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2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21.

Januar 1954 275

6. betr. Ausgabe von internationalen Porto


Gutscheinen:
Ritzel (SPD) 281 B
Dr. Balke, Bundesminister für das
Post- und Fernmeldewesen . . . 281 B
7. betr. Veröffentlichung des Entwurfs eines
Urheberrechtsgesetzes:
Platner (CDU/CSU) 281 D
Neumayer, Bundesminister der
Justiz 281 D
8. betr. Maßnahmen zum Ausbau der Auto-
bahnverbindung Kassel-Hamm:

10. Sitzung Platner (CDU/CSU)


Dr. Seebohm, Bundesminister für
Verkehr
282 A

282 A
Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954. 9. betr. Berücksichtigung des hessischen
Zonengrenzgebietes im Rahmen des Pro-
gramms der Elektrifizierung der Bundes-
Nachruf des Präsidenten für den verstor- bahn:
benen Präsidenten des Bundesverfassungs Platner (CDU/CSU) 282 B
gerichts Dr. Höpker-Aschoff 277 B Dr. Seebohm, Bundesminister für
Geschäftliche Mitteilungen Verkehr 282 B
277 C
Eintritt des Abg. Rösing in den Bundestag 277 D 10. betr. Besetzung der Züge des Berufsver-
kehrs und Abhilfemaßnahmen gegen
Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr deren Überbesetzung:
Horlacher 277 D Dr. Mommer (SPD) . . . 282 C, D, 283 A
Absetzung der Beratungen des Personalvertre- Dr. Seebohm, Bundesminister für
tungsgesetzes, der vier Genfer Rot-Kreuz- Verkehr 282 C, D, 283 A
Abkommen und des R echtspflegergesetzes
11. betr. Qualität der von der Deutschen
von der Tagesordnung . . . 277 D, 290 D, 291 A
- Zündwarenmonopolgesellschaft herge-
Mitteilung über Beantwortung der Kleinen stellten Sicherheitszündhölzer:
Anfragen 13 betr. Ausführung des Titels Krammig (CDU/CSU) 283 A
„Landwirtschaft" des Bundesvertriebenen- Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister
gesetzes (Drucksachen 142, 193) und 17 betr für Wirtschaft 283 A
Verbindlichkeiten der ehemaligen NSDAP
12. betr. Benachteiligung gehobener Beam-
(Drucksachen 150, 192) 278 A
ter der Zollverwaltung ohne Reserve-
Fragestunde (Drucksache 186): Offizieranwärter-Eigenschaft gegenüber
1. betr. Aufhebung des Sichtvermerkzwan- Beamten, denen vor 1945 die Eignung
ges für Staatenlose mit Flüchtlingspäs- als Bezirkszollkommissar (Grenze) zuge-
sen auf Grund internationaler Verein- sprochen worden ist:
barungen: Krammig (CDU/CSU) 283 C, D
Dr. Mommer (SPD) 278 A, B Hartmann, Staatssekretär im Bundes-
Dr. Hallstein, Staatssekretär des ministerium der Finanzen 283 C, 284 A
Auswärtigen Amts . . . . 278 A, B, C 13. betr. Vorlage des Gesetzentwurfs betr.
2. betr. Kauf einer Villa in der Stadtge- Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und
meinde Süchteln durch den Bund, Frage Straßenbahnen:
des Kaufpreises und der Vermittler Baur (Augsburg) (SPD) 284 A
provision: Hartmann, Staatssekretär im Bundes-
Hellenbrock (SPD) 278 C, D ministerium der Finanzen . . . . 284 A
Hartmann, Staatssekretär im Bun- 14. betr. Erlaß von Richtlinien für den Wie-
desministerium der Finanzen 278 C, D deraufbau kriegszerstörter landwirt-
3. betr. Durchführung und Finanzierung schaftlicher Gehöfte:
des Schäffer-Plans (Wohnungsbau für Mitteilung über schriftliche Beantwor
Besatzungsverdrängte): tung 284 B
Koenen (SPD) 279 A, C, D 15. betr. Unterstützung von Maßnahmen zur
Hartmann, Staatssekretär im Bun- Bekämpfung der Rindertuberkulose:
desministerium der Finanzen 279 A, C, D Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . 284 C, D
4. betr. Reihenfolge der Beseitigung von Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für
Verkehrshindernissen und Regelung der Ernährung, Landwirtschaft und
Kostenfrage nach dem Kreuzungsgesetz: Forsten 284 C, D
Koenen (SPD) 279 D, 280 C 16. betr. Maßnahmen zur Steuerung des
Dr. Seebohm, Bundesminister für durch Verlust des Absatzes in der Sowjet-
Verkehr 280 A, C zone verschärften Wettbewerbs in der
5. betr. Preisdiktatur in der Zigaretten- deutschen Fischindustrie:
industrie: Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . . 285 A
Ritzel (SPD) 280 C, 281 A Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister Ernährung, Landwirtschaft und
für Wirtschaft 280 C, 281 A, B Forsten 285 A
276 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954

17. betr. Vorlage eines Fischgesetzes und habung von Ehescheidungen an den be
eines Handelsklassengesetzes für Erzeug- treffenden Gerichten:
nisse der Fischindustrie: Dr. Menzel (SPD) 289 A, B
Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . 285 B Dr. Schröder, Bundesminister des
Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Innern 289 A, B
Ernährung, Landwirtschaft und 28. bis 31. wegen Zeitablaufs abgesetzt; Mit-
Forsten 285 B teilung über schriftliche Beantwortung . . 289 C
18. betr. Nachricht in der Zeitschrift „Der
Spiegel" über Versendung von Frage- Beratung der Übersicht 2 über Anträge
bogen an ehemalige deutsche Kriegs- von Ausschüssen des Deutschen Bundes-
gefangene durch eine Dienststelle der tages betr. Petitionen (Umdruck 8 bzw
amerikanischen Luftwaffe mit dem Er- Drucksache 212) 289 C
suchen um Angaben über ihnen aus ihrer Beschlußfassung 289 C
Gefangenschaft bekannte industrielle Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Anlagen: betr. das Übereinkommen Nr. 63 der Inter-
Dr. Lütkens (SPD) . . . . 285 C, D, 286 A nationalen Arbeitsorganisation vom 20. Juni
Dr. Hallstein, Staatssekretär des 1938 über Statistiken der Löhne und der
Auswärtigen Amts . . 285 C, D, 286 A Arbeitszeit in den hauptsächlichsten Zwei-
19. betr. vermehrte Verwendung von Beton- gen des Bergbaus und des verarbeitenden
schwellen an Stelle von Holzschwellen Gewerbes einschließlich des Baugewerbes
durch die Bundesbahn: sowie in der Landwirtschaft (Drucksache 126) 289 C
Brese (CDU/CSU) 286 A, B Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 289 D
Dr. Seebohm, Bundesminister für
Verkehr 286 A, B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
betr. das Übereinkommen Nr. 88 der Inter-
20. betr. Kredite für die Errichtung privater nationalen Arbeitsorganisation vom 9. Juli
Betonschwellenwerke aus Bundesmitteln: 1948 über die Organisation der Arbeits
Brese (CDU/CSU) 286 C marktverwaltung (Drucksache 127) . . . 289 D
Dr. Seebohm, Bundesminister für
Verkehr 286 C Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 289 D
Elektrifizierung der Bundesbahn Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
21. betr. betr. das Übereinkommen Nr. 96 der Inter-
zwischen Duisburg und Dortmund:
nationalen Arbeitsorganisation vom 1. Juli
Dr. Welskop (CDU/CSU) - 286 D 1949 über Büros für unentgeltliche Arbeits-
Dr. Seebohm, Bundesminister für vermittlung (Neufassung 1949) (Druck
Verkehr 286 D
sache 128) 289 D
22. betr. Ausbau des Emscherweges zwischen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 289 D
Oberhausen und Dortmund:
Dr. Welskop (CDU/CSU) 287 A Erste Beratung des vom Bundesrat einge-
Dr. Seebohm, Bundesminister für brachten Entwurfs eines Gesetzes zur ein-
Verkehr 287 A, B heitlichen Anwendung des § 397 des An-
23. betr. Zeitpunkt der Fertigstellung und gestelltenversicherungsgesetzes vom 28. Mai
Bekanntgabe des Saargutachtens: 1924 (Drucksache 158) 290 A
Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein Farny, Minister für Bundesangelegen-
(FDP) 287 B, C heiten des Landes Baden-Württem
Dr. Hallstein, Staatssekretär des berg 290 A
Auswärtigen Amts 287 B, C Überweisung an den Ausschuß für Sozial
24. betr. Quellen für das Material für ein politik 290 C
Interview der UP zur Bewertung der Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Rede des Herrn Chruschtschew und zur über das Abkommen zwischen der Bundes-
Beurteilung der wirtschaftlichen Lage republik Deutschland und der Italienischen
in der Sowjet-Union: Republik über Arbeitslosenversicherung
Abgesetzt 287 C (Drucksache 164) 290 C
25. betr. Bildung des Verwaltungsrats beim Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 290 C
Bundesminister für das Post- und Fern- Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
meldewesen: betr. die Vereinbarung vom 23. Februar
Schmidt (Hamburg) (SPD) . . 287 D, 288 A 1953 über die Regelung der Schweizer
Dr. Balke, Bundesminister für das franken-Grundschulden (Drucksache 159) 290 D
Post- und Fernmeldewesen . 287 D, 288 A
Überweisung an den Ausschuß für Geld
26. betr. Zuschlag für Ausschreibungen, die und Kredit und an den Ausschuß für
über den Besatzungskostenhaushalt be- Finanz- und Steuerfragen 290 D
zahlt werden durch amerikanische
Dienststellen an ausländische bzw. inlän- Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
dische Firmen: über den Beitritt der Bundesrepublik
Krammig (CDU/CSU) . . 288 A, D, 289 A Deutschland zum Abkommen über die Vor-
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister rechte und Befreiungen der Sonderorgani-
für Wirtschaft 288 B, 289 A sationen der Vereinten Nationen vom
21. November 1947 und über die Gewäh-
27. betr. Vorschlag des Bundesministers für rung von Vorrechten und Befreiungen an
Familienfragen Dr. Wuermeling auf Prü- andere zwischenstaatliche Organisationen
fung der Frage der Verweigerung der (Drucksache 156) 290 D
Ablegung des Richtereids in religiöser Überweisung an den Ausschuß für aus
Form und Feststellung über die Hand wärtige Angelegenheiten 290 D
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Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Heimganges des Herrn Dr. Höpker-Aschoff zu er-
über den Beitritt der Bundesrepublik innern und ihm unsere Dankbarkeit und Verehrung
Deutschland zu der Konvention vom zu bekunden, da er sowohl im Parlamentarischen
9. Dezember 1948 über die Verhütung und Rat wie im ersten Deutschen Bundestag his zu
Bestrafung des Völkermordes (Druck- seiner Berufung in das hohe Amt des Präsidenten
sache 162) 291 A des Bundesverfassungsgerichts eine hingebungs-
Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 291 A volle und für unser Volk und die Arbeit dieses
Frau Dr. Ilk (FDP) 291 B Hauses bedeutsame Arbeit geleistet hat. Wir haben
Neumayer, Bundesminister der Justiz 291 D ihn alle noch vor Augen, wie er in seiner kühlen
Höfler (CDU/CSU) 292 B Sachlichkeit, aber doch mit einer inneren Leiden-
Haasler (GB/BHE) 292 D schaft sein Amt in diesem Parlament wahrgenom-
Dr. von Merkatz (DP) 292 D men hat. Wir sprechen seiner Frau auch an dieser
Stelle unsere herzliche Anteilnahme aus. Wir ge-
Überweisung an den Rechtsausschuß und denken seiner in Achtung und Dankbarkeit.
an den Ausschuß für auswärtige Ange-
legenheiten 293 A Sie haben sich zu seinen Ehren von Ihren Plätzen
erhoben; ich danke Ihnen.
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über das gerichtliche Verfahren bei Frei- Ich bitte um die Bekanntgabe der Namen der
heitsentziehungen (Drucksache 169) . . 293 B entschuldigten Abgeordneten.
Neumayer, Bundesminister der Justiz 293 B
Maier (Freiburg) (SPD) 294 A Burgemeister, Schriftführer: Es suchen für län-
Becker (Hamburg) (DP) 295 B gere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Jahn (Frank-
Dr. Czermak (GB/BHE) 295 D furt) für drei Wochen wegen dienstlicher Inanspruch-
Dr. Bucher (FDP) 296 C nahme, Abgeordneter Gleisner (Unna) für zwei
Cillien (CDU/CSU) 297 A Wochen wegen Unfall, Abgeordneter Donhauser
Dr. Menzel (SPD) 297 B für zwei Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter
Überweisung an den Rechtsausschuß und Schmitt (Vockenhausen) für eine Woche wegen
an den Ausschuß für Fragen des Gesund- Unfall.
heitswesens 297 B Der Herr Prasident hat für zwei Tage Urlaub
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD erteilt den Abgeordneten Hermsdorf, Kemper
betr. Entschädigung der Fischer im Luft- (Trier), Ruhnke, Wagner (Ludwigshafen), Dr.
waffenübungsgebiet Großer Knechtsand - Leverkuehn, Dr. Bürkel, Graf von Spreti, Behrisch,
(Drucksache 139) 297 C Kühltau, Kalbitzer, Dr. Wahl und Geiger (Mün-
chen).
Wehr (SPD), Antragsteller . . 297 C, 300 B
Hartmann, Staatssekretär im Bundes Der Herr Präsident hat für die heutige Sitzung
ministerium der Finanzen . 299 A, 301 A Urlaub erteilt der Abgeordneten Frau Korspeter,
Müller-Hermann (CDU/CSU) 299 C den Abgeordneten Paul, Neumann und Brockmann
Müller (Wehdel) (DP) 300 A (Rinkerode).
Überweisung an den Ausschuß für Be-
satzungsfolgen und an den Haushalts- Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und
ausschuß 301 C Herren, ich unterstelle, daß Sie mit der Erteilung
Beratung des interfraktionellen Antrags betr. des Urlaubs, soweit er über eine Woche hinausgeht,
Überweisung von Anträgen an die Aus- einverstanden sind. — Das ist der Fall.
schüsse (Umdruck 9 [neu]) . . . . 301 C, 302 An Stelle des verstorbenen Herrn Abgeordneten
Beschlußfassung 301 C Böhner ist der Abgeordnete Rösing in den Bundes-
tag eingetreten. Ich heiße ihn in unserem Kreise
Nächste Sitzung 301 D willkommen und wünsche ihm eine ersprießliche
Anlage: Interfraktioneller Antrag betr. Arbeit.
Überweisung von Anträgen an die Aus- Heute habe ich nur eines Geburtstags zu ge-
schüsse (Umdruck 9 [neu]) 302 denken. Am 18. Januar hat Herr Abgeordneter Dr.
Horlacher sein 66. Lebensjahr vollendet. Ich spreche
ihm die herzlichsten Glückwünsche aus.
Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den (Beifall.)
Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet. Möge er noch lange in der Lage sein, uns den Rat
zu geben: „Fangt froh den Tag mit Frischmilch an!"
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und
Herren! Ich eröffne die 10. Sitzung des zweiten (Heiterkeit.)
Deutschen Bundestages. Meine Damen und Herren, zur heutigen Tages-
ordnung habe ich bekanntzugeben, daß eine inter-
Vor Eintritt in die Tagesordnung gedenke ich fraktionelle Vereinbarung darüber zustande ge-
der Tatsache, daß der Präsident des Bundesverfas- kommen ist, die Punkte 9, 11 und 13 von der heuti-
sungsgerichts, gen Tagesordnung abzusetzen; das betrifft das
(die Abgeordneten erheben sich) Personalvertretungsgesetz, das Gesetz über den
Herr Dr. Hermann Höpker-Aschoff, verstorben ist. Beitritt der Bundesrepublik zu den vier Genfer
In der Gedenkfeier der Bundesregierung in diesem Rot-Kreuz-Abkommen und das Rechtspflegerge-
Saale habe ich namens des Deutschen Bundestages setz. — Ich nehme an, daß das Haus mit dieser
die Teilnahme an diesem schweren Verlust, der das Regelung einverstanden ist.
Bundesverfassungsgericht und das deutsche Volk Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne
getroffen hat, zum Ausdruck gebracht. Wir haben Verlesung ins Stenographische Protokoll aufge-
im Bundestag besondere Veranlassung, uns des nommen:
278 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten hat unter dem 18. Januar 1954 die Kleine Anfrage 13
Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen
der Fraktion der SPD betrettend Ausführung des Dritten Ab- Amts: Ja.
schnitts Zweiter Titel „Landwirtschaft" des Bundesvertriebenen-
gesetzes — Drucksache 142 — beantwortet. Sein Schreiben wird
als Drucksache 193 vervielfältigt. Dr. Mommer (SPD): Danke.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem
14. Januar 1954 die Kleine Anfrage 17 der Fraktion der DP Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist die Frage
betrettend Vorlage eines Gesetzentwurts zur Anmeldung und erledigt.
Feststellung der Verbindlichkeiten der ehemaligen NSDAP
— Drucksache 150 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Zur Frage 2 Herr Abgeordneter Hellenbrock! Er
Drucksache 192 vervielfältigt.
begibt sich ans gleiche Mikrophon, da es sich so
Wir beginnen mit dem Punkt 1 der Tagesord- gut bewährt hat. Bitte schön, Herr Abgeordneter!
nung: Hellenbrock (SPD):
Fragestunde (Drucksache 186). Warum zahlt der Bund für eine Villa, gelegen
Ich stelle fest, daß wir mit dieser Fragestunde in der Stadtgemeinde Süchteln (Landkreis
um 9 Uhr 37 beginnen. Ich darf Sie bitten, heute Kempen-Krefeld), 150 000 DM, die vom Ver-
versuchsweise die Fragen von den im Saal ange- käufer mit rund 100 000 DM an andere Inter-
brachten Mikrophonen aus zu stellen. essenten vorher angeboten wurde? Wer hat
bei diesem Kauf die Vermittlerrolle über-
Zur Frage 1 hat das Wort Herr Abgeordneter nommen, und was wurde dabei an Provision
Dr. Mommer. Er befindet sich, wenn ich recht sehe, gezahlt?
am Mikrophon Nr. 5. Bitte schön!
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Staatssekretär
Dr. Mommer (SPD): Bei der Befreiung der Bürger des Bundesministeriums der Finanzen.
der OEEC-Staaten vom Visumzwang ist eine Ka-
tegorie von Menschen schlecht weggekommen: die Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium
Inhaber von internationalen Flüchtlingspässen. Ich der Finanzen: Herr Abgeordneter, dem Bundes-
frage, ob die Bundesregierung bereit ist, die Be- finanzministerium ist nicht bekannt, ob der Eigen-
freiung vom Visumzwang auf diese Kategorie von tümer des Hauses dieses Haus anderweitig für 100 000
Menschen auszudehnen. DM angeboten hat. Der Wert des Hauses ist vom
Finanzneubauamt Krefeld und von der Oberfinanz-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Staatssekretär direktion in Düsseldorf geschätzt worden. Dabei
des Auswärtigen Amts! hat sich ergeben, daß der Wert des Hauses in dem
- durch die bisherige Benutzung durch die Besatzung
Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen geschädigten Zustand etwa 100 000 DM beträgt,
Amts: Die Bundesregierung sieht sich zu ihrem der Wert des Hauses in unbeschädigtem Zustand
Bedauern zur Zeit nicht in der Lage, die Staaten 150 000 DM und daß dem Eigentümer ein Anspruch
losen hinsichtlich der Aufhebung des Sichtvermerk- auf Abgeltung des Besatzungsschadens in Höhe von
zwanges in der gleichen Weise zu behandeln wie etwa 60 000 DM zusteht. Es wurde als verein-
die Staatsangehörigen der OEEC-Staaten. Der fachend empfunden, dem Eigentümer den Preis für
Grund dafür ist, daß die Inhaber von nationalen den Wert des Hauses in unbeschädigtem Zustand
Pässen der OEEC-Staaten von ihren Heimatländern in Höhe von 150 000 DM zu geben, um damit ein
jederzeit zurückübernommen werden, wenn ihre spezielles Entschädigungsverfahren zu vermeiden.
Anwesenheit im Bundesgebiet den deutschen Be- Wenn Sie berücksichtigen, daß der jetzige Wert
hörden aus irgendeinem Grund unerwünscht 100 000 DM, der Entschädigungsanspruch etwa
erscheint. 60 000 DM beträgt, müssen Sie wohl sagen, daß
die Bundeskasse dabei durchaus gut weggekommen
Dr. Mommer (SPD): Ist das nicht auch der Fall ist, wenn sie die Summe von 150 000 DM gezahlt
bei den Flüchtlingen, die seit langen Jahren in hat.
anderen Ländern ansässig sind? (Heiterkeit.)

Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Hellenbrock (SPD): Ich bitte, eine Zusatzfrage
Amts: Der Unterschied liegt darin, Herr Abgeord- stellen zu dürfen.
neter, daß Art. 15 Abs. 2 des Londoner Abkommens
betreffend die Ausstellung von Reiseausweisen Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Abgeordneter!
die Möglichkeit bietet, die Rückübernahme von
Hellenbrock (SPD): War der in Frage kommenden
Personen schon 3 Monate nach ihrer Ausreise mit
einem Londoner Flüchtlingsausweis abzulehnen. Dienststelle der Bundesregierung vor dem Kauf
Bei Aufhebung des Sichtvermerkzwangs für In- bekannt, daß Stadtverwaltung und Stadtver-
haber der Londoner Flüchtlingsausweise bestände tretung von Süchteln an dem Verkauf an ein
Solinger Industrieunternehmen aus kommunalen,
daher die Gefahr, daß diese Personen ohne Visum
in das Bundesgebiet einreisen und die deutschen wirtschaftlichen und steuerlichen Gründen stärk-
Behörden unter Umständen schon nach 3 Monaten stes Interesse hatten? Zweitens: Für welche Zwecke
gezwungen sein würden, aus öffentlichen Mitteln soll dieses Haus Verwendung finden?
für den Unterhalt dieser Staatenlosen zu sorgen. Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium
Die Verantwortung für dieses Risiko glaubt die der Finanzen: Zur ersten Zusatzfrage kann ich
Bundesregierung mindestens zur Zeit nicht über- nichts sagen. Ich werde mich danach erkundigen
nehmen zu sollen. und darauf schriftlich Antwort geben. Nach meinen
Unterlagen ist mir darüber nichts bekannt.
Dr. Mommer (SPD): Wäre die Bundesregierung
bereit, im Rahmen des Europarats daran mitzu- Der Zweck des Ankaufs hängt mit der Verlegung
arbeiten, daß man für diese Menschen trotzdem des Hauptquartiers der Britischen Rheinarmee von
mehr Freiheit in Europa schafft? Bad Oeynhausen in die Nähe von Mönchen-Glad-
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 279
(Staatssekretär Hartmann)
bach zusammen. Im allgemeinen sind dort Neubau- keiten mußten erst in langwierigen Verhandlungen
wohnungen für die Offiziere und Angehörigen der überwunden werden. Ich darf aber nochmals be-
Besatzungsarmee erforderlich. Aus Ersparnisgrün- tonen, daß wir glauben, den größten Teil dieser
den ist aber angeregt worden, für eine Reihe von Schwierigkeiten überwunden zu haben, so daß die
hohen Stabsoffizieren nicht Neubauwohnungen zu Arbeiten nunmehr in einem schnellen Tempo fort-
bauen, sondern vorhandene Häuser anzukaufen. schreiten können.
Aus diesem Grunde ist der hier in Frage stehende
Koenen (Lippstadt) (SPD): Ich bitte den Herrn
Ankauf erfolgt.
Präsidenten, mir zwei Zusatzfragen zu gestatten.
Hellenbrock (SPD): Danke!
Präsident D. Dr. Ehlers: Zunächst eine, Herr Ab-
Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist die Frage er- geordneter!
ledigt. (Heiterkeit.)
Zur Frage 3 Herr Abgeordneter Koenen! Koenen (Lippstadt) (SPD): Ist dem Bundes-
Koenen (Lippstadt) (SPD): Eine Frage an den finanzministerium bekannt, daß die Beauftragten
Herrn Bundesfinanzminister: für diesen Grundstückserwerb bei dem Erwerb in
erheblichem Maße preissteigernd gewirkt haben?
Warum wird der seit Jahresfrist be- Mir ist ein Fall bekannt, wo in gleicher Lage zum
stehende Schäffer-Plan (Wohnungsbau für gleichen Termin andere Käufer für Grundstücke
Besatzungsverdrängte), der den Besatzungs- 3 DM und 3,50 DM pro qm gezahlt haben, während
verdrängten unbedingt Erleichterung bringen der Beauftragte des Bundesfinanzministeriums
könnte, nicht energisch und schnell durchge- gleich 6 DM bot und dadurch natürlich dann auch
führt? Ist die Finanzierung nicht sichergestellt, das Grundstück bekam. Die anderen Grundstücke
oder welche anderen Gründe verhindern den haben zum Preis von 3 DM und 3,50 DM den
Bau der Häuser? Besitzer gewechselt.
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Staatssekre- Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Staatssekretär!
tär!
Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium
Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen: Herr Abgeordneter, das ist mir nicht
der Finanzen: Herr Abgeordneter, das von Ihnen bekannt. Ich wäre Ihnen besonders dankbar, wenn
als „Schäffer-Plan" bezeichnete erste Programm Sie mir die Unterlagen über die konkreten Einzel-
zur Errichtung von Austauschwohnungen -umfaßt fälle herübergeben wollten, damit ich ihnen nach-
in 94 Bauorten 3 506 Austauschwohnungen und in gehen kann.
190 Orten — immer im Bundesgebiet und in Berlin
— die Freigabe von 4 506 requirierten privaten Koenen (Lippstadt) (SPD): Ich werde Ihnen die
Wohnungen. Ich bitte Sie, daraus allein schon den erforderlichen Unterlagen einreichen.
Umfang dieses Programms zu entnehmen. Ist eine weitere Zusatzfrage gestattet, Herr
Sofort nach Abschluß der Vereinbarungen sind Präsident?
die Herren Finanzminister und Finanzsenatoren Präsident D. Dr. Ehlers: Noch eine weitere Frage,
der Länder von uns unterrichtet und gebeten wor- Herr Abgeordneter, bitte!
den, unverzüglich alle notwendigen Maßnahmen zu
treffen. Es dürfte bekannt sein, daß dem Bund Koenen (Lippstadt) (SPD): Das Besatzungsver-
selbst Exekutivbehörden für diese Zwecke nicht drängtenbauprogramm soll doch unter allen Um-
zur Verfügung stehen, sondern daß er sich der ständen der Beseitigung besonderer Härten in der
Behörden der Länder und der Gemeinden bedie- Wohnlage der Besatzungsverdrängten dienen. Ist
nen muß. Die für die Durchführung dieses Pro- es dem Bundesfinanzministerium bekannt, daß
gramms erforderlichen Mittel stehen im Haushalt schon heute eine Oberfinanzdirektion versucht, an
der Verteidigungsfolgekosten in voller Höhe zur Stelle dieser Notstandsbeseitigung eine Regelung in
Verfügung. Auf Grund der uns von den Ländern der Frage der Bedienstetenwohnungen der Ober-
vorgelegten Bauunterlagen sind bisher 58 Bauvor- finanzdirektionen zu erzielen?
haben endgültig genehmigt und für 8 weitere
Bauvorhaben Anlaufmittel bereitgestellt worden. Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium
Das Bundesfinanzministerium hat den Ländern der Finanzen: Auch das ist mir nicht bekannt,
Haushaltsmittel im Betrage von mehr als '75 Mil- Herr Abgeordneter. Ich bitte, mir mitzuteilen, um
lionen DM zugewiesen. welche Direktion es sich dabei handelt. Dieses Ver-
Sie fragen nunmehr nach den Gründen der Ver- fahren ist nicht zulässig.
zögerung. Die Hauptursachen liegen darin, daß in
vielen Bauorten geeignetes Baugelände, d. h. auf- Koenen (Lippstadt) (SPD): Diese Unterlagen
geschlossenes und zu einem angemessenen Preis werde ich ebenfalls einreichen. — Ich danke Ihnen,
erhältliches Baugelände, nicht oder nur sehr schwer Herr Staatssekretär.
zu bekommen war. Wir müssen leider auch sagen, Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist diese Frage
daß die an der Durchführung des Programms be- erledigt.
teiligten Gemeinden uns nicht immer die unbedingt
notwendige Unterstützung für diese Arbeiten ge- Zur Frage 4 ebenfalls Herr Abgeordneter
geben haben. Sie haben zum Teil die in ihrem Koenen.
Eigentum stehenden Grundstücke nur unter für
uns unannehmbaren Bedingungen veräußern wol- Koenen (Lippstadt) (SPD): Ich habe eine Frage
len, zum Teil kein Baugelände zur Verfügung ge- an den Herrn Bundesminister für Verkehr:
stellt, nachträglich die Zahlung besonderer Er- Ist der Herr Bundesminister für Verkehr
schließungskosten gefordert oder auch sonstige nicht auch der Auffassung, daß Verkehrshinder-
Bedingungen daran geknüpft. Alle diese Schwierig nisse unter allen Umständen reihenfolgemäßig
280 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Koenen)
nach ihrer Dringlichkeit beseitigt werden Koenen (Lippstadt) (SPD): Ich bitte den Herrn
müssen? Wenn ja, findet er nicht, daß der Bundesverkehrsminister, meinen diesbezüglichen
Teil des Kreuzungsgesetzes, der die Kosten- Brief vom 10. Oktober 1953 zu beantworten.
frage regelt, eine Beseitigung nach diesen
Dringlichkeitsgesichtspunkten direkt verhindert Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
und dringend einer Änderung bedarf, da Der Herr Bürgermeister von Lippstadt weiß, daß
unbedingt zu beseitigende Verkehrshindernisse ich ihm und Herrn Kollegen Feldmann, seinem
— so z. B. Bundesbahnkreuzungen in Orts- Vorgänger als Abgeordneten, in der Frage Lipp-
durchfahrten, zugleich mit Bundeshauptver- stadts im vorigen Jahr bereits auf vier Briefe ge-
kehrsstraßen — sich zum Teil in finanz- schrieben habe.
schwachen Gemeinden befinden, die niemals (Heiterkeit.)
den auf sie nach dem Kreuzungsgesetz ent-
fallenden Anteil finanzieren können? Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 5 Herr Abge-
ordneter Ritzel.
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
für Verkehr zur Beantwortung bitte!
Ritzel (SPD): Ich frage im Interesse der Ver-
Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: braucher und im Interesse der Auflockerung des
Natürlich, Herr Kollege, sollen Verkehrshindernisse Zigarettenpreises den Herrn Bundeswirtschafts-
in der Reihenfolge ihrer Dringlichkeit beseitigt minister:
werden. Das Tempo aber, in dem dies geschehen
kann, wird von den finanziellen Mitteln bestimmt, Was gedenkt die Bundesregierung zu tun,
die seitens der zuständigen Baulastträger aufge- um der Preisdiktatur in der Zigarettenindustrie
bracht werden können. Die Kostenregelung des zu begegnen?
Kreuzungsgesetzes vom 4. Juli 1939 verhindert die
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
Beseitigung solcher Verkehrshindernisse nach dem
Gesichtspunkt der Dringlichkeit höchstens in Aus- für Wirtschaft.
nahmefällen, nämlich dann, wenn die Gemeinden
als Baulastträger den Anteil der auf sie entfallen- Dr. Dr. h. e. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft:
den Kosten nicht tragen können. Eine Änderung Die Verbraucherpreise für Zigaretten sind durch
des Kreuzungsgesetzes, durch die in diesem Fall die im Tabaksteuergesetz vom 6. Mai 1953 fest-
der Eisenbahn, und zwar Bundesbahn oder nicht gesetzten Preisklassen geregelt. Mit der von Herrn
bundeseigener Eisenbahn, höhere Lasten aufgebür- Abgeordneten Ritzel erwähnten „Preisdiktatur der
det werden, wird man nicht als zweckmäßig- befin- Zigarettenindustrie" kann daher nur die von der
den können, da die Bundesbahn zusätzliche Lasten Zigarettenindustrie im Anschluß an die Tabak-
nicht auf sich zu nehmen vermag und die nicht steuerreform eingeführte Preisbindung der zweiten
bundeseigenen Eisenbahnen noch weniger. Daher Hand gemeint sein, durch welche die Rabatte beim
würde eine Änderung des Kreuzungsgesetzes die Handel mit Zigaretten von der Industrie festgelegt
finanziellen Schwierigkeiten keineswegs beseitigen. wurden. Die Preisbindung ist aber nicht etwa dem
Handel in Form eines „Diktats" aufgezwungen
Dagegen bietet der § 7 des Gesetzes über die worden, sondern Industrie und Handel waren über
vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesauto- die Zweckmäßigkeit der Preisbindung einig, um
bahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fern- dadurch einer Preisschleuderei im Handelsbereich
verkehrs vom 2. März 1951 finanzschwachen Ge- entgegenzutreten und auf diese Weise die Existenz
meinden, die ihren Anteil nach dem Kreuzungs- der mittleren und kleineren Großhändler zu sichern.
gesetz nicht selbst aufzubringen vermögen, die Gegen die Preisbindung opponierte ein Verband
Möglichkeit, zum Um- und Ausbau von Ortsdurch- von Großabnehmern des Zigarettengroßhandels,
fahrten Zuschüsse oder Darlehen durch den Bund der außerdem eine Kartellabsprache der Zigaret-
zu erhalten, falls der Kostenaufwand unverhältnis tenindustrie über die Höhe der Rabatte behauptete.
mäßig hoch ist und die Finanzkraft des Trägers Auf Grund einer daraufhin vorgenommenen Unter-
dieser Straßenbaulast übersteigt, allerdings nur suchung konnte aber eine derartige Absprache
unter der Voraussetzung, daß sowohl das Land wie nicht nachgewiesen werden.
der Träger der Straßenbaulast in gleicher Höhe,
also mindestens zu je einem Drittel, sich an den Es bestand kein Anlaß, gegen die Preisbindung
Kosten beteiligen. der zweiten Hand einzuschreiten, nachdem die
Alliierten Ende 1952 erklärt haben, daß sie von
Ferner ist zu bemerken, daß die Länder die Mög- dem ihnen noch auf Grund der alliierten Kartell-
lichkeit haben, durch entsprechende Gestaltung gesetze zustehenden Recht eines Eingriffs gegen
ihres inneren, kommunalen Finanzausgleichs derartige Preisbindungen keinen Gebrauch machen
steuerschwachen Gemeinden die Erfüllung ihrer würden, sofern die gebundenen Waren Marken-
gesetzlichen Pflichten zu ermöglichen. artikel im Sinne des deutschen Entwurfs eines Ge-
Wir haben in den Jahren 1951 bis 1953 insgesamt setzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen seien und
215 schienengleiche Bahnübergänge beseitigt, in die Preisbindung nach dem Entwurf zulässig sei.
der Hauptsache allerdings durch Zusammenlegung Da Zigaretten unzweifelhaft Markenartikel sind,
und Aufhebung; denn der Ersatz eines schienen- war die Entscheidung über die Durchführung der
gleichen Bahnüberganges durch eine Unter- oder Preisbindung den beteiligten Wirtschaftskreisen zu
Überführung kostet durchschnittlich je 1,4 Mil- überlassen. Eine stärkere Kontrollmöglichkeit, um
lionen DM. dem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht zu begegnen,
hätte die deutsche Verwaltung erst nach Verab-
Koenen (Lippstadt) (SPD): Darf ich mir noch schiedung eines deutschen Kartellgesetzes.
eine Bemerkung erlauben?
Ritzel (SPD): Eine Zusatzfrage!
Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Frage, Herr Abge-
ordneter, nicht eine Bemerkung! Es sind nur Zu- Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage; bitte,
satzfragen möglich. Herr Abgeordneter Ritzel!
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 281

Ritzel (SPD) : Herr Bundeswirtschaftsminister, sen, den Verkauf internationaler Antwortscheine


ist es richtig, daß die kleinen Zigarettenfabriken wieder einzuführen. Im einzelnen wurden folgende
gezwungen waren, sich den Bedingungen anzu- Schritte unternommen:
passen, die von einer einzigen großen Firma for- Erstens: Das Bundespostministerium hat im
muliert worden waren, und billigt die Bundesregie- Jahre 1950 die Lieferung von Antwortscheinen
rung die von dieser Seite aufgestellte Behauptung, beim Internationalen Büro des Weltpostvereins,
daß hier nicht eine mißbräuchliche Ausnutzung dem der Druck und die Verteilung der Scheine
einer marktbeherrschenden Stellung vorliege, son- obliegen, beantragt. Das Internationale Büro des
dern eine Wirkung des im Tabaksteuergesetz be- Weltpostvereins machte die Lieferung jedoch von
gründeten Banderolenzwangs? der vorherigen Zustimmung des Alliierten Komi-
tees für Post- und Fernmeldewesen in Berlin,
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundeswirt- eines Unterausschusses des Viermächte-Kontroll-
schaftsminister! rats, abhängig.
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft: Zweitens: Die Zustimmung des erwähnten Alli-
Sollte der von Ihnen vorgetragene Sachverhalt zu- ierten Komitees wurde seinerzeit nicht erteilt. Sie
treffen, so würde es sich in meinen Augen wohl konnte auch in der Folgezeit nicht erreicht werden.
um einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht han- Drittens: Auch der Versuch, mit der sowjetzona-
deln. Ich bin aber nicht der Meinung, daß ein sol len Postverwaltung zu einem grundsätzlichen Ein-
ches Diktat oder ein derartiger Zwang vorgelegen verständnis über die Wiedereinführung des er-
hat, bin jedoch gern bereit, den Sachverhalt noch wähnten Dienstes in Deutschland zu gelangen, um
einmal zu überprüfen und Ihnen zu einem späteren dadurch bessere Voraussetzungen für eine Zustim-
Zeitpunkt Auskunft zu geben. mung aller vier Alliierten im Viermächte-Komitee
zu schaffen, schlug fehl. Die sowjetzonale Post-
Ritzel (SPD): Noch eine Zusatzfrage, Herr Prä- verwaltung teilte seinerzeit mit, daß sie den er-
sident! wähnten Dienst noch nicht wieder einzuführen
gedenke. Auch auf diese Einstellung mag es u. a.
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Abgeordneter! zurückzuführen sein, daß eine Zustimmung aller
vier Vertreter im Viermächte-Komitee bisher nicht
Ritzel (SPD): Ist es richtig, Herr Minister, daß erreicht werden konnte.
im Gegensatz zu der Handhabung der Verordnung
des Bundeswirtschaftsministers über Preise für Viertens: Ein erneuter Antrag des Bundespost-
Rauch- und Kautabake vom 16. Juni 1953 die ministeriums an die Hohe Kommission im Jahre
- 1952 mit dem Ziel, eine Entscheidung des Vier-
Zigarettenindustrie durch unterschiedliche Preise
für den Fachhandel und den Nebenhandel bei glei- mächte-Komitees herbeizuführen, scheiterte eben-
chen Verbraucherkreisen erheblich größere Ge- falls.
winne buchen kann, die letzten Endes von den Herr Abgeordneter, das Haupthindernis für die
Verbrauchern getragen werden müssen? Ausgabe internationaler Antwortscheine durch die
Deutsche Bundespost besteht zur Zeit darin, daß
Ich füge an, daß ich das Material zu meiner der Beitritt der Bundesrepublik zum Weltpostver-
ersten Zusatzfrage dem Herrn Bundeswirtschafts- trag noch nicht zustande gekommen ist. Wäre der
minister übergeben werde. Beitritt vollzogen, dann würden damit die Be-
denken, die seitens des Internationalen Büros des
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Minister!
Weltpostvereins geäußert wurden, gegenstandslos;
denn einem Mitgliedland kann der Verkauf von
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft:
Antwortscheinen nicht verweigert werden. Die
Bei der Frage handelt es sich vermutlich um die
Mitgliedschaft im Weltpostverein wird weiter an-
Gestaltung der Rabatte in der Zigarettenindustrie. gestrebt.
Hier sind aber auch zwischen den beteiligten Krei-
sen, also sowohl Großhandel wie Einzelhandel und Ritzel (SPD): Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Genossenschaften, Absprachen über die Rabatt-
gestaltung getätigt worden, und es wurde darüber Präsident D. Dr. Ehlers: Keine weitere Zusatz-
eigentlich Einmütigkeit erzielt. frage. —
Ritzel (SPD): Ich danke Ihnen, Herr Minister. Zur Frage 7 Herr Abgeordneter Platner.
Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist die Frage 5 Platner (CDU/CSU): Ich richte an den Herrn
abgeschlossen. Minister für Justiz folgende Frage:
Zur Frage 6 Herr Abgeordneter Ritzel! Wann ist mit der Veröffentlichung des Ent-
wurfs eines Urheberrechtsgesetzes seitens des
Ritzel (SPD): Ich frage den Herrn Bundespost- Bundesministeriums der Justiz zu rechnen?
minister:
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
Welche Schwierigkeiten stehen der Ausgabe der Justiz.
von internationalen Porto-Gutscheinen im
Wege und was hat die Bundesregierung getan, Neumayer, Bundesminister der Justiz: Mit der
um diese Schwierigkeiten zu überwinden? Veröffentlichung des Referentenentwurfs ist vor-
aussichtlich im Mai dieses Jahres zu rechnen.
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
für das Post- und Fernmeldewesen, bitte! Platner (CDU/CSU): Ich danke dem Herrn
Minister.
Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und
Fernmeldewesen: Die Deutsche Bundespost hat in Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 8 Herr Abge-
den vergangenen Jahren nichts unversucht gelas- ordneter Platner.
282 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954

Platner (CDU/CSU): Ich stelle an den Herrn Elektrifizierung einer Strecke im Zonengrenzgebiet
Bundesminister für Verkehr folgende Frage: ein sehr großer Teil der dabei etwa zu vergebenden
Ist der Herr Bundesminister für Verkehr Aufträge nicht auf die Zonengrenzgebiete.
bereit, Maßnahmen zum Ausbau der bereits Platner (CDU/CSU): Ich danke dem Herrn
projektierten, für die wirtschaftliche Entwick- Minister.
lung des hessischen Zonengrenzgebietes be-
deutsamen Autobahnverbindung zwischen Kas- Präsident D. Dr. Ehlers: Die Frage ist damit
sel und Hamm zu treffen? erledigt.
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Bundes-
Zur Frage 10 Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
minister für Verkehr.
Dr. Mommer (SPD): Kann der Herr Bundesver-
Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Sie haben recht, Herr Abgeordneter. Die Autobahn- kehrsminister mir vielleicht Zahlen über die
Überbesetzung der Züge des Berufsverkehrs nen-
strecke Kassel—Hamm war im Vorkriegsplan
der Reichsautobahn vorgesehen. Sie sollte eine nen und welche Abstellungsmaßnahmen gedenkt
direkte Verbindung über Autobahn zwischen er zu treffen, um der Überbesetzung dieser Züge
zu steuern?
dem sächsisch-thüringischen Industriegebiet und
dem Ruhrgebiet schaffen. Sie ist in das Autobahn Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Bundes-
Ausbauprogramm der Bundesregierung über- minister.
nommen worden, gehört jedoch zu den Strecken
zweiter Dringlichkeit, da sie ihren Verkehrswert Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Sehr
erst erhält, wenn ein freizügiger Verkehr über verehrter Herr Kollege! Die Frage, die mir schrift-
die Zonengrenze — wie wir hoffen, recht bald — lich vorgelegt wurde, lautet etwas anders. Ich darf
wieder möglich ist. also zunächst die schriftliche Frage, die auch dem
Falls es aber gelingt, für den weiteren Ausbau Hohen Hause vorliegt, beantworten.
der Autobahnen besondere gesetzliche Finanzie- Der Bundesregierung ist bekannt, daß auf zahl-
rungsmaßnahmen zu erreichen, soll mit Rücksicht reichen Strecken die Berufszüge der Deutschen
auf die wirtschaftliche Entwicklung des hessischen Bundesbahn morgens und nachmittags überfüllt
Zonengrenzgebietes das 5 km lange Teilstück sind. Die Bundesbahn begründet diesen Zustand
zwischen der Autobahn Frankfurt/Main—Northeim mit dem Mangel an Personenwagen. Obgleich in
und der Bundesstraße 3 im Rahmen der ersten den letzten Jahren eine Anzahl neuer Personen-
Dringlichkeit gebaut werden. -
wagen für den Berufsverkehr beschafft wurde,
fehlen der Bundesbahn zur Zeit die Mittel, um bei
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 9 ebenfalls diesem Problem wirksame Abhilfe zu schaffen, da
Herr Abgeordneter Platner. noch insgesamt etwa 3000 neue Personenwagen
beschafft werden müßten, für deren Anschaffung
Platner (CDU/CSU): Ich stelle an den Herrn rund 500 Millionen DM erforderlich sind.
Minister für Verkehr noch folgende weitere Frage:
Der Zustand der Überfüllung der Berufszüge
Ist der Herr Bundesminister für Verkehr wird sich daher leider erst nach durchgreifender
bereit, im Interesse der Wirtschaft des hessi- Änderung der wirtschaftlichen Lage der Deutschen
schen Zonengrenzgebietes bei der Verwaltung Bundesbahn ändern können, sofern nicht, wie z. B.
der Bundesbahn darauf hinzuwirken, daß im im Ruhrgebiet, infolge der Elektrifizierung eine
Rahmen des Programms der Elektrifizierung Verbesserung in absehbarer Zeit in Aussicht ge-
der Bundesbahn zunächst das vorgenannte stellt werden kann. Es ist zu berücksichtigen, daß
Gebiet berücksichtigt wird? der Anteil der Berufsreisenden und Schüler 63,8 %
der insgesamt von der Bundesbahn beförderten
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Bundes- Personen umfaßt, während die Einnahmen aus die-
minister. sem Verkehr nur 17,9 % der Gesamteinnahmen
ausmachen. Der Berufs- und Schülerverkehr er-
Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: bringt durchschnittlich nur 1,7 Pf je Personen-
Ein 1950 von der Deutschen Bundesbahn aufge- kilometer, der übrige Personenverkehr dagegen
stelltes Elektrifizierungsprogramm sieht auch die unter Berücksichtigung der anderen Ermäßigungen
Umstellung der Strecke Frankfurt/Main—Eichen- durchschnittlich 5,1 Pf. In erheblichem Maße wird
berg auf elektrischen Betrieb vor. Die Kosten für der Berufs- und Schülerverkehr von der Bundes-
diese Umstellung werden auf über 220 Millionen DM bahn als Zuschußbetrieb abgewickelt.
geschätzt. Wegen ihrer schwierigen finanziellen
Lage kann die Bundesbahn aber nur die Ab- Dr. Mommer (SPD): Ich nehme an, der Herr
schnitte elektrifizieren, für die die Kosten voll- Bundesverkehrsminister ist nicht der Meinung, die
ständig durch von den Ländern bereitzustellende geringen Einnahmen aus dem Berufsverkehr dür-
Kredite gedeckt werden. Dem Bund stehen zur fen dazu führen, daß die Arbeiter und Angestellten
Förderung derartiger Elektrifizierungsvorhaben auf den Trittbrettern und auf den Puffern fahren
leider keine Mittel zur Verfügung. müssen.
Mit dem Land Hessen wird seitens der Bundes-
bahn über die Bereitstellung von Mitteln zur Elek- Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Ich
trifizierung verhandelt, hauptsächlich allerdings bin selbstverständlich dieser Auffassung, obwohl
wegen der Elektrifizierung im Frankfurter Raum. ich bisher noch keine Aufnahmen oder Meldungen
Bisher konnten Vereinbarungen mit dem Lande erhalten habe, es sei im Berufsverkehr üblich, daß
Hessen noch nicht getroffen werden. Die zur För- auf den Trittbrettern und Puffern gefahren werden
derung der Zonengrenzwirtschaft ausgeworfenen müßte. Das ist im allgemeinen in der Zeit vor 1949
Mittel reichen zur Durchführung so großer Pro- so gewesen.
jekte leider nicht aus. Außerdem entfällt bei der (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 283

Dr. Mommer (SPD): Und in meinem Wahlkreis Die Bundesregierung hofft, daß durch diese in
wieder vorgekommen! letzter Zeit verschärften Prüfungen eine Qualitäts-
verbesserung der deutschen Zündhölzer erreicht
Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Darf wird.
ich bitten, mir die Strecke und den Zug anzugeben;
denn das ist nicht allgemein üblich. Ich wäre auch Persönlich glaube ich über den Verdacht erha-
dankbar für eine Photographie, auf der man das ben zu sein, Monopolbetriebe begünstigen zu wol-
sieht. len.
(Heiterkeit. — Beifall rechts.)
Krammig (CDU/CSU): Ich danke dem Herrn
Dr. Mommer (SPD): Ich werde mich darum Minister.
bemühen.
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 12 ebenfalls
Präsident D. Dr. Ehlers: Die Frage 10 ist damit Herr Abgeordneter Krammig.
erledigt.
Krammig (CDU/CSU):
Zur Frage 11 Herr Abgeordneter Krammig.
Aus welchen Gründen werden gehobene
Beamte der Zollverwaltung, denen die Eig-
Krammig (CDU/CSU):
nung zum Bezirkszollkommissar (Grenze) vor
Ist der Bundesregierung die häufig anzutref- 1945 nicht zuerkannt werden konnte, weil sie
fende schlechte Qualität der von der Deutschen nicht zum Reserve-Offizieranwärter ernannt
Zündwarenmonopolgesellschaft hergestellten worden sind, bei gleichen Kenntnissen und
und vertriebenen Sicherheitszündhölzer, die als dienstlichen Leistungen bei der Beförderung
„Haushaltsware" bezeichnet sind, bekannt, und auch heute noch solchen Beamten gegenüber
was wird sie veranlassen, um dem abzuhelfen? benachteiligt, denen diese Eignung seinerzeit
zugesprochen worden war?
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
für Wirtschaft. Bitte! Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Staatssekretär
des Bundesfinanzministeriums, bitte!
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft:
In § 2 des Deutschen Zündwarenmonopol-Gesetzes Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium
ist der Umfang des Zündwarenmonopols festgelegt. der Finanzen: Herr Abgeordneter! Beamte des ge-
Es umfaßt - hobenen Dienstes, die die fachliche Eignung zur Be-
1. die Übernahme der im Monopolgebiet herge- kleidung einer Bezirkszollkommissarstelle (Grenze)
stellten Zündwaren von den Herstellern und die hatten, mußten zur Zeit der allgemeinen Wehr-
unmittelbare Weiterveräußerung, also das Bezugs- pflicht, also vor 1945, die Eigenschaft eines Reserve-
monopol, offiziersanwärters besitzen. Zollinspektoren, die
2. die Einfuhr von Zündwaren in das Monopol- nicht Reserveoffiziersanwärter waren, konnten nur
gebiet von außerhalb, das Einfuhrmonopol, und zum Bezirkszollkommissar (Steuer) oder zum Ober-
3. die Ausfuhr von Zündwaren aus dem Monopol- zollinspektor ernannt werden. Dies wirkte sich in
gebiet, also das Ausfuhrmonopol. der Regel so aus, daß diese Beamten ungefähr zwei
Jahre später in eine Stelle der Besoldungsgruppe
Die Deutsche Zündwarenmonopolgesellschaft A 4 b 1 befördert wurden als die anderen.
stellt demnach nicht selbst Zündwaren her, sie wer-
den vielmehr von Privatfirmen, denen eine Beteili- In der Bundeszollverwaltung spielt die Eigen-
gungsziffer zugeteilt worden ist, erzeugt. schaft als Reserveoffiziersanwärter selbstverständ-
Bezüglich der Qualitätsmängel ist auf folgendes lich keine Rolle mehr. Die Beamten erleiden in
hinzuweisen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß ihrer jetzigen Laufbahn keine Benachteiligung
die Qualität der deutschen Zündhölzer, insbeson- wegen des Fehlens der Eigenschaft als seinerzeitige
dere der sogenannten Haushaltsware, einer Ver- Reserveoffiziersanwärter. Eine Verzögerung, die
besserung bedarf. Aus diesem Grunde führt nun- früher einmal in der Beförderung eingetreten ist,
mehr auch die Deutsche Zündwarenmonopolgesell- wird jetzt ausgeglichen, wenn die damalige Ver-
schaft laufend alle zwei Monate in allen Herstel- zögerung nur auf das Fehlen der Reserveoffiziers-
lungswerken Kontrollen durch, um möglichst zu anwärter-Eigenschaft zurückzuführen war. Es ist
verhindern, daß qualitätsmäßig nicht einwandfreie das ständige Bestreben der Bundeszollverwaltung,
Zündhölzer auf den Markt gelangen. Diese Kon- derartige Härten, die bis 1945 eingetreten sind, bei
trollen sind in letzter Zeit sogar noch weiter aus- den weiteren Beförderungen auszugleichen.
gedehnt worden, da eine von der deutschen Zünd Sollten in Einzelfällen Benachteiligungen behaup-
warenindustrie veranlaßte Propaganda-Aktion zur tet werden, dann bitte ich, mir diese Fälle zu be-
Förderung des Zündholzes läuft. Es werden neben nennen, damit ich sie nachprüfen kann.
der Prüfung im Herstellungswerk durch eine be-
sondere Prüfungskommission bei jedem Großhänd- Krammig (CDU/CSU): Eine Zusatzfrage! — Dem
ler von jeder Sorte und von jeder Lieferfirma alle Herrn Staatssekretär ist bekannt, daß das allge-
Monate mehrere Packungen entnommen und ge- meine Dienstalter eines Beamten für seine Beför-
prüft. Darüber hinaus ist die Deutsche Zünd- derung von Wichtigkeit ist. Wenn nun auf Grund
warenmonopolgesellschaft dankbar, wenn ihre Ver- der Zuerkennung der Eignung zum Reserveoffi-
braucher minderwertige, von ihnen beanstandete ziersanwärter eine frühere Beförderung in die Be-
Zündhölzer zusammen mit der Schachtel übersen- soldungsgruppe A 4 b 1 möglich wurde, dann ist
den. Die Anschrift der Deutschen Zündwaren- der Beamte, der diese Eignung nicht besaß, bei
monopolgesellschaft lautet: Frankfurt am Main, späteren Beförderungen benachteiligt, wenn sein
Neue Kräme 26. Aus der auf jeder Schachtel ver- allgemeines Dienstalter jetzt nicht auf den Stand
merkten Nummer läßt sich leicht feststellen, welche derjenigen verbessert wird, die Reserveoffiziers-
Firma die Ware hergestellt hat. anwärter geworden sind.
284 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Krammig)
Gedenkt das Bundesfinanzministerium die Über- Zur Frage 15 Herr Abgeordneter Dr. von
prüfung der Personalakten durchzuführen und die Buchka.
Berichtigung des allgemeinen Dienstalters in An-
griff zu nehmen? Dr. von Buchka (CDU/CSU):
Unter Hinweis auf eine unlängst vom „Bun-
Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium deskuratorium zur Förderung der Bekämpfung
der Finanzen: In der Bundeszollverwaltung hat der Rindertuberkulose" gefaßte Entschließung
bisher die Festsetzung eines allgemeinen Dienst- frage ich die Bundesregierung, in welcher
alters gar nicht vorgenommen werden können, weil Weise die Regierung diese Maßnahmen zu un-
der federführende Herr Bundesinnenminister die terstützen gedenkt.
diesbezügliche Verordnung noch nicht erlassen
konnte. Wir können durch Einzelentscheidungen Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
ohne weiteres einen Härteausgleich vornehmen, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, bitte!
und das ist auch geschehen.
Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung,
Krammig (CDU/CSU): Ich danke dem Herrn Landwirtschaft und Forsten: Meine sehr verehrten
Staatssekretär. Damen und Heren! Das Bundeskuratorium hat in
seiner Entschließung zunächst darauf hingewiesen,
daß die Arbeiten zur Bekämpfung der Rinder-
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 13 Herr Abge- tuberkulose im vergangenen Jahre außerordentlich
ordneter Baur! erfolgreich gewesen sind. Im vorigen Jahre konn-
Baur (Augsburg) (SPD): ten erhebliche ERP-Mittel für diese Bekämpfung
zur Verfügung gestellt werden. Das Bundeskura-
Wann gedenkt die Bundesregierung den Ge- torium stellt folgende Forderungen auf: 1. daß die
setzentwurf betreffend die Pensionskasse Deut- Bekämpfung der Rindertuberkulose aus volks-
scher Eisenbahnen und Straßenbahnen, dessen gesundheitlichen und agrarpolitischen Gründen mit
alsbaldige Vorlage bereits im 1. Deutschen Nachdruck vorwärtsgetrieben wird, 2. daß sie in
Bundestag — und zwar in den Sitzungen vom allen Ländern gleichsinnig erfolgt und der Bund
17. Juni 1953 und 3. Juli 1953 — gefordert sich an der Bekämpfung beteiligt, 3. daß sie durch
wurde, vorzulegen? den Bund und die Länder finanziell wirksam un-
terstützt wird. Hinsichtlich der gleichsinnigen
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Staatssekretär! Beteiligung von Bund und Ländern können wir
sagen, daß die Herstellung und Anwendung des
Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium Tuberkulins, die Beurteilung der Tuberkulinprobe
der Finanzen: Der Herr Abgeordnete hat selber die und die Ausstellung der Atteste für tuberkulose-
Daten mitgeteilt, an denen der vorige Bundestag freie Rinder nunmehr in allen Ländern in gleicher
die Vorlage dieses Gesetzentwurfs gefordert hat. Weise erfolgen. Weiterhin wird an einer Änderung
Diese Daten lagen ganz 'kurz vor den Neuwahlen des Viehseuchengesetzes gearbeitet.
zum Bundestag. Bereits mehrere Monate vorher Als Ersatz der Haushaltsmittel, die im kommen-
hat die Bundesregierung in Übereinstimmung mit den Jahr aus den Ihnen bekannten Gründen nicht
dem Hohen Hause beschlossen, dem Hohen Hause zur Verfügung stehen, hat sich der Herr Finanz-
neue Vorlagen nicht mehr zuzuleiten, weil nicht minister bereit erklärt, die Selbsthilfe der Land-
einmal die endgültige Beratung der bereits etwa wirtschaft dadurch zu unterstützen, daß alle Maß-
um Weihnachten vorgelegten Gesetzentwürfe in nahmen zur Bekämpfung der Rindertuberkulose,
allen Fällen wegen der Überlastung des Hohen die durch Genossenschaften und private Molkereien
Hauses sichergestellt werden konnte. Aus diesem erfolgen, als ein nicht steuerschädliches Zweck-
Grunde ist im Juni und Juli 1953 der Gesetz- und Hilfsgeschäft anerkannt werden. Über diese
entwurf nicht mehr zugeleitet worden. Inzwischen Dinge wird im einzelnen in den nächsten Wochen
haben aber die zuständigen Gewerkschaften und mit den zuständigen Ministerien noch verhandelt.
auch der Vorstand der Pensionskasse weitere Daraus wird wohl eine erhebliche Förderung dieser
Wünsche zur Berücksichtigung in dem Gesetz- Arbeiten zu erwarten sein.
entwurf angemeldet. Daraufhin mußten neue Ver-
handlungen mit den übrigen Bundesressorts und Dr. von Buchka (CDU/CSU): Darf ich eine Zusatz-
mit den Ländern in Gang gebracht werden. Diese frage stellen, Herr Präsident?
Verhandlungen laufen zur Zeit noch. Das Bundes-
finanzministerium wird sich bemühen, wegen der Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte schön!
damit in Verbindung stehenden sozialen Fragen
den Gesetzentwurf baldigst vorzulegen. Dr. von Buchka (CDU/CSU): Halten Sie, Herr
Bundesminister, den gegenwärtigen Zustand, bei
Ich darf noch bemerken — was den Herrn An- dem eigene Bundesmittel bisher offenbar über-
fragenden wohl interessieren wird —, daß das haupt nicht aufgewendet sind, mit Rücksicht auf die
Bundesfinanzministerium im Wege einer Über- Bedeutung der ganzen Angelegenheit für die All-
gangsregelung der Pensionskasse Mittel zur Ver- gemeinheit und im Hinblick auf die Verhältnisse
fügung gestellt hat, die es ihr gestatten, die Ren- im Ausland auf die Dauer für tragbar?
ten entsprechend dem Urteil des Bundesgerichts-
hofs in einem Umstellungsverhältnis 1 zu 1 zu Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung,
zahlen. Auch im Bundeshaushalt 1954 ist für diese Landwirtschaft und Forsten: Es ist sehr wünschens-
Übergangszahlung der erforderliche Betrag vor- wert, Herr Abgeordneter, daß der Bund sich in
gesehen. erheblichem Maße auch mit finanziellen Mitteln
an der Bekämpfung der Rindertuberkulose be-
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter teiligt. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß
Arndgen hat auf die mündliche Beantwortung der aus den Ihnen allen bekannten Gründen im Etat
Frage 14 verzichtet, da die Frage schriftlich beant- die vorher eingestellten Mittel gestrichen werden
wortet worden ist. mußten.
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 285

Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist diese Frage Die Vorlage eines Gesetzes über die Regelung
erledigt. Zur Frage 16 ebenfalls Herr Abgeord- der Marktverhältnisse im Rahmen der Fischwirt-
neter Dr. von Buchka! schaft ist bereits in der vorigen Legislaturperiode
erfolgt. Bundesrat und Bundestag haben sich in
Dr. von Buchka (CDU/CSU): der vorigen Legislaturperiode mit diesem Gesetz-
entwurf auch bereits beschäftigt. Nach meiner In-
Was gedenkt die Bundesregierung zu unter- formation wird der Entwurf dem Hohen Hause in
nehmen, um dem außerordentlich verschärften Kürze erneut vorgelegt werden.
Wettbewerb in der deutschen Fischindustrie zu
steuern, der durch den Verlust des Absatzes Dr. von Buchka (CDU/CSU): Ich danke Ihnen
in der Sowjetzone entstanden ist? sehr, Herr Minister.
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte schön, Herr Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist diese Frage
Minister! erledigt. Zur Frage 18 Herr Abgeordneter Dr.
Lütkens!
Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: In der Fischindustrie Dr. Lütkens (SPD):
sind außerordentlich scharfe Konkurrenzverhält- Kann die Bundesregierung die Richtigkeit
nisse. Die Zahl der Betriebe in der Fischindustrie der in der Zeitschrift „Der Spiegel" Nr. 1/1954
hat sich seit der Währungsreform etwa auf die S. 4 zu findenden Nachricht bestätigen. wonach
Hälfte reduziert, woran man schon die Schärfe des eine Dienststelle der amerikanischen Luftwaffe
Konkurrenzkampfes erkennen kann. Zweifellos an ehemalige deutsche Kriegsgefangene Frage-
hat der Verlust des Absatzes in der Sowjetzone bogen ausgesandt hat, in denen diese gebeten
und östlich der Oder-Neiße-Linie wesentlich zu werden, Angaben über ihnen aus ihrer Ge-
dieser Entwicklung beigetragen. Aber der jetzige fangenschaft bekannte industrielle Anlagen
Konsum von Fischen, der mit 12 kg pro Kopf der verschiedener Art zu machen?
Bevölkerung im Jahr den Friedensstand erreicht
hat, kann sicherlich weiter ausgedehnt werden, Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Staatssekretär des
wenn durch entsprechende moderne Verkaufs- Auswärtigen Amts, bitte!
methoden und durch Verbesserung der Qualität
noch einiges geschieht. Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen
Amts: Die Bundesregierung ist nicht in der Lage,
Die Bundesregierung ist ständig bestrebt, - die die Frage zu beantworten.
bestehenden Gegensätze zwischen der Fischerei- (Abg. Heiland: Können Sie von mir
flotte, also der Produktion, und der Fischindustrie, bekommen! — Weitere Zurufe.)
d. h. der Verarbeitung, zu mildern. Sie geht dabei
davon aus, daß folgende Grundprobleme zur Stei- Dr. Lütkens (SPD): Soll ich diese Antwort dahin
gerung des Absatzes zu lösen sind: verstehen, daß sowohl dem Auswärtigen Amt wie
1. bessere Qualität, den mancherlei anderen Dienststellen der Bundes-
republik nicht bekanntgeworden ist, daß solche
2. gleichmäßigere Marktbeschickung, Fragen in Zehntausenden von Exemplaren noch
3. ausgeglichenere Preise, bis heute an deutsche Staatsangehörige ausgesandt
werden?
4. Erweiterung und Verbesserung des Absatz-
netzes und Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen
5. Werbung und Aufklärung über den Fisch als Amts: Ich bitte, die Antwort dahin zu verstehen,
Nahrungsmittel. daß die Schwierigkeiten der Beantwortung in der
Tat einerseits im Tatsächlichen liegen, andererseits
Dr. von Buchka (CDU/CSU): Danke sehr. aber auch darin, daß eine Erörterung dieser Frage
an dieser Stelle — einerlei, welche Erklärungen
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 17 Herr Abge- dabei abgegeben werden — die Gefahr in sich
ordneter Dr. von Buchka! schließt, daß sowjetische Instanzen daraus ungün-
stige Folgerungen für deutsche Kriegsgefangene
Dr. von Buchka (CDU/CSU): ziehen, die noch in ihrem Gewahrsam sind.
Wann ist mit der Vorlage eines Handels- (Sehr richtig! rechts. — Zuruf von der SPD:
klassengesetzes und eines Fischgesetzes zu Die ziehen sie doch aus den Frage
rechnen, durch die eine Qualitätsverschlechte- bogen!— Weitere Zurufe.)
rung der Erzeugnisse der Fischindustrie ver-
Dr. Lütkens (SPD): Eine Zusatzfrage!
hindert wird?
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Herr Abgeordneter Dr. Lütkens (SPD): Kann ich die Antwort der
von Buchka, Sie meinen wahrscheinlich die Durch- Bundesregierung dahin verstehen, daß auch sie der
führungsverordnungen zum Handelsklassengesetz, Meinung ist, daß die Aussendung dieser Frage-
soweit sie die Fischwirtschaft betreffen. Das Han- bogen möglicherweise die Rückkehr noch in der
delsklassengesetz ist ja im Dezember 1951 bereits Sowjetunion befindlicher Kriegsgefangenen oder
verkündet worden. An diesen Durchführungs- gar der dort befindlichen Arbeitszwangsverpflich-
verordnungen wird zur Zeit gearbeitet. Sie sind in teten ungünstig beeinflussen könnte?
Vorbereitung; da sie aber mit den verschiedenen
Organisationen der Fischwirtschaft und mit den Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen
Küstenländern noch abgestimmt werden müssen, Amts: Eben zur Beantwortung dieser Frage sieht
werden die Arbeiten daran noch einige Zeit in sich die Bundesregierung nicht in der Lage.
Anspruch nehmen. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
286 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954

Dr. Lütkens (SPD): Eine Zusatzfrage, Herr Prä- Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 20 Herr Abge-
sident! Ist die Bundesregierung bereit, öffentlich ordneter Brese.
bekanntzugeben, daß deutsche Staatsangehörige
nicht verpflichtet sind, diese Fragebogen zu beant- Brese (CDU/CSU):
worten? Trifft es zu, daß aus Bundesmitteln erheb-
liche Kredite für die Errichtung privater Be-
Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen tonschwellenwerke gegeben wurden, und was
Amts: Dafür gilt die gleiche Antwort. rechtfertigt gegebenenfalls diese Ausgaben?
(Beifall bei den Regierungsparteien. —
Hört! Hört! und Zurufe links.) Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Bundes-
minister.
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 19 Herr Abge- Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Nein,
ordneter Brese! Herr Abgeordneter.
Brese (CDU/CSU): Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist die Frage
Womit begründet die Bundesbahn die außer- offenbar erledigt.
ordentlich vermehrte Verwendung von Beton- Brese (CDU/CSU): Darf ich eine Zusatzfrage
schwellen an Stelle der erprobten und bedeu- stellen?
tend billigeren Holzschwellen?
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte schön, Herr Abge-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister ordneter.
für Verkehr!
Brese (CDU/CSU): Mir ist bekannt, daß an eine
Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Die Firma in Kassel ein größerer Zuschuß gegeben
Deutsche Bundesbahn hat in der Vorkriegszeit w urde.
ihren Schwellenbedarf je zur Hälfte durch Stahl-
schwellen und durch Holzschwellen gedeckt. Seit Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Ich
1939, als der Stahl Mangelware wurde, werden habe die Sache genau nachgeprüft, nicht nur bei
Stahlschwellen überhaupt nicht mehr beschafft. der Bundesbahn, sondern auch über das Bundes-
Zum Stahlmangel kam während des Krieges und ministerium für Wirtschaft. Es ist weder ein Kre-
in den Nachkriegsjahren die bekannte Holzknapp- dit noch ein Zuschuß gegeben worden. Ob die Län-
heit. Dies veranlaßte damals die Deutsche Bundes- der allerdings an irgendeiner Stelle einen Aufbau-
bahn zu verstärkten Bemühungen um die Entwick- kredit gegeben haben, konnte ich natürlich nicht
lung der Betonschwelle. Als Ergebnis steht heute nachprüfen. Das liegt im Rahmen ganz anderer
die technisch ausgereifte Spannbetonschwelle zur Zusammenhänge und ist dann nicht für diesen
Verfügung. Auf Grund eingehender Wirtschaft- speziellen Zweck erfolgt.
lichkeitsberechnungen, über die der Vorstand den Brese
Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn in sei- (CDU/CSU): Ich danke Ihnen, Herr
Minister.
ner letzten Sitzung vor wenigen Tagen unterrichtet
hat, ist die Deutsche Bundesbahn der Ansicht, daß Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 21 Herr Abge-
die Stahlbetonschwelle der Holzschwelle wirtschaft- ordneter Welskop.
lich mindestens gleichwertig sei, da sie für den
Eisenbahnbau und -betrieb beachtliche Vorteile Dr. Welskop (CDU/CSU):
biete. Erfahrungen des Auslandes, insbesondere in
Frankreich, unterstreichen diese Auffassung. Trotz- Wann ist mit dem Beginn der Elektrifizie-
dem ist die Deutsche Bundesbahn nicht von der rung der Bundesbahn auf der Köln-Mindener
Verwendung von Holzschwellen abgegangen. Sie Strecke zwischen Duisburg und Dortmund zu
hat dabei die Interessen der Waldwirtschaft und rechnen?
der Holzindustrie im Auge. Das vorläufige Ober-
bauprogramm für das Jahr 1954, dessen Finanzie- Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
rung allerdings noch nicht gesichert ist, sieht ein für Verkehr, bitte.
Verhältnis von 1 : 1 zwischen Holz- und Beton-
schwellen vor. Dies entspricht dem Vorkriegsver- Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Die
hältnis zwischen Holz- und Stahlschwellen. Die mit einem Kredit des Landes Nordrhein-Westfalen
Kosten der einbaufertigen imprägnierten Holz- begonnene Elektrifizierung des Ruhrgebietes sieht
schwelle stellen sich auf 40,94 DM, die der Spann- als ersten Bauabschnitt bekanntlich die Umstellung
betonschwelle auf 41,90 DM. der Strecke von Hamm über Dortmund—Essen
(Hauptbahnhof)—Duisburg nach Düsseldorf vor.
Präsident D. Dr. Ehlers: Keine Frage, Herr Abge- Für die sogenannte Köln-Mindener Strecke stehen
ordneter Brese? — Bitte sehr! z. Z. noch keine Mittel zur Verfügung. Ihre Um-
stellung auf elektrischen Betrieb erfordert minde-
Brese (CDU/CSU): Darf ich eine Frage stellen. stens 60 Millionen DM. Es handelt sich dabei um
Nach meiner Erkundigung ist der Preis für die die Parallelstrecke von Duisburg nach Dortmund
Holzschwelle nur 27,80 DM, Herr Minister. über Gelsenkirchen. Diese Strecke wird voraus-
sichtlich erst in Angriff genommen werden können,
Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Nein, wenn die Elektrifizierung der zuerst genannten
verehrter Herr Brese, die Holzschwelle hat 1952 Strecke vollendet ist.
roh 21 DM gekostet und kostet heute roh 14,95 DM;
aber die einbaufertige Schwelle, das ist die im- Dr. Welskop (CDU/CSU): Danke sehr.
prägnierte Schwelle mit Unterlagsplatte, stellt sich
auf 40,94 DM. Präsident D. Dr. Ehlers: Keine Zusatzfrage.

Brese (CDU/CSU): Ich danke Ihnen. Zu Frage 22 Herr Abgeordneter Welskop, bitte.
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 287

Dr. Welskop (CDU/CSU): rechtliche Lage des Saargebiets in Auftrag gege-


ben. Die Vorarbeiten für dieses Gutachten haben
Wann ist mit dem Ausbau des Emscherweges,
längere Zeit in Anspruch genommen, so daß es dem
der nördlichen Parallelstraße des Ruhrschnell-
Deutschen Bundestag nicht mehr während seiner
weges, zwischen Oberhausen und Dortmund
ersten Wahlperiode vorgelegt werden konnte. Die
zu rechnen?
Bundesregierung wird auf eine beschleunigte Fer-
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Bundes- tigstellung des Gutachtens hinwirken, um es dem
minister. Auswärtigen Ausschuß vorzulegen.

Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Der Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP): Darf ich
Ausbau eines neuen Straßenzuges zwischen Ober- eine Zusatzfrage stellen?
hausen und Dortmund entlang der Emscher liegt Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte!
nach unseren Feststellungen vor allem im Interesse
des Orts- und Bezirksverkehrs. Er ist daher nicht Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP): Da die
Aufgabe des Bundes, sondern des Landes Nord- Grundlagen des kommenden Gutachtens gemäß
rhein-Westfalen und der beteiligten Städte. Für dem Bundestagsbeschluß vom 2. Juli 1953 festste-
den Fernverkehr, für den der Bund zuständig ist, hen dürften, Herr Staatssekretär, möchte ich mir
ist neben der Autobahn Ruhrgebiet—Hannover und die folgende Frage erlauben: Kann die Bundes-
dem südlich davon im Abstand von 10 km parallel regierung schon Auskunft darüber geben, ob sich
verlaufenden Ruhrschnellweg eine zusätzliche Ost das kommende Gutachten vom van-Naters-Plan
West-Verbindung nicht erforderlich, zumal ja auch distanzieren oder ob es diesen Plan zu seinem Aus-
noch im Süden eine weitere Entlastung der Auto- gangspunkt nehmen wird?
bahn durch die Strecke Kamen—Leverkusen ge-
plant ist. Der Ruhrschnellweg soll auch nach seinem Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen
Ausbau an alle kreuzenden Verkehrsstraßen ange- Amts: Das Gutachten wird von diesem Plan unab-
schlossen bleiben und kann daher vom überörtli- hängig sein.
chen wie vom Nahverkehr wie bisher benutzt wer-
den. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP): Ich danke
Ihnen!
Dr. Welskop (CDU/CSU): Ich darf vielleicht noch
eine Frage hinzusetzen. Mir ist bekannt, daß der Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 24 Herr Abge-
Verbandspräsident des Bezirks Essen diesen
- Ruhr- ordneter Dr. Lütkens. — Offenbar ist Herr Abgeord-
schnellweg plant und daß in den einzelnen Orten neter Lütkens nicht im Hause.
Gelsenkirchen, Hamm und Castrop-Rauxel dies-
bezügliche örtliche Maßnahmen bereits getroffen Ich komme zur Frage 25. Herr Abgeordneter
sind. Schmidt (Hamburg)!
Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: Ja, Schmidt (Hamburg) (SPD): Ich frage den Herrn
das ist eine Planung des Landes und der zuständi- Bundespostminister:
gen Stellen der Provinzialverwaltung für diesen so- Aus welchen Gründen ist der Verwaltungs-
genannten Emscherweg. Wir nennen ihn Emscher- rat beim Bundesminister für das Post- und
weg, im Gegensatz zum Ruhrschnellweg. Wir sind Fernmeldewesen noch nicht gebildet worden,
für den Ruhrschnellweg verantwortlich und wollen obgleich die Konstituierung gemäß § 34 des
alle verfügbaren Mittel einsetzen, damit er so bald Postverwaltungsgesetzes bis spätestens am
wie möglich ausgebaut werden kann. 31. Oktober 1953 hätte vorgenommen werden
müssen und der Bundestag die von ihm zu
Dr. Welskop (CDU/CSU): Ich danke Ihnen, Herr entsendenden Mitglieder vor längerer Zeit
Minister. benannt hat?
Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist diese Frage Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Bundesminister
erledigt. für das Post- und Fernmeldewesen.
Zur Frage 23 Herr Abgeordneter Dr. Dr. Prinz zu Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und
Löwenstein. Fernmeldewesen: Der Verwaltungsrat der Deut-
schen Bundespost konnte bis zum 31. Oktober 1953
Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP): Herr
nicht gebildet werden. Die Vorschläge für die Mit-
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erlaube glieder des Verwaltungsrats gemäß § 6 des Post-
mir, folgende Frage zu stellen: verwaltungsgesetzes sind nicht zeitgerecht einge-
Ungefähr zu welchem Zeitpunkt kann mit gangen, die letzten erst am 4. Dezember 1953.
der Fertigstellung und Bekanntgabe des Saar- Außerdem sollte die Benennung der beiden Sach-
gutachtens gerechnet werden, mit dessen Aus- verständigen auf dem Gebiet des Nachrichten- und
arbeitung die Bundesregierung in der ein- des Finanzwesens mir vorbehalten bleiben. Ich
stimmigen Entschließung des Deutschen Bun- habe aber mein Amt erst am 10. Dezember 1953
destages vom 2. Juli 1953 beauftragt wurde? übernommen und konnte daher erst dann die nach
§ 6 Abs. 4 des Postverwaltungsgesetzes erforder-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Herr Staatssekretär lichen Besprechungen mit dem Herrn Bundesmini-
des Auswärtigen Amts. ster der Finanzen über die Person des Sachver-
ständigen auf dem Gebiet des Finanzwesens auf-
Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen nehmen. Ich werde in Kürze der Bundesregierung
Amts: Die Bundesregierung hatte entsprechend die Vorschläge zur Ernennung der Mitglieder des
dem Wunsch des ersten Deutschen Bundestages ein Verwaltungsrats einreichen. Die Bundesregierung
Gutachten über die völkerrechtliche und staats ernennt alsdann die ihr vorgeschlagenen und von
288 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Bundespostminister Dr. Balke)
ihr ausgewählten Personen zu Mitgliedern des Ver- Quartermaster Frankfurt wurde von der Bundes-
waltungsrats. Damit ist der Verwaltungsrat dann stelle für den Warenverkehr am 30. Dezember 1953
gebildet. darauf aufmerksam gemacht, daß die Firma nur in
Höhe von 1,5 Millionen DM anbieten und liefern
Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage! könne.
Schmidt (Hamburg) (SPD): Darf ich fragen, Herr Die Santa Roma GmbH hat jetzt die Absicht, den
Bundesminister: wann rechnen Sie etwa mit der 1,5 Millionen DM übersteigenden Anteil des Auf-
Konstituierung dieses Verwaltungsrates? trages mit Decken zu befriedigen, die sie aus Italien
im Rahmen des liberalisierten Einfuhrverfahrens
Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und und zollfrei als Lieferung für die Besatzungsmacht
Fernmeldewesen: Ich hoffe, noch in dieser Woche einführen will. Hiergegen hat das Bundeswirt-
die Vorschläge der Bundesregierung unterbreiten schaftsministerium gegenüber US-HICOG Ein-
zu können. spruch erhoben und gebeten, den der Santa Roma
GmbH erteilten Zuschlag auf 1,5 Millionen DM zu
Schmidt (Hamburg) (SPD): Ich danke sehr! begrenzen und für den Rest Waren deutscher
Fertigung zu berücksichtigen.
Präsident D. Dr. Ehlers: Damit ist die Frage Die Bundesregierung besitzt trotz wiederholter
erledigt. Vorstöße bei der US-Hochkommission zur Zeit noch
keine Möglichkeiten, das amerikanische Vergabe-
Zur Frage 26 Herr Abgeordneter Krammig! verfahren bei Requisitionen zu beeinflussen. Es ist
jedoch bereits folgendes erreicht worden. Auf
Krammig (CDU/CSU): Grund von Abreden zwischen Bundeswirtschafts-
Ist der Bundesregierung bekannt, daß ameri- ministerium und US-Hochkommission ist bisher die
kanische Dienststellen den Zuschlag bei einer Praxis befolgt worden, wonach DM-Requisitionen
Ausschreibung über die Lieferung von Woll- aus dem Besatzungshaushalt grundsätzlich nur auf
decken im Werte von 8 Millionen DM der solche Fertigwaren erteilt werden können, die im
Santa Roma GmbH, Frankfurt/Main, erteilt Bundesgebiet hergestellt sind oder mindestens dort
haben und daß diese Firma den Auftrag an ihre letzte wirtschaftlich gerechtfertigte Verarbei-
italienische Lieferanten in voller Höhe verge- tung erfahren haben. US-HICOG hat sich in diesem
ben hat? Welche Möglichkeiten sieht die Bun- Rahmen gegenüber den US-Beschaffungsstellen
desregierung, daß amerikanische Dienststellen ausdrücklich die Genehmigung von Requisitionen
künftig den Zuschlag für Ausschreibungen, die auf Import-Fertigerzeugnisse als Ausnahmefälle
über den Besatzungskostenhaushalt bezahlt vorbehalten. Diese Genehmigung wurde auf Grund
werden müssen, an inländische Firmen ver- der bestehenden deutsch-amerikanischen Abreden
geben? nur dann erteilt, wenn im Bundesgebiet keine
gleichartigen Waren zu vergleichbaren Preisen her-
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Bundesminister für gestellt wurden. Hierüber wurde in Einzelfällen
Wirtschaft! Einverständnis zwischen Bundeswirtschaftsministe-
rium und US-HICOG herbeigeführt.
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft: Gegenwärtig wird von der Erhebung der Ein-
Der Bundesregierung ist bekannt, daß der US- gangsabgabe für ausländische Waren nur dann ab-
Quartermaster in Frankfurt am Main den Zuschlag gesehen, wenn diese Waren im Zollinland von den
bei einer Ausschreibung über die Lieferung von Besatzungsdienststellen als Zollgut — z. B. aus
Wolldecken im Werte von 8 Millionen DM am einem Zollager oder einem Zollveredelungsverkehr
24. November 1953 der Firma Santa Roma GmbH — offiziell erworben und in Besitz genommen wer-
in Frankfurt am Main erteilt hat. Das Bundes- den. Der Nachweis hierfür wird durch Vorlage des
ministerium für Wirtschaft hat unter Einschaltung Requisitionsscheines — z. B. des amerikanischen
der Bundesstelle für den Warenverkehr am 30. De- Formblattes 6 GA — erbracht. Das Bundeswirt-
zember 1953 und am 14. Januar 1954 beim Quarter- schaftsministerium ist der Auffassung, daß diese
master in Frankfurt und am 16. Januar 1954 un- Regelung nur für die oben erwähnten Ausnahme-
mittelbar bei US-HICOG in Mehlem Vorstellungen fälle angewandt werden sollte, d. h. wenn über den
hiergegen erhoben. Die amerikanische Stellung- Import von Fertigerzeugnissen gegenseitiges Ein-
nahme ist demnächst zu erwarten. verständnis erzielt worden ist. Andernfalls würde
Der Sachverhalt ist folgender. Die Santa Roma die Wettbewerbslage im Inland eindeutig zuun-
GmbH hat am 13. November 1953 auf eine Aus- gunsten der Herstellerfirmen verschoben werden.
schreibung des Quartermasters in Frankfurt ü be r
240 000 Stück Wolldecken neben anderen Firmen Das Bundesministerium für Wirtschaft wird
an Hand dieses Falles erneut darauf hinwir-
ein Angebot abgegeben. Sie hatte dabei jedoch
Quartermaster bis zum 24. Dezember 1953 darüber ken, daß auch die Beschaffungsstellen der ameri-
kanischen Wehrmacht grundsätzlich Waren deut-
im unklaren gelassen, daß ihr die erforderliche Ge- scher Fertigung anfordern, wenn sie mit Mitteln
nehmigung deutscher Dienststellen für die Einfuhr des Besatzungskostenhaushalts bezahlt werden.
und Lieferung an die Besatzungsdienststellen im
Werte von rund 8 Millionen DM nicht erteilt wor- Krammig (CDU/CSU): Darf ich eine Zusatz-
den war. Es war ihr lediglich zu einem früheren frage stellen?
Zeitpunkt eine Genehmigung im Lohnveredelungs-
verkehr mit Italien erteilt worden, die es ihr er- Präsident D. Dr. Ehlers: Eine Zusatzfrage!
möglichte, Textilien, unter anderem Decken, bis
zu 1,5 Millionen DM der Besatzungsmacht anzu- Krammig (CDU/CSU): Herr Bundeswirtschafts-
bieten. Durch Rücklieferung von Decken gegen in minister, muß ich aus Ihrer Antwort entnehmen,
Italien verarbeitete Lumpen waren in diesem Falle daß Sie keine Möglichkeit haben, zu prüfen, ob die
keine Devisen aufzuwenden, und die Ware war requirierten Gegenstände im Inland beschafft wer-
nicht als Importgut anzusehen. den können?
2. Deutscher Bundestag -- 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 289

Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft: bereits gesagt, daß die Bundesregierung keine Ver-
Doch, die Möglichkeit der Prüfung ist gegeben; sie anlassung sieht, zu dieser Bemerkung Stellung zu
liegt in Händen der Bundesstelle für den Waren- nehmen.
verkehr. (Hört! Hört! bei der SPD.)
Krammig (CDU/CSU): Darf ich die weitere Frage Dr. Menzel (SPD): Danke sehr!
stellen: Tritt mit dem Inkrafttreten des Deutsch-
land- bzw. Truppenvertrags hierin eine Änderung Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und
in der Weise ein, daß in Zukunft deutsche Dienst- Herren, damit ist die Fragestunde abgelaufen.
stellen darüber entscheiden, wohin der Zuschlag Entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat
erteilt wird? werden die übrigen, in der Fragestunde nicht
beantworteten Fragen schriftlich beantwortet.
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft:
Das trifft nicht für die Aufträge zu, die unmittel- Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung:
bar für die fremden Truppen vergeben werden. Beratung der Übersicht 2 über Anträge von
Krammig (CDU/CSU): Ich danke dem Herrn Ausschüssen des Deutschen Bundestages be-
Minister. treffend Petitionen (Umdruck 8).
Wünscht der PetitionsAusschuß, dazu Ausfüh-
Präsident D. Dr. Ehlers: Zur Frage 27 Herr Abge- rungen zu machen? — Das ist nicht der Fall.
ordneter Dr. Menzel.
Ich bitte die Damen und Herren, die den im
Dr. Menzel (SPD): Umdruck 8 *) gestellten Anträgen stattzugeben
wünschen, eine Hand zu erheben. — Damit ist der
Billigt die Bundesregierung den Vorschlag im Umdruck 8 gestellte Antrag des Petitions-Aus-
des Bundesministers für Familienfragen, Herrn schusses angenommen.
Dr. Wuermeling, In seiner Frankfurter Rede
vom 11. Januar 1954, „einmal zu prüfen, wie- Ich komme zu Punkt 3:
viel Richter bei Ablegung des Richtereids den
religiösen Eid verweigerten, und danach fest- Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zustellen, wie die Ehescheidung an jenen Ge- betreffend das Übereinkommen Nr. 63 der
richten gehandhabt werde"? Internationalen Arbeitsorganisation vom
20. Juni 1938 über Statistiken der Löhne und
Präsident D. Dr. Ehlers: Der Bundesminister des der Arbeitszeit in den hauptsächlichsten
Innern! - Zweigen des Bergbaus und des verarbeiten-
den Gewerbes einschließlich des Baugewerbes
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Ich sowie in der Landwirtschaft (Drucksache 126).
darf die Frage für die Bundesregierung wie folgt Der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. Er ist schrift-
beantworten: Der Bundesminister für Familien- lich begründet. Die Regierung wünscht eine münd-
fragen hat in seiner Frankfurter Rede am 9. Januar liche Begründung nicht mehr vorzunehmen.
1954 nicht vorgeschlagen, „zu prüfen, wieviel Rich
ter bei Ablegung des Richtereids den religiösen Eid Im Ältestenrat ist eine Verständigung dahin
verweigerten, und danach festzustellen, wie die zustande gekommen, daß auf eine Aussprache in
Ehescheidung an jenen Gerichten gehandhabt der ersten Beratung verzichtet werden kann. —
werde". Er hat vielmehr im Anschluß an Aus- Das Haus ist damit einverstanden.
führungen über die stark unterschiedliche Häufig- Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem
keit von Ehescheidungen in den Ländern nur be- Ausschuß für Arbeit zu überweisen. — Das Haus.
merkt, daß es „interessant sein würde, wenn die ist damit einverstanden; die Überweisung ist
Landesjustizverwaltungen einmal Zahlen darüber erfolgt.
bekanntgäben, wie viele ihrer Richter bei der Ab-
legung ihres Richtereides die religiöse Eidesformel Ich rufe auf Punkt 4:
verweigert haben, also ihr Richteramt nicht auch Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
von einem göttlichen Auftrag herleiten, sondern betreffend das Übereinkommen Nr. 88 der
es nur auf die staatliche Ernennungsurkunde Internationalen Arbeitsorganisation vom
stützen". Die Bundesregierung sieht keine Ver- 9. Juli 1948 über die Organisation der
anlassung, zu dieser Bemerkung Stellung zu Arbeitsmarktverwaltung (Drucksache 127).
nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU.) Dafür gilt das gleiche wie zu Punkt 3. Es wird
ebenfalls Überweisung an den Ausschuß für Arbeit
Dr. Menzel (SPD): Darf ich eine Zusatzfrage vorgeschlagen. — Das Haus ist damit einver-
stellen? standen.
Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte, Herr Abgeord Ich rufe auf Punkt 5:
neter! Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
betreffend das Übereinkommen Nr. 96 der
Dr. Menzel (SPD): Welche Schlußfolgerung ge- Internationalen Arbeitsorganisation vom
denkt die Bundesregierung oder der Herr Bundes 1. Juli 1949 über Büros für entgeltliche
minister Dr. Wuermeling auf Grund einer solchen Arbeitsvermittlung (Neufassung 1949) (Druck-
etwaigen Statistik — falls er sie erhalten sollte - sache 128).
zu ziehen?
Auch hier wird ohne Aussprache die Über-
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Was weisung an den Ausschuß für Arbeit vorgeschla-
Herr Kollege Wuermeling zum Ausdruck gebracht gen. — Die Überweisung ist erfolgt.
hat, waren Überlegungen; es war nicht der Aus-
druck einer Politik der Bundesregierung. Ich habe *) Siehe Drucksache 212
290 2. Deutscher Bundestag - 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Ich komme zu Punkt 6: Bundesrat erscheint es jedenfalls nicht angängig,
den Zustand der Ungleichheit vor dem Gesetz bis
Erste Beratung des vom Bundesrat einge- zu einer künftigen Sozialreform, deren Zeitpunkt
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur ein- auch noch ungewiß ist, beizubehalten. Ich darf das
heitlichen Anwendung des § 397 des Ange- Hohe Haus bitten, diese Erwägungen, die den Bun-
stelltenversicherungsgesetzes vom 28. Mai desrat zur Einbringung des Initiativgesetzentwurfs
1924 (Drucksache 158). veranlaßten, bei der späteren Beschlußfassung zu
Wünscht d er Bundesrat, den Gesetzentwurf zu berücksichtigen.
begründen? — Herr Minister Farny, bitte! Bemerken darf ich noch, daß die vorgetragene
Stellungnahme des Bundesrates unbeschadet der
Farny, Minister des Landes Baden-Württemberg: derzeit in den Rechtsausschüssen des Bundestages
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den und des Bundesrates laufenden Prüfung der Frage
Bundesrat darf ich Ihnen den vorliegenden der Diskontinuität des Bundestages und ihrer Aus-
Initiativgesetzentwurf wie folgt begründen. wirkung auf das Gesetzgebungsverfahren abge-
geben wird.
§ 397 des Angestelltenversicherungsgesetzes re-
gelt den Ruhegeldsanspruch versicherter Angestell- Präsident D. D. Ehlers: Sie haben die Begrün-
ter, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und dung gehört. Meine Damen und Herren, wird eine
seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeits- Aussprache in der ersten Beratung gewünscht? —
los sind. Der damit zusammenhängende § 23 des Das ist offenbar nicht der Fall. Ich schlage Ihnen
Gesetzes vom 15. Januar 1941 sieht das Wiederauf- vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für So-
leben dieses Ruhegeldanspruchs für den Fall vor, zialpolitik zu überweisen. — Die Überweisung ist
daß ein nach § 397 AVG bereits bewilligtes Ruhe- erfolgt.
geld wegen der späteren Übernahme einer ver-
sicherungspflichtigen Beschäftigung weggefallen Ich rufe Punkt '7 der Tagesordnung auf:
ist und die spätere Beschäftigung nunmehr wieder
endet. Beide Bestimmungen gelten heute noch in Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
der amerikanischen und in der französischen Zone, über das Abkommen zwischen der Bundes-
während sie für die britische Zone durch § 18 republik Deutschland und der Italienischen
Abs. 3 der 1. Verordnung zur Vereinfachung des Republik über Arbeitslosenversicherung
Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversi- (Drucksache 164).
cherung vom 17. März 1945 noch außer Kraft sind. Der Gesetzentwurf mit Begründung liegt Ihnen
Die Benachteiligung der in der britischen Zone vor. Eine Aussprache in der ersten Beratung er-
wohnenden Versicherten der Angestelltenversiche- übrigt sich. Ich schlage Ihnen die Überweisung des
rung ist nicht gerechtfertigt. Seit 1945 führten die Entwurfs an den Ausschuß für Arbeit vor. — Das
Rentenversicherungsträger der Invalidenversiche- Haus ist mit der Überweisung einverstanden.
rung des Bundesgebiets als Treuhänder die Auf- Nächster Punkt der Tagesordnung:
gaben der Angestelltenversicherung durch. Die
Rentenversicherungsträger mit dem Sitz in der bri- Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
tischen Zone wurden im Wege des Gemeinlast- betreffend die Vereinbarung vom 23. Fe-
verfahrens mit den Leistungen aus § 397 AVG in bruar 1953 über die Regelung der Schweizer-
der amerikanischen und französischen Zone be- franken-Grundschulden (Drucksache 159).
lastet, ohne daß ihre eigenen Versicherten der An- Der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor; eine Aus-
gestelltenversicherung in den Genuß dieser Lei- sprache wird nicht gewünscht. Ich schlage Ihnen
stung kommen konnten. Auch nach der vor kurzem vor, diesen Gesetzentwurf Drucksache 159 dem
erfolgten Neuerrichtung der Bundesversicherungs- Ausschuß für Geld und Kredit als federführendem
anstalt für Angestellte besteht die erwähnte un- Ausschuß und dem Ausschuß für Finanz- und
gleiche Behandlung der Versicherten auch heute Steuerfragen zur Mitberatung zu überweisen. —
noch fort. Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstan-
Die finanzielle Mehrbelastung der Angestellten- den.
versicherung bei Anwendung des § 397 AVG für
die britische Zone würde nach der Schätzung des Punkt 9 — Gesetzentwurf über die Personal-
Herrn Bundesministers für Arbeit 2,1 bis 2,5 Mil- vertretungen in den öffentlichen Verwaltungen und
lionen DM ergeben. Diese Ausgabe ist im Hinblick Betrieben — ist von der Tagesordnung abge-
auf eine Gesamtausgabe von mehr als 800 Millio- setzt.
nen DM für die Angestelltenversicherung gering-
fügig. Es wird eingewendet, daß das hier behan- Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
delte Risiko nicht in die Angestelltenversicherung Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
gehöre, sondern von der Arbeitslosenversicherung über den Beitritt der Bundesrepublik
erfaßt werden müßte. Weiter wird entgegengehal- Deutschland zum Abkommen über die Vor-
ten, daß § 397 AVG im Jahre 1929 nur als Notmaß- rechte und Befreiungen der Sonderorgani-
nahme für ältere stellungslose Angestellte einge- sationen der Vereinten Nationen vom 21. No-
führt worden sei und daß es daher zweckmäßiger vember 1947 und über die Gewährung von
wäre, die Frage des Schutzes dieses Personen- Vorrechten und Befreiungen an andere
kreises im Rahmen der Reform der Sozialleistun- zwischenstaatliche Organisationen (Druck-
gen zu lösen. sache 156).
Es mag dahingestellt sein, ob man eine Bestim- Eine Aussprache in der ersten Beratung soll nicht
mung, die im Jahre 1929 — also vor nunmehr stattfinden.
25 Jahren — eingeführt wurde und die sich auch Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem
in der Nachkriegszeit als Versicherungsschutz für Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu über-
die älteren arbeitslosen Angestellten bewährt hat, weisen. — Das Haus ist damit einverstanden. Die
heute noch als Notmaßnahme ansehen will. Dem Überweisung ist erfolgt.
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 291
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Punkt 11 — Gesetzentwurf über den Beitritt der und die genaue Definitionen für diesen Begriff
Bundesrepublik zu den vier Genfer Rot-Kreuz- festgelegt hat. Ich begrüße es, daß man jede ein-
Abkommen — ist von der Tagesordnung abge zelne Tat, die unter den Begriff des Völkermords
setzt. fällt, als das bezeichnet, was sie ist, als einen ge-
meinen Mord, und nicht als eine politische Tat,
Ich rufe auf Punkt 12: die vielleicht von irgendeiner Seite verherrlicht
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes werden könnte.
über den Beitritt der Bundesrepublik (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)
Deutschland zu der Konvention vom 9. De- Ich bin mit meinen Freunden der Ansicht, daß
zember 1948 über die Verhütung und Be- ein Volk als lebende Kraft um jeden Preis erhal-
strafung des Völkermordes (Drucksache 162). ten werden muß. Wir müssen alles dazu tun, daß
Wünscht die Regierung diesen Gesetzentwurf zu auch der einzelne Mensch wieder als Mensch, als
begründen? — Offenbar nicht. Das Wort hat Herr Lebewesen geachtet wird und nicht irgendeinem
Abgeordneter Dr. Schmid. fanatischen Gedanken, sei er politisch, religiös oder
sonstwie fundiert, geopfert werden kann. Wenn
Dr. Schmid (Tübingen) (SPD): Herr Präsident! eine solche Konvention abgeschlossen wird und
Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen der wenn wir die Idee dieser Konvention freudig auf-
Fraktion der Sozialdemokratischen Partei folgende nehmen, dann müssen wir uns allerdings auch dar-
Erklärung abzugeben: auf verlassen können, daß absolute Gegenseitigkeit
Seit dem Ausgang des ersten Weltkrieges hat der garantiert ist.
Kampf der Völker immer brutalere Ausmaße an- Unter dem Begriff des Völkermordes müssen wir
genommen. Ganze Bevölkerungen wurden aus auch eine Austreibung ganzer Volksteile — unter
ihren oft jahrhundertealten Sitzen vertrieben, an- besonders erschwerten Bedingungen, ja vielleicht
deren wurden die Rechte verweigert, die in zivili- überhaupt grundsätzlich — subsumieren.
sierten Völkern als unverzichtbarer Inhalt bürger-
licher Freiheit gelten. In Bürgerkriegen wurden (Beifall links.)
Volksgruppen, die Angehörigen sozialer Klassen Dabei denken wir zunächst an den schweren Ver-
und religiöse und weltanschauliche Gemeinschaften lust, den unsere deutschen Menschen erlitten ha-
ausgerottet. Im zweiten Weltkrieg ist diese Bru- ben, die unter unmenschlichen Verhältnissen aus
talität ins Grauenhafte gewachsen. Die auf Geheiß dem Osten vertrieben wurden. Das ist aber selbst-
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft - er- verständlich keine Entschuldigung für das, was von
folgte Hinmordung von Millionen von Juden und unserer Seite geschehen ist.
Hunderttausenden von Angehörigen fremder Völ-
ker hat den deutschen Namen mit Schande bedeckt Doch wir wollen ja nicht immer nur rückwärts
und unser Volk mit einer schweren Verantwortung sehen, wir möchten vorwärts sehen. Darum soll
und Haftung beladen. Die gewaltsame, gegen jedes aus dieser Konvention die Verpflichtung erwach-
1 Menschenrecht erfolgte Vertreibung von Millionen sen, daß die Völker sich nicht vernichten. sondern
Menschen deutschen Volkstums hat zur fast völli- einander stützen und fördern, damit wir einstens
gen Vernichtung deutscher Volksgruppen geführt. den Begriff des Völkermordes überhaupt nicht
Manche hüben und drüben mögen, was hier über mehr kennen, sondern nur noch den Begriff des
die Deutschen zur Last fallenden Untaten und über Völkerfriedens.
die anderen zuzurechnenden Verbrechen an Deut- (Beifall.)
schen gesagt worden ist, nicht gern hören. Aber am Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Herr
Ja und Nein zu einem solchen Bekenntnis scheiden Bundesminister der Justiz.
sich die Geister.
Neumayer, Bundesminister der Justiz: Meine
(Sehr richtig! bei der SPD.)
sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte
Es muß alles getan werden, um die Wiederkehr namens der Bundesregierung folgende Erklärung
solcher Untaten zu verhindern. Wir werden uns abgeben:
allem entgegenstellen, was in den Menschen den Die Konvention über die Verhütung und Bestra-
Ungeist und die bösen Triebe wecken könnte, aus fung des Völkermordes wurde im Dezember 1948
denen allein die Gesinnungen wachsen konnten, von der Generalversammlung der Vereinten Natio-
die zu diesen Greueln geführt haben. nen durch einstimmigen Beschluß angenommen. Sie
Darum begrüßt die Fraktion der Sozialdemokra- ist am 12. Januar 1951 für eine stattliche Anzahl
tische Partei den Beitritt zur Konvention und die von Staaten, unter denen bedauerlicherweise noch
geplante Ergänzung des Strafgesetzbuchs. Wir eine Reihe von Regierungen fehlen, in Kraft ge-
bitten um Überweisung der Vorlage an den Rechts- treten. Die Bundesregierung folgt mit Freuden der
ausschuß. Einladung der Vereinten Nationen, dieser Konven-
(Beifall bei der SPD.) tion beizutreten. Sie hat die feste Zuversicht, daß
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat Frau Abge- die Ziele, die sich die Konvention gesteckt hat, er-
ordnete Dr. Ilk. reichbar ,sind und daß dadurch künftige Schrecken
einer unmenschlichen Politik verhindert werden.
Die Bundesregierung hofft, daß sich noch weitere
Frau Dr. Ilk (FDP): Herr Präsident! Meine Herren
Staaten durch Ratifikation und Beitritt zu den in
und Damen! Das vorliegende Gesetz erinnert uns
der Konvention vorgesehenen Maßnahmen beken-
an eines der traurigsten Kapitel der deutschen Ge- nen werden.
schichte, ja ich möchte fast sagen dieses Jahrhun-
derts. Ich begrüße es namens der Fraktion der Meine Damen und Herren, die Konvention hat
Freien Demokratischen Partei, daß endlich Gele- besonders die Verhütung und Bestrafung des Völ-
genheit gegeben ist, durch ein Gesetz einer Kon- kermordes, den Schutz ganzer Bevölkerungsgrup-
vention beizutreten, die den Völkermord ablehnt pen, seien es nationale, ethnische, rassische oder
292 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Bundesminister Neumayer)
religiöse Gruppen, zum Ziel, und die Konvention sittliche Notwendigkeit, wie eine Rückbesinnung
gilt sowohl für Kriegs- als auch für Friedenszeiten. auf die Würde des Menschen und auf menschliche
Gemeinsam ist ihr und den vier Genfer Rotkreuz Verantwortlichkeit auch gegenüber dem göttlichen
Abkommen, die heute von der Tagesordnung ab- Gesetzgeber, der Menschen und Völker doch wahr-
gesetzt worden sind, daß sie alle aus den grauen- haftig nicht geschaffen und ins Leben gerufen hat,
vollen Erfahrungen der beiden letzten Jahrzehnte damit sie sich mit allen Listen der Bosheit und
geboren sind, aus der traurigen Notwendigkeit, mit den grauenvollsten Mitteln der Brutalität, die
Vorsorge zu treffen, daß sich Regierungen nicht nur denkbar sind, ausrotten.
wieder in Kriegs- und Friedenszeiten solcher Mittel
bedienen, die zu allen Zeiten und von allen Kultur- Mit tiefem Bedauern denken wir dabei auch an
völkern gleichermaßen verabscheut worden sind. die Millionen von Juden und von Bürgern frem-
der Völker, die dem verbrecherischen Mördergeist
Die Ausarbeitung des Zustimmungsgesetzes zu eines ruchlosen Regimes zum Opfer fielen, und
der Konvention erforderte umfangreiche und sorg- wir sind von brennender Scham erfüllt darüber,
fältige Vorarbeiten, vor allem, da die Konvention daß so Verabscheuungswürdiges innerhalb unseres
eine Reihe von Tatbeständen und Begriffen ent- eigenen Volkes und Landes vor sich gehen konnte.
hält, die unserem bisherigen deutschen Recht nicht
bekannt waren. Es mußte deshalb genau geprüft Aber wir denken freilich auch mit tiefem Schmerz
werden, ob und welche Anpassungsvorschriften an die Millionen von deutschen Menschen, die aus
des innerdeutschen materiellen Rechts und des Ver- ihrer Heimat im Osten und Südosten vertrieben
fahrensrechts erforderlich sind, um die mit dem sind nur deswegen, weil sie Deutsche waren.
Beitritt zu der Konvention übernommenen völker- Nie wieder sollen derartige Dinge die Mensch-
rechtlichen Verpflichtungen sogleich rechtswirksam heit anfallen, und was uns angeht, das deutsche
werden zu lassen. Über diese innerstaatlichen Ge- Volk, so möchten wir alles tun, um im Sinne die-
setzesmaßnahmen wird wohl in den Ausschüssen ser Konvention dafür Zeugnis abzulegen, daß die
noch eingehend beraten werden müssen. Läuterung, die der Krieg immerhin besinnlichen
Die Vorschriften der Konvention sind sehr weit Menschen gebracht hat, auch dahin führe, daß man
gefaßt. Nicht nur die eigentliche Ermordung von Abstand nehme von so verabscheuungswürdigen
Angehörigen nationaler, ethnischer, rassischer oder Dingen, die abzuwehren der Sinn dieser Konven-
religiöser Gruppen soll verhütet und bestraft wer- tion ist.
den. Auch andere Verbrechen, die in der Absicht Wir stimmen dieser Konvention von ganzem
begangen worden sind, eine solche Gruppe ganz Herzen zu.
- sind
oder teilweise zu zerstören oder auszurotten, (Beifall bei der CDU/CSU.)
Völkermord im Sinne dieses Abkommens. Hierzu
zählen die Verursachung von schweren körper- Präsident D. Dr. Ehlers:
lichen oder seelischen Schäden an Mitgliedern der Das Wort hat Herr
Abgeordneter Haasler.
Gruppen und die Auferlegung von Lebensbedin-
gungen, die geeignet sind, ihre körperliche Ver- Haasler (GB/BHE): Herr Präsident! Meine Damen
nichtung ganz oder teilweise herbeizuführen, wei- und Herren! Der Gesamtdeutsche Block/BHE
terhin auch die Verhängung von Maßnahmen, die stimmt dem Gesetz zu. Er sieht in diesem Gesetz
auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Grup- einen Schritt zur Ächtung von Vorgängen, denen
pen gerichtet sind, und schließlich auch die gewalt- in den letzten Jahrzehnten durch Praktizierung
same Überführung von Kindern in eine andere einer brutalen Staatsauffassung, insbesondere auch
Gruppe. Man hat sich also, wie Sie aus diesen Be- während zweier Kriege, Millionen von Menschen,
stimmungen ersehen werden, bemüht, in der Kon- vornehmlich aus der Zivilbevölkerung, zum Opfer
vention sämtliche nur möglichen Formen der Aus- gefallen sind.
rottung und Vernichtung zu erfassen.
Zur Aburteilung dieser Verbrechen sind nach der Wir haben die Hoffnung, daß die Konvention
Konvention in erster Linie die nationalen Gerichte vom 9. Dezember 1948 zur Abkehr von einer Staats-
vorgesehen. Es ist aber auch eine überstaatliche auffassung beiträgt, welche es gestattet, Tat-
Sicherung ins Auge gefaßt, und zwar in Gestalt bestände, die im Recht des nationalen Staates als
einer noch zu schaffenden internationalen Straf- Verbrechen geahndet werden, nur deshalb — und
gerichtsbarkeit und einer Anrufung von Organen dann oft auch noch als Heldentaten — zu sanktio-
der Vereinten Nationen. nieren, weil sie dem übersteigerten staatlichen Ego-
ismus und seinen unduldsamen Doktrinen dienen
Die Bundesregierung empfiehlt dem Hohen sollten.
Hause die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf
und hofft, daß das Haus dieser Empfehlung folgen Wir hätten es im übrigen begrüßt, wenn wir den
wird. Beitritt zu dieser Konvention, die ja ein Anfang
zu einer besseren und menschlicheren Auffassung
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abge- sein soll, nicht damit begonnen hätten, alte Rech-
ordnete Höfler. nungen noch einmal herzuzählen.
(Beifall beim GB/BHE. — Abg. Dr. Menzel:
Höfler (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt Was soll denn das heißen?)
es, daß die deutsche Bundesrepublik dieser Kon- Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat Herr
vention beitritt, einer Konvention, der bereits Abgeordneter Dr. von Merkatz.
43 Nationen ihre Zustimmung gegeben haben. An-
gesichts so vieler vorsätzlicher Massenvernichtun- Dr. von Merkatz (DP): Herr Präsident! Meine
gen ganzer Bevölkerungsgruppen aus Motiven reli- Damen und Herren! Auch meine Fraktion ist sich
giöser, rassischer oder volkstümlicher Feindschaft, bewußt, daß angesichts dieser bedeutungsvollen
die wir in den letzten Jahrzehnten erleben muß- Konvention alte Rechnungen nicht mehr aufge-
ten, erscheint diese Konvention geradezu wie eine macht werden sollten. Aber wir sind uns zugleich
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 293
(Dr. von Merkatz)
auch bewußt, daß diese Konvention aus den Leiden dern er hat die Möglichkeit, die Nachprüfung des
der letzten fünfzig Jahre geboren worden ist, die Freiheitsbeschränkung anordnenden Verwal-
tungsaktes im Wege der Verwaltungsgerichtsbar-
(Abg. Mellies: Also doch!)
keit zu erreichen.
die uns tief eingeprägt sein müssen. Diese verschiedenartige Behandlung der Frei-
Meine Fraktion wird zu den Einzelheiten der heitsentziehung und der Freiheitsbeschränkung
Konvention noch Stellung nehmen, denn sie be- macht eine Abgrenzung der Freiheitsentziehung
dürfen einer gründlichen Bearbeitung in den Aus- von der Freiheitsbeschränkung erforderlich. Ich
schüssen. Ich möchte aber bereits hier namens mei- darf hierzu die Begründung zu § 1 des Entwurfs
ner Fraktion bemerken, daß diese Konvention verweisen.
dann, wenn sie nicht nur rechtliche, sondern auch Der Entwurf behandelt nicht die Freiheitsentzie-
tatsächliche Wirklichkeit wird, einen ganz bedeu- hungen, die nach bundesrechtlicher Regelung schon
tenden Schritt in der Entwicklung des Völkerrechts jetzt nur auf Grund einer gerichtlichen Entschei-
darstellt und wir mit ihr auf dem Wege dazu sind, dung zulässig sind oder bei denen durch künftige
daß die künftige völkerrechtliche Ordnung nicht Bundesgesetze das Verfahren abweichend geregelt
von den Rechten der Souveränität aus, also nicht werden soll. Er regelt ferner nur das Verfahren,
allein aus den Gegebenheiten der Macht, sondern nicht das materielle Recht. Für eine bundeseinheit-
von den Rechten des Menschen aus aufgebaut wird. liche Regelung des materiellen Freiheitsentzie-
hungsrechtes fehlt in weitem Umfang die Gesetz-
Diese Konvention kann einen ganz bedeutenden gebungskompetenz des Bundes. Art. 104 Abs. 2
Schritt in der Geschichte des Völkerrechts darstel- bezieht sich nach herrschender Auffassung nur auf
len. Mit ganzem Herzen begrüßen wir diese Kon- die Freiheitsentziehung durch die öffentliche Ge-
vention und werden mit allen unseren Kräften walt. Sie umfaßt also nicht den freiwilligen Ein-
dahin wirken, daß sie Wirklichkeit wird im Leben tritt in eine Anstalt, sie umfaßt nicht die Einliefe-
aller Völker, im Leben des Völkerrechts. rung eines Geisteskranken in eine Anstalt durch
(Beifall rechts.) den Vormund oder durch einen sonstigen gesetz-
lichen Vertreter. Eine Freiheitsentziehung im Sinne
Präsident D. Dr. Ehlers: Weitere Wortmeldungen des Entwurfs liegt vielmehr nur dann vor, wenn
liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, es ist die öffentliche Gewalt als solche die Freiheitsent-
Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen ziehung verfügt. Das materielle Unterbringungs-
und Verfassungsrecht beantragt. Ich darf unter- recht kann der Bund infolgedessen nicht für alle
stellen, daß auch Überweisung an den Auswärtigen Fälle regeln.
Ausschuß gewünscht wird. — Die Überweisung an Soweit eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes
den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungs- gegeben ist — und das gilt für die Fälle der Be-
recht als federführenden Ausschuß und an den kämpfung von übertragbaren Krankheiten, von
Auswärtigen Ausschuß ist erfolgt. Geschlechtskrankheiten, der Freiheitsentziehung
auf Grund der Fürsorgepflichtverordnung oder der
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Ausländerpolizeiverordnung —, liegt bereits eine
bundesrechtliche Regelung des materiellen Rechts
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes vor.
über das gerichtliche Verfahren bei Freiheits- Der Bundesrat hat wegen der verschiedenen Ge-
entziehungen (Drucksache 169).
setzgebungskompetenz für das materielle Recht
Wünscht die Bundesregierung den Entwurf zu Bedenken gegen den Entwurf geltend gemacht und
begründen? — Der Herr Bundesminister der Justiz die Herausnahme der praktisch wichtigsten Fälle
zur Begründung! der Freiheitsentziehung, nämlich jene der Unter-
bringung von Geisteskranken und von Rauschgift-
Neumayer, Bundesminister der Justiz: Meine und Alkoholsüchtigen, aus dem Entwurf vor-
sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf geschlagen. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen,
eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei daß wichtige Gründe der Rechtseinheit gegen diese
Freiheitsentziehungen war bereits in der ersten Auffassung des Bundesrates sprechen. Das Kabinett
Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vor- hat daher an dem Entwurf in dieser Form fest-
gelegt worden. Er ist in der Sitzung des Bundestages gehalten. Diese Gründe sind in der Stellungnahme
vom 11. September 1952 in erster Lesung behandelt der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen
worden. Der Entwurf konnte jedoch in der ersten des Bundesrates unter Ziffer 3 angegeben.
Legislaturperiode des Bundestages nicht mehr erle- Zu den Grundsätzen des Verfahrens darf ich im
digt werden. Er wird nun dem Hohen Hause erneut einzelnen noch kurz folgendes bemerken. Die Zu-
vorgelegt, nachdem einige Änderungen vorgenom- ständigkeit liegt bei den Zivilgerichten. Auch hierzu
men worden sind, die sich aus Wünschen des führt die Begründung das Nähere aus. Das Gericht
Rechtsausschusses und des Bundesrates ergeben entscheidet im Verfahren der freiwilligen Gerichts-
haben. barkeit. Auch hierüber liegen Ausführungen in der
Der Entwurf als solcher stellt das Ausführungs- Begründung vor. Der Entwurf sieht die Anordnung
gesetz zu Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes dar. der Freiheitsentziehung durch das Gericht vor. Es
Er behandelt die Freiheits entziehungen, ist sichergestellt, daß, wenn d as Gericht die Frei-
nicht dagegen die Freiheits beschränkungen. heitsentziehung angeordnet hat, diese in gewissen
Dazu möchte ich folgendes sagen. Die Freiheits- Abständen vom Gericht wieder überprüft wird.
beschränkungen sind in dem Entwurf deshalb Ich darf nun noch kurz auf die Abweichun-
nicht geregelt, weil Art. 104 Abs. 2 eine vorherige g e n des neuen Entwurfs gegenüber dem in der
Entscheidung des Gerichts bei Freiheitsbeschrän- ersten Legislaturperiode eingebrachten Entwurf
kungen nicht vorsieht. Dadurch würde auch eine zu hinweisen. Ich sagte schon, daß der neue Entwurf
große Erschwerung für die Verwaltung herbei- Anregungen berücksichtigt, die im Bundesrat oder
geführt werden. Der Staatsbürger ist aber gegen- in Beratungen des Unterausschusses während der
über Freiheitsbeschränkungen nicht schutzlos, son- ersten Legislaturperiode geäußert worden sind. Im
294 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Bundesminister Neumayer)
wesentlichen handelt es sich hier um Einzelheiten wesen ist, nie wieder geschieht und mit Rücksicht
des Verfahrens. Wichtig ist, daß der neue Entwurf darauf, daß das höchste menschliche Gut die per-
im § 4 Abs. 1 bei der Unterbringung wegen Geistes- sönliche Freiheit ist, hat der Parlamentarische Rat
krankheit die obligatorische Beiordnung eines die Grundgesetzbestimmung des Art. 104 ge-
Rechtsanwalts vorsieht. Bei der Unterbringung we- schaffen. Deshalb sollte auch bei der Beratung des
gen Alkohol- oder Rauschgiftsucht wird die fakul- Entwurfs dem Betroffenen der größtmögliche
tative Beiordnung eines Rechtsanwalts vorgeschla- Rechtsschutz eingeräumt werden. Bei der Prüfung
gen. Diese Neuerung dient der Verschärfung des des Gesetzentwurfs und insbesondere bei seiner
Rechtsschutzes. Behandlung in den zuständigen Ausschüssen sollte
vor allem darauf geachtet werden, daß es unmög-
Ich erlaube mir, dem Hohen Hause den Entwurf
lich gemacht wird, bei Bestehen von sogenannten
mit der Bitte um Genehmigung vorzulegen.
guten Beziehungen zu irgendwelchen Persönlich-
Vizepräsident Dr. Schmid: Die Vorlage ist ein- keiten, seien es Ärzte oder sonstige, einem Men-
gebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache schen, ohne daß seine Gemeingefährlichkeit fest-
der ersten Beratung. steht, die Freiheit zu entziehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Friedrich Maier. Eine Gefahr in dieser Hinsicht stellt schon § 1
des Entwurfs dar, nach dessen Fassung jeder ge-
Maier (Freiburg) (SPD): Der Entwurf eines Ge- setzliche Vertreter, dem das Personensorgerecht
setzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheits- zusteht, über die Unterbringung seines Kindes,
entziehungen, Drucksache 169, liegt dem Hohen Mündels oder Pfleglings in einer geschlossenen
Hause schon zum zweiten Mal vor. Obwohl die Anstalt eigenmächtig entscheiden kann. Das läuft
Bundesregierung auf einen vom Bundestag im meines Erachtens dem Art. 104 Abs. 2 Satz 1 des
Jahre 1951 einstimmig angenommenen Antrag hin Grundgesetzes zuwider, der besagt: „Über die Zu-
im Jahre 1952 einen entsprechenden Entwurf vor- lässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung
gelegt hatte, ist es zu keiner Entscheidung des Ple- hat nur der Richter zu entscheiden." Im übrigen
nums des ersten Bundestages gekommen, weil die sollte sie deshalb unmöglich sein. Wenn man
Ausschußberatungen nicht rechtzeitig abgeschlossen voraussetzt, daß Eltern ihre Gewalt niemals zu
wurden. Diese Tatsache ist um so bedauerlicher, einer Einsperrung ihres Kindes in einer Anstalt
als das seitherige Länderrecht auf diesem Gebiet mißbrauchen — eine Annahme, die angesichts der
ein buntscheckiges Bild zeigt und nur die beiden vielen Kindesmißhandlungen und Kindesaussetzun-
Länder Hamburg und Niedersachsen den Forderun- gen, von denen wir täglich lesen, kaum gerecht-
gen des Art. 104 des Grundgesetzes in Landes-
- fertigt erscheint —, und davon ausgeht, daß einer
gesetzen voll Rechnung getragen haben. Zwar er- Entmündigung das unbedingte Anhören durch den
härtete eine Entscheidung des Bundesgerichts Richter und zwei Gutachten vorausgehen, so klafft
vom 4. Februar 1952 die von Herrn Staats- doch bei der Übertragung des Personensorgerechts
sekretär Dr. Strauß bei der Einbringung des ersten an einen Pfleger hier eine besonders große Lücke.
Entwurfs vorgetragene Auffassung, daß Art. 104 Es bedürfte nur der Gutgläubigkeit eines Men-
bereits geltendes Recht sei. Aber die öffentliche schen, der sich, überredet, mit der Übertragung
Kritik konnte während der letzten Jahre an Hand der Sorge für seine Person an einen Pfleger ein-
von Fällen aus der Praxis immer wieder darauf verstanden erklärt, um diesem Pfleger das Recht
hinweisen, welche Rechtsunsicherheit in der Frage zu einer Isolierung des Pfleglings zu geben.
des zwangsweisen Freiheitsentzuges im Volke
Platz gegriffen hat. Noch ist wohl in unser aller Die Mehrzahl der Fälle, in denen eine Verwah-
Erinnerung der Fall Dr. Corten, Hamburg, wo es rung in einer Anstalt zu Unrecht erfolgt ist, um-
einem Arzt nach seinem Willen gelungen ist, seine faßt ja gerade diejenigen Personen, die nicht voll
nicht geisteskranke Frau in eine Heil- und Pflege- geschäftsfähig bzw. labil sind. Sie bedürfen dem
anstalt zu bringen. Noch steigt aus der Erinnerung Gesunden gegenüber, der sich gegen eine miß-
bräuchliche Anstaltsunterbringung selbst zu weh-
auf der Fall Rauch, der im September 1952 das
Land Hessen beunruhigt hat. Und manchem Kol- ren vermag, eines besonderen Schutzes. Vor allem
legen und mancher Kollegin ist die Tragödie des ist im Hinblick auf das Personensorgerecht des
Obergärtners Leopold Göttel aus Langenselbold Ehegatten daran zu denken, daß es nicht wie im
noch gegenwärtig, der einen schweren Kampf Falle Dr. Corten möglich sein darf, einen Ehepart-
gegen ein unberechtigtes Entmündigungsverfahren ner zu Unrecht zu isolieren.
durchzustehen hatte. Beispiele, bei denen entweder Ferner sollte das Verhalten, das einem in einer
Rechtsunsicherheit oder Willkür zum Schaden Be- Heil- und Pflegeanstalt Einzuweisenden zur Last
troffener zur Verletzung des Art. 104 führte, gibt gelegt wird, Gegenstand einer tatsächlichen Über-
es mehr, als sie in der Öffentlichkeit bekannt- prüfung durch das Gericht schon vor der Erstattung
werden. des ärztlichen Gutachtens sein, damit man dem
Bei der Beratung des ersten Gesetzentwurfs ist kranken unschuldigen Menschen das gleiche Recht
dem Rechtsausschuß des ersten Bundestages eine wahrt, wie man es dem schlimmsten Massenmörder
ganze Reihe solcher Fälle von den verschiedensten zugesteht, dem man unter Übernahme nicht un-
Seiten zur Kenntnis gebracht worden. Die Ein- beträchtlicher Kosten auf die Staatskasse jede Ge-
weisung von Geisteskranken in Heil- und Pflege- legenheit zu seiner Verteidigung gibt. Man würde
anstalten und die zwangsweise Absonderung von damit den Arzt auch von einer allzu großen Ver-
Tuberklos-ndGchtrakeiHl- antwortung entlasten.
stätten sind Freiheitsentziehungen, die im öffent- Als beste Lösung erschiene mir, wenn, wie mein
lichen Interesse geboten sein können. Aber min- Kollege Greve bei Einbringung des ersten Gesetz-
destens ebenso wichtig ist der Schutz der gesunden entwurfs angeregt hat, eine Ärztekommission das
Bevölkerung gegen einen mißbräuchlichen Frei- ärztliche Gutachten erstattete und wenn, wie Kol
heitsentzug. legin Nadig einmal vorgeschlagen hat, von einer
Damit vieltausendfach geschehenes Unrecht, wie kleinen Fachkommission, an der der Jurist, der
es im „Dritten Reich" an der Tagesordnung ge Arzt und Psychiater und der Fürsorger beteiligt
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 295
(Maier [Freiburg])
sein sollten, die schwerwiegende Entscheidung der gerichtliche Verfahren für Personen ordnet, die in
Zwangsverwahrung getroffen würde. Dort, wo es ein Gefängnis oder in einen Haftraum oder auch
der Zustand des Betroffenen zuläßt, sollte unter in eine geschlossene Anstalt der Fürsorge über-
allen Umständen seine Anhörung erfolgen. Geistes- wiesen werden sollen, stimmt meine Fraktion die-
erkrankungen oder Suchtzustände begründen an ser Vorlage in den Grundzügen zu, wenngleich
sich noch keine Zwangsmaßnahmen. Erst wenn vielleicht im Rechtsausschuß noch einige Uneben-
diese Krankheitserscheinungen gemeingefährlich heiten ausgefeilt werden sollten. Bedenken erheben
werden, ergibt sich eine Rechtsgrundlage zum sich aber bezüglich derjenigen Personen, die als
zwangsweisen Eingreifen des Staates. Bei der geisteskrank gelten und in eine abgeschlossene
Feststellung der Gemeingefährlichkeit, die das Ge- Krankenanstalt oder in einen Teil einer Kranken-
richt zu treffen hat, sollte man nicht strenger vor- anstalt eingewiesen werden sollen. Die Bedenken
gehen, als man sonst bei Gemeingefährlichkeiten meiner Fraktion gründen sich nicht in erster Linie
in der Öffentlichkeit zu dulden bereit ist. auf die Einwände des Bundesrates, obgleich wir
Das Gesetz muß auch ganz konkret herausstellen, der Ansicht sind, daß auch diese Einwände, die
in der Vorlage einzeln angeführt sind, im Rechts-
daß eine Anstaltsbedürftigkeit nicht gleichbedeu- ausschuß unter Berücksichtigung der Gegenstellung-
tend mit einer Gemeingefährlichkeit ist. Dem nicht
unter Personensorgerecht stehenden Menschen muß nahme der Bundesregierung noch einmal erörtert
es, solange er nicht gemeingefährlich ist, selbst werden sollten.
überlassen bleiben, sich in eine Anstalt zur Kur zu Unsere Bedenken gegen diesen Teil des Gesetz-
begeben, genau so wie man niemanden zwingen entwurfs beruhen auf einer anderen Überlegung.
kann, sich einer Operation zu unterziehen. Grund- Dieser Gesetzentwurf ist — so kann man wohl
sätzlich ist zu sagen, daß niemand mangels einer sagen — unter dem Gesichtspunkt einer zweck-
anderen Unterbringungsmöglichkeit in eine ge- mäßigen, möglichst reibungslosen Verwaltungs-
schlossen e Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen praxis der Justizbehörden aufgebaut. So gesehen
werden darf. Die Heil- und Pflegeanstalt ist kein erscheint es auch gerechtfertigt, daß sowohl für
Altersheimersatz. Es dürfte deshalb nicht vorkom- Gewaltverbrecher, also für Menschen, die gegen
men, daß man aufsichts- und betreuungsbedürftige die Ordnung der Allgemeinheit verstoßen haben,
alte Menschen, die ihr Leben lang ihre Pflicht wie auch für Geisteskranke, Rauschgiftsüchtige und
getan haben, mit ihrer Arterienverkalkung in die dergleichen Fälle das Verfahren einheitlich und
Heil- und Pflegeanstalt einweist. Hier erwächst der unter den gleichen Bedingungen in einem Gesetz
Gesellschaft die Pflicht, entsprechende Altersheime festgelegt wird. Aber vom Standpunkt der Allge-
in genügender Zahl zu errichten. Die betreuungs- meinheit aus muß doch gesagt werden, daß in der
bedürftigen Alten dürfen nicht bei den Irren ihren Bevölkerung ein sehr starkes Gefühl vorhanden
Lebensabend verbringen. ist in bezug auf staatliche Regelungen für solche
Menschen, die gegen das Allgemeinwohl verstoßen
(Sehr richtig! bei der SPD.) haben, und in bezug auf staatliche Verfahrens-
In der Zeit zwischen der ersten und zweiten regelungen für solche Menschen, die erkrankt sind.
Vorlage hat sich in der Öffentlichkeit eine rege Darum erscheint es uns nicht zweckmäßig, daß das
Diskussion über das Problem der Freiheits- Verfahren bei Freiheitsentziehung für Geistes-
entziehung entwickelt, an der neben Richtern, An- kranke in diesem Gesetz mitbehandelt wird. Es
wälten, Psychiatern, Amtsärzten und Fürsorgern erscheint uns zweckmäßiger, daß das in Aussicht
sich auch breiteste Kreise der Bevölkerung be- gestellte Pflegegesetz für Geisteskranke auch die
teiligten. Verfahrensregelung für die Freiheitsentziehung
oder Freiheitsbeschränkung enthält.
Meine Freunde und ich begrüßen die Vorlage,
begrüßen es, daß endlich dieses schwierige Problem Aus diesem Grund möchten wir das Hohe Haus
der zwangsweisen Verwahrung eine gesetzliche bitten, daß der Gesetzentwurf nicht nur dem
Regelung auf Bundesgrundlage erfährt. Rechtsausschuß, sondern auch dem Gesundheits-
Wir sind der Meinung, daß das vorliegende Ge- ausschuß überwiesen wird, insbesondere auch dar-
setz auch in diesem Hohen Hause auf breitester um, weil, wie mein Vorredner eben schon sagte,
Grundlage beraten werden sollte, damit alle sich in der Zwischenzeit in der Öffentlichkeit, ins-
Gründe für und gegen einzelne Bestimmungen des besondere in der ärztlichen Fachpresse, geradezu
Entwurfs, für und gegen die Anregungen des leidenschaftliche Diskussionen entwickelt haben.
Bundesrats, ob sie von juristischer, ärztlicher oder Deshalb sollte man im Gesundheitsausschuß unbe-
fürsorgerischer Seite kommen, entsprechend ge- dingt den Standpunkt der Ärzte hören. Es ist auch
würdigt werden und eine gute Vorlage an das notwendig, auf das Schicksal derjenigen schwerge-
Plenum zurückkommt. Wir schlagen deshalb die prüften Familien Rücksicht zu nehmen, die in
Überweisung an den Rechtsausschuß — feder- ihrem Familienkreise solche geisteskranken Per-
sonen haben.
führend —. an den Ausschuß für innere Verwal-
tung, den Gesundheitsausschuß und den Ausschuß Wir sind davon überzeugt, daß der Zeitverlust,
für Verfassungsschutz vor. Ich bitte das Hohe Haus, der dadurch entstanden ist, daß der vorige Bundes-
diesem Antrag zuzustimmen. tag dieses Gesetz nicht hat verabschieden können,
(Beifall bei der SPD.) der Gesamtsache nicht abträglich ist. Es ist viel-
mehr zu begrüßen, daß man noch mehrere Monate
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat Herr hat verstreichen lassen. So kann man bei einer
Abgeordneter Becker (Hamburg). erneuten Beratung vielleicht doch zu einer zweck-
mäßigeren Lösung des gesamten Problems kommen.
Ich darf noch bekanntgeben, daß sich der Aus-
wärtige Ausschuß um 16 Uhr im Zimmer 03, Süd- Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
flügel, versammeln wird. Abgeordnete Dr. Czermak.

Becker (Hamburg) (DP) : Meine Damen und Dr. Czermak (GB/BHE): Herr Präsident! Meine
Herren! Soweit der vorliegende Gesetzentwurf das sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem vor-
296 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Dr. Czermak)
liegenden Gesetzentwurf sollten sich die Justiz — Also nur Rechtsausschuß und Gesundheitsaus-
und die Medizin brüderlich die Hand reichen. Das schuß, wenn das die Mehrheit so wünscht. Wir
ist leider bisher nicht geschehen. Die Medizin, vor bitten aber auch heute schon, in diesen Ausschüs-
allen anderen die zuständigen Psychiater wurden sen medizinische Sachverständige zu hören.
offenbar bisher nicht mit der nötigen Gründlichkeit (Beifall beim GB/BHE.)
gehört. Wir müssen daher grundsätzliche Bedenken
gegen diesen Gesetzentwurf anmelden. Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
Es erscheint uns falsch, daß in diesem Gesetz- Abgeordnete Dr. Bucher.
entwurf das gerichtliche Verfahren bei Freiheits-
entziehung und Einweisung sowohl in Gefängnis Dr. Bucher (FDP): Herr Präsident! Meine Damen
und Arbeitshaus, als auch in Kranken- und Heil- und Herren! Der Fraktion der Freien Demokraten
anstalten geregelt werden soll, gleichgültig, ob es scheint der Gesetzentwurf eine durchaus begrü-
sich um strafrechtlich schuldhafte Tatbestände oder ßenswerte Grundlage unserer Arbeit auf diesem
um schuldlos Geisteskranke und Süchtige handelt. Gebiete zu sein. Einige kleine Schönheitsfehler
Zwischen strafrechtlich Verurteilten und kranken kann man zwar beanstanden. Damit werden sich
Menschen bestehen rechtlich, medizinisch und die Ausschüsse zu befassen haben. Mir erscheint
menschlich sehr wesentliche Unterschiede, die auch es z. B. als nicht so ganz berechtigt, die Freiheits-
im Gesetz berücksichtigt werden müßten. Die Ent- beschränkungen völlig beiseite zu lassen. Es kann
ziehung der Freiheit von Geisteskranken und süch- sich dabei um Absonderung von Kranken oder
tigen Menschen sollte daher nach unserer Meinung ganzen Ortschaften handeln. In der Begründung
in einer lex specialis und nicht gemeinsam mit der des Entwurfs wird ja ausgeführt, daß man die
Freiheitsentziehung bei Verschuldenstatbeständen Amtsgerichte für zuständig erklärt hat, weil die
geregelt werden. Das ist in einigen Ländern gesche- Verwaltungsgerichte zu sehr überlastet sind. Wenn
hen. Ich darf hier auf das hessische Gesetz vom man nun bei Freiheitsbeschränkungen den Bürger
19. Mai 1952 über die Entziehung der Freiheit nur auf die Verwaltungsgerichte verweist, so ist
Geisteskranker, Geistesschwacher, rauschgift- oder das doch vielleicht ein zu geringer Rechtsschutz.
alkoholsüchtiger Personen verweisen, das vom Hes- Man kann sich auch fragen, ob es notwendig ist,
sischen Landtag nach Anhörung medizinischer daß in § 15 Abs. 2 neben der einstweiligen An-
Fachleute einstimmig beschlossen worden ist. Es ordnung des § 14 noch eine vorläufige Anordnung
stimmt in seinen wesentlichen Bestimmungen, die geschaffen wird. Aber, wie gesagt, das sind Einzel-
sich auf die richterliche Zuständigkeit und Ent- heiten.
scheidung im Sinn des Art. 104 des Grundgesetzes
gründen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Erlauben Sie mir noch wenige Worte zu den
überein, trifft aber die uns notwendig erscheinende beiden Punkten, zu denen die Vorredner Beden-
Unterscheidung zwischen Freiheitsentziehung we- ken angemeldet haben. Einmal wird gesagt, man
gen schuldhafter Handlungen und unverschuldeter solle, wie es ja auch der Bundesrat vorschlägt, die
Tatbestände. Regelung für die Geisteskranken überhaupt aus
dem Entwurf herausnehmen, weil sonst zwei nicht
Auf die Einzelheiten will ich in der ersten Le- zusammengehörende Dinge vereinigt seien. Aber
sung nicht eingehen, sondern nur kurz einige dann nimmt man dem Entwurf seinen wesentlichen
Fragen aufwerfen, die in diesem Gesetzentwurf Inhalt, wie der Herr Bundesjustizminister bereits
nicht geregelt sind, z. B. die, daß auf Wunsch des ausgeführt hat. Eher wäre die umgekehrte Lösung
Unterzubringenden der Arzt seines Vertrauens — vorzuziehen, den Entwurf überhaupt auf die Re-
sagen wir: sein Hausarzt — gehört werden muß gelung für die Geisteskranken zu beschränken. Es
oder daß der Anstaltsdirektor ohne Genehmigung ist ja auch nicht so, daß unter § 1 Abs. 1 Buch-
des zuständigen Richters einen Geisteskranken un- stabe a ausgesprochen kriminelle Fälle erfaßt wer-
ter gewissen Auflagen für eine gewisse Zeit — den, sondern es handelt sich hier vor allem um.
sagen wir auf drei Monate — beurlauben kann, Zwangsstrafen im Verwaltungsrecht. Wenn man
weiter die Frage der bedingten Entlassung. Dar- sagt, man möge dieses Gebiet den Ländern über-
über können wir im Ausschuß eingehend ver- lassen, so muß ich sagen, daß ich die hessische Re-
handeln. gelung zwar nicht kenne, daß aber jedenfalls gegen-
Der Grundsatz des Art. 104 des Grundgesetzes, über der badischen und bayerischen Regelung die-
daß die richterliche Zuständigkeit und Entscheidung ser Gesetzentwurf einen Fortschritt bringt.
gewahrt werden muß, ist klar. Er bedeutet keiner-
Dann zu dem Einwand des Herrn Kollegen
lei Mißtrauen gegen die Ärzteschaft. Ich möchte
ausdrücklich betonen, daß der bekannte Eichberg- Maier gegen § 1 Abs. 2! Die als Beispiele ge-
Prozeß in Wiesbaden, der die Presse sehr stark be- nannten Fälle, in denen Menschen zu Unrecht von
schäftigt hat, einen Einzelfall darstellt und nicht ihren Angehörigen, Vormündern usw. in Anstalten
verallgemeinert werden darf. untergebracht worden sind, verdienen zwar durch-
aus Beachtung; aber ich glaube, man übersieht hier,
Wir vom GB/BHE begrüßen auch auf diesem daß sich dieser Gesetzentwurf nur mit Freiheits-
schwierigen Gebiet grundsätzlich die bundesein- beschränkungen seitens der öffentlichen Gewalt be-
heitliche Regelung. Gerade wir Heimatvertriebenen faßt. Es soll also den einzelnen gegen Eingriffe
aus dem deutschen Osten, die wir frei sind von der öffentlichen Gewalt schützen. Mit dem zivil-
allen provinziellen, traditionellen und lokalen Bin- rechtlichen Verhältnis zwischen dem einzelnen und
dungen, sind grundsätzlich für die Rechtseinheit seinem Vormund muß sich das Irrenfürsorgegesetz
im ganzen Bundesgebiet auch in dieser Materie. befassen, das bereits in Vorbereitung ist. Auch
Wir stimmen daher unter Vorbehalt der geltend wenn wir § 1 Abs. 2 hier weglassen, ist ein Vor-
gemachten Bedenken der Überweisung an die ge- mund nicht gehindert, sein Mündel zu Unrecht in
nannten Ausschüsse zu, also an den Rechtsausschuß eine Anstalt sperren zu lassen. So dagegen ist eine
und den Gesundheitsausschuß, vielleicht auch an Bestimmung vorgesehen, daß auch der Vormund
den Verfassungsausschuß. bzw. der gesetzliche Vertreter die Möglichkeit hat,
(Widerspruch in der Mitte.) sich gegen eine Freiheitsentziehung zu wenden.
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 297
(Dr. Bucher)
Im übrigen gibt § 8 Abs. 3 auch dem Mündel ein Ich stelle fest, daß die Vorlage an den Ausschuß
selbständiges Beschwerderecht, so daß jedenfalls für Rechtswesen und Verfassungsrecht als den
in dem Bereich, mit dem wir es hier zu tun haben federführenden Ausschuß und den Ausschuß für
— Beschränkungen durch die öffentliche Gewalt —, Gesundheitswesen als mitberatenden Ausschuß
die Rechte des zu Beschränkenden gewahrt sind. überwiesen ist. Damit ist Punkt 14 der Tagesord-
Wir stimmen deshalb dem Entwurf zu und sind nung erledigt.
mit der Überweisung an den Rechtsausschuß und
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
an den Ausschuß für Gesundheitswesen ein-
verstanden. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
(Beifall bei der FDP.) betreffend . Entschädigung der Fischer im
Luftwaffenübungsgebiet Großer Knechtsand
(Drucksache 139).
Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun-
gen liegen nicht vor. Dann schließe ich die allge- Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete
meine Aussprache erster Lesung. Wehr.
Es ist Überweisung an folgende Ausschüsse be- Wehr (SPD), Antragsteller: Herr Präsident!
antragt: Ausschuß für Rechtswesen und Verfas- Meine Damen und Herren! Eigentlich ist es be-
sungsrecht, Ausschuß für Fragen des Gesundheits- dauerlich, daß sich das Hohe Haus mit diesem An-
wesens, Ausschuß zum Schutz der Verfassung und trag beschäftigen muß, nachdem Herr Staatssekre-
Ausschuß für innere Verwaltung. tär Professor Hallstein schon in der 202. Sitzung
Das Wort hat der Abgeordnete Cillien. des ersten Deutschen Bundestages am 27. März 1952
erklärt hat, daß bereits seit dem Februar 1952 Ver-
Cillien (CDU/CSU): Wir halten es für notwendig, handlungen über die Entschädigungsfrage eingelei-
aber auch für ausreichend, daß diese Vorlage an tet worden seien. Ich möchte feststellen, daß es
den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Ge- nunmehr bald zwei Jahre her ist, seit diese Erklä-
sundheitswesen überwiesen wird. Das andere würde rung abgegeben wurde, und diese verhältnismäßig
lediglich eine Verzögerung bedeuten. Ich glaube, leichte Aufgabe ist bis heute noch nicht gelöst.
daß diese Materie in den beiden Ausschüssen aus- An dieser Feststellung ändert sich auch nichts
reichend behandelt werden kann. dadurch, daß nun am 18. Januar dieses Jahres eine
(Beifall in der Mitte und rechts.) Presseerklärung herausgegeben worden ist, nach
der eine vorläufige Regelung gefunden worden ist.
Sie ändert nichts daran, daß tatsächlich heute noch
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der die Fischer vom Knechtsand ohne jede Entschädi-
Abgeordnete Menzel. gung dasitzen. Seit dem September des vorigen
Jahres war es der Regierung bekannt, daß die
Dr. Menzel (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Bombenwürfe auf den Großen Knechtsand begin-
und Herren! Wir bitten, es bei dem Vorschlag des
nen würden. Die ersten Bomben sind dann am
Ältestenrats zu belassen, d. h. diese Gesetzesvorlage
24. November gefallen. Entgegen der Vorankündi-
auch dem Ausschuß zum Schutz der Verfassung zu gung, wonach man den 12. November als ersten
überweisen. Dieser Gesetzentwurf geht davon aus, Termin vorsah, wurden die Abwürfe immer wieder
daß weitgehend in die vom Grundgesetz garantier- verschoben, und damit wurde die Tätigkeit der
ten Grund- und Freiheitsrechte eingegriffen wer- Fischer praktisch unterbunden.
den soll und muß. Es ist geradezu die Aufgabe des
Ausschusses zum Schutze der Verfassung, daß er Durch die Einschaltung des Präsidenten des Nie-
die Grundlage der Verfassung — dazu gehören vor dersächsischen Landtags, Herrn Olfers, war es dann
allem auch die Grund- und Freiheitsrechte — mit gelungen, am 2. Januar dieses Jahres endlich eine
schützen und, soweit Gesetzentwürfe dazu vorlie- erste Abschlagszahlung, die durchaus noch keine
gen, mit beraten soll. Eine Verzögerung kann prak- rechtliche Grundlage hatte, in Höhe von 6000 DM
tisch gar nicht eintreten; denn die Ausschüsse wer- an die Fischer zu verteilen. Ich möchte feststellen,
den zur gleichen Zeit nebeneinander diese Vorlage daß die Schadenssumme — ihre Höhe dürfte unbe-
stritten sein — heute bereits weit über 50 000 DM
beraten.
beträgt. Die Summe von 6000 DM ist für den Kreis
der dort Geschädigten — immerhin sind es ja 44
Vizepräsident Dr. Schmid: Kann keine Einigung Kuttereigner — eine sehr, sehr kleine Abfindung
herbeigeführt werden? — Dann müssen wir ab-
für die Schäden, die sie bis heute erlitten haben.
stimmen. Zweifellos ist das ganze Haus damit ein-
verstanden, daß die Vorlage an den Ausschuß für Aber nicht allein die Tatsache, daß man bis jetzt
Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen die Entschädigung nur so tropfenweise hat fließen
wird und daß dieser Ausschuß federführend sein lassen, veranlaßte uns zu diesem Antrag, sondern
soll. Auch über die Überweisung an den Ausschuß eigentlich das Problem in seiner Gesamtheit. Tatsäch-
für Gesundheitswesen als mitberatenden Ausschuß lich handelt es sich für die dort Betroffenen nicht
ist sich alles einig. Bezüglich der weiteren Anträge so sehr um ein politisches, als vielmehr um ein
besteht Streit. Wer für Überweisung auch an den wirtschaftliches Problem. Dieses Problem muß un-
Ausschuß zum Schutze der Verfassung ist, den bitte bedingt so gelöst werden, wie es in der 202. und
ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das auch in der 230. Sitzung des ersten Deutschen Bun-
ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. destages mit so hochherzig klingenden Worten an-
gekündigt worden ist. Nicht nur der Berichterstat-
Wer außer für Überweisung an die beiden ge- ter, der Herr Kollege Dr. Hasemann, sondern auch
nannten Ausschüsse, über die man sich einig ist, mein Bi eurer Kollege Müller-Hermann haben gesagt,
für Überweisung an den Ausschuß für innere Ver- daß sie die faire und großzügige Regelung dieser
waltung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Entschädigungsfrage als Herzensangelegenheit an-
Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag sähen. Leider Gottes ist aus dieser großzügigen
ist abgewiesen. Ankündigung nichts weiter geworden als — ich
298 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Wehr)
möchte es etwas sarkastisch sagen — gewisserma- Man mag versuchen zu bagatellisieren: daß das
ßen ein Ideenwettbewerb, wie man sich um die nur einen kleinen Kreis von Betroffenen angehe.
Frage am besten herumdrücken kann. Aber denken Sie daran, daß es sich hier tatsächlich
(Zuruf von der Mitte: Oho!) um das einzige große, geschlossene Fanggebiet der
Krabbenfischerei handelt, daß hier ungefähr 10 %
Man mutet den einzelnen Geschädigten zu, einen derutschnKabfierlgundaß
Antrag bei ihrer Genossenschaft einzureichen, der Jahresergebnis von etwa 400 000 DM, auf 44 Eigner
dann an den Landkreis, von dort an den Regie- verteilt, immerhin ein selbständiges Gewerbe hat
rungspräsidenten in Stade, von dort an die Regie- begründen lassen.
rung in Hannover und dann an den Bund weiter-
gereicht wird und anschließend den Weg über die- Es kommt hinzu, daß nicht, wie seinerzeit ver-
selben Stufen zurückläuft. Ich meine, das ist eigent- sichert worden ist, die vertragliche Vereinbarung
lich der Gipfel einer bürokratischen Handhabung. innegehalten worden ist, wonach nur in zeitlich
Aber nicht allein die Notwendigkeit einer schnel- großen Abständen wenige Tagesübungen stattfin-
len Lösung der Frage der ersten Entschädigung für den sollten. Gerade in der Hauptfangzeit, in den
das, was die Fischer bis heute verloren haben, hat Monaten September, Oktober und November —
uns veranlaßt, unseren Antrag zu stellen. Ich sagte vor allem bei dem langen, milden Herbst dieses
bereits, daß unser Antrag in zwei Teile gegliedert Jahres —, hat sich die Sperre, die für jede Nacht
worden ist. Der zweite Teil des Antrags dürfte der verhängt worden ist und die eine Stunde vor Son-
interessantere sein. Dieser Teil stützt sich auf die nenuntergang beginnt und eine Stunde nach Sonnen-
inzwischen vorliegenden Ergebnisse und Erkennt- aufgang endigt, dahin ausgewirkt, daß praktisch
nisse. Die vorausgesagten Auswirkungen sind im für den Tag nur sechs Stunden freier Zeit übrig-
ersten Bundestag bagatellisiert worden. Die Be- blieben, eine Zeit also, in der kein Mensch verlan-
denken, die mein damaliger Kollege Mertins dem gen kann, daß ein Kutter hinausfährt, seinen Fang
Hohen Hause vorgetragen hat und die damals von macht und wieder hereinkommt. Wer die Verhält-
der Mehrheit nicht anerkannt worden sind, haben nisse an der Küste kennt, weiß, daß diese Zeit zu
sich in vollem Umfange als berechtigt erwiesen. kurz ist, um überhaupt einem Erwerb nachzugehen.
Zunächst ist nicht restlos sichergestellt, daß in Deshalb bedarf der zweite Teil unseres Antrages
dem fraglichen Gebiet tatsächlich ein Unfall nicht wohl keiner weiteren Begründung. Es ist jeden-
passieren kann. Bereits am ersten Tage der Bom- falls einmal zu untersuchen, ob unter diesen Um-
bardierung hat ein Kutter mit Motorschaden im ständen den Fisechrn dort die Ausübung ihres Ge-
Fahrwasser gelegen, ohne daß ein Patrouillenfahr- werbes überhaupt noch zugemutet werden kann.
zeug, wie es seinerzeit in der Berichterstattung an- Ferner ist zu überlegen, ob nach den fünf Jahren,
gekündigt worden war, das Fahrwasser kontrol- in denen dieses Gebiet nun ständig mit Bomben
liert und den Betreffenden gewarnt hätte, so daß verseucht wird und nach deren Ablauf es freigege-
er aus der Gefahrenzone hätte herauskommen ben werden soll, die Fischer überhaupt noch eine
können. Möglichkeit haben, ihrem Gewerbe nachzugehen,
wenn sie nicht riskieren wollen, mit Boot und
Weiterhin hat man seinerzeit auf Grund von Mannschaft auf Blindgänger zu stoßen. Auf einer
Sachverständigengutachten so sehr die Treffsicher- Versammlung ist den Fischern draußen die zyni-
heit der Übungsflieger gerühmt. Nun, mit der sche Bemerkung gemacht worden, die Praxis müsse
Treffsicherheit ist es tatsächlich sehr, sehr fraglich. erst einmal erweisen, ob diese Blindgänger über-
Es erfolgt keine Beobachtung mit Instrumenten, haupt gefährlich seien. Mit anderen Worten, die
sondern nur eine optische Beobachtung der Bom- Fischer müssen erst einmal Boot und Mannschaft
benabwürfe, die kein Ergebnis darüber erbringt, riskieren, um nachzuweisen, daß ihr Gewerbe für
ob irgendwo Blindgänger liegenbleiben, die nicht die Zukunft völlig ausgeschaltet ist. Diese Bauern
gefunden werden. Darüber hinaus ist der Streu- des Meeres, wie ich sie nennen möchte, bedürfen
kreis dieser Bombenabwürfe nach Berichten von genau so des Schutzes und der Entschädigung wie
Augenzeugen, die das beobachtet haben, sehr groß alle anderen, die durch militärische Maßnahmen in
und reicht bis in das eigentliche Fanggebiet hinein. der Ausübung ihres Berufes behindert sind.
Seinerzeit ist gesagt worden, die Gefahr, daß es
Blindgänger und vor allen Dingen Blindgänger bei Hinzu kommt, daß diese Fischer ja nicht Staats-
scharfen Bomben geben könnte, sei nicht groß, das pensionäre werden wollen. Sie legen keinen Wert
sei eine Bagatelle, weil diese Bomben Zeitzünder darauf, von einer Entschädigung zu leben. Sie wol-
hätten, es werde praktisch keine Blindgänger ge- len wirklich ihrem Gewerbe nachgehen, sie wollen
ben. Ich darf Sie vielleicht an den Fall vom Sep- selbständig sein. Wer weiß, daß gerade dieser Be-
tember vorigen Jahres in Nürnberg erinnern, wo ruf mit unendlichen Gefahren verbunden ist, wird
sich gezeigt hat, daß sogar eine Luftmine mit drei auch wissen, daß unendliche Liebe dazu gehört,
Zündern, die auf das Festland gefallen war, ein ihn auszuüben. Wir erwarten daher von der Regie-
Blindgänger sein kann; er wurde nun nach langen rung, daß sie die von der Fischerei in diesem Ge-
Jahren entdeckt und mußte entschärft werden. Um biet vorgetragenen Argumente würdigt und vor
wieviel größer ist die Gefahr in diesem Gebiet! allen Dingen prüft, ob es nicht möglich ist — wie
Aber nicht allein die scharfen Bomben bilden mir heute morgen noch der Vorstand der Fischerei-
eine Gefahr. Niemand hat daran gedacht, daß die genossenschaft erklärt hat —, diese Fischer end-
Zementbomben, die man als Übungsbomben ver- gültig abzufinden, damit ihnen der Weg zum Auf-
wendet, eine dauernde Gefahr für die Fischerei bau einer anderen Existenz eröffnet wird. Es han-
darstellen. Das stählerne Leitwerk dieser Bomben delt sich hier um einen Personenkreis, der seinen
ragt nachgewiesenermaßen aus den Sänden heraus, Lebensinhalt darin sieht, eine selbständige Existenz
und die Fischer gehen bei jedem Fang das Risiko zu unterhalten. Hier dürfte es Aufgabe der Regie-
ein, daß ihre Netze zerrissen werden, so daß sie rung sein, aber auch der Parteien, die sie stützen,
wegen dieser „harmlosen" Übungsbomben ihr einen Weg zu finden, auf dem diesen Menschen
Fanggebiet tatsächlich nicht mehr ausnutzen können. tatsächlich geholfen werden kann.
2. Deutscher Bundestag - 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 299
(Wehr)
Ich möchte Sie daher bitten, meine sehr verehr- die erforderlichen Vorschläge zu machen. Im
ten Damen und Herren, den Antrag der Sozial- übrigen ist das keine Bundessache. Dass Staatliche
demokratischen Partei Drucksache 139 auch Ihrer- Fischereiamt ist, wie sich aus seinem Namen
seits vorbehaltlos zu unterstützen, damit nach einer ergibt, eine Landesstelle. Nur die niedersächsische
so langen Diskussion tun eine eigentlich kleine An- Landesregierung könnte dort eine neue Behörde,
gelegenheit die Bundesregierung endlich von einem eine Abwicklungsstelle für diesen Zweck, errichten.
schlechten Schuldner zu einem guten Schulden- Ich darf noch bemerken, daß einige andere Fra-
zahler wird. gen, die Sie am Schluß Ihrer Rede berührt haben,
(Beifall bei der SPD.) nicht unmittelbar die Entschädigungsfragen be-
treffen und daher nicht vom Bundesfinanzministe-
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat Herr rium beantwortet werden können.
Staatssekretär Hartmann. Ich darf annehmen, das Hohe Haus wird aus
meinen Worten entnehmen, daß das Bundesfinanz-
Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium ministerium im Rahmen seiner Zuständigkeit hier
der Finanzen: Ich darf zunächst feststellen, daß die mit größter Beschleunigung kurz vor den Feier-
ersten Bombenabwürfe überhaupt erst im Novem- tagen und kurz nach den Feiertagen gearbeitet hat.
ber vorgenommen worden sind. Vorher war es Wenn wir den abschließenden Bericht des Staat
daher gar nicht möglich, Einzelheiten über die Ent- lichen Fischereiamtes in Bremerhaven nicht vor
schädigung festzustellen, da man nicht den Umfang dem 12. Januar bekommen haben, so ist das nicht
und die Art der Schäden kannte. unsere Schuld. Den Vorwurf, Herr Abgeordneter,
Der Herr Begründer des Antrags hat dann auf den Sie glaubten erheben zu müssen, daß sich die
die bürokratische Handhabung und auf den langen Bundesregierung um die Regelung habe herum-
Dienstweg herauf und herunter nach Wesermünde drücken wollen, halte ich für absolut unberech-
hingewiesen. Meine Damen und Herren, dafür tigt. Ich glaube, ,das Urteil darüber dem Hohen
kann das Bundesfinanzministerium nicht. Nach den Hause vorbehalten zu können.
Grundsätzen des Bonner Grundgesetzes hat der (Beifall in der Mitte und rechts.)
Bund in Wesermünde keine Dienststelle. Er kann
sich nur der Dienststellen der Landesregierung Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
bedienen, die er um ihre Hilfe und Mitwirkung Abgeordnete Müller-Hermann.
bitten muß. Von der Landesregierung kommen
dann die Vorschläge wieder zu uns herauf. Dafür
kann man uns nicht verantwortlich machen; - das Müller-Hermann (CDU/CSU): Herr Präsident!
liegt in der Grundkonstruktion des Bonner Grund- Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen
gesetzes. des Herrn Staatssekretärs Hartmann kann ich mich
sehr kurz fassen. Der Antrag der Opposition mag
Im übrigen ist hier allerseits mit der größten gut gemeint gewesen sein, aber er stößt ins Leere,
Beschleunigung gearbeitet worden. Durch Fer n- denn er ist durch die Tatsachen längst überholt.
schreiben vom 23. Dezember haben wir die nieder-
sächsische Landesregierung gebeten, sofort Vor- (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
schüsse in Höhe von 50 v. H. der Schäden zu geben. Ich möchte darauf hinweisen, daß die von Herrn
Die Vorschläge über die Entschädigung, die wir Staatssekretär Hartmann eben zitierte Vereinba-
vom Staatlichen Fischereiamt in Bremerhaven über rung in voller Übereinstimmung mit den beteilig-
die niedersächsische Landesregierung erbeten ten Fischern getroffen und daher festzustellen ist,
haben, sind uns erstmalig zum Teil am 22. Dezem- daß die Wünsche und Anliegen der Fischer vom
ber, zum Teil am 7. Januar und zum Teil am Bundesfinanzministerium in vollem Umfange
12. Januar in einer Besprechung überreicht worden. erfüllt worden sind.
Drei Tage darauf haben wir durch Fernschreiben Für die Zukunft möchte ich allerdings darum
vom 15. Januar eine grundlegende vorläufige Re- bitten, daß auch rechtzeitig für die Bombardierun-
gelung des Inhalts getroffen, daß in der von dem gen, die etwa vom März ab erfolgen sollten, Zah-
Staatlichen Fischereiamt Bremerhaven vorgeschla- lungen geleistet werden — wie das ja auch Herr
genen Höhe die Entschädigungsbeträge ab 1. No- Staatssekretär Hartmann angekündigt hat —,
vember — und zwar sofort bis Ende Februar, also damit allen Agenten und Agitatoren von vorn-
noch für fünf Wochen im voraus — gezahlt werden. herein die Möglichkeit genommen wird, aus der
Es handelt sieh dabei um Beträge von 58 402,88 DM, Angelegenheit propagandistisches Kapital zu
die sich auf 36 Fischer verteilen. Außerdem ist ab schlagen.
1. März eine endgültige Regelung vorgesehen, in
der der Durchschnitt der Fangtage in den Jahren (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)
1950 bis 1953 je Monat berücksichtigt werden soll. Ich stelle fest, daß insbesondere von kommunisti-
Wir haben das Jahr 1953 ausdrücklich einge- scher Seite der Versuch gemacht worden ist, eine
schlossen, weil es für die Fischer ein ganz beson- gewisse Beunruhigung der Fischer für ihre Zwecke
ders günstiges Fangjahr war. Auf dieser Basis auszunutzen, daß Einladungen an die Fischer zu
sollen dann die endgültigen Richtlinien ausgearbei- Kongressen in der Sowjetzone ergangen sind und
tet und erlassen werden. Sollte 'es dafür noch etwas in der Sowjetzone eine Paketaktion für die „not-
länger brauchen, so werden wir selbstverständlich leidenden" Fischer in die Wege geleitet worden ist.
die mit Fernschreiben vom 15. Januar ergangenen '(Hört! Hört! und Lachen bei der CDU/CSU.)
vorläufigen Richtlinien entsprechend verlängern, so
daß also die Fischer laufend eine volle Entschädi- Ich möchte das nur am Rande erwähnen, tun zu
gung bekommen. zeigen, wie auch hier völlig unnötige Besorgnisse
Wir sind nicht der Ansicht, daß es der Errichtung von sowjetischer und sowjetzonaler Seite genutzt
einer besonderen Abwicklungsstelle bedarf. Das werden.
Staatliche Fischereiamt in Bremerhaven ist vollauf (Zuruf von der SPD: Was hat das mit
in der Lage, die Angelegenheit zu prüfen und uns unserem Antrag zu tun?)
300 2. Deutscher Bundestag - 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954
(Müller Hermann)
-

Zu dem letzten von Herrn Kollegen Wehr ange- würfe hätten erst am 24. November begonnen und
schnitten Punkt, also bezüglich der Einflüge usw., nun, am 15. Januar, seien die ersten Auszahlungen
möchte ich noch eine Bitte an das Auswärtige Amt durch Fernschreiben geregelt worden, dann er-
richten. Sie geht dahin, daß man in Verhandlungen scheint mir das doch als eine etwas sehr weite
mit der britischen Hohen Kommission zu erreichen Ausdehnung des Lobes für die Fixigkeit der Arbeit.
versucht, daß die Einflugtage auf ein Minimum Tatsache ist, daß die Entschädigungsvorschläge —
begrenzt werden, und daß zum anderen eine mög- so wie sie heute der Regierung vorliegen — lange
lichst frühzeitige Informierung über die geplanten vor dem Termin des 24. November fix und fertig
Einflüge — nicht nur für die Tagflüge, sondern gewesen sind. Es ist also durchaus nicht so, daß
auch für die Nachtflüge — erreicht wird. diese Vorschläge nicht bekannt waren.
Ich glaube, damit ist dieser Antrag an und für Der niedersächsische Fischereirat Dr. Nolte hat
sich erledigt, möchte aber vorschlagen, daß wir diese Entschädigungsregelung bereits im September.
ihn zu eventuell weiterer Behandlung dem Haus- letztmalig - nach vielen vorausgegangenen Be-
haltsausschuß überweisen. sprechungen — mit den Fischern selbst draußen im
(Beifall bei der CDU/CSU.) Dorumertief besprochen. Von den am 15. Januar
dieses Jahres durch Fernschreiben angekündigten
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Auszahlungen ist den Fischern zwar durch die
Abgeordnete Müller (Wehdel). Presse eine Mitteilung geworden, aber Geld haben
sie bis heute nicht in die Hände bekommen. Ich
Müller (Wehdel) (DP): Herr Präsident! Meine kann das effektiv sagen, da ich mit den Leuten
Damen und Herren! Nachdem Herr Staatssekretär heute morgen noch gesprochen habe. Auch der Ge-
Hartmann bereits darauf hingewiesen hat, daß in- nossenschaft ist bisher von einer Zahlung nichts
zwischen die Zahlungen an die Fischer geleistet bekannt. Das gewinnt um so mehr Bedeutung, als
werden, ist ja der erste Teil des Antrages des die Fänge bisher immer so abgesetzt worden sind,
Herrn Kollegen Wehr erledigt. Es ist sehr be- daß jeder Fischer den Erlös für seinen Fang spä-
dauerlich, daß die Behörden . so lange gebraucht testens nach 14 Tagen in Händen hatte. Man kann
haben, bis gerade vor den Feiertagen, wo ja der natürlich in einer bürokratischen Manier die Dinge
Geldbedarf besonders groß war, die ersten Zahlun- derart in die Länge ziehen und nachher sagen,
gen geleistet worden sind. man habe dabei fair und großzügig gehandelt.
Ich möchte aber doch darum bitten, daß man - Wenn Herr Kollege Müller-Hermann der
da es auch dem Wunsch der Fischer entspricht, Meinung ist, bei dem Aufgreifen dieser Angelegen-
nicht Wohlfahrtsempfänger oder Rentner -zu wer- heit handele es sich um Agitation oder bei meiner
den, sondern an ihrer Arbeit zu bleiben . — gewisse Person um einen Agitator, dann irrt er. .
Erleichterungen in der Form einführt, daß zu- (Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg.
nächst einmal die grundsätzliche Nachtsperre auf Albers: Das hat er ja gar nicht gesagt!)
gehoben wird und daß 36 Stunden vor den Bomben- Herr Kollege Müller-Hermann, wenn Ihnen die
würfen, also genügend lange vor jedem Abwurf- Sache so unwichtig ist, daß Sie sie auf das Gebiet
tage, gesperrt wird. Dann sind die Fischer in der der Agitation glauben abschieben zu können,
Lage, einen Teil ihres bisherigen Verdienstes wie-
der selbst zu erwerben. (erneute Zurufe von der Mitte)
Sehr schwierig wird die Sache natürlich durch dann bedaure ich all die vielen Verlautbarungen,
eventuelle Blindgänger und durch eventuelle un- vor allem diejenigen, die Sie persönlich in der
sachgemäße und ungenügende Beobachtung der 202. und auch in der 230. Sitzung des vorigen Bun-
Bombenabwürfe von seiten der Engländer. Dar- destags kundgetan haben.
über brauchen wir uns aber jetzt nicht zu unter- Es handelt sich hier doch darum, tatsächliche
halten, wie es vorläufig auch keinen Zweck hat, Schulden, die einwandfrei der Bund zu zahlen hat,
schon mit . dem Gedanken zu spielen, die Fische r. nun endgültig zu begleichen. Das sind Schulden!
umzusiedeln; denn das wird auch deswegen große Zu den Betroffenen gehören ja nicht bloß die
Schwierigkeiten machen, weil ein großer Teil die- 44 Familien der Kuttereigner, sondern es kommen
ser Fischer Grundbesitz hat und nicht ohne weite- noch die Mannschaften an Bord hinzu, die ja letz-
res von seiner Scholle weg will. ten Endes in Bereitschaft liegen, wenn die unnöti-
Ich möchte daher bitten, daß man alles daran gen Ankündigungen kommen über Abwürfe, die
setzt, mit der Besatzungsmacht die Wege zu klären, dann wieder verschoben werden, weil Nebel oder
die den Fischern die Möglichkeit des Fischens er- ungünstige Witterungsverhältnisse oder, wer weiß,
halten, und zwar durch ausreichende Sperrfristen sonstige Vernebelungen bei den Besatzungen ein-
und durch frühzeitige Bekanntgabe der Sperren. getreten sind. Die Kuttereigner müssen auf der
Weiter sollte man sich bemühen, die Entschädigung einen Seite auf ihren Verdienst verzichten, auf der
für die Arbeitsausfalltage — die Tage also, an de- anderen Seite aber ihre Besatzungen in Bereitschaft
nen gesperrt ist - möglichst schnell zu regeln. halten, und diese wollen auch leben.
(Beifall bei der DP.) Wenn ferner der Herr Staatssekretär der Mei-
nung ist, daß das Bundesfinanzministerium sich
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der mit dem, was ich hier hinsichtlich der Ergebnisse
Abgeordnete Wehr. der jetzigen Praxis und hinsichtlich des in der Zu-
kunft zu Erwartenden dargestellt habe, nicht zu
Wehr (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und beschäftigen brauche, so ist das zu bedauern. Aber
Herren! Es tut mir leid, daß ich noch einmal zu der letzten Endes muß die Regierung sich darüber klar
Frage Stellung nehmen muß. Aber das ist auf werden, daß, wenn sie nicht lebenslängliche Renten
Grund der Regierungsäußerung notwendig, die wir an die Fischer zahlen will, ein anderer Weg der
von Herrn Staatssekretär Hartmann vernommen Entschädigung gefunden werden muß, sei es durch
haben. Wenn sich die Regierung rühmt, die Ab- eine globale Abfindung, sei es durch eine Umsied-
2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 301
(Wehr)
lung. Das wird auf alle Fälle geklärt werden müs- dem 15. Januar das Weitere zu veranlassen hat.
sen; denn die Gefahr, daß Gerät, Boot und Mann- Wir können in der Sache nichts mehr machen.
schaft dort riskiert werden, läßt sich nicht einfach (Beifall bei den Regierungsparteien. —
durch eine Erklärung beseitigen. Zurufe von der SPD.)
Wir erwarten daher, daß man diese Angelegen-
heit nicht auf die leichte Schulter nimmt, weil es Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun-
nur wenige Personen sind, sondern ein anerkanntes gen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Entschädigungsrecht so durchführt, daß die Be- Es ist der Antrag gestellt, die Vorlage an den
troffenen für ihre Verluste wirklich entschädigt Ausschuß für Besatzungsfolgen und an den Haus-
werden. haltsausschuß zu überweisen. Federführend soll
(Beifall bei der SPD.) der Ausschuß für Besatzungsfolgen sein.
(Abg. Albers: Die Sache ist doch klar; die
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der braucht doch nicht mehr an den Ausschuß
Herr Staatssekretär Hartmann. zu gehen!)
Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium Erhebt sich ein Widerspruch? — Dann ist so be-
der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und schlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung
Herren! Ich möchte nur zu zwei Punkten kurz erledigt.
Stellung nehmen.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
Der Antrag Drucksache 139 lautet: „Antrag der
Fraktion der SPD betreffend Entschädigung der Beratung des interfraktionellen Antrags be-
Fischer". Für die Beantwortung dieses Antrages treffend Überweisung von Anträgen an die
ist das Bundesfinanzministerium zuständig. Ich Ausschüsse (Umdruck 9 [neu]).
glaube, ihn beantwortet zu haben. Was die gene- Hier ist unter Ziffer 3 des Umdrucks 9 (neu)*) eine
relle Frage des Bombenabwurfs und der Einhal- Korrektur vorzunehmen. Ursprünglich war vorge-
tung der Vereinbarungen betrifft, so ist dafür das sehen, daß der Antrag unter Ziffer 3 auch an den
Auswärtige Amt zuständig. Dieses wird selbst- Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten über-
verständlich nicht verfehlen, auf das, was der Herr wiesen werden soll. Mir wurde gesagt, daß eine
Abgeordnete W eh r hier dargelegt hat, zurückzu- Vereinbarung zwischen den Fraktionen erfolgt sei,
kommen. Ich wollte nur sagen, weshalb ich dazu nach der diese Überweisung nicht stattfinden solle.
nichts sagen kann. — Das ist in Ordnung. Es erhebt sich kein Wider-
Was zweitens den Zeitpunkt der Regelung der spruch gegen die Überweisung an die in Umdruck 9
Entschädigung betrifft, so habe ich mich eben wohl (neu) vorgesehenen Ausschüsse; damit ist entspre-
nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich will es daher chend beschlossen.
wiederholen. Das Bundesfinanzministerium hat Damit sind Punkt 16 und die Tagesordnung er-
mit Fernschreiben vom 15. Januar an das nieder- ledigt.
sächsische Finanzministerium entsprechend dem Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen
Antrag des Staatlichen Fischereiamtes Bremer-
Bundestages, die 11., ein auf Freitag, den 22. Ja-
haven die von dem Amt vorgeschlagenen Entschä- nuar 1954, 9 Uhr 30, und schließe die 10. Sitzung
digungen in Höhe von 58 000 DM genehmigt und des Deutschen Bundestages.
zur Zahlung angewiesen. Wenn der Herr Abge-
ordnete Wehr hier über die bürokratische Hand- (Schluß der Sitzung: 12 Uhr 19 Minuten.)
habung Beschwerde führt, muß er sich an die Lan-
desregierung von Niedersachsen wenden, die seit *) Siehe Anlage Seite 302
302 2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954

Anlage zum Stenographischen Bericht der 10. Sitzung

Interfraktioneller Antrag
betreffend

Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse


(Umdruck 9 [neu])

Der Bundestag wolle beschließen:

Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung dem
zuständigen Ausschuß überwiesen:

1. Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft
Dr. h. c. Müller (Bonn) und Genossen betref- und Forsten;
fend Verordnung über die Beimischung inlän-
dischen Rüböls und Feintalgs (Drucksache 146)

2. Antrag der Abgeordneten Dr. Kihn (Würzburg), an den Haushaltsausschuß (federführend),


Dr. Dollinger, Stücklen, Stiller und Genossen an den Ausschuß für Verkehrswesen;
betreffend Autobahnstrecke Frankfurt-Nürn-
berg (Drucksache 149)

3. Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Prinz an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner
zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schnei- Fragen (federführend),
der (Bremerhaven) und Genossen betreffend an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten*),
Reiseverkehr mit dem Saargebiet (Druck- an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren
sache 170) Verwaltung.

Bonn, den 19. Januar 1954


Dr. von Brentano und Fraktion

Dr. Dehler und Fraktion


Haasler und Fraktion
Dr. von Merkatz und Fraktion

*) Vgl. Seite 301 C

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