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D eutscher Bundestag

76. Sitzung

Bonn, Donnerstag, 5. November 1970

Inhalt:

Überweisung zweier Gesetzentwürfe an Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal)


den Finanzausschuß 4245 A (CDU/CSU) :
Äußerung des Bundesbeauftragten für
Amtliche Mitteilungen . . . . . . 4245 B Naturschutz und Landschaftspflege über
das Naturschutzrecht
Fragestunde (Drucksache VI /1339) Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 4248 B

Fragen des Abg. Roser (CDU/CSU) : Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal)
Äußerung des Bundeskanzlers in der (CDU/CSU) :
Sitzung des SPD-Parteivorstands am Einschaltung des Bundesbeauftragten
12. Oktober 1970 Prof. Grzimek in das Planungsverfah-
Dr. Ehmke, Bundesminister 4246 A, B, C, D, ren zur Bestimmung der Linienführung
4247 A der Bundesstraße 42 in Eltville
Roser (CDU/CSU) 4246 C, D Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 4248 C
Niegel (CDU/CSU) . . . 4246 D
- Fragen des Abg. Seiters (CDU/CSU) :
Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) :
Schrift des Bundespresseamtes „Auf-
Äußerung des Staatssekretärs Bahr auf bruch in die 70er Jahre" — Angaben
der Informationstagung der Berliner über die für Verkehrswege zur Verfü-
SPD am 3. Oktober 1970 gung stehenden Mittel
Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 4247 A, B Ahlers, Staatssekretär 4248 D, 4249 B, C, D,
Engelsberger (CDU/CSU) . . . . 4247 B 4250 A, B, C, D
Seiters (CDU/CSU) . 4249 A, B, 4250 B, C
Fragen des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) :
Biehle (CDU/CSU) . . . . . . . 4249 C
Ausführungen des Ministerialdirektors
Ehrenberg über die liberale Marktwirt Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . . 4249 D
schaft 4249 D
Dr. Ritz (CDU/CSU)
Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 4247 C, D,
4248 A Dr. Apel (SPD) 4250 D

Dr. Jobst (CDU/CSU) 4247 D Dr. Jobst (CDU/CSU) 4250 D


II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Fragen der Abg. Dr. Ritz und Dr. Rein- Fragen der Abg. Frau Funcke (FDP) :
hard (CDU/CSU) : Leitung von Arbeitsämtern durch
Wahlbrief des Staatssekretärs Dr. Frauen — Berufung von Frauen an lei-
Griesau an die hessischen Landwirte tende Stellen der Arbeitsverwaltung
Logemann, Parlamentarischer Rohde, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . . 4251 A, B, C, D, Staatssekretär . . . . . . . . 4259 A
4252 A, B, D, 4253 A, B, C, D,
4254 A, B, C, D, 4255 A Frage des Abg. Härzschel (CDU/CSU) :
Dr. Ritz (CDU/CSU) . 4251 A, B, 4253 B Gewährung von zinsgünstigen Baudar-
Ehnes (CDU/CSU) lehen aus der Rentenversicherung an
4251 B
Arbeiter
Dr. Rutschke (FDP) . . . 4251 D, 4254 C
Rohde, Parlamentarischer
Dr. Reinhard (CDU/CSU) 4252 C, Staatssekretär . . . 4259 B, C, 4260 A
4253 A, 4254 B
Härzschel (CDU/CSU) 4259 C, D
Lotze (SPD) 4253 A
Niegel (CDU/CSU) 4253 B Fragen des Abg. Dr. Marx (Kaiserslau-
Fellermaier (SPD) 4253 C tern) (CDU/CSU) :
Dasch (CDU/CSU) 4253 D Zentrale Erfassungsstelle der Landes-
Lemmrich (CDU/CSU) 4254 D justizverwaltungen in Salzgitter
Dr. Bayerl, Parlamentarischer
Fragen des Abg. Pohlmann (CDU/CSU) : Staatssekretär 4260 B, C, D, 4261 A, B, C
Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU)
Güteverschlechterung bei der Rund-
holzsortierung in Hessen 4260 B, C, D, 4261 A
Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . . 4261 B
Logemann, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . . . 4255 B, C, D Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . 4261 C
Pohlmann (CDU/CSU) . . . . . 4255 C, D
Nächste Sitzung 4261 D
Frage der Abg. Frau Dr. Walz (CDU/CSU) :
Erfahrungsaustausch mit der Sowjet- Anlagen
union auf dem Gebiet des Hochschul-
wesens Anlage 1
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 4263 A
Staatssekretär . . . . 4256 A, B, C, D Anlage 2
Frau Dr. Walz (CDU/CSU) . . . 4526 B, C Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Meister (CDU/CSU) . . . . . . 4256 D Frage des Abg. Ruf (CDU/CSU) betr. Zu-
satztarife der Ersatzkassen mit zusätz-
Frage der Abg. Frau Dr. Walz (CDU/CSU): lichem Krankengeld 4263 C
Beteiligung des Bundes an den Kosten Anlage 3
des Hochschul-Informations-Systems
Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Fragen des Abg. Maucher (CDU/CSU)
Staatssekretär 4257 A, B betr. Anrechnung von Weihnachtsgeld
Frau Dr. Walz (CDU/CSU) . . 4257 A, B bei Leistungen nach dem Bundesversor-
gungsgesetz . . . . . . . . . . . 4263 C
Frage des Abg. Hansen (SPD) : Anlage 4
Ausdehnung der Lernmittelfreiheit auf Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
den Bereich der Elementarstufe Fragen des Abg. Schiller (Bayreuth)
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer (SPD) betr. Änderung des § 10 des Lohn-
Staatssekretär . . 4257 C, D, 4258 A, B fortzahlungsgesetzes . . . . . . . . 4264 A
Hansen (SPD) . . . . . . . . 4257 C, D Anlage 5
Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . . 4258 A Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Frau. Dr. Walz (CDU/CSU) . • . . 4258 A Frage des Abg. Dr. Haack (SPD) betr.
Auswirkungen des Lohnfortzahlungsge-
Frage des Abg. Dr. Haack (SPD) : setzes 4264 A
Finanzierung des Baues von Studenten- Anlage 6
wohnheimen
Schriftliche Antwort auf die Mündliche
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr.
Staatssekretär . . . . . . . 4258 C, D Unterstützung der Aktion „Jugend trai-
Dr. Haack (SPD) . . . . . . . . 4258 D niert für Olympia" 4264 C
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4245

76. Sitzung

Bonn, den 5. November 1970

Stenographischer Bericht überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um
Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß-
fassung im Rat

Verordnung des Rates betreffend die jährliche Überprüfung


Beginn: 14.00 Uhr der Besoldung der Beamten und sonstigen Bediensteten der
Gemeinschaften
— Drucksache VI /1342 —
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsaus-
schuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der
Die Sitzung ist eröffnet. endgültigen Beschlußfassung im Rat

Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, zwei Gesetz- Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG)
Nr. 2517/69 zur Festlegung einiger Maßnahmen zur Sanie-
entwürfe, die in der 39. Sitzung des Bundestages am rung der Obsterzeugung in der Gemeinschaft
18. März 1970 dem Ausschuß für Städtebau und — Drucksache VI /1343 —
Wohnungswesen — federführend —, dem Innen- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der
ausschuß, dem Rechtsausschuß, dem Ausschuß für endgültigen Beschlußfassung im Rat
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitbera- Verordnung des Rates zur Ä nderung der Regelung der Be-
tend — sowie -dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 züge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbedienste-
ten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Belgien
der Geschäftsordnung überwiesen wurden, auch dem dienstlich verwendet werden.
Finanzausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Drucksache VI /1346 —
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsaus-
Es handelt sich um die folgenden Gesetzentwürfe: schuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der
endgültigen Beschlußfassung im Rat
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von
Verordnung des Rates zur vorherigen Festsetzung der Ab-
städtebaulichen Erneuerungs- und Entwick- schöpfung bei der Einfuhr von Olivenöl
lungsmaßnahmen in Stadt und Land Verordnung des Rates über den Pauschbetrag für nichtraffi-
niertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt
— Drucksache VI /434 — wurde und aus diesem Land unmittelbar in die Gemeinschaft
befördert wird
Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Verordnung des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zu
schläge zum Marktrichtpreis, zum Interventionspreis und
Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in zum Schwellenpreis für Olivenöl im Wirtschaftsjahr 1970/1971
den Gemeinden - Verordnung des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises
für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1970/1971
— Drucksache VI /510 Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG)
Nr. 2132/69 über die Beihilfe für Olivenöl
- Das Haus ist damit einverstanden; es ist so be- — Drucksache VI /1347 —
schlossen. überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft (federführend),
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der
Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden Beschlußfassung im Rat
ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht Verordnung des Rates betreffend die Unregelmäßigkeiten,
aufgenommen: die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rah-
men der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik und
die Einrichtung eines Informationssystems
Der Bundesminister für Verkehr hat am 31. Oktober 1970 die
Kleine Anfrage der Abgeordneten Schulte (Schwäbisch Gmünd), — Drucksache VI /1348 —
Dr. Miltner, Weber (Heidelberg), Dr. Schwörer, Baier, Dr. überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und
Jenninger, Dr. Wörner, Adorno, Biechele, Frau Griesinger, Dr. Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der
Eyrich, Pfeifer, Dr. Abelein, Susset, Dr. Prassler und Genossen endgültigen Beschlußfassung im Rat
betr. Bundesfernstraßenbau in Baden-Württemberg — Druck-
sache VI /1293 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache Verordnung des Rates zur Anwendung der Entscheidung des
VI /1364 verteilt. Interimsausschusses EWG /OSTAFRIKA über die Begriffs-
bestimmung für „Erzeugnisse mit Ursprung in oder
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß „Ursprungserzeugnisse" sowie über die Methoden der Zu-
des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen sammenarbeit der Verwaltungen
überwiesen:
— Drucksache VI /1349 —
EWG-Vorlagen überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um
Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß-
Verordnung des Rates über die teilweise Aussetzung des fassung im Rat
autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Gar-
nelen der Art Pandalus Plateceros Japonicus, nur in Wasser Verordnung des Rates
gekocht und geschält, auch gefroren für die Konserven- zur Ä nderung der Verordnungen Nr. 120 /67 /EWG und Nr.
industrie (Tarifnummer ex 16.05 B) 359 /67 /EWG über die gemeinsame Marktorganisation für
— Drucksache VI /1336 — Getreide und Reis
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte uni zur Ä nderung der Verordnungen Nr. 140 /67 /EWG und Nr.
Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß- 365 /67 /EWG über die Regeln für die vorherige Festsetzung
fassung im Rat der Abschöpfungen für Getreide, Reis und Bruchreis
Verordnung des Rates zur Ä nderung der Verordnung (EWG) — Drucksache VI /1353 —
Nr. 1.571/70 vom 27. Juli 1970 des Rates über die Eröffnung, überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und
Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontin- Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte
gents für bestimmte handgearbeitete Waren um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Be-
— Drucksache VI /1337 — schlußfassung im Rat
4246 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen


Wir treten ein in die wegen eines Auslandsaufenthalts verhindert
sei teilzunehmen, und Herrn von Thadden. Ich
Fragestunde begrüße Herrn von Thadden.
— Drucksache VI /1339 —
Wir würden uns durch die Kollegen Strauß und
Ich rufe zunächst die Fragen aus dem Geschäfts- Zoglmann gern in unserer Meinung bestätigt sehen,
bereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzler- daß es nicht nur Terminschwierigkeiten gewesen
amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Bundes- sind, die sie daran gehindert haben, an der Würz-
minister Ehmke zur Verfügung. Die erste Frage ist burger „Aktion" teilzunehmen.
von dem Herrn Abgeordneten Roser gestellt:
Inwiefern sieht der Herr Bundeskanzler, der sich in der Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Aktuellen Stunde vom 14. Oktober 1970 ausdrücklich zu „jedem


Wort" bekannte, das er vor dem SPD-Parteivorstand am 12. Ok-
Eine Zusatzfrage.
tober 1970 laut Kommuniqué erklärt hat, in der Erwägung eini-
ger Unionspolitiker, Neuwahlen zum Bundestag zu fordern,
einen „Anschlag auf die Bundesregierung"? Roser (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, sind Sie
bereit zuzugeben, daß die von Ihnen soeben ge-
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. — Herr Mini-
gebene Interpretation des Zusammenhangs der Aus-
ster!
sage des Bundeskanzlers dem klaren Text des Kom-
muniqués eindeutig widerspricht? Denn da wird
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf- erklärt, daß die Erwägung einiger Unionspolitiker,
gaben: Herr Präsident, wenn Sie gestatten, würde Neuwahlen zu fordern, ein Anschlag auf die Demo-
ich die Fragen 109 und 110 des Herrn Abgeordneten kratie sei.
Roser zusammen beantworten.
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - gaben: Keineswegs, Herr Kollege, wie Sie sehen,
Wenn der Antragsteller damit einverstanden ist. — wenn Sie Ziffer 5 lesen. Darf ich es vorlesen, Herr
Er ist einverstanden. Dann rufe ich auch die zweite Präsident? — Nachdem der Bundeskanzler in Zif-
Frage des Herrn Abgeordneten Roser auf: fer 3 über den Anschlag rechter außerparlamen-
Ist der Bundeskanzler bereit zuzugeben, daß er zwar Anschlag tarischer Kräfte gesprochen hat, sagt er in Ziffer 5:
sagte — ,Anschlag' laut Großer Duden, Synonym-Wörterbuch
1964: „Versuch der gewaltsamen Beschädigung oder Zerstörung Wenn einige Unionspolitiker jetzt Neuwahlen im
von etwas" —, aber Angriff meinte? Bundestag fordern, so ist demgegenüber festzustel-
len, jetzt geht es darum, den Anschlag auf die
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf- Bundesregierung — über den er in Ziffer 3 gespro-
gaben: Der Herr Bundeskanzler hat die Forderung chen hat — abzuwehren und die Arbeit der Koali-
von Unionspolitikern nach Neuwahlen keineswegs tion unbeirrt fortzusetzen.
als „Anschlag" auf die Bundesregierung bezeichnet;
er hat aber dieser Forderung, die er eher heiter
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
aufgenommen hat, den Willen der sozial-liberalen
Eine weitere Zusatzfrage.
Koalition gegenübergestellt, die Arbeit der Regie-
rung unbeirrt fortzusetzen und den Anschlag rech-
ter außerparlamentarischer Kräfte auf die Bundes- Roser (CDU/CSU) : Darf ich Sie fragen, Herr Bun-
regierung zu vereiteln. desminister, wie Sie dazu stehen, daß die Begriffe,
wie sie auch hier wieder gefallen sind, zum glei-
Der Herr Bundeskanzler hat dabei nicht nur „An- chen Zeitpunkt und in vergleichbarem Zusammen-
schlag" gesagt, sondern auch „Anschlag" gemeint. hang auch und vor allem in der DDR-Presse ständig
Nach dem Anschauungsunterricht von Würzburg verwendet werden.
sollten eigentlich auch Sie der Wortwahl des Bun-
deskanzlers zustimmen können.
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
(Beifall bei der SPD.) gaben: Herr Abgeordneter, Sie sind sicher mit mir
Der Distanzierung aller demokratischen Kräfte der Meinung, daß wir uns in dem, was wir zu sagen
unseres Landes vom Radikalismus würde es im haben und zu sagen haben werden, nicht danach
übrigen dienen, wenn die Herren Kollegen Strauß richten sollten, was andere Leute sagen. Sie kön-
und Zoglmann zu den Ausführungen Stellung neh- nen glauben, daß der Bundeskanzler in der Lage
men würden, die Herr Kernmayr für die Veranstal- ist, eine Erklärung zur innenpolitischen Situation
ter der Würzburger „Aktion" bei der Begrüßung der abzugeben, ohne vorher die DDR-Presse gelesen
Teilnehmer gemacht hat. Herr Kernmayr hat in zu haben.
Würzburg folgendes ausgeführt — ich darf das mit
Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —: Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.


. Wir haben darüber hinaus im parteipoli-
tischen Bereich • drei Repräsentanten heute ein-
geladen, den Vorsitzenden der CSU, Dr. Strauß, Niegel (CDU/CSU): Herr Bundesminister, ist
der uns durch sein Büro in Bonn mitteilen Ihnen bekannt, daß in der Presse über Würzburg
ließ, daß er infolge langfristig geplanter Wahl- einseitig berichtet wurde, da immer nur von rechts-
kampfverpflichtungen in Bayern nicht teilneh- radikalen Kräften die Rede war, während doch auch
men kann, den Vorsitzenden der NLA Zogl- eine Demonstration linksradikaler Kräfte, die eben-
mann, der uns telegraphisch mitteilte, daß er falls nicht genehmigt war, stattfand?
Deutscher Bundestag --- 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4247

reichenden Infrastruktur versagt habe und daß nunmehr der


Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf- Staat im Dualismus zur privaten Wirtschaft Kompetenz und
gaben: Nein, Herr Abgeordneter, das ist sicher Finanzierung der Strukturpolitik übernehmen müsse?
falsch. Alle Meldungen darüber zeigen, daß das Der Abgeordnete ist im Saal.
mit linksradikalen Kräften, die wir auch im Lande
haben, nichts zu tun hatte. Richtig ist allerdings,
daß es eine Gegendemonstration demokratischer Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
Kräfte, die nicht genehmigt war, gab. Aber dazu gaben: Das Referat, das Herr Ministerialdirektor Dr.
möchte ich nicht Stellung nehmen, weil das in die Ehrenberg am 1. Oktober 1970 in Innsbruck gehalten
Zuständigkeit der bayerischen Behörden fällt. hat, ist im Bulletin des Presse- und Informations-
amtes der Bundesregierung vom 14. Oktober 1970,
Seite 1449 ff., im Wortlaut abgedruckt worden. Eine
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Dazu liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Äußerung, wie Sie Ihrer Frage, Herr Abgeordneter,
entspricht, findet sich dort nicht. Allerdings hat Dr.
Ich rufe die Frage des Abgeordneten Engelsberger Ehrenberg in seinem Referat eine Vernachlässigung
auf: der Infrastrukturinvestitionen in den 50er Jahren
Ist die Äußerung von Staatssekretär Bahr — auf der soge- festgestellt und weiter ausgeführt, daß eine Verän-
nannten Informationstagung der Berliner SPD am 3. Oktober
1970 zu den neuerlichen Erschwerungen im Berlin-Verkehr ange- derung der Bewußtseinslage zum Thema öffentliche
sprochen —, daß es auch im Osten vereinzelt „kalte Krieger" Investitionen erst in der zweiten Hälfte der 60er
gebe, so zu verstehen, daß die Mehrzahl der „kalten Krieger",
die eine Entspannung verhinderten, im Westen sitzen, und wel- Jahre begann.
cher Personenkreis im Westen gehört nach Meinung der Bun-
desregierung zu diesen „kalten Kriegern"?
Wieweit diese Feststellung den Fakten entspricht,
Der Abgeordnete ist im Saal. — Herr Minister! ergibt sich meines Erachtens u. a. auch daraus, daß
es in dem Programmentwurf der CDU zum Thema
öffentliche Investitionen heißt:
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
gaben: Herr Staatssekretär Bahr hat auf der Tagung Soweit die wachsenden Einnahmen des Staates
des Landesverbandes Berlin der SPD am 3. Oktober nicht für die Finanzierung unserer vorrangigen
1970 nicht dazu Stellung genommen, ob „kalte Krie- Reformvorhaben ausreichen, ist ein steigender
ger" in der Mehrzahl im Osten oder im Westen sit- Anteil der öffentlichen Hand am Bruttosozial-
zen. Unter einem „kalten Krieger" versteht man ge- produkt in einem sozial und gesamtwirtschaft-
meinhin eine Person, die eine Politik des kalten lich vertretbaren Ausmaß notwendig.
Krieges einer Politik der Entspannung vorzieht.
Man wird zu diesem Kreis vielleicht aber auch noch
die Personen im Osten wie im Westen — rechnen
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Eine Zusatzfrage.
müssen, die zwar in abstracto für eine Verständi-
gung sind, sie aber in concreto mit unerfüllbaren Be-
dingungen verbinden. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Bundesminister,
räumen Sie mir nicht ein, daß mit dieser Äußerung
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
eine Absage an die marktwirtschaftliche Ordnung
Eine Zusatzfrage. vorbereitet wird?

Engelsberger (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die Äuße- gaben: Nein, Herr Kollege, das Gegenteil ist der
rung des Herrn Staatssekretärs Bahr geeignet war, Fall. Mit dieser Äußerung wird gesagt, daß wir in
den Eindruck zu erwecken, daß die eigentlichen den letzten Jahren eine ganze Menge Dinge ver-
Schuldigen an der Teilung Deutschlands, am Todes- säumt haben, die notwendig sind, um die markt-
streifen quer durch Deutschland, an der Berliner wirtschaftliche Ordnung in diesem Lande aufrecht-
Mauer und am Eisernen Vorhang im Westen und zuerhalten.
nicht im Osten säßen?

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


-

Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf- Eine weitere Zusatzfrage.


gaben: Nein, Herr Kollege, die Meinung kann
eigentlich keiner haben, der die Politik dieser Bun-
desregierung und Herrn Kollegen Bahr kennt. Herr Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, wie
Bahr hat ja zur Frage der Haltung der DDR neulich erklären Sie sich dann Pressemeldungen über dieses
noch im Fernsehen sehr eindeutig Stellung genom- Referat des Herrn Ehrenberg, die dahin lauteten,
men. daß die Marktwirtschaft nach Meinung des Herrn
Ehrenberg versagt habe?
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Keine weiteren Zusatzfragen. Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-


Ich rufe die Frage 112 des Herrn Abgeordneten gaben: Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, daß
Dr. Jobst auf: diejenigen, die das geschrieben haben, das Referat
Treffen Meldungen zu, wonach Ministerialdirektor Ehrenberg mißverstanden haben. Der Text liegt aber, wie ge-
vom Bundeskanzleramt anläßlich der letzten Innsbrucker Tagung sagt, vor. Jeder kann sich überzeugen, was gesagt
des Vereins für Sozialpolitik die Auffassung vertreten hat, daß
die liberale Marktwirtschaft bei der Produktion einer aus- worden ist.
4248 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -


Welche Schritte hat der Beauftragte der Bundesregierung für
Naturschutz und Landschaftspflege unternommen, bevor der
Ich rufe die Frage 113 des Herrn Abgeordneten Dr. Bundesminister für Verkehr entgegen einer Stellungnahme des
Deutschen Rates für Landespflege und anderer fachlicher Gut-
Jobst auf: achten entschieden hat, die Bundesstraße 42 in Eltville so bauen
zu lassen, daß ein nicht wiedergutzumachender Eingriff in
Beabsichtigt die Bundesregierung, über den Umweg von Vor- dieses Nah-Erholungsgebiet erfolgt?
trägen politischer Beamter im In- und Ausland, die Bevölkerung
der Bundesrepublik Deutschland auf die Ablösung der markt-
wirtschaftlichen Ordnung vorzubereiten? Herr Bundesminister!

Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf- Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf-
gaben: Herr Kollege, es ist ein guter Brauch, daß die gaben: Herr Kollege, der Bundesminister für Ver-
notwendige Verzahnung von praktischer Verwal- kehr hat vor kurzem entschieden, daß die Rhein-
tungsarbeit und wissenschaftlicher Theorie so ge- uferlinie der weiteren Planung der Umgehung der
fördert wird, daß leitende Beamte zu Vorträgen auf Orte Eltville und Niederwalluf im Zuge der Bundes-
wissenschaftlichen Tagungen aufgefordert werden. straße 42 zugrunde gelegt werden soll. Er hat dem-
Einer solchen Aufforderung ist Herr Dr. Ehrenberg entsprechend das nach § 16 des Bundesfernstraßen-
nachgekommen. Sie wurde, da der Verein für gesetzes vorgeschriebene Planungsverfahren zur
Sozialpolitik seine Tagungen im Zweijahresturnus Bestimmung der Linienführung eingeleitet, das bis-
vorbereitet, bereits im November 1968 an ihn ge- her nicht abgeschlossen worden ist. Der Bundes-
richtet. Damals war Dr. Ehrenberg Leiter der Unter- beauftragte für Angelegenheiten des Naturschutzes
abteilung Strukturpolitik im Bundesministerium für ist in dieses Planungsverfahren eingeschaltet, ge-
Wirtschaft. rade weil der Bund die landschaftliche Gestaltung
Die Bundesregierung denkt weder an eine Ab- des Rheinufers als eine besondere Verpflichtung
lösung der marktwirtschaftlichen Ordnung noch ist anerkennt. Der weitere Verlauf dieses Verfahrens
diese in dem Referat von Herrn Dr. Ehrenberg in bleibt aber nun zunächst abzuwarten.
Innsbruck angedeutet worden.
Doch es wäre gut, wenn diese Frage auch in dem Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Sinne gedeutet werden könnte, daß der Opposition Keine Zusatzfragen. — Ich danke Ihnen, Herr Bun-
dieses Hauses die Stärkung der marktwirtschaft- desminister.
lichen Ordnung ebenso am Herzen liegt wie der
Dann rufe ich die Frage 116 des Herrn Abgeord-
Bundesregierung. Bei der demnächst zu behandeln-
neten Seiters auf:
den Novellierung des Kartellgesetzes wird Gele-
Ist die von der Bundesregierung unmittelbar vor den Land-
genheit sein, daß festzustellen. tagswahlen in Hessen und Bayern an alle Haushaltungen ver-
teilte Propagandaschrift „Aufbruch in die 70er Jahre" Ausdruck
der von Staatssekretär Ahlers vertretenen Auffassung, es sei
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Aufgabe des Bundespresseamtes, die politische Wirklichkeit und
die Arbeit der Regierung verschönert darzustellen?
Keine weitere Zusatzfrage.
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Ahlers.
Ich rufe die Frage 114 des Herrn Abgeordneten
Dr. Schmidt (Wuppertal) auf:
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und
Billigt die Bundesregierung die Äußerung ihres Bundesbeauf-
tragten für Naturschutz und Landschaftspflege Prof. Grzimek Informationsamtes der Bundesregierung: Herr Ab-
zum Naturschutzrecht: „Inzwischen ist es aber in der Bundes-
republik Deutschland zu Länderrecht degradiert worden" (vgl.
geordneter, schon früher habe ich es immer als un-
stern Nr. 42/1970)? höflich, wenn nicht als unkorrekt empfunden, wenn
Beamte auf die Fragen eines Abgeordneten ledig-
Herr Bundesminister!
lich mit Ja oder Nein antworten. Ihre erste Frage
allerdings ist so präzise formuliert, daß es fast un-
Dr. Ehmke, Bundesminister für besondere Auf- höflich wäre, wenn ich sie nicht nur mit Ja beant-
gaben: Herr Abgeordneter, der Ausdruck „degra- wortete.
diert" ist — das muß ich zugeben --- nicht sehr
Dennoch möchte ich Sie bitten, mir folgende zu-
glücklich gewählt, um festzustellen, daß die Weiter-
sätzliche Bemerkungen zu gestatten.
geltung des früheren Reichsnaturschutzgesetzes als
Landesrecht Nachteile hat. Die Bundesregierung ist Erstens. Meine Formulierung, Öffentlichkeits-
aber mit Herrn Professor Grzimek der Auffassung, arbeit sei die Verbreitung von Wahrheit in ver-
daß ein dringendes Bedürfnis besteht, die Aufgaben- schönerter Form, trägt natürlich in gewisser Weise
gebiete Naturschutz und Landschaftspflege nicht nur den Makel der Selbstironie. Dennoch glaube ich,
durch Rahmenvorschriften, sondern durch volle Ge- daß sie von der eigentlichen Aufgabenstellung der
setze des Bundes zu regeln, da beide Angelegen- Öffentlichkeitsarbeit nicht sehr weit entfernt ist.
heiten in der heutigen Zeit durch die Gesetzgebung
Zweitens. Einen Zusammenhang mit den Land-
einzelner Länder nicht mehr zufriedenstellend ge-
tagswahlen in Hessen und in Bayern in bezug auf
regelt werden können. Sie hat daher dem Hohen
Haus einen entsprechenden Gesetzentwurf zur die Beilage, die das Bundespresseamt herausge-
geben hat, sehe ich nicht. Es gehört zu den legitimen
Änderung des Grundgesetzes vorgelegt.
Aufgaben des Presseamts, in organischer zeitlicher
Reihenfolge die Arbeit der Bundesregierung zusam-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
menfassend darzustellen. Daß der Jahrestag der Re-
Keine Zusatzfrage. gierungserklärung in unmittelbarer Nähe der Land-
Dann rufe ich die Frage 115 des Herrn Abgeord- tagswahlen in Bayern und Hessen lag, haben wir
neten Dr. Schmidt (Wuppertal) auf: nicht zu vertreten.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4249
Staatssekretär Ahlers
Drittens. Ich möchte sagen, daß sich das Presse- Biehle (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, verste-
amt wirklich bemüht, keine Propagandaschriften zu hen Sie unter verschönerndem Darstellen die Mög-
verfassen, sondern seit langer Zeit — und das gilt lichkeit, so wie es eben Herr Ehmke getan hat, wenn
auch für meine Vorgänger — sich bemüht, sachliche es in den optischen Bereich hineinpaßt, Pressestim-
Informationsarbeit zu treiben. Ich wäre wirklich men zu zitieren — im Fall der Würzburger Vor-
dankbar, wenn man uns nicht immer den Vorwurf fälle —, anstatt den Wahrheitsgehalt vorher zu
der Propaganda machte. prüfen?

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege. Informationsamtes der Bundesregierung: Herr Ab-
geordneter, es tut mir leid, ich habe die Frage nicht
verstanden.
Seiters (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wären (Zuruf von der SPD: Die hat auch mit der
Sie dann wenigstens bereit, an dieser Stelle einzu- Sache nichts zu tun!)
räumen, daß es sich eben nicht um eine sehr korrekte
Bilanz handelt, wenn in dieser Schrift kein Wort
darüber steht, daß an Stelle der bis zu den Land- Biehle (CDU/CSU) : Ich frage, ob Sie unter „ver-
tagswahlen am 14. Juni in Niedersachsen, Nord- schönerter Darstellung", wie es in der Frage ge-
rhein-Westfalen und im Saarland versprochenen heißen hat, die Möglichkeit verstehen, nur Presse-
Steuersenkungen tatsächlich Steuervorauszahlungen stimmen zu zitieren, wenn es einem in das optische
eingetreten sind und daß wir, um ein zweites Bei- Bild paßt, anstatt vorher den Wahrheitsgehalt zu
spiel zu nennen, heute Preissteigerungen haben, die prüfen?
die „Süddeutsche Zeitung" am 12. September zu
dem Kommentar veranlaßten, daß die Bundesregie- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
rung mit diesen Preissteigerungen, mit dieser un- Herr Kollege Biehle, Ihre Frage steht nicht in einem
kontrollierten Inflation die Mittel verspielt habe, Sachzusammenhang mit der Frage des Herrn Abge-
mit denen sie ihre Reformpläne habe finanzieren ordneten Seiters. Es steht damit dem Herrn Staats-
wollen? sekretär frei, sie nicht zu beantworten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lenz.
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Herr Staatssekretär!
Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) : Herr Staats-
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und sekretär, wäre es nicht zutreffend, wenn man sagte,
Informationsamtes der Bundesregierung: Herr Ab- Ihre Erklärung, daß die derzeit laufenden Öffent-
geordneter, ich gehe davon aus, daß die Verbrei- lichkeitsarbeitsmaßnahmen Ihres Amtes in keinem
tung solcher Kenntnisse nicht zu den Aufgaben des Zusammenhang mit den Landtagswahlen stünden,
Bundespresseamts gehört. Wir sind in unserer sei eine Darstellung der Wahrheit in verschönerter
Schrift insoweit auf den zweiten Vorwurf, den die Form?
Opposition gegen die Regierung erhebt, eingegan-
gen, als die Regierung eingeräumt hat, daß es Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und
unliebsame Preissteigerungen gegeben hat, und wir Informationsamtes der Bundesregierung: Nein, Herr
versucht haben, zu erklären, was die Regierung da- Abgeordneter Lenz, nicht in bezug auf die Beilage.
gegen getan hat. Ein Hinweis auf die Landtags- Ich habe schon in der letzten Fragestunde, an der
wahlen in Nordrhein-Westfalen wäre, glaube ich, ich teilnehmen durfte, darauf hingewiesen, daß wir
nach dem Inhalt dieser Beilage nicht angebracht selbstverständlich zum Jahrestag der Bundesregie-
gewesen. rung etwas publizistisch unternehmen müßten und
unternehmen würden.
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Eine weitere Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten
Seiters (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, können Dr. Ritz.
Sie mir sagen, wann die auf Seite 4 dieser Schrift
angekündigte Aufhebung der starren Altersgrenze Dr. Ritz (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, halten
von 65 Jahren erfolgen wird? Sie es nicht für eine Irreführung der Öffentlichkeit,
wenn es in dieser Broschüre, die auch ich als Pro-
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und pagandaschrift bezeichnen möchte, heißt — ich zi-
Informationsamtes der Bundesregierung: Nein, Herr tiere —: „Bei der Strukturverbesserung unserer
Abgeordneter. Das fällt nicht in meinen Geschäfts- Landwirtschaft hilft der Bund. Er gibt Prämien und
bereich. Das kann ich Ihnen nicht sagen. mehr Altershilfe", wenn gleichzeitig als Tatsache zu
registrieren bleibt, daß weder die Bundesregierung
noch die Koalitionsparteien bereit sind, einem An-
Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: trag der CDU/CSU auf Erhöhung der Altershilfe zu-
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biehle. zustimmen?
4250 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Informationsamtes der Bundesregierung: Nein, Herr Eine weitere Zusatzfrage.


Abgeordneter, ich kann Ihnen da nicht voll zustim-
men, obwohl ich weiß, daß dieser Passus in der Bei- Seiters (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, halten
lage eine Diskussion hervorgerufen hat. Ich möchte Sie es nicht für eine absolute Falschinformation,
darauf in folgender Weise antworten. Durch das wenn Sie angesichts der Baupreissteigerungen, die
Fünfte Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Ge- alle finanziellen Planungen über den Haufen werfen,
setzes über eine Altershilfe für Landwirte, das dem auf Seite 5 sagen: „Bis 1974 hat die Bundesregierung
Hohen Hause vorliegt, wird die Altershilfe verbes- die gewaltige Summe von 1,7 Milliarden DM zusätz-
sert, und zwar durch eine Erweiterung des an- lich für den Wohnungsbau fest eingeplant. So wird
spruchsberechtigten Personenkreises für die Landab- das Wohnproblem gelöst." Mein Kommentar: So
gaberente sowie durch eine Erhöhung des Betrages, einfach ist das?
der Landabgaberente.
(Abg. Dr. Ritz: Das ist doch nicht die Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Altershilfe!) Herr Kollege Seiters, die Fragestunde ist nicht für


Kommentare da.
— Wir haben das subsumiert, Herr Abgeordneter.
Seiters (CDU/CSU) : Gut. Ich darf die Frage wie
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - holen: Halten Sie es nicht für eine absolute Falschin-
Ich rufe die Frage 117 des Herrn Abgeordneten Sei- formation, wenn Sie so vereinfacht diese Dinge dar-
ters auf: stellen?
Ist die Bundesregierung bereit einzuräumen, daß diese aus
Steuergeldern finanzierte Schrift nicht nur eine verschönerte
Darstellung der Regierungsarbeit enthält, sondern teilweise so-
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und
gar absolute Falschinformationen, wie z. B. die Angabe, von Informationsamtes der Bundesregierung: Herr Ab-
1971 bis 1985 würden 125 Milliarden DM für Verkehrswege ein- geordneter, einmal ist es unvermeidlich, daß man
gesetzt, obwohl nach der Planung von Verkehrsminister Leber
bis 1985 nur 73 Milliarden DM tatsächlich zur Verfügung stehen? vereinfachende Darstellungen gibt. Zum zweiten
würde ich Ihnen in dem Fall einräumen, man hätte
besser schreiben sollen: „So soll es gelöst werden."
Ahlers, Staatssekretär, Chef ides Presse- und
Informationsamtes der Bundesregierung: Herr Ab-
geordneter, in diesem Bezug kann ich Ihnen nicht Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

zustimmen. In dem von Ihnen beanstandeten Satz Herr Abgeordneter Apel zu einer Zusatzfrage.
sind zwei Komplexe angesprochen, nämlich der Be-
darfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in Dr. Apel (SPD) : Herr Staatssekretär, ist Ihnen
den Jahren 1971 bis 1985 und der gesamte Verkehrs- bekannt, daß dem Bedarfsplan für die Bundesfern-
wegebau. Diese zwangsläufig sehr knappe Zusam- straßen bis 1985 noch die Finanzierung entgegenzu-
menfassung hat dazu geführt, daß wir mit den 125 stellen sein wird, die, wie auch Herr Bundesver-
Milliarden DM sogar eine Zahl an der untersten kehrsminister Leber stets gesagt hat, nicht voll ge-
Grenze — wenn Sie den Komplex zusammenneh-- sichert ist, und daß damit dieses Haus wie das Bun-
men angegeben haben. Aller Voraussicht nach desverkehrsministerium aufgerufen sein wird, noch
werden für den gesamten Verkehrswegebau bis in der nächsten Woche bei der ersten Lesung des
1985 erheblich mehr Mittel bereitgestellt werden Bundesfernstraßenplans darüber nachzudenken?
und wird die angegebene Zahl für die Bundesfern-
straßen allein nicht wesentlich darunter liegen. Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und
Informationsamtes der Bundesregierung: Jawohl,
Herr Abgeordneter, das ist mir bekannt. Ich wollte
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

dem Verkehrsministerium nur nicht vorgreifen.


Eine Zusatzfrage.

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


-

Seiters (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, darf ich Eine Zusatzfrage.


diese Antwort so verstehen, daß die Auskunft von
Herrn Verkehrsminister Leber in seiner Schrift über
die Bundesfernstraßen, für den Straßenbau insge- Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wol-
len Sie nicht einräumen — insbesondere nach der
samt seien nur 93 Milliarden DM an Finanzmitteln
Frage des Kollegen Apel —, daß Sie in Ihrer Infor-
zu erwarten, falsch ist?
mation falsche Hoffnungen erweckt haben, Hoff-
nungen, die die Bundesregierung nicht erfüllen
Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und kann, und daß damit in Ihrer Information eine fal-
Informationsamtes der Bundesregierung: Ich möchte sche Aussage in, wie Sie es bezeichnen, „verschö-
hier um Gottes willen keinen Bundesminister korri- nerter Form" erfolgt ist?
gieren. Nur ist es bei diesen Vorausschätzungen
klar, daß gewisse Zahlen mal an der untersten und Ahlers, Staatssekretär, Chef des Presse- und
mal an der obersten Grenze liegen. Wir haben uns, Informationsamtes der Bundesregierung: Nein, Herr
wie gesagt, in der Beilage bewußt an eine untere Abgeordneter, das kann ich Ihnen nicht einräumen.
Grenze gehalten. Ich gehe selbstverständlich davon aus, daß die Bun-
(Zurufe von der CDU/CSU.) desregierung ihre Versprechungen erfüllen wird.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4251

) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:


-

Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen Herr Kollege, ich wollte Sie nur darauf aufmerk-
aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und sam machen, daß Ihre Zusatzfrage nicht mehr in
des Bundeskanzleramtes erledigt. Ich danke Ihnen, einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Haupt-
Herr Staatssekretär. frage steht, wie es die Richtlinien für die Frage-
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Ge- stunde erfordern. Aber ich überlasse es dem Herrn
schäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Staatssekretär, ob er die Frage trotzdem beantwor-
Landwirtschaft und Forsten und fahren dort fort, wo ten will.
wir gestern nachmittag die Fragestunde unterbro-
chen haben. Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abge- Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
ordneten Dr. Ritz auf: beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
Kann die Bundesregierung Angaben darüber machen, wer die und Forsten: Herr Präsident, da die Frage schon
Kosten für die Verteilung des von Staatssekretär Dr. Griesau gestern eine Rolle spielte, bin ich gern bereit, dar-
verfaßten Wahlkampfbriefes an die hessischen Landwirte trägt?
auf einzugehen. In der gestrigen Fragestunde hat ja
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär ein Kollege der CSU die gleiche Frage gestellt. Ich
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft darf dazu folgendes sagen.
und Forsten: Herr Kollege Dr. Ritz, ich beantworte Das BML führt seit 1957 mit verschiedenen Werbe-
Ihre Frage wie folgt. Die Kosten für die Verteilung firmen Filmdienste in der Form durch, daß solche
des Briefes sowie die Verteilung hat der Landesver- Wagen eingesetzt werden, die in Dörfern, Klein-
band Hessen der FDP übernommen. städten, an Seen und auf Campingplätzen ausge-
wählte Filme vorführen, um die Landwirte über die
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-
Politik der Bundesregierung aufzuklären und um bei
Eine Zusatzfrage. der Stadtbevölkerung Verständnis für die Probleme
der Landwirtschaft zu wecken. So haben z. B. in den
Jahren 1957 bis 1965 mehr als 10 000 Filmvorführun-
Dr. Ritz (CDU/CSU) Herr Staatssekretär, wer
gen vor rund 1,5 Millionen Zuschauern stattgefun-
hat einer Werbefirma den Auftrag erteilt, den von
den.
Herrn Dr. Griesau verfaßten Brief an die Empfänger
zu verteilen? Im Jahre 1970 waren seit dem 1. Juli zunächst in
Norddeutschland, dann in Baden-Württemberg und
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär in den bayerischen Alpengebieten drei Wagen un-
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft terwegs, die vor allem über Naturschutz und Land-
) und Forsten: An eine Werbefirma ist kein Auftrag schaftspflege informierten.
erteilt worden. Seit dem 26. Oktober, als das einzelbetriebliche
Förderungs- und soziale Ergänzungsprogramm für
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - die Land- und Forstwirtschaft fertiggestellt worden
Eine weitere Zusatzfrage. ist, werden in Dias und auf Tonband auch dazu An-
gaben gemacht. Es werden ferner einige Agrarfilm-
Dr. Ritz (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, kön- streifen aus Wochenschauen und der sich mit Struk-
nen Sie mir sagen, ob und, wenn ja, wann in der turproblemen befassende Film „Was geht denn das
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein be- mich an?" vorgeführt. Derselbe Film stand übrigens
amteter Staatssekretär in dieser Form eines offenen auch im Mittelpunkt des Einsatzes der Wagen vom
Wahlbriefes in einen Wahlkampf für seine Partei 7. November 1966 in ausgewählten Kreisen des Re-
eingegriffen hat? gierungsbezirks Oberpfalz und Oberfranken. Damals
waren fünf Wagen unterwegs. Heute sind es drei.
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär Damals beliefen sich die Kosten auf rund 35 000
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft DM, sie betragen bei der derzeitigen Aktion in Un-
und Forsten: Ich kann Ihnen dafür kein Beispiel ter- und Mittelfranken zirka 23 000 DM. Beamte un-
sagen, aber mir ist durchaus bekannt, daß auch seres Hauses sind dabei nicht vertreten und wirken
schon in anderen Fällen, bei anderen Wahlkämpfen nicht mit.
Vorgänger von Herrn Staatssekretär Dr. Griesau
aktiv in den Wahlkampf eingegriffen haben. Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr.


Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - Rutschke.
Entschuldigen Sie, Herr Kollege, Ihr Fragenkontin-
gent ist erschöpft. — Aber der Herr Kollege Ehnes Dr. Rutschke (FDP) : Herr Staatssekretär, ist es
hat eine Zusatzfrage. vielleicht nicht zweckmäßig, daß das Bundesernäh-
rungsministerium dort eingreift, wo besonders fal-
Ehnes (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, aus wel- sche Vorstellungen in der Bevölkerung durch Be-
chen Mitteln werden die Aufklärungsomnibusse be- hauptungen erweckt werden, die den Tatsachen
zahlt, die kurz vor der bayerischen Landtagswahl nicht entsprechen?
vom BML schwerpunktmäßig im Unterbezirk Mittel-
franken eingesetzt werden? Können Sie darüber Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
Auskunft geben, ob Dienstangehörige vom BML für beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
diese parteipolitische Aktion aufgefordert wurden? und Forsten: Sicherlich ist das besonders notwendig.
4252 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Logemann
Aber ich glaube, damit hat der jetzige Reiseplan der Dr. Reinhard (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
drei Busse nichts zu tun. Dieser ist bereits früher steht Ihre Aussage nicht in krassem Widerspruch
festgelegt worden. Natürlich bemüht man sich, in zu § 53 des Beamtengesetzes? Dazu heißt es im
Schwerpunkten besonders zu wirken. Standardkommentar zum Bundesbeamtengesetz von
Plog-Wiedow:
(Lachen bei der CDU/CSU.)
Es gehört zu den hergebrachten Grundsätzen
des Berufsbeamtentums, daß ein Beamter als
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-
Diener des ganzen Volkes in seiner Amtsfüh-
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Dr. Rein-
rung politisch neutral sein muß.
hard auf:
Hält die Bundesregierung es mit der Stellung und den Auf-
gaben eines beamteten Staatssekretärs in einem Bundesministe- Und es heißt weiter:
rium für vereinbar, wenn der Staatssekretär Dr. Griesau im
Bundesernährungsministerium mit einem an alle Landwirte in Hieraus folgt, daß der Beamte während des
Hessen gerichteten Schreiben unmittelbar in den Landtagswahl-
kampf in Hessen für eine Partei eingreift? Dienstes und in dienstlicher Eigenschaft
(Zuruf.)
— wie es hier gegeben ist —
— Herr Kollege, nach den Richtlinien der Frage- sich jeder politischer Betätigung zu enthalten
stunde entscheidet der amtierende Präsident. Wir hat. Mit der Natur des Beamtenverhältnisses als
waren ohnehin — ich muß das hier noch einmal eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treue-
sagen — vom Thema der Frage des Herrn Abge- verhältnisses, das die ganze Persönlichkeit des
ordneten Dr. Ritz, wie sich eindeutig ergibt, sehr Beamten erfaßt, ist es aber auch unvereinbar,
weit abgewichen. Da derselbe Problemkreis noch in wenn der Beamte außerhalb des Dienstes eine
zwei Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard schrankenlose und in den Mitteln unbegrenzte
behandelt wird, haben Sie die Möglichkeit, Ihre politische Tätigkeit entfaltet.
Meinung geltend zu machen.
Herr Staatssekretär! Darf ich hier feststellen, daß Ihre Ansicht in krassem
Widerspruch zur Auffassung dieser namhaften Ju-
risten steht?
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär (Zurufe von der SPD: Frage!?)
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten: Herr Präsident, da sich die Fragen mit
derselben Sache befassen, gestatten Sie mir bitte, Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

die Fragen 21 und 22 gemeinsam zu beantworten. Herr Kollege Reinhard, ich entziehe Ihnen zu wei-
(Abg. Dr. Reinhard: Einspruch!) teren Ausführungen das Wort. Sie müssen sich an
die Richtlinien der Fragestunde halten.

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-


(Sehr gut! bei der SPD. — Abg. Feller
Herr Staatssekretär, der Fragesteller ist nicht ein- maier: Das muß er lernen!)
verstanden. Er hat das Recht auf getrennte
-
Beant- Die Richtlinien der Fragestunde sehen vor, daß
wortung seiner Fragen. Fragen knapp und kurz gehalten werden müssen.
(Abg. Dr. Reinhard: Darf ich es begründen?) Das, was Sie ausgeführt haben, hätten Sie in einer
kurzen, zusammenfassenden Zusatzfrage sagen kön-
— Das brauchen Sie nicht; das ist damit erledigt. — nen.
Ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, die Fragen ge- Dazu hat jetzt der Herr Staatssekretär das Wort.
sondert zu beantworten.

Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär


Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten: Herr Dr. Reinhard, ich darf noch ein-
und Forsten: Ich habe für beide Fragen nur eine
mal sagen, daß das, was Herr Dr. Griesau im Wahl-
Antwort. Aber ich will versuchen, sie getrennt zu
kampf getan hat, nicht einmalig ist, sondern daß
beantworten.
durchaus auch andere beamtete Staatssekretäre im
(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)
Wahlkampf tätig gewesen sind, u. a. auch der Vor-
Es ist der Bundesregierung bekannt, daß Dr. gänger von Herrn Dr. Griesau, Herr Dr. Neef, soviel
Griesau als führendes Mitglied der FDP am hes- ich weiß.
sischen Landtagswahlkampf teilnimmt. Diese Teil-
Weiterhin darf ich zu Ihrer letzten Frage folgen-
nahme hat mit seiner Stellung und seinen Aufgaben
des sagen. Ich bin zwar kein Beamtenrechtler, aber
als beamteter Staatssekretär im Bundesministerium
mir ist bekannt, daß das Grundrecht der freien
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nichts zu
Meinungsäußerung durch das Beamtenrecht nur
tun.
insoweit eingeschränkt wird, als sich der Beamte
(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Ist das die
bei politischer Betätigung Zurückhaltung aufzuer-
ganze Antwort auf beide Fragen?)
legen hat. Diese notwendige Zurückhaltung ist nach
Ansicht der Bundesregierung — und diese habe ich
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - hier vorzutragen — von Herrn Dr. Griesau gewahrt
Herr Dr. Reinhard! worden.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4253

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Einsatz der von Ihnen soeben erwähnten Busse in
Eine weitere Zusatzfrage. Mittelfranken, der zu einem recht verdächtigen Zeit-
punkt — 14 Tage vor der bayerischen Landtags-
Dr. Reinhard (CDU/CSU) : Wird die Bundes- wahl — stattfindet?
regierung angesichts des Widerspruchs, der gegen-
über Ihrer Auffassung erhoben worden ist, in dieser Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
für die demokratischen Spielregeln, aber auch für beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
den Stand der beamteten Staatssekretäre wichtigen und Forsten: Nein, Herr Kollege Niegel, ein solcher
Frage ein Rechtsgutachten einholen? Zusammenhang besteht durchaus nicht. Ich habe ja
darauf hingewiesen, daß im Jahre 1966 solche Busse
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär in größerem Umfang eingesetzt wurden, als das
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft gegenwärtig der Fall ist.
und Forsten: Nein, das ist nicht beabsichtigt.
(Zuruf von der CDU/CSU.)
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: — Auch damals sind die Busse auf Veranlassung
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lotze. des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten eingesetzt worden. Seinerzeit
war Herr Höcherl Minister.
Lotze (SPD) : Herr Staatssekretär, könnten Sie
dem Fragesteller noch einmal kurz und knapp be-
stätigen, daß sich beamtete Staatssekretäre auch be- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:
reits zu früheren Zeiten in Wahlkämpfe eingeschal- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Feller-
tet haben? maier.

Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär Fellermaier (SPD) : Herr Staatssekretär, muß


beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft man sich nicht wundern über diese Nervosität, die
und Forsten: Herr Kollege Lotze, ich kann dazu nur hier von der CDU/CSU gespielt wird, angesichts der
wiederholen, was ich schon gesagt habe: daß, wie Tatsache, daß es im bayerischen Landtagswahl-
meinem Hause bekannt ist, der Vorgänger von kampf gang und gäbe ist, daß leitende Beamte der
Herrn Dr. Griesau, der beamtete Staatssekretär Dr. verschiedenen Ministerien als Wahlredner der CSU
Neef, auch aktiv in Wahlkämpfe eingegriffen hat. landauf, landab ziehen?

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:


Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:
Herr Kollege Fellermaier, auch diese Frage steht
Dr. Ritz (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, teilen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit
Sie mit mir die Auffassung, daß, wenn schon ein der Frage. Aber es steht dem Herrn Staatssekretär
beamteter Staatssekretär in den Wahlkampf ein- auch hier frei, darauf zu antworten.
greift oder eingreifen darf, jede seine Äußerungen
amtlichen Charakter tragen müßte und nicht so Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
parteipolitisch gefärbt sein darf, wie das nach un- beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
serer Überzeugung hier der Fall war? und Forsten: Herr Kollege Fellermaier, ich bin in
der Tat überrascht über die Aktivität, die die Oppo-
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär sition zur Frage des Einsatzes unseres beamteten
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft Staatssekretärs Dr. Griesau entfaltet. Ich kann die
und Forsten: Herr Dr. Ritz, auch ich habe sehr sorg- Aktivität nur darauf zurückführen, daß offenbar
fältig den Brief gelesen, der hier zu Debatte steht. sichtbar wird, wie sich Herr Dr. Griesau in Hessen
Ich muß dazu feststellen, daß der Inhalt wirklich sehr sachlich mit den Problemen der Agrarpolitik
sehr sachlich ist. Da ist ja nichts aus dem „Bayern- auseinandersetzt und dort zur sachlichen Aufklä-
kurier" abgeschrieben worden, sondern dort ist ganz rung beiträgt.
sachlich die Agrarpolitik der Bundesregierung dar-
gestellt worden.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten
Ich bin der Auffassung, daß das, was Herr Dr. Dasch.
Griesau getan hat, mit seiner Stellung durchaus ver-
einbar ist. Dasch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie ver-
trägt sich Ihre Aussage von vorhin, daß durch die
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Veranstaltungen in Mittelfranken beispielsweise
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten das neue Förderungsprogramm der Landwirtschaft
Niegel. verkündet werden solle — sogar in Filmen —, mit
der Tatsache, daß dieses Programm noch gar nicht
Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, besteht endgültig Niederschlag in einem Gesetz, geschweige
ein Zusammenhang zwischen dem wahlpolitischen denn in Verordnungen des Ministeriums gefunden
Einsatz des Herrn Staatssekretärs Griesau und dem hat?
4254 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär auf Erklärungen des Bauernpräsidenten von Heere


beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft man auf der Delegiertentagung des Deutschen
und Forsten: Die Beratung des Förderungspro- Bauernverbandes in diesen Erklärungen wurde
gramms ist im Ernährungsministerium an sich ja doch in gewisser Weise auf die Erfüllung be-
abgeschlossen. Zur Zeit arbeiten wir die Richtlinien stimmter Forderungen gedrängt — kann ich mich
aus. Wir sehen keine Schwierigkeiten, mit diesen insoweit anschließen, als Herr Dr. Griesau mit sei-
Richtlinien die angestrebte Agrarpolitik zu verwirk- ner Aussage zum Ausdruck bringen wollte, daß es
lichen. Die Länder werden sicherlich zustimmen; menschlich nicht richtig wäre, einen kranken Mini-
Widerspruch gibt es kaum. ster im Augenblick mit solchen Forderungen zu
konfrontieren.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Reinhard auf: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr.


Hält die Bundesregierung es für zulässig und mit den Spiel- Rutschke.
regeln der Demokratie vereinbar, wenn der beamtete Staats-
sekretär Dr. Griesau seine frühere Stellung als Hauptgeschäfts-
führer beim hessischen Bauernverband in Verbindung mit
seinem jetzigen Amt dazu ausnutzt, urn für eine Partei Wahl-
werbung zu betreiben? Dr. Rutschke (FDP) : Herr Staatssekretär, sind
Sie nicht der Meinung, daß es nicht nur die Pflicht,
sondern geradezu die Aufgabe eines Staatssekretärs
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
ist, unberechtigte Angriffe und verleumderische Be-
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
hauptungen über das Ministerium zurückzuweisen?
und Forsten: Herr Dr. Reinhard, die Bundesregie-
rung steht auf dem Boden des im Grundgesetz ver- (Beifall bei der SPD.)
ankerten Grundrechts jedes Staatsbürgers, seine
politische Meinung frei zu äußern. Eine unzulässige
Verquickung von parteipolitischer Aktivität und Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
amtlicher Stellung liegt nach Ansicht der Bundes- beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
regierung nicht vor. und Forsten: Ich bin durchaus Ihrer Auffassung;
ich kann das nur bestätigen. In diesem Zusammen-
hang möchte ich noch sagen, daß es Herrn Dr.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Griesau in Hessen wirklich schwergemacht worden
Eine Zusatzfrage. ist, Veranstaltungen durchzuführen. Ich weise dar-
auf hin, daß er aufgefordert worden ist, in einer
Dr. Reinhard (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, Bauernveranstaltung, die durch den Bauernverband
halten Sie es auch für taktvoll und mit der Stellung einberufen werden sollte, zu sprechen, und daß
eines beamteten Staatssekretärs für vereinbar, dann die Versammlung plötzlich durch Einwirkung
wenn Herr Dr. Griesau als Staatssekretär des Bun- ganz bestimmter Kreise — Herr Dr. Reinhard, Sie
desministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und würden die Namen kennen, wenn ich sie Ihnen
Forsten einerseits seine frühere Stellung im hes- nennen würde — abgesagt wurde. Auf Wähler-
sischen Bauernverband ausnutzt, um für eine Partei initative, auf Initiative von drei oder vier Land-
Wahlwerbung zu betreiben, andererseits - laut wirten wurde dann aber doch zu dieser Versamm-
dpa die Forderung des Präsidenten des Deutschen lung eingeladen. Erfreulicherweise hatte Herr Dr.
Bauernverbandes als „menschlich unanständig" be- Griesau dann Gelegenheit, in einem vollen Saal
zeichnet? zu sprechen.

Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär


beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

und Forsten: Zu dem letzten Zitat von Äußerungen Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lemm-
des Herrn Dr. Griesau möchte ich hier nicht Stel- rich.
lung nehmen, zumal da es von der eigentlichen
Fragestellung wegführt. Ich möchte dazu nur sagen, Lemmrich (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, kön-
daß Herr Dr. Griesau es für richtig gehalten hat, nen Sie mir sagen, inwieweit die Aufgaben des
seine Qualifikation in der Agrarpolitik durch einen Herrn Staatssekretärs Dr. Griesau im Ministerium
Hinweis auf seine frühere Tätigkeit im hessischen durch diesen intensiven Einsatz, der ja auch zeit-
Bauernverband darzustellen. liche Anforderungen beträchtlichen Ausmaßes an
ihn stellt, vernachlässigt werden?
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Reinhard. (Lachen und Oh-Rufe bei der SPD.)

Dr. Reinhard (CDU/CSU) : Sind Ihre Ausführun- Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär


gen so zu verstehen, daß Sie mit den Erklärungen beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
von Herrn Dr. Griesau einer Meinung sind? und Forsten: Diese Frage, die, meine ich, nicht be-
rechtigt ist, läßt sich sehr einfach beantworten. Die
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär Wahlveranstaltungen in Hessen sind zum großen
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft Teil am Abend durchgeführt worden. Herr Dr.
und Forsten: Den Aussagen Dr. Griesaus in bezug Griesau hat durch diese Tätigkeit im Wahlkampf
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4255
Parlamentarischer Staatssekretär Logemann
seine Aufgaben im Ministerium durchaus nicht ver- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

nachlässigt. Eine Zusatzfrage.


(Abg. Dr. Apel: Es gibt eben Leute mit
unterschiedlichem Intelligenzniveau!) Pohlmann (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, was
will die Bundesregierung tun, um zu verhindern, daß
die Länder die HKS für Alleingänge zwecks Preis-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
erhöhungen benutzen?
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten
Niegel. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, können und Forsten: Darauf komme ich gleich bei der Be-
Sie feststellen, ob sich die Vorgänger von Herrn antwortung Ihrer zweiten Frage zu sprechen.
Dr. Griesau, Herr Dr. Sonnemann, Herr Hütte-
bräuker und Herr Dr. Neef, in ähnlichen Briefen Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

ebenfalls an Wähler einer bestimmten Partei ge- Keine Zusatzfrage zu dieser Frage.
wandt und sie aufgefordert haben, einer bestimmten
Dann rufe ich die Frage 24 des Herrn Abgeordne-
Partei den Vorzug zu geben, und dabei die Agrar-
ten Pohlmann auf:
politik einseitig darstellen?
Hält die Bundesregierung solche Verteuerungen wirtschafts-
politisch für vertretbar?

Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär


beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
und Forsten: Ich kann nur feststellen, was ich vor- beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
hin schon ausgeführt habe, daß nämlich Herr Dr. und Forsten: Da etwa 50 vom Hundert des Holzbe-
Neef, der unmittelbare Vorgänger von Herrn Dr. darfs eingeführt werden müssen, richtet sich der In-
Griesau, sehr aktiv in Wahlkämpfen tätig gewesen landpreis für Rohholz und damit auch die Preisent-
ist. Ich habe keine Unterlagen darüber, wie es be- wicklung für 1971 weitgehend nach dem europä-
züglich der einzelnen Möglichkeiten gewesen ist, ischen Holzmarkt.
die man dabei ausgenutzt hat. Auf diese Frage Der Index für forstwirtschaftliche Produkte betrug
kann ich Ihnen keine Antwort geben. Ich habe nicht im Juli 1970 100,4 gegenüber 100 im Jahre 1962. An-
so weit nachgeforscht. gesichts der ungünstigen Betriebsergebnisse in der
(Abg. Fellermaier: Herr Niegel, machen Sie Forstwirtschaft wäre daher eine Verteuerung in der
halt Geschichtsforschung!) von Ihnen angegebenen Höhe von 7 vom Hundert,
wenn sie der Entwicklung des europäischen Holz-
marktes entspricht, vertretbar.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Meine Damen und Herren, im Interesse der zahl-


reichen Fragesteller, die auf die Beantwortung ihrer Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Fragen warten, rufe ich jetzt die Frage 23 des Herrn Möchten Sie noch eine Zusatzfrage stellen?
Abgeordneten Pohlmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Land Hessen unter Pohlmann (CDU/CSU) : Ja, ich habe noch eine
Hinweis auf die „Verordnung über gesetzliche Handelsklassen Zusatzfrage. Ich möchte meine Frage wiederholen —
für Rohholz" vom 31. Juli 1969 auf Landesebene Güteverschlech-
terungen bei der Rundholzsortierung, insbesondere hei der ich dachte, Sie hätten Sie jetzt beantwortet —: Was
Buche, vornehmen will, die unter Einschluß einer offiziellen
Preiserhöhung von etwa 7 % eine Rundholzverteuerung von
will die Bundesregierung tun, um zu verhindern, daß
insgesamt etwa 20 % bedeuten? die Länder die HKS für Alleingänge zwecks Preis-
Bitte, Herr Staatssekretär! erhöhungen benutzen?

Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär


Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten: Ich glaube, das wird aus der Sicht der
und Forsten: Herr Kollege, das Land Hessen beab- Länder gar nicht möglich sein. Es gibt in der Holz-
sichtigt nicht, zunächst in Erwägung gezogene Son- wirtschaft einen scharfen Wettbewerb, so daß solche
derregelungen bei der Gütesortierung von Rohholz
Preiserhöhungen eigentlich schon auf Grund dieses
zu treffen. Bei der Einführung der gesetzlichen Han- Wettbewerbs ausgeschaltet werden müßten.
delsklassen für Rohholz nach der Verordnung von
1969 ist lediglich vorgesehen, die seit der Sturm-
katastrophe 1967 in Hessen, insbesondere in Süd- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

hessen, regional verlorengegangene Einheitlichkeit Eine letzte Zusatzfrage.


bei der Anwendung von Gütebestimmungen wieder-
herzustellen. Dabei ist es nicht auszuschließen, daß Pohlmann (CDU/CSU) : Ist die Bundesregierung
in einigen Gegenden Hessens auch ein — wenn bereit, auf eine bundeseinheitliche Aushaltungs-
auch geringfügiger — Anteil des Holzes infolge sei- richtlinie für Rohholz hinzuwirken?
ner Güteeigenschaften in eine preisgünstigere Güte-
klasse rückt. Eine Verteuerung des Holzes allein Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
wegen einer Güteverschlechterung in der von Ihnen beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
angedeuteten Höhe von 13 0/o wird dadurch jedoch und Forsten: Ich möchte diese Frage schriftlich be-
bei weitem nicht eintreten. antworten, weil ich im Augenblick überfordert bin.
4256 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - keiner Weise feststellen können, ganz im Gegen-
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zum teil, man sei im Augenblick dabei, die Prüfungsan-
Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung forderungen in bestimmten Bereichen zu verschär-
und Wissenschaft. Zur Beantwortung steht Herr fen. Insofern muß ich Ihnen recht geben.
Staatssekretär von Dohnanyi zur Verfügung. Ich
rufe die Frage 102 der Abgeordneten Frau Dr. Walz Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-

auf: Eine weitere Zusatzfrage.


Wie beurteilt die Bundesregierung nach der Reise des
Bundesministers für Bildung und Wissenschaft in die Sowjet-
union den praktischen Wert eines Erfahrungsaustausches auf
den Gebieten Bedarfsfeststellungen an den Hochschulen, Weiter-
Frau Dr. Walz (CDU/CSU) : Teilt die Bundes-
bildung der Hochschulabsolventen und Didaktik an den Hoch- regierung die Auffassung nicht, Herr Staatssekretär,
schulen?
daß sich eine Verwertbarkeit von sowjetischen Ver-
fahren gerade auf den Gebieten Bedarfsfeststellung,
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats- Weiterbildung und Hochschuldidaktik schon vom
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis- System her verbietet, da eben gerade dort haupt-
senschaft: Bundesminister Leussink hat in seinem sächlich Bedarfsgesichtspunkte gelten, während wir
Gespräch mit dem sowjetischen Hochschulminister ja immerhin die Art. 5 und 12 des Grundgesetzes
Jeljutin ein Treffen von Experten auf den von
haben und uns auf ein solches Verfahren in keiner
Ihnen, Frau Kollegin Walz, genannten Gebieten an- Weise einlassen können?
geregt, und Herr Jeljutin hat dem Vorschlag zuge-
stimmt. Einzelheiten aber konnten noch nicht ver- Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
einbart werden. sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
Vor einigen Tagen war nun der Präsident der senschaft: Frau Kollegin Walz, ich glaube, es gibt
Akademie der pädagogischen Wissenschaften der keinen Bereich der Entwicklung von Bildung und
UdSSR, Herr Professor Chwostow, bei mir, und wir Wissenschaft auf dieser Erde, der die Bundesregie-
haben uns über Probleme der Hochschul- und Bil- rung und die Länderregierungen nicht interessieren
dungsreform unterhalten und dabei unter anderem sollte.
auch gerade die von Ihnen angeschnittenen Fragen (Beifall bei der SPD.)
berührt. Aber, Frau Kollegin Walz, die Angelegen- Erfahrungsaustausch heißt, Informationen und
heit ist natürlich noch im Beginn, und es kann über Kenntnisse über andere sammeln, um diese even-
die Möglichkeiten dieses Erfahrungsaustausches im tuell, soweit das möglich ist, umzusetzen. Sie wis-
Augenblick noch nichts gesagt werden. sen, daß diese Bundesregierung ganz gewiß nicht
bereit ist, Fragen des Bedarfs und der Zwänge, die
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - der Bedarf ausüben könnte, zum zentralen Punkt
Frau Kollegin, eine Zusatzfrage. der Hochschulplanung zu machen. Ich hoffe, daß das
ganze Haus — auch die Opposition — die Regie-
Frau Dr. Walz (CDU/CSU) : Können Sie, Herr rung bei dieser sehr liberalen Auffassung der Bil-
Staatssekretär, bestätigen, daß in der Sowjetunion dungspolitik unterstützen wird.
auf dem Gebiete der Hochschulplanung allein Be-
darfsgesichtspunkte ausschlaggebend sind, und zwar Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-

in der Weise, daß Stipendien und Studienplätze nur Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Meister.
an die Leute vergeben werden, für die der Staat und
die Wirtschaft Bedarf haben, wobei gleichzeitig Meister (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, sind
strengste Leistungsmaßstäbe angelegt werden? Sie darüber unterrichtet, wie groß in der UdSSR
etwa der Anteil derjenigen Studierenden an wissen-
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats- schaftlichen Hochschulen ist, die ihre Studien nicht
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis- abschließen? Liegt er etwa in der gleichen Höhe wie
senschaft: Es ist schwierig, Frau Kollegin Walz, dies bei uns? Bei uns sollen es 30 % sein.
so pauschal zu bestätigen. Sicherlich ist in jeder
Zentralverwaltungswirtschaft die Frage der Zusam- Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
menhänge zwischen Bedarf und Planung etwa so zu sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
beantworten, wie Sie es hier für die Sowjetunion senschaft: Der Anteil ist in dieser Weise nicht ver-
getan haben. Andererseits gibt es aber offenbar gleichbar, Herr Kollege. Sicher ist nur, daß, wie
auch dort bestimmte Bereiche der Grundlagenfor- Frau Kollegin Walz schon angedeutet hat, der Lei-
schung, in denen sich ein Bedarf in diesem Sinne stungsanspruch sehr hoch ist, so daß in der Sowjet-
gar nicht planen oder voraussagen läßt. Gerade in union ein Numerus clausus dahin gehend besteht,
diesen Bereichen ist also dann ein etwas breiterer daß von fünf Bewerbern etwa nur einer Zugang zu
Spielraum vorhanden. den Hochschulen hat.

Zu dem zweiten Punkt Ihrer Feststellung, zu den Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-

Leistungsanforderungen, kann ich nur aus meinem Ich rufe die Frage 103 der Abgeordneten Frau Walz
Gespräch mit Herrn Chwostow berichten, daß er mir auf:
sagte, bei einer Studentenversammlung, die er hier Welches sind die Vorstellungen der Bundesregierung über
eine Beteiligung des Bundes an dein Finanzbedarf des zur Zeit
gehabt habe, habe man ihn bedrängt, doch festzu- noch voll von der Stiftung Volkswagenwerk getragenen „Hoch-
stellen, daß in der Sowjetunion für bestimmte Dinge schul-Informations-System" (HIS)inaover?

keine Prüfungen stattfänden; er habe das aber in Herr Staatssekretär!


Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4257

schwacher Schichten die unverhältnismäßig teuren und zur För-


Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats- derung der Lernfähigkeit im Kindesalter notwendigen Übungs-
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis- mittel (Bücher, Spiele usw.) zugänglich werden?
senschaft: Nach Art. 4 des Verwaltungsabkommens Herr Staatssekretär, bitte!
zwischen Bund und Ländern über die Errichtung
einer gemeinsamen Kommission der Bildungspla-
nung ist es Aufgabe dieser Kommission, Frau Kolle- Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
gin Walz, Vorschläge für die gemeinsame Errichtung sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
und Fortentwicklung überregionaler Informations- senschaft: Herr Kollege, die Bundesregierung hat
systeme für das Bildungswesen zu machen. Dieses mehrfach erklärt, daß die strukturelle, inhaltliche
Problem kann daher eben nur gemeinsam mit den und organisatorische Neuordnung der Elementar-
Ländern gelöst werden. erziehung in der Bildungsreform Priorität genießt.
Dazu gehört nach Auffassung der Bundesregierung,
die aber hierüber natürlich nicht allein zu befinden
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
hat, auch die Ausdehnung der Lernmittelfreiheit auf
-

Eine Zusatzfrage.
diesen Bereich. Die Bundesregierung wird sich daher
im Rahmen der Planungsüberlegungen in der Bund-
Frau Dr. Walz (CDU/CSU) : Wie erklären Sie es, Länder-Kommission für Bildungsplanung für eine
Herr Staatssekretär, daß z. B. im Bericht des Wis- entsprechende Regelung einsetzen.
senschaftsrates auf die Hochschul-Informations-Ge-
selischaft verwiesen ist, die ja im Augenblick als
einzige Grundlagen zur Analyse von Hochschulab- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-

läufen liefert, im Bildungsbericht der Regierung aber Eine Zusatzfrage.


nicht, obwohl Sie doch mit den Ländern zusammen
im Kuratorium des HIS sitzen? Hansen (SPD) : Herr Staatssekretär, sind Sie in
dieser Frage mit mir einer Meinung, daß die Rege-
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats- lung der Lernmittelfreiheit in den Ländern verein-
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis- heitlicht werden sollte, etwa in dem Sinne, daß
senschaft: Der Bildungsbericht der Bundesregierung, statt nach den bisher errechneten Durchschnittsbe-
Frau Kollegin Walz, kann nicht alle Einzelheiten be- trägen Pauschbeträge nach Stufen gegeben werden
rühren. Es ist gar kein Zweifel, daß das Bundesmi- sollten, auch unter Einbeziehung der Elementar-
nisterium für Bildung und Wissenschaft am Fortbe- stufe, d. h. des Vorschulalters?
stehen des Systems, das von diesem Institut geschaf-
fen worden ist, interessiert ist. Wir suchen gemein- Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
sam mit den Ländern hierfür eine Lösung. sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
senschaft: Herr Kollege, ich glaube, Sie haben mir
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: - zwei Fragen gestellt. Die erste Frage ist die, ob wir
Eine letzte Zusatzfrage. auf dem Standpunkt stehen, daß hier eine Verein-
heitlichung angestrebt werden sollte. Ich kann das
Frau Dr. Walz (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, nur bestätigen. Die Länder machen über die KMK
Sie sind also nicht bereit — oder vielleicht doch? —, ständig den Versuch, die hier divergierenden Rege-
wenn die Mittel der Volkswagenstiftung für das HIS lungen zu vereinheitlichen. Im Rahmen der Bil-
auslaufen — und die sollen ja jetzt auslaufen —, dungsplanungskommission werden wir diese Be-
sich von Bund- und Länderseite entsprechend in die- strebungen unterstützen.
ser Sache zu engagieren?
Welche Regelung dann in die Vereinheitlichung
einfließen sollte — die von Ihnen genannte Pausch-
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
regelung oder eine andere —, das kann ich zu die-
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
sem Zeitpunkt noch nicht sagen. Das wird auch ein
senschaft: Frau Kollegin Walz, ich weiß nicht, wie
Ergebnis der gemeinsamen Arbeit in der Bildungs-
Sie diese Schlußfolgerung ziehen können, daß wir
planungskommission sein.
dazu nicht bereit wären. Wir sind nur dafür, daß
man Fragen der Bildungspolitik und damit auch die-
ses Problem eines überregionalen Hochschul-Infor- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:-

mations-Systems sorgfältig prüft. Ich sagte, wir ken- Eine Zusatzfrage.


nen die Problematik, vor der wir hier stehen. Bund
und Länder werden bemüht sein, das hier einmal Hansen (SPD) : Eigentlich ist die Frage beant-
Geschaffene zu erhalten und Wege zu finden, es zu wortet, aber ich will sie noch einmal stellen, um
finanzieren. Wie das geschehen kann, Frau Kollegin deutlich zu hören: Sie wären also bereit, Herr
Walz, kann ich aber heute ohne die Entscheidung Staatssekretär, in den Entwurf eines Gesamtbil-
der Bildungsplanungskommission natürlich noch dungsplanes, der der Bund-Länder-Kommission vor-
nicht sagen. gelegt werden soll, Vorschläge zur Vereinheit-
lichung etwa in dieser Richtung zu machen?
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:
Ich rufe die nächste Frage, die Frage des Herrn Ab- Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
geordneten Hansen, auf: sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
Ist die Bundesregierung bereit, auf die Länder einzuwirken, senschaft: Ich bin ganz sicher, daß das so sein wird,
die Lernmittelfreiheit auch auf den Bereich der Elementarstufe
(Vorschulalter) auszudehnen, damit auch den Kindern sozial Herr Kollege Hansen.
4258 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Ich rufe als nächste Frage die des Herrn Abge-
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rutschke. ordneten Dr. Haack auf:
Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, den Bau
Dr. Rutschke (FDP) : Herr Staatssekretär, sind von Studentenwohnheimen in die Finanzierung nach dem Hoch-
schulbauförderungsgesetz einzubeziehen?
Sie nicht auch der Meinung, daß eine Förderung
dieser Art auf die sozial schwachen Schichten be- Bitte, Herr Staatssekretär!
grenzt bleiben sollte?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats- sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis- senschaft: Herr Kollege, die Bundesregierung hat
senschaft: Die Frage, Herr Kollege Rutschke, ist in in dem diesjährigen Bericht zur Bildungspolitik hin-
diesem Zeitpunkt schwer zu entscheiden. Es ist kein sichtlich der Frage der Einbeziehung des Studenten-
Zweifel, daß wir im Zusammenhang mit den vor wohnheimbaues in die Gemeinschaftsaufgabe „Hoch-
uns liegenden Aufgaben der Bildungsreform fest- schulbau" folgendes ausgeführt; ich darf das mit
stellen werden, daß die Mittel für Bildung und Wis- Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Es
senschaft knapp sind, gleichgültig, wie sehr die heißt dort:
Bundesregierung weiterhin bemüht sein wird, den
Die Bundesregierung erwägt, die Finanzierung
Anteil zu erhöhen.
des studentischen Wohnheimbaues auf eine
Bei dieser Problematik wird man immer wieder neue Grundlage zu stellen und sie in die Ge-
überlegen müssen, ob nicht doch gewisse Maßnah- meinschaftsaufgabe nach dem Hochschulbau-
men zunächst sozial schwächeren Schichten zuzuord- förderungsgesetz einzubeziehen. Die notwen-
nen sind. Auf die Dauer sollte jedoch eine solche digen Ausbaumaßnahmen können sonst nicht
Differenzierung entfallen. Das ist aber eine Frage sichergestellt werden. Eine erhebliche Vermeh-
der langfristigen Entwicklung. rung der Mittel für den studentischen Wohn-
heimbau ist erforderlich.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: Aber unabhängig davon, Herr Kollege, ob der Stu-
-

Frau Abgeordnete Dr. Walz zu einer letzten Zusatz-


dentenwohnraumbau in die Gemeinschaftsaufgabe
frage.
„Hochschulbau" einbezogen werden wird oder nicht
— das ist ja eine Frage, die auch mit den Ländern
Frau Dr. Walz (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, zu entscheiden sein wird —, wird die Bundesregie-
ist Ihnen nicht klar, daß selbst in den Ländern, wo rung ihre Anstrengungen zu einer Verstärkung des
es Lernmittelfreiheit schon seit Jahren gibt, diese in Studentenwohnheimbaues oder -wohnraumbaues
keiner Weise voll ausgeschöpft werden kann, weil im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten fortset-
die Länder es einfach nicht bezahlen können? Wenn zen. Ich darf nur darauf hinweisen, Herr Kollege,
Sie nun bedenken, daß, die Länder jetzt schon 67% daß, resultierend aus den von uns übernommenen
der Bildungsausgaben haben, wie wollen Sie es Planungen 1969/70, im Haushalt 1970 23 Millionen
dann verantworten, ihnen hier eine neue große DM für diese Aufgaben vorgesehen waren und daß
Aufgabe ohne Mittel des Bundes zuzuweisen? wir für den Haushalt 1971 eine Steigerung auf
52 Millionen DM vorsehen.
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

senschaft: Frau Kollegin Walz, die Länder haben ja Eine Zusatzfrage!


leider einen höheren Anteil als 67 % an den Bil-
dungsausgaben. An Bildung allein sind es etwa
94%, an Bildung und Wissenschaft zusammen sind Dr. Haack (SPD) : Ich habe die Frage deshalb
es etwa 80 %. Es ist völlig klar, daß bei neuen Auf- gestellt, Herr Staatssekretär, weil vor kurzem eine
gaben die Frage der Verteilung der Lasten zwischen Konferenz von Universitätsstädten stattgefunden
Bund und Ländern immer wieder zu erwägen sein hat, die diese Forderung noch einmal erhoben haben.
wird. Auch das ist ja, wie Sie wissen, eine zentrale Ich darf voraussetzen, daß der Vorschlag dieses
Aufgabe der Bildungsplanungskommission. Deswe- Gremiums auch der Bundesregierung bekannt ist
gen kann auch über die Frage, die Herr Hansen hier und daß sie darauf geantwortet hat.
gestellt hat, letzten Endes nur im Rahmen einer
Gesamtreform und eines Gesamtkonzeptes entschie-
den werden. Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staats-
sekretär beim Bundesminister für Bildung und Wis-
senschaft: Herr Kollege, Sie nehmen wahrscheinlich
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
Bezug auf die Diskussion in Regensburg.
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch
wird in Zusammenhang mit den Fragen aus dem (Abg. Dr. Haack: Ja!)
Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidi-
gung beantwortet. — Diese Diskussion ist der Bundesregierung be-
kannt. Wir haben hier mit einem Problem zu tun,
Die Fragen 106 und 107 werden nach der mir vor- das nur zwischen Bund und Ländern, und zwar, wie
liegenden Ubersicht schriftlich beantwortet. Die Ant- ich glaube, in der von mir hier aus dem Bildungs-
worten werden als Anlagen abgedruckt. bericht zitierten Weise gelöst werden kann.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4259

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: gesetz der Bildung einer ausreichenden Liquiditäts-


Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich reserve Vorrang gegeben worden ist. Die Renten-
beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. versicherungsträger sind danach gehalten, ihre Über-
schüsse nicht anders als in den für die Liquiditäts-
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts- reserve vorgesehenen Anlageformen anzulegen.
bereich des Bundesministers für Arbeit und Sozial- Dank der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung
ordnung. Zur Beantwortung steht der Parlamen- und dem damit verbundenen Anstieg der Beitrags-
tarische Staatssekretär Rohde zur Verfügung. einnahmen ist zwar die Liquiditätsreserve der Trä-
Die Fragen 25 bis 27 der Abgeordneten Ruf und ger der Rentenversicherung der Arbeiter inzwischen
Maucher werden schriftlich beantwortet. Die Ant- erheblich angewachsen, das gesetzlich vorgeschrie-
worten werden als Anlage abgedruckt. bene Liquiditäts-Soll aber noch nicht erfüllt.

Ich rufe die Frage 28 der Abgeordneten Frau Sobald das Liquiditäts-Soll aufgefüllt sein wird —
Funcke auf: bei weiterhin anhaltender günstiger Entwicklung der
Gibt es Arbeitsämter in der Bundesrepublik Deutschland, die
Beitragseinnahmen kann damit in absehbarer Zeit
von Frauen geleitet werden? gerechnet werden —, können auch die Träger der
Arbeiterrentenversicherung ihren Versicherten wie-
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim der in gewissem Umfang zinsgünstige Baudarlehen
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Frau zur Verfügung stellen.
Kollegin, ich darf Sie bitten, damit einverstanden Diese Fragen werde ich bei den in der Frage-
zu sein, daß ich Ihre beiden Fragen im Zusammen- stunde am 9. Oktober 1970 angekündigten Gesprä-
hang beantworte. chen mit dem Verband Deutscher Rentenversiche-
rungsträger berücksichtigen. Von dem Ergebnis die-
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
ser Gespräche, Herr Kollege, werde ich Sie selbst-
Die Fragestellerin ist einverstanden. Ich rufe also verständlich unterrichten.
auch die Frage 29 der Frau Abgeordneten Funcke
auf: Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-
Beabsichtigt die Bundesanstalt für Arbeit, Frauen an leitende
Stellen in der Arbeitsverwaltung zu berufen? Eine Zusatzfrage!

Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Härzschel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, darf


Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Von ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregie-
den 146 Arbeitsämtern in der Bundesrepublik wer- rung nicht bereit ist, gesetzliche Maßnahmen zu er-
den vier von Frauen geleitet, und zwar die Arbeits- greifen, um eine Gleichstellung zu erreichen, obwohl
ämter Wesel, Detmold, Meschede und Weiden. Ne- bei der Neuformulierung des Rentenversicherungs-
ben diesen vier Arbeitsamtsdirektorinnen gibt es rechts deutlich zum Ausdruck kam, daß beide Zweige
etwa 40 leitende Mitarbeiterinnen, die als Vize- gleichbehandelt werden sollen?
präsidentin, Abteilungsleiterinnen und Referentin-
nen in der Bundesanstalt für Arbeit tätig sind.
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Ihre zweite Frage kann ich mit Ja beantworten. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr
Bei den personellen Entscheidungen für leitende Kollege, die Regelungen über die finanziellen Grund-
Dienstposten sollen, wie uns die Bundesanstalt mit- lagen der Rentenversicherung sowohl der Arbeiter
geteilt hat, auch in Zukunft die nach Alter und Quali- als auch der Angestellten sind erst im vergangenen
fikation in Betracht kommenden weiblichen Bedien- Jahr durch Gesetz beschlossen worden. Wie Sie wis-
steten berücksichtigt werden. sen, ist es erste Aufgabe der Rentenversicherungs-
träger — das hat sich wie ein roter Faden damals
Im übrigen werde ich Ihre Fragen, Frau Kollegin,
durch die Beratungen in dem zuständigen Fachaus-
und damit die Erwartungen, die darin zum Aus-
schuß des Parlaments gezogen —, die Rentenzah-
druck kommen, an die Bundesanstalt weiterleiten.
lungen sicherzustellen. Wenn Sie jetzt darüber hin-
ausgehende Änderungen wünschen, würde das die
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversiche-
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Härzschel rung berühren. Damit wäre ein Fragenkomplex auf-
auf: geworfen, Herr Kollege, den wir hier seinem ganzen
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um hei der Gewäh-
rung von zinsgünstigen Baudarlehen aus der Rentenversicherung Umfang nach in einer Fragestunde schwerlich be-
den Arbeitern die gleiche Möglichkeit zu eröffnen wie den An-
gestellten? handeln können.

Herr Staatssekretär!
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
-

Eine weitere Zusatzfrage!


Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr
Kollege, bereits am 9. Oktober dieses Jahres wurde Härzschel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wür-
bei der Beantwortung einer von Ihnen ähnlich ge- den Sie mir zustimmen, daß damit in der Regel im
stellten Frage von unserem Hause darauf hingewie- Wohnungsbau gerade die besser verdienenden An-
sen, daß in dem mit einer einzigen Gegenstimme gestellten zinsgünstige Darlehen erhalten können,
verabschiedeten 3. Rentenversicherungs-Änderungs- während das bei den Arbeitern nicht möglich ist?
4260 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Ich


Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr stimme zu. Ich sagte ja, ein Teil der Fragen ist
Kollege, ich sage nicht, daß es hier keine Probleme ohnehin erledigt.
gibt, sondern habe schon in meiner einleitenden
Antwort darauf hingewiesen, daß wir die Gelegen- Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

heit des Gesprächs mit den Rentenversicherungsträ- Ich rufe dann auch noch die Frage 39, Ihre zweite
gern dazu nutzen werden, auch die von Ihnen auf- Frage, Herr Dr. Marx, auf:
geworfene Frage zu erörtern. Entspricht der Wunsch des niedersächsischen Justizministers
Schäfer, die „Zentrale Erfassungsstelle für Gewalt- und Willkür-
akte in der DDR" aufzulösen, der politischen Absicht der Bun-
desregierung im Zusammenhang mit der neu formulierten
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
Deutschlandpolitik?
Die Fragesteller der Fragen 31 bis 33, die Abgeord-
neten Schiller (Bayreuth) und Dr. Haack, haben um Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär
schriftliche Beantwortung ihrer Fragen gebeten. Die beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Marx
Antworten werden als Anlage abgedruckt. — und Herr Kollege Lenz, der die Fragen 40 und 41
Damit haben wir die Fragen aus dem Geschäfts- gestellt hat —, der Justizminister des Landes Nie-
bereich des Bundesministers für Arbeit und Sozial- dersachsen hat gelegentlich der Justizministerkon-
ordnung erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekre- ferenz vom 28. bis 30. Oktober 1970 in Hannover
tär. die Frage der weiteren Arbeit und Organisation
der Zentralen Erfassungsstelle der Landesjustizver-
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts-
waltungen in Salzgitter aufgeworfen. Die Frage ist
bereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beant-
eingehend erörtert worden. Die Justizminister der
wortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Länder haben nach Abstimmung mit dem Bundes-
Dr. Bayerl zur Verfügung.
minister der Justiz wie folgt Stellung genommen:
Ich rufe zunächst die Frage 34 des Abgeordneten
Nach Unterrichtung durch Herrn Justizminister
Hussing auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die
Schäfer über die Zentrale Erfassungsstelle der
Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort
Landesjustizverwaltungen in Salzgitter sehen
wird als Anlage abgedruckt.
die Justizminister keinen Anlaß, ihre früheren
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Weigl Beschlüsse über die Einrichtung und Tätigkeit
auf. — Auch der' Abgeordnete Weigl ist nicht anwe- dieser Erfassungsstelle abzuändern.
send. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Abgeordnete Hein, der die Fragen 36 und 37 Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

gestellt hat, ist ebenfalls nicht anwesend. Die Fra- Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
gen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten
werden als Anlagen abgedruckt. Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Herr
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Dr. Marx Staatssekretär, ich will mich in meiner Frage ganz
(Kaiserslautern) auf: vorsichtig ausdrücken: Ist mit diesem Beschluß auch
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des niedersäch-
die Frage 38 beantwortet, worin ich nach Ihrer Hal-
sischen Justizministers, daß die Tätigkeit der "arbeitslos" ge- tung zu der Bemerkung des niedersächsischen
wordenen „Zentralen Erfassungsstelle der Westdeutschen Länder-
justizverwaltungen zur Registrierung von Gewalt und Willkür- Justizministers fragte?
akten an der Zonengrenze und in der DDR" auch dadurch ersetzt
werden könnte, daß Unrechtstaten, Rechtsbeugungen und Terror-
urteile in der DDR" „künftig von den zuständigen Staatsanwalt-
schaften, auch denen in der DDR, erfaßt" werden könnten?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär
beim Bundesminister der Justiz: Ja; sonst wäre die
Erfassungsstelle nicht mit Zustimmung des Bundes-
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär justizministers beibehalten worden.
beim Bundesminister der Justiz: Herr Präsident, ich
bitte, die Fragen 38 bis 41 zusammen beantworten
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -
zu dürfen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen:
Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Herr
-

Wenn der Fragesteller damit einverstanden ist, be- Staatssekretär, erlauben Sie, daß ich die politische
stehen keine Bedenken, seine Fragen zusammen zu Frage stelle: Stimmen Sie den Feststellungen des
beantworten.
niedersächsischen Justizministers zu, daß die von
der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter-Bad er-
Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Ein Teil faßten Unrechtstatbestände und Rechtsbeugungen,
der Fragen, Herr Präsident, ist durch eine zwischen- deren sich ja Staatsanwälte in der DDR schuldig
zeitliche Entscheidung ohnehin erledigt. machen, von den gleichen Staatsanwälten geahndet
werden können?
Vizepräsident Dr. Schmitt Vockenhausen: -

Herr Kollege, ich darf Sie nur darauf aufmerksam Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär
machen, daß wir inzwischen 15 Uhr haben und daß beim Bundesminister der Justiz: Sicher nicht in vol-
Sie, wenn Sie der Verbindung der Fragen zustim- lem Umfang; sonst wäre die Erfassungsstelle schon
men, die Chance zu mehr Zusatzfragen haben. im jetzigen Zeitpunkt überflüssig.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4261

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:


Eine weitere Zusatzfrage. Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hauser als
letzte Zusatzfrage!
Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Herr (Abg. Lenz [Bergstraße] : Entschuldigen Sie,
Staatssekretär, da Sie sagen „nicht in vollem Um- Herr Präsident, mir stehen doch Zusatz
fange", darf ich fragen: In welchem Umfang halten fragen zu meinen Fragen zu!)
Sie dies für möglich?
— — Herr Kollege Dr. Lenz, ich konnte zu diesem
Zeitpunkt nur noch , die Fragen des Abgeordneten
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Marx aufrufen, und hierzu haben Sie nach den
beim Bundesminister der Justiz: Das ist bei der Richtlinien der Fragestunde leider nur eine Zusatz-
Vielfalt der Sachverhalte, die dabei in Rede stehen frage. Ich gebe jetzt aber dem Kollegen Hauser die
können, sicher sehr schwer zu differenzieren. Möglichkeit, noch eine Zusatzfrage zu stellen.

Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) : Herr Staats-


Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: sekretär, schien es Ihnen politisch überaus klug,
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Dr. Marx.
daß der niedersächsische Justizminister in Zusam-
menhang mit seiner Denkübung über die Auflösung
Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Herr der Zentralstelle die Äußerung tat: „Wir haben für
Staatssekretär, inwieweit glauben Sie, daß das vor- die Schweiz und die Niederlande auch nicht beson-
handene Rechtssystem in der DDR — ich meine dere Erfassungsstellen, dafür reichen die geltenden
nicht das in der Verfassung garantierte, sondern Gesetze und Zuständigkeiten aus" und damit den
das praktizierte — dies überhaupt ermöglichte? Vergleich übernahm, den Herr Schukow bezüglich
der Unveränderbarkeit der Grenze zur DDR ge-
brauchte, als er sagte, diese Grenze sei ebenso un-
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär veränderbar wie die gegenüber der Schweiz und
beim Bundesminister der Justiz: Sicher wird es das Frankreich?
nicht ermöglichen nach unseren rechtsstaatlichen
Vorstellungen.
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär
beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Hau-
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: ser, die Bundesregierung hat über die politische
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz. Klugheit von Landesjustizministern nicht zu be-
finden.

Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) : Herr Staats- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen:


sekretär, ist aus Ihren Antworten zu entnehmen,
Meine Damen und Herren, damit stehen wir am
daß sich die Bundesregierung von Anfang an der
Ende der heutigen Fragestunde.
Auflösung der Erfassungsstelle widersetzt hat?
- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Freitag, den 6. November, 9.00 Uhr.
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär
beim Bundesminister der Justiz: Sie hat sich in dem Die Sitzung ist geschlossen.
Zeitpunkt der Auflösung widersetzt, als es für uns
aktuell wurde: bei der Justizministerkonferenz. (Schluß der Sitzung: 15.05 Uhr.)
Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4263

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Anlage 2
Schriftliche Antwort
Liste der beurlaubten Abgeordneten
des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom
Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich 5. November 1970 auf die Mündliche Frage des Ab-
Dr. Aigner *** 6.11. geordneten Ruf (Drucksache VI /1339 Frage A 25) :
Glaubt die Bundesregierung, daß das Bestreben der Ersatz-
Amrehn * 5. 11. kassen, den freiwillig Versicherten gegen einen zusätzlichen
Dr. Artzinger *** 6. 11. Beitrag Zusatztarife mit zusätzlichem Krankengeld anzubieten,
mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen vereinbar ist?
Bauer (Würzburg) * 5. 11.
Blumenfeld 11.11. Das Bundesversicherungsamt, das die Aufsicht
Burgbacher 13.11. über die bundesunmittelbaren Ersatzkassen führt,
Damm 11.11. prüft die Frage, ob die Gewährung eines erhöhten
Dr. Erhard 6. 11. Krankengeldes gegen Beitragszuschläge für frei-
Flämig 11.11. willig Versicherte der Ersatzkassen mit den gesetz-
Frehsee 5. 11. lichen Vorschriften vereinbar ist. Die Prüfung ist
Dr. Furler 6. 11. noch nicht abgeschlossen. Ich werde Ihnen, Herr Ab-
Dr. Dittrich 6. 11. geordneter, das Ergebnis der Prüfung zuleiten, so-
Frau Geisendörfer 5.11. bald es mir vorliegt.
Dr. Gessner 11.11.
Dr. Götz 30. 11.
Frau Griesinger 11.11.
Dr. Hallstein 6. 11.
Dr. Hein 13. 11. Anlage 3
Frau Herklotz ** 6. 11. Schriftliche Antwort
Heyen 31. 12.
des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom
Dr. Jaeger 11.11.
5. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des
Jung 11.11.
Abgeordneten Maucher (Drucksache VI/ 1339 Fragen
Dr. Kliesing (Honnef) 11.11.
A 26 und 27) :
Klinker *** 6. 11.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Gewährung von
Frau Krappe 14.11. Weihnachtsgeld bzw. Überbrückungszulagen auf Grund der An-
rechnung bei einkommensgebundenen Leistungen nach dem Bun-
Kriedemann *** 6. 11. desversorgungsgesetz zu Härten und Nachteilen führt?
Lange 11.11. Ist die Bundesregierung bereit, eine entsprechende Regelung
vorzusehen, daß eine solche Anrechnung zu Weihnachten nicht
Lautenschlager *** 5. 11. mehr erfolgt?
Lenze (Attendorn) 11.11.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich nach
Mattick 11.11.
geltendem Recht die Gewährung von Weihnachts-
Memmel *** 6. 11. zuwendungen und Überbrückungszulagen auf die
Mischnick 5. 11. Höhe der vom Einkommen beeinflußten Leistungen
Neumann 11.11. nach dem Bundesversorgungsgesetz auswirkt. Bei
Frau Dr. Orth *** 5. 11. der Feststellung des Berufsschadens- und Schadens-
Petersen ausgleichs werden die Weihnachtszuwendungen als
Pöhler 11.11. derzeitiges Bruttoeinkommen berücksichtigt, soweit
Richarts 6. 11. sie 200 DM übersteigen. Es ist zuzugeben, daß mit
Dr. Rutschke * 5. 11. dem in letzter Zeit festzustellenden Ansteigen der
Höhe von Weihnachtszuwendungen die Frage wach-
Schmid (Frankfurt) 13. 11.
sende Bedeutung gewinnt, ob dieser Freibetrag nicht
Schmidt (Würgendorf) 11.11. durch eine andersgeartete Regelung zu ersetzen
Dr. Schmücker 10. 11. wäre. Mein Haus steht mit den beteiligten Ressorts
Schneider (Königswinter) 5. 11. in Kontakt mit dem Bemühen, eine für die
Schonhofen 6. 11. Anspruchsberechtigten günstigere Berechnungsvor-
Dr. Schulz (Berlin) * 5. 11. schrift zu schaffen. Diese Erörterungen sind noch
Dr. Starke (Franken) 6. 11. nicht zum Abschluß gekommen.
Steiner 6. 11. Schwieriger stellt sich die Frage bei der Aus-
Dr. Strauß 5. 11. gleichs- und Elternrente. Im Bundesversorgungsrecht
Unertl 6. 11. gilt seit dessen Einführung im Jahre 1950 der Grund-
Wilhelm 6. 11. satz, daß alle Einkünfte ohne Rücksicht auf ihre
Quelle und Rechtsnatur als Einkommen zu werten
sind. Auch die von Ihnen genannten Zuwendungen
* Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Ver-
sammlung der Westeuropäischen Union gehören damit zu dem anzurechnenden Einkommen.
** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beraten- Ihre Anrechnung wird aber dadurch ebenfalls weit-
den Versammlung des Europarates gehend gemildert, daß neben den allgemeinen Ein-
*** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Euro- kommensfreibeträgen noch zusätzlich 200 DM von
päischen Parlaments den Weihnachtszuwendungen außer Ansatz bleiben.
4264 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970

Anlage 4 Aus den vorgenannten Gründen und auf Grund


Schriftliche Antwort der bisherigen Erfahrungen kann nicht davon aus-
des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom gegangen werden, daß die festgestellte Veränderung
5. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des des Krankenstandes auf der Einführung der Lohn-
Abgeordneten Schiller (Bayreuth) (Drucksache fortzahlung beruht.
VI /1339 Fragen A 31 und 32) : Im übrigen ist nach wie vor kein Grund für die
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es bei der Feststellung
der am Ausgleich. teilnehmenden Arbeitgeber nach § 10 Abs. 1 Annahme vorhanden, daß die Mehrbelastungen, die
und 2 des Lohnfortzahlungsgesetzes wegen der Einbeziehung den Arbeitgebern aus der Einführung der Lohnfort-
aller „Arbeitnehmer" zu Schwierigkeiten gekommen ist?
Beabsichtigt die Bundesregierung, auf Grund dieser Schwierig- zahlung für erkrankte Arbeiter entstehen, je nach
keiten den § 10 des Lohnfortzahlungsgesetzes am 1. Januar 1971 Betriebsgröße unterschiedlich hoch sind. Soweit für
dahin gehend zu ändern, daß bei der Feststellung der am Aus-
gleich teilnehmenden Arbeitgeber nur die Arbeiter zu berück- einzelne Betriebe zufallsbedingte Abweichungen von
sichtigen sind, die nach § 1 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes der Durchschnittsbelastung auftreten, gleichen sich
Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben?
diese auf die Dauer aus. Nur für Arbeitgeber, die in
Unter den in § 10 des Lohnfortzahlungsgesetzes der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäf-
(LFZG) verwendeten Begriff des Arbeitnehmers fal- tigen, kann ein solcher Risikoausgleich nicht mit
len nach einhelliger Auffassung in der Literatur
Sicherheit unterstellt werden; für diese Arbeitgeber
Arbeiter und Angestellte. Anderslautende gericht- wurde deshalb ,das Ausgleichsverfahren nach den
liche Entscheidungen sind — soweit ersichtlich —
§§ 10 ff. LFZG eingeführt.
bisher nicht ergangen. Auch sind mir bisher keine
Fälle bekanntgeworden, in denen wegen der Ein-
beziehung beider Gruppen von Arbeitnehmern bei Anlage 6
Schriftliche Antwort
der Feststellung der am Ausgleich beteiligten Ar-
beitgeber grundsätzliche Schwierigkeiten aufge- des Bundesministers Genscher vom 5. November
treten oder Rechtsstreitigkeiten anhängig geworden 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten
sind. Die Bundesregierung sieht daher derzeit kei- Weigl (Drucksache VI /1339 Frage A 76):
Trifft es zu, daß die Bundesregierung dem Berliner Senator
nen Anlaß, eine Änderung des § 10 LFZG in dem für Jugend und Sport eine Unterstützung der Aktion „Jugend
von Ihnen angeregten Sinn vorzuschlagen. trainiert für Olympia" empfohlen hat, obwohl der Leiter dieser
Aktion, Hans Weidemann, als Träger des goldenen Parteiabzei-
chens der NSDAP, stellvertretender Gauleiter von Essen und
Obersturmführer der Waffen-SS völlig ungeeignet ist, die deut-
Anlage 5 sche Jugend im olympischen Geiste zu erziehen?
Schriftliche Antwort
Bei der Aktion „Jugend trainiert für Olympia"
des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom handelt es sich um einen seit dem Jahre 1969 be-
5. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abge stehenden umfassenden sportlichen Jugendwett-
ordneten Dr. Haack (Drucksache VI /1339 Frage A 33): bewerb, an dem sich Schulmannschaften aus allen
Hat sich nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Fortzahlung
des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle der Krankheitsstand der Bundesländern beteiligen. Die Aktion bezeichnet
Arbeitnehmer erhöht und die Belastung für mittelständische Be-
triebe, die mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, durch die
sich als ein „Förderungswerk des STERN, der
Lohnfortzahlung an erkrankte Arbeitnehmer für diese Betriebe SCHULE und des SPORTS". Veranstalter sind der
ungünstig ausgewirkt?
STERN, der Deutsche Leichtathletikverband, der
Nach den bis jetzt für 1970 vorliegenden Statisti- Deutsche Schwimmverband, der Deutsche Turner-
ken betrug die Krankenziffer bei den Pflichtmitglie-
- bund und der Deutsche Volleyballverband in Zu-
dern (Arbeiter und Angestellte) der gesetzlichen sammenarbeit mit den Schulbehörden der Länder.
Krankenkassen im Durchschnitt der Monate Januar Ausrichter des Abschlußwettbewerbs in Berlin sind
bis September 5,6%. Für die beiden vorangegange- die Berliner Landesorganisationen der beteiligten
nen Jahre war die Krankheitshäufigkeit für den Bundessportfachverbände mit Unterstützung der
gleichen Personenkreis in den entsprechenden Mo- Senatsverwaltung für Familie, Jugend und Sport in
naten im Durchschnitt etwas geringer, nämlich für Berlin. Die Wettbewerbsbedingungen und die Ein-
1968 4,9 v. H. und für 1969 5,0 v. H. zelheiten der Durchführung werden von den Ver-
Der seit 1968 zu beobachtende Anstieg der Kran- anstaltern gemeinsam festgelegt.
kenstandsziffern dürfte in erster Linie mit der kon- Die Bundesregierung begrüßt den Wettbewerb
junkturellen Zunahme der Beschäftigung zusammen- „Jugend trainiert für Olympia" als einen Beitrag
hängen und aufzunehmendem Arbeitstempo und zu den Bemühungen, das sportliche Interesse unter
Mehrarbeit sowie auf erhöhtem Unfallrisiko und der Jugend zu steigern und insbesondere den Schul-
damit auf einer wachsenden gesundheitlichen Bela- sport zu aktivieren. Die breite Zustimmung, die die
stung beruhen. Hinzu kommt, daß seit 1968 bei der Aktion gefunden hat, ergibt sich auch daraus, daß
angespannten Arbeitsmarktlage Personen in den neben der Bundesregierung und dem Präsidenten
Arbeitsprozeß eingegliedert wurden, die ein erhöh- der Kultusministerkonferenz die CDU-Bundestags-
tes Krankheitsrisiko — z. B. auf Grund ihres Al- fraktion, die Parteivorstände von SPD, FDP und
ters — aufweisen. Der Anstieg im Jahre 1970 beruht CDU und zahlreiche amtliche und private Stellen
insbesondere auf der Grippewelle zu Jahresbeginn, Preise für die erstplazierten Mannschaften gestiftet
die zu einem ungewöhnlich hohen Krankenstand haben.
von 8,73 v. H. am 1. Januar 1970 geführt hatte. Den Erfolg der von verschiedenen Einrichtungen
Ob die auf Grund des Lohnfortzahlungsgesetzes getragenen Aktion und ihre positive Wirkung auf
geänderte Erfassung ,der Arbeitsunfähigkeit der die Jugend sieht die Bundesregierung nicht dadurch
Versicherten eine Auswirkung auf die Statistik des als gefährdet an, daß ein einzelner an der Organi-
Krankenstandes gehabt hat, läßt sich aus dem Zah- sation Beteiligter in der durch die Anfrage gekenn-
lenmaterial noch nicht entnehmen. zeichneten Weise politisch belastet sein soll.

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