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D eutscher Bundestag

97. Sitzung

Bonn, den 15. November 1963

Inhalt:

Erweiterung der Tagesordnung 4453 A Fragen der Abg. Frau Meermann:


Erholungslandschaft „Bodanrück und
Fragestunde (Drucksachen IV/1614 [neu], Übungsgelände der französischen Gar-
IV/1618, IV/1632) nison Konstanz"
Grund, Staatssekretär . 4455 D, 4456 A, B, C
Frage des Abg. Fritsch:
Frau Meermann (SPD) 4456 A
Sondermarken bei den Postämtern des
Zonenrandgebietes 4453 C Biechele (CDU/CSU) 4456 B

Fragen des Abg. Dr. Müller-Emmert: Fragen des Abg. Hauffe:

Einbeziehung der Gemeinde Studern- Flugplatz Bindlach 4456 C


heim in das Verkehrsnetz
Fragen der Abg. Frau Schanzenbach:
Bornemann, Staatssekretär . . . . 4453 D,
4454 A, B, C Freizügigkeit der Grenzgänger im
deutsch-französischen Grenzgebiet
Dr. Müller-Emmert (SPD) 4454 B
Dr.-Ing. Seebohm,
Bundesminister . 4457 A, C, D, 4458 A
Frage des Abg. Felder:
Frau Schanzenbach (SPD) 4457 C
Fernsprech- und Fernschreibanschlüsse
in Boxdorf Dr. Mommer (SPD) 4457 D
Bornemann, Staatssekretär . . . . 4454 C Dr. Hauser (CDU/CSU) . . . . 4458 A
-

Frage des Abg. Fritsch:


Frage des Abg. Dr. Kohut:
Überwachung von Fernsprechanschlüs- Mindestgeschwindigkeit auf Autobah
nen 4458 B
sen und Kontrolle der Briefpost
Bornemann, Staatssekretär . . . . 4455 A Frage des Abg. Peiter:
Bahnhof in Bad Ems
Frage des Abg. Dr. Kohut:
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4458 C
Asylrecht für Dr. Burger
Höcherl, Bundesminister . . 4455 B, C, D Frage des Abg. Josten:
Dr. Kohut (FDP) 4455 B, C Bahnhof in Remagen
Ertl (FDP) 4455 C, D Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4458 C
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Frage des Abg. Welslau: Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschus-


Auswertung der Straßenverkehrsun- ses über den Vorschlag der Kommission
fälle für eine Richtlinie des Rates über die
Gewichte und Abmessungen der zum
Dr.-Ing. Seebohm, Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten
Bundesminister . . . 4458 D, 4459 A zugelassenen Nutzkraftfahrzeuge (Druck-
Welslau (SPD) . . . . . . . . 4458 D sachen IV/1001, IV/1619) 4463 D

Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Straßensperrungen im Regierungsbe- Bewertungsgesetzes (Drucksache IV/1488)
bezirk Schwaben während der Frost- — Erste Beratung — 4464 A
periode
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4459 B Antrag betr. Konservierungsmittel für Fisch-
waren (Abg. Struve, Glüsing [Dithmar-
schen], Tobaben, Kuntscher, Hermsdorf,
Fragen des Abg. Dr. Dörinkel: Dr. Schmidt [Gellersen], Dr. Tamblé,
Stahlhochstraßen Peters [Poppenbüll], Dr. Miessner u. Gen.)
(Drucksache IV/1622) 4464 B
Dr.-Ing. Seebohm,
Bundesminister 4460 A, B
Dr. Kohut (FDP) . . . . . . 4460 B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Peti-
tionen über seine Tätigkeit; in Verbin-
dung mit der
Frage des Abg. Dr. Rinderspacher:
Speisekarten in Autobahnraststätten
Sammelübersicht 21 des Petitionsausschus-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4460 D ses über Anträge zu Petitionen und syste-
matische Übersicht über die vom 17. Ok-
Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: tober 1961 bis 30. September 1963 einge-
gangenen Petitionen (Drucksache IV/1605)
Hinweisschilder im deutsch-französi-
schen Grenzgebiet Böhme (Hildesheim) (CDU/CSU) . . 4464 C
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4460 D Vizepräsident Dr. Schmid . 4467 A, 4468 C
Dr. Mommer (SPD) 4467 B
Frage des Abg. Felder: Frau Wessel (SPD) 4467 C
Bauarbeiten im Kanalabschnitt Bam- Dürr (FDP) 4468 A
berg-Nürnberg Rasner (CDU/CSU) 4468 B
Dr.-Ing. Seebohm,
Bundesminister . . . 4461 A, B, C, D
Antrag betr. Sachverständigenkommission
Felder (SPD) 4461 B für die Krankenversicherungsreform
Seidel (Fürth) (SPD) 4461 B, C (SPD) (Drucksache IV/1565)
Ramms (FDP) . . . . . . . . 4461 D Dr. Schellenberg (SPD) . 4468 D, 4477 B,
4480 C, D

Frage des Abg. Felder: Blank, Bundesminister 4472 A

AusbaderBnwstaß Ruf (CDU/CSU) 4473 A

Dr.-Ing. Seebohm, Dr. Stammberger (FDP) . 4476 A, 4480 A


Bundesminister . . . 4461 D, 4462 A
Felder (SPD) 4462 A Antrag betr. Untersuchung über die Wett-
bewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fern-
sehen und Film (Abg. Dr. Martin, Neu-
Fragen des Abg. Iven (Düren) :
mann [Allensbach], Blumenfeld, Holken-
Mannheimer Rheinschiffahrtsakte brink, Frau Dr. Maxsein u. Gen.) (Druck-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4462 B sache IV/1400)
Dr. Martin (CDU/CSU) 4482 B
Fragen des Abg. Reichmann: Sänger (SPD) 4486 C, 4494 A
Investitionskredit für Griechenland Zoglmann (FDP) . . . . . . . 4488 D
Dr. Vialon, Staatssekretär . . . 4463 A, D Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . 4490 C
Reichmann (SPD) . . . . . . . 4463 D Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 4494 C
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 III

Schriftlicher Bericht des Ernährungsaus-


schusses über den Antrag der Abg. San-
der, Peters (Poppenbüll), Dr. Effertz,
Logemann, Walter, Ertl, Dr. Frey (Bonn),
Struve u. Gen. betr. Zuckerrübenpreis
1963/64 (Drucksachen IV/1416, IV/1534)
Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 4494 D
Ertl (FDP) 4494 D, 4495 A

Nächste Sitzung 4495 C

Anlage 4497
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4453

97. Sitzung

Bonn, den 15. November 1963

Stenographischer Bericht Zu Frage 2:


Diese Frage möchte ich erst beantworten, wenn die obenerbe-
tenen Stellungnahmen vorliegen. Ich erlaube mir, auf diese Sache
zur gegebenen Zeit unaufgefordert zurückzukommen.
Beginn: 9.03 Uhr
Wir beginnen mit Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde (Drucksachen IV/1614 (neu),
Vizepräsident Dr. Schmid: Die Sitzung ist er- IV/1618, IV/1632).
öffnet.
Herr Abgeordneter Dr. Kohut hat eine dringliche
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt, Anfrage gestellt. Mir wird mitgeteilt, daß der für die
daß die heutige Tagesordnung nach einer interfrak Beantwortung zuständige Minister noch nicht da,
tionellen Vereinbarung erweitert werden soll um die aber auf dem Wege ist. Sobald er anwesend ist,
Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus werde ich die Frage aufrufen.
schusses für Verkehr, Post und Fernmelde
wesen (23. Ausschuß) über den Vorschlag der Ich rufe dann auf von der Drucksache IV/1614 die
Kommission für eine Richtlinie des Rates über Fragen unter II Geschäftsbereich des Bundesmini-
die Gewichte und Abmessungen der zum Ver sters für das Post- und Fernmeldewesen. Zunächst
kehr zwi s chen den Mitgliedstaaten zugelasse die Frage II/1 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
nen Nutzkraftfahrzeuge (Drucksachen IV/1001, Treffen die Feststellungen der Briefmarkensammler des Land-
kreises Kronach zu, wonach bei den Postämtern des Zonenrand-
IV/1619) — Berichterstatter: Abgeordneter gebietes Sondermarken der Deutschen Bundespost meist schon
Wendelborn — am Tage nach der Ausgabe nicht mehr zu haben sind?

Erste Beratung des von der Bundesregierung Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant-
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur wortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt
Änderung des Bewertungsgesetzes (Druck- noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungs-
sache IV/1488) bericht abgedruckt.
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frage II/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-
Struve, Glüsing (Dithmarschen), Tobaben, Emmert —:
Kuntscher, Hermsdorf, Dr. Schmidt (Gellersen), Kennt der Herr Bundespostminister die Gründe, die die Ober-
Dr. Tamblé, Peters (Poppenbüll), Dr. Miessner -
postdirektion Neustadt (Weinstraße) veranlaßten, der Einbezie-
hung der Frankenthaler Vorortgemeinde Studernheim in das
und Genossen betr. Konservierungsmittel für Nahverkehrsnetz Frankenthal-Ludwigshafen der Deutschen Bun-
Fischwaren (Drucksache IV/1622). desbahn zu widersprechen?

Ist das Haus einverstanden? — Dann ist so beschlos- Bitte, Herr Staatssekretär.
sen.
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe-
Zu den in der Fragestunde der 94. Sitzung des rium für das Post- und Fernmeldewesen: Wie der
Deutschen Bundestages am 6. November 1963 ge- Herr Bundespostminister dem Herrn Abgeordneten
stellten Fragen des Abgeordneten Faller Nrn. IX/1 Dr. Gerhard Fritz auf seine schriftliche Anfrage vom
und IX/2 ist inzwischen die schriftliche Antwort des 4. Oktober 1963 bereits mitgeteilt hat, sind ihm die
Herrn Bundesministers Schwarz vom 8. November Gründe, die die Oberpostdirektion Neustadt veran-
1963 eingegangen. Sie lautet:
laßt haben, dem Vorhaben der Bundesbahndirektion
Zu Frage 1: Mainz auf Einbeziehung der Gemeinde Studernheim
Die Resolution des badischen Bäckerhandwerks vom 22. Sep- in den Bahnbuslinienverkehr zu widersprechen, be-
tember 1963 auf dem 81. Verbandstag des Bäcker-Innungsverban- kannt. Sie sind sowohl grundsätzlicher als auch wirt-
des Baden wurde dem BML nicht vorgelegt. Der Zentralverband
des Bäckerhandwerks hat allerdings die Verhältnisse an der schaftlicher Natur. Über ihre Berechtigung vermag
deutschschweizerischen Grenze hinsichtlich des Broteinkaufs der
Grenzbevölkerung in der Schweiz vor der Resolution am 22. Sep- der Herr Bundespostminister zur Zeit noch nichts zu
tember 1963 dargelegt und gebeten zu prüfen, ob der Brotein-
kauf für die Grenzbevölkerung auf 250 g täglich beschränkt wer-
sagen, da der Streitfall nach den Bestimmungen des
den kann. Abkommens über die Zusammenarbeit der Deutschen
Aufgrund dieses Schreibens wurde die Oberfinanzdirektion Bundesbahn und der Deutschen Bundespost auf dem
über das Bundesfinanzministerium sowie die Landesregierung
Württemberg-Baden gebeten, an der deutsch-schweizerischen - Gebiete ihrer Kraftomnibusverkehre — Bahn/Post
Grenze den kleinen Grenzverkehr in bezug auf die Broteinfuhr Abkommen — dem Bahnbus-Kraftpost-Ausschuß zur
zu überwachen und das Ergebnis dieser Feststellungen meinem
Hause mitzuteilen. Klärung übergeben worden ist.
4454 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

. Vizepräsident Dr. Schmid: Dann Frage II/3 — tragen, daß die Oberpostdirektion in Neustadt sich
des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —: ebenfalls mit einer vernünftigen Regelung einver-
Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, weshalb die OPD standen erklärt?
Neustadt die Gründe für ihre Haltung in der Frage des Busver-
kehrs mit der Gemeinde Studernheim der Öffentlichkeit trotz
massiver Angriffe im Frankenthaler Stadtrat und in der Presse
nicht dargelegt hat? Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe-
Bitte, Herr Staatssekretär. rium für das Post- und Fernmeldewesen: Das Bun-
despostministerium beobachtet die Angelegenheit
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe- genau und wird selbstverständlich dafür sorgen, daß
rium für das Post- und Fernmeldewesen: Die Deut- auch die nachgeordneten Stellen dem allgemeinen
sche Bundespost und die Deutsche Bundesbahn sind Interesse angemessen Rechnung tragen.
nach Art. I des Bahn/Post-Abkommens gehalten,
Meinungsverschiedenheiten nicht vor Dritten auszu-
tragen. Die Oberpostdirektion Neustadt hat daher Vizepräsident Dr. Schmid: Ich rufe auf die
auch im vorliegenden Streitfall mit der Bundesbahn- Frage II/5 — des Abgeordneten Felder —:
direktion Mainz den Bahnbus-Kraftpost-Ausschuß Ist der Herr Bundespostminister bereit, dem Antrag der Ge-
meinde Boxdorf (Mittelfranken) zu entsprechen, der die Herstel-
einberufen und es abgelehnt, in der Öffentlichkeit zu lung dringend benötigter Fernsprech- und Fernschreibanschlüsse
dem Streitfall Stellung zu nehmen. für etwa 20 neue Gewerbebetriebe im Gebietsteil Schmalau noth
erheblich vor der von der Oberpostdirektion Nürnberg gesetzten
Frist wünscht?
Vizepräsident Dr. Schmid: Frage II/4 — des
Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —:
Ist der Herr Bundespostminister bereit, die Oberpostdirektion
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe-
Neustadt zu einer verständnisvolleren Haltung in der unter rium für das Post- und Fernmeldewesen: In dieser
II/2,3 bezeichneten Angelegenheit zu veranlassen?
Angelegenheit liegt dem Bundespostministerium be-
Bitte, Herr Staatssekretär. reits eine schriftliche Anfrage des Herrn Abgeord-
neten Dr. Dollinger vor, die demnächst beantwortet
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe- werden wird.
rium für das Post- und Fernmeldewesen: Der Herr
Bundespostminister ist sehr daran interessiert, daß Zur Schaltung der beantragten Fernmeldeeinrich-
Streitfälle zwischen den beiden Bundesverwaltungen tungen muß zunächst das Kabelnetz in dem neu-
gütlich bereinigt werden und sich nicht zu Lasten erschlossenen Gebiet erweitert werden, weil das
der Verkehrsnutzer auswirken. Auf Grund der bis- neue Industriegelände in einem fernmeldemäßig
herigen Erfahrungen sind wir davon überzeugt, daß noch nicht erschlossenen Gebiet des Ortsnetzes
der Bahnbus-Kraftpost-Ausschuß auch im vorlie- Nürnberg-Fürth liegt. Der Bebauungsplan der Ge-
genden Fall eine Regelung finden wird, die den be- meinde ist von der Landesregierung noch nicht ge-
rechtigten Wünschen der Verkehrsnutzer Rechnung nehmigt und liegt bei der Oberpostdirektion Nürn-
trägt. berg zur Zeit nur als Skizze vor. Eine endgültige
Planung des Ortsnetz-Ausbaus ist daher zur Zeit
Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage? noch nicht möglich.

Trotzdem sind Vorbereitungen getroffen worden,


Dr. Müller-Emmert (SPD): Eine Zusatzfrage!
um eine frühere Fernmeldeversorgung zu ermög-
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffas-
lichen. So ist ein Teil der notwendigen Ortsverbin-
sung, daß eine Lösung gefunden werden muß, die
dungskabel für die Ortsnetzerweiterung bereits ver-
den Verkehrsbedürfnissen der Bevölkerung von
legt. Der Rest der Arbeiten kann wegen fehlender
Studernheim am meisten entspricht, und daß dies
Mittel erst im Rechnungsjahr 1964 durchgeführt wer-
wohl nach Sachlage nur diejenige Lösung sein kann,
den. Die beantragten Fernschreibanschlüsse können
daß man der Bundesbahn gestattet, in Studernheim
dann eingerichtet werden. Für die Fernsprechan-
zu halten. Da die Bundesbahn einen Einstundenver-
kehr durchführt, würde dann also jeweils in einer schlüsse bestehen bis zur Inbetriebnahme der neuen
Vermittlungsstelle Fürth-Espan — voraussichtlich
Stunde einmal ein Zug in Studernheim halten, wäh-
rend die Bundespost nur zweimal am Tage, neuer- im Jahre 1965 — insofern Schwierigkeiten, als die
dings viermal am Tage in Studernheim hält. Vermittlungsstelle Fürth, die zur Zeit hierfür nur in
Frage kommt, voll beschaltet ist. Rufnummern für
Neuanschlüsse sind bis dahin nicht verfügbar; ledig-
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe- lich Verlegungen können schon vorher ausgeführt
rium für das Post- und Fernmeldewesen: Die Einzel- werden, wenn durch Kündigung und anderweitige
heiten werden von dem genannten Bahnbus-Kraft- Verlegungen Rufnummern im Bereich der Vermitt-
post-Ausschuß eingehend untersucht werden, und ich lungsstelle Fürth frei werden. Endgültig soll das In-
bin überzeugt, daß der Ausschuß die Lösung finden dustriegelände Schmalau an die künftige Vermitt-
wird, die zu einem allgemeinen Ausgleich der In- lungsstelle Stadeln angeschlossen werden. Der Bau
teressen führen muß. dieser Vermittlungsstelle ist für 1966 vorgesehen,
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine weitere Zu- vorausgesetzt, daß die Mittel für den Hochbau be-
satzfrage! reitgestellt werden können.

Dr. Müller-Emmert (SPD) : Herr Staatssekretär, Vizepräsident Dr. Schmid : Nunmehr eine Frage
würden Sie Veranlassung nehmen, dafür Sorge zu des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut, die ursprüng-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4455
Vizepräsident Dr. Schmid
lich unter VI — Geschäftsbereich des Bundesmini- Höcherl, Bundesminister des Innern: Das Grund-
sters des Innern — aufgeführt worden ist: gesetz sieht vor, daß die Gesetze durch die Länder
Ist die Bundesregierung bereit sicherzustellen, daß bei zu- ausgeführt werden. Ich werde alles versuchen, was
künftigen Ersuchen der Alliierten auf Überwachen von Fern-
sprechanschlüssen und Briefzensur auf Grund der Bestimmungen
im Sinne Ihrer Anfrage liegt.
des Truppenvertrages in jedem einzelnen Fall auf einen schrift-
lichen Antrag bestanden wird, die Fälle registriert und einer
Kommission des Bundestages zugängig gemacht werden? Vizepräsident Dr. Schmid: Eine weitere Zu-
Die Frage soll aber vom Postministerium beant- satzfrage!
wortet werden. Dr. Kohut (FDP) : Befürchten Sie nicht, Herr Mini-
ster, daß nach dem Fall des ungarischen Fremden-
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministe- legionärs, der inzwischen gut erledigt ist, und nach
rium für das Post- und Fernmeldewesen: Im Einver- dem Fall des Oberst Argoud, diese Angelegenheit
nehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern unter den Südtirolern, denen es ja nicht so gut geht,
beantworte ich die Frage wie folgt: Das Recht der sehr viel Staub aufwirbeln wird, wenn hier nicht
Drei Mächte, Fernsprechanschlüsse zu überwachen etwas Besonderes geschieht?
und Briefpost zu kontrollieren, ist nicht im Truppen-
vertrag, sondern in Art. 5 Abs. 2 des Deutschland- Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol-
vertrages festgelegt. Die entsprechenden Ersuchen lege, Sie werden nicht übersehen, daß in dem Fall
wurden schon bisher und werden in jedem einzel- Gyöfri der Bund alle Möglichkeiten ausgeschöpft
nen Fall schriftlich gestellt. Die weitere Behandlung und die Einreise bewilligt hat, obwohl noch ein
der ausschließlich an die Oberpostdirektionen ge- Abschiebeerlaß vorlag. Auch in diesem Falle wird
richteten Anträge entspricht selbstverständlich den alles versucht werden, was möglich ist.
internen Dienstvorschriften, insbesondere der Ver-
schlußsachenanweisung. Vizepräsident Dr. Schmid: Eine weitere Zu
Die Frage, ob die Bundesregierung bereit ist, atzfrage!
einer Kommission des Bundestages eine Liste der
überwachten Fernsprechanschlüsse und der Perso- Ertl (FDP) : Herr Bundesminister, sind Sie bereit,
nen, deren Post auf Grund des Art. 5 Abs. 2 des den Fall dahin gehend prüfen zu lassen, ob bei einer
Deutschlandvertrages überwacht wird, auszuhändi- etwaigen Auslieferung nicht eine Verletzung des
gen, ist mit Rücksicht auf das Staatsinteresse und die Grundgesetzes erfolgt?
Wahrung der Vorbehaltsrechte der Drei Mächte zu
verneinen. Höcherl, Bundesminister des Innern: Das hat das
Gericht bereits getan. Das Verfahren ist deswegen
noch anhängig, weil gegen die Versagung der Be-
Vizepräsident Dr. Schmid: Damit ist diese rufung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichts-
Frage beantwortet. hof möglich ist.
Ich ziehe nun die dringliche Anfrage des Herrn
Abgeordneten Dr. Kohut — Drucksache IV/1632 — Ertl (FDP) : Herr Bundesminister, liegt im Fall
vor: Burger eine Intervention oder gar ein Ausliefe-
Ist die Bundesregierung bereit, ohne Verzug dafür zu sorgen, rungsantrag einer ausländischen Regierung vor?
daß dem Innsbrucker Universitätsassistenten Dr. Norbert Burger,
der in Anwendung der Richtlinien der Ausländerpolizeiverord-
nung an Osterreich oder Italien ausgeliefert werden soll, auf
Grund des Artikels 15 Abs. 2 des Grundgesetzes Asylrecht ge-
Höcherl, Bundesminister des Innern: Das kann
-s

währt wird? ich im Augenblick nicht sagen. Die Frage ist sehr
Herr Bundesminister des Innern: kurzfristig eingereicht worden. Aber ich glaube
nicht. — Ich höre soeben von meinem Nebenmann,
daß die Frage verneint werden kann.
Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol-
lege Kohut, der Bund hat keine unmittelbare Zu- Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Frage mehr.
ständigkeit. Leider ist gegen Dr. Burger eine Ent- Dann kommen wir zu den Fragen aus dem
scheidung der Stadt München und eine Entscheidung Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
des Verwaltungsgerichts München ergangen, und Ich rufe die Frage XII/4 — der Frau Abgeordneten
die Anfechtung der Berufung ist nicht zugelassen Meermann — auf:
worden. Wenn der Bund darüber zu entscheiden Ist die Bundesregierung bereit, bei den französischen Statio-
hätte, würde er, wenn es die Rechtslage zuließe, in nierungsstreitkräften darauf hinzuwirken, das reich bewaldete
„Bodanrück" (Landzunge zwischen Überlinger- und Untersee) als
Ihrem Sinne entscheiden. typische Erholungslandschaft zu erhalten?

Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage! Grund, Staatssekretär des Bundesministeriums


der Finanzen: Herr Präsident, vielleicht darf ich die
Fragen 4 und 5, die sachlich zusammenhängen, zu-
Dr. Kohut (FDP) : Da ich kein Jurist bin, Herr sammen beantworten.
Minister, möchte ich mir doch die Frage erlauben,
ob es nicht trotz dieser föderalistischen Zuständig- Vizepräsident Dr. Schmid: Bitte schön. Frage
keit Möglichkeiten gibt, das Asylrecht, das im XII/5 — der Frau Abgeordneten Meermann — :

Grundgesetz vorgesehen ist, durch den Bund zu er- Sieht die Bundesregierung eine andere Möglichkeit, das
ÜbungselädrfazöichnGsoKtazimHnblck
wirken. auf die Konstanzer Universitätsneugründung zu verlegen?
4456 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Grund, Staatssekretär des Bundesministeriums Auge gefaßt wird, und ist die Bundesregierung be-
der Finanzen: Der Standortübungsplatz der fran- reit, im Hinblick auf dieses Ziel Verhandlungen mit
zösischen Übungsgarnison Konstanz wird für die allen dafür in Frage kommenden Stellen aufzuneh-
Truppenausbildung benötigt. Eine Verlegung im In- men?
teresse der Universitätsgründung ist nur gegen
einen entsprechenden Ersatz möglich. Gespräche Grund, Staatssekretär des Bundesministeriums
darüber sind bereits im Gange, aber noch nicht zu der Finanzen: Beide Fragen möchte ich eindeutig
einem Ergebnis gekommen. Die Bundesregierung ist bejahen.
selbstverständlich bereit, Ersatzvorschläge des Lan-
des Baden-Württemberg dem Oberkommando der Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage
französischen Streitkräfte in Deutschland zu unter- mehr.
breiten und zu unterstützen. Sie ist ferner bereit, Ich rufe auf die Fragen XIII/1, XIII/2 und XIII/3
hierbei darauf hin zu wirken, daß die französischen — des Abgeordneten Hauffe —:
Streitkräfte bei ihren Ersatzforderungen auf das so-
Ist es zutreffend, daß der Bund und der Freistaat Bayern am
genannte „Bodanrück" verzichten, damit dieses 9. Dezember 1958 der Stadt Bayreuth fest zusicherten, sich dafür
waldreiche Gebiet der Bevölkerung zur Erholung zu verwenden, daß Bayreuth das Flugplatzgelände Bindlach auch
tatsächlich werde nutzen können?
erhalten bleibt.
iSIstdearBuhngybrkt,daßie
56 Hektar großes Flugplatzgelände Laineck der Bundeswehr auf
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage. Grund der in Frage XIII/1 genannten Zusicherungen zur Verfü-
gung gestellt hat?

Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die zwi-


Frau Meermann (SPD) : Herr Staatssekretär, da schen der Stadt Bayreuth, dem Freistaat Bayern und dem Bund
aufgetretenen Differenzen um das Fluggelände Bindlacher Berg
in der Bevölkerung eine gewisse Unruhe deswegen beizulegen?
entstanden ist, weil Scharfschießübungen manchmal
kurzfristig anberaumt werden und es für die be- Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant-
teiligten Behörden nicht immer leicht ist, die erfor- wortung einverstanden erklärt. Die Antwort des
derlichen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze der Herrn Bundesministers von Hassel vom 14. Novem-
Menschen, die in Feld und Wald arbeiten, und auch ber 1963 lautet:
zum Schutze der Ausflügler zu treffen, möchte ich Zu Frage 1:
Sie fragen, ob Sie sich um diese Angelegenheit noch Es ist zutreffend, daß am 9. 12. 1958 in Bayreuth eine Sitzung
kümmern. stattgefunden hat, in der die Inanspruchnahme des früheren
Zivilflughafens Laineck zum Ban einer Bundeswehr- und Bundes-
grenzschutz-Kaserne besprochen wurde. Dem auch von der Stadt
Grund, Staatssekretär des Bundesministeriums Bayreuth anerkannten Sitzungsprotokoll ist nicht zu entnehmen,
daß der Bund fest zugesichert haben soll, sich dafür zu verwen-
der Finanzen: Sehr gern! Ich sagte schon: Gespräche den, daß das bundeseigene Flugplatzgelände Bindlach, welches
von den US-Streitkräften seit mehr als 10 Jahren in Anspruch
sind im Gange. Wir beobachten sie. Ich erwarte in genommen ist, der Stadt Bayreuth zur Verfügung gestellt wird.
nächster Zeit einen Bericht der zuständigen Ober- Das Protokoll über die Besprechung am 9. 12. 1958 sagt darüber
hinaus, daß „die Bayerische Staatskanzlei zu gegebener Zeit
finanzdirektion, der Anlaß geben wird, Ihrem Wun- mit den US-Streitkräften über eine Teilfreimachung des Flug-
platzgeländes bei Bindlach verhandeln wird."
sche zu entsprechen.
Zu Frage 2: :
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage. Es trifft nicht zu, daß die Stadt Bayreuth das Flugplatzgelände
Laineck der Bundeswehr aufgrund der Zusicherung, der Bund
werde sich dafür verwenden, daß Bayreuth das Flugplatzgelände
Bindlach nutzen könne, zur Verfügung gestellt hat. Vielmehr
Biechele (CDU/CSU) : Ist der Bundesregierung hat der Bund als Gegenleistung für die Abgabe des Geländes
bekannt, daß bei einem Lokaltermin am 5. April 1963 Laineck — welches ohnehin nicht mehr den Anforderungen an
einen Flughafen entspricht — auf die militärische Wiederinan-
zur Prüfung auch dieser Frage unter dem Vorsitz des spruchnahme von 3 ehemaligen Kasernenanlagen in Bayreuth
verzichtet. Ebenfalls auf Wunsch der Stadt hat die Bundeswehr
Ministerialdirigenten Dr. Thoma vom Finanzministe- auf die Wiederverwendung des ehemaligen Standortübungs-
rium Baden-Württemberg — u. a, waren dabei ver- platzes Oberkonnersreuth verzichtet, obwohl das Gelände als
Übungsplatz geeignet war.
treten vom Bundesverteidigungsministerium Mini-
sterialrat Möller, die Bundesvermögensstelle Kon- Zu Frage 3:
stanz durch ihren Leiter — sich ergeben hat, daß Der Bund steht derzeit in schwierigen Erwerbsverhandlungen
über ein militärisches Übungsgelände am Ochsenberg, welches
eine Verlegung des Übungsplatzes aus Platzgründen 65 Privateigentümern, einer Stiftung und 6 Gemeinden gehört
nicht in Frage kommt? und nicht die Vorzüge des ursprünglichen Übungsgeländes auf-
weist. Zur Zeit sind 180 ha angekauft, eine Vergrößerung bis
zu 210 ha wird angestrebt. Demgegenüber beträgt die Übungs-
platzgebühr für die Bundeswehr- und Bundesgrenzschutz-Ein-
Grund, Staatssekretär des Bundesministeriums heiten 375 ha. Eine eventuelle Mitbenutzung des ohnehin knap-
pen Übungsgeländes durch die in Bindlach stationierten US-
der Finanzen: Das ist mir nicht bekannt, aber ich will Streitkräfte würde die Übungsmöglichkeiten noch weiter ein-
der Frage gern nachgehen. schränken. Ich werde aber trotzdem die Frage der Mitbenutzung
dieses Platzes durch die US-Streitkräfte, die derzeit die Kon-
trolle über das bundeseigene Flugplatzgelände Bindlach aus-
üben, prüfen.
Vizepräsident Dr. Schmid: Eine weitere Zu-
satzfrage.
Vizepräsident Dr. Schmid: Fragen aus dem
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr.
Biechele (CDU/CSU) : Ist die Bundesregierung
Frage XIV/1 — der Frau Abgeordneten Schanzen-
bereit, eine umfassendere und wohl allein befriedi-
bach —:
gende Lösung zu erwägen — gerade im Hinblick auf
Ist der Bundesregierung bekannt, daß 600 bis 700 französische
die Gründung einer Universität in Konstanz und die Staatsangehörige aus dem Elsaß nicht mehr zu ihren Arbeits-
damit verbundenen Entwicklungstendenzen —, durch plätzen in Baden und in der Pfalz kommen können, weil deut-
schen Omnibusunternehmen die Genehmigung zum Abholen fran-
die eine Verlegung der französischen Garnison ins zösischer Arbeitskräfte kurzfristig versagt wurde?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4457

Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: ternehmen vorgelegt werden, die eigene Fahr-
Ich bitte darum, Herr Präsident, daß ich die beiden zeuge benutzen, wenn es zu keinen Beanstan-
Fragen der Frau Abgeordneten Schanzenbach ge- standungen im Gebrauch der diesen Unterneh-
meinsam beantworten kann. Ich darf auch die Frau men bereits erteilten Genehmigungen gekommen
Abgeordnete bitten, damit einverstanden zu sein. ist.
Wir werden die Angelegenheit selbstverständlich
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich rufe auch Frage nachdrücklich weiterverfolgen. Sie wird auch durch
XIV/2 — der Frau Abgeordneten Schanzenbach — die zuständigen Landesbehörden mit den zuständi-
auf : gen französischen Behörden im Elsaß laufend behan-
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, bei der Regie-
rung der französischen Republik darauf hinzuwirken, daß die delt, um die aufgetretenen Schwierigkeiten zu be-
Freizügigkeit der Grenzgänger im deutsch-französischen Grenz-
gebiet wiederhergestellt wird, namentlich im Hinblick auf den heben.
Geist des deutsch-französischen Vertrags?

Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage!


Der Bundesregierung sind Fälle der von Ihnen, Frau
Kollegin, geschilderten Art bekanntgeworden. Von Frau Schanzenbach (SPD) : Herr Minister, kann
den örtlich , zuständigen Arbeitsverwaltungen sind man damit rechnen, daß die Bundesregierung von
sogleich Verhandlungen zur Behebung der Schwie- sich aus alles tun wird, um den elsässischen Arbei-
rigkeiten aufgenommen worden, da die Gründe der tern die Arbeitsaufnahme im badischen Gebiet zu
Schwierigkeiten nicht sosehr auf .dem Verkehrs- als ermöglichen?
auf dem Arbeitsmarktgebiet in Auswirkung der
, der Grenze zu VolbeschäftigunadSe
,suchen sind. Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Ja, Frau Kollegin, das werden wir sehr gern tun,
Dem Bundesminister für Verkehr ist durch das weil wir ein großes Interesse an diesen Arbeits-
Innenministerium des Landes Baden-Württemberg kräften haben. Andererseits scheint es, daß die Be-
und den Deutschen Industrie- und Handelstag schon schäftigung auch im Elsaß gerade in diesem Raum
Anfang dieses Jahres mitgeteilt worden, daß bei der zugenommen hat durch die Errichtung neuer Raffi-
Beförderung von Arbeitern französischer Staatsan- nerien und die Schaffung anderer Möglichkeiten, den
gehörigkeit mit deutschen Kraftfahrzeugen zu Ar- Leuten Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, die
beitsplätzen, vor allem im badischen Raum, Schwie- näher an ihren Wohnorten liegen. Wir können es
rigkeiten aufgetreten sind. Ich habe idaraufhin bei natürlich nicht verhindern, daß die Arbeitskräfte
einer Besprechung an der Monatswende Januar— sich dann diesen Arbeitsplätzen zuwenden.
Februar mit Vertretern des französischen Verkehrs-
ministerium auch diese Frage angeschnitten. Die Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage, Dr.
französischen Herren erklärten, daß der Berufsver- Mommer!
kehr mit Kraftfahrzeugen in Frankreich seit jeher
einer Genehmigung unterliege. Die Angelegenheit
sollte dem französischen Verkehrsministerium zur Dr. Mommer (SPD) : Herr Minister, halten Sie
weiteren Aufklärung schriftlich mitgeteilt werden. die französische Praxis, die hier zum Ausdruck
kommt, für vereinbar mit dem Buchstaben und vor
Dies ist von uns Anfang März dieses Jahres gesche-
allem mit dem Geist der EWG? Was soll da werden,
hen. Leider hat das französische Verkehrsministe-
wenn sogar im Grenzverkehr nach nationalen Ge--
rium bisher trotz Erinnerung eine Antwort noch
sichtspunkten entschieden wird, ob jemand Arbeiter
nicht erteilt. Hier ist inzwischen aber bekanntgewor-
zum Arbeitsplatz befördern darf?
den, daß das französische Verkehrsministerium
einen Erlaß 'herausgegeben hat, der u. a. folgendes
bestimmt: Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Grundsätzlich dürfen Beförderungen von Rei- Herr Kollege Mommer, diese Fragen sind vorläufig
senden auf französischem Gebiet ausschließlich noch im Rahmen der Europäischen Wirtschafts-
nur von französischen Transportunternehmen gemeinschaft im Gespräch, und die entsprechenden
vorgenommen werden. Abmachungen, die dafür für die Europäische Wirt-
schaftsgemeinschaft notwendig sind, sind noch nicht
(Abg. Dr. Mummer: Es lebe die EWG!) festgelegt, so daß zur Zeit noch bilaterale Maßnah-
Von diesem Grundsatz kann nur abgewichen men durchaus möglich sind und jedenfalls nichts
werden, wenn es im Interesse der französischen anderes als moralische Hinweise in Betracht kom-
Wirtschaft liegt. Insbesondere darf das Vor- men.
gehen ausländischer Unternehmen, die Nutznie-
ßer solcher Ausnahmen sind, keine fühlbare Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Zusatz-
Störung des schon bestehenden Linienverkehrs frage!
— sei es auf 'Schiene oder Straße — herbeifüh
ren.
Dr. Mommer (SPD) : Die Kommission in Brüssel
.. .

Weiter heißt es in dem Erlaß des französischen Ver- und der Ministerrat sind für Buchstaben und Geist
kehrsministeriums: des EWG-Vertrages zuständig. Wäre es möglich,
Doch empfiehlt es sich grundsätzlich, solchen unter Berufung darauf zu versuchen, auch über Brüs-
Erneuerungsanträgen stattzugeben, die von Un sel eine Lösung der Frage zu erreichen?
4458 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:


- Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Das glaube ich nicht, Herr Kollege. Der Ministerrat Herr Kollege, die Hauptverwaltung der Deutschen
darf, wie Sie wissen, nicht aktiv werden, sondern nur Bundesbahn teilt mir zu Ihrer Frage folgendes mit.
die Kommission kann aktiv werden. Wir können es Die Bundesbahndirektion Mainz hat bereits am
bei der Kommission anregen. Sie wird uns sagen, 8. August dieses Jahres den Bauauftrag gegeben,
daß diese Angelegenheit zur Zeit wie alle Personen- das Empfangsgebäude in Bad Ems instand zu setzen.
verkehre im grenzüberschreitenden Verkehr auch Im Jahre 1963 ist eine Bausumme von 45 000 DM
innerhalb der EWG noch bilateral gelöst sind und hierfür zur Verfügung gestellt worden, die auch ver-
erst zu einem späteren Zeitpunkt multilaterale Lö- baut werden wird. Die restlichen 60 000 DM werden
sungen angestrebt werden. Die Kommission beschäf- Anfang 1964 zur Verfügung stehen. Damit soll er-
tigt sich zur Zeit noch ausschließlich mit der multi- reicht werden, daß mit Beginn der Kurzeit, im April
lateralen Lösung von Fragen des grenzüberschrei- 1964, die Arbeiten abgeschlossen sind. Ich hoffe, daß
tenden Güterverkehrs, aber noch nicht des Personen- der Bahnhof dann den Anforderungen der Kurstadt
verkehrs. entsprechen wird.
Vizepräsident Dr. Schmid: Noch eine Zusatz- Vizepräsident Dr. Schmid: Frage XIV/5
frage, Dr. Hauser! — des
Abgeordneten Josten —:

Wann soll der alte Bahnhof in Remagen umgestaltet werden,


Dr. Hauser (CDU/CSU) : Herr Minister, ist Ihnen damit er den heutigen Verkehrsverhältnissen, den Anforderungen
des Personals und der Reisenden Rechnung trägt?
bekannt, daß der Regierungspräsident von Freiburg
schon seit Wochen auf Veranlassung badischer Ab-
geordneten in dieser Frage mit der Präfektur in Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Straßburg in Verhandlungen steht? Zu Ihrer Frage, Herr Kollege, teilt mir die Haupt-
verwaltung der Deutschen Bundesbahn folgendes
mit.
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Ja, Herr Kollege, das ist mir bekannt. Der Herr Re- Die Untersuchungen der Bundesbahndirektion
gierungspräsident Dichtel hat mich noch vor zwei Mainz haben ergeben, daß eine Wiederherstellung
Tagen darauf angesprochen und mir mitgeteilt, daß des jetzigen Empfangsgebäudes in Remagen nicht
er hofft, in seinen Verhandlungen mit den Präfek- zweckmäßig ist, weil das Gebäude mit einem Alter
turen in Kolmar wie in Straßburg diese Angelegen- von hundert Jahren den heutigen Verhältnissen
heit sozusagen auf dem kleinen Dienstweg förder- nicht mehr entspricht. Es ist daher vorgesehen, das
lich regeln zu können. Gebäude abzubrechen und an seine Stelle einen
modernen Zweckbau zu setzen. Verhandlungen dar-
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich rufe auf die über mit der Stadt sind eingeleitet. Nach den Mit-
Frage XIV/3 — des Abgeordneten Fritsch —: teilungen der Hauptverwaltung der Deutschen Bun-
Ist mit einer Erhöhung der zur Zeit gültigen Mindestgeschwin- desbahn ist beabsichtigt, die Pläne im nächsten Jahr
digkeit von 40 km/st auf Autobahnen in absehbarer Zeit zu
rechnen?
aufzustellen und möglichst den Bau im Jahre 1965
durchzuführen.
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant-
wortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Vizepräsident Dr. Schmid: Ich rufe auf die
Herrn Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 13. No- Frage XIV/6 — des Herrn Abgeordneten Welslau —:
vember 1963 lautet: • In welcher Weise werden Straßenverkehrsunfälle in der Bun-
Eine Vorschrift, daß auf den Autobahnen alle Fahrzeuge eine desrepublik ausgewertet?
bestimmte Mindestgeschwindigkeit einhalten müssen, besteht
nicht. Es ist auch nicht beabsichtigt, eine solche einzuführen. Es
besteht dazu in § 8, Abs. 7, Satz 1, folgende Vorschrift: Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

„Die Bundesautobahnen dürfen nur von Kraftfahrzeugen mit


einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit Herr Kollege, nach dem Gesetz zur Durchführung
von mehr als 40 Kilometern je Stunde benutzt werden; auch
beim Mitführen von Anhängern muß diese Geschwindigkeit
einer Straßenverkehrsunfallstatistik vom 18. Mai
eingehalten werden können." 1961 wird eine einschlägige Statistik geführt über
Diese bauartbedingten 40 Kilometer je Stunde müssen auf Unfälle, bei denen infolge des Fahrverkehrs auf
ebener Strecke erreicht werden können.
öffentlichen Wegen und Plätzen Personen getötet
Zahlreiche schwere Einzelfahrzeuge und Züge sind — weder heute
noch in Zukunft — nicht in der Lage, auf den Steigungsstrecken oder verletzt oder Sachschäden verursacht worden
der Autobahnen eine angemessene Geschwindigkeit einzuhalten, sind. Diese Statistik wird vom Statistischen Bundes-
obwohl die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in § 35 eine
Mindestmotorleistung von 6 PS/t vorschreibt, die jedoch im amt in Wiesbaden in Zusammenarbeit mit den Sta-
europäischen Rahmen erst noch durchgesetzt werden muß. In tistischen Landesämtern aufbereitet.
Brüssel sind niedrigere Werte vorgeschlagen. Aber selbst bei
6 PS/t erreicht ein Lastzug der heute üblichen Abmessungen
und Gewichte bei Steigungen von 5 % nicht mehr als 18-20 km/h. Die Ergebniss dieser Aufbereitung dienen als
Unsere alten Autobahnen weisen aber Steigungen bis 7 % auf.
Diese Lastzüge können schon deshalb nicht von den Autobahnen
Unterlage für Maßnahmen des Straßenverkehrs-
verwiesen werden, weil sie den Verkehr auf den übrigen rechts, für Maßnahmen des Straßenbaues, für Maß-
Straßen unzumutbar behindern und in den Ortsdurchfahrten die
Verkehrsgefahren, besonders gegenüber Kindern und älteren nahmen zur Aufklärung und Erziehung der Ver-
Menschen, wesentlich erhöhen würden. Ich versuche, mit bau- kehrsteilnehmer und für Forschungsaufträge.
technischen Mitteln Abhilfe zu schaffen, nämlich durch die sog.
Kriechstreifen auf den Steigungsstrecken der Autobahnen und
dadurch, daß auf den Neubaustrecken der Autobahnen seit 1955
die Höchststeigung auf 4 % beschränkt wird. Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage!
Frage XIV/4 — des Abgeordneten Peiter —: Welslau (SPD) : Herr Minister, werden leicht zu
Wann ist damit zu rechnen, daß der Bahnhof der Kurstadt Bad
Ems so renoviert wird, wie man es bei einem Kurort von dieser
beseitigende verkehrsgefährdende Gegenstände so-
Bedeutung erwarten kann? fort beseitigt, oder muß in jedem Fall zunächst eine
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4459
Welslau
Verkehrsschau stattgefunden haben? Ich denke da Der Vorschlag, das zulässige Fahrzeuggewicht
bei an Bäume auf Landstraßen in gefährlichen Kur gegenüber der angeordneten Lastbeschränkung in
ven, die doch sehr leicht beseitigt werden könnten. einem gewissen Umfang zu erhöhen, wenn gleich-
zeitig der Reifendruck entsprechend vermindert
wird, ist bereits vor Jahren geprüft worden.
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Das ist zunächst eine Angelegenheit der Landesver- Da die für die Tragfähigkeit der Straße entschei-
kehrsbehörden und der Polizei, die sich darum zu dende kritische Zone im allgemeinen unmittelbar
kümmern haben, daß irgendein verkehrsgefährden- unter der Fahrbahnbefestigung im Untergrund des
der Zustand, wenn er eintritt, sofort beseitigt wird. Straßenkörpers liegt, kommt es nicht sosehr auf den
spezifischen Flächendruck des Reifens an als auf
die Größe der Radlast selbst. Hierzu treten noch
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine weiteren Zu- eine Reihe weiterer Umstände, die mich veranlaßt
satzfragen. haben, an dem 'bisher bewährten Verfahren festzu-
Wir kommen zu den Fragen 7 bis 9 — des Herrn halten.
Abgeordneten Schmidt (Kempten) —: Dem Allgäu konnte in der Tauperiode 1963 mit
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß sie die im
gleichen Umfange wie im Vorjahr im Regierungsbezirk S chwaben
der als sogenannte Positivstraße von Beschränkun-
Straßensperrungen und Einschränkungen während der geplant gen freigehaltenen Bundesstraße 312 von Steinheim
Frostperiode nur unter völliger Außerachtlassung der dadurch
sich erneut ergebenden schweren Belastungen für den Allgäuer bis Biberach und — daran anschließend — der Bun-
Wirtschaftsraum durchführen kann? desstraße 30 von Biberach bis Ulm eine tragbare
Ist die Bundesregierung bereit, wegen der unter XIV/7 ge- Umleitung des Verkehrs mit Fahrzeugen über 9 t
nannten Schwierigkeiten in eine echte Prüfung der Belastungs-
möglichkeiten der einzelnen Bundesstraßen in der Frostperiode Gesamtgewicht von und zur Autobahn zur Verfü-
schläge im Hinblick auf Geschwindigkeitsbeschränkungen und
unterBücksihgdetJarnizugmcheVor- gung gestellt werden.
Herabsetzung des Reifendruckes umgehend einzutreten?
Nachdem nunmehr die Bundesstraße 19 als Direkt-
Sieht die Bundesregierung ein, daß unter allen Umständen eine verbindung zur Autobahn bei Ulm in ihrem Südab-
direkte Verbindung des Allgäuer Wirtschaftsraumes zur Auto-
bahn München—Stuttgart im kommenden Winter weitgehend schnitt, nämlich zwischen Oberstdorf und Stein-
sperrungsfrei bleiben muß, nachdem die erst seit neuerer Zeit
laufenden Nachholmaßnahmen im Straßenbau in S ch waben noch heim, schon bisher Positivstraße war, konnte sie
keinen winterfesten Vollanschluß erreichen konnten und dem jetzt zwischen Steinheim und Ulm in diesem Baujahr
Allgäuer Wirtschaftsraum die a il s der langen Verzögerung sich
ergebende Belastung in der Frostperiode nicht länger auferlegt weiter verbessert werden. Unter dem Eindruck der
werden kann?
guten Erfahrungen, die durch derartige Zwischen
Der Fragesteller ist nicht anwesend. — Überneh- ausbauten allenthalben gemacht wurden, habe ich
men Sie die Fragen? gelegentlich meiner diesjährigen Straßenbereisung
(Abg. Ertl: Ja!) die Oberste Baubehörde veranlaßt zu prüfen, inwie-
weit die Verkehrsbeschränkungen im Allgäu — und
zwar insbesondere bezüglich der Bundesstraße 19
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: zwischen Steinheim und Ulm — weiter abgebaut
Ich darf die drei Fragen des Herrn Kollegen Schmidt oder ganz aufgehoben werden können. Das Ergebnis
gemeinsam beantworten. der von den zuständigen Landesbehörden durchzu-
Die Bearbeitung der von den Straßenbaubehörden führenden Prüfung dürfte in Kürze vorliegen. Es
der Länder tim Zusammenwirken mit den Straßen- wird hoffentlich Veranlassung für weitere Erleich-
verkehrsbehörden und den Verkehrsverbänden auf- terungen sein.
-
zustellenden Vorschläge für voraussichtliche Ver- Ich darf in diesem Zusammenhang, Herr Kollege,
kehrsbeschränkungen auf den Durchgangsstraßen darauf hinweisen, daß der Bund für die Beseitigung
während des Frostaufgangs, also während der Tau-
der Frostschäden allein in diesem Jahre 380 Mil-
periode im nächsten Frühjahr, ist noch nicht abge-
lionen DM hat aufwenden müssen. Die Last- und
schlossen. Sie wird bei der Obersten Baubehörde in Geschwindigkeitsbeschränkungen während der an
München voraussichtlich Mitte Dezember vorliegen. sich kurzfristigen Tauperiode — das sind als meh-
Doch läßt sich schon jetzt sagen, daß gegenüber den rere Tage, höchstens eine Woche oder zwei Wochen
Verkehrsbeschränkungen der letzten Tauperiode — dienen dem Schutz und der Erhaltung der Straße,
Erleichterungen für ,den Güterverkehr vorgesehen insbesondere ihrer Zurverfügungstellung in der
werden können, die sich für das Allgäu günstig nachfolgenden Zeit in gutem Zustand. Ihre Zerstö-
auswirken werden. rung durch Befahren mit zu schweren Fahrzeugen
Ich habe dazu erstmals für den Bereich der Bun- in der kurzen Tauperiode führt zu volkswirtschaft-
desstraßen angeordnet, daß das zulässige Gesamt- lich höheren Verlusten als vorübergehende Sper-
gewicht eines Fahrzeuges der in der Hauptsache rungen oder Beschränkungen, so unangenehm sie
vorkommenden Beschränkungsstufe von 6 t mit auch sind. Wir werden selbstverständlich weiter
Rücksicht auf die gebräuchlichsten Größen der Fahr- wie in den letzten Jahren in gerechter Abwägung
zeuge des Güterfernverkehrs auf 7 t erhöht wird. alles Vertretbare tun, um die damit verbundenen
vorübergehenden Beeinträchtigungen des Wirt-
Zu dieser allgemeinen Lockerung werden mit schaftsverkehrs möglichst gering zu halten. Unser
Rücksicht auf die Erfordernisse der Wirtschaft wei- Ziel bleibt natürlich, den Ausbau der frostgefähr-
tere örtliche Verbesserungen treten. Sie werden deten Straßen so zügig zu fördern, daß Benutzungs-
nicht von mir, sondern von den obersten Landes- beschränkungen in Zukunft nicht mehr notwendig
behörden festgesetzt. sind,
4460 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. ,Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Vizepräsident Dr. Schmid: Die Fragen sind be- brücken, deren Einsatz bei kurzfristig abzuwickeln-
antwortet. Frage XIV/10 — des Herrn Abgeord- den Baustellen Erfolg versprechen, liegen uns zur
neten Dr. Dörinkel —: Zeit noch nicht vor. Das hat seinen Grund darin, daß
Erwartet die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zur die Kreuzungen mit Autobahnüberführungen und
Überwindung der Schwierigkeiten im Straßenverkehr durch die
Konstruktion von Stahlhochstraßen? die durch die Auffahrtsrampen in Gefällstrecken
Die Frage wird übernommen von dem Abgeord- noch hinzukommenden Steigungen verkehrliche und
neten Dr. Kohut. bauliche Schwierigkeiten bieten, die erst ausgeräumt
werden müssen. Die Anwendung von transportablen
Stahlhochstraßen bei Reparaturstrecken hat aber nur
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
Sinn, wenn sie möglichst ohne Einschränkung an-
Seit dem Bau des Unkelstein-Viadukts im Zuge der
wendbar ist und Antransport, Montage und Demon-
B 9 im Jahre 1955 hat die Anwendung von Hoch-
tage so organisiert werden können, daß die Ver-
straßen im Zuge von Bundesfernstraßen und auch kehrsbehinderungen unter Verwendung von Stahl-
im Straßennetz der Städte immer mehr Anwendung
hochbrücken erheblich geringer werden als bisher.
gefunden. Es sind heute schon viele Kilometer
Die bisherigen Konstruktionen bieten diese Mög-
Hochstraßen im Verkehr, und die Entwicklung in
lichkeit noch nicht. Deshalb haben wir die Stahl-
dieser Hinsicht ist noch nicht abzusehen.
bau- und die Straßenbaufirmen schon im Frühjahr
Bisher sind die Hochstraßen fast ausschließlich in dieses Jahres um Vorschläge gebeten. Sie sind bis-
Spannbeton gebaut, obgleich bei Ausschreibungen her noch nicht eingegangen. Wir hoffen aber, daß
in der Regel Wahlvorschläge selbstverständlich baureife Entwürfe aus diesen Arbeiten entstehen
auch in Stahlbauweise zugelassen werden. Die An- werden. Für den innerstädtischen Verkehr dagegen
gebote in Stahlbauweise waren jedoch für Dauer- kommen als Dauerlösungen — wie gesagt — in
ausführungen weniger geeignet, zumal der Spann- erster Linie Spannbetonbrücken und nur bei Provi-
beton wegen seiner leichteren Anpassungsfähig- sorien Brücken in Stahlbauweise in Frage wie z. B.
keit an die örtlichen Gegebenheiten und aus Grün- in Birmingham. Ihr Einsatz wird aber von den Städ-
den der Wirtschaftlichkeit vor allem bei der Unter- ten selbst entscheidend zu bestimmen sein.
haltung hier oft besondere Vorteile bietet. Ich er-
innere Sie dazu an die Hochstraßen in Mannheim,
Ludwigshafen, Köln, Berlin und an anderen Orten. Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage?
Das hat sich auch im Ausland vielfach erwiesen. Ich — Dann die Frage XIV/12 — des Abg. Dr. Rin-
erinnere z. B. an Brüssel und Los Angeles. derspacher —:
Hat die Bundesregierung die Möglichkeit, bei den Autobahn-
Zur Zeit werden von uns neue Vorschläge zum raststätten darauf hinzuwirken, daß die Hauptspeisekarten mehr-
Einsatz von Stahlhochstraßen überprüft, die wir sprachig, wenigstens französisch und englisch, abgefaßt werden,
wie das bei der Deutschen Schlaf- und Speisewagengesellschaft
grundsätzlich vor mehreren Monaten von verschie- bereits der Fall ist?
denen Firmen angefordert haben. Die erbetenen
Vorschläge sind bisher nur zum Teil eingegangen,
die ersten Anfang November. Durch die in der
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Die Frage ist zu bejahen. Der Bundesminister für


Zwischenzeit geführten Verhandlungen war es mög-
Verkehr wird die Gesellschaft für Nebenbetriebe der
lich, zahlreiche Mängel früherer Konstruktionsvor-
Bundesautobahnen ersuchen, darauf hinzuwirken,
schläge auszuschließen. Die Prüfung wird erst in
daß die Hauptspeisekarten in den Autobahnrast-
einiger Zeit ein abschließendes Urteil erlauben.
stätten von den Pächtern mehrsprachig, d. h. auch-
in Englisch und Französisch, abgefaßt werden. Der
Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage! bekannte Prospekt „Tanken und Rasten an den Bun-
desautobahnen", der auch an den Grenzen verteilt
Dr. Kohut (FDP) : Herr Minister, ist die Stahl- wird, enthält bereits einen mehrsprachigen Text.
konstruktion vielleicht geeignet, das leidige Pro-
blem der beschrankten Bahnübergänge in Städten zu
lösen? Vizepräsident Dr. Schmid: Frage XIV/13 —

des Abgeordneten Dr. Rinderspacher — :

Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:


- Hält die Bundesregierung es für erforderlich, Hinweisschilder
auf Rheinbrücken und Rheinfähren im deutsch-französischen
Nein, das glaube ich nicht. Die Bundesbahn hat zur Grenzgebiet zweisprachig zu beschriften, wie das in Frankreich
zum Teil bereits getan wird?
Lösung des Problems an schienengleichen Bahnüber-
gängen eine Konstruktion aus Fertigbetonteilen ent-
wickelt, die sich als wesentlich günstiger erwiesen
hat als der Einsatz von Stahlkonstruktionen.
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Nach Ansicht des Innenministeriums Baden-Würt-


temberg ist bei diesen Grenzübergängen ein allge-
Vizepräsident Dr. Schmid: Frage XIV/11, die meines Bedürfnis für zweisprachige Hinweise noch
ebenfalls von dem Abgeordneten Dr. Dörinkel ge- nicht aufgetreten, weil die beiden Sprachen zu bei-
stellt ist: den Seiten gleichmäßig bekannt sind. Wo es jedoch
Gilt das unter XIV/10 Gesagte — gegebenenfalls — nur für in einzelnen Fällen notwendig ist, werden wir die
die Überbrückung von Autobahnstrecken, z. B. von Baustellen,
oder auch für den innerstädtischen Verkehr? Hinweise zweisprachig geben; das ist bei den Haupt-
übergängen der Fall. Ich habe gebeten, daß die ört-
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
- lich zuständigen Behörden dieser Frage ihre beson-
Baureife Entwürfe von leicht beweglichen Stahlhoch dere Aufmerksamkeit zuwenden.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4461

Vizepräsident Dr. Schmid: Wir kommen zur Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Frage XIV/14 — des Abgeordneten Felder —: Dies ist eine verbindliche Kabinettsvorlage gewesen,
Hält der Herr Bundesverkehrsminister die Feststellung des die auch vom Kabinett verabschiedet worden ist,
Deutschen Kanal- und Schiffahrtsvereins Rhein-Main-Donau für
richtig, daß eine ordnungsgemäße Weiterführung der Bauarbeiten
allerdings, da hier ja keine Steuereinnahmen mit
im Kanalabschnitt Bamberg-Nürnberg mit dem im Haushalts- Zweckbindung wie beim Straßenbauhaushalt vor-
ansatz 1964 vorgesehenen Betrag von nur 9 Millionen DM Bun-
desmitteln zur Folge hätte, daß Nürnberg erst Mitte 1970 liegen, mit dem selbstverständlichen Vermerk, daß
erreicht würde? die Ausführung sich nach den Verhältnissen des
Haushalts zu richten hat wie bei allen derartigen
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-
Vorhaben. Der Haushalt wird dem Hohen Hause vor-
Der Bundesminister für Verkehr, die Bayerische gelegt, und das Hohe Haus hat ja auch den zweiten
Staatsregierung und die Rhein-Main-Donau AG be- Vierjahresplan für die Bundeswasserstraßen vor-
mühen sich, den für 1970 in Aussicht gestellten Ter- liegen.
min für die Vollendung des Abschnitts Bamberg—
Nürnberg der Rhein-Main-Donau-Großschiffahrts- Vizepräsident Dr. Schmid: Eine weitere Zu-
straße zu halten. Ein genauer Termin läßt sich bei satzfrage!
so umfangreichen und schwierigen Wasserbauarbei-
ten natürlich nicht angeben. Es spielt dabei aller- Seidel (Fürth) (SPD) : Herr Minister, was können
dings die Finanzierung auch eine entscheidende Sie tun, damit die Irreführung der Öffentlichkeit ein-
Rolle. Sie wird durch die schwierige Haushaltslage mal ein Ende nimmt? Was können Sie tun, daß man
des Bundes begrenzt. Die Verteilung der Mittel wirklich zwischen einem Arbeitsplan des Ministe-
unterliegt den Beschlüssen des Hohen Hauses. riums und der möglichen Kabinettsvorlage unter-
Der Bundesminister für Verkehr würde es außer- scheidet?
ordentlich bedauern, wenn die Haushaltslage eine
Erhöhung der Bauzuweisungen des Bundes nicht in Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

dem Ausmaß zuläßt, um den Abschnitt Bamberg— Ich habe nie daran einen Zweifel gelassen — auch
Nürnberg bis 1970 fertigzustellen. Bekanntlich hat in der Öffentlichkeit nicht —, daß der Plan zum
der Haushalt 1963 die Anforderung des Bundesmini- Ausbau der Wasserstraßen nicht gesichert ist, weil
sters für Verkehr, 20 Millionen DM hierfür bereit- wir dafür an die Haushaltsmittel gebunden sind. Ich
zustellen, nicht erfüllt. Auch für 1964 ist die Anmel- habe das wiederholt öffentlich erklärt.
dung zum Haushalt gemäß dem zweiten Vierjahres-
plan für die Bundeswasserstraßen in der gleichen Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage!
Höhe, also mit nur 20 Millionen DM, erfolgt. Die
Rhein-Main-Donau AG selbst kann die erforder-
Ramms (FDP) : Herr Minister, sind Sie nicht der
lichen Baumittel nur zu etwa 2/3 aus eigenen Mitteln
Meinung, daß die Ansätze für den Ausbau der Was-
decken und ist daher auf die Darlehen des Bundes
serstraßen generell zu niedrig sind und der Bedeu-
und des Landes unbedingt angewiesen.
tung der Wasserstraßen nicht entsprechen? Sie be-
tragen nur 3 % der Haushaltsmittel des Verkehrs-
Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage! etats.

Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:


Felder (SPD) : Herr Minister, Sie sind also auch
-

Wenn mir die Mittel bewilligt würden, die ich so-


der Meinung, daß die verhältnismäßig geringe wohl vom Bundesfinanzminister wie von diesem Ho-
Differenz in der entsprechenden Etatposition im hen Hause angefordert habe, würde ich glauben, daß
Hinblick auf die Vordringlichkeit des Projektes zur wir damit für die Aufrechterhaltung des Verkehrs
Entwicklung des europäischen Raumes es erforder- und den Ausbau der Wasserstraßen auskommen
lich mache, sich mit allem Nachdruck für die Bewilli- würden, nicht allerdings für die zusätzliche Aufstel-
gung der Mittel einzusetzen? lung von neuen Großanlagen.

Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:


- Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Zusatzfrage
Ich kann nicht mehr tun, als mich für die Bewilligung mehr.
der Mittel in meinem Rahmen einsetzen. Letzten
Endes erfolgt die entscheidende Bewilligung ja Frage XIV/15 — des Abgeordneten Felder —:
durch den Bundestag, Herr Kollege. Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, sich im Kabinett
mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, daß die im zweiten Vier-
jahresplan für den Ausbau der Bundeswasserstraßen vorgesehe-
nen Jahresraten in Höhe von 20 Millionen DM auch wirklich im
Haushalt angesetzt werden?
Vizepräsident Dr. Schmid: Zusatzfrage!
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
-

Seidel (Fürth) (SPD) : Herr Minister, darf man die In das zweite Vierjahresprogramm sind für die Bun-
Feststellung treffen, daß der zweite Vierjahresplan -deswasserstraßen und damit auch für die Rhein
für die Bundeswasserstraßen nach dem Ziel und der Main-Donau-Großschiffahrtsstraße die erforder-
Finanzierung dann lediglich ein Arbeitsplan des lichen Beträge eingesetzt. Dieses Programm wurde
Verkehrsministeriums ist, daß es sich dabei aber vom Kabinett — wie eben schon in der Zusatzfrage
nicht um eine verbindliche Kabinettsvorlage han- erklärt — mit der Maßgabe gebilligt, daß die Finan-
delt? zierung nur im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten
4462 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
vorgenommen werden soll. Der Bundesminister für ger noch auf die Jahre 1919 bis 1923 zurückgehen-
Verkehr hat sich mit allem Nachdruck dafür einge- der überholter Bestimmungen an.
setzt, daß die in diesem Rahmen gegebenen Mög-
Die Schweiz ist zusammen mit Belgien und Groß-
-lichkeiten auch zugunsten der Rhein-Main-Donau britannien, die auch diesen Zusatzvertrag unter-
Großschiffahrtsstraße genutzt werden. Der Bundes-
zeichnet haben, durch den Versailler Vertrag von
tag hat bisher zu dem zweiten Vierjahresplan Bun-
1919 in die Zentralkommission, für die Rheinschiff-
deswasserstraßen weder in den Ausschüssen noch
fahrt aufgenommen worden. Diese Länder sind seit
im Plenum abschließend Stellung genommen.
jener Zeit von allen Vertragspartnern, also den
Signatarmächten der Mannheimer Akte, nicht nur als
Felder (SPD) : Wären Sie also bereit, Herr Mini- Mitglieder der Zentralkommission, sondern als
stern, sich bei Ihrem Kollegen im Finanzministerium gleichberechtigte Partner auch bei der Ausarbeitung
noch einmal mit allem Nachdruck für die Bewilli- neuer Vereinbarungen auf Grund und im Zusammen-
gung der Differenz einzusetzen? hang mit der Mannheimer Akte betrachtet worden.
Diese Entwicklung läßt es nicht zu, einem dieser
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Staaten heute das Recht der Unterzeichnung und
Das habe ich getan. Diese Möglichkeiten sind in den Mitwirkung zu bestreiten. Auch das vorliegende
Chefbesprechungen, die in den letzten Wochen ge- Übereinkommen ändert insofern im Verhältnis zwi-
führt worden sind, ausgeschöpft worden. Nunmehr schen den Mitgliedstaaten untereinander nichts. Sein
liegt der vom Bundesfinanzminister einzubringende Rahmen ist dadurch begrenzt, daß die wesentlichen
Haushaltsplan dem Kabinett zur Verabschiedung anstehenden Probleme jener Verständigung vorbe-
vor. Er wird dann hierher kommen, und Sie werden halten bleiben müssen, die zwischen der Europäi-
in den Ausschüssen, sowohl im Verkehrsausschuß schen Wirtschaftsgemeinschaft in Brüssel und der
als auch im Haushaltsausschuß, Gelegenheit haben, Straßburger Zentralkommission angestrebt werden
dieser Position noch einmal Ihre besondere Auf- muß.
merksamkeit zuzuwenden. Ich würde das begrüßen.
Die Bundesregierung hat stets die Auffassung ver-
treten, daß die Rheinschiffahrt im nationalen und im
Vizepräsident Dr. Schmid: Die Frage ist be- internationalen Bereich in die Verkehrspolitik der
antwortet. Uferstaaten und künftig in die sich entwickelnde ge-
Nunmehr fahren wir fort auf Drucksache IV/1618. meinsame Verkehrspolitik der Europäischen Wirt-
Fragen 1, 2 und 3 — des Herrn Abgeordneten schaftsgemeinschaft einzubeziehen ist. Über die Vor-
Iven —: schläge der Kommission zur Gestaltung der Ver-
Treffen Zeitungsmeldungen zu, wonach durch eine „Kleine kehrspolitik wird in Brüssel beraten. Dabei wird es
Revision" der Mannheimer Rheinschilfahrtsakte ein weiterer sich als notwendig erweisen, daß die von der Kom-
Staat Unterzeichnerstaat werden soll?
mission aufgestellte Prämisse einer auch materiellen
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine Gleich- Gleichbehandlung der Verkehrsträger beachtet wird.
behandlung aller Verkehrsträger sowohl im nationalen als auch
im internationalen Bereich eine Revision der Mannheimer Akte Es ist dabei zu hoffen, daß die allmähliche Verwirk-
erforderlich macht?
lichung der gemeinsamen Verkehrspolitik es erlau-
Werden die Aussichten auf eine Revision im Sinne der Fragen
1 und 2 nicht verschlechtert, wenn Staaten, die nicht der Euro-
ben wird, die technisch integrierte und wirtschaftlich
päischen Wirtschaftsgemeinschaft angehören, den offiziellen bereits sehr eng verflochtene Rheinschiffahrt als ein
Status eines Unterzeichnerstaates erhalten?
Ganzes zu sehen und zu behandeln.
-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Ob dieses Ziel nur auf dem Wege einer großen
Zeitungsmeldungen, wonach ein weiterer Staat Revision der Mannheimer Akte und ihrer späteren
durch die kleine Revision Unterzeichnerstaat der Änderungen oder auch durch Abschluß eines Ver-
Mannheimer Rheinschiffahrtsakte von 1868 werden trages zwischen der Rheinschiffahrtskommission und
soll, treffen nicht zu. Die revidierte Rheinschiff- der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erreicht
fahrtsakte von 1868, kurz Mannheimer Akte ge- werden kann, wird erst durch das Ergebnis der Be-
nannt, der bekanntlich die Mainzer Akte und davor ratungen in Brüssel und etwaiger notwendiger Ver-
die Wiener Kongreßakte vorausgegangen sind, bil- handlungen zwischen der Kommission der Europäi-
det nämlich nicht allein die Rechtsgrundlage des gel- schen Wirtschaftsgemeinschaft und dritten interes-
tenden und von der Bundesregierung 1950 aus- sierten Staaten bestimmt werden können.
drücklich anerkannten Regimes auf dem Rhein.
Diese Grundlage wird gebildet durch die Mannhei- Vizepräsident Dr. Schmid: Die Frage ist be-
mer Akte und verschiedene spätere Vertragsbestim- antwortet.
mungen und Vereinbarungen, darunter auch die
sehr wesentlichen Bestimmungen des Versailler Ver- XV. Geschäftsbereich des Bundesministers für wirt-
trages von 1919. Das Übereinkommen zur Revision schaftliche Zusammenarbeit. Frage 1 — Abgeord-
einiger Bestimmungen der revidierten Rheinschiff- neter Reichmann —:
fahrtsakte von 1868 und ihrer späteren Änderungen, Ist es zutreffend, daß ein Investitionskredit der Bundesregie-
rung 1958 in Griechenland entgegen der Zusicherung nicht zu
das am 4. Oktober dieses Jahres in Straßburg von Investitionszwecken verwendet wurde?
Vertretern der Bundesrepublik Deutschland, Bel-
giens, Frankreichs, Großbritanniens, der Nieder- Oder wünschen Sie alle drei Fragen zusammen
lande und der Schweiz paraphiert worden ist und zu beantworten?
das auf eine deutsche Initiative im Jahre 1957 zu- (Staatssekretär Dr. Vialon: Gern, Herr Prä
rückgeht, strebt insbesondere die Neufassung eini- sident!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4463
Vizepräsident Dr. Schmid
Dann rufe ich auch die Fragen XV/2 und XV/3 — lehens im Gegensatz zu den heutigen Krediten im
des Herrn Abgeordneten Reichmann — auf: Rahmen der Entwicklungshilfe und dem dabei ver-
bindlichen Verfahren nicht vereinbart worden. Die
Ist es zutreffend, daß von dem Investitionskredit in Griechen-
land 50 Millionen DM statt für den Straßenbau zur Schulden- Bank von Griechenland hat jedoch erklärt, daß der
abzahlung an die USA verwendet wurden? Gesamtbetrag des Darlehens ordnungsgemäß bei ihr
Ist es zutreffend, daß von dem Investitionskredit in Griechen- eingegangen sei und daß sie die Gegenwerte dem
land 50 Millionen DM auf Privatkonten in der Schweiz über-
wiesen wurden? Investitionsbudget zur Durchführung von Entwick-
lungsprojekten zur Verfügung gestellt habe. Wenn
Dr. Vialon, Staatssekretär im Bundesministerium etwa zur gleichen Zeit ein kleinerer Betrag aus dem
für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Die drei Fragen Budget zur Abdeckung fälliger Zinsen an die USA
betreffen Behauptungen, die im kürzlich abgeschlos- entnommen worden sei, stehe dies in keinerlei Zu-
senen griechischen Wahlkampf aufgestellt worden sammenhang mit der deutschen Anleihe.
sind. Sie besagen im einzelnen, daß das Darlehen Eine Nachprüfung der Verwendung der Dar-
von 200 Millionen DM, das die Bundesrepublik an lehensbeträge im einzelnen auf dem Konto der
Griechenland im Jahre 1958 gewährte, nicht zu In- Bank von Griechenland bei der Deutschen Bundes-
vestitionszwecken verwendet worden sei, insbeson- bank ist der, Bundesregierung aus Gründen des
dere daß 50 Millionen DM statt für den Straßenbau Bankgeheimnisses nicht möglich; ganz abgesehen
zur Schuldenabzahlung an die USA verwendet und davon, daß, wie ich vorhin erwähnt habe, mit dem
weitere 50 Millionen DM auf Privatkonten in die Darlehen fast ausschließlich Landeswährungskosten
Schweiz überwiesen worden seien. finanziert wurden. Ich darf dabei auf § 32 des Bun-
Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt desbankgesetzes Bezug nehmen.
nehme ich zu den Fragen wie folgt Stellung. Die Die Deutsche Bundesbank hat indessen auf Rück-
von der Bundesregierung in der Bundesrepublik und frage betont, daß die pflichtmäßige Berufung auf
von der deutschen Botschaft in Athen angestellten das Bankgeheimnis nicht zum Ausdruck bringen
Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte für die solle, daß sie Mißtrauen wegen der Verwendung
Richtigkeit der Behauptungen ergeben. der der Bank von Griechenland gutgeschriebenen
Im einzelnen darf ich folgendes feststellen. Auf Beträge hege. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür
Grund eines Regierungsabkommens vom 27. Sep- vor, daß die Mittel unkorrekt verwendet worden
tember 1958 ist der Regierung des Königsreichs seien.
Griechenland durch die Kreditanstalt für Wieder- Auch die deutsche Botschaft in Athen hat auf
aufbau mit Vertrag vom 18. September 1959 ein Dar- Grund sorgfältig eingeholter Informationen erklärt,
lehen in Höhe von 200 Millionen DM aus Mitteln daß die während des Wahlkampfes aufgestellten I
des ERP-Sondervermögens gewährt worden. Dabei Behauptungen über die Verwendung der deutschen
handelte es sich nicht um ein projektgebundenes Finanzhilfe an Griechenland unzutreffen seien und
Darlehen im Rahmen der Entwicklungshilfe, sondern ohne weiteres zu widerlegen seien.
um eine Finanzhilfe an Griechenland, die insbeson-
dere auch als ein Beitrag zur Wiedergutmachung der Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage.
von Griechenland während des zweiten Weltkrieges
erlittenen Unbill gesehen werden muß. Die Hilfe
Reichmann (FDP) : Herr Staatssekretär, darf ich
wurde mit der allgemeinen Auflage verbunden, sie
fragen: ist angesichts der Kritik an der Entwick-
für Infrastrukturvorhaben im Rahmen des wirtschaft-
lungshilfe auch in der Öffentlichkeit jetzt und in
lichen Entwicklungsprogramms Griechenlands zu
der Zukunft die Gewähr dafür gegeben, daß eine
verwenden. mißbräuchliche Verwendung der Entwicklungshilfe
Griechenland hat in der Folgezeit vorgeschlagen, in den Empfangsländern verhindert werden kann?
das Darlehen für den Straßenbau und zu einem ge-
ringen Teil für Meliorationsvorhaben zu verwenden. Dr. Vialon, Staatssekretär im Bundesministerium
Die Bundesregierung hat sich damit einverstanden für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Ich glaube
erklärt. diese Frage mit aller Sicherheit bejahen zu können.
Die Darlehensvaluta ist in vier Teilbeträgen von
zweimal 53,3 und zweimal 46,7 Millionen DM von Vizepräsident Dr. Schmid: Damit sind die Fra-
der Bank von Griechenland in den Jahren 1959 bis gen sämtlich beantwortet. Die Fragestunde ist be-
1961 abgerufen und auf deren Konto bei der Deut- endet.
schen Bundesbank von der Kreditanstalt überwiesen
Ich schlage Ihnen vor, daß wir nun zunächst die
worden.
drei Punkte behandeln, die wir heute morgen auf
Die mit diesen Mitteln finanzierten Vorhaben er- die Tagesordnung gesetzt haben. Ich glaube, daß
forderten überwiegend die Aufbringung von Lan- sie ohne Debatte erledigt werden können, während
deswährung. Demgemäß verblieben die Devisenge- zu allen anderen Punkten debattiert wird.
genwerte insoweit der Bank von Griechenland ganz
naturgemäß zur Befriedigung ihres allgemeinen De- Zunächst rufe ich auf:
visenbedarfs. Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus-
Eine besondere Kontrolle der Verwendung der der schusses für Verkehr, Post- und Fernmelde-
Bank von Griechenland zur Verfügung gestellten wesen (23. Ausschuß) über den Vorschlag der
Mittel im einzelnen ist bei der Natur dieses Dar- Kommission für eine Richtlinie des Rates
4464 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963
Vizepräsident Dr. Schmid
über die Gewichte und Abmessungen der Böhme (Hildesheim) (CDU/CSU) : Herr Präsident!
zum Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten Meine Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht
zugelassenen Nutzkraftfahrzeuge (Druck- des Ausschusses für Petitionen, den ich gemäß § 113
sachen IV/1001, IV/1619). Abs. 1 der Geschäftsordnung dem Hohen Hause zu
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wendel- erstatten die Ehre habe, umfaßt die Zeit vom 1. Juni
born. Wünscht er das Wort? bis zum 30. September 1963, also im wesentlichen
die der Parlamentsferien, und schließt sich en den
(Abg. Wendelborn: Ich verzichte!) vom Herrn Kollegen Dr. Kübler in der 81. Sitzung
vom 26. Juni 1963 vorgetragenen Bericht an.
— Sie verzichten. — Keine Wortmeldungen.
In diesem Zeitraum sind 2052 neue Eingaben re-
Unter Ziffer 1 beantragt der Ausschuß, den Vor-
gistriert worden, so daß sich die Gesamtzahl der in
schlag der EWG-Kommission zur Kenntnis zu neh-
dieser Wahlperiode eingegangenen Petitionen auf
men. Ist das Haus einverstanden? — Kein Wider-
13 189 erhöht hat. Hinzu kommen 8108 sogenannte
spruch.
Masseneingaben, also Einzelpetitionen mit gleichem
Unter Ziffer 2 beantragt der Ausschuß, daß der Anliegen und meist demselben Wortlaut, zur Ver-
Bundestag einem Entschließungsantrag zustimmt. kehrsslicherheit, zur Aufnahme diplomatischer Be-
Ich brauche ihn wohl nicht zu verlesen; Sie haben ziehungen zu Israel, zur Krankenversicherungsre-
ihn vor sich. Erhebt sich gegen den Antrag Wider- form, zur Notstandsgesetzgebung und seit vergange-
spruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist auch das ner Woche eine noch steigende Zahl von bis jetzt
beschlossen. etwa 300 000 Zuschriften, in denen eine Beschleuni-
gung der Urheberrechtsreform gewünscht wird.
Als nächsten Punkt rufe ich auf:
Durchschnittlich gingen in den Berichtsmonaten je
Erste Beratung des von der Bundesregierung 513 Petitionen ein. In derselben Zeit wurden 2510
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Eingaben abschließend behandelt, wodurch sich die
Änderung des Bewertungsgesetzes (Druck- Zahl der erledigten Petitionen in dieser Wahlperiode
sache IV/1488). auf insgesamt 11 683 erhöht hat. In der Berichtszeit
Zur Einbringung und Begründung wird das Wort konnten demnach 458 Petitionen mehr erledigt wer-
nicht gewünscht. Auch sonst liegen keine Wortmel- den, als im gleichen Zeitraum neu hinzugekommen
dungen vor. sind. Es besteht damit ein Überhang von 1506 noch
nicht endgültig abgeschlossenen Eingaben, bei denen
Die Fraktionen scheinen sich verständigt zu es sich um Fälle handelt, die zur Entscheidung noch
haben, , den Entwurf dem Finanzausschuß zu über-
nicht reif waren. Das Büro für Petitionen hat in den
weisen. — Kein Widerspruch; dann ist die Über- Berichtsmonaten durchschnittlich 1400 Schreiben an
weisung ,an den Finanzausschuß beschlossen. Petenten, Abgeordnete und Ministerien versandt.
Weiter rufe ich auf: Diese wenigen Zahlen lassen erkennen, daß es
Beratung ides Antrags der Abgeordneten eine parlamentarische Sommerpause weder für den
Ausschuß noch für das Büro für Petitionen gegeben
Struve, Glüsing (Dithmarschen), Tobaken,
hat.
Kuntscher, Hermsdorf, Dr. Schmidt (Geller-
sen), Dr. Tamblé, Peters (Poppenbüll), Dr. Für die weiteren statistischen Angaben erlaube
Konservierungs-MiesnrudGobt. ich mir Ihre Aufmerksamkeit auf die Ihnen vorlie-
mittel für Fischwaren (Drucksache IV/1622). gende systematische Übersicht am Ende der Druck-
sache IV/1605 zu lenken.
Keine Wortmeldungen. Vorgeschlagen ist Über-
weisung 'an den Ausschuß für Gesundheitswesen — Der Schwerpunkt der Eingaben liegt nach wie vor
federführend — und an den Ausschuß für Ernäh- bei fünf großen Bereichen, die 53 % der Gesamtein-
rung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. gaben ausmachen. Die restlichen 47 % verteilen sich
— Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. auf 17 weitere Sachgebiete. Über 15 % der Anliegen
betreffen Probleme der Sozialpolitik, 11 % befassen
Nunmehr kehren wir zur ursprünglichen Tages- sich mit Angelegenheiten des Lastenausgleichs und
ordnung zurück, Punkt 2: fast 7 % mit solchen der allgemeinen inneren Ver-
a) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Pe- waltung und des öffentlichen Dienstrechts. Nahezu
titionen (2. Ausschuß) über seine Tätigkeit alle Petitionen enthalten Begehren, die in ihrem
gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung Kern vernünftig sind und sich für eine Behandlung
im Bundestag eignen. Nur etwa 5 0/o der Zuschriften
b) Beratung der Sammelübersicht 21 des Aus- ließen ein Anliegen nicht erkennen, waren anonym,
schusses für Petitionen (2. Ausschuß) über beleidigend, ohne ausreichende Anschrift oder aus
Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bun- anderen formellen Gründen unbehandelbar.
destages zu Petitionen und systematische
Wenn Sie die Art der Erledigung der Petitionen
Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag
betrachten — ich verweise hier auf Abschnitt C der
in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 30. Sep-
Ihnen vorliegenden systematischen Übersicht auf
tember 1963 eingegangenen Petitionen (Druck-
Seite 17 der Drucksache IV/1605 —, gelangen Sie zu
sache IV/1605).
der vermutlich auch Sie verblüffenden Feststellung,
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Böhme daß der Deutsche Bundestag nahezu 48 % aus ver-
(Hildesheim). Ich erteile ihm das Wort. fassungsrechtlichen Gründen nur formell behandeln
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4465
Böhme (Hildesheim)
durfte und die Eingaben entweder zuständigkeits- Im zweiten Teil meines Berichts möchte ich Ihnen
halber an die Volksvertretungen abgeben oder den einige Anliegen vornehmlich aus den sozialen Be-
Einsendern mitteilen mußte, daß gerichtliche Ver- reichen aufzeigen.
fahren oder das Nichtbetreten des Instanzenzuges Zahlreiche Petenten erstreben die Berechtigung
innerhalb der Verwaltung eine Behandlung der zur freiwilligen Weiterversicherung in den gesetz-
Sache selbst nicht zuließen. lichen Rentenversicherungen nach Überschreiten der
Ich glaube daraus die Folgerung ziehen zu müs- Einkommensgrenze. Dabei handelt es sich meistens
sen, daß sehr viele Staatsbürger nicht wissen, ob um angestellte Akademiker, die bereits vor Ablauf
der Bund oder die Länder zur Ausführung der Ge- von 60 Beitragsmonaten in der Rentenversicherung
setze zuständig sind. Allein in 13 % der Fälle war in ihrem Einkommen über die Versicherungsgrenze
das gewaltenteilende Prinzip des Grundgesetzes hinauskommen und dadurch keine Möglichkeit zur
nicht bekannt oder es wurde völlig verkannt. Viele Weiterversicherung mehr haben.
Petenten halten den Bundestag für eine oberste Manche Einsender wünschen eine günstigere Re-
Rechtsmittelinstanz und glauben, er könne Gerichts- gelung für die Anrechnung von Kriegs- und Wehr-
urteile abändern oder aufheben. Diese Zahlen soll- dienstzeiten als Ersatzzeiten in der Rentenversiche-
ten uns nachdenklich stimmen. Hier scheint uns rund rung. Ehemalige Hausangestellte und Krankenpfle-
15 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes gerinnen führen immer wieder Klage über die ihnen
noch eine echte Aufgabe und eine gute Möglich- gezahlten niedrigen Renten, wobei das Problem der
keit zur staatsbürgerlichen Bildungsarbeit gegeben Bewertung der freien Kost und Wohnung ange-
zu sein. schnitten wird. Die Regierung hat zugesagt, bei einer
Schließlich möchte ich aus der Statistik erwähnen, Überprüfung der Rentenversicherungs-Neurege-
daß der prozentual höchste Anteil von Eingaben, lungsgesetze eine Höherbewertung der Sachbezüge
fast 30 °/o, aus Nordrhein-Westfalen kommt. Bezo- zu erwägen.
gen auf die Bevölkerungszahlen sind jedoch die Groß ist auch die Zahl der Eingaben, die eine
Länder Berlin und Schleswig-Holstein mit 350 bzw. Mindestrente, eine Herabsetzung des Rentenalters
315 Eingaben auf 1 Million Einwohner die petitions- oder eine Weihnachtszuwendung für Rentner er-
freudigsten. streben und die vor allem eine stärkere Anhebung
385 Petitionen oder 3,3 % fanden bisher in dieser der kleinen Renten zum Ziele haben. Die Zahl der-
Wahlperiode eine positive Erledigung. Das sind artiger Eingaben ist zur Zeit vermutlich deshalb be-
rund 9,3 %, bezogen auf die Zahl der auf Abhilfe sonders hoch, weil seit Wochen Presse, Rundfunk
persönlicher Beschwerden gerichteten Eingaben. und Fernsehen den Entwurf eines Sechsten Renten-
Diese Zahlen deuten darauf hin, daß die Verwal- anpassungsgesetzes behandeln, den die Bundes-
tungsbehörden in der Bundesrepublik einen hohen regierung inzwischen den gesetzgebenden Körper-
Grad von gründlichen und fehlerfreien Entscheidun- schaften zur Beschlußfassung zugeleitet hat. Dane-
gen treffen und daß die Fehlerquellen in dem sehr -ben sind es vor allem das Krankenversicherungs
engen und stärker kaum einengbaren Rahmen Neuregelungsgesetz und das Zweite Neuordnungs-
menschlichen Versagens liegen. gesetz zur Kriegsopferversorgung, zu dem zahlreiche
Eingaben eingehen. Sie wurden an die zuständigen
23 % der Eingaben mußten auf Grund der Stel- Ausschüsse, in denen die Gesetzentwürfe zur Zeit
lungnahmen der Regierung für erledigt erklärt wer- beraten werden, überwiesen.
den. Die Prüfung des Ausschusses und Bundestages
ergab in diesen Fällen, daß die Verwaltung die Ge- Ein Problem, das sich wie ein roter Faden durch
setze richtig angewandt, daß sie richtig gehandelt verschiedene Sachgebiete zieht, ist die Festlegung
hatte und die Anliegen damit unbegründet waren. von Stichtagen in zahlreichen Gesetzen. Immer wie-
der weisen Petenten darauf hin, es bedeute für sie
Etwa 8 % der Eingaben ließen nach Auffassung eine besondere Härte, wenn sie eine gesetzlich mög-
des Ausschusses und des Plenums Lücken oder Här- liche Leistung oder Vergünstigung nur deshalb nicht
ten bestehender gesetzlicher Vorschriften erkennen, erhielten, weil sie nicht bis zu einem bestimmten
deren Abhilfe angezeigt erschien. Sie wurden den Tag ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grund-
zuständigen Fachausschüssen oder der Regierung gesetzes genommen hätten. Hierzu darf ich einige
als Material für künftige Gesetzentwürfe überwie- Beispiele anführen.
sen.
Bei der Umwandlung von Reichsmark-Guthaben
Insbesondere diese Zahlen und die der positiven bzw. bestimmten Ansprüchen gegen die Berliner
Erledigungen sind ein deutliches Zeichen dafür, wie Altbanken aus der Reichsmarkzeit nach dem Um-
notwendig es war, das Grundrecht des Art. 17 im stellungsergänzungs- bzw. Berliner Altbankengesetz
Grundgesetz zu verankern. Hier wurde trotz gut ist als Stichtag der 31. Dezember 1952 festgelegt.
funktionierender Verwaltung und nahezu vollkom- Eine Ausnahme hierfür gibt es nur für anerkannte
menen Rechtsschutzes ein notwendiges Regulativ Flüchtlinge nach § 3 des Bundesvertriebenen- und
geschaffen. Für den Gesetzgeber selbst ist es von Flüchtlingsgesetzes. Inzwischen wird in diesem
hohem Nutzen, durch die aus der Mitte des Volkes Hause ein Gesetzentwurf beraten, durch den natür-
eingereichten Petitionen zu erfahren, wie seine Ar- liche Personen, die nach dem Stichtag in den Westen
beit im Volke aufgenommen wird und wo sich Lük- kommen, den Berechtigten gleichgestellt werden.
ken oder Härten in den von ihm beschlossenen Ge- Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Ent-
setzen befinden. Weder die Verwaltung noch die wurf eines Dritten Umstellungsergänzungsgesetzes,
Justiz kann diese Funktion ausfüllen. Ihnen vorliegend als Drucksache IV/1457.
4466 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Böhme (Hildesheim)
Die in dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen nach Einstellung der Kampfhandlungen noch nicht
aus Lebens- und Rentenversicherungen vom 5. August bewältigt sind und daß die vollkommensten Gesetze
1955 enthaltene Stichtagsregelung wird ebenfalls be- nicht ausreichen, um der vielen oft wahrhaft tra-
mängelt. Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur gischen Schicksale Herr zu werden.
Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Rege-
lung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenver- Ich darf Ihnen auch hier noch einmal einige Ein-
sicherungen sieht nunmehr vor, daß ohne Rücksicht zelfälle anführen. Eine aus Ostpreußen im Jahre
auf den Zeitpunkt der Wohnsitzbegründung im Gel- 1945 geflüchtete Petentin ließ im Jahre 1952 ihren
tungsbereich des Grundgesetzes Ansprüche aus der seit 1944 vermißten Ehemann für tot erklären, um
Reichsmark-V ungedrsich- in den Besitz einer kleinen Spareinlage ihres Man-
träger geltend gemacht werden können. nes zu gelangen, die sie zur Bestreitung ihres not-
wendigsten Lebensunterhalts benötigte. Als Todes-
Diese beiden Gesetze brechen die erste Lücke in tag wurde in dem Gerichtsbeschluß nach § 9 des
die zahlreichen Kriegsfolgengesetze, die als An- Verschollenheitsgesetzes der 31. Juli 1949 bestimmt.
spruchsvoraussetzung eine Stichtagsregelung be- Anfang 1963 erfuhr die Einsenderin über den Such-
inhalten. Dadurch wird sicherlich in zahlreichen dienst des Deutschen Roten Kreuzes von einem
Einzelfällen eine befriedigende Lösung und echte ehemaligen Kriegskameraden ihres Mannes, daß er
Hilfe erzielt werden. bereits im Herbst 1944 in Odessa in der Sowjet-
Im Gegensatz zu den Gesetzen, in denen die Be- union verstorben sei. Die Gewährung von Leistun-
rechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen und gen an unmittelbar Geschädigte nach dem Lasten-
Vergünstigungen von einem Anwesenheitsstichtag ausgleichsgesetz setzt jedoch voraus, •daß der Erb-
abhängig gemacht ist und eine Ausnahme hiervon fall vor der Vertreibung stattgefunden hat. Auf
für anerkannte Flüchtlinge nach § 3 des Bundesvertrie- Grund der Todeserklärung vom 31. Juli 1949 lehnte
benen- und Flüchtlingsgesetzes vorgesehen ist, fehlt das Ausgleichsamt daher die Anträge der Petentin
eine derartige Ausnahmeregelung bisher im Kriegs- ab.
gefangenenentschädigungsgesetz. Dies führte zu Als sie nach mehr als zehn Jahren nach der
Härten und zu mehreren Eingaben. Der Entwurf Todeserklärung erfuhr, daß ihr Mann schon 1944
eines Dritten Änderungsgesetzes zum Kriegsgefan- gestorben war, konnte sie aber nicht mehr inner-
genenentschädigungsgesetz sieht nunmehr vor, daß halb der in § 33 a Abs. 2 des Verschollenheitsgeset-
eine entsprechende Ausnahmebestimmung in das zes vorgesehenen Fünfjahresfrist den Antrag auf
Gesetz aufgenommen wird. Bei der Stichtagsrege- Änderung des Todeszeitpunktes stellen. Der Bun-
lung selbst soll es dagegen verbleiben. desminister der Justiz wies nun einen Weg, durch
In der 78. Sitzung vom 19. Juni 1963 hat der Bun- den, ohne daß es einer Änderung der Ausschluß-
destag beschlossen, der Bundesregierung eine Peti- frist in § 33 a des Verschollenheitsgesetzes bedarf,
tion als Material für eine Novellierung des Häft- die Petentin doch noch als unmittelbar Geschädigte
lingshilfegesetzes zu überweisen. Der dieser Eingabe nach dem Lastenausgleichsgesetz anerkannt werden
zugrunde liegende Sachverhalt war Ihnen von un- und in den Genuß von Lastenausgleichsleistungen
serer verehrten Frau Kollegin Klee in ihrem münd- kommen kann.
lichen Bericht vom 27. März 1963 geschildert worden An Hand eines Einzelfalles wurde die grundsätz-
und entspricht dem einer gleichartigen Eingabe, in liche Frage geklärt, ob ein Kriegsbeschädigter
der die Petentin verzweifelt um Gewährung einer arbeitsunfähig im Sinne der gesetzlichen Kranken-
Unterhaltsbeihilfe und die Wiederzusammenführung versicherungsbestimmung en ist und gegebenenfalls
mit ihrem Ehemann bittet, der in einer Haftanstalt Anspruch auf Einkommensausgleich nach § 17 des
der SBZ festgehalten wird. Wegen sogenannter Bundesversorgungsgesetzes hat oder ob der ent-
Staatsverleumdung im Jahre 1960 zu einer Zucht- gangene Arbeitsverdienst nach § 24 des Bundes-
hausstrafe verurteilt, unternahm er nach der Straf- versorgungsgesetzes zu ersetzen ist, wenn ihm
verbüßung im Jahre 1962, also nach Errichtung der seine Prothese wegen der Vornahme notwendiger
Berliner Mauer, einen Fluchtversuch, trat dabei auf
Änderungen längere Zeit nicht zur Verfügung steht
eine Mine und fiel schwerverletzt in die Hände der
und er seinen Beruf deshalb nicht ausüben kann.
Volkspolizei. Nach der Entlassung aus dem Kran-
kenhaus wurde er erneut inhaftiert. Seit der ersten Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
Entlassung aus dem sowjetzonalen Zuchthaus erhält hat im Sinne der Petition entschieden und seine
die Petentin keine Unterstützung mehr nach dem Auffassung den Arbeitsministern und Senatoren der
Häftlingshilfegesetz. Dieser Fall beweist einmal Länder in einem im Bundesversorgungsblatt ver-
mehr, wie dringlich eine gesetzliche Neuregelung öffentlichten Rundschreiben vom 2. April 1963 mit-
des Gewahrsamsbegriffs in § 1 Abs. 3 des Häftlings- geteilt, daß keine Bedenken beständen, § 24 Abs. 2
hilfegesetzes ist, zumal offenbar nicht alle mit der des Bundesversorgungsgesetzes auch auf den Tat-
Durchführung des Gesetzes befaßten Behörden von bestand der Änderung oder Ausbesserung von
der Möglichkeit Gebrauch machen, Härteausgleich Hilfsmitteln anzuwenden. Dies bedeutet, daß dem
nach § 12 des Häftlingshilfegesetzes zu gewähren, Betroffenen während der durch die Ersatzbeschaf-
wenn der ehemalige Häftling zwar nicht mehr gefan- fung bedingten Arbeitsunfähigkeit in angemesse-
gengehalten wird, aber am Übertritt in die Bundes- nem Umfang Ersatz für den entgangenen Arbeits-
republik oder nach Westberlin gehindert ist. verdienst geleistet wird.
Immer wieder führen uns zahlreiche Eingaben vor Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Ihnen einen
Augen, daß der Krieg und seine Folgen 18 Jahre Überblick über die Tätigkeit des Petitionsausschus-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4467
Böhme (Hildesheim)
ses gegeben zu haben, der Sie in der Auffassung große und sehr oft schwierige Arbeit, aber das wäre
bestärken möge, daß der Petitionsausschuß eine erst das eigentliche Resultat, das sich aus der Ar-
notwendige Ergänzung unserer staatlichen Organe beit ides Ausschusses ergeben könnte.
darstellt, daß er dazu beiträgt, zu helfen, wo Ver- (Abg. Ruf: Das sollen die Fraktionen und
waltung und Rechtsprechung nicht mehr helfen kön- die Regierung machen!)
nen.
— Eben das wollte ich sagen. Es wird kaum mög-
Abschließend möchte ich Sie bitten, der Ihnen als lich sein, daß unsere Kollegen vorn Petitionsaus-
Drucksache IV/1605 vorliegenden Sammelübersicht schuß selber Novellen machen und im Namen der
Nr. 21 des Ausschusses für Petitionen Ihre Zustim- Mitglieder des Ausschusses einbringen. Das dürfte
mung zu geben. zumindest nicht lin allen Fällen möglich sein. Aber
(Beifall.) vielleicht ist es doch möglich, Anträge zu stellen —
wie wir es ja gelegentlich auch aus dem Hause, aus
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem den Fraktionen heraus tun —, die Bundesregierung
Herrn Berichterstatter für diesen ausgezeichneten möge Gesetzentwürfe vorlegen, die der Lösung von
Bericht und meine, daß war uns nicht damit begnü- Problemen, die bei der Bearbeitung der Petitionen
gen sollten, ihn angehört zu haben, sondern daß klargeworden sind, dienen. Vielleicht wäre das ein
wir aus diesen Feststellungen und Lehren gesetz- Weg, die Arbeit im Petitionsausschuß noch frucht-
geberische Konsequenzen ziehen sollten. Vielleicht barer zu gestalten zum Wohle aller derjenigen, die
darf ich mir die Anregung erlauben, daß man den der Schuh drückt und die sich dann vertrauensvoll
Ausschüssen des Hauses die in ihre Arbeitsbereiche an den Deutschen Bundestag und seinen Petitions-
fallenden Feststellungen, die wir soeben gehört ha- ausschuß wenden.
ben, mit der Bitte zuleitet, daraus bestimmte Folge- (Beifall.)
rungen zu ziehen. Es hätte ja wenig Sinn, den Be-
richt anzuhören, wenn wir nichts damit anfangen Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat Frau
würden. Dafür war die Mühe zu groß, die sich die Abgeordnete Wessel in ihrer Eigenschaft als Vor-
Damen und Herren des Ausschusses gemacht haben. sitzende des Petitionsausschusses.
Vielleicht, Frau Abgeordnete Wessel, können Sie
veranlassen, daß die Fachausschüsse entsprechend
Frau Wessel (SPD) : Herr Präsident! Meine Da-
unterrichtet werden. Es wäre auch nicht schlecht,
men und Herren! Ich möchte als Vorsitzende des
wann man in den Fraktionen den Versuch machte,
Petitionsausschusses sehr für die Worte danken, die
sich zu überlegen, ob nicht einige Anträge i m. Bun-
der Herr Präsident unserer Arbeit gewidmet hat,
destag eingebracht werden könnten.
und auch für die Anerkennung, die unser Kollege
(Sehr richtig! bei der SPD.) Herr Dr. Mommer hier ausgesprochen hat.
Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Die Anliegen, die in dem Bericht des Kollegen
Mommer! Böhme dargelegt worden sind, drücken uns schon
seit Jahren. In einer Beratung über den Personal-
Dr. Mommer (SPD) : Herr Präsident! Meine Da- bedarf des Petitionsbüros habe ich, wie Sie sich viel-
men und Herren! Ich ergreife die Gelegenheit, ein- leicht erinnern, gerade darauf hingewiesen, daß die
mal unseren Kolleginnen und Kollegen im Petitions- Aufgabe des Petitionsausschusses nicht allein in der
ausschuß für die Arbeit zu danken, die sie dort Behandlung der Petitionen besteht, sondern daß die
leisten. Erkenntnisse, die wir "bei der Bearbeitung der Peti-
(Beifall.) tionen hinsichtlich von Lücken und Mängeln in der
Gesetzgebung gewinnen, ausgewertet werden soll-
Es ist ohne Zweifel nicht immer eine Arbeit, die ten und wir bemüht sind, sie zu beseitigen. Dazu
Ruhm bringt und deren Erfolge man greifen kann; bedürfen wir aber, lassen Sie mich das noch einmal
aber wir wissen, welche Bedeutung dem Petitions- aussprechen, auch eines entsprechenden Personal-
recht in ieiner Demokratie zukommt, und wir schul- bestandes im Petitionsbüro. Ich möchte schon heute
den unseren Kollegen Anerkennung für ihre Lei- die Mitglieder des Haushaltsausschusses bitten, sich
stung. bei den nächsten Haushaltsberatungen, wenn wir
Dann ein Vorschlag in Ergänzung zu dem, was der auf diese Frage zurückkommen, an diese Debatte,
Herr Präsident soeben schon gesagt hat. Im Peti- die wir erfreulicherweise gehabt haben, zu erinnern
tionsausschuß lernt man, wo im deutschen Volke der und die Wünsche, die wir aus den dargelegten
Schuh drückt; da kommt man auf die Lücken in der Gründen in bezug auf eine Verbesserung unseres
Gesetzgebung, die Mängel, die Widersprüche, die Personalbestandes vorbringen müssen, wohlwol-
Unvollkommenheiten. Aus dieser Arbeit des Peti- lend zu unterstützen.
tionsausschusses könnte eine sehr positive und kon- Das war vor allem das Anliegen, das ich noch ein-
struktive Gesetzgebungsarbeit hervorgehen. Wie mal aussprechen wollte. Denn es kommt uns wirk-
wäre es denn, wenn wir unsere Kollegen im Peti- lich darauf an, die Arbeit des Petitionsausschusses
tionsausschuß bäten, die Fälle, die sie bearbeiten, ' für den Bundestag so fruchtbar zu machen, wie es
klassifizieren und registrieren, jetzt auch noch eine möglich ist, aus den Erkenntnissen heraus, die wir
Stufe weiter auszuwerten und aus den Erkenntnissen haben. Ich glaube nach der Debatte, die geführt
über Lücken, Mängel, Widersprüche Novellen zur worden ist, sagen zu dürfen, daß der Petitionsaus-
Gesetzgebung zu machen? Das wäre eine zusätzliche schuß als Bindeglied zwischen Bürger und Bundes-
4468 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963
Frau Wessel
tag eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat und daß. Ich habe soeben mit dem Kollegen Mommer ein
er durch eine gute Arbeit in der Lage ist, das Ver- kurzes Gespräch geführt, damit wir in einer Sache
trauen zur Demokratie und zu unserem Staat zu Klarheit haben: Das Initiativrecht für Gesetzesvor-
stärken. lagen liegt bei den Abgeordneten oder bei den
(Allseitiger Beifall.) Fraktionen; das Initiativrecht für Gesetzesvorlagen
liegt nicht bei den Ausschüssen. In dieser Frage
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der müssen wir ganz klar sehen. Vorschläge, wie sie der
Abgeordnete Dürr. Kollege Dürr soeben gemacht hat, sind reali-
sierbar, aber nicht etwa in der Form, daß der Peti-
Dürr (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und tionsausschuß seine Erfahrungen an Fachausschüsse
Herren! Zur Ergänzung dessen, was Herr Kollege weitergibt und sie dort in Gesetzesinitiativen um-
Dr. Mommer vorgeschlagen hat, möchte ich aus der gesetzt werden. Noch einmal: Initiativen bei den
Erfahrung als früheres Petitionsausschußmitglied Abgeordneten oder bei den Fraktionen, aber nicht
noch etwas sagen.
bei den Ausschüssen. Soviel zur Klarstellung in
Der Petitionsausschuß ist ein Ausschuß, der weit Übereinstimmung mit dem Kollegen Mommer, dem
mehr als die anderen Ausschüsse des Hauses seine an dieser Klarstellung auch gelegen ist.
Mitglieder mit Hausaufgaben belastet. Sie können (Zurufe.)
sich vorstellen, was es bedeutet, im Laufe der Legis-
laturperiode nahezu tausend nicht nur kleine Akten
Vizepräsident Dr. Schmid: Meine Damen und
als Berichterstatter oder Mitberichterstatter durch-
arbeiten zu müssen. Dem Petitionsausschuß fällt es Herren, nach der Geschäftsordnung besteht wohl
deshalb wegen seiner ungeheuren Arbeitsbelastung kein Zweifel darüber, daß die Ausschüsse kein Initia-
tivrecht haben. Sie können 'als Ausschüsse keine An-
schwer, seinerseits aus dem, was er bei der Bear-
beitung der Petitionen feststellt, Folgerungen in der träge stellen, es sei denn, sie seien vom Plenum
Form zu ziehen, daß aus dem Petitionsausschuß her- beauftragt worden, eine Vorlage zu beraten und
aus Novellen von Abgeordneten der verschiedenen dem Plenum einen Entscheidungsvorschlag zu ma-
Fraktionen. eingebracht werden. chen. Aber natürlich können die Mitglieder des
Ausschusses als einzelne jeden Antrag stellen, der
Ich glaube, daß aus der Kombination dessen, was geschäftsordnungsmäßig zulässig ist. So war das
der Herr Präsident gesagt hat, und dessen, was Herr wohl auch vom Herrn Abgeordneten Dr. Mommer
Kollege Dr. Mommer erwähnt hat, sich eine brauch- gemeint. Ich selber habe keinen Zweifel daran, daß
bare Lösung finden ließe. Wenn der Petitionsaus- nichts im Wege steht, wenn der Petitionsausschuß
schuß an Hand von einzelnen Akten über wesent- Anregungen, Sachdarstellungen an die Fachaus-
liche Sachen berichtet und wenn der Fachausschuß schüsse weitergibt, zur Kenntnisnahme und weite-
zur Beratung dieses Punktes Berichterstatter und ren Veranlassung. Jeder von uns kann jedem an
Mitberichterstatter des Petitionsausschusses lädt, deren von uns Briefe schreiben. Wir können solche
dann kann, glaube ich, zwischen dem Petitionsaus- auch einem Ausschuß schreiben. Auch ein Ausschuß
schuß und 'den Fachausschüssen eine gute Zusam- vorsitzender kann an seine Kollegen Briefe schrei-
menarbeit erfolgen, die für die Mitglieder des Peti- ben. Die Empfänger werden dann pflichtgemäß han-
tionsausschusses eine erhebliche Arbeitsentlastung deln. Was daraufhin geschieht, — nun, das wird
und damit eine Erleichterung ihrer Tätigkeit bedeu- man sehen.
ten würde. Denn, meine Damen und Herren, über Wenn das Wort nicht weiter gewünscht wird, kön--
eins müssen wir uns klar sein: die Mitglieder des nen wir über den Antrag des Ausschusses abstim-
Petitionsausschusses sind dies parlamentarisch sozu- men. Der Ausschuß beantragt -- Drucksache
sagen nur im Nebenberuf. Sie sind gleichzeitig Mit- IV/1605 —, die in der nachfolgenden Sammelüber-
glieder aller möglichen Fachausschüsse und sind sicht enthaltenen Anträge von Ausschüssen des
deshalb mit Ausschußarbeit besonders belastet. Aus Deutschen Bundestages zu Petitionen anzunehmen.
diesem Grunde scheint mir neben einer zweck- Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe ein Hand-
mäßigen Personalbesetzung, von der die Frau Vor- zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich
sitzende gesprochen hat, eine 'solche Form der Zu- stelle einstimmige Annahme fest.
sammenarbeit zwischen Fachausschüssen und Peti-
tionsausschuß zweckmäßig zu sein. Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung:
(Beifall.) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
betr. Sachverständigenkommission für die
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat dei Krankenversicherungsreform (Drucksache IV/
Abgeordnete Rasner. 1592) .
Rasner (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da- Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete
men und Herren! Auch unsere Fraktion weiß, daß Professor Schellenberg.
die Arbeit der Mitglieder des Petitionsausschusses Dr. Schellenberg (SPD) : Herr Präsident! Meine
oft in der Gefahr steht, verkannt zu werden. Es liegt Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in
auch uns sehr daran, den Damen und Herren, die seiner Regierungserklärung unter anderem davon
sich dieser mühseligen Arbeit unterziehen, mit der gesprochen, daß die Reform der Krankenversiche-
mancher verdiente und begabte Politiker angefan- rung schwierige Probleme aufwerfe. Eigentlich
gen hat, den besonderen Dank auszusprechen. wurde damit nur bestätigt, was jedermann, von
(Beifall.) wenigen Ausnahmen abgesehen, erkannt hat. Die
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4469

Dr. Schellenberg
in diesen Tagen und Wochen geführten sozialpoli- Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, haben
tischen Verhandlungen auf höchster Koalitions- und in den vergangenen Wochen mehrfach mit den
Regierungsebene haben die Schwierigkeiten der Vertretern der Koalitionsparteien eingehende
Materie für die Öffentlichkeit noch unterstrichen. Gespräche über die aktuelle sozialpolitische
Die grundlegenden Probleme einer Krankenver- Situation geführt. Wir würden es als einen
sicherungsreform hätten unbedingt vor Einbringung ernsten politischen Vorgang werten müssen,
der Regierungsvorlage geklärt werden müssen. wenn Sie in der Zeit von Donnerstag, dem
14., früh, bis Freitag, dem 15., mittags, keine
(Sehr wahr! bei der SPD.) Gelegenheit fänden, dem Parlament im ganzen
Eine gesetzliche Regelung, die von großer Trag- für die Behandlung dieser grundlegenden Fra-
weite für die Gesundheit der versicherten Bevöl- gen, welche Ihre persönliche Entscheidung, die
kerung ist, erfordert — das sollte doch eigentlich Autorität Ihres Amtes als Bundeskanzler und
selbstverständlich sein — fundierte Vorarbeit eine Tätigkeit des Bundeskanzleramtes erfor-
dern, zur Verfügung zu stehen. Ihr Fernbleiben
Daran hat es bisher gefehlt, und das ist der wahre bei dieser Beratung würde Ihrer Regierungs-
Grund, weshalb die Beratungen der Krankenver- erklärung widersprechen,
sicherungsreform, mit denen der Bundestag seit
(Abg. Wehner: Sehr wahr!)
nunmehr vier Jahren beschäftigt wird, immer wie-
der in eine Sackgasse geraten sind. Leider wurde in der Sie den Wunsch nach guter Zusammen-
es auch versäumt, aus dem Scheitern dieser Re- arbeit von Regierung und Parlament zum Aus-
form in der letzten Legislaturperiode die notwen- druck gebracht haben.
digen Konsequenzen zu ziehen und den Rat unab- (Beifall bei der SPD.)
hängiger Sachverständiger einzuholen. Wie dem
auch sei, dem Hin und Her muß Einhalt geboten So weit der Brief des stellvertretenden Fraktions-
werden. vorsitzenden der SPD.
(Beifall bei der SPD.) Der Herr Bundeskanzler antwortete, daß er zwar
Es geht um mehr, meine Damen und Herren von der den Wunsch nach guter Zusammenarbeit nochmals
Koalition, als darum, wie diese oder jene strittige unterstreichen möchte, daß ihn aber unabdingbare
Einzelfrage geregelt wird. Natürlich ist auch das Verpflichtungen davon abhalten, unserer Bitte, bei
wichtig, aber zuerst müssen die vielfältigen sozia- der Beratung der Drucksache IV/1565 im Plenum
len und gesundheitlichen Zusammenhänge, die die anwesend zu sein, zu entsprechen. Das ist ein be-
Grundlage einer Krankenversicherungsreform bilden, deutsamer Vorgang. Wir Sozialdemokraten stellen
) geklärt werden. Hierzu soll der Antrag der sozial- fest: Mit dem sozialdemokratischen Antrag wird ein
demokratischen Fraktion auf Bestellung einer Sach- Kernstück unserer Sozialpolitik, die Gestaltung un-
verständigenkommission beitragen und damit die serer Krankenversicherung, angesprochen. Heute
Voraussetzungen für eine moderne Krankenver- wird der Bundeskanzler zum erstenmal seit der Re-
sicherung schaffen. gierungserplärung mit der Frage konfrontiert, wel-
ches Gewicht seine Worte über die Zusammenarbeit
Unser Antrag wendet sich an den Herrn Bundes- von Wissenschaft und Politik für den sozialen Be-
kanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt reich haben sollen.
und dafür die Verantwortung trägt. Bei der Vor- (Beifall bei der SPD.)
bereitung der Tagesordnung haben deshalb die so-
zialdemokratischen Mitglieder im Ältestenrat zum Der Herr Bundeskanzler bringt durch sein Fern-
Ausdruck gebracht, daß wir auf die Anwesenheit bleiben von diesen Beratungen zum Ausdruck, daß
des Herrn Bundeskanzlers bei der Beratung unseres er diesem Bereich seiner Regierungserklärung offen-
Antrages besonderen Wert legen, dies auch des- bar keine wesentliche Bedeutung zumißt.
halb, weil nach diesem Antrag der Herr Bundes- (Sehr wahr! und Hört! Hört! bei der SPD.)
kanzler die Sachverständigen zu bestellen und das
Im übrigen erklärt der Herr Bundeskanzler in
Bundeskanzleramt die Voraussetzung für die Ar-
seinem Schreiben an meinen Fraktionsfreund Erler,
beit der Kommission sicherzustellen hat. Die So-
die Bundesregierung lege Wert darauf, daß der
zialdemokraten haben im Ältestenrat bekundet, daß
Regierungsentwurf beschleunigt beraten werde.
sie bereit sind, diesen Punkt gestern oder heute
zu jeder dem Herrn Bundeskanzler genehmen (Zuruf von der SPD: Seit vier Jahren!)
Stunde auf die Tagesordnung setzen zu lassen. Es Hier scheint uns ein Widerspruch zur Regierungs-
gab darüber ein Hin und Her. Schließlich wurde uns erklärung vorzuliegen, in der von den Schwierig-
vom Büro des Herrn Präsidenten wörtlich mitge- keiten bei der Krankenversicherungsreform gespro-
teilt: Der Herr Bundeskanzler wird nicht da sein. chen wird.
Da wir aus politischen Gründen auf die Teilnahme Nun zum Inhalt unseres Antrages. Der Herr Bun-
des Herrn Bundeskanzlers an der Beratung unseres deskanzler soll elf Persönlichkeiten der Sozial- und
Antrages besonderen Wert legen, hat sich der stell- Wirtschaftswissenschaften, der medizinischen Wis-
vertrende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kol- senschaften und der Sozialpartner mit dem Auftrag
lege Erler, schriftlich an den Herrn Bundeskanzler berufen, für die gesetzgebenden Körperschaften ein
gewandt, um ihn um Überprüfung seiner Entschei- Gutachten über die Grundsätze der Krankenversiche-
dung, der Sitzung fernzubleiben, zu bitten. In dem rungsreform zu erstatten. Das Gutachten soll u. a.
Schreiben von Herrn Kollegen Erler heißt es u. a.: folgendes behandeln:
4470 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963
Dr. Schellenberg
Zu 1. Den Ausbau der gesundheitlichen Vorsorge — Ja, Herr Kollege Ruf, diese Probleme müssen
und die Gewährleistung ärztlicher Behandlung nach gründlich nach allen Seiten durchdacht und zur sinn-
dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Daß ein vollen Regelung gebracht werden. Wer wollte be-
Ausbau der Vorsorgehilfe ein dringendes Erforder- streiten, daß für die gesetzgebenden Körperschaften
nist ist, wird heute allgemein anerkannt. Aber noch auch in dieser Hinsicht das Urteil von Sachverstän-
fehlen ausreichende fachliche Grundlagen dafür, wie digen unentbehrlich ist?
eine solche Vorsorge im Rahmen der Krankenver- (Sehr gut! bei der SPD.)
sicherung gestaltet werden kann. Der Krankheits-
begriff im Sinne der über 50 Jahre alten Reichsver- Zu 4. Die Regierungsvorlagen der vergangenen
sicherungsordnung genügt nicht mehr dem gewan- Wahlperiode und auch dieser Legislaturperiode
delten Krankheitsbild und den medizinischen Er- wurden wesentlich durch die Annahme beeinflußt,
kenntnissen in der zweiten Hälfte unseres Jahr- der Krankenstand sei stark überhöht. Inzwischen
hunderts. hat sich der Krankenstand gesenkt. Aber niemand
(Beifall bei der SPD.) kennt genau die Gründe hierfür. Auch fehlen uns
Kenntnisse darüber, weshalb der Krankenstand in
Eine zeitgemäße Krankenversicherung muß ärztliche Betrieben von gleicher Struktur höchst unterschied-
Hilfe gewähren, die in jeder Hinsicht den medizini- lich ist. Jedenfalls liegen den gesetzgebenden Kör-
schen und wissenschaftlichen Erfahrungen entspricht. perschaften bisher keine wissenschaftlich fundierten
Dabei sollte auch die Reglementierung der ärzt- Untersuchungen über die Ursachen des Kranken-
lichen Leistung, die in dem Begriff der sogenann- standes vor.
ten Unwirtschaftlichkeit liegt, überwunden werden.
Das ist im Hinblick auf die finanzielle Bedeu-
Zur Lösung dieser vielfältigen Probleme ist der tung des Krankenstandes eine Unmöglichkeit. Es
Rat von Sachverständigen unentbehrlich. müssen deshalb nach unserer Auffassung über Ein-
Zu 2. Die Kranken und ihre Familien müssen auch zeluntersuchungen hinaus umfassende Erkenntnisse
bei langfristiger Krankheit ausreichend gesichert über die Tatbestände gewonnen werden, die den
werden. Nach unserer Meinung sollten sich Sachver- Krankenstand in der industriellen Gesellschaft be-
ständige dazu äußern, wie zeitlich unbegrenzte Lei- einflussen. Zudem ist die Konstruktion des ver-
stungen an Krankengeld und bei Krankenhauspflege trauensärztlichen Dienstes nach den bisherigen Ent-
ohne Aussteuerung geboten werden können, wie würfen ausschließlich vom Mißtrauen gegenüber
ein sinnvoller Übergang vom Krankengeld zur Rente den Patienten und gegenüber den behandelnden
geschaffen werden kann und wie gewährleistet wer- Ärzten getragen. Das wird den gesundheitlichen
den kann, daß die Wiederherstellung der Gesund- Anliegen, um die es geht, nicht gerecht. Der ver-
heit und der Erwerbsfähigkeit den unbedingten trauensärztliche Dienst hat mehr zu sein als eine
Vorrang vor der Rentenzahlung als einer Dauerlei- -Kontrollinstitution zur Überprüfung der Arbeits-
stung erhält. Hier geht es um ein zentrales Problem unfähigkeit.
einer neuzeitlichen Krankenversicherung. (Abg. Ruf: Das ist auch unsere Meinung!)
Selbstverständlich müssen bei Krankheit ausrei- — Ja, Herr Kollege Ruf, dafür müssen wir aber
chende Geldleistungen gewährt werden. Durch die Voraussetzungen schaffen. Wenn es nämlich mit
Gestaltung der Leistungen muß aber erreicht wer- Unterstützung von Sachverständigen gelingt, den
den, daß die Krankenversicherung wirksamer als vertrauensärztlichen Dienst zu einem sozialärzt-
bisher in das. System der Rehabilitation, in die Wie- lichen Dienst umzugestalten, wird das unerquick-
dergewinnung der Gesundheit und der beruflichen liche Nebeneinander von unterschiedlichen Begut--
Leistungsfähigkeit eingebaut wird. In dieser Hin- achtungen beseitigt.
sicht ist es bei uns noch schlecht bestellt. Wir erwar- (Beifall bei der SPD.)
ten deshalb, daß uns Sachverständige und Wissen
schaftler helfen, hier zu besseren Lösungen zu Zudem kann ein solcher sozialärztlicher Dienst
kommen. durch verbesserte diagnostische Beratungen nicht
nur zur Gesundschreibung, sondern vor allem zur
Zu 3. Die Krankenhäuser können ihre bedeut- Gesundung der Versicherten beitragen.
samen Aufgaben für den erkrankten Menschen nur
erfüllen, wenn die Beziehungen zwischen der Kran- (Erneuter Beifall bei der SPD.)
kenversicherung und den Krankenhäusern zweck- Darauf kommt es für die Volkswirtschaft und für
entsprechend gesetzlich geregelt werden. Die Reform den Menschen entscheidend an.
der Krankenversicherung bietet für den Bundes- Zu 5. Der Gedanke der Selbstverwaltung wird
gesetzgeber einen Ansatzpunkt, um zur Minderung als wichtige Grundlage unserer Sozialversicherung
der Sorgen der Krankenhäuser und zur Lösung der auf allen Seiten des Hauses bejaht. Der Regierungs-
Krankenhausfrage beizutragen. Hierbei geht es nicht entwurf sieht jedoch vor, die soziale Selbstverwal-
nur um die wichtige Frage der Höhe des Pflege- tung einzuengen, anstatt sie zu stärken. Deshalb soll
satzes, sondern auch darum, wo eine sinnvolle nach unserer Auffassung das Gutachten der Sachver-
Grenze zwischen der ambulanten ärztlichen Behand- ständigen Vorschläge für eine Synthese von Selbst-
lung und der Behandlung im Krankenhaus liegt. Das verwaltung und Staatsaufsicht enthalten, durch die
sind Probleme von fundamentaler Bedeutung für die die Entfaltung der konstruktiven Kräfte gefördert
Ärzte, für die Krankenhäuser und für die Patienten. wird.
(Beifall bei der SPD. — Abg. Ruf: Aber Zu 6. Der Aufwand der sozialen Krankenver-
keine neuen Probleme!) sicherung beläuft sich auf rund 10 Milliarden DM
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4471
Dr. Schellenberg
jährlich. Das macht es selbstverständlich erforder- setzungen für .die Arbeit der Kommission zu schaf-
lich, im Rahmen einer Krankenversicherungsreform fen hat.
auch die finanziellen Zusammenhänge sorgfältig zu Wir .sind uns natürlich darüber klar, daß die Sach-
prüfen. verständigen durch ihr Gutachten den gesetzgeben-
Aber noch etwas anderes, meine Damen und den Körperschaften die Verantwortung für die Ge-
Herren! Die Verwaltungskosten für alle sozialen staltung der Krankenversicherung nicht abnehmen
Leistungen betragen gegenwärtig insgesamt 2,5 Mil- können. Die Sachverständigen können aber dazu
liarden DM jährlich. beitragen, die politischen Entscheidungen, die ge-
(Hört! Hört! bei der SPD.) troffen werden müssen, zu erleichtern. Darauf
kommt es an.
— Gesamtverwaltungskosten für den sozialen Be-
reich ! Bei dieser Sachlage läßt es sich nicht verant- (Sehr wahr! bei der SPD.)
worten, durch gesetzliche Regelungen den Verwal- Es erhebt sich die Frage — ich will ihr nicht aus-
tungsaufwand nicht nur für die Träger der Kranken- weichen; denn wir wollen heute mit voller Klar-
versicherung, sondern auch für die Betriebe, die heit sprechen —, oh nicht mit der Berufung einer
Ärzte, die Krankenhäuser und dergleichen noch wei- Sachverständigenkommission die Reform , der Kran-
ter zu erhöhen. kenversicherung für diese Legislaturperiode zum
(Beifall bei der SPD.) Scheitern verurteilt wird. Meine Damen und Herren,
niemand kann einer solchen Kommission von vorn-
Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung, mit Unter-
herein Termine setzen. Aber es wäre durchaus mög-
stützung von Sachverständigen alle Anstrengungen
lich, daß das Gutachten noch vor der nächsten Som-
zu unternehmen, um die Verwaltung auch der sozia-
merpause vorliegt. Gestützt hierauf könnten dann
len Krankenversicherung zu vereinfachen und sie
die Ausschuüsse die Beratung der Regierungsvor-
nicht ins Unerträgliche zu komplizieren.
lage zu einem sinnvollen Abschluß bringen. Auf
Zu 7. Selbstverständlich ist auch etwaigen Miß- diese Weise wäre der Sache, um die es geht, ein
ständen in der gesetzlichen Krankenversicherung guter Dienst erwiesen. Allein darauf sollte es an-
zu begegnen. Diese Zusammenhänge müssen vor- kommen.
urteilsfrei geprüft und erörtert werden. Wir sind zur (Beifall bei der SPD.)
Mitarbeit auch in dieser Hinsicht bereit. Denn nie-
mand, der Verantwortung trägt, will Mißstände be- Ich komme zum Schluß. Der Herr Bundeskanzler
stehen lassen. Deshalb soll das Gutachten der Sach- hat sich in seiner Regierungserklärung zu einer
verständigen sich auch zu etwaigen Mißständen Sozialpolitik aus einem Guß bekannt und eine
äußern und nach Möglichkeit Vorschläge zu ihrer Sozialenquete in Aussicht gestellt. Über das, was in
Beseitigung machen. dieser Hinsicht von der Mehrheit bisher versäumt
wurde, will ich jetzt nicht sprechen. Allein ent-
Es steht den Sachverständigen nach unserem An- scheidend ist für uns, daß endlich ein Anfang
trag frei, sich auch zu weiteren grundsätzlichen Fra- gemacht wird. Es ist notwendig, bessere Grundlagen
gen — nicht technischen Angelegenheiten — der für eine Krankenversicherungsreform zu schaffen,
Krankenversicherungsreform gutachtlich zu äußern. zumal die Regierungserklärung zugibt, daß sich im
Die Sachverständigenkommission kann ihre ver- Bereich der Krankenversicherungsreform besondere
antwortungsvolle Aufgabe nur meistern, wenn ihr Schwierigkeiten ergeben haben. Die grundlegenden
jede mögliche Hilfe zur Verfügung gestellt wird. Probleme müssen vor Beschlußfassung über ein
-
Deshalb soll die Kommission nach ihrem Ermessen Reformgesetz geklärt werden.
weitere Sachverständige an der Ausarbeitung des (Sehr richtig! bei der SPD.)
Gutachtens beteiligen. Wir sehen deshalb in unse-
rem Antrag vor, daß alle Dienststellen, insbesondere Es wäre höchst sinnwidrig, den Rat von Sachver-
die Träger der Krankenversicherung, die kassenärzt- ständigen erst zum Zwecke der Behebung von Feh-
lichen und -zahnärztlichen Vereinigungen, verpflich- lern in der Gesetzgebung, die jetzt noch vermieden
tet werden, der Kommission die erforderliche Unter- werden können, einzuholen. Nach den vielfältigen
stützung zu gewähren. Enttäuschungen, die es mit den Regierungsentwür-
Wenn das Gutachten — und das ist ein entschei- fen zur Neuregelung der Krankenversicherung
dender Punkt, meine Damen und Herren — Grund- gegeben hat, müssen endlich die Voraussetzungen
lagen für eine Neugestaltung unserer Krankenver- für eine Reform — darauf kommt es uns an —
sicherung schaffen soll, dann muß die Unabhängig- geschaffen werden, die den Erfordernissen des
keit der Sachverständigenkommission gewährleistet Industriezeitalters entspricht.
werden. Das schlechte Beispiel des Beirats für die Mit unserem Antrag auf Berufung der Sachver-
soziale Neuordnung, der seinerzeit beim Bundes- ständigenkommission für die Krankenversiche-
arbeitsministerium gebildet wurde und der seit 1958 rungsreform machen wir ein politisch und fachlich
vom Arbeitsminister nicht mehr zusammengerufen ,fundiertes Angebot, um die Schwierigkeiten zu
wurde, darf sich nicht wiederholen. überwinden, von denen in der Regierungserklä-
(Sehr richtig! bei der SPD.) rung gesprochen wird. Wir haben die Hoffnung,
meine Damen und Herren, daß das ganze Haus
Deshalb beantragen wir, daß die Mitglieder der unserem Antrag zustimmt, weil damit den Grund-
Kommission vom Herrn Bundeskanzler berufen wer sätzen der Regierungserklärung entsprochen würde.
den und daß das Bundeskanzleramt die Voraus Denn wir können und wollen nicht glauben, daß in
4472 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963
Dr. Schellenberg
dieser Hinsicht die Regierungserklärung nur für Sachverständigen in Deutschland für dieses Spitzen-
die Bedürfnisse des Tages und nicht als Richtlinie gremium auch wieder nicht; es würden vielleicht
für die Politik formuliert wurde. vielfach die gleichen Leute sein.
(Beifall bei der SPD.) Nun räume ich gern ein, und jeder Kenner der
Materie wird mir sicherlich beistimmen, daß das ge-
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der samte Gebiet der sozialen Krankenversicherung ein
Bundesarbeitsminister. reichhaltiges, vielfach auch schwer überschaubares
Gebilde ist und daß völlig unabhängig von dem
Ihnen jetzt vorliegenden Reformgesetzentwurf auch
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- nach Verabschiedung dieses Entwurfs immer wieder
nung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Probleme auftauchen werden, die der kritischen
Ich will nicht in eine Diskussion über die Kranken- Untersuchung, der Auswertung, der Beobachtung be-
versicherungs-Neuregelung eintreten; die haben wir dürfen. Es erschiene mir daher sinnvoll, diesen Aus-
am 23. Januar dieses Jahres hier geführt. Seitdem schuß, dessen Erkenntnisse wir uns schon einmal
befindet sich die Gesetzesvorlage in dem zustän- bedient haben, im Hinblick darauf, daß auch nach
digen Ausschuß, und es ist Sache des Ausschusses, Abschluß des genannten Gesetzgebungswerkes die
diese Vorlage zu beraten und sie eines Tages zur Probleme immer wieder auftauchen, wieder zu akti-
zweiten und dritten Lesung dem Parlament wieder vieren, ihn mit solchen Aufgaben zu betrauen. So-
zuzuleiten. wohl Regierung als auch Parlament würden wohl
(Abg. Frau Kalinke: Auch Sache des Vor gleichermaßen gern bereit sein, sich diese Erkennt-
sitzenden!) nisse immer dienstbar zu machen. Daher bedarf es
Die Bundesregierung hat schon bei ihrer Geset- meiner Ansicht nach keiner neuen Kommission mit
zesvorlage, die sie zum gleichen Thema in der ver- neuer Aufgabenstellung, sondern es bedarf nur,
gangenen Legislaturperiode gemacht hatte, ebenso wenn wir unser Werk abgeschlossen haben, der
wie bei der Gesetzesvorlage, die sie in dieser Legis- neuen Aktivierung dieser Arbeit.
laturperiode eingebracht hat, sich bei der Vorberei- Zu den vorliegenden Entwürfen sagte Herr Schel-
tung der Entwürfe die Arbeitsergebnisse zweier lenberg, es müsse endlich ein Anfang gemacht wer-
Kommissionen zunutze gemacht. Es handelt sich um den. Nun, meine Damen und Herren, wir haben
die bekannten Gutachten über die Grundsätze einer einen Anfang gemacht.
Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, ein-
mal das sogenannte Vier-Professoren-Gutachten (Sehr richtig; bei der CDU/CSU.)
der Professoren Achinger, Höffner, Muthesius und Wir haben über die Dinge hier grundsätzlich in
Neundörfer und zum andern das Gutachten des erster Lesung gesprochen. Wir sind in der Beratung
Ausschusses für Krankheitsbekämpfung; dieser Aus- im Ausschuß. Herr Schellenberg, wenn Sie sich von
schuß war, wie Sie wissen, ein Unterausschuß des diesen Beratungen absentiert haben, dann steht es
Beirats für die Neuordnung der Sozialleistungen, Ihnen wohl nicht gut an, nunmehr als Aushänge-
der in der Zeit von 1955 bis 1958 — achten Sie bitte schild dafür zu sagen, man brauche noch einmal ein
auf das Datum, denn es wurde eben gesagt, er sei neues Gutachten. Das hätte Ihnen schon bei der
seit 1958 nicht einberufen worden — ein umfassen- ersten Lesung einfallen müssen.
des Gutachten zur Reform der Krankenversicherung
erarbeitet hat. (Beifall bei der CDU/CSU.)
-
Wir haben uns also bei der Abfassung unserer Überdies haben sich eine große Anzahl — ich kann
Entwürfe Gutachten in genügender Zahl, abgefaßt, sie gar nicht mehr alle aufzählen — von Sachver-
was den Sachverstand anbetrifft, von hervorragen- ständigen und auch von Interessenten — auch die
den Herren, zunutze gemacht. Es scheint mir daher müssen zu Wort kommen; wer will ihnen das ver-
wenig sinnvoll — ich spreche es ganz offen aus —, wehren — zum Gesetzentwurf der Bundesregierung
nunmehr, wo wir mitten in der Beratung des Ent- geäußert. Meine Damen und Herren, ich trete doch
wurfs stehen, niemandem von Ihnen in diesem Hohen Hause zu
(Abg. Killat: Seit vier Jahren!) nahe, wenn ich sage: Sie haben doch geradezu
Mühe, das vorliegende schriftliche Material in sei-
ein drittes Gutachten einzuholen. nem ganzen Umfang überhaupt noch zu lesen.
(Sehr richtig! in der Mitte.) (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
Es ist nämlich gar nicht zu erwarten — weil das,
was in der Krankenversicherung nottut, nicht erst Wenn Sie also glauben, durch dessen Vermehrung
seit gestern und nicht erst seit heute jedermann, dem Hohen Hause dienen zu können, irren Sie.
nicht nur Sachverständigen, bekannt ist —, daß die Es wäre reizvoll für mich, auf die einzelnen
Ergebnisse eines dritten Gutachtens zu völlig neuen Punkte Ihrer Rede einzugehen. Ich will mir das aber
Erkenntnissen führen würden. Außerdem — und versagen, weil ich nicht eine unzeitgemäße Diskus-
da stimme ich mit der SPD einfach nicht überein — sion über die Krankenversicherungsreform, eine so-
käme darin eine abwertende Kritik an der Arbeit genannte nachholende zweite erste Lesung hier mit
dieser beiden Kommissionen zum Ausdruck, die Ihnen veranstalten möchte. Wir sind jetzt in der
nicht nur ungerechtfertigt wäre, sondern auch die Ausschußberatung. Es steht allen Fraktionen frei,
Tätigkeit einer dritten Kommission von vornherein sich der Ergebnisse dieser gutachtlichen Äußerungen
belasten müßte. Denn so zahlreich sind nun die zu bedienen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4473
Bundesminister Blank
Auf eines aber möchte ich hinweisen, und ich das Parlament, Herr Kollege Wehner, darf sich nicht
hoffe, daß das ganze Hohe Haus mit mir darin über- auf eine Linie des Rückzugs vor den Verbänden be-
einstimmt — ich darf wohl dessen sicher sein —: geben.
kein Gutachter und kein Gutachten einer irgendwie (Beifall bei der CDU/CSU.)
gearteten und zusammengesetzten Kommission kann
Das Parlament, meine Damen und Herren, hat end-
Ihnen, die Sie allein das Recht zur Legislative ha- lich zu beweisen, daß es in der Lage ist, notwendige
ben, die politische Entscheidung abnehmen. Reformen auch gegen Widerstände, auch gegen ein
(Beifall bei der CDU/CSU.) Trommelfeuer der Interessenten durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, worum geht es hier? Es (Abg. Wehner: Ist , der Herr Storch ein Inter
geht um eine politische Entscheidung in einem be- essent gewesen oder der Herr Arndgen
deutsamen Bereich der sozialen Sicherung. Meine oder der Herr Scheppmann?)
Damen und Herren, die erbitte ich mir von Ihnen. — Daß die SPD die Krankenversicherungsreform,
Da kann mir im Augenblick kein Gutachten helfen. Herr Kollege Wehner, mit diesem Antrag ein zwei-
Ich bitte daher das Hohe Haus, dem Antrag der tes Mal wiederum begraben will, das wundert uns
SPD nicht stattzugeben. keineswegs. Herr Kollege Schellenberg hat ja schon
(Beifall bei der CDU/CSU.) bei der ersten Lesung angekündigt, daß die SPD
dieses Mal der Reform der Krankenversicherung
einen noch schärferen Kampf ansagen wolle, als es
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der das letzte Mal der Fall war.
Abgeordnete Ruf. (Zurufe von der SPD.)
Wir wundern uns auch schon deswegen gar nicht,
Ruf (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen Herr Kollege Wehner, weil das bei einer hundert-
und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Fraktion bitte jährigen Partei ja gar nicht anders sein kann. Sie
ich, den Antrag, den soeben Herr Kollege Schellen- kommen aus ihren alten, eingefahrenen Gleisen,
berg begründet hat, abzulehnen. Dieser Antrag hat besonders auf dem Gebiet der Sozialpolitik, nicht
nur den einen Zweck, das Sozialpaket aufzuschnü- heraus.
ren und die Reform der sozialen Krankenversiche-
(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und
rung auch in dieser Legislaturperiode zu beerdigen.
Zurufe von der SPD.)
(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.) Wir wissen doch — dafür haben wir Verständnis,
Da ist gar kein Zweifel. Nach Auffassung der CDU/ meine Damen und Herren von der Opposition —,
CSU-Fraktion muß das Sozialpaket als Ganzes ver- daß Sie immer eine geraume Zeit brauchen,
abschiedet werden. Wir halten nach wie vor an dem (Abg. Wehner: Sie sind schlechter als Ihr
Junktim der drei Gesetzentwürfe fest. Insbesondere Ruf!)
kann auf die gleichzeitige Verabschiedung der Re-
form der Krankenversicherung auf keinen Fall ver- bis Sie zu den notwendigen Erkenntnissen kom-
zichtet werden. men.
(Lachen und Zurufe von der SPD.)
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Der Herr Kollege Erler hat in seiner ausgezeich-
Ein erneutes Scheitern der Krankenversicherungs- neten Rede zur Regierungserklärung seinerzeit ge--
reform — seien wir uns darüber im klaren — wäre sagt, Sozialpolitik von heute sei nicht mehr Not-
ein Armutszeugnis für uns alle, für das ganze Haus, standspolitik, sondern sei Wohlstandspolitik. Das
für das ganze Parlament. ist ein sehr gutes Wort, das habe ich mir sehr gut
gemerkt, das hat mir sehr gut gefallen.
(Beifall bei der CDU/CSU.)
(Zuruf von der SPD: Aber Sie beherzigen
Die Krankenversicherungsreform ist ja schon ein- es nicht!)
mal gescheitert. Ein Korrespondent einer angesehe-
Das ist auch unsere Auffassung. Aber, meine Damen
nen Zeitung, den viele von Ihnen sehr gut kennen,
und Herren, dann muß man auch die richtigen Kon-
hat in einem Buch — einem sehr lesenswerten Buch
sequenzen ziehen.
— „Weil alle besser leben wollen" geschrieben, das
Scheitern der Krankenversicherungsreform in der (Zuruf von der SPD.)
dritten Legislaturperiode sei ein Lehrstück über Dann muß man auch sehen, daß wir Sozialpolitiker
Macht und Ohnmacht vernünftiger Ideen in einer uns heute im 20. Jahrhundert in dieser Wohlstands-
Massendemokratie. Meine Damen und Herren, das gesellschaft alle Mühe geben müssen, um mit den
sollten wir uns nicht noch ein zweites Mal sagen Problemen und Sorgen, die aus dieser Wohlstands-
lassen müssen. entwicklung, aus der Vollbeschäftigung, aus der
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Überbeschäftigung usw. entstehen, fertig zu werden,
Abg. Wehner.) und bestrebt sein, die sozialen Einrichtungen, die
Einrichtungen der sozialen Sicherung von heute den
Das Parlament — und das Parlament ist hier ange- Gegebenheiten von heute anzupassen. Man kann
sprochen und nicht mehr die Regierung und nicht eben eine Krankenversicherung, die im wesent-
mehr der Herr Bundeskanzler —, lichen noch auf gewissen Gegebenheiten des
(Zuruf des Abg. Wehner) 19. Jahrhunderts, auf der Notstandspolitik des
4474 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963
Ruf
19. Jahrhunderts beruht, nicht mehr so weiterfüh- nichts Neues mehr vorschlagen und dazu sagen kann.
ren, als ob sich in der Zwischenzeit nichts geändert Der Asgard-Verlag hat sieben dicke Bände mit Doku-
hätte. menten und Stellungnahmen zur Sozialreform zu-
Nun sagt unsere gute SPD, dazu bedürfe man eines sammengestellt. Das ist ein Verdienst von Dr. Rich-
neuen Gutachtens einer Sachverständigenkommis- ter, der das gemacht hat; das erleichtert uns die
sion. Eine Sachverständigenkommission soll erneut Arbeit. Lassen Sie mich einmal aus dem Inhaltsver-
über die Reform der Krankenversicherung beraten. zeichnis dieser Dokumentensammlung einiges vor-
Wie wenn wir nicht schon genügend Gutachten hät- lesen, damit Sie sehen, was in der Vergangenheit
ten! Wir haben Gutachten und Stellungnahmen in auf diesem Gebiet schon begutachtet worden ist. Ich
einer solchen Zahl, daß man damit allmählich ganze kann natürlich von diesen 17 Seiten Inhaltsverzeich-
Bibliotheken füllen kann. Meine Damen und Her- nis nur einige Positionen herausgreifen.
ren, die Literatur zur Krankenversicherung ist ja
Da gibt es z. B. sehr lesenswerte „Grundgedanken
kaum mehr zu übersehen.
zur Gesamtreform der sozialen Leistungen" aus
Wir haben einen Beirat zur Neuordnung der so- dem Jahre 1955 von dem damaligen Bundesarbeits-
zialen Leistungen. Der Herr Kollege Blank hat vor- minister, dem Kollegen Storch. Dann die Ergebnisse
hin die Protokolle der Sitzungen dieses Beirates er- der Arbeitstagung des Beirats für die Neuordnung
wähnt. Ich würde Ihnen empfehlen, sie nachzulesen. der sozialen Leistungen, insbesondere die „Be-
Manches davon ist sehr Lesens- und beherzigens- schlüsse des Arbeitsausschusses für Fragen der
wert. Diese Protokolle füllen bereits ganze Akten- Krankheitsbekämpfung (einschließlich Krankenver-
schränke. Dieser Beirat und sein Unterausschuß — sicherung)" und einen langen ausführlichen schrift-
er hat einen Unterausschuß für Fragen der Krank- lichen Bericht des Vorsitzenden dieses Ausschusses.
heitsbekämpfung inklusive Krankenversicherung ge- Es gibt Stellungnahmen des Bundesrates und aus-
schaffen — haben in sehr, sehr ausführlichen Gut- drückliche Stellungnahmen, die in einzelnen Länder-
achten bereits vor langer Zeit die Arbeitsergebnisse ministerien erarbeitet worden sind; so hat z. B. das
vorgelegt. In diesem Beirat und seinen Arbeitsaus- Ministerium für Arbeit in Baden-Württemberg ein
schüssen waren Männer der Sozial- und Wirtschafts- sehr ausführliches Gutachten mit Gedanken zur Neu-
wissenschaften, Persönlichkeiten der medizinischen ordnung des sozialen Rechts vorgelegt. Auch die
Wissenschaft, der Sozialpartner, der Sozialversiche- Parteien haben sehr viel zu dieser Dokumenten-
rungsträger usw. so, wie es die SPD verlangt, ja sammlung geliefert, auch die SPD. Ich erinnere an
bereits vertreten. Diese Persönlichkeiten haben — den Sozialplan der SPD und nenne weiter: „Unser
das muß man doch anerkennen — seinerzeit eine Weg zur Sozialreform", „Gesundheitssicherung in
gründliche Arbeit geleistet. Aber — und darin liegt unserer Zeit" usw. usw. Auch die gesellschaftlichen
die Schwierigkeit — in wesentlichen Fragen sind Verbände haben einen ganzen Katalog von Stel-
die Herren — es war gar nicht anders zu erwarten lungnahmen und Gutachten zur Krankenversiche-
— eben nicht zu einheitlichen Vorschlägen gekom- rung vorgelegt; so hat z. B. der DGB zur Sozial-
men. Die anstehenden Fragen waren nämlich, wie es reform eine Denkschrift vom Juni 1956 vorgelegt.
in einem der Berichte heißt, nicht ausschließlich nach Ich erwähne weiter die „DGB-Forderungen zur Neu-
fachlichen, sondern, wie es in der Natur der Sache gestaltung der Gesundheitssicherung", die „Stel-
liegt, nach politischen Gesichtspunkten zu entschei- lungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes
den. Ich persönlich habe trotz mancher Erfahrungen zur Neuregelung des Rechts der sozialen Kranken-
immer noch eine hohe Meinung von Sachverstän- versicherung" usw. Dann erwähne ich die Stellung-
digen, insbesondere, wenn sie aus den Reihen der nahme der IG-Metall zur Gesundheitssicherung und
Wissenschaft kommen. Aber kein Sachverständiger zur Krankenversicherung, die Stellungnahme der
— da hat Herr Kollege Blank recht — kann uns die DAG zur Reform der sozialen Krankenversicherung.
Last — und es ist eine Last — der politischen Ent- Weiter nenne ich die Äußerungen der Sozialaus-
scheidung abnehmen. Der Mut zur Entscheidung schüsse der christlich-demokratischen Arbeitnehmer-
und der Wille, das was wir als richtig und als not- schaft, der Bundesvereinigung der Deutschen Ar-
wendig erkennen, auch durchzusetzen, wird von uns beitgeberverbände, des Bundes Katholischer Unter-
gefordert; dazu sind wir da. nehmer, alles sehr lesenwerte Gutachten. Unabseh-
bar ist die Zahl der Stellungnahmen der Verbände
Wir wissen doch auch alle, daß man unterscheiden der freien Berufe, insbesondere der Ärzte. Ich
muß zwischen Sachverständigen und Sachverstän- brauche das im einzelnen gar nicht aufzuzählen.
digen. In solchen Gremien sitzen nicht nur unabhän- Selbstverständlich haben sich auch alle Kranken-
gige Experten, sondern mitunter sehr, sehr abhän- kassenarten in ihren Gremien in der Vergangenheit
gige Vertreter von bestimmten Gruppen und wei- sehr intensiv mit den Fragen der Reform beschäf-
sungsgebundene Funktionäre, die gar nicht in der tigt. Diese Diskussionen haben sich in ausführlichen
Lage sind, eine andere Meinung als die ihres Ver- Gutachten und Stellungnahmen niedergeschlagen,
bandes, der sie delegiert hat, zu vertreten. Darüber so z. B. des Bundesverbandes der Ortskrankenkas-
müssen wir uns doch auch im klaren sein. sen, der Verbände der Ersatzkassen, in gemein-
Was soll uns eine solche Sachverständigenkom- samen Vorschlägen der Bundesspitzenverbände der
mission überhaupt noch Neues auf diesem Gebiet Krankenversicherung usw. Die Verbände der Privat-
sagen? Die Krankenversicherungsreform ist doch versicherung haben dazu Stellung genommen, eben-
schon seit Jahren auf nationaler und auch auf inter- so der Bundesverband der Vertrauensärzte mit
nationaler Ebene nach allen Seiten hin durchleuchtet seinem Gutachten: „Die Sozialreform und die künf-
und durchdiskutiert worden, so daß man einfach tige Stellung des Vertrauensarztes". Dann, Herr
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4475
Ruf
Kollege Schellenberg, hat auch die Deutsche Kran- Kampf um Sonderinteressen und Sondervorteile. Da-
kenhausgesellschaft Stellung genommen: „Ein Wort mit haben wir uns als Sozialpolitiker auseinander-
der Krankenhäuser an die Öffentlichkeit" und „Stel- zusetzen, da stehen wir im Kreuzfeuer dieser
lungnahme zum Referentenentwurf eines Kranken- Kämpfe. Wir haben auszugleichen und dafür zu
versicherungs-Neuregelungsgesetzes". Ferner haben sorgen, daß das allgemeine Wohl nicht zu kurz
private wissenschaftliche Vereinigungen Stellung kommt. Auch diese Aufgabe können wir nicht auf
genommen. Die Gesellschaft für sozialen Fortschritt eine Sachverständigenkommission abschieben.
e. V. hat, mit Bundesmitteln unterstützt, eine Kom-
mission eingesetzt, die ein sehr ausführliches und Herr Kollege Erler hat in der Aussprache zur
wirklich gutes Gutachten zu Fragen der Kranken- Regierungserklärung gemeint, durch eine Sachver-
versicherung vorgelegt hat. Die Gesellschaft für Ver- ständigenkommission könnten die Debatten um die
sicherungswissenschaft und -gestaltung, der Deut- Krankenversicherungsreform entschärft und entideo-
sche Verein für öffentliche und private Fürsorge logisiert und auf einwandfreier Grundlage sachliche
haben Stellung genommen. Außerdem gibt es das Lösungen erarbeitet werden. Da kann ich nur sagen:
erwähnte Vier-Professoren-Gutachten und dazu ein welche Illusionen! Es gibt doch wenige Materien in
Gegengutachten von drei anderen Professoren. diesem Hause, die mit so viel politischem Spreng-
Dann haben die Richter von gewissen Sozialgerich- stoff geladen sind wie gerade die Dinge der Sozial-
ten Stellung genommen, des weiteren viele, viele politik. Das ist doch nun einmal unser Kummer und
Einzelpersonen; ich denke an das umfassende Gut- unser Schicksal. Auch das können wir nicht auf eine
achten von Herrn Professor Bogs oder auch an die Kommission von Sachverständigen abwälzen, damit
Dinge, die uns von Herrn Professor Preller und von müssen wir selber fertig werden.
Herrn Staatssekretär Auerbach vorgelegt worden Der Herr Bundeskanzler hat einmal — ich weiß
sind. Auch die sehr bekannte und sehr lesenswerte nicht, wann — in einer seiner Reden gesagt, er
Rede unseres Herrn Vizepräsidenten Professor wolle alles tun, um die Schallmauer der kollektiven
Carlo Schmid „Krankenversicherung in Selbstver- Meinungsbildung zu durchbrechen. Meine Damen
antwortung" ist dankenswerterweise in dieser und Herren, das ist auch beim Sozialpaket notwen-
Dokumentensammlung enthalten. dig. Das gilt insbesondere für die Lohnfortzahlung
Meine Damen und Herren, wer diese vielfältigen und für die Reform der sozialen Krankenversiche-
Erörterungen und Stellungnahmen durchgearbeitet rung. Hier sollten wir an das denken, was vor kur-
hat, muß feststellen, daß in der Tat auf diesem Ge- zem der Hauptgeschäftsführer des Deutschen In-
biet in der Vergangenheit das Äußerste bereits dustrie- und Handelstages, Dr. Düren, auf einer
geschehen ist und daß man wirklich nichts Neues Tagung der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Un-
mehr sagen kann. ternehmer in Bad Brückenau gesagt hat. Er sagte in
seiner Rede:
Man muß auch sagen, daß sich mancher guter Vor-
schlag, der in der Vergangenheit gemacht worden Gerade hier sollte man hoffen, daß es gelingen
ist, im Regierungsentwurf niedergeschlagen hat. wird, diese Schallmauer zu durchbrechen, sehen
Selbstverständlich konnte der Regierungsentwurf wir doch um uns herum in einem erschrecken-
nicht alle Vorschläge und nicht alle Gesichtspunkte den Ausmaß eine kollektive Meinungsbildung,
aufnehmen; dann wäre der Entwurf ja ein furcht- bei der die Verantwortung des einzelnen immer
barer Wechselbalg geworden. Daran ist nicht zu mehr zurücktritt, oft genug nur von Funktio-
denken. Die Regierung hatte bei der Abfassung des nären formulierte Meinungen, die mit großer
Entwurfs die Aufgabe, abzuwägen, auszugleichen Kraft und mit Rücksichtslosigkeit ohnegleichen
und dafür zu sorgen, daß man noch von einer ein- nach außen getragen werden.
heitlichen Konzeption des Entwurfs sprechen kann. Ein sehr wahres Wort, das auf unser Sozialpaket
Ich möchte sagen, das ist der Regierung gelungen. und die Auseinandersetzungen um die Schwierig-
Bei dem vorliegenden Entwurf kann man von einer keiten, die wir haben, sehr zutrifft. Lassen Sie uns,
einheitlichen Konzeption ohne jeden Zweifel spre- meine Damen und Herren, diese Mauer der kollek-
chen. tiven Meinungsbildung endlich durchbrechen und
Niemand kann erwarten, daß er in einem Reform- lassen Sie uns das Sozialpaket verabschieden!
entwurf nur seinen Standpunkt und nur sein Inter-
Der Sozialpolitische Ausschuß wird übrigens in
esse oder das Interesse seines Verbandes berück-
einer der nächsten Sitzungen die erste Lesung der
sichtigt findet. Irgendeinem Egoismus oder Gruppen-
Krankenversicherungsreform beenden. Lassen Sie
egoismus — das gilt für alle Fälle — müssen wir als
uns diese Arbeiten beschleunigen und sorgen wir
Politiker bei jeder Reform auf die Füße treten. Das
dafür, daß wir mit dem Gesetz so schnell wie mög-
bringt Unannehmlichkeiten mit sich. Aber diese
lich ins Plenum kommen. Wir dürfen notwendigen
Unannehmlichkeiten kann man eben nicht auf Sach-
Entscheidungen nicht ausweichen, indem wir neue
verständige abladen; wir müssen schon selber sehen,
Kommissionen einsetzen. Es ist lange genug gere-
wie wir damit fertig werden.
det worden. Es ist an der Zeit, daß endlich ent-
Dann noch eines. Sozialpolitik wird ja heute — schieden wird.
übrigens wie in früheren Jahren und Jahrzehnten — (Beifall bei der CDU/CSU.)
nicht bloß unter rein fachlichen und sachlichen Ge-
sichtspunkten betrieben. Das mag man bedauern;
aber an der Tatsache kommen wir nicht vorbei, daß Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
Sozialpolitik eben auch ein Machtkampf ist, ein Abgeordnete Dr. Stammberger.
4476 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Dr. Stammberger (FDP) : Herr Präsident! Meine fünften Jahrestag des letztmaligen Zusammentre-
Damen und Herren! Eigentlich war die Rede des tens dieses Beirats verknüpfen können.
Herrn Kollegen Professor Schellenberg doch sehr
(Abg. Erler: Hört! Hört!)
erfreulich, denn sie zeigt das ernsthafte Bemühen
der Opposition, an der Verwirklichung der Regie- Das wäre doch bestimmt sehr feierlich gewesen.
rungserklärung mitzuarbeiten. Mit gutem Recht,
(Lachen bei der SPD.)
Herr Kollege Schellenberg, haben Sie sich darauf
berufen, daß bereits in der Regierungserklärung Aber nachdem der Herr Bundesarbeitsminister so-
vom 18. Oktober dieses Jahres durch den Herrn eben vor dem Hohen Hause die Erklärung .abge-
Bundeskanzler eine Sozialenquete angekündigt geben hat, daß er baldmöglichst, hoffentlich nicht
worden ist. Der Sprecher unserer Fraktion, Herr erst nach idem Ende der Beratungen des KVNG,
von Kühlmann-Stumm, hat gerade diesem Punkt diesen Ausschuß — der bereits besteht und der
der Erklärung zugestimmt. Ich darf daran erinnern, fünf Jahre Zeit zur 'Erholung gehabt hat, um neuen
daß die Freie Demokratische Partei bereits in ihrem Taten entgegenzuschreiten — wieder aktivieren
Wahlaufruf im Jahre 1961 die gleiche Forderung will, kann man Ihren Antrag in den Punkten 1, 2
gestellt hat, die jetzt in der Regierungserklärung und 4 durch eine entsprechende Erklärung der Bun-
enthalten ist. Aber, meine Damen und Herren, un- desregierung als erledigt erklären. Wir stimmen
sere Vorstellungen von einer Sozialenquete sind ihm nicht zu, wir lehnen ihn nicht ab, sondern wir
umfassender. Wir sind der Meinung, man muß das betrachten ihn als erledigt durch 'die Erklärung des
sozialpolitische Problem aus einer gewissen Ge- Bundesarbeitsministers, die er vielleicht in der ge-
samtschau heraus sehen. Wir meinen, daß es unter wünschten Form noch etwas präzisieren könnte.
Umständen nicht zweckmäßig sein könnte, einen Wir wollen damit nicht warten, bis das KVNG zu
Teilbereich der Sozialpolitik, etwa die Krankenver- Ende beraten ist.
sicherung, herauszunehmen und einer gesonderten
Betrachtung zu unterziehen, Nun zu den Punkten 3 und 5 Ihres Antrags. Da
stimmen wir Freien Demokraten der Überweisung
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU) an den Ausschuß zu. Es wäre zweckmäßig, dort die
Punkte, die geklärt werden sollen und die Herr
weil hierbei nämlich die Gefahr besteht, daß die Kollege Schellenberg sehr ausführlich erörtert hat,
Dinge zu sehr isoliert gesehen werden. einmal zu prüfen, vielleicht zu ergänzen oder zu
ändern. Wir sollten sie dem Beirat bei seinen dem-
(Sehr gut! bei der FDP.) nächst wieder beginnenden Sitzungen als Material
überweisen.
Es könnte sein, daß das Gutachten, das Sie wün- Daß das KVNG augenblicklich im Ausschuß be-
schen, zu den in Punkt 3 Ihres Antrags angeschnit- raten wird — Herr Kollege Ruf, bevor Sie den
tenen Fragen zu Schlußfolgerungen führt, die inner-
Kopf schütteln, hören Sie mich bitte erst zu Ende
halb der Sozialenquete ganz anders aussehen wür-
an —, sollte 'kein 'Hinderungsgrund sein. Ich will
den.
In dieser Le- IhreHofnug,daßsKVNGoch
Aber, meine Damen und Herren, warum wollen gislaturperiode verabschiedet wird, 'durchaus nicht
wir es eigentlich der Opposition verübeln, oder wa- trüben, sondern nur eines sagen: wenn nichts käme,
rum wollen wir sie davon abhalten, zumindest Teil- Herr Kollege, würde ich das durchaus nicht ohne
bereiche zunächst einmal zu klären? Gewundert weiteres' gleich als Armutszeugnis für den Bundes-
habe ich mich, Herr Kollege Schellenberg — und tag betrachten.
ich habe Ihnen das ja schon gestern bei einem per- (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der
sönlichen Gespräch gesagt —, über die Punkte 1 Mitte.)
und 2 Ihres Antrages, mit denen Sie die Einsetzung
einer Sachverständigenkommission verlangen. So- Ich bin der Meinung, lieber gar nichts als etwas
wohl Herr Minister Blank wie auch Herr Kollege Schlechtes
Ruf haben Ihnen gesagt, daß. ein solcher Ausschuß (erneuter Beifall bei der SPD — Zuruf des
bereits besteht, und zwar auf Grund Ihrer Initia- Abg.Ruf)
tive. Am 21. Februar 1952 hat in diesem Hohen — warten Sie bitte mit Ihrem Beifall —, womit ich
Hause eine ganz ähnliche Debatte stattgefunden
nichts über den Regierungsentwurf gesagt haben
auf Grund eines Antrags von Ihnen, mit dem Sie will.
die Einsetzung einer sozialen Studienkommission
(Heiterkeit bei der SPD.)
gefordert haben. Dieser Antrag wurde damals ab-
gelehnt; angenommen aber wurde ein Gegenantrag Aber wie auch immer die Behandlung des Sozial-
der damaligen Regierungskoalition, die im wesent- paketes aussieht, eine Ideallösung ist es nicht und
lichen auch die heutige ist, auf Grund dessen der kann es auch gar nicht sein, vor allem keine Ideal-
Beirat für die Neuordnung der Sozialleistungen läsung für längere Zeit. Die kann es gar nicht ge-
beim Bundesarbeitsministerium eingerichtet wurde. ben. In der Sozialpolitik ist alles immer i m. Wan-
Und jetzt, Herr Kollege Schellenberg, muß ich Ihnen del 'begriffen. Jede Sozialpolitik ist abhängig und
einen Vorwurf machen. Sie hätten Ihren heutigen bedingt von den wirtschaftlichen Verhältnissen, von
Antrag vier Wochen eher stellen sollen; dann wäre der gesellschaftspolitischen Entwicklung und im vor-
die heutige Debatte vielleicht schon um den 13. Ok- liegenden Fall der sozialen Krankenversicherung
tober herum gewesen, und wir hätten sie mit dem auch noch von gesundheitspolitischen Erfordernis-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4477
Dr. Stammberger
sen, von den Erkenntnissen der Wissenschaft und mir beschafft. Dieses Gutachten wurde seinerzeit
dergleichen mehr, beispielsweise von psychologi- auf Anregung des Herrn Bundeskanzlers erstattet
schen Faktoren. Alle diese Dinge sind in einem und sollte — das ist der entscheidende Punkt —,
ständigen Wandel und Fortschritt begriffen, .und die wie auch die Überschrift lautet, zur Neuordnung
Arbeit an den sozialen Problemen, insbesondere der sozialen Leistungen Stellung nehmen. Es behan-
auch und gerade an der sozialen Krankenversiche- delt also die gesamte soziale Sicherung, und des-
rung, muß sich kontinuierlich weiter entwickeln halb wird darin zur Krankenversicherung nur kurz
können. Sie kann und darf nicht stehenbleiben. Ich Stellung genommen, jedenfalls nicht zu den Grund-
bin der festen Überzeugung — auch da stimme ich problemen, die nach unserer Auffassung unbedingt
mit dem Herrn Minister Blank völlig überein —, geklärt werden müssen. Entscheidend ist aber, daß
daß die weitere Arbeit des Beirats, völlig unabhän- die Bundesregierung aus diesem Gutachten der
gig von den Beratungen des Sozialpolitischen Aus- Sachverständigen, die der Herr Bundeskanzler sei-
schusses, Unis wertvolle Erkenntnisase für die Zu- nerzeit mit der Erstellung betraute, nicht die Konse-
kunft bringen wird. So habe ich auch den Wunsch quenz gezogen hat, eine Gesamtkonzeption der
des Herrn Bundeskanzlers nach einer Sozialenquete sozialen Leistungen zu entwickeln.
in der Erklärung der Bundesregierung aufgefaßt, (Zustimmung bei der SPD.)
daß eben hier an die Zukunft gedacht wird. Es
Sie alle noch einmal das täten, was wäregut,n An einer Gesamtkonzeption fehlt es heute immer
ich gestern getan halbe: ich habe diese Punkte der noch!
Regirunskläache. Im übrigen, meine Damen und Herren, möchte
Herr Kollege Ruf, wenn wir die Punkte 3 und 5 ich aus diesem Gutachten, auf das der Herr Bundes-
des Antrags an den Sozialpolitischen Ausschuß arbeitsminister und auch Sie, Herr Kollege Ruf,
überweisen, so hat die ganze Sache noch einen plötzlich so großen Wert legen, einige Sätze vorle-
anderen heilsamen Effekt. Sie wissen ja, daß sich sen:
die antragstellende Fraktion an den Ausschußarbei- Für die erfolgreiche Neuordnung der sozialen
ten, soweit sie die soziale Krankenversicherung Hilfe ist es erforderlich, daß die sozialen Tat-
betreffen, nicht mehr beteiligt. Wenn nun der An- bestände bekannt sind. Auch heute fehlt daran
trag, zumindest die Punkte 3 und 5, dort, wie unsere noch vieles.
Fraktion das gern möchte, zur Behandlung ansteht,
So sagen diese Sachverständigen. Dann heißt es
wird die antragstellende Fraktion natürlich wieder- weiter:
kommen müssen, um ihren Antrag zu begründen
und entsprechend durchzusetzen. Die vorliegende Denkschrift

(Zuruf der Abg. Frau Kalinke.) — das ist die Denkschrift, auf die sich der Bundes-
arbeitsminister und Sie, Herr Kollege Ruf, bezie-
— Frau Kalinke, ich bin fest davon überzeugt, daß hen —
Sie auch dann noch Zeit genug haben werden, dort
ist in allen Teilen bemüht gewesen, von den
im Ausschuß wie die Sprecher der SPD Ihre eigenen
sozialen Tatbeständen auszugehen, so gut sie
Gedanken und Ihre eigene Meinung vorzutragen. erfaßt werden konnten. Sie mußte sich aber bei
Der Ausschuß wird dann wieder mit allen politi- vielen Fragen mit dem Mangel ausreichender
schen Richtungen vertreten sein, und das kann für sozialer Evidenz abfinden.
die kontinuierliche Weiterarbeit an diesem Problem (Abg. Wehner: Hört! Hört! — Zuruf des
nur gut sein. Abg. Ruf).
Auch aus diesem Grunde schlagen wir vor, die Deshalb bestätigt 'das Gutachten, auf das Sie sich
Punkte 3 und 5 an den Ausschuß zu überweisen. berufen, geradezu die Notwendigkeit der von uns
Im Namen der Ausschußmitglieder meiner Fraktion beantragten Sachverständigenkommission, die näm-
möchte ich Ihnen von der SPD-Fraktion ein fröh- lich die Tatbestände zusammentragen soll, deren
liches Wiedersehen im Sozialpolitischen Ausschuß Kenntnis für eine Neuordnung der Krankenversiche-
zurufen. rung notwendig ist.
(Heiterkeit und Beifall rechts.)
Zweitens: Der Herr Bundesarbeitsminister will
den Beirat zur Neuordnung der sozialen Leistungen
Vizepräsident D r. Jaeger: Das Wort hat der wiederbeleben. — Nun, meine Damen und Herren,'
Abgeordnete Dr. Schellenberg. das ist eine interessante Nuance der sozialpoli-
tischen Diskussion.
Dr. Schellenberg (SPD) : Meine Damen und Her-
Was war das entscheidende Kennzeichen dieses
ren! Wir verwenden hier viel weniger Zeit für
Beirates? Diesem Beirat zur Neuordnung der sozia-
dieses Thema, als Sie für Ihre internen Koalitions-
len Leistungen fehlte — und das war der wesent-
beratungen benötigen. Deshalb darf ich wohl noch
liche Mangel — die Unabhängigkeit. Der Beirat be-
wenige Bemerkungen zu dem machen, was der
stand 'aus über 40 Mitgliedern und stand unter der
Herr Bundesarbeitsminister und die Herren Kolle-
politischen Verantwortung des Bundesarbeitsmini-
gen Ruf und Stammberger gesagt haben.
sters. Dieser Beirat mußte — Herr Kollege Stamm-
Erstens. Der Herr Bundesarbeitsminister hat das berger hat darauf hingewiesen — vor 5 Jahren seine
Gutachten der vier Sachverständigen zur Neuord- Tätigkeit einstellen, weil der Bundesarbeitsminister
nung der sozialen Leistungen erwähnt. Ich habe es ihn nicht mehr einberufen hat. Daß der Beirat keine
4478 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Dr. Schellenberg
Möglichkeit hatte, selbst das in das öffentliche Be- auf das gründlichste untersucht worden ist, und
wußtsein zu bringen, bestätigt nur seine Abhängig- haben Sie nicht auch durch eigene Erfahrungen
keit und seine — man muß es leider sagen — rela- Ihrer Partei, in der Sie die Meinung der Ärzte über
tive Bedeutungslosigkeit. Der Herr Bundesarbeits- die Vorsorge gehört haben, einiges hinzugelernt? —
minister will heute — und das ist politisch wichtig Vielleicht sind Sie so liebenswürdig und nehmen
— das Kind, das er vor fünf Jahren hat sterben dazu Stellung.
lasen, wieder zum Leben erwecken.
(Beifall in der Mitte und Zurufe von der
Meine Damen und Herren, wir sind der Auffas- SPD.)
sung, daß nach den Erfahrungen, nach den traurigen
Erfahrungen, die mit diesem Beirat gewonnen wur-
den, seine Wiederbelebung nicht zu sinnvollen Er- Dr. Schellenberg (SPD) : Meine Damen Und Her-
gebnissen führen kann. ren und Frau Kollegin Kalinke im besonderen: Ich
glaube, Sie haben nicht aufmerksam zugehört
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter,
gestatten Sie eine Frage der Frau Abgeordneten (Lachen und Zurufe bei den Regierungs
Kalinke? parteien)

bei dem, was ich vorhin gesagt habe; denn daß wir
Dr. Schellenberg (SPD) : Ja, bitte schön! über die Ursachen des Krankenstandes — um nur
ein Beispiel zu erwähnen — viel zuwenig wissen,
Frau Kalinke (CDU/CSU) : Sind Sie, Herr Pro- kann doch niemand in diesem Hause bestreiten.
fessor Schellenberg, der Auffassung — und ich
frage das als Mitglied dieses Beirats —, daß auch (Beifall bei der SPD.)
die Ihrer Partei angehörenden Professoren, die dort
wesentliche Auffassungen Ihrer Partei zur Sozial- Der Krankenstand aber war gewissermaßen der
politik zur Geltung bringen konnten, in ihrer Stel- Angelpunkt für die Konzeption des Regierungsent-
lungnahme als Sachverständige etwa nicht ein ge- wurfs. Wir wissen leider über das Krankheitsge-
nügend unabhängiges Urteil gehabt haben? schehen in der industriellen Arbeitswelt noch viel
zuwenig, und deshalb muß mehr getan werden, um
durch wissenschaftliche Forschung dem Gesetzgeber
Dr. Schellenberg (SPD) : Sehr verehrte Frau die Möglichkeit zu geben, sinnvolle Entschlüsse zu
Kollegin Kalinke, ich muß feststellen, daß Sie sich fassen.
als Mitglied dieses 'Beirats, den der Herr Bundes-
arbeitsminister hat sterben lassen, fünf Jahre lang (Beifall bei der SPD.)
nicht gerührt haben, um diesen Beirat wieder zum Und nun, Frau Kollegin Kalinke, möchte ich Ihre
Leben zu erwecken. erste Frage weiter beantworten. Selbstverständlich
(Beifall bei der SPD.) ist jede einzelne dieser 42 Persönlichkeiten zu einem
unabhängigen Urteil fähig. Aber es kommt doch,
Deshalb ist es für uns keine sinnvolle Regelung, wenn es um den Beirat geht, darauf an, ob dieses
(Unruhe) Gremium seine Aufgaben erfüllen konnte und kann.
diesen Beirat, dessen Vorsitz der Bundesarbeits Das Gremium ist seit fünf Jahren nicht mehr aktiv
minister innehatte, wieder zum Leben zu erwecken. geworden und konnte sich nicht betätigen, weil der
Bundesarbeitsminister den Beirat nicht einberufen-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter hat.
Schellenberg, gestatten Sie eine weitere Zwischen- Drittens. Der Bundesarbeitsminister und Herr Kol-
frage der Abgeordneten Frau Kalinke? lege Ruf haben von Beschlüssen eines Arbeitsaus-
schusses dieses Beirats gesprochen. Sie wurden am
Dr. Schellenberg (SPD) : Bitte sehr! 13. Oktober 1958 gefaßt und ohne vorherige Bera-
tung im Beirat veröffentlicht. Der Beirat hatte also
Frau Kalinke (CDU/CSU) : Darf ich Sie bitten, noch nicht einmal die Möglichkeit, die Ergebnisse
da Sie meine erste Frage nicht beantwortet haben, seines Unterausschusses zu besprechen.
(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Ruf: Da
sehen Sie die Schwierigkeiten, die ein
Dr. Schellenberg (SPD) : Ich bin noch bei der Beirat hat!)
Beantwortung.
Die Beschlüsse dieser Unterkommission wurden
Frau Kalinke (CDU/CSU): — — sie jetzt zu be- seinerzeit veröffentlicht, um die Diskussion zu be-
antworten und gleichzeitig auch folgende .Frage zu leben. Aber, meine Damen und Herren, der Bundes-
beantworten: regierung lag an dieser öffentlichen Diskussion über
(Unruhe bei der SPD) die Stellungnahme des Unterausschusses überhaupt
nichts. Das Sozialkabinett hat nämlich wenige Tage
Glauben Sie ernsthaft, Herr Professor, daß es in der später, am 24. Oktober 1958, Grundsätze zur Neu-
Krankenversicherungsreform noch irgendein natio- ordnung der sozialen Krankenversicherung beschlos-
nales oder internationales Problem gibt, das nicht sen und sich damit politisch festgelegt,
nach allen Seiten hin von Sachverständigen aller
Richtungen und von Interessenten aller Richtungen (Abg. Ruf: Ja, natürlich!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4479
Dr. Schellenberg
ohne überhaupt eine öffentliche Erörterung über Dr. Schellenberg (SPD) : Bitte schön.
diese Meinungsäußerung des Unterausschusses ab-
zuwarten. Frau Kalinke (CDU/CSU) : Herr Professor, glau-
(Hart! Hört! bei der SPD. — Abg. Ruf: Sie ben Sie wirklich, daß es sachverständige Persönlich-
würden ja heute noch diskutieren, Herr keiten in der Bundesrepublik, die die Geschichte und
Kollege Schellenberg!) die Situation unserer Wohlstandsgesellschaft, un-
serer Industriegesellschaft kennen, geben könnte,
Viertens. Herr Kollege Ruf, Sie haben davon ge- die die Grundsätze, die der Gesetzentwurf der Re-
sprochen, daß eine ganze Reihe von Stellungnahmen gierung beinhaltet, nämlich die Stärkung der Selbst-
zu Problemen der Krankenversicherung vorliegen. verwaltung, die Stärkung der Beziehungen zwischen
Selbstverständlich, wir kennen sie genauso wie Sie. Versicherten und Ärzten, die Veränderung der Situ-
Aber was fehlt, leider auch heute noch weithin fehlt, ation, die sich aus all den Problemen ergibt, die Sie
sind fundierte wissenschaftliche Untersuchungen hier genannt haben, nicht übersehen sollten und
über eine Reihe wichtiger Fragen, die in unserem etwa nur einer parteipolitischen Auffassung huldi-
Antrag aufgegriffen sind. Daß das alles fehlt, ist gen würden?
doch ein Grund, weshalb Sie auch in Ihren internen
Beratungen nicht weitergekommen sind und wes- (Abg. Wehner: Geben Sie doch der Dame
halb wir seit vier Jahren das Durcheinander um die mal die Flasche! — Große Heiterkeit.)
Reform der Krankenversicherung erleben.
Dr. Schellenberg (SPD) : Frau Kollegin Kalinke,
(Abg. Ruf: Das hat andere Gründe!) sicherlich können Sie von den Sachverständigen
— Herr Kollege Ruf, ich weiß nicht genau, welche nichts mehr lernen. Aber meine politischen Freunde
internen Gründe es für Ihre Schwierigkeiten gibt. und ich, wir könnten aus einem Gutachten der Sach-
Aber wir wissen und müssen feststellen, daß wich- verständigen großen Nutzen ziehen.
tige Tatbestände, über die bei der Reform politisch (Beifall bei der SPD.)
zu entscheiden ist, noch nicht — leider noch nicht — Sechstens. Manchmal hatte ich den Eindruck, Herr
wissenschaftlich geklärt sind. Es ist ein erhebliches Kollege Ruf, daß mancher die Situation der Kran-
Verschulden auch des Bundesarbeitsministers, daß
kenversicherungsreform weniger nach den sach-
er die Möglichkeiten dieses Beirats, nach dieser Rich- lichen Notwendigkeiten, sondern vor allen Dingen
tung zur Klärung beizutragen, nicht genutzt hat.
unter dem Gesichtspunkt des politischen Prestiges
(Beifall bei der SPD.) beurteilt. Ich bitte Sie wirklich herzlich, Gesichts-
punkte des Prestiges zurückzustellen. Wir stellen
Fünftens. Meine Damen und Herren, es ist sachlich sie auch zurück. Denn wir selbst geben dadurch, daß
und menschlich verständlich, daß sich der Herr Bun- wir ein Sachverständigengutachten erbitten, zu, daß
desarbeitsminister gegen die Einsetzung einer Sach- sich auch für uns neue Erkenntnisse und Lehren er-
verständigenkommission wehrt. Deshalb richtet sich geben können. Bitte, betrachten Sie die Dinge nicht
unser Antrag an den Herrn Bundeskanzler. Leider unter dem Blickfeld des Prestiges. Dazu ist die An-
— ich muß es noch einmal betonen — ist er heute gelegenheit, um die es geht, zu wichtig. Schließlich
nicht anwesend. Der Bundesarbeitsminister muß sich machen wir nicht in jeder Legislaturperiode und
gegen die Sachverständigenkommission wenden, auch nicht für einen kurzen Zeitraum eine Reform der so-
deshalb, weil es unmöglich wäre, elf Sachverständige zialen Krankenversicherung.
— wie wir es beantragen — der Wirtschafts- und -
der Sozialwissenschaften, der medizinischen Wissen- (Zuruf von der Mitte: Gott sei Dank!)
schaften und der Sozialpartner zu finden, die sich zu Damit auch Sie die Möglichkeit haben, sich das
seinem Entwurf, zum Regierungsentwurf, bekennen alles auf Grund der heutigen Aussprache und ins-
würden; sie gibt es nicht in der Bundesrepublik. besondere der Anregungen des Herrn Kollegen
(Lachen und Zurufe bei den Regierungs Dr. Stammberger noch einmal zu überlegen, bitte
parteien.) ich Sie, damit einverstanden zu sein, daß unser An-
trag den Ausschüssen überwiesen wird. Dann kön-
— Meine Damen und Herren, wir wollen doch
nen wir darüber sprechen. Wie lange wir darüber
hier ein freimütiges Wort sagen. In vielen Gesprä-
sprechen wollen, liegt selbstverständlich in der
chen auch mit Ihnen, meine Damen und Herren von
Hand der Mehrheit. Die Vorlage sollte, und ich be-
der Regierungskoalition, bestätigt sich immer wie-
antrage das hiermit, dem Ausschuß für Sozialpolitik
der, daß auch Sie große Bedenken haben, ob es zu
— federführend — und dem Gesundheitsausschuß
einer sinnvollen Reform kommt. Das Hin und Her in
zur Mitberatung überwiesen werden, schon deshalb,
der Krankenversicherungsreform wird von vielen
Herr Kollege Stammberger, damit dieser Vorlage,
in Ihrem Lager als bedauerlich empfunden. Wir
wenn Sie nur für die Ziffern 3 und 5 stimmen wol-
wollen deshalb die Möglichkeit schaffen, aus den
len, eine entsprechende Form gegeben werden
Schwierigkeiten herauszukommen. Darum geht es
kann; denn die Annahme nur der Ziffern 3 und 5
uns!
halte ich nicht für sinnvoll.
(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)
(Beifall bei der SPD.)

Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter


Schellenberg, gestatten Sie eine Frage der Frau Ab- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
geordneten Kalinke? Abgeordnete Dr. Stammberger.
4480 Deuts cher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Dr. Stammberger (FDP) : Herr Präsident! Meine Bundesarbeitsminister und wir; ich nehme es jeden-
Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, wir falls an. — Er nickt.
sollten nicht so viel in die Vergangenheit schauen, Ich bin nicht einmal der Meinung, daß dieser Bei-
ob nun der Beirat etwas getan hat, was er noch hätte rat nun nur ein Gutachten erstellen sollte. Ich bin
tun können usw. Wir sollten lieber in die Zukunft vielmehr der Meinung, daß der Sinn einer Sozial-
blicken. Da sollten wir uns heute doch freuen, daß enquete und der Sinn eines solchen Beitrags ist,
der Herr Bundesarbeitsminister vorhin hier die Er- diese Fragen laufend zu überwachen und geeignete
klärung abgegeben hat — wie das früher war, sei Vorschläge aus einer möglichst politisch unabhän-
dahingestellt —, jetzt wird er an die Arbeit gehen. gigen Sachverständigensituation an die zuständige
Wir würden die Sache nur noch verzögern, wenn Stelle der Gesetzgebung, d. h. an die Bundesregie-
wir die Punkte 1, 2 und 4, um noch einmal darauf rung und an das Parlament, zu geben. Ich bin der
zurückzukommen, im Ausschuß erneut besprechen Meinung, wir können das Problem heute schon,
würden, obwohl die Kommission bereits da ist. Ich letzten Endes auch in dem Sinne, wie die Antrag-
sehe nun wirklich nicht ein, warum aus mehr oder steller es wollen, erledigen.
weniger denselben Leuten wieder eine andere Kom-
mission gebildet werden soll. Man kann die (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Dinge doch auch übertreiben. Ich bin nach wie vor
der Meinung, daß wir die Punkte 1, 2 und 4 als durch
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
die vom Herrn Bundesarbeitsminister für die Bun-
Abgeordnete Schellenberg.
desregierung abgegebene Erklärung erledigt be-
trachten sollten.
Ich will sogar noch einen weiteren Vorschlag Dr. Schellenberg (SPD) : Herr Kollege Stamm-
machen, um die Arbeit dieses Beirates zu beschleu- berger, ich bin in jeder Hinsicht bereit, nach Wegen
nigen. Ich habe vorhin gesagt, daß wir Punkt 3, zu suchen, die eine sinnvolle Regelung sicherstellen.
der der wesentliche und sachliche Inhalt Ihres An- Aber ich kann nicht verstehen, worüber hier eigent-
trages ist, dem Sozialpolitischen Ausschuß überwei- lich abgestimmt werden soll. Es liegt vor der Antrag
sen sollten, bevor wir ihn als Material an die Re- meiner Fraktion mit der Überschrift „Sachverstän-
gierung zur Behandlung im Sozialbeirat bzw. in sei- digenkommission für die Krankenversicherungs-
nem Unterausschuß Krankenversicherung geben. reform". Eine solche Sachverständigenkommission
existiert bisher nicht.
Ich bin der Meinung, daß wir den Beschluß hier
schon heute treffen können. Wir sollten heute schon (Abg. Dr. Stammberger: Der Beirat!)
beschließen: Wir geben die Fragen, die hier zu klä- Wenn man Ihrer Anregung folgt, würde es heißen:
ren sind, an die Bundesregierung, damit sie ver- „Der Bundestag wolle beschließen: Das Gutachten
anlaßt, daß im zuständigen Unterausschuß des So- soll u. a. behandeln ...". Jetzt geht es um Fragen
zialbeirats entsprechend verfahren wird. der Formulierung von Anträgen usw. Das kann man
doch nicht im Plenum erledigen. Wir bitten Sie des-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter, halb, damit einverstanden zu sein, daß der Gesamt-
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten antrag dem Ausschuß überwiesen wird. Dann kann
Frau Dr. Hubert? man sehr schnell, vielleicht in einer einzigen Sit-
zung, eine Formulierung finden, die der Sache
Dr. Stammberger (FDP) : Selbstverständlich. dient und die auch Ihrem Anliegen entspricht.

Frau Dr. Hubert (SPD) : Herr Kollege Stamm- Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
berger, ich weiß nicht, ob ich den Arbeitsminister Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
falsch verstanden habe. Sie sagten, er habe gesagt,
er wolle den Beirat jetzt wieder beleben. Ich habe Wir kommen zur Abstimmung. Der Abgeordnete
verstanden, wenn das Gesetz verabschiedet ist, Schellenberg hat beantragt, den Antrag der Fraktion
dann wolle er es tun. der SPD auf Drucksache 1V/1565 an den Ausschuß
für Sozialpolitik — federführend — und an den
Ausschuß für Gesundheitswesen — mitberatend —
Dr. Stammberger (FDP) : Frau Kollegin, Sie zu überweisen. Wer dem Antrag zuzustimmen
haben vorhin nicht zugehört. Ich hatte den Bundes- wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich
arbeitsminister auch so verstanden. Ich habe aber bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die
gesagt, ich wäre dankbar, wenn er sich dahin er- Mehrheit; die Ausschußüberweisung ist abgelehnt.
klären würde, daß er ihn sofort zusammenruft, und
zwar — im Gegensatz zu Ihnen — völlig unabhän- Damit komme ich zur Abstimmung über den An-
gig von dem weiteren Fortgang der Beratungen im trag Drucksache IV/1565 selbst.
Sozialpolitischen Ausschuß über die Krankenver-
sicherungsreform. Das eine hat mit dem anderen (Abg. Dr. Schellenberg: Zur Abstimmung!)
nichts zu tun. Ich habe vorhin auch genau erklärt, — Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete
warum das eine mit dem andern nichts zu tun hat, Dr. Schellenberg.
auch nicht nach dem Sinn der Sozialenquete, die
der Herr Bundeskanzler im Oktober angekündigt
hat. Wir sind da völlig einer Meinung — ob Sie Dr. Schellenberg (SPD) : Herr Präsident, ich be-
auch zustimmen, weiß ich nicht —, aber der Herr antrage namentliche Abstimmung.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4481

Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird der Antrag Frau Rudoll Ehnes


Sänger Eichelbaum
auf namentliche Abstimmung hinreichend unter- Dr. Elbrächter
Saxowski
stützt? — Das ist der Fall. Wir stimmen also über Dr. Schäfer Dr. Even (Düsseldorf)
den Antrag Drucksache IV/1565 namentlich ab. Frau Schanzenbach Even (Köln)
Scheuren Falke
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Dr. Schmid (Frankfurt) Dr. Franz
Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Schmidt (Braunschweig) Franzen
Antrag der SPD auf Drucksache IV/1565 bekannt. Mit Dr. Schmidt (Gellersen) Dr. Fritz (Ludwigshafen)
Schmidt (Würgendorf) Dr. Furler
Ja haben gestimmt 148 stimmberechtigte und 11 Ber- Gaßmann
Schmitt-Vockenhausen
liner Abgeordnete, mit Nein 175 stimmberechtigte Schröder (Osterode) Gedat
und 6 Berliner Abgeordnete. Stimmenthaltungen Schwabe Gehring
und ungültige Stimmen sind nicht zu verzeichnen. Seidel (Fürth) Frau Geisendörfer
Seither Dr. Gerlich
Damit ist der Antrag abgelehnt. Gewandt
Frau Seppi
Seuffert Gibbert
Endgültiges Ergebnis: Steinhoff Giencke
Ja: 147 und 10 Berliner Abgeordnete Stephan Dr. Gleissner
Striebeck Glüsing (Dithmarschen)
Nein: 175 und 6 Berliner Abgeordnete Dr. Gossel
Dr. Tamblé
Theis Gottesleben
Ja Jacobi (Köln) Wegener Dr. h. c. Güde
Wehner Günther
SPD Jacobs Frau Haas
Jahn Welke
Welslau Härzschel
Frau Albertz Jürgensen Dr. von Haniel-Niethammer
Junghans Weltner (Rinteln)
Anders Frau Wessel Dr. Hauser
Auge Junker Heix
Kaffka Wienand
Bading Wilhelm Dr. Hesberg
Bäumer Kahn-Ackermann Hesemann
Bals Frau Kettig Zühlke
Höcherl
Bauer (Würzburg) Killat Hörnemann (Gescher)
Bazille Dr. Koch Berliner Abgeordnete Hösl
Behrendt Könen (Düsseldorf) Holkenbrink
Bergman Koenen (Lippstadt) Bartsch Hoogen
Beuster Kohlberger Frau Berger-Heise Illerhaus
Frau Beyer (Frankfurt) Frau Korspeter Frau Krappe Frau Jacobi (Marl)
Biegler Kraus Liehr (Berlin) Dr. Jaeger
Biermann Dr. Kreyssig Frau Lösche Josten
Birkelbach Kulawig Neumann (Berlin) Frau Kalinke
Blachstein Kurlbaum Dr. Schellenberg Dr. Kanka
Dr. h. c. Brauer Lange (Essen) Dr. Seume Frau Klee
Brünen Langebeck Urban Dr. Kliesing (Honnef)
Bruse Lautenschlager Wellmann Dr. Kopf
Büttner Leber Krug
Busch Lemper Frau Dr. Kuchtner
Diekmann Lenz (Bremerhaven) Nein Kuntscher
Frau Döhring Dr. Lohmar Lang (München)
Dröscher Lücke (Osnabrück) CDU/CSU Lenze (Attendorn)
Frau Eilers Maibaum Leonhard
Dr. Eppler Marquardt Dr. Adenauer Dr. Luda
Erler Marx Adorno Maier (Mannheim)
Eschmann Matthöfer Dr. Althammer Majonica
Felder Matzner Arndgen Dr. Martin
Figgen Frau Meermann Dr. Artzinger Meis
Flämig Merten Baier (Mosbach) Memmel
Folger Metter Baldauf Mengelkamp
Franke Dr. Meyer (Frankfurt) Dr.-Ing. Balke Menke
Frehsee Meyer (Wanne-Eickel) Balkenhol Dr. von Merkatz
Frau Freyh (Frankfurt) Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. Barzel Mick
Geiger Dr. Mommer Bausch Müller (Aachen-Land)
Gerlach Dr. Morgenstern Becker Dr. Dr. Oberländer
Gscheidle Müller (Erbendorf) Bewerunge Oetzel
Haase (Kellinghusen) Müller (Nordenham) Biechele Frau Dr. Pannhoff
Hamacher Müller (Ravensburg) Dr. Bieringer Dr.-Ing. Philipp
Hansing Müller (Worms) Blank Frau Pitz-Savelsberg
Dr. Harm (Hamburg) Dr. Müller-Emmert Blöcker Dr. Poepke
Heide Nellen Blumenfeld Dr. Ramminger
Heiland Paul Dr. Böhm (Frankfurt) Rasner
Dr. Dr. Heinemann Peiter Böhme (Hildesheim) Rauhaus
Hellenbrock Peters (Norden) Brand Dr. Reinhard
Frau Herklotz Dr. Pohlenz Dr. Brenck Riedel (Frankfurt)
Hermsdorf Priebe Brück Rommerskirchen
Herold Ravens Bühler Ruf
Höhmann (Hessisch Regling Dr. Burgbacher Ruland
Lichtenau) Rehs Dr. Conring Scheppmann
Höhne Dr. Reischl Dr. Czaja Schlick
Hörauf Reitz van Delden Dr. Schmidt (Wuppertal)
Frau Dr. Hubert Riegel (Göppingen) Deringer Schneider (Hamburg)
Hufnagel Ritzel Diebäcker Schulhoff
Hussong Dr. Roech Dr. Dittrich Dr. Schwörer
Iven (Duren) Rohde Draeger Dr. Seffrin
4482 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Dr. Serres Hübner ob eine motivierte Fehlleistung im Interessenkon-


Dr.Sin Frau Dr. Maxsein flikt vorliegt, von sekundärer Bedeutung. Vorder-
Spies Müller (Berlin)
Stauch Stingl gründig geht es um wirtschaftliche Fragen, um die
Dr. Stecker materielle Basis der Meinungs- und Pressefreiheit
Dr. Steinmetz oder, wenn Sie so wollen, um die Infrastruktur der
Storm FDP
Dr. Süsterhenn
Massenmedien. Man muß sich aber klar darüber
Busse sein, daß es sich im selben Augenblick um rechtliche,
Teriete Dr. Danz
Tobaben Dr. Dehler politische und kulturelle Fragen handelt.
Dr. Toussaint Deneke
Unertl Dorn Der Art. 5 des Grundgesetzes garantiert, wie wir
Varelmann Dürr aus einer Reihe von höchstrichterlichen Entscheidun-
Vogt Dr. Effertz gen wissen, nicht nur die Freiheit der Meinung, son-
Wagner Dr. Emde
Dr. Wahl dern er garantiert auch die Presse als Institution und
Ertl
Dr. Weber (Koblenz) Dr. Hellige schreibt ihr eine öffentliche Aufgabe zu. Für die
Wehking Frau Dr. Heuser Presse aber ist charakteristisch, daß sie öffentliche
Weinzierl Dr. Imle Aufgaben auf privatwirtschaftlicher Basis durchführt.
Frau. Welter (Aachen) Dr. Krümmer
Werner Sie finanziert sich aus Verkaufserlös und Werbung.
Logemann
Wieninger Dr. h. c. Menne (Frankfurt) Eine freie Presse ist aber nur dann denkbar, wenn
Dr. Willeke Mertes sie wirtschaftlich gesichert und damit unabhängig
Windelen Mischnick ist.
Winkelheide Murr
Wittmer-Eigenbrodt Ollesch Wenn diese Unabhängigkeit der Presse auch nur
Dr. Wuermeling Peters (Poppenbüll) in Gefahr scheint, muß der Bundestag als Hüter der
Wullenhaupt Ramms
Ziegler Verfassung dafür sorgen, daß die Gleichberechtigung
Dr. Rieger (Köln)
Dr. Zimmer Schultz der Medien, wie sie in Art. 5 gegeben ist, jedem
Dr. Zimmermann (München Spitzmüller Medium zukommt. Der Bundestag muß sich Gewiß-
Dr. Stammberger heit darüber verschaffen, daß die Freiheit nicht nur
Berliner Abgeordnete Wächter formal garantiert ist, sondern auch in Wirklichkeit
Walter
Benda Weber (Georgenau) existiert.
Dr. Gradl Zoglmann Wo Interessen diskutiert werden, ist selbstver-
Dieser Tagesordnungspunkt ist erledigt. ständlich Vorsicht am Platze. Bekanntlich entstehen
bei der Geburt eines Kindes Spannungen in der
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Geschwisterreihe; das ist nur natürlich und auch hier
so. Als vor vierzig Jahren der Rundfunk entstand,
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. befürchtete die Presse, daß ihr die Aktualität ge-
Martin, Neumann (Allensbach), Blumenfeld, stohlen würde. Es hat sich aber erwiesen, daß die
Holkenbrink, Frau Dr. Maxsein und Genossen Auflagen der Zeitungen dennoch gestiegen sind. Die
betr. Untersuchung über die Wettbewerbs- kurzgefaßte Nachricht des Rundfunks hat geradezu
gleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und das Bedürfnis nach näherer Information gesteigert.
Film (Drucksache IV/1400). Ebenso verhielt es sich bei der Schallplattenindu-
Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter strie, die befürchtete, daß niemand mehr Schall-
Dr. Martin! platten kaufen würde, wenn die Musik gratis ins
Haus geliefert würde. Sie hat aber dabei den
Dr. Martin (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Wunsch nach eigener Programmgestaltung und den
Damen und Herren! Mit der Drucksache IV/1400 Hang nach Besitz übersehen. Die Schallplattenindu-
haben 30 Mitglieder des Bundestages einen Antrag strie erlebte durch den Funk einen neuen und
eingereicht, der in seiner Substanz eine wichtige großen Aufschwung.
Anregung umschreibt und, wie ich glaube, einem Nun ist interessant, daß die darauf folgende Aus-
dringenden Bedürfnis entspricht. Im Mittelpunkt die- einandersetzung zwischen Fernsehen und Film sich
ses Antrages stehen die in unserer Gesellschaft und völlig anders entwickelt hat. Die Zunahme der
Staatsordnung wirksamsten publizistischen Mittel Fernsehteilnehmer ist ständig begleitet von einer
Zeitung, Funk und Film. Der Antrag geht auf Stim- entsprechenden Abnahme der Besucher der Film-
men zurück, die seit fünf Jahren in der Öffentlich- theater. Das liegt in der Natur der Sache. Aber das
keit immer vernehmlicher geworden sind. Wir ha- Interesse beginnt da, wo wir beobachten, in welcher
ben diese Stimmen sorgfältig registriert und festge- Weise sich das Fernsehen mit der Krise ausein-
halten. Insgesamt begründen sie für uns den Ver- andergesetzt hat. Die Auseinandersetzung Film-
dacht, daß im Verhältnis der drei Medien zueinander Fernsehen ist nämlich auf der ganzen Linie un-
Fehlentwicklungen im Gange sind. Unter dem Stich- günstig verlaufen. Das Fernsehen war bislang nicht
wort „Wettbewerbsverzerrungen" hat man versucht, zu irgendeiner Vereinbarung über die Zahl der
den Sachverhalt auf einen begrifflichen Nenner zu ausgestrahlten Filme oder über den Zeitpunkt der
bringen. Zwischen der Presse und dem Fernsehen Sendung bereit, wie das in Frankreich und Italien
besteht, so scheint es, ein Interessenkonflikt, und selbstverständlich ist. Das Fernsehen hat vielmehr
dieser Interessenkonflikt ist in der Tat der Anstoß gewisse Privilegien einfach in Anspruch genommen.
für unseren Antrag. Es zahlt für Filme weder Vergnügungssteuer noch
Dabei ist die Frage, ob die Kennzeichnung des Umsatzsteuer, auch keinen Zoll bei der Einfuhr aus-
Sachstandes als Wettbewerbsverzerrung zutrifft oder ländischer Filme. Im Gegenteil, es ist eine be-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4483
Dr. Martin
kannte Praktik der Fernsehanstalten, ihre eigenen bung finanzieren und damit, gestützt auf ihre öffent-
Kosten zu Lasten der Filmwirtschaft zu ermäßigen, liche Macht und zusätzlich armiert mit den Mög-
indem sie eine immer größere Zahl von Filmen in lichkeiten der privaten Wirtschaft, den Zeitungen
ihre Programme aufnehmen. Die seit Jahren be- den Boden entziehen.
stehende Filmkrise mit all ihren Aspekten hat ihre
Es ist hier wichtig, sich einmal die Vorgeschichte
wesentliche Wurzel in der Wettbewerbsungleichheit
des Problems zu vergegenwärtigen.
Film — Fernsehen, und es ist sicher, daß die Film-
krise nicht behoben werden kann, wenn nicht ent- Das Fernsehen begann neu im Jahre 1950 und
sprechende Vereinbarungen stattfinden oder gesetz- wurde durch Gebühren finanziert, genau wie der
liche Regelungen Platz greifen. Die öffentlich-recht- Hörfunk. Als etwa 1955 in der Öffentlichkeit immer
lichen Anstalten sind, wie ich glaube, an der der- dringender der Wunsch laut wurde, ein zweites,
zeitigen Situation der Filmwirtschaft mit verant- und zwar konkurrierendes Fernsehprogramm zu
wortlich. Sie nehmen die Produktion für ihr Unter- den Sendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten
haltungsprogramm in eigene Regie, anstatt hier der ins Leben zu rufen, lehnten diese Anstalten es ab,
privaten Filmwirtschaft eine Chance zu geben, wie zur Frage eines Zweiten Programms Stellung zu
es bei der BBC in England völlig selbstverständlich nehmen. Aus diesem Grunde wurde vorgeschlagen,
gewesen ist. eine zweite Fernsehorganisation zu schaffen, die
sich aus Werbeeinnahmen finanzieren sollte. Als
Es ist eine sehr bemerkenswerte Tatsache und es
Gegenzug haben die öffentlich-rechtlichen Anstal-
paßt keineswegs in die politische Landschaft, daß
ten darauf selber Werbung in das Programm aufge-
beispielsweise die Münchener Bavaria-Studios
nommen, damit kein zweiter Kristallisationspunkt
knapp drei Jahre nach ihrer Reprivatisierung aus
dem , ehemaligen Reichsfilmvermögen bereits wieder gebildet werden könne.
in der Hand öffentlich-rechtlicher Körperschaften Die erste Werbung ging, wie Sie wissen, im No-
sind. Die ARD besitzt 51 % der Anteile an dieser vember 1956 in Bayern über die Schirme. Alle an-
Ateliergesellschaft. Noch schlimmer liegt es bei den deren Anstalten zogen in den Regionalprogrammen
Hamburger Studios, die zu 80 % der ARD gehören. nach. Zeitlich lag die Werbung vor 20 Uhr. Es
Daneben wollen die Anstalten Neubauten von wurde versichert, daß sie nur an Werktagen statt-
Ateliers, Synchronisationsstudios und Kopieranstal- finden und sechs Minuten werktäglich nicht über-
ten errichten. Diese Erweiterung bzw. Neuerrichtung schreiten solle. Das erte Versprechen ist eingehal-
technischer Betriebsstätten, die man übrigens auch ten worden, das zweite Versprechen wurde durch
beim Zweiten Deutschen Fernsehen erwägt, sind eine ständige Erweiterung der Werbezeiten gebro-
volkswirtschaftlich nicht vertretbar. Die Kapazitäten chen. Diese Erweiterung ist bis zu 24 Minuten ge-
der vorhandenen technischen Betriebe der Privat- diehen und führt zu folgenden Erscheinungen. Die I
wirtschaft reichen völlig aust sie sind trotz der ho- Anstalten erhalten jetzt zuzätzliche Einnahmen aus
hen Inanspruchnahme für Fernsehaufträge nicht Zeitverkauf bzw. Werbung. Die Berechnungen von
ausgenutzt. In den Atelierbetrieben könnten gegen- fast allen Fachleuten stimmen darin überein, daß
wärtig bequem noch zusätzlich 80 Spielfilme her- im kommenden Jahr die Einnahmen der Rundfunk-
gestellt werden. Das trifft auch für die anderen anstalten aus Zeitverkauf bzw. Werbung die Ein-
Einrichtungen zu. nahmen an Gebühren nicht nur erreichen, sondern
Innerhalb unserer Vorstellungen von Wirtschaft übersteigen werden, nämlich aus Hörfunk- und
wäre es selbstverständlich gewesen, daß sich das Fernsehwerbung. Die Anstalten betonen zwar, daß
Fernsehen für seinen Unterhaltungsteil von der ausreichende Sicherungen geschaffen seien, um
privaten Filmindustrie beliefern ließe, wie das in einen Einfluß von Zeitkäufern auf das Programm
England der Fall ist. Die ARD hat jahrelang be- zu verhindern. Es hat sich aber schon jetzt gezeigt,
hauptet, außer ihr sei niemand überhaupt imstande, daß gleichzeitig mit dem Einzug der Werbung in
Fernsehunterhaltung zu produzieren. Die Mainzer die Fernsehprogramme ein ausgesprochen kaufmän-
Anstalt hat bislang gezeigt, daß sich Fernsehunter- nisches Denken in die öffentlich-rechtlichen Anstal-
haltung ohne weiteres privatwirtschaftlich produ- ten eingedrungen ist und daß eine Beeinflussung
zieren läßt. in der Programmgestaltung insofern eintritt, als
über ganze Zeitkomplexe nicht mehr frei disponiert
Bei diesem ungünstigen Verlauf der Auseinander- werden konnte. Als Beispiel sei nur erwähnt, daß
setzung Fernsehen—Film darf es nicht verwundern, die Zeiten zwischen 19.30 Uhr und 20 Uhr, wie es
wenn die Presse bei den ersten Gefahrenzeichen in der Fachsprache heißt, unbeweglich geworden
bereits Alarm schlägt. Die Gravamina der Presse sind, weil sie durch feste Werbeblocks zementiert
lassen sich kurz so zusammenfassen: werden. Das Programm gerät immer mehr in den
Die öffentlich-rechtlichen Anstalten genießen eine Sog der Werbung, und auch die Unterhaltung läuft
Reihe von Privilegien, die von vornherein den Gefahr, als „package" betrachtet zu werden.
Wettbewerb verfälschen. Dazu gehören — wie die Meine Damen und Herren, gerade in diesen Ta-
Presse sagt — erstens die Erhebung einer Gebühr, gen haben wir durch den Werbeprospekt eines
die praktisch Zwangscharakter hat, zweitens die deutschen Senders das kräftigste Beispiel dafür. In
Freiheit von der Umsatzsteuer bis zur Körperschaft- diesem Werbeprospekt wird ganz schlicht gesagt,
steuer. Drittens kommt hinzu, daß die öffentlich- daß das ganze Programm eines Hörfunks mit
rechtlichen Anstalten nicht nur die Gebühren erhe- „spots" durchsetzt werden soll. In dem Prospekt
ben, sondern auch in den privaten Bereich eindrin- wird gesagt, daß die Musik eingesetzt werden soll,
gen, indem sie sich in steigendem Maße durch Wer- um die Werbung attraktiver zu machen. Einer der
4484 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963
Dr. Martin
deutschen Intendanten hat in einem Brief an diesen man, daß sie sich reduzieren läßt auf etwa 189
Sender, den ich aus bestimmten Gründen hier nicht publizistische Einheiten, und zwar deshalb, weil
vorlesen will, selbst zum Ausdruck gebracht, daß durchschnittlich 7 Ausgaben die gleiche Titelseite
damit die Kommerzialisierung des Hörfunks er- haben. Ich erwähne das, weil diese Konzentrations-
reicht sei und daß es von da an wohl unglaub- bewegung der Ausdruck dafür ist, daß sich die
würdig sei, wenn man sich auf die öffentlich-recht- Presse bereits unter einem sehr hohen Kostendruck
liche Position zurückziehe. Ich nehme dieses Bei- befindet. Die Kosten für die Erstellung einer Zei-
spiel, um zu zeigen, daß wir hier an einem ganz tung, die Lohnkosten, die Materialkosten, die Inve-
bestimmten Punkt angekommen sind, der eine Un- stitionskosten und die Werbungskosten, sind in den
tersuchung und wahrscheinlich Maßnahmen recht- letzten 10 Jahren so gestiegen, daß eine Vereinheit-
fertigt. lichung in diesem Sinne bereits stattgefunden hat.
Nach diesem Exkurs, meine Damen und Herren, Deshalb geht die Befürchtung der Verleger dahin,
lassen Sie mich noch einmal zur Situation der Presse daß dann, wenn zu diesem Kostendruck, der schon
zurückkehren. Dem Ministerpräsidenten eines gro- besteht, noch der Entzug einer großen Menge von
ßen Bundeslandes liegt ein Brief vor, in dem der Werbung durch das Fernsehen hinzukommt, eine
Zustand der Presse geschildert wird. Darin wird effektive Gefährdung gegeben ist. Man muß sich
ausgeführt, daß der Anteil der Anzeigen in Tages- auch klarmachen, daß heute schon in der Werbung
zeitungen an den Werbeumsätzen im Jahre 1957 der Zeitungen 35 % des Bestandes auf Stellenange-
noch 60 v. H. betrug. Dieser Anteil sei bis zum bote entfallen, und das heißt: die Zeitungen leben
Jahre 1962 auf 48 v. H. abgesunken und befinde und fruktifizieren gegenwärtig noch von der Hoch-
sich nach den Ergebnissen des ersten Halbjahres konjunktur, von der Vollbeschäftigung, von dem
1963 weiter im Sinken. Die Errechnung des Fehl- Mangel an Arbeitern und Angestellten und derglei-
betrages bei den Tageszeitungen ergebe einen Be- chen mehr. Mit anderen Worten: die Gefährdung
trag von rund 357 Millionen DM, die mit ca. 280 liegt primär bei den kleinen Zeitungen, bei der
Millionen als Einnahme aus Fernsehwerbung bei Regionalzeitung, bei der Heimatzeitung, und das
den gemeinnützigen Rundfunkanstalten wieder in ist der Typus von Zeitungen, der für die Bildung
Erscheinung treten. des demokratischen Bewußtseins und für den Auf-
bau der demokratischen Gesellschaft am wichtigsten
Ich zitiere den Brief wegen der Folgerungen, die ist, weil hier die Verbindung der Menschen unter-
der Verfasser selber zieht. Er sagt, eine Reihe von einander hergestellt wird über den Bereich dessen,
Zeitungen habe dazu übergehen müssen, ihren was dem Menschen erlebbar, was konkret für ihn
Umfang zu reduzieren, und sie seien damit bereits ist, was für ihn überschaubar ist.
daran gehindert, ihren grundgesetzlichen Auftrag
zu erfüllen; bei den mittleren und kleineren Zeitun- Es ist notwendig, hier noch auf einen anderen
gen herrsche bereits Unsicherheit über die Zukunft Punkt einzugehen: die Frage des Dritten Programms.
und die Möglichkeit, die notwendigen technischen Abgesehen von der ungeklärten Finanzlage der
Anschaffungen zu machen, die im Zuge der Ratio- Mainzer Anstalt und der Frage, ob e s in Deutsch-
nalisierung und der sich stark entwickelnden Druck- land genug journalistische, sprich: geistige Kapa-
technik unbedingt erforderlich seien. zität für ein Drittes Programm überhaupt schon gibt,
erscheint es ungut, diese Frage zu entscheiden, ehe
Dieser Passus in dem Schreiben an den Herrn nicht Klarheit geschaffen worden ist über das Pro-
Ministerpräsidenten ist deshalb so interessant, weil blem der Wettbewerbsverzerrungen, wie das in
er ein bezeichnendes Licht auf die Gliederung der unserem Antrag vorgeschlagen wird.
deutschen Presse wirft. Gestatten Sie mir, dazu
einige Bemerkungen zu machen und mich dabei auf (Sehr richtig! in der Mitte.)
Arbeiten von Schütz und Kieslich zu stützen, die in Das Dritte Programm würde publizistisch und wirt-
der Zeitschrift „Publizistik" erschienen sind. Bei bei- schaftlich die Konkurrenzlage zwischen Presse und
den handelt es sich um junge Gelehrte, die keinem Fernsehen, aber auch zwischen Film und Fernsehen
Verband angehören und die Dinge völlig unabhän- außerordentlich verschärfen, weil das Dritte Pro-
gig wissenschaftlich darstellen. Aus dieser Analyse, gramm, sich ebenfalls auf das Lokale stützend und
die beide unabhängig voneinander vorlegen, ergibt nunmehr auch für den mittleren und kleineren Inse-
sich, daß wir in der Bundesrepublik 1418 Ausgaben renten interessant werdend, eine definitive Bedro-
von Zeitungen haben. Das war die Feststellung vom hung der regionalen Zeitungen wie der Filmtheater
Juni 1963. Es gibt aber nur 14 Ausgaben — und darstellen würde.
das sind 0,9 % —, die eine Verbreitung über die
ganze Bundesrepublik, also eine überregionale Ver- Mir scheint es undenkbar, ohne eine vorange-
breitung haben oder anstreben, während 99,1 % hende verläßliche Vereinbarung oder Regelung zwi-
der deutschen Presse zum Typus der Regionalpresse schen der regionalen Presse und dem Fernsehen das
oder der Heimatpresse gehören. Dritte Programm überhaupt in Gang zu setzen.

Das ist in diesem Zusammenhang sehr interes- Da es sich bei diesen Überlegungen auch um
sant, weil uns der Schreiber des Briefes sagt, daß Aspekte der Mittelstandspolitik handelt — ich weise
hier das Gewicht, daß hier die Gefährdung liegt. darauf hin, daß der Arbeitskreis „Mittelstand" der
CDU/CSU diese Frage schon im Jahre 1958 hier in
Es ist aber noch folgendes zu bemerken. Die sehr diesem Hause unter der Wortführung des jetzigen
große Zahl von 1418 Ausgaben ist täuschend. Wenn Ministers Schmücker behandelt hat —, darf ich noch
man die Analyse dieser Zahl weitertreibt, so sieht einmal darauf zurückkommen und das an einem
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4485
Dr. Martin
Beispiel, das mir, wie Sie wissen, naheliegt, exem- ben, sondern auch für das Bild verantwortlich sind,
plifizieren. Die über 6000 Filmtheater des Bundes- das ,die Bundesrepublik Deutschland der Welt dar-
gebietes einschließlich West-Berlins sind in ihrem bietet. Diese Medien haben eine wichtige Aufgabe
überwiegenden Teil mittelständische Unternehmun- gegenüber der sowjetisch-besetzten Zone.
gen. Die fortgesetzte Ausstrahlung von Kinofilmen
im Fernsehen ist für die Filmwirtschaft, insbeson- Man wird mit aller Deutlichkeit sagen müssen,
dere für die Filmtheaterunternehmungen, eine daß die Medien nicht in der Lage sind, diese Auf-
schwere Belastung. Im Jahre 1962 wurden 167 gabe zu erfüllen, wenn sie in sich selbst völlig zer-
abendfüllende Kinofilme von den Fernsehanstalten stritten und damit beschäftigt sind, ihre eigenen
ausgestrahlt. Im ersten Halbjahr 1963 waren es Dinge zu ordnen, anstatt nach außen machtvoll und
bereits 93 Spielfilme; das sind 27 % mehr als im kraftvoll dm Sinne der deutschen Politik zu wirken.
ersten Halbjahr 1962. Hier liegt ein offensichtlicher Auch aus diesem Grunde ist es notwendig, sich da-
Einbruch in den Aufgabenbereich der Filmtheater mit zu beschäftigen.
vor.
Der Vorsitzende (der ARD, Herr von Bismarck, 'hat
Die Vorführung von Spielfilmen ist außerdem mit in einem Rundfunkvortrag gesagt, die jetzige Struk-
großen Kostenvorteilen des Fernsehens verbunden. tur in der Entwicklung der Fernsehanstalten sei das
Während ein Fernsehspiel von etwa 80 Minuten Ergebnis des Willens der Besatzungsmächte. Ich
einen Aufwand von 160 000 bis 560 000 DM erfor- würde so weit nicht gehen, meine Damen und Her-
dert, pro 'Minute also 2000 bis 7000 DM, macht ein ren. Sicher ist aber, daß wir uns nach all den Vor-
gleich langer Kinospielfilm lediglich einen Aufwand gängen, die wir jetzt beobachten, in Schwierigkei-
von 30 000 bis 50 000 DM notwendig, pro Minute ten befinden und daß, wenn nicht alles trügt, die
also nur 350 bis 650 DM. Wettbewersverzerrung nur eins der Symptome da-
Meine 'Damen und Herren, ich will wegen der für ist, daß wir die endgültige Form der Ordnung
vorgerückten Zeit diese Seite der Sache nicht ver- der Massenmedien untereinander und ihrer selbst
tiefen und möchte versuchen, jetzt zum Schluß zu zu Staat und Gesellschaft noch nicht gefunden ha-
kommen. Wenn Sie das, was ich Ihnen vorgetragen ben. Das ist selbstverständlich von großer Bedeu-
habe, mit angehört haben, dann haben Sie vielleicht tung, denn Presse, Funk, Fernsehen und Film sind
den irrtümlichen Eindruck bekommen, bei mir oder der instrumentale Kern dessen, was die Soziologen
in unseren Reihen sei so etwas wie eine Bilder- die Sozialtechniken nennen. Diese Medien haben
stürmerei im Gange oder wir stünden dem Medium die Aufgabe, , die Menschen in der Gesellschaft, im
Fernsehen kritisch gegenüber. Lassen Sie sich ein- Staat zu unterrichten, zu unterhalten, zusammenzu-
mal ganz deutlich sagen, 'daß das nicht der Fall ist. führen, sie untereinander kommunizieren zu lassen,
Wir sind aber von der Tatsache beeindruckt, daß wie 'denn das Wort es ja auch sagt.
das Aufkommen des Fernsehens einen tiefen Ein-
schnitt in die Entwicklung der Publizistik und in In 'dieser Sache gibt es eine Idee und es gibt
die Gestaltung der Gesellschaft und der Wirtschaft eine Realität. Es lohnt sich, in dieser Diskussion
darstellt. Die Folgen sind im einzelnen überhaupt auch an die Idee zu erinnern. Karl Jaspers hat dar-
noch nicht abzusehen. Sie beschäftigen heute Sozio- über 1932 folgende Sätze geschrieben, die ich für
logen, Psychologen, Wirtschaftler und Politiker 'in wert halte, hier zu Gehör zu bringen. Er schreibt:
gleichem Maße. Aber eine s o starke Erscheinung Die Zeitung ist das geistige Dasein unseres
bedarf der Einordnung und der behutsamen Be- Zeitalters, wie es in den Massen sich verwirk-
handlung. -
licht ... Sie schafft ein Lebenswissen in allge-
Der Start des Fernsehens war in Deutschland mit mein zugänglicher Bestimmtheit, im Unterschied
vielen Schwierigkeiten verbunden. Man kann, was vom Fachwissen, das seine nur für den Kenner
das Programm angeht, sagen, daß Gutes in der Pro- erfaßbare Deutlichkeit in einer den anderen
grammgestaltung geleistet worden ist; aber im gan- unzugänglichen Terminologie hat.
zen wird man sagen müssen, daß die Einordnung
des Fernsehens verfassungsmäßig, rechtlich, politisch Und er schreibt dann weiter:
bisher nicht in ,befriedigendem Maße gelungen ist. Die Entstehung eines Standes mit eigenem
Die Mainzer Anstalt ist unterfinanziert, die Baye- Ethos, der faktisch die geistige Weltherrschaft
rische Anstalt hat geklagt, das Dritte Programm ist ausübt, ist das Kennzeichen unseres Zeitalters.
kontrovers, innerhalb der ARD gibt es die 'heftigsten Ohne Presse kann diese Welt nicht leben... .
Auseinandersetzungen und zum Teil unmögliche
Konstruktionen. Der Ausgleich der Gebühren inner- (Zuruf von 'der 'SPD: Was hat er zum Fern
halb der Anstalten ist unbefriedigend, nicht nur, sehen gesagt?)
was die Gebührenverteilung zwischen Mainz und — Ich komme gleich darauf, Herr Kollege. Er hat
ARD anlangt, sondern auch, was die Verteilung insofern etwas zum Fernsehen gesagt, als er hier
zwischen den großen, kleineren und mittleren An- den Publizisten anspricht, und dieses Wort gilt für
stalten 'betrifft. Die Deutsche Welle und der Deutsch- den Fernsehredakteur, den Filmregisseur genauso
landfunk sind in ihrer Finanzierung noch nicht ein- wie für den Zeitungsredakteur. Der Unterschied ist
mal endgültig geregelt. nur, daß er mit einem anderen Medium arbeitet; aber
Meine Damen und Herren, dieser Zustand ist des- der ethische Anspruch ist bei allen derselbe. Gerade
halb bedenklich, weil Funk, Fernsehen und Presse darum geht es auch in dieser Diskussion, diesen
nicht nur eine nach innen gewendete Aufgabe ha- ethischen Anspruch — wenn nur irgend möglich —
4486 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963
Dr. Martin
von seiner Voraussetzung her wirklich werden zu bei ihren Ausführungen gelegentlich auf die Uhr
lassen. zu blicken und auch zu beachten, daß die meisten
(Zuruf von der FDP: Der Anspruch ist doch Plätze im Hohen Hause wie auf der Pressetribüne
da!) unbesetzt sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Sänger.
— Der Anspruch ist da; ich rede von seiner Verwirk-
lichung und möchte das meine dazu beitragen.
Meine Damen und Herren, es besteht heute Klar- Sänger (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und
heit darüber, daß die Freiheit der Presse nicht vom Herren! Dem Wunsch des Herrn Präsidenten möchte
Staat her bedroht ist. Darüber besteht völlige Klar- ich gern nachkommen. Ich fühle mich Ihnen gegen-
heit, und dazu braucht man nur den Art. 5 des über verpflichtet, mich so kurz wie möglich zu fas-
Grundgesetzes zu lesen. Aber es gibt andere Be- sen, aber auch der Sache gegenüber. Ich darf ver-
drohungen der Pressefreiheit. Die können entstehen, sichern, es wird der abendländischen Kultur dadurch
wenn die wirtschaftliche Basis nicht in Ordnung ist kein unwiederbringlicher Beitrag verlorengehen.
— wie das vielleicht der Fall ist — oder wenn ge-
Heute handelt es sich ohnehin nur darum, daß
wisse Presseerzeugnisse sich unter wirtschaftlichem
wir die Behandlung eines sehr wichtigen Problems,
Druck dazu verleiten lassen, um des lieben Geldes
das lange ansteht, vorbereiten. Denn wenn wir uns
willen an alles andere im Menschen, nur nicht an
entschließen — und wir sind ja gemeinsam dieser
das Geistige und Humane in ihm, zu appellieren.
Auffassung — , eine Kommission von sachverständi-
Auch dazu ein Satz von dem eben zitierten Autor:
gen Persönlichkeiten berufen zu lassen, die erst
Es ist die Frage, ob die Masseneigenschaften einmal die Tatsachen des Verhältnisses zwischen
restlos alles ruinieren, was dem Menschen hier, Presse, Funk und Film untersuchen und feststellen
möglich wäre. soll — unter „Funk" ist immer Hör- und Fernseh-
Damit bin ich am Ende meiner Begründung. Ich funk zu verstehen —, dann sollten wir auch das
möchte zusammenfassend sagen: Der Bundestag hat Ergebnis der Beratungen und der Feststellungen
die Aufgabe, ohne Voreingenommenheit zu prüfen, dieser Kommission abwarten.
ob die Garantien des Art. 5 des Grundgesetzes für Ich möchte in diesem Zusammenhang, damit sich
alle Kommunikationsmittel gewährleistet sind. Er nicht abermals eine Debatte entfaltet, wie wir sie
muß sich die Möglichkeit verschaffen, oberhalb des vorhin bei den Sozialpolitikern erlebt haben, gleich
Interessenkonflikts die Erfordernisse, die durch das sagen, daß diese Kommission natürlich keine politi-
Gemeinwohl gegeben sind, durchzusetzen. Dabei ent- schen Entscheidungen zu treffen hat, sondern Tat-
stehen rechtliche Fragen ebenso wie Probleme wirt- sachenfeststellungen vornehmen soll. Die politi-
schaftlicher Natur, und da es sich bei den Massen- s chen Entscheidungen behalten wir uns in den Aus-
medien um einen Bereich handelt, der tief in die schüssen und hier im Plenum vor.
kulturelle Entwicklung einschneidet, ist es geboten,
in einer umfassenden Untersuchung die Verhältnisse (Abg. Wehner: In diesem Fall ist aber
klarzulegen und, wenn möglich oder nötig, zu ge- keine Gefahr, weil die CDU den Antrag ge-
setzgeberischen Maßnahmen zu kommen, die sicher- stellt hat! — Lachen bei der SPD.)
stellen, daß es eine durch nichts eingeschränkte Frei-
heit der Meinungsbildung, der Meinungsäußerung Ich bin überzeugt, daß Sie es deshalb auch ver-
und der Nachrichtengebung gibt. Da es sich bei stehen werden, wenn ich es mir verkneife, schon
allem um die Kommunikationsmittel handelt, ohne jetzt Zahlen und eine große Anzahl von Tatsachen
die eine moderne Gesellschaft und ein moderner zu erwähnen oder gar zu untersuchen. Herr Dr.
Staat nicht bestehen können, sollte der Bundestag Martin hat es eben getan, und ich will es ihm nicht
über die reine Tatsachenforschung hinaus den poli- nachmachen. Denn ich bin überzeugt davon, daß
tischen Charakter des Problems ernst nehmen, uni diese Zahlen zwar von der einen oder von der
Gefahren, die aus einer Verzerrung der Wettbe- anderen Seite mit bestem Willen zur Objektivität
werbsverhältnisse und aus einer Ungleichheit der erarbeitet worden sind, aber doch wohl noch einer
Nachrichtengebungsmittel entstehen können, zu be- sehr sachverständigen Untersuchung unterworfen
seitigen. werden müssen, ehe wir sagen können: Ja, so ist
es, wie diese Zahlen es ausdrücken.
Meine Damen und Herren, ich bitte darum, daß
dieser Antrag gemäß der Vereinbarung im Ältesten- Wenn wir uns heute bemühen, das Verhältnis
rat an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß als feder- von Presse, Rundfunk — also Hörfunk und Fernseh-
führenden Ausschuß und an den Kulturpolitischen funk — und Film zu untersuchen, so sollten wir fest-
Ausschuß zur Mitberatung überwiesen wird. stellen, daß diese Publikationsmittel oder, wie wir
(Beifall bei den Regierungsparteien.) so gelehrt zu sagen pflegen, diese Medien heute
tatsächlich die Zeitungen sind. Wir haben es uns
durch Jahrhunderte angewöhnt, mit dem Wort „Zei-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und tung" den Druck — ich meine jetzt den Buch-
Herren, Sie haben die Begründung des Antrags druck — zu verbinden. Eine Zeitlang mußten wir
— Drucksache IV/1612 — gehört. Wir treten in die uns auch angewöhnen, einen anderen Druck mit
Aussprache ein. dem Begriff „Zeitung" zu verbinden. Es war schon
Bevor ich das Wort erteile, möchte ich die Redner sehr nett, daß der frühere Bundeskanzler kürzlich
zu diesem und zum nächsten Punkt darum bitten, einmal in einer Veranstaltung beanstandete, daß
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4487
Sänger
das Wort „Presse" gebraucht wird; man möge die kommerziellen Interessen an; das ist ihre Pflicht. 1
Presse nicht pressen, meinte er damit sicherlich. SiehatnkulrposcAfgabe,ihtn
(Abg. Wehner: Er meinte es ganz anders; staatspolitische Aufgabe zu erfüllen. Der verant-
das haben Sie gründlich mißverstanden! wortliche Beitrag der Presse zum demokratischen
Die Presse war sehr gnädig, Ihnen das ab Gespräch in unserem Land kann nur wirkungsvoll
zunehmen!) sein, wenn er ohne Furcht vor Folgen, auch ohne
Furcht vor materiellen Folgen gegeben werden
— Ich habe schon während dieser Veranstaltung
eine Belehrung darüber gehört, wie das gemeint kann.
war. Wenn nun beide Teile, Rundfunk und Presse —
Das, was heute der Rundfunk im Hörfunk und im das nur allgemein gesagt —, ihre Aufgabe erfüllen
Fernsehen macht, das, was uns der Film bietet, und sollen, müssen sie auch wirtschaftlich unabhängig
das, was die Zeitung gedruckt darbietet, das alles sein. Keiner von beiden darf an dem anderen leiden.
ist eine Darstellung unserer Zeit, und das alles soll- Keiner von beiden darf an dem anderen krank wer-
ten wir gemeinsam unter dem Begriff „Zeitungen" den oder gar sterben. Sonst leidet die allgemeine
zusammenfassen. Das ist nicht nur eine, wenn Sie Aufgabe, und letzten Endes leidet die Informierung
so wollen, philosophierende oder allgemeine Be- der Öffentlichkeit, leidet also die demokratische
merkung, sondern eine sehr wichtige. Denn ich kann Wirklichkeit in unserem Land.
es umdrehen und sagen: Wo steht geschrieben, daß
der, der eine Zeitung, der eine Mitteilung über die Wir wollen also feststellen: welche Tatsachen gibt
Zeit, der eine Information, der eine Meinung her- es, um sie frei und unabhängig arbeiten zu lassen?
ausgibt, diese Meinung, ,diese Information, diese Da gibt es verschiedene Ausgangspositionen. Ich
Mitteilung drucken lassen muß? Das war zu jener will mich nicht — ich versprach es Ihnen — auf die
Zeit die zweckmäßige Art der Herstellung einer Einzelheiten dieser Unterschiedlichkeiten einlassen.
Zeitung. Zu unserer Zeit ist dazu eine andere tech- Ich will aber sagen, daß z. B. schon der von Herrn
nische Möglichkeit der Herstellung einer Zeitung Dr. Martin erwähnte Tatbestand wichtig ist und ein
gekommen. Schlaglicht auf die Situation wirft, daß die Mittel-
schichten in unserem Land ein, wie ich meine, legi-
Daher entsteht von ganz allein die Frage, ob
nicht die, die sich Herausgeber von Zeitungen nen- times Interesse haben, an unserer Diskussion teilzu-
nen, sich von vornherein — nicht nur aus Gründen nehmen. Sie werden von der Werbung der Großen
der Anciennität freilich — doch auch fühlen können fühlbar betroffen, und die Erfahrung läßt sie ernst-
als die Herausgeber jener Zeitungen. Informationen, haft fragen, ob es volkswirtschaftlich und ob es
Mitteilungen, Meinungen, die wir heute über den strukturell vertretbar ist, eine Konzentration in der
Funk und über das Bild im Fernsehen vermitteln. Wirtschaft durch diese ungewöhnliche und intensive
wirkungsvolle Werbung noch zu verstärken, wie sie
Auf jeden Fall, sie alle erfüllen eine öffentliche im Fernsehen zweifellos gegeben ist. Sie fragen
Aufgabe. Auf jeden Fall ist bisher die Untersuchung auch — und sie fragen nach meiner Auffassung legi-
darüber unterblieben, welche organische Verbin- tim —, ob es zu verantworten ist, daß ein Über-
dung zwischen diesen verschiedenen Mitteln der gewicht eines Teiles der Wirtschaft über andere
Publikation besteht. Und auf jeden Fall ist von allen Teile durch Anstalten öffentlichen Rechts herbeige-
Seiten eine staatliche, eine obrigkeitliche Führung führt oder unterstützt .werden kann. Dies ist mit ein
dieser Publikationsmittel abgelehnt worden. Dabei Bestandteil der Untersuchung. Ich wollte es nur er-
soll es seine Bewandtnis haben, meine ich. wähnen, um zu zeigen, wie wichtig es ist, eine solche
-
Die Frage ist also heute für uns nur: wer bietet Untersuchung jetzt vorzunehmen und die öffentliche
den größeren Schutz dafür, daß alle diese Publi- Diskussion, die stark in die Polemik ausgeglitten ist,
kationsmittel ihre Unabhängigkeit und ihre Lei- nunmehr, wenn möglich, abzustellen.
stungsfähigkeit bewahren können? Da richtet sich
unser Blick ganz von selbst auf die beiden schwäch- Ohne ausreichendes Wissen über die Bedingungen
sten Teile dieses Gesamtinstruments, auf Zeitung und Möglichkeiten der Arbeit hier und dort gibt es
und auf Film; es sind die wirtschaftlich Schwächsten; keine gesicherte und gesunde Lösung in der Zu-
was nicht heißen soll, daß sie an sich und allesamt kunft. Bestenfalls wird es eine Konstruktion wer-
und jeder einzelne Betrieb wirtschaftlich schwach den.
sind. Aber insgesamt sind wir doch aus der Zeit
Was ist zu untersuchen? Ich glaube, wir sollten
heraus, in der die gedruckte Zeitung Publikations-
untersuchen lassen, welchen Anteil die Werbeein-
mittel ohne Konkurrenz war. Die Konkurrenz an-
nahmen bei Funk, bei Presse, bei Film ausmachen
derer Publikationsmittel macht es Film und Zeitung
und welche Nebenbetriebe jenseits der eigentlichen
zunehmend schwerer, den Wettbewerb auszuhalten.
Zweck- und Hauptbetriebe wirklich tätig sind.
Wenn es also so ist, daß ein Ringen um die
Existenz des einen oder des anderen Publikations- Hierzu übrigens gleich eine Tatsachenfeststellung,
mittels entstanden ist oder zu entstehen droht, dann die sich einfach nicht aus der Welt schaffen läßt, die
haben wir die wirtschaftliche Grundlage der Heraus- aber wichtig ist, weil immer das Gegenteil behaup-
gabe von Zeitungen, Film, auch Funk und Fernsehen tet wird und dadurch die öffentliche Diskussion ver-
zu untersuchen und einmal festzustellen: welche giftet wurde. Die Werbegesellschaften der Funk-
Chancen .gibt es, daß sie beide oder alle vier in gesellschaften zahlen Steuern, Umsatz-, Körper-
eine vernünftige Ordnung zueinander gebracht wer- schaft- und Gewerbesteuer, und sind nicht steuerfrei,
den können? Natürlich, die Presse meldet ihre wie oft behauptet wird.
4488 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Sänger
Wir haben weiter zu untersuchen, ob und welchen ganz, was damit gemeint ist, aber lassen wir das
Einfluß die Einnahmen bei Funk, Fernsehen, Film einmal untersuchen — feststellen lassen. Wir sollten
und auch Presse auf die Unternehmungen, auf die auch die Auswirkungen der verschiedenen staat-
Programme, auf die Zeitungen nehmen. In dem Vor- lichen Privilegien — so vorhanden — untersuchen
wurf von der einen wie in dem Vorwurf von der lassen.
anderen Seite wird behauptet, daß solche Einflüsse Aber ich halte es für schwierig, in diesem Zusam-
vorhanden seien. Wir sollten darüber Auskünfte menhang dann auch die Frage der Persönlichkeits-
bekommen, ob und welchen Einfluß die Tatsache der bildung mit in die Diskussion zu ziehen. Es ist un-
Körperschaft des öffentlichen Rechts auf das Pro- bestreitbar, daß jede Publikation, sofern sie gelesen,
gramm im Rundfunk und welchen Einfluß zahlungs- gehört oder angesehen wird, die Persönlichkeit be-
kräftige Inserenten möglicherweise auf die Presse einflußt. Aber nun in diesem Zusammenhang eine
ausüben. Wir sollten prüfen, ob eine der beiden Untersuchung anzustellen, wie stark oder wie wenig
Seiten Sondervorteile genießt und welche. die eine oder die andere Seite die Bildung der Per-
Meine Damen und Herren, dabei darf es nicht zu sönlichkeit beeinflußt, geht weit über das hinaus,
einer Diffamierung eines der Publikationsmittel was wir mit dieser Sachverständigenkommission
kommen, und wir sollten auch keinen Versuch einer eigentlich vorhaben.
heimtückischen Schmälerung der Chancen eines der Ich würde empfehlen, daß wir feststellen lassen,
beiden Publikationsmittel zulassen. Die Unabhän- was wirklich ist — das soll die Kommission machen
gigkeit und die Freiheit der Arbeit bei Rundfunk, —, und daß wir dann versuchen, in den Ausschüs-
Film und Presse sollte unteilbar sein. Alle bedürfen sen und im Plenum die politischen Konsequenzen
sie des staatlichen Schutzes für ihre Freiheit und daraus zu ziehen.
Unabhängigkeit, und alle bedürfen sie der Möglich-
keit zu freier Arbeit. Meine Freunde und ich sind im Gegensatz zu
Ihnen, Herr Dr. Martin, der Auffassung, daß es bes-
Ich halte es nicht für einen förderlichen Beitrag, ser ist, die Federführung demjenigen Ausschuß zu-
wenn im Verlaufe der Debatte, die wir hinter uns zuweisen, der Kulturpolitik und Publizistik nach
haben — nicht hier im Hause, sondern in der Öffent- seinem Namen und seiner Aufgabe zu bearbeiten
lichkeit —, an einer Stelle geschrieben worden ist: hat, und die Mitberatung dem Wirtschaftsausschuß.
Es ist heute schon für viele Politiker interessanter, Das hätte übrigens den Vorteil, daß durch die Mit-
in einflußreichen Rundfunkräten zu sitzen als im beratung des Wirtschaftsausschusses zunächst die
Parlament. Ich glaube, das ist nicht die Art, wie wir wirtschaftlichen Tatsachen festgestellt werden. Das
zu einer vernünftigen Zusammenarbeit kommen Ergebnis dieser Tatsachenfeststellung würde dann
können. Da ich selbst viele Jahre einem Rundfunk- dem Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik mit-
rat angehört habe und noch angehöre und eben hier geteilt werden, der daraus die publizistisch notwen-
im Parlament zu sprechen die Ehre habe, darf ich digen Folgerungen ziehen könnte.
wohl sagen, daß es besser wäre, eine andere Mög-
lichkeit zum Zusammenkommen zu finden. Erlauben Sie mir zum Schluß noch eine Berner-
kung. Ich hätte es lieber gesehen, wenn sich Presse,
Wir sprechen über die Sache hier im Hause nicht Film und Funk selber an einen Tisch gesetzt hätten,
zum erstenmal. Der jetzige Herr Bundeskanzler und ohne daß der Staat bzw. das Parlament angerufen
damalige Wirtschaftsminister Erhard hat schon 1961 worden wäre. Es hätte den Exponenten einer frei-
festgestellt, hier sei nach seiner Auffassung eine heitlichen Wirklichkeit in Deutschland zum Nutzen -
Länderfrage angeschnitten. Wie wichtig diese Län- gereicht, wenn bei dem Versuch einer vernünftigen
derfrage von den Ländern genommen wird, meine Ordnung der Publikationsmittel der Staat ganz drau-
Damen und Herren, sehen Sie an der Besetzung der ßen geblieben wäre. Ich habe die Hoffnung, das Er
Bundesratsbank. gebnis der Untersuchungen und dann auch der Ar-
(Sehr richtig! und Heiterkeit in der Mitte.) beit der Ausschüsse und des Parlaments wird es zu
dieser Situation kommen lassen, daß wir vom Staat
Am 24. April 1963 hat Staatssekretär Westrick her die Publikationsmittel in unserem Land so unbe-
auf eine Frage aus dem Hause geantwortet, daß es rührt sein lassen, wie sie es sein müssen, damit sie
eine gesetzliche Sonderbehandlung des Fernseh ihre Arbeit frei und unabhängig fortsetzen können.
werbens kaum geben könne, es sei jedenfalls sehr
schwer, sich eine solche Behandlung auszudenken. (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)
Wir haben im Juni dieses Jahres noch einmal ge-
hört, und zwar vom Herrn Bundesminister Höcherl, Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir fahren in der
daß es sinnvoll sei, eine Sachverständigenkommis- Rednerliste fort. Das Wort hat der Abgeordnete
sion einzurichten. Damit sind wir an einer Zusage Zoglmann.
für eine solche Kommission angelangt.
Ich darf mich nun noch in aller Kürze unmittelbar Zoglmann (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen
Ihrem Antrag, Herr Dr. Martin, zuwenden und emp- und Herren! Ich hoffe Sie noch viel kürzer in An-
fehle, für die Beratungen doch folgendes zu beach- spruch zu nehmen als der Kollege Sänger. Ich bin
ten. Ich glaube, daß man die wirtschaftliche Seite mir ja bewußt, daß jeder, der in diesem Hause am
der dort tätigen Medien — um dieses Wort auch Freitag nach 12 Uhr spricht, sich den Unwillen des
einmal zu gebrauchen — gründlich untersuchen Hauses zuzieht.
sollte. Wir sollten die rechtliche Begründung der Diese Diskussion beweist, daß der Antrag der
zweigleisigen Finanzierung — ich verstehe nicht CDU einem tatsächlichen Bedürfnis entspringt. Denn
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4489
Zoglmann
was hier vorhin von Herrn Dr. Martin über das einzigen Verlag erscheinen. Da haben Sie die Kon-
Problem, das zu untersuchen ist, gesagt wurde, be- zentration.
weist, lieber Kollege Martin, daß in diesem Hause (Beifall bei der FDP und der SPD.)
viel Unwissen über diese Dinge vorhanden ist und
daß es daher notwendig ist, einmal von kompeten- Wenn das keine Konzentration ist, meine Kolle-
ter Stelle Tatsachen vorgetragen zu bekommen. gen, dann frage ich: Was ist noch Konzentration?!
Wir können doch an diesen Dingen nicht vorbei-
Wenn ich höre, ein Ministerpräsident eines Lan- gehen. Und schließlich: betrachten Sie die Situation
des habe einen Brief geschrieben und erklärt: 1957 bei den Illustrierten!
60 %, 1962 48 % der Werbung in Zeitungen, dann
kommt mir das so vor, wie es etwa die Sowjet- Es wird immer der Anschein erweckt, beim Fern-
russen machen, die grundsätzlich nur mit Prozent- sehen könne der kleine und mittlere Unternehmer
zahlen arbeiten, aber im Effekt mit der Angabe die- nicht werben, weil er die Preise nicht bezahlen
ser Prozentzahlen nur bewirken wollen, daß die könne. Zu den Preisen muß daher auch etwas ge-
Tatsachen verschleiert werden. Denn, meine Kolle- sagt werden, denn wir wollen doch hier nicht Nebel
gen, die Sache sieht ganz anders aus, wenn man nicht abblasen, meine Kollegen. Bei den Preisen sieht
die Prozentzahlen, sondern die nackten Zahlen, die es konkret so aus: Eine Seite in der „Bild-Zeitung"
effektiven Zahlen betrachtet. kostet 116 000 DM, eine Seite Buntdruck in „Hör
zu" kostet 74 000 DM, eine Seite im „Stern" ohne
(Abg. Dr. Martin: Herr Zoglmann, ich habe Buntdruck 24 000 DM, mit Buntdruck wahrschein-
das im Konjunktiv gesagt!) lich 36 000 DM. Und nun die Situation im Fern-
— Lieber Kollege Martin, lassen Sie mich etwas sehen! Man muß doch die Dinge wirkli ch objektiv
über die echten Zahlen sagen; diese Minute schen- sehen. Hier spricht ein Werbefachmann. Ich betreibe
ken Sie mir bitte no ch. Es ist übrigens besonders eine Werbeagentur. Ich muß mit allen Medien ar-
makaber, daß das Jahr 1957 als Ausgangspunkt ge- beiten. Ich muß also objektiv sein.
wählt wurde; denn 1957 hat das Fernsehen fast noch (Heiterkeit.)
gar nicht bestanden, so daß jede prozentuale Steige- Ich kann Ihnen sagen: eine Seite in einer Zeitung
rung natürlich eine Steigerung ins Unendli che ist. entspricht etwa einem 30-Sekunden-Spot im Fern-
Bleiben wir also lieber bei 1958. Da ergibt sich über- sehen.
haupt erst eine Relation. 1958 sieht die Sache so aus:
rund 1000 Millionen DM Anzeigenaufkommen der (Zuruf von der CDU/CSU: Herr Zoglmann,
Zeitungen — wie Sie sehen, eine ganz beachtliche was kostet das wohl im „Spiegel"?)
Zahl —, rund 550 Millionen DM Anzeigenaufkom- Ein 30-Sekunden-Spot im Westdeutschen Rundfunk
men bei Zeitschriften, also konkret bei den Illustrier- kostet 12 000 DM, und ein 30-Sekunden-Spot im
ten, rund 42 Millionen DM bei der Rundfunkwer- Berliner Rundfunk kostet 2150 DM. Das also zur
bung und rund 12 Millionen DM beim Werbefern- Objektivierung. Lassen Sie sich doch nicht von
sehen. Das war damals ganz am Anfang. Und nun irgendwelchen Leuten irgendwelche Zahlen auf den
die Zahlen für 1962: 1408 Millionen DM Anzeigen- Tis ch legen, damit Sie sie hier völlig unkontrolliert
aufkommen bei Zeitungen, also eine Steigerung um weitergeben.
mehr als 400 Millionen DM, 1097 Millionen DM,
also rund 1100 Millionen DM, also eine Steigerung Wenn Untersuchungen über die Konzentration
um 100 %, um 550 Millionen DM, bei den Zeitschrif- und die Verschiebung angestellt werden sollen,
ten, also konkret bei den Illustrierten. Und hören dann muß auch der Bereich der Konzentration inner-
Sie die Zahl beim Fernsehen: eine Steigerung auf halb der Presse selbst einer sehr aufmerksamen
281 Millionen DM. Prüfung unterzogen. werden. Das Abwandern von
den objektiven, seriösen regionalen Tageszeitungen
Damit ist das Fernsehen aber auch schon am zur illustrierten Presse — ein Komplex für sich —
Ende. Eine weitere Steigerung ist nämlich nicht ist allein schon der Untersuchung wert. Selbstver-
mehr möglich, da die Anstalten beschlossen haben, ständlich muß auch die Situation in den Anstalten
daß die Werbezeiten nicht ausgedehnt werden dür- einbezogen werden.
fen. Der Bericht wird nur zu bestätigen haben, daß
die Anstalten bei rund 300 Millionen DM am Ende Lieber Kollege Martin, ich bin immer ein Prak-
angekommen sind und die Verschiebungen, wenn tiker in meinem Leben gewesen. Mir reicht es nicht
Sie wollen, sich im wesentlichen im Raum der Zei- zu sagen, das gehe gegen die roten Funkhäuser,
tungen und Zeitschriften ergeben haben, ein Pro- daher müsse man etwas machen.
blem, das Sie gar nicht angeschnitten haben. (Heiterkeit.)
Unser Anliegen, die kleinen und mittleren regio- Ich bin auch gegen die roten Funkhäuser, — damit
nalen Tageszeitungen in einen gewissen Schutz zu kein Irrtum entsteht. Meine Kollegen von der SPD,
nehmen, soweit das im Rahmen der heutigen ich bin ganz energisch gegen die roten Funkhäuser.
Situation überhaupt möglich ist, ist unbestritten.
Aber wir können nicht das falsche Pferd aufzäu-
Aber vergessen Sie doch nicht, daß sich auch im
Raum der Zeitungen selber ein Prozeß vollzieht, vor men; wir müssen da ansetzen, wo ein Ansatz wirk-
lich möglich ist.
dem wir die Augen nicht verschließen können. Den-
ken Sie daran, daß von den überregionalen Tages- Und nun kommen wir zu einem sehr interessan-
zeitungen mit einer Auflage von 4,8 Millionen im ten Problem. Mit Ihrer Hilfe, mit Hilfe der CDU,
ganzen Bundesgebiet 4,2 Millionen Stück in einem ist hier vor wenigen Jahren ein Rundfunkgesetz
4490 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

Zoglmann
verabschiedet worden. Hinterher hat sich dann der Majorität im Landtag. Verabschieden Sie also bitte
Herr Bundeskanzler, wie Sie wissen, mit der ein Gesetz und beseitigen Sie diese Zustände in der
Deutschland-Fr GmbHeigschalt,nz bayerischen Fernsehanstalt!
im Gegensatz zu dem, was meine Freunde und ich (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)
vorgetragen haben. Das wäre eine Möglichkeit ge-
wesen, die Dinge richtig 21.1 regeln: ähnlich wie in Abschließend zur Zuständigkeitsfrage! Lieber
England, wo die BBC ohne Werbung nur mit Ge- Kollege Sänger, ich bin wie Sie als langjähriger
bühren finanziert wird und wo daneben ein zweites Publizist der Meinung: an sich gehört das in den
Fernsehen, kontrolliert, besteht — die ITA —, das Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik als feder-
sich allein aus Werbung finanziert. Wer die Wer- führenden Ausschuß. Sie haben vorhin gesagt: Die
bung nicht haben will, .dreht das andere Programm Bundesratsbank ist leer, und das zeigt das „Inter-
an. Das wäre eine Möglichkeit gewesen. esse" der Länder. Glauben Sie mir, wenn wir das
dem Kulturpolitischen Ausschuß überweisen, wer-
(Zuruf von der CDU/CSU: Dazu war es zu den die alle sehr schnell wieder wach! Und um zu
spat!) verhindern, daß wir am Ende Zuständigkeitsein-
— Was heißt „zu spät" ? Wir sind noch alle hier, sprüche seitens der Länder bekommen, möchte ich
wir können noch springen, wenn wir wollen, wir vorschlagen: Lassen wir die Federführung beim
können das organisieren, und wir werden sehen, Wirtschaftsausschuß! Wir werden uns dann im Kul-
wohin wir dabei kommen. Diese Dinge mußte ich turpolitischen Ausschuß mitberatend in die Sache
Ihnen, glaube ich, zur Verdeutlichung und zum Ab- einschalten, und ich hoffe, daß wir zu einem ver-
blasen dieses Nebels sagen. nünftigen Ergebnis kommen.
Lieber Kollege Z immermann, Sie haben vorhin (Beifall.)
eingewendet, die Anstalten zahlten keine Steuern.
Dazu ist zu sagen — ich habe hier eine Unterlage Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
einer einzigen Anstalt, und zwar des Südwestdeut- Abgeordnete Blumenfeld.
schen Rundfunks —, ,daß der Südwestdeutsche Rund-
funk allein im Jahre 1962 für seine Werbefernsehen- Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
GmbH etwas über vier Millionen DM an Steuern sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich bin
bezahlt hat, — wie jeder andere Betrieb auch. Es mir der vorgerückten Stunde bewußt und werde
hat doch keinen Sinn, über diese Dinge hinwegzu- mich ebenso wie meine Herren Vorredner bemü-
gehen. Hier stehen Sie vor Fakten, die eben nicht, hen, es kurz zu machen. Aber ich möchte doch etwas
jedenfalls , auf die Dauer nicht, mit Erfolg in ein deutlicher in die Wettbewerbsverzerrungen einstei-
anderes Licht gebracht werden können. gen, die wir hier vor uns sehen. Herr Kollege Sän-
ger hat davon gesprochen, daß die Gefahren der
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter Existenzbedrohung, die sich zeigen könnten, für
Zoglmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des alle Massenmedien untersucht und geprüft werden
Abgeordneten Dr. Zimmermann? sollten. Ich kann mir, sehr verehrter Kollege Sän-
ger, nicht vorstellen, daß es eine Gefährdung für
Zoglmann (FDP) : Selbstverständlich! eine Anstalt öffentlichen Rechts gibt, die Gebühren
einzieht oder eingezogen bekommt — und zwar in
ständig steigendem Maße — und die keine Steuern
Dr. Zimmermann (München) (CDU/CSU) : Herr abzuführen braucht. Jedenfalls ist die Situation
-
Kollege Zoglmann, sind Ihnen die Verhältnisse
gegenüber den privatwirtschaftlich betriebenen Zei-
beim Werbefernsehen der anderen Stationen auch
tungsverlagen doch eine ganz andere.
bekannt?
Ich möchte nur in wenigen Punkten auf die Wett-
Zoglmann (FDP) : Also, lieber Kollege Zimmer- bewerbsnachteile, die ganz evident sind, zwischen
mann, ich will doch hoffen — — den Anstalten und den deutschen Zeitungsverlagen
hinweisen. Auch ich bin, wie es mein Kollege Mar-
Dr. Zimmermann (München) (CDU/CSU) : Ist tin ausgesprochen hat, keineswegs — und das ist,
Ihnen nicht bekannt, daß die bayerische Werbefern- glaube ich, keiner in diesem Hause — ein Bild-
sehen-GmbH z. B. keine der von Ihnen geschilder- schirmstürmer. Aber wir sind auch keine — inso-
ten Steuern zahlt, weil sie einen ganz bestimmten fern hat der Kollege Sänger recht — Naturschutz-
Status hat? Das gilt auch noch für andere. parkverwalter. Es ist die Aufgabe der deutschen
Presse selber, sich in ihrem Wettbewerbs- und Kon-
kurrenzkampf zu helfen. Die deutsche Presse und
Zoglmann (FDP) : Ich wollte eben so argumen- die deutschen Verlage können aber erwarten, daß
tieren: ich hoffe doch, daß sich nicht etwa im Inter- der Staat, daß wir ihnen die Möglichkeiten zur
esse der Berücksichtigung der bayerischen Belange Selbsthilfe geben.
die baberische Situation von der in Baden-Würt-
temberg unterscheidet. Die Tatsache, daß, wie der Kollege Martin es aus-
geführt hat, es eine Vielzahl von Tageszeitungen
(Zuruf von der CDU/CSU: Es ist aber so!) gibt, hat außer den erfreulichen politischen Aspek-
Aus Ihrer Aussage ist aber zu entnehmen, daß sie ten, die erwähnt worden sind, auch harte wirtschaft-
sich von ihr unterscheidet. Wenn ich richtig infor liche Konsequenzen; auch 'der Kollege Zoglmann
miert bin, hat in Bayern die CSU allein die absolute hat soeben darauf verwiesen. Aber die Verleger
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4491

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müssen sich dem Wettbewerbskampf stellen und Wir alle wissen, daß hier die Presse in einer
sich wappnen. sehr viel schwierigeren Ausgangsposition ist. Ich
möchte das gar nicht als ein Faktum für unsere
Wie ist nun die Angelegenheit bei den öffentlich- Untersuchungen in den Raum stellen; wir müssen
rechtlichen Anstalten des Fernsehens und des Rund- aber objektiv sehen, daß die Ausgangspositionen
funks? Da gibt es doch überhaupt keinen Wettbe- von vornherein verschieden sind.
werb um Inserenten, um Abonnenten wie bei den
Zeitungen. Wenn es einen Wettbewerb gibt, dann Aber nun komme ich hinsichtlich dieser ;,Sonn-
intern um die bessere Leistung, um das Bemühen, tagskind-Position", in der sich die öffentlich-recht-
ein besseres Programm und eine größere Aktuali- lichen Rundfunk- und Fernsehanstalten — per se,
tät zu erreichen. Aber wie immer dieser Kampf möchte ich sagen — befinden, auf die beiden wich-
innerhalb der Anstalten entschieden werden wird, tigsten Punkte, nämlich einmal die ungleiche Steuer-
er ändert an der Existenz dieser Anstalten über- belastung und zum zweiten die Werbedurchführung
haupt nicht das geringste. Dagegen möchte ich den seitens der Anstalten.
Verleger sehen, der eine schlechte Zeitung weiter-
produziert und dabei noch am Leben bleibt. Wir Zur Steuerbelastung! Sie alle wissen, daß die
haben genügend Beispiele dafür in den vergange- Zeitungen jeder Steuerart unterworfen sind — Um-
nen Jahren erlebt. satz-, Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und
Vermögensteuer — und daß demgegenüber die
Die den öffentlich-rechtlichen Anstalten vom Staat Rundfunkanstalten völlige Freiheit von diesen Ab-
eingeräumte Monopolstellung erlaubt es ihnen, sich gaben genießen.
nicht nur von jedem echten Leistungswettbewerb (Abg. Zoglmann: Aber doch nicht die
und Wirtschaftswettbewerb fernzuhalten, sondern
Werbegesellschaften!)
auch noch in den natürlichen Wettbewerbskampf
der Zeitungen und Zeitschriften und anderer ver- — Ich komme noch auf die Werbegesellschaften. —
schärfend einzugreifen. Wir brauchen uns doch nur Allein diese Tatsache bedeutet eine ganz ungleiche
einmal den ungleichen Wettbewerbsaufwand zu Position in der Belastung.
betrachten, den die Presse einerseits und Rundfunk
und Fernsehen andererseits zu treiben angehalten Wenn wir jetzt die besondere Verschärfung be-
sind. Wir haben soeben vom Kollegen Zoglmann die trachten, meine Damen und Herren, müssen wir
Preise für die Anzeigen gehört. Ich möchte eine doch die Praktiken und den Aufschwung des Werbe-
andere Zahl nennen, die wir im Ausschuß noch ge- fernsehens einmal ganz kurz betrachten. Auch hier
nauer untersuchen sollten. 50 Millionen DM muß will ich den Punkt durch einige Zahlen untermauern.
die Tagespresse im Jahresdurchschnitt aufwenden, Wir haben vorhin schon gehört, daß früher das
um der Fluktuation der Leserschaft zu begegnen. Verhältnis von Vertriebserlös zu Anzeigenerlös
Einen Wettbewerbsnachteil dieser Größenordnung etwa 65 : 35 gewesen ist, heute aber die Vertriebs-
brauchen die Rundfunkanstalten überhaupt nicht erlöse nur noch 30 bis 40 % ausmachen; den Rest
hinzunehmen. Im Gegenteil, man kann sagen, daß müssen die Anzeigen erbringen. Nun ist es doch so,
sie einen Vorteil in dieser Größenordnung genie- daß heute einen wesentlichen Anteil des Anzeigen-
ßen; er ergibt sich aus dem — das soll nun nicht geschäftes — Kollege Martin hat es ausgeführt —
polemisch interpretiert werden — Zwangscharakter die saisonal und konjunkturell abhängigen Stellen-
der Rundfunk- und Fernsehgebühren. Ich glaube anzeigen ausmachen. Der Teil des .Anzeigengeschäfts
auch nicht, daß irgendwelche Kosten für Werbung aber, wo nunmehr das Werbefernsehen einbricht,
von Hörern und Zuschauern die Aufwandseite der ist der Teil des Anzeigengeschäfts der Presse, auf
Rundfunkanstalten belasten. den sie wirklich angewiesen ist, nämlich insonder-
heit die Werbung für Markenartikel. Es läßt sich,
In diesem gesamten Gebiet sind die Anstalten des Herr Kollege Sänger — wir werden es im Ausschuß
öffentlichen Rechts in einer sehr viel glücklicheren,
nachprüfen —, statistisch sehr genau belegen, daß
glückhafteren Position. Man könnte hier einen Ver- die Werbetätigkeit der Rundfunk- und Fernsehan-
gleich mit den Positionen im Wettbewerb zwischen stalten überwiegend auf Kosten der Zeitungsanzeige
Kohle und Öl ziehen. Das eine ist eben das Moder-
gegangen ist. An dem gesamten Werbeetat für Mar-
nere, das sich weiter entwickelt hat, und das andere
kenartikel und überregionale Dienstleistungen hat-
ist das Traditionelle. ten die Tageszeitungen 1956 einen Anteil von
(Abg. Blachstein: Beim 01 ziehen Sie aber 38,8 %, .das Werbefernsehen einen solchen von null.
andere Konsequenzen!) Im Jahre 1962 hatte sich die Relation bereits ganz
erheblich verschoben; der Anteil der Tageszeitungen
— Ich werde das gleich noch erläutern, Herr Kol- betrug nur noch 29,6 %, war also um beinahe 10 %
lege Blachstein. Ich will nämlich ganz klar heraus- zurückgegangen, der Anteil des Werbefernsehens
arbeiten, daß eine privatwirtschaftliche unterneh- war hingegen auf beinahe 16 % geschnellt. Dieselbe
merische Tätigkeit, abgestützt durch die öffentlich- Entwicklung haben wir in den Vereinigten Staaten
rechtliche Situation, in der man sich nicht bemühen und in Großbritannien zu verzeichnen. Dort gibt es
muß, um die finanzielle Existenz zu kämpfen, und in Werbefernsehen, allerdings völlig getrennt, auf
der man im übrigen Steuervorteile jeder Art genießt, privatwirtschaftlicher Basis; aber es ist interessant,
nach unserer Auffassung unvereinbar ist hinsichtlich sich für unsere Untersuchungen das Beispiel Groß-
der Werbetätigkeit und der zusätzlichen Ein- britannien ins Gedächtnis zurückzurufen; dort betrug
nahmenseite. im Jahre 1955 der Anteil des Werbefernsehens
4492 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

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3,2 %, im Jahre 1960 war er schon auf beinahe 46 % von unserer Seite, also von staatlicher Seite, ge-
gestiegen. steuert werden muß. Der Werberadius der öffentlich-
rechtlichen Anstalten muß entweder entscheidend
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter eingeengt oder die Werbung muß ganz untersagt
Blumenfeld, gestatten Sie eine Zwischenfrage des werden; denn sonst wird der Werbeanteil und da-
Herrn Abgeordneten Dürr? mit die wirt schaftliche Prosperität des Fernsehens
Ausmaße erreichen, wie sie in den Vereinigten
Dürr (FDP) : Herr Kollege Blumenfeld, würden Sie Staaten oder in Großbritannien bereits an der Ta-
die Freundlichkeit haben, nach den Prozentzahlen, gesordnung sind.
die Sie uns angegeben haben, auch die absoluten Im übrigen brauchen wir nur darauf hinzuweisen,
Zahlen zu nennen? Es kann doch sein, daß Ein- daß auch in den Nachbarländern das Werbefern-
nahmen prozentual zurückgegangen sind, absolut sehen durchaus unbekannt ist, d. h. dort nicht prakti-
aber höher geworden sind. ziert wird. Aber bei uns in der Bundesrepublik hat
sich gleich sam über Nacht eine Zwischenlösung
Blumenfeld (CDU/CSU) : Ich glaube, unsere Prü- durchgesetzt, und die Einnahmen aus diesem Werbe-
fungen im Ausschuß werden sogar beweisen, daß fernsehen machen einen ganz - beträchtlichen Pro-
dem so ist. zentsatz der Gesamteinnahmen aus. Ich habe das
einmal nach allen statistischen und sonstigen Unter-
(Abg. Dr. Martin: Das ist tatsächlich so! —
lagen, die mir zur Verfügung stehen, durchgerech-
Abg. Zoglmann: Höher als im Fernsehen!)
net. Es sind mindestens 40 %, die jetzt schon aus
Aber der Punkt, auf den ich hinweise, ist, daß der den Nettoerlösen des Werbefernsehens in den Etats
ganze Bereich der Markenartikelwerbung in immer der ARD figurieren. Diese Entwicklung ist äußerst
stärkerem Maße einen wirtschaftlichen Einbruch unbefriedigend. Sie verhilft den Rundfunk- und
bei den Zeitungen zur Folge hat. Fernsehanstalten dazu, ihre Situation, die eigent-
lich eine Monopolsituation ist, immer stärker aus-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wer wünscht eine zubauen und die wirtschaftliche Lage der Tages-
Zwischenfrage zu stellen? — Herr Abgeordneter presse immer weiter zu erschweren.
Zoglmann. Niemand wird behaupten können — ich sage das
mit allem Nachdruck —, daß die Erlöse aus dem
Zoglmann (FDP) : Herr Kollege Blumenfeld, hal- Werbefernsehen für die Anstalten existenznotwen-
ten Sie es für möglich, daß ein Teil des Zuwachses dig seien.
des Anzeigenaufkommens insgesamt auch daraus
(Abg. Blachstein: Wollen Sie die Gebühren
resultiert, daß ein neues Werbemedium auf dem
erhöhen?)
Markt erschienen ist und daher dieses neue Me-
dium einen originären Zuwachs aufweist? — Die Anstalten brauchen nur vernünftig, ordent-
lich und sorgsam mit den recht hohen, jedes Jahr
Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Kollege Zoglmann, weiter steigenden Gebühreneinnahmen zu wirtschaf-
ich bezweifle das; denn die Statistiken bzw. die ten, und diese brauchen nicht in einem derartigen
Nachforschungen eines in dieser Frage so objekti- Ausmaß zu überwuchern. Verehrter Herr Kollege
ven Instituts, wie es der Deuts che Industrie- und Blachstein, Sie sitzen ja im Verwaltungsrat einer
Handelstag ist, haben erwiesen, daß verschiedene ganz bestimmten bekannten Anstalt. Sie könnten
G ru ppen von Markenartikelfirmen seit der Ver- ein gutes Werk tun, wenn Sie auch darauf Ihr
stärkung der von den Firmen betriebenen Fernseh- Augenmerk lenkten. Sollte aber dieses Argument
werbung die Anzeigenaufträge bei den Zeitungen einmal aufkommen, daß die Anstalten auf stärkere
beträchtli ch vermindert haben. Es ist selbstverständ- Einnahmen, - und zwar aus anderen Quellen, ange-
lich, daß dieser Anzeigenrückgang in der Haupt- wiesen sind, so möchte ich, Herr Kollege Blachstein,
sache — mein Kollege Martin hat schon darauf hin- darauf hinweisen, daß die BBC in London mit der
gewiesen — die mittlere regionale und die Heimat- Hälfte der Gebühren Tag für Tag ein Programm aus-
prestif;dnaßgroeZitunm strahlt, das dem des NDR oder auch des WDR zu-
hohen Auflagen erst zu allerletzt von dieser mindest gleichwertig ist. Ich glaube, Sie werden mit
existenzbedrohenden Entwicklung erfaßt werden, mir darin übereinstimmen.
versteht sich von ganz allein. Eine ganz andere Bedeutung haben natürlich die
Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, so wird Werbeeinnahmen für die Tagespresse und ihren
die Presse sehr bald an einer absoluten Stagnations- Bestand. Eine Sinken der Anzeigenerlöse wird un-
marke der Zuwachsrate, von der Sie, Herr Kollege mittelbar und sofort die Existenz eines Zeitungs-
Zoglmann, eben sprachen, angelangt sein. Aus dem verlages gefährden. Wenn wir davon ausgehen, daß
Aufschwung des Werbefernsehens seit 1956/57 er- im Laufe des nächsten Jahres noch einmal mit
gibt sich nach meiner Auffassung, daß die Zeitungs- einer Erhöhung der Zahl der Fernsehzuschauer
verleger, ob sie nun unabhängig sind oder partei- in der Größenordnung bis zu etwa 1 1/2 Millionen
politisch irgendwie gebunden sind, allen Grund ha- gerechnet werden muß, so ist es ganz klar, daß von
ben, zu befürchten, daß dieser Tag nicht mehr allzu dieser Seite allein genügend finanzielle Unterstüt-
fern ist. Die gewaltigen Zuwachsraten, mit denen zung kommt und daß auf der anderen Seite die
das Werbefernsehen hier aufzuwarten hat, sind nicht Zeitungen es sich nicht leisten können — und nicht
zu verkennen, und ich meine, daß dieser Entwicklung leisten werden —, die Gebühren für ihre Erzeug-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4493
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nisse zu erhöhen. Selbstverständlich werden die Er- der Muttergesellschaft entweder durch Gewinn-
löse, die die Zeitungen erzielen, immer wieder für übertragung oder durch Kostenerstattungen oder an-
umfangreiche Investitionen verwandt werden müs- dere Manipulationen zugeflossen sind, deren eine
sen, um der ganzen Entwicklung, die ich aufgezeigt ganz sicherlich — ich spreche das hier heute nur als
habe, zu steuern. Vermutung aus — im normalen Geschäftsleben den
Tatbestand einer verdeckten Gewinnausschüttung
Leider ist festzustellen, daß das Werbefernsehen
gleichkommen würde. Nach dem deutschen Steuer-
sich erst nach einem Urteil des Oberlandesgerichts
recht ist eine solche verdeckte Gewinnausschüttung
München im November 1957 entwickelt hat. Ich will
die Begründung hier nicht verlesen. Das Gericht hat steuerpflichtig; hier wird das aber nicht erfaßt.
die Klage des Bundesverbandes Deutscher Zeitungs- Nun einen letzten Punkt, meine Damen und Her-
verleger gegen den Bayerischen Rundfunk wegen ren! Die Zeitung hat natürlich — und das ist in der
der Einführung des Werbefernsehens zurückgewie- Debatte vorhin nicht erwähnt worden — nicht nur
sen. Im nachfolgenden Ablauf der Jahre hat sich ge- diese Wettbewerbsnachteile, sondern auch Aktuali-
zeigt, daß das Gericht sich absolut geirrt hat; denn tätsverluste hinzunehmen. Dais werden wir nicht
die sechs Minuten, von denen damals gesprochen ändern können; aber es muß darauf hingewiesen
wurde, sind heute ganz allgemein — im Durch- werden. Die Zeitung meldet im allgemeinen doch
schnitt aller Anstalten in der Bundesrepublik — zu das, was das Fernsehen am Abend vorher gebracht
20 Minuten reiner Werbezeit ausgeweitet worden. hat. Ich meine, daß wir auch diesen Punkt im Aus-
Daß sich hier selbst ein so hohes und würdiges Ge- schuß prüfen sollten im Hinblick auf sogenannte
richt wie das beyerische Oberlandesgericht geirrt Standortvorteile, die sich da 'ergeben könnten.
hat, ist für uns kein Trost, sondern eher eine Er-
mahnung dahin, daß wir uns mit diesen Fragen be- Meine Damen und Herren, ich habe versucht, in
schäftigen müssen. einigen Punkten herauszustellen und zusammenzu-
fassen, wo sich die Lage ungleichen Wettbewerbs
Noch ein Wort zu den Werbefernsehen-Gesell- zwischen Tagespresse und Rundfunk sund Fernseh-
schaften. Herr Kollege Sänger hat gesagt, daß diese anstalten ergibt. Es waren die ungleiche Konkur-
Werbe-GmbHs ja Steuern zahlten wie jede nor- renzsituation an 'sich, der ungleiche Werbeaufwand,
male GmbH auch. Das ist von Herrn Kollegen die ungleiche Steuerbelastung, der unglei che Werbe-
Zoglmann unterstrichen worden. Aber Herr Kollege ertrag und die ungleiche Aktualität, von der ich so
Zimmermann hat dem schon unter Anführung eines eben zum Schluß noch kurz gesprochen habe. Ge-
Beispiels — es gibt mehrere dafür — widerspro chen. wiß ist die wirtschaftli che Bedeutung der einzelnen
Aber wir wollen diesen Streit jetzt nicht austra Punkte unterschiedlich. Die Hauptprobleme bilden
gen. Das Ziel unserer Untersuchung ist, festzustel- — das wird die Ausschußarbeit ergeben — Werbe-
len: Wie geht es denn dort, wie laufen die Dinge fernsehen und Aktualitätsnachteil.
da? — Ich muß Ihnen idazu sagen, daß die Grün- Die Zeitungen wären überfordert, wollte man sie
dung der Werbegesellschaften, die quasi Privat- in ihrem Existenzkampf allein lassen; davon sind
gesellschaften sind, so vollzogen wird, daß sich die wir überzeugt. Es wird unsere Aufgabe in den Aus-
Anteile in der Mehrheit zumindest immer in der schüssen sein, darüber nachzudenken, wie wir einer
Hand der öffentlich-rechtlichen oder der betreffende Wettbewerbsverzerrung entgegenwirken können.
Anstalten befinden. Diese Werbe-GmbHs erledi- Ich meine, das Zweite Deuts che Fernsehen hat sich
gen nunmehr alle mit den Werbesendungen ver- bisher als eine unglückliche Konstruktion erwiesen.
-
bundenen Geschäfte und haben sich ihrerseits teils Wenn Presse und Film überleben wollen, müssen
direkt, teils indirekt über die Mutteranstalt — ich sie nach meiner Auffassung auch am Fernsehge-
glaube, Herr Martin erwähnte das — sogar Film- schäft beteiligt werden. Man gebe ihnen die Chance,
studios zugelegt. Die erworbenen Anteile sind im ein eigenes Programm herauszubringen, und mache
allgemeinen hochgenug, um ihren Eignern zu er- ihnen die Auflage, es allein aus Werbetätigkeit zu
möglichen, die Geschäftsrichtlinien zu bestimmen. finanzieren.
Daß neben den wirtschaftlichen Verzahnungen er-
(Abg. Zoglmann: Eine Frage!)
hebliche personelle Verflechtungen ibeistehen, ist
selbstverständlich. Ich könnte eine ganze Reihe von — Herr Kollege, bitte.
Beispielen aus dem Bereich des NDRausbreiten,
will das 'aber hier nicht tun, sondern dm Ausschuß. Zoglmann (FDP) : Herr Kollege Blumenfeld, sind
Meine Damen rund Herren, warum erzähle ich Sie nicht der Auffassung, man müßte bei der Erörte-
das alles? Um Ihnen zusagen — und das gilt, Herr rung der Möglichkeit, der Presse eine Beteiligung
Kollege Sänger, insbesondere für die Untersuchung, an einer oder zwei oder drei Fernsehschienen einzu-
die wir anzustellen halben —: der von diesen Wer- räumen, auch darauf bedacht sein, daß nicht am
begesellschaften erwirtschaftete Gewinn fließt, so Ende die Mehrheitsverhältnisse so liegen, daß eine
behaupte ich, in verdeckter oder in offener Form einzige solche durch die Presse gesteuerte Gesell-
den Muttergesellschaften zu einem solchen Anteil schaft über 80 % der Anteile verfügt und die rest-
zu, daß am Schlusse nur noch ein kleiner steuer- lichen 20 % bei anderen Verlagen liegen?
pflichtiger Gewinn übrig bleibt. Ich könnte dafür
Beispiele aus dein Bereiche der Nordwestdeutschen Blumenfeld (CDU/CSU) : Herr Kollege Zoglmann,
Fernseh-GmbH bringen. Es sind Beträge in der ich verstehe die berechtigte Sorge, die aus Ihrer
Größenordnung von vielen, vielen Millionen, die Frage klingt; aber in der Praxis wird sie sich gar
4494 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963

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nicht ergeben. Sie brauchen ja nur die genossen- Dann ist nur noch die Frage, welcher Ausschuß
schaftliche Form anzuwenden. Es gibt eine ganze federführend sein soll. Es ist beantragt, daß der
Reihe anderer Möglichkeiten, um eine solche zwei- Wirtschaftsausschuß federführend sein soll. Wird
felsohne unerwünschte Konzentration bei der Ver- ein anderer Antrag gestellt? Sie (zur SPD) haben
wirklichung meines Vorschlages zu vermeiden. den Kulturausschuß vorgeschlagen.
Wenn wir das aber feststellen, muß natürlich ande- Hierzu der Herr Abgeordnete Rasner.
rerseits der ARD jede Werbetätigkeit im Fernsehen
untersagt werden. Aber ich glaube, es würde auch
den Anstalten der ARD nicht schlecht bekommen, Rasner (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
wenn sie auf den ursprünglich gedachten Zweck, die Damen und Herren! Ich würde doch sehr dafür plä-
Idee ihrer Aufgabe, zurückgeführt würden. Es war dieren, daß wir bei der Absprache, die wir im
einmal so gedacht, daß man ihnen das feuergefähr- Ältestenrat aus sehr guten Gründen getroffen ha-
liche Spielzeug der unternehmerischen Betätigung ben, bleiben. Erstens ist die Untersuchung über die
in der Werbewirtschaft wieder aus den Händen neh- Wettbewerbsfähigkeit schon vom Thema her wirt-
men wollte. schaftspolitischer Natur. Zum zweiten haben wir
über die Frage des Verhältnisses Rundfunk-Bund
Ich bin mit meinen Kollegen der Auffassung, daß Karlsruhe gehört. Der Rundfunk reicht hier hinein.
hier dem Bundestag und seinen Ausschüssen eine Wir sollten dabei nach meiner Meinung sehr, sehr
eminent wichtige politische Aufgabe obliegt, und ich sorgfältig sein.
hoffe — da die Angelegenheit sehr dringlich ist —,
daß Parlament wie Bundesregierung bis Mitte näch- Im übrigen kommt der mitberatende Ausschuß
sten Jahres eine Lösungsmöglichkeit vorschlagen, zuerst dran. Der mitberatende Ausschuß, dessen
die sich dann vielleicht zu gesetzgeberischen Be- Votum dem federführenden Ausschuß vorliegen
schlüssen verdichten könnte. muß, ist der Ausschuß für Kulturpolitik und Publi-
zistik. Wir sollten wirklich dabei verbleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU.)
(Zuruf von der SPD: Einverstanden!)

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Vizepräsident Dr. Jaeger: Der Antrag wird
Abgeordnete Sänger. also zurückgezogen? —
(Zustimmung bei der SPD.)
Sänger (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und — Es besteht dann Einmütigkeit darüber, daß der
Herren! Wir haben aus dem Munde des Herrn Wirtschaftsausschuß federführend sein soll. Ich
Zoglmann sehr viele Zahlen gehört, die die Situa- danke Ihnen, daß Sie dem Haus eine Auszählung
tion vom Standort des Fernsehen und Hörfunks aus der Stimmen zu dieser Tageszeit ersparen.
beleuchteten. Wir haben aus dem Munde des Herrn
Blumenfeld Zahlen gehört, die die Situation vom Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Standpunkt der Presse aus beleuchteten. Finden Sie
nicht, daß es zweckmäßig wäre, den Vergleich die- Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
ser Zahlen nicht hier im Plenum vorzunehmen, diese Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus-
Diskussion also nicht fortzusetzen? schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
(Beifall bei der SPD und in der Mitte.) Forsten (19. Ausschuß) über den Antrag der
Abgeordneten Sander, Peters (Poppenbüll),
Wir wären übrigens dazu durchaus in der Lage; Dr. Effertz, Logemann, .Walter, Ertl, Dr. Frey
denn die Zahlen waren uns samt und sonders nicht (Bonn), Struve und Genossen betr. Zucker-
ganz unbekannt. Wahrscheinlich haben wir aus den rübenpreis 1963/64 (Drucksachen IV/1416,
gleichen Quellen geschöpft. Die Diskussion darüber IV/1534).
sollte jedoch nun in den Ausschüssen erfolgen, nach-
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordne-
dem Sachverständige geprüft haben, was an den
ten Marquardt, für seinen Schriftlichen Bericht und
Zahlen richtig und was falsch ist. Deshalb bitte ich
erteile das Wort dem Abgeordneten Rasner.
darum, so zu verfahren.
(Beifall bei der SPD.) Rasner (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Zu dieser Materie liegt der Aus-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und schußantrag vor und ist ein Kabinettsbeschluß vor-
Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. handen. Beides sollte nach unserer Auffassung noch
Ich schließe die Aussprache. einmal im Ausschuß diskutiert werden. Ich bean-
trage deshalb, diese Vorlage an die Ausschüsse
Wir kommen zur Abstimmung. Es geht um die zurückzuüberweisen.
Ausschußüberweisung. Ich glaube, es besteht Ein-
mütigkeit darüber, daß sowohl der Wirtschaftsaus-
schuß als auch der Ausschuß für Kulturpolitik und Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
Publizistik befaßt werden. Abgeordnete Ertl.
(Zuruf.)
Ertl (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und
— Außerdem ein weiterer Ausschuß? — Herren! Namens meiner Freunde teile ich Ihnen mit,
(Lebhafte Zurufe: Nein!) daß wir gegen die Rückverweisung stimmen wer-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4495
Ertl
den. Wir sehen keine neuen Gesichtspunkte für behandelt werden. Wir sind der Meinung, diese
eine Behandlung im Ausschuß. Daher würde ich Frage hätte im Parlament entschieden werden sol-
mich den Ausführungen von Herrn Professor Schel- len, um auch ein echtes Spannungsverhältnis zwi-
lenberg von vorhin anschließen und fast gewillt schen Parlament und Regierung für die Zukunft auf-
sein, ebenfalls namentliche Abstimmungen zu bean- rechtzuerhalten.
tragen, weil, wie mir scheint, auch diese Sache nicht (Beifall bei der FDP. — Oho-Rufe von der
von geringfügiger Bedeutung ist. Aber auf Grund SPD.)
Ihrer Stimmung — —
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wortmeldungen
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter, liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Besprechung.
bei Anträgen zur Geschäftsordnung können Sie
keine namentliche Abstimmung beantragen. Wer dem Antrag des Abgeordneten Rasner auf
Rücküberweisung an den Ausschuß für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten zuzustimmen wünscht,
Ertl (FDP) : Ich bedanke mich für die Aufklärung, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um
Herr Präsident. Ich habe ja auch gesagt: ich würde
die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; die
es gern tun.
Rücküberweisung ist beschlossen.
(Heiterkeit in der Mitte und links.)
Wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung.
Aber ich bin mir der Schwierigkeit der Situation be Ich darf nur noch bemerken, daß der Verteidigungs-
wußt. Ich will Sie auch nicht mehr lange belästigen. ausschuß um 14.00 Uhr zu seiner Sitzung zusammen-
Es tut uns furchtbar leid. Wir hätten gern diese tritt.
Sache baldigst behandelt. Es erscheint uns unwahr- Die nächste Sitzung des Plenums berufe ich auf
scheinlich, daß zwei Ausschüsse die Sache sehr Mittwoch, den 4. Dezember, 9.00 Uhr.
klar diskutiert und ausführlich behandelt haben und
zu einem klaren Votum gekommen sind, und weil Die Sitzung ist geschlossen.
nun Spannungen mit der Regierung aufgekommen
sind, sollte im Parlament diese Frage nicht einmal (Schluß der Sitzung: 13.34 Uhr.)

-
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 97. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. November 1963 4497

Anlage zum Stenographischen Bericht

Liste der beurlaubten Abgeordneten


Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 11.
Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kühn (Hildesheim) 15. 11.
Dr. Aigner 15 11. Leber 15. 11.
Arendt (Wattenscheid) * 15. 11. Lemmer 15. 11.
Dr. Arndt (Berlin) 31. 12. Lenz (Brühl) * 15. 11,
Arndgen 15. 11. Dr. Löbe 15. 11.
Dr. Arnold 15. 11. Dr. Löhr 15. 11.
Dr. Aschoff 15. 11. Lücker (München) * 15. 11.
Dr. Atzenroth 15. 11. Dr. Mälzig 15. 11.
Bading 15. 11. Mauk * 15. 11.
Bäuerle 15. 11. Merten 16. 11.
Bauknecht 15. 11. Metzger 21. 11.
Dr. Bechert 15. 11. Michels 15. 11.
Berberich 15. 11. Freiherr von Mühlen 24. 11.
Berlin 20. 11. Müller (Aachen-Land) 16. 11.
Dr. Besold 15. 11. Müller (Remscheid) 15. 11.
Dr. Birrenbach 15. 11. Dr. Müller-Hermann 15. 12.
Fürst von Bismarck 15. 11. Dr. Nissen 15. 11.
Frau Blohm 15. 11. Neumann (Allensbach) 15. 11.
Börner 15. 11. 011enhauer 31. 12.
Braun 15. 11. Pöhler 15. 11.
Dr. von Brentano 15. 11. Porten 15. 11.
Brese 16. 11. Porzner . 15. 11.
Burckardt 15. 11. Frau Dr. Probst * 15. 11.
Burgemeister 16. 11. Rademacher * 15. 11.
Cramer 15. 11. Frau Dr. Rehling 15. 11.
Dr. Deist * 15. 11. Frau Renger 15. 11.
Dr. Dichgans * 15. 11. Richarts * 15. 11.
Dopatka 18. 11. Rollmann 15. 11.
Dr. Dörinkel 15. 11. Schmidt (Kempten) 15. 11.
Drachsler 15. 11. Dr. Schmidt (Offenbach) 15. 11.
Ehren 15. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 11.
15.
Eisenmann 15. 11. Schoettle 31. 12.
Frau Dr. Elsner * 15. 11. Dr. Seffrin 16. 11.
Etzel 15. 11. Seibert 15. 11.
Dr. Frede 15. 11. Seidl (München) 15. 11.
Dr. Frey (Bonn) 15. 11. Seifriz 15. 12.
Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 15. 11. Dr. Siemer 15. 11.
Fritsch 30. 11. Soetebier 15. 11.
Frau Funcke (Hagen) 15. 11. Dr. Stoltenberg 15. 11.
Goldhagen 16. 11. Stooß 15. 11.
Freiherr zu Guttenberg 15. 12. Storch * 15. 11.
Haage (München) 15. 11. Strauß 15. 11.
Haase (Kassel) 15. 11. Frau Strobel * 15. 11.
Hahn (Bielefeld) 15. 11. Strohmayr 15. 11.
Hammersen 15. 11. Struve 15. 11.
Hauffe 15. 11. Dr. Supf 15. 11.
Heiland 15. 11. Dr. Freiherr
Holkenbrink 15. 11. von Vittinghoff-Schell 15. 12.
Hörmann (Freiburg) 15. 11. Weber (Georgenau) 15. 11.
Dr. Hoven 30. 11. Weinkamm 15. 11.
Kahn-Ackermann 15. 11. Wellmann 16. 11.
Kalbitzer 15. 11. Wendelborn 15. 11.
Kemmer 15. 11. Dr. Wilhelmi 16. 11.
Frau Dr. Kiep-Altenloh 15. 11. Dr. Winter 15. 11.
Frau Kipp-Kaule 15. 11. Wischnewski * 15. 11.
Klinker * 15. 11. Frau Zimmermann (Brackwede) 15. 11.
Knobloch 15. 11.
Kreitmeyer 16. 11.
Kriedemann * 16. 11. *Für die Teilnahme an Sitzungen ,des Europäischen Par-
Dr. Kübler 15. 11. laments

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