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D eutscher Bundestag

79. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970

Inhalt:

Fragestunde (Drucksache VI/1386) Fragen des Abg. Schröder (Wilhelminen-


hof) (CDU/CSU) :
Fragen des Abg. Hussing (CDU/CSU) : Wettbewerbsverzerrungen innerhalb
der EWG durch unterschiedliche Be-
Betreuung der Gastarbeiter und ihr Ver- lastungen mit Grundsteuern
hältnis zu den Bürgern der Bundes-
republik Deutschland Dr. Reischl, Parlamentarischer
Ahlers, Staatssekretär -4457 B, Staatssekretär . . . . . . . . 4460 C,
4461 A, B, C, D, 4462 A
4458 D, 4459 A, B
Schröder (Wilhelminenhof)
Hussing (CDU/CSU) 4458 C, D
(CDU/CSU) 4461 A, B, C
Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4459 A
Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 4461 C
Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 4459 B
Dr. Ahrens (SPD) . . . . . . 4461 D
Frage des Abg. von Bockelberg
(CDU/CSU) : Fragen des Abg. van Delden (CDU/CSU) :
Mehrarbeit durch Berichtigung von Verzicht auf Ausnahmen im EG-Zoll
Umsatzsteuerbescheiden für Entwicklungslän--präfenzagebot
Dr. Reischl, Parlamentarischer der
Staatssekretär . . . . . . . . 4459 C
Rosenthal, Parlamentarischer
Staatssekretär . 4462 B, C, D,
Fragen des Abg. Dr. Ahrens (SPD) : 4463 A
van Delden (CDU/CSU) . . . . 4462 C, D,
Verringerung der Gemeindefinanz 4463 A
masse durch strukturelle Belastungen
der Gemeindehaushalte
Fragen des Abg. Pohlmann (CDU/CSU) :
Dr. Reischl, Parlamentarischer
Staatssekretär 4460 A, B Schutz der Berufsbezeichnung des staat
Dr. Ahrens (SPD) . . . . . . 4460 B lich geprüften Technikers — Anerken-
II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970

nung des staatlich geprüften deutschen Fragen des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) :
Technikers im EWG-Raum Förderung der Schüler von Berufsfach-
Rosenthal, Parlamentarischer schulen
Staatssekretär . . . . . . . 4463 B, C Westphal, Parlamentarischer
Pohlmann (CDU/CSU) 4463 C Staatssekretär 4468 C, D,
4469 A, B

Fragen des Abg. Seiters (CDU/CSU) : Pfeifer (CDU/CSU) . . . 4468 D, 4469 A

Dumpingmethoden durch von Zollprä- Frage des Abg. Hansen (SPD) :


ferenzen der EWG begünstigte Länder Schulische Betreuung der Gastarbeiter-
auf dem deutschen Markt kinder
Seiters (CDU/CSU) . . . 4463 D, 4464 A Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 4469 C
Staatssekretär . . . 4463 D, 4464 A, B
Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4464 B Frage des Abg. Breidbach (CDU/CSU) :
Projekt des Forschungssatelliten AZUR

Fragen des Abg. Ott (CDU/CSU) : Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer


Staatssekretär . . . . 4469 D, 4470 A
Auswirkungen der Zollpräferenzen der Breidbach (CDU/CSU) . . 4469 D, 4470 A
EWG auf die deutsche Textil- und Be-
kleidungsindustrie Fragen des Abg. Flämig (SPD) :
Rosenthal, Parlamentarischer Beteiligung an dem Internationalen
Staatssekretär . . 4464 C, D, 4465 A, B Institut für das Management der Tech-
Ott (CDU/CSU) . . . 4464 D, 4465 B, C nologie
van Delden (CDU/CSU) 4465 A Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . . . . 4470 B, C, D
Flämig (SPD) 4470 C
Fragen des Abg. Schmidt (München)
(SPD)
Fragen des Abg. Lenzer (CDU/CSU) :
Ausbildungsförderung der Schüler von Unterstützung der Frankfurter Urange-
Abendgymnasien und Kollegs bei aus- sellschaft mbH durch die Bundesregie-
wärtiger Unterbringung rung bei der Ausbeutung der Uranvor-
Westphal, Parlamentarischer kommen in Namibia — Pressemeldun-
Staatssekretär . . . 4465 D, 4466 B, C gen betr. Verhandlungen deutscher Fir-
men über die Anreicherung von Natur-
Schmidt (München) (SPD) . . . . 4466 B, C uran im Lohnverfahren durch die So-
wjetunion
Fragen des Abg. von Alten-Nordheim Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer
(CDU/CSU) : Staatssekretär . . . . 4470 B, 4471 C
Lenzer (CDU/CSU) . . . . . . 4471C
Verbreitung pornographischer Erzeug-
nisse durch ausländische Firmen in der
Bundesrepublik Deutschland Nächste Sitzung 4471 C

Westphal, Parlamentarischer
Anlagen
Staatssekretär . . . . . . . . 4466 D,
4467 A, B, C Anlage 1
von Alten-Nordheim (CDU/CSU) . 4467 A, C Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 4473 A
Anlagen 2 und 3
Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) : Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Fragen der Abg. Dr. Gruhl (CDU/CSU)
Förderung des Politischen • Arbeits- und Biechele (CDU/CSU) betr. Besteue-
kreises Oberschulen mit öffentlichen rung der Beamtenpensionen 4473 B
Mitteln
Anlage 4
Westphal, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . 4467 D, 4468 A, B Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Fragen des Abg. Dr. Arnold (CDU/CSU)
Weigl (CDU/CSU) 4468 A, B betr. Verbesserung der Lage der Patien-
Hansen (SPD) 4468 B ten in den Kliniken 4473 D
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79. Sitzung

Bonn, den 12. November 1970

Stenographischer Bericht auf eine Meinung der Staatsanwaltschaft in Mün-


chen. Es handelt sich, wie meine Erkundigungen
ergeben haben, um die Beantwortung einer Dienst-
Beginn: 14.00 Uhr
aufsichtsbeschwerde, in der als Hilfserwägung be-
merkt wurde, es sei zweifelhaft — und jetzt zitiere
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
ich wörtlich —, „ob Gruppen von Gastarbeitern, die
Die Sitzung ist eröffnet. sich letztlich nur vorübergehend in Deutschland auf-
halten, als ,Teil der Bevölkerung', nämlich als in-
Wir treten in die ländisches Staatsvolk angesehen werden können".
Fragestunde Es ging um die Einstellung eines Verfahrens, weil
die Staatsanwaltschaft die wesentlichen Vorausset-
—DrucksaheVI/1386 zungen des Tatbestandes der Volksverhetzung —
ein. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Aufstachelung zum Haß, Aufforderung zu Gewalt-
Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur oder Willkürmaßnahmen, Beschimpfung, böswillige
Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Verächtlichmachung oder Verleumdung — nicht als
Ahlers zur Verfügung. gegeben angesehen hatte.
Ich rufe die Frage 102 des Herrn Abgeordneten Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auf
Hussing auf: eine andere richterliche Entscheidung hinweisen, die
Inwieweit ist die Meinung der Staatsanwaltschaft beim Ober-
dieser Meinung der Münchener Staatsanwaltschaft
landesgericht München, wonach Gastarbeiter nicht als „Teil gegenübersteht. Das Oberlandesgericht Celle hat in
der Bevölkerung" anzusehen sind, für die Bundesregierung
Anlaß, in Publikationen und Anzeigen eine vermehrte Annahme einer Revisionsentscheidung vom Juli dieses Jahres
der Gastarbeiter in sozialer und kultureller Hinsicht durch die eindeutig die Auffassung vertreten, die in Deutsch-
Bundesbürger voranzutreiben und ihre Unentbehrlichkeit deut-
lich zu machen? land lebenden spanischen Gastarbeiter seien als
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Herr Staatssekre- Teil der inländischen Bevölkerung, die den Rechts-
tär! schutz des § 130 genieße, anzusehen. Eine höchst-
richterliche Entscheidung in dieser Frage gibt es
noch nicht.
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und In-
formationsamtes der Bundesregierung: Herr Präsi- Die Bundesregierung ist — um nun zum Kern
dent, Herr Abgeordneter, wegen des sachlichen Zu- Ihrer Frage zu kommen — der Auffassung, daß alle
sammenhangs der beiden Fragen 102 und 103 Maßnahmen, die zur raschen und reibungslosen Ein-
möchte ich sie gemeinsam beantworten. gliederung und zur Betreuung der ausländischen Ar-
beitnehmer von staatlicher Seite und von anderen
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - Stellen getroffen werden, die beste Grundlage für
Dann rufe ich zusätzlich die Frage 103 des Herrn ein gutes Verhältnis zwischen Bundesbürgern und
Abgeordneten Hussing auf: Gastarbeitern sind. Der Gastarbeiter, der sich in der
Welche Geld- und Werbemittel haben die Bundesregierung Bundesrepublik wohlfühlt und seinem Gastland auf-
und Bundesanstalten bisher aufgewandt und eingesetzt, um die
Gastarbeiter positiv ins Bewußtsein der Bundesbürger zu
geschlossen gegenübersteht, wird auch als Arbeits-
bringen? kollege und Nachbar Kontakt zu seinen deutschen
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und In- Mitbürgern und deren Verständnis finden.
formationsamtes der Bundesregierung: Die Einglie- Im einzelnen möchte ich folgendes sagen.
derung der Gastarbeiter in das wirtschaftliche und
gesellschaftliche Leben der Bundesrepublik und die Erstens. Für die Betreuung der ausländischen Ar-
Förderung des Verständnisses der Bürger für die beitnehmer stehen in diesem Jahre dem Bundes-
ausländischen Arbeitnehmer sind ein ernstes An- ministerium für Arbeit und Sozialordnung 6,7 Mil-
liegen der Bundesregierung. Dieses Anliegen ist lionen DM und der Bundesanstalt für Arbeit 2,8 Mil-
nicht davon abhängig, wie im Einzelfall Organe der lionen DM zur Verfügung. Für 1971 hat der Bundes-
Strafrechtspflege den § 130 StGB auslegen, der unter minister für Arbeit und Sozialordnung rund 11 Mil-
bestimmten Voraussetzungen u. a. das Aufstacheln lionen DM angefordert. Im Betrag des Jahres 1971
„zum Haß gegen Teile der Bevölkerung" ahndet. In stehen 560 000 DM für publizistische Maßnahmen,
Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, verweisen Sie und zwar vorwiegend für Gastarbeiterzeitungen, zur
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Staatssekretär Ahlers
Verfügung. Für 1971 wird eine Erhöhung des An- grund stand. Ein Großteil der Informationsmaßnah-
satzes zu diesem Zweck auf 800 000 DM angestrebt, men dieser Art ist ländergebunden. So unterhält
wobei allerdings noch zu klären ist, wie dieses Geld z. B. die Landeszentrale in Düsseldorf ein Referat,
am besten zu dem gewünschten Zweck verwendet das sich speziell mit dieser Thematik befaßt.
werden kann. Die Gastarbeiterzeitungen — das
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß bei
möchte ich in diesem Zusammenhang sagen —
einer Befragung im Januar/Februar dieses Jahres
haben sich nicht voll bewährt.
von über 1500 Gastarbeitern verschiedener Staats-
Zweitens. In dem Sozialbericht 1970, der im Voll- angehörigkeit festgestellt werden konnte, daß über
text veröffentlicht und auch in ausgewerteter Form 70 v. H. ihre eigene Situation in Deutschland als
der Öffentlichkeit bekanntgemacht worden ist, hat gut und sehr gut bewerten; 95% sind mit ihrem
die Bundesregierung auf die Belastungen hingewie- Arbeitsplatz zufrieden, 50 % bezeichnen sich als
sen, „die sich für die ausländischen Arbeitnehmer in deutschfreundlich und 17 % sogar als besonders
einer ihnen fremden Umwelt und Arbeitsweise, oft deutschfreundlich.
genug bei Trennung von der Familie, ergeben". In
dem Bericht fährt die Bundesregierung dann fort: Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Um so wichtiger erscheinen ihr die Verpflich- Herr Staatssekretär, die Richtlinien der Fragestunde
tungen, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft sehen eine kurze Beantwortung vor. Aber im Hin-
damit eingehen. Volle Eingliederung ins Ar- blick auf die öffentliche Beunruhigung, die die
beitsleben ohne Aufgabe der nationalen Eigen- Meldungen aus München hervorgerufen hatten,
art, soziale Sicherung und andere Dienstleistun- liegt es, glaube ich, im wohlverstandenen Interesse
gen einschließlich der Weiterbildung sind selbst- der deutschen Öffentlichkeit, daß Sie die Fragen
verständliche Erfordernisse, von denen sich die etwas ausführlicher beantwortet haben.
Arbeitsmakpol,nderabi Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Hussing.
Bundesanstalt für Arbeit leiten lassen müssen.
Ferner hat die Bundesregierung betont, daß die Hussing (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, kön-
Wohnungsversorgung der Gastarbeiter noch erheb- nen Sie mir konkret beantworten — auch im Sinn
liche Anstrengungen sowie Mithilfe und Verständ- meiner Frage 102 —, in welcher Weise, in welchem
nis der Öffentlichkeit erfordert. Umfang, mit wieviel Publikationen und Anzeigen
Drittens. Die Medien der öffentlichen Meinung die Bundesregierung und vielleicht auch Ihr Amt
behandeln die Probleme der Ausländerbeschäfti- tätig geworden ist?
gung durchweg aufmerksam und verantwortungs-
bewußt. Die Rundfunk- und Fernsehanstalten bie- Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und In-
ten zahlreiche Sendungen, die sich der Probleme der formationsamtes der Bundesregierung: Herr Abge-
Gastarbeiter annehmen und die zum Teil sowohl ordneter, die Länge meiner Antwort, die sicher nicht
für deutsche als auch für nichtdeutsche Hörer bzw. ganz korrekt war, ergab sich daraus, daß die Be-
Zuschauer bestimmt sind. reiche des Arbeitsministeriums, des Innenministe-
Viertens. Für das Verhältnis der Bundesbürger riums und unseres Amtes angesprochen waren. Ich
zu den Gastarbeitern verweise ich auf die Initia- muß gestehen, daß das Bundespresseamt selber dem
tiven der Bundeszentrale für politische Bildung, die Thema der Aufklärung unserer Bevölkerung, ihrem
generell einen Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Verhältnis und ihrer Einstellung zu den Gastarbei-
Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber Minder- tern noch keine große Aufmerksamkeit gewidmet
heiten sieht. In diesem Zusammenhang widmet sich hat, jedenfalls nicht im vergangenen Jahr. Das war,
die Bundeszentrale auch permanent den Fragen, die von uns aus gesehen, eine Angelegenheit der Bun-
sich durch die Anwesenheit der Gastarbeiter in der deszentrale für politische Bildung. Aber ich bin mit
Bundesrepublik stellen. Schon 1966 erschien ein dem Bundesministerium für Arbeit übereingekom-
Magazin unter dem Titel „Fremde, Gäste, Freunde", men, daß wir im Zuge der Überprüfung der informa-
das sich mit diesem Thema beschäftigte. Im Tagungs- torischen Betreuung der Gastarbeiter dieses Pro-
bereich werden viele überregionale Veranstaltungen blem gemeinsam behandeln wollen.
gefördert, in deren Rahmen die gesellschaftlichen
Bedingungen der ausländischen Arbeitnehmer eine Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

zentrale Stellung einnehmen. Das Fernsehreferat Eine zweite Zusatzfrage.


der Bundeszentrale steht in ständigem Gespräch mit
den Fernsehanstalten, um geeignete Produktionen
für den nichtgewerblichen Einsatz zu erhalten. Hussing (CDU/CSU) : Darf ich feststellen, Herr
Staatssekretär, daß die Bundesregierung und auch
Die Arbeitsgruppe „Pädagogik" der Bundes- Ihr Haus 1970 in keiner einzigen Publikation, in
zentrale behandelt das Thema in ihren „Informa- keiner einzigen Anzeige im Sinne meiner Fragestel-
tionen zur politischen Bildung" und beabsichtigt, lung tätig geworden sind?
sich auch demnächst in einer Broschüre dieser Fra-
gen noch einmal anzunehmen. Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und In-
Das Thema „Gastarbeiter" war auch Gegenstand formationsamtes der Bundesregierung: Das ist sicher
der diesjährigen Tagung der Bundeszentrale mit richtig. Nur würde ich meinen, daß eine Anzeige für
den Landeszentralen, wobei die Frage der Unter- diesen begrenzten Zweck wohl kaum das sinnvolle
richtung der deutschen Bevölkerung im Vorder- Medium wäre.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fuchs. von Bockelberg auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Berichtigungen von
Umsatzsteuerbescheiden im Anschluß an Betriebsprüfungen etc.,
Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wür- die durch unrichtige Steuerberechnung und unrichtigen Steuer-
ausweis in Rechnungen eines Unternehmers an andere Unter-
den Sie mir zustimmen, daß die Bundeszentrale für nehmer bedingt sind, erhebliche Mehrarbeit (Finanzämter und
Unternehmungen) verursachen, ohne daß bei kongruentem Vor-
politische Bildung in diesem Fall doch überfordert steuerabzug ein steuerliches Ergebnis erzielt wird?
ist, weil sie nicht die notwendige Breitenwirkung
erreichen kann, die für dieses Problem notwendig Herr Staatssekretär!
ist?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und In- beim Bundesminister der Finanzen: Der Bundes-
formationsamtes der Bundesregierung: Herr Abge- regierung ist bekannt, daß die Berichtigung von
ordneter, nur teilweise. Wenn man zu der Auffas- Umsatzsteuerbescheiden, die wegen eines zu nied-
sung kommen sollte, daß eine richtige Werbeaktion rigen Steuerausweises in den Rechnungen eines
etwa im Sinne einer Anzeige zweckmäßig ist, würde Unternehmers an andere Unternehmer im Anschluß
ich Ihnen zustimmen. Wenn man aber auf das Pro- an Betriebsprüfungen durchgeführt wird, Arbeits-
blem einer intensiven Einwirkung auf bestimmte aufwand verursacht, der sich letztlich häufig nicht
Leitgruppen der Bevölkerung abstellen wollte, wäre in einem höheren Umsatzsteueraufkommen nieder-
die Bundeszentrale für politische Bildung mit ihrem schlägt.
landesmäßigen Unterbau sicher besser geeignet, weil Ein Verzicht auf die Durchführung einer Berichti-
die Bundesregierung, vor allem das Bundespresse- gungsveranlagung in diesen Fällen ist nach den
amt, einen solchen Unterbau in den Ländern über- in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften
haupt nicht hat und auch keine Institutionen, in jedoch nicht möglich. Es wäre aber auch nicht
denen sie derartige Veranstaltungen durchführen zweckmäßig.
könnte.
Schon aus grundsätzlichen Erwägungen sollte
die jetzige Regelung beibehalten werden. Es ent-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
spricht nicht den bewährten Grundsätzen des deut-
Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Schmidt schen Steuerrechts, die Erhebung einer Steuer von
(Braunschweig) . den Verhältnissen eines Dritten abhängig zu ma-
chen. Darüber hinaus brächte ein Verzicht auf eine
Schmidt (Braunschweig) (SPD) : Herr Staatssekre- Berichtigung der Veranlagung keine Arbeitsent-
tär, Ihren sehr interessanten Ausführungen war un- lastung. Er könnte nur auf die Fälle beschränkt
ter anderem zu entnehmen, daß ein geringer Pro- werden, in denen der Rechnungsempfänger ein
zentsatz der hier in der Bundesrepublik beschäftig- zum vollen . Vorsteuerabzug berechtigter Unter-
ten Gastarbeiter noch nicht die richtige Einstellung nehmer ist. Diese Voraussetzung müßte also bei
zur Bundesrepublik gefunden hat. Wie gedenken Sie den betroffenen Rechnungsempfängern jeweils vor
dieses Problem zu lösen? Durchführung bzw. Nichtdurchführung der Berichti-
gungsveranlagung besonders geprüft werden. Ein
erheblicher und bei der jetzigen Personallage un-
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und In- zumutbarer Arbeitsmehraufwand bei der Verwal-
formationsamtes der Bundesregierung: Herr Abge-
tung wäre die Folge.
ordneter, das ist das komplementäre Problem. Ich
sagte soeben schon, daß wir mit den Möglichkeiten,
die wir durch die Gastarbeiterzeitungen, die wir Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

finanzieren, bisher haben, nicht voll zufrieden sind. Keine Zusatzfrage.


Wir haben aber sehr gute Ergebnisse in unserer Der Herr Abgeordnete Alber hat gebeten, seine
Zusammenarbeit mit den Rundfunkanstalten, die sich Fragen schriftlich zu beantworten. Dem wird ent-
gerade hier besonders positiv hervorgetan haben. sprochen. Die Antworten werden als Anlagen ab-
Das Bundesministerium für Arbeit und wir, auch gedruckt.
zusammen mit dem DGB, sind gerade dabei, zu prü-
fen, wie wir am besten das uns im nächsten Haus- Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten
haltsjahr zur Verfügung stehende Geld verwenden Dr. Ahrens auf:
können — vermutlich unter Einschränkung der Trifft es zu, daß die durch die Gemeindefinanzreform er-
folgte Vergrößerung der Gemeindefinanzmasse bereits im lau-
Gastarbeiterzeitungen —, um diese Frage der Gast- fenden Jahr durch strukturelle Belastungen der Gemeindehaus-
arbeiter, die sich bei uns entweder nicht wohlfühlen halte, insbesondere durch Steigerung der Personalausgaben und
Preissteigerungen, bei den Investitionen voll aufgezehrt worden
oder uns gegenüber noch eine gewisse Fremdheit ist?
behalten haben, anzugehen.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
- beim Bundesminister der Finanzen: Ich wäre dank-
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. bar, wenn ich beide Fragen im Zusammenhang
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich beantworten dürfte.
des Bundesministers für Finanzen auf. Für die
Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Staatssekretär Dr. Reischl zur Verfügung. Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen


auch die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Ahrens wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als
auf: Anlage abgedruckt.
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus einer
solchen bei Verabschiedung der Gemeindefinanzreform kaum Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Biechele
zu erwartenden Entwicklung zu ziehen?
auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage
Herr Staatssekretär! wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als
Anlage abgedruckt.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Schröder
beim Bundesminister der Finanzen: Die Gemeinde- (Wilhelminenhof) auf:
finanzreform hat zu einer Verstärkung der Ge- Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Grundsteuer A für
meindefinanzen geführt, die erheblich über die Be- die landwirtschaftlichen Betriebe in Gebieten mit hohen Ein-
heitswerten und hohen Hebesätzen eine echte Wettbewerbsver-
träge hinausgeht, mit denen man bei Verabschie- zerrung gegenüber ähnlich gelagerten Betrieben des EWG-Rau-
dung des Gesetzes gerechnet hatte. Während z. B. mes ist?

damals für 1970 mit Mehreinnahmen von rund


1,4 Milliarden DM gerechnet wurde, beträgt die Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär
nunmehr zu erwartende Verstärkung für 1970 rund beim Bundesminister der Finanzen: Ich darf bitten,
2,6 Milliarden DM und steigt bis 1974 auf 4 Mil- auch diese beiden Fragen im Zusammenhang zu be-
liarden DM an. antworten.
Es ist richtig, daß die Gemeindehaushalte durch
Erhöhung der Personalausgaben und durch Preis- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich
steigerungen belastet sind. Die Mehrbelastungen
auch die Frage 35 des Abgeordneten Schröder (Wil-
werden 1970 etwa die gleiche Größenordnung er-
helminenhof) auf:
reichen wie die Verstärkung der Gemeindefinanz
Ist die Bundesregierung bereit, diese Wettbewerbsverzerrung
masse durch die Gemeindefinanzreform für dieses so schnell wie möglich, spätestens jedoch im Zuge der geplanten
Jahr. Zu ihrer Finanzierung stehen den Gemeinden Steuerreform, zu beseitigen und die Einnahmeausfälle der Ge-
meinden durch eine entsprechende Änderung des Gemeinde-
jedoch außerdem erhebliche Mehreinnahmen aus finanzreformgesetzes auszugleichen?
dem Wachstum der Steuern, aus Zuweisungen und Bitte, Herr Staatssekretär!
sonstigen laufenden Einnahmen zur Verfügung. Es
kann daher nicht die Rechnung aufgemacht werden,
-
daß die Verstärkung der Gemeindefinanzen im Rah-
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär
beim Bundesminister der Finanzen: Die Höhe der
men der Gemeindefinanzreform durch die Mehrbe-
Hebesätze der Grundsteuer wird von den Gemein-
lastungen aufgebraucht ist.
den entsprechend ihrem Finanzbedarf bestimmt. In
Nach den Schätzungen des Finanzplanungsrates den Agrargemeinden sind deshalb die Hebesätze
können die Gesamtausgaben der Gemeinden 1970 der Grundsteuer A häufig höher als in anderen
bei einer vertretbaren Nettoschuldenaufnahme von Gemeinden.
2,3 Milliarden DM gegenüber dem Vorjahr um etwa Eine Wechselbeziehung zwischen der Höhe der
10 v. H. und die Aufwendungen für Sachinvestitio- Einheitswerte und der Höhe der Hebesätze besteht
nen um 15 v. H. erhöht werden. Eine weitere Stär- jedoch auch im Bereich der Landwirtschaft nicht.
kung der gemeindlichen Investitionskraft durch Er- Hohe Einheitswerte können mit niedrigen Hebe-
höhung des Gemeindeanteils am Gesamtsteuerauf- sätzen, niedrige Einheitswerte mit hohen Hebe-
kommen zu Lasten von Bund und Ländern erscheint sätzen zusammentreffen.
angesichts der Haushaltsbelastungen von Bund und
Ländern zur Zeit nicht möglich. Bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte der
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft auf den
1. Januar 1964 werden die in den Gemeinden unter-
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: schiedlichen Hebesätze bei der Ermittlung der Ein-
Eine Zusatzfrage. heitswerte für die einzelnen Betriebe durch Korrek-
turen neutralisiert. Im Bereich der Landwirtschaft
Dr. Ahrens (SPD) : Herr Staatssekretär, werden macht die Grundsteuer zwar einen erheblichen An-
die Mehrbelastungen, die Sie soeben skizziert teil an den Betriebssteuern aus. Die steuerliche
haben, auch von der Steuerreformkommission und Gesamtbelastung ist jedoch geringfügig, gemessen
vor allem von der Unterkommission „Gemeinde- sowohl am Aufwand als auch an den Verkaufs-
steuern" zugrunde gelegt, insbesondere bei der erlösen. Unter diesen Umständen können von der
Frage der Behandlung der eigenen Steuerquellen grundsteuerlichen Belastung kaum ins Gewicht fal-
der Gemeinden, namentlich der Gewerbesteuer? lende Wirkungen auf die Wettbewerbslage der
Landwirtschaft ausgehen.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär Die Frage einer etwaigen Wettbewerbsverzer-
beim Bundesminister der Finanzen: Es ist ganz rung durch die unterschiedliche Steuerbelastung der
selbstverständlich, daß die Ergebnisse von der Landwirtschaft läßt sich im übrigen nicht isoliert
Steuerreformkommission zugrunde gelegt werden für die Grundsteuer allein beantworten. Sie muß
müssen. vielmehr in Zusammenhang mit der steuerlichen
Gesamtbelastung der Landwirtschaft gesehen wer-
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: den.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Gruhl Im übrigen ist die Landwirtschaft auch in den
auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage anderen EWG-Ländern, insbesondere in Frankreich,
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Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
Italien und in den Niederlanden, in irgendeiner blicklich eine Neugestaltung der Grundsteuer. Was
Form mit Grundsteuern oder ähnlichen Realsteuern sie im einzelnen dazu vorschlagen wird, läßt sich
belastet. Diese Steuern sind zwar anders ausgestal- im Augenblick noch gar nicht übersehen. Sobald
tet und entsprechen im einzelnen hinsichtlich der das Gutachten im Februar vorliegt — die Grund-
Steuerobjekte, der Bemessungsgrundlagen und der steuer gehört zu dem ersten Teil des Reformvor-
Steuersätze bzw. der Steuermeßzahlen und der habens —, werden wir das überprüfen und natür-
Hebesätze nicht absolut der deutschen Grund- lich auch in Rechnung stellen, welche Wettbewerbs-
steuer A. Im Ergebnis sind sie jedoch als vergleich- verzerrungen möglicherweise durch die Gestaltung
bare Steuerbelastungen anzusehen. der Steuer entstehen könnten. Es besteht Einigkeit
darüber, daß das Grundsteuergesetz als solches
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
grundlegend reformiert werden muß. Aber im
Eine Zusatzfrage. Augenblick hat die Bundesregierung gar keine
Handhabe, die Unterschiede auszugleichen, die
Dr. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) : Herr durch die verschiedenen Hebesätze, die von den
Staatssekretär, ist Ihnen wirklich nicht bekannt, daß Gemeinden autonom festgesetzt sind, entstehen.
insbesondere in den Marschen, in den Gebieten mit
hohen Einheitswerten Grundsteuerbelastungen von Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

50 bis 60 DM je ha vorkommen und daß dadurch Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr
gegenüber den holländischen Nachbarn eine echte Kollege.
Wettbewerbsverzerrung aufgetreten ist, die man
praktisch so ausdrücken kann, daß der deutsche Dr. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) :
Bauer erst einmal 3 Zentner Weizen vorweg pro- Dann möchte ich nur noch fragen, ob der Bundes-
duzieren muß, bevor er überhaupt anfängt, mit dem regierung bekannt ist, daß jetzt auch der Deutsche
holländischen Nachbarn zu konkurrieren? Bauernverband die Beseitigung der Grundsteuer A
als ein Mittel zur Kostensenkung nachdrücklich ge-
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär fordert hat.
beim Bundesminister der Finanzen: Diese Tatsache
ist mir nicht bekannt. Ich will es aber gern über- Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär
prüfen lassen, um für das ganze Bundesgebiet einen beim Bundesminister der Finanzen: Das ist mir
genauen Überblick zu bekommen. bekannt, aber das kann alles erst im Rahmen der
Steuerreform geprüft werden.
1, Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.


Dr. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) : Herr
Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß Ott (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, hält die
eine sozialdemokratisch angeführte Regierung vor Bundesregierung noch an dem fest, was sie schon
allem auch die soziale Ungerechtigkeit beseitigen in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage mitge-
müßte, die sogar auch innerhalb der deutschen Land- teilt hat, daß nämlich im Zuge der Inkraftsetzung
wirtschaft durch die unterschiedlichen Belastungen der neuen Einheitswerte für Grundstücke die Hebe-
immer wieder auftritt, und daß darüber hinaus Ihr sätze entsprechend zu überprüfen sind, damit nicht
Koalitionspartner, der sich so nachdrücklich für die eine etwaige Verdreifachung der Einheitswerte bei
Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen ein- gleichbleibenden Hebesätzen zu den hier befürchte-
gesetzt hat, ... ten Folgen führen wird?

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


- Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär
Herr Kollege, darf ich Sie einmal unterbrechen. Die beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege,
Fragen und Zusatzfragen müssen kurz sein. daran hält die Bundesregierung selbstverständlich
fest. Es handelt sich ja um einen damals einstimmig
gefaßten Beschluß des Bundestages, mit dem der
Dr. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) : Ja,
Bundesregierung aufgegeben worden ist, diese
ich hatte gleich zwei Fragezeichen hintereinander.
Frage bei der Neugestaltung der Grundsteuer zu
Ich darf den Satz zu Ende bringen: ... sich nun
berücksichtigen. Es ist eine Frage der Steuermeß-
auch nachdrücklich für die Beseitigung der Grund-
zahlen und der Hebesätze. Beides muß im Rahmen
steuer A einsetzen sollte?
der Grundsteuerreform mit reformiert werden.

Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


-

beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr.
zunächst darf ich mich mal für den Blumenstrauß Ahrens.
bedanken, den Sie unserer Regierung damit über-
reichen, jedenfalls hinsichtlich ihrer Absichten.
Dr. Ahrens (SPD) : Herr Staatssekretär, teilen
Zu der Frage einer möglichen Beseitigung darf ich Sie meine Auffassung, daß das Recht der Gemeinden
sagen, daß das doch wohl kaum in Frage kommen zur Festsetzung der Hebesätze, das natürlich zu
kann. Die Steuerreformkommission prüft augen- einer unterschiedlichen Belastung der landwirtschaft-
4462 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970
Dr. Ahrens
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das von der
lichen Betriebe in den jeweiligen Gemeinden führen EG entwickelte Zollmodell (Plafond mit Zollfreiheit) unprakti-
kann, ein unverzichtbarer Bestandteil der kommuna- kabel ist, und ist sie bejahendenfalls bereit, darauf hinzuwirken,
statt dessen einen stufenweisen Zollabbau vorzusehen?
len Selbstverwaltung ist?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär
beim Bundesminister der Finanzen: Diese Auffas- Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
sung teile ich selbstverständlich. Nur würde das Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregie-
nicht ausschließen, daß man durch eine andere Ge- rung ist sich bewußt, daß der Verzicht auf Aus-
staltung der Meßzahlen und durch Rahmenvorschrif- nahmen im EG-Zollpräferenzangebot für Entwick-
ten für die Hebesätze, natürlich ohne Eingriff in lungsländer auch Länder begünstigt, die auf ein-
die kommunale Selbstverwaltung, einen Ausgleich zelnen Gebieten des Textil- und Bekleidungssektors
dafür schaffen kann, daß um der Gerechtigkeit wil- sehr wettbewerbsfähig sind. Trotzdem hält sie das
len die Einheitswerte erhöht werden müssen. von der EG entwickelte System in seiner Gesamtheit
für praktikabel und angebracht, um eine ausrei-
chende Sicherung der heimischen Industrien mit den
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
entwicklungspolitischen Notwendigkeiten zu ver-
Herr Abgeordneter Biechele, Sie haben den Auf-
binden.
ruf Ihrer Frage nur um wenige Sekunden verpaßt.
Aber ich habe leider nach den Bestimmungen über
die Fragestunde keine Möglichkeit, sie noch einmal Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
aufzurufen. Zusatzfrage!
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich
des Bundesministers der Finanzen beantwortet. Herr
van Delden (CDU/CSU) : Nachdem weder die Euro-
Europäische Kommission noch die Bundesregierung
Staatssekretär, ich danke Ihnen.
bisher die von mir an Hand einer Gegenüberstel-
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bun- lung aufgezeigten Fehler des Dokuments 116 des
desministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Europäischen Parlaments, welches die Grundlage
der Parlamentarische Staatssekretär Rosenthal zur der Erklärung von Herrn Dahrendorf in Sachen Zoll-
Verfügung. Die beiden ersten Fragen werden von präferenz bildet, widerlegt hat, frage ich Sie, ob
dem Abgeordneten Dr. Enders gestellt. — Der Herr Sie mir zustimmen, daß man angesichts dieser Tat-
Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden sache der Kommission, aber auch dem Ministerrat
schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als als dem Kontrollorgan den Vorwurf einer leicht-
Anlage abgedruckt. fertigen Handlungsweise nicht ersparen kann.
Wir kommen zur Frage 38 des Abgeordneten van
Delden: Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
War sich die Bundesregierung bei der Zustimmung zu dem von Bundesminister für Wirtschaft: Nein, Herr Kollege
der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der Zollpräferenzen van Delden, ich bin nicht dieser Ansicht.
ausgesprochenen Verzicht auf jegliche textile Ausnahme be-
wußt, daß ein Teil der dadurch bevorzugten Länder bei Textil
und Bekleidung zu den größten, konkurrenzfähigen und billig-
sten Lieferanten des textilen Weltmarktes gehören, die keine Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Zollpräferenz benötigen?
Weitere Zusatzfrage.
Bitte, Herr Staatssekretär!
van Delden (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim nachdem Sie hinsichtlich der zweiten Frage ebenso
Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, die wie neulich schon Ihr Herr Minister im Wirt-
Fragen, die Sie stellen und die Fragen Ihrer Kol- schaftsausschuß die Details, in denen bekanntlich
legen — der Teufel steckt, verschwiegen haben und auch
das diesbezügliche — —
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Einen Moment bitte, Herr Staatssekretär. Ich nehme Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
an, daß Sie die beiden Fragen des Abgeordneten Herr Kollege van Delden, ich wäre Ihnen dank-
van Delden gemeinsam beantworten wollen. bar, wenn Sie Ihre Zusatzfrage auch als Frage und
nicht als Wertung stellen würden.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft: Ja, ich möchte zu- van Delden (CDU/CSU) : Darf ich Sie dann hin-
nächst diese beiden Fragen gemeinsam beantworten. sichtlich meiner zweiten Frage, auf die Sie im Kern
Ich wollte nur vorher darauf aufmerksam machen, nicht eingegangen sind, fragen, ob Sie bereit sind,
daß die anschließenden Fragen der Kollegen Ott zu prüfen, ob nicht durch diesen Nullzollplafond
und Seiters dasselbe Problem betreffen, so daß wir den Umgehungsgeschäften, der Zollhinterziehung
einen Gesamtkomplex haben. und schließlich der Korruption Vorschub geleistet
wird.
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
ferner die Frage 39 des Abgeordneten van Delden Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege van
auf: Delden, ich bin durchaus bereit, auf die Teufel im
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4463
Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal
Detail einzugehen. Die Bundesregierung ist der Pohlmann (CDU/CSU) : Ja.
Ansicht, daß das Instrumentarium, das hier vor-
gesehen ist, tatsächlich eine beachtliche Sicherung Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
der heimischen Industrie darstellt, und zwar erstens Bundesminister für Wirtschaft: Der Schutz der Be-
die Mengenplafonds mit der Berechnung nach dem rufsbezeichnung ist an und für sich Sache der Län-
Grundbetrag der Einfuhren aus den Entwicklungs- der, aber die Bundesregierung wird bei der Neu-
ländern im Jahre 1968 plus dem Zusatzbetrag von regelung der Aus- und Fortbildung laut Berufsbil-
5% der letztjährigen Einfuhren aus Drittlän- dungsgesetz dafür sorgen, daß die anderen Berufe,
dern — das ist die erste Sicherung für unsere die bisher, ohne denselben Inhalt und dasselbe Ni-
heimische Industrie —, zweitens die sogenannte veau der Technikerausbildung zu haben, die Berufs-
Pufferregelung, wonach ein einzelnes Entwick- bezeichnung „Techniker" führen, in Zukunft auch
lungsland in der Regel nicht mehr als 50% der im Zusammenhang mit ihrer Berufbezeichnung —
jeweiligen Gesamteinfuhren tätigen kann — auf beispielsweise Fernmeldetechniker — auf das Wort
diesem Gebiet versuchen wir durchzusetzen, daß „Techniker" verzichten müssen.
für einzelne sensible Waren ein geringerer Pro-
zentsatz festgesetzt wird —, drittens Einsatz der
Bundesrepublik für einen angemessenen Vertei- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

lungsschlüssel innerhalb der EG für die herein- Zusatzfragen?


kommenden Einfuhren.
Pohlmann (CDU/CSU) : Das war erst die Ant-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-
wort auf die erste Frage.
Herr Kollege, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
van Delden (CDU/CSU) : Darf ich Sie trotzdem Bundesminister für Wirtschaft: Zu der zweiten
bitten, meine zweite Frage noch einmal ernsthaft Frage sind wir der Ansicht, daß die eineinhalb Jahre
zu prüfen, ob es nicht besser ist, einen stufen- für die Technikerschule genügen. Es ist bekannt,
weisen Zollabbau an Stelle dieses Nullzollplafonds, daß die Kommission für die Harmonisierung im
über den wir sicherlich im Wirtschaftsausschuß noch Dienstleistungs- und Ausbildungsbereich zwei Jahre
manchmal sprechen werden, anzuwenden. Technikerschule vorschlägt. Nachdem sich aber der
Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuß bereits
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim zu unserem Standpunkt bekannt hat, sind wir ver-
Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege van hältnismäßig hoffnungsvoll, diese von Ihnen er-
Delden, ich will Ihnen hier nichts vormachen: hier fragte Gleichstellung zu erreichen.
sind wir der Ansicht, daß wir dem Instrumen-
tarium, wie es jetzt festgelegt ist, grundsätzlich Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

zustimmen und dabei bleiben wollen. Ich rufe nunmehr die Fragen 42 und 43 des Abge-
ordneten Seiters auf:
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-
War sich die Bundesregierung bewußt, daß hinsichtlich der von
Herr Kollege, Sie haben eine letzte Zusatzfrage. der EWG eingeräumten Zollpräferenzen unter den Begünstigten
auch Länder sein werden, die mit dumpingartigen Praktiken
den deutschen Markt zerrütten, und gedenkt sie, diese Länder
(Abg. van Delden: Danke! — Abg. Seiters oder Artikel auszuklammern?
meldet sich zu einer Zusatzfrage.) War sich die Bundesregierung beim Verzicht auf Ausnahmen
darüber im klaren, daß dieser Verzicht zur Liquidation einzelner
— Herr Kollege Seiters, wenn ich das richtig sehe, Wirtschaftszweige führen wird, wenn keine spezielle Ausnahme-
regelung mit bestimmten Lieferländern zustande kommt?
haben Sie zum gleichen Problemkreis Fragen und
haben dazu vier Zusatzfragen. Ich wäre Ihnen dank-
bar, wenn Sie Zusatzfragen dort stellen würden. Seiters (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ich darf
an die Beantwortung der Fragen des Herrn Kolle-
Ich rufe die Fragen des Herrn Abgeordneten Pohl- gen van Delden anknüpfen und Sie fragen, ob die
mann auf: Bundesregierung bei der Beurteilung der Länder,
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den zur Zeit von denen wir sagen, daß sie mit dumpingartigen
unzureichenden Schutz der Berufsbezeichnung des staatlich ge-
prüften Technikers in der Bundesrepublik Deutschland zu ge- Methoden den deutschen Markt zerrütten, sich auf
währleisten? die Bemerkung beschränken will, daß diese Länder
Was hat die Bundesregierung unternommen, um im EWG- besonders wettbewerbsfähig seien.
und weiteren europäischen Raum eine Anerkennung des staat-
lich geprüften deutschen Technikers und des damit eng verbun-
denen Niederlassungsrechtes in den betreffenden Ländern zu
erreichen? Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bitte, Herr Staatssekretär, ich nehme an, daß auch Bundesminister für Wirtschaft: Nein, Herr Kollege,
diese Fragen im Zusammenhang beantwortet wer- das ist nicht der Fall. Wir werden versuchen, bei
den. solchen Ländern, die Sie meinen, darauf zu dringen,
daß der Schlüssel von 50% auf ein geringeres Maß
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim herabgesetzt wird. Wir sind verhältnismäßig hoff-
Bundesminister für Wirtschaft: Ja, gerne. nungsvoll, dies auch zu erreichen.

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Herr Fragesteller, Sie sind damit einverstanden? Eine weitere Zusatzfrage.


4464 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970

Seiters (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, darf darauf achten, insbesondere eine Konzentration die-
ich meine Frage 43 hier als Zusatzfrage stellen? ser Einfuhren einseitig auf Deutschland zu vermei-
den; denn das ist ja die große Gefahr für diese In-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
dustrie.
Ich sehe nicht, daß der Herr Staatssekretär die
Frage 43 bereits ausdrücklich beantwortet hat. Ich Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

frage deshalb, ob Sie Herr Staatssekretär diese Ich rufe die Fragen 44 und 45 des Abgeordneten Ott
Frage noch gesondert beantworten wollen. auf:
Ist der Bundesregierung bei der Zustimmung zu der letztes
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Fassung der Erklärung der EWG in Sachen Zollpräferenzen be-
kannt gewesen, daß praktisch alle anderen großen Industrie-
Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident, ich nationen (z. B. USA - Großbritannien - Japan) für die meisten
hätte genau gesagt, daß diese Frage mit der Schilde- Textil- und Bekleidungspositionen keine Präferenz gewähren,
jedoch als einzige die EWG?
rung des Instrumentariums beantwortet ist. Ich will Warum hat die Bundesregierung unter diesen Umständen auch
noch die zusätzliche Auskunft geben: Es sind auch für den Textil- und Bekleidungsbereich dem Verzicht auf die
Ausnahmen zugestimmt und damit die EG-Textilindustrie ein-
jährliche Überprüfungen dieses Verfahrens möglich. seitig im Vergleich zu derjenigen der anderen Industriestaaten
schlechter gestellt, obwohl in allen OECD-Erklärungen als Ziel
und Bedingung proklamiert wurde, daß alle Industriestaaten
Seiters (CDU/CSU) : Sind Sie denn nicht meiner gleiche Lasten übernehmen?

Meinung, daß der Verzicht auf Ausnahmen zur


Liquidation bestimmter Wirtschaftszweige in der Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesrepublik Deutschland führen müßte? Bundesminister für Wirtschaft: Die Antwort auf die
Frage 45 lautet: Ja. Dabei möchte ich darauf hin-
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim weisen, daß im Falle Japan zumindest eine 50%ige
Bundesminister für Wirtschaft: Keineswegs! Zollermäßigung gewährt wird.

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Noch eine Zusatzfrage! Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.

Seiters (CDU/CSU) : ,Herr Staatssekretär, sind Sie


denn meiner Meinung, daß man z. B. die Lage der Ott (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, da Sie vor-
Textilindustrie auch unter Berücksichtigung der hin bei der Beantwortung der Frage meines Kolle-
neuesten Konkurrenzangebote aus Staatshandels- gen van Delden erklärt haben, daß die Entwick-
ländern sehen muß und daß man diese eindeutig lungsländer eine Gelegenheit haben sollten, zu uns
manipulierten und marktzerrüttenden Warenange- zu exportieren, frage ich Sie: Weshalb sind dann
bote auch außerhalb des jetzt neu festgelegten Preis- andere Industrienationen — wie die Vereinigten
prüfungsverfahrens überprüfen sollte? Staaten, Großbritannien, Japan, Skandinavien,
Österreich und die Schweiz — nicht dazu überge-
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim gangen, in einem solchen Ausmaß Zollpräferenzen
Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, das ist einzuführen wie die Bundesrepublik, wobei bei uns
eine völlig neue Frage. Ich würde Sie bitten, sie mir das Schwergewicht der Einfuhren in der EWG liegt?
noch einmal zu stellen. Ich kann Ihnen aber schon
folgende Auskunft geben: Dieses Zollpräferenzab-
kommen trifft nicht auf die Osthandelsländer zu. Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Ott,
Was die andere Frage betrifft, so bin ich gern be-
wir müssen diese Frage global betrachten. Global
reit, sie zu beantworten, wenn Sie sie noch einmal
gesehen sind die Angebote, die , die OECD-Länder
stellen.
den Entwicklungsländern gemacht haben, unterein-
ander gleichwertig. Wir sind etwas nachgiebiger auf
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
der einen Seite und dafür auch etwas härter auf der
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Fuchs. anderen Seite. Wir wollen ja in diesem Raum die
Agrardebatte nicht wiederholen.
Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, tei-
len Sie meine Befürchtung, daß die neue Zollrege-
lung insbesondere Textil- und Bekleidungsbetriebe, Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-

die am Rande der EWG liegen und ohnehin wesent- Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter
lich größere Schwierigkeiten haben, beeinträchtigt? Ott.

Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Ott (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, sind Infor-
Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Fuchs, mationen richtig, wonach in Ihrem Hause vermutet
mir ist klar, daß es um diese Industriezweige in wird, daß auf Grund dieser Zollpräferenzen im Laufe
Deutschland geht. Aber ich bin der Ansicht, daß wir der Zeit ein Teil unserer Textilindustrie damit rech-
gerade diese Industriezweige im Auge gehabt ha- nen muß unterzugehen, weil es mit Rücksicht auf den
ben, als wir das Instrumentarium zusammenstellten. Osthandel, auf politische Beziehungen zum Osten
Bei den weiteren Bemühungen, die wir in den Brüs- und aus anderen Gründen als gerechtfertigt ange-
seler Ausschüssen unternehmen werden, werden wir sehen wird?
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4465

Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Bundesminister für Wirtschaft: Diese Frage kann Eine letzte Zusatztrage des Herrn Abgeordneten
ich Ihnen guten Gewissens mit Nein beantworten. Ott.

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


-
Ott (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie stellen
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten van Sie sich den Schutz der Textilindustrie vor, wenn
Delden. aus Staatshandelsländern zu Dumpingpreisen im-
portiert wird und wenn auch ein verhältnismäßig
hoher Anteil des Imports bestimmter Warengruppen
van Delden (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
aus anderen Niedrigpreisländern zu erwarten ist?
sind Sie sich darüber im klaren, daß sich die IG
Textil, die den zuständigen Arbeitnehmerbereich
betreut und deren Ansichten sonst naturgemäß Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

nicht immer mit den Ansichten der Textilbetriebe Herr Kollege Ott, ich lasse diese Zusatzfrage nicht
übereinstimmen, in diesem Fall, in all diesen Fra zu, weil sie in keinem mittelbaren und unmittelba-
genkomplexen, die hier angeschnitten worden sind, ren Zusammenhang mit Ihrer Frage 45 steht.
in völliger Übereinstimmung mit der Textilindustrie
befindet? Ott ((CDU/CSU) : Das ist Ansichtssache. Ich war
der Meinung, daß es dazugehört.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege van Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Delden, aus meiner früheren Tätigkeit als Leiter Herr Abgeordneter Ott, darüber entscheidet der am-
eines Unternehmens weiß ich, daß in solchen Fragen tierende Präsident.
die Interessen der Unternehmer und der zuständigen
Gewerkschaften oft konform sind. Es ist aber die Ott (CDU/CSU) : Das ist mir bekannt.
Aufgabe des Wirtschaftsministeriums, für das Wohl
des Ganzen zu sorgen, was nicht unbedingt bedeu- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

tet, daß man jedem Wunsch von jeder Seite nach- Dem Herrn Abgeordneten Dr. Enders muß ich lei-
geben kann. Ich hoffe aber, daß Sie den langen der dasselbe wie dem Herrn Kollegen Biechele er-
Antworten, die ich Ihnen und Ihren Kollegen gege- klären: Sie haben den Aufruf Ihrer Fragen um we-
-
ben habe, entnommen haben, daß uns die Gefahr nige Minuten verpaßt.
einer zu schnellen und zu harten Bedrohung der
Textilindustrie voll bewußt war und bleiben wird. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dem
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend,
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott. Familie und Gesundheit. Ich rufe zunächst die
Frage 66 des Herrn Abgeordneten Schmidt (Mün-
chen) auf:
Ott (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, da Sie vor- Ist es richtig, daß die Schüler von Abendgymnasien und Kol-
her bei der Beantwortung der Frage des Herrn legs, die keine Eltern mehr haben und auch nicht verheiratet
sind, die verheiratet sind und am Ausbildungsort mit ihrem
Kollegen van Delden erklärt haben, daß im Inter- Ehepartner zusammen wohnen und die von ihren Eltern ge-
esse des Ganzen nicht auf einzelne Branchen Rück- trennt, aber am gleichen Ort wie die Eltern leben, durch das
Ausbildungsförderungsgesetz ein geringeres Stipendium bekom-
sicht genommen werden kann, men, als das bisher nach dem bayerischen Begabtenförderungs-
gesetz der Fall war?
(Abg. Wehner: Das hat er ja wohl nicht
erklärt!) Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Westphal zur Verfügung.
frage ich Sie: Halten Sie es für richtig, daß aus-
gerechnet ein großer Teil dieser Außenhandels-
politik auf dem Rücken der deutschen Textilindu- Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
strie und damit auf dem Rücken der deutschen Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
Textilarbeiter ausgetragen wird? heit: Herr Kollege Schmidt, nach § 10 Abs. 2 des
Ausbildungsförderungsgesetzes ist auch bei Schü-
(Abg. Wehner: Unerhört!)
lern von Abendgymnasien und Kollegs die Lei-
stung des erhöhten Bedarfssatzes bei auswärtiger
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Unterbringung nur zulässig, wenn der Schüler aus
Bundesminister für Wirtschaft: Herr Ott, ich will Gründen der Ausbildung von seiner Familie ge-
jetzt nicht böse werden, aber Sie unterstellen mir trennt untergebracht sein muß, d. h. wenn von der
Antworten, die ich keineswegs gegeben habe. Wohnung der Familie aus eine entsprechende zu-
(Zustimmung bei der SPD.) mutbare Ausbildungsstätte durch tägliche Fahrten
nicht erreicht werden kann. Nach dem bayerischen
Ich habe gesagt, daß wir uns dessen wohl bewußt
Begabtenförderungsgesetz wurde dagegen der er-
sind, daß die Textilindustrie ein besonderes Inter-
höhte Bedarfssatz geleistet, wenn der Schüler — aus
esse hat, im Rahmen dieser Überlegungen, die all-
welchem Grund auch immer — nicht bei seinen
gemeine Überlegungen der Entwicklungspolitik sind,
Eltern wohnte.
geschützt zu werden. Das habe ich ganz deutlich in
dieser Form gesagt. Sie können es im Protokoll Diese strukturelle Veränderung der förderungs-
nachlesen. rechtlichen Bestimmungen allein hätte aber nicht zu
4466 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970

Parlamentarischer Staatssekretär Westphal


einer Minderung der Leistungen geführt, da die Lei- milie und Gesundheit erarbeiteten Referentenent-
stungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz des wurf des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, das
Bundes höher sind als die nach den früheren bayeri- am 1. Oktober 1971 in Kraft treten soll, ist vorge-
schen Vorschriften. Hinzu kommt eine weitere sehen, daß die Schüler von Abendgymnasien und
strukturelle Veränderung: Die Bedarfssätze für die Kollegs in der Wahl der Art ihrer Unterbringung
Auszubildenden, die bei ihrer Familie wohnen, und ebenso frei sein sollen wie etwa die Studenten an
für diejenigen, die außerhalb ihrer Familie unter- Hochschulen. Der erhöhte Bedarfssatz soll dann ge-
gebracht sind, sind — dem tatsächlichen Kosten- leistet werden, wenn die Schüler nicht bei ihren
unterschied entsprechend — stärker differenziert Eltern wohnen, unabhängig davon, aus welchem
worden. Grunde dies der Fall ist.
Aus den vorgenannten Gründen hat sich für die
Schüler der Abendgymnasien und Kollegs in Bay- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

ern, die nicht aus Gründen der Ausbildung außer- Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
halb der Familie untergebracht sind, mit Inkrafttre-
ten des Ausbildungsförderungsgesetzes der monat- Schmidt (München) (SPD) : Ja. — Jetzt ist im we-
liche Bedarfssatz um 20 DM gemindert; dagegen ist sentlichen die Frage beantwortet, wie das ist, wenn
der Bedarfssatz für diejenigen Schüler, die aus sie von ihren Eltern getrennt am gleichen Ort
Gründen der Ausbildung außerhalb der Familie wohnen. Nach dem Ausbildungsförderungsgesetz
untergebracht sind, um 30 DM gestiegen. sind aber die Schüler benachteiligt, die keine Eltern
mehr haben und nicht verheiratet sind, und auch
Ergänzend weise ich darauf hin, daß seit Inkraft-
die, die verheiratet sind und am Ausbildungsort
treten des Ausbildungsförderungsgesetzes aile
mit ihrem Ehepartner zusammenwohnen. Ist nach
Schüler von Abendgymnasien und Kollegs — unab-
dem Referentenentwurf beabsichtigt, auch diese
hängig von der Art ihrer Unterbringung — eltern-
Schlechterstellung zu beseitigen?
unabhängig gefördert werden, d. h. Ausbildungs-
förderung ohne Anrechnung des Einkommens und
Vermögens der Eltern erhalten. Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
heit: Ich bin im Augenblick überfragt. Ich bin gern
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
bereit, Ihnen aus dem Referentenentwurf zitierend
Eine Zusatzfrage. eine schriftliche Antwort darauf zu geben.

Schmidt (München) (SPD) : Herr Staatssekretär, Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Dr.
nicht ganz gerecht ist, bei erwachsenen Menschen Arnold hat gebeten, seine Fragen, die Fragen 68
— bei Besuchern von Abendgymnasien wird es
und 69, schriftlich zu beantworten. Dem wird ent-
sich in der Regel ja um erwachsene Menschen han-
sprochen. Die Antworten werden als Anlage abge-
deln — so zu verfahren, daß sie dann, wenn sie bei
druckt.
ihren Eltern untergebracht sind, einen bestimmten
Förderungssatz erhalten, daß sich dieser Satz aber Ich rufe nunmehr die Frage 70 des Herrn Ab-
dann, wenn sie am gleichen Ort woanders woh- geordneten von Alten-Nordheim auf:
nen — daß muß einem erwachsenen Menschen ja Sind der Bundesregierung Vorbereitungen überwiegend aus-
ländischer und speziell skandinavischer Produzenten bekannt, die
zugestanden werden —, obwohl sie bei ihren El- den deutschen Markt mit einer nicht zu übersehenden Porno-
tern wohnen könnten, mindert? Ist es nicht auch welle zu überschwemmen beabsichtigen, wenn die jetzt vor-
liegenden diesbezüglichen Gesetzentwürfe Rechtskraft erlangen,
eine Einschränkung der persönlichen Freiheit eines und sieht sie der Entwicklung dieses neuen Wirtschaftszweiges
erwachsenen Menschen, wenn man ihn dafür be- bedenkenlos entgegen?

straft, daß er sich in einem gewissen Alter selb-


ständig macht und eine eigene Wohnung bezieht? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim heit: Herr Kollege von Alten-Nordheim, der Bun-
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- desregierung ist nicht bekannt, welche Vorberei-
heit: Herr Kollege, da wir der gleichen Auffassung tungen ausländische Verlage im Hinblick auf die
sind, wollen wir den Sachverhalt in dem bevor- nach dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Re-
stehenden Bundesausbildungsförderungsgesetz an- form des Strafrechts vorgesehene Neufassung des
ders regeln. Ich wollte das gern in der Antwort auf § 184 StGB im einzelnen getroffen haben. Anzeichen
Ihre zweite Frage vortragen. sprechen dafür, daß sich verschiedene Firmen schon
jetzt auf eine mögliche Absatzsteigerung ihrer
pornographischen Erzeugnisse einzustellen begin-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
nen. Die ganzseitige Anzeige der Firma Private-
Ich rufe die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Press A.B., Stockholm, in der Tageszeitung „Die
Schmidt (München) auf: Welt" vom 16. Oktober 1970, mit der Interessen-
Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Schlechterstellung in
absehbarer Zeit zu beseitigen?
ten für den Alleinvertrieb des von der genannten
Firma herausgegebenen Magazins gesucht werden,
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim kann in diese Richtung deuten.
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- Eine zunehmende Verbreitung pornographischer
heit: In dem im Bundesministerium für Jugend, Fa- Erzeugnisse, bei denen es sich teilweise um ganz
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4467
Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
scheußliche Produkte handelt, wird von der Bun- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
desregierung in keiner Weise als wünschenswert Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
angesehen.
von Alten - Nordheim (CDU/CSU) : Herr Staats-
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: sekretär, diese von Ihnen eben angekündigten Maß-
Eine Zusatzfrage. nahmen sind erfreulich. Ich frage Sie aber: Sind Sie
nicht der Meinung, daß trotz dieser sogenannten
verschärften Bestimmungen Jugendliche zukünftig
von Alten - Nordheim (CDU/CSU) : Herr Staats- doch in erheblich größerem Umfang in den Besitz
sekretär, sind Sie der Meinung, daß Produzenten und auch in den Wahrnehmungsbereich derartiger
unter der Devise der Aufklärung ihre Ware anbie- Produkte gelangen?
ten und die Begriffe von echter Aufklärung und
von Pornographie sich dadurch immer mehr ver-
wischen? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
heit: Ich kann nicht vorhersehen, ob das der Fall
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim sein wird. Wir haben mit diesem Thema sicher in
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- der Zukunft zu tun und werden dafür sorgen müs-
heit: Ich halte dies für möglich. sen, daß unsere Jugendschutzbestimmungen ausrei-
chen, um das, was im Bereich des heranwachsenden
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: jungen Menschen zu schützen ist, auch praktisch
Eine letzte Zusatzfrage. in geeigneter Weise geschützt wird.

von Alten - Nordheim (CDU/CSU) : Herr Staats- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
sekretär, sind Sie angesichts dieser Vorbereitungen Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten
nicht der Meinung, daß der Bürger ein Recht darauf Weigl auf:
hat, vor ungewollter Konfrontation geschützt zu Trifft es zu, daß der Politische Arbeitskreis Oberschulen
(PAO) als Mitausrichter einer gegen die Regierung der Ver-
werden? einigten Staaten gerichteten Vietnamkampagne der Kommunisten
öffentliche Mittel, z. B. aus dem Bundesjugendplan, erhält?

Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Herr Staats-
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- sekretär!
heit: Der Gesetzentwurf des Herrn Bundesjustiz-
ministers zur Änderung des Sexualstrafrechts, des-
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
sen erste Lesung in diesem Hohen Hause noch Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit:
bevorsteht, sieht die von Ihnen aufgegriffene Frage Herr Kollege Weigl, der Politische Arbeitskreis
und will dem entgegenwirken. Oberschulen — abgekürzt PAO —, der sich insbe-
sondere um die außerschulische politische Bildung
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: der Schüler an weiterführenden Schulen bemüht,
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten von wird seit 1956 über den Arbeitskreis für politische
Alten-Nordrheim auf: Bildung e. V. in Bonn aus dem Bundesjugendplan
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich der Jugend- gefördert. Im Rahmen der Richtlinien für den Bun-
schutz unter diesen Umständen in der Praxis noch wirksam
durchführen läßt? desjugendplan werden insbesondere Kurse und
Seminare gefördert. Nach diesen Richtlinien sind
Herr Staatssekretär! agitatorische und propagandistische Maßnahmen
von der Förderung ausgenommen. Dies gilt ebenso
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim für die Zuwendungen, die der Arbeitskreis von
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- anderen Bundesbehörden erhält. Bisher wurden vom
heit: Herr Kollege, der Jugendschutz wird von der PAO keine Förderungsmittel zweckentfremdet.
Bundesregierung auf dem hier angesprochenen Sek- Bei der von Ihnen angesprochenen „Vietnam-
tor außerordentlich ernst genommen. Die Bundes- Kampagne" handelt es sich offenbar um die in der
regierung prüft zur Zeit, welchen Vertriebsbe- Zeit vom 23. bis 31. Oktober 1970 veranstaltete
schränkungen auch künftig pornographische Schrif- „Woche der Solidarität mit den Völkern Vietnams,
ten im Interesse eines wirksamen Jugendschutzes Laos' und Kambodschas — Solidarität mit der Anti-
unterliegen sollen. Sie ist der Auffassung, daß die kriegsbewegung in den USA". Der Bundesvorstand
geltenden und die nach dem Entwurf vorgesehenen des PAO hat nach meinen Feststellungen den Auf-
Rechtsvorschriften Handhaben bieten, einen wirk- ruf zu dieser Woche mit unterschrieben. Er hat sich
samen Jugendschutz zu gewährleisten. aber nicht organisatorisch oder finanziell an dieser
Ich möchte der in diesem Hohen Hause noch be- Aktion beteiligt. Der Aufruf ist im übrigen auch von
vorstehenden ersten Lesung der vom Herrn Bundes- einer Vielzahl von anderen politisch, kirchlich oder
justizminister zu vertretenden Vorlage zur Ände- anderweitig orientierten Jugend- und Studenten-
rung des Sexualstrafrechts nicht vorgreifen, aber verbänden unterschrieben worden.
wir erwarten doch insoweit eine Intensivierung der Ich bin der Auffassung, daß die Förderungswür-
Strafverfolgung nach Beseitigung der fragwürdig digkeit eines Verbandes durch eine solche Solidari-
gewordenen Verbote im Erwachsenenbereich. tätserklärung nicht in Frage gestellt ist. Die Gren-
4468 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970

Parlamentarischer Staatssekretär Westphal


zen der Förderungswürdigkeit werden vielmehr Ich rufe die Frage 73 des Abgeordneten Pfeifer
durch § 9 des Jugendwohlfahrtsgesetzes bestimmt. auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag in
Hiernach darf ein Träger nur gefördert werden, Kürze einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Nr. 1 des anläßlich
wenn er eine den Zielen des Grundgesetzes förder- der zweiten und dritten Beratung des Ausbildungsförderungs-
gesetzes angenommenen Entschließungsantrages entspricht und
liche Arbeit leistet. insbesondere eine Förderung der Schüler von Berufsfachschulen
ermöglicht, für deren Besuch der Realschulabschluß nicht Vor-
aussetzung ist?

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


- Der Herr Abgeordnete ist im Saal. — Das Wort
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Weigl. hat Herr Staatssekretär Westphal.

Weigl (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, haben Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim


Sie die Arbeit des PAO schon unter dem Gesichts- Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit:
punkt der Richtlinien untersucht, die Sie jetzt her- Herr Kollege Pfeifer, das Bundesministerium für
ausgeben wollen, daß nämlich „nur gefördert wird, Jugend, Familie und Gesundheit hat mit den übrigen
wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung Bundesressorts den Entwurf eines Bundesausbil-
und die parlamentarisch repräsentative Willensbil- dungsförderungsgesetzes erarbeitet, der demnächst
dung nach dem Grundgesetz bejaht"? dem Bundeskabinett zur Verabschiedung vorgelegt
werden wird. Dieser Entwurf ergänzt und ändert das
erste Ausbildungsförderungsgesetz. Das neue Ge-
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
setz soll nach der Vorstellung der Bundesregierung
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund-
am 1. Oktober 1971 in Kraft treten. Es bezieht die
heit: Wir haben keine besondere Prüfung durchge-
Studierenden an Höheren Fachschulen, Akademien
führt. Aber ich kann Ihnen aus meiner Kenntnis der
und Hochschulen in die bundesgesetzliche Regelung
Arbeit dieser Organisation versichern, daß der PAO
der individuellen Förderung der Ausbildung ein.
seine Tätigkeit im Rahmen der grundlegenden und
demokratisch breit angelegten Position ausübt, die In dieses neue Gesetz ist auch die Förderung für
Sie soeben aus unseren neuen Richtlinien zitierten, die Schüler der Klasse 10 der weiterführenden all-
die 1971 gültig werden. gemeinbildenden Schulen und für alle Berufsfach-
schüler aufgenommen. Die Förderung dieses Be-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: reichs soll allerdings gesondert in Kraft gesetzt
- -

Eine weitere Zusatzfrage. werden. Im Rahmen der mehrjährigen Finanzpla-


nung der Bundesregierung ist dafür der 1. Januar
1973 vorgesehen. Die Bundesregierung wird damit
Weigl (CDU/CSU) : Würden Sie einmal prüfen, Abs. 1 der genannten Entschließung des Deutschen
Herr Staatssekretär, ob der PAO die Auffassung Bundestages gerecht, der die Einbeziehung aller
vertritt, daß die Schule der Zukunft eine sozialisti Ausbildungsbereiche nach Beendigung der Vollzeit-
sche, sprich: kommunistische Schule sein müsse? schulpflicht in der 6. Legislaturperiode fordert.

Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Pfeifer.
Das werde ich prüfen.

Pfeifer (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, sind Sie


Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
sich darüber im klaren, daß die Verschiebung des
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hansen. Termins des Inkrafttretens bis zum Jahr 1973 gerade
diejenigen Schüler hinsichtlich ihrer Aufstiegs-
Hansen (SPD) : Herr Staatssekretär, würden Sie chancen benachteiligt, die wegen des Wohnorts
die Weiterförderung von Jugendorganisationen, die oder der sozialen Stellung des Elternhauses bisher
bisher aus dem Bundesjugendplan gefördert werden, keine Gelegenheit hatten, einen Realschulabschluß
auch dann bejahen, wenn sich herausstellen sollte, zu erreichen, und die nun statt in einer Betriebsaus-
daß sie an Veranstaltungen wie denen in Würz- bildung in einer staatlichen Berufsfachschule mit In-
burg teilnehmen? ternat diese Aufstiegschancen suchen?

Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim


Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit:
Ich würde das selbstverständlich prüfen. Herr Kollege, hier ist nichts verschoben worden. Von
dieser Bundesregierung ist für das weitere Inkraft-
treten von Teilen eines umfassenden Systems der
Hansen (SPD) : Ich meine hier besonders die Ausbildungsförderung erstmalig ein bestimmter Ter-
Deutsche Jugend des Ostens. min Besetz worden, der in die finanzielle Planung
paßt. Der erste Schritt war die Einbeziehung der
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
- weiterführenden Schulen, von der 11. Klasse an be-
Herr Abgeordneter Hansen, diese Frage steht we- ginnend. Der zweite Schritt wird die Einbeziehung
der in einem unmittelbaren noch in einem mittel- all dessen sein, was bisher das Honnefer und das
baren Zusammenhang mit der Frage des Herrn Ab- Rhöndorfer Modell deckt, also die Studentenförde-
geordneten Weigl. Ich lasse die Zusatzfrage nicht zu. rung. Als nächster Schritt kommt dann die Gesamt-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4469

Parlamentarischer Staatssekretär Westphal


einbeziehung der 10. Klassen und der Berufsfach- steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär von
schulen. Damit ist der Katalog der nächsten Schritte Dohnanyi zur Verfügung. Die erste Frage ist von
aufgezeigt. Herrn Abgeordneten Hansen gestellt:
Ist die Bundesregierung bereit, sich für die Änderung des
Beschlusses der Kultusminister-Konferenz vom 14./15. Mai 1964
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - einzusetzen mit dem Ziel, die schulische Betreuung der Gast-
arbeiterkinder in der Bundesrepublik Deutschland einheitlich zu
Eine letzte Zusatzfrage zu dieser Frage. regeln und sicherzustellen, daß durch staatliche Schulaufsicht
über alle schulischen Veranstaltungen die Gastarbeiterkinder vor
jeder Beeinträchtigung der auch ihnen zustehenden Lernfreiheit
Pfeifer (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wären geschützt werden?
Sie bereit, in Anbetracht der Tatsache, daß es sich
um eine relativ geringe Zahl von Schülern handelt, Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
die in der Frage 73 genannt sind, doch noch einmal sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
zu überprüfen, ob hier nicht schon ein Inkrafttreten senschaft: Herr Kollege Hansen, die Bundesregie-
im Jahre 1971 in Betracht kommt? rung wird sich in dem von Ihnen vorgeschlagenen
Sinne an die Kultusministerkonferenz wenden und
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim eine Überprüfung der bestehenden Regelungen und
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- Möglichkeiten anregen.
heit: Ich muß Ihnen leider antworten, daß — wenn
Sie das im Zusammenhang sehen — die Berufs- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

schüler und ,die ganzen 10. Klassen eben nicht einen Keine Zusatzfragen.
relativ kleinen, sondern einen sehr großen Kreis Ich rufe die Frage des Abgeordneten Breidbach
darstellen und daß wir deshalb dazu gekommen sind, auf:
in der zeitlichen und finanziellen Planung dieses Entsprechen die im Wirtschaftsmagazin „Capital" Nr. 11 (No-
Datum vorzusehen. Ich möchte ein Ausbildungs- vemberausgabe 1970) gemachten Angaben den Tatsachen, wonach
bereits vor dem Abschuß des Forschungssatelliten AZUR am
förderungssystem auch lieber schon morgen voll- 8. November 1969 feststand, daß der Satellit die für ihn vor-
gesehenen Aufgaben wegen des Fehlens eines Kontrollgerätes
ständig in Kraft setzen; aber wir können nur stu- im Werte von wenigen 100 DM nicht mehr ausführen kann
fenweise vorgehen. und so durch die Anordnung der verantwortlichen Beamten des
Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, wonach der
Start des Satelliten ohne Rücksicht auf seine technische Funk-
tionsfähigkeit erfolgte, das Ausgeben von 80 Millionen DM
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - Steuergeldern, ohne den gewünschten Effekt zu erreichen, er-
möglicht wurde?
Ich rufe ,die nächste Frage des Abgeordneten- Pfeifer
auf: Der Abgeordnete ist im Saal. — Herr Staats-
Kann die Bundesanstalt für Arbeit bis zum Inkrafttreten des
Gesetzes vordringlich und übergangsweise die Förderung der in sekretär!
Frage 73 genannten Schüler in dem Umfang übernehmen, der an
sich im Ausbildungsförderungsgesetz vorgesehen ist?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
Bundesminister für Jugend, Familie und Gesund- senschaft: Herr Kollege Breidbach, es entspricht
heit: Ich gebe die Antwort dm Einvernehmen mit dem nicht den Tatsachen, daß vor , dem Start des For-
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. schungssatelliten AZUR am 8. November 1969 be-
reits feststand, der Satellit habe in irgendeiner
Der Bundesanstalt für Arbeit ist nach § 40 des
Weise einen Mangel aufzuweisen. Das Projekt
Arbeitsförderungsgesetzes die Ausbildungsförde-
AZUR ist ein bilaterales Kooperationsvorhaben
rung für einen begrenzten Bereich übertragen wor-
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
den. Hierzu ,gehört nicht die Förderung von Berufs-
NASA, wobei die NASA ihrerseits die Träger-
fachschülern. Nach § 242 Abs. 12 des Arbeitsförde-
rakete und die Startdienste kostenlos bereitstellt.
rungsgesetzes kann die Bundesanstalt allerdings bis
An ,der wissenschaftlichen Aufgabenstellung und
zum Inkrafttreten einer umfassenden gesetzlichen
, damit zwangsläufig an der Flugtauglichkeit und
Regelung durch den Bund ausnahmsweise Ausbil-
Funktionstüchtigkeit des Satelliten hatte die NASA
dungsförderung für eine in § 40 nicht genannte Aus-
ein großes und berechtigtes Interesse. Eine umfang-
bildung gewähren, soweit die Ausbildung nicht von reiche Prüfung ergab, daß die Fernkommandoent-
einer anderen Stelle gefördert wird und an der För- schlüsselungseinrichtung, auf die Sie, glaube ich,
derung ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Inter- u. a. Bezug nehmen, an Bord des Satelliten den
esse besteht. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt Empfang fremder Funksignale nicht vollständig aus-
für Arbeit wird voraussichtlich demnächst die Frage schloß. Aber nach dem Start und unmittelbar nach
erörtern, ob die Bundesanstalt auf Grund dieser Vor- Auftreten dieser Erscheinung wurde die Funktions-
schrift die Förderung des Berufsfachschulbesuchs, der tüchtigkeit des Satelliten durch besondere Maßnah-
vollständig auf die betriebliche Ausbildung ange- men im Bereich des bodenseitigen Fernkommando
rechnet wird, bis zum 1. Januar 1973 übernehmen betriebs weitgehend gewährleistet, so daß die wis-
soll. senschaftliche Aufgabenstellung voll erfüllt wurde.

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Es sind keine weiteren Zusatzfragen gestellt. -

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breid-


Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Die Fragen bach.
aus Ihrem Geschäftsbereich sind beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers Breidbach (CDU/CSU) : Darf ich Ihrer Antwort
für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung Herr Staatssekretär, entnehmen, daß dem Ministe-
4470 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970
Breidbach
rium nicht bekannt ist — ich beziehe meine Infor- stellen, kann ich sicher Ihre zweite Frage noch auf-
mation aus ganz allgemein zugänglichen Quellen —, rufen. — Dann rufe ich die Frage 99 des Herrn Ab-
daß schon bei Probeläufen der Satellit AZUR vom geordneten Flämig auf:
Amateurfunk gestört wurde? Haben auch andere Industrieverbände oder Industrieunter-
nehmen eine Beteiligung am Institut abgelehnt, obgleich schon
der ehemalige Bundesminister für wissenschaftliche Forschung,
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats- Stoltenberg, und auch der derzeitige Bundesminister für Bildung
und Wissenschaft darauf hingewiesen haben, daß es sich bei
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis- diesem Institut um eine konzertierte Aktion von Wissenschaft,
Wirtschaft und Staat handeln sollte, bei der die mit einer
senschaft: Der Bundesregierung ist die Behauptung Beitragsleistung verbundene Mitwirkung der deutschen Industrie
bekannt, daß dies geschehen sei; aber die Tatsache gerade in der konzeptionellen wichtigen Aufbauphase des
Instituts erforderlich ist?
Herr Kollege, daß Sie Ihre Information aus einer
allgemein zugänglichen Quelle beziehen — wir wis-
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
sen beide, welche Quelle gemeint ist —, bedeutet
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
nicht, daß diese Quelle recht hat.
senschaft: Herr Kollege Flämig, bislang haben an-
dere Industrieverbände und Industrieunternehmen
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
eine Beteiligung am Institut nicht abgelehnt. Die
Herr Kollege, Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bundesregierung ist auch der Auffassung, daß es
bedauerlich wäre, wenn die deutsche Industrie die
Breidbach (CDU/CSU) : Sehen Sie nicht, Herr ihr hier gebotene Chance, von Anfang an die Ziele
Staatssekretär, einen Widerspruch zwischen den op- des Instituts mitformen zu helfen, nicht ergreifen
timistischen Aussagen, die Sie heute machen und würde.
die Sie auch gestern im Pressedienst bezüglich der
Forschungsergebnisse von AZUR gemacht haben, Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

und den Aussagen der Werkzeitschrift von Messer- Eine Zusatzfrage.


schmitt, Bölkow & Blohm aus dem Februar 1970,
worin die Reduzierung von theoretisch möglichen Flämig (SPD) : Herr Staatssekretär, halten Sie es
Datenmengen um mindestens 20 % für wahrschein- für angezeigt, dem Verband der Chemischen Indu-
lich gehalten wird und daß es nach wie vor Wissen- strie die Überprüfung seiner Haltung unter Hin-
schaftler gibt, die glauben, daß eine Reduzierung weis auf die Tatsache zu empfehlen, daß die NATO-
um 80 % der Datenmenge vorliegt? Versammlung am 10. November, also vor wenigen
Tagen, einstimmig eine entsprechende Empfehlung
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats- gegeben hat?
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
senschaft: Ich kann nur den heutigen Stand wieder- Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
geben, Herr Kollege. Der jetzt erkennbare Stand sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
der angefallenen Daten läßt darauf schließen, daß senschaft: Die Bundesregierung hat mit dem Ver-
das Projekt seinen wissenschaftlichen Auftrag er- band der Chemischen Industrie bereits Kontakt,
füllt hat. Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. und ich halte es, ohne den Ergebnissen hier vor-
Natürlich wird erst die vollständige Auswertung greifen zu können, nicht für ausgeschlossen, daß
wirklich Aufschluß geben können. der Verband der Chemischen Industrie angesichts
dieser von Ihnen soeben bezeichneten Äußerung
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
und auch anderer Tatsachen letzten Endes seine
Ich rufe die Frage 98 des Abgeordneten Flämig auf: Meinung revidieren kann. Das ist denkbar.
Trifft es zu, daß der Verband der chemischen Industrie zu-
gleich auch im Namen seiner Verbandsmitglieder eine Beteili-
gung am Internationalen Institut für das Management der Tech- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

nologie abgelehnt hat, während z. B. IBM Europa die Instituts-


ziele der technologischen Managementausbildung sowie Inno- Wir können nun noch die Fragen des Herrn Ab-
vationsschulung bejaht und deshalb eine Beteiligung am Institut geordneten Lenzer beantworten lassen. Wegen Ab-
angeboten hat?
laufs der Fragestunde würde ich vorschlagen, Herr
Herr Staatssekretär! Staatssekretär, daß Sie beide Fragen gemeinsam
beantworten. Sonst könnte wegen des Ablaufs der
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats- Fragestunde die zweite Frage nicht mehr beant-
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis- wortet werden. Ich rufe also die Fragen 100 und
senschaft: Herr Kollege Flämig, es trifft in der Tat 101 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
zu, daß der Verband der Chemischen Industrie zu- Wie beurteilt die Bundesregierung die Frage einer Unter-
stützung (Bundesbürgschaft usw.) der Frankfurter Urangesell-
gleich auch im Namen seiner Verbandsmitglieder schaft mbH durch die Bundesregierung bezüglich der Pläne,
eine Beteiligung am Internationalen Institut für das die Uranvorkommen in Namibia auszubeuten?
Management der Technologie abgelehnt hat. IBM Hat die Bundesregierung davon Kenntnis, daß nach Presse-
meldungen von deutschen Firmen Verhandlungen über die An-
Europa hat dagegen eine Beteiligung in Höhe von reicherung von Natururan im Lohnverfahren durch die Sowjet-
union stattfinden und daß diese bereits zu gewissen Verein-
30 000 Dollar jährlich für drei Jahre angeboten und barungen geführt haben?
dabei ausdrücklich auf die Notwendigkeit der tech-
nologischen Management-Ausbildung und Inno- Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
vationsschulung hingewiesen. sekretär beim Bundesminister für Bildung und
Wissenschaft: Herr Kollege Lenzer, der Bundes-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - regierung ist bekannt, daß die sowjetische staat-
Herr Kollege Flämig, wenn Sie keine Zusatzfrage liche Handelsgesellschaft Techsnabexport Kontakt
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4471
Parlamentárischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi
zu deutschen Firmen aufgenommen hat. Dabei Lenzer (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ist die
wurde u. a. die Möglichkeit der Lohnanreicherung Bundesrgi,w olcherAntagvdi-
von Uran in der Sowjetunion berüht. Diese Kon- ser Firma gestellt werden sollte, bereit, in positivem
takte haben noch nicht zu Vereinbarungen auf dem Sinne zu entscheiden?
Urangebiet geführt. Es handelt sich hierbei, wie Sie
wissen, um kommerzielle Beziehungen, in die sich Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
die Bundesregierung nicht einschaltet. Sollte dieser sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
Kontakt zu konkreten Abschlüssen führen, werden senschaft: Die Bundesregierung kann zu keinem
diese nach den normalen Verfahren unter Berück- Zeitpunkt eine Entscheidung treffen, bevor ein ent-
sichtigung des Außenwirtschaftsrechts und unter sprechender Antrag gestellt ist. Aber die Bundes-
Berücksichtigung der Bestimmungen des Euratom- regierung prüft alle Anträge, die ihr vorgelegt wer-
Vertrages behandelt werden müssen. den.
Zu Ihrer zweiten Frage. Die Urangesellschaft,
Frankfurt, untersucht mit der britischen Firma Rio Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Tinto Zinc Corp. die Möglichkeit eines wirtschaft- Keine weiteren Zusatzfragen.
lichen Abbaus der Uranlagerstätte Rössing, Na- Wir stehen damit am Ende der heutigen Frage-
mibia. Diese Uranlagerstätte ist offenbar eines der stunde. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen
größten Uranvorkommen der Welt. Ein Antrag der Bundestages auf Freitag, den 13. November 1970,
Urangesellschaft auf Gewährung von Bundesbürg- 9 Uhr, ein.
schaften liegt der Bundesregierung nicht vor.
Die Sitzung ist geschlossen.
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Eine Zusatzfrage. (Schluß der Sitzung: 15.03 Uhr.)
Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4473

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 tenberechtigte bei Rentenbeginn das 65. Lebensjahr


vollendet hat. Demgegenüber werden Beamtenpen-
Liste der beurlaubten Abgeordneten sionen gemäß § 19 EStG voll unter Abzug eines Frei-
betrags in Höhe von 25 v. H. der Bezüge, höchstens
Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich jedoch insgesamt 2400 DM jährlich besteuert. Die
genannten Gutachter halten diese unterschiedliche
Beurlaubungen Behandlung für verfassungswidrig. Im Gegensatz zu
Dr. Achenbach 13. 11. dieser Rechtsansicht ist die Rechtsprechung auch
Dr. Aigner * 12. 11. des Bundesfinanzhofs bisher davon ausgegangen,
Dr. Arndt (Berlin) 13. 11. daß die geltende Regelung verfassungsrechtlich un-
Berendt * 12. 11. bedenklich und auch systematisch geboten sei.
Blumenfeld 13. 11. Die Bundesregierung teilt die Auffassung der
Dr. Dollinger 13. 11. Rechtsprechung. Gleichwohl wird das Problem im
Dr. Erhard 12. 11. Rahmen der Steuerreform umfassend geprüft wer-
Faller * 13. 11. den. Die Bundesregierung erwartet dazu jedoch zu-
Dr. Giulini 13. 11. nächst die Stellungnahme der Steuerreform-Kommis-
Dr. Götz 30. 11. sion, die Ende dieses Jahres vorliegen soll.
Dr. Hallstein 13. 11.
Dr. Hein 13. 11.
Heyen 31. 12.
Dr. Huys 13. 11.
Dr. Jaeger 31. 12. Anlage 3
Dr. Jungmann 31. 1. 1971
Schriftliche Antwort
Dr. Kiesinger 13. 11.
Dr. Koch * 13. 11. des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl
Frau Krappe 14. 11. vom 12. November 1970 auf die Mündliche Frage des
Dr. Kreile 13. 11. Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache
Kriedemann * 13. 11. VI/1386 Frage A 33) :
Lange * 13. 11. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß eine
Änderung der geltenden Bestimmungen über die Besteuerung
Lautenschlager * 12. 11. der Beamtenpensionen, sofern diese ganz oder teilweise ver-
Matthöfer 13.11. fassungswidrig sind, nicht bis zur Durchführung der Steuer-
reform zurückgestellt werden können, da letztere in dieser
Meister * 13. 11. Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden wird und es
nicht angeht, die verfassungsmäßigen Rechte der Betroffenen so
Dr. Pohle 13. 11. lange zu mißachten?
Dr. Schmid (Frankfurt) 13. 11.
Schwabe 12. 11. In der Antwort auf die Mündliche Anfrage des
Schulhoff 12. 11. Kollegen Dr. Gruhl wurde soeben ausgeführt, daß
Stein (Honrath) 12. 11. die Bundesregierung die derzeitige Regelung der
Steiner 13. 11. Besteuerung der Beamtenpensionen im Einklang mit
der höchstrichterlichen Rechtsprechung für verfas-
sungskonform hält. Es kann also keine Rede von
einer Mißachtung der verfassungsmäßigen Rechte
der Betroffenen sein, wenn die Harmonisierung der
Anlage 2 Altersbesteuerung erst im Zuge der geplanten Steu-
erreform erfolgt. Eine sofortige Neuregelung ist aus
Schriftliche Antwort
verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten.
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl
Sie erscheint auch nicht zweckmäßig, weil es sich
vom 12. November 1970 auf die Mündliche Frage des
um einen vielschichtigen Problemkreis handelt, der
Abgeordneten Dr. Gruhl (CDU/CSU) (Drucksache
zahlreiche andere Teilgebiete des Einkommensteuer-
VI/1386 Frage A 32) :
rechts berührt. Eine befriedigende Lösung ist nur im
Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung in dem
von den Herren Prof. Dr. Rupp, Assessor Dr. von Zezschwitz Rahmen der allgemeinen Steuerreform möglich.
und Assessor Dr. von Olshausen erstatteten Gutachten, wonach
die Besteuerung der Beamtenpensionen nicht verfassungskon-
form ist?

Die Anfrage bezieht sich nicht auf die Besteuerung


der Beamtenbesoldung schlechthin, sondern auf die Anlage 4
der Beamtenpensionen, wie die Bezugnahme auf das
von Prof. Dr. Rupp, Dr. von Zezschwitz und Dr. von Schriftliche Antwort
Olshausen im Auftrag des Bundes der Ruhestands- des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal
beamten und Hinterbliebenen im Juni 1970 erstattete vom 10. November 1970 auf die Mündlichen Fragen
Rechtsgutachten zeigt. des Abgeordneten Dr. Arnold (CDU/CSU) (Druck-
Nach geltendem Recht werden die Sozialrenten sache VI/1386 Fragen A 68 und 69):
gemäß § 22 EStG nur mit dem sogen. Ertragsanteil Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerungen des Düs-
seldorfer Universitätsprofessors Dr. Kuhlendahl, der nach über-
besteuert, der z. B. 20 v. H. beträgt, wenn der Ren- einstimmenden Pressemeldungen in einem Vortrag vor deni
4474 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970

Pastoralkolleg der Evangelischen Kirche von Westfalen sinn-


gemäß erklärt hat, man könne niemandem raten, am Wochen- wurde, liegen die wesentlichen Gründe für den
ende krank zu werden, die äußeren Umstände, unter denen
Kranke in den Krankenhäusern behandelt werden müßten, seien
Mangel an Pflegepersonal im Krankenhaus in der
heute so, daß sie kaum noch verantwortet werden könnten, der ungünstigen Dienstzeitregelung, in dem Anfall von
Grund liege in den tariflichen Bestimmungen, die den Bedien-
steten ein größeres Maß an Freizeit zusprächen, ohne daß dafür Überstunden sowie in der Beschaffenheit des
die Voraussetzungen erfüllt seien, daraus ergäben sich Konse- Arbeitsklimas.
quenzen, von denen selbst Sterbende betroffen seien?
Wie kann die Lage für alle Patienten in den Kliniken ver- Die Bundesregierung hält zur Verbesserung der
bessert werden, und welche besonderen Maßnahmen können
getroffen werden, um den akuten Mangel an Ärzten, Schwestern Personalsituation bei den pflegerischen Berufen in
und Pflegepersonal in den Krankenhäusern zu beseitigen? den Krankenanstalten u. a. folgende Maßnahmen für
Die Krankenhausversorgung der Bevölkerung erforderlich:
wird gegenwärtig durch den Personalmangel insbe- — Verstärkte Berücksichtigung der pflegerischen
sondere im pflegerischen Bereich beeinträchtigt. Berufe bei der Berufsberatung, vor allem Ver-
Diese Situation ist nicht nur in der Bundesrepublik, besserung der individuellen Beratung;
sondern in allen westlichen Ländern, die einen — Reform der Ausbildung;
Arbeitskräftemangel vor allem im Dienstleistungs-
bereich zu verzeichnen haben, zu beobachten. Der — Finanzielle Förderung der Ausbildung und der
wesentliche Grund für den Personalmangel ist darin Ausbildungseinrichtungen;
zu sehen, daß das Personalangebot nicht im gleichen — Weitere Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Umfang gestiegen ist wie die Ansprüche an und die und der Aufstiegsmöglichkeiten;
Möglichkeiten der Krankenhausversorgung.
— Förderung der Bemühungen um männlichen
Der zwischen den Tarifpartnern abgeschlossene Berufsnachwuchs;
23. und 24. Änderungstarifvertrag zum BAT vom — Förderung von Teilzeitarbeit in den Kranken-
21. April bzw. 11. August 1970 hat zu wesentlichen anstalten;
Verbesserungen geführt. Während durch den — Förderung des Wiedereintritts von Frauen in
23. Änderungstarifvertrag z. B. die Arbeitszeit des das Erwerbsleben;
Krankenpflegepersonals mit Wirkung vom 1. Januar
1970 stufenweise an die Arbeitszeit der übrigen — Fortsetzung der Anwerbung von ausländischem
Angestellten des öffentlichen Dienstes angeglichen Pflegepersonal;
wird, sind durch den 24. Änderungstarifvertrag das — Kindergärten bei den Krankenhäusern.
Vergütungssystem für das Krankenpflegepersonal
neu geordnet und die Eingruppierungsmerkmale für Auch die beabsichtigten Maßnahmen der Bundes-
diesen Personenkreis verbessert worden. Es ist zu regierung zur wirtschaftlichen Sicherung der Kran-
hoffen, daß sich diese Verbesserungen günstig auf kenhäuser werden zur Entspannung der Situation
das Personalangebot auswirken werden. bei der Krankenhausversorgung beitragen.

Der Betrieb und die innerbetriebliche Organisa- Demgegenüber ist der Mangel an Krankenhaus-
tion der Krankenhäuser sind Angelegenheit des ärzten nicht so groß. Die Zahl der hauptamtlich in
Krankenhausträgers. Der Bund hat keine Möglich- Krankenhäusern tätigen Ärzte betrug 1968 30916.
keit, in die inneren Angelegenheiten der Kranken- Während die Zahl der freipraktizierenden Ärzte seit
häuser einzugreifen. 1961 konstant bei rd. 50 000 liegt, nahm im gleichen
Zeitraum die Zahl der hauptamtlichen Krankenhaus-
Nach einer Untersuchung über die Beschäftigungs- ärzte um rd. 35 % zu. Es ist damit zu rechnen, daß
lage und den optimalen Einsatz von Arbeitskräften der punktuell an einzelnen Orten auftretende Man-
in Krankenanstalten, die im Auftrag des Bundes- gel an Krankenhausärzten in absehbarer Zeit beho-
ministers für Arbeit und Sozialordnung durchgeführt ben werden kann.

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