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Dr. Horlacher u. Gen. betr. Stützung des rechts (Drucksachen 118, 66) 195 D
Milchpreises (Drucksache 61) 177 B
Dr. Horlacher (CSU) 177 B Kurlbaum (SPD), Berichterstatter . 196 A
Präsident D. Dr. Ehlers 180 B Schmücker (CDU) 196 C, 208 A
Dr. h. c. Lübke, Bundesminister Dr. Bucher (FDP) 197 B
für Ernährung, Landwirtschaft und Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU) . . . 199 B
Forsten 180 B Dr. Elbrächter (DP) 200 B
Dannemann (FDP) 182 C Schuler (CDU) 201 C
Kriedemann (SPD) 184 D Krammig (CDU) 201 D
Bauknecht (CDU) 187 C Frau Strobel (SPD) 202 D
Samwer (GB/BHE) 203 C
Überweisung an den Ausschuß für Ernäh Stücklen (CSU) 203 D
rung, Landwirtschaft und Forsten . . . 195 B Becker (Hamburg) (DP) 204 D
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU) . 205 C
der FDP betr. Preis und Lohn in der Kriedemann (SPD) 205 D
Landwirtschaft (Drucksache 63) 188 C Weyer (FDP) 206 B
174 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
Dr. Horlacher (CSU) 206 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
Mensing (CDU) 207 C eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs
(Drucksache 90); Mündlicher Bericht des
Namentliche Abstimmung über Art. 1 der Ausschusses für Außenhandelsfragen
Ausschußbeschlüsse Drucksache 117 . 208 C, (Drucksachen 119, 50, 58) 217 D
232 Dr. Serres (CDU), Berichterstatter . 218 A
Abstimmungen 208 D Beschlußfassung 218 B
Unterbrechung der Sitzung . . 209 B
Zweite Beratung des von der Fraktion der
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur vorläufigen Durchführung von wirt- zur Änderung des Einkommensteuerge-
schaftlichen Verträgen mit ausländischen setzes (Drucksache 33); Mündlicher Bericht
Staaten (Drucksache 77) 209 B des Ausschusses für Finanz- und Steuer-
Überweisung an die Ausschüsse für Außen fragen (Drucksache 110, Umdruck 5) 218 C, 237
handelsfragen und für Rechtswesen und Dr. Lindrath (CDU), Berichterstatter 218 D
Verfassungsrecht 209 B Dr. Miessner (FDP), Antragsteller . . 219 D
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs Dr. Gülich (SPD) 221 C
eines Gesetzes über das Meistbegünstigungs- Pelster (CDU) 223 B
abkommen vom 31. Oktober 1952 zwischen Abstimmungen 224 C
der Bundesrepublik Deutschland und der
Republik El Salvador (Drucksache 48); Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Mündlicher Bericht des Ausschusses für über die Lastenausgleichsbank (Bank für
Außenhandelsfragen (Drucksache 120) . . 209 B Vertriebene und Geschädigte) (Drucksache
Dr. Oesterle (CSU), Berichterstatter . 209 C 86) 225 A
Beschlußfassung 209 C Dr. Oberländer, Bundesminister
für Vertriebene 225 A
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs Dr. Henn (FDP) 226 A
eines Gesetzes über den Handelsvertrag Seuffert (SPD)
vom 18. April 1953 zwischen der Bundes- -226 B
Dr. Atzenroth (FDP) 226 D
republik Deutschland und der Republik Überweisung an die Ausschüsse für Geld
Uruguay (Drucksache 73); Mündlicher Be- und Kredit und für den Lastenausgleich 227 A
richt des Ausschusses für Außenhandels-
fragen (Drucksache 122) 209 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Dr. Oesterle (CSU), Berichterstatter 209 D
über die Regelung der Beziehungen zwi-
Beschlußfassung 210 A schen Ärzten, Zahnärzten und Kranken-
I Beratung des Mündlichen Berichts des Haus- kassen (Kassenarztrecht) (Drucksache 87) . 227 A
haltsausschusses über den Antrag der Frak- Dr. Hammer (FDP) 227 A
tion der SPD betr. Weihnachtszuwendun- Horn (CDU) 227 B
gen für Bundesbedienstete (Drucksachen Dr. Arndt (SPD) . . . 227 B
137, 103, Umdruck 6) 210 B, 237 Überweisung an die Ausschüsse für Sozial-
Arndgen (CDU), Berichterstatter . . 210 B politik, für Fragen des Gesundheitsw sens
Böhm (Düsseldorf) (SPD) 211 A und an den Rechtsausschuß . . . . 227 A, C
Dr. Kleindinst (CSU) 212 B
Dr. Keller (GB/BHE) 213 A Erste Beratung des von der Fraktion der FDP
Annahme des Ausschußantrags Drucksache eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
214 B Ergänzung des Schwerbeschädigtengesetzes
137
(Drucksache 96) 227 C
Abstimmung über Antrag Umdruck 6 214 C, 217 B Dr. Atzenroth (FDP), Antragsteller . 227D,
Zur Geschäftsordnung betr. Wiederholung 230 B
der Abstimmung: Rasch (SPD) 228 B
Dr. Krone (CDU) 214 D Frau Dr. Probst (CDU) 229 C
Dr. Menzel (SPD) 215 A Überweisung an den Ausschuß für Kriegs-
Dr. Mende (FDP) 215 B opfer- und Heimkehrerfragen 230 C
Ritzel (SPD) . . . . 215 C, 216 B, D, 217 A
Vizepräsident Dr. Jaeger 215 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Haasler (GB/BHE) 216 B zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen
D. Dr. Ehlers (CDU) 216 C Abwanderung aus dem Gebiet der Bundes-
Dr. Schneider (Lollar) (FDP) 216 D republik (Drucksache 76) 230 C
Erste Beratung des vom Bundesrat einge- Dr. Schröder, Bundesminister des
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- Innern 230 D
derung des Gesetzes der Freien Hansestadt Überweisung an den Ausschuß für Kultur-
Bremen über Wirtschaftsprüfer, Bücher- politik 230 D
revisoren und Steuerberater (Drucksache
84) 217 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
Überweisung an den Ausschuß für Finanz- eines Gesetzes über den Beitritt der Bun-
und Steuerfragen 217 C desrepublik Deutschland zum Internatio-
nalen Schiffssicherheitsvertrag London
Wahl von deutschen Mitgliedern der Gemein- 1948 (Drucksache 89); Schriftlicher Bericht
samen Versammlung der Europäischen Ge- des Ausschusses für Verkehrswesen (Druck-
meinschaft für Kohle und Stahl . . 177 A, 217 C sache 136) 231 A
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 175
Kuribaum (SPD), Berichterstatter: Herr Präsi- Ich habe Ihnen die Annahme beider Mündlichen
dent! Meine Damen und Herren! Der Antrag Druck- Berichte, Drucksachen 117 und 118, im Namen des
sache 51 betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Ausschusses für Wirtschaftspolitik zu empfehlen.
Verlängerung des Gesetzes über die einstweilige (Beifall.)
Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes
betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen- Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn
schaften wurde in der 7. Plenarsitzung am 3. De- Berichterstatter.
zember dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß feder-
führend und dem Ausschuß für Sonderfragen des Wir treten in die zweite Beratung des Entwurfs
Mittelstandes mitberatend überwiesen. Der Aus- ein. Ich rufe auf Art. 1. — Das Wort hat der Ab-
schuß für Wirtschaftspolitik hat am 4. Dezember geordnete Schmücker.
diese Vorlage beraten.
Schmücker (CDU): Herr Präsident! Meine Damen
Der wesentliche Inhalt der Vorlage ist der Antrag: und Herren! Der Punkt 10 a ist fraglos prächtig
Der Bundestag möge beschließen, den § 1 des Ge- dazu geeignet, hier ein Streitgespräch mit aller
setzes über die einstweilige Außerkraftsetzung Leidenschaft heraufzubeschwören. Wenn man an
von Vorschriften des Gesetzes betreffend die all die vielen Briefe, Drucksachen und auch Tele-
Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom gramme der letzten Tage denkt, könnte man an-
27. Dezember 1951 zu verlängern, und zwar nehmen, daß eine solche Debatte sogar unvermeid-
bis zum 31. Dezember 1954. Materiell handelt es bar wäre. Aber wie wir uns heute entscheiden, die
sich dabei um die Verlängerung der Außerkraft- eigentliche Debatte kommt ja erst, und darum,
setzung von Vorschriften des Gesetzes betreffend meine ich, wäre es durchaus möglich, in aller Ruhe
die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die hier anstehenden Fragen zu besprechen. Ich will
durch die den Konsumvereinen der Verkauf an damit keineswegs die Beratung bagatellisieren;
Nichtmitglieder verboten wurde, und um die Außer- doch möchte ich mich auch gegen eine Überspitzung
kraftsetzung von den dazugehörigen Strafbestim- wenden. Die endgültige Beratung wird ja, wie ich
mungen. sagte, erst kommen, und damit wird auch die end-
Zu beginn der Beratung im Wirtschaftsausschuß gültige Entscheidung fallen.
wurde beschlossen, die Diskussion nicht auf den Ich weiß, daß es das Bestreben einer Mehrheit -
materiellen Inhalt des derzeit für die Genossen- dieses Hauses ist, echten Wettbewerb allüberall zu
schaften gültigen Rechts auszudehnen. Die Mehr- schaffen. Diesen echten Wettbewerb gilt es, auch in
heit des Ausschusses entschied sich für die Verlän- der Konkurrenz zwischen den Konsumgenossen-
gerung der Frist, weil man einen Vorentscheid über schaften und den Einzelhandelsunternehmen herzu-
den materiellen Inhalt der gesetzlichen Bestim- stellen. Ich bin der Meinung, daß gegenwärtig der
mungen nicht wollte. Man entschied sich aus dem Wettbewerb zwischen „Konsum" und Handel recht
,gleichen Grund aber auch für eine möglichst kurze erheblich gestört ist. Der „Konsum" erhielt als
Verlängerung der Frist, nämlich nur soweit sie für Wiedergutmachungsmaßnahme das Recht des Ver
die Einbringung und Beratung eines neuen Ge- kaufs an Nichtmitglieder. Er erhielt dieses Recht
setzes zur Regelung des Genossenschaftsrechts er- ohne steuerliche Konsequenzen, und darauf kommt
forderlich ist. Dementsprechend beschloß die Mehr- es an.
heit des Ausschusses für Wirtschaftspolitik eine (Sehr richtig! in der Mitte.)
Änderung der Drucksache 51; sie liegt Ihnen in der Die Frage, ob Nichtmitgliedergeschäft oder Mit-
Drucksache 117 vor. Dieser Beschluß wurde mit gliedergeschäft, ist für sich belanglos; man muß
einer Stimmenmehrheit von 19:8 gefaßt. Mit dieser aber auch die anderen Konsequenzen sehen. Dieses
Änderung und einer Mehrheit von 19:7 beschloß Wiedergutmachungsrecht, das hier gar nicht be-
dann der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ihnen stritten oder kritisiert werden soll, ist als Nichtmit-
den Mündlichen Bericht gemäß Drucksache 117 gliedergeschäft ohne steuerliche Konsequenzen ge-
vorzulegen. geben worderi Ich bin sogar der Meinung, daß das
Der mitberatende Ausschuß für Sonderfragen Nichtmitgliedergeschäft an sich gar nicht so ent-
des Mittelstands beschäftigte sich in einer Sitzung scheidend ist, sondern daß es eben darauf an-
am 8. Dezember mit der gleichen Vorlage. Er kommt, wie es gehandhabt wird, daß es also auf den
stimmte den Beschlüssen des Wirtschaftsaus- gleichen Wettbewerb ankommt.
schusses mit einer Mehrheit von 11:10 zu, weil nach Dieser gleiche Wettbewerb ist gegenwärtig nicht
seiner Meinung mit der Neuregelung des Genossen- vorhanden; denn sonst hätte man nicht das Sonder-
schaftswesens gleiche Wettbewerbsvoraussetzun- recht zur Wiedergutmachung zu geben brauchen.
gen gegenüber der übrigen Wirtschaft geschaffen Wir wollen den gleichen Start für alle, und wenn
werden müßten. wir wissen, daß hier eine Regelung vertagt worden
Die Drucksache 66 wurde vom federführenden ist, so müssen wir uns auch für die Übergangszeit
Ausschuß für Wirtschaftspolitik mit der Drucksache überlegen, ob die gegenwärtige Regelung unserem
51 am gleichen Tage behandelt. Hier war es nötig, Ideal des gleichen Wettbewerbs näherkommt oder
die Frist, die im Antrag Drucksache 66 vorge- ob uns ein Auslaufen der Sonderbestimmungen
schlagen war, der Frist anzupassen, wie sie im diesem Ideal näherbringen würde.
Mündlichen Bericht gemäß Drucksache 117 festge- Nun bin ich der Meinung, daß wir dem Idealzu-
legt worden ist. Dementsprechend beschloß der stand eines gleichen Wettbewerbs näherkämen,
Ausschuß für Wirtschaftspolitik einstimmig, die wenn wir uns entschließen könnten, dieses Sonder-
Frist für die Vorlage eines neuen Gesetzentwurfs recht zur Wiedergutmachung termingemäß - oder
betreffend die Neuregelung der Erwerbs- und sagen wir, nach der dritten Verlängerung, die es ja
Wirtschaftsgenossenschaften auf den 28. Februar wohl ist, oder nach der zweiten — auslaufen zu las-
1954 vorzuverlegen. Der mitberatende Ausschuß für sen. Ich bin mir wohl darüber im klaren, daß auch
Sonderfragen des Mittelstands hat sich auch diesem der alte Zustand nicht voll befriedigt; aber ich
Beschluß des federführenden Ausschusses ange- möchte betonen, daß er dem Prinzip des gleichen
schlossen, und zwar einstimmig. Wettbewerbs am nächsten kommt, und darum
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 197
(Schmücker)
glaube ich, daß man dieses Sonderrecht auslaufen sich selber setzt, hat es etwas auf sich. Meistens be
lassen sollte. Denn schließlich müssen auch die ginnt am Ende, kurz vor Ablauf der Frist, manch-
Neuordnungen, die für eine lange Zeit gelten sollen. mal auch lange nachher, ein emsiges Treiben, aber
auf einer normalen Basis, auf der Basis der gewöhn- nun nicht mit dem Ziel, das Gesetz, das fällig war,
lichen Regelung erfolgen und nicht von einem zu schaffen, sondern die Frist zu verlängern. Ich
Sonderstatus ausgehen. Deswegen — ich wiederhole will daraus keinen Vorwurf herleiten, aber Sie
es noch einmal — bin ich mit einer großen Zahl werden verstehen, daß wir von einem gewissen Miß-
meiner Fraktionsfreunde der Auffassung, daß wir trauen solchen Fristverlängerungen gegenüber be
der Ausschußvorlage unter Punkt 10a der Tages- seelt sind. Ob es nun um ein ganzes oder um ein
ordnung — also Verlängerung der Sonderrege- halbes Jahr geht, berührt uns dabei weniger.
lung — nicht zustimmen sollten. Ich möchte Sie
bitten, diese Bestimmung abzulehnen. In dieser Frage nun — Verlängerung des Nicht-
mitgliedergeschäfts der Konsumgenossenschaften
Ich darf aber noch ein zweites Argument hinzu- — können wir natürlich nicht ganz von grundsätz-
fügen, meine verehrten Damen und Herren. Wenn lichen Fragen absehen. Wir können vor allem den
man neu ordnet und wenn man meint, man müßte Zusammenhang mit der gleichzeitigen Vorlage
irgendeinem einen Vorsprung geben, dann kann Drucksache 66 nicht übersehen. Wir von der Freien
man doch diesen Vorsprung nur demjenigen zuteil Demokratischen Partei bejahen durchaus die Not-
werden lassen, der im Wettbewerb der Schwächere wendigkeit einer Neuregelung des Genossenschafts
ist. Man muß also, wenn man schon vom Recht ab- wesens. Wir sind sogar der Ansicht, daß man dabei
weichen will, immerhin soziale Gesichtspunkte nicht nur an das denken sollte, was man seinerzeit
gelten lassen. Ich glaube, keinen Widerspruch zu mit der Drucksache 4074 des ersten Bundestages im
finden, wenn ich behaupte, daß die Konsumgenos- Auge hatte — Nichtmitgliedergeschäft, §§ 5 und 6
senschaften in diesem Wettbewerb der stärkere Teil des Rabattgesetzes, § .36 der Körperschaftsteuer
sind und der Handel — zumindest der mittelstän- Durchführungsverordnung —, sondern daß man
dische Einzelhandel — der schwächere Teil ist. z. B. auch an den Zusammenhang mit dem Kartell-
(Widerspruch links. — Abg. Dr. Schöne: gesetz denken und sich natürlich vor allem mit dem
Die Konsumenten gehören auch dazu!) Wesen der Genossenschaft befassen muß. Es wird
eigentlich Aufgabe der Genossenschaften, der Kon-
— Ja, meine Damen und Herren, das ist es ja ge- sumgenossenschaften vor allem, selber sein, zu - ent-
rade — ich wollte an sich eine Grundsatzdebatte scheiden, was sie sein wollen, entweder Selbsthilfe-
vermeiden —, daß einige glauben, sie könnten einen organisationen, die im gemeinsamen Zusammen-
gemeinsamen Einkauf durchführen und gleich wirken ihren Mitgliedern helfen, oder aber ge-
zeitig an andere verkaufen, und behaupten, sie seien wöhnliche geschäftliche Erwerbsunternehmungen.
Konsumenten, während sie nichts weiter als ganz Nach dieser Entscheidung, die die Genossenschaften
normale Unternehmer sind. selbst zu treffen haben, beantwortet sich dann auch
(Beifall in der Mitte und rechts.) die Frage: Mitgliedergeschäft, ja oder nein? Wir
Wir freuen uns ja über diese Entwicklung, daß sind also durchaus mit dem Antrag der Drucksache
man über die Genossenschaften hinausgewachsen 66 einverstanden.
ist. Wir freuen uns, daß man Unternehmer ge Nun aber zur Drucksache 51. Was soll geschehen,
worden ist, aber wir bitten dann auch darum, die was soll Rechtens sein, bis diese Neuregelung in
Konsequenzen zu ziehen! Es kann niemand be Kraft tritt? Die bisherige Begründung für die Zu
streiten, daß der Konsum als großwirtschaftliches lassung des Nichtmitgliedergeschäfts war, dies sei
Unternehmen — Konsumgenossenschaften und ein Akt der Wiedergutmachung. Ich brauche darauf
alles, was dazu gehört — stärker ist als der mittel nicht einzugehen, da diese Begündung heute nicht
ständische Einzelhandel, und die Wünsche, die hier mehr vorgebracht wird. Ich möchte Ihnen aber
vorgetragen werden, richten sich auf eine weitere einige Zahlen nennen, die auch nachher eine Rolle
Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses des spielen werden. Nach eigenen Angaben der Kon
Konsums. Meine Damen und Herren, ich nehme es sumgenossenschaften betrugen ihre Umsätze im
dem Konsum ja gar nicht übel, daß er sich aus Jahre 1930 817 Millionen Mark, dagegen im Jahre
dehnen will. Aber wenn wir schon die Wahrheit 1951 1089 Millionen DM, im Jahre 1952 1350 Mil
sagen wollen, dann müssen wir auf der anderen lionen DM. Das bedeutet eine Steigerung um 23%.
Seite feststellen, daß hier ein Stand nicht um eine (Abg. Arndgen: Wie hoch ist der Umsatz
Ausdehnung kämpft, sondern daß der mittelstän des Einzelhandels?)
dische Einzelhandel hier um seine Existenz ringt. — 6%. Ihre Zahlen habe ich eben nicht hier.
(Beifall rechts.) (Abg. Sabel: Das wäre aber interessant! —
Meine Damen und Herren, aus zwei Gründen, die Abg. Erler: Der Anteil der Genossen-
ich schon erwähnt habe, nämlich weil wir nach schaften ist nämlich geringer als 1930,
meiner Meinung :dem Idealzustand des gleichen wenn Sie die gesamten Einzelhandelsum-
Wettbewerbs dann am nächsten kommen, wenn wir sätze nehmen! — Weiterer Zuruf von der
das Sonderrecht auslaufen lassen, aber auch aus SPD: Hier sind die genauen Zahlen vom
dem zweiten, sozialen Grunde, daß in diesem Wett- Wirtschaftsministerium! - Ein Abgeord-
bewerb der schwächere Teil der Einzelhandel ist, neter der SPD überreicht dem Redner ein
bitte ich Sie, den Vorschlag des Ausschusses auf Schriftstück.)
Verlängerung der Fristen abzulehnen. Für das Jahr 1953 ist mit einem Umsatz von
(Beifall rechts und in der Mitte.) 1,5 Milliarden DM zu rechnen. Meine Damen und
Herren, es geht ja hier nicht um die absoluten Zah-
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Ab- len, sondern es geht ja um die Steigerung.
geordnete Dr. Bucher. (Abg. Erler: Um den Anteil!)
Dr. Bucher (FDP): Herr Präsident! Meine Damen — Nicht um den Anteil, sondern es soll gezeigt
und Herren! Mit den Fristen, die unser Parlament werden, wieweit die Wiedergutmachung gelungen
198 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Dr. Bucher)
ist. Bei Berücksichtigung des gestiegenen Lebens- können zwar auch Rabatt geben, aber, wohlver-
haltungsindexes wäre dies also eine Steigerung auf standen, einen festen, von vornherein bestimmten
120 %. Satz, nicht eine von Fall zu Fall ausgerechnete
Rückvergütung. Sie tragen also auch hierbei ein
Nun, wie gesagt, diese Begründung spielt ja heute ganz anderes Risiko. Vor allem aber ist ihre steuer-
keine Rolle mehr, sondern heute wird eine prinzi- liche Belastung viel höher. Abgesehen von der
pielle Begründung vorgetragen, nämlich die, das Mehrphasen-Umsatzsteuer treffen sie auch die volle
Verbot des Nichtmitgliedergeschäfts bedeute eine Körperschaftsteuer und die volle Gewerbesteuer.
Ungleichheit vor dem Gesetz, bedeute einen Wider- Deshalb ist es unbedingt nötig, sehr schnell gleiche
spruch zur freien Marktwirtschaft und bedeute, daß Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
keine freie Konsumwahl bestehe. Nun, mit der
freien Konsumwahl hat die Frage des Nichtmit- Herr Kollege Schmücker hat schon ausge-
gliedergeschäfts doch nichts zu tun. Auch wenn ein führt, daß die Konsumgenossenschaften heute ja
Nichtmitgliedergeschäft verboten ist, kann ja jeder zwei Vergünstigungen genießen, die steuerliche
im Konsum kaufen Vergünstigung nach § 36 der Körperschaftsteuer
Durchführungsverordnung und die Zulassung des
(Widerspruch links) Nichtmitgliedergeschäfts. Wenn man ihnen nun das
und kann der Konsum mit jedem Geschäfte machen, Nichtmitgliedergeschäft nimmt, so haben sie immer
der bereit ist, Mitglied zu werden. noch die sehr wesentliche steuerliche Vergünsti-
(Lachen links.) gung und die Freiheit unbeschränkter Ausschüttung
und Rückvergütung. Es besteht also nicht etwa der
Wenn das den Konsumgenossenschaften nicht paßt, Kompromiß, den die Drucksache Nr. 4074 im ersten
so kommt mir das so vor, wie wenn ein Mann, der Bundestag vorgesehen hat, sondern es besteht im-
sich verehelicht hat, zwar die damit verbundene mer noch diese eine Vergünstigung. Wo soll hier
Umgruppierung von Steuerklasse I in Steuerklasse eine Diskriminierung, wo eine Ungerechtigkeit
II gern mitnimmt, sich aber bitter darüber beklagt, liegen und wo ein Verstoß gegen das Prinzip der
daß er nun neben seiner Ehefrau Gleichheit vor dem Gesetz?
(Zuruf von der SPD: Vor der Ehe kommt Im übrigen bedeutet auch das Verbot des Nicht-
die Verlobung! — Heiterkeit) mitglieder-Geschäfts für die Konsumgenossen-
-
schaften meiner Ansicht nach keine Diskriminie-
keine freie Konsumwahl mehr hat.
rung, auch wenn man es für sich betrachtet. Denn
(Große Heiterkeit. - Lebhafte Zurufe von der Grundsatz ist ja der, daß Genossenschaften nur
der Mitte: Au, au! - Abg. Frau Dr. Weber für ihre Mitglieder dasein sollen. Von diesem
[Aachen]: Ein schlechtes Beispiel! - Abg. Grundsatz macht das Genossenschaftsgesetz eine
Naegel: Ohne jedes Niveau! - Unruhe.) Ausnahme, daß nämlich die Genossenschaften be-
rechtigt sind, mit Nichtmitgliedern Geschäfte zu
Die Konsumgenossenschaften müssen selber ent- treiben, wenn sie es in ihrer Satzung verankern.
scheiden, was sie sein wollen. Wenn sie darauf be- Von dieser Ausnahme bestehen nun wieder zwei
stehen wollen, Genossenschaften zu sein, weitere Ausnahmen, nämlich § 8 Abs. 2 für die
(Zuruf von der Mitte: Der leistet der Sache Kreditgenossenschaften und § 8 Abs. 4 für die Kon-
einen schlechten Dienst!) sumgenossenschaften. Nehmen Sie es mir nicht übel,
dann müssen sie sich auch daran halten, daß sie im wenn ich Ihnen sage, daß es in dem Gesetz von der
freien Handel nicht wie jeder andere auftreten letztgenannten Ausnahme wieder eine Ausnahme
können. gibt: Die landwirtschaftlichen Konsumgenossen-
schaften ohne offene Läden dürfen Nichtmitglieder
Mit der freien Konsumwahl verhält es sich ja Geschäfte machen. Ich glaube, diese gesetzliche Re-
gerade umgekehrt. Heute werden doch häufig in gelung, so kompliziert sie aussieht, war wohl durch-
neuen Wohnsiedlungen Konsumfilialen aufgemacht dacht. Sie geht nämlich von dem Grundsatz aus: Kein
ohne einen einzigen Genossen, und ohne daß ein Nichtmitglieder-Geschäft. Aber zweiter Grundsatz:
anderes Geschäft, ein Einzelhandelsgeschäft, die minima non curat praetor. Man soll und kann sich
Möglichkeit hat, sich dort aufzumachen. Hier be- nicht darum kümmern, wenn in kleinen Genossen-
steht nun wirklich keine freie Konsumwahl mehr. schaften, vor allem auf dem Lande, Nichtmit-
Dieser Zustand widerspricht dem Wesen der Genos- glieder-Geschäfte betrieben werden. Hier gibt man
senschaft. Die ursprüngliche Idee der Genossen- die Möglichkeit, sie zuzulassen. Man verbietet sie
schaften ist doch, die Vorteile, die das Großgewerbe aber — und das ist interessant - nicht nur bei den
infolge seiner Kapitalkraft hatte, durch einen Zu- Konsumgenossenschaften, sondern auch, wenn es
sammenschluß, durch Selbsthilfe der Schwächeren sich um die Gewährung von Darlehen h andelt.
auszgleichn.Udwtarusgeon?Ich Schließlich hat diese Regelung von 1889 bis 1933,
brauche nicht im einzelnen vorzulesen, aus welchen also auch in einer demokratischen Zeit bestanden,
Fabriken und Unternehmungen der GEG-Konzern und man kann doch nicht sagen, daß diese ganze
heute besteht. Aber es ist jedenfalls ein solider Zeit hindurch ein schreiendes Unrecht als Recht ge-
„Selbsthilfekonzern", wenn man so sagen will. Ich golten hätte. Deshalb können wir der vorgeschla-
glaube, wenn der alte Schulze-Delitzsch heute käme, genen Verlängerung des Nichtmitglieder-Geschäfts
würde er als erstes eine Genossenschaft zur Selbst- nicht zustimmen.
hilfe gegen gewisse Genossenschaften gründen. Eine Frist bedeutet natürlich immer einen Druck,
(Zuruf von der SPD: Da müßtet ihr aber das Gesetz zuwege zu bringen. Es ist nur gerecht —
draußen bleiben! — Heiterkeit links.) ich darf wieder an das anknüpfen, was Kollege
Schmücker sagte —, daß man den unter Druck setzt,
Demgegenüber sind die selbständigen Gewerbe- der zur Zeit in der günstigeren Position ist Die
treibenden des Mittelstandes heute doch wirklich, Zahlen, die ich vorhin nannte - -
wie schon der Herr Vorredner gesagt hat, die wirt-
schaftlich Schwächeren. Sie sind ganz auf sich ge- (Abg. Dr. Schöne: Nennen Sie doch einmal
stellt, sie haben keinen festen Mitgliederkreis. Sie die Zahlen!)
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 199
(Dr. Bucher)
— Ich sagte ja, es interessieren doch hier nicht die eter Dr. Bucher hat gesagt, es handle sich bei
absoluten Zahlen, sondern die verhältnismäßige dieser etwas komplizierten Regelung des Rechtes
Entwicklung. von Genossenschaften zur Belieferung von Nicht-
(Abg. Dr. Schöne: Das sind ja die relativen mitgliedern um eine wohldurchdachte gesetzgebe-
Zahlen!) rische Schöpfung. Nun, in dem Regierungsentwurf
von 1889 stand nichts von einer Ausnahme zuun-
— Sie können diese Zahlen ja nachher bekannt- gunsten der Konsumvereine.
geben! (Hört! Hört! bei der SPD.)
(Abg. Dr. Schöne: Das sind doch nicht
meine Zahlen, sie sind vom Wirtschafts Es war ja zunächst die Regierung, die dieses Gesetz
ministerium! — Gegenruf rechts: Nicht so durchdacht hatte; und beim Durchdenken des Ge-
aufgeregt!) setzes war die damalige Reichsregierung nicht der
Ansicht, daß den Konsumgenossenschaften ein
— Bitte, Sie können sie ja nachher bekanntgeben! — Recht verwehrt werden -sollte, das den anderen Ge-
Diese Zahlen zeigen einen Trend an, der zu denken nossenschaften eingeräumt wird. Dieser Paragraph,
gibt. Trotzdem ziehen wir daraus nicht die Folge- dieser Absatz zuungunsten der Konsumgenossen-
rung, daß wir nun grundsätzlich die Konsumgenos- schaften kam vielmehr durch den Reichstag, und
senschaften ablehnen und bekämpfen müßten. zwar durch eine sehr geringe Mehrheit, zustande.
(Zurufe von der SPD.) (Abg. Schmücker: Was besagt das? —
Wir sind ja keine Feinde der Konsumgenossen- Weitere Zurufe von der CDU und rechts.)
schaften. Aber — das geben wir allerdings zu — wir — Es besagt, daß von einer methodischen und
sind Freunde des Mittelstandes systematischen Durchdenkung hier wohl nicht ge-
(Zuruf von der CDU: Das sind wir auch!) redet werden kann.
— um so erfreulicher! — und vor allem des gewerb- (Sehr richtig! bei der SPD. — Zurufe von
lichen Mittelstandes. Diese Freundschaft bedeutet der Mitte und rechts: Warum? — Die
nicht, daß wir ihn subventionieren wollen, sondern Mehrheit war ja dafür!)
es muß bei den Gesetzen der freien Wirtschaft
bleiben. Helfen muß sich jeder selber, aber der ge- Es waren damals im Reichstag hauptsächlich --nmittel-
werbliche Mittelstand soll auch nicht benachteiligt ständlerische Gruppen, die der Meinung waren, daß
werden. die Konsumvereine von der für alle anderen Ge-
nossenschaften geltenden Regelung — bei den
Ich möchte nun nicht Ausführungen darüber Kreditgenossenschaften liegt eine andere Lage vor
machen, warum dem gewerblichen Mittelstand hier — auszunehmen seien. Es wurde das den Konsum-
etwas geholfen werden soll und warum er bisher genossenschaften damals aufgezwungen.
zuwenig berücksichtigt worden ist. Ich glaube, es
ist uns allen in diesem Hause klar, daß ein gesunder (Abg. Dr. Greve: Das ist systematische In
Mittelstand für einen freien Staat doch sehr we- teressentenpolitik!)
sentlich ist. Ich möchte nur noch, anstatt eigener
Ausführungen dazu, einen sehr unverdächtigen Nun sagte Herr Abgeordneter Bucher, das sei auch
Zeugen zitieren, wenn Sie mir das gestatten. Es ist ganz richtig, denn die sollten nur Mitglieder be-
Aristoteles, der vor 2400 Jahren liefern. Meine Damen und Herren, das ist polizei-
staatlich gedacht.
(Heiterkeit) (Beifall bei einem Teil der CDU und bei
in seiner „Politik" Kapitel 11 schrieb: der SPD. — Zurufe rechts: Na, na!)
Ein Staat will möglichst aus gleichen und ähn- Das Genossenschaftsgesetz und unsere ganzen Han-
lichen Bürgern bestehen, und das findet sich delsgesellschaftsformen schreiben nicht vor, was
am meisten beim Mittelstand. Es ist daher klar, diese Gesellschaften tun sollen, sondern es werden
daß sich die Gemeinschaft, die sich auf den den Gesellschaften Rechtsformen für ihre Zwecke
Mittelstand gründet, die beste ist und daß solche zur Verfügung gestellt. So ist es mit den Genossen-
Staaten in der Lage sind, eine gute Verfassung schaften ebenfalls. Es handelt sich nicht um das
zu haben, in denen eben der Mittelstand zahl- Recht der Konsumwahl, sondern um das Recht der
reich vertreten ist und, wenn möglich, die Gewerbefreiheit. Jede Offene Handelsgesellschaft
beiden anderen Stände an Stärke übertrifft. hat das Recht, ihre eigenen Gesellschafter zu ver-
sorgen, also Aufgaben zu übernehmen, die auch Ge-
(Beifall rechts.) nossenschaften übernehmen. Die Genossenschaft
soll das Recht haben, mit ihrem Genossenschaftsbe-
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Ab- trieb einen Handelsbetrieb zu kombinieren. Das ist
geordnete Dr. Böhm. die Gewerbefreiheit!
(Beifall bei der SPD.)
Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU): Herr Präsident! Meine Diese Gewerbefreiheit ist in § 8 Abs. 4 zu Lasten
Damen und Herren! Es handelt sich, wie schon von den der Konsumvereine als ein privilegium odiosum
Vorrednern hervorgehoben worden ist, nur um eine eingeschränkt worden.
kurz befristete Zwischenregelung und nur um die
Frage: Soll die Zwischenregelung, die jetzt für ein Ja, so werden Sie fragen, warum hat das so
halbes Jahr getroffen wird, an den Zustand an- lange gedauert? Nun, weil die Frage für die Genos-
knüpfen, der vom Jahre 1945 bis zum heutigen senschaften relativ unwichtig ist und immer relativ
Tage gedauert hat, oder an den Zustand, wie er unwichtig sein wird. Deswegen setzt man keine
dem § 8 Abs. 4 des Genossenschaftsgesetzes ent- großen Apparate in Bewegung. Es waren ja auch
spricht, das im Jahre 1889 erlassen worden ist und nicht die Konsumvereine, die nach 1945 Wiedergut-
dessen § 8 Abs. 4 bis zum Jahre 1945 gegolten hat. machung verlangten, sondern es waren weitgehend
Hier ist aber eines zu überlegen. Herr Abgeord die Regierungspräsidenten und die Landräte, die
200 2. Deutscher Bundestag - 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Dr. Böhm [Frankfurt])
damals zur Versorgung der Bevölkerung die Ge- Wettbewerbsstandpunkt und vom Standpunkt des
nossenschaften gebraucht haben. gleichen Startes sind keinerlei Bedenken zu er-
(Widerspruch bei Abgeordneten der heben.
CDU/CSU.) Ich möchte die Ablehnung — ich darf das hier
gleich betonen — nicht etwa so verstanden wissen,
Nachdem man im Januar 1947 die Nichtmitgliederbe- daß wir uns überhaupt grundsätzlich gegen die Ge-
lieferung der Konsumgenossenschaften auf Zeit zu- nossenschaften als solche stellen Im Gegenteil, un-
gelassen hat, will man jetzt für eine Dauer von sere Fraktion hat einen tiefen Respekt vor dieser
sechs Monaten wieder von dieser Regelung ab- Institution. Wir wissen sehr wohl, daß der Gedanke
weichen und die Ausnahmen von dem Grundsatz des genossenschaftlichen Zusammenschlusses ein
der Gewerbefreiheit, die § 8 Abs. 4 des Genossen- sehr langes und sehr fruchtbares Leben in der Ge-
schaftsgesetzes enthält, wieder einführen, das steht schichte unseres Volkes hat. Es sind schon Erinne-
zumindest nicht im Einklang mit den Ordnungs- rungen an die Geschichte gebracht warden; aber ich
grundsätzen einer Marktwirtschaft, einer Wettbe- will bei der deutschen Geschichte bleiben, die etwas
werbswirtschaft, und mit den Grundsätzen einer kürzer ist. Der Kulturgeschichtler weiß sehr wohl,
Gewerbefreiheit. Infolgedessen ist es besser — daß gerade der genossenschaftliche Zusammen-
namentlich, da das ja auch der Wirtschaftspolitik der schluß der Bauern z. B. im Mittelalter ihnen einen
Bundesregierung im ganzen mehr entspricht —, wir Rest von politischer Freiheit bewahrt hat, einer
machen diesen kurzen Übergangszustand so, daß Freiheit, die sie leider an den Feudalstaat verloren
wir damit näher an dem allgemeinen Grundsatz der haben und die sie andererseits — das muß auch
Gewerbefreiheit bleiben und nicht, wenn auch nur festgestellt werden — sehr leicht aufzugeben bereit
vorübergehend, zu einem Zustand zurückkehren, waren, wenn es sich um materielle Vorteile
der auf einer Ausnahme von diesem Grundsatz be- handelte.
ruht. Das ist gegenüber einer anderen Lösung der
geringere Eingriff. Ich mache diese Vorbemerkung, damit Sie
Von großer Wichtigkeit ist das in der Praxis glauben, daß wir es wirklich dankbar begrüßen,
nicht. Aber mir scheint doch wichtig zu sein, daß daß die Regierung sich entschlossen hat, das ge-
wir eine Entpolitisierung des Wettbewerbsverhält- samte Genossenschaftsrecht neu zu ordnen. Uns
nisses Einzelhandel — Konsumvereine anstreben, das scheint das wirklich notwendig zu sein. Hier- haben
in. der Vergangenheit durch Hineinziehen des Ge- wir es aber mit einer begrenzten Frage zu tun, mit
setzgebers politisiert war, und zwar teils zugunsten der Frage, ob für den kurzen Zeitraum, der in dem
und teils zuungunsten der Konsumvereine, steuer- Antrag Albers und Genossen genannt ist, noch das
lich und in anderer Beziehung. Ausnahmerecht gelten soll oder nicht. Ich glaube,
die besseren Argumente sprechen dafür, daß man
Wir sollten zu einer vollständigen Neutralität des es zunächst bei dem alten Recht beläßt: Tatsache ist
Gesetzgebers zurückkommen. Wir müssen ja im doch, daß unter dem alten Recht, seit 1889, die Ge-
Laufe dieser Wahlperiode Novellen und Gesetze nossenschaften, die Konsumvereine ein sehr gutes
auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens verab- wirtschaftliches Leben führen konnten. Es ist doch
schieden. Dabei sollten wir dieses Prinzip der abso- typisch — und das, scheint mir, sollte jetzt nicht
luten Neutralität der Gesetzgebung auf der Basis bagatellisiert werden — daß die Begründung
unbedingter Startgleichheit, auch steuerlicher Start- seinerzeit ausdrücklich dahin gegangen ist, daß
gleichheit, anstreben. man den Genossenschaften wieder den gleichen
Start geben wollte. Alle Zahlen sprechen dafür, daß
(Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt dieses Ziel erreicht ist.
den Vorsitz.)
Damit entfällt jede rechtliche und wirtschaftliche
Wir wollen hoffen, daß sich dann ein Gebrauch Notwendigkeit, den Genossenschaften wieder das
nach dem Grundsatz anbahnt: Wer im Wettbewerb Mitgliedergeschäft zu gestatten. Wenn demgegen-
gegen eine Konkurrentengruppe den Gesetzgeber über jetzt argumentiert wird, damit würde eine ge-
zu Hilfe rufen will, treibt unlauteren Wettbewerb. wisse Diskriminierung der K onsumvereine ausge
(Beifall in der Mitte. — Zuruf des Abg. sprochen, so kann ich dem nicht folgen. Denn auf
Schmücker.) der anderen Seite bleibt die Begünstigung steuer-
licher Art. Es darf nicht verkannt werden — und
ich bitte insbesondere Herrn Professor Böhm, das
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- richtig zu sehen —, daß die Beschränkung auf das
geordnete Dr. Elbrächter. Mitgliedergeschäft notwendigerweise voraussetzt,
daß steuerliche Vergünstigungen gewährt werden
Dr. Elbrächter (DP): Herr Präsident! Meine Da- können. Wer diese Zusammenhänge nicht sieht, der
men und Herren! Der Herr Berichterstatter hat er- urteilt, glaube ich, nicht ganz objektiv. Auch aus der
wähnt, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik Begründung, die die Bundesregierung ihrem Ge-
keine Vorentscheidung fällen wollte und sich daher setzentwurf gegeben hat, geht wohl eindeutig her-
mit Mehrheit dafür entschieden hat, dem Antrag vor, .daß diese Zusammenhänge bestehen.
Albers und Genossen zuzustimmen. Ich persönlich
bin der Auffassung, daß mit dieser Zustimmung be- Wenn man also jetzt das Nichtmitgliedergeschäft
reits eine Vorentscheidung fällt. fordert, dann muß man notwendigerweise auf
steuerliche Begünstigungen verzichten, sonst bleibt
Ich bin nicht der Ansicht von Herrn Professor der unlautere Wettbewerb, Herr Kollege. Böhm;
Böhm, daß die Genossenschaften in ihrem Wettbe-
werb wesentlich eingeengt sind. Auch die freie (Beifall rechts und in der Mitte)
Konsumwahl — das ist hier bereits zum Ausdruck denn man benachteiligt doch den Einzelhändler und
gebracht worden — wird nicht eingeschränkt; denn bürdet ihm steuerliche Lasten auf, die die Konsum-
es steht jedem Bürger frei, Mitglied der Konsum- genossenschaften nicht tragen.
vereine zu werden. Die dazu notwendigen Formali-
täten sind leicht zu erfüllen. Ich glaube also vom (Zuruf des Abg. Pelster.)
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 201
(Dr. Elbrächter)
— Ich möchte hier nicht in eine Grundsatzdebatte setzen. Damit entfällt der Grund, der ursprünglich
über den Sinn und das Wesen der Genossenschaften zu einer Steuerbegünstigung geführt hat.
eintreten; wir werden ja Gelegenheit haben, Herr (Beifall rechts und in der Mitte. — Abg.
Kollege Pelster, darüber vielleicht im Wirtschafts- Mellies: Aber Gesetze können nur durch
ausschuß zu sprechen. Tatsache ist doch, daß die Gesetze geändert werden, Herr Kollege!
Vorteile, die die Konsumvereine den Verbrauchern Das müßten Sie langsam wissen!)
gewähren können, im wesentlichen auf den steuer-
lichen Vorteilen beruhen. Ich stelle anheim, zu Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
überlegen, ob den Mitgliedern der Konsumvereine geordnete Schuler.
gedient ist, wenn man ihnen diese steuerlichen Vor-
teile nimmt. Mir scheinen sowohl die Fragen des Schuler (CDU): Herr Präsident! Meine Damen
Rechtes wie auch die des Wettbewerbs durchaus und Herren! Alle Jahre wieder
für die bisherige Regelung zu sprechen, daß man
die Genossenschaften auf das Geschäft mit den Mit- (Heiterkeit)
gliedern beschränkt. Das scheint mir eine wesent- kommen die Anträge, das Sonderrecht der Konsum-
liche Voraussetzung des genossenschaftlichen Zu genossenschaften, an Nichtmitglieder zu verkaufen,
sammenschlusses zu sein. Verzichten die Konsum um ein weiteres Jahr zu verlängern.
vereine darauf, dann ist das ihre Sache; dann muß (Zuruf rechts: Ein halbes Jahr!)
notwendigerweise aber auch im gleichen Augen-
blick auf jegliche steuerliche Begünstigung Verzich- Hier wird mit einer Beharrlichkeit, die einer bes-
tet werden. Mir scheint das eine ganz nüchterne, seren Sache würdig wäre, gefordert, daß ein Un-
logische Folgerung zu sein. recht als Sonderrecht anerkannt wird. Der Einzel-
Ich glaube allerdings, wir sollten diese Frage der handel ist nicht mehr bereit, eine einseitige steuer-
Konsumvereine nicht nur von wirtschaftspolitischen liche und wirtschaftliche Benachteiligung gegen-
über den Konsumgenossenschaften, deren Konkur-
und rechtlichen Gesichtspunkten her betrachten. Ich renz er unter Voraussetzung gleicher Start- und
möchte vielmehr auch hier für die Frage der Kon- Arbeitsbedingungen nicht zu fürchten hätte, wei-
sumvereine in Anspruch nehmen, was Herr Kollege terhin in Kauf zu nehmen. Er ist ferner nicht der
Preiß in Zusammenhang mit der Landwirtschaft Ansicht, daß die durch das Bündnis zwischen- Kon-
vorhin geäußert hat, daß nämlich wichtige politisch sumgenossenschaften, Gewerkschaften und Bauge-
soziologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen nossenschaften dauernd wachsende Machtkonzen-
sind. Ich möchte das auf eine ganz kurze Formel tration mit den Grundsätzen der sozialen Markt-
bringen, nämlich auf die Formel, daß es meinen wirtschaft zu vereinbaren ist.
politischen Freunden und mir lieber ist, wenn
tausend selbständige Einzelhändler da sind, als etwa Die rapide Entwicklung der Konsumgenossen-
tausend Filialleiter. schaften seit 1945 liegt klar auf der Hand.
(Beifall rechts und in der Mitte.) (Zuruf von der CDU: Auch des Einzel-
Ich glaube schon, daß Aristoteles hier nicht um- handels!)
sonst zitiert worden ist. Es ist in der Tat eine Er- Ihr Umsatz steigerte sich von 1949 bis 1952 um
fahrung — und ich bitte die Freunde der Konsum- 88 %, der des Einzelhandels in derselben Zeitspanne
vereine, nachzulesen, was die Schweizer darüber um nur 17%. Dieser Vernichtungswett-
sagen —, daß die Demokratie dort am besten ge- b e w e r b gegen den Einzelhandel kann so nicht
deiht, wo möglichst viele selbständige Menschen mehr weitergehen. Ich bitte das Hohe Haus, diesen
sind, die für ihre Freiheit arbeiten und auch etwas Antrag auf Verlängerung des Verkaufs der Kon-
wagen. sumgenossenschaften an Nichtmitglieder, Druck-
(Beifall rechts.) sache Nr. 51, abzulehnen.
Ich glaube, unter diesem Gesichtspunkt sollten wir (Beifall rechts.)
die Frage entscheiden. Das bedeutet keine Diskri-
minierung etwa der Angestellten. Ich gehöre selber Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
dazu und bitte, das hier richtigstellen zu dürfen. geordnete Krammig.
Ich möchte zum Schluß beantragen, daß über den Krammig (CDU): Herr Präsident! Meine sehr ver-
Antrag Albers und Genossen in namentlicher Ab- ehrten Damen und Herren! Hier ist so viel von
stimmung entschieden wird. Steuer ,gesprochen worden; ich stehe aber unter
Herr Präsident, ich habe noch einen Eventualan- dem Eindruck, daß die Redner in der Steuersyste-
trag zu stellen. Sollte der Antrag Albers und Ge- matik nicht bewandert sind. Sie könnten sonst nicht
nossen angenommen werden, dann bitte ich den die Behauptung aufstellen, die Konsumgenossen-
Bundestag, zu beschließen, daß ab 1. Januar 1954 schaften würden steuerlich begünstigt.
sämtliche steuerliche Vorteile entfallen, die bisher
den Konsumgenossenschaften gewährt worden sind. (Sehr richtig! in der Mitte.)
Die Begründung ist sehr einfach. Nachdem durch Für die Ertragsbesteuerung der Konsumgenossen-
Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages das schaften, meine Damen und Herren, gelten die all-
Nichtmitgliedergeschäft den Konsumgenossenschaf- gemeinen steuerlichen Vorschriften, und danach
ten für ein weiteres halbes Jahr gestattet ist und unterliegen alle Warengenossenschaften der Kör-
nachdem beabsichtigt ist, das Nichtmitgliederge- perschaftsteuer, der Gewerbesteuer vom Ertrag
schäft in einer gesetzlichen Neuregelung des Rech- und dem Notopfer Berlin.
tes der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Zuruf rechts: Ertrag haben sie ja keinen,
zu genehmigen, besteht schon jetzt keinerlei Grund der ist ja vorher ausgeschüttet!)
mehr, die Konsumgenossenschaften steuerlich zu
begünstigen. Durch die Freigabe des Nichtmitglie- — Warten Sie mal ab, wir kommen auch, noch auf
dergeschäfts haben die Konsumgenossenschaften den Ertrag zu sprechen.
ihr eigentliches Aufgabengebiet verändert. Sie sind (Abg. Stücklen: Sie sind auch schlecht in
jetzt jeder andern Erwerbsgesellschaft gleichzu- Steuersachen bewandert!)
202 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Dr. Krammig)
— Das glaube ich nicht. Das können Sie zum Schluß hält dagegen eine Hausfrau, die Genossenschafts-
sagen, aber jetzt nicht, Herr Kollege Stücklen. mitglied ist, die Rückvergütung, dann verbilligen
Die einzige Sondervorschrift für alle Warenge- sich dadurch ihre Lebenshaltungskosten. Ich habe
nossenschaften, nicht nur für die Konsumgenossen noch nie gehört, daß eine Verbilligung der Lebens-
schaften, enthält § 36 der Körperschaftsteuer haltungskosten zu einer Steuerpflicht führen
Durchführungsverordnung, der den Abzug der müßte. Im Ausland hat man die gleiche steuerliche
Rückvergütungen regelt, und danach kann die Rück- Regelung. In den Vereinigten Staaten, in denen die
vergütung steuerlich nur abgezogen werden, so- Rechtsprechung in dieser Hinsicht sehr stark aus-
weit sie im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet wird. gebildet ist, ist unter anderem gesagt worden: Die
Rückvergütungen stellen Ersparnisse der Mitglie-
(Zuruf rechts: Wie wird das getrennt?) der dar.
Aus Fremderträgen, also Nichtmitglieder-Geschäf-
ten erwirtschaftete Erlöse sind voll körperschaft- Nun lassen Sie mich zum Schluß noch einen wirk-
steuerpflichtig. Wird eine höhere Rückvergütung lich sehr unverdächtigen Zeugen apostrophieren.
ausgeschüttet, als der Überschuß aus dem Mitglie- Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzmini-
dergeschäft beträgt, wird also die sogenannte Ab- steriums hat in seinem Bericht zur Frage einer
zugsgrenze überschritten, dann ist insoweit Kapi- organischen Steuerreform Seite 29 folgendes ge-
talertragsteuer zu entrichten, sagt — gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich das
wörtlich zitiere —:
(Abg. Pelster: Sehr richtig!)
Die derzeitige Regelung der Genossenschafts-
und im Falle ungekürzter Auszahlung dieses über besteuerung ist mit der Maßgabe aufrechtzu-
schrittenen Betrages wird die Kapitalertragsteuer erhalten, daß Rückvergütungen und Nachver-
mit dem Höchstsatz, nämlich mit 33 1/3 % erhoben. gütungen, die 5 % der Umsätze des Mitglieds
(Abg. Pelster: Sehr richtig!) bei der Genossenschaft übersteigen, körper-
Wenn Sie dazu nun den vollen Körperschaftsteuer- schaftsteuerpflichtig sind, da es nicht Sinn und
satz nehmen, werden Sie feststellen, daß diese ZweckinrGoshaft,möglicoe
Steuer prohibitiv wirkt, daß also überhaupt keine Rückvergütungen an ihre Mitglieder auszu-
schütten.
Überschüsse über das Mitgliedergeschäft hinaus
ausgeschüttet werden können, weil das steuerlich -
Damit wir die Möglichkeit haben, diese steuerliche
Unsinn wäre. Frage zu regeln, sollte uns die Frist bis zum
Im übrigen ist die Rückvergütung keine Steuer- 30. Juni eingeräumt werden.
vergünstigung, denn sie gehört steuerlich zu den (Beifall in der Mitte und bei der SPD.)
Betriebsausgaben im Sinne des Einkommensteuer-
rechts. Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat die Ab-
(Lachen rechts.) geordnete Frau Strobel.
— Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie meinen,
darüber lachen zu sollen, dann müssen Sie die Frau Strobel (SPD): Meine Herren und Damen!
Systematik des Steuerrechts ändern. Dafür sind Es war bis jetzt in dieser Debatte eigentlich immer
die Konsumgenossenschaften ja nicht verantwort- nur die Rede von den beiden Verteilergruppen,
lich; hie Einzelhandel, hie Konsumgenossenschaf ten.
(Sehr richtig! in der Mitte) Man bekommt beinahe das Gefühl, daß diejenigen,
denn diese Rückvergütung wird nach dem Umsatz die am meisten von einer solchen Regelung betrof-
bemessen. Sie stellt also steuerlich gesehen, eine fen werden, nämlich der Verbraucher und die Haus-
nachträgliche Senkung der Betriebsspanne dar und frau, dabei nicht in Betracht gezogen werden.
nichts anderes. Wenn Sie einmal den § 28 des (Sehr gut! bei der SPD.)
Tabaksteuergesetzes nachlesen, dann werden Sie
feststellen, daß es da ebenso verboten ist, Rück- Ich möchte Sie alle aus diesem Grunde doch einmal
vergütungen zu gewähren wie Rabatte. ganz schlicht daran erinnern und Sie bitten, darüber
Damit kommen wir nämlich auf den Kern der nachzudenken, in welch unmögliche Situationen
Sache, denn damit wird die Rückvergütung ertrag Sie die Hausfrauen in der Bundesrepublik bringen,
steuerlich gesehen, den Rabatten, Boni usw. gleich- wenn Sie ihnen jetzt verbieten wollen, dort ein-
gestellt. Sie werden nicht behaupten wollen, daß zukaufen, wo sie das für richtig halten. Ich glaube,
Rabatte schon jemals steuerlich erfaßt worden sind. man sollte die Angelegenheit ganz einfach auch einmal
Sie sind als Betriebsausgaben steuerlich abzugs- von diesem Gesichtspunkt her betrachten, daß es
fähig gewesen. doch mit Freiheit sehr wenig zu tun hat, wenn man
einer Hausfrau verbieten will, in einem Laden ein-
(Zuruf rechts: Bis zu 3 %!) zukaufen, der ihr am nächsten liegt oder aus
Jede Ertragsminderung wirkt steuerertragsmin- irgendeinem anderen Grunde genehm ist. Das nur
dernd. Das liegt nun einmal im Wesen der Er- nebenbei.
tragsbesteuerung. Die Rückvergütung ist Gewinn- Ich möchte noch auf einige Bemerkungen ein-
verzicht und kann daher steuerlich niemals mit gehen, die hier gemacht worden sind und die, glaube
Unternehmergewinn gleichgestellt werden. Steuer- ich, doch richtiggestellt werden müssen. Wir haben
vergleiche, die auf solcher Gleichsetzung beruhen, uns von vornherein enthalten, hier eine Grundsatz-
sind eben nicht vertretbar. debatte über das Genossenschaftsgesetz und die
Wie wird denn nun die Rückvergütung beim gesetzlichen Grundlagen für die verschiedenen
Empfänger behandelt? Auch diese Frage sollte ein- Wirtschaftsformen überhaupt zu führen. Leider ist
mal interessieren. Wenn ein Genosse, z. B. eine trotzdem eine solche Debatte entstanden, obwohl
Firma, sagen wir eine Einkaufsgenossenschaft, eine sie nicht gerade bei diesem Gesetz, sondern bei
Rückvergütung erhält, so mindert diese Rückver- der endgültigen Regelung all dieser Fragen im Ge-
gütung nachträglich die Bezugskosten, erhöht den nossenschaftsgesetz, in der Steuergesetzgebung, im
zu versteuernden Gewinn und wird erfaßt. Er Kartellgesetz usw. nötig wäre; dort ist sie dann
2. Deutcher Bundestag - 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 202
(Frau Strobel)
angebracht, meine ich. Ich möchte ganz klar aus- unter dem der freien Konsumwahl, des gleichen
sprechen: Es müssen allen durchaus gleiche Start- Wettbewerbs und der Gewerbefreiheit für alle.
und Wettbewerbsbedingungen gegeben werden. Sie (Lebhafte Zustimmung bei der SPD. —
herzustellen, ist aber nicht eine Angelegenheit Zuruf rechts: Auch in Tarifverträgen?!)
dieses Gesetzes, sondern der bereits angeführten. Und das allein kann, glaube ich, das Entscheidende
sein: nicht Interessenstandpunkt, sondern volks-
Hier ist viel davon die Rede gewesen, daß dieser wirtschaftlicher Standpunkt, der die Gleichberech-
Paragraph schon seit dem Jahre 1889 besteht. Darf tigung aller vor dem Gesetz sichert.
ich vielleicht auch einmal daran erinnern, daß die
Konsumgenossenschaften damals körperschaft- und (Beifall bei der SPD.)
gewerbesteuerfrei waren. Dieser Absatz ist also
unter ganz anderen steuerlichen Voraussetzungen Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
geschaffen worden. geordnete Samwer.
Auch davon war die Rede, daß die Wiedergut- Samwer (GB/BHE): Herr Präsident! Meine Da-
machung 'bereits erfolgt sei. Dabei geht man von men und Herren! Meine politischen Freunde vom
falschen Voraussetzungen aus. Wenn man schon Gesamtdeutschen Block/BHE sind mit mir grund-
den Gesichtspunkt der Wiedergutmachung in die sätzlich der Meinung, daß der Ausgangspunkt bei
Debatte wirft, muß man doch anerkennen, daß es den kommenden Verhandlungen über eine Novelle
nicht genügt, einen Zustand wiederherzustellen, des Genossenschaftsrechts hinsichtlich der Konsum-
wie er im Jahre 1933 bestand, sondern dann müßte genossenschaften der alte gesetzliche Zustand
man davon ausgehen, wie der Zustand im Jahre bleiben soll, bei dem die Konsumgenossenschaften
1945 gewesen wäre, wenn die Konsumgenossen- an Nichtmitglieder nicht verkaufen dürfen, da sie
schaften in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung in auch nach dem alten Gesetz andere Vergünstigun-
der Nazizeit nicht derartig behindert worden wären. gen genießen, die bisher nicht außer Kraft gesetzt
Aber selbst wenn man von dem Jahre 1933 aus- worden sind.
geht, kann man, nachdem hier Zahlen angeführt (Zurufe von der SPD: Welche?! — Ist ja
worden sind, die ein falsches Bild entstehen las- gar nicht wahr!)
sen, nicht darauf verzichten, die tatsächlichen Ent-
wicklungszahlen zu nennen. Nach den Zahlen vom Die derzeitige Ausnahmeregelung, wonach Kon-
sumgenossenschaften auch an Nichtmitglieder - ver-
Wirtschaftsministerium hatten die Konsumgenos-
senschaften im Jahre 1932 im gegenwärtigen Ge- kaufen dürfen, war begründet und auch gerecht-
biet der Bundesrepublik 2,1 Millionen Mitglieder, fertigt dadurch, daß Umsatz und Mitgliederbestand
im Jahre 1952 1,8 Millionen. Es besteht also noch der Konsumgenossenschaften nach dem Zusam-
ein Unterschied von 0,3 Millionen. Im Jahre 1932 menbruch von 1945 gegenüber der Zeit vor 1933
hatten sie im gleichen Gebiet 8500, im Jahre 1952 erheblich zurückgegangen waren. Nach den Ver-
7363 Verteilungsstellen. Für den Umsatz darf ich öffentlichungen der Konsumgenossenschaften selbst
folgende Zahlen nennen. Der Umsatz im Jahre sind inzwischen die früheren Höchstziffern im Um-
1932 war 722 Millionen Mark, im Jahre 1952 1,34 satz wie im Mitgliederbestand sogar überschritten
Milliarden DM. Bedenken Sie dabei aber bitte, worden.
daß der Preisindex im Jahre 1952 im Verhältnis (Zurufe von der SPD: Lesen Sie vor! — Sie
zum Jahre 1932 bei 200 lag. Danach sind die Kon- haben nicht aufgepaßt!)
sumgenossenschaften auch in ihrem Umsatz noch Allerdings stehen die Ausführungen des Herrn
im Rückstand gegenüber der damaligen Zeit. Das Vertreters des Bundeswirtschaftsministeriums, die
wollte ich doch zu den hier aufgestellten Behaup- er kürzlich im Wirtschaftspolitischen Ausschuß ge-
tungen sagen, die man objektiver in diesem Licht macht hat, hierzu in einem nicht überzeugenden
sehen muß. Gegensatz, der hoffentlich recht bald eindeutig auf-
geklärt wird.
Zum Schluß möchte ich noch folgendes erklären.
Ich fürchte, daß all die Herren, die hier glauben, (Zuruf von der SPD: Frisiert werden muß!)
dem Einzelhandel damit einen Dienst zu erweisen, Gestatten Sie mir die persönliche Erklärung, daß
daß sie das Nichtmitgliedergeschäft der Konsum- ich dem Ausschußantrag nicht zustimmen werde
genossenschaften beseitigen wollen, nicht mit ent- — auch eine Vielzahl meiner politischen Freunde
sprechender Voraussicht an die Zukunft gedacht werden so handeln —, weil er nicht die Wettbe-
haben. Denn letzten Endes wird es dahin kommen, werbsgleichheit zwischen Konsumgenossenschaften
daß all die Hausfrauen, die bisher hie und da ein- und Handelsbetrieben gewährleistet. Eine Zustim-
mal im Konsum gekauft haben und nicht Mitglied mung zu dem kurzfristigen Kompromiß, der nie-
geworden sind, als Mitglied in die Konsumgenos- mals verlängert werden sollte, kann allgemein die
senschaften eintreten, kommende Neuregelung des Rechts der Konsum
genossenschaften in keiner Weise präjudizieren.
(Abg. Dr. Orth: Um so besser für euch! —
Nach unserer Wirtschaftsauffassung dürfen die
Weitere Zurufe rechts) Konsumgenossenschaften nach dem Gleichheits-
und die Hausfrau, die einmal Mitglied im Konsum prinzip künftig keinesfalls gegenüber den Handels-
geworden ist, macht ihre Einkäufe dann unter dem betrieben bevorzugt bleiben.
Gesichtspunkt der größtmöglichen Rückvergütung; (Beifall beim GB/BHE und rechts.)
sie wird also in Zukunft mehr im Konsum kaufen,
als sie es bisher getan hat. Man sollte das auch Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
einmal von diesem Standpunkt aus sehen. geordnete Stücklen.
(Erneute Zurufe rechts.)
Stücklen (CSU): Herr Präsident! Meine Damen
Ich vertrete die Angelegenheit ja nicht unter dem und Herren! Aus meinem Beruf bin ich gewohnt, an
Gesichtspunkt, daß die Konsumgenossenschaften Aufgaben mit ziemlicher Logik heranzugehen.
das größtmögliche Geschäft machen sollen, sondern (Lachen und Zurufe links.)
204 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Stücklen)
— Ich wollte Ihnen eben ein Kompliment machen. auch die marktbeherrschende Position der Konsum
Ich habe mich gefreut, daß die Frau Kollegin genossenschaf ten.
Strobel auf den Kern der Sache zurückgegangen (Beifall in der Mitte und rechts. — Abg.
ist. Denn die Aufhebung des § 8 Abs. 4 durch die
britische Besatzungsmacht 1946, durch den Wirt- Pelster: 4 % Anteil!)
schaftsrat 1947 und die Verlängerung dieser Auf- — Herr Kollege Pelster, es handelt sich hier um
hebung um ein Jahr durch uns 1952 gehen darauf das Argument des Herrn Professor Böhm.
zurück, daß man den Konsumgenossenschaften die Wenn wir nun im Zusammenhang der Beratun-
der Wiedergut- Möglichketbnwo,mZug gen die Frage entscheiden müssen, ob Verlänge-
machung auf den alten Stand zurückzukommen. rung oder nicht, dann darf ich Sie, Frau Kollegin
Nun haben Sie, Frau Kollegin Strobe l, eine Strobel, einmal ansprechen. Sie gehören sehr lange
Statistik verwendet, die uns auch im Ausschuß für der Konsumgenossenschaftsbewegung an. Vielleicht
Sonderfragen des Mittelstands vorgelegen hat. Ich sind Sie auch bei dem Konsumvereinsverbandstag
habe dort zu dieser Statistik allerdings sagen müs- von 1929 mit dabei gewesen. Der Konsumvereins
sen, daß man sie, wenn sie sich einmal auf das Jahr verbandstag von 1929 hat die Einführung des
1930 bezieht, dann auf das Jahr 1932 und dann auf Nichtmitgliedergeschäfts als den Genossenschaften
1931, nicht als eine saubere und konkrete Unterlage wesensfremd bezeichnet und das Nichtmitglieder-
zur Beweisführung verwenden kann. geschäft selbst seitens des Konsumvereinsverbandes
abgelehnt.
Das Genossenschaftswesen ist heute in eine Rich- (Hört! Hört! bei der FDP.)
tung gegangen, die nicht mehr mit dem genossen-
schaftlichen Prinzip vereinbar erklärt werden kann. Es scheint mir, daß es damals noch echte Genossen
Wenn Herr Professor B ö h in der Meinung ist, schaftler waren. Es scheint mir, daß damals der
daß die Regierungsvorlage durchdacht sei, die Ent- Wert einer Selbsthilfeorganisation erkannt worden
scheidung des Reichstags von 1898 aber nicht, dann ist, und es scheint mir weiter, daß man durch die
liegt darin die Wertung einer parlamentarischen von 1946 bis heute geltende Ausnahmebestimmung
Entscheidung, deren Beurteilung ich Ihnen, Herr Geschmack an der Kapitalgesellschaft gewonnen
Professor Böhm, ganz allein überlassen möchte. hat.
(Lebhafter Beifall in der Mitte und
(Abg. Arndgen: Wissen Sie nichts von rechts. - Zurufe links.) -
Kampfabstimmungen?)
Dagegen wenden wir uns. Wenn Sie eine Erwerbs-
— Herr Kollege Arndgen, wir haben hier im Bun gesellschaft werden wollen oder eine Kapitalgesell-
destag auch Kampfabstimmungen gehabt, als es schaft, dann nehmen Sie die Rechtsform an, die für
um die Verlängerung oder Nichtverlängerung ging. eine solche Gesellschaft möglich ist; beanspruchen
(Abg. Sabel: Eine bessere Begründung wäre Sie aber bitte nicht für sich den Genossenschafts-
mehr wert gewesen!) charakter, wenn Sie längst über diesen Bereich hin-
ausgegangen sind.
— Kommt auch noch.
Nun wird man mit allen möglichen Statistiken Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren,
kommen, mit Umsatzzahlen usw. Man sagt, daß die zur Abstimmung. Ich glaube, daß diese Abstim-
Konsumgenossenschaften nur mit 4 % am Gesamt- mung ein Prüfstein dafür ist, wie die einzelnen
umsatz des, Einzelhandelsgeschäfts teilhaben. Es ist Fraktionen gewillt sind, die Versprechungen, die
aber doch ein wesentlicher Unterschied, ob nun die sie im Wahlkampf gegeben haben, seine positive
Mittelstandspolitik zu betreiben, einzulösen.
4 % in der Hand einer einzigen Genossenschaft
liegen oder ob die 96 % von Hunderttausenden von (Beifall in der Mitte und rechts. — Zurufe
Einzelhändlern, von Einzelexistenzen gebracht links. — Abg. Sabel: Unerhört! — Abg.
werden. Pelster: Unverschämtheit! — Unruhe.)
(Beifall in der Mitte.)
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
Das ist der wesentliche Unterschied in unserem geordnete Becker (Hamburg).
Denken. Hier ist das Denken, das den Persönlich-
keitswert betont, und dort das, das den Kollektiv- Becker (Hamburg) (DP): Meine Damen sind Her-
erfolg als gleichwertig hinstellt. Gegen diese Be- ren! Die Freunde und Mitglieder der Konsumgenos-
strebungen wenden wir uns. Deshalb werden wir senschaften leisten dem Konsumgenossenschaftsge-
auch mit aller Entschiedenheit gegen eine Ver- danken, wie ich glaube, keinen guten Dienst, wenn
längerung dieses Gesetzes eintreten, weil dadurch Sie sich jetzt mit dieser Beharrlichkeit für das so-
die Voraussetzungen zur Neuregelung im Genos- genannte Nichtmitgliedergeschäft einsetzen. Mein
senschaftswesen auf eine vollkommen falsche Basis Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß
gestellt werden. früher die Einstellung der Konsumgenossen-
Wenn Herr Professor Böhm — ich muß noch ein- schaften und der Konsumgenossen selber eine
mal darauf zurückkommen — gesagt hat, daß es andere gewesen ist. Ich sage Ihnen als Mitglied
1945/46 notwendig war, den Konsumgenossenschaf- einer großen Konsumgenossenschaft Norddeutsch-
ten die Möglichkeit des freien Verkaufs zu geben, lands aus meiner konservativen Einstellung, daß
um die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuer- der Weg, den die Konsumgenossenschaften jetzt
halten, dann darf ich doch hinzufügen, daß auch die einschlagen - nämlich zu dem Nichtmitgliederge-
übrige gewerbliche Wirtschaft — die Einzelhandels- schäft als Regel überzugehen —, von dem ursprüng-
geschäfte — ihren Anteil daran gehabt haben. lichen Gedanken der Genossenschaftsselbsthilfe
wegführt.
(Abg. Sabel: Von niemand bestritten!) (Sehr richtig! rechts.)
Wenn Sie aber meinen,, Herr Professor Böhm, daß Vielleicht nehmen die Freunde, die sich immer als
es nur dann möglich war, den Konsumenten zu be- alleinberechtigte Sprecher der Konsumgenossen-
friedigen, wenn die Konsumgenossenschaften frei schaften ausgeben, einmal zur Kenntnis, daß die
verkaufen konnten, dann bestätigen Sie damit aber Konsumgenossenschaften eine gute Anzahl konser-
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 205
(Becker [Hamburg])
vativ eingestellter Mitglieder haben, die sich nach Zum Schluß darf ich folgendes sagen. Solange die
wie vor zu dem ursprünglichen Gedanken be- Dinge in politischer Hinsicht noch so unausgeglichen
kennen. sind, glaube ich, sollte man berechtigterweise von
der Grundlage ausgehen, die die Konsumgenossen-
Frau Kollegin Strobel hat nun ausgeführt, es schaften fördernden Bestimmungen, wie sie in den
sei für den Verbraucher bei der heutigen Entwick- vergangenen Jahren bestanden haben, nun doch ein-
lung schlechthin lästig, wenn er nicht in den einen mal bis zur endgültigen Klärung zurückzustellen,
oder anderen Laden gehen könne. Das ist eine Tat- damit die offiziell befugten Vertreter der Konsum-
sache, die nicht zu leugnen ist. Von dem Standpunkt genossenschaften sich einmal überlegen, daß sie
des einfachen Verbrauchers aus, der also nicht kon- besser eine faire Diskussion betreiben sollten, um
sumgenossenschaftlich orientiert und organisiert zu einer gerechten Lösung zu kommen, die alle
ist, ist diese Einstellung vertretbar und auch be- Teile befriedigen kann.
rechtigt. Wenn als Folge davon aber gefordert wird,
daß die Gewerbefreiheit für alle Verkaufseinrich- (Beifall rechts und in der Mitte.)
tungen gleich ist, muß auf der anderen Seite auch
die Konsequenz gezogen werden, daß man eine Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
gleiche steuerliche Behandlung schafft. Ich will gar geordnete Dr. Dr. Müller.
nicht behaupten, die Konsumgenossenschaf ten
würden steuerlich besser behandelt. Ich stelle nur Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU): Herr Präsident!
fest, daß die Konsumgenossenschaften steuerlich Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Ab-
anders behandelt werden, daß also der Start für sicht, in diese Debatte einzugreifen. Aber die Aus-
den Wettbewerb ungleich ist. Aus allen diesen führungen meines Fraktionskollegen Stücklen
Gründen glaube ich, daß die Argumente, die von zwingen mich dazu, ein paar Bemerkungen zu
den Vertretern der vorliegenden Drucksache 51 an- machen.
geführt werden, die schlechteren sind. (Sehr gut!)
Hinzu kommt aber noch folgendes, und das Meine Damen und Herren, von dem Antrag und
möchte ich zum Schluß bemerken. Die Auseinander- dem Beschluß des Wirtschaftspolitischen Auschusses
setzungen über dieses Thema haben eine erfreuliche wird die sachliche Frage, wie Konsumvereine, an-
Seite. Sie weisen darauf hin, daß die wirtschaft- dere Genossenschaften und Einzelhandel behandelt
-
liche Gesundung in Westdeutschland schon so fort- werden sollen, überhaupt nicht tangiert,
geschritten ist, daß sich schon an diesen zweit- und (Sehr richtig! in der Mitte)
drittrangigen Fragen eine derart lebhafte Ausein- sondern das Ziel dieses Antrages ist, dem Bundes-
andersetzung entzündet. Sie zeigen weiter, daß die tag Zeit zu geben, in eine Erörterung der an-
Gedanken der staatlichen Lenkung der Wirtschaft stehenden Probleme einzutreten und eine Regelung
allm ählich hoffentlich ganz aus den Köpfen der zu finden, die allen Beteiligten im Wirtschafts-
Deutschen in Westdeutschland verschwinden. Aber leben gleichen Start gibt.
auf der anderen Seite muß auch darauf hingewiesen
werden, daß die Auseinandersetzungen von den (Lebhafte Zustimmung in der Mitte.)
beiden Interessentengruppen in diesem Falle vor- Ich glaube, wenn man sachlich und unvoreingenom-
wiegend in einer Weise geführt worden sind, die men ist, wird man dem Bundestag diese Möglich-
nicht ohne weiteres hingenommen werden kann. keit geben müssen, zumal der erste Bundestag die
Ich gebe zu, daß die Interessenvertretungen des Drucksache Nr. 4074, die sich mit dieser Materie
Einzelhandels teilweise eine Argumentation ge- schon befaßte, nicht mehr erledigen konnte.
führt haben, die über das Maß der Sachlichkeit (Zuruf links: Das ist bedauerlich!)
hinausgeht. Sie haben sich teilweise in der Wort-
wahl vergriffen, haben von „Provokation des Mit- Es ist mir unverständlich, daß in diese Debatte
telstandes" gesprochen. Das . ist, glaube ich. eine et- Schärfen hineingetragen werden können, wie es
was starke Dosis. Auf der anderen Seite muß man Herr Kollege Stücklen getan hat.
sich aber fragen: Wie war die Antwort der Konsum- (Beifall in der Mitte.)
genossenschaften? Ihnen allen ist der „Ver-
braucher", die Zeitschrift des Zentralverbandes der Meine Damen und Herren, es geht nicht an, Aus-
Konsumgenossenschaften zugegangen, in der die, führungen zu machen, die den Eindruck erwecken
ich muß wohl sagen, ungeheuerliche Feststellung könnten, als ob diejenigen, die nur für diese Ver-
eines Mitgliedes einer Genossenschaft steht, der längerung sind, damit eine mittelstandsfeindliche
Kampf gegen die Konsumgenossenschaften habe Haltung bekundeten.
jetzt schon wieder Formen angenommen, welche (Erneuter Beifall in der Mitte.)
den Methoden des tausendjährigen Reiches ent-
sprächen. Ich habe mich selber in der Beurteilung dieser
Dinge hier zurückgehalten, aber ich bin der Auffas-
Meine Damen und Herren, mit dieser Argumen- sung: man lasse diese Schärfen aus der Debatte
tation, die eine reine Polemik ist, nützen Sie nie- heraus
mandem. Sie bringen vielmehr dasselbe Argument, (Sehr richtig! in der Mitte)
das jetzt Gott sei Dank von der politischen Ebene und sorge dafür, daß wir uns nach den Ferien zu
verschwunden ist, in die wirtschaftspolitische Aus- sammensetzen und in aller Offenheit die Dinge so
einandersetzung wieder hinein, wenn Sie Ihre Ge- regeln, wie es die wirtschaftliche Vernunft verlangt.
genspieler bezichtigen, Methoden des tausendjäh-
rigen Reiches anzuwenden. Dabei hat von der an- (Lebhafter Beifall in der Mitte.)
deren Seite, vom Einzelhandel und vom gewerb-
lichen Mittelstand, niemand etwa ein Verbot, eine Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
Auflösung der Konsumgenossenschaften oder etwas geordnete Kriedemann.
Ähnliches gefordert. Wenn Sie mit solchen Argu-
menten arbeiten, leisten Sie der Sache, die Sie ver- Kriedemann (SPD): Herr Präsident! Meine Da-
treten, keinen guten Dienst. men und Herren! Der Herr Kollege Stücklen hat
206 2. Deutscher Bundestag — a. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Kriedemann)
hier an Wahlversprechungen erinnert. Das sei ihm gen gehörten zu den Betriebsausgaben und seien
unbenommen. Ich möchte mir aber doch den Vor- ein Gewinnverzicht. Das Ist labsolut richtig. Aber
schlag erlauben, daß wir die Diskussion nicht in die Rückvergütungen, die der Einzelhandel geben
Form von Wahlversammlungen führen. Damit kann, sind durch das Rabattgesetz auf 3 % be-
niemand hier unter irgendeinem falschen Eindruck schränkt. Diese Beschränkung gilt nicht für die
seine Abstimmung vornimmt — und ein solcher Konsumgenossenschaften. Darin liegt der Unter-
Eindruck müßte eigentlich entstehen, wenn man schied, und dieser Unterschied sollbeseitigt wer-
sagt: Ja, nur 4 %, aber in einer Hand, ein ganz den. Das haben Sie leider nicht gesagt.
großer Konzern -, möchte ich hier darauf auf-
merksam machen, daß es nicht nur eine Konsum- Ich darf für die FDP-Fraktion den Antrag der
genossenschaft gibt, DP auf namentliche Abstimmung unterstützen. Ich
bitte, die Problematik sehr klar zu erkennen, ob
(Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte) der Sondervorteil, der den Konsumgenossenschaf-
sondern fast 300 Konsumgenossenschaften, ich ten
glaube, genau 200 und einige 90, (Zuruf von der Mitte: Gar nicht vorhanden!)
(Abg. Lenz: 312!) bis zum heutigen Tage gewährt worden ist, auch
über den 31. Dezember hinaus gewährt werden
— 305, Herr Kollege Lenz, von denen eine größere soll, oder ob wir mit gleichen Startbedingungen in
Anzahl nur eine, zwei, drei Verkaufsstellen unter-
halten; die neuen Verhandlungen eintreten. Das ist, glaube
(Sehr richtig! in der Mitte) ich, die Kernfrage.
also wahrlich ein Kreis von Menschen, die sich zu (Beifall rechts und in der Mitte. — Abg.
einer echten Selbsthilfeaufgabe zusammenge- Pelster: Völlig daneben!)
schlossen haben. Wenn nun einer glaubt, es gebe
darüber aber so eine magische Zusammenfassung, Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
die das Ganze doch zu einem von einem zentralen geordnete Dr. Horlacher.
Punkt aus gesteuerten Konzern mache, dann möge
der Betreffende doch einmal seine Voreingenom- Dr. Horlacher (CSU): Meine sehr verehrten Da-
menheit oder vielleicht auch seine Angst über- -
men und Herren! Ich habe in den Wahlauseinander-
winden, möge in den Laden einer Konsumgenossen- setzungen keine Versprechungen gemacht;
schaft gehen und einmal sehen, was denn nun dort (Abg. Schmücker: Vorsicht!)
zum Verkauf gestellt wird. Das sind keineswegs
etwa nur Produkte aus den Fabriken der Konsum- infolgedessen kann ich auch ruhig und objektiv
genossenschaften, sondern - - zu der Frage Stellung nehmen.
(Zuruf rechts: 50%!) (Heiterkeit.)
— Dann - sind es immerhin noch 50% von diesen Die Debatte hat eine Reihe von Unklarheiten
4%, die aus der sogenannten freien Wirtschaft, aus ergeben, deren baldige Beseitigung unbedingt not-
privaten Unternehmungen kommen, wendig ist. Ich wäre der Letzte, der gegen eine
(Abg. Pelster: Sehr richtig!) solche Klärung wäre. Schon allein das Nichtmitglie
der-Geschäft ist, wenn Sie sich einmal. die Kom-
und dann überlegen * Sie bitte, ob das nun etwa die mentare zu § 8 des Genossenschaftsgesetzes an-
richtige Art von Mittelstandspolitik wäre, wenn
Sie die Konsumgenossenschaften vor eine Aus- sehen, so eine schwankende Gestalt. Was sind
nahmeregelung stellten — neulich ist im Wirt- Nichtmitglieder-Geschäfte? Die gewerblichen Roh-
schaftspolitischen Ausschuß in nicht ganz unzutref- stoffverbände, die an Nichtmitglieder verkaufen,
fender Weise das Wort „Ghetto" gebraucht worden dürfen dies tun. Konsumvereine, die selber produ-
zieren, dürfen die selber produzierten Waren auch
— und ob Sie dadurch denen — und 50% von 4 % an Nichtmitglieder verkaufen. Um stich auf dem Ge-
des Gesamtumsatzes ist vielleicht auch noch ein
ganz interessantes Geschäft — wirklich einen biet des Mitgliedergeschäfts und Nichtmitglieder
großen Gefallen täten, die bisher zu den Lieferanten Geschäfts zurechtzufinden, muß man die Kommen-
der Konsumgenossenschaften gehören., tare genau studieren.
(Beifall bei der SPD und in der Mitte.) Ich möchte nicht in den Fehler verfallen, Mer
lediglich aus Interessengründen eine Agitations
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- politik zu treiben.
geordnete Weyer. (Beifall in der Mitte.)
Weyer (FDP): Herr Präsident! Meine sehr ver- Aber es kommt hier darauf 'hinaus, als ob den Kon-
ehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Hoff- sumvereinen lediglich der Einzelhändler gegen-
nung, daß wir uns heute noch gegenseitig zu über- überstände. Ja, gibt es denn außer den Konsum-
zeugen vertrnögen. Ich glaube, die Meinungen sind vereinen und der GEG nicht andere Wirtschafts-
ziemlich vorgefaßt, und wir könnten die Debatte gebilde?
beenden. (Zuruf: EDEKA!)
(Sehr richtig! in der Mitte.) Gibt es nicht diese Wirtschaftsgebilde und all die
Ich möchte mich auch nicht in die kleine Ausein- großen Einkaufsgesellschaften, deren Vertreter in
andersetzung innerhalb der CDU-Fraktion ein- den Ländern umherfahren und bei denen die
mischen. Wir teilen den Standpunkt, den Herr Kol- Einzelkaufleute
lege Stücklen vorgetragen hat, und wir würden (Abg. Schmücker: Warenhaussteuer!)
uns freuen, wenn sich auch die Mehrheit der CDU- nur noch Filialleiter sind? Davon spricht kein
Fraktion diesem Standpunktanschließen würde. Mensch.
Ich darf noch ein Wort zu Ihnen, Herr Kollege (Zuruf rechts: Das hat hiermit nichts
Krammig , sagen. Sie sagten, die Rückvergütun zu tun!)
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 207
(Dr. Horlacher)
Ich selber bin Genossenschaftler genug, um zu zu klären, auffordern, für die Verlängerung zu
wissen, wie der Genossenschaftsgedanke jeweils stimmen, damit wir in der Zwischenzeit eine rich
angewendet werden -muß. Er findet auch in den tige Lösung der Probleme finden können.
mittelständischen Betrieben Anwendung. Ich er- (Beifall bei einem Teil der CDU/CSU
innere nur an die EDEKA-Genossenschaft. Jeder und bei der SPD.)
Einzelhändler hat die Möglichkeit und das Recht,
sich die Vorteile des Großbezugs zu eigen zu Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat Herr
machen, indem er sich beispielsweise der EDEKA- Abgeordneter Mensing.
Genossenschaft anschließt.
(Abg. Meyer- Ronnenberg: Er muß sie aber Mensing (CDU): Herr Präsident! Meine Damen!
voll versteuern!) Meine Herren! Wir wollen die Dinge nicht ins
Lächerliche ziehen; dafür ist die Frage doch zu ernst.
— Jetzt kommen Sie wieder mit dem Steuer- Ich hatte nicht die Absicht, hier das Wort zu neh-
problem. Dazu haben ändere Kollegen schon Stel- men; veranlaßt hat mich dazu der Kollege Horlacher.
lung genommen. Das ist ein weiterer Grund, der
mich veranlaßt, meine engeren Freunde aufzufor- Ich bin der Auffassung, daß der ganze hier zur
dern, unter allen Umständen für die Verlängerung Diskussion gestellte Fragenkomplex selbstverständ-
bis 30. Juni zu stimmen. Denn die steuerliche lich zwei Seiten hat, und spreche dies klipp und
Behandlung der Genossenschaften weist eine Reihe klar aus. Wir vom gewerblichen Mittelstand fühlen
von Unrichtigkeiten auf, die dringend der Klärung uns nicht nur von den Konsumvereinen bedroht,
bedürfen. sondern auch von den anderen Großbetrieben —
(Beifall in der Mitte.) um mich ganz vorsichtig auszudrücken—, von wirt-
schaftlich rechts. Unser Behauptungskampf richtet
Es wird ja immer nur einfach drauflos behauptet. sich daher gegen wirtschaftlich links und gegen wirt-
Es ist nicht das erste Mal, daß ich eine Konsum- schaftlich rechts.
vereins-Debatte mitmache; ich bin auf dem Gebiet (Heiterkeit bei der SPD. — Unruhe. —
schon hartgesotten. Zuruf von der CDU: Was heißt das?
(Heiterkeit.)
Ich bin ehrlich genug einzugestehen, daß unsere
Die Welt ist deswegen noch nicht zugrunde gegan- handwerklichen Genossenschaften zum Teil- auch
gen. Die Meinungen sind immer quer durch die an Nichtmitglieder verkaufen.
Fraktionen gegangen. Wir haben uns allerdings (Abg. Arndgen: Aha!)
gegenseitig, glaube ich, nicht so abgekämpft wie
heute; es ist ein bißchen gemütlicher zugegangen. Aber bitte, ich will die Dinge, nachdem der Kollege
Heute war die Debatte interessenmäßig ein bißchen Horlacher mich dazu gezwungen hat, hier die
sehr scharf zugespitzt, so daß man nicht mehr das Bühne zu betreten, — —
Wirkliche von dem Unwirklichen, nicht mehr das (Große Heiterkeit.—Zuruf: Wer war das?)
Echte vom Unechten, nicht mehr das Agitatorische
von dem hat unterscheiden können, was man — Bitte, lachen Sie ruhig! Ich bin gewohnt, in
eigentlich will. diesen Dingen eine ganz offene Sprache zu sprechen.
(Beifall bei Abgeordneten in der Mitte (Zuruf von der SPD: Es geht um die
und -bei der SPD.) Wurst!)
Das Genossenschaftswesen dient genau so dem Nein —, es geht um etwas anderes. Es geht darum —
gewerblichen Mittelstand wie den anderen Ständen, und Ihre hämischen Bemerkungen geben mir Ver-
(Zustimmung einiger Abgeordneter anlassung dazu —, die Frage der Konsumvereine
der CDU) von der politischen Seite zu untersuchen.
und die Genossenschaftler müssen sehr vorsichtig (Sehr gut! rechts. — Aha!-Rufe von der
sein, wenn sie den einen Genossenschaftsgedanken SPD. — Zuruf: Wurst wider Wurst!)
da verwerfen und dort wieder beanspruchen. Ich Es wurde hier zum Ausdruck gebracht, daß die
weiß zum Beispiel, daß die Fleischer dein Genos- Konsumvereine längst über den genossenschaft-
senschaftsgedanken nicht so gegenüberstehen, wie lichen Rahmen der Selbsthilfe hinausgegangen sind
es heute zum Ausdruck gekommen ist. Da gehen . und heute reine Erwerbsunternehmen geworden
dieMnugrchade gnir. sind. Wir sehen in ihren Genossenschaften (zur
Aber wenn ich schon einmal das Genossenschafts- SPD) in erster Linie wirtschaftliche Institutionen,
prinzip als berechtigt anerkenne, . dann muß ich die dazu berufen sind, sehr viele Menschen aus
auch dafür sorgen, daß keine Ausnahmebestim- Ihren politischen Reihen unterzubringen, damit sie
mungen gegen eine Genossenschaft bestehen. die Möglichkeit haben, frei von wirtschaft lichen
(Sehr richtig! in der Mitte.) Sorgen sich für Ihre politische Idee einzusetzen.
Das Nichtmitglieder-Geschäft kann ja von jeder (Lachen und erneute Zurufe von der
Genossenschaft betrieben werden, wenn es in den SPD. — Abg. Mellies: Wollen Sie ernst
Statuten festgelegt ist. Nur der § 8 Abs. 4 hat genommen werden oder nicht?)
diese Ausnahmebestimmung. Der gewerbliche Mittelstand sieht die Dinge auch
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist von dem staatspolitischen Gesichtspunkt an.
meiner Ansicht nach dringend notwendig, die (Zuruf von der SPD: Da haben wir es!)
Dinge gründlich zu klären. Ich will mich in den Wir bekennen uns zur Persönlichkeitswirtschaft
Streit der Meinungen nicht weiter einmischen, ich und wünschen,
will gar keine grundsätzlichen Ausführungen Zuruf von der SPD: Sülze! — Heiterkeit
machen. Denn die Dinge sind ja schon so festgefah- links)
ren, daß man kaum mehr zur Vernunft reden
darf. Aber ich möchte die Mitglieder des Hauses, daß die vielen selbständigen kleinen und mittleren
die -das Bedürfnis haben, die Frage noch weiter Betriebe der Volkswirtschaft erhalten bleiben. Der
208 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Mensing)
1 Staat, der es versteht diese selbständigen Kräfte Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Rednerliste ist
am Leben zu erhalten, hat die Gewähr, daß er sich erschöpft.
einen guten Dienst erweist. Vergessen Sie nicht, (Zuruf von der SPD: Wir auch!)
die Ausschaltung dieser Gruppen des Mittelstandes
wird gleichbedeutend damit sein, daß den Söhnen Ich schließe die Aussprache zu Art. 1. Es ist der An-
der Arbeiterschaft die Aufstiegsmöglichkeiten ge- trag auf namentliche Abstimmung über Drucksache
nommen werden. 117 gestellt. Ich nehme an, daß hier eine nament-
liche Abstimmung zu Art. 1 in zweiter Lesung ge-
(Lachen bei der SPD. - Abg. Dr. Greve: meint ist. Besteht darüber Einverständnis? — Das
Was sagen Sie denn zu Ahrberg, Herr ist der Fall.
Mensing? - Weitere Zurufe.)
Ich frage, ob der Antrag auf namentliche Ab-
— Ich bin ein Gegner der Filialbetriebe und der. stimmung von wenigstens 50 Mitgliedern des Hau-
Großbetriebe. ses unterstützt wird. — Das sind wenigstens 50 Mit-
(Zuruf von der SPD: Aller anderen Metz glieder. Die namentliche Abstimmung wird hiermit
gerläden! — Heiterkeit links.) eröffnet. Ich bitte die Herren Schriftführer, sich
Ich persönlich werde meinem Freund Schmücker zu den Urnen zu begeben und die Stimmkarten
Gefolgschaft leisten einzusammeln.
(Lachen bei der SPD) (Einsammeln der Stimmkarten.)
und bekenne mich zu seiner Auffassung. Sind noch Damen und Herren im Saal, die ihre
Stimme abzugeben wünschen?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Zuruf: Jawohl!)
und bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)
Ich frage nochmals: sind noch Damen und Herren
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- im Saale, die ihre Stimme abzugeben wünschen? —
geordnete Schmücker. Das ist nicht der Fall. Ich schließe die namentliche
Abstimmung.
Schmücker (CDU):. Herr Präsident! Meine Damen (Auszählen der Abstimmungskarten.) -
und Herren! Ich habe Ihnen als erster Redner vor-
geschlagen, man möge versuchen, eine leidenschafts- Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis
lose Debatte zu führen. Ich muß sagen, daß wir der namentlichen Abstimmung*) bekannt. Von den
gegenwärtig von beiden Seiten den Versuch stimmberechtigten Abgeordneten wurden 458 Stim-
machen, mit anderen Argumenten als mit denen men abgegeben. Es stimmten mit Ja 259, mit Nein
der Vernunft überzeugen zu wollen. Lautstärke 185 bei 14 Enthaltungen. Von den Berliner Abge-
spricht nicht für sich; es spricht auch nicht für sich, ordneten wurden 20 Stimmen abgegeben. Mit Ja
wenn man einem Kollegen mit Gelächter oder/ähn- stimmten 14, mit Nein 6; keine Enthaltungen. Da-
lichen Dingen entgegentritt. mit ist Art. 1 angenommen.
Es ist von Interessen und anderen Dingen ge- Seitens der Fraktion der Deutschen Partei wurde
sprochen worden. Ja, meine Damen und Herren, als Eventualantrag ein Änderungsantrag auf Ein-
das bestreitet niemand, daß der eine oder andere fügung eines Art. 1 a gestellt:
diese oder jene Interessen hat. Aber wenn wir Ab 1. Januar 1954 entfallen sämtliche steuer-
nicht einmal mehr in der Lage sind, dem anderen liche Vorteile, die bisher den Konsumgenossen-
zuzubilligen, daß er nach seinem echten Empfin- schaften gewährt wurden.
den urteilt, können wir nach Hause gehen.
Der Antrag ist bereits begründet. Wird hierzu
Wir haben Ihnen klar gesagt, daß es uns gar noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
nicht darauf ankommt, irgendwie das Mitglieder- Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungs-
geschäft zu beschränken. Uns kommt es vielmehr antrag der Deutschen Partei zustimmen will, den
darauf an, einen gleichen Wettbewerb herzustellen. bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die
Da sind die einen der Meinung, daß man für die Gegenprobe. - Enthaltungen? — Bei einigen Ent-
Übergangszeit so verfahren soll, und die anderen, haltungen mit Mehrheit abgelehnt.
daß man so verfahren soll. Ich mache niemandem
einen Vorwurf daraus, daß er so oder so urteilt. Ich rufe auf Art. 2. Wird hierzu das Wort ge-
Und wenn ich der Meinung bin, habe ich auch das wünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Art. 2
Recht dazu, mich so zu äußern, daß das Auslaufen zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. —
der Sonderbestimmungen dem Ideal des gleichen Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? —
Wettbewerbs am nächsten kommt. Mit Mehrheit angenommen.
(Abg. Arndgen: Wozu die Entschuldi Ich rufe auf Art. 3. Wird das Wort gewünscht? —
gungen?) Das ist nicht der Fall. Wer dem Art. 3 zustimmen
will, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte
— Herr Arndgen, ich habe mich bisher ordentlich um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste
ausgedrückt und erwarte von Ihnen, daß Sie mich ist die Mehrheit;, der Art. 3 ist angenommen.
entsprechend behandeln. Ich bin der Meinung, daß
wir dem Idealzustand des gleichen Wettbewerbs, Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Wer Zu-
der nie erreichbar sein wird, in der Übergangszeit stimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben.
dadurch am nächsten kommen, daß wir das Son- Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einleitung und
derrecht auslaufen lassen. Nur aus diesem Grunde Überschrift sind mit großer Mehrheit angenommen.
stimme ich und stimmt eine große Anzahl meiner Ich komme zur
Freunde gegen die Ausschußvorlage. Über Mitglie- dritten Beratung.
dergeschäft, Steuersachen usw. sprechen wir, wenn
es auf der Tagesordnung steht. — Das ist mein Ich eröffne die Aussprache.. Wird das Wort ge-
Schlußwort.
(Beifall in der Mitte und rechts.) *) Siehe Abstimmungsliste Seite 232.
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 209
(Vizepräsident Dr. Jaeger)
wünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete
Generalaussprache. Dr. Oesterle.
Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, - Einleitung und
Überschrift. Wer diesen aufgerufenen Artikeln so- Dr. Oesterle (CSU), Berichterstatter: Herr Präsi-
wie Einleitung und Überschrift die Zustimmung dent! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für
geben will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom
bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit 4. Dezember mit dem Meistbegünstigungsabkom-
Mehrheit angenommen. men zwischen ,der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik El Salvador befaßt. Es hat keine Aus-
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Ge- sprache gegeben. Der Vertrag sieht die gegensei-
setz als Ganzem die Zustimmung geben will, den tige unbeschränkte Meistbegünstigung vor, so daß
bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegen- er die klassischen Erfordernisse eines solchen Ab-
probe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist bei kommens erfüllt. Ich habe lediglich zu beantragen,
einigen Enthaltungen angenommen. daß , der vom Bundesrat eingefügte Art. IIa redak-
Wir kommen noch zur Abstimmung zu Punkt 10b. tionell geändert wird und Art. III wird und dem-
Wird zu dem Antrag Drucksache 118 das Wort ge- entsprechend Art. III Art. IV wird.
wünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Münd- Ich habe das Hohe Haus zu bitten, dem Antrag
lichen Bericht des Wirtschaftspolitischen Ausschus- des Ausschusses, der einstimmig gefaßt worden ist,
ses betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur zuzustimmen.
Neuregelung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenos-
senschaften die Zustimmung geben will, den bitte Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird das Wort ge-
ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- wünscht? — Das ist nicht der Fall.
probe. — Enthaltungen? — Einstimmig ange-
nommen. Ich komme zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. I.
— Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Hand-
Ich schlage Ihnen vor, die beabsichtigte Pause von zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ein-
45 Minuten jetzt eintreten zu lassen. Stimmt dem stimmig angenommen.
das Haus zu? — Das ist der Fall.
Ich rufe auf Art. II. — Das Wort wird nicht ge-
Ich darf darauf hinweisen, daß jetzt die konstitu- wünscht. Wer die Zustimmung bezeugen will, den
ierende Sitzung des 32. Ausschusses, des Ausschus- bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehr-
ses für Wiederaufbau und Wohnungswesen, im heit; angenommen.
Zimmer 204 Süd stattfindet. Ebenso findet jetzt
eine Fraktionssitzung der CDU/CSU im Sitzungs- Art. III. — Wer die Zustimmung bezeugen will,
saal statt. den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die
Mehrheit; angenommen.
Wir treten um 15 Uhr 5 Minuten wieder zusam-
men. Ich unterbreche die Sitzung auf 45 Minuten. Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. — Wer
zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben .
(Unterbrechung der Sitzung. 14 Uhr , die Mehrheit; angenommen. —Dasit
22 Minuten.) Ich komme zur
Die Sitzung wird um 15 Uhr 13 Minuten durch dritten Beratung.
den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder aufge- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht
nommen.
gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich eröffne die unter- Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem
brochene Sitzung. Entwurf eines Gesetzes über das Meistbegünsti-
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: gungsabkommen vom 31. Oktober 1952 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes El Salvador zustimmen will, den bitte ich, sich zu
zur vorläufigen Durchführung von wirt- erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent-
schaftlichen Verträgen mit ausländischen haltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig
Staaten (Drucksache 77). angenommen.
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
Es ist beantragt, den Gesetzentwurf federfüh- eines Gesetzes über den Handelsvertrag vom
rend an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu 18. April 1953 zwischen der Bundesrepublik
überweisen, außerdem an den Ausschuß für Rechts- Deutschland und der Republik Uruguay
wesen und Verfassungsrecht. Wer dem Antrag zu- (Drucksache 73). Mündlicher Bericht des Aus-
stimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das schusses für Außenhandelsfragen (23. Aus-
ist die Mehrheit; die Überweisung ist beschlossen. schuß) (Drucksache 122).
(Erste Beratung: 7. Sitzung.)
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeord-
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs nete Dr. Oesterle.
eines Gesetzes über das Meistbegünstigungs-
abkommen vom 31. Oktober 1952 zwischen Dr. Oesterle (CSU), Berichterstatter: Herr Präsi-
der Bundesrepublik Deutschland und der Re- dent! Meine Damen und Herren! Genau wie im vor-
publik El Salvador (Drucksache 48); Münd- hergehenden Fall handelt es sich wieder um einen
licher Bericht , des Ausschusses für Außen- Handelsvertrag, und zwar zwischen der Bundes-
handelsfragen (23. Ausschuß) (Drucksache republik Deutschland und der Republik Uruguay.
120). Auch bei der Beratung dieses Vertrags hat sich der
(Erste Beratung: 7. Sitzung.) Ausschuß für Außenhandelsfragen einstimmig für
210 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Dr. Oesterle)
die Annahme des Vertrags ausgesprochen. Wesent- rücksichtigt werden, auf die Besoldung im
liche Änderungen gegenüber solchen Verträgen er- öffentlichen Dienst nicht übernommen werden
geben sich nicht. Das einzige, was vom handels- können. Die Beamten können nicht die Rechte
politischen Standpunkt dazu gesagt werden kann, aus den Beamtengesetzen und die Sonder-
ist vielleicht, daß sich gerade im Hinblick auf die leistungen der freien Wirtschaft gleichzeitig
Senkung der Kaffeesteuer die Beziehungen aus- in Anspruch nehmen. Die Angestellten und Ar-
weiten können, was wir alle ja nur erhoffen. beiter des öffentlichen Dienstes haben eine viel
Ich habe Sie im Auftrage des Ausschusses zu gesichertere Stellung als in der freien Wirt-
bitten, dem Ausschußantrag zuzustimmen. schaft, erhalten Fürsorgeleistungen und haben
zum Teil eine Zusatzversorgung und streben
Vizepräsident Dr. jaeger: Wird das Wort ge- sie zum Teil an. Die Verbesserung der wirt-
wünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich rufe Art. I schaftlichen Stellung der öffentlichen Bedien-
auf. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand steten muß über die Besoldungsordnung un d.
zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen. über die Tarifverträge, nicht aber über Weih-
nachtszuwendungen erfolgen.
Art. II. Wird das Wort gewünscht? — Das ist
nicht der Fall. Wer zustimmen will, den bitte ich, Im Dezember 1952 wurden Zahlungen ein-
die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; an- schließlich der in Nordrhein-Westfalen ge-
genommen. währten Zuwendungen ausdrücklich als Vor-
leistung für die Monate Dezember 1952 bis
Art. III. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer März 1953 gewährt, weil die Art der Besol-
zustimmen will, den bitte ich, ,die Hand zu heben. dungserhöhung vom 1. April 1953 an noch
— Angenommen. nicht feststand, die später auf 20 vom Hundert
Art. IV. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer des Grundgehaltes festgelegt wurde.
zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. Soweit der sachliche Inhalt dieses Schreibens.
— Das ist die Mehrheit; angenommen.
Soweit die fiskalische Seite des Antrages Druck-
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer zu-
sache 103 zu prüfen war, wurde von einem Ver-
stimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. —
Das ist die Mehrheit; angenommen. treter des Herrn Finanzministers darauf verwiesen,
-
daß die Verwirklichung dieses Antrages den Bund
Wir kommen zur zusätzlich mit 22 Millionen DM, die Bundesbahn
dritten Beratung. mit 41 Millionen DM und die Bundespost mit
30 Millionen DM belasten würde. Zu diesen Finanz-
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort wird nicht belastungen kämen noch solche, die entstünden,
gewünscht. Ich schließe die Aussprache. weil auch an die Bediensteten der Besatzungs-
Ich rufe auf Art. I, —II, III,
— IV,
— Ein-
—
mächte ähnliche Zuwendungen gegeben werden
leitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, müßten. Dadurch würden diese Weihnachtsbeihil-
den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um fen den Bundeshaushalt dann mit rund 100 Millio
die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig nen DM belasten, wofür keine Deckung vorhanden
angenommen. sei.
Die Schlußabstimmung entfällt gemäß § 88 der Aus diesen fiskalischen Gründen und auch aus
Geschäftsordnung. den grundsätzlichen Erwägungen, die in dem
Schreiben, das ich hier vorlesen durfte, nieder-
gelegt sind, hat der Ausschuß mit 20 gegen 9 Stim-
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: men beschlossen, dem Hause zu empfehlen, den
Beratung des Mündlichen Berichts des Haus- Antrag Drucksache 103 abzulehnen.
haltsausschusses (18. Ausschuß) über den An- Seitens der Fraktion des BHE wurde im Haus-
trag der Fraktion der SPD betreffend Weih- haltsausschuß ein sogenannter Kompromißantrag
nachtszuwendungen für Bundesbedienstete. vorgelegt. Dieser Kompromißantrag sah vor, an-
statt 50 DM Weihnachtsgratifikation nur 25 DM
Als Berichterstatter hat der Abgeordnete Arndgen und für jeden zum Haushalt gehörenden einen
das Wort. Zuschlag von 10 DM zu gewähren, mit der Maß-
Arndgen (CDU), Berichterstatter: Herr Präsi- gabe, daß die so geartete Weihnachtsgratifikation
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! nur an solche gezahlt werden soll, deren Einkom-
Der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Weih- men im Monat 300 DM nicht übersteigt. Auch die-
nachtszuwendungen an Bundesbedienstete —Druck- ser Vermittlungsvorschlag ist im Haushaltsausschuß
sache 103 — ist gestern, am 9. Dezember, im Haus- mit 19 gegen 10 Stimmen abgelehnt worden, nicht
haltsausschuß beraten worden. Während der Be- zuletzt deswegen, weil er, wenn er verwirklicht
ratung wurde dem Ausschuß ein Schreiben des würde in der Hauptsache den jungen Leuten und
Vorsitzenden des Ausschusses für Beamtenrecht den Ledigen die Weihnachtsgratifikation gewähren
zur Kenntnis gebracht, in dem zu Gratifikationen würde, während die Familien und alle anderen
an Behördenbedienstete grundsätzlich Stellung ge- von ihr nicht allzuviel hätten.
nommen wird. Dieses Schreiben, daß auch dem Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
Beamtenrechtsausschuß zur Kenntnis gebracht habe den Auftrag, Sie zu bitten, der Drucksache 137
wurde, kann als ein Gutachten zu der Frage der mit Rücksicht auf alle diese Gründe Ihre Zustim-
Gratifikation bewertet werden. Ich bitte den Herrn mung zu geben.
Präsidenten, das Schreiben vorlesen zu dürfen. Es
hatinsemclIhatfogendWrlu: Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke dem Herrn
Maßgebend war die grundsätzliche Überzeu Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
gung, daß die Weihnachtszuwendungen in der (Abg. Böhm [Düsseldorf] meldet sich zum
freien Wirtschaft, die bei den Gehältern be Wort.)
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 211
(Vizepräsident Dr. Jaeger)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst. In der letzen Ausgabe des „Bulletin" spricht aber
(Abg. Dr. Kleindinst: Erst Antragsteller! die Regierung bei Erwähnung der Zahlung im
— Weitere Zurufe. — Abg. Dr. Kleindinst: vergangenen Jahr selber von einer Weihnachts-
Zuerst doch den Antragsteller!) zuwendung und nicht von einem Vorschuß auf noch
— Es liegen bei mir sonst keine Wortmeldungen zu erwartende Gehaltsaufbesserungen.
vor. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Klein- Es gibt dabei aber noch eine andere Seite. Bei
dinst. den Gemeinden ist im vergangenen Jahr die Weih-
(Erneute Zurufe von der Mitte.) nachtszuwendung durch Tarifvertrag festgelegt
— Ich bitte Sie, sich doch schriftlich zu melden, worden, und zwar auch für dieses Jahr, und sie
damit ich das hier sehen kann. wird auch gezahlt. Für die Arbeiter und Angestell-
ten in den Ländern wäre noch im September dieses
(Zuruf von der Mitte: Böhm hatte sich Jahres die Möglichkeit gewesen, diese Weihnachts-
doch gemeldet!) zuwendungen durch Tarifvertrag zu vereinbaren.
Herr Abgeordneter Böhm hat das Wort. Das war voriges Jahr auch beabsichtigt. Die Ge-
werkschaften haben aber eine derartige Verein-
Böhm (Düsseldorf) (SPD): Herr Präsident! Meine barung mit Rücksicht auf die labilen Verhältnisse
Damen und Herren! Die Drucksache 103, die der im vergangenen Jahr abgelehnt. Für den Bund
Bundestag in der letzten Sitzung dem Haushalts- sind solche Vereinbarungen weder in diesem noch
ausschuß überwiesen hat, verlangt für alle öffent- im vorigen Jahr getroffen worden mit Ausnahme
lichen Bediensteten einschließlich der Ruhegeld- der Regelung, die voriges Jahr für alle Gültigkeit
empfänger eine Weihnachtszuwendung von 50 bzw. hatte.
35 DM, d. h. 50 DM für Verheiratete, 35 DM für Nun muß man bei der Erörterung dieser Frage
Ledige, und für jedes unterhaltsberechtigte Kind zwei Grundsatzfragen klären, und zwar einmal die
eine Zuwendung von 15 DM. Dieser Antrag bzw. Frage, ob aus haushaltsrechtlichen Gründen die
die Frage der Zuwendungen für die öffentlichen Möglichkeit gegeben ist, für den gesamten öffent-
Bediensteten anläßlich des Weihnachtsfestes hat lichen Dienst, soweit hier die Bundesverwaltung
draußen in der Öffentlichkeit zu sehr starken Dis- in Frage kommt, diese Weihnachtszuwendungen
kussionen geführt. Inzwischen haben sowohl die zu geben. Der Berichterstatter sagt, dazu seien-
Länder- wie auch die Gemeindeparlamente dazu 100 Millionen DM notwendig und der Bundes-
Stellung genommen. Der Bayerische Landtag hat finanzminister sei nicht in der Lage, für diese
beschlossen, den Bediensteten des Landes Bayern Mittel irgendwelche Deckung zu schaffen, da sie
eine Weihnachtszuwendung zu zahlen. Eine Reihe im Haushalt selber nicht vorgesehen seien. Ich
von Städten und Gemeinden haben das gleiche be- glaube nicht, daß diese 100 Millionen DM den Haus
schlossen. Es ist zur Stunde noch nicht bekannt, halt bei einer Haushaltssumme von rund 26 Mil-
wenigstens mir nicht, ob das Bundesverfassungs- liarden ins Wanken bringen, ganz abgesehen da-
gericht in Karlsruhe der Klage des Bundesfinanz- von, daß der Bundesfinanzminister ja selbst gesagt
ministers stattgegeben hat und durch eine einst- hat und es unbestritten ist, daß eine Reihe von
weilige Verfügung die Länderregierungen ver Einsparungen vorgenommen wurden, deren Zins-
verpflichtet, sich dem Grundsatz. des Bundesfinanz- erträge ausreichen würden, diese Zuwendungen zu
ministeriums anzuschließen und keine Weihnachts- geben.
zuwendungen zu zahlen. Auf der anderen Seite ist die Frage zu prüfen,
Der Berichterstatter des Haushaltsausschusses ob nach arbeits- oder beamtenrechtlichen Gesichts-
hat nun auf einen Brief Bezug genommen, der punkten eine Zahlung geleistet werden kann. Ich
gewissermaßen als Gutachten dafür gelten soll, daß bin persönlich der Meinung, daß, soweit die Ar-
Weihnachtszuwendungen für die im öffentlichen beiter und Angestellten in Frage kommen, die
Dienst Stehenden aus dem Rahmen fallen, weil tarifrechtliche Regelung für die Gemeinden unab-
im öffentlichen Dienst andere Arbeits-, Entlöh- dingbar ist. Daß die Länder und Gemeinden willens
nungs- und Versorgungspraktiken geübt werden. sind, auch in diesem Jahre zu zahlen, haben sie
Mir ist nicht bekannt, daß dem Beamtenrechtsaus- durch die ein z elnen Beschlüsse bewiesen. Bleibt
schuß, dessen Mitglied ich bin, ein derartiger Brief also nur noch die Frage zu prüfen, ob auch den
vorgelegen hat. Beamten eine Weihnachtszuwendung gegeben wer-
(Hört! Hört! bei der SPD.) den soll und ob diese Weihnachtszuwendung sich
Mir ist lediglich bekannt, daß in der ersten Sitzung mit beamtenrechtlichen Gründen und Begründun-
des Beamtenrechtsausschusses, als diese Frage be- gen überhaupt verträgt. Ich glaube, es hat mit der
handelt wurde, die Vertreter der Regierungskoa- Rechtsstellung der Beamten, mit ihrer Versorgung
lition zu verstehen gaben, sie wollten eine Weih- und ihrer Besoldung nicht das geringste zu tun,
nachtsgratifikation oder eine Zuwendung nicht wenn der Bund von sich aus an Weihnachten eine
geben, und sie begründeten es besonders mit der Sonderzuwendung in der von uns beantragten
rechtlichen Stellung der Beamten, daß die Weih- Höhe gibt.
nachtszuwendungen ihren Platz eigentlich im An- Die Begründung, die der Berichterstatter des
gestellten- und Arbeitsrecht hätten und daher für Haushaltsausschusses gegeben hat, deckt sich auch
die Beamten nicht in Frage kämen. gar nicht - oder will sich meiner Meinung nach
Ich glaube, es ist notwendig, einiges Grundsätz- auch gar nicht decken — mit dem Loblied, das
liche dazu zu sagen. Der Bund hat auch im ver- man nach Beendigung der ersten Periode des Bun-
gangenen Jahr Weihnachtszuwendungen sowohl destages auf die Arbeit im öffentlichen Dienst
an die Arbeiter wie an die Angestellten und an die gesungen hat. Das herauszustellen halte ich eben-
Beamten gegeben. Heute sagt man, es sei eine Vor- falls für notwendig. Ich bin der Meinung, daß die
leistung auf die im April erfolgte Erhöhung der geleistete Arbeit im öffentlichen Dienst eine der-
Besoldung gewesen. artige Zuwendung durchaus rechtfertigt.
(Zuruf von der Mitte: Das hat man damals Dabei ist sicherlich auch die Frage zu prüfen, ob
schon gesagt!) diese Zuwendungen Teil der Besoldung oder Son-
212 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Böhm [Düsseldorf])
derzuwendungen sein sollen. Draußen in der sätzlicher Art. Herr Kollege Böhm hat hervor-
freien Wirtschaft sind Weihnachtszuwendungen gehoben, daß sich die Weihnachtsgratifikationen
zur Selbstverständlichkeit geworden, und sie sind oder Weihnachtszuwendungen in der freien Wirt-
meiner Meinung nach, soweit wir Arbeiter und An- schaft .entwickelt haben. Sie sind in die Gestaltung
gestellte im öffentlichen Dienst sind, auch im der Anstellungsbedingungen und der Zahlung der
öffentlichen Dienst unbestritten. Die Leistungen Monatsgehälter mit eingerechnet. Sie sind auch eine
der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Abgeltung für besondere Leistungen, die die ein-
Dienst sind im Vergleich mit der Privatwirtschaft zelnen geleistet haben. Das öffentliche Recht kannte
ebenfalls beachtenswert und haben zum mindesten niemals derartige Weihnachtszuwendungen. Die
die gleiche Bewertung verdient wie die draußen Rechte der Beamten gehen aus den Beamten-
in der freien Wirtschaft. Wir werden uns vielleicht gesetzen hervor, und man kann nicht die Beamten-
daran gewöhnen müssen, daß das, was bisher noch rechte und zugleich die Gewohnheiten der freien
nicht war, für die Zukunft sein wird, und wenn Wirtschaft in Anspruch nehmen. Wir gleiten sonst
Sie beschließen, den Beamten an Weihnachten eine in eine Vermischung dieser beiden Rechtsgebiete ab,
besondere Zuwendung zu geben, dann wird das was zu weitgehenden Konsequenzen führen müßte.
für die Beamten nur ein Beweis dafür sein, daß Ich gebe ohne weiteres zu, daß die Stellung der
man ihre so herausgestellte Arbeit auch anerkennt. Angestellten und der Arbeiter im öffentlichen
Wir sind also der Auffassung, daß weder die Dienst nicht in vollem Maße mit der der Beamten
Rechtsstellung der Beamten noch ihre Einkommens- verglichen werden kann. Aber diese Angestellten
und Versorgungsverhältnisse eine Begründung da- und Arbeiter sind gegenüber der freien Wirtschaft
für sein können, diese Zuwendungen für alle Be- doch in einer viel stärker gesicherten Position. Sie
diensteten an Weihnachten abzulehnen. nehmen nicht an dem Konjunkturauf- und -abstieg
teil. Sie haben namentlich in den Gemeinden — die
Wir bitten Sie, den Antrag des Ausschusses ab- Dinge wirken ja auch in die Gemeinden hinein —
zulehnen und unserem Antrag Drucksache 103 zu- zum Teil ihre Zusatzversorgung, zum Teil wird
zustimmen. diese angestrebt, auch bei den Ländern und beim
(Beifall bei der SPD.) Bund, soweit sie für einzelne Gruppen nicht schon
erreicht worden ist. Diese Regelungen müssen -
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und dann doch einheitlich und gleichmäßig sein. Aus
Herren, ich darf zuerst folgendes zur Geschäfts- dieser grundsätzlichen Stellungnahme kommen wir
ordnung feststellen. Es wird hier nicht über den zur Ablehnung.
Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 103, son- Es soll aber auch nicht der Eindruck entstehen,
dern über den Mündlichen Bericht Drucksache 137 als werde das Streben nach diesen Weihnachszu-
in Verbindung mit Drucksache 103 verhandelt. wendungen von der Beamtenschaft allgemein ge-
Unter diesen Umständen sprach zuerst der Bericht- teilt. Die Schreiben und Entschließungen, die mir
erstatter, und dann wurde in die Aussprache ein- zu Gesicht gekommen sind, zeigen, daß die betref-
getreten. Da ein Antrag nicht unmittelbar vorliegt, fenden Verfasser nicht den Anspruch erheben kön-
war nicht dem Antragsteller zuerst das Wort zu nen, die Beamtenschaft in ihrer Gesamtheit zu
geben, sondern in der Reihenfolge der eingegange- vertreten.
nen Wortmeldungen das Wort zu erteilen.
Nun muß aber noch etwas anderes erwogen
Herr Dr. Kleindinst, der vorhin darauf verzichtet werden. Wir haben im Bundestag wiederholt da-
hat, hat nunmehr das Wort. von gesprochen, daß es große Bevölkerungsgruppen
gibt, die an der Besserung unserer wirtschaftlichen
Dr. Kleindinst (CSU): Herr Präsident! Meine sehr Verhältnisse noch nicht teilgenommen haben. Wir
verehrten Damen und Herren! Ich muß zunächst wissen, daß wir eine grundsätzliche Verbesserung
klarstellen, daß ich dem Haushaltsausschuß weder der Verhältnisse dieser Gruppen herbeiführen müs-
ein Gutachten noch eine Stellungnahme des Vor- sen. Wir können es diesen Bevölkerungsgruppen
sitzenden, sondern lediglich einen Bericht über die gegenüber nicht verantworten, daß wir für Beamte,
Stellungnahme der vier Fraktionen abgegeben habe, Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes
und zwar deshalb, weil sich der Ausschuß für Be- Weihnachtszuwendungen beschließen, während
amtenrecht mit der Materie befaßt, aber keinen jene noch warten müssen, bis ihre sozialen Ver-
Beschluß gefunden, sondern lediglich den Bericht hältnisse geregelt werden.
über die Stellungnahme der Fraktionen zur Kennt-
nis genommen hatte. Die Herren der SPD haben Es ist zu bedauern, daß es nun zu Überschnei-
sich ja damals die Stellungnahme vorbehalten. dungen mit den Regelungen einzelner Länder und
Nachdem der Antrag in der letzten Sitzung etwas der Gemeinden kommt. Aber das muß hingenom-
beschleunigt an den Haushaltsausschuß überwiesen men werden. Denn es kommt darauf an, den
worden war — und nicht auch an den Beamten Grundsatz des öffentlichen Rechtes, den Grundsatz
rechtsausschuß —, war es natürlich notwendig, daß der Besoldung im öffentlichen Dienst für alle Zu-
ich den Herrn Vorsitzenden des Haushaltsauschus- kunft klar herauszustellen und nicht zu einer Ver-
ses über die Vorgänge unterrichtete. Er hat mich mischung dieser Rechtsgebiete zu kommen. Eine
gebeten, das schriftlich niederzulegen. Mehr war Vermischung würde, das wissen wir ja, wenn sie
in dem Schreiben nicht enthalten. Es war also nicht einmal beschlossen ist, für die Dauer ihre Konse-
ein Gutachten, es war nicht eine Stellungnahme quenzen haben.
des Ausschusses, sondern es war eine Unterrich- Und nun noch eines! Es unterliegt keinem Zwei-
tung über diese vorausgegangenen Vorgänge. Das fel, daß die Zahlungen im Dezember vergangenen
muß ich der Loyalität halber hier feststellen. Jahres ausgesprochenermaßen für Dezember, Ja-
nuar, Februar und März als Vorgriff auf die Ge-
Nun bin ich beauftragt, Ihnen namens der Frak- haltserhöhungen gegeben worden sind.
tionen der CDU/CSU, der FDP und der DP zu
empfehlen, die gestellten Anträge abzulehnen und (Zuruf von der SPD.)
den Antrag des Haushaltsausschusses anzunehmen. Daraus können keine Konsequenzen gezogen wer
Die Stellungnahme der drei Fraktionen ist grund den, auch nicht auf Grund der Tatsache, daß noch
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 213
(Dr. Kleindinst)
die kleinen Beträge der Zuwendungen in Nord- In der Beurteilung der grundsätzlichen Frage ist
rhein-Westfalen angehängt wurden. Wir haben aus- man sich ja durchaus nicht einig. In den Ländern
drücklich vermieden, von Weihnachtszuwendungen hat man bezüglich der eigenen Beamten und eige-
zu sprechen, weil das im Widerspruch zu dem nen öffentlichen Bediensteten dieselbe Frage prü-
öffentlichen Besoldungsrecht stehen würde. Eine fen müssen und ist zum Teil zu anderen Ergebnis-
solche Vermengung müssen wir wegen der weit sen gekommen, nicht allein in Nordrhein-Westfalen,
tragenden Folgen grundsätzlich vermeiden. wie Herr Kollege Dr. Kleindinst vorhin gesagt hat,
Nur aus dieser grundsätzlichen Erwägung bitte sondern z. B. auch in Bayern im vorigen Jahre und
ich, dem Ausschußantrag zuzustimmen und die noch in diesem Jahre, was dann Gegenstand des
weiteren Anträge abzulehnen. überraschenden und an sich bedauerlichen Streites
vor dem Bundesverfassungsgericht geworden ist.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Die Dinge liegen uneinheitlich. Die Kommunen
sind auf Grund ihrer andern Situation bei den An-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- gestellten vorausgeprescht; die Tarifbindungen ha-
geordnete Dr. Keller. ben sie dazu veranlaßt. Der Städtetag, ein Gremium,
das sich immerhin auch Gedanken machen wird,
Dr. Keller (GB/BHE): Herr Präsident! Meine hat sich vor einiger Zeit, wie man hört, an die Bun-
Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß die desregierung mit der Bitte gewandt, die Situation
Frage der Weihnachtsbeihilfen sich zu einem Pro- noch einmal zu überprüfen, um die Beamten mit
blem ausgewachsen hat. Man möchte manchmal mei- den Angestellten und den Arbeitern in den Kom-
nen, daß der Streit um diese Dinge, der in der munen gleichzustellen. Es besteht die Gefahr, daß
weiten Öffentlichkeit entstanden ist, dem Weih- hier gerade in den unteren Einkommensschichten
nachtsfrieden nicht besonders gut ansteht. des öffentlichen Dienstes ein Sozialgefälle eintritt,
das nicht wünschenswert sein kann.
Wir sehen uns nicht in der Lage, dem Antrag Deswegen haben wir auch bewußt den Änderungs-
der Fraktion der SPD zuzustimmen. Wenn auch antrag*) als Parallele zu der Regelung gestellt, die
fiskalische Überlegungen nicht immer und in allen das Hohe Haus bereits in der vorigen Woche auf
Fragen allein bestimmend sein können, so sind Grund vorangegangener Schritte der Bundesregie-
doch die Zahlen, die hier vom Finanzministerium rung zur Kenntnis genommen und der es- damit
genannt worden sind, sehr beachtlich, gerade im
zugestimmt hat. Es bestand damals im Hause Einig-
Hinblick auf die Notlage der Bundespost und der keit darüber, daß gewisse sozial schwachen Schich-
Bundesbahn, die dadurch in einem vielleicht un- ten eine Weihnachtsunterstützung, oder wie immer
erträglichen Maße weiter belastet werden würden. man sie ihrer Rechtsnatur nach nennen will, ge-
Die weiteren Argumente, die auch in der Öffent- währt werden müßte. Es ist nun vielleicht auf den
lichkeit angeführt worden sind, gehen in zwei Rich- ersten Blick erstaunlich, aber bei näherem Hinsehen
tungen. Einmal handelt es sich um die fiskalische gar nicht mehr so verwunderlich, daß in den unte-
Frage und zum anderen um die Grundsatzf rage. ren Schichten des öffentlichen Dienstes jeder Art
WirgehnmtdMug,ieBamtn- und so auch beim Bund gewisse Parallelen der Not-
rechtsausschuß geäußert und niedergelegt worden lage doch noch gegeben sind. Wenn auch bei den
ist, im Grundsatz durchaus einig, obwohl ich ge- kleinen Einkommen bis zu 300 DM brutto, wie wir
hört habe, daß diese Haltung im Beamtenrechts beantragt haben, bereits eine gewisse Besserstel-
ausschuß von den Fraktionen sozusagen vorsorg- lung erfolgen würde, so gibt es doch eine ganze
lich eingenommen worden ist, bevor der Antrag Anzahl von kleinen Gehaltsempfängern, die diesen
der Sozialdemokratie überhaupt vorlag. Ich sagte Betrag bei weitem nicht erreichen.
bereits, wir können diesem Antrag aus verschie- Noch eines ist zu berücksichtigen: der kleine,
denen Gründen nicht zustimmen, nicht bloß aus schlecht besoldete Beamte oder Angestellte hat in
dem Grunde nicht, den der Herr Vorredner soeben seinem Leben als Angehöriger des öffentlichen
angeführt hat, sondern auch weil sich eben die Dienstes ganz andere Verpflichtungen. Er kann die
Lage der Beamtenschaft im ganzen gesehen und Not nicht so zeigen, wie mancher Mensch, dem das
zu einem erheblichen Teil durch die Gehaltserhö- Schicksal Arbeit und Brot noch verweigert, sie not-
hungen schon wesentlich gebessert hat. wendigerweise zeigen muß. Er muß sich als einer,
Das trifft allerdings nur für einen Teil zu. Diese der im öffentlichen Leben steht, an seinem Platz
Überlegung hat uns dazu geführt, unseren Ände- auch äußerlich den Erfordernissen des öffentlichen
rungsantrag zu stellen. Ein Teil der Beamtenschaft Dienstes anpassen, in der Kleidung, in allem, was
und der im öffentlichen Dienst tätigen Angestell- dazu gehört, in seinem ganzen bescheidenen Stan-
ten und Arbeiter hat bis heute noch nicht in vol- dard. Darum glaubten wir, daß es im Sinne der
lem Umfange an dem wirtschaftlichen Aufstieg Schließung von sozialen Lücken, die wir nicht gern
des Volkes teilgenommen. Den Kleinen, der Be- sehen, doch notwendig wäre, hier die Parallele zu
völkerungsschicht, die der Herr Bundeskanzler sel- ziehen. Die Sätze, die wir dem Hohen Hause glau-
ber an dieser Stelle ausgesprochen hat, muß noch ge- ben vorschlagen zu sollen, sind die gleichen wie
holfen werden. Dadurch werden nach unserer Auf- diejenigen, auf die sich die beteiligten Ministerien
fassung die Dinge so schwierig, daß sie für den seinerzeit bereits in der gemeinsamen Bekannt-
Augenblick die Grundsätze zu verwischen drohen. machung geeinigt haben, und deswegen geht un-
Wir haben nicht die Absicht, etwa an einer Ten- sere Begrenzung bewußt auf einen ganz kleinen
denz mitzuwirken, die allmählich die Weihnachts- Teil. Er ist nicht allzu klein — das gebe ich gern zu
beihilfen sich zu einer festen Übung auswachsen —; aber ich nehme doch an, daß, wenn bereits in
lassen würde. Wir glauben nur, daß es in den Jah- der Begrenzung der Beträge nach diesem Vorschlag
ren, die uns von einem wirtschaftlichen Aufstieg die Hälfte genommen worden ist und wenn weiter-
oder einer Konsolidierung auch der unteren Volks- hin ein nicht unerheblicher Teil der höherbesolde-
schichten trennen, nicht zu vermeiden sein wird, ten Beamten, Angestellten und vielleicht auch Ar-
eine Gleichstellung vorzunehmen, um ein soziales beiter aus dieser Regelung herausfallen würde,
Gefälle zu verhindern. *) Umdruck 6, siehe Anlage 1 Seite 237.
214 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Dr. Keller)
dann die Zuwendungen des Bundes, die dazu er- Wer diesem Ausschußantrag zustimmen will, den
forderlich wären, bei weitem nicht die Hälfte oder bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die
vielleicht noch viel weniger der Voranschläge er- Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Präsidium
reichen würden, die vom Bundesfinanzministerium ist sich nicht einig; wir müssen die Stimmen aus-
im Hinblick auf den konkreten Vorschlag der sozial- zählen. Ich bitte im Interesse einer raschen Er-
demokratischen Fraktion ausgearbeitet worden sind. ledigung, den Saal beschleunigt zu verlassen.
Ganz ablehnend scheint man ja im Bundesfinanz- (Die Abgeordneten verlassen den Saal.)
ministerium dieser Frage doch nicht gegenüberge- Ich bitte die Schriftführer, sich auf die Plätze
standen zu haben; denn immerhin ist in der gestri- zu begeben. — Die Abstimmung wird eröffnet; ich
gen Beratung des Haushaltsausschusses gesagt wor-
bitte, die Stimmen auszuzählen.
den, daß man kursorisch die Frage geprüft hätte,
ob es nicht möglich wäre, zurückgreifend auf eine (Wiedereintritt und Zählung.)
Verordnung aus dem Jahre 1939, einen Betrag von Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. —
8 Mark je Person der zu Versorgenden zu gewäh- Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstim-
ren. Hier allerdings sind sich gestern im Aus- mung ist beendet.
schuß alle Fraktionen darin einig gewesen, daß man
mit einer solchen Regelung der Angelegenheit Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis
mehr schaden als nützen würde. Ich stehe nicht auf der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt
dem Standpunkt der Fraktion der SPD, der ge- 251, mit Nein 165, enthalten haben sich 6. Damit
stern bekundet worden ist, daß die vorgeschlagene ist der Ausschußantrag angenommen; die Druck-
Regelung — 25 Mark für den Empfänger der Be- sachen 137 und 103 sind erledigt.
soldung und 10 Mark für die zuschlagsberechtig- Wir kommen zur Abstimmung über den Ände-
ten Familienangehörigen — einem Almosen ent- rungsantrag — Eventualantrag — der Fraktion des
spreche. Für diejenigen, die es angeht, würde es GB/BHE Umdruck 6.*) Wer diesem Antrag die Zu-
wirklich eine Hilfe bedeuten. stimmung geben will, den bitte ich, die Hand zu
Ich möchte noch einen Einwand, der sehr leicht erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent-
auftauchen kann, anführen und mich bemühen, haltungen? —
ihn von vornherein auszuräumen. Es ist nicht Sinn (Abg. Albers: Das zweite war doch
dieses Antrages und es kann auch nicht seine Folge die Mehrheit!) -
sein, nivellierende Tendenzen zu begünstigen. Ge- Das Präsidium ist sich nicht einig; wir müssen die
rade wir, die wir immer energisch die Wiederer- Stimmen auszählen. Ich bitte, den Saal zu räumen.
richtung der durch den Krieg verlorengegangenen
Sozialstruktur fordern, sind an allem anderen in- (Die Abgeordneten verlassen den Saal.)
teressiert als an Dingen, die nivellierend wirken Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. —
könnten. Aber an der unteren Grenze, dort, wo die Ich bitte die Schriftführer, sich an die Plätze an
Grundlage eines gesellschaftlichen Aufbaues liegt, den Türen zu begeben.
;) und sie ist etwa bei dieser Größenordnung er- Die Abstimmung beginnt. Ich bitte, in den Saal
reicht, können nach unserer Auffassung im Sinne
einzutreten.
einer sozialen Gerechtigkeit diese Dinge keine oder
zumindest keine entscheidende Rolle mehr spielen. (Wiedereintritt und Zählung.)
Ich möchte hoffen, daß in dieser weitgehenden Ein- Ich bitte um Beschleunigung der Abstimmung. —
schränkung der Vorschläge der SPD vielleicht Ich bitte, alle Türen zu schließen.
doch haushaltsmäßig die Möglichkeit gegeben wäre,
über all die Schwierigkeiten hinwegzukommen, die Die Abstimmung ist geschlossen.
aus der Diskussion der Probleme in der Öffent- Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt.
lichkeit entstanden sind. Mit Ja haben gestimmt 212 Abgeordnete, mit Nein
Ich betone noch einmal: Uns kommt es nicht dar- 200, enthalten haben sich 2 Mitglieder des Hauses.
auf an, damit Regelungen, die den Grundsätzen, (Lebhafter Beifall links und beim BHE.)
die auch wir anerkennen, widersprechen würden,
Damit ist der Antrag Umdruck 6 angenommen. —
langsam und schleichend einzuführen. Wir sind der
Meinung, daß solche Regelungen sobald wie mög- (Unruhe.)
lich aufhören sollten, wenn die Voraussetzungen — Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abge-
für sie entfallen sind. Bis dahin aber glauben wir, ordnete Dr. Krone.
diesen Standpunkt vertreten zu müssen, und bitten
um Ihre Zustimmung. Dr. Krone (CDU): Herr Präsident! Meine Damen
(Beifall beim BHE.) und Herren! Mir wird soeben mitgeteilt, daß eine
Anzahl von Abgeordneten, und zwar auch meiner
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und Fraktion, in Unkenntnis der Materie durch die Ja
Herren! Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich Tür gegangen sind.
schließe die Aussprache. Ich darf bemerken, daß
der Änderungsantrag der Fraktion des Gesamt- (Lachen links und lebhafte Zurufe.)
deutschen Blocks/BHE auf Umdruck Nr. 6, der so- — Meine Damen und Herren, ich darf darauf hin
eben begründet wurde, als Eventualantrag bezeich- weisen, daß das nicht das erste Mal ist
net wird. Über ihn kann deshalb erst abgestimmt (Zuruf von der Mitte: Sehr richtig!)
werden, nachdem über die Drucksache Nr. 137 ab-
und daß das in Ihren Reihen auch schon vorge-
gestimmt worden ist.
kommen ist.
Wir kommen zur Abstimmung über die Druck-
(Zuruf von der SPD: Aber beim Hammel-
sache Nr. 137:
sprung noch nie! — Abg. Wehner: Unsere
Der Bundestag wolle beschließen, den Antrag Hämmel springen richtig! — Heiterkeit.)
der Fraktion der SPD betreffend Weihnachts-
zuwendung an Bundesbedienstete — Druck- *)SiehAnlag1t237.
sache 103 — abzulehnen. **) Vgl. Seite 217 B.
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 215
(Dr. Krone)
— Nicht so temperamentvoll! Ritzel (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und (C
Herren! Ich darf auf einen Präzedenzfall verweisen,
Ich muß also das Ergebnis der Abstimmung aus
der dem Geschäftsordnungsausschuß seinerzeit Ver-
diesem Grund anzweifeln. anlassung zu einer Art authentischer Interpretation
(Abg. Dr. Greve: Anzweifeln können Sie auf Grund der Geschäftsordnung gegeben hat. Ich
das doch nicht! Das ist doch kein Grund darf daraus zitieren, daß es sich nur dann um die
zum Anzweifeln, Herr Krone! — Weitere Wiederholung einer Abstimmung handeln kann,
Zurufe. — Unruhe.) wenn offenbare Unrichtigkeiten des ursprünglichen
Antrags festgestellt werden. Hier handelt es sich
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- nur um einen menschlich verständlichen und ver-
geordnete Dr. Menzel. zeihlichen Irrtum, sofern er überhaupt vorliegen
sollte; aber eine rechtliche Begründung für die
Dr. Menzel (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Wiederholung einer Abstimmung ist aus einem
und Herren! Ich finde das etwas blamabel, was uns solchen Irrtum nicht abzuleiten.
vorgetragen worden ist.
(Zurufe von der Mitte: Na, na!) Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort wird nicht
mehr gewünscht. Meine Damen und Herren, Irren
Eine Anzweiflung des Ergebnisses der Abstimmung ist menschlich. Abgeordnete sind Menschen, also
ist aber auf keinen Fall möglich, kann auch bei Abgeordneten ein Irrtum vorkom-
(Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von men. Für die rechtliche Frage ist hier entscheidend,
der Mitte: Eine Wiederholung!) ob dieser Irrtum erheblich ist oder nicht. Ich bitte
es sei denn, Sie wollten behaupten, ,daß der Herr deshalb, um dies festzustellen, diejenigen Damen
Präsident oder daß das Präsidium die Stimmen und Herren der Fraktion der CDU/CSU, die sich
falsch zusammengezählt hätten. nach der Erklärung des Herrn Dr. Krone bei der
Abstimmung geirrt haben, die Hand zu heben.
(Widerspruch.)
(Abg. Horn: Nicht nur der CDU, auch
Übrigens, Herr Kollege Krone, würde es uns andere!)
interessieren — wir bezweifeln das zunächst —, wer
— Meine Damen und Herren, es genügt. Es haben
denn geglaubt hat, daß er durch die falsche Tür sich 10 Stück, 10 Herren erhoben.
gegangen ist. -
(Lachen links.) (Lebhafte Zurufe: Stück! — Große Heiter
keit.)
Wir haben, wie Sie ganz richtig sagten, schon ähn- Die Mehrheit betrug 12 Stimmen, folglich war der
liche Vorfälle erlebt. Ich erinnere an das Abkom- Irrtum erheblich.
men Deutschland—Frankreich über die Schulden-
regelung. Am nächsten Tag erklärten Sie, ein Teil (Sehr richtig! in der Mitte.)
Ihrer Fraktion habe in Unkenntnis über den Inhalt Unter diesen Umständen sehe ich mich gezwungen,
des Gesetzes falsch abgestimmt. die Abstimmung zu wiederholen und Sie zu bitten,
(Abg. Pelster: Beim Mitbestimmungsrecht
lag es an Ihrer Seite!) (Große Unruhe bei der SPD. — Abg. Dr.
Greve: Das nennt man unparteiische Ge
Auch das war kein Ruhmesblatt für das Parlament. schäftsführung. — Abg. Haasler: Das ist
Aber wenn Sie jetzt sagen, daß ein gewählter Ab- doch nach der Geschäftsordnung gar nicht
geordneter nicht einmal weiß, worüber er abstim- möglich! — Abg. Dr. Greve: Wenn das
men und wie er abstimmen soll, — — ich glaube, keine parteiische Geschäftsführung ist! -
es ist nicht gut, wenn Sie so etwas hier vorbringen. Weitere Zurufe von der SPD: Unglaublich!
Eine Beanstandung ist nach der Geschäftsordnung Das ist unglaublich! — Unruhe.)
nicht möglich.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten,
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- den Saal zu räumen.
geordnete Dr. Mende. (Anhaltende große Unruhe.)
Dr. Mende (FDP): Herr Präsident! Meine Damen Meine Damen und Herren, ich unterbreche die
Sitzung auf 10 Minuten.
und Herren! Ich verstehe den Herrn Abgeordneten
Krone so, daß er für seine Fraktion erklären wollte, (Pause.)
eine größere Zahl von Abgeordneten sei sich über
den Inhalt der Abstimmung im unklaren gewesen. Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
Ich glaube, bei mehreren Abstimmungen soll es Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
durchaus vorkommen, Herr Kollege Menzel, daß Ich bitte Sie, Platz zu nehmen.
man gelegentlich versehentlich durch die falsche Ich darf zur Behebung von Zweifeln über die
Tür geht, zumal bei Abgeordneten, die hier erst vorherigen Vorgänge auf folgendes hinweisen. In
wenige Wochen in der Übung der Abstimmung dem von den Herren Ritzel und Koch herausgege-
sind. Ich schlage deshalb vor, daß der Herr Prä- benen Kommentar ist zu § 54 der Geschäftsord-
sident fragt, welche Kollegen der CDU/CSU-Frak- nung festgehalten — ich darf vorlesen —:
tion sich über , den Inhalt der Abstimmung im un- Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Im-
klaren waren. munität hat die Aufnahme einer neuen Be-
(Lachen bei der SPD.) stimmung in die Geschäftsordnung über den
Diese Frage legitimiert dann den Herrn Präsiden- Irrtum bei der Abstimmung abgelehnt und auf
ten durchaus, nach dem Ergebnis der Handmeldun- Grund eines schriftlichen Berichts der Abge-
gen eventuell die Abstimmung zu wiederholen. ordneten Sassnick und Kahn ... festgestellt .
2. daß der Präsident eine Abstimmung wieder-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordnneter holen kann, wenn er der Ansicht ist, daß ein
Ritzel! erheblicher Irrtum vorliegt und daß bei einer
216 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Vizepräsident Dr. Jaeger)
sofortigen Wiederholung der Abstimmung Krone bereits vor der Verkündung des Abstim-
voraussichtlich ein anderer Beschluß heraus- mungsergebnisses den Herrn Präsidenten und das
kommen würde. Büro darauf aufmerksam gemacht hat, daß sich
Ich war dieser Ansicht, und zwar pflichtgemäß, einige Abgeordnete bei der Abgabe ihrer Stimme
nachdem, wie das Präsidium festgestellt hat, der geirrt hätten. Das veranlaßt an sich dazu, aus Grün-
den der Loyalität — die auch in diesem Hause
Abgeordnete Dr. Krone seine Anzweiflung hier
persönlich bereits vor der Verkündung der Ab- nicht fehlen sollte — den Standpunkt einzunehmen,
stimmung ausgesprochen hat. Ich mußte Ihnen je- daß eine Wiederholung der Abstimmung zulässig
ist. Aber, Herr Präsident, Sie dürfen die Bestim-
doch zuerst das Ergebnis bekanntgeben, damit Sie
mungen der Geschäftsordnung nach meiner Mei-
daraufhin die Gründe des Herrn Dr. Krone würdi-
gen konnten. Um festzustellen, ob es sich um einen nung nicht so auslegen, daß die zu wiederholende
erheblichen oder unerheblichen Irrtum handelte, Abstimmung nicht in der Form einer namentlichen
Abstimmung stattfinden kann. Wir befinden uns
habe ich die Damen und Herren, die sich geirrt
jetzt durch diese Berichtigung eines angeblichen
hatten, um ein Handzeichen gebeten. Das waren
Irrtums in einem völlig neuen Gang der Abstim-
10 Damen und Herren.
mung und haben die Möglichkeit, auch namentlich
(Zuruf von der SPD: Anfänglich nur zwei!— abzustimmen.
Weitere Zurufe und Unruhe bei der SPD.) (Beifall bei der SPD.)
— Ob es anfänglich nur zwei waren und einige Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
erst später den Mut gehabt haben, sich zu ihrem geordnete Dr. Ehlers.
Irrtum zu bekennen, tut nichts dazu. Ich muß von
jedem Mitglied des Deutschen Bundestags, das D. Dr. Ehlers (CDU): Meine Damen und Herren!
seine Hand hebt, in einem solchen Falle annehmen, Ich bedaure, mich der Ansicht meines sehr verehr-
daß diese Erklärung auf Ehrenwort erfolgt und dar ten Kollegen Ritzel, des Kommentators der Ge-
Wahreitnspc.wrdaihtzugne schäftsordnung, nicht anschließen zu können. Der
legen, können wir, glaube ich, in diesem Hohen Antrag auf namentliche Abstimmung ist in diesem
Hause nicht arbeiten. Augenblick sicher nicht zulässig. Es handelt sich
Da nun das Mehrheitsverhältnis 212 zu 200 nicht um zwei Abstimmungen, sondern es handelt
lautete, ergibt sich von selbst, daß, wenn sich 10 sich um eine Abstimmung, die wiederholt- wird,
Abgeordnete geirrt haben, die Mehrheit anders weil die erste Abstimmung durch das Verfahren
ausgefallen wäre. Ich war also 'berechtigt, die An- nicht zu dem geschäftsordnungsmäßig notwendigen
sicht zu haben, die in Ziffer 2 des Kommentars Ergebnis geführt hat.
dargelegt ist. Auf Grund dessen habe ich die Ab- (Lachen bei der SPD.)
stimmung wiederholen lassen. Ich habe also nur
von dem Ermessen, das nach der bisherigen Ge- — Entschuldigen Sie, ich meine nicht das zahlen-
schäftsordnungspraxis dem Präsidenten eingeräumt mäßige Ergebnis, sondern das klare und eindeutige
ist, Gebrauch gemacht. geschäftsordnungsmäßige Ergebnis hinsichtlich der
Beendigung der Abstimmung. Die jetzt stattfin-
(Abg. Haasler: Bleibt es dabei, Herr Präsi dende Abstimmung ist sachlich mit der ersten Ab-
dent?) stimmung identisch. Da in der Geschäftsordnung
— Es bleibt dabei! festgelegt ist, daß nur bis zum Beginn der Abstim-
(Abg. Haasler: Dann bitte ich ums Wort!) mung namentliche Abstimmung beantragt werden
— Herr Abgeordneter Haasler, bitte! kann, scheint mir kein Zweifel zu bestehen, daß
bei dieser Lage ein Antrag auf namentliche Ab-
Haasler (GB/BHE): Wir beantragen namentliche stimmung nicht mehr zulässig ist.
Abstimmung.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich darf Sie darauf geordnete Ritzel.
aufmerksam machen, daß nicht namentliche Ab-
stimmung beantragt werden kann, wenn wir be- Ritzel (SPD): Es tut mir leid, daß ich dem ge-
reits in die Abstimmung eingetreten sind. Wir schätzten Herrn Vorredner die Bestimmungen der
waren bereits in die Abstimmung eingetreten. Geschäftsordnung entgegenhalten muß. In § 57
heißt es: „Namentliche Abstimmung kann bis zur
(Lebhafter Widerspruch bei der SPD. — Eröffnung der Abstimmung verlangt werden." Der
Zurufe. — Abg. Ritzel: Ich bitte ums Wort!) Herr Präsident hat das vorherige Abstimmungs-
— Herr Abgeordneter Ritzel, bitte! ergebnis für ungültig erklärt. Wir stehen damit,
wenn das akzeptiert wird, vor einer neuen Ab-
Ritzel (SPD): Ich bedaure sehr, meine Damen stimmung. Bis zur Eröffnung der Abstimmung kann
und Herren, zunächst zu den Mitteilungen des laut Geschäftsordnung die namentliche Abstim-
Herrn Präsidenten eine kleine Berichtigung an- mung verlangt werden.
bringen zu müssen. Der Herr Präsident hat bei der (Zustimmung bei der SPD. — Wider
Verlesung von Ziffer 2 übersehen, daß es auch eine spruch in der Mitte.)
Ziffer 1 gibt. In Ziffer 1 heißt es, ,,daß eine Anfech-
tung einer Schlußabstimmung nicht möglich sein
soll". Das ist seinerzeit die einheitliche Meinung Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
geordnete Dr. Schneider.
des Geschäftsordnungsausschusses gewesen.
Nun ergab sich hier — und das könnte eine Dr. Schneider (Lollar) (FDP): Meine sehr ver-
Grundlage für das sein, was der Herr Präsident nach ehrten Damen und Herren! Wir brauchen uns nicht
Ziffer 2 hier 'angeordnet hat — folgender neuer zu erregen, sondern die Dinge ergeben sich zwangs-
Tatbestand, der vorhin nicht bekannt war. Es läufig. Alle haben recht. Aber auch der Präsident
wurde hier in einem Gespräch festgestellt und von hat recht;
dem Büro bestätigt, daß Herr Abgeordneter Dr. (Heiterkeit)
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 217
(Dr. Schneider [Lollar])
denn er hatte ja mit der zweiten Abstimmung 191 Mitglieder des Hauses, mit Nein 225, enthalten
bereits begonnen; wir hatten schon damit begon- haben sich 5. Der Antrag ist ,abgelehnt.
nen, den Sitzungssaal zu verlassen. Damit waren (Zurufe von der SPD: Wir gratulieren! Das
wir in der Abstimmung, und deshalb kann ein scheint ein Haus von Irrenden zu sein!
anderer Abstimmungsmodus, insbesondere nament- Herzlichen Glückwunsch!)
liche Abstimmung, nicht mehr beantragt werden.
Damit 'ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
(Zurufe links.)
Ich rufe Punkt 15 auf:
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab-
geordnete Ritzel. Erste Beratung des vom Bundesrat einge-
(Unruhe.) brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Gesetzes der Freien Hansestadt
— Meine Damen und Herren, ich bitte doch um Bremen über Wirtschaftsprüfer, Bücher-
Ruhe, damit wir hier eine Frage, die eigentlich eine revisoren und Steuerberater (Drucksache 84).
juristische und keine politische ist, auch in Ruhe
lösen können. (Vizepräisdent Dr. Schneider über
nimmt den Vorsitz.)
Ritzel (SPD): Da die Frage eine juristische ist Vizepräsident Dr. Schneider: Meine Damen und
und keine politische sein sollte, darf ich mir den
Herren, es ist vereinbart, daß zu dem aufgerufenen
Hinweis darauf erlauben, daß vorhin durch den Gesetzentwurf in erster Lesung weder eine Begrün-
Herrn Präsidenten die Sitzung unterbrochen wurde,
dung gegeben werden noch eine Beratung stattfin-
daß durchaus die Möglichkeit besteht, daß das Hohe
Haus jetzt Zuzug erhalten hat, daß noch andere den soll. Ich nehme das Einverständnis des Hauses
Abgeordnete bei der Wiederholung der Abstim- dazu an. Ich schließe die erste Lesung. Ich schlage
mung teilnehmen können und daß es sich daher Ihnen vor, die Drucksache 84 an den Ausschuß für
durchaus im Sinne des § 57 um einen Sachverhalt Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Ist das
bis zur Eröffnung , der Abstimmung handelt. Ich Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die
unterstütze , den Antrag auf namentliche Abstim- Überweisung ist erfolgt.
mung, der vorhin gestellt worden ist, und bitte, Meine Damen und Herren, ich rufe den zurück-
-
dementsprechend zu verfahren. gestellten Tagesordnungspunkt 5 auf:
Wahl von deutschen Mitgliedern der Gemein-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und samen Versammlung der Europäischen Ge-
Herren! Damit wollen wir die Debatte hierüber meinschaft für Kohle und Stahl.
beschließen. Unbeschadet dessen, ob die wiederholte
Abstimmung jetzt erneut begonnen oder fortgesetzt Es liegt mir ein gemeinsamer Antrag der Frak
wird, vertrete ich die Auffassung, daß in dem tionen der CDU/CSU und der SPD vor, den ich ver
Augenblick, wo eine Abstimmung abgeschlossen ist, lese, da er, wie ich annehme, noch nicht verteilt ist:
das Ergebnis für ungültig erklärt und die Abstim- Der Bundestag wolle beschließen:
mung wiederholt wird, es dieselbe Abstimmung ist 1. Der Stellenanteil der Fraktionen für die gemäß
und daß man auf Grund dessen nicht erneut in der Art. 21 des Vertrages über die Gründung der
Lage ist, den Antrag lauf eine andere Form der Ab- Europäischen Gemeinschaft für Kohle und
stimmung zu stellen. Wenn hierüber Zweifel be-
Stahl vom 18. April 1952 (Bundesgesetzbl. II
stehen — das scheint bei einigen oder mehreren S. 445) vom Bundestag zu wählenden Mitglie-
Damen und Herren der Fall zu sein —, so berufe der der Gemeinsamen Versammlung der Euro-
ich mich auf § 128 der Geschäftsordnung, wonach päischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
Zweifel während einer Sitzung vom Präsidenten wird nach dem Verfahren d'Hondt berechnet.
entschieden werden. Ich muß sie so entscheiden. Sie
haben die Möglichkeit, die Frage später im Ge- 2. Die Mandate der Abgeordneten Dr. Henle,
schäftsordnungsausschuß grundsätzlich zu klären. Henßler, Imig, Dr. Bertram sind erloschen.
Jetzt muß ich mich an diese Entscheidung halten, 3. Unter Bezugnahme auf die in der 280. Sitzung
und damit bitte ich, nunmehr die Abstimmung des ersten Deutschen Bundestages vom 3. Juli
durch Auszählen zu wiederholen. 1953 gewählten Vertreter werden zur Wahl
Es wird abgestimmt über den Eventual- und vorgeschlagen:
Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE auf Abg. Dr. Jaeger (CDU/CSU)
Umdruck Nr. 6. Wer mit Ja stimmt, den bitte ich, Abg. Aloys Lenz (Brühl) (CDU/CSU)
durch die Ja-Tür zu gehen, wer mit Nein stimmen Abg. Dr. Pohle (Düsseldorf) (CDU/CSU)
will, durch die Nein-Tür; die anderen durch die Abg. Dr. Deist (SPD).
Enthaltungs-Tür. Ich bitte, mit der Abstimmung zu
beginnen. Meine Damen und Herren, ich glaube, eine Aus-
sprache dazu ist nicht — auch geschäftsordnungs-
(Die Abgeordneten verlassen den Saal.) mäßig nicht — vorgesehen.
Ich bitte, sich zu beeilen und die Türen zu schließen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag,
— Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen; die den ich eben verlesen habe, zustimmen will, den
Abstimmung wird eröffnet. bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die
(Wiedereintritt und Zählung.) Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Ent-
haltungen mit großer Mehrheit angenommen. Da-
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
mit ist Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstim-
mung ist geschlossen. Ich komme zu Punkt 16 der Tagesordnung:
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs
218 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Vizepräsident Dr. Schneider)
(Drucksache 90); Mündlicher Bericht des Aus- Ich rufe zur
schusses für Außenhandelsfragen (23. Aus- dritten Beratung
schuß) (Drucksache 119).
auf und eröffnet die allgemeine Aussprache. —
(Erste Beratung: 7. Sitzung.) Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die
allgemeine Aussprache.
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Abge-
ordneten Dr. Serres. Ich rufe auf: § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und
Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren,
Dr. Serres (CDU), Berichterstatter: Herr Präsi- die zustimmen wollen, die Hand zu erheben. —
dent! Meine Damen und Herren! Dem Hause ist Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in
mit Drucksache 90 der Entwurf eines Gesetzes zur der dritten Beratung einstimmig angenommen.
Änderung des Zolltarifs vorgelegt worden. Es han- Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Ge-
delt sich um die Tarifnummer 1107, Malz. Es ist setz in der Schlußabstimmung seine Zustimmung
vorgesehen, daß an Stelle des bisherigen reinen geben will, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben.
Wertzolls ein gleitender Mischzoll tritt, und zwar - Gegenprobe! — Enthaltungen? - Das Gesetz ist
für das Jahr 1954 von 20 %, jedoch mindestens für damit einstimmig verabschiedet.
100 kg 60 DM abzüglich 70 % des Wertes.
Wir kommen jetzt zu dem Teil des Antrags des
Die Bundesregierung hat sich zu dieser Vorlage Ausschusses, der eben von dem Herrn Bericht-
entschlossen, nachdem die Preise für Braugerste erstatter mündlich vorgetragen wurde und der da-
auf dem Weltmarkt stark rückläufig waren, auf hin lautet, daß die Drucksachen 50 und 58 mit der
der anderen Seite aber die inländischen Mälzereien Annahme dieses Gesetzes als für erledigt erklärt
mit einem inländischen Mindestpreis für Brau- anzusehen sind. Wird das Wort dazu gewünscht? —
gerste zu kalkulieren hatten. Die Wettbewerbs- Das ist nicht der Fall. Ich schließe dann die Aus-
fähigkeit der inländischen Mälzereien war dadurch sprache.
beeinträchtigt.
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Antrag
Uns liegen weiterhin zwei Anträge der Fraktion des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um
der FDP Drucksache 50 und der Abgeordneten Dr. ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
Horlacher und Genossen Drucksache 58 vor, die — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Da-
weitgehend gleichlautend mit der Vorlage der Re- -
mit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
gierung sind. Sie unterscheiden sich nur dadurch,
daß der Abzugsbetrag in den beiden Anträgen Ich komme zu Punkt 17 der Tagesordnung:
Drucksachen 50 und 58 mit 65 % angegeben ist,
während die Regierungsvorlage 70 % vorsieht. Zweite und dritte Beratung des von der Frak-
tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Mit diesen drei Vorlagen haben sich der Ausschuß Gesetzes zur Änderung des Einkommen-
für Außenhandelsfragen und der Ausschuß für Er- steuergesetzes (Drucksache 33);
nährung, Landwirtschaft und Forsten befaßt. Beide
haben sich einmütig auf die Regierungsvorlage Mündlicher Bericht des Ausschusses für
Drucksache 90 geeinigt. Ich habe daher die Ehre, Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß)
dem Hohen Hause namens des Ausschusses vorzu- (Drucksache 110).
schlagen, dem Ausschußantrag Drucksache 119 mit (Erste Beratung: 6. Sitzung.)
der Maßgabe die Zustimmung zu geben, daß ein
Halbsatz hinzugefügt wird. Es muß in Ergänzung des Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Herrn
Antrags Drucksache 119 heißen: Der Bundestag Abgeordneten Dr. Lindrath.
wolle beschließen, dem Gesetzentwurf — Druck-
sache 90 — zuzustimmen „und die Anträge Druck- Dr. Lindrath (CDU), Berichterstatter: Herr Präsi-
sachen 50 und 58 fürerledigt zu erklären". dent! Meine Damen und Herren! In der 6. Sitzung
am 11. November 1953 hat der Deutsche Bundestag
Vizepräsident Dr. Schneider: Ich danke dem den von der Fraktion der FDP eingebrachten Ent-
Herrn Berichterstatter und eröffne die Einzelbera- wurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommen-
tung der zweiten Lesung. steuergestzes mit dem Datum vom 27. Oktober 1953
gemäß Drucksache 33 dem Ausschuß für Finanz-
Ich rufe § 1 auf. — Das Wort wird nicht ge- und Steuerfragen als federführendem Ausschuß
wünscht. Ich schließe die Einzelberatung des § 1. und dem Haushaltsausschuß überwiesen. Das gleiche
gilt von dem von der Fraktion der DP eingebrach-
Ich rufe § 2 auf. — Das Wort wird nicht ge- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ein-
wünscht. — Ich schließe die Einzelberatung zu § 2. kommensteuergesetzes mit dem Datum vom 21. Ok-
Wer diesen beiden Paragraphen zustimmen will, tober 1953 gemäß Drucksache 29. Die Fraktion der
den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um DP hat ihren Antrag in der Sitzung des Ausschusses
die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig für Finanz- und Steuerfragen am 20. November
angenommen! 1953 zurückgezogen.
Meine Damen und Herren, ich rufe § 3 auf. — Das (Abg. Dr. Gülich: Hatte sich bei der Ein
Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aus- bringung geirrt!)
sprache. Ich komme zur Abstimmung. Wer § 3 zu- Es handelt sich bei dem Gesetzentwurf der Frak-
stimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — tion der FDP um die Erhöhung der Steuerfreigrenze
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig an- für Weihnachtszuwendungen gemäß § 3 Nr. 15 des
genommen! Einkommensteuergesetzes von 100 DM auf 200 DM.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat
diesen zustimmen will, den bitte ich um ein Hand- diesen Antrag der FDP in seiner 2. Sitzung am
zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ein- 20. November 1953 und der Haushaltsausschuß in
stimmig angenommen! Damit ist die zweite Be- seiner 2. Sitzung am 2. Dezember 1953 behandelt.
ratung dieses Gesetzes abgeschlossen. Die Antragsteller haben ihren Antrag damit be-
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 219
(Dr. Lindrath)
gründet, daß infolge der Preissteigerung eine Er- Seitens der Vertreter des Bundesfinanzministe
höhung der seit 1948 bestehenden Befreiung von riums wurde schließlich noch in formaler Hinsicht
der Einkommensteuer für Weihnachtszuwendungen darauf aufmerksam gemacht, daß ein Gesetz nach
gerechtfertigt sei und daß die Notwendigkeit be- dem vorliegenden Entwurf nicht rechtzeitig ver-
stehe, Festbesoldeten eine gewisse steuerliche Er- kündet werden könne, so daß sich eine Erhöhung der
leichterung zu verschaffen. Letzteres wurde mit Steuerfreigrenze nicht mehr für die Weihnachts-
dem Hinweis auf die Abschreibungsmöglichkeiten zuwendungen 1953 auswirken könne; denn die Ent-
der gewerblichen Wirtschaft und auf die gesetzlich scheidung des Bundesrates könne, falls wir zustim-
vorgesehene Möglichkeit zur Gewährung von men, erst im Jahre 1954 herbeigeführt werden. Da
Pauschbeträgen an freie Berufe begründet. jedoch der Bundesfinanzhof kürzlich die Rückwir-
Nach § 3 Ziffer 15 des Einkommensteuergesetzes kung von Steuergesetzen als unzulässig erklärt
in der gegenwärtig gültigen Fassung sind Weih habe, sei auch ein rückwirkendes Inkrafttreten die-
nachts- und Neujahrszuwendungen, soweit sie im ser Bestimmungen unzulässig, auch derartiger Be-
einzelnen Fall 100 DM nicht übersteigen, einkom- stimmungen, die sich zugunsten der Steuerpflich-
mensteuerfrei. Diese Vorschrift war zunächst im tigen auswirken.
Abschnitt 16 der Lohnsteuerrichtlinien 1948 ent- Die Mehrheit des Ausschusses war ferner der
halten. Später wurde sie dann in § 6 Ziffer 10 der Auffassung, daß es ein Hauptziel der kleinen Steu-
Lohnsteuerdurchführungsverordnung 1950 auf- erreform gewesen sei, Sondervergünstigungen für
genommen. Durch das Einkommensteueränderungs- einzelne Gruppen von Steuerpflichtigen abzubauen.
gesetz 1951 ist sie dann mit gleichem Wortlaut in Werde die Steuerfreigrenze für Weihnachtsgratifi-
das Einkommensteuergesetz 1951 übernommen kationen erhöht, so werde diesem Prinzip zuwider-
worden und seither gesetzlicher Bestandteil unseres gehandelt.
Einkommensteuerrechts. Aus dieser geschichtlichen Schließlich wurde auch auf die sozialpolitische
Entwicklung ergibt sich, daß die parlamentarischen Bedeutung der Frage hingewiesen. In Arbeitneh-
Körperschaften in der Bundesrepublik sich bereits merkreisen, die wenig oder keine Weihnachtszu-
wiederholt mit der steuerrechtlichen Behandlung wendungen erhielten, müsse eine Steuerbefreiung
der Weihnachtszuwendungen zu befassen hatten. bis zu 200 DM als ungerecht empfunden werden.
Es ist mehrfach der Versuch unternommen wor- Für weite Kreise der Bevölkerung seien 100 DM
den, den Freibetrag von 100 DM zu erhöhen. Schon oftmals schon mehr Einkommen, als durch die - Er-
im Jahre 1950 hatte der Bundestag einmal eine ge- höhung der Steuerfreigrenze für Lohn- und Ge-
setzliche Erhöhung auf 200 DM beschlossen. Die- haltsempfänger gefordert werde.
ser Beschluß konnte jedoch nicht rechtskräftig wer- Man darf auch nicht übersehen, daß die Weih-
den, da der Bundesrat seine nach dem Grundge- nachtszuwendungen bei der Berechnung der Lohn-
setz erforderliche Zustimmung verweigerte. Der steuer auf die zwölf Monate des ablaufenden Jahres
Vertreter des Bundesfinanzministeriums verwies verteilt und damit einer geringeren Steuerprogres-
-
daher in der Sitzung des Ausschusses für Finanz sion unterworfen werden können oder auch daß
und Steuerfragen auf die Drucksache des Bundes- eine Steuersenkung durch den Lohnsteuerjahres-
rates Nr. 1718 vom 15. Dezember 1950, mit der der ausgleich erzielt werden kann. Unter diesen Um-
Bundesrat die Erhöhung der Freigrenze auf 200 ständen ergibt sich in der überwiegenden Mehr-
DM abgelehnt hatte. Da die Argumente des Bun- zahl der Fälle für Weihnachtszuwendungen bis zu
desrates auch heute noch stichhaltig seien und da 200 DM eine Steuerbelastung, die in Anbetracht der
seit der gesetzlichen Fixierung der Steuerfrei allgemeinen Verhältnisse als zumutbar angesehen
grenze für Zuwendungen dieser Art im Jahre 1951 werden kann.
keine Preissteigerungen eingetreten seien, könne Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat
nicht damit gerechnet werden, daß der Bundesrat den Antrag gegen die Stimmen der Antragsteller
dem Gesetz, falls der Bundestag es beschließen abgelehnt, die Vertreter der SPD-Fraktion enthiel-
würde, zustimmen werde. ten sich der Stimme. Der Haushaltsausschuß hat
Auch die Frage der fiskalischen Auswirkung die- den Antrag ebenfalls mit Mehrheit gegen die Stim-
ses G- setzes ist eingehend geprüft worden. Das men der Vertreter der sozialdemokratischen Frak-
Bundesfinanzministerium schätzt den bei Annahme tion abgelehnt.
dieses Gesetzes entstehenden Steuerausfall auf zirka
Namens des Ausschusses für Finanz- und Steu-
90 Millionen DM. Hierbei rechnet man mit einem
Lohnsteuerausfall von etwa 60 Millionen DM und erfragen habe ich die Pflicht, dem Hohen Hause zu
empfehlen, den Antrag der Fraktion der FDP be-
mit einem weiteren Ausfall von etwa 35 Millionen
treffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
DM dadurch, daß bei einer Erhöhung der Frei-
grenze auch mehr Gratifikationen gezahlt würden, Einkommensteuergesetzes — Drucksache 33 — ab-
zulehnen.
die alsdann bei den Unternehmen, die sie auszah-
len, als Betriebsausgaben die Einkommensteuer Vizepräsident Dr. Schneider: Ich danke dem
oder Körperschaftsteuer schmälern würden. Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Einzelbe-
Das Ergebnis der Ausfallschätzung des Bundes- ratung des Gesetzes ein.
finanzministeriums ist eingehend diskutiert wor- Ich rufe auf Art. I. Dazu liegt Ihnen auf Umdruck
den. Zweifelhaft erschien insbesondere die Frage, 5 ein Änderungsantrag als Eventualantrag vor.*)
ob bei der fiskalischen Beurteilung des Problems Herr Dr. Miessner hat das Wort zur Begründung.
nur der Ausfall an Lohnsteuer berücksichtigt oder
ob auch der Ausfall an Einkommen- oder Körper- Dr. Miessner (FDP), Antragsteller: Herr Präsi-
schaftsteuer bei Erhöhung derartiger Zuwendun- dent! Meine Damen und Herren! Ich will nicht
gen ins Feld geführt werden dürfe. Seitens der mehr auf die wirtschaftliche Bedeutung und die so-
Antragsteller wurde vorgetragen, daß ein Lohn- ziale Notwendigkeit der Erhöhung der Steuerfrei
steuerausfall von höchstens etwa 45 Millionen DM grenze für Weihnachtsgelder eingehen. Die Frage
zu erwarten sei. Ein erheblicher Teil hiervon werde als solche ist schon wiederholt diskutiert worden,
jedoch wieder durch die infolge der Konsumbele-
bung anwachsende Umsatzsteuer wettgemacht. *) Siehe Anlage 2 Seite 237.
220 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Dr. Miessner)
und das Problem ist auch klar. Im übrigen befin- 100 DM auszuzahlen und daß sich dadurch bei den
den wir uns heute in der zweiten Lesung und nicht Betrieben die Einkommen- und Körperschaftsteuer
mehr in der Grundsatzaussprache. im Ergebnis senken könne. Das also ist die Grund-
lage für die 40 Millionen DM, mit denen man über-
Ich möchte aber zugleich mit der Begründung haupt erst auf 100 Millionen DM gekommen ist.
meines Eventualantrages doch auf einige Argu- Demgegenüber muß man doch sagen, daß man,
mente eingehen, die seitens des Herrn Berichter- wenn man schon so rechnet, auch den Wiederein-
statters und auch seitens des Herrn Bundesfinanz- gang der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei
ministers in der Öffentlichkeit gegen den Antrag anderen Betrieben hinzuzählen muß, insbesondere
der Freien Demokratischen Partei auf Erhöhung aber die erhöhte Umsatzsteuer, die voll dem Bund
der Freigrenze von 100 auf 200 DM vorgebracht zukommt. Das Geld wird ja nicht in den Strumpf
worden sind. Zunächst wurde von dem Herrn Be- gesteckt, sondern die Erfahrung lehrt, daß gerade
richterstatter darauf hingewiesen, daß wir bereits Weihnachtsgelder sofort in den Konsum gehen, also
im Dezember seien und daß es mißlich sei, wenn sofort umgeschlagen werden.
die Dinge bis zum Weihnachtsfest nicht mehr ge-
klärt werden könnten. In den Ausschußberatungen Wir sind heute in der glücklichen Lage, daß wir
wurde von dem Herrn Staatssrekretär des Bun- dem Herrn Bundesfinanzminister einmal ein Exem-
desfinanzministeriums noch der Hinweis gebracht, pel vorrechnen können, das auf seiner Erklärung von
daß der Bundesrat, der am 18. Dezember seine vor einigen Tegen basiert. Er hat in der Frage-
nächste Sitzung hat, diese Angelegenheit keines- stunde am 3. Dezember auf eine von mir gestellte
falls mehr auf seine Tagesordnung setzen werde. Frage nach den steuerlichen Auswirkungen gewis-
Ja, meine Damen und Herren, so bedauerlich es ist, ser Freibeträge bei den freien Berufen erklärt —
daß wir mit der Behandlung dieses Antrages nun ich zitiere sinngemäß aus dem Sitzungsprotokoll
in den Dezember hineingeraten sind, diesmal war vom 3. Dezember —, daß ein jährlicher Freibetrag
es nun wirklich nicht früher möglich. Unser Antrag von 1200 DM, also monatlich 100 DM für alle
hat das Datum vom 27. Oktober 1953. Er ist sofort Lohn- und Gehaltsempfänger einen Ausfall von
in der ersten Sitzung des Finanz- und Steueraus- schätzungsweise 500 Millionen DM im Jahr bedeu-
schusses behandelt und so schnell wie möglich dem te. Das ergibt folgende Rechnung: 500 Millionen
Bundestag zur Behandlung zugeleitet worden. DM geteilt durch 12 macht 42 Millionen DM. Da-
mit nähern wir uns sehr genau der Schätzung, die
Was den Hinweis auf den Bundesrat betrifft, so wir selbst auf Grund unserer Erhebungen in den
möchte ich dazu folgendes sagen. Man kann doch Betrieben angestellt haben. Ich glaube also gerade
wohl nicht im Ernst annehmen, daß der Bundesrat nach dieser Erklärung des Herrn Bundesfinanz-
in dem Falle, daß wir heute hier zu einer po- ministers heute sagen zu können, daß der gesamte
sitiven Entscheidung im Sinne unseres Antrages Steuerausfall an Lohnsteuer auf keinen Fall über
kämen, den Punkt nicht mehr auf die Tagesord- der von uns angegebenen Zahl von 45 Millionen
nung setzen würde. Ich glaube, so bürokratisch DM liegt. Wenn Sie bedenken, daß davon den Bun-
wäre der Bundesrat nicht. Er würde diesen kurzen deshaushalt unmittelbar nur 38 % betreffen, so
Punkt wohl auch noch einschieben, zumal noch acht liegt der Steuerausfall in diesem Haushaltsjahr für
Tage dazwischenliegen. den Bund unter 20 Millionen DM. Das ist doch im-
Ein sehr wichtiger Einwand ist natürlich immer merhin ein beachtlicher Unterschied gegenüber den
der des Bundesfinanzministeriums hinsichtlich der Erklärungen über einen Steuerausfall von 100 Mil-
Kostenfrage. Sie wissen, daß sofort nach dem Be- lionen DM!
kanntwerden unseres Antrags das Bundesfinanz- Nun ist von seiten des Herrn Berichterstatters
ministerium die Summe von 100 Millionen DM in noch ausgeführt worden, daß man eine solche An-
die Diskussion warf. Wir hatten den Eindruck, derung des Einkommensteuergesetzes auch deshalb
daß dies nicht mit besonders großer Sorgfalt er- ablehne, weil man erst vor zwei Jahren, im Jahre
rechnet war, sondern daß es eine ziemlich grobe 1951, die Regelung in dieser Höhe und mit dem Frei-
Schätzung war. Wir haben uns selber die Mühe betrag von 100 DM in das Einkommensteuergesetz
gemacht, in Betrieben im Norden, Süden und We- eingebaut habe. Im Ausschuß ist ferner noch einge-
sten unserer Bundesrepublik Erhebungen anzustel- wandt worden, man habe sich über diese Dinge an-
len, und sind dabei auf folgende Rechnung gekom- läßlich der kleinen Steuerreform nochmals unter-
men. Wenn wir einmal alle Berufstätigen, die als halten und habe damals ausdrücklich an der 100-
Arbeiter und Angestellte für eine solche Weih- DM-Grenze festhalten wollen; es sei also heute
nachtszulage in Betracht kommen, zusammenrech- kein Grund zur Abänderung gegeben, und man
nen, so ergibt sich eine Beschäftigtenzahl von 16 müsse bis zur großen Steuerreform warten. Dem
Millionen Menschen. Nach unseren Erhebungen ist entgegenzuhalten, daß bis dahin noch geraume
würde sich auf den Durchschnitt des Betriebszuge- Zeit vergeht. Wir alle wissen — und Sie, Herr Bun-
hörigen eine Steuereinbuße von 2,53 DM ergeben — desfinanzminister, wissen es sicherlich am besten —,
auf den Durchschnitt, für einige ist es höher, für daß das Einkommensteuerrecht eine Reihe von Ver-
andere weniger —, so daß wir bei 16 Millionen Be- günstigungen gewährt, die den Lohnsteuerzahlern
schäftigten mal 2,53 DM auf rund 45 Millionen DM nicht zugute kommen. Das soll allerdings bei der
kommen. großen Steuerreform ausgeglichen werden. Man
sollte daher aber gerade für die Übergangszeit bis
Im Ausschuß haben wir festgestellt, daß mit den zur großen Steuerreform diese kleinen Vergünsti-
angeblichen 100 Millionen DM Steuerausfall gar gungen wenigstens denjenigen zugute kommen lassen,
nicht der Ausfall an Lohnsteuer gemeint war, viel- die als feste Lohn- und Gehaltsempfänger zu denen
mehr erklärte das Finanzministerium auf Nach- gehören, deren Einkommen immer restlos erfaßt
frage, den Lohnsteuerausfall beziffere es selber nur wird. Das sollte man tun, ganz unabhängig davon,
mit 60 Millionen DM. Die übrigen 30 bis 40 Millio- wie man sich später in der großen Steuerreform
nen DM habe es hinzugeschlagen in der Annahme, entscheiden wird, ob man dann sämtliche Steuer-
daß bei einer derartigen Erhöhung der Freigrenze vergünstigungen, also auch diese. abbaut oder oh
ein gewisser Anreiz entstehen könne, mehr als man in Angleichung an vielleicht noch weiterhin
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 221
(Dr. Miessner)
bestehende Steuervergünstigungen für den Ein- der eine dem anderen diese kleine Weihnachtsgabe
kommensteuerzahler den Lohn- und Gehaltsemp- des Finanzamts nicht neiden, auch wenn er selbst
fängern diese kleinen Vergünstigungen zu Weih- vielleicht in diesem speziellen Falle persönlich
nachten als doch nur kleines Äquivalent beläßt. nichts davon hat.
Es könnte noch ein anderer Einwand, und zwar
ein Einwand aus der Systematik des Steuerrechts Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat Herr
erhoben werden; ich möchte ihn vorwegnehmen Abgeordneter Dr. Gülich.
für den Fall, daß der Bundesfinanzminister noch
das Wort ergreift. Diesen Einwand sehe ich eigent- Dr. Gülich (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
lich als den einzig bedeutsamen an. Eine bestimmte und Herren! Mit der Zuverlässigkeit, mit der das
Freigrenze, die ohne Rücksicht auf den Familien- Christkind alle Jahre wieder kommt, kommt auch
stand, Kinderzahl usw. gewährt wird, bedeutet na- die Diskussion über die Erhöhung der Freigrenze
türlich eine gewisse Durchbrechung unseres Ein- bei Weihnachtsgratifikationen. Es muß also etwas
kommensteuersystems, das ja grundsätzlich die Be- an der Sache dran sein, wenn sie immer wieder
steuerung von dem Familienstand abhängig macht. aufs neue diskutiert wird.
Mit diesem Prinzip muß man sich daher schon aus- Das Bedenken — wenn ich das vorwegnehmen
einandersetzen. Nun ist allerdings nach der Mei- darf —, der Bundesrat könnte die Angelegenheit
nung meiner Fraktion — wenn man auch derartige vor Weihnachten nicht mehr erledigen, teile ich
Freibeträge natürlich nicht unbegrenzt ohne Rück- nicht. Der Bundesrat hat in anderen Fällen sehr
sicht auf den Familienstand einführen könnte — viel schneller gearbeitet. Ich erinnere mich, daß wir
dieser einmalige Freibetrag von 200 DM, auf das 1952 an einem Donnerstag die Einführung einer
Jahr gerechnet, so unbedeutend, daß man darin Steuer auf Schaumwein beschlossen und daß am
ernstlich noch keinen Verstoß gegen das Prinzip Freitag — am nächsten Tage! — der Bundesrat
der Besteuerung nach dem Familienstand zu sehen diesen Gesetzesbeschluß des Bundestags behandelt
braucht. Ich persönlich habe gerade für diejenigen und ihm zugestimmt hat. Es dürften also gar keine
Damen und Herren, die aus Gründen der Steuer- Bedenken bestehen, daß der Bundesrat am Freitag
systematik Hemmungen in dieser Richtung haben, nächster Woche zu dieser Vorlage Stellung nimmt.
als Eventualantrag den Änderungsantrag gestellt,
den Sie in Umdruck 5 vor sich haben. Für den Fall, Ich darf, bevor ich zur Sache komme, noch - be-
daß der Hauptantrag der FDP-Fraktion abgelehnt merken, daß ich soeben die Mitteilung bekommen
werden sollte, empfehle ich die Annahme dieses habe, daß der Bundesverfassungsgerichtshof in
Eventualantrages, Steuerfreiheit für Weihnachtszu- Karlsruhe gegen Herrn Minister Schäffer entschie-
wendungen den Personen, denen Kinderermäßi- den hat.
gungen zustehen, bei einem Kind in Höhe von (Hört! Hört! bei der SPD.)
120,— DM, bei zwei Kindern in Höhe von 140,— Das bedeutet also, daß die Länder Bayern und Hes-
DM, bei drei Kindern in Höhe von 160,— DM, bei sen an ihre Landesbediensteten jetzt eine Weih-
vier Kindern in Höhe von 180,— DM und bei fünf nachtsgratifikation zahlen. Daß die übrigen Länder
und mehr Kindern in Höhe von 200,— DM zu ge- sich nicht ausschließen können, liegt auf der Hand.
währen. Meine Damen und Herren, Sie brauchen Und es bleibt dann lediglich der Bund übrig, der
keine Sorge zu haben, daß das etwa eine kompli- sich ausschließen wird! — Ja, Herr Kollege Pelster,
zierte Rechnung geben würde. Es muß ohnehin beim auf Ihre Handbewegung hin — —
Dezembergehalt von dem zu versteuernden Lohn (Abg. Pelster: Ich habe ja gar keine ge
ein Betrag abgesetzt werden, derzeit 100 DM. Bei macht, Herr Professor!)
Annahme des FDP-Antrages wären es 200 DM und
bei Annahme des Eventualantrages im Einzelfall — Doch, Sie haben die Bewegung des Zahlens ge-
120 DM, 140 DM usw., was leicht zu ersehen ist, da macht!
die Steuerkarte des Betreffenden ohnehin dabeilie- (Abg. Pelster: Für die Länder, für Schleswig
gen muß. Dem Hohen Hause wäre also die Möglich- Holstein!)
keit gegeben, sich noch auf diesen Eventualantrag — Ja, dazu möchte ich sagen: Für die „reichen Län-
zurückzuziehen, wenn der andere Antrag abgelehnt der" — wir haben ja leider Gottes diesen Unter-
werden sollte. Die haushaltsmäßigen Auswirkun- schied — spielt es keine Rolle, und was die „armen"
gen des Eventualantrages dürften bei höchstens 10 anlangt, die müssen ohnehin danach trachten, daß
Millionen DM liegen. ihnen von ihren Landesbediensteten, die sie schlech-
Lassen Sie mich abschließend noch folgendes sa- ter bezahlen als die „reichen Länder" - z. B.
gen; damit möchte ich auf den letzten Punkt der schlechter einstufen —, die tüchtigen Kräfte nicht
Gegenargumente des Ausschußberichts eingehen. weglaufen: So bleibt ihnen gar nichts anderes
Gewiß sind auch mir Schreiben zugegangen, übrig, als die Gratifikation dann auch zu zahlen.
in denen der Einsender schreibt: „Ich würde gern Nun komme ich zu der Frage, die in Art. 1 be-
Steuern bezahlen", — Herr Pelster, darauf werden handelt wird. Der Herr Bundesfinanz-
Sie j a noch zu sprechen kommen — minister ist gegen eine Erhöhung der Freigrenze
(Abg. Pelster: Auch mir sind sie zugegan von 100 auf 200 DM. Er behauptet — ich brauche
gen, genau so wie Ihnen!) nicht das zu wiederholen, was Herr Kollege Miess-
— natürlich, sie gehen uns allen zu — „ Ich würde ner bereits ausgeführt hat —, das werde einen
gern Steuern bezahlen, wenn ich überhaupt nur Lohnsteuerausfall von 60 Millionen DM mit sich
ein solches Glückskind wäre, dem der Weihnachts bringen. Er beweist seine Behauptungen aber
mann 200 DM zu Weihnachten bringt!" Meine Da nicht. Er sagt ferner, bei der Einkommen- und Kör-
men und Herren, daß solche Briefe geschrieben perschaftsteuer werde eine Schmälerung um
werden, ist doch kein ernsthaftes Argument gegen 35 Millionen DM eintreten, weil er von der Vor-
eine Steuervergünstigung dieser Art. Es liegt im aussetzung ausgeht, daß die Erhöhung der Frei-
übrigen nun einmal in der Natur der Sache, daß grenze viele Unternehmen veranlassen würde, eine
von Steuervergünstigungen niemals alle Gebrauch höhere Gratifikation zu zahlen, als sie das sonst
machen können. Das wird nie so sein. Darum sollte tun würden. Diese Annahme kann kaum zutreffen.
222 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Dr. Gülich)
Rechnet man aber so, wie das Bundesfinanz- nicht viel. Interessant ist nur die Streuung. Die
ministerium rechnet — daß nämlich eine Minderung Streuung gibt uns für die Beurteilung des vorlie-
von 35 Millionen DM im Einkommen- und Körper- genden Gesetzentwurfs die interessantesten Hin-
schaftsteueraufkommen eintreten würde —, dann weise. Im Bereich des Geld-, Bank- und Börsen-
mußman andererseits auch in Rechnung stellen—dar- wesens haben die Sonderzuweisungen pro Arbeit-
auf hat Herr Kollege Miessner schon hingewiesen—, nehmer 383 DM im Jahre, im Bereich des Versiche-
daß die gesamte Weihnachtsgratifikation unmittel- rungswesens 294 DM im Jahre betragen. Das sind
bar in den Konsum geht. Dieses Geld wird nicht die beiden Wirtschaftszweige, in denen das 13. Mo-
auf das Bankkonto gebracht, sondern die Leute, natsgehalt üblich geworden ist.
die es empfangen, werden „praktische Geschenke"
machen — um mich des Jargons der vorweihnacht- Unsere Frage ist: Wo liegt die richtige Frei-
lichen Geschäftswerbung zu bedienen. Sie werden grenze? Die Erhebung zeigt, daß diejenigen Wirt-
also ihre Gratifikationen voll und ganz in Konsum- schaftszweige, welche geringe Löhne zahlen, auch
gütern anlegen, zum Teil sogar in Konsumgütern, geringe Gratifikationen zahlen. Es kommen z. B.
die mit einer hohen Verbrauchssteuer belastet sind. in der Herren- und Damenschneiderei die männ-
Man müßte also, wenn man den Steuerausfall rich- lichen Schneider 32 DM, die weiblichen nui 25 DM,
tig berechnen will, auch feststellen, was von der in der Obst- und Gemüseverarbeitung die Männer
Summe der Gratifikationen an Steuern in die 48 DM, die Frauen nur 20 DM, in der Wäscherei,
öffentlichen Finanzkassen zurückfließt. Man geht Färberei und chemischen Reinigung die Männer
in der Annahme nicht fehl, daß dies ein Drittel der 34 DM, die Frauen nur 20 DM. Ich habe das als
gesamten Summe ausmachen wird. extreme Beispiele der niedrigsten Gruppen hervor-
gehoben und sage Ihnen nun die höchsten Gruppen
Außerdem müßte der Bundesfinanzminister be-
dieser Lohnstrukturerhebung. Dabei zeigt sich, daß
denken, daß 60 % des geschätzten Steuerausfalls auf die Hochofen-, Stahl- und Walzwerksarbeiter
Rechnung der Länder und nur 40 % auf Rechnung 170 DM, die Arbeiter in der Mineralöl verarbeiten-
des Bundes gehen. Hinsichtlich der Länder gilt das- den Industrie 191 DM, die Arbeiter in der che-
selbe, was ich vorhin Herrn Kollegen Pelster über mischen Industrie 186 DM, in der Papiererzeugung
die „armen" und die „reichen" Länder gesagt habe. und -verarbeitung 196 DM, in der Zementindustrie
Nun habe ich mich bemüht, zu erfahren, auf 187 DM und in der Kunstseide- und Zellwoll-
Grund welcher Unterlagen das Bundesfinanzmini- herstellung 180 DM bekommen. Damit habe - ich
sterium diesen Steuerausfall errechnet hat. Leider Ihnen auf der andern Seite die Gruppe der Bezieher
gibt es keine Unterlagen darüber, was in den letz- der höchsten Einkommen unter den Arbeitern ge-
ten Jahren an Gratifikationen gezahlt worden ist, nannt. Diese Extreme sind ja recht interessant.
welche Steuersumme auf die Gratifikationen entf al- Von den Frauen ist zu sagen, daß sie in diesen hoch
len ist und wie hoch der Steuerausfall ist, der bezahlten Gruppen durchweg höhere Gratifika-
durch die Steuerfreigrenze bei den Weihnachtsgra- tionen bekommen, daß sie aber alle unter 100 DM
tifikationen eingetreten ist. Das wissen wir also liegen und infolgedessen für die gegenwärtige Be-
nicht. Zur Grundlage der Schätzungen ist die hoch- trachtung ausscheiden.
interessante Lohnstrukturerhebung vom November
1951 gemacht worden, die leider erst vor kurzem, Ich ziehe nun aus dem eben Dargelegten den
im Oktoberheft 1953 von „Wirtschaft und Statistik", Schluß. Diese Lohngruppenerhebung zeigt zwei
veröffentlicht worden ist. interessante Ergebnisse: Erstens zeigt sie eindeutig,
daß es richtig ist, die Steuerfreigrenze auf 200 DM
An dieser Stelle kann ich einen Stoßseufzer über zu setzen. Bei 200 DM ist steuersystematisch die
unsere Finanz- und Steuerstatistik nicht unter- richtige Grenze gefunden. Das hat man 1951, als
drücken. Die Finanz- und Steuerstatistik müßte man die Grenze gesetzlich auf 100 DM festgesetzt
sehr viel weiter ausgebaut werden, sie müßte stär- hat, noch nicht wissen können. Man kann es jetzt
ker differenziert sein: bisher ist sie sachlich un- erst, seit wenigen Wochen, wissen, seitdem näm-
zureichend. Die Ergebnisse der Finanz- und Steuer- lich diese Lohnstrukturerhebung vorliegt. Es ist
statistik hinken so beträchtlich hinter der Wirk- also durchaus ein Anlaß gegeben, nunmehr die
lichkeit her, daß sie für wirtschaftspolitische un d Freigrenze richtig festzusetzen. Man sollte hier
finanz- und steuerpolitische Entscheidungen keine auch nicht einwenden, daß es dazu jetzt nicht an
geeignete Grundlage abgeben können: sie sind nicht der Zeit wäre, sondern daß man bis zu der sagen-
zeitnahe genug. Dieser Mißstand hat seinen Grund haften großen Steuerreform warten sollte. Wenn
zum Teil darin, daß die Veranlagung der Einkom- wir uns erinnern, wie viele Steuervergünstigungen
men- und Körperschaftsteuer mit jahrelanger Ver- der Bundestag für eine ganze Reihe von Wirt-
spätung erfolgt. schaftszweigen in den letzten vier Jahren beschlos-
Das Bundesfinanzministerium hat die Lohn- sen hat, dann können wir bei der immer wieder-
strukturerhebung vom November 1951 auf die Be- kehrenden Weihnachtsgratifikations-Diskussion —
triebsstättenzählung vom Jahre 1950 bezogen. Das was für ein ominöses Wort! — uns nunmehr ver-
ist im Dezember 1953 eine mißliche Grundlage. Ich anlaßt sehen, das jetzt ermittelte richtige Ergeb-
fand die Ergebnisse dieser Erhebung aber in an- nis von 200 DM einzusetzen. Das ist das eine inter-
derer Hinsicht für das hier zu behandelnde Pro- essante Ergebnis.
blem bemerkenswert. Das ist dem Bundesfinanz- Das zweite ist: Die Lohnstrukturerhebung macht
ministerium leider entgangen. deutlich, daß die Frage der Steuerfreigrenze für
Die Lohnstrukturerhebung bringt auch die durch- Weihnachtsgratifikationen in der Wirtschaft keine
schnittlichen Sonderzuweisungen für Arbeiter und primär soziale Angelegenheit ist. Dieses Ergebnis
Arbeiterinnen in ungefähr 100 Wirtschaftszweigen. müssen wir respektieren; denn ich habe gesagt —
Der durchschnittliche Betrag der jährlichen Son- und es geht ganz klar daraus hervor —, daß die
derzuweisungen — das sind im wesentlichen die höher bezahlten Facharbeiter höhere Gratifikatio-
sogenannten Weihnachtsgratifikationen — ist für nen bekommen, während die niedrig bezahlten
männliche Arbeiter 69 DM und für weibliche Ar- niedrige bekommen. Ich sagte aber — und ich lege
beiter 48 DM. Ein solcher Durchschnitt besagt aber das Hauptgewicht darauf —: wir haben endlich eine
2 Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 223
(Dr. Gülich)
Grundlage dafür, daß wir aus steuersystematischen wir auch diesen Antrag: 1949 Antrag aus den Rei
Gründen die Freigrenze jetzt auf 200 DM fest- hen der Rechten: 300 DM. Das Haus hat beschlos-
setzen können. sen: 300 DM sollen steuerfrei sein. — Verhand-
lungen mit den Finanzministern. — Vermittlungs-
Die Gratifikationen werden ja auch gelegentlich ausschuß. Ergebnis : 100 DM werden steuerfrei ge-
in der Arbeitsrechtsprechung als Teil des Lohnes zahlt. — Im folgenden Jahr ein Antrag aus den-
aufgefaßt. Man muß aber sagen, daß die Gratifika- selben Reihen: 200 DM. — Das Haus hat beschlos-
tion, die zum Abschluß des Geschäftsjahrs aus An- sen: 200 DM. — Verhandlungen mit den Landes-
laß des Weihnachtsfestes gegeben wird, von allen finanzministern. — Nein, es bleibt bei 100 DM
Empfängern als eine Weihnachtszuwen- steuerfreier Weihnachtszulage, und man hat sich
dung empfunden wird, auch als eine Anerkennung damit zufrieden gegeben.
für geleistete Arbeit, und der Stärkung der Werks-
zugehörigkeit dienen soll. (Abg. Dr. Miessner: Diesmal muß es werden!)
Hierbei möchte ich noch auf einen anderen — Diesmal werden wiederum 200 DM beantragt;
Punkt hinweisen. Die Lohnsteuerpflichtigen sind Herr Kollege Miessner, auf Ihren Eventualantrag
ja objektiv die wirklich Steuerehrlichen. Die komme ich noch. Die Dinge liegen jetzt so: Wir
Einkommensteuerpflichtigen haben auch aus haben den 10. Dezember. Das Haus geht in die
Anlaß des Weihnachtsfestes so viele Aus- Ferien. Der Bundesrat wird noch tagen. Glauben
weichmöglichkeiten, die die Lohnsteuerpflichtigen Sie, daß er jetzt, nachdem die Dinge zweimal so
nicht haben. Deswegen bin ich der Meinung, daß verlaufen sind, ja sagt? Nein, er wird den Ver-
gegenüber diesen uneingeschränkt Steuerehrlichen mittlungsausschuß anrufen. Das wird Mitte Januar,
der Bundesfinanzminister und die Länderfinanz- und dann läuft die Sache den Gesetzgebungsweg;
minister — es betrifft sie ja alle gleichermaßen — damit ist die Zeit, die im Gesetz für die Zahlung
nicht so happig sein und diesem Anliegen ent- von Weihnachtsgratifikationen festgelegt ist, ab-
sprechen sollten. zumal es, wie ich eben dargelegt gelaufen. Das müssen wir doch dabei berücksich
habe, steuersystematisch in bester Ordnung ist. tigen.
Ich brauche wohl nur noch darauf hinzuweisen, daß Dann ist doch auch eines nicht richtig, nämlich
alle Lohnempfänger, auch die besser bezahlten, daß man sagt, andere haben Vergünstigungen be-
ihren Nachholbedarf mit Abschlagszahlungen fest kommen. Nachdem zweimal diese Verhandlungen -
.
in ihre Haushaltsplanung einbezogen haben und — um 200 und 300 DM — stattgefunden hatten,
daß von allen die Weihnachtsgratifikationen als hat man sich mit übergroßer Mehrheit entschlos-
wirkliche Erleichterung empfunden werden. Des- sen, die Dinge im Gesetz unter Nr. 15 des § 3 zu
wegen meine ich, man sollte jetzt endlich diese verankern. Zu gleicher Zeit haben wir in demsel-
Frage lösen und sie nicht noch weiter hinaus- ben § 3 festgelegt, daß bei Eheschließung Zuwen-
schieben. dungen bis zum Betrage von 500 DM und bei Ge-
burten in der Familie in jedem Falle Zuwendun-
Außerdem glaube ich, daß den Arbeitern und An
gestellten, nicht zuletzt natürlich auch den Angehö- gen bis zu einer bestimmten Summe steuerfrei sein
sollen. Das und einige Dinge mehr haben wir ein-
rigen des öffentlichen Dienstes, denen das Haus vor-
gefügt. Wir haben dazu gesagt, dieser Streit soll
hin nach dem Irrtum in der Abstimmung auch die
bescheidene Zuwendung, die vom BHE beantragt endgültig durch eine Festlegung auf 100 DM be-
graben werden. Nun bitte ich Sie, meine sehr ver-
worden war, versagt hat, und den Rentenempfän-
ehrten Damen und Herren, doch auch daran zu
gern, denen eine Weihnachtsbeihilfe zu zahlen in
denken, daß Millionen und aber Millionen —
der vorigen Woche abgelehnt worden ist, vom
Herr Professor Gülich war so freundlich, die
Spätsommer her noch die Lobgesänge über das
Zahlen von 32, 20, 25 und 28 DM als Weihnachts-
deutsche Wirtschaftswunder im Ohr klingen. Sie
haben das ganz simple Gefühl, daß sie auch nach gratifikation zu nennen — sowieso schon steuer-
frei sind. Es gibt auch Grenzen darüber; das ist
den Wahlen aus Anlaß des Weihnachtsfestes einen
richtig, Herr Professor Gülich. Sie werden auch,
bescheidenen Anteil an diesem Wunder haben
Herr Miessner, wie ich Briefe bekommen haben.
möchten. Bezeichnend war ein Brief einer Dame, die aus
(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU: West-Berlin ganz kurz und lapidar geschrieben
Sehr billig.) hat:
Ich bin Tbc-krank. Mir stehen zur Verfü-
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der gung 40 DM für Wohnung, 52 DM für Le-
Abgeordnete Pelster. bensunterhalt, 20 DM Pflegezulage, im Win-
ter 10 DM mehr. Das zur Beurteilung der
Pelster (CDU): Herr Präsident! Meine Damen Erhöhung der Steuerfreigrenze auf 200 DM.
und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Professor Repressalien fürchtend, aber nicht achtend,
Gülich, das letzte hätten wir uns eigentlich zeichne ich mit vollem Namen
sparen können. Hochachtungsvoll.
(Oho-Rufe von der SPD. — Zurufe von der
SPD: Sie sind schwer heruntergegangen.) Es folgt dann die Unterschrift. — Sehen Sie, da
müssen wir noch vieles tun. Die Lasten, die immer
Es ist ja nicht wahr, daß den Rentenempfängern
wieder von neuem auf uns zukommen, haben uns
alles abgelehnt worden ist, wie es hier behauptet
noch nicht dazu kommen lassen.
wurde, sondern auf Grund der Verordnung vom
16. September werden die Beträge bezahlt, die (Zuruf von der SPD.)
auch im Vorjahr gezahlt wurden, dazu noch mit Es ist manches im Werden. In den vergangenen
einer Erhöhung und an einen weit größeren Kreis vier Jahren ist auch die Rentenfrage immer wieder
von Empfängern als im vorigen Jahr. von neuem aufgegriffen worden, und es sind Erhö-
(Sehr richtig! bei der CDU.) hungen vorgenommen worden.
Auf der anderen Seite stimmt nun folgendes Es wird nun gesagt, diese Grenze macht bei
wirklich, Herr Professor: Alle Jahre wieder haben , 200 DM 2,52 DM Steuer aus. Ich weiß nicht, ob es
224 2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
(Pelster)
dann notwendig ist, dafür ein besonderes Gesetz Vizepräsident Dr. Schneider: Meine Damen und
zu machen, um das jetzt zu ermöglichen. Derjenige, Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
der diese 200 DM zu einem vollen Gehalt bekommt, Ich schließe daher die Einzelberatung zu Art. I
wird sich wegen dieser 2,52 DM nicht groß erregen. des Gesetzes und komme zur Abstimmung. Damit
Er freut sich, daß ihm immer noch 197, 50 DM ver- aber nicht wieder Irrtümer vorkommen,
bleiben. Demgegenüber muß man berücksichtigen, (Heiterkeit)
was eine ganze Menge anderer Leute an Einkom-
men haben. Ich könnte Ihnen ganz große Gruppen möchte ich folgendes sagen. Der Ausschuß hat Ab-
der Arbeiter nennen — ich denke an die Tabakar- lehnung des Gesetzes im ganzen beantragt. Ich kann
beiter usw. —, die noch bei 48-stündiger Arbeit aber in dieser Form nicht verfahren, weil es sich
sehr häufig mit 5 und 6 Kindern nicht einmal das um einen Gesetzentwurf handelt. Die Geschäfts-
an Lohn haben. Auch das wollen wir dabei sehen. ordnung schreibt vor, daß in der zweiten Beratung
Dort wurde die Erhöhung der Steuerfreigrenze ab über jeden einzelnen Teil des Gesetzes abgestimmt
200 DM ein bitteres Gefühl auslösen. werden muß. Wer also im Sinne des Ausschußan-
trages abstimmen will, der dahin geht, daß das
Dann erinnere ich daran, daß eine Verteilung ganze Gesetz abgelehnt wird, der muß den Art. I,
dieser 200 DM, wenn sie gezahlt werden, auf zwölf den ich jetzt zur Abstimmung stelle, ablehnen.
Monate möglich ist. Daraus ergibt sich durchweg
bei zwei, drei oder vier Kindern eine Freigrenze, Ich rufe Art. I zur Abstimmung auf. Wer dafür
daß selbst bei 200 DM keine Steuern mehr bezahlt ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
werden. Auch das sollten wir bei der Beurteilung zu (Abg. Mellies: Nur Art. I?)
Rate ziehen, wenn wir eine Entscheidung über diese — Nur Art. I. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
Frage treffen. Das zweite war die Mehrheit. Der Art. I ist mit
Nun, Herr Kollege Miessner, zu Ihrem Eventual- Mehrheit abgelehnt.
antrag. Ich bin bestimmt derjenige, der den kinder- Da für diesen Fall der Eventualantrag Umdruck
reichen Familien helfen will. Es wurde schon im- 5 gestellt ist, komme ich jetzt zur Abstimmung
mer und wird auch noch sehr lebhaft darüber darüber. Er liegt ja wohl allen Damen und Herren
Klage geführt daß das ganze Gesetz Gott weiß des Hauses vor. Wer diesem Eventualantrag Um-
wie verklausuliert ist. Jetzt stehen die Weihnachts- druck 5 zustimmen will, den bitte ich um - ein
gratifikationen noch mit einem Betrag drin. Wenn Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
sie aber in Zukunft mit sechs Beträgen drinstehen, Enthaltungen? — Auch der Eventualantrag ist bei
dann wird die ganze Sache immer unübersichtli- vielen Gegenstimmen und einer Enthaltung mit
cher. Im großen und ganzen sind diese Menschen Mehrheit abgelehnt.
bei fünf Kindern und bei einem regulären Einkom- Ich rufe in der Einzelberatung Art. II des Gesetz-
men sowieso auch bei 200 DM Zuwendung schon entwurfs auf. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich
steuerfrei, vielleicht auch noch bei einer größeren schließe die Einzelberatung zu Art. II und komme
Summe. Darum sollte man diese Dinge jetzt nicht zur Abstimmung. Wer Art. II zustimmt, den bitte
einführen, zumal damit zu rechnen ist, daß die ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Ge-
Finanzminister — wir haben das in der letzten genprobe. — Enthaltungen? — Auch Art. II ist
Zeit doch immer wieder erlebt, wenn Belastungen mit Mehrheit abgelehnt.
auf die Länder zukamen — nein sagen, den Ver-
mittlungsausschuß anrufen, und wir dann viel- Ich rufe in der Einzelberatung Art. III auf. —
leicht Mitte Februar mit der Frage fertig sind. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die
Ich bitte deshalb, dem Ausschußantrag zuzustim- Einzelberatung zu Art. III. Wer Art. III zustimmen
men. Ich darf Ihnen als Mitglied des Steueraus- will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegen-
schusses versichern, daß wir die Frage von allen probe! — Enthaltungen? — Auch Art. III ist mit
Seiten beleuchtet und beurteilt haben und zu dem Mehrheit abgelehnt.
Beschluß gekommen sind, die Dinge so zu lassen, Ich rufe Einleitung und Überschrift auf.
wie sie sind. (Heiterkeit.)
(Zurufe von der SPD.)
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. —
Man soll nicht von „sagenhaft" reden. Wir haben Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch Einleitung
es ja selber mit in der Hand, indem wir die Arbeit und Überschrift sind abgelehnt.
ein bißchen organisch einteilen, daß auch die große (Heiterkeit.)
Steuerreform sehr schnell auf uns zukommt. Daß
diese nicht die Abschaffung aller Steuern bedeutet, — Meine Damen und Herren, Sie lächeln, weil ich
darüber sind wir uns klar. Sie kann aber eine orga- das so mache. Die Geschäftsordnung schreibt das
nische Ordnung herbeiführen. Es ist dann möglich, leider vor.
dabei auch diese Dinge, die in § 3 stehen, zu än- (Abg. Mellies: Gott sei Dank!)
dern und neu zu ordnen. § 84 Abs. 3 sagt zwingend:
Angesichts der Tatsache, daß das Weihnachtsfest Sind in der zweiten Beratung alle Teile eines
vor der Tür steht und Millionen und aber Millio- Gesetzentwurfes abgelehnt worden, so unter
nen, ich möchte sagen, die überwältigende Mehr- bleibt jede weitere Beratung und Abstimmung.
heit der Arbeitnehmer mit mehreren Kindern
selbst mit 200 DM sowieso schon steuerfrei sind, Also: alle Teile, auch Einleitung und Überschrift.
bitte ich Sie, diese Dinge nicht zu machen. Wenn Andernfalls müßte ich, wenn auch nur die Über-
dann — Sie, Herr Kollege Miesner, haben es an schrift übriggeblieben wäre, die dritte Beratung
drei Betrieben in Ost, Süd und West ausgerechnet eröffnen. Das ist jedenfalls meine Auslegung.
— der Durchschnitt wirklich 2,52 DM ist, sollten Da in der zweiten Beratung das Gesetz in allen
wir dafür kein Gesetz ändern. seinen Teilen abgelehnt worden ist, unterbleibt,
Ich bitte, dem Ausschußantrag zuzustimmen. wie die Geschäftsordnung sagt, eine weitere Bera-
tung und Abstimmung. Die dritte Beratung entfällt.
(Beifall in der Mitte.) Der Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
2. Deutscher Bundestag — 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag. den 10. Dezember 1953 225
(Vizepräsident Dr. Schneider)
Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung: DM aus Mitteln des Ausgleichsfonds. Das zu über-
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes nehmende Kapital der Lastenausgleichsbank Akti-
über die Lastenausgleichsbank (Bank für engesellschaft stammt aus dem ERP-Sondervermö-
Vertriebene und Geschädigte) (Drucksache 86). gen. Bei den 22 Millionen DM des Ausgleichsfonds
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Minister handelt es sich nicht um neue Mittel des Ausgleichs-
Oberländer. fonds, sondern um einen Teil derjenigen Liquidi-
tätsmittel, die das Bundesausgleichsamt der Bank
Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene: bereits seit langer Zeit zur Verfügung gestellt hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Hierdurch wird also eine Inanspruchnahme der Li-
Entwurf eines Gesetzes über die Lastenausgleichs- quidität des Ausgleichsfonds vermieden. Der Ge-
bank, der dem Hohen Hause heute zur Beratung setzgeber hat diese geplante Beteiligung schon in
in erster Lesung vorliegt, bringt eine Entwicklung § 323 Abs. 4 des Lastenausgleichsgesetzes vorgese-
zum Abschluß, die mit der Gründung der Vertrie- hen, indem er dort bestimmte, daß sich der Aus-
benenbank Aktiengesellschaft am 12. Mai 1950 be- gleichsfonds an öffentlich-rechtlichen Anstalten der
gonnen hat. Diese Gründung entsprach einem seit Bundesrepublik bis zur Höhe von 30 Millionen DM
langer Zeit gehegten Wunsche der Vertriebenen, beteiligen darf. Daß die Lastenausgleichsbank bei
der wirtschaftlichen Situation dieses Personenkrei- einer Bilanzsumme, die am 31. Dezember 1952
ses bei der Bildung der Bundesregierung im Herbst schon 760 Millionen DM betrug und am Schluß des
1949 und der Entwicklung der Gesetzgebung über laufenden Geschäftsjahres etwa 1 1/2 Milliarden DM
den Lastenausgleich. Die Tatsache, daß Kredite an betragen wird, unbedingt erforderlich ist, bedarf
Vertriebene infolge des mangelnden Eigenkapitals keiner weiteren Ausführung.
und der wiederum daraus sich ergebenden Unmög- Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Be-
lichkeit ausreichender Kreditsicherung besonders stimmung des § 4 Abs. 3, nach, der das Institut
risikobehaftet sind, hatte dazu geführt, daß es für grundsätzlich als Bank der Banken arbeitet und
die Unternehmen Vertriebener nahezu unmöglich seine Mittel über Kreditinstitute an den letzten
war, die Kredithilfe zu finden, die für den Fort- Kreditnehmer leitet. Nur in begründeten Ausnah
bestand neu gegründeter selbständiger Betriebe mefällen ist mit Zustimmung des Verwaltungsrats
oder ihre organische Entwicklung oder auch für eine unmittelbare Kreditgewährung zugelassen.
die Errichtung solcher Betriebe unbedingt notwen- -
Die Vorschriften über die Organe der Bank ent-
dig war. Der Bundesvertriebenenminister stand sprechen der Regelung bei ähnlichen öffentlich-
vor der Notwendigkeit, ein besonderes Kreditinsti- rechtlichen Instituten.
tut zu errichten, weil die bestehenden Banken sich
nicht in der Lage sahen, derart risikobehaftete Bin- Zum Verwaltungsrat, der in § 7 behandelt ist,
dungen einzugehen, wenn sie nicht die Möglichkeit darf ich bemerken, daß unter Berücksichtigung
fänden, sich an ein Institut anzulehnen, das ihnen einer ausgewogenen Vertretung aller an den Auf-
das Risiko ganz oder zum größten Teil abnahm. gaben der Bank interessierten Stellen darauf ge-
Andererseits wäre es falsch gewesen, eine neue achtet werden mußte, daß die Bundesregierung
Geschäftsbank zu errichten und damit den vorhan- und die Bundesländer einen hinreichenden Einfluß
denen Bankapparat auf diesem Sektor zu erwei- auf die Bank unterhalten. Der Verwaltungsrat sieht
tern. Die Errichtung der Vertriebenenbank Aktien- 23 Obligatorische und 7 fakultative Mitglieder vor.
gesellschaft füllte also eine Lücke aus, die auf an- Der Vorsitzende des Verwaltungsrats soll personen-
dere Weise nicht ausgefüllt werden konnte. gleich mit dem Präsidenten des Bundesausgleichs-
amts sein, eine Bestimmung, die sich fast zwangs-
Der Bundesvertriebenenminister war im Zeit- läufig aus der Tatsache ergibt, daß der Ausgleichs-
punkt der Errichtung dieses Institutes schon der fonds in Zukunft den überwiegenden Anteil am
Überzeugung, daß es wahrscheinlich zweckmäßig Kapital haben wird und daß auch überwiegend die
wäre, das Institut sofort in öffentlich-rechtlicher Mittel des Ausgleichsfonds über die Bank geleitet
Form zu gründen. Die gebotene Beschleunigung bei werden. Bei dem. Umfang des Verwaltungsrats ist
der Errichtung zwang aber zur Gründung in Form die Möglichkeit vorgesehen, einzelne Befugnisse
der Aktiengesellschaft, weil der Weg zur Errich- auf Ausschüsse zu übertragen.
tung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt nur über
die Legislative führte und hierzu eine relativ lange In § 13 wird bestimmt, daß die Bank der Auf-
Zeit erforderlich gewesen wäre. Die sehr schnelle sicht der Bundesregierung unterstellt ist und daß
Entwicklung des Instituts, insbesondere die Über- diese die Aufsicht einem Bundesminister übertragen
tragung weiterer Aufgaben durch das Hauptamt kann. Ferner ist vorgesehen, daß der aufsichtfüh-
für Soforthilfe, ließ es angebracht erscheinen, dem rende Bundesminister mit Zustimmung der Bun-
Drängen des Bundesrechnungshofs auf Umwand- desregierung einen Kommissar ernennt, dem wie
lung in die öffentlich-rechtliche Form nachzuge in ähnlich gelagerten Fällen weitgehende Befug-
ben und damit dem Parlament das Gesetz vorzule- nisse zustehen.
gen, das Sie zu beraten haben. Der Gesetzentwurf sieht in § 14 die Freistellung
Im einzelnen ist zu dem vorliegenden Gesetzent- der Bank von der Vermögensteuer, der Körper-
wurf folgendes in Kürze auszuführen. Die in § 1 schaftsteuer, der Gewerbesteuer und Erleichterun-
niedergelegte Bezeichnung des Zweckes der Errich- gen bei der Wertpapiersteuer und bei der Ausgabe
tung der Bank lehnt sich an die Präambel des von Schuldverschreibungen vor.
Lastenausgleichsgesetzes an. Es soll damit zum Der Entwurf hat auch dem Bundesrat vorgele
Ausdruck gebracht werden, daß in dem Institut im gen, der am 24. April beschlossen hat , einige An-
wesentlichen der Personenkreis betreut werden soll,
,
Namentliche Abstimmung
über Art. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes über die einstweilige
Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschafts
genossenschaften nach den Beschlüssen des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksache 117)
CDU/CSU
SPD
Abstimmung
Berliner Abgeordnete
CDU/CSU Mattick Ja
Neubauer Ja
Dr. Friedensburg . . . . Nein Neumann Ja
Dr. Krone Ja Dr. Schellenberg . . . . entschuld.
Lemmer entschuld. Frau Schroeder (Berlin) . Ja
Frau Dr. Maxsein . . . Ja Schröter (Wilmersdorf) . Ja
Stingl Ja Frau Wolff (Berlin). Ja
Dr. Tillmanns Ja
FDP
SPD
Dr. Henn Nein
Brandt (Berlin) . . . . Ja Hübner Nein
Frau Heise Ja Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Nein
Klingelhöfer Ja Dr. Reif Nein
Dr. Königswarter . . . Ja Dr. Will Nein
Abstimmung
Abgegebene Stimmen 20
Davon :
Ja 14
Nein 6
Stimmenthaltung . —
Zusammen wie oben . . 20
2. Deutscher Bundestag - 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
Änderungsantrag
(Eventualantrag)
der Fraktion des GB/BHE
(Umdruck 6)
zur Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß)
über den Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 103) betreffend
Weihnachtszuwendung an Bundesbedienstete
Der Bundestag wolle beschließen: Der gleiche Betrag soll unter den gleichen Vor-
Die Bundesregierung wird ersucht, analle Bedien- aussetzungen auch an die Ruhegehalts- und Ruhe-
steten des Bundes (Arbeiter, Angestellte und Be- lohnempfänger sowie an alle unter das Gesetz zu
amte), welche mit Ausnahme von Kinderzuschlägen Artikel 131 GG fallenden Personen gezahlt werden.
Monats-Bruttobezüge bis zu 300 DM erhalten, zu
Weihnachten eine einmalige Zuwendung zu zahlen.
Bonn, den 9. Dezember 1953
Die Zuwendung soll betragen:
für den Bediensteten 25 DM
für die Ehefrau und jedes unter Dr. Keller
-
haltsberechtigte Kind je 10 DM Dr. Eckhardt und Fraktion
Änderungsantrag
(Exentualantrag)
Schriftlicher Bericht
des Ausschusses für Verkehrswesen (30. Ausschuß)
über den
Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum
Internationalen Schiffssicherheitsvertrag London 1948
(Drucksache 89)
Die bisher in Nr. 8 vorgesehene Ermächtigung schiffahrt vom 22. November 1950 (Bundes
entfällt durch die Einfügung des Satzes 2 in Art. 1 gesetzbl. S. 767) hat die See-Berufsgenossenschaft in
Abs. 2. Hamburg die Vorschriften des Bundes zur Siche
Die neue Nr. 8 schafft auf Wunsch der Küsten- ung der Seefahrt auszuführen. Der vorliegende
länder eine Rechtsgrundlage, die Besetzung von esetzentwurf erweitert den Kreis der Schiffs-
Schiffen mit Kapitänen, Schiffsoffizieren und sicherheits-Vorschriften um Bestimmungen, die
Schiffsleuten sowie die Anforderungen an deren bisher nicht als Schiffssicherheits-Vorschrif ten
Eignung und Befähigung durch Rechtsverordnung geltnudichvorSe-Bufsgnchat,
zu regeln. sondern von den Ländern ausgeführt werden.
Hierbei handelt es sich um die Rechtsverordnun-
Die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder gen nach Art. 3 Abs. 1 Nrn. 5, 7 und 8. Deshalb
zur Ausführung der Rechtsverordnungen sollen beläßt Art. 5 nur die übrigen Angelegenheiten des
durch das Gesetz gegenüber der bisherigen Auf- Art. 3 Abs. 1 in der Zuständigkeit des Bundes und
gabenteilung nicht geändert werden (vgl. Art. 5). ermöglicht nur insoweit die Übertragung dieser
Dieser Abgrenzung der Zuständigkeiten auf dem Aufgaben an die See-Berufsgenossenschaft.
Gebiet der Verwaltung entsprechen die Bestim-
mungen über die Zustimmungsbedürftigkeit der Gleichzeitig ergibt sich hieraus in Verbindung
Rechtsverordnungen in den neuen Sätzen 2 und 3 mit Art. 83 GG, daß die in Abs. 1 nicht enthaltenen
des Abs. 1. Die Einfügung der Worte „die Be- Materien Angelegenheiten der Länder sind.
setzung der Seeschiffe durch Funker" in Abs. 2
wird durch die neue Nr. 8 in Abs. 1 erforderlich, Zu Art. 6:
um auch insoweit die Belange des Bundesministers
für das Post- und Fernmeldewesen zu wahren. Die Bestimmung enthält die Berlin-Klausel in
der üblichen Fassung.
In Abs. 4 sind auf Wunsch des Bundesrates die
Worte „oberste Verkehrsbehörde" (der Länder)
durch die Worte „Regierungen" (der Länder) ersetzt Zu Art. 7:
worden, damit die Landesregierungen in der Wahl Da die neue Seestraßenordnung mit dem In-
ihrer Vertreter für den Fachausschuß frei sind. krafttreten des Gesetzes wirksam wird, muß Abs. 2
-g-
durch Einfügung der Nrn. 3 und 4 (bisher Nrn. l
Zu Art. 4: und 2 in Abs. 3) vorsehen, daß die entsprechenden
bisherigen Bestimmungen gleichzeitig außer Kraft
Die als Abs. 1 neu eingefügte Strafvorschrift treten.
wird durch die sofortige Inkraftsetzung der neuen
Seestraßenordnung erforderlich (vgl. Art. 1 Abs. 2
Satz 2). Abs. 2 entspricht der bisherigen Fassung
des Art. 4. Bonn, den 8. Dezember 1953
Zu Art. 5:
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Schmidt (Hamburg)
Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der See Berichterstatter