Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
138. Sitzung
Inhalt:
Antwort Zusatzfragen
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16407 B DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16411 A
Katja Keul (BÜNDNIS 90/
Zusatzfragen
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16411 D
Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16407 C
Mündliche Frage 32
Mündliche Fragen 24 und 25
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
Bärbel Bas (SPD)
DIE GRÜNEN)
Regionale Entwicklung der Morbiditäts-
Vereinbarkeit des Beschlusses zum be-
struktur der Versicherten als Maßstab der
schleunigten Atomausstieg mit Art. 10 des
Weiterentwicklung der ambulanten Ge-
Vertrages über die Energiecharta vom
samtvergütung; alternative qualitätsgesi-
17. Dezember 1994
cherte Instrumente
Antwort Antwort
Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16408 B BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16412 A
Zusatzfragen Zusatzfrage
Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16409 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16412 B
Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16412 D
Mündliche Frage 28
Gustav Herzog (SPD)
Mündliche Frage 48
Wegen gerichtlicher Klärung zwischen Ha- Katja Keul (BÜNDNIS 90/
fenbetreibern und der Wasser- und Schiff- DIE GRÜNEN)
fahrtsdirektion streitbefangene Mittel aus
der Förderung des Kombinierten Verkehrs Genehmigung der Lieferung von 72 Kampf-
jets an Saudi-Arabien
Antwort
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär Antwort
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16409 C Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16413 D
Zusatzfragen
Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16409 D Zusatzfragen
Katja Keul (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16414 A
Mündliche Frage 29
Gustav Herzog (SPD)
Mündliche Frage 49
Einführung eines Gebührensystems für die Katja Keul (BÜNDNIS 90/
Schifffahrt im Rahmen der Reform der DIE GRÜNEN)
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des
Bundes Höhe der Ablehnungsquote von Rüstungs-
exportanträgen durch den Bundessicher-
Antwort heitsrat
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16410 B Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
Zusatzfragen BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16414 C
Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16410 C
Zusatzfragen
Katja Keul (BÜNDNIS 90/
Mündliche Frage 31 DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16414 D
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Zusatztagesordnungspunkt 1:
Verfall der Preise für CO2-Zertifikate; mit-
telfristige Steuermindereinnahmen bei ei- Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
nem niedrigen Preisniveau der SPD: Nein zum Betreuungsgeld – Fami-
lien- und Bildungspolitik zukunftsfähig ge-
Antwort stalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16415 B
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16411 A Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . 16415 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 V
Anlage 2
Anlage 7
Technisch bedingter Neuabdruck der Ant-
wort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen- Mündliche Frage 17
Esser auf die Fragen des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
Ulrich Kelber (SPD) (135. Sitzung, Drucksa- DIE GRÜNEN)
che 17/7411, Fragen 35 und 36): Entwick-
lung der Beschäftigten beim Bundesminis- Ausgestaltung des „aktiven Monitorings“
terium für Umwelt, Naturschutz und von durch ISAF-Soldaten und afghani-
Reaktorsicherheit an den Standorten Bonn schen Sicherheitskräften in Gewahrsam
und Berlin seit 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16435 B genommenen Personen
Antwort
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär
Anlage 3 BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16438 A
Mündliche Frage 7
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Anlage 8
Anlage 22
Anlage 27
Mündliche Fragen 46 und 47
Inge Höger (DIE LINKE) Mündliche Frage 55
Andrej Hunko (DIE LINKE)
Rüstungsgeschäfte mit Griechenland; staatli- Einrichtung der informellen „Remote Fo-
che Exportkreditgarantien rensic Software User Group“
Antwort Antwort
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16443 A BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16444 D
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Antwort
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär Anlage 44
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16448 B
Mündliche Frage 73
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Anlage 40
Ziel und Umsetzung des Konzepts einer
Mündliche Frage 69 „KinderBildungsStiftung“
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Antwort
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
Menschen mit Behinderungen unter 50 BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16450 A
Prozent sowie für Schwerbehinderte 2011;
erwartete Änderungen durch die „Initia-
tive Inklusion“ Anlage 45
Antwort Mündliche Frage 74
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16448 C DIE GRÜNEN)
Umsetzungsstand des Beschlusses der Un-
Anlage 41 abhängigen Föderalismuskommission vom
Mai 1992 zur Verlagerung von rund
Mündliche Frage 70 120 Planstellen des Julius-Kühn-Instituts
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ von Berlin nach Kleinmachnow
DIE GRÜNEN)
Antwort
Aufhebung der Arbeitsmarktbeschränkun- Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär
gen für Rumänien und Bulgarien und so- BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16450 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16383
(A) (C)
138. Sitzung
Vizepräsidentin Petra Pau: weiterhin verstärkt die Wirtschaft fördern. Hier spielt
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nehmen insbesondere die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. der regionalen Wirtschaftsstruktur“ eine große Rolle.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Mit Freude können wir darauf verweisen, dass sich in
Befragung der Bundesregierung den neuen Ländern eine Wissenschafts- und Hochschul-
struktur entwickelt hat, die Studenten aus aller Welt an-
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- lockt. In diesem Zusammenhang stellen wir fest, dass
binettsitzung mitgeteilt: Jahresbericht der Bundesre- sehr viele Studenten aus den alten Ländern ebenfalls die
gierung zum Stand der Deutschen Einheit 2011. Attraktivität der Hochschulen in den neuen Ländern ent-
Das Wort für den fünfminütigen Bericht hat der Bun- deckt haben. In Sachsen kommen 29 Prozent der Studen-
desminister des Inneren, Herr Dr. Hans-Peter Friedrich. – ten aus den alten Bundesländern, in Mecklenburg-Vor-
pommern sind es sogar weit über 40 Prozent.
(B) Bitte, Herr Minister. (D)
Wir wollen in den neuen Ländern eine „Innovations-
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- region Ostdeutschland“ schaffen. Ich glaube, dabei sind
nern: wir auf einem guten Weg. Während die Industrie bei den
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- Forschungs- und Entwicklungsausgaben zuerst etwas
gen! Wenn gute Nachrichten zu verbreiten sind, kommen zögerlich war, stellen wir nun fest, dass immer mehr Un-
offensichtlich nur wenige Kollegen ins Plenum. Heute ternehmen in Forschung und Entwicklung investieren.
ist ein solcher Tag. Ich kann Ihnen mitteilen: Der Aufbau Bei den forschenden ostdeutschen Unternehmen ist ein
Ost ist auf einem guten Weg. Anstieg von 3 271 Unternehmen im Jahr 2000 auf 4 719
Heute, am 22. Jahrestag des Mauerfalls, kann ich Ih- im Jahr 2010 zu verzeichnen. Das zeigt, dass wir auf ei-
nen einen Bericht vorlegen, der zeigt, dass die neuen nem guten Weg sind. Ab dem Jahr 2013 kann es zu Pro-
Länder trotz der konjunkturellen und ökonomischen blemen bei der Förderung aus den europäischen Struk-
Dellen aus der Krise gut und gestärkt herausgekommen turfonds kommen, weil die neuen Länder dann
sind. Alle Indikatoren verzeichnen positive Entwicklun- möglicherweise aus der Höchstförderung ausscheiden.
gen. Die Arbeitslosenzahlen gehen zurück, die Beschäf- Für diesen Fall setzen wir alles daran, Übergangsrege-
tigtenzahlen steigen, die Produktion nimmt ebenso zu lungen für die neuen Länder zu schaffen.
wie das Bruttoinlandsprodukt. Ich denke, das sind gute
Nachrichten. Die große Herausforderung ist jedoch die demografi-
sche Entwicklung, die sich zuerst in den neuen Ländern,
In den neuen Ländern liegt die Arbeitslosenzahl deut- dann aber auch in den alten Ländern bemerkbar machen
lich unter 1 Million, nämlich bei 860 500. Das ist ein wird. Wir stehen in den neuen Ländern, natürlich regio-
Grund zur Freude. Jedoch ist die Arbeitslosenquote nal unterschiedlich – wie es auch in den alten Ländern
– und das trübt die Freude – immer noch fast doppelt so der Fall ist –, vor großen Herausforderungen, die schon
hoch wie in den alten Bundesländern. Das bedeutet, dass mit sehr viel Innovationskraft, Ideen und Kreativität der
wir nicht nachlassen dürfen und nicht nachlassen wer- Bürgermeister und der Behörden vor Ort angegangen
den, den Aufbau Ost so lange voranzutreiben, bis das werden, unterstützt durch viele Programme vonseiten
Ziel – die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse –
des Bundes. Ich denke, dass die neuen Länder hier ein
in allen Teilen unseres Landes erreicht ist.
Vorbild, eine Blaupause, bei der Bewältigung der demo-
Zur Infrastruktur. Die Verkehrsprojekte „Deutsche grafischen Herausforderungen sein können, vor denen
Einheit“ sind weitgehend abgeschlossen. Wir werden wir in den nächsten Jahren im ganzen Land stehen.
16384 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich möchte Sie fragen: In welchem Maße dürfen nach (C)
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Friedrich. – Bevor wir Ihrer Meinung solche Unterschiede bestehen bleiben? Ist
mit der Befragung beginnen, erinnere ich an die Ein- das nicht der Abschied vom Aufbau Ost und damit von
Minuten-Regelung. Ich bitte Sie, sich bei Ihren Fragen der Angleichung der Lebensverhältnisse, wie sie im
und Antworten auf jeweils 1 Minute zu beschränken. Grundgesetz und übrigens auch im Einigungsvertrag
Nach Ablauf einer Minute wird ein Signal daran erin- verbrieft ist?
nern, zum Schluss zu kommen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
Bitte, Herr Minister.
stellen, über den soeben berichtet wurde. – Das Wort zur
ersten Frage hat der Kollege Roland Claus.
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-
nern:
Roland Claus (DIE LINKE):
Frau Kollegin, im letzten Jahr, im 20. Jubiläumsjahr
Herr Bundesminister, welches war der Grund dafür, der deutschen Einheit, haben wir einen sehr umfangrei-
warum Sie diesen Bericht mit mehrwöchiger Verspätung chen Bericht über die Entwicklung in den letzten 20 Jah-
vorgelegt haben und nicht, wie alljährlich üblich, vor ren vorgelegt, der über 200 Seiten umfasst, sodass wir
dem 3. Oktober? Meine zweite Frage lautet: Welche uns jetzt auf Basis dieses umfangreichen Berichtes auf
Aussagen trifft die Bundesregierung zur Angleichung aktuelle Veränderungen konzentrieren konnten; das ha-
der Renten in Ostdeutschland an die in Westdeutschland, ben wir getan.
die Sie immerhin in der Koalitionsvereinbarung verspro-
chen haben? Sie haben recht: Es gibt Lohnunterschiede, im Übri-
gen nicht nur zwischen den alten und den neuen Bundes-
ländern, sondern auch in den verschiedenen Regionen
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- innerhalb der alten Bundesländer und innerhalb der
nern: neuen Bundesländer. Hier geht es um ein wichtiges
Zunächst einmal kann ich Ihnen sagen: Ich weiß, dass Thema, das uns natürlich auch im Zusammenhang mit
es üblich war, diesen Bericht bereits in der Zeit um den der Zukunft des ländlichen Raumes beschäftigen wird.
3. Oktober vorzulegen. Wir wollten dieses Mal auch ak- Die entscheidende Frage lautet: Was bedeutet Gleich-
tuelle Entscheidungen, etwa zu den TEN-Projekten und wertigkeit der Lebensverhältnisse? Es bedeutet nicht
zu der Frage, wie es mit den Standorten der Bundeswehr Gleichheit und auch nicht Gleichartigkeit, sondern glei-
weitergeht, aufnehmen und haben jetzt, pünktlich zum cher Wert der Lebensverhältnisse, bei aller Unterschied-
22. Jahrestag des Mauerfalls, den Bericht vorgelegt. lichkeit, die bestehen kann.
(B) (D)
Zum Thema Rentenangleichung. Wir sind, was die Der ländliche Raum und die strukturschwächeren Ge-
Rentenwerte angeht, auf einem guten Weg, und zwar biete werden auf der einen Seite gefördert. Auf der ande-
auch deswegen, weil die Löhne in den neuen Ländern ren Seite haben sie einen eigenen Lebenswert, eine ei-
weiter ansteigen und die Lücke zwischen alten und gene lebenswerte Umgebung, die so manche Alternative
neuen Ländern kleiner wird. Aber Sie haben recht: zu den Metropolen bieten kann.
Grundsätzlich bleibt die Frage, ob wir Veränderungen
am Rentenwert und am Hochwertungsfaktor vornehmen Weiterhin wollen wir natürlich – das steht fest – eine
müssen. Hier ist Frau von der Leyen als Sozialministerin Aufwertung der Löhne in den neuen Ländern erreichen.
in einem Dialog mit den Ländern; wir brauchen die Mi- Das bleibt das Ziel.
nisterpräsidenten der Länder für eine Entscheidung.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt die Kollegin Daniela Kolbe.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Iris Gleicke.
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich
Iris Gleicke (SPD): muss ehrlich zugeben: Mich hat der Bericht zum Stand
Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, las- der Deutschen Einheit peinlich berührt. Ich habe ihn ge-
sen Sie mich eingangs sagen: Ein dürftigerer Bericht ist lesen und lebe in den neuen Bundesländern. Ich habe
mir in den Jahren zuvor noch nie untergekommen. Sie den Eindruck, dass Sie ein rosarotes Lagebild malen; al-
treffen darin gar keine Aussage zu den deutlichen Unter- les ist gut. Wo es noch nicht ganz so gut ist, kann der
schieden bei den Einkommen zwischen Ost- und West- Westen von den neuen Ländern lernen.
deutschland; je nach Branche gibt es Lohnunterschiede
von 15 bis 30 Prozent. Stattdessen verbreiten Sie zum Nach meiner Ansicht verabschiedet sich die Bundes-
Schluss Ihres Berichtes – da geht es um die Gleichwer- regierung ganz eindeutig vom Auftrag des Aufbaus Ost.
tigkeit der Lebensverhältnisse –: Das wird für mich zum Beispiel bei einem Punkt deut-
lich, zu dem ich gern ein paar Ausführungen von Ihnen
Gleichwertigkeit bedeutet aber gerade nicht Gleich- hätte. In diesem Bericht gefällt mir Seite 25 am besten.
heit: Trotz weit fortgeschrittener Einheit werden Dort werden auf einem Drittel der Seite, auf ganzen
und dürfen regionale Unterschiede in Gesellschaft neun Zeilen, Aussagen zum Arbeitsmarkt getroffen,
und Wirtschaft bestehen bleiben. nach denen er sich positiv entwickele. Im ganzen Bericht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16385
Daniela Kolbe (Leipzig)
(A) lässt sich nicht ein einziges Mal das Wort Langzeitar- Wandel finden, die darüber Auskunft gibt, welche lang- (C)
beitslosigkeit finden. Von Ihnen als verantwortlichem fristigen strategischen Entscheidungen – es geht nicht
Minister interessiert mich zu hören: Haben Sie den Ein- um kurzfristige Modellmaßnahmen – wir für notwendig
druck, dass Langzeitarbeitslosigkeit kein Problem für und richtig halten, um den Herausforderungen des de-
die neuen Länder darstellt, und, wenn doch, warum wird mografischen Wandels zu begegnen. Dieser Wandel be-
es dann nicht erwähnt? Was haben Sie vor, gegen Lang- trifft aus meiner Sicht West und Ost, die alten und die
zeitarbeitslosigkeit zu tun? neuen Länder, gleichermaßen.
(A) Iris Gleicke (SPD): Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- (C)
Herr Minister, ich möchte mit meiner Frage an die nern:
von Herrn Claus anschließen. Sie schreiben im Bericht: Ich glaube, dass wir mit dem Vernetzen der kleineren
Unternehmen in struktureller Hinsicht auf dem richtigen
Die Vereinheitlichung der Rentenberechnung in Ost Weg sind. Dieser Weg muss fortgesetzt werden. Ich
und West ist eine komplexe Aufgabe. … Ein kon- denke, dass man darüber nachdenken muss, wie man im
sensfähiger Vorschlag … muss die unterschiedli- Rahmen der Forschungsförderung – ich meine nicht nur
chen Interessenlagen aller Beteiligten … berück- die Forschungsförderung Ost, sondern die Forschungs-
sichtigen. förderung in ganz Deutschland – noch stärker als bisher
auf die mittelständischen Unternehmen eingehen kann,
Es ist bekannt, dass das eine schwierige und komplexe wie die mittelständische Struktur noch stärker berück-
Aufgabe ist; das ist gar keine Frage. Gleichwohl möchte sichtigt werden kann. Das wird ein wichtiger Punkt sein.
ich von Ihnen wissen: Welche unterschiedlichen Interes-
sen müssen hierbei Berücksichtigung finden? Da Sie auf Vizepräsidentin Petra Pau:
den von Frau von der Leyen initiierten Rentendialog, der Die nächste Frage stellt die Kollegin Daniela Kolbe.
sich hauptsächlich mit dem Thema Altersarmut beschäf-
tigt, verwiesen haben, möchte ich Sie fragen: Gibt es ei-
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD):
nen Fahrplan? Wann ist damit zu rechnen, dass uns die
Bundesregierung einen konkreten Vorschlag zur Anglei- Herr Minister, eine Bemerkung zum Thema Langzeit-
arbeitslosigkeit. Sie haben gesagt, sie sei in den alten wie
chung der Renten in Ostdeutschland an die in West-
in den neuen Bundesländern gleichermaßen ein Pro-
deutschland vorlegt? blem. Ich lade Sie herzlich ein, mit den Betroffenen und
den Kommunen in den neuen Ländern Gespräche über
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- die massiven Auswirkungen der Langzeitarbeitslosigkeit
nern: auf den sozialen Zusammenhalt in den neuen Ländern zu
führen. Als zuständiger Minister sollten Sie dieses Ge-
Es ist natürlich wichtig, zu bedenken, dass es sehr un-
spräch suchen.
terschiedliche, heterogene Rentenbiografien gibt. Mit
den beiden Komponenten – Rentenwert auf der einen Ich habe eine Nachfrage zum Fachkräftemangel, den
Seite und Hochwertungsfaktor auf der anderen Seite – Sie in Ihrem Bericht zu Recht ansprechen, wenn auch
haben wir zwei Stellschrauben. Die Annahme, dass eine nur kurz. Tatsächlich wird das ein Problem werden. Sie
generelle Angleichung der Rentensysteme – es geht um wollen intelligente Programme entwickeln, um dem
(B) eine Systemangleichung – automatisch zu höheren Ren- Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Einen Aspekt grei- (D)
ten in den neuen Ländern führen wird, ist ein Trug- fen Sie in Ihrem Bericht aber gar nicht auf: die Lohn-
schluss. Vielmehr müssen wir – und zwar zusammen mit unterschiede. In den neuen Ländern werden deutlich
den Ministerpräsidenten in den neuen Ländern – ange- niedrigere Löhne gezahlt, was zu Abwanderungen führt.
Ich hätte gerne Ihre Einschätzung dazu gehört. Könnte
sichts der Unterschiedlichkeit der Wirkungsweise dieser
der Lohnunterschied zwischen Ost und West etwas mit
beiden Komponenten sehr genau abwägen, welche mög- dem Fachkräftemangel in den neuen Ländern zu tun ha-
lichen Auswirkungen eine Änderung haben wird. Der ben?
Rentenwert Ost liegt bei 89 Prozent der Alterseinkom-
men in Westdeutschland; hier sind wir auf einem guten
Weg. Aber das größere Problem stellen die lückenhaften Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-
nern:
Arbeitsbiografien der Menschen dar, die in den 90er-
Jahren nach der Wiedervereinigung arbeitslos geworden Natürlich wird der Fachkräftemangel in ganz
sind. Denen muss unser Augenmerk in besonderer Weise Deutschland – ich muss es wieder sagen: in ganz
Deutschland – zu einem Problem und möglicherweise
gelten.
auch zu einem begrenzenden Faktor; das ist überhaupt
keine Frage. Deswegen müssen wir darüber nachdenken,
Vizepräsidentin Petra Pau: wie wir die Potenziale in unserem Land besser nutzen
Das Wort für die nächste Frage hat der Kollege können. Wir haben uns mit dem Thema sehr intensiv be-
fasst und verschiedene Entwicklungspfade eingeschla-
Stephan Kühn.
gen. Zum einen wollen wir die Schulabbrecherquote
deutlich reduzieren. Am liebsten wäre es uns, wenn wir
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sie kurzfristig halbieren könnten. Wir wollen zum ande-
Herr Minister, der Nachholbedarf der KMU gerade in ren die Erwerbstätigenquote erhöhen, indem wir noch
den Bereichen Forschung und Entwicklung wurde be- mehr für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Be-
ruf tun, und zwar im weitesten Sinn. Ich glaube, das ist
reits angesprochen. Sie haben eine Evaluierung der bis-
wichtig. Ich denke, erst danach sollte man über Zuwan-
herigen Förderprogramme vorgenommen. Mich interes-
derung aus dem Ausland nachdenken. Zuerst müssen wir
siert: Nachholbedarf wurde gerade mit Blick auf die das Potenzial in unserem Land ausschöpfen. Das ist das
Vernetzung mit den Hochschulen und die Stärkung der Entscheidende.
Forschungs- und Investitionskraft der KMU erkannt.
Wie wollen Sie künftig die Programmstruktur entspre- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ein-
chend anpassen? kommensunterschiede!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16387
Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich
(A) Was die Langzeitarbeitslosigkeit angeht, haben Sie Vizepräsidentin Petra Pau: (C)
mich, glaube ich, falsch verstanden. Ich habe gesagt: Für Das Wort hat die Kollegin Iris Gleicke.
jeden, egal wo er wohnt, ist Langzeitarbeitslosigkeit ein
Problem; das ist so.
Iris Gleicke (SPD):
Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, man müsse
Vizepräsidentin Petra Pau: mit Förderprogrammen der Bundesagentur für Arbeit
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Tiefensee. gegen die sich verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit an-
fördern. Aber Sie haben – das ist nun einmal die Wahr-
Wolfgang Tiefensee (SPD): heit – in den letzten zwei Jahren beim Eingliederungs-
titel ganz massiv gekürzt. Das bedeutet allein in diesem
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, mein Jahr für Ostdeutschland 600 Millionen Euro weniger.
erster Themenkomplex ist die Langzeitarbeitslosigkeit.
Ich teile Ihre Meinung nicht, dass ein Problem, das in Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es einen
Ost und West gleichermaßen vorhanden ist, in dem Be- Zusammenhang zwischen der Höhe der Rente und den
richt nicht auftauchen muss. Es muss insbesondere dann Einkommen bzw. den gebrochenen Erwerbsbiografien
auftauchen, wenn es signifikant für den Osten ist. Meine gibt. Deshalb möchte ich noch einmal nachfragen: Wel-
Fragen lauten: Wie schätzen Sie das Problem der Lang- chen Beitrag glaubt die Bundesregierung leisten zu kön-
zeitarbeitslosigkeit im Osten ein? Welche speziellen In- nen, um die Einkommensunterschiede – sie manifestie-
strumente werden Sie im Osten einsetzen? Könnten die ren sich bei 15 bis 30 Prozent – auszugleichen und somit
Instrumente, mit denen Sie die Langzeitarbeitslosigkeit Fortschritte im Hinblick auf die Renten und die zu er-
und ihre schlimmen Folgen beseitigen wollen, dem Pro- wartenden Alterseinkommen zu erzielen? Ich möchte
gramm „Kommunal-Kombi“ entsprechen? von Ihnen wissen: Wie wollen Sie angesichts der Kür-
zung der Mittel gegen die sich verfestigende Langzeit-
Zweiter Themenkomplex, die Angleichung der Ren- arbeitslosigkeit anfördern, damit die gebrochenen Er-
tensysteme. Sowohl im Koalitionsvertrag als auch bei werbsbiografien geschlossen werden können? Bitte
den Wahlversprechen der Frau Bundeskanzlerin spielte stellen Sie Ihre Pläne in diesem Zusammenhang dar.
die Angleichung der Rentensysteme bis 2013 – zumin-
dest wurde ein Vorschlag, der in diese Richtung zielt, un-
terbreitet – eine große Rolle. Ich gehe davon aus, dass Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-
das Wahlergebnis im Osten nicht zuletzt durch dieses nern:
Versprechen determiniert ist. Meine präzisen Fragen: Ich möchte darauf hinweisen, dass wir Arbeitsplätze
Wird die Frau Bundeskanzlerin und ihr Minister dieses insbesondere dadurch schaffen, dass wir die Unterneh-
(B) Wahlversprechen einlösen und einen Vorschlag zur An- men, die vor Ort erfolgreich sind, noch wettbewerbs- (D)
gleichung der Rentensysteme bis zum Jahre 2013 vorle- fähiger und noch internationaler machen. Diese Ansatz-
gen? Wann wird der Vorschlag unterbreitet? Welches ist punkte wählt die Bundesregierung. Wir betreiben
der Grundpfad der Lösung, die Sie vorschlagen? Wirtschaftsförderung auf breitester Front. Dazu gehört
die schon angesprochene Forschungsförderung, die den
Unternehmen Spielräume gibt und deren Wettbewerbs-
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-
fähigkeit verbessert. Dies hat Erfolg. Die zunehmende
nern:
Zahl der Beschäftigten in den neuen Ländern bedeutet
Ich will es noch einmal sagen: Wir führen einen sehr natürlich im Umkehrschluss, dass mehr Menschen aus
intensiven Dialog über das Thema Rente, auch mit den der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung kommen. Ich
Ministerpräsidenten in den neuen Ländern. Sie wissen, denke, das ist ein gutes Zeichen. Diese breite Wirt-
dass dieses Thema sehr komplex und sehr schwierig ist. schaftsförderung, durch die wir Arbeitsplätze in den
Das Problem ist so schwierig, dass nicht einmal die Re- neuen Ländern schaffen, ist der richtige Weg, auf dem
gierung, der Sie angehört haben, es lösen konnte. wir weitergehen müssen.
Wir werden alles daransetzen, vernünftige Lösungen
möglichst zeitnah auf den Weg zu bringen. Ob das schon Vizepräsidentin Petra Pau:
im nächsten Jahr gelingen wird, kann ich nicht beurtei- Die nächste Frage stellt der Kollege Tankred
len. Ich werde mit der Kollegin von der Leyen eng zu- Schipanski.
sammenarbeiten, weil das ein sehr wichtiges Thema für
die neuen Länder ist.
Tankred Schipanski (CDU/CSU):
Thema Langzeitarbeitslosigkeit. Ja, natürlich werden Herr Minister, Sie haben die Verbundforschung in den
spezielle Förderprogramme, die sich auf die Lösung des neuen Ländern, die Vernetzung von Wirtschaft und
Problems Langzeitarbeitslosigkeit konzentrieren, not- Hochschulen, angesprochen. Das BMBF hat Sonderfor-
wendig sein. Aber auch das, glaube ich, fällt unter das schungsprogramme zur Innovationsfähigkeit in den
Motto „Fordern und Fördern“. Wir müssen über die neuen Ländern aufgelegt, zum Beispiel das ZIM. Vor
Bundesagentur Förderprogramme auf den Weg bringen, kurzem hat das Wintersemester begonnen. In den neuen
durch die das Potenzial bei den Langzeitarbeitslosen ge- Ländern steigt die Zahl der Studienanfänger. Viele aus
hoben wird und die Qualifizierungs- und Arbeitskräfte- den westdeutschen Ländern studieren ganz bewusst in
lücken, die der demografische Wandel reißt, geschlossen den neuen Bundesländern. Wie können Sie sich das er-
werden. klären? Welche Ursachen hat das?
16388 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber (C)
nern: nicht für die gleiche Arbeit! Es gibt doch Ost-
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Zahlen und Westtarife! Das müssen Sie doch mitbe-
beeindruckend sind. In Mecklenburg-Vorpommern kom- kommen haben!)
men weit über 40 Prozent, in Sachsen fast 30 Prozent der Entscheidend ist, dass wir eine Gleichwertigkeit der Le-
Studierenden aus den alten Bundesländern. Das beweist, bensverhältnisse erreichen. Das ist nach wie vor unser
dass die Hochschulen in den neuen Ländern nicht nur Ziel.
durch ihr Studienangebot, sondern auch durch ihre Aus-
stattung – das wird von vielen Studenten immer wieder
betont – für alle Studierenden sehr attraktiv sind. Ich Vizepräsidentin Petra Pau:
denke, es sollte uns mit Freude erfüllen, dass wir auf Das Wort hat die Kollegin Maria Michalk.
diese Art und Weise einen Beleg dafür bekommen, wie
angesehen die Hochschullandschaft in den neuen Län- Maria Michalk (CDU/CSU):
dern ist. Herr Minister, auch ich bedanke mich für den Bericht.
(A) Vizepräsidentin Petra Pau: nicht die Verschärfung des Problems und damit eben (C)
Für eine weitere Nachfrage hat der Kollege Stephan doch der Ausstieg aus der Zielsetzung „Angleichung der
Kühn das Wort. Lebensverhältnisse“?
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-
Herr Minister, jeder Minister, der für die neuen Län- nern:
der zuständig ist, muss sich mit dem Thema „Altschul- Liebe Frau Gleicke, anders als in kommunistischen
den ostdeutscher Wohnungsunternehmen“ beschäftigen. und sozialistischen Systemen werden Löhne in Deutsch-
Die derzeitige Regelung läuft 2013 aus. Wohnungsunter- land nicht durch ein Gesetz vorgegeben,
nehmen, die die Altschuldenhilfe nach dem bisherigen
Prinzip nicht in Anspruch nehmen können, haben, was (Iris Gleicke [SPD]: Lohnuntergrenze!)
ihre Investitionskraft angeht, große Probleme. Mit Blick sondern es gibt sogenannte Tarifpartner, nämlich die Ar-
auf die energetische Sanierung, die wir an verschiedenen beitgeber und die Arbeitnehmer.
Gebäuden noch vornehmen müssen, brauchen wir ihre
Investitionskraft allerdings. Daher die Frage: Wird die (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Mindest-
Bundesregierung eine Anschlussregelung zur derzeiti- löhne in England! Sozialistisches Land?)
gen Altschuldenhilfe vorlegen? Beide verhandeln über Tarifverträge – übrigens sehr er-
folgreich seit vielen Jahrzehnten –, nach denen die Be-
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- zahlung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer er-
nern: folgt. Diese Tarifverträge sind auch danach ausgerichtet,
Die Altschulden sind schon immer ein Problem gewe- dass die Zukunftsfähigkeit der Arbeitsplätze vor Ort und
sen, dem sich in der Vergangenheit viele Förderpro- die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der jewei-
gramme gewidmet haben. Im Rahmen des Aufbaus Ost ligen Branche sichergestellt werden können.
haben wir in einigen Ländern einen Großteil der bereit-
gestellten Mittel insbesondere dafür verwendet, die Alt- Wir haben nicht vor, an dieser erfolgreichen Art,
schuldenproblematik in den Griff zu bekommen. Dies Löhne und Tarife zugunsten der Arbeitnehmerinnen und
wird auch in Zukunft auf jeden Fall eine der großen He- Arbeitnehmer in Deutschland auszuhandeln, etwas zu
rausforderungen sein. Aber ich darf Sie darauf hinwei- ändern.
sen, dass gerade der Gebäudebestand in den neuen Län- (Beifall des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser]
dern energetisch besonders hochwertig saniert ist, was [FDP] – Ulrich Kelber [SPD]: Wer ist denn
nicht zuletzt daran liegt, dass wir dort in der Vergangen- „wir“? Die Bundesregierung? – Wolfgang
(B) (D)
heit besonders viele Sanierungen durchgeführt haben. Tiefensee [SPD]: Wer ist „wir“? – Dr. Dagmar
Insofern kann ich Sie beruhigen: In den neuen Ländern Enkelmann [DIE LINKE]: Die Bundesregie-
haben wir schon einen sehr, sehr hohen energetischen rung hat keine Ahnung!)
Standard erreicht. Das sollte uns alle eigentlich froh und
glücklich machen. – „Wir“ ist die Bundesregierung.
(A) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Meinung in Deutschland in zehn Tarifbranchen Mindest- (C)
Wir versuchen es weiter. – Das mit den Mindestlöh- löhne gibt, die durch die Regierung für allgemeinverbind-
nen oder wie auch immer Sie das nennen, müssen Sie lich erklärt wurden. Diese Mindestlöhne gelten bindend
natürlich bei sich klären. für 4,5 Millionen Arbeitnehmer in Gesamtdeutschland.
Wir wären alle viel weiter, wenn in den sieben Jahren rot-
(Christian Ahrendt [FDP]: Fragen!) grüner Regierung auch nur ein Mindestlohn für allge-
Bitte nehmen Sie aber zur Kenntnis, dass Mindestar- meinverbindlich erklärt worden wäre. Da haben Sie ein
beitsbedingungen durchaus nicht nur zwischen den Ta- riesiges Manko.
rifpartnern ausgehandelt werden, sondern sehr oft auch (Iris Gleicke [SPD]: Das ist nicht Ihr Ernst!)
in Gesetzen festgeschrieben sind. Das ist also kein sehr
gutes Argument. Ich möchte gerne auf etwas hinweisen. Herr Minister,
Sie sprachen von einer Arbeitslosenquote von 7,8 Prozent
Ich möchte noch einmal auf die Lohnunterschiede in Thüringen, die damit genau so niedrig wie in Nord-
und den Fachkräftemangel zurückkommen. Sie haben rhein-Westfalen ist. Es gibt in Ihrem Bericht durchaus ein
hier immer sehr ausweichend geantwortet und so getan, Manko: Bei einer Arbeitslosenquote von 7,8 Prozent in
als sei das ein Grund unter vielen. Ich rate Ihnen, sich Thüringen sind dort bezogen auf 100 Beschäftigungsfä-
zum Beispiel einmal im Erzgebirge umzuschauen, wo hige wesentlich mehr Menschen in Beschäftigung als in
schon jetzt über einen massiven Fachkräftemangel ge- Nordrhein-Westfalen und auch als in Süddeutschland.
klagt wird. Die dortigen Unternehmer hatten sich er- Das hat etwas mit der Arbeitsplatzdichte in den neuen
hofft, dass von der Arbeitnehmerfreizügigkeit ein Impuls Ländern, besonders in Thüringen und Sachsen, zu tun.
ausgeht und Zuwanderung stattfindet. Nehmen Sie zur
Kenntnis, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Regio- (Iris Gleicke [SPD]: Was ist mit den Pend-
nen mit niedrigen Löhnen überhaupt keine Wirkung ent- lern?)
faltet hat, dass es dort auf diesem Wege keine Zuwande-
Vielleicht könnte das beim nächsten Jahresbericht etwas
rung gegeben hat, weil die Personen direkt in andere
stärker herausgearbeitet werden, damit diese freudige
Regionen wandern, und dass der Fachkräftemangel
Nachricht nicht nur bei der Opposition, sondern auch im
durchaus etwas mit Löhnen zu tun hat?
Lande verbreitet wird.
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- (Zustimmung bei der CDU/CSU sowie bei
nern: Abgeordneten der FDP)
Frau Kollegin, ich weiß jetzt nicht, aus welcher Re-
gion Sie kommen. Aber wenn Sie nicht direkt aus dem Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-
(B) (D)
Erzgebirge kommen, dann vermute ich, dass ich mich nern:
dort schon öfter umgeschaut habe als Sie. Herr Grund, ich teile Ihre Beurteilung des kläglichen
Ergebnisses der rot-grünen Regierung in Bezug auf Min-
(Lachen bei der SPD – Daniela Kolbe [Leip-
destlöhne.
zig] [SPD]: Das glaube ich nicht!)
(Sönke Rix [SPD]: Unglaublich! – Daniela
Ich kann Ihnen sagen: Es ist natürlich ein großes Pro-
Kolbe [Leipzig] [SPD]: Unglaublich!)
blem, das sich in vielen Bereichen ein Fachkräftemangel
abzeichnet, insbesondere im Bereich des Handwerks, Ich gebe zu, dass wir die Dichte der Beschäftigung,
dass viele Unternehmen und Betriebe nach Lehrlingen also die Erwerbsquote vor Ort, gesondert auswerfen
suchen. Laut der Statistik, die in dieser Woche veröffent- könnten, weil das natürlich ein Hinweis darauf ist, dass
licht wurde, können viele offene Lehrstellen nicht be- wir das Potenzial dort offenkundig noch besser als in an-
setzt werden. Das ist ein generelles Problem; das ist deren Bereichen nutzen. Es muss gemeinsam unser Ziel
überhaupt keine Frage. Deswegen müssen wir alles tun, sein, das Potenzial in Deutschland zu nutzen, bevor wir
um unsere jungen Leute optimal zu qualifizieren, die nach Potenzial von außen rufen.
Schulabbrecherquote zu reduzieren, soweit das geht, und
die Potenziale zu nutzen. Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir müssen uns allerdings auch mit der Tatsache ab- Die letzte Frage stellt der Kollege Volkmar Vogel.
finden, dass der demografische Wandel eben so ist, wie
er ist, dass in 50 Jahren insgesamt 17 Millionen Men- Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU):
schen weniger in Deutschland leben werden und dass Herr Minister, Sie haben gesagt: Die Entwicklung der
von den dann 65 Millionen Menschen im Schnitt viele Infrastruktur im Allgemeinen und die Verkehrsprojekte
erheblich älter als heute sein werden. „Deutsche Einheit“ im Besonderen sind eine Erfolgsge-
schichte für unser Land und insbesondere ein Segen für
Vizepräsidentin Petra Pau: diejenigen, die in den ostdeutschen Bundesländern le-
Die nächste Frage stellt der Kollege Manfred Grund. ben.
Wir haben einen enormen Erfahrungsschatz gesam-
Manfred Grund (CDU/CSU): melt, insbesondere wenn es um die beschleunigten Ver-
Herr Minister, ich möchte der guten Ordnung halber fahren geht, wenn es darum geht, etwas schnell umzuset-
darauf hinweisen, dass es entgegen der hier verbreiteten zen. Die DEGES GmbH hat sich dafür über die Jahre
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16391
Volkmar Vogel (Kleinsaara)
(A) bewährt. Sie haben das immer positiv begleitet. Wie se- diese bis zum Volksbegehren am 27. November 2011 zu über- (C)
hen Sie die Chancen und Möglichkeiten, jetzt diesen prüfen?
enormen Erfahrungsschatz vor allen Dingen in den west- Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
deutschen Bundesländern einzusetzen, wo es einen enor- sekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung.
men Nachholbedarf gibt? Gerade vor dem Hintergrund,
dass Planungsverfahren da über einen unendlich langen Bitte, Herr Staatssekretär.
Zeitraum gelaufen sind, können die Erfahrungen, die wir
über die letzten 20 Jahre gesammelt haben, eingesetzt Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
werden. Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Frau Präsidentin! Hochgeschätzte Frau Kollegin
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- Enkelmann, der Bundesregierung liegen keine internen
nern: Berechnungen des Landes Baden-Württemberg zu Stutt-
Das ist absolut richtig. Vor allem die 17 Verkehrspro- gart 21 vor.
jekte „Deutsche Einheit“ haben einen wesentlichen Bei-
trag zum Aufbau in den neuen Ländern und zu dieser Vizepräsidentin Petra Pau:
wirklich hervorragenden, auch ökonomischen Entwick- Ihre erste Nachfrage, bitte.
lung geleistet, die wir jetzt sehen.
Die Erfahrungen, die man gemacht hat – das war von Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Anfang an anders konzipiert als das, was wir in den alten Ihnen liegen also keine internen Berechnungen vor.
Bundesländern an Verwaltungsstrukturen kannten –, Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Pressemeldungen,
sind natürlich ein wichtiger Schatz. Ich denke, dass das die darauf aufmerksam machen – und im Übrigen von
Vorbild für manche Landesregierung sein wird, die ent- der baden-württembergischen Regierung bisher nicht de-
scheiden muss, wie sie künftig ihre Strukturen organisie- mentiert worden sind –, dass es nahezu eine Verdoppe-
ren will. lung der Kosten geben wird. Die Frage ist: Wer trägt
diese Mehrkosten, die entstehen? Es geht immerhin um
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- die Volksabstimmung am 27. November, und ich finde,
neten der FDP) die Bürgerinnen und Bürger sollten schon vor dieser
Volksabstimmung wissen, was tatsächlich auf sie zu-
Vizepräsidentin Petra Pau: kommt.
Danke, Herr Minister.
Vizepräsidentin Petra Pau:
(B) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- (D)
Bitte, Herr Staatssekretär.
nern:
Frau Präsidentin, es war mir eine Freude. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Kollegin Enkelmann, ich will hervorheben, dass
Weitere Fragen oder sonstige Fragen an die Bundesre- sich die Bundesregierung nicht in die organisatorischen
gierung wurden mir nicht signalisiert. Ich beende die Be- Fragen und die Neuorganisation einer Landesregierung
fragung. einmischt. Somit kann ich auch Ihre Bemerkung nicht
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: kommentieren.
Ulrich Kelber
(A) noch Feinjustierungen abseits der Kernentscheidungen ortbroschüre, die in nächtlicher Eile gefertigt worden ist (C)
geben? und deren Widersprüchlichkeit in der Tat – sozusagen
selbst lesend und erkennend – nicht aufgelöst werden
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- konnte. Es lag ein Datenübertragungsfehler vor, der den
desminister der Verteidigung: Verbleib des Luftwaffeninstandhaltungsregiments 2 be-
Das Ministerium ist das Ministerium, und die Ämter troffen hat, das gleichzeitig in Schönewalde ausgebracht
sind die Ämter. worden war, weil allerdings die Entscheidungen über die
Struktur der Luftwaffe überhaupt und im Hinblick auf
(Sebastian Edathy [SPD]: Das hilft jetzt wei- die Hubschrauber vom Typ CH-53, die als Teilstreitkraft
ter!) zukünftig komplett der Luftwaffe zugerechnet werden,
Ich kann übrigens die Sorge, dass die Ämter an der sehr intensiv diskutiert worden waren. Ich halte über-
Rheinschiene und im Raum der ehemaligen Bundes- haupt nichts davon, solche Dinge nicht zu korrigieren.
hauptstadt und heutigen Bundesstadt Bonn volatil gese- Das ist passiert: Es wurde in der weiteren Broschüre zah-
hen würden, verstehen. Ich kann Sie aber beruhigen. lenmäßig korrigiert.
Meine Erfahrung mit der Darstellung der Entscheidun- Ich halte auch nichts davon, diejenigen, die nachts bis
gen zu den Strukturen der Standorte der Bundeswehr seit zur Erschöpfung an diesem Thema gearbeitet haben, in
dem 26. Oktober ist eher, dass man sich zum Argumen- irgendeiner Weise zur Verantwortung zu ziehen. Das ist
teur für den Verbleib von Dienstposten in erheblichem ein Punkt, eine Unschärfe, die insbesondere in Diepholz
Ausmaße im Bereich Bonn und der Rheinschiene insge- keine Freude ausgelöst hat; dafür habe ich jedes Ver-
samt machen muss; das tue ich sehr gerne. Daraus ist zu ständnis. Herr Kollege, falls jemand gesucht wird, der
schließen, dass die Ämterstrukturen, wenn die Ämter dafür verantwortlich gemacht werden soll, bitte ich,
erst einmal ihre neuen Funktionen eingenommen haben, mich zu nehmen. Die Mitarbeiter will ich hier komplett
so bleiben, wie sie sind. aus der Diskussion heraushalten; sie haben hervorragend
gearbeitet.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Der Kollege Schäfer hat eine Nachfrage. Bitte. Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben die Möglichkeit zu einer Nachfrage.
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Herr Staatssekretär, ich muss auf die Frage vorher zu-
rückkommen. In Ihrem Stationierungskonzept ist für Sebastian Edathy (SPD):
Bonn im Saldo ein Plus von circa 200 Dienstposten aus- Herr Staatssekretär, ich habe gar keine Vorwürfe ge-
(B) gewiesen. Noch einmal meine Frage: Sind in diese Zahl genüber Mitarbeitern erhoben. (D)
die Abschichtungen bzw. die Verlagerungen im Rahmen (Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister:
des Ministeriums eingerechnet oder nicht? Das war die Danke schön!)
Frage; die hätten wir gerne beantwortet.
Nur stellt sich hier schon die Frage, ob es sich wirklich
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- nur um ein Versehen gehandelt hat. Deswegen möchte
desminister der Verteidigung: ich gerne von Ihnen wissen: Wie bewerten Sie die im
Herr Kollege, ich habe gesagt: Das Ministerium ist Folgenden wiedergegebenen Ausführungen von Herrn
das eine, die Stationierungsentscheidung ist das andere. Lüth, dem Kommandeur des Luftwaffeninstandhaltungs-
Das Ministerium ist bei den Entscheidungen zur Statio- regiments, das jetzt von Diepholz nach Brandenburg
nierung bei der Bundeswehr nicht mit eingerechnet. verlegt werden soll? Im Diepholzer Kreisblatt vom
3. November heißt es:
Vizepräsidentin Petra Pau: Seine Empfehlung aus fachlicher, einsatz- und füh-
Die Fragen 7 und 8 der Kollegin Katja Dörner werden rungstechnischer Sicht habe den Erhalt der Fähig-
schriftlich beantwortet. keiten des Luftwaffen-Instandhaltungsregiments 2
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Sebastian Edathy mit seinem Stab und der Hubschrauberwerft am
von der SPD-Fraktion auf: Standort Diepholz vorgesehen, betonte Lüth: „Bis
Mittwoch, 26. Oktober 2011, war der Standort
Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass in der
vom BMVg am 26. Oktober 2011 veröffentlichten Aufstel-
Diepholz in der logistischen Planung eine feste
lung der standortbezogenen Bundeswehrdienstpostenverände- Größe. Dies macht für mich auch die fehlerbe-
rungen die Zielgröße von 530 Dienstposten für den nieder- haftete Ausgabe des Stationierungskonzeptes deut-
sächsischen Standort Diepholz genannt wird, diese nun aber lich.“
laut Auskunft des BMVg tatsächlich auf unter 200 sinken
soll? Die Beschäftigten des Standortes – auch er … –
Bitte, Herr Staatssekretär. fühlten sich gegenwärtig „verkauft und verraten“,
da es keine Vorabinformationen und keine Hin-
weise gegeben habe, sagte Oberst Lüth gestern
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Abend in der öffentlichen Sondersitzung des Rates.
desminister der Verteidigung:
Herr Kollege, die Frage, die Sie stellen, bezieht sich Wie bewerten Sie die sehr deutlichen Aussagen eines
auf missverständliche Zahlendarstellungen in der Stand- höherrangigen Bundeswehroffiziers?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16401
(A) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
desminister der Verteidigung: desminister der Verteidigung:
Zum Ersten bewerte ich die Aussage, die bei der Son- Kollege, vielen Dank für diese Frage; denn jeder, der
dersitzung des Rates gefallen ist. Ich weiß nicht, wann die Zahlen vor sich liegen hat, muss sie bewerten.
das war; ich vermute, einen Tag oder zwei Tage nach Be-
In der Tat sind die linksspaltigen Zahlen die Sollzah-
kanntgabe der Entscheidung.
len der Bundeswehr. Sie gestatten, dass ich „Struck-
(Sebastian Edathy [SPD]: Am 2. November!) Bundeswehr“ sage, da die letzte Reform diejenige von
Verteidigungsminister Struck war: 250 000 plus 2 500
– Am 2. November, also einige Tage danach. – Sie ist Wehrübende.
mit Blick auf die Aufregung, die Echauffage nachvoll-
ziehbar. Dafür habe ich jedes Verständnis. Allerdings spiegeln viele Istzahlen nicht die wahre Si-
tuation wider. Der wichtigste Grund ist der, dass keine
Zum Inhalt allerdings muss ich bei allem Respekt vor Wehrpflichtigen mehr da sind. Deswegen findet in vielen
Herrn Oberst sagen: Er ist nicht einmal Teil derer, die die Bereichen auch keine Ausbildung in entsprechendem
Vorlage für die Entscheidung gemacht haben. Er spricht Ausmaß mehr statt.
das Problem an, dass die Sichtweise, die er aus seinem
Daher sind die Rückgänge in den nächsten Jahren re-
teilstreitkräftigen Teil hat, nicht identisch ist mit der
aliter weitaus geringer. Denn ein relativ großer Teil ist
Sichtweise der Inhaber der Befehls- und Kommandoge-
vor allem durch die Entscheidung, die Wehrpflicht aus-
walt sowie der politischen und militärischen Leitung,
zusetzen, bereits eingetreten.
deren Aufgabe es ist, die Dinge gegeneinander- bzw.
übereinanderzulegen. Insoweit habe ich Verständnis. In-
haltlich hat er nicht recht. Vizepräsidentin Petra Pau:
Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Katja
Vizepräsidentin Petra Pau:
Keul das Wort.
Ihre zweite Nachfrage. Bitte.
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Schmidt, ich
Sebastian Edathy (SPD): möchte auf den Standort Diepholz zurückkommen. Sie
Herr Staatssekretär, können Sie mir mitteilen, in wel- haben gerade gesagt, dass der Standortälteste in Diep-
cher Höhe in den letzten Jahren Investitionen am Bun- holz nicht zu denen gehörte, die die Entscheidung zu
deswehrstandort Diepholz getätigt worden sind? treffen hatten. Daher könne er eine andere Sichtweise
(B) haben. Das mag so sein. (D)
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- Ich erinnere mich aber daran, dass uns etwa vor einem
desminister der Verteidigung: halben Jahr vom Ministerium und vom Minister persön-
Herr Kollege, das kann ich leider nicht. Ich werde Ih- lich angekündigt wurde, er werde über die zukünftige
nen das schriftlich nachreichen. Struktur bis zum 26. Oktober entscheiden. Aber selbst-
verständlich sollten auch die Basis vor Ort und das
(Sebastian Edathy [SPD]: Danke!) Fachwissen der entsprechenden Kommandeure und
Standortältesten einbezogen werden. Eine solche Basis-
Vizepräsidentin Petra Pau: beteiligung freut uns immer besonders.
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Dr. Bartels. Aber wie kann es sein, dass an dieser Stelle gerade
diejenigen, die dort Vorschläge und Vorlagen gemacht
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): haben, am Ende davon so überrascht sind, dass ihre Vor-
lagen offensichtlich kein Gehör gefunden haben?
Herr Staatssekretär, zur Vervollständigung der Kor-
rekturen dieser Liste der Stationierungsentscheidungen,
die uns zugegangen ist, möchte ich auf den Standort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Plön hinweisen, der ausweislich dieser Liste – linke desminister der Verteidigung:
Spalte – von 940 Dienstposten auf circa die Hälfte, Frau Kollegin, das lässt sich bei solchen Entscheidun-
490 Dienstposten, reduziert wird. gen leider nie ausschließen.
Wenn man sich jedoch die Veränderungen bei den Noch viel „schlimmer“ ist – ich bitte, das nicht wer-
Dienststellen genauer anschaut, sieht man: Alles bleibt tend zu sehen –, dass Fachleute, auch militärische Fach-
genau so, wie es ist. leute, mit jeweils gleicher Expertise zu unterschiedli-
chen Ergebnissen kommen. Ich habe hohen Respekt vor
Wenn man nachfragt, wie viele Dienstposten jetzt allen Kommandeuren, auch vor dem Diepholzer Stand-
vorhanden sind, erhält man als Antwort: Etwas mehr als ortältesten. Er hat sicherlich nach bestem Wissen und
490. – Diese Anzahl reduziert sich natürlich etwas, da Gewissen seine Vorschläge gemacht.
auch die Bundeswehr insgesamt etwas kleiner wird.
Gehen Sie bitte davon aus, dass es übergelagerte an-
Wie kommen solche Zahlen zustande? Woher kom- dere Überlegungen gegeben hat, die die guten Argu-
men diese alten Zahlen? mente dann nicht zum Zuge haben kommen lassen.
16402 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C)
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Sebastian Edathy desminister der Verteidigung:
auf: Herr Kollege Edathy, die Bundesregierung nimmt
Wann und durch wen werden Entscheidungen über die grundsätzlich zu Presseartikeln, in welchen Magazinen
weitere Nutzung des Standortes Diepholz sowie über belast- oder Zeitungen auch immer, keine Stellung.
bare Dienstpostenzahlen getroffen und mitgeteilt?
(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: So ist es
Bitte, Herr Staatssekretär. recht! – Sebastian Edathy [SPD]: Aber zum
Oberst haben Sie das vorhin gemacht!)
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- – Der Oberst hat sich ja auch in seiner dienstlichen
desminister der Verteidigung: Funktion geäußert.
Die Entscheidungen sind im Rahmen der Stationie-
rungsklausur am 25. Oktober in Berlin getroffen worden. Ich möchte übrigens darauf hinweisen, dass ich Ihre
Die Druckfassung und die Onlinefassung der Stationie- Frage falsch verstanden habe. Die Mitarbeiter haben das
rungsbroschüre wurden inzwischen der Entscheidung bestens vorbereitet.
des Bundesministers zum Standort Diepholz angepasst.
Sebastian Edathy (SPD):
Vizepräsidentin Petra Pau: 120 oder 50 Dienstposten?
Ihre erste Nachfrage, bitte.
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
Sebastian Edathy (SPD): desminister der Verteidigung:
Herr Staatssekretär, jetzt muss ich doch Ihre Mitarbei- Ich kann Ihnen das nicht sagen.
ter rügen, was ich vorhin vermieden habe. Ich habe nicht
gefragt, wann die Entscheidungen getroffen wurden, Vizepräsidentin Petra Pau:
sondern wann mit konkreten Entscheidungen bezüglich Kollege Edathy, ist das jetzt schon Ihre zweite Nach-
der künftigen Dienstpostenzahlen zu rechnen ist. Ich will frage?
begründen, warum ich diese Frage gestellt habe, nicht
bezogen auf die Vergangenheit, sondern ausweislich des Sebastian Edathy (SPD):
Wortlautes meiner Frage bezogen auf die Zukunft.
Ja, das ist die zweite Nachfrage. Bei der ersten Nach-
Sie hatten den Kollegen hier im Bundestag Ende Ok- frage habe ich meine Frage wiederholt, weil sie nicht be-
(B) tober bezüglich des Standortes Diepholz eine Übersicht antwortet wurde. (D)
zugeleitet – fälschlicherweise, wie sich herausgestellt
hat –, nach der es bis dato 1 020 Dienstposten gibt und Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
künftig 530 Dienstposten geben soll. Mitte der vorletz- desminister der Verteidigung:
ten Woche hat sich Ihr Haus korrigieren müssen. Es Ich empfehle, dass wir uns nicht in eine Diskussion
wurde darauf hingewiesen, dass es 120 Dienstposten über etwas hineinbegeben, was sich nach der Feinaus-
gibt. planung vielleicht etwas anders darstellt. Wem ist damit
Jetzt entnehme ich der Lokalpresse aus dem Diephol- gedient? Gedient ist damit, dass zeitnah Klarheit ge-
zer Kreis folgende Aussage, zu der ich Sie bitte, Stellung schaffen wird. Die Umzugsplanung für den Standort
zu nehmen, weil das auch für die Region interessant ist. Diepholz wird im ersten Quartal des Jahres 2012 vorge-
Es handelt sich um eine Aussage, die im Bremer Weser- legt werden können. Auch die Frage der Konversion, die
Kurier am 29. Oktober veröffentlicht wurde. Ein Spre- sich stellen mag, wird dann zu diskutieren sein, wenn ge-
cher der Stadt Diepholz wird folgendermaßen wiederge- wünscht, auch schon in Gesprächen vorher.
geben – Zitat –: Seitens des Verteidigungsministeriums sind wir jetzt
Im Materiallager sind niemals 200 Menschen dafür zuständig, dass wir aus Fürsorgepflicht den Mitar-
beitern gegenüber, aber auch zur Erhaltung der militäri-
– oder 120 – schen Einsatzfähigkeit die Umzugsplanung und den zeit-
lichen Ablauf festlegen. Wenn es gestattet ist, würde ich
beschäftigt, höchstens 40 bis 50 – und davon die
all diejenigen, die mit Zahlen vor und zurück hantieren
meisten zivil.
und diese bewerten, bitten, das einzustellen. Das gebietet
Laut Sprecher bleiben insgesamt vielleicht 10 bis 15 Sol- der Respekt gegenüber den Mitarbeitern.
daten in Diepholz. (Sebastian Edathy [SPD]: Man sollte keine
Es gab also nicht 120 Beschäftigte, sondern 50 Be- Zahlen nennen, wenn man nicht will, dass sie
schäftigte. Das sorgt natürlich für zusätzliche Irritatio- hinterfragt werden!)
nen. Selbst wenn der Standort weiterhin 120 Dienstpos- – Sie haben sie aus einer Zeitung zitiert. Das sind nicht
ten behalten sollte, würde das bedeuten, dass die Zahl Ihre Zahlen.
der Dienstposten um 90 Prozent gekürzt wird, Herr
Staatssekretär, was die Zukunftsfähigkeit des Standorts (Sebastian Edathy [SPD]: Ihre Zahlen stim-
prinzipiell infrage stellen würde. men offenkundig nicht!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16403
(A) Karin Evers-Meyer (SPD): sind bzw. mir nicht präsent sind. Der Zeitpunkt der Ver- (C)
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Welchem Ge- lagerung steht noch nicht fest. Er wird jetzt in der Aus-
schwader werden die 20 Eurofighter zugeordnet? führungsplanung festzulegen sein. Dabei wird sicherlich
auf ein möglichst kostenschonendes und auch mitarbei-
Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bun- terschonendes Verfahren und darauf zu achten sein, dass
desminister der Verteidigung: es eine Übergangszeit geben wird.
Ich bitte, die Antwort auf diese Frage schriftlich nach-
reichen zu können. Ich weiß das schlicht nicht. Ich weiß Vizepräsidentin Petra Pau:
nur, dass das Flugzeuge sind, die fliegen. Wohin sie ge- Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach-
hören, das weiß ich nicht. frage.
Sönke Rix (SPD): Die Fragen 20 und 21 der Kollegin Caren Marks wer-
den schriftlich beantwortet.
Also gibt es keine wirkliche Aktion, darüber aufzu-
klären. – Meine zweite Frage ist: Wird über die Rege- Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Stefan
lung hinsichtlich des Kindergeldes, die ja wohl rückwir- Schwartze von der Fraktion der Sozialdemokraten auf:
kend in Kraft treten soll, eindeutig aufgeklärt? Was ist unter der Aussage in der Pressemitteilung zur
Übergabe des Achten Familienberichts am 28. Oktober 2011
zu verstehen, wonach „vorhandene Reserven bei der Verwen-
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- dung von Zeit auf eine sozialverträgliche Weise nutzbar ge-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: macht werden“ sollen, und welche entsprechenden Maßnah-
men schlägt die Bundesregierung vor?
Es gibt eine eindeutige Aufklärung, ja.
Bitte schön, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
Wir kommen zur Frage 19 des Kollegen Sönke Rix:
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Wie ist der Sachstand bezüglich der Ausgestaltung des Die Bundesministerin, Frau Dr. Schröder, hat im Juli
Seminarangebots für Bundesfreiwilligendienstleistende über
27 Jahre?
2010 eine unabhängige Kommission aus Wissenschaft-
lern damit beauftragt, diesen Bericht vorzulegen. Er ist
Bitte, Herr Staatssekretär. vorgelegt worden und enthält Eckpunkte dafür, wie es
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16407
Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
(A) Familien erleichtert werden kann, auch unter veränder- Stefan Schwartze (SPD): (C)
ten gesellschaftlichen Verhältnissen Zeit für familiäre Wir durften in dieser Woche die Stellungnahmen zum
Verantwortung zu finden. Diese Eckpunkte sind auch Ausbau der Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen
veröffentlicht worden. verfolgen und haben erfahren, dass die Quote im Westen
bei unter 20 Prozent liegt. Sie teilen sicherlich die An-
Wie bei allen Berichten ist auch hier vorgesehen, dass
sicht, dass das Angebot der Kinderbetreuung gerade für
die Bundesregierung nach der Übergabe des Sachver-
junge Familien ganz wichtig ist.
ständigenberichts eine Stellungnahme dazu erarbeitet, in
der sie konkret Position bezieht. Diese Stellungnahme Was unternimmt die Bundesregierung, um erst einmal
wird gegenwärtig innerhalb der Bundesregierung abge- das 35-Prozent-Ziel zu erreichen, das damals vereinbart
stimmt. Anfang 2012 wird dem Deutschen Bundestag wurde? Darüber hinaus gibt es sehr deutliche Aussagen
dann der vollständige Achte Familienbericht vorgelegt. vom Städte- und Gemeindebund, dass die Nachfrage da,
Dann ist er tatsächlich öffentlich. Wie gesagt: Einige wo das 35-Prozent-Ziel erreicht wurde, nicht gedeckt ist.
Eckpunkte sind bereits veröffentlicht worden, damit Sie Welche Planungen hat die Bundesregierung in diesen
ungefähr die Richtung kennen, in die es geht, aber der Fällen?
gesamte Familienbericht ist derjenige, der die Stellung-
nahme der Bundesregierung enthält. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Vizepräsident Eduard Oswald: Sie wissen, dass damals die Vereinbarungen zwischen
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege. Bund und Ländern getroffen worden sind, dass 4 Mil-
liarden Euro vom Bund, 4 Milliarden von den Ländern
Stefan Schwartze (SPD): und 4 Milliarden Euro von den Kommunen bereitgestellt
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Können Sie genau werden. Wir haben auch Regelungen getroffen, wie Be-
angeben, wann wir mit der Stellungnahme des Familien- triebskosten erstattet werden können. Das galt zunächst
ministeriums rechnen können? für die Ausbauphase, dann später aber auch für die Zeit
nach Abschluss des Ausbaus.
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Das Konzept steht nach wie vor. Es ist in der Tat so,
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: dass es Hinweise darauf gibt, dass eine Quote von
Anfang nächsten Jahres. 39 Prozent in Anspruch genommen werden könnte.
Diese Planungen der Jugendhilfe werden vor Ort entwi-
Stefan Schwartze (SPD): ckelt. Wir glauben aber, dass wir diesen Bedarf aufgrund
(B) Anfang nächsten Jahres. der demografischen Entwicklung mit diesem Geld im (D)
Prinzip abdecken können. Wir haben eher das Problem,
dass wir Geldmittel zur Verfügung stellen und das eine
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
oder andere Bundesland, aus welchen Gründen auch im-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: mer – natürlich entstehen dabei auch Betriebskosten –
Ja. nicht schnell genug ausbaut.
Vizepräsident Eduard Oswald: Die Rechtsverpflichtung gibt es. Sie ist der Gesetzge-
Damit kommen wir, Herr Kollege Stefan Schwartze, ber eingegangen. Wir appellieren an die Länder. Wir ha-
zu Ihrer Frage 23: ben Zahlen veröffentlicht, um Transparenz zu schaffen.
Wir erleben eine lebhafte Debatte zu diesem Thema. Das
Welche zielführenden Lösungen schlägt die Bundesregie-
rung in Bezug auf familienunterstützende Dienstleistungen ist gut. In den Bundesländern muss ein Ausgleich statt-
vor, wenn sie von zu klärenden „Informations- und Kostenfra- finden, weil es Regionen gibt, in denen der Bedarf grö-
gen“ spricht (siehe Pressemitteilung zur Übergabe des Achten ßer ist. Wir haben nie gesagt, dass bei der Betreuung
Familienberichts am 28. Oktober 2011), und welche entspre- diese 35-Prozent-Quote erreicht werden muss, sondern
chenden Gesetzesinitiativen sind in Planung?
es sollen die Wünsche der Eltern berücksichtigt werden.
Bitte schön, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung. Dabei haben wir einen Durchschnittswert von 35 Pro-
zent angenommen. Wenn dieser Bedarf beispielsweise in
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Großstädten größer ist, dann ist die Landesebene dafür
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: zuständig, die Mittel so zu koordinieren, dass dort eine
Frage 23 bezieht sich ebenfalls auf den Familienbe- höhere Quote erreicht wird. Das ist die Aufgabe der Ju-
richt. Hier gilt das Gleiche wie das, was ich eben gesagt gendhilfeplanung. Auf diese hat der Bund praktisch kei-
habe: Die Bundesregierung wird dazu eine abgestimmte nen Einfluss.
Stellungnahme vorlegen. Diese ist dann zusammen mit
dem Sachverständigenbericht der Achte Familienbe- Vizepräsident Eduard Oswald:
richt. Er wird Anfang des nächsten Jahres vorgelegt. Zu Sie haben nun eine zweite Frage, Herr Kollege?
Einzelheiten kann ich logischerweise jetzt noch nichts
sagen. Stefan Schwartze (SPD):
Habe ich Sie richtig verstanden, dass bei einem Mehr-
Vizepräsident Eduard Oswald: bedarf die Mittel allein von den Ländern und Kommu-
Ihre erste Nachfrage, Kollege Stefan Schwartze. nen aufzubringen sind?
16408 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- (C)
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: minister für Gesundheit:
Wir werden sehen, ob es noch einen Mehrbedarf gibt. Der Entwurf des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes
Es ist so, dass die Länder im gleichen Umfang Mittel sieht eine Aufhebung der Verpflichtung zur Vereinba-
einsetzen müssen, wie sie der Bund nachweislich ein- rung ambulanter Kodierrichtlinien durch KBV und
setzt. Wir veröffentlichen regelmäßig die Zahlen, welche GKV-Spitzenverband vor. Nach bisher geltendem Recht
Mittel abgerufen werden. Es stehen weiterhin Gelder zur sollten KBV und GKV-Spitzenverband verpflichtende
Verfügung, die bis jetzt noch nicht abgerufen worden Vorgaben für die Angaben und Dokumentation der Be-
sind. Es ist so – das war vertraglich als Möglichkeit ver- handlungsdiagnosen vereinbaren.
einbart worden –, dass zunächst die Bundesgelder abge-
rufen und dann die Landesgelder eingesetzt werden kön- Die Daten über die Behandlungsdiagnosen sind uner-
nen. Gleiches gilt für die Gelder der Kommunen. So war lässlich für die jährlichen Verhandlungen über die An-
es vereinbart worden. Die meisten Länder haben das so passung der Gesamtvergütungen an die regionale Verän-
gemacht. Das ist zunächst einmal so in Ordnung. Aber derung von Morbidität und Demografie. Auch deshalb
diese Länder müssen in ihrem Haushalt jetzt dafür sor- ist eine richtige und vollständige Angabe der Behand-
gen, dass 2012 und 2013 die Mittel zur Verfügung ste- lungsdiagnosen sowie der erbrachten Leistungen uner-
hen, damit der Ausbau nicht stockt. lässlich. Hierfür sind ambulante Kodierrichtlinien aber
nicht zwingend erforderlich.
Hier gibt es einen Wettbewerb zwischen Ländern und
zwischen Kommunen. Es gibt Kommunen, die alle Vo- Zunächst sind die Ärzte und die weiteren Heilberufe
raussetzungen erfüllt haben. Andere Kommunen in ein bereits durch das Berufsrecht zur korrekten und vollstän-
und demselben Bundesland sind davon weit entfernt. digen Angabe der Diagnose verpflichtet. Außerdem
Dort, wo die Entscheidungen gefallen sind, muss das kann und soll die ärztliche Selbstverwaltung in der ge-
diskutiert werden. setzlichen Krankenversicherung wie bisher die Ärzte
und Psychotherapeuten durch Empfehlungen und Hin-
Vizepräsident Eduard Oswald: weise bei der Kodierung der Diagnosen unterstützen.
Vielen herzlichen Dank. – Das war der Geschäftsbe-
Schließlich enthält die amtliche deutsche Fassung der
reich des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Internationalen Klassifikation der Krankheiten bereits
Frauen und Jugend.
eine Anleitung zur Verschlüsselung insbesondere im Ab-
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- schnitt Zusatzinformationen. Diese Klassifikation ein-
ministeriums für Gesundheit. Hier steht die Parlamenta- schließlich der Hinweise zur Angabe von Diagnosen
(B) rische Staatssekretärin Frau Kollegin Ulrike Flach zur wird regelmäßig fortgeschrieben. Das Deutsche Institut (D)
Beantwortung zur Verfügung. für Medizinische Dokumentation und Information gibt
diese Klassifikation im Auftrag des Bundesministeriums
Wir kommen jetzt zur Frage 24 unserer Kollegin heraus. Das Kuratorium für Fragen der Klassifikation im
Bärbel Bas: Gesundheitswesen berät dabei.
Wie soll aus Sicht der Bundesregierung die Qualität ambu-
lanter Diagnosen, unter anderem als Grundlage für den morbi- Das Bundesversicherungsamt führt bereits für den
ditätsorientierten Risikostrukturausgleich der gesetzlichen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich eine Qua-
Krankenversicherung, GKV, sichergestellt werden, und wie
will die Bundesregierung die regionale Entwicklung der Mor- litätssicherung der RSA-relevanten Diagnosen durch.
biditätsstruktur der Versicherten als Maßstab der Weiterent- Ambulante Diagnosen werden nur dann berücksichtigt,
wicklung der ambulanten Gesamtvergütung etablieren, wenn wenn sie mit dem Qualifizierungsmerkmal G – das G
sie mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz die verbindliche steht für „gesichert“ – versehen sind.
Anwendung der ambulanten Kodierrichtlinien als einziges
flächendeckendes und qualitätsgesichertes Instrument zur Darüber hinaus muss die Diagnose für diesen Versi-
Messung der Morbiditätsentwicklung außer Kraft setzt?
cherten in einem weiteren Quartal desselben Kalender-
Bitte schön, Frau Kollegin. jahres dokumentiert oder durch eine relevante Arzneimit-
telverordnung bestätigt worden sein. Bei bestimmten
Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Diagnosen wird zusätzlich zu der Anforderung nach zwei
minister für Gesundheit: Diagnosen aus unterschiedlichen Quartalen eine Validie-
Vielen Dank, Herr Präsident. Wenn Sie gestatten, rung über Arzneimittelverordnungen vorgenommen. Das
würde ich gerne die Fragen 24 und 25 gemeinsam beant- heißt, Versicherte werden nur dann einer Morbiditäts-
worten. gruppe zugeordnet, wenn ihnen gleichzeitig ein dieser
Diagnose entsprechendes bestimmtes Arzneimittel ver-
ordnet worden ist. Das BVA kann zudem die Datenmel-
Vizepräsident Eduard Oswald: dungen der Krankenkassen insbesondere im Hinblick auf
Dann rufe ich auch die Frage 25 auf: die Meldung der Diagnosedaten und Arzneimittelkenn-
Welche alternativen qualitätsgesicherten Instrumente zur zeichen überprüfen.
Erhebung der Morbiditätsstruktur der Versicherten und deren
Veränderung sind der Bundesregierung bekannt, und wie be-
wertet die Bundesregierung die Auswirkungen dieser Instru- Vizepräsident Eduard Oswald:
mente auf die Entwicklung der Honorare in der ambulanten
Versorgung und die Funktion des morbiditätsorientierten Risi- Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Sie haben beide
kostrukturausgleichs der GKV? Fragen zusammen beantwortet, sodass die Frau Kollegin
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16409
Vizepräsident Eduard Oswald
(A) Bas jetzt entsprechende Zusatzfragen bzw. Nachfragen sierung. Wir haben ein Instrument, von dem wir glauben, (C)
stellen kann. – Bitte schön, Frau Kollegin Bas. dass wir mit ihm die Qualitätsanforderungen entspre-
chend erfassen. Wir haben damit ein Instrument, wel-
Bärbel Bas (SPD): ches dann die Durchschlagskraft hat. Beraten wird in
Danke, Frau Staatssekretärin. Ich habe in der Tat eine diesem Zusammenhang durch das Kuratorium für Fra-
Nachfrage. Sie wissen, dass wir im stationären Bereich gen der Klassifikation im Gesundheitswesen, KKG, wel-
mit dem DRG-System eine Art Kodierrichtlinie im sta- ches dazu beiträgt, dass die entsprechende Qualität her-
tionären Bereich eingerichtet haben. In diesem Zusam- gestellt wird.
menhang frage ich die Bundesregierung: Wie wirkt es
sich aus, dass im Versorgungsstrukturgesetz eine sektor- Vizepräsident Eduard Oswald:
übergreifende Bedarfsplanung vorgesehen ist, wenn es Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Das war die Be-
auf der einen Seite eine bundeseinheitliche Kodierricht- antwortung der Fragen unserer Kollegin Bärbel Bas. Da-
linie im stationären Sektor gibt, wir das aber auf der an- mit ist dieser Geschäftsbereich beendet.
deren Seite im ambulanten Bereich nicht vorgeben? Wa-
rum halten Sie Kodierrichtlinien im Krankenhausbereich Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
für erforderlich, im ambulanten Bereich in der Form ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
aber nicht? Hier steht uns zur Beantwortung der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung.
Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Stephan
minister für Gesundheit: Kühn werden schriftlich beantwortet.
Sehr geehrte Kollegin Bas, ich habe bereits gesagt, Wir kommen jetzt zur Frage 28 unseres Kollegen
dass es nicht zwingend erforderlich ist, die Kodierrichtli- Gustav Herzog:
nien einzusetzen. Wir erwarten von der ärztlichen
Wie viele Mittel sind im Rahmen der KV-Förderung streit-
Selbstverwaltung, die sich in der Vergangenheit ausge-
befangen in erster gerichtlicher Instanz, und in welcher Höhe
sprochen skeptisch gegenüber den ambulanten Kodier- stehen Mittel in zweiter Instanz der gerichtlichen Klärung
richtlinien geäußert hat, dass sie in eigener Initiative die zwischen Hafenbetreibern und der Wasser- und Schifffahrts-
notwendigen Hinweise und Empfehlungen gibt und dazu direktion zur Verfügung?
beiträgt, dass es zu einer ordnungsgemäßen Erfassung Bitte schön, Herr Staatssekretär.
kommt. Deswegen haben wir auch keine Bedenken im
Hinblick auf die zwei unterschiedlichen Sektoren.
Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
(B) Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: (D)
Vizepräsident Eduard Oswald:
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Bas.
Antwort ist wie folgt: Im Rahmen der KV-Förderung
betragen die streitbefangenen und von den Zuwen-
Bärbel Bas (SPD): dungsempfängern noch einzuzahlenden Mittel in erster
Ich möchte noch einmal nachfragen, wie es aus Sicht Instanz 5 429 826,18 Euro und in zweiter Instanz
der Bundesregierung ohne bundeseinheitliche Vorgaben 4 280 996,86 Euro.
gehen soll. Dass die Ärzte das nicht gerne sehen, ist völ-
lig klar. Aber ich finde, bundeseinheitliche Vorgaben Vizepräsident Eduard Oswald:
müssen sein. Denn es geht um einen Wettlauf: Wenn wir
Herr Kollege Herzog, Sie haben jetzt Ihre erste Nach-
mit dem Risikostrukturausgleich morbiditätsorientierte
frage.
Vergütungsanreize setzen, dann können wir das an der
Stelle nicht nur der Selbstverwaltung überlassen. Das ist
zumindest meine Auffassung. Deswegen frage ich noch Gustav Herzog (SPD):
einmal, wie die Bundesregierung das regeln will. Will Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Das sind schon
sie sich nur auf die Selbstverwaltung verlassen? Oder gewaltige Beträge. Deswegen fordere ich Sie auf, mir zu
sind, weil es um Vergütungsanreize geht, bundeseinheit- erklären, wie Ihr Kollege Staatssekretär Ferlemann mir
liche Regelungen nicht doch sinnvoll, damit es nicht zu zu der Problematik der Rückforderungen am 22. April
weiteren Verwerfungen zwischen stationärem und ambu- 2010 mitteilen konnte: Diese konnte jedoch bereits Mitte
lantem Bereich kommt? vergangenen Jahres in Gesprächen zwischen dem Bun-
desverband Öffentlicher Binnenhäfen, der WSD West
Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- und dem BMVBS beseitigt werden. – Also, die Proble-
minister für Gesundheit: matik ist beseitigt, und Sie sagen mir jetzt, dass es noch
Sehr geehrte Kollegin Bas, wir wollen nicht nur auf streitbefangene Beträge in einer Größenordnung von fast
die Selbstverwaltung setzen, aber wir setzen natürlich 10 Millionen Euro gibt. Können Sie mir das erklären?
schon sehr stark auf die Selbstverwaltung. Aber es gibt
im bestehenden System, nämlich in der Klassifikation Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
der ICD-10 – das ist eine amtliche Klassifikation –, die Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Möglichkeit, eine entsprechende Kodierung vorzuneh- Herr Kollege Herzog, genau das ist das Thema. Wir
men. Die ambulanten Kodierrichtlinien, die wir jetzt au- sind in einem laufenden Verfahren in erster und zweiter
ßer Kraft gesetzt haben, waren im Prinzip nur eine Präzi- Instanz. Sie wissen auch, dass das Ärgerliche an einem
16410 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Für mich geht es um ganz etwas anderes. Es geht für (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sie wissen ja gar
uns darum, dass die Weichen an dieser entscheidenden nicht, wovon Sie reden!)
Stelle jetzt nicht falsch gestellt werden. Es geht darum, Was die FDP anbelangt, so darf ich Ihnen die Aussage
dass wir mit der Einführung eines Betreuungsgeldes von Miriam Gruß aus dem Jahr 2008 im Bundestag zitie-
nicht Chancen aufs Spiel setzen, vor allem Chancen der ren:
Kinder, die der Betreuung in öffentlichen Einrichtungen
am dringendsten bedürfen. Das darf nicht geschehen. Mit dem Betreuungsgeld verstärken wir den Teu-
felskreis, in dem Kinder, die von zu Hause keine
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Chance auf frühe Bildung … haben, vom Kinder-
DIE GRÜNEN)
garten ausgeschlossen werden …
Sie aber sind dabei, genau das zu tun. Ich behaupte,
Sie wissen es sogar. Sie wissen es; denn ich habe Ihren (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
Rednern und Rednerinnen in der vergangenen Woche DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
genau zugehört. Da haben sie nicht über das Betreuungs- LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist
geld geredet – ganz ehrlich –; vielmehr haben wir mitei- schon drei Jahre her!)
nander geredet auf zahllosen Veranstaltungen, Festakten, Meine Damen und Herren, ich will ja nur daran erin-
Kongressen, Tagungen. Anlass war: 50 Jahre Anwerbe- nern, dass wir in der Debatte zu diesem Thema hier in
abkommen Deutschland/Türkei. Da waren Redner von diesem Haus miteinander schon einmal etwas weiter wa-
Ihnen, Redner von uns; keiner hat vergessen, den Dank ren. Ich will nicht zurück in eine Zeit, in der ein Franz-
gegenüber denjenigen abzustatten, die von weither ge- Josef Wuermeling von der „gemeinschaftszersetzenden
kommen sind und am Wohlstand dieses Landes mitgear- Berufstätigkeit der Frau“ sprach. Das kann nicht sein.
beitet haben. Keiner hat auch den Hinweis vergessen, Dahin wollen wir nicht zurück.
dass uns auf der Wegstrecke der letzten 50 Jahre Integra-
tion nicht restlos geglückt ist, dass da Defizite geblieben (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
(B) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (D)
sind, an denen wir arbeiten müssen – das haben auch
Ihre Leute immer wieder gesagt –, und dass wir bei der
Wenn Sie wirklich etwas für die Kinder tun wollen,
Aufarbeitung dieser Defizite nur dann erfolgreich sein
dann nehmen Sie das Geld, über das Sie am vergangenen
werden, wenn es uns gelingt, diese Kinder endlich mit
Wochenende geredet haben, und geben es dorthin, wo es
gleichen Chancen – das heißt auch, gleichen Sprach-
dringend benötigt wird: in die Schaffung von Plätzen in
kenntnissen – in die Schule zu bringen.
Kindertagesstätten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) Ich sage Ihnen noch: Sorgen Sie vor allem dafür, dass
in den neuen Kitas schließlich Erzieher arbeiten werden.
Wer das aber alles richtig findet, der muss doch dann Darum geht es nämlich.
auch den nächsten Schritt gehen und sagen, dass das
ohne frühkindliche Betreuung, ohne Betreuung in Kitas (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
und Kindergärten, nicht funktioniert. Das haben Sie auch DIE GRÜNEN)
in allen öffentlichen Reden landauf, landab in der ver-
gangenen Woche gesagt. Und dann, nicht zwei Jahre Vizepräsident Eduard Oswald:
später, nicht zwei Monate später, sondern am Sonntag Bitte kommen Sie zum Schluss.
derselben Woche, nachdem zahllose Reden dieser Art
gehalten worden sind, entscheiden Sie genau das Gegen-
teil. Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):
Das muss der Weg sein. Deshalb sagen wir Nein zu
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Unsinn, den von Ihnen entschiedenen Maßnahmen.
was Sie da erzählen! – Stefan Müller [Erlan-
gen] [CDU/CSU]: Sie haben es doch immer (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
noch nicht verstanden!) DIE GRÜNEN)
Dann entscheiden Sie sich für einen finanziellen An-
reiz, der dazu führen wird – das garantiere ich Ihnen –, Vizepräsident Eduard Oswald:
dass viele von denen, die es dringend nötig hätten, aus Vielen Dank, Kollege Dr. Steinmeier. – Jetzt für die
Kitas ferngehalten werden, und das ist der falsche Weg. Fraktion der CDU/CSU unsere Kollegin Dorothee Bär.
Bitte schön, Frau Kollegin Dorothee Bär.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16417
(A) Dorothee Bär (CDU/CSU): ten zu verlieren. So hat es Ihr damaliger Generalsekretär (C)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Olaf Scholz doch gesagt.
Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Kollege Steinmeier, (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der
hier geht es nicht darum, ob Ihr Selbstbildnis in Gefahr SPD: Oh! – Zuruf des Abg. Florian Pronold
ist. Vielmehr geht es darum, was wir tun, um Familien in [SPD])
diesem Lande eine Wahlfreiheit zu ermöglichen.
– Herr Kollege Pronold, Sie müssen auch nicht so gars-
(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil tig sein, nur weil Sie in Bayern nicht selber kandidieren
[Peine] [SPD]: Wo leben Sie denn?) dürfen, weil man es Ihnen nicht zutraut. Seien Sie ein-
Diese Koalition macht keine Politik für ehemalige fach etwas ruhiger.
Kanzlerkandidaten, sondern für die Mehrheit der Bevöl- Wir müssen uns einmal darüber unterhalten, um wel-
kerung in diesem Lande. che Gesellschaftsbilder es geht. Unser Gesellschaftsbild
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der sieht so aus: Wir trauen es den Eltern zu, selbst zu ent-
SPD) scheiden, wie sie ihre Kinder erziehen wollen. Deswe-
gen sorgen wir für den Ausbau der Kinderbetreuung,
Betreuungsgeld ist Zukunftsgeld, weil wir in die Zukunft halten das aber nicht für das allein selig machende Mo-
unseres Landes und in die Zukunft unserer Kinder inves- dell. Es gibt hundert verschiedene andere Modelle. Je-
tieren, dem dieser Modelle wollen wir Rechnung tragen.
(Florian Pronold [SPD]: Wechseln Sie mal Ih- Eines finde ich wirklich mehr als schofel: Der große
ren Redenschreiber aus! – Alexander Ulrich Familienpolitiker und SPD-Grande Herr Oppermann,
[DIE LINKE]: Sie sind die Vergangenheit! – der sich in den Medien so großartig zu diesem Thema
Dagmar Ziegler [SPD]: Weil wir eine schlechte äußert, es heute aber nicht nötig hat, zu dieser Debatte zu
Zukunft wollen!) erscheinen,
weil wir kein staatlich verordnetes Familienmodell wol- (Sönke Rix [SPD]: Wo ist denn die Kanzlerin
len und weil wir echte Wahlfreiheit wollen. Diese Wahl- eigentlich?)
freiheit ist übrigens ein urliberaler Gedanke.
hat gesagt: Das Betreuungsgeld ist obszön. – „Obszön“
(Beifall bei der CDU/CSU) kommt aus dem Lateinischen und heißt „schmutzig, ver-
derblich, schamlos“.
Ich möchte nicht, dass sich junge Frauen und Männer
für das Familienmodell rechtfertigen müssen, das sie le- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
(B) ben wollen. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dagmar (D)
Ziegler [SPD]: So ist es!)
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Bleiben Sie
doch auch mal zu Hause!) Da muss ich ganz ehrlich fragen: Welche Beschimpfun-
gen müssen sich junge Eltern von Ihnen, die Sie über-
Häufig werden Frauen auf Spielplätzen angesprochen, haupt nicht wissen, was täglich an Familienarbeit in die-
wenn sie selber mit ihren Kindern dort sind. Sie werden sem Land geleistet wird, eigentlich noch gefallen lassen?
gefragt: Warum ist dein Kind nicht in der Krippe? Hast
du keinen Platz bekommen? (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei
der SPD)
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Tun Sie doch nicht so, als ob es in Bay- Es muss endlich mit den Diffamierungen aufhören, die
ern überall Krippenplätze gäbe! Es gibt dort von Ihrer Seite kommen.
Wartelisten! Die Leute sind auf der Suche nach (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die Familien
Plätzen!) sind in Ordnung, Sie sind obszön!)
Die junge Frau sagt: Nein, ich habe mich ganz bewusst Es geht um Folgendes: Leben und leben lassen, also die
gegen einen Krippenplatz entschieden, weil mir diese Möglichkeit schaffen, dass jede Familie – im Idealfall
Zeit mit meinem Kind wichtig ist. – Das heißt, man sind sich Mutter und Vater einig – ihre Kinder so erzie-
muss sich für eine solche Entscheidung rechtfertigen. hen kann, wie sie es für richtig hält. Da hat der Staat
Man erkennt anhand des Geschreis, dass man bei der nicht reinzureden und zu sagen: Es gibt an der Stelle nur
Opposition offensichtlich einen Nerv getroffen hat. ein richtiges Modell.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(Widerspruch bei der SPD und dem BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) Denn Wahlfreiheit ist eben auch Familienmodellfreiheit.
Es geht Ihnen nämlich überhaupt nicht darum, ob nun Herr Steinmeier, ich sehe es Ihnen nach; denn Sie sind
ein Betreuungsgeld eingeführt wird oder nicht. Vielmehr kein Experte auf dem Gebiet: Sie haben Kitas und Kin-
zeigt die hochemotionale Reaktion, dass es Ihnen um et- dergärten durcheinandergeschmissen und haben die Be-
was anderes geht. Die SPD hat einfach wahnsinnige treuung von Null- bis Dreijährigen mit der Betreuung
Angst. Herr Kollege Steinmeier, wenn wir schon beim von Drei- bis Sechsjährigen verwechselt. Das macht
Zitieren sind, dann möchte ich sagen: Die SPD hat nichts; ich erkläre Ihnen gern unter vier Augen, wie wir
wahnsinnige Angst, ihre Lufthoheit über den Kinderbet- uns das vorstellen.
16418 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Dorothee Bär
(A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- – Frau Humme, ist Frau Kraft von der schwarz-gelben (C)
neten der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!) Regierung? Also, bitte! Jetzt lassen wir doch einmal die
Kirche im Dorf.
– Ich mache das gerne, weil ich den Kollegen persönlich
schätze. Nur hat er sich da von seinen Kolleginnen etwas (Stefan Schwartze [SPD]: Wer hat denn ver-
Falsches aufschreiben lassen. gessen, 500 Millionen in den Haushalt einzu-
stellen?)
(Zuruf von der LINKEN: Es geht um die Bil-
dung!) Frau Kraft hat eine Betreuungsquote von gut 15 Prozent
erreicht.
– Das ist genau das richtige Stichwort. Vielen Dank, das
war wie bestellt. – Es wird immer gesagt: Bei einem (Stefan Schwartze [SPD]: Fünf Jahre Rüttgers! –
zwölf Monate alten Kind ist es das Wichtigste, es mit Weitere Zurufe von der SPD)
Bildung vollzuknallen. – Erst einmal unterstellen Sie da- – Ja, die Wahrheit tut weh. – Nordrhein-Westfalen steht
mit, dass Bildung im Elternhaus nicht stattfinden kann. von allen Bundesländern am allerschlechtesten da. Wenn
Es ist absurd, den Eltern zu sagen: Ihr bildet eure Kinder Ihnen das so wichtig ist, dann setzen Sie einmal in den
nicht. – Natürlich findet Bildung zuallererst in den Fami- eigenen Reihen an: Kümmern Sie sich um den Ausbau
lien statt. der Kinderbetreuung hauptsächlich in Nordrhein-West-
(Stefan Schwartze [SPD]: Die Einzigen, die falen! – Ich wohne in Bayern. Da ist die Welt in Ord-
das verallgemeinern, sind Sie!) nung.
Zweitens ärgert es mich wahnsinnig, dass von Bin- (Lachen bei Abgeordneten der SPD)
dung überhaupt nicht die Rede ist. Ohne Bindung kann Ich will, dass das in ganz Deutschland so ist.
keine Bildung geschehen. Bildung kann im schlimmsten
Fall nachgeholt werden, Bindung nicht. Kinder, die Vielen Dank.
keine festen Bezugspersonen haben, werden bindungs- (Beifall bei der CDU/CSU)
gestört. Da muss man sagen: Es ist eine Unverschämt-
heit und wirklich gemein, Eltern einzureden, dass sie ih-
Vizepräsident Eduard Oswald:
ren Kindern schaden, wenn sie sie in den ersten Jahren
Vielen Dank, Frau Kollegin Dorothee Bär. – Jetzt
von irgendwelchen großartigen Bildungseinrichtungen
spricht für die Fraktion Die Linke unser Kollege Ralph
fernhalten.
Lenkert. Bitte schön, Kollege Ralph Lenkert.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Unerhört! Sie sind
(Beifall bei der LINKEN)
(B) nicht normal!) (D)
Wir reden hier wirklich nicht über die Drei- bis Sechs- Ralph Lenkert (DIE LINKE):
jährigen. Ich möchte, dass Sie in der Debatte sachlich Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen
bleiben. und Kollegen! Die Idee zu einem Betreuungsgeld
(Lachen und Beifall bei der SPD – Iris Gleicke stammt leider aus Thüringen. Ein Blick auf die Entste-
[SPD]: Das war klasse!) hung des Thüringer Erziehungsgeldes – so heißt dort das
Betreuungsgeld – erleichtert die Bewertung: 2005 wollte
– Die SPD ist irgendwie ein Karnevalsverein; das finde die damalige CDU-Alleinregierung bei Kindertagesstät-
ich wirklich wahnsinnig schade. ten Geld kürzen. Nun ist es im Lande Fröbels, in Thürin-
gen, schwer, gegen Kitas vorzugehen; denn wir Thürin-
(Iris Gleicke [SPD]: Frau Kollegin Bär, Ihre
ger sind stolz auf eine Thüringer Errungenschaft: die
Unterstellungen gegenüber arbeitenden Frauen
Kindergärten.
sind unglaublich!)
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich möchte nicht, dass wir sagen: Das eine ist richtig,
und das andere ist falsch. – Zudem investieren wir wahn- Also entwarf die CDU die Familienoffensive. Der offi-
sinnig viel in Betreuungsplätze. zielle Kernpunkt der Offensive war die Einführung eines
Landeserziehungsgeldes in Höhe von 150 Euro je Monat
Ein kleiner Tipp am Rande: Sie sollten vielleicht ein- für Kinder zwischen zwei und drei Jahren, Kostenpunkt:
mal – – 35 Millionen Euro. Aber geht das Kind in eine Kita,
(Zurufe von der SPD) muss das Landeserziehungsgeld abgetreten werden. Das
ist Ihre Wahlfreiheit.
– Hören Sie von der SPD einmal zu.
Inoffiziell verringerte der Freistaat Thüringen die För-
(Stefan Schwartze [SPD]: Wir sind schwer derung der Kitas um insgesamt 20 Millionen Euro pro
überfordert!) Jahr, und das bei steigenden Kinderzahlen. Das fehlende
Wenn Ihnen das alles so wichtig ist, dann reden Sie doch Geld glich die CDU-Regierung durch einen schlechteren
einmal mit Ihrer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Personalschlüssel und somit durch Abstriche bei Bil-
dung und Betreuung unserer Kinder, also bei unserer Zu-
(Christel Humme [SPD]: Die Ministerpräsi- kunft, aus. Die CDU glaubte, mit dem Erziehungsgeld
dentin Kraft muss die Entscheidungen der ein Schweigen der Eltern zu den Einschnitten bei den
schwarz-gelben Regierung aufholen!) Kitas erkaufen zu können.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16419
Ralph Lenkert
(A) Leider durchschauten die Thüringer Eltern den Eti- Jahr in der Kita. Das sind 26 Prozent der Jahresstunden. (C)
kettenschwindel und initiierten das Volksbegehren für 6 400 Stunden jährlich, also über 70 Prozent des Jahres,
eine bessere Familienpolitik. betreuen und erziehen die Eltern ihr Kind zu Hause.
Wenn es Ihnen von der CDU wirklich um die Anerken-
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- nung der Erziehungsleistung gehen würde, müssten Sie
neten der SPD – Zuruf von der SPD: Gott sei für 70 Prozent der Erziehungsleistung den Kitaeltern
Dank haben sie das durchschaut!) auch 70 Prozent des Erziehungsgeldes zahlen.
Verkürzt lautete der Kern des Volksbegehrens: Bildungs-
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
qualität und zukünftige Chancen unserer Kinder sind
neten der SPD)
wichtiger als ein Erziehungsgeld für Mutti oder Vati am
Herd und das Kind in der Küche. Dies planen Sie nicht einmal. Also ist dieses Argument
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie der Anerkennung der Erziehungsleistung vorgeschoben.
bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
Die Thüringer Eltern waren schon 2005 so weit, wie neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
viele Experten in der Anhörung es heute sind und wie es GRÜNEN – Iris Gleicke [SPD]: Es geht um
die CDU wahrscheinlich niemals sein wird. etwas anderes! Es geht um das Frauenbild!)
(Heiterkeit bei der LINKEN) Sie missachten die Erziehungsleistung von Millionen El-
tern, die Kitas nutzen.
2009 verlor die CDU in Thüringen auch wegen ihrer ver-
fehlten Bildungspolitik die Alleinherrschaft. 2010 Warum also will die CDU das Betreuungsgeld? Ein
zwang das Volksbegehren mit über 60 000 Unterschrif- Platz für unter Dreijährige kostet in Thüringen 750 Euro
ten die CDU zum Kompromiss mit ihrem neuen Regie- im Monat. 750 Euro Kosten minus 150 Euro Elternbei-
rungspartner. Das neue Thüringer Kitagesetz verbesserte trag minus 150 Euro Erziehungsgeld ergibt 450 Euro
die Qualität von Bildung und Betreuung in den Thürin- weniger Kosten im Monat für die Kinderbetreuung – für
ger Kitas deutlich. Fünf Jahre Kampf mit direkter Demo- jedes Kind bei Mutti am Herd. Diese 5 400 Euro Einspa-
kratie von uns Eltern, den Erzieherinnen und Erziehern, rung im Jahr sind der Grund für Ihr Betreuungsgeld. Sie
den Gewerkschaften, von der SPD, den Grünen und der opfern die Zukunft unserer Kinder. Machen Sie den El-
Linken erzwangen diesen Erfolg. Danke an alle Thürin- tern keine unmoralischen Angebote!
ger Unterstützer des Volksbegehrens.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD – Widerspruch bei Abgeordne-
(B) neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE ten der CDU/CSU) (D)
GRÜNEN)
Die Linke fordert Sie auf: Verzichten Sie auf Ihr Be-
Der Preis des Kompromisses war: Das Landeserzie- treuungsgeld! Garantieren Sie jedem Kind ab dem ersten
hungsgeld blieb. Geburtstag ohne Einschränkung und Bedarfsprüfung ei-
Als Technologe bewerte ich Zahlen. In Jena hatten nen ganztägigen Kitaplatz, wie das in Thüringen die El-
wir schon immer mehr als 50 Prozent der unter Dreijäh- tern erkämpften!
rigen in Kitas – ein Spitzenwert in Thüringen – und eine Zuletzt noch eine Botschaft nach Thüringen an Minis-
Abiturquote von 60 Prozent – ein Spitzenwert in Thürin- terpräsidentin Lieberknecht und Kultusminister
gen. Matschie: Eltern haben das Kitagesetz erstritten. Diese
(Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth Eltern werden mit dem gleichen Einsatz für die Einheit
[Kyffhäuser] [FDP]: Das hat aber andere von Grundschulhort und Grundschule eintreten. Wir las-
Gründe!) sen nicht zu, dass Sie nach dem Scheitern der Sparpläne
bei Kitas jetzt die Horte ausbluten lassen.
Daraus folgt: Zeitige und gute frühkindliche Bildung er-
höht das Bildungsniveau – Herr Kurth, auch bei Ihnen. Wir von der Linken fordern: Weg mit dem Betreu-
Das ist der Vorteil unserer frühkindlichen Bildungsein- ungsgeld! Schluss mit der Kitaverzichtsprämie! Und für
richtungen. Thüringen: Hände weg vom Grundschulhort!
Aber warum bestand die CDU auf dem Landeserzie- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-
hungsgeld? Mit Ihrem Anerkennungsargument für Müt- neten der SPD)
ter und Väter zu Hause schlage ich mich seit fünf Jahren
herum. Aber mit diesem Argument unterstellen Sie Müt- Vizepräsident Eduard Oswald:
tern und Vätern, die einen Beruf ausüben und ihre Kin-
Vielen Dank, Kollege Lenkert. – Jetzt spricht für die
der erziehen, sie würden sie nicht erziehen.
Fraktion der FDP unsere Kollegin Miriam Gruß. Bitte
(Iris Gleicke [SPD]: So ist das!) schön, Frau Kollegin.
8 760 Stunden hat ein Jahr. Etwa 230 Tage geht ein Kind (Stefan Schwartze [SPD]: Mit einer flammen-
in die Kita – gehen wir einmal von zehn Stunden wo- den Rede gegen das Betreuungsgeld wie frü-
chentags aus. Das ist der erkämpfte Rechtsanspruch in her! – Florian Pronold [SPD]: Jetzt sind wir
Thüringen. Das ergibt 2 300 Stunden Betreuungszeit pro gespannt, Miriam!)
16420 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Miriam Gruß (FDP): Die Länder sind hier nun ganz klar in der Pflicht. (C)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
In der Sache sind wir uns einig: Es kommt nicht nur
Damen und Herren! Ja, am Sonntag wurde ein Betreu-
darauf an, wo ein Kind betreut wird, sondern auch, wie
ungsgeld beschlossen. Unsere Bedenken zum Betreu- es gefördert wird.
ungsgeld sind, glaube ich, bekannt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der CDU/CSU – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/
NEN]: Das hört sich ja nicht begeistert an!) DIE GRÜNEN]: Mäßiges Klatschen bei der
Aber die Koalition hat sich auf ein Gesamtpaket verstän- CDU/CSU!)
digt. Wenn man dieses Gesamtpaket betrachtet, wird Dies kann und muss zu Hause der Fall sein, aber nicht
deutlich, dass wir etwas für die Familien im Lande tun. ausschließlich. Es gilt der afrikanische Leitspruch: Es
Erstens. Wir lassen ihnen mehr Geld in der Tasche, weil braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.
wir den Grundfreibetrag erhöhen. Zweitens. Wir schaf-
fen Gerechtigkeit, indem wir die kalte Progression ab- (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
mildern. Drittens. Wir verbessern die Pflegesituation, in- NEN]: Genau! – Florian Pronold [SPD]:
dem wir Demenzkranke besser versorgen. Kriegt dann das ganze Dorf auch das Betreu-
ungsgeld?)
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Also Geld
statt Bildung!) In diesem Sinne werden alle gebraucht: die Eltern, die
Gesellschaft und der Staat.
Viertens. Wir sorgen für mehr Generationengerechtig-
keit in der Pflegeversicherung, indem wir eine zusätzli- Vielen Dank.
che staatlich geförderte Säule einführen. Fünftens. Wir (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
erleichtern die Zuwanderung von dringend benötigten
Fachkräften, indem wir die Einkommensgrenze deutlich Vizepräsident Eduard Oswald:
senken. Vielen Dank, Frau Kollegin Gruß. – Jetzt für die
(Florian Pronold [SPD]: Themaverfehlung, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Ekin
Miriam!) Deligöz. Bitte schön, Frau Kollegin Deligöz.
Das alles kann sich sehen lassen.
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie versuchen, Einzige, was die Rede von Frau Bär hier demonstriert
(B) das Betreuungsgeld schönzureden!) hat, ist, dass es beim vorgesehenen Betreuungsgeld wohl (D)
eher um das Überleben der CSU geht als um die Zu-
Beim Betreuungsgeld kommt es nun auf die konkrete
kunftschancen der Kinder.
Ausgestaltung an.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)
und bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten
Wir müssen es auf rechtlich sichere Beine stellen und der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]:
Fehlanreize vermeiden. Dabei werden wir die Familien- Inhalte!)
ministerin unterstützen. Das war die Aussage Ihrer Rede, Frau Bär. Wenn ich die
Ziel dieser Koalition ist es, Wahlfreiheit für die Fami- Rede von Frau Gruß hinzuziehe, würde ich sagen: Sie
lien zu schaffen. Jede Familie soll so leben können, wie sind nicht überzeugend. Mit Ihren Argumenten überzeu-
sie will. gen Sie hier keinen Menschen.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dieses Rumgeeiere!) und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/
Zu dieser Wahlfreiheit gehört auch ganz entscheidend CSU]: Wir überzeugen lieber die Bürger!)
der Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
Das sage übrigens nicht nur ich. Es gab eine Anhörung
Das Statistische Bundesamt hat diese Woche hierzu im Ausschuss des Bundestages, bei der relativ wenige
Zahlen veröffentlicht, die eine deutliche Sprache spre- von Ihnen anwesend waren. Das mag Ihnen jetzt nicht
chen. Der Anspruch ist, bis 2013 eine Betreuungsquote passen, aber Sie haben keinen einzigen Experten gefun-
von 35 Prozent zu erreichen. Stand heute: Nur knapp 25 den, der sich für das geplante Betreuungsgeld ausgespro-
Prozent wurden erreicht. Von Bundesseite wurden hier- chen hat.
für 4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Fakt ist je-
doch leider, erstens, dass die Bundesländer diese Gelder (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]:
höchst unterschiedlich abrufen, und zweitens, dass sie in
Das stimmt doch überhaupt nicht!)
höchst unterschiedlichem Maße selber Gelder für den
Ausbau zur Verfügung stellen. Sie mussten einen MdL, ein Mitglied einer Landtags-
fraktion, bemühen, um endlich jemanden zu haben, der
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: sich für das Betreuungsgeld ausgesprochen hat.
Brauchen wir deswegen das Betreuungsgeld,
oder was? Unsinn!) (Caren Marks [SPD]: Das war so peinlich!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16421
Ekin Deligöz
(A) Das nennt man: Experten aus den eigenen Reihen gene- Ich kenne nur Eltern, die darauf warten, endlich einen (C)
rieren. Sie finden absolut niemanden in unserer Gesell- Platz zu bekommen. Ich kenne nur junge Mütter, die sa-
schaft und auch niemanden unter den Experten, der sich gen: Ich würde ja gerne arbeiten, aber wie soll ich das
dafür ausspricht. machen, wenn der Kindergarten um 12 Uhr schließt?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Ewa Klamt [CDU/CSU]: Das muss in NRW
und bei der SPD – Daniela Ludwig [CDU/ sein!)
CSU]: Die normalen Bürgerinnen und Bür-
Diese Eltern kenne ich. Für diese Eltern haben Sie keine
ger!)
Antwort.
Es sind hier viele richtige Argumente genannt wor-
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Für die arbeiten
den. Aber mit einem Trugbild konservativer Natur
wir! Natürlich!)
möchte ich aufräumen:
Die Debatte der letzten Tage hat gezeigt – das ist das
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist modern, Absurde an der Geschichte –, wie engagiert Sie in Wirk-
hochmodern!) lichkeit sind. Sie spielen Pingpong. Sie sagen: Die Län-
Sie tun so, als ob der Kitaausbau die Familien in unse- der sind schuld. Die Kommunen sind schuld. – Dann
rem Land im Regen stehen lasse und man für eine echte geht es hin und her. Keiner kümmert sich. Keiner war es.
Wahlfreiheit das Betreuungsgeld einführen müsse. Keiner ist verantwortlich. Von einer Ministerin wünsche
ich mir ein überzeugenderes Auftreten. In einer solchen
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das glauben Situation wünsche ich mir von einer Ministerin ein biss-
auch nur Sie!) chen mehr Einsatz, und zwar im Sinne der Kinder.
Das ist verantwortungslos. Das ist nicht nur Unsinn, son- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dern Sie verbreiten hier wissentlich Falsches. Wenn Sie und bei der SPD)
sich hier schon als Expertin gerieren, dann sollten Sie
das wissen. Ihr Verhalten ist auch durch Eitelkeit zu erklären. Das
war ein Modell von Frau von der Leyen. Die neue
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Es muss nicht je- Ministerin distanziert sich davon. Emotional mögen das
der Ihr Modell leben!) manche verstehen. Das geht aber zulasten der Kinder.
Sie tragen Ihre Spielchen auf dem Rücken der Kinder
Wir investieren durch das Ehegattensplitting derzeit aus. Sie fahren den ganzen Bereich der Kindertagesbe-
20 Milliarden Euro in die Hausfrauenehe. Wir haben die treuung für unter Dreijährige gegen die Wand. Sie fahren
(B) beitragsfreie Mitversicherung der Ehegattinnen, was das ganze System gegen die Wand, und das nur, weil Sie (D)
Milliarden kostet. sich nicht davon freimachen können. Setzen Sie sich für
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Lesen bildet!) die Kinder ein! Das erwartet die Gesellschaft.
Das wurde auch aus Ihren Reihen angesprochen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Haben Sie Pro-
bleme mit Hausfrauen?) Auf diesem Gebiet haben wir nämlich die größten Defi-
zite. Das müssen wir angehen, um für Wahlfreiheit in
Beim Elterngeld investieren wir in einen Sockelbetrag, diesem Land zu sorgen. Tun Sie nicht so, als ob Sie dies-
den Sie bei den Schwächsten, bei den ALG-II-Empfän- bezüglich schon genug getan hätten.
gern, aus Haushaltsgründen gekürzt haben. All das dient
dazu, die Hausfrauenehe zu fördern. Sie halten daran (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nordrhein-West-
fest, um die Hausfrauen zu unterstützen. Bekennen Sie falen! Macht doch einmal etwas!)
sich wenigstens dazu! Diese falsche Politik führen Sie Die Zahlen in Bayern beweisen genau das Gegenteil: Sie
durch das Betreuungsgeld fort. Sie manifestieren Rollen- haben nicht genug getan.
bilder, die in unserer Gesellschaft längst überholt sind.
Das ist nicht das, was Frauen wollen. Das ist nicht das, Noch etwas zu Ihrer Ankündigungspolitik: Sie wissen
was junge Eltern wollen. ja noch nicht einmal, was am Ende dabei herauskommen
soll. Sie wissen noch nicht einmal, wie Sie das finanzie-
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ren sollen. Sie wissen noch nicht einmal, wer das Geld
und bei der SPD – Daniela Ludwig [CDU/ am Ende bekommen soll.
CSU]: Und das wissen Sie, und das bestimmen
Sie, oder wie?) (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sie nicht!)
Das Schlimmste daran ist, dass Sie in diesem Zusam- Wir alle wissen aber, dass Sie dafür Schulden zulasten
menhang von Wahlfreiheit reden. Ich weiß nicht, von der künftigen Generationen machen. Das ist der falsche
welchem Bayern Sie reden. Ich kenne in Bayern nur El- Weg, um ein falsches Instrument zu finanzieren. Dass
tern, die auf Krippenplätze für ihre Kinder warten. Sie an diesem Instrument festhalten, ist ein Skandal. Es
ist ein Skandal, dass Sie mit der Zukunft der Kinder
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – spielen. Dass Sie das hier auch noch verteidigen, zeigt,
Dorothee Bär [CDU/CSU]: Dann schauen Sie dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, worum es in
sich doch einmal überall um!) diesem Land geht und was es bedeutet, für bessere Zu-
16422 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Ekin Deligöz
(A) kunftschancen der Kinder zu sorgen. Da müssen Sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C)
nachsitzen, liebe Kollegin! neten der FDP)
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Diese ideologischen Debatten über die Lebensentwürfe
sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee von Frauen finde ich unerträglich. Ich bin mir sicher, die
Bär [CDU/CSU]: Ganz schwach!) meisten Mütter in Deutschland sehen das ebenso.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Vizepräsident Eduard Oswald: neten der FDP – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/
Vielen Dank, Frau Kollegin Deligöz. – Jetzt spricht DIE GRÜNEN]: Das hat Angela Merkel aber
als nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde Frau anders gesagt!)
Bundesministerin Dr. Kristina Schröder. Bitte schön,
Frau Bundesministerin. Es ist eine Unverschämtheit, wenn manche hier von ei-
ner „Herdprämie“ reden. Damit unterstellen sie, dass
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frauen, die sich Zeit für ihre Kleinstkinder nehmen,
kleine Dummchen sind.
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend: (Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Meine Überzeugung ist: Mütter und Väter verdienen
14. September 2011 habe ich ein Konzept zum Betreu- unabhängig davon, wie sie leben, Wertschätzung. Das
ungsgeld angekündigt. Die Ergebnisse des Koalitions- unterstreicht die Einigung vom Wochenende.
gipfels vom Wochenende haben dafür die Grundlage
geschaffen. Seit Sonntag steht fest: Familien in Deutsch- (Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Genau! Sehr
land bekommen künftig mehr Unterstützung. richtig!)
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Sie gibt mir Rückenwind für mein Ziel, Eltern zu unter-
der SPD) stützen, die zugunsten der Familie für eine gewisse Zeit
auf Einkommen und Karriere verzichten oder die Be-
Eltern erhalten mehr Anerkennung für ihre Erziehungs- treuung selbst organisieren,
leistung. Mütter und Väter kleiner Kinder haben künftig
mehr Wahlfreiheit, das Familienleben so zu gestalten, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
wie sie selbst es für richtig halten. Frau von der Leyens bildungspolitische Kata-
strophe!)
(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann
(B) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch genauso wie wir mit Milliardeninvestitionen in den Kita- (D)
völliger Quatsch! – Gegenruf der Abg. ausbau auch diejenigen Eltern unterstützen, die für ihr
Dorothee Bär [CDU/CSU]: Traut denen doch Kind Betreuung wollen oder brauchen.
einmal etwas zu!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mir waren vor allen Dingen drei Punkte wichtig – ich
Das ist der Unterschied zur Opposition. Wir fragen: Was
bin froh, dass wir in diesen drei Punkten jetzt Klarheit
wollen die Familien?
haben –:
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Erstens. Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir an-
Die wollen einen Krippenplatz!)
gesichts der Haushaltslage klar im Ziel, aber realistisch
in der Umsetzung sein sollten. Der Koalitionsausschuss Die Antwort kann nur heißen: Vielfalt in der Familien-
ist dieser Einschätzung gefolgt. Das Betreuungsgeld förderung; denn wir haben in Deutschland keine Ein-
wird zunächst für das zweite Lebensjahr gezahlt, ab heitsfamilien.
2014 dann auch für das dritte Lebensjahr. Das ist eine
praktikable, das ist eine finanzierbare Lösung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Zweitens war mir wichtig, dass wir Hausfrauen nicht Die Opposition hingegen sagt: Die Politik weiß besser,
gegen berufstätige Mütter ausspielen. was gut für die Familien ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Caren Marks [SPD]: Sagt wer? Sagen wir
neten der FDP – Caren Marks [SPD]: Das ma- nicht! – Sönke Rix [SPD]: Sie führen doch das
chen Sie doch gerade!) Betreuungsgeld ein! Sie wissen es doch bes-
ser!)
Genau das ist gelungen, auch wenn Sie das ganz offen-
kundig noch nicht verstanden haben. Wir haben uns am Dieses Anmaßende, dieses Gouvernantenhafte sind wir
Sonntag darauf geeinigt satt.
(Sönke Rix [SPD]: Sie waren doch gar nicht (Beifall bei der CDU/CSU)
dabei!)
Ein dritter Punkt ist mir in der Diskussion über das
– daran rüttelt jetzt auch keiner mehr –, dass mit dem Betreuungsgeld wichtig. Ich bin froh, dass wir auch dies-
Betreuungsgeld eben auch Mütter unterstützt werden bezüglich am Wochenende ein klares Signal gesendet
sollen, die berufstätig sind. Das ist genau richtig. haben.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16423
Bundesministerin Dr. Kristina Schröder
(A) (Sönke Rix [SPD]: Wieso „wir“? Sie waren (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei (C)
doch gar nicht dabei!) der SPD)
Keine Kita, keine Tagesmutter und auch keine Nanny Sie wollen allen Ernstes sagen, dass diese Eltern ihren
kann die Familie ersetzen. Kindern schaden?
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Sönke Rix [SPD]: Nur weil sie jetzt das Be-
neten der FDP) treuungsgeld bekommen, erziehen sie ihre
Kinder gut?)
Was Familien Kindern fürs Leben mitgeben, lässt sich
niemals delegieren oder ersetzen. Die meisten Eltern Sie werfen zwei Drittel der Eltern in Deutschland vor,
würden ihr letztes Hemd für ihre Kinder geben. dass sie im Vorgestern leben, weil sie sich selbst um ihre
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Kleinstkinder kümmern?
Deshalb finde ich es beschämend und anmaßend, wenn (Beifall bei der CDU/CSU)
SPD, Grüne und Linke Es tut mir leid; aber solche Dinge sind eben entlarvend.
(Sönke Rix [SPD]: FDP auch!) Weiteres Beispiel: Frau Nahles.
den Eltern eine gute Förderung ihrer eigenen Kinder (Sönke Rix [SPD]: Zitieren Sie doch einmal
nicht zutrauen. Frau Gruß! Zitieren Sie einmal Frau von der
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Frank-Walter Leyen!)
Steinmeier [SPD]: Hören Sie doch mal auf mit Frau Nahles hat gestern in ihrem Videoblog gesagt, das
solchen Unterstellungen! Hören Sie bitte auf! Betreuungsgeld sei etwa so – ich zitiere –, wie wenn
Wer tut das in diesem Hause? – Gegenrufe von man Geld dafür bekommt, dass man sein Kind nicht auf
der CDU/CSU) das Gymnasium schickt.
Natürlich gibt es Familien, bei denen man sagt: Für die (Zurufe von der CDU/CSU: Oijoijoi!)
Entwicklung ihrer Kinder ist es besser, wenn sie mög-
lichst früh in einer Kita gefördert werden. Aber das ist Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier über
eine Minderheit. Es ist richtig: Für diese Minderheit dür- zweijährige Kinder und nicht über Homeschooling für
fen wir mit dem Betreuungsgeld keine Fehlanreize set- Gymnasiasten. Wollen Sie allen Ernstes sagen, dass die
zen. Eltern in Deutschland nicht fähig sind, ihre zweijährigen
Kinder zu bilden? Worüber reden wir hier? Wir reden
(B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und über die ersten Worte, über die ersten Sätze. Wir reden (D)
der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ darüber, dass sie ihnen beibringen, wie man sich die
DIE GRÜNEN]: Ah!) Zähne putzt, und dass sie ihnen sagen, dass man mit
Aber die Lösung kann doch nicht sein, alle Familien un- Messer, Gabel, Schere und Licht vorsichtig sein muss.
ter Generalverdacht zu stellen, wie Sie, Herr Steinmeier, Die Opposition meint, die Eltern in Deutschland könnten
es eben wieder getan haben. das nicht oder eine Institution könne das besser?
(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sehr bedauerlich! –
Wie ist es mit der Anrechnung auf ALG II? – Sönke Rix [SPD]: Wer sagt das denn?)
Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist auch entlarvend, dass Sie von einer Fernhalteprä-
Wer bekommt denn jetzt das Betreuungsgeld?) mie sprechen. Egal, wie falsch der Begriff ist, allein dass
Ich kann Ihnen ein schönes Beispiel nennen. Herr Sie davon reden, zeigt ganz deutlich, wo Sie den Lebens-
Oppermann – er ist leider nicht anwesend – hat heute mittelpunkt von Kindern sehen: in Familien offensicht-
dazu etwas sehr Interessantes getwittert. Herr lich nicht.
Oppermann hat getwittert – ich zitiere –:
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
Eure Fernhalteprämie gefährdet das Wohl vieler neten der FDP – Zurufe von der SPD und der
Kinder u. entspricht einem Familienbild von vor- LINKEN: Oh! – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/
gestern. DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn? Was ma-
chen Sie?)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN und des Abg. Kai Gehring Von daher: Mit dieser Ideologie muss Schluss sein.
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Caren Die Anerkennung von Betreuung und Erziehung in der
Marks [SPD]: Das ist der einzige vernünftige Familie steht doch nicht im Gegensatz zum Ausbau der
Satz in Ihrer Rede! Betreuung in Kitas und Tagespflege, sondern beides ge-
hört zusammen. Deshalb gibt es ab 2013 einen Rechts-
– Es war mir klar, dass Sie an dieser Stelle klatschen. anspruch auf einen Kitaplatz. Auch wenn Christian Ude
Denken Sie jetzt aber einmal ganz kurz darüber nach, unbedingt will, dass dieser Rechtsanspruch verschoben
wen Sie damit treffen. Sie treffen damit nicht die Koali- wird: An diesem Rechtsanspruch wird nicht gerüttelt. Da
tion, sondern zwei Drittel der Eltern in Deutschland; haben sich die Eltern auf uns verlassen.
denn zwei Drittel der Eltern in Deutschland betreuen
ihre Kinder in den ersten drei Lebensjahren selbst. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
16424 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Seit letztem Sonntag gibt es nicht etwa eine gut funktio- (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Oh
nierende Koalition, wie Sie es der Öffentlichkeit weis- doch! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]:
machen wollen, sondern seit letztem Sonntag startet Von wegen! – Gegenruf der Abg. Iris Gleicke
diese Koalition eine Verdummungskampagne. Diese [SPD]: Nein! Sie machen das! – Gegenruf des
Kampagne beginnt mit den Steuergeschenken, die keine Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]:
wahren sind. So ein Quatsch!)
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Wieso auch? Wir das muss man ganz deutlich sagen. Sie wissen genauso
haben doch keine Geschenke zu verteilen!) gut wie ich, dass frühkindliche Bildung notwendig ist,
dass es aber auch Familien gibt, in denen Kinder diese
Das wissen mittlerweile wir alle. Das hat jeder in unse- nicht erhalten können. An dieser Stelle muss Ehrlichkeit
rem Land begriffen. Herr Kurth, darüber haben wir ges- in die Debatte.
tern eine ausgiebige Diskussion geführt, die Sie nicht ge-
rade gewonnen haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
(Lars Lindemann [FDP]: Na, na! Das entschei-
det der Zuschauer! – Patrick Meinhardt [FDP]: Frauen zahlen dafür auch mit schlechteren Chancen
Nichts da! Hier sitzt der Kollege, der gewon- im Erwerbsleben. Frauen und Alleinerziehende zahlen
mit einem skandalösen Armutsrisiko; wir werden es in
nen hat!)
den nächsten Jahren in unserem Land erleben. Das Feh-
Zweitens haben Sie im Pflegebereich ein Reförmchen len von Kitas und Ganztagsschulen versperrt gerade
verabschiedet, vielen Alleinerziehenden den Weg in eine existenzsi-
chernde Arbeit.
(Lars Lindemann [FDP]: Nachdem die SPD in
diesem Bereich viele Jahre überhaupt nichts Schließlich zahlt dafür auch die Wirtschaft, nämlich
gemacht hat!) mit schlechteren ökonomischen Chancen. Denn Ihr fal-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16425
Dagmar Ziegler
(A) sches Angebot führt dazu, dass viele gut ausgebildete Sie starten auch keine Fachkräfteoffensive. Wir haben (C)
Frauen heute zufällig mit den Spitzenverbänden der Kommunen
gesprochen. Nichts wird hier getan; es gibt keine Unter-
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Aha!
stützung. Was haben wir denn davon, wenn in Frankfurt
Jetzt sind sie also wieder gut ausgebildet! Inte-
am Main Kitas gebaut werden, drei aber bisher leerste-
ressant!)
hen, weil die Fachkräfte nicht da sind, die die Arbeit ma-
nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleiben. Diese chen können?
Frauen stehen uns in Zukunft nicht als Fachkräfte zur
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Die stehen doch
Verfügung.
nicht leer! Das ist eine Lüge!)
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Wer sagt denn,
Frau Dr. Schröder, wo ist denn Ihre Initiative, um diese
dass sie daheim bleiben, Frau Ziegler? Sie ha-
Missstände gemeinsam mit den Ländern und Kommu-
ben es ja immer noch nicht verstanden!)
nen anzugehen? Nichts tun Sie, absolut nichts!
– Wir sprechen uns noch, wenn es um das Thema Fach-
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Beate
kräftebedarf geht. Dann werden Sie sehen, dass dies ge-
Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
nau die falschen Anreize sind.
NEN])
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ach so! Nur des-
Sie geben 2 Milliarden Euro für das Betreuungsgeld
wegen! Darum geht es Ihnen also! Das ist ja
aus, die eigentlich nicht vorhanden sind. Sie streiten sich
entlarvend!)
über die Ausgestaltung dieses Betreuungsgeldes. Herr
– Nein. Ich habe diesen Aspekt als letzten Punkt einer Geis sagt: Natürlich muss die Anerkennung auch Fami-
langen Aufzählung genannt. Aber, Frau Bär: Wenn Sie lien zugutekommen, die in Hartz IV leben. Beim Eltern-
am Anfang nicht zuhören, können Sie das Ende nicht ka- geld haben Sie das leider nicht gesagt; dies wird bei
pieren. Das ist nun einmal so. Hartz-IV-Empfängern angerechnet. Herr Lindner von
der FDP sagt: Wieso soll das Betreuungsgeld bei den
(Beifall bei der SPD – Dorothee Bär [CDU/ Hartz-IV-Empfängern nicht angerechnet werden? Die
CSU]: Ihnen geht es doch überhaupt nicht um gucken sich wahrscheinlich kein Bilderbuch mit ihren
die Kinder! Null!) Kindern an. Deshalb muss das Betreuungsgeld ange-
Unter Rot-Grün gab es das 4-Milliarden-Euro-Pro- rechnet werden. – Auch an diesem Punkt sind Sie sich
gramm zum Ausbau von Ganztagsangeboten. In der heute wieder nicht einig. Kraut und Rüben ist bei Ihnen
Großen Koalition ging es dann um den Rechtsanspruch das Menü, das tagtäglich auf der Speisekarte steht.
auf einen Kitaplatz, der nicht etwa, wie Frau (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Krista
(B) (D)
Dr. Schröder immer behauptet, ab 2013 eingeführt wird, Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
sondern der ab 2013 gilt; er ist schon beschlossene Sa-
che. Das klitzekleine Problem, liebe Frau Ministerin, ist, Sehr geehrte Frau Schröder, was Sie machen – das ist
dass die Umsetzung den Kommunen und Ländern man- jetzt wirklich ohne jede Polemik –, ist verantwortungs-
gels ausreichender finanzieller Mittel immer schwerer los.
fällt. Das wissen Sie, aber Sie tun nichts.
(Norbert Geis [CDU/CSU]: Hören Sie auf! –
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
DIE GRÜNEN)
Das sagt die Wirtschaft, und das sagen die Familien.
Wir fordern seit Monaten, dass erneut ein Krippengipfel Weil Sie Ihre Aufgabe nicht als Lehrstelle, sondern als
durchgeführt wird. Alle staatlichen Ebenen müssen sich Leerstelle verstehen: Nehmen Sie endlich Ihren Hut!
an einen Tisch setzen, um die Finanzmisere endlich zu (Beifall bei der SPD – Norbert Geis [CDU/
thematisieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
CSU]: Aufhören! – Dorothee Bär [CDU/
(Zuruf von der CDU/CSU: Dann reden Sie CSU]: Das ist auch dem Kollegen Steinmeier
doch mal mit Ihren Kolleginnen und Kollegen peinlich!)
in den Ländern!)
Das ist Ihre Verantwortung als Familienministerin, Frau Vizepräsident Eduard Oswald:
Dr. Schröder. Nichts tun Sie. Sie sitzen da, twittern und Vielen Dank, Frau Kollegin Ziegler. – Jetzt spricht für
denken, das Problem werde sich schon irgendwie in Luft die Fraktion der FDP unsere Kollegin Sibylle Laurischk.
auflösen. Bitte schön, Frau Kollegin.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ihr kassiert im- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –
mer nur vom Länderfinanzausgleich!) Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Frau Laurischk möchte lieber den Unterhalts-
Ich komme noch dazu, was sich hier in Luft auflösen vorschuss verlängern!)
sollte.
(Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Dorothee Sibylle Laurischk (FDP):
Bär [CDU/CSU]: Genau, nicht das Pulver ver- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
schießen! Das sollte man schön zu Ende den- nach Verfolgen dieser Debatte den Eindruck, dass man
ken!) eigentlich gar nicht weiß, was man an der Entscheidung
16426 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Sibylle Laurischk
(A) vom Sonntag kritisieren soll. Nun hat man sich das Be- Sie können das nun zeigen. Wir sind gespannt, wie Sie (C)
treuungsgeld herausgesucht. den Ausbau der Kinderbetreuung und der Tagesbetreu-
ung trotz des Mangels an Fachkräften gestalten.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD –
Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Da haben (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Ohne
Sie etwas überhört!) Rüttgers und Sie wären wir schon ein Stück
weiter!)
Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass ich hier durchaus
Fragen zu stellen habe. Die werden wir aber im Zuge der Dieses Thema sollte uns viel mehr beschäftigen als die-
Ausformung des Betreuungsgeldes beantworten. Eine ses Herumgehacke auf einem Stichwort. Die Ministerin
der Fragen wird sicherlich sein, ob wir hier ein Gut- hat gerade sehr deutlich gezeigt, dass wir uns auf eine
scheinmodell umsetzen können, wie wir es im Koali- flexible Lösung geeinigt haben und dass wir allen Eltern
tionsvertrag vereinbart haben. ein Angebot machen wollen.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie, dass Unabhängig davon bin ich der Meinung, dass wir als
das Mist ist!) Koalition familienpolitisch einiges vorzuweisen haben.
Wir haben ein hohes Maß an Verantwortung zu tra- (Sönke Rix [SPD]: Reden Sie mal über das
gen, keine Frage. Dazu gehört eine gute Kinderbetreu- Betreuungsgeld! – Hubertus Heil [Peine]
ung, sodass auch die Wünsche der Familien berücksich- [SPD]: Sind Sie jetzt für das Betreuungsgeld,
tigt werden können, die sich dafür entscheiden, länger oder nicht?)
als nur während der Elterngeldzeit zu Hause zu bleiben.
Das ist es, was die Opposition so sehr stört. Wir haben in
Dass ich mir hier auch eine andere Lösung hätte vorstel-
der Vergangenheit schon einiges auf den Weg gebracht.
len können, ist kein Geheimnis, aber so sind Kompro-
Wir haben das Kindergeld erhöht und den Kinderfreibe-
misse nun einmal, und Kompromisse muss man dann
trag angehoben.
auch weiter gestalten.
(Beifall bei der FDP)
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie haben
Ihre Überzeugung verscherbelt!) Wir haben den Kinderzuschlag auf den Weg gebracht.
Wir haben bereits zu Beginn dieser Koalition Leistungen
Ich denke, von einem Krippengipfel, der hier in den
tatsächlich auf den Weg gebracht.
Raum gestellt wird, haben wir nichts zu erwarten. Das
sind Gesprächsrunden; darum geht es uns letztendlich (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
nicht. Was hat denn die neue Familienministerin auf
(B) den Weg gebracht?) (D)
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Von der
CDU/CSU haben wir nichts anderes erwartet! Von denen wollen Sie nicht mehr reden, weil Sie wissen,
Aber das ist schwach! Das ist wirklich bitter!) dass das gute Angebote und klare familienpolitische
Weichenstellungen sind.
Wir wollen die Betreuung von Kindern so gestalten, dass
die Vielfalt der Nachfrage, die es nun einmal in der Ge- Entsprechend wollen wir auch das Unterhaltsvor-
sellschaft gibt, berücksichtigt wird. Dazu gehört, dass schussrecht für Alleinerziehende reformieren. Sie wis-
wir für die Kindertagesstätten und die Krippen auch qua- sen, das ist ein besonderes Anliegen von mir. Ich meine,
lifiziertes Personal zur Verfügung stellen können. Das ist wenn wir über familienpolitische Leistungen sprechen,
in dieser Debatte noch gar nicht zur Sprache gekommen. gehört es dazu, solche Angebote und solche Möglichkei-
ten zu entwickeln. Die Anhebung der Altersgrenze von
(Sönke Rix [SPD]: Dafür könnten wir das
12 Jahren auf 14 Jahre im Unterhaltsvorschussrecht ist
Geld fürs Betreuungsgeld gebrauchen!)
im Koalitionsvertrag verankert. Das wollen wir.
Mittlerweile wird eine duale Ausbildung gefordert. Es
(Beifall der Abg. Miriam Gruß [FDP] – Caren
soll also nicht mehr eine Ausbildung von vier Jahren ge-
Marks [SPD]: Reden Sie doch mal zum Be-
ben, bis eine Erzieherin bzw. ein Erzieher in den Beruf
treuungsgeld!)
starten kann, sondern eine zügige qualitätsorientierte
Ausbildung. Das andere Thema, das Alleinerziehende ganz we-
sentlich interessiert, insbesondere die nichtehelichen Vä-
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ter, ist das Sorgerecht.
NEN]: Das hat nichts mit dem Betreuungsgeld
zu tun! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE (Caren Marks [SPD]: Haben Sie auch noch
GRÜNEN]: Ist das Betreuungsgeld jetzt für nichts gemacht! – Swen Schulz [Spandau]
die Betreuer?) [SPD]: Aktuell geht es um das Betreuungs-
geld!)
Diese Fragen sind meiner Ansicht nach in vielen Bun-
desländern noch nicht beantwortet. Ich wünschte, dass Ich wünsche mir, dass auch Frau Bär aufmerksam zu-
ein jahrzehntelang von der SPD regiertes Bundesland hört; denn das Thema Sorgerecht ist überfällig und ist
wie Nordrhein-Westfalen hier beispielhaft wäre. meiner Ansicht nach eines der nächsten zu lösenden Pro-
bleme.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie lange wa-
ren Sie denn mit Herrn Rüttgers dran?) (Beifall bei der FDP)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16427
Sibylle Laurischk
(A) Was mir auch sehr wichtig ist, ist, Oder der Staat würde in Zukunft einem Jugendlichen (C)
Geld überweisen, weil er nach zehn Jahren und nicht
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dass die Sonne nach dreizehn Jahren die Schule verlässt.
scheint!)
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Peinlich, pein-
dass eine der Entscheidungen, die die Koalition am lich!)
Sonntag getroffen hat, die Zuwanderungspolitik betrifft.
Wir wollen, dass Zuwanderung leichter wird, Diese Beispiele machen deutlich, Frau Bär, wie schräg
schon allein die Idee Ihres Betreuungsgeldes ist.
(Caren Marks [SPD]: Wollen Sie auch das Be-
treuungsgeld?) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
und zwar dadurch, dass die Einkommensgrenze für eine GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Das überneh-
Niederlassungserlaubnis auf 48 000 Euro pro Jahr abge- men die noch!)
senkt wird. Ganz wesentlich ist aber auch die Anerken- Das Betreuungsgeld, die Fernhalteprämie, ist ein ver-
nung von Berufsabschlüssen. Diese sehr moderne Ziel- giftetes Geschenk für Familien.
setzung haben wir umgesetzt.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sie hat es schon
(Beifall bei der FDP) wieder nicht kapiert!)
Das hat die SPD nicht fertiggebracht. Ich erinnere Der Gesetzgeber würde damit finanzielle Anreize schaf-
mich gut an Herrn Scholz, der das damals als Arbeitsmi- fen, die Bildungsbeteiligung von Kindern und gleicher-
nister nicht geschafft hat. Insofern haben wir durchaus maßen die Erwerbstätigkeit von Eltern, und zwar insbe-
positive Beispiele einer modernen Gesellschaftspolitik sondere von Müttern, zu verringern statt zu erhöhen. Ich
vorzuweisen. Daran werden wir weiter arbeiten. sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Damit wäre
das Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes konterka-
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kommen Sie
riert.
doch mal zum Betreuungsgeld!)
Das Betreuungsgeld würde ganz klar gegen Art. 3
Dies wird sich nicht ausschließlich am Thema Betreu- Abs. 2 unseres Grundgesetzes verstoßen; denn es trägt
ungsgeld festmachen lassen. eben nicht zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichbe-
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – rechtigung von Männern und Frauen bei.
Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die fünf (Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Es geht um
Minuten sind um!) Kinder!)
(B) (D)
Schon gar nicht wirkt es auf die Beseitigung bestehender
Vizepräsident Eduard Oswald: Nachteile hin. Das Betreuungsgeld wäre also klipp und
Vielen Dank, Frau Kollegin Laurischk. – Jetzt für die klar verfassungsrechtlich höchst problematisch.
Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Caren
Marks. Bitte schön, Frau Kollegin Marks. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
(Beifall bei der SPD) GRÜNEN)
Außerdem verfestigt es alte, traditionelle Rollenver-
Caren Marks (SPD): teilungen zwischen Frauen und Männern.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Der Mann kann
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Laurischk, doch auch daheim bleiben! – Gegenruf der
man merkt, dass bald Weihnachten ist: Die FDP hat viele Abg. Christel Humme [SPD]: Lesen Sie doch
Wünsche vorgetragen. Es wäre gut, wenn Sie sich ein- mal den Gleichstellungsbericht!)
mal ans Regieren machten. Noch besser wäre es, wenn
Sie zum Thema geredet hätten. Es setzt insbesondere für Frauen falsche Anreize, länger
zu Hause zu bleiben, die eigene Existenzsicherung und
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten damit auch die eigene Alterssicherung zu vernachlässi-
der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: gen.
Tätä, tätä, tätä!)
Es stellt sich aber auch die Frage: Welches Signal gibt
Es ist noch nie da gewesen und absolut absurd, dass die Bundesregierung bzw. diese Familienministerin in
Geld für die Nichtinanspruchnahme eines staatlichen Richtung des Arbeitsmarktes, wenn sie gut ausgebildete
Angebotes, in diesem Fall für die Nichtinanspruch- Frauen gerade von diesem fernhalten will? Statt weitere
nahme eines Krippenplatzes, gezahlt werden soll. Man Hürden für die Berufstätigkeit von Frauen aufzubauen,
stelle sich das einmal vor: Jemand nutzt ein ganzes Jahr wäre es die Pflicht der Bundesregierung, diese abzu-
lang nicht die Bibliothek vor Ort oder das städtische bauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf part-
Schwimmbad und bekommt dafür monatlich vom Staat nerschaftlich zu ermöglichen.
einen Geldbetrag überwiesen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Jetzt wird es pein- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
lich!) LINKEN)
16428 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Caren Marks
(A) Ein Blick, Frau Ministerin Schröder, in den Gleichstel- Für uns ist das Betreuungsgeld ein weiteres Indiz für den (C)
lungsbericht würde vielleicht auch Ihnen endlich einmal familien-, bildungs- und gleichstellungspolitischen
auf die Sprünge helfen. Blindflug der zuständigen Ministerin und der gesamten
schwarz-gelben Regierung.
Die CSU bemüht immer wieder das Argument der
Wahlfreiheit. Das haben wir auch heute schon mehrfach Wie tagesaktuellen Meldungen zu entnehmen ist, be-
gehört. Ich sage Ihnen: Wahlfreiheit gibt es erst dann, findet sich das Ministerium von Frau Schröder in einer
wenn genügend Bildungs- und Betreuungsangebote zur konzeptionellen Phase zur Ausgestaltung des Betreu-
Verfügung stehen. Es fehlen aber – auch das haben wir ungsgeldes. Ich sage Ihnen: Ohne Konzept, Frau Minis-
heute schon mehrfach und völlig zu Recht gehört – ins- terin, hilft auch keine konzeptionelle Phase.
besondere in den alten Bundesländern Tausende von
Krippenplätzen. Hier wäre dringender Handlungsbedarf, (Beifall bei der SPD)
(Sibylle Laurischk [FDP]: Nordrhein-Westfa- Die SPD wird weiter dafür kämpfen, dass die
len lässt grüßen! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: schwarz-gelbe Koalition ihren Blindflug beendet. Es
Hannelore Kraft!) wäre gut, wenn Ihnen endlich ein Licht aufginge und Sie
endlich sehen würden, was Familien in diesem Land
ganz besonders auch in Bayern, Frau Kollegin Bär. wirklich brauchen. Auf jeden Fall brauchen sie eine bes-
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sere Regierung.
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
Vielen Dank.
LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das tut
weh, dass die Kraft so schlecht dasteht, nicht?) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch nach Art. 6 des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Abs. 1 unseres Grundgesetzes ist die Idee des Betreu-
ungsgeldes verfassungsrechtlich höchst fragwürdig. Vizepräsident Eduard Oswald:
Denn nach Art. 6 Abs. 1 unseres Grundgesetzes muss Vielen Dank, Frau Kollegin Caren Marks. – Jetzt für
der Staat alle Familien fördern. die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Alexander
(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Art. 6 haben Dobrindt. Bitte schön, Kollege Dobrindt.
Sie auch nicht verstanden!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn er nur bestimmte Familien fördern will, dann
muss er dies gut begründen. Genau deswegen, wie wir Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
(B) heute in der Presse lesen konnten, sind Expertinnen und Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen (D)
Experten sowohl im Kanzleramt als auch im Familien- und Kollegen! Frau Marks, lassen Sie sich eines sagen:
ministerium ratlos, wie das Betreuungsgeld denn nun Unser Signal mit dem Betreuungsgeld an Millionen von
verfassungsrechtlich einwandfrei in ein Gesetz gegossen Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, heißt: Sie sind
werden soll. Ich sage Ihnen: Lassen Sie es doch einfach! uns wichtig, ihre Erziehungsleistung ist für uns wertvoll,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und deswegen muss sie dem Staat auch etwas wert sein.
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!
GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei
Wenn man bedenkt, dass für das unsinnige Betreu- der SPD)
ungsgeld 2 Milliarden Euro jährlich ausgegeben werden
Sie von Rot, Grün und der Linkspartei machen eines
sollen und damit die Zustimmung der CSU zu den
ganz deutlich, nämlich dass Ihnen diese Menschen un-
ebenso unsinnigen Steuersenkungen erkauft wurde, dann
wichtig sind. Sie wollen sie abschreiben.
ist das alles andere als eine solide Haushaltspolitik. Das
ist ein Offenbarungseid dieser schwarz-gelben Koalition. (Caren Marks [SPD]: Sie schreiben sie ab!)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Deswegen sagen Sie auch in aller Deutlichkeit: Von uns
der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/ habt ihr nichts zu erwarten, kommt bitte alleine zu-
CSU) recht. – Aber wir werden Sie damit nicht durchkommen
Noch viel schlimmer ist aber: Diese Regierung lässt lassen. Wir wollen diejenigen unterstützen, die sich frei
Eltern mit kleinen Kindern im Regen stehen, die drin- für eine andere Art der Kindererziehung entscheiden, als
gend einen Krippenplatz benötigen. Ministerin Schröder Sie sie ihnen vorschreiben wollen.
legt wie immer die Hände in den Schoß und tut nichts (Beifall bei der CDU/CSU – Christel Humme
dafür, den ins Stocken geratenen Krippenausbau zu be- [SPD]: Wir wollen keine Erziehung vorschrei-
schleunigen. Das ist verantwortungslos. ben! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Es drängt sich durchaus der Verdacht auf: Vielleicht NEN]: Ich frage mich, ob Sie das selber glau-
ist das Betreuungsgeld auch ein Mittel zum Zweck, um ben!)
die Nachfrage nach Krippenangeboten zu verringern.
Frau Marks von der SPD und Herr Lenkert von der
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist ja ein Linkspartei, Sie treten hier mit einer unverschämten Ar-
Skandal!) roganz auf.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16429
Alexander Dobrindt
(A) (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das habe ich Männer –, seine Berufstätigkeit zu unterbrechen, um (C)
schon vor fünf Jahren gehört, von Ihrem Kol- sich der Erziehung zu Hause zu widmen, dann hat das
legen Althaus!) höchste Anerkennung verdient.
„Fernhalteprämie“ und „Mutti am Herd“ waren Ihre (Beifall der Abg. Daniela Ludwig [CDU/
Worte. Diese unverschämte Arroganz, die Sie an den CSU] – Sönke Rix [SPD]: Natürlich, aber
Tag legen, spottet wirklich jeder Beschreibung. Nehmen doch nicht mit Geld!)
Sie auch das zur Kenntnis!
Das ist eine mutige Entscheidung, weil die Person nicht
(Beifall bei der CDU/CSU – Ralph Lenkert weiß, ob sie zu adäquaten Bedingungen wieder in den
[DIE LINKE]: Fahren Sie nach Thüringen! Beruf einsteigen kann. Diese Menschen haben es ver-
Fragen Sie nach! Hören Sie zu!) dient, dass man ihren Mut lobt und ihnen Respekt aus-
Das Betreuungsgeld ist keine Fernhalteprämie. Jeder, drückt. Ihre feige Häme in diesem Haus ist fehl am
der Betreuungsgeld bekommt, kann gleichzeitig voll be- Platz.
rufstätig sein. Keine einzige Mutter und kein einziger (Beifall bei der CDU/CSU – Dagmar Ziegler
Vater wird durch das Betreuungsgeld von der Berufsaus- [SPD]: Mit dieser Regierung ist es tatsächlich
übung abgehalten. Das Betreuungsgeld hat nicht zur Vo- eine mutige Entscheidung!)
raussetzung, dass ein Elternteil beruflich pausieren
muss. Es ist richtig, dass gerade in dieser Zeit eines der
größten Programme zum Ausbau der Kinderbetreuung in
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Deutschland läuft.
Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Selbst
die konservative Presse kann das nicht einse- (Sönke Rix [SPD]: Das würdigt doch nicht die
hen! Sagen Sie einmal etwas dazu!) Arbeit der Eltern, die die Kinder zu Hause las-
sen!)
Sie haben jahrelang versucht, auch heute wieder, den
Menschen in Deutschland klarzumachen, dass sie nur Es ist richtig, dass wir mit dem Elterngeld eine weitere
dann Betreuungsgeld bekommen, wenn sie ihren Beruf familienpolitische Leistung eingeführt haben, die von
aufgeben. Das, was Sie hier versuchen, ist Volksverdum- vielen in Anspruch genommen wird, die beruflich pau-
mung. sieren wollen. Deswegen ist es eine konsequente Fortset-
(Caren Marks [SPD]: Nein, das Betreuungs- zung unserer Politik, dass wir eine Lücke schließen und
geld ist Volksverdummung!) denen helfen, die keine staatliche Kinderbetreuung in
Anspruch nehmen. Diese Eltern darf der Staat nicht ver-
(B) Sie haben die Menschen belogen, Sie haben versucht, gessen. Deswegen muss er bereit sein, deren Erziehungs- (D)
mit der Unwahrheit Stimmung zu machen. Geben Sie leistung auch finanziell zu honorieren.
bitte zu, dass Sie den Menschen die Unwahrheit gesagt
haben. Sie haben sie belogen, Sie wollten sie aufwie- (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei
geln. Sie sollten sich jetzt dafür schämen, dass Sie die der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
Unwahrheit gesagt haben. NEN)
(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ich schäme – Wir haben ein freiheitliches Bild von der Familie.
mich für diesen Auftritt! – Dagmar Ziegler
(Zurufe von der SPD: Oh!)
[SPD]: Erklären Sie den Menschen doch ein-
mal, was Sie anstreben!) Deswegen werden Sie nie von uns hören, dass wir ir-
Sie von Rot-Grün haben Milliarden für die Menschen gendeine Art der Erziehung oder Eltern, die frei ent-
ausgegeben, die Sie in die Arbeitslosigkeit geschickt ha- scheiden, eine Kita zu nutzen, in irgendeiner Art und
ben. Wir haben die Zahl der Arbeitslosen von 5 Millio- Weise schlechtreden.
nen auf jetzt 2,5 Millionen halbiert. (Sönke Rix [SPD]: Warum honorieren Sie das
(Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- eine und das andere nicht?)
NIS 90/DIE GRÜNEN) Wir werden Eltern, die eine Kita nutzen, nicht schlecht-
Deswegen haben wir jetzt Geld für die Familien in reden. Aber Sie von der SPD, von den Grünen und von
Deutschland und müssen nicht mehr die von Ihnen ver- der Linkspartei reden permanent diejenigen Eltern
schuldete Arbeitslosigkeit finanzieren. schlecht, die keine Kita nutzen, die ihre Kinder nicht in
die Kita geben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der FDP – Dagmar Ziegler [SPD]: Zwei (Beifall bei der CDU/CSU)
Billionen Euro Schulden!)
Sie wollen nur die eine Erziehungsleistung haben. Sie
Lassen Sie sich bezüglich Ihrer unverschämten Arro- wollen die Eltern in Deutschland spalten. Sie sind dieje-
ganz eines sagen: nigen, die Erziehungsleistungen zu Hause schlechtreden.
Ich kann Ihnen sagen: Wir werden nicht zulassen, dass
(Sönke Rix [SPD]: Das sagt der Richtige!)
Sie Eltern in Deutschland spalten und gegeneinander
Wenn sich jemand dafür entscheiden sollte – das tun ausspielen. Wir stehen für die echte Wahlfreiheit bei der
viele junge Frauen, und das tun übrigens auch junge Erziehung.
16430 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Alexander Dobrindt
(A) (Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: 150 Euro nehmen. Aber Sie müssen doch auch zugeben, (C)
Wieso honorieren Sie eigentlich nicht die El- dass Sie mit der kleinen milden Gabe, die Sie auf der ei-
tern, die ihre Kinder in die Krippe bringen?) nen Seite verteilen, auf der anderen Seite, nämlich bei
Kindern aus sozial schwächeren Familien, viel Schaden
Meine Damen und Herren, hören Sie bitte endlich mit anrichten, den Sie nicht mehr gutmachen können.
dieser unglaublichen Unterstellung auf, dass Kinder zu
Hause schlechter erzogen werden als in der Kita. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Dagmar Ziegler [SPD]: In welchem Rhetorik-
seminar waren Sie denn?) Dieses Betreuungsgeld ist eine Entscheidung gegen
Das, was Sie hier heute aufführen – SPD, Grüne und die frühe Förderung von Kindern, gegen eine frühe För-
Linkspartei –, gegen das Betreuungsgeld zu stänkern, derung, die vielen Kindern sehr gut täte und die dafür
das diffamiert in unerträglicher Weise die Erziehungs- sorgen würde, dass Benachteiligungen abgebaut werden
leistung von vielen Millionen Vätern und Müttern in die- und dass gute Startbedingungen entstehen können. Ich
sem Land, und das lassen wir nicht zu. frage Sie, Frau Bär oder Herr Dobrindt: Wo erleben Sie
denn in Bayern die Wahlfreiheit? Bayern gehört zu den
(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Bundesländern, in denen es diese Wahlfreiheit nicht gibt.
Sie diffamieren doch die Eltern, die ihre Kin- Mit einer Betreuungsquote von 20,6 Prozent sind wir
der in den Kindergarten bringen!) ganz hinten im bundesweiten Ranking.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
Vizepräsident Eduard Oswald: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander
Vielen Dank, Kollege Alexander Dobrindt. – Jetzt für Dobrindt [CDU/CSU]: Nehmen Sie das zu-
die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin rück! Korrigieren Sie sich!)
Marianne Schieder. Bitte schön, Frau Kollegin Marianne
Schieder. Da gibt es viel zu tun für Ihre Familienministerin.
(Beifall bei der SPD) Sie wissen das doch auch. Ich lese Ihnen einmal vor,
was die bayerische Sozialministerin in der Frankfurter
Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Rundschau von heute gesagt hat. Auf die Frage, ob nicht
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol- die Gefahr bestehe, dass gerade Geringverdiener lieber
legen! Vor allen Dingen liebe Kolleginnen und Kollegen das Bargeld nähmen, als ihre Kinder in die Krippe zu ge-
aus den Reihen der CSU! Es war schon schlimm genug, ben, antwortete sie – ich zitiere –:
(B) was Frau Bär und was Frau Dr. Schröder hier geboten Wissenschaftliche Studien und die Erfahrungen in (D)
haben. Aber was der Herr Generalsekretär Dobrindt Finnland, Schweden und Norwegen haben das Ge-
eben abgeliefert hat, „des zäigt oim“, wie wir in Bayern genteil erwiesen. Die Eltern, die ihre Kinder schon
sagen, „d’Schouh aas“. Anders kann man das nicht be- mit einem Jahr in eine Krippe geben, sind außer-
zeichnen. dem meistens gut verdienende Berufstätige. Und
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der LINKEN die werden sich von den 150 Euro nicht umstimmen
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lassen.
Kein Mensch hat heute und auch die Monate und Ach, siehe da, die Ministerin stellt sich dumm, weiß
Jahre zuvor hier in diesem Hohen Hause davon geredet, aber ganz genau, was los ist.
dass Kinder zu Hause schlechter erzogen werden als in
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der LIN-
Kindertagesstätten. Sie wissen doch genauso gut wie wir
KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
alle hier, dass das Betreuungsgeld nur auf den ersten
Dorothee Bär [CDU/CSU]: Tätä, tätä, tätä!)
Blick so verfangen kann, dass man davon ausgehen
könnte, dass es eine längst überfällige Anerkennung von Sie weiß nämlich ganz genau, dass dieses Betreu-
Erziehungsleistung im Elternhaus mit sich bringt. Sie ungsgeld dort angenommen wird, wo es zur Fernhalte-
wissen doch ganz genau, dass bereits der zweite Blick prämie wird und Kindern ihre Lebenschancen genom-
zeigt, dass dieses Betreuungsgeld geeignet ist, eine kata- men werden. Sie wissen doch auch, dass gerade in sozial
strophale Steuerungswirkung zu entfalten und dafür zu schwächeren Familien dieses Geld als Lockmittel geeig-
sorgen, dass gerade Kinder, die einer frühkindlichen För- net ist.
derung bedürfen, nicht mehr in unseren Kindertagesstät-
ten auftauchen werden und damit ihrer Zukunftschancen (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist doch kein
beraubt werden. Bierzelt hier, meine Güte!)
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Da frage ich Sie, Frau Bär: Wo ist denn Ihr christli-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ches Menschenbild geblieben? Und ich frage die Vertre-
ter von der liberalen Seite: Wo bleibt denn das einst so
Die ganze SPD-Fraktion hat viel Verständnis dafür, hoch gehaltene Engagement der Liberalen für die Bil-
dass Eltern, die sich heute bewusst entschieden haben, in dung?
den ersten drei Lebensjahren mit ihren Kindern zu Hause
zu bleiben, oder dass Eltern, die dies tun müssen, weil (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Habt ihr aus-
sie gar keinen Kitaplatz gefunden haben, gerne diese gelost, wer hier reden darf?)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16431
Marianne Schieder (Schwandorf)
(A) Ich sage Ihnen: Sie sind lediglich eine sogenannte christ- Vizepräsident Eduard Oswald: (C)
lich-liberale Koalition. Sie sorgen mit diesem Betreu- Vielen Dank, Frau Kollegin Marianne Schieder. –
ungsgeld für den Ausbau der sozialen Spaltung und für Jetzt spricht für die Fraktion der CDU/CSU unsere Kol-
noch mehr Bildungsungerechtigkeit in diesem Land. legin Daniela Ludwig. Bitte schön.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
GRÜNEN und der LINKEN) Dorothee Bär [CDU/CSU]: Jetzt wird es wie-
der sachlich! – Ralph Lenkert [DIE LINKE]:
Sie wissen genau, dass das Beste, was wir unseren Kin-
Schon wieder die CSU!)
dern mitgeben können, Bildung ist und dass diese Bil-
dung nicht in der Schule, sondern bereits im vorschuli-
schen Bereich beginnt. Daniela Ludwig (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das gen! Ich möchte meine wertvolle Redezeit zu Beginn
Elternhaus reicht auch!) gerne noch einmal dafür nutzen, Ihnen von Herzen zu er-
Deswegen müssen wir die Zahl der Kitaplätze ausbauen, klären, wie das von uns am Sonntag beschlossene Be-
treuungsgeld in Wahrheit funktioniert. Bevor Sie jetzt
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Und gelangweilt gähnen, hören Sie einfach einmal zu.
im Elternhaus gibt es keine Bildung?)
(Sönke Rix [SPD]: Ich dachte, das Ministe-
um eine echte Wahlfreiheit zu schaffen und dafür zu sor- rium ist in einer konzeptionellen Phase!)
gen, dass es wirklich genügend Kindertagesstättenplätze
gibt und dass Eltern die Frage entscheiden können und Denn wenn Sie es schon kapiert hätten, hätte sich der
nicht in ein Rollenbild hineingedrängt werden, in das sie eine oder andere Redebeitrag erledigt oder innerhalb von
nicht hineingedrängt werden wollen. fünf Minuten umgeschrieben werden müssen, liebe Frau
Marks. So schnell konnten Sie aber leider nicht mehr re-
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE agieren.
GRÜNEN und der LINKEN)
Also: Das Betreuungsgeld funktioniert zweigleisig.
Aber ich kenne die Argumentationsmuster der CSU, Es ist Anerkennung für die Eltern, die sich bewusst für
und ich weiß, wie vor Ort diskutiert wird. Schneller als die Betreuung ihrer Kleinst- und Kleinkinder – Herr
Sie glauben, haben Sie an den Stammtischen Steinmeier, wir sprechen nicht von Kindergarten-
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das tut ja weh!) kindern –
(B) (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Und (D)
wieder diejenigen, die als Alleinerziehende oder als
junge Familien Familie und Beruf vereinbaren wollen was ist mit Alleinerziehenden? Krippe ist auch
oder als junge Eltern gezielt einen Kitaplatz wollen, Kindergarten!)
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Fa- zu Hause entscheiden und dafür eine Zeit lang auf nichts
sching beginnt erst übermorgen!) Geringeres als auf ihre eigene Berufstätigkeit verzichten. –
Punkt eins.
wegen der Förderung in die Rabenfamilien-Ecke hinein-
gedrängt. (Sönke Rix [SPD]: Und wieso spielen Sie das
gegen das andere Familienbild aus?)
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und der LINKEN) Punkt zwei: Das Betreuungsgeld ist Unterstützung
auch der Eltern, die weiter berufstätig sind, sich aber an-
Das ist ein konservatives, ein rückwärtsgewandtes Fami- maßen,
lienbild, von dem ich eigentlich gedacht hätte, dass es
die CSU schon längst überwunden hat. (Caren Marks [SPD]: Das Konzept steht doch
noch gar nicht!)
Die Erziehung unserer Kinder sowohl im Elternhaus
als auch in den Kitas und Schulen ist eine der wichtigs- eine Krippe nicht in Anspruch nehmen zu wollen, weil
ten Aufgaben für die ganze Gesellschaft, und die dort sie sich die Betreuung des Wichtigsten, was sie im Le-
geleistete Erziehungsarbeit muss von der Gesellschaft ben haben, nämlich ihrer Kinder, anders vorstellen als
besser honoriert und besser gefördert werden. Aber der beispielsweise Sie.
Weg über das Betreuungsgeld ist ganz bestimmt der fal- (Caren Marks [SPD]: Die Förderung privater
sche Weg. Familien brauchen bessere Rahmenbedingun- Betreuung! Das ist interessant!)
gen, um Familie und Beruf in Einklang bringen zu kön-
nen, und da können Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen – Die Lautstärke Ihres Geschreis steht leider im umge-
seitens der CSU, gerade in Bayern noch viel mehr tun, kehrten Verhältnis zur Sinnhaftigkeit Ihrer Äußerungen.
bevor Sie so einen Unsinn wie das Betreuungsgeld an- Von daher wäre es schön, wenn Sie einfach weiter zuhö-
streben. ren würden.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu-
GRÜNEN und der LINKEN – Dorothee Bär ruf von der SPD: Sie können einfach weiterre-
[CDU/CSU]: Bodenlos!) den!)
16432 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Daniela Ludwig
(A) So viel jetzt nur zur fachlichen Aufklärung für die, die [SPD]: Was unterstellen Sie eigentlich Eltern, (C)
immer noch mit den billigen Argumenten wie „Herdprä- die ihre Kinder in eine Krippe geben?)
mie“, „Hausfrauensubventionierung“ und anderem Blöd-
Auch darum geht es nämlich. Das muss man einmal ge-
sinn, der Ihnen sonst noch eingefallen ist, um die Ecke
genüber Ihrer Generalsekretärin festhalten, die da irgend-
kommen.
etwas von gymnasialem Schwachsinn erzählt.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Die Ministerin hatte
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
doch Redezeit! Sie hätte es ja erklären kön-
NEN]: Das heißt doch, dass andere ihre Kinder
nen!)
nicht lieben! Da sind wir wieder bei den Ra-
Das sind alte Textbausteine. Entledigen Sie sich dieser, benmüttern gelandet! Das Niveau sinkt!)
und setzen Sie sich fachlich mit dem auseinander, was
Mir fehlen angesichts Ihrer Äußerungen wirklich die
wir hier machen!
Worte. Wie viele Eltern machen sich vor der Geburt und
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – nach der Geburt intensivst, Tag und Nacht – Sie haben es
Dagmar Ziegler [SPD]: Sie hätten Ihre Rede- angesprochen, liebe Frau Ministerin – Gedanken da-
bausteine der Ministerin geben sollen!) rüber, was für ihr Kind gut ist? Da brauchen sie die SPD
nicht. Da brauchen sie im Übrigen auch uns nicht. Jeder
Ganz abgesehen davon, dass wir es hier mit einer bo- Elternteil, jeder Vater, jede Mutter, soll individuell das
denlosen fachlichen Ahnungslosigkeit Ihrerseits zu tun für sein Kind bekommen können, was er will.
haben,
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das Niveau sinkt!)
NEN]: Was ist denn jetzt beschlossen wor-
den?) Das kann ein Krippenplatz sein, das kann die häusliche
Betreuung sein, das kann ein Kindermädchen sein, das
diskreditieren Sie. Ob Sie das gerne hören oder nicht, es kann die Nachbarschaftshilfe sein. Erweitern Sie auch
ist so. hier Ihren Horizont!
(Dagmar Ziegler [SPD]: Hatten wir schon!) (Beifall bei der CDU/CSU)
– Es wird deswegen nicht falscher, Frau Ziegler. Sie ha- Es gibt nicht nur Ballungsräume. Es gibt auch dörfliche
ben allerdings vieles wiederholt, was falsch ist. – Ganz Gemeinschaften, in denen durch Absprachen wunder-
abgesehen davon, dass Sie fachlich ahnungslos sind, dis- bare Lösungen gefunden werden. Diese organisieren sel-
kreditieren Sie auf unsägliche Art und Weise Mütter und ber die Betreuung, weil sie dann wissen, was sie haben.
(B) Väter. Erweitern Sie einmal Ihren Horizont! (D)
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Was Sie hier abliefern,
(Sönke Rix [SPD]: Es wird ja nur schlimmer!) stellt nichts anderes dar als eine permanente Anmaßung.
Es gibt nämlich auch Väter, die zu Hause bleiben. Dann setzen Sie dem Ganzen noch die Krone auf, indem
Sie sagen: Kita für alle, weil die Kinder sonst leider ver-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – dummen. Aha! Elternhäuser verdummen ihre Kinder. In-
Caren Marks [SPD]: Bei Ihnen kann man den teressant! Auch da kann ich Ihnen nur sagen: Mir fehlen
Horizont nicht erweitern, weil Sie keinen ha- fast die Worte.
ben!)
(Dagmar Ziegler [SPD]: Ist das schwach!)
Und in Bayern bleiben prozentual die meisten Väter zu
Hause. Diese sind nicht vorher von Ihnen agitiert wor- Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Das ist of-
den, sondern sie machen es freiwillig. fenbar Ihre Einstellung zu elterlicher Erziehung und el-
terlicher Liebe gegenüber Kindern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(Dagmar Ziegler [SPD]: Unverschämtheit!
Sie diskreditieren also Mütter und Väter, Ganz große Unverschämtheit!)
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Anders kann ich es nicht sagen. Sie alle hatten eine wun-
NEN]: Da klatschen nicht einmal Ihre eigenen derbare Gelegenheit, das darzustellen. Das ist Ihnen lei-
Leute!) der nicht gelungen.
die es sich trauen, zu sagen: Ich will mein Kind nicht in (Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz
eine Krippe geben. Ich will es selbst machen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir halten
Es gibt ja vermutlich kaum einen anspruchsvolleren nur Ihre Rede nicht mehr aus!)
Job als den, Kleinstkinder und Kinder zu erziehen Deswegen noch einmal: Erweitern Sie Ihren Hori-
zont! Erweitern Sie Ihr Lebensbild!
(Zuruf von der CDU/CSU: Genau so ist es!)
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)
und ihnen Liebe und Gefühle entgegenzubringen.
Schauen Sie sich an, was die ganz große Mehrheit der
(Caren Marks [SPD]: Ach? Das machen die
Eltern will!
Eltern, die einen Krippenplatz haben, nicht? –
Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Caren Marks [SPD]: Genau! Die wollen Fa-
Die anderen können das nicht? – Sönke Rix milie und Beruf!)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16433
Daniela Ludwig
(A) Die ganz große Mehrheit der Eltern will selber entschei- Erziehung in der Kita und die Erziehung zu Hause einan- (C)
den, was sie macht der konfrontativ gegenüber. Aber beides hat seinen Wert.
(Caren Marks [SPD]: Das sollen sie auch!) (Beifall bei der CDU/CSU)
mit ihrem Säugling, mit ihrem einjährigen, mit ihrem Beides kann gut sein, und beides kann zu Problemen
zweijährigen, mit ihrem dreijährigen Kind. Die ganz führen.
große Mehrheit der Eltern kann das wunderbar selbst
Damit bin ich bei einem Satz vom Kollegen
entscheiden. Wir stellen allen Eltern gleichmäßig die
Steinmeier, der leider schon gegangen ist.
Möglichkeiten zur Verfügung,
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ach so, der ist
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
schon weg!)
NEN]: Was ist denn mit dem Ehegattensplit-
ting?) Das ist bedauerlich; aber vielleicht geben Sie an ihn wei-
ter, was ich dazu zu sagen habe, und vielleicht denkt er
die sie brauchen, um diese Entscheidung ganz frei und
dann noch einmal darüber nach. – Er hat als Problem-
ohne staatlichen Zwang und nur für sich selber zu tref-
punkt beim Betreuungsgeld die Frage aufgeworfen: Was
fen.
geschieht mit Kindern und Jugendlichen mit Migrations-
(Caren Marks [SPD]: Ohne Krippenplatz!) hintergrund, aus anregungsarmen, bildungsfernen
Schichten? Er hat ganz pauschal gesagt: Wir wollen ei-
Vielen herzlichen Dank.
gentlich kein Betreuungsgeld für die Kinder türkisch-
(Beifall bei der CDU/CSU) stämmiger Familien, weil wir glauben, dass sie dann
nicht in die Kita gehen und nicht den Anschluss in dieser
Vizepräsident Eduard Oswald: Gesellschaft finden. – Auch dieser Satz darf so pauschal
Vielen Dank, Frau Kollegin Ludwig. – Jetzt geben nicht stehen bleiben.
wir noch alle Aufmerksamkeit dem letzten Redner unse- (Caren Marks [SPD]: Den hat er so pauschal
rer Aktuellen Stunde. Für die Fraktion der CDU/CSU auch nicht gesagt! Ich denke, Sie sind die
spricht unser Kollege Dr. Peter Tauber. Bitte schön, Kol- christlich-liberale Koalition! „Du sollst nicht
lege Dr. Tauber. falsch Zeugnis ablegen!“)
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der – Den hat er so gesagt; das können Sie gerne nachlesen.
SPD – Gegenrufe von der CDU/CSU) Den hat er so pauschal gesagt. Das darf man aber so
– Herr Kollege Dr. Tauber, Sie haben das Wort, auch nicht sagen.
(B) wenn es sich anders anhört. (D)
(Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen gehen
Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): die Argumente aus! – Stefan Schwartze [SPD]:
Herr Präsident, ich werde mir Mühe geben, so laut zu Zuhören hätte geholfen, Herr Tauber!)
sprechen, dass mir alle folgen müssen, auch die, die es Das mag es geben, und das ist eines der Probleme, über
vielleicht nicht wollen. die wir reden müssen, wenn wir das Betreuungsgeld aus-
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine gestalten. Aber die pauschale Aussage, dass Kinder mit
Herren! Ich glaube, es war vorher klar, dass diese De- Migrationshintergrund nicht den Anschluss in dieser Ge-
batte emotional wird. Ich habe, ehrlich gesagt, auch da- sellschaft finden, wenn sie im zweiten und dritten Le-
mit gerechnet, dass aus den Reihen der Opposition der bensjahr zu Hause bleiben, kann, ganz ehrlich, nicht Ihr
eine oder andere Redner oder die eine oder andere Red- Ernst sein. Denken Sie das einmal zu Ende, und fragen
nerin bei diesem Thema Schaum vor dem Mund hat. Sie sich, was dieser Satz eigentlich bedeutet.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Nein, alles in Ord- (Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz
nung!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt
denn eigentlich Frau von der Leyen dazu?)
Es ist zwar kein neues Thema, es ist aber nach wie vor
ein strittiges Thema. Vielleicht ist es Ihrer Emotionalität Dann darf man einmal daran erinnern – das ist für die
geschuldet, dass Sie das eine oder andere gesagt haben, Sozialdemokraten ein bisschen schmerzhafter als für die
was so aus meiner Sicht nicht stehen bleiben darf. Frau Linken und die Grünen –: Sie haben das mit auf den Weg
Kollegin Deligöz, Sie haben sinngemäß gesagt, Eltern, gebracht.
die sich selber kümmern, stehlen ihren Kindern die Zu-
(Caren Marks [SPD]: Nein!)
kunft.
Denn das Betreuungsgeld ist eine von drei Säulen einer
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
modernen Familienpolitik.
NEN]: Wenn Sie mich zitieren, dann zitieren
Sie mich richtig! Das ist unverschämt! – Caren (Caren Marks [SPD]: Um Gottes willen!)
Marks [SPD]: Christlich heißt eigentlich: Du
Diese Säulen sind das Elterngeld, der Ausbau der Krip-
sollst nicht lügen!)
penplätze und das Betreuungsgeld. Das schmerzt Sie
Das kann so absolut nicht stehen bleiben. In allen Rede- wahrscheinlich auch deswegen, weil mit Ursula von der
beiträgen der Opposition wird eines getan: Sie stellen die Leyen eine christdemokratische Familienministerin das
16434 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16435
Anlage 1 nuar 2009, 1. Januar 2010 und 1. Januar 2011 für das Bundes-
ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Liste der entschuldigten Abgeordneten (Beamte, Angestellte, Arbeiter, befristet Beschäftigte, in das
BMU Beurlaubte)?
Wie vielen Vollzeitäquivalenten entsprechen die Zahlen
entschuldigt bis (bitte gleiche Aufschlüsselung)?
Abgeordnete(r) einschließlich
Zu Frage 35:
Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 09.11.2011
Durch den am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen
Marieluise DIE GRÜNEN
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst wurde ein ein-
Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ 09.11.2011 heitliches Tarifrecht für Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
DIE GRÜNEN nehmer im öffentlichen Dienst geschaffen, das die Be-
griffe „Angestellte“ und „Arbeiter“ durch den Begriff
Goldmann, Hans- FDP 09.11.2011 „Tarifbeschäftigte“ ersetzt; dieser Rechtsänderung wird
Michael in der Antwort Rechnung getragen; es wird unterstellt,
dass mit den ins „Umweltministerium Beurlaubten“ die
Griese, Kerstin SPD 09.11.2011 „in das Bundesumweltministerium abgeordneten“ Be-
schäftigten gemeint sind.
Grosse-Brömer, CDU/CSU 09.11.2011
Die Zahl der im Bundesministerium für Umwelt, Na-
Michael
turschutz und Reaktorsicherheit, BMU, beschäftigten
Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 09.11.2011 Personen hat sich von 2008 bis 2011 an den beiden
Standorten Bonn und Berlin jeweils zum Stichtag 1. Ja-
Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 09.11.2011 nuar wie folgt entwickelt:
Leidig, Sabine DIE LINKE 09.11.2011 2008 Bonn 562 = 66 % Berlin 289 = 33 %
Nahles, Andrea SPD 09.11.2011 2009 Bonn 584 = 66,1 % Berlin 299 = 32,9 %
(B) Nietan, Dietmar 2010 Bonn 557 = 62,4 % Berlin 335 = 37,6 % (D)
SPD 09.11.2011
2011 Bonn 531 = 62,3 % Berlin 322 = 37,7 %
Philipp, Beatrix CDU/CSU 09.11.2011
Eine exakte Aufschlüsselung der Zahlen, insbeson-
Polenz, Ruprecht CDU/CSU 09.11.2011 dere für Beamtinnen und Beamte bzw. unbefristete Tarif-
beschäftige, ist nicht möglich, weil entsprechende Daten
Röspel, René SPD 09.11.2011 in elektronischen Personalorganisationssystemen nicht
vorgehalten bzw. zum Teil auch aus Datenschutzgründen
Rupprecht (Weiden), CDU/CSU 09.11.2011
nicht langfristig gespeichert werden. Entsprechende
Albert
Zahlen lassen sich lediglich aus den bekannten Einzel-
Seiler, Till BÜNDNIS 90/ 09.11.2011 plänen des Haushalts unter Berücksichtigung von Plan-
DIE GRÜNEN stellen, Ersatzplanstellen und Leerstellen sowie abzüg-
lich der zum 1. Januar eines Jahres bewilligten neuen
Widmann-Mauz, CDU/CSU 09.11.2011 Stellen, die am 1. Januar noch nicht besetzt sind, und der
Annette jeweiligen Beurlaubungen berechnen; dabei können un-
ter anderem neue Stellen und Beurlaubungen – aus den
Wolff (Wolmirstedt), SPD 09.11.2011 genannten Gründen – nur pauschal, nicht „standort-
Waltraud scharf“, Berücksichtigung finden.
Auf Grundlage einer solchen Betrachtung ergibt sich,
Wunderlich, Jörn DIE LINKE 09.11.2011
dass 2011 die Anzahl der im BMU beschäftigten Perso-
nen in etwa wieder der Zahl der Beschäftigten von 2008
entspricht. Dabei ist allerdings die Zahl der Beamtinnen
Anlage 2 und Beamten in Bonn leicht gesunken. Gleichzeitig hat
Technisch bedingter Neuabdruck der Antwort die Zahl der Beamtinnen und Beamten in Berlin entspre-
chend zugenommen. Diese Tendenz ist unter anderem
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die darauf zurückzuführen, dass die Erweiterung der Zustän-
Fragen des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (135. Sit- digkeiten des BMU in der 15. und 16. Wahlperiode ins-
zung, Drucksache 17/7411, Fragen 35 und 36): besondere am Standort Berlin erfolgte und überwiegend
Wie viele Personen arbeiteten, aufgeschlüsselt nach den mit befristet Beschäftigten geschultert wurde; erst jetzt
Standorten Bonn und Berlin, jeweils am 1. Januar 2008, 1. Ja- wird dies teilweise stellenwirtschaftlich nachgezeichnet,
16436 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) während im Übrigen in vielen anderen Aufgabengebie- die Arbeitsplätze des BMVg weitgehend nach Berlin zu verla- (C)
ten weiterhin Stellen zu kürzen sind. gern, oder würden diese Wehrverwaltungsstellen wieder aus
Bonn abgezogen, wenn das Bundeskabinett einer Verlagerung
Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass vom des größten Teils der Arbeitsplätze des BMVg nach Berlin
nicht zustimmt?
1. Januar 2008 bis zum 1. Januar 2010, dieser Stichtag
spiegelt ausschließlich die noch in der vorigen Wahlperi- Eine Verlagerung von Dienststellen der Wehrverwal-
ode getroffenen stellenwirtschaftlichen Entscheidungen tung und der Streitkräfte nach Bonn ist infolge des neuen
wider, der Anteil der Berlin-Beschäftigten von 33 Pro- Stationierungskonzeptes vorgesehen. Das in Bonn neu
zent auf 37 Prozent erhöht wurde. Erst seit Beginn der aufzustellende Bundesamt für Infrastruktur, Umwelt-
laufenden Wahlperiode konnte die Berlin-Quote kon- schutz und Dienstleistungen der Bundeswehr geht im
stant bei 37 Prozent gehalten und damit der in den bei- Wesentlichen aus dem heute ebenfalls in Bonn statio-
den letzten Wahlperioden entstandene Trend zur Erhö- nierten Bundesamt für Wehrverwaltung hervor. Hierbei
hung des Berlin-Anteils gestoppt werden. soll der Dienstpostenumfang des Bundesamtes für Infra-
struktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bun-
Zu Frage 36: deswehr gegenüber dem Bundesamt für Wehrverwaltung
Eine Betrachtung nach Vollzeitäquivalenten ergibt für aufgrund zusätzlicher Aufgaben und Fähigkeiten nach
die beiden Standorte Bonn und Berlin jeweils zum Stich- derzeitigem Stand der Planung um rund 280 Dienstpos-
ten auf zukünftig circa 1 400 Dienstposten vergrößert
tag 1. Januar von 2008 bis 2011 Folgendes:
werden.
2008 Bonn 447 = 63,9 % Berlin 252 = 36,1 % Darüber hinaus ist die Aufstellung des Kommandos
Streitkräftebasis in Bonn vorgesehen, das maßgeblich
2009 Bonn 507 = 65,25 % Berlin 270 = 34,75 % aus dem bislang in Köln stationierten Streitkräfteunter-
2010 Bonn 487 = 61,8 % Berlin 300 = 38,2 % stützungskommando sowie den streitkräftebasisbezoge-
nen Teilen des Führungsstabes der Streitkräfte gebildet
2011 Bonn 485 = 62,5 % Berlin 291 = 37,5 % wird. Schließlich soll das ursprünglich in Mannheim zu
errichtende Kompetenzzentrum für Bildung, Qualifizie-
Eine Aufschlüsselung nach Beamtinnen und Beam- rung und Zertifizierung in Bonn stationiert werden.
ten, Tarifbeschäftigten etc. ist aus den oben bereits ge-
nannten tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht Die im Stationierungskonzept abgebildete Stationie-
– hier auch nicht näherungsweise – möglich. Für die rung am Standort Bonn ist insoweit unabhängig von den
Standortfrage wäre eine solche Verteilung allerdings weiteren Planungen für die Unterbringung des Bundes-
auch nicht aussagefähig, da insbesondere die Dauerbe- ministeriums der Verteidigung zu sehen. Die Aufteilung
(B)
schäftigten in der Regel über „ganze“ Stellen verfügen des Bundesministeriums der Verteidigung ist auch aus- (D)
und eine Reduktion der Arbeitszeit nicht aus organisato- drücklich nicht Bestandteil dieses Konzeptes.
rischen Gründen erfolgt, sondern auf Antrag der Be-
schäftigten, um zum Beispiel eine erhöhte Vereinbarkeit
von Beruf und Familie zu erreichen. Anlage 5
Antwort
Anlage 3 des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache
Antwort
17/7583, Frage 11):
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage Welche Maßnahmen sind geplant, um Beschäftigten der
der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE Bundeswehr in strukturschwachen Gebieten wie dem Allgäu
GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 7): einen wohnortnahen Arbeitsplatz zu sichern, und welche
Überlegungen gibt es zu Konversionsmaßnahmen vonseiten
Wann soll nach Vorstellung des BMVg mit der Umsetzung des Bundes, um die von den Standortschließungen stark be-
der Arbeitsplatzverlagerungspläne des BMVg begonnen wer- troffenen Städte und Gemeinden zu unterstützen?
den, und wie sieht die genaue zeitliche Planung aus?
Die am 26. Oktober 2011 bekannt gegebenen Standort-
Die Planungen zur Einnahme der neuen Struktur des
entscheidungen haben für die Mitarbeiterinnen und Mit-
Bundesministeriums der Verteidigung werden derzeit er-
arbeiter an den Standorten Kaufbeuren und Kempten im
arbeitet. Genauere Angaben sind daher derzeit noch
Allgäu zur Folge, dass im Verlauf der nächsten Jahre die
nicht möglich.
zivilen Arbeitsplätze bei der Bundeswehr abgebaut wer-
den. In Sonthofen werden wesentliche Teile erhalten,
aber auch die Zahl der Arbeitsplätze wird reduziert wer-
Anlage 4 den.
Antwort
Dies stellt sowohl für die hiervon betroffenen Be-
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage schäftigten als auch für die Personalführung eine enorme
der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE Herausforderung dar. Ich darf Ihnen jedoch versichern,
GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 8): dass bei der Umsetzung der Standortentscheidungen die
Ist die geplante Verlagerung von Wehrverwaltungsstellen Sozialverträglichkeit für die Beschäftigten im Vorder-
nach Bonn unabhängig von den Plänen des BMVg zu sehen, grund steht. Bei allen Überlegungen ist es wichtig, die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16437
(A) zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Prozess Ihnen jedoch versichern, dass es Ziel der Personalfüh- (C)
einzubeziehen und auf ihre berechtigten Bedürfnisse und rung sein wird, die schutzwürdigen Interessen der Be-
Wünsche möglichst einzugehen. In engem Dialog mit schäftigten mit den zwingenden Notwendigkeiten einer
den zivilen Beschäftigten gilt es, alle zur Verfügung ste- sachgerechten Aufgabenerledigung in Einklang zu brin-
henden Möglichkeiten auszuschöpfen und den Beschäf- gen.
tigten unter Nutzung ihrer Fähigkeiten und Kompeten-
Die Liegenschaften der Bundeswehr, die auf Dauer
zen eine zumutbare Weiterbeschäftigung vorrangig in
für Verteidigungszwecke entbehrlich sind, werden an die
der Bundeswehr zu ermöglichen.
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die zum Ge-
Der bis zum Jahre 2017 verlängerte Tarifvertrag über schäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen ge-
sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammen- hört, abgegeben.
hang mit der Umgestaltung der Bundeswehr bildet ein Diese ist eigenverantwortlich für die Verwertung der
wesentliches Instrument für einen sozialverträglichen Liegenschaften zuständig und kraft Gesetzes verpflich-
Personalabbau. Er schließt insbesondere betriebsbedingte tet, die entbehrlichen Liegenschaften unter Beachtung
Kündigungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der haushaltsrechtlichen Bestimmungen wirtschaftlich
aus. zu verwerten.
Die Beschäftigungssicherung für die vom Wegfall ih- Ziel ist es, in enger partnerschaftlicher Zusammen-
rer Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmerinnen und Ar- arbeit zwischen Kommunen, Bundesanstalt für Immobi-
beitnehmer und auch die nicht unter den Tarifvertrag fal- lienaufgaben, potenziellen Investoren und mit Unterstüt-
lenden Beamtinnen und Beamten steht – wie auch bereits zung der Länder tragfähige Lösungen zu erarbeiten.
bei der Umsetzung der Strukturreform 2010 – weiterhin
an oberster Stelle. So bietet der Tarifvertrag über sozial-
verträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit Anlage 6
der Umgestaltung der Bundeswehr den Arbeitnehmern.
verschiedene Instrumente und finanzielle Leistungen an, Antwort
wie die Einkommenssicherung sowie Qualifizierungs- des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
maßnahmen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der ge des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache
finanziellen Unterstützung durch die Zahlung von Tren- 17/7583, Frage 12):
nungsgeld. Dies wird für die Beschäftigten infrage kom-
Wie könnten die zivil-militärische Zusammenarbeit am
men, die künftig an. einem weiter entfernten Standort der Fliegerhorst Kaufbeuren sowie eine Förderung dieser Zusam-
Bundeswehr einen Arbeitsplatz erhalten. Als Ultima Ra- menarbeit durch den Bund nach den Vorstellungen der Bun-
(B) tio hat sich in der Vergangenheit für die älteren Arbeit- desregierung konkret aussehen, und wie viele Stellen könnten (D)
nehmerinnen und Arbeitnehmer insbesondere das Instru- dadurch gesichert bzw. geschaffen werden?
ment der Härtefallregelung bewährt. Ich gehe davon aus, Der Standort Kaufbeuren wird aufgegeben. Die Reali-
dass durch die Auflösungen und signifikanten Reduzie- sierungsplanung der Luftwaffe hierzu wird derzeit er-
rungen an den Standorten im Allgäu diese Möglichkeit arbeitet.
von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern intensiv
genutzt werden wird. Für den Beamtenbereich werden Die im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammen-
flankierende Regelungen derzeit erarbeitet. arbeit zu erbringenden Hilfeleistungen bei Naturkata-
strophen und besonders schweren Unglücksfällen (ge-
Neben der vorrangig zu prüfenden internen Weiterbe- mäß Art. 35 GG) sind ein subsidiärer Auftrag der
schäftigung bei der Bundeswehr werden für die Beschäf- Bundeswehr zur Unterstützung der zuständigen Stellen
tigen auch Beschäftigungsalternativen bei anderen Ver- bei Bund, Ländern und Kommunen.
waltungen und Behörden des öffentlichen Dienstes
aufgezeigt sowie gegebenenfalls Unterstützung bei der Die Streitkräfte stellen auf Antrag aus ihrem gesam-
Arbeitsplatzsuche außerhalb der Bundeswehr gewährt. ten Portfolio im Rahmen freier Kapazitäten Unterstüt-
Die in den letzten Jahren im Rahmen der Kooperation mit zungsleistungen zur Verfügung. Bereitstellung und Ko-
der Bundesagentur für Arbeit geknüpften Kontakte und ordination erfolgen über die Territoriale Organisation
solche mit anderen Arbeitgebern des öffentlichen Diens- der Bundeswehr.
tes werden intensiviert. So haben bereits bei der Umset- Für den Bereich der Territorialen Organisation wer-
zung der Strukturreform 2010 Beschäftigte der Bundes- den unter Führung des neuen Kommandos Territoriale
wehr beim Bundesamt für Güterverkehr eine neue und Aufgaben der Bundeswehr die flächendeckend dislo-
dauerhafte berufliche Heimat gefunden. Darüber hinaus zierten und bewährten Landeskommandos mit ihren zu-
steht die Bundeswehr in engem Kontakt zu anderen Res- geordneten Bezirks- und Kreisverbindungskommandos
sorts. Mit der ressortübergreifenden Personalvermittlung erhalten bleiben. Darüber hinaus werden neu aufzustel-
zum 1. Januar 2012 werden adäquate Weiterbeschäfti- lende Regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte
gungsmöglichkeiten für das derzeitige und künftige ausgebracht.
Überhangpersonal der Bundeswehr geschaffen.
Am Standort Kaufbeuren bleibt ein Kreisverbin-
Ich verkenne nicht, dass die Unterbringungsbemü- dungskommando als Teil des bundesweiten territorialen
hungen der Bundeswehr hierbei auch an objektive Gren- Netzwerkes mit zehn Dienstposten bestehen. Diese wer-
zen stoßen werden. Persönliche Härten werden sich aber den durch Reservisten wahrgenommen. Das Kreisver-
nur im Ausnahmefall nicht vermeiden lassen. Ich kann bindungskommando Kaufbeuren wird auch weiterhin
16438 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) auf Ebene der kreisfreien Stadt Kaufbeuren die Mittler- Welche Maßnahmen bereitet die Bundesregierung zur (C)
rolle zwischen zivilem und militärischem Bereich wahr- Umsetzung des interfraktionellen Beschlusses des Deutschen
Bundestages „Opfern von Unrecht und Misshandlungen in der
nehmen, die zuständigen zivilen Entscheidungsträger Heimerziehung wirksam helfen“ (Bundestagsdrucksache
unter anderem hinsichtlich militärischer Fähigkeiten be- 17/6143) vor, und wann werden diese den Fraktionen des
raten und im Katastrophenfall als Verbindungselement Deutschen Bundestages übermittelt?
im zivilen Verwaltungsstab agieren.
Entsprechend dem Beschluss des Deutschen Bundes-
Die Liegenschaft Fliegerhorst wird nach Ende der tages „Opfern von Unrecht und Misshandlungen in der
Nutzung durch die Bundeswehr zusammen mit den an- Heimerziehung wirksam helfen“ (Bundestagsdrucksache
deren Liegenschaften am Standort Kaufbeuren an die 17/6143) hat die Bundesregierung in Abstimmung mit
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben abgegeben. den betroffenen Ländern und Kirchen Umsetzungsvor-
schläge erarbeitet. Ziel ist, den fristgerechten Start der
Für den Fall, dass Ihre Frage nicht auf die Zivil-Mili- Umsetzung zum 1. Januar 2011 zu gewährleisten. Vorge-
tärische Zusammenarbeit im engeren Sinne abzielt, son- sehen ist deshalb die Schaffung eines nicht rechtsfähigen
dern auf ein mögliches zukünftiges zivil-militärisches Fonds mit dem Namen „Heimerziehung in der Bundes-
Kooperationsmodell, weise ich ergänzend darauf hin, republik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ (kurz
dass hierzu eine Prüfung erfolgt, inwieweit Teile des „Heimerziehung West“).
Ausbildungsbedarfs, der zurzeit in Kaufbeuren gedeckt
wird, durch Kooperation mit zivilen Anbietern erbracht Derzeit wird die Kabinettsbefassung zum Entwurf ei-
werden könnte. Dazu finden bereits Gespräche statt. ner Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land, den westlichen Bundesländern (inklusive Berlin),
der evangelischen Kirche in Deutschland und den (Erz-)
Anlage 7 Bistümern der katholischen Kirche im Bundesgebiet so-
wie einer Satzung vorbereitet. Die Entwürfe wurden ge-
Antwort meinsam mit allen Beteiligten unter Federführung des
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage Bundesfamilienministeriums und mit Beteiligung des
des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE Bundesjustizministeriums erarbeitet.
GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 17): Ein Umsetzungsvorschlag für die Unterstützung der
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie Opfer der Heimerziehung der DDR wird im Frühjahr
im Regional Command North der ISAF das angewiesene „ak- 2012 vorgelegt.
tive Monitoring“ von Personen, die im Zuge gemeinsamer
Operationen von ISAF-Soldaten und afghanischen Sicher- Die Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung steht
heitskräften in Gewahrsam genommen wurden, ausgestaltet
(B) wird und wann mit dem Beginn dieses „aktiven Monitorings“
unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen (D)
zu rechnen ist? Bundestages zum Haushalt 2012. Das Bundesfamilien-
ministerium wird dem Familienausschuss zeitnah die
Die Frage betrifft Maßnahmen zum ISAF-Monitoring Lösungsvorschläge vorlegen.
von Personen bis zum Strafvollzug, die durch ISAF-
Kräfte oder durch afghanische Sicherheitskräfte wäh-
rend gemeinsamer Operationen in Gewahrsam genom- Anlage 9
men und an afghanische Hafteinrichtungen übergeben
werden. Diese Maßnahmen wurden im Rahmen der Be- Antwort
fehlsgebung im Regionalkommando Nord bereits umge-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
setzt. Hierzu wurden zwei Elemente – Combined Deten-
Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck-
tion Oversight Team und Regional Combined Detention
sache 17/7583, Frage 21):
Facility Assessment and Certification Team – im Stab
Regionalkommando Nord eingerichtet und haben ihre Wie ist die Aussage der Bundesregierung in der Pressemit-
teilung zur Übergabe des Achten Familienberichts am 28. Ok-
Arbeit aufgenommen. Durch ein Element werden Infor- tober 2011 zu verstehen, wonach vom „mitverantwortlichen
mationen zu übergebenen Gewahrsamspersonen gesam- Potenzial älterer Menschen“ ausgegangen wird, und welche
melt sowie Gewahrsamspersonen in afghanischer Unter- entsprechenden Maßnahmen schlägt sie vor?
suchungshaft registriert und überwacht. Dies beinhaltet
Im Juli 2010 hat Frau Bundesministerin Dr. Kristina
auch die Planung von kurzfristigen Inspektionen von af-
Schröder acht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
ghanischen Hafteinrichtungen.
mit der Erarbeitung des Sachverständigenberichts zum
Durch das zweite Element werden afghanische Haft- Achten Familienbericht beauftragt. Am 28. Oktober
einrichtungen inspiziert, das Personal dieser Einrichtun- 2011 hat die unabhängige Kommission ihren Sachver-
gen weitergebildet und die Einrichtungen bewertet. ständigenbericht „Zeit für Familie. Familienzeitpolitik
als Chance einer nachhaltigen Familienpolitik“ der Frau
Bundesfamilienministerin übergeben. Der Bericht ent-
Anlage 8 hält Eckpunkte, wie es Familien erleichtert werden kann,
auch unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen
Antwort Zeit für familiäre Verantwortung zu finden.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Wie bei der Erarbeitung der Familienberichte vorge-
Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck- sehen und üblich, prüft die Bundesregierung nach Über-
sache 17/7583, Frage 20): gabe den vorgelegten Sachverständigenbericht und erar-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16439
(A) beitet eine Stellungnahme der Bundesregierung. Der eingebracht. Der Bund hat in den Verhandlungen deutlich (C)
Sachverständigenbericht der Kommission und die Stel- gemacht, dass bei der Prüfung nach Art. 143 c Grundge-
lungnahme der Bundesregierung werden als Achter Fa- setz die in der Antwort auf die vorige Frage erläuterten
milienbericht Anfang 2012 dem Deutschen Bundestag Gesichtspunkte maßgeblich zu berücksichtigen sind.
vorgelegt. Damit ist der Achte Familienbericht auch öf-
fentlich.
In der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Anlage 11
Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 28. Oktober Antwort
2011 anlässlich der Übergabe des Sachverständigenbe-
richts wurden unter anderem auch einige ausgewählte des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die
Ergebnisse des Sachverständigenberichts referiert. Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 30):
Da die Bundesregierung – wie oben ausgeführt – den Aus welchen Gründen soll im Rahmen der Luftraumpla-
Sachverständigenbericht derzeit prüft und die Stellung- nung über Berlin der Luftraum C abgesenkt werden, und wo-
nahme erarbeitet, kann die Bundesregierung zum jetzigen rauf bezog sich die Kritik während des Luftraumabstim-
Zeitpunkt zum Bericht und zu einzelnen Ergebnissen des mungsgespräches am 19. September 2011, die insbesondere
Sachverständigenberichts noch nicht Stellung nehmen. von der Allgemeinen Luftfahrt und den Landesluftfahrtbehör-
den geäußert wurde?
(A) Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/6817 Die Regelung zum industriellen Eigenverbrauch von (C)
Anlage 1 genannten Unteraufträge der Gesellschaft für Anla- eigenerzeugtem Strom nach § 37 Abs. 3 Nr. 2 lit. b EEG
gen- und Reaktorsicherheit, GRS, bei der Vorläufigen Sicher-
heitsanalyse Gorleben, VSG, vergeben wurden, waren Bewer- 2012 sieht vor, dass Letztverbraucher von der EEG-Um-
ber um bzw. angefragt für einen oder mehrere dieser lage befreit sind, wenn sie zwar Strom verbrauchen, der
Unteraufträge – bitte vollständige Angabe –, und wann genau durch ein Netz durchgeleitet wird, aber diesen Strom aus
– konkretes Datum bitte – erfolgte speziell im Zusammenhang einer Stromerzeugungsanlage beziehen, die sie als Ei-
mit späterem VSG-Unterauftrag der GRS an Bruno
Thomauske/nuclear safety engineering international gmbh, nse,
generzeuger betreiben, und sie den Strom selbst im
die erstmalige Kontaktaufnahme zwischen GRS und Bruno räumlichen Zusammenhang zu der Stromerzeugungsan-
Thomauske/nse gmbh; bitte auch mit Angabe, von wem dabei lage verbrauchen.
die Initiative ausging?
Diese Regelung stellt klar, dass es sich um eine Ei-
Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, generzeugung des durch den Letztverbraucher ver-
GRS, hat zur Bearbeitung der Vorläufigen Sicherheits- brauchten Stroms handeln muss. Hierfür ist nach dem
analyse Gorleben, VSG, als projektsteuernde Organisa- Regelungswortlaut ein „Betreiben“ der Stromerzeu-
tion sämtliche Unterauftragnehmer für die Durchführung gungsanlage durch den Letztverbraucher erforderlich.
von Teilaufgaben der VSG in fachlicher Eigenverant-
wortung ausgewählt. Informationen über das Auswahl- In der Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls ist
verfahren sowie sonstige Bewerber, die sich in diesem zu entscheiden, ob faktisch ein „Betrieb“ durch den Ei-
Zusammenhang an die GRS gewandt haben könnten, lie- generzeuger selbst anzunehmen ist.
gen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, BMU, nicht vor.
Anlage 15
Anlage 13 Antwort
Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fragen
der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Fragen 36 und 37):
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 34): Wie viele Terawattstunden Strom fallen nach Einschät-
zung der Bundesregierung und der für die Bundesregierung
Welche Aufträge und Beratungsaufträge des Bundesminis-
angestellten Expertisen aufgrund der Neuregelung der Beson-
teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
deren Ausgleichsregelung ab 2013 – Ausweitung auf Unter-
BMU, an die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit
nehmen mit einem Strombezug über einer Gigawattstunde;
und die Entsorgungskommission wurden erteilt bzw. sollen
(B) erteilt werden im Zusammenhang mit der Erarbeitung des
Senkung des Kriteriums der Stromintensität auf 14 Prozent – (D)
zusätzlich unter die Besondere Ausgleichsregelung des EEG,
Entwurfs eines Endlagersuchgesetzes – bitte mit Angabe des
und ist die Bundesregierung bereit, die ihrer Einschätzung zu-
Datums bzw. anvisierten Datums sowie des Zeitplans mit we-
grundeliegenden Annahmen dem Parlament zur Verfügung zu
sentlichen Zwischenetappen, Meilensteinen etc. –, und hat
stellen?
sich das BMU bereits schriftlich an die Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, gewandt für eine Wie viele Terawattstunden Strom fallen nach Einschät-
Mitwirkung der BGR an fachlichen Aspekten einer bundes- zung der Bundesregierung und der für die Bundesregierung
weiten Endlagerstandortsuche – gegebenenfalls bitte mit An- angestellten Expertisen im Jahr 2013 insgesamt unter die Be-
gabe des Datums und des wesentlichen Inhalts? sondere Ausgleichsregelung des EEG, und zu welchen zusätz-
lichen Kosten wird diese Regelung voraussichtlich für die
Im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines Entsor- nichtprivilegierten Verbraucher im Jahr 2013 führen?
gungsgesetzes wurden vom Bundesministerium für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, keine Zu Frage 36:
Aufträge an die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktor-
sicherheit, die Entsorgungskommission oder die Bundes- Bei ihren Abschätzungen zu den möglichen Auswir-
anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, erteilt. kungen der Neuregelung der Besonderen Ausgleichsre-
Die Erarbeitung von geowissenschaftlichen Grundlagen gelung hatte sich die Bundesregierung unter anderem auf
zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Bundes- das Datengerüst gestützt, das die Übertragungsnetzbe-
endlager zählt zu den Behördenaufgaben der BGR. treiber im Herbst letzten Jahres zur Kalkulation der
EEG-Umlage 2011 veröffentlicht hatten. Die vom Bun-
desministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
Anlage 14 sicherheit vorgelegten Berechnungen hatten schließlich
eine zusätzliche Inanspruchnahme der Besonderen Aus-
Antwort gleichsregelung um etwa 10 Terawattstunden, TWh, für
der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage möglich gehalten (Bandbreite 4 bis 15 TWh). Dem lagen
des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE folgende Annahmen zugrunde:
GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 35): Erhöhung der privilegierten Strommenge um rund
Reicht ein Pachtverhältnis aus, um privilegierter Eigen- 4,5 TWh für Abnahmestellen zwischen 1 und 10 Giga-
stromerzeuger im Sinne des § 37 Abs. 6 des Erneuerbare- wattstunden, GWh, pro Jahr (Bandbreite 1 bis 7 TWh).
Energien-Gesetzes (EEG) 2009 bzw. § 37 Abs. 3 EEG 2012
und damit EEG-umlagebefreit zu sein, und, wenn ja, gilt die Zusätzlich 7,5 TWh für Abnahmestellen > 10 GWh
Umlagebefreiung auch in dem Fall, in dem die Eigentümerin
faktisch Betreiberin der Energieerzeugungsanlage bleibt und aufgrund der Absenkung der Stromintensitätsschwelle
die Rechte – Pacht – nur juristisch übergehen? auf 14 Prozent (Bandbreite 4,5 bis 10 TWh).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16441
(A) Gleichzeitig Reduzierung der privilegierten Strom- Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung – gegebenen- (C)
menge um rund 2 TWh durch die Einschränkung auf die falls unter Angabe der jetzt festzulegenden Aufwuchsquote,
wie auf Bundestagsdrucksache 17/6796 ausgeführt –, „die
Branchenklassen B und C, das heißt auf das verarbei- Höchstförderquote der Studierenden je Hochschule“ „im
tende Gewerbe und auf den Bergbau. Präventiv dürfte Herbst für das Folgejahr festzulegen“ bzw., wie von Bundes-
dies allerdings eine noch deutlich höhere Belastung in ministerin Dr. Annette Schavan in der 65. Sitzung des Haus-
der Zukunft verhindert haben. haltsausschusses des Deutschen Bundestages am 29. September
2011 angekündigt, die Höchstförderquote ganz aufzuheben,
Dabei hatte die Bundesregierung stets darauf hinge- und für wie viele Stipendien – in absoluten Zahlen und pro-
wiesen, dass alle Berechnungen aufgrund der unzurei- zentual in Relation zur Gesamtzahl der Studierenden – sind
chenden Datenlage lediglich anhand von Hilfsannahmen die im Regierungsentwurf 2012 veranschlagten Haushaltsmit-
tel berechnet?
getroffen werden konnten und entsprechend unsicher-
heitsbehaftet sind. Wie Frau Bundesministerin Schavan in der Sitzung
des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages
Zu Frage 37: am 29. September 2011 angekündigt hat, soll die
In welchem Umfang die Besondere Ausgleichsrege- Höchstförderquote des Deutschlandstipendiums 2012
lung tatsächlich in Anspruch genommen wird, ist unter auf 1 Prozent der Studierenden angehoben werden, was
anderem stark konjunkturabhängig und entsprechend etwa 22 000 Stipendien entspricht. Mit den im Haus-
schwer zu prognostizieren. Mit ihrer letzten EEG-Mittel- haltsentwurf 2012 hierfür eingeplanten Mitteln in Höhe
fristprognose hatten die Übertragungsnetzbetreiber, ÜNB, von rund 36,6 Millionen Euro ist hierfür ausreichende
im November 2010 wissenschaftliche Untersuchungen Vorsorge getroffen.
der Prognos AG vorgelegt, die für 2013 – noch ausgehend
von der bisherigen Rechtslage – je nach Szenario zwi-
schen 77 und 80 TWh auswiesen. Überarbeitete Progno- Anlage 18
sen, die die Änderungen im EEG 2012 aufgreifen, werden
die ÜNB zum 15. November 2011 vorlegen. Diese sollten Antwort
aus Sicht der Bundesregierung abgewartet werden. des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen
des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Fragen 40 und 41):
Anlage 16 Wie viele Kooperationsprojekte zwischen Hochschulen
Antwort und außeruniversitären Forschungseinrichtungen soll es nach
dem Willen der Bundesregierung maximal geben, und nach
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage welchen einheitlichen, wissenschaftsgeleiteten Kriterien soll
grundsätzlich bei der Auswahl der Kooperationspartner bzw.
(B) des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck- bei der Einrichtung von Bundesuniversitäten entschieden wer-
(D)
sache 17/7583, Frage 38): den?
In welchem Umfang – unter Benennung der jeweils zu-
Welche einheitlichen, wissenschaftsgeleiteten Kriterien
grunde liegenden Kriterien – verfügen die vom Bundesminis-
hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung,
terium für Bildung und Forschung geförderten Wissenschafts-
Dr. Annette Schavan, bezogen auf ihre Ankündigung einer
organisationen bzw. deren Zentren und Forschungsinstitute
Kooperation der Berliner Charité mit dem Max-Delbrück-
über die sogenannte Unternehmereigenschaft des § 2 Abs. 1
Centrum für Molekulare Medizin zugrunde gelegt, und sieht
des Umsatzsteuergesetzes und sind damit vorsteuerabzugsbe-
die Bundesregierung die Gefahr, dass bei der Auswahl von
rechtigt, und welche Aktivitäten hat die Bundesregierung zum
Kooperationspartnern finanzielle Engpässe einzelner Länder
Beispiel im Rahmen der im Koalitionsvertrag zwischen CDU,
das eigentliche Kriterium für eine (Mit-)Finanzierung des
CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 angekündigten „Wis-
Bundes sind bzw. werden?
senschaftsfreiheitsinitiative“ ergriffen bzw. in Vorbereitung,
um diese Begünstigung der Forschungsorganisationen auch
weiterhin verlässlich zu gewährleisten? Zu Frage 40:
Die Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzugsbe- Kooperationen zwischen Hochschulen und außeruni-
rechtigung von Forschungseinrichtungen richtet sich versitären Forschungseinrichtungen werden befürwortet,
nach den allgemeinen Regelungen des § 2 Abs. 1 und um die wissenschaftlichen Stärken zu bündeln und so zu
§ 15 Umsatzsteuergesetz, UStG, nach Maßgabe der EU- einer Lösung wichtiger gesellschaftlicher Fragen beizu-
rechtlichen Vorgaben durch die Mehrwertsteuersystem- tragen. So ist es ein explizites forschungspolitisches Ziel
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November des „Paktes für Forschung und Innovation“, die Vernet-
2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. zung im Wissenschaftssystem leistungssteigernd und dy-
namisch zu gestalten.
Konkrete Aussagen zu einzelnen Forschungseinrich-
tungen sind wegen des zu wahrenden Steuergeheimnis- Anzahl der Kooperationen und Auswahl der Partner
ses, § 30 Abgabenordnung, nicht möglich. sind Sache der beteiligten Einrichtungen. Über eine
mögliche Förderung entscheiden Bund und Länder ge-
meinsam. Es gibt bereits vielfältige Formen der Zusam-
Anlage 17 menarbeit, die von gemeinsamen Projekten bis hin zu ei-
ner institutionalisierten Kooperation, wie zum Beispiel
Antwort
im Karlsruher Institut für Technologie, KIT, einem Zu-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage sammenschluss des Forschungszentrums Karlsruhe und
des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck- der Universität Karlsruhe, oder der Jülich Aachen Re-
sache 17/7583, Frage 39): search Alliance, JARA, reichen.
16442 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Zu Frage 41: Wie bewertet die Bundesregierung den Entwurf für einen (C)
neuen Glücksspielstaatsvertrag, auf den sich die Bundeslän-
Die Charité Universitätsmedizin Berlin und das Max- der auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 27. Oktober
Delbrück-Centrum, MDC, arbeiten bereits seit Jahren 2011 geeinigt haben – insbesondere hinsichtlich der Folgen
vielfältig und erfolgreich wissenschaftlich zusammen, für die Suchtgefahr, der Europarechtskonformität und der
Höhe der Konzessionsabgabe für den Spieleinsatz –, und wie
wie zum Beispiel das Expermimental and Clinical Re- beurteilt sie angesichts der separaten Regelungen Schleswig-
search Center, ECRC, oder das Berlin Institute for Medi- Holsteins die Notwendigkeit einer bundesweiten Regelung
cal Systems Biology, BIMSB, belegen. Das führende des Glücksspiels in Verantwortung des Bundes?
deutsche molekularbiologische Forschungsinstitut und
Mit welchen Maßnahmen zugunsten der Suchtprävention
die größte deutsche Universitätsklinik könnten künftig will die Bundesregierung im Bereich der in der Spielverord-
ihre Forschungsaktivitäten noch enger zusammenführen, nung regulierten Geldspielautomaten den Glücksspielstaats-
um weltweit in der lebenswissenschaftlichen Grundla- vertrag begleiten, und welchen konkreten Zeitplan gibt es für
genforschung und der klinischen Forschung sowie bei diese Maßnahmen?
der Translation der Ergebnisse in die klinische Praxis
eine internationale Spitzenstellung einzunehmen. Zu Frage 43:
Die Zuständigkeit für Regelungen über Sportwetten,
Anlage 19 Lotterien und Spielbanken liegt allein bei den Bundes-
ländern. Diese haben den Glücksspielstaatsvertrag in ei-
Antwort
gener Verantwortung ausgehandelt, die Bundesregierung
des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Frage war in diesen Prozess nicht eingebunden. Daher ist es
des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- nicht Sache der Bundesregierung, diesen Staatsvertrag
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 42): zu bewerten. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, an
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Her- der bestehenden Zuständigkeit für das Glücksspiel etwas
kunft und Zuverlässigkeit des „persönlichen Wissens“ des zu ändern.
ehemaligen Abteilungsleiters Sicherheit des Bundesnachrich-
tendienstes Volker Foertsch, der ehemalige SS-Hauptsturm-
führer Alois Brunner sei ehemaliger Mitarbeiter des Bundes- Zu Frage 44:
nachrichtendienstes gewesen, wie sich laut Pressebericht aus
einer handschriftlichen Aufzeichnung vom 2. September 1997 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-
eines dienstinternen Gesprächs ergeben soll (Spiegel Online
vom 20. Juli 2011)? gie hat dem Bundestag und dem Bundesrat im Dezember
2010 einen Bericht über die Evaluierung der Spielver-
Auf der Grundlage der bislang bekannten Unterlagen ordnung vorgelegt. Der Bericht enthält auch Vorschläge
geht die Bundesregierung derzeit davon aus, dass Alois zu einer Verbesserung des Spielerschutzes bei Geldspiel- (D)
(B) Brunner kein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes
geräten mit Gewinnmöglichkeit. Die konkrete Ausge-
war. Die in der Frage erwähnte handschriftliche Aufzeich- staltung wird derzeit durch das Bundesministerium für
nung vom 2. September 1997 enthält als Ergebnis einer Wirtschaft und Technologie geprüft. Dabei ist auch zu
Rücksprache mit Herrn Foertsch die Passage „Brunner
berücksichtigen, welche Regelungen die Länder in ihren
bekannt, ehemaligen MA Damaskus“. Mit sehr hoher
Spielhallengesetzen treffen. Die Maßnahmen sind mit
Wahrscheinlichkeit sollte damit zum Ausdruck gebracht
werden, dass Alois Brunner ehemaligen Mitarbeitern des den übrigen Bundesressorts und den Ländern abzustim-
Bundesnachrichtendienstes in Damaskus bekannt war. men. Es wird angestrebt, dass die Änderungen der Spiel-
verordnung gleichzeitig mit dem neuen Glücksspiel-
Diese Einschätzung wird auch bestätigt durch eine staatsvertrag bzw. den Umsetzungsgesetzen der Länder
Auskunft des Bundesnachrichtendienstes gegenüber dem in Kraft treten.
Bundeskanzleramt vom 22. Februar 1994. Auf Anfrage
teilte der Bundesnachrichtendienst damals mit, dass der
Bundesnachrichtendienst zu keiner Zeit Verbindungen zu
Anlage 21
Brunner unterhalten hat. Da diese Mitteilung vor der
– durch den Datenschutzbeauftragten im Bundesnachrich- Antwort
tendienst veranlassten – Löschung der Datenbestände zu
Alois Brunner erfolgte, ist davon auszugehen, dass sie in des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Kenntnis aller 1994 im Bundesnachrichtendienst verfüg- Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
baren Informationen zu Brunner formuliert wurde. DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 45):
Für eine umfassende Bewertung des Vorgangs bleiben Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zum
die Ergebnisse der Arbeiten der vom Bundesnachrichten- Lastmanagement – Lastabwurfprämie – einbringen, und wel-
dienst mit der Erforschung seiner Frühgeschichte beauf- che konkreten Inhalte/Parameter sollen dabei maßgeblich als
tragten Unabhängigen Historikerkommission abzuwarten. Grundlage für den Gesetzgebungsprozess sein?
(A) Anlage 22 kommen, dem man sich dann rasch widmen werde, und man (C)
wolle an diesem Thema „dranbleiben“?
Antwort
Die Bundesregierung wird die am 11. Oktober 2011
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- vorgelegten Vorschläge der Verlegerverbände im Rah-
gen der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) men der anstehenden 8. GWB-Novelle sehr sorgfältig
(Drucksache 17/7583, Fragen 46 und 47): prüfen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eck-
Welche Informationen liegen der Bundesregierung vor punkte der 8. GWB-Novelle und der Rede der Bundes-
über den Gegenstand und Umfang derzeit laufender Rüs- kanzlerin lagen diese Vorschläge noch nicht vor. Die
tungsgeschäfte zwischen deutschen Unternehmen und Grie-
chenland?
Bundesregierung hat eine klare und widerspruchsfreie
Position der Verlage in der Vergangenheit stets als wich-
Welche derzeit laufenden Rüstungsgeschäfte mit Grie-
chenland sind über staatliche Exportkreditgarantien, soge- tig angesehen.
nannte Hermesdeckungen, abgesichert, und in welchem maxi-
malen Umfang könnten diese bei einem Zahlungsausfall der
griechischen Abnehmer in Anspruch genommen werden?
Anlage 24
Zu Frage 46: Antwort
Rüstungsgeschäfte zwischen deutschen Unterneh- des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
men und Griechenland werden der Bundesregierung Frage des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD)
grundsätzlich nur anlässlich der Beantragung von Aus- (Drucksache 17/7583, Frage 52):
fuhrgenehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollge-
Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu Vorschlä-
setz bekannt. Ausfuhrgenehmigungen für die Lieferung gen zur Nutzung des Erdgasnetzes als Energiespeicher, und
von Rüstungsgütern nach Griechenland wurden in 2010 welche Forschungsprojekte fördert die Bundesregierung zu
im Umfang von 35,8 Millionen Euro erteilt. Eine Aus- dieser Fragestellung?
sage darüber, ob diese Güter ausgeführt wurden, kann
Der entsprechend des Energiekonzepts der Bundesre-
die Bundesregierung nicht treffen, da tatsächliche Aus-
gierung geplante Ausbau der erneuerbaren Energien er-
fuhren gegenwärtig lediglich für Kriegswaffen statis-
fordert mittel- bis langfristig den verstärkten Einsatz von
tisch erfasst werden. Angaben für 2011 liegen noch nicht
Energiespeichern. Die Nutzung von Erdgasnetzen durch
vor.
die Einspeisung von aus erneuerbaren Energien gewon-
nenem Wasserstoff oder Methan wird als eine langfristig
Zu Frage 47:
vielversprechende Option für den saisonalen Speicher-
Derzeit bestehen keine Exportkreditgarantien des bedarf angesehen. Insbesondere zeichnen sich die Erd-
(B) Bundes für Rüstungsgeschäfte mit Griechenland. gasnetze dahin gehend aus, dass sie im Vergleich zu bei- (D)
spielsweise Pumpspeicherkraftwerken über eine sehr
hohe Speicherkapazität verfügen. Kurz- bis mittelfristig
Anlage 23 stellt die Speicherung von Strom aus erneuerbaren Ener-
gien im Gasnetz allerdings keine wirtschaftlich sinnvolle
Antwort Option dar, da sie sehr hohe Kosten aufweist.
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra-
gen der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE Aus diesem Grund steht derzeit die Förderung von
GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Fragen 50 und 51): Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationspro-
jekten im Vordergrund. Das Bundesumweltministerium
Wie beurteilt die Bundesregierung die am 11. Oktober
2011 bekannt gewordenen Vorschläge der Verlegerverbände
unterstützt deshalb die Weiterentwicklung und Demon-
zur Änderung der Pressefusionskontrolle, und werden diese stration der Technologie im Rahmen von drei For-
noch Eingang in die aktuelle Reform des Gesetzes gegen schungsprojekten mit einem Gesamtfördervolumen von
Wettbewerbsbeschränkungen, GWB, erhalten? rund 4 Millionen Euro (siehe Tabelle).
Wie stehen die „Eckpunkte einer 8. GWB-Novelle“ des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, BMWi, Daneben werden im Rahmen der von BMWi, BMU
vom 1. August 2011, in denen es heißt, im Bereich der Presse und BMBF gemeinsam veröffentlichten Förderinitiative
bestehe aus Sicht des BMWi derzeit kein gesetzgeberischer „Energiespeicher“ mehrere Projektideen zu dieser The-
Handlungsbedarf, im Zusammenhang mit der Äußerung der
Bundeskanzlerin auf dem Zeitungsverlegerkongress am
matik vorgeschlagen. Zurzeit erfolgt die Bewertung die-
19. September 2011, man sei unglaublich dankbar, hierfür ser Projektvorschläge. Mit ersten Förderentscheidungen
– Pressefusionskontrolle – einen Vorschlag vorgelegt zu be- wird Anfang 2012 gerechnet.
16444 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) (C)
Förder-
Zuwendungs- Laufzeit- Laufzeit- Förderung
kenn- Thema
empfänger beginn ende [Euro]
zeichen
0325275A Power to Gas: Errichtung und Zentrum für Sonnen- 01.04.2011 31.03.2014 3.533.567
Betrieb einer Forschungsanlage energie- und Wasser-
zur Speicherung von erneuerba- stoff-Forschung Baden-
rem Strom als erneuerbares Me- Württemberg, ZSW
than im 250-kWe-Maßstab
0325275C Power to Gas: Errichtung und SolarFuel GmbH 01.04.2011 31.03.2014 122.527
Betrieb einer Forschungsanlage
zur Speicherung von erneuerba-
rem Strom als erneuerbares Me-
than im 250-kWe-Maßstab; Netz-
einbindung und
Wirtschaftlichkeitsanalysen
0325275B Power to Gas: Errichtung und Fraunhofer Institut für 01.04.2011 31.03.2014 319.293
Betrieb einer Forschungsanlage Windenergie und
zur Speicherung von erneuerba- Energiesystemtechnik,
rem Strom als erneuerbares Me- IWES
than in 250-kWel-Maßstab
Summe 3.975.387
Anlage 25 ein. Die Freiheit der Presse ist ein fundamentales Ele-
ment der europäischen Wertegemeinschaft. Die Stan-
Antwort
dards, die wir Europäer von anderen Staaten einfordern,
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage müssen wir auch innerhalb der EU aktiv schützen.
des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE
(B) GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 53): Vor diesem Hintergrund unterstützt die Bundesregie- (D)
rung nachdrücklich alle Initiativen auf EU-Ebene zur
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Verteidigung der Pressefreiheit und begrüßt auch die
Pläne der Rosia Montana Gold Corporation, RMGC, die nach
Zeitungsberichten (www.tagesspiegel.de/zeitung/der-fluch- Einrichtung einer hochrangigen Untersuchung zur Pres-
des-goldes/4751556.html) in den Westkarpaten in Rumänien sefreiheit in Europa durch Kommissarin Kroes.
Gold schürfen will, und welche Schlüsse zieht sie daraus?
Die von Frau Kroes einberufene hochrangige Gruppe
Der Bundesregierung sind die aktuellen Pläne der hat den Auftrag, Empfehlungen für die Achtung, den
RMGC, in den Westkarpaten Gold abzubauen, aus der Schutz, die Unterstützung und die Förderung von Frei-
öffentlichen Diskussion in Rumänien bekannt. Danach heit und Pluralismus der Medien in Europa zu erarbei-
ist das Genehmigungsverfahren allerdings noch nicht ab- ten. Die Bundesregierung sieht darin einen wichtigen
geschlossen. Schritt, bestehende Defizite bei der Durchsetzung der
Medienfreiheit aufzudecken. Die Vorschläge der Gruppe
– die veröffentlicht werden – sollten dabei auch dazu
Anlage 26 Stellung nehmen, ob für einen effektiveren Schutz der
Freiheit der Medien in der EU auch rechtliche Änderun-
Antwort gen erforderlich sind.
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Anlage 27
NEN) (Drucksache 17/7583, Frage 54):
Wie unterstützt die Bundesregierung die hochrangige Un-
Antwort
tersuchung der Europäischen Kommission zur Pressefreiheit des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
in Europa, der unter anderen auch die ehemalige Bundes-
ministerin Herta Däubler-Gmelin angehört, und inwieweit
des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE)
teilt die Bundesregierung die Ansicht der EU-Kommissarin (Drucksache 17/7583, Frage 55):
Neelie Kroes, dass es der EU an Kompetenzen mangele, Mit- Auf wessen Veranlassung bzw. Initiative wurde die infor-
gliedstaaten dabei zu unterstützen, die Pressefreiheit zu über- melle „Remote Forensic Software User Group“ installiert, in
wachen („Member states have primary responsibility for poli- der sich nach Angaben der Bundesregierung „Sicherheitsbe-
cing freedom of the press … What we lack is further hörden“ Baden-Württembergs und Bayerns mindestens zwei-
competence to impose binding rules“, Pressekonferenz in mal jährlich mit Behörden der Schweiz, Belgiens und der Nie-
Brüssel, 2. November 2011)? derlande treffen (Antwort auf die schriftliche Frage vom
1. November 2011 auf Bundestagsdrucksache 17/7584), und
Die Bundesregierung setzt sich entschieden für die welche Inhalte wurden bei den demnach mindestens sechs
Verteidigung der Presse- und Medienfreiheit in der EU Treffen jeweils konkret behandelt?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16445
(A) Die Einrichtung der „Remote Forensic Software User Wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundes- (C)
Group“, RFS User Group, erfolgte im Juli 2008 auf An- tag die angekündigte Überarbeitung ihres Entwurfs eines Ge-
setzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (Bundes-
regung des Bundeskriminalamtes, seinerzeit noch unter tagsdrucksache 17/4230) vorlegen?
der Bezeichnung „DigiTask User Group“. Das erste
Treffen fand im September 2008 statt. Bislang traf sich Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes
die „RFS User Group“ zweimal jährlich, zuletzt im April zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes am
diesen Jahres. 25. August 2010 beschlossen. Mit der ersten Lesung des
Gesetzentwurfs am 24. Februar 2011 hat das parlamenta-
Konkrete Inhalte der bisherigen sechs Treffen waren: rische Gesetzgebungsverfahren begonnen. Es ist nun-
Darstellung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen von mehr Angelegenheit der Fraktionen des Deutschen Bun-
Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung, Berichterstat- destages, für erforderlich gehaltene Änderungen des
tung zu durchgeführten Testverfahren kommerzieller Gesetzentwurfs vorzunehmen.
Remote Forensic Software, RFS, Zusammenarbeit mit
der Firma DigiTask, Sachstands- und Erfahrungsaus-
tausch im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem
Einsatz der RFS, Behandlung operativ-taktischer As- Anlage 30
pekte, Problemstellungen im Zusammenhang mit der Antwort
Auswertung/Analyse von Rohdaten und Informations-
austausch zu neuen Entwicklungen im Bereich der Kom- des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
munikationstechnologie. der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
(Drucksache 17/7583, Frage 58):
Wieso hält es die Bundesregierung nicht für erforderlich,
Anlage 28 sich mit Dänemark und den Niederlanden zu den Auswirkun-
gen des für alle EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen verbindli-
Antwort chen assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbots auszu-
tauschen, obwohl diese zum Teil eine ganz andere Auslegung
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage vornehmen als die Bundesregierung, und inwieweit kann die
des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2010,
(Drucksache 17/7583, Frage 54): eine Vereinbarkeit der Sprachanforderungen beim Ehegatten-
nachzug mit dem Verschlechterungsverbot sei eindeutig gege-
An welchen bi- oder multilateralen Konferenzen oder Ar- ben, sodass der Europäische Gerichtshof, EuGH, nicht ange-
beitsgruppen – auch informellen – haben die EU-Agenturen rufen werden müsse, noch aufrechterhalten werden, nachdem
Europol und Eurojust hinsichtlich des Einsatzes staatlicher der Zentrale Verwaltungsgerichtshof in den Niederlanden un-
Schadsoftware – „Trojaner“ – zur sogenannten Onlinedurch- ter Berufung auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH das
(B) suchung oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung von exakte Gegenteil festgestellt hat, das heißt, dass Sprach- und (D)
Computern oder anderen zur elektronischen Kommunikation Integrationsanforderungen so eindeutig gegen das Verschlech-
geeigneten Endgeräten in den letzten fünf Jahren teilgenom- terungsverbot verstießen, dass der EuGH nicht angerufen
men bzw. diese selbst organisiert, und welche Inhalte bzw. werden müsse (vergleiche Antworten der Bundesregierung
Verabredungen waren jeweiliger Gegenstand dieser regelmä- vom 29. September 2011 auf die schriftlichen Fragen 15
ßigen oder fallbezogenen Treffen? und 16 auf Bundestagsdrucksache 17/7279)?
Der Bundesregierung sind keine Treffen zu Einsatz von Die Bundesregierung hat ihre Haltung zu den Auswir-
Überwachungssoftware zur Durchführung von Maßnah- kungen des assoziationsrechtlichen Verschlechterungsver-
men der Quellen-TKÜ oder Onlinedurchsuchung bekannt, bots auf die Regelungen des deutschen Aufenthaltsrechts
an welchen Europol in den letzten fünf Jahren teilgenom- bereits in einer Vielzahl von Antworten auf parlamentari-
men hat bzw. welche von Europol organisiert wurden. sche Anfragen dargelegt. Die Bundesregierung hat dabei
Bezüglich Eurojust kann die Bundesregierung mittei- deutlich gemacht, dass sie keinen Widerspruch zwischen
len, dass der deutsche Tisch von Eurojust an entsprechen- dem assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbot
den bi- oder multilateralen Konferenzen oder Arbeits- und dem deutschen Aufenthaltsrecht sieht. Aus Sicht der
gruppen nicht teilgenommen hat. Ob es entsprechende Bundesregierung besteht daher auch kein Anlass für die
Aktivitäten dieser Art von Eurojust oder auch von dritter Aufnahme von Rechtsgesprächen mit anderen Mitglied-
Seite gegeben hat, an denen möglicherweise andere natio- staaten zu den Auswirkungen des Assoziationsrechts
nale Mitglieder von Eurojust teilgenommen haben, ist der zwischen der Europäischen Union und der Türkei auf die
Bundesregierung nicht bekannt. Derartige Informationen hiesige oder die dortige Rechtslage.
werden von Eurojust nicht allgemein abrufbar vorgehal-
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom
ten, zumal Inhalte von Koordinierungstreffen grundsätz-
30. März 2010 (1 C 8.09) bestätigt, dass die deutsche
lich der Geheimhaltung nach Maßgabe der jeweils betei-
Regelung zum Sprachnachweiserfordernis beim Ehegat-
ligten nationalen Tische bzw. Behörden unterliegen.
tennachzug mit dem Assoziationsrecht vereinbar ist. Das
Bundesverwaltungsgericht hat es gerade nicht für erfor-
derlich gehalten, diese Frage dem Europäischen Ge-
Anlage 29 richtshof vorzulegen. Diese Entscheidung ist selbstver-
Antwort ständlich zu respektieren. Die Bundesregierung sieht
keinen Anlass für diesbezügliche Bewertungen.
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜND- Aus Sicht der Bundesregierung ist das Sprachnach-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 57): weiserfordernis beim Ehegattennachzug auch für türki-
16446 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Rede von einer „erwarteten Verringerung des Schuldeneffek- Am 3. November 2011 wurde die Deutsche Bundes- (C)
tes durch die Abwicklungsanstalt Hypo Real Estate“ ist und bank über die FMSA offiziell schriftlich beauftragt, um-
sich darin rechnerisch eine Verringerung anhand tabellarisch
mitgelieferter Zahlen von exakt 55,5 Milliarden Euro ergibt, fassende Untersuchungen der Ursachen und Hinter-
das Bundesfinanzministerium aber erstmals am 4. Oktober gründe im Zusammenhang mit der Buchungskorrektur
2011 über den zugrunde liegenden Buchungsfehler unterrich- bei der FMS Wertmanagement vor Ort aufzunehmen. Es
tet worden sein will? ist offenbar geworden, dass es Unklarheiten bei den Ab-
läufen, der Zusammenarbeit der verschiedenen Beteilig-
Zu Frage 63: ten und auch bei Fragen der IT-Struktur und den Auf-
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es für die Bundes- sichtsstrukturen gibt. Mit der Deutschen Bundesbank
regierung keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Vermö- wird ein kompetenter und unabhängiger Dritter alle auf-
gensschaden entstanden ist. Insofern stellt sich die Frage geworfenen Fragen vertieft bewerten. Wir rechnen mit
nach Schadensersatz aktuell nicht. Die Bundesregierung Ergebnissen noch im November dieses Jahres. Gegen-
hat am 3. November 2011 über die Bundesanstalt für über dem Pressestatement des Bundesministers der
Finanzmarktstabilisierung die Bundesbank offiziell be- Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, am 2. November
auftragt, umfassende Untersuchungen der Ursachen und 2011 gibt es keinen neuen Kenntnisstand.
Hintergründe im Zusammenhang mit der notwendig ge-
wordenen Buchungskorrektur bei der FMS Wertmanage-
ment vor Ort aufzunehmen. Mit der Deutschen Bundes- Anlage 37
bank wird ein kompetenter und unabhängiger Dritter alle
Antwort
aufgeworfenen Fragen vertieft bewerten. Wir rechnen
mit Ergebnissen noch im November. Bitte haben Sie des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage
Verständnis, dass ich vor Vorlage der Prüfergebnisse der der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
Deutschen Bundesbank in der Sache keine weitere Stel- (Drucksache 17/7583, Frage 66):
lung beziehe. Sollten aus den Prüfergebnissen der Deut-
schen Bundesbank jedoch Anhaltspunkte für Schadens- Welche konkreten Umsetzungsschwierigkeiten existieren
bei der Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte,
ersatzansprüche des Bundes offenbar werden, so wird ELStAM, und wie wirken sich die Probleme auf die geplante
die Bundesregierung dies vertieft prüfen. Einführung bzw. Lohnsteuererhebung mittels ELStAM zum
1. Januar 2012 aus?
Zu Frage 64:
Lassen Sie mich bitte zunächst das Verfahren der
Der Abgeordnete Ernst hat mit seiner Schriftlichen elektronischen Lohnsteuerkarte skizzieren:
Frage eine Reihe von statistischen Angaben erbeten, die
(B)
das Bundesministerium der Finanzen im Rahmen der Mit dem bevorstehenden Jahreswechsel wird die bishe- (D)
Maastricht-Notifikation regelmäßig zur Schuldenstands- rige Papierlohnsteuerkarte durch die elektronische Lohn-
statistik an EuroStat meldet. steuerkarte, die sogenannten Elektronischen LohnSteuer-
AbzugsMerkmale, ELStAM, ersetzt. Im ELStAM-
Die Buchungskorrekturen bei der FMS Wertmanage- Verfahren rufen die Arbeitgeber künftig die für den
ment betreffen einen anderen Sachverhalt: Sie resultie- Lohnsteuerabzug erforderlichen Daten ihrer Arbeitneh-
ren aus der Saldierung von Bilanzpositionen. merinnen und Arbeitnehmer elektronisch ab. Die Ein-
führung der ELStAM – planmäßig zum 1. Januar 2012 –
Anders als in der Öffentlichkeit behauptet besteht ist Ziel eines gemeinsamen Vorhabens des Bundes und
kein Zusammenhang zwischen beiden in Rede stehenden der Länder unter Federführung des Landes Nordrhein-
Größen. Westfalen.
Ein Nachteil zulasten des Steuerzahlers ist nicht ein-
Zu Ihrer ersten Teilfrage betreffend der Umsetzungs-
getreten.
schwierigkeiten bei der Einführung der ELStAM nehme
ich wie folgt Stellung:
Anlage 36 Bei der Übermittlung und Weiterverarbeitung der für
die Bildung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerk-
Antwort
male erforderlichen Daten aus den Meldebehörden sind
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage mehrere Fehler aus unterschiedlichen Quellen aufgetre-
des Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ ten: nicht aktuelle bzw. unvollständige Daten bei den
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 65): Meldebehörden, Fehler in der Übermittlungssoftware
Welchen aktuellen Kenntnisstand hat die Bundesregierung der Meldebehörden und Fehler bei der Weiterverarbei-
zur Frage, wo die konkreten fachlichen Verantwortlichkeiten tung in der Bundesfinanzverwaltung.
für die wiederholten Buchungsfehler bei der FMS Wertma-
nagement liegen (vergleiche hierzu Die Welt, „Und wieder Diese Fehler mussten aufwendig behoben werden.
verrechnet“, 2. November 2011), und, falls sich gegenüber Damit war die ursprüngliche Zeitplanung für den Einsatz
dem Pressestatement des Bundesministers der Finanzen, des neuen Verfahrens nicht mehr haltbar.
Dr. Wolfgang Schäuble, vom 2. November 2011 kein neuer
Kenntnisstand ergeben hat, welche konkreten Schritte unter-
nimmt die Bundesregierung derzeit, um Ursachen und fachli-
Die zweite Teilfrage betreffend die Auswirkung auf
che Verantwortlichkeiten für die Buchungsfehler umfassend die geplante Einführung/Lohnsteuererhebung zum 1. Ja-
aufzuklären? nuar 2011 beantworte ich wie folgt:
16448 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Es bleibt aber dabei, die Papierlohnsteuerkarte wird regierung mit einem Nationalen Aktionsplan für die (C)
im Jahr 2012 endgültig durch die elektronischen Lohn- kommenden Jahre umgesetzt wird. Ein zentrales Thema
steuerabzugsmerkmale ersetzt. Lediglich der Termin für ist dabei der Zugang und die Teilhabe von Menschen mit
den erstmaligen verbindlichen Abruf der elektronischen Behinderung am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
Lohnsteuerabzugsmerkmale durch die Arbeitgeber wird
vom 1. Januar 2012 verschoben auf einen noch nicht nä- In dem Gespräch berichteten die Unternehmen von
her festgelegten Termin im 2. Quartal 2012. ihren Erfahrungen, um eine bessere und qualifizierte
Teilhabe am Arbeitsleben weiter möglich zu machen. Ei-
nig war man sich darin, dieses gemeinsame wichtige
Thema weiter voranzutreiben. Ministerin Dr. von der
Anlage 38
Leyen warb dafür, auch in den Unternehmen über Akti-
Antwort onspläne nachzudenken. Außerdem informierte sie über
die „Initiative Inklusion“, die eine der bedeutendsten
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans darstellt.
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Schließlich war der Start der öffentlichkeitswirksamen
(Drucksache 17/7583, Frage 67): Kampagne „Behindern ist heilbar“ Gesprächsgegen-
Welche konkreten Pläne bei der Entlastung unterer und stand. Die Beteiligten kamen überein, den Dialog im
mittlerer Einkommen verfolgt die Bundesregierung auch vor nächsten Jahr fortzuführen.
dem Hintergrund der widersprüchlichen Angaben zur Durch-
führung der Steuersenkung, entweder über den Einkommen-
steuertarif oder über den Solidaritätszuschlag, und wie wirken
sich mögliche Steuersenkungen in der 17. Legislaturperiode Anlage 40
fiskalisch auf die Zielvorstellung eines ausgeglichenen Haus-
halts aus? Antwort
Die Bundesregierung plant in zwei Schritten zum des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
1. Januar 2013 und zum 1. Januar 2014 die inflationsbe- Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
dingten Steuermehreinnahmen im Volumen von insge- (Drucksache 17/7583, Frage 69):
samt rund 6 Milliarden Euro an die Bürgerinnen und Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung des
Bürger zurückzugeben. Die Entlastungswirkung wird im Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderungen unter
Jahr 2013 rund 2 Milliarden Euro und im Jahr 2014 wei- 50 Prozent sowie für Schwerbehinderte im Jahr 2011, und
tere rund 4 Milliarden Euro betragen. Die geplante Ent- welche Änderungen erwartet die Bundesregierung im Jahr
lastung kleiner und mittlerer Einkommensbezieher passt 2012 infolge der „Initiative Inklusion“, für die laut Nationa-
lem Aktionsplan 100 Millionen Euro aus dem Ausgleichs-
nahtlos in die Wachstums- und Konsolidierungspolitik fonds zur Verfügung gestellt werden?
(B) der Bundesregierung. Die Steuerschätzung vom 4. No- (D)
vember 2011 hat ergeben, dass auf der Einnahmeseite Die Bundesagentur für Arbeit weist in der Arbeits-
die Voraussetzungen für eine Beseitigung der kalten Pro- marktstatistik nur arbeitslose schwerbehinderte Men-
gression zum 1. Januar 2013 vorliegen. Der Bundes- schen (Grad der Behinderung von 50 und mehr) und
regierung ist es ein Anliegen, den Effekt der kalten Pro- diesen gleichgestellte behinderte Menschen aus. Für
gression zu bekämpfen. Dies ist Ausdruck einer diesen Personenkreis hat sich die Arbeitsmarktlage im
Stabilitätskultur, die gerade nicht darauf setzt, über Infla- Jahr 2011 positiv entwickelt. Im Januar 2011 waren
tion einen vermeintlich leichten Ausweg aus der hohen 189 161 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemel-
Staatsverschuldung zu suchen. det. Im Oktober 2011 gab es bundesweit 173 761 ar-
beitslos gemeldete schwerbehinderte Menschen. Das
sind im Vergleich zum Januar 2011 15 400 oder 8,1 Pro-
Anlage 39 zent weniger.
Antwort In den ersten zehn Monaten des Jahres 2011 haben
außerdem die Zugänge schwerbehinderter Menschen in
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahreszeitraum ab-
Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) genommen: Von 323 711 (kumuliert Januar bis Oktober
(Drucksache 17/7583, Frage 68): 2010) auf 318 188 (kumuliert Januar bis Oktober 2011).
Welche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen ergeben Das ist ein Rückgang um 5 523 oder 1,7 Prozent. Positiv
sich für Bundesministerin Ursula von der Leyen aus ihrem entwickelt haben sich auch die Abgänge schwerbehin-
Gespräch am 4. Oktober 2011 mit den Schwerbehindertenver-
tretungen der DAX-30-Unternehmen (siehe Pressemitteilung
derter Menschen aus der Arbeitslosigkeit: Von 339 785
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 4. Okto- auf 340 442. Das ist ein leichter Anstieg um 675 oder
ber 2011)? 0,2 Prozent. Von den aus der Arbeitslosigkeit abgegan-
genen schwerbehinderten Menschen haben 53 584 eine
Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen hatte für Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt aufgenom-
den 4. Oktober 2011 die Schwerbehindertenvertretungen men. Das sind 4 862 oder 10 Prozent mehr als im Vor-
der DAX-30-Unternehmen eingeladen, um sich mit ih- jahreszeitraum.
nen über die Situation und die Chancen von behinderten
Auszubildenden, Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- Zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Men-
mern auszutauschen. Hintergrund dieses Austausches ist schen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeits-
die UN-Behindertenrechtskonvention, die seit dem Jahr markt werden mit der „Initiative Inklusion“ zusätzliche
2009 in Deutschland verbindlich ist und von der Bundes- Mittel zu den bestehenden Regelleistungen für die Teil-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011 16449
(A) habe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zur desregierung prüft derzeit eine Verlängerung und bezieht (C)
Verfügung gestellt. Im Rahmen von vier Handlungsfel- hierbei in gewohnter Weise die Sozialpartner und die
dern werden folgende Zielgruppen zusätzlich gefördert: Länder ein. Gegebenenfalls wird die Bundesregierung
schwerbehinderte Schülerinnen und Schüler in den letz- die EU-Kommission über eine Verlängerung und ihre
ten beiden Schuljahren, die Berufsorientierung erhalten; Begründung rechtzeitig vor Ablauf der zweiten Phase
Betriebe und Dienststellen, die neue Ausbildungsplätze zum 31. Dezember 2011 unterrichten.
für schwerbehinderte junge Menschen auf dem allgemei-
Für in Deutschland tätige bulgarische und rumänische
nen Arbeitsmarkt schaffen; Betriebe und Dienststellen,
Erwerbstätige kommen arbeitsrechtliche und sozialversi-
die schwerbehinderte Arbeitslose und Arbeitsuchende,
cherungsrechtliche Regelungen in gleicher Weise wie
die das 50. Lebensjahr vollendet haben, neu einstellen
für Unionsbürger aus anderen EU-Mitgliedstaaten zur
sowie Handwerkskammern, Industrie- und Handelskam-
Anwendung. Für die im genannten Presseartikel ange-
mern, Landwirtschaftskammern, die Inklusionskompe-
führte Baubranche betrifft dies insbesondere die dort
tenz aufbauen.
geltenden allgemeinverbindlichen Branchenmindest-
Das breite Spektrum der Regel- und Ermessensleis- löhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz.
tungen der Rehabilitationsträger und der Träger der Ar-
beitsvermittlung zur beruflichen Rehabilitation bleibt
unberührt. Jeweils zustehende Leistungen werden gege- Anlage 42
benenfalls durch Leistungen der „Initiative Inklusion“
Antwort
ergänzt, sodass im Ergebnis die Inklusionsmöglichkeiten
für schwerbehinderte Menschen in Arbeit und Beruf des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage
weiter verbessert werden. Die Bundesregierung geht der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE
deshalb davon aus, dass sich die positive Entwicklung GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 71):
des Jahres 2011 auch im Jahr 2012 verstärkt fortsetzt. In welchen Branchen gelten aktuell tarifliche Vereinbarun-
gen, die Vergütungen unterhalb der von den Tarifpartnern für
die Zeitarbeit vereinbarten niedrigsten Stundenlöhnen von
7,79 Euro (West) bzw. 7,01 Euro (Ost) zulassen, und wie viele
Anlage 41 Beschäftigte sind davon in diesen Branchen betroffen?
Antwort Die Frage lässt sich mit den Möglichkeiten des Tarif-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage registers nicht beantworten. Angaben zur Anzahl tarif-
der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE gebundener Arbeitnehmer können nur von den Tarif-
GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 70): partnern gemacht werden. Dem Tarifregister liegen zu
(B) Arbeitnehmerzahlen nur in Einzelfällen Angaben vor. (D)
Plant die Bundesregierung, auch unter Berücksichtigung
der bisherigen Erfahrungen mit der seit Mai 2011 in Deutsch- Daher können auch die in der Öffentlichkeit diskutierten
land geltenden vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Men- Arbeitnehmerzahlen zu Beschäftigten im Niedriglohnbe-
schen aus Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Estland, reich vom Tarifregister nicht bestätigt werden.
Lettland, Litauen und Slowenien sowie des im Oktober 2011
verabschiedeten Initiativberichts des Europäischen Parla-
ments, die nach wie vor geltenden Arbeitsmarktbeschränkun-
gen für Rumänien und Bulgarien vor Ende 2013 aufzuheben Anlage 43
– bitte begründen –, und wie beurteilt die Bundesregierung
die soziale Lage von derzeit in Deutschland arbeitenden Bul- Antwort
garen und Rumänen, die mit einer Arbeitsgenehmigung aus-
gestattet oder als selbstständig Gewerbetreibende angemeldet
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
sind (vergleiche zum Beispiel tageszeitung vom 14. Oktober Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
2011)? DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 72):
Nach dem Beitrittsvertrag mit den zum 1. Januar 2007 Zu welchen Ergebnissen zum Stand der Umsetzung des
Bildungs- und Teilhabepaketes kam der sogenannte Runde
der EU beigetretenen Mitgliedstaaten Bulgarien und Ru- Tisch, dem unter anderem das Bundesministerium für Arbeit
mänien kann der Arbeitsmarktzugang von Staatsangehö- und Soziales beiwohnt, in seiner Sitzung am 2. November
rigen der beiden genannten Mitgliedstaaten während 2011, und wie viele der für das Jahr 2011 veranschlagten Mit-
einer dreiphasigen, insgesamt siebenjährigen Über- tel von 1,35 Milliarden Euro für das Bildungs- und Teilhabe-
paket werden voraussichtlich verausgabt?
gangsfrist weiterhin nach nationalem Recht gesteuert
werden. Von der gegenwärtigen zweiten Phase machen Seit dem letzten Runden Tisch am 28. Juni 2011 ist
neben Deutschland neun weitere Mitgliedstaaten Ge- die Inanspruchnahme des Bildungspaketes noch einmal
brauch, unter anderem Frankreich, Großbritannien, die deutlich gestiegen, nämlich von 29 auf rund 45 Prozent
Niederlande und Österreich. Zudem hat Spanien für ru- der leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen. Die
mänische Arbeitskräfte kürzlich Beschränkungen wieder Bundesregierung begrüßt diese positive Entwicklung.
eingeführt. Sie hat sich dafür eingesetzt, dass dieser Prozess durch
Verfahrensvereinfachungen noch weiter verstärkt wird.
In der am 1. Januar 2012 beginnenden dritten Phase
Es geht darum, dass Anträge zunächst nur dem Grunde
können die Übergangsbestimmungen nach dem Beitritts-
nach ohne Konkretisierung des Bedarfs gestellt und Er-
vertrag im Falle schwerwiegender Störungen des Ar-
stattungen im Ausnahmefall zugelassen werden können.
beitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen nach
entsprechender Mitteilung an die Kommission für zwei Die Leistungen des Bildungspakets werden in der
weitere Jahre in Anspruch genommen werden. Die Bun- Verantwortung der Kommunen und Länder umgesetzt.
16450 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. November 2011
(A) Dem Bund liegen deshalb keine Informationen zu der rund 120 Planstellen der Biologischen Bundesanstalt für (C)
Höhe der im Jahr 2011 voraussichtlich verausgabten Land- und Forstwirtschaft, BBA, Berlin-Dahlem – inzwi-
schen Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Julius-
Mittel vor. Die Gesamtausgaben werden dem Bund von Kühn-Institut, JKI –, in das Land Brandenburg verlagert wer-
den Ländern erstmalig im Jahr 2013 für das Jahr 2012 den, vor dem Hintergrund der daraufhin getroffenen einver-
gemeldet. nehmlichen Vereinbarung zwischen BBA, Bundesministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Land
Brandenburg zur Errichtung eines Standortes Ost der BBA
durch Zusammenlegung der Standorte Berlin-Dahlem und
Anlage 44 Kleinmachnow und der Entscheidung der Bundesministerin
Renate Künast vom März 2005, in Abstimmung mit dem
Antwort Land Brandenburg, dem Beschluss der Föderalismuskommis-
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die sion Rechnung zu tragen und den Standort Ost dauerhaft in
Kleinmachnow anzusiedeln, woraufhin das gewünschte
Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ Grundstück am Stahnsdorfer Damm in Kleinmachnow in der
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 73): Größe von 10 Hektar von der Gemeinde Kleinmachnow seit
Welche Ziele verfolgt das Bundesministerium für Arbeit Jahren für diesen Zweck reserviert worden ist und nun inzwi-
und Soziales mit dem Konzept einer „KinderBildungsStif- schen auch die laut Machbarkeitsstudie ausgewiesenen Kos-
tung“, und inwiefern plant die Bundesregierung eine Umset- ten gesenkt werden konnten?
zung dieses Konzepts?
Die vorliegende Machbarkeitsstudie vom Juni 2011
Eine „KinderBildungsStiftung“ ist dem Bundesminis- weist für den Ausbau des Standortes Kleinmachnow
terium für Arbeit und Soziales nicht bekannt. Insofern – entgegen der ursprünglichen Kostenschätzung aus dem
gibt es auch keine Pläne, ein solches Konzept umzuset- Jahr 2008 von 70 bis 95 Millionen Euro – nunmehr In-
zen. vestitionskosten von rund 163 Millionen Euro inklusive
Planungskosten aus. Dies würde zu einer nicht vertretba-
Sofern sich die Frage auf das Programm „Bildungs- ren jährlichen Mietbelastung des Julius-Kühn-Instituts
bündnisse für Chancengerechtigkeit“ der Deutschen von rund 13,8 Millionen Euro allein für diesen Standort
Kinder- und Jugendstiftung, DKJS, bezieht, kann mitge- führen. Vor diesem Hintergrund waren alle Möglichkei-
teilt werden, dass im Rahmen dieses Projektes Kommu- ten zu prüfen, die zu einer finanzierbaren Maßnahme
nen bei der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepa- führen.
kets beraten werden sollen. Darüber hinaus soll die
Entwicklung von lokalen Partnerschaften mit diesem Das JKI hat in einem ersten Schritt den Bedarfs-
Zweck vorangetrieben werden. Die DKJS hat das Kon- umfang des Projekts einer kritischen Prüfung unterzogen
zept dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem BMELV eine überarbeitete Raumbedarfspla-
vorgestellt und zugesichert, bis Jahresende über die Er- nung vorgelegt, die noch der weiteren internen Abstim-
(B) gebnisse der bereits gestarteten einjährigen Pilotphase zu mung bedarf. Darauf aufbauend wird die bauliche Um- (D)
informieren. setzbarkeit unter Ausschöpfung aller Einsparpotenziale
zu untersuchen sein. Hierbei sind auch die Möglichkei-
ten einer intensiveren Nutzung der an den beiden Stand-
Anlage 45 orten (Berlin-Dahlem und Kleinmachnow) vorhandenen
Bestandsbauten und die zeitliche Streckung von einzel-
Antwort nen Bauabschnitten zu prüfen, um die Gesamtkosten in
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage einem vertretbaren Rahmen festsetzen zu können. Diese
der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE Prüfung wird aufgrund der Komplexität gegebenenfalls
GRÜNEN) (Drucksache 17/7583, Frage 74): im Rahmen einer ergänzenden Studie durch die Bauver-
Welchen Stand hat die Umsetzung des Beschlusses der waltung bzw. durch das externe Planungsbüro erfolgen
Unabhängigen Föderalismuskommission vom Mai 1992, dass müssen.
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-7980