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2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12.

März 1954 665

31. betr. Überholgeräte zum Zwecke der Un-


fallverhütung:
Koenen (Lippstadt) (SPD) 667 C
Dr. Seebohm, Bundesminister für
Verkehr 667 D

32. betr. Verwendung einer ehemaligen


Truppenunterkunft auf dem früheren
Fliegerhorst in Lippstadt für Wohn-
zwecke:
Koenen (Lippstadt) (SPD) 668 B
Schäffer, Bundesminister der
Finanzen 668 B
19. Sitzung 33. betr. Kündigung des in Werl inhaftierten
Kriegsverurteilten Karl Wiedemann
Bonn, Freitag, den 12. März 1954. durch das Arbeitsamt Bremerhaven:
Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . . 668 B

Geschäftliche Mitteilungen 666 C, 683 D 34. betr. Bau eines dritten Fischereischutz -
bootes für die Fanggebiete der deutschen
Absetzung der zweiten Beratung des Ent- Hochseefischerei:
wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen Abgesetzt . 668 C
vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-,
Handels- und Konsularvertrag zwischen
Deutschland und den Vereinigten Staaten 35. betr. Maßnahmen zur Beseitigung der
von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit Notlage der älteren Angestellten:
seinen Abänderungen (Drucksachen 71, 218)
von der Tagesordnung 667 A Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . . 668 C
Sauerborn, Staatssekretär im Bundes-
Fortsetzung der Fragestunde (Drucksache 267): ministerium für Arbeit 668 D

26. betr. Überprüfung des von den alliierten 36. betr. Steuererleichterungen für Schau-
Besatzungsmächten erlassenen Ehe- steller:
gesetzes:
Zurückgestellt 669 D
Frau Dietz (CDU/CSU) 666 D
Neumayer, Bundesminister der Justiz 666 D 37. betr. Verzögerungen bei der Auszahlung
von Entschädigungen für Aufbauten,
Baumbestände, Aufwuchs usw. bei für
28. betr. Material zur Bewertung der Rede die Besatzungsmacht beschlagnahmten
des Herrn Chruschtschew und zur Beur- Grundstücken:
teilung der wirtschaftlichen Lage in der
Sowjetunion, und Kroll (CDU/CSU) 669 D, 670 A
Schäffer, Bundesminister der
30. betr. Artikel in der Zeitschrift „Außen- Finanzen 669 D, 670 A
politik" und Vermeidung der Benennung
Frankreichs als Partner des Potsdamer
Abkommens sowie Auslegung des Be- Beratung der Großen Anfrage der Fraktion
griffs „Vereinbarungen von 1945" in der der SPD betr. Besatzungsschäden auf dem
amtlichen Begründung zum Bonner Ver- deutschen Wohnungsmarkt (Drucksache 52) 670 B
trag vom 26. Mai 1952: Paul (SPD), Anfragender 670 B
Frage der Zurückstellung der Beant- Schäffer, Bundesminister der
wortung: Finanzen 671 D
Präsident D. Dr. Ehlers 667 B, C
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD
Dr. Lütkens (SPD) 667 B eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Zurückgestellt 667 B Ordnung des Obst- und Gemüsemarktes
(Obst- und Gemüsegesetz) (Drucksache 236)
in Verbindung mit der
29. betr. Erlaß der Rechtsverordnung zur
Durchführung des § 276 des Lasten-
ausgleichsgesetzes: Ersten Beratung des von den Abg. Mauk,
Bauknecht u. Gen. eingebrachten Entwurfs
Kuntscher (CDU/CSU) 667 C eines Gesetzes zur Ordnung des Obst- und
666 2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954

Gemüsemarktes (Obst- und Gemüsegesetz) rechts und der Agrarwirtschaft (Um


(Drucksache 296) 673 B druck 14) 684
Mauk (FDP), Antragsteller . . 673 B, 677 B
Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der
Frau Strobel (SPD), Antragstellerin . . 674 D DP zur Beratung des Mündlichen Berichts
Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU) 678 C des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten über den Antrag der
Fraktion der FDP (Drucksachen 251, 79)
Überweisung an den Ausschuß für Ernäh- betr. Reorganisation des Agrarrechts und
rung, Landwirtschaft und Forsten, an der Agrarwirtschaft (Umdruck 15) . . . . 685
den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und
an den Rechtsausschuß 678 D

Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-


schusses für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten über den Antrag der Abg. Dr.
Horlacher, Bauknecht u. Gen. betr. Brau-
Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den
malz und Braugerste (Drucksachen 194, 75) 678 D
Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
Mauk (FDP), Berichterstatter 678 D
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren!
Beschlußfassung 678 D Ich eröffne die 19. Sitzung des Bundestages.

Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- Ich bitte um Bekanntgabe der Namen der ent-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft schuldigten Abgeordneten.
und Forsten über den Antrag der Abg. Dr.
Horlacher, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) u. Frau Rösch, Schriftführerin: Der Präsident hat
Gen. betr. Verordnung über die Bei- für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abge-
mischung inländischen Rüböls und Fein- ordneten Jaksch, Jacobi, Dr. Gille, Hermsdorf, Fass-
talgs (Drucksachen 245, 146) 679 A
bender, Dr. Bucher, Brockmann (Rinkerode), Siebel,
Kraft, Dr. Pferdmenges, Kemper, Dr. Krone, Schill
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD), Bericht- (Freiburg), Pelster, Margulies, Wullenhaupt, Seuf-
erstatter 679 A fert, Ruhnke, Kutschera, Neumann, Birkelbach,
Richter, Pöhler, Op den Orth, Frau Nadig, Dr.
Beschlußfassung 679 B Becker (Hersfeld) und Frau Korspeter.
EsbuchtfürlängeZimUaubchder
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-
- Abgeordnete Frehsee für vier Wochen wegen
schusses für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten über den Antrag der Fraktion Krankheit.
der FDP betr. Reorganisation des Agrar-
rechts und der Agrarwirtschaft (Druck- Präsident D. Dr. Ehlers: Ich nehme an, daß das
sachen 251, 79; Anträge Umdrucke 14, 15) 679 B, Haus mit der Erteilung dieses Urlaubs über eine
684, 685 Woche hinaus einverstanden ist.
Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU): Meine Damen und Herren! Wir fahren fort in
der
als Berichterstatter 678 C Fragestunde (Drucksache 267),
als Abgeordneter 683 A die gestern nach der Frage 25 abgebrochen wor-
den ist.
Eickhoff (DP) 680 A
Zur Frage 26 hat das Wort Frau Abgeordnete
Elsner (GB/BHE) 680 C Dietz.
Kriedemann (SPD) 681 C
Frau Dietz (CDU/CSU):
Dr.-Ing. Drechsel (FDP) 681 D Wann beabsichtigt die Bundesregierung
Hepp (FDP) 682 A einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch wel-
chen die Bestimmungen des von den alliierten
Naegel (CDU/CSU) 682 D Besatzungsmächten erlassenen Ehegesetzes
(Kontrollratsgesetz Nr. 16) überprüft werden?
Abstimmungen 683 B Beabsichtigt die Bundesregierung insbeson-
dere, den bisherigen § 48 dieses Gesetzes im
Nächste Fragestunde 683 D Sinne einer Einschränkung der Scheidungs-
möglichkeit abzuändern, und ist eventuell be-
absichtigt, diese dringend notwendige Abände-
Nächste Sitzung 683 D rung vorweg durchzuführen?
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
Anlage 1: Änderungsantrag der Fraktion des der Justiz zur Beantwortung!
GB/BHE zur Beratung des Mündlichen Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Neumayer, Bundesminister der Justiz: Die Bun-
Landwirtschaft und Forsten über den An- desregierung hält es für notwendig, die Bestim-
trag der Fraktion der FDP (Drucksachen mungen des von dem Kontrollrat erlassenen Ehe-
251, 79) betr. Reorganisation des Agrar gesetzes vom 20. Februar 1946 zu überprüfen. Sie
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(Bundesminister Neumayer)
wird dem Bundestag nach Abschluß der Erörterun- aber darum, Herr Präsident, daß der Ältestenrat
gen einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. für die Zukunft strengere Richtlinien aufstellen
Ob die Vorlage noch in diesem Jahre erfolgen möge, damit die Bundesregierung ihren Verpflich-
kann, läßt sich zur Zeit noch nicht abschließend be- tungen gegenüber dem Bundestag und seinen Ab-
urteilen. Die Beantwortung der Frage wird wesent- geordneten besser nachkommen kann als bisher.
lich davon abhängen, ob und in welcher Zeit der (Beifall bei der SPD.)
Gesetzentwurf über die Gleichberechtigung von
Mann und Frau, der dem Bundestag bereits vor- Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
liegt, verabschiedet werden kann. Eine Änderung ich werde die Frage, wie man zweckmäßigerweise
des § 48 hält die Bundesregierung für unbedingt verfährt, wenn die Regierung durch Abwesenheit
notwendig. Sie hat bereits in der letzten Wahl- der zuständigen Minister oder ihrer Stellvertreter
periode in dem Entwurf eines Familienrechtsge- nicht imstande ist, in einer bestimmten Sitzung
setzes, Bundestagsdrucksache Nr. 3802, vorge- Fragen zu beantworten, im Ältestenrat zur Sprache
schlagen, den § 48 des Ehegesetzes dahin zu ändern, bringen. Ich werde die Bundesregierung bitten, ihre
daß eine Scheidung der Ehe auf Antrag des schul- Meinung dazu zum Ausdruck zu bringen, und bin
digen Ehegatten gegen den Willen des unschuldigen sicher, daß wir im Ältestenrat zu einer allen Inter-
Gatten nicht mehr zulässig sein soll. Sie ist auch essen gerecht werdenden Vereinbarung darüber
heute noch der Auffassung, daß § 48 des Ehege- kommen werden.
setzes in diesem Sinne geändert werden soll. Zu Frage 29 Herr Abgeordneter Kuntscher.
Frau Dietz (CDU/CSU): Ich danke Ihnen. Kuntscher (CDU/CSU): Die Frage 29 wurde vom
Finanzministerium bereits schriftlich zufriedenstel-
Präsident D. Dr. Ehlers: Die Frage ist beant- lend beantwortet.
wortet.
Meine Damen und Herren, zu den Fragen 28 und Präsident D. Dr. Ehlers: Ich freue mich, daß Sie
30 habe ich ein Schreiben des Herrn Stellvertreters ausdrücklich feststellen, daß sie zufriedenstellend
des Bundeskanzlers, Herrn Bundesminister Blü- beantwortet worden ist.
cher, erhalten, in dem er bittet, diese beiden Fragen Zur Frage 31 Herr Abgeordneter Koenen (Lipp-
abzusetzen, da sich der Herr Außenminister und stadt)!
sein Stellvertreter zu einem Staatsbesuch im Aus-
land befinden. Koenen (Lippstadt) (SPD): Ich habe eine Frage
an den Herrn Verkehrsminister:
Ebenso ist gebeten worden, den Punkt 3 der heu-
tigen Tagesordnung — zweite und dritte Beratung Zum Zwecke der Unfallverhütung hat die
des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen deutsche Industrie Ü berholgeräte entwickelt,
vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Han- und zwar solche, die akustisch, und solche,
dels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland die optisch wirken. Sind diese Geräte ausge-
und den Vereinigten Staaten von Amerika vom reift entwickelt? Wann wird der Herr Bun-
.8Dezmbr1923
mit seinen Abänderungen — ab- desminister für Verkehr, wie mehrfach von ihm
zusetzen. Hinsichtlich dieser Absetzung ist eine angekündigt, die Verwendung dieser Geräte
interfraktionelle Vereinbarung erfolgt. Ich darf zur Pflicht machen?
daher annehmen, daß das Haus mit der Absetzung
des Punktes 3 der Tagesordnung einverstanden ist. Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
für Verkehr, bitte.
Zu den Fragen 28 und 30 ist Fragesteller Herr
Abgeordneter Dr. Lütkens. Sind Sie damit einver- Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Die
standen, Herr Abgeordneter, daß die Fragen in der akustischen und optischen Überholsignalgeräte sind
nächsten Fragestunde beantwortet werden? technisch in den letzten Jahren unter ständiger
Überprüfung so weit entwickelt worden, daß sie
Dr. Lütkens (SPD): Damit, daß Sie mich um jetzt eingeführt werden könnten. Insbesondere hat
meine Zustimmung fragen, ob ich einverstanden ein impulsoptisches Gerät, das sich durch geräusch-
sei, diese Fragen zurückzustellen, haben Sie — ich lose Signalübertragung auszeichnet, hierbei eine
bin froh, das sagen zu können — anerkannt und gewisse Aussicht gehabt. Aber es belastet die Hal-
festgestellt, daß das Recht der Abgeordneten nach ter der Lastkraftwagen mit relativ hohen Ausgaben
§ 111 der Geschäftsordnung, Fragen an die Bun- für den komplizierten elektronischen Empfänger
desregierung zu richten, nicht gehemmt werden und die Halter der überholenden Fahrzeuge mit
kann, wenn die in dem § 111 festgelegten formalen Kosten für den dazu erforderlichen besonderen
Voraussetzungen erfüllt sind. Ich spreche mein Be- Sender. Abgesehen hiervon müßten die Schwierig-
dauern aus, daß gemäß dem Schreiben des Herrn keiten und Nachteile in Kauf genommen werden,
Vizekanzlers das zuständige Ressort sich nicht in die sich für den zwischenstaatlichen Verkehr daraus
der Lage sieht, vor dem Bundestag Rede und Ant- ergeben könnten, wenn künftig einmal international
wort zu stehen zu der Zeit, wie ein Abgeordneter ein anderes Prinzip eingeführt werden sollte, als es
es erwarten kann. Wir befinden uns nicht in einer für das Gebiet der Bundesrepublik dann vorge-
Zeit, wo die Verwaltung von Pfalz zu Pfalz auf schrieben ist. Zunächst allerdings hat sich das euro-
Reisen zieht, päische Ausland, dessen Länder wir im einzelnen
befragt haben, an der Einführung von Überhol-
(Zurufe von der Mitte und rechts: signalgeräten im wesentlichen uninteressiert ge-
Unerhört!) zeigt.
sondern in unserer Zeit ist die Verwaltung eine Inzwischen aber haben sich die Verhältnisse
permanent an einen Ort gebundene Angelegenheit. grundlegend dadurch geändert, daß eine neue Ein-
Ich bin bereit, Ihrem Wunsch und dem Wunsch richtung, die sogenannte Lichthupe, bekanntgewor-
des Herrn Vizekanzlers zu entsprechen, die beiden den ist. Bei der Lichthupe handelt es sich um eine
Fragen für das nächste Mal zurückzustellen, bitte einfache, am Lenkrad anzubringende Schaltvorrich-
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(Bundesminister Dr. Seebohm)
tung, die bei Einschalten des Fernlichts kurze Licht- Präsident D. Dr. Ehlers: Die Frage ist sachlich
blitze erzeugt. Die Lichtblitze sind auch bei Tages- erledigt.
licht deutlich wahrnehmbar und werden von den Zur Frage 34 habe ich gestern bereits mitgeteilt,
voranfahrenden Fahrzeugen mit Hilfe eines Rück- daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirt-
blickspiegels so wahrgenommen, daß der Fahrer schaft und Forsten erkrankt ist und der Staats-
sein Augenmerk dabei nicht von der Fahrbahn ab- sekretär auch nicht zur Verfügung stehen kann.
zuwenden braucht. Die Lichthupe besitzt gegenüber
den bisher entwickelten Überholsignalgeräten meh- Wir kommen zur Frage 35. Ebenfalls Herr Abge-
rere Vorteile. Sie ist sehr viel billiger als alle bis- ordneter Schneider.
her bekanntgewordenen Geräte. Ihre Einführungs-
zeit könnte daher sehr kurz bemessen werden. Schneider (Bremerhaven) (DP): Ich möchte mir
Außerdem ist eine vorherige Abstimmung mit dem erlauben, mich den Ausführungen meines Herrn
Ausland deshalb nicht erforderlich, weil der Rück- Vorredners zur Frage 34 vollinhaltlich anzu-
blickspiegel ja ohnehin zur international vorge- schließen.
sehenen Ausrüstung der in Frage kommenden Präsident D. Dr. Ehlers: Ich schließe mich meinen
Kraftfahrzeuge gehört und die Lichtblitze mit dem eigenen Ausführungen ebenfalls an, Herr Abgeord-
vorhandenen Abblendschalter, allerdings in weniger neter Schneider.
bequemer Weise, jederzeit gegeben werden können. (Heiterkeit.)
Am 4. März hat sich der Technische Ausschuß des Zur Frage 35 Herr Abgeordneter Schneider,
Verbandes der Automobilindustrie, der die Licht- bitte schön!
hupe eingehend geprüft hat, einheitlich für die
Lichthupe ausgesprochen. Nach dieser Stellung- Schneider (Bremerhaven) (DP): Ich frage den
nahme werde ich nunmehr dafür Sorge tragen, daß Herrn Bundesminister für Arbeit:
eine endgültige Entscheidung über die Einführung
von Überholsignalgeräten im Sinne der Lichthupe Ist der Bundesregierung die trostlose Lage
in kürzester Zeit getroffen wird. der zahlreichen älteren Angestellten bekannt,
die trotz einer meist gediegenen Vorbildung
oft jahrelang arbeitslos sind und kaum Aus-
Koenen (Lippstadt) (SPD): Ich danke sehr. sicht auf Wiederbeschäftigung haben?
Präsident D. Dr. Ehlers: Die Frage ist damit er- Ist die Bundesregierung bereit, geeignete
ledigt. steuerliche und sonstige Maßnahmen zu er-
Zur Frage 32 ebenfalls Herr Abgeordneter wägen, um diesen Notstand zu beseitigen?
Koenen (Lippstadt).
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Staatssekretär
Koenen (Lippstadt) (SPD): des Bundesarbeitsministeriums.
Ist es nicht möglich, eine seit 18 Monaten auf Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium
dem früheren Fliegerhorst in Lippstadt leer- für Arbeit: Herr Präsident! Meine Damen und Her-
stehende, mit einem Millionenaufwand herge- ren! Das schwere Problem der Arbeitslosigkeit der
stellte und von der Besatzungsmacht jetzt frei- älteren Angestellten ist der Bundesregierung sehr
gegebene ehemalige Truppenunterkunft zur wohl bekannt. Es ist ihr ein besonderes Anliegen,
Beseitigung der Wohnungsnot zur Verfügung die Notlage dieses Personenkreises mit wirksamen
zu stellen? Maßnahmen zu beseitigen.
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister Das Problem ist im Bundestag bereits mehrfach
der Finanzen zur Beantwortung. zur Sprache gekommen, zuletzt anläßlich der Klei-
nen Anfrage Nr. 261 der Fraktion der SPD auf
Bundestagsdrucksache Nr. 4245. Es wurde damals
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Es han- zum Ausdruck gebracht, daß die Beseitigung der
delt sich um die El-Alamein-Kaserne auf dem Flie- Arbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer weit-
gerhorst Lippstadt. Diese für die britische Besat- gehend davon abhängt, daß die Arbeitgeber in
zung neu erbaute Kaserne ist nie voll belegt ge- größerem Umfange als bisher aus freier Entschlie-
wesen. Sie steht heute noch unter Beschlagnahme ßung bei Einstellungen diese Personen zum Zuge
der Besatzung. Sie wurde jedoch am 15. Januar kommen lassen. Die Arbeitgeber wurden deshalb
1954 von der britischen Besatzungsmacht der Bun- u. a. durch den Herrn Bundeskanzler persönlich
desvermögensverwaltung und Bundesbaudirektion aufgefordert, ältere arbeitslose Angestellte bei Ein-
bei der Oberfinanzdirektion Münster zur Verwal- stellungen besonders zu berücksichtigen. Die Lan-
tung übergeben. Eine Zurverfügungstellung für desarbeitsämter veranstalteten größere Werbeak-
Wohnzwecke ist nicht möglich, da die Liegenschaft tionen für ältere Angestellte, die beachtliche Er-
für Zwecke der westeuropäischen Verteidigung folge zeitigten. Die Bundesanstalt führte eine Son-
vorgesehen ist. Dagegen wäre gegebenenfalls eine dererhebung durch, deren Ergebnisse für die älte-
kurzfristige Überlassung für andere zivile Zwecke ren Angestellten auch heute noch im wesentlichen
möglich. zutreffen.
Koenen (Lippstadt) (SPD): Ich danke sehr. Hiernach wurden rund 75 000 Angestellte über
45 Jahre als arbeitslos erfaßt, und zwar rund 55 000
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine Zusatzfrage. Männer und 20 000 Frauen. Unter diesen Angestell-
Zur Frage 33 Herr Abgeordneter Schneider (Bre- ten befinden sich zweifellos gut vorgebildete
merhaven). Kräfte, deren Unterbringung aber durch ihre un-
günstige Wohnlage abseits von geeigneten Arbeits-
Schneider (Bremerhaven) (DP): Herr Präsident, plätzen erschwert wird. Zum Teil handelt es sich
ich teile höflichst mit, daß die Anfrage an den aber auch um berufsfremde oder einseitig vorge-
Herrn Bundesminister für Arbeit sachlich erledigt bildete Kräfte, die in der Zeit einer erheblichen
ist. Ausweitung der Angestelltentätigkeit in die Ange-
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(Staatssekretär Sauerborn)
stelltenberufe hineingekommen sind und nach Nor- dafür eingesetzt, daß die älteren Arbeitnehmer,
malisierung der Verhältnisse in diesen Berufen vor allem die Angestellten, in frei werdenden Stel-
verblieben oder auch nach Verlust des Arbeits- len der Wirtschaft bevorzugt untergebracht wer-
platzes auf ihrer Verwendung in einem Angestell- den. Angaben über Altersbegrenzungen in Stellen-
tenberuf bestehen. angeboten sollen unterbleiben, um die älteren
Die Möglichkeit, durch steuerliche Maßnahmen Kräfte nicht von der Bewerbungsmöglichkeit aus-
die Wiederbeschäftigung der älteren Angestellten zuschließen.
zu fördern, wurde eingehend geprüft. Wir haben Zweitens: Im Zuge der Umsiedlungsmaßnahmen
bereits in früherer Zeit darauf hingewiesen, daß wird eine stärkere Berücksichtigung der älteren
weitere Steuervergünstigungen wegen der verwal- arbeitslosen Angestellten angestrebt.
tungsmäßigen Belastung der Finanzämter eine ge- Drittens: Um den Leistungsstand der arbeitslosen
ordnete Veranlagung gefährden und im übrigen die älteren Angestellten zu heben, ist die Bundesan-
Länder die Steuervergünstigung zur Förderung der stalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenver-
Einstellung älterer Arbeitnehmer mit so schwer- sicherung um die fachliche Fortbildung und Um-
wiegenden Günden abgelehnt haben, daß eine Zu- schulung dieser Personen in besonderem Maße be-
stimmung des Bundesrates für solche Maßnahmen sorgt.
wohl nicht zu erreichen wäre. An dieser Sachlage
hat sich bisher nichts geändert. Viertens: Arbeitsweise und Personal der Ver-
mittlungsstellen für Angestellte bei den Arbeits-
Die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung ämtern werden den Bedürfnissen einer individuel-
der Arbeitgeber, ähnlich wie beim Schwerbe- len Betreuung der arbeitsuchenden älteren Ange-
schädigtengesetz einen bestimmten Vom-Hundert- stellten angepaßt. Insbesondere ist vorgesehen,
satz ihrer Angestelltenplätze mit älteren Angestell- beim Verwaltungsrat der Bundesanstalt und bei
ten zu besetzen, verspricht keine echte Lösung des den Verwaltungsausschüssen der Landesarbeits-
Problems. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Be- ämter Sonderausschüsse für ältere Angestellte zu
schäftigung älterer Angestellter kann mit den Be- bilden.
stimmungen über die Pflichtquoten nach dem
Schwerbeschädigtengesetz nicht verglichen werden. Fünftens: Die im Rahmen des Soforthilfegesetzes
Das Schwerbeschädigtengesetz bietet die Grund- und des Lastenausgleichs durchgeführte Kreditak-
lage dafür, Menschen, die in den besten Jahren tion zur Errichtung von Dauerarbeitsplätzen, durch
ihrer Schaffenskraft im Dienst für das Volk einen die bisher über 2000 ältere Angestellte in Arbeit
Dauerschaden erlitten haben, einen Arbeitsplatz zu gebracht wurden, soll weiter gefördert werden. Zur
verschaffen, auf dem sie ihre verbliebene Arbeits- Ergänzung dieser Maßnahme wird im Entwurf
kraft nutzbar verwerten können. Alle diese Vor- der Novelle zum AVAVG die Möglichkeit von Dar-
aussetzungen, die eine Bevorzugung der Schwer- lehen an Arbeitgeber aus Mitteln der Arbeitslosen-
beschädigten fordern, treffen auf die arbeitslosen versicherung zur Schaffung von Dauerarbeits-
älteren Angestellten in diesem Umfang nicht zu. plätzen für langfristig Arbeitslose vorgesehen.
- Außerdem soll § 136 AVAVG in der Weise umge
Auch der Hinweis auf das Gesetz zur Regelung staltet werden, daß Anlernzuschüsse für die Dauer
der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des der Einarbeitungszeit bis zur Erreichung der vollen
Grundgesetzes fallenden Personen geht fehl, weil Leistungsfähigkeit nicht mehr nur an Arbeitneh-
dieser Bestimmung Verpflichtungen zugrunde lie- mer, sondern auch an Arbeitgeber gewährt werden
gen, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz können.
ergeben.
Schneider (Bremerhaven) (DP): Ich danke sehr.
Angesichts der Altersgliederung der beschäftig-
ten Angestellten dürften von der Einführung einer Präsident D. Dr. Ehlers: Die Frage ist damit er-
Beschäftigungspflicht Arbeitsplätze für ältere an- ledigt.
gestellte Kräfte nicht in nennenswertem Umfange
zu erwarten sein. Die Altersgliederung der Ange- Die Frage 36 muß ich zurückstellen, da der An-
stellten zeigt, daß in der gewerblichen Wirtschaft fragende, Herr Abgeordneter Ruhnke, nicht an-
bereits über 38 vom Hundert männliche Angestellte wesend ist.
im Alter von über 45 Jahren beschäftigt werden. Zu Frage 37 Abgeordneter Kroll!
Eine gesetzliche Festlegung von Pflichtquoten
könnte unerwünschte Folgen haben, da bei einer Kroll (CDU/CSU):
Reihe von Betrieben, insbesondere im Bergbau, in Sind dem Herrn Bundesfinanzminister die
der Industrie der Steine und Erden und der Ener- Verzögerungen bekannt, die zu einem großen
giewirtschaft von Nordrhein-Westfalen mit einem Teil bei der Auszahlung von Entschädigungen
Beschäftigungsgrad von bereits 55 vom Hundert für Aufbauten, Baumbestände, Aufwuchs u. ä.
älteren männlichen Angestellten gerechnet werden beschlagnahmter Grundstücke für die Besat-
muß. zungsmacht bestehen?
Was die Absichten der Bundesregierung zur Be-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
seitigung und zur Minderung der Arbeitslosigkeit
der älteren Angestellten angeht, so darf ich auf fol- der Finanzen, bitte!
gende Maßnahmen hinweisen, an denen zur Zeit Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Es ist
gearbeitet wird und die sich zum Teil auch schon mir bekannt, daß sich in den Ländern der franzö-
in der Durchführung befinden. sischen Besatzungszone die Auszahlung der Ent-
Erstens: Es erfolgt eine fortlaufende Einwirkung schädigungen für zerstörte Aufbauten und für ver-
auf die Arbeitgeber, die einen grundlegenden Wan- nichteten Aufwuchs auf von der Besatzungsmacht
del in der Auffassung vom Wert der älteren Ar- requirierten Grundstücken verzögert hat. Die Ver-
beitnehmer im Betrieb herbeiführen soll. Die Bun- zögerungen sind darauf zurückzuführen gewesen,
desvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände daß sich die französische Besatzungsmacht bisher
hat sich auf Anregung des Bundesarbeitsministers nicht bereit gefunden hat, Entschädigungen für
670 2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954
(Bundesminister Schäffer)
derartige Schäden zu leisten, obgleich es sich Am 15. September 1953 erging ein Erlaß des
meines Erachtens um Belegungsschäden im Sinne Kommandos der amerikanischen Streitkräfte an
des Gesetzes Nr. 47 der Alliierten Hohen Kommis- alle Deutschen, die Mitbewohner beschlagnahmter
sion handelt. Ich habe beim Amt des französischen Häuser sind, mit der Mitteilung, daß dieses Wohnen
Hohen Kommissars Vorstellungen erhoben mit dem unberechtigt sei. Die betreffenden Personen wurden
Ziel, eine Änderung des französischen Standpunk- obendrein aufgefordert, sich bei den Wohnungs-
tes zu erreichen. Unabhängig davon habe ich mich ämtern um die Zuweisung anderer Wohnungen zu
damit einverstanden erklärt, daß die Entschädi- bemühen und die Dienststellen der Besatzungs-
gungsbeträge zunächst vorschußweise aus allge- macht zu verständigen, wann die von diesen Deut-
meinen Bundesmitteln gezahlt werden. Verzöge- schen innegehabten Wohnungen geräumt werden
rungen bei der Auszahlung zu Lasten der Betrof- können.
fenen erscheinen daher für die Zukunft ausge- (Hört! Hört! bei der SPD.)
schlossen. Diese Verfügung haben auch jene deutschen Haus-
Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage, bitte! besitzer erhalten, die bisher noch in ihren eigenen
Häusern, meistens sehr eingeschränkt in Dach-
Kroll (CDU/CSU): Sind in diese Regelung auch kammern oder in Kellerräumen, wohnen durften.
die rückständigen, zum Teil noch aus der Zeit vor Vor mir liegt ein solches Dokument, das ein Haus-
der Währungsreform entstandenen Schädigungen besitzer in Eßlingen am Neckar erhalten hat, der
eingeschlossen? mit seiner Tochter in ganz kümmerlichen Verhält-
nissen im Dachgeschoß wohnen darf und der nun
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Sie in seinem eigenen Haus angehalten werden soll,
meinen wohl die Zahlungen aus Bundesmitteln? auch noch diese Räume zur Verfügung zu stellen.
Es ist begreiflich, daß sich der betroffenen Deut-
Kroll (CDU/CSU): Jawohl. schen eine starke Erregung bemächtigt hat. Diese
Hauseigentümer warten ohnedies schon über Ge-
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Die Zah-
bühr lange auf die Stunde, da sie in ihren eigenen
lungen aus Bundesmitteln erstrecken sich zunächst Häusern wieder menschenwürdig wohnen dürfen.
auf laufende. Die übrigen Fragen müssen geprüft Sie empfinden auch Bitterkeit darüber, daß die
werden. beschlagnahmten Wohnungen vielfach nicht hinrei-
Kroll (CDU/CSU): Danke sehr! chend ausgenützt werden, während sie selber zu
primitivstem Wohnen veranlaßt sind. Anstatt daß
Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist die Frage- sie ihre Häuser endlich zurückerhalten, werden sie
stunde erledigt. nun aufgefordert, sich an die Wohnungsämter zu
wenden. Abgesehen davon, daß eine solche Weisung
Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung: unbillig ist und eine unzumutbare Härte darstellt,
bedeutet sie auch noch eine zusätzliche Belastung
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion des Wohnungsmarktes, die gegenwärtig völlig
der SPD betreffend Besatzungsschäden auf
unerträglich ist. Die Wohnungsämter sind unter
dem deutschen Wohnungsmarkt (Druck- den jetzigen Umständen sowieso fast jeder Hand-
sache 52).
lungsfreiheit beraubt und meist nicht einmal in
Zur Begründung Herr Abgeordneter Paul. der Lage, in den ärgsten Härtefällen einen Ausweg
Paul (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine zu finden.
Damen und Herren! Am 29. Oktober des vergan- Nicht minder bedenklich ist eine andere Verfü-
genen Jahres hat der Sprecher des amerikanischen gung, auf die wir in unserer Großen Anfrage hin-
Repräsentantenhauses, Mr. Martin, von dieser gewiesen haben. Von amerikanischen Dienststellen
Stelle aus an die Abgeordneten des Deutschen ist zahlreichen Besatzungsverdrängten mitgeteilt
Bundestages freundliche Worte gerichtet. Der worden, daß eine erneute Aufnahme des in den
Deutsche Bundestag in allen seinen Teilen und Wohnungen vorhandenen Inventars den Verlust
sicher auch das deutsche Volk haben die Versiche- vieler Gegenstände ergeben habe. Da deswegen der
rungen dieses hervorragenden Vertreters des ame- Nutzwert des beschlagnahmten Mobiliars geringer
rikanischen Volkes, daß die Vereinigten Staaten — sei als bei der ersten Bestandsaufnahme, werde der
ich zitiere — „nur Freundschaft und guten Willen Betrag der gezahlten Jahresvergütung entspre-
für das deutsche Volk empfinden", mit Befriedi- chend herabgesetzt. — Ich kenne einen Fall, der
gung vernommen. sich in Ludwigsburg ereignet hat, wo die Jahres-
Ich möchte diese Bemerkung vorausschicken, vergütung von bisher 1153,— DM auf 368,69 DM
weil wir mit Bedauern feststellen müssen, daß herabgesetzt wurde,
diese schönen und zweifellos ernsthaft gemeinten (Hört! Hört! bei der SPD)
Gedanken sich leider in der rauhen Wirklichkeit
nicht immer bestätigt finden. Wir haben in unserer also auf kaum ein Drittel. In solchen Fällen kann
Großen Anfrage nachgewiesen, daß vor einiger es sich doch nur entweder um einen vorzeitigen
Zeit Verfügungen der Besatzungsmacht ergangen Verschleiß des Mobiliars durch nicht pflegliche Be-
sind, die beweisen, daß der alte Besatzungsgeist handlung handeln oder darum, daß von nichtdeut-
noch immer nicht überwunden ist. Fast neun Jahre scher Seite Mobiliar weggebracht worden ist. Es
nach Beendigung des Krieges, in einer Zeit, da die ergibt sich also der groteske Zustand, daß ein
offizielle Politik der Vereinigten Staaten das deut- solcher Besitzer nicht nur einen Verlust seines
sche Volk zu einem militärischen Beitrag zur Ver- Eigentums erleidet, sondern obendrein noch eine
teidigung des Westens ermuntert, sind Erlasse Einbuße in der Nutzungsvergütung.
erschienen, die erkennen lassen, daß die Besat- Es ist keineswegs nur das Privileg einer be-
zungsmacht einen Teil des deutschen Volkes immer stimmten Besatzungsmacht, solche unerträgliche
noch als Menschen minderen Rechts betrachtet. Zustände geschaffen zu haben. Seit dem Zeitpunkt,
Wir haben Beispiele, die unsere Behauptung be- da wir unsere Große Anfrage eingebracht haben,
legen. sind uns eine Fülle neuer Fälle bekanntgeworden,
2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954 671
(Paul)
die geradezu unerträgliche Zustände aufweisen. Die Politik der Freundschaft darf nicht nur in der
Ich kann diese Fälle hier nicht alle im einzelnen Theorie vertreten werden; die Praxis muß mit die-
behandeln, möchte aber doch noch auf einen be- ser Theorie übereinstimmen. Die Besatzungsmächte
sonders hinweisen. In der britischen Zone, in — ich darf daran erinnern — haben sich bemüht,
Munster in Niedersachsen, stehen, wie aus einer das deutsche Volk — auch solche Deutsche, die es
Zuschrift, die wir erhalten haben, hervorgeht, 11 nicht nötig hatten — nach dem letzten Kriege de-
Privathäuser und 60 bundeseigene Wohnungen seit mokratisch umzuerziehen. Vielleicht dürfen wir
fünf Monaten leer. Die Besitzer dieser Häuser, guten Demokraten alten Schlages uns mit einem
meistens kleine Leute, die das Ergebnis der Arbeit kleinen Vorschlag revanchieren. Ich möchte vor-
eines ganzen Lebens in diese Objekte investiert schlagen, daß die Besatzungsmächte in das ausge-
haben, können einfach nicht verstehen, daß sie dehnte Schulungsprogramm ihrer Armeen auch
nicht in ihre leerstehenden Häuser einziehen dür- einen kurzen Lehrgang über Besatzungspsychologie
fen. Ich gestehe, auch mir fehlt das Verständnis für aufnehmen, damit in Zukunft solche Mißgriffe nicht
solche Zustände. mehr vorkommen.
Aus der amerikanisch besetzten Zone wurden Wir wünschen, daß die deutsche Bundesregierung
uns Fälle mitgeteilt, in denen bei Schäden an per- diesen Vorgängen in erhöhtem Maße ihr Augen-
sönlichem Eigentum, die im Zusammenhang mit merk zuwendet. Dies ist der Zweck unserer Großen
der Beschlagnahme entstanden sind, und bei Anfrage. Wir fragen die Bundesregierung:
Grundstücken, die vom 1. Juli 1947 bis zum 30. Sep-
1. Sind der Bundesregierung diese Maßnahmen
tember 1952 zurückgegeben wurden, die Entschädi-
der Besatzungsmacht bekannt?
gung im Verhältnis von 10 : 1 festgesetzt wurde.
Erst nach dem 30. September 1952 gilt das Ver- 2. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um
hältnis 1 : 1. Die Betroffenen der ersten Kategorie a) das Wohnrecht aller Deutschen gegenüber
können nicht begreifen, daß die Besatzungsmacht erneuten Ansprüchen der Besatzungs-
einen anderen Stichtag festgesetzt hat als den Tag macht zu sichern und neue Belastungen
der deutschen Währungsreform. Es wäre zu wün- des deutschen Wohnungsmarktes zu ver-
schen gewesen, daß sich das Bundesfinanzministe- hindern?
rium bei solchen Entschädigungen um die Anwen-
dung deutscher Grundsätze bemüht hätte. b) den Besatzungsgeschädigten, denen im
(Sehr wahr! bei der SPD.) Hinblick auf den von ihnen nicht ver-
schuldeten Teilverlust des beschlagnahm-
Wir dürfen schließlich nicht vergessen, daß die Be- ten Mobiliars nur noch eine geringere
satzungskosten, aus denen solche Entschädigungen Nutzungsvergütung gezahlt wird, zu einer
gezahlt werden, den Leistungen der deutschen Entschädigung für das in Verlust geratene
Steuerzahler entnommen werden. Mobiliar zu verhelfen?
Diese Zustände sind unhaltbar. Sie bedürfen Wir wünschen darüber hinaus, daß die Bundes-
einer Revision, und zwar sowohl im Interesse
- der regierung gemeinsam mit dem zuständigen Aus-
betroffenen Deutschen als auch im Interesse, so schuß des Bundestages nach Wegen sucht, die zu
sollte man meinen, der Besatzungsmächte, deren dem Ziel führen, eine weitere Benachteiligung und
Ansehen schließlich durch solche Vorgänge in den Bedrückung des deutschen Volkes zu vermeiden.
Augen der deutschen Bevölkerung geschädigt wird.
(Sehr wahr! bei der SPD.) (Beifall bei der SPD.)

Wir wollen nicht mißverstanden werden. Solange Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Beantwortung der
Besatzungstruppen in der Bundesrepublik statio- Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundes-
niert sind, wünschen wir, daß ein korrektes Ver- minister der Finanzen.
hältnis zwischen ihnen und dem deutschen Volke
besteht. Wir registrieren mit Befriedigung, daß wir Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Herr
bisher in unserem Bereiche keine Triester Situation Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große
erlebt haben. Das mag ein Verdienst beider Par- Anfrage der SPD vom 10. November 1953 betref-
teien sein, auch des deutschen Volkes. Wir wün- fend Besatzungsschäden auf dem deutschen Woh-
schen auch ein Verhältnis der Freundschaft und des nungsmarkt beantworte ich namens der Bundes-
guten Willens — da sind wir mit Mr. Martin einig regierung wie folgt.
— zu dem amerikanischen Volk und zu den ande-
ren Völkern, deren Vertreter hier bei uns sind. 1. Die Inanspruchnahme von Grundstücken durch
die amerikanische Besatzungsmacht richtet sich
Es sind viele Versuche unternommen worden, das nach den Bestimmungen des Zirkulars Nr. 37 mit
gegenseitige Verhältnis zwischen den früheren Anhang A. Nach Ziffer 2c des Anhangs A ist die
Kriegsgegnern und dem deutschen Volke zu ver- gemeinsame Belegung des den amerikanischen
bessern. In den Amerika-Häusern ist sehr viel nütz- Streitkräften zur Verfügung stehenden Wohnraums
liche Aufklärungsarbeit über die Verhältnisse in durch deren Angehörige und durch die deutsche Be-
den Vereinigten Staaten geleistet worden. Vor eini- völkerung nicht gestattet. Bemühungen der deut-
ger Zeit konnten wir lesen, daß im Rahmen des schen Seite, eine Änderung dieser allgemeinen Be-
amerikanischen Austauschprogramms der zehntau- stimmung zu erreichen, haben bisher nicht zu einem
sendste deutsche Gast nach den Vereinigten Staaten Erfolg geführt.
geflogen ist. Auch nach England sind viele solche
deutsche Gäste eingeladen worden. Aber, was solche (Hört! Hört! bei der SPD.)
Besuche an Gutem aufbauen, was durch Amerika Trotz des allgemeinen Verbots des Zusammen-
Häuser und ähnliche Einrichtungen an Verständnis wohnens haben die örtlichen amerikanischen Dienst-
geschaffen wird, das kann durch eine einzige un- stellen in einer Anzahl von Fällen zugelassen, daß
überlegte Maßnahme der Besatzungsmacht zerstört in requirierten Grundstücken Räume von Deut-
werden. schen, insbesondere von den früheren Bewohnern
(Sehr richtig! bei der SPD.) des Hauses benutzt wurden. Soweit sich hieraus in
672 2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954
(Bundesminister Schaller)
einzelnen Fällen verwaltungsmäßige Schwierigkei- standen, von Personen benutzt wurden, die (
ten ergaben, war es in der Regel möglich, diese zu hierzu an sich nicht berechtigt waren. Hierbei
überbrücken. Bei dem in der Anfrage erwähnten handelt es sich jedoch um verhältnismäßig we-
Erlaß vom 15. September 1953 handelt es sich um nige Fälle. Wo jedoch das Grundstück von den
eine örtliche Maßnahme des Kommandobereichs amerikanischen Streitkräften benötigt wird,
Stuttgart-Böblingen, die ihre Ursache offenbar werden es die Bewohner räumen müssen.
auch in verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten hat.
An etwa 50 Personen im Raum Stuttgart, die in Im Fall der Frau Hildegard Luithardt, Eßlin-
requirierten Grundstücken wohnen, sind Schreiben gen, Panoramastraße 37 a, wird eine Räumungs-
ergangen, in denen ihnen mitgeteilt wurde, daß sie aufforderung nicht ergehen. Die an etwa 50
nach den geltenden Bestimmungen der amerikani- Personen im Raum Stuttgart ergangenen Räu-
schen Armee nicht zum Wohnen in dem requirier- mungsaufforderungen werden zur Zeit über-
ten Grundstück berechtigt seien. Sie würden daher prüft.
gebeten, sich mit dem örtlichen Wohnungsamt in Das Hauptquartier USA-Europa kennt die
Verbindung zu setzen, damit sie eine andere Woh- schwierige Lage auf dem deutschen zivilen
nung zugewiesen erhielten. Sobald sie Vorbereitun- Wohnungsmarkt sehr wohl und wird alles tun,
gen getroffen hätten, ihre jetzige Wohnung zu räu- um eine Erleichterung herbeizuführen, indem
men, sollten sie die amerikanische Dienststelle un- es weiterhin requirierten Wohnraum in größt-
terrichten. möglichem Maße freigibt.
(Vizepräsident D r. Jaeger übernimmt In diesem Zusammenhang möchte das Haupt-
den Vorsitz.) quartier USA-Europa darauf hinweisen, daß es
im Jahre 1952 599 Ein- und Zweifamilienhäu-
Die zuständige amerikanische Dienststelle hat dem ser, 152 Mietgrundstücke und 50 Hotels und
Finanzministerium Baden-Württemberg gegenüber Pensionen freigegeben hat. In der Zeit vom
noch besonders zum Ausdruck gebracht, daß die An- 1. Januar 1953 bis 30. September 1953 ist fol-
gelegenheit nicht vordringlich sei und daher keine gendes freigegeben worden: 324 Ein- und Zwei-
Unruhe in die Bevölkerung getragen werden solle. familienhäuser, 68 Mietgrundstücke, 50 Hotels
(Hört! Hört! in der Mitte.) und Pensionen. Außerdem haben die amerika-
nischen Streitkräfte bis heute für ihre eigenen
Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat Zwecke annähernd 18 500 Familienwohnungen
unter diesen Umständen seinerseits keine Veranlas- und 4 900 Junggesellenwohnungen gebaut. Da-
sung zu besonderen Maßnahmen gesehen. neben baut die deutsche Bundesrepublik für
die amerikanischen Streitkräfte 4 000 Wohnun-
Trotzdem habe ich Gelegenheit genommen, das gen, nach deren Fertigstellung die Freigabe
Amt des Herrn amerikanischen Hohen Kommissars einer gleichen Anzahl requirierter Wohnungen
um eine Stellungnahme zu bitten. Ich darf den we möglich sein wird. Im Rahmen des laufenden
sentlichen Inhalt des Antwortschreibens vom 8. De USA-Europa-Wohnungsbauprogramms werden
zember 1953 hier zur Kenntnis bringen: - 1 600 weitere Wohnungen gebaut werden, vor-
Das Hauptquartier USA-Europa hat Ver- ausgesetzt, daß die erforderlichen Mittel plan-
ständnis für Ihren Wunsch, nähere Angaben gemäß zur Verfügung stehen. Ein großer Teil
über die Vorgeschichte und die Ursachen zu er- dieses zusätzlichen Wohnraums wird zwar für
halten, die zu der Anfrage der SPD geführt ha- amerikanisches Personal benötigt, das zur Zeit
ben, und hat auf unsere Bitte folgendes mitge- ohne Wohnung ist. Ein wesentlicher Teil des
teilt. Programms soll jedoch der Freimachung requi-
Es gibt in der amerikanischen Zone zahl- rierter deutscher Privatwohnungen dienen.
reiche Fälle, in denen Teile von amerikanischer- 2. Die amerikanischen Armeedienststellen haben
seits requirierten Grundstücken, z. B. Räume in im Verlauf des Frühjahrs 1953 eine Bestandsauf-
Dach- und Kellergeschossen, von den deutschen nahme der mit den requirierten Grundstücken
Eigentümern benutzt werden sowie von ande- requirierten Einrichtungsgegenstände vorgenom-
ren Personen, die nun schon seit langem dort men. Die Einrichtungsgegenstände, die als nicht
wohnen, ohne an sich dazu berechtigt zu sein. mehr vorhanden und als beschädigt festgestellt
Diese Personen benutzen diesen Wohnraum seit wurden, sind in Listen zusammengestellt worden.
mehreren Jahren, und zwar auf Grund ört- Die in diesen Listen erfaßten Einrichtungsgegen-
licher Vereinbarungen mit zum Abschluß sol- stände sind von der amerikanischen Besatzungs-
cher Vereinbarungen an sich nicht befugtem macht förmlich freigegeben worden. Als Tag der
Personal. Freigabe gilt der Tag, an dem das Besatzungs-
Da der Wohnraum der oben bezeichneten Art kostenamt den Eigentümern die Listen zugestellt
im allgemeinen von den amerikanischen Streit- hat, spätestens jedoch der 31. Dezember 1953. Die
kräften nicht benötigt wird und um politische förmliche Freigabe hat die Wirkung, daß die lau-
Reibungen zu vermeiden, beabsichtigt USA- fende Nutzungsvergütung vom Zeitpunkt der Frei-
Europa nicht, diese Personen, die die zur Zeit gabe an um den Betrag gekürzt wird, der auf die
von ihnen benutzten Räume bereits seit länge- freigegebenen Einrichtungsgegenstände entfällt, und
rer Zeit bewohnen, zur Räumung aufzufordern. daß der Eigentümer wegen dieser Gegenstände
In Einzelfällen mag die Räumung solcher innerhalb von 90 Tagen einen Antrag auf Zahlung
Grundstücke notwendig sein, jedoch nur dann, einer Sachentschädigung stellen kann. Die betrof-
wenn maßgebende militärische Gesichtspunkte fenen Eigentümer sind hiervon unterrichtet worden.
es erfordern. Die Entschädigungsanträge werden in der üblichen
Weise nach den besatzungsrechtlichen Bestimmun-
Neben den oben bezeichneten Fällen gibt es gen behandelt.
noch andere, in denen im Laufe des letzten
Jahres requirierte Grundstücke, in einigen Fäl- 3. Die am Schluß der Anfrage gestellten Fragen
len ganze Gebäude, als sie vorübergehend leer- beantworte ich deshalb zusammenfassend wie folgt:
2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954 673
(Bundesminister Schäffer)
1) Die Maßnahmen der amerikanischen Be- nicht begründen konnte, zur Grundlage ihres er-
satzungsmacht sind der Bundesregierung be- neuten Antrags gemacht. Ebenso hat eine Reihe
kannt. von Abgeordneten der Regierungsparteien diesen
Gesetzentwurf wieder zur Grundlage einer neuen
2 a) Die Besatzungsmacht erhebt keine neuen Vorlage gemacht; allerdings wurden in einigen
Ansprüche auf privaten Wohnraum. Sie beab- Punkten noch Ergänzungen vorgenommen.
sichtigt nach ihrer Mitteilung, den nach den
besatzungsrechtlichen Vorschriften unzulässigen Um Ihnen die Notwendigkeit einer solchen
Zustand des Zusammenwohnens im großen Regelung darzulegen, möchte ich ganz kurz auf
und ganzen weiterhin zu dulden. Neue Bela- die derzeitige wirtschaftspolitische Lage des deut-
stungen des deutschen Wohnungsmarkts wer- schen Obst- und Gemüsebaues eingehen. Wir haben
den nicht eintreten. vor dem Kriege im Durchschnitt der Jahre im
2 b) Die Eigentümer von Einrichtungsgegen- Reichsgebiet eine Gemüse-Anbaufläche von rund
ständen, die von der amerikanischen Be- 150 000 ha gehabt, bei einem Bevölkerungsstand
satzungsmacht requiriert und im Zug der soge- von rund 65 Millionen Menschen. Diese Anbaufläche
nannten Inventarisierungsaktion freigegeben war auch während des Krieges, wie Sie wissen,
wurden, sind darüber unterrichtet worden, daß notwendig. Sie ist noch vergrößert worden, weil
Anträge auf Entschädigung für Belegungsschä- gerade der Gemüsebau eine ganz wichtige Ernäh-
den innerhalb von 90 Tagen gestellt werden rungslücke schließen mußte. Man war damals sehr
können. Die Anträge werden von den zuständi- dankbar, daß die Gemüseanbauer die größten An-
gen deutschen und amerikanischen Dienststel- strengungen machten, um diese Lücke, durch den
len in der üblichen Weise behandelt werden. Mehranbau von Gemüse zu schließen. Auch nach
Besonderer Maßnahmen, den Betroffenen zu dem Kriege hatten wir noch eine große Anbau-
einer Entschädigung zu verhelfen, bedarf es fläche nötig. Sie erreichte im Bundesgebiet an-
daher nicht. Im übrigen ist der Ausschuß für nähernd dieselbe Hektarzahl wie vor dem Kriege
Besatzungsfolgen über die Inventarisierungs- für das ganze Reichsgebiet. Sie betrug auch noch
aktion und ihre Durchführung durch Übersen- im Jahre 1948 - um Ihnen einen Vergleich zu
dung des zwischen dem Amt des amerikani- geben — 128 000 ha.
schen Hohen Kommissars und dem Bundes- Dann kam die Währungsreform. Über die Gren-
ministerium der Finanzen in dieser Angelegen- zen war bis dahin fast kein Gemüse hereingekom-
heit entstandenen Schriftwechsels unterrichtet men. Nun kamen aber die Importe, die vorher fast
worden. vollständig abgeschnitten waren, so stark, daß der
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Haus hat die Gemüsebau fast völlig zerschlagen worden ist. Als
Antwort des Herrn Bundesfinanzministers ent- Beispiel führe ich die Tatsache an, daß innerhalb
gegengenommen. Ich frage das Hohe Haus, ob eine von drei Jahren die Anbaufläche von 128 000 ha
Beratung der Anfrage gewünscht wird. — Das ist auf etwa 56 000 ha im Jahre 1951 zurückgegan-
offenbar nicht der Fall. Damit ist die Anfrage er- gen ist. Der Anbau von Gemüse war in Deutsch-
ledigt. land einfach unrentabel geworden. Daraus ist
dieser kolossale Anbaurückgang zu erklären. Man
Punkt 3 der Tagesordnung ist abgesetzt worden. glaubte nun, den Bedarf der deutschen Bevölke-
Ich rufe deshalb Punkt 4 auf: rung mit Importen decken zu können, und nahm
an, daß sich im freien Spiel der Kräfte die Sache
a) Erste Beratung des von der Fraktion der von selbst regeln werde. Es hat sich aber gezeigt,
SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes daß das Gemüse infolge des Anbaurückganges in
zur Ordnung des Obst- und Gemüsemarktes Deutschland nun trotz der hohen, ja überhöhten
(Obst- und Gemüsegesetz) (Drucksache 236); Importe nicht billiger geworden ist. Wie ich im
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Vorjahr anläßlich der Begründung einer Großen
Mauk, Bauknecht und Genossen eingebrach- Anfrage in diesem Hohen Hause ausführte, hat in-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung folge dieser falschen Einfuhrpolitik letzten Endes
des Obst- und Gemüsemarktes (Obst- und die Hausfrau, der Verbraucher die Zeche zahlen
Gemüsegesetz) (Drucksache 296). müssen. Das Gemüse ist nämlich, wie festgestellt
werden muß, auf dem Markt nur noch dann preis-
Das Wort zur Begründung von Punkt 4 a hat wert zu bekommen, wenn die deutsche Ernte auf
Frau Abgeordnete Strobel. dem Markt ist, d. h. nur in den Wochen und Mo-
(Zurufe.) naten, in denen wir deutsches Gemüse anzubieten
Wer begründet den Punkt 4 b, Antrag der Abge- haben. In der übrigen Zeit zahlt letzten Endes der
ordneten Mauk, Bauknecht und Genossen? - Herr Verbraucher die überhöhten Preise, die uns dann
Abgeordneter Mauk, bitte! eben vom Ausland mehr oder weniger diktiert
werden.
Mauk (FDP), Antragsteller: Herr Präsident! Ich möchte nur noch ganz kurz darauf hinweisen,
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die daß wir dann zwei Jahre hatten, während deren
wirtschaftspolitische Lage des deutschen Obst- und die Marktverhältnisse für den deutschen Erzeuger
Gemüsebaues erfordert es, daß man eine Regelung infolge des starken Anbaurückgangs in Deutsch-
des Absatzes findet. Schon im letzten Bundestag land wieder etwas besser waren. Dazu hatten wir
hat deshalb die Bundesregierung vor nahezu zwei in verschiedenen Teilen des Bundesgebiets zwei
Jahren ein Gesetz zur Regelung des Absatzes von Trockenjahre, nämlich 1951 und 1952, wo die Hek-
Obst und Gemüse eingebracht. Dieses Gesetz wurde tarerträge unter dem Durchschnitt lagen. Die
zwar im 1. Bundestag beraten, konnte aber leider Preise haben sich wieder etwas gebessert. Das
nicht mehr verabschiedet werden. brachte eine leichte Anbauerhöhung im Jahre 1953.
Diesen Gesetzentwurf, der von einem Unteraus- In diesem Jahre war dazu noch günstigeres Wet-
schuß des Ernährungsausschusses beraten worden ter; wir haben wieder höhere Hektarerträge be-
ist, hat nun die SPD, die leider ihre Vorlage noch kommen. Und schon war wieder ein Marktzusam-
674 2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954
(Mauk)
menbruch! Für den Anbau ist das einfach unerträg- Kleinst- und Mittelbetriebe, um ihre Existenz zu
lich. Ein großer Teil der Erzeugnisse mußte unter- erhalten, in erster Linie auf die Einnahmen aus
gepflügt, ein anderer, großer Teil konnte nur zu Sonderkulturen, von denen der Obst- und Gemüse-
Preisen abgesetzt werden, die nicht entfernt die bau eine der wichtigsten ist, angewiesen sind.
Gestehungskosten deckten. Fallen die Einnahmen aus diesen Sonderkulturen
weg oder werden sie zu niedrig, so sind alle diese
Wenn ich Ihnen hier einmal Indexzahlen des Ge- Betriebe mehr oder weniger bedroht. Man spricht
müses und die anderer landwirtschaftlicher Pro- in der letzten Zeit so viel von notwendigen wirt-
dukte nenne und sie dann den Preisen von Indu- schaftspolitischen Maßnahmen. Man spricht von
strieerzeugnissen gegenüberstelle, werden Sie er- Exportkartellen, von Krisenkartellen und anderen
kennen, daß die Gemüseerzeuger in den letzten notwendigen Zusammenschlüssen. Wir haben uns
Jahren im Durchschnitt nicht viel mehr bekommen dieser Tage darüber unterhalten, daß der Zusam-
haben als in den Jahren vor dem Kriege, während menschluß der Mühlen erforderlich ist, um sie
sich in der Zwischenzeit die Produktionskosten wieder existenzfähig zu machen. Sobald aber wir
nahezu verdoppelt, teilweise sogar mehr als ver- von der Landwirtschaft, insbesondere wenn es um
doppelt haben. die kleinen Obst- und Gemüsebaubetriebe geht,
Beim Obst liegt der Fall ähnlich. Im früheren irgendeinen Schutz vom Staat verlangen, heißt es:
Reichsgebiet hatten wir hier in Westdeutschland Das ist in unserem Staate, im Wettbewerb der
die Hauptanbaufläche von Obst. Ohne daß die freien Wirtschaft einfach nicht möglich; das ver-
Fläche ausgedehnt worden ist, sind die Ernten in- stößt gegen das Grundgesetz. So hat man alle mög-
folge besserer Kulturmaßnahmen, besserer Schäd- lichen Ausreden, die man ja schon wiederholt ge-
lingsbekämpfung, besserer Düngung usw., in den hört hat.
letzten drei Jahren im Bundesgebiet durchschnitt- Ich stelle deshalb den Antrag, den Entwurf dem
lich größer gewesen als die Ernten im früheren Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und For-
Reichsgebiet. Man müßte deshalb annehmen kön- sten zu überweisen. Ich weiß, auch einige meiner
nen, daß die Obsternten des Bundesgebietes den Parteifreunde haben Bedenken gegen den Wort-
Bedarf einigermaßen decken. Das scheint aber nicht laut dieses Gesetzentwurfs. Der Entwurf ist aber
der Fall zu sein. Wenn wir die Importe in Vergleich von allen beteiligten Wirtschaftskreisen und ins-
ziehen, können wir feststellen, daß wir im Durch- besondere von den Experten des Obst- und Ge-
schnitt von zwölf Jahren, und zwar der Jahre 1927 müsebaus sehr sorgfältig ausgearbeitet worden.
bis 1938, 760 000 t Obst und Südfrüchte in das
Reichsgebiet importiert haben. Die Menge von Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zur Be-
760 000 t wurde bereits im Jahre 1950 wieder an- gründung des Antrags der SPD hat Frau Abgeord-
nähernd erreicht, 1951 überschritten, 1952 wieder- nete Strobel.
um überschritten, und zwar stieg nun der Import
schon auf 850 000 t. Für das Jahr 1953 sind die Zah- Frau Strobel (SPD), Antragstellerin: Meine
len noch nicht ganz genau bekannt. Wir haben sie Herren und Damen! Ich bitte zunächst um Entschul-
bis November und eine geschätzte Zahl für den digung für die durch meine Schuld vorhin einge-
Monat Dezember. Nach diesen neuesten Erhebun- tretene Verzögerung. Es war mir nicht bekannt,
gen werden wir 1953 voraussichtlich auf 1,2 Mil- daß Punkt 3 der Tagesordnung abgesetzt ist.
lionen t kommen gegenüber 588 000 t im Jahre Herr Kollege Mauk hat bereits die wirtschafts-
1950. Das ist also eine Steigerung um rund das politische Situation des deutschen Obst- und Ge-
Doppelte innerhalb von knapp vier Jahren. Wenn müsebaus, die weitgehend die Veranlassung für die
wir diesen Zahlen die eigenen Erntemengen gegen- Einbringung des Gesetzentwurfs seiner Partei-
überstellen, so haben wir vielleicht eine Erklärung freunde war, dargelegt. Wir stellen uns seit Jahren
dafür, daß der Obstbau heute derjenige Zweig un- sehr ernsthaft die Frage: Ist im Obst- und Gemüse-
serer gesamten Wirtschaft ist, der in bezug auf die bau eine Marktordnung notwendig? Da wir diese
Indexpreise am niedrigsten liegt. Wir haben in den Frage mit Ja beantworten, müssen wir dafür auch
letzten zwei Jahren nur wenige Obstsorten gehabt, die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen. Der
die den Indexpreis von 1938 erreicht haben. Im 1. Bundestag ist einer diesbezüglichen Entschei-
Jahre 1952 war es nur eine einzige Obstart, die dung leider ausgewichen. Das trifft nicht etwa den
diesen Indexpreis überschritten hat, und zwar die ganzen Bundestag. Vielmehr war in einem Unter-
Erdbeere; alle anderen Beerenobstsorten sowie ausschuß des Ausschusses für Ernährung, Land-
Kernobst und Steinobst lagen weit darunter, teil- wirtschaft und Forsten ein Entwurf ausgearbeitet
weise bis zu 46 Punkten unter dem Indexpreis von worden, der die Zustimmung der beteiligten Ab-
1938. Dieser Wirtschaftszweig ist ja nicht ganz un- geordneten aller Fraktionen gefunden hatte. Dieser
bedeutend. Es gibt im deutschen Bundesgebiet 125 Entwurf war aber dort gerade verabschiedet wor-
Millionen Obstbäume, allerdings einschließlich der- den, als bereits der Wahlkampf zum 2. Deutschen
jenigen, die im eigenen Hausgarten, im Selbstver- Bundestag seine Schatten vorauswarf, und ist
sorgerobstbau stehen. Angesichts dieser Zahlen leider in dieser Mühle zerrieben worden. Es fand
können Sie sich, glaube ich, einen Begriff machen, sich weder im Ernährungsausschuß noch im Plenum
wie dieser Wirtschaftszweig Not leidet. eine Mehrheit für den Entwurf.
Ich möchte dann noch auf einen anderen Die sozialdemokratische Fraktion hatte damals
Punkt hinweisen. Wir haben im Bundesgebiet bereits den Beschluß gefaßt, diesem Entwurf zu-
rund 2 050 000 landwirtschaftliche Betriebe, davon zustimmen. Die Folge davon, daß dieser Entwurf
1,1 Millionen, also etwa 55 %, unter 5 ha Betriebs- nicht verabschiedet wurde, ist, daß nun alle Jahre
fläche. Wenn man die gesamte Betriebsfläche durch wieder — leider nicht so schön wie das Christkind,
die Zahl der Betriebe dividiert, kommen im Durch- sondern im Gegenteil — sehr, sehr unangenehme
schnitt genau 2 ha heraus. Das bedeutet, daß es Auswüchse auf dem Obst- und Gemüsemarkt ein-
sich im großen Durchschnitt, bei mehr als der treten. Es gibt Preiszusammenbrüche, die sich
Hälfte der deutschen Landwirtschaft, um Klein- leider nicht bis zum Verbraucher in Gestalt von
und Kleinstbetriebe handelt und daß diese Klein-, niedrigen Preisen durchsetzen; es gibt auf der
2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954 675
(Frau Strobel)
anderen Seite hin und wieder sehr phantastische möchte ich besonders hinweisen — in diesen
Preiserhöhungen, die sich ebenso leider nicht bis Hauptanbaugebieten mehrere Absatzeinrichtungen
zum Erzeuger durchsetzen, so daß gerade diese zu schaffen, die dann miteinander in Wettbewerb
beteiligten Gruppen weder von den zu niedrigen treten können. Es gibt keinen Zwang für einen
noch von den zu hohen Preisen irgend etwas Erzeuger, sich nur einer Absatzeinrichtung an-
haben. zuschließen, sondern er hat die Wahl. Der Handel
kann bei allen Absatzeinrichtungen kaufen, findet
Wir wissen, daß man gerade auf dem Obst- und überall einen zusammengefaßten Markt, hat die
Gemüsesektor saisonale Schwankungen nicht be- Möglichkeit des Vergleichs, so daß also dem Lei-
seitigen kann. Wir wissen auch, daß man die stungswettbewerb keinerlei Schranken gesetzt
Schwierigkeiten, die es auf diesem Gebiet gibt, sind. Der Verbraucher hat nach wie vor die Mög-
nicht etwa durch leere Versprechungen — etwa, lichkeit, vom Erzeuger direkt zu kaufen, weil das
die Einfuhr von heute auf morgen zu beschränken durch das Gesetz nicht ausgeschlossen wird.
— aus der Welt schaffen kann. Wir sind aber der
Auffasung, daß ordnende Maßnahmen möglich Wesentliche Beanstandung hat in der Presse die
sind. Diese müssen so sein, daß die Erzeuger zu Tatsache gefunden, daß beide Gesetzentwürfe die
ihrem Recht kommen, daß ihre Produktion einen Möglichkeit vorsehen, einen Mindestpreis für be-
Sinn hat, daß durch gute Qualitätsware zu einem stimmte Waren zu vereinbaren und dafür einen
angemessenen Preise aber auch der Verbraucher Stützungsfonds zu schaffen. Für den Stützungs-
und der Handel einen Vorteil haben. Man kann fonds werden vom Erzeuger Beiträge erhoben. Es
nicht nur eine Marktordnung auf dem Obst- und ist notwendig, darauf aufmerksam zu machen. Das
Gemüsesektor machen, ich bin der Meinung, man ist das Regulativ dafür, daß die Verbraucher nicht
m u ß es geradezu, wenn man verantwortungs- durch zu hohe Mindestpreise belastet werden. Die
bewußt handeln will. Erzeuger müssen ja, wenn sie zu hohe Mindest-
preise festsetzen und die Ware zu diesen Preisen
Nun darf ich einige wenige Bemerkungen zu nicht absetzen können, die Differenz selber be-
unserem Gesetzentwurf machen, schon deswegen,
zahlen, weil sie, und nur sie allein Abgaben in
eine - allerdings beschränkte — Öffentlich-
den Stützungsfonds zu zahlen haben.
keit nicht sehr zustimmend darauf reagiert hat.
Erreicht soll werden, was in § 1 unseres Gesetzent- In dem Gesetz ist keine Beteiligung des Staates
wurfs zum Ausdruck kommt: ein lebensfähiger aus Steuermitteln an diesem Stützungsfonds vor-
deutscher Anbau und eine ausgeglichene Markt- gesehen. Das hat zur Folge, daß weder die Ver-
versorgung. Die gesetzlichen Voraussetzungen da- braucher noch der Handel bei der Verwendung
für finden Sie in dem sozialdemokratischen Ent- dieses Fonds mitsprechen können. Das scheint uns
wurf. Ich möchte aber betonen, was mein Kollege notwendig, weil die Erzeuger für den Fonds Bei-
Mauk bereits angedeutet hat: es handelt sich hier träge zahlen.
um eine Gemeinschaftsarbeit von Abgeordneten Wir haben in diesem Entwurf bewußt nicht vor-
aus allen Fraktionen. Wir haben aus diesem Grunde geschrieben, was mit der Ware geschehen soll, die
Wert darauf gelegt, den Entwurf unverändert ein- auf dem Wege über den Stützungsfonds aus dem
zubringen, nicht etwa, weil er nun ganz besonders Markt genommen wird. Ich glaube, man kann dem
sozialdemokratischen Vorstellungen entspräche, Erzeuger nicht zumuten, daß er Ware, die er mit
sondern weil wir der Auffassung sind, so geht es. viel Mühe erzeugt hat, vernichtet, sondern man
Wir sind sehr dankbar, wenn es Kollegen gibt, die muß es ihm selbst bzw. seiner Absatzeinrichtung
uns bei der Behandlung dieses Entwurfs im Aus- überlassen, was damit geschieht. Ich bin über-
schuß sagen können, wie es noch besser gemacht zeugt, daß man einen Weg finden wird, diese Ware
werden könnte. dann auch noch zu verwerten.
Dieser Entwurf ist aufgebaut auf der Selbst- Das Gesetz enthält weiterhin Vorschriften, die
hilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstver- es ermöglichen — und auch das scheint mir beson-
waltung der Erzeuger. Die Marktordnung kann ders notwendig zu sein —, den Erzeugern im ge-
auch nur funktionieren, wenn die Erzeuger das samten Bundesgebiet einen Überblick über die
wollen und wenn die Erzeuger einsehen, daß gemeinsamen Anbauabsichten und auf Grund
Rechte auch Pflichten bedeuten. Der Entwurf ent- dieses Überblicks dem einzelnen Erzeuger Anbau-
hält ein Mindestmaß an bürokratischem Apparat. empfehlungen zu geben. Alles das zusammen aber
(Zuruf von der Mitte.) ist nicht etwa eine Zwangsvorschrift, sondern aus-
schließlich eine Angelegenheit der gegenseitigen
- Ich habe erwartet, daß Sie zu dieser Bemerkung Unterrichtung und Empfehlung. Der Gesetzent-
lachen werden. Aber ich meine, Sie sollten über wurf sieht bewußt von einer starren Kontingen-
dieses Gesetz nicht nur die Bemerkungen in der tierung ab und nimmt dem Erzeuger das Risiko
..Frankfurter Allgemeinen" lesen, sondern sich die nicht ab.
Mühe machen, das Gesetz nun wirklich von vorn
bis hinten durchzustudieren. Dann werden Sie Daß die Kosten in diesem Gesetzentwurf auf ein
nämlich feststellen, daß es in erster Linie ein Mindestmaß beschränkt worden sind, ist selbst-
Selbstverwaltungsgesetz ist und der bürokratische verständlich.
Apparat dabei sowenig wie möglich in Erschei- Noch ein paar Worte zum Einfluß der Einfuhr.
nung tritt. Einige Dinge mußten gesagt werden, Es ist meiner Ansicht nach zu billig, einfach zu
weil unser Grundgesetz dafür eben solche Voraus- sagen, unter der Einfuhr leide in besonderem Maße
setzungen gibt. der deutsche Obst- und Gemüsebau, weil ihret-
Wir haben es uns bei der Ausarbeitung dieses wegen seine Ware nicht abgesetzt werden könne.
Gesetzentwurfs nicht leicht gemacht. Wir wissen, Ich bin zunächst einmal der Auffassung, daß die
daß man sich dabei auch eine gewisse Beschrän- Kaufkraft des deutschen Verbrauchers auch auf
kung auferlegen muß . So ist der Entwurf auf dem Obst- und Gemüsemarkt noch wesentlich ge-
Hauptanbaugebiete beschränkt und schließt die steigert werden kann und daß mit dieser Kauf-
Streugebiete aus. Er hat den Sinn, ein zusammen- kraftsteigerung manches Absatzproblem leicht zu
gefaßtes Angebot zu erreichen und — darauf lösen ist. Trotzdem haben wir in diesem Gesetz-
676 2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954
(Frau Strobel)
entwurf den § 15 stehenlassen, der eigentlich eine gen und für mindere Qualitäten geben. Man kann
Selbstverständlichkeit darstellt. Ich meine aber, dem Verbraucher nicht bessere und preiswertere
daß über die Art und Weise, wie die Handelspolitik Auslandsware zwangsweise vorenthalten, und man
den deutschen volkswirtschaftlichen Interessen im kann den Export nicht dadurch behindern, daß man
Rahmen der internationalen Verpflichtungen Rech- die Einfuhren unnötigerweise beschränkt. Man muß
nung trägt, nichts in diesem Gesetz stehen kann. aber den Erzeuger — auch den Erzeuger von Obst
Das ist eine Angelegenheit vielfältiger Vereinba- und Gartenbauerzeugnissen! — in die Lage ver-
rungen, zu denen Zölle usw. gehören. Im Zusam- setzen, daß er durch eigene Anstrengungen den
menhang mit den Einfuhren und mit der einmal Markt gewinnen kann. Dafür muß man ihm die
auf uns zukommenden europäischen Agrar-Union gesetzlichen Voraussetzungen geben. Etwas anderes
ist es vor allen Dingen notwendig, den deutschen will unser Gesetzentwurf nicht, und er erscheint
Obst- und Gartenbau konkurrenzfähig zu machen uns geeignet, das zu erreichen.
und eine gesetzliche Grundlage für eine wirksame Nun bitte ich den Herrn Präsidenten, mir zu er-
Selbsthilfe zu geben. Das will dieses Gesetz in lauben, gleich noch einige wenige Ausführungen zu
erster Linie. dem Gesetzentwurf meiner Kollegen aus den Koa-
Im Gartenbau wie auch in der gesamten Land- litionsparteien zu machen, soweit er sich von unse-
wirtschaft ist eine kurzfristige Umstellung auf eine rem unterscheidet. Ich bedaure eigentlich, in der
andere Produktion absolut nicht möglich. Situation zu sein, meine Kollegen kritisieren zu
(Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!) müssen, weil ich der Meinung bin, daß sich gerade
dieses Gebiet nicht zu parteipolitischen Ausein-
Das hängt in erster Linie damit zusammen, daß andersetzungen eignet. Aber es ist doch erstaunlich,
vor allen Dingen der Obsthau auf Jahre im voraus daß uns ausgerechnet aus den Kreisen der Regie-
planen bzw. seine Produktion einstellen muß. rungsparteien so bald nach dem Parteitag der FDP,
Durch dieses Gesetz wird es möglich sein, der auf dem der Liberalismus ganz groß geschrieben
Hausfrau die Entscheidung für einheimisches Obst worden ist, ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der
und Gemüse leichter zu machen, weil es gleich- meiner Meinung nach doch einige recht zwangswirt-
schön, Bleichgut und gleichpreiswert ist. Das ist schaftliche Bestimmungen enthält.
aber nur möglich — und ich bitte das bei der Kri-
tik des Gesetzes doch einmal genau nachzulesen —, (Sehr richtig! bei der SPD.)
wenn gleichzeitig mit der Verabschiedung dieses Das ist die eine Seite des Entwurfs, die mir nicht
Gesetzes die Handelsklassen für Obst und Gemüse gefällt, weil ich der Meinung bin, daß jeder Berufs-
nach dem Handelsklassengesetz obligatorisch wer- zweig, auch der Obst- und Gartenbau, sich weit-
den und wenn dieses Gesetz überhaupt nur für gehend selber helfen soll und man ihm das Risiko
Handelsklassenwaren zuständig ist. Das steht auch nicht restlos abnehmen kann.
in unserem Entwurf. Darüber hinaus bin ich erstaunt, daß in einem
Es wäre sicher gut, wenn die Absatzeinrichtun- solchen Entwurf Bestimmungen bezüglich der
gen, die ja auf Grund verschiedener Erzeugungs- Handelspolitik stehen, von denen eigentlich jeder
kosten, verschiedener Qualitäten und verschiedener wissen müßte, daß sie einfach nicht durchführbar
Kaufkraft untereinander konkurrieren, die Preise, sind. Das ist das Gefährliche an diesem Entwurf,
die sich bei diesen Einrichtungen bilden, und die daß man wieder einmal bei den Erzeugern Hoff-
Mindestpreise publizierten. Denn dadurch hätte der nungen erweckt, die nicht erfüllt werden können.
Verbraucher die Möglichkeit, sich einen Überblick
über den Markt zu verschaffen und festzustellen, Gestern ist hier von einem Kollegen freund-
was der Handel auf dem Markt für die Ware be- licherweise gesagt worden, ich hätte mein Herz für
zahlt, so daß Situationen, wie sie durch den be- die Landwirtschaft erst bei der gestrigen Debatte
kannten Kohlkopf hervorgerufen worden sind, entdeckt. Nun, wenn ich mir diesen Gesetzentwurf
nicht mehr möglich wären. Da der Handel bei allen anschaue, dann bin ich der Auffassung, daß das
Absatzeinrichtungen einkaufen kann, dort ein Herz dieser Kollegen für den deutschen Obst- und
übersichtliches Angebot, direkte Vergleichsmöglich- Gartenbau ganz besonders laut schlägt. Das Herz
keiten und zuverlässige Qualitäten findet, wird es ist in der Politik nicht der schlechteste Berater.
auch wieder möglich sein, dem deutschen Obst- und Aber wenn es so laut schlägt, daß man Unmögliches
Gartenbau Eingang in den Export zu verschaffen. verspricht, dann scheint mir dabei die Vernunft ein
klein wenig zu kurz gekommen zu sein.
Wir sind der Auffassung, daß man nicht länger
damit warten kann, dieses Gesetz zu beraten, son- (Sehr richtig! bei der SPD.)
dern daß es eilt, weil es ja eine gewisse Anlauffrist Unser Gesetzentwurf hat sich weise beschränkt. Er
braucht, um dann durchgeführt zu werden. In die- ist von der Vernunft diktiert, und die Vernunft
sem Zusammenhang ist vielleicht eine kleine Be- muß bereit sein, die Grenzen des Möglichen aufzu-
richtigung anzubringen. In beiden Gesetzentwür- zeigen, auch wenn das nicht gerade populär ist.
fen steht: „ab 1. März 1954". Das muß wohl „ab
1. März 1955" heißen, weil der Erzeuger ja vor Be- Das gilt vor allen Dingen bezüglich der Vorschrif-
ginn des Wirtschaftsjahres wissen muß, mit wel- ten über die Aussetzung der Einfuhr in dem Augen-
chen gesetzlichen Vorschriften er zu rechnen hat. blick, in dem die Preise unter den Grundpreis ge-
sunken sind. Ich bin gespannt, wie uns unsere Kol-
Zusammengefaßt möchte ich sagen: Man kann legen im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft
der Bundesregierung nicht die Verantwortung für und Forsten erklären wollen, wie sich das in der
die Handelspolitik abnehmen. Deshalb haben wir Praxis durchführen lassen soll; denn die Preise
in unserem Entwurf auf Bestimmungen verzichtet, bewegen sich ja auf verschiedenen Absatzeinrich-
die einschneidende Maßnahmen in der Handelspoli- tungen im ganzen Bundesgebiet auf verschiedener
tik bedeuten würden und uns nicht durchführbar Basis. So leicht scheint mir das nicht zu sein.
erscheinen. Man kann dem Erzeuger auch keine Außerdem widerspricht es meiner Meinung nach
Preis- und Abnahmegarantie für unbegrenzte Men- auch dem GATT.
2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954 6 77
(Frau Strobel)
In dem Entwurf sind ferner Bestimmungen ent- Nun zu den Anbauvorschriften. Meine sehr ver-
halten, die nicht nur dem Bundesminister, ehrten Damen und Herren, ich habe vorhin, glaube
(Abg. Dr. Menzel: Wo ist er eigentlich?) ich, ausgiebig begründet, wie gerade beim Ge-
müsebau der Anbau konjunkturmäßig teilweise
sondern auch den sogenannten Gebietsstellen gera- auf- und abgeht und daß es einfach nicht möglich
dezu eine Ermächtigung geben, in den Fällen, in ist, hier eine Ordnung zu schaffen, wenn man
denen dieses Gesetz keine Regelung vorsieht, ein- nicht — ich komme nachher noch darauf zurück —
fach auf andere Weise ähnliche Bestimmungen zu auch im Import eine gewisse Regelung trifft. Wenn
schaffen, wie sie in dem Gesetz stehen. Das scheint wir diesem Berufszweig helfen wollen, wenn wir
mir gesetzlich nicht möglich zu sein. ihn erhalten wollen — nicht wegen des Obst- und
Eine andere Bestimmung sieht vor, den Anbau Gemüseanbaus, sondern wegen der künftigen Ver-
von Obst und Gartenbauerzeugnissen in Betrieben sorgung unserer Verbraucher —, dann müssen
wir einige Vorschriften in das Gesetz hineinarbei-
mit mehr als vier Hektar Land von einer Geneh-
migung abhängig zu machen. Jeder, der unser ten, die nun einmal notwendig sind. Die Entschei-
dung, ob das dem Grundgesetz entspricht oder
Grundgesetz einigermaßen kennt, weiß, daß man
nicht, ist, glaube ich, eine Auffassungssache. Wir
niemandem im Bundesgebiet verbieten kann, Obst
haben insbesondere im Handwerksgesetz, aber
oder Gemüse anzubauen, wenn er das will. Man auch in verschiedenen anderen Gesetzen einige
kann ihm dann natürlich auch nicht helfen, wenn Paragraphen, die vielleicht als mit dem Grund-
er die Konsequenzen daraus ziehen soll. gesetz in Konflikt stehend angesehen werden
Das sind in erster Linie die Dinge — ich möchte können.
mich auf einige wenige beschränken —, die uns bei Wir wollen bewußt bei den kleinen Betrieben im
diesem Gesetzentwurf falsch und undurchführbar Obst- und Gemüsebau nur eine Meldepflicht. Diese
erscheinen. Dazu gehören vor allem die Forderun- Meldepflicht ist notwendig, damit die Bundesregie-
gen, auch den Handel zu den Abgaben heranzu- rung und alle mit der Absatzeinrichtung beschäf-
ziehen und dem Erzeuger eine Absatzeinrichtung tigten Stellen, die Gebietsstellen und die Bundes-
zuzuweisen, bei der - und nur bei der — er ab- stellen, wie sie hier vorgesehen sind, übersehen
liefern muß. Das a ll es sind Zwangsvorschriften, die können, was angebaut wird. Wir müssen in den
den Wettbewerb behindern würden. Daß das in Wintermonaten schon wissen, was anzubauen für
dem Gesetz steht, bedaure ich deswegen, weil ich den Sommer geplant ist, und müssen dann wieder
eigentlich der Meinung bin: wenn man beweisen genaue Erhebungen darüber anstellen, was tatsäch-
w ill, daß eine Ordnung auf dem Sektor Obst- und lich angebaut ist, denn die Witterungsverhältnisse
Gartenbau nicht möglich ist, dann muß man genau können da noch gewaltige Veränderungen bringen.
die Vorschriften in ein Gesetz hineinschreiben, die Aus diesem Grunde halten wir eine Meldepflicht
in diesem Entwurf stehen. für notwendig.
(Beifall bei der SPD.) Wenn wir darüber hinaus für die Betriebe mit
über 4 ha Betriebsfläche eine Genehmigungspflicht
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zu einer vorgesehen haben — unter anderem, möchte ich
zusätzlichen Begründung hat der Abgeordnete sagen, denn der Bundesminister für Ernährung,
Mauk. Landwirtschaft und Forsten soll zwar das Recht
haben, eine solche Anbaubeschränkung oder Ge-
Mauk (FDP): Herr Präsident! Meine sehr ver- nehmigung zu verfügen, aber er muß es nicht un-
ehrten Damen und Herren! Ich habe mich vorhin
darauf beschränkt, die wirtschaftspolitische Lage bedingt —, so deshalb, weil wir erkannt haben,
daß gerade in den großen landwirtschaftlichen Be-
darzulegen, und darauf verzichtet, den Gesetz-
trieben immer wieder konjunkturmäßig angebaut
entwurf, den ich mit einigen Freunden eingereicht
wird. Gerade dieser Anbau stört den Markt so
habe, noch im einzelnen zu begründen. Nun hat
sehr, daß letzten Endes für die Gesamterzeugung
Frau Kollegin Strobel den Gesetzentwurf der SPD
der Markt zerschlagen wird und mit Marktpolitik
ausgiebig begründet und auch noch zu einigen
überhaupt nichts mehr erreicht werden kann. Sie
Dingen, die wir zusätzlich in unserem Entwurf
wissen, daß immer wieder große Mengen unter-
haben, Stellung genommen. Ich halte mich deshalb gepflügt werden mußten und daß ein großer Teil
für verpflichtet, dazu diejenigen Punkte, die von
bestimmter Erzeugnisse oft nur zu Preisen ver-
ihrem Entwurf abweichen, auch noch kurz zu be-
kauft werden konnte, die die Gestehungskosten
gründen. nicht mehr deckten.
Frau Kollegin Strobel hat beanstandet, daß die Er-
zeuger an einer bestimmten Sammelstelle abliefern Wenn wir hier beim Obst eine Genehmigungs-
müssen. Ich weiß, in ihrem Entwurf ist vorgesehen, pflicht für bestimmte Fälle vorgesehen haben,
daß auch an einer bestimmten Sammelstelle ab- dann deshalb, weil der Obstbau in weiten Teilen
geliefert werden muß. Dabei ist aber dem Erzeuger des deutschen Bundesgebietes traditionsgebunden
bei der Auswahl der Sammelstelle eine etwas gewachsen ist und heute in überholten Formen
größere Freiheit gegeben als in unserem Entwurf. arbeitet. Unsere Nachbarländer haben einen
Wir haben allerdings auch in unserem Entwurf wesentlich jüngeren, moderneren Obstbau, der den
geschlossene Anbaugebiete vorgesehen und vor- unseren zu überschatten und zu vernichten droht.
geschlagen, daß in diesem geschlossenen Gebiet im Wenn wir überhaupt einen Obstbau erhalten
Grundsatz der Erzeuger an eine vorhandene Ab- wollen, dann ist eine Strukturwandlung im deut-
satzeinrichtung, die von der Gebietsstelle dazu als schen Obstbau dringend notwendig. Deshalb heißt
berechtigt erklärt wird, abliefern muß. Wenn es es hier in § 3 unseres Entwurfs:
aber wirtschaftlich berechtigt und erforderlich ist, Der Bundesminister für Ernährung, Landwirt-
so kann, genau wie im Milchgesetz vorgesehen, der schaft und Forsten kann Neupflanzungen von
Erzeuger auf Antrag jederzeit auch einer anderen, Erwerbs-Obstanlagen von einer Genehmigung
und zwar der ihm genehmeren Absatzstelle zu- abhängig machen, die nur bei Eignung des
geteilt werden und dort seine Ware anliefern. Standortes erteilt werden soll.
678 2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954
(Mauk)
Wir haben in verschiedenen deutschen Bundes- Dasselbe ist bei Kernobst eingetreten. Auch dort
ländern bereits jetzt eine gewisse Planung. So ist haben wir eine preisgebundene Einfuhrphase ver-
zur Zeit in meinem Heimatland Baden-Württem- einbart, und im vorigen Herbst ist eine Sperre für
berg in sämtlichen wichtigen Bezirken schon eine den Import von Kernobst überhaupt nicht ein ein-
Kartierung der Obstanbauflächen im Gange. An- ziges Mal notwendig geworden.
gesichts der kommenden Flurbereinigung und Sie sehen also, daß das ein ganz wesentlicher
Flurzusammenlegungen wollen wir, genau wie in Fortschritt gegenüber den sturen, an Termine ge-
den Weinbaugebieten, in jeder Gemeinde be- bundenen Sperrfristen von bisher ist, und wenn
stimmte Obstbaugebiete, die dafür besonders ge- ich im Ernährungsausschuß, Frau Kollegin Strobel,
eignet sind, herausstellen, und darauf wollen wir diese Dinge richtig aufkläre — sie waren uns da-
den Anbau in Zukunft beschränken. Das soll nicht mals noch nicht genügend bekannt —, so werden
bedeuten, daß wir den Leuten unnötige Fesseln wir uns, glaube ich, auch über diesen Punkt einig,
anlegen, sondern diese Vorschrift wird nur im In- so wie wir uns im letzten Bundestag im Unteraus-
teresse der Obstanbauer selbst aufgenommen. schuß über die wesentlichen Punkte dieses Ge-
setzes geeinigt haben.
Was Sie, Frau Kollegin Strobel, am meisten ge-
stört hat, ist doch wohl § 17 dieses Entwurfs, der (Beifall bei der FDP.)
die Importe behandelt. Hierzu darf ich Ihnen Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Herren, es ist zwischen den Fraktionen vereinbart,
daß wir bereits in den letzten Jahren, und zwar
keine allgemeine Aussprache zu diesem Punkt
insbesondere im Jahre 1953, auf Grund freiwilliger
durchzuführen. Das Wort zur Frage der Ausschuß-
Vereinbarungen mit verschiedenen Ländern, ins-
überweisung hat Herr Abgeordneter Dr. Dr. Müller.
besondere mit einem Land, welches sehr viel Obst
und Gemüse an uns liefert, mit Italien, diesen Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU/CSU): Herr Präsident!
Weg gegangen sind, der hier nun von uns vor- Meine Damen und Herren! Namens meiner Frak-
geschlagen wird. Bis jetzt besteht bekanntlich für tion beantrage ich, die beiden Entwürfe dem Aus-
den Import einzelner Obst- und Gemüsearten eine schuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, dem
sture Sperrfrist; d. h. zu gewissen Haupterntezeiten Ausschuß für Wirtschaftspolitik, federführend dem
bei uns ist der Import von gewissen Gemüsearten Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und
verboten, wobei sich dieses Verbot auf etwa sechs Forsten zu überweisen.
bis acht Wochen erstreckt, teilweise ist die Frist
noch länger, teilweise kürzer. Diese Sperrfristen Den Rechtsausschuß müssen wir nehmen, weil
sind stur festgelegt, weil man im Winter, wenn gegen den Gesetzentwurf, wie er im ersten Bun-
die Handelsvertragsverhandlungen stattfinden, nicht destag erarbeitet worden ist und jetzt von der
SPD-Fraktion vorgelegt wurde, vom Bundes-
mit Sicherheit voraussagen kann, wie sich das
Wetter im Laufe des Sommers entwickeln wird. justizminister schon damals in einem Schreiben an
Es ist in jedem Jahr sehr unterschiedlich. Die Ernte den Vorsitzenden des Ernährungsausschusses die
verfrüht oder verspätet sich manchmal um ein bis schwersten verfassungsrechtlichen Bedenken er-
zwei, ja noch mehr Wochen. Deshalb hat man nun hoben worden sind, die jetzt im Ausschuß nach-
an Stelle dieser sturen Sperrfristen für die Zu- geprüft werden müssen.
kunft eine bewegliche Sperrfrist, d. h. eine so- Vizepräsident Dr. Jaeger: Der Antrag der Frak-
genannte preisgebundene Einfuhrphase, vereinbart. tion der CDU/CSU ist der einzige, der zu diesem
Es wird mit dem Lieferland ein Preis festgelegt, Punkt gestellt ist. Wer dem Antrag zustimmen
und wenn dieser Preis auf dem deutschen Markt will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Es ist
unterschritten wird, dann tritt die Sperre in so beschlossen.
Kraft, die bisher automatisch an einen bestimmten
Termin gebunden war. 'Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Im vorigen Jahr haben wir bei vielen Artikeln Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-
solche preisgebundenen Einfuhrphasen vereinbart. schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Ich möchte von den Gemüsearten nur einen Ar- Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag der
tikel herausgreifen: die Tomaten, ein sehr wich- Abgeordneten Dr. Horlacher, Bauknecht und
tiger Artikel, der von Italien gekommen ist. Wir Genossen betreffend Braumalz und Brau-
haben einen bestimmten Preis vereinbart und gerste (Drucksachen 194, 75).
haben weiter vereinbart, daß, wenn dieser Preis Als Berichterstatter spricht an Stelle des Abge-
unterschritten wird, innerhalb von zwei Tagen ordneten Faßbender der Abgeordnete Mauk.
der Export von Italien nach Deutschland eingestellt
wird. Es hat sich gezeigt, daß dadurch der deutsche Mauk (FDP), Berichterstatter: Zu diesem Antrag
Großhandel und auch der Importhandel ein be- kann ich mich kurz fassen. Ich beziehe mich auf
stimmtes Interesse am deutschen Markt bekommen den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Er-
hat, und er hat den Preis immer so gehalten, daß nährung, Landwirtschaft und Forsten, aus dem zu
auf keinem deutschen Erzeugergroßmarkt der ver- ersehen ist, daß dieser Antrag inzwischen durch
einbarte Mindestpreis, der auch verhältnismäßig die Maßnahmen, die auf dem Gebiete des Gleit-
sehr niedrig lag und gerade noch die Erzeugungs- zolls für Braumalz getroffen worden sind, als er-
kosten deckte, unterschritten wurde. Dadurch ist ledigt zu betrachten ist.
z. B. im vorigen Jahr eine Sperrfrist für Tomaten,
die sonst vom 1. August bis 15. September auto- Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich eröffne die Aus-
matisch in Kraft getreten wäre, überhaupt nicht sprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist
notwendig geworden. Und das genügt schon; denn nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Ich bitte
wir haben ja nur erreichen wollen, daß sich der die Damen und Herren, die dem Antrag im Münd-
Handel nicht nur für den Import, sondern auch für lichen Bericht Drucksache 194 entsprechen wollen,
die deutschen Erzeugnisse in gleicher Weise in- die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist
teressiert. so beschlossen.
2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954 679
(Vizepräsident Dr. Jaeger)
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeord-
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- nete Dr. Müller (Bonn).
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU), Bericht-
Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag der erstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Her-
Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Dr. h. c. ren! Die Fraktion der FDP hatte mit Drucksache 79
Müller (Bonn) und Genossen betreffend Ver- einen umfassenden Antrag über die Reform des
ordnung über die Beimischung inländischen Agrarrechts und der Agrarwirtschaft vorgelegt. Bei
Rüböls und Feintalgs (Drucksachen 245, 146). der Ausschußberatung ergab sich sofort, daß dieser
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeord Antrag in einigen Punkten der föderalistischen
nete Dr. Schmidt (Gellersen). Organisation des Bundes nicht gerecht wurde und
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD), Berichterstatter: daß man mit Schwierigkeiten im Bundesrat rech-
Meine Damen und Herren! Gemäß § 19 des Milch- nen müßte, wenn die Sache an den Bundesrat kom-
uni Fettgesetzes vom 10. Dezember 1952 ist die Bun- men würde. Der Ausschuß hat den Antrag in ein-
desregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung gehender Arbeit entsprechend umgeändert. Im ein-
zur Sicherung der Verwertung von Ölsaaten und zelnen darf ich dazu folgendes bemerken.
Ölfrüchten sowie pflanzlichen und tierischen Ölen Das Programm zur Verbesserung der Agrarstruk-
und Fetten inländischer Erzeugung, mit Ausnahme tur soll dem Bundestag bis spätestens zum 1. Juni
von Butter, die Betriebe der Ölmühlen-, Mar- 1954 vorgelegt werden. Da die von der Regierung
garine- und Speisefettindustrie zu verpflichten, zu ergreifenden Maßnahmen zur Verbesserung der
diese Erzeugnisse in einem dem Verarbeitungsbe- Agrarstruktur nicht nur gesetzlicher Natur zu sein
darf entsprechenden, jeweils festzusetzenden Ver- brauchen, wurde das im FDP-Antrag aufgeführte
hältnis zu den übrigen Rohstoffmengen zu ver- Wort „gesetzlich" gestrichen.
wenden, soweit dies möglich ist, ohne die Preis- Während in Ziffer 1 a des FDP-Antrages gefor-
bildung wesentlich zu beeinflussen. Die Bundes-
dert wird, die Flurbereinigung in einem Zeitraum
regierung hatte auf Grund dieses Paragraphen
von mindestens 10 Jahren durchzuführen, wählte
eine Verordnung über die Beimischung inlän- der Ausschuß die Formulierung „in einem mög-
dischen Rüböls und Feintalgs erlassen, die bis zum
lichst kurzen Zeitraum", da eine zeitliche Begren-
31. Juli 1954 in Kraft ist. Der von Dr. Hor-
zung wegen der Unübersehbarkeit der Verhältnisse
lacher und Genossen gestellte Antrag — Druck-
nicht möglich erschien. Der Ausschuß nahm in
sache 146 - hatte den Zweck, eine Verlängerung
diesem Zusammenhang davon Kenntnis, daß der
bis 30. Juni 1955 zu erwirken.
Etatposten für die Flurbereinigung, der bisher nur
Im Ernährungsausschuß bestand in seiner Sit- einen Erinnerungsposten von 1 Million DM dar-
zung vom 4. Februar 1954 Einmütigkeit darüber, stellte, auf 50 Millionen DM erhöht wurde, aller-
daß die erwähnte Verordnung verlängert werden dings aus Abschöpfungsmitteln, deren Aufkommen
sollte. Der Ausschuß ging sogar über den von aber wohl keinem Risiko ausgesetzt ist, zumal
Dr. Horlacher gestellten Antrag hinaus und be- gestern auch noch der Haushaltsausschuß einen ent-
antragt, wie Sie aus dem Mündlichen- Bericht sprechenden Beschluß gefaßt hat. Im Ausschuß war
— Drucksache 245 — ersehen, zu beschließen, die klar, daß wir beim Etat für die Flurbereinigung
Regierung um eine Verlängerung bis zum 30. Juni auf die Dauer auch mit 50 Millionen DM nicht aus-
1957 zu ersuchen, also um eine Verlängerung von kommen und daß er auf jährlich 100 bis 150 Millio-
drei Jahren, damit wir zu einer größeren Stabilität nen DM erhöht werden muß.
in der Rapsanbaufläche kommen. In der Debatte
im Ausschuß wurde hervorgehoben, daß ein Raps- Im Ausschuß wurde weiter darauf hingewiesen,
mindestpreis von 750 DM je Tonne für erforder- daß mit der Flurbereinigung auch die Dorfauflok-
lich gehalten wird. Gleichzeitig wurde angeregt, kerung in Angriff genommen werden muß. Eine
die Regierung möge bekanntgeben, welche Fläche zwangsweise Koppelung von Flurbereinigung und
bei normaler Ernte für eine 5%ige Beimischung Dorfauflockerung ist aber vom Ausschuß abgelehnt
benötigt wird. Auch der Vertreter des Bundes- worden. Eine besondere Schwierigkeit bei der Flur-
ernährungsministeriums hielt in der Ausschuß- bereinigung bereitet der Mangel an entsprechend
sitzung eine langfristige Verlängerung der oben vorgebildeten Spezialisten, so daß mit Beschleuni-
angegebenen Verordnung für erforderlich. gung an die Ausbildung dieser Spezialisten heran-
Namens des Ausschusses für Ernährung, Land- gegangen werden muß.
wirtschaft und Forsten bitte ich Sie, dem vom Aus- Die in Ziffer 1 b des Antrages geforderte Auf-
schuß in der vorliegenden Fassung einstimmig ge- stockung der zu kleinen bäuerlichen Betriebe muß
billigten Antrag Drucksache 245 zuzustimmen. durch frei werdendes Bodenreformland, Ödland
(Beifall.) oder Land, das der öffentlichen Hand gehört, durch
Kauf oder Pacht erfolgen, weil sie für diese Betriebe
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Aussprache ist lebensnotwendig ist. Zur Durchführung dieser Auf-
nicht vorgesehen. Ich komme zur Abstimmung und stockungen sind aber Darlehen und damit Zins-
bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des verbilligungen notwendig.
Berichterstatters zustimmen wollen, die Hand zu
erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist also be- Nach Ziffer 1 d) legt der Ausschuß Wert darauf,
schlossen. daß der Bund neben der Weiterentwicklung des
ländlichen Bauwesens auch fördernd eingreifen soll.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Da die Bauämter bekanntlich in der Hand der Län-
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- der liegen, kann er hier nur mit Hilfen eingreifen
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und und bei der Dorfauflockerung entsprechend mit-
Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag der wirken.
Fraktion der FDP betreffend Reorganisation Bezüglich der in Ziffer 1 e) erwähnten Agrar-
des Agrarrechts und der Agrarwirtschaft kredite wird vom Ausschuß hervorgehoben, daß
(Drucksachen 251, 79). eine Senkung des derzeitigen Zinsfußes unbedingt
G80 2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954
(Dr. Dr. h. c. Müller)
erforderlich ist. Deshalb sollen auch Mittel für die Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zur Begrün-
Zinsverbilligung bereitgestellt werden. dung des Antrags auf Umdruck 14 hat der Abge-
Das ländliche Bildungswesen wird in dem Aus- ordnete Elsner.
schußantrag zwar auch angesprochen, aber der Aus- Elsner (GB/BHE): Herr Präsident! Meine Damen
schuß betont und unterstreicht, daß für das Bil- und Herren! Ich darf Sie zunächst einmal auf einige
dungswesen die Länder zuständig sind, daß eine Druckfehler in unserem Änderungsantrag hinwei-
größere Einflußnahme des Bundes zu Schwierig- sen. Unter Buchstabe h) Zeile 1 muß es heißen „die
keiten führen würde; es muß nur erstrebt werden, heimatvertriebenen Bauern" und nicht „die heimat-
daß die vom Bund gegebenen Mittel nach einheit- ertriebenen Bauern". In Zeile 2 muß es heißen „in
lichen Richtlinien verwandt werden. weitestgehendem Umfange einzugliedern" und
Die in Ziffer 1 g) angesprochene wasserwirt- nicht „anzugliedern".
schaftliche Frage hat zu längeren Auseinanderset-
zungen geführt. Zur Zeit wird die Wasserwirtschaft Das Ziel jeder Agrarpolitik ist die Erhaltung und
im Bund folgendermaßen bearbeitet: vom Innen- Stärkung des Bauerntums. Zum deutschen Bauern
minister die Hygiene, vom Verkehrsminister die tum gehören auch die heimatvertriebenen Bauern.
Wasserstraßen, vom Wirtschaftsministerium die Die Substanz dieser heimatvertriebenen Bauern
Industriewasserversorgung und vom Ministerium muß weitgehend erhalten bleiben, wenn nicht das
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die deutsche Bauerntum in seiner Gesamtheit nicht
landwirtschaftliche Wasserversorgung. Die Feder- wiedergutzumachenden Schaden erleiden soll. Des-
führung geht in jedem Jahr auf eines dieser vier halb darf diese vordringliche Aufgabe bei der Neu-
Ministerien über. Der Ausschuß hat beschlossen, zu ordnung der deutschen Agrarwirtschaft nicht ver-
empfehlen, die Federführung für die Wasserwirt- gessen werden, und keine agrarpolitische Maß-
schaft dauernd in die Hand des Ministers für Er- nahme darf der Erfüllung dieser bedeutsamen Auf-
nährung, Landwirtschaft und Forsten zu legen. gabe hinderlich sein. Auch der Herr Bundeskanzler
hat in seiner Regierungserklärung die Erhaltung
Ich bitte Sie, diese Beschlüsse, die in der Druck- der Lebenskraft des ost- und mitteldeutschen
sache 251 niedergelegt sind, anzunehmen. Bauern als eine Hauptvoraussetzung für den Er-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu diesem Punkt der folg seiner auf Einheit und Freiheit Deutschlands
Tagesordnung sind zwei Änderungsanträge gestellt. gerichteten Politik bezeichnet.
Wird zu ihrer Begründung das Wort gewünscht? Um die Tragweite und Bedeutung dieser Auf-
— Herr Abgeordneter Eickhoff zum Umdruck 15! gabe klar herauszustellen, ist es notwendig, sie in
ein paar knappen Zahlen zusammenzufassen. Nach
Eickhoff (DP): Herr Präsident! Meine Damen und den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes
Herren! Herr Dr. Dr. Müller hat eben schon darauf befinden sich in der Bundesrepublik 320 000 ehe-
hingewiesen, daß im Ausschuß gerade über die mals selbständige ostvertriebene Bauern und Land-
wasserwirtschaftlichen Fragen lange gesprochen wirte mit ihren Familien. Diese Zahl hat sich durch
-
worden ist. Er hat betont, es solle eine dauernde den Zustrom der Bauern aus der Sowjetzone auf
Regelung dahin getroffen werden, daß der Minister 400 000 Familien erhöht. Sie repräsentieren rund
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten feder- 2 Millionen Menschen. Hierbei sind die unselbstän-
führend für wasserwirtschaftliche Fragen einge- digen Landwirte, Landarbeiter und Landhandwer-
setzt wird. ker noch nicht erfaßt. Die Kopfzahl dieser weiteren
Gruppe dürfte sich auf schätzungsweise 2 Millionen
Der Antrag der FDP fordert unter Punkt 3, „die belaufen. Insgesamt also umfaßt das ostvertriebene
Wasserwirtschaft bundeseinheitlich zu regeln unter Landvolk über 4 Millionen Menschen, das sind
Berücksichtigung auch der landwirtschaftlichen Be- rund 40% aller Vertriebenen.
lange". Das ist von uns unbedingt zu unterstützen.
Wenn aber der Ausschuß dann über diese Forde- Hieraus ergibt sich die außerordentliche Trag-
rung hinausgeht und beantragt, die wasserwirt- weite und Bedeutung der anstehenden Aufgaben
schaftlichen Fragen im Bund beim Bundesministe- und zugleich auch die Verantwortung von Regie-
rium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten rung und Parlament. Diese bäuerliche Substanz, so-
zusammenzufassen, ihm die Federführung zu geben weit ihre Träger noch nicht berufsfremd geworden
und den Verwaltungsaufbau betreffend Wasser- und noch eingliederungswillig sind, zu erhalten und
wirtschaft in den Ländern zu koordinieren, dann einzugliedern, muß vordringliche Aufgabe in einem
geht das unseres Erachtens zu weit, weil eben die Programm zur Neuordnung der Agrarwirtschaft
anderen interessierten Ausschüsse, insbesondere sein.
der Ausschuß für Wirtschaftspolitik und der Aus- (Sehr richtig! beim GB/BHE.)
schuß für Verkehr, zu diesen Fragen bisher nicht Aus staatspolitischen Erwägungen kann es nicht
gehört worden sind. hingenommen werden, daß noch weitere wertvolle
Aus diesem Grunde haben wir den Änderungs- Teile der heimatvertriebenen Bauern berufsfremd
antrag gestellt, Ziffer 1 Buchstabe g) des Ausschuß- werden.
antrages auszuklammern und diese Sache noch ein- Von den rund 400 000 ehemals selbständigen
mal an den Ausschuß für Ernährung, Landwirt- Bauern- und Landwirtsfamilien wurden bisher ins-
schaft und Forsten — federführend — und zur Mit- gesamt nur 45000 Familien eingegliedert. davon ein
beratung an die Ausschüsse für Verkehrswesen und Drittel auf Vollerwerbsstellen und zwei Drittel auf
für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Wir stehen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. Land-
auf dem Standpunkt, daß diese beiden Ausschüsse arbeiterstellen und Landhandwerkerstellen, und
unbedingt gehört werden müssen und mitberaten zwar auf dem Kauf- und Pachtwege. Die durch-
müssen, weil wasserwirtschaftliche Aufgaben sehr schnittliche Eingliederungszahl beträgt nach den
stark in das Aufgabengebiet dieser Ausschüsse fal- bisherigen Ergebnissen etwa rund l0 000 pro Jahr.
len. Aus dem Grunde bitte ich Sie, unserem Ände- Nach den Erhebungen der Siedlerberatungsstellen
rungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. in den Ländern sind noch etwa 160 000 Familien
2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954 681
(Elsner)
eingliederungswillig; 190- bis 200 000 Familien sind Ich stelle daher den Antrag, über die einzelnen
entweder berufsfremd geworden, überaltert oder Buchstaben und Ziffern getrennt abzustimmen.
nicht mehr eingliederungsfähig. Um 160 000 Fami-
(Beifall beim GB/BHE.)
lien einzugliedern, würden wir bei dem bisheri-
gen Tempo 16 Jahre benötigen. Das hätte zur Folge, Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
daß der größte Teil der Eingliederungswilligen in geordnete Kriedemann.
seinem Nachwuchs berufsfremd würde.
Kriedemann (SPD): Herr Präsident! Meine Da-
Daraus geht hervor, daß diese Aufgabe unter men und Herren! Ich bin zwar weder für den
einem gefährlichen Zeitdruck steht. Es muß daher Antrag der FDP verantwortlich noch für die Sied-
versucht werden, das Tempo der bäuerlichen Ein- lungspolitik der Bundesregierung, aber ich würde
gliederung so zu verstärken, daß diese Aufgabe es bedauern, wenn aus dem, was wir eben gehört
in sechs bis acht Jahren gelöst werden kann. Eine haben, der Eindruck entstünde, wir hätten bis auf
Verzögerung über den genannten Zeitraum hinaus den heutigen Tag, also bis zum Zeitpunkt der Vor-
würde allerschwerste Verluste an bäuerlicher Sub- lage dieses Antrags gewartet, uns mit der Einglie-
stanz mit sich bringen. Was nützt uns dann, meine derung der heimatvertriebenen Bauern zu be-
Damen und Herren, die Rückgewinnung des deut- schäftigen.
schen Ostens, wenn das Landvolk fehlt, wenn es
(Zuruf vom GB/BHE: Hat ja niemand
berufsfremd geworden ist und niemand mehr dort
behauptet!)
den Pflug führen will! Bauer zu sein ist nicht ein
Beruf wie irgendein anderer, sondern das Bauern — Es könnte aber der Eindruck entstehen. Des-
tum ist eine Lebensform, in die man hineinwächst. halb gestatten Sie mir den Hinweis, daß sich schon
Geht sie infolge Berufsentfremdung verloren, so ist der erste Bundestag sehr ausgiebig mit diesem Pro-
sie meist endgültig dahin. Deshalb müssen die Auf- blem befaßt hat und daß im Flüchtlingssiedlungs-
gaben rasch und durchgreifend angepackt werden. gesetz, im Zusammenhang mit dem Lastenaus-
gleichsgesetz sehr wirkungsvolle Maßnahmen dafür
Der Herr Bundesminister für Vertriebene hat vorgesehen sind. Wem die dort zur Verfügung ge-
einen Zweijahresplan zur Eingliederung der heimat- stellten Mittel nicht genügen, der kann nicht solche
vertriebenen Bauern aufgestellt, der ganz im Sinne Anträge stellen, sondern sollte sich einmal über-
der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers liegt und legen, ob er nicht vielleicht die Bodenreformgesetz-
die Zustimmung des Kabinetts gefunden hat. Nach gebung ändern sollte; denn zur Eingliederung ge-
diesem Plan sollen jährlich 20 000 Bauernfamilien hört auch Land, und zu verstärkter Eingliederung
eingegliedert werden. gehört eben mehr Land. Man sollte sich dann ins-
(Abg. Kunze [Bethell: Das ist doch nichts besondere klarmachen, daß man im Haushalt
Neues!) — und das gilt für eine Regierungskoalitionspartei
natürlich in hervorragendem Maße — mehr Mittel
Das ist das Doppelte der bisherigen Eingliederung.
für die Eingliederung zur Verfügung stellen
Der Plan kann nach Auffassung der einschlägigen
müßte.
Fachleute bei gutem Willen aller Beteiligten
- ver-
(Beifall bei der SPD.)
wirklicht werden. Wenn dieses Tempo gehalten
oder womöglich noch verstärkt wird, so ist die Auf- Darauf kommt es nämlich an und nicht auf irgend-
gabe, die heimatvertriebenen Bauern einzugliedern, welche Appelle an die einheimische Landwirt-
in sechs bis acht Jahren zu lösen. Zum Gelingen schaft.
dieser entscheidenden Aufgabe sollten alle Kräfte Der Ausschuß hat meiner Ansicht nach gar keine
aus Politik, Verwaltung und berufsständischen Veranlassung gehabt, in dem Programm, das die
Organisationen sinnvoll zusammengefaßt werden FDP vorgelegt hat, auch noch die Heimatvertrie-
und zum Einsatz kommen. Im besonderen geht benen zu erwähnen. Meine Fraktion hat jedoch
hierbei mein Appell an die einheimische Landwirt- keine Bedenken, der unter Buchstaben h vorge-
schaft; ohne ihre positive Mitarbeit und ihren schlagenen Fassung zuzustimmen. Aber ich glaube,
guten Willen ist diese Frage nicht zu lösen. es sollte doch vor diesem Hause und vor der Öffent-
Im Hinblick auf die Bedeutung und Tragweite lichkeit darauf aufmerksam gemacht werden, daß
der anstehenden Aufgabe und aus der Erkenntnis, wir uns heute nicht zum erstenmal mit dieser An-
daß zur Beschleunigung der Durchführung nicht nur gelegenheit befaßt haben. Hoffentlich haben wir
erhöhte Haushaltsmittel, sondern auch die Land- hier Gelegenheit, von Ihnen eine wirkungsvollere
beschaffung und die Vereinfachung der verwal- Ergänzung zu hören, als wir sie hierin sehen kön-
tungsmäßigen Durchführung gehören, vertritt nen, z. B. einen Antrag auf mehr Geld!
meine Fraktion den Standpunkt, daß diese Auf- (Beifall bei der SPD.)
gabe in einem Programm, das der Neuordnung der
Agrarwirtschaft dienen soll, unter keinen Umstän- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
den fehlen darf. geordnete Drechsel.
Die Punkte a bis g bzw. 1-7 der Drucksachen 251 Dr.-Ing. Drechsel (FDP): Herr Präsident! Meine
und 79 sind ausführlich behandelt worden, so daß Damen und Herren! Meine Fraktion schließt sich
ich darauf verzichten kann, erneut darauf einzu- dem Änderungsantrag des BHE, nach dem die Vor-
gehen. Meine Fraktion stimmt den Punkten von lage durch den Punkt h ergänzt werden soll, an.
a bis f uneingeschränkt zu, während sie dem Im übrigen möchte ich aber noch einmal auf den
Punkt g ihre Zustimmung nicht geben kann, weil Änderungsantrag der DP zurückkommen, den
sie den Standpunkt vertritt, daß die Frage der Punkt g auch an den Ausschuß für Verkehrswesen
Federführung für die Wasserwirtschaft zumindest und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu über-
im Verkehrsausschuß und im Wirtschaftsausschuß weisen. Es besteht gar kein Zweifel, daß in naher
mitberaten werden sollte; ja, meine Fraktion ver- und fernerer Zukunft der Frage des Wasserhaus-
tritt die Auffassung, daß es sachlich richtig wäre, halts der Bundesrepublik eine überragende Bedeu-
die Federführung bei dem Bundesverkehrsministe- tung zukommen wird. Dabei überschneiden sich
rium zu belassen. die gesetzgeberischen Zuständigkeiten des Bundes
682 2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954

(Dr. Drechsel)
und der Länder, die hinsichtlich des Wasserrechts Etats des Bundesernährungsministeriums feststel-
und der Wasserwirtschaft unbedingt einmal aus- len müssen, daß dort vorgesehen war, nicht uner-
geglichen werden sollten. Es erscheint notwendig, hebliche Mittel für die Bewältigung dieser Auf-
daß der Bundestag Rahmenvorschriften beschließt. gaben — vor allen Dingen der Flurbereinigung und
Wir beantragen deshalb zur Klärung dieser Frage anderer technischer Dinge — aus den Abschöp-
gleichzeitig auch die Überweisung an den Ausschuß fungsmitteln zu nehmen. Wir sind der Meinung,
für Rechtswesen und Verfassungsrecht. daß das grundsätzlich falsch ist und daß zumindest
im kommenden Etat derartige Mittel aus dem
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- ordentlichen Etat genommen werden sollten. Denn
geordnete Hepp. es handelt sich doch schließlich nicht nur um vor-
übergehende Maßnahmen, die aus nun einmal zeit-
Hepp (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und weilig vorhandenen Mitteln, Abschöpfungsmitteln,
Herren! Auf der Tagesordnung steht eine Reihe finanziert werden können, sondern es handelt sich
wichtiger landwirtschaftlicher Fragen, auch Dinge, um eine Aufgabe, deren Bewältigung eine ganze
die die Interessen eines wichtigen Berufsstandes, Reihe von Jahren in Anspruch nehmen wird und
des Obst und Gartenbaues, berühren. Immerhin
- die auch von einer so eminenten Bedeutung ist,
handelt es sich um Lebensfragen für unser Volk, daß man die Mittel hierfür aus dem ordentlichen
ja, wenn Sie sich die Menschen ansehen, die dort Haushalt nehmen sollte.
arbeiten, dann muß man sogar sagen: um die Sub- (Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Das hat doch
stanz unseres Volkes. Wenn ich mir bei dieser Ge- alles mit dem Änderungsantrag nichts zu
legenheit einen Blick auf die Regierungsbank er- tun! — Abg. Kriedemann: Das gehört in
lauben darf, so muß ich zu meinem Bedauern fest- die Haushaltsdebatte, was Sie da vor-
stellen, daß sich diese schließlich nicht ganz un- tragen!)
wichtige Erörterung in Abwesenheit sämtlicher — Ich muß trotzdem bei dieser Gelegenheit, Herr
Minister vollzieht, Kollege Kriedemann, da der Ausschußbericht die
(Zuruf von der CDU/CSU: Kabinetts Frage der Mittel behandelt hat, darauf aufmerk-
sitzung!) sam machen; wir kommen im übrigen bei der Be-
und das muß man doch mit einem leisen Kopf- handlung des Haushalts auf diese Frage zurück.
schütteln ansehen. Wir wissen ja, daß der Herr Ich möchte aber zum Schluß nicht verfehlen,
Staatssekretär in Urlaub ist, und wir gönnen ihm auf eines hinzuweisen. Wir sind uns völlig darüber
den Urlaub. Es ist auch bekannt, daß der Herr im klaren — ich habe das auch schon im Ausschuß
Bundesernährungsminister krank geworden ist. zum Ausdruck gebracht —, daß es sich hier um
Wir möchten wünschen, daß er recht bald wieder Maßnahmen handelt, die nur auf lange Sicht ge-
gesund wird. Denn wir wissen ja, wie eine Agrar- plant sind und nur in einer ganzen Reihe von Jah-
politik unter dem Zustand leiden kann, der im ren wirksam werden können. Wir wissen, daß die
ersten Kabinett Adenauer bedauerlicherweise zu Durchführung der Flurbereinigung neben a ll —

verzeichnen gewesen ist, daß nämlich der Bundes- demanr—isthe15b20Jar


minister beinahe chronisch krank war. Wir - haben braucht. Ich habe vor kurzem eine Äußerung des
also den dringenden Wunsch, daß der Herr Bun- Bundeswirtschaftsministers zu diesen Fragen der
desernährungsminister recht bald wiederhergestellt Agrarpolitik gehört. Wenn der Bundeswirtschafts-
wird und im Plenum seine Agrarpolitik vertreten minister es ablehnt, auf dem Gebiet der Preispoli-
kann bzw. das anzuhören vermag, was wir ihm zu tik über Indizes usw. die Dinge in der Landwirt-
sagen haben. schaft in Ordnung zu bringen, und etwa glauben
Der hier vorliegende Mündliche Bericht des Er- sollte, daß diese Fragen auf dem Wege über die
nährungsausschusses geht auf einen Antrag der Flurbereinigung und mit ähnlichen Mitteln zu
Freien Demokraten zurück. Ich muß eigentlich zu lösen seien, so ist das wohl ein Irrtum, auf den ich
unserer Freude feststellen, daß der Ausschuß in schon jetzt aufmerksam machen will.
weitestgehendem Maße den Inhalt dieses Antrags (Zurufe von der CDU/CSU): Zur Sache!
gebilligt hat. Es sind einige Punkte vorhanden, bei — Das hat nichts mit den Anträgen zu tun!)
denen wir unser Bedauern ausdrücken müssen, daß — Verzeihung, darf ich das zu Ende führen! -
man nicht unseren Spuren gefolgt ist. Das betrifft Es handelt sich um eine ganz akute Gefahr in der
die Behandlung der wasserwirtschaftlichen Fragen. Landwirtschaft, die beseitigt werden muß. In die-
Dazu möchte ich etwas sagen. Ich glaube, daß diese sem Hause ist vor kurzem noch über die Disparität
Fragen in der kommenden Zeit eine außerordent- gesprochen worden, die sich bedauerlicherweise
lich wichtige Rolle spielen werden, und zwar gilt nicht vermindert, sondern noch weiter verstärkt
das nicht nur im Hinblick auf die Bedürfnisse der hat.
Industrie, sondern auch der Landwirtschaft und Ich komme zum Schluß. Durch dieses Programm
anderer wichtiger Gruppen unseres Wirtschafts- kann der derzeitige Zustand einer offenen Agrar-
lebens. Wir sind aber der Meinung, daß so wichtige krise nicht beseitigt werden. Der Bundesernäh-
Fragen doch einer zentralen Behandlung unter- rungsminister muß es sich angelegen sein lassen,
worfen werden sollen, daß hier föderative Beden- auch auf dem Gebiete der Preispolitik die Dinge
ken wirklich nicht am Platze sind und daß man in so zu ordnen, daß man von wirklich gesunden
diesen wirtschaftlichen Fragen die Dinge mit einer Verhältnissen in diesem Berufsstand sprechen
starken Betonung des Bundescharakters anpacken kann.
sollte. Insofern können wir den Überlegungen des (Beifall rechts.)
Kollegen Dr. Müller nicht zustimmen. Wir be-
dauern, daß in diesem Sinne der Ausschuß eine Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
Änderung vorgenommen hat. geordnete Naegel.
Der Antrag verweist in seinem letzten Punkt Naegel (CDU/CSU): Meine Damen und Herren,
auch auf die Mittel, die erforderlich sind, um die nur ganz kurz. Es ist beantragt worden, die Frage
verlangten Maßnahmen durchzuführen. Wir haben der Wasserwirtschaft noch einmal zur Beratung
im Ernährungsausschuß bei der Behandlung des an die Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft
2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954 683
(Naegel)
und Forsten, für Wirtschaftspolitik und für Ver- Nr. 1 Buchst. g des Ausschußantrags ... wird
kehr zurückzuverweisen. Ich bin der Meinung, wir ausgeklammert und dem Ausschuß für Ernäh-
sollten in Anbetracht der Tatsache, daß vier Mini- rung, Landwirtschaft und Forsten — feder-
sterien daran beteiligt waren, entsprechend der führend —, den Ausschüssen für Verkehrs-
bisherigen Übung auch noch den Ausschuß für An- wesen und für Wirtschaftspolitik zur Mitbera-
gelegenheiten der inneren Verwaltung heranzie- tung überwiesen.
hen. Ich glaube, das wäre der Gerechtigkeit wegen Es ist weiter beantragt worden, diesen Antrag dem
wichtig. Ich bitte, den Antrag so zu verstehen. Rechtsausschuß und dem Ausschuß für innere Ver-
waltung zu überweisen. Gegen sämtliche Ü berwei-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- sungsanträge erhebt sich kein Widerspruch. —
geordnete Dr. Dr. Müller (Bonn). Dann ist also so beschlossen.
Weiter liegt ein Änderungsantrag der Fraktion
Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU/CSU): Herr Präsi- des Gesamtdeutschen Blocks/BHE auf Umdruck 14
dent! Meine Damen und Herren! Ich will die De- vor:
batte nicht noch verlängern. Aber ich möchte dem
Herrn Kollegen Hepp eine kleine Belehrung Der Bundestag wolle beschließen:
geben. Herr Kollege Hepp hat gesagt, daß er Der Nr. 1 des Ausschußantrags ... wird der
meinen Ausführungen nicht zustimmen könne. folgende Buchstabe h angefügt:
Herr Kollege Hepp, ich darf ergebenst bemerken,
daß ich zu diesen Dingen nicht meine persönliche die heimatvertriebenen Bauern beschleu-
Meinung ausgesprochen, sondern das berichtet nigt und in weitestgehendem Umfange
habe, was der Ausschuß beschlossen hat. einzugliedern und damit auch diesen Teil
des deutschen Bauerntums in seiner Sub-
(Abg. Sabel: Das hat er noch nicht gemerkt!) stanz zu erhalten.
Und dann: Sie packen hier den Minister für Er- Der Abgeordnete Dr. Dr. Müller beantragt, diesen
nährung, Landwirtschaft und Forsten, weil er zu- Änderungsantrag dem Ausschuß für Ernährung,
fällig nicht da ist, und versuchen, im Zusammen- Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Die-
hang mit diesen Dingen plötzlich eine große agrar- ser Antrag geht vor. Ich bitte diejenigen Damen
politische Debatte heraufzubeschwören. Das hätten und Herren, die dem Antrag auf Ausschußüberwei-
Sie früher machen sollen; oder machen Sie es sung zustimmen wollen, die Hand zu erheben. —
nächstens, wenn der Etat des Herrn Ministers für Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorge-
tragen wird, aber nicht bei dieser Gelegenheit. Dann habe ich noch über die Ziffer 2 der Druck-
Hiermit hat diese Sache gar nichts zu tun. sache 251 abzustimmen. Wer ihr zustimmt, den
bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die
(Sehr richtig! in der Mitte.) Mehrheit.
Gestatten Sie mir, Herr Präsident, zu beantra- Ich darf über den Gesamtantrag auf Drucksache
gen, daß der Antrag, der vom BHE gestellt worden 251 abstimmen. Wer dem Antrag insgesamt zu-
ist, ebenfalls dem Ausschuß für Ernährung, Land- stimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich
wirtschaft und Forsten überwiesen und dann in bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ein-
diese ganze Sache eingearbeitet wird. stimmig angenommen.
(Beifall in der Mitte.) Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesord-
nung. Ich darf Sie jedoch noch einige Augenblicke
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Der Ausschuß für
Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Wir kommen Ernährung, Landwirtschaft und Forsten tagt bereits
zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 251. um 11.30 Uhr, nicht erst um 15 Uhr. Der Vorsit-
Von Herrn Abgeordneten Elsner und — schätzungs- zende des Ausschusses für Wirtschaftspolitik bittet,
weise — seiner Fraktion ist beantragt worden, über bei Schluß der Plenarsitzung bekanntzugeben, daß
die einzelnen Ziffern getrennt abzustimmen. Ich die für 15 Uhr vorgesehene Sitzung des Ausschus-
möchte das doch so verstanden wissen, daß wir ses für Wirtschaftspolitik mit Rücksicht auf den
über Ziffer 1 Buchstaben a bis f zusammen abstim- vorzeitigen Schluß der Plenarsitzung bereits um
men und das folgende getrennt vornehmen. Ein- 14 Uhr beginnt. Auch die Sitzung des Haushalts-
verstanden? ausschusses beginnt um 14 Uhr.
(Zustimmung.)
Die nächste Fragestunde ist am Donnerstag, dem
— Dann darf ich also über die Drucksache 251 Zif- 8. April, 9 Uhr. Sperrfrist für eingehende Fragen:
fer 1 Buchstaben a, — b, — c, — d, — e und f Donnerstag, der 1. April, 12 Uhr.
abstimmen lassen. Wer zustimmen will, den bitte
ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Ge- Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste,
genprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig ange- die 20. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Frei-
nommen. tag, den 19. März 1954, 9 Uhr, ein und schließe die
Ich komme zu Buchstabe g. Hierzu liegt auf Um- 19. Sitzung des Deutschen Bundestags.
druck 15 ein Änderungsantrag der Fraktion der
Deutschen Partei vor, der lautet: (Schluß der Sitzung: 11 Uhr 16 Minuten.)
684 2. Deutscher Bundestag - 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954

Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 19. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion des GB/BHE

(Umdruck 14)

zur Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung,


Landwirtschaft und Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag
der Fraktion der FDP betreffend
Reorganisation des Agrarrechts und der Agrarwirtschaft

(Drucksachen 251, 79)

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Nr. 1 des Ausschußantrags — Drucksache


251 — wird der folgende Buchstabe h angefügt:
h) die heimatvertriebenen Bauern beschleu-
nigt und in weitestgehendem Umfange an-
zugliedern und damit auch diesen Teil des
deutschen Bauerntums in seiner Substanz
zu erhalten;
In Nr. 2 sind die Worte „Nr. 1 Buchst. a
bis g" zu ändern in „Nr. 1 Buchst. a bis h".

Bonn, den 11. März 1954

Haasler und Fraktion


2. Deutscher Bundestag — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. März 1954

Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 19. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion der DP

(Umdruck 15)

zur Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung,


Landwirtschaft und Forsten (26. Ausschuß) über den Antrag
der Fraktion der FDP betreffend
Reorganisation des Agrarrechts und der Agrarwirschaft

(Drucksachen 251, 79)

Der Bundestag wolle beschließen:

Nr. 1 Buchstabe g des Ausschußantrages —


Drucksache 251 — wird ausgeklammert und
dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten — federführend —, den Aus-
schüssen für Verkehrswesen und für Wirt-
schaftspolitik zur Mitberatung überwiesen.

Bonn, den 11. März 1954

Schneider (Bremerhaven)
Dr. von Merkatz und Fraktion
Rümmele

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