweltministerium. gung.
Wir konnten der öffentlichen Berichterstattung entneh-
men, dass es einen Streit zwischen Bundesminister Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Dr. Barbara
Röttgen und Bundesminister Schäuble über die Frage der Hendricks auf:
Finanzierung vieler Programme, der kommunalen Klima-
Welche Bemühungen wendet die Bundesregierung dafür
schutzprogramme, der Marktanreizprogramme, und der auf, die Vergabe von Landtiteln an die ländliche Bevölkerung
damit verbundenen Sperrung der Haushaltsmittel gab. in Kambodscha gerade in den Regionen zu unterstützen, in
Augenblicklich warten ganz viele in den Kommunen, denen großflächige Zuteilungen von Land an private Investo-
aber vor allen Dingen auch im Mittelstand darauf, dass ren durch die kambodschanische Regierung vorgenommen
die Entsperrung stattfindet. Das Bundesumweltministe- werden – sogenanntes Land-Grabbing – und somit zu be-
fürchten ist, dass dortige ländliche Bevölkerungsteile kaum
rium möchte ich fragen, inwieweit dieser Streit noch aus- noch Aussicht auf Landtitel haben?
gefochten wird, wann mit der Lösung zu rechnen ist und
ob das in den nächsten Wochen der Fall sein kann. Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.
3754 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- Nachfragen dazu? – Kollegin Hendricks.
wicklung:
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Dr. Hendricks, ich antworte Ihnen wie folgt: Die groß- Danke schön, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich
flächige Zuteilung von Land- und Minenkonzessionen will insbesondere auf das eingehen, was Sie zuletzt ge-
ist neben der Flächenfragmentierung durch Bevölke- nannt haben. Sie haben den Rechtsrahmen sehr gut ge-
rungswachstum sowie Landverkauf in Notlagen eine we- schildert. Es ist ja die bundeseigene Gesellschaft für
sentliche Ursache für die Zunahme landloser und landar- Technische Zusammenarbeit, die als Ausführungsorga-
mer Haushalte in Kambodscha. nisation tätig ist, um bei der Vergabe von Landtiteln an
die Landbevölkerung voranzukommen. Wie kann sicher-
Mit dem Landgesetz von 2001 wurden vier Kategorien gestellt werden, dass dies auch nachhaltig ist?
von Land festgelegt: privates Land, öffentliches Staats-
land, privates Staatsland und Land der Pagoden. De facto Nach meinem Kenntnisstand gibt es Anzeichen dafür,
hat erst mit der Verabschiedung des Landgesetzes die dass auch Landtitel, die schon vergeben worden sind,
Ausgabe von Rechtstiteln auf privates Landeigentum be- von größeren Investoren, ich sage einmal, begehrlich be-
gonnen. Die mehrheitlich arme ländliche Bevölkerung trachtet werden. Es ist nicht sichergestellt, dass diese
nutzt privates Staatsland, das durch die Landtitelvergabe Landtitelvergabe auf Dauer wirklich so nachhaltig ist,
mittelfristig vollständig privatisiert wird. Die Sicherung wie wir es uns alle wünschen, sondern einmal vergebene
der Eigentums- und Verfügungsrechte über die Ressource Titel sind allem Anschein nach nicht immer ganz sicher
Boden benötigt also leider Zeit und ist heute praktisch bei der Landbevölkerung verblieben.
noch nicht hinreichend gesichert. Die Landzuteilung an
einflussreiche Kreise erfolgt vor allem auf Flächen, die Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
rechtlich als öffentliches Staatsland gelten und zur priva- minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
ten Nutzung in Form langjähriger Konzessionen an pri- wicklung:
vate Nutzer vergeben werden. Frau Dr. Hendricks, Sie sprechen sehr wichtige Berei-
In diesem Bereich hat die Bundesregierung im Rah- che an. Es ist sehr schwierig, im Hinblick auf das Land-
men ihrer Entwicklungszusammenarbeit keine Möglich- Grabbing, also den Landentzug, voranzukommen und
keit der Einflussnahme. Demgegenüber besteht die Bun- die Bevölkerung zur eigenen Versorgung zu ertüchtigen.
desregierung aber darauf, dass verstärkt privates Ich will Ihnen nur sagen: Die TZ hat für diesen Be-
Staatsland für die Verteilung an die arme Bevölkerung im reich 4 Millionen Euro eingestellt. Mitte dieses Jahres
(B) Rahmen sozialer Landkonzessionen zur Verfügung ge- wird ein Überprüfungsprozess stattfinden. Wenn die (D)
stellt wird. Die deutsche Unterstützung richtet sich des- Überprüfung dessen, was bisher geschehen ist, wenn die
halb auf die Verbesserung der politischen und rechtlichen Evaluierung der vier Meilensteine negativ sein sollte,
Rahmenbedingungen durch Beratung bei der Ausgestal- wenn also keine Nachhaltigkeit gegeben ist, dann wer-
tung der Landreformpolitik und bei der Entwicklung von den wir über Mittelkürzungen bzw. sogar über den Aus-
Durchführungsverordnungen. stieg aus solchen Programmen entscheiden. Wenn wir
feststellen, dass sie nicht zu mehr Landeigentum für die
Darüber hinaus werden die institutionellen Vorausset- notleidende Bevölkerung dort führen, dann werden wir
zungen für die systematische Landregistrierung sowie sie auch nicht weiter finanzieren. Hier befinden wir uns,
Institutionen für die außergerichtliche Schlichtung bei wie gesagt, in einem Überprüfungsprozess.
Landkonflikten gestärkt. Schließlich wird die gezielte
Landvergabe an Landarme und Landlose im Rahmen der
sozialen Landkonzessionen pilothaft gefördert. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Eine weitere Frage?
Ich füge noch etwas hinzu – es ist zwar sehr lang; aber
ich denke, das ist wichtig, um in dieses Thema hereinzu- Dr. Barbara Hendricks (SPD):
kommen –: Im Rahmen des kambodschanischen Land- Ja, ich habe noch eine kurze Nachfrage. – Werden Sie
sektorreformprogramms unterstützt die Bundesregierung im Rahmen dieses Evaluierungsprozesses auch überprü-
gemeinsam mit Finnland und Kanada die zuständigen fen, ob die Durchführungsorganisationen – sowohl die
kambodschanischen Behörden dabei, einer signifikanten deutsche, aber natürlich auch diejenigen, mit denen wir,
Anzahl von Haushalten mit Rechtsansprüchen auf Land wie Sie eben sagten, zusammenarbeiten, nämlich die aus
rechtlich abgesicherte Landtitel zu verschaffen. Finnland und Kanada – eng genug mit der Zivilbevölke-
Langfristig soll ein nationales System der Landadmi- rung in Kambodscha zusammenarbeiten?
nistration eingerichtet werden, um die Landrechte armer
Bevölkerungsgruppen insbesondere in den ländlichen Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Regionen zu sichern. Dazu sollen möglichst schnell an minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
möglichst viele arme ländliche Haushalte private Land- wicklung:
titel vergeben werden. Die Registrierungsaktivitäten Ja, auch das prüfen wir. Wenn Sie nach der Wirksam-
fokussieren sich daher auf Regionen mit einer hohen keit unserer Instrumente fragen – diese Frage steht ja im-
Konzentration von ländlicher armer Bevölkerung auf mer dahinter –: Es wird nach unserer Überzeugung ganz
privatem Staatsland. wichtig sein, dass die Geberländer mit einer Stimme
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3755
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
(A) sprechen. Das heißt, wir müssen auch den Druck auf die diesem Prozess befinden wir uns –, mit den Organisatio- (C)
jeweilige Regierung aufrechterhalten; das gilt insbeson- nen zusammen die Umstrukturierung vorzunehmen. Wir
dere für Kambodscha. Wir haben die größten Erfolgs- wollen dadurch erreichen, dass die einzelnen Instru-
chancen, wenn wir an dieser Stelle zusammenstehen, un- mente wirksamer werden. Wir wollen auch erreichen,
sere Forderungen gemeinsam vortragen und im Rahmen dass Doppelstrukturen – manchmal sogar Dreifachstruk-
dieser Überprüfung einerseits gegenüber der Regierung, turen – abgebaut werden. Wir wollen, dass bei der
andererseits aber auch mit Blick auf die Durchführungs- Durchführung von Projekten diejenigen Durchführungs-
organisationen sicherstellen, dass in unserem Sinne er- organisationen, die für das Projekt eine besondere Ex-
folgsorientiert und im Interesse der armen Menschen ge- pertise haben, zum Zuge kommen und hier nicht meh-
handelt wird. rere Organisationen parallel arbeiten. Das ist die
Zielrichtung bei der Umstrukturierung, die wir vorneh-
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: men wollen. Diese Restrukturierung ist keine Kleinig-
Danke schön. – Die nächste Frage, die Frage 2, keit: Diese Vorfeldorganisationen sind mit ungefähr
stammt auch von der Kollegin Hendricks: 16 000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in 130 Län-
dern tätig; ihr Umsatzvolumen liegt bei 1,5 Milliarden
Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, nach Abschluss
der sich derzeit in Planung befindlichen Strukturreform der Euro.
Ausführungsorganisationen der deutschen technischen Ent-
wicklungszusammenarbeit mittel- oder langfristig zusätzlich Frau Kollegin Hendricks, ich will darauf hinweisen,
eine institutionelle Zusammenlegung der deutschen techni- dass wir bis zur Sommerpause so etwas wie einen Sach-
schen und der deutschen finanziellen Entwicklungszusam- standsbericht haben wollen. Wenn wir zum Jahresende
menarbeit anzustreben, und, wenn nein, warum nicht? zu einem Ergebnis gekommen sind, wird es darum ge-
Bitte schön, Frau Staatssekretärin. hen, ganz konkret in die Umsetzung zu gehen, beispiels-
weise zu sehen, wie wir die Schnittstellen zwischen
finanzieller Zusammenarbeit und technischer Zusam-
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
menarbeit abgleichen können.
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung: Ich betone noch einmal: Eine Zusammenführung von
Dazu kann ich Ihnen sagen: Die Bundesregierung finanzieller und technischer Zusammenarbeit ist für
sieht die laufende Umstrukturierung der Durchführungs- diese Legislaturperiode nicht geplant; so etwas ist auch
organisationen der technischen Zusammenarbeit be- nicht Bestandteil unseres Koalitionsvertrages.
wusst als offenen Reformprozess. Die Bundesregierung
zielt darauf ab, Schritt für Schritt konkrete Reformergeb- Ich sage noch einmal: Wir gehen bei der Zusammen-
führung der drei genannten Organisationen Schritt für
(B) nisse zu erzielen. Somit ist auch die Frage einer Ver- Schritt vor. Was die personelle Ausstattung betrifft, sind (D)
schmelzung von finanzieller und technischer Zusam-
menarbeit derzeit offen. in dem Prozess, der jetzt begonnen hat, viele Fragen
– Fragen der rechtlichen Voraussetzungen, der Verträge,
der personellen Ressourcen, der Zusammenführung der
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Personalverträge der drei genannten Organisationen –
Frau Kollegin, bitte. überhaupt noch nicht beantwortet. Wir haben aber bei
dieser Zusammenführung ein klares Ziel: Wir haben das
Dr. Barbara Hendricks (SPD): klare Ziel, die Entwicklungszusammenarbeit im techni-
Das wundert mich etwas, weil es bisher hieß, dass die schen Bereich effektiver und effizienter umzusetzen. Wir
Organisationen der technischen Zusammenarbeit – die haben nicht das Ziel eines Personalabbaus.
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit,
der Deutsche Entwicklungsdienst und InWEnt, um die
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
drei zu nennen – zusammengeführt werden sollen. Bis-
her ist keinerlei Ankündigung gemacht worden, dass Noch eine weitere Nachfrage.
etwa auch die KfW Entwicklungsbank oder die entspre-
chenden Abteilungen der KfW mit den genannten Orga- Dr. Barbara Hendricks (SPD):
nisationen der technischen Zusammenarbeit zusammen- Ich habe noch eine Frage zum Thema Personal und
geführt werden sollen. weitere Verwendung. Wenn die Zusammenführung der
Aber ich will eine andere Ergänzungsfrage stellen und drei Institutionen der technischen Zusammenarbeit gut
mich damit wieder auf die technische Zusammenarbeit läuft, dann können damit durchaus auch Synergieeffekte
beziehen: Plant die Bundesregierung im Rahmen der Zu- gehoben werden. Ob es gut läuft, wissen wir noch nicht,
sammenlegung der drei von mir genannten Organisatio- aber die Zusammenführung müsste mit dem Ziel verbun-
nen der technischen Zusammenarbeit einen Personalab- den sein, Synergieeffekte zu heben.
bau und, wenn ja, in welchem Umfang? Plant die Bundesregierung, etwa Personal, welches
dann nicht mehr unmittelbar in den drei Institutionen ge-
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- braucht wird, zum Beispiel im Wege der Abordnung im
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
wicklung: einzusetzen und auf diese Weise die Position des Minis-
Sie haben die drei Vorfeldorganisationen, die wir zu- teriums auszubauen und zulasten der Vorfeldorganisatio-
sammenführen wollen, genannt. Es geht uns darum – in nen zu stärken?
3756 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- und sie dann in einen Konsens umzusetzen, den wir zu (C)
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- erreichen hoffen. Wir sind derzeit noch nicht dabei, ir-
wicklung: gendwelche Schnittstellen abzugleichen.
Ich denke, dass ich diese Bedenken zerstreuen kann.
Es wird sich im Laufe der Zeit ergeben, wie ich schon
Man muss berücksichtigen, was diese Strukturreform be-
sagte. Wenn uns bis zur Sommerpause ein Sachstandsbe-
wirken soll. Sie wissen, Frau Kollegin Hendricks, dass
richt vorliegt, wie wir uns aufstellen, was mit den drei
diese Strukturreform längst eingefordert wurde, auch
Vorfeldorganisationen geschieht und ob der Konsens
vom Bundesrechnungshof, der festgestellt hat, dass wir
auch weiterhin besteht, können wir zum nächsten Schritt
an dieser Stelle sehr viel effizienter arbeiten müssen.
übergehen. Wenn sich Projekte in der Zuständigkeit
Wir sehen das Bundesministerium für wirtschaftliche überschneiden, werden wir beraten müssen, wie wir da-
Zusammenarbeit und Entwicklung nach einer solchen mit umgehen. Aber das ist derzeit nicht Gegenstand der
Strukturreform in der Aufgabe, die politischen und in- Beratungen. Wir müssen im Vorfeld der bevorstehenden
haltlichen Vorgaben zu machen, aber wir haben die Vor- Zusammenlegung erst einmal Basisarbeit leisten. Ich
stellung, dass die neue Durchführungsorganisation, zu denke, dass wir bei dieser Frage sehr schnell weiterkom-
der die drei Organisationen zusammengeführt werden, men werden. Wir gehen Schritt für Schritt vor. Das Ziel
selbstständig arbeiten kann. Wir rechnen auch mit einem sind die Effizienzsteigerung, die Steigerung der Wirk-
Effizienzgewinn bei der Arbeit. Wie sich das später ge- samkeit und der rechtliche Abgleich. Sie können sich
nau verteilt und wer welche Aufgaben übernimmt, kann vorstellen, dass das noch schwierig genug wird. Wir
ich Ihnen derzeit nicht seriös sagen. Das wäre reine Spe- werden nach der Sommerpause quasi ans Eingemachte
kulation. gehen und die Rechtsfragen behandeln. Ich hoffe, dass
es gelingt, auch an der Stelle möglichst bald ein Einver-
Wir gehen davon aus, dass dieser schwierige Prozess nehmen herzustellen. Mehr kann ich dazu im Moment
der Zusammenführung gut läuft. Wir haben jedenfalls nicht sagen.
eine Vertrauensbasis aufgebaut. Nach unserer Vorstel-
lung soll nicht irgendeine Institution zu kurz kommen
oder sozusagen unter die Wasseroberfläche gedrückt Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
werden. Wir diskutieren auf gleicher Augenhöhe. Wir Kollege Sascha Raabe, bitte.
haben Vorschläge der drei Organisationen dazu erbeten,
wie sie sich eine Zusammenführung vorstellen. Das ist Dr. Sascha Raabe (SPD):
ein sehr transparenter und guter Prozess. Ich gehe davon Frau Staatssekretärin, können Sie mir zustimmen,
aus, dass er letzten Endes positiv ausgehen wird. dass die Experten des Entwicklungsausschusses der
(B) OECD und auch die der Wissenschaft immer gesagt ha- (D)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ben, wichtig sei es, die finanzielle und technische Zu-
Es gibt noch zwei weitere Nachfragen. Zunächst Kol- sammenarbeit zusammenzuführen, und dass das zuerst
legin Ute Koczy und dann Kollege Sascha Raabe. geschehen solle? Wenn dem so ist, würden Sie mir auch
zustimmen, dass die Vorgängerin des Ministers, Frau
Wieczorek-Zeul, es richtigerweise probiert hat, diesen
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ersten Schritt zu machen?
Frau Staatssekretärin, zur Zusammenlegung von TZ
und FZ haben Sie einiges ausgeführt. Wie wir wissen, Frau Staatssekretärin, würden Sie mir auch zustim-
macht sowohl die KfW oftmals Finanzierungsangebote men, dass es falsch ist, wenn Minister Niebel es so dar-
verbunden mit einem Beratungsangebot als auch die stellt, als würde er jetzt eine Reform durchführen, die die
GTZ, die ihre Beratungsangebote mit einer finanziellen Vorgängerin nicht geschafft hat? Ist es nicht eher so, dass
Zusammenarbeit verbindet. Beides ist oftmals in einer ihm der Mut fehlt, diese große Reform anzugehen, und
Art von Wechselwirkung zu finden. er jetzt eine kleine Reform als großen Erfolg verkaufen
möchte?
Können Sie bestätigen, dass es tatsächlich keinerlei
Gespräche mit der KfW darüber gibt, ob im Falle einer (Manfred Grund [CDU/CSU]: Was ist das für
Zusammenführung der drei Vorfeldorganisationen Aus- eine Frage?)
wirkungen auf die KfW stattfinden? Ich kann mir das
schlechterdings nicht vorstellen, weil es in der prakti- Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
schen Arbeit im Felde durchaus Resonanzen auf die un- minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
terschiedlichen Entwicklungen gibt. Ist es tatsächlich so, wicklung:
dass Sie keinerlei Gespräche mit der KfW führen, um Herr Kollege Raabe, ich finde Ihre Äußerung sehr
die Veränderungen, die Sie bei der technischen Zusam- mutig, und zwar insofern, als die Vorgängerregierungen
menarbeit vornehmen, zu eruieren und die Auswirkun- – das muss man sagen –
gen auf die KfW zu überprüfen?
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Es nicht hin-
gekriegt haben!)
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- eine institutionelle Reform dieser Vorfeldorganisationen
wicklung: nicht geschafft haben, nicht teilweise und schon gar
Frau Kollegin Koczy, wir sind derzeit dabei, die Vor- nicht in vollem Umfang. Ich habe wahrgenommen, dass
schläge der drei Vorfeldorganisationen aufzunehmen wir in allen Berichten, seien es die des Bundesrech-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3757
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
(A) nungshofs, seien es die der OECD, gelobt und ermuntert Verbesserung der Müttergesundheit, bei. So unterstützen (C)
wurden, an diese Reform heranzugehen. wir die diesjährige G-8-Initiative zur Verbesserung der
Kinder- und Müttergesundheit, und wir setzen uns aus-
Ich sage noch einmal: Das ist keine Kleinigkeit. Wir drücklich für ein umfassendes Verständnis von Mütter-
machen uns daran, im Sinne einer besseren Entwick- gesundheit ein, was den Zugang zu sexuellen und repro-
lungszusammenarbeit den ersten konkreten Schritt hin
duktiven Gesundheitsdienstleistungen einschließlich
zu mehr Wirksamkeit und höherer Effizienz zu gehen.
Familienplanung umfasst.
Ich finde, das ist mindestens die Hälfte dieses Weges.
Die vorherige Regierung ist hingegen nicht einen Meter Darüber hinaus wirken wir in einer Vielzahl interna-
weit gekommen. Ich bitte Sie doch um etwas mehr Mä- tionaler Gremien und Initiativen mit, die die Erreichung
ßigung. Ich bitte auch um Wertschätzung dessen, was dieses Millenniumentwicklungsziels, also die Verbesse-
wir jetzt auf den Weg bringen werden. Ich lade Sie ein, rung der Kinder- und Müttergesundheit, zum Ziel haben.
dabei mitzumachen. Ich verweise darauf, dass wir im Haushalt beispielsweise
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der für den Global Fund 204 Millionen Euro zur Aids- und
CDU/CSU) Malariabekämpfung bereitgestellt haben, dass wir den
GAVI-Fonds mit 4 Millionen Euro pro Jahr fördern und
dass wir weitere Förderung in Aussicht stellen können.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Karin Roth:
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Wie lässt sich nach Ansicht des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der zuletzt Nachfrage? – Bitte.
in der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche
Frage auf Bundestagsdrucksache 17/1535 von der Bundesre-
gierung immer wieder betonte und gesetzte Schwerpunkt Karin Roth (Esslingen) (SPD):
„Gesundheit in den Entwicklungsländern“ mit der drastischen
Kürzung der Mittel für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Sehr verehrte Frau Kollegin Kopp, ich verstehe, dass
Nationen, UNFPA, und die Internationale Föderation geplan- Sie am Ende Ihrer Antwort den Global Fund erwähnen,
ter Elternschaft, IPPF, verbinden, und wie gedenkt die Bun- um zu zeigen, dass die Bundesregierung im Gesund-
desregierung zur Erreichung des Millenniumentwicklungs- heitsbereich international Unterstützung leistet. Aber Sie
ziels 5 beizutragen?
haben keine Zahlen genannt. Deshalb möchte ich sie
Bitte schön, Frau Staatssekretärin. nennen: Für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Na-
tionen sind die Mittel um über 20 Prozent, und für ent-
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- sprechende Vorhaben im Bereich der Internationalen Fö-
(B)
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- deration geplanter Elternschaft sind die Mittel um fast (D)
wicklung: 20 Prozent gekürzt worden.
Frau Kollegin Roth, ich kann Ihnen bezüglich der Es ist sehr freundlich, wenn Minister Niebel beim Zu-
Kürzungen antworten, dass UNFPA und IPPF, diese In- sammentreffen mit der Exekutivdirektorin in New York
stitutionen der Vereinten Nationen, wichtige Partner für seine Unterstützung für ihre Arbeit zusagt. Aber gleich-
Deutschland bleiben. Trotz der Kürzungen der Beiträge zeitig werden einige Programmschwerpunkte – zum Bei-
zu den Vereinten Nationen und anderen internationalen spiel die Familienplanung, die für die Bevölkerungsent-
Organisationen wurde, anders als vom BMZ vorgeschla- wicklung sehr wichtig ist, der Schutz vor Gewalt gegen
gen, vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags Frauen und Kinder, die Gleichberechtigung der Ge-
beschlossen, das bilaterale Engagement Deutschlands in schlechter, die Förderung der sexuellen und reproduk-
einigen Bereichen zu stärken. tiven Gesundheit – von uns nicht mehr in dem Umfang
Sie können sich wahrscheinlich daran erinnern, dass finanziert, in dem es notwendig wäre.
Bundesminister Niebel die Exekutivdirektorin der
UNFPA, Frau Obaid, erst vor zwei Wochen in New York Das Millenniumentwicklungsziel 5, also die Verringe-
getroffen hat. Er hat ihr gegenüber ausdrücklich die rung der Müttersterblichkeit, haben wir nur zu 9 Prozent
Wertschätzung der Arbeit der UNFPA zum Ausdruck erreicht. Das Ziel der Verringerung der Kindersterblich-
gebracht. Er hat betont, dass uns insbesondere im Be- keit haben wir nur zu 32 Prozent erreicht. Dies ist ein
reich der reproduktiven Gesundheit die Erreichung der Armutszeugnis für die Bundesregierung. Es wird auch
Millenniumentwicklungsziele sehr wichtig ist. Auch die nicht besser, wenn Sie in diesem Zusammenhang auf den
enge Zusammenarbeit mit dem IPPF wird fortgesetzt, Haushaltsausschuss und auf das Parlament verweisen.
zum Beispiel im Rahmen einer gemeinsamen Veranstal- Diese Zahlen hat die Koalition zu verantworten.
tung im kommenden Oktober in Berlin. Dort geht es um
Angesichts dieser aussagekräftigen Zahlen und der
einen internationalen Dialog der Bevölkerung im Zu-
großen Bedeutung der Zuverlässigkeit gegenüber den
sammenhang mit der Umsetzung des Menschenrechts
auf reproduktive und sexuelle Gesundheit. Vereinten Nationen möchte ich fragen: Ist damit zu rech-
nen, dass Sie im nächsten Haushalt wenigstens das fort-
Seien Sie versichert: Gesundheit ist und bleibt ein setzen, was die Große Koalition in der letzten Legisla-
Schlüsselsektor der Entwicklungspolitik der Bundes- turperiode gemacht hat, und dass Sie die entsprechenden
regierung. Das BMZ trägt auf vielfache Art und Weise Mittel wieder bereitstellen? Wenn wir unsere Verspre-
zur Erreichung des Millenniumentwicklungsziels 5, der chungen einhalten, können wir unser Gesicht wahren.
3758 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- mehr Hygienemaßnahmen – durch eine bessere Infra- (C)
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- struktur vor Ort, das heißt durch den Zugang zu saube-
wicklung: rem Wasser, durch die Bereitstellung von Toiletten und
Frau Kollegin Roth, die äußerst geringe Quote von dergleichen – könnten wir ganz normale, gut behandel-
9 Prozent bei der Erreichung des Millenniumentwick- bare Krankheiten wie Durchfall oder Atemwegsinfektio-
lungsziels Müttergesundheit wurde zum Ende des Jahres nen sehr viel besser bekämpfen. In diesem Bereich sind
2009 bilanziert. Haben Sie Verständnis dafür, wenn ich wir ebenfalls aktiv. Wir haben Mittel für diese Zwecke
sage: Die neue Regierung ist erst Ende letzten Jahres ins eingestellt. Dies steht bei uns also im Fokus. Wir müssen
Amt gekommen. In den noch verbliebenen zwei Mona- auf diesem Gebiet noch sehr viel mehr tun. Wir sind
ten des Jahres 2009 konnten wir die schlechte Quote von dazu auch bereit. Ich bitte Sie und das gesamte Parla-
9 Prozent beim besten Willen nicht erhöhen. Das will ich ment um die entsprechende Unterstützung.
vorweg anmerken.
Seien Sie versichert, dass das Thema Gesundheit für Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
unser Ministerium und auch für die Bundesregierung Haben Sie eine weitere Nachfrage, Frau Roth? – Bitte
eine exorbitant wichtige Rolle spielt. Es ist überhaupt schön!
keine Frage, dass wir in diesem Bereich sehr viel arbei-
ten müssen. Karin Roth (Esslingen) (SPD):
Zur internationalen Zuverlässigkeit will ich Ihnen Ja, gern, Herr Präsident. – Frau Kollegin Kopp, für
Folgendes sagen: Es hat in der vergangenen Woche ein meine Fraktion, die SPD, möchte ich klarstellen, dass
Treffen der G-8-Entwicklungsminister in Halifax gege- wir für die Unterstützung der Vereinten Nationen bei der
ben, bei dem der diesjährige G-8-Gipfel in Kanada vor- Bekämpfung der Mütter- und Kindersterblichkeit keine
bereitet wurde. Minister Niebel hat mir gesagt, dass die Reduzierung der Mittel im Etat vorgesehen hatten.
Ergebnisse dieser Vorbesprechung zur Vorbereitung des
Darüber hinaus ist es gar keine Frage, dass das Thema
Gipfels in Kanada Bestandteil des Gipfeldokumentes
Müttersterblichkeit nicht in den letzten sechs Monaten
sein werden. Es ist also nicht so, dass über dieses Thema
auf die Schnelle hätte bewältigt werden können. Mütter-
nicht inhaltlich substanziell beraten wird. Die maßgebli-
sterblichkeit war ein Problem der letzten Jahre und wird
chen Punkte werden aufgenommen.
auch eines der nächsten fünf Jahre sein; da gebe ich Ih-
Noch einmal: Wir wollen und werden viele bilaterale nen recht. Die Frage ist nur: In welcher Weise kommen
Projekte im Gesundheitsbereich finanzieren. Die neue wir voran? Ohne mehr Mittel für diesen Bereich – ent-
Leitung des BMZ hat erstmals im Hinblick auf Südafrika weder aus dem Global Fund oder von den Vereinten Na-
(B) bilateral einen Schwerpunkt HIV-/Aidsbekämpfung tionen oder durch bilaterale Projekte – wird dies nicht (D)
– der Umfang der zur Verfügung gestellten Mittel liegt möglich sein. Deshalb äußere ich noch einmal meine
bei insgesamt 10 bis 15 Millionen Euro – geschaffen. dringliche Bitte, dass wir unsere Aufmerksamkeit gerade
Auch dies ist nicht etwa nichts, sondern wirklich bemer- auf die Millenniumentwicklungsziele 4 und 5 richten,
kenswert. Ich will das betonen; denn das hat es vorher nämlich auf die Verringerung der Müttersterblichkeit
nicht gegeben. – jedes Jahr sterben über 500 000 Mütter – und auf die
Verringerung der Kindersterblichkeit; jährlich sterben
(Zuruf von der SPD: Ach was!)
über 9 Millionen Kinder. Beabsichtigt die Bundesregie-
Jetzt noch etwas zu den künftigen Haushaltsplanun- rung, Aktionspläne aufzulegen, damit wir auf diesen bei-
gen. Auch Sie kennen das Geschäft: Wir als Bundesre- den Feldern vorankommen?
gierung können Mittel beantragen – das tun wir auch –;
aber letzten Endes steht jede Mittelanforderung unter Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
dem Haushaltsvorbehalt und unter dem Vorbehalt der minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
Zustimmung des Parlaments. Das müssen wir für jede wicklung:
Initiative akzeptieren, die wir auf diesem Gebiet starten. Ich bestätige Ihnen, Frau Roth, dass das Thema Ge-
Darüber können wir uns nicht hinwegsetzen. Genauso
sundheit im Zentrum unserer Entwicklungspolitik steht;
wenig kann ich Ihnen heute mit Vorgriff auf den Haus-
das ist doch gar keine Frage. Zur Armutsbekämpfung
halt 2011 oder 2012 sagen, welche Mittelanforderungen gehört, Folgendes zu sehen: Zunächst ist es wichtig, die
von unserem Haus in diesem Bereich kommen werden
Ernährungssituation zu verbessern. Dann geht es darum,
und ob diese Mittel dann auch eingestellt werden. Das
die Gesundheit zu fördern. Erst wenn das gewährleistet
müssen wir sehen.
ist, sind Menschen meines Erachtens in der Lage, Bil-
Ich versichere Ihnen noch einmal: Wir sind hier nicht dung zu erwerben. Diese drei Schritte sind von zentraler
unterschiedlicher Meinung; vielmehr sind wir der An- Bedeutung. Zur Gesundheitsförderung muss der von Ih-
sicht, dass die Erreichung des Millenniumentwicklungs- nen eben genannte Mix von Maßnahmen umgesetzt wer-
ziels Müttergesundheit ganz obenan steht. Ich schließe den. Es geht sowohl um multilaterale Förderung als auch
dabei immer die Ziele Kindergesundheit und Reduzie- um bilaterale Projekte.
rung der Kindersterblichkeit ein.
Der Schlüssel zu mehr Gesundheit der Mütter, zur er-
Sie wissen, mit welch einfachen Mitteln wir verhin- folgreichen Bekämpfung der Kindersterblichkeit und zur
dern könnten, dass Kleinstkinder, also Kinder im Alter Verbesserung der Gesundheitsversorgung insgesamt ist,
von null bis einem Jahr, sterben. Allein schon durch dafür zu sorgen, dass die Menschen in den ärmsten Län-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3759
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
(A) dern weltweit Zugang zu Gesundheitsversorgung bekom- gen Tagen, haben sich in Bonn auf Einladung des BMZ (C)
men, dass es Schwangerschaftsversorgung und Präventions- Vertreterinnen und Vertreter von 25 Organisationen zu
maßnahmen gibt, um Komplikationen oder zumindest einem runden Tisch zu diesem Thema zusammengefun-
unüberwindbare Komplikationen bei der Geburt zu ver- den. Diese Veranstaltung führte erstmals staatliche wie
meiden. Wir müssen Strukturen schaffen, die es Men- nichtstaatliche Akteure im Bereich Behinderung und
schen ermöglichen, Gesundheitsversorgung abzufragen. Entwicklung zusammen und machte deutlich, dass die
Wir diskutieren beispielsweise darüber, wie wir Entwick- Bundesregierung auch die entwicklungspolitische Di-
lungsländern helfen können, ein System aufzubauen, das mension der UN-Behindertenrechtskonvention als es-
ärmste Menschen berechtigt, solcherlei Gesundheitsan- senziell betrachtet. Dieser Dialog mit der Zivilgesell-
gebote abzufragen. Hinsichtlich der Schaffung von Ge- schaft soll fortgeführt werden.
sundheitssystemen sind wir sehr aktiv; das gehört mit in
das Portfolio. Darüber hinaus fördert das BMZ über den Titel für
private Träger spezifische Vorhaben für Menschen mit
Ich kann Ihnen nur sagen: Unter dem Strich ist unser Behinderungen. Die Förderung betrug in 2008 – ich
Engagement im Bereich Gesundheit sehr groß. Ich versi- nenne Ihnen eine alte Zahl – 1,9 Millionen Euro. Wir als
chere Ihnen: Auch auf internationaler Ebene werden wir BMZ setzen uns ferner dafür ein, dass sich die Umset-
dafür sorgen, dass Deutschland, dass die deutsche Bun- zung der entwicklungspolitischen Dimension der UN-
desregierung die Vorreiterrolle im Entwicklungsbereich Behindertenrechtskonvention auch im Aktionsplan der
behält und weiter ausbaut. Lassen Sie uns alles Weitere Bundesregierung widerspiegelt.
evaluieren und auf dessen Umsetzbarkeit in der Realität
hin prüfen. Ich bin sicher, dass wir einer Prüfung sehr Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
gut standhalten können.
Nachfragen?
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Karin Roth (Esslingen) (SPD):
Wir kommen damit zur Frage 4, ebenfalls von der
Abgeordneten Karin Roth: Ja.
Wie beurteilt das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, anlässlich des Jah- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
restages des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonven- Bitte schön.
tion vom 3. Mai 2008 die Bedeutung der besonderen Pro-
blemlagen behinderter Menschen in Entwicklungsländern,
und welche konkreten Maßnahmen zur stärkeren Berücksich- Karin Roth (Esslingen) (SPD):
tigung dieser Personengruppe in der Entwicklungszusammen-
(B) arbeit führt das BMZ zusätzlich zur Einrichtung eines runden Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Liebe Frau Kolle- (D)
Tisches durch, um die Partnerländer bei der Integration der gin Kopp, Sie haben nur eine einzige Zahl genannt – das
Menschen mit Behinderungen – zum Beispiel im medizini- ist interessant –, nämlich die im Zusammenhang mit lau-
schen, sozialen und rechtlichen Bereich – zu unterstützen? fenden Projekten für soziale Sicherung. Dort gibt es be-
Bitte schön, Frau Staatssekretärin. zogen auf den gesamten Bereich Ausgaben in Höhe von
103,4 Millionen Euro. Die Bundesregierung sieht für
den Bereich der Menschen mit Behinderungen 1,2 Mil-
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
lionen Euro vor. Sie können selbst ausrechnen, wie hoch
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
der Anteil ist und was das bedeutet. Das ist angesichts
wicklung:
der von Ihnen richtig geschilderten Dramatik bzw. des
Vielen Dank, Herr Präsident. – Weltweit leben großen Personenkreises eine sehr geringe Unterstützung.
690 Millionen Menschen mit Behinderungen. Das sind
immerhin 10 Prozent der Weltbevölkerung; das ist eine Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonven-
enorm große Zahl. 80 Prozent der behinderten Menschen tion unterschrieben und erkennt damit an, dass die UN
leben in Entwicklungsländern; das ist eine riesige He- eine wichtige Koordinierungsfunktion, auch im Rahmen
rausforderung für uns. Das bedeutet: Jeder fünfte in ab- von Projekten, hat. Welche Möglichkeiten sehen Sie
soluter Armut lebende Mensch hat eine Behinderung. – außer dass Sie im Jahre 2010 1,2 Millionen Euro für
Die Millenniumsentwicklungsziele können nur erreicht die soziale Sicherung von Menschen mit Behinderungen
werden, wenn Menschen mit Behinderungen bei der vorsehen –, in den nächsten Jahren Menschen mit Behin-
Umsetzung von Maßnahmen entsprechend berücksich- derungen in Entwicklungsländern verstärkt zu unterstüt-
tigt werden. Die VN-Behindertenrechtskonvention sieht zen, und welche Aktionen planen Sie außer denen, die
in Art. 32 vor, „dass die internationale Zusammenarbeit, Sie bereits genannt haben?
einschließlich internationaler Entwicklungsprogramme,
Menschen mit Behinderungen einbezieht und für sie zu- Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
gänglich ist …“. Das Bundesministerium für wirtschaft- minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung misst daher der wicklung:
Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Ent-
wicklungszusammenarbeit einen sehr hohen Stellenwert Bezüglich Aktionen kann ich Ihnen sagen, dass der
bei und engagiert sich auf vielfache Weise. runde Tisch, der dieser Tage erstmals auf internationaler
Ebene getagt hat, zum Jahresende ein zweites Mal tagen
Ich will Ihnen ein Event nennen, das kürzlich stattge- wird. Dort wollen wir uns mit konkreten Maßnahmen
funden hat: Am 27. April dieses Jahres, also vor weni- und mit der Umsetzung weiterer Projekte beschäftigen.
3760 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Dr. Sascha Raabe (SPD): Im Koalitionsvertrag sagen wir nun bei der Frage der (C)
Frau Staatssekretärin, zunächst kann man feststellen, Austarierung von multilateralen und bilateralen Struktu-
wie auch Sie auf Ihren gemeinsamen Auslandsreisen mit ren nicht, dass wir gar keine multilateralen Förderungen
dem Minister beobachtet haben, dass die Budgethilfe, mehr wollen, vielmehr haben wir uns dafür ausgespro-
die Deutschland leistet bzw. geleistet hat – wir haben ja chen, einen größeren Schwerpunkt im bilateralen Be-
auch zuvor nur Budgethilfe geleistet, wenn die Rahmen- reich zu setzen. Wir haben nicht gesagt, dass wir ohne
bedingungen gestimmt haben –, in der Tat zu einer Ver- multilaterale Strukturen auskommen wollen, vielmehr
besserung der Situation in den Ländern geführt hat. Es geht es – das will ich deutlich sagen – um die Gewich-
ist auch legitim, von anderen Gebern zu fordern, ihre tung und um die Verantwortung, die die gesamte Bun-
Programme in Ländern, wo die Rahmenbedingungen desregierung, aber mein Haus ganz besonders, dafür hat,
nicht gegeben sind, anzupassen – wohlgemerkt nicht dass die Steuermittel, die wir ausgeben, so verantwortbar
Deutschland; denn wir haben in der Vergangenheit nicht wie irgend möglich eingesetzt werden und Wirkung ent-
mit solchen Ländern zusammengearbeitet. Aber es gibt falten können, hier also Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.
doch einen Unterschied zwischen einer derartigen diffe- Das muss mit Qualitätskriterien verbunden sein. Einfach
renzierten Kritik und – ich befürchte, dass Sie mir, wahr- nur auf Cashflow zu setzen und dann zuzuschauen, was
scheinlich berechtigterweise, wieder mangelnde Wert- daraus wird, das können wir uns nicht leisten.
schätzung dem Minister gegenüber vorwerfen – einer
pauschalen Kritik, wie sie unser Minister leider häufig Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
übt nach dem Motto: Steuergeld wird in irgendwelchen Eine weitere Nachfrage? – Bitte schön.
Haushalten von Despoten verschwendet, indem diese
sich goldene Paläste bauen. Sind Sie mit mir der Mei-
Dr. Sascha Raabe (SPD):
nung, dass solche pauschalen Verurteilungen unserem
Frau Staatssekretärin, das ist genau das, was ich
gemeinsamen Anliegen, das wir verfolgen sollten, scha-
meine. Sie reden von Cashflow und darüber, dass man
det?
nicht darauf schaut, was passiert. Sie reden reichlich ne-
Weiter frage ich Sie: Warum haben Sie im Koalitions- bulös über Milliarden, die angeblich versickert sind, und
vertrag eine Reduzierung der entsprechenden Mittel vor- über Länder, in denen alles ganz schlimm gelaufen ist.
gesehen? Gehen Sie etwa davon aus, dass alle Entwick- Ich frage Sie konkret – denn es geht um deutsche Steuer-
lungsländer immer schlechter und korrupter werden? Sie gelder –: Welches Land hat die Bundesrepublik Deutsch-
haben anscheinend nicht die Hoffnung, dass es besser land in den letzten Jahren mit Budgethilfe unterstützt,
wird. Wenn Sie davon ausgingen, dass die Rahmenbe- bei dem es Ihrer Meinung nach keine Verknüpfung mit
dingungen besser würden, dann müssten Sie es doch of- Kriterien gab? Wo haben wir nicht reagiert, als die Part-
(B) fenlassen, ob Sie das Instrument ausweiten oder reduzie- nerländer die Bedingungen nicht erfüllten? Wo ist der (D)
ren, statt die Stammtischmentalität zu bedienen und zu Cashflow in Ländern, bei denen überhaupt nicht ge-
sagen: Das wird jetzt einfach einmal gekürzt. Vor Ort schaut wurde, was mit dem Geld passiert ist?
stellen Sie dann aber fest, dass die Mittel eigentlich wei- Ich finde, wenn man so etwas behauptet, ist das auch
terhin gezahlt werden sollten. eine Beleidigung unserer Durchführungsorganisation
und der Menschen, die vor Ort arbeiten. Ich frage Sie
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- ganz konkret: In welchen Ländern haben Sie vor Ort die
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- von Ihnen beschriebenen Erfahrungen gemacht? Nennen
wicklung: Sie doch die Namen der Länder, in denen in den letzten
Herr Kollege Raabe, es ist doch unumstritten und Jahren die deutsche Budgethilfe in Form von Cashflow
auch belegt, dass wir es in der Vergangenheit gerade auf herübergeschoben wurde und dann versickerte bzw. ver-
dem afrikanischen Kontinent vielfach erlebt haben, dass schwendet wurde, weil man sich nicht darum geküm-
allgemeine Budgethilfen nicht transparent und werte- mert hat. Wir reden nicht über andere Geber, sondern
orientiert verwendet wurden, sondern in irgendwelchen über Deutschland.
Kanälen verschwunden sind. In Afrika haben über viele
Jahre und Jahrzehnte hinweg Hilfen in Milliardenhöhe Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
häufig nicht den Nutzen gebracht, den wir uns eigentlich minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
erhofft hatten. Das heißt: Es gibt viele Beispiele dafür, wicklung:
dass allgemeine Budgethilfen ohne Verknüpfung mit Ich möchte Ihre Frage positiv beantworten, Herr
Qualitätskriterien und Prüfungen im Vorfeld häufig zum Raabe, und Ihnen sagen, welchen reformdynamischen
Fenster hinausgeworfenes Geld war, das nicht zur Ver- Niedrigeinkommensländern Deutschland Budgethilfe leis-
besserung der Lebensverhältnisse der Ärmsten, für die tet. Als Beispiele nenne ich Länder in Subsahara-Afrika:
es eigentlich gedacht war, beigetragen hat. Genau das Burkina Faso, Ghana, Mali, Malawi, Mosambik,
hat auch der Minister gesagt, indem er als Ziel formuliert Ruanda, Sambia, Tansania und Uganda. Die Budgethilfe
hat, bessere Verhältnisse zu schaffen. Ich habe doch eben für Benin ist derzeit ausgesetzt. Wie Sie wissen, be-
sehr differenziert argumentiert – das meine ich jeden- obachten wir auch genau, was in Uganda passiert. Be-
falls –, als ich ausgeführt habe, dass die Budgethilfen, kanntermaßen gibt es dort eine parlamentarische Initia-
sofern sie mit der Einhaltung bestimmter Werte ver- tive, Homosexualität mit der Todesstrafe zu belegen.
knüpft sind, an der einen oder anderen Stelle auch sinn- Bundesminister Niebel hat, wie Sie der Presse sicherlich
voll sein mögen. entnommen haben, den Botschafter Ugandas zu sich be-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3765
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
(A) stellt und gesagt, die Bundesregierung erwarte, dass sich feprogrammen ist insbesondere in den Ländern, in denen (C)
die Regierung Ugandas davon distanziere, und über ent- sich auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit an
sprechende Schritte nachdenken werde, wenn dies nicht der Budgethilfe beteiligt, intensiv. Hier bestehen Mög-
geschehe. Die Umsetzung dieser Art von Werteorientie- lichkeiten zur konkreten gemeinsamen Positionierung
rung hat schon Wirkung gezeigt. Wie Sie wissen, hat als EU in den Budgethilfegruppen vor Ort sowie im Rah-
sich die Regierung Ugandas von dieser Initiative distan- men des Politikdialogs mit den Partnerländern.
ziert. Wie es dort in dieser Frage weitergeht, müssen wir
Beim Europäischen Entwicklungsfonds sind die Mit-
beobachten.
gliedstaaten ebenso wie bei den anderen Außenhilfe-
Wir haben jedenfalls die Aufgabe, bei der Finanzie- instrumenten an allen Budgethilfeentscheidungen der
rung von Budgets genau darauf zu achten, wohin die EU-Kommission beteiligt. Die Beteiligung der Mitglied-
Gelder fließen. Es gibt verschiedene Gutachten – ich staaten erfolgt sowohl im Rahmen der jeweiligen Län-
kann aus ihnen jetzt nicht zitieren, weil ich sie nicht da- derprogrammierung in Brüssel als auch im Rahmen der
beihabe; täte das aber gerne –, die belegen, dass in der Vorbereitung und Durchführung vor Ort.
Vergangenheit sehr viele Gelder in Kanäle geflossen
sind, die zu fördern nicht in unserem Sinne sein kann. Im Zuge der Umsetzung der Schlussfolgerungen des
Rates zu Aid Effectiveness vom November 2009 haben
Neben der allgemeinen Budgethilfe gibt es ja noch Kommission und Mitgliedstaaten insbesondere auf deut-
die sektorale Budgethilfe. Aus unserem Programm für sche Initiative hin einen Dialog zur Ausarbeitung eines
die Sektorbudgethilfe erhalten Peru, Ruanda und Äthio- koordinierten Ansatzes bezüglich Budgethilfen begon-
pien eine zweckgebundene Unterstützung für die Siche- nen. Entsprechend der Pariser Erklärung und des Accra-
rung sozialer Grunddienste. Für den Senegal und Mada- Aktionsplans geht es darum, den gemeinsamen Politik-
gaskar bestehen Budgethilfezusagen. Allerdings ist es dialog, das konkrete Design von Budgethilfeprogram-
hier noch nicht zu einer Auszahlung gekommen. Eine men sowie die Evaluierung der erzielten Ergebnisse stär-
Ausweitung des Länderkreises ist zurzeit nicht geplant. ker untereinander abzustimmen mit dem Ziel, ein
möglichst einheitliches Auftreten der EU vor Ort zu si-
Ich kann Ihnen sagen, dass in Kürze eine erneute Prü-
chern.
fung und Evaluierung betreffend die Fortführung von
Budgethilfen und Budgethilfeprogrammen stattfinden
werden, um zu sehen, wo wir stehen, ob wir auf dem Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
richtigen Weg sind, wo wir nachjustieren müssen und Bitte schön, Kollege Raabe. Wollen Sie nachfragen?
welche weiteren politischen Schritte wir gehen müssen.
Seien Sie versichert: Wir sind darauf aus, die uns anver- Dr. Sascha Raabe (SPD):
(B) trauten Gelder so verantwortlich wie irgend möglich zur Gerne, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, die (D)
Verbesserung der Lebensverhältnisse in den ärmsten Frage zielte darauf ab, dass wir in der Pariser Erklärung
Ländern einzusetzen. und der Erklärung von Accra auf internationaler Ebene
mit ganz vielen anderen Gebern vereinbart haben, dass
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: sich die Geber zur Effizienzsteigerung auf gemeinsame
Danke schön. – Wir kommen damit zu den Fragen 9 Programme in Entwicklungsländern einigen sollen, und
und 10. zwar auch im Rahmen allgemeiner und sektoraler Budget-
finanzierung, damit sich nicht 100 oder 150 Geber bei
(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Frage 8 ist noch den Ministerien die Klinke in die Hand geben und damit
nicht beantwortet!) Kräfte gebunden werden, die besser zur Armutsbekämp-
– Ich dachte, Frage 8 sei schon mitbeantwortet. fung verwendet werden könnten. Ich frage Sie, ob sich
diese Bundesregierung noch daran hält. In Ihren Koali-
(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Nein! Da geht es tionsvertrag, auf den Sie ja auch eingegangen sind, ha-
um Accra und die Pariser Erklärung!) ben Sie nämlich genau das Gegenteil von dem, was in-
Bitte schön, Frau Kopp, zur Abstimmung über die ternational vereinbart wurde, hineingeschrieben. Sehen
Budgetfinanzierungen. Sie nicht die Gefahr, dass sich Deutschland international
immer stärker isoliert, wenn weitere Evaluierungen, die
Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- wir meiner Meinung nach gar nicht brauchen, gefordert
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- werden? Oder geht es der Bundesregierung vielleicht
wicklung: eher darum, wieder ganz viele deutsche Fahnen aufzu-
Herr Präsident, auch ich meine, dass diese Frage stellen, anstatt das Geld gemeinsam mit anderen wirk-
schon teilweise mitbehandelt wurde, wenn auch nur am lich für die Ärmsten der Armen effizient einzusetzen,
Rande. wie es international vereinbart wurde? Halten Sie sich
also noch an diese Vereinbarungen?
Die Mitgliedstaaten stimmen ihre Budgethilfeent-
scheidungen mit der EU-Kommission und mit anderen Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
Mitgliedstaaten auf Ebene des zentralen, kontinuierli- minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
chen Austausches zwischen Länderabteilungen, Exper- wicklung:
tengruppen und Budgethilfe auf EU-Ebene sowie vor
Nichts gegen deutsche Fahnen!
Ort unter Beachtung der jeweiligen nationalen Entschei-
dungskompetenz ab. Die Koordinierung von Budgethil- (Manfred Grund [CDU/CSU]: Richtig!)
3766 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C)
Amt: Danke. – Frau Staatsministerin, Ihrer Antwort ist zu
Frau Dağdelen, ich sagte schon auf die Frage des Ab- entnehmen, dass es dringend notwendig ist, diese Krite-
geordneten Ströbele: Allumfassend heißt, dass wir natür- rien zu konkretisieren. Ich habe erwartet, dass sich die
lich alle Quellen nutzen, die uns zur Verfügung stehen, Bundesregierung aufgrund des Wissens, dass der Abzug
und die Recherche dementsprechend vornehmen. Ich der Truppen wahrscheinlich im Juli 2011 anfangen soll,
werde das jetzt nicht im Einzelnen darlegen; das ginge zügig darauf vorbereitet und Kriterien für diese Maßnah-
zu weit. Aber ich betone noch einmal ausdrücklich, dass men entwickelt. Dabei geht es vor allem darum, die
ich den Hinweis des Abgeordneten Ströbele durchaus Bevölkerung im zivilen Bereich darin zu unterstützen,
sehr ernst nehme, auch im Namen der Bundesregierung, Verantwortung zu übernehmen. Es ist schlichtweg uner-
und dass ich dies selbstverständlich noch einmal aufgrei- träglich, dass hier überhaupt noch keine konkreten Krite-
fen und nicht nur Herrn Ströbele, sondern den Bundestag rien vorliegen.
darüber informieren werde.
Ich möchte deshalb nachfragen. In den Provinzen
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Badakhshan und Kunduz gibt es zu wenig Polizei, die
GRÜNEN]: Sehr gut!) Polizisten werden schlecht bezahlt, und wir wissen, dass
Arbeitsplätze fehlen. Machen wir es einmal an diesen
Vizepräsidentin Petra Pau: drei konkreten Kriterien fest. Was gedenkt die Bundes-
regierung in dieser Hinsicht zu tun? Werden die Gelder,
Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Nouripour, die die im Auswärtigen Amt, aber auch im BMZ zur Verfü-
Frage 18 der Kollegin Keul und die Frage 19 des Kolle- gung stehen, dafür ausgegeben und die Maßnahmen auf-
gen Dr. Frithjof Schmidt werden schriftlich beantwortet. gestockt, die dringend erforderlich sind?
Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Ute Koczy auf:
Welche konkreten Kriterien müssen im Bereich des zivilen Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen
Aufbaus in den Provinzen Badakhshan, Kunduz, Baghlan er- Amt:
füllt sein, um mit der Einleitung eines schrittweisen Abzugs
der Bundeswehr zu beginnen?
Frau Abgeordnete, Sie fragen, was die Bundesregie-
rung im zivilen Bereich konkret tut, um die von ISAF
Bitte, Frau Staatsministerin. entwickelten Kriterien im Norden des Landes zu erfül-
len. Ein zentraler Bestandteil der Strategie der Bundes-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen regierung bleiben der Aufbau und die Ausbildung der
Amt: afghanischen Sicherheitskräfte in Nordafghanistan. Da-
neben fokussiert die Bundesregierung ihre zivile Unter-
(B) Sehr geehrte Frau Abgeordnete Koczy, der Bundes- (D)
stützung im Rahmen ihrer Entwicklungsoffensive noch
wehreinsatz in Afghanistan bettet sich in die internatio-
stärker auf Nordafghanistan und richtet neue flexible
nale Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan ein
Programme ein, zum Beispiel einen Stabilisierungs-
und orientiert sich daher an den im NATO-Rahmen ge-
fonds, einen Regionalentwicklungsfonds und Infrastruk-
billigten Grundsätzen und Zielen. Dies gilt für die soge-
turfazilität. Dadurch soll die lokale Verwaltung bei der
nannte Transitionsphase, deren Kern die Übergabe der
eigenständigen Planung und Umsetzung von Wiederauf-
Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicher-
bau- und Entwicklungsmaßnahmen unterstützt werden.
heitskräfte ist. Entscheidendes Kriterium für die Einlei-
So wird zum einen die Wahrnehmung der afghanischen
tung eines schrittweisen Abzugs ist neben der Sicher-
Verwaltung als Dienstleister gegenüber der eigenen Be-
heitslage vor allem die Fähigkeit der afghanischen
völkerung gestärkt; zum anderen vermitteln solche Maß-
Sicherheitskräfte, die Sicherheitsverantwortung zu über-
nahmen der Bevölkerung vor Ort eine spürbare Entwick-
nehmen. Hinzu kommen die Fähigkeit der afghanischen
lungsdividende.
Regierung zu guter Regierungsführung sowie das Vor-
handensein grundlegender Voraussetzungen für eine Erlauben Sie mir, eines noch kurz zu ergänzen, weil
tragfähige sozioökonomische Entwicklung. es zu meinem Aufgabenbereich gehört. Die verstärkte
Ausbildung der Polizei- und Sicherheitskräfte in Afgha-
Daher soll auf der für den 20. Juli 2010 geplanten
nistan liegt uns zu Recht am Herzen, weil dadurch er-
Konferenz in Kabul ein zwischen der afghanischen Re-
möglicht wird, dass das Land seine Geschicke zukünftig
gierung, der internationalen Gemeinschaft, der Unter-
selbst in die Hand nehmen kann. Uns allen ist bewusst,
stützungskommission der Vereinten Nationen in Afgha-
dass die Analphabetenrate gerade unter den Polizei- und
nistan, UNAMA, und ISAF abgestimmter Plan zur
Sicherheitskräften sehr hoch ist; sie liegt bei 70 Prozent.
Durchführung der Verantwortungsübergabe beschlossen
Die Bundesregierung hat seit 2009 ein Alphabetisie-
werden, der auch Kriterien im zivilen Bereich umfasst.
rungsprogramm auf den Weg gebracht. Ich persönlich
Diese Kriterien werden dann mit Blick auf die Lage in
glaube, dass wir für die Polizei- und Sicherheitskräfte
den einzelnen Provinzen durch die afghanische Regie-
– aber nicht nur für diese – mehr tun müssen; wir müs-
rung, UNAMA, ISAF und die Führungsnationen des je-
sen mehr in Bildung investieren. Deswegen haben wir
weiligen regionalen Wiederaufbauteams weiter konkreti-
im Auswärtigen Amt dafür gesorgt, dass die Mittel für
siert.
die Bildungsinitiative Afghanistan, die natürlich die
Ausbildung der Polizei- und Sicherheitskräfte ein-
Vizepräsidentin Petra Pau: schließt, verdoppelt werden und in diesem Jahr bei rund
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. 11 Millionen Euro liegen.
3772 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3775
(A) FFA, Bund und Ländern soll schrittweise die flächen- Anlage 5 (C)
deckende Digitalisierung der Kinos erfolgen, um die
Antwort
kulturelle Vielfalt in Deutschland zu erhalten.“ Daher
stehen Programm- und Filmkunstkinos sowie herkömm- der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
liche Kinos mit besonderen strukturellen Komponenten Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE
im Fokus der Bundesregierung, die den Umrüstungspro- GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 16):
zess von analoger auf digitale Projektionstechnik finan- Welche konkreten Kriterien müssen hinsichtlich des Auf-
ziell nicht aus eigener Kraft bewältigen können. baus der afghanischen Sicherheitskräfte auf Distriktebene er-
füllt sein, um mit der Einleitung eines schrittweisen Abzugs
der Bundeswehr zu beginnen?
Anlage 4 Die gemeinsam von der Internationalen Sicherheits-
unterstützungstruppe, ISAF, und der afghanischen Re-
Antwort gierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf
Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksa- die Lage in der jeweiligen Provinz abstellen.
che 17/1534, Frage 14): Hinsichtlich der Kriterien zur Sicherheitslage hat die
An welchen Gedenkveranstaltungen und Kranzniederle- Fähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte, gegenwär-
gungen oder anderen Feierlichkeiten an sowjetischen Gedenk- tigen oder zukünftigen Bedrohungen durch Aufständi-
stätten und Kriegsgräbern anlässlich des 65. Jahrestages der sche entgegenwirken zu können, eine zentrale Bedeu-
Befreiung Deutschlands vom Faschismus nehmen Vertreterin-
nen und Vertreter der Bundesregierung teil? tung.
Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Konkret geht es um die Fähigkeit der afghanischen
Maizière, hat am 30. April 2010 an einer Gedenkfeier an Armee, Afghan National Army, ANA, und der afghani-
der Kriegsgräberstätte Zeithain teilgenommen; dort sind schen Polizei, Afghan National Police, ANP, effektive
15 000 russische Kriegsgefangene bestattet. Von russi- Operationen zu führen und hierzu entsprechende Be-
scher Seite waren Vertreter des Generalkonsulats Leip- fehls- und Kommunikationsstrukturen vorzuhalten.
zig bei der Gedenkfeier vertreten. Der Ausbildungsstand der afghanischen Sicherheits-
kräfte unterliegt einer regelmäßigen Bewertung durch
Bundespräsident Professor Dr. Horst Köhler hat am
ISAF.
2. Mai 2010 anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung
des Konzentrationslagers Dachau, in dem auch sowjeti-
(B) sche Kriegsgefangene ermordet wurden, an einem Ge- Anlage 6 (D)
denkakt in der KZ-Gedenkstätte Dachau teilnehmen.
Antwort
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wird am 9. Mai
2010 am zentralen Festakt zum 65. Jahrestag des Kriegs- der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
endes in Moskau teilnehmen. Welche weiteren hochran- Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE
gigen Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 17):
an dieser Veranstaltung teilnehmen werden, steht noch Inwiefern sind sicherheitspolitische Kriterien für die Ein-
nicht fest. leitung eines schrittweisen Abzugs der Bundeswehr aus Af-
ghanistan prioritär gegenüber der Erfüllung von Kriterien im
Der Koordinator für die deutsch-russische zwischenge- Bereich des zivilen Aufbaus?
sellschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Andreas Schockenhoff, Die gemeinsam von der Internationalen Sicherheits-
MdB, hat den Botschafter der Russischen Föderation in unterstützungstruppe, ISAF, und der afghanischen Re-
der Bundesrepublik Deutschland sowie Vertreter aller gierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für
Fraktionen des Deutschen Bundestages und weitere die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf
Gäste zu einer Gedenkveranstaltung und Kranzniederle- eine umfassende Bewertung der Lage in der jeweiligen
gung am 9. Mai 2010 im ehemaligen Kriegsgefangenen- Provinz abstellen.
lager StaLag III A bei Luckenwalde eingeladen.
Dabei geht es, neben der Sicherheitslage und der Fä-
Darüber hinaus planen verschiedene politische Stif- higkeit der afghanischen Regierung zur guten Regie-
tungen, Organisationen, Museen und Gedenkstätten ent- rungsführung, auch um die Schaffung von Grundlagen
sprechende Gedenkveranstaltungen in Deutschland. für eine eigenständige sozio-ökonomische Entwicklung.
Von russischer Seite sind sowohl in Deutschland als Die Erfüllung von Kriterien im Bereich des Wieder-
auch in Russland und vielen anderen Staaten ebenfalls aufbaus, etwa die Grundversorgung der Bevölkerung
Gedenkveranstaltungen vorgesehen. Wer von russischer und Voraussetzungen für eine sich selbst tragende lokale
Seite zu diesen Veranstaltungen über das jeweilige Wirtschaft, werden somit bei der Einleitung der Über-
Diplomatische Korps hinaus im Einzelnen eingeladen gabe von Sicherheitsverantwortung mit berücksichtigt.
wird, ist nicht bekannt.
Die Entscheidung über die Übergabe der Sicherheits-
Soweit eine deutsche Auslandsvertretung eine Einla- verantwortung in einer Provinz werden von der afghani-
dung erhält, wird der jeweilige Missionsleiter oder ein schen Regierung und vom NATO-Rat getroffen. Grundlage
Vertreter an der Veranstaltung teilnehmen. dafür werden Empfehlungen sein, die ein sogenanntes
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3777
(A) „transition board“, bestehend aus COMISAF, dem Ho- Ist es richtig, dass in einem Bericht über die Stimmungs- (C)
hen Zivilen Repräsentanten der NATO in Afghanistan, lage in den neun nördlichen Provinzen Afghanistans, den Ge-
neral Frank Leidenberger in Auftrag gegeben hat (Die Welt
dem Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Na- vom 23. April 2010), auf eine Bereitschaft der lokalen auf-
tionen in Afghanistan, UNAMA, dem Botschafter der ständischen Gruppen, namentlich von Maulawi Wakil Ahmed
jeweiligen Führungsnation des Regionalen Wiederauf- Muttawakil, Ex-Außenminister der Taliban, zu Gesprächen
bauteams, PRT, und der afghanischen Regierung, ge- über eine politische Lösung hingewiesen wird, und welche
meinsam entwickelt haben. politischen Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um
diese Gesprächsbereitschaft vor Ort im Norden weiter auszu-
loten und im Sinne einer politischen Lösung des Konflikts zu
nutzen?
Anlage 7
Der Bundesregierung liegt kein entsprechender von
Antwort General Frank Leidenberger in Auftrag gegebener Be-
richt vor.
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der
Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bei dem in der Presse zitierten Bericht handelt es sich
NEN) (Drucksache 17/1534, Frage 18): um einen Reisebericht des Leutnants zur See Marco
Welche Kriterien definiert die Bundesregierung für den
Hellgrewe, dessen Inhalt sich die Bundesregierung nicht
schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, und zu eigen macht und nicht kommentiert.
inwiefern unterscheiden sich diese von denen des Komman-
deurs der ISAF, Stanley McChrystal, für die Internationale
Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan, ISAF?
Anlage 9
Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan erfolgt im
Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungs- Antwort
truppe für Afghanistan, ISAF. Grundsätzlich gelten die der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
von ISAF entwickelten und im NATO-Rahmen gebillig- Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
ten Grundsätze und Ziele der Operationsführung auch
NEN) (Drucksache 17/1534, Frage 22):
für die Bundeswehr.
Inwieweit orientieren sich die Kriterien, die die Bundes-
Dies gilt auch für die von ISAF entwickelten Grund- regierung für den schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus
sätze für die nächste Operationsphase, die sogenannte Afghanistan aufstellt, am Abzugsplan der US-Streitkräfte,
bzw. sind sie von diesem unabhängig?
Phase IV, „Transition“, deren Kern die Übergabe der Si-
(B) cherheitsverantwortung an afghanische Sicherheitskräfte Der Bundeswehreinsatz und der Einsatz der US- (D)
ist. Streitkräfte in Afghanistan erfolgen im Rahmen der
Die gemeinsam von ISAF und der afghanischen Re- Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe für
gierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für Afghanistan, ISAF. Grundsätzlich gelten die von ISAF
die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf entwickelten und im NATO-Rahmen gebilligten Grund-
die Lage in den jeweiligen Provinzen abstellen. Konkret sätze und Ziele der Operationsführung für die Bundes-
geht es um die Sicherheitslage, die Verbesserung der wehr wie auch für die US-Streitkräfte. Dies gilt auch für
Regierungsführung afghanischer Stellen insbesondere die von ISAF entwickelten Grundsätze für die nächste
auf subnationaler Ebene sowie um die Schaffung von Operationsphase, die sogenannte Phase IV, „Transition“,
Grundlagen für die sozio-ökonomische Entwicklung. deren Kern die Übergabe der Sicherheitsverantwortung
an afghanische Sicherheitskräfte ist.
Die Entscheidung über die Übergabe der Sicherheits-
verantwortung in einer Provinz werden von der afghani- Die afghanische Regierung ist an der Entwicklung
schen Regierung und vom NATO-Rat getroffen. Grund- dieser Kriterien beteiligt. Zudem ist es ein Ziel der für
lage dafür werden Empfehlungen sein, die ein Ende Juli angesetzten Kabuler Konferenz, die in London
sogenannte „transition board“, bestehend aus COM beschlossene Strategie der internationalen Gemein-
ISAF, dem Hohen Zivilen Repräsentanten der NATO in schaft zur „Übergabe in Verantwortung“ zu präzisieren
Afghanistan, dem Leiter der Unterstützungsmission der und mit konkreten Zielen und Vereinbarungen insbeson-
Vereinten Nationen in Afghanistan, UNAMA, dem Bot- dere im sozio-ökonomischen Bereich zu unterfüttern.
schafter der jeweiligen Führungsnation des Regionalen
Wiederaufbauteams, PRT, und der afghanischen Regie- Die Entscheidung über die Übergabe der Sicher-
rung, gemeinsam entwickelt haben. heitsverantwortung in einer Provinz werden von der
afghanischen Regierung und vom NATO-Rat getroffen.
Grundlage dafür werden Empfehlungen sein, die ein so-
genanntes „transition board“, bestehend aus COM ISAF,
Anlage 8 dem Hohen Zivilen Repräsentanten der NATO in Afgha-
Antwort nistan, dem Leiter der Unterstützungsmission der Ver-
einten Nationen in Afghanistan, UNAMA, dem Bot-
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des schafter der jeweiligen Führungsnation des Regionalen
Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ Wiederaufbauteams, PRT, und der afghanischen Regie-
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 19): rung, gemeinsam entwickelt haben.
3778 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Mitarbeit Taiwans in internationalen Organisationen, auf Zu Teil 2 der Frage, inwieweit hierdurch aktuelle (C)
die sich die beiden Seiten geeinigt haben, und beabsich- Friedensbemühungen konterkariert würden:
tigt, dies auch in Zukunft zu tun.
Die Bundesregierung unterstützt jegliche Bemühun-
Taiwan bemüht sich zurzeit erneut um einen Beobach- gen, die einen Fortschritt der laufenden Zypern-Verhand-
terstatus bei Konferenzen der Vertragsstaaten der Klima- lungen ermöglichen. Der Friedensprozess bedarf neuer
rahmenkonvention, UNFCCC. Die Bundesregierung Impulse, um die Chancen auf eine dauerhafte Lösung zu
würde Gespräche zwischen Taiwan und der Volksrepu- verbessern. Aus Sicht der Bundesregierung gehört hierzu
blik China über konkrete Schritte einer sinnvollen Mit- auch der Direkthandel mit dem nördlichen Teil Zyperns.
arbeit Taiwans bei UNFCCC begrüßen.
Beiträge Taiwans zum Klimaschutz tragen zur Errei- Anlage 15
chung des klimapolitischen Ziels bei, den Anstieg der
globalen Temperaturen auf zwei Grad zu begrenzen. Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksa-
Anlage 14 che 17/1534, Frage 28):
Antwort Sind alle Ressorts der Bundesregierung der Auffassung,
die Bekämpfung kinderpornografischer Inhalte im Internet
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der sollte sowohl durch das Löschen als auch das Sperren entspre-
chender Seiten erfolgen, oder ist dies eine Einzelmeinung des
Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck- Bundesministers des Innern, der entsprechend in der Presse
sache 17/1534, Frage 27): zitiert wurde?
Inwieweit teilt die Bundesregierung die im Brief des zyp- Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammen-
riotischen Parlaments vom 12. April 2010 geäußerte Feststel-
lung, dass die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit dem hang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht
türkisch besetzten Teil Zyperns durch die EU internationalem Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote
Recht widerspricht, nach dem ein souveräner Staat – in die- schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zu-
sem Fall durch die völkerrechtlich anerkannte Regierung der nächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte
Republik Zypern – das Recht hat, Häfen zu schließen – in die-
sem Fall im türkisch besetzten Teil Zyperns – und sich Dritte
auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes
an diese Entscheidung zu halten haben, und inwieweit teilt die nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizei-
Bundesregierung die Auffassung, dass die Aufnahme von behörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregu-
Handelsbeziehungen mit dem türkisch besetzten Teil Zyperns lierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen
die aktuellen Friedensbemühungen der Regierung konterka- Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellen- (D)
(B)
riert?
netzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer
Zu Teil 1 der Frage, ob die Aufnahme von Handelsbe- Seiten betreiben.
ziehungen mit dem Nordteil von Zypern internationalem In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt,
Recht widerspricht: dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und
Vor dem Hintergrund der Ablehnung des Annan-Plans Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen
durch die griechisch-zyprische Volksgruppe am 24. April Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorge-
2004 hat die EU am 26. April 2004 beschlossen, der fak- nommen werden soll.
tischen Isolierung des nördlichen türkisch-zyprischen
Teils der Insel entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck wur-
den mehrere Verordnungsvorschläge durch die EU-Kom- Anlage 16
mission ausgearbeitet, von denen die Trennungslinien- Antwort
und die Finanzhilfeverordnung in den Jahren 2004 bzw.
2006 in Kraft getreten sind. des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE
Der ebenfalls 2004 vorgelegte Entwurf einer Direkt- GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 29):
handelsverordnung konnte dagegen bisher nicht verab-
Wird die Bundesregierung der Aufforderung des Menschen-
schiedet werden, da insbesondere die Republik Zypern rechtskommissars des Europarates, Thomas Hammarberg,
hiergegen juristische und politische Bedenken erhob. nachkommen, der in seiner Rede vor der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates am 28. April 2010 die europäi-
Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages war die EU- schen Regierungen dazu aufforderte, keine Roma in den
Kommission verpflichtet, sämtliche schwebende Verfah- Kosovo abzuschieben, insbesondere weil aus Deutschland ab-
ren, die nach neuem Recht dem ordentlichen Gesetzge- geschobene Roma zum Teil in bleiverseuchten Lagern unter-
gebracht wurden?
bungsverfahren – Mitbestimmung durch das Europäische
Parlament – unterlagen, an das Europäische Parlament Nein. Die deutschen Ausländerbehörden schieben
weiterzuleiten. Darunter fiel nach Auffassung des juristi- ausreisepflichtige Roma und Personen anderer Ethnien
schen Dienstes der EU-Kommission auch der Entwurf für aus dem Kosovo, die der vorausgegangenen Aufforde-
die Direkthandelsverordnung. Aus Sicht der Kommission rung zur freiwilligen, von Bund und Ländern auch finan-
widerspricht die Möglichkeit des Direkthandels grund- ziell in beachtlicher Höhe unterstützten Ausreise aus
sätzlich nicht völkerrechtlichen Vorgaben. Die Bundesre- dem Bundesgebiet nicht nachgekommen sind, nicht in
gierung teilt diese Auffassung. eine bestimmte Kommune oder „Lager“ im Kosovo ab.
3780 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Vielmehr sind ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise die koso- Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, Pres- (C)
varischen Stellen für die Aufnahme, Unterbringung und semeldungen zu waffenrechtlichen Sachverhalten in den
Reintegration der Rückkehrer verantwortlich. Darüber Bundesländern zu kommentieren. Dies gilt auch, soweit
hinaus steht es den rückgeführten Personen im Rahmen in den Pressemeldungen Mitglieder von Landesregierun-
der verfassungsmäßig garantierten Freizügigkeit bzw. gen genannt oder zitiert werden.
der nationalen Gesetzgebung der Republik Kosovo frei,
über ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen. Unab-
hängig davon unterstützt die Bundesregierung zusam- Anlage 18
men mit den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersach-
sen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt mit dem Antwort
Rückkehrprojekt URA in beachtlichem Umfang die des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
Reintegration der Rückkehrer. Zu dem vielfältigen der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
Leistungsangebot dieses Projekts gehören auch die (Drucksache 17/1534, Frage 31):
Wohnraumvermittlung und die Gewährung von Miet- Wie häufig – absolut und relativ – wurden welche Bean-
kostenzuschüssen. Bisher konnte im Rahmen dieses Pro- standungen bei Kontrollen der Lagerung von Waffen in priva-
jekts jeder interessierte Rückkehrer in Wohnraum ver- ten Haushalten in den einzelnen Bundesländern seit der letz-
mittelt werden – im Jahr 2010 bis Ende Februar ten Änderung des Waffengesetzes festgestellt?
37 Personen, darunter 21 Angehörige ethnischer Min- Der Bundesregierung liegen zu festgestellten Bean-
derheiten, hiervon 15 Roma. standungen bei den Kontrollen der Lagerung von Waffen
in privaten Haushalten keine statistischen Daten vor. Die
Im Februar 2010 startete das Umsiedlungsprogramm Länder sind nicht verpflichtet, statistische Daten zu er-
der EU Mitrovica Support Initiative, EUMSRI, für die heben oder dem Bund zu berichten. Eine Abfrage bei
durch Umweltgifte kontaminierten Roma-Siedlungen in den Ländern war in der zur Verfügung stehenden Zeit
Nord-Mitrovica, Osterode und Cesmin Lug. Im ersten nicht möglich.
Projektabschnitt begannen zu diesem Zeitpunkt die Bau-
arbeiten für die Errichtung von 90 Häusern in der Sied-
lung Roma-Mahalla; in einem zweiten Abschnitt sollen Anlage 19
weitere 50 Häuser errichtet werden. Derzeit sind im
Camp Osterode noch 99 und in Cesmin Lug 46 Roma- Antwort
Familien untergebracht. Bereits seit Mitte 2008 besteht
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage
für beide Camps ein Zuzugsverbot für Neuankömm-
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
linge. Ausnahmen gelten nur in Einzelfällen für nahe
(B) Angehörige, die wegen ihrer im jeweiligen Camp woh- (Drucksache 17/1534, Frage 32): (D)
nenden Familienangehörigen um Aufnahme bitten. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
dem Widerruf des als „Schweine-Patent“ bekannt gewordenen
Patents EP 1651777, und wie wird die Bundesregierung die
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat anläss- Neuverhandlung des EU-Patentrechts zum Schutze der Nicht-
lich der Unterzeichnung des deutsch-kosovarischen patentierbarkeit von Tieren, Pflanzen und Lebensmitteln vo-
Rückübernahmeabkommens am 14. April 2010 in Berlin ranbringen?
betont, dass Deutschland das seit Jahren bewährte Kon- Das Europäische Patentamt hat das Europäische Pa-
zept der schrittweisen Rückführung in das Kosovo auch tent 1651777 mit Entscheidung vom 20. April 2010 wi-
künftig fortsetzen wird. So wurden im Jahr 2009 von derrufen, nachdem der Patentinhaber Newsham Choice
circa 14 000 ausreisepflichtigen Kosovaren durch die Genetics im Einspruchsverfahen mit Schreiben vom
Ausländerbehörden nur 541 Personen abgeschoben, dar- 31. März 2010 erklärt hatte, das Patent nicht aufrecht
unter 76 Angehörige der Roma. erhalten zu wollen. Weitere Informationen liegen der
Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregierung prüft
derzeit das weitere Vorgehen in Bezug auf tier- und
Anlage 17 pflanzenbezogene Patente.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage Anlage 20
des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- Antwort
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 30):
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage
Wie bewertet es die Bundesregierung, wenn Mitglieder der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
von Regierungen in Bund und Ländern – wie in den vergange-
nen Tagen etwa in Baden-Württemberg; siehe Süddeutsche
(Drucksache 17/1534, Frage 33):
Zeitung vom 29. April 2010 – in der Diskussion über die voll- Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass
ständige Umsetzung des gesetzlichen Verbots von Waffen in Migrantinnen und Migranten, die die Meinung vertreten, dass
privaten Händen und Haushalten vom Besitz von Waffen in Kruzifixe in Klassenräumen staatlicher Schulen gegen die Re-
eigener Hand und ihren Erfolgen beim Übungsschießen ligionsfreiheit verstoßen, nicht nur in Übereinstimmung mit
schwärmen, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes stehen, das 1995
den Besitz von Schusswaffen in Ministerhand einzuschränken mit Blick auf Bayern festgestellt hat, ein Schulkreuz verstößt
und damit zur Abrüstung auch in Landesteilen zu kommen, in gegen die weltanschauliche Neutralität des Staates, sondern
denen die Waffenlobby verankert ist und die besonders vom auch mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Men-
Waffenhandel profitieren? schenrechte vom November 2009, und ist diese Meinung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3781
(A) nicht Ausdruck von Toleranz und einer europäischen Gesin- gen den in dem Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des (C)
nung im Geiste der Aufklärung, ganz im Gegensatz zu jenen, sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von
die mittels des Kruzifixes eine einseitige Bezugnahme auf das Kindern sowie der Kinderpornografie, KOM(2010) 94, der
Christentum erzwingen wollen? EU-Kommission angelegten Vorschlag einer europaweiten
Einführung von Internetsperren aussprechen?
Nach dem sogenannten Kruzifix-Beschluss des Bun-
Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die im Vor-
desverfassungsgerichts von 1995 verstößt das Anbringen schlag der EU-Kommission vorgesehene Verpflichtung der
eines Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatli- Mitgliedstaaten, eine Sperrung von Internetseiten vorzuneh-
chen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, dann men, hinsichtlich der Notwendigkeit eines effektiven Kampfes
gegen die Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 des Grundge- gegen derartige Inhalte im Netz zielführend ist, oder vertritt die
Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass Netzsper-
setzes, wenn die Schülerinnen und Schüler dem Kruzifix ren für eine effektive Bekämpfung der Verbreitung der Darstel-
zwangsweise ausgesetzt werden. In ähnlicher Weise hat lung von Kindesmissbrauch im Internet nicht nur völlig unge-
eine Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Men- eignet, sondern letztlich sogar kontraproduktiv sind, da die
schenrechte, EGMR, 2009 in der Sache Lautsi gegen betreffenden Inhalte im Netz verbleiben?
Italien entschieden, es verstoße gegen das Recht auf Bil-
dung, Art. 2 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Men- Zu Frage 35:
schenrechtskonvention, in Verbindung mit dem Recht auf
Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur
Religionsfreiheit, Art. 9 der Europäischen Menschen-
Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuel-
rechtskonvention, wenn Schülerinnen und Schüler in öf-
len Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornogra-
fentlichen Schulen zwangsweise dem Anblick eines
fie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sit-
Kruzifixes ausgesetzt würden. Diese Entscheidung ist
zung auf Ratsarbeitsgruppenebene begonnen. Art. 21 des
noch nicht endgültig, da Italien die Große Kammer des
Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der
EGMR angerufen hat.
Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann
Die Auffassung, dass Kruzifixe in Klassenräumen diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsge-
staatlicher Schulen generell gegen die Religionsfreiheit sprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird.
verstoßen, trifft somit nicht zu. Das Anbringen von Kru-
zifixen ist nach wie vor möglich, allerdings nicht gegen Zu Frage 36:
den erklärten Widerspruch der Schülerinnen und Schüler
beziehungsweise ihrer Erziehungsberechtigten. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammen-
hang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht
Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote
schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zu-
Anlage 21
nächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte
(B) Antwort auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes (D)
nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizeibe-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage hörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulie-
des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksa- rungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen
che 17/1534, Frage 34): Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellen-
Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber netzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer
Vorschlägen der EU-Kommission zur Bekämpfung kinderpor-
nografischer Inhalte im Internet, und welche gesetzliche Re-
Seiten betreiben.
gelung strebt sie selbst an? In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt,
Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und
Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen
sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kin- Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorge-
derpornografie haben in der vergangenen Woche mit nommen werden soll.
einer ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begon-
nen. Art. 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht
Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht Anlage 23
absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von
Antwort
Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene
sein wird. des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage
der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 37):
Anlage 22 Welche Position vertritt die Bundesregierung, auch vor
dem Hintergrund der Debatte um das zurzeit per Minister-
Antwort erlass ausgesetzte deutsche Zugangserschwerungsgesetz, be-
züglich der Einführung von Netzsperren als Instrument im
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Inter-
des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜND- net sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene?
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 35
und 36): Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammen-
Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene,
hang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht
auch vor dem Hintergrund des zwischen den Koalitionsfrakti- Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote
onen vereinbarten Grundsatzes „Löschen statt Sperren“, ge- schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zu-
3782 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) nächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte Wie ist die Haltung der Bundesregierung zum Vorschlag (C)
auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes des Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats beim Bun-
desministerium der Finanzen, Professor Dr. Clemens Fuest,
nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizei- angesichts hoher Staatsschulden Kirchenmitglieder durch eine
behörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregu- Reform der Kirchensteuer am Sparen zu beteiligen, indem
lierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen durch eine Aufspaltung in ein Beitrags- und ein Spendenele-
Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellen- ment nur die Hälfte des Kirchensteuerbetrages als Spende
steuerlich abzugsfähig sein soll (Interview in der Financial
netzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Times Deutschland vom 21. April 2010)?
Seiten betreiben.
Es ist nicht beabsichtigt, den Abzug der gezahlten
In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, Kirchensteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Num-
dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und mer 4 des Einkommensteuergesetzes zu verändern.
Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen
Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorge-
nommen werden soll. Anlage 26
Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Antwort
Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der
sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kin- des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
derpornografie haben in der vergangenen Woche mit ei- der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Druck-
ner ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begon- sache 17/1534, Frage 41):
nen. Artikel 21 des Richtlinienvorschlags war bislang Wie und an wen – Mühlenbesitzer oder Endverbraucher –
nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch gedenkt die Bundesregierung nach der am 23. April 2010 er-
nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand folgten Zustimmung der EU zu den Regelungen der Besteue-
rung von Rapsöl im Wachstumsbeschleunigungsgesetz die
von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppene- überzahlten Steuern zurückzuzahlen?
bene sein wird.
Die im Wachstumsbeschleunigungsgesetz für Biodie-
sel und Pflanzenölkraftstoff festgelegte Fortschreibung
Anlage 24 der Steuerentlastungssätze des Jahres 2009 für die Jahre
2010 bis 2012 ist aufgrund der beihilferechtlichen Ge-
Antwort nehmigung der EU-Kommission vom 21. April 2010
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 in Kraft getreten.
gen der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ Die zuständigen Behörden der Zollverwaltung sind
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 38 und 39): bereits mit Erlass des BMF vom 22. April 2010 ange- (D)
(B)
Bis wann wird der Truppenübungsplatz Wittstock vom wiesen worden, nunmehr ausschließlich die aktuellen
Bundesministerium der Verteidigung, BMVg, an die Bundes- Steuerentlastungssätze anzuwenden und die notwendi-
anstalt für Immobilienaufgaben im Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Finanzen, BMF, übergeben?
gen Korrekturen für die zurückliegenden Monate des
Jahres 2010 von Amts wegen vorzunehmen.
Ab wann wird das Gelände für die zivile Nutzung zur Ver-
fügung stehen? Die noch ausstehenden Beträge können aus rechtli-
chen Gründen nur an die Steuerentlastungsberechtigten
Zu Frage 38: ausgezahlt werden. Steuerentlastungsberechtigt sind die
Das Bundesministerium der Verteidigung hat mit Steuerschuldner, also in der Regel diejenigen Unterneh-
Schreiben vom 30. März 2010 das Bundesministerium men, die den Bioreinkraftstoff in den Verkehr gebracht
der Finanzen darüber informiert, dass nach einem Ver- haben – zum Beispiel die Ölmühlenbesitzer. Endver-
zicht auf die Nutzung des Truppenübungsplatzes Witt- braucher sind nicht steuerentlastungsberechtigt.
stock als Luft-Boden-Schießplatz ein Bedarf für eine an-
derweitige militärische Nutzung nicht besteht. Aufgrund
ihrer Zuständigkeit prüft die Bundesanstalt für Immo- Anlage 27
bilienaufgaben derzeit die Modalitäten einer Übernahme Antwort
der Liegenschaft.
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
Zu Frage 39: des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 42):
Über den Zeitpunkt einer zivilen Nutzung des Gelän- Befürwortet die Bundesregierung eine Aufhebung der
des des Truppenübungsplatzes Wittstock lassen sich ge- Haushaltssperre für das Marktanreizprogramm, MAP, und,
genwärtig noch keine Aussagen treffen. wenn nein, welche alternativen Überlegungen existieren zur
weiteren Förderung des erneuerbaren Wärmemarktes?
Im Haushalt des BMU wurden beim Titel „Förderung
Anlage 25 von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Ener-
Antwort gien“ − zu dem auch das Marktanreizprogramm zählt −
115 Millionen Euro qualifiziert gesperrt, weil die Ein-
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage nahmenentwicklung des Bundes aus dem Handel mit
des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Druck- CO2-Emissionszertifikaten mit erheblichen Unsicherhei-
sache 17/1534, Frage 40): ten behaftet war. Nach derzeitigem Stand hat sich keine
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3783
(A) wesentliche Verbesserung gezeigt. Eine Aufhebung der Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat zuletzt die (C)
qualifizierten Sperre kommt somit derzeit aus Haushalts- Bewertung portugiesischer Staatsanleihen am 27. April
sicht nicht in Betracht. 2010 um zwei Stufen auf „A-“ und die Bewertung spani-
scher Staatsanleihen am 28. April 2010 um eine Stufe
Alternative Überlegungen zur Förderung des erneuer-
baren Wärmemarktes außerhalb des Marktanreizpro- auf „AA“ mit jeweils negativem Ausblick herunterge-
gramms gibt es derzeit nicht. Diese wären gegebenen- stuft. Zur Begründung ihrer Herabstufungen verweist die
falls im Rahmen des Energiekonzepts zu entwickeln. Agentur jeweils unter anderem auf vergrößerte haus-
haltspolitische Risiken, schlechte Wachstumsaussichten
und den aus Sicht der Agentur bestehenden Bedarf an
Anlage 28 zusätzlichen Sparanstrengungen.
(A) tungspaket für Griechenland verhandelt und, wenn nein, wa- Das Eingreifen zur Rettung Griechenlands liegt zual- (C)
rum nicht? lererst in unserem eigenen nationalen Interesse. Ohne
In Abstimmung mit den Eurozonen-Finanzministern ein Handeln des Internationalen Währungsfonds und der
sucht die Bundesregierung gegenwärtig den Dialog mit 15 Staaten des Euro-Währungsgebiets käme es zur Zah-
Vertretern der Finanzwirtschaft. Vertreter der deutschen lungsunfähigkeit Griechenlands, die nach Einschätzung
Finanzwirtschaft haben sich in einem Gespräch mit dem der Europäischen Zentralbank und der Europäischen
Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, Kommission die Finanzstabilität in der gesamten Euro-
am 4. Mai 2010 bereit erklärt, nach aller Möglichkeit, päischen Währungsunion gefährden würde.
bestehende Kreditlinien und des Anleihenengagement Bundeskanzlerin Merkel hat in einem gemeinsamen
gegenüber Griechenland für die Laufzeit des Hilfspro- Schreiben mit Präsident Sarkozy, dem luxemburgischen
gramms aufrechterhalten zu wollen. Außerdem haben Premierminister Juncker und dem griechischen Minister-
die Vertreter der Finanzwirtschaft ihre Bereitschaft er- präsidenten Papandreou vom 10. März 2010 die EU-
klärt, KfW-Anleihen zu zeichnen, die zur Finanzierung Kommission aufgefordert, möglichst rasch auf europäi-
des deutschen Beitrages ausgegeben werden. scher Ebene eine Untersuchung bezüglich der Rolle und
Auswirkungen von Spekulationen mit CDS-Geschäften
mit Staatsanleihen europäischer Länder durchzuführen
Anlage 32 und bei Verdacht auf einen maßgeblichen Einfluss spe-
kulativer Geschäfte auf die Entwicklung der Renditen
Antwort entsprechende Maßnahmen zu prüfen und gegebenen-
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage falls Rechtsakte zu entwerfen.
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) In Abstimmung mit den Euro-Zonen-Finanzministern
(Drucksache 17/1534, Frage 48): sucht die Bundesregierung den Dialog mit Vertretern der
Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus Finanzwirtschaft, um sich über die aktuelle Lage und die
der Griechenlandkrise für die Regulierung der Finanzmärkte jeweiligen Verantwortlichkeiten auszutauschen.
gezogen, und wann beginnt die Bundesregierung mit der Um-
setzung dieser Schlussfolgerungen?
(A) Die Erarbeitung von Alternativen bei der Gemeinde- Koalitionsvertrag entsprochen wird. In Ausnahmefällen (C)
finanzierung hat Auswirkungen auf eine Vielzahl von kann es aber auch künftig erforderlich sein, ein BFH-Ur-
Handlungsfeldern, auch auf den Kulturbereich. Bereits teil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzu-
im Rahmen der Kabinettbefassung zur Einsetzung der wenden.
Gemeindefinanzkommission hat der Beauftragte der
Bundesregierung für Kultur und Medien daher nach-
drücklich auf die Bedeutung einer Restrukturierung der Anlage 36
kommunalen Finanzen für den Kultursektor hingewie-
Antwort
sen. Die Bundesregierung ist sich der mittelbaren Aus-
wirkungen von Neuordnungen auf alle Bereiche kom- des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
munaler Infrastruktur – auch auf die Kultur – bewusst gen der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
und wird sie nicht außer Acht lassen. (Drucksache 17/1534, Frage 53):
Welche steuerlichen Mehreinnahmen infolge des Progres-
Zu Frage 51: sionsvorbehalts auf Kurzarbeitergeld erwartet die Bundesre-
gierung für das Kassenjahr 2009/2010 durch die Verlängerung
Die Bundesregierung ist sich sehr wohl bewusst, dass der Bezugsfrist auf 24 Monate, und wie sieht die Bundes-
bei einer andauernden finanziellen Schieflage der Kom- regierung das Leistungsfähigkeitsprinzip gewahrt, wenn das
Kurzarbeitergeld dem Progressionsvorbehalt unterworfen ist,
munen ihre zentrale Funktion als Träger vielfältigster hingegen per Doppelbesteuerungsabkommen freigestellte
kultureller Einrichtungen beeinträchtigt wird und die Mieterträge aus dem europäischen Ausland nach § 32 b
Kulturlandschaft in Deutschland Schaden nehmen kann. Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes von diesem
Mit der Einsetzung der Gemeindefinanzkommission hat ausgenommen sind?
die Bundesregierung die notwendigen Schritte zur Be- Durch die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes sind
wältigung der aktuellen Finanzprobleme der Kommunen keine Steuermehreinnahmen zu erwarten, da Kurzarbei-
eingeleitet. tergeld steuerfrei ist. Hingegen ist mit Steuerminderein-
Zuerst sind allerdings die Länder gefordert, die nach nahmen zu rechnen, soweit steuerpflichtige Löhne durch
der Finanzverfassung für eine angemessene Finanzaus- steuerfreies Kurzarbeitergeld ersetzt werden.
stattung ihrer Kommunen verantwortlich sind. Sie besit- Der Progressionsvorbehalt auf Kurzarbeitergeld ist
zen im kommunalen Finanzausgleich das geeignete gerechtfertigt, weil er den Grundsätzen einer Besteue-
Instrument, ihre Kommunen mit den Finanzmitteln aus- rung nach der Leistungsfähigkeit entspricht. Bezieht bei-
zustatten, die es ihnen erlauben, das gebotene Niveau an spielsweise ein Steuerpflichtiger während des Kalen-
kulturellen Angeboten aufrechtzuerhalten. derjahres nur steuerpflichtigen Lohn und ein anderer
(B) Steuerpflichtiger sowohl steuerpflichtigen Lohn als auch (D)
Kurzarbeitergeld in gleicher Gesamthöhe, so wäre der
Anlage 35 Steuersatz ohne Progressionsvorbehalt für beide Steuer-
pflichtige unterschiedlich. Der Progressionsvorbehalt
Antwort
bewirkt, dass bei gleichen Gesamteinnahmen der gleiche
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage Steuersatz auf die Löhne angewandt wird.
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Beim Progressionsvorbehalt für das Kurzarbeitergeld
(Drucksache 17/1534, Frage 52): und ausländische Mieterträge liegen unterschiedliche
Wie rechtfertigt die Bundesregierung die bisherige Veröf- Sachverhalte vor. Kurzarbeitergeld wird weder im Inland
fentlichung von vier Nichtanwendungserlassen durch das noch im Ausland steuerlich belastet. Hingegen sind die
Bundesministerium der Finanzen gegenüber dem im Koali-
tionsvertrag selbst gesetzten Ziel zu der Praxis der Nicht- in Rede stehenden Mieteinkünfte in Deutschland nur
anwendungserlasse, und welche Schlüsse zieht die Bundes- dann steuerfrei und vom Progressionsvorbehalt ausge-
regierung aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes, BFH, vom nommen, wenn sie nach den Doppelbesteuerungsab-
18. März 2010 (IX B 227/09), in welchem der BFH entgegen kommen im Ausland steuerpflichtig und gegebenenfalls
dem Nichtanwendungserlass vom 15. Februar 2010 seine
Rechtsauffassung erneut bestätigt?
auch steuerbelastet sind. Nach geltendem Recht kommt
für ausländische Verluste aus Vermietung und Verpach-
Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag enthält den tung kein negativer Progressionsvorbehalt zur Anwen-
Auftrag, sich in BMF-Schreiben auf die Auslegung der dung. Die Gesetzesänderung entspricht der auch unter
Gesetze zu beschränken und die Praxis der Nichtanwen- EU-Gesichtspunkten anerkannten Symmetriethese.
dungserlasse zurückzuführen. Die seit Beginn der
17. Legislaturperiode im Einvernehmen mit den obers-
ten Finanzbehörden der Länder ergangenen vier Nicht- Anlage 37
anwendungserlasse haben die Auslegung der Gesetze
Antwort
zum Gegenstand, wenn auch mit einem von der Auffas-
sung des Bundesfinanzhofs, BFH, abweichenden Ergeb- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
nis. Sie waren aus den in den BMF-Schreiben jeweils Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE
angeführten Gründen geboten. LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 54):
Wie ist zu erklären, dass sämtliche Unternehmen auf die
Das BMF wird aber auch in Zukunft weiterhin darauf Liste der akkreditierten Stellen bei der Deutschen Akkreditie-
hinwirken, dass BFH-Urteile grundsätzlich allgemein rungsstelle ohne vorherige Überprüfung übernommen wur-
angewandt werden und damit der Vereinbarung im den, und wie stellt die Bundesregierung sicher, dass diese Un-
3786 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) ternehmen in den nächsten fünf Jahren ihren Verpflichtungen Eckpunkte beschlossen, aber noch keine abschließende (C)
und Auflagen bei Zertifizierungen nachkommen? Entscheidung getroffen. Allerdings sind die Mitglied-
Die Unternehmen auf der Liste verfügen über gültige staaten aufgefordert, ihre nationalen Beiträge zur Erfül-
Akkreditierungen, die von Mitgliedern des Deutschen lung der EU-weiten Ziele bis zum Europäischen Rat im
Akkreditierungsrates, DAR, und/oder von staatlichen Juni zu definieren. Dies sind bekanntermaßen Ziele zur
Einrichtungen, zum Beispiel Zentralstelle der Länder für Beschäftigung, Forschung und Entwicklung sowie
Sicherheitstechnik, Zentralstelle der Länder für Gesund- Klima und Energie. Für die Ziele „Bildung“ sowie „För-
heitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, derung der sozialen Integration, insbesondere der Ver-
Kraftfahrtbundesamt, vor Inkrafttreten des Akkreditie- minderung der Armut“, sind noch geeignete EU-weite
rungsstellengesetzes ausgestellt wurden. Die Deutsche Zieldefinitionen zu finden. Hierzu wie auch zu dem Teil-
Akkreditierungsstelle GmbH, DAkkS, führt diese Ak- ziel „Verbesserung der Energieeffizienz in Richtung auf
kreditierungen gemäß den Vorgaben der Verordnung, 20 Prozent“ ist die Meinungsbildung innerhalb der Bun-
EG Nr. 765/2008 in Verbindung mit den Regelungen des desregierung bzw. zwischen Bundesregierung und Län-
Akkreditierungsstellengesetzes fort. dern noch nicht abgeschlossen.
Die Akkreditierung trifft lediglich eine Kompetenz- In dieser Woche findet ein erster Gedankenaustausch
feststellung, also eine Aussage darüber, ob eine Konfor- mit der Kommission darüber statt, wie und in welchem
mitätsbewertungsstelle technisch dazu in der Lage, das Umfang Deutschland zu den EU-weiten Zielen beitragen
heißt kompetent ist, eine bestimmte Konformitätsbewer- kann.
tungstätigkeit durchzuführen. Mit der Akkreditierung
durch die DAkkS ist nicht verbunden, dass die jeweilige Zu Frage 56:
Konformitätsbewertungsstelle ihre Tätigkeit ausüben Das BMWi hat am 18. März 2010 eine Informations-
und zum Beispiel am Markt anbieten darf. Hier bestehen veranstaltung mit Vertretern der Zivilgesellschaft und
verschiedene gesetzliche Regelungen, nach denen eine den Sozialpartnern durchgeführt. Alle Beteiligten hatten
Konformitätsbewertungsstelle zusätzlich zur Kompetenz- Gelegenheit, ihre Position zur geplanten Strategie „EU
bestätigung, das heißt der Akkreditierung, eines weiteren 2020“ darzulegen. Des Weiteren findet ein kontinuierli-
formalen Aktes bedarf, um in bestimmten Bereichen tä- cher Informationsaustausch zu Einzelaspekten zwischen
tig werden zu dürfen, zum Beispiel Anerkennung, Zulas- den jeweils dafür federführenden Ressorts und den ent-
sung, Benennung, Notifizierung. Das Akkreditierungs- sprechenden Teilen der Zivilgesellschaft statt.
stellengesetz verwendet für diesen formalen Akt den
Begriff der Befugniserteilung. Ausgesprochen werden Eine gesonderte Unterrichtung des Bundestages zur
die Befugniserteilungen durch unterschiedliche Behör- Beteiligung der Zivilgesellschaft ist nicht vorgesehen.
(B) den des Bundes oder der Länder, im Bereich der Schon bisher hat aber eine intensive Befassung aller (D)
Medizinprodukte ist dies die ZLG, auf der Grundlage des relevanten Bundestagsausschüsse zum Komplex „EU
jeweiligen Fachrechts, das mit der Schaffung des Akkre- 2020“ stattgefunden. Die Bundesregierung wird diese
ditierungsstellengesetzes nicht geändert wurde. Die zu- Unterrichtung selbstverständlich fortführen. In diesem
ständigen Behörden überwachen im Rahmen der Befug- Kontext erinnere ich daran, dass die Bundeskanzlerin
niserteilung die Einhaltung von Verpflichtungen und zugesagt hat, vor einer abschließen Entscheidung im Eu-
Auflagen. Die befugniserteilenden Behörden sind ferner ropäischen Rat die Rückendeckung des Bundestages ein-
in den Akkreditierungsprozess mit einbezogen, vgl. § 2 zuholen.
Abs. 3 sowie § 10 Abs. 1 Nr. 3 Akkreditierungsstellen-
gesetz.
Anlage 39
Antwort
Anlage 38
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra-
Antwort gen der Abgeordneten Andrea Nahles (SPD) (Drucksa-
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- che 17/1534, Fragen 57 und 58):
gen der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksa- Wie ist der Sachstand der Arbeit der Initiative „Wirt-
che 17/1534, Fragen 55 und 56): schaftsfaktor Alter“ und des RLW-Arbeitskreises Tourismus
– RLW: Richtlinien für den ländlichen Wegebau – insbeson-
Welche werden die nationalen Ziele, vor allem in den Be- dere hinsichtlich der Frage zum aktuellen Stand der Umset-
reichen Wirtschaft, Umwelt, Soziales und Beschäftigung, zung des barrierefreien Tourismus und zur Gewinnung kleiner
sein, die sich die Bundesregierung im Rahmen der neuen Stra- und mittlerer Unternehmen in der Tourismusbranche für den
tegie für Wachstum und Beschäftigung setzt? Seniorentourismus?
Wie werden dabei die Sozialpartner und die Zivilgesell- Wie wird die Bundesregierung die Barrierefreiheit im
schaft einbezogen, und in welcher Form wird der Deutsche Tourismus konkret kurzfristig erreichen, und welchen Stand
Bundestag darüber informiert? hat die Umsetzung der Leitlinien für den Tourismus für diesen
Bereich?
Zu Frage 55:
Zu Frage 57:
Im Unterschied zur auslaufenden Lissabon-Strategie
wird die neue Strategie „EU 2020“ dadurch geprägt, Im Rahmen der Initiative „Wirtschaftsfaktor Alter“
dass sie fünf EU-weite Kernziele enthalten wird. Zu die- fanden bisher zwei Fachforen „Wirtschaftsfaktor Alter“
sen Kernzielen hat der Europäische Rat am 25./26. März statt. Das zweite Fachforum am 28. April 2010 im
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3787
(A) BMWi hatte das Ziel, Erkenntnisse zum Wirtschaftsfak- Im Ergebnis der Arbeit an der oben genannten Studie (C)
tor Alter in die kleinen und mittleren Unternehmen zu hat sich die Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreie Reiseziele
tragen. Zu diesem Zweck wurden im Rahmen von Vor- in Deutschland“ gebildet. Ihr gehören inzwischen sieben
trägen und einer Ausstellung in sehr plastischer Form die Städte und Tourismusregionen an, die sich der Entwick-
heterogenen Bedürfnisse einer älteren Kundschaft darge- lung des barrierefreien Tourismus in Deutschland in
stellt. Außerdem wurden konkrete Umsetzungsstrategien besonderem Maße verschrieben haben – siehe: http://
von Unternehmen vorgestellt, Good Practice. Der Ar- barrierefreie-reiseziele.org
beitskreis Tourismus tagte bisher einmal im Oktober
2009. Die Teilnehmer waren sich einig, dass das Thema
„Wirtschaftsfaktor Alter“ nicht auf das Thema Barriere- Anlage 40
freiheit verkürzt werden sollte. Zentrales Thema bei der Antwort
Zielgruppe 50+ sei der Service. Der Arbeitskreis Touris-
mus wird sich im Herbst 2010 ein zweites Mal treffen. des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksa-
Das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der che 17/1534, Frage 59):
Deutschen Wirtschaft e. V., RKW, das die Arbeitskreise Hat die Bundesregierung im Vorfeld der anstehenden
organisiert, erarbeitet gerade eine Broschüre für kleine Sommerferienzeit mit den Ländern und der Tourismuswirt-
und mittlere Hotelbetriebe, gastronomische Betriebe und schaft konzeptionelle Gespräche geführt, um sich einen Über-
Freizeiteinrichtungen mit besonderem Fokus auf den blick über die zu erwartenden Touristenströme in Deutschland
zu verschaffen, und, wenn nein, aus welchen Gründen ist dies
Themen Service und Marketing. Des Weiteren sind re- nicht erfolgt?
gionale Aktivitäten rund um den Tourismus geplant,
zum Beispiel Veranstaltungen für Unternehmen und Die Bundesregierung steht im regelmäßigen Informa-
– gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeinde- tions- und Meinungsaustausch mit den Bundesländern
bund – für die Bürgermeister als wichtige Promotoren wie auch mit der Tourismuswirtschaft und ihren Ver-
des Themas Wirtschaftsfaktor Alter. bänden. Beispielsweise befasste sich der Bund-Länder-
Ausschuss Tourismus am 26. und 27. April 2010 mit
aktuellen gegenseitig interessierenden Belangen der
Zu Frage 58:
Tourismuspolitik.
Das Ziel der Barrierefreiheit ist auch im Tourismus Eine Einflussnahme auf die Touristenströme in
ein gesellschaftspolitisches Ziel, das alle Lebensbereiche Deutschland ist ausschließlich über die Ferienstaffelung
umfasst und sich auf eine Vielzahl von Maßnahmen im Rahmen der langfristigen Sommerferienregelung
gründet. Mit Blick auf die grundsätzlich gleichberech- möglich, die derzeit bis zum Jahr 2017 festgelegt ist. (D)
(B) tigte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftli-
Weitere Informationen hierzu enthält die Antwort auf
chen Leben sollen auch Urlaub und Reisen für behin- Frage Nr. 117. Insoweit besteht derzeit kein aktueller
derte Menschen zur Selbstverständlichkeit werden. Handlungsbedarf.
Dieses Ziel kann nur schrittweise erreicht werden und
bedarf des Engagements aller am Tourismus beteiligten
Unternehmen und Einrichtungen, Länder, Regionen, Anlage 41
Kommunen, touristische Unternehmen, insbesondere
das Gastgewerbe, Freizeitparks, Architekten, das Bau- Antwort
wesen, der Verkehrsbereich usw. Die Bundesregierung des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra-
kann hierzu nur Anstöße geben. gen der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm (SPD)
(Drucksache 17/1534, Fragen 60 und 61):
Die Tourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregie-
Welche Projekte zur Förderung der Leistungssteigerung
rung sehen vor, das Ziel der Barrierefreiheit als Quer- im Tourismusgewerbe werden derzeit finanziert, welche Pro-
schnittsaufgabe in allen Politikbereichen stärker zu ver- jekte sind darüber hinaus für diese Legislaturperiode in der
ankern. Die Bundesregierung fördert kontinuierlich Planung, und wie stellt sich der jeweilige Beratungsstand mit
Projekte der Nationalen Koordinationsstelle Tourismus den Antragstellern, insbesondere der Deutschen Zentrale für
für Alle e. V., NatKo. Die Zahl der behindertenfreundli- Tourismus und dem Deutschen Tourismusverband, dar?
chen und behindertengerechten touristischen Angebote Welche Ergebnisse hat die Ressortabstimmung mit den an-
deren Bundesministerien erbracht, die ebenfalls tourismuspo-
steigt deutlich an. Auch viele private Anbieter berück- litisch relevante Projekte finanzieren und planen?
sichtigen bei Ausbau und Modernisierung die Anforde-
rungen der Barrierefreiheit. Zu Frage 60:
Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Eine aktuelle Übersicht über die Leistungssteige-
Studie „Barrierefreier Tourismus für alle in Deutschland – rungsprojekte des BMWi wurde dem Tourismusauschuss
Erfolgsfaktoren und Maßnahmen zur Qualitätssteige- des Deutschen Bundestages zuletzt mit Schreiben des
rung“, 2008, hat eine Bestandsanalyse vorgenommen Parlamentarischen Staatssekretärs Ernst Burgbacher
und Handlungsempfehlungen herausgearbeitet. Viele in vom 24. März 2010 zur Verfügung gestellt. Zu den lau-
der Tourismusplanung tätige Akteure haben den Hand- fenden Vorhaben gehören unter anderem gemeinsam mit
lungsbedarf erkannt und setzen ihn bereits um. Sie ver- dem Deutschen Tourismusverband, DTV, ein Projekt
stärken ihre Angebote für einen barrierefreien Touris- zum Gesundheitstourismus und ein Pilotprojekt zum
mus. Radtourismus. In der Planungsphase befindet sich zum
3788 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Beispiel gemeinsam mit der Deutschen Zentrale für Tou- und des Kindergeldes um 20 Euro je Kind ab 1. Januar (C)
rismus, DZT, ein Projekt zur Fußball-Frauen-WM 2011. 2010 werden Familien mit Kindern gezielt unterstützt.
Gemeinsam mit den Einkommensteuersenkungen, die
Zu Frage 61: bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossen wur-
den, ist damit ein Sofortprogramm mit einem Entlas-
Der Beauftragte der Bundesregierung für Mittelstand tungsvolumen von rund 24 Milliarden Euro in Kraft
und Tourismus wird in naher Zukunft Gespräche mit an- getreten. Dies stärkt insgesamt die verfügbaren Einkom-
deren Ressorts führen. Dabei wird es auch um die ver- men, die in diesem und im nächsten Jahr um 1 Prozent
stärkte Koordination tourismusrelevanter Projekte in den bzw. 1,4 Prozent zunehmen dürften, und stimuliert auf
einzelnen Ressorts gehen. diese Weise die privaten Konsumausgaben. Isolierte Be-
rechnungen zu den Wachstums- und Beschäftigungswir-
kungen von einzelnen Politikmaßnahmen führt die Bun-
Anlage 42 desregierung grundsätzlich nicht durch.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Anlage 44
Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksa-
che 17/1534, Frage 62): Antwort
Wie viele Mediationsverfahren hat der seit dem 1. März des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
2010 von der Bundesregierung beauftragte Kreditmediator, Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
Hans-Joachim Metternich, der laut Medienberichten ein Jah- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 64):
resgehalt von 200 000 Euro bezieht sowie samt Mitarbeiter-
stab den Bundeshaushalt mit jährlich rund 5 Millionen Euro Wie konkret soll der Zwischenbericht der Energieszena-
belastet, begleitet, und mit welchen Ergebnissen konnten rien für das Energiekonzept der Bundesregierung – Projekt
diese Verfahren abgeschlossen werden? Nr. 12/10 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Techno-
logie – nach dem Willen der Bundesregierung ausgestaltet
Das Kreditmediationsverfahren wurde zum 31. März sein, und sollen insbesondere die Ergebnisse der verschiede-
2010 bei allen am Verfahren Beteiligten vollständig im- nen Szenarien bereits darin enthalten sein?
plementiert. Seitdem können mittelständische Unterneh- Im Auftragsschreiben ist vorgegeben, dass der Zwi-
men, deren Finanzierungsbemühungen bislang ohne Er- schenbericht der beauftragten Institute erste Ergebnisse
folg geblieben sind, einen Antrag auf Kreditmediation enthalten soll. In den begleitenden Arbeitsgesprächen
stellen. Auf die Homepage des Kreditmediators wurde werden die erzielten Fortschritte regelmäßig diskutiert.
bereits über 63 000 Mal zugegriffen. Der Antrag auf Er-
öffnung des Kreditmediationsverfahrens wurde über
(B) 2 000 Mal abgerufen. Bis Ende April sind davon 26 An- (D)
Anlage 45
träge mit einem angegebenen Volumen in Höhe von
44 Millionen Euro eingegangen. Hiervon mussten 8 An- Antwort
träge mit einem bei der Hausbank beantragten Kredit- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra-
volumen in Höhe von insgesamt 1,34 Millionen Euro gen der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel
aufgrund fehlender Antragsvoraussetzungen abgelehnt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534,
werden. Die übrigen Anträge werden gemäß dem defi- Fragen 65 und 66):
nierten Verfahren derzeit bearbeitet. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die insgesamt
ausstehenden Forderungen deutscher Rüstungsunternehmen
gegenüber Griechenland, und in welcher Höhe sind frühere
Anlage 43 Exportlieferungen durch Kredite und staatliche Bürgschaften
von Deutschland abgesichert?
Antwort Kann die Bundesregierung Berichte bestätigen, nach de-
nen Griechenland bei der Begleichung von U-Boot-Lieferun-
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die gen gegenüber ThyssenKrupp neue Lieferungen in Auftrag
Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksa- gegeben hat, und welchen Einfluss hat die Bundesregierung
che 17/1534, Frage 63): auf diese Entscheidung genommen (Financial Times Deutsch-
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung be- land, „Deutsche U-Boote, griechischer Zorn“ vom 20. April
züglich der negativen Auswirkungen des Wachstumsbe- 2010)?
schleunigungsgesetzes, die Mitarbeiter des Sachverständigen-
rates mit Modellrechnungen nachgewiesen haben, da das Zu Frage 65:
Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Wirtschaftsleistung
Deutschlands maximal um lediglich 0,07 Prozent erhöht und Umfassende Informationen über ausstehende Forde-
gleichzeitig – durch die Steuermindereinnahmen – sogar ne- rungen deutscher Rüstungsunternehmen gegenüber Grie-
gative Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt erwartet chenland liegen der Bundesregierung nicht vor. Die ihr
werden, und zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung
bei ihren eigenen Berechnungen über die Wirkungsweise des bekannt gemachten Forderungen einzelner Unternehmen
Wachstumsbeschleunigungsgesetzes gekommen? liegen in einer Größenordnung von 750 bis 800 Millio-
nen Euro.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz setzt an vielen
Stellen Impulse: Die Steuerlast von Unternehmen wurde Zwischen den Jahren 1983 und 2003 wurden Exporte
gesenkt. Unternehmen können außerdem unter erleich- von Rüstungsfirmen in Höhe von rund 428 Millionen
terten Bedingungen vererbt werden. Mit der Erhöhung Euro abgesichert. Es bestehen Überfälligkeiten aus einer
des Kinderfreibetrags von 6 024 Euro auf 7 008 Euro Schlussrate in Höhe von 5,9 Millionen Euro.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3789
(A) Zu Frage 66: abgelöst worden. Steuer- und Beitragssenkungen kom- (C)
men danach allen Personen in Altersteilzeit, für die eine
Der Bundesregierung ist bekannt, dass ThyssenKrupp Bruttoaufstockung entsprechend der gesetzlichen Rege-
Marine Systems, TKMS, mit der griechischen Regierung lung im Altersteilzeitgesetz vereinbart wurde, zugute.
Verhandlungen über die Begleichung von Restforderun-
gen aus U-Boot-Lieferungen führt und dass die griechi- Die gesetzlichen Mindestnettobeträge gelten lediglich
sche Regierung die unter Vertrag befindliche Moderni- noch für Altersteilzeitverhältnisse, die vor dem 1. Juli
sierung zweier älterer U-Boote stornieren und 2004 begonnen wurden. Da die maximale Förderdauer
stattdessen zwei weitere neue U-Boote bei TKMS be- sechs Jahre beträgt, läuft die Förderung dieser Altfälle
stellen will. Auf diese Absicht der griechischen Regie- grundsätzlich spätestens zum 30. Juni 2010 aus. Nach
rung hat die Bundesregierung keinen Einfluss genom- Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit gab es zu
men. Beginn des Jahres 2010 höchstens noch etwa 1 000 Fälle.
Die Bundesregierung appelliert an alle Betriebspart-
ner und (Tarif-)Vertragsparteien, bei ihren Vereinbarun-
Anlage 46 gen zur Altersteilzeit die vom Gesetzgeber im Jahr 2003
Antwort vorgenommene Umstellung auf Bruttoaufstockungen
nachzuvollziehen und so alle Personen in Altersteilzeit
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die an Steuer- und Beitragssenkungen teilhaben zu lassen.
Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/1534, Frage 67):
Beinhalten die Szenarien, welche die Bundesregierung Anlage 48
sich zur Erarbeitung ihres Energiekonzeptes erarbeiten lässt,
auch dynamische Simulationen, welche die Fluktuationscha- Antwort
rakteristik von Wind- und Solarenergie mit stündlicher Auf-
lösung für die Zieljahre unter realen meteorologischen und des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
hydrologischen Bedingungen berücksichtigen, und, falls ja, Frage der Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Druck-
werden daraus Rückschlüsse auf die jeweiligen Jahresvolllast- sache 17/1534, Frage 69):
stunden konventioneller Kraftwerke – Atomkraftwerke, Koh-
lekraftwerke, Erdgaskraftwerke, Ölkraftwerke – im Betrach- Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass so-
tungszeitraum gezogen? lange die Mindestnettobetragstabelle nicht an die geltende
Rechtslage angepasst wird – der Differenzbetrag zwischen der
Alle Szenarien werden durch dynamische Simula- früheren Lohnsteuer und der neuen, ab 1. Januar 2010 gelten-
den Steuer – durch die Zahlung eines geringeren Aufsto-
tionsrechnungen gestützt. Im verwendeten Modell sind ckungsbetrags – beim Arbeitgeber verbleibt?
(B) die Fluktuationscharakteristiken von Wind- und Solaren- (D)
ergie hinterlegt und an empirische Zahlen kalibriert. Die Vereinbarung von Mindestnettobeträgen kann
Diese Fluktuationen übertragen sich auf den Strombe- dazu führen, dass infolge von Steuer- und sozialversi-
darf, der nach Berücksichtigung von „must-run-Kapazi- cherungsrechtlichen Entlastungen ein geringerer Aufsto-
täten“ noch verbleibt und durch konventionelle Kraft- ckungsbetrag gezahlt werden muss. Das Altersteilzeitge-
werke gedeckt werden muss, die „residuale Last“. Dies setz wurde bereits im Jahr 2003 geändert und auf diese
hat Auswirkungen auf die Fahrweise der konventionel- Weise die schon damals von vielen als ungerecht emp-
len Kraftwerke und somit auf die Volllaststunden. In der fundene Rechtsfolge vermieden. Steuer- und Beitrags-
langen Frist passt sich durch diesen Mechanismus auch senkungen kommen seitdem allen Personen in Altersteil-
der Kraftwerkspark an, was ebenfalls in den Simulatio- zeit, für die eine Bruttoaufstockung entsprechend der
nen berücksichtigt wird. gesetzlichen Regelung im Altersteilzeitgesetz vereinbart
wird, zugute.
Anlage 47
Anlage 49
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage der Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Druck- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
sache 17/1534, Frage 68): Fragen der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE
LINKE) (Drucksache 17/1534, Fragen 70 und 71):
Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, dass Be-
schäftigte in Altersteilzeit durch den Verzicht auf eine neue Wie soll nach den Plänen der Bundesregierung zur Bür-
Mindestnettobetragstabelle im Gegensatz zu den aktiv Be- gerarbeit die Zusätzlichkeit der Tätigkeiten sichergestellt wer-
schäftigten nicht von den Senkungen bei Steuern und Sozial- den, und ist dazu die verpflichtende Einrichtung von Beiräten
versicherungsbeiträgen profitieren? oder ähnlichen Einrichtungen vorgesehen?
Soll es nach den Plänen der Bundesregierung zur Bür-
Auch Arbeitnehmer in Altersteilzeit sind aktiv be- gerarbeit auch möglich sein, passive Leistungen zur Finanzie-
schäftigt und profitieren von den Senkungen bei Steuern rung heranzuziehen, also die entsprechenden Haushaltstitel
und Sozialversicherungsbeiträgen. Für Arbeitnehmer, – Arbeitslosengeld II, Beteiligung des Bundes an den Leistun-
gen für Unterkunft und Heizung – mit einem Haushaltsver-
die ihre Altersteilzeit ab dem 1. Juli 2004 begonnen ha- merk zu versehen, und mit welchen Maßnahmen will die Bun-
ben, gilt eine Bruttoaufstockung. Die bis zum 30. Juni desregierung bei der Bürgerarbeit verhindern, dass es zu
2004 gesetzlich geltende Mindestnettoaufstockung ist starken Creaming-Effekten kommt?
3790 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Zu Frage 70: mit aus dem Leistungsbezug Arbeitslosengeld II herauskom- (C)
men, und wie hoch soll das Bruttoeinkommen eines Singles
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ohne Kind sein?
ein Interessenbekundungsverfahren zur Durchführung Wie viele Stellen sollen im Rahmen der Bürgerarbeit ein-
von Modellprojekten „Bürgerarbeit“ eingeleitet. Das In- gerichtet werden, und über welche arbeitsmarktpolitischen In-
teressenbekundungsverfahren wurde am 30. April 2010 strumente soll die Bürgerarbeit – bitte konkrete Instrumente
mit Sozialgesetzbuch und einzelnen Paragrafen bzw. Unterpa-
im Bundesanzeiger veröffentlicht. Im Rahmen der Mo- ragrafen angeben – finanziert werden?
dellprojekte „Bürgerarbeit“ können Arbeitgeber geför-
dert werden, die Arbeitsplätze für zusätzliche und im öf- Zu Frage 72:
fentlichen Interesse liegende Arbeiten im Sinne der
Vorschrift des § 261 Drittes Buch Sozialgesetzbuch ein- Gefördert werden sollen in der vierten Stufe der
richten. Danach sind Arbeiten zusätzlich, wenn sie ohne Modellprojekte „Bürgerarbeit“ befristete sozialversiche-
die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit 30 Wo-
zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Ar- chenstunden mit einem Zuschussbetrag zum Arbeitsentgelt
beiten, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung in Höhe von 900 Euro monatlich, zusätzlich wird der So-
durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristi- zialversicherungsaufwand des Arbeitgebers, ohne Ar-
schen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt beitslosenversicherungsbeitrag, mit bis zu 180 Euro mo-
werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die natlich gefördert. Die Beschäftigungsverhältnisse sollen
Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durch- nicht der Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversiche-
geführt werden. rung unterliegen. Für Personen, denen eine Beschäfti-
gung mit 30 Wochenstunden nicht möglich ist, können
Die verpflichtende Einrichtung von Beiräten oder alternativ auch Beschäftigungen mit 20 Wochenstunden
ähnlichen Einrichtungen ist nicht vorgesehen. Das Bun- und einem Zuschuss von 600 Euro monatlich und bis zu
desministerium für Arbeit und Soziales geht davon aus, 120 Euro monatlich für den Sozialversicherungsaufwand
dass bei einer sorgfältigen Anwendung der Kriterien und des Arbeitgebers, ohne Arbeitslosenversicherungsbei-
der freiwilligen Einbindung der maßgeblichen Akteure trag, gefördert werden.
des regionalen Arbeitsmarktes die Zusätzlichkeit der Ar-
beiten gewährleistet werden kann. Bei einem Arbeitnehmerbruttoeinkommen von 900 Euro
monatlich würde eine Single-Bedarfsgemeinschaft die
Zu Frage 71: Hilfebedürftigkeit nicht vollständig überwinden, diese aber
deutlich reduzieren. Die Beschäftigungsstufe der Modell-
Die Zuschüsse für die vierte Stufe der Modellprojekte projekte „Bürgerarbeit“ ist jedoch keine Vollzeitarbeits-
„Bürgerarbeit“, der befristeten sozialversicherungs- stelle und nicht isoliert zu betrachten, sondern das
(B) pflichtigen Beschäftigung mit zusätzlichen und im öf- Modellprojekt „Bürgerarbeit“ im Interessenbekundungs- (D)
fentlichen Interesse liegenden Arbeiten, sollen aus den verfahren des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia-
Eingliederungsmitteln und ESF-Mitteln des Bundes fi- les beschreibt einen Prozess aus den Komponenten
nanziert werden. Ein Deckungsvermerk zu anderen Beratung/Standortbestimmung, Vermittlungsaktivitä-
Haushaltstiteln ist nicht vorgesehen. ten, Qualifizierung/Förderung und der eigentlichen „Bür-
gerarbeit“, einer sozialversicherungspflichtigen Beschäf-
Das Interessenbekundungsverfahren des Bundesmi- tigung. Es soll erreicht werden, einen möglichst hohen
nisteriums für Arbeit und Soziales macht deutlich, dass Anteil der arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
ein möglichst hoher Anteil der arbeitslosen erwerbsfähi- durch qualitativ gute und konsequente Aktivierung, Min-
gen Hilfebedürftigen durch qualitativ gute und konse- destdauer sechs Monate, in den allgemeinen Arbeitsmarkt
quente Aktivierung in den allgemeinen Arbeitsmarkt in- zu integrieren und nur die arbeitslosen erwerbsfähigen
tegriert werden soll und nur diejenigen arbeitslosen Hilfebedürftigen in Bürgerarbeit zu beschäftigen, deren
Hilfebedürftigen in „Bürgerarbeit“ einmünden sollen, Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt während der
deren Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht Aktivierungsphase nicht gelingt oder in absehbarer Zeit
möglich ist. Interessierte Grundsicherungsstellen müs- nicht möglich erscheint.
sen im Antrag für eine Teilnahme an den Modellprojek-
ten auch Aussagen zur Qualitätssicherung machen. Zu Frage 73:
Durch ein sorgfältig erarbeitetes und nachhaltig umge-
setztes Konzept für ein Modellprojekt „Bürgerarbeit“ Über das Fördervolumen der Modellprojekte wird
können Creaming-Effekte weitgehend vermieden, je- nach Auswertung des am 30. April 2010 im Bundesan-
doch nicht vollständig ausgeschlossen werden. zeiger veröffentlichten Interessenbekundungsverfahrens
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ent-
schieden.
Anlage 50 Die Aktivierungsstufen, bestehend aus den Kompo-
Antwort nenten Beratung/Standortbestimmung, Vermittlungsak-
tivitäten, Qualifizierung/Förderung, werden im Rahmen
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die der Dienstleistungen, zum Beispiel Beratung, Vermitt-
Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE lung, und Eingliederungsleistungen, zum Beispiel § 16
LINKE) (Drucksache 17/1534, Fragen 72 und 73): Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Leistungen zur Einglie-
Stellen die Pläne der Bundesregierung zur Bürgerarbeit si- derung – in Verbindung mit den Leistungen des Dritten
cher, dass Regelleistungsbezieher – Singles ohne Kind – da- Buches Sozialgesetzbuch, zum Beispiel Förderung aus
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3791
(A) Roten Koralle existiert bisher kein international binden- Die eigentliche Pflege der Gräber ist und bleibt Sache (C)
des Abkommen. Der Antrag der EU und der USA, die der Friedhofsträger, die diese Aufgabe bisher sehr ernst
Rote Koralle in Anhang II des CITES-Artenschutzab- genommen haben. Die Bundesregierung hatte bisher kei-
kommens aufzunehmen, wurde von der letzten Vertrags- nen Grund, sich über die Arbeit der Friedhofsträger zu
staatenkonferenz abgelehnt. Die Bundesregierung prüft beklagen.
derzeit, wie in dieser Sache weiter vorgegangen werden
kann. Gedenkstätten, die außerhalb von Kriegsgräberstätten
gelegen sind oder auf Kriegsgräberstätten keinen unmit-
telbaren Bezug zur den dort liegenden Toten haben, fal-
len nicht unter das Gräberrecht. Diese werden zu den
Anlage 53 Denkmälern gezählt. Der Denkmalschutz ist Angelegen-
Antwort heit der Länder und Gemeinden. Die Pflege erfolgt in
der Regel durch die Gemeinden, auf deren Territorien
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage diese Denkmäler stehen.
des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 78):
Hat das Bundesministerium der Verteidigung Hinweise
Anlage 55
über thermobarische Sprengköpfe in den Händen von Taliban-
Gruppierungen, und kann die Bundesregierung die Darstellung
Antwort
von Spiegel Online („Das Gesicht des Feindes“ vom 12. April des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
2010), wonach „Aufständische“ in Afghanistan im Besitz von
„Aerosol-Panzergranaten“ sein sollen, bestätigen? Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck-
sache 17/1534, Frage 80):
Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen keine Welche Kontakte finden im gesamten Jahr 2010 zwischen
Erkenntnisse darüber vor, dass sich funktionsfähige thermo- der Bundesregierung und anderen EU-Staaten statt, bei denen
barische Munition in den Händen von Taliban-Gruppie- es um einen Erfahrungsaustausch über familienpolitische
rungen bzw. „Aerosol-Panzergranaten“ im Besitz von Maßnahmen – bitte genaue Aufführung der Termine, der be-
teiligten Staaten, der anvisierten Gesprächsthemen, der je-
Aufständischen in Afghanistan befinden. weils beteiligten Arbeitsebenen wie zum Beispiel Referate
und Abteilungen im Bundesministerium für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend, der beteiligten Politikerinnen und Po-
litiker – geht?
Anlage 54
Zum Erfahrungsaustausch über familienpolitische
Antwort Themen zwischen Deutschland und anderen EU-Staaten
(B) (D)
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die haben im Jahr 2010 bereits folgende Veranstaltungen
Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) stattgefunden: internationale Fachtagung am 29. Januar
(Drucksache 17/1534, Frage 79): 2010 in Berlin: Familienunterstützende Dienstleistungen
in Europa: aktuelle Herausforderungen und Entwicklun-
Auf welche Art und Weise wird die Erfüllung des Abkom- gen, veranstaltet von DV, ISS und BMFSFJ, Austausch
mens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Re-
gierung der Russischen Föderation über Kriegsgräberfürsorge mit: Belgien, Schweden Frankreich, Italien, Spanien, Li-
in der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Dezember 1992 tauen, UK, Polen; internationale Fachtagung am 11. und
gewährleistet, um die Gräber und Gedenkstätten, die an die 12. Februar 2010 in Berlin: Förderung der Elternkompe-
Zehntausende sowjetischer Soldaten erinnern, die den Kampf tenz in Europa – Instrumente und Effekte, veranstaltet
um die Befreiung Deutschlands vom Faschismus mit ihrem
Leben bezahlt haben und nun in deutscher Erde ruhen, würdig
von ISS, DV und BMFSFJ, Austausch mit: Spanien,
zu erhalten und zu pflegen? Schweiz, Österreich, Frankreich, Ungarn, UK, Belgien,
Portugal, Malta, Finnland, Niederlande, Irland, Grie-
Die Gräber sowjetischer Soldaten, die im Zusammen- chenland, Rumänien, Estland; hochrangige Gruppe für
hang mit dem 2. Weltkrieg auf dem Gebiet der Bundes- Fragen der Demografie der EU-Kommission am
republik Deutschland zu Tode gekommen sind, fallen 22. Februar 2010 in Brüssel zum Thema Europäische
unter das Gräberrecht. Das heißt, dass diese Gräber dau- Allianz für Familien und Demografischer Wandel mit al-
ernd bestehen bleiben. Die Pflege und Instandsetzung len Mitgliedstaaten; Seminar der EU-Kommission am
aller Gräber, die unter das Gräberrecht fallen, wird von 23. Februar 2010 in Brüssel zum Thema „Familienpoli-
den jeweiligen Friedhofsträgern wahrgenommen. Dies tik in der Wirtschaftskrise“ mit verschiedenen Mitglied-
können Kommunen, Landkreise, Kirchengemeinden staaten und Informationsveranstaltung am 4. März 2010
oder auch Länder sein. in Brüssel zur „Familyplatform“, Austausch mit: Nieder-
lande, Belgien, Irland, UK, Spanien, Tschechien, Polen,
Der Bund stellt zurzeit knapp 22 Millionen Euro jähr- Österreich, Frankreich, Finnland, Zypern, Kroatien.
lich für die Pflege und Instandsetzung der Gräber zur
Verfügung. Dieser Betrag wird nach der Gräberpau- Geplant sind im Jahr 2010 unter anderem noch fol-
schalverordnung anteilig auf die Bundesländer verteilt, gende Termine: 1. Konferenz der Familyplatform im
die ihrerseits die Gelder an die jeweiligen Friedhofsträ- Auftrag der EU-Kommission in Lissabon am 25. bis
ger weiterreichen. Um notwendige größere Sanierungs- 27. Mai 2010: Research on Families in Europe – Critical
arbeiten durchführen zu können, sind die Länder berech- Review. Es wird der Stand der Forschung in Europa in
tigt, aus den Pauschalen Rücklagen zu bilden. Dieses zentralen familienpolitischen Themenfeldern aufbereitet,
System hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. unter anderem Familienstrukturen und Familienformen,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3793
(A) staatliche Familienpolitik, außerdem werden wichtige Die Bundesregierung hat mit der Antwort auf die (C)
„policy issues“ einbezogen, Mutterschaft und Vater- Frage 87 der Fragestunde am 21. April 2010 lediglich
schaft in Europa, Vereinbarkeit etc.; Best Practice Work- darauf hingewiesen, dass das Bundesinstitut für Arznei-
shop der EU-Kommission am 2. Juni 2010 in Brüssel mittel und Medizinprodukte, BfArM, den Auftrag zur
zum Thema „Alleinerziehende im Rahmen der Europäi- Durchführung der Studie nicht erhalten hat, um mit de-
schen Allianz für Familien“; Treffen des europäischen ren Ergebnissen gesetzliche Änderungen vorzubereiten.
Expertennetzwerks für Familienpolitik am 25. Juni in Der Studieninhalt orientiert sich vielmehr unter anderem
Brüssel auf Einladung der EU-Kommission im Rahmen am Ergebnis des „Erfahrungsberichts zur Aufbereitung
der Europäischen Allianz für Familien: Policies for von Medizinprodukten in Deutschland“ vom März 2008.
families: focus on child well-being or promotion of Zitat aus Teil III des Berichts „Schlussfolgerungen und
employment; Treffen der Deutsch-Französischen-Kon- Maßnahmen“, Seite 18:
taktgruppe, BMFSFJ, Ministère du travail, des relations
Die Diskussionen in den vergangenen Monaten ha-
sociales, de la famille, de la solidarité et de la ville und
ben gezeigt, dass keine belastbaren Daten zur Qua-
Ministère de la santé et des sports, im Juni in Paris und
lität aufbereiteter Medizinprodukte in Deutschland
im Herbst in Berlin geplant, Themen sind noch nicht
vorliegen. So gibt es zwar vereinzelt Gutachten zur
abgestimmt; 2. Konferenz der Familyplatform am 4. und
Qualität von aufbereiteten, sogenannten Einmalpro-
5. November 2010 in Brüssel, Themen noch nicht abge-
dukten, die aber lediglich auf punktuellen, zum Teil
stimmt; Demografieforum der Europäischen Kommis-
von Fernsehmagazinen initiierten Stichproben ba-
sion, am 22. und 23. November 2010 in Brüssel, bislang
sieren. Bundesweite valide Daten, die Handlungs-
geplante Schwerpunktthemen: „Aktives Altern“ und
bedarf in der einen oder anderen Richtung begrün-
„Europäische Allianz für Familien“ sowie hochrangige
den könnten, liegen nicht vor. Zahlreiche Länder
Gruppe zu Fragen der Demografie der Kommission, vor-
haben daher das BMG gebeten zu prüfen, ob unter
aussichtlich im Juni und November 2010, Themen noch
Federführung des BfArM eine breit angelegte Stu-
nicht bekannt gegeben; alle Mitgliedstaaten.
die zur Qualität aufbereiteter Medizinprodukte
durchgeführt werden könnte.
Anlage 56 Auch wenn, wie bereits gesagt, die Feststellung, ob
im Bereich der Gesetz- oder Verordnungsgebung Hand-
Antwort lungsbedarf besteht, nicht zur Zielstellung der Studie ge-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die hört, wird die Bundesregierung selbstverständlich auch
Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksa- gesetzgeberische Konsequenzen ziehen, sollten die Er-
gebnisse der Studie dazu Anlass bieten.
(B) che 17/1534, Frage 81): (D)
Wann genau ist mit der Konkretisierung der geplanten
Einsparungen im Einzelplan 17 des Bundeshaushalts – bitte
exakten Termin nennen – zu rechnen? Anlage 58
Ihre Frage lässt vermuten, dass die Notwendigkeit Antwort
von Einsparungen im Einzelplan 17 bereits festgestellt der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf
ist. Diese Annahme ist nicht zutreffend. die Fragen der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE
Soweit sich Ihre Anfrage auf Presseberichte zu einer LINKE) (Drucksache 17/1534, Fragen 83 und 84):
angeblich geplanten Kürzung des Elterngeldes bezieht, Welche gesetzlichen Neuregelungen erachtet die Bundes-
können solche Berichte nicht bestätigt werden. Entspre- regierung für notwendig angesichts der Festlegungen der Ge-
chend dem Koalitionsvertrag prüft die Bundesregierung sellschafterversammlung der Gesellschaft für Telematik-
anwendungen der Gesundheitskarte mbH, Gematik, vom
eine Weiterentwicklung, Flexibilität und Entbürokrati- 19. April 2010 zur Zukunft des Projektes „elektronische Ge-
sierung des Elterngeldes. Danach sollen die Partnermo- sundheitskarte“, und wann könnten diese erfolgen?
nate gestärkt und ein Teilelterngeld bis zu 28 Monaten Welches Einsparpotenzial erwartet die Bundesregierung
eingeführt werden. Ob es in diesem Rahmen zu einer durch eine Umsetzung der Festlegungen der Gesellschafter-
Veränderung der Haushaltsansätze kommen wird, kann versammlung der Gematik vom 19. April 2010, die eine Be-
derzeit noch nicht beurteilt werden. schränkung der Entwicklung und Einführung der elektroni-
schen Gesundheitskarte auf drei Kernbereiche vorsehen?
Zu Frage 83:
Anlage 57
Die Bundesregierung unterstützt die heute dazu im
Antwort Ausschuss für Gesundheit von den Fraktionen der CDU/
der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf CSU und FDP eingebrachten Änderungsanträge zum
die Frage der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer Entwurf eines Gesetzes zur Änderung krankenversiche-
(SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 82): rungsrechtlicher und anderer Vorschriften (Bundestags-
drucksache 17/1297).
Mit welchen Zielen hat die Bundesregierung die Studie
zur Sicherheit der Aufbereitung von Einmalprodukten in Auf- Zum einen wird mit praktikableren Regelungen zu
trag gegeben, wenn die Bundesregierung gesetzliche Ände-
rungen bereits vor Abschluss der Studie ausschließt (Nach-
den Schiedsverfahren sichergestellt, dass Leistungser-
frage zu Frage 87, Fragestunde des Deutschen Bundestages bringer ihre im Zusammenhang mit der Einführung der
am 21. April 2010, Bundestagsdrucksache 17/1388)? elektronischen Gesundheitskarte und dem Aufbau der
3794 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) Telematikinfrastruktur entstehenden Ausstattungs- und 2007 bezifferte das Statistische Bundesamt die Zahl der (C)
Betriebskosten zeitnah ersetzt bekommen. Zum anderen nicht Krankenversicherten damals auf 196 000.
werden Regelungen zur Erstattung der beim Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik im Zusammen- Mit Wirkung vom 1. April 2007 wurden Nichtver-
hang mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur anfal- sicherte, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absi-
lenden Kosten aufgenommen. Damit wird dem Umstand cherung im Krankheitsfall haben und der gesetzlichen
Rechnung getragen, dass die Sicherheit der Daten zu- Krankenversicherung, GKV, zuzuordnen sind, versiche-
nehmend an Bedeutung gewinnt. Da der Aufbau der Te- rungspflichtig in der GKV. Personen ohne Absicherung
lematikinfrastruktur Aufgabe der Selbstverwaltung ist, im Krankheitsfall, die der privaten Krankenversiche-
sind die damit zusammenhängenden Kosten auch grund- rung, PKV, zuzuordnen sind, konnten sich im Zeitraum
sätzlich von ihr zu tragen. vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2008 im sogenannten
modifizierten Standardtarif der PKV versichern. Seit
Ob darüber hinaus – entsprechend der Bitte der Kos- 1. Januar 2009 greift für diesen Personenkreis eine Ver-
tenträger in der Gesellschafterversammlung der Gematik sicherungspflicht in der PKV gemäß § 193 Abs. 3 Versi-
am 19. April 2010 – weiterer Regelungsbedarf besteht, cherungsvertragsgesetz.
wird derzeit geprüft.
Im Rahmen der Statistik der GKV wird monatlich die
Zu Frage 84: Zahl sogenannter Rückkehrer erfasst. Demnach waren
im März 2010 rund 110 000 Mitglieder aufgrund der
Es war von Beginn an beabsichtigt, die Anwendungen Neuregelung für Personen ohne anderweitigen Anspruch
der elektronischen Gesundheitskarte schrittweise einzu- im Krankheitsfall (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch So-
führen. Die Selbstverwaltungspartner haben sich in der zialgesetzbuch – SGB V) in die GKV zurückgekehrt.
vorgenannten Gesellschafterversammlung darauf ver- Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Zahl bei-
ständigt, zunächst einen Notfalldatensatz, ein modernes tragsfrei mitversicherter Ehegatten und Kinder ist davon
Versichertenstammdatenmanagement sowie eine adres- auszugehen, dass insgesamt rund 154 000 Personen über
sierte Kommunikation zwischen den Leistungserbrin- diese Regelung wieder einen Versicherungsschutz in der
gern einzuführen. Andere Anwendungen haben ihre Pra- GKV erlangt haben. Die PKV verzeichnete nach aktuel-
xisreife noch nicht erreicht und müssen deshalb noch len Branchenangaben seit dem Jahr 2007 einen Zugang
überarbeitet und weiter getestet werden. von 53 000 Personen aus der Nichtversicherung.
Es haben sich also nicht die Anwendungen, sondern
Zu Frage 86:
die Schrittfolgen der Einführung der Anwendungen ver-
(B) (D)
ändert. Die Details der weiteren Projektplanung sind Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darü-
jetzt von der Selbstverwaltung zu erarbeiten. Ob sich ber vor, wie viele Personen von einem Ruhen nach § 16
daraus finanzielle Auswirkungen ergeben, kann erst Abs. 3 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betroffen
nach Abschluss der Arbeiten beurteilt werden. sind. Die Statistiken der gesetzlichen Krankenversiche-
rung sehen eine entsprechende gesonderte Erfassung
nicht vor.
Anlage 59
Antwort
Anlage 60
der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf
Antwort
die Fragen des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme
(SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 85 und 86): der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf
Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung die Frage der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer
bezüglich des derzeitigen Personenkreises ohne gesundheitli- (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 87):
chen Versicherungsschutz in der Bundesrepublik Deutsch-
land? Ist es richtig, dass die Regierungskommission zum Ge-
sundheitswesen über Ausnahmeregelungen zur Kopfpauschale
Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Um- bei Rentnerinnen und Rentnern nachdenkt (Süddeutsche Zei-
fang von in der gesetzlichen Krankenversicherung versicher- tung vom 30. April 2010), und zu welchen Ergebnissen kam
ten Personen, deren Versicherungsverhältnis aufgrund säumi- das für den 30. April 2010 geplante Treffen der Fachleute für
ger Beitragszahlung gemäß § 5 Abs. 3 a des Fünften Buches die Lösung der verwaltungstechnischen Probleme bei der Er-
Sozialgesetzbuch ruht? hebung der Kopfpauschale bei Rentnerinnen und Rentnern?
Anlage 62 des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksa-
Antwort che 17/1534, Frage 92):
Wie begründet die Bundesregierung, dass die Entschei-
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der dung, den kontrollierten Sichtflug, CVFR, auf Antrag der Air-
Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lines und nach Genehmigung durch das Luftfahrt-Bundesamt
NEN) (Drucksache 17/1534, Frage 89): zuzulassen, am Montag, dem 19. April 2010, erfolgte, ohne
dass das Forschungsflugzeug des Deutschen Zentrums für
Wie beurteilt die Bundesregierung den Ausbau des Flug-
Luft- und Raumfahrt Falcon 20E bereits gestartet war und ent-
hafens in Speyer unter der Berücksichtigung der Tatsache,
sprechende Messwerte über die Konzentration der Asche im
dass beim Genehmigungsverfahren die Höhe des Speyerer
deutschen Luftraum vorlagen?
Doms um circa 13 Meter zu niedrig angegeben wurde und nun
der Status des Weltkulturerbes in Gefahr ist, und teilt die Bun- Die Bundesregierung war bemüht, solche Flüge zu er-
(B) möglichen, um gestrandete Fluggäste so rasch wie mög- (D)
desregierung die Auffassung der Genehmigungsbehörde, dass
die Differenz in der Höhenberechnung des Doms für die Ge-
nehmigung des Flugplatzausbaus keine Rolle spielt? lich zurückzuholen. Die Ergebnisse mehrerer Testflüge
deutscher Luftfahrtunternehmen und die sehr guten Wet-
Die Zuständigkeit für den Ausbau des Verkehrslande- terbedingungen boten günstige Voraussetzungen hierfür.
platzes Speyer liegt bei der Luftfahrtbehörde des Landes Die Falcon des DLR konnte erst am späten Nachmittag
Rheinland-Pfalz. des 19. April starten, nachdem die Einrüstung mit den
Messgeräten und deren Kalibrierung abgeschlossen und
die vorläufige Verkehrszulassung erteilt war.
Anlage 63
Antwort
Anlage 65
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des
Antwort
Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 90 und 91): des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
In welcher Weise bemüht sich die Bundesregierung um Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksa-
Aufklärung der Ursachen für die Baumängel an der che 17/1534, Frage 93):
Bundesstraße 6 n in Sachsen-Anhalt bzw. der damit verbunde-
Plant die Bundesregierung nach den offensichtlichen In-
nen Kosten, die der Bund tragen muss, und welche neuen In-
formationsdefiziten für Reisende in der Zeit von Donnerstag,
formationen hat die Bundesregierung seit der Beantwortung
den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als
der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deut-
vom 6. Januar 2010 (Bundestagsdrucksache 17/396) zu die-
schen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht
sem Thema erhalten?
möglich waren, die Schaffung stabiler Informationsstrukturen
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den für Passagiere, und wird für ähnliche Ereignisse die Einrich-
aktuellen Presseartikeln, die darauf hinweisen, dass beim Bau tung einer kostenlosen Hotline für Betroffene erwogen?
der Bundesstraße 6 n erheblich betrogen worden sein soll und
die Landesbehörden das nicht ausreichend überprüft haben Die gigantische Aschewolke nach dem Vulkanaus-
sollen, und wie bewertet die Bundesregierung die Handlungs- bruch auf Island stellte den gesamten europäischen Luft-
weise der Landesbehörden, insbesondere die Begleitung der verkehr vor eine historisch bisher einmalige Herausfor-
Baumaßnahmen sowie die Informationen gegenüber dem
Bund?
derung. Die Bewältigung war für alle Beteiligten im
Luftverkehr Neuland. Bei der Krisenbewältigung wurde
Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs im Interesse aller, insbesondere auch der Passagiere,
gemeinsam beantwortet. eine Herangehensweise gewählt, die der Sicherheit Vor-
3796 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) rang einräumt. Diese Priorität ist auch in Zukunft ohne Bundesminister Brüderle hat am 19. April 2010 mit (C)
Alternative. Vertretern der betroffenen Wirtschaftszweige die Ein-
richtung einer Task Force vereinbart. Ziel der Task Force
Aufgrund der in dieser Krisensituation gemachten Er-
ist es, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Flugver-
fahrungen wird für die Zukunft bereits an Maßnahmen
bots zu ermitteln und Strategien zu erarbeiten, wie in
gearbeitet, um bei ähnlichen Ereignissen optimal reagie-
vergleichbaren Fällen Unterbrechungen in der Wert-
ren zu können. Dies wird sicherlich auch den Bereich
schöpfungskette vermieden werden können.
der Information von Fluggästen betreffen.
Anlage 68
Anlage 66
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
Abgeordneten Michael Groß (SPD) (Drucksache 17/1534,
Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Drucksache
Frage 96):
17/1534, Frage 94):
Von welchen Institutionen und Experten hat der Bundes-
Wurden die Schäden, insbesondere am Triebwerk des Nato-
minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter
Kampfjets F-16, der in der Zeit von Donnerstag, den 15. April
Ramsauer, in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis
2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über
Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutsch-
Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen
land oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund
aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, zu
der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, fachkundigen
Testzwecken über Europa geflogen ist, ausführlich analysiert
Rat eingeholt, und welche deutschen Messungen der Asche-
und, wenn ja, mit welchem Ergebnis?
konzentration in der Luft wurden in diesem Zeitraum vor dem
Die Bundesregierung hat Kenntnis über militärische Flug der Falcon 20E durchgeführt?
Flüge, die am 21. April 2010 über Deutschland stattge- Herr Bundesminister Dr. Ramsauer hat fachkundigen
funden haben. Nach Aussage der US-Streitkräfte wurden Rat bei den am Krisenstab direkt und indirekt Beteiligten
dabei keine unmittelbar auf Vulkanasche zurückzufüh- eingeholt. In diesem Krisenstab waren Experten aus den
renden Schäden festgestellt. verschiedensten Bereichen der Luftfahrt eingebunden.
Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine ei- Bereits seit dem 16. April 2010 wurden in Deutschland
genen Erkenntnisse vor. von verschiedenen Institutionen Messungen der Vulkan-
aschekonzentration in der Atmosphäre vorgenommen, so
zum Beispiel durch die deutschen LIDAR-Stationen des
(B) Anlage 67 Instituts für Troposphärenforschungen in Leipzig, IFT, (D)
Antwort der Ludwig-Maximilians-Universität in München und
auf der Zugspitze. Der Deutsche Wetterdienst hat mithilfe
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des seines neuen Ceilometermessnetzes, bestehend aus
Abgeordneten Michael Groß (SPD) (Drucksache 17/1534, 52 Systemen in ganz Deutschland, die Vulkanasche-
Frage 95): wolke flächendeckend registriert. Da sich die Vernetzung
Hat die Bundesregierung Krisenpläne für den Fall eines noch im Aufbau befindet, standen diese Daten nicht un-
weiteren Vulkanausbruchs mit Aschewolkenbildung, ver- mittelbar zur Verfügung.
gleichbar mit der Situation in der Zeit von Donnerstag, den
15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Über- Die Warnungen vor Vulkanasche bis zum 21. April
flüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen 2010 wurden generell im Einklang mit ICAO-Vorschrif-
Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich
waren, und, wenn ja, wie sehen diese Krisenpläne aus, und
ten und nationalen Betriebsvorschriften vom DWD, auf
wann greifen sie? der Grundlage der Warnempfehlungen des VAAC Lon-
don, in Warnungen für den Luftverkehr umgesetzt. Dies
Die Bundesregierung hat unverzüglich die grundle- entspricht den internationalen gültigen Regelungen der
genden Arbeiten zur Vorsorge im Luftverkehr bei künfti- Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO, fest-
gen Krisenfällen im Zusammenhang mit Vulkanasche gelegt im ICAO DOC EUR 019.
aufgenommen. Bundesminister Dr. Ramsauer hat am
27. April 2010 mit Vertretern der Wirtschaft und der zu-
ständigen deutschen sowie europäischen Behörden erör- Anlage 69
tert, wie das bereits vorhandene Regelwerk anzupassen
beziehungsweise fortzuentwickeln ist. An dieser Exper- Antwort
tenrunde nahm auch der Koordinator der Bundesregie-
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
rung für Luft- und Raumfahrt beim Bundesministerium
Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache
für Wirtschaft und Technologie, Parlamentarischer
17/1534, Frage 97):
Staatssekretär Hintze, teil.
Wann hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadt-
Zu den laufenden Aktivitäten dieser Expertengruppe entwicklung, Dr. Peter Ramsauer, von der Einrichtung einer
gehört auch die Ausarbeitung von Krisenplänen für Task Force zum Umgang mit der Einstellung des Luftverkehrs
in Deutschland aufgrund der Aschewolke durch den Bundes-
eventuelle zukünftige Ereignisse dieser Art. Sobald kon- minister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, er-
krete Maßnahmen ausgearbeitet worden sind, wird die fahren, und auf welche Art und Weise war der Bundesminister
Bundesregierung diese bekannt geben. Dr. Peter Ramsauer in die Vorbereitung und Durchführung des
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3797
(A) ersten Treffens am Montag, dem 19. April 2010, involviert Auf welche Art und Weise wurden die Flughäfen – und (C)
und hat Empfehlungen des Treffens, die den Geschäftsbereich hier besonders die Regionalflughäfen – über die stundenweise
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick- Öffnung des Luftraums am Sonntagabend, dem 18. April
lung betreffen, wie zum Beispiel das temporäre Aussetzen des 2010, informiert, und was waren die Gründe dafür, dass die
Nachtflugverbots und des Sonntagsfahrverbots für Lkws, er- zeitweise Öffnung des Luftraums durch die Airlines nur in äu-
arbeitet? ßerst begrenztem Rahmen genutzt wurde?
Zwischen den Bundesministerien fand und findet eine Die Information über die Gebiete mit von Asche kon-
enge Abstimmung statt. Es ist selbstverständlich, dass taminierten Lufträumen erfolgte durch den Deutschen
die einzelnen Bundesminister dringliche Anliegen, die Wetterdienst auf der Basis von sogenannten SIGMETs,
im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit an sie herangetra- Significant Meteorological Information. Derartige Luft-
gen werden, aufgreifen und mit den Beteiligten erörtern. fahrtinformationen stehen allen am Luftverkehr Beteilig-
ten rund um die Uhr zur Verfügung. Aus den SIGMETs
Die Bundesministerien nehmen hierzu eine gegensei- ist ersichtlich, für welches Gebiet das kontaminierte Ge-
tige Unterrichtung sowie Beteiligung der anderen Res- biet vorhergesagt wird.
sorts vor; dies ist regelmäßig und fortlaufend auch wäh-
rend und nach den Tagen der Beeinträchtigung des Am 18. April 2010 änderte sich die Lage der kontami-
Luftverkehrs durch Vulkanasche geschehen. nierten Gebiete für einen kurzen Zeitraum so, dass Flüge
nach Instrumentenflugregeln durchführbar waren. Das
kurze Zeitfenster ermöglichte nur wenigen Fluggesell-
Anlage 70 schaften, ihre Passagiere zu informieren, den Flug vorzu-
bereiten und durchzuführen. Gleiches gilt für die Interna-
Antwort tionalen Verkehrsflughäfen und die Regionalflughäfen.
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache
17/1534, Frage 98): Anlage 72
Wie bewertet die Bundesregierung die widersprüchlichen Antwort
Äußerungen des Bundesministers Rainer Brüderle – „Brü-
derle schloss ... staatliche Hilfen nicht aus“, in Hamburger des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
Abendblatt vom 19. April 2010 – und des Bundesministers Dr. Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/1534,
Peter Ramsauer – „Ich wehre mich gegen jeden Ruf an den
Staat“, in Hamburger Abendblatt vom 19. April 2010 – be- Frage 100):
züglich der Frage, ob es staatliche Unterstützung für die Air- Wer hat den Auftrag an die DFS Deutsche Flugsicherung
lines wegen der wirtschaftlichen Verluste infolge der Sperrung GmbH und Vertreter der deutschen Airlines erteilt, einen Lö-
des deutschen Luftraums aufgrund des Ausbruchs des Vulkans sungsweg zu finden, der eine schnellere Öffnung des deut-
(B) Eyjafjallajökull geben soll, und wird die Bundesregierung fi- schen Luftraums, der aufgrund der Aschewolke in der Zeit (D)
nanzielle Entschädigungen bzw. finanzielle Unterstützungen von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den
für die Airlines wie auch für die Flughäfen und von den Flug- 21. April 2010, weitestgehend geschlossen war, ermöglichen
ausfällen betroffenen deutschen Fluggäste zur Verfügung stel- sollte und dann konkret das Zulassen von Sondergenehmigun-
len? gen für Flüge im kontrollierten Sichtflugverfahren, CVFR,
beinhaltete, und auf welcher rechtlichen Grundlage haben die
Die Bundesregierung läßt sich im Hinblick auf mögli- DFS Deutsche Flugsicherung und die Airlines den Auftrag er-
che Forderungen von folgenden Überlegungen leiten: halten?
Bei den bisherigen Gesprächen ist nicht über Hilfen, Der Anspruch der Bundesregierung bestand darin, un-
sondern über Krisenmanagement gesprochen worden. ter Wahrung größtmöglicher Sicherheit, gemeinsam mit
Anträge auf Staatshilfe liegen dementsprechend zum allen Beteiligten eine Lösung zur Schadensminimierung
derzeitigen Zeitpunkt nicht vor. Die Bundesregierung ist zu finden. Alle Beteiligten haben innerhalb der gesetzli-
im Übrigen der Ansicht, dass der Staat nicht für unter- chen und internationalen Rahmenbedingungen an der
nehmerische Risiken in die Pflicht genommen werden Erarbeitung einer Lösung mitgewirkt.
darf. Eine staatliche Hilfeleistung kann nur ultima ratio
sein und muss zudem EU-weit koordiniert erfolgen.
Anlage 73
Die Situation ist nicht vergleichbar mit der in der
Folge des 11. Septembers 2001. Damals war für die eu- Antwort
ropäischen Luftverkehrsunternehmen durch die massi-
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der
ven Subventionen der US-Regierung für die dortigen
Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/1534,
Luftverkehrsunternehmen ein erheblicher Nachteil im
Fragen 101 und 102):
Wettbewerb entstanden, den es auszugleichen galt. Dies
ist nun nicht der Fall. Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung, dass
der Luftraum entweder sicher sei oder er es eben nicht sei,
und welche technischen und/oder wissenschaftlichen Gründe
gab es für die Entscheidung der Bundesregierung, die Geneh-
Anlage 71 migung von Flügen im kontrollierten Sichtflugverfahren,
CVFR, zu erteilen?
Antwort Welche Vorteile im Hinblick auf die Sicherheit der Passa-
giere boten die durch die Bundesregierung in der Zeit von
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April
Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/1534, 2010, genehmigten Flüge im kontrollierten Sichtflugverfah-
Frage 99): ren, CVFR, vor dem Hintergrund, dass es in weiten Teilen des
3798 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010
(A) deutschen Luftraums keine mit bloßem Auge sichtbare Was war der Grund dafür, dass in der Zeit von Donnerstag, (C)
Aschewolke gab, und warum wurden vor diesem Hintergrund den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als
in ein und demselben Luftraum Flüge im kontrollierten Sicht- Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deut-
flugverfahren, aber nicht im Instrumentenflugverfahren ge- schen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht
nehmigt? möglich waren, neben den unter Leitung der Deutschen Flug-
sicherung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetter-
Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs dienst und Eurocontrol ergriffenen Maßnahmen kein zentraler
gemeinsam beantwortet. Krisenstab beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung angesiedelt wurde, in dem auch Vertreter
Die gigantische Aschewolke nach dem Vulkanaus- der Airlines, der Flughäfen, der Bundesländer, der Trieb-
bruch auf Island stellte für den gesamten europäischen werks- und Flugzeughersteller sowie der Bundesministerien
in den Bereichen Wirtschaft, Verbraucherschutz, auswärtige
Luftverkehr ein historisch erstmaliges Phänomen und Angelegenheiten sowie des Kanzleramtes eingebunden wa-
damit eine bisher erstmalige Herausforderung dar. Es ren?
war deshalb bei Vorliegen erster Erkenntnisse absolut Auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt wa-
richtig und alternativlos, unverzüglich Vorsichtsmaßnah- ren in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mitt-
men zu ergreifen und am 15. April 2010 erhebliche Ein- woch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland
schränkungen des Flugverkehrs vorzunehmen. Sicher- oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der
Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, die deutschen
heit und die Befolgung klarer internationaler Regeln Bundesländer, die für die Luftverkehrsverwaltung und damit
waren oberstes Gebot. Die Bundesregierung hielt sich unter anderem auch für Themen wie die temporäre Aufhe-
bei allen ergriffenen Maßnahmen deshalb an die Vor- bung des Nachtflugverbots verantwortlich sind, in das Krisen-
gaben der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, management eingebunden?
ICAO. Das internationale Regelwerk untersagt Freigaben
für Flüge nach Instrumentenflugregeln in mit Vulkan- Zu Frage 103:
asche kontaminierten Lufträumen. Flüge nach Sichtflug- Die Bundesregierung hat unmittelbar am 15. April
regeln werden in dieser Vorschrift nicht adressiert. 2010 bei der DFS Deutschen Flugsicherung den zentra-
Flüge wurden im Einklang mit diesem Regelwerk ge- len Krisenstab aktiviert, durch den das BMVBS die Ak-
duldet, die nach den Kriterien des kontrollierten Sicht- tivitäten koordiniert hat.
fluges durchgeführt wurden, selbstverständlich unter Ein Austausch mit anderen betroffenen Stellen wie
bestmöglicher Nutzung der zur Verfügung stehenden In- Bundesressorts, Fluggesellschaften, Flughäfen, den
strumente und unter Wahrung der gebotenen Sicherheit. Bundesländern sowie der Herstellerindustrie hat regel-
Kontrollierte Sichtflüge setzen gute Sichtverhältnisse mäßig und anlassbezogen durch den Krisenstab oder im
voraus, sowie eine geringe Inanspruchnahme. Sollte die Rahmen der vorhandenen Strukturen stattgefunden. Der
Verkehrssituation es nicht zulassen, kann die Flugsiche- Krisenstab hat stets im engen Kontakt mit der Leitung
(B) rung Freigaben für entsprechende Flüge verweigern. (D)
des BMVBS gestanden, die vertreten durch den zustän-
digen Staatssekretär und Abteilungsleiter persönlich
Am 17. April 2010 erfolgten auf diese Weise eine
auch vor Ort präsent waren. Zusätzlich fanden mehrere
Reihe von Überführungsflügen unter anderem deutscher
Gespräche auf nationaler und europäischer Ebene statt.
Luftverkehrsgesellschaften, um die Flugzeuge für den
Die deutschen Fluggesellschaften waren ebenfalls eng
Normalbetrieb an ihren Bedarfsstandorten zu positionie-
eingebunden.
ren. Diese Flüge erfolgten ohne Passagiere und lieferten
zudem als technische Überführungsflüge der Bundes-
Zu Frage 104:
regierung und den zuständigen Fachbereichen wertvolle
Erkenntnisse. Am darauffolgenden Montag folgten erste Die Koordinierung mit den Bundesländern wurde
Passagierflüge unter den Bedingungen des oben be- durch eine Telefonkonferenz des Bundesverkehrsminis-
schriebenen kontrollierten Sichtflugs, um die seit Tagen ters Dr. Ramsauer mit den zuständigen Länderministern
im Ausland auf Flughäfen gestrandeten Urlauber nach am 18. April 2010 eingeleitet.
Deutschland zurückholen zu können.
Zur Nutzung von Zeitfenstern erging ein Appell an
Grundsätzlich gilt: Ein regelmäßiger, kommerzieller die für die Genehmigung zuständigen Landesluftfahrt-
Flugbetrieb nach den Regeln des Sichtflugverkehrs ist behörden in Abhängigkeit von der Wetterlage und der
im dicht belasteten europäischen und deutschen Luft- Vulkantätigkeit eine Lockerung bzw. Aussetzung von
raum sowie im Hinblick der herrschenden Wetterbedin- Nachtflugverboten, insbesondere zur Unterstützung der
gungen nicht möglich. Auch bei dieser Frage offenbaren Rückführung von Fluggästen, beizutragen.
sich die offenkundigen Defizite des bisherigen ICAO-
Regelwerks, welches die Bundesregierung nunmehr un-
ter Hochdruck weiterentwickeln will. Anlage 75
Antwort
Anlage 74 des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des
Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/
Antwort 1534, Fragen 105 und 106):
Wann hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadt-
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des entwicklung, Dr. Peter Ramsauer, von der drohenden Gefahr
Abgeordneten Uwe Florian Pronold (SPD) (Druck- erfahren, dass Überflüge über Deutschland oder An- und Ab-
sache 17/1534, Fragen 103 und 104): flüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke ver-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3799
(A) boten werden müssen und damit der Luftverkehr in Deutsch- wolke auf die Flugsicherheit über Europa, und sollte er an der (C)
land weitestgehend eingestellt werden muss, und wann hat er Telefon- und Videoschaltung nicht persönlich teilgenommen
die Bundeskanzlerin informiert und Kontakt zu seinen EU- haben, was war der Grund für seine Verhinderung?
Kollegen aufgenommen, um die notwendigen Maßnahmen zu
koordinieren? Bereits am Wochenende 17./18. April 2010 hat Bun-
Welche Krisenstäbe, geleitet durch Bundesminister, sind desverkehrsminister Dr. Ramsauer mehrere Gespräche
in Zusammenhang mit den Auswirkungen der Vulkanasche mit dem spanischen Verkehrsminister Blanco – EU-Rats-
auf den Luftverkehr von der Bundesregierung zu welchem präsidentschaft –, mehreren EU-Verkehrsministern so-
Zeitpunkt im Rahmen des Krisenmanagements in der Zeit
vom 15. April 2010 bis zum 21. April 2010 eingesetzt wor-
wie mit dem EU-Kommissar Kallas geführt. Unter spa-
den, um unter anderem die Kommunikation und Entschei- nischem Vorsitz hat dann am 19. April 2010 eine
dungsfindung zwischen den inhaltlich betroffenen Bundesmi- Telefon- und Videokonferenz der Verkehrsminister der
nisterien für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, für EU-Mitgliedstaaten stattgefunden. Ziel war die Abstim-
Wirtschaft und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft mung über ein koordiniertes europäisches Vorgehen, um
und Verbraucherschutz und dem Auswärtigen Amt herzustel-
len? den Flugverkehr unter sicheren Bedingungen wieder
aufnehmen zu können. Der spanische Verkehrsminister
Zu Frage 105: hat in Wahrnehmung der Ratspräsidentschaft Bundes-
verkehrsminister Dr. Ramsauer informiert; dieser war
Herr Bundesminister Dr. Ramsauer wurde am Don- per Telefon von unterwegs direkt zugeschaltet. Vor-Ort-
nerstag, den 15. April 2010 gegen Mittag zum Ende der Teilnehmer an der Videokonferenz war sein Vertreter
Verkehrsministerkonferenz mit den Bundesländern über Staatssekretär Professor Scheurle.
Warnmeldungen wegen der Aschewolke informiert. Eine
Information der Bundeskanzlerin und der EU-Kollegen
fand regelmäßig statt. Anlage 77
(A) Es handelt sich um eine Pufferlagerung von radioakti- trums für Neurodegenerative Erkrankungen im Bereich von (C)
ven Abfällen in der Regel für die Betriebsstätte der Ge- Orphan Diseases und insbesondere von ALS gesetzt?
sellschaft für Nuklear-Service mbH, GNS, in Duisburg. Die Bundesregierung fördert im Rahmen des Gesund-
Im Übrigen wurde diese Nutzung des Transportbehäl- heitsforschungsprogramms Forschung zu Krankheitsur-
terlagers Ahaus bereits in der Antwort der Bundesregie- sachen, Diagnostik und Therapie von seltenen Erkran-
rung auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen kungen mit einer Fördermaßnahme, die darauf abzielt,
vom 17. Dezember 2009 behandelt. nationale Kompetenzen zu Gruppen von seltenen Er-
krankungen in Forschungsnetzen zu bündeln, 30 Millio-
nen Euro für den Förderzeitraum 2003 bis 2009, 70 Mil-
Anlage 83 lionen Euro vorgesehen für 2009 bis 2018.
(A) Die Regelung der Sommerferientermine fällt in die Während eines Auslandsaufenthalts wird das Stipen- (C)
Kultuszuständigkeit und damit in die alleinige Verant- dium in gleicher Höhe fortgezahlt. Alternativ kann das
wortung der Länder. Stipendium unterbrochen werden, zum Beispiel um eine
Fördermöglichkeit des DAAD zu nutzen. Voraussetzung
Hierzu stimmt sich die Kultusministerkonferenz mit ist jeweils, dass der oder die Studierende nicht für den
der Wirtschaftsministerkonferenz ab. Rest des Studiums an die ausländische Hochschule
In Vorbereitung der letzten Beschlussfassung hatte wechselt, sondern weiterhin an der Hochschule immatri-
sich der Beauftragte der Bundesregierung für Tourismus kuliert ist, die das Stipendium bewilligt hat, oder dass
im Zusammenwirken mit der Wirtschaftsministerkonfe- ein beabsichtigter Verbleib an der Hochschule auf andere
renz mit großem Nachdruck für eine noch stärkere Ent- Weise deutlich gemacht wird.
zerrung der Ferienzeiten eingesetzt, frühzeitig den Kon-
takt zum Sekretariat der KMK aufgenommen und sich
unter anderem auch direkt an die Ministerpräsidenten Anlage 89
der Länder gewandt. Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
Anlage 87 der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 120):
Antwort
Wie definiert die Bundesregierung die im Entwurf eines
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage Gesetzes zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms,
Stipendienprogramm-Gesetz, StipG, (unter § 1 Abs. 1) genannten
des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE Kriterien „Begabung und Leistung“, und warum sind „gesell-
GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 118): schaftliches Engagement, die Bereitschaft, Verantwortung zu
Wie plant die Bundesregierung – unter anderem personell übernehmen, oder besondere soziale, familiäre oder persönli-
und finanziell –, die Hochschulen in die Lage zu versetzen, die che Umstände“ anders als „Begabung und Leistung“ als Soll-
komplette Organisation und Verwaltung ihres nationalen Sti- kriterien geführt (unter § 3 StipG)?
pendienprogramms zu übernehmen, und welche Vorschläge
will die Bundesministerin für Bildung und Forschung der
Die Stipendien dienen der Förderung begabter Studie-
Hochschulrektorenkonferenz angesichts des erheblichen Auf- render. Bisher erbrachte besondere Leistungen in Schule,
wands für die Einwerbung und Administration von privaten Studium oder Beruf sind für die Begabung ein wichtiges
Mitteln und der Erfahrungen aus anderen Ländern wie etwa Indiz. Besondere Leistungen werden vor dem Hinter-
Großbritannien – wo mehr als ein Drittel der eingeworbenen grund der jeweiligen persönlichen Biografie gewürdigt.
Beträge allein durch diese Bürokratiekosten aufgebraucht
wurde – unterbreiten? Zusätzliche Kriterien, die das Begabungskriterium er-
(B) gänzen, aber nicht ersetzen, sind gesellschaftliches (D)
Artikel 104 a Abs. 5 Grundgesetz (GG) schreibt vor, Engagement und die Bereitschaft, Verantwortung zu
dass der Bund und die Länder die bei ihren Behörden übernehmen, sowie besondere soziale, familiäre oder
entstehenden Verwaltungsausgaben tragen. persönliche Umstände. Ihre Berücksichtigung ist der Re-
gelfall. In atypischen Fällen, zum Beispiel bei der Wür-
digung besonderer künstlerischer Begabungen, ist es
Anlage 88 denkbar, dass Zusatzkriterien keine Rolle spielen. Durch
diesen Begabungsbegriff ist gewährleistet, dass die gesamte
Antwort Persönlichkeit und ihr Hintergrund betrachtet werden.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 119): Anlage 90
Wieso hat laut dem Entwurf eines Stipendienprogramm- Antwort
Gesetzes der Studienortwechsel eines Stipendiaten im Inland
einen Verlust des Stipendiums zur Folge, insbesondere vor des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage
dem Hintergrund, dass sich diese Regelung mobilitätsfeind- der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜND-
lich auswirken dürfte, und unter welchen Bedingungen und
Voraussetzungen können Stipendien aus dem nationalen Sti-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 121):
pendienprogramm mit ins Ausland genommen werden? Wie kommt die Annahme der Bundesregierung zustande,
den Hochschulen im Rahmen des nationalen Stipendienpro-
Es wird davon ausgegangen, dass die privaten Mittel- gramms entstünden maximal 30 Millionen Euro Mehrausga-
geber gezielt Studierende derjenigen Hochschule fördern ben, obwohl es Hinweise zum Beispiel aus Großbritannien
möchten, der sie Mittel zur Verfügung stellen. Zudem gibt, wonach der Aufwand allein für Einwerbung privater
Mittel unter anderem für Stipendien ein Drittel der eingewor-
soll die Herstellung eines Kontakts zwischen Stipendia- benen Mittel beträgt, und auf welchen Annahmen basiert die
tinnen und Stipendiaten und privaten Mittelgebern mög- Feststellung aus dem Entwurf eines Stipendienprogramm-Ge-
lich sein. Im Falle eines Hochschulwechsels, sei es im setzes, dass im Endausbau des nationalen Stipendienpro-
Inland, sei es im Ausland, gibt ein Übergangssemester, gramms 100 Millionen Euro an Steuermindereinnahmen
während dessen das Stipendium von der abgebenden durch mögliche Steuererleichterungen für private Stipendien-
geber zu erwarten seien?
Hochschule fortgezahlt wird, die Gelegenheit, sich an
der aufnehmenden Hochschule erneut um ein Stipen- Für die Mittelaquisekosten im Rahmen des nationalen
dium zu bewerben oder eine andere Möglichkeit der Stu- Stipendienprogramms sind der Bundesregierung keine
dienfinanzierung zu suchen. geeigneten internationalen Vergleichswerte bekannt. In
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3803
(A) der Projektförderung ist ein Verwaltungskostenanteil vate Geldgeberinnen und Geldgeber, wenn in der Endausbau- (C)
von fünf Prozent üblich. Die Annahmen zu den voraus- stufe rund 430 Millionen Euro – Zuschuss, Verwaltungskos-
ten, Steuermindereinnahmen – von Bund und Ländern, jedoch
sichtlichen Steuermindereinnahmen beruhen auf Schät- nur 200 Millionen Euro von privater Seite getragen werden,
zungen des Bundesministeriums für Finanzen anhand was einem Anteil von lediglich 31,75 Prozent entspricht und
ähnlicher Konstellationen. nicht den im Gesetzentwurf benannten und in der Öffentlich-
keit suggerierten 50 Prozent?
(B) (D)
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-7980