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TATSACHEN ÜBER DEUTSCHLAND

Außenpolitik · Gesellschaft · Wissenschaft · Wirtschaft · Kultur


Tatsachen über
Deutschland
2|3 TATSACHEN ÜBER DEUTSCHLAND

INHALT
AUF EINEN BLICK BILDUNG & WISSEN
Föderale Republik 6 Starker Wissensstandort 94
Wappen & Symbole 8 Dynamische Hochschullandschaft 98
Demografie 10 Ambitionierte Spitzenforschung 102
Geografie & Klima 12 Vernetzte Wissenschaft 106
Parlament & Parteien 14 Engagierte Außenwissenschaftspolitik 108
Politisches System 16 Exzellente Forschung 110
Bundesregierung 18 Attraktives Schulsystem 112
Berühmte Deutsche 20
GESELLSCHAFT
STAAT & POLITIK Bereichernde Vielfalt 114
Erfolgreiche Reformen 22 Zuwanderung gestalten 118
Föderaler Staat 26 Plurale Lebensformen 122
Aktive Politik 30 Engagierte Zivilgesellschaft 126
Vielfältige Teilhabe 32 Starker Sozialstaat 128
Das politische Berlin 34 Vielseitige Freizeit 130
Lebendige Erinnerungskultur 36 Freie Religionsausübung 132

AUSSENPOLITIK KULTUR & MEDIEN


Zivile Gestaltungsmacht 38 Lebendige Kulturnation 134
Engagiert für Frieden und Sicherheit 42 Innovative Kreativwirtschaft 138
Anwalt europäischer Integration 46 Kultureller Dialog 140
Schutz von Menschenrechten 50 Weltoffene Positionen 142
Offener Netzwerkpartner 54 Rasanter Medienwandel 146
Nachhaltige Entwicklung 56 Spannende Welterbestätten 150
Attraktive Sprache 152
WIRTSCHAFT & INNOVATION
Starker Standort 58 LEBENSART
Globaler Akteur 62 Land der Vielfalt 154
Leitmärkte und Innovationen 66 Urbane Lebensqualität 158
Nachhaltige Ökonomie 70 Nachhaltiger Tourismus 160
Digitale Agenda 72 Sportliche Herausforderungen 164
Geschätzter Handelspartner 74 Sehenswertes Berlin 168
Attraktiver Arbeitsmarkt 76 Entspanntes Genießen 170

UMWELT & KLIMA BILDNACHWEISE 172


Vorreiter in der Klimapolitik 78 REGISTER 173
Impulsgeber für Klimakooperationen 82 IMPRESSUM 176
Generationenprojekt Energiewende 84
Zukunftsbranche Greentech 88
Erneuerbare Energien 90
Lebenswichtige Vielfalt 92
VORWORT
Was kennzeichnet Politik, Wirtschaft, Gesell- geschichtliche und institutionelle Zusam-
schaft, Wissenschaft und Kultur in Deutsch- menhänge sind in den Hintergrund verlagert.
land? Die „Tatsachen über Deutschland“ laden Um den Texten einen hohen Nutz wert zu
dazu ein, das moderne und weltoffene Land geben, sind sie mit aktuellem Datenmaterial
kennenzulernen. Das Handbuch bietet pro- angereichert.
fundes Basiswissen und Orientierungshilfe –
speziell konzipiert für internationale Leserin- Zur Fortentwicklung der „Tatsachen über
nen und Leser. In neun Kapiteln vermitteln Deutschland“ gehört ein umfangreiches digi-
die „Tatsachen“ ein Verständnis der deutschen tales Angebot, das die in der Printausgabe
Gesellschaft und zeigen, welche Modelle und skizzierten Themen im Internet vertieft. Die
Lösungen in einer Zeit der gesellschaftlichen neue „Tatsachen über Deutschland“-Com-
und politischen Veränderung diskutiert wer- munity, zu der wir Sie herzlich einladen, soll
den. Die vollkommen überarbeitete Neuauf- zugleich den Dialog fördern und dem Gedan-
lage behandelt vor allem Gegenwartsthemen – kenaustausch dienen.

Deutschland kennenlernen und erleben – mit den crossmedialen „Tatsachen über Deutschland“
4|5 TATSACHEN ÜBER DEUTSCHLAND

TATSACHEN-FAMILIE
Einblick: Informative Überblickstexte geben
schnelle Orientierung über die aktuellen Ent-
HANDBUCH
wicklungen des Kapitelthemas. Die Neuauflage des Handbuchs „Tatsachen
über Deutschland“ bietet in neun Kapiteln
unterschiedliche Zugänge zum Deutschland
von heute. Die Kapitel sind so gegliedert, dass
zunächst ein „Einblick“ mit den wichtigsten
Grundinformationen in das Thema einführt.
Im Anschluss werden die unterschiedlichen
Aspekte thematisch ausführlich vertieft. Jedes
Kapitel enthält zudem viele Wegweiser zu
Thema: Faktenreiche weiterführenden Informationskanälen sowie
Sachtexte liefern eine cross-mediale Brückenangebote.
vertiefte und erweiterte
Einordnung und Rah-
mung zu den wich- → Angebot in 19 Sprachen
tigsten Aspekten. → Neun Themenfelder
→ Unterschiedliche Infoebenen
→ Weiterführende Hinweise
→ Wichtige Akteure zu jedem Thema
→ Print-to-web-Verknüpfungen mittels
Augmented-Reality-Anwendungen

TAT S A C H E N F Ü R J U N G E E R WA C H S E N E
Wie können junge Menschen Deutschland
kennenlernen? Wie wird das Land für sie er-
Panorama: Umfangreiche
lebbar; was sollten künftige High Potentials
Infografiken ergänzen die
Kapitel und erweitern sie wissen? Das neue 76-seitige „Tatsachen“-
visuell anschaulich. Jugendbuch liefert in neun Sprachen
in formative Einblicke – auch im Netz.
tatsachen-ueber-deutschland.de
tatsachen-ueber-deutschland.de:
Modernes Design trifft auf geballte
Information.

DIGITAL
Der vollkommen neu entwickelte Internet-
auftritt tatsachen-ueber-deutschland.de ist
das Herzstück des umfangreichen multime-
dialen Digitalangebots. Das responsive Design
ermöglicht zudem eine optimale Ausspielung
auf mobilen Endgeräten. Zur „Tatsachen“-Fa-
milie gehören auch E-Paper-Ausgaben und
E-Reader-Angebote. Das Informationsange- VIDEO AR-APP
bot auf tatsachen-ueber-deutschland.de wird Digitales Zusatzmaterial
über alle Kanäle hinweg dynamisch ausge- 1. Laden Sie im App Store die kostenlose App
baut, regelmäßig erweitert und aktualisiert. „AR Kiosk“ auf Ihr Mobilgerät. „AR Kiosk“ ist
bei iTunes und Google Play erhätllich.

→ Angebot in 19 Sprachen 2. Starten Sie die App und halten Sie Ihr Smart-
→ Videos und interaktive Grafiken phone oder Tablet über das Bild mit dem Icon
Video & AR App (Seiten 23, 39, 59, 79, 95, 115,
→ Zusatzkapitel „Deutsche Geschichte“
135, 155). Hinter diesen Seiten befinden sich
→ Umfangreiche Hintergrundinfos zusätzliche digitale Inhalte.
→ Regelmäßige inhaltliche Erweiterung zu
wichtigen politischen, gesellschaftlichen 3. Sobald die App das Bild erkannt hat, öffnen
sich die Bonus-Inhalte automatisch.
und kulturellen Themen

WILLKOMMEN BEI DER COMMUNITY


Wer mehr über Deutschland erfahren
und „up to date“ bleiben möchte, kann sich
Tatsachen über
der neuen „Tatsachen über Deutschland“- Deutschland
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werks erhalten unter anderem exklusiv
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über die Website.
6|7 AUF EINEN BLICK

AUF EINEN BLICK


Föderale Republik ∙ Wappen & Symbole ∙ Demografie ∙
Geografie & Klima ∙ Parlament & Parteien ∙ Politisches System ∙ Bundesregierung ∙
Berühmte Deutsche

FÖDERALE REPUBLIK
Deutschland ist ein föderaler Bundesstaat. mit der Wiedervereinigung wurden 1990 fünf
Sowohl der Bund als auch die 16 Länder ver- neue Länder gegründet: Brandenburg, Meck-
fügen über jeweils eigene Kompetenzen. Die lenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-An-
Zuständigkeit für die Bereiche der Inneren halt und Thüringen. Mit 17,6 Millionen Ein-
Sicherheit, Schule, Hochschule, Kultur sowie wohnern ist Nordrhein-Westfalen das bevöl-
der kommunalen Verwaltung liegt bei den kerungsreichste Land, Bayern mit 70.550 Qua-
Ländern. Gleichzeitig setzen die Verwaltun- dratkilometern das von der Fläche her größte;
gen der Länder nicht nur ihre eigenen Gesetze mit 3.838 Einwohnern je Quadratkilometer
um, sondern auch die des Bundes. Die Regie- hat Berlin, die Hauptstadt, die höchste Bevöl-
rungen der Länder sind über ihre Vertretung kerungsdichte. Eine Besonderheit sind die
im Bundesrat direkt an der Gesetzgebung des drei Stadtstaaten. Ihr Staatsgebiet beschränkt
Bundes beteiligt. sich jeweils auf die drei Großstädte Berlin,
Bremen und Hamburg. Das kleinste Land ist
Der Föderalismus in Deutschland ist mehr als Bremen mit 419 Quadratkilometern und
ein staatliches System, er bildet die dezentrale 657.000 Einwohnern. Baden-Württemberg
kulturelle und wirtschaftliche Struktur des zählt zu den wirtschaftsstärksten Regionen
Landes ab und wurzelt tief in der Tradition. Europas. Das Saarland war nach dem Zweiten
Jenseits ihrer politischen Funktion sind die Weltkrieg ein teilsouveränes Land unter dem
Länder auch Abbild ausgeprägter regionaler Protektorat Frankreichs und wurde erst am
Identitäten. Im Grundgesetz wurde 1949 die 1. Januar 1957 als zehntes Bundesland in das
starke Stellung der Länder festgeschrieben; damalige Bundesgebiet eingegliedert.
Die 16 Länder

Kiel

SCHLESWIG-
HOLSTEIN
MECKLENBURG-
VORPOMMERN
Schwerin
HAMBURG
BREMEN

BRANDENBURG
NIEDERSACHSEN
BERLIN

Hannover Magdeburg Potsdam

SACHSEN-
NORDRHEIN- A N H A LT
WESTFALEN

Düsseldorf Erfurt Dresden

THÜRINGEN SACHSEN
HESSEN

Wiesbaden
RHEINLAND-
PFALZ Mainz

SAARLAND

Saarbrücken
B AY E R N
Stuttgart

BADEN- München
WÜRTTEMBERG

Landeshauptstadt
8|9 AUF EINEN BLICK

Bundesadler Grundgesetz

Das traditionsreichste deutsche Staatssymbol Das 1949 in Bonn verabschiedete Grundgesetz


ist der Bundesadler. Bundespräsident, Bundes- war zunächst als Provisorium gedacht. Nach der
rat, Bundesverfassungsgericht und Bundestag Wiedervereinigung 1990 wurde es als dauerhafte
führen unterschiedlich gestaltete Adler. Auch Verfassung übernommen. Die 146 Artikel des
auf Münzen und Nationaltrikots deutscher Grundgesetzes stehen über allen anderen deut-
Sportverbände sind unterschiedlich gestaltete schen Rechtsnormen und legen die grundlegenden
Adler zu sehen. staatlichen System- und Wertentscheidungen fest.

Flagge Nationalfeiertag

3
Oktober

Das Grundgesetz legt die Farben Schwarz- Der 3. Oktober wurde als Tag der Deutschen
Rot-Gold für die Bundesflagge fest. Damit Einheit im Einigungsvertrag 1990 zum gesetz-
knüpfte man 1949 an die Fahne der ersten lichen Feiertag in Deutschland bestimmt. Der
deutschen Republik von 1919 an. Die Tag der Deutschen Einheit ist im Übrigen der
Nationalsozialisten hatten sie abgeschafft einzige gesetzliche Feiertag, der durch Bundes-
und durch das Hakenkreuz ersetzt. recht festgelegt ist.

Währung Domain

€ +49
.de
Seit dem 1. Januar 2002 ist der Euro in Deutsch- Die Domain .de ist die am weitesten verbreitete
land das alleinige Zahlungsmittel. Er löste die in Deutschland und die weltweit beliebteste län-
seit 1948 genutzte D-Mark ab. Die Europäische derspezifische Domain. Über die internationale
Zentralbank (EZB) hat ihren Sitz in der deut- Vorwahl +49 sind 99,9 Prozent der Haushalte
schen Finanzmetropole Frankfurt am Main. über Festnetz oder Mobiltelefon erreichbar.
Nationalhymne
Die deutsche Nationalhyme besteht ausschließlich aus der
dritten Strophe des „Deutschlandliedes“ von August Heinrich
Hoffmann von Fallersleben (1841). Die Melodie der Hymne
komponierte Joseph Haydn 1796/97.

Ei – nig – keit und Recht und Frei – heit


Da – nach lasst uns al – le stre – ben

für das deut – sche Va – ter – land!


brü – der – lich mit Herz und Hand!

Ei – nig – keit und Recht und Frei – heit

sind des Glü – ckes Un – ter – pfand.

Blüh im Glan – ze die – ses Glü – ckes,

blü – he, deut – sches Va – ter – land!


10 | 11 AUF EINEN BLICK

DEMOGRAFIE LEBENSERWARTUNG

Für die demografische Entwicklung sind drei


82 Jahre / 77 Jahre
Frauen Männer
Trends kennzeichnend: eine niedrige Gebur-
tenrate, die steigende Lebenserwartung und
die Alterung der Gesellschaft. Die höchste
Geburtenrate verzeichnete Deutschland im
Jahr 1964 mit 1,357 Millionen Neugebore-
nen; seitdem befindet sich das Land in einem
EINWANDERER 2013
Geburtentief (2014 gab es 715.000 Neugebo-
rene). Seit 1975 liegt die Zahl der Geburten 1.226.000
mit leichten Schwankungen bei etwa 1,3 Kin-
dern pro Frau. Die Kindergeneration ist daher
seit 35 Jahren um etwa ein Drittel kleiner als
die Elterngeneration – die Gruppe der 50-Jäh-
rigen ist heute doppelt so groß wie die der
Neugeborenen. Gleichzeitig steigt die Lebens-
erwartung. Sie beträgt bei Männern durch-
schnittlich 77 Jahre, bei Frauen 82 Jahre.
AUSWANDERER 2013
Der demografische Wandel mit gravierenden
Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung
789.000
und die Sozialsysteme wird abgeschwächt
durch die Einwanderung. 20,3 Prozent der in
Deutschland lebenden Menschen (16,4 Mil-
lionen) haben einen Migrationshintergrund.
Von ihnen haben 9,2 Millionen einen deut-
schen Pass, 7,2 Millionen sind Ausländer. Die
Angehörigen von vier nationalen Minderhei-
ten sind als „alteingesessen“ anerkannt und HAUSHALTE
werden besonders geschützt und gefördert:
die dänische Minderheit (50.000) und die frie- 40,2 Mio.
sische Volksgruppe (60.000) in Norddeutsch-
land, die Lausitzer Sorben (60.000) entlang
der deutsch-polnischen Grenze sowie die
deutschen Sinti und Roma (70.000).
BEVÖLKERUNG GESCHLECHTERVERTEILUNG

81,2 Mio. 41,4 Mio. 39,8 Mio.


Frauen Männer

ALTERSSTRUKTUR
100

95

90

85

80

75

70

65

60

55

50

45

40

35

30

25

20

15
Statistisches Bundesamt 2014

10

0
700 600 500 400 300 200 100 0 0 100 200 300 400 500 600 700
Tsd. Personen Frauen Alter in Jahren Männer Tsd. Personen
12 | 13 AUF EINEN BLICK

GEOGRAFIE & KLIMA LAGE

Mitteleuropa
Deutschland liegt in der Mitte Europas. Es
teilt seine Grenzen mit neun Staaten. Kein
anderes europäisches Land hat mehr Nach-
barn. Im Norden hat Deutschland Zugang
zur Ostsee und zur Nordsee. Im Süden grenzt
es an die Alpen. Die höchste Erhebung bildet
die in Bayern gelegene Zugspitze mit 2.962
Höhenmetern. Der tiefste Punkt an Land
liegt mit 3,54 Metern unter Normalhöhennull
bei dem Ort Neuendorf-Sachsenbande im
Bundesland Schleswig-Holstein. Mit 357.340
Quadratkilometern ist Deutschland nach
FLÄCHE
Frankreich, Spanien und Schweden das viert-
größte Land der Europäischen Union (EU). 357.340 km2
Knapp ein Drittel seiner Gesamtfläche ist mit
Wald bedeckt. Seen, Flüsse und andere Ge-
wässer machen mehr als zwei Prozent seiner
Fläche aus. Der längste Fluss ist der Rhein. Im
Südwesten bildet er die Grenze zwischen
Deutschland und Frankreich, weiter nördlich
liegen Bonn, Köln und Düsseldorf an seinem
Ufer. Die Elbe, der zweitlängste Strom, ver-
bindet Dresden, Magdeburg und Hamburg
und mündet in die Nordsee.

In Deutschland herrscht ein gemäßigtes Kli- HAUPTSTADT


ma. Im Juli liegt das mittlere Temperaturma-
ximum bei 21,8 Grad Celsius, das Minimum Berlin
bei 12,3 Grad. Im Januar liegt das mittlere Ma- 891,70 km2

ximum bei 2,1 Grad, das Minimum bei –2,8


Grad. Die höchste Temperatur seit Beginn der
Wetteraufzeichnung wurde am 5. Juli 2015
mit 40,3 Grad Celsius in Kitzingen am Main
gemessen.
SONNENSTUNDEN REGEN

1.670 729 l/m2

FESTLANDKÜSTE LÄNGSTER FLUSS

1.200 km Rhein
865 km in Deutschland

WALDFLÄCHE HÖCHSTER BERG


2
114.191 km Zugspitze
2.962 m
14 | 15 AUF EINEN BLICK

PARLAMENT & PARTEIEN


Der Deutsche Bundestag wird alle vier Jahre
von den wahlberechtigten Bürgerinnen und
Bürgern ab dem 18. Lebensjahr in freier, ge-
heimer und direkter Wahl gewählt. Der Bun- Parteien
destag ist das Parlament. Die Hälfte der min-
destens 598 Bundestagsmandate wird durch
die Wahl von Landeslisten der Parteien (Zweit-
Christlich-Demokratische Union
stimmen) zugeteilt, die andere durch die Wahl Deutschlands (CDU)
von Personen in 299 Wahlkreisen (Erststim- 457.488 Mitglieder
men). Das Wahlsystem macht es für eine ein- Wahlergebnis 2013: 34,1 Prozent

zelne Partei schwer, allein die Regierung zu


bilden – das Parteienbündnis ist die Regel. Um
die Mehrheitsbilder nicht durch die Präsenz
kleiner Parteien zu komplizieren, schließt sie
Sozialdemokratische Partei
eine Sperrklausel, die Fünf-Prozent-Hürde, Deutschlands (SPD)
von der Vertretung im Bundestag aus. 459.902 Mitglieder
Wahlergebnis 2013: 25,7 Prozent

Derzeit sind fünf Parteien im Bundestag ver-


treten: CDU, CSU, SPD, Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen. Im Bundestag bilden CDU
Die Linke
und ihre nur in Bayern antretende Schwes- 60.547 Mitglieder
terpartei CSU seit der ersten Bundestagswahl Wahlergebnis 2013: 8,6 Prozent
1949 eine gemeinsame Fraktion. Die Freie
Demokratische Partei (FDP) kam bei der Bun-
destagswahl 2013 nicht über die Fünf-
Prozent-Hürde und ist damit erstmals seit
Bündnis 90/Die Grünen
1949 nicht im Bundestag vertreten. Die der-
60.329 Mitglieder
zeitige Bundesregierung wird getragen von Wahlergebnis 2013: 8,4 Prozent
einer Koalition aus CDU/CSU und SPD, mit
Dr. Angela Merkel (CDU) als Bundeskanzle-
rin, Sigmar Gabriel (SPD) als Vizekanzler
und Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) als
Christlich-Soziale Union (CSU)
Bundesaußenminister. Linke und Grüne bil- 146.536 Mitglieder
den die Opposition im Parlament. Wahlergebnis 2013: 7,4 Prozent
Bundestag
Der Bundestag hat mindestens 598 Mitglieder.
Hinzu kommen in der Regel sogenannte Über-
hang- und Ausgleichsmandate. Der 2013 gewählte
18. Bundestag umfasst 630 Abgeordnete.

630 Sitze

CSU Linke
56 Sitze 64 Sitze

CDU SPD
254 Sitze 193 Sitze

Grüne
63 Sitze

Bundesrat
Der Bundesrat ist eines von fünf ständigen Verfassungs-
organen. Er ist die Vertretung der Länder. Dem Bundesrat
gehören 69 Vertreter der Landesregierungen an. Jedes
Land hat mindestens drei, die einwohnerstärkeren Länder
bis zu sechs Stimmen.

Baden-Württemberg 6 4 Thüringen
Bayern 6 4 Schleswig-Holstein

Berlin 4 4 Sachsen-Anhalt

Brandenburg 4 4 Sachsen

Bremen 3 3 Saarland

Hamburg 3 4 Rheinland-Pfalz
Hessen 5 6 Nordrhein-Westfalen
3 6
Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen
16 | 17 AUF EINEN BLICK

POLITISCHES SYSTEM
Der Bundespräsident ist der protokollarisch Volk wählt
ranghöchste Repräsentant Deutschlands. Wahlberechtigt sind alle deut-
Protokollarisch an zweiter Stelle steht der schen Staatsbürger ab 18 Jahre.
Sie wählen die Abgeordneten in
Bundestagspräsident. Stellvertreter des Bun-
allgemeiner, unmittelbarer, freier,
despräsidenten ist der Bundesratspräsident – gleicher und geheimer Wahl.
ein Amt, das im jährlichen Turnus ein Minis-
terpräsident innehat. Das Amt mit der größ-
ten politischen Gestaltungsmacht ist das des
Bundeskanzlers. Der Präsident des Bundes- wählt

verfassungsgerichts gehört ebenfalls zu den


hohen Repräsentanten.

Landesparlamente
Die Wahlperiode der Landes-
parlamente beträgt in der Regel
fünf Jahre. Ihre Befugnisse und stellen
Organisation regeln
Joachim Gauck, geb. 1940, Dr. Angela Merkel, geb. die Landesverfassungen.
parteilos, Bundespräsident 1954, CDU, Bundeskanzle-
seit März 2012 rin seit November 2005

wählen

Landesregierungen
Die Landesregierungen werden
von den jeweiligen Landesparla-
Dr. Norbert Lammert, geb. Dr. Andreas Voßkuhle, geb. menten in geheimer Abstim-
stellen
1948, CDU, Bundestags- 1963, Präsident des Bun- mung gewählt und können von
präsident seit 2005 desverfassungsgerichts diesen auch gestürzt werden.
Bundestag wählt Bundeskanzler schlägt
Bundesregierung
vor
Das Parlament ist auf vier Jahre Der Kanzler wird in geheimer Die Regierung besteht aus
gewählt und hat 598 Abgeord- Wahl vom Bundestag dem Bundeskanzler und den
nete. Hinzu kommen Überhang- gewählt. Er bestimmt die Bundesministern. Jeder
mandate und Ausgleichsmandate. Richtlinien der Politik und Minister leitet sein Ressort
Dem Bundestag obliegen die steht dem Kabinett vor. eigenverantwortlich.
Gesetzgebung und die
Kontrolle der Regierung.
wählt

stellt

ernennt ernennt

Bundesversammlung Bundespräsident
Die Bundesversammlung tritt Das Staatsoberhaupt hat in
allein zur Wahl des Bundesprä- erster Linie repräsentative Auf-
sidenten zusammen und wählt gaben und vertritt die Bundes-
wählt
diesen in geheimer Wahl für republik Deutschland nach außen.
eine Amtszeit von fünf Jahren. Der Bundespräsident ernennt
den Kanzler und die Bundesminis-
ter und fertigt die Gesetze aus.

wählt

Bundesrat Bundesverfassungsgericht
Die Länderkammer besteht aus Das Gericht besteht aus 16 Richtern.
69 von den Landesregierungen Sie werden je zur Hälfte mit Zwei-
entsandten Mitgliedern. In vielen drittelmehrheit von Bundestag und
wählt
Bereichen bedürfen Gesetze der Bundesrat gewählt.
Zustimmung des Bundesrates.
18 | 19 AUF EINEN BLICK

BUNDESREGIERUNG Bundesministerien

Bundeskanzler und Bundesminister bilden Bundesministerium für


Wirtschaft und Energie
die Bundesregierung, das Kabinett. Neben der
→ bmwi.de
Richtlinienkompetenz des Kanzlers gilt das
Ressortprinzip, nach dem die Minister ihren Auswärtiges Amt
→ auswaertiges-amt.de
Bereich im Rahmen der Richtlinien eigen-
ständig leiten, sowie das Kollegialprinzip, Bundesministerium des Innern
nach dem die Bundesregierung mit Mehr- → bmi.bund.de

heitsbeschluss über Streitfragen entscheidet. Bundesministerium der Justiz


Das Bundeskabinett besteht aus 14 Fachmi- und für Verbraucherschutz
nistern und dem Chef des Bundeskanzleram- → bmjv.de

tes. Die Bundesministerien sind die höchsten Bundesministerium der Finanzen


Bundesbehörden in den Ressorts. → bundesfinanzministerium.de

Bundesministerium für Arbeit und Soziales


Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien → bmas.de
der Politik und trägt dafür die Verantwor-
Bundesministerium für Ernährung
tung. Im Kanzleramt und den Bundesminis-
und Landwirtschaft
terien sind rund 18.000 Mitarbeiter beschäf- → bmel.de
tigt. Zu den personalstarken Ministerien ge-
Bundesministerium der Verteidigung
hören das Auswärtige Amt und das Bundes-
→ bmvg.de
ministerium der Verteidigung. Acht Ministe-
rien haben ihren Hauptsitz in Berlin, sechs Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend
Ministerien in der Bundesstadt Bonn. Alle → bmfsfj.de
Ministerien sind mit Dienststellen in beiden
Städten vertreten. Bundesministerium für Gesundheit
→ bmg.bund.de

Bundesministerium für Verkehr


und digitale Infrastruktur
→ bmvi.de

Bundesministerium für Umwelt,


Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
→ bmub.bund.de

Bundesministerium für Bildung


und Forschung
→ bmbf.de

Bundesministerium für wirtschaftliche


Zusammenarbeit und Entwicklung
→ bmz.de
Bundespräsidenten & Bundeskanzler
Bundespräsidenten 1949 Bundeskanzler
1950

1955

Theodor Heuss (FDP) 1949–1959


1960

Konrad Adenauer (CDU) 1949–1963


1965
Ludwig Erhard (CDU) 1963–1966

Heinrich Lübke (CDU) 1959–1969 Kurt Georg Kiesinger (CDU) 1966–1969


1970

Gustav Heinemann (SPD) 1969–1974 Willy Brandt (SPD) 1969–1974


1975

Walter Scheel (FDP) 1974–1979


1980

Helmut Schmidt (SPD) 1974–1982


Karl Carstens (CDU) 1979–1984
1985

1990

Richard v. Weizsäcker (CDU) 1984–1994


1995

Helmut Kohl (CDU) 1982–1998


Roman Herzog (CDU) 1994–1999
2000

Johannes Rau (SPD) 1999–2004


2005 Gerhard Schröder (SPD) 1998–2005

Horst Köhler (CDU) 2004–2010 2010

Christian Wulff (CDU) 2010–2012

Joachim Gauck (parteilos) seit 2012 2015 Angela Merkel (CDU) seit 2005
20 | 21 AUF EINEN BLICK

BERÜHMTE DEUTSCHE
Gefeierte Klassiker, mutige Visionäre, schar-
fe Denker: Die deutsche Geschichte ist reich
an Menschen, die Außergewöhnliches geleis-
tet haben. Viele sind weit über die Landes-
grenzen hinaus berühmt. Das Goethe-Insti-
Johann Wolfgang
tut trägt den Namen eines der bekanntesten von Goethe
Deutschen, Johann Wolfgang von Goethe, Poet, Dramatiker, Gelehrter: Johann
Wolfgang von Goethe (1749–1832) gilt
seit 1951 in die Welt hinaus. In Paris erinnert
als der Klassiker der deutschen Literatur.
das Maison Heinrich Heine in der Cité Inter-
nationale Universitaire de Paris (CIUP) an
den begnadeten Literaten, der chronisch mit
seiner Heimat haderte. Zu den Bayreuther
Festspielen treffen sich alljährlich Wagneria-
ner aus aller Welt, um dem „Ring des Nibe-
lungen“ zu huldigen. Namen wie Humboldt
und Einstein, Röntgen und Planck, Benz und
Otto begründeten den Ruf Deutschlands als
Land der Forscher und Ingenieure.
Friedrich von Schiller
Streiter für die Freiheit: Friedrich von
Schwer hatten es Frauen, in früheren Tagen Schiller (1759–1805) gilt als einer der
ähnliche Biografien zu schreiben. Man findet großen Dramatiker der Weltbühne („Die
sie dennoch: Frauen wie Clara Schumann, Räuber“, „Maria Stuart“, „Don Carlos“)
und als bedeutender Essayist.
Maria Sybilla Merian, Paula Modersohn-Be-
cker, Rosa Luxemburg, Anna Seghers oder
die große Choreografin Pina Bausch. Sie gel-
ten bis heute als Vorbilder für eine moderne
Gesellschaft, die Männer und Frauen glei-
chermaßen Teilhabe und Chancengleichheit
ermöglicht – wozu fortgesetzte Anstrengun-
gen notwendig sind.

Johann Sebastian Bach


Virtuose barocker Kirchenmusik: Johann
Sebastian Bach (1685–1750) vervoll-
kommnete die strenge „Kunst der Fuge“
und schuf mehr als 200 Kantaten und
Oratorien.
Marlene Dietrich Ludwig van Beethoven
Die Filmdiva: Marlene Dietrich (1901–1992) wurde Wegbereiter der Romantik: Ludwig van Beethoven
als eine von wenigen deutschen Schauspielerinnen zur (1770–1827) brachte bei klarer Konzentration auf die
Ikone („Der blaue Engel“). 1939 nahm die gebürtige Form in völlig neuem Maß individuellen Ausdruck und
Berlinerin die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Empfindung in die Musik („9. Sinfonie“).

Thomas Mann Albrecht Dürer


Meister des Romans und der Novelle: Thomas Mann Künstler der deutschen Renaissance: Albrecht Dürer
(1875–1955) gehört zu den großen Schriftstellern (1471–1528) aus Nürnberg zählt zu den bedeu-
der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts. Für sein tendsten und vielseitigsten Persönlichkeiten der
Familienepos „Buddenbrooks“ erhielt er 1929 den Kunstgeschichte. Er revolutionierte die Techniken des
Nobelpreis für Literatur. Holzschnittes und des Kupferstiches.

Wilhelm Conrad Röntgen Willy Brandt


Entdecker der X-Strahlen: Wilhelm Conrad Röntgen Politiker und Weltbürger: Willy Brandt (1913–1992)
(1845–1923) entdeckte 1895 die nach ihm leitete als Bundeskanzler (1969–1974) die Entspan-
benannten Röntgenstrahlen. 1901 erhielt er den nungspolitik ein; er verkörperte den gesellschaftlichen
ersten Nobelpreis für Physik. Seitdem sind mehr als Aufbruch jener Jahre wie kein anderer – 1971 erhielt
80 deutsche Spitzenforscher hinzugekommen. er den Friedensnobelpreis.
22 | 23 STAAT & POLITIK

STAAT & POLITIK


Erfolgreiche Reformen ∙ Föderaler Staat ∙ Aktive Politik ∙
Vielfältige Teilhabe ∙ Das politische Berlin ∙ Lebendige Erinnerungskultur

EINBLICK

ERFOLGREICHE REFORMEN
25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist riode. Sie ist die erste Frau in der Geschichte
Deutschland ein wertebasierter, demokrati- der Bundesrepublik Deutschland, die dieses
scher, wirtschaftlich erfolgreicher und welt- Amt innehat. Merkel wuchs in der früheren
offener Staat. Die politische Landschaft ist DDR auf und wurde dort als Physikerin
vielfältig; die demokratischen Parteien kon- promoviert. In Rankings des „Forbes Maga-
kurrieren – doch sie respektieren sich auch zine“ aus den Jahren 2014 und 2015 belegte sie
gegenseitig und koalieren auf unterschiedli- den 1. Platz der mächtigsten Frauen der Welt.
chen politischen Ebenen. Seit den Wahlen Vizekanzler Sigmar Gabriel (Wirtschafts-
zum 18. Deutschen Bundestag (2013) wird minister) und Dr. Frank-Walter Steinmeier
Deutschland von einer Großen Koalition aus (Außenminister) sind wichtige Vertreter der
CDU/CSU und SPD regiert, einem Bündnis SPD im Kabinett. Das Bundeskabinett besteht
der beiden großen Kräfte im deutschen Par- aus 14 Fachministerinnen und -ministern so-
teiensystem. Von den 630 Abgeordneten neh- wie dem Chef des Bundeskanzleramtes. Als
men die Koalitionäre 503 Sitze ein (CDU/CSU Grundlage der gemeinsamen Arbeit der Re-
310, SPD 193). Der Opposition aus Die Linke gierungsparteien für die laufende Legislatur-
(64 Mandate) und Bündnis 90/Die Grünen (63 periode bis 2017 gilt der Koalitionsvertrag mit
Mandate) bleiben 127 Sitze – sie sind die dem Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“.
kleinste parlamentarische Opposition seit
über 40 Jahren. Bundeskanzlerin Dr. Angela Die Wirtschaft in Deutschland geht 2016 in
Merkel (CDU) ist als Regierungschefin seit das siebte Wachstumsjahr in Folge, die Be-
2005 im Amt und führt ihre dritte Amtspe- schäftigung liegt auf einem Rekordniveau, die
VIDEO AR-APP

Staat & Politik: das Video zum Thema


→ tued.net/de/vid1

Das Reichstagsgebäude in Berlin ist seit 1999 Sitz des Deutschen Bundestags. Sir Norman Foster entwarf die Kuppel
24 | 25 STAAT & POLITIK

Einnahmen von Staat und Sozialversicherun- Aber auch neue Aufgaben warten. Der demo-
gen sind gestiegen. Die Neuverschuldung im grafische Wandel und die damit einherge-
Bund ist auf null reduziert worden. Die Ener- hende Überalterung und Schrumpfung der
giewende wurde vorangetrieben – die Erneu- Gesellschaft gilt – wie in anderen Industrie-
erbaren Energien sind auf dem Weg zur ländern – als Herausforderung. Nicht zuletzt
bestimmenden Technologie für die Strom- aus diesem Grund will Deutschland die Zu-
erzeugung. Die Reform der Sozialsysteme in wanderung vereinfachen und neuen Bürgern
den frühen 2000er-Jahren, die Agenda 2010, die Integration erleichtern.
hat mit dafür gesorgt, dass Deutschland die
Finanzkrisen seit 2008 besser überstanden hat
als andere Länder der Eurozone.
NETZ
Das Zusammenwachsen von Ost und West, Deutscher Bundestag
ein zentrales Thema seit 1990, haben die Wahlen, Abgeordnete, Fraktionen
Menschen in Deutschland gemeinsam zu ei- → bundestag.de

ner Erfolgsgeschichte gemacht. Noch bis


Bundesrat
2019 gilt der „Solidarpakt II“, für den 156,5
Zusammensetzung, Aufgaben,
Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Alle Sitzungen
Steuern zahlenden Bürgerinnen und Bürger → bundesrat.de
in Ost und West engagieren sich weiterhin
gemeinsam für den „Aufbau Ost“ – mit dem Bundespräsident
Staatsbesuche, Termine, Aufgaben
„Solidaritätszuschlag“, einer Ergänzungsab-
→ bundespraesident.de
gabe von heute 5,5 Prozent des Steuerbetrags.

Jeden Mittwoch um 9.30 Uhr tagt das Bundeskabinett unter Vorsitz von Bundeskanzlerin Merkel im Kanzleramt
KOMPAKT

AKTEURE & INSTRUMENTE


Politische Parteien
Deutschland ist eine Parteiendemokratie. Im
18. Deutschen Bundestag sind fünf Parteien
vertreten – CDU, CSU, SPD, Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen. Daneben gibt es rund
25 Kleinparteien, deren Einfluss auf die Bundes-
politik aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde be-
schränkt ist. In verschiedenen Landtagen sind
einige von ihnen allerdings vertreten. Die So- Soziale Bewegungen
zialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist Seit den 1970er-Jahren engagieren sich in
die mitgliederstärkste Partei (461.000 Mitglie- Deutschland viele Menschen aktiv in umwelt-
der). Die Christlich Demokratische Union (CDU) politischen Gruppen, Bürgerbewegungen und
hat rund 459.000 Mitglieder; ihre Schwester- Nichtregierungsorganisationen. Der größte
partei CSU in Bayern 147.000 (2014). Umweltverband ist mit einer halben Million
→ bundeswahlleiter.de Mitgliedern der Bund für Umwelt und Natur-
schutz Deutschland (BUND).
Gewerkschaften → bund.net
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)
umfasst insgesamt acht Einzelgewerkschaften Demoskopie
und 6,1 Millionen Mitglieder. Die größte Ein- Zahlreiche Meinungsforschungsinstitute erfor-
zelgewerkschaft ist mit 2,3 Millionen Mitglie- schen regelmäßig das politische und gesell-
dern die IG Metall; sie vertritt unter anderem schaftliche Klima. Institute wie infratest dimap,
die Arbeitnehmer der Automobilbranche. Allensbach, Forsa, Emnid und die Forschungs-
Die Positionen der Gewerkschaften haben in gruppe Wahlen sind besonders vor den Wahlen
politischen Debatten Gewicht und Einfluss. präsent, aber auch mit aktuellen wöchentlichen
→ dgb.de Stimmungsbarometern.

Industrieverbände DIGITAL PLUS


Der Bundesverband der Deutschen Industrie Mehr Informationen zu allen Themen
(BDI) als Spitzenorganisation der Industrie des Kapitels – kommentierte Linklisten,
Beiträge, Dokumente; dazu weiterfüh-
vereint 36 Branchenverbände und spricht für
rende Informationen zu Begriffen
rund 100.000 Unternehmen. wie Bundesrat, Bundesregierung, Bundesstaat, Bundestag,
→ bdi.de Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz, Wahlsystem.
→ tued.net/de/dig1
26 | 27 STAAT & POLITIK

THEMA

FÖDERALER STAAT
Deutschland ist eine parlamentarische und Personen die ihnen in Koalitionsverhand-
föderale Demokratie. Das in der öffentlichen lungen zugesprochenen Ressorts besetzen.
Wahrnehmung präsenteste Verfassungsor- Zerbricht eine Koalition, kann auch der Kanz-
gan, der Deutsche Bundestag, wird von den ler vor Ablauf der vierjährigen Wahlperiode
wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern stürzen, denn der Bundestag hat das Recht,
alle vier Jahre direkt gewählt. Die wichtigsten den Regierungschef jederzeit abzuwählen. Al-
Aufgaben des Bundestages sind die Gesetzge- lerdings muss das Parlament in diesem Fall
bung und die Kontrolle der Regierungsarbeit. gleichzeitig durch ein sogenanntes „kons-
Für die Dauer der Legislaturperiode wählt der truktives Misstrauensvotum“ einen Nachfol-
Bundestag in geheimer Wahl den Bundes- ger bestimmen. Eine Zeit ohne gewählte Re-
kanzler. Er hat innerhalb der Bundesregie- gierung im Amt kann es also nicht geben.
rung die Richtlinienkompetenz, das heißt, er
legt verbindlich die Grundzüge der Politik Koalitionsregierungen sind in
fest. Der Bundeskanzler bestimmt die Bun- Deutschland die Regel
desminister und aus deren Reihe einen Vize-
kanzler. Faktisch entscheiden jedoch die an Entscheidend für den Charakter des Parla-
der Regierung beteiligten Parteien, welche ments ist das System der personalisierten
Verhältniswahl. Auch kleinere Parteien sind
dadurch im Bundestag proportional zu ihren
Wahlergebnissen vertreten. Bis auf eine Aus-
LISTE
nahme wurde die Bundesregierung deshalb
jeweils durch Bündnisse mehrerer bei der
∙ Größtes Land: Nordrhein-Westfalen
(17,5 Mio. Einwohner)
Wahl konkurrierender Parteien gebildet; seit
der ersten Bundestagswahl 1949 gab es 23
∙ Höchster Einzeletat des Bundes: Koalitionsregierungen. Damit eine Zersplit-
Arbeit und Soziales (122 Mrd. Euro) terung im Parlament verhindert und eine
Regierungsbildung vereinfacht wird, müssen
∙ Größter Bundestagsausschuss:
Parteien mindestens fünf Prozent der abge-
Wirtschaft und Energie (46 Mitglieder)
gebenen Wählerstimmen (oder drei Direkt-
∙ Höchste Wahlbeteiligung: mandate) auf sich vereinen, um im Bundes-
Bundestagswahl 1972 (91,1 Prozent) tag vertreten zu sein (Fünf-Prozent-Hürde).

∙ Größte Bundestagsfraktion:
Der föderale Charakter Deutschlands zeigt
CDU/CSU (310 Abgeordnete)
sich durch die große Eigenständigkeit der 16
Auf dem Dach des Reichstags in Berlin: Täglich besichtigen rund 8.000 Menschen das Parlamentsgebäude

Länder, insbesondere in Angelegenheiten der Mitgliedern der Landesregierungen zusam-


Polizei, des Katastrophenschutzes, der Justiz, mensetzt, ebenfalls mit Sitz in Berlin. Bevöl-
der Bildung und der Kultur. Die Städte Berlin, kerungsreiche Länder sind im Bundesrat stär-
Hamburg und Bremen sind aus historischen ker repräsentiert als kleinere Länder. Auch
Gründen auch gleichzeitig Bundesländer. Ein- Parteien, die auf Bundesebene die Opposition
zigartig ist die enge Verzahnung zwischen den stellen oder gar nicht im Bundestag vertreten
Ländern und dem Zentralstaat, woraus sich sind, können über die Beteiligung an Landes-
für die Landesregierungen vielfältige Mög- regierungen Einfluss auf die Bundespolitik
lichkeiten der bundespolitischen Mitwirkung ausüben, denn zahlreiche Bundesgesetze und
ergeben. Dies geschieht vor allem über den Verordnungen bedürfen der Zustimmung
Bundesrat, der zweiten Kammer, die sich aus durch den Bundesrat. Erstmals stellen seit
28 | 29 STAAT & POLITIK

2011 und 2014 die beiden kleinsten im Bun- ke und eine Koalition aus Die Linke, SPD und
destag vertretenen Parteien, Bündnis  90/ Bündnis 90/Die Grünen.
Die Grünen und Die Linke, in jeweils einem
Land (Baden-Württemberg und Thüringen) Der Bundespräsident ist der erste Bürger
den Ministerpräsidenten. im Staat

Da es keinen einheitlichen Wahltermin für Das protokollarisch höchste Amt bekleidet


die Landtage gibt und die Legislaturperioden der Bundespräsident. Er wird nicht vom Volk,
variieren, kann es parallel zur Legislatur- sondern von einer eigens dafür einberufenen
periode im Bundestag zu mehrfach wechseln- Bundesversammlung gewählt. Sie besteht zur
den Kräfteverhältnissen im Bundesrat kom- Hälfte aus den Abgeordneten des Bundes-
men. In der derzeitigen Konstellation der Län- tages, zur anderen Hälfte aus Mitgliedern, die
derkammer hat die Bundesregierung keine si- von den Landesparlamenten proportional zu
chere Mehrheit im Bundesrat. Klar abgrenz- der dortigen Sitzverteilung gewählt werden.
bare Blöcke mit einheitlichem Abstimmungs- Der Bundespräsident übt sein Amt über fünf
verhalten gibt es dort nicht mehr, da in den 16 Jahre aus, eine Wiederwahl ist einmal mög-
Ländern eine solche Vielfalt an Koalitionen lich. Seit 2012 ist Joachim Gauck Bundespräsi-
besteht, wie dies seit Bestehen der Bundesre- dent. Er ist parteilos und arbeitete als evange-
publik nicht der Fall war. lischer Pastor in der früheren DDR. Während
der friedlichen Revolution 1989/1990 war er
Nur in Bayern kann mit der CSU eine Partei in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Joachim
ohne Koalitionspartner regieren. Ansonsten Gauck ist der elfte Bundespräsident seit 1949.
gibt es neben Landesregierungen aus CDU Obwohl der Bundespräsident in erster Linie
und SPD auch Verbindungen zwischen SPD repräsentative Aufgaben hat, kann er auch sei-
und Bündnis  90/Die Grünen, aus CDU und ne Unterschrift unter Gesetze verweigern,
Bündnis 90/Die Grünen, aus SPD und Die Lin- wenn er Zweifel an deren Verfassungsmäßig-

WEGMARKEN

1949
Am 23. Mai verabschiedet der
1953
Am 17. Juni 1953 protestieren
1961
Die Führung der DDR riegelt
Parlamentarische Rat, den Ver- rund eine Million Menschen in in Berlin mit Mauer und Stachel-
treter der Länder aus den west- Ost-Berlin und in der DDR gegen draht die Übergänge von Ost
lichen Besatzungszonen bilden, die politischen und wirtschaft- nach West ab. Auf Flüchtlinge
in Bonn das Grundgesetz. Am lichen Verhältnisse. Der Aufstand wird geschossen. Die staatliche
14. August wird der erste Bun- wird mit massivem Militäreinsatz Einheit Deutschlands scheint
destag gewählt. niedergeschlagen. auf absehbare Zeit unerreichbar.
keit hat. Den größten Einfluss haben die bishe- GLOBAL
rigen Amtsinhaber über öffentliche Reden
Office for Democratic Institutions and
ausgeübt, denen hohe Aufmerksamkeit ge- Human Rights, Elections of the Federal
schenkt wird. Die Bundespräsidenten halten Parliament Auf Einladung Deutschlands
sich parteipolitisch zurück, greifen dennoch hat die Organisation für Sicherheit
aktuelle Themen auf und mahnen zuweilen und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
Regierung, Parlament oder Bevölkerung zum die Bundestagswahl vom 22. September
2013 beobachtet. Die OSZE-Experten
Handeln. Themen, die Joachim Gauck, der
widmen sich in ihrem Bericht insbeson-
sich als Bürgerpräsident bezeichnet, häufig dere dem bei der Wahl erstmals an-
anspricht, sind Menschenrechtsfragen, die gewendeten neuen Wahlrecht, das für
Eigenverantwortung Deutschlands und Ge- eine gerechtere Sitzvertei-
fahren für die Demokratie. lung im Bundestag sorgt.
→ osce.org

Das Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe wacht über das Grundgesetz

Über viel Einfluss verfügt das Bundesverfas-


sungsgericht in Karlsruhe, das in der Öffent-
lichkeit sehr hohes Ansehen genießt. Es gilt Bundesbürger steht der Weg zum Verfas-
als „Hüterin des Grundgesetzes“ und liefert sungsgericht offen, wenn er sich durch ein
durch seine maßgeblichen Entscheidungen Gesetz in seinen Grundrechten verletzt sieht.
eine verbindliche Auslegung des Verfas- Große Bedeutung hat das Bundesverfas-
sungstextes. In zwei Senaten richtet es über sungsgericht zuletzt durch Entscheidungen
Kompetenzstreitigkeiten zwischen Verfas- erlangt, bei denen es um Abtretungen von
sungsorganen und kann Gesetze für unver- Rechten des Bundestages an die Europäische
einbar mit dem Grundgesetz erklären. Jedem Union ging.

1969
Mit Willy Brandt kommt erstmals
1989/90
In der DDR führen friedliche
1999
Bundestag und Bundesregierung
ein Kanzler ins Amt, der nicht Proteste zum Sturz des Regimes. ziehen nach Berlin. Die Parla-
der CDU angehört. Die Ostpolitik Am 9. November wird die Grenze mentsgebäude stehen auf beiden
der aus SPD und FDP gebildeten zum Westen geöffnet. Nach den Seiten des ehemaligen Mauer-
Regierung schafft einen Rahmen ersten freien Wahlen am 18. März streifens. Bonn bleibt der Stand-
für die Aussöhnung Deutschlands tritt die DDR am 3. Oktober 1990 ort einiger Ministerien und Bun-
mit seinen östlichen Nachbarn. der Bundesrepublik bei. desbehörden.
30 | 31 STAAT & POLITIK

THEMA

AKTIVE POLITIK
„Deutschlands Zukunft gestalten“ haben sich CDU/CSU und SPD hinaus. So wurde Anfang
die Koalitionsparteien als Titel für ihr auf 2015 erstmals ein für alle Branchen gültiger
vier Jahre ausgelegtes Regierungsprogramm Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro je
gewählt. Zu dieser Zukunftsgestaltung ge- Zeitstunde eingeführt, dessen Höhe regelmä-
hört eine Haushaltsplanung, die dauerhaft ßig von einer Kommission aus Gewerkschafts-
ohne Neuverschuldung auskommt. Damit und Unternehmervertretern überprüft wird.
soll die politische Handlungsfreiheit Deutsch- Rund 4 Millionen Menschen profitieren von
lands auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten diesem neuen gesetzlichen Mindestlohn.
gesichert werden. Mit dem Ziel eines aus-
geglichenen Haushalts, das 2014 und 2015 Positive Signale für Frauen
jeweils erreicht wurde, sieht sich die Bundes- in Leitungspositionen
regierung in der Verantwortung für die
Währungsstabilität und will Vorbild sein für Die Einführung einer Frauenquote bei gro-
seine Partner in der Eurozone. ßen Aktiengesellschaften erhielt ebenfalls
eine breite politische Unterstützung in Parla-
Bei einigen zentralen Projekten der Regie- ment und Öffentlichkeit. Ab 2016 müssen in
rung geht die Unterstützung, zumindest im diesen Unternehmen mindestens 30 Prozent
Grundsatz, über die sie tragenden Parteien der Aufsichtsratssitze weiblich besetzt wer-
den. Angesprochen von der Neuregelung sind
108 börsennotierte und mitbestimmungs-
pflichtige Unternehmen. 3.500 weitere Unter-
ZAHL nehmen müssen sich künftig verbindliche
Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in
0,0 Euro Führungspositionen setzen. Ende 2014 betrug
der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten
betrug das Haushaltsdefizit Deutsch- der 200 größten Unternehmen nach Angaben
lands auf Bundesebene im Jahr 2014. des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor-
Ausgaben von 296.500 Millionen Euro
schung (DIW) in Berlin 18,4 Prozent.
stehen Einnahmen von 296.500 Millio-
nen Euro gegenüber. Die regierende
Große Koalition erreichte damit Histori- Zu den sozialpolitischen Vorhaben der lau-
sches. Erstmals seit 45 Jahren – seit fenden Legislaturperiode gehört ein „Renten-
dem Haushaltsjahr 1969 – nahm der paket“, das unter anderem eine Mütterrente
Bund keine neuen Schulden auf.
enthält, die die soziale Absicherung von Müt-
→ bundeshaushalt-info.de
tern, die vor 1992 geborene Kinder erzogen
Der Bundestag in Berlin ist die politische Bühne. Dem 18. Deutschen Bundestag gehören 630 Abgeordnete an

haben, verbessert. Ein Kernstück des Renten- viele einzelne gesetzliche Vorschriften gere-
pakets ist die Rente mit 63. Seit dem 1. Juli 2014 gelt. In der zweiten Hälfte der Legislaturperio-
können besonders langjährig Versicherte, die de will sich die Bundesregierung aller Voraus-
mindestens 45 Jahre in der gesetzlichen Ren- sicht nach auf ein einfaches, übersichtliches
tenversicherung versichert waren, schon ab 63 Gesetzeswerk verständigen. Die kontinuierli-
Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. che Weiterentwicklung der Energiewende,
durch die Deutschland seinen Anteil an rege-
Deutschland ist für Zuwanderer ein attrakti- nerativen Energien signifikant gesteigert hat,
ves Land. Mehr als 1,2 Millionen Menschen sowie der Ausbau der digitalen Infrastruktur
sind allein im Jahr 2013 nach Deutschland ge- sind weitere Schwerpunkte des Arbeitspro-
kommen. Bislang ist die Zuwanderung durch gramms bis zum Jahr 2017.
32 | 33 STAAT & POLITIK

THEMA

VIELFÄLTIGE TEILHABE
Den politischen Parteien wird eine zentrale berechtigten entspricht das einem Anteil von
und privilegierte Stellung im politischen Sys- 1,7 Prozent. Auch die Wahlbeteiligung ist ten-
tem der Bundesrepublik Deutschland einge- denziell rückläufig. Während die Wahlent-
räumt. „Die Parteien wirken bei der politi- scheidungen der 1970er- und 1980er-Jahre
schen Willensbildung des Volkes mit“, heißt durchgängig hohe und höchste Wahlbeteili-
es in Artikel 21 des Grundgesetzes. Damit ein- gungen erzielten (91,1 Prozent 1972), erreich-
her geht die Verpflichtung zur innerparteili- ten die Bundestagswahlen 2009 und 2013 nur
chen Demokratie: Vorsitzende, Gremien und 70,8 beziehungsweise 71,5 Prozent.
Kandidaten werden auf Parteitagen von Dele-
gierten der Parteibasis in geheimer Abstim- Für junge Menschen besitzen Partizipations-
mung gewählt. Zur Stärkung der innerpartei- möglichkeiten in zivilgesellschaftlichen In-
lichen Demokratie haben die Parteien in itiativgruppen oder Nichtregierungsorgani-
jüngster Zeit bei relevanten Entscheidungen sationen oft eine höhere Attraktivität. Zu-
ihre Mitglieder direkt befragt. Das Mitglie- nehmend gewinnen auch die sozialen Medien
dervotum der SPD zum Koalitionsvertrag als Plattformen für politische Artikulations-
2013 war entscheidend zur Bildung einer ge- und Aktionsformen an Bedeutung. Auch über
meinsamen Bundesregierung mit CDU/CSU. direktdemokratische Verfahren wie Referen-
Die Parteien bleiben im Kern Ausdrucksfor- den beteiligen sich die Bürger am politischen
men der Gesellschaft, gleichwohl verlieren sie Prozess. In Ländern und Kommunen sind die
an Kohäsionskraft. Hinter CDU/CSU und SPD Möglichkeiten zur direkten Demokratie in
stehen rund eine Millionen Parteimitglieder den vergangenen Jahren vermehrt praktiziert
– bezogen auf die knapp 62 Millionen Wahl- und von Bürgern genutzt worden.

DIAGRAMM Tendenziell sinkend: Beteiligung an Bundestagswahlen (in Prozent)

Die Stimme des Volkes 91,1 89,1


In Deutschland wird nach einer leicht
78,5 77,8 77,7
modifizierten personalisierten Verhält- 71,5
niswahl gewählt. Jeder Wahlberechtigte
hat zwei Stimmen. Die Erststimme gilt
dem Kandidaten einer Partei im Wahl-
Statistisches Bundesamt

kreis, die Zweitstimme der Landesliste


einer Partei. Grundlage für die Anzahl
der Bundestagsmandate sind die Zweit-
stimmen. 1949 1972 1983 1990 2005 2013
Direktdemokratische Instrumente wie Bürgerentscheide werden auf kommunaler Ebene häufiger praktiziert

Altersstruktur der Wahlberichtigten Beteiligung an Volksentscheiden

20,1 % 3,6 %
70 und 18–21 Jahre Baden-Württemberg (2011) 48,3 %
Statistisches Bundesamt, Wahlleiter Volksentscheide

mehr Jahre
12,5 % Berlin (2014) 46,1 %
13,6 % 21–30 Jahre
60–70 Jahre
13,2 % Hamburg (2010) 39,3 %
30–40 Jahre

18,7 % 18,3 % Bayern (2010) 37,7 %


50–60 Jahre 40–50 Jahre
34 | 35 STAAT & POLITIK

PANORAMA

DAS POLITISCHE BERLIN

Schloss Bellevue
Das Schloss, erbaut Ende des
18. Jahrhunderts, ist seit 1994
erster Amtssitz des deutschen
Bundespräsidenten. Es liegt am
Rande des Tiergartens in Berlin. Das Bundeskanzleramt
Der Neubau des Bundeskanz-
leramts wurde 2001 bezogen.
Das Gebäude im Stil der Post-
moderne hat eine weitgehend
verglaste Außenfläche. Auf
dem Ehrenhof steht die Stahl-
skulptur „Berlin“ des baskischen
Künstlers Eduardo Chillida.

630 36 % 62.000.000 2.300.000


Abgeordnete der Bundestags- Wahlberechtigte Menschen besuchen
zählt der 18. Deutsche abgeordneten können an Bundestags- jährlich den
Bundestag sind Frauen wahlen teilnehmen Bundestag in Berlin
Schloss Bellevue
Bundeskanzleramt
7
Deutscher Bundestag
2 6
ee 3 Bundesrat
Spr 5
Jakob-Kaiser-Haus
1
Paul-Löbe-Haus
. Juni Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Straße des 17
Tiergarten
Berlin
Mitte
4

Deutscher Bundestag
Die gläserne Kuppel auf
dem Reichstagsgebäude
steht für Transparenz.

Das Reichstagsgebäude
In dem modern umgebau-
ten historischen Gebäude
von 1894 hat das deutsche
Parlament seinen Sitz.

14 23 11 8
Fachministerinnen Koalitionsregierungen Bundespräsidenten Bundeskanzler
und -minister gehören gab es seit 1949 gab es seit 1949 gab es seit 1949
dem Kabinett an
36 | 37 STAAT & POLITIK

THEMA

LEBENDIGE ERINNERUNGSKULTUR
Die Auseinandersetzung mit Krieg und Ge- lin etwa erinnert das Denkmal für die ermor-
waltherrschaft, mit ideologisch motivierten deten Juden Europas an die bis zu sechs Millio-
Verbrechen und politischem Unrecht im nen jüdischen Opfer des Holocausts.
20. Jahrhundert und das Gedenken an die Op-
fer der Verfolgung spielen in der Erinnerungs- Gedenken an Krieg, Widerstand
kultur der Bundesrepublik Deutschland eine und Diktatur
wichtige Rolle. Der Erhalt der Berichte von
Zeitzeugen gehört dabei zum Kern einer Erin- Das Gedenken in den Jahren 2014 und 2015, in
nerungskultur, die darauf ausgerichtet ist, die denen sich der Beginn des Ersten Weltkriegs
Verbrechen des Nationalsozialismus auch im zum 100. Mal und der Fall der Mauer zum 25.
Bewusstsein kommender Generationen zu Mal jährte, war vor allem von Dankbarkeit ge-
halten. prägt. Die Dankbarkeit galt den Alliierten der
Anti-Hitler-Koalition für die Befreiung 1945,
Zu der lebendigen Erinnerungskultur gehö- aber auch für die Chance zum Wiederaufbau
ren auch die zahlreichen Gedenk- und Erinne- und zur Wiedervereinigung 1990. Die Dank-
rungsstätten für die unterschiedlichen Opfer- barkeit galt ebenso jenen, die als überlebende
gruppen in ganz Deutschland. Mitten in Ber- Opfer des Holocausts Zeugnis ablegten über
die Verbrechen – und dem demokratischen
Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg die
Hand reichten. Die Aufnahme diplomatischer
INFO
Beziehungen zwischen Israel und Deutsch-
Stolpersteine In vielen deutschen und
land, deren 50. Jahrestag 2015 gefeiert wurde,
anderen europäischen Städten erinnern
in den Boden eigelassene sogenannte
war ein besonderes Zeichen für diese Versöh-
Stolpersteine daran, dass an dieser Stel- nungsbereitschaft.
le jüdische Bürgerinnen und Bürger ge-
wohnt oder gearbeitet haben, die unter Auch soll die Erinnerung an die kommunisti-
den Nationalsozialisten verfolgt, ermor- sche Diktatur während der Sowjetischen Be-
det, deportiert oder vertrieben wurden.
satzungszone (SBZ, 1945–1949) und der DDR
Die etwa 10 mal 10 Zentimeter großen
würfelförmigen Betonblöcke sind an (1949–1990) für jene Generationen lebendig
ihrer Oberseite mit Messing beschlagen gehalten werden, die die Teilung Deutsch-
und mit einer Inschrift mit Namen und lands und das DDR-System nicht erlebt haben.
Lebensdaten zum Gedenken an das Wichtig bleibt dafür die Rolle des Bundesbe-
Opfer versehen.
auftragten für die Unterlagen der Staatssi-
→ stolpersteine.eu
cherheit der DDR, bei dem weiterhin Akten
KARTE
Gedenk- und Erinnerungsstätten in Deutschland

7 100
9

39
39
5 4

3 4

Gedenkstätten für die


Opfer des Nationalsozialismus

In ganz Deutschland finden sich viele Erinnerungsstätten für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft

gesichtet, sortiert und Betroffenen und Wis- Dem Widerstand gegen die Nazidiktatur ge-
senschaftlern zugänglich gemacht werden. In widmet ist die Gedenkstätte Deutscher Wi-
einer Dauerausstellung in dem Gebäude der derstand im Bendlerblock im Berliner Bezirk
ehemaligen Zentrale der Staatssicherheit der Mitte. Sie befindet sich am historischen Ort
DDR (Stasi) in Berlin-Hohenschönhausen des gescheiterten Umsturzversuches der
werden Mittel und Arbeitsweise der Stasi zur Gruppe um Graf Stauffenberg vom 20. Juli
Bespitzelung, Kontrolle und Einschüchterung 1944. Die Gedenkstätte dokumentiert ein-
der Bevölkerung anschaulich dargestellt. In drucksvoll, wie sich Einzelne und Gruppen
den ehemaligen Außenstellen der Stasi wird 1933 bis 1945 gegen die nationalsozialistische
das Gedenken an die Diktatur der DDR durch Diktatur gewehrt und ihre Handlungsspiel-
Ausstellungen und Vorträge bewahrt. räume genutzt haben.
38 | 39 AUSSENPOLITIK

AUSSENPOLITIK
Zivile Gestaltungsmacht ∙ Engagiert für Frieden und Sicherheit ∙
Anwalt europäischer Integration ∙ Schutz von Menschenrechten ∙
Offener Netzwerkpartner ∙ Nachhaltige Entwicklung

EINBLICK

ZIVILE GESTALTUNGSMACHT
Deutschland ist in der internationalen Politik Frankreich in der Europäischen Union (EU),
intensiv und vielfältig vernetzt. Das Land un- die feste Verankerung in der Wertegemein-
terhält diplomatische Beziehungen zu fast 200 schaft des transatlantischen Bündnisses mit
Staaten und ist Mitglied in allen wichtigen den USA, das Eintreten für das Existenzrecht
multilateralen Organisationen und informel- Israels, die aktive und engagierte Mitwirkung
len internationalen Koordinierungsgruppen in den Vereinten Nationen (VN) und im Eu-
wie der „Gruppe der Sieben“ (G7) und der roparat sowie die Stärkung der europäischen
„Gruppe der Zwanzig“ (G20). Außenminister Sicherheitsarchitektur im Rahmen der OSZE.
ist seit 2013 Dr. Frank-Walter Steinmeier
(SPD). Er hatte das Amt bereits von 2005 bis Gemeinsam mit seinen Partnern setzt sich
2009 inne. Im Auswärtigen Dienst, dessen Deutschland weltweit für Frieden, Sicherheit,
Zentrale sich in Berlin befindet, arbeiten rund Demokratie und Menschenrechte ein. Der von
11.230 Beschäftigte. Insgesamt unterhält Deutschland vertretene erweiterte Sicher-
Deutschland 227 Auslandsvertretungen. heitsbegriff umfasst neben Fragen der Krisen-
prävention, Abrüstung und Rüstungskontrol-
Das vorrangige Ziel der deutschen Außenpo- le nachhaltige wirtschaftliche, ökologische
litik ist der Erhalt von Frieden und Sicherheit und soziale Aspekte. Dazu gehören eine
in der Welt. Zu den Grundkoordinaten gehört Globalisierung mit Chancen für alle, grenz-
die umfassende Integration in die Strukturen überschreitender Umwelt- und Klimaschutz,
der multilateralen Zusammenarbeit. Konkret der Dialog zwischen den Kulturen sowie Of-
bedeutet dies: eine enge Partnerschaft mit fenheit gegenüber Gästen und Einwanderern.
VIDEO AR-APP

Außenpolitik: das Video zum Thema


→ tued.net/de/vid2

Die deutsche Außenpolitik ist fest eingebunden in die multilaterale Zusammenarbeit


40 | 41 AUSSENPOLITIK

Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts in den ben. Sie zeigte aber auch, dass es in einer sich
frühen 1990er-Jahren haben sich für die deut- rasch verändernden Welt drei zentrale Her-
sche Außenpolitik Chancen und Herausforde- ausforderungen für die deutsche Außenpoli-
rungen eröffnet. Multilateral eingebettet, hat tik gibt, die mit den Schlagworten „Krise –
Deutschland die gewachsene Verantwortung, Ordnung – Europa“ beschrieben werden kön-
die dem Land nach der Wiedervereinigung nen. Um dafür besser gewappnet zu sein, stellt
1990 zugefallen ist, angenommen. Deutsch- sich das Auswärtige Amt als Ergebnis des Re-
land trägt durch vielfache Anstrengungen zur view-Prozesses strukturell neu auf.
politischen Lösung von Konflikten bei, ebenso
zum Erhalt von friedenssichernden Struktu-
ren sowie zur Krisenprävention innerhalb von NETZ
VN-mandatieren Friedensmissionen. In der Auswärtiges Amt
aktuellen Krise der europäischen Sicherheits- Termine, Personen, Themen, Kontakte
ordnung übernimmt Deutschland 2016 den → diplo.de
Vorsitz in der OSZE und wird sich für eine Be-
Europäische Union
kräftigung der Helsinki-Prinzipien und eine
Portal der Staatengemeinschaft mit
Stärkung der OSZE als die zentrale regionale
Informationen in 24 Sprachen
Sicherheitsorganisation in Europa einsetzen. → europa.eu

Die öffentliche Diskussion im Rahmen des OSZE


Projekts „Review 2014 – Außenpolitik Weiter Ständige Vertretung der Bundesrepublik
Deutschland bei der OSZE
Denken“ zeigte, dass sich die Grundkoordina-
→ osze.diplo.de
ten der deutschen Außenpolitik bewährt ha-

Bundesaußenminister Steinmeier (links) engagierte sich intensiv in den erfolgreichen E3+3-Gesprächen mit dem Iran
KOMPAKT

AKTEURE & INSTRUMENTE


Diplomatische Vertretungen
Deutschland unterhält diplomatische Beziehun-
gen zu 195 Staaten und ist mit 227 Vertretun-
gen, davon 153 Botschaften, weltweit präsent.
Auch bei zwölf internationalen Organisationen
hat Deutschland Ständige Vertretungen.
→ diplo.de

Multilaterale Organisationen Außenpolitische Thinktanks


Deutschland übernimmt Verantwortung in Bedeutende außen- und sicherheitspolitische
multilateralen Organisationen wie den Verein- Forschungsinstitute sind die Deutsche Gesell-
ten Nationen (VN), der Europäischen Union schaft für Auswärtige Politik (DGAP), das
(EU), dem Nordatlantischen Bündnis (NATO), German Institute of Global and Area Studies
der Organisation für Sicherheit und Zusammen- (GIGA), die Hessische Stiftung Friedens- und
arbeit in Europa (OSZE), dem Europarat, der Konfliktforschung (HSFK), das Institut für
Organisation für wirtschaftliche Zusammenar- Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH)
beit und Entwicklung (OECD), der Welthandels- und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
organisation (WTO) oder dem Internationalen
Währungsfonds (IWF). Politische Stiftungen
Die parteinahen Stiftungen von CDU, CSU,
Bundeswehr SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und
Die Bundeswehr umfasst nach einer internen FDP sind mit eigenen Büros weltweit präsent.
Reform rund 180.000 aktive Soldaten, 19.000 Die Stiftungen fördern mit Mitteln aus dem
von ihnen sind Frauen. 2.500 Angehörige der Bundeshaushalt die politische Bildung, die wirt-
deutschen Streitkräfte sind 2015 in 16 verschie- schaftliche Entwicklung und den demokrati-
denen Krisenmissionen eingesetzt. schen Dialog in den jeweiligen Partnerländern.
→ bundeswehr.de
DIGITAL PLUS
Experten für Konfliktprävention Mehr Informationen zu allen Themen
Das Zentrum für internationale Friedenseinsät- des Kapitels – kommentierte Link-
listen, Beiträge, Dokumente, Reden;
ze (ZIF) bildet zivile Fachkräfte für Einsätze in
dazu weiterführende Informationen
Krisenregionen aus und vermittelt Experten. zur Europäischen Union sowie Kurzporträts der multi-
→ zif-berlin.org lateralen Organisationen.
→ tued.net/de/dig2
42 | 43 AUSSENPOLITIK

THEMA

ENGAGIERT FÜR FRIEDEN UND SICHERHEIT


Diplomatie, Krisenprävention und friedliche (EU) und der NATO. Der Einsatz der Bundes-
Konfliktbeilegung sind die vorrangigen In- wehr im Ausland wird nach Möglichkeit im-
strumente der deutschen Außenpolitik: Die mer begleitet durch zivile Komponenten wie
Entsendung von Beamten, Richtern, Staats- politische, entwicklungspolitische und sozio-
anwälten, Polizisten, Aufbauhelfern und an- ökonomische Maßnahmen. Einsätze bewaff-
deren zivilen Kräften gehören im Rahmen ei- neter Streitkräfte unterliegen einer parla-
ner umfassenden Sicherheitspolitik ebenso mentarischen Mandatierung und Kontrolle.
dazu wie die Beteiligung der Bundeswehr an Sie bedürfen der ausdrücklichen Zustim-
multinationalen Friedensmissionen. Das be- mung durch die Mehrheit der Mitglieder des
stimmende Merkmal der deutschen Außen- Deutschen Bundestages und gelten jeweils
politik, die enge multilaterale Einbindung, für ein Jahr. Die Bundeswehr wird daher auch
gilt auch und besonders für den Einsatz mili- als Parlamentsarmee bezeichnet.
tärischer Mittel. Die Bundeswehr wird grund-
sätzlich im Rahmen von Systemen kollektiver In der NATO ist Deutschland seit der Grün-
Sicherheit oder Verteidigung eingesetzt. Sie dung der Bundeswehr 1955 politisch wie mi-
ist damit gebunden an Beschlüsse der Verein- litärisch integriert. Die feste Verankerung in
ten Nationen (VN), der Europäischen Union das nordatlantische Verteidigungsbündnis
gehört zur „DNA“ der deutschen Außenpoli-
tik. Deutschland ist beziehungsweise war ei-
ner der größten Truppensteller bei den von
LISTE
der NATO geführten Einsätzen im Kosovo
(KFOR) und in Afghanistan (ISAF, Resolute
∙ Größte deutsche Auslandsvertretung:
Botschaft Moskau, ca. 300 Mitarbeiter
Support). An insgesamt 35 Auslandseinsät-
zen war oder ist die Bundeswehr seit 1990 be-
∙ Größte Parlamentariergruppe teiligt, 19 davon waren 2015 abgeschlossen.
im Deutschen Bundestag:
Parlamentariergruppe USA, In der Folge der Ukraine-Krise hat Deutsch-
80 Abgeordnete
land erneut sein Engagement für die Bünd-
∙ Größtes EU-Organ in Deutschland: nisverteidigung demonstriert. So hat die
Europäische Zentralbank (EZB) in Bundeswehr 2015 gemeinsam mit den Nie-
Frankfurt am Main, 1.100 Mitarbeiter derlanden und Norwegen zum Aufbau der
neuen, besonders schnell verlegbaren NATO-
∙ VN-Einrichtungen in Deutschland:
Eingreiftruppe (VJTF) beigetragen, die im
gesamt 28, davon 19 in Bonn
Rahmen der kollektiven Verteidigung und
In zahlreichen Missionen, wie etwa bei EUTM (European Training Mission in Mali), ist die Bundeswehr im Auslandseinsatz

des Krisenmanagements die Reaktionsfähig- derten Etat der VN-Friedensmissionen etwa


keit der Allianz verbessern soll. Seit ihrer 640 Millionen US-Dollar bei. Das sind jeweils
Aufnahme in die VN 1973 ist die Bundesre- 7,1 Prozent des Gesamtbudgets der VN. Da-
publik ein engagiertes, verlässliches und ge- mit war Deutschland 2015 der drittgrößte
schätztes Mitglied der Weltorganisation. Beitragszahler. An VN-geführten Missionen
2018 beabsichtigt Deutschland daher zum beteiligte sich Deutschland 2015 mit rund
sechsten Mal für einen der nichtständigen 260 Soldaten und Polizisten: unter anderem
Sitze im VN-Sicherheitsrat in der Wahlperio- im Libanon, in der Westsahara, in Mali, im
de 2019/2020 zu kandidieren. Zum regulären Südsudan, im Sudan und in Liberia. Auch in
Haushalt der VN trägt Deutschland jährlich Deutschland sind die VN präsent, insbeson-
rund 190 Millionen US-Dollar, zum geson- dere auf dem VN-Campus in Bonn, wo 19 von
44 | 45 AUSSENPOLITIK

Im Jahr 2016 hat Deutschland den Vorsitz der OSZE inne und bekräftigt damit sein Engagement in dieser Organisation

deutschlandweit 28 VN-Einrichtungen ihren Als weitere zentrale Säule für Frieden und Si-
Sitz haben, darunter das VN-Klimasekreta- cherheit in Europa unterstützt Deutschland
riat (UNFCCC). die Organisation für Sicherheit und Zusam-
menarbeit in Europa (OSZE). Die OSZE ist 1995
Um die internationalen Organisationen bei aus der Konferenz über Sicherheit und Zusam-
friedenserhaltenden Missionen noch besser menarbeit in Europa (KSZE) hervorgegangen.
zu unterstützen, wird Deutschland die Aus- Grundlagendokument der OSZE ist die 1975
bildung und Entsendung von zivilen Krisen- unterzeichnete Schlussakte von Helsinki, in
helfern weiter professionalisieren. Das 2002 der unter anderem die Unverletzlichkeit der
eingerichtete Zentrum für Internationale Grenzen und die friedliche Lösung von Strei-
Friedenseinsätze (ZIF) verfügt über einen tigkeiten als Grundprinzipien der europäi-
Pool von 1.500 abrufbereiten Experten und schen Sicherheitsordnung vereinbart wurden.
soll weiter gestärkt werden. Das ZIF wählt zi-
vile Helfer aus, bereitet sie in Lehrgängen auf Die OSZE als zentrales Forum für Frieden
Einsätze als Beobachter und Schlichter in und Sicherheit in Europa
Krisengebieten und Postkonfliktländern vor
und wertet deren Erfahrungen aus. In Zu- Die Organisation umfasst heute 57 Teilneh-
sammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt merstaaten aus Europa, Nordamerika und
hat das ZIF bis 2015 bereits 3.000 ehrenamtli- Zentralasien und ist damit die größte regio-
che Kurz- und Langzeitwahlbeobachter in nale Organisation für kollektive Sicherheit
Wahlbeobachtungsmissionen entsandt und weltweit. In der Ukraine-Krise wurde die Be-
Projekte in 65 Ländern umgesetzt. deutung der OSZE als zentrales Forum für
Dialog und Vertrauensbildung erneut deut- beteiligte es sich an der Vernichtung der aus
lich. Die OSZE unterstützt die Bemühungen Syrien abtransportierten Chemiewaffen.
um eine friedliche Lösung des Ukraine-Kon- Deutschland führt zwischen 2013 und 2016
flikts unter anderem durch die Moderation Projekte zur Verbesserung der biologischen
politischer Verhandlungen im Rahmen der Sicherheit im Umfang von cirka 24 Millionen
Trilateralen Kontaktgruppe. Euro in mehr als 20 Partnerländern durch.
Außerdem zählte Deutschland 2014 mit rund
Zudem hat die OSZE mehrere Hundert zivile 13,2 Millionen Euro für Projekte zur Minen-
Beobachter in die Ukraine entsandt, die etwa räumung und Fürsorge von Minenopfern in
im ostukrainischen Konfliktgebiet die Einhal- 13 Ländern zu den größten Gebern in diesem
tung des in den Minsker Vereinbarungen vom Bereich. Auch die Vernichtung von über-
September 2014 und vom Februar 2015 ver- schüssigen Waffen und Munition sowie die
einbarten Waffenstillstands überwachen und sichere Lagerung von gefährdeten Beständen
den Abzug von Truppen und Waffen verifizie- sind Schwerpunkte der deutschen Politik. Im
ren sollen. Zur Prävention von Konflikten und OSZE-Raum sind konventionelle Rüstungs-
zur Förderung der Demokratisierung unter- kontrolle sowie vertrauens- und sicherheits-
hält die OSZE in vielen weiteren Ländern bildende Maßnahmen von großer Bedeu-
ständige Missionen und schickt, auch von tung. Deutschland setzt sich für ihre Moder-
Deutschland unterstützt, regelmäßig Wahl- nisierung und Anpassung an aktuelle Her-
beobachter in seine Teilnahmestaaten. ausforderungen ein.

Engagement für Abrüstung und


Rüstungskontrolle GLOBAL

Armed Conflict Survey 2015 Die Zahl


Abrüstung, Rüstungskontrolle und die Nicht- der Opfer durch Kriege ist in den ver-
verbreitung von Kernwaffen nehmen in der gangenen Jahren deutlich gestiegen.
deutschen Außenpolitik einen hohen Stellen- Das berichtet das Internationale Institut
wert ein. Deutschland bekennt sich zum Ziel für Strategische Studien (IISS) in Lon-
einer Welt ohne Atomwaffen und verfolgt da- don. Die Zahl der Kriegstoten stieg von
56.000 im Jahr 2008 auf 180.000 im Jahr
bei einen pragmatischen Ansatz. Gemeinsam
2014, obwohl anstatt 63 nur noch 42
mit den fünf ständigen Mitgliedern des VN- bewaffnete Konflikte gezählt wurden.
Sicherheitsrates hat Deutschland im Rahmen Erstmals seit dem Ende des Zweiten
der E3+3-Gespräche konstruktiv zu der Wie- Weltkrieges wurden dabei
ner Vereinbarung mit Iran über das iranische 2013 weltweit mehr als 50
Millionen Menschen zu
Nuklearprogramm beigetragen. Deutschland
Flüchtlingen.
setzt sich weiterhin für die Universalität und → iiss.org
Durchsetzung relevanter internationaler
Verträge und Abkommen ein. 2014 bis 2015
46 | 47 AUSSENPOLITIK

THEMA

ANWALT EUROPÄISCHER INTEGRATION


Kein Land in Europa hat mehr Nachbarn als Kraft etabliert und das Zusammenwachsen
Deutschland. Mit neun Staaten teilt Deutsch- Europas nach dem Ende des Ost-West-
land seine Grenze, acht davon gehören zur Eu- Konflikts aktiv mitgestaltet. Im Rahmen der
ropäischen Union (EU). Die europäische In- europäischen Integration wurde der größte
tegration, eine der eindrucksvollsten politi- gemeinsame Markt der Welt geschaffen, cha-
schen Erfolgsgeschichten der vergangenen rakterisiert durch die in den Römischen Ver-
Jahrzehnte, bildet für Deutschland die Grund- trägen von 1957 formulierten vier Grundfrei-
lage für Frieden, Sicherheit und Wohlstand. heiten: den freien Warenverkehr unter den
Ihre weitere Entwicklung und Stärkung, zu- EU-Staaten, die Freiheit des Personenver-
mal unter komplexen und vielfach krisenhaf- kehrs, die Dienstleistungsfreiheit im EU-Ge-
ten Vorzeichen, bleibt die zentrale Aufgabe biet sowie den freien Kapitalverkehr.
deutscher Außenpolitik. Das historische Pro-
jekt der EU, begonnen in den frühen 1950er- Die 2008 ausgebrochene Finanz- und Schul-
Jahren, umfasst heute über eine halbe Milliar- denkrise hat die europäische Einigung vor
de Unionsbürger in 28 Mitgliedsstaaten. Die große Herausforderungen gestellt. Die Ban-
deutsche Europapolitik hat sich in allen Etap- kenunion, die gemeinsame Standards und
pen der europäischen Einigung als treibende Kontrollmechanismen für den Finanzsektor
im Euroraum etabliert, war daher ein zentra-
les Anliegen der deutschen Europapolitik. Das
ZAHL Eintreten für den Zusammenhalt der Europä-
er auch in schwierigen Zeiten findet in der

508 Mio. deutschen Bevölkerung breite Unterstützung.


Die Größe und die Wirtschaftsleistung des ge-
Menschen leben in den 28 Mitglieds- meinsamen europäischen Marktes machen
ländern der Europäischen Union. Sie hat die EU zu einem zentralen Akteur der Welt-
damit die drittgrößte Bevölkerung nach wirtschaft. Allein in der Eurozone wird mehr
China und Indien. Ihre Bürger sprechen als ein Fünftel des international generierten
24 Sprachen und leben auf einem Gebiet
Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet – Platz
von vier Millionen Quadratkilometern.
Das BIP beträgt 13,92 Billionen Euro und zwei hinter den USA. Zugleich ist die Eurozone
ist größer als das der USA. Mit einem der bedeutendste Im- und Exporteur von Wa-
Anteil von 15,4 Prozent der Exporte und ren und Dienstleistungen weltweit. Für 2016
16,4 Prozent der Importe liegt die EU im erwartet der IWF ein Wachstum von 1,6 Pro-
weltweiten Handel an der Spitze.
zent; 2013 war der Wirtschaftsraum noch in
→ europa.eu
einer Rezession. Als stärkste Volkswirtschaft
KARTE
Die 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf einen Blick

Finnland

Schweden
Estland
Vereinigtes
Königreich Lettland
Dänemark
Irland Litauen
Niederlande

Belgien Polen
Deutschland
Tschechische
Luxemburg Republik
Slowakei
Frankreich
Österreich
Ungarn
Slowenien Rumänien
Kroatien
Portugal
Spanien Bulgarien
Italien

Griechenland

Zypern
Malta

Der EU ist es seit 1957 in sieben Erweiterungen gelungen, sich von sechs auf 28 Mitglieder zu vergrößern

der EU trägt Deutschland nicht zuletzt in Pha- er Völker betrachtet wird. Beide Länder ge-
sen wirtschaftlicher und sozialer Verände- hörten 1957 zu den sechs Gründungsmitglie-
rungen besondere Verantwortung. dern der Europäischen Wirtschaftsgemein-
schaft (EWG), dem Kern der heutigen EU. Die
Deutsch-französische Freundschaft als deutsch-französische Freundschaft, 1963 be-
Motor der europäischen Einigung gründet mit dem Elysée-Vertrag, wird von
engen Beziehungen zwischen den Zivilgesell-
Parallel zur europäischen Integration bauten schaften und von vielen deutsch-franzö-
Frankreich und Deutschland nach dem Zwei- sischen Institutionen getragen. Beide Länder
ten Weltkrieg eine enge Partnerschaft auf, die stimmen sich in den europa- und außenpoli-
heute oft als Modell für die Aussöhnung zwei- tischen Fragen eng ab und tragen durch
48 | 49 AUSSENPOLITIK

gemeinsame Initiativen immer wieder zur (GASP) stärker institutionalisiert. Die Hohe
konstruktiven Weiterentwicklung der euro- Vertreterin der Union für Außen- und Sicher-
päischen Politik bei. heitspolitik, die den Vorsitz im Rat der Außen-
minister führt, ist gleichzeitig Vizepräsiden-
Ein jüngeres Element des europäischen Eini- tin der Europäischen Kommission. Seit 2014
gungsprozesses bildet die deutsch-polnische hat dieses Amt die italienische Politikerin
Zusammenarbeit. Die Aussöhnung mit Polen Federica Mogherini inne. Ihr obliegt in Fragen
erreichte mit der Ostpolitik von Bundes- der GASP zudem die Vertretung der EU nach
kanzler Willy Brandt in den 1970er-Jahren außen. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben stützt
erste Erfolge. Sie wurde fortgesetzt mit der sich die Hohe Vertreterin auf einen neu einge-
Anerkennung der gemeinsamen Grenze richteten Europäischen Auswärtigen Dienst
durch den 2+4-Vertrag über die äußeren (EAD). Durch diese institutionellen Neuerun-
Aspekte der deutschen Einheit 1990 sowie gen hat die EU ihre Sichtbarkeit und Effektivi-
dem im gleichen Jahr geschlossenen Grenz- tät international deutlich gestärkt. Auch das
vertrag und institutionalisiert in dem Krisenmanagement wurde fortentwickelt. Ei-
deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag nige Auslandseinsätze mit deutscher Beteili-
von 1991. Zusammengeführt werden die part- gung werden bereits unter der Ägide der EU
nerschaftlichen Beziehungen zu Frankreich geführt.
und Polen in dem trilateralen Format des
„Weimarer Dreiecks“. Ein Schwerpunkt der EU-Außenpolitik ist die
Pflege der Beziehungen zu den östlichen
Mehr globales Gewicht durch ein Nachbarn und zu den Mittelmeeranrainer-
gemeinsames europäisches Handeln staaten. Bei dieser Nachbarschaftspolitik ste-
hen die Themen Migration und Bekämpfung
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde 2009 die des Terrorismus zunehmend im Vordergrund.
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Die irreguläre Zuwanderung nach Europa ist

WEGMARKEN

1957
Der europäische Einigungspro-
1979
Die Europäer gehen gemeinsam
1993
Europas Einigung wird für die
zess beginnt. Mit den Römischen zur Wahl. Erstmals werden die Bürger erlebbar. Im luxemburgi-
Verträgen gründen Belgien, Abgeordneten des in Straßburg schen Schengen vereinbaren
Deutschland, Frankreich, Italien, und Brüssel tagenden Europa- Deutschland, Frankreich und die
Luxemburg und die Niederlande parlaments direkt gewählt. Zuvor Benelux-Staaten das Ende der in-
die Europäische Wirtschaftsge- waren sie von den nationalen ternen Grenzkontrollen. Weitere
meinschaft (EWG). Parlamenten entsandt worden. Staaten folgen.
Der G7-Gipfel 2015: Unter der deutschen G7-Präsidentschaft standen europäische und globale Themen auf der Agenda

ein gesamteuropäisches Thema. Der Europäi- schen Union bedarf nach wie vor einer nach-
sche Rat hat hierzu im April und Juni 2015 ein haltigen solidarischen Lösung. Fünf EU-Län-
umfassendes Maßnahmenpaket beschlossen. der nahmen 2014 zwei Drittel aller Flüchtlin-
Neben der verstärkten Seenotrettung im Mit- ge auf, darunter vor allem Deutschland. So hat
telmeer und Maßnahmen zur Bekämpfung kein Land in Europa mehr Menschen aus Syri-
der Schleuserkriminalität spielt dabei auch en aufgenommen: über 125.000. Die beim Eu-
die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und ropäischen Rat im Juni 2015 erreichte Lösung,
irregulärer Migration in den Herkunfts- und schutzbedürftige Flüchtlinge innerhalb der
Transitländern Afrikas und des Nahen Ostens Europäischen Union auf der Basis von Freiwil-
eine Rolle. Die Frage der gleichmäßigeren Ver- ligkeit umzusiedeln, ist ein erster Schritt in
teilung von Asylbewerbern in der Europäi- diese Richtung.

2002
Europa gibt sich eine Währung. In
2004
Am 1. Mai treten Estland, Lett-
2009
Die EU tritt in der Welt gemein-
zunächst zwölf Ländern der EU land, Litauen, Polen, Tschechien, sam auf. Mit dem Lissabon-
wird der Euro als Bargeld einge- die Slowakei, Slowenien, Ungarn Vertrag schafft die EU das Amt
führt; als Buchgeld gibt es ihn sowie Malta und Zypern der EU des Hohen Vertreters für Außen-
schon seit 1999. Sitz der neu bei. Drei Jahre später folgen und Sicherheitspolitik. Auch ein
etablierten Europäischen Zentral- Bulgarien und Rumänien, 2013 Europäischer Auswärtiger Dienst
bank (EZB) ist Frankfurt. Kroatien. (EAD) wird eingerichtet.
50 | 51 AUSSENPOLITIK

THEMA

SCHUTZ VON MENSCHENRECHTEN


„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen
zu achten und zu schützen ist Verpflichtung (VN) setzt sich Deutschland weltweit dafür
aller staatlichen Gewalt.“ Dies ist der klare ein, die Menschenrechtsstandards zu schüt-
Auftrag des Artikels 1 des Grundgesetzes, in zen und fortzuentwickeln.
dem sich Deutschland zu „unverletzlichen
und unveräußerlichen Menschenrechten“ als Engagement in internationalen
„Grundlage jeder menschlichen Gemein- Menschenrechtsinstitutionen
schaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in
der Welt“ bekennt. Diese Verpflichtung wird Deutschland ist Vertragsstaat der wichtigen
von Deutschland auch in seinen auswärtigen Menschenrechtsabkommen der VN und ihrer
Beziehungen ernst genommen. Schutz und Zusatzprotokolle (Zivilpakt, Sozialpakt, An-
Stärkung von Menschenrechten spielen im ti-Rassismus-Konvention, Frauenrechtskon-
außenpolitischen und internationalen Kon- vention, Anti-Folter-Konvention, Kinder-
text eine besondere Rolle, denn häufig sind rechtskonvention, Behindertenrechtskon-
systematische Menschenrechtsverletzungen vention, Konvention gegen Verschwindenlas-
der erste Schritt in Konflikte und Krisen. Ge- sen). Zuletzt wurde von Deutschland das Zu-
meinsam mit den Partnern in der EU und in satzprotokoll zum Übereinkommen gegen
Folter sowie die Behindertenrechtskonven-
tion unterzeichnet, beide sind seit 2009 in
Kraft. Deutschland hat als erster europäi-
INFO
scher Staat auch das Zusatzprotokoll zur Kin-
Zivilgesellschaft Auch viele Nichtregie-
derrechtskonvention, das ein Individualbe-
rungsorganisationen setzen sich für die
globale Durchsetzung der Menschen-
schwerdeverfahren ermöglicht, ratifiziert.
rechte, für entwicklungspolitischen
Fortschritt und Humanitäre Hilfe ein. Sie Die Bundesregierung unterstützt den Schutz
drängen die politisch Verantwortlichen vor Diskriminierung und Rassismus, enga-
zum Handeln und schärfen das Be- giert sich weltweit gegen die Todesstrafe, für
wusstsein der Bevölkerung. Sie sind aber
politische Teilhabe und Rechtsschutz, vertei-
auch selbst aktiv, sammeln Spenden
und koordinieren eigene Projekte vor digt die Religions- und Weltanschauungsfrei-
Ort. Dem Verband der entwicklungs- heit, kämpft gegen den Menschenhandel und
politischen und humanitären Nichtre- drängt auf die Durchsetzung des Rechts auf
gierungsorganisationen (VENRO) Wohnen und des Rechts auf sauberes Trink-
gehören rund 120 Organisationen an.
wasser und Sanitärversorgung. Fast 900 Mil-
→ venro.org
lionen Menschen weltweit fehlt der Zugang zu
Der Menschenrechtsrat in Genf ist das wichtigste Menschenrechtsgremium der Vereinten Nationen

sauberem Wasser. Mit 400 Millionen Euro schafter Joachim Rücker erstmals den Vorsitz
jährlich trägt Deutschland in vielen Projekten dieses Gremiums übernommen. Der deutsche
dazu bei, diese Situation zu ändern. Der Zu- Diplomat wurde von den 47 Mitgliedern des
gang zu Wasser, eines der neueren Menschen- Menschenrechtsrats für ein Jahr zum Präsi-
rechtsthemen, ist in 27 Ländern Schwerpunkt denten gewählt. Wichtigstes Instrument des
deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Menschenrechtsrats ist die „Universelle Perio-
dische Staatenüberprüfung“, bei der jedes VN-
Seit 2012 ist Deutschland zum zweiten Mal Mitglied über die Umsetzung seiner men-
Mitglied des VN-Menschenrechtsrats in Genf, schenrechtlichen Verpflichtungen berichtet
Schweiz, und bewirbt sich für die Wiederwahl und sich kritischen Fragen stellt. Deutschland
2016 bis 2018. 2015 hat Deutschland mit Bot- durchlief dieses Verfahren 2009 und 2013.
52 | 53 AUSSENPOLITIK

Deutschland ist eines der aktivsten Länder im Deutschland tritt nachdrücklich dafür ein,
Europarat mit seinen 47 Mitgliedsstaaten, der dass alle Mitgliedsstaaten des Europarats sie
sich für den Schutz und die Förderung von betreffende Entscheidungen des EGMR ak-
Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und zeptieren und umsetzen, wie es ihren Ver-
Demokratie in ganz Europa einsetzt. Mit weg- pflichtungen entspricht. Der Internationale
weisenden Übereinkommen, wie vor allem Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag, Nieder-
der Europäischen Menschenrechtskonventi- lande, ist zuständig für die völkerstrafrechtli-
on, trägt der Europarat zur Entwicklung eines che Ahndung schwerer internationaler Ver-
gemeinsamen europäischen Rechtsraums bei brechen, wie Kriegsverbrechen, Verbrechen
und überwacht die Einhaltung von verbindli- gegen die Menschlichkeit oder Völkermord.
chen gemeinsamen Standards und Werten Deutschland spricht sich für eine universelle
auf dem europäischen Kontinent. Anerkennung des IStGH aus.

Instrumente der internationalen Der Beauftragte der Bundesregierung für


Menschenrechtspolitik Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hil-
fe, Christoph Strässer, ist im Auswärtigen
Eine zentrale Institution des Europarats zur Amt angesiedelt. Er beobachtet internationa-
Durchsetzung der Menschenrechte in Europa le Entwicklungen, koordiniert die Menschen-
ist der Europäische Gerichtshof für Men- rechtsaktivitäten mit anderen staatlichen
schenrechte (EGMR) in Straßburg, Frank- Stellen und berät den Bundesaußenminister.
reich. Jeder Bürger der 47 Mitgliedsstaaten Parlamentarisch begleitet und kontrolliert
des Europarats kann sich unmittelbar mit wird die deutsche Menschenrechtspolitik seit
Klagen gegen eine Verletzung seiner durch 1998 durch den Ausschuss für Menschen-
die Europäische Menschenrechtskonvention rechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen
geschützten Rechte an den EGMR wenden. Bundestages. Als staatlich finanzierte, aber

DIAGRAMM Ausgaben für staatliche Entwicklungszusammenarbeit in Mrd. US-$

Entwicklung und Zusammenarbeit


Deutschland gehört nicht nur
USA 32,73
zu den wichtigen und großen Geber-
ländern staatlicher Entwicklungs-
Großbritannien 19,39
zusammenarbeit, sondern ist
auch im Bereich der Humanitären
Deutschland 16,25
Hilfe wichtiger Geber und aktiver
Mitgestalter. Frankreich 10,37
OECD / DAC

Japan 9,19
unabhängige Instanz wurde 2000 das Deut- direkt, sondern fördert geeignete Projekte hu-
sche Institut für Menschenrechte in Berlin manitärer Organisationen der Vereinten Na-
etabliert. Es soll als Nationale Menschen- tionen, der Rotkreuz-/Rothalbmondbewe-
rechtsinstitution im Sinne der Pariser Prinzi- gung und deutscher Nichtregierungsorgani-
pien der VN zur Förderung und zum Schutz sationen. Für humanitäre Hilfsmaßnahmen
der Menschenrechte durch Deutschland im hat das Auswärtige Amt allein 2014 mehr als
In- und Ausland beitragen. 437 Millionen Euro eingesetzt.

Humanitäre Hilfe für Menschen Der Schutz der Menschenrechte ist auch ein
in akuter Not wichtiges Handlungsfeld der Cyber-Außen-
politik. Fragen des Schutzes von Daten und
Die Bundesregierung unterstützt durch ihre Persönlichkeitsrechten müssen dringend be-
Humanitäre Hilfe weltweit Menschen, die antwortet werden. 2013 und 2014 verabschie-
durch Naturkatastrophen, kriegerische Aus- dete die VN-Generalversammlung Resolutio-
einandersetzungen oder andere Krisen und nen zum Recht auf Privatheit im digitalen
Konflikte in akute Not geraten sind oder bei Zeitalter. Sie gingen auf eine deutsch-brasilia-
denen ein Risiko darauf besteht. Dabei nische Initiative zurück. Deutschland vertritt
kommt es nicht auf die Ursachen der Notlage die Auffassung, dass Menschenrechte online
an. Humanitäre Hilfe ist Ausdruck ethischer genauso gelten wie offline. 2015 hat der VN-
Verantwortung und der Solidarität mit Men- Menschenrechtsrat eine Resolution ange-
schen in Not. Sie orientiert sich am Bedarf der nommen, die erstmals die Ernennung eines
Notleidenden und basiert auf den humanitä- unabhängigen Sonderberichterstatters für
ren Prinzipien der Menschlichkeit, Neutrali- das Recht auf Privatheit vorsieht. Er soll jähr-
tät, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. lich über Verstöße berichten und die interna-
Die Bundesregierung leistet diese Hilfe nicht tionale Debatte begleiten.

Budget für Humanitäre Hilfe weltweit 2013 Spendenzwecke in Deutschland im Jahr 2014

16,4 5,7 %
Mrd. US-$ Tierschutz

2,9 %
Kultur-/Denkmalpflege
79 % 2,7%
Humanitäre Umwelt-/Naturschutz
5,6 Hilfe
Mrd. US-$ 2,4 %
Humanitäre Humanitäre Sport
Hilfe aus Hilfe von
7,4 %
Statista

privaten Spenden Regierungen


Sonstige/Keine Angaben
54 | 55 AUSSENPOLITIK

PANORAMA

OFFENER NETZWERKPARTNER
Brüssel
ǛHiN
New York Ǜn
Ǜ/—ĆóāõƗöāǯö Stockholm
der Vereinten London ǛNúāú¯¯ö—ā
Nationen Luxemburg Ǜy¯ö¯Çàā¯ (CBSS)
Ǜn Nationen
Montreal
Wien
Ǜy¯ö¯Çàā¯
ǛNa†
Nationen

Bern
Madrid Ǜy¯ö¯Çàā¯
Ǜy¯ö¯Çàā¯ Nationen
Washington, D.C.
Nationen
Ǜ2àā¯öà—āÇçà—Ù¯ö
Rom
Währungsfonds
Straßburg Ǜy¯ö¯Çàā¯H—āÇçà¯à
(IWF)
Ǜz¯Ùā¤—àÖ Ǜn

Paris Genf
Ǜy¯ö¯Çàā¯H—āÇçà¯à Ǜy¯ö¯Çàā¯H—āÇçà¯à
ǛĆöçó¯—àa󗥯¿¯à¥ę Ǜz¯Ùāė૯Ùúçö¿—àÇú—āÇçà
(ESA) (WTO)
ǛNö¿—àÇú—āÇçàºĊöĒÇöāú¥Ä—ºā-
liche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD)

Nairobi
Ǜy¯ö¯Çàā¯H—āÇçà¯à

New York
/—ĆóāõƗöāǯö«¯ö
Vereinten Nationen
Genf
Sitz der
Welthandels-
organisation

IWF NATO EU VN
Seit 1952 gehört Seit 1955 ist Deutschland Deutschland gehört seit Im Jahr 1973 wurde
Deutschland dem Mitglied in der der Gründung 1957 zu Deutschland Mitglied
Internationalen Nordatlantikvertrags- den Mitgliedern der Vereinten Nationen
Währungsfonds an Organisation der heutigen EU
Die Vereinten Nationen (VN)
in Deutschland
Hamburg

Berlin

Berlin
Dresden
Bonn Ǜ2àā¯öà—āÇçà—Ù¯ö¤¯Çāúçö¿—àÇú—āÇçàȐ2ANȑȜ
Frankfurt Vertretung in Deutschland
Nürnberg Ǜ¯ö/çį)ÙĊ¥ÄāÙÇà¿úÖçßßÇúú—ö«¯öy¯ö¯Çàā¯à
Nationen (UNHCR) – Regionalvertretung
Deutschland und Österreich
Ǜz¯Ùā¯öà›ÄöĆà¿úóöç¿ö—ßßȐz)ZȑȜ
Shima
Verbindungsbüro in Deutschland
Ǜ=—ó—àÇú¥Ä¯öyçöúÇāĞ
ǛĊö端öz¯Ùā¤—àÖÇà¯öÙÇà
der G7, 2016
Bonn VN-Campus
Ǜ)ö¯ÇĒÇÙÙÇ¿¯àóöç¿ö—ßß«¯öyHȐnHyȑ
Ǜ?ÙÇߗú¯Öö¯ā—öǗā«¯öy¯ö¯Çàā¯àH—āÇçà¯à
(UNFCCC)
Ǜa¯Öö¯ā—öǗā«¯úr¤¯ö¯ÇàÖçß߯àú«¯öy¯ö¯Çàā¯à
Hamburg Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung
Internationaler Seegerichtshof (UNCCD)
Shanghai Ǜ2àā¯öà—āÇçà—Ù¯aāö—ā¯¿Ç¯ĞĆö?—ā—úāöçóįàȚ
ǛÄÇà¯úÇú¥Ä¯öyçöúÇāĞ vorsorge/Plattform zur Förderung von
der G20, 2016 Frühwarnung (UN/ISDR-PPEW)
ǛnàÇđ¯öúÇā›ā«¯öy¯ö¯Çàā¯àH—āÇçà¯àȜ
Vizerektorat in Europa (UNU-ViE)
ǛúçĒǯȠȣĒ¯Çā¯ö¯yHȚÇàöÇ¥ÄāĆ࿯à

Dresden
ǛnàÇā¯«H—āÇçàúnàÇđ¯öúÇāęȚ2àúāÇāĆā¯ºçö
Integrated Management of Material Fluxes
and of Resources (UNU-FLORES)

Frankfurt am Main
Ǜ2àā¯öà—āÇçà—Ù¯)Çà—àĞÖçöóçö—āÇçàȐ2)ȑǃ
Weltbankgruppe
Straßburg
Europäisches Hamburg
Parlament Ǜ2àā¯öà—āÇçà—Ù¯öa¯¯¿¯öÇ¥ÄāúÄçºȐ2iANaȑ
ǛnHaNȚ2àúāÇāĆāºĊöA¯¤¯àúٗ࿯úA¯öà¯àȐn2Aȑ
Bonn Nürnberg
Der „Lange Eugen“ ǛnH/]aƤȚNº»¥¯
auf dem VN-Campus

OSZE G7 WTO G20


Deutschland gehört seit Seit der Gründung 1975 Seit 1995 ist Deutschland Deutschland ist seit der
der Gründung 1975 zu gehört Deutschland dem Mitglied der Welthandels- Gründung 1999 in Berlin
den Mitgliedern der informellen Zusammen- organisation Mitglied der Gruppe
heutigen OSZE schluss an der 20
56 | 57 AUSSENPOLITIK

THEMA

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
Die deutsche Entwicklungspolitik als Bau- schen Gesellschaft für Internationale Zusam-
stein einer globalen Struktur- und Friedens- menarbeit (GIZ) und der KfW Bankengruppe
politik will dazu beitragen, die Lebensbedin- als Durchführungsorganisationen in den
gungen in den Partnerländen zu verbessern. Ländern betreut.
Ziel der deutschen Entwicklungspolitik ist es,
den Hunger und die Armut weltweit zu über- Die 2030-Agenda für nachhaltige
winden und Demokratie und Rechts- Entwicklung
staatlichkeit zu stärken. Die Leitlinien und
Konzepte entwickelt das Bundesministerium Maßgeblich für die globale Entwicklung der
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und kommenden Jahre soll die 2030-Agenda wer-
Entwicklung (BMZ). Politisch und finanziell den, die auf der 70. Generalversammlung der
liegt das Hauptgewicht auf der bilateralen Zu- Vereinten Nationen Ende September 2015 be-
sammenarbeit mit den Partnerländern. Im schlossen wurde. Die 2030-Agenda ersetzt die
Rahmen der staatlichen Entwicklungszusam- sogenannten Millenniums-Entwicklungszie-
menarbeit kooperiert Deutschland mit 50 le (MDG) der Vereinten Nationen, die die Ent-
Partnerländern in gemeinsam vereinbarten wicklung in Entwicklungs- und Schwellen-
Länderprogrammen, die alle Instrumente der ländern für den Zeitraum 2000 bis 2015 defi-
staatlichen Entwicklungszusammenarbeit niert hatten.
umfassen können. Eine Schwerpunktregion
ist Afrika, aber auch mit Ländern in Asien, In Verfolgung der Millenniums-Entwick-
Südosteuropa und Lateinamerika wird inten- lungsziele ist es zwar bis 2015 gelungen, die
siv zusammengearbeitet. Armut weltweit zu halbieren und unter ande-
rem den Zugang zu Trinkwasser sowie zu Bil-
Deutschland hat die Finanzmittel für Ent- dung zu verbessern. Aber: Knapp 1,3 Milliar-
wicklungszusammenarbeit bis 2019 um 8,3 den Menschen leben von weniger als 1,25
Milliarden Euro aufgestockt. Dadurch fließen US-Dollar am Tag. Andere Probleme wie ein
2016 gut 0,4 Prozent des Bruttonationalpro- zu hoher Ressourcenverbrauch, fortschreiten-
duktes in die Entwicklungszusammenarbeit. der Klimawandel und Umweltzerstörung, ho-
Im internationalen Maßstab betrachtet, ge- he Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichhei-
hört Deutschland mit jährlich 16,25 Milliar- ten bleiben ebenfalls drängend. Die neuen
den US-Dollar nach den USA und Großbritan- Ziele vom September 2015 sollen Rückenwind
nien zu den drei größten Geberländern für öf- für einen weltweiten Wandel zu mehr Nach-
fentliche Entwicklungszusammenarbeit. Die haltigkeit geben – in der ökonomischen, öko-
Projekte werden in der Regel von der Deut- logischen und sozialen Dimension und unter
Die 2030-Agenda der Vereinten Nationen will in wichtigen Zukunftsfragen nachhaltige Entwicklung voranbringen

Berücksichtigung bestehender Verknüpfun- sowie effektiver werden, Diskriminierung be-


gen. Die 2030-Agenda soll nunmehr eine „uni- kämpft, nicht zuletzt durch Stärkung wirksa-
verselle“ Agenda sein, das heißt für alle Staa- mer inklusiver und demokratischer Institutio-
ten gelten und in den kommenden 15 Jahren nen, verantwortungsvoller Regierungsführung
weit über die Entwicklungszusammenarbeit sowie Rechtsstaatlichkeit. Schließlich benötigt
hinaus ein breites Spektrum an Politikberei- der Zukunftsvertrag zur nachhaltigen Absiche-
chen angehen: Neben dem Kampf gegen Hun- rung einen sogenannten „Multi-Akteurs“-An-
ger und Armut soll der Planet als Lebens- satz: Neben Regierungen sollen vor allem ge-
grundlage zukünftiger Generationen ge- sellschaftliche Gruppen, Wirtschaft und Wis-
schützt werden; Wirtschaftssysteme und Le- senschaft wichtige Rollen bei der Umsetzung
bensstile sollen gerechter und nachhaltiger der 2030-Agenda spielen.
58 | 59 WIRTSCHAFT & INNOVATION

WIRTSCHAFT &
INNOVATION
Starker Standort ∙ Globaler Akteur ∙ Leitmärkte und Innovationen ∙
Nachhaltige Ökonomie ∙ Digitale Agenda ∙ Geschätzter Handelspartner ∙
Attraktiver Arbeitsmarkt

EINBLICK

STARKER STANDORT
Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der Ländern mit der höchsten Beschäftigungs-
Europäischen Union (EU) und nach den USA, quote in der EU und ist das Land mit der pro-
China und Japan die viertgrößte der Welt. Ihre zentual geringsten Jugendarbeitslosigkeit.
Wettbewerbsfähigkeit und globale Vernetzung Dies untermauert auch den Wert der dualen
verdankt die deutsche Wirtschaft einer starken Berufsausbildung, die sich als Exportgut
Innovationskraft und hoher Exportorientie- etabliert hat und von vielen Ländern adaptiert
rung. In den umsatzstarken Branchen Automo- wird. Faktoren wie Verfügbarkeit von Fach-
bilbau, Maschinen- und Anlagenbau, in der kräften, Infrastruktur und Rechtssicherheit
Chemieindustrie sowie in der Medizintechnik sind weitere Merkmale des Standorts Deutsch-
macht der Export weit über die Hälfte des land, der sich in vielen internationalen Ran-
Umsatzes aus. 2014 führten nur China und die kings auf vorderen Plätzen bewegt. Das Bun-
USA mehr Waren aus. In Forschung und Ent- desministerium für Wirtschaft und Energie
wicklung (FuE) investiert Deutschland jährlich leitet Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD).
rund 80 Milliarden Euro. Viele Unternehmen
sind auf dem Weg zur Industrie 4.0, mit der spe- Seit 1949 bildet das Modell der Sozialen
ziell die Digitalisierung der Fertigungstechnik Marktwirtschaft die Basis der deutschen
und der Logistik vorangetrieben wird. Wirtschaftspolitik. Die Soziale Marktwirt-
schaft garantiert freies unternehmerisches
Die positive wirtschaftliche Dynamik hat zu Handeln und bemüht sich gleichzeitig um so-
einer günstigen Entwicklung des Arbeits- zialen Ausgleich. Dieses in der Nachkriegszeit
marktes geführt. Deutschland gehört zu den vom späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard
VIDEO AR-APP

Wirtschaft & Innovation: das Video zum


Thema → tued.net/de/vid3

Industrie 4.0: Die Wirtschaft in Deutschland ist auf dem Weg in eine digitalisierte Zukunft
60 | 61 WIRTSCHAFT & INNOVATION

entwickelte Konzept hat Deutschland auf ei- vorwiegend im deutschen Börsenindex DAX
nen erfolgreichen Entwicklungspfad geführt. an der Frankfurter Börse gelistet sind, dem
Deutschland engagiert sich aktiv in der Ge- wichtigsten Finanzplatz in Kontinentaleuro-
staltung der Globalisierung und setzt sich für pa. In Frankfurt am Main hat auch die Euro-
ein nachhaltiges globales Wirtschaftssystem päische Zentralbank (EZB) ihren Sitz, die als
ein, das faire Chancen für alle bietet. EU-Institution unter anderem über die Preis-
stabilität des Euro wacht.
Deutschland gehört zu den zwölf Ländern,
die 2002 den Euro als Bargeld eingeführt ha-
ben. Die Finanzmarktkrise (2008) sowie die NETZ
nachfolgende Schuldenkrise haben die ge-
Bundesministerium für Wirtschaft
samte Eurozone getroffen – auch Deutsch- und Energie (BMWi)
land. Die Bundesregierung hat daraufhin mit Wirtschaftspolitik, Schwerpunkte,
einer Doppelstrategie die Neuverschuldung Initiativen
gestoppt und Maßnahmen zur Stärkung der → bmwi.de

Innovationskraft ergriffen. Erstmals seit


Make it in Germany
1969 konnte 2014 und 2015 ein ausgegliche-
Portal für internationale Fachkräfte mit
ner Bundeshaushalt präsentiert werden. Infos zu Leben und Arbeit in Deutschland
→ make-it-in-germany.de
Das strukturelle Rückgrat der Wirtschaft
bildet mit mehr als 99 Prozent aller Firmen Arbeitsagentur
Arbeitsmarktdaten und Stellenbörsen
der Mittelstand. Die kleinen und mittleren
→ arbeitsagentur.de
Unternehmen ergänzen die Konzerne, die

Finanzplatz mit Tradition: Die bedeutendste deutsche Börse hat ihren Sitz in Frankfurt am Main
KOMPAKT

AKTEURE & INSTRUMENTE


Bundesverband der Deutschen Industrie
Der Bundesverband der Deutschen Industrie
(BDI) vertritt die Interessen von über 100.000
Industrie-Unternehmen. Er verfügt über ein
weit verzweigtes Netzwerk auf allen wichtigen
Märkten und in internationalen Organisationen.
→ bdi.eu

Deutsche Auslandshandelskammern Germany Trade and Invest


Die Deutschen Auslandshandelskammern Germany Trade and Invest (GTAI) ist die Wirt-
(AHK), Delegationen und Repräsentanten der schaftsförderungsgesellschaft der Bundes-
deutsche Wirtschaft bilden ein Netz mit 130 republik Deutschland. Mit über 50 Standorten
Standorten in 90 Ländern. weltweit unterstützt sie deutsche Unterneh-
→ ahk.de men bei ihrem Weg ins Ausland, wirbt für den
Standort Deutschland und begleitet auslän-
Deutsche Auslandsvertretungen dische Unternehmen bei der Ansiedlung in
Die 227 Botschaften und Konsulate bilden Deutschland.
mit den AHK und GTAI die dritte Säule der → gtai.de
deutschen Außenwirtschaftsförderung.
→ auswaertiges-amt.de Rat für nachhaltige Entwicklung
Zu den Aufgaben des von der Bundesregierung
Deutscher Industrie- und Handelskammertag berufenen Rates für Nachhaltige Entwicklung
Der Deutsche Industrie- und Handelskam- gehört die Entwicklung von Beiträgen zur Um-
mertag (DIHK) ist die Dachorganisation der setzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
80 deutschen Industrie- und Handelskammern. → nachhaltigkeitsrat.de
Ihnen gehören 3,6 Millionen gewerbliche Un-
ternehmen an.
→ dihk.de DIGITAL PLUS
Mehr Informationen zu allen Themen
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung des Kapitels – kommentierte Linklisten,
Beiträge, Dokumente, Reden; dazu
Das DIW in Berlin ist das größte der zahlreichen
weiterführende Informationen zu The-
deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. men wie Soziale Marktwirtschaft, duale Berufsausbildung,
→ diw.de Wirtschaftspolitik, europäische Wirtschafts- und Finanz-
krise. → tued.net/de/dig3
62 | 63 WIRTSCHAFT & INNOVATION

THEMA

GLOBALER AKTEUR
Deutschland ist ein exportorientiertes, inter- Jeder zweite in Deutschland erwirtschaftete
national stark verflochtenes Industrieland Euro wird durch Auslandsgeschäfte verdient;
mit einem ausgeprägten Exportsektor. In den annähernd jeder vierte Arbeitsplatz hängt
jährlichen Rankings der Welthandelsorgani- vom Export ab, in der Industrie sogar jeder
sation (WTO) gehört Deutschland – nach Chi- zweite. Rund 800.000 Unternehmen sind im
na und den USA – regelmäßig zu den drei Außenhandel tätig. 2014 importierten 685.000
größten Exportnationen weltweit. 2014 Unternehmen Waren aus anderen Ländern,
schloss die Außenhandelsbilanz mit einem während circa 340.000 Unternehmen Export
Überschuss von 190 Milliarden Euro, einem betrieben. Wesentlichen Anteil am deutschen
neuen Höchstwert. Die Ausfuhren deutscher Außenhandel hatten rund 10.700 Unterneh-
Unternehmen (Waren und Dienstleistung) men mit Sitz im Ausland; der Deutsche
steigerten sich auf 1.326 Milliarden Euro, der Industrie- und Handelskammertag (DIHK)
Wert der Einfuhren lag bei 1.136 Milliarden schätzt, dass mehr als 7 Millionen Beschäftig-
Euro. Bei einem insgesamt eher geringen te für deutsche Firmen im Ausland arbeiten.
Wachstum der Weltwirtschaft 2013/2014 hat
sich die deutsche Wirtschaft gut behauptet. Auf der Exportseite dominieren Kraftwagen
Deutschland profitiert im internationalen und Kraftwagenteile, Maschinen, chemische
Vergleich am stärksten von der Globalisie- Erzeugnisse, Datenverarbeitungsgeräte sowie
rung. Der „Country Connectedness Index elektronische Erzeugnisse. Auf diese vier Pro-
2014“ des McKinsey Global Institute führt duktgruppen entfällt gut die Hälfte des deut-
Deutschland als das weltweit am stärksten schen Exports. Insgesamt hat sich die Export-
vernetzte Land – vor den USA und Singapur. quote seit 1991 von 25,7 Prozent auf 50,6 Pro-

DIAGRAMM Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2014 (in Mrd. US-$)

Wirtschaftsleistung 17.418,9
Deutsche Unternehmen ge-
nießen international einen aus-
gezeichneten Ruf. Sie stehen
für das weltweit als Qualitäts-
10.380,4
siegel geschätzte „Made in
Germany“. Als viertgrößte Wirt-
Statistisches Bundesamt

schaftsmacht der Welt ist


4.616,3 3.859,6
Deutschland besonders export-
2.945,2
Vereinigtes
orientiert. USA China Japan Deutschland Königreich
Der Container als Symbol der Globalisierung: Der Hamburger Hafen gehört zu den großen Umschlagplätzen

Weltgrößte Handelsnationen 2014 Größte deutsche Unternehmen 2014 (Umsatz, in Mio. €)


(Anteil am Weltexport)
12,4 % Volkswagen 202.458
Volksrepublik China
8,6 % Daimler AG 129.872
USA Eon SE 111.556
8,0 % BMW Group 80.401
Deutschland
3,6 % Schwarz-Gruppe 79.300
Japan BASF-Gruppe 74.326
WTO, F.A.Z.

3,6 % Siemens AG 71.920


Niederlande
64 | 65 WIRTSCHAFT & INNOVATION

zent nahezu verdoppelt. Die Außenhandels- GLOBAL


quote, die Summe der Im- und Exporte im
OECD-Wirtschaftsausblick In ihrem
Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), Wirtschaftsausblick analysiert die Orga-
lag 2013 bei 89 Prozent. Deutschland ist damit nisation für wirtschaftliche Zusammen-
die „offenste“ Volkswirtschaft der G7-Staaten. arbeit und Entwicklung (OECD) mit Sitz
Zum Vergleich: Die USA kamen 2013 auf eine in Paris zweimal jährlich die wichtigsten
Außenhandelsquote von 30 Prozent. wirtschaftlichen Trends und die Aussich-
ten in den 34 OECD- und Schwellenlän-
dern für die kommenden zwei Jahre. Die
Die Partnerländer der Europäischen Union Gesamtbeurteilung für 2015/2016 geht
(EU) sind mit einem Anteil von 58 Prozent der davon aus, dass das Wachstum der Welt-
Gesamtexporte der wichtigste Zielmarkt. wirtschaft an Dynamik ge-
Traditionell größtes deutsches Exportland ist winnen wird, im Vergleich
zur Zeit vor der Krise aber
Frankreich, im ersten Halbjahr 2015 standen
verhalten bleibt.
allerdings erstmals die USA auf Platz eins. Das → oecd.org
Vereinigte Königreich, die Volksrepublik Chi-
na und die Niederlande folgen auf den nächs-
ten Plätzen. Bei den Importen zeigt sich hin-
gegen ein umgekehrtes Bild: Die meisten
Einfuhren kamen 2014 aus den Niederlanden, schen Direktinvestitionen. Damit ist Deutsch-
gefolgt von der Volksrepublik China, Frank- land der siebtgrößte Investitionsstandort.
reich, den USA und Italien. Kontinuierlich
nimmt die Bedeutung von Wirtschafts- und Als Drehscheibe des Welthandels gilt das
Handelsbeziehungen zu den asiatischen Staa- Messewesen. Der Messeplatz Deutschland ist
ten zu – trotz teilweise sich abschwächender weltweit die Nummer eins bei Organisation
Wachstumsraten. Allein in China sind 5.000 und Durchführung internationaler Messen.
deutsche Unternehmen mit Investitionen Von den global wichtigen Branchenevents
vertreten. finden zwei Drittel in Deutschland statt. Zu
den rund 150 internationalen Messen und
Ausdruck der starken Verflechtung in die Ausstellungen kommen jedes Jahr 10 Millio-
Weltwirtschaft sind weiterhin die deutschen nen Besucher.
Direktinvestitionen im Ausland, die sich seit
1990 auf 919 Milliarden Euro (2013) verfünf- Deutschland ist zugleich Umschlagplatz für
facht haben. Ein Drittel davon war in den Eu- europäische und weltweite Güterströme.
roraum investiert. Umgekehrt sind ausländi- Durch kein anderes Land der EU werden
sche Investoren über ihre Unternehmensbe- mehr Güter transportiert. Etwa ein Drittel
teiligungen für 3 Millionen Arbeitsplätze in des Umsatzes der zehn wichtigsten Logistik-
Deutschland verantwortlich – auf 458 Milliar- märkte in der EU wird in Deutschland er-
den Euro beläuft sich der Bestand an ausländi- bracht. 3 Millionen Menschen sind mit Logis-
tik befasst. Ein Tor zur Welt ist der Hambur- Bei der Ausgestaltung der Regeln für den in-
ger Hafen, in dem pro Jahr rund 9,7 Millionen ternationalen Handel, bei der Regulierung
Standardcontainer umgeschlagen werden. der Finanzmärkte, beim Management von
Geld und Währung engagiert sich Deutsch-
Engagement für fairen und land an der Mitgestaltung der Globalisierung.
freien Welthandel Wegen der stockenden multilateralen Ver-
handlungen (Doha-Runde) liegt ein Hauptau-
Deutschland setzt sich für offene Märkte und genmerk auf bilateralen Freihandelsabkom-
einen fairen und freien Handel auf der Grund- men der Europäischen Union. In Verhand-
lage klarer und verlässlicher Regeln ein. Diese lung sind vor allem umfassende Verträge mit
Ziele verfolgt Deutschland unter anderem den USA (Transatlantic Trade and Investment
mit den drei Säulen der Außenwirtschafts- Partnership, TTIP) und Japan. Das euro-
förderung: den 227 deutschen Auslandsver- päisch-kanadische Wirtschafts- und Han-
tretungen, den Büros der 130 Auslands- delsabkommen Comprehensive Economic
handelskammern (AHK), Delegationen und and Trade Agreement (CETA) ist ausverhan-
Repräsentanzen der deutschen Wirtschaft in delt. Bereits seit 2011 in Kraft ist das EU-Frei-
90 Ländern sowie der Gesellschaft für handelsabkommen mit Südkorea, das erste
Außenwirtschaft und Standortmarketing mit einem asiatischen Land. Seither stiegen
Germany Trade and Invest (GTAI). Sie unter- die Ausfuhren nach Südkorea um jährlich et-
stützen mittelständische Unternehmen ge- wa 10 Prozent. 2015 einigten sich die EU und
zielt dabei, Auslandsmärkte zu erschließen, Vietnam auf ein Freihandelsabkommen – es
und wirken darauf hin, die Rahmenbedin- ist das erste Abkommen dieser Art zwischen
gungen zu verbessern. der EU und einem Entwicklungsland.

Drehscheiben des Weltmarkts: Bis zu 10 Millionen Besucher kommen jährlich zu den großen Messen
66 | 67 WIRTSCHAFT & INNOVATION

THEMA

LEITMÄRKTE UND INNOVATIONEN


Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands be- Elektrotechnik- und Elektronikindustrie mit
ruht entscheidend auf der Leistungskraft der Siemens als in 190 Ländern aktiver Global
Industrie und ihrer Innovationsfähigkeit. Vor Player, deren Anwendungslösungen – von der
allem die Automobilindustrie mit 775.000 Be- Medizintechnik bis zu Erneuerbaren Ener-
schäftigten gilt als eine Paradedisziplin des gien – als hochinnovativ gelten. Die Bedeu-
„Made in Germany“. Mit ihren sechs starken tung des Weltmarkts für die großen Branchen
Marken Volkswagen, BMW, Daimler, den VW- zeigt die Tatsache, dass Exportquoten von
Marken Audi und Porsche sowie Opel (Gene- 60 Prozent und mehr erzielt werden.
ral Motors) gehört die Automobilindustrie zu
den Zugpferden der globalen Mobilitäts- Die wichtigsten Wirtschaftszentren in
branche. Deutschland sind die großen Metropolregio-
nen wie das Ruhrgebiet, die Großräume Mün-
Um diese Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, chen und Stuttgart (Hightech, Automobilbau),
investieren die deutschen Unternehmen Mil- Rhein-Neckar (Chemie, IT), Frankfurt am
liardenbeträge in Forschung und Entwick- Main (Finanzen), Nürnberg (Industrie, Dienst-
lung (FuE). Elektro-, digitale Vernetzung, as- leistungen), Köln und Hamburg (Hafen, Flug-
sistiertes und autonomes Fahren heißen die zeugbau, Medien). In den neuen Ländern ha-
Megatrends der automobilen Fortbewegung. ben sich kleine, aber leistungsfähige Hoch-
Global gesehen, produzierten die deutschen technologiezentren gebildet, vor allem die
Automobilkonzerne mit ihren hohen Antei- „Leuchtturm-Regionen“ Dresden, Jena, Leip-
len in den Marktsegmenten der oberen Mittel- zig, Leuna und Berlin-Brandenburg.
klasse und der Oberklasse 2014 rund 14,9 Mil-
lionen Pkw, die Exportquote der deutschen Hohes Gewicht auf komplexen industriel-
Automobilindustrie überschreitet 77 Prozent. len Investitionsgütern

Zu den traditionell starken Branchen der Die Liste der größten deutschen Unterneh-
deutschen Wirtschaft gehören neben der men (nach Umsatz 2014) wird angeführt und
Automobilindustrie der Anlagen- und Ma- dominiert von Automobilkonzernen: Volks-
schinenbau sowie die Chemieindustrie. Die wagen rangiert auf Platz 1, Daimler und BMW
1865 gegründete BASF mit Hauptsitz in Lud- folgen auf Platz 2 und 4. Eon (Energie) belegt
wigshafen ist mit 113.000 Mitarbeitern an 390 Platz 3, BASF (Chemie) Platz 6 und Siemens
Produktionsstandorten in mehr als 80 Län- (Elektro) Platz 7. Die Plätze 5, 8 und 9 gehen an
dern der größte Chemiekonzern der Welt. Zu Handelsgruppen. Auf Platz 10 befindet sich
den Schlüsselbranchen zählen außerdem die die Deutsche Telekom.
Weltweit erfolgreich: Die deutschen Autobauer gehören zu den großen Akteuren der globalen Mobilitätsbranche

Die Industrie in Deutschland ist spezialisiert Als Triebfeder der wirtschaftlichen Stärke
auf die Entwicklung und Herstellung kom- Deutschlands gilt die Innovationsfähigkeit
plexer Güter, vor allem auf Investitionsgüter der Wirtschaft. Hier zeigt die Intensivierung
und innovative Produktionstechnologien. der FuE-Anstrengungen seit 2007 positive
Innerhalb Deutschlands hat die Industrie im Entwicklungen. Sowohl die Wirtschaft als
Vergleich zu anderen Volkswirtschaften ein auch der öffentliche Sektor trugen dazu bei;
deutlich höheres Gewicht. Insgesamt arbeiten die Hightech-Strategie der Bundesregierung
7,22 Millionen Menschen in der Industrie und setzte hier entscheidende Impulse. Insgesamt
dem verarbeitenden Gewerbe. Nur in Süd- wurden in Deutschland 2013 knapp 80 Milli-
korea ist der Anteil des verarbeitenden Ge- arden Euro für FuE aufgewendet, das ent-
werbes an der Bruttowertschöpfung höher. spricht einem Anteil von 2,84 Prozent am
68 | 69 WIRTSCHAFT & INNOVATION

Bruttoinlandsprodukt (BIP). Unter vergleich- ler Unternehmen sind in diesem Sektor tätig,
baren OECD-Ländern rangiert Deutschland sie realisieren nahezu 70 Prozent des Brutto-
damit auf der fünften Position – noch vor den inlandsprodukts und stellen drei Viertel der
USA und weit vor Frankreich und Großbritan- Arbeitsplätze. Von den rund 30 Millionen Be-
nien. Unter den großen Wettbewerberländern schäftigten sind 12 Millionen bei öffentlichen
weisen nur Südkorea und Japan eine noch hö- und sonstigen privaten Dienstleistern, knapp
here FuE-Intensität auf. Deutschland gilt auch 10 Millionen in Handel, Gastgewerbe und Ver-
als Europameister im Erfinden. 2014 reichten kehr und mehr als 5 Millionen bei Unterneh-
deutsche Unternehmen beim Europäischen mensdienstleistern tätig.
Patentamt in München rund 32.000 Anträge
auf Patentschutz ein. Beim Deutschen Patent- Der Mittelstand ist das Herzstück
und Markenamt (DPMA) wurden in demsel- der Wirtschaft
ben Jahr 65.958 Erfindungen angemeldet – ein
neuer Rekordwert. Am aktivsten waren der Trotz zahlreicher Global Player und großer
Automobilzulieferer Bosch mit 4.000 Anmel- wirtschaftlicher Flaggschiffe sind 3,6 Millio-
dungen und die ebenfalls im Automobilzulie- nen kleine und mittlere Unternehmen sowie
ferbereich tätige Schaeffler-Gruppe (2.518). Selbstständige und Freiberufler charakteris-
Insgesamt waren 2014 exakt 116.702 deutsche tisch für die Struktur der Wirtschaft. 99,6
Patente in Kraft. Dazu kommen 458.042 mit Prozent der Unternehmen gehören dem Mit-
Wirkung für Deutschland erteilte gewerbli- telstand an. Als mittelständisch gelten Fir-
che Schutzrechte, bei denen die Anträge über men mit einem Jahresumsatz von unter 50
das Europäische Patentamt liefen. Millionen Euro und mit weniger als 500 Be-
schäftigten. Im Mittelstand sind auch zahl-
Der Industriestandort Deutschland ist ohne reiche gründungsfreudige Zuwanderer mit
die stetig wachsende Dienstleistungswirt- eigenen Unternehmen angekommen. Mehr
schaft kaum noch denkbar. Gut 80 Prozent al- als 700.000 Menschen mit Migrationshinter-

WEGMARKEN

1955
Der einmillionste VW-Käfer
1969
In Toulouse (Frankreich) wird
1989
Mit der Postreform I beginnt
läuft am 5. August in Wolfsburg als deutsch-französisches die Privatisierung der riesigen
vom Band. Das Auto wird zum Gemeinschaftsprojekt das Airbus- Behörde Deutsche Bundespost.
Sinnbild und zum absoluten Ver- Konsortium gegründet. Heute Die Privatisierung gilt als eine der
kaufsschlager des sogenannten ist Airbus S.A.S. der zweitgrößte größten Reformen der deutschen
Wirtschaftswunders. Flugzeughersteller der Welt. Wirtschaftsgeschichte.
grund besitzen ein Unternehmen. Migrantin- tembruch. Durch das Internet getrieben,
nen und Migranten in Deutschland bilden wachsen reale und virtuelle Welt zu einem
damit einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. „Internet der Dinge“ zusammen. Ziel der Bun-
desregierung ist die Unterstützung von Wirt-
Laut Studien der KfW Bankengruppe ist der schaft und Wissenschaft bei der Entwicklung
Anteil innovativer Unternehmen insgesamt und Umsetzung von Industrie 4.0, um
rückläufig – nur noch 28 Prozent der kleinen Deutschland als einen Leitanbieter für diese
und mittleren Firmen investieren in innovati- Technologien und zukünftigen Produktions-
ve Produkte und Prozesse, was unter anderem standort zu positionieren.
mit anhaltend gedämpften Konjunkturaus-
sichten begründet wird. In zahlreichen Ni-
schen-Marktsegmenten sind deutsche Mittel-
INFO
ständler häufig „Hidden Champions“, Europa-
Unternehmenssteuer Seit Mitte der
oder Weltmarktführer mit hochinnovativen
1990er-Jahre besteht international ein
Produkten. Fest etabliert im Wirtschaftsgefü- Trend zu sinkenden Unternehmens-
ge hat sich unterdessen die Kreativwirtschaft. steuersätzen. Auch Deutschland ist
Sie spielt, häufig in kleinen, unterkapitalisier- schon lange kein Hochsteuerland
ten Unternehmen, eine Vorreiterrolle auf dem mehr. Im internationalen Vergleich ist
die Belastung durch Steuern und Ab-
Weg in eine digitale und wissensbasierte Öko-
gaben sogar eher unterdurchschnittlich.
nomie und gilt als signifikante Quelle für
Die durchschnittliche steuerliche
Innovationsideen. Ein internationaler Hot- Gesamtbelastung für Unternehmen be-
spot der „Creative Industries“ und Start-ups ist trägt weniger als 30 Prozent. In einigen
Berlin mit mehr als 28.000 Unternehmen. Regionen Deutschlands liegt sie, be-
dingt durch den lokal variablen Gewer-
besteuersatz, unter 23 Prozent.
Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur
→ gtai.de
vierten industriellen Revolution, einem Sys-

1990
Die Treuhandanstalt hat die
2002
Von 1948 bis 1998 ist die D-Mark
2014
Zum ersten Mal klettert der
Aufgabe, binnen weniger Jahre als Buchgeld, bis 2001 als Bargeld Deutsche Aktienindex DAX über
die ehemals sozialistische DDR- die offizielle Währung. Am die 10.000-Punkte-Marke. Er
Planwirtschaft mit vielen tausend 1. Januar 2002 wird sie abgelöst. spiegelt die Entwicklung der 30
volkseigenen Betrieben in eine In Deutschland und elf anderen größten und umsatzstärksten
Marktwirtschaft umzuwandeln. EU-Länder kommt der Euro. deutschen Unternehmen wider.
70 | 71 WIRTSCHAFT & INNOVATION

THEMA

NACHHALTIGE ÖKONOMIE
Deutschland gehört zu den nachhaltigsten Wirtschaftens. „Corporate Social Responsibili-
Industriestaaten der Welt. Dies ist das Ergeb- ty“ (CSR) betrifft vor allem das Kerngeschäft der
nis einer internationalen Vergleichsuntersu- Unternehmen, das durch die Globalisierung
chung der 34 OECD-Mitgliedsländer durch ökonomische, soziale und Umweltzustände be-
die Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2015. einflusst. Der 1999 gegründeten Global Com-
Vor dem Hintergrund der 17 Nachhaltigkeits- pact Initiative der Vereinten Nationen sind in-
ziele der Vereinten Nationen wurden die Län- zwischen die meisten DAX-Konzerne wie BASF,
der erstmals systematisch anhand von 34 In- Daimler oder die Deutsche Bank beigetreten –
dikatoren von Umweltschutz über Wachstum zudem kleine und mittelständische Unterneh-
bis hin zur Qualität der Sozialsysteme unter- men, Institute und Nichtregierungsorganisa-
sucht. Deutschland kommt auf Platz sechs, tionen. Der Global Compact der Vereinten Na-
punktet vor allem bei Wachstum, Beschäfti- tionen, die OECD-Leitsätze für multinationale
gung und sozialer Absicherung. Unternehmen und die dreigliedrige Grundsatz-
erklärung der Internationalen Arbeitsorgani-
Eine wachsende Zahl von Unternehmen in sation (ILO) über multinationale Unternehmen
Deutschland bekennt sich zu ihrer gesellschaft- und Sozialpolitik bilden die Grundsätze für die
lichen Verantwortung, als Teil des nachhaltigen gesellschaftliche Verantwortungsübernahme
von Unternehmen. Weltweit sind über 8.000
Firmen und 4.000 Organisationen Mitglied des
freiwilligen Global Compact.
LISTE

Auf europäischer Ebene unterstützt Deutsch-


∙ Größtes Unternehmen
Volkswagen, 592.586 Beschäftigte
land vor allem die weitreichende CSR-Initiati-
ve der EU. Die Strategie wird regelmäßig wei-
∙ Größte Bank terentwickelt und sieht die Einführung einer
Deutsche Bank, 98.138 Beschäftigte verpflichtenden CSR-Berichterstattung ab
2016 für bestimmte Unternehmen vor. Im
∙ Wichtigster Börsenindex
Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft
Deutscher Aktienindex (DAX)
2015 hat die Bundesregierung CSR-Themen
∙ Größtes Messegelände wie Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards
Hannover auf die Agenda gebracht.

∙ Größter Flugzeugbauer
Dass gesellschaftliche und ökologische Ver-
Airbus-Hamburg
antwortung zusammengehören, wird auch
Würdiges Arbeiten: Immer mehr deutsche Unternehmen legen Wert auf faire Standards in globalen Lieferketten

im „Bündnis für nachhaltige Textilien“ deut- dem Weg zu fairen Standards in den globalen
lich, das in beiderlei Hinsicht Verbesserungen Lieferketten dokumentieren.
für die Beschäftigten in der Textil- und Be-
kleidungsindustrie erreichen will. Mehr als Zur Ausgestaltung einer CSR-Strategie hat
100 deutsche Textilhersteller, darunter die die Bundesregierung 2009 ein nationales CSR-
großen Akteure, haben sich der 2014 gegrün- Forum einberufen; 2010 wurde die „Nationale
deten Initiative des Bundesministeriums für Strategie zur Verantwortung von Unterneh-
wirtschaftliche Entwicklung und Zusam- men – Aktionsplan Corporate Social Respon-
menarbeit (BMZ) angeschlossen. Mit dem sibility“ beschlossen. Ein Schwerpunkt liegt
Bündnis möchte Deutschland seine Vorreiter- auf der erfolgreichen Implementierung von
rolle für die internationalen Bemühungen auf CSR in mittelständischen Firmen.
72 | 73 WIRTSCHAFT & INNOVATION

THEMA

DIGITALE AGENDA
Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vier- internationale Wettbewerb um die Technolo-
ten industriellen Revolution. Durch das In- gieführerschaft in der Produktion weiter ver-
ternet getrieben, wachsen in einem digitalen schärft. Die Bundesregierung fördert und ge-
Transformationsprozess reale und virtuelle staltet den digitalen Wandel aktiv und hat da-
Welt zu einem Internet der Dinge zusammen. zu eine „Digitale Agenda“ mit sieben Hand-
Die Digitalisierung stellt für Industrie und lungsfeldern auf den Weg gebracht. Sie um-
Dienstleistungswirtschaft eine historische fasst alle gesellschaftlichen Bereiche vom
Zäsur dar. Unter dem Oberbegriff Industrie Staat über Wirtschaft, Kultur, Bildung und
4.0 werden Lösungen, Prozesse und Techno- Wissenschaft. Der digitale Wandel wird dabei
logien zusammengefasst, die einen hohen nicht als rein technologischer, sondern als ein
Einsatz von IT und einen intensiven Vernet- gesellschaftlicher Prozess verstanden, der
zungsgrad der Systeme in den Fabriken be- Fragen von Freiheit und Demokratie berührt,
schreiben. Viele deutsche Unternehmen sind bis hin zum Schutz des Einzelnen.
auf dem Weg zur Industrie 4.0, mit der spezi-
ell die Digitalisierung der Fertigungstechnik Mit der „Digitalen Agenda“ soll Deutschland
und der Logistik vorangetrieben wird. Insge- mittelfristig zum Leitanbieter für die In-
samt erwartet die Wirtschaft, dass sich der dustrie 4.0 und zum digitalen Wachstumsland
Nummer eins in Europa werden. Studien
schätzen in Positivszenarien ein zusätzliches
ZAHL Wachstumspotenzial durch Industrie 4.0 zwi-
schen 200 und 425 Milliarden Euro bis 2025.

600 Dem Informations- und Telekommunika-


tionssektor (IKT) als Querschnittstechnologie
Internetdienstanbieter und andere kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Schon
Organisationen aus 60 Ländern sind heute gehen 23 Prozent des Produktivitäts-
am DE-CIX angebunden. Der Inter- wachstums auf Investitionen in der IKT-
net-Knoten in Frankfurt am Main ist, Branche zurück. 900.000 Beschäftigte erwirt-
gemessen am Datendurchsatz, der
schaften einen Umsatz von 228 Milliarden
größte der Welt. 2015 erreichte der Da-
tendurchsatz erstmals die Marke von Euro. Damit ist Deutschland nach den USA,
4 Terabit pro Sekunde. Nach Marseille Japan und China der viertgrößte Ländermarkt
(Frankreich), Palermo (Italien), Dallas und der größte IKT-Markt in Europa.
(USA) richtet der DE-CIX-Betreiber ei-
nen Knoten in Istanbul (Türkei) ein.
Der Ausbau der digitalen Infrastruktur,
→ de-cix.net
insbesondere von Breitband-Internetzugän-
Immer online: Der Ausbau der digitalen Infrastruktur gehört zu den wichtigsten Projekten der Bundesregierung

gen, gilt als eine der wichtigsten Aufgaben bei schen alten und neuen Ländern sowie zwi-
der Digitalisierung. Ziel ist es, bis 2018 eine schen Städten und ländlichen Gebieten. 2015
flächendeckende Breitbandinfrastruktur mit ist für fast zwei Drittel aller Haushalte (64
einer Downloadgeschwindigkeit von min- Prozent) Breitband-Internet mit einer Ge-
destens 50 Mbit/s zu schaffen. Bundesregie- schwindigkeit von mindestens 50 Mbit/s ver-
rung und Wirtschaft haben ein umfassendes fügbar, meist per Festnetz. Für vier von fünf
10-Milliarden-Paket für den Breitbandaus- (82 Prozent) Haushalten in Städten sind An-
bau geschnürt. 87 Prozent der Privathaushal- schlüsse mit über 50 Mbit/s verfügbar, für je-
te verfügen schon heute über einen Breit- den fünften Haushalt (20 Prozent) in länd-
bandzugang. Gleichwohl gibt es in der Breit- lichen Gemeinden. Der Mobilfunkstandard
band-Versorgung noch Unterschiede zwi- LTE erreicht 92 Prozent der Haushalte.
74 | 75 WIRTSCHAFT & INNOVATION

PANORAMA

GESCHÄTZTER HANDELSPARTNER
Die wichtigsten Exportgüter nach Warenguppen (2014)

17,9 % 14,5 % 9,5 % 7,9 % 6,0 %


Kraftwagen & Maschinen Chemische Datenverarbei- Elektrische
Kraftwagenteile Erzeugnisse tungsgeräte Ausrüstungen

Deutschlands Waren-Exporte Eurozone


nach Regionen (2014) 36,6 %

Die Länder Europas sind Deutschlands


wichtigste Absatzmärkte. 68 Prozent
der deutschen Exporte gehen dorthin.
Außerhalb Europas sind die USA mit 8,5 EU ohne
Prozent und China mit 6,6 Prozent führend. Eurozone
21,4 %

Restliches
Europa
ohne EU
10,0 %

Australien
Ozeanien Afrika
0,8 % 2,0 %

1.119 Mrd. Euro 889 Mrd. Euro 50 % 25 %


Wert der Wert der Exportquote Exportabhängige
exportierten Waren importierten Waren Arbeitsplätze
Die 25 größten Exportmärkte in Prozent (2014)

Vereinigtes Königreich:
7,4
USA:
8,5 Russische Föderation:
Schweden:
4,2 2,6

Dänemark: Republik Korea:


Polen: 4,2 1,4
Mexiko: 1,5
0,8 Belgien:
3,7 Tschechische Volksrepublik China:
Brasilien: Republik: 3,0
0,9 6,6
Niederlande: Slowakei: 1,0
Japan:
6,5 Deutschland 1,5
Ungarn: 1,8 Türkei: 1,7

Rumänien: 0,9 Indien: 0,8


Frankreich:
9,0 Vereinigte Arabische Emirate:
Österreich: 1,0
5,0
Schweiz:
Spanien: 4,1
3,1 Italien:
4,8

Asien
ohne China
USA 10,3 %
8,5 % China
Amerika
6,6 %
ohne USA
3,5 %

5,6 Mio. 9,3 Mio. 150 254


National produzierte Weltweit produzierte Leitmessen in Auslandsmesse-
Pkw deutscher Hersteller Pkw deutscher Hersteller Deutschland beteiligungen
(in Deutschland) (im Ausland)
76 | 77 WIRTSCHAFT & INNOVATION

THEMA

ATTRAKTIVER ARBEITSMARKT
Der deutsche Arbeitsmarkt hat trotz der Fi- sich der Wandel zur Dienstleistungsgesell-
nanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 eine schaft in den kommenden Jahren verstärkt
günstige Entwicklung genommen. Im Juli fortsetzen. Auch der Anstieg der Teilzeitarbeit
2015 waren in Deutschland 42,8 Millionen ist typisch für die Entwicklungen auf dem
Menschen sozialversicherungspflichtig be- Arbeitsmarkt.
schäftigt. Die hohe Beschäftigungsquote von
über 73,5 Prozent ist trotz der geringen welt- Die geringe Jugendarbeitslosigkeit hat inter-
wirtschaftlichen Impulse Ausdruck der gu- national den Blick auf die erfolgreiche duale
ten ökonomischen Lage. Deutschland gehört Berufsausbildung gelenkt, die sich von der
zu den EU-Ländern mit der niedrigsten Ar- rein schulischen Ausbildung unterscheidet,
beitslosigkeit. 2014 lag die Arbeitslosenquote die in den meisten Ländern den Einstieg in das
im Durchschnitt bei 6,7 Prozent und damit Berufsleben darstellt. Etwa die Hälfte der Ju-
auf dem tiefsten Wert seit 1991. Insbesondere gendlichen in Deutschland erlernen nach der
das Wachstum der Branchen im Dienstleis- Schule einen der 350 staatlich anerkannten
tungssektor strahlt positiv auf den Arbeits- Ausbildungsberufe im dualen System. Der
markt. Nach einer Studie des Instituts für Ar- praktische Teil wird an drei bis vier Wochen-
beitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird tagen im Betrieb gelernt; an ein bis zwei Tagen
erfolgt die fachtheoretische Ausbildung in der
Berufsschule. Viele Länder adaptieren zurzeit
das System der dualen Berufsausbildung.
INFO

Karriere-Kompass Deutschland –
Zur Schaffung eines modernen, gerechten
die 2015 erstellte App informiert auf
Deutsch und Englisch umfassend über
und transparenten Arbeitsmarktes hat die
Ausbildungs-, Studien- und Arbeits- Bundesregierung zudem zahlreiche arbeits-
möglichkeiten in Deutschland. Die marktpolitische Vorhaben realisiert. Seit An-
App wendet sich speziell an junge Men- fang 2015 etwa gilt ein gesetzlicher Mindest-
schen im Ausland und bietet die Mög- lohn von 8,50 Euro, wovon zunächst 3,7 Mil-
lichkeit, sich intensiv mit allen Fragen
lionen Menschen profitieren. Die Frauenquote
vertraut zu machen. Auch Themen wie
Unternehmenskultur in deutschen Fir- wiederum soll zu einer gleichen Teilhabe von
men sowie hilfreiche Handreichungen Männern und Frauen in Führungspositionen
für Bewerbungen umfasst das Angebot. führen. Börsennotierte und voll mitbestim-
Mehr als 200 Links führen direkt zu mungspflichtige Unternehmen müssen daher
weiterführenden Stellen.
für alle Aufsichtsratsposten, die ab 2016 zu be-
→ deutschland.de
setzen sind, eine Frauenquote von 30 Prozent
Duale Berufsausbildung: Das deutsche Modell, das Theorie und Praxis verbindet, wird in vielen Ländern adaptiert

einhalten. Das „Tarifeinheitsgesetz“ garan- Projekt hinsichtlich der Öffnung des Arbeits-
tiert hingegen, dass in einem Betrieb für glei- marktes ist „Make it in Germany“, ein mehr-
che Tätigkeiten nicht verschiedene Tarifver- sprachiges Internetportal für internationale
träge gelten. Und: Wer über 45 versicherungs- Fachkräfte. Es informiert zuwanderungsin-
pflichtige Beitragsjahre nachweist, kann mit teressierte Fachkräfte über ihre Karriere-
dem vollendeten 63. Lebensjahr seit dem 1. Ju- chancen und enthält aktuelle Jobangebote in
li 2014 abschlagsfrei in Rente gehen. Engpassberufen (Gesundheits- und Ingeni-
eurberufe, IT-Bereich). Hochschulabsolven-
Angesichts des demografischen Wandels ist ten und Fachkräfte erhalten mit der „Blauen
die Sicherung der Fachkräftebasis eine der Karte EU“ zudem einen unkomplizierten Zu-
vordringlichsten Aufgaben. Ein zentrales gang zum deutschen Arbeitsmarkt.
78 | 79 U M W E LT & K L I M A

UMWELT & KLIMA


Vorreiter in der Klimapolitik ∙ Impulsgeber für Klimakooperationen ∙
Generationenprojekt Energiewende ∙ Zukunftsbranche Greentech ∙ Erneuerbare Energien ∙
Lebenswichtige Vielfalt

EINBLICK

VORREITER IN DER KLIMAPOLITIK


Das 21. Jahrhundert gilt als „Jahrhundert der destens 80 Prozent angestrebt. Ende 2014 war
Umwelt“. Das bedeutet: In den nächsten Jahr- eine Minderung um 27 Prozent erreicht.
zehnten entscheidet sich, wie stark sich die
natürlichen Lebensbedingungen künftiger Auch im globalen Rahmen setzt sich die Bun-
Generationen auf der Erde verändern. Als desregierung aktiv für Umweltschutz, Zusam-
Hauptgefahr gilt vor allem ein beschleunigter menarbeit in Energiefragen und klimafreund-
Klimawandel. Umwelt- und Klimaschutz ge- liche Entwicklung ein. Deutschland ist trei-
nießen in Deutschland seit Langem einen ho- bende Kraft in der EU, die seit dem VN-Erd-
hen Stellenwert. Deutschland ist internatio- gipfel von Rio de Janeiro 1992 als Vorreiter in
nal ein Vorreiter beim Klimaschutz und Pio- der internationalen Klimapolitik agiert. Das
nier beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Land unterstützt das Ziel, die globale Erwär-
mung auf maximal zwei Grad Celsius zu be-
Mit dem als Energiewende bezeichneten Um- grenzen. Dazu ist eine Verringerung des Koh-
bau des Energiesektors lässt Deutschland das lendioxid-Ausstoßes in den Industrieländern
fossil-nukleare Energiezeitalter hinter sich um 80 bis 95 Prozent nötig. Im Rahmen der
und begibt sich auf den Weg in eine nachhalti- deutschen G7-Präsidentschaft 2015 beschlos-
ge Energiezukunft. Dazu gehört der sukzessi- sen die führenden Industrienationen, die
ve Ausstieg aus der Atomkraft bis zum Jahr Nutzung fossiler Energien beschleunigt zu be-
2022. Bis 2020 will Deutschland zudem seinen enden. Die vollständige „Dekarbonisierung“
Kohlendioxid-Ausstoß um 40 Prozent gegen- soll im Laufe des Jahrhunderts erreicht wer-
über 1990 senken, bis 2050 sind sogar min- den. Das VN-Sekretariat, das die Umsetzung
VIDEO AR-APP

Umwelt & Klima: das Video zum Thema


→ tued.net/de/vid4

Der Weg ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien ist unumkehrbar


80 | 81 U M W E LT & K L I M A

der Klima-Rahmenkonvention überwacht, gien die Steigerung der Energie- und Ressour-
hat seinen Sitz in der Bundesstadt Bonn. ceneffizienz sowie die intelligente Nutzung
nachwachsender Rohstoffe. Es ist eine Strate-
Eine intakte Umwelt – reine Luft, saubere Ge- gie mit doppelter Dividende. Denn einerseits
wässer, vielfältige Natur – ist Voraussetzung sinkt die Umwelt- und Klimabelastung, wäh-
für eine hohe Lebensqualität. Der Umwelt- rend andererseits neue Geschäftsfelder und
schutz ist seit 1994 als Staatsziel im Grundge- Arbeitsplätze entstehen.
setz verankert. Bei Luft- und Gewässerqualität
belegen die Indikatoren seit Jahren eine deut-
liche Verbesserung. Der Ausstoß von Schad- NETZ
stoffen wie Schwefeldioxid und Stickoxiden
UNFCCC
ist stark zurückgegangen – auch dank der Ein- VN-Sekretariat des Rahmenüberein-
führung von Filtern in Kohlekraftwerken und kommens über Klimaänderungen
von Auto-Katalysatoren. Spürbar gesunken ist → unfccc.int
auch der Pro-Kopf-Verbrauch von Trinkwas-
ser – von in der Spitze über 140 auf rund 120 BMUB
Bundesministerium für Umwelt,
Liter pro Tag.
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
→ bmub.bund.de
Deutschland verfolgt die Strategie, Wirt-
schaftswachstum und Umweltschutz im Sin- BUND
ne eines nachhaltigen Wirtschaftens zusam- Bund für Umwelt- und Naturschutz
Deutschland
menzuführen. Zentrale Stellhebel dafür sind
→ bund.net
neben dem Ausbau der Erneuerbaren Ener-

Windkraft und Solarstrom sind in Deutschland die wichtigsten und günstigsten Lieferanten von Erneuerbarer Energie
KOMPAKT

AKTEURE & INSTRUMENTE


Umweltbundesamt
Die dem Bundesumweltministerium unter-
stellte Behörde unterstützt die Bundesregie-
rung mit wissenschaftlicher Expertise. Das
Umweltbundesamt ist zuständig für den
Vollzug von Umweltgesetzen, etwa bei der
Zulassung von Chemikalien, Arznei- und Pflan-
zenschutzmitteln, sowie für die Information
der Öffentlichkeit zum Umweltschutz. Deutsche Gesellschaft für Internationale
→ umweltbundesamt.de Zusammenarbeit
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale
Deutsche Energie-Agentur Zusammenarbeit (GIZ) ist ein weltweit tätiges
Die Deutsche Energie-Agentur (DENA) ist Bundesunternehmen. Sie unterstützt die
ein Kompetenzzentrum für Energieeffizienz, Bundesregierung bei der Verwirklichung ihrer
Erneuerbare Energien und Energiesysteme. Sie entwicklungspolitischen Ziele. Sie berät Ent-
unterstützt die Umsetzung der Energiewende wicklungs- und Schwellenländer in Fragen des
und setzt sich dafür ein, Energie so effizient, Klimaschutzes sowie bei der gerechten und
sicher, preiswert und klimaschonend wie mög- nachhaltigen Nutzung der Ressource Wasser.
lich zu erzeugen und zu nutzen. → giz.de
→ dena.de
Bundesamt für Naturschutz
Agora Energiewende Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist
Der Thinktank Agora Energiewende versteht für den nationalen und internationalen Natur-
sich als Forum für den Dialog mit den ener- schutz zuständig. Das BfN bietet auf seiner
giepolitischen Akteuren. Website gute Karten zu Schutzgebieten.
→ agora-energiewende.org → bfn.de

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung DIGITAL PLUS


Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung Mehr Informationen zu allen Themen
untersucht relevante Fragestellungen in den des Kapitels – kommentierte Linklisten,
Beiträge, Dokumente, Reden; dazu
Bereichen Globaler Wandel, Klimawirkung und
weiterführende Begriffe wie Klima-
nachhaltige Entwicklung. rahmenkonvention, Treibhausgas-Emmission, Erneuerbare-
→ pik-potsdam.de Energien-Gesetz und Klimaschutzziele der EU.
→ tued.net/de/dig4
82 | 83 U M W E LT & K L I M A

THEMA

IMPULSGEBER FÜR KLIMAKOOPERATIONEN


Deutschland hat im internationalen Kontext päische Union (EU) ist innerhalb der In-
maßgeblichen Anteil daran, dass das Thema dustrieländer Vorreiter bei den Kohlendioxid-
Klimaschutz prominent auf der Agenda steht. Zielen; sie hat zugesagt, die Emissionen bis
Die Bundesregierung war bereits bei den Ver- 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber
handlungen zum Kyoto-Protokoll von 1997 1990 zu senken. Zentrales Instrument ist der
ein Impulsgeber. Der Vertrag verpflichtete die EU-Emissionshandel, der den Kohlendioxid-
Industrieländer zu einer Verringerung der Ausstoß von rund 11.000 großen Industrie-
Treibhausgase bis 2012 um durchschnittlich und Kraftwerksunternehmen regelt. Er soll
5,2 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990. reformiert werden, um seine Wirksamkeit zu
Deutschland hat sein Kyoto-Ziel, die Emissio- erhöhen. Deutschland treibt zudem aktiv
nen bis 2012 um 21 Prozent zu senken, sogar Klimakooperationen mit anderen Ländern
übererfüllt. Auch bei den Verhandlungen für voran, etwa zu Themen wie Tropenwald-
einen Kyoto-Nachfolgevertrag, der 2020 in schutz und Energieeffizienz.
Kraft treten soll, spielt Deutschland eine akti-
ve Rolle. Ziel ist ein verbindliches Klima- Eine besondere Zusammenarbeit mit den
abkommen mit klaren Regelungen zur Be- USA und Kanada gibt es in der „Transatlanti-
grenzung der Treibhausgasemissionen. Dabei schen Klimabrücke“. Deutschlands Vorreiter-
sollen sich auch Schwellen- und Entwick- rolle in der Klimaforschung wird von Arbei-
lungsländer zu Klimaschutzmaßnahmen ver- ten an Universitäten und Instituten wie dem
pflichten, zudem soll eine deutliche Erhöhung Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
der Hilfen für Klimaanpassung und Techno- und dem Wuppertal Institut für Klima, Um-
logietransfer zugesichert werden. Die Euro- welt, Energie gestützt.

WEGMARKEN

1976
Das deutsche Forschungsminis-
1987
Im Kaiser-Wilhelm-Koog an
1991
Das Stromeinspeisungsgesetz
terium beschließt den Bau einer der schleswig-holsteinischen regelt die Verpflichtung der
100 Meter hohen Großwindanla- Westküste geht der erste deut- Stromunternehmen, elektrische
ge (Growian) in Norddeutschland. sche Windpark in Betrieb. 32 Energie aus regenerativen Um-
Doch das erste Experiment mit Windkraftanlagen verwandeln wandlungsprozessen abnehmen
der Windenergie scheitert. 1988 fortan Nordseewind in elektri- und zu festgelegten Tarifen ver-
wird Growian abgerissen. schen Strom. güten zu müssen.
Das Klimasekretariat der Vereinten Nationen in Bonn überwacht das Klima-Rahmenabkommen

2000
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
2011
Nach dem Reaktorunfall von
2014
Mit der Reform des Erneuerba-
(EEG) tritt in Kraft. Darin wird, Fukushima verabschiedet das re-Energien-Gesetzes rücken die
unter anderem, der Vorrang für Kabinett energiepolitische Eck- Kosteneffizienz und die Planbar-
Strom aus Erneuerbaren Energien punkte, um bis zum Jahre 2022 keit beim Ausbau Erneuerbarer
bei Einspeisung und Netzan- schrittweise aus der Kernenergie Energien in den Mittelpunkt; bis
schluss gesetzlich verankert. Das auszusteigen und eine umwelt- 2025 soll der Ökostromanteil auf
EEG wird zum Meilenstein. freundliche Versorgung zu sichern. 40 bis 45 Prozent steigen.
84 | 85 U M W E LT & K L I M A

THEMA

GENERATIONENPROJEKT ENERGIEWENDE
Die Energiewende ist die wichtigste wirt- Bundesregierung setzt damit den nachhalti-
schafts- und umweltpolitische Aufgabe in gen Umbau des Energiesystems fort, der
Deutschland. Als Energiewende wird der Um- bereits im Jahr 2000 mit dem ersten Beschluss
bau der deutschen Energieversorgung weg zum Atomausstieg und der Förderung des
von Öl, Kohle, Gas und Atomkraft hin zu Er- Erneuerbare-Energien-Gesetzes einsetzte.
neuerbaren Energien bezeichnet. Bis spätes- Die Förderung der Erneuerbaren Energien
tens 2050 sollen mindestens 80 Prozent der begann in Deutschland schon in den 1990er-
Stromversorgung und 60 Prozent der gesam- Jahren; im Jahr 2000 wurde sie dann mit dem
ten Energieversorgung in Deutschland aus Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fest ver-
Erneuerbaren Energien stammen. Als nächs- ankert.
ter Schritt werden bis zum Jahre 2022 sukzes-
sive alle Atomkraftwerke abgeschaltet, zu- Langfristig geplanter Ausstieg
dem soll bis zum Jahr 2025 die Stromversor- aus der Atomenergie
gung zu 40 bis 45 Prozent aus Erneuerbaren
Energien stammen. Seit Mitte 2015 sind nur Ebenfalls im Jahr 2000 vereinbarte die dama-
noch acht Atomkraftwerke am Netz, die rund lige Bundesregierung mit den deutschen
15 Prozent zum Strommix beitragen. Die Energieunternehmen den Atomausstieg bis
zum Jahr 2022. Die Beschlüsse zur Energie-
wende der Bundesregierung im Jahr 2011 ste-
hen somit in einer Tradition des Umbaus der
LISTE
Energieversorgung hin zu nachhaltigen
Energiequellen. Den 2011 nach der Atomka-
∙ Größter Onshore- Windpark:
Reußenköge in Schleswig-Holstein
tastrophe im japanischen Fukushima von den
im Deutschen Bundestag vertretenen Partei-
∙ Größter Offshore-Windpark: en beschlossene und von einer großen Bevöl-
alpha ventus in der Nordsee kerungsmehrheit nachdrücklich befürwor-
tete beschleunigte Umbau des Energiesys-
∙ Leistungsstärkster Windgenerator:
tems sieht sie als „notwendigen Schritt auf
E126/7570 kW von Enercon
dem Weg in eine Industriegesellschaft, die
∙ Größter Solarpark: dem Gedanken der Nachhaltigkeit und der
Meuro/Schipkau Bewahrung der Schöpfung verpflichtet ist“.

∙ Größte Strombörse: European Energy


Jedoch nicht nur Umwelt und Klima sollen
Exchange (EEX) in Leipzig
von der Energiewende profitieren, sondern
Offshore-Windparks in der Nordsee sind tragende Säulen der Energiewende

auch die deutsche Volkswirtschaft – vor al- mehr Arbeitsplätze. Eine weitere zentrale
lem die Abhängigkeit von den internationa- Aufgabe besteht darin, die „zweite Säule“ der
len Erdöl- und Erdgas-Importen soll verrin- Energiewende zu stärken – die sparsamere,
gert werden. Deutschland gibt bislang jähr- effizientere Nutzung der Energie. In der In-
lich rund 80 Milliarden Euro für die Einfuhr dustrie und in großen Gewerbebetrieben sind
von Kohle, Öl und Gas aus. Diese Summe soll bereits signifikante Einsparungen erreicht
in den kommenden Jahren durch heimische worden, die Standards sind hoch. Nachholbe-
Wertschöpfung im Bereich der Erneuerbaren darf gibt es weiterhin bei kleineren Unter-
Energien schrittweise ersetzt werden; zudem nehmen und auch in öffentlichen Liegen-
ergeben sich durch diese Maßnahmen zusätz- schaften. Vor allem der energetischen
liche Exportchancen und die Aussicht auf Sanierung von Altbauten kommt bei der
86 | 87 U M W E LT & K L I M A

Steigerung der Energieeffizienz eine beson- 38,7 Prozent aller neuen Wohngebäude wer-
dere Bedeutung zu. Sie wird von der Bundes- den bereits mit Erneuerbaren Energien be-
regierung gefördert. Im Gebäudebereich ent- heizt. Anfang 2015 waren 1,5 Millionen Pho-
stehen rund 40 Prozent des Kohlendioxid- tovoltaik-Anlagen mit einer Nennleistung
Ausstoßes. Auch den Stromverbrauch, ob- von circa 38,5 Gigawatt installiert. Mit dieser
gleich seit 2007 leicht rückläufig, gilt es wei- installierten Leistung liegt Deutschland auf
terhin zu senken: Bis zum ursprünglich im Platz drei hinter China und den USA.
Energiekonzept formulierten Ziel, einer Re-
duktion um 10 Prozent bis 2020, sind weitere Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
Anstrengungen notwendig. als internationales Vorbild

Die Energiewende zielt nicht nur auf Risiko- Das erfolgreiche und in vielen Ländern als
minimierung, sondern auch auf Klimaver- Vorbild gesehene Fördergesetz, das Erneuer-
träglichkeit und höhere Versorgungssicher- bare-Energien-Gesetz (EEG), wurde 2014 no-
heit. Durch den dynamischen Ausbau der Er- velliert. Ziel war es dabei, die Bezahlbarkeit
neuerbaren Energien konnte der Anteil der und Versorgungssicherheit für die Bürger und
kohlendioxidfreien Energie im Strommix die Wirtschaft sicherzustellen. Hintergrund:
deutlich gesteigert werden. Ökostrom hat an Die sogenannte EEG-Umlage – sie legt die er-
der Bruttostromerzeugung 2014 einen Anteil höhten Kosten des Ökostromausbaus anteilig
von 26 Prozent, zum gesamten Stromver- auf die Verbraucher um – war durch den star-
brauch hat er im ersten Halbjahr 2015 mit ken Ausbau der Solarstromanlagen und eine
32,5 Prozent beigetragen. An sonnigen Werk- veränderte Berechnungsweise nach 2009
tagen kann die Photovoltaik zeitweise bis zu deutlich gestiegen. Dies löste eine öffentliche
25 Prozent, an Sonn- und Feiertagen sogar Diskussion über die Kosten des Ökostroms
bis zu 50 Prozent des Strombedarfs decken. und der Energiewende aus. 2015 sank diese

DIAGRAMM Bruttostromerzeugung 2014

Stromerzeugung 26 % 9 % Windkraft
Die Stromerzeugung Braunkohle
aus Erneuerbaren 4%
Energien ist im Jahr Sonstige
2014 erneut gestiegen
10 % 26 % 7 % Biomasse
Erneuerbare
und betrug 26 Prozent Erdgas Energien
der Bruttostromerzeu-
Statistisches Bundesamt

gung in Deutschland.
16 % 6 % Photovoltaik
Kernenergie

18 %
3 % Wasserkraft
Steinkohle 1 % Hausmüll
Umlage erstmals wieder. Die Bundesregie- die neuen Trassen in der Nähe von Wohnge-
rung arbeitet zudem an einem neuen Strom- bieten verlaufen sollen. Die Netzbetreiber
marktdesign, das die Stabilität der Versorgung versuchen Bedenken frühzeitig zu berück-
trotz stark steigender Mengen fluktuierenden sichtigen. Um Konflikte zu entschärfen, ist
Wind- und Solarstroms sicherstellt. Hier auch daran gedacht, die Stromkabel in Erdka-
kommt es unter anderem darauf an, die Ver- bel zu verlegen.
fügbarkeit von flexibel einsetzbaren Gaskraft-
werken zu sichern, die deutlich weniger Koh-
lendioxid ausstoßen als Kohlekraftwerke.
GLOBAL

Die Energiewende erfordert nicht nur den Klimastudie 800 Wissenschaftler aus
80 Ländern arbeiten für den IPCC
Aufbau neuer, „grüner“ Kraftwerke. Für eine
(Intergovernmental Panel on Climate
sichere Versorgung müssen sich Stromnetze Change), den Klimarat der Vereinten
der veränderten Struktur der Stromerzeu- Nationen. Im Frühjahr 2015 hat die
gung anpassen. Dafür sind zum Beispiel meh- Sachverständigengruppe den Synthese-
rere tausend Kilometer zusätzliche Hoch- bericht des Fünften IPCC-Sachstands-
spannungsleitungen geplant. Strom aus berichts herausgegeben. Treibhausgas-
emissionen, heißt es in dem Bericht,
Windkraft, der hauptsächlich in Nord-
seien die Hauptursache des Klimawan-
deutschland gewonnen wird, kann so in die dels. Um die Erderwärmung auf zwei
wirtschaftsstarken Verbrauchszentren im Sü- Grad zu begrenzen, seien
den gelangen. Auch die regionalen Netze drastische Schritte nötig.
müssen weiter ausgebaut werden, um den → ipcc.ch

dezentral eingespeisten Solarstrom aufzu-


nehmen. Nicht selten trifft der Netzausbau
auf Widerstand bei Bürgern in Regionen, wo

Kohlendioxid-Emissionen 2013/Anteile weltweit Anteil des Stroms in Deutschland aus regenerativen


Energiequellen (tw. Prognose)
Frankreich 1,0 %
80 %
Deutschland 2,4 %
Japan 3,9 %
Fraunhofer ISE/BDEW, BMWI

Russische Föderation 5,1 % 35 %


Statistisches Bundesamt

28 %
Vereinigte Staaten 15,0 % 14 %
China 29,1 % 2007 2014 2020 2050
88 | 89 U M W E LT & K L I M A

THEMA

ZUKUNFTSBRANCHE GREENTECH
Die führende Rolle Deutschlands bei den Damit ist Deutschland unter den zehn füh-
Technologien für Umweltschutz, Erneuerbare renden Ländern, was die Beschäftigungssi-
Energien und effiziente Ressourcennutzung tuation in den Branchen der Erneuerbaren
wirkt sich positiv auf die Wirtschaft und den Energien betrifft. Die Branche insgesamt ist
Arbeitsmarkt aus. Die Umweltbranche liefert mittelständisch geprägt, doch auch Konzerne
einen relevanten Beitrag für nachhaltiges wie Siemens sind wichtige Player. Unter dem
Wachstum und trägt zur Entwicklung neuer Label „Greentech made in Germany“ erzielen
Technologien bei – im Energiebereich ebenso die Firmen beachtliche Exporterfolge; ihr
wie in den Informations- und Kommunikati- Weltmarktanteil beträgt rund 15 Prozent. Mit
onstechnologien sowie der Werkstoff- und einer „Exportinitiative Umwelttechnologie“
Materialtechnologie. möchte Deutschland seine Stellung weiter
verbessern und sich vor allem als integrierter
Rund zwei Millionen Menschen sind in der Lösungsanbieter positionieren.
Umwelttechnologie beschäftigt; fast jeder
fünfte Arbeitsplatz trägt das Prädikat „grün“. Elektromobilität ist ein wichtiges
Zukunftsthema der Umweltbranche

Einen weiteren Schub soll der Umwelt- und


ZAHL
Klimaschutz durch die Elektromobilität be-

1,79 Mio. kommen. Die Elektromobilität der Zukunft


steht auch in China, Japan und Nordamerika
auf der Agenda. Die Bundesregierung und die
Kilometer ist das deutsche Stromnetz
lang. Mit dieser Länge könnte der
Automobilbranche verfolgen das ambitio-
Äquator 45-mal umrundet werden. Der nierte Ziel, Deutschland zum Leitmarkt für
Großteil des Stromnetzes fällt mit Elektromobilität zu entwickeln und an den
einer Länge von 1,44 Millionen Kilo- Potenzialen dieses globalen Marktes teilzu-
metern (80 Prozent) auf die Erdver- haben. Rund eine Million Elektroautos sollen
kabelung. Rund 350.000 Kilometer
bis zum Jahr 2020 auf deutschen Straßen un-
werden durch Freileitungen abgedeckt.
Die überregionalen Höchstspannungs- terwegs sein und zu einer weiteren Senkung
netze sind 34.810 Kilometer lang. des Kohlendioxid-Ausstoßes beitragen, der zu
Rund 2.650 Kilometer an neuen Strom- einem Sechstel auf das Konto des Straßenver-
trassen sind im Rahmen der Energie- kehrs geht. Die deutschen Autohersteller be-
wende in Planung.
schäftigen sich intensiv mit E-Mobility-Kon-
→ bundesnetzagentur.de
zepten und haben rund 29 Elektro-Modelle
Elektromobilität gehört zu den großen Zukunftsthemen der deutschen Automobilindustrie

im Angebot (Ende 2015), darunter Fahrzeuge Vorzeigeprojekt und soll neue und evoluti-
wie den BMW i3. onär weiterentwickelte Materialien zur Er-
forschung und Entwicklung der leistungsfä-
Freie Fahrt auf Busspuren, reservierte Park- higsten Batteriesysteme hervorbringen.
plätze und Sonderkennzeichen hat die Bun-
desregierung den Besitzern versprochen, um Zwischenzeitlich sind an den deutschen und
den Elektroautos zum Durchbruch zu verhel- europäischen Universitäten und Hochschu-
fen. Zugleich hat sie die Ausgaben für die len rund 1.000 innovative Studiengänge im
Energieforschung deutlich erhöht, vor allem Bereich Erneuerbare Energien und Energieef-
die Batterieforschung für Elektroautos steht fizienz entstanden, die vielfach international
im Fokus. Das Projekt „Batterie 2020“ gilt als Studierende anziehen.
90 | 91 U M W E LT & K L I M A

PANORAMA

ERNEUERBARE ENERGIEN
Innenansicht eines modernen
6
deutschen Windrades
Typ Enercon E-126 mit
4.200 kW Nennleistung

Maschinenträger 4
Azimutantrieb 3
Ringgenerator
Blattadapter
5 1
Rotornabe
Rotorblatt
2

Windenergieanlage Trafostation Umspannwerk


Der Wind treibt die Der Transformator Das Umspannwerk wan-
Rotorblätter an. Der Ge- übergibt den Strom in delt die Mittelspannung in
nerator wandelt die passender Form an Hochspannung für die
mechanische Energie in den Netzbetreiber. Übertragung über weite
elektrische Energie um. Strecken um.

110.000 V

10.000 V -
690 V 30.000 V

50 % 30 % 371.000 18.000
mehr Strom aus weniger Strom aus Kernkraft Beschäftigte im Bereich neue Arbeitsplätze pro Jahr
Erneuerbaren Energien (2010 – 2014) Erneuerbare Energien durch die Energiewende
(2010 – 2014) (bis 2020)
Nutzung der Wind- und Sonnenenergie nach Ländern
in Leistung (MW) Schleswig-
Sonnenenergie 1.408 Holstein
3.753 Mecklenburg-
Windenergie
Vorpommern
1.099 2.278
Hamburg
35 143 36 56
32,5 % Bremen 2
Im ersten Halbjahr 2015 69

kamen 32,5 Prozent des Niedersachsen


Sachsen- Berlin
verbrauchten Stroms aus 3.258 7.617
Anhalt
Erneuerbaren Energien. 1.561 Brandenburg
4.102
Nordrhein- 2.712 5.099
Westfalen
25.000 3.921 3.430
1.027
1.088 Sachsen
Ende 2014 waren in Hessen 1.414 1.059
Deutschland 25.000 1.662
907 Thüringen
Windenergieanlagen 1.696 2.313
installiert.

Rheinland- 1.035
Pfalz 10.437
1,5 Millionen 366
202 571
Ende 2014 waren in Saarland
4.645
Deutschland 1,5 Millio-
nen Photovoltaik-Anla- Bayern
gen installiert. Baden-
Württemberg

Stromnetz Umspannwerk Haushalte


Über das Hochspan- In einem zweiten Eine 5-MW-Windkraftan-
nungsnetz wird der Umspannwerk wird die lage kann pro Jahr etwa
Strom in die einzelnen hohe Spannung auf 4.900 Haushalte mit circa
Regionen verteilt. 230 Volt transformiert. 14.600 Personen versorgen.

bis 380.000 V

230 V

12,3 Mrd. Euro 3,1 Mrd. Euro 1,79 35.000


für neue Windenergie- für neue Solarenergie- Millionen Kilometer Kilometer
Anlagen (2014) Anlagen (2014) Stromnetz „Stromautobahnen“
92 | 93 U M W E LT & K L I M A

THEMA

LEBENSWICHTIGE VIELFALT
Deutschland ist ein Land mit großer biologi- Naturschutz zum Ziel haben. Mit der Ratifi-
scher Vielfalt. Rund 48.000 Tierarten und kation der Biodiversitätskonvention der Ver-
24.000 Arten der höheren Pflanzen, Moose, einten Nationen haben sich die Regierungen
Pilze, Flechten und Algen sind hier heimisch. von 196 Ländern verpflichtet, die Verlust-
Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen raten an biologischer Vielfalt signifikant zu
ist ein offizielles Staatsziel, es wurde 1994 im verringern. Bisher konnte eine Trendwende
Grundgesetz verankert. 16 Nationalparks und beim Artensterben jedoch noch nicht erreicht
15 UNESCO-Biosphärenreservate mit ganz werden. 2010 wurde auf der Vertragsstaaten-
unterschiedlichem Charakter sind ausgewie- konferenz der Konvention in Nagoya (Japan)
sen worden, verteilt zwischen Nordsee und ein völkerrechtlicher Rahmen für den Zu-
Alpen, zudem Tausende Naturschutzgebiete. gang zu genetischen Ressourcen und einen
gerechten Vorteilsausgleich verabschiedet.
Deutschland ist Vertragsstaat der wichtigs- Das Nagoya-Protokoll ist seit 2014 in Kraft.
ten internationalen Abkommen zur Biodi-
versität und an rund 30 zwischenstaatlichen In Deutschland gelten mehr als 40 Prozent
Abkommen und Programmen beteiligt, die der Wirbeltiere und Pflanzenarten als gefähr-
det. Aus diesem Grund sollen die Anstren-
gungen zum Natur- und Artenschutz an
Land, in Gewässern sowie in Nord- und Ost-
INFO
see erhöht werden. Ein vordringliches Ziel ist
Wildtiere In Deutschland werden es, die Zerstörung von Lebensräumen durch
seit einigen Jahren wieder vermehrt
Siedlungs- und Straßenbau und Schadstoff-
Wildtiere heimisch. Wölfe durchstreifen
inzwischen in mehr als 30 Rudeln (mit einträge unter anderem aus der Intensivland-
einem geschätzten Gesamtbestand von wirtschaft und Überdüngung zu vermin-
300 Tieren) die östlichen und nördli- dern. Der Flächenverbrauch für Siedlungsbau
chen Bundesländer. Auch Wildkatzen und neue Verkehrswege soll von 70 auf 30
und Luchse werden immer häufiger ge-
Hektar am Tag sinken. Angestrebt wird zu-
sichtet. Die Zahl der Seeadler-Brutpaare
dem, auf 2 Prozent des Bundesgebietes „Wild-
hat nie gekannte Höhen erreicht; Biber
sind fast schon wieder ein vertrauter nis“ zuzulassen und 5 Prozent der Wälder der
Anblick. Vereinzelt wurden sogar Elche Natur zu überlassen. Im Jahr 2015 wurden
und Braunbären gesichtet, die aus den zahlreiche frühere Militärgelände mit einer
östlichen Nachbarländern nach Gesamtfläche von 31.000 Hektar für den Na-
Deutschland kommen.
turschutz umgewidmet, darunter Moore und
→ wwf.de
Heidelandschaften.
KARTE
UNESCO-Biosphärenreservate und Nationalparks in Deutschland

Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer Vorpommersche Boddenlandschaft


Jasmund
Hamburgisches Wattenmeer Südost-Rügen
Niedersächsisches Wattenmeer
Schaalsee
Müritz

Unteres Odertal

Flusslandschaft Elbe Schorfheide-Chorin

Spreewald
Harz
Oberlausitzer Heide-
Karstlandschaft und Teichlandschaft
Südharz
Kellerwald-Edersee Hainich
Sächsische Schweiz
Eifel Rhön Vessertal-
Thüringer Wald
Hunsrück-Hochwald

Bliesgau
Pfälzerwald-Nordvogesen Bayerischer Wald

Schwarzwald Schwäbische Alb

Nationalpark Berchtesgadener Land


Berchtesgaden
Biosphärenreservat

Neben Biosphärenreservaten und Nationalparks zählt Deutschland noch 104 Naturparks

Verstärkt in den Blickpunkt der Aufmerk- 1980er-Jahren mehr als verdoppelt hat. Auf
samkeit gerät der Meeresumweltschutz. Mee- dem G7-Gipfel in Elmau diskutierten die
re sind reich an biologischer Vielfalt, liefern Staats- und Regierungschefs 2015 über Wege,
Rohstoffe, Energie und Nahrungsmittel. Das das maritime Ökosystem besser zu bewahren.
Ökosystem ist durch Ölförderung, Schiff- Stärker geschützt werden künftig auch wild
fahrt, Überfischung, die Zufuhr schlecht ab- gefangene lebende Wildtiere aus Asien, Afri-
baubarer Substanzen (Plastikmüll) und durch ka und Lateinamerika, die auf dem deutschen
Kohlendioxid verursachte Versauerung viel- Markt angeboten werden. Der Import von
fach belastet. Daten der Welternährungsor- Wildfängen in die EU sowie gewerbliche
ganisation (FAO) zeigen, dass sich die globale Wildtierbörsen in Deutschland sollen verbo-
Fisch- und Aquakulturproduktion seit den ten werden.
94 | 95 BILDUNG & WISSEN

BILDUNG & WISSEN


Starker Wissensstandort ∙ Dynamische Hochschullandschaft ∙ Ambitionierte
Spitzenforschung ∙ Vernetzte Wissenschaft ∙ Engagierte Außenwissenschaftspolitik ∙
Exzellente Forschung ∙ Attraktives Schulsystem

EINBLICK

STARKER WISSENSSTANDORT
Deutschland gehört weltweit zu den ersten Deutschland gehört international in die Spit-
Adressen in Forschung und akademischer zengruppe jener wenigen Länder, die mehr
Ausbildung. Dafür steht symbolisch mit als 2,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts
mehr als 80 Auszeichnungen der dritte Rang für Forschung und Entwicklung investieren.
unter den Nobelpreisträgernationen. In der
globalisierten Welt, in der Wissen als wich- Mit zahlreichen Maßnahmen und Reformen
tigster „Rohstoff“ gilt, ist das Land mit seiner haben Politik und Hochschulen die Initiative
Tradition in Forschung und Entwicklung im zur Weiterentwicklung und Internationalisie-
internationalen Wettbewerb um die besten rung des Wissensstandorts ergriffen. Dazu
Köpfe gut aufgestellt. Geprägt wird der Wis- gehört die 2008 beschlossene Qualifizierungs-
sensstandort von drei großen Akteuren: dem initiative, die unter dem Motto „Aufstieg
dichten Netz von rund 400 Hochschulen, den durch Bildung“ Förderangebote über den ge-
vier international renommierten außeruni- samten Lebensweg bietet. Weitere erfolg-
versitären Forschungseinrichtungen und der reiche Maßnahmen sind die Exzellenz-
starken Industrieforschung. Dass Deutsch- initiative, die eine Vielzahl international ori-
land mit 12 Prozent des Welthandelsvolu- entierter Graduiertenschulen und Exzellenz-
mens Exportweltmeister von Hightech-Gü- cluster hervorgebracht hat, der Hochschul-
tern ist und innerhalb der Europäischen Uni- pakt 2020, die Hightech-Strategie, der Pakt für
on (EU) einen Stammplatz in der Gruppe der Forschung und Innovation oder die Inter-
Innovationsführer sicher weiß, hat seine nationalisierungsstrategie. Als größte For-
Gründe in der starken Forschungsleistung. schungsnation Europas hat Deutschland 2014
VIDEO AR-APP

Bildung & Wissen: das Video zum Thema


→ tued.net/de/vid5

Deutschland gehört international zu den beliebtesten Studienstandorten


96 | 97 BILDUNG & WISSEN

als erster EU-Mitgliedsstaat eine Strategie zur lich ist das deutsche Bildungssystem im inter-
weiteren Ausgestaltung des Europäischen nationalen Vergleich relativ gut an die Be-
Forschungsraums (EFR) vorgelegt. dürfnisse des Arbeitsmarktes angepasst.
86 Prozent der Erwachsenen in Deutschland
Auf der internationalen Ausrichtung liegt haben das Abitur oder eine abgeschlossene
ein besonderer Schwerpunkt. Im Zuge des Berufsausbildung. Im OECD-Schnitt sind es
Bologna-Prozesses wurden die meisten Stu- nur 75 Prozent.
dienangebote auf Bachelor- und Masterab-
schlüsse umgestellt, viele Studiengänge wer-
den in einer Fremdsprache angeboten. Für NETZ
internationale Studierende ist Deutschland
Research Explorer
bereits das beliebteste Studienland nach den Forschungsverzeichnis mit mehr als
USA und Großbritannien. Die Mobilität Stu- 23.000 Instituten
dierender aus Deutschland ins Ausland liegt → research-explorer.de
mit 30 Prozent der Studierenden ebenfalls
Research in Germany
hoch. Auch die Zahl internationaler Mitarbei-
Zentrale Informationsplattform zum
ter an den Hochschulen hat sich im vergange-
Forschungsstandort Deutschland
nen Jahrzehnt um rund zwei Drittel gestei- → research-in-germany.org
gert und liegt bei 10 Prozent. Viele deutsche
Hochschulen engagieren sich mit dem „Ex- DWIH
port“ von Studienangeboten und dem Aufbau Deutsche Wissenschafts- und Innovati-
onshäuser weltweit
von Hochschulen nach deutschem Modell im
→ germaninnovation.info
internationalen Bildungsmarkt. Grundsätz-

Sprungbrett für eine erfolgreiche Berufskarrriere: ein abgeschlossenes Studium


KOMPAKT

AKTEURE & INSTRUMENTE


Deutsche Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
ist die zentrale Organisation zur Förderung
der Forschung an Hochschulen und öffentlich
finanzierten Forschungsinstituten.
→ dfg.de

Hochschulrektorenkonferenz
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist der Deutscher Akademischer Austauschdienst
Zusammenschluss der staatlichen und staatlich Der DAAD ist die größte Förderorganisation für
anerkannten Hochschulen in Deutschland. Die den Austausch von Studierenden und Wissen-
Datenbank Hochschulkompass informiert über schaftlern. Er unterhält ein weltweites Netzwerk
Studiengänge und internationale Kooperationen. mit 71 Außenstellen und Informationszentren.
→ hrk.de, hochschulkompass.de → daad.de, studieren-in.de

Leopoldina Alumniportal Deutschland


Die älteste Wissenschaftsakademie der Welt Das Alumniportal Deutschland vernetzt
Leopoldina in Halle zählt 1.500 Mitglieder. Menschen weltweit, die in Deutschland studiert,
→ leopoldina.org geforscht oder gearbeitet haben.
→ alumniportal-deutschland.org
Außeruniversitäre Forschungsorganisationen
Die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer- Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“
Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und Die PASCH-Initiative des Auswärtigen Amts
die Leibniz-Gemeinschaft sind die von Bund vernetzt weltweit fast 2.000 Schulen,
und Ländern geförderten außeruniversitären an denen Deutsch hohen Stellenwert hat.
Wissenschaftsorganisationen. → pasch-net.de
→ mpg.de, fraunhofer.de, helmholtz.de,
leibniz-gemeinschaft.de DIGITAL PLUS
Mehr Informationen zu allen Themen
Alexander von Humboldt-Stiftung des Kapitels – kommentierte Linklisten,
Beiträge, Dokumente, dazu weiter-
Die Humboldt-Stiftung fördert Topwissen-
führende Informationen zu Stichwor-
schaftler und den Wissenschaftsaustausch. ten wie Bologna-Prozess, Internationalisierung, Studien-
→ humboldt-foundation.de abschlüsse, Zulasssungsbeschränkung.
→ tued.net/de/dig5
98 | 99 BILDUNG & WISSEN

THEMA

DYNAMISCHE HOCHSCHULLANDSCHAFT
Die deutsche Hochschullandschaft ist außer- 2015 konnten Studierende in Deutschland
ordentlich vielfältig: Sie bietet Universitäten nach Angaben der Hochschulrektorenkonfe-
mit großen Namen in Metropolen wie Berlin renz (HRK) zwischen 399 Hochschulen (121
oder München, aber auch in Aachen, Heidel- Universitäten, 220 Fachhochschulen, 58
berg oder Karlsruhe exzellente Hochschulen. Kunst- und Musikhochschulen) wählen. Zu-
Forschungsstarke mittelgroße Universitäten sammen bieten sie 17.731 Studiengänge an.
und kleinere Hochschulen mit erstaunlicher Im Zuge des 1999 eingeleiteten Bologna-
Strahlkraft bilden den Kern der akademi- Prozesses zur Schaffung eines einheitlichen
schen Welt. Im internationalen Shang- Europäischen Hochschulraumes wurden
hai-Ranking, in den QS World University zwischenzeitlich 87,4 Prozent aller Studien-
Rankings oder den Times Higher Education gänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse
World University Rankings erreichen jeweils umgestellt. 238 Hochschulen werden vom
zehn bis zwölf deutsche Universitäten Platzie- Staat, 40 kirchlich und 121 privat finanziert.
rungen unter den Top 200. Besonders gut
schneiden die Ludwig-Maximilians-Universi- Beliebtestes nichtenglischsprachiges
tät München, die Universität Heidelberg und Gastland für internationale Studierende
die Technische Universität München ab.
Die Hochschullandschaft wird nach Aufbau
und Aufgabe grundsätzlich in drei Typen un-
terschieden: Universität, Fachhochschule
LISTE
sowie Kunst-, Film- und Musikhochschule.
Während die klassischen Universitäten ein
∙ Älteste Universität: Ruprecht-Karls-
Universität Heidelberg (gegr. 1386) breites Fächerspektrum anbieten, konzen-
trieren sich die Technischen Universitäten
∙ Jüngste Universität: Medizinische (TU) auf die Grundlagenforschung in den in-
Hochschule Brandenburg (gegr. 2014) genieurtechnischen und naturwissenschaft-
lichen Disziplinen. Die neun führenden TU
∙ Größte Volluniversität: Ludwig-
haben sich 2006 zur TU9-Initiative zusam-
Maximilians-Universität München
(50.327 Studierende) mengeschlossen. Die Universitäten verstehen
sich nicht nur als Lehranstalten, sondern glei-
∙ Attraktivste Universität für internatio- chermaßen als Orte der Forschung und ver-
nale Spitzen- und Nachwuchswissen- körpern insofern bis heute das Humboldtsche
schaftler: Freie Universität Berlin
Bildungsideal von der Einheit von Forschung
(Humboldt-Ranking 2014)
und Lehre. Die Universitäten haben das vor-
2,7 Millionen Studierende sind an den rund 400 Hochschulen in Deutschland eingeschrieben

rangige Ziel, den wissenschaftlichen Nach- den Universitäten vorbehalten ist, wird ge-
wuchs zu fördern, fundierte Fachkenntnisse genwärtig diskutiert.
zu vermitteln und selbstständig arbeitende
und forschende Wissenschaftler auszubilden. Die Akademisierung nimmt insgesamt zu:
Die 220 Fachhochschulen (FH) mit einer stark Lag die Studienanfängerquote 2005 noch bei 37
praxisorientierten Ausrichtung sind eine Prozent, nimmt nunmehr rund die Hälfte der
deutsche Besonderheit und tragen häufig die jungen Menschen in Deutschland ein Studium
im angelsächsischen Sprachraum übliche Be- auf. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz
zeichnung „University of Applied Sciences“ (BAföG) ermöglicht ihnen, unabhängig von der
als Beiname. Die Einführung des Promoti- finanziellen Situation ihrer Familie ein Studium
onsrechts für Fachhochschulen, das bisher zu absolvieren. Gleichwohl bleibt der Bildungs-
100 | 101 BILDUNG & WISSEN

KARTE
Exzellenzcluster, Graduiertenschulen und Zukunftskonzepte der Exzellenzinitiative

Kiel

Lübeck

U Hamburg
Oldenburg Bremen
JU
HU
Berlin
Münster MedH LU
Hannover TU
FU
Bielefeld

Düsseldorf Bochum Göttingen

Köln
Gießen Jena Dresden
Aachen Chemnitz
Bonn
Frankfurt Zukunftskonzept
Würzburg Bayreuth
Mainz Bamberg Graduiertenschule
Darmstadt Exzellenzcluster
Kaiserslautern
Ko-Antragsteller
Mannheim
Erlangen-Nürnberg
Saarbrücken Heidelberg
U Universität
Regensburg
Karlsruhe TU Technische Universität
Stuttgart
HU Humboldt-Universität
Tübingen Augsburg LU Leibniz Universität
Ulm JU Jacobs University
Freiburg TU
München FU Freie Universität
Konstanz LMU Ludw.-Maximilians-Univer.
LMU
MedH Medizinische Hochschule

erfolg häufig noch eng an die soziale Herkunft Ausländer deutsche Universitäten wie 1996.
gekoppelt – von den Kindern aus Nicht-Akade- Die meisten internationalen Studierenden
miker-Haushalten beginnen nur 23 Prozent ein kommen aus China, Russland und Indien. Da-
Studium. 2014 waren 2,7 Millionen Studieren- mit ist Deutschland das beliebteste nichteng-
de an den Hochschulen eingeschrieben, unter lischsprachige Gastland für internationale
ihnen 301.350 Studierende mit nichtdeut- Studierende. Nur die USA und Großbritan-
schem Pass: 218.848 Studierende, die ihre nien entfalten mehr Anziehungskraft. Die
Hochschulreife im Ausland erworben haben Technischen Universitäten haben als Schmie-
und 82.502 Ausländer mit deutschem Abitur. den der Ingenieurskunst einen besonders
guten Ruf – 25 Prozent der Studienanfänger
Seit 2011 ist die Gesamtzahl der Studierenden an den TU sind internationale Studierende.
um 18 Prozent gestiegen, die der international
Studierenden im gleichen Zeitraum um nahe- Gleichzeitig haben die deutschen Hochschu-
zu 20 Prozent. Heute besuchen doppelt so viele len ihr Angebot an fremdsprachigen und in-
ternationalen Studiengängen auf 1.104 aus- partnern in 150 Staaten vereinbart wurden,
gebaut. Für internationale Doktoranden ist darunter vielfach Programme, die zu Doppel-
die Vielzahl strukturierter Promotionsange- abschlüssen führen. Viele Hochschulen betei-
bote besonders attraktiv. Die weitgehende ligen sich an der Entwicklung deutscher Stu-
Freiheit von Studiengebühren ist ein weiterer dienangebote und der Gründung von Hoch-
Vorteil der deutschen Hochschulen. schulen nach deutschem Modell, die es in
Ägypten, China, Jordanien, Kasachstan, der
Der zunehmenden Akademisierung begeg- Mongolei, Oman, Singapur, Ungarn, Vietnam
nen Bund und Länder gemeinsam: Im Rah- und in der Türkei gibt.
men des Hochschulpakts 2020 haben sie Ende
2014 beschlossen, in den kommenden Jahren Die Steigerung der Auslandsmobilität deut-
bis zu 760.000 zusätzliche Studienmöglichkei- scher Studierender wird ebenfalls gefördert.
ten zu finanzieren. Über die Gesamtlaufzeit Über 30 Prozent absolvieren bereits einen
des Hochschulpakts von 2007 bis 2023 wird Auslandsaufenthalt. Künftig soll jeder zweite
der Bund 20,2 Milliarden Euro und werden die Hochschulabsolvent aus Deutschland wäh-
Länder 18,3 Milliarden Euro bereitstellen. rend des Studiums Auslandserfahrung sam-
meln. Stipendienangebote wie zum Beispiel
Initiativen für mehr Exzellenz das Erasmus+-Programm unterstützen die
und größere Internationalisierung wertvollen Studienaufenthalte.

Seit 2005 fördern Bund und Länder mit der


Exzellenzinitiative besonders herausragende
Forschungsprojekte und -einrichtungen an
INFO
den Hochschulen. In der laufenden Pro-
grammphase (2012–2017) werden 45 Gra- Professorinnenprogramm Frauen in
Deutschland beginnen heute häufiger
duiertenschulen, 43 Exzellenzcluster und elf
ein Studium als Männer und verfassen
Zukunftskonzepte unterstützt, die an 44 Uni- fast die Hälfte aller Promotionsarbeiten
versitäten angesiedelt sind. Das Fördervolu- – aber nur 21,3 Prozent der Professoren
men in diesem Zeitraum liegt bei 2,7 Milliar- sind Frauen. Daher haben Bund und
den Euro. Auch nach 2017 sollen Mittel in Länder 2008 das Professorinnenpro-
gramm gestartet. Das bis 2017 mit 300
ähnlichem Umfang vergeben werden.
Millionen Euro ausgestattete Förder-
programm soll die Zahl der Professorin-
Ein wichtiges Thema bleibt die Internationa- nen an den Hochschulen erhöhen und
lisierung. Eine gemeinsame Studie des DAAD, die Gleichstellungsstrukturen stärken.
der Hochschulrektorenkonferenz und der Im Mai 2015 wurde die 400. Profes-
Humboldt-Stiftung ermittelte 2014 rund sorin, deren Stelle im Rahmen des Pro-
gramms gefördert wird, berufen.
31.000 internationale Kooperationen, die von
→ bmbf.de/de/494.php
fast 300 Hochschulen mit 5.000 Hochschul-
102 | 103 BILDUNG & WISSEN

THEMA

AMBITIONIERTE SPITZENFORSCHUNG
Wissenschaft und Forschung genießen in globalen FuE-Ausgaben auf Deutschland, ob-
Deutschland hohen Stellenwert. Sowohl die wohl es nur 1,2 Prozent der Weltbevölkerung
Wirtschaft als auch die Politik steigerten in stellt. Die Industrieunternehmen in Deutsch-
den vergangenen Jahren kontinuierlich die land erhöhten ihre Ausgaben für FuE zwi-
Budgets für Wissensarbeit. 2013 betrug der schen 2010 und 2013 um mehr als 22 Prozent
Anteil der Forschungsausgaben am Brutto- auf über 57 Milliarden Euro und investierten
inlandsprodukt (BIP) 2,84 Prozent. Damit damit mehr denn je in Innovation. Die Bun-
rangiert Deutschland international in der desregierung hat von 2005 bis 2015 ihre Aus-
Spitzengruppe der Länder, die mehr als 2,5 gaben für Bildung und Forschung um 65 Pro-
Prozent ihres BIP für Forschung und Ent- zent erhöht. 2015 stehen 15,3 Milliarden Euro
wicklung (FuE) investieren. Insgesamt wur- im Etat für Bildung und Forschung zur Verfü-
den in Deutschland 2013 knapp 80 Milliarden gung, bis 2017 ist ein weiteres Wachstum um
Euro für FuE aufgewendet. Dabei schultert 25 Prozent geplant.
die Industrie rund 67 Prozent der Forschungs-
ausgaben, die Hochschulen tragen 18 Prozent Die Ergebnisse deutscher Wissenschaftler
und der Staat 15 Prozent bei. Die Studie „In- lassen sich sehen: Im Ende 2014 veröffent-
novation Union Scoreboard 2015“ der Euro- lichten „Nature Index Global“, der die Publi-
päischen Kommission listet Deutschland kationsleistung von Forschungseinrichtun-
zusammen mit Schweden, Dänemark und gen und Hochschulen auswertet, erreicht
Finnland in der Spitzengruppe der Innova- Deutschland die beste Wertung in Europa.
tionsführer der Europäischen Union (EU). Im Im weltweiten Vergleich kommt es auf Platz
weltweiten Vergleich entfallen 7 Prozent der drei nach den USA und China.

DIAGRAMM Weltmarktrelevante Patente im EU-Vergleich, pro Mio. Einwohner

Hightech-Standort Deutschland
604.600 Frauen und Männer arbei- Schweden 464
teten in Deutschland im Bereich
Forschung und Entwicklung, 360.900
Finnland 459
von ihnen sind Forscherinnen und
Forscher. Die forschungsstärksten
Deutschland 370
Branchen gemessen an Personal und Dänemark 328
Aufwendungen sind die Pharma-
Unternehmen, Luft- und Raumfahr-
BMBF/BuFI

zeugbau sowie der Automobilbau. EU-Durchschnitt 153


Noch nie waren die Investitionen in Forschung und Entwicklung so hoch wie heute

FuE-Personal nach Sektoren Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Mio. €

79.730
16,2 %
Staat und 67.078
50.825 55.879
private Organi-
sationen ohne
OECD/BMBF, Statistisches Bundesamt

Erwerbszweck 62,0 %
Wirtschaft

21,8 %
Hochschule 2000 2005 2009 2013
104 | 105 BILDUNG & WISSEN

Mit der ressortübergreifenden Hightech-Stra- Evaluation, dass an den Spitzenclustern 900


tegie hat Deutschland seit 2006 ein besonderes Innovationen, 300 Patente, 450 Dissertationen
Innovationsinstrument entwickelt. Aus For- und Habilitationen, 1.000 Bachelor- und Mas-
schungsprojekten der Hightech-Strategie sind terarbeiten und 40 Unternehmensausgrün-
seitdem viele Neuentwicklungen entstanden dungen entstanden. Insgesamt arbeiten in
– von energiesparenden LED-Leuchten bis zur Deutschland mehr als 800 öffentlich finan-
mitwachsenden Herzklappe. Anfangs richtete zierte Forschungseinrichtungen. Das Rück-
die Hightech-Strategie ihren Blick vorrangig grat der Forschungslandschaft bilden neben
auf das Marktpotenzial konkreter Technolo- den Hochschulen vor allem vier große außer-
giefelder, seit 2010 fokussiert sie auf den ge- universitäre Forschungsorganisationen.
sellschaftlichen Bedarf an zukunftsfähigen
Lösungen und deren Realisierung. Exzellente außeruniversitäre
Forschungsinstitutionen
2014 wurde die Hightech-Strategie neu defi-
niert: Sie soll Forscher dabei unterstützen, Die 1948 gegründete Max-Planck-Gesell-
Themen mit Zukunftspotenzial aufzugreifen schaft (MPG) ist das wichtigste Zentrum der
und gute Ideen schnell in Innovationen zu Grundlagenforschung für Natur-, Bio-, Geis-
übersetzen. Sechs thematische Schwerpunkt- tes- und Sozialwissenschaften außerhalb der
felder dienen als Orientierung: Digitale Wirt- Universitäten. 5.600 Forscher, unter ihnen 40
schaft und Gesellschaft, Nachhaltiges Wirt- Prozent internationale Wissenschaftler, ar-
schaften und Energie, Innovative Arbeitswelt, beiten an den 78 Max-Planck-Instituten in
Gesundes Leben, Intelligente Mobilität und Deutschland und fünf weiteren Instituten in
Zivile Sicherheit. Im Rahmen der Hightech- den Niederlanden, Luxemburg, Italien und
Strategie sind in drei Wettbewerbsrunden 15 den USA. Seit ihrer Gründung wurden 18
Spitzencluster ausgewählt worden, die beson- Nobelpreise an Forscher der Max-Planck-
dere Förderung erhalten. 2014 ergab eine Gesellschaft vergeben. Sie ist die Nummer

WEGMARKEN

1995
Ein Team um den Elektrotechniker
2005
Die Exzellenzinitiative wird unter
2008
Neun Jahre nach der Entdeckung
und Mathematiker Karlheinz den Universitäten ausgelobt. Der des Riesenmagnetowiderstands-
Brandenburg entwickelt am Pakt für Forschung und Innova- effekts, der den Durchbruch zu
Fraunhofer-Institut in Erlangen tion fördert die außeruniversitären Gigabyte-Festplatten ermöglich-
das MP3-Verfahren zur Audio- Forschungsorganisationen. 2007 te, erhalten der Deutsche Peter
datenkompression, das heute schließen Bund und Länder zudem Grünberg und der Franzose Al-
weltweit Standard ist. den ersten Hochschulpakt. bert Fert den Physik-Nobelpreis.
zwei und die einzige europäische Forschungs- neun europäischen, je zwei nord- und süd-
einrichtung unter den ersten zehn im welt- amerikanischen, sieben asiatischen, drei afri-
weiten ISI Citation Index der meistzitierten kanischen und arabischen Ländern sowie in
Forschungsarbeiten in 22 Feldern. Australien ist sie global aktiv.

Die Helmholtz-Gemeinschaft betreibt Spit- Unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft


zenforschung in den sechs Forschungsberei- versammeln sich 89 selbstständige For-
chen Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, schungseinrichtungen, deren Ausrichtung
Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr, Schlüs- von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwis-
seltechnologien und Materie. Dabei konzen- senschaften über die Wirtschafts-, Raum-
trieren sich die Helmholtz-Wissenschaftler und Sozialwissenschaften bis zu den Geistes-
auf Systeme von hoher Komplexität. Mit wissenschaften reicht. Ein übergreifender
14.700 Wissenschaftlern und 6.200 Dok- Schwerpunkt der 9.200 Forscher liegt im Wis-
toranden an den 18 unabhängigen Helm- senstransfer in Richtung Politik, Wirtschaft
holtz-Zentren, darunter das Deutsche Zen- und Öffentlichkeit.
trum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit al-
lein 16 deutschen Standorten, ist sie Deutsch- Für die Förderung von Wissenschaft und
lands größte Forschungsorganisation. Forschung ist die Deutsche Forschungsge-
meinschaft (DFG) zuständig, Europas größte
Die Fraunhofer-Gesellschaft gilt mit 66 Ins- Organisation dieser Art. Die DFG unterhält
tituten als die größte Einrichtung anwen- neben ihrer Zentrale in Bonn Büros in China,
dungsorientierter Entwicklung in Europa. Japan, Indien, Russland, Nord- und Latein-
Ihre wichtigsten Forschungsfelder heißen amerika und fördert die Kooperation von
Gesundheit, Sicherheit, Kommunikation, Forschern in Deutschland mit Kollegen im
Mobilität, Energie und Umwelt. Mit Tochter- Ausland – besonders, aber keinesfalls nur im
unternehmen, Büros und Kooperationen in Europäischen Forschungsraum.

2012
Das Europäische Patentamt
2014
Stefan Hell, Direktor am Max-
2015
Die Umstellung auf die gestuften
zeichnet den Heidelberger Physi- Planck-Institut für biophysikali- Bachelor- und Masterstudiengän-
ker Josef Bille, Erfinder des sche Chemie, erhält zusammen ge ist mit knapp 90 Prozent wei-
Augenlasers, für sein Lebenswerk mit zwei US-Forschern den Che- testgehend abgeschlossen. Eine
aus. Bille hat mit fast 100 Paten- mie-Nobelpreis für die Entwick- Ausnahme bilden die staatlich
ten den Weg für die heutigen Au- lung der hochauflösenden Fluo- geregelten Studiengänge Medizin
gen-Laseroperationen geebnet. reszenz-Mikroskopie. und Rechtswissenschaften.
106 | 107 BILDUNG & WISSEN

THEMA

VERNETZTE WISSENSCHAFT
Die Globalisierung stellt auch die deutsche denn sie sind nach ihrer Rückkehr in ihre Hei-
Wissenschaftslandschaft vor neue Herausfor- matländer häufig wichtige Netzwerkpartner
derungen. Die Fähigkeit zur Vernetzung von für weitere Kooperationen.
Wissen und Wissenschaftlern spielt dabei eine
zentrale Rolle. Deutschland hat sich in dieser Viele Wissenschaftler aus dem Ausland zieht
Frage gut positioniert. Fast die Hälfte ihrer die attraktive Forschungsinfrastruktur nach
wissenschaftlichen Publikationen verfassen Deutschland – dazu gehört die Möglichkeit,
Forscherinnen und Forscher mittlerweile in an zum Teil weltweit einzigartigen Großfor-
internationalen Kooperationen. An den 399 schungsgeräten zu arbeiten. Allein die Helm-
Hochschulen arbeiten nach Berechnungen holtz-Gemeinschaft betreibt rund 50 Großge-
des Berichts „Wissenschaft Weltoffen 2015“ räte für unterschiedlichste Forschungsfelder.
38.094 wissenschaftliche und künstlerische Zahlreiche Topwissenschaftler aus dem Aus-
Mitarbeiter mit ausländischer Staatsbürger- land kommen über die Humboldt-Professur
schaft, darunter 2.886 Professorinnen und an deutsche Universitäten, den mit fünf Mil-
Professoren; das sind 10 Prozent aller Beschäf- lionen Euro höchstdotierten Forschungspreis
tigten. Seit 2006 ist die Zahl des ausländischen Deutschlands, vergeben von der Humboldt-
Wissenschaftspersonals um 74 Prozentpunk- Stiftung.
te gestiegen, die Zahl der Professoren wuchs
um 46 Prozent. Dabei spielen auch die in Mit Förderung ins Ausland gingen 17.686
jüngster Zeit geschaffenen vereinfachten deutsche Wissenschaftler – wichtigste Unter-
Visaverfahren für Wissenschaftler aus Nicht- stützer sind dabei die Deutsche Forschungsge-
EU-Staaten eine Rolle. meinschaft (DFG), das europäische Marie-
Curie-Programm und vor allem der Deutsche
Ebenfalls positiv entwickelt sich die Anzahl Akademische Austauschdienst (DAAD); von
der für einen Aufenthalt in Deutschland ge- der weltweit größten Förderorganisation für
förderten ausländischen Forscher. Die wich- den Austausch von Studierenden und Wissen-
tigsten Herkunftsländer der gegenwärtig schaftlern erhalten fast zwei Drittel aller ge-
56.310 Experten sind Russland, China, Indien, förderten Wissenschaftler ein Stipendium.
die USA und Italien. Vielfach richten Hoch-
schulen und Forschungseinrichtungen Will- Deutschland will die internationale Wissen-
kommenszentren ein, um die internationalen schaftskooperation ausbauen und vertiefen
Wissenschaftler bei ihrem Start besser zu un- und sie zugleich auf eine andere Qualitäts-
terstützen. Auch der temporäre Aufenthalt ebene heben. Als Grundlage dafür dient der
von Forschern wird als ein Gewinn gesehen, 2014 vom Bundesministerium für Bildung
Forschung in internationalen Teams ist an deutschen Universitäten und wissenschaftlichen Instituten Alltag

und Forschung (BMBF) verabschiedete Akti- Forschungsraums (EFR) innerhalb der Euro-
onsplan Internationale Kooperation. päischen Union, dessen Vertiefung Deutsch-
land maßgeblich unterstützt und in dem Frei-
Anspruchsvolle Neuausrichtung der zügigkeit für Forscher herrschen und wissen-
Internationalisierungsstrategie schaftliche Erkenntnisse und Technologien
frei ausgetauscht werden sollen. Der Aktions-
Auf seiner Basis soll die 2008 gestartete Inter- plan skizziert auch die Ausgestaltung künf-
nationalisierungsstrategie für Wissenschaft tiger Kooperationen mit Entwicklungs- und
und Forschung neu ausgerichtet und jüngsten Schwellenländern und erläutert, wie Deutsch-
Veränderungen angepasst werden. Zu ihnen land zur Lösung globaler Herausforderungen
gehört die Entwicklung des Europäischen noch stärker beitragen kann.
108 | 109 BILDUNG & WISSEN

THEMA

ENGAGIERTE AUSSENWISSENSCHAFTSPOLITIK
Der Wissenschaftsaustausch ist eine Säule der Moskau, Neu-Delhi, New York, São Paulo und
Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Tokio sowie das Deutsche Wissenschafts-
(AKBP). Wichtige Partner des Auswärtigen zentrum (DWZ) in Kairo für die Wissen-
Amts bei der Umsetzung sind dabei der Deut- schaftszusammenarbeit mit Deutschland.
sche Akademische Austauschdienst (DAAD), Die Häuser verstehen sich als Schaufenster
die Alexander von Humboldt-Stiftung, das des Forschungs- und Innovationsstandorts
Deutsche Archäologische Institut (DAI) und Deutschland, sie bündeln Informationen und
die international agierenden Stiftungen der bestehende Strukturen deutscher Wissen-
politischen Parteien. Bereits in der ersten schaftseinrichtungen im jeweiligen Land. Die
Amtszeit von Außenminister Frank-Walter DWIH sind daher häufig die ersten Anlauf-
Steinmeier wurde 2009 die Initiative Außen- stellen für alle an Kooperation mit Deutsch-
wissenschaftspolitik gestartet. Sie baut be- land interessierten Wissenschaftler.
währte Instrumente aus und erweitert sie um
neue Maßnahmen. Inzwischen hat sie zahl- Zudem wird seit 2010 die Arbeit von vier neu
reiche neue Akzente im Austausch gesetzt geschaffenen Exzellenzzentren in Russland,
und fördert gezielt die weitere Vernetzung Thailand, Chile und Kolumbien über den
rund um den Globus. DAAD gefördert: Die Zentren vernetzen Hun-
derte internationale Wissenschaftler mit der
So werben weltweit fünf Deutsche Wissen- deutschen Forschung und bilden akademi-
schafts- und Innovationshäuser (DWIH) in schen Nachwuchs auf höchstem Niveau aus.
Sie sind jeweils als Kooperationen in For-
schung und Lehre zwischen einer deutschen
Hochschule und einem oder mehreren aus-
ZAHL
ländischen Partner instituten angelegt.

177 Mio. Akademische Zusammenarbeit mit


Krisen- und Konfliktregionen
Euro trug das Auswärtige Amt im Jahr
2014 zum Haushalt des Deutschen Aka-
demischen Austauschdienstes (DAAD) Einen Schwerpunkt legt die Außenwissen-
bei. Mit 40 Prozent ist dies der größte schaftspolitik auf die Zusammenarbeit mit
Einzelposten. Umgesetzt werden dafür Wissenschaftlern und Hochschulen in Kri-
die unterschiedlichsten Projekte und sen- und Konfliktregionen sowie in Transfor-
Programme im Rahmen der Auswärti-
mationsländern. Mit diesem komplexen En-
gen Kultur- und Bildungspolitik.
gagement wird die Hoffnung verknüpft, dass
Bundesaußenminister Steinmeier (Mitte) besuchte 2015 das deutsch-kolumbianische Exzellenzzentrum CEMarin

die Zusammenarbeit in Forschung und Hoch- akademischer Strukturen in Südosteuropa


schulbildung den Boden bereiten kann, auf und seit 2002 in Afgha nistan, beispielsweise
dem politische Verständigung und damit Kri- durch das Engagement deutscher Hochschu-
senprävention und Krisenbewältigung häufig len in den Fachgebieten Informationstechno-
erst möglich werden. Die Hochschulbildung logie und Wirtschaftswissenschaften. Auch
kann so zur Basis einer nachhaltigen Ent- im Zentralirak und in der Region Kurdistan-
wicklung werden und Kompetenz zur Selbst- Irak wird akademische Aufbauarbeit geleistet.
hilfe schaffen, indem sie zukünftige Ent-
scheidungsträger qualifiziert und so direkt in Transformationspartnerschaft mit
die Gesellschaft hineinwirkt. Ländern der arabischen Welt

Eine Folge der zahlreichen Krisen und Kon- Mit mehreren arabischen Ländern unterhält
flikte der jüngsten Vergangenheit ist, dass Deutschland seit 2011 zudem eine Transfor-
jungen Menschen der Weg zu Bildung ver- mationspartnerschaft, die Reformbestrebun-
wehrt bleibt. Das Auswärtige Amt hat 2014 gen an arabischen Universitäten durch Ko-
daher zum Beispiel zusammen mit dem operationsprojekte mit deutschen Hochschu-
DAAD das Programm „Führungskräfte für len unterstützt. Ein besonders wichtiges Feld
Syrien“ aufgelegt, mit dem über 200 syrische sind zudem die zahlreichen Programme im
Stipendiaten zum Studium nach Deutschland Bereich „Good Governance“, die sich an künf-
kommen können. Viel erreicht wurde nach tige Führungskräfte aus Krisenregionen
dem Balkankonflikt auch beim Wiederaufbau weltweit wenden.
110 | 111 BILDUNG & WISSEN

PANORAMA

EXZELLENTE FORSCHUNG
Rosetta-Sonde
Zehn Jahre war die
Sonde unterwegs,
um Philae auf dem
Kometen Tschurju-
Mission Rosetta
mow-Gerassimenko
Die Mission der europäischen Weltraumorgani-
abzusetzen.
sation ESA erforscht die Entstehungsgeschichte
unseres Sonnensystems. Das DLR hatte großen
Anteil beim Bau der Landeeinheit Philae und be-
treibt das Kontrollzentrum, das die bisher nie
Philae Lander
gewagte Landung auf einem Kometen betreute.

Philae Lander
Philae setzte als erster
Gewicht: 100 kg 6 Kräne
Apparat weich auf
Dimension: 1 x 1 x 0,8 m 9 Winden
einem Kometen auf.
Landung: 21. November 2014

Neumayer-Station III
Im ewigen Eis der Antarktis betreibt das Alfred-Wegener-
Institut die Forschungsstation Neumayer III, in der
ganzjährig Wissenschaftler leben und arbeiten. Sie steht
auf Stelzen und wächst mit der Schneedecke mit.

Masse: 2.300 Tonnen


Größe: 68 x 24 m
Nutzfläche: 4.890 m2 über vier Etagen
Labor/Büro: 12 Räume
Unterkünfte: 15 Räume, 40 Betten

399 2, 7 Mio. 79,7 Mrd. € 360.900


Hochschulen Studierende an Ausgaben für Forschung Forscherinnen und
und Universitäten Hochschulen und Entwicklung Forscher
Forschungschiff Sonne
Die Sonne ist das jüngste Schiff der deutschen Forschungsflotte
und seit Ende 2014 vor allem im Pazifik und im Indischen Ozean den
Geheimnissen der Tiefsee auf der Spur. Das Hightech-Schiff gilt
als modernstes Forschungsschiff der Welt.

Kabinendeck
mit 33 Crew-Kabinen
Arbeitsdeck
8 Labors auf 600 m2
Gemeinschaftsdeck
mit Messe
und Bibliothek Lagerdeck
mit 20 Wissen-
schaftler-Kabinen

Länge: 116 m
Geschwindigkeit: 12,5 kn
Seezeit (max.): 52 Tage
Personal (max.): 40 Personen
Einsatzgebiete: Indik, Pazifik

Multicorer Wasserschöpfkranz Unterwasserfahrzeug


Er kann gleichzeitig viele Das Gerät nimmt Was- Es ist ferngesteuert und
kleine Proben vom Meeres- serproben und misst mit Videokamera und
boden ausstechen. Temperatur und Tiefe. Greifarmen ausgerüstet.

83 66 89 18
Max-Planck- Fraunhofer- Forschungseinrichtungen Forschungszentren der
Institute weltweit Institute der Leibniz-Gemeinschaft Helmholtz-Gemeinschaft
112 | 113 BILDUNG & WISSEN

THEMA

ATTRAKTIVES SCHULSYSTEM
In Deutschland liegt die Zuständigkeit für das neunjährige Schulpflicht. Zugleich ist die
Schulwesen vor allem bei den 16 Ländern. Da- Förderung der frühkindlichen Bildung im
her gibt es unterschiedliche Bildungssysteme, Vorschulalter und ihre Verzahnung mit dem
-pläne und Schulformen. Die Ständige Konfe- Primarschulbereich ein bildungspolitisches
renz der Kultusminister der Länder (KMK) si- Anliegen mit hoher Priorität. 10.000 Ganztags-
chert die Übereinstimmung oder Vergleich- schulen sind mittlerweile fest in der Bildungs-
barkeit der Bildungsgänge und ihrer Ab- landschaft verankert. Mit dem Unterricht an
schlüsse. Im Schuljahr 2014/2015 besuchten diesen Schulen verbindet sich die Erwartung
knapp 11 Millionen Schülerinnen und Schüler auf mehr Chancengleichheit, vor allem für
die 44.880 allgemeinbildenden und berufli- Kinder aus bildungsfernen Schichten.
chen Schulen, an denen 795.600 Lehrkräfte
unterrichten. Darüber hinaus lernen rund Der Besuch öffentlicher Schulen ist kosten-
969.000 Schüler an den 6.620 allgemeinbil- frei. Das Schulsystem gliedert sich vertikal in
denden und beruflichen Privatschulen. Gene- drei Stufen: den Primarbereich sowie die Se-
rell gilt für alle Kinder ab sechs Jahren eine kundarstufen I und II. In der Regel besuchen
alle Kinder eine gemeinsame Grundschule,
die von Jahrgangsstufe 1 bis 4 reicht (Berlin
und Brandenburg: 1 bis 6). Danach gibt es
GLOBAL
drei weiterführende Standard-Bildungs-
PISA-Studie Die Ende 2013 veröffent- gänge: den Hauptschulbildungsgang (Klassen
lichte fünfte internationale Vergleichs-
5 bis 9 bzw. 10), den Realschulbildungsgang
studie Programme for International
Student Assessment (PISA) der OECD (Klassen 5 bis 10, Abschluss Mittlere Reife)
zeigte, dass Schülerinnen und Schüler in und den gymnasialen Bildungsgang (Klassen
Deutschland mit ihren Leistungen das 5 bis 12 oder 13, Abschluss: Allgemeine Hoch-
erste Mal in allen Feldern deutlich über schulreife/Abitur). Sie werden entweder in ge-
dem OECD-Durchschnitt lagen. Der
trennten Schularten angeboten oder in Schu-
Erfolg ist auch auf die umfangreichen
len, die zwei oder – wie die Gesamtschulen –
Maßnahmen von Bund und Ländern zur
Verbesserung der Bildung zurückzufüh- drei der Bildungsgänge vereinen und Wechsel
ren. Die nächste PISA-Studie zwischen den einzelnen Schularten erleich-
veröffentlicht die OECD tern. Die Bezeichnung für die Schularten un-
Ende 2016. terscheidet sich je nach Land, nur das Gym-
→ oecd.org/pisa
nasium wird einheitlich unter diesem Namen
geführt. 2014 erwarben 432.700 Schüler die
Hochschul- oder Fachhochschulreife. Für
Rund 8,4 Millionen Schülerinnen und Schüler lernen an den allgemeinbildenden Schulen

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbe- Schulen werden meist in privater Trägerschaft


darf gibt es entsprechend ihrer Behinderung geführt, aber über die Zentralstelle für das
Sonder- oder Förderschulen. Allerdings soll Auslandsschulwesen (ZfA) personell und fi-
das gemeinsame Lernen von Kindern mit und nanziell gefördert. Seit 2008 arbeitet die vom
ohne Behinderung entsprechend der Behin- Auswärtigen Amt koordinierte Initiative
dertenrechtskonvention zur Regel werden. „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) zu-
sammen mit der ZfA und dem Goethe-Institut
Die 140 Deutschen Auslandsschulen stehen an einem noch größeren Netzwerk der
in 72 Ländern für eine exzellente Ausbildung. Deutschlerner. Sie verbindet weltweit fast
Rund 20.800 deutsche und 61.000 nichtdeut- 2.000 Schulen, an denen mehr als 600.000
sche Schüler lernen hier gemeinsam. Die Schülerinnen und Schüler Deutsch lernen.
114 | 115 GESELLSCHAFT

GESELLSCHAFT
Bereichernde Vielfalt ∙ Zuwanderung gestalten ∙ Plurale Lebensformen ∙
Engagierte Zivilgesellschaft ∙ Starker Sozialstaat ∙ Vielseitige Freizeit ∙ Freie Religionsausübung

EINBLICK

BEREICHERNDE VIELFALT
Deutschland ist mit rund 81,2 Millionen Ein- Brands Index 2014, einer internationalen
wohnern die bevölkerungsreichste Nation Umfrage zum Image von 50 Ländern, belegt
der Europäischen Union. Das moderne, welt- Deutschland Platz eins – auch wegen seiner
offene Land hat sich zu einem wichtigen Ein- guten Werte in den Bereichen Lebensqualität
wanderungsland entwickelt. Gut 16,4 Millio- und soziale Gerechtigkeit. Deutschland ver-
nen Menschen in Deutschland haben einen steht sich als Sozialstaat, der die Absicherung
Migrationshintergrund. Deutschland gehört aller Bürgerinnen und Bürger als vorrangige
mittlerweile zu den Ländern mit den liberals- Aufgabe begreift.
ten Zuwanderungsregeln. Nach einer Studie
der Organisation für wirtschaftliche Zusam- Die Gesellschaft ist geprägt durch einen Plu-
menarbeit und Entwicklung (OECD) von 2014 ralismus von Lebensstilen und die Vielfalt
ist es nach den USA das beliebteste Einwande- ethno-kultureller Prägungen. Neue Lebens-
rungsland. formen und Lebenswirklichkeiten verändern
den gesellschaftlichen Alltag. Zuwanderer
Die meisten Menschen in Deutschland ver- bereichern das Land durch neue Perspektiven
fügen über einen international betrachtet ho- und Erfahrungen. Gegenüber alternativen
hen Lebensstandard und über entsprechende Lebensentwürfen und unterschiedlichen se-
Freiräume zur individuellen Lebensgestal- xuellen Orientierungen herrscht eine gesell-
tung. Der Human Development Index 2014 schaftliche Offenheit und Akzeptanz. Die
der Vereinten Nationen platziert Deutschland Gleichstellung von Frauen und Männern
auf Rang 6 von 187 Ländern. Im Nation schreitet voran, traditionelle Rollenzuwei-
VIDEO AR-APP

Gesellschaft in Deutschland: das Video


zum Thema: → tued.net/de/vid6

Ein hoher Lebensstandard und große individuelle Freiräume prägen die Lebensqualität in Deutschland
116 | 117 GESELLSCHAFT

sungen sind aufgebrochen. Menschen mit – im Durchschnitt 2,7 Millionen: Gleichwohl


Behinderung haben immer stärker teil am ist fast jeder Sechste in Deutschland von Ar-
gesellschaftlichen Leben. mut bedroht, speziell junge Menschen und
Alleinerziehende sind gefährdet. Auch zwi-
Kaum eine Entwicklung wird Deutschland schen Ost und West gibt es weiterhin soziale
in Zukunft so prägen wie der demografische Unterschiede.
Wandel: Die Geburtenrate liegt seit Ende der
1990er-Jahre konstant niedrig bei 1,4 Kindern
pro Frau, zugleich steigt die Lebenserwar-
tung. Bis 2050 wird die Bevölkerung in NETZ
Deutschland voraussichtlich um rund sieben
Deutsch plus
Millionen Menschen schrumpfen. Der wach- Interdisziplinäres Netzwerk und
sende Anteil älterer Menschen stellt zugleich Initiative für eine plurale Republik
die sozialen Sicherungssysteme vor neue → deutsch-plus.de
Herausforderungen.
Make it in Germany
Mehrsprachiges Willkommensportal
Der sozioökonomische Wandel der vergan-
für internationale Fachkräfte
genen Jahre hat in Deutschland zum Entste- → make-it-in-germany.com
hen neuer sozialer Risikolagen und zu einer
sich abzeichnenden stärkeren Auffächerung Human-Development-Berichte
der Gesellschaft nach ökonomischen Lebens- Wo steht Deutschland im weltweiten
Vergleich?
verhältnissen geführt. Zwar waren 2014 so
→ hdr.undp.org
wenige Menschen arbeitslos wie zuletzt 1991

Der demografische Wandel stellt das Land vor große Herausforderungen


KOMPAKT

AKTEURE & INSTRUMENTE


Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Das Bundesamt bietet alle Informationen über
den Aufenthalt in Deutschland und entscheidet
über Asylanträge.
→ bamf.de

Deutsche Islam Konferenz


Seit 2006 besteht mit der Deutschen Islam
Konferenz (DIK) ein langfristig angelegter kulturellen Bereich oder in Sport, Integration
Dialog zwischen dem deutschen Staat und oder Zivil- und Katastrophenschutz.
den in Deutschland lebenden Muslimen. → bundesfreiwilligendienst.de
→ deutsche-islam-konferenz.de
Bundesagentur für Arbeit
Nationaler Aktionsplan Integration Die nationale Arbeitsagentur ist zuständig für
Deutschland will ein Integrationsland sein, Arbeitsvermittlung und -förderung sowie finan-
daher ist das Thema seit 2005 ein Arbeits- zielle Ersatzleistungen.
schwerpunkt der Bundesregierung. Der → arbeitsagentur.de
Integrationsgipfel findet jährlich statt.
→bundesregierung.de Stiftungen
Deutschland gehört in Europa zu den Ländern
Meinungsforschungsinstitute mit der höchsten Dichte an Stiftungen. Im
Mehrere etablierte Meinungsforschungsinstitu- Bundesdurchschnitt kommen auf 100.000 Ein-
te erfragen regelmäßig die Einstellungen der wohner 26 Stiftungen. Die bekannteste ist die
Deutschen und veröffentlichen Hochrechnun- Stiftung Warentest, die im staatlichen Auftrag
gen an Wahltagen. Zu den bekanntesten Produkte vergleicht.
gehören die Forschungsgruppe Wahlen, FORSA, → stiftungen.org
EMNID, Infratest DIMAP und das Institut für
Demoskopie Allensbach. DIGITAL PLUS
Mehr Informationen zu allen Themen
Bundesfreiwilligendienst des Kapitels – kommentierte Linklisten,
Beiträge, Dokumente; dazu weiter-
Das Angebot richtet sich an Frauen und
führende Informationen zu Begriffen wie
Männer, die sich für das Allgemeinwohl enga- Demografischer Wandel, Soziale Sicherung, Generationen-
gieren wollen – im sozialen, ökologischen, vertrag, Gleichberechtigung, Lebensstandard.
→ tued.net/de/dig6
118 | 119 GESELLSCHAFT

THEMA

ZUWANDERUNG GESTALTEN
Deutschland ist als Zielland für Zuwanderer ten oder ausländischen Elternteil. Diese Grup-
in die Weltspitze aufgerückt. Die Organisati- pe entspricht einem Anteil von knapp über 20
on für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Prozent der Gesamtbevölkerung, rund 10,5
Entwicklung (OECD) stellte fest, dass Millionen von ihnen sind selbst zugewandert.
Deutschland nach den USA 2014 das belieb- Mehr als drei Viertel der Zuwanderer kom-
teste Einwanderungsland weltweit war. In men aus einem anderen europäischen Staat.
keinem der 34 OECD-Länder ist die Zuwande- Laut Migrationsbericht kamen 2013 die meis-
rung in den vergangenen Jahren so stark ge- ten Zuwanderer aus Polen und Rumänien. Die
stiegen wie in Deutschland. Seit der Wieder- größte ethnische Minderheit in Deutschland
vereinigung 1990 kamen 21 Millionen Men- bilden die fast 3 Millionen Menschen mit tür-
schen nach Deutschland – bei zugleich nur kischen Wurzeln (unter ihnen 1,3 Millionen
16 Millionen Fortzügen. 2013 gab es mit 1,2 deutsche Staatsangehörige). Viele Einwande-
Millionen Menschen die höchste Zuwande- rer der ersten Generation kamen nach dem
rung seit 1993, die Wanderungsbilanz zeigte Anwerbeabkommen mit der Türkei 1961 als
für 2013 ein Plus von 437.000 Personen. unqualifizierte Arbeitskräfte. Heute sind auch
Studierende, Unternehmer und Hochqualifi-
Insgesamt leben 7,2 Millionen Menschen mit zierte unter den Zuwanderern türkischer Her-
ausländischem Pass in Deutschland. Aller- kunft. Eine weitere große Gruppe stammt aus
dings haben rund 16,4 Millionen Personen ei- dem früheren Jugoslawien oder dessen Nach-
nen Migrationshintergrund. Zu ihnen zählen folgestaaten. 56 Prozent der Personen mit
Zuwanderer, in Deutschland geborene Aus- Migrationshintergrund haben heute einen
länder und Personen mit einem zugewander- deutschen Pass. 2014 wurden 108.420 Auslän-

DIAGRAMM Bevölkerung nach Migrationsstatus 2014

Moderne Einwanderungsgesellschaft
Deutschland ist das zweitbeliebteste Ein-
wanderungsland nach den Vereinigten
Staaten: 2014 hatten rund 16,4 Millionen
7,2 Mio.
Ausländer
Menschen in Deutschland einen Migrati- 64,5 Mio.
Deutsche
onshintergrund. Etwa vier bis fünf Millio-
nen Muslime leben in Deutschland – rund
9,2 Mio. ohne Migrations-
Statistisches Bundesamt

Personen mit hintergrund


die Hälfte von ihnen bezeichnet sich selbst Migrationshin-
als religiös, dies entspricht etwa zweiein- tergrund und
halb bis drei Prozent der Bevölkerung. deutschem Pass
Staatsministerin Aydan Özoğuz ist die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Nettozuwanderung Religionszugehörigkeit in Deutschland


nach Herkunftsregion 2013
0,1 % 34 %
Europa Jüdische Gemeinden Ohne Konfession
0,9 %
Asien Evangelische Freikirchen
1,3 29,9 %
Statistisches Bundesamt, fowid 2013

%
Römisch-katholische
Afrika Orthodoxe Kirchen
Kirche
2,2 %
Andere
Amerika
2,6 % 28,9 %
0 100.000 200.000 300.000 Muslime Evangelische Kirche
120 | 121 GESELLSCHAFT

derinnen und Ausländer eingebürgert. Die sende Bedarf an Fachkräften führt zuneh-
deutschstämmigen Spätaussiedler aus den mend gut qualifizierte Migranten nach
Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR sind Deutschland. Der Anteil von Akademikern
mit etwa 4,5 Millionen Menschen die größte unter den neuen Zuwanderern liegt über dem
Einwanderergruppe. durchschnittlichen Anteil von Akademikern
in der deutschen Bevölkerung.
Migranten leisten einen bedeutenden Bei-
trag zur gesellschaftlichen und wirtschaftli- Vor allem mit der Blauen Karte EU wurde ein
chen Entwicklung in Deutschland. Die Bun- zentraler Aufenthaltstitel geschaffen, der
desregierung möchte weitere Zuwanderung akademischen Fachkräften aus Nicht-EU-
ermöglichen, auch um dem Fachkräfteman- Staaten den Zugang zum deutschen Arbeits-
gel entgegenzuwirken, der sich aus dem de- markt erleichtert. Ein geplantes Gesetzeswerk
mografischen Wandel ergibt. Laut einer Stu- soll die Regelungen zur Einwanderung mit-
die der Bertelsmann-Stiftung wird die Zahl einander verknüpfen.
der Deutschen im erwerbsfähigen Alter bis
2050 von 45 Millionen auf weniger als 29 Mil- Integration als wichtige Aufgabe der
lionen sinken. Ohne weitere Zuwanderung Migrationspolitik
erhöht sich der Druck auf die sozialen Siche-
rungssysteme. Vor allem das Rentensystem Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts
basiert auf einem Generationenvertrag, der 2014 wurde die doppelte Staatsbürgerschaft
darin besteht, dass heute Erwerbstätige in ei- eingeführt. Für in Deutschland nach 1990 ge-
nem Umlageverfahren mit ihren Beiträgen borene und aufgewachsene Kinder ausländi-
die Renten der aus dem Erwerbsleben ausge- scher Eltern wurde die „Optionspflicht“ abge-
schiedenen Generation finanzieren – in der schafft: Zuvor mussten sie sich bis zum voll-
Erwartung, dass die kommende Generation endeten 23. Lebensjahr für eine Staatsange-
später die Renten für sie aufbringt. Der wach- hörigkeit entscheiden.

WEGMARKEN

1955
Starkes Wirtschaftswachstum
1964
Der millionste Arbeitsmigrant,
1990
Mit dem Fall des Eisernen
führt Mitte der 1950er-Jahre zu „Gastarbeiter“ genannt, wird will- Vorhangs sowie den Kriegen in
Arbeitskräftemangel in Deutsch- kommen geheißen. Mit der Ölkrise „Ex-Jugoslawien“ nimmt die
land. Anwerbeverträge mit im Jahr 1973 setzt ein Anwer- Zuwanderung 1990 rasant zu.
Italien, Spanien, Griechenland, bestopp ein. Etwa vier Millionen Zudem ziehen 400.000 Deutsch-
der Türkei, Marokko, Portugal, ausländische Menschen leben stämmige aus Mittel- und Ost-
Tunesien, Jugoslawien folgen. nun in Deutschland. europa nach Deutschland.
Migranten sind in Deutschland zunehmend dass bis Ende 2015 beim Bundesamt für Mig-
besser integriert. Seit 2007 ist ihre Beschäfti- ration und Flüchtlinge (BAMF) zwischen
gungsquote um fünf Prozentpunkte gestie- 800.000 und einer Million Asylanträge einge-
gen, dies ist der stärkste Anstieg innerhalb der hen werden. Deutschland stellt sich dieser
OECD. Vor allem im Bereich Bildung gibt es Herausforderung und setzt sich zugleich für
aber noch deutliche Defizite. Problematisch eine solidarische europäische Lösung der
ist der hohe Anteil von Jugendlichen mit aus- Flüchtlingsfrage ein.
ländischen Wurzeln, die nur schlecht Deutsch
lesen und schreiben können. Mehr als 30 Pro-
zent der 20- bis 29-jährigen ausländischen Er-
wachsenen bleiben ohne Berufsabschluss. Ih- GLOBAL
re Bildungsbeteiligung zu erhöhen ist ein
OECD-Studie zur Integration von
wichtiges Ziel der Bundesregierung. Einwanderern Deutschland ist es in den
vergangenen Jahren gelungen, Einwan-
Eine weitere besondere Aufgabe der Migrati- derer immer besser in den Arbeitsmarkt
ons- und Integrationspolitik ist der Flücht- zu integrieren. Bei Kindern von im Aus-
lingsschutz. Das Grundgesetz sichert poli- land geborenen Eltern bestehen jedoch
weiterhin signifikante Defizite. Das ist
tisch Verfolgten ein Grundrecht auf Asyl.
das Ergebnis einer internationalen
Deutschland bekräftigt damit seine histori- Vergleichsstudie der Organisation für
sche und humanitäre Verantwortung. Zuletzt wirtschaftliche Zusammenarbeit und
ist die Zahl der Schutzsuchenden deutlich ge- Entwicklung (OECD) mit
stiegen. Beantragten 2004 rund 50.000 Men- dem Titel „Indikatoren von
Zuwanderung 2015“.
schen Asyl, waren es 2014 mehr als 200.000.
→ oecd.org
Aufgrund der anhaltenden Flüchtlingsströ-
me aus den Kriegs- und Krisenregionen in Sy-
rien, Irak und Afghanistan wird erwartet,

1997
Seit Mitte der 1980er-Jahre
2005
Mit dem „Mikrozensus“ besteht
2014
Mehr als 200.000 Menschen
kommen neben Arbeitsmigranten erstmals die Möglichkeit, den beantragen im Jahr 2014 in
zunehmend Asylsuchende nach Migrationshintergrund in der Be- Deutschland Asyl. Erstmals zieht
Deutschland. Das Dubliner Über- völkerung differenziert abzubil- fast eine halbe Million Menschen
einkommen regelt von 1997 den. Im Jahr 2015 hat demnach mehr nach Deutschland, als
an die Zuständigkeit der europäi- jeder Fünfte in Deutschland einen im gleichen Zeitraum aus der
schen Staaten bei Asylverfahren. Migrationshintergrund. Bundesrepublik abwandern.
122 | 123 GESELLSCHAFT

THEMA

PLURALE LEBENSFORMEN
Auch in der individualisierten und hoch mo- gesetzt, 40 Prozent von ihnen beziehen staat-
bilen Welt des 21. Jahrhunderts kommt der Fa- liche Unterstützungsleistungen.
milie eine zentrale Bedeutung zu. Für fast
neun von zehn Deutschen ist die Familie wei- Zu den an Bedeutung gewinnenden Lebens-
terhin die wichtigste soziale Institution und formen gehören die gleichgeschlechtlichen
prägende Bezugsgruppe. Gleichzeitig verän- Partnerschaften. 2013 wohnten in Deutsch-
dert sich die Vorstellung darüber, wie eine Fa- land 78.000 homosexuelle Paare zusammen –
milie typischerweise aussieht, zunehmend. ein Drittel mehr als zehn Jahre zuvor. Rund
Nur knapp die Hälfte der Menschen in 35.000 von ihnen leben in einer eingetrage-
Deutschland lebt noch in einer Familie. Trotz nen Partnerschaft, die seit 2001 gleichge-
der rückläufigen Entwicklung traditioneller schlechtlichen Paaren eine rechtliche Absi-
Familienstrukturen waren Ehepaare mit cherung ihrer Beziehung ermöglicht.
minderjährigen Kindern 2014 mit 69 Prozent
die häufigste Familienform. Die Zahl der Ehe- Während einerseits neue Formen des Zu-
schließungen sinkt tendenziell, 2013 lag sie sammenlebens entstehen, wächst die Zahl
bei 373.600. Etwas mehr als jede dritte Ehe der Ein-Personen-Haushalte. 41 Prozent aller
wird wieder geschieden. Die durchschnittli- Privathaushalte sind Single-Haushalte – 16,5
che Dauer der 2013 geschiedenen Ehen betrug Millionen Menschen leben allein. Diese Ent-
14 Jahre und acht Monate. Rund 44.000 Ehen wicklung ist einerseits Folge des demografi-
werden zwischen Deutschen und Ausländern schen Wandels, durch den sich die Zahl der
geschlossen. alleinlebenden älteren Menschen erhöht, an-
dererseits leben auch mehr junge Menschen
Deutlich steigt die Zahl der Paare mit Kin- als Single.
dern in nichtehelichen Lebensgemeinschaf-
ten. Zwischen 1996 und 2013 verdoppelte Gezielte Familienförderung
sich ihr Anteil an den heute 8,1 Millionen Fa- durch Elternzeit und Elterngeld
milien; jedes zehnte Paar mit Kind ist unver-
heiratet. Familien mit nur einem Elternteil In den innerfamiliären Strukturen verän-
sind die am stärksten wachsende Familien- dern sich Koordinaten ebenfalls. Die genera-
form. Alleinerziehende bilden inzwischen tionellen Beziehungen zwischen Eltern und
ein Fünftel aller Eltern-Kind-Konstellatio- Kindern sind oft gut und werden meist nicht
nen: Neun von zehn der 1,64 Millionen Allein- durch überkommene oder autoritäre Erzie-
erziehenden sind Frauen. Alleinerziehende hungsmuster, sondern durch Mitsprache, Zu-
sind häufig erheblichen Armutsrisiken aus- wendung, Förderung und Erziehung zur
Familie hat einen hohen Stellenwert – inzwischen nehmen auch viele Väter Elternzeit in Anspruch

Selbstständigkeit geprägt. Der Anteil der be- Die 2007 eingeführte Elternzeit macht die
rufstätigen Mütter ist auf über 66 Prozent ge- Familiengründung und die berufliche Wei-
stiegen (2006: 61 Prozent). Mehr als 70 Prozent terentwicklung leichter miteinander verein-
der erwerbstätigen Frauen mit Kindern arbei- bar. Sie ist eines von zahlreichen Angeboten,
ten indes auf Teilzeitbasis, vor allem jene mit die Eltern stärken und zu einer familien-
Kindern im Vorschulalter; bei den erwerbstä- freundlichen Gesellschaft beitragen. Die El-
tigen Vätern sind dies lediglich 5 Prozent. ternzeit erlaubt es beiden Partnern, die Arbeit
2014 lag die Erwerbstätigenquote der Frauen für bis zu drei Jahre ruhen zu lassen. Während
in Deutschland bei 73,1 Prozent, der zweit- der Elternzeit erhalten sie bis zu 14 Monate
höchste Wert in der EU, deutlich über dem lang Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des
EU-Durchschnitt (62,3 Prozent). letzten Nettoeinkommens – mindestens 300,
124 | 125 GESELLSCHAFT

Neue Formen des Zusammenlebens, etwa in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, sind akzeptiert

maximal 1.800 Euro – zur Sicherung des Le- eine der 54.000 Kindertagesstätten (Kitas)
bensunterhaltes. oder wird von einer der 44.000 Tagesmütter
betreut. Seit 2006 hat sich die Zahl der Betreu-
75 Prozent der Deutschen empfinden das ungsplätze für unter Dreijährige mehr als
Elterngeld als eine gute Regelung, fast alle El- verdoppelt.
tern nutzen das Angebot. Allerdings nehmen
vier von fünf Vätern lediglich den Mindest- Elternzeit, Elterngeld und verbesserte Rah-
zeitraum von zwei Monaten frei. Weiterhin menbedingungen für die frühkindliche und
sind es vor allem die Mütter, die nach der Ge- vorschulische Betreuung schaffen weitere
burt des Kindes längere Zeit zu Hause bleiben. Voraussetzungen für die im Grundgesetz
Mit dem 2015 ergänzten Elterngeld Plus lohnt festgeschriebene Gleichberechtigung von
sich der frühe Wiedereinstieg in den Beruf für Frauen. Während junge Frauen im Bildungs-
sie nun mehr. Eltern, die in Teilzeit arbeiten, bereich die jungen Männer nicht nur einge-
bekommen dadurch bis zu 28 Monate lang fi- holt, sondern zum Teil überholt haben (2014:
nanzielle Unterstützung. 54,4 Prozent Frauen mit Hochschulreife, 48,7
Prozent Frauen unter den Studienanfängern
Seit dem 1. August 2013 haben Kinder nach 2014/15), bestehen zwischen den Geschlech-
dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch tern nach wie vor Unterschiede bei Verdienst-
auf einen Betreuungsplatz. Mittlerweile be- chancen und Karrierewegen: Vollzeitbe-
sucht jedes dritte Kind unter drei Jahren – schäftigte Frauen verdienen durchschnittlich
2015 waren dies insgesamt 694.500 Kinder – nur etwa 78 Prozent des Gehalts ihrer männ-
lichen Kollegen. In Leitungspositionen sind unter anderem vor, schwerbehinderte Ju-
sie weiterhin unterrepräsentiert. Einer Studie gendliche intensiv auf das Berufsleben vorzu-
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor- bereiten. Über den Aktionsplan hinaus soll
schung (DIW) zufolge sind von den 877 Vor- ein Bundesteilhabegesetz entstehen. Die Un-
standssitzen der Top-200-Unternehmen nur terstützung für Menschen mit Behinderung
47 mit Frauen besetzt. soll sich so noch enger an der individuellen
Lebenssituation ausrichten.
Seit 2015 gilt in der Privatwirtschaft und im
öffentlichen Dienst das Gesetz für die gleich- Eine weitere Gruppe, deren Bedürfnisse und
berechtigte Teilhabe von Frauen und Män- Potenziale die Bundesregierung besonders im
nern an Führungspositionen. Es legt unter Blick hat, sind die älteren Menschen. 17 Mil-
anderem fest, dass 30 Prozent der Posten in lionen Menschen in Deutschland sind 65 Jah-
Aufsichtsräten börsennotierter Unterneh- re und älter. Ihr Erfahrungsschatz gilt als ein
men mit Frauen besetzt sein müssen. 3.500 Gewinn für die Gesellschaft. Ihre Lebensfor-
weitere Unternehmen müssen sich künftig men haben sich ebenfalls diversifiziert und
verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frau- verändert, insgesamt sind ältere Menschen
enanteils in Führungspositionen setzen. Gut heute wesentlich aktiver als früher. Häufig
entwickelt hat sich der Anteil der Frauen im sind sie auch noch in den Arbeitsmarkt in-
Bundestag: Derzeit liegt er bei 36,5 Prozent – tegriert. Einen intensiven Dialog zwischen
bis 1983 lag er noch unter 10 Prozent. Älteren und Jüngeren fördern die 450 Mehr-
generationenhäuser, die als Orte der Begeg-
Inklusion als eine wichtige nung Menschen unterschiedlichen Alters zu-
gesellschaftliche Aufgabe sammenbringen.

Chancengleichheit schaffen will die Bundes-


regierung auch für Menschen mit Behinde-
rung. Ziel ist eine inklusive Gesellschaft, in INFO
der jeder überall dabei sein kann: in der Schu- Shell Jugendstudie Wie „ticken“
le, im Beruf, in der Freizeit. Nötig ist dafür ei- Jugendliche in Deutschland? Was ist
ne umfassende Barrierefreiheit – Hindernisse ihnen wichtig, wie verbringen sie ihre
Freizeit, wie ist ihr Verhältnis zu Eltern
in Gebäuden, auf Straßen und Wegen sollen
und Freunden? Seit 1953 beauftragt der
ebenso abgebaut werden wie soziale Hürden,
Mineralölkonzern Shell unabhängige
beispielsweise beim Zugang zum Arbeits- Forschungsinstitute regelmäßig damit,
markt. Deutschland hat 2007 als einer der ers- ein Stimmungsbild der Jugend zu ent-
ten Staaten die Konvention der Vereinten Na- werfen. Die 17. Shell Jugendstudie
tionen über die Rechte von Menschen mit erscheint im Oktober 2015.
→ shell.de/aboutshell/our-
Behinderungen unterzeichnet. Ein Nationa-
commitment/shell-youth-study.html
ler Aktionsplan regelt die Umsetzung. Er sieht
126 | 127 GESELLSCHAFT

THEMA

ENGAGIERTE ZIVILGESELLSCHAFT
Rund 23 Millionen Deutsche engagieren sich und Kultur. Die fünf größten Stiftungen, ge-
in ihrer Freizeit ehrenamtlich und überneh- messen an ihren Ausgaben, sind die Volkswa-
men Verantwortung für die Gesellschaft. Die- gen-Stiftung, die Robert-Bosch-Stiftung, die
ses Engagement ist oft langfristig – im Durch- Bertelsmann-Stiftung, die Hans-Böckler-Stif-
schnitt sind Freiwillige seit zehn Jahren aktiv: tung und der WWF Deutschland.
Auf jährlich 4,6 Milliarden geleistete Arbeits-
stunden wird der bürgerschaftliche Einsatz Stark im Kommen sind Bürgerstiftungen, bei
geschätzt. Gemeinsam mit Wohlfahrtsver- denen mehrere Bürger und Unternehmen ge-
bänden, Kirchen, Genossenschaften, Hilfsor- meinsam als Stifter auftreten, um lokale oder
ganisationen, gemeinnützigen Unternehmen regionale Vorhaben zu fördern. Erste Stiftun-
und Privatinitiativen bilden die Mitglieder der gen dieser Art entstanden 1996 – Mitte 2015
580.000 Vereine das Rückgrat des „dritten gab es bereits 275 vom Bundesverband Deut-
Sektors“. Zivilgesellschaft kennzeichnet jenen scher Stiftungen anerkannte Bürgerstiftun-
Bereich der Gesellschaft, der nicht staatlich gen. Das bürgerschaftliche Engagement hat in
oder parteipolitisch ist, sondern sich freiwillig den vergangenen Jahren leicht zugenommen,
und öffentlich in gesellschaftlichen und poli- es verlagert sich aber von den größeren Ver-
tischen Fragen engagiert. bänden stärker hin zu kleinen, selbstorgani-
sierten Gruppen und wechselnden Projekten.
Vor allem Stiftungen haben eine kontinuier- Gegenwärtig engagieren sich viele Menschen
lich wachsende Bedeutung erlangt. Deutsch- in Deutschland ehrenamtlich in lokalen Ini-
land ist mit mehr als 20.000 rechtsfähigen tiativen zur Unterstützung von Flüchtlingen.
Stiftungen bürgerlichen Rechts, der klassi-
schen Rechtsform einer Stiftung, eines der Engagement in Parteien, Gewerkschaften
stiftungsreichsten Länder Europas. Seit der und Nichtregierungsorganisationen
Jahrtausendwende wurden rund 12.500 Stif-
tungen bürgerlichen Rechts errichtet, mehr Eine eher strategische und politische Mitge-
als die Hälfte aller heute bestehenden Stif- staltung erlaubt das gesellschaftspolitische
tungen dieser Art. Im Bundesdurchschnitt Engagement in Parteien, Gewerkschaften
kommen auf 100.000 Einwohner 26 Stiftun- und Nichtregierungsorganisationen. Auf die-
gen. Alle Stiftungen verfügen zusammen sem Weg eröffnet das Ehrenamt die Möglich-
über ein Vermögen von etwa 70 Milliarden keit zu intensiver demokratischer Partizipati-
Euro. Sie geben rund 17 Milliarden für ge- on. Für die großen etablierten Organisatio-
meinnützige Zwecke aus, traditionell für So- nen wird es indes zunehmend schwieriger,
ziales (28,8 Prozent), Bildung, Wissenschaft Freiwillige zur Mitarbeit zu gewinnen.
Umweltschutz ist ein Thema, für das sich viele in ihrer Freizeit engagiert einsetzen

Ein besonderes Potenzial für ehrenamtliches spiel über den Internationalen Freiwilligen-
Engagement liegt in der Altersgruppe der 14- dienst des Bundesministeriums für Familie,
bis 24-Jährigen. Dass junge Erwachsene bereit Senioren, Frauen und Jugend, das Programm
sind, sich gesellschaftlich einzubringen, zeigt „Weltwärts“ des Bundesministeriums für
das Interesse an Freiwilligendiensten. Seit wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
2011 gibt es den Bundesfreiwilligendienst. Er wicklung oder den Freiwilligendienst „Kul-
ist offen für alle Altersgruppen und ergänzt turweit“ der Deutschen UNESCO-Kommissi-
das seit mehr als 50 Jahren bestehende Modell on in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen
des Freiwilligen Sozialen Jahrs für Jugendli- Amt. Betrachtet man alle Dienste zusammen,
che und junge Erwachsene. Auch die freiwil- gab es im Jahr 2014 etwa 90.000 bis 100.000
lige Arbeit im Ausland ist möglich, zum Bei- Freiwillige.
128 | 129 GESELLSCHAFT

THEMA

STARKER SOZIALSTAAT
Deutschland verfügt über eines der umfas- ausgebaut wurde, entstand die Basis einer
sendsten Sozialsysteme. Wie auch in anderen sozialstaatlichen Orientierung. Im Grundge-
entwickelten Demokratien stellen die Sozial- setz der Bundesrepublik Deutschland wurde
ausgaben den größten Einzelposten der das Sozialstaatsprinzip in Artikel 20, Absatz 1
Staatsausgaben dar. Rund 849 Milliarden Eu- und im Artikel 28 verankert. Wie es ausge-
ro wurden 2014 für öffentliche Sozialausga- staltet wird, müssen Politik und Gesellschaft
ben aufgewendet, was einem Anteil von 29 dynamisch jeweils neu verhandeln; vor allem
Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) ent- der demografische Wandel macht Anpassun-
spricht. Die wohlfahrtsstaatlichen Sozialsys- gen notwendig.
teme haben eine Tradition, die bis in die Zeit
der Industrialisierung Deutschlands in der Soziales Netz zum Schutz vor
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück- existenziellen Risiken
reicht und mit dem damaligen Reichskanzler
Otto von Bismarck in Verbindung gebracht Heute schützt ein eng gewebtes Netz aus ge-
wird. Unter Bismarck wurde 1883 zunächst setzlicher Kranken-, Renten-, Unfall-, Pflege-
die verpflichtende Krankenversicherung für und Arbeitslosenversicherung die Bürger vor
Arbeiter eingeführt – mit der Sozialgesetz- den Folgen existenzieller Risiken und Bedro-
gebung, die in den darauf folgenden Jahren hungen. Daneben umfasst das soziale Netz die
Grundsicherung für Rentner und dauerhaft
Erwerbsunfähige oder steuerliche Leistungen
wie den Familienleistungsausgleich (Kinder-
ZAHL geld, steuerliche Vergünstigungen). Nach ei-
ner weiteren Erhöhung 2015 erhalten Famili-
30,4 Mio. en monatlich 188 Euro für das erste und zwei-
te Kind, 194 Euro für das dritte und 219 Euro
sozialversicherungspflichtig Beschäftig- für weitere Kinder.
te zählte die Bundesagentur für Arbeit
im Dezember 2014. Dies entspricht 75
Das 2014 in Kraft getretene Rentenpaket ver-
bis 80 Prozent aller abhängig Beschäf-
tigten in Deutschland. Nicht mitgezählt bessert vor allem die Situation älterer Men-
sind nicht sozialversicherungspflichtige schen. Mit der Reform wurden unter anderem
Beamte, Selbstständige, unbezahlt mit- die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren und die
helfende Familienangehörige und so sogenannte Mütterrente eingeführt. Sie gilt
genannte Mini-Jobber.
als eine Anerkennung für die erbrachte Erzie-
→ statistik.arbeitsagentur.de
hungsleistung. Frauen, die vor 1992 geborene
Mit dem monatlichen Kindergeld fördert der Staat gezielt Familien – das vorschulische Betreuungsangebot wurde ausgebaut

Kinder erzogen haben, hatten nicht die Be- 280.000 Arbeitnehmer haben sich innerhalb
treuungsmöglichkeiten, wie Eltern sie heute des ersten Jahres dafür entschieden. Mit gut
haben, und damit auch weniger Chancen in 560.000 Anträgen rechnet das Institut für Ar-
der Arbeitswelt. Diese Erziehungsleistung beitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bis
wird mit der Mütterrente gewürdigt. Rund Ende 2018.
9,5 Millionen Frauen (und wenige Männer)
erhalten seit Juli 2014 pro Kind und Jahr über In Deutschland ist eine Krankenversiche-
300 Euro mehr Rente. Langjährig Rentenver- rung gesetzliche Pflicht. Die medizinische
sicherte mit 45 Beitragsjahren wiederum Versorgung wird durch ein breites Angebot
können seit dem 1. Juli 2014 mit 63 Jahren oh- an Krankenhäusern, Praxen und Reha-Ein-
ne Abschläge in Altersrente gehen. Rund richtungen gewährleistet.
130 | 131 GESELLSCHAFT

PANORAMA

VIELSEITIGE FREIZEIT
Beliebte Freizeitbeschäftigungen
Diese Aktivitäten üben von je 100 Befragten in Deutsch-
land in ihrer Freizeit mindestens einmal pro Woche aus:

Fernsehen 97
Radio hören Telefonieren
90 von zu Hause

89
Surfen im Internet 73

71 Telefonieren von
68 Ausschlafen
unterwegs
72 Zeit mit 65
Zeitungen/
Gedanken 71 dem Partner
nachgehen verbringen
Zeitschriften lesen

64 CD/MP3
52
Computer 61 hören 54
61

Über wichtige Sich in Ruhe Kaffee trinken/


Dinge reden pflegen Kuchen essen

Wie viel Freizeit Weniger 1 bis 2 2,5 bis 4 4,5 bis 6 Mehr als 6
die Deutschen haben als 1 Stunde Stunden Stunden Stunden Stunden
So viel Zeit bleibt an
einem Werktag, um zu
tun, was gefällt: 3% 18 % 38 % 17 % 23 %

23 Mio. 43.957 28 Mio. 94 %


In ihrer Freizeit Aktive im Bundes- Mitglieder in einem Private Haushalte, die im
ehrenamtlich Tätige freiwilligendienst Sportverein Besitz von mindestens einem
Mobiltelefon sind
Wie lange ein Urlaub dauert
Durchschnittliche Reisedauer in Tagen:

14,8 14,8
13,4 13,0 12,2 12,5 12,3 12,1

2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014

Beliebteste Urlaubsländer
Von 100 Reisenden aus Deutschland 2,4
wählten 2014 als Ziel für ihre Haupturlaubs- +0,3 Skandinavien
reise (im Kreis: Veränderung zu 2013):

11,3
Fernreiseziele
-0,4

-0,3 1,5
Polen
+0,5
2,4 2,1 -0,2
USA/Kanada Benelux-Staaten

+0,4
4
Österreich
+0,5
-0,9
3
2,1 Kroatien
-0,5
Frankreich

6,9
Italien +0,5
+1,2 ±0
-0,4 2,7
14,4 2,8 Griechenland 6,7
Spanien Nordafrika Türkei

Stiftung für Zukunftsfragen

245 Euro 57 % 1.071 Euro 37 %


Durchschnittliche Haushalts- Deutsche, die im Jahr eine Durchschnittsausgaben für Deutsche, die ihre Haupt-
ausgaben im Monat für Freizeit, Reise von mindestens fünf die Haupturlaubsreise urlaubsreise in Deutschland
Kultur und Unterhaltung Tagen unternehmen verbringen
132 | 133 GESELLSCHAFT

THEMA

FREIE RELIGIONSAUSÜBUNG
Wachsende Pluralität und zunehmende ten Bekenntnisses. Mit rund 23 Millionen
Säkularisierung kennzeichnen die religiöse Mitgliedern umfassen sie den größten Teil der
Landschaft in Deutschland. 58,8 Prozent der evangelischen Christen. 34 Prozent der Bevöl-
deutschen Bevölkerung bekennen sich zu ei- kerung gehören keiner Konfession an.
ner der beiden großen christlichen Konfessio-
nen, organisiert in den 27 katholischen Diö- Infolge der alternden Mitgliedschaft und ei-
zesen und der Deutschen Bischofskonferenz ner hohen Zahl an Kirchenaustritten sinkt
sowie den evangelischen Landeskirchen und die Zahl der Gläubigen in den christlichen
der Evangelischen Kirche in Deutschland als Kirchen. 2014 haben allein 218.000 Menschen
Dachverband. Die katholische Kirche mit die katholische Kirche verlassen. Im Osten
knapp 24 Millionen Mitgliedern in 12.000 Ge- Deutschlands ist die Kirchenferne besonders
meinden gehört der Weltkirche mit dem augenfällig.
Papst als Oberhaupt der römisch-katholi-
schen Kirche an. Die Evangelische Kirche in Der Islam gewinnt durch Migration an Be-
Deutschland (EKD) ist die Gemeinschaft der deutung für das religiöse Leben. Die Zahl der
20 selbstständigen evangelischen Landeskir- aus 50 Nationen stammenden Muslime in
chen lutherischen, reformierten und unier- Deutschland wird mit etwa 4 bis 5 Millionen
beziffert, eine zentrale Ermittlung findet je-
doch nicht statt. In vielen Städten haben sich
größere muslimische Gemeinden gebildet.
LISTE
Mit der Deutschen Islam Konferenz (DIK)
existiert seit 2006 ein offizieller Rahmen für
∙ Mitgliederstärkste katholische
Diözese: Erzbistum Köln mit
den Austausch zwischen Staat und Muslimen.
2.035.000 Katholiken
Das jüdische Leben in Deutschland, das nach
∙ Mitgliederstärkste evangelische dem Holocaust völlig zerstört war, ist nach
Landeskirche: Hannover mit dem Ende des Ost-West-Konflikts durch Zu-
2.763.633 Protestanten
wanderer aus der früheren UdSSR belebt wor-
∙ Große Moscheen: Yavuz-Sultan-Selim- den. Heute leben in Deutschland wieder rund
Moschee/Mannheim; Şehitlik-Mo- 200.000 Juden. Rund 100.500 von ihnen sind
schee/Berlin, Fatih-Moschee/Bremen in 107 jüdischen Gemeinden organisiert, die
ein weites religiöses Spektrum aufweisen und
∙ Mitgliederstärkste jüdische Gemeinde:
vom 1950 gegründeten Zentralrat der Juden
Jüdische Gemeinde zu Berlin (10.009)
in Deutschland vertreten werden.
Die Religionsfreiheit garantiert in Deutschland das Grundgesetz, es gibt mehr als 2.000 Moscheen

Deutschland hat keine Staatskirche. Grund- meinschaften. Die Kirchen erheben eine Kir-
lage des Verhältnisses von Staat und Religion chensteuer, die vom Staat eingezogen wird,
ist die im Grundgesetz garantierte Religions- um soziale Dienste zu finanzieren. Schulen
freiheit, die Trennung von Staat und Kirche müssen Religion als reguläres Unterrichts-
im Sinne der weltanschaulichen Neutralität fach anbieten (eingeschränkt in Berlin und
des Staates und das Selbstbestimmungsrecht Bremen). Der islamische Religionsunterricht
der religiösen Gemeinschaften. Staat und Re- wird ausgebaut. Rund 700.000 muslimische
ligionsgemeinschaften kooperieren auf part- Kinder und Jugendliche gehen in Deutsch-
nerschaftlicher Basis. Der Staat beteiligt sich land zur Schule. Um ihnen Religionsunter-
an der Finanzierung von Kindergärten und richt anbieten zu können, werden zusätzliche
Schulen in Trägerschaft der Religionsge- Pädagogen ausgebildet.
134 | 135 K U LT U R & M E D I E N

KULTUR & MEDIEN


Lebendige Kulturnation ∙ Innovative Kreativwirtschaft ∙ Kultureller Dialog ∙
Weltoffene Positionen ∙ Rasanter Medienwandel ∙ Spannende
Welterbestätten ∙ Attraktive Sprache

EINBLICK

LEBENDIGE KULTURNATION
Die eine Kultur Deutschlands gibt es nicht. Es lands sind unter anderem rund 300 Stadt- und
gibt viele, die gleichzeitig und oft erstaunlich Landestheater, 130 zum Teil an die Rundfunk-
gegensätzlich nebeneinander her existieren, anstalten gekoppelte Berufsorchester und 80
ineinander verwoben, einander abstoßend Musiktheater. 630 Kunstmuseen mit interna-
und anziehend. Von Deutschland als Kultur- tional hochkarätigen Sammlungen bilden zu-
nation sprechen, heißt im 21. Jahrhundert, dem eine beispiellose Museumslandschaft.
von einem gewachsenen, sich immerfort wei- Mit dieser Vielfalt an Kultureinrichtungen
terentwickelnden, lebendigen Organismus zu nimmt Deutschland eine Spitzenposition ein.
reden, dessen Vielfalt verblüffend, irritierend, Das überwiegend öffentlich organisierte The-
oft auch anstrengend ist. Dies wurzelt zum ei- ater-, Orchester- und Museumssystem findet
nen in der föderalen Tradition des Landes, das grundsätzlich hohe Akzeptanz. Vor dem Hin-
erst ab 1871 als Gesamtstaat zu existieren be- tergrund engerer finanzieller Spielräume der
gonnen hat. Die 1949 gegründete Bundesre- öffentlichen Haushalte sowie den soziodemo-
publik, aber auch das seit 1990 wiedervereinte grafischen und medialen Veränderungspro-
Deutschland haben bewusst an föderale Tra- zessen wie der Digitalisierung befindet es sich
ditionen angeknüpft und die Kulturhoheit gleichwohl in einer Phase des Umbruchs und
den Ländern überlassen. Erst seit 1998 gibt es der Neuorientierung.
einen Beauftragten für Kultur und Medien im
Bundeskanzleramt. Ergebnis der aus vielen Deutschlands Ruf als bedeutende Kulturna-
ehemaligen Klein- und Mittelstaaten sowie tion gründet auf den großen Namen der Ver-
freien Städten bestehenden Struktur Deutsch- gangenheit wie Bach, Beethoven und Brahms
VIDEO AR-APP

Kultur & Medien: das Video zum Kapitel


→ tued.net/de/vid7

Künftiges Zentrum für den Dialog zwischen den Kulturen der Welt: In Berlin entsteht das Humboldt-Forum
136 | 137 K U LT U R & M E D I E N

in der Musik, Goethe, Schiller und Thomas Deutschlands in konzentrierter Form. Mit
Mann in der Literatur. Auch die künstleri- dem Humboldt-Forum entsteht zudem bis
schen Positionen der Moderne sind in allen 2019 ein kulturelles Leuchtturmprojekt im
Kunstgattungen namhaft besetzt. wieder errichteten Schloss in der Mitte Ber-
lins. Geprägt von Weltoffenheit, soll es einen
Zum anderen hat das Land einen Prozess internationalen Wissensaustausch und den
durchlaufen, der in anderen europäischen Dialog der Kulturen ermöglichen.
Staaten bereits früher einsetzte. Es hat sich,
auf Basis der eigenen Traditionen, von außen
kommenden Einflüssen geöffnet und ein
neues Narrativ entwickelt. Junge Künstler NETZ
mit Migrationshintergrund haben Artikula- Kulturportal Deutschland
tionsformen gefunden, musikalisch, aber Informationen über ausgewählte Events
auch poetisch auf das Aufeinandertreffen und kulturpolitische Themen
und Verschmelzen unterschiedlicher Her- → kulturportal-deutschland.de

kunftskulturen zu reagieren.
Litrix
Mehrsprachiges Portal zur weltweiten
Die regionalen Kunst- und Kulturzentren Vermittlung deutscher Literatur
haben sich im immer weiter verschwimmen- → litrix.de
den Grenzbereich zwischen Unterhaltung
und Hochkultur zu lebendigen Zentren der Filmportal
Plattform für Infos zum deutschen Film
neuen deutschen Kultur entwickelt. Zusam-
→ filmportal.de
men bilden sie ein Kräftefeld, ein Spiegelbild

Die darstellende Kunst findet in Deutschland viele Aufführungsmöglichkeiten


KOMPAKT

AKTEURE & INSTRUMENTE


Beauftragte der Bundesregierung
für Kultur und Medien
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur
und Medien (BKM), Monika Grütters, ist als
Staatsministerin direkt der Bundeskanzlerin zu-
geordnet. Sie hat unter anderem die Aufgabe,
Kultureinrichtungen und -projekte von nationa-
ler Bedeutung zu fördern.
→ bundesregierung.de Haus der Kulturen der Welt
Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist
Goethe-Institut ein Zentrum für den internationalen Kulturaus-
Das Goethe-Institut e. V. ist das weltweit tätige tausch und ein Forum für aktuelle Diskurse.
Kulturinstitut Deutschlands. Es hat die Aufgabe, → hkw.de
die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland
zu fördern, die internationale kulturelle Zusam- Deutscher Kulturrat
menarbeit zu pflegen und ein umfassendes, Der Deutsche Kulturrat e. V. ist der anerkannte
aktuelles Deutschlandbild zu vermitteln. Spitzenverband der Bundeskulturverbände.
→ goethe.de 246 Bundeskulturverbände und Organisationen
sind Mitglied.
Institut für Auslandsbeziehungen → kulturrat.de
Das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa)
engagiert sich weltweit für Kunstaustausch, den Zentralstelle für das Auslandsschulwesen
Dialog der Zivilgesellschaften und die Vermitt- Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen
lung außenkulturpolitischer Informationen. (ZfA) betreut und fördert circa 1.200 Schulen,
→ ifa.de darunter rund 140 Deutsche Auslandsschulen.
→ auslandsschulwesen.de
Kulturstiftung des Bundes
Die Kulturstiftung des Bundes fördert Kunst DIGITAL PLUS
und Kultur im Rahmen der Zuständigkeit des Mehr Informationen zu allen Themen
Bundes. Ein Schwerpunkt ist die Förderung des Kapitels – kommentierte Linklisten,
Beiträge, Dokumente, Reden; dazu
innovativer Programme und Projekte im inter-
weiterführende Informationen zu Stich-
nationalen Kontext. worten wie Kulturhoheit der Länder, Kulturstiftung des
→ kulturstiftung-des-bundes.de Bundes, Deutscher Filmpreis, documenta.
→ tued.net/de/dig7
138 | 139 K U LT U R & M E D I E N

THEMA

INNOVATIVE KREATIVWIRTSCHAFT
Die Kultur- und Kreativwirtschaft gehört zu (Museen, Theater, Orchester) oder zivilgesell-
den innovativsten Wirtschaftszweigen. In schaftlichen Sektor (Kunstvereine, Stiftun-
Deutschland steigt ihr Beitrag zur volkswirt- gen) tätig. Durch konsequente Förderung von
schaftlichen Gesamtleistung (Bruttowert- Neugründungen haben sich in vielen Städten
schöpfung) stetig und liegt heute auf Augen- besonders in den Feldern Design, Software
höhe mit großen Industriesektoren wie dem und Games viele Anbieter etabliert. Speziell
Maschinenbau. Der Umsatz der Kreativbran- die Software-/Games-Industrie zeigt durch
che, in der rund 249.000 Unternehmen und die Vernetzung verschiedener Sparten wie
1,5 Millionen Menschen tätig sind, lag 2013 Film, Video, Musik, Text und Animation das
bei rund 145 Milliarden Euro. Potenzial der Branche und erzielte 2013 ein
Umsatzvolumen von 31 Milliarden Euro. An
Der verbindende Kern der kultur- und krea- der Spitze der Entwicklung steht die Region
tivwirtschaftlichen Aktivität ist der schöpfe- Berlin-Brandenburg mit gut 200 Unterneh-
rische Akt von künstlerischen, literarischen, men. Kein anderer Standort hat eine dichtere
kulturellen, musischen, architektonischen Games-Infrastruktur, einschließlich entspre-
oder kreativen Inhalten, Werken, Produkten, chender Hochschulen. Aber auch Frankfurt
Produktionen oder Dienstleistungen. Struk- am Main, Hamburg, Leipzig, Köln und Mün-
turell wird die Branche insbesondere von chen haben ausgeprägte Kreativcluster. Ein
Freiberuflern sowie von Klein- und Mikroun- eng verzahntes Angebot aus Beratung, Netz-
ternehmen (97 Prozent) geprägt. Sie sind werken und Förderung bietet hier ein ideales
überwiegend erwerbswirtschaftlich orien- Umfeld, dazu gehören auch leistungsfähige
tiert – also nicht vorrangig im öffentlichen IT-Infrastrukturen.

DIAGRAMM Stetes Wachstum: Unternehmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft

Branche mit Potenzial 248.721


232.770 244.290
Die Kultur- und Kreativwirtschaft verbindet 219.376
traditionelle Wirtschaftsbereiche, neue 202.049
Technologien und moderne Informations-
und Kommunikationsformen. In Deutsch-
BMWI/Statistisches Bundesamt

land umfasst sie zwölf Teilbereiche: Musik-


wirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Film-
wirtschaft, Rundfunk, Darstellende Kunst,
Architektur, Design, Pressemarkt, Werbe-
markt, Software/Games, Sonstige.
2004 2006 2008 2011 2013
Berlin gilt, auch für internationale Jungunternehmer, als die Start-up-Metropole

Facettenreicher Buchmarkt: Viele Neuerscheinungen Guter Mittelplatz: die Bruttowertschöpfung im


Branchenvergleich in Mrd. Euro
6,3 %
Reise 33,8 % Chemische Industrie 40,3
Belletristik
9,0 % Energieversorgung 54,9
Schule und Lernen
Börsenverein des Deutschen Buchhandels

9,3 %
81.919
Kultur- und Kreativwirtschaft 63,6
BMWI/Statistisches Bundesamt

Sachbuch
Neuerscheinungen Finanzdienstleister 67,8
11,3 %
Wissenschaft 15,8 % Maschinenbau 87,9
14,5 % Kinder- und
Jugendbuch Automobilindustrie 110,4
Ratgeber
140 | 141 K U LT U R & M E D I E N

THEMA

KULTURELLER DIALOG
Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik Deutschland als Land einer erfolgreichen und
(AKBP) ist neben der klassischen Diplomatie vielfältigen Kulturszene bekannt zu machen
und der Außenwirtschaftspolitik die dritte und im Ausland ein zeitgemäßes Deutsch-
Säule der deutschen Außenpolitik. Zu ihren landbild zu vermitteln. Zu den konkreten In-
wichtigsten Zielen gehört, mit dem Aus- itiativen gehören die Förderung verschiede-
tausch und der Zusammenarbeit in Kultur, ner Kulturprogramme wie Ausstellungen,
Bildung und Wissenschaft eine gute Basis für Gastspiele deutscher Theater, Literatur- oder
die Beziehung zu anderen Ländern zu legen Filmförderung, aber auch Projekte im Dialog
und den Dialog zwischen Menschen zu mit der islamischen Welt oder „kulturweit“,
ermöglichen. Die Auswärtige Kulturpolitik ein Angebot, mit dem junge Menschen aus
eröffnet so Wege zu einem gegenseitigen Ver- Deutschland einen Freiwilligendienst im
stehen – eine wichtige Grundlage für eine Po- Ausland absolvieren können.
litik, die sich für den friedlichen Ausgleich
engagiert. Ein umfassender Kulturbegriff ist die Basis
der Programme und Projekte
Weitere Aufgaben der AKBP sind die Förde-
rung der deutschen Sprache in der Welt, Nur zu einem kleineren Teil setzt das Aus-
wärtige Amt seine Kulturpolitik selbst um.
Mit den Aufgaben betraut es vor allem privat-
rechtlich organisierte Mittlerorganisationen
LISTE
mit unterschiedlichen Schwerpunkten wie
das Goethe-Institut, das Institut für Aus-
∙ Größtes Kunstmuseum:
Hamburger Kunsthalle
landsbeziehungen (ifa), den Deutschen Aka-
demischen Austauschdienst (DAAD), die
∙ Größtes Orchester: Deutsche UNESCO-Kommission oder die
Gewandhausorchester Leipzig Alexander von Humboldt-Stiftung (zur Aus-
wärtigen Bildungspolitik siehe Kapitel Bil-
∙ Größtes Kino:
dung & Wissen).
Cinemaxx in Essen

∙ Größte Theaterbühne: Die Arbeit der Kulturmittler wird durch Ziel-


Friedrichstadtpalast (Berlin) vereinbarungen definiert, in der Programm-
und Projektgestaltung sind sie jedoch weitge-
∙ Größtes Festspielhaus:
hend frei. Das Goethe-Institut ist mit 159 Ins-
Baden-Baden
tituten in 98 Ländern präsent. Es fördert die
Alte Handschriften aus der Oasenstadt Timbuktu (Mali) werden mit Mitteln des Auswärtigen Amts konserviert und erforscht

Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland Doch es geht nicht nur um deutsche Kultur.
und pflegt die internationale kulturelle Zu- Das Kulturerhalt-Programm unterstützt die
sammenarbeit. Das ifa widmet sich vor allem Bewahrung bedeutender historischer Kultur-
dem Kulturdialog mit Ausstellungen und güter im Ausland. So förderte das Auswärtige
Konferenzen. Trends im Kulturdialog sind di- Amt von 1981 bis 2015 mehr als 2.700 Projekte
gitale Kultur- und Vermittlungsangebote und in 144 Ländern, darunter den Erhalt der
die neuen Möglichkeiten interaktiver Partizi- Handschriften von Timbuktu in Mali, das
pation. In allen Projekten legt die Auswärtige Erstellen digitaler Kulturgüterregister für Sy-
Kulturpolitik seit den 1970er-Jahren Wert auf rien, die Digitalisierung traditioneller Musik
einen umfassenden, nichtelitären Kulturbe- in Kamerun oder die Sicherung der Großen
griff, der „Kultur“ nicht auf „Kunst“ verengt. Halle von Karakorum in der Mongolei.
142 | 143 K U LT U R & M E D I E N

THEMA

WELTOFFENE POSITIONEN
In der auf Pluralismus basierenden Gesell- spiegelt und in vielen Städten, vor allem aber
schaft Deutschlands kann es den einen alle in Berlin sichtbar ist. Millionen Deutsche mit
anderen dominierenden kulturellen Trend Migrationshintergrund leben in zweiter, drit-
ebenso wenig geben wie die eine alle übrigen ter Generation im Land, sie erzählen über sich
in den Schatten stellende Metropole. Ver- und das Leben ihrer Eltern und Großeltern
stärkt durch die föderale Struktur gibt es in andere Geschichten als die seit Jahrhunder-
Deutschland eine Gleichzeitigkeit des Un- ten in Deutschland lebenden Bürger. Sie sind,
gleichzeitigen, existieren unterschiedlichste, ob in Deutschland geboren oder nicht, in der
mitunter gegensätzliche und miteinander Regel durch keine konkrete Migrationsge-
konkurrierende Strömungen in Theater, schichte geprägt, aber durch die Erfahrung
Film, Musik, Bildender Kunst und Literatur. kultureller Hybridität. Dieses Leben in unter-
schiedlichen kulturellen Zusammenhängen
Einen deutlichen Trend gibt es im Theater: bringt neue Formen der künstlerischen Aus-
Die Zahl der Uraufführungen zeitgenössi- einandersetzung mit der Gesellschaft hervor
scher Autoren ist steil gestiegen. Sie zeigen und bildet die aktuellen Konfliktlinien, die
die Bandbreite der gegenwärtigen Darstel- Aushandlung von Rechten, von Zugehörig-
lungsformen, in denen sich traditionelles keit, von Teilhabe ab. Es entstehen neue Nar-
Sprechtheater mit Pantomime, Tanz, Video,
Laiendarstellung und Musik häufig zu einem
performanceähnlichen, postdramatischen
INFO
Bühnengeschehen verdichtet. Die Vielfalt,
Adelbert-von-Chamisso-Preis Dieser
wie sie jährlich das im Mai stattfindende Ber-
Literaturpreis wird seit 1985 von der
liner Theatertreffen zeigt, ist vielstimmige Robert-Bosch-Stiftung verliehen. Aus-
Antwort auf die Fragestellungen einer kom- gezeichnet werden deutschsprachige,
plexen Wirklichkeit. bereits veröffentlichte Werke von Auto-
ren nichtdeutscher Muttersprache. Die
Preisträger 2015 waren Sherko Fatah,
Neben diesem von einer gesellschaftlichen
ein deutscher Schriftsteller mit iraki-
Mitte getragenen kulturellen Mainstream
schen Wurzeln (für sein Gesamtwerk),
entsteht etwas Neues, das zunehmend aus die in Baku/Aserbaidschan geborene
den randständigen Milieus in die freie, aber Autorin Olga Grjasnova („Die juristische
auch in die etablierte Theaterkultur vor- Unschärfe einer Ehe“) und Martin Kor-
dringt und sie befruchtet. „Postmigrantisch“ dic („Wie ich mir das Glück vorstelle“),
dessen Vater aus Kroatien stammt.
ist das Schlagwort für dieses Phänomen, das
→ bosch-stiftung.de
Deutschland als Einwanderungsgesellschaft
Ein großer Erfolg war Yael Ronens Inszenierung von „Common Ground“ am Maxim Gorki Theater in Berlin

rative, die ein neues Selbstbild der Gesell- junge Klientel, sie spiegeln einen unüber-
schaft befördern und die kulturelle Wahr- sichtlichen Prozess wider, der sich ständig
nehmung Deutschlands im Ausland prägen. weiter entfaltet und ausdifferenziert. Mit dem
Stück „Common Ground“, das sich mit dem
Als ein Leuchtturm dieser die Transkultura- Balkan-Krieg auseinandersetzt, inszeniert
lität feiernden Kunstproduktion gilt Shermin von der israelischen Regisseurin Yael Ronen,
Langhoffs „Postmigrantisches Theater“ im wurde das Gorki Theater 2015 zum Berliner
Berliner Maxim Gorki Theater. Ihre Inszenie- Theatertreffen eingeladen. Dabei vollzieht
rungen erreichen über das traditionelle Thea- das Theater nach, was in der Pop-Musik und
terpublikum hinaus eine neue, überwiegend der Literatur schon länger eingesetzt hat.
144 | 145 K U LT U R & M E D I E N

Auch hier spiegeln Künstler-Biografien die Katja Petrowskaya, Sherko Fatah, Nino Hara-
gesellschaftliche Vielfalt, zeigen spannungs- tischwili, Saša Stanišić, Feridun Zaimoglu
reiche Fusionen unterschiedlichster Stilrich- oder Alina Bronsky, um nur einige wenige zu
tungen neue Perspektiven. Im Pop werden nennen, zählen seit vielen Jahren zu den er-
unterschiedlichste internationale Musikstile folgreichsten deutschsprachigen Autoren. Ih-
(Balkan-Beat, afroamerikanischer Sound, re Bücher, die unter anderem den iranischen,
türkischer Rock, amerikanischer Hip Hop) russischen, türkischen Erfahrungshinter-
mit Einflüssen oder Elektronik-Phänomenen grund reflektieren, werden von vielen gelesen
kombiniert, die als „typisch deutsch“ gelten. und ihre Literatur trägt ihre jeweils eigenen
Wie in anderen Ländern übernimmt Rap eine Themen und die Migrationserfahrung in die
Identifikationsrolle für Jugendliche aus Mi- Gesellschaft hinein.
grantenfamilien.
Ähnliches gilt für die Filme der Regisseure
In der Gegenwartsliteratur spielen postmi- Fatih Akin oder Bora Dagtekin, die spielerisch
g rantische Themen eine zentrale Rolle die Milieus und Klischees aufeinanderprallen
lassen. Das Bild von Deutschland, das dabei
Wichtige Autorinnen und Autoren mit Mi- entsteht und auf den verschiedensten Ebenen
grationshintergrund wie Navid Kermani, der reflektiert wird, ist bisweilen chaotisch und
2015 einen der renommiertesten Kulturprei- widersprüchlich. Die Gesellschaft muss diese
se Deutschlands, den Friedenspreis des Deut- Ambivalenzen und Spannungen ertragen ler-
schen Buchhandels, erhalten hat, aber auch nen, die Künste spiegeln dies und bieten

Der deutsch-iranische Schriftsteller Narvid Kermani hat 2015 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten
KARTE
Wichtige Kulturpreise in Deutschland

1 Goldener Bär
Die Internationalen Filmfestspiele
Berlin (Berlinale) gelten neben Venedig
und Cannes als maßgebliches Kinofestival.
Verliehen werden ein Goldener Bär und
mehrere Silberne Bären.
1 3
Berlin 2 Preis der Leipziger Buchmesse
Der Preis der Leipziger Buchmesse ehrt
2 deutschsprachige Neuerscheinungen.
Leipzig
3 Deutscher Filmpreis
Frankfurt a.M. Mit fast drei Millionen Euro Preisgeld ist
4 der Deutsche Filmpreis der höchstdotierte
deutsche Kulturpreis.
5
Darmstadt
4 Deutscher Buchpreis
Eine Jury wählt den besten deutschspra-
chigen Roman des Jahres aus.

5 Georg-Büchner-Preis
Der Georg-Büchner-Preis ist der wichtigs-
te Literaturpreis im deutschen Sprachraum.

Spielflächen für das friedliche Ausagieren der zum ersten Mal die der deutschen Studienan-
Konflikte. Das postmigrantische Deutsch- fänger. Berlin mit seinen rund 500 Galerien
land ist nicht unbedingt kuschelig, aber span- und seinen vielen Freiräumen für künstleri-
nend und dynamisch. sche Positionen gilt heute geradezu als Me-
tropole der jungen, zeitgenössischen Kunst
Weltoffen und international ist auch die Bil- und eine der weltweit größten Produktions-
dende Kunst in Deutschland. Das zeigt schon stätten von Gegenwartskunst. Dies offenbart
die Statistik der Studienanfänger an deut- auch jedes zweite Jahr die Biennale in Vene-
schen Kunsthochschulen: 2013 übertraf die dig: Eine Vielzahl der hier ausgestellten inter-
Zahl der ausländischen Studierenden, die sich nationalen Künstler geben Berlin als ihren
für das erste Semester eingeschrieben hatten, Wohnort an.
146 | 147 K U LT U R & M E D I E N

THEMA

RASANTER MEDIENWANDEL
Die Presse- und Meinungsfreiheit ist in te Säule der auf dem dualen Prinzip von pri-
Deutschland auf hohem Niveau gewährleistet vat und öffentlich basierenden Medienland-
und ein verfassungsmäßig geschütztes Gut. schaft, die im Kern unverändert seit der
In Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es: „Jeder Gründung der Bundesrepublik 1949 besteht.
hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift Der monatliche Rundfunkbeitrag beträgt seit
und Bild zu äußern und zu verbreiten und 2015 17,50 Euro. Daneben ist seit den 1980er-
sich aus allgemein zugänglichen Quellen un- Jahren eine Vielzahl privater Rundfunk- und
gehindert zu unterrichten. (. . .) Eine Zensur Fernsehsender am Markt. 2014 konnten
findet nicht statt.“ Der „Press Freedom Index“ durchschnittlich 78 TV-Sender pro Haushalt
der Nichtregierungsorganisation „Reporter empfangen werden; insgesamt gibt es, ein-
ohne Grenzen“ platziert Deutschland im Jahr schließlich etlicher Pay-TV-Angebote, fast
2015 auf Rang 12 von 180 Ländern. Die Viel- 400 Programme. Die wichtigsten TV-Nach-
falt der Meinungen ist gegeben, der Pluralis- richtensendungen sind „Tagesschau“ und „Ta-
mus der Information vorhanden. Die Presse gesthemen“ in der ARD, „heute“ und „heute
befindet sich nicht in der Hand von Regierun- journal“ im ZDF sowie „RTL aktuell“. Allein in
gen oder Parteien, sondern wird von privat- Berlin, das zu den zehn Top-Medienstädten
wirtschaftlich geführten Medienunterneh- weltweit gehört, arbeiten 900 akkreditierte
men verantwortet. Der nach britischem Vor- Parlamentskorrespondenten und 400 Aus-
bild organisierte öffentlich-rechtliche Rund- landskorrespondenten aus 60 Staaten.
funk (ARD, ZDF, Deutschlandfunk) als ge-
bührenfinanzierte Körperschaften bzw. An- Zur vielstimmigen Medienlandschaft zählen
stalten des öffentlichen Rechts, sind die zwei- 329 in ihrer Mehrzahl regional verbreitete

WEGMARKEN

1945
Nach der Nazi-Herrschaft er-
1950
Die sechs westdeutschen Rund-
1984
In Ludwigshafen am Rhein nimmt
scheinen in Deutschland zunächst funkanstalten schließen in Bre- die „Programmgesellschaft für
nur sogenannte Lizenzzeitungen. men eine Vereinbarung über die Kabel- und Satellitenrundfunk“,
In der amerikanischen Besat- „Errichtung einer Arbeitsgemein- abgekürzt PKS, den Sendebetrieb
zungszone wird die erste Lizenz schaft der öffentlich-rechtlichen auf. Es ist die Geburtsstunde des
am 1. August 1945 an die „Frank- Rundfunkanstalten der Bundes- Privatfernsehens in Deutschland.
furter Rundschau“ vergeben. republik Deutschland“.
Die sozialen Medien verändern das Mediensystem, das Kommunikationsverhalten und die Öffentlichkeit fundamental

1995
Als erste deutsche Tageszeitung
1997
Rund 4,1 Millionen Bundesbürger
2014
Rund 28 Millionen Menschen in
geht die linksliberale „taz“ sechs über 14 Jahre nutzen die neuen Deutschland nutzen Facebook.
Jahre nach der Geburt des World Online-Zugänge zumindest gele- Eine Allensbach-Studie spricht
Wide Web online. Nach ihrem gentlich. Im Jahr 2014 sind dies von 1 Million Deutschen, die Twit-
„Go-live“ entwickelt sich die rund 55,6 Millionen, das ent- ter häufig nutzen. Spitzenreiter bei
Community der „digitaz“ sprung- spricht 79,1 Prozent der über den sozialen Medien ist WhatsApp
haft nach oben. 14-Jährigen in Deutschland. mit 35 Millionen Nutzern.
148 | 149 K U LT U R & M E D I E N

Deutschlands größter Newsroom: die Zentralredaktion der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin

Tageszeitungen, 20 Wochenzeitungen sowie „taz“ und „Handelsblatt“, zeichnen sich durch


1.590 Publikumszeitschriften (2014). Deutsch- investigative Recherche, Analyse, Hinter-
land ist nach China, Indien, Japan und den grund und umfassende Kommentierung aus.
USA der fünftgrößte Zeitungsmarkt weltweit. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“/„Spiegel
Pro Erscheinungstag werden 17,54 Millionen Online“ und das Boulevardblatt „Bild“ gelten
Tageszeitungen und fünf Millionen Wochen- als die meistzitierten Medien.
und Sonntagszeitungen verkauft (2014). Die
führenden Blätter, die überregionalen Tages- Zugleich befindet sich die Branche in einem
zeitungen „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfur- tiefgreifenden Strukturwandel. Die Tageszei-
ter Allgemeine Zeitung“, „Die Welt“, „Die Zeit“, tungen büßen seit 15 Jahren regelmäßig

DIAGRAMM Rasante Entwicklung: Internetnutzer in Deutschland in Millionen

Digitaler Alltag 55,6


Die mobile Internetnutzung und 49
die Verwendung mobiler Endgeräte
steigen in Deutschland deutlich an. 38,6
Mit der zunehmenden mobilen Da-
tennutzung wachsen die technologi-
ARD/ZDF-Onlinestudie 2014

schen Anforderungen an die Netzin- 18,3


frastruktur. Studien zeigen auch: Die
Zahl der Internetnutzer steigt seit 4,1
geraumer Zeit nur noch geringfügig. 1997 2000 2006 2010 2014
durchschnittlich 1,5 bis 2 Prozent ihrer be- GLOBAL
zahlten gedruckten Auflage ein. Sie erreichen
Deutsche Welle Die Deutsche Welle
immer seltener jüngere Leserschichten und (DW) ist der staatliche Auslandsrund-
befinden sich bei weiterhin rückläufigen Auf- funk Deutschlands und Mitglied der
lagen und Anzeigenumsätzen in schwerem ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffent-
Fahrwasser. Über 100 Zeitungen haben als lich-rechtlichen Rundfunkanstalten der
Bundesrepublik Deutschland). Die
Antwort auf die Umsonst-Kultur im Netz in-
DW sendet in 30 Sprachen, sie bietet
zwischen Bezahlschranken eingeführt.
Fernsehen (DW-TV), Radio und Internet
sowie internationale Medienentwick-
Die Digitalisierung der Medienwelt, das In- lung im Rahmen der DW Akademie.
ternet, die dynamische Zunahme mobiler 2015 hat der Auslandssender mit einem
Endgeräte und der Siegeszug der sozialen Me- 24-Stunden-Programm in
englischer Sprache gestartet.
dien haben das Mediennutzungsverhalten
→ dw.de
signifikant verändert. 55,6 Millionen Deut-
sche über 14 Jahre (79 Prozent) sind heute on-
line. Jeder Internetnutzer war 2014 an 5,9 Ta-
gen wöchentlich im Netz und verbrachte täg-
lich rund 166 Minuten online (gerechnet auf
die Gesamtbevölkerung: 111 Minuten); jeder meinungsbildend am Diskurs teilnehmen
Zweite surft inzwischen mobil. Zudem ist gut kann. Ob die interaktiven Versammlungsorte
die Hälfte aller Internetnutzer Mitglied einer im Netz zugleich das Fundament für einen zu-
privaten Community. Die digitale Revolution kunftsfähigen digitalen Journalismus bilden,
hat einen neuen Begriff von Öffentlichkeit bleibt abzuwarten. In Deutschland wird zum
hervorgebracht; die sozialen Medien und die Beispiel die Entwicklung des 2014 als Crowd-
Bloggosphäre sind der Spiegel einer offenen funding-Projekt gestarteten Online-Magazins
und dialogischen Gesellschaft, in der jeder „Krautreporter“ mit Spannung verfolgt.

Vielfältiger Zugang: So gehen die Deutschen ins Internet Tägliche Mediennutzung

95 %
Fernsehen 240 Min.
Computer, PC, 18 %
TV
Laptop Radio 192 Min.
ARD/ZDF-Onlinestudie 2014

ARD-ZDF-Onlinestudie 2014

28 % Internet 111 Min.


Tablet-PC
62 %
Smartphone/ Zeitung 23 Min.
Handy
150 | 151 K U LT U R & M E D I E N

PANORAMA

SPANNENDE WELTERBESTÄTTEN

Kölner Dom Wartburg


Das Meisterwerk Reformator Martin
der Gotik schufen Luther übersetzte im
mehrere Genera- Schutz ihrer Mauern
tionen – von 1248 das Neue Testament.
bis 1880.

Zeche Zollverein Bauhaus


Der 1986 stillgelegte Die Bauhausstätten
Industriekomplex in in Dessau und Weimar
Essen repräsentiert die stehen für die berühmte
Entwicklung der Schwer- Designschule des frü-
industrie in Europa. hen 20. Jahrhunderts.

157 m 1 km2 44 km2 3.000.000


Höhe Kölner Dom Fläche Zeche Zollverein Fläche Buchenwälder Museumsinsel-
Besucher
UNESCO-Weltkulturerbestätte
34 UNESCO-Weltnaturerbestätte
Schleswig- 26
33 Holstein Mecklenburg-
1 Aachener Dom
8 2 Speyerer Dom
26 Vorpommern
33 3 Würzburger Residenz und Hofgarten
Bremen 40 34 4 Wallfahrtskirche „Die Wies“
Hamburg 5 Schlösser Augustusburg und Falken-
28 34 lust in Brühl
Niedersachsen
22 Berlin 6 Dom und Michaeliskirche in
Sachsen-
Hildesheim
6 Anhalt 9 32 7 Römische Baudenkmäler, Dom und
35 23 Brandenburg Liebfrauenkirche von Trier
11 14 18 19 8 Hansestadt Lübeck
Nordrhein- 39
25 Westfalen 19 29 9 Schlösser und Parks von Potsdam
34 und Berlin
34 38 10 Kloster Lorsch
17 21 18 20 Sachsen
11 Bergwerk Rammelsberg, Altstadt
1
5 Hessen Thüringen von Goslar und Oberharzer Wasser-
wirtschaft
27 12 Altstadt von Bamberg
16
Rheinland- 12 37 13 Klosteranlage Maulbronn
7 Pfalz 10 3 14 Stiftskirche, Schloss und
Saarland 30 Altstadt von Quedlinburg
15 2 Bayern 15 Völklinger Hütte
13 31 16 Grube Messel
Baden-
17 Kölner Dom
Württemberg
18 Das Bauhaus und seine Stätten in
36 Weimar und Dessau
19 Luthergedenkstätten in Eisleben und
24 4 Wittenberg
20 Klassisches Weimar
21 Wartburg
22 Museumsinsel Berlin
23 Gartenreich Dessau-Wörlitz
24 Klosterinsel Reichenau
Limes
25 Industriekomplex Zeche Zollverein in
Das Kastell Saalburg Essen
des römischen Grenzwalls 26 Altstädte von Stralsund und Wismar
27 Oberes Mittelrheintal
in Hessen wurde rekons-
28 Rathaus und Roland in Bremen
truiert. 29 Muskauer Park
30 Grenzen des Römischen Reiches:
Obergermanisch-raetischer Limes
31 Altstadt von Regensburg mit
Buchenwälder
Stadtamhof
Fünf Buchenwaldge- 32 Siedlungen der Berliner Moderne
biete in Deutschland 33 Wattenmeer
34 Alte Buchenwälder Deutschlands
zählen zum Welterbe
35 Fagus-Werk in Alfeld
der UNESCO. 36 Prähistorische Pfahlbauten, Alpen
37 Markgräfliches Opernhaus Bayreuth
38 Bergpark Wilhelmshöhe
39 Karolingisches Westwerk und
Civitas Corvey
40 Hamburger Speicherstadt und
Kontorhausviertel mit Chilehaus

2.000 550 km 10.000 1.031


Fachwerkbauten Länge Limes Tier- und Pflanzenarten Unesco-Welterbestätten
Quedlinburg im Wattenmeer weltweit
152 | 153 K U LT U R & M E D I E N

THEMA

ATTRAKTIVE SPRACHE
Deutsch gehört zu den rund 15 germanischen schen liegt in der starken Ökonomie begrün-
Sprachen, einem Zweig der indogermani- det, die der Sprache eine hohe Attraktivität
schen Sprachfamilie. Knapp 130 Millionen verleiht. Sie bildet die Basis einer aktiven
Menschen in Deutschland, Österreich, der Sprachverbreitungspolitik, die Sprachlehr-
Schweiz, Luxemburg, Belgien, Liechtenstein einrichtungen im In- und Ausland unter-
und Südtirol (Italien) sprechen Deutsch als stützt, Stipendien bereitstellt oder Studien-
Muttersprache oder als regelmäßig benutzte angebote für international mobil Studierende
Zweitsprache. Es ist damit die am häufigsten anbietet. Dies zeigt das deutlich steigende In-
gesprochene Muttersprache in der Europäi- teresse an Deutsch speziell in den neuen
schen Union und eine der zehn am meisten Gestaltungsmächten China, Indien und Bra-
gesprochenen Sprachen. Die 2015 veröffent- silien sowie allgemein die Zuwächse aus dem
lichte Studie „Deutsch als Fremdsprache welt- asiatischen Raum, in dem sich die Nachfrage
weit“ spricht von 15,4 Millionen Menschen, seit 2010 teilweise vervierfacht hat.
die aktuell Deutsch als Fremdsprache lernen.
Wie viele Menschen weltweit Deutsch als Wichtige Institutionen des Deutschlernens
Fremdsprache tatsächlich sprechen, kann mit sind die 140 Deutschen Auslandsschulen so-
etwa 100 Millionen nur grob beziffert werden. wie die fast 2.000 Schulen mit verstärktem
Deutschunterricht, die in die Partnerschul-
Ein Grund für die gemessen an der Sprecher- initiative des Auswärtigen Amts „Schulen:
zahl überproportionale Bedeutung des Deut- Partner der Zukunft“ (PASCH) einbezogen
sind. An den Sprachkursen des Goethe-Insti-
tuts, das in mehr als 90 Ländern Deutsch als
Fremdsprache und Sprachprüfungen anbie-
ZAHL
tet, nahmen im Jahr 2014 rund 228.000 Men-
schen teil. An Universitäten in 108 Ländern
16 lernen rund 1,3 Millionen Menschen die
deutsche Sprache.
größere Dialektverbände gibt es in
Deutschland, dazu gehören beispiels-
weise Bairisch, Alemannisch, Westfä- Die Relevanz der deutschen Sprache als inter-
lisch, Brandenburgisch und Nordnieder- nationale Wissenschaftssprache ist tendenzi-
deutsch. Die regionalen Unterschiede ell nachlassend. In den Naturwissenschaften
in der gesprochenen Sprache sind ziem- wird der globale Publikationsanteil von
lich groß; allgemein verlieren Dialekte
Deutsch von bibliografischen Datenbanken
jedoch an Bedeutung.
mit einem Prozent ausgewiesen. Über eine
Die deutsche Sprache ist die am häufigsten gesprochene Muttersprache in der Europäischen Union

größere und traditionelle Bedeutung als Wis- nutzten Sprachen im Netz nach Anteil der
senschaftssprache verfügt Deutsch in den Websites liegt Deutsch 2015 mit großem Ab-
geistes- und sozialwissenschaftlichen Diszi- stand zu Englisch, aber nur knapp hinter Rus-
plinen. Nicht-deutschsprachige Wissen- sisch auf Rang drei.
schaftler publizieren allerdings nur noch aus-
nahmsweise auf Deutsch. Dagegen veröffent- Die Globalisierung übt Druck auf alle inter-
lichen deutschsprachige Forscher intensiv auf nationalen Sprachen aus, und Englisch als
Englisch, besonders in den Naturwissenschaf- Weltsprache wird dadurch deutlich gestärkt.
ten. Im Internet hingegen spielt die deutsche Dennoch wird Deutsch weiterhin eine wich-
Sprache eine wichtige Rolle. Bei den meistge- tige internationale Sprache bleiben.
154 | 155 LEBENSART

LEBENSART
Land der Vielfalt ∙ Urbane Lebensqualität ∙ Nachhaltiger Tourismus ∙
Sportliche Herausforderungen ∙ Sehenswertes Berlin ∙ Entspanntes Genießen

EINBLICK

LAND DER VIELFALT


Naturliebe und Stadtbegeisterung, gesunde Einwohnern ist Deutschland das bevölke-
Ernährung und Gourmet-Restaurants, Tradi- rungsreichste Land der EU und eines der am
tionsbewusstsein und Weltoffenheit – dichtesten besiedelten Länder; über 70 Pro-
Deutschland ist mit 357.000 Quadratkilome- zent der Einwohner leben in dicht und mittel-
tern nach Frankreich, Spanien und Schweden stark besiedelten Gebieten. Rund 30 Prozent
das viertgrößte Land der Europäischen Union der Bevölkerung haben ihr Domizil in Groß-
(EU). Von der Nord- und Ostsee bis zu den Al- städten mit mehr als 100.000 Einwohnern,
pen im Süden gliedert sich Deutschland geo- von denen es in Deutschland 76 gibt; in Mün-
grafisch abwechslungsreich in das Norddeut- chen sind 4.460 Menschen auf einem Qua-
sche Tiefland, die Mittelgebirgsschwelle, das dratkilometer zu Hause, in Berlin 3.780. Ex-
Südwestdeutsche Mittelgebirgsstufenland, perten sehen in der Renaissance der Städte
das Süddeutsche Alpenvorland und die Baye- eine anhaltende Entwicklung für Wachstum
rischen Alpen. Von Norden nach Süden be- und Innovation und prognostizieren für 2030
trägt die längste Distanz 876 Kilometer, von stark steigende Einwohnerzahlen für Groß-
Ost nach West 640 Kilometer. städte – mit erheblichen Folgen für den Woh-
nungsmarkt, die innerstädtische Mobilität
Deutschland gehört zu den Ländern mit dem und die Infrastruktur. Speziell die Alters-
höchsten Lebensstandard der Welt. Der Hu- gruppe der 18- bis 24-Jährigen zeigt eine hohe
man Development Index (HDI) 2014 der Ver- Bereitschaft, in die Städte zu ziehen. Mit der
einten Nationen platziert Deutschland auf Urbanisierung liegt Deutschland im globalen
Platz 6 von 187 Ländern. Mit 81,2 Millionen Trend. Auch für Touristen haben die Städte
VIDEO AR-APP

Lebenswertes Deutschland: das Video


zum Thema → tued.net/de/vid8

Sylt, die viertgrößte deutsche Insel, bietet entlang der Nordseeküste kilometerlange Sandstrände
156 | 157 LEBENSART

große Anziehungskraft – gerade Berlin ent- sich als Vegetarier bezeichnen; 900.000 leben
wickelt einen speziellen Magnetismus und er- nach eigener Aussage vegan. Trotzdem
zielt immer neue Besucherrekorde. Im euro- kommt der Genuss nicht zu kurz. Dafür ste-
päischen Vergleich liegt die 3,4-Millionen- hen die 282 Restaurants in Deutschland, die
Metropole bei den absoluten Übernachtungs- im Guide Michelin 2015 einen oder mehrere
zahlen auf Platz drei nach London und Paris. Sterne tragen – ihre Zahl ist seit 2010 um 25
Prozent gestiegen.
Der Sehnsucht nach Stadtleben steht zu-
gleich aber ein Bedürfnis nach Regionalität
gegenüber – vor allem bei der Ernährung. Die
ökologische Lebensmittelwirtschaft hat ei- NETZ
nen festen Platz in der deutschen Agrarwirt- Destatis
schaft und setzt mit Bioprodukten jährlich 7,6 Daten, Fakten und Studien der amt-
Milliarden Euro um. 23.500 Biohöfe, acht Pro- lichen Statistik, erstellt vom Statistischen
zent der Landwirtschaftsbetriebe, bewirt- Bundesamt in Wiesbaden
→ destatis.de
schaften 6,3 Prozent der landwirtschaftli-
chen Fläche. Die Bioprodukte werden ge-
OECD
stützt von Zertifizierungen – rund 70.400 Vergleich der materiellen Lebensbedin-
Produkte tragen das deutsche staatliche Bio- gungen und der Lebensqualität in 34
siegel –, einem starken Verbraucherschutz Staaten, auf Basis des Better Life Index
und einer umfassenden Kennzeichnungs- der Organisation für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (OECD)
pflicht. 2014 gab es in der deutschsprachigen
→ oecdbetterlifeindex.org
Bevölkerung 7,75 Millionen Personen, die

Frankfurt am Main, die Stadt der Europäischen Zentralbank (EZB), bietet als einzige deutsche Metropole eine Skyline
KOMPAKT

AKTEURE & INSTRUMENTE


Deutsche Zentrale für Tourismus
Seit über 60 Jahren wirbt die Deutsche
Zentrale für Tourismus (DZT) im Auftrag der
Bundesregierung für das Reiseland Deutschland
im Ausland. 2016 stellt die DZT das Themenjahr
„Faszination Natururlaub in Deutschland –
Natur und Nationalparke“ in den Mittelpunkt.
→ germany.travel
Deutsches Weininstitut
Deutscher Olympischer Sportbund Das Deutsche Weininstitut (DWI) ist die
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Kommunikations- und Marketingorganisation
ist die Dachorganisation des deutschen Sports. der deutschen Weinwirtschaft. Kernaufgabe
Der DOSB zählt mehr als 28 Millionen Mitglie- des Instituts ist es, die Qualität und den Absatz
der in rund 91.000 Sportvereinen. des deutschen Weins zu fördern.
→ dosb.de → deutscheweine.de

Deutscher Fußball-Bund Gut leben in Deutschland


Mit 6,85 Millionen Mitgliedern ist der Deutsche Die Bundesregierung hat 2015 mit den
Fußball-Bund (DFB) der größte nationale Menschen in Deutschland einen Dialog über
Sport-Fachverband der Welt – und der einzige ihr Verständnis von Lebensqualität gestartet.
Fußballverband, bei dem sowohl die Frauen als In bundesweiten Veranstaltungen und online
auch die Männer Weltmeister wurden. tauscht sie sich direkt mit den Bürgerinnen und
→ dfb.de Bürgern aus, um sich künftig noch konkreter
an dem orientieren zu können, was den Men-
Internationale Sportförderung schen in Deutschland wichtig ist.
Seit 1961 ist die Internationale Sportförderung → gut-leben-in-deutschland.de
des Auswärtigen Amts Teil der Auswärtigen Kul-
tur- und Bildungspolitik. In über 100 Entwick- DIGITAL PLUS
lungsländern wurden bisher 1.400 Kurz- und Mehr Informationen zu allen Themen
Langzeitprojekte umgesetzt. Gefördert wird vor des Kapitels – kommentierte Linklisten,
Beiträge, Dokumente; dazu weiter-
allem der Frauen-, Behinderten- und Jugend-
führende Informationen zu Begriffen
sport, um zur Integration beizutragen. wie Deutsche Küche, Weine aus Deutschland, Bauhaus-
→ sport.diplo.de architektur, Wellnessurlaub in Deutschland.
→ tued.net/de/dig8
158 | 159 LEBENSART

THEMA

URBANE LEBENSQUALITÄT
Gute Arbeitsplätze, saubere Umwelt, geringe Wohneigentumsquote in Europa an vorletz-
Kriminalität, viele Freizeit- und Kulturange- ter Stelle. Nur 43 Prozent der Haushalte woh-
bote, gute Verkehrsverbindungen: diese Ei- nen in den eigenen vier Wänden. Die Mehr-
genschaften werden deutschen Städten häu- heit zahlt Miete. Knapp 20 Prozent der Men-
fig bescheinigt. In einer 2015 veröffentlichten schen sehen die Wohnkosten als „starke
Studie des amerikanischen Beratungsunter- finanzielle Belastung“. 35 Prozent der Mo-
nehmens Mercer zur Bewertung der Lebens- natseinkünfte entfallen im Durchschnitt auf
qualität in 230 Großstädten sind sieben deut- Ausgaben fürs Wohnen. Die Bundesregierung
sche Städte in den Top 30. Mit München (Rang hat daher eine Mietpreisbremse auf den Weg
4), Düsseldorf (6) und Frankfurt a. M. (7) ka- gebracht, die in Gegenden mit angespanntem
men sogar drei Städte unter die besten zehn. Wohnungsmarkt die soziale Vielfalt bewah-
Berlin (14), Hamburg (16) und Stuttgart (21) ren soll. Sie sieht vor, dass die Miete bei einem
sind ebenfalls auf Spitzenplätzen. In Deutsch- Mieterwechsel nur noch um höchstens zehn
land gibt es 76 Großstädte (mehr als 100.000 Prozent teurer ist als eine vergleichbare Woh-
Einwohner) und 600 Mittelstädte zwischen nung – doch es gibt Ausnahmen. In Berlin
20.000 und 99.999 Einwohner; 74 Prozent der wurden zudem 22 Gebiete unter „Mi-
Menschen leben bereits in Städten. lieuschutz“ gestellt. Alle Rückbaumaßnah-
men, also jeder Abriss sowie alle Bau- und
Die Nachfrage nach urbanem Wohnraum hat Nutzungsänderungen, werden geprüft und
zu einem starken Anstieg der Mietpreise bei benötigen eine Genehmigung, um zu verhin-
Neuvermietungen sowie der Immobilien- dern, dass Sanierung ein Synonym für Gen-
preise geführt. Deutschland liegt bei der trifizierung wird.

DIAGRAMM Konsumausgaben privater Haushalte in Deutschland

So wohnen die Deutschen


Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutsch-
22 % 35 %
Sonstige Wohnen, Energie,
land wohnt zur Miete, nicht im eigenen Heim. Wohnungs-
64,5 Prozent aller Wohngebäude sind Einfamili- instandhaltung
enhäuser, nur 5,9 Prozent sind größere Gebäude 4%
Bekleidung,
Statistisches Bundesamt 2014

mit sieben und mehr Wohnungen. 35 Prozent


der Wohnungen und Häuser haben 100 m2 und Schuhe 14 %
Verkehr
mehr Fläche, nur 5,5 Prozent der Wohnungen
sind kleiner als 40 m2. 11 % 14 %
Freizeit, Nahrungsmittel,
Unterhaltung, Kultur Getränke, Tabakwaren
Urbane Lebensqualität ist der Wunsch vieler, daher steigen auch die Mieten in den Städten

Anteil der Stadtbevölkerung Wohnungen in Deutschland nach Anzahl der Räume

Deutschland 74,2 %
Weltbank, Statist. Ämter des Bundes und der Länder 2013

25,8 % 39,3 %
Großbritannien 79,9 % 4 Räume 5 und mehr
Räume
Kanada 80,9 %
USA 82,9 % 3,3 %
1 Raum
Australien 89,5 % 22,2 %
9,4 %
3 Räume
2 Räume
160 | 161 LEBENSART

THEMA

NACHHALTIGER TOURISMUS
Die Deutschen verreisen gern. Auch und gera- schen Wiedervereinigung 1990 hat der positi-
de im eigenen Land. Immerhin stehen Alpen, ve Trend zum Deutschland-Tourismus einge-
Küste, Seenplatte, Naturparks, Flusstäler setzt und seither zu einem kontinuierlichen
schon seit Jahren auf Platz eins der Reiseziele. Anstieg der Übernachtungszahlen von aus-
Eine Leidenschaft für die Vielfalt der Land- ländischen Gästen um rund 88 Prozent (ein
schaften, für die Sightseeing-, Sport- und Er- Plus von 33,7 Millionen Übernachtungen) ge-
holungsoptionen, die man längst mit einem führt. Gut 75 Prozent aller ausländischen
stetig wachsenden Besucher- und Touristen- Gäste kommen aus Europa, vor allem aus den
strom aus dem Ausland teilt. Seit Jahren ge- Niederlanden, der Schweiz, Großbritannien
winnt Deutschland als Tourismusdestination und Italien.
an Beliebtheit.
Zugleich wächst die Zahl der asiatischen Be-
Die Zahl der Übernachtungen ist im Jahr sucher, speziell aus China, Indien und den
2014 auf 424 Millionen gestiegen; 75,6 Millio- arabischen Golfstaaten doppelt so stark; ihr
nen (17,8 Prozent) entfielen auf Übernachtun- Marktanteil liegt bei gut elf Prozent. Aus
gen von Gästen aus dem Ausland – ein Re- Nord- und Südamerika kommen knapp 10
kordwert. Schon unmittelbar mit der deut- Prozent der ausländischen Gäste. In Europa
belegt Deutschland seit 2010 den zweiten
Platz unter den beliebtesten Reisezielen der
Europäer – nach Spanien und vor Frankreich.
LISTE
Die saisonale Verteilung zeigt Spitzenwerte
von Juni bis Oktober als Hauptreisezeit, die
∙ Größter Flughafen: Frankfurt a. M.
regionale Verteilung Höchstwerte für Bayern,
∙ Größter Bahnhof: Leipzig Berlin und Baden-Württemberg. Für jüngere
Leute zwischen 15 und 34 Jahren ist Deutsch-
∙ Größter Hafen: Hamburg land als Reiseland attraktiv: Sie tragen zur
positiven Entwicklung des Tourismus beson-
∙ Größtes Messegelände: Hannover
ders bei.
∙ Größter Kurort: Wiesbaden
Erfolgreicher Standort für Messen
∙ Größtes Volksfest: Oktoberfest und Kongresse

∙ Größter Freizeitpark:
Im Jahr 2014 konnte Deutschland zum elften
Europa-Park, Rust
Mal in Folge seine Position als Tagungs- und
Reizvolles Alpenpanorama: Die vielen ausländischen Touristen, die nach Bayern kommen, schätzen die Idylle

Kongressstandort Nummer eins in Europa Hannover, Köln, Leipzig, München, Nürnberg


behaupten. Im internationalen Ranking der und Stuttgart sind für ausländische Gäste
Kongressstandorte belegt Deutschland Platz attraktiv – vor allem Berlin. Rund 28,7 Millio-
zwei hinter den USA. Zu Messen nach nen Übernachtungen und 11,9 Millionen
Deutschland, das als wichtigster Messeplatz Gäste zählte die Hauptstadt 2014. Bei den ab-
weltweit gilt, kommen jährlich 2,7 Millionen soluten Übernachtungszahlen liegt Berlin in
Gäste allein aus Europa. Insgesamt kamen Europa nach London und Paris auf dem drit-
2014 25,6 Millionen internationale Teilneh- ten Platz.
mer zu Veranstaltungen nach Deutschland.
Besonders die „Magic Cities“ Berlin, Dresden, Zu den touristischen Publikumsmagneten
Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, zählen, laut einer Erhebung der Deutschen
162 | 163 LEBENSART

Zentrale für Tourismus (DZT) unter interna- nalparks oder vor dem Alpenpanorama. Dazu
tionalen Besuchern, Klassiker wie das Schloss kommen mehr als 200 gut ausgebaute Rad-
Neuschwanstein und der Kölner Dom. Beliebt fernwege über 70.000 Kilometer, wie etwa der
sind auch die zahlreichen UNESCO-Welt- Europaradweg Eiserner Vorhang (1.131 Kilo-
erbestätten, darunter das Schloss Sanssouci meter) oder der 818 Kilometer lange Deutsche
in Potsdam oder die Klassikerstadt Weimar. Limes-Radweg. Wer preisgünstig übernach-
Zudem locken Events wie das Münchner Ok- ten möchte, findet zum Beispiel in einer der
toberfest, das größte Volksfest der Welt mit 500 Jugendherbergen, davon 130 Familien-
rund 6,3 Millionen Besuchern. Auch ein Fuß- Jugendherbergen, oder auf einem der 2.870
ballstadion gehört auf die Liste der Touristen- Campingplätze ausreichend Gelegenheiten.
magneten: die Allianz Arena, ein Meister-
werk der Schweizer Architekten Herzog & de Wohlfühlurlaub und
Meuron und Spielstätte des FC Bayern Mün- umweltfreundliches Reisen
chen.
Wellness ist ein großes Thema im Reiseland
Überhaupt die Bewegung. Wie die Kultur Deutschland. Dazu gehören so ungewöhnli-
trägt auch sie einen großen Teil zur Anzie- che Angebote wie die Flusssauna in der Emser
hungskraft bei. Allein das rund 200.000 Kilo- Therme, aber auch die zahlreichen Wohlfühl-
meter lange markierte Wanderwegenetz bie- landschaften der Kurorte und Heilbäder wie
tet extrem gute Bedingungen und herrliche Bad Wörishofen oder Bad Oeynhausen mit
Aussichten, etwa bei Touren durch die Natio- seiner Gründerzeitarchitektur. Insgesamt
gibt es in Deutschland 253 Heilbäder und Kur-
orte, die ein vom Deutschen Heilbäder-
verband anerkanntes Prädikat führen. Auch
INFO
die Qualität der medizinischen Behandlung
Klima In Deutschland herrscht ein
und Rehabilitation führt zahlreiche Gäste
warm-gemäßigtes Regenklima mit
westlichen Winden vor. Große Tempe-
nach Deutschland.
raturschwankungen sind selten. Nieder-
schläge fallen das ganze Jahr über. Mil- Dabei sorgen die Reisenden immer häufiger
de Winter (2 °C bis –6 °C) und nicht zu nicht nur für das eigene Wohlbefinden, son-
heiße Sommer (18 °C bis 20 °C) sind die dern achten auch auf das der Umwelt. In
Regel. Die Jahresmitteltemperatur 2014
Deutschland wächst die Nachfrage nach Öko-
erreichte mit 10,3 °C einen Rekordwert
und lag 2,1 Grad über dem vieljährigen tourismus und nachhaltigem Reisen. Biohöfe
Mittelwert von 8,2 °C der internationa- bieten Urlaubszimmer an, es gibt 104 Natur-
len Referenzperiode 1961 bis 1990. parks und 15 Biosphärenreservate, in denen
2014 war 0,4 Grad wärmer als die bis- nachhaltige Entwicklung und Artenvielfalt
lang wärmsten Jahre 2000 und 2007.
großgeschrieben werden. Damit jeder sich im
→ dwd.de
Reiseland Deutschland gut bewegen kann,
KARTE
Reisen in Deutschland

Die Top-Reiseziele
Die elf „Magic Cities“ haben einen
Marktanteil von rund 43 Prozent an allen
Hamburg
Übernachtungen von ausländischen Gästen
in Deutschland. Berlin liegt dabei deutlich
vor München, Frankfurt a. M. und Ham-
Berlin burg. 55 Prozent der Ausländerübernach-
Hannover
tungen finden in Städten mit über 100.000
Einwohnern statt.

Düsseldorf Leipzig
Dresden Die wichtigsten Airports
Kölner Dom
Köln
Die drei größten Flughäfen in Deutsch-
land sind der Flughafen Frankfurt mit
Frankfurt a.M.
59,6 Millionen Passagieren, München mit
39,7 Millionen und Düsseldorf mit
Nürnberg 21,8 Millionen im Jahr 2014.
Stuttgart
Die beliebtesten Sehenswürdigkeiten
Europa-Park München Nach einer Umfrage der Deutschen Zen-
trale für Tourismus waren 2014 Schloss
Neuschwanstein, der Europa-Park in Rust
Schloss Neuschwanstein und der Kölner Dom die drei beliebtesten
Reiseziele ausländischer Touristen.

sorgen viele Initiativen dafür, das Reisen un- turstädte wie Dresden oder Weimar und Ost-
eingeschränkt auch für Menschen mit Han- seebäder wie Binz auf Rügen ziehen Touristen
dicap barrierefrei zu ermöglichen. aus Deutschland und dem Ausland an. Die
Zahl der Übernachtungen in den neuen Län-
Attraktive touristische Angebote dern hat sich seit 1993 bis heute mehr als ver-
in den neuen Ländern doppelt. Bei Urlaubsreisen ab fünf Tagen liegt
Mecklenburg-Vorpommern im Nordosten
Die fünf neuen Länder spielen beim Touris- mit dem alten Bundesland Bayern im Süden
mus eine starke Rolle. Für viele Regionen im mit knapp über vier Millionen sogar fast
Osten Deutschlands erwies sich nach der gleichauf. Egal wie viel man schon gesehen
Wiedervereinigung der Tourismus als Chan- hat – es gibt immer noch mehr zu entdecken,
ce, wirtschaftlich Fuß zu fassen. Landschaf- zu erleben, zu feiern und zu bestaunen im
ten wie der Spreewald, traditionsreiche Kul- Reiseland Deutschland.
164 | 165 LEBENSART

THEMA

SPORTLICHE HERAUSFORDERUNGEN
Deutschland ist ein sportbegeistertes Land einem Sportverein sind. Trotzdem ist die
und eine erfolgreiche Sportnation. Im ewigen Gruppe der Menschen mit Migrationshinter-
Medaillenspiegel der Olympischen Spiele grund im organisierten Sport noch zu wenig
liegt Deutschland mit 1.682 Medaillen (Stand vertreten.
2014) auf Platz drei hinter den USA und der
Russischen Föderation. Rund 28 Millionen Das Programm „Integration durch Sport“
Menschen in Deutschland sind Mitglied in ei- des Deutschen Olympischen Sportbunds
nem der mehr als 91.000 Sportvereine. Die (DOSB) betrachtet Zuwanderung als Bereiche-
Vereine übernehmen neben den sportlichen rung für die deutsche Sportlandschaft. Ein
Aufgaben wichtige gesellschaftliche und par- Schwerpunkt der künftigen Programmarbeit
tizipative Funktionen. Vor allem in der Ju- liegt auf bislang im Sport unterrepräsentier-
gendarbeit und der Integration vermitteln sie ten Gruppen, wie zum Beispiel Mädchen und
Werte wie Fairplay, Teamgeist und Toleranz. Frauen. Gemeinsam mit der Bundesliga-Stif-
Aufgrund der steigenden Internationalisie- tung und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB)
rung der Bevölkerung gewinnen die Leistun- hat auch die Bundesregierung eine Integrati-
gen der Sportvereine mit Blick auf die In- onsinitiative gestartet. Unterstützt werden
tegration von Migrantinnen und Migranten nachhaltige Projekte zur Integration von
zunehmend an Bedeutung. Rund 60.700 Ver- Flüchtlingen im Sport. Dazu gehört das von
eine haben Mitglieder mit Migrationshinter- der deutschen Fußball-Nationalmannschaft
grund in ihren Teams. Insgesamt ist davon unterstützte Projekt „1:0 für ein Willkom-
auszugehen, dass rund 1,7 Millionen Men- men“, das rund 600 Fußballvereine, die sich
schen mit Migrationshintergrund Mitglied in für Flüchtlinge engagieren, finanziell fördert.

WEGMARKEN

1954
Deutschland wird in der Schweiz
1972
Die Olympischen Sommerspiele
1988
Steffi Graf erreicht als erste
zum ersten Mal Fußball-Welt- in München werden überschattet Tennisspielerin den sogenannten
meister (3:2 im Finale gegen von der Geiselnahme und Golden Slam, den Gewinn aller
Ungarn). Das „Wunder von Bern“ Ermordung israelischer Athleten vier Grand-Slam-Turniere plus
wird für das Nachkriegsdeutsch- durch palästinensische Ter- der olympischen Goldmedaille
land zum dauerhaften Symbol. roristen. innerhalb eines Kalenderjahres.
Der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien: einer der vielen Höhepunkte des deutschen Sports

2004
Der Rennfahrer Michael Schu-
2006
Die FIFA-Fußballweltmeister-
2014
Die deutsche Fußballnational-
macher gewinnt seinen siebten schaft unter dem Motto mannschaft wird nach einem
Weltmeistertitel (von 2000 bis „Zu Gast bei Freunden“ wird zum starken Turnier in Brasilien erneut
2004 fünfmal in Folge) und wird unvergesslichen „Sommer- Weltmeister (1:0 im Finale gegen
zum erfolgreichsten Piloten der märchen“, das Deutschland inter- Argentinien). Es ist Deutschlands
Formel-1-Geschichte. national viele Sympathien bringt. vierter WM-Titel seit 1954.
166 | 167 LEBENSART

Der DOSB ist eine Dachorganisation des Die größte Strahlkraft des deutschen Sports
deutschen Sports und versteht sich als die geht von der Bundesliga, der höchsten Spiel-
größte Bürgerbewegung Deutschlands. Er klasse im deutschen Fußball, aus. Sie gilt in-
fördert den Spitzen- und den Breitensport. ternational als eine der stärksten Ligen. Allein
Mehr als 20.000 der 91.000 Sportvereine, die zu den 306 Paarungen der 18 Bundesliga-
er vertritt, wurden seit der Wiedervereini- Teams kamen in der Saison 2014/2015 rund
gung Deutschlands 1990 gegründet. Dem 13,3 Millionen Zuschauer in die Stadien, das
DOSB gehört, als einer von 98 Mitgliedsorga- entspricht einem Schnitt von 43.530 Zuschau-
nisationen, auch der im Jahr 1900 gegründete ern je Spiel. Das Maß aller Dinge im deutschen
Deutsche Fußball-Bund an. Mit sieben Millio- Vereinsfußball ist der FC Bayern München. Im
nen Mitgliedern in 25.000 Fußballvereinen Mai 2015 feierte der Club den Gewinn der 25.
hat der DFB aktuell den bisherigen Höchst- Deutschen Meisterschaft; außerdem hat der
stand in seiner Geschichte erreicht und ist der FC Bayern zum 17. Mal den DFB-Pokal gewon-
größte nationale Sportfachverband der Welt. nen, 2001 und 2013 zudem die UEFA-Cham-
pions-League. Mit mehr als 251.000 Mitglie-
Der Frauenfußball ist eine der am schnells- dern ist er nach Benfica Lissabon weltweit der
ten wachsenden Sportarten. Die Frauenna- Verein mit den meisten Mitgliedern.
tionalmannschaft ist mehrfacher Welt- und
Europameister. Motiviert von den Erfolgen Die deutsche Fußballnationalmannschaft
von Spielerinnen wie Steffi Jones, die 2016 als der Männer, vierfacher Weltmeister und drei-
Trainerin das DFB-Frauenteam übernimmt, facher Europameister, ist das Flaggschiff des
sind heute rund 337.300 Mädchen bis 16 Jahre deutschen Fußballs. Seit dem Gewinn der
in den Fußballvereinen aktiv. FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasi-

Mehr als 70.000 Läufer: Die J.P. Morgan Corporate Challenge in Frankfurt ist der weltweit größte Event seiner Art
lien steht Deutschland mit an der Spitze der GLOBAL
FIFA-Weltrangliste. Die Mannschaft von Team-
Anti-Doping-Initiativen Mit Gründung
chef Joachim Löw gilt als taktisch flexibel und der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA)
steht für eine moderne Interpretation des im Jahr 1999 und dem Bekenntnis aller
Spiels. Im Kader der Nationalelf sind zahlreiche Stakeholder zur Null-Toleranz-Politik
Spieler mit Migrationshintergrund wie Jérôme gegenüber Doping entstand das Be-
Boateng, Sami Khedira oder Mesut Özil. dürfnis nach einem einheitlichen, welt-
weit gültigen Regelwerk. Dies wurde
mit dem Welt-Anti-Doping-Code
Sportliche Anerkennung und Erfolge in (WADC) 2003 zum ersten Mal umge-
unterschiedlichen Disziplinen setzt. Der neueste Welt-
Anti-Doping-Code ist am
Neben Fußball sind Turnen, Tennis, Sport- 1. Januar 2015 in Kraft ge-
treten.
schießen, Leichtathletik, Handball und Rei-
→ wada-ama.org
ten Sportarten mit hohem Zuspruch. Aber
auch andere Sportveranstaltungen sind er-
folgreich. So der J. P. Morgan Corporate Chal-
lenge in Frankfurt am Main. Der Firmen- und
Benefizlauf gilt mit über 70.000 Teilnehmern nale Sportförderung des Auswärtigen Amts.
aus mehr als 2.780 Unternehmen als welt- Sie ist fester Bestandteil der Auswärtigen Kul-
größte Veranstaltung dieser Art. tur- und Bildungspolitik und hat bislang
schon in über 100 Ländern mehr als 1.400
Die sportliche Bilanz fällt in vielerlei Hin- Kurz- und Langzeitprojekte in unterschiedli-
sicht positiv aus. Nicht wenige Lorbeeren da- chen Sportarten umgesetzt. Nur ein Beispiel
für gebühren der Sportförderung. Sie unter- ist das Sportprojekt „Kicken statt kämpfen –
stützt rund 3.800 Athletinnen und Athleten Bolzen für Toleranz“, für das 16 palästinensi-
aus fast allen olympischen Disziplinen, tradi- sche Fußballtrainerinnen und -trainer im Be-
tionsreichen nichtolympischen Sportarten reich Kinder- und Jugendfußball ausgebildet
sowie dem Behinderten- und Gehörlosen- wurden. Durch gewalttätige Konflikte dauer-
sport. Die Förderung von Aktiven mit Handi- haft belastete Jugendliche sollten dabei spie-
cap gehört ebenfalls zu den wichtigen Aufga- lerisch lernen, sich mit dem Gedanken des
ben. Und auch hier sind Sportlerinnen und Fairplay auseinanderzusetzen.
Sportler aus Deutschland bei internationalen
Wettbewerben und Paralympischen Spielen Auf diesem und auf vielen anderen Wegen ist
mit mittlerweile 1.492 Medaillen (2014) über- der deutsche Sport unterwegs, um auch als
durchschnittlich erfolgreich. Mittel der Krisenprävention und Völkerver-
ständigung, Botschafter für mehr Fairness,
„Menschen bewegen – Grenzen überwin- Toleranz, Integration, friedlichen Wettkampf
den“, unter diesem Motto steht die Internatio- und Leistung zu Hochform aufzulaufen.
168 | 169 LEBENSART

PANORAMA

SEHENSWERTES BERLIN

L C
K Mitte
E
A
J
D B

G 3
6 9
F H I 2 4 8
7
5 10
1
Berliner Bezirke Friedrichshain-
A. Mitte Kreuzberg
B. Friedrichshain-Kreuzberg
C. Pankow
D. Charlottenburg-
Wilmersdorf
E. Spandau Gedächtniskirche
F. Steglitz-Zehlendorf Das Wahrzeichen der City
G. Tempelhof-Schöneberg West nahe dem Kurfürs-
tendamm ist ein Mahnmal
H. Neukölln
gegen den Krieg.
I. Treptow-Köpenick
J. Marzahn-Hellersdorf Siegessäule
K. Lichtenberg Nach 285 Stufen erreicht
L. Reinickendorf man die Aussichtsplatt-
form und hat einen tollen
Blick auf die Stadt.

Reichstag
Hier hat der Deutsche Bun-
destag seinen Sitz. Die
Glaskuppel ist ein Magnet
für Besucher.

3.420.000 11.900.000 2.399.000 175


Einwohner Touristen Besucher Museumsinsel Museen und Sammlungen
Brandenburger Tor
Das Symbol des wieder-
vereinten Deutschlands
kennt jeder Berlin-Tourist.

Potsdamer Platz
Hier zeigt sich das
moderne Gesicht
Berlins. Der Platz
entstand nach dem
Mauerfall auf einer
gigantischen Brache.
Gendarmenmarkt
Einer der schönsten
Plätze in Europa prunkt
mit gleich drei monu-
mentalen Bauten im
klassizistischen Stil.

Checkpoint Charlie
Die Mauer ist weg, aber der
einstige militärische Kon-
trollpunkt erinnert weiter an
den Kalten Krieg.
Museumsinsel
Die fünf großen Museen
gehören zu Europas besten
Sammlungen. East Side Gallery
Der kunstvoll bemalte Mauer-
rest ist heute die längste
Fernsehturm Open-Air-Galerie der Welt.
am Alexanderplatz
Weithin sichtbar ist
der Berliner Fern-
sehturm am „Alex“,
aus der Turmkugel
überblickt man die
ganze Region.

505.771 4.400.000 4.650 190


Berlinale-Besucher Zoo-Besucher Restaurants Bars und Diskotheken
170 | 171 LEBENSART

THEMA

ENTSPANNTES GENIESSEN
Seit Anfang des Jahrtausends erlebt der deut- ren Weinanbauländern; 2014 lag die Produk-
sche Wein eine internationale Renaissance, tion bei 9,5 Millionen Hektolitern. Der
die eng mit dem Begriff „Rieslingwunder“ Marktanteil von Biowein liegt zwischen 4 und
verknüpft ist und weitgehend von einer jun- 5 Prozent. Die deutschen Weinanbaugebiete
gen Winzergeneration verkörpert wird, die gehören zu den nördlichsten der Welt. Außer
vor allem auf hohe Qualität statt große Erträ- Sachsen und Saale-Unstrut liegen sie vor
ge setzt. Die lange Vegetationszeit und die allem im Südwesten und Süden des Landes.
vergleichsweise geringe Sommerhitze ma- Die drei größten Anbaugebiete sind Rhein-
chen die Weine aus Deutschland filigran und hessen, Pfalz und Baden. Nahezu 140 Reb-
nicht zu alkoholreich. sorten werden angebaut, größere Marktbe-
deutung haben rund zwei Dutzend, allen
Deutsche Weine wachsen in 13 Anbaugebie- voran die Weißweine Riesling und Müller-
ten, in denen auf rund 102.000 Hektar eine Thurgau. Deutschland erzeugt zu rund 65
große Vielfalt regionaltypischer Weine ausge- Prozent Weißwein und zu 35 Prozent Rot-
baut werden. Im internationalen Vergleich wein; Spätburgunder und Dornfelder sind
gehört Deutschland mit seiner Rebfläche und hier die wichtigsten Rebsorten.
rund 80.000 Weingütern eher zu den mittle-
Deutschland ist auch ein Land des Bieres. Da-
bei wird deutsches Bier vor allem für seine
teils jahrhundertealte Brautradition der vie-
ZAHL len kleinen Familien- und Klosterbrauereien
geschätzt. Für alle deutschen Biere gilt ohne

282 Ausnahme das absolute Reinheitsgebot, die


älteste lebensmittelrechtliche Vorschrift der
Restaurants in Deutschland, so viele wie Welt aus dem Jahr 1516. Sie besagt, dass außer
niemals zuvor, hat der Guide Michelin Wasser, Hopfen und Malz keine anderen Zuta-
im Jahr 2015 in Deutschland mit einem, ten verwendet werden dürfen. 5.000 bis 6.000
zwei oder sogar drei Sternen ausge-
Biersorten werden in Deutschland hergestellt,
zeichnet. Elf Restaurants wurden in die
Topklasse der drei Sterne aufgenom- die meisten in der Pilsener Brauart; insgesamt
men. Damit behauptet Deutschland ist der Bierkonsum jedoch rückläufig.
seinen Platz als europäisches Land mit
den meisten 3-Sterne-Adressen nach Die Ernährungsgewohnheiten in Deutsch-
der Gourmetnation Frankreich.
land sind nicht eindeutig zu interpretieren.
→ restaurant.michelin.de
Einerseits entwickeln viele Konsumenten ei-
Großstadtflair: In Berlin, aber auch in den anderen deutschen Städten, gibt es eine lebendige Restaurantszene

ne wachsende Sensibilität für den eigenen besten in Europa. Neben der Top-Gastrono-
Körper und auch ein stärkeres Gesundheits- mie, dem Crossover-Stil und einer zuneh-
bewusstsein und setzen daher auf ausgewo- mend vegetarisch und vegan ausgerichteten
gene Ernährungskonzepte. Megatrends wie Küche erleben alte Gemüsesorten wie Pasti-
die Mobilität oder die Individualisierung der naken, Butterrüben und Topinambur eine
Lebensstile nehmen anderseits einen deutli- Renaissance. Sie sind Säulen des aktuellen
chen Einfluss auf Ess- und Trinkgewohn- Booms des Gesunden, Saisonalen, Regionalen
heiten. und des Geschmacks von Heimat. Dabei wer-
den die Klassiker von einer jungen Kochszene
Die deutsche Gastronomie gilt als dyna- interpretiert und mit globalen Einflüssen auf-
misch und vielseitig – und sie zählt zu den gewertet.
172 | 173 TATSACHEN ÜBER DEUTSCHLAND

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REGISTER

A Bremen 6 – 7 Deutsche Sprache 152 – 153


Abgeordnete 14 – 17, 22 – 23 Bruttoinlandsprodukt (BIP) 66 – 69 Deutsche Welle 146 – 149
Alleinerziehende 122 – 125 Bundesadler 8 – 9 Deutsche Wissenschafts- und Inno-
Arbeitslose 76 – 77 Bundesagentur für Arbeit 114 – 115 vationshäuser (DWIH) 108 – 109
Arbeitsmarkt 58 – 61, 76 – 77 Bundesamt für Migration Deutsche Zentrale für Tourismus
Atomkraft 78 – 81, 84 – 87 und Flüchtlinge 114 – 115 (DZT) 154 – 157
Auslandshandelskammer (AHK)  Bundesausbildungsförderungsgesetz Deutscher Akademischer Austausch-
58 – 61, 62 – 65 (BAföG) 98 – 99 dienst (DAAD) 94 – 97, 98 – 99,
Auslandsschulen 112 – 113, 152 – 153 Bundesfreiwilligendienst  106 – 107, 108 – 109, 140 – 141
Auslandsvertretungen 58 – 61 114 – 115, 126 – 127 Deutscher Buchpreis 142 – 145
Außenhandel 62 – 65 Bundeskanzler 14 – 19, 26 – 27 Deutscher Filmpreis 142 – 145
Außenpolitik 38 – 57 Bundesliga 164 – 167 Deutscher Fußball-Bund (DFB) 
Außenwirtschaftspolitik 62 – 65 Bundesministerien 18 – 19 154 – 157, 164 – 167
Auswanderer 10 – 11 Bundespräsident 16 – 19, 26 – 29 Deutscher Industrie- und Handels-
Auswärtige Kultur- und Bundesrat 14 – 17, 26 – 29 kammertag (DIHK) 58 – 61
Bildungspolitik 108 – 109, 140 – 141 Bundesregierung 16 – 19, 26 – 29 Deutscher Kulturrat 134 – 137
Auswärtiges Amt 38 – 41 Bundestag 14 – 17, 26 – 29 Deutscher Olympischer Sportbund
Automobilindustrie 66 – 69 Bundesverband der Deutschen (DOSB) 154 – 157, 164 – 167
Industrie (BDI) 58 – 61 Die Linke 14 – 15
Bundesverfassungsgericht 26 – 29 Dienstleistungswirtschaft 66 – 69
B Bundesversammlung 16 – 17 Dietrich, Marlene 20 – 21
Bach, Johann Sebastian  Bundeswehr 38 – 41, 42 – 45 Digitale Agenda 72 – 73
20 – 21, 134 – 137 Bündnis 90/Die Grünen 14 – 15 Diplomatie 38 – 41
Bachelor 94 – 97 Direktinvestitionen 62 – 65
Baden-Württemberg 6 – 7 Domain 8 – 9
Bayern 6 – 7 C Dresden 6 – 7
Beauftragte der Bundesregierung Chemieindustrie 66 – 69 Duale Ausbildung 76 – 77
für Kultur und Medien 134 – 137 Christlich Demokratische Union Dürer, Albrecht 20 – 21
Beethoven, Ludwig van  (CDU) 14 – 15 Düsseldorf 6 – 7
20 – 21, 134 – 137 Christlich-Soziale Union (CSU) 14 – 15
Berlin 6 – 7, 34 – 35, 168 – 169 Corporate Social Responsibility
Berlinale 142 – 145 (CSR) 70 – 71 E
Berliner Mauer 36 – 37 Ehrenamt 126 – 127
Berufsausbildung 76 – 77 Einwanderer 
Beschäftigungsquote 76 – 77 D 10 – 11, 30 – 31, 114 – 115, 118 – 121
Bevölkerung 10 – 11 Demografie 10 – 11 Einwohner 114 – 115
Bier 170 – 171 Deutsche Demokratische Republik Elektromobilität 88 – 89
Bildung 94 – 97 (DDR) 36 – 37 Elektrotechnik- und
Biodiversität 92 – 93 Deutsche Energie-Agentur 78 – 81 Elektronikindustrie 66 – 69
Biosphärenreservate 92 – 93 Deutsche Forschungsgemeinschaft Elterngeld 122 – 125
Blaue Karte EU 118 – 121 (DFG) 94 – 97, 102 – 105, 106 – 107 Elternzeit 122 – 125
Bologna-Prozess 94 – 97 Deutsche Gesellschaft für Internatio- Elysée-Vertrag 46 – 49
Brahms, Johannes 134 – 137 nale Zusammenarbeit (GIZ) 78 – 81 Energieeffizienz 84 – 87
Brandenburg 6 – 7 Deutsche Islam Konferenz  Energiewende 30 – 31, 78 – 81, 84 – 87
Brandt, Willy 20 – 21 114 – 115, 132 – 133 Entwicklungszusammenarbeit 56 – 57
174 | 175 TATSACHEN ÜBER DEUTSCHLAND

Erfurt 6 – 7 Goethe, Johann Wolfgang von  J


Erinnerungskultur 36 – 37 20 – 21, 134 – 137 Judentum 132 – 133
Ernährung 154 – 157 Goethe-Institut (GI)  Jugendliche 122 – 125
Erneuerbare Energien 84 – 87, 88 – 89 134 – 137, 140 – 141
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)  Greentech 88 – 89
84 – 87 Grundgesetz 6 – 9, 28 – 29 K
Europäische Union (EU)  Grundschule 112 – 113 Katholische Kirche 132 – 133
46 – 49, 58 – 61, 62 – 65 Grundsicherung 128 – 129 Kiel 6 – 7
Evangelische Kirche 132 – 133 Gymnasium 112 – 113 Kinder 122 – 125
Export 58 – 61, 62 – 65 Kirchensteuer 132 – 133
Exzellenzinitiative 94 – 97 Klima 12 – 13
H Klimaschutz 78 – 81, 82 – 83
Hamburg 6 – 7 Kongresse 160 – 163
F Hannover 6 – 7 Kreativwirtschaft 138 – 139
Fachhochschulen 98 – 99 Hauptschule 112 – 113 Küche 170 – 171
Fachkräfte 76 – 77 Hauptstadt 12 – 13 Kultur 134 – 137
Familie 122 – 125 Helmholtz-Gemeinschaft  Kulturerhalt-Programm 140 – 141
Fernsehen 146 – 149 94 – 97, 102 – 105, 106 – 107 Kulturstiftung des Bundes 134 – 137
Filmhochschulen 98 – 99 Hessen 6 – 7 Kunsthochschulen 98 – 99
Fläche 12 – 13 Hidden Champions 66 – 69
Flagge 8 – 9 Hightech-Strategie 
Föderalismus 6 – 7, 26 – 29 94 – 97, 102 – 105 L
Forschung 102 – 105 Hochschulen 98 – 99 Länder 6 – 7
Forschung und Entwicklung (FuE)  Hochschulrektorenkonferenz (HRK)  Lebensart 154 – 157
58 – 61, 66 – 69, 102 – 105 94 – 97, 98 – 99 Lebenserwartung 10 – 11, 114 – 115
Frauenquote 30 – 31, 76 – 77 Humboldt-Stiftung  Lebensqualität 158 – 159
Fraunhofer-Gesellschaft  94 – 97, 98 – 99, 108 – 109 Lebensstandard 154 – 157
94 – 97, 102 – 105 Leibniz-Gemeinschaft 94 – 97,
Freihandelsabkommen 62 – 65 102 – 105
Friedensmissionen 42 – 45 I Leopoldina 94 – 97
Fußball 164 – 167 Import 62 – 65 Literatur 142 – 145
Industrie 4.0 66 – 69, 72 – 73
Industrieverbände 22 – 25, 66 – 69
G Informations- und Kommuni- M
Gastronomie 170 – 171 kationstechnik (IKT) 72 – 73 Magdeburg 6 – 7
Gauck, Joachim 16 – 19 Infrastruktur 58 – 61, 72 – 73 Mainz 6 – 7
Geburtenrate 114 – 115 Inklusion 122 – 125 Mann, Thomas 20 – 21, 134 – 137
Geografie 12 – 13 Innovation 58 – 61 Maschinen- und Anlagenbau 66 – 69
Georg-Büchner-Preis 142 – 145 Institut für Auslandsbeziehungen (ifa)  Master 94 – 97
Germany Trade and Invest (GTAI)  134 – 137, 140 – 141 Mauerfall 36 – 37
58 – 61, 62 – 65 Integration 118 – 121 Max-Planck-Gesellschaft (MPG) 
Gesamtschule 112 – 113 Internet 146 – 149 94 – 97, 102 – 105
Gesetzgebung 26 – 29 Islam 132 – 133 Mecklenburg-Vorpommern 6 – 7
Gewerkschaften 22 – 25 Medien 146 – 149
Global Player 66 – 69 Menschenrechte 50 – 53
Merkel, Angela 14 – 19, 22 – 23 Presse 146 – 149 T
Messen 62 – 65, 160 – 163 Pressefreiheit 146 – 149 Technische Universität 98 – 99
Migration 114 – 115, 118 – 121 Theater 142 – 145
Mindestlohn 30 – 31, 76 – 77 Thüringen 6 – 7
Mittelstand 58 – 61, 66 – 69 R Tourismus 160 – 163
München 6 – 7 Radfernwege 160 – 163
Musikhochschulen 98 – 99 Realschulen 112 – 113
Reformen 22 – 25 U
Religion 132 – 133 Umwelt 78 – 81
N Religionsfreiheit 132 – 133 Umweltbundesamt 78 – 81
Nachhaltigkeit  Rente 30 – 31 Umweltschutz 78 – 81
56 – 57, 70 – 71, 78 – 81 Rhein 12 – 13 Umwelttechnologien 88 – 89
Nationaler Aktionsplan Integration  Rheinland-Pfalz 6 – 7 Universität 98 – 101
114 – 115 Riesling 170 – 171
Nationalfeiertag 8 – 9 Röntgen, Wilhelm Conrad 20 – 21
Nationalhymne 8 – 9 Rundfunk 146 – 149 V
Nationalparks 92 – 93 Vereinte Nationen (VN) 42 – 45, 50 – 53
Nationalsozialismus 36 – 37
Neuverschuldung 30 – 31 S
Niedersachsen 6 – 7 Saarbrücken 6 – 7 W
Nordatlantikpakt-Organisation (Nato)  Saarland 6 – 7 Wahlen 16 – 17
42 – 45 Sachsen 6 – 7 Wahlsystem 16 – 17
Nordrhein-Westfalen 6 – 7 Sachsen-Anhalt 6 – 7 Währung 8 – 9
Schiller, Friedrich von  Wanderwege 160 – 163
20 – 21, 134 – 137 Wein 170 – 171
O Schleswig-Holstein 6 – 7 Wellness 160 – 163
Öffentlich-rechtliche Sender  Schulsystem 112 – 113 Welterbestätten 160 – 163
146 – 149 Schwerin 6 – 7 Wiesbaden 6 – 7
Oktoberfest 160 – 163 Solarstrom 84 – 87 Windkraft 84 – 87
Olympische Spiele 164 – 167 Solidarpakt 22 – 25 Wirtschaft 58 – 61
Organisation für Sicherheit und Sozialdemokratische Partei Wissenschaft 94 – 97, 102 – 105
Zusammenarbeit in Europa Deutschlands (SPD) 14 – 15 Wissenschaft Weltoffen 106 – 107
(OSZE) 42 – 45 Soziale Marktwirtschaft 58 – 61 Wohnen 158 – 159
Sozialstaat 114 – 115, 132 – 133
Sport 164 – 167
P Sportförderung 164 – 167 Z
Parlament 14 – 17, 26 – 29 Staatsbürgerschaftsrecht 118 – 121 Zentralstelle für das Auslands-
Parteien 14 – 15, 22 – 25, 32 – 33 Städte  schulwesen 134 – 137
Partnerschaften 122 – 125 154 – 157, 158 – 159, 160 – 163 Zentrum für Internationale
Pasch-Initiative 94 – 97, 152 – 153 Steinmeier, Frank-Walter  Friedenseinsätze (ZIF) 42 – 45
Patente 66 – 69 14 – 15, 22 – 23, 38 – 41, 108 – 109 Zivilgesellschaft 126 – 127
Pluralismus 114 – 115, 142 – 145 Stiftungen  Zugspitze 12 – 13
Potsdam 6 – 7 38 – 41, 114 – 115, 126 – 127 Zuwanderung 
Preis der Leipziger Buchmesse  Stuttgart 6 – 7 30 – 31, 114 – 115, 118 – 121
142 – 145
176 TATSACHEN ÜBER DEUTSCHLAND

Tatsachen über
IMPRESSUM Deutschland

Herausgeber © Frankfurter Societäts-Medien GmbH


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in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, Berlin Nachdruck mit Genehmigung und Quellenangabe möglich.

Konzeption und redaktionelle Leitung „Tatsachen über Deutschland“


Peter Hintereder, Janet Schayan erscheint in folgenden Sprachfassungen
Projektkoordination Arabisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Farsi, Französisch,
Andreas Fiebiger Indonesisch, Italienisch, Japanisch, Koreanisch, Litauisch,
Redaktion Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Tschechisch,
Johannes Göbel, Martin Orth, Dr. Helen Sibum Türkisch, Ukrainisch und Vietnamesisch
Autoren
Matthias Bischoff, Dr. Eric Chauvistré, „Tatsachen über Deutschland“ im Internet
Constanze Kleis, Joachim Wille www.tatsachen-ueber-deutschland.de
Art-Direktion
Martin Gorka Die Herausgeber legen Wert auf eine Sprache, die
Info-Grafiken Panorama Frauen und Männer gleichermaßen berücksichtigt.
Einhorn Solutions In dieser Publikation finden sich allerdings nicht
Produktion durchgängig geschlechtergerechte Formulierungen,
Kerim Demir, André Herzog da die explizite Nennung beider Formen in manchen
Texten die Lesbarkeit erschwert.
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Druck
Werbedruck GmbH Horst Schreckhase
34286 Spangenberg, Deutschland
Printed in Germany 2015

Redaktionsschluss
September 2015
ISBN
978-3-95542-161-8
REISEINFORMATIONEN

UNTERWEGS IN DEUTSCHLAND
Vom Visum bis zur Stromspannung: Nützliche Informationen und
wichtige Telefonnummern für Reisende in Deutschland

Ausweise und Visa: Ausländer brau- Mit dem Bus: Auch mit Linienfern- Unterkunft: Unterkünfte gibt es in
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Reisepass oder ein Passersatzpapier. bereisen: Inzwischen gibt es mehr als über die Ferienwohnung bis hin
Für Angehörige der meisten westeu- 250 Fernbuslinien. Besonders groß zum Luxushotel. Auch in den unteren
ropäischen Staaten genügt ein gülti- ist das Angebot zwischen Städten: Preisklassen werden Standards ge-
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Reisedokument. Für Staatsangehöri- Und auch in manch einer Stadt mit bieten spezielle Gastgeberverzeich-
ge bestimmter Länder ist zur Einreise weniger als 10.000 Einwohnern gibt nisse an.
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Konsulate) Ansprechpartner. Verbindungen: Jugendherbergen in Deutschland
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Mit dem Flugzeug: Deutschland wird ternational Youth Hostel Federation
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Luftverkehrsgesellschaften angeflo- hochmodernes Straßennetz. Über 700 gibt es auch einen internationalen
gen. Das globale Streckennetz ver- Raststätten, Tankstellen, Motels und Ausweis.
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an das jeweilige Verkehrsnetz ange- Plus (98 Oktan), außerdem Diesel. Zahlungsmittel ist der Euro (1 Euro =
bunden. Auf den Bundesautobahnen gibt es – 100 Cent). Bargeld kann man
→ frankfurt-airport.de sofern keine Geschwindigkeitsbe- rund um die Uhr an Geldautomaten
→ munich-airport.de grenzungen ausgeschildert sind – kein mit EC-Karte oder internationalen
→ dus.com Tempolimit, empfohlen ist jedoch eine Kreditkarten abheben, alle gängigen
Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Kreditkarten werden akzeptiert.
Mit der Bahn: Deutschland hat ein In geschlossenen Ortschaften gilt Preise sind Inklusivpreise.
flächendeckendes Bahnnetz von gut eine Höchstgeschwindigkeit von
33.000 Schienenkilometern. Fern- und 50 km/h, außerhalb von 100 km/h. Notfall-Rufnummern:
Nahverkehr sind aufeinander abge- Autobahngebühren werden nicht Tel.: 110 für Notruf, Polizei
stimmt und bieten gute Anschlüsse. erhoben. Das Anlegen von Sicherheits- Tel.: 112 für Feuerwehr und Unfall
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mehr als 250 Direktverbindungen in bis zu einer Körpergröße von 150 cm Zeitzone: In Deutschland gilt die
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Tel.: +49 18 06 99 66 33 Pannenhilfe können an der Autobahn Oktober werden die Uhren eine
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für Autotouristen bereit. Die Stromspannung beträgt 230 Volt.
Pannendienst des ADAC
Tel.: +49 18 02 22 22 22, → adac.de
Notruf des AvD
Tel.: +49 80 09 90 99 09, → avd.de
Tatsachen über
Deutschland

Alles, was Sie über das Deutsch-


land von heute wissen wollen,
steht in „Tatsachen über Deutsch-
land“. Wie das politische System
funktioniert. Welche Leitlinien
die Außenpolitik prägen. Was die
Wirtschaft auszeichnet. Welche
Diskurse die Gesellschaft beschäf-
tigen. Was neu ist in Kunst und
Kultur – und viele Themen mehr.

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