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Plenarprotokoll 17/48

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht

48. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . 4893 C


Befragung der Bundesregierung: Abschluss Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
und Anschluss – Bildungsketten bis zum BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4893 D
Ausbildungsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . 4889 A
Heiner Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4894 B
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4889 B Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4894 B
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . 4890 A
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4894 B
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4890 B
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4890 C BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4894 C
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4894 D
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4890 C
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4891 A
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4895 A
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/
4891 B
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4895 A
Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . 4891 C
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4895 B
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4891 D
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4892 A Tagesordnungspunkt 2:
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin Fragestunde
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4892 B (Drucksachen 17/2059, 17/2111) . . . . . . . . . . 4895 C
Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4892 C
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin Dringliche Frage 1
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4892 C Maria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 4892 D
Sofortmaßnahmen der Bundesregierung
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin im Fall einer Insolvenz von Betriebskran-
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4893 A kenkassen
Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4893 B
Antwort
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4893 B BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4895 C
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Zusatzfragen Antwort
Maria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4895 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4902 A
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ Zusatzfragen
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4896 D Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 4902 B

Mündliche Frage 2 Mündliche Frage 6


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Jutta Krellmann (DIE LINKE)
Prozentsatz der von den Regionaldirektio- Missbräuchlicher Einsatz von Zeitarbeit
nen der Bundesanstalt für Arbeit über- beim Universitätsklinikum Essen
prüften Verleihunternehmen; am häufigs- Antwort
ten festgestellte Mängel Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4902 D
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Zusatzfragen
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4897 B Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 4902 D
Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4903 C
Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 4903 D
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 4897 D
Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 4898 B
Mündliche Frage 7
Jutta Krellmann (DIE LINKE)
Mündliche Frage 3 Anhaltspunkte für das Vorliegen eines
Heidrun Dittrich (DIE LINKE) missbräuchlichen Einsatzes von Zeitarbeit
Gesetzliche Grundlagen der Definition von Antwort
„unsachgerechter Einsatz von Leiharbeit“ Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4904 A
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Zusatzfragen
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4898 D Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 4904 B
Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4904 B
Zusatzfragen
Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4898 D
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 4899 C Mündliche Frage 10
Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 4899 D Katja Mast (SPD)
Neubewilligungen für arbeitsmarktpoliti-
sche Maßnahmen angesichts der beabsich-
Mündliche Frage 4 tigten Mittelkürzungen und bestehender
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Vorbindungen
Ergebnisse des vom BMAS eingeleiteten Antwort
Prüfverfahrens im Fall Schlecker/Meniar Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4904 D
Antwort
Zusatzfragen
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4905 A
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4900 B
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . 4905 D
Zusatzfragen
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 4900 C
Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 4900 D Mündliche Frage 11
Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4901 B Katja Mast (SPD)
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 4901 C Folgen der Umwandlung von Pflicht- in
Ermessensleistungen im Bereich der akti-
ven Arbeitsmarktpolitik
Mündliche Frage 5 Antwort
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4906 C
Rechtliche Handhabe gegen den miss-
bräuchlichen Einsatz von Leiharbeit im Zusatzfrage
Fall Schlecker/Meniar Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4906 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 III

Mündliche Frage 14 Antwort


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4911 D
Zusammenhang zwischen den aktuellen
Anweisungen der Bundesagentur für Ar- Zusatzfragen
beit zur Ausrichtung der Eingliederungs- Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
leistungen für ALG-II-Bezieher auf die DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4912 A
Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/
und der geplanten Umwandlung der Ein- DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4912 D
gliederungshilfen von einer Pflicht- in eine
Ermessensleistung
Antwort Mündliche Frage 48
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4907 A DIE GRÜNEN)
Zusatzfragen Städtebauliche Herausforderungen durch
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . 4907 B Klimawandel und demografischen Wandel
Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4908 A bei gleichzeitiger Mittelkürzung in den
Städtebauförderprogrammen
Mündliche Frage 16 Antwort
Ottmar Schreiner (SPD) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4913 B
Begründung der Bundesregierung für die
Abschaffung der Rentenversicherungsbei- Zusatzfrage
träge für Empfängerinnen und Empfänger Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
von SGB-II-Leistungen DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4913 C
Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4908 D Mündliche Frage 49
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/
Zusatzfragen DIE GRÜNEN)
Ottmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4909 A
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 4910 A Einsparungen bei den Städtebauförderpro-
grammen für die Haushaltsjahre 2011 bis
2014
Mündliche Frage 17
Ottmar Schreiner (SPD) Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
Anspruch auf die geförderte Altersvor- BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4914 A
sorge von Arbeitsuchenden bei einem Weg-
fall der Beitragszeiten in der Rentenversi- Zusatzfragen
cherung für Bezieherinnen und Bezieher Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/
der Grundsicherung und etwaige Ände- DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4914 B
rung des § 10 a EStG in diesem Zusammen-
hang
Antwort Mündliche Frage 50
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4911 A DIE GRÜNEN)

Zusatzfrage Direkte Städtebauförderungen laut Emp-


Ottmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4911 A fehlungen des Stadtentwicklungsberichts
2008 im Verhältnis zu der tatsächlichen
Höhe der Bundesmittel
Mündliche Frage 47
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4915 A
Strategie für die Entwicklung des ländli-
chen Raums angesichts von Kürzungen im Zusatzfrage
Programm zur Förderung von kleineren Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/
Städten und Gemeinden DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4915 B
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Zusatztagesordnungspunkt 1: Anlage 4
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- Mündliche Frage 9
nen der CDU/CSU und der FDP: Bedrohli- Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
ches Anwachsen linksextremer Straftaten
in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 C00 A Auswirkungen des Sparpakets für Men-
schen mit Behinderungen
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4915 D
Antwort
Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 4917 A Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 4918 A BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4932 B

Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 4919 B


Anlage 5
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4920 C Mündliche Frage 12
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister Anette Kramme (SPD)
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4921 D Umwandlung arbeitsmarktpolitischer
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . 4923 B Pflicht- in Kannleistungen

Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . . 4924 B Antwort


Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4925 B BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4932 C
Sebastian Edathy (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4926 C
Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4927 D Anlage 6
Kai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 4929 A Mündliche Frage 13
Anette Kramme (SPD)
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4930 D Planungen für die Haushaltsmittel beim
Eingliederungstitel

Anlage 1 Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 4931 A BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4932 D

Anlage 2 Anlage 7
Mündliche Frage 1 Mündliche Frage 15
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Iris Gleicke (SPD)
Ungleichbehandlung unverheirateter ge-
Gewährleistung des EU-Additionalitäts-
genüber verheirateten Paaren bei Arbeits-
prinzips beim Programm „Bürgerarbeit“
losigkeit eines Partners in Bezug auf
ALG II und Krankenversicherung Antwort
Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4933 A
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4931 C

Anlage 8
Anlage 3
Mündliche Frage 18
Mündliche Frage 8 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Cornelia Möhring (DIE LINKE) DIE GRÜNEN)

Gesetzlicher Handlungsbedarf zur Vermei- Bewertung des Ökosiegels für den Anbau
dung des Missbrauchs von Leiharbeit von Energiepflanzen
Antwort Antwort
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4932 A BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4933 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 V

Anlage 9 Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 21 BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4934 B
Fritz Rudolf Körper (SPD)
Verzicht auf die Umsetzung von Stationie-
rungsentscheidungen der Bundeswehr bei Anlage 14
nicht begonnenen Baumaßnahmen ange- Mündliche Fragen 26 und 27
sichts der aktuellen Haushaltslage Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Im Rahmen der Entschädigungsleistungen
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4933 C von der Afghanistan Independent Human
Rights Commission vertretene Hinterblie-
bene des Bombardement von Kunduz und
Anlage 10 Rechtmäßigkeit der hierzu vorliegenden
Vollmachten
Mündliche Frage 22
Fritz Rudolf Körper (SPD) Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Auswirkungen des Verzichts auf die für BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4934 C
2011 geplante Erhöhung des Weihnachts-
gelds für Beamte auf die Beschäftigen im
Organisationsbereich des BMVg Anlage 15
Antwort Mündliche Frage 28
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4933 C DIE GRÜNEN)
Übertragung weiterer Aufgaben aus dem
Anlage 11 Geschäftsbereich des BMFSFJ auf das
Bundesamt für den Zivildienst und Aus-
Mündliche Frage 23 wirkungen auf die Trägerautonomie
Jan van Aken (DIE LINKE)
Antwort
Beteiligung der Fregatte „Hessen“ an der Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Auftragserfüllung im Indischen Ozean BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4934 D
Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Anlage 16
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4934 A
Mündliche Frage 29
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
Anlage 12 DIE GRÜNEN)
Etwaige Zentralisierungsbestrebungen
Mündliche Frage 24
durch Übernahme von Verwaltungsaufga-
Jan van Aken (DIE LINKE)
ben des geplanten öffentlich-rechtlichen
Risiko eines Zwischenfalls mit dem Iran Dienstverhältnisses durch den Bund nach
bei Einfahren des Verbandes um den Flug- § 41 a des Gesetzentwurfs
zeugträger „USS Harry S. Truman“ Antwort
Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4935 B
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4934 A
Anlage 17
Anlage 13 Mündliche Frage 30
Mündliche Frage 25 Sönke Rix (SPD)
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Übernahme neuer Aufgaben im Bundes-
DIE GRÜNEN) amt für den Zivildienst nach Umstruktu-
rierung im Bereich Wehrdienst/Zivildienst
Einsatz von DU-Munition in Afghanistan
durch die US-Streitkräfte und Schutzmaß- Antwort
nahmen für die Soldaten der Bundeswehr Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
und die afghanische Bevölkerung BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4935 C
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Anlage 18 Antwort
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 31 BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4936 D
Sönke Rix (SPD)
Größenordnung der Anzahl der neu begin-
nenden Zivildienstleistenden im Zeitraum Anlage 23
zwischen dem 1. August und dem 31. De- Mündliche Frage 41
zember 2010 Harald Weinberg (DIE LINKE)
Antwort Ausgestaltung des morbiditätsorientierten
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Risikostrukturausgleichs
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4935 C
Antwort
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4936 D
Anlage 19
Mündliche Frage 34
Caren Marks (SPD) Anlage 24

Größe der Gruppe der Mindestelterngeld- Mündliche Frage 42


bezieher und damit für den Bundeshaus- Harald Weinberg (DIE LINKE)
halt verbundene Kosten Schließung bzw. Insolvenz einer Kranken-
kasse und Konsequenzen für die Versicher-
Antwort ten
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4935 D Antwort
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4937 A
Anlage 20
Mündliche Frage 35 Anlage 25
Caren Marks (SPD)
Mündliche Fragen 45 und 46
Anzahl der von einer Anrechnung des Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD)
Elterngeldes auf SGB-II-Leistungen be- Fortsetzung des Modellvorhabens „Demo-
troffene Alleinerziehende grafischer Wandel – Zukunftsgestaltung
Antwort der Daseinsfürsorge in ländlichen Regio-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär nen“; umgesetzte Maßnahmen in der Mo-
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4936 A dellregion „Mansfeld-Südharz-Kyffhäuser-
kreis“
Antwort
Anlage 21 Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4937 D
Mündliche Fragen 36 und 37
Christel Humme (SPD)
Auswirkungen einer etwaigen Absenkung Anlage 26
der Bemessungsgrundlage auf die Höhe des Mündliche Frage 51
Elterngeldes Heidrun Bluhm (DIE LINKE)
Antwort Vorlage der Überprüfungsergebnisse der
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Bedarfspläne
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4936 B
Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4938 A
Anlage 22
Mündliche Frage 38
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Anlage 27

Bewertung des vom Bundesrat eingebrach- Mündliche Frage 52


ten Entwurfs eines Gesetzes über den Heidrun Bluhm (DIE LINKE)
Beruf des/der Operationstechnischen Finanzierungsbedarf für den Abschluss
Assistenten/Assistentin; Schaffung einer aller in Bau befindlichen Bundesfernstra-
bundeseinheitlichen Regelung für dieses ßenprojekte des Bedarfsplans ab 2011 und
Berufsbild Aufnahme neuer Maßnahmen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 VII

Antwort Anlage 32
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4938 A Mündliche Frage 58
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 28 Bedarf und Sicherstellung des Ausbaus
Mündliche Fragen 53 und 54 altengerechter Wohnungen
Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ Antwort
DIE GRÜNEN)
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
Umsetzung der Koalitionsvereinbarung BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4939 B
zur Bewältigung des demografischen und
wirtschaftsstrukturellen Wandels sowie des
Klimaschutzes in der Wohnungspolitik; Anlage 33
Umsetzung des CO2-Gebäudesanierungs-
programms trotz Mittelkürzung Mündliche Frage 59
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4938 B Bauliche Schutzmaßnahmen für die nach
Meinung des Bundesministers für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit,
Anlage 29 Dr. Norbert Röttgen, nicht gegen Flug-
zeugabstürze gesicherten drei Atomkraft-
Mündliche Frage 55 werke, insbesondere im Fall einer Laufzeit-
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ verlängerung
DIE GRÜNEN)
Antwort
Kompensierung der Kürzung der KfW- Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
Mittel für das CO2-Gebäudesanierungs- BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4939 D
programm mit Mitteln aus dem Europäi-
schen Fonds für regionale Entwicklung
Antwort Anlage 34
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Mündliche Fragen 60 und 61
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4938 C Dorothée Menzner (DIE LINKE)
Vorbereitungen eines Langzeitsicherheits-
Anlage 30 nachweises im BMU zum Verbleib des in
der Asse eingelagerten radioaktiven Mülls;
Mündliche Frage 56 wissenschaftlicher Beleg der Eignung von
Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ Salz für die Endlagerung von Atommüll
DIE GRÜNEN)
Antwort
Bundesmittel für das CO2-Gebäudesanie- Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin
rungsprogramm im Jahr 2011 sowie vorge- BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4940 A
sehene mittelfristige Finanzplanung
Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Anlage 35
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4938 D
Mündliche Frage 62
Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Anlage 31 Konsequenzen aus der Studie des Paritäti-
Mündliche Frage 57 schen Gesamtverbands zu den Bildungs-
Dr. Marlies Volkmer (SPD) chancen von Migrantinnen und Migranten
im Hinblick auf die Ziele des Nationalen
Geplante Lockerung des Nachtflugverbots Integrationsplans

Antwort Antwort
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4939 A BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4940 C
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Anlage 36 Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Mündliche Fragen 63 und 64 AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4942 B
Klaus Brandner (SPD)
Etwaige Haushaltskonsolidierung auch bei
Titeln im Etat des Auswärtigen Amtes mit Anlage 41
engem Bezug zu Maßnahmen der Bildung
und Forschung Mündliche Fragen 72 und 73
Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE)
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4941 A mit Island und Bedeutung des Icesave-
Streits
Antwort
Anlage 37
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Mündliche Frage 65 AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4942 C
Ulla Schmidt (Aachen) (SPD)
Berücksichtigung der Auswirkungen von
Anlage 42
Wechselkursschwankungen auf ausfüh-
rende Organisationen und Mittlerorganisa- Mündliche Frage 74
tionen bei der Haushaltsaufstellung des Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Auswärtigen Amtes
Einstellung der humanitären Hilfe für die
Antwort
Opfer des Westsahara-Konflikts 2006 und
Cornelia Pieper, Staatsministerin
Beurteilung der derzeitigen Lage für die
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4941 B sahrauischen Flüchtlinge
Antwort
Anlage 38 Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4942 D
Mündliche Fragen 66 und 67
Dr. Rolf Mützenich (SPD)
Auswirkungen von Wechselkursschwan- Anlage 43
kungen auf die Aufstellung des Etats des
Auswärtigen Amtes Mündliche Fragen 75 und 76
Christian Lange (Backnang) (SPD)
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Maßnahmen gegen den Antisemitismus im
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4941 C Internet
Antwort
Anlage 39 Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4943 A
Mündliche Fragen 68 und 69
Günter Gloser (SPD)
Neuausrichtung der Botschaftsaufgaben Anlage 44
der EU-Mitgliedstaaten im Zuge der Haus- Mündliche Frage 77
haltskonsolidierung Ute Kumpf (SPD)
Antwort
Cornelia Pieper, Staatsministerin Lösung des Dilemmas gemeinnütziger Kör-
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . perschaften hinsichtlich des Gebots einer
4942 A
zeitnahen Mittelverwendung nach § 55
Abs. 1 Nr. 5 der Abgabenordnung und
möglicher Rückforderungen empfangener
Anlage 40
Spenden durch Insolvenzverwalter; Effek-
Mündliche Fragen 70 und 71 tivierung der Beantwortung ressortüber-
Johannes Pflug (SPD) greifender Anfragen
Auswirkungen der Haushaltskonsolidie- Antwort
rung auf den Haushaltstitel 687 79 – Stabi- Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
litätspakt Afghanistan BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4943 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 IX

Anlage 45 Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Mündliche Frage 78 BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4944 C
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anordnung von Sicherungsverwahrung Anlage 50
nach dem von der Bundesministerin für Mündliche Fragen 83 und 84
Justiz vorgestellten Konzept Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
Antwort DIE GRÜNEN)
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär Ertragsteuerliche Behandlung von Wert-
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4943 D papierleihgeschäften
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Anlage 46
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4944 D
Mündliche Frage 79
Hans-Joachim Hacker (SPD)
Anlage 51
Kritik aus Wirtschaftsverbänden an der
geplanten nationalen Luftverkehrsabgabe Mündliche Frage 85
für Passagiere sowie Verhinderung negati- Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
ver Auswirkungen auf Flughäfen und DIE GRÜNEN)
Fluglinien Abschluss einer Honorarvereinbarung mit
Antwort dem Notar Jacques Delvaux im Rahmen
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär der Einrichtung eines europäischen Stabili-
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4944 A sierungsmechanismus
Antwort
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär
Anlage 47 BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4945 B
Mündliche Frage 80
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
Anlage 52
DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 86
Zukünftiger Umgang mit der Steuerbe- Hans-Joachim Hacker (SPD)
günstigung für Agrardiesel
Pläne für die Kürzung der Mittel für die
Antwort regionale Wirtschaftsförderung und Aus-
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär wirkungen auf den Tourismusbereich
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4944 B
Antwort
Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär
Anlage 48 BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4945 C

Mündliche Frage 81
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ Anlage 53
DIE GRÜNEN)
Mündliche Frage 87
Aufhebung der Haushaltssperre für das Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Marktanreizprogramm Auswirkungen des Sparpakets für den
Antwort Tourismus
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär Antwort
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4944 B Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4945 D
Anlage 49
Mündliche Frage 82 Anlage 54
Marco Bülow (SPD) Mündliche Fragen 88 und 89
Ulla Lötzer (DIE LINKE)
Vorlage und Umsetzung der Ergebnisse der
Gemeindefinanzkommission zur Neuord- Verletzung europäischen Vergaberechts
nung der Kommunalfinanzen beim Bau der Hallen 15 bis 18 der Koeln-
X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

messe; Rückabwicklung, Haftung der Ver- Rahmenbedingungen für Unternehmen so-


tragspartner und etwaige Unterstützung wie zur Stärkung der weltweiten Vorreiter-
der Stadt Köln rolle in der nachhaltigen Entwicklung
Antwort Antwort
Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4945 D BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4946 D

Anlage 55 Anlage 58
Mündliche Fragen 90 und 91 Mündliche Frage 95
Doris Barnett (SPD) Marco Bülow (SPD)
Kürzungen bei der Mittelausstattung für Zusammenhang zwischen der Einführung
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung einer Steuerbelastung der Kernenergie-
der regionalen Wirtschaftsstruktur“ im wirtschaft und einer eventuellen Laufzeit-
Zuge der geplanten Sparmaßnahmen und verlängerung für Atomkraftwerke sowie
Auswirkungen auf die mittelständische Verrechnung dieser Steuermehreinnahmen
Wirtschaft Antwort
Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär
Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4947 B
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4946 A
Anlage 59
Anlage 56 Mündliche Frage 96
Mündliche Frage 92 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
DIE GRÜNEN) Bewertung der Finanzgeschäfte der Deut-
Vorliegende Projektanträge für eine Förde- schen Bank mit Streumunition herstellen-
rung durch Einnahmen aus dem Emis- den Firmen als Verstoß gegen das Kriegs-
sionshandel sowie Einreichung bei der waffenkontrollgesetz
Europäischen Investitionsbank und der Antwort
EU-Kommission Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär
Antwort BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4947 C
Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4946 C
Anlage 60
Mündliche Frage 97
Anlage 57 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Mündliche Fragen 93 und 94
Manfred Nink (SPD) Stellenwert einer EU-Finanzierung von
Energieeffizienzprojekten in Städten
Umsetzung der EU-Leitinitiative „Eine
Industriepolitik für das Zeitalter der Glo- Antwort
balisierung“ zur Modernisierung der in- Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär
dustriellen Basis, zur Verbesserung der BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4947 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4889

(A) (C)

Redetext

48. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir führen mit diesem Programm Erfahrungen mit
Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kol- unterschiedlichen Instrumenten zusammen. Dazu gehört
legen! Die Sitzung ist eröffnet. die sogenannte Potenzialanalyse in Klasse 7, also zu ei-
nem frühen Zeitpunkt, nicht erst kurz vor dem Ab-
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: schluss. Es handelt sich nicht um eine Analyse der
Schwächen, sondern um eine Analyse der Stärken, des
Befragung der Bundesregierung Potenzials des jeweiligen Schülers und der jeweiligen
Schülerin. Auf dieser Grundlage wird ein individuelles
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- Förderprogramm vereinbart.
binettssitzung mitgeteilt: Abschluss und Anschluss –
Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss. Dazu gehört insbesondere die Berufsorientierung. Bei
Modellversuchen hat sich herausgestellt, dass Jugendli-
Das Wort für die einleitende fünfminütige Berichter- che, die in unterschiedlichen Berufsfeldern Erfahrungen
(B) stattung hat die Bundesministerin für Bildung und For- sammeln können, eine Ermutigung für weiteres Lernen (D)
schung Frau Dr. Annette Schavan. erfahren. Ebenfalls dazu gehört die Begleitung durch
den Berufseinstiegsbegleiter bis in das erste Ausbil-
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil- dungsjahr hinein. Wir werden noch im Laufe des Jahres
dung und Forschung: zunächst insgesamt 500 Stellen für Berufseinstiegsbe-
gleiter schaffen; im kommenden Jahr folgen weitere
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen
700 Stellen; 1 000 solcher Stellen sind bereits geschaf-
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Kabinett
fen. Mit Blick auf die Begleitung von Jugendlichen im
hat sich heute mit den Schritten der Umsetzung eines
ersten Ausbildungsjahr werden zusätzlich ehrenamtlich
Sonderprogramms beschäftigt, das einem bildungspoliti-
tätige Begleiter eingesetzt werden, von denen sich jeder
schen Schwerpunkt der Bundesregierung dient, nämlich
um einen einzigen Jugendlichen kümmert. Hier ist vor
Jugendliche, die in der Gefahr sind, keinen Schulab-
allen Dingen an Jugendliche mit einem außerordentlich
schluss zu machen, besser zu fördern und zu begleiten.
schwierigen Umfeld, aus schwierigsten familiären Ver-
Damit wollen wir, wie wir es uns zwischen Bund und
hältnissen gedacht, also kurz gesagt an Jugendliche, die
Ländern vorgenommen haben, Sorge dafür tragen, dass
kaum einen Erwachsenen an der Seite haben, der sie in
jeder Jugendliche einen Schulabschluss macht.
dieser außerordentlich wichtigen Phase begleitet.
Das Programm basiert auf gemeinsamer Arbeit, auf Alle Experten – wir haben mit vielen Experten da-
einem Konzept, das von Bund und Ländern verabschie- rüber diskutiert, vor allen Dingen von der Bundesanstalt
det worden ist. Bereits beim Dresdner Bildungsgipfel für Arbeit und vom Bundesministerium für Arbeit und
gab es den Auftrag, ein solches Konzept zu erarbeiten. Soziales – sind davon überzeugt: Das ist eine neue Qua-
Dem Konzept liegt die Analyse zugrunde, dass die größ- lität im Übergangssystem, weil ein stark personaler Fak-
ten Probleme im Bildungssystem in den Übergängen ste- tor hinzukommt, weil sich die Jugendlichen damit in ei-
cken, in diesem Fall in dem Übergang von der Schule in nem Prozess der Begleitung befinden, durch den ihnen
die Ausbildung. Deshalb auch der Begriff „Abschluss eine individuelle Beratung ermöglicht wird.
und Anschluss“: Es geht darum, Sorge dafür zu tragen,
dass Jugendliche, die sich mit dem Schulabschluss Die Maßnahme kann im November starten. Das Kabi-
schwertun, die für eine Ausbildung keine ausreichenden nett hat heute die Freigabe der entsprechenden Verwal-
Leistungen nachweisen können, nicht einfach weiter zur tungsvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit be-
Schule geschickt werden; darüber ist in diesem Hohen schlossen. Ich bin davon überzeugt, dass damit ein erster
Hause mehrfach diskutiert worden. Diese Jugendlichen zentraler Schritt getan ist, um das Übergangssystem neu
bekommen künftig eine individuelle Unterstützung. zu ordnen. Sowohl das Arbeitsministerium und das Bil-
4890 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Bundesministerin Dr. Annette Schavan


(A) dungsministerium als auch andere beteiligte Ministerien Willi Brase (SPD): (C)
wie das Familienministerium werden sich auf dieser Frau Ministerin, wir begrüßen die Absicht, den Be-
Grundlage an die Arbeit machen, die bestehenden Maß- reich des Übergangssystems neu zu ordnen. Ich möchte
nahmen zu analysieren, um darauf basierend das Über- aber wissen, ob wir Sie richtig verstanden haben. Vor
gangssystem in der nächsten Zeit deutlich wirksamer zu Wochen hatten Sie vorgeschlagen, Berufsbildungslotsen
gestalten, im Sinne der Jugendlichen und im Sinne einer einzusetzen; in Ihren heutigen Ausführungen wurde je-
früher beginnenden Ausbildung. Das ist besonders be- doch deutlich, dass es bei der Berufseinstiegsbegleitung
deutsam, weil wir aufgrund der demografischen Ent- bleibt, die es schon etwas länger gibt und die über den
wicklung in den nächsten Jahren dafür Sorge tragen Haushalt der Bundesagentur für Arbeit finanziert wurde.
müssen, dass jeder Jugendliche für eine Ausbildung zur Ist das die Weiterentwicklung des Konzeptes zur Berufs-
Verfügung steht. einstiegsbegleitung des BMAS in Zusammenarbeit mit
der Agentur für Arbeit?
Letzter Satz: Diese Maßnahme wird uns helfen, dem
Ziel, die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss deutlich Haben Sie im Kabinett auch darüber gesprochen, was
zu senken, bis es am Ende keinen Jugendlichen mehr man mit den jungen Menschen zwischen 20 und
ohne Abschluss gibt, und für jeden Jugendlichen die 29 Jahren – circa 1,5 Millionen – machen will, die kei-
Möglichkeit zu schaffen, in Ausbildung zu kommen, nen Berufsabschluss bzw. keinen Hauptschulabschluss
Rechnung zu tragen. haben? Es gibt eine Menge von Menschen in unserem
Land, die keinen vernünftigen Abschluss haben. Gibt es
Vielen Dank. für sie Perspektiven?

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-


dung und Forschung:
Herzlichen Dank, Frau Ministerin. – Die erste Frage
stellt der Kollege Rupprecht. Zu Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Brase: Es handelt
sich nicht um ein verändertes Konzept. Es ist das Kon-
zept, das ich vor einigen Wochen in Grundzügen vorge-
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): stellt habe. Was die Begriffe „Berufseinstiegsbegleitung“
Frau Ministerin, wir finden den Ansatz hervorragend, und „Bildungslotse“ angeht, so haben wir uns auf die
weil wir der festen Überzeugung sind, dass das Über- erste Bezeichnung geeinigt. Letztendlich ist die Rolle
gangssystem verbessert werden muss. Diesen Ansatz aber die eines Bildungslotsen – genau darum geht es –,
systematisch und flächendeckend zu gestalten, ist der denn es wird sehr viel früher begonnen; nicht nur der Be-
(B) richtige Weg. Hierzu gibt es einzelne Initiativen vor Ort. rufseinstieg, sondern bereits der Weg zum Schulab- (D)
Manche Länder werden aktiv, manchmal sind es auch schluss spielt eine zentrale Rolle. Es geht darum, früher
kleinere Regionen. Meine Frage ist: Wie wollen Sie die Schwierigkeiten und Potenziale zu erkennen. Ich glaube,
Subsidiarität gewährleisten? Wie wollen Sie die regiona- psychologisch gesehen ist es für Jugendliche sehr wich-
len Initiativen ergänzen und in das Gesamtkonzept inte- tig, nicht am Ende der Schulzeit aufgrund festgestellter
grieren? Schwäche irgendwohin geschickt zu werden, sondern
zwei, drei Jahre früher aufgrund von festgestelltem Po-
tenzial eine gezielte Förderung zu erhalten. Entsprechend
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil- werden die Mittel dafür aus dem Bildungsressort der
dung und Forschung: Bundesagentur, die im Sinne eines Projektträgers tätig
Die Verzahnung wird auf unterschiedliche Weise ge- wird, zur Verfügung gestellt. Wir sind davon überzeugt,
schehen. Der erste wichtige Schritt war, das Konzept ge- dass in diesem Bereich niemand so viel Erfahrung hat wie
meinsam mit den einzelnen Ländern zu erarbeiten. Zwei- die Bundesagentur.
tens ist bei der Auswahl der Schulen, die in das Programm Der Unterschied zwischen der bisherigen und der
aufgenommen werden, darauf zu achten, dass dort, wo heutigen Situation ist, dass wir mit diesem Konzept in
bereits gut funktionierende Maßnahmen existieren, keine Modellversuchen bereits Erfahrungen gesammelt haben
weiteren eingeführt werden, um Doppelmaßnahmen zu und jetzt in die Fläche gehen. Wenn ich das einmal in
vermeiden. Vielmehr soll man sich auf die Schulen kon- Zahlen ausdrücken darf: Wir haben in Deutschland etwa
zentrieren, die bislang an keinem vergleichbaren Pro- 5 500 Hauptschulen; dazu kommt die Gruppe der För-
gramm teilnehmen. Drittens bleibt es nicht bei der ange- derschulen. Das sind die Schulen, die im Wesentlichen
kündigten Maßnahme. Sie ist prototypisch für die neue angesprochen werden. Am Ende können mindestens
Art, wie wir mit dem Übergangssystem umgehen wollen, 2 000 Schulen in dieses Programm aufgenommen wer-
mit dem Ziel, dass an anderer Stelle auch andere Maßnah- den. Bekanntlich gibt es viele kleine Standorte, die nicht
men gebündelt werden. Das soll gemeinsam mit den Län- wirklich mit diesem Problem zu kämpfen haben. Also
dern, gemeinsam mit den Kammern entstehen, sodass ein geht es um die Konzentration auf das, was wir häufig als
konsistentes und über die 16 Länder hinweg vergleichba- soziale Brennpunkte ansehen.
res System der Förderung zustande kommt.
Zu Ihrer zweiten Frage: Selbstverständlich haben wir
auch die von Ihnen genannte Gruppe im Blick. Sie wis-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: sen, dass wir an mehreren Stellen versuchen, Verbesse-
Die nächste Frage stellt der Kollege Brase. rungen zu erreichen. Das bezieht sich nicht auf dieses
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4891
Bundesministerin Dr. Annette Schavan
(A) Programm, sondern vor allen Dingen auf Angebote, die Bei den Zahlen aus dem letzten und aus diesem Jahr (C)
im Kontext der Weiterqualifizierung und der überbe- ist unübersehbar, dass die Entwicklung im Vergleich zu
trieblichen Werkstätten eine Rolle spielen. Ich bin davon den Vorjahren deutlich positiver ist. Dies liegt an dem
überzeugt, dass wir auch da in den nächsten Jahren deut- Rückgang der Zahl der Bewerbungen aufgrund der de-
liche Fortschritte erzielen können. Auch diese Gruppe mografischen Entwicklung. Das hat schon im letzten
bedarf nicht nur dringend der Qualifizierung, sondern es Jahr dazu geführt, dass ein größerer Anteil der soge-
muss auch dafür gesorgt werden, dass sie dem Arbeits- nannten Altbewerber, auf die Sie sich beziehen, in Aus-
markt zur Verfügung steht. bildung gekommen ist. Diesen Prozess wollen wir kon-
sequent fortsetzen. Altbewerber kommen nun eher in
Ausbildung – auch wenn aufgrund der wirtschaftlichen
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Situation hier und da ein Rückgang der Zahl der angebo-
Die Kollegin Alpers ist die nächste Fragestellerin. tenen Ausbildungsplätze zu verzeichnen war –, weil die
Zahl der Bewerbungen so deutlich gesunken ist. Allein
Agnes Alpers (DIE LINKE): in den nächsten zehn Jahren wird es einen Rückgang der
Zahl der Schüler um insgesamt 20 oder 25 Prozent ge-
Frau Ministerin, ich möchte daran gleich anschließen. ben. Daher glaube ich, dass die Situation im Vergleich zu
Wir haben nicht nur die 1,5 Millionen jungen Menschen den Jahren, die hinter uns liegen, deutlich besser werden
ohne Berufsabschluss aus dem letzten Jahr und aus 2008, wird.
sondern inzwischen schon mehr. Laut einer dpa-Presse-
mitteilung von gestern wird davon ausgegangen, dass in Der Ausbildungspakt hilft, weil er um qualifizierende
den nächsten 15 Jahren mindestens 1,3 Millionen junge Elemente erweitert worden ist und sich nicht nur auf die
Menschen zwischen 20 und 30 Jahren keinen Ausbil- Frage konzentriert, wie viele Ausbildungsplätze zur Ver-
dungsplatz haben werden. Mit Ihrem Programm wollen fügung stehen. Deshalb ist die Perspektive besser, als sie
Sie zwar früher ansetzen. Aber wenn davon ausgegangen war.
wird, dass die Zahl von 1,3 Millionen Jugendlichen nicht
unterschritten wird, frage ich mich: Welche Maßnahmen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
wollen Sie ergreifen, um Bildung wirklich von sozialer Herr Professor Neumann, bitte.
Herkunft zu entkoppeln? Wie wollen Sie gewährleisten,
dass all diejenigen, die sich schon jetzt im Übergangssys-
tem befinden, sehr schnell in Ausbildung kommen? Bei Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP):
Hauptschülern dauert das normalerweise mindestens Sehr geehrte Frau Ministerin, bei einem wichtigen
zwei Jahre; jeder vierte Hauptschüler hat nach vier Jahren Programm, das in der Zielrichtung richtig und dringend
(B) immer noch keinen Ausbildungsplatz. Wie wollen Sie notwendig ist, stellt sich immer auch die Frage nach der (D)
perspektivisch all diese jungen Menschen eingliedern? Treffsicherheit. Meine konkrete Frage an dieser Stelle
Ihr Programm ist vielleicht ein kleiner Anfang. Ich denke lautet: Wie beurteilen Sie die Nachhaltigkeit dieses
aber nicht, dass es ausreicht, um das Problem grundsätz- neuen Programms? Denn es kommt ja darauf an, nicht
lich in den Griff zu bekommen. nur weitere Programme aufzulegen, sondern auch ein
Problem langfristig tatsächlich zu lösen. – Ich bedanke
mich.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
Das Programm, das ich Ihnen vorgestellt habe, kon- dung und Forschung:
zentriert sich in der Tat auf eine Gruppe von Schülern, Ich bewerte die Nachhaltigkeit und die Wirksamkeit
bei denen sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat, – auch in Kenntnis der Programme, die es bislang gibt –
dass sie am meisten gefährdet sind, ohne Schulabschluss als sehr hoch. Die zentrale Institution ist, den Schulen
zu bleiben. Vor einigen Jahren waren dies noch um die die Kompetenz zu geben, eine Potenzialanalyse zu ma-
80 000 Schüler pro Jahr. Die Zahl derer, die keinen chen. Schulen, die in das Programm aufgenommen wer-
Schulabschluss machen, ist gesunken. Sie liegt jetzt den wollen, müssen zum Beispiel nachweisen, dass es
– wenn ich das letzte Jahr zur Grundlage nehme – bei eine Lehrkraft gibt – so wie es Lehrer gibt, die andere
ungefähr 60 000. Auf diese Gruppe bezogen ist dieses Sonderaufgaben haben –, die den Schwerpunkt Berufs-
Programm angelegt. wahlorientierung übernimmt. Hierbei handelt es sich um
einen Kollegen oder eine Kollegin, der oder die die Akti-
Die Fragen, die Sie aufwerfen, beziehen sich auf den
vitäten koordiniert und die Verbindungen im Blick auf
Ausbildungspakt. In der letzten Legislaturperiode wurde
die Berufsorientierung herstellt. Es soll einen sogenann-
bereits eine Reihe von Maßnahmen begonnen. Ein Bei-
ten Berufswahlpass geben.
spiel ist die Einstiegsqualifikation. Sie bietet denen, die
noch Schwächen haben, die Möglichkeit, nicht sofort in Die Grundstruktur ist, Jugendliche, ausgehend von
eine Ausbildung im Sinne eines klassischen Ausbil- der Stärkenanalyse, zu begleiten, zu ermutigen und zu
dungsvertrages einzusteigen, sondern zunächst eine Ver- vermitteln. Dabei muss man schauen, welche individu-
einbarung über eine Einstiegsqualifikation abzuschlie- elle Förderung notwendig ist. Dies geschieht über den
ßen, mit der besondere Förderung und Entwicklung Zeitpunkt des Schulabschlusses hinaus bis in das erste
verbunden sind, um auf dieser Grundlage in Ausbildung Ausbildungsjahr hinein. Diese personale Begleitung ist
zu kommen. verbunden mit Elementen, mit Instrumenten, die wir
4892 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Bundesministerin Dr. Annette Schavan


(A) kennen und von denen die Experten sagen, dass sie uns Einstieg in die Ausbildung verbinden, weil wir diese (C)
viel Aufschluss über das geben, was möglich ist. Ich jungen Leute brauchen.
glaube, dass diese Verzahnung von unterschiedlichen
Ich fasse zusammen: Es geht um Kooperationsver-
Elementen und diese starke personale Komponente eine
einbarungen im Kontext des Ausbildungspaktes und die
hohe Wirksamkeit ermöglichen. So war es jedenfalls bei
Beteiligung der Kammern, übrigens auch als Bildungs-
den Modellversuchen, in denen die Erfolgsquoten deut-
träger, nämlich dann, wenn es um die neuen Personal-
lich höher lagen als in den – so haben wir es bislang hin
möglichkeiten geht. Ich glaube, dass auch hier gilt: Die
und wieder bezeichnet – Warteschleifen.
demografische Entwicklung – denken Sie nur an die
neuen Länder, wo es einen massiven Einbruch gibt –
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wird bei den Unternehmen eine große Bereitschaft er-
Frau Hinz, bitte. zeugen, diese jungen Leute auch tatsächlich zu nehmen.

Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:


NEN): Herr Kretschmer, bitte.
Frau Ministerin, wenn ich Sie recht verstanden habe,
dann legen Sie kein neues Programm auf, sondern wei- Michael Kretschmer (CDU/CSU):
ten das alte Programm „Berufseinstiegsbegleitung“ aus. Frau Bundesministerin, Sie sind für dieses Programm
Jetzt sprechen Sie allerdings von Bildungsketten. Um sehr gelobt worden, auch von den Kammern. Können
Bildungsketten tatsächlich sicherzustellen, braucht man Sie uns etwas zur Nachhaltigkeit sagen? Wie ist gesi-
einen Anschluss. Meine Frage ist, ob Sie auch mit den chert, dass dies nicht ein Prozess ist, der irgendwann en-
Kammern Kooperationsvereinbarungen geschlossen ha- det, sondern dass wir das, womit wir jetzt beginnen, auf
ben. Sie hatten im Frühjahr angekündigt, dass Sie mit Dauer haben werden?
den Unternehmen und den Kammern reden und Koope-
rationsvereinbarungen schließen, weil es notwendig ist,
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dass die jungen Menschen, die eine Berufsorientierung
bekommen haben, hinterher auch eine Ausbildungsstelle dung und Forschung:
finden. Sonst landen wir wieder bei 1,9 Millionen jun- Ein noch nicht genanntes Element der Nachhaltigkeit
gen Menschen, die ohne Ausbildung irgendwo in Jobs ist, dass mit dem Einstieg in die Ausbildung, also in dem
sind und oft keine Möglichkeit haben, jemals eine Be- Moment, in dem der Jugendliche in eine Ausbildung ge-
rufsausbildung nachzuholen. kommen ist, die Begleitung nicht aufhört. Wenn der Ein-
druck entsteht, dass es wichtig ist, einen bestimmten Ju-
(B) Ganz konkret: Sehen solche Kooperationsvereinba- gendlichen weiter zu begleiten, dann setzt der Teil des (D)
rungen vor, dass auch ein Übergang in die Ausbildung Programms ein, der die ehrenamtliche Begleitung eines
stattfindet, und wollen Sie, ähnlich wie beim Hamburger Einzelnen, also im Verhältnis eins zu eins, vorsieht, und
Modell, die Kooperationsvereinbarungen mit der Wirt- zwar – sofern erforderlich – über die gesamte Ausbil-
schaft so absichern, dass ein Qualifizierungsjahr nach dung. Deshalb wird auch von „Kette“ gesprochen. Denn
der Schule dazu führt, dass das erste Jahr nach dem Cur- wir wissen: Im ersten Ausbildungsjahr ist die Abbruch-
riculum des Berufsbildungsgesetzes stattfindet und auch quote am höchsten. In der Zeit, in der es diese Klippe
auf die Ausbildung anrechenbar ist? gibt, wird die Begleitung des Jugendlichen fortgesetzt
werden. Auch das halte ich für ein gutes Zeichen von
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil- Nachhaltigkeit.
dung und Forschung:
Die Frage ist: Was ist jetzt neu? Neu ist: Erstens. Wir Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
gehen vom Modell in die Fläche. Herr Rossmann.
Zweitens. Wir haben ausgewertet, welche Erfahrun-
gen im Modell gesammelt wurden, und daraufhin das Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
endgültige Konzept erarbeitet. Frau Ministerin, ich möchte zwei kleine Vorbemer-
kungen machen: Wäre es nicht günstiger, wenn wir von
Drittens. Kooperationsvereinbarungen mit den Kam- „Bildungsbrücken“ und nicht von „Bildungsketten“
mern, mit der Wirtschaft sind Teil der Verhandlungen im sprechen würden? Denn die jungen Menschen sollen
Ausbildungspakt und, so wie angekündigt, geplant. Die sich ja angenommen und geleitet fühlen, und die Asso-
Kammern werden sich voraussichtlich an genau diesem ziationen bei dem Wort „Kette“ sind manchmal eher an-
Programm stark beteiligen. Das ist vergleichbar mit dere.
dem, was wir bei den Einstiegsqualifikationen schon
praktiziert haben. Meine zweite Vorbemerkung. Der Herr Kollege
Kretschmer hat eben angesprochen, dass Sie für das Pro-
Ich bin auch deshalb zuversichtlich – Sie haben auf gramm gelobt worden sind. Ich erinnere aber auch daran,
das Beispiel Hamburg hingewiesen –, weil die Unter- dass sich gerade die Kammern gefragt haben, weshalb
nehmen bei diesem Thema die gleiche Perspektive ha- eigentlich aus dem Bundesbildungsministerium heraus
ben wie der schulische Bereich. Sie stellen fest: Jetzt ist ein Parallelprogramm zu dem, was das Bundesarbeits-
für uns in allen Regionen in Deutschland zentral und be- ministerium schon lange gemacht hatte, entwickelt wer-
deutsam, dass wir Qualifizierungsmaßnahmen mit dem den sollte. Wir freuen uns, dass Sie an dieser Stelle auf
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4893
Dr. Ernst Dieter Rossmann
(A) das Bundesarbeitsministerium und die BA zugegangen deutlich höher. Selbst wenn man einen längeren Zeit- (C)
sind. Insoweit ist das Programm die Verlängerung des- raum in den Blick nimmt, muss man feststellen: Die
sen, was die zuständigen Minister in der Großen Koali- Zahl derer ohne Schulabschluss ist nicht gestiegen, son-
tion mit vorbereitet haben. Damit können SPD und dern sie ist kontinuierlich abgebaut worden – mit unter-
CDU/CSU jetzt entlang der gleichen Linie weiterarbei- schiedlichem Erfolg in den Bundesländern, wie die Zah-
ten – auch über Sie. len zeigen; das ist wahr.
Meine zwei Fragen: Erstens. Ist beabsichtigt, die Be- Wir haben jetzt über einen Zeitraum von, ich glaube,
rufseinstiegsbegleiter entsprechend einer Quotierung auf drei Jahren eine Reduzierung von 80 000 auf 60 000 er-
die Bundesländer zu verteilen, oder soll das unabhängig lebt, sodass ich das Ziel, das wir uns gesetzt haben, nicht
von einer Zuteilung auf die jeweiligen Bundesländer er- für unrealistisch halte, zumal hinzukommt – das sage ich
folgen? auch noch im Hinblick auf das, was Herr Rossmann ge-
sagt hat –, dass wir nicht nur mithilfe der BA an der ei-
Zweitens. Wir verstehen es so, dass es eine Profilana- nen oder anderen Stelle etwas tun – das war ja schon in
lyse geben soll. Ist vorgesehen, dass diese Profilanalyse der letzten Legislaturperiode auf unsere Anregung hin
bei allen Schülern der jeweiligen ins Auge gefassten mit einzelnen Ländern so vereinbart –, sondern dass wir
siebten Klassen vorgenommen werden soll, oder ge- das jetzt zu einem regulären Instrument in allen 16 Bun-
schieht das individuell? desländern machen.
Ich stelle diese Fragen, damit wir dieses Programm
auch in der Fläche gut erklären können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Hein.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung: Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE):
Zu Ihrer ersten Frage. Es gibt keine Länderquote, son- Frau Ministerin, wir haben nicht nur eine geringere
dern die Verteilung ergibt sich letztlich aus dem Anteil Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern, sondern auch
junger Leute ohne Hauptschulabschluss in einem Bun- Fachkräftemangel und sinkende Ausbildungsplatzzah-
desland. Eine entsprechende Liste und die Prozentzahlen len. Insofern ist es schwierig, das zu vermitteln.
liegen vor. Der Anteil der Hauptschüler ohne Abschluss
liegt in den 16 Bundesländern zwischen 0,8 Prozent und Ich glaube nicht, dass das Programm der Bildungsbe-
um die 22 Prozent. Aufgrund der Logik, die ich eben be- gleiter die eigentliche Ursache beheben kann. Ich denke,
schrieben habe, ist klar: Das muss der Schlüssel sein. sie liegt im System Schule begründet; es geht nicht so
sehr um die Frage, wie man die Jugendlichen in den Be-
(B) Zur zweiten Frage. Hinsichtlich der Potenzialanalyse ruf begleitet. Ein solches Programm kann das Problem (D)
beziehen wir uns in diesem Programm natürlich auf die sicherlich lindern, aber nicht beheben.
Schüler, die in diesem Kontext seitens der Schule als
diejenigen ausgewählt werden, von denen man sagt: Da Meine erste Frage ist, welche Förderinstrumente zu-
ist es besonders wichtig. – Die Potenzialanalyse spielt in sammengeführt werden sollen bzw. welche wegfallen.
den Plänen der Länder aber generell eine sehr viel grö- Meine zweite Frage ist, was Sie unter bildungsgefährde-
ßere Rolle. Wenn ich es richtig sehe, dann gehört zu ten Schülerinnen und Schülern verstehen.
einer anderen Vereinbarung auf dem Dresdener Gipfel
– und zwar in dem Kontext der Verringerung der Schul- Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
abbrecherquote – genau dieses Instrument als ein gene- dung und Forschung:
relles Instrument in Klasse 7. Zu Ihrer letzten Frage: Das sind Schülerinnen und
Schüler, bei denen die Gefahr besteht, dass sie Bildungs-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: angebote, die ihnen in der Schule gemacht werden, nicht
Herr Schummer. in Anspruch nehmen. Die Bildungsforscher haben in
vielfacher Weise einen engen Zusammenhang zwischen
dem soziokulturellen Umfeld, zum Beispiel schwierigs-
Uwe Schummer (CDU/CSU): ten familiären Verhältnissen, und der Möglichkeit be-
Frau Ministerin, Sie haben noch einmal ein gemeinsa- schrieben, die vorhandenen Chancen zu nutzen.
mes Ziel von Bund und Ländern benannt, nämlich die
Halbierung der Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss. Bei Fachbegriffen kann man sich sicherlich die Frage
Ist erkennbar, dass durch die frühzeitige Berufsorientie- stellen, ob das, was damit gemeint ist, darin auch zum
rung, die von der Bundesregierung jetzt seit einigen Jah- Ausdruck kommt. Man kann immer neue Begriffe erfin-
ren vollzogen wird, diese Abbrecherquote der Schüler den. Ob man Kette oder Brücke sagt, sei dahingestellt;
zurückgegangen ist? die Tatsache ist jedenfalls klar.
Wenn Sie die Ursache des Problems im System Schule
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil- sehen, dann möchte ich darauf hinweisen – auch das ge-
dung und Forschung: hört zu der Diskussion über unser Bildungssystem –, dass
Die Zahl der Schüler und Schülerinnen ohne Schulab- zwischen 2007 und 2009 im OECD-Vergleich ein An-
schluss ist zurückgegangen. Die Zahl, die mir noch vor stieg der Jugendarbeitslosigkeit – dazu zählen Jugendli-
einigen Jahren vorlag und über die wir auch in diesem che bis 25 Jahre – um 6 Prozent zu verzeichnen war. Im
Hause gesprochen haben, lag bei 80 000. Sie war schon Durchschnitt liegt die Jugendarbeitslosigkeit in dieser
4894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Bundesministerin Dr. Annette Schavan


(A) Altersgruppe bei 19 Prozent. In Deutschland gab es in zwischen eine sehr hohe Zahl erreicht hat. In der Alters- (C)
dem genannten Zeitraum einen Rückgang, und die Ju- gruppe der über 20-Jährigen besitzt derzeit jeder dritte
gendarbeitslosigkeit liegt bei 10 Prozent. Mensch mit Migrationshintergrund keinen Abschluss.
Ihre Kollegin in Niedersachsen, Frau Özkan, sagt in die-
Das zeigt, dass unser Zusammenspiel von allgemeiner
sem Zusammenhang, Begleitung allein reiche da nicht
und beruflicher Bildung eine sehr starke Vorbeugung ge-
aus, sondern man brauche mehr. Erstens würde mich na-
gen Jugendarbeitslosigkeit darstellt, und zwar auch in
türlich interessieren, wie Sie zu den diesbezüglichen
wirtschaftlich schwierigen Zeiten. In Deutschland
Forderungen Ihrer Kollegin stehen, die ja eindeutig sagt,
kommt wie in manch anderem europäischen Land eine
dass eine Bildungskette mit Profiling und Begleitung,
demografische Entwicklung hinzu, die das Interesse der
wie Sie es nennen, in der Form nicht ausreichend ist.
Unternehmen steigen lässt, ihre Ausbildungsplätze zu
besetzen. Bei meiner zweiten Frage geht es um den von Ihnen
Es ist richtig, dass die Zahl der Ausbildungsverträge verwendeten Begriff Zielgenauigkeit. Wie werden Sie
zurückgegangen ist, und zwar der letzten Statistik im die Bildungslotsen qualifizieren und auswählen, um
Berufsbildungsbericht zufolge um 8,2 Prozent. Die Zahl ganz besonders auch Migrantinnen und Migranten zu er-
der ausbildungsinteressierten Jugendlichen ist noch stär- reichen?
ker zurückgegangen. Insofern hat sich die Situation, zu-
mindest was die Chancen der Jugendlichen angeht, ver- Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
bessert, und das wird sich in den nächsten Jahren massiv dung und Forschung:
fortsetzen.
In der Gruppe der Menschen ohne Schulabschluss
Welche Elemente sind zusammengeführt worden? liegt in der Tat der Anteil der Migranten je nach Land bei
Zusammengeführt wurden, wie gesagt, die Potenzialana- bis zu 40 Prozent. Deshalb ist klar, dass dieses Pro-
lyse, also die Analyse von Stärken, und das darauffol- gramm nicht die einzige Antwort auf dieses Thema sein
gende Erstellen eines individuellen Förderplans für die kann. Wir haben schon in den letzten Jahren viel er-
letzten Schuljahre, verbunden mit einer Berufsorientie- reicht, bis hin zu Regionalkonferenzen etwa mit Unter-
rung. Die Berufsorientierung wird zu unterschiedlichen nehmern mit eigener Migrationsgeschichte, um diese
Zeiten angeboten. Berufsorientierung klingt lapidar, aber Unternehmen und Unternehmer sowie ihre Ausbilder als
die Erfahrung hat gezeigt, dass genau dadurch die Ju- Brückenbauer zu gewinnen. Sowohl im Bereich der
gendlichen neu motiviert wurden, zu klären, welche Ausbilder als auch im Bereich der Berufsbegleiter ist es
Richtung sie einschlagen wollen und welche Kompeten- wichtig, auch Menschen mit eigener Migrationsge-
zen, bis hin zu zusätzlichen Qualifizierungsmaßnahmen, schichte zu finden, die die spezifischen Probleme ken-
(B) dafür notwendig sind. Bei Qualifizierungsmaßnahmen in nen. Hinzu kommen natürlich die Maßnahmen, die im (D)
der Ausbildung denke ich etwa an die sozialpädagogi- Nationalen Integrationsplan vereinbart worden sind. Für
schen Ausbildungshilfen, die gerade in schwierigen Fäl- diese Gruppe der Jugendlichen spielt zum Beispiel die
len in der ersten Ausbildungsphase eine wichtige Rolle Erweiterung der Sprachkompetenz eine große Rolle.
spielen und die Arbeit der Ausbilder unterstützen. Ebenso wichtig ist es, Unternehmen zu finden, die un-
sere deutsche Ausbildungskultur auch praktizieren. Ein
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: hoher Prozentsatz der Unternehmen, deren Besitzer eine
Herr Kamp, bitte. Migrationsgeschichte haben, hat über eine lange Zeit
diese Ausbildungskultur gar nicht praktiziert. Im Zusam-
menhang mit dem Nationalen Integrationsplan ist hier
Heiner Kamp (FDP):
ein sehr viel weitergehendes Bündel verabredet worden.
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich hätte gerne gewusst,
Das ist nur ein Baustein, allerdings wird dieser Baustein
ob die Potenzialanalyse bundesweit und zeitlich einheit-
auch bei diesen Jugendlichen eine hohe Wirksamkeit
lich verläuft, und wenn nicht, wer die Kriterien festlegt.
entfalten.

Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-


dung und Forschung: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Seitens des Bundes sind von einer Expertengruppe Herr Feist, bitte.
Mindeststandards für diese Potenzialanalysen erarbeitet
worden, die jetzt allen 16 Ländern zur Verfügung stehen. Dr. Thomas Feist (CDU/CSU):
Auf dieser Grundlage werden die Analysen erstellt wer-
den. Frau Ministerin, auch ich möchte gern noch einmal
bei den Berufseinstiegsbegleitern, den sogenannten Bil-
dungslotsen ansetzen. Im Gespräch mit den Kammern ist
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
mir signalisiert worden, dass vor allen Dingen die älte-
Frau Deligöz. ren Menschen ein sehr großes Interesse haben, ihre Er-
fahrungen in diesem Bereich mit einzubringen. Deswe-
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gen meine Frage: Inwiefern wird die Arbeit der
Frau Ministerin, man kann heute der Zeitung entneh- hauptamtlichen Berufseinstiegsbegleiter möglicherweise
men, dass der Anteil der Migranten, die die Schule ohne durch ehrenamtliches Engagement erweitert und ver-
Abschluss verlassen, von Tag zu Tag zunimmt und in- stärkt werden können?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4895

(A) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: (C)
dung und Forschung:
Fragestunde
Neben den hauptamtlichen Begleitern wird es ehren- – Drucksachen 17/2059, 17/2111 –
amtliche Begleiter geben, nicht so sehr für die Phase der
Schulzeit, sondern für die Begleitung insbesondere nach Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10
dem ersten Ausbildungsjahr, also gleichsam eine Beglei- Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche
tung mit Blick auf die Kontinuität des Ausbildungsver- Frage 1 der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink auf
hältnisses. Diese ehrenamtlichen Begleiter können sich Drucksache 17/2111 auf:
beim Senior-Experten-Service bewerben, der ja bereits Was plant die Bundesregierung sofort zu tun, um im Falle
existiert. Das Arbeitsministerium ist mit einbezogen. Es einer Insolvenz der City BKK oder der BKK Heilberufe oder
ist in der Tat interessant, dass sich schon am Tag der beider Betriebskrankenkassen, von der verschiedene Zeitun-
gen (Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel, Handelsblatt und an-
Pressekonferenz eine Menge älterer Menschen oder Se- dere) am 14. Juni 2010 berichteten, den Verbund der Betriebs-
nioren gemeldet haben, die zum Teil eine pädagogische krankenkassen durch die Haftung für die Insolvenz nicht
Qualifikation besitzen oder auf eine pädagogische Lauf- selbst in Bedrängnis zu bringen und einen Dominoeffekt in-
bahn oder eine Ausbilderlaufbahn zurückblicken und nerhalb der gesetzlichen Krankenkassen zu verhindern?
nun sagen: Hier würde ich mich gerne engagieren. – Ich Es geht um den Geschäftsbereich des Bundesministe-
finde, das ist eine gute Ergänzung und ermöglicht uns, riums für Gesundheit. Der Parlamentarische Staatssekre-
nicht am Tag des Beginns der Ausbildung aufzuhören, tär Daniel Bahr steht zur Beantwortung bereit.
sondern sehr individuell etwas für die Kontinuität der
Ausbildung zu tun, weil sich ein Begleiter um einen Ju- Bitte, Herr Staatssekretär.
gendlichen kümmert.
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ter für Gesundheit:
Die letzte Frage kommt von Frau Sager. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin
Klein-Schmeink, die Bundesregierung sieht derzeit kei-
nen gesetzlichen Handlungsbedarf. Akut von einer
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schließung bedroht ist nach unseren Erkenntnissen nur
Frau Ministerin, die Risikogruppe, über die wir spre- die City BKK, da Bemühungen, eine Vereinigung dieser
chen, wird zum Teil mit Mitteln der Bundesagentur für Krankenkasse mit anderen Krankenkassen herbeizufüh-
Arbeit – ich nenne als Stichworte das Nachholen eines ren, keinen Erfolg gehabt haben. Bei anderen Betriebs-
Hauptschulabschlusses oder die Berufsausbildungsbei- krankenkassen ist die Finanzlage als nicht so vergleich-
(B) hilfe – gefördert. Nun haben wir aber erfahren, dass es bar kritisch anzusehen wie bei der City BKK. Außerdem (D)
im Rahmen des Sparpakets der Bundesregierung erhebli- ist es nicht ausgeschlossen, dass bei diesen Krankenkas-
che Einsparungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarkt- sen eine Vereinigung mit einer anderen Betriebskranken-
politik geben soll. Die Rede ist von 16 Milliarden Euro kasse zustande kommt. Das im Fall einer Schließung der
bis 2014. Jetzt stellt sich die Frage: Werden die Maßnah- City BKK von den übrigen Betriebskrankenkassen zu
men für die Risikogruppe, über die wir reden, von diesen tragende Haftungsvolumen dürfte nicht zu einer Über-
Einsparungen betroffen sein? Kann das Bundesbildungs- forderung des Systems der Betriebskrankenkassen füh-
ministerium etwas dafür tun, dass sich die Chancen die- ren. Der BKK-Bundesverband prüft derzeit zusammen
ser Risikogruppe, einen Hauptschulabschluss nachzuho- mit den Landesverbänden der Betriebskrankenkassen
len, nicht verschlechtern? eine tragfähige Umsetzung.

Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:


dung und Forschung: Frau Klein-Schmeink, eine Nachfrage?
Ja, das kann es. Das Programm sieht vor, dass der
Wechsel vom Modell in die Fläche ergänzend aus dem Maria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE
Bildungshaushalt bezahlt wird und dass die Bundesagen- GRÜNEN):
tur für Arbeit in diesem Kontext die Rolle des Projektträ- Ihrer Antwort entnehme ich, dass es aus Ihrer Sicht
gers wahrnimmt, und zwar mit Investitionsmöglichkei- keinen ausdrücklichen Handlungsbedarf gibt. Können
ten im Rahmen des Bildungsetats. Das ist die Chance, Sie für dieses Jahr ausschließen, dass eine größere Er-
damit in die Fläche zu gehen. Die gemeinsame Finanzie- satzkrankenkasse in Zahlungsschwierigkeiten gerät, und,
rung aus BA-Mitteln wie bisher und den Mitteln des falls ja, welche Auswirkungen hätte dieser hypothetische
BMBF ist gesichert und wird nicht von den Sparmaß- Fall für das System der Ersatzkrankenkassen?
nahmen betroffen sein.
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das haben Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
wir im Protokoll!) ter für Gesundheit:
Die mir in der Frage unterstellte Äußerung, es gebe
keinen Handlungsbedarf, weise ich zurück; das habe ich
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass es keinen gesetz-
Damit beende ich die Befragung der Bundesregie- geberischen Handlungsbedarf gibt; denn es gibt klare
rung. Regeln, die der letzte Bundestag in Gesetzesform gegos-
4896 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Parl. Staatssekretär Daniel Bahr


(A) sen hat, die den Umgang mit der Zahlungsunfähigkeit men zu ergreifen, die den Kassenwechsel erschweren. Es (C)
von Krankenkassen betreffen, wozu deren mögliche ist in einem System des Wettbewerbs zwischen den
Schließung, aber auch andere Wege gehören. Insofern Krankenkassen in unserem Interesse, dass Versicherte
gibt es einen Rahmen für genau solche Fälle. Es besteht die Wahlmöglichkeit haben, auch um die Erhebung eines
Handlungsbedarf. Ich habe lediglich gesagt, dass es im Zusatzbeitrags für sich persönlich zu vermeiden.
Falle der City BKK keinen gesetzgeberischen Hand-
lungsbedarf gibt. Wir arbeiten angesichts der aktuellen Defizite in die-
sem Jahr und des Defizits der gesetzlichen Krankenversi-
Zu Ihrer zweiten Frage: Das Bundesministerium für cherung im nächsten Jahr daran, die Finanzierung der ge-
Gesundheit beschäftigt sich nicht mit hypothetischen setzlichen Krankenversicherung insgesamt nachhaltig,
Fällen. Es gibt einen klaren gesetzlichen Rahmen. Wir stabil und gerecht auszugestalten. Das Konstrukt des Ge-
sind in Gesprächen mit dem Bundesversicherungsamt, sundheitsfonds mit den Zusatzbeiträgen und der Überfor-
der Aufsicht für die bundesunmittelbaren Kassen, und derungsgrenze von 1 Prozent gibt den gesetzlichen Kran-
auch mit den Landesaufsichten, die für die Krankenkas- kenkassen nicht den nötigen Spielraum, auf dieses Defizit
sen zuständig sind, die ihnen unterstellt sind. Wir wissen zu reagieren und der Finanzlage gerecht zu werden. Des-
um die finanzielle Lage einiger Krankenkassen, die als wegen hat sich die Koalition in der Koalitionsvereinba-
schwierig bzw. ernst zu bezeichnen ist. Die Krankenkas- rung das gemeinsame Ziel gesetzt, zu einer anderen Fi-
sen haben Möglichkeiten, im heutigen System mit dem nanzierung zu kommen. Es finden derzeit Gespräche in
Gesundheitsfonds und den Zusatzbeiträgen auf schwie- den Koalitionsfraktionen statt – das können Sie der öf-
rige Finanzlagen zu reagieren. Es gibt auch Gespräche in fentlichen Berichterstattung entnehmen –, wie diese Vor-
den Verbänden der Kassenarten über die Lösung finan- gabe im Koalitionsvertrag umgesetzt werden kann. Dabei
ziell schwieriger Lagen in einzelnen Krankenkassen. Es wird es auch um Einsparungen bei den Ausgaben gehen,
gibt mehrere Möglichkeiten, diese Probleme zu lösen, um das Defizit im nächsten Jahr zu senken. Es geht aber
unter anderem kann man über Fusionen Krankenkassen auch um die Frage, wie wir die Finanzierung so nachhal-
mit einer schwierigen Finanzlage helfen. Wir sehen im tig gestalten, dass Krankenkassen nicht durch das Kon-
Moment neben der City BKK keinen zweiten Fall. Sie strukt des Gesundheitsfonds und des Zusatzbeitrags in
haben auf die Finanzlage einer großen Ersatzkranken- Schwierigkeiten kommen und die Gesamtsumme, die sie
kasse angespielt. Deren Lage bessert sich durch die vielleicht bräuchten, gar nicht zusammenkommt.
Möglichkeiten, die der Gesundheitsfonds und Zusatzbei-
träge schon heute bieten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Terpe.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
(B) Eine weitere Nachfrage, bitte sehr. (D)
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, noch eine Nachfrage. Sie haben
Maria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE berechtigterweise gesagt, dass Sie aktuell keinen gesetz-
GRÜNEN): geberischen Handlungsbedarf sehen. Ich möchte Sie in
Die Zusatzbeiträge haben zu der Schieflage der in der diesem Zusammenhang fragen, ob Sie in Zukunft einen
Presse genannten Betriebskrankenkassen erheblich bei- solchen Bedarf sehen werden. Inwieweit spielen in der
getragen, weil sie dazu geführt haben, dass es einen zu- Koalition Überlegungen zur Regionalisierung der Kas-
sätzlichen Mitgliederschwund gegeben hat. Jetzt wird in senbeiträge als Reaktion auf die Insolvenz von Kranken-
der Diskussion auch erwogen, die Beschränkung der kassen eine Rolle?
Einkommensgrenze bei den Zusatzbeiträgen aufzuheben
oder auf 2 Prozent zu erhöhen. Wie schätzen Sie das ein?
Kann ein solches Instrument überhaupt dazu führen, den Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Mitgliederschwund bei den kleineren Krankenkassen zu ter für Gesundheit:
stoppen? Ihre Frage danach, ob es in Zukunft gesetzgeberi-
schen Handlungsbedarf gibt, kann man leicht beantwor-
ten: Ja, ihn wird es weiter geben. Wir werden nämlich
Daniel Bahr, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
immer nachprüfen müssen, ob die Vorgaben passen. Wie
ter für Gesundheit:
ich eben gesagt habe, gibt es auch im Hinblick auf das
Dass es zu Mitgliederbewegungen zwischen gesetzli- Finanzsystem der gesetzlichen Krankenversicherung
chen Krankenkassen kommt, ist ein Wunsch aller Frak- akuten gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Was die Fi-
tionen hier im Deutschen Bundestag in den vergangenen nanzierungsregelung für die gesetzlichen Krankenkassen
Jahren gewesen, weil wir den Wettbewerb zwischen den angeht: Daran arbeiten wir gemeinsam in der Koalition.
Krankenkassen wollten. Die Mehrheit des Deutschen Noch in diesem Jahr wird es zu dem angekündigten Ge-
Bundestages in der letzten Legislaturperiode hat mit dem setzgebungsverfahren kommen.
Aufbau des Gesundheitsfonds und der Schaffung der
Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu erheben, den Wettbe- Darüber hinaus haben Sie nach Überlegungen zur Re-
werb intensivieren wollen. Man wollte über die Zusatz- gionalisierung der Kassenbeiträge gefragt. Mir ist nicht
beiträge einen zusätzlichen Wettbewerbsparameter set- klar, inwiefern das im Zusammenhang mit einer Insol-
zen, damit für die Versicherten klarer wird, wie die venz einer Krankenkasse wie der City BKK eine Rolle
Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse ist. Insofern ist spielt. Ich darf aber sagen: Auch hier ist der Koalitions-
es nicht Ziel der aktuellen Bundesregierung, Maßnah- vertrag eindeutig. Wir wollen auch hier durch das neue
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4897
Parl. Staatssekretär Daniel Bahr
(A) Finanzsystem eine stärkere Regionalisierung erreichen. der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwen- (C)
Die Beiträge an die regionalen Krankenkassen sollen dung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes; Details
also weiterhin für die Versorgung in der Region zur Ver- dazu enthält Drucksache 17/464, Seiten 15 bis 17. Da-
fügung stehen. Die Koalition hat sich das Ziel einer Bei- rauf möchte ich hier nicht eingehen. Ich nenne vielmehr
tragsautonomie – die Krankenkassen sollen selbst über neun Beispiele, die besonders gravierend sind:
die Höhe ihrer Beiträge entscheiden können – gesetzt;
das können Sie dem Koalitionsvertrag entnehmen. Ihm Erstens verweise ich auf die falsche Anwendung der
fühlen sich alle drei die Koalition tragenden Parteien Tarifverträge, insbesondere auf nicht korrekte Einstufun-
verpflichtet. gen gemäß der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit und der
im Tarifvertrag bezeichneten Tätigkeitsmerkmale.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Zweitens gibt es sehr viele Verstöße beim Thema Ur-
Herzlichen Dank. – Nach der dringlichen Frage auf laub. Urlaubsansprüche bzw. Urlaubsabgeltungen wer-
Drucksache 17/2111 kämen wir jetzt zur Frage 42 des den oft nicht vollständig gewährt.
Kollegen Harald Weinberg auf, ebenfalls zum Ge- Drittens. Verstöße gegen das Entgeltfortzahlungsge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. setz, insbesondere bezüglich Feiertagen.
Diese Frage wird gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien
für die Fragestunde vorgezogen. Diese Frage wird je- Viertens. Verstöße gegen das Teilzeit- und Befris-
doch schriftlich beantwortet. tungsgesetz.
Wir kommen zu den übrigen Fragen auf Druck- Fünftens. Unzureichende und verspätete Abführung
sache 17/2059 in der üblichen Reihenfolge. der Sozialversicherungsbeiträge und der Steuern. Das
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- kennen wir aber auch aus anderen Bereichen; das ist hier
ministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung kein Spezifikum.
steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Sechstens. Mangelhafte Büroorganisation, fehlende
Fuchtel bereit. bzw. fehlerhafte Dokumentationen der Geschäftsvorfälle,
Zunächst kommen wir zur Frage 1 der Abgeordneten insbesondere der Arbeitszettel.
Martina Bunge. Dabei geht es um die Ungleichbehand- Siebtens. Falsche Lohn- und Gehaltsabrechnungen.
lung unverheirateter gegenüber verheirateten Paaren bei
der Arbeitslosigkeit eines Partners in Bezug auf Arbeits- Achtens. Verstöße gegen Mindestlohnbestimmungen.
losengeld II und Krankenversicherung. Diese Frage wird Insbesondere im Maler- und Lackiererhandwerk wurden
schriftlich beantwortet. solche Verstöße festgestellt.
(B) (D)
Bei den Fragen 2 bis 8 geht es um den missbräuchli- Neuntens. Verletzungen des sogenannten Gleichstel-
chen Einsatz von Zeitarbeit. lungsgrundsatzes.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Matthias Das sind die wesentlichen Monita, die hier auftreten.
Birkwald auf:
Bei wie viel Prozent der Verleihunternehmen nehmen die Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit jährlich
örtliche Prüfungen vor, und was sind die häufigsten festge-
Eine Nachfrage, Herr Birkwald.
stellten Mängel?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr
Staatssekretär, für die Antwort. Ich möchte Sie vor dem
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Hintergrund der Tatsache, dass jetzt aus dem Bundes-
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
ministerium für Arbeit und Soziales ein Diskussionsent-
Herr Kollege Birkwald, zunächst einmal möchte ich
wurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgeset-
darauf hinweisen, dass die Prüfung durch die Regionaldi-
zes vorliegt, fragen, wie die Bundesregierung diese
rektionen der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt
Ergebnisse bewertet, welchen Handlungsbedarf sie da-
wird; das ist Ihnen bekannt. Sie haben im Jahr 2008 ins-
raus ableitet und ob sie die Prüfmöglichkeiten der BA
gesamt 1 440 und im Jahr 2009 1 429 örtliche Prüfungen
und deren personelle Ressourcen insofern für ausrei-
vorgenommen. Ins Verhältnis zur Anzahl der Erlaubnis-
chend hält.
inhaber gesetzt, sind dies im Jahr 2008 9,02 Prozent und
2009 8,58 Prozent. Bis zum 4. Juni dieses Jahres wurden
insgesamt 686 örtliche Prüfungen durchgeführt. Ich möchte Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
darauf hinweisen, dass neben den örtlichen Prüfungen Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
weitere Prüftätigkeiten durch die Agenturen erfolgen. Die Die personellen Ressourcen haben wir um 30 Prozent
Regionaldirektionen prüfen darüber hinaus Geschäftsun- erhöht. Gleichzeitig haben wir der BA empfohlen, wei-
terlagen sowie Arbeits- und Überlassungsverträge, die sie tere Aktivitäten zu entfalten, um die Prüfungsprozesse
sich vorlegen lassen, auf Verletzung arbeitsrechtlicher noch effizienter zu machen. – Das zum Ersten.
und arbeitnehmerüberlassungsrechtlicher Regelungen.
Zum Zweiten. Die Möglichkeiten, gegen solche Ver-
Was sind nun die am häufigsten festgestellten Män- stöße vorzugehen, sind sehr umfassend, dazu gehören
gel? Ich nehme zum einen Bezug auf den Elften Bericht auch Sanktionsmöglichkeiten. Es wird nicht nur gebellt,
4898 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel


(A) sondern es wird auch gebissen. Es können Sanktionen chem Grund man eine Strafe in der Größenordnung von (C)
von bis zu 500 000 Euro verhängt werden. 500 000 Euro bekommt.
Ich darf noch ein paar Zahlen anfügen, damit man die Zweitens. Gab es Fälle, in denen die Arbeitnehmer-
Entwicklung sieht. Wir hatten im Jahr 2005 514 Buß- überlassungserlaubnis komplett entzogen wurde?
geldverfahren und im Jahr 2008 – das ist die jüngste
Zahl, die mir vorliegt – 2 139. Die gröbsten Verstöße lie- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
gen dann vor, wenn die Verleihung praktisch ohne gül- Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
tige Erlaubnis stattfindet. Wie ich schon gesagt habe, Ich habe hier nicht von einem Fall berichtet, sondern
sind in diesen Fällen Bußgelder bis zur Höhe von ich habe den Rahmen für das Bußgeld aufgezeigt. Ich
500 000 Euro möglich. Dieser Rahmen als solcher ist habe keine Aussage getroffen, in wie vielen Fällen ein
aus unserer Sicht wirksam und ausreichend. Bußgeld in einer bestimmten Höhe verhängt worden ist.
Sie haben darauf hingewiesen, dass es Bemühungen Das kann ich anhand der Unterlagen, die mir hier vorlie-
gibt, durch weitere gesetzliche Maßnahmen Löcher, die gen, auch nicht leisten. Wenn Sie allerdings genauere
sich immer wieder auftun, künftig zu vermeiden bzw. zu Auskunft wünschen, würde sich mein Haus bemühen,
schließen. Dem gelten unsere künftigen Bemühungen. Ihnen noch einmal nähere Details mitzuteilen.
Wir möchten erreichen, dass die Verleiharbeitsverhält-
nisse sehr sauber und auch fair gehandhabt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Die Frage 3 der Abgeordneten Dittrich:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wie definiert die Bundesregierung einen „unsachgerech-
ten Einsatz“ von Leiharbeit, wenn neben der Personalplanung
Sie haben noch eine zweite Nachfrage. Bitte sehr. und der Gestaltung der Arbeitsbedingungen für die Beschäf-
tigten auch der „sachgerechte Einsatz“ der Zeitarbeit nach
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Auffassung der Bundesregierung gemäß ihrer Antworten auf
die Kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke „Leiharbeit in
Ich möchte an das Stichwort „Bemühungen“ anknüp- Krankenhäusern“ und „Lohndumping-Leiharbeit von Redak-
fen und Sie fragen, wie Sie denn sicherstellen, dass die teurinnen und Redakteuren in Zeitungsverlagen“ (Bundes-
vor Ort bemängelten Probleme tatsächlich behoben wer- tagsdrucksachen 17/1321 und 17/1724) in der Verantwortung
der Krankenhäuser und Zeitungsverlage liegt, und auf welche
den. Inwiefern erfolgen Nachkontrollen vor Ort, und gesetzliche Regelung stützt sich die Bundesregierung bei ihrer
welche Ergebnisse gibt es? Definition?

Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
(B) Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Bundesministerin für Arbeit und Soziales: (D)
Das werden wir sehen, wenn die Ergebnisse vorlie- Zur Interpretation von „unsachgerechtem Einsatz“
gen. Zunächst einmal müssen wir die Vorbereitungen von Leiharbeit darf ich Ihnen sagen: Die Entscheidung
treffen, um das entsprechend zu gestalten. Wir werden darüber, wann der Einsatz von Zeitarbeit in einem Unter-
uns darum bemühen, die Punkte besonders aufmerksam nehmen nicht mehr sachgerecht ist, hängt von sehr vie-
zu verfolgen, die ich vorher genannt habe. len Faktoren ab. Dabei spielt neben der Beachtung des
rechtlichen Rahmens des Einsatzes insbesondere die un-
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen ternehmerische Entscheidung eine Rolle, mit welchem
Sie noch etwas dazu, ob es Nachkontrollen vor Personaleinsatz die unternehmerischen Ziele verfolgt
Ort gibt?) werden sollen. Sofern der Einsatz von Zeitarbeit aller-
dings dazu genutzt wird, um Stammbelegschaften syste-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: matisch zu ersetzen – um damit ganz konkret auf Ihre
Sie dürfen nicht mehr fragen, weil Sie nur zwei Nach- Frage zu antworten –, entspricht das nicht den Intentio-
fragen stellen dürfen. nen des Gesetzgebers. Ein solcher Personaleinsatz kann
nicht als sachgerecht angesehen werden.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich kann das gern noch vervollständigen. Natürlich Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
wird es verstärkt Nachkontrollen geben.
Heidrun Dittrich (DIE LINKE):
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vielen Dank zunächst für die Beantwortung der
Frage. – Meine Nachfrage lautet: Welche Handlungs-
Frau Krellmann, bitte.
möglichkeiten bestehen unter den derzeitigen Bedingun-
gen für die Beschäftigten – das sind Leiharbeitskräfte
Jutta Krellmann (DIE LINKE): und Beschäftigte im Entleihbetrieb –, weiterhin für Be-
Sehr geehrter Herr Fuchtel, meine erste Frage lautet: triebsräte, Gewerkschaften oder auch für die Bundes-
War die Strafe von 500 000 Euro, von der Sie gerade ge- agentur für Arbeit, um gegen einen unsachgerechten
sprochen haben, das Ergebnis eines Verstoßes oder das Einsatz von Leiharbeit, nämlich die systematische Erset-
Ergebnis einer Summe von Verstößen? Wenn es ein ein- zung der Stammbelegschaft, vorzugehen? Erachtet die
zelner Verstoß war, würde mich interessieren, aus wel- Bundesregierung diese als ausreichend?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4899

(A) Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Eine Nachfrage der Kollegin Zimmermann.
Das ist ein ganzes Bündel von Einzelpunkten.
Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
Erstens zu den Möglichkeiten des Arbeitnehmers: Er
Danke schön. – Herr Staatssekretär, ich finde es gut,
kann sich an die Agentur wenden und auf entsprechende
dass wir uns heute so intensiv mit dem Thema Leiharbeit
Situationen hinweisen.
beschäftigen. Sie haben davon gesprochen, dass es in
Zweitens. Was vonseiten der Agenturen getan werden den Leiharbeitsfirmen viele Kontrollen gibt. Angesichts
kann, habe ich vorhin schon aufgezeigt. der Tatsache, dass 95 Prozent der Leiharbeiterinnen und
Leiharbeiter zum Lohn für Helfertätigkeiten arbeiten,
Das sind im Wesentlichen die Möglichkeiten, wie hier obwohl sie eine Facharbeiterausbildung haben und dem-
agiert werden kann und auch in der Praxis agiert wird. entsprechend eingesetzt werden, muss ich Sie fragen, ob
auch Sie der Meinung sind, dass es zu wenige Kontrol-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: len gibt.
Sie haben eine zweite Nachfrage.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Zur Intensivierung der Kontrollen steht den Arbeits-
Welche konkreten gesetzgeberischen Änderungen plant agenturen zusätzliches Personal zur Verfügung. Dies
denn die Bundesregierung, um den unsachgemäßen Ein- zeigt schon Wirkung. Ich habe vorhin die Zahlen vorge-
satz von Leiharbeit zu verhindern? Können Sie bitte dar- lesen. Fast 10 Prozent der Betriebe werden jedes Jahr ge-
stellen, wieso der Presse, zum Beispiel einem Artikel im prüft. Das ist schon eine sehr beachtliche Zahl. Der über-
Tagesspiegel, bereits am 12. Juni zu entnehmen war, wiegende Teil der Unternehmen in diesem Sektor
dass es Diskussionsvorschläge zur Änderung des Arbeit- beachtet die Vorschriften. Es ergibt also keinen Sinn, alle
nehmerüberlassungsgesetzes gibt, diese Information Unternehmen jedes Jahr nur um der Prüfung willen zu
aber nicht den Abgeordneten zur Verfügung gestellt überprüfen.
wurde.
Wenn man allerdings feststellen sollte, dass sich ein
erhöhter Prüfbedarf ergibt, dann sollte die Anzahl der
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Prüfungen erhöht werden. Es ist ganz klar, dass hier, so-
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: bald Bedarf besteht, gehandelt werden muss. Dieser
(B) In Ihrer Frage schwingt ein wenig ein Vorwurf mit; Aufgabe muss nachgekommen werden. (D)
diesen möchte ich als Erstes einmal ausräumen. Das
Ministerium sieht sich veranlasst, in Überlegungen ein- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
zutreten, wie man auch im gesetzlichen Bereich weiter- Frau Krellmann, bitte.
gehende Regelungen treffen könnte. Dazu besteht auch
aus anderen Gründen Anlass, weil eine europäische
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
Richtlinie kommen und dadurch im nächsten Jahr in Eu-
ropa noch mehr Freizügigkeit gelten wird. Vielen Dank. – Ich möchte anknüpfen an Ihre Ant-
wort auf die Frage meiner Kollegin Heidrun Dittrich, die
Nun zum Ablauf: Dieser erste Diskussionsentwurf, richtigerweise gesagt hat, dass es anscheinend einen Dis-
der zunächst einmal keinerlei weitergehende Verbind- kussionsentwurf gibt – auch ich habe das gelesen –, den
lichkeit besitzt, als dass entsprechende Überlegungen im die Presse zwar kennt, aber den wir als Parlamentarier
Ministerium angestellt wurden, soll nun in einem weite- nicht kennen, was ich persönlich ausgesprochen schade
ren Bereich besprochen werden. In einer zweiten Phase finde. Da es also kein Geheimnis ist, kann man hier auch
wird dies sicherlich in einen Referentenentwurf münden, darüber reden. Daher hätte ich von Ihnen gerne gewusst,
der dann, wie üblich, in das Gesetzgebungsverfahren wie Sie diesen Drehtüreffekt in Ihrem Gesetzentwurf be-
eingebracht wird. So weit sind wir allerdings im Augen- handeln wollen.
blick noch nicht. Wir stehen ganz am Anfang der Über-
legungen. Diese Überlegungen haben zum Ziel, dort, wo Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
der Tarifvertrag notwendige Regelungen nicht enthält, Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
weitergehende rechtliche Regelungen zu treffen, die in Ich gehe davon aus, dass Ihnen parlamentarische Ab-
mehreren Bereichen angesiedelt sein werden. Damit tra- läufe bekannt sind. Auch Sie würden dann, wenn Sie
gen wir der Bedeutung der Gesamtmaterie Rechnung. Es neue Konzeptionen auf den Weg bringen wollen, erst
geht dabei auch um den sogenannten Drehtüreffekt, den einmal eine Diskussionsgrundlage schaffen. Auch das
wir im Fall von Schlecker kennengelernt haben. Dieser Ministerium muss zunächst einmal diese Grundlage
Effekt muss unbedingt vermieden werden. Wir müssen schaffen. Ich halte es für wichtig, dass dies zum jetzigen
zum Beispiel Maßnahmen ergreifen, um die Verleihar- Zeitpunkt geschieht. Man hätte sich auch andere Hand-
beit auf eine noch sicherere Grundlage zu stellen und lungsszenarien vorstellen können, bei denen ein entspre-
entsprechend abzugrenzen. chendes Ergebnis noch lange auf sich warten ließe.
(Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Der Vorwurf Diese Regierung ist sich ihrer Verantwortung in die-
ist gar nicht ausgeräumt worden!) sem Bereich bewusst. Deswegen legt meine Ministerin
4900 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel


(A) größten Wert darauf, dass der Diskussionsprozess mit Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)
diesem Papier begonnen wird. Dass es einige Zeit Sie haben eine Nachfrage? – Bitte sehr.
braucht, bis dieser Prozess in den parlamentarischen
Kreisen Einzug hält, habe ich vorhin erläutert. Denn be- Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
vor eine Grundlage in Form eines Gesetzentwurfes oder Danke schön. – Es ist wichtig, zu wissen, ob es wirk-
eines Referentenentwurfes geschaffen wird, muss es eine lich einen Gesetzentwurf gibt. Sie haben sich dazu nicht
Diskussion geben, die in der Öffentlichkeit beginnt, die konkret geäußert, haben aber davon gesprochen, dass Sie
aber aufgrund des üblichen Ablaufs den parlamentari- schon Fristen festgelegt haben. Gibt es jetzt einen Ge-
schen Bereich zunächst noch nicht umfasst. setzentwurf, den wir als Abgeordnete noch nicht kennen,
oder gibt es ihn noch nicht? Zumindest im Tagesspiegel
Ich möchte trotzdem auf die von Ihnen gestellte vom 12. Juni ist ein solcher zitiert worden.
Frage, wie man einen solchen Drehtüreffekt vermeiden
könnte, noch etwas sagen. Es geht zunächst einmal um
die Frage, welche Konstruktion umfasst werden soll. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Hier muss man abklären, ob auch die Auszubildenden Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
davon erfasst werden sollen, weil es sonst in der Praxis Sie sprechen hier von einem Gesetzentwurf, der noch
Handhabungen dergestalt geben könnte, dass jemand keiner ist. Ich habe ausdrücklich gesagt, dass dies ein
ausgebildet wird und es anschließend heißt: Du kannst in Diskussionsentwurf ist, der in der Koalition besprochen
diesem Unternehmen nicht arbeiten; aber du kannst na- werden wird. Daraus werden sich weitere Entwicklun-
türlich in unserem Zeitarbeitsunternehmen zu anderen gen gestalten lassen, die zu einem Gesetzentwurf führen
können. So ist der Sachverhalt und nicht anders.
Bedingungen arbeiten.
Wenn ich Ihnen jetzt ein Detail genannt habe, dann
Hier muss man einen Zeitfaktor einführen. Ein sol- deswegen, weil ich Ihnen durchaus sagen wollte, was in
cher Zeitfaktor müsste im Gesetzentwurf angesetzt wer- dem Diskussionsentwurf steht, auch wenn es noch kein
den. Es könnte ein halbes Jahr vergehen, bis jemand wie- Gesetzentwurf ist. Insofern habe ich Ihnen heute einen
der als Zeitarbeitnehmer beschäftigt werden kann, ohne Service zu diesem Thema geboten.
dass er als vorherbeschäftigt gilt. Das wollte ich Ihnen
ganz konkret dazu sagen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Sie haben eine weitere Nachfrage? – Bitte sehr.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt kommt die Frage 4 der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
(B) Zimmermann: Ich habe eine zweite Nachfrage. Herr Fuchtel, Sie (D)
Welche Ergebnisse hat das Prüfverfahren des Bundes-
bringen immer alles so schön auf den Punkt. Was pas-
ministeriums für Arbeit und Soziales (vergleiche Antwort der siert jetzt mit den Beschäftigten, die bei Schlecker die-
Bundesregierung auf die schriftlichen Fragen 40 und 41 auf sen Drehtüreffekt durchgemacht haben? Wie gehen Sie
Bundestagsdrucksache 17/494) bisher gebracht, insbesondere damit um? Was können Sie den Kolleginnen und Kolle-
bezogen darauf, ob die Firma Schlecker im letzten Jahr durch gen empfehlen?
die Kooperation mit der Leiharbeitsfirma Meniar gegen die
bestehenden Vorschriften der Leiharbeit verstoßen hat und ob
die bereits bei Meniar beschäftigten Arbeitnehmer/-innen Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
weiter an Schlecker ausgeliehen werden? Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Hierzu liegen mir im Augenblick keine weiteren Er-
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der kenntnisse vor. Es ist hier wie überall – darüber haben
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: wir vor längerer Zeit diskutiert –: Es gibt die verschie-
densten Mechanismen und Möglichkeiten, wie sich die
Zur Frage 4 darf ich Ihnen wie folgt antworten: Die Beschäftigten mit dieser Angelegenheit auseinanderset-
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch- zen können. Das werden sie dann auch tun, wenn Grund
geführte Prüfung hat keinen belastbaren Hinweis erge- dazu besteht. Da ist die Bundesregierung augenblicklich
ben, dass das Unternehmen Schlecker XL GmbH im nicht an vorderster Front gefragt.
letzten Jahr durch die Kooperation mit dem Zeitarbeits-
unternehmen Meniar gegen Vorschriften des Arbeitneh-
merüberlassungsgesetzes verstoßen hat. Wie bereits in Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
der Antwort vom 20. Januar 2010 auf eine schriftliche Die Kollegin Krellmann hat eine Nachfrage.
Frage von Ihnen dargestellt worden ist und zu lesen ist,
hat das Unternehmen Schlecker am 12. Januar 2010 mit- Jutta Krellmann (DIE LINKE):
geteilt, „das 2009 erprobte Personalmodell unter Inan- Vielen Dank. – Ich möchte bezüglich des besonderen
spruchnahme von Personaldienstleistern … nicht mehr Service, den Sie uns gerade geboten haben, nachhaken.
weiter fortzusetzen“. Dies bezieht sich auch auf den Drehtüreffekt; darüber
haben wir eben kurz geredet. In Ihren Ausführungen im
Darüber hinaus hat mir mein Haus mitgeteilt: Gegen Zusammenhang mit der Frage 3 haben Sie von den Aus-
die Mitteilung von einzelnen auf ein bestimmtes Unter- zubildenden und einem Zeitfaktor – ein halbes Jahr – ge-
nehmen bezogenen Daten im Rahmen der öffentlichen sprochen. Trifft es auch für Auszubildende zu, dass sie
Fragestunde bestehen datenschutzrechtliche Bedenken. nach einem halben Jahr zu einer Leiharbeitsfirma gehen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4901
Jutta Krellmann
(A) können oder dass sie ein halbes Jahr lang nicht beschäf- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der (C)
tigt sein dürfen, um dies zu tun? Was heißt das konkret? Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Wenn ich nicht schon so lange im juristischen Ge-
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der schäft als Anwalt tätig gewesen wäre, wenn ich noch
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: nicht so lange Parlamentarier gewesen wäre, wie ich es
bereits gewesen bin, dann würde ich etwas leichter auf
Sie müssen das so sehen: Wenn man solch eine Rege-
diese Frage antworten können. Wir stellen aber fest, dass
lung trifft, gibt es verschiedene Möglichkeiten.
es immer wieder neue Bemühungen gibt, neue Wege zu
Die eine Möglichkeit ist eine Regelung, bei der man finden, um an geltenden Bestimmungen vorbei tätig zu
die Auszubildenden gar nicht mit einbezieht. Es gibt werden. Wenn das nicht der Fall wäre, bräuchten wir die
durchaus Anhänger einer solchen Regelung, die die Auf- gesamten Mechanismen nicht, mit denen wir die ständi-
fassung vertreten: Ausbildung ist die eine Sache; wir gen Prüfungen durchführen. Insoweit kann ich nur sa-
sind froh, dass die Leute überhaupt eine Ausbildung ma- gen: Wenn man über solch eine Sache spricht und sie
chen können. Die Zeiten, als man um jeden Ausbil- konkretisiert, muss man prüfen, welche Regelung hier
dungsplatz froh war und durchaus akzeptiert hätte, hier welchen Effekt bewirken kann. Wir sind aber aufgrund
in einer eigenen Kategorie zu denken – nach Abschluss des Diskussionsstandes natürlich noch nicht so weit,
der Ausbildung beginnt ein völlig neues Spiel, egal wo dass wir hier abschließende Aussagen treffen könnten.
man angestellt wird –, sind noch nicht allzu lang her.
Das ist die eine Möglichkeit, an die man hier denken Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
könnte.
Herr Birkwald.
Die andere Möglichkeit ist eine Regelung im Inte-
resse der Auszubildenden, um zu vermeiden, dass sie Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):
nach ihrer Ausbildung als Leiharbeiter, unter schlechte-
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
ren Bedingungen, in die Arbeitswelt geführt werden, mit
ich habe eine Nachfrage zum Thema Schlecker und zur
dem Hinweis: Hier bei uns kannst du auf gar keinen Fall
Praxis bei der Leiharbeitsfirma Meniar. Ich wollte Sie
arbeiten; du kannst vielleicht für ein Leiharbeitsunter-
fragen, ob gesichert ist, dass die Beschäftigten, die von
nehmen arbeiten. Wenn man hier zugunsten der Auszu-
dieser Leiharbeitsfirma Meniar eingestellt worden wa-
bildenden verfahren möchte, kommt man zu der Überle-
ren, in Zukunft zu Equal-Pay-Bedingungen entlohnt
gung, ob man sie in die gesamte Regelung einbezieht.
werden.
(B) Ich betone nochmals: Hier geht es im Augenblick um (D)
einen ersten Diskussionsstand; es wird jetzt unter Feder- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
führung des BMAS darüber gesprochen. Ich kann noch Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
lange nicht sagen, wie sich die Diskussion im Weiteren
fortsetzen wird. Ich kann Ihnen nur sagen, was im Au- Ich kenne keine Mitteilung der Firma Schlecker zu
genblick der Stand der Überlegungen in unseren Diskus- diesem Thema. Ich kann Ihnen hierzu auch nicht origi-
sionen ist. Ich habe mir erlaubt, Sie darüber zu informie- när, aus meiner Kenntnis, berichten. Wenn Sie Ihre
ren. Frage beantwortet haben möchten, kann ich Ihnen die
Antwort gerne schriftlich nachreichen.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Darf ich noch
einmal nachfragen?) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Einver-
standen! Danke schön!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Nein, das dürfen Sie nicht. Jetzt ist nämlich die Kol-
Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Sabine
legin Dittrich dran. Auch Herr Birkwald hat sich gemel-
Zimmermann auf:
det. – Bitte, Frau Dittrich.
Teilt die Bundesregierung die Stellungnahme der Bundes-
agentur für Arbeit zum Fall der Firma Schlecker vom 11. Ja-
Heidrun Dittrich (DIE LINKE): nuar 2010, die lautete: „Schlecker hat offenbar Stammbeleg-
schaft entlassen, um sie dann in einer eigens gegründeten
Herr Fuchtel, Sie haben zugegeben, dass Sie eine Dis- Zeitarbeitsfirma zu niedrigeren Löhnen wieder einzustellen“
kussion zur Vorbereitung eines Gesetzentwurfs führen; und weiter: „Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbietet
es handelt sich nicht nur einfach um eine Diskussion in so etwas nicht. Hier sind politische Entscheidungen nötig“,
der Bundesregierung. Vielleicht trägt es zur Meinungs- und stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass die
findung bei, wenn wir den Drehtüreffekt besprechen. Bundesagentur für Arbeit zwar die gewerberechtliche Zuläs-
sigkeit von Zeitarbeitsfirmen prüfen darf, aber gegen die von
Um diesen Effekt zu verhindern, wollten Sie, gerade der Bundesregierung gewählte Definition eines missbräuchli-
auch für Auszubildende, einen Zeitfaktor in die entspre- chen Einsatzes von Zeitarbeit (siehe Antwort auf die Kleine
chende Regelung einfügen. Jetzt kommt meine Frage: Anfrage „Leiharbeit in Krankenhäusern“ auf Bundestags-
Kann die Bundesregierung sicherstellen, dass solch eine drucksache 17/1321) nicht vorgehen kann, weil das Arbeit-
nehmerüberlassungsgesetz, AÜG, keine gesetzliche Defini-
Regelung nicht durch den Einsatz von Firmen, in denen tion eines derart definierten missbräuchlichen Einsatzes von
Beschäftigte eine Zeit lang geparkt oder unter Werksver- Zeitarbeit kennt und damit auch kein Verstoß gegen das AÜG
tragsbedingungen eingesetzt werden, umgangen wird? festgestellt werden kann?
4902 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der hält. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass es dann zu (C)
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: einer Ausweitung der befristeten Arbeitsverhältnisse
Es geht nochmals um das Thema Schlecker, das sage kommen wird, das heißt, dass wir durch die Leiharbeits-
ich auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der firmen ein anderes Phänomen erreichen werden?
Tribüne. – Ich beantworte die Frage wie folgt: Erstens.
Der Bundesregierung ist eine unmittelbare Beteiligung Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
der Unternehmen Schlecker e. K. oder Schlecker XL Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
GmbH an der Gründung des Zeitarbeitsunternehmens Ich möchte keine weitgehenden Prognosen darüber
Meniar nicht bekannt. Zweitens. Bekannt ist, dass perso- abgeben, was auf der Welt noch alles passieren kann. Ich
nelle Verbindungen bestanden haben und dass eine Ge- sage nochmals: Wir gehen dieses Thema an, weil es für
schäftsbeziehung zwischen Schlecker XL GmbH und eine beachtliche Zahl von Arbeitnehmerinnen und Ar-
Meniar bestanden hat. beitnehmern wichtig ist. Wir werden in diesem Zusam-
Sie fragen nach dem Prüfungsumfang der Bundes- menhang abklären, welche Wirkungen Leiharbeit haben
agentur für Arbeit hinsichtlich der Erlaubnis für die ge- kann. Sollte es zu einem Gesetzgebungsprozess kom-
werbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG. men, wird man noch einmal darüber diskutieren, was in
Ich kann Sie in zweierlei Hinsicht beruhigen. Erstens be- welchem Umfang zu tun ist.
zieht sich die Prüfung der gewerberechtlichen Zulässig-
keit unter anderem auch auf die ordnungsgemäße Abfüh- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
rung von Steuern und Sozialabgaben sowie die Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Krellmann auf:
Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften durch den Wenn nach eigener Definition der Bundesregierung der
Verleiher. Zweitens prüft die Bundesregierung zusätzlich missbräuchliche Einsatz von Zeitarbeit dort vorliegt, „wo
zu der von den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit ver- Zeitarbeit dazu genutzt wird, systematisch Stammbeschäftigte
durch Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer zu erset-
einbarten Antimissbrauchsklausel Inhalte einer gesetzli- zen, um die Arbeitsbedingungen der Einsatzbranche zu umge-
chen Regelung. Ich habe das eben ausgeführt. Ich habe hen und sich den Pflichten eines verantwortungsvollen Ar-
wiederholt dargestellt, dass diese Prüfungen innerhalb beitgebers zu entziehen“ (Antwort der Bundesregierung auf
der Bundesregierung bislang noch nicht abgeschlossen die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 8. April 2010
sind. „Leiharbeit in Krankenhäusern“ auf Bundestagsdrucksache
17/1321), trifft es dann zu, dass aufgrund der Tatsache, dass
die Personalservice GmbH, PSG, als hausinterne Leiharbeits-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: firma und 100-prozentige Tochter des Universitätsklinikums
Essen rund 300 Beschäftigte, die bei der PSG angestellt sind,
Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön. an das Mutterunternehmen verleiht und diese dort bis zu
30 Prozent weniger Lohn als Festangestellte für die gleiche
(B) Arbeit, sechs Tage weniger Urlaub, keine betriebliche Alters-
(D)
Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
vorsorge und keine Jahressonderzahlung erhalten und dass
Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Fuchtel, wir Beschäftigte mit einem zuvor befristeten Vertrag mit dem
beschäftigen uns schon seit November letzten Jahres mit Universitätsklinikum nach dessen Auslaufen nur ein Angebot
der Firma Schlecker, und ich möchte auch nicht nachlas- über die PSG als Leiharbeitskraft bekommen, es sich gemes-
sen an der Definition der Bundesregierung hierbei um einen
sen. Ist der Firma Meniar die Genehmigung entzogen missbräuchlichen Einsatz von Zeitarbeit handelt?
worden? Es ist wichtig, zu wissen, dass es sittenwidrig
war, die Kolleginnen und Kollegen zu entlassen und
über die Leiharbeitsfirma wieder bei Schlecker einzu- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
führen. Falls die Genehmigung nicht entzogen worden Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
ist, stellt sich die Frage, wie Sie die Wiederholung eines Diese Frage beantworte ich wie folgt: Was die unter-
solchen Vorgangs zukünftig verhindern wollen. nehmerische Motivation des geschilderten Einsatzes der
Zeitarbeit am Universitätsklinikum Essen betrifft, ist der
Bundesregierung Näheres nicht bekannt. Dass es darum
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der geht, die Arbeitsbedingungen in Einsatzbranchen zu um-
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: gehen und sich den Pflichten eines verantwortungsvollen
Ich kann Ihnen im Augenblick keinen weiteren Sach- Arbeitgebers zu entziehen, kann daher nicht bestätigt
stand darstellen. Ich verweise auf das, was ich eben aus- werden.
geführt habe. Sie können sicher sein, dass das Ministe-
rium gerade diesen Vorgang besonders im Blick hat. Ich
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
darf darauf hinweisen, dass die Ministerin umgehend ak-
Eine Nachfrage? – Bitte sehr.
tiv geworden ist, nachdem dem Bundesministerium der
Vorgang in seiner gesamten Breite bekannt wurde.
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
Vielen Dank. – Wissen Sie, es fällt mir schwer, das so
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
zu akzeptieren, weil das ziemlich allgemein ist. Das ist
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte schön. irgendwie gar keine Antwort. Sie erklären hier, dass sich
Ihr Ministerium mit den Themen „Meniar“ und „Schle-
Sabine Zimmermann (DIE LINKE): cker“ beschäftigt. Über Schlecker hat ganz Deutschland
Sie sprechen davon, dass Drehtüreffekte verhindert geredet. Da hätte es für Sie doch interessant sein müssen,
werden sollen, indem ein Leiharbeiter nach dem Equal- zu untersuchen – Sie bekommen sicher auch Schreiben
Pay-Prinzip den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit er- von vielen anderen –, wo denn noch Missbrauch und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4903
Jutta Krellmann
(A) Verstöße stattfinden. Haken Sie denn als Ministerium da Jutta Krellmann (DIE LINKE): (C)
nicht nach, um zu schauen, was dort konkret passiert? Ich gebe Ihnen gerne eine Kopie.
Stellen Sie nicht die Fragen: Was läuft da möglicher-
weise an uns vorbei? Müssen wir das vielleicht im Inte-
resse der Menschen, aber auch im Interesse der Sozial- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
kassen in unseren Gesetzentwurf aufnehmen? An dieser Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Stelle reden wir ja auch über den Niedriglohnbereich, Wir werden uns das nächste Mal darüber unterhalten.
über Aufstocker usw. Insoweit werden wir diese Fragen aufklären können.

Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:


Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Das ist ein Dialog, den Sie gerne woanders führen
Aus Ihnen spricht eine engagierte Sozialpolitikerin. können. – Jetzt hat die Kollegin Dittrich das Wort.
Daher verstehe ich, dass Sie diese Themen sehr stark auf
das Ministerium konzentrieren. Allerdings muss man se-
hen, dass es einen großen Mechanismus gibt – ich habe Heidrun Dittrich (DIE LINKE):
ihn vorhin in aller Breite dargestellt –, der dazu da ist, Sehr geehrte Frau Präsidentin! – Ich möchte mit mei-
solche Problematiken zu klären. ner Nachfrage kurz an die Antwort anknüpfen, die wir
eben gehört haben. Die Statistik der Bundesagentur für
Ich kann mich hier nur auf die Antwort stützen, die Arbeit ist für uns leicht zugänglich, liegt dem Ministe-
ich Ihnen vorhin gegeben habe. Ich bin aber durchaus rium aber nicht vor. Kann das bedeuten, dass das Minis-
bereit, diese konkrete Situation etwas stärker prüfen zu terium gar nicht wirklich daran interessiert ist, anderen
lassen, weil auch ich sehe, dass wir gut daran tun, diese Missbrauchsfällen nachzugehen, und vielleicht auch gar
Fragen bei entsprechenden Hinweisen, vor allem, wenn nicht daran interessiert ist, die Erkenntnisse, die wir hier
sie aus dem Parlament kommen, an die Beteiligten her- erörtern, in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen?
anzutragen.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Eine weitere Nachfrage? – Bitte.
Frau Kollegin, Sie haben meine Antwort etwas ge-
dreht, sodass herauskommt, dass das Ministerium keine
Jutta Krellmann (DIE LINKE): Unterlagen von der Bundesagentur bekommen würde.
Herr Fuchtel, mir fällt es superschwer, das so hinzu- So will ich das nicht verstanden wissen. Ich habe gesagt:
(B) nehmen. Im Grunde beschäftigen wir uns mit dem Mir liegen im Augenblick keine Unterlagen vor; wir (D)
Thema „Leiharbeit“ schon seit über einem halben Jahr. werden nochmals prüfen, ob Unterlagen verfügbar sind
Wir bekommen immer wieder neue Beispiele, bei denen und diese verfügbar gemacht werden können, um das nä-
wir sagen: Das ist nicht in Ordnung. her untersuchen zu können.
Die Antworten, die wir auf unsere Fragen bekommen,
sind oftmals sehr allgemein. Mit Datum vom 11. Juni Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
2010 habe ich eine Kleine Anfrage gestellt. Ich wollte
Die Kollegin Zimmermann.
wissen, wie viele Lohnkostenzuschüsse es im Bereich
der Leiharbeit gibt. Ihre Antwort darauf war: Dazu lie-
gen der Bundesregierung keine statistischen Daten vor. Sabine Zimmermann (DIE LINKE):
Ich habe aber statistische Daten von der Bundesagentur Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Fuchtel, es gibt
für Arbeit. Ich frage mich tatsächlich: Werten Sie diese in Deutschland 720 000 Leiharbeitsverhältnisse. Das ist
Daten nicht aus? Es gibt einen riesigen Verwaltungsaus- eine ziemlich große Branche, die mit dem Aufschwung,
schuss bei der Bundesagentur für Arbeit, die viel erfasst der hoffentlich eintritt, wieder wachsen wird. Ich frage
und untersucht. Es gibt interessante Untersuchungen Sie: Wie wollen Sie verhindern – nennen Sie bitte ein
ohne Ende, und Sie geben mir die Mitteilung, dass keine konkretes Beispiel –, dass Leiharbeiter in einer Firma
statistischen Erkenntnisse vorliegen. Wie passt das zu- Menschen zweiter Klasse sind?
sammen?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Es gibt bestimmte Spielregeln, die durch die gesetzli-
Zeigen Sie mir die Unterlagen, die Sie haben. Sollten
che Grundlage vorgegeben sind. Wir haben festgestellt,
solche vorliegen und diese uns von der Bundesagentur
dass diese verändert werden muss; denn es gibt Vor-
für Arbeit nicht vorgelegt worden sein, dann werden wir
gänge, die aus verschiedenen Gründen so nicht weiter
das klären. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das
bestehen sollten. Daher steigen wir in Überlegungen zur
so gewesen ist.
Änderung der gesetzlichen Grundlage ein; dies haben
Im Übrigen kann ich nur mitteilen, dass die Unterla- wir mit einem ersten Diskussionsentwurf getan. Genau
gen, die vorhanden sind, in meinem Haus sorgfältig aus- das ist unser Vorgehen, um zu Lösungen zu kommen und
gewertet werden und wir die notwendigen Schlüsse da- zu verhindern, dass solche Situationen, die nicht den
raus ziehen, wenn es Anlass dazu gibt. Spielregeln entsprechen, erneut entstehen.
4904 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: gangen sind. Wir haben aber sehr wohl Zahlen. Was sol- (C)
Wir kommen zur Frage 7 der Abgeordneten len das Parlament und die Bürger davon halten, dass sich
Krellmann: die Bundesregierung nur mit dem Auswuchs von Miss-
Welcher Unterschied besteht nach Ansicht der Bundesre- brauch bei Schlecker – den Missbrauch bei einer anderen
gierung zwischen dem Einsatz von Zeitarbeit beim Universi- Firma geben Sie ja nicht zu – befassen möchte? Sollen
tätsklinkum Essen und deren hausinterner Leiharbeitsfirma, die Bürger denken, dass das bei dem einen Fall nur
PSG, wo Neueinstellungen und die Beschäftigung von Perso- exemplarisch ist und Sie ansonsten sagen: „Das ist zwar
nen mit einem befristeten Vertrag mit dem Universitätsklini-
kum nach dessen Auslaufen häufig nur noch zu deutlich nicht schön, aber alles andere nehmen wir mit in Kauf“?
schlechteren Bedingungen über die Leiharbeitsfirma PSG er-
folgen, und den von der Bundesministerin für Arbeit und So- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
ziales, Dr. Ursula von der Leyen, auf dem Bundeskongress
des Deutschen Gewerkschaftsbundes, DGB, am 19. Mai 2010 Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
geschilderten Fällen, wonach „Stammbelegschaften rausge- Sie unterschätzen die Bundesregierung gewaltig. Der
schmissen“ werden und folgende Situation besteht: „Über die Bundesregierung liegt natürlich daran, dass wir durch
Leiharbeit wird die Stammbelegschaft ersetzt, wie das bei eine entsprechende Gesetzgebung Vorgänge ausschlie-
Schlecker der Fall gewesen ist, und zwar zu kleineren Löh-
nen, zu schlechteren Arbeitsbedingungen. Wir sehen jetzt in
ßen, die nach unseren Vorstellungen von dem, was Leih-
einem großen Gesundheitsunternehmen, dass junge Menschen arbeit sein soll, nicht akzeptabel sind.
ausgebildet werden, ihnen anschließend aber gesagt wird: Wir
haben für euch in diesem Unternehmen keine Anstellung. Da Sie immer leicht suggestiv solche Hinweise ge-
Aber wenn ihr zu der Zeitarbeitsfirma geht, dann könnt ihr ben, möchte ich dazu sagen, dass man diesen Diskus-
über die Zeitarbeit zu schlechteren Löhnen und schlechteren sionsprozess miteinander führen sollte und jeder hier im
Bedingungen hier wieder eingestellt werden“? Parlament die Möglichkeit hat, sich daran zu beteiligen.
Das kann man dann tun, wenn der Gesetzentwurf da ist.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Diese Stunde ist noch nicht gekommen. Ich bitte Sie,
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: sich noch etwas zu gedulden. Wir werden hier noch in-
Ich darf Ihnen wie folgt antworten: Erstens. Die Bun- tensiver über dieses Thema sprechen. Eine vorwegge-
desministerin hat auf dem DGB-Bundeskongress deut- nommene Gesetzesberatung am heutigen Tag ist mir
lich gemacht, dass sie eine gesetzliche Regelung zur nicht möglich und auch nicht Sinn einer Fragestunde.
Verhinderung des Missbrauchs des arbeitsmarktpoliti-
schen Instruments Zeitarbeit für erforderlich hält. Zwei- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
tens. Die Bundesarbeitsministerin setzt sich dafür ein, Vielen Dank. – Die Frage 8 der Kollegin Cornelia
bei einer solchen Regelung die Belange von Auszubil- Möhring wird schriftlich beantwortet, ebenso wie die
denden nach bestandener Ausbildung zu berücksichti- Frage 9 des Abgeordneten Seifert.
(B) gen. (D)
Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Katja Mast auf, die
jetzt beantwortet wird:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Eine Nachfrage? – Bitte schön. In welchem Umfang sind angesichts der beabsichtigten
Mittelkürzungen sowie angesichts bestehender Vorbindungen
im nächsten Jahr noch Neubewilligungen für arbeitsmarkt-
Jutta Krellmann (DIE LINKE): politische Maßnahmen möglich, und wie stellt sich die Lage
jeweils in den Rechtskreisen des Zweiten und Dritten Buches
Vielen Dank. – Ich frage ganz konkret: Ist es Miss- Sozialgesetzbuch dar?
brauch, was im Universitätsklinikum Essen und in vielen
anderen ähnlichen Fällen stattgefunden hat, oder nicht?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:1)
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Frau Kollegin Mast, ich darf die Frage wie folgt be-
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: antworten:1)
Ich kann Ihnen aufgrund der Beratungslage im Au-
genblick keine weitergehenden Ausführungen dazu ma- Erstens. Welche Pflichtleistungen der aktiven Ar-
chen als die, die ich gerade zu dem Thema gemacht beitsförderung in Ermessensleistungen umgewandelt
habe. werden, wird im Zusammenhang mit der für das Jahr
2011 vorgesehenen Neuausrichtung der arbeitsmarkt-
politischen Instrumente geprüft werden; ich denke, das
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
war schon heute Vormittag Gegenstand unserer Beratun-
Eine weitere Nachfrage von Frau Dittrich. gen im Ausschuss und ist von meiner Ministerin auch
dort so dargestellt worden. Aussagen zu einzelnen In-
Heidrun Dittrich (DIE LINKE): strumenten sind daher noch nicht möglich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr
Fuchtel, wir haben jetzt gehört, dass die Bundesministe- Wir haben auch noch Evaluierungen vorzunehmen.
rin Frau von der Leyen gesagt hat: Wir werden die Aus- Ich möchte hier darauf hinweisen: Man kann nicht um-
wüchse von Missbrauch bekämpfen. – Wir haben auch fangreiche Evaluierungsmaßnahmen auf den Weg brin-
von Ihnen gehört, dass Sie einen Gesetzentwurf vorbe- gen und sie dann nicht umgesetzt sehen wollen. Viel-
reiten, den wir natürlich noch nicht kennen, aber die mehr geht man dann schon einen Schritt weiter und
Presse schon. Wir haben ferner gehört, dass Sie dem
Missbrauch im Moment noch nicht von sich aus nachge- 1) siehe hierzu Antwort auf Frage 11
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4905
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel:1)
Fuchtel
(A) wechselt auf die Überholspur. Wenn wir so verfahren beitsmarkt ergeben wird und somit weniger Personen an (C)
würden, wären die Steuer- und Beitragseinnahmen solchen Maßnahmen partizipieren werden.
schlecht ausgegeben. Wir müssen schauen, dass wir
gründliche Arbeit leisten. Hier geht es ja um recht viel Vor diesem Hintergrund ist es vertretbar, den Weg zu
Geld. Es ist angemessen, dass wir gründlich arbeiten. gehen, der jetzt hier beschritten wird.
Von daher müssen wir die Evaluierung vornehmen und
daraus unsere Schlüsse ziehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Mast? – Eine zweite Nachfrage.
Zum Zweiten. Die Bundesregierung hat sich mit den
Beschlüssen vom 6./7. Juni 2010 ausdrücklich dazu be-
kannt, die Zukunftschancen für die Menschen durch In- Katja Mast (SPD):
vestitionen in Bildung und Forschung, in Wachstums- Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Fuchtel, ich
kräfte und Arbeitsplätze zu verbessern. Diese Prämisse möchte doch noch einmal auf die Tranchen für 2013 und
wird auch bei der Reform der arbeitsmarktpolitischen In- 2014 eingehen. Wie gesagt: Sie möchten hinsichtlich der
strumente entsprechend berücksichtigt werden. Mittel für Arbeitslosengeld-I-Bezieher – das ist der Be-
reich SGB III – beim Bund 2 Milliarden Euro und bei
der Bundesagentur für Arbeit 3 Milliarden Euro, insge-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: samt also 5 Milliarden Euro, einsparen. Können Sie mir
Frau Mast, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte. sagen, ob heute im Bereich der Pflichtleistungen insge-
samt überhaupt 5 Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben
Katja Mast (SPD): werden?
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwor-
tung der Frage. Ich habe nichtsdestotrotz noch eine Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Nachfrage. Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Die Antwort auf diese Frage, wie viel ausgegeben
Ich habe sehr wohl verstanden, dass die Bundesregie- wird, kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Ich
rung, bevor sie die Frage beantwortet, welche Pflicht- kann zu Beginn eines Jahres oder zur Mitte eines Jahres
leistungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wo es um noch nicht sagen, wie hoch die Zahlen am Ende des Jah-
Fördern und Fordern geht, in Ermessensleistungen um- res sein werden. Ich kann das Budget nennen, und ich
gewandelt werden, die Evaluierungs-, also die Überprü- kann vielleicht sagen, welche Mittelbindungen es im
fungsergebnisse 2011 abwarten möchte. nächsten Jahr gibt, aber ich kann jetzt noch nicht ab-
Was sich mir als einfache Bundestagsabgeordnete an schätzen, in welchem Rahmen diese Mittel verausgabt
(B) werden. (D)
dieser Stelle nicht erschließt, ist, wie man sich einerseits
auf verbindliche Einsparziele festlegen und diese über In jedem dieser Einzelbereiche gibt es Maßnahmen,
vier Jahre in Tranchen verteilen kann – 2011 in Höhe von bei denen der Mittelabfluss größer ist, und solche, bei
2 Milliarden Euro, 2012 von 4 Milliarden Euro, 2013 von denen er kleiner ist, und es gibt auch die Situation, dass
5 Milliarden Euro und 2014 von weiteren 5 Milliarden die Mittel im ersten Halbjahr kaum und im zweiten
Euro, also von insgesamt 16 Milliarden Euro –, ohne an- Halbjahr in viel stärkerem Maße abfließen. Hier liegt
dererseits zu wissen, wo genau man sparen möchte. Die- also eine sehr starke Differenzierung vor, die man in der
ser Zusammenhang erschließt sich mir nicht ganz. Gesamtbetrachtung nicht unbeachtet lassen darf. Deswe-
gen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine weiter-
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der gehenden Aussagen machen.
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Frau Kollegin, Sie sollten Ihr Licht nicht unter den Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Scheffel stellen. Sie gelten ja hier als profilierte Sozial- Frau Lösekrug-Möller, bitte schön.
politikerin.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Richtig! Das Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
stimmt!) Herr Staatssekretär, wir haben ja vor kurzem erlebt,
dass durch eine Haushaltssperre im Umfang von
Zunächst einmal ist Ihnen noch aus unserer gemeinsa- 900 Millionen Euro nicht nur eine große Verunsicherung
men Regierungszeit bekannt, dass wir die Evaluierung hinsichtlich der Fortführung von Maßnahmen herbeige-
auch deswegen auf den Weg gebracht haben, weil wir führt wurde, sondern dass sie auch zu der ernsthaften
uns schon damals im Klaren waren, dass nicht jeder Sorge vieler Träger geführt hat, dass gar nicht gewähr-
Stein auf dem anderen bleiben wird, wenn wir das unter- leistet ist, dass es kontinuierlich Bildungs- und Qualifi-
sucht haben. Sonst hätten wir das damals nicht machen zierungsmaßnahmen gibt.
müssen.
Bei den jetzt avisierten Kürzungen ist es ja so: Auch
Vor diesem Hintergrund war auch Ihrer Fraktion klar, wenn die Evaluationsergebnisse erst im kommenden
dass es Veränderungen geben wird, wenn die Evaluie- Jahr vorliegen, weiß man, dass es einen Konflikt zwi-
rung durchgeführt ist. Das Ziel ist, die Maßnahmen noch schen kontinuierlichen, guten und seriösen Angeboten
zielgenauer auszurichten. Wir gehen davon aus, dass und der Strategie, das haushalterisch klug zu unterlegen,
sich auch eine Verbesserung der Situation auf dem Ar- gibt. Wie wollen Sie in den nächsten Monaten vorgehen
4906 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Gabriele Lösekrug-Möller
(A) und sicherstellen, dass einerseits eine seriöse Arbeits- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der (C)
marktpolitik für die betreffenden Zielgruppen betrieben Bundesministerin für Arbeit und Soziales:1)
werden kann und andererseits Sie mit Ihrer beabsichtig- Hierbei geht es um Bindungen für Eingliederungs-
ten Kürzung zum Erfolg kommen? maßnahmen, die sich auf das Folgejahr erstrecken. Sie
können höchstens im Umfang der im Bundeshaushalt so-
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der wie im Haushalt der BA ausgebrachten Verpflichtungs-
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: ermächtigungen mit Fälligkeit im Jahr 2011 eingegan-
Ich habe es in den letzten Jahren noch nie anders er- gen werden. Das gebietet das geltende Haushaltsrecht.1)
lebt, als dass jede auch noch so kleine Veränderung von Erst wenn der Regierung im Wege der Rechnungsle-
Zahlen in der Szene sofort sehr stark beachtet wird und gung für das Jahr 2010 bekannt ist, auf welche Summen
dass dabei auch eine sehr starke Verunsicherung zu spü- sich die eingegangenen Verpflichtungen aus Vorjahren
ren ist. Wenn man all dem Rechnung tragen und als belaufen, kann eine Aussage dazu getroffen werden, in
Grundlage der Beurteilung von Handlungsmöglichkeiten welcher Höhe Ausgabemittel für neue Bewilligungen im
der Regierung ansehen würde, dass nicht gehandelt wer- Haushaltsjahr 2011 möglich sind.
den darf, sobald jemand sagt, dass er befürchtet, dass er
weniger Geld hat, dann könnte man im Bereich der ar- In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinge-
beitsmarktpolitischen Instrumente operativ überhaupt wiesen, dass sich unterjährig immer wieder Ausgabemit-
keine Politik mehr machen. Das wollte ich hier einfach tel freirechnen – ich habe das bereits ansatzweise darge-
einmal deutlich sagen. stellt –, zum Beispiel aus vorzeitig beendeten oder, was
nicht allzu selten vorkommt, nicht durchgeführten Maß-
Die Veränderungen sind ja nicht so gravierend, als nahmen, wenn etwa mithilfe der Agentur für Arbeit der
dass man sagen müsste: Es ist hier ein so großer Verän- Erwerb des Führerscheins möglich wäre, sich aber nicht
derungsprozess zu erwarten, dass man als einzelner Trä- genügend Teilnehmer finden. In einem solchen Fall kön-
ger überhaupt keine weitergehenden Überlegungen für nen die Mittel nicht abfließen und stehen für Neubewilli-
die Zukunft mehr anstellen kann. – Man muss sicher se- gungen zur Verfügung.
hen: In einer Reihe von Bereichen sind die Mittel bei
weitem nicht ausgeschöpft. 2009 lagen die Ergebnisse Wenn es Sie interessiert, kann ich noch auf die für
unter dem, was wir jetzt zum Beispiel für 2010 etatisiert 2011 eingegangenen Verpflichtungen eingehen; denn
haben, und wir sehen, dass auch im Jahre 2010 noch auch das gehört zur Haushaltspolitik. Für den Rechts-
Spielräume sind. Insoweit wissen die Träger selbst, wo kreis Sozialgesetzbuch II belaufen sich die eingegange-
ihre Möglichkeiten liegen und wie weit sie gehen kön- nen Verpflichtungen für das Haushaltsjahr 2011 mit
nen. Stand vom 31. Mai 2010 auf etwa 1,2 Milliarden Euro.
(B) Für den Rechtskreis SGB III belaufen sich die eingegan- (D)
Ich gestehe zu, dass auch durch die Reform bei den genen Verpflichtungen für 2011 auf circa 1,03 Milliar-
Jobcentern ein gewisser verstärkter Klärungsbedarf ge- den Euro, und zwar ebenfalls mit Stand vom 31. Mai
geben ist. 2010.
Wir sind sicher, dass man, sobald die Jobcenter-Re-
form auf den Weg gebracht worden ist, klare Konturen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
aufzeigen kann, was die Größenordnung und Potenziale Eine Nachfrage, bitte schön.
der einzelnen Förderinstrumente betrifft, und dass die
Träger damit zurechtkommen. Wir haben seit den Jahren
Katja Mast (SPD):
2006 und 2007 einen Aufwuchs auf die derzeitige Grö-
ßenordnung zu verzeichnen. Wir alle – darunter auch Vielen Dank für die Antworten, Herr Staatssekretär. –
Ihre Fraktion – gehen aus vielerlei Gründen von einem Ich beziehe mich jetzt noch einmal auf die Frage 11, in
gewissen Rückgang der Mittel aus. Ich denke, dass sich der es insbesondere darum geht, ob es durch die Spar-
der Sparprozess in diesem Rahmen gut gestalten lässt. vorschläge der Bundesregierung zu Bildungskürzungen
im Bereich der Arbeitsmarktpolitik kommt. Die Bundes-
regierung sagt immer, dass es im Bereich der Bildungs-
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: politik keine Kürzungen gibt. Meine sehr konkrete Frage
Der nächste Fragenkomplex beschäftigt sich mit der lautet deshalb: Bedeutet das auch, dass es im Bereich der
Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen im Arbeitsmarktpolitik überall dort, wo es um Bildung geht,
Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik. keine Kürzungen gibt? Das betrifft beispielsweise das
Wir kommen zur Frage 11 der Abgeordneten Katja Recht auf Nachholen eines Hauptschulabschlusses, den
Mast: Ausbildungsbonus und das Recht auf Spracherwerb für
diejenigen, die die deutsche Sprache noch nicht spre-
Welche konkreten Folgen ergeben sich nach Auffassung chen.
der Bundesregierung durch die Umwandlung von sogenann-
ten Pflicht- in Ermessensleistungen im Bereich der aktiven Wie Sie wissen, haben wir in unserer gemeinsamen
Arbeitsmarktpolitik, beispielsweise für das Recht auf Nach-
holen des Hauptschulabschlusses, das Recht auf Ausbildung Regierungsverantwortung in der Großen Koalition mit
für Altbewerber – Ausbildungsbonus – sowie das Recht auf viel Mut viele Rechtsansprüche geschaffen. Denn wir
Spracherwerb, und inwiefern sieht die Bundesregierung in wollten gerade nicht, dass Bildungsansprüche Haus-
diesem Zusammenhang ihr Ziel noch als gegeben an, keine
Mittelkürzungen im Bereich der Bildungspolitik vorzuneh-
men? 1) siehe hierzu Antwort auf Frage 10
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4907
Katja Mast
(A) haltskürzungen zum Opfer fallen. Deshalb frage ich Sie: Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der (C)
Bleiben Sie bei der Strategie unserer Politik, oder müs- Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
sen wir im Bereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik mit Sie können davon ausgehen, dass keiner unserer Mit-
Bildungskürzungen rechnen? arbeiter aus dem Ministerium zum Spaß nach Nürnberg
fährt, nur um dort Kaffee zu trinken, sondern dass immer
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der sehr ernsthaft über die zu lösenden Aufgaben gespro-
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: chen wird. Natürlich ist eine Daueraufgabe, die Effekti-
vität zu verbessern und überall dort, wo es möglich ist,
Ich fürchte, dass ich hierzu an der Stelle noch keine Bürokratie abzubauen. Gerade diese Koalition hat sich
bindende Aussage machen kann, und weise darauf hin, Bürokratieabbau aufs Panier geschrieben. Wenn Sie uns
dass das vorgegebene Sparziel zunächst in den Koali- dazu Vorschläge machen können, würden Sie damit si-
tionsfraktionen debattiert wird. Dann sind die Festlegun- cher einen guten Dienst erbringen. Wir warten gerne da-
gen im Einzelnen zu treffen. Es ist nicht meine Aufgabe, rauf.
dem vorzugreifen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Eine zweite Nachfrage.
Die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Anette
Kramme werden schriftlich beantwortet.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Dagmar Bei meiner Frage ging es darum, inwieweit die durch-
Enkelmann auf: aus vernünftigen Vorschläge der Bundesagentur es tat-
Wie bewertet die Bundesregierung aktuelle Anweisungen sächlich von Nürnberg bis nach Berlin schaffen.
der Bundesagentur für Arbeit an Jobcenter, nach denen die
Eingliederungsleistungen für Bezieherinnen und Bezieher von Ich möchte aber noch eine zweite Frage nachschie-
ALG II allein auf die Eingliederung in den ersten Arbeits- ben: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass allei-
markt auszurichten sind, und stehen diese Weisungen im Zu- niges Kriterium für den Sinn von Maßnahmen tat-
sammenhang mit der von der Bundesregierung geplanten Um- sächlich die Eingliederungsquote ist, oder sieht die
wandlung der Eingliederungshilfen von einer Pflicht- in eine Bundesregierung nicht auch andere wichtige Kriterien?
Ermessensleistung?
Die Kriterien haben gerade bei der Beantwortung ja auch
eine Rolle gespielt.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
(B) Frau Kollegin Enkelmann, ich darf Ihre Frage wie Bundesministerin für Arbeit und Soziales: (D)
folgt beantworten: Eine Weisung der Bundesagentur, Natürlich ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Kriterium.
wonach Eingliederungsleistungen für Bezieherinnen und Es kann ja nicht nur um eine Vermittlung gehen, sondern
Bezieher von Arbeitslosengeld II allein auf die Einglie- die Frage ist, ob diese Vermittlung von Dauer ist und für
derung in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet sind, den Einzelnen zu einem Arbeitsplatz auf dem ersten Ar-
existiert nach meiner Kenntnis nicht. beitsmarkt führt. Darauf sind unsere arbeitsmarktpoliti-
schen Instrumente ausgerichtet, und sie sollen künftig
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: noch stärker auf die Vermittlung in den ersten Arbeits-
Eine Nachfrage. markt ausgerichtet werden.
Ich möchte darüber hinaus noch sagen, dass die Steu-
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): erung der gemeinsamen Einrichtungen und der zugelas-
Ich verweise zunächst auf einen Bericht in der Frank- senen kommunalen Träger mit der Neuorganisation der
furter Allgemeinen Zeitung vom 7. Juni über ein Ge- Grundsicherung für Arbeitsuchende ab 2011 mit Sicher-
spräch mit dem Vorstand der Bundesagentur, Heinrich heit auch zu Verbesserungen führen wird. Hier sehen wir
Alt, in dem sich so etwas unter anderem findet. Aber noch erhebliches Potenzial. Ferner möchte ich darauf
auch wenn Sie sagen, Sie kennen eine solche Anweisung hinweisen, dass sich die Effizienzsteigerungen nach Be-
nicht, würde ich gerne nachfragen. endigung der notwendigen organisatorischen Umstellun-
gen noch stärker entfalten werden. Bei meinen Beobach-
Die Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistun- tungen in jüngerer Zeit habe ich festgestellt, dass es sehr
gen ist ja Teil des Kürzungsprogramms, das die Bundes- viel effektiver ist, bereits in einem frühen Stadium zu
regierung vor zwei Wochen angekündigt hat. Inwieweit prüfen, ob Personen für bestimmte Tätigkeiten tatsäch-
gibt es eigentlich ernsthafte Gespräche mit der Bundes- lich geeignet sind. Dafür planen wir Phasenmodelle bei-
agentur über wirkliche Einsparmöglichkeiten, zum spielsweise für die Bürgerarbeit, wie wir sie auch schon
Beispiel beim bürokratischen Aufwand, der der Bundes- aus Programmen der Berliner Busunternehmen kennen,
agentur abverlangt wird – hier gibt es durchaus Vor- in denen in einem sehr frühen Stadium Prüfungen durch-
schläge –, sodass Kürzungen nicht zulasten der Lang- geführt werden, um festzustellen, ob jemand für eine
zeitarbeitslosen gehen, sondern im Gegenteil Ausbildung oder Umschulung zum Busfahrer geeignet
Einsparungen sogar zu einer Entlastung führen können? ist. Dann werden wir hier erhebliche Effizienzsteigerun-
Gibt es ernsthafte Gespräche mit der Bundesagentur gen erreichen, die auch für den Einzelnen gewinnbrin-
auch über Alternativen, statt bei Maßnahmen zu kürzen? gend sind; das war auch Gegenstand Ihrer Frage. Es soll
4908 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel


(A) nicht nur um nüchterne Zahlen gehen; denn hinter jeder deln extra 3 200 bisher befristete Arbeitsverhältnisse in (C)
Zahl stehen Menschen, stehen Schicksale. Wir müssen Dauerarbeitsverhältnisse um – das wurde im Haushalts-
uns mit den Schicksalen auseinandersetzen, den Men- ausschuss beschlossen –, mit dem Ziel, künftig die Qua-
schen gerecht werden und die passenden Maßnahmen lität im Bereich der Entscheider durch einen gefestigten
für die Menschen finden. Dem dient unsere Arbeit. und kontinuierlich arbeitenden Personalkörper zu stei-
gern. Auch das muss von Ihnen wenigstens zur Kenntnis
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: genommen werden. Ich darf noch darauf hinweisen, dass
bei jeder Ermessensentscheidung der Anspruch auf Feh-
Frau Dittrich, bitte.
lerfreiheit besteht. Dadurch ist gesichert, dass die Ent-
scheidungen sehr sorgfältig getroffen werden und im
Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Rahmen der Möglichkeiten, die der Entscheidungsrah-
Sehr geehrter Herr Fuchtel, bekommen Sie keinen men vorgibt, nachprüfbar sind.
Schreck! Es wird jetzt keine Unterstellung geben. Ich
werde Ihnen auch nicht sagen, dass Sie den Vorwurf Vor dem Hintergrund ist es nach meiner Auffassung
nicht ausgeräumt haben. äußerst gewagt, Formulierungen zu gebrauchen, wie Sie
sie gerade in den Raum gestellt haben.
Sie haben angesprochen, dass Sie bei den Jobcentern
einen Bürokratieabbau planen; das gehört zum Kahl- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
schlag im Sozialstaat. Wenn Sie die Zahl der Beschäftig-
Die Frage 15 der Kollegin Iris Gleicke wird schrift-
ten im öffentlichen Dienst verringern und für Arbeits-
lich beantwortet.
lose, die eingegliedert werden sollen, Pflichtleistungen
in Ermessensleistungen umwandeln, dann müssen wir Wir kommen nun zu dem Fragenkomplex, der die
doch Angst haben, dass viele Leistungen, die zuvor Abschaffung der Rentenversicherungsbeiträge für Emp-
Pflichtleistungen waren, als Ermessensleistungen nicht fänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II be-
mehr erbracht werden können. Das bedeutet einen gerin- handelt.
geren Anspruch an die Qualifikation der Beschäftigten
im öffentlichen Dienst – hier wollen Sie abbauen – und Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Ottmar
geringere Betreuungsmöglichkeiten für die Arbeitslosen, Schreiner auf:
die eingegliedert werden sollen. Begründet die Bundesregierung die Abschaffung der Ren-
tenversicherungsbeiträge für Empfängerinnen und Empfänger
Die Menschen werden so viel Willkür erleben und von Leistungen nach dem SGB II tatsächlich damit, dass zur
feststellen, dass eine Ermessensleistung in einem Job- Bekämpfung von Altersarmut ja die Grundsicherung im Alter
zur Verfügung steht, und soll die Arbeit der Regierungskom-
center gewährt wird und in einem anderen nicht. Ich mission, die laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
(B) (D)
frage Sie daher: Wie wollen Sie angesichts dieses Um- FDP eingesetzt werden soll, sich an dieser sozialpolitischen
gangs mit Arbeitslosen und Beschäftigten Arbeitsplätze Philosophie orientieren, dass beitragsgedeckte Versicherungs-
schaffen, wohl wissend, dass es bundesweit nur 485 000 leistungen durch fürsorgeorientierte Leistungen ersetzt wer-
den?
offene Stellen gibt?

Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der


Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Wenn dieser Fragenkomplex beantwortet ist, sind wir
Wenn ich das bewerten dürfte, was ich nicht machen
durch den Geschäftsbereich Arbeit und Soziales in einer
möchte, würde ich sagen: Ihre Frage ist eine regelrechte
Fragestunde einmal durchgekommen. Es ist mir eine
Breitseite. Ich beantworte Ihre Frage aber gerne im Ein-
Freude, auch noch die Fragen zur Rente zu beantworten.
zelnen. Ich möchte zuerst auf den Bereich von ALG II
Ich darf das wie folgt tun: Die Bundesregierung begrün-
bzw. SGB II zu sprechen kommen. Je nachdem, wie viel
det die Abschaffung der Rentenversicherungsbeiträge
Zeit mir gegeben wird, kann ich auch auf den Bereich
für die Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen
des SGB III eingehen.
nach dem SGB II keineswegs damit, dass zur Bekämp-
Zuerst zum SGB II. Ich weise mit dem Ausdruck fung von Altersarmut die Grundsicherung im Alter zur
höchster Empörung zurück, dass hier willkürlich gehan- Verfügung steht.
delt werden soll. Ich verweise darauf, dass wir mit den
Der Kollege Schreiner gehört wie ich schon länger
Festlegungen, die das Gesetz nun vorsieht, einen Betreu-
dem Deutschen Bundestag an. Wenn ich es richtig weiß,
ungsschlüssel bekommen, der noch nie so gut war. Ich
haben in der letzten Legislaturperiode auch Sozialdemo-
kann hierin nur einen Vorteil für den Einzelnen sehen
kraten an der Regierungskoalition mitgewirkt.
und nicht, dass weniger getan wird. Hier wird mit sehr
viel Geld sehr viel getan, damit die Menschen sehr indi- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig!)
viduell betreut werden können. Ich wäre Ihnen sehr
dankbar, wenn Sie das wenigstens zur Kenntnis nähmen Damals haben wir gemeinsam beschlossen, den damali-
und das in Ihren Ausführungen zum Ausdruck käme. gen Ansatz zu halbieren. Damals habe ich eine solche
Argumentation nicht gehört. Jetzt höre ich sie. Ich muss
Zweitens. Wenn Pflichtleistungen in Ermessensleis- sie zur Kenntnis nehmen; aber sie ist etwas verwunder-
tungen überführt werden, muss das nicht heißen, dass lich, weil sich die Situation im Grunde seit der damali-
weniger Leistung erbracht wird. Aber es liegt im Ermes- gen Veränderung, die wir vorgenommen haben, nicht ge-
sen derjenigen, die die Aufgabe durchführen. Wir wan- ändert hat. Das ALG II soll immer eine Leistung sein,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4909
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
(A) die in der aktuellen Bedürfnislage Hilfe gibt. Sie hat we- Ich komme vor diesem Hintergrund auf die Argumen- (C)
niger das Ziel, dass gleichzeitig auch noch für das Alter tation zurück, dass wir für ALG-II-Empfänger in einer
vorgesorgt werden soll. Vor diesem Hintergrund muss Bedürfnislage im Alter, in der andere finanzielle Res-
man das Ganze sehen. sourcen nicht zur Verfügung stehen, eine Absicherung
durch die Grundsicherung haben. Davon zu unterschei-
Das, was jetzt noch an die Deutsche Rentenversiche- den ist die Frage, wie für das Alter vorgesorgt wird. Mit
rung überwiesen wird, hat – das muss man hier deutlich diesen 2,09 Euro kann man ganz sicher nicht entspre-
sagen – für den Einzelnen im Alter einen Wert von der- chend für das Alter vorsorgen.
zeit 2,09 Euro monatlich. Ich wage zu behaupten, dass
eine Rente von 2,09 Euro im Alter für jemanden, der Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen: So
eine normale Erwerbsbiografie hat, nicht ausschlagge- werden wir das Problem der Altersarmut sowieso nicht
bend für seine Situation im Alter ist. Wenn allerdings je- lösen können. Wir müssen uns darüber klar sein, dass es
mand langzeitarbeitslos ist, dann kommt er auch dann, hier um eine Absicherung in einer bestimmten Bedürf-
wenn wir es bei dem jetzigen Betrag belassen, nicht zu nislage geht und dass eine Bekämpfung der Altersarmut
einer Absicherung im Alter, die über die Grundsicherung mit Sicherheit nicht durch 2,09 Euro zusätzlich möglich
hinausführt. Vor diesem Hintergrund ist diese Maß- ist.
nahme akzeptabel; denn man muss bei den Sparmaßnah-
men, deren Notwendigkeit jeder hier im Haus bestätigt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
und die auch jede andere Regierung ergreifen müsste, Zweite Nachfrage, bitte schön.
eine Lösung suchen, die ordnungspolitisch begründbar
ist. Das wurde zum damaligen Zeitpunkt nicht anders Ottmar Schreiner (SPD):
diskutiert als heute.
Es hat auch niemand behauptet, dass das möglich sei.
Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es ein wichtiger
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Baustein ist, der, so wie er geregelt ist und wie er jetzt
Kollege Schreiner, Nachfrage? – Bitte. neu geregelt werden soll, den Weg in die Altersarmut be-
schleunigen wird. Das lässt sich überhaupt nicht bestrei-
ten. Sie müssten bei Gelegenheit erklären, was das mit
Ottmar Schreiner (SPD): christlicher Politik zu tun hat.
Das kann man nicht so stehenlassen; denn die Argu-
Ich will noch eine zweite Frage stellen. Sie haben in
mentation, 2,09 Euro seien etwas wenig und deswegen
der Ausschussdrucksache 17(11)187, Unterrichtung
könne man sie ganz streichen, entspricht einer Logik, die
durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales,
(B) besagt, dass man demjenigen, der so wenig zu Essen hat, (D)
zur Begründung drei interessante Sätze geschrieben, die
dass er hungert, gleich gar nichts zu geben braucht. Was ich, Herr Präsident, zitieren will:
ist denn das für eine Argumentation? Ich kenne eine
ganze Reihe von Szenarien über drohende Altersarmut, Hingegen erhöht die bisherige Rentenbeitragszahlung
Herr Kollege Fuchtel. In all diesen Szenarien wird die des Bundes für Bezieher von Arbeitslosengeld II de-
mehrfache Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge ren spätere monatliche Rente nur um rund 2 Euro je
für Langzeitarbeitslose massiv kritisiert, weil das ein ei- Jahr des Bezugs von Arbeitslosengeld II. Menschen
genständiger Zugang zu zusätzlicher Altersarmut sei. mit sehr langen Leistungsbezugszeiträumen wären
Wenn man schon kritisiert, 2,09 Euro seien reichlich we- deshalb ohnehin auf die Grundsicherung im Alter
nig, dann wäre die zwingende Konsequenz gewesen, die angewiesen. Um das zu vermeiden, ist es besser, sie
Beitragssätze anzuheben, um die Leute vor drohender in Arbeit zu integrieren statt Arbeitslosigkeit zu fi-
Altersarmut besser zu schützen. Das wäre einigermaßen nanzieren.
logisch gewesen. Sie haben eben in einem anderen Zu-
Das ist eine doppelte Täuschung, weil Sie damit behaup-
sammenhang gesagt: Die Bundesregierung bellt nicht
ten, Sie sparten hier zulasten der Langzeitarbeitslosen,
nur, sie beißt auch. – Können Sie nachvollziehen, dass
um das eingesparte Geld zur Förderung ebendieser
die Bundesregierung nicht nur in diesem Fall, aber in
Langzeitarbeitslosen einzusetzen. Das ist eine grotten-
diesem Fall ganz besonders, die völlig falsche Gruppe
falsche Behauptung. Sie setzen das eingesparte Geld
gebissen hat?
nämlich nicht ein, um Arbeit besser zu fördern; vielmehr
kassieren Sie gleichzeitig bis zum Jahr 2014 arbeits-
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der marktpolitische Mittel der Bundesagentur für Arbeit in
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Höhe von rund 16 Milliarden Euro. Können Sie meiner
Ich danke zunächst einmal dafür, dass Sie meinen Bewertung folgen, dass es sich hier nicht um eine Unter-
Worten so genau Ihr Ohr geliehen haben, und darf jetzt richtung der Bundesregierung handelt, sondern um eine
Adam Riese bemühen. Das Doppelte von 2,09 Euro, die grobe Täuschung?
die Große Koalition beschlossen hat, sind 4,18 Euro.
Das würde unter anderem Zusatzkosten für Beitragszah- Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der
lungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro bedeuten. Ich Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
kann mir nicht vorstellen, dass die Haushalts- und Fi- Herr Kollege Schreiner, Sie können sich vorstellen,
nanzpolitiker Ihrer Bundestagsfraktion das als auch nur wie die Antwort ausfällt: Ich kann Ihnen hier natürlich
annähernd realistisch ansehen. nicht folgen.
4910 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel


(A) Ich möchte Bezug nehmen auf meine schon reichli- Kosten das im Bundeshaushalt auslösen würde? Würden (C)
chen Ausführungen zu ordnungspolitischen Fragen. Da- Sie uns freundlicherweise außerdem noch die Mitteilung
rüber hinaus stelle ich fest: Wir müssen auf jeden Fall machen, wie Sie das unter Einhaltung der Schulden-
eine Konsolidierung des Bundeshaushalts erreichen – ich bremse kompensieren wollen?
verweise auf die im Grundgesetz verankerte Schulden-
bremse, an deren Gestaltung ein größerer Teil dieses Hau- Ich wollte das hier nur so in den Raum gestellt haben.
ses mitgewirkt hat –, damit die Staatsfinanzen stabil sind. Ich weiß ja, dass Sie mir darauf keine Antwort geben
Wir müssen auch einen höheren Investitionsanteil am ge- können,
samten Haushalt erreichen; denn es ist bekannt: Wenn In- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch! –
vestitionen erfolgen, dann können neue Arbeitsplätze ent- Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ein
stehen und mehr Leute eingestellt werden. Das kann unter bisschen was soll die Bundesregierung auch
diesem sektoralen Gesichtspunkt zu einer Verbesserung machen!)
der Gesamtsituation führen. Vor diesem Hintergrund ist
das, was da geschrieben wurde, zu verstehen. Die Umset- die die Kriterien, die ansonsten für die Gestaltung des
zung dieses Beschlusses wird dazu führen, dass wir wie- Bundeshaushalts gelten, berücksichtigt. Es würde zu er-
der Spielräume bekommen, die es uns ermöglichen, im heblichen Zusatzbelastungen kommen. Sie bestätigen
Bereich der Investitionen tätig zu werden und damit die das ausdrücklich. Damit zeigt sich, dass hier ein Pfad be-
Schaffung von Arbeitsplätzen zu begünstigen und mehr schritten werden soll, dem außer Ihrer Fraktion zum ge-
Leute in Arbeit zu bringen. In Verbindung mit der demo- genwärtigen Zeitpunkt wahrscheinlich niemand in die-
grafischen Entwicklung, wie wir sie derzeit haben, gibt sem Hause zustimmen würde. Deswegen darf das hier
uns das durchaus die Hoffnung, dass wir mit diesem Weg auch als nicht ganz so realistisch bezeichnet werden. –
mehr Leute in Arbeit bekommen und damit die Kosten So viel dazu.
der Arbeitslosigkeit reduzieren können. Wenn Sie solche negativen Prognosen an die Wand
malen, möchte ich Sie fragen oder, besser – ich soll ja
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nicht fragen; ich bin derjenige, der gefragt wird –, darf
Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Birkwald noch ich Ihnen sagen, dass allein im Bereich des Ingenieurwe-
eine Frage. sens nach jüngsten Mitteilungen 31 000 Stellen besetzt
werden müssen. Ähnliches ist in anderen Bereichen der
Fall. Eine Anhörung über die Öffnung der Grenzen nach
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):
Osteuropa, was Beschäftigung angeht, die die CDU/
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, CSU-Fraktion jüngst durchgeführt hat, hat ergeben, dass
Sie haben eben noch einmal darauf abgehoben, dass es das IAB, das Institut der Bundesagentur, keine gravie- (D)
(B)
um die Vermittlung in Arbeit geht. Können Sie mir denn renden Auswirkungen negativer Natur erwartet, wenn
bestätigen, dass wir derzeit eine Situation haben, in der die Grenzen geöffnet werden, weil so viel Nachfragepo-
auf eine ungeförderte offene Stelle neun Erwerbslose tenzial vorhanden ist, dass das, was an zusätzlichem Ar-
kommen, wenn man die offiziellen Erwerbslosenzahlen beitskräftepotenzial zur Verfügung stehen würde, aufge-
zugrunde legt – wenn man alle die mitrechnet, die in den fangen werden könnte.
vergangenen Jahren aus der Statistik herausdefiniert
wurden, haben wir die Situation, dass auf eine ungeför- Dann möchte ich noch darauf hinweisen, dass wir von
derte offene Stelle zwölf Erwerbslose kommen; ich einem Lehrstellenmangel jetzt in eine Situation kom-
nenne einmal die Zahl: Es sind derzeit 355 000 offene men, in der Auszubildende gesucht werden, wie wir das
ungeförderte Stellen –, dass es unter dieser Vorausset- in einigen Teilen Deutschlands schon feststellen; wahr-
zung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass scheinlich wird das in nächster Zeit auch noch in weite-
Langzeiterwerbslose auch bei bestem Willen und größter ren Landesteilen der Fall sein. Auch der demografische
Anstrengung gar nicht in Arbeit vermittelt werden kön- Faktor wird eine große Wirkung auf den Arbeitsmarkt
nen, und das vor dem Hintergrund der Entwicklung der insgesamt haben. Vor diesem Hintergrund trifft die Ana-
vergangenen Jahre: Der eingezahlte Beitrag für Langzei- lyse, die Sie hier vorgenommen haben, für die Zukunft
terwerbslose, der in den 90er-Jahren noch 200 Euro be- so mit Sicherheit nicht zu.
trug, wurde nach Art einer Salamitaktik über 100 Euro
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich
auf 78 Euro und schließlich auf 40 Euro gesenkt; dieser
hätte Ihnen gern geantwortet! Millionär-
Minibeitrag führt zu der Minileistung von 2,09 Euro.
steuer!)
Dies war falsch, und wäre es der richtige Weg, den Bei-
trag deutlich anzuheben, so wie es der DGB, der VdK,
der SoVD, die IG Metall und alle, die sich damit be- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
schäftigen, fordern, also zum Beispiel auf die Höhe eines Vielen Dank, aber in der Fragestunde fragen die Ab-
halben Entgeltpunktes, was dann 13,60 Euro im Monat geordneten die Bundesregierung, und diese antwortet
brächte? und stellt keine Gegenfragen. Falls doch, werden diese
nicht beantwortet. Nur, damit das klar ist. Der Kollege
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Fuchtel weiß das als alterfahrener Kämpfer hier im
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Hause.
Herr Kollege Birkwald, würden Sie, wenn Sie das Wir kommen jetzt zur Frage 17 des Kollegen
hier so locker sagen, bitte auch noch darstellen, welche Schreiner:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4911
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
(A) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Än- Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- (C)
derung des § 10 a des Einkommensteuergesetzes notwendig ministeriums für Gesundheit. Die Frage 38 der Kollegin
ist, damit nach dem geplanten Wegfall der Beitragszeiten in
der Rentenversicherung von Bezieherinnen und Beziehern der Dr. Martina Bunge soll schriftlich beantwortet werden.
Grundsicherung für Arbeitsuchende diese weiterhin einen An-
spruch auf die geförderte Altersvorsorge besitzen?
Wir kommen zur Frage 39 des Kollegen Dr. Harald
Terpe von Bündnis 90/Die Grünen. – Er ist auch nicht
anwesend. Damit wird bei den Fragen 39 und 40 so ver-
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der fahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frage 41 des Kollegen Harald Weinberg soll schriftlich
Entschuldigung, aufgrund der Vielzahl der Fragen beantwortet werden.1)
sind meine Unterlagen etwas durcheinandergeraten.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn er ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
doch nur besser sortiert wäre!) Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
Ich müsste sie jetzt erst einmal insgesamt sortieren, um sekretär Jan Mücke zur Verfügung.
die Antwort auf Frage 17 zu finden. Der Kollege Dr. Hofreiter von den Grünen ist auch
nicht anwesend. Deswegen wird bei den Fragen 43 und
Ottmar Schreiner (SPD): 44 ebenfalls so verfahren, wie in unserer Geschäftsord-
Sie können die Frage ja schriftlich beantworten. Sie nung vorgesehen. Die Fragen 45 und 46 der Kollegin
haben jetzt wirklich eine schöpferische Pause verdient. Silvia Schmidt (Eisleben) sollen schriftlich beantwortet
werden.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär bei der Ich rufe Frage 47 des Kollegen Ostendorff auf:
Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Wie passt es zusammen, dass der Bundesminister für Ver-
Das ist ein humaner Akt, Herr Kollege, für den ich kehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Raumsauer, sich
mich außerordentlich bedanke. Ich werde deswegen Ihre besonders dafür einsetzt, „die ländlichen Räume gut und best-
möglich zu entwickeln“ (Plenarprotokoll 17/4, Seite 163 B),
Frage besonders ausführlich schriftlich beantworten. und dann die Mittel für das dafür neu aufgelegte Programm
zur Förderung von kleineren Städten und Gemeinden gleich
Wenn Sie mir noch ein bisschen Zeit für die Suche ge- wieder gekürzt werden, und wie sieht dann die Strategie der
geben hätten, hätte ich die Antwort sicherlich auch noch Bundesregierung für kleinere Städte und Gemeinden vor dem
gefunden. Ich möchte auf keinen Fall, dass Sie denken, Hintergrund des demografischen Wandels im ländlichen
ich wollte der Sache ausweichen. Raum aus?

(B) Bitte schön, Herr Staatssekretär. (D)


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann können wir in der Fragestunde fortfahren. Vie- Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
len Dank, Herr Kollege Schreiner, für das Entgegenkom- ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
men. Vielen Dank, Herr Fuchtel, für Ihre Antworten. Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege
(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) Ostendorff, diese Frage möchte ich namens der Bundes-
regierung wie folgt beantworten: Gemäß § 6 Abs. 9 des
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- Haushaltsgesetzes für das Jahr 2010 wurden die Ver-
ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- pflichtungsermächtigungen aller Investitionstitel um
braucherschutz. Die Frage 18 des Kollegen Hans-Josef 10 Prozent gekürzt, so auch die Mittel für das neue Städ-
Fell soll schriftlich beantwortet werden. tebauförderungsprogramm „Kleinere Städte und Ge-
meinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netz-
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
werke“. Dementsprechend stehen im Jahr 2010 statt
ministeriums der Verteidigung. Der Kollege Arnold ist
20 Millionen Euro nun 18,083 Millionen Euro für Inves-
nicht anwesend. Deswegen wird bei den Fragen 19 und 20
titionszuschüsse bereit.
so verfahren, wie in unserer Geschäftsordnung vorgese-
hen. Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Fritz Rudolf An der Strategie der Bundesregierung hat sich durch
Körper, die Fragen 23 und 24 des Kollegen Jan van diese pauschale Kürzung nichts geändert. Ziel ist es,
Aken, die Frage 25 des Kollegen Hans-Christian Klein- und Mittelstädte in ländlichen Räumen in ihrer
Ströbele sowie die Fragen 26 und 27 des Kollegen Tom zentralörtlichen Funktion als Ankerpunkte der Daseins-
Koenigs sollen schriftlich beantwortet werden. vorsorge zu sichern und zu stärken. Die Kommunen sol-
len insbesondere bei der Bündelung ihrer Kräfte und
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- Ressourcen, weitgehender Kooperation bei Infrastruktur-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. angeboten und in der Zusammenarbeit in Netzwerken
Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Kai Gehring sowie durch dieses Programm unterstützt werden.
die Fragen 30 und 31 des Kollegen Sönke Rix sollen
schriftlich beantwortet werden. Die Abgeordnete Petra
Crone ist auch nicht anwesend. Bei den Fragen 32 und 33 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
wird deshalb so verfahren, wie in der Geschäftsordnung Herr Kollege Ostendorff, Ihre erste Nachfrage, bitte.
vorgesehen. Die Fragen 34 und 35 der Kollegin Caren
Marks sowie die Fragen 36 und 37 der Kollegin Christel 1) Die vorgezogene Frage 42 des Kollegen Dr. Harald Terpe wird
Humme sollen schriftlich beantwortet werden. auch schriftlich beantwortet.
4912 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sprecher der Grünen. Man kann sich also die Frage stel- (C)
Herr Staatssekretär Mücke, schönen Dank für die Be- len, warum ich zu diesem Geschäftsbereich frage. Ich
antwortung der Frage. – Zur Präzisierung: Wie wollen tue dies deswegen, weil es auch um die Frage geht – das
Sie angesichts der 10-prozentigen Kürzung, die Sie an- wäre meine nächste Frage –, ob vonseiten der Bundesre-
gesprochen haben, den Herausforderungen des demogra- gierung beabsichtigt ist, das Programm für den ländli-
fischen Wandels im ländlichen Raum begegnen? Welche chen Raum mit dem Städtebauförderungsprogramm zu
Schwerpunkte des Förderprogramms wollen Sie in klei- vernetzen. Wir glauben, dass es da Überschneidungen
nen Städten und Gemeinden angesichts knapper werden- geben könnte. Es gibt in diesem Zusammenhang sehr
der Mittel und des demografischen Wandels setzen? viele Probleme – Abwanderung, demografischer Wandel
und Verödung – zu meistern. Optimistisch in die Zukunft
gedacht, müssen wir das, was noch an Potenzial da ist,
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
stärken.
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Geschätzter Herr Kollege Ostendorff, dieses Pro-
gramm ist neu. Wir haben es in diesem Haushaltsjahr das Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
erste Mal aufgelegt. Das heißt, in allen Jahren zuvor hat ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
dieses Thema bei den Städtebauförderprogrammen nie Wir haben einen guten fachlichen Austausch mit dem
eine Rolle gespielt. Wir haben es ganz bewusst neu auf- Haus von Frau Bundesministerin Aigner, die natürlich in
genommen, weil wir Handlungsbedarf gerade im länd- erster Linie für die Landwirtschaft verantwortlich ist.
lichen Raum, in den kleineren Städten und Kommunen Bei uns ist nicht so sehr der wirtschaftliche Aspekt ent-
erkannt haben. Wir sehen dieses Programm als einen scheidend. Uns geht es vielmehr um die Funktion der
Einstieg in eine größere Förderkulisse an. Gemeinde in einem räumlichen Zusammenhang. Wir
versuchen natürlich, diese Programme aufeinander abzu-
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die
stimmen.
Haushaltssituation erheblich verschlechtert hat und dass
natürlich auch unser Haus davon nicht verschont bleibt. Generell gilt, dass wir alle Städtebauförderpro-
Wir wollen den Kommunen trotz allem signalisieren, gramme als lernende Programme ansehen. Das heißt,
dass uns die Schwierigkeiten, alle örtlichen Funktionen dass wir immer flexibel reagieren können, wenn sich
in einer Kommune vorzuhalten, durchaus bekannt sind. neue Bedarfe ergeben, und dass wir neuere und bessere
Wir wollen insbesondere Kooperationen zwischen ver- Erkenntnisse sammeln. Insofern setzen wir natürlich auf
schiedenen Gemeinden in Gemeindeverbünden anre- die Zusammenarbeit insbesondere der Politiker, die in
gen, um diese zentralörtlichen Funktionen in Koopera- diesem Bereich tätig sind. Sie sollen uns dabei unterstüt-
(B) tion durch mehrere wahrnehmen zu lassen. Es kommt zen, dieses Programm weiterzuqualifizieren. Wir müs- (D)
darauf an, dass wir gerade den ländlichen Raum sowie sen sehen, dass wir es in den nächsten Jahren in einer
kleinere Städte und kleinere Gemeinden als einen le- Zeit knapper werdender Haushaltsmittel auf dem jetzi-
benswerten Lebensraum für ganz viele Menschen erhal- gen Niveau fortführen können. Wir können das natürlich
ten. Die Bundesregierung legt ein besonderes Augen- nur gemeinsam und nicht gegen die Interessen anderer
merk auf dieses Handlungsfeld. Es kommt uns darauf an,
Häuser tun. Man muss auch berücksichtigen: Eine Ge-
dass wir eine Kommunikationsplattform und damit
meinde ist ein Sozialgefüge. Man muss alle Aspekte be-
Möglichkeiten schaffen, sich auszutauschen und Best-
trachten. Dazu gehört ausdrücklich auch die Möglich-
Practice-Beispiele zu finden, um einer verstärkten Ab-
keit, dort Einkommen zu erzielen.
wanderung aus dem ländlichen Raum entgegenzuwir-
ken. Insofern betrachten wir es als ein ganzheitliches Pro-
Dieses Programm ist als ein Anfang zu sehen. Ich ver- gramm. Aber es geht uns nicht so sehr darum, damit In-
weise noch einmal darauf, dass wir erst in diesem Jahr vestitionen zu fördern, sondern wir wollen mit diesem
mit diesem Programm begonnen und dazu kürzlich ein Programm die Zusammenarbeit fördern. Wir wollen zur
Konzept vorgelegt haben. Wir wollen es gemeinsam mit Kooperation anregen. Ich glaube, dieses Programm bie-
unserem Fachausschuss, dem Ausschuss für Verkehr, tet eine gute Gelegenheit dafür, im Sinne von – auf Neu-
Bau und Stadtentwicklung, in den nächsten Jahren fort- deutsch – Best Practice Beispiele auszutauschen und den
entwickeln. Wir denken, dass uns die Beteiligung der betroffenen Kommunen die Anregung zu geben, über
Kommunen in unserer Einschätzung recht geben wird, Funktionsteilungen nachzudenken und Aufgaben über
dass wir versuchen sollten, dieses große Problem ge- einen größeren Raum hinweg gemeinsam wahrzuneh-
meinsam zu lösen. men.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage, Kollege Ostendorff. Es gibt eine weitere Frage. Bitte schön.

Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, bei vielen Punkten, die Sie über Herr Mücke, Sie haben gerade gesagt, dass Sie die
den ländlichen Raum ausgeführt haben, liegen wir nahe Mittel für die Förderprogramme im Städtebau pauschal
beieinander. Wie Sie wissen, bin ich der agrarpolitische um 10 Prozent kürzen wollen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4913

(A) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- und Ortsentwicklung durchzuführen. Dies betrifft die In- (C)
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: nenentwicklung, die Aufwertung des Stadtbildes und das
Nein. Brachflächenrecycling sowie den familien-, generatio-
nen- und klimagerechten Umbau von Stadtquartieren zur
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bewältigung des strukturellen und demografischen Wan-
Oder nur die Mittel für Programme im ländlichen dels.
Raum? Der Bund wird in enger Abstimmung mit den Län-
dern, Kommunen und Verbänden prüfen, wie die ver-
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- schiedenen Programme im Bereich der Stadtentwicklung
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: in Zukunft noch gezielter gebündelt und effizienter ge-
Das habe ich nicht gesagt. macht werden können.

Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann erklären Sie es doch einmal bitte; ich habe Sie Nachfrage, Kollege Ostendorff?
so verstanden. Falls es so wäre, habe ich die Frage:
Wieso kürzen Sie beim Städtebau? Dieser Bereich
nimmt den geringsten Teil des Volumens des Etats des Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Bau- und Verkehrsministeriums ein. Das sind etwas über Ja. – Das führt mich natürlich sofort zu einer Nach-
600 bzw. knapp 700 Millionen Euro, während fast frage: Wenn Sie bündeln, werden Sie in diesem Förder-
10 Milliarden Euro im Verkehrsbereich zur Verfügung katalog natürlich auch Prioritäten schaffen, die mögli-
stehen. Es wäre also wesentlich einfacher, mit kleinen cherweise nicht von Kürzungen betroffen sind. Oder ist
Maßnahmen Geld im Verkehrsbereich einzusparen; denn das nicht angedacht?
die Städtebauförderung ist natürlich wesentlich wichti-
ger und betrifft nur eine ganz kleine Summe.
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Darüber kann ich heute noch keine verbindliche Aus-
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
kunft geben. Ich habe Ihnen gerade genannt, welche
Frau Kollegin, ich habe den Eindruck, dass Sie Ihre Punkte für uns von besonderer Bedeutung sind. Wir se-
Frage im Zusammenhang mit der Spardiskussion, betref- hen beim Strukturwandel und bei der demografischen
fend das nächste Haushaltsjahr, stellen. Wir reden hier Entwicklung einen Schwerpunkt; das ist, glaube ich, bei
(B) aber über das Haushaltsjahr 2010, über den laufenden allen Fraktionen hier im Haus Common Sense. (D)
Haushalt. Dort stehen noch relativ große Summen für
Städtebauförderprogramme zur Verfügung. Die aktuelle Ich kann Ihnen heute noch nicht verbindlich sagen,
Diskussion, die wir heute im Ausschuss angerissen ha- wie wir die Städtebauförderprogramme im nächsten Jahr
ben, bezieht sich vor allem auf die Haushaltsplanung für gestalten werden. Es braucht eine gewisse Zeit, mit den
das nächste Jahr. Aber für dieses Jahr gilt nach § 6 neuen Haushaltsansätzen – wir haben noch keinen Kabi-
Abs. 9 des Haushaltgesetzes, dass alle investiven Ver- nettsbeschluss darüber – eine neue Struktur dafür zu ent-
pflichtungsermächtigungen im Haushalt diese Kürzung wickeln. Wir werden das aber natürlich im Laufe dieses
um 10 Prozent haben hinnehmen müssen. Es ist also kei- Jahres tun. Wir wollen in Zusammenarbeit mit allen
neswegs so, dass wir diese Kürzungen für das Jahr 2010 Fraktionen versuchen, die Städtebauförderprogramme so
nur bei diesem Programm, nur bei den Städtebauför- weiterzuentwickeln, dass wir die dringendsten Entwick-
dermitteln oder möglicherweise nur zugunsten von In- lungsbedarfe in diesem Bereich auf jeden Fall mit abde-
frastrukturmaßnahmen im Straßenbereich vornehmen cken.
mussten. Diese Kürzung betrifft vielmehr alle Verpflich-
tungsermächtigungen im investiven Teil quer über den Ich habe Ihnen schon vorhin gesagt, dass für uns das
gesamten Haushalt. Thema „Strukturwandel und demografische Entwick-
lung im ländlichen Raum“ ein neuer Schwerpunkt ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Deshalb haben wir das Programm, zu dem Sie mich vor-
hin gefragt haben, in diesem Jahr aufgelegt. Wir werden
Wir kommen zur Frage 48 des Kollegen Ostendorff:
alles daran setzen, dass wir das Programm fortführen.
Wie will die Bundesregierung den städtebaulichen He-
rausforderungen durch Klima- und demografischen Wandel Es gibt die Überlegung, ob wir auch künftig beispiels-
begegnen, wenn die finanzielle Ausstattung der Städtebauför-
derprogramme gekürzt wird?
weise beim städtebaulichen Denkmalschutz und beim
Stadtumbau eine Unterscheidung zwischen Ost und
West vornehmen; sicherlich gibt es hier unterschiedliche
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- Betroffenheiten und Probleme. Dies alles steht aber noch
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: nicht fest. Ich lade Sie ein, gemeinsam mit uns an der
Die Bundesregierung nimmt die städtebaulichen He- Weiterentwicklung der Städtebauförderprogramme zu
rausforderungen durch den Klima- und demografischen arbeiten.
Wandel sehr ernst. Auch zukünftig wird der Bund über
die Städtebauförderungsprogramme die Kommunen da- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE
bei unterstützen, Investitionen in die nachhaltige Stadt- GRÜNEN]: Das nehmen wir gerne an!)
4914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nie dieses Jahres – über 500 Millionen Euro in den Städ- (C)
Keine weitere Nachfrage? – Dann kommen wir zur tebauförderprogrammen – finanziert.
Frage 49 der Kollegin Bettina Herlitzius:
Was wir im nächsten Jahr angesichts der zugegebe-
In welcher Gesamthöhe soll es bei den Städtebauförder-
programmen die vom Bundesminister für Verkehr, Bau und
nermaßen erheblichen Kürzungen tun können, kann
Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, in der Sitzung des heute niemand beantworten. Ich will nicht ausschließen,
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom dass das eine oder andere Projekt, das über mehrere
9. Juni 2010 angekündigten Einsparungen geben, und wie se- Jahre läuft, vielleicht gestreckt werden muss. Die Konse-
hen diese Einsparungen konkret für die einzelnen Städte- quenz, wenn man sparen muss, ist, dass man bestimmte
bauförderprogramme in den Haushaltsjahren 2011 bis 2014
aus? Projekte möglicherweise auf der Zeitachse verschieben
muss. Aber wir wollen die Städtebauförderung insge-
Herr Staatssekretär, bitte schön. samt auf diesem Niveau fortführen, wohl wissend, dass
der Bedarf immer höher sein wird.
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Ich möchte Ihnen erläutern, warum das möglicher-
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
weise verantwortbar ist; denn Sie müssen die Städte-
Frau Kollegin Herlitzius, die vorgesehene Einsparung bauförderung nicht nur mit der Brille des Bundes sehen
bei den Programmmitteln im Rahmen der Städtebauför- – natürlich tragen wir eine große Verantwortung –, son-
derung 2011 liegt bei 305 Millionen Euro. Aufgrund des dern es gibt auch jede Menge anderer Akteure, beispiels-
fünfjährigen Zeitraumes der Ausfinanzierung der ent- weise die Länder und natürlich die Kommunen selber,
sprechenden Mittel wird sich das vorgenannte Einspar- die in diesem Bereich gefragt sind. Das ist beispiels-
volumen nicht in voller Höhe unmittelbar im nächsten weise bei den Investitionen aus dem Bundeshaushalt für
Haushaltsjahr bemerkbar machen. Vielmehr wirken sich die Verkehrsinfrastruktur nicht der Fall. Wenn der Bund
die jeweils anteiligen Einsparungen bis 2015 in geringe- in diesem Bereich nicht investiert, tut es keiner.
ren Jahresbeträgen aus, die in der Gesamtsumme dem
oben genannten Einsparvolumen entsprechen. Die Kon- (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
kretisierung der Einsparungen bei den einzelnen Pro- NEN]: Ja!)
grammen erfolgt im Rahmen der Aufstellung des Regie-
rungsentwurfs zum Bundeshaushaltsplan 2011, welche Wenn wir bei den Städtebauförderprogrammen kürzen,
noch nicht abgeschlossen ist. dann gibt es zumindest noch die Länder, die Kommunen
und natürlich auch Private, die etwas zum Stadtumbau
und zur Städtebauförderung beitragen können. Insofern
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sind diese Kürzungen für uns alle schmerzlich, aber sie
Ihre Nachfrage, Frau Kollegin. sind verantwortbar.
(B) (D)
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Verstehe ich Sie richtig, dass die Mittel um Weitere Nachfrage?
305 Millionen Euro gekürzt werden, aber schon in 2011? –
Also: ja. Das ist eine Halbierung des Ansatzes. Ihnen ist
klar, welche Auswirkungen das hat: Bei den Förderpro- Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
grammen, die in der Regel über mehrere Jahre laufen, Ja. – Wie will die Bundesregierung den Kommunen
werden im Hinblick auf zu erwartende Mittel die An- Planungssicherheit für bereits bestehende Projekte ge-
träge gestellt. Wie groß ist das Fördervolumen, das die ben, bei denen die Finanzvolumen einfach benötigt wer-
Bezirksregierungen für die Folgejahre bereits beantragt den?
haben? Die Kürzung bedeutet, dass sich ganz viele Pro-
jekte weiter verschieben. Können Sie eine Größenord- Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
nung der Projekte nennen, die hier verschoben werden? ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Wir werden gemeinsam mit den Ländern, die für uns
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- die Städtebauförderprogramme administrieren, darauf
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: achten, dass wir durch die Kürzung der Programme nicht
Das kann ich jetzt nicht konkret beantworten; zum für einen Abbruch von langfristigen Entscheidungen sor-
jetzigen Zeitpunkt könnte das auch niemand sonst tun. gen. Das ist ganz verständlich. Es wird möglicherweise
Zunächst einmal gestaltet sich das Verfahren so: Es gibt nicht möglich sein, neue Projekte zu beginnen, wenn
einen Kabinettsbeschluss über den Haushaltsentwurf, man laufende Projekte noch ausfinanzieren muss. Ich
dann tagt der Haushaltsgesetzgeber – also Sie – von Sep- kann Ihnen das heute konkret auf einzelne Länder oder
tember bis wahrscheinlich November und beschließt konkrete Vorhaben bezogen nicht benennen, weil die
über den Bundeshaushalt; erst im Nachgang zum Be- Städtebauförderprogramme durch die Länder verwaltet
schluss über den Bundeshaushalt verhandelt die Bundes- werden. Die Länder stehen für uns in der Verantwortung,
regierung mit den Ländern über den Abschluss einer diese Entscheidung sinnvoll zu treffen. Ich gehe aber da-
Verwaltungsvereinbarung. In dieser Verwaltungsverein- von aus, dass auch in den Ländern verantwortliche Ent-
barung sind quasi die Durchführungsbestimmungen für scheidungen getroffen werden. Wir wollen alles versu-
jedes einzelne Städtebauförderprogramm enthalten, auf chen, die Auswirkungen der schmerzhaften Kürzungen
dessen Grundlage Anträge gestellt werden. Die Anträge, so gering wie möglich zu halten. Aber selbstverständlich
die für dieses Jahr eingehen, werden mit der Haushaltsli- ist es so, dass es Auswirkungen haben wird.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4915

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: habe Ihnen vorhin erläutert, aus welchen Gründen wir (C)
Wir können gerade noch die Frage 50 der Kollegin das tun. Ich will sie noch einmal wiederholen: Wenn
Herlitzius abhandeln. Eigentlich sind wir schon am Ende nicht wir in die Infrastruktur des Bundes investieren, tut
der Tagesordnung, aber das machen wir jetzt noch. Da- es keiner. Wenn wir eine verantwortbare Kürzung bei
nach kommen wir zur Aktuellen Stunde. den Städtebauförderungsprogrammen vornehmen, gibt
es immer noch andere an diesem Prozess Beteiligte, die
Ich rufe die Frage 50 der Kollegin Herlitzius auf:
investieren können. Diese wollen wir ausdrücklich er-
Wie passt es zusammen, dass in dem von der Bundesregie- muntern, sich in diesem Bereich zu engagieren.
rung in der letzten Wahlperiode vorgelegten Stadtentwick-
lungsbericht 2008 für die Jahre 2007 bis 2013 ein Jahreswert
von 700 Millionen Euro an direkten Städtebaufördermitteln Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
des Bundes empfohlen wird, die tatsächliche Höhe der Bun-
desmittel in den letzten Jahren aber nur 500 bis 550 Millionen
Ich hatte vorhin gesagt, dass wir nur noch diese Frage
Euro jährlich betrug und die Städtebaufördermittel jetzt noch zulassen können. Wir können das jetzt nicht erweitern.
weiter gekürzt werden sollen, und wie beurteilt die Bundes- Eigentlich sind wir schon außerhalb der Zeit. – Haben
regierung den angesprochenen Stadtentwicklungsbericht 2008 Sie eine zweite Nachfrage?
in diesem Zusammenhang?

Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):


Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
Nein, die habe ich nicht. Das reicht mir. Es wird nicht
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: besser.
Frau Kollegin, die Mittelbereitstellung richtete sich
nach den haushaltsmäßigen Spielräumen der entspre-
chenden Bezugsjahre unter Maßgabe fachpolitischer Prio- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
ritätensetzungen aus. Unabhängig davon darf nicht uner- Die Zeit für die Fragestunde ist bedauerlicherweise
wähnt bleiben, dass die Städtebauförderung in diesem abgelaufen. Die restlichen Fragen werden schriftlich be-
Zeitraum überdurchschnittlich von Programmmittelver- antwortet.
stärkungen profitiert hat. So markiert zum Beispiel der Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
für 2009 zur Verfügung gestellte Mittelumfang von rund
870 Millionen Euro einschließlich des Investitionspakts Aktuelle Stunde
zur energetischen Sanierung von Schulen, Kindergärten, auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
Sportstätten und sonstiger sozialer Infrastruktur in den der FDP
Kommunen einen in der Vorzeit nie erreichten Höchst- Bedrohliches Anwachsen linksextremer Straf-
stand. Darüber hinaus flossen der Städtebauförderung taten in Deutschland
(B) zusätzliche Programmmittel aus dem Konjunkturpaket I (D)
zu. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Wolfgang Bosbach das Wort.
Die aktuell vorgesehene Kürzung ist notwendig, da
sie einen nicht unerheblichen Beitrag zur zwingend not- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
wendigen Konsolidierung des Bundeshaushalts ermög-
licht, ohne dabei die Förderung der Stadtentwicklung Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):
einzustellen. Die vorgesehene Kürzung geht einher mit Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
einer künftig noch weiter verstärkten Bündelung und Ef- Kolleginnen und Kollegen! Um eines gleich vorweg zu
fektivierung der Förderprogramme. sagen, damit wir in dieser Debatte keine Schieflage be-
kommen: Wir haben seit Jahren ein hohes, ein viel zu
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: hohes, ein erschreckend hohes Niveau an rechtsradika-
Nachfrage? len Straf- und Gewalttaten. Wir erleben seit einiger Zeit
ein deutliches Anwachsen linksradikaler Gewalttaten.
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Durch diesen Anstieg an linksradikaler Gewalt wird aber
Herr Staatssekretär, es erklärt sich mir trotzdem nicht, keine einzige rechtsradikale Straftat relativiert oder gar
warum Sie einen Etat kürzen, der 20-mal niedriger ist als bagatellisiert. Für uns als Christliche Demokraten ist
der Verkehrsetat mit seinen 10 Milliarden Euro, wo Sie Folgendes entscheidend: Es ist für uns völlig unerheb-
wesentlich schneller einsparen können. Warum kürzen lich, ob dieses Land von Rechtsradikalen angegriffen
Sie beim Städtebau, obwohl Sie wissen, dass 1 Euro in wird, von Linksradikalen oder von religiös motivierten
der Stadtentwicklung 9 Euro private Gelder akquiriert? Straftätern. Wir wollen unsere demokratische Ordnung
Warum machen Sie das? gegen jeden Feind verteidigen, ganz gleich aus welcher
Richtung er antritt.
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Es hat auch keinen Zweck, einzelne Straftaten gegenein-
Weil schlicht und einfach jedes Ressort die Verant-
ander aufzurechnen. Wir sollten es uns ersparen, uns ge-
wortung für den Gesamthaushalt trägt. Wir müssen ge-
genseitig die Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalsta-
nauso wie jedes andere Haus zur Konsolidierung beitra-
tistik vorzulesen oder gar vorzuhalten.
gen. Es ist keineswegs so, dass der Rotstift an den
Verkehrsinvestitionen ganz vorbeigegangen ist. Wir ver- Die Frage ist: Welche Konsequenzen sind zu ziehen?
suchen, eine hohe Investitionslinie fortzuschreiben. Ich Die erste Konsequenz: Wehret den Anfängen. Wir dür-
4916 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Wolfgang Bosbach
(A) fen in Deutschland keine rechtsfreien Räume, auch keine stürmte die vor dem Hauptbahnhof wartende (C)
strafverfolgungsfreien Räume dulden. Wir müssen nach Menge unter lautem Rufen und Schreien unvermit-
beiden Seiten die Augen offenhalten. Machen wir uns telt in geordneter Form auf den Königswall, entfal-
selbst bitte nichts vor – selbst wenn der eine oder andere tete dort ein rotes Transparent und bewegte sich
das nachher bestreiten sollte; genau so ist es –: Hätten sehr zügig in Richtung Freistuhl. Auf diesem Teil-
Rechtsradikale die Hamburger Hafenstraße besetzt, hätte stück wurden bereits die ersten Feuerwerkskörper
der Rechtsstaat nicht die Geduld gehabt, die er jahrelang gezündet. Durch eingesetzte Polizeikräfte war zu-
aufgebracht hat. vor beobachtet worden, dass die hier bekannten
Dortmunder Aktivisten und ebenfalls Beschuldig-
Zweitens. Es geht hier nicht um das Demonstrations- ten …
recht. Diejenigen, die am vergangenen Wochenende
schwere Straftaten begangen haben, können sich nicht – an dieser Stelle werden die Namen genannt –
auf das Recht auf Demonstrationsfreiheit – „friedlich die Wartenden mit Handzeichen … zum Loslaufen
und ohne Waffen“ – berufen. Hooligans sind keine Fuß- animiert hatten. … Auf dem folgenden Weg in die
ballfans. Hooligans sind Kriminelle. Sie nehmen ein Dortmunder Innenstadt missachtete die Gesamt-
Fußballspiel zum Anlass, schwere Straftaten zu begehen. gruppe dauerhaft Weisungen der Polizei, es wurden
Der echte Fußballfan hat mit einem Hooligan nichts zu Steine geworfen und pyrotechnische Gegenstände
tun. Der Demonstrant, der friedlich und ohne Waffen de- abgefeuert. Die Menschenmenge von nunmehr ca.
monstrieren will, für was auch immer, hat dazu ein gutes 400 Personen des
Recht, aber er sollte auch Obacht geben, dass er bei den
Demonstrationen nicht jenen unfreiwillig Deckung bie- – jetzt können Sie aufmerksam zuhören –
tet, die diese Demonstration zum Anlass nehmen, um rechten Spektrums begab sich zielgerichtet in den
schwere Straftaten zu begehen. Bereich der Fußgängerzone, exakt in Richtung der
Wenn unsere Polizistinnen und Polizisten – zum Teil zu diesem Zeitpunkt auf dem Theatervorplatz be-
noch blutjung – in dieser Art und Weise angegriffen wer- findlichen Teilnehmer der friedlich-bürgerlichen,
den, dann werden sie nicht „nur“ in ihrer Eigenschaft als traditionellen „1.-Mai-Kundgebung“ …
Polizeieinsatzkräfte angegriffen, sondern auch als Re- Dann werden im Einzelnen die Straftaten geschildert,
präsentanten, als Verteidiger dieses Rechtsstaates. Des- die begangen worden sind: Werfen von pyrotechnischen
halb gebührt all jenen ein ausdrückliches Dankeschön, Gegenständen und Steinen, Beschädigung von Fahrzeu-
die sich zum Teil Woche für Woche und Tag für Tag in gen, Nichtbeachtung von weisenden Polizeibeamten,
den Dienst des Staates stellen, die sich bei Demonstra- Widerstandshandlungen gegen die Polizei usw. Personen
(B) tionen zum Teil Unsägliches anhören müssen, die ihr Le- werden festgenommen. (D)
ben riskieren, um diesen Staat zu verteidigen.
Dann beginnt das Problem: Die, die man als Haupt-
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der täter ergriffen hatte, konnten nicht angeklagt und verur-
FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- teilt werden, weil der ganz konkrete jeweilige Tatbeitrag
SES 90/DIE GRÜNEN) – von wem stammte nun der Pflasterstein aus der gewalt-
Zu den rechtlichen Konsequenzen möchte ich nur bereiten Menge? – nicht geführt werden konnte. Dass
zwei Punkte kurz ansprechen. Ein Thema ist sicherlich das für die ermittelnden Polizeibeamten und die Kolle-
der bessere strafrechtliche Schutz von Polizeieinsatz- gen, die zum Teil schwer verletzt wurden, ein traumati-
kräften und anderen Kräften, die den Rechtsstaat schüt- sches Erlebnis ist, kann man verstehen.
zen sollen. Darüber sind wir uns in der Koalition noch Wir sollten einmal in aller Ruhe gemeinsam mit Rich-
nicht ganz einig, tern, mit Staatsanwälten und mit Polizeieinsatzkräften
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das wäre auch et- darüber nachdenken – wir führen über alles mögliche
was Neues!) Anhörungen durch –, ob das wirklich die optimale Fas-
sung ist, die wir jetzt haben, oder ob wir nicht nur durch
aber vielleicht gelingt es uns in den nächsten Wochen, § 113 des Strafgesetzbuchs, sondern auch durch eine Än-
uns hier einig zu werden. derung des Landfriedensbruchrechts unsere Polizeiein-
satzkräfte besser schützen können.
Der zweite Punkt, der mir am Herzen liegt, ist § 125
des Strafgesetzbuches, Landfriedensbruch, der in seiner (Beifall bei der CDU/CSU)
jetzigen Ausgestaltung die Polizeieinsatzkräfte vor er-
hebliche Probleme stellt. Ich möchte einmal aus dem Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Abschlussbericht einer Polizeibehörde im Ruhrgebiet Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Bosbach.
vorlesen. Dieser Abschlussbericht, der erstellt wurde,
bevor die Staatsanwaltschaft zu entscheiden hatte, ob sie
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):
Anklage erhebt oder nicht, sagt viel darüber aus, wie es
im Alltag von Polizeieinsatzkräften, die massiv ange- Wissen Sie, die allerbeste Prävention ist, dass Demo-
griffen werden, aussieht, wenn es um die strafrechtliche kraten in diesem Lande nie gemeinsame Sache machen
Verfolgung geht. Ich zitiere: mit denen, die diesen Staat angreifen, ganz egal ob von
links außen oder von rechts außen. Es genügt nicht,
Als sich die Gruppe der Businsassen auf der mittle- nachdem schwere Straftaten begangen worden sind, sich
ren Fußgängerinsel des Königswalls befand, verbal von den Straftätern zu distanzieren, sondern man
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4917
Wolfgang Bosbach
(A) muss deutlich machen, dass sie in der Gemeinschaft der Strategien oder um Einzeltäter handelt. Polizei und (C)
Demokraten nichts zu suchen haben. Hilfskräfte müssen besser geschützt und besser ausge-
stattet werden. Die Polizeitaktik bei Großereignissen
Danke. muss sich darauf einstellen, dass sich unter friedliche
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Demonstranten auch militante Gewalttäter mischen kön-
nen. Aber auch die Politik muss eine klare Trennungsli-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nie ziehen.
Das Wort hat die Kollegin Gabriele Fograscher von In der Stuttgarter Zeitung von heute wurde berichtet,
der SPD-Fraktion. dass der SPD-Fraktionschef im baden-württembergi-
schen Landtag, Claus Schmiedel, anlässlich einer Rede
(Beifall bei der SPD)
auf einer Demonstration Opfer von Angriffen geworden
ist; er wurde mit Eiern, Flaschen und Stöcken beworfen.
Gabriele Fograscher (SPD): Diese Angriffe kommentierte der dortige CDU-General-
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! sekretär Thomas Strobl in einer Pressemitteilung mit den
Sie haben heute eine Aktuelle Stunde zum Thema „Be- Worten: „Schmiedel bekommt eins auf den Frack.“ Sol-
drohliches Anwachsen linksextremer Straftaten in che Äußerungen sind unerträglich, und sie verharmlosen
Deutschland“ beantragt. Ich habe hier jetzt aber nichts tätliche Angriffe. Gewalttäter von links und rechts müs-
gehört, das dieses bedrohliche Anwachsen belegt. Ich sen verfolgt und konsequent bestraft werden. Aber
bin sehr dafür, dass wir differenziert diskutieren und bei- Links- und Rechtsextremismus lassen sich nicht verglei-
des, linksextrem und rechtsextrem, in den Blick nehmen, chen und schon gar nicht mit denselben Instrumenten be-
aber nicht jedes brennende Auto ist automatisch dem kämpfen.
linksextremen Spektrum zuzurechnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Gestern hat Innensenator Körting den Verfassungs- der LINKEN)
schutzbericht für Berlin vorgestellt und erklärt, dass von
den 320 brennenden Autos im vergangenen Jahr Die Programme des Bundesministeriums für Familie,
145 Brandanschläge den Extremisten, zumeist linken, Senioren, Frauen und Jugend richten sich an die Zivilge-
zuzuordnen seien. Gott sei Dank geht diese Zahl in die- sellschaft, sich gegen Ausländerhass, Antisemitismus,
sem Jahr zurück. Bis zum 14. Juni 2010 gab es Demokratiefeindlichkeit und Intoleranz zu wehren. Sie
97 Brandstiftungen, von denen 16 politisch motiviert können nicht eins zu eins auf die Bekämpfung von
waren. Bei den anderen Anschlägen handele es sich um Linksextremismus und Islamismus übertragen werden.
Vandalismus, so Körting. Das ist schlimm genug, aber Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass durch pädago-
(B) um das zu belegen, was Sie sagen, muss man die Zahlen gisch-präventive Konzepte ein Extremist davon abgehal- (D)
differenziert betrachten. Es sind Straftaten, hier muss er- ten werden kann, eine Bombe zu basteln – die Anleitun-
mittelt werden – auch das ist schwierig genug –, und die gen werden ja in der Szene verbreitet – und diese dann
Täter müssen bestraft werden. auch einzusetzen. Deshalb täuschen die Ankündigungen
von Ministerin Schröder, Programme gegen Linksextre-
Der Anschlag auf die Polizeibeamten bei einer De- mismus und Islamismus aufzulegen oder die Programme
monstration am vergangenen Samstag in Berlin war ge- gegen Rechtsextremismus auszuweiten, ohne dass sie
zielt und mit hoher krimineller Energie durchgeführt. sagt, was sie eigentlich tun will, einfach nur Aktionis-
Bei diesem Anschlag gab es 14 verletzte Polizisten, zwei mus vor.
davon schwer. Wer hinter diesem Anschlag steckt, ist bis
jetzt unklar. (Beifall bei der SPD und der LINKEN –
Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Aha! Interes-
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ver- sant!)
urteilen diese Angriffe aufs Schärfste. Sie sind durch
Der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium er-
nichts zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Gewalt
klärt immer wieder, man sei in der Sondierungsphase,
gegen Menschen oder Sachen ist kein Mittel der politi-
man sei in einem Planungsprozess, man mache Anhö-
schen Auseinandersetzung.
rungen und führe Gespräche. Doch was genau passieren
(Beifall bei der SPD, der FDP und der soll, ist bis heute unklar.
LINKEN)
Auf der Internetseite des BMI heißt es:
Wir müssen uns mit diesen Phänomenen auseinander-
Höchsten Stellenwert misst die Bundesregierung
setzen. Wir begrüßen es daher, dass die Innenminister
der Bekämpfung des Extremismus zu. Sie setzt hier
von Bund und Ländern auf der letzten Innenministerkon-
einen wesentlichen innenpolitischen Schwerpunkt,
ferenz im Mai die Gremien beauftragt haben, bis zur
weil Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlich-
Herbstkonferenz einen abgestimmten Vorschlag zur
keit das innere Gleichgewicht einer demokratischen
Bekämpfung der politisch links motivierten Gewalt zu
Gesellschaft stören.
unterbreiten. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter
Führung des BKA will einen umfassenden Maßnahmen- Nehmen Sie diese Aufgabe endlich ernst!
katalog und Handlungsempfehlungen erstellen.
Wenn Sie von den Regierungsfraktionen heute fest-
Wir müssen mehr über das Phänomen Linksextremis- stellen, es gebe ein bedrohliches Anwachsen linksextre-
mus wissen. Wir müssen wissen, ob es sich um vernetzte mistischer Straftaten, ist es wirklich an der Zeit, dass
4918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Gabriele Fograscher
(A) Sie, Herr Bundesinnenminister, sich dazu äußern und er- (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Und wie (C)
klären, mit welchen Maßnahmen Sie diesem Problem macht ihr das?)
begegnen wollen. Extremismusbekämpfung und innere
Sicherheit sind originäre Aufgabe des Bundesinnen- Wir müssen analysieren, welche Milieus dort genau
ministers und nicht der Familienministerin. agieren. Was eint die Menschen, die Autos anzünden,
mit altkommunistischen Gruppen, mit Menschen, die an
Danke sehr. Universitäten zunehmend gewaltbereit werden, mit der
(Beifall bei der SPD) autonomen Szene und mit der Jugend, die soziale Pro-
blem hat? Wodurch werden diejenigen geeint, die die-
sem Phänomen des Linksextremismus anhängen? Hier
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: müssen wir genauer hinschauen, um dann entsprechende
Das Wort hat der Kollege Dr. Stefan Ruppert von der Gegenstrategien zu entwickeln.
FDP-Fraktion.
(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Welche?)
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU) Ein besonders besorgniserregender Indikator ist dabei
die schrumpfende Mitte unserer Gesellschaft. Sie zu
Dr. Stefan Ruppert (FDP): stärken, ist deshalb oberstes Prinzip liberaler Politik.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- (Beifall bei der FDP – Jan Korte [DIE
ren! Frau Fograscher, lassen Sie es mich am Anfang sa- LINKE]: DIW einmal nachlesen!)
gen: Die Bekämpfung von Extremismus ist Aufgabe von
uns allen, indem wir zeigen, dass sich die Mitte dieser Nach der Analyse – ich komme gleich zu Ihnen, liebe
Gesellschaft vor extremistischer Gewalt nicht versteckt Kolleginnen und Kollegen von der Linken – ist es aber
und dass sie sie bekämpft, und zwar solidarisch. wichtig, zu sagen – da hat Frau Fograscher recht –, dass
eine einfache Übertragung der Programme von Rechts
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) auf Links natürlich nicht sachgerecht ist. Gerade weil
Die Aktuelle Stunde, die wir heute durchführen, hat der Rechtsextremismus ein sehr ernstes Problem bleibt,
einen sehr traurigen Anlass. Deswegen will ich sagen: müssen wir ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit wid-
Wenn wieder einmal linke Extremisten schwere Gewalt- men, aber wir müssen eben auch gegen Links vorgehen.
taten begangen haben, ist es unsere Aufgabe – das tue (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Wie denn? –
ich hiermit –, den verletzten Beamten unser Mitgefühl Zuruf von der LINKEN: Gegen Links oder ge-
und beste Genesungswünsche auszusprechen. gen die Linken?)
(B) (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD (D)
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube übrigens, ein Mittel wäre, wenn wir uns,
die wir hier agieren – aus SPD, Grünen, FDP und CDU/
Gerade wenn es manchen an Klarheit fehlt, muss hier CSU –, mitunter etwas einiger zeigen und unsere ge-
einmal gesagt werden: Wir verurteilen das aufs meinsamen Werte, die wir haben, stärker nach vorne
Schärfste. stellen würden.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Wir wissen, dass die linksextreme Gewalt keine neue NEN]: Da kann die Regierung ja einmal vor-
Erscheinung ist. Bereits seit Jahren verzeichnet die bun- angehen!)
desweite Kriminalstatistik kontinuierlich Anstiege in – Sie schimpfen an dieser Stelle. Ich sage ganz bewusst:
diesem Bereich. Langsam wird das linksextreme Milieu Ich nehme mir vor, Sie auch dann zu loben, wenn ich
stärker, und die bedrohte Mitte der Gesellschaft den Eindruck habe, Sie treten für gemeinsame Überzeu-
schrumpft. Mit einem Zuwachs von 39,4 Prozent ver- gungen der Demokratie ein, und ich werde dann nicht
zeichnete die linksextremistisch motivierte Kriminalität aus parteipolitischem Reflex schlicht dagegenhalten.
den höchsten Anstieg seit vielen Jahren, und auch Ge-
walttaten aus diesem Spektrum nahmen um 53,4 Prozent (Beifall bei der FDP – Jan Korte [DIE
zu. LINKE]: Ein Staatenlenker!)
(Karin Binder [DIE LINKE]: Nun sagen Sie Lassen Sie mich das einmal ganz persönlich sagen:
doch etwas zu den Gründen!) Ich spreche mitunter auch mit einzelnen Vertretern der
Linken, etwa über die Bekämpfung des Antisemitismus.
Die Ereignisse vom Wochenende sind also keinesfalls Frau Pau ist zum Beispiel hier. Dabei habe ich mitunter
Einzelfälle, sondern symptomatisch für eine breite Ent- durchaus den Eindruck: Auch Sie bekämpfen den Extre-
wicklung in den letzten Jahren, und davor verschließt mismus und machen sich die Auseinandersetzung damit
diese Koalition ihre Augen nicht. nicht leicht. – Das sind die einen Momente. In den ande-
(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Da bin ich ren Momenten sehe ich dann wieder Frau Jelpke, Frau
aber gespannt!) Höger, Frau Dağdelen und andere, die sich öffentlich mit
extremistischen Gruppierungen, wie der „militanten
Was ist zu tun? Es ist unsere Pflicht als Demokraten, gruppe“, solidarisieren,
dem Phänomen ernst gegenüberzutreten und es zu be-
kämpfen. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4919
Dr. Stefan Ruppert
(A) die Anschläge mit Gefährdungen von Menschen als legi- Gewalt ist für die Linke kein legitimes Mittel der politi- (C)
times Mittel erachten – diese Gruppen tun das und nicht schen Auseinandersetzung. Gewalt ist aber auch kein
die Abgeordneten – und vor Gericht schon verurteilt Mittel linker Politik. Nach Ihren Eingangsbemerkungen,
worden sind. Herr Bosbach, verstehe ich die Überschrift nicht, unter
der Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Sie hät-
Was passiert dann? Nichts. Das ist doch das Erschre-
ten auch sagen können: Ich suche eine Begründung für
ckende. Sie lassen diese Abgeordneten von der Linken
Gesetzesverschärfungen.
schlicht gewähren. Auch jüngst in Sitzungen, an denen
wir gemeinsam teilgenommen haben, sagten Sie nichts Ich möchte im Namen der Linken den Menschen, die
dagegen, kein Moment der Distanzierung. Das sind die am 12. Juni auf der Demonstration in Berlin verletzt
Momente, in denen man es mit der Angst zu tun be- wurden, eine gute Genesung wünschen. Ich bin froh,
kommt, wenn man daran denkt, was wäre, wenn Sie al- dass die verletzten Beamten aus dem Krankenhaus ent-
leine politischen Einfluss in dieser Republik hätten. lassen werden konnten.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
neten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE
Trotz der vielen guten Gespräche im Einzelfall ist es
GRÜNEN und der FDP)
also an uns allen, die Werte von Weltoffenheit, Toleranz,
aber auch sozialer Marktwirtschaft in diesem Land zu Es geht darum, Gewalt – egal, von wem sie ausgeübt
verteidigen. Ich hoffe, wir finden dort eine größere Alli- wird – zu verhindern. Dafür tragen wir alle hier eine ge-
anz. meinsame Verantwortung. Ich wiederhole: Gewalt ist
kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Aber
Herr Körting hat mit Recht gesagt, dass es sich eine
die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt sollte
demokratische Partei schlicht nicht leisten kann, ein ge-
auch nicht als Mittel benutzt werden, um legitimen poli-
brochenes Verhältnis zur Gewalt zu haben. Dem ist we-
tischen Protest insgesamt zu delegitimieren.
nig hinzuzufügen.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Günter Krings
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
[CDU/CSU]: Jetzt wird es spannend! Ein biss-
Karin Binder [DIE LINKE]: Die Ursachen der
chen Gewalt ist legitim!)
Gewalt sollte man bekämpfen!)
– Es gibt einen präventiven Ansatz. Darauf wird gleich Auch dafür tragen wir eine gemeinsame Verantwor-
der zweite Redner meiner Fraktion eingehen. tung. Ich bitte all diejenigen, die sich an dieser Debatte
beteiligen, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein.
Ich glaube, dass sich diese Koalition darauf verständi- Deshalb werden wir es nicht zulassen, dass nun versucht
(B) gen wird, wie die Probleme zu lösen sein werden. Das wird, das berechtigte Anliegen mehrerer Zehntausend (D)
gilt auch in Fragen des Strafrechts; da können Sie sich Bürgerinnen und Bürger, die in Berlin und Stuttgart pro-
sicher sein. Wir werden die Dinge angehen, und wir wer- testiert haben, zu diskreditieren.
den dies einig und gemeinsam mit der CDU/CSU tun.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Günter Krings
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- [CDU/CSU]: Jetzt werden Opfer und Täter
NEN]: Das wäre das erste Mal!) umgedreht! Das ist Ihre Dialektik!)
Ich würde mir wünschen, dass wir im Kampf gegen Es ist richtig und wichtig, dass sich Bürgerinnen und
den Linksextremismus nicht nur Grüne und SPD, son- Bürger engagieren: in Vereinen, bei Volksentscheiden,
dern auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Lin- Volksbegehren und auch bei Demonstrationen und Sitz-
ken, auf unserer Seite hätten. Dann kämen wir der Sache blockaden. All dies ist Bestandteil einer lebendigen De-
deutlich näher. Leider ist von Ihnen wenig zu hören. Be- mokratie, und all dies soll und muss weiter durchgeführt
sinnen Sie sich: Kehren Sie um und machen Sie es an- werden.
ders!
Wir als Linke werden auch weiterhin zu gewaltfreien
Vielen Dank. Demonstrationen und Sitzblockaden aufrufen. Es ist
Zeit, sich zu wehren: gegen unsoziale Politik, Abbau von
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Bürger- und Menschenrechten und Auslandseinsätzen
der Bundeswehr.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Halina Wawzyniak von der (Beifall bei der LINKEN)
Fraktion Die Linke. Wir glauben an die Überzeugungskraft unserer Argu-
(Beifall bei der LINKEN) mente und setzen deshalb auf zivilen friedlichen Unge-
horsam. Diese Mittel halten wir für legitim.
Halina Wawzyniak (DIE LINKE): (Beifall bei der LINKEN – Dr. Günter Krings
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- [CDU/CSU]: Der Rechtsstaat aber nicht unbe-
ren! Wer Sprengsätze auf Polizisten wirft, ist nicht links, dingt!)
ist kein Fußballfan; er ist kriminell.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem ren, ich wohne und lebe im Berliner Bezirk Friedrichs-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hain-Kreuzberg. Jährlich gibt es in Berlin eine Auseinan-
4920 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Halina Wawzyniak
(A) dersetzung um den 1. Mai, insbesondere in diesem aufgreifen! Sehr interessant! Die Opfer sind (C)
Stadtteil. Gebetsmühlenartig wiederholt die Hauptstadtu- die Täter!)
nion den Vorwurf, dass es dabei zu linksextremistischen
Das kann und sollte eine anonymisierte Kennzeich-
Straftaten kommt. Herr Ruppert hat offensichtlich ordent-
nungspflicht sein. Aber es muss auch klar sein: Polizis-
lich zugehört und es wiederholt. Studien belegen aber
ten sind Staatsbürger in Uniform, Staatsbürger, die unse-
mittlerweile, dass es sich hier im Großen und Ganzen
ren Schutz verdienen, aber nicht im rechtsfreien Raum
nicht um politische Gewalt, sondern mehrheitlich um „er-
agieren.
lebnisorientierte Jugendliche“ handelt.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wer behaup-
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Er- tet das denn?)
lebnisorientiert?)
Meine Damen und Herren, für die Linke sind Protest
Auch Gewaltausbrüche erlebnisorientierter Jugendli- und ziviler Ungehorsam legitime und nötige Mittel
cher sind nicht akzeptabel. Aber es hilft in der Auseinan-
dersetzung nicht weiter, hier ausschließlich einen links- (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nötigende!)
extremistischen Zusammenhang zu konstruieren. der politischen Auseinandersetzung. Gewalt ist es nicht.
(Beifall bei der LINKEN) So einfach ist das.
Es ist gut, dass der rot-rote Senat an seiner Deeskalati- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Günter Krings
onsstrategie festhält. Die Deeskalationsstrategie beim [CDU/CSU]: Die Linke hat sich mal wieder
Myfest in Kreuzberg trägt langsam Früchte, und wir alle auf der Täterseite positioniert!)
wären gut beraten, die damit erreichten Erfolge nicht
kleinzureden, sondern für eine Fortsetzung derartiger Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Strategien einzutreten. Das Wort hat der Kollege Wolfgang Wieland von
(Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!) Bündnis 90/Die Grünen.

Die Antwort auf Gewalt – im Stadion, in der Woh- Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
nung, auf Demonstrationen und nicht zu vergessen die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! All denje-
rassistisch motivierte Gewalt von Neonazis und Faschis- nigen, die wie heute die Berliner Zeitung sich darüber
ten – kann nicht sein, Strafverschärfungen vorzunehmen, mokieren, dass nicht der Protest der 20 000 gegen So-
Eingriffsbefugnisse zu erhöhen und politisches Kapital zialabbau hier die Debatte bestimmt, sondern die Zün-
daraus zu schlagen. Die Antwort darauf muss sein, ge- dung dieses Explosivkörpers, halten wir ganz deutlich
(B) meinsam deutlich zu machen, dass Gewalt nicht ein ein- entgegen: Wir haben hier über das Sparpaket debattiert, (D)
ziges politisches Problem löst, weder im Inneren noch wir werden auch weiter heftig über dieses Sparpaket de-
im Äußeren. battieren, aber es ist genauso richtig und notwendig, an-
(Beifall bei der LINKEN) gesichts dieses – das kann man in der Tat so sagen – An-
schlages von neuer Qualität über ebendiesen Anschlag
Diese Delikte zum Anlass zu nehmen, über eine Straf- zu debattieren. Wir jedenfalls gehen nicht zur Tagesord-
verschärfung nachzudenken, halte ich für reine Symbol- nung über.
politik, die keinerlei Effekt hat. Es gibt einen Strafrah-
men für Körperverletzungsdelikte. Diesen auszunutzen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ist Sache der Gerichte. und bei der CDU/CSU)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her- Ich schließe mich deswegen ausdrücklich den Gene-
ren, ein wenig erinnert mich vor allem der Beitrag von sungswünschen an, die hier geäußert wurden, insbeson-
Herrn Ruppert an die Debatte, die jedes Jahr in Berlin dere gegenüber den beiden inzwischen glücklicherweise
vor dem 1. Mai stattfindet. Hier werden im Vorfeld Aus- aus dem Krankenhaus entlassenen Polizeibeamten.
schreitungen und Gewalttaten in ungeheurem Ausmaß (Beifall)
an die Wand gemalt – eine Voraussage und eine Panik-
mache, welche die Emotionen hochpeitschen und am Wenn hier nach der Gemeinsamkeit der Demokraten
Ende wenig mit dem realen Leben zu tun haben. gefragt wird, dann wiederhole ich ganz deutlich, was alle
Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses – ich be-
(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Ach, wir sind tone: alle – zu diesem Anschlag gesagt haben, nämlich
schuld!) dass dieser Anschlag eine neue Eskalationsstufe der Ge-
Am Ende stehen Bilder, die uns allen nicht gefallen kön- walt ist, der durch nichts zu rechtfertigen und insgesamt
zu verurteilen ist.
nen, beispielsweise Bilder eines Polizeibeamten, der ei-
nen Demonstranten über den Haufen rennt und ihm ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gen den Kopf tritt. Auch wenn der Beamte sich in und bei der SPD)
diesem Fall selbst gestellt hat, ist es schlicht aus rechts-
staatlichen Gründen wichtig, dass wir eine individuelle Die erste Antwort muss deshalb sein, die Täter zu ermit-
Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte einführen. teln und vor Gericht zu stellen. Für diese Antwort – das
sage ich an den Innenminister de Maizière gewandt –
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Günter Krings reicht unser Strafgesetzbuch vollständig aus. Wir haben
[CDU/CSU]: Interessant, welche Beispiele Sie keinerlei Verständnis dafür, dass Sie geradezu reflexartig
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4921
Wolfgang Wieland
(A) in der FAZ nach diesem Anschlag wieder eine Verschär- wann einmal entsprechende Konzeptionen vorlegen. (C)
fung der Straftatbestände gefordert haben. Solche fehlen bis heute. Mit Ihrem schematischen An-
satz „rechts gleich links“ – das haben Sie über Jahre
(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/
echoartig gesagt – kommen Sie zu schematischen und
CSU])
damit falschen Antworten auf die Frage, was nötig ist.
– So ist er zitiert, so sind auch andere von Ihnen zitiert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Forde- bei der SPD und der LINKEN)
rung stellen wir schon lange!)
Ich sage nicht: Ändern Sie Ihre Politik, weil Molo-
– Sie werden ja noch reden; dann sagen Sie etwas da- towcocktails fliegen und Brandsätze gezündet werden!
zu. – So kam die Forderung reflexartig auf diesen An- Ich will den Tätern nicht Erfolg auf diese Art und Weise
schlag. verschaffen. Ändern Sie Ihre Politik, weil sie ungerecht
und unsozial ist! Selbst Ihre Wirtschaftsverbände for-
Die Staatsanwaltschaft in Berlin hat in vergleichbaren dern eine Änderung. Wenn Sie dazu nicht bereit sind,
Fällen – Molotowcocktail auf Polizeibeamte – wegen dann machen Sie wenigstens nicht den Fehler, verbal
versuchten Mordes angeklagt. Ich brauche Ihnen nicht aufzumuskeln. Kollege Krings, es geht nicht, wie Sie es
zu sagen, Herr Kollege Krings, dass der Strafrahmen in formuliert haben, um kriegstaugliche Waffen. Andere
solchen Fällen von 3 bis 15 Jahren reicht. Selbst wenn malen unentwegt das Entstehen einer neuen Rote-Ar-
ich hier von einer gefährlichen Körperverletzung aus- mee-Fraktion an die Wand. Es gibt auch in der Innen-
gehe, beträgt der Strafrahmen 6 Monate bis zu 10 Jah- politik so etwas wie eine Selffulfilling Prophecy. Davor
ren. sollten wir uns alle hüten; denn das ist das Letzte, was
Wer hier eine Debatte über Strafverschärfung führt, wir gebrauchen können.
der will in Wirklichkeit etwas ganz anderes. Der will sei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
nen Nachbarn weichkochen für Strafverschärfungen bei bei der SPD und der LINKEN)
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte; und das halten
wir angesichts dessen, was vorgefallen ist, für nicht an- Was nottut, ist eine nüchterne Analyse ohne jede Dra-
gängig. Das halten wir für schäbig; das muss so deutlich matisierung. Das Vorgefallene ist schlimm genug; das
gesagt werden. braucht man nicht zu dramatisieren. Wir brauchen eine
zielgerichtete und erfolgreiche Polizeiarbeit sowie – last,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN but not least – eine gesellschaftliche Ächtung jeder Form
und bei der LINKEN) von Gewalt.
(B) Es ist auch nicht hinnehmbar, Herr Kollege Uhl, dass (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D)
Sie in der Bild-Zeitung ankündigen, Sie würden hier ein und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
Wort zum Versagen des Berliner Innensenators an uns LINKEN)
richten. Dazu sage ich Ihnen ganz deutlich: Wenn der
Berliner Innensenator versagt hätte, dann hat lange zuvor
sein Hamburger Amtskollege, Innensenator Ahlhaus, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
versagt. In diesem Jahr war am 1. Mai in Hamburg eine Das Wort hat der Bundesinnenminister Dr. Thomas de
schärfere Randale als in Berlin, und das will schon etwas Maizière.
bedeuten. Insbesondere der Angriff mit Molotowcock-
tails auf die Polizeiwache in Hamburg hatte eine Quali- Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
tät, wie wir sie in Berlin jedenfalls noch nicht gesehen nern:
haben. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Hören Sie Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
endlich mit der Aufrechnerei auf! Dieser Anschlag eig- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke
net sich nicht dafür, parteipolitische Süppchen zu ko- mich dafür, dass jetzt eine Aktuelle Stunde zu diesem
chen. Thema stattfindet. Ich glaube, das sind wir den beiden
schwerverletzten Polizisten, aber auch den anderen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
schuldig. Es handelt sich hier, wie Herr Wieland zu
bei der SPD und der LINKEN)
Recht gesagt hat, um eine neue Qualität. Das ist allemal
Das bringt an Erkenntnis gar nichts. Anlass genug, um darüber zu diskutieren. Auch von mir
ein herzlicher Genesungswunsch an die beiden Polizis-
Sie wollen zuallererst eine Strafverschärfung. Der
ten!
Kollege Bosbach will offenbar – das war mir neu – zum
Landfriedensbruchparagrafen aus Kaisers Zeiten zurück- Leider handelt es sich nicht um Einzelfälle. Sie haben
kehren und fordert, dass alle haften, wenn auch nur einer nach Zahlen gefragt. Herr Ruppert hat bereits einige vor-
einen Stein wirft. Hören Sie mit dem Ruf nach Strafver- getragen. Von 7 politisch links motivierten Tötungsver-
schärfungen auf! Wenn Sie eine gesellschaftliche Offen- suchen im letzten Jahr haben sich allein 4 gegen Polizis-
sive gegen Linksextremismus wollen, dann kann man ten gerichtet. Von 849 Körperverletzungsdelikten aus der
darüber reden. Auch wir wollen das zivilgesellschaftli- linken militanten Szene richteten sich 440 gegen Polizei-
che Engagement stärken. Die Kollegin Wawzyniak hat kräfte. Welche Zahlen wollen Sie noch? Dieser Entwick-
auf das Myfest hingewiesen, das jedes Jahr am 1. Mai in lung müssen wir mit einer Reihe von Maßnahmen ent-
Berlin stattfindet. Dieses Fest stellt seit langem eine gegentreten. Sie haben darauf hingewiesen, was die
zivilgesellschaftliche Antwort dar. Sie müssten irgend- Innenministerkonferenz macht. Dazu gehören eine sinn-
4922 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Bundesminister
Dr. Dr. Thomas
Thomas de Maizière, de Maizière des Innern
Bundesminister
(A) volle Vorbereitung auf Demonstrationen, eine vernünf- Versammlungen und Demonstrationen gehören in un- (C)
tige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, eine serem Land zum demokratischen Alltag. Demokratie
kluge Einsatztaktik, Schutzkleidung, gezielte und be- braucht die Debatte, und die Debatte kann auch auf der
weissichernde Festnahmen sowie harte und schnelle Ver- Straße stattfinden. Herr Wieland, natürlich freue ich
urteilungen; all das ist wahr. Zum Gesamtumfeld gehört mich nicht, wenn 10 000 Demonstranten gegen die not-
aber auch – sicherlich nicht zur Aufarbeitung dieser bei- wendigen Sparpakete der Bundesregierung demonstrie-
den Fälle; damit haben Sie recht, Herr Wieland –, dass ren.
wir, die Bundesregierung, auf dem richtigen Weg sind,
wenn wir den strafrechtlichen Schutz von Polizisten und (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Einsatzkräften stärken. Wir werden uns vermutlich sehr NEN]: Es werden mehr werden!)
bald über alle diese Fragen im Einzelnen einigen. Aber diese Kritik muss ich ertragen, diese Kritik kann
Ich will aber heute über all diese Fragen nicht im Ein- ich ertragen, und ich bin stolz darauf, dass ich diese Kri-
zelnen reden, sondern den angesprochenen Fall zum An- tik ertragen darf. Das ist Teil unserer politischen Kultur
lass nehmen, um mit Ihnen Gedanken über den geistig- und unseres demokratischen Verständnisses. Nur, wir
politischen Hintergrund dessen, was dort passiert, auszu- dürfen diese Freiheit, für unsere Überzeugung auf die
tauschen. Straße gehen zu können, nicht durch gewalttätige Chao-
ten verhunzen oder kaputtmachen lassen. Die Ausübung
Vor nunmehr einem Jahrhundert hat die bekennende von Demonstrationsfreiheit darf für niemanden in die-
Kommunistin Rosa Luxemburg den berühmten Satz ge- sem Lande gefährlich werden.
sagt – ich zitiere –:
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, Frei- der FDP)
heit nur für die Anhänger einer Partei – mögen sie
noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit Wir wollen das auch nicht von Menschen kaputtmachen
ist immer nur die Freiheit des Andersdenkenden. lassen, die angeblich dadurch ihre Freiheit verwirklichen
oder ihren Frust auslassen, dass sie Pflastersteine oder
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie Brandgeschosse auf andere Menschen oder Polizisten
bei Abgeordneten der SPD – Dr. Hans-Peter werfen. Dies ist nicht nur ein unerhörter Angriff auf un-
Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist heute sere Polizisten, dies ist ein Angriff auf den Kern unserer
aber anders!) Demokratie selbst. Insbesondere deswegen sind wir so
Heute erlauben sich links- und rechtsextreme Auto- stark dagegen.
nome ein anderes Freiheitsverständnis. In einer frühen Wir haben gelernt, dass bei Demonstrationen die
(B) Ausgabe der autonomen Szenezeitschrift Radikal wurde Trennung von Extremisten wichtig ist. Deswegen sage (D)
folgender Satz geprägt, um ein sogenanntes autonomes ich für den Samstag und auch für die Zukunft: Man muss
Lebensgefühl zu beschreiben – ich zitiere –: sich auch während einer Demonstration trennen.
Freiheit ist … der kurze Moment, in dem der Pflas- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!)
terstein die Hand verlässt, bis zum Moment, wo er
auftrifft. Ich sage allen Demonstranten: Trennt euch auf der
Straße von dem schwarzen Block! Erlaubt nicht, dass
Während also Rosa Luxemburg den Freiheitsbegriff sich Autonome als Kleingruppen unter euch mischen! –
intellektuell zutreffend und pointiert definiert, ist das Wenn Gewalt aus Demonstrationen heraus ausgeübt
zweite Zitat ein erschreckendes Zeugnis geistiger Verir- wird, erwarte ich, dass sich friedliche Demonstranten
rung, einer Pervertierung des Freiheitsbegriffs. Das ist von dieser Gewaltanwendung auch räumlich trennen,
alles andere als erlebnisorientiert, Frau Kollegin von der damit die Polizei Festnahmen durchführen kann, und
linken Seite. nicht geradezu Schutz bieten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jan
Diesen Missbrauch des Freiheitsbegriffes dürfen wir Korte [DIE LINKE]: Das unterstellen Sie den
in unserem Land nicht dulden. Autonome bestimmen in 10 000, oder was?)
diesem Land nicht, was Freiheit ist, und Autonome be- Demokraten dürfen Antidemokraten keinen Schutz bie-
stimmen in diesem Land auch nicht, welche Gesetze gel- ten, erst recht keinen räumlichen Schutz. Wenn Sie sich
ten. Freiheit ist ein kostbares Gut, das es zu verteidigen
die entsprechenden Szenen auf YouTube anschauen,
gilt.
dann sehen Sie, dass davon am vergangenen Samstag
Sie haben gesagt: Gewalt, nein. – Ich war erfreut, das keine Rede sein konnte.
in dieser Klarheit von Ihnen zu hören. Ich komme gleich
Zur räumlichen Trennung gehört aber auch eine geis-
noch einmal auf diesen Punkt zurück. Sie haben aber
tige Trennung, eine glasklare politische Abgrenzung.
auch gesagt: ziviler Ungehorsam, ja. – Der Meinung bin
Links motivierte Gewalt ist deutlich und mit gleichem
ich nicht. Es steht keinem Demonstranten und keinem
Abscheu durch alle Teile der Gesellschaft zu ächten, wie
Bürger zu, selbst zu bestimmen, dass er gegenüber Ge-
dies unter allen Demokraten bei rechtsextremer Gewalt
setzen zivilen Ungehorsam übt. Darin unterscheiden wir
seit langem selbstverständlich ist. Dies kann die Polizei
uns fundamental; das will ich einmal sagen.
nicht. Das ist auch nicht die Aufgabe der Polizei. Das
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist wahr! Ja!) kann und muss die Zivilgesellschaft leisten.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4923
Bundesminister Dr. Thomas
Dr. Thomas de Maizière, de Maizière des Innern
Bundesminister
(A) Wir sollten uns überlegen, ob es ausreichend ist, dass links“ trifft es besser; denn nicht jeder Idiot, der bei einer (C)
wir hier von politisch motivierter Gewalt sprechen. Wir Demonstration Steine auf Polizisten wirft, ist ein Links-
zählen in der Polizeilichen Kriminalstatistik rechts- extremist.
extrem oder linksextrem politisch motivierte Gewalt, das
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
ist wahr. Aber was ist eigentlich politisch an dem Ver-
such, einen anderen Menschen zu verletzen oder seine Die Polizei ist an vielen Stellen mit Krawalltouristen und
Tötung billigend in Kauf zu nehmen? sogenannten – auch die Polizei verwendet den Begriff –
erlebnisorientierten Jugendlichen konfrontiert. Natür-
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Gute Frage!
lich handelt es sich dabei um Straftaten, die verfolgt
Warum wird das so eingeordnet?)
werden müssen. Ziel politischen Handelns muss neben
Nichts. Diese Täter sind Straftäter, Trittbrettfahrer, die der Strafverfolgung aber auch sein, dass es nicht zu einer
das politische Engagement der anderen als Feigenblatt weiteren Radikalisierung und Organisation der Szene
für ihre eigenen Gewaltexzesse nutzen. kommt. Lassen Sie mich deswegen ganz deutlich sagen:
Beim angemessenen, zielgerichteten Kampf gegen poli-
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie tisch motivierte Gewalt jeder Art können Sie auf die Un-
des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU]) terstützung der SPD-Fraktion zählen. Gewalt darf kein
Deswegen appelliere ich an alle zukünftigen Veranstalter Mittel der politischen Auseinandersetzung sein.
und Teilnehmer – der vergangene Samstag war ein (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
schlechtes Beispiel –: Lassen Sie sich nicht zu Feigen- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
blättern solcher feiger vermummter Gewalttäter machen!
Unterstützen wir die Polizei; aber lassen wir sie in dieser Die SPD setzt sich für einen differenzierten, besonne-
Auseinandersetzung nicht allein! nen Umgang mit diesem Thema ein. Es geht darum, das
Problem zu analysieren, die Tätergruppe zu identifizie-
Jeder Demonstrant und jeder Veranstalter von De- ren und das Phänomen gesellschaftlich einzuordnen.
monstrationen hat auch seine Verantwortung zu tragen, Dann kann man auch die geeigneten Maßnahmen ergrei-
dass Demonstrationen friedlich bleiben. Das ist, gerade fen. Wir haben es mit einem Großstadtphänomen zu tun,
wenn es schwierig wird, eine demokratische Pflicht das nicht neu ist. Wir haben es mit Straßenmilitanz zu
freier Bürger, und auch das zeichnet eine stolze und freie tun, und in der Tat haben wir in den letzten beiden Jah-
Demokratie aus. ren in diesem Bereich Zuwächse. Zeitgleich gab es bei
Vielen Dank. den Anschlägen auf Autos und andere Objekte ein An-
wachsen. Hier sind die Zahlen in Berlin laut Verfas-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sungsschutz 2010 glücklicherweise wieder rückläufig.
(B) (D)
Innensenator Körting, der in diesem Bereich einen sehr
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: guten Job macht, hat darauf gestern hingewiesen. Eine
Das Wort hat die Kollegin Daniela Kolbe von der differenzierte Betrachtungsweise ist notwendig, und es
SPD-Fraktion. sind weiterhin Verfassungsschutz und Polizei gefragt,
hier differenziert tätig zu werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Genaues Hinschauen und abgestimmtes Handeln sind
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): geboten. Eine weitere Radikalisierung gilt es unbedingt
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zu vermeiden. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass am
Meldungen von den Zwischenfällen am Wochenende ha- Samstag 20 000 Menschen, zum Teil auch schwarzge-
ben uns erschüttert. Wir hoffen auf eine rasche Genesung kleidete, friedlich und legitim auf die Straßen gegangen
der verletzten Polizisten und auf schnelle Fahndungser- sind, um gegen ein sozial schlicht ungerechtes Sparpro-
folge, damit die Täter belangt und einer gerechten Strafe gramm zu demonstrieren. Es muss darum gehen, De-
zugeführt werden und damit die Hintergründe dieser Tat monstrationsanmelder darin zu unterstützen, dass sie al-
klarer werden. Egal ob es sich um eine politisch moti- les tun, damit es aus ihrer Mitte nicht zu Gewalttaten
vierte Tat oder Krawalltourismus handelt, das Unver- kommt. Veranstalter sollten die Gelegenheit nutzen, sich
ständnis über diese sinnlose Tat wird bleiben. klar von Gewalt zu distanzieren.
Aktionismus und Law-and-Order-Gebrüll werden je-
Die Koalitionsfraktionen nehmen die Geschehnisse
doch nicht zum gewünschten Ziel führen, eher im Ge-
zum Anlass, um über – Zitat – „Bedrohliches Anwachsen
genteil. Dass die Androhung höherer Strafen wirklich
linksextremer Straftaten in Deutschland“ zu diskutieren.
abschreckend wirkt, daran habe ich meine großen Zwei-
Das könnte ein guter Anlass sein, um über konkrete Pro-
fel. Gleichwohl ist es natürlich sinnvoll, darüber zu dis-
blemanalysen, über Zielstellungen und angemessene Me-
kutieren, wie man Polizei und Rettungskräfte gegen die
thoden zu sprechen. Davon sehe ich hier im Moment al-
zunehmende Gewalt, mit der sie aus Teilen der Gesell-
lerdings noch relativ wenig. Stattdessen erlebe ich puren
schaft – nicht nur bei Demonstrationen – konfrontiert
Aktionismus, Polemik und leider viel zu viel Gleichma-
sind, schützen kann. Die SPD wird hierzu Vorschläge
cherei.
vorlegen.
(Zuruf von der FDP: Bei Ihnen, ja?)
Das von Frau Dr. Schröder angekündigte Bildungs-
Sie sprechen von linksextremen Straftaten. Ich per- programm gegen Linksextremismus und Islamismus
sönlich finde, der Terminus „politisch motivierte Gewalt kann ich wirklich nur als Aktionismus bezeichnen. Da
4924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Daniela Kolbe (Leipzig)


(A) werden 2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Für Laut einer Forsa-Befragung fühlt nur jeder fünfte (C)
was eigentlich? junge Mensch zwischen 16 und 32 Jahren sich, seine
Probleme und Sorgen von der Politik in ausreichendem
(Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!)
Maße vertreten. Laut der Shell-Jugendstudie interessie-
Die beteiligten Bildungsträger haben von ihrem Glück ren sich nur 24 Prozent aller Jugendlichen aktiv für Poli-
aus der Zeitung erfahren. Wen sie mit welchem Bil- tik. Die übrigen 76 Prozent interessieren sich entweder
dungsziel bilden sollen, ist immer noch unklar. Spiegel gar nicht für Politik, haben kein Vertrauen in Parteien
Online titelt passend „Bildung gegen Bambule“ und ist und Parlamente oder empfinden demokratische Abwä-
ebenso ratlos wie ich und viele Bildungsträger. Wie soll gungsprozesse als zu langwierig.
denn mit politischer Bildung politisch motivierte Gewalt
vermieden werden, etwa mit Aufklärung zur DDR-Ge- Gleichzeitig wissen wir aus Studien, dass gerade in
schichte, wie es in Weimar geplant ist? Das ist doch ab- der Jugend die grundlegende politische Orientierung und
surd! Wertebildung stattfindet. Deswegen ist es so wichtig,
rechtzeitig über die richtigen präventiven Ansätze zu
Mich würde da, ehrlich gesagt, die Problemanalyse diskutieren. Deswegen ist es auch richtig und wichtig,
der Ministerin interessieren und vor allen Dingen, auf immer wieder zu hinterfragen, wie wir die Mittel und
welchen Daten, Zahlen und Fakten sie beruht. Da sind
Programme dazu ausrichten.
– das wollte ich der Frau Ministerin sagen; leider ist sie
heute nicht hier, obwohl das ein Thema ist, glaube ich, Lassen Sie mich, bevor ich dazu komme, noch sagen:
das sie sehr interessiert – viel zu viele Fragen offen. Natürlich tragen auch wir als Abgeordnete einen großen
In Zeiten klammer Kassen kann ich nur empfehlen: Teil der Verantwortung, wenn es darum geht, jungen
Das Geld wäre in den bewährten Programmen für eine Menschen das Gefühl zu geben, dass ihre Anliegen hier
lebendige Demokratie deutlich besser aufgehoben. ernst genommen werden, aber nicht zuletzt auch dafür
zu sorgen, junge Menschen für Politik zu begeistern. Ich
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten glaube, zukünftig wird es noch wesentlich wichtiger
der LINKEN) sein, in Programmen die Basis für genau diese Begeiste-
Ich kann die Koalition nur deutlich davor warnen, der rung zu legen. Glauben wir doch nicht, wir hätten junge
offenbar vorhandenen Versuchung nachzugeben, die ak- Menschen, die wir gegen Rechtsextremismus mobilisiert
tuelle Debatte zu instrumentalisieren. In diesem The- haben, automatisch für die Demokratie gewonnen! Es
menbereich sind kühler Kopf und angemessenes Vorge- geht also zukünftig nicht nur darum, gegen etwas zu mo-
hen gefragt. bilisieren, sondern auch darum, für etwas zu begeistern,
nämlich für Demokratie und Vielfalt.
(B) (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie hätten Ihre (D)
Rede umschreiben müssen!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Es geht um eine ernsthafte, sachliche und reflektierte Natürlich brauchen wir auch zukünftig Programme,
Debatte zum Umgang mit politisch motivierter Gewalt die gezielt gegen politischen Extremismus vorgehen,
links, die wirklich weiterhilft. Das Thema ist viel zu und das nicht nur aufgrund von Kriminalstatistiken, son-
ernst, um für Polemik und Stimmungsmache herzuhal- dern vor allem auch – das möchte ich ganz deutlich sa-
ten, auch wenn man damit – bei der Themensetzung gen – aufgrund unserer eigenen Geschichte. Deswegen
hatte ich den Eindruck – gut von anderen Themen ablen- halte ich es für falsch, unsägliche Vergleiche von Opfer-
ken kann. zahlen anzustellen und Diskussionen darüber zu führen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Als ob man an Opferzahlen Verteilungsschlüssel für zu-
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE künftige Programme festmachen könnte! Deswegen ge-
GRÜNEN – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie hen die Vorwürfe der Opposition gegenüber Regierung
hätten es umschreiben müssen!) und Koalition völlig fehl. Niemand hier will rechts-
extreme Straftaten kleinreden, und niemand hier stellt
infrage, dass wir auch zukünftig zielgerichtete Pro-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gramme gegen Rechtsextremismus brauchen. Wir stellen
Das Wort hat der Kollege Florian Bernschneider von nur fest, meine Damen und Herren, dass Rechtsextremis-
der FDP-Fraktion. mus nicht die einzige Herausforderung ist, vor der wir
(Beifall bei der FDP) stehen.
Völlig egal, ob Sie es an Kriminalstatistiken festma-
Florian Bernschneider (FDP): chen, was ich für falsch halte, ob Sie es aus unserer eige-
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- nen Geschichte ableiten oder ob Sie einfach zur Kennt-
ren! Diese Aktuelle Stunde hat einen sehr konkreten, nis nehmen, dass man in der Bibliothek des Deutschen
sehr aktuellen und erschreckenden Hintergrund. Ich Bundestages 665 Bücher zum Thema Rechtsextremis-
glaube, wir tun uns, aber auch der Sache trotzdem einen mus, aber nur 30 zum Thema Linksextremismus findet,
Gefallen, wenn wir den Kern dieser Debatte nicht aus
den Augen verlieren. Im Kern geht es eben nicht um (Jan Korte [DIE LINKE]: Warum denn wohl? –
Höchststrafen und die Ausstattung von Gefängnissen, Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
sondern im Kern geht es um die richtigen präventiven NEN]: Weil das das größere Problem ist! –
Ansätze und die Ausstattung von Schulen. Weitere Zurufe von der SPD)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4925
Florian Bernschneider
(A) völlig egal, woran Sie es festmachen: Sie müssen fest- einem Jahr am 1. Mai in Berlin, als 440 Polizisten ver- (C)
stellen, dass wir in der Gestaltung unserer Programme letzt wurden, kamen Gasgranaten zum Einsatz. Gaskar-
dem Linksextremismus nicht gerecht werden. Deshalb tuschen, die zu Bomben umgebaut worden waren, ka-
müssen wir zukünftig darauf einen stärkeren Fokus le- men im Laufe des letzten Jahres immer wieder zum
gen. Einsatz. Im Vorfeld zum diesjährigen 1. Mai kam es zum
Einsatz von Abschussgeräten, mit denen man ganz ge-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) zielt metergenau Sprengkörper positionieren kann. Am
Ich finde es schon bedenklich, wenn der Kollege Berliner Ostbahnhof wurde eine Rohrbombe sicherge-
Bockhahn von der Linken auf die Frage nach Ausstei- stellt, die glücklicherweise nicht explodierte; deswegen
gerprogrammen für Linksextreme hier im Plenum ant- gab es dabei keine Verletzten.
wortet: Die werden nicht gebraucht. –
Ich habe gerade noch einmal das Traktat der Linken
(Zuruf von der LINKEN: Da hat er recht!) mit einer haargenauen Anweisung zum Bombenbau
durchgelesen. Daraus möchte ich Ihnen doch noch ei-
Dass Sie von der Linkspartei ohnehin Schwierigkeiten nige Vorhaltungen machen.
haben, Einsparungen zu leisten, wissen wir und erleben
wir gerade in diesen Tagen. (Sebastian Edathy [SPD]: Vorhaltungen? Sind
wir im Untersuchungsausschuss?)
(Widerspruch bei der LINKEN)
Dass Sie bei Programmen gegen Rechtsextremismus Es sind linke Gewalttäter, linksorientierte und nicht ir-
nicht sparen wollen, nehme ich Ihnen noch nicht einmal gendwelche Kriminelle,
übel, obwohl ich glaube, dass man auch hier intelligent (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: So ein Un-
sparen kann, ohne der Sache zu schaden. Was ich Ihnen sinn!)
aber übel nehme, ist, dass Sie Ihrer üblichen Argumenta-
tionslinie – so falsch ich sie auch finde – nicht folgen. die genau wissen, was sie tun. Das können Sie feststel-
Warum fordert hier kein Vertreter der Linkspartei Ban- len, wenn Sie sich einmal intensiv das Vorwort durchle-
ker und Besserverdiener zur Kasse, um in Programme sen.
gegen Linksextremismus zu investieren? Das ist der eigentliche Gegenstand unserer Debatte.
(Sebastian Edathy [SPD]: Das können Sie ja Es gibt in der deutschen Linken derzeit eine Gewaltdis-
machen! Gute Idee! – Zurufe von der LIN- kussion über die Frage: Ist Gewalt klug bei der Durch-
KEN) setzung der linken Ziele oder nicht?
Warum tut das gerade hier keiner? (Jan Korte [DIE LINKE]: Welche Linken
(B) denn?) (D)
Meine Damen und Herren, genau das und auch Ihr
Verhalten in der Diskussion hinterlässt bei mir einen fa- Diejenigen, die solche Bomben legen, wissen genau,
den Nachgeschmack. was sie tun.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Sönke Rix [SPD]: Wen meinen Sie mit „Lin-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ken“?)
Sie sprechen sich für Gewalt aus. Da heißt es zum Bei-
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: spiel – ich lese nur einen Satz vor –: Schaut euch doch
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl die Grünen oder die Linkspartei an, die heute selbst auf
von der CDU/CSU-Fraktion. der Seite der Mächtigen stehen und Schweinereien
durchsetzen. – So begründen sie dann, dass man es an-
ders machen muss,
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und (Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Kollegen! Dass das, was am Samstag in Berlin passiert
ist, eine neue Qualität hat, ist von einigen Rednern dass man sich nur mit Gewalt zu Wort melden kann, um
– auch von Ihnen, Herr Wieland – bereits gesagt worden. etwas durchzusetzen und die Gesellschaft zu verändern.
Ich möchte noch einmal herausstellen, warum es richtig Thema des Tages ist das Anwachsen der Zahl der ge-
ist, was sie gesagt haben. walttätigen Linken in Deutschland, ein Thema, das wir
Die Verletzungen der Polizeibeamten rühren daher, vor vielen Jahren auch einmal im Zusammenhang mit
dass Splitterbomben zum Einsatz kamen, die mit Eisen- dem rechten Lager in Deutschland hatten.
teilen gespickt und perfiderweise auch noch in eine Plas- (Mechthild Rawert [SPD]: Und haben! –
tikhülle gesteckt waren, damit die Eisenteile, durch die Sönke Rix [SPD]: Jetzt haben wir keine Ge-
Explosion erhitzt, mit dem Plastik verschmelzen und auf walt mehr, oder was?)
den Uniformen festkleben bzw. sie durchdringen. Deswe-
gen sind die Polizisten auch so schwer verletzt worden. Damals haben wir von der Union ganz klar einen Tren-
Das heißt, wir haben es mit einer Gewalt zu tun, wie es sie nungsstrich gezogen und gesagt: Mit Republikanern,
in Deutschland in den letzten Jahren nicht gegeben hat. NPD, DVU werden wir niemals etwas zu tun haben.
Dennoch kam das nicht überraschend, wenn man sich (Sönke Rix [SPD]: Wir auch nicht! – Jan Korte
die Gewalttaten der letzten Monate vergegenwärtigt: Vor [DIE LINKE]: Wir auch nicht!)
4926 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Dr. Hans-Peter Uhl


(A) An diesem Punkt sind Sie von den Linken noch nicht, Anmelder, muss wissen, dass er niemals das Forum für (C)
dass Sie sich von dieser Gewalt ganz klar absetzen. Gewalttäter sein darf. Er darf niemals einen Schutz-
schirm für randalierende Gewalttäter bilden. Angesichts
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
des Anstiegs linker Gewalt in Berlin und in anderen
Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wir haben
Städten Deutschlands fordern wir den Aufstand der An-
damit auch nichts zu tun!)
ständigen, auch im linken Lager.
Wer war Veranstalter? Veranstalter am Samstag waren
Danke schön.
die Linke, Verdi, die Sozialistische Jugend und die Rosa-
Luxemburg-Stiftung. Es gab noch weitere Unterstützer (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
dieser Veranstaltung.
(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Sebastian Edathy von der
Auch zwei Bundestagsabgeordnete von der Linken, Frau SPD-Fraktion.
Lötzsch und Frau Pau, waren anwesend. Wenn Sie sich
jetzt distanzieren, muss man wissen, ob das ehrlich ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
meint ist, und muss man sich diejenigen genau an-
schauen. Sebastian Edathy (SPD):
Es gab interessanterweise unter den Veranstaltern Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Zank darüber, wer im Demonstrationszug vorne mar- Kollegen! Vorab will ich sagen: Es muss am Ende einer
schieren darf und wer nicht. Die etwa 450 Mitglieder des Aktuellen Stunde eigentlich mehr übrig bleiben als nur
antikapitalistischen Blocks, darunter 130 Gewaltbereite, die Feststellung: Schön, dass wir einmal darüber geredet
haben. Mir ist trotz der drei Beiträge aus der Unionsfrak-
(Sönke Rix [SPD]: Sie haben mehr Erkennt- tion und dem, was die FDP ausgeführt hat, nicht klar,
nisse als die Staatsanwaltschaft!) was die Position der Koalition bzw. der Bundesregierung
haben sich gefügt und sind nicht, wie sie ursprünglich ist.
wollten, an die Spitze, sondern weiter nach hinten ge- (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das ist ein
gangen. Das heißt, der Veranstalter hatte Einfluss auf intellektuelles Problem von Ihnen! – Reinhard
den antikapitalistischen Block. Wenn jetzt hinterher ge- Grindel [CDU/CSU]: Vielleicht mal mit Zuhö-
sagt wird: „Wir konnten uns doch nicht durchsetzen und ren probieren!)
die Gewalttat, die Explosion, verhindern“, dann ist das
heuchlerisch und unwahr. Vielleicht sollte man die nächste Debatte über ein solch
(B) wichtiges Thema erst dann beantragen, liebe Kollegin- (D)
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Welche nen und Kollegen von Union und FDP, wenn man selber
Quellen haben Sie denn? – Gegenruf von der weiß, was man will.
SPD: Ich glaube, er hat die Welt!)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Es ist unredlich, diesen Eindruck hier zu erwecken; denn der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
Sie hatten Einfluss auf den antikapitalistischen Block. GRÜNEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Die
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Linke klatscht!)
neten der FDP) Will man ein grundsätzliches Grußwort halten wie der
Nehmen Sie sich bitte einmal die Zeit und geben bei Bundesinnenminister, ohne irgendetwas konkret zu be-
YouTube die Suchwörter „Splitterbombe“ und „12. Juni“ nennen? Oder will man, wenn auch eher abstrakt, wie
ein. Dann können Sie ganz genau sehen, was passiert ist: der Kollege Bosbach Gesetzesverschärfungen fordern?
Nach der Explosion der Bomben gab es Jauchzen und Das ist zwar legitim. Aber man braucht dafür eine Mehr-
Freude bei den Demonstrationsteilnehmern. Die Fahnen heit, die mir gegenwärtig nicht gegeben zu sein scheint.
der Linken wurden geschwenkt, die Fahne von Verdi Oder instrumentalisiert man ein Thema, bei dem sich
wurde geschwenkt. Nach der Explosion gab es keinerlei parteipolitisch motivierter Streit eigentlich verbietet?
Distanzierung, sondern Freude über das Geschehene und Das hat der Kollege Uhl gerade gemacht.
eine weitere Teilnahme am Demonstrationszug. Das ist (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
verwerflich. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- Um es deutlich zu sagen, Herr Kollege Uhl: Sie soll-
derspruch bei der LINKEN – Sebastian Edathy ten sich vor dem Deutschen Bundestag dafür entschuldi-
[SPD]: Das können Sie wohl nicht ernsthaft gen, dass Sie einer Mitgliedsgewerkschaft des Deut-
unterstellen! – Agnes Alpers [DIE LINKE]: schen Gewerkschaftsbundes unterstellt haben, sie würde
So machen Sie Politik: mit Lügen und Unter- Straftaten begrüßen und bejubeln.
stellungen!)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Das Recht zu demonstrieren – damit komme ich zum
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schluss –, ist für uns und für alle Parteien, egal welcher
Couleur, ein hohes Gut. Aber wer eine Demonstration Fakt ist – das zeigt ein Blick in die Polizeiliche Kri-
organisiert und anmeldet, hat auch eine besondere Ver- minalstatistik –: Es gibt ein Anwachsen der Gewaltde-
antwortung für das Geschehen auf der Straße. Er, der likte im Bereich des Linksextremismus. Das muss man
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4927
Sebastian Edathy
(A) ernst nehmen. Es ist zwar gut, dass von verschiedenen Übrigens ist es auch wichtig, dass sie, wenn sie zu (C)
Rednern gesagt worden ist, dass Gewalt, gleich welcher Schaden kommen, von ihrem Dienstherrn Rechtsbei-
Art, zu verurteilen ist. Wenn man eine konkrete Analyse stand erhalten. Ich habe vor wenigen Wochen in meinem
vornehmen will, reicht das allein aber nicht aus. Wahlkreis ein Gespräch mit der Gewerkschaft der Poli-
zei geführt. Da wurde mir ein konkretes Fallbeispiel aus
Herr Kollege Uhl, warten Sie einmal ab, was die Er- Niedersachsen geschildert: Das Land Niedersachsen
mittlungen ergeben. Vielleicht rufen Sie einmal im Bun- bzw. der Landesinnenminister hat einem Polizeibeam-
desamt für Verfassungsschutz an. Ich habe das heute ten, der aufgrund einer Verletzung zivilgerichtlich vorge-
Nachmittag gemacht, um mich zu informieren, wie der gangen ist, erstinstanzlich Rechtsbeistand gewährt, und
konkrete Stand im Berliner Fall ist. Sie würden mögli- sich in der zweiten Instanz mit dem Hinweis darauf, dass
cherweise nicht das bestätigt bekommen, was Sie gerade es jetzt ein erhöhtes Prozessrisiko gebe, zurückgezogen.
behauptet haben. Wir als Politiker sollten so viel Verant- Das ist inkonsequent; da müssen sich Polizeibeamtinnen
wortung haben, nicht abschließende Urteile zu fällen, und -beamte alleingelassen fühlen. Da gibt es eine Für-
während die Ermittlungen noch laufen. Ich halte das, sorgepflicht, die auch wahrzunehmen ist.
was Sie hier machen, für nicht seriös.
(Beifall bei der SPD)
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abschließend ein Punkt, der auch nicht zu der von
mir als notwendig erachteten Fürsorgepflicht passt. Ich
Schon seit Wochen wird eine Debatte grundsätzlicher finde es gut, dass viele Redner der Koalition gesagt ha-
Art über die Frage geführt: Brauchen wir verschärfte ben: Wir respektieren die Arbeit der Beamtinnen und
rechtliche Regelungen? Ich empfehle sehr, sich den ers- Beamten nicht nur, sondern wir schätzen sie auch. –
ten Bericht von Christian Pfeiffer, dem Leiter des Krimi- Wenn das so ist, Herr Bundesinnenminister, dann ver-
nologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen, für stehe ich nicht, warum Anfang dieser Woche in Form ei-
die Landesinnenministerkonferenz, bei der der Bundes- nes Änderungsantrages zum Bundesbesoldungsgesetz
innenminister Gast ist, anzuschauen. Diese Untersu- das Begehren auf den Tisch des Hauses gekommen ist,
chung wird noch ergänzt werden. Herr Pfeiffer ist eher dass die Polizeibeamtinnen und -beamten des Bundes
skeptisch, ob es wirklich eine abschreckende Wirkung ebenso wie die Soldatinnen und Soldaten weitere vier
hätte, Strafvorschriften zu verschärfen. Auch ich glaube Jahre auf die Sonderzulage verzichten sollen, während
übrigens nicht, dass es einen überzeugten gewaltbereiten wir doch versprochen haben, sie zum 1. Januar 2011 in
Extremisten davon abhalten würde, ein Delikt zu ver- die allgemeinen Besoldungstabellen einzuarbeiten. Ich
üben, wenn das Strafmaß ein anderes wäre als heute, zu- glaube, es kommt bei den Polizeibeamtinnen und -beam-
mal es, so wie es sich bereits heute darstellt, sehr um- ten nicht gut an, und zwar zu Recht, wenn sie hier
(B) fangreich ist. (D)
schöne Worte hören, aber Sie in der tatsächlichen Unter-
Wichtig sind aber zwei Dinge; das eine können wir, stützung Taten vermissen lassen.
die Politik, nicht leisten, das andere sehr wohl. In dem Vielen Dank.
ersten Fall können wir nur appellieren: Wer eine Demon-
stration veranstaltet, der muss sich sehr genau an- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
schauen, wer seine möglichen Bündnispartner sind. Mit des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Extremisten ein Bündnis zu schließen, weil man ver-
meintlich das gleiche Ziel hat, ist nach meinem Dafür- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
halten unredlich und eines Demokraten nicht würdig, Das Wort hat der Kollege Reinhard Grindel von der
weil das Ziel von Extremisten am Ende ein anderes ist, CDU/CSU-Fraktion.
als sich nur der Auseinandersetzung mit dem vermeintli-
chen Gegner zu stellen: Es ist die Überwindung unserer (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
demokratischen Gesellschaftsordnung. Deswegen kann
ich keiner demokratischen Partei – jedenfalls keiner Par- Reinhard Grindel (CDU/CSU):
tei, die sich selber als demokratisch bezeichnen möchte – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
den Rat geben, mit Extremisten aktive Bündnisarbeit zu Herr Edathy, ich habe mich bei Ihrer Rede gefragt, ob
praktizieren. Sie sich hier auch so geäußert hätten, wenn wir heute
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ über Gewaltakte von Neonazis diskutieren würden.
CSU und der FDP) (Sebastian Edathy [SPD]: Ja, sicher!)
Zum Zweiten muss klar sein: Wer das staatliche Ge- Wir dürfen auf keinem Auge blind sein. Wir müssen
waltmonopol schützt – Polizeibeamtinnen und -beamte gleichermaßen mit aller Entschiedenheit gegen Rechts-,
tun das –, hat seinerseits Anspruch auf Schutz und Für- aber auch gegen Linksextremisten vorgehen.
sorge durch den Staat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU) Sie haben den Kollegen Uhl angegriffen, weil er
Verdi erwähnt hat. Sie selber haben eben gesagt: Wer
Es muss klar sein, dass wir durch die Ausbildung gut eine Demonstration veranstaltet, muss sich ansehen, wer
vorbereitete Beamtinnen und Beamte brauchen. Sie zu dieser Demonstration aufruft. – Lassen Sie uns an-
müssen auch gut ausgerüstet sein. schauen, wer zu der Demonstration vom Sonnabend auf-
4928 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Reinhard Grindel
(A) gerufen hat. Es war eine bemerkenswerte Allianz. Zu dann aber im Senat aus reinem Machterhalt mit den geis- (C)
den Gruppen gehörten die Antifaschistische Linke Ber- tigen Brandstiftern gemeinsame politische Sache macht.
lin, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands,
die DKP und die Partei Die Linke sowie der Verdi-Be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
zirk Berlin. neten der FDP – Agnes Alpers [DIE LINKE]:
„Geistige Brandstifter“ ist eine Unterstel-
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das sind aber doch lung! – Jan Korte [DIE LINKE]: Sie reden so
keine Gewalttäter! – Agnes Alpers [DIE abgedrehtes Zeug! Haben Sie Drogen genom-
LINKE]: Was hat das mit Gewalt zu tun?) men, oder was? – Karin Binder [DIE LINKE]:
Wissen Sie eigentlich, wer die geistigen Brand-
Ich halte es für einen Skandal, dass nicht zuletzt Ge- stifter sind?)
werkschaftsgelder in dieser Art und Weise eingesetzt
werden. Wir fordern die SPD auf: Wenn Ihr Koalitionspartner
nicht eine klare Trennlinie zur Gewalt zieht, dann müs-
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- sen Sie eine klare Trennlinie zu Ihrem Koalitionspartner
derspruch bei der LINKEN) hier in Berlin ziehen.
Es war nicht so, dass der Sprengstoffanschlag auf die
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Polizeibeamten aus einem gesonderten Block erfolgte.
neten der FDP)
Die Videos im Internet zeigen deutlich, dass sich in der
Gruppe, aus der heraus der Sprengsatz geworfen wurde, Man kann es auf Dauer nicht durchgehen lassen, dass
eine Reihe von Personen befanden, die Fahnen der Partei sich ein Herr Thierse, wenn es um Rechtsextremismus
Die Linke mit sich führten. geht, zur Straßenblockade einfindet und die Arbeit der
Polizei behindert, aber Schweigen herrscht, wenn es um
(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Genau so ist
Linksextremismus geht.
es!)
Die Linke hat sich schon in der Vergangenheit gerade (Jan Korte [DIE LINKE]: Keine Macht den
nicht von Gewalt distanziert. Ich erinnere an die Kritik Drogen!)
der Bundestagsabgeordneten Höger an der Verurteilung Herr Thierse hat sich selbst Mut bescheinigt, weil er sich
von Gewalttätern, die Autos in Berlin abgefackelt haben. Rechtsextremisten in den Weg gestellt hat. Mutig wäre
Die Linke ist eine durch und durch extremistische Partei es, am nächsten 1. Mai im Hamburger Schanzenviertel
mit einem ungeklärten Verhältnis zur Gewalt. oder in Berlin-Friedrichshain an der Spitze eines Auf-
(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) standes der Anständigen zu marschieren. Wir müssen
(B) gleichermaßen gegen Links und gegen Rechts Zeichen (D)
Deswegen ist es richtig, dass sie vom Verfassungsschutz setzen!
beobachtet wird.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jan
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Korte [DIE LINKE]: Alles Extremisten außer
neten der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Das Grindel! Unfassbar!)
sagt der Richtige! – Weiterer Zuruf der Abg.
Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Auch eine Reaktion der Grünen hier in Berlin halte
ich für erwähnenswert: Der innenpolitische Sprecher der
– Frau Wawzyniak, wer Gewalttäter als „erlebnisorien- Grünen im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, bedauert,
tierte Jugendliche“ verharmlost, dass durch den Sprengstoffanschlag das „Anliegen der
Demonstranten“ und das „fragwürdige Verhalten von
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist Polizei- Polizisten“ untergeht. Zitat:
deutsch!)
Jetzt sind automatisch die Polizisten die Opfer und
der hat ein gebrochenes Verhältnis zu rechtsstaatlichen
der schwarze Block die Bösen.
Grundsätzen. Das möchte ich am Ende der Debatte fest-
halten. Der Sprengstoffanschlag wird nicht bedauert, weil
dort Menschen verletzt worden sind, sondern es wird be-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –
dauert, dass politische Vorurteile der Grünen demaskiert
Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wer nicht
wurden. Das ist blanker politischer Zynismus.
lesen kann, sollte einfach mal die Klappe hal-
ten!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Die Besonderheit in Berlin ist, dass die Partei Die neten der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Sie
Linke auf beiden Seiten der Barrikaden anzutreffen ist: sind der Extremist!)
Sie ist auch Regierungspartei im Senat, gemeinsam mit Es ist ein Skandal, dass sich die Veranstalter nicht von
der SPD. dem Sprengstoffanschlag distanziert haben, sondern
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!) scharf das „martialische Auftreten der Polizei“ kritisie-
ren. Eine Distanzierung von der Gewalt gegen Sachen
Deshalb ist das ungeklärte Verhältnis der Linken zur Ge- gibt es bei den Linksextremisten in Berlin schon lange
walt auch für die SPD ein Thema. Es geht nicht an, dass nicht mehr; jetzt fehlt es sogar an einer Distanzierung
die SPD den Brandanschlag auf Polizisten verurteilt, von der Gewalt gegen Personen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4929
Reinhard Grindel
(A) (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Irgendwie kämpft werden. Außerdem wollen wir, dass die Beam- (C)
können Sie nicht lesen! – Sönke Rix [SPD]: tinnen und Beamten, die wöchentlich, fast täglich, für
Kennen Sie die Erklärung des Berliner Abge- uns, unsere Demokratie und unsere Freiheit ihren Kopf
ordnetenhauses?) hinhalten, wissen, dass die Bundesregierung und die Ko-
alition hinter ihnen stehen.
Bei bestimmten Formen von Gewalt helfen übrigens
auch keine Aufklärungskampagnen und Sozialpro- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
gramme mehr. Wir müssen mit der ganzen Härte des Ge- Sönke Rix [SPD]: Wir auch!)
setzes gegen diese Form von Linksextremismus vorge-
Die neue Qualität von Straftaten aus dem schwarzen
hen.
Block, der zweifelsohne dem linken Lager zuzuordnen
(Sebastian Edathy [SPD]: Das machen nicht wir, ist, wurde bereits mehrfach angesprochen. Es kam die
das machen die Gerichte, Herr Kollege!) Frage auf, warum wir das eigentlich thematisieren. Viele
Zahlen wurden genannt. Der Vorfall fand in Berlin statt.
Das ist die Lehre aus den Vorgängen des Wochenendes.
Gerade in Berlin spüren wir die neue Qualität linksextre-
Herzlichen Dank fürs Zuhören. mer Gewalt. Es werden regelmäßig Brandanschläge auf
Institutionen, öffentliche Gebäude und Unternehmen
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jan
ausgeübt. Übrigens wurden auch auf Gebäude von Verdi
Korte [DIE LINKE]: Was haben Sie wohl
Brandanschläge ausgeübt,
heute eingeschmissen?)
(Jan Korte [DIE LINKE]: Was ist denn mit
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Hamburg?)
Als letzter Redner dieser Aktuellen Stunde hat der denen ein linkes Bekennerschreiben folgte. Wir erleben
Kollege Kai Wegner von der CDU/CSU-Fraktion das tagtäglich Übergriffe auf Polizeibeamte. Wir erleben An-
Wort. griffe auf Menschen mit Dienstkleidung, zum Beispiel
(Mechthild Rawert [SPD]: Herr Wegner, Span- BVG-Fahrer, und wir erleben weiterhin Brandanschläge
dau liegt bei Berlin! Passen Sie auf!) auf Autos.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Was hat
Kai Wegner (CDU/CSU): das mit links zu tun?)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Im Jahr 2009 wurden 320 Brandanschläge verübt. Fast
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Edathy, täglich wird in dieser Stadt ein Auto angezündet. Darauf
ich bedaure es, wenn Sie nicht verstanden haben, was haben viele hingewiesen. Es hat aber noch keiner ange-
(B) wir eigentlich mit der Aktuellen Stunde bezwecken. (D)
sprochen, wie die Antwort des Innensenators auf diese
(Sebastian Edathy [SPD]: Seit Grindel weiß Vorfälle lautete. Der Innensenator hat darauf hingewie-
ich es!) sen, dass man darauf achten muss, wo man in dieser
Stadt mit welchem Auto parkt,
Ich versuche, es Ihnen in ganz einfachen Sätzen nahezu-
bringen. Zum einen wollen wir eine klare Ächtung von (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Unerhört!)
Extremismus, auch von Linksextremismus, erreichen,
und dass es durchaus eine Provokation sein kann, wenn
Herr Edathy.
man mit seinem Fahrzeug in bestimmten Stadtteilen
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – parkt. Das ist keine Provokation, das ist eine Kapitula-
Sönke Rix [SPD]: Dem hat hier keiner wider- tion des Rechtsstaats. Nichts anderes sind diese Aussa-
sprochen!) gen.
Wir wollen diese Ächtung sowohl durch präventive als (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
auch durch repressive Maßnahmen erreichen. Herr Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Unfassbar! –
Edathy, wenn Sie der Bundesregierung und dem Bun- Mechthild Rawert [SPD]: Das gibt es auch in
desinnenminister Vorwürfe machen, auch was die Beam- Spandau!)
ten auf Bundesebene und das Sparpaket betrifft,
Dabei müsste es der Berliner Innensenator eigentlich
(Sebastian Edathy [SPD]: 500 Millionen Euro besser wissen. Kurz vor dem 1. Mai letzten Jahres hatte
jedes Jahr!) sich Herr Körting in Friedrichshain in einem Café aufge-
halten,
empfehle ich Ihnen einfach einmal, mit Beamtinnen und
Beamten aus der Stadt Berlin zu sprechen. Unsere Berli- (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Mit welchem
ner Polizisten haben die meisten Überstunden, aber das Auto?)
schlechteste Gehalt. Verantwortlich dafür ist die rot-rote
wohlgemerkt – im Gegensatz zu vielen anderen Men-
Landesregierung in Berlin, Herr Edathy.
schen, die bedroht bzw. Opfer von Straftaten werden –
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – mit Personenschutz. Als sich junge Menschen vor dem
Sebastian Edathy [SPD]: Wollen Sie sich Café versammelten, stellte Herr Körting fest: Es könnte
de Maizière annähern?) sich um Autonome handeln.
Wir wollen eine klare Verurteilung von Gewalt und (Agnes Alpers [DIE LINKE]: „Könnte“! Kon-
Straftaten. Wir wollen, dass Straftaten konsequent be- junktiv!)
4930 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

Kai Wegner
(A) Er musste fluchtartig das Café in Berlin-Friedrichshain Damit tragen Sie, ob Sie das wollen oder nicht, eine Mit- (C)
verlassen. schuld, wenn Sie das Mitglied weiterhin in Ihren Reihen
halten.
(Mechthild Rawert [SPD]: Wann war das?)
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jan
Ich frage mich, ob Herr Körting in diesem Fall sagen Korte [DIE LINKE]: Bleiben Sie mal auf dem
würde: provozierend Kaffee getrunken. Teppich!)
(Sebastian Edathy [SPD]: Na, na, na, Herr Ich komme zum Schluss. Wir haben in Berlin große
Wegner! Jetzt wird es wirklich flach!) Erfolge mit einem runden Tisch gegen Rechts erzielt.
Die Zahl der Straftaten rechtsextremistischer Gewalt
– Das ist die Situation in Berlin. geht zurück.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Sebastian Edathy [SPD]: Ja?)
NEN]: Sie sind nicht mehr im Abgeordneten-
haus! Ein bisschen mehr Niveau!) Wir fordern seit Jahren auch einen runden Tisch gegen
Linksextremismus in Berlin. Ich fordere Sie auf: Reden
– Herr Wieland, wir sind hier in Berlin. Wir sind in der Sie mit Ihren Parteikollegen von der Linken und der
Hauptstadt unseres Landes. Bei der Innenpolitik des rot- SPD! Ändern Sie Ihre Verweigerungshaltung, die links-
roten Senats mache ich mir schon Sorgen, ob die Sicher- extreme Gefahr in dieser Stadt anzuerkennen! Machen
heit der Hauptstadt unseres Landes gewährleistet ist. Sie den Weg frei für die gesellschaftliche Ächtung von
Linksextremismus!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP – Sebastian Edathy [SPD]: In einer Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen, damit
Großstadt wie Hamburg ist das auch nicht ein- wir solche Bilder, wie wir sie am vergangenen Samstag
fach!) sehen mussten, nie wieder sehen müssen!
Ein weiterer Punkt. Wir erleben tagtäglich die Dis- Herzlichen Dank.
kussion, ob am 1. Mai richtig gehandelt wurde. Bezüg- (Beifall bei der CDU/CSU)
lich der Demonstration am 1. Mai letzten Jahres wurde
das tolle Deeskalationskonzept des Berliner Senats ge-
lobt. Die Erfolge in diesem Jahr hingen übrigens damit Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
zusammen, dass die Polizei konsequent eingeschritten Die Aktuelle Stunde ist beendet.
ist und wieder Wasserwerfer eingesetzt hat, was sie im Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
letzten Jahr aufgrund von Anweisungen vonseiten der ordnung. (D)
(B)
Politik nicht durfte. Diese Demonstration mit 479 ver-
letzten Polizeibeamten wurde von einem Mitglied Ihrer Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
Partei, der Linkspartei, angemeldet. destages auf morgen, Donnerstag, den 17. Juni 2010,
10 Uhr, ein.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Diepgen und Ihre
Die Sitzung ist geschlossen.
Gurkentruppe, die haben das ganz toll im Griff
gehabt!) (Schluss: 16.55 Uhr)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4931

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Anlage 2
Liste der entschuldigten Abgeordneten Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich LINKE) (Drucksache 17/2059, Frage 1):
Ist es für die Bundesregierung zum Schutz der Ehe notwen-
dig, dass zwei unverheiratete, zusammenlebende Lebenspart-
Bätzing-Lichtenthäler, SPD 16.06.2010 ner einerseits laut Zweitem Buch Sozialgesetzbuch beim Be-
Sabine zug von Arbeitslosengeld II, ALG II, als Bedarfsgemeinschaft
gerechnet werden und dadurch beispielsweise ein arbeitsloser,
einkommensloser Partner wegen des Gehalts des Lebenspart-
Barnett, Doris SPD 16.06.2010* ners kein ALG II erhält und andererseits laut Fünftem Buch So-
zialgesetzbuch dieser einkommenslose Partner nicht familien-
Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ 16.06.2010 mitversichert wird, sondern sich selbst unter Berücksichtigung
DIE GRÜNEN des Einkommens des Lebenspartners freiwillig gesetzlich ver-
sichern muss, oder besteht nach Ansicht der Bundesregierung
trotz des Schutzes der Ehe die Möglichkeit, diese und andere
Bülow, Marco SPD 16.06.2010 massive Benachteiligungen von unverheirateten Lebenspart-
nerschaften gegenüber verheirateten Paaren aufzuheben?
Fischer (Karlsruhe- CDU/CSU 16.06.2010* Die Bundesregierung sieht in dem bestehenden
Land), Axel E. Rechtszustand – anders als dies die Fragestellung impli-
ziert – keine „massive Benachteiligung“ nichtehelicher
Fritz, Erich G. CDU/CSU 16.06.2010* Lebensgemeinschaften. Leitlinien der Politik der Bun-
desregierung sind die Wertentscheidungen unserer Ver-
Goldmann, Hans- FDP 16.06.2010 fassung. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, GG, stellt die
Michael Ehe und die Familie unter den besonderen Schutz der
staatlichen Ordnung. Dies rechtfertigt es, Ehe und Fami-
Hempelmann, Rolf SPD 16.06.2010 lie auch durch einen erleichterten Zugang zu Sozialleis-
tungen positiv zu fördern, ohne dadurch andere Lebens-
(B) Hörster, Joachim CDU/CSU 16.06.2010* gemeinschaften zu benachteiligen. (D)
In die beitragsfreie Familienversicherung der gesetzli-
Koczy, Ute BÜNDNIS 90/ 16.06.2010 chen Krankenversicherung sind in Anerkennung des
DIE GRÜNEN Art. 6 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem beson-
deren Schutz der staatlichen Ordnung stehen, Ehegatten
Meinhardt, Patrick FDP 16.06.2010 und Kinder bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen
einbezogen. Das geltende Recht berücksichtigt dabei, dass
Otto (Frankfurt), Hans- FDP 16.06.2010 Ehegatten sowie Lebenspartner nach dem Lebenspartner-
Joachim schaftsgesetz einander kraft Gesetzes zur Gewährung von
Unterhalt verpflichtet sind. Zum Unterhalt gehört auch ein
Pflug, Johannes SPD 16.06.2010* angemessener Krankenversicherungsschutz, den der un-
terhaltspflichtige Ehegatte/Lebenspartner sicherzustellen
Polenz, Ruprecht CDU/CSU 16.06.2010 hat. Durch die Einbeziehung der begünstigten Familien-
angehörigen in die Familienversicherung der gesetzli-
Schipanski, Tankred CDU/CSU 16.06.2010 chen Krankenversicherung wird die Erfüllung dieser ge-
setzlichen Unterhaltspflicht insofern erleichtert, als
Schmidt (Eisleben), SPD 16.06.2010 Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für den
Silvia Krankheitsschutz ihrer unterhaltsberechtigten Ehepartner
und Kinder keine zusätzlichen Beiträge leisten müssen.
Die Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sind
Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 16.06.2010
einander dagegen grundsätzlich nicht gesetzlich zu Un-
terhaltsleistungen verpflichtet, weder während der Dauer
Dr. Tackmann, DIE LINKE 16.06.2010 ihres Zusammenlebens noch danach. Die Ungleichbe-
Kirsten handlung zwischen Ehegatten und eheähnlichen Lebens-
gemeinschaften ist damit sachlich gerechtfertigt, sodass
Wolff (Wolmirstedt), SPD 16.06.2010 von einer ungerechtfertigten Benachteiligung der ehe-
Waltraud ähnlichen Lebensgemeinschaften nicht gesprochen wer-
den kann.
Zapf, Uta SPD 16.06.2010
Hierzu steht die Berücksichtigung der eheähnlichen
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union Gemeinschaft im Rahmen der Beurteilung der Hilfebe-
4932 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) dürftigkeit des anderen Partners als Voraussetzung für die und Vorfahrt für Bildung“ enthalten keine auf spezifi- (C)
Gewährung von Arbeitslosengeld II nicht in Wider- sche Leistungen für behinderte Menschen bezogenen
spruch. Diese Berücksichtigung ist vielmehr geboten, um Regelungen.
eine andernfalls eintretende, verfassungsrechtlich proble-
matische Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber ehe-
ähnlichen Gemeinschaften bei der Prüfung der An- Anlage 5
spruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld II zu
vermeiden. Dabei begründet nicht jedes Zusammenleben Antwort
zwischen Mann und Frau eine eheähnliche Gemeinschaft, des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
sondern nur auf Dauer angelegte, durch innere Bindung Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD)
ausgezeichnete Lebensgemeinschaften zwischen Mann (Drucksache 17/2059, Frage 12):
und Frau, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner zu-
einander begründen. Welche arbeitsmarktpolitischen Pflichtleistungen sollen in
Kannleistungen umgewandelt werden?

Grundlage für alle gesetzlichen Änderungen bei den


Anlage 3 aktiven Leistungen werden die Ergebnisse der Eva-
luation der Arbeitsmarktpolitik sein. Diese Ergebnisse
Antwort werden Ende des Jahres 2010 vorliegen. Sie werden
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die genauere Erkenntnisse über die Wirtschaftlichkeit und
Frage der Abgeordneten Cornelia Möhring (DIE Wirksamkeit der Instrumente bringen. Welche Entschei-
LINKE) (Drucksache 17/2059, Frage 8): dungen dann zu treffen sind, wird auf dieser Grundlage
im Zusammenhang mit der im Jahr 2011 zu gestaltenden
Welchen konkreten gesetzlichen Handlungsbedarf zur
Vermeidung von Missbrauch in der Leiharbeit gemäß der De-
Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
finition der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine geprüft werden.
Anfrage der Fraktion Die Linke „Leiharbeit in Krankenhäu-
sern“ (Bundestagsdrucksache 17/1321) sieht die Bundesregie-
rung vor dem Hintergrund der Aussage der Bundesministerin
für Arbeit und Soziales auf dem Bundeskongress des DGB am Anlage 6
19. Mai 2010, dass die gefundenen tarifvertraglichen Lösungen
noch Schlupflöcher aufweisen, und wie soll konkret verhin- Antwort
dert werden, dass Leiharbeitsbeschäftigte Stammbelegschaf-
ten zu niedrigeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingun- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die
gen ersetzen? Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD)
(B) (Drucksache 17/2059, Frage 13): (D)
Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche haben
Bezieht sich die beabsichtigte Verstetigung der Mittel für
unterschiedliche tarifvertragliche Klauseln vereinbart, den Eingliederungstitel auf Basis des Jahres 2006 auf die Ist-
die die missbräuchliche Anwendung der Tarifverträge oder auf die Soll-Größen im Haushalt 2006, und wie sehen die
zur Abweichung von dem Grundsatz der Gleichstellung diesbezüglichen Planungsansätze getrennt nach den Rechts-
in bestimmten Konstellationen der Überlassung von Ar- kreisen des Zweiten und Dritten Buches Sozialgesetzbuch für
beitnehmerinnen und Arbeitnehmern zwischen verbun- die Folgejahre aus?
denen Unternehmen ausschließen sollen. Dieses Be- Nach den am 7. Juni 2010 vom Kabinett beschlos-
kenntnis der Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit gegen senen acht Punkten für solide Finanzen, neues Wachs-
den Missbrauch der Zeitarbeit begrüßt die Bundesregie- tum und Beschäftigung und Vorfahrt für Bildung sollen
rung ausdrücklich. – vorbehaltlich der entsprechenden Beschlussfassung
Da tarifvertragliche Klauseln durch andere Tarifver- durch den Haushaltsgesetzgeber – im Jahr 2011 9,5 Mil-
träge, die eine andere oder gar keine Anti-Missbrauchs- liarden Euro für Eingliederungsleistungen und Verwal-
klausel enthalten, umgangen werden könnten, prüft die tungskosten im Bereich der Grundsicherung für Arbeit-
Bundesregierung Inhalte einer zusätzlichen gesetzlichen suchende zur Verfügung gestellt werden. Für das Jahr
Regelung. Eine Entscheidung dazu ist innerhalb der 2012 sind 8,5 Milliarden Euro, für das Jahr 2012
Bundesregierung bislang noch nicht getroffen worden. 8,0 Milliarden Euro und für das Jahr 2014 ebenfalls
8,0 Milliarden Euro vorgesehen.
Im Jahr 2006 wurden rund 8 Milliarden Euro für Ein-
Anlage 4 gliederungsleistungen und Verwaltungskosten ausgege-
ben, bei einer deutlich höheren Arbeitslosenzahl und
Antwort
Zahl von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Bereich
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die der Grundsicherung für Arbeitsuchende als heute. Die
Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Verstetigung bezieht sich also auf die Ist-Ausgaben im
(Drucksache 17/2059, Frage 9): Jahr 2006.
Welche Auswirkungen hat das von der Bundesregierung Die in der Pressekonferenz der Bundeskanzlerin zu
beschlossene „Sparpaket“ für die in Deutschland lebenden
Menschen mit Behinderungen?
den Ergebnissen der Kabinettsklausur vom 6. und 7. Juni
2010 angesprochene Verstetigung der Mittel bezog sich
Die vom Bundeskabinett beschlossenen „Maßnahmen nur auf den Bereich der Grundsicherung für Arbeit-
für solide Finanzen, neues Wachstum und Beschäftigung suchende.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4933

(A) Anlage 7 Anlage 9 (C)


Antwort Antwort

des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
Frage der Abgeordneten Iris Gleicke (SPD) (Drucksa- des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Druck-
che 17/2059, Frage 15): sache 17/2059, Frage 21):
Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, ange-
Wie gewährleistet die Bundesregierung, dass mit dem Pro- sichts der aktuellen Haushaltslage auf Umsetzung der Statio-
gramm „Bürgerarbeit“ die gesetzlichen Möglichkeiten der nierungsentscheidungen zu verzichten, wenn notwendige
Förderarbeit nicht nur erweitert werden, sondern auch dem Baumaßnahmen am neuen Standort noch nicht begonnen wor-
EU-Additionalitätsprinzip entsprechen, was eine Vorausset- den sind, wie beispielsweise bei der noch nicht umgesetzten
zung für die Fortsetzung des Programms ist? Verlegung der abgesetzten Fachgruppe Systemunterstützungs-
zentrum Führungsdienste der Luftwaffe von Birkenfeld nach
Bevor das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ auf den Weg Erndtebrück?
gebracht wurde, wurden die förderrechtlichen Vorausset-
zungen selbstverständlich geprüft. Das Additionalitäts- Bei der in Rede stehenden Verlegung der Abgesetzten
prinzip wird dergestalt beachtet, dass neben dem beste- Fachgruppe Birkenfeld des Systemunterstützungszen-
henden Förderinstrumentarium zur öffentlich geförderten trums Führungsdienste der Luftwaffe in Erndtebrück
Beschäftigung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, handelt es sich um eine nach militärisch-funktionalen
SGB II, den teilnehmenden Grundsicherungsstellen die und betriebswirtschaftlichen Kriterien getroffene Ent-
Möglichkeit für die Schaffung weiterer öffentlich geför- scheidung zur Weiterentwicklung der Bundeswehr. Die
derter Beschäftigungsverhältnisse mit einer Dauer von notwendigen Anpassungsmaßnahmen von lediglich zwei
gegebenenfalls bis zu drei Jahren eröffnet wird. Diesen Gebäuden in Erndtebrück sind bereits geplant und wer-
Beschäftigungsverhältnissen muss zwingend eine umfas- den so bald wie möglich realisiert. Ein Verzicht auf die
sende Aktivierungsphase vorausgehen. Zudem wird wäh- Umsetzung dieser Teilentscheidung zur Stationierung ist
rend der „Bürgerarbeit“ ein begleitendes Coaching nicht vorgesehen.
angeboten, um die Vermittlung in den allgemeinen Ar-
beitsmarkt auch während der öffentlich geförderten Be- Anlage 10
schäftigung zu ermöglichen. Eine weitere Besonderheit ist,
dass das Modellprojekt insgesamt in einem regionalen Antwort
Konsens entwickelt und umgesetzt werden soll und ent- des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
sprechend auch die Einrichtung der Bürgerarbeitsplätze des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Druck-
im Konsens mit den maßgeblichen regionalen Arbeits- sache 17/2059, Frage 22):
(B) marktakteuren erfolgen sollte. (D)
Welche Auswirkungen hat der Beschluss des Bundeskabi-
netts zum Verzicht auf die für 2011 geplante Erhöhung des
Weihnachtsgeldes für Beamte auf die Beschäftigten im Orga-
Anlage 8 nisationsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung?

Antwort In seiner Haushaltsklausur hat das Bundeskabinett am


6./7. Juni 2010 unter anderem entschieden, die Verwal-
der Parl. Staatssekretärin Julia Klöckner auf die Frage tungsausgaben des Bundes zu reduzieren. Hierzu sollen
des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE auch die Beamten, Soldaten und Richter im Bundes-
GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 18): dienst einen Beitrag leisten. Dieser Beitrag betrifft die
Hält die Bundesregierung das Ökosiegel der EU-Kommis-
Sonderzahlung – das sogenannte Weihnachtsgeld. Im
sion für den Anbau von Energiepflanzen für ausreichend, und, Rahmen der Dienstrechtsreform vom Februar 2009 war
falls nein, was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, damit entschieden worden, einen Teil der „eingefrorenen“ Son-
strengere Kriterien angewendet werden? derzahlung in anderer Form wieder auszuzahlen. Dieser
Teil – es handelt sich um 2,5 Prozent der Jahresbezüge,
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass die EU- was 30 Prozent eines Monatsbezugs entspricht – war seit
Kommission ein Ökosiegel für Energiepflanzen entwi- 2006 gesetzlich befristet bis Ende 2010 einbehalten wor-
ckelt hat. Allerdings hat die EU-Kommission am den. Er sollte, so bestimmt es bisher das Dienstrechts-
10. Juni 2010 im Rahmen einer Presseerklärung mit dem neuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009, als Teil der
Titel „Kommission führt Zertifizierungssystem für nach- monatlichen Bezüge wieder aufleben. Die damit verbun-
haltige Biokraftstoffe ein“ für die Umsetzung der Nach- dene Erhöhung der Bezüge um rund 2,5 vom Hundert-
haltigkeitsvorgaben der EU-RL 2009/28 Leitlinien erar- würde zum 1. Januar 2011 wirksam; sie soll nun
beitet, die den Mitgliedstaaten bei der Implementierung zurückgenommen werden. Die allgemeine Besoldungs-
von Nachhaltigkeitsregelungen für Biokraftstoffe und anpassung in der Folge des Tarifabschlusses im öffentli-
flüssige Biobrennstoffe als Orientierung dienen sollen. chen Dienst bleibt hiervon unberührt. Die erforderlichen
Diese Leitlinien schließen die Einrichtung von Nachhal- gesetzgeberischen Änderungen werden voraussichtlich
tigkeitssiegeln für Biokraftstoffe weder aus, noch sind im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur
sie obligatorisch in den EU-Mitgliedstaaten einzuführen. Besoldungs- und Versorgungsanpassung 2010/2011 um-
gesetzt. Die Änderung trifft gleichermaßen die Bundes-
Deutschland hat die Nachhaltigkeitsvorgaben der EU- beamten, die Soldaten und die Richter im Bundesdienst.
RL 2009/28 bereits umgesetzt und entsprechende Zerti- Besonderheiten für den Geschäftsbereich des Bundesmi-
fizierungsstrukturen aufgebaut. nisteriums der Verteidigung ergeben sich nicht.
4934 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Anlage 11 Streitkräfte nicht nur allgemein für Afghanistan, sondern auch (C)
für den Norden des Landes, wo die Bundeswehr derzeit die
Antwort Verantwortung für die Sicherheit trägt, und, wenn ja, welche
konkreten Schutzmaßnahmen hat die Bundeswehr in ihrem
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage Mandatsgebiet veranlasst, um nicht nur die Soldaten der Bun-
des Abgeordneten Jan van Aken (DIE LINKE) (Druck- deswehr, sondern auch die afghanische Bevölkerung vor toxi-
sache 17/2059, Frage 23): schen und radiologischen Schädigungen als Folge des Einsat-
zes von DU-Munition wirksam zu schützen?
Welche Aufgaben übernimmt die Carrier Strike Group um
den Flugzeugträger „USS Harry S. Truman“, zu der auch die Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkennt-
Fregatte „Hessen“ gehört, im Indischen Ozean, und wie betei- nisse zu möglichen Einsätzen bzw. -zeiten von Munition
ligt sich die Fregatte „Hessen“ bis zu ihrer Rückfahrt Ende
Juni 2010 an der Auftragserfüllung?
mit abgereichertem Uran in Afghanistan seit 2001 vor.

Die Fregatte „Hessen“ ist derzeit als erstes Schiff der


Deutschen Marine in einen amerikanischen Marinever- Anlage 14
band um den Flugzeugträger „USS Harry S. Truman“ in-
tegriert und begleitet diesen auf der Fahrt durch das Mit- Antwort
telmeer in den Indischen Ozean. des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
Nach gegenwärtigem Planungsstand wird die „USS gen des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE
Harry S. Truman“ in der zweiten Junihälfte die Ablösung GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Fragen 26 und 27):
des „USS Eisenhower“-Verbandes im Seegebiet Arabi- Wie viele Hinterbliebene des Bombardements von Kun-
sche See vorbereiten und durchführen. duz am 4. September 2009 werden in den laufenden Gesprä-
chen über Entschädigungsleistungen mit dem Bundesministe-
Zu den Aufgaben der Fregatte „Hessen“ gehört auch rium der Verteidigung von der Afghanistan Independent
in diesem Zusammenhang die Beobachtung und Über- Human Rights Commission, AIHRC, vertreten?
wachung des See- und Luftraumes um die Flugzeugträ- Hat das Bundesministerium der Verteidigung keine Zwei-
gergruppe sowie, falls notwendig, das Begleiten und fel mehr an der Rechtmäßigkeit und Korrektheit der 79 Voll-
machten, die der Anwalt Karim Popal von Hinterbliebenen
Schützen von Einheiten des Verbandes. der Opfer des Bombardements bei Kunduz am 4. September
2009 ausgestellt bekommen hat?

Anlage 12 Zu Frage 26:


Antwort Die geplante Unterstützung der betroffenen Familien
erfolgt anhand einer zu erstellenden „Unterstützungs-
(B) des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage liste“. Diese wird derzeit durch ein unabhängiges Gre- (D)
des Abgeordneten Jan von Aken (DIE LINKE) (Druck-
sache 17/2059, Frage 24): mium erarbeitet. Die Arbeit des Gremiums ist noch nicht
abgeschlossen. Nach Abschluss stellt das Gremium das
Wird der Verband auch in den Persischen Golf einfahren,
und, wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung das Risiko
Arbeitsergebnis als Basis für die Umsetzung der Unter-
von Zwischenfällen mit der iranischen Marine? stützung dem deutschen ISAF-Einsatzkontingent zur
Verfügung. Ein Eingriff durch die Bundeswehr in den
Nach gegenwärtigem Planungsstand wird die „USS laufenden Prozess unterbleibt bewusst, allein schon aus
Harry S. Truman“-Gruppe im Zeitraum der Zugehörig- Gründen der Unabhängigkeitswahrung. Daher kann zum
keit der Fregatte „Hessen“ nicht in den Persischen Golf jetzigen Zeitpunkt keine Aussage zu Inhalten von Quel-
einlaufen. len oder Teilergebnissen erfolgen.
Einheiten der Deutschen Marine nehmen an Operatio-
nen ausschließlich im Rahmen der vom Deutschen Bun- Zu Frage 27:
destag mandatierten Einsätze teil. Die Teilnahme der Die Mandatslage ist nach wie vor nicht geklärt. Erst
Fregatte „Hessen“ hat reinen Ausbildungs- und Übungs- wenn das unabhängige Gremium seine „Unterstützungs-
charakter. Ein Herauslösen aus dem Verband ist durch liste“ vorgelegt hat, kann die Rechtmäßigkeit und Kor-
die deutsche Seite jederzeit möglich. rektheit der Vollmachten beurteilt werden.
Die Fregatte „Hessen“ wird nicht in die Operations-
gebiete der US-Marine im Persischen Golf verlegen. Das
Risiko von Zwischenfällen mit der iranischen Marine Anlage 15
wird deshalb als sehr gering bewertet. Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Anlage 13 Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 28):
Antwort
Inwiefern plant die Bundesregierung, dem Bundesamt für
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage den Zivildienst weitere Aufgaben aus dem Geschäftsbereich
des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend zu übertragen und insbesondere Verwaltungsaufgaben
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 25): der Jugendfreiwilligendienste dort zu zentralisieren, und wel-
Bestätigt die Bundesregierung den Einsatz von DU-Muni- che Auswirkungen auf die Trägerautonomie werden diesbe-
tion – Munition mit abgereichertem Uran – durch die US- züglich erwartet?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4935

(A) In § 2 des Gesetzes über den Zivildienst der Kriegs- auch keine Aufgaben anderer Gebietskörperschaften (C)
dienstverweigerer, Zivildienstgesetz – ZDG, ist geregelt, oder Einrichtungen.
dass das Gesetz, soweit es nichts anderes bestimmt, in
bundeseigener Verwaltung ausgeführt wird. Hierzu
wurde das Bundesamt für den Zivildienst als selbststän- Anlage 17
dige Bundesoberbehörde mit Sitz in Köln eingerichtet.
Antwort
Nach Art. 7 des Regierungsentwurfs zum Wehrrechtsän-
derungsgesetz 2010, den die Koalitionsfraktionen inhalt- des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
lich unverändert als eigenen Entwurf eingebracht haben Frage des Abgeordneten Sönke Rix (SPD) (Drucksache
und der in 1. Lesung am 11. Juni im Bundestag behan- 17/2059, Frage 30):
delt wurde, soll diese Regelung durch folgenden Satz er- Wird das Bundesamt für den Zivildienst neue Aufgaben
gänzt werden: „Dem Bundesamt können auch andere nach der Umstrukturierung im Bereich Wehrdienst/Zivildienst
Aufgaben aus dem Geschäftsbereich des Bundesministe- übernehmen und, wenn ja, welche?
riums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übertra- Das Bundesministerium für Familie, Senioren,
gen werden.“ Frauen und Jugend hat den Auftrag, bis Anfang Septem-
In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es ber die Konsequenzen einer eventuellen Veränderung
dazu: „Die probeweise Wahrnehmung einer Servicehot- der Wehrform zu beschreiben. Es verbietet sich aus un-
line für das Bundesministerium für Familie, Senioren, serer Sicht, bereits vor Beginn der Arbeit an diesem Auf-
Frauen und Jugend durch das Bundesamt hat sich trag über die Ergebnisse zu spekulieren.
bewährt. Aufgrund der hohen Servicequalität soll in Zu-
kunft die Übertragung weiterer Aufgaben, wie der Ge-
schäftsführung der Conterganstiftung auf das Bundes- Anlage 18
amt, möglich sein.“ Antwort
Im Rahmen der Umstrukturierung der Geschäftsstelle des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
der Conterganstiftung für behinderte Menschen, die in- Frage des Abgeordneten Sönke Rix (SPD) (Drucksache
folge des Zweiten Änderungsgesetzes zum Conterganstif- 17/2059, Frage 31):
tungsgesetz erforderlich wurde, erfolgt zum 1. Oktober Von welcher Größenordnung geht die Bundesregierung
2010 die Verlagerung der Aufgaben der Geschäftsstelle bei den jungen Männern aus, die zwischen dem 1. August und
von der KfW-Bankengruppe zum Bundesamt für den Zi- dem 31. Dezember 2010 ihren Zivildienst beginnen?
vildienst. Die Einberufungen zum Zivildienst erfolgen derzeit zu
(B) Die Übertragung noch zusätzlicher Verwaltungsauf- fast 98 Prozent auf der Grundlage von Einverständniser- (D)
gaben aus dem Geschäftsbereich des Bundesministe- klärungen zwischen den Dienststellen des Zivildienstes
riums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist der- und verfügbaren anerkannten Kriegsdienstverweigerern.
zeit nicht geplant. Das Bundesamt ist mit den ihm Für den Zeitraum 1. August bis 31. Dezember 2010 sind
obliegenden und den auf ihn zukommenden neuen Auf- bereits auf dieser Grundlage knapp 14 000 Einberufun-
gaben, siehe dazu die Antwort auf Frage 29, voll ausge- gen erfolgt. Auch vor dem Hintergrund des laufenden
lastet. Gesetzgebungsverfahrens bleibt die weitere Entwick-
lung abzuwarten.

Anlage 16
Anlage 19
Antwort
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 29): Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck-
sache 17/2059, Frage 34):
Inwiefern dient die Übernahme der Verwaltungsaufgaben
des geplanten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nach Wie groß ist die Gruppe der Mindestelterngeldbezieher
§ 41 a des Zivildienstgesetzentwurfs – sogenannter freiwilli- und -bezieherinnen – bitte aufgeschlüsselt nach Schülerinnen
ger zusätzlicher Zivildienst – dem Bund dazu, Aufgabenver- und Schülern, Studentinnen und Studenten, Hausfrauen und
waltungen, die bei anderen Arbeitsverhältnissen den Einrich- Hausmännern sowie SGB-II-Leistungsbeziehern –, und wel-
tungen selbst bzw. den Kommunen, Landkreisen und Ländern che Kosten für den Haushalt sind damit – Angaben bitte so-
zufallen, an sich zu ziehen und zu zentralisieren? wohl insgesamt als auch für jede Gruppe separat – verbun-
den?
Wegen der vorgesehenen Regelung in dem neuen
Nach der amtlichen Statistik des Statistischen Bun-
§ 41a Zivildienstgesetz wird auch der freiwillige zusätz-
desamtes haben von den 800 942 Elterngeldbezieherin-
liche Zivildienst gemäß § 2 ZDG in bundeseigener Ver-
nen und -beziehern 343 489 den Mindestbetrag des El-
waltung durch das Bundesamt für den Zivildienst aus-
terngeldes bezogen. Dies entspricht einem Anteil von
geführt werden. Der Bund führt hier eine neue eigene
42,9 Prozent. Die Kosten für diese Gruppe belaufen sich
Aufgabe selbst aus, für die er die ausschließliche Gesetz-
auf schätzungsweise 1 Milliarde Euro.
gebungs- und eine uneingeschränkte Verwaltungs- und
Finanzierungskompetenz hat; er zieht keine kommuna- Die erfragte Binnendifferenzierung innerhalb der
len oder Länderaufgaben an sich und er zentralisiert Gruppe der Mindestelterngeldbezieherinnen und -bezie-
4936 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) her ist anhand der Zahlen aus der amtlichen Statistik zur Familien werden im Schnitt 693 Euro Elterngeld er- (C)
Binnenverteilung nach den gewünschten Kriterien nicht halten.
möglich.
(Hintergrund: Bei der Durchschnittsbildung wirkt
Zu berücksichtigen ist zudem, dass in der Gruppe der sich aus, dass für das Mindestelterngeld aber auch Fälle
Bezieherinnen und -bezieher, die den Mindestbetrag des mit Voreinkommen von bis zu 1 200 Euro nicht von ei-
Elterngeldes erhalten, neben den in der Frage genannten ner Kürzung betroffen sind.)
Personenkreisen der Schülerinnen und Schüler, Studie- Diejenigen Familien, in denen Vater und Mutter vor-
renden, Hausfrauen und Hausmännern sowie SGB-II- her beide gearbeitet haben, werden durchschnittlich
Leistungsbezieherinnen und -beziehern insbesondere 902 Euro erhalten.
auch die Gruppe der Elterngeldberechtigten enthalten
ist, die bis höchstens 30 Wochenstunden im Monats- Zu Frage 37:
durchschnitt erwerbstätig sind und ohne Anwendung der
Mindestbetragsregelung nur einen Einkommensersatz Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich diese
von unter 300 Euro bekommen würden. Frage auf die Auswirkungen der Absenkung der Ersatz-
rate des Elterngeldes von 67 Prozent auf 65 Prozent be-
zieht. Die Berechnung des Elterngeldanspruches erfolgt
Anlage 20 grundsätzlich nach den bereits jetzt geltenden Regeln der
Elterngeldberechnung. Die Auswirkungen für die jewei-
Antwort lige Elterngeld berechtigte Person ergeben sich insofern
unmittelbar aus der Absenkung der Ersatzrate. Diese
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
sind nach Auffassung der Bundesregierung moderat und
Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksa-
che 17/2059, Frage 35): vor dem Hintergrund der erforderlichen Einsparungen
angemessen.
Wie viele Alleinerziehende wären nach Kenntnis der Bun-
desregierung von der Anrechnung des Elterngeldes auf SGB-II- Die Beschränkung des Elterngeldanspruchs bei einem
Leistungen – bitte Angaben nach Geschlecht – betroffen? Nettoeinkommen von 1 500 Euro ist durch die in Bezug
Nach Kenntnis der Bundesregierung wären 46 500 genommenen Beispielrechnungen des Karl-Bräuer-Insti-
weibliche und 500 männliche Alleinerziehende von der tuts des Bundes der Steuerzahler für Focus Online zu-
Anrechnung des Elterngeldes auf SGB-II-Leistungen be- treffend berechnet. Richtig ist zudem, dass sich durch
troffen. eine lineare Absenkung der Ersatzrate der Elterngeld-
anspruch gegenüber der derzeitigen Berechnung von
Null Euro beginnend mit steigendem zu berücksichti-
(B) gendem Einkommen bis zu einem Betrag von 54 Euro (D)
Anlage 21
monatlich verringert.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Fra- Anlage 22
gen der Abgeordneten Christel Humme (SPD) (Druck-
sache 17/2059, Fragen 36 und 37): Antwort
Wie wird sich die Höhe des Elterngeldes zu den am des Parl. Staatssekretärs Daniel Bahr auf die Frage der
10. Juni 2010 veröffentlichten Daten des Statistischen Bun- Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE)
desamtes verändern, wonach Familien im Schnitt 699 Euro (Drucksache 17/2059, Frage 38):
Elterngeld und diejenigen Familien, in denen Vater und Mut-
ter vorher beide gearbeitet haben, durchschnittlich 922 Euro Wie bewertet die Bundesregierung im Einzelnen den vom
erhalten, wenn die mit den Sparvorschlägen geplante Absen- Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über den Be-
kung der Berechnungsgrundlage von jetzt 67 Prozent auf ruf des/der Operationstechnischen Assistenten/Assistentin,
65 Prozent – bitte Angabe der Höhe des dann zu erwartenden Bundesratsdrucksache 10/521, und bis wann will die Bundes-
Elterngeldes jeweils für beide Gruppen – Realität wird? regierung eine bundeseinheitliche Regelung dieses Berufsbil-
des gesetzlich verankert haben?
Welche Berechnungen über die Auswirkungen der Absen-
kung der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld sind von Zur Beantwortung Ihrer Frage verweise ich auf die
der Bundesregierung für die einzelnen Einkommenshöhen der Stellungnahme der Bundesregierung in der Bundestags-
Bezieher und Bezieherinnen angestellt worden – bitte im Ein-
zelnen darlegen –, und treffen die nach Beispielrechnungen drucksache 17/1223. Die Bundesregierung hat in dieser
des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler für Drucksache ausführlich Stellung genommen. Der Be-
Focus Online (siehe Focus Online vom 8. Juni 2010) errech- wertung ist auch aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen.
neten Einbußen beim Elterngeld bei einem Nettoeinkommen
von 1 500 Euro auf 341,64 Euro im Jahr zu ebenso wie die
monatlichen Einbußen beim Elterngeld je nach Einkommen
zwischen 25 und 54 Euro im Monat? Anlage 23
Antwort
Zu Frage 36:
des Parl. Staatssekretärs Daniel Bahr auf die Frage des
Die Höhe des Elterngeldes wird sich voraussichtlich Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Druck-
wie folgt verändern, wenn die mit den Sparvorschlägen sache 17/2059, Frage 41):
geplante Absenkung der Ersatzquote von jetzt 67 Pro- Sind der Bundesregierung Krankenkassen bekannt, die
zent auf 65 Prozent umgesetzt wird: sich darüber beklagen, dass eine unzureichende Ausgestaltung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4937

(A) des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs, Morbi- Krankenkasse zu informieren. Erfolgt auch diese Mel- (C)
RSA, sie benachteiligt, und welche Gründe sprechen dagegen dung nicht, wird die Mitgliedschaft bei einer nach den
oder dafür, den Morbi-RSA nicht nur auf etwa 80 Krankhei-
ten, sondern möglichst umfassend auszugestalten? vom GKV-Spitzenverband festgelegten Regeln für zu-
ständig erklärten Krankenkasse begründet. Mit diesen
Das Interesse einer gesetzlichen Krankenkasse an ei- Regelungen ist sichergestellt, dass für Versicherungs-
ner Ausweitung oder Einschränkung des morbiditäts- pflichtige ohne Unterbrechung eine Mitgliedschaft bei
orientierten Risikostrukturausgleichs ist in erster Linie einer Krankenkasse besteht.
davon abhängig, wie diese Krankenkasse von seinen
Verteilungswirkungen betroffen ist. Für die Weiterent- Für Versicherungsberechtigte, zum Beispiel Selbst-
wicklung des Morbi-RSA sind aber nicht die Interessen- ständige, die die Voraussetzungen für eine freiwillige
lagen von Einzelkassen maßgeblich, sondern die Sicher- Mitgliedschaft erfüllen, gibt es ein solches Meldeverfah-
stellung eines funktionsfähigen, auf Wirtschaftlichkeit ren nicht. Üben sie ihr Wahlrecht für eine Krankenkasse
und Qualität ausgerichteten Wettbewerbs der Kranken- nicht aus, kann eine freiwillige Mitgliedschaft bei einer
kassen. Im Herbst 2010 werden die Ergebnisse des Jah- Krankenkasse nicht durchgeführt werden. Aufgrund der
resausgleichs für 2009 als erstem Jahr des Mobi-RSA zum 1. April 2007 eingeführten nachrangigen Versiche-
vorliegen. Diese Ergebnisse werden bei der Umsetzung rungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung,
des Zieles der Bundesregierung, den Morbi-RSA auf das § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, tritt jedoch für Personen ohne
notwendige Maß zu reduzieren, zu vereinfachen sowie anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheits-
unbürokratisch und unanfällig für Manipulationen aus- fall, die zuletzt gesetzlich versichert waren, Versiche-
zugestalten, eine wesentliche Grundlage sein. rungspflicht ein. Die Mitgliedschaft in einer Kranken-
kasse aufgrund dieser nachrangigen Versicherungspflicht
entsteht ab dem 1. Tag ohne anderweitigen Anspruch auf
Anlage 24 Absicherung im Krankheitsfall und ist – auch rückwir-
kend – mit Beitragszahlungen verbunden. Die Versiche-
Antwort rungsberechtigten sollten sich im Fall einer Insolvenz
oder Schließung ihrer Krankenkasse daher umgehend an
des Parl. Staatssekretärs Daniel Bahr auf die Frage des eine andere wählbare Krankenkasse wenden, um ihre
Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Druck- Mitgliedschaft dort fortzusetzen.
sache 17/2059, Frage 42):
Wie läuft aus der Sicht eines Versicherten eine Schließung
bzw. Insolvenz seiner Krankenkasse ab, und was passiert,
wenn er sich nicht aktiv um eine Mitgliedschaft bei einer an- Anlage 25
deren Krankenkasse bemüht?
(B) Antwort (D)
Auch bei Schließung einer Krankenkasse durch die
Aufsichtsbehörde oder nach Eröffnung eines Insolvenz- des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der
verfahrens durch das Insolvenzgericht – bzw. dessen Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) (Druck-
Nichteröffnung mangels Masse; § 171 b Abs. 5 Fünftes sache 17/2059, Fragen 45 und 46):
Buch Sozialgesetzbuch, SGB V – ist der Versicherungs- Wird die Bundesregierung das Modellvorhaben „Demo-
schutz für die Mitglieder gesichert. Während ihrer Ab- grafischer Wandel – Zukunftsgestaltung der Daseinsvorsorge
wicklung besteht die Krankenkasse zunächst fort, § 155 in ländlichen Regionen“ in allen Modellregionen fortsetzen,
und wird insbesondere die Modellregion „Mansfeld-Südharz-
Abs. 1 SGB V, und hat die vor der Schließung entstande- Kyffhäuserkreis“ weiter gefördert?
nen Ansprüche aus der Versicherung zu erfüllen und et-
waige noch offene Beitragsforderungen einzuziehen. Welche Maßnahmen wurden in der Modellregion „Mans-
feld-Südharz-Kyffhäuserkreis“ bereits konkret umgesetzt, und
Reicht das Vermögen der geschlossenen Kranken- wie bewertet die Bundesregierung die konkrete Umsetzung be-
züglich der Wirksamkeit auf den demografischen Wandel in
kasse insoweit nicht aus, haften die Krankenkassen der dieser Modellregion?
gleichen Kassenart und nachrangig auch alle übrigen ge-
setzlichen Krankenkassen. Neue Leistungsansprüche ge-
genüber der geschlossenen Krankenkasse können jedoch Zu Frage 45:
nicht mehr entstehen, weil die Mitgliedschaft mit dem Das Modellvorhaben wurde wie geplant in den neuen
Zeitpunkt der Wirksamkeit der Schließung endet. Lau- Bundesländern 2009 abgeschlossen. Die Übertragung
fende Leistungen werden grundsätzlich von der neu zu- der Ergebnisse auf die Modellregionen in den alten Bun-
ständigen Krankenkasse übernommen. desländern läuft bis Ende 2010.
Nach der Schließung stehen den Mitgliedern der ge-
schlossenen Krankenkasse die allgemeinen Wahlrechte Zu Frage 46:
zu, das heißt, sie können eine andere wählbare Kranken-
kasse wählen und dort eine Mitgliedschaft begründen. Es wurden insgesamt 20 Projekte in den Bereichen re-
gionaler Arbeitsmarkt und Ausbildungsinitiativen, regio-
Übt ein Versicherungspflichtiger sein Wahlrecht nicht nale Wirtschaft, Verkehrsinfrastruktur und Mobilität, so-
aus, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle, zum Bei- ziale Daseinsvorsorge und Familienfreundlichkeit, neue
spiel der Arbeitgeber, den Versicherungspflichtigen bei Formen des Wohnens und Zusammenlebens sowie kultu-
einer wählbaren Krankenkasse anzumelden und den Ver- relle und regionale Identität durchgeführt. Eine Evalua-
sicherungspflichtigen unverzüglich über die gewählte tion des Modellvorhabens ist 2011 geplant.
4938 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Anlage 26 Angesichts der angespannten Lage im Bundeshaus- (C)


halt sowie der im Grundgesetz verankerten Schulden-
Antwort
regel sind Ausgabenkürzungen unausweichlich. Nach
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Maßgabe des Koalitionsvertrages stehen sämtliche der
Abgeordneten Heidrun Bluhm (DIE LINKE) (Druck- dort aufgeführten Maßnahmen unter Finanzierungsvor-
sache 17/2059, Frage 51): behalt und kommen insoweit als Beitrag zur Erfüllung
Warum will die Bundesregierung, laut Aussage des Parla- der Anforderungen der neuen Schuldenregel in Betracht.
mentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung, Enak Ferlemann, im Ver- Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist Bestand-
kehrsausschuss des Deutschen Bundestages am 9. Juni 2010, teil des Integrierten Energie- und Klimakonzepts, IEKP,
den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages erst „im der Bundesregierung und trägt als eines der wichtigsten
September“ 2010 über die Ergebnisse der Überprüfung der Förderinstrumente im Gebäudebereich wesentlich zur
Bedarfspläne informieren, obwohl die Deutsche Verkehrs-Zei-
tung bereits am 12. Mai 2010 mit Bezug auf den zuständigen Einhaltung der Klimaschutzziele bei. Gemäß Koalitions-
Referatsleiter meldete, dass die Schienenprojekte „alle eher vertrag werden die einzelnen Maßnahmen des IEKP bis
schlechter in ihren Bewertungsergebnissen sind“, offenkundig zum Jahresende 2010 evaluiert.
also bereits Bewertungsergebnisse vorlagen?
Auf dieser Basis wird dem Bundeskabinett ein Ent-
Der Bericht an den Ausschuss für Verkehr, Bau und scheidungsvorschlag über deren Weiterentwicklung vor-
Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages zu den Er- gelegt.
gebnissen der Überprüfung der Bedarfspläne erfolgt erst
dann, wenn abschließende Ergebnisse aller überprüften
Maßnahmen vorliegen. Dies wird noch im Sommer die- Anlage 29
ses Jahres der Fall sein.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
Anlage 27 Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE
Antwort GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 55):
Inwieweit sieht die Bundesregierung es als eine Möglich-
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der keit an, die Kürzung der Mittel der KfW Bankengruppe für
Abgeordneten Heidrun Bluhm (DIE LINKE) (Drucksa- das CO2-Gebäudesanierungsprogramm mit Mitteln aus dem
che 17/2059, Frage 52): Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE, zu
Wie hoch ist die Gesamtsumme des Finanzierungsbedarfs kompensieren, und ist die Bundesregierung angesichts der
für die Beendigung aller im Bau befindlichen Bundesfernstra- Haushaltslage bereit, ihre ablehnende Haltung gegenüber der
(B) ßenprojekte des Bedarfsplans ab 2011, und wie hoch ist vor Möglichkeit zu verwerfen, Mittel aus dem EFRE für die ener- (D)
dem Hintergrund der vom Bundeskabinett am 7. Juni 2010 be- getische Sanierung von Wohngebäuden zu nutzen?
schlossenen Eckpunkte des Bundeshaushaltes der finanzielle
Spielraum für die Aufnahme neuer Maßnahmen in den Stra-
Der Koalitionsvertrag betont mit der Aussage „Auf
ßenbauplan in 2011? europäischer Ebene lehnen wir eine Förderung des Woh-
nungsbaus mit Mitteln der EU ab“ die nationale Zustän-
Der Finanzierungsbedarf zur Ausfinanzierung der in digkeit für den Politikbereich „Wohnen“. Über die För-
Bau befindlichen Maßnahmen des Bedarfsplans für die derung der energetischen Wohnungssanierung aus EFRE-
Bundesfernstraßen steht erst mit Abschluss des Haus- Mitteln in der Förderperiode 2007 bis 2013 nach der gel-
haltsjahres 2010 unter Einbeziehung der Konjunkturpro- tenden EFRE-VO entscheiden die Länder. Bislang ist
gramme fest. Ebenso kann eine endgültige Abschätzung nicht bekannt, dass die Länder, die in Deutschland für
weiterer Baubeginne erst nach der abschließenden parla- die Umsetzung des EFRE zuständig sind, von dieser
mentarischen Beratung des Bundeshaushaltes 2011 er- Möglichkeit Gebrauch machen. Falls sie dies tun sollten,
folgen. müssten sie bestehende EFRE-Mittel umschichten. Der
Bund hat keine Kompetenz, über die Verwendung der
EFRE-Mittel zu entscheiden, die von den Ländern be-
Anlage 28 wirtschaftet werden.
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der Anlage 30
Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 17/2059, Fragen 53 und 54): Antwort
Wie soll die im Koalitionsvertrag auf Seite 41 im Kapitel des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
„Bauen und Wohnen“ festgehaltene Zielsetzung, dass Woh-
nungspolitik die „Folgen des demografischen und wirtschafts-
Abgeordneten Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE
strukturellen Wandels“ und den „Klimaschutz“ bewältigen GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 56):
muss, trotz der gekürzten Finanzmittel für Gebäudesanierung In welcher Höhe sollen Finanzmittel aus dem Bundes-
und Stadtentwicklung erreicht werden? haushalt im Jahr 2011 für das CO2-Gebäudesanierungspro-
Wie will die Bundesregierung die Herausforderung, wie gramm – KfW Bankengruppe – bereitgestellt werden, und
im Bericht der Bundesregierung über die Wohnungs- und Im- welche Finanzmittel sind in der mittelfristigen Finanzplanung
mobilienwirtschaft 2009 ausgeführt, wobei der Gebäudebe- für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm vorgesehen?
reich als zentrale Herausforderung für die Klimaschutzpoltik
gesehen wird, trotz der gekürzten Mittel für das CO2-Gebäu- Nach derzeitigem Verhandlungsergebnis zum Bun-
desanierungsprogramm bewältigen? deshaushalt 2011 sollen für das CO2-Gebäudesanie-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4939

(A) rungsprogramm im Jahr 2011 Programmmittel in Höhe Amtliche statistische Angaben zur vorhandenen An- (C)
von rund 437 Millionen Euro zur Verfügung gestellt zahl altersgerechter und barrierefreier Wohnungen in
werden. Die Mittel für das CO2-Gebäudesanierungspro- Deutschland liegen nicht vor. Fachkreise schätzen, dass
gramm sind im Rahmen des Integrierten Energie- und die Zahl der mobilitätseingeschränkten Haushalte bis
Klimaprogramms der Bundesregierung bis einschließ- 2020 auf rund 3 Millionen ansteigen wird – Quelle: Be-
lich 2011 vorgesehen worden und wurden aus Mitteln richt der Expertenkommission „Wohnen im Alter“,
des Maßnahmenpakets der Bundesregierung „Beschäfti- Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und
gungssicherung durch Wachstumsstärkung“, KP I, vom Raumordnung e. V. 2009, Seite 14.
5. November 2008 aufgestockt.
Daher sind die Ausweitung des Angebotes an alters-
Die in der mittelfristigen Finanzplanung veranschlag- gerechten, barrierefreien oder barrierereduzierten Woh-
ten Kassenmittel dienen der Ausfinanzierung der seit nungen sowie entsprechende Investitionen in Wohnum-
2006 durch den Bund eingegangenen Verpflichtungen feld und Infrastruktur wichtige Anliegen der Wohnungs-
und berücksichtigen auch die für 2011 vorgesehenen und Stadtentwicklungspolitik. Um älteren Menschen mit
Programmmittel. Insgesamt wird sich der Bund damit eingeschränkter Mobilität ein selbstständiges Leben in
(seit 2006) in Höhe von rund 7,22 Milliarden Euro ver- vertrauter Umgebung zu ermöglichen, unterstützt die
pflichten. Bundesregierung im Rahmen des Konjunkturpakets I
Wohnungswirtschaft und Einzeleigentümer bei der al-
ters- und behindertengerechten Anpassung von beste-
Anlage 31 henden Wohngebäuden seit April 2009 mit zinsverbillig-
ten Darlehen und seit Mai 2010 mit Zuschüssen
Antwort insbesondere für selbstnutzende Wohnungseigentümer.

des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Gemäß Koalitionsvertrag wird die Bundesregierung
Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer (SPD) (Drucksache das Programm weiterentwickeln. Dazu dienen unter an-
17/2059, Frage 57): derem 20 Modellvorhaben, die bis Ende 2012 Lösungen
zum Abbau von Barrieren im Bestand und im Wohnum-
Ist die Aussage in der Antwort auf meine Frage vom feld analysieren sowie Beratungs- und Moderationsan-
9. Juni 2010, „der Schutz der Nachtruhe sei zu berücksichti-
gen“, so zu verstehen, dass das Nachtflugverbot in der jetzi- gebote für altersgerechten Umbau erweitern werden.
gen Form erhalten bleibt und den Anwohnern nicht mehr
Nachtflüge zugemutet werden (vergleiche Bundestagsdruck- Über die Fortführung des Programms und seine finan-
sache 17/1917, Frage 70)? zielle Ausstattung wird im Rahmen der Haushaltsauf-
(B) stellungen für die einzelnen Jahre zu verhandeln sein. (D)
Das Luftverkehrsgesetz enthält kein generelles
Nachtflugverbot. Vielmehr haben die zuständigen Län-
der unter Berücksichtigung der jeweils relevanten Be- Anlage 33
lange einzelfallbezogen Nachtflugregelungen und -be-
schränkungen mit unterschiedlicher Reichweite für den Antwort
Großteil der Flughäfen in Deutschland festgesetzt. Im
Hinblick auf die Aussagen des Koalitionsvertrags zu „in- der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
ternational wettbewerbsfähigen Betriebszeiten“ und zu Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
einer „konsequenten Nachhaltigkeitsabwägung“ zwi- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 59):
schen betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen auf Kann der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
der einen Seite und den Belangen des Lärm- und Um- Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, bereits ausschließen,
weltschutzes auf der anderen Seite sind innerhalb des dass es im Falle von Verlängerungen der Laufzeit von deut-
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick- schen Atomkraftwerken, AKW, für die drei AKW, die aus sei-
ner Sicht nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert sind, ver-
lung derzeit Vorarbeiten zu entsprechenden Regelungs- gleiche Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
ansätzen im Gange. Einzelheiten zu Inhalten und zu vom 20. Mai 2010, Laufzeitverlängerungen von wenigen Jah-
möglichen Auswirkungen lassen sich beim gegenwärti- ren, zum Beispiel vier Jahren, geben kann, ohne dass bei die-
gen Stand noch nicht angeben. sen drei AKW zuvor bauliche Maßnahmen zum wirksamen
Schutz vor Flugzeugabstürzen getroffen werden müssen, und,
falls nein, beabsichtigt er, zumindest im Falle von Verlänge-
rungen der Laufzeit dieser drei AKW auf derartige bauliche
Anlage 32 Schutzmaßnahmen hinzuwirken, unabhängig vom Umfang ih-
rer Laufzeitverlängerung?
Antwort
Die Koalitionsvereinbarung erklärt die Bereitschaft
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des der die Bundesregierung tragenden Parteien, die Lauf-
Abgeordneten Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE zeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der
GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 58): strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstan-
dards zu verlängern. Nach der Koalitionsvereinbarung
Welchen Bedarf sieht die Bundesregierung beim Ausbau sollen zu den Voraussetzungen einer Laufzeitverlänge-
altengerechter Wohnungen, und wie kann dieser Bedarf ohne
die Bereitstellung von Mitteln ab 2012 für das KfW-Banken-
rung nähere Regelungen unter anderem zum Sicherheits-
gruppe-Programm „Altersgerecht Umbauen“ gesichert wer- niveau getroffen werden. Über alles Weitere wird die
den? Bundesregierung zu gegebener Zeit entscheiden.
4940 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Anlage 34 sich unabhängige Experten angeschlossen haben. Neue (C)


Erkenntnisse von Bedeutung sind seit dieser Zeit nicht
Antwort angefallen.
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Fragen der Abgeordneten Dorothée Menzner (DIE
LINKE) (Drucksache 17/2059, Fragen 60 und 61): Anlage 35
Inwiefern ist seitens des Bundesministeriums für Umwelt, Antwort
Naturschutz und Reaktorsicherheit das Öko-Institut beauftragt
worden, ein Gutachten bzw. eine anders bezeichnete Ausar-
beitung bezüglich eines Langzeitsicherheitsnachweises zum
der Parl. Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die
Verbleib des eingelagerten radioaktiven Abfalls in der Asse Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
vorzubereiten oder zu erbringen? (Drucksache 17/2059, Frage 62):
Auf welche zusätzlichen wissenschaftlichen Versuche stützt Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der
sich die Bundesregierung bei der Bewertung, Salz als geeig- jüngst vom Paritätischen Gesamtverband vorgestellten Studie
net für die Endlagerung von Atommüll anzusehen, angesichts zu den Bildungschancen von Migrantinnen und Migranten,
dessen, dass nach Ansicht niederländischer Wissenschaftler es wonach unser Bildungssystem die „soziale Segregation repro-
durch die Wirkung von radioaktiver Strahlung auf Salz zu Re- duziert“ und „soziale Ungleichheiten … zementiert“ (Vor-
aktionen kommen kann, die das Medium Salz verändern und standsmitglied Barbara John, apn vom 9. Juni 2010), insbeson-
in einen für die Endlagerung von hochradioaktivem Atom- dere im Hinblick auf das offenkundig nicht mehr erreichbare
müll, HAW, hochgefährlich ungeeigneten Zustand versetzen, Ziel des Nationalen Integrationsplans, die Schulabbruchquote
laut Aussage von Professor Dr. Wernt Brewitz aber die Versu- bei Migrantinnen und Migranten bis 2012 zu halbieren, und auf
che zur Auswirkung von Radioaktivität und thermischer Be- das verfassungsrechtliche Trennungsgebot?
lastung durch HAW auf Salz in der Asse wegen gestrichener
Finanzmittel der Kohl-Regierung Anfang der 90er-Jahre ein- Integration ist im Kern eine Bildungsfrage. Die Studie
gestellt worden sind? des Paritätischen Gesamtverbandes weist daher zu Recht
darauf hin, dass die Bildungssituation von Kindern und
Zu Frage 60: Jugendlichen mit Migrationshintergrund nachhaltig ver-
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und bessert werden muss.
Reaktorsicherheit, BMU, hat weder das Öko-Institut Wir sind uns mit den Ländern einig, dass mehr Ju-
noch einen anderen Auftragnehmer mit der Führung ei- gendliche mit Migrationshintergrund schulische und ins-
nes Langzeitsicherheitsnachweises für die Stilllegung besondere höhere schulische Abschlüsse erreichen müs-
der Schachtanlage Asse II beauftragt. Es obliegt dem sen. Dafür setze ich mich uneingeschränkt ein.
Betreiber und Antragsteller eines stillzulegenden Endla-
(B) gers, einen Langzeitsicherheitsnachweis zu führen oder Die Verantwortung für die schulische Bildung liegt (D)
diesen in Auftrag zu geben. gemäß Art. 70 Grundgesetz ausschließlich bei den Län-
dern. Bund und Länder können darüber hinaus gemäß
Zu Frage 61: Art. 91 b Grundgesetz aufgrund von Vereinbarungen bei
der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswe-
Einen aktuellen Überblick über den Stand des Wis- sens im internationalen Vergleich und bei diesbezügli-
sens zur Radiolyse und der dadurch verursachten Gasbil- chen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken.
dung stellt der im Auftrag des Bundesamtes für Strahlen- Die Studie des Paritätischen Gesamtverbandes fällt nicht
schutz, BfS, angefertigte und 2005 veröffentlichte Bericht darunter.
„Untersuchung der Gasbildungsmechanismen in einem
Endlager für radioaktive Abfälle und der damit verbun- Die Länder haben im Nationalen Integrationsplan im
denen Auswirkungen auf die Führung des Nachweises Jahr 2007 zugesagt, „innerhalb der kommenden fünf
der Endlagersicherheit“. Dort ist auch die wissenschaft- Jahre die Abbrecher und Wiederholquoten deutlich zu
lich einschlägige Literatur von Relevanz für ein HAW- senken und die Angleichung der Quoten von Kindern
Endlager im Steinsalz aufgelistet. Darüber hinausge- und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an den Ge-
hende Effekte sind zum Beispiel im Bericht „Abge- samtdurchschnitt aller Schülerinnen und Schüler zu
brannter LWR-Brennstoff: Auslaugverhalten und Frei- erreichen“. Ich gehe davon aus, dass sie diesen Selbst-
setzung von Radionukliden“ des Forschungszentrums verpflichtungen nachkommen werden und habe dies
Karlsruhe vom April 2000 beschrieben. mehrfach gegenüber den Konferenzen der Integrations-
und Kultusminister der Länder angemahnt.
Weiterhin ist zu den beobachteten, mikroskopischen
Radiolyseeffekten in Steinsalzkristallen seit den 30er-Jah- Der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,
ren des vergangenen Jahrhunderts eine Vielzahl festkör- Flüchtlinge und Integration obliegt der gesetzliche Auf-
perphysikalischer Untersuchungen veröffentlicht worden. trag, Initiativen zur Integration der dauerhaft im Bundes-
Neuere Untersuchungen stammen zum Beispiel aus dem gebiet ansässigen Migrantinnen und Migranten auch bei
Solid State Physics Laboratory der Universität Groningen/ den Ländern und kommunalen Gebietskörperschaften
Niederlande. Diese Untersuchungen wurden im Auftrag sowie bei den gesellschaftlichen Gruppen anzuregen und
des BfS von der GRS zusammengefasst und im Hinblick zu unterstützen. Diese Initiativfunktion ist Grundlage
auf ihre Bedeutung für ein HAW-Endlager im Steinsalz des Nationalen Integrationsplanes und seiner Weiterent-
bewertet. Die Reaktorsicherheitskommission des Bun- wicklung, schließt allerdings eine Kontrollfunktion ge-
des, RSK, hat in ihrer 391. Sitzung am 9. März 2006 genüber den Ländern aus, mit denen ich vertrauensvoll
eine abschließende Stellungnahme dazu erarbeitet, der zusammenarbeite.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4941

(A) Anlage 36 Welche Auswirkungen haben die Wechselkursschwankun- (C)


gen auf ausführende Organisationen und Mittlerorganisatio-
Antwort nen, und inwieweit wird dies in der Haushaltsaufstellung des
Auswärtigen Amts berücksichtigt?
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Ab-
geordneten Klaus Brandner (SPD) (Drucksache 17/2059, Die Haushaltsansätze der Titel, aus denen ausfüh-
Fragen 63 und 64): rende und Mittlerorganisationen Mittel zugewiesen be-
kommen, werden in Euro veranschlagt.
Bedeutet die Erklärung vom Bundesminister der Finanzen,
Dr. Wolfgang Schäuble, in der Befragung der Bundesregierung Wechselkursschwankungen, die sich kostenerhöhend
am 9. Juni 2010, wonach im Rahmen der Haushaltskonsoli- auswirken, müssen innerhalb der Ansätze aufgefangen
dierung ab 2011 „alle Maßnahmen für Bildung und Forschung
von jeder Kürzung ausgeschlossen“ seien, dass die Bundes- werden. Es gilt grundsätzlich der Plafond der zugewiese-
regierung Kürzungen bei den Mitteln für die Bildungspolitik nen Mittel.
des Auswärtigen Amts, namentlich bei den Titeln 681 11 – Sti-
pendien, Austauschmaßnahmen und Beihilfen für Nach- Das Auswärtige Amt ermittelt auf der Basis der von
wuchswissenschaftler, Studierende und Hochschulpraktikan- Mittlern und Durchführungsorganisationen vorgelegten
ten aus dem Ausland sowie Betreuung und Nachbetreuung, Anmeldungen und Angeboten, die auch Wechselkurs-
687 12 – Beziehungen zwischen deutschen und ausländischen erwägungen beinhalten können, den zu veranschlagen-
Wissenschaftlern, Studierenden und Hochschulen einschließ-
lich Gerätespenden an ausländische wissenschaftliche Institu- den Gesamtbedarf für den Einzelplan 05.
tionen, Titelgruppe 02 des Kapitels 0504 – Förderung des
deutschen Schulwesens im Ausland und der internationalen
Die Entscheidung über die zur Verfügung stehende
Zusammenarbeit im Schulbereich (Schulfonds), Institutionen Ausgabeermächtigung fällt im Haushaltsaufstellungs-
Goethe-Institut und Deutscher Akademischer Austausch- verfahren.
dienst, ausschließt?
Bei welchen der oben genannten Titel soll es zu Verände-
rungen und in welchem Umfang – bitte um titelgenaue Auflis- Anlage 38
tung – kommen, wenn die Bundesregierung Kürzungen bei
den Mitteln für die Bildungspolitik des Auswärtigen Amts Antwort
nicht ausschließt?
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des
Zu Frage 63: Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache
17/2059, Fragen 66 und 67):
Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist eine Welche Auswirkungen haben die aktuellen Wechselkurs-
tragende Säule der deutschen Außenpolitik. Die Bundes- schwankungen des Euros auf die Aufstellung des Etats des
regierung bemüht sich daher, die Auswärtige Kultur- Auswärtigen Amts, und was sind die Konsequenzen im Perso-
nalbereich?
(B) und Bildungspolitik, wie im Koalitionsvertrag verein- (D)
bart, im Rahmen ihrer Möglichkeiten finanziell best- Welche Auswirkungen haben die aktuellen Wechselkurs-
möglich auszustatten. schwankungen des Euros auf die Aufstellung des Etats des
Auswärtigen Amts, und was sind die Konsequenzen im Be-
Angesichts der noch laufenden Abstimmung inner- reich der Sach- und operativen Mittel?
halb der Bundesregierung und des Auswärtigen Amts
sind abschließende Aussagen zu den genannten Titeln Zu Frage 66:
und Institutionen derzeit noch nicht möglich. Daher kön- Für die Aufstellung des Haushalts ist zu beachten, dass
nen zurzeit leider noch keine titelbezogenen Angaben zu die Veranschlagung von wechselkursabhängigen Ausga-
konkreten Ansätzen gemacht werden. ben im Bundeshaushalt in ständiger Praxis nach den Vor-
gaben von Nr. 4.10 der Haushaltstechnischen Richtlinien
Zu Frage 64: des Bundes, HRB, erfolgt. Danach sind – vorbehaltlich
Wie in Beantwortung Ihrer vorherigen Frage bereits abweichender Regelungen durch das Bundesministerium
ausgeführt: der Finanzen – bei der Haushaltsaufstellung Ansätze für
die Zahlungen in fremden Währungen nach den am letz-
Das Verfahren zur Aufstellung des Haushalts 2011 ist ten Tag des vorletzten Jahres festgestellten Referenzkur-
noch nicht abgeschlossen, daher sind Festlegungen in sen der Europäischen Zentralbank, EZB, umzurechnen.
der einen oder anderen Richtung zum jetzigen Zeitpunkt
nicht angebracht. Wechselkursschwankungen des Euro gegenüber an-
deren wichtigen Währungen haben somit im Vollzug
Ich möchte aber noch einmal betonen: Die Bundesre- stets eine unmittelbare Auswirkung auf Zahlungsver-
gierung steht zu den im Koalitionsvertrag hinsichtlich pflichtungen des Auswärtigen Amts im Personalbereich
der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik gemachten im Ausland.
Aussagen.
Mögliche Mehrkosten für Personalkosten sind zu-
nächst im Rahmen bestehender Haushaltsansätze durch
Anlage 37 Reduzierung der betreffenden Ausgaben und/oder Ein-
sparungen an anderer Stelle im Bereich der Verwaltungs-
Antwort ausgaben auszugleichen.
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der
Zu Frage 67:
Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) (Druck-
sache 17/2059, Frage 65): Ich verweise auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage.
4942 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Wechselkursschwankungen des Euro gegenüber an- Anlage 41 (C)


deren wichtigen Währungen haben somit im Vollzug
Antwort
stets eine unmittelbare Auswirkung auf die Ausgaben für
Sach- und operative Mittel des Auswärtigen Amts im der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des
Ausland im Haushaltsvollzug. Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksa-
che 17/2059, Fragen 72 und 73):
Mögliche Mehrkosten sind zunächst im Rahmen be- Wie ist der Stand der Verhandlungen über die Aufnahme
stehender Haushaltsansätze durch Reduzierung der be- von EU-Beitrittsverhandlungen mit Island, und wie hat sich
treffenden Ausgaben und/oder Einsparungen an anderer die Bundesregierung in den Verhandlungen für die Aufnahme
Stelle im Bereich der Verwaltungsausgaben auszuglei- von Beitrittsverhandlungen unabhängig vom Icesave-Streit
eingesetzt?
chen.
Inwiefern soll im Falle der Aufnahme von Beitrittsver-
handlungen der Icesave-Streit weiterhin eine Rolle spielen?

Anlage 39 Zu Frage 72:


Antwort Nach dem Rat für Allgemeine Angelegenheiten am
14. Juni 2010 zeichnet sich einstimmige Zustimmung
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des unter den EU-Mitgliedstaaten ab, einen Beschluss zur
Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/ Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Island
2059, Fragen 68 und 69): beim Europäischen Rat am 17. Juni 2010 zu fassen.
Wird im Zuge der Haushaltskonsolidierung die Möglich- Die Bundesregierung hat sich für dieses Ziel aktiv
keit einer Neuausrichtung der Botschaftsaufgaben der EU- eingesetzt. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt,
Mitgliedstaaten konkret geplant, und, wenn ja, welche Aufga-
benschwerpunkte sollen die Botschaften der EU-Mitgliedstaa- Dr. Werner Hoyer, hat dazu in den vergangenen Wochen
ten in Zukunft erfüllen? intensive Gespräche mit unseren EU-Partnern und Island
geführt.
Welche personellen, sächlichen und finanziellen Verände-
rungen sind mit diesen Plänen verbunden?
Zu Frage 73:
Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich hier lediglich
Die Bundesregierung sieht in der Icesave-Frage eine
für die deutsche Bundesregierung sprechen kann. bilaterale Angelegenheit zwischen Island einerseits und
Die Aufgaben und Ausstattung der deutschen Aus- Großbritannien und den Niederlanden andererseits.
(B) landsvertretungen weltweit werden im Rahmen der soge- Es ist die allgemeine Haltung der Bundesregierung, (D)
nannten Globalplanung im Auswärtigen Amt im jährli- dass bilaterale Fragen den Beitrittsprozess nicht belasten
chen Rhythmus überprüft und gegebenenfalls angepasst. dürfen.
Ob und inwieweit die Erfordernisse der Haushalts-
konsolidierung Einschnitte im Netz unserer Auslands- Anlage 42
vertretungen zur Folge haben werden, wird nach der ent-
sprechenden Beschlussfassung durch Bundesregierung Antwort
und Deutschen Bundestag zu prüfen sein. der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der
Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck-
Planungen hierzu gibt es nicht.
sache 17/2059, Frage 74):
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung 2007 die
Unterstützung von Maßnahmen der humanitären Hilfe zu-
Anlage 40 gunsten der Opfer des Westsahara-Konflikts seitens des Aus-
wärtigen Amts als auch im selben Jahr die Unterstützung der
Antwort sahrauischen Flüchtlinge im Rahmen der Nahrungsmittel-,
Not- und Flüchtlingshilfe des Bundesministeriums für wirt-
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, einge-
stellt, und inwieweit sieht die Bundesregierung die derzeitige
des Abgeordneten Johannes Pflug (SPD) (Drucksache Lage in den Flüchtlingslagern als nicht mehr so kritisch an,
17/2059, Fragen 70 und 71): dass weitere Hilfen im Rahmen der bis 2006 geleisteten Un-
terstützung notwendig sind?
Werden die Mittel des Titels 687 79 – Stabilitätspakt
Afghanistan – in die Maßnahmen der Haushaltskonsolidie- Die Bundesregierung erbringt signifikante Unterstüt-
rung mit einbezogen, ausgehend vom Haushaltsansatz für
zungsleistungen für die Bewohner der sahrauischen Lager
2010, und, wenn ja, wie stark sollen die Mittel in den kom-
menden Jahren reduziert werden? um Tindouf in Algerien. Die Not- und Übergangshilfe
des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-
Welche Projekte sind aus welchem Grund von den Verän- arbeit und Entwicklung, BMZ, für die hier Betroffenen
derungen betroffen?
wird seit dem Jahr 2000 über die Europäische Union er-
Das Verfahren zur Aufstellung des Regierungsent- bracht.
wurfs des Bundeshaushalts 2011 ist noch nicht abge- Anlassbezogen leistete das BMZ im Jahr 2006 über
schlossen. Insoweit können über das regierungsinterne das Welternährungsprogramm Nahrungsmittelhilfe für von
Aufstellungsverfahren keine Auskünfte erteilt werden. Überschwemmungen betroffene Lager. In diesem Zu-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4943

(A) sammenhang hat das Auswärtige Amt im Rahmen seiner Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung einleiten, (C)
Zuständigkeit für humanitäre Soforthilfe mit unmittelbar um das mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom
16. April 2010 an Ute Kumpf festgestellte Dilemma gemein-
lebensrettendem Charakter 2006 ein humanitäres Projekt nütziger Körperschaften zwischen dem im Gemeinnützig-
aufgegriffen und durchgeführt, welches zeitlich begrenzt keitsrecht festgelegten Gebot einer zeitnahen Mittelverwen-
war. Die Bemühungen der Bundesregierung um die Be- dung nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 der Abgabenordnung und
wohner der Flüchtlingslager gehen jedoch darüber hi- möglichen Rückforderungen empfangener Spenden durch In-
naus und dauern an. Die Bundesregierung teilt im Übri- solvenzverwalter – anfechtbar nach geltendem Insolvenzrecht
sind unentgeltliche Leistungen eines Schuldners, die bis zu
gen die Auffassung des Hohen Flüchtlingskommissars vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfah-
der Vereinten Nationen, UNHCR, dass größere Transpa- rens vorgenommen wurden; das Problem wird auch durch die
renz sowohl über die Anzahl der Bewohner der Lager als mildere Haftung nach § 143 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzord-
auch über die humanitäre Hilfe aller Geber erforderlich nung für den Empfänger nicht gelöst – aufzulösen, und wie
ist. will die Bundesregierung ihre Ressortabstimmung effektivie-
ren, um ressortübergreifende Anfragen – die Frage wurde mit
Schreiben vom 4. März 2010 an den Parlamentarischen
Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Hartmut
Anlage 43 Koschyk, und den Parlamentarischen Staatssekretär bei der
Bundesministerin der Justiz, Dr. Max Stadler, gestellt und bis
Antwort heute nicht abgestimmt beantwortet – schneller zu beantwor-
ten und damit dem parlamentarischen Fragerecht Rechnung
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen zu tragen?
des Abgeordneten Christian Lange (Backnang) (SPD)
(Drucksache 17/2059, Fragen 75 und 76): Die Bundesregierung geht davon aus, dass bereits das
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung gegen den
geltende Insolvenzrecht in vielen Fällen, die die Frage
Antisemitismus im Internet, beispielsweise bei den sozialen der insolvenzrechtlichen Behandlung von Spenden des
Netzwerken wie Facebook oder Twitter, der seit den Vorfällen Schuldners betreffen, zu einer aus Sicht der Spenden-
vor der Küste Gazas immer brutalere und aggressivere For- empfänger angemessenen Lösung führt. Die Konflikt-
men annimmt? lage wird durch die mildere Haftung des Empfängers
Plant die Bundesregierung eine bundesweite oder europa- nach § 143 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzordnung deutlich
weite Kampagne gegen Antisemitismus im Internet aufgrund entschärft, da sich der Empfänger je nach Lage des Ein-
des dort erschreckend ansteigenden Antisemitismus, und gibt
es seitens der Bundesregierung Untersuchungen, inwieweit zelfalls auf einen Wegfall der durch die Spende entstan-
der Antisemitismus im Internet zugenommen hat? denen Vermögensmehrung berufen kann. Indes kann die
Insolvenzanfechtung auch in anderen Konstellationen
Antisemitische Äußerungen finden sich auch im In- Nachteile für den Empfänger der Leistung nach sich zie-
ternet primär im Kontext rechtsextremistischer Agita- hen. Der Gesetzgeber hat sich jedoch bewusst dafür ent-
tion, teilweise aber auch als Ausfluss islamistischer Pro-
(B) schieden, dass die mit der Anfechtungssituation einher- (D)
paganda. Die dabei zu verzeichnende Entwicklung ist
gehenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf
wellenförmig und stark von tagespolitischen Ereignissen
geprägt. Ein signifikanter Anstieg lässt sich dabei aktuell den Anfechtungsgegner hingenommen werden müssen,
nicht feststellen. um den vorrangigen Schutz der Gläubigergesamtheit zu
verwirklichen. Insofern muss das Interesse des einzelnen
Die Bundesregierung wendet sich gegen jede Form Gläubigers am Erhalt des empfangenen Vermögenswer-
extremistischer Äußerungen. Die Bekämpfung von Anti- tes hinter dem Interesse an der Gleichbehandlung aller
semitismus im Internet folgt in ihrer Systematik und Me- Gläubiger als zentralem Grundsatz der Insolvenzord-
thodik der auch bei anderen extremistischen Inhalten nung zurücktreten.
praktizierten Verfahrensweise. Hierzu hat die Bundesre-
gierung in zahlreichen Antworten ausführlich Stellung Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in § 19
genommen, zuletzt in ihrer Antwort auf die Kleine An- der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesminis-
frage der SPD-Fraktion „Rechtsextremismus im Inter- terien festgeschriebene ressortübergreifende Zusammen-
net“, Bundestagsdrucksache 17/1930 vom 7. Juni 2010. arbeit in Fragen, die mehrere Ministerien betreffen, re-
gelmäßig eine zügige Abstimmung gewährleistet.
Kontrolle, Strafverfolgung und Verbote bedürfen der
komplementären Ergänzung durch weitere staatliche und
zivilgesellschaftliche Bekämpfungselemente. Zu nen-
Anlage 45
nen sind dabei vor allem die fortwährende Aufklärungs-
arbeit durch die Bundeszentrale für politische Bildung, Antwort
die Auseinandersetzung mit dem historischen und
aktuellen Antisemitismus im Rahmen des Bundespro- des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage
gramms „Vielfalt tut gut“ und die Einrichtung eines poli- des Abgeordneten Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE
tikberatenden Expertenkreises „Antisemitismus“. GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 78):
Für welche Vermögensdelikte des Strafgesetzbuchs, StGB,
soll nach dem am 9. Juni 2010 vorgestellten Konzept der Bun-
Anlage 44 desministerin der Justiz künftig keine primäre Sicherungsver-
wahrung – § 66 StGB – mehr angeordnet werden können?
Antwort
Nach dem am 9. Juni 2010 vorgestellten Konzept des
des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage Bundesministeriums der Justiz zur Neuordnung des
der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/ Rechts der Sicherungsverwahrung, das innerhalb der
2059, Frage 77): Bundesregierung noch nicht abgestimmt ist, soll aus
4944 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Konzentration auf rüber erst im Sachzusammenhang mit der jetzt für die Sitzung (C)
Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter, ein- am 7. Juli 2010 fest zugesagten Entsperrungsvorlage zu füh-
ren“?
schließlich gemeingefährlicher Straftaten, sowie sons-
tige Straftaten erfolgen, die von besonderer Schwere Die qualifizierte Sperre beim Titel „Förderung von
sind. Dadurch werden insbesondere „gewaltlose Vermö- Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien“
gensdelikte“ dem Anwendungsbereich des § 66 StGB wurde wegen der deutlich gesunkenen und unsicheren
entzogen. Einnahmen aus dem Handel mit CO2-Emissionszertifi-
katen ausgebracht. In den Haushaltsverhandlungen zum
Regierungsentwurf 2011 wurde auch der Fortgang der
Anlage 46 Förderung im Rahmen des Marktanreizprogramms be-
sprochen. Die Bundesregierung wird ihren Entwurf zum
Antwort Bundeshaushalt 2011 am 7. Juli 2010 im Kabinett verab-
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage schieden. Dem Inhalt des Entwurfs und somit auch der
des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) Beantragung einer Entsperrungsvorlage möchte ich zu
(Drucksache 17/2059, Frage 79): diesem Zeitpunkt noch nicht vorgreifen.
Nimmt die Bundesregierung die Kritik aus Wirtschaftsver- Ich bin jedoch zuversichtlich, dass das Bundeskabi-
bänden an der geplanten nationalen Luftverkehrsabgabe für nett im Zuge der Beschlussfassung über den Haushalts-
Passagiere ernst, und wie will sie wettbewerbsschädliche entwurf 2011 auch Einvernehmen über eine Zuleitung
Auswirkungen auf deutsche Flughäfen sowie deutsche Flug- der Entsperrungsvorlage zum Marktanreizprogramm
linien abwenden?
2010 an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundes-
Die Bundesregierung ist sich der Wettbewerbssitua- tages erzielt.
tion deutscher Flughäfen und Fluglinien bewusst und
nimmt die gegenüber einer Luftverkehrsabgabe kriti-
Anlage 49
schen Stimmen in diesem Zusammenhang sehr aufmerk-
sam zur Kenntnis. Bei der Ausgestaltung der steuerlichen Antwort
Belastung durch die Luftverkehrsabgabe im Einzelnen
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage
wird die Bundesregierung selbstverständlich auch die
des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) (Drucksache
Wettbewerbssituation der deutschen Luftfahrt berück-
17/2059, Frage 82):
sichtigen und zu einer vertretbaren, interessengerechten
Wann werden die Ergebnisse und Empfehlungen der Ge-
Regelung kommen. Ich bitte um Verständnis, dass ich meindefinanzkommission – Kommission zur Neuordnung der
zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Einzelheiten zu Gemeindefinanzen – hinsichtlich der Neuordnung der Kom-
der künftigen Abgabe nennen kann. munalfinanzen genau vorliegen, und wie sieht der Zeitplan
(B) der Bundesregierung für eine gesetzliche Umsetzung der
(D)
Empfehlungen aus?
Anlage 47 Die von der Bundesregierung eingesetzte Gemeinde-
Antwort finanzkommission erarbeitet gegenwärtig einen Vor-
schlag, die Finanzen der Kommunen auf eine stabile
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage Grundlage zu stellen. Sobald dieser Vorschlag vorliegt,
des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE wird die Bundesregierung ihn zügig prüfen und zur Ent-
GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 80): scheidung bringen.
Beabsichtigt die Bundesregierung, die bis Ende 2010 be- Die Kommission wird sich am 8. Juli 2010 erneut
fristete Aufhebung der Einschränkungen der Agrardiesel-
Steuerbegünstigung zu verlängern, und, falls ja, für welchen
treffen und über die Zwischenergebnisse der Arbeits-
Zeitraum? gruppen – Kommunalsteuern, Standards, Rechtsetzung –
beraten.
Die Bundesregierung hat ihre Beratungen darüber, in
welcher Form die zum Verbrauchsjahr 2009 befristete Es wird angestrebt, einen von allen Beteiligten getra-
Aufhebung der Einschränkungen bei der Agrardiesel- genen Bericht im Herbst vorzulegen.
Steuerbegünstigung verlängert werden können, noch
nicht abgeschlossen. Anlage 50
Antwort
Anlage 48 des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra-
Antwort gen des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Fra-
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage gen 83 und 84):
des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE Werden Wertpapierleihgeschäfte und damit auch die Ge-
GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 81): winne aus Leerverkäufen ertragsteuerlich anders behandelt als
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Aufhebung der ökonomisch vergleichbare Wertpapierpensionsgeschäfte, und,
Haushaltssperre in Höhe von 115 Millionen Euro im Rahmen wenn ja, wie begründet die Bundesregierung diese Regelung?
des Marktanreizprogramms in der Sitzung des Haushaltsaus- Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Umfang von
schusses am 7. Juli 2010 aufzuheben, wie das Sekretariat des Wertpapierleihgeschäften und den jährlichen steuerlichen Er-
Haushaltsausschusses am 9. Juni 2010 mit folgendem Wort- trag, wenn diese wie ökonomisch vergleichbare Wertpapier-
laut mitteilte: „Die Koalition beantragt, die Diskussion da- pensionsgeschäfte besteuert würden?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4945

(A) Zu Frage 83: der Gesellschaftsgründung in Luxemburg anfallen, er- (C)


geben sich aus der entsprechenden luxemburgischen Ge-
Wertpapierleihgeschäfte und Wertpapierpensionsge- bührenordnung.
schäfte dienen der Zurechnung von Wirtschaftsgütern
(zum Beispiel Aktien) und führen nicht zu einer Ge-
winnrealisierung. Bei der Beurteilung von Leerverkäu- Anlage 52
fen ist nur die Wertpapierleihe – nicht das Wertpapier-
pensionsgeschäft – von Bedeutung. Soweit bei der Antwort
Wertpapierleihe Provision oder andere Erträge aus den
des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage
darlehensweise übertragenen Wertpapieren erzielt wer-
des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD)
den (zum Beispiel durch Leerverkäufe), liegen steuer-
(Drucksache 17/2059, Frage 86):
pflichtige Einkünfte vor. Steuerpflichtige Einkünfte lie-
gen selbstverständlich auch vor, wenn der Entleiher Hält die Bundesregierung an den Plänen des Bundesminis-
ters für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, fest,
durch gedeckte oder ungedeckte Leerverkäufe Gewinn Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung zu kürzen, und
erzielt. wird davon der Tourismusbereich betroffen sein – Aussage
von Rainer Brüderle im Interview mit dem Deutschlandfunk
Zu Frage 84: vom 6. Juni 2010?

Da Wertpapierleihgeschäfte und Wertpapierpensions- Die Bundesregierung sieht die Notwendigkeit, dass


geschäfte ertragsteuerlich zum selben Ergebnis führen, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
kann eine Einschätzung zur Höhe des steuerlichen Ertra- Wirtschaftsstruktur“, GRW, einen Beitrag zur Haushalts-
ges bei gleicher Besteuerung nicht vorgenommen wer- konsolidierung leisten muss. Gegenwärtig prüft sie die
den. künftige Mittelausstattung der GRW und die Höhe des
erforderlichen Einsparbeitrages. Dabei ist nicht vorgese-
Eine Einschätzung zum Umfang von Wertpapierleih- hen, die Fördervoraussetzungen zu ändern. Die Bewilli-
geschäften und Wertpapierpensionsgeschäften kann auf- gung und somit auch die Frage, ob und in welchem Um-
grund der Daten der Bundesbank in einem eingeschränk- fang Maßnahmen und dabei insbesondere der
ten Maße vorgenommen werden. Eine Differenzierung Tourismusbereich gefördert werden, ist nach dem
des Umfangs der einzelnen Geschäftsbereiche – Wertpa- Grundgesetz Aufgabe der Bundesländer.
pierleihgeschäfte und Wertpapierpensionsgeschäfte – ist
nach den vorliegenden Daten nicht möglich.
Anlage 53
Die vorliegenden Daten bilden Wertpapierleih- und
(B) -pensionsgeschäfte von Banken im Inland und von Antwort (D)
Nichtbanken ab. Hinsichtlich der Wertpapierleihge-
des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage
schäfte beinhalten die Daten ausschließlich Geschäfte,
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
bei denen Sicherheitsleistungen in Geld erfolgen. Wer-
(Drucksache 17/2059, Frage 87):
den Sicherheitsleistungen in Sachdarlehen erteilt, liegen
aufgrund fehlenden Bilanzausweises keine Daten dies- Welche Auswirkungen hat das von der Bundesregierung
beschlossene „Sparpaket“ für den Tourismus und die Touris-
bezüglich vor. muswirtschaft in Deutschland?
Aus den Daten des Monatsberichtes Mai 2010 der Das von der Bundesregierung beschlossene „Spar-
Bundesbank geht hervor, dass sich im März 2010 die paket“ hat erkennbar keine unmittelbaren Auswirkungen
Verbindlichkeiten aus den Wertpapierpensions- und -leih- auf den Tourismus und die Tourismuswirtschaft in
geschäften auf rund 318 Milliarden Euro beliefen. Deutschland. Die Zuwendungen der Bundesregierung
aus dem Einzelplan 09 an die Deutsche Zentrale für Tou-
rismus (DZT) und die Förderung der Leistungsstei-
Anlage 51 gerung im Tourismusgewerbe sind von den Sparmaß-
nahmen nicht berührt. Über eventuelle mittelbare
Antwort Auswirkungen des Sparpaketes kann aus heutiger Sicht
des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage keine Aussage getroffen werden.
des Abgeordneten Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 85):
Ist im Rahmen der Schaffung eines europäischen Stabili-
Anlage 54
sierungsmechanismus und der zwischenstaatlichen Vereinba- Antwort
rung der Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe über die Errichtung
einer Zweckgesellschaft zur Gewährung von Darlehen und des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Fra-
Kreditlinien – europäische Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF –,
für den Gesellschaftsvertrag der Zweckgesellschaft vom 7. Juni
gen der Abgeordneten Ulla Lötzer (DIE LINKE)
2010 sowie die Rahmenvereinbarung der Garantiegeber vor (Drucksache 17/2059, Fragen 88 und 89):
dem Notar Jacques Delvaux mit Amtssitz in Luxemburg, Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die vom
Großherzogtum Luxemburg, mit diesem eine Honorarverein- Europäischen Gerichtshof, EuGH, geforderte Rückabwick-
barung abgeschlossen worden? lung durch den EuGH wegen der Verletzung europäischen
Vergaberechts durch die Stadt Köln beim Bau der Hallen 15
Eine Honorarvereinbarung mit dem Notar ist nicht bis 18 der Koelnmesse gegebenenfalls auch ohne Zustim-
geschlossen worden. Die Notarkosten, die im Rahmen mung des Vertragspartners Grundstücksgesellschaft Köln
4946 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010

(A) Messe 15–18 durchzusetzen, und wie kann sie in diesem Fall kerte Reduzierung der Zulagensätze trägt letztendlich (C)
die Stadt Köln dabei unterstützen? dem Anliegen der Bundesregierung Rechnung, Subven-
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, für eine tionen weiter abzubauen. Zudem berücksichtigt diese
im Falle eines endgültigen Scheiterns der Gespräche eventuell Absenkung die Lage der öffentlichen Haushalte. Nach
fällige Strafzahlung infolge der Verurteilung der Bundesrepu-
blik Deutschland durch den EuGH wegen der Verletzung eu- 2013 wird darüber hinaus ein Abbau noch bestehender
ropäischen Vergaberechts durch die Stadt Köln beim Bau der struktureller Defizite beispielsweise durch die fortbeste-
Hallen 15 bis 18 der Koelnmesse die Grundstücksgesellschaft hende GRW vorgenommen werden. Die Durchführung
Köln Messe 15–18 als Vertragspartner in Haftung zu nehmen, der Förderungen im Rahmen der GRW ist nach dem
falls dessen Verschulden am Scheitern der Versuche zur Rück-
abwicklung vollumfänglich oder anteilig nachgewiesen wer-
Grundgesetz Aufgabe der Bundesländer. Die Höhe der
den kann? Mittelausstattung der GRW wird auch zukünftig sicher-
stellen, dass die Länder die mittelständische Wirtschaft
Die Europäische Kommission hat mit Mahnschreiben wirkungsvoll unterstützen können.
vom 4. Juni 2010 offiziell das Vertragsverletzungsver-
fahren gemäß Art. 260 AEUV zur Umsetzung des Ur-
teils des EuGH vom 29. Oktober 2009, „Messe Köln“, Anlage 56
eingeleitet. Der Bundesregierung wurde eine Frist von
2 Monaten eingeräumt, diesem Urteil Folge zu leisten Antwort
und den Verstoß gegen die europäischen Vergaberegeln
auszuräumen. Diese Zeit wird von allen Beteiligten auf des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage
Bundes-, Landes- und Kommunalebene intensiv genutzt des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE
werden, um zu einer zufriedenstellenden Rückabwick- GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 92):
lung der Verträge zu gelangen. Hierzu gehört auch, alle Welche Projektanträge liegen bei der Bundesregierung für
rechtlichen und tatsächlichen Optionen zu prüfen, ein- eine Förderung durch Einnahmen aus dem Emissionshandel
– „New Entrance Reserve“, Beschluss der Kommission
schließlich gegebenenfalls weiterer Ansprüche. NER 300 – vor, und welche dieser Projektanträge erwägt die
Bundesregierung zum Stichtag 31. Dezember 2010 bei der
Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Kom-
Anlage 55 mission einzureichen?

Antwort Eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen


für die Förderung aus den Einnahmen der Veräußerung
des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Fra- von 300 Millionen Emissionshandelsberechtigungen aus
gen der Abgeordneten Doris Barnett (SPD) (Drucksa- der Neuanlagenreserve des Emissionshandels, New
che 17/2059, Fragen 90 und 91): Entrance Reserve – NER 300, durch die Kommission ist
(B)
Ist seitens der Bundesregierung vorgesehen, im Zuge von bisher noch nicht erfolgt. Deshalb liegen der Bundes- (D)
geplanten Sparmaßnahmen bezüglich der Mittelausstattung für regierung derzeit keine Projektanträge für eine diesbe-
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen zügliche Förderung vor.
Wirtschaftsstruktur“ Einsparungen ab dem Haushaltsjahr
2011 vorzunehmen, und, wenn ja, in welchem Umfang sollen
die Mittel für die GA – aufgelistet nach Haushaltsjahren – ge-
kürzt werden? Anlage 57
Wie beabsichtigt die Bundesregierung die Mittel der aus- Antwort
laufenden Investitionszulage des Bundes für die neuen Bun-
desländer zu kompensieren, und wie bewertet sie die Auswir- des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Fra-
kungen einer Reduzierung der GA-Mittel auf die gen des Abgeordneten Manfred Nink (SPD) (Drucksa-
mittelständische Wirtschaft in Deutschland?
che 17/2059, Fragen 93 und 94):
Zu Frage 90: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Um-
setzung der in der Leitinitiative „Eine Industriepolitik für das
Die Bundesregierung sieht die Notwendigkeit, dass Zeitalter der Globalisierung“ der EU-Kommission aufgestell-
ten Forderungen an die Mitgliedstaaten, die industrielle Basis
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen zu modernisieren sowie die Rahmenbegingungen für Unter-
Wirtschaftsstruktur“, GRW, einen Beitrag zur Haushalts- nehmen – insbesondere für innovative kleine und mittlere Un-
konsolidierung leisten muss. Gegenwärtig prüft sie die ternehmen – zu verbessern?
künftige Mittelausstattung der GRW und die Höhe des Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher er-
erforderlichen Einsparbeitrages. Dabei ist nicht vorgese- griffen, und welche plant sie zur Umsetzung der von der EU-
hen, die Fördervoraussetzungen zu ändern. Kommission in der Leitinitiative von den Mitgliedstaaten ge-
forderten engen Zusammenarbeit, um zu einer gemeinsamen
Bestandsaufnahme – wie eine starke industrielle und Wissens-
Zu Frage 91: basis erhalten und die EU in die Lage versetzt werden kann, in
der nachhaltigen Entwicklung weltweit eine Vorreiterrolle
Die Investitionszulagenförderung nach dem Investi- einzunehmen – zu gelangen?
tionszulagengesetz 2010 besteht noch für Investitions-
maßnahmen bis Ende 2013. Somit bietet dieses Förder- Zu Frage 93:
instrument für die nächsten Jahre noch ausreichend
Möglichkeiten, betriebliche Investitionen in den neuen Die industriepolitische Leitinitiative wurde von der
Ländern und Berlin in gebotenem Maße zu unterstützen. Kommission in der umfassenden Mitteilung zu „Europa
Gegenwärtig besteht daher keine Notwendigkeit für eine 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und
Kompensation. Die im Investitionszulagengesetz veran- integratives Wachstum“ vom 5. März 2010 angekündigt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Juni 2010 4947

(A) Die Leitinitiative selbst möchte Industriekommissar Anlage 59 (C)


Tajani im Oktober dieses Jahres vorlegen. Antwort
Da die konkreten Inhalte der Leitinitiative noch weit- des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage
gehend unbekannt sind, kann naturgemäß auch noch des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND-
nicht gesagt werden, mit welchen Maßnahmen sie umge- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 96):
setzt werden. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Fi-
nanzgeschäfte der Deutschen Bank AG mit Firmen, die Streu-
Die Bundesregierung wird sich jedenfalls dafür ein- munition herstellen, wie dies der Studie „Weltweite Investitio-
setzen, dass die europäische Industriepolitik auf markt- nen in Streumunition“ der internationalen Kampagne gegen
wirtschaftlichem Kurs bleibt und keine wettbewerbswid- Streumunition, Cluster Munition Coalition, zu entnehmen ist,
rigen Maßnahmen ergriffen werden. über die das TV-Magazin Report Mainz am 7. Juni 2010 be-
richtete, gegen das gesetzliche Verbot des Förderns, der Ent-
Zu Frage 94: wicklung, Herstellung, der Ausfuhr von Streumunition nach
§ 18 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes, KrWaffG, versto-
Nach Auffassung der Bundesregierung ist Industrie- ßen, und was tut die Bundesregierung, um dieses gesetzliche
politik eine Querschnittaufgabe, die grundsätzlich hori- Verbot durchzusetzen und die Verantwortlichen gemäß § 20 a
KrWaffG zur Rechenschaft zu ziehen?
zontal ausgerichtet bleiben muss. Sektorspezifische
Schutz- oder Subventionsprogramme lehnt die Bundes- Mit §§ 18 a und 20 a KWKG werden die im Überein-
regierung auf europäischer – ebenso wie auf nationaler – kommen über Streumunition – sogenanntes Oslo-Über-
Ebene ab. Gute allgemeine Rahmenbedingungen ermög- einkommen – übernommenen völkerrechtlichen Ver-
lichen den heimischen Standorten ein „level playing pflichtungen in nationales Recht umgesetzt. Danach sind
field“ im zunehmend globalen Wettbewerb. die Entwicklung, Herstellung und Ausfuhr von Streumu-
nition sowie das Fördern dieser Aktivitäten verboten. Re-
Aufgabe der Industriepolitik ist es, dem Verarbeiten-
gelungen zu Finanzierungsfragen oder aktienrechtlichen
den Gewerbe in Deutschland und Europa ein Umfeld zu
Bestimmungen im Zusammenhang mit Streumunition
gewährleisten, in dem es sich entwickeln und Arbeits-
sind im KWKG nicht getroffen worden. Entsprechende
plätze sichern und schaffen kann. Die Bundesregierung
Verpflichtungen zur Regelung dieser Sachverhalte finden
spricht sich deshalb für die Beibehaltung des erfolgrei-
sich auch nicht im Oslo-Übereinkommen selbst.
chen integrierten Ansatzes der letzten Jahre aus, der es
durch eine Verknüpfung von horizontalen und sektoralen Ob die in der Frage angesprochenen „Finanzge-
Initiativen ermöglicht, auf konkrete Probleme der Indus- schäfte“, die der Bundesregierung im Einzelnen nicht
trie einzugehen. bekannt sind, als ein „Fördern“ im Sinne des von
§§ 18 a, 20 a KWKG anzusehen sind, kann nur einzel-
Die Maßnahmen reichen vom besseren Schutz geisti-
fallbezogen beantwortet werden. Zu abstrakten Rechts-
(B) gen Eigentums über Bürokratieabbau bis hin zur Förde- fragen nimmt die Bundesregierung grundsätzlich keine (D)
rung der Elektromobilität. Stellung.
Diesen Weg sollten EU und Mitgliedstaaten weiterge-
hen. Anlage 60
Antwort
Anlage 58 des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage
Antwort der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/2059, Frage 97):
des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesmi-
des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) (Drucksache nisteriums für Wirtschaft und Technologie, vertreten durch
17/2059, Frage 95): den Staatssekretär Dr. Bernhard Heitzer, dass keine Dringlich-
Wird die geplante Einführung eines „steuerlichen Aus- keit für eine EU-Finanzierung von Energieeffizienzprojekten
gleichs der Kernenergiewirtschaft“ (so laut der tabellarischen in Städten besteht (Antwort auf die schriftliche Frage 53 auf
Übersicht zu den Eckpunkten der Bundesregierung zum soge- Bundestagsdrucksache 17/1918), und, wenn nein, mit welcher
nannten Sparpaket), mit dem die Kernenergiewirtschaft an Begründung?
den Sanierungskosten von Asse II steuerlich beteiligt wird Für die Förderung energiesparender Maßnahmen sind
und mit dem die Zusatzgewinne der Kernenergiewirtschaft
durch die Einführung des CO2-Emissionshandels teilweise ab-
grundsätzlich die Mitgliedstaaten verantwortlich, die
geschöpft werden, vollkommen unabhängig und abgekoppelt dies auch mit entsprechenden eigenen Anstrengungen fi-
von der eventuellen Verlängerung der Laufzeiten für Atom- nanziell unterlegen sollten. Auch sollten Dopplungen zu
kraftwerke eingeführt, oder plant die Bundesregierung einen bestehenden Programmen der internationalen Finanzie-
Teil oder gar die gesamten Steuermehreinnahmen mit einer rungsinstitutionen vermieden werden. Dies gilt auch für
späteren Gewinnabschöpfung bei einer möglichen Verlänge- Energieeffizienzprojekte in Städten. Aus Sicht der Bun-
rung der Laufzeit von Atomkraftwerken zu verrechnen?
desregierung ist bei dem Vorschlag der Kommission für
Die Bundesregierung wird, wie sie bereits wiederholt eine Änderung der Verordnung insbesondere zu prüfen,
betont hat, alle Fragen, die längere Laufzeiten der Kern- inwieweit durch die Förderung energiesparender Maß-
kraftwerke betreffen, auch im Zusammenhang mit dem nahmen aus oben genannten Mitteln auch Anreize zur
Energiekonzept entscheiden. Dies bezieht die Frage des wirtschaftlichen Erholung i. S. v. Art. 1 der Verordnung
Vorteilsausgleichs ein. Das Aufkommen des vom Bun- 663/2009 gesetzt werden. Dabei ist auch das in Rede ste-
deskabinett am 7. Juni 2010 beschlossenen steuerlichen hende Volumen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt
Ausgleichs der Kernenergiewirtschaft wird hierbei be- der Europäischen Union sowie der notwendige zeitliche
rücksichtigt. Vorlauf von Maßnahmen zu berücksichtigen.
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-7980

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