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Deutscher Bundestag

79. Sitzung

Bonn, den 20. Juni 1963

Inhalt:

Fragestunde (Drucksache IV/1331) Fragen ides Abg. Dr. Wuermeling:


Erzgruben im Siegerland . . . . . 3825 C
Frage des Abg. Faller:
Zuschüsse für Abschlußklassen von Frage des Abg. Ertl:
Mittelschulen beim Besuch Berlins
Mittel für biologische Schädlingsbe-
Dr. Heck, Bundesminister . . 3823 A, B kämpfung
Faller (SPD) . . . . . . . . . 3823 B Schwarz, Bundesminister . . . 3826 C, D
Ertl (FDP) 3826 C, D
Frage des Abg. Varelmann:
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 3826 D
Neue Betriebe in wirtschaftlich schwach
strukturierten Gebieten
Dr. Westrick, Staatssekretär . 3823 C, D, Frage des Abg. Ertl:
3824 A Verkauf von land- und forstwirtschaft-
Varelmann (CDU/CSU) . 3823 D, 3824 A lichen Betrieben an landwirtschafts-
fremde Interessenten
Frage des Abg. Varelmann: Schwarz, Bundesminister . . 3827 A, B, C
Regionale Ballung der Wirtschaft und Ertl (FDP) 3827 B, C
Krankenstand
Dr. Westrick, Staatssekretär 3824 A, B
Fragen des Abg. Herold:
Varelmann (CDU/CSU) . . 3824 B, C
Wettbewerbsverzerrungen auf dem
Braumalzmarkt
Frage des Abg. Varelmann:
Schwarz, Bundesminister . . . . 3827 C, D
Steigerung der Lohnnebenkosten in
Ballungsgebieten
Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 3824 C Fragen des Abg. Dr. Vogel:
Afrikanische Schweinepest . . . . . 3828 C
Frage , des Abg. Ertl:
Holzeinfuhren aus Ostblockländern
Frage des Abg. Drachsler:
Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 3824 C,
3825 A, B Mittel für den Wirtschaftswegebau
Ertl (FDP) 3825 A, B Schwarz, Bundesminister 3828 C
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Fragen des Abg. Schwabe:


Verstöße gegen Naturschutzbestim- Beschäftigung von Bundespostbedien-
mungen durch Gastarbeiter steten außerhalb ihres Wohnortes
Blank, Bundesminister 3828 D, 3829 A Stücklen, Bundesminister . . 3835 B, C, D
Schwabe (SPD) . . . . . . . . 3835 C
Fragen des Abg. Fritsch:
Familientrennung durch Vermittlung
von Arbeitskräften aus dem Bayeri- Frage des Abg. Peiter:
schen und Oberpfälzer Wald nach aus-
Gespräche von öffentlichen Fern-
wärts
sprechern in Landgemeinden
Blank, Bundesminister . 3829 A, B, C,
3830 A, B, C, D, 3831 A, B Stücklen, Bundesminister • 3835 D, 3836 D
Fritsch (SPD) 3830 A, B, C Peiter (SPD) 3836 C
Folger (SPD) . . . . . . 3830 C, D
Bading (SPD) . . . . . . . 3831 A, B Frage des Abg. Liehr:

Frage des Abg. Fritsch:


Moderne Telefonapparate

Härteausgleich in der Kriegsopferver- Stücklen, Bundesminister 3836 D


sorgung Liehr (SPD) 3836 D
Blank, Bundesminister . . 3831 C, D
Fritsch (SPD) . . . . . . . 3831 C, D
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der
Rationalisierung im Steinkohlenbergbau
Frage des Abg. Dr. Wuermeling:
(Drucksache IV/1080); Schriftlicher Bericht
Verwaltungskosten bei der Gewährung des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen
des Kindergeldes durch die Bundes- IV/1279, zu IV/1279) — Zweite und dritte
anstalt in Nürnberg Beratung
Blank, Bundesminister . 3831 D, 3832 B —Arendt (Wattenscheid) (SPD) . . . 3837 B
Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . . 3832 B
Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 3839 B, 3845 A
Frage des Abg. Diebäcker: Dr. Aschoff (FDP) . . . . . . . 3839 D
Freiwillige Weiterversicherung von Dr.-Ing. Philipp (CDU/CSU) . . . 3841 B
Spätheimkehrern in der Sozialversiche-
rung Lange (Essen) (SPD) 3842 A
Blank, Bundesminister . . . 3832 C, D, Dr Westrick, Staatssekretär . . . 3842 C
3833 A, B
Kurlbaum (SPD) 3843 C
Diebäcker (CDU/CSU) . . 3832 D, 3833 A
Dröscher (SPD) 3833 A, B
Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung
Frage des Abg. Faller: der Geltungsdauer des Gesetzes zur Ein-
schränkung der Bautätigkeit (CDU/CSU)
„Grenzgänger" im deutsch-schweize-
(Drucksache IV/1257); Schriftlicher Bericht
rischen Abkommen
des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen
Blank, Bundesminister 3833 B, D, 3834 A IV/1271, zu IV/1271) — Zweite und dritte
Faller (SPD) 3833 D, 3834 A Beratung —
Matthöfer (SPD) 3846 B
Fragen des Abg. Spies:
Mertes (FDP) . . . . . . . . 3846 C
Anerkennung der Zeugnisse der Bun-
deswehrfachschulen . . . . . . . 3834 B Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 3847 D

Fragen des Abg. Berkhan: Dr Kempfler (CDU/CSU) 3851 A


Wünsche Hamburgs auf Herausgabe Mick (CDU/CSU) 3851 C
von Sonderbriefmarken — Bundespost-
Börner (SPD) 3852 B
minister und Hamburg
Stücklen, Bundesminister . 3834 C, 3835 A Dr. Westrick, Staatssekretär . . 3855 C
Berkhan (SPD) . . . . 3834 D, 3835 A Frau Funcke (Hagen) (FDP) . . . 3857 C
Schwabe (SPD) 3835 A, B Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 3858 B
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 III

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Entwurf eines Gesetzes über Jugendzahn-
Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Drucksachen pflege (Bundesjugendzahnpflegegesetz)
IV/902 [neu], IV/1208); Schriftlicher Be- (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/1266)
richt des Finanzausschusses (Drucksache — Erste Beratung —
IV/1281) — Rücküberweisung an den Dr. Tamblé (SPD) . . . . . . . 3859 C
Ausschuß — 3859 B
Frau Dr. Heuser (FDP) . . . . . 3861 B
Entwurf eines Gesetzes über öffentliche
Jugendzahnpflege (Bundesjugendzahn- Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3861 D
pflegegesetz) (SPD) (Drucksache IV/1260)
— Erste Beratung —; in Verbindung mit
dem Anlagen 3863
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3823

79. Sitzung
Bonn, den 20. Juni 1963

Stenographischer Bericht Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen,


Herr Bundesminister.
Beginn: 14.06 Uhr Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbe-
reich des Bundesministers für Wirtschaft und rufe
Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Sitzung ist er- auf die Frage VII/1 — des Abgeordneten Varel-
öffnet. mann —:
Ist die Bereitschaft der Industrie, in wirtschaftlich wenig ent-
Meine Damen und Herren! Wir treten in die wickelten Gebieten mit hohen Zahlen von Auspendlern, Arbeits-
Tagesordnung ein und beginnen mit der kraftreserven und hohen Geburtenüberschüssen neue Betriebe
zu errichten, seit Hereinnahme der ausländischen Arbeitskräfte
rückläufig?
Fragestunde (Drucksache IV/1331).
Herr Staatssekretär Dr. Westrick, ich darf bitten.
Ich rufe auf die Frage aus dem Geschäftsbereich des
Bundesministers für Familien- und Jugendfragen —
des Abgeordneten Faller —: Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
rium für Wirtschaft: Nach Untersuchungen der Bun-
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Abschlußklassen von
Mittelschulen, die die alte Hauptstadt Berlin besuchen wollen, desanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosen-
keine Fahrtzuschüsse erhalten, wohl aber Oberschulklassen, die
die „mittlere Reife" hinter sich haben, also etwa gleichaltrig sind versicherung und des Instituts für Raumforschung
wie die Mittelschüler? hat sich in den wirtschaftlich schwach strukturierten
Herr Bundesminister, darf ich bitten. Gebieten die Zahl der während der Jahre 1958 bis
1960 neu angesiedelten Betriebe gegenüber der Vor-
periode von 1955 bis 1957 mehr als verdoppelt. Für
Dr. Heck, Bundesminister für Familien- und Ju- die beiden darauf folgenden Jahre liegen keine so
gendfragen: Ich beantworte die Frage des Abgeord- speziellen Untersuchungen vor. Die Industriebericht-
neten Faller mit Ja. erstattung weist jedoch auch für die Zeit von 1960
bis 1962 in einer großen Zahl wirtschaftlich bisher
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage? noch weniger entwickelter Landkreise einen deut-
lichen Anstieg der Beschäftigten in der Industrie
Faller (SPD) : Herr Minister, wenn Sie die Frage, aus. Es besteht demnach kein Anlaß zu der An-
ob Ihnen das bekannt sei, schon bejahen, sind Sie nahme, daß die Bereitschaft der Unternehmer, Indu-
bereit, dafür zu sorgen, daß hier Abhilfe geschaffen striebetriebe in den strukturschwachen ländlichen
wird und nicht nur Abschlußklassen von Oberschu- Gebieten anzusiedeln, in den letzten Jahren nach-
len nach Berlin kommen? gelassen hat. Dies schließt nicht aus, daß möglicher-
weise der Drang der Industrie, neue Betriebe in
Dr. Heck, Bundesminister für Familien- und Ju- denjenigen Gebieten der Bundesrepublik 'zu errich-
gendfragen: Herr Kollege, die Bundesregierung hat ten, die noch über Arbeitskraftreserven verfügen,
hier keinerlei Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen, noch größer gewesen wäre, wenn keine auslän-
da die Durchführung der Berlinfahrten, für die Mit- dischen Arbeitskräfte in den industriellen Ballungs-
tel aus dem Bundesjugendplan und Landesmittel zur zentren eingestellt worden wären.
Verfügung stehen, ausschließlich bei den Ländern
liegt. Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage
Herr Abgeordneter Varelmann.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz-
frage? Varelmann (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär,
wurde die Bundesregierung von den Länderregie-
Faller (SPD) : Herr Minister, schätzen Sie Ihre Ein- rungen nicht darüber unterrichtet, daß tatsächlich
wirkungsmöglichkeit so gering ein, daß es Ihrem die Bereitschaft der Industrie, sich in ländlichen,
Einfluß nicht gelingen würde, auch die Länder zu wirtschaftlich schwach entwickelten Gebieten anzu-
veranlassen, so zu handeln? siedeln, erheblich nachgelassen hat?

Dr. Heck, Bundesminister für Familien- und Ju- Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
gendfragen: Da nach dem Grundgesetz die Zustän- rium für Wirtschaft: Von dieser Unterrichtung ist
digkeit bei den Ländern liegt, ja, Herr Kollege. mir nichts bekannt, Herr Abgeordneter.
3824 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- Varelmann (CDU/CSU) : Mein Hinweis ist ge-
frage. richtet auf den Unterschied zwischen den Ortskran-
kenkassen in den Landgebieten und den in den
Großstädten.
Varelmann (CDU/CSU) : Hat nicht die Bundes-
anstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenver-
sicherung mit ihren Mitteln, die sie für die Unter- Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich glaube, das ist
bringung ausländischer Arbeitskräfte zur Verfügung keine Frage. — Die Angelegenheit ist damit er-
stellte, die regionale Ballung der Industrie in er- ledigt.
heblichem Ausmaße gefördert? Ich komme zur Frage VII/3 — des Abgeordneten
Varelmann —:
Ist die Steigerung der Lohnnebenkosten (außer den gesetz-
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- lichen Abgaben für die Sozialversicherung) nicht in beachtlichem
rium für Wirtschaft: Ich werde diese Frage gern Umfang begründet durch die regionale Ballung der Wirtschaft?
der Bundesanstalt für Arbeisvermittlung und Ar-
beitslosenversicherung übermitteln und Ihnen die Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
Antwort demnächst zugehen lassen oder den Herrn rium für Wirtschaft: In den industriellen Ballungs-
Bundesminister für Arbeit bitten, die entsprechen- gebieten ist im allgemeinen der Anteil der Groß-
den Nachforschungen anzustellen. betriebe sehr stark. Bei diesen Großbetrieben lie-
gen erwiesenermaßen die Lohnnebenkosten erheb-
lich höher als bei Klein- und Mittelbetrieben. Ge-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zwei Zusatzfragen; naue statistische Unterlagen stehen hierüber nicht
damit ist diese Frage erledigt. zur Verfügung.
Ich komme zur Frage VII/2 — des Abgeordneten
Varelmann —: Vizepräsident Dr. Jaeger: Damit ist die Frage
War die seit 1950 in so großem Ausmaß vollzogene regionale erledigt.
Ballung der Wirtschaft von erheblichem Einfluß auf die Steige-
rung der arbeitsunfähigen Krankheitsfälle (Unterschied des Ich komme zur Frage VII/4 — des Abgeordneten
Krankenstandes in ländlichen Gebieten und in Großstädten)?
Ertl —:
In welchem Umfang werden Holz und Holzprodukte aus Ost-
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- blockländern eingeführt?

rium für Wirtschaft: Zur zweiten Frage des Herrn Herr Staatssekretär, bitte.
Abgeordneten Varelmann ist zu sagen, daß es rich-
tig ist, daß der Krankenstand bei den Landkranken- Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
kassen nur etwa halb so hoch ist wie bei den Orts- rium für Wirtschaft: Ich darf annehmen, daß sich die
und den Betriebskrankenkassen. Jedoch läßt sich verlangte Auskunft über die Einfuhr aus Staatshan-
bisher nicht nachweisen, daß dieser erstaunliche delsländern auf die verschiedenen Sorten und Güte-
Unterschied, der in früheren Jahren geringer ge- klassen von Holz erstrecken soll, also Nadelfaser-
wesen ist, auf die regionale Ballung der Wirtschaft und Schichtnutzholz, Nadelstammholz, Nadelgruben-
zurückgeht. Es spricht aber einiges dafür, daß in holz, Laubfaser- und Schichtholz, Laubstammholz,
den Ballungsgebieten die Inanspruchnahme der sowie Schnittholz aller Güteklassen aus Nadel- und
körperlichen Kräfte und der Nerven größer ist als Laubholz. Die Gesamteinfuhr dieser Hölzer erreichte
auf dem Lande, so daß möglicherweise auch die An- im Jahre 1962 einen Wert von rund 1245 Millio-
fälligkeit für Krankheiten hier größer ist als in nen DM. Davon entfielen auf die Staatshandels -
ländlichen Bezirken. länder rund 16,6 % = 207 Millionen DM. Bei dem
großen Warenbereich der Holzhalbwaren und Holz-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zusatzfrage? werkstoffe liegt der Gesamteinfuhrwert aus Staats-
handelsländern nur bei 0,3% mit einem Gesamt-
wert von 639 000 DM; er konnte daher hier unbe-
Varelmann (CDU/CSU) : Wäre das Bundeswirt- rücksichtigt bleiben.
schaftsministerium bereit, zu prüfen, ob nicht auch Der Anteil der in den Jahren 1960 bis 1962 aus
bei den Ortskrankenkassen in ländlichen Gebieten Staatshandelsländern eingeführten Holzarten und
der Krankenstand sehr unterschiedlich von dem in Holzsortimente läßt sich im Vergleich zum Inlands-
den Großstädten ist, und darauf die Wirtschaft hin- verbrauch folgendermaßen beziffern:
zuweisen?
Erstens. Nadelfaserholz: Der Inlandsverbrauch
stieg um 7,6 % auf 4,6 Millionen rm im Jahre 1962.
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- Der Anteil der Staatshandelsländer an diesem In-
rium für Wirtschaft: Die Ortskrankenkassen haben landsverbrauch fiel von 12 % auf 8 %.
in der Tat einen Prozentsatz, der, wie ich eben Zweitens. Nadelgrubenholz: Der Inlandsverbrauch
sagte, doppelt so hoch ist wie der der Landkranken- fiel um 10 % auf 2 Millionen fm im Jahre 1962. Der
kassen. Das gleiche gilt für die Betriebskrankenkas- Anteil der Staatshandelsländer am Inlandsverbrauch
sen. Darüber ist die Wirtschaft unterrichtet, Herr fiel von 10 auf 6 %.
Abgeordneter.
Drittens. Laubfaserholz: Der Inlandsverbrauch
stieg um 10,2 % auf über 3 Millionen rm im Jahre
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 1962. Der Anteil der Staatshandelsländer an diesem
frage. Inlandsverbrauch stieg von 11 auf 13 %.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3825
Staatssekretär Dr. Westrick
Viertens. Nadelschnittholz: Der Inlandsverbrauch Vizepräsident Dr. Jaeger: Damit ist die Frage
stieg um 8,9 % auf 10,3 Millionen cbm im Jahre 1962. VII/4 erledigt.
Der Anteil der Staatshandelsländer an diesem In-
landsverbrauch stieg von 9 auf 10 %. Ich rufe auf die Frage VII/5 — des Abgeordneten
Dr. Wuermeling —
Das Bundeswirtschaftsministerium steht wegen der
Einfuhr von Holz aus den Staatshandelsländern mit Ist die Bundesregierung angesichts der erneuten Unruhe im
Siegerländer Erzbergbau bereit, sich durch persönliche Verhand-
dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirt- lungen mit den Ruhrhütten eindringlich für die Erhaltung der
letzten einheimischen Erzgruben im Siegerland einzusetzen, nach-
schaft und Forsten, dem Deutschen Forstwirtschafts- dem die Ruhrhütten durch erneute Reduzierung der Abnahme
Siegerländer Erze die Stillegung einer weiteren Grube und da-
rat und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wald- mit die Entlassung zahlreicher nicht anderweit zu vermittelnder
besitzerverbände in ständiger Fühlungnahme. Bergleute unvermeidlich machen wollen?

Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant-


Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage. wortung einverstanden erklärt. Die Antwort des
Herrn Staatssekretärs Dr. Westrick vom 13. Juni 1963
lautet:
Ertl (FDP) : Herr Staatssekretär, wie wirken sich
Der Aufschluß reicher und vorwiegend im Tagebau billig
diese Importe auf die Inlandspreise aus? gewinnbarer Lagerstätten in Übersee hat seit etwa 1960 zu einem
tiefgreifenden Strukturwandel auf dem Eisenerzmarkt geführt.
Infolge der zunehmenden Darbietung reicher Auslandserze, der
sich daraus ergebenden Preissenkungen am Erzmarkt und der
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- niedrigen Frachtraten im Überseeverkehr hat sich die Wettbe-
rium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, die Preise werbslage des deutschen Eisenerzbergbaus entscheidend ver-
schlechtert. So sind beispielsweise die Preise für hochhaltige
für Roh- und Schnittholz im Inland richten sich nach Schwedenerze im Jahre 1959 um 10 %, 1962 um 5 % und 1963
um weitere 7% gesenkt worden. Einem Durchschnittspreis von
den Weltmarktpreisen. Für Nadelroh- und -schnitt 0,99 DM je Eiseneinheit für inländische Thomaserze stehen Preise
holz werden die Importpreise weitgehend von den für entsprechende Auslandserze zwischen 0,67 DM und 0,80 DM
gegenüber.
skandinavischen Ländern und von Österreich be-
Die Auswirkungen dieses tiefgreifenden Wandels auf den
stimmt. Die Preisdifferenzen zwischen diesen und Eisenerzbergbau der Bundesrepublik zeigen sich in der Stillegung
von 17 Gruben und einer Einschränkung der Förderung bei den
den Staatshandelsländern sind ziemlich gering und meisten übrigen Betrieben. Seit dem Jahre 1960 ist die Gesamt-
üben nach unserer Beobachtung keinen nennens- förderung von rund 18,9 Mill. t auf rund 16,6 Mill. t im Jahre
1962, also um rund 12% zurückgegangen, die Belegschaftszahl
werten Einfluß auf die Gestaltung der Inlandspreise von 19 646 auf 14 043, mithin um 28,5 % abgesunken. Der gegen-
aus. Im Durchschnitt liegen die Preise für Importholz wärtige Belegschaftsstand ist 12 572. Mit einer Schrumpfung der
Eisenerzförderung um etwa ein Drittel auf 11-12 Mill. t im
sogar höher als die für vergleichbare Inlandsware. Jahr muß gerechnet werden.
Dieser Strukturwandel ist keineswegs auf die Bundesrepublik
Vergleichsmöglichkeiten zwischen europäischem beschränkt; er hat u. a. auch den Eisenerzbergbau der übrigen
EWG-Länder betroffen, selbst vor dem bedeutenden Minette
Laubroh- und -schnittholz und der deutschen Erzeu- Revier Frankreichs nicht haltgemacht und vor kurzem zwei schrift-
gung sind aus Qualitäts-, aber auch aus Dimensions- liche Anfragen an die Hohe Behörde der EGKS ausgelöst. In
ihrer eingehenden Antwort vom 2. Mai 1963 (s. Amtsblatt der
gründen nicht leicht gegeben. Im übrigen sind diese EGKS, Ausgabe 75 vom 18. Mai 1963) hat die Hohe Behörde
zu der Frage, ob und mit welchem Produktionsniveau die Hohe
Einfuhren so geringfügig, daß sie auf den Inlands- Behörde die Aufrechterhaltung einer Eisenerzförderung in der
preis kaum Einfluß haben können. Gemeinschaft für wünschenswert halte, eine Studie über das
Gesamtproblem angekündigt; diese soll u. a. auch die Sicherung
der Versorgung behandeln.
Die Einfuhr von Buchenfaserholz erfolgt etwa je
zur Hälfte aus Frankreich und den Staatshandels- Nach diesen allgemeinen Darlegungen darf ich zu Ihrer eigent-
lichen Frage darauf hinweisen, daß ich das Problem, ob und
ländern. Ein Vergleich des Preises frei Werk des wieweit der deutsche Eisenerzbergbau erhalten werden könnte,
am 31. Januar 1962 sehr eingehend mit Vertretern der Hütten-
Verbrauchers zwischen inländischem Buchenfaser industrie, des Bergbaus und der Industriegewerkschaft Bergbau
holz und dem aus Staatshandelsländern bezogenen und Energie erörtert habe. Nachdem auch die Vertreter der
IGBE nicht die Aufrechterhaltung unwirts chaftli ch er Grubenbe-
ergab, daß der Preis aus diesen Ländern im Oktober triebe fordern konnten, gingen meine Anregungen dahin, zum
Abbau anstehende Erzreserven noch zu gewinnen und damit -
1962 um 2 %, im April 1963 sogar um 4,7 % höher unabwendbare Stillegungen so zu strecken, daß der für die An-
lag. siedlung neuer Industrien erforderliche Zeitraum gewonnen
würde.
Die Vertreter der Hütten wiesen demgegenüber auf die ab-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- geschwächte Konjunktur der Stahlindustrie und ihre verschärfte
Wettbewerbslage hin, die zur Ausnutzung aller Einsparmöglich-
frage. keiten zwinge.
Das Problem des Siegerländer Spateisensteinbergbaus ist —
abgesehen von dem störenden Kupfergehalt eines Teiles dieser
Ertl (FDP) : Herr Staatssekretär, ist die Bundes- Erze - bei 50 % Eisengehalt und 10 % Mangangehalt keine
regierung bereit, dafür Sorge zu tragen, daß bei Qualitätsfrage, sondern. eine Kostenfrage. Die Siegerländer Erze
müssen unter sehr ungünstigen Lagerstättenverhältnissen in
öffentlichen Bauten sowohl zum Bau als auch zur großen Teufen gewonnen werden, so daß der Wettbewerb gegen-
über den meist im Tagebau gewonnenen Auslandserzen selbst
Einrichtung wenn irgendwie möglich vorwiegend bei einer Normalisierung der z. Z. sehr niedrigen Seefrachten
einheimische Holzarten verwendet werden, um da- außerordentlich schwierig ist. Überdies haben neue hüttentech-
nische Verfahren den früheren Vorteil des hohen Mangangehalts
mit der deutschen Forstwirtschaft aus einer schwie- im Siegerländer Spateisenstein weitgehend aufgehoben, da Man-
gan im Stahleisen nur noch mit einem geringen Prozentanteil
rigen Situation zu helfen? benötigt wird und in Auslandserzen billiger gekauft werden
kann.
Der derzeitige Unterschied im Preise je Eisen- und Mangan-
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- einheit gegenüber vergleichbaren Auslandserzen ist mit 30-35 %
so erheblich, daß es der Entscheidung der Hüttenwerke, die hier
rium für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, sosehr ich vorwiegend gleichzeitig die Aktionäre der Erzbergbau Sieger-
land AG sind, überlassen bleiben muß, ob sie Mehrkosten in
das Interesse an einer solchen Handhabung erkenne, dieser Höhe tragen können oder nicht.
möchte ich Sie doch bitten, mich nicht 71.1 nötigen, Nach meiner mit allen Beteiligten geführten Aussprache am
hier jetzt eine exaktere Antwort zu geben als die, 31. Januar 1962 halte ich es nicht für aussichtsreich, die bereits
behandelten Probleme erneut mit den Vertretern der Ruhr-
daß wir gern die von Ihnen gegebene Anregung mit hütten zu erörtern. Mit der Verantwortung für die Erhaltung
den übrigen Ministerien sorgfältig prüfen, und zwar ihrer großen Hüttenwerke haben sie als Eigentümer auch die
Entscheidungsfreiheit über die von ihnen als notwendig ange-
wenn möglich in dem von Ihnen erbetenen Sinne. sehenen Maßnahmen; sie haben andererseits die sich daraus
3826 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Vizepräsident Dr. Jaeger
ergebenden Lasten und insbesondere die volle Verantwortung
für ihre Maßnahmen zu tragen. Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land
Sollte die Erzbergbau Siegerland AG in der Lage sein, die wirtschaft und Forsten: Ich darf wie folgt antwor-
obengenannte Preisdifferenz auf die eine oder andere Weise
zu überspringen, so würde ich es begrüßen, wenn die abneh-
ten: Von 1952 bis 1963 standen bei Titel 614, Einzel-
menden Hüttenwerke ein solches Angebot akzeptieren würden. plan 10, für die biologische Schädlingsbekämpfung
Meine Vermittlung und Mitwirkung bei der Suche nach einer nach Abzug der gesetzlichen Ausgabesperren insge-
befriedigenden Lösung würde ich schon im Hinblick darauf nicht
versagen, daß durch eine vereinbarte Auslauffrist die Umstruk- samt 2 887 050 DM zur Verfügung. In der gleichen
turierung des Gebietes, für die das Land Rheinland-Pfalz in den
letzten Jahren bereits viel getan hat, erleichtert würde. Die Zeit wurden für die biologische Schädlingsbekämp-
bisher im Siegerland und in den übrigen Erzrevieren durchge-
führten Stillegungen haben zu besonderen sozialen und arbeits-
fung Zuwendungen in Höhe von 2 865 131,50 DM
marktpolitischen Schwierigkeiten nicht geführt. bewilligt; auf den Sektor Vogelschutz entfielen hier-
Es ist das besondere Anliegen der Bundesregierung, auch in von 802 200 DM.
Zukunft Härtefälle, die sich aus einer Entscheidung der Ruhr-
hütten ergeben könnten, so weit wie irgend möglich zu ver-
meiden. Sie wird deshalb die weitere Entwicklung sorgfältig
Es trifft somit nicht zu, daß die Haushaltsmittel
beobachten und sich dabei insbesondere die Förderung der zur Förderung der biologischen Schädlingsbekämp-
Ansiedlung geeigneter Industriebetriebe in dem betroffenen
Raum im Rahmen des regionalen Förderprogrammes angelegen fung nur bis zur Hälfte des vorgesehenen Ansatzes
sein lassen. verbraucht worden sind.
Im übrigen ist die Bundesregierung — wie bisher — selbst-
verständlich bereit, zu den Anpassungsbeihilfen, die Art. 56
§ 2 MUV für die von Stillegungen betroffenen Arbeitnehmer des Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage.
Eisenerzbergbaus vorsieht, den Bundesanteil zu leisten.

Ich rufe auf die Frage VII/6 — des Abgeordneten Ertl (FDP) : Herr Minister, sind die bewilligten
Dr. Wuermeling — Mittel auch verbraucht worden, und trifft somit die
Hält die Bundesregierung nach der bereits erfolgten Stillegung Behauptung der Deutschen Ornithologischen Gesell-
mehrerer Erzgruben des Siegerlandes eine Stillegung der letzten
noch betriebenen einheimischen Erzgruben für vertretbar gegen- schaft, wonach für den Vogelschutz nur 20 000 DM
über den werks- und heimatverbundenen Belegschaften und für
verantwortbar angesichts der zur Erhaltung der einheimischen zur Verfügung gestellt worden sind, nicht zu?
Erzförderung in den letzten 10 Jahren eingesetzten 14 Millionen
DM aus öffentlichen Mitteln.?
Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land-
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant-
wirtschaft und Forsten: Wir haben den Vorwurf,
wortung einverstanden erklärt. Die Antwort des
wir hätten für diesen Zweck wenig Geld ausgege-
Herrn Staatssekretärs Dr. Westrick vom 13. Juni 1963
ben, schon wiederholt der betreffenden Institution
lautet:
gegenüber richtiggestellt. Es muß hier ein Irrtum
Soweit hier die Eisenerzgruben im Siegerländer Revier ge-
meint sind, muß die aus Absatzgründen etwa unvermeidbar vorliegen. Die bewilligten Gelder sind mit Aus-
werdende Stillegung einer Grube nicht auch die Einstellung nahme der Gelder, die der Ausgabesperre unterlie-
der beiden restlichen Förderbetriebe zwangsläufig zur Folge
haben. Nach meinen Informationen wollen die Ruhrhütten Ende gen, ausgegeben.
1963 über ihre Bezugsmengen im 2. Halbjahr 1964 Verhandlungen
mit der Erzbergbau Siegerland AG führen.
Der Eisenerzbergbau der Bundesrepublik wird, wie zur Frage 1) Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz
bereits ausgeführt, mit einer Förderkapazität von etwa 11-12
Mill. t im Jahr erhalten bleiben, wobei das Schwergewicht beim frage des Herrn Abgeordneten Ertl,
Bergbau der erzgebundenen Hüttenwerke, insbesondere der Hüt-
tenwerk Salzgitter AG liegen wird.
Die Gewährung von Beihilfen für die Aufsuchung und Unter-
Ertl (FDP) : Beabsichtigt Ihr Ministerium, zu prü-
suchung von Eisenerzvorkommen — seitens der Länder ab 1948 fen, inwieweit man für den Vogelschutz eventuell
und seitens des Bundes seit 1951 — erfolgte unter ganz anders
gelagerten Verhältnissen. Sie war damals volkswirtschaftlich sogar einen eigenen Haushaltsansatz schaffen
sinnvoll, denn die Inlandserze waren nach ihrem Eisengehalt am könnte, wie es von interessierten Kreisen wieder-
gesamten Erzverbrauch aller deutschen Hüttenwerke im Jahre
1952 mit rund 36 % und im Jahre 1958 noch mit rund 27 % holt gewünscht wurde?
beteiligt; bis zum Jahre 1961 fiel ihr Anteil allerdings auf 20 %
ab. Dabei muß hervorgehoben werden, daß die Bergbauunter-
nehmen zwischen 55 % und 90 % der Aufwendungen für solche -
Aufsuchungsarbeiten auf ihr eigenes Risiko genommen und selbst Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land-
finanziert haben. wirtschaft und Forsten: Herr Kollege Ertl, wir haben
Die aufgefundenen Erzvorräte sind zum Teil nutzbar gemacht
worden oder noch zur Gewinnung vorgesehen. Andere Teile nicht die Absicht, diese Frage einer Prüfung zu un-
mußten indessen aufgegeben werden, weil sie bei den heutigen
Qualitätsanforderungen wirts ch aftli ch nicht mehr abbauwürdig
terziehen, weil wir glauben, daß die Fragen der
sind. biologischen Schädlingsbekämpfung insgesamt in
Die ab 1960 einsetzende Verdrängung der Inlandserze durch einem Titel untergebracht werden müssen.
reiche und billigere Auslandserze hat die Bundesregierung
selbstverständlich zu einer scharfen Drosselung der Bundesbei-
hilfen zur Aufschlußförderung im Eisenerzbergbau veranlaßt. Sie
wurden letztmalig im Haushaltsjahr 1962 mit 450 000 DM ge- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
währt, davon 70 000 DM für Untersuchungsarbeiten in den noch Herr Abgeordneter Schmidt (Gellersen) !
betriebenen Gruben des Siegerlandes. Die Länder gewähren
solche Beihilfen auch weiterhin.
Daß auch die Hüttenwerke als Eigentümer der Bergbaugesell-
schaften die heutige Entwicklung nicht vorausgesehen haben, Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Herr Minister,
ergibt sich aus ihren erheblichen Investierungen in Gruben, die
inzwischen stillgelegt worden sind.
wären Sie bereit, die von Ihnen genannten Zahlen
dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und
Ich danke dem Herrn Staatssekretär. Forsten mitzuteilen, und zwar Jahr für Jahr, damit
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäfts- man kontrollieren kann, ob all das entsprechend
bereich des Bundesministers für Ernährung, Land- den Ansätzen auch gegeben ist?
wirtschaft und Forsten. Frage VIII/1 — wieder eine
Frage des Herrn Abgeordneten Ertl —: Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land-
Trifft es zu, daß seit Jahren die Mittel für die Biologische wirtschaft und Forsten: Herr Kollege Dr. Schmidt,
Schädlingsbekämpfung (Einzelplan 10 Tit. 614) bis zur Hälfte des dazu bin ich gern bereit.
vorgesehenen Ansatzes nicht verbraucht wurden, obwohl allein
auf dem Sektor Vogelschutz laufend Mittel benötigt und ange-
fordert worden sind?
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) : Ich danke Ihnen
Herr Minister, darf ich bitten. sehr.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3827

Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zu der gravierend ansehen, daß durch sie der Grundstücks-
Frage VIII/2 — des Abgeordneten Ertl —: markt entscheidend beeinflußt werden könnte.
Wie ist es möglich, daß trotz der seit dem 1. Januar 1962 in
Kraft getretenen Bestimmungen des Grundstückverkehrsgesetzes,
das den Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz-
an landwirtschaftsfremde Interessenten von bestimmten, geneh-
migungspflichtigen Auflagen abhängig macht, weiterhin bäuer-
frage!
liche Familienbetriebe zu reinen Spekulationspreisen von Nicht
Landwirten erworben und dadurch die Bodenpreise weiter in die
Höhe getrieben werden? Ertl (FDP) : Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß
Bitte, Herr Bundesminister! dieses Problem auch in Nachbarländern heiß disku-
tiert wird und zur Zeit In Dänemark sogar Gegen-
stand einer Volksbefragung wird oder geworden
Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- ist, und sollte das nicht Veranlassung sein, auch in
wirtschaft und Forsten: Wie bereits in der Frage- der Bundesrepublik alle Möglichkeiten auszuschöp-
stunde des Deutschen Bundestages vom 8. Mai 1963 fen, um diese Fälle einmal ernsthaft zu überprüfen?
ausgeführt worden ist, bietet das Grundstückver-
kehrsgesetz bei richtiger Anwendung eine wirk-
same und ausreichende Handhabe, die Bodenspeku- Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land-
lation und die Abwanderung land- und forstwirt- wirtschaft und Forsten: Meinem Ministerium ist be-
schaftlicher Nutzflächen in landwirtschaftsfremde kannt, daß in Nachbarländern auch auf diese Frage
Hände zu verhindern. außerordentlicher Wert gelegt wird. Herr Kollege
Ertl, Sie dürfen aber überzeugt sein, daß — die
Die Ausführung des Grundstückverkehrsgesetzes Vorlage 'des Grundstückverkehrsgesetzes beweist
obliegt den nach Landesrecht zuständigen Behörden, es — auch der Bundesregierung diese Frage sehr am
die es damit in der Hand haben, agrarstrukturell Herzen liegt und, wie ich versichern darf, weiter
unerwünschte Bodenveräußerungen zu unterbinden. am Herzen liegen wird.
Da im Genehmigungsverfahren die land- und forst-
wirtschaftliche Berufsvertretung zu hören ist, nimmt
auch der Berufsstand selbst an der Verantwortung Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe auf die
für die richtige Handhabung des Grundstückver- Frage VIII/3 — des Abgeordneten Herold —:
kehrsgesetzes teil. Dies gilt auch für den Fall, daß Welche unmittelbaren Auswirkungen hat die Senkung der
Getreidefrachten und die Frachthilfe des Bundes im Zuge der
die Landwirtschaftsgerichte die Genehmigung zu Durchführung der Verordnung 19 der EWG auf die Wettbe-
Grundstückveräußerungen erteilt haben, nachdem werbslage auf dem Braumalzmarkt?
sie von den Genehmigungsbehörden versagt wor- Bitte sehr, Herr Minister.
den war, da den oberen Landwirtschaftsbehörden
das Recht eingeräumt ist, gegen die Entscheidungen
des Landwirtschaftsgerichts Rechtsmittel einzulegen.
Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land-
wirtschaft und Forsten: Herr Präsident, ich bitte, die
Wenn dennoch landwirtschaftliche Familienbe- Fragen des Herrn Abgeordneten Karl Herold zu-
triebe an Nichtlandwirte veräußert werden, ohne sammen beantworten zu dürfen, da sie die gleiche
daß es sich dabei um nach dem Grundstückver- Sache 'betreffen.
kehrsgesetz zulässige Fälle handelt, dürfte dies
daran liegen, daß die Genehmigungsbehörden, Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr, Herr
Landwirtschaftsbehörden und landwirtschaftlichen Minister. Ich rufe dann noch auf die Frage VIII/4 —
Berufsvertretungen das Gesetz nicht mit Entschlos-
des Herrn Abgeordneten Herold —:
senheit handhaben.
-
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, entstandene
Wettbewerbsverzerrungen auf dem Braumalzmarkt zu beseitigen?
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage!
Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land-
Ertl (FDP) : Herr Minister, hat die Bundesregie- wirtschaft und Forsten: Mit dem Inkrafttreten der
rung oder Ihr Ministerium bereits einmal eine EWG-Getreidemarktordnung am 30. Juli 1962 wur-
Untersuchung über das Ausmaß und die Auswir- den in der Bundesrepublik, um eine möglichst weit-
kungen auf die Bodenpreise im Hinblick auf diese gehende Angleichung an die Getreidefrachten in den
Verkäufe angestellt, und meinen Sie nicht, daß viel- übrigen EWG-Mitgliedsländern zu erzielen, die Ge-
leicht auch die Wiedereinführung einer Bieterlaub- treidefrachten der Deutschen Bundesbahn und des
nis eine Möglichkeit wäre, diesem Problem zu Leibe gewerblichen Güterfernverkehrs um 25 v. H. ge-
zu rücken? senkt. Die Getreidefrachten des gewerblichen Güter-
nahverkehrs und der Binnenschiffahrt blieben unver-
ändert. Gleichzeitig wurde für alle gewerblichen
Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land-
Getreidetransporte eine Frachthilfe in Höhe von
wirtschaft und Forsten: Herr Kollege Ertl, wir sind
25 v. H. der zu zahlenden Fracht eingeführt.
diesen Fragen, die Sie eben angeschnitten haben,
dauernd auf den Fersen und beobachten peinlich ge- Dadurch trat bei den Getreidetransporten mit der
nau die Auswirkungen dieser oder jener Maßnahme, Bundesbahn und mit Fahrzeugen des gewerblichen
die möglicherweise auch nicht richtig durchgeführt Güterfernverkehrs eine Ermäßigung um rund
wurde. Wir glauben aber nach dem derzeitigen 44 v. H., bei der Binnenschiffahrt und beim gewerb-
Stand der Dinge nicht, eine Bieterlaubnis geben lichen Güternahverkehr eine solche von 25 v. H. ein.
bzw. eine Genehmigung versagen zu sollen, weil Diese Frachtermäßigungen wirken sich also auch auf
wir die Frage der Zwangsversteigerung als nicht so den Transport von Braugerste aus und führen zu
3828 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Bundesminister Schwarz
Hat die Bundesregierung sich über das Vordringen der afri
einer nicht unerheblichen Entlastung beim Einkauf kanischen Schweinepest in Portugal und Spanien informiert?
des Rohstoffes.
Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird
Die Schwerpunkte der deutschen Malzindustrie schriftlich beantwortet.
sind durchweg im unmittelbaren Versorgungsgebiet
Ich rufe dann auf die Frage VIII/6 — des Herrn
der großen Brauereien zu finden. Das gilt sowohl
Abgeordneten Dr. Vogel —:
für Süd- als auch für Nord- und Nordwestdeutsch-
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen, um
land. Die Menge des für den innerdeutschen Bedarf ein Übergreifen der afrikanischen Schweinepest auf die EWG-
bestimmten Braumalzes, das von Süddeutschland Länder, insbesondere die Bundesrepublik, zu verhindern?
nach Norddeutschland befördert wird, beträgt jähr- Auch diese Frage wird schriftlich beantwortet, da
lich etwa 150 000 Tonnen. Nur bei dieser Menge Herr Abgeordneter Dr. Vogel nicht anwesend ist.
wirkt sich das jetzt unterschiedlich hohe Fracht-
Wir kommen zur Frage VIII/7 — des Herrn Ab-
niveau zwischen Braugerste und Braumalz aus. geordneten Drachsler —:
Infolge des zunehmenden Bierkonsums in der Bun- Woran liegt es, daß die Mittel aus dem Grünen Plan für den
desrepublik ist jedoch damit zu rechnen, daß sich — Wirtschaftswegebau den Ländern und damit den unteren Be-
hörden in der Regel sehr spät zur Verfügung gestellt werden,
entsprechend der Entwicklung in den vergangenen so daß sie im laufenden Rechnungsjahr nicht mehr ganz verbaut
werden können?
Jahren — vor allem in Süddeutschland ein Mehr-
bedarf an Braumalz ergibt, der annähernd die Menge Bitte, Herr Bundesminister.
erreicht, die im innerdeutschen Markt von Süden
nach Norden befördert wird. Dadurch dürften die in Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land-
Süddeutschland ansässigen Mälzereien ihre Kapa- wirtschaft und Forsten: Die Bundesmittel aus dem
zitäten im gleichen Umfang ausnutzen können wie Grünen Plan für den Wirtschaftswegebau werden
vor der Senkung der Getreidefrachten. den Ländern in jedem Jahr von meinem Ministe-
Der Anteil, den die Bundesbahn an den inner- rium so frühzeitig wie nur möglich zur Verfügung
deutschen Malztransporten besitzt, ist wesentlich gestellt, um die Baubehörden in den Stand zu set-
geringer als derjenige der Binnenschiffahrt. Ein gro- zen, bei Eintritt offenen Wetters mit den Baumaß-
ßer Teil des Braumalzes wird außerdem im Werk- nahmen beginnen zu können. So sind z. B. von den
verkehr befördert. Die Frachtsenkung für Getreide Bundesmitteln des Rechnungsjahres 1961 bereits am
23. Januar 1961 90 % des Vorjahresansatzes bereit-
bei der Bundesbahn wirkt sich also nur für einen
gestellt worden. Die volle Zuteilung der Bundesmit-
geringen Anteil der innerdeutschen Malztransporte
tel mit 100 % erfolgte nach Verabschiedung des
aus. Er dürfte, wenn man die Vergünstigungen beim
Haushaltsgesetzes am 10. Januar 1961.
Transport der Braugerste gegenüberstellt, nicht so
erheblich sein, daß er zu tiefgreifenden Verände- Im Jahre 1962 sind von den zur Verfügung stehen-
rungen in der Wettbewerbslage der deutschen Mäl- den 80 Millionen DM sämtliche Mittel bis auf einen
zereien führt. Jedenfalls halten sich die Verschie- Rest von 116 000 DM fristgerecht zur Verfügung ge-
bungen in dem Rahmen, der mit Inkrafttreten der stellt worden; die 116 000 DM sind wegen des Wet-
EWG-Getreidemarktordnung auch bei den übrigen ters hängengeblieben.
getreideverarbeitenden Industrien gegeben ist. Die Bundesmittel für das laufende Rechnungsjahr
Die Frage, ob und in welchem Umfang Wettbe- sind bereits am 31. Januar dieses Jahres mit 90%
werbsverschiebungen infolge der Senkung der Ge- des Vorjahresansatzes - allerdings mit dem Vor-
treidefrachten durch die Bundesbahn und den ge- behalt der endgültigen Verabschiedung des Bundes-
werblichen Güterfernverkehr sowie durch die Ge- haushaltsplans — den Ländern zur Verfügung ge- -
währung einer Frachthilfe für Getreide entstanden stellt worden.
sind, wird im einzelnen bei der Beratung des An- Ich bin bemüht, die Bundesmittel so frühzeitig wie
trages der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP nur möglich den Ländern zur Verfügung zu stellen,
— Bundestagsdrucksache IV/1236 — zu behandeln damit Verzögerungen im Baufortschritt vermieden
sein. Ob und in welchem Umfang dann Korrekturen werden.
erforderlich sind, wird der Entscheidung des Hohen
Hauses vorbehalten bleiben.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen,
Im übrigen hatte die Bundesbahn auf Anregung Herr Bundesminister.
der deutschen Braumalzindustrie einen Antrag auf
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Ge-
Genehmigung eines Ausnahmetarifes für Braumalz
schäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und
vorgelegt. Dieser mußte jedoch auf Einspruch ein-
Sozialordnung. Ich rufe die Frage IX/1 — des Ab-
zelner süddeutscher Mälzereien zurückgezogen wer- geordneten Schmidt (Braunschweig) — auf:
den, weil sich diese durch den Ausnahmetarif in
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Pressemeldungen zufolge
ihrer Wettbewerbslage benachteiligt fühlten. Es ist südländische Gastarbeiter aus Unkenntnis der deutschen Natur-
damit zu rechnen, daß die Bundesbahn in Kürze er- schutzbestimmungen häufig durch Fangen von Singvögeln und
anderen wildlebenden Tieren immer wieder gegen diese Be-
neut einen abgeänderten Entwurf für einen Aus- stimmungen verstoßen?
nahmetarif vorlegen wird. Herr Bundesminister, darf ich bitten.

Vizepräsident Dr. Jaeger: Diese beiden Fra- Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
gen sind erledigt. nung: Ich möchte die beiden Fragen des Herrn Ab-
Ich rufe auf Frage VIII/5 - des Herrn Abgeord- geordneten Schmidt zusammen beantworten, da sie
neten Dr. Vogel —: in einem Zusammenhang stehen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3829

verursachte Zerreißung von Tausenden von Familien im Baye-


Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr. Dann rischen und Oberpfälzer Wald zukünftig zu verhindern oder
rufe ich die Frage IX/2 — des Abgeordneten Schmidt mindestens einzuschränken?
(Braunschweig) — ebenfalls auf:
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Gastarbeiter
über die deutschen Naturschutzbestimmungen aufzuklären? nung: Der Bundesregierung ist bekannt, daß in den
industriearmen Grenzgebieten der Bundesrepublik
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Deutschland ein Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung
nung: Die Pressemeldungen, nach denen ausländi- darauf angewiesen ist, eine Arbeit außerhalb des
sche Arbeitnehmer häufig gegen die deutschen Wohnortes aufzunehmen. Das hat zur Folge, daß je
Jagd und Tierschutzbestimmungen verstoßen, sind
-
nach der räumlichen Entfernung zwischen Wohnort
der Bundesregierung bekannt. Allerdings liegen zu- und Arbeitsplatz Familienväter und andere Fami-
verlässige Feststellungen über das Ausmaß solcher lienangehörige vorübergehend von ihren Familien
Verstöße nicht vor. getrennt sind. Eine solche Trennung ist angesichts
der von der Bundesregierung verfolgten Familien-
Dessen ungeachtet ist die Bundesregierung in Zu-
politik unerwünscht, läßt sich aber nicht unter allen
sammenarbeit mit den Organisationen des Natur-
Umständen vermeiden.
schutzes, des Jagdschutzes und des Tierschutzes
schon seit langem bemüht, die in Deutschland be- Die Bundesregierung ist seit Jahren mit Erfolg
schäftigten ausländischen Arbeitnehmer über die bemüht, die Zahl der Familientrennungen nach Mög-
deutschen Naturschutzbestimmungen aufzuklären. lichkeit zu vermindern und die familienfeindlichen
Zu diesem Zweck wurde folgendes veranlaßt. In Auswirkungen der auswärtigen Beschäftigung mög-
den Warteräumen der deutschen Anwerbekommis- lichst zu mildern. So hat sie in ,den letzten Jahren
sionen im Ausland wunden Plakate angebracht, die ständig die Ansiedlung von Industriebetrieben und
damit die Schaffung von Arbeitsplätzen am Fami-
darauf hinweisen, daß der Vogelfang nach deut-
schem Recht verboten ist. Ferner werden die aus- liensitz der Arbeitnehmer finanziell gefördert. Diese
ländischen Arbeitnehmer immer wieder in den für Maßnahmen wurden durch den Bau von familien-
gerechten Wohnungen in der Nähe der Arbeits-
sie bestimmten Presseorganen auf die deutschen
plätze unterstützt. Wegen näherer Einzelheiten
Naturschutzbestimmungen hingewiesen. Die neue-
ste Auflage des Ratgebers für die italienischen Ar- hierzu darf ich Sie auf die 1961 erschienene Schrift
meines Ministeriums „Die Standortwahl der Indu-
beitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, der
inalenübrdiutschAwekomin striebetriebe in der Bundesrepublik Deutschland im
Zeitraum von 1955 bis 1960" verweisen. Die ent-
Italiengworb ischenAtkräf
sprechenden Unterlagen für die Jahre 1961 und 1962
ausgehändigt wird, enthält einen Hinweis auf
sind leider noch nicht vollständig ausgewertet. Ich
die deutschen Naturschutzbestimmungen. Gegen-
kann Ihnen jedoch in bezug auf die in Ihrer Frage
wärtig wird durch die Dienststellen der Bun-
angesprochenen Gebiete sagen, daß in den Arbeits-
desanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeits- amtsbezirken Cham, Marktredwitz, Schwandorf,
losenversicherung und die Organisationen zur Weiden, Deggendorf und Passau allein im Jahre 1961
Betreuung der ausändischen Arbeitnehmer ein 25 industrielle Neuansiedlungen mit 2445 Arbeits-
in italienischer Sprache verfaßtes, vom deut- plätzen zu verzeichnen waren.
schen Jagdschutzverband herausgegebenes Merk-
blatt über die deutschen Tierschutzbestimmun- Die Bundesregierung wird auch weiterhin die In-
dustrieansiedlung im Bayerischen und Oberpfälzer
gen an die italienischen Arbeitnehmer in der Bun-
Wald fördern. Die bisherigen Bemühungen der Bun-
desrepublik Deutschland verteilt.
desregierung hatten den Erfolg, daß die Zahl der
Die Bundesregierung wird sich auch i n Zukunft Arbeitskräfte, die aus den in Ihrer Frage erwähnten
angelegen sein lassen, die ausländischen Arbeiter Arbeitsamtsbezirken nach auswärts vermittelt wur-
in Deutschland über die Vorschriften des Natur- den, ständig zurückgegangen ist. Hierzu möchte ich
schutzes aufzuklären. Vor allem wird sie die aner - nur die nachfolgenden Beispiele anführen. Betrach-
kennenswerten Bemühungen der Organisationen ten Sie einmal die Zahl der Auswärtsvermittlungen.
des Naturschutzes, des Jagdschutzes und des Tier- Sie betrugen in Weiden im Jahre 1959 702, 1962
schutzes auf diesem Gebiet weiterhin nach Kräften nur noch 130, in Cham im Jahre 1959 3336, 1962 nur
unterstützen. noch 1634, in Deggendorf 1959 2802, 1962 nur noch
884, in Passau 1959 2574, 1962 nur noch 747, in
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe auf die Pfarrkirchen 1959 1180, 1962 nur noch 330. Beson-
Frage IX/3 — des Abgeordneten Fritsch —: ders bemerkenswert ist dabei, daß die Arbeitsver-
Hält die Bundesregierung den Zustand, daß im Bayerischen und
waltung die weitaus meisten Arbeitnehmer aus die-
Oberpfälzer Wald jährlich Tausende von Familienvätern durch sen Arbeitsamtsbezirken in angrenzende Arbeits-
Auswärtsvermittlung von ihren Familien getrennt werden, mit
einer gerechten Familienpolitik für vereinbar? amtsbezirke oder innerhalb des Landesarbeitsbezirks
vermittelt hat, so daß ihnen ein tägliches, zumindest
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- aber wöchentliches Pendeln von .der Arbeitsstätte
nung: Kann ich die nächste Frage des Herrn Abge- zu ihren Familien möglich ist.
ordneten Fritsch gleich mit beantworten? Auf Grund dieser Tatsachen glaube ich dargetan
zu haben, daß die Bundesregierung alle Anstrengun-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr. Frage gen gemacht hat, die familienungünstigen Auswir-
IX/4 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —: kungen der auswärtigen Beschäftigung von Arbeit-
nehmern der industriearmen Grenzgebiete zu mil-
Gedenkt die Bundesregierung geeignete Schritte zu unterneh-
men, um die durch die Auswärtsvermittlung von Arbeitskräften dern.
3830 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage? Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine letzte Zusatz-
—Bitte sehr, Herr Abgeordneter Fritsch. frage!

Fritsch (SPD) : Herr Minister, ist Ihnen bekannt, Fritsch (SPD) : Herr Minister, sehen Sie keine
daß z. B. gerade heute die „Süddeutsche Zeitung" Möglichkeit, mindestens auf dem Wege der Aus-
eine Meldung bringt, derzufolge in den Arbeits- legung des § 78 Abs. 5 AVAVG die Arbeitsämter
amtsbezirken Deggendorf und Passau je 5000 Ar- zu veranlassen, die Bestimmungen, die besagen, daß
beitnehmer auspendeln oder auswärtige Arbeit auf- keine Sperrfrist verhängt werden darf bei einer
nehmen, und daß neben der von den Arbeitsämtern Arbeitsaufnahme, bei der die sonstige Versorgung
nach auswärts vermittelten Zahl eine außerordent- der Familie nicht gesichert ist, in weitgehendem
lich große Zahl von Arbeitssuchenden bzw. Arbeits- Maße zugunsten der Betroffenen anzuwenden, die
losen, nachdem sich ihnen in ihrer Heimat keine auswärtige Arbeit unter Hinweis auf die sowohl in
Arbeitsmöglichkeit bietet, selber eine auswärtige wirtschaftlicher als auch in sonstiger Hinsicht nicht
Arbeit gesucht haben und insofern die von Ihnen genügende Versorgung ablehnen.
genannten reduzierten Zahlen den wirklichen Tat-
beständen nicht ganz entsprechen? Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
nung: Da das Geschehen in den Arbeitsämtern bis
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- hinauf zur Bundesanstalt weitgehend von der Selbst-
nung: Herr Kollege, ich habe die „Süddeutsche Zei- verwaltung bestimmt wird, bin ich der festen Über-
tung" heute nicht gelesen; aber auch wenn ich sie zeugung, daß man das so extensiv wie möglich im
gelesen hätte, würde ich zu den dort angegebenen Interesse der Betreffenden tut.
Zahlen hier nicht Stellung nehmen, denn ich habe
mir angewöhnt, solche Dinge erst sehr genau auf
ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Ich muß Sie also Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage
hier um Geduld bitten. des Abgeordneten Folger.

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- Folger (SPD) : Herr Minister, ist Ihnen bekannt,
frage! daß die Notwendigkeit der Auswärtsvermittlung
der Arbeitskräfte im Bayerischen Wald hauptsäch-
Fritsch (SPD) : Herr Minister, ungeachtet Ihrer lich auf die unterschiedlichen klimatischen Verhält-
Darstellung darf ich die Frage stellen, ob Sie der nisse zurückzuführen ist, daß dieselben Arbeitskräf-
Meinung sind, daß Art. 6 unseres Grundgesetzes, te etwa vier Wochen später in ihrer Heimat eine
der die Familie und die Pflege und Erziehung der Arbeit finden könnten, daß aber das Arbeitsamt sie
Kinder als das natürliche Recht der Eltern unter vorher woandershin vermittelt hat? Wäre es nicht
den Schutz der staatlichen Ordnung stellt, bei den möglich, auf die Arbeitsverwaltung dahin einzuwir-
im Bayerischen und Oberpfälzer Wald gegebenen ken, daß diese unterschiedlichen klimatischen Ver-
und dargestellten Zuständen gewahrt ist? hältnisse berücksichtigt werden?

Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
nung: Ich bin durchaus der Meinung, daß ich die nung: Herr Kollege, das ist mir ehrlich gestanden
Frage mit Ja beantworten kann; denn daß es unter- etwas zu kompliziert. Wenn jemand keine Arbeit
schiedliche wirtschaftliche Verhältnisse nun einmal hat, muß sich doch das Arbeitsamt darum bemühen,
gibt und damit unterschiedliche Möglichkeiten, ihm eine zu verschaffen. Wenn sich das nun ermög-
Arbeitsplätze zu schaffen, ist bekannt. Das steht
lichen läßt, wie ich soeben dargetan habe, dann ist
nicht im Gegensatz zu den Bestimmungen unseres
doch zunächst einmal für den Betroffenen gesorgt.
Grundgesetzes. Wir haben uns, wie ich eben in
Man kann doch nicht sagen: das Arbeitsamt unter-
Zahlen dargetan habe, sehr bemüht, Abhilfe zu
läßt die Bemühung, ihm einen Arbeitsplatz zu ver-
schaffen, und werden das auch in Zukunft tun. Ich
schaffen, weil es von der Tatsache ausgeht, daß
glaube, wir haben damit unsere Pflicht erfüllt.
unter Umständen in vier Wochen die klimatischen
Verhältnisse eine andere Situation schaffen. Es
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu- steht ja den Arbeitskräften völlig frei, nach vier
satzfrage! Wochen bei dem einen Arbeitgeber zu kündigen
und dann dort tätig zu sein, wo die klimatischen
Fritsch (SPD) : Herr Minister, ist Ihnen bekannt, Verhältnisse am Ort es ihnen gestatten.
daß sich auch kirchliche Stellen — ich nenne hier
nur das Bistumsblatt der Diözese Passau — gegen
diese Zustände bei Arbeitsaufnahmen auswärts mit Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz-
den familienpolitischen Folgen gewandt haben? frage!

Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Folger (SPD) : Herr Bundesminister, sehen Sie
nung: Ich muß auch darauf antworten, daß ich das eine Möglichkeit, das Problem der auswärtigen Ar-
Bistumsblatt von Passau nicht gelesen habe. Den beitsvermittlung dadurch zu lösen, daß die vorwie-
Tatbestand selber glaube ich ausführlich behandelt gend ungelernten und angelernten Arbeitskräfte zu
zu haben. Ich habe auch dargetan, was wir zur Be- Facharbeitern fortgebildet werden und dann an Ort
hebung der Notstände bisher unternommen haben. und Stelle verwendet werden können?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3831

Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
nung: Selbstverständlich, aber dabei wäre zu prü- nung: Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Die
fen, ob es nicht genauso schwer ist, Arbeitsplätze :in Zustimmung zur Gewährung einer Leistung im Wege
den gelernten Berufen zu vermitteln wie in den un- des Härteausgleichs gemäß § 89 Abs. 1 des Bundes-
gelernten Berufen. Natürlich ist es Aufgabe der versorgungsgesetzes ist in einer großen Anzahl von
Arbeitsverwaltung, auch berufliche Weiterbildung Fällen erteilt worden. Die Fälle sind sehr verschie-
zu betreiben und damit den Betroffenen in die Lage denartig. Es handelt sich in der Regel um reine Ein-
zu versetzen, eine andere Tätigkeit als die bisheri- zelentscheidungen. Wir haben uns die Mühe ge-
ge auszuüben. Die Bemühungen der Bundesanstalt macht, die in den letzten Jahren ergangenen Ent-
auf diesem Gebiet sind hinreichend bekannt und scheidungen nach Fallgruppen zusammenzustellen.
sehr lobenswert. Es sind insgesamt 36 Gruppen. Ich bitte Sie um Ver-
ständnis dafür, wenn ich diese lange Liste hier nicht
vorlese. Ich bin aber gern bereit, Herr Kollege
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter Fritsch, Ihnen diese Aufstellung, die ich hier bei
Bading zu einer Zusatzfrage! mir habe, zu überlassen.

Bading (SPD) : Herr Minister, halten Sie, unge- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage?
achtet der Verhältnisse im Bayerischen Wald, die
bisherigen Bemühungen der Bundesregierung um
die Schaffung von neuen gewerblichen Arbeitsplät- Fritsch (SPD) : Herr Minister, hätten Sie nicht
Verständnis dafür, wenn ich Sie darum bäte, nur
zen in, sagen wir einmal, nicht vollentwickelten
einige wenige dieser Gruppen, die wichtigsten Grup-
Gebieten der Bundesrepublik für ausreichend?
pen vielleicht, schon jetzt zu nennen?

Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
nung: Das wäre eine Frage, die sich eigentlich an die nung: Ja, aber es ist mir unmöglich, zu sagen, welche
Wirtschaftspolitik und damit an den Wirtschafts- unter den 36 die wichtigste ist.
minister richten würde. Aber ich will Ihnen nicht aus-
weichen. Ich will sagen: wenn Sie den gigantischen
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich glaube, es liegt
Aufbau der Wirtschaft in Deutschland sehen, wo wir
auch im Interesse des Hauses an der Fragestunde,
über 7 Millionen neue Dauerarbeitsplätze geschaf-
daß allzu umfangreiche Antworten nicht hier, son-
fen haben, werden Sie mir zugeben, daß wir Er-
dern schriftlich gegeben werden.
hebliches geleistet haben und auf diese Leistung so-
gar sehr stolz sein können.
Fritsch (SPD) : Ich bin damit einverstanden.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz-
frage. Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
nung: Ich will Ihnen die Liste gern zur Verfügung
stellen.
Bading (SPD) : Herr Minister, ich habe Sie nicht
nach den bisherigen Leistungen der Bundesregie-
rung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen allge- Vizepräsident Dr. Jaeger: Sie kommt ins Pro-
mein gefragt, sondern nach der Schaffung von Ar- tokoll, wenn sie uns gegeben wird, so daß der Frage-
beitsplätzen in Gebieten, in denen die gewerblichen steller damit zufrieden sein kann. *)
Arbeitsmöglichkeiten noch zu gering sind. Wir kommen zur Frage IX/6 — des Abgeordne-
ten Dr. Wuermeling —:

Trifft die im „Wirtschaftsbild" vom 24. Mai 1963 verbreitete


Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Meldung zu, derzufolge im Bundesarbeitsministerium bei der
nung: Darauf darf ich noch einmal antworten: die dÜbergtsamnug
Aufgaben aus der Kindergeldgesetz-
gebung auf die Bundesanstalt in Nürnberg mit einer Verminde-
bisherigen Leistungen deuten darauf hin, daß die rung der Verwaltungsausgaben von 4,5 % auf 3 % gerechnet
wird, nachdem die Verwaltungsausgaben der Familienausgleichs-
Bundesregierung auf 'diesem Gebiete das ihr Men- kassen im Jahre 1960 bei 2,3 %, im Jahre 1961 bei 2,4 % und im
schenmögliche getan hat und daß sie eine Nachprü- Jahre 1962 sicher auch unter dem bei der Bundesanstalt erwar-
teten Satz von 3 % lagen?
fung dieser Dinge nicht zu scheuen braucht. Aber
auch sie wird mit gewissen Gegebenheiten immer Herr Bundesminister, bitte.
rechnen müssen. Wie ich schon dargetan habe, sind
eben die Möglichkeiten unterschiedlich, weil das Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
Leben und alle Lebensvorgänge unterschiedlich sind. nung: Herr Kollege Wuermeling! Übernimmt die
Bundesanstalt — was ja zweifelhaft sein kann nach
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur dem derzeitigen Stand der Beratung der Gesetz-
Frage IX/5 — des Abgeordneten Fritsch —: gebung — auch die Gewährung des Kindergeldes
für dritte und weitere Kinder, so ist mit Verwal-
In welchen Härtefällen in der Kriegsopferversorgung, die nach tungskosten von etwa 3 % der Aufwendungen zu
§ 89 Abs. 1 BVG zu beurteilen sind, ist, mit Ausnahme der
Fälle, für die nach § 89 Abs. 3 BVG bereits eine allgemeine rechnen. Dies ist der Begründung des Entwurfs
Zustimmung des Bundesarbeitsministers vorliegt, Härteausgleich
gewährt worden? eines Bundeskindergeldgesetzes zu entnehmen.
Herr Bundesminister, bitte. *) Siehe Anlage 2
3832 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Bundesminister Blank
Zu dem Vergleich mit den bei den Familienaus- kindergeldes —, als wir damals dazu kamen, die
gleichskassen entstandenen Verwaltungskosten, die verwaltungsmäßige Durchführung von der Bundes-
mit 2,4 % im Jahre 1961 richtig angegeben worden anstalt übernehmen zu lassen, hier in diesem Hohen
sind, ist folgendes zu bemerken. Auch bei den Hause und damit vor der Öffentlichkeit dem Ver-
Familienausgleichskassen betrugen die Verwal- band der Kindergeldkassen mehrfach meinen Dank
tungskosten in der ersten Zeit nach der Errichtung für die vorbildliche Arbeit und auch dafür ausge-
dieser Kassen etwa 3 %. Erfahrungsgemäß liegen sprochen habe, daß es doch mit relativ geringen
diese Kosten nach der Übernahme einer neuen Auf- Kosten geschehen ist. Die Propaganda gegen diese
gabe durch eine Verwaltung zunächst über der Höhe, Ausgleichskassen besteht völlig zu Unrecht.
die erreicht wird, nachdem der Verwaltungsapparat
sich eingespielt hat. So wird man auch hier mit Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe die Frage
einem späteren Rückgang der Kosten bei der Bun- IX/7 — des Abgeordneten Diebäcker — auf:
desanstalt rechnen können.
Beabsichtigt die Bundesregierung, Maßnahmen zu treffen, die
Aber: die geringe Höhe der Verwaltungskosten Spätestheimkehrer, welche nach Beendigung ihrer nach der Ent-
lassung aus der Kriegsgefangenschaft begonnenen oder fort-
bei den Familienausgleichskassen erklärt sich auch gesetzten Berufsausbildung erstmalig sozialversicherungspflichtig
noch daraus, daß etwa ein Drittel der Kassen die werden und in der Folgezeit die untere Pflichtversicherungsgrenze
von mindestens 60 Kalendermonaten innerhalb von 10 Jahren
Auszahlung des Kindergeldes den Arbeitgebern infolge Gehaltssteigerung über die Jahresarbeitsverdienstgrenze
von 15 000 DM nicht mehr erreichen, in den Stand zu versetzen,
überlassen hat. Insoweit fällt die Verwaltungsarbeit sich freiwillig in der Sozialversicherung weiterzuversichern?
also bei den Betrieben an. Andere Kassen lassen das
Kindergeld bei den Postämtern abholen. Die Bundes- Bitte, Herr Bundesminister.
anstalt dagegen läßt das Kindergeld — soweit nicht
Überweisung auf ein Bankkonto verlangt wird — Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
durch die Post zustellen. Diese Art der Auszahlung nung: Herr Kollege Diebäcker, bei der in Aussicht
wird zwar allgemein als fortschrittlich begrüßt, ist genommenen Novelle zur Beseitigung von Härten
aber teurer als das Abholen bei der Post; denn die auf dem Gebiet der Rentenversicherungen werden
Zustellung von 50 DM durch die Post kostet 35 Pf, auch die Auswirkungen der Vorschriften über die
also etwa 0,7 % der Aufwendungen. freiwillige Weiterversicherung auf bestimmte Son-
derfälle eingehend geprüft werden. Im Zusammen-
Drittens erfordert die Zahlung des Kindergeldes hang damit wird die von Ihnen erwähnte Frage der
durch die Bundesanstalt auch deswegen höhere Ver- freiwilligen Weiterversicherung von Spätestheim-
waltungskosten, weil sie auch das Kindergeld für kehrern mit erörtert werden. Ich möchte Sie bitten,
Zweitkinder zu zahlen hat, wobei auch die Einkom- das Ergebnis dieser Prüfung abzuwarten.
mensverhältnisse der Berechtigten überprüft werden
müssen.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage.
Ich möchte zusammenfassend, Herr Kollege Wuer-
meling, sagen: Ich nehme nicht an, daß die Bundes-
anstalt mit weniger Verwaltungskosten auskommt Diebäcker (CDU/CSU) : Läßt es sich schon über-
als die bisherigen Kindergeldkassen, sondern ich sehen, Herr Minister, in welchem Zeitraum etwa
glaube, daß es, wie ich soeben dargetan habe, im man hier zu ganz konkreten Folgerungen kommt?
Laufe der Zeit, wenn Anlaufschwierigkeiten über-
wunden sind, wirklich etwa auf dasselbe hinausläuft. Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
Ich möchte abschließend sagen: Die Verwaltungs- nung: Ja, Herr Kollege, — und zwar würde diesen
kosten der Kindergeldkassen waren bemerkenswert Zeitraum das Hohe Haus selbst bestimmen. Ich habe
gering. hier mehrfach erklärt, daß es die Absicht der Bun-
desregierung ist, wenn so bedeutsame Sozialgesetz-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- entwürfe wie die Krankenversicherungs-Neurege-
frage Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling. lung und einige andere Entwürfe, die gegenwärtig
in der parlamentarischen Beratung sind, einen Stand
der Beratung erreicht haben, daß man mit ihrer bal-
Dr. Wuermeling (CDU/CSU) : Darf ich mit mei- digen Verabschiedung rechnen kann, rechtzeitig zu
nem Dank für die ausführliche Beantwortung der diesem Zeitpunkt eine Regierungsvorlage einzu-
Anfrage, Herr Kollege Blank — wenn ich im Über- bringen mit dem Vorschlag, all das in der Renten-
gang noch „Herr Kollege" sagen darf —, die Frage gesetzgebung auszumerzen oder zu ändern, was sich
verbinden, ob Sie es nicht mit mir begrüßen, daß im Laufe der Zeit an — ich möchte mich einmal vor-
dieser Propaganda, die jahrelang mit einem angeb- sichtig ausdrücken — Unzuträglichkeiten, Unbe-
lich so hohen Verwaltungskostenaufwand der Fa- quemlichkeiten oder Unebenheiten herausgestellt
milienausgleichskassen betrieben worden ist, durch hat. Aber ich glaube nicht, daß ich in der Lage wäre,
diese Klarstellung hier in der Fragestunde einmal ein solches Gesetzgebungswerk vorzulegen, wenn
öffentlich entgegengetreten werden konnte? ich vor der Tatsache stünde, daß eine Verabschie-
dung für die laufende Legislaturperiode nicht mehr
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- in Frage käme, weil der entsprechende Fachaus-
nung: Gern. Ich darf aber auch darauf hinweisen, schuß hoffnungslos mit seiner Arbeit überlastet ist.
Herr Kollege Wuermeling, daß ich bei Behandlung
des Kindergeld-Neuregelungsgesetzes und bei ähn- Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz-
lichen Anlässen — z. B. bei Einführung des Zweit- frage Herr Abgeordneter Diebäcker.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3833

Diebäcker (CDU/CSU) : Darf ich fragen, Herr Deutschland wohnen, aber in der Schweiz beschäf
Minister, ob Sie persönlich der Auffassung sind, daß tigt sind. Darunter fallen zwar auch die Genzgänger
in diesem konkreten Fall eine Reform dringend not- im engeren Sinne, aber eine besondere Be-
wendig ist, und ob Sie demgemäß demnächst in die griffsbestimmung des Grenzgängers im Text
Regierungsvorlage Derartiges aufnehmen werden? des Abkommens ist dafür nicht nötig. im
Gegenteil: wenn die Regelung auf bestimmte
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Grenzgänger beschränkt würde, die in den
nung: Herr Kollege, es würde zu weit gehen, im Grenzgebieten wohnen oder sonst besondere
Zusammenhang mit all den Fragen, die da geregelt Voraussetzungen erfüllen, wäre dies ein Nachteil.
werden müssen, heute schon ganz präzise in einem Daß die EWG besondere Rechtsvorschriften für
Punkt zu sagen: Wir machen diesen oder jenen Grenzgänger und einen engeren Grenzgängerbegriff
Vorschlag. Da wir das ganze Gebiet fortlaufend hat, ist auf den Wunsch ausländischer Staaten zu-
überprüfen und uns fortlaufend mit diesen Fragen, rückzuführen. Die Bundesregierung hat bisher kei-
die an uns herangetragen werden, beschäftigen, nen Grund gehabt, diesem Vorbild beim deutsch-
kann ich Ihnen nur eines Tages einmal, insgesamt schweizerischen Abkommen zu folgen.
gesehen, sagen, was nun alles bei dieser Gelegen-
heit, bei der ersten Überholung der Renten-Neu- Die Anliegen der deutschen Grenzgänger in der
regelungsgesetze von 1957, gebracht würde. Es wäre Schweiz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit ge-
falsch, wenn ich jetzt schon einen Detailpunkt hier hören zu den wichtigsten Problemen, um deretwillen
präzise beantwortete und sagte: Dies muß so oder die Bundesregierung die schweizerische Regierung
so geändert werden. Ich kann Ihnen nur sagen: um Revision des geltenden deutsch-schweizerischen
Diese Frage wird mit in den Kreis der Betrachtun- Sozialversicherungsabkommens gebeten hat. Bei den
gen gezogen. Darum hatte ich Sie auch gebeten, Sie Verhandlungen hat die deutsche Delegation z. B.
möchten doch bitte abwarten, bis das Ergebnis der vorgeschlagen, den Grenzgängern den vollen Schutz
Prüfung konkret vorliegt. Ich werde Sie gern auf der schweizerischen Krankenversicherung zu ge-
dem laufenden halten. währleisten, da sich das geltende Abkommen auf
die Renten- und Unfallversicherung beschränkt. Sie
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- hat ferner vorgeschlagen, den Grenzgängern die
frage Herr Abgeordneter Dröscher. Rehabilitationsmaßnahmen der schweizerischen
Rentenversicherung zur Verhütung und Beseitigung
von Invalidität zukommen zu lassen.
Dröscher (SPD) : Herr Minister, haben Sie Ver-
ständnis dafür, daß ein Spätestheimkehrer, der nach Ich kann hier nicht alle Vorschläge aufzählen. Ich
seiner Heimkehr aus russischer Gefangenschaft noch bitte aber, überzeugt zu sein, daß die Bundesregie-
sechs Jahre Tbc-krank gewesen ist, dann in den rung alles in ihren Kräften Stehende tun wird, die
Arbeitsprozeß eingegliedert wurde und wegen sei- Rechtsstellung des betroffenen Personenkreises ent-
ner langen Tbc-Erkrankung nicht versicherungs- scheidend zu verbessern. Der Erfolg ihrer Bemühun-
pflichtig geworden ist, seine soziale Sicherheit ge- gen hängt natürlich von der Bereitschaft der Schwei-
währleistet haben möchte? zer Regierung ab, unseren Vorschlägen zuzustim-
men.
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
nung: Herr Kollege, dafür habe ich volles Verständ- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage
nis. Käme man jetzt zu einer solchen gesetzlichen des Herrn Abgeordneten Faller.
Regelung — das ist doch eine bare Selbstverständ- -
lichkeit —, dann müßte sie so lauten, daß man ihm
später nicht sagen kann, er habe Antragsfristen ver- Faller (SPD): Herr Minister, in dem jetzt als
Arbeitsunterlage bei den Verhandlungen in der
säumt. Ich glaube, der Hinweis genügt. Daß die
Schweiz vorliegenden Dokument ist u. a. vorge-
Sache selbst einer Regelung bedarf, steht außer
sehen, daß seitens der Schweiz eine Alterssicherung
Zweifel.
nur gewährt wird, wenn der Betreffende in der
Schweiz wohnt. Halten Sie das für richtig?
Dröscher (SPD) : Danke, das wollte ich hören.

Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zu der Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
von dem Abgeordneten Faller gestellten Frage IX18: nung: Verzeihen Sie, das ist ein Vorschlag. Wenn
man Verhandlungen beginnt, dann legen die Ver-
Ist die Bundesregierung bereit, bei den Verhandlungen mit
der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den handlungspartner Vorschläge auf den Tisch, über
Abschluß eines Sozialabkommens darauf hinzuwirken, daß der
Begriff „Grenzgänger" miteingebaut, aber auch dafür Sorge ge
die verhandelt wird. Was das Ziel der Verhand-
dragenwi,ßltrmsoziaechnItr lungen deutscherseits ist, habe ich dargelegt. Das -t
im deutschen Grenzgebiet wohnhaften „Grenzgänger" berück-
sichtigt werden? Ziel geht dahin, einen möglichst umfangreichen
sozialen Schutz für die in der Schweiz beschäftigten
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Deutschen zu erreichen. Aber im gegenwärtigen
nung: Die Bundesregierung hält es nicht für zweck- Stand der Verhandlungen vermag ich noch nicht zu
mäßig, einen besonderen Begriff „Grenzgänger" in sagen, wieweit wir mit diesem unserem Begehren
das deutsch-schweizerische Abkommen aufzuneh- durchdringen werden. Es wäre höchst unklug, wenn
men. Die von der Bundesregierung erstrebte Rege- ich schon jetzt öffentlich sagen wollte, dieses oder
lung soll allen Personen zugute kommen, die in jenes, was die Schweizer Regierung uns als Vor-
3834 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Bundesminister Blank
schlag auf den Tisch gelegt hat, halte ich für nicht Ein entsprechender Beschluß der Kultusministerkonferenz über
die Anerkennung des Abschlußzeugnisses des Aufbaulehrganges
richtig. Ich bin der Meinung, der Austausch muß Wirtschaft als Nachweis der für den Besuch einer höheren Wirt-
schaftsfachschule verlangten Vorbildung wrd in Kürze erwartet.
über die Vorschläge am Verhandlungstisch erfolgen.
Bei der dargelegten Sachlage sind weitere Initiativen der
Das ist doch internationale Gepflogenheit. Bundesregierung nicht erforderlich.

Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts-


Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- bereich des Bundesministers für das Post- und Fern-
frage des Herrn Abgeordneten Faller. meldewesen.
Ich rufe auf die Frage XII/1 — des Abgeordneten
Faller (SPD) : Herr Minister, ich habe Sie also Berkhan —:
richtig verstanden: Sie sind der Meinung, daß man Gedenkt der Herr Bundespostminister sich für die postalische
Würdigung der 775-Jahrfeier des Hamburger Hafens durch die
jetzt noch nicht dazu Stellung nehmen kann. Nach Herausgabe einer Sonderbriefmarke einzusetzen?
Kenntnis der Vorlage glaube ich aber, Sie noch
fragen zu müssen, ob der Begriff „Grenzgänger" Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
nicht doch notwendig ist, weil nach dem jetzigen meldewesen: Herr Präsident, ich bitte damit einver-
Dokument der größte Teil der in der Schweiz standen zu sein, daß ich die drei Fragen des Herrn
arbeitenden Grenzgänger, die täglich die Grenze Kollegen Berkhan im Zusammenhang beantworte.
überschreiten, von diesem Abkommen überhaupt
nicht erfaßt wird. Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr.
Ich rufe also auf Frage XII/2:
Blank, Bundesminister für Arbeit und Sozialord- Was hat das Bundespostministerium veranlaßt, bisherige
Wünsche Hamburgs nach der Herausgabe von Sondermarken
nung: Herr Kollege, wir sind nach Prüfung der stets abzulehnen, selbst den Hinweis auf die Hamburger IGA,
was sich bei der Serie „Flora und Philatelie" geradezu anbot?
Angelegenheit bisher der Meinung, daß das nicht
vorteilhaft wäre, daß es vielmehr vorteilhaft wäre, Weiterhin rufe ich auf Frage XII/3:
mit der Schweiz zu einem Abkommen zu kommen, Sind Pressemeldungen zutreffend, wonach der Herr Bundespost-
minister gegenüber einem Mitglied des Hamburger Senats ge-
das nun den sozialen Schutz aller in der Schweiz äußert hat, er habe nicht mehr den Wuns ch , hamburgischen
beschäftigten deutschen Arbeitnehmer bringt, ganz Boden zu betreten?
gleich, ob sie die Grenze täglich überschreiten oder
nicht. Aber ich glaube, Herr Kollege, wenn Sie diese Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
Details interessieren, daß wir sie kaum mit Frage meldewesen: Ich habe an dieser Stelle bereits mehr-
und Antwort in der Fragestunde behandeln können. fach darauf hingewiesen, daß ich aus betrieblichen
Darüber müßte man sich doch einmal — vielleicht Gründen darauf bedacht sein muß, die Zahl der
auch zusammen mit den sachverständigen Beamten, Sonderpostwertzeichen möglichst niedrig zu halten.
die die Verhandlungen führen — länger unterhalten, Bei Beachtung dieses Grundsatzes könnte auch für
und dazu würde ich Sie gerne einladen, Herr Kollege die 775-Jahrfeier des Hamburger Hafens die Heraus-
Faller. gabe eines Sonderpostwertzeichens nicht gerecht-
fertigt werden. Im Rahmen einer Länderserie, die
Vizepräsident Dr. Jaeger: Keine Zusatzfrage. die bisherige Dauerserie ablösen soll, besteht aber
— Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. die Möglichkeit, den Wünschen Hamburgs zu ent-
sprechen. Es wird also für das 775jährige Jubiläum
Ich komme nun zu den Fragen aus dem Geschäfts- des Hamburger Hafens eine Sondermarke erschei-
bereich des Bundesministers für Verteidigung. nen. Der Senat von Hamburg ist davon bereits ver-
ständigt.
Ich rufe auf die Fragen X/1 und X/2 — des Ab-
geordneten Spies — Zur zweiten Frage. Zu dem Hinweis auf die IGA
Welche Bundesländer haben bisher die Abschlußzeugnisse der
darf ich bemerken, daß Messen, Ausstellungen und
Aufbaulehrgänge der Bundeswehrfachschulen als glei ch bere ch tigt ähnliche Veranstaltungen schon seit Jahren nicht
mit den Zeugnissen der staatlichen und staatlich anerkannten
höheren Schulen, die die sogenannte mittlere Reife einschließen, mehr zum Anlaß einer Herausgabe von Sonderpost-
anerkannt? wertzeichen gemacht werden. Um aber der Bedeu-
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine bundes-
einheitliche Anerkennung der Zeugnisse der Bundeswehrfach-
tung der „Internationalen Gartenbau-Ausstellung
schulen zu erwirken? 1963" in Hamburg gerecht zu werden, habe ich zum
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant- Tag der Eröffnung dieser bedeutenden Ausstellung
wortung einverstanden erklärt. Di e Antwort des eine Markenserie von vier Werten mit Blumen-
Herrn Bundesministers von Hassel vom 18. Juni 1963 motiven herausgegeben. Verbunden damit ist ein
lautet: Sonderpostamt und ein Sonderstempel.
Die Bundeswehrfachschulen führen Aufbaulehrgänge in den Zur dritten Frage. Es ist mir nicht erinnerlich, je-
Fachrichtungen Verwaltung, Technik und Wirtschaft durch. mals eine solche Äußerung gemacht zu haben.
Das Abschlußzeugnis des Aufbaulehrganges Verwaltung haben
die Bundesressorts und die für das Beamtenrecht zuständigen
Ressorts der Länder als Nachweis eines ausreichenden Bildungs-
standes für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst einer Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage?
Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Dienstes anerkannt.
Die Bundeslaufbahnverordnung und die Laufbahnverordnungen
— Herr Abgeordneter Berkhan!
einiger Länder enthalten bereits entsprechende Bestimmungen.
Da einige Verwaltungen sonst nur Bewerber mit Abitur anneh-
men, geht also die Anerkennung des Abschlußzeugnisses der Berkhan (SPD) : Herr Bundesminister, darf ich
Bundeswehrfachschule erfreulich weit. Das Abschlußzeugnis des
Aufbaulehrganges Technik hat die Ständige Konferenz der dann annehmen, daß der Fußballfreund Stücklen sich
Kultusminister der Länder als Nachweis der für die Aufnahme
in eine Ingenieurs ch ule erforderlichen gehobenen allgemeinen
in meiner Vaterstadt wieder sehen läßt, sofern ihm
und fachtheoretischen Bildung anerkannt. ein großes Fußballspiel dazu Anlaß gibt?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3835

Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
meldewesen: Ja, sobald der HSV sich wieder fängt meldewesen: Postangehörige, die im Zusammenhang
und es Wert hat, nach Hamburg zu fahren. mit Rationalisierungsmaßnahmen von ihren bisheri-
gen Dienststellen nach anderen Orten versetzt wer-
(Heiterkeit.)
den müssen, können ohne Verletzung des Gleich-
heitsgrundsatzes nicht anders behandelt werden als
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- alle anderen versetzten Beamten. Ihnen kann des-
frage des Herrn Abgeordneten Berkhan. halb nach den allgemein geltenden beamtenrecht-
lichen Vorschriften weder Trennungsentschädigung
Berkhan (SPD) : Herr Bundesminister, darf ich noch Fahrtkostenersatz an Stelle von Trennungs-
Ihre Bemerkung über den HSV so auffassen, daß Sie entschädigung gewährt werden, wenn sie wegen
es wünschen, daß der HSV sich wieder fängt? eines Eigenheimes oder aus anderen persönlichen
(Erneute Heiterkeit.) Gründen einen Umzug an den neuen Dienstort ab-
lehnen. Auch auf Grund der erst im Januar dieses
Jahres vom Herrn Bundesminister des Innern mit
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
meldewesen: Genauso dürfen Sie es auffassen. Zustimmung des Haushaltsausschusses dieses
Hauses bekanntgegebenen Richtlinien über die Ge-
(Anhaltende Heiterkeit.) währung eines Zuschusses zu den Kosten für Fahr-
ten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienst-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage stätte in besonderen Fällen kann den Betroffenen
des Herrn Abgeordneten Schwabe. in derartigen Fällen leider kein Zuschuß gewährt
werden, weil auch hierfür Voraussetzung ist, daß
Schwabe (SPD) : Sind Sie bereit, Herr Minister, der Beamte beabsichtigt, Wohnung am Dienstort
auch aus dem Bereich der Bezirksliga eine Frage ent- zu nehmen. Ich kann daher diesen Postbediensteten
gegenzunehmen, die sich aber auf die Briefmarken keine Freifahrten gewähren.
bezieht? Billigen Sie es, daß die von Ihnen in Aus- Ich bin gern bereit, die zweite Frage 2u prüfen.
sicht gestellte Herausgabe einer Sondermarke dem
sozialdemokratischen Landrat und Bundestagsabge- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage.
ordneten abgelehnt wird, daß man dann aber später
in der Zeitung liest, nachdem sich nun der christlich-
Schwabe (SPD) : Ich frage Sie, ob Sie nicht auch
demokratische Bundestagsabgeordnete darum be-
der Ansicht sind, daß die Verweigerung derartiger
müht habe, komme die Sache zum Zuge? Halten Sie
Freifahrten mit dazu beiträgt, Ihnen die Personal-
das für gut? schwierigkeiten gerade in \den niedriger besoldeten
Gruppen zu erhöhen.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Einen Augenblick!
Wo soll das gewesen sein? Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
meldewesen: Herr Kollege, ich kann das nicht be-
Schwabe (SPD) : Das betrifft das Kloster Lorch. streiten und ich bin auch gern bereit, soweit sich
die Möglichkeit bietet, an einer Änderung der bis-
herigen Richtlinien im Sinne einer Verbesserung
Vizepräsident Dr. Jaeger: Also, meine Damen mitzuarbeiten.
und Herren, das steht nicht in innerem Zusammen-
hang mit den drei hier gestellten Fragen. Ich kann -
damit die Frage nicht zulassen. Diese Frage müssen Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme damit
Sie als eine neue Frage für die nächste Fragestunde zur Frage XII/6 — des Abgeordneten Peiter — :

einbringen. Welche Anordnungen beabsichtigt die Bundesregierung zu


treffen, damit sichergestellt wird, daß in Landgemeinden von
öffentlichen Fernsprechern aus auch außerhalb der für die Post-
Ich komme nun zu der Frage XII/4 — des Abge- stellen festgesetzten Öffnungszeiten Gespräche geführt werden
ordneten Schwabe —: können?

Ist der Bundesregierung bekannt, daß Postangehörige, die im Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen nur in Dienst-
stellen außerhalb ihres Wohnortes beschäftigt werden können
und die ihren Umzug wegen eines Eigenheimes oder aus anderen
Gründen ablehnen, durch die ihnen täglich entstehenden Fahr- Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
kosten zusätzlich zu dem entstehenden Zeitverlust stark belastet
werden?
meldewesen: In ländlichen Gebieten der Bundes-
republik bestehen folgende öffentliche Sprechstel-
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern- len: etwa 10 000 gemeindliche öffentliche Sprechstel-
meldewesen: Herr Präsident, ich bitte, damit ein- len, etwa 1400 öffentliche Sprechstellen bei Post-
verstanden zu sein, daß ich die beiden Fragen zu- hilfsstellen, etwa 12 300 öffentliche Sprechstellen bei
Poststellen II, etwa 8300 öffentliche Sprechstellen
sammenfasse.
bei Poststellen I, weiter eine verhältnismäßig kleine
Zahl von öffentlichen Sprechstellen mit Fernwahl
Vizepräsident Dr. Jaeger: Jawohl. Ich rufe Münzfernsprechern.
also auf die Frage XII/5 — des Abgeordneten
Schwabe —: Zur Dienstbereitschaft der öffentlichen Sprechstel-
Ist die Bundesregierung bereit, die Möglichkeit von Freifahrten
len mit gewöhnlichen Apparaten ist folgendes zu
auf Kraftpostlinien von und zur Arbeitsstätte für Postbedienstete, sagen. Früher wurde von den Inhabern der Sprech-
die einen Umzug wegen eines Eigenheimes oder aus anderen
Gründen ablehnen, betrieblich und finanziell zu prüfen? stellen, ohne daß hierfür eine besondere Entschädi-
3836 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Bundesminister Stücklen
gung gezahlt wurde, verlangt, daß die Sprechstellen lionen DM und jährliche Aufwendungen für Amor-
werktags von 8.00 bis 21.00 Uhr und sonntags und tisation, Unterhaltung usw. von rund 33 Millio-
feiertags eine Stunde lang während der Mittagszeit nen DM erforderlich werden.
sprechbereit sein sollten. Weil zumindest die Inha-
Der einzig vernünftige Weg, die Fernmeldedienst-
ber der gemeindlichen öffentlichen Sprechstellen
bereitschaft auf dem Lande zu verbessern, besteht
und der öffentlichen Sprechstellen bei Posthilfsstel-
also in der Einrichtung einer größeren Zahl von
len und Poststellen II in der Regel eine Gastwirt-
jederzeit zugänglichen Fernsprechhäuschen oder
schaft oder ein Ladengeschäft betreiben und deshalb
Ähnlichem mit Fernwahl-Münzfernsprechern. Die
ohnehin anwesend sind, bedeutete diese Forderung
Deutsche Bundespost ist bei der derzeitigen Finanz-
im allgemeinen keine große Belastung. Bei den ge-
lage nicht in der Lage, sofort die Einrichtung einer
meindlichen öffentlichen Sprechstellen, die nur in
solch großen Zahl von öffentlichen Sprechstellen mit
allerkleinsten Orten, in denen keine Poststelle be-
Fernwahl-Münzfernsprechern zu finanzieren. Weiter
steht, eingerichtet werden, wird auch heute noch
kommt noch hinzu, daß die Münzfernsprecher erst
entsprechend verfahren.
dann eine optimale Ausnutzung gewähren, wenn
Anders liegen die Verhältnisse bei den Poststel- der Selbstwählferndienst bis nahe der 100-%-Grenze
len, insbesondere bei den Poststellen I. Gemäß Ver- ausgebaut ist.
ordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten
Ich darf zusammenfassend sagen: Erstens muß der
vom 15. Juni 1954 haben auch die Posthalter An-
Ausbau des Selbstwählferndienstes möglichst rasch
spruch auf Anrechnung von Dienstbereitschaftszei-
abgeschlossen werden, und zweitens muß die Auf-
ten, die zur Hälfte auf das Wochenleistungsmaß an-
stellung von Münzfernsprechern vermehrt werden.
zurechnen sind. Die sogenannte Fernmeldedienstbe-
Um diese Maßnahmen durchführen zu können, sind
reitschaft, die früher von den Posthaltern verlangt
hohe Investitionen erforderlich.
wurde und heute noch von den Inhabern der ge-
meindlichen öffentlichen Sprechstellen verlangt
wird, ist aber nie so aufgefaßt worden, daß der Post- Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage?
halter bzw. der Inhaber der gemeindlichen öffent-
lichen Sprechstellen während dieser Zeiten das Peiter (SPD) : Herr Minister, ich danke Ihnen.
Haus nicht verlassen durfte. Sie besagte lediglich, Aber darf ich noch eine Zusatzfrage stellen? Sind
daß er, sofern er — oder ein Familienangehöriger also die Inhaber von Poststellen verpflichtet, falls
bzw. ein Angestellter — während dieser Zeit an- sie anwesend sind, auch nach der Dienstzeit Ge-
wesend war, auch Gespräche anzunehmen hatte spräche anzunehmen?
usw.

Es ist zu bemerken, daß ,die ausgeführten Leistun- Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
gen für den Fernmeldedienst auf jeden Fall vergü- meldewesen: Soweit die Posthalter in die Gruppe
tet werden, ganz gleich, ob sie während oder außer- fallen, die ich hier ausführlich beschrieben habe, ja.
halb der Schalterstunden ausgeführt werden.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen damit
Leider kennt die Verordnung über die Arbeitszeit zur letzten Frage, der Frage XII/7 - des Abgeord-
der Bundesbeamten keine Tätigkeit, die der vor- neten Liehr —:
stehend beschriebenen Fernmeldedienstbereitschaft
Wann ist damit zu rechnen, daß moderne Telefonapparate
gerecht wird. Die Berufsverbände der Posthalter neuzeitlicher Formgebung generell von der Post installiert wer-
verlangen deshalb die Anerkennung der Fernmelde- den dürfen?
dienstbereitschaft als Bereitschaftsdienst im Sinne Bitte sehr, Herr Bundesminister.
der Verordnung über die Arbeitszeit der Bundes-
beamten, d. h. die Anrechnung von 50 v. H. dieser Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
Zeit auf das Wochenleistungsmaß. meldewesen: Die neuen Sprechapparate stehen be-
Bei der verhältnismäßig geringen Inanspruch- reits jetzt zu den gleichen Bedingungen wie die
nahme der öffentlichen Sprechstellen auf dem Lande Fernsprechapparate in Elfenbeinfarbe zur Ver-
einerseits und den außerordentlich hohen Aufwen- fügung.
dungen, die bei Durchführung eines bezahlten Be-
reitschaftsdienstes erforderlich wären, andererseits, Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage?
erscheint es aber abwegig, eine solche Möglichkeit
überhaupt zu erörtern. Bei Annahme einer im Liehr (SPD) : Herr Minister, glauben Sie nicht, daß
Durchschnitt 20stündigen Wochenarbeitszeit je Post- gerade auch die Bundespost verpflichtet wäre, ihren
stelle und einer zu fordernden werktäglichen Be- Kundendienst zu verbessern und zu modernisieren
triebszeit der öffentlichen Sprechstellen von 8 bis und auch zur Geschmacksbildung beizutragen, an-
21 Uhr, also 78 Werktagsstunden je Woche, wären statt, wie das in einer Auskunft der Landespost-
bei rund 22 000 Posthaltern wöchentlich 58 Dienst- direktion geschehen ist, lediglich auf private Be-
bereitschaftsstunden zu vergüten. Die Selbstkosten triebe zu verweisen?
hierfür würden annähernd 209 Millionen DM im
Jahr betragen.
Stücklen, Bundesminister für das Post- und Fern-
Dieser Betrag ist so hoch, daß es billiger käme, meldewesen: Die öffentlichen Fernsprecher werden
bei jeder Poststelle ein Fernsprechhäuschen mit ja nicht von Privatfirmen geliefert. Die Privatfir-
Fernwahl-Münzfernsprecher einzurichten. Hierfür men liefern nur die Nebenstellenanlagen, nicht den
würden ein einmaliger Kapitalbedarf von 110 Mil- Hauptanschlußapparat, wenn nicht eine Nebenstelle
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3837
Bundesminister Stücklen
damit verbunden ist. Gerade der neue Apparat der ist nur vorgesehen, daß der Verband darauf hin-
Deutschen Bundespost entspricht, glaube ich, genau wirken soll.
dem, was Sie von uns erwarten. Das Gerät ist in Darf ich Ihnen ein Beispiel aus der Praxis sagen,
der Geschmacksrichtung modern und von einer be- um deutlich zu machen, was eintreten kann, wenn
sonderen Güte im Sprechverkehr. hier nicht eine zwingende Vorschrift Platz greift.
Wir haben vor einigen Jahren im Bochumer Raum
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen, einige Schachtanlagen stillgelegt, und man hat sich
Herr Bundesminister. bemüht, auf der Basis der Freiwilligkeit — weil die
Wir stehen am Ende der Fragestunde. gesetzliche Grundlage des Bergbaues aus dem Jahre
1865 stammt und darin keine Regelungen für Schäden
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: unter Tage vorgesehen sind, sondern das Gesetz nur
Zweite und dritte Beratung der von der Bun- eine Regelung von Schadensfällen vorsieht, die
desregierung eingebrachten Entwurfs eines durch den Bergbau über Tage eintreten können —,
Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung eine sogenannte Pumpgemeinschaft zu schaffen. Wir
im Steinkohlenbergbau (Drucksache IV/1080); haben feststellen müssen, daß auf dieser freiwilligen,
privatwirtschaftlichen Ebene eine solche Pumpge-
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschus- meinschaft, die in der Lage gewesen wäre, die
ses (16. Ausschuß) (Drucksachen IV/1279, zu anfallenden Grubenwässer zu pumpen, nicht zu-
IV/1279) stande kam. Die Folgen des Nichtzustandekommens
(Erste Beratung 71. Sitzung). sind für die Schachtanlagen, die in der unmittel-
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Ab- baren Nachbarschaft liegen, verheerend. Die Schacht-
geordneten Dr. Balke, für seinen schriftlichen Bericht. anlage Robert Müser beispielsweise pumpt bereits
Ist eine mündliche Ergänzung angebracht? — Das ist in der stillgelegten Schachtanlage Mansfeld Wasser;
nicht der Fall. die Zeche Karolinenglück muß auf der stillgelegten
Schachtanlage Zentrum-Morgensonne Wasser pum-
Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich rufe auf
pen, wenn sie nicht selbst in Gefahr geraten will.
§ 1. Wird das Wort gewünscht? — Das ist offen-
sichtlich nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer § 1 Die Notwendigkeit, diese erheblichen zusätzlichen
zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- Wassermengen zu fördern, beeinflußt natürlich das
zeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — § 1 Kostenbild dieser Schachtanlagen erheblich. Ich darf
ist angenommen. eine Zahl nennen: für eine Schachtanlage in diesem
Ich rufe auf § 2 und dazu den Änderungsantrag Gebiet fallen zusätzliche Wasserhaltungskosten in
der Fraktion der SPD Umdruck 304 *). der Größenordnung von 2,80 bis 3 DM pro Tonne
an. Anders ausgedrückt: wegen der Notwendigkeit
Zur Begründung der Anträge der Fraktion der dieser zusätzlichen Wasserhaltung muß ein Betrag
SPD hat das Wort der Abgeordnete Arendt. von 5 % der Gestehungskosten zusätzlich aufge-
(Abg. Dr. Schäfer: Alle Anträge gemeinsam!) wendet werden.
Ich glaube, meine Damen und Herren, aus diesem
Arendt (Wattenscheid) (SPD) : Herr Präsident! kurzen Beispiel wird deutlich, daß der geplante Ra-
Meine Damen und Herren! Namens der sozial- tionalisierungsverband nicht nur darauf hinwirken
demokratischen Fraktion darf ich Ihnen die Ände- sollte, daß eine solche Gemeinschaftsaufgabe über-
rungsanträge auf Umdruck 304 begründen. nommen wird. Es müßte eine zwingende Vorschrift
sein, daß bei bestimmten Aufgaben, die das einzelne
Bei der letzten Energiedebatte in diesem Hause
Unternehmen allein nicht zu bewältigen vermag,
am 29. März hatten wir Gelegenheit, auf Grund-
die Gesamtheit aller Bergbauunternehmen, d. h. in
satzfragen der Energiepolitik der letzten Jahre ein-
diesem Fall der Rationalisierungsverband, eingreift.
zugehen. Wir hatten auch Gelegenheit, darauf hin-
Wir möchten deshalb mit unserem Antrag erreichen,
zuweisen, daß der vorliegende Entwurf eines Ge-
daß eine solche Gemeinschaftsaufgabe, wie es zwei-
setzes zur Förderung der Rationalisierung im Stein-
fellos die Pumpgemeinschaft darstellt, eine zwingen-
kohlenbergbau nach unserer Meinung nicht der
gegenwärtigen Situation gerecht wird und daß der de Aufgabe wird.
vorgesehene Rationalisierungsverband nicht geeig- In diesem Zusammenhang darf ich aber noch ein
net ist, die Schwierigkeiten, die sich seit Jahren paar andere Bemerkungen machen. Sie wissen
im Steinkohlenbergbau und in der Energieversor- sicherlich, meine Damen und Herren, daß den Be-
gung ergeben, zu lösen. schäftigten im Steinkohlenbergbau durch tarifver-
Wir haben deshalb einige Änderungsanträge ge- tragliche Bestimmungen der Bezug verbilligter Haus-
brandkohle garantiert ist. Soweit es sich um Anla-
stellt.
gen handelt, die sich im Konzernverbund befinden,
In § 2 des Entwurfs werden die Aufgaben des ist das sicherlich kein Problem, wenn sie stillgelegt
Rationalisierungsverbandes festgelegt. Unter ande- werden; denn die Ansprüche werden dann von ande-
rem ist vorgesehen, daß der Verband darauf hin- ren Schachtanlagen des betreffenden Konzerns er-
wirken s o 11 , daß gewisse Aufgaben, die die füllt. Das sieht aber ganz enders aus — es gibt
einzelne Schachtanlage oder das einzelne Bergbau- sicher in diesem Hohen Hause einige Kollegen, die
unternehmen nicht durchführen kann, als Gemein- das Problem genausogut kennen wie ich —, wenn
schaftsaufgabe durchgeführt werden. Ich betone: es es sich um die Stillegung einer Einzelzeche handelt.
*) Siehe Anlage 3 Dann gehen nämlich in vielen Fällen, wie die Pra-
3838 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Arendt (Wattenscheid)
xis eindeutig gezeigt hat, diese Ansprüche unter. Vorgang ist, der nicht nur das unmittelbar beteiligte
Nun ist bekannt — und ,das weiß auch die Bundes- Unternehmen angeht. In einer großen Zahl von
regierung —, daß gerade die Frage verbilligten Fällen wird auch das Schicksal der Kommunen oder
Hausbrandkohlebezugs für die bergmännische Be- des Kreises oder sogar des Landes in Mitleidenschaft
legschaft ein außerordentlich wichtiger Punkt ist. gezogen. Deshalb meinen wir, daß dieser Verwal-
Wir möchten, daß in solchen Fällen, wenn eine tungsrat, der letztlich die Entscheidungen vorbereitet
Einzelschachtanlage stillgelegt wird, auch hinsicht- und auch fällt, nicht nur aus Interessenten zusam-
lich der Verpflichtung zur Sicherstellung der tarif- mengesetzt sein kann, sondern daß hier auch die
vertraglichen Ansprüche der Rationalisierungsver- Beteiligten und interessierten Stellen der Kom-
band als eine Gemeinschaftseinrichtung auftreten munen und Länder Berücksichtigung finden müssen.
muß. Hier wäre nach unserer Auffassung eine echte Wir schlagen daher vor, daß sich dieser Verwal-
Gemeinschaftsaufgabe, weil die Belegschaftsmitglie- tungsrat nicht aus mindestens sieben oder höchstens
der, die .auf solchen Schachtanlagen gearbeitet und fünfzehn Mitgliedern der angeschlossenen Unter-
ihre Gesundheit darangesetzt haben, auch einen nehmen zusammensetzt, sondern daß er unter Be-
Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Anliegen ha- teiligung der Vertreter der Kommunen und der
ben. Bergbau treibenden Länder umgestaltet wird. Dieser
Antrag ist um so eher gerechtfertigt, als wir auch
Zu § 6 liegt einanderer Antrag vor. In dieser aus der Vergangenheit wissen, daß mit der Still-
Bestimmung des Entwurfs ist vorgesehen, daß die legung einer oder mehrerer Anlagen eine Vielzahl
Verbandsversammlung als Zusammenfassung aller von Problemen aufgeworfen werden, die nur in ge-
Mitglieder des Rationalisierungsverbandes die Auf- meinsamer Anstrengung und unter gemeinsamer
gabe hat, die Satzungen zu beschließen. Abs. 3 des Beteiligung möglichst vieler Stellen zu einer ver-
§ 6 soll folgendermaßen lauten — ich darf es mit nünftigen Lösung geführt werden können.
Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Damit darf ich ein paar Anmerkungen zu § 13 des
Die Verbandsversammlung beschließt die Sat- Gesetzentwurfes machen. In der Zwischenzeit sind
zungen. Sie beschließt ferner über die Aufnah- ja immerhin 25 Schachtanlagen stillgelegt worden.
me von Darlehen und Anleihen, über sonstige Wir wissen, daß die Stillegungen in der Vergangen-
ihr durch dieses Gesetz oder durch Satzung vor- heit nicht immer nach volkswirtschaftlichen Gesichts-
behaltene Gegenstände sowie über die Ent- punkten oder nach Marktgegebenheiten erfolgten.
lastung des Verwaltungsrates und des Vor- Diese Stillegungen wurden vielmehr in erster Linie
standes. der Initiative der einzelnen Unternehmen und Kon-
zerne überlassen. Das hat dazu geführt — ich darf in
Wenn man diese Aufgabe der Verbandsversamm- diesem Zusammenhang an meine Ausführungen vom
lung in Verbindung mit § 7, der das Stimmrecht 29. März erinnern —, daß beispielsweise Schacht-
regelt, sieht, wird man zu dem Ergebnis kommen anlagen, in denen bestimmte Kohlensorten gefördert
müssen, daß die großen Gesellschaften, die über wurden, Hausbrandsorten, die noch einen Markt
einen höheren Anteil an der gesamten Förderung haben und sogar knapp waren, stillgelegt wurden,
verfügen, zweifellos die Möglichkeit haben, in der während andere Schachtanlagen, die nichtmarkt-
Verbandsversammlung Entscheidungen herbeizu- gängige Kohlensorten förderten, zu einer inten-
führen, die sich — ich darf das einmal etwas härter sivierten Abbaupolitik aufgerufen wurden. Dadurch
ausdrücken — nicht zum Wohle der Gesamtheit, wurden größere Schwierigkeiten auf dem Markt aus-
sondern zum Wohle der großen Unternehmungen gelöst.
auswirken müssen.
Bei der Stillegung von Schachtanlagen werden
Sie wissen sicherlich, daß pro 500 000 t Jahresför- 25 DM pro Tonne bezahlt und zur Hälfte ist die
derung eine Stimme festgelegt ist, so daß die gro- öffentliche Hand beteiligt. Wenn das so ist, dann
ßen Gesellschaften, die 8, 9 oder 10 Millionen t sollte aber sichergestellt werden, daß die Stillegung
Kohle fördern, zweifellos in der Lage sind, in der von Schachtanlagen nicht nach den Möglichkeiten
Verbandsversammlung eine Reihe von Entscheidun- und Interessen der einzelnen Unternehmungen, son-
gen herbeizuführen, die sich nicht unbedingt zum dern nur aus einer volkswirtschaftlichen Notwendig-
Wohle des gesamten Bergbaus auswirken müssen. keit heraus erfolgt. Wir wissen, daß auch im Stein-
Wir möchten deshalb, daß gerade in der Verbands- kohlenbergbau die Ertragslage der Gesellschaften
versammlung die Beschlüsse über die Satzungen recht unterschiedlich ist, weil sich ja die meisten
sowie über die Aufnahme von Darlehen und An- Konzerne und Unternehmungen nicht auf die För-
leihen nicht mit einfacher Mehrheit, sondern, um derung von Kohlen beschränken, sondern auch Inter-
hier einen gewissen Riegel vorzuschieben, mit Zwei- essen in anderen Bereichen unserer Wirtschaft
drittelmehrheit gefaßt werden müssen. haben, die nicht notleidend sind. Deshalb sollte
nach meiner Auffassung und auch nach Auffassung
Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht noch meiner politischen Freunde die Möglichkeit vor-
ein paar Worte zu § 8 des Entwurfs sagen. Dieser gesehen werden, daß die öffentliche Hand nur in
Paragraph regelt die Zusammensetzung des Verwal- den Fällen einen Zuschuß zahlt, in denen feststeht,
tungsrates. Zweifellos ist dieser Verwaltungsrat eine daß bei den stillzulegenden Unternehmen erstens
sehr wichtige Einrichtung des geplanten Rationali- die Gewähr geboten ist, daß die Stillegung aus
sierungsverbandes. Aber selbst wenn in diesem Gre- volkswirtschaftlichen Gründen geschieht, und daß
mium Entscheidungen fallen, sollte man doch zu- zweitens die zweifellos vorhandenen Totlasten nicht
geben, daß die Stillegung einer Schachtanlage ein vom eigenen Unternehmen getragen werden können.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3839
Arendt (Wattenscheid)
Schließlich darf ich noch auf den letzten Punkt sen. Wir glauben deshalb berechtigt 'zu sein, dem
unseres Änderungsantrags hinweisen. Wir möchten, .Hohen Hause vorzuschlagen, die genannten Anträge
daß nach § 31 ein neuer Paragraph eingefügt wird, auf Umdruck 304 abzulehnen, und zwar mit Rü ck
in dem die Lohnsteuerfreiheit für jene Zuwendun- -sichtdaruf,ßeGgnsdrülichBea-
gen an die Belegschaftsmitglieder vorgesehen ist, die tungen in den Ausschüssen waren.
sich aus sogenannten Sozialplänen ergeben.
Der Antrag unter Ziffer 5 dagegen ist neu. Er ist
Ich darf zur Verdeutlichung folgendes sagen. Sie auch nach unserer Ansicht sehr erwägenswert. Der
wissen, daß es nach den Bestimmungen des Montan- Antrag ist aber nicht im Finanz-, im Haushalts- und
unionvertrages gewisse Anpassungsbeihilfen und im Wirtschaftsausschuß gewesen. Aus grundsätz-
Übergangsgelder für Beschäftigte gibt. Diese Anpas- lichen Erwägungen möchten wir nicht, daß gerade in
sungsbeihilfen werden dann gezahlt, wenn der Be- einem Punkte, wo es sich um das Lohnsteuerauf-
treffende in einen anderen Beruf kommt und umge- kommen handelt, ohne die Mitberatung des Finanz-
schult werden muß. Es gibt aber auch einen Teil der und Haushaltsausschusses etwas beschlossen wird.
Belegschaftsmitglieder — ich kann das aus der Pra-
Wir schlagen deshalb vor, daß die Ziffer 5 inso-
xis bestätigen —, die in der Zwischenzeit ein Alter
fern Beachtung findet, als das Hohe Haus gebeten
erreicht haben, welches ihnen die Invalidisierung
wird, eine Entschließung anzunehmen, die folgen-
und das Ausscheiden aus dem Produktionsprozeß den Wortlaut hat:
noch nicht erlaubt, auf der anderen Seite aber auch
nicht gestattet, daß sie für einen anderen Bereich Die Bundesregierung wird beauftragt, zu prü-
umgeschult werden. Für diesen Teil — zweifellos ist fen, ob nicht auch die Leistungen stillegender
das, gemessen an der Gesamtbelegschaft, ein kleiner Unternehmen aus Sozialplänen (Betriebsverein-
Teil — wurden in der Vergangenheit von den barungen) beim Arbeitnehmer von der Lohn-
Werksleitungen mit den Betriebsräten Betriebsver- steuer befreit werden können.
einbarungen abgeschlossen, die sogenannte Sozial- Ich darf diesen Entwurf dem Herrn Präsidenten
pläne zum Inhalt hatten. Nach diesen Sozialplänen übergeben.
wurde diesem Teil der Belegschaft ein Minimum an
Einkommen im Monat garantiert, so daß er nicht der Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich auf Erörte-
öffentlichen Fürsorge zur Last zu fallen brauchte. rungen zur Sache nicht mehr eingehe, weil die Zif-
Die Zuwendungen aus diesen Sozialplänen sind fern 1 bis 4 in den von dem Hohen Hause dazu be-
aber steuerpflichtig. auftragten Ausschüssen ausgiebig beraten worden
sind.
Da die Anpassungsbeihilfen und Übergangsmaß-
nahmen nach dem Montanunionvertrag steuerfrei Ich bitte also, Ziffer 1 bis 4 sowie Ziffer 5 abzu-
sind, hielten wir es für zweckmäßig, wenn für jenen lehnen, die vorgesehene Entschließung aber anzu-
nehmen.
kleinen Kreis der Belegschaftsmitglieder, die nicht
unter die Anpassungsmaßnahmen fallen, die aber (Beifall in der Mitte.)
auf der anderen Seite auch noch nicht invalidisiert
werden können, eine Gleichbehandlung stattfände. Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
Der vorliegende Gesetzentwurf über die Einrich- Abgeordnete Dr. Aschoff.
tung eines Rationalisierungsverbandes sieht eine
Vielzahl von steuerlichen Vergünstigungen für die Dr. Aschoff (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen
angeschlossenen Unternehmungen vor; darauf konn- und Herren! Ich möchte doch in einigen Punkten
ten wir schon in der Vergangenheit hinweisen. Mit eine sachliche Antwort auf die Ausführungen des
keiner Silbe und mit keinem Satz wird aber an das Herrn Kollegen Arendt geben. Die Fraktion der
Schicksal der in diesem Wirtschaftszweig Beschäf- FDP hat sich entschlossen, dem Entwurf in der Vor-
tigten gedacht. Weil das so ist, möchte ich Sie im lage der Ausschußberatungen zuzustimmen. Dieser
Namen meiner politischen Freunde um die Annahme Entschluß ist uns gar nicht so leicht gefallen, weil
dieser Änderungsanträge recht herzlich bitten. wir — wie in diesem Hause bekannt sein dürfte —
allen Überlegungen in bezug auf staatliche Bezie-
(Beifall bei der SPD.) hungen zur Wirtschaft mit Vorsicht und gewissen
Bedenken gegenüberstehen.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Wir haben uns nach den langen Beratungen in
Abgeordnete Dr. Burgbacher. den Ausschüssen und nach Prüfung der dort erziel-
ten Ergebnisse davon überzeugt, daß man insbeson-
Dr. Burgbacher (CDU/CSU) : Herr Präsident! dere in Durchführung einer einheitlichen Entschlie-
Meine Damen und Herren! Wir haben Verständnis ßung dieses Hohen Hauses von Mai 1962 der Bun-
dafür, daß von der SPD versucht wird, Anträge, die desregierung nun die Möglichkeit geben muß, eine
in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses, des der von ihr auf unser Verlangen gemachten Zu-
Finanzausschusses und des Haushaltsausschusses sagen zu erfüllen. Daß dieses Gesetz in sich etwas
schon Gegenstand der Gespräche waren und dort mit Neuartiges ist, hängt mit der Neuartigkeit der ge-
der notwendigen Mehrheit abgelehnt wurden, hier samten Situation zusammen, die uns dazu zwingt,
noch einmal vorzubringen. Das ist für die Ände- bei strukturellen Veränderungen einmalige Maß-
rungsanträge auf Umdruck 304 Ziffer 1 bis 4 der Fall. nahmen zu treffen.
Diese lagen in den Ausschußberatungen vor, wurden Als wir uns entschlossen, zuzustimmen, war uns
gründlich erörtert, und dann wurde anders beschlos- klar, daß wir für alles eintreten wollten, was not-
3840 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Dr. Aschoff
wendig ist, um den beabsichtigten Erfolg sicherzu- folgen kann. Die Veränderung der Mitglieder da-
stellen. Wir glauben aber, daß dies durch die Be- durch, daß auch die anderen Reviere, nämlich Aachen,
stimmungen dieses Gesetzes erreicht ist. Wir sind die Saar, Niedersachsen und Bayern, hinzutreten
nicht der Meinung, daß die von der Fraktion der und ein Minderheitsvertretungsrecht im Verwal-
SPD jetzt vorgetragenen Ergänzungsanträge dieses tungsrat haben, schließt nach meiner Auffassung
Gesetz in einem nützlichen Sinne perfektionieren, schon weitgehend eine derartige einseitige Über-
und sind nicht bereit, sie zu akzeptieren. stimmung aus.
Ich darf mit dem letzten anfangen. Herr Kollege (Abg. Arendt [Wattenscheid] : In der Ver
Arendt, ich glaube, daß man uns nicht den Vorwurf bandsversammlung?)
machen kann, wir hätten das Schicksal der Beleg-
schaften von vornherein nicht in Betracht gezogen. — Das betrifft den Verwaltungsrat. Hinsichtlich der
Es steht völlig außer Streit, daß die zur Verfügung Verbandsversammlung haben wir durch eine Vor-
gestellten Mittel zum Bezahlen der Totlasten dienen lage des Ministeriums nachprüfen lassen, wie sich die
sollen, die der Bergbau infolge seiner strukturellen Stimmenzahl zusammensetzt. Dabei hat sich inter-
Lage zur Zeit nicht tragen kann, und es ist unstreitig, essanterweise ergeben, daß durch das Hinzutreten
daß zu diesen Totlasten selbstverständlich alle er- anderer Reviere die vielleicht mögliche Übermacht
worbenen Ansprüche der Belegschaft einschließlich einiger Großzechen aus dem Ruhrgebiet außer-
der auf Grund verschiedener Vereinbarungen fest- ordentlich stark verkleinert wird. Außerdem ist
gelegten Kohledeputate gehören, so daß nach unse- nicht zu verkennen, daß durch den Zutritt der Saar
rer Auffassung eine besondere Erklärung dazu nicht der Anteil derjenigen Zechen, die im Besitz des
notwendig ist. Wir sind aber gern bereit, die Frage Bundes sind, so stark ansteigt, daß auch über diesen
der Lohnsteuer für Gelder aus den Sozialplänen in Weg der Bund meiner Ansicht nach eine ausrei-
Ihrem Sinne mit zu unterstützen, zumal richtig be- chende Möglichkeit hat, gegen einen Mißbrauch
merkt worden ist, daß diese Dinge im Raum der einer irgendwo einzeln auftretenden Konzentration
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft steuerfrei anzukämpfen.
sind, während sie im nationalen Raum besteuert Wir sehen also effektiv keine Veranlassung, die
werden. Dinge durch eine grundsätzliche Einführung einer
Dagegen ist zu den anderen Fragen doch etwas qualifizierten Mehrheit zu erschweren. lm übrigen
zu sagen. Ein Gesetz, das eine neuartige Zusammen- ist es nicht verboten, in der Satzung zu beschließen,
arbeit der staatlichen Stellen und der freien Wirt- daß für bestimmte Fälle eine solche qualifizierte
schaft vorsieht, kann ich unter keinen Umständen Mehrheit notwendig ist.
unter Aufgabe unserer grundsätzlichen Vorstellun-
Gänzlich anderer Meinung sind wir aber in bezug
gen von der Wirtschaftsordnung mit einem Zwang
auf den § 8. Wenn wir bisher grundsätzlich auf dem
zu bestimmten Maßnahmen belasten. Wir haben
Standpunkt stehen, daß die unternehmerische Wirt-
über das Problem der Wasserhaltung und alle diese
schaft in Selbstverantwortung arbeiten soll, sehe
Schwierigkeiten im Ausschuß gesprochen. Aber, sehr ich nicht ein, warum Sie in einem Gesetz, nach dem
verehrter Herr Kollege, die Sachdarstellung über Staat und Wirtschaft eine gemeinsame Aufgabe zu
die bisherigen Fehlergebnisse auf dem Gebiet der lösen haben — aber nur insofern, als der Staat die
Pumpengemeinschaft ist nicht ganz vollständig. Es Aufsicht darüber übernimmt, daß sich die Gesell-
hat eben bisher überhaupt eine Vorstellung darüber schaften an die Bestimmungen des Gesetzes hal-
gefehlt, was und wie das gemacht werden kann. ten -, nun außerhalb der Verpflichteten stehende
Ich hoffe, daß im Laufe der Debatte noch darüber Organe wie Gemeinden oder Bundesländer zur Mit- -
berichtet werden wird, was inzwischen auf dem Ge- bestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten be-
biet der Pumpengemeinschaft bereits existent ge- rufen wollen. Wir sehen darin einen Vorstoß in die
worden ist, und bin der Überzeugung, daß bei ver- Prinzipien einer gemeinwirtschaftlichen Ordnung,
ständiger und verantwortlicher Führung nicht nur die wir in dieser Form auch in diesem kleinen Punkt
eines Verbandes, sondern auch der Unternehmen die nicht wünschen.
Probleme der Wasserhaltung bei künftiger Stille-
gung auch von dort aus geregelt werden können. Ich komme zu § 13. Sie wollen, daß die Möglich-
keit der Gewährung von Prämien davon abhängig
(Abg. Arendt [Wattenscheid] : Bisher war gemacht wird, daß zunächst untersucht wird, ob ein
das aber nicht möglich!) Unternehmen in der Lage ist, die Belastung aus
— Ich sagte schon: bisher war das — wir haben es eigenen Mitteln zu verkraften. Das bedeutet die
beide gleichmäßig bedauert — nicht möglich. Um so Annahme des Prinzips der negativen Selektion. Der
erfreulicher ist eine mir zugegangene Nachricht, daß Grundgedanke dieses Gesetzes war — gegenüber
es nunmehr durchführbar ist. Wir werden darüber der EWG wäre das sonst auch gar nicht möglich
vielleicht etwas hören. gewesen —, einen Anreiz zu schaffen. Diesen An-
reiz muß ich jedem geben. Ich kann unmöglich eine
Der Antrag zu § 6, eine Zweidrittelmehrheit ein-
erste und eine zweite Klasse, Reiche und Arme
zuführen, widerspricht einfach der Erfahrung des
machen. Nach meiner Ansicht besteht die Möglich-
praktischen Lebens. Es ist nicht möglich, einen der- keit eines gerechteren Ausgleichs in der Beitrags-
artigen Verband mit einer von vornherein vorgese- ordnung. Manches läßt sich intern ausgleichen. Über
henen qualifizierten Mehrheit zu führen. diese Möglichkeit wird vielleicht nachher noch zu
Interessanterweise ist geprüft worden, ob denn sprechen sein. Aber wir sind als Bundestag, glaube
eine Majorisierung durch Großzechen überhaupt er- ich, nicht dazu berufen, die internen Ausgleiche
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3841
Dr. Aschoff
eines Wirtschaftsverbandes in sich zu regeln. Dazu Auch wird weiter darüber befunden werden, wie
sollte man ihn selbst anhalten. die Geldmittel aufzubringen sind. Ich glaube, dann
Überhaupt steht das ganze Gesetz unter zwei würden alle Sorgen, die hier von verschiedenen
Voraussetzungen. Wir erwarten, daß der Bergbau Seiten dargelegt worden sind, behoben sein.
mit außerordentlicher Intensität von dieser Gelegen- Das zweite Problem, das immer wieder behandelt
heit mit völliger Verantwortung auch Gebrauch wird, ist die Frage der Deputatkohlengewährung.
macht und daß umgekehrt das Wirtschaftsministe- Ich darf Ihnen auch da versichern, daß die Tarifpart-
rium die ihm übertragenen Aufsichtsrechte im In- ner an der Ruhr schon sehr fortschrittlich waren,
teresse der Gesamtheit ausübt, woran für uns kein und zwar damals schon, als man noch nicht von Ra-
Zweifel besteht. Wir glauben aber nicht, meine Her- tionalisierungsverband und Stillegungsmaßnahmen
ren, daß Sie sagen können: eine volkswirtschaftliche in. Bonn sprach. In dem § 97 des Manteltarifvertra-
Überlegung muß verengt werden auf die Problema- ges, der im übrigen schon aus den Jahren 1958/59
tik, ob ein bestimmtes Unternehmen einen Teil sei- stammt, hatte man die einschlägigen Bestimmungen
nes Betriebes wegen allgemein volkswirtschaftlicher wie folgt gefaßt:
Überlegungen stillegen kann. Es handelt sich hier
Jedes Bergwerksunternehmen ist verpflichtet,
doch ausschließlich um die Überlegung, ob ein im Falle seiner Auflösung, der Stillegung oder
Unternehmen übersteht oder nicht. Soweit wir Ze-
des Verkaufes seiner Zechen (Verlust der Koh-
chen, die ein Unternehmen nicht mehr halten kann, lenbasis) die Erfüllung der sich gegenüber den
aus anderen Gründen halten zu müssen glauben,
Bezugsberechtigten ergebenden Ansprüche
werden solche Überlegungen an anderer Stelle ein- sicherzustellen.
treten müssen.
Das ist zunächst einmal ,das rein Finanzielle für die
Ich möchte mich auf diese paar grundsätzlichen Schlußbilanz. Sie wissen auch, daß die materielle
Bemerkungen beschränken und nochmals erklären: Seite der Kohlenlieferung von den übrigen Gesell-
meine Fraktion wird dem Gesetz in der vorliegen- schaften geregelt wird.
den Formulierung der Ausschüsse zustimmen, be-
dauert, die Ergänzungsanträge aus den von mir an- Wir haben ja auch jetzt schon Fälle der Stillegung
geführten Gründen nicht akzeptieren zu können, erlebt. Ich komme selbst aus einem Bereich, wo der
und ist bezüglich des Vorschlages der Ziffer 5 be- gesamte Betrag, der auf Grund der Stillegung zur
reit, den Vorschlag, den Herr Burgbacher gemacht Verfügung gestanden hat, und zwar ein Betrag von
hat, zu unterstützen. insgesamt 3,5 Millionen DM, ausschließlich — ich
betone: ausschließlich — für soziale Maßnahmen
(Beifall bei der FDP.)
und zur Sicherstellung der Ansprüche der Deputat-
kohleberechtigten verwendet worden ist. Das waren
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der die beiden Behauptungen, für die ich den Beweis
Abgeordnete Philipp. antreten wollte.
Vielleicht noch ein Wort zu der Tatsache, daß be-
Dr. Ing. Philipp (CDU/CSU) : Herr Präsident!
-
stimmte Bergwerksgesellschaften den Standpunkt
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich vertreten, sie würden durch die Stichtagsfestlegung
möchte nur ganz kurz zu den Tatsachen Stellung gewisse Nachteile erleiden. Wir haben uns damals
nehmen, die insbesondere von Herrn Kollegen im Ausschuß nicht dazu bereit finden können, den
Aschoff bezüglich der Pumpgemeinschaft erwähnt Stichtag zurückzuverlegen. Ich glaube aber, wir
worden sind. Ich kann hier den Beweis antreten, sollten darauf nicht wieder zurückkommen. Viel-
daß die Sache an der Ruhr schon sehr weit gediehen mehr meinen wir, daß die Zechen, die vor dem
ist, daß ein entsprechender Vertrag in Vorbereitung Stichtag — 15. Mai 1962 — stillgelegt haben, ihrer-
ist und wahrscheinlich in ganz kurzer Frist abge- seits jedenfalls auch steuerliche Vorteile genießen.
schlossen werden wird. Der entsprechende Para- Diese Unternehmen meinen aber, daß sie Nachteile
graph, der mir hier vorliegt, lautet fast wörtlich so erleiden, wenn sie etwa zu Umlagen aus Anlaß der
wie die Formulierung, die Sie von der SPD in Ihrem Stillegung anderer Betriebe herangezogen werden
Antrag gewählt haben. Ich möchte fast sagen: das sollten, obwohl sie keine Prämienvorteile durch den
muß ein guter Animus von Ihnen gewesen sein, daß Rationalisierungsverband haben.
Sie geahnt haben, der Bergbau werde Ihren Wün-
schen in dieser Richtung schon folgen. Diese Bestim- Nach meiner Meinung steht schon auf Grund von
mung würde dann wie folgt lauten: § 12 Abs. 2 des Gesetzes ohne weiteres fest, daß
Zweck der Pumpgemeinschaft ist es, nachteilige die Interessen dieser Gesellschaften im Rahmen
Auswirkungen, der Beitragsordnung Berücksichtigung finden müs-
sen, weil eben tatsächlich ein „gerechter Ausgleich"
— ich darf das mit Genehmigung des Präsidenten stattfinden soll. Bei diesem „gerechten Ausgleich"
kurz vorlesen — ist auch zu berücksichtigen, wann eine Gesellschaft
die sich aus der Stillegung eines Steinkohlen- infolge der Stichtagsregelung nicht in den Genuß
bergwerks im Vertragsgebiet für die Wasser- der Prämien kommen kann, wohl aber dann zu Um-
haltung der im Vertragsgebiet gelegenen Stein- lagen für die Stillegung anderer herangezogen wer-
kohlenbergwerke der Mitgliedsgesellschaften den soll. Ich glaube, man kann das bereits aus der
ergeben, nach Möglichkeit abzuwenden und derzeitigen Fassung des Gesetzes in bezug auf die
unter den beteiligten Mitgliedsgesellschaften Gestaltung der Beitragsordnung entnehmen, so daß
auszugleichen. wir deshalb keine weitere Ergänzung oder Ände-
3842 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Dr.-Ing. Philipp
rung des Gesetzes brauchten. Das wollte ich noch seitens des Wirtschaftsministeriums ein wenig mehr
abschließend dazu sagen. über den Sachverhalt ausgesagt wird, den hier Herr
Wie Herr Kollege Burgbacher und Herr Kollege Kollege Philipp als Geschäftsführer ohne Auftrag
Aschoff bin auch ich der Auffassung, daß man im zum besten gegeben hat.
übrigen die Anträge ablehnen sollte, weil sie im (Beifall bei der SPD.)
Ausschuß tatsächlich schon hinreichend erörtert
worden sind. Im übrigen bin ich auch bereit, der
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat Herr
von Herrn Burgbacher hier verlesenen Entschlie-
Staatssekretär Dr. Westrick.
ßung zuzustimmen. Ich bitte das Hohe Haus, dieser
Entschließung die Zustimmung zu geben.
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
(Beifall bei der CDU/CSU.) rium für Wirtschaft: Sehr verehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der so
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der starken Aufforderung des Herrn Abgeordneten Lange
Abgeordnete Lange. will ich selbstverständlich sehr gern entsprechen. Ich
kann dabei gleichzeitig dem Ausschuß, in dem diese
Lange (Essen) (SPD) : Herr Präsident! Meine Da- Fragen behandelt worden sind, das Kompliment ma-
men und Herren! Wir haben hier heute eine sehr chen, daß seine Haltung einen wesentlichen Einfluß
interessante Begründung für die Ablehnung von auf die Gestaltung der Dinge innerhalb des Berg-
Anträgen im Plenum des Bundestages gehört: baus gehabt hat.
1. Weil angeblich diese Anträge schon im Ausschuß In der Tat ist die Herbeiführung einer Pumpen-
behandelt und sehr ausgiebig erörtert worden sind gemeinschaft keine leichte Sache gewesen, und sie
— Herr Kollege Burgbacher —, müßten sie abge- ist auch heute noch nicht endgültig geregelt. Ich
lehnt werden. 2. Weil es — das Thema „Lohnsteuer- habe im Ausschuß aus gutem Wissen heraus be-
befreiung — noch nicht erörtert worden ist — der richtet, daß starke Widerstände gegen eine solche
letzte Punkt —, müsse sie hier als Antrag abgelehnt, Gemeinschaft bestünden. Ich möchte nämlich nicht,
im übrigen aber in Gestalt einer Entschließung ak- daß Sie mir eines Tages vorhalten können, ich hätte
zeptiert werden. die Dinge zu günstig dargestellt. Ich freue mich aber,
Meine Damen und Herren, die Anträge sind im daß in der Zwischenzeit die Beratungen innerhalb
Wortlaut nicht gestellt worden. Der Sache nach ist der bergbaulichen Unternehmungen eine Wendung
das Problem zwar erörtert worden; aber als dieses im günstigen Sinne genommen haben. Zumindest hat
Problem der Sache nach erörtert war — ich be- uns der Unternehmensverband Ruhrbergbau schrift-
ziehe mich hier nur auf die Pumpgemeinschaft, auf lich mitgeteilt, daß die Verhandlungen dort eine
die Gefahr des Absaufens von Gruben —, ist uns gute Entwicklung nehmen.
seitens der Regierung ganz eindeutig mitgeteilt Es ist naheliegend, Herr Abgeordneter Lange, daß
worden, daß sehr große Widerstände innerhalb des die Unternehmen und der Unternehmensverband
Bergbaus vorhanden sind, die einer eindeutigen selber am besten über den Stand der Verhandlungen
Klärung dieses Problems abträglich sind. unterrichtet sind. Ich glaube, wir können damit rech-
Jetzt trägt hier Kollege Philipp Teile eines Ver- nen, daß eine solche Gemeinschaft in absehbarer Zeit
tragsentwurfes vor, aus denen man entnehmen darf, freiwillig zustande gebracht wird. Eine Zwangs-
daß sich der Steinkohlenbergbau uneingeschränkt gemeinschaft würde die Bundesregierung nicht
— trockene wie nasse Gruben — zu einer solchen gerne sehen.
Pumpgemeinschaft bereit findet. Es wäre doch ganz (Abg. Lange [Essen] : Rationalisierung?)
nützlich, wenn die Bundesregierung in diesem Zu-
sammenhang einmal ganz eindeutig sagte, wie weit
die Gespräche 'hierüber gediehen sind. Wenn wir Vizepräsident Dr. Jaeger: Es liegen keine
über dieses Gesetz beschließen, das zur Lösung des Wortmeldungen mehr vor.
Problems beitragen soll, dann wäre es auch gut, Ich komme zur Abstimmung über den Änderungs-
dem Hause zur Kenntnis zu geben, inwieweit solche antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 304 Zif-
sich aus der Stillegung ergebenden Gefahren für fer 1 a) und b). — Die Antragsteller sind damit ein-
benachbarte Gruben und Zechen und auch für die verstanden, daß über beide Buchstaben gemeinsam
betroffenen Gemeinden abgewendet werden können. abgestimmt wird. Wer diesem Antrag der Fraktion
Da das bis zur Stunde nicht geschehen ist und wir der SPD Umdruck 304 Ziffer 1 zuzustimmen
nicht sicher sind, ob das, was Sie vorgetragen haben, wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich
Herr Kollege Philipp, von allen Betroffenen unein- bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich
geschränkt mitgemacht wird, weil wir da Bedenken muß die Abstimmung wiederholen. Wer dem An-
haben, sind wir der Meinung, daß die Bestimmung, trag der SPD Umdruck 304 Ziffer 1 zuzustimmen
die jetzt im Gesetzentwurf steht, die keine so ver- wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte
pflichtende Bestimmung ist, in eine alle Beteiligten um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehr-
wirklich verpflichtende Bestimmung umgewandelt heit; der Antrag ist abgelehnt.
werden müßte.
Ich komme damit zur Abstimmung über § 2 in
Es könnte sein, daß sich das Problem entschärft, der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht,
wenn hier entsprechende Aussagen gemacht wür- den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um
den. Ich würde wirklich Wert darauf legen, daß die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3843
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe auf §§ 3, — 4, — 5. - Das Wort wird Wissens schon begründet. Wird das Wort gewünscht?
nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Para- — Das ist nicht der Fall. Wer der Einfügung des
graphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um § 31 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das
das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
— Angenommen. Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf § 6 und dazu den Antrag Um- Wir kommen nunmehr zu den §§ 32 bis 48 sowie
druck 304 Ziffer 2, der meines Wissens schon be- Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht
gründet ist. Wird noch das Wort gewünscht? — gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen
Das ist nicht der Fall. zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand-
Wer dem Änderungsantrag der 'Fraktion der SPD zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit
Umdruck 304 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den der gleichen Mehrheit angenommen.
bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur
Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit wie der dritten Beratung.
Antrag unter Ziffer 1 abgelehnt.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das
Wer § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich
bitte um die 'Gegenprobe. — Angenommen.
Kurlbaum (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
Ich rufe auf § 7. — Das Wort wird nicht ge- und Herren! Seit 1958, das heißt seit nunmehr etwa
wünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich fünf Jahren, steht der deutsche Steinkohlenbergbau
um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- in einer auch für die Öffentlichkeit deutlich sicht-
probe. — Angenommen. baren Krise. Das ist für die deutsche Volkswirtschaft
im ganzen von größter Bedeutung. Erstens stellt der
Ich rufe auf § 8 und dazu den Antrag Um-
deutsche Kohlenbergbau auch heute noch reichlich
druck 304 Ziffer 3, der ebenfalls schon begründet ist.
50 % der Energieversorgung für die gesamte Volks-
Wird sonst das Wort dazu gewünscht? — Das ist
wirtschaft und ist daher eine der wichtigsten Säulen
nicht der Fall.
unserer Volkswirtschaft. Zweitens ist die Krise im
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD deutschen Steinkohlenbergbau von großer Bedeu-
Umdruck 304 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, 'den tung, weil auch heute noch nahezu eine halbe Million
bitechumdasHnz.—Ichbiteumd Menschen in ihm beschäftigt sind. Hierbei gilt für
Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit abge- uns nicht nur die Zahl einer halben Million, sondern
lehnt. auch die Tatsache, daß es sich bei dem Beruf des
Wer § 8 in der Ausschußfassung zuzustimmen Bergmanns um einen Beruf handelt, der ein Höchst-
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich maß von Mut, Ausdauer und Erfahrung erfordert.
bitte um die Gegenprobe. — Angenommen. Schließlich muß bei der Beurteilung der schwierigen
Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus auch be-
Ich rufe auf die §§ 9, — 10, — 11 und 12. — Wird rücksichtigt werden, daß in ihm seit dem Jahre 1948
das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. etwa 10 Milliarden DM netto neu investiert worden
Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen sind, ein Betrag, an dem wir bei unseren Überlegun-
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich gen unter keinen Umständen vorübergehen können.
bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehr-
heit angenommen. Aus all diesen Gründen hat die sozialdemokra-
tische Bundestagsfraktion den schwierigen Proble-
Ich komme nunmehr zu § 13 und dem Antrag men des deutschen Steinkohlenbergbaus von jeher
Umdruck 304 Ziffer 4. Auch er ist schon begründet. ihre besondere Aufmerksamkeit und eine besondere
Wird noch das Wort dazu gewünscht? — Das ist Sorgfalt gewidmet. Dabei ist auch maßgebend, daß
nicht der Fall. der deutsche Steinkohlenbergbau seit einigen Jahren
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor außerordentlich schwierigen Problemen steht.
Umdruck 304 Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, den Wir alle wissen, daß seine Wettbewerbslage sehr
bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die schwierig ist, insbesondere gegenüber der auslän-
Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit wie vor- dischen Steinkohle und gegenüber dem Mineralöl.
hin abgelehnt. Die Lage gegenüber dem Mineralöl wird gerade
Wer § 13 in der Ausschußfassung zuzustimmen dadurch noch besonders verschärft, daß sich die
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich internationalen Ölkonzerne bekanntlich in einer
bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehr- einzigartigen Ertragslage befinden und daher eine
heit angenommen. Finanzmacht darstellen, die in der Weltwirtschaft
ohnegleichen ist. Die Lage wird weiter verschärft
Ich rufe nunmehr auf die §§ 14 bis 31. — Wird
das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. durch die Tatsache, daß die internationalen Ölkon-
zerne ihre Großmacht in ihrem Konkurrenzkampf
Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich gegenüber der finanziell zweifellos sehr viel schwä-
bitte um die Gegenprobe. — Angenommen. cheren deutschen Steinkohle rücksichtslos ausnutzen,
und dadurch, daß die Bundesregierung leider — das
Ich rufe nunmehr auf den Antrag der Fraktion bedauern wir besonders — es bis heute nicht für
der SPD auf Umdruck 304 Ziffer 5 — Einfügung notwendig gehalten hat, der Mineralölindustrie bei
eines neuen § 31 a —. Auch dieser Antrag ist meines ihrem rücksichtslosen Kampf gegen den deutschen
3844 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Kurlbaum
Steinkohlenbergbau auch nur irgendwie wirksam in aufgebracht werden. Wenn die Bundesregierung das
die Arme zu fallen. Die sozialdemokratische Bun- Problemchtzigkanudretipl-
destagsfraktion hat schon vor längerer Zeit den mäßig vorgegangen wäre, hätte man diesen bedauer-
Vorschlag gemacht, doch die Handhaben des deut- lichen Zickzack-Kurs in der Energiepolitik vermeiden
schen Energiewirtschaftsgesetzes auch auf dem und erhebliche Millionenbeträge einsparen können.
Mineralölmarkt wirksam zu machen, um dadurch
dem deutschen Steinkohlenbergbau besser als in der Es gibt noch ein zweites, schwer ins Gewicht fal-
Vergangenheit helfen zu können. Leider hat sich die lendes, grundsätzliches Bedenken. Wir stellen die
Bundesregierung für diesen Vorschlag nicht aufge- Frage, ob es überhaupt vertretbar ist, daß Unter-
schlossen gezeigt. nehmungen lediglich für die Einschränkung oder die
Einstellung ihrer Tätigkeit hohe Millionenbeträge
Eine zweite Schwierigkeit liegt für den deutschen
zu Lasten des deutschen Steuerzahlers erhalten, und
Steinkohlenbergbau in seiner Zersplitterung. Das
zwar, ohne daß man fragt,. ob im Einzelfall diese,
wird besonders deutlich im Vergleich mit dem Stein-
sagen wir einmal deutlich: ureigenste unternehme-
kohlenbergbau in Frankreich und Großbritannien,
rische Aufgabe, nämlich die Anpassung an neue
zwei der Hauptkonkurrenten des deutschen Stein-
Verhältnisse, nicht von dem einzelnen Unternehmen
kohlenbergbaus. In beiden Ländern ist der Stein-
selbst bewältigt werden kann. Wir wissen, daß es
kohlenbergbau bekanntlich verstaatlicht und daher
eine ganze Reihe von Unternehmungen des Berg-
zentral organisiert.
baus gibt, die das ohne weiteres aus eigener Kraft
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat tun können.
seit Jahren immer wieder darauf hingewiesen, daß
die Probleme des deutschen Steinkohlenbergbaus Wir fragen zweitens, ob eine solche Vergütung
nicht allein dadurch gelöst werden können, daß es für bloße Einschränkungen der unternehmerischen
die Bundesregierung dem Steuerzahler und dem Ver- Tätigkeit auch dann gegeben werden soll, wenn in
keiner Weise überprüft wird, ob die prämiierte Still-
braucher überläßt, durch seine finanziellen Beiträge
legung auch volkswirtschaftlich richtig ausgewählt
die Widerstandskraft des deutschen Steinkohlen-
ist. Hier wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaf-
bergbaus zu stärken, daß es vielmehr notwendig ist,
fen, an den wir uns wahrscheinlich später noch ein-
daß die Bundesregierung ihre eigene Verantwortung
mal erinnern werden. Man braucht kein großer Pro-
in diesem Bereich erkennt und sich entsprechend
phet zu sein, um vorauszusagen, daß wahrscheinlich
betätigt.
sehr bald andere wichtige Wirtschaftszweige auf
Steuerzahler und Verbraucher haben in den letz- den Gedanken kommen werden, gleiche Beträge da-
ten Jahren — das muß in diesem Zusammenhang für zu verlangen, daß nichts anderes geschieht, als
festgehalten werden — jährlich ungefähr eine Mil- daß sie ihre Tätigkeit als Unternehmen einschrän-
liarde zugunsten des deutschen Steinkohlenberg- ken.
baus aufgebracht. Nach vorläufigen Schätzungen
wird sich dieser vom Steuerzahler und vom Ver- Schließlich ist auch die Frage berechtigt, ob es
braucher aufzubringende Betrag in den nächsten heute nicht gerade auch im Bereich der kleineren
und mittleren Unternehmen zahlreiche Fälle gibt,
Jahren auf etwa 1,5 Milliarden DM jährlich erhöhen.
in denen diese Unternehmen vor die Aufgabe ge-
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion war stellt sind, sich neuen Verhältnissen anzupassen,
immer der Meinung, daß die Erhaltung des deut- und in denen dieser Anpassungsprozeß aus Mangel
schen Steinkohlenbergbaus wirksame und erhebliche an finanziellen Mitteln und durch das Fehlen der
finanzielle Hilfen zur Voraussetzung hat.. Sie war Möglichkeiten eines Risikoausgleichs unter Umstän-
aber gleichzeitig immer der Ansicht, daß es dem den sehr viel schwieriger zu bewältigen ist als bei
Steuerzahler und dem Verbraucher nicht zugemutet der Mehrzahl der Großunternehmen des Kohlen-
werden kann, so große Beträge aufzubringen, wenn bergbaus, die hier zur Diskussion stehen.
nicht auch sichergestellt ist, daß diese Mittel nicht
nur im betriebswirtschaftlichen Interesse des ein- Leider, meine Damen und Herren von der Koali-
zelnen Bergbauunternehmens, sondern auch volks- tion, haben Sie alle unsere wesentlichen Änderungs-
wirtschaftlich sinnvoll und optimal verwendet wer- anträge zu dem vorliegenden Gesetzentwurf abge-
den. Mein Parteifreund Arendt hat hier schon im lehnt, jedenfalls alle die Anträge, mit denen wir
einzelnen dargelegt, warum das bei dem vorliegen- versucht haben, die grundsätzlichen Mängel des Ge-
den Gesetzentwurf in keiner Weise gesichert ist. setzentwurfs wenigstens zu mildern. Wir kommen
Lassen Sie mich seine Ausführungen durch zwei daher zu der bedauerlichen Feststellung, daß auch
kritische grundsätzliche Bemerkungen zu dem Ge- hier wiederum die Politik der Regierung fortgesetzt
setzentwurf ergänzen. wird, privaten Unternehmern ohne ausreichende
Sicherungen öffentliche Mittel in einem Umfang zur
In den vergangenen Jahren haben Steuerzahler Verfügung zu stellen, den wir nach wie vor nicht
und Verbraucher im Zuge der bisherigen Maßnah- für vertretbar halten. Wir sehen uns daher zu un-
men der Bundesregierung erhebliche Beträge für den serem Bedauern gezwungen, den Gesetzentwurf ab-
Fortbestand des deutschen Steinkohlenbergbaus auf- zulehnen.
gebracht. Jetzt sollen — und das ist das Bedenkliche (Beifall bei der SPD.)
-- für die Stillegung derselben Zechen, für deren
Erhaltung in der Vergangenheit große Beträge auf-
gewendet worden sind, noch einmal neue, erhebliche Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
öffentliche-Mittel — 150 Millionen DM sind es — Abgeordnete Dr. Burgbacher.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3845

Dr. Burgbacher (CDU/CSU) : Herr Präsident! schädenrecht. Ohne die Prämien für die Stillegung
Meine Damen und Herren! Zunächst stellen meine würden wir Gefahr laufen, daß an sich als zweck-
Freunde mit Bedauern fest, daß nach den feierlichen mäßig erkannte Stillegungen unterbleiben, weil die
Proklamationen der SPD, dem Bergbau helfen zu volkswirtschaftliche Berechtigung privatwirtschaft-
wollen, wie so oft auch heute das klassische Nein lich überdeckt wird durch die bei der Stillegung
zum praktischen Gesetz kommt. eintretenden Folgekosten. Diese Hemmung, die in
der Natur der Sache betriebswirtschaftlich begrün-
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg.
det liegt, soll durch die Prämie im Rationalisie-
Schoettle: Eine außerordentlich billige
rungsverbandsgesetz beseitigt werden.
Feststellung, Herr Kollege!)
- Sie brauchen nur die Protokolle nachzusehen. Es ist müßig, darüber zu streiten, ob wir früher
eine präzisere Energiewirtschaftspolitik hätten ma-
Die deutsche Kohle hat in der Vergangenheit chen können und sollen oder ob wir sie jetzt erst
jahrzehntelang eine entscheidende Rolle für den machen sollen. Meine Herren, Sie wissen: panta
Aufbau der deutschen Wirtschaft gespielt. Sie hat rhei, alles fließt. Ob das die Programme von Par-
auch nach dem Kriege unter Sonderrecht gelebt, und teien betrifft oder die Energiewirtschaftspolitik,
sie hat unter diesem Sonderrecht Milliarden an Ein- man wird eben immer klüger, und wir haben jetzt
nahmen entbehren müssen, die ihr ohne das Son- doch wohl nach den Debatten in den letzten zwei
derrecht mit an Sicherheit grenzender Wahrschein- Jahren hier in diesem Hohen Hause über die Ener-
lichkeit zugeflossen wären. Dann hat die Kohle im giewirtschaftspolitik in der Bundesrepublik eine
Montan-Vertrag im Interesse der sich damals damit Konzeption. Der Rationalisierungsverband ist ein
schüchtern anbahnenden europäischen Entwicklung Teilstück dieser Konzeption. Ob es Kohleimport-
ein großes Opfer gebracht, indem sie heute noch kontingente, ob es Kohlenzoll, ob es Heizölsteuer,
unter einem Sonderrecht lebt, das zu Wettbewerbs- ob es den Rationalisierungsverband oder ob es
verzerrungen gegenüber den anderen Energien, ins- demnächst das Vorratshaltungsgesetz, oder was
besondere dem Öl, ständig und in sehr verschieden sonst noch kommen möge, betrifft, es ist alles ein
hohem Maße Anlaß gibt. Wenn die Kohle aus die- Bukett mit einem Ziel.
sem Sonderrecht befreit werden könnte, das durch
die Entwicklung der Verhältnisse zu einer gewissen Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch darauf
Fessel geworden ist, wäre in mancher Beziehung die hinweisen, daß wir uns in der Entwicklung des Ge-
Lage anders. meinsamen Marktes befinden, daß die Übergangs-
Der Rationalisierungsverband, den die Bundes- zeit 1970 zu Ende ist und daß dann auch auf dem
regierung und die Ausschüsse Ihnen heute zu be- Gebiet ,der Gemeinschaftskohle der Gemeinsame
schließen vorschlagen, ist nicht, wie unser Kollege Markt hergestellt sein soll. Das bedeutet, daß, wenn
Kurlbaum sagte — wenigstens habe ich ihn so ver- der Gemeinsame Markt auf dem Gebiet der Gemein-
standen — ein „Schrumpfungsverband". Er heißt schaftskohle hergestellt ist, nach den Gesetzen des
nicht „Einschränkungsverband", er heißt nicht „Still- Gemeinsamen Marktes die Güter innerhalb dieses
legungsverband"; er heißt: „Rationalisierungsver- Gemeinsamen Marktes dort produziert werden sol-
band". Das will besagen, daß die Stillegung einer len, wo sie unter relativ günstigsten Bedingungen
Zeche oder von Teilen von Zechen keineswegs produziert werden können. Es läßt sich aber nicht
zwingend den Verlust der darauf entfallenden För- bestreiten, daß, im großen Schnitt gesehen, die Koh-
dermenge bedeutet; im Gegenteil, wir hoffen zuver- le in der Bundesrepublik innerhalb der Gemein-
sichtlich, daß der deutsche Bergbau unter dem ihm schaftskohle, der Kohle im Gemeinsamen Markt, die
-
immer verbleibenden Wettbewerbsdruck Mittel und relativ beste Position hat. Es ist deshalb unsere
Wege findet, die entsprechenden Mengen auf ande- Aufgabe, für die deutsche Kohle die geeigneten
ren Zechen unter günstigeren Verhältnissen zu Mittel und Wege aufzuzeigen, damit sie bis zum
wettbewerbsmöglichen Bedingungen zu fördern. Abschluß der Übergangszeit des Gemeinsamen
Marktes mit der denkbar größten Wettbewerbs-
Warum aber nun die Prämien? Aus den Ausfüh- fähigkeit in diesen Gemeinsamen Markt eintritt, da
rungen unseres Kollegen Kurlbaum könnte der un- wir doch wohl alle in diesem Hohen Hause der
befangene und die Details nicht kennende Hörer Meinung sind, daß wir von unserer Volkswirtschaft
oder Leser den Eindruck gewinnen, das wären mal das, was möglich ist, im Gemeinsamen Markt er-
wieder, nun, sagen wir einmal anklingend an eine halten sollen und müssen.
vergangene Terminologie, die heute nicht mehr
gern von Ihnen benutzt wird, Zahlungen an die Im übrigen möchte ich der Überzeugung meiner
Zechenbarone. Es ist aber bekannt — auch Ihnen, Freunde Ausdruck geben, daß die Prämien, die jetzt
meine Herren von der Opposition —, daß diese aufgewandt werden, nicht expressis verbis, aber der
Gelder nicht an die „Zechenbarone" fließen oder an LogikderbunsplachEergiotk
die Unternehmer, sondern an die Unternehmen zur gemäß aus den Mitteln der Heizölsteuer gedeckt
Abgeltung von außergewöhnlich hohen Folgekosten, werden, zwar Geld kosten, aber immer noch weit
die sich bei Stillegungen im Bergbau in einem Maße billiger sind als jedes System der Vergemeinschaf-
ergeben, wie sie in kaum einem anderen Wirt- tung unter Ausschluß der persönlichen Verantwor-
schaftszweig in der deutschen Volkswirtschaft ge- tung.
geben sind. Das ergibt sich aus der Lohnschwere,
das ergibt sich aus der Kapitalschwere, das ergibt (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abge
sich aus dem Bergrecht, insbesondere dem Berg ordneten der FDP.)
3846 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit —
Abgeordnete Dr. Aschoff. Drucksachen 1257 und 1271 —. Die Abgeordneten
(Abg. Dr. Aschoff: Ich verzichte!) Strauß und Genossen beantragen auf Umdruck 302,
in § 7 des Gesetzes die Wörter „30. Juni 1963" durch
— Er verzichtet. Keine weitere Wortmeldung. Dann die Wörter „30. Juni 1964" zu ersetzen. Auf Umdruck
schließe ich die allgemeine Aussprache. 303 beantragen die Abgeordneten Strauß und Ge-
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem nossen in Widerspruch zu ihrem eigenen Antrag
Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, auf Umdruck 302, die Wörter „mit Ablauf des
den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die 30. Juni 1963" durch die Wörter „mit Ablauf des
Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, 31. Dezember 1963" zu ersetzen.
keine Enthaltungen. Mit den Stimmen der Regie- Beide Ausschüsse lehnten den Antrag auf Um-
rungsparteien gegen die der Opposition angenom- druck 302 ab. Im Ausschuß für Wohnungswesen,
men. Städtebau und Raumordnung wurde der Antrag auf
Wir kommen nunmehr zu dem Entschließungsan- Umdruck 303 angenommen, der Wirtschaftsausschuß
trag, der von Abgeordneten der Fraktionen der lehnte ihn ab. Der Wirtschaftsausschuß empfiehlt,
CDU/CSU und der FDP eingebracht worden ist. Ich den Gesetzentwurf — Drucksache IV/1257 — unver-
darf ihn noch einmal verlesen: ändert anzunehmen.
Die Bundesregierung wird beauftragt, zu prü-
fen, ob nicht auch die Leistungen stillegender Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke dem
Unternehmen aus Sozialplänen (Betriebsverein- Herrn Berichterstatter.
barungen) beim Arbeitnhmer von der Lohn- Ich komme zur zweiten Beratung und rufe auf
steuer befreit werden können. Art. 1. Besteht noch der Änderungsantrag der Frak-
Der Antrag ist bereits begründet worden. Wird da- tion der FDP und der Abgeordneten Strauß und
zu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Genossen?
Ich lasse abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag (Zuruf von der CDU/CSU: Ein neuer Antrag
zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- wird gestellt!)
zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine
Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einige Enthaltun- — Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Abgeordneter
gen in der Mitte. Ohne Gegenstimme vom Hause Mertes.
angenommen.
Meine Damen und Herren, mir ist mitgeteilt wor- Mertes (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und
den, daß eine interfraktionelle Vereinbarung dar- Herren! Ich habe im Namen der Antragsteller die
über besteht, nunmehr das Baustoppgesetz zu be- Ehre, den Ihnen vorhin neu vorgelegten Antrag auf
handeln. Hiergegen wird kein Widerspruch erho- Umdruck 308 *) zu begründen.
ben. Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses verfolgen
seit langem mit großer Sorge die Entwicklung auf
Dann rufe ich auf Punkt 8 der Tagesordnung:
dem Baumarkt. Das Mißverhältnis zwischen den Bau-
Zweite und dritte Beratung des von der Frak- kapazitäten auf der einen Seite und der Nachfrage
tion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs nach Bauleistungen auf der anderen Seite hat zu
eines Gesetzes zur Verlängerung der Gel- Preissteigerungen erheblichen Umfangs geführt, die
tungsdauer des Gesetzes zur Einschränkung vor .allem den Bausparer sehr hart treffen, der immer
der Bautätigkeit (Drucksache IV/1257) ; wieder die Erfüllung seines Wunsches nach einem
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschus- eigenen Haus zurückstellen muß, weil in der Zwi-
ses (16. Ausschuß) (Drucksachen IV/1271, zu schenzeit die Baukosten dem angesparten Kapital
IV/1271) davongelaufen sind.
(Erste 'Beratung 76. Sitzung). Steigende Baukosten bleiben selbstverständlich
Wünscht der Berichterstatter, Herr Abgeordneter auch nicht ohne Wirkung auf die Höhe der Mieten.
Matthöfer, noch das Wort? — Bitte sehr! Ich erteile Hierbei handelt es sich um ein ökonomisches Ge-
Ihnen das Wort. setz und nicht etwa um die Raffgier von irgendwel-
chen Hausbesitzern, wie man leider manchmal hören
kann.
Matthöfer (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! In Ergänzung meines Schriftlichen Be- Sie wissen aus der Vergangenheit, daß wir uns
richts, der dem Hause als „zu Drucksache IV/1271" bemüht haben, dieser unerfreulichen Entwicklung
vorliegt,dafchIn eslErgbid Einhalt zu gebieten. Ich erinnere an die Sperre der
heutigen Ausschußsitzungen mitteilen. Baumittel des Bundes in Höhe von 20% in § 8 des
Haushaltsgesetzes. Ich erinnere weiter an die teil-
Den Ausschüssen lagen vor der Änderungsantrag weise Aussetzung des § 7 b. Dem gleichen Ziel
der Fraktion der FDP und der Abgeordneten Strauß sollte auch das sogenannte Baustoppgesetz dienen,
und Genossen auf Umdruck 302 und der Änderungs- das heute verlängert werden soll.
antrag der Abgeordneten Strauß und Genossen auf
Wir wissen nun aber, daß dieses Baustoppgesetz
Umdruck 303 zur zweiten Beratung des von der
enttäuscht hat. Wir haben heute morgen bei den
Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des *) Siehe Anlage 4
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3847
Mertes
Ausschußberatungen gehört, daß durch dieses Bau- Zudem wissen wir alle doch sehr genau, daß die
stoppgesetz lediglich ein Bauvolumen in der Grö- Situation auf dem Baumarkt wesentlich besser wer-
ßenordnung von 800 Millionen DM verhindert den wird, wenn die öffentliche Hand sich bei der
wurde. Wenn Sie diese 800 Millionen DM zu dem Verwirklichung ihrer Bauvorhaben größere Zurück-
Gesamtbauvolumen in Beziehung setzen, sehen Sie, haltung auferlegt. Hier liegt das Kernproblem, das
wie gering der Prozentsatz ist. Er liegt nach meinen im Auge zu behalten ist, wenn das Wirklichkeit
Berechnungen noch unter 2%. werden soll, was ich mit den Worten „besseres
Gesetz" umschrieben habe.
Zur weiteren Erläuterung darf ich Ihnen einige
Zahlen nennen, die ich aus Baden-Württemberg be- Das Gefährlichste an dem Baustoppgesetz ist das
kommen habe. Danach beläuft sich der Anteil der Sonderrecht, das für den Handel, das Gaststätten-
vom Baustoppgesetz betroffenen Bauvorhaben am und Beherbergungsgewerbe geschaffen wurde. Sie
Rohzugang von neuen Gebäuden bezüglich der Ge- wissen, daß bereits eine Beschwerde beim Bundes-
samtzahl auf 0,2 %, bezüglich des umbauten Rau- verfassungsgericht läuft. Es bleibt abzuwarten, wie
mes in Kubikmetern auf 0,4% und bezüglich der die Entscheidung ausfallen wird.
veranschlagten reinen Baukosten auf 0,7 %. Bei Annahme des Änderungsantrags auf Um-
druck 308 bliebe das Verbot für die Errichtung von
Selbstverständlich müssen wir alle Maßnahmen, Gebäuden bestehen, die zu der Kategorie der Ver-
die zur Beruhigung der Konjunktur auf dem Bau- waltungs- und Repräsentationsbauten gehören. Die
markt getroffen wurden, im Zusammenhang sehen. genannten Gruppen Handel, Gaststätten und Be-
Dennoch — das haben die Zahlen unterstrichen, herbergungsbetriebe würden aber der übrigen ge-
die ich genannt habe — ist es ein offenes Geheim- werblichen Wirtschaft gleichgestellt, und ich meine,
nis, daß das Baustoppgesetz für sich allein die Hoff- das ist echte Gleichheit vor dem Gesetz. Die auf
nungen nicht erfüllt hat. Allein die Tatsache, daß in Umdruck 308 vorgeschlagene Verlängerung bis zum
der Drucksache IV/1257 eine Verlängerung um le- 30. Juni 1964 soll uns lediglich die Zeit geben, in
diglich ein halbes Jahr vorgesehen ist, drückt doch Ruhe nach neuen Möglichkeiten zu suchen, weil ich
eine gewisse Unzufriedenheit mit diesem Gesetz befürchte, daß die wenigen Herbstwochen dazu nicht
aus. Wir müssen uns heute fragen: was soll nach ausreichen werden, vor allem, wenn wir uns über-
diesem halben Jahr kommen? Es kann sein, daß die legen, welche politischen Veränderungen sich in
Situation auf dem Baumarkt dann so ist, daß man dieser Zeit auch noch ergeben werden.
sagt: Wir können dieses Baustoppgesetz auslaufen
lassen. Aber auch dann müßte meines Erachtens Aus diesem Grunde bitte ich um Ihre Zustim-
trotz des geringen Wirkungsgrades Vorsorge ge- mung zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 308.
troffen werden, daß der aufgestaute Bedarf nicht in (Beifall bei den Regierungsparteien.)
einem plötzlichen Nachfragestoß auf den Markt
drängt. Auch in dieser Hinsicht soll der von uns Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
vorgelegte Änderungsantrag wirken. Oder — was Abgeordnete Dr. Ramminger,
wahrscheinlicher ist — man muß sich etwas Besseres
einfallen lassen als das zur Zeit noch geltende Ge- Dr. Ramminger (CDU/CSU) : Herr Präsident!
setz. Über dieses Bessere läßt sich ohne weiteres Meine Damen und Herren! Sie haben bereits gehört,
reden. daß dem Hohen Hause ein Antrag der Fraktion der
Das kann uns jedoch heute nicht daran hindern, CDU/CSU auf Drucksache IV/1257 vorliegt, der die
einen großen Nachteil des zur Zeit geltenden Ge- Verlängerung des Gesetzes zur Einschränkung der
-
setzes zu beseitigen, nämlich die Diskriminierung Bautätigkeit fordert.
des Handels, des Gaststätten- und des Beherber- (Vorsitz: Präsident D. Dr. Gersten
gungsgewerbes. Hier werden einem Teil der ge- maier.)
werblichen Wirtschaft Fesseln angelegt. Notwen-
dige Investitionen werden unmöglich gemacht, oder Ich möchte nun nach den Ausführungen des Herrn
wenn sie im Rahmen dieses Gesetzes noch erlaubt Kollegen Mertes noch etwas eingehender zu dem
sein sollten, wird in vielen Fällen verhindert, daß Problem des Baustoppgesetzes überhaupt Stellung
mit diesen Investitionen ein Optimum erreicht wird. nehmen; denn seit wir vor einem Jahr über dieses
Daraus erwachsen wieder zusätzliche neue wirt- Gesetz hier diskutiert haben, ist in der wirtschaft-
schaftliche Nachteile für den gewerblichen Mittel- lichen Lage der Bundesrepublik etwas Entscheiden-
stand. Daneben wird — um das nur anzudeuten — des vor sich gegangen. Wir können im Jahre 1963
auch die Städteplanung erschwert, weil vor allem nur noch mit einer 3- oder 4%igen Steigerung des
in den Einkaufszentren der Städte die Errichtung Sozialprodukts rechnen. Damit sind die allgemeinen
wirtschaftlichen Abflachungserscheinungen doch allen
bestimmter Gebäude verboten ist.
sichtbar geworden. Ich möchte in diesem Zusammen-
Auf der anderen Seite ist — wie ich schon sagte — hang nicht auf Einzelheiten eingehen. Über allem
der Anteil dieser Bauten am Gesamtbauvolumen so Zweifel allerdings steht noch die Blüte der Konjunk-
gering, daß eine nennenswerte Beeinflussung des tur auf dem Baumarkt, die man Überhitzung nennt.
Marktes durch eine entsprechende Lockerung des Angesichts der rückläufigen Tendenzen in vielen
Gesetzes, wie sie unser Antrag will, nicht zu be- Wirtschaftszweigen kann man die Frage stellen, ob
fürchten ist. Es besteht einfach keine vernünftige eine echte konjunkturelle Dämpfungsmaßnahme auf
Relation zwischen den Behinderungen und den dem so gut florierenden Baumarkt noch dringend
Existenzsorgen der mittelständischen Wirtschaft. notwendig ist. Das ist eine sehr wichtige Frage.
3848 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Dr. Ramminger
Diese Frage — ich möchte es vorwegnehmen — erst nach dem Auslaufen des Baustoppgesetzes be-
möchte ich ausdrücklich verneinen, und zwar schon gonnen werden darf. Man kann also daraus wohl
deshalb, weil wir über kurz oder lang vielleicht froh Schlüsse ziehen, die aber nie genau sind. Man kann
sein müssen, auf diesem Wirtschaftssektor noch eine nicht mit Sicherheit feststellen, wieviel Bauvor-
wirklich gute Konjunktur zu haben, zumal das Bau- haben infolge des Gesetzes nicht beantragt, also
gewerbe ein Schlüsselgewerbe ist und sich auf viele vom Baumarkt ferngehalten wurden; nur soweit
Wirtschaftszweige belebend auswirkt. Sollte man Anträge gestellt und zurückgestellt wurden, verfügt
einen solchen Wirtschaftsfaktor nicht lieber sorgsam das Statistische Bundesamt über konkrete Unter-
pflegen, statt ihn in einer Zeit zu drosseln, in der lagen. Diese konkreten Unterlagen aber besagen,
es nicht an wirtschaftlichen Alarmzeichen fehlt? daß bis Ende 1962 das gestoppte Bauvolumen nur
526 300 cbm umbauten Raumes mit reinen Bau-
Daher bin ich strikt gegen eine Verlängerung kosten in Höhe von nur 54,8 Millionen DM aus-
des Baustoppgesetzes. Hat denn das Baustoppgesetz macht, also ein ganz unbedeutendes Bauvolumen.
überhaupt seinen Zweck erfüllt? Mein Herr Vor- Der vorher von mir genannte Betrag von fast einer
redner hat darüber schon Ausführungen gemacht. Milliarde ist also wahrscheinlich nur geschätzt und
Lassen Sie mich noch einiges dazu sagen. Schon von deshalb sehr zweifelhaft.
Anfang an konnte man Zweifel haben, ob dieses
Gesetz seinen Zweck erfüllen wird. Hier ist allerdings zu bemerken, wie es auch
schon mein Herr Vorredner getan hat, daß es die
(Zustimmung des Abg. Börner.) öffentliche Hand war, die einen besseren Erfolg
des Gesetzes selber vereitelt hat. Dazu nur eine
Sicher, es gehört zu einem Teil des Stabilisierungs-
Zahl. Die Baugenehmigungen für die Sparte „An-
programms der Bundesregierung. Aber auch die
staltsgebäude" gingen bei den privaten Unterneh-
Bundesregierung hat in einem ersten neuen Ent-
men um 22,9 % — das sind fast 4 Millionen Kubik-
wurf eines zweiten Baustoppgesetzes — Drucksache
meter umbauten Raumes — zurück, während aber
IV/1083 — seinerzeit in der Begründung selbst zu-
gleichzeitig eine Zunahme auf der Seite der öffent-
gegeben, daß die Nachfrage nach Bauleistungen nur
lichen Hand von 27,1 % verzeichnet wird. In eini-
etwas gemindert wurde. Sie hoffte aber in dieser
gen Ländern soll der Prozentsatz sogar bis 37 % ge-
Begründung, daß sich die volle Wirkung des Geset-
stiegen sein.
zes erst im Frühjahr 1963 einstellen werde.
Dieser Hinweis beweist zur Genüge, daß das Bau-
Inzwischen hat die Erfahrung gezeigt, daß diese
stoppgesetz falsch angelegt war und seine Wirkung
Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen ist. Das ist
zur Baudämpfung daher verfehlen mußte. 20 %
zu beweisen. Infolgedessen ist grundsätzlich die
Streichung 'der Baugelder vom Bund können die er-
I Frage zu klären, ob durch das Gesetz eine wirksame
höhte Bautätigkeit der Länder und Kommunen nicht
Dämpfung der Baukonjunktur erreicht wurde und
wettmachen. Also die Dämpfung der Baukonjunktur
ob das Ansteigen der Baupreise gestoppt werden
wurde so nicht erreicht. Außerdem ist festzustellen,
konnte.
daß im Bauhauptgewerbe Ende März um 4,8 %
Zur Dämpfung der Übernachfrage auf dem Bau- mehr Arbeitskräfte beschäftigt waren als in der
markt stellt jetzt der letzte Konjunkturausweis der gleichen Zeit des Vorjahres, während der Anteil in
Bauindustrie folgendes fest: „Die Auftragsbestände der Industrie in der Zahl der Beschäftigten kleiner
haben im April wie in jedem Jahr zugenommen. geworden ist.
.Sie stehen jedoch einem personell und maschinell Nun zur zweiten Frage: wurde das Ansteigen der
erweiterten Angebot an Bauleistungen gegenüber." Baupreise gestoppt? Nach der Statistik des Bundes-
Das heißt: die Baukonjunktur wurde nicht gedämpft, wirtschaftsministeriums vom ersten Vierteljahr 1963
aber die Bauindustrie ist durch erweiterte Bau- ist der Preisindex für Wohngebäude im Jahre 1961
kapazität in der Lage, der Nachfrage zu entspre- von 116 auf 127, also um 11 Indexpunkte, gestiegen,
chen. In diesem Punkt möchte ich allerdings mein im Jahre 1962 von 127 auf 137, also um 10 Index-
Land Bayern ausnehmen. Darauf komme ich später punkte. Dazu wird freilich im Text des Viertel-
noch zurück. jahresberichts folgendes gesagt: „Bei den Bauprei-
Nun ist gesagt worden, daß von dem im Bau- sen verlangsamte sich in , der Berichtszeit" — also
stoppgesetz ausgesprochenen Verbot nur 3 % des im ersten Vierteljahr 1963 — „die Aufwärtsbewe-
gesamten Bauvolumens erfaßt worden seien, daß gung merklich." Es heißt dann sehr hoffnungsvoll:
das Bauvolumen trotz Baustoppgesetz auf etwa „Ein etwas geringerer Baupreisantrieb als in den
50 Milliarden angestiegen sei und damit nicht ein- beiden vorangegangenen Jahren dürfte jedoch nach
mal ein Betrag von 1 Milliarde vom Baumarkt fern- den maßvolleren Tariflohnerhöhungen" — bekannt-
gehalten worden sei. Von einem Betrag von einer lich nur 4,9 % — „dieses Jahres und den verschie-
Milliarde bei einem Bauvolumen von 50 Milliarden denen Stabilisierungsmaßnahmen zu erwarten sein".
kann kein dämpfender Einfluß auf eine überhitzte Diesem Optimismus in dem Bericht des Wirtschafts-
Baukonjunktur ausgehen. Dabei muß man aller- ministeriums möchte ich entgegenhalten, daß etwa
dings zugeben, daß es eine exakte statistische Er- ein Viertel der Ende April vom IFO-Konjunktur-
fassung des durch das Baustoppgesetz vom Markt Test, München, befragten Baufirmen eine erheb-
ferngehaltenen Bauvolumens überhaupt nicht gibt. liche Erhöhung der Baupreise in dieser Zeit gemel-
Schließlich ist es doch so, daß es dem Bauwilligen det hatten. Außerdem möchte ich noch darauf 'hin-
unbenommen bleibt, Anträge zur Genehmigung ein- weisen, daß bekanntlich zwischen Tariflohn und
zureichen, weil die Behörden die Baugenehmigung effektivem Lohn ein Unterschied besteht. Er betrug
mit der Auflage erteilen, daß mit den Bauarbeiten in den Jahren 1955 bis 1960 jeweils nicht weniger
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3849
Dr. Ramminger
als 10 %. Wenn der Tariflohn in dieser Zeit um Den Grund für einen langfristigen Anstieg der
33 % gestiegen ist, dann der Effektivlohn um 43 %. Baupreise findet z. B. das Ifo-Institut in München
in den produktionstechnischen Gegebenheiten; denn
Die weitere Frage ist: Wie steht es mit den so-
das Baugewerbe gehört zu jenen Wirtschaftszwei-
zialen Aufwendungen und den Lohnnebenkosten?
gen, in deren Kostenstruktur die kostensteigernde
Die sozialen Aufwendungen sind in dieser Zeit,
1955 bis 1960, um 83 % und .die reinen Lohnneben- Komponente ' der Lohnerhöhungen stärker ausge-
kosten um 75 % gestiegen. Sie muß man auch noch prägt ist als die kostensenkende Komponente der
hinzurechnen. Wir können also froh sein, wenn die Rationalisierung.
Baupreise in diesem Jahr, 1963, nur etwa um 6 oder Der Rede kurzer Sinn ist, daß die Preisbewegun-
7 % statt wie im Vorjahr um 8 oder 10 % steigen gen im Baugewerbe eine langfristige Entwicklung
werden. haben, also durch kurzfristige Maßnahmen, wie der
Baustopp nun einmal eine ist, nicht wirksam ge-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Einen Augen- bremst werden können. Daher geht die erhoffte Wir-
blick, Herr Abgeordneter. Sie haben das Wort zur kung, die steigenden Baupreise zu stoppen, von dem
Begründung des Änderungsantrags Umdruck 308 be- Bundesbaustoppgesetz auch in keiner Weise aus.
kommen. § 80 der Geschäftsordnung zwingt den
Präsidenten des Hauses - es steht nicht in seinem Weil es sich bei den Preisbewegungen im Bauge-
Ermessen, es anders zu handhaben —, eine Beratung werbe um langfristige Entwicklungen handelt, ist
in zweiter Lesung nur zu den einzelnen Änderungs- auch keineswegs ein starker Preisauftrieb durch die
anträgen bzw. zu den unmittelbar zur Verhandlung nach diesem Winter aufgestaute Nachfrage zu be-
stehenden Gegenständen zuzulassen. Eine allge- fürchten, wie es im Bericht des Herrn Abgeordneten
meine Beratung findet in der zweiten Lesung nur Matthöfer zur Verlängerung des Baustoppgesetzes
statt, wenn der Bundestag das zuläßt. heißt. Außerdem möchte ich feststellen, daß es sich
bei dem sogenannten Bauüberhang aus dem Winter
Ich möchte deshalb bitten, daß Sie zur Begründung nicht um solche Größen handelt, die dem Baumarkt
des Antrags sprechen. sehr stark durcheinanderbringen würden. Denn von
582 000 Wohnungen waren Ende 1962 bereits rund
Dr. Ramminger (CDU/CSU) : Herr Präsident, ich 371 000 unter Dach und Fach. Es ist also mehr eine
darf darauf aufmerksam machen, daß ich zu dem Sache des Ausbaugewerbes, ob es den Rückstand
Gesetzentwurf Drucksache IV/1257 spreche. irgendwie aufholen kann.
Zu der Frage, warum sich das Baustoppgesetz
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Ich habe in nicht dämpfend auf die Preise ausgewirkt hat, muß
meiner Notiz gesehen, daß Sie sich zur Begründung man noch sagen: Auch eine Abschwächung der Nach-
des Änderungsantrags Umdruck 308 gemeldet und frage kann bei der komplizierten Zusammensetzung
dazu das Wort bekommen haben. Nun hat inzwi- der Herstellungskosten im Baugewerbe das Preis-
schen der Vorsitz gewechselt; ich will Ihnen das niveau nicht ausreichend beeinflussen. Solange der
konzedieren. Aber wir führen, Herr Abgeordneter, Satz gilt: „Jetzt bauen ist billiger als warten", hat
in der zweiten Lesung eine allgemeine Beratung nur ein solches Gesetz keine Wirksamkeit, weil es im
dann, wenn sie der Bundestag zuläßt. Gegensatz zur gesamtwirtschaftlichen Preisentwick-
(Abg. Dr. Schäfer: Wir haben keine Beden lung steht.
ken!) Allerdings gebe ich zu, daß man durch die Ver-
— Es bestehen keine Bedenken. Fahren Sie bitte schiebung der Baunachfrage von einem Jahr mit
-
fort! überbeschäftigten Kapazitäten auf ein darauffolgen-
des Jahr mit schwächeren Kapazitätsauslastungen
Dr. Ramminger (CDU/CSU) : Ich sagte eben, daß eine Kostenersparnis und eine entsprechende Preis-
es eine vage Hoffnung ist, wenn wir annehmen, daß beruhigung erzielen könnte, wenn wir die Gewißheit
die Baupreise in diesem Jahre, 1963, nur um 6 oder hätten, daß im nächsten Jahr tatsächlich eine Ent-
7 % steigen werden. Nebenbei möchte ich nur noch spannung auf dem Baumarkt eintreten wird. Diese
bemerken, daß sich die Bauindustrie bereits ausge- Gewißheit haben wir aber eben nicht. Im Gegen-
rechnet hat, daß die Einführung der Mehrwertsteuer teil, wir wissen genau, daß wir einem wachsenden
— sie ist natürlich noch in weiter Sicht — eine durch- Bedarf entgegensehen.
schnittliche Erhöhung der Baupreise um mindestens Versucht man nun, zur Dämpfung der Baukon-
3 % bedeutet. junktur weniger Bauten zu genehmigen, dann blei-
Man hat bei den erhofften Auswirkungen des ben viele dringend notwendige Bauten unausge-
Baustoppgesetzes auf die Preise vielleicht etwas führt, und wir müssen doch zugeben: wenn es in
übersehen: daß der Anstieg der Baupreise nicht in der Bundesrepublik Mangelerscheinungen gibt, so
erster Linie nachfragebedingt ist, also nicht bloß sind sie meist darauf zurückzuführen, daß die Bau-
durch die Einschränkung des Bauvolumens gedämpft tätigkeit hinter dem Bedarf zurückgeblieben ist. Das
werden kann. Die Baupreise sind vielmehr meistens ist nicht nur im Straßenbau so, sondern spiegelt
kostenbedingt, und bei der Kostenentwicklung spie- sich auch im Mangel an Schulen, Krankenhäusern
len die eben genannten übertariflichen Lohnzahlun- und Altersheimen wider. Wird aber durch eine Ver-
gen, die steigenden Soziallasten und die Lohnneben- schiebung dieser notwendigen Bauten der Bedarf
kosten neben dem Rationalisierungsbemühen im immer noch drängender und größer, dann drückt
Baugewerbe eine große Rolle. dieser Bedarf notwendig auf den Baumarkt. Der
3850 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Dr. Ramminger
Baumarkt wird durch diese Verschiebung also nicht diesem Bericht. Die Zahl der Baugenehmigungen war
geordnet, sondern wir geraten in den kommenden in Bayern im März 1963 um ein volles Drittel kleiner
Jahren in noch größere Schwierigkeiten. Es ist daher als im März 1962. Der Rückgang betrug bei Wohn-
meines Erachtens besser, den Baumarkt dem .ausglei- gebäuden 27 %, bei den Nichtwohnbauten der pri-
chenden Marktmechanismus zu überlassen, als mit vaten und öffentlichen Bauherren zusammen sogar
unzureichenden Gesetzen einzugreifen. Ich bin sogar 40 %. Für das erste Vierteljahr 1963 ergibt sich
überzeugt, daß es gar kein zureichendes Gesetz somit in Bayern ein Rückgang der neugenehmigten
gibt, das die Wirkungen erzielen könnte, die wir Hochbauten um 32 % und des hierfür veranschlagten
für den Baumarkt erhoffen. Es gibt heute schon An- Bauaufwands um 29 % gegenüber dem ersten Quar-
zeichen, daß das erreichte Preisniveau einen Kreis tal 1962. Diese amtliche Statistik wird durch das
von Bauwilligen von 'Bauabsichten .abschreckt. Das Bauhauptgewerbe bestätigt.
ist eben schon eine Wirkung des Marktmechanismus
selbst. Dies bedeutet nun weiter, daß in den meist
revierfernen Gebieten Bayerns die Baukonjunktur
Wenn wir eine Nachfrageberuhigung auf dem heute rückläufig zu werden beginnt und keiner
Baumarkt erreichen wollen, dann kann das nur durch Bremse mehr durch ein Baustoppgesetz bedarf. Man
Einschränkung der Bauten der öffentlichen Hand muß ja schließlich bedenken, daß Konjunkturwellen
angestrebt werden. Aber man sagt, das sei unmög- erst zuletzt die revierfernen Gebiete erreichen, dafür
lich. Ich bin anderer Meinung. Dazu möchte ich aber auch dort wieder zuerst abebben.
kurz noch folgendes sagen. Wenn man vom Staat
her schon in die Bauwirtschaft eingreifen zu müssen Was hier für ganz Bayern gilt, gilt insbebsondere
glaubt, dann muß man eben gegen die hektisch an- für die revierfernen Gebiete Ostbayerns. Hier ist
mutenden Ansprüche der öffentlichen Hand zur laut Bericht des Arbeitsamtes Passau erstmals die
Errichtung von Großbauten etwas tun. Deshalb sind Tatsache zu verzeichnen, daß es im Monat Mai
notwendig: erstens ein wirtschaftsgerechtes Verhal- arbeitslose Bauarbeiter gab, weil die Vermittlungs-
ten aller Parlamente bei der Bewilligung der Bau- möglichkeiten in die südlichen bayerischen Ballungs-
mittel, gebiete in diesem Jahr stark nachgelassen haben.
(Beifall rechts) Sie werden nun verstehen, meine Damen und
zweitens sollte man daran denken, ob man nicht Herren, daß uns solche Erscheinungen dazu bestim-
eine Koordinierungsstelle für Bund, Länder und Ge- men, weder einer Verlängerung des Baustoppge-
meinden in der Form irgendeiner obersten Bau- setzes noch einer Neuauflage eines eventuell schär-
behörde schaffen sollte. Wenn man das Wort „Be- feren Gesetzes zuzustimmen. Daher bitte ich das
hörde" hört, ist man etwas geschreckt. Diese Be- Hohe Haus, das Baustoppgesetz auslaufen zu lassen
hörde wäre aber ungleich wirkungsvoller 'als ein und der Verlängerung nicht zuzustimmen, den An-
Baustoppgesetz oder eine Bausteuer oder gar ein trag auf Drucksache IV/1257 also abzulehnen.
Gesetz zur Lizenzierung. Diese oberste Baubehörde Für den Fall, daß sich jedoch dafür keine Mehr-
würde schon in der Errichtung eine wirksamere heit in diesem Hause bildet, möchte ich noch kurz
Bremse gegen die öffentlichen Bauten darstellen, die Änderungsanträge auf den Umdrucken 308 und
als sie sonst möglich wäre. 309 berühren. Nach dem Änderungsantrag auf Um-
druck 308, über den Herr Mertes schon gesprochen
Zumindest könnte diese Behörde, die Koordinie-
hat, sollen im § 1 Abs. 1 Nr. 1 die Worte „Geschäfts-
rungsbehörde, den Wettlauf der drei Ebenen von
Bund, Ländern und Kommunen um Baukapazitäten oder Warenhaus" gestrichen werden. Außerdem
regeln und s o wirklich eine Ordnung auf dem Bau- sollen die Bauverbote für das Gaststätten- und
Beherbergungsgewerbe, § 1 Abs.1Nr3,aufgehon
markt von dieser Seite her schaffen; denn es ist für
werden. Nun, ich bin nicht der Meinung, daß es bei
Sachkenner heute klar, daß der gewerbliche Bau-
uns nicht genügend Warenhäuser und Gaststätten
markt eine stagnierende Tendenz aufweist, während
gebe,
das Bauvolumen der öffentlichen Hand anwächst,
(Heiterkeit)
und zwar in sehr starkem Maße, wie die von mir
eingangs genannten Zahlen zeigen. aber diese Bestimmungen bedeuten für diese Wirt-
schaftszweige eine diskriminierende Härte und
Es gilt daher, das offensichtliche Mißverhältnis
unterbinden außerdem den Ausbau des Fremden-
zwischen Bauvolumen und Baukapazität auf den
verkehrs in den neu erschlossenen und noch nicht
dreiTlgbtnsWohua,dergwb-
überlaufenen Fremdenverkehrsgebieten der Bundes-
lichen Bauten und der öffentlichen Bauten grund-
republik; sie unterbinden vor allem auch den weite-
sätzlich zu regeln, wenn man vom Staat her etwas
ren Ausbau eines so hervorragenden neuen Thermal-
Wirksames tun will. Dazu ist das Baustoppgesetz
bades wie Füssing an der bayerisch-österreichischen
ungeeignet. Hier könnte nur etwa eine Koordinie-
Grenze. Diese Bestimmungen des Baustoppgesetzes
rungsstelle für Bund, Länder und Gemeinden etwas
sind — das wurde schon angesprochen — auch aus
ausrichten; dann hätten wir einen wirklichen Bau-
stopp erzielt. verfassungsrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sie
gegen die grundgesetzlich garantierte Freiheit der
Nun noch ein Wort zur Baukonjunktur in Bayern. Berufsausübung verstoßen. Es wurde schon darauf
Unter dem 4. Juni 1963 meldet der Bayerische Bau- hingewiesen, daß eine Verfassungsbeschwerde läuft.
industrieverband einen starken Rückgang der Nach- Daher können wir eigentlich nicht anders, als daß
frage im Hochbau. Diese stark rückläufige Tendenz wir die Bestimmungen, die mit dem Grundgesetz
der Nachfrageentwicklung halte an, so heißt es in unvereinbar sind, streichen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3851
Dr. Ramminger
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß bei Ab- nale Förderung. Es wäre sinnwidrig, wenn man die
lehnung des Änderungsantrages auf Umdruck 308 normale Aufwärtsentwicklung dieser Gebiete durch
und bei eventueller Annahme des Änderungsan- den Baustopp drosselte, während man anderseits
trages auf Umdruck 309 die verfassungsrechtlichen durch Bundesleistungen gezielte Verbesserungen
Bedenken nicht ausgeräumt sind, wenn auch nach anstrebt. Der Herr Kollege Ramminger hat bereits
der hier vorgesehenen Klausel die Länder das Bauen Beispiele angeführt. Ich kann mich also auf diese
von Warenhäusern und Gaststätten bei Bedarf er- wenigen Ausführungen beschränken. Die Auswir-
lauben können. kungen des Gesetzes sind sowieso außerordentlich
umstritten. Auch hier darf ich mich auf die Ausfüh-
Meine Damen und Herren, die Annahme des
rungen meines Herrn Vorredners beziehen. Es be-
Änderungsantrages auf Umdruck 308 ist also not-
steht aber kein Zweifel darüber, daß bezüglich der
wendig, und darum möchte ich Sie bitten.
Gebiete ohne Konjunkturüberhitzung durch die vor-
(Beifall bei Abgeordneten der CDU.) gesehene Regelung das klassische Wort verwirk-
licht würde: Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustim-
der Herr Abgeordnete Dr. Kempfler zur Begründung men, wie das heute auch schon der Ausschuß für
des Änderungsantrages Umdruck 309 *). Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ge-
tan hat.
(Beifall rechts.)
Dr. Kempfler (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Nach den grundlegenden Aus-
führungen meiner Vorredner kann ich mich zur Be- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
gründung des Antrags Umdruck 309 auf einige Sätze der Abgeordnete Mick.
beschränken.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß sich der Kon-
Mick (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich suche krampfhaft
junkturaufschwung in der Bundesrepublik regional
nach einer Überschrift für diese Debatte.
sehr verschieden vollzogen hat. Wenn es dazu der
Beweise bedürfte, dann wäre das Frage-und-Ant- (Heiterkeit.)
wort-Spiel in der heutigen Fragestunde ausreichend. Ich schlage vor: „Komödie der Irrungen", „Stunde
Dementsprechend gibt es in der Bundesrepublik na- der Fehldiagnosen" oder „Viel Lärm um" — na, ich
türlich auch Gebiete, in denen die Nachfrage nach will nicht sagen: „um nichts" ; sagen wir: „um
Bauleistungen weit über das Angebot hinausgeht. wenig".
Es gibt aber andererseits Gebiete, in denen sich An-
gebot und Nachfrage die Waage halten, und es gibt Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist I
wiederum vereinzelte Gebiete, in denen das Ange- das gute Recht eines Mitglieds dieses Hauses, ein
bot die Nachfrage noch übersteigt. Gesetz gut oder schlecht zu finden. Im allgemeinen
ist dies das Vorrecht der Opposition, weil das Ge-
Diesem Umstand wollte § 1 Abs. 4 des Gesetzes setz gegen ihre Stimmen verabschiedet worden ist.
vom 8. Juni 1962, das jetzt ausläuft, Rechnung tra- Aber es gibt auch Gesetze, die von der Regierungs-
gen. Er hat dies aber nur unvollkommen getan, in- mehrheit verabschiedet werden und trotzdem von
dem er eine Ausnahme vom Baustopp nur für die dieser Regierungsmehrheit oder einem Teil dersel-
Notstandsgebiete zuließ. Der Begriff „Notstands- ben als schlecht angesehen werden.
gebiete" deckt sich aber nicht mit dem Begriff „Ge-
biete ohne Bauüberhitzung". Um nun den Landesre- (Zuruf von der SPD: Vorsicht!) -

gierungen die Möglichkeit zu geben, auch hier ein- Zu diesen Gesetzen gehört auch das Baustoppgesetz.
zugreifen, hat der neue Regierungsentwurf den — Ja, warum soll man so etwas nicht offen sagen?
Abs. 4 so fassen wollen, wie wir es mit unserem — Aber etwas, was ich einfach nicht verstehen kann
Änderungsantrag beantragen, nämlich ohne Rück- ist, daß die Vorredner sagen: „Das ist ein schlechtes
sicht darauf, ob ein Gebiet Notstandsgebiet ist oder Gesetz, das nutzt überhaupt nichts, das erfüllt den
nicht, Zonenrandgebiet oder nicht, die Landesregie- hohen Zweck nicht, für das es gedacht ist, damit
rungen zu ermächtigen, den Baustopp nicht anzu- kriegt man die Baukonjunktur nicht in den Griff";
wenden. Die Fassung des Gesetzentwurfs, die auch und dann spricht man über ein verhindertes Ther-
unsere Fassung ist, hat der Bundesrat gebilligt, und malbad mit einer Enzyklopädie über Baupreise und
einige Länder haben schon angekündigt, daß sie den über die Bauwirtschaft.
Vermittlungsausschuß anrufen werden, wenn diese
sogenannte Regionalklausel nicht Aufnahme in das Ich glaube, so große Worte sollte man um die
Verlängerungsgesetz findet. Dinge gar nicht machen. Wenn das Baustoppgesetz
schlecht ist — und ich behaupte nicht, daß es gut
Die Antragsteller stehen auf dem Standpunkt, daß ist —,
man durch Gesetz für die Gebiete, die einer Kor-
rektur nicht bedürfen, die also die in unserem An- (Zuruf von der SPD: Dann muß man es ver
trag näher bezeichneten Eigenschaften aufweisen, längern!)
Ausnahmen durch Rechtsverordnungen der Landes- wenn es nicht gut ist, dann wäre es meiner Meinung
regierungen zulassen sollte. Viele dieser Gebiete nach logisch - wenn man schon sagt, die Baukon-
liegen im Zonenrandgebiet und genießen die regio- junktur ist überhitzt; und das ist nicht bestritten
*) Siehe Anlage 5 worden —, an Stelle des angeblich schlechten Ge-
3852 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Mick
seizes ein besseres Gesetz zu verabschieden. Meine eine so vernichtende Kritik selbst von den Anhän-
Damen und Herren, ich habe keine Vorschläge ge- gern des Gesetzes, die es vor einem Jahr befür-
hört, wie wir der Baukonjunktur besser zuleibe wortet haben, erfahren hat.
rücken könnten als mit diesem Baustoppgesetz. Im (Abg. Baier [Mosbach] : Herr Börner, wer
Gegenteil: dieselben Leute, die sagen, das Gesetz den Sie uns noch etwas Besseres vor
nutzt nichts, wollen dieses Gesetz in seiner Wirkung schlagen?)
halbieren und dann das noch schlechtere Gesetz um
ein ganzes Jahr verlängern. Wo da die Logik liegt, — Ich komme gleich darauf.
ist mir einfach unerfindlich. Ich kann mir da nicht Ich darf daran erinnern, daß vor gut zwölf Mo-
helfen, ich komme da nicht mit. naten, vor der dritten Lesung des Baustoppgesetzes,
Mir schiene es sinnvoller zu sein, wenn man die die sozialdemokratische Fraktion durch ihre Spre-
Regierung — und wenn Sie so wollen, auch die cher darauf hingewiesen hat, daß mit einem solchen
Gesetz langfristige wirtschaftspolitische Probleme
Koalition in diesem Hause — unter Zeitdruck setzte,
innerhalb eines halben Jahres etwas Besseres vor- berührt werden und daß solche wirtschaftspoliti-
schen Maßnahmen nur dann erfolgversprechend sein
zulegen als das geltende Baustoppgesetz. Das scheint
können, wenn sie langfristig angelegt werden. Dar-
mir doch das Sinnvollste zu sein, was wir in dieser
über hinaus haben wir damals auch festgestellt —
Stunde machen können.
ich glaube, gerade das ist ein Argument, das wegen
Meine Damen und Herren, nun einmal im Ernst. der beiden Änderungsanträge heute erneut zu die-
(Heiterkeit.) ser Betrachtung gehört —, daß unserer modernen
Volkswirtschaft mit einer Dämpfung der Nachfrage
— Man kann hier doch einmal einen Spaß machen, auf dem Baumarkt nicht gedient ist, sondern daß es
Herr Jacobi; dafür sind wir beide doch Kölner Bür- wirtschaftspolitisch sinnvoll wäre, insbesondere im
ger; oder? Hinblick auf längerfristige Entwicklungen das An-
Meine Damen und Herren, lohnt sich diese Dra- gebot zu erhöhen.
matik für ein halbes Jahr Verlängerung dieses Ge- Diese Auffassungen, die damals von uns vertre-
setzes? Ich meine, sie lohnt sich nicht; auch wenn ten worden sind, haben in der öffentlichen Dis-
man davon spricht, daß hier bestimmte Berufszweige kussion nicht nur von der Bauwirtschaft, sondern
besonders betroffen sind; ich gebe das zu, und wir aus allen Kreisen eine Unterstützung erfahren, die
wollen das ja auch ändern, und zwar möglichst sich über langfristige Wirtschaftspolitik in unserem
schnell ändern. Lande Gedanken machen. Wir sind in den vergan-
genen Monaten immer wieder darauf aufmerksam
(Zuruf rechts: Dann können wir es heute
gemacht worden, daß die Fülle der Vorschläge,
ändern!)
deren man sich auch gesetzgeberisch annehmen
Ich darf deshalb darum bitten — Sie sehen, daß konnte — wie z. B. die staatliche Förderung des
ich mich sehr kurz fasse —, beide Anträge, sowohl Montagebaus und des Fertigbaus —, kaum genutzt
den auf Umdruck 308 als auch den auf Umdruck 309, worden ist. Meine Damen und Herren, wenn wir
abzulehnen, weil sie genau die entgegengesetzte nun heute vor der Frage stehen, wem das Bau-
Wirkung hätten als die, die wir wohl alle in diesem stopgesetz eigentlich genützt hat, dann muß ich
Hause erzielen möchten. sagen, daß die konjunkturpolitischen Erwartungen,
(Beifall bei der CDU/CSU.) die damals an seine Verabschiedung geknüpft wor-
den sind, durch die zwölfmonatige Anwendung des
-
Gesetzes restlos widerlegt sind.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
der Herr Abgeordnete Börner. Es ist der Bundesregierung nicht möglich gewesen,
innerhalb der Geltungsdauer des auf ein Jahr be-
fristeten Gesetzes dem Parlament konkrete Vor-
Börner (SPD) : Herr Präsident, ich bitte um Ihr schläge für seine Ablösung durch andere konjunk-
Einverständnis, zu beiden Anträgen sprechen zu turpolitische Maßnahmen auf dem Baumarkt zu
dürfen, weil ich glaube, daß die Dinge, die in ihnen machen. Ich gebe zu, daß die Vorlage, die noch im
angesprochen sind, unmittelbar zusammengehören. Ausschuß liegt, einen Anhaltspunkt für eine weitere
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Diskussion gibt; aber was uns heute empfohlen
man den Ausführungen meiner Herren Vorredner wird, was durch die Mehrheitsentscheidung des
mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, kann man sich Ausschusses von heute morgen untermauert worden
sicher zu der Feststellung durchringen, daß noch ist, ist doch die Verlängerung des mit den von der
nie ein von der Koalition so einmütig und gegen Koalition so plastisch dargestellten Mängeln behaf-
die Warnungen der Opposition verabschiedetes Ge- teten Gesetzes. Meine Damen und Herren, wenn
setz nach einem Jahr Geltungsdauer eine so ver- man diese Mängel sieht und sie als Gesetzgeber
nichtende Kritik erfahren hat wie das hier heute nicht aufgreift und ausräumt, dann ist das — ge-
zur Debatte stehende Baustoppgesetz. Wenn das so statten Sie bitte diesen harten Ausdruck — Flucht
ist, dann soll man, glaube ich, zwar nicht dramati- aus der Verantwortung. Es gibt auch nicht das Ar-
sieren, aber aus der Verantwortung für die wirt- gument, daß im Ausschuß keine Zeit gewesen wäre.
schaftspolitischen Probleme, um die es hier geht, Denn Sie haben vor einigen Tagen eine fundierte
doch etwas tiefer in die Dinge hineinsteigen und Ausschußberatung dadurch verhindert, daß Sie den
sich einmal die Mühe machen, zu fragen, warum Gesetzentwurf, der nur die zeitliche Verlängerung
denn dieses Gesetz nach einem Jahr Geltungsdauer des bestehenden Gesetzes vorsieht, ins Plenum ge-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3853
Börner
bracht haben un dann gestern selbst gemerkt, daß Nicht nur uns, sondern alle in diesem Hause geht
doch noch etwas daran zu ändern ist. die Frage an, ob es nicht zur weiteren Ausweitung
Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen sagen, der. Kapazität der Bauindustrie — ich durfte das
die sachliche Arbeit ist uns auch durch die Bundes- schon im vorigen Jahr hier in der Debatte erwäh-
regierung und ihre Stellungnahme im Ausschuß nicht nen — notwendig ist, den Bauarbeiterberuf durch
leichter gemacht worden. Denn das, was an statisti- gesetzgeberische und andere Maßnahmen attrak-
schem Material über die Auswirkungen des Gesetzes tiver zu machen. Ich muß mit aller Deutlichkeit noch
und überhaupt die Entwicklung des Baumarkts gelie- einmal die Argumentation von Herrn Professor
fert worden ist, ist mehr als dürftig und ist zum Teil Erhard ins Gedächtnis zurückrufen und zurückwei-
sen, der im vergangenen Jahr von Ihnen nicht
so widersprechend, daß ich mich nicht noch einmal
widersprochen wurde und die da lautete: um Gottes
auf das beziehen möchte, was meine Herren Vor-
willen keine große Kapazitätsausweitung; denn
redner schon vorgetragen haben; vielmehr muß ich
dann kommt der Tag, wo die Bauarbeiter bzw. die
feststellen, daß es in der Koalition und in der Bun-
Bauwirtschaft nicht mehr genügend beschäftigt wer-
desregierung bis heute keine klare Vorstellung gibt,
den können. Hier liegt wohl ein Problem in Ihren
wie dieses Gesetz weiter auf dem Baumarkt wirk-
gesamtwirtschaftlichen Überlegungen, dessen Er-
sam sein soll.
örterung noch zu harten Auseinandersetzungen mit
Der Bundestag hat unter dem Datum vom 7. Juni uns führen wird; denn schließlich haben wir große
vom Bundeswirtschaftsministerium einen Bericht von der Bauwirtschaft zu leistende Zukunftsaufga-
über die Entwicklung auf dem Baumarkt erhalten. ben vor uns, und zwar nicht nur auf dem Sektor
Dieser Bericht enthält Zahlenangaben, zu denen Verkehr. Ich erinnere Sie hier an die Ausführungen,
ich mich nicht näher äußern will, weil sie sehr um- die der Herr Bundesminister für Wohnungsbau und
stritten sind. Da steht unter III zur Entwicklung Städteplanung zur Frage der Raumordnung und der
der Baupreise folgender Satz: Städtesanierung gemacht hat. Da ergeben sich Pro-
Während die Baupreise im Jahre 1962 um rund bleme, denen sich die Bauwirtschaft nicht nur im
7 v. H. gestiegen sind, blieben sie vom Novem- nächsten Jahr, sondern auch noch im nächsten Jahr-
ber 1962 bis zum Februar 1963 konstant. zehnt gegenübersehen wird. Deshalb ist es mehr
denn je notwendig, daß der Bauwirtschaft, die als
Meine Damen und Herren, in dieser Zeit waren 15 Schlüsselindustrie für uns genauso wichtig wie der
Grad Kälte! Mit dieser Formulierung ist weiter Bergbau und andere Zweige unserer Wirtschaft sein
nichts bewiesen. Das ist so, wie wenn der Versuch muß, durch gesetzgeberische Maßnahmen geholfen
gemacht wird, klarzumachen, daß jedes Jahr am wird, diese Aufgaben zu bewältigen.
24. Dezember Weihnachten ist. Mehr steht dort nicht.
Wenn wir diese Fragen gemeinsam im Ausschuß
(Zurufe von der CDU/CSU: Stimmt nicht! läsen wollen, dann gehört dazu mehr als nur die
25. Dezember! — Heiterkeit.) Stellung von Änderungsanträgen, die eine zeitliche
— Sie wissen schon, was ich meine. Sie wissen auch, Begrenzung vorsehen. Insofern bin ich den Kollegen
Herr Kollege, daß diese Aussage für unsere Bera- aus Ihren Reihen dankbar, die durch die Stellung
tung über dieses Gesetz im Grunde genommen wert- von Änderungsanträgen zur Sache ihrem Unmut
los ist. Auch die Zahlen, die hier und im Ausschuß einigen Ausdruck gegeben haben. Ich meine, daß
genannt worden sind, müssen wegen ihrer Proble- die Diskussion dieser Änderungsanträge uns in der
matik, wegen ihrer geringen statistischen Klarheit sachlichen Beratung dieser Frage schon etwas wei-
bezweifelt werden. terbringen wird.
Nun ist für uns die Frage: Was hat die Bundes- Ich möchte nun zunächst namens meiner Freunde
regierung noch getan, oder welche Aufträge hatte etwas zu dem Änderungsantrag Umdruck 308 sa-
sie aus der Debatte über das Baustoppgesetz? Da gen. Ich muß darauf hinweisen, daß man nur eines
möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der tun kann: entweder man muß das Gesetz im ganzen
Koalition, in Erinnerung rufen, daß wir alle uns bei auslaufen lassen bzw. es ablehnen — wie der Herr
der Beratung im vergangenen Jahr darüber einig Kollege im ersten Teil seiner Ausführungen unter-
waren, daß z. B. die Einfuhr von Fertighäusern strichen hat, und seine Rede war ja ein Plädoyer
nicht mit hohen Zollsätzen, praktisch mit Abschrek- für die Ablehnung des Ausschußantrages —, oder
kungszöllen, belastet werden darf. Fragen Sie Ihren aber man muß sich zu dem sachlichen Punkt des
Wirtschaftsminister, Ihre Mitglieder in der Bundes- Antrags auf Umdruck 308 bekennen. Zu dem einen
regierung, was 'hieraus geworden ist. oder zu dem anderen muß man sich schon beken-
nen; sich zu beiden zu bekennen, wird sicher nur
(Abg. Baier [Mosbach] : Dann müssen Sie schwer möglich sein. Lassen Sie mich also etwas zu
nach Brüssel gehen!) den einzelnen Punkten des uns vorgelegten Ände-
— Mit der Formulierung, daß die Brüsseler Behörde rungsantrages auf Umdruck 308 aus unserer Sicht
in dieser Frage nicht den Vorstellungen der Bundes- sagen.
regierung gefolgt sei, können Sie sich nicht heraus- Wir haben uns nicht erst bei Vorlage von be-
reden. Da muß die Bundesregierung auch den Mut stimmten Stellungnahmen aus den betroffenen
haben, einmal vor dem Parlament zu sagen, mit Wirtschaftskreisen, sondern schon — Sie können
welcher Deutlichkeit sie diesen Auftrag des Parla- das im Protokoll nachlesen — im vergangenen Jahr
ments in Brüssel erfüllt hat. Es gibt sehr verschie- über die Problematik dieser — wie hier gesagt
dene Meinungen über die Aktivität der Bundes- worden ist — Diskriminierungsbestimmungen sehr
regierung in dieser Frage. deutlich unterhalten. Es war nicht die SPD, die die
3854 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Börner
Klausel für Warenhäuser, Gaststätten und Hotels in Baier (Mosbach) (CDU/CSU) : Herr Kollege Bör-
das Gesetz hineingebracht hat, sondern es war die ner, ich habe bis jetzt auf Ihre Vorschläge gewar-
CDU/CSU, die diese Bestimmung seinerzeit mit tet. Da diese nicht kommen, darf ich Sie fragen: Be-
aller Härte verfochten hat. Wir können uns nur steht Ihr einziger konstruktiver Beitrag zur Beruhi-
freuen, daß Sie davon heute teilweise abrücken. gung der Baukonjunktur nur darin, daß Sie die Vor-
schläge der Bauwirtschaft aufgreifen, nämlich die
Wir meinen aber, daß die vorgeschlagenen Formu- Kapazität auszuweiten, oder sind Sie nicht auch der
lierungen keine Plattform darstellen, von der aus Meinung, daß wir auch auf gewissen Gebieten auf
Sie in dieser Stunde eine Mehrheit bekommen kön- dem Bausektor Einschränkungen vornehmen müs-
nen. Wir hätten in den Ausschußberatungen mehr sen? Welche Vorschläge für diese Einschränkungen
Zeit 'haben müssen, als uns heute morgen zur Ver- haben Sie, nachdem Sie unsere Vorschläge hier so
fügung stand. Hier werden nur Teilgebiete des Kata- kritisieren?
logs angesprochen. Ich gebe zu, daß aus der
Sicht des einen Bundeslandes die Fremdenver- Börner (SPD) : Herr Kollege, Sie wissen sehr ge-
kehrsbelange anders aussehen können als aus der nau, daß die sozialdemokratische Fraktion in der
Sicht eines anderen Bundeslandes. Deshalb meine Frage der Zurückhaltung der öffentlichen Hand bei
ich, daß bei aller grundsätzlichen Sympathie, die die Behördenbauten hier mit Ihnen übereinstimmt und
SPD-Fraktion diesem Anliegen entgegenbringt, die entsprechenden Beschlüsse in diesem Hause ge-
heute nicht die Zeit dazu ist, eine solche Bestimmung meinsam mit Ihnen gefaßt hat.
ad hoc in das Gesetz hineinzubringen. (Abg. Baier [Mosbach]: Aber nur im Bund,
Dann müßte man nämlich auch etwas .zu dem im Land nicht!)
Abs. 5 des gleichen Paragraphen sagen, nach dem — Herr Kollege, soll ich Ihnen die Rathäuser auf-
Wochenendhäuser über 30 qm nicht gebaut werden zählen, die durch Ihre Freunde im Lande im letzten
dürfen. Wissen Sie, wie sich dieser 'Paragraph in Jahr angefangen worden sind?
der Praxis ausgewirkt hat? Wenn ein Mann, wie der (Zuruf von der Mitte: In Hessen!)
Herr Kollege Storch, der das Zimmerhandwerk er-
— Ja, das Argument mußte ja kommen, das war ja
lernt hat, sich nun völlig abseits der allgemeinen
Baukonjunktur ein Wochenendhaus bauen und das zu erwarten. Hier geht es letztlich um ganz andere
mit verwandtschaftlicher Hilfe machen will, weil er Dinge, und ich meine, daß das, was wir gemeinsam
die Baukonjunktur nicht zusätzlich belasten möchte, in der Diskussion über den § I b festgestellt haben,
dann bekommt er vom zuständigen Kreisbauamt eine viel nützlichere Maßnahme zur Dämpfung ge-
einen Bescheid, eine Bauerlaubnis. Darin steht: Das wisser Erscheinungen auf dein Baumarkt gewesen
Wochenendhaus ist genehmigt; Einwendungen be- ist als dieser ganze Katalog, der hier im Gesetz ver-
stehen nicht; der Bauleitplan ist in Ordnung, aber Sie zeichnet ist, Herr Kollege.
dürfen erst anfangen, wenn das Baustoppgesetz wie- Zweitens. Sie glauben, die Vorschläge der Bau-
der abgeschafft worden ist. - Wir haben nämlich industrie hier mit dem Wörtchen „nur" klassifizie-
diese Klausel mit den 30 qm Grundfläche, die sich in ren zu können. Dazu muß ich Ihnen sagen, ich warte
der Praxis — gestatten Sie bitte das harte Wort — immer noch darauf; daß sich die Bundesregierung
als grober Unfug herausgestellt hat, in das Gesetz in dieser Beziehung ähnliche Mühe gibt wie z. B.
eingefügt, d. h. nicht wir, sondern Sie. Ich will Ihnen skandinavische Regierungen oder auch die franzö-
nur an diesem Beispiel eines Wochenendhauses, das sische Regierung, durch staatliche Hilfe das Mon
in Selbsthilfe gebaut wird, was also konjunktur- tagebauverfahren im sozialen Wohnungsbau so-
politisch hier überhaupt nicht zur Debatte steht, attraktiv zu machen, daß eine entscheidende Ent-
klarmachen, wie unsinnig dieser Katalog ist, den lastung des Baumarktes hinzukommt.
Sie in das Gesetz hineingebracht haben. (Beifall bei der SPD — Abg. Baier [Mos
bach] : Dann müssen wir aber den Bundes
Ich bin heute aber — genauso wie im vergange- anteil erhöhen, damit wir mehr Geld
nen Jahr — mit meinen Freunden darin einig, daß es haben!)
nicht angängig ist, diesen Katalog nun von heute
auf morgen durch eine Formulierung, wie Sie sie Ich will Ihnen noch einmal eine ganz persönliche
in dem Änderungsantrag vorschlagen, abzulösen Meinung zu dem Problem der Attraktivität der Bau-
und zu der zweifellos vorhandenen Vollbeschäfti- berufe sagen, die ich mit meinen Freunden nicht ab-
gung auf dem Baumarkt noch einen zusätzlichen gesprochen habe; aber wenn Sie mich schon über
Nachfragestoß jetzt auszulösen. Wir hätten uns dar- Vorschläge befragen, dann möchte ich auch folgen-
über im Ausschuß unterhalten können und wir hät- den Vorschlag hier einmal zur Diskussion gestellt
ten uns auch darüber unterhalten können, ob wir haben, weil es dazu in einem westeuropäischen
nicht noch andere Kategorien, die von dem Gesetz Nachbarland eine Parallele gibt.
ebenfalls betroffen sind, nun in dieses Gesetz hin- Sie alle wissen, daß der Verteidigungsbau in be-
einnehmen sollten. stimmten Bereichen der Bundesrepublik nicht uner-
heblich zu der Überhitzung auf dem Baumarkt bei-
trägt. Sie alle wissen auch, daß in unseren Bündnis-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie
verpflichtungen in dieser Beziehung in absehbarer
eine Zwischenfrage?
Zeit keine Änderung eintreten wird und daß wir
oder der Haushaltsausschuß hier nicht mit dem Rot-
Börner (SPD) : Bitte, Herr Kollege Baier. stift frei wirken können, wie wir wollen, wobei wir
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3855
Börner
es sicher auch nicht für richtig halten, aus Gründen Wir sind stolz darauf, daß sich nun diese unsere
der nationalen Sicherheit hier Abstriche zu machen. Auffassung bis weit in die Reihen der Koalition
hinein doch durchgesetzt hat.
Aber wenn das so ist und wenn also eine Reihe
von Milliarden aus dem Verteidigungshaushalt pro Deshalb werden wir dem Antrag Umdruck 309
Jahr auf den Baumarkt zukommt, dann — vielleicht unsere Zustimmung geben. Den Abgeordneten der
können Sie jetzt zuhören, meine Damen und Herren CDU/CSU wird die Annahme dieses Antrags ganz
von der Koalition, da Sie doch für Vorschläge ein besonders leichtfallen, wenn sie wissen, daß Herr
offenes Ohr haben wollen — wäre doch die Frage Minister Lücke sich mit Datum vom 30. März dieses
zu überlegen, ob wir es nicht so machen könnten Jahres in einem Interview mit der „Neuen Rhein
wie die Holländer, die Angehörige bestimmter Bau- Zeitung" sehr entschieden für die Einfügung einer
berufe von der Wehrpflicht zurückstellen, weil sie Regionalklausel ins Bundesbaustoppgesetz ausge-
sich sagen, daß der Bauarbeiter, wenn er für Ver- sprochen hat.
teidigungsbauten tätig ist — und das ist ja in weiten (Beifall bei der SPD.)
Gebieten der Bundesrepublik der Fall —, volkswirt-
schaftlich den gleichen Nutzen und den gleichen
Beitrag erbringt wie der Soldat, der den Dienst mit
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Der Staats-
sekretär im Bundeswirtschaftsministerium!
der Waffe ausübt.
Natürlich gibt es da Probleme. Sie werden mir Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
vorhalten können, daß derjenige, der eingezogen rium für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine sehr
wird, Wehrsold erhält und der andere die Chance verehrten Damen und Herren! Gewiß ist nicht zu
hat, 3,50 DM oder 4 DM pro Stunde zu verdienen. leugnen, daß das zur Diskussion stehende Gesetz
Das ist richtig. Dieses Problem sehe auch ich. Wir nicht gerade mit dem Herzblut eines freiheitlichen
sollten uns aber nicht der Frage verschließen, daß Wirtschaftspolitikers Ludwig Erhard geschrieben
trotz eines verhältnismäßig hohen Lohnniveaus und und nicht der Wunschtraum seiner schlaflosen
trotz einer guten Sozialpolitik, die in der Bauwirt- Nächte geworden ist. Aber so schlecht, wie das Ge-
schaft von den Tarifpartnern auf beiden Seiten sehr setz in manchen Ausführungen der Redner, die
nachdrücklich unterstützt wird, der Bauarbeiterberuf hier zu Wort gekommen sind, dargestellt wird, ist
nicht so attraktiv ist, daß wir heute dort die Arbeits- das Gesetz eben nicht. Ich bin glücklich, Ihnen als
kraftreserven hätten, die wir brauchen. Beweis für diese meine Behauptung eine Anzahl
Doch zurück zu Ihrem Katalog. Das Gespräch um von handfesten Zahlen gleich geben zu können. Ich
die Ausweitung der Kapazität wird uns hier nicht möchte aber vorausschicken, daß die Bundesregie-
mehr loslassen. Der Deutsche Bundestag muß in rung es außerordentlich bedauern würde — und
absehbarer Zeit darauf eine Antwort geben, oder es zwar im Interesse der wirtschaftlichen Stabilität und
kommt zu volkswirtschaftlichen Störungen, die nie- im Interesse der Dämpfung weiteren Preisauftriebs
mand will. Sie greifen mit Ihrem Antrag Umdruck 308 —, wenn das Gesetz zum 30. Juni ersatzlos weg-
konjunkturpolitische Fragen auf. Der Herr Kollege fiele.
von der CSU hat sich zu der Forderung durchgerun- Aus diesen Überlegungen auch kann ich leider
gen, die Hotels und Gaststätten sowie die Waren- nicht ganz meinen Wunsch erfüllen, Sie darum zu
häuser nicht mehr miteinzubeziehen. Da muß ich doch bitten, auf beide Änderungsvorschläge zu verzich-
fragen, weshalb nun unter Ziffer 2 dieses Antrags ten. Ich hätte das am liebsten getan und wäre inso-
eine Verlängerung des Gesetzes bis zum 30. Juni fern der Waffengenosse von Herrn Mick gewesen.
1964 angestrebt wird. Das halten wir für volks- Wenn wir dem aber folgen, werden wir höchstun--
wirtschaftlich nicht vertretbar, weil dann gerade das wahrscheinlich in den Stand versetzt werden, daß das
Gegenteil von dem eintritt, was meine Freunde Gesetz bis zum 30. Juni noch verabschiedet wird.
immer hier gefordert haben, nämlich daß die zu- Angesichts der Auseinandersetzungen, die in viel-
sätzliche Nachfrage auf dem Baumarkt in den stündigen Beratungen im Wirtschaftsausschuß des
Wintermonaten und nicht im Hochsommer kommen Bundesrates erfolgten, und der dort angestellten
muß. Überlegungen geben wir dem Änderungsantrag Um-
In diesem Antrag sind unausgegorene Vorschläge druck 309 den Vorzug, der ja in einer Anwendung
zu einem Bündel zusammengefaßt. Wir sehen uns auch wieder die Möglichkeit bietet, einen Teil der
deshalb leider nicht in der Lage, dem Antrag zu- Anliegen des Umdrucks 308 mit zu bereinigen.
zustimmen, wenn wir auch zugeben müssen, daß Der Herr Abgeordnete Ramminger hat sich sehr
die Herausnahme einiger Teile des Katalogs zwei-
ausführlich unter anderem mit der öffentlichen Hand
fellos eine gute Sache ist. und ihren Ausgaben befaßt. Er hat uns damit aus
Wir möchten deshalb eher denen zustimmen, die dem Herzen gesprochen. Die öffentliche Hand kann
den Antrag Umdruck 309 unterschrieben haben. Dort aber — ich hoffe, daß Sie mir diese Äußerung nicht
begrüßen wir einen alten Bekannten, nämlich den verübeln — nicht eine D-Mark ausgeben, die nicht
Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vom ver- der Bundestag, die Landtage, die Gemeindeparla-
gangenen Jahr. Wir begrüßen ferner als alten mente bewilligen. Infolgedessen befinden wir uns
Bekannten einen Antrag des Bundesrats bzw. der hier in einer ausgezeichneten und guten Gesellschaft.
sozialdemokratisch geführten Länder, den diese in Sie werden aus den eben angekündigten Zahlen
dem vergangenen Jahr leider durch die „Mitarbeit" aber hören, daß die öffentliche Hand mehr getan
Ihrer politischen Freunde nicht durchsetzen konnten. hat, als gemeinhin bekanntgeworden ist.
3856 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963
Staatssekretär Dr. Westrick
Herr Ramminger hat ferner gemeint, eine Dämp- — Das sind die exakten Ziffern! — Darüber hinaus
fung der Baukonjunktur sei gar nicht notwendig. wurde durch die Sperre von 20% der Haushaltsmit-
Nun, eine solche Behauptung ist uns schlechterdings tel für den Bundeshochbau die Nachfrage in Höhe
unverständlich. Wenn Sie den Bericht der Bundes- von rund 350 Millionen DM zurückgehalten. Schließ-
bank gelesen haben, dann werden Sie finden, daß lich wurden durch Versagung der Zustimmung zum
die Bundesbank exakt das bestätigt, was das Bun- Beginn von Hochbaumaßnahmen des Bundes Bau-
deswirtschaftsministerium sagt: daß nahezu der ein- vorhaben im Volumen von 300 Millionen DM hin-
zige Sektor in der gewerblichen Wirtschaft, der ausgeschoben, und bei Ländern und Gemeinden
unter einer eindeutigen Überhitzung, unter einem wird das Ergebnis der Dämpfungsmaßnahmen auf
eindeutigen Überhang der Nachfrage über das An- etwa 300 Millionen DM geschätzt; das ist dort ziem-
gebot steht, der Baumarkt ist. Infolgedessen ist eine lich solide geschätzt.
Dämpfung auf diesem Gebiet unerläßlich. Das ist Nun hatte einer der Herren kritisch auf die Prog-
dadurch zu erklären, daß gerade durch das Gesetz nose des Wirtschaftsministeriums hinsichtlich der
ein gewaltiger Stau von Bauvorhaben sich angesam- Preisentwicklung abgezielt. Es ist zuzugeben, daß
melt hat, so daß bei einem ersatzlosen Fortfall ge- die Bautätigkeit vom November vorigen Jahres bis
nau das Gegenteil von dem eintreten würde, was Februar dieses Jahres wegen des sibirischen Win-
wir alle zu erreichen suchen. ters eine gewaltige Einschränkung erfahren hat.
Die Herren haben die Frage gestellt: Hat das Trotzdem bin ich glücklich, Ihnen nun sagen zu kön-
Gesetz seinen Zweck erfüllt? Ich gebe Ihnen zu, daß nen, daß unsere Erwartungen auch in der Zeit-
die Antwort auf diese heikle Frage nicht ganz leicht spanne von Februar bis Mai zumindest einiger-
ist. Bei einer objektiven Würdigung der Antwort maßen erfüllt wurden. Für diese Zeit von Februar
dürfen Sie aber nicht außer acht lassen, daß bei bis Mai, also für immerhin vier Monate, wird ein
Inkrafttreten des Gesetzes eine Fülle von Geneh- Anstieg der Baupreise um 2,2 % verzeichnet — in
migungen in den Verwaltungsstuben aller Länder diese Zeitspanne fällt der Lohnanstieg —, während
lag, die dort aufgehalten wurden. Infolgedessen ist er in der gleichen Zeit des Vorjahres reichlich 4 %
die Anzahl der genehmigten Anträge, die während betragen hat. Wir können also hoffen, daß sich die
der Laufzeit dort liegengeblieben sind, sehr beacht- Erwartungen der Bundesregierurng auch hier eini-
lich. Dagegen ergeben sich die von Herrn Rammin- germaßen erfüllen.
ger genannten 50 Millionen oder 80 Millionen nur Ich möchte noch ein Wort zur Steigerung des
aus jenen Anträgen, die während der Laufzeit des Angebots sagen. Hier sind wir in der Tat der Mei-
Gesetzes mit der Maßgabe genehmigt wurden, daß nung, daß insbesondere durch Rationalisierung alles
die beantragten Bauten erst ab 1. Juli 1963 verwirk- geschehen sollte, was geschehen kann. In den ver-
licht werden dürften. Das ist selbstverständlich ein gangenen vier Jahren ist aber schon einiges er-
kleiner Bruchteil jener Anträge, die in Wirklichkeit reicht worden. Gerade durch das kontinuierliche
auf den Markt kommen. Bauen haben wir die Leistung von 100 000 Bau-
Ich gebe Ihnen nun eine kurze Zusammenfassung arbeitern zusätzlich erwirkt.
jener Konsequenzen, die sich aus dem Vorhanden- Da Herr Abgeordneter Börner auf die vorfabri-
sein des Gesetzes ergeben haben. Diese Zahlen, zierten und Fertighäuser abgestellt hat, möchte ich
meine verehrten Damen und Herren, können keinen auch hier die Zahl nennen. Sie ist nicht sehr spekta-
Anspruch darauf erheben, ganz exakt errechnet zu kulär; das gebe ich zu. Es sind 11 000 in der Fabrik
werden, auch nicht auf 20 und 50 Millionen genau. vorgefertigte Häuser aufgestellt worden. Aber ich
Aber in der Größenordnung fußen sie auf soliden, kann Sie, Herr Abgeordneter Börner, auch nach der
redlichen Schätzungen. Sie sind außerdem zum gro- Richtung beruhigen, daß wir in Brüssel für die Ein-
ßen Teil aus den Meldungen der Länder zusammen- fuhr von Fertighäusern alles getan haben, was wir
gestellt. tun konnten. Ich möchte hinzufügen — vielleicht be-
Bei der Behandlung des Baumarkts haben wir uns antworte ich damit schon die von Ihnen beabsich-
zwei Dinge angelegen sein lassen, einmal die Be- tigte Frage —, daß zwar nur eine kleine Zahl ge-
schränkung der Nachfrage und dann die Steigerung nehmigt wurde, daß aber diese Zahl von Fertig-
des Angebots. Ich möchte zuerst etwas zur Be- häusern in der Bundesrepublik nicht einmal unter-
schränkung der Nachfrage sagen. Durch das Gesetz, gebracht werden konnte.
das heute eine so harte Kritik hier erfahren hat,
wurden immerhin Bauvorhaben im Volumen von Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie
800 Millionen DM verhindert. Das ergibt sich aus eine Zwischenfrage?
der Zusammenstellung aus den Meldungen der Län-
der. Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe-
Ferner wurden in dem Entwurf des Bundeshaus- rium für Wirtschaft: Bitte schön.
haltsgesetzes die für den Baumarkt interessanten
Ansätze wie folgt gekürzt: für den Fernstraßenbau
Börner (SPD) : Herr Staatssekretär, würden Sie
— ich gebe zu, das ist natürlich nicht Hochbau, aber
mit mir darin übereinstimmen, daß ein wesentliches
auch dort werden ja vor allen Dingen die Arbeits-
Problem des vorgefertigten Wohnungsbaues in dem
kräfte benötigt — um 380 Millionen DM, für den
hohen Kapitalaufwand besteht, den das Unterneh-
Bundeshochbau um 225 Millionen DM und für den
men erbringen muß, ehe es mit einem vernünftigen
sozialen Wohnungsbau um 125 Millionen DM.
Ausstoß der Produktion und damit mit einer preis-
(Hört! Hört! bei der SPD.) lichen Entwicklung, die mit dem traditionellen Bau
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3857
Börner
vergleichbar ist, rechnen kann? Und würden Sie mit Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
mir darin übereinstimmen, daß die öffentliche Hand Frau Abgeordnete Funcke.
hier die Aufgabe hätte, solche Versuche gerade aus
der Sicht der Förderung des sozialen Wohnungs-
baus in Zukunft mehr zu unterstützen? Frau Funcke (Hagen) (FDP) : Herr Präsident!
Meine Herren und Damen! Ich habe den Eindruck,
daß der Herr Kollege Mick sich die Sache ein biß-
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- chen einfach machte, als er als Alternative nannte:
rium für Wirtschaft: Ich bin nicht der Meinung, Herr entweder, wir verlängern das Gesetz, oder gar
Abgeordneter, daß es Angelegenheit der öffentlichen nichts. Als wenn es für uns Abgeordnete nicht ge-
Hand ist, diese Dinge zu unterstützen, um so mehr, legentlich Möglichkeiten differenzierteren Denkens
als — wie Sie 'selber in Ihrer Rede soeben erwähnt und Handelns gäbe! Es ist natürlich das Einfachste
haben — im europäischen Ausland hier schon beacht- und mitunter auch das am wenigsten Ärgerliche,
liche Fortschritte gemacht worden sind. Ich gebe wenn man etwas verlängert, was sich inzwischen
Ihnen zu, daß ein ziemlicher Kapitalaufwand für eingespielt hat. Aber ich halte es für unzuträglich,
diese Produktion erforderlich ist. Ich glaube aber etwas zu verlängern, wenn man es expressis verbis
andererseits, daß diese Bauweise in fortschreiten- und mit guter Überlegung befristet hat. Gerade weil
dem Maße auch in unserem Lande an Boden gewinnt. von dem Gesetz, das wir vor einem Jahr beschlossen
Am Niederrhein z. B. können Sie feststellen, daß bei haben, bestimmte Gewerbezweige sehr nachhaltig
neuen industriellen Siedlungen schon in weitem betroffen sind, kam es entscheidend auf diese Be-
Umfang nach dieser Methode gebaut wird. fristung an. Da können wir nicht einfach sagen, diese
Maßnahme könne jetzt einfach noch einmal um ein
Zum Schluß ein paar Zahlen, mit denen ich be-
halbes Jahr verlängert werden.
gründen möchte, daß ich die regionale Lösung, die
Sie wünschen, für akzeptabel halte. Diese Zahlen Diese Verlängerung wirft drei entscheidende Pro-
sind interessant. Der Bund hat im vorigen Jahr für bleme auf. Das eine Problem liegt darin, daß man
Bauten — alles zusammen: Verteidigung, Hochbau, versucht, ein Gesetz zehn Tage vor seinem frist-
Tiefbau — 5,5 Milliarden DM aufgewendet. In die- gemäßen Ablauf in aller Eile zu verlängern. Das
sem Jahr wird für 5,3 Milliarden DM gebaut werden, ist eine sehr unschöne Angelegenheit, die wir der
gerechnet in den laufenden Preisen 'für 1963. Die Bevölkerung nicht häufig zumuten sollten, gerade
Länder hatten beabsichtigt 3 Milliarden und wollen dann nicht, wenn über die öffentliche Hand hinaus
3,3 Milliarden. Da haben wir im Bundesrat die Bitte bestimmte Gewerbezweige betroffen sind, die in
geäußert, daß mit der Einräumung einer solchen Konkurrenz mit anderen stehen. Schon aus diesem
regionalen Lösung doch die Sicherung gegeben wird, Grund halte ich es nicht für tunlich und nach rechts-
daß die Länder sehr behutsam vorgehen. — Die Ge- staatlichen Gesichtspunkten nicht für gut, wenn wir
meinden dagegen haben im Jahre 1962 7 Milliarden hier eben die Sperrung für bestimmte Gewerbe-
DM aufgewendet und werden im Jahre 1963 8 Mil- zweige — es ist schon auf die Frage der Verfas-
liarden DM aufwenden. Das ist natürlich eine be- sungsmäßigkeit hingewiesen worden — verlängern.
denkliche Steigerung, die es uns nahelegt, eine be- Darum unser Antrag, nach dem gerade diese Ge-
hutsame Anwendung der regionalen Erleichterung werbezweige aus dem sonst noch weiterbestehenden
zu erbitten. Stoppgesetz herausgenommen werden sollen.
Das zweite Problem, das aufgeworfen wird, ist
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie das des Auslaufens. Wir haben gerade recht ein-
eine Zwischenfrage? drucksvolle Zahlen gehört. Wir wollen sie glauben,
weil sie vom Ministerium sicherlich mit großer
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- Sorgfalt erarbeitet sind. Diese Zahlen zeigen uns
rium für Wirtschaft: Bitte! doch, was auf uns zukommt, was jetzt, Herr Mick, am
1. Januar nächsten Jahres nach dem Willen der
Initiatoren dieses Gesetzentwurfs genau in den Früh-
Börner (SPD) : Herr Staatssekretär, ich war über- jahrsboom hinein noch an aufgestauten Dingen dazu-
rascht über Ihre Antwort auf meine Frage hinsicht- kommt. Und gerade das wird nicht klein sein. Wir
lich der 'Gewährung von Zuschüssen oder Kapital- von der FDP waren deswegen der Auffassung, daß
hilfen der öffentlichen Hand für den Fertigbau. Wür- wir ohne Härte, ohne nennenswerte Härte, so will
den Sie wenigstens darin mit mir übereinstimmen, ich vorsichtigerweise sagen, den Weg eines schritt-
daß, wenn Zuschüsse oder andere Kapitalhilfen wie weisen Auslaufens finden müßten. Aus diesem
Zinsverbilligungen Ihrer Meinung nach nicht ange- Grunde haben wir diese Abstufung vorgenommen,
bracht sind, eventuell die Möglichkeit bestehen um jetzt einiges herauszunehmen, und zwar gerade
müßte, über steuerliche 'Maßnahmen den betreffen- das, was aus verfassungsrechtlichen Gründen sowieso
den Unternehmen einen Anreiz zu geben? Schwierigkeiten macht und was von Anfang an in
besonderer Weise als befristet versprochen war,
und nun die anderen Vorschriften noch um ein Jahr
Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministe- zu verlängern, nämlich die Vorschriften, die minde-
rium für Wirtschaft: Diesen Weg könnten wir prüfen. stens vom Staatsbürger als nicht so belastend im
Dann müssen wir aber den Finanzminister um seine Einzelfall empfunden werden. Genau das ist der
Meinung fragen. Grund für den Antrag auf dieses schrittweise Aus-
(Beifall in der Mitte.) laufen.
3858 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Frau Funcke (Hagen)


Nun zum dritten Problem; es klang bei der Rede Wir dürfen nicht nur davon sprechen, daß die Bau-
von Herrn Kollegen Mick an, und das hat uns sehr konjunktur überhitzt ist und daß man etwas tun
hellhörig gemacht. Er hat nämlich gesagt: Wir muß, und in dem Augenblick, wo man etwas tun
brauchen die Zeit, um uns bis zum. Jahresende wie- muß, dann davor zurückschrecken.
der etwas Neues einfallen zu lassen. — Meine (Sehr richtig! in der Mitte)
Herren und Damen, wir haben schon einmal die
Sorge gehabt, daß hier so etwas wie Lizenzierung Für die Mehrzahl meiner politischen Freunde möchte
herauskommt, und da sind wir sehr empfindlich. ich ganz offen sagen: wir beschließen die befristete
Wir möchten also nicht, daß in irgendeiner Form Verlängerung nicht mit großer Freude, aber wir
nicht nur hier im Hause, sondern vor allen Dingen glauben, die Verantwortung dafür nicht überneh-
bei der interessierten Öffentlichkeit, die ja einmal men zu können, daß dieses Gesetz ohne Ersatz
disponieren will, der Eindruck entsteht, daß wir jetzt kurzfristig ausläuft und der ganze aufgestaute Be-
hier wieder eine bloße Atempause konstruieren, um darf bei der ohnehin überhitzten Lage auf dem Bau-
dann im Dezember mit möglicherweise noch massi- markt hinzutritt.
veren Begrenzungen und Lizenzierungen an die er- Wenn dieses Gesetz allerdings — und das sage
staunte Öffentlichkeit zu kommen. Hier sagen wir ich für mich persönlich. —, das ohnehin nur eine
von den Freien Demokraten nein. Wir sind des- sehr milde Waffe im Kampf gegen die Überhitzung
wegen der Meinung, mit unserem Antrag auf schritt- der Baukonjunktur ist, noch durch Einschränkungen
weise Überwindung dieser Grenzen doch den rich- so entwertet wird, daß praktisch nur die Überschrift
tigen Weg zu gehen. Wir bitten um Annahme übrigbleibt, dann, meine Damen und Herren, sehe
unseres Antrages. ich mich persönlich — das sage ich ganz offen —
außerstande, der Verlängerung dieses Gesetzes
überhaupt noch zuzustimmen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zwi-
schenfrage! (Beifall in der Mitte)

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine weite-


Frau Berger - Heise (SPD) : Frau Kollegin, sind ren Wortmeldungen? — Wir kommen zur Abstim-
Sie nicht mit uns der Meinung, daß es marktkonfor- mung über die Änderungsanträge, zunächst Um-
mer wäre — und das wollten Sie doch soeben mit druck 308. Ich nehme an, die Antragsteller sind da-
Ihrem Vorschlag eigentlich erreichen —, wenn Sie mit einverstanden oder legen Wert darauf, daß nach
diesem anderen Änderungsantrag zustimmten, wo- Ziffern getrennt abgestimmt wird. Umdruck 308
nach die Länderregierungen ermächtigt werden sol- Ziff. 1! Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein
len, je nach Lage der Baukapazität das Gesetz dort
Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
nicht in Anwendung zu bringen, wo es nicht not-
Der Antrag ist abgelehnt.
wendig ist?
Legen die Antragsteller Wert darauf, daß auch
über den Antrag Umdruck 308 Ziff. 2 abgestimmt
Frau Funcke (Hagen) (FDP) : Wir hoffen zunächst wird?
ja noch, daß unser Antrag angenommen wird und (Zurufe: Nein!)
sich die Frage damit im wesentlichen erledigt.
— Damit ist auch Ziff. 2 erledigt.
(Abg. Frau Berger-Heise: Danke!)
Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck
Im übrigen werden wir dann sehen, wie das Hohe 309 im ganzen! Einverstanden?
Haus beschließt.
(Zustimmung.)
(Beifall bei der FDP.)
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 309 zuzustim-
men wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegen-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat probe! — Es besteht keine Einigkeit im Vorstand.
der Herr Abgeordnete von Brentano. Die Abstimmung wird wiederholt. Ich bitte die
Damen und Herren, die dem Änderungsantrag Um-
Dr. von Brentano (CDU/CSU) : Herr Präsident! druck 309 zuzustimmen wünschen, aufzustehen. —
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns Gegenprobe! — Zwei Schriftführer sind der Mei-
alle darüber im klaren — und ich unterstreiche das, nung, das erste sei die Mehrheit gewesen.
was Frau Kollegin Funcke hier gesagt hat —, daß (Zuruf: Zwei zu eins!)
es ein etwas schwieriges Unterfangen ist, wenige — Meine Damen und Herren, so geht es nicht; aber
Tage vor dem Ablauf eines so einschneidenden Ge- ich glaube, die beiden Herren haben recht. „Zwei
setzes die Verlängerung zu beschließen. Ich glaube, zu eins" kann man nicht sagen, wenn es sich um
wir sind uns auch darüber im klaren — und das zei- eine pünktliche und gewissenhafte Feststellung han-
gen auch die vorliegenden Anträge —, daß dieses delt; aber ich glaube, das erste war die Mehrheit.
Baustoppgesetz gewisse Unebenheiten — ich möchte Der Änderungsantrag Umdruck 309 ist angenommen.
nicht sagen: Ungerechtigkeiten — enthält. Aber ich
bin persönlich der Meinung, daß das, was in diesem Wir kommen zur
Gesetz steht, das mindeste von dem ist, was über- dritten Beratung.
haupt noch einen Sinn haben kann.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das
(Beifall in der Mitte) Wort gewünscht? — Das Wort zur allgemeinen Aus-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3859
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
sprache in dritter Lesung wird nicht gewünscht. — Mit den Änderungsanträgen, die vorliegen, an
Änderungsanträge zur dritten Lesung liegen mir den Ausschuß zurück. Das Haus ist einverstanden?
nicht vor. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
des Änderungsantrages Umdruck 309 — der ist jetzt
Abstimmungsgrundlage — zuzustimmen wünscht, Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD
Meine Damen und Herren, das ist auf keinen Fall eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
feststellbar. — Enthaltungen? — Ich bedaure, meine öffentliche Jugendzahnpflege (Bundesjugend-
Damen und Herren, es muß ausgezählt werden. Ich zahnpflegegesetz) (Drucksache IV/1260),
bitte, die Türen zu schließen. b) Erste Beratung des von den Fraktionen der
(Abg. Börner: Die SPD-Fraktion bittet um CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs
Unterbrechung der Sitzung!) eines Gesetzes über Jugendzahnpflege
— Jetzt bin ich in der Abstimmung. Jetzt kann ich Bundesjugendzahnpflegegesetz) (Drucks ache
einen anderen Antrag überhaupt nicht zulassen, IV/126).
meine Herren; das tut mir leid. Ich muß jetzt in der Wird das Wort zur Begründung gewünscht? —
Abstimmung fortfahren. — Zunächst zu dem Entwurf Drucksache IV/1260 Herr
Abgeordneter Dr. Tamblé.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis
der Auszählung bekannt. Mit Ja haben 196 Mitglie-
der des Hauses gestimmt, mit Nein 88 Mitglieder Dr. Tamblé (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr
des Hauses, enthalten haben sich 46 Mitglieder des verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre,
Hauses. Danach ist das Gesetz auf Drucksache IV/ für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die
1257 in dritter Lesung angenommen, und zwar in Begründung zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache
Entsprechung zu dem Änderungsantrag in der zwei- IV/1260 geben zu dürfen. Ich möchte hierzu zu-
ten Lesung auf Umdruck 309. nächst einige kurze grundsätzliche Ausführungen
machen. Mehr als 90 % der zivilisierten Menschheit
Ich schlage dem Hause vor, daß die Überschrift leiden an Zahnfäule - Karies — und in vielen Ge-
geändert wird. Sie ist ein Bestandteil des Gesetzes. genden der Bundesrepublik sind auch schon die
In dem Änderungsantrag ist eine Änderung der Schulkinder zu 60 bis 70 % von dieser ernst zu neh-
Überschrift nicht beantragt worden. Ich müßte also menden Volkskrankheit befallen. Die Behandlung
insoweit den Gesetzentwurf Drucksache IV/1257 auf- der Zahnkaries erfordert jährlich Hunderte von Mil-
nehmen. In der Drucksache IV/1257 heißt es: „Ent- lionen D-Mark, für die zum großen Teil die Allge-
wurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Gel- meinheit aufzukommen hat. Immer wieder wird dar-
tungsdauer des Gesetzes zur Einschränkung der auf hingewiesen, daß diese erschreckende Zahl ver-
Bautätigkeit". Nun haben wir hier aber nicht nur kleinert werden könnte, wenn gewisse Vorbeu-
eine Verlängerung der Geltungsdauer, sondern auch gungsmaßnahmen durchgeführt würden.
eine Änderung des Gesetzes. Also müßte es heißen:
„Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Geset- Aus diesen Erwägungen entstand die Initiative zu
zes und der Geltungsdauer des Gesetzes zur Ein- einem Jugendzahnpflegegesetz, das der Vorbeugung
schränkung der Bautätigkeit". Ist das Haus damit gegen Gebißerkrankungen dienen soll. Mit einem
einverstanden? Redaktionelle Änderung! — Es ist gewissen Recht sind wir zunächst etwas skeptisch,
so beschlossen. wenn wir davon hören, daß die Gesundheit durch
gesetzgeberische Maßnahmen gefördert werden soll.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 21 Es liegt jedoch auf der Hand, daß, wenn je derartige
der Tagesordnung: Gesetze sinvoll sind, auf jeden Fall das geplante
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs Jugendzahnpflegegesetz zu ihnen gehören muß.
eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahr- Zwei grundsätzliche Erwägungen sind es, auf
zeugsteuergesetzes (Drucksachen IV/902 [neu] denen sein Gedanke beruht, und zwar einmal die,
IV/1208) ; daß Gebißerkrankungen, vor allem die Zahnfäule,
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses durch vorbeugende Maßnahmen tatsächlich zum
(Drucksache IV/1281) großen Teil verhindert werden können, weiter die
Erkenntnis, daß diese vorbeugenden Maßnahmen
(Erste Bratung 63., 76. Sitzung). beim Schulkind sehr oft schon zu spät kommen. Nur
Dazu liegen Änderungsanträge Umdrucke 305, 306 die systematische Überwachung und Betreuung des
und 307 vor *). Kindes vom dritten Lebensjahr an, des Schulkindes
und des Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr er-
Ehe ich der Berichterstatterin, Frau Beyer (Frank- möglichen es, wirklich vorbeugend wirken zu kön-
furt), das Worte gebe, teile ich mit, daß eine inter- nen. Von diesem Alter an kann man erwarten, daß
fraktionelle Übereinkunft erzielt worden ist, diesen die jungen Menschen an die Überwachung und Be-
Gesetzentwurf an den Ausschuß zurückzuüberwei-
handlung gewöhnt und dann auch einsichtig genug
sen. Ist das Haus damit einverstanden?
sind, sich weiterhin freiwillig zahnärztlich über-
(Abg. Dr. Rutschke: Mit den Anträgen, die wachen zu lassen.
vorliegen, Herr Präsident!) Niemand denkt daran, eine zahnärztliche Behand-
lung zu erzwingen. In Griechenland und auch in
*) Siehe Anlagen 6, 7 und 8 Japan gibt es Gesetze, nach denen jeder Bürger
3860 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

Dr. Tamblé
durch die Polizei zum Zahnarzt gebracht werden die systematische Untersuchung Abhilfe schaffen.
kann, wenn er versäumt, sich dort vorzustellen. Bei dieser Gelegenheit kann mit den Eltern schon
Diese Gesetze gründen in erster Linie auf der Tat- des dreijährigen Kindes der Wert zweckmäßiger Er-
sache, daß durch den Kariesbefall des einzelnen die nährung, regelmäßiger Pflege des Milchgebisses und
Gemeinschaft geschädigt wird. Natürlich lehnen der Frühbehandlung erörtert werden. Wenn dann
wir einen solchen Zwang ab, so verständlich auch die Eltern erst einmal wissen, daß auch das Milch-
seine Begründung sein mag. Ein derartiges Verfah- gebiß erhalten werden muß, daß Schäden an ihm oft
ren würde einen Eingriff in die vom Grundgesetz für Dauerschäden ausschlaggebend sind, daß seine
garantierten Persönlichkeitsrechte darstellen. Au- Pflege und Erhaltung maßgebend sind für die Ver-
ßerdem wäre es weder den kleinen Patienten noch hütung von Stellungsfehlern und Kiefermißbildun-
den behandelnden Zahnärzten zuzumuten. gen, dann werden sie auch auf die notwendige Früh-
behandlung des Kindes achten.
Den Erkrankungen des Gebisses kann man am
leichtesten und erfolgreichsten vorbeugen. Die Ge- Leider werden nur 35 % aller Jugendlichen in der
bißkrankheiten unterscheiden sich durch einige Bundesrepublik in dieser oder ähnlicher Weise auf
ganz wesentliche Punkte von fast allen übrigen zahnärztlichem Gebiet sozialhygienisch betreut.
Störungen der Gesundheit des menschlichen Orga- Weitaus der größte Teil unserer Jugend wird noch
nismusses. Die für alle Betrachtungen entscheidende immer nicht untersucht und veranlaßt, sich rechtzei-
Eigenart des Zahnes und seines Versorgungsorga- tig in Behandlung zu begeben.
nes, der Pulpa, besteht darin, daß sie keine Regene-
rationsmöglichkeit besitzen. Ein einmal begonnener In Deutschland liegen genügend Erfahrungen auf
Prozeß kann also als eine chronisch-fortschreitende, allen Gebieten der Jugendzahnpflege vor, und zwar
nicht heilbare Erkrankung betrachtet werden, die aus den Kommunen und Kreisen, die aus bürger-
vom Ausgangspunkt von der Größe einer Steck- lichem Gemeinsinn und Verantwortungsgefühl viel-
nadelspitze über die Pulpa an das Nerven- und fach schon seit mehr als 50 Jahren Jugendzahnpflege
Gefäßsystem des Organismusses eindringt und in in irgendeiner Form betreiben, obwohl der Gesetz-
der Lage ist, in Form dentogener Fernstörungen geber es bisher nicht von ihnen verlangt hat. Dieser
neue Krankheiten - Erkrankungen anderer Or- Eigeninitiative der kommunalen Selbstverwaltung
gane, wie Herz, Gelenke, Nieren usw. — zu setzen. soll selbstverständlich in keiner Weise durch eine
Trotz zahlreicher Versuche einer echten kausalen bundesgesetzliche Regelung irgendeine Beschrän-
Therapie oder einer echten Prophylaxe bleibt der kung auferlegt werden. Das Gesetz muß sich viel-
gegenwärtigen Zahnheilkunde nach wie vor als er- mehr an diejenigen richten, die ein Mindestmaß des
folgversprechendes Mittel ausschließlich die recht- Notwendigen bisher nicht realisieren konnten.
zeitige Behandlung, die den Zahn und die Gesamt-
Unsere Gesetzesvorlage steckt den Rahmen für
heit des Kauorgans nicht nur kaufähig erhält, son-
die öffentliche Jugendzahnpflege ab. Die Zuständig-
dern ihn auch biologisch am Leben erhält. Gerade
keit des Bundes ist nach Art. 74 Ziffer 7 des Grund-
die Forderung nach der Lebenderhaltung des Zahnes
gesetzes gegeben und liegt im Bereich der konkurrie-
ist von außerordentlicher Wichtigkeit. Die unab-
renden Gesetzgebung. Aufgabe dieser sozialhygie-
dingbare Voraussetzung für eine solche zahnärzt-
nischen Maßnahmen für Kinder und Jugendliche soll
liche Behandlung ist aber das rechtzeitige Erschei-
es sein, die vorbeugende Zahnpflege zu fördern,
nen des zahnkranken Menschen in der Praxis des
Schäden rechtzeitig zu erkennen und auf notwendige
Zahnarztes. Dann und nur dann ist die zahnärztliche
Kunst in der Lage, die Lebenderhaltung und das zahnärztliche Behandlung hinzuwirken. Die Behand-
Stoppen eines kariösen Prozesses über viele Jahre lung selbst soll uneingeschränkt den frei prakti-
hinaus mit großer Wahrscheinlichkeit zu ermög- zierenden Zahnärzten überlassen bleiben.
lichen.
Der Bundeshaushalt wird nicht in Anspruch ge-
Dabei handelt es sich keineswegs nur darum, alle nommen. Die Durchführung dieses Gesetzes wird nur
kleinsten Schäden möglichst früh zu erkennen und vorübergehend einen erhöhten Einsatz von öffent-
zu beseitigen, sondern vor allem auch um die Auf- lichen Mitteln erfordern. Großversuche haben be-
klärung der Eltern über vorbeugendes Verhalten, wiesen, daß schon nach dreijähriger systematischer
beispielsweise über richtige Ernährung und die son- BetrungdiGsamkoerhblczuügn.
stige Lebensweise des Kindes. Dem, der meint, da- Damit ist auch die Wirtschaftlichkeit des Gesetzes
mit sei im Grunde doch wieder alles freiwillig, sichergestellt.
und so werde ein Gesetz, das nur Untersuchungen
vorsieht, nichts nützen, widerspricht die Erfahrung Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion berücksich-
der Zahnärzte aus großen Modellversuchen. In tigt weitgehend Vorschläge, die von verschiedenen
Großbetrieben und in Schulen, in denen nach dem im Bereich der Gesundheitspflege tätigen Organisa-
Prinzip der systematischen Untersuchung mit aus- tionen nach mehrjährigen Beratungen ausgearbeitet
schließlicher freiwilliger Behandlung verfahren worden sind. Schon im Jahre 1957 hatte der Bundes-
wurde, hat sich gezeigt, daß der weitaus größere gesundheitsrat folgendes Votum erstattet:
Teil der jugendlichen Patienten ohne weiteres „mit- Die gesetzliche Regelung der Jugendzahnpflege
spielt". wird für notwendig gehalten. Die Jugendzahn-
Die meisten Eltern wollen ja das Beste für die pflege soll nach vollendetem vierten Lebensjahr
Gesundheit ihrer Kinder. Die Aufklärung erreicht beginnen und bis zur Schulentlassung durch-
sie nur nicht in hinreichendem Maße. Hierzu soll geführt werden.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3861
Dr. Tamblé
Der für ein derartiges Gesetz damals zuständige Anlaß genug gegeben zu sein, eine weitere Möglich
Bundesminister des Innern hielt es für angebracht, keit zur Früherkennung dieser Schäden zu schaffen.
eine gesetzliche Regelung zurückzustellen, bis die
Reform der gesetzlichen Krankenversicherung durch- Sie finden in der Vorlage eine Ausweitung des
geführt sei. Wir halten diese Bedenken nicht für Personenkreises gegenüber den bisherigen Maß-
gerechtfertigt. nahmen der Länder. Aus der Erkenntnis, daß auch
Schäden am Milchgebiß Auswirkungen auf die spä-
Später hat dann auch die Bundesregierung mehr- tere Zahnentwicklung haben, sind die Kinder vom
fach angekündigt, im Bereich der öffentlichen Jugend- dritten bis zum sechsten Lebensjahr miteinbezogen
zahnpflege gesetzgeberisch tätig zu werden. Diesen worden, und, um eine mögliche Lücke zwischen dem
Ankündigungen sind aber bis heute keine Taten Zeitpunkt der Schulentlassung und dem Eintritt in
gefolgt. Die Passivität des Gesundheitsministeriums das Berufsleben und damit meistens ja auch in einen
paßt sich allerdings der politischen Vorstellungs- Versicherungsstatus zu schließen, sind die Jugend-
welt des Herrn Arbeitsministers Blank an, der die lichen vom 14. bis zum 18. Lebensjahr miteinbezo-
zahnärztliche Untersuchung sogar mit zusätzlichen gen worden. Alle Kinder im Alter von drei bis
Gebühren belegen will. Während sich Herr Blank 18 Jahren erhalten also einen Rechtsanspruch auf
und die CDU/CSU mit diesen sozialpolitisch bedenk- die unentgeltlichen Leistungen nach diesem Gesetz,
lichen Plänen beschäftigen, beschränkt sich das Ge- und zwar auf eine mindestens einmal jährlich statt-
sundheitsministerium darauf, zu beobachten, wie findende zahnärztliche Untersuchung und die erfor-
sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung immer derlichen Nachuntersuchungen sowie die regelmä-
mehr verschlechtert. Dieses unverantwortliche ßigen zahnärztlichen Belehrungen.
Zögern der Bundesregierung hat die sozialdemo-
kratische Fraktion veranlaßt, nunmehr selber die Da es uns auf eine klare Abgrenzung zwischen
Initiative für die Erstellung eines Jugendzahnpflege- Diagnostik und Therapie ankam, wurde die Formu-
gesetzes zu ergreifen. lierung „zahnärztliche Untersuchung zur Feststel-
Wir beantragen, die Drucksache IV/1260 an den lung der Behandlungsbedürftigkeit" gewählt. Wir
Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen. sind der Meinung, daß die Behandlung eine Sache
der freipraktizierenden Zahnärzteschaft ist. Aufgabe
(Beifall bei der SPD.) einer staatlichen Jugendzahnpflege kann es nur
sein, Möglichkeit und Anreiz zur Untersuchung zu
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Zur Einbrin- geben und darüber hinaus verstärkt auf die Kinder
gung und Begründung des Antrags der Fraktionen und Jugendlichen, aber auch auf die Eltern und Er-
der CDU/CSU, FDP hat das Wort die Abgeordnete zieher durch Belehrung und Beratung einzuwirken.
Frau Dr. Heuser. Diese Dinge sind seit geraumer Zeit durch ver-
schiedene Vorschläge aus den beteiligten Kreisen
Frau Dr. Heuser (FDP) : Herr Präsident! Meine im Gespräch, und sie finden ja auch einen Nieder-
Herren und Damen! Ich glaube kaum, daß nach den schlag in dem Entwurf der SPD. Nach eingehender
dezidierten Ausführungen meines Kollegen Dr. Prüfung sind wir der Meinung, daß in unserem An-
Tamblé jemand nicht davon überzeugt ist, wie nötig trag alle diese Anliegen berücksichtigt worden sind
Jugendzahnpflege ist. Ich habe die Ehre, hier unseren und daß darüber hinaus den Ländern die Möglich-
Antrag, den Antrag der Koalitionsfraktionen zur keit zu weitergehenden diagnostischen Maßnahmen
Jugendzahnpflege zu begründen. durchaus offengeblieben ist.
Bei der Vorlage eines Jugendzahnpflegegesetzes Wir beantragen, unsere Vorlage dem Gesund--
stellt sich die Frage, ob denn die bisherigen Rege- heitsausschuß zu überweisen.
lungen der Schulzahnpflege nicht ausreichend ge- (Beifall bei den Regierungsparteien und
wesen sind. Sie wissen, daß auf Grund des Verein- bei Abgeordneten der SPD.)
heitlichungsgesetzes von 1934 die Länder durch die
Gesundheitsämter diese Schulzahnpflege durchge-
führt haben, jedes Land aber mit verschiedenem Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine weite-
Ausmaß. Da es trotzdem zu einem erschreckenden ren Wortmeldungen. — Beantragt ist, beide An-
Anstieg der Zahnerkrankungen und der Kiefer- träge, Drucksachen IV/1260 und IV/1266, an den
anomalien bei unseren Kindern und Jugendlichen Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen. Das
gekommen ist, ist eine einheitliche bundesgesetzliche Haus ist damit einverstanden? — Kein Widerspruch;
Regelung notwendig geworden. es ist so beschlossen.
Dazu kommt, daß es sich hier um ein besonders Ehe ich die Sitzung schließe, teile ich mit, daß ich
wichtiges Vorsorgegebiet handelt, weil Zahnerkran- die Präsenzpflicht für Dienstag, den 25. Juni 1963,
kungen auf die Dauer auch Schäden am Gesamt- aufhebe in der Erwartung, möglichst viele Mitglie-
organismus hervorrufen können. Wenn man darüber der des Hauses dann in Frankfurt wiederzusehen.
hinaus die Nachlässigkeit nicht nur bei den Kindern,
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages
sondern leider auch bei den Eltern und die uns
ein auf Freitag, den 21. Juni 1963, 9 Uhr.
allen bekannte Angst vor dem Zahnarzt sowie die
Eigenart der Zahnerkrankungen berücksichtigt, Die Sitzung ist geschlossen.
Schmerzen erst dann zu verursachen, wenn schon
irreparable Schäden eingetreten sind, scheint uns (Schluß der Sitzung: 18.41 Uhr.)
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3863

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich

Liste der beurlaubten Abgeordneten Unertl 20. 6.


Wittmer-Eigenbrodt 31. 7.
Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich

a) Beurlaubungen b) Urlaubsanträge

Dr. Arndt (Berlin) Frau Albertz 27. 6.


30. 9.
Dr. Dr. h. c. Baade Baldauf 26. 6.
1. 7.
Frau Eilers 26. 6.
Beuster 1. 7.
Gehring 26. 6.
Dr. Bleiß 21.6.
Hösl 26. 6.
Corterier 23. 6.
Könen (Düsseldorf) 26. 6.
Dr. Deist 22. 6.
Deringer Lautenschlager 26. 6.
21. 6.
Dr. Dittrich Schmidt (Kempten) 26. 6.
20. 6.
Eisenmann 21. 6. Dr. Willeke 26. 6.

Etzel 20. 6.
Funk (Neuses am Sand) 30. 6.
Gaßmann 21.6.
Gerns 28. 6.
Hahn (Bielefeld) * 21. 6.
Anlage 2
Dr. Harm (Hamburg) 1. 7.
Heiland 6.
20.
Hellenbrock Schriftliche Ausführungen
21. 6.
Dr. Hellige 21. 6. des Herrn Bundesministers Blank zu der Mündlichen
Hübner 21.6. Anfrage des Abgeordneten Fritsch *).
Kraus 1. 7.
Die Zustimmung zur Gewährung einer Leistung im
Kriedemann 21. 6. Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 Abs. 1 BVG
Krug 21.6. ist in folgenden Fällen erteilt worden:
Leber 30. 6. 1. Schädigung während des freiwilligen Arbeits-
Lemmer 26. 6. dienstes vor dem 1. 7. 1934, wenn nach früheren
Vorschriften bereits ein Härteausgleich gewährt
Maier (Mannheim) 21. 6. wurde (§ 3 Abs. 1 Buchst. i BVG)
Margulies 21. 6.
2. Schädigung bei Westwallarbeitern vor Beginn
Metter 1. 7. des Krieges, wenn den Hinterbliebenen be-
Metzger * 21. 6. reits früher Härteausgleichsversorgung gewährt
wurde (§ 3 Abs. 1 Buchst. m BVG)
Dr. Mommer 15. 7.
Müller (Worms) 21. 6. 3. bei Tod durch marodierende Ausländer (§ 5
Neumann (Allensbach) Abs. 1 BVG)
20. 6.
Ollenhauer 21.6. 4. bei Schädigungen während der Besetzung des
Rademacher Sudetenlandes (§ 5 Abs. 1 BVG)
21. 6.
Rollmann 20. 6. 5. bei Schädigungen, die durch Operationen polni-
Ruf scher Banden nach dem 1. Weltkrieg verursacht
20. 6.
wurden (§ 5 Abs. 1 BVG)
Dr. Starke 21. 6.
Stein 6. Übernahme der Kosten der 2. Pflegeklasse bei
20. 6.
Krankenhausbehandhung in besonderen Fällen
Dr. Süsterhenn 22. 6. (§ 10 Abs. 1 BVG)
* Zur Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen
Parlaments *) Siehe Seite 3831 B
3864 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

7. Übernahme der Kosten bei selbstdurchgeführter 23. Härteausgleich bei Fortfall des Kindergeldes
Heil- und Krankenbehandlung (§ 10 Abs. 3 und 5 oder der Ausgleichsrente infolge Erhöhung der
BVG) Sozialrente (§ 41 a BVG)
8.GewährungvoKakbdlungfüricht 24. Gewährung von Heiratsabfindung (§ 44 Abs. 1
im Haushalt des Beschädigten lebende Kinder BVG)
(§ 10 BVG)
25. Wiederaufleben der Witwenrente bei Auflösung
9. Übernahme der Kosten für Ablesekurse für oder Nichtigkeit der Ehe (§ 44 Abs. 2 BVG)
Schwerhörige und für Sprachheilschulung (§ 10
BVG) 26. Gewährung von Beihilfen (§ 44 Abs. 3 und 4
BVG a. F.)
10. Gewährung von besonderen Heilbehandlungs-
maßnahmen (§ 14 Abs. 6 BVG) 27. Gewährung von Witwenbeihilfen (§ 48 Abs. 1
Satz 2 BVG a. F.)
11. Auszahlung der Ausgleichsrente während der
Heilstättenbehandlung, 28. Bestattungsgeld (§ 53 BVG)
Anm.: Die Vorschrift des § 18 Abs. 1 ist in das 29. Waisenrente bei Gebrechlichkeit, wenn Arbeits-
1. NOG nicht mehr aufgenommen worden. versuch länger als .6 Monate dauerte (§ 45 BVG)
12. Übernahme der Mehrkosten für Krankenhaus- 30. Waisenrente bei Gebrechlichkeit nach dem 18.
behandlung (§ 2 Abs. 1 VO zu § 28 BVG a. F.) Lebensjahr bzw. der Verheiratung (§ 45 BVG)
13. Erhöhung der Ausgleichsrente um den für die 31. Waisenrente über das 18. bzw. 25. Lebensjahr
Ehefrau vorgesehenen Betrag (§ 32 BVG) bei Berufsausbildung (§ 45 BVG)
14. Erhöhung der Beschädigtenrente für 1 Kind 32. Waisenrente über die Verheiratung hinaus bei
nach Vollendung des 18. Lebensjahres wäh- Berufsausbildung (§ 45 BVG)
rend der Berufsausbildung, für deren Beginn
das 18. Lebensjahr vorgeschrieben ist 33. Waisenrente nach der Mutter, wenn Vater im
Ausland lebt und für den Unterhalt der Waise
nach der Verheiratung des Kindes nicht aufkommt (§ 45 BVG)
für die Dauer der Gebrechlichkeit
34. Unterschied zwischen Halb- und Vollwaisen-
für 1 Enkelkind rente (§ 45 BVG)
15. bei Versäumnis der Anmeldefrist für eine Ge- 35. Krankenbehandlung für Eltern, wenn wegen des
sundheitsstörung, die sich auf eine Schädigung Bezugs von Altershilfe für Landwirte die Eltern-
vor dem 1. 9. 1939 stützt (§ 57 Abs. 2) rente fortfällt (§ 28 BVG a. F.)
Anm.: Mit Rundschreiben vom 21. 7. 1960 ist
der Härteausgleich allgemein zugelassen 36. Einzelfälle, in denen die Versagung einer Ver-
worden für die Zeit vor dem 1. 6. 1960, sorgung an Kriegsopfer, die nicht in § 7 BVG
weil mit dem 1. NOG die Fristvorschrif- aufgeführt sind und für die noch keine allge-
ten fortgefallen sind. meine Zustimmung nach § 8 BVG vorliegt, eine
besondere Härte bedeuten würde.
16. Weitergewährung eines nach früheren Vor-
schriften gewährten Härteausgleichs (VV Nr. 1
Buchst. b zu § 89 BVG a. F.)

17. Gewährung des Einkommensausgleichs (§ 17


SVG)

18. Brautversorgung (§ 38 BVG) Anlage 3 Umdruck 304


19. Härteausgleich, wenn die Ehe kein Jahr ge-
dauert hat (§ 38 Abs. 2) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
zweiten Beratung des von der Bundesregierung ein-
20. Gewährung des Unterschiedsbetrages zwischen gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung
der Grundrente einer noch nicht 40- bzw. 45- der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau (Druck-
jährigen Witwe und der vollen Grundrente sachen IV/1080, IV/1279).
(§ 40 a. F.)
Anm.: Die Vorschrift ist durch die 6. Novelle Der Bundestag wolle beschließen:
geändert worden.
1. § 2 wird wie folgt geändert:
21. Gewährung der Witwenausgleichsrente (§ 41 a) Absatz 2 erhält folgende Fassung:
Abs. 1 Buchst. c und Abs. 4 BVG)
„ (2) Der Verband soll darauf hinwirken,
22. Witwenrente im Falle der Scheidung (§ 42 BVG) daß durch Zusammenfassung von Steinkohlen-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3865

bergwerken, durch Aufschluß der an ein Stein- a) die Stillegung, für die eine Grund-
kohlenbergwerk angrenzenden Grubenfelder prämie beansprucht wird, volkswirt-
oder -felderteile, durch Kauf, Tausch oder schaftlich zweckmäßig ist und
Pacht von Grubenfeldern, durch Erwerb von b) das Unternehmen, das die Grund-
Beteiligungen zu Bergwerksgesellschaften prämie beansprucht, nicht in der
oder durch Zusammenschluß von Bergwerks- Lage ist, die nach der Stillegung fort-
gesellschaften wirtschaftlicher arbeitende För- bestehenden langfristigen Totlasten
dereinheiten geschaffen werden." (Vergütung von Bergschäden, Zahlung
von Pensionen an die außerbetrieb-
b) Folgender Absatz 2 a wird eingefügt: lichen Belegschaftsmitglieder und Be-
„ (2 a) Der Verband hat sicherzustellen, daß friedigung von Ansprüchen der Berg-
invaliden auf Lieferung von Deputat
a) alle Gefahren und Nachteile für kohle) aus eigenen Mitteln der Ge-
Steinkohlenbergwerke beseitigt sellschaft zu decken, ohne daß dadurch
werden, die sich aus der Still- die wirtschaftliche Existenz des Unter-
legung anderer Steinkohlenberg- nehmens gefährdet wird."
werke ergeben. Bei auftretenden
Schäden gewährt der Verband 5. Nach § 31 wird ein § 31 a mit folgendem Wort-
einen finanziellen Ausgleich in laut eingefügt:
Höhe der entstandenen oder lau-
fenden Aufwendungen, die sich
㤠31 a
aus solchen Schäden ergeben. Die
seit dem 15. Mai 1962 geleisteten Lohnsteuer
und durch die Stillegung von
Steinkohlenbergwerken anderer Sofern ein Mitglied die Prämie oder einen Teil
Unternehmen entstandenen Auf- der Prämie für Zahlung an von Stillegung be-
wendungen werden den betroffe- troffene Arbeitnehmer im Rahmen eines Sozial-
nen Bergwerksgesellschaften er- planes (Betriebsvereinbarung) verwendet, wird
stattet, dieser Betrag beim Arbeitnehmer von der Lohn-
steuer befreit."
b) bei Stillegung der einzigen
Schachtanlage einer Bergwerks-
gesellschaft die Ansprüche der
zum Bezug von Hausbrandkohle Bonn, den 19. Juni 1963
berechtigten Arbeitnehmer erfüllt
werden." Ollenhauer und Fraktion

2. § 6 Abs. 5 erhält folgende Fassung:


„ (5) Beschlüsse werden mit zwei Drittel der
abgegebenen Stimmen gefaßt."

3. § 8 Abs. 1 erhält folgende Fassung:


Anlage 4 Umdruck 308
-
„(1) Der Verwaltungsrat besteht aus minde-
stens acht und höchstens sechzehn Mitgliedern,
die zur Hälfte von der Verbandsversammlung Änderungsantrag der Fraktion der FDP und der
gewählt und zur Hälfte von den Bundesländern Abgeordneten Strauß, Dr. Kempfler, Dr. Ramminger,
und Gemeinden, in denen Steinkohle gefördert Krug, Unertl und Genossen zur zweiten Beratung
wird, entsandt werden. Als Mitglieder des Ver- des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten
waltungsrates wählbar sind natürliche Personen, Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Gel-
die Mitglieder des Verbandes sind oder die nach tungsdauer des Gesetzes zur Einschränkung der
Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Bautätigkeit (Drucksachen IV/1257, IV/1271).
Vertretung eines Mitgliedes oder von Vereini-
gungen von Mitgliedern berechtigt sind. Von Der Bundestag wolle beschließen:
den gewählten Mitgliedern muß aus jedem
1. Artikel 1 erhält folgende neue Fassung:
Revier mindestens eine nach Satz 2 wählbare
Person dem Verwaltungsrat angehören."
,Artikel 1
4. § 13 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
Das Gesetz zur Einschränkung der Bautätigkeit
„(1) Der Bund trägt die Hälfte der Mittel, die vom 8. Juni 1962 (Bundesgesetzbl. I S. 365) wird
der Verband zur Gewährung der Grundprämie wie folgt geändert:
für die Stillegung eines Steinkohlenbergwerkes
benötigt. Voraussetzung für. die Gewährung der 1. In § 1
Mittel ist der vom Verband im einzelnen zu er- a) Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 werden die Worte
bringende Nachweis, daß „Geschäfts- oder Warenhaus" gestrichen;
3866 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963

b) Abs. 1 Satz 1 wird Nr. 3 gestrichen; die 1. § 1 Abs. 4 erhält folgende Fassung:
bisherige Nr. 4 wird Nr. 3, Nr. 5 wird
Nr. 4; „(4) Die Landesregierung wird ermächtigt,
durch Rechtsverordnung die Verbote der Ab-
c) Abs. 1 Satz 2 werden die Worte „1 bis 3" sätze 1 und 2 tin solchen Gebieten außer Kraft
durch die Worte „1 und 2" ersetzt; zu setzen, in denen das Angebot an Bauleistun-
d) Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 werden die Worte gen ausreicht, um die vorhandene Nachfrage
„1 bis 3" durch die Worte „1 und 2" er- ordnungsgemäß zu befriedigen, und der Wett-
setzt. bewerb durch eine zu hohe Nachfrage nicht nach-
teilig beeinflußt wird. Die Gebiete sind in der
2. In § 7 werden die Worte „30. Juni 1963" Rechtsverordnung zu bezeichnen."
durch die Worte „30. Juni 1964" ersetzt.'
2. In § 7 werden die Worte „mit Ablauf des
2. Die Überschrift erhält folgende Fassung: 30. Juni 1963" durch die Worte „mit Ablauf des
„Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des 31. Dezember 1963" ersetzt.'
Gesetzes zur Einschränkung der Bautätigkeit"

Bonn, den 20. Juni 1963


Bonn, den 20. Juni 1963

Strauß Memmel
Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Dr. Kempfler Frau Dr. Probst
Wagner Schlee
Strauß Frau Dr. Kuchtner Dr. Ramminger Seidl (München)
Dr. Kempfler Lemmrich Unertl Spies
Dr. Ramminger Lermer Weigl Sühler
Krug Memmel Bauer (Wasserburg) Vogt
Unertl Frau Dr. Probst Dr. Besold
Bauer (Wasserburg) Schlee Weinzierl
Dr. Brenck Wieninger
Dr. Brenck Spies Drachsler
Drachsler Sühler Dr. Winter
Ehnes
Ehnes Vogt Ziegler
Frau Geisendörfer
Frau Geisendörfer Wagner Freiherr zu Guttenberg Ertl
Freiherr zu Guttenberg Weigl Dr. Gleissner Schmidt (Kempten)
Dr. von Haniel Weinzierl Dr. von Haniel Dr. Dehler
Niethammer Wieninger Niethammer Frau Dr. Flitz (Wilhelms-
Illerhaus Dr. Winter Kemmer haven)
Kemmer Ziegler Krug Dr. Hamm (Kaisers
Frau Dr. Kuchtner lautern)
Lemmrich Frau Dr. Kiep-Altenloh
Lermer Dr. Miessner

Anlage 5 Umdruck 309

Änderungsantrag der Abgeordneten Strauß, Anlage 6 Umdruck 305


Dr. Kempfler, Wagner, Dr. Ramminger, Unertl,
Weigl, Ertl, Schmidt (Kempten) und Genossen zur
zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/ Änderungsantrag der Abgeordneten Seuffert,
CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Könen (Düsseldorf) und Genossen zur zweiten Be-
Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes ratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
zur Einschränkung der Bautätigkeit (Drucksachen des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Drucksachen IV/
IV/1257, IV/1271). 902 [neu], IV/1208, IV/1281).

Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag wolle beschließen:


Artikel 1 erhält folgende Fassung: In Artikel 1 wird folgende Nummer 01 eingefügt:

„01. Nummer 3 erhält folgende Fassung:


,Artikel 1
„3. Fahrzeugen, die ausschließlich zum Wege-
Das Gesetz zur Einschränkung der Bautätigkeit bau, zur Straßenreinigung, zur Müll- oder
vom 8. Juni 1962 (Bundesgesetzbl. I S. 365) erhält Fäkalienabfuhr verwendet werden und
folgende Fassung: entweder für den Bund, ein Land, eine
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Juni 1963 3867

Gemeinde oder einen Zweckverband zuge- Anlage 8 Umdruck 307


lassen sind oder ausschließlich in deren
Auftrag verwendet werden. Vorausset- Änderungsantrag der Abgeordneten Goldhagen,
zung ist, daß die Fahrzeuge äußerlich als Baier (Mosbach), Dr. Bieringer, Dr. Hauser, Reich-
für diese Zwecke bestimmt erkennbar mann und Genossen zur zweiten Beratung des Ent-
sind;" wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahr-
zeugsteuergesetzes (Drucksachen IV/90 2 (neu),
IV/1208, IV/1281).
Bonn, den 19. Juni 1963 Der Bundestag wolle beschließen:
In Artikel 1 Nr. 2 wird am Schluß der Befreiungs-
Seuffert Dr. Koch vorschrift das Semikolon durch einen Punkt ersetzt
Könen (Düsseldorf) Ritzel und folgender Satz angefügt:
Büttner Dr. Schäfer „Die Steuerbefreiung nach Buchstabe a wird nicht
Folger Schmitt-Vockenhausen dadurch ,ausgeschlossen, daß ein Landwirt landwirt-
Jacobi (Köln) schaftliche Erzeugnisse von einer örtlichen Sammel-
stelle zu einem Verwertungs- oder Verarbeitungs-
betrieb oder landwirtschaftliche Bedarfsgüter vom
Bahnhof zur örtlichen Lagereinrichtung befördert;".

Bonn, den 20. Juni 1963


Anlage 7 Umdruck 306
Goldhagen Sander
Baier (Mosbach) Peters (Poppenbüll)
Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Rutsch- Dr. Bieringer Walter
ke, Dorn, Reichmann und Genossen zur zweiten Dr. Hauser Kreitmeyer
Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung Reichmann Dr. Kohut
des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Drucksachen IV/902 Frau Dr. Diemer Dorn
[neu], IV/1208, IV/1281). Nicolaus Spitzmüller
Wächter Dr. Hoven
Der Bundestag wolle beschließen:
Dr. Löbe Stooß
Der bisherige Wortlaut des Artikels 1 erhält die Dr. Hamm Haase (Kassel)
Bezeichnung Absatz 1. (Kaiserslautern) Mengelkamp
Hammersen Dr. Götz
Folgender Absatz 2 wird angefügt: Dr. Supf Dr. Huys
Ertl Frau Klee
,(2) In § 3 Abs. 2 Ziff. 1 werden vor dem zweiten Logemann Biechele
Semikolon folgende Worte angefügt: Dr. Aschoff Memmel
„oder wenn die Ehefrau oder die anerkannte Busse Dr. Freiherr
Pflegeperson des Körperbehinderten das Per- Dr. Gleissner von Vittinghoff-Schell
sonenkraftfahrzeug im Rahmen der Haushalts- Leicht Dr. Fritz (Ludwigshafen)
führung benutzt."' Dr. Althammer Wagner
-
Dr. Vogel Gibbert
Dr. Artzinger Dr. Wilhelmi
Leonhard Kuntscher
Bonn, den 19. Juni 1963 Rollmann Dr. Wuermeling
Porten Seidl (München)
Frau Dr. Maxsein Becker
Dr. Rutschke Bühler Frau Pitz-Savelsberg
Dorn Gaßmann Spies
Reichmann Dr. h. c. Güde Frau Schanzenbach
Dr. Aschoff Dr. Winter Hilbert
Dr. Emde Dr. Kanka Dr. Czaja
Frau Funcke (Hagen) Dr. Wahl Berberich
Dr. Hamm Frau Dr. Kuchtner Dr. Reinhard
Hammersen Benda Maucher
Frau Dr. Heuser Josten Lemmrich
Dr. Imle Missbach Dr. Seffrin
Keller Faller Höfler
Kubitza Weber (Georgenau) Adorno
Freiherr von Kühlmann-Stumm Ollesch Drachsler
Kreitmeyer Schmidt (Kempten) Stauch
Dr. Mälzig Dr. Krümmer Frau Dr. Probst
Mertes Dr. Rutschke Dr. Ramminger
Soetebier Dr. Effertz Böhme (Hildesheim)

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