Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
33. Sitzung
Inhalt:
Nachruf auf den Abg. Dr. Baron Manteuf- Frage des Abg. Wittrock:
fel-Szoege
Bundeseigene Grundstücke für kommu-
Vizepräsident Dr. Jaeger 1371 A nale Anlagen
Qualen, Staatssekretär . . . 1374 B, C, D
Begrüßung des Präsidenten der Deputier
-tenkamrvonNicagu 1377 C Wittrock (SPD) 1374 C, D
Glückwünsche zum Geburtstag des Bundes- Fragen der Abg. Börner und Junghans:
ministers Dr. Balke 1387 C
Einbau von Sicherungseinrichtungen in
Kraftwagen
Fragestunde (Drucksachen IV/453 und
Dr.-Ing. Seebohm,
IV/462) - C, D,
Bundesminister 1375 A,
1376 A, B, C
Frage des Abg. Ertl:
Börner (SPD) 1375 B, C
Pressemeldungen über Spitzeltätigkeit
Schwabe (SPD) 1375 D
des Robert Henkelmann
. . . 1372 B, C Dröscher (SPD) . . . . . . . 1376 A
Dr. Strauß, Staatssekretär
1372 C Höhmann (Hessisch
Ertl (FDP)
Lichtenau) (SPD) 1376 B, C
Fragen des Abg. Hansing:
Frage des Abg. Dr. Jungmann:
In Haft gehaltene Algerier
Arztlache Versorgung der Schwerver-
Dr. Strauß, Staatssekretär . . . . 1372 D letzten am Unfallort
Dr.-Ing. Seebohm,
Frage des Abg. Freiherr zu Guttenberg: Bundesminister . . . 1376 D, 1377 B
Haushalte der Europäischen Kommis- Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 1377 B
sion
Dr. Müller-Armack, Frage des Abg. Dr. Rutschke:
Staatssekretär 1373 A, C, D
Ausbau der Ortsdurchfahrten Wössin-
Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . 1373 C gen und Gölshausen
Dr. Mommer (SPD) 1373 D Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 1377 C
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : Frage des Abg. Riegel (Göppingen) :
Frage des Abg. Soetebier: Vertrages vom 18. April 1951 über die
Hilfe für die Sturmflutgeschädigten Gründung der Europäischen Gemeinschaft
für Kohle und Stahl (Drucksache IV/419)
Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 1384 C, D — Erste Beratung — . . . . . . . . 1388 A
Soetebier (FDP) . . . . . . . 1384 D
Entwurf eines Gesetzes über die Umsatz-
Frage des Abg. Dr. Ramminger: steuerstatistik für das Kalenderjahr 1962
(Drucksache IV/420) — Erste Beratung 1388 B
—
1386 B, C
Ritzel (SPD) 1386 B, C Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen
. . . 1386 C mit der Italienischen Republik über die
Vogt (CDU/CSU) . . .
Regelung gewisser vermögensrechtlicher,
wirtschaftlicher und finanzieller Fragen
Frage des Abg. Seuffert: (Drucksache IV/433) — Erste Beratung 1388 C
—
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen
Lastenausgleichsgesetzes (Abg. Dr. vom 5. Juli 1957 mit der Türkischen Re-
Rutschke, Ramms, Frau Dr. Diemer-Nico- publik über den Luftverkehr (Druck-
laus, Keller, Opitz, Murr, Ollesch u. Gen.) sache IV/448) — Erste Beratung —. . . 1389 B
(Drucksache IV/404) — Erste Beratung — 1388 A
Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluß Entwurf eines Gesetzes zu dem Internatio-
vom 16. Mai 1961 zur Ergänzung des Be- nalen Fernmeldevertrag vom 21. Dezem-
schlusses vom 8. Dezember 1954 betref- ber 1959 (Drucksache IV/449) — Erste
fend die Anwendung des Artikels 69 des Beratung — 1389 C
IV Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Entwurf eines Gesetzes über die in Monaco Entwurf einer Siebzehnten Verordnung zur
am 18. November 1961 unterzeichnete Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962
Zusatzvereinbarung zu dem am 2. Juni (Sardinen usw.) (Drucksache IV/456) . . 1424 A
1934 in London revidierten Haager Ab-
kommen vom 6. November 1925 über die Entwurf einer Achtzehnten Verordnung zur
internationale Hinterlegung gewerblicher Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962
Muster oder Modelle (Drucksache IV/ (Salz, Naturkork usw.) (Drucksache IV/
367) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsaus- 457) 1424 B
schusses (Drucksache IV/417) — Zweite
und dritte Beratung — . . . . . . 1390 A Entwurf einer Neunzehnten Verordnung
zur Änderung des Deutschen Zolltarifs
Entwurf eines Gesetzes zu dem Niederlas- 1962 (Fertigbauteile) (Drucksache IV/458) 1424 B
sungs- und Schiffahrtsvertrag vom
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus-
18. März 1960 mit dem Königreich Grie-
schusses über den Entwurf einer Zwei-
chenland (Drucksache IV/174) ; Schrift- undzwanzigsten Verordnung zur Ände-
licher Bericht des Auswärtigen Ausschus- rung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Früh-
ses (Drucksache IV/427) — Zweite und kartoffeln — Außen-Zollsatz) (Druck-
dritte Beratung 1390 B
—
sachen IV/424, IV/444) . . . . . . . 1424 B
33. Sitzung
Zu der in der Fragestunde ,der 30. Sitzung des Ertl (FDP) : Hat die Bundesregierung wegen die-
Bundestages am 16. Mai 1962 gestellten Frage des ser Pressemeldungen bereits Erkundigungen bei der
Abgeordneten Dr. Atzenroth Nr. II/2 ist inzwischen italienischen Regierung eingezogen?
die schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs
Dr. Hettlage vom 21. Mai 1962 eingegangen. Sie Dr. Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium
lautet: der Justiz: Die Erkundigungen laufen über unsere
Die Belastungen des Bundeshaushalts durch Prämien und Botschaft in Rom.
Prämienzinsen können seit dem Inkrafttreten des Sparprämien-
gesetzes im Mai 1959 bis zu seinem Auslaufen im Jahre 1968
auf insgesamt 2,0 bis 2,1 Milliarden DM veranschlagt werden.
Diese Ausgaben belasten den Bundeshaushalt fast ausschließlich Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen nun-
erst in den kommenden Jahren (ab 1964), da die Prämienaus-
zahlungen des Bundes an die Sparinstitute erst nach Ablauf der mehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des
gesetzlichen Festlegungsfristen fällig werden. In den Rechnungs-
jahren 1959 bis 1963 sind nur relativ unbedeutende Beträge für
Bundesministers der Justiz. Ich rufe die von dem
vorzeitig fällig gewordene Prämien (in Fällen des Todes, der völ- Abgeordneten Hansing gestellten Fragen II/1 und
ligen Erwerbsunfähigkeit oder der Verheiratung), jedoch noch
keine regulären Prämien aus Bundesmitteln zu leisten. II/2 auf:
Im einzelnen wird mit folgenden Zahlungen aus dem Bundes- Stimmt es, daß zur Zeit noch 16 Algerier in der Bundes-
haushalt gerechnet: republik in „Schutzhaft" festgehalten werden, obwohl Frankreich
1959 und 1960 unter 1 Million DM alle inhaftierten Algerier — nach der Unterzeichnung des Ver-
1961 2 Millionen DM trages von Evian — aus den Gefängnissen entlassen hat?
1962 4 Millionen DM
1963 10 Millionen DM Ist irgendeiner der 16 in der Bundesrepubulik in Schutzhaft
1964 130 Millionen DM genommenen Algerier von einem deutschen Gericht verurteilt
1965 340 Millionen DM bzw. ist gegen einen von ihnen Anklage erhoben?
1966 450 Millionen DM
1967 500 Millionen DM
1968 600 Millionen DM
1959-1968 2 036 Millionen DM Dr. Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium
Ich bitte zu beachten, daß es sich bei den Ausgaben für die der Justiz: Ich darf davon ausgehen, daß sich die
Jahre 1965 und folgende um Schätzungen handelt, die wegen
unzulänglicher Berechnungsunterlagen mit erheblichen Unsicher- Fragen auf die Zahl derjenigen Algerier beziehen,
heitsfaktoren behaftet sind. die in einem in der Bundesrepublik geführten Er-
mittlungsverfahren in Untersuchungshaft — eine
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Schutzhaft gibt es bekanntlich nach deutschem Recht
nicht — oder auf Grund eines hier ergangenen Straf-
Fragestunde (Drucksachen IV/453, IV/462). urteils in Strafhaft einsitzen.
Ich rufe zuerst die Frage des Abgeordneten Ertl In Strafverfahren, die vom Generalbundesanwalt
aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts beim Bundesgerichtshof geführt werden oder die
auf: beim Bundesgerichtshof anhängig sind, befindet sich
Treffen Pressemeldungen zu, wonach der ehemalige SS -Ober- kein Algerier in Untersuchungshaft. Ebenso sitzt
scharführer Robert Henkelmann aus Lünen, der im Jahre 1944
ein Rollkommando gegen Fremdarbeiter in Neunkirchen (Eifel) kein Algerier auf Grund eines Strafurteils des Bun-
geleitet haben soll, von der italienischen Geheimpolizei als
Spitzel in Südtirol im Zusammenhang mit den Sprengstoffan- desgerichtshofs in Strafhaft ein.
schlägen eingesetzt wurde?
Ob und wieviele Algerier in Strafverfahren, die
Die Frage wird vom Herrn Staatssekretär im Bun- bei den Staatsanwaltschaften oder Gerichten der
desministerium der Justiz beantwortet. Länder anhängig sind, in Untersuchungshaft einsit-
zen, ist der Bundesregierung gegenwärtig ebenso
Dr. Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium unbekannt wie die Zahl derjenigen Algerier, die
der Justiz. Da meine Kollegen vom Auswärtigen sich auf Grund von Strafurteilen der Gerichte der
Amt durch ein unglückliches Zusammentreffen von Länder in Strafhaft befinden. Wir sind bemüht, ent-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1373
wege auf Kosten Privater befriedigt werden müßte. Hat die Bundesregierung die Absicht, den Termin für das
Inkrafttreten der gesetzlichen Verpflichtung zum Einbau von
Diebstahlsicherungen in Kraftfahrzeugen vom 1. Juli 1962 auf
einen späteren Zeitpunkt zu verschieben?
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage?
— Bitte! Herr Bundesminister, darf ich bitten.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1375
Antwort heute entgegenzunehmen. kehr: Nach den uns zugegangenen Mitteilungen der
Länder, mit denen das genau besprochen worden ist
Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr. Ich rufe und die die Verhältnisse an Ort und Stelle über-
diese Frage III/2 aus Drucksache IV/462 — des Ab- prüft haben, sind wir der Meinung, daß wir mit die-
geordneten Junghans — auf: sem verlängerten Zeitraum auskommen. Es hat sich
ergeben — das haben auch die Stellen gesagt, die
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Frist für den die Schlösser einbauen —, daß erst in den letzten
Einbau von Lenkradschlössern für Kraftwagen (1. Juli 1962) zu
verlängern, da sich in der Praxis herausgestellt hat, daß die sechs Wochen ein besonderer Druck gekommen ist.
Herstellerfirmen von Lenkradschlössern den Bedarf in dieser
Zeitspanne auf keinen Fall decken können? Ich selber habe mein Fahrzeug im Januar dieses
Jahres ohne Schwierigkeiten umstellen können.
Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
- (Heiterkeit bei der SPD.)
kehr: Die Vorschrift, Personenkraftwagen, Kombi-
nationskraftwagen und Krafträder mit hinreichend Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz-
wirkenden Sicherungseinrichtungen gegen unbe- frage, Herr Abgeordneter Börner!
fugte Benutzung auszurüsten, wurde bereits am
7. Juli 1960 mit Zustimmung aller Länder erlassen. Börner (SPD) : Darf ich fragen, ob Sie be r eit
Für erstmals in Verkehr kommende Fahrzeuge gilt sind, noch einmal in Zusammenarbeit mit den Ver-
sie seit dem 1. Juli 1961 und soll für die anderen bänden der Kraftfahrzeughersteller eine publizisti-
Fahrzeuge am 1. Juli 1962 in Kraft treten. sche Anregung für den Einbau dieser Schlösser zu
geben, damit auch der letzte Kraftfahrer bis zum
Die Öffentlichkeit wurde durch zahlreiche Presse- 31. Dezember dieses Jahres seine Chance wahr-
mitteilungen, Rundfunk und Fernsehen wiederholt genommen hat, die Sie freundlicherweise ja schon
eingehend und rechtzeitig auf die Bestimmung und im Januar wahrgenommen haben?
den Termin über das Inkrafttreten hingewiesen. Die
einschlägige Industrie hat Sicherungseinrichtungen Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
gegen die unbefugte Benutzung v on Kraftfahrzeugen
-
besitzer, die ihre Fahrzeuge noch nicht haben aus- kehr: Die Länder brauchen gar keine Bescheinigun-
rüsten lassen können, werden natürlich nun be- gen auszustellen. Infolge der generellen Ausnahme-
strebt sein, das zu tun. Eine Statistik darüber wird genehmigung genügt es ja, wenn jeder, der das
sich kaum ermöglichen lassen. Schloß noch nicht hat, sich von der Stelle, wo er das
Schloß bestellt hat, bescheinigen läßt, daß er es be-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu- stellt hat. Ich meine, das ist weiß Gott nicht schwie-
satzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher. rig. Wir haben es jetzt ja bei den Anhängern der
Lastkraftwagen genauso gemacht.
Dröscher (SPD) : Sind Sie bereit, Herr Minister, Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
doch noch einmal zu prüfen, ob es, wenn die Frist Frage VII/2 — des Abgeordneten Dr. Jungmann —:
schon bis zum 31. Dezember verlängert wird,
zweckmäßig ist, etwa 4 oder 5 Millionen Bescheini- Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung angesichts der
ständig steigenden Zahl schwerer Unfälle für notwendig, um
gungen ausstellen zu lassen und damit von den die ärztliche Versorgung der Schwerverletzten am Unfallort
sicherzustellen?
Kraftfahrzeugwerkstätten und von den verschiede- -
nen Stellen, die in Frage kommen, eine doch ver-
hältnismäßig unnütze Arbeit ausführen zu lassen? Dr. Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
-
vom Deutschen Roten Kreuz und der Bundesver- Warum hat der Herr Bundesverkehrsminister mit der Begrün-
kehrswacht durchgeführt, bei der den Verkehrsteil- dung, die Bundesstraße 293 falle unter den Baustopp, den ge-
planten Ausbau der Ortsdurchfahrten Wössingen (Baden) und
nehmern Gelegenheit gegeben wird, das Wesent- Gölshausen zurückgestellt, obwohl diese Ortsdurchfahrten durch
die im Zusammenhang mit dem Ausbau stehenden Kanalisations-
liche über sachgerechtes Verhalten an der Unfall- arbeiten der Gemeinden jetzt nahezu unbenutzbar sind?
stelle kennenzulernen. Die Aufklärung soll in stän-
diger Arbeit fortgesetzt werden mit dem Ziel, nach Herr Bundesminister, darf ich bitten.
und nach möglichst viele Verkehrsteilnehmer in der
„Erste-Hilfe-Leistung durch Laien" auszubilden und Dr. - Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
zu schulen. kehr: Im Zuge der Ortsdurchfahrten Wössingen und
4. Blutplasmadepots. — Die Frage, ob und inwie- Gölshausen in der Bundesstraße 293 haben die zu-
weit die Bundesregierung beabsichtigt, Depots für ständigen Gemeindeverwaltungen im vergangenen
Blutplasma zur Sicherstellung einer schnellen Ver- Jahr den Einbau von Ortskanalisationen bzw. Was-
sorgung von Unfallverletzten in der Bundesrepublik serleitungen vorgenommen. Mit der Straßenbauver-
einzurichten, hat Frau Bundesministerin Dr. Schwarz- waltung wurde vereinbart, daß die genannten - Orts-
haupt in der Fragestunde am 31. Januar 1962 be- durchfahrten nach erfolgter Setzung der dazu not-
antwortet. Ich darf darauf Bezug nehmen. wendigen Aufgrabungen im Jahre 1962 ausgebaut I
werden. Die Vorbereitungen für diesen Ausbau sind
inzwischen von der Straßenbauverwaltung ohne
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Verzögerungen abgeschlossen worden. Die Aus-
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen! schreibung für die Ausbauarbeiten an der Orts-
durchfahrt Wössingen ist vor wenigen Tagen ver-
Schmitt - Vockenhausen (SPD) : Herr Minister, öffentlicht worden. Ebenso wird die Ausschreibung
haben Sie im Rahmen der dankenswerten Maßnah- für den Ausbau der Ortsdurchfahrt Gölshausen in
men, die hier in Erwägung gezogen worden sind, etwa 10 bis 14 Tagen vorgenommen werden können.
auch den Einsatz von Hubschraubern zur Behebung Es trifft im übrigen nicht zu, daß ich unter dem Vor-
von Unfällen vorgesehen? Ich glaube, es wäre gut, wand, die Bundesstraße 293 falle unter den Bau-
wenn auch diese Frage. geprüft würde. stopp, den geplanten Ausbau der Ortsdurchfahrten
Wössingen und Gölshausen zurückgestellt habe.
Derartige Äußerungen, die sich auf einzelne Ob-
Dr. - Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver- jekte beziehen, sind von mir — mit Ausnahme
kehr: Diese Frage ist sehr eingehend geprüft wor- zweier Objekte in Niedersachsen — nicht gemacht
den, Herr Kollege. Sie ist, und zwar auch von den worden.
Ärzten und den Polizeibehörden, in negativem
Sinne beantwortet worden: es erscheint wesentlich Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
schwieriger, mit einem Hubschrauber an die Ver- Frage VII14 — des Abgeordneten Dr. Rutschke —:
letzten heranzukommen — das wäre noch erträg
lieh —, vor allem aber in diesem Hubschrauber auch Teilt die Bundsregierung unter Berücksichtigung verkehrs-
politischer und gesundheitspolitischer Belange die Meinung, daß
die entsprechende Ausrüstung unterzubringen, die insbesondere in Wössingen (Baden) die Staub- und Schlamm-
belästigungen für die gesamte Bevölkerung gesundheitsschädlich
in den Arzteinsatzwagen untergebracht werden sind und nicht zu lange andauern dürfen?
kann. Diese Arzteinsatzwagen können immer nur
von einem Krankenhaus abgehen, in dem ein sol- Dr. - Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
ches Chirurgenteam, wie es Herr Professor Bauer in kehr: Auch die Bundesregierung teilt die Auffas-
Heidelberg erprobt hat, ständig zur Verfügung steht. sung, daß die von der Bevölkerung zwischen der
Es gibt nur bestimmte Krankenhäuser bestimmter Durchführung der Kanalisationsarbeiten und den
Größenordnung, die das überhaupt können. Der Ab- eigentlichen Straßenbauarbeiten in Kauf zu nehmen-
transport von Schockverletzten mit Hubschraubern den Belästigungen nicht zu lange andauern sollten.
ist eine Maßnahme, die durchaus ein zweischneidi- Die Straßenbauverwaltung hat deshalb die Aus-
ges Schwert sein kann. Wir haben in den letzten schreibung der Arbeiten so vorbereitet, daß der Aus-
Jahren mehrfach Schockverletzte, Gestürzte vom bau der beiden Ortsdurchfahrten unmittelbar nach
1378 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
dem Abklingen der bei Straßenaufgrabungen nicht Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
zu vermeidenden Setzungen in Angriff genommen Herr Abgeordneter Reichmann.
werden können. Zudem hat die Straßenbauverwal-
tung im Falle der Ortsdurchfahrt Wössingen zwi- Reichmann (FDP) : Herr Minister, glauben Sie
schenzeitlich eine Ausbesserung der Fahrbahndecke nicht,daßergsmwftlichNaem
vorgenommen, um die Verkehrsbelästigungen auf Verhältnis zu den Einsparungen doch größer ist?
ein Minimum zu beschränken.
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Dann rufe ich auf kehr: Herr Kollege, die Einsparungen ergeben sich
die Frage VII/5 — des Herrn Abgeordneten Dr. nicht nur auf den einzelnen Bahnhöfen oder Halte-
Rutschke —: stellen, sondern vor allen Dingen bei dem kost-
Teilt der Herr Bundesverkehrsminister die Auffassung, daß in
spieligen System der Nahgüterzüge, das erheblich
jedem Falle Ortsdurchfahrten im Interesse der Bevölkerung vereinfacht werden kann. Diese Angelegenheit habe
vorrangig auszubauen sind?
ich nicht zu beurteilen, ihre Beurteilung liegt aus-
Bitte sehr, Herr Bundesminister. schließlich bei der Bundesbahn. Die Hauptverwal-
tung hat die Bundesbahn bekanntlich wie einen
Wirtschaftsbetrieb nach kaufmännischen Grundsät-
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver- zen zu führen. Sie braucht dabei also nicht auf all-
kehr: Der Ausbau der Ortsdurchfahrten und von gemeinwirtschaftliche Grundsätze Rücksicht zu neh-
Umgehungsstraßen, falls deren Anlage zweckmäßi- men. Das ist ihr überlassen.
ger ist, wird von meinem Hause schon immer als
vorrangig behandelt. Allerdings hat es sich in der Reichmann (FDP) : Danke schön.
Praxis gezeigt, daß gerade bei der Vorbereitung
derartiger Arbeiten verständlicherweise zahlreiche Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
Schwierigkeiten ausgeräumt werden müssen. Dazu Herr Abgeordneter Dürr.
gehören insbesondere der notwendige Grunderwerb,
die Planfeststellung und die zeitliche Abstimmung
der von den Gemeinden und der Straßenbauverwal- Dürr (FDP) : Herr Minister, nachdem Sie vorhin
tung im gemeinsamen Einvernehmen durchzufüh- das Wort „Rationalisierung" gebraucht haben,
renden Arbeiten, insbesondere wenn vorher noch möchte ich fragen: Was verstehen Sie denn in die-
Kanalisationsarbeiten oder andere Verlegungsarbei- sem Sinne unter Rationalisierung? Wäre es nicht
ten in der Straße durchgeführt werden sollen. Eben- besser und entspräche es nicht mehr der Wahrheit,
so ist die haushaltsmäßige Abstimmung zwischen wenn man in solchen Fällen statt des Wortes
den verschiedenen Baulastträgern in der Regel nicht „Rationalisierung" das Wort „Leistungseinschrän-
einfach. Dies führt gelegentlich dazu, daß Verzö- kung" gebrauchte?
gerungen, die trotz guten Willens auf allen Seiten
nicht ganz zu vermeiden sind, doch in Kauf genom- Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
men werden müssen. kehr: Ich halte das nicht für richtig; denn es ist
keine Leistungseinschränkung. Für die anderen
Bahnhöfe kommt es vielmehr sogar zu einer Lei-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur stungsverbesserung, weil verschiedene Aufenthalte
Frage VII/6 — des Herrn Abgeordneten Reich- der Nahgüterzüge wegfallen und deshalb die an-
mann — : deren Bahnhöfe schneller und reibungsloser bedient
Ist es zutreffend, daß die Bundesbahndirektion in Karlsruhe werden können. Von Rationalisierung spricht man
bei 21 Bahnhöfen in Südbaden die Einstellung der Stückgut-
abfertigung beabsichtigt? hier vor allen Dingen deshalb, weil der Stückgut-
verkehr bei der Bundesbahn bekanntlich defizitär
Bitte sehr, Herr Bundesverkehrsminister. ist, auf diese Weise also in erheblichem Umfang
Kosten eingespart werden.
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
kehr: Im Rahmen des Rationalisierungsprogramms Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur
der Deutschen Bundesbahn, das sich auf das gesamte Frage VII/7 — des Herrn Abgeordneten Ertl —:
Bundesgebiet erstreckt, ist mit dem Fahrplanwechsel Warum sind die Bahnübergänge am Tegernsee, obwohl immer
am 27. Mai 1962 auf 16 Bahnhöfen und Haltestellen wieder Unfälle sich ereignen, bis heute nicht durch intakte
Ampeln gesichert?
in Südbaden der Stückgutdienst eingestellt worden.
Ursprünglich sollten in diese Aktion der Deutschen Bitte, Herr Bundesverkehrsminister.
Bundesbahn 20 Bahnhöfe und Haltestellen einbezo-
gen werden. Jedoch hat sich die Deutsche Bundes- Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
bahn auf Anregung der Landesregierung entschlos- kehr: Bei der Frage handelt es sich um Bahnüber-
sen, bei vier Dienststellen das Verkehrsaufkommen gänge der Tegernsee-Bahn AG. Diese Bahnlinie ge-
noch eine Zeitlang zu beobachten, ehe eine endgül- hört zu den nicht-bundeseigenen Eisenbahnen. Die
tige Entscheidung getroffen wird. Weitere Einschrän- Aufsicht obliegt nach dem Allgemeinen Eisenbahn-
kungen des Stückgutdienstes im südbadischen Raum gesetz dem Land, auf dessen Gebiet die Bahn liegt.
sind, wie mir die für solche Maßnahmen allein zu- In diesem Fall ist demnach das Staatsministerium
ständige Hauptverwaltung der Bundesbahn auf An- für Wirtschaft und Verkehr des Landes Bayern zu-
frage bestätigte, gegenwärtig nicht beabsichtigt. ständig.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1379
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
Ich habe mich mit dem Land Bayern in Verbin- leicht feststellen können, daß sich eben die Bundes-
dung gesetzt. Ich kann Ihnen daher mitteilen, daß post als eine Monopolverwaltung in einer wesent-
die Angelegenheit von den zuständigen Stellen lich besseren finanziellen Situation befindet als die
dort sehr aufmerksam verfolgt wird. Bereits in die- Bundesbahn als ein dem Wettbewerb ausgesetztes
sem Jahr sollen zwei weitere Bahnübergänge der Unternehmen.
Tegernsee-Bahn AG mit Blinklichtanlagen ausge-
rüstet werden. Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu-
Der Kostenanteil der Bahn wird bei diesen Blink- satzfrage des Herrn Abgeordneten Marquardt.
lichtanlagen aus Mitteln des Verkehrsfinanzgeset-
zes gedeckt werden. Marquardt (SPD) : Herr Minister, sind Sie nicht
auch der Meinung, daß es der Fürsorgepflicht wider-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur spricht, wenn Personen, die 40 Jahre im Dienst der
Frage VII/8 — des Herrn Abgeordneten Mar- Bundesbahn gestanden haben, die sich in hohem
quardt —: Lebensalter befinden und die zum Teil auch Ver-
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß in Lehrte triebene sind, jetzt mit Wohnungszwangsräumungs-
(Hann.) ca. 100 Ruhestandsbeamten der Deutschen Bundesbahn maßnahmen bedroht werden?
bzw. ihren Hinterbliebenen die bisher benutzte Vertragswoh-
nung gekündigt worden ist?
auf die Betreuung des aktiven Personals, das nicht kehr: Im Internationalen Abkommen über den
zugunsten von Ruhestandsbeamten, Rentnern und Kraftfahrzeugverkehr von 1926 und im Genfer Ab-
Hinterbliebenen, insbesondere auch nicht zugunsten kommen über den Straßenverkehr von 1949 ist ge-
von Betriebsfremden benachteiligt werden soll. Da regelt, welche Anforderungen an die technische
die 'Deutsche Bundesbahn in Lehrte in nächster Zu- Ausrüstung von ausländischen Kraftfahrzeugen im
kunft aus betrieblichen Gründen mit einer Abnahme internationalen Verkehr gestellt werden dürfen. Die
des Wohnungsbedarfs rechnet, ist der Neubau von Ausrüstung mit einem Fahrtschreiber wird in kei-
Wohnungen hier wirtschaftlich nicht zu vertreten, nem dieser beiden Abkommen verlangt. Die Bundes-
zumal der Wohnungsbedarf an anderen Schwer- republik kann daher an ihren Grenzen ausländische
punkten des Einsatzes bei der Deutschen Bundes- Lastzüge nicht deshalb zurückweisen, weil der Fahrt-
bahn nicht gedeckt und ihre finanziellen Möglich- schreiber fehlt.
keiten, 'wie bekannt, stark eingeschränkt worden Der Binnenverkehrsausschuß der Wirtschaftskom-
sind. mission für Europa hat jedoch im Januar 1962 den
europäischen Staaten die Einführung von Fahrt-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage? schreibern für alle Lastkraftwagen empfohlen, deren
— Herr Abgeordneter Marquardt. zulässiges Gesamtgewicht 3,5 t überschreitet. Diese
Forderung wird vor allem von den Gewerkschaften
unterstützt, weil der Fahrtschreiber bei der Arbeits-
Marquardt (SPD) : Herr Bundesminister, muß ich zeitkontrolle wertvolle Dienste leistet. Mit einer
aus Ihrer Antwort entnehmen, daß für die Bundes- zunehmenden Verbreitung der Fahrtschreiber ist
bahn nicht das gelten soll, was für die Bundespost deshalb auch bei den ausländischen Lastzügen zu
gilt, die nämlich dem von mir angesprochenen Per- rechnen.
sonenkreis aus sozialen Gründen Vertragswohnun-
gen beläßt oder Ersatzwohnungen. zur Verfügung
stellt? Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage
des Herrn Abgeordneten Peiter.
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
kehr: Jawohl, Herr Kollege, das ist so, wie Sie Peiter (SPD) : Herr Minister, sind Sie nicht auch
sagen. Es besteht ein Unterschied zwischen Bahn der Ansicht, daß die Schuldfrage bei Unfällen sehr
und Post. Wenn Sie sich die Endergebnisse der schwer zu klären ist, wenn kein Fahrtschreiber vor-
Betriebsverwaltungen ansehen, werden Sie auch handen ist?
1380 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver- Bauarbeiten an der Mosel in den Sommermonaten
kehr: Herr Kollege, dieser Ansicht bin ich durchaus. völlige Straßensperrungen soweit wie möglich un-
Deswegen habe ich ja selbst gegen heftigen Wider- terbleiben?
stand die Fahrtschreiber damals eingeführt.
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu- kehr: Ich bin gern bereit, die Straßenbauverwaltung
satzfrage des Herrn Abgeordneten Peiter. des Landes Rheinland-Pfalz darum zu bitten. Die
Durchführung der Arbeiten liegt in der Hand dieser
Peiter (SPD) : Sehen Sie, Herr Minister, keine Straßenbauverwaltung. Sie trifft die Einzelmaßnah-
Möglichkeit, sofort oder möglichst bald eine Rege- men, die sie für notwendig hält. Ich kann ihr hier
lung zu treffen, nach der ausländische Fahrzeuge nichts vorschreiben.
auf deutschen Straßen einen Fahrtschreiber haben
müssen? Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur
Frage VII/11 — des Herrn Abgeordneten Riegel
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver- (Göppingen) — :
Josten (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, sind Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
Sie angesichts der von Ihnen soeben genannten kehr: Ich begrüße es, daß diese Frage vor dem
Termine bereit, darauf hinzuwirken, daß bei den Hohen Hause gestellt wird; denn ich hoffe, daß ihre
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1381
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
Behandlung in den Kreisen der deutschen Industrie zutreten, daß er dafür sorgt, idaß immer dort, wo
die erwünschte Wirkung auslösen wird. Bundesmittel — etwa von Sportverbänden — für
Auslandsflüge ausgegeben werden, diese zu Flügen
Die Bundesregierung ist naturgemäß nicht in der
mit der Deutschen Lufthansa benutzt werden?
Lage, die Vertreter der deutschen Wirtschaft zu
veranlassen, daß sie bei Luftreisen die Dienste der
Deutschen Lufthansa in Anspruch nehmen, soweit Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
diese entsprechende Beförderungsmöglichkeiten an- kehr: Ich bin sehr gern bereit, darauf hinzuwirken.
bietet. Dazu fehlen ihr — abgesehen von schon wie- Ich habe mich auch bemüht, das jetzt bei der Durch-
derholt und immer wieder öffentlich gegebenen führung der Fußball-Weltmeisterschaft zu erreichen.
Hinweisen — die Voraussetzungen. Eine Einwir- Leider nimmt die deutsche Mannschaft auf dem
kung — und zwar durch die zuständigen Bundes- 'Rückflug einen Weg, der teilweise nicht mit Luft-
ministerien — kommt allenfalls dort in Betracht, hansa-Flugzeugengeflogen werden kann, weil es
wo es sich um Reisen im Zusammenhang mit Pro- sich um Strecken zwischen Nord- und Südamerika
jekten handelt, die im Ausland von deutschen Fir- handelt, die wir nicht befliegen dürfen.
men erstellt werden und deren Bezahlung aus Bun-
desmitteln erfolgt. Im übrigen wiederhole ich den Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage,
an die deutsche Wirtschaft gerichteten Appell, bei Frau Abgeordnete.
gleichwertigen Luftverkehrsverbindungen die Flug-
zeuge der Deutschen Lufthansa zu bevorzugen, so Frau Dr. Kiep - Altenloh (FDP): Ist für die Be-
wie es in zahlreichen anderen Staaten selbstver- diensteten des Bundes eine derartige Vorschrift er-
ständlich ist, das nationale Unternehmen in dem lassen, wonach sie nur oder vornehmlich die deut-
harten internationalen Wettbewerb zu unterstüt- schen Flugzeuge zu benutzen haben?
zen. Dieser Appell erscheint um so mehr berechtigt,
als die Deutsche Lufthansa ständig bemüht ist, den Dr. - Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver-
Wünschen der Wirtschaft in Linienführung und kehr: Jawohl, gnädige Frau!
Flugplangestaltung zu entsprechen, und ihre Lei-
stungen bei einem Vergleich auf internationaler Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen,
Ebene volle Anerkennung verdienen. Herr Bundesminister.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäfts-
Herr Abgeordneter Ritzel. bereich des Bundesministers des Innern. Als erste
die Frage VIII/1 — des Abgeordneten Dr. Hamm
Ritzel (SPD) : Halten Sie es für möglich, Herr (Kaiserslautern) —:
Bundesverkehrsminister, die deutsche Wirtschaft Trifft es zu, daß junge Beamte, die durch Losentscheid zur
Ableistung des Grundwehrdienstes herangezogen werden, gegen-
und insbesondere die Herren von der deutschen über solchen, die das Los nicht trifft, dadurch benachteiligt wer-
Industrie, vom Bundesverband der Deutschen In- den, daß ihnen bei der Festlegung des Beförderungsdienstalters
die Zeit des Grundwehrdienstes nicht angerechnet wird?
dustrie, darauf hinzuweisen, daß die 45 Millionen
DM, die wir beispielsweise in diesem Jahr der
Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol-
Lufthansa als verlorenen Zuschuß zu Lasten der
lege, die Befürchtungen sind nicht begründet, und
Steuerzahler gewähren müssen, sehr wesentlich re-
zwar deswegen nicht, weil es Bestimmungen gibt,
duziert werden könnten, wenn sowohl auf dem Ge-
daß die abgeleisteten Wehrdienstzeiten dem Dienst-
biete ides Personenverkehrs als insbesondere auch alter zugerechnet werden müssen.
auf dem des Luftfrachtverkehrs die deutsche Wirt-
schaft und speziell die deutsche Industrie aus na-
tionalen Gründen sich ihrer Pflicht mehr bewußt Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur
wären? Frage VIII/2 — des Herrn Abgeordneten
Dr. Kohut —:
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Ver- Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die von der
kehr: Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, die Sie in Bundesrepublik Deutschland mitfinanzierte, unverhältnismäßig
hohe steuerfreie Besoldung der Bediensteten der Europäischen
die Frageform gekleidet haben, Herr Kollege; ich Behörden angesichts der Haushaltslage des Bundes und der sich
daraus für die deutsche Beamtenschaft ergebenden Konsequen-
vertrete diese Meinung aber auch für die deutsche zen zu ändern?
Seeschiffahrt. Es ist im großen und ganzen so, daß
wir bei unserer deutschen Industrie nicht die nötige
Disziplin erleben, die deutschen Auslandsverkehrs-
Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol-
lege Kohut, die Dinge sind so, daß es sich keines-
träger, die in starkem Maße aus deutschen Steuer-
wegs um steuerfreie Bezüge handelt. Im Brüsseler
mitteln unterstützt werden müssen, so zu bedienen,
Bereich gibt es Gemeinschaftssteuervorschriften, die
daß die defizitären Folgen entsprechend vermindert
eine Steuer zwischen 8 und 19 Vo vorsehen. Für die
werden und der Steuerzahler entlastet wird.
Montanunion gibt es zwar keine Besteuerung, aber
es gibt Abzüge in entsprechender Höhe.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu-
satzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel. Man kann auch nicht die Inlandsbezüge verglei-
chen, sondern man sollte, um einen Vergleich zu
Ritzel (SPD) : Sind Sie bereit, Herr Bundesver- erzielen, die Bezüge der deutschen Auslandsbeamten
kehrsminister, mit Ihrem Herrn Kollegen vom Bun- mit den Bezügen der Beamten bei diesen Institu-
desinnenministerium darüber in Erörterungen ein- tionen vergleichen. Bei einem solchen Vergleich
1382 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Bundesinnenminister Höcherl
stellt sich heraus, daß die Differenzen sehr gering- haltsausschuß ist meines Wissens beim Bundesmini-
fügig sind. ster vorbereitet.
(Heiterkeit. — Abg. Dr. Schäfer: Aber nicht
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage? vorgelegt worden!)
Dr. Kohut (FDP) : Trifft es zu, daß Vizepräsident Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur
Mansholt 110 000 Gulden bezieht? Frage VIII/3 — des Abgeordneten Sänger —:
Ist die Bundesregierung bereit, die vor einiger Zeit vom
Höcherl, Bundesminister des Innern: Ich kann Bundesinnenminister in Aussicht genommene Dokumentation
über den Verbleib der früher in Deutschland lebenden jüdischen
das nicht ohne weiteres sagen, bin aber gern bereit, Familien und Einzelpersonen in nächster Zeit zusammenzustellen
und dem Bundestag zuzuleiten?
die Frage nachzuprüfen.
Herr Bundesminister, bitte!
(Abg. Dr. Kohut: Ich wäre sehr dankbar!
— Weitere Zurufe.)
Höcherl, Bundesminister des Innern: Die Bun-
desregierung hat die Anregung, in Gedenkbüchern
Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- die Namen der durch die nationalsozialistischen
frage Herr Abgeordneter Schäfer. Verfolgungsmaßnahmen umgekommenen jüdischen
Mitbürger zu ehren, mit allen beteiligten Stellen er-
Dr. Schäfer (SPD) : Herr Bundesminister, ist örtert. Es ist vereinbart worden, daß zunächst alle
Ihnen bekannt, daß vor ungefähr zwei Jahren der vorhandenen Unterlagen über das Schicksal unserer
Haushaltsausschuß sich mit diesen Fragen beschäf- früheren jüdischen Mitbürger beim Internationalen
tigt hat und daß Herr Staatssekretär Hettlage und Suchdienst in Arolsen gesammelt werden. Wenn
Herr Finanzminister Etzel dem Haushaltsausschuß dieses Material vorliegt, kann übersehen werden,
eine Zusage gegeben haben, daß der deutsche Ver- in welcher Form die Erstellung von Namenslisten
treter keiner Besoldungsregelung zustimmt, ohne möglich sein wird. Ein Zeitpunkt hierfür kann bei
vorher den Bundestag konsultiert zu haben, und daß der Fülle und Vielseitigkeit des Materials leider
trotz dieser Zusage vor wenigen Wochen der noch nicht angegeben werden.
deutsche Vertreter einer Neuregelung zugestimmt
hat? Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich rufe auf die
Frage VIII/4 — des Abgeordneten Dr. Mommer —
- :
Höcherl, Bundesminister des Innern: Mir ist be- Wie erklärt es sich, daß bei gleichem Essengeldzuschuß an
die Bediensteten des Bundes die Preise für Kantinenessen bei
kannt, daß in sehr schwierigen Verhandlungen, in gleicher Qualität des Essens unterschiedlich sind oder bei
denen Frankreich und Deutschland einen restrik- gleichem Preis das Essen in der Qualität unterschiedlich ist?
tiven Standpunkt eingenommen haben, ein Kompro- Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant-
miß erzielt worden ist, der offenbar auch zeitlich wortung einverstanden erklärt. Die Antwort des
notwendig war. Dem Hohen Hause sind inzwischen Herrn Bundesministers Höcherl vom 12. Juni 1962
zwei Vorlagen über die Brüsseler Regelung zuge- lautet:
leitet worden. Ich kann mich nicht darüber äußern, Daß in den Behördenkantinen — nicht anders als in ge-
ob die beiden von Ihnen genannten Herren vorher werblichen Gaststätten — für Essen gleicher Qualität unter-
schiedliche Preise verlangt und bei gleichem Preis unterschied-
eine Konsultierung des Bundestages zugesagt liche Qualitäten geboten werden, beruht auf verschiedenen
Ursachen. Preisunterschiede ergeben sich vor allem aus der un-
haben. Wenn Sie das behaupten, nehme ich an, daß terschiedlichen Höhe der Gestehungskosten. Ferner gibt es unter
es richtig ist. den Kantinenpächtern Pächter, die für diese Tätigkeit besonders
geeignet sind, und solche, die nur eine durchschnittliche Eignung
aufweisen. Nicht jeder ist ein guter Einkäufer und nicht jeder
findet bei der heutigen Arbeitsmarktlage einen guten Koch, der
Dr. Schäfer (SPD) : Herr Präsident, meine Frage es versteht, mit den bescheidenen Mitteln, die für die preis-
gebundenen Kantinenmahlzeiten zur Verfügung stehen, allen An-
richtete sich an die Bundesregierung, so daß auch forderungen gerecht zu werden.
der anwesende Herr Staatssekretär Hettlage diese Ich glaube nicht, daß bestehende Preis- und Qualitätsunter-
schiede über das Unvermeidliche hinausgehen. Die Behörden-
Frage beantworten könnte. kantinen unterliegen der ständigen Kontrolle durch Kantinen-
ausschüsse und Personalräte. Soweit wirkliche Mißstände vor-
liegen, werden Kantinenausschüsse und Personalräte sicherlich
Höcherl, Bundesminister des Innern: Ich habe dafür sorgen, daß die Mißstände bald beseitigt werden.
nichts dagegen, daß Herr Hettlage das beantwortet. Ich komme zur Frage VIII/5 — des Herrn Abge-
(Große Heiterkeit.) ordneten Kohut —:
Sieht sich die Bundesregierung auf Grund des föderativen
Aufbaus der Bundesrepublik nach wie vor außerstande, im Ein-
Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini- vernehmen mit den Landesregierungen die deutschen Univer-
sitäten so auszubauen, daß kein immatrikulationsberechtigter
steriums der Finanzen: Herr Abgeordneter, ich bin Student vom Studium zurückgewiesen wird, was angesichts der
Milliardenzahlungen an Entwicklungsländer und in Anbetracht
über die Vorfrage nicht unterrichtet, weil ich nicht der Tatsache, daß viele Studenten Ausbildungsjahre durch die
anwesend war. Ich kann bestätigen, daß eine Füh- Militärzeit verlieren, in weiten Kreisen der Öffentlichkeit nicht
verstanden wird?
lungnahme mit dem Haushaltsausschuß in Aussicht
genommen oder zugesichert war für den Fall einer Herr Bundesminister, bitte!
etwaigen Änderung der Besoldung bei den euro-
päischen Gemeinschaften. Höcherl, Bundesminister des Innern: Die Bun-
(Abg. Dr. Schäfer: Und unterblieben ist!) desregierung hat mit den Ländern auf Grund eines
vom Wissenschaftsrat empfohlenen Planes eine Ab-
— Herr Abgeordneter, eine Vorlage für den Haus sprache über den Ausbau der wissenschaftlichen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1383
Bundesinnenminister Höcherl
Hochschulen getroffen, die sich auf fünf Jahre er- Zuständigkeiten achten, genauso wie wir alle, inner-
streckt. Sie läuft seit dem Jahre 1960 und lautet so, halb und außerhalb dieses Hauses zur Achtung die-
daß jeder der Partner rund 1 Milliarde für den Aus- ser Vorschriften verpflichtet sind.
bau beiträgt. Das Bundesministerium des Innern hat
in diesem Jahr zur Erfüllung der Absprache einen Dr. Kohut (FDP) : Das war sehr wenig!
Beitrag von 250 Millionen DM vorgesehen. Das
Hohe Haus sah sich angesichts der schwierigen Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
Haushaltslage nicht imstande, den vollen Betrag zu Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage!
garantieren, sondern hat nur 200 Millionen DM zu-
gebilligt, mit 50 Millionen DM Bindungsermäch- Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Herr Minister,
tigung. in welchem Umfang sind noch Baumittel aus diesem
Ich glaube aber sagen zu können, daß es trotz die- Haushalt nicht entsperrt? Haben Sie Anträge auf
ser Einschränkungen gelingen wird, im Einverneh- Freigabe mit .dein Bundesfinanzministerium verein-
men mit den Ländern dafür zu sorgen, daß die Vor- bart?
haben im Rahmen der bestehenden Baukapazität
nicht verzögert, sondern nach den Empfehlungen des
Höcherl, Bundesminister des Innern: Mir ist
kein Fall bekannt, in dem Mittel gesperrt worden
Wissenschaftsrats — der wir uns ja immer bedie-
wären. Ich habe zur Zeit einen Beamten unterwegs,
nen — fortgeführt werden.
der bei den einzelnen Ländern feststellt, ob auf
Grund der Kürzungen um 50 Millionen DM irgend-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage welche Maßnahmen gefährdet sind oder verzögert
des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut! werden. Ich habe bisher keine Meldung bekommen,
daß das der Fall ist, und zwar deswegen, weil
Dr. Kohut (FDP) : Warum ist es denn nicht dazu einige Länder den vollen Betrag für die Maßnah-
gekommen, die neu vorgesehenen Universitäten zu men in diesem Jahr eingesetzt haben.
errichten? Warum ziehen sich die vorbereitenden
Verhandlungen jahrelang hin? Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu-
satzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vocken-
Höcherl, Bundesminister des Innenre: Der Bund hausen!
ist an diesen Verhandlungen sehr unbeteiligt und
gar nicht zuständig. Die Bundesregierung hat er- Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Wie ist es mit
klärt, daß sie sich an den Baukosten beteiligen den allgemeinen Sperrungen nach dem Haushalts-
wird. Diese Beteiligung setzt aber voraus, daß die in gesetz, Herr Minister?
erster Linie und ausschließlich zuständigen Länder
entsprechende Beschlüsse fassen und selbst die Pla- Höcherl, Bundesminister des Innern: Bisher ist
nung betreiben. Wir können vom Bund aus nichts der Fall noch nicht akut geworden.
dazu beitragen. Wir sind aber bereit, die Einrich-
tung des Wissenschaftsrats, an der ,der Bund betei- Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Würden Sie sich
ligt ist, zur Beratung zur Verfügung zu stellen. Das aber noch einmal darum kümmern?
geschieht laufend. Keines der beteiligten Länder hat
bisher einen formellen gültigen Beschluß zur Errich- Höcherl, Bundesminister des Innern: Sehr gern.
tung einer Hochschule gefaßt.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zu- des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer!
satzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut!
Dr. Schäfer (SPD) : Herr Minister, ist Vorsorge
Dr. Kohut (FDP) : Ist Ihnen bekannt, Herr Bun- dafür getroffen worden, daß das Abkommen über
desminister, daß es den vielen Studenten, die zur den Wissenschaftsrat — auf dessen Empfehlungen
Immatrikulation — sei es in der Pharmazie, in der Sie sich ja wiederholt zu Recht bezogen haben —
Medizin oder auf technischen Gebieten — einfach rechtzeitig verlängert wird?
nicht zugelassen werden, völlig gleichgültig ist, ob
der Bund oder das Land zuständig ist? Sie sehen Höcherl, Bundesminister des Innern: Wir sind
nur, daß Milliarden ins Ausland fließen, daß hier in Verhandlungen mit den Ländern. Ich habe mich
viele ausländische Studenten ausgebildet werden, Anfang Mai an die Ministerpräsidentenkonferenz
daß für die ausländischen Studenten Arbeitsplätze gewandt, um alle diese Vereinbarungen — Max-
vorhanden sind, daß aber für diejenigen, die von Planck-Gesellschaft, Wissenschaftsrat, Honnefer Mo-
deutschen Steuerzahlern abstammen, kein Platz zum dell und Forschungsgemeinschaft — auf eine neue
Lernen und zur Arbeit vorhanden ist. Das ist ein Basis zu stellen. Diese Dinge stehen im Zusammen-
unmöglicher Zustand und muß, ob nun der Bund hang mit dem beabsichtigten Forschungsgesetz. Wir
oder das Land zuständig ist, geändert werden. sind der Meinung, daß wir unter allen Umständen
so rasch wie möglich feste Vereinbarungen erreichen
Höcherl, Bundesminister des Innern: Ich möchte müssen. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat eine
annehmen, daß auch die beteiligten Studenten so Kommission von drei Mitgliedern ernannt, die mit
viel Respekt vor der Verfassung haben, daß sie die mir Verhandlungen aufnehmen werden. Die Einla-
föderative Struktur und die dadurch begründeten dung wird von mir demnächst ergehen.
1384 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine weitere Zu- Riegel (Göppingen) (SPD) : Herr Minister, es
satzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer! steht doch fest, daß der Bund auf Grund des Urteils
einen Kostenersatz wird leisten müssen. Sind Sie
Dr. Schäfer (SPD) : Liegen Ihnen auf Grund der der Auffassung, daß unbeschadet einer Kosten-
Empfehlungen des Wissenschaftsrats Anträge von ersatzleistung den Schwerstbeschädigten die kosten-
Ländern auf Neugründungen von Universitäten vor? lose Fahrt auf den öffentlichen Verkehrsmitteln auch
in Zukunft gewährt werden muß?
Höcherl, Bundesminister des Innern: Es liegt ein
Antrag vor, zwar nicht auf Neugründung, sondern Höcherl, Bundesminister des Innern: Ja, ich bin
auf vorherige Zusage einer Kostenbeteiligung des Ihrer Meinung.
Bundes. Dieser Antrag ist dem Herrn Bundeskanz-
ler zugeleitet worden, der — soviel ich weiß — den Riegel (Göppingen) (SPD) : Danke.
Brief bereits in einem positiven Sinne beantwortet
hat. Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen,
Herr Bundesminister.
Dr. Schäfer (SPD): Auf welches Objekt bezieht
sich denn das? Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäfts-
bereich des Bundesministers der Finanzen. Zuerst
rufe ich die Frage IX/1 — des Abgeordneten Soete-
Höcherl, Bundesminister des Innern: Auf ein bier — auf:
nördliches Objekt. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die Sturm
(Heiterkeit.) flutgeschädigten, deren Wohnhäuser, Stallungen, Betriebsgebäude
usw. am 17. Februar 1962 durch die Gewalt der Wassermassen
zerstört oder beschädigt sind, endlich erfahren, wie und in
welchem Umfange ihnen geholfen werden soll?
Dr. Schäfer (SPD) : Auf ein nördliches!
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur
Frage VIII/6 — des Abgeordneten Jahn —: Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini-
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung gegen die Ange- steriums der Finanzen: Herr Abgeordneter, über die
hörigen der Sicherungsgruppe Bonn ergriffen, die nach Presse-
meldungen an Morden an Juden beteiligt gewesen sein sollen? Gewährung öffentlicher Beihilfen zur Beseitigung
von Schäden durch die Flutkatastrophe sind inzwi-
Die Frage wird übernommen vom Abgeordneten schen von der Bunderegierung einerseits und den
Schmitt-Vockenhausen. -
vier beteiligten Küstenländern andererseits Richt-
linien festgelegt worden. Die Kabinette der Länder
Höcherl, Bundesminister des Innern: Das Bun- Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben diesen
desinnenministerium hat diese 'Nachricht in der Richtlinien zugestimmt. Eine endgültige Stellung-
Presse ebenfalls gelesen und daraufhin sofort einen nahme der Senate von Hamburg und Bremen steht
Beamten an die Staatsanwaltschaft nach Berlin ent- noch aus.
sandt. Es hat eine Weisung gegeben, daß die beiden In diesen Richtlinien ist eine gestufte öffentliche
Beamten vorläufig des Dienstes enthoben werden Beihilfe zur Schadensbeseitigung vorgesehen, die
und daß das Bundeskriminalamt nach § 21 der Bun- bei den geringeren Schäden und insbesondere bei
desdisziplinarordnung die Vorerhebungen anstellt. Totalschäden volle Kostendeckung und bei größeren
Schäden eine gewisse Abstufung des öffentlichen
Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur Beihilfeanteils an den Wiederherstellungskosten
Frage VIII/7 — des Abgeordneten Riegel (Göppin- vorsieht. Die Richtlinien gehen davon aus, daß in
gen) —: erster Linie die Länder verpflichtet sind, die ent-
Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um den Schwerkriegs- sprechenden Kosten zu tragen, daß aber in einer
beschädigten mit einer Erwerbsminderung von mindestens 70 % Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ge-
die kostenlose Benützung von Straßenbahnen, Schnellbahnen und
Omnibussen — unbeschadet der Entscheidung des Bundesver- meinsam die Mittel aufgebracht werden sollen, um
waltungsgerichts vom 15. Mai 1962 — weiterhin zu ermöglichen?
die Schäden zu beseitigen.
Bitte, Herr Bundesminister.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte, eine Zusatz-
Höcherl, Bundesminister des Innern: Das Urteil, frage!
auf das Bezug genommen wird, verbietet nicht, daß
die Freifahrten auch in Zukunft in der bisherigen Soetebier (FDP) : Eine Zusatzfrage, Herr Staats-
Weise erfolgen, sondern es hat nur eine Entschei- sekretär: Wann wird nach der Meinung der Bundes-
dung darüber getroffen, wer die Kosten für diese regierung der Zeitpunkt da sein, wo die Totalge-
Freifahrten zu tragen hat. In dem Urteil steht — uns schädigten wissen, ob und wie sie entschädigt wer-
ist nur der Tenor bekannt —, daß der Bund die den und wann sie mit dem Wiederaufbau beginnen
Kosten zu tragen hat. Die Freifahrten bleiben nach können? Es ist bekannt, daß bis heute eine große
der Verordnung vom Jahre 1943 nach wie vor erhal- Unruhe entstanden ist; keiner weiß, woran er ist.
ten; die Verkehrsunternehmer sind verpflichtet,
diese Freifahrten zu gestatten. Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini-
steriums der Finanzen: Herr Abgeordneter, in den
Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage. beteiligten Küstenländern Niedersachsen und Schles-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1385
Staatssekretär Dr. Hettlage
w i g-Holstein müßten die Richtlinien in diesen Tagen den. Diese Ansicht wurde mir von den Betroffenen
veröffentlicht, jedenfalls den nachgeordneten Behör- sehr oft mitgeteilt.
den zugeleitet werden, damit sie Maßstäbe über die (Abg. Dr. Schäfer: Ist das eine Frage? Das
Gewährung öffentlicher Beihilfen zur Schadensbe- nächste Mal rede ich auch so lange!)
seitigung haben. In den Senaten Hamburg und Bre-
men steht eine Beschlußfassung noch aus. Ich kann Sind Sie nicht der Ansicht, Herr Staatssekretär, daß
mir aber nicht vorstellen, daß das noch längere Zeit diese Angelegenheit noch in einem Kriegsfolgen-
dauert. schlußgesetz gerecht geregelt werden muß?
Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini- Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini-
steriums der Finanzen: Herr Abgeordneter, ich steriums der Finanzen: Nein.
stimme mit Ihnen darin überein, daß Umsatzaus-
gleichsteuer und inländische Umsatzsteuer sich ge- Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen,
genseitig bedingen. Wenn mit der einen Hand bei Herr Staatssekretär. Die restlichen Fragen werden
der Einfuhr etwas gewährt wird, muß es aus Billig- in der morgigen Sitzung in der Fragestunde beant-
keitsgründen vermutlich mit der anderen Hand wortet werden.
auch im Inland gewährt werden.
Meine Damen und Herren, ich habe zum 60. Ge-
burtstag die Glückwünsche des Hauses an Herrn
Seuffert (SPD) : Kann also erwartet werden, daß Bundesminister Dr. Balke auszusprechen.
die Bundesregierung diese Maßnahme erwägen (Beifall.)
wird?
Für den verstorbenen Abgeordneten Reitzner ist
neu der Abgeordnete Porzner in den Bundestag ein-
Dr. Hettlage, Staatssekretär des Bundesmini- getreten. Ich begrüße ihn und wünsche ihm eine
steriums der Finanzen: Ich sagte, daß eine Unter-
gute Zusammenarbeit.
suchung läuft, und werde mir erlauben, Sie über
das Ergebnis zu unterrichten. (Beifall.)
Erste Beratung des von der Bundesregierung Ich komme zu Punkt 12 der Tagesordnung:
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Umsatzsteuerstatistik für das Kalender- Erste Beratung des von der Bundesregierung
jahr 1962 (Drucksache IV/420). eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Förderung der Wirtschaft von Berlin (West)
Ich schlage vor Überweisung an den Finanzausschuß und des Steuererleichterungsgesetzes für
sowie nach § 96 der Geschäftsordnung an den Haus- Berlin (West) (Drucksache IV/435).
haltsauschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so
beschlossen. Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Ich schlage vor Überweisung an den Finanzaus-
schuß — federführend — sowie an den Ausschuß
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und den
Erste Beratung des von der Bundesregierung Wirtschaftsausschuß — mitberatend — sowie ge-
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur mäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushalts-
Verlängerung der Geltungsdauer des Geset- ausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so
zes über die Sicherstellung von Leistungen beschlossen.
auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft
(Drucksache IV/421). Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Erste Beratung des von der Fraktion der SPD
Ich schlage vor Überweisung an den Wirtschaftsaus- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
schuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so be- Änderung des Haushaltsgesetzes 1962 (Druck-
schlossen. sache IV/436).
Herr Abgeordneter Dr. Bleiß, Sie wünschen das
Ich rufe auf Punkt 9 der Tageordnung: Wort zur Begründung? — Bitte sehr!
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dr. Bleiß (SPD) : Zu einer Bemerkung, Herr
Durchführung des Artikels 64 Abs. 2 des Präsident!
Saarvertrages (Drucksache IV/422).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ange-
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. sichts der Dringlichkeit der Materie wäre es nach
Ich schlage vor Überweisung an den Außenhandels- unserer Auffassung notwendig gewesen, die Be-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1389
Dr. Blei ß
gründung unseres Antrags, der die Aufhebung der dem Abkommen vom 5. Juli 1957 zwischen
20%igen Sperre der Straßenbaumittel bezweckt, der Bundesrepublik Deutschland und der
dem Hohen Hause mündlich vorzutragen. Wenn ich Türkischen Republik über den Luftverkehr
recht unterrichtet bin, hat der Ältestenrat sich da- (Drucksache IV/448).
hin geeinigt, daß lediglich eine schriftliche Be-
gründung unseres Antrages zu Protokoll gegeben Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
werden soll. Ich bedauere diese Regelung, aber ich Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Ver-
füge mich der getroffenen Vereinbarung. kehr, Post- und Fernmeldewesen vor. — Wider-
spruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Entscheidend für mich ist, daß über unseren An-
trag noch vor den Parlamentsferien in diesem
Hohen Hause entschieden wird. Denn die straßen- Punkt 17 der Tagesordnung:
baulichen Verhältnisse, die durch die 20%ige Sperre
entstanden sind, sind einfach unerträglich gewor- Erste Beratung des von der Bundesregierung
den. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Internationalen Fernmeldevertrag vom
Die schriftliche Begründung unseres Antrags darf 21. Dezember 1959 (Drucksache IV/449).
ich Ihnen, Herr Präsident, zu Protokoll geben *). Ich
hoffe, daß wir in der zweiten und dritten Lesung Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
ausreichend Gelegenheit haben, uns über die Pro- Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Ver-
blematik auseinanderzusetzen. kehr, Post- und Fernmeldewesen vor. — Wider-
(Beifall bei der SPD.) spruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Begründung Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung:
wird zu Protokoll genommen.
Erste Beratung des von der Bundesregierung
Meine Damen und Herren, ich schlage vor Über- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
weisung an den Haushaltsausschuß. — Widerspruch Personalvertretungen im Bundesgrenzschutz
erfolgt nicht; es ist so beschlossen. (GSPersVG) (Drucksache IV/451).
Ich komme zu Punkt 14 der Tagesordnung: Eine Begründung ist nicht vorgesehen. Wird Debatte
gewünscht?
Erste Beratung des von der Bundesregierung (Zurufe: Nein!) -
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Vertrag vom 2. Juni 1961 zwischen der — Das ist nicht der Fall. Dann schlage ich Überwei-
Bundesrepublik Deutschland und der Italieni- sung an den Ausschuß für Inneres — federführend
schen Republik über Leistungen zugunsten — und an den Ausschuß für Arbeit — mitberatend —
italienischer Staatsangehöriger, die von na- vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlos-
tionalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen sen.
betroffen worden sind (Drucksache IV/438).
Die Punkte 19 a), b), c), d) und e) sollen in der
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Sitzung am Freitag aufgerufen werden.
Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für
auswärtige Angelegenheiten — federführend — so-
wie an den Ausschuß für Wiedergutmachung und Wir kommen zu Punkt 20 der Tagesordnung:
an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung. —
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zu der Erklärung vom 18. November
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: 1960 über den vorläufigen Beitritt Argen-
tiniens zum Allgemeinen Zoll- und Handels-
Erste Beratung des von der Bundesregierung abkommen (Drucksache IV/228) ;
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Abkommen vom 12. Oktober 1961 zwi- Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus
schen der Bundesrepublik Deutschland und schusses (17. Ausschuß) (Drucksache IV/416).
dem Königreich Marokko über den Luftver- (Erste Beratung 21. Sitzung).
kehr (Drucksache IV/447).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Der Berichterstatter, der Abgeordnete Keller, hat
einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Soll er ergänzt
Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Ver-
werden? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich dem
kehr, Post- und Fernmeldewesen vor. — Wider
Abgeordneten Keller für seinen schriftlichen Bericht
spruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
danken.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf: Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — Art. 2,
— Art. 3, — Einleitung und Überschrift. Das Wort
Erste Beratung des von der Bundesregierung wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Be-
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu stimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um
das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
*) Siehe Anlage 2 — Es ist so beschlossen.
1390 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Wieninger
fortschrittliche, der Wirtschaft dienende Haltung den sollten. Die bisherigen ERP-Programme geben
vermissen läßt. in dieser Hinsicht sinnvolle Fingerzeige, so daß
diese Frage unschwer gelöst werden kann.
Im Rahmen der Kreditversorgung des Mittelstan-
des wird die Hauptklage gegen die hohen Kredit- Wie sähe nun die praktische Auswirkung einer
kosten geführt. Neben den eigentlichen Zinsen wer- derartigen Maßnahme aus? Bei einem Kreditvolu-
den Bereitstellungskosten und sonstige Gebühren men für diese Zwecke von, sagen wir einmal, 1 Mil-
verlangt. Aus den Kreisen des Mittelstandes wird liarde DM pro Jahr ergäbe sich bei einer Zinsver-
immer wieder glaubwürdig argumentiert, daß diese billigung um 2 % ein jährlicher Aufwand von
Gesamtkreditkosten für mittelständische Kreditneh- 20 Millionen DM. Wenn wir die bisherigen Leistun-
mer aus kalkulatorischen Gründen bei einem schar- gen der Länder Bayern, Hessen und Niedersachsen
fen Wettbewerb nicht tragbar seien. Entweder berücksichtigen und wenn wir auch zusätzlich noch
müsse daher auf durchschlagende, kostensenkende annehmen wollten, daß sich die übrigen Länder
Rationalisierungsmaßnahmen verzichtet und müßten der Bundesrepublik dieser Verbesserungsaktion
die sich daraus ergebenden gesamtwirtschaftlichen für Mittelstandskredite anschließen, würde sich
Nachteile in Kauf genommen werden, oder aber der diese Summe noch verringern. Allerdings ist auch
Betrieb begebe sich in Gefahr, von den kapitalstar- zu beachten, daß für die folgenden Jahre bei Fort-
ken Mitbewerbern, die günstiger an langfristiges führung der Förderung die Summe progressiv
Geld gelangen, vom Markt verdrängt zu werden. steigt. Man müßte daher eine Begrenzung der Ak-
Hier liegt das eigentliche Dilemma in Handwerk, tion auf einige Jahre vorsehen und während dieser
Einzel- und Großhandel und in der Klein- und Mit- Zeit gegebenenfalls die Höhe der Förderungssumme
telindustrie. staffeln, damit ein einigermaßen gleichbleibender
Bundeszuschuß entsteht.
Meine Damen und Herren, diese Argumentation
ist begründet, ist richtig, wenn wir bedenken, daß Wie bescheiden sich dieser Vorschlag gegenüber
Kleinkredite teurer sind, zwangsläufig teurer ein der Förderung anderer Wirtschaftszweige durch
müsenalGroßkdit.Smegbschauf den Bund ausnimmt, zeigt sich am Beispiel der See-
dem Gebiete des Kreditwesens ein unvermeidlicher schiffahrt. Ich darf mit Genehmigung des Herrn
Wettbewerbsnachteil der kleineren Marktpartner. Präsidenten das „Wirtschaftsbild" Nr. 709 vom
9. April 1962 zitieren. Es heißt dort:
Aus diesem Grunde müssen wir mit allem Ernst
prüfen, ob und in welcher Weise ein Programm zur Zinszuschüsse für die Seeschiffahrt: Die für 1962
Zinsverbilligung für langfristige Kreditvorhaben vorgesehenen 80 Milionen DM Zinszuschüsse
des gewerblichen Mittelstandes entwickelt werden entfallen zu 23 Millionen auf normale Zinsbei-
kann. Ein solches Bundesprogramm zur Verbilligung hilfen, 10 Millionen auf Abwrackprämien,
der Kreditzinsen wäre sinnvoll, nützlich und gerecht 47 Millionen auf Neubaudarlehen. Insbesondere
bei längerfristigen Darlehen für Vorhaben der Ra- soll eine Erneuerung der überalterten Küsten-
tionalisierung und der Modernisierung der Betriebe. motorschiffe erreicht werden.
Ich darf erwähnen, daß in mehreren Ländern in Meine Damen und Herren, ich möchte gegen diese
der Bundesrepublik, so z. B. in Bayern, in Hessen Maßnahmen zugunsten der Seeschiffahrt in keiner
und in Niedersachsen, in beschränktem Umfang Weise Kritik üben; aber eines möchte ich doch fest-
Zinsverbilligungsaktionen laufen. Die Mittel sind stellen: der gesellschaftspolitisch wichtige Korpus
allerdings in jedem Haushaltsjahr sehr rasch er- der mittelständischen Wirtschaft verdient doch min-
schöpft. Die Nachfrage nach solchen Mitteln ist in destens ebensosehr die Förderung von Regierung
allen Zweigen des gewerblichen Mittelstandes be- und Parlament. Wir werden in den Ausschüssen für
sonders groß. Es müßte doch möglich sein, daß sich Mittelstandsfragen und Wirtschaft über dieses Pro-
unter dem Aspekt der Verbesserung des mittelstän- blem ernsthaft zu beraten haben.
dischen Kreditwesens die Bemühungen des Bundes Aber nicht nur die Fragen der Personalkredite
und aller Länder — nicht nur der drei soeben er- und der Zinsverbilligung werden uns beschäftigen;
wähnten Länder Bayern, Hessen und Niedersachsen, eine ganze Reihe zusätzlicher Probleme werden wir
sondern aller Länder — treffen. Auf diese Weise in den Ausschüssen mit der Regierung und gege-
könnten ohne den Einsatz besonders großer Mittel benenfalls auch mit Sachverständigen aus der Kre-
wirksame Ergebnisse erzielt werden. ditwirtschaft und aus den mittelständischen Ver-
Wenn wir einer solchen Maßnahme nähertreten, bänden diskutieren. Wir werden darüber zu reden
müssen wir allerdings eines besonders beachten. haben, ob angesichts der Notwendigkeit, das Kre-
Die Kreditdecke müßte groß genug sein, um einem ditvolumen zu 'erhöhen, nicht auch eine Verstärkung
normalen Darlehensbedarf einigermaßen zu ent- der Bundesbürgschaften für die Kreditgarantie-
sprechen. Dies wäre notwendig, damit nicht inner- gemeinschaften und gleichzeitig auch eine Vermeh-
halb der mittelständischen Wirtschaft Wettbewerbs- rung der Bundeshilfen aus dem ERP-Fonds eintreten
verschiebungen eintreten zwischen solchen Betrie- muß.
ben, die zinsbegünstigte Kredite aufnehmen konn- Ein anderes Thema unserer Beratungen wird fol-
ten, und anderen, die von dieser Möglichkeit mangels gendes sein. Seit langem wird in der Öffentlichkeit
hinreichender Mittel keinen Gebrauch machen diskutiert, wie notwendig es sei, in neuen Stadt-
konnten. randsiedlungen Gelegenheit zu bieten, daß sich dort
Eine weitere Sorge dürfte es dabei noch sein, mittelständische Unternehmen aus dem Handwerk
eine Abgrenzung zu finden für die Vorhaben, die und dem Einzelhandel ansiedeln können. Dieses
im Rahmen eines solchen Programms gefördert wer- Problem ist rein finanzieller Art und steht in unmit-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1393
Wieninger
telbarem Zusammenhang mit der Kreditlage der sierung der Klein- und Mittelbetriebe zu ermög-
mittelständischen Wirtschaft. Mittelständische Be- lichen, diese Betriebe gegenüber der Großwirtschaft
triebe können nur dann in neuerbauten Stadtteilen konkurrenzfähig zu machen und es ihnen zu ermög-
Fuß fassen, wenn ihnen durch hinreichende Kredit- lichen — mehr als dies bisher geschehen konnte —,
hilfen Chancen geboten werden, Entwicklungsdurst- Eigenkapital zu bilden. Wenn wir die mittelstän-
strecken zu überwinden. Da taucht die Frage auf, ob dische Wirtschaft lebensfähig erhalten wollen, müs-
für diesen Zweck nicht ein eigener Finanzierungs- sen wir alles tun, um die Eigenkapitalbildung zu
stock gegründet werden müßte oder aber ob es nicht fördern.
angebracht wäre, zur Erreichung eines guten Zieles In der Denkschrift der ASU zur Finanzreform wird
eine eigene Bundesfinanzierungsgesellschaft ins Le- dargelegt, daß sich erwiesenermaßen bei den Unter-
ben zu rufen. Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses nehmen der Mittelwirtschaft während der letzten
haben sich zu dieser Frage bisher theoretisch posi- Jahre der Anteil des Eigenkapitals am Gesamt-
tiv geäußert. Ich bin überzeugt, daß wir in Ge- kapital trotz der Überkonjunktur kaum erhöht hat,
sprächen mit den Herren Regierungsvertretern bei bei einer Reihe von Wirtschaftszweigen sogar zu-
den Beratungen im Ausschuß zu einer nützlichen rückgegangen ist. Die Hauptgemeinschaft des Einzel-
Lösung kommen. handels stellt zu einer Untersuchung des Instituts
Weiter beabsichtigen wir, in den Ausschüssen dar- für Handelsforschung in Köln Anfang Mai dieses
über zu reden, ob der sogenannte Reuschelplan, der Jahres fest, daß das Eigenkapital im Einzelhandel
die Aktivierung von Kapitalmitteln aus dem Ver- kaum halb so groß wie vor dem Krieg ist.
mögen der Versicherungsgesellschaften für die Wenn wir die hier aufgeworfenen Fragen in den
Zwecke der Mittelstandskredite zum Ziele hat, reali- Ausschüssen gründlich besprechen, wird die Bun-
sierbar ist und ob er, wenn auch in modulierter desregierung in Kenntnis der Meinungen der Frak-
Form, unseren Absichten dienen kann. tionen in der Lage sein, den im Antrag erbetenen
Ferner werden wir darüber zu reden haben, ob Überblick zu erstellen. Ich bitte Sie, den vorliegen-
die bisherigen Bemühungen zur Förderung junger den Antrag dem Ausschuß für Mittelstandsfragen
nachwachsender Existenzen im Mittelstand als hin- — federführend — und dem Ausschuß für Wirt-
reichend angesehen werden können. Nach den Fest- schaft — zur Mitberatung — zu überweisen.
stellungen der Bundesregierung im Mittelstandsbe- (Beifall bei der CDU/CSU.)
richt vom Jahre 1960 haben die mittelständischen
Existenzen in der Bundesrepublik im Laufe der letz-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wer begründet
- den
ten Jahre um 40 000 zugenommen. Gleichzeitig ist Antrag unter b)? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter
aber die Zahl der in unselbständiger Arbeit Stehen
Lange.
den um mehrere Millionen gewachsen. Das bedeutet
ein bedenkliches Zurückgehen des Proporzes der
Lange (Essen) (SPD) : Herr Präsident! Meine Da-
selbständigen Existenzen zu den Unselbständigen. men und meine Herren! Mit der Drucksache IV/246
Es besteht die Möglichkeit, daß wir die Kreditaktion wollen wir einmal der Bundesregierung Gelegen-
für junge nachwachsende Existenzen verstärken heit geben, das, was sie am 29. November vergan-
müssen. Bisher sind für diesen Zweck im ERP- genen Jahres hier in ihrer Regierungserklärung in
Kreditprogramm 10 Millionen DM ausgeworfen ge- verhältnismäßig knapper und kurzer Form als ihren
wesen. Vielleicht stellt sich aber auch heraus, daß politischen Willen dargetan hat, zu verwirklichen.
mit Kredithilfen allein die Gefahr der Mittelstands- Gleichzeitig wollen wir den Regierungsparteien
flucht nicht beseitigt werden kann und daß wir zu ähnliche Hilfestellung leisten: wir wollen mit dem
anderen Maßnahmen — denkbar sind Anreize ersten Teil dieses Antrags nichts anderes als die Er-
steuerlicher Art — gelangen müssen. gänzung des am 13. Juli 1960 übermittelten Berich-
Schließlich werden wir auch noch die Frage des tes über die Lage der Mittelschichten, eine Ergän-
Investitionssparens zu besprechen haben. Dieses zung, von der wir damals bei der Beratung des so-
Anliegen steht in innigem Zusammenhang mit den zialdemokratischen Antrages gesagt haben, daß sie
mittelständischen Kreditproblemen. Nachdem wir zu- sicherlich auf Grund der ursprünglich nicht in vol-
nächst die Hoffnung auf steuerliche Berücksichtigung lem Umfange vorhandenen statistischen Materialien
des nichtentnommenen Gewinns nach § 10 a des erforderlich sein werde, und wovon die Bundes-
Einkommensteuergesetzes nicht nähren können, regierung gesagt hatte, daß eine solche Ergänzung
wäre es doch begrüßenswert, wenn wenigstens das auch nach ihrer Meinung erforderlich sei.
Ansparen für Investitionszwecke in einem gewissen Außerdem darf daran erinnert werden, daß am
Maße steuerlich begünstigt würde. Der Arbeitsaus- 16. Juni 1961, d. h. kurz vor Auslaufen der dritten
schuß für Kreditfragen beim Bundeswirtschafts- Legislaturperiode, dieses Haus sich darüber einig
ministerium hat ausdrücklich festgestellt, daß die war, daß eine solche Ergänzung des am 13. Juli 1960
Nützlichkeit des Investitionssparens unter zwei Ge- übermittelten Berichtes über die Lage der Mittel-
sichtspunkten zu sehen ist: erstens unter dem Ge- schichten erforderlich ist. Die Frage ist nun, warum
sichtspunkt der Herbeiführung einer besseren Ver- bis zur Stunde — auch im Zusammenhang mit den
sorgung des Mittelstandes mit Investitionskrediten am 16. Juni hier gemachten Ausführungen des Bun-
und zweitens unter dem Gesichtspunkt der Förde- deswirtschaftsministers, einmal in Gestalt einer
rung der Eigenkapitalbildung bei mittelständischen quasi-Regierungserklärung, dann in Gestalt einer
Unternehmen. Unsere Sorge um das mittelständische schriftlich vorgelegten Regierungserklärung —
Kreditwesen ist auf das Ziel gerichtet, die Moderni solche Ergänzungsarbeiten nicht schon erstellt wor-
1394 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Lange (Essen)
den sind. Dann würde sich dieser Antrag erübrigt ob wir wirtschaftlich weniger starke Unternehmun-
haben. gen und Betriebe hätten, die nicht imstande wären,
Mir scheint, daß die Saumseligkeit der Regierung volkswirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen. Es ist
in diesem Zusammenhang nicht so, daß es sich hier von vornherein um schwä-
chere Betriebe, Unternehmungen, Existenzen han-
(Zuruf von der Mitte: Na, na!) delt. Vielmehr werden diese Existenzen im Ver-
— ich sage es noch einmal, wenn sich das „Na" auf gleich zur Großwirtschaft geschwächt, weil durch
„Saumseligkeit" beziehen sollte —, die Saumselig- eine bestimmte Art der Politik und der Gesetz-
keit der Regierung in diesem Zusammenhang viel- gebung — dabei geht es um den ganzen Bereich
leicht auch den guten politischen Willen vermissen der Wirtschaftspolitik, um die Steuer- und Finanz-
läßt, das, was sie am 29. November vergangenen politik mit der entsprechenden Gesetzgebung ein-
Jahres in ihrer Regierungserklärung dargelegt hat, schließlich der Sozialgesetzgebung — in diesen Be-
in die Tat umzusetzen. Dort heißt es im Zusammen- reichen gesetzgeberische Wirkungen entstehen, die
hang mit der Wirtschaftspolitik in einem einzigen diesen Selbständigen gegenüber den Großunterneh-
Absatz: mungen und der Großwirtschaft wirtschaftspoli-
tische und marktpolitische Nachteile bringen.
In der Mittelstandspolitik werden wir fortfah-
ren, gute Lebensbedingungen für die breite Mit- Hier muß angesetzt werden, und wir können nur
telschicht mit den vielen gesunden selbständi- ansetzen, wenn wir die entsprechenden Unterlagen
gen Existenzen im Handwerk, Handel und Ge- zur Verfügung haben. Nur dann können wir von
werbe, in der Landwirtschaft und in den freien dorther die notwendigen Maßnahmen treffen, die
Berufen zu fördern. Neben dem Willen, die Lei- gleichartWbwsvouetzngwähr-
stungs- und Wettbewerbsfähigkeit der vorhan- leisten.
denen Betriebe zu stärken, steht als wichtige
Aufgabe, das Selbständigwerden bisher abhän- Man muß in diesem Zusamenhang erkennen, daß
giger Existenzen zu ermöglichen. es nicht nur darum geht, Wettbewerbschancen glei-
cher Art zu schaffen. Vielmehr müssen die nach
Nun, auch am 16. Juni 1961 sind der Bundesregie-
unserer Überzeugung gegenüber den Großformen
rung sicherlich Hinweise auf Sachverhalte außerhalb
der bundesrepublikanischen Grenzen gegeben wor- unserer Wirtschaft benachteiligten kleinen und mitt-
den, Sachverhalte, die der Regierung selbst nicht un- leren Unternehmungen in den Stand gesetzt werden,
bekannt sind, von denen man sogar gesagt hat, daß diese gleichartigen Chancen vom Ausgangspunkt
man ihnen nachgehen werde, daß man prüfen werde, her am Markte auf die Dauer zu sichern. Dazu ge-
welche Erfahrungen dort gemacht worden sind. Bis hört, wie gesagt, der unter Ziffer 1 unseres Antrags
zur Stunde ist davon nichts zu sehen. Ich denke vor geforderte Ergänzungsbericht, bei dem wir natür-
allem an die Erfahrungen, die die Amerikaner mit lich — weil von 1960 bis 1962 schon wieder einige
der Small Business Administration auf der Grund- Zeit ins Land gegangen ist — die Wirkungen des
lage des Small Business Act von 1958 gemacht ha- Gemeinsamen Marktes mit erfaßt sehen möchten.
ben. Wir alle hier in diesem Hause haben wohl Ver- Im übrigen soll er sich genau auf dieselben Sach-
anlassung, uns um diese Dinge ein wenig intensiver verhalte beziehen, die in unserem ursprünglichen
zu kümmern. Unter gar keinen Umständen können Antrag vom 5. Dezember 1958 enthalten gewesen
wir es bei bloßen Lippenbekenntnissen zu der För- sind. Uns kommt es nur darauf an — das ist ein
derung der Selbständigen auf dem gewerblichen und sehr dringendes Wort an die Regierung —, daß
freiberuflichen Sektor bewenden lassen. Wenn die dieser Ergänzungsbericht vergleichbares Zahlenma-
ganze Auseinandersetzung um die Wirtschaftspoli- terial und vergleichbare Tatbestände enthält und
tik und um den Strukturwandel unserer Volkswirt- erfaßt, damit die einzelnen Wirtschaftszweige und
schaft, nicht zuletzt auch im Rahmen der Europäi- -gruppen miteinander verglichen werden können.
schen Wirtschaftsgemeinschaft und eines sich so aus- Die Regierung sollte uns nicht wieder in die Ver-
weitenden Marktes, Sinn haben soll, dann müssen legenheit bringen, von dieser Stelle aus erklären zu
sich die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen müssen, daß der Bericht zwar eine außerordentliche
— das sind Parlament und Regierung — auch über Fleißarbeit ist, daß sehr viel Material zusammen-
die Möglichkeiten der Selbständigen innerhalb der getragen worden ist, daß er aber insoweit halb
gewerblichen Wirtschaft, der freiberuflich Tätigen ist — und das war einmütige Erkenntnis dieses
im Rahmen der gesamten Volkswirtschaft entspre- Hauses, da hat es nun keine Meinungsverschieden-
chende Gedanken machen. heiten zwischen den Fraktionen gegeben —, als er
nur Tatbestände und Zahlenmaterial enthält, das
Man kann das nur dann, wenn man in diesem den Vergleich von :Bevölkerungsgruppe zu Bevöl-
Zusammenhang die notwendigen sachlichen Fest- kerungsgruppe und von Wirtschaftszweig zu Wirt-
stellungen trifft, wenn man sehr genau weiß, in schaftszweig einfach nicht ermöglicht.
welchem Verhältnis die Selbständigen, ihre Be-
triebe, ihre Unternehmungen auf dem gewerblichen Insoweit, meine Damen und Herren, scheint uns
Sektor und auch die freiberuflich Selbständigen mit dringendes Gebot zu sein, diesen Ergänzungsbericht
den dort beschäftigten Arbeitnehmern — Arbeiter so schnell wie möglich hier im Hause zu haben,
wie Angestellte — zu den Bevölkerungsgruppen weil man sich nämlich nur — und darüber muß man
stehen, die ihre Existenzgrundlage im wesentlichen sich wohl auch einmal klarwerden, selbst wenn
im Rahmen der Großwirtschaft finden. Wir können mancher das aus weltanschaulichen Gründen nicht
es uns einfach nicht gestatten, hier so zu tun, als wahrhaben möchte — an Hand von Fakten und
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1395
Lange (Essen)
eindeutigen Sachverhalten über weitere und not- — Wenn Sie deutsch lesen können, werden Sie es
wendige Maßnahmen verständigen kann. merken, was drinsteckt, Herr Burgemeister.
Wir sollten — lassen Sie mich das in diesem Zu- (Abg. Burgemeister: Wir werden uns dar
sammenhang und an dieser Stelle auch sagen — über unterhalten!)
endlich damit aufhören, dem anderen bei seinen — Natürlich werden wir uns darüber unterhalten.
wirtschaftspolitischen Absichten diese oder jene Ich sage es noch einmal: lassen Sie mal Ihre Vor-
ideologische oder weltanschauliche Geheimniskrä- urteile, lassen Sie mal Ihre merkwürdig eingefah-
merei zu unterschieben, so wie Sie das tun. Mit renen ideologischen Gleise hinter sich! Versuchen
„Sie" meine ich jetzt die Fraktion der Christlich Sie einmal, sich in eine bestimmte Notwendigkeit
Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union, hineinzudenken! Dann kommen wir wahrscheinlich
die wieder nichts Besseres vermocht hatte, als in viel schneller zueinander, auch in bezug auf das,
dem Augenblick, wo unser Antrag das Licht der was hier immer so beteuert wird, wie es soeben
Öffentlichkeit erblickt hatte, zu erklären, daß hier auch durch den Kollegen Wieninger wieder gesche-
sicherlich wieder zentralverwaltungswirtschaftliche hen ist, daß man nämlich diesen Gruppen unter
Pferdefüße vorhanden oder verborgen seien. Übri- allen Umständen, quer durch das ganze Haus, helfen
gens gilt das auch für die Freie Demokratische Par- wolle. Natürlich will man das. Aber man muß es so
tei, die sich auch nicht solcher merkwürdiger und — tun, daß Hilfen für die Gruppen nicht gleichzeitig
das wissen Sie genauso gut wie wir — völlig fal- wieder entscheidende Förderungen für die Groß-
scher Feststellungen enthalten konnte. wirtschaft sind. Wir haben darüber schon einmal,
Ich bin der Meinung, wir sollten uns hier einmal und zwar am 16. Juni 1961, geredet; ich brauche das
im Ernst darum bemühen, gerade die Wirtschafts- also in diesem Zusammenhang nicht zu wiederholen.
politik so sachlich wie möglich zu erörtern, und hier
Bei anderer Gelegenheit haben Sie erklärt, daß
am allerwenigsten den Versuch unternehmen, von
dieser Antrag nichts sei als eine Anhäufung von
Weltanschauungen her irgendwelche wirtschafts-
wirtschaftspolitischen Zielen. Natürlich kann ein
politischen Doktrinen zu verkünden. Mir scheint,
Antrag, wenn man so will, zuerst einmal nicht
wenn größere soziale Gerechtigkeit, die angeblich
von allen Seiten dieses Hauses gefordert wird, ihren mehr sein. Aber vergegenwärtigen Sie sich einmal
— und damit komme ich zum zweiten Teil unseres
Sinn haben soll, dann kann man sich bestenfalls
noch über die Mittel streiten, um dieses Ziel größe- Antrags —, daß hier ein Gesetzentwurf gefordert
rer sozialer Gerechtigkeit zu erreichen. Ich sehe wird, durch den einerseits die Fortschreibung der
aber dem Grunde nach gar keine Möglichkeit, sich Sachverhalte sichergestellt und damit eine -entspre-
in diesem Zusammenhang noch über wirtschaftspoli- chende Berichterstattung von Zeit zu Zeit ermög-
tische Weltanschauungen zu streiten. licht werden soll, der zum anderen aber auch Maß-
nahmen gewährleisten soll, die die Leistungs- und
Ich würde also herzlich darum bitten, meine Da- Wettbewerbsfähigkeit der Selbständigen, ihrer Be-
men und Herren, einmal von diesem merkwürdigen triebe und Unternehmen stärken und gegenüber
und völlig unzulänglichen Versuch zu lassen, den marktbeherrschenden Unternehmungen sichern. Es
anderen — in diesem Falle die Sozialdemokraten — steckt also für denjenigen, von dem ein solcher Ge-
immer und immer wieder zu verdächtigen. setzentwurf verlangt wird, doch eine Kleinigkeit
mehr in diesem Gesetzentwurf.
Ein Weiteres kommt hinzu. Es gibt hier im Hause
Fraktionen und es gibt in der bundesrepublika- Was soll denn mit diesem Gesetzentwurf, dessen
nischen Wirklichkeit Parteien, die von sich aus so zwei entscheidende Aufgaben ich dargelegt habe,
tun, als ob sie wirtschaftspolitische Erkenntnisse für erreicht werden? Wir wollen, daß man einen Blick
bestimmte Betriebsgrößenklassen gepachtet hätten. über den Zaun tut, daß man also die Erfahrungen
Nun, sie sollten sehr genau wissen, daß das nicht so nutzt, die die Amerikaner mit dem Small Business
ist, und sie wissen das auch. Aber sie sollten endlich Act gemacht haben. Die amerikanische Wirtschafts-
einmal von dem untauglichen Versuch lassen, den- gesellschaft ist nicht wesentlich anders strukturiert
jenigen, denen eine gemeinsam zu vollziehende als unsere. Sie hat nur andere Abmessungen und
Wirtschaftspolitik auf diesem Gebiete dienen soll, damit anders geartete Betriebsgrößenklassen, vor
den selbständigen Existenzen in Handwerk, Handel allem in der Spitze. Wir sollten also die Erfahrun-
und Gewerbe, in kleinerer und mittlerer Industrie gen einer modernen Wirtschaftsgesellschaft wie der
und in den freien Berufen, Sand in die Augen zu amerikanischen einmal auswerten.
streuen.
Herr Wieninger hat vorhin von dem engen und
Sie haben, als unser Antrag an die Öffentlichkeit wahrscheinlich immer enger werdenden Raum der
kam, nichts Besseres gewußt, als in Ihren Verlaut- Selbständigen gesprochen. Wenigstens scheint diese
barungen zu sagen — wenn ich der dpa-Meldung Entwicklung aus der Statistik hervorzugehen; ich
vom 16. März glauben darf —, daß darin Tendenzen selber bin gar nicht so pessimistisch wie Herr Wie-
enthalten seien, die eventuell auf einen Grauen ninger. Auf jeden Fall hat unser Gesetzentwurf zum
Plan hinausliefen. Darin steckt wieder all das, was Ziel, daß dieser Raum der Selbständigkeit gegen-
ich soeben über Ihre Auslegung unserer Absichten über allen aus der Konzentration der Wirtschaft
angedeutet habe. kommenden Tendenzen zur Marktbeherrschung
(Abg. Burgemeister: Steckt das in der Tat durch einzelne große Unternehmen und damit zur
nicht drin? Wenn man den Text liest, muß Einengung der Unabhängigkeit kleiner und mittle-
man sagen, daß es doch drinsteckt!) rer Unternehmungen offengehalten wird und daß
1396 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Lange (Essen)
auf der anderen Seite die Wettbewerbsgleichheit in Es kommt also darauf an, solche Merkmale zu
den verschiedenen Situationen der konjunkturellen finden. Man wird sicherlich nicht daran vorbeikom-
Entwicklung und der einzelnen Wirtschaftszweige men, den Versuch zu machen, das für die einzelnen
gewährleistet wird. Die konjunkturelle Entwicklung Wirtschaftszweige festzustellen, zumal die Begriffe
stimmt ja nicht in allen Bereichen mit dem Gesamt- „klein", „mittel" und „groß" auch noch von Wirt-
trend der Volkswirtschaft überein. schaftszweig zu Wirtschaftszweig unterschiedlich
sind.
Ich darf wiederholen. Mit dem von uns verlang-
ten Gesetz sollen zwei Aufgaben erfüllt werden: Ich deute hier also nur an, ich gebe kein Rezept.
erstens, wirksame Maßnahmen strukturpolitischer Denn letztlich hat den detaillierten Sachverstand mit
Art zu gewährleisten, die den Raum der Selbstän- den Ministerialbeamten die Bundesregierung und
digkeit innerhalb der Wirtschaft offenhalten; zwei- nicht das Parlament. Mir scheint, daß die Bundes-
tens, die Wettbewerbsgleichheit in den verschiede- regierung mit ihrem ins einzelne gehenden Sachver-
nen konjunkturellen Situationen sicherzustellen. stand uns die notwendige Vorlage zuleiten und in-
Daraus ergeben sich unterschiedliche Aufgaben, die soweit die notwendige Formulierungshilfe, wie wir
durch entsprechende Maßnahmen — auf Grund ge- das in den Ausschüssen immer nennen, leisten muß.
setzlicher Befehle — der für die Politik Verantwort- Auch meine ich, daß die Bundesregierung nach der
lichen gelöst werden müssen, wie das zu einem Regierungserklärung gar nicht anders kann, will sie
wesentlichen Teil auch nach dem Small Business sich nicht bei dieser Gelegenheit als eindeutiger För-
Act der Amerikaner der Fall ist. derer der Großwirtschaft entpuppen. Wenn sie das
will, schön, dann unterläßt sie auf diesem Gebiet
Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, alle wirksamen Maßnahmen.
daß, wenn solche Überlegungen Platz greifen, die
Selbständigen in Handwerk, Handel, Gewerbe, übri- (Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)
ger Industrie und in den freien Berufen mit den
Großunternehmungen, mit den Marktbeherrschern Meine Damen und Herren, wir müssen in dieses
von der Wettbewerbssituation her gleichzustellen, Gesetz alle Voraussetzungen hineinpacken, die das
sicherlich bestimmte Merkmale für die Förderung gleichzeitige Tätigwerden in bezug auf Kartell- und
dieser Selbständigen, ihrer Betriebe oder Unterneh- Monopolrecht notwendig machen, wenn entspre-
mungen feststellbar sein müssen. Sicherlich müssen chende Situationen eintreten. Dazu gehört es, die
diese feststellbaren Merkmale auch Eingang in das Wettbewerbsmöglichkeiten gegenüber marktbeherr-
Gesetz finden. schenden Unternehmungen zu sichern. Das -bedeutet
hier den Zwang zu einer entsprechenden Änderung
Nun darf ich daran erinnern, daß es Kollege des Kartellgesetzes, wenn man das so will. Die Bun-
Schmücker war, der hier einmal gesagt hat, wer den desregierung soll das beabsichtigen, wie ich aller-
Versuch mache, den „Mittelstand" zu definieren, dings nur vom Hörensagen weiß. Ich bin mir aber
oder was immer man an die Stelle dieses Wortes nicht ganz klar darüber, wann das geschehen soll.
setzen will: Mittelschichten, Selbständige, oder was Wenn wir uns der Aussagen des Bundeswirtschafts-
da immer gesagt sein mag, ministers vom 16. Juni 1961 erinnern, die er von
(Abg. Schmücker: „Selbständige" habe ich dieser Stelle aus gemacht hat, müssen wir also erst
nicht gesagt!) mal warten, bis die Konzentrationsenquete vorliegt,
ehe Schlußfolgerungen gezogen werden. Und wenn
— aber das sage ich, Herr Schmücker — ich mir den Begleittext der Bundesregierung zu dem
Kartellbericht über das Jahr 1961 ansehe, habe ich
(Abg. Schmücker: Das müssen Sie aber nicht mehr die geringste Hoffnung, daß seitens der
eigens betonen, daß Sie das sagen!) Bundesregierung irgend etwas Entscheidendes ge-
schehen wird in bezug auf das Kartellgesetz, auf
der töte den Mittelstand. Wir brauchen uns hier das Wettbewerbsrecht und die dabei eine Rolle
nicht über den Begriff zu streiten und brauchen in spielenden Probleme der marktbeherrschenden Un-
diesem Augenblick über den Begriff nicht zu philo- ternehmungen einerseits und der Vertikalverträge,
sophieren. Ich meine nur: wenn man eindeutige der sogenannten Knebelungsverträge andererseits,
wirtschaftspolitische Sachverhalte für diese Betriebs- einschließlich der zu überprüfenden Frage der Preis-
größen, wie sie bei den selbständigen und vergleich- bildung der zweiten Hand. Ich würde mich aber
baren kleinen Kapitalgesellschaften vorliegen — ich gern davon überraschen lassen, daß die Bundes-
denke da an die GmbH, auch an die Familiengesell- regierung hier in dieser Weise tätig wird.
schaften — erfassen will, muß man sicherlich fest-
stellen, daß solche Betriebe und Unternehmungen Wenden wir uns nun den weiteren Punkten zu,
erstens nicht zu den Marktbeherrschern gehören die in diesem Zusammenhang erörtert werden müs
— denn dann verdienen sie eine entsprechende sen. Zuerst einmal geht es also darum, Wettbe-
Förderung nicht —, daß zweitens auch Eigentum und werbsnachteile aus Steuer- und Sozialgesetzgebung
Besitz, d. h. Verfügungsmacht, zusammenfallen müs- zu beseitigen. Wir wissen seit Jahr und Tag, daß in
sen. Damit ist ein wesentlicher Unterschied gegen- der Einkommensteuergesetzgebung, im Einkommen-
über dem vorhanden, was wir bei den anonymen steuertarif etliche Dinge sind, die sicherlich eine
Kapitalgesellschaften, vor allem bei den großen Benachteiligung der kleinen und mittleren Einkom-
Publikumsgesellschaften, aber auch bei anonymen mensträger darstellen, eben gerade dieser Gruppen,
Kapitalgesellschaften mit nur einem oder ganz we- die hier in Rede stehen. Wenn ich mich recht er-
nigen Großaktionären feststellen. innere, hat in jüngster Zeit der Herr Bundesfinanz-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1397
Lange (Essen)
minister oder das Ministerium verlauten lassen, daß und mittlere Industrie und für die selbständig und
es eifrig daran arbeite, diese Benachteiligung der freiberuflich Tätigen zu beseitigen.
Selbständigen aus dem Einkommensteuertarif her- Damit ist der Katalog all der steuerpolitischen
auszubringen, d. h. also den sogenannten Mittel- Fragen sicher nicht abgeschlossen. Ich könnte noch
standsbauch im Einkommensteuertarif zu beseitigen. weitere nennen, z. B. die Gewerbesteuer. Ich könnte
Wenn die Bundesregierung das wollte, hätte sie einige andere Dinge nennen, die als Steuererträge
schon eher Gelegenheit gehabt, das zu tun. Sie hätte in die Gemeindehoheit hineingehören, die sicher-
diesen sogenannten Mittelstandsbauch erst gar nicht lich nur deshalb von dieser Seite her — von der
entstehen lassen brauchen. Gewerbesteuer jetzt abgesehen — nicht angepackt
werden, weil man sich einfach nicht an die notwen-
Eine andere Frage ist, wie wir hier mit der Um-
dige Finanzverfassungsreform herantraut, die den
satzsteuer zu Rande kommen. Seit Jahren geht die Gemeinden die entsprechende Position innerhalb der
Diskussion um eine Reform der Umsatzsteuer, und Träger der öffentlichen Gewalt gibt und damit
seit Jahren geht die Diskussion darum, daß diese
gleichzeitig auch die Gemeinden aus der verteufel-
Umsatzsteuer neben anderen Faktoren nicht zuletzt
ten Situation herausbringt, in die sie immer wieder
auch zu einer entsprechenden Zusammenfassung
durch die Auseinandersetzung über diese von den
von Stufen des Warenweges, also zur Konzentra-
Selbständigen als Ärgernissteuer bezeichneten
tion beigetragen habe und damit Wettbewerbsver-
Steuern geraten. Sehr zu Unrecht, weil nämlich dafür
zerrungen herbeigeführt habe. Vom Finanzministe-
ganz andere, nämlich Bund und Länder, von der
rium sind zu früherer Zeit sämtliche Versuche zur
Gesetzgebung her verantwortlich sind, und nicht
Reform der Umsatzsteuer abgelehnt worden. Unter
die Gemeinden. Insoweit wäre es also nützlich, wenn
dem Druck der öffentlichen Meinung hat sich das
auch von hier aus entsprechende Änderungen ein-
Finanzministerium, hat sich , die Bundesregierung träten. Alle diese Dinge sind Voraussetzungen für
dann auch einmal dazu verstanden, zu gestehen, daß
ein solches Gesetz, das im wesentlichen Maßnahmen
hier eine Reform notwendig ist. bewirken soll, um Wettbewerbsgleichheit zu sichern
Nun, meine Damen und Herren, wir müssen alle und Wettbewerbsverzerrungen auszuräumen.
diese Fragen auch im Zusammenhang mit der Euro- Ich komme nun wieder auf einen Punkt zurück,
päischen Wirtschaftsgemeinschaft erörtern. Wenn den wir schon einmal am 16. Juni 1961 hier erörtert
man sich diese Europäische Wirtschaftsgemeinschaft haben. Herr Kollege Ruf ist im Augenblick nicht
vergegenwärtigt, dann weiß man, daß wir, was die da. Es ging da um den Arbeitgeberanteil der gesetz-
Harmonisierung der Steuergesetzgebung und der lichen Sozialversicherungsbeiträge und anderer ge-
Wettbewerbssituation betrifft, von der EWG her setzlicher sozialer Lasten, die Betriebe und Selb-
jetzt letztlich gezwungen sind, in diesem Zusam- ständige zu tragen haben. Wir haben damals gesagt:
menhang etwas zu tun. Das ist also auch nicht etwa Es ist sicherlich des Schweißes der Edlen wert, sich
aus eigenem Willen der Bundesregierung und der hier einmal etwas anderes einfallen zu lassen, als
für die Finanz- und Steuergesetzgebung Verant- schlicht mit dem Argument zu kommen, man könne
wortlichen gewachsen, sondern die Absicht, auf die- diese Dinge wegen der Selbstverwaltungsorgane
sem Gebiet etwas zu tun, besteht einfach deshalb, und des Selbstverwaltungsgrundsatzes in der ge-
weil man den Notwendigkeiten des größer werden- setzlichen Sozialversicherung nicht anpacken. Wir
den Markts im Rahmen der Europäischen Wirt- wollen ja gar nicht an die Arbeitnehmeranteile her-
schaftsgemeinschaft nicht mehr ausweichen kann. an. Hier geht es vielmehr einfach darum, mit der
Wenn es immer nur solcher massiver Einwirkungen fortschreitenden Konzentration, mit der fortschrei-
von außerhalb der verantwortlichen Stellen der tenden Kapitalintensität und der in dem umfassen-
Bundesrepublik bedarf, dann ist das eine verdammt den Dienstleistungsbereich im wesentlichen vorhan-
traurige Politik gegenüber den Selbständigen. denen Arbeitsintensität — wobei zum Dienstlei-
(Sehr gut! bei der SPD.) stungsbereich umfassender Art auch die gesamte
Verteilung, der gesamte Handel gehört, ferner die
Die andere Frage ist, wie man in diesem Zusam- gesamte Reparatur, die Werterhaltung, und was
menhang mit der Vermögensteuer zu Rande kommt. immer man will, nicht nur die unmittelbar persön-
Wir wissen, daß jüngst auf diesem Gebiet in der lichen Dienstleistungen — gewisse Überlegungen an-
letzten Legislaturperiode einige Verbesserungen zustellen. Der Dienstleistungsbereich umfassender
eingetreten sind; aber alle großen Einkommens- Art ist so arbeitsintensiv, daß er praktisch einen
und Vermögensträger, d. h. Großeinkommen und größeren Teil dieser sozialen Belastung zu tragen
Großvermögen, sind im Vergleich zu dem, was den hat, als entsprechend der Kapitalintensität und ent-
Trägern von kleinen und mittleren Einkommen auf- sprechend der weit größeren Produktivität des ein-
erlegt wird, bei weitem begünstigt. Ich will hier zelnen Arbeitsplatzes in anderen Bereichen für die
nicht auf die Entschließungen eingehen, die die So- Sicherung unserer Menschen im sozialgesetzlichen
zialdemokratische Partei Deutschlands während Sinne getan wird. Hier wäre es also sicherlich er-
ihres Kölner Parteitages in diesem Zusammenhang forderlich, daß die Bundesregierung — das geht nicht
gefaßt hat. Darin sind sicherlich einige sehr nach- nur das Bundeswirtschaftsministerium, sondern auch
lesenswerte Formulierungen und Vorschläge, die das Bundesarbeitsministerium an — sich in diesem
der Bundesregierung einige Anregungen geben Zusammenhang noch einmal weitere Meinungen,
könnten. Man sollte sich ein wenig intensiver mit Auslassungen, Darstellungen geben läßt als nur die
diesen Fragen befassen, um die Wettbewerbsnach- eine von Herrn Professor Müller aus Freiburg im
teile für Handwerk, Handel, Gewerbe und kleinere Breisgau.
1398 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Lange (Essen)
Meine Damen und Herren, damit wollte ich nur gar nicht so unabdingbar ist, sondern zum Teil und
andeutungsweise den Katalog der Steuer- und So- im wesentlichen der Bequemlichkeit entspringt.
zialgesetzgebung darstellen. Ich könnte noch auf die (Abg. Schmücker: Was sind wir doch für
Kindergeldgesetzgebung mit der von uns von vorn- böse Leute!)
herein abgelehnten Sondersteuer für die Selbstän-
digen verweisen, wobei ich nicht den Kollegen — Das haben Sie noch gar nicht gewußt, Herr Kol-
Schmücker an seine damalige Äußerung erinnern lege Schmücker. Das ist gut; einer muß es Ihnen ja
mag. gelegentlich einmal sagen.
(Abg. Schmücker: Gerne!) (Abg. Schmücker: Vor allen Dingen einer,
— Ich will Sie gar nicht zitieren, Herr Kollege der ein Recht dazu hat!)
Schmücker. — Ich denke, ein solches Recht haben wir, Herr
(Abg. Schmücker: Das halbe ich von Ihren Schmücker.
Kollegen in den Ausschüssen, nicht so gut (Abg. Schmücker: Das ist aber ziemlich an
formuliert, immer wieder gehört, allerdings maßend!)
in anderem Zusammenhang!)
— Das ist gar nicht anmaßend!
— Ich glaube, wir sind mittlerweile alle miteinan-
der ein wenig klüger geworden, so daß wir — so (Abg. Schmücker: Sie können sagen: „Wir
hoffe ich, Herr Kollege Schmücker — zu einer sind allzumal Sünder." Damit bin ich ein
vernünftigen, die ungerechtfertigte Belastung der verstanden. Aber sich dort oben hinstellen
Selbständigen künftig vermeidenden Kindergeld- und predigen, das geht mir denn doch zu
gesetzgebung gelangen werden. weit!)
In diesem Zusammenhang ist auch immer wieder — Das ist gar nicht anmaßend, Herr Schmücker.
darauf verwiesen worden, daß mit den steuerpoli- Wenn hier gesagt wird: wir wollen ja alle den
tischen Maßnahmen die Kapitalbildung bei diesen Selbständigen helfen, dem Handwerk, dem Handel,
Gruppen gefördert werden solle. Das ist sicherlich dem Gewerbe, der kleinen und mittleren Industrie
richtig und nützlich. Nur ist die Kapitalbildung durch und den freiberuflich Tätigen, — nun, ich meine,
steuerliche Maßnahmen ein sehr langfristiger Pro- dann sollten wir uns auch gemeinsam Gedanken
zeß. Mir will scheinen, daß die steuerpolitischen machen, und dann sollte die eine Seite — das sind
Maßnahmen auf diesem Gebiete durch kreditpoli- -
Sie — sich nicht immer gegenüber Vorschlägen,
tische Maßnahmen wirkungsvoll ergänzt werden Vorstellungen, Auffassungen der Opposition hinter
müssen. der sogenannten Regierungsverantwortung ver-
Nun 'könnte jemand in diesem Hause sagen: Dazu schanzen.
hat ja soeben ein Sprecher der Regierungspartei hier Ich sagte also, daß die steuerpolitischen Maßnah-
etwas vorgetragen. Meine Damen und Herren, „spät men sicherlich durch entsprechende kreditpolitische
kommt ihr, doch ihr kommt" könnten wir als Über- Maßnahmen ergänzt werden müssen, weil nach
schrift über diesen Antrag setzen, den Sie zur Kre- unserer Überzeugung diese kreditpolitischen Maß-
ditversorgung des Mittelstandes eingebracht haben. nahmen die schneller wirkenden Mittel sind.
Wir halben schon in unserem Antrag vom 5. Dezem-
ber 1958 im Zusammenhang mit der Erstellung 'des Nun hat hier Kollege Wieninger auf eine Sache
Berichtes über die Lage der Mittelschichten das hingewiesen, die wir auch schon am 16. Juni 1961
gefordert, was Sie heute, dreieinhalb Jahre später, klargestellt haben. Wir haben das auch gegenüber
fordern. der Bundesregierung schon getan. Damals hatte die
Bundesregierung hinsichtlich unserer Forderung
(Zuruf von der CDU/CSU: Mit Forderungen
nach ausreichender Kreditversorgung zu erträg-
seid ihr immer schnell bei der Hand!) lichen Bedingungen und nach der Errichtung einer
— Ich würde vorsichtig sein mit solchen Behaup- Bundes-Kredit- und Garantiekasse in der schrift-
tungen: Im Fordern seid ihr immer schnell bei der lichen Regierungserklärung gesagt: „Kommt nicht
Hand! Es ist nicht so, wie Sie es immer behaup- in Frage! Außerdem ist das ein dirigistisches Mit-
ten. Es wäre eine billige Retourkutsche, wollte ich tel!" Da haben wir der Bundesregierung sagen müs-
jetzt dagegensetzen: Sie sind immer mit dem Ab- sen, daß sie ein solches ihrer Meinung nach dirigi-
lehnen sehr schnell bei der Hand, und Sie stützen stisches Mittel schon hat, nämlich im Bereich der
sich dann immer auf Ihre Verantwortung, die Sie freiberuflich Tätigen und der dort notwendigen
für die öffentliche Finanzwirtschaft und für den Kreditversorgung. Dort ist nämlich in einer Verein-
hier tragen. Nun, meine Damen und Her- Haushlt barung zwischen dem Bundesschatzministerium und
ren, die gleiche Verantwortung, die Sie tragen, der Lastenausgleichsbank diese effektiv zu einer
trägt die Opposition auch. Insofern ist es vielleicht Bundes-Kredit- und Garantiekasse für die freiberuf-
ganz nützlich, wenn aus der unterschiedlichen Be- lich Tätigen gemacht worden. Sie wissen das so
urteilung der Sachverhalte hier einiges einmal im genau wie wir. Damals ist kein Einpruch dagegen
Wechselgespräch und in der gegensätzlichen Dar- erhoben worden; damals ist nicht geltend gemacht
stellung erörtert werden kann, so daß die Regie- worden, daß ein solches Führungsinstitut, ein sol-
rungsparteien endlich auch begreifen, daß das, was ches Kopfinstitut die Aufgaben, die da in einheit-
sie als ihre Verantwortung immer herausstellen, als licher Kreditauslegung liegen, nicht wahrnehmen
etwas Unabdingbares herausstellen möchten, eben könne. Damals ist auch mit keinem Wort gesagt
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1399
Lange (Essen)
worden, daß das eine dirigistische Maßnahme sei. Umfange nicht mehr praktizieren. Deshalb muß man
Im Gegenteil: diese Vereinbarung zwischen Bundes- den Personalkredit modifizieren. Man muß die
schatzministerium und Lastenausgleichsbank ist als Leute von den Bedingungen des Kapitalmarktes,
ein entscheidender Fortschritt auf dem Gebiet der die sie nicht erfüllen können, freistellen.
Kreditversorgung der Selbständigen und insbeson- Zum weiteren muß durch diese ausreichende Kre-
dere der freiberuflich Tätigen gefeiert worden. ditversorgung erreicht werden, daß die Selbständi-
Wenn die gleiche Forderung für den gewerblichen gen in Handwerk, Handel, Gewerbe und in den
Sektor erhoben wird, so ist das eine Forderung freien Berufen Kredite, auch Umschuldungskredite
nach dirigistischen Maßnahmen — nach der Aus- und Ähnliches sowie Existenzgründungskredite, zu
sage der Bundesregierung. Da kann man nur fra- den gleichen Bedingungen bekommen können, zu
gen, ob die Bundesregierung in Bewußtseinsspal- denen Großunternehmungen ihren Kapitalbedarf
tung lebt. am Geld- und Kapitalmarkt befriedigen können.
Was wollen wir denn? Wir wollen doch nichts Das zu dieser Frage! Ich würde es dankbar
anderes, als die Vielzahl der unterschiedlichen Kre- begrüßen, wenn die Polemik, wir wollten die Kre-
ditprogramme und der in den unterschiedlichen ditgarantiegemeinschaften beseitigen, und Ähn-
Kreditprogrammen enthaltenen unterschiedlichen liches ad acta gelegt würde, so daß darüber Ge-
Kreditbedingungen weitgehend vereinheitlichen, spräche für morgen und übermorgen und nicht
damit die Wettbewerbsverzerrungen, die gerade auf mehr Gespräche aus der Vergangenheit heraus zu
dem gewerblichen Sektor infolge der unterschied- führen wären. So viel zur Kreditversorgung und
lichen Kredithergabe vorhanden sind, beseitigt zur Bundes-Kredit- und Garantiekasse.
werden.
Wir würden es des weiteren dankbar begrüßen,
Und jetzt kommt der Ruf gewisser Organisatio- wenn die Selbsthilfeeinrichtungen der Selbständi-
nen, die da sagen: „Aber wir dürfen nicht ange- gen auf den verschiedensten Gebieten auch durch
tastet werden!" Das hat also hier soeben Herr Wie- allgemeine steuer- und finanzpolitische Maßnahmen
ninger auch getan. Ich verweise wieder auf den sowie durch wirtschaftspolitische Maßnahmen an-
16. Juni 1961. Wir haben damals gesagt: Kein ders, als das bisher der Fall gewesen ist, gefördert
Mensch denkt daran, die Kreditgarantiegemein- würden. Ich denke da vor allem an das Instrument
schaften des Handels, des Handwerks, des Fremden- der Arbeitsgemeinschaften, das immer noch im Zu-
verkehrs- und Gaststättengewerbes und, soweit sammenhang mit der Umsatzsteuer so ein Stiefkind
vorhanden, auch des Gartenbaus zu beseitigen. Im ist. Es kann nämlich passieren, daß, wenn das innere
Gegenteil, ein solches Kopfinstitut, wie wir es Verhältnis der Arbeitsgemeinschaft nicht geklärt
parallel zur Lastenausgleichsbank für die freiberuf- ist, für den Umsatz der Arbeitsgemeinschaft und
lichen Selbständigen wollen — — den Umsatz der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft,
(Zuruf von der CDU/CSU: Zweigleisig!) d h. für ein und dieselbe Leistung, zweimal die Um-
satzsteuer gezahlt werden muß. Solche Maßnah-
— Nein, nicht zweigleisig! Ein solches Kopfinstitut, men sind sicherlich keine Förderung von Selbst-
durch das dann praktisch alles an Programmen ge- hilfeeinrichtungen.
steuert würde, bedient sich genauso, wie es heute
die Ministerien tun müssen, wie es die Länder und Auf der anderen Seite sollten wir uns auch nicht
der Bund tun müssen, der Kreditgarantiegemein- irgendwelchen Entwicklungen von morgen und
schaften und auch der Hausbanken. An den vorhan- übermorgen mit unseren gesetzestechnischen, unse-
denen Organisationen würde sich also nichts än- ren wirtschaftspolitischen, steuerpolitischen und
dern, nicht einmal an ihrer Aufgabenstellung. Aber finanzpolitischen Maßnahmen entgegenstellen. Wir
es würde möglicherweise erreicht werden, Herr sollten nur immer darauf achten, daß alle wie auch
Wieninger — daß dies nicht der Fall ist, haben wir immer gearteten neuen Formen — dabei denke ich
ja alle miteinander bei anderer Gelegenheit einmal nicht zuletzt auch an den Handel, der ja auf dem
beklagt —, daß die Kreditgemeinschaften eben auch Wege ist, sich unter schweren Geburtswehen
nicht mehr zu unterschiedlichen Bedingungen arbei- neue Formen zu erarbeiten — unter einer Voraus-
ten müssen. Das ist noch ein Problem am Rande, setzung stehen, nämlich unter der Voraussetzung
das dann eine Rolle spielt. Deshalb muß man, gleicher Wettbewerbsbedingungen, d. h. vergleich-
meine ich, hier die ausreichende Kreditversorgung barer Belastungen. Keine dieser Formen darf be-
zu erträglichen Bedingungen und die Errichtung vorzugt oder benachteiligt werden.
einer Bundes-Kredit- und Garantiekasse ermög- Schließlich werden wir uns auch überlegen müs-
lichen. sen, ob wir bei solchen gesetzgeberischen Maßnah-
Im übrigen gibt es ja hinsichtlich des sogenann- men noch mit dem Unternehmensbegriff im Sinne
ten modifizierten Personalkredits gar keinen Streit des heutigen Steuerrechts auskommen. Dieser Be-
zwischen uns. Denn es ist eine uralte Erkenntnis, griff erscheint mir im Hinblick auf das Grundgesetz
daß man mit Hilfe der öffentlichen Bürgschaften mehr als fragwürdig. Die Unternehmen sind nämlich
und Garantieerklärungen letztlich das, was man vor sicherlich vom Gehalt und der Größe her völlig
Jahrzehnten in der deutschen Volkswirtschaft und unterschiedlich zu werten. Das gleiche gilt auch für
in den übrigen Volkswirtschaften als reinen Perso- die Umsätze und die Erträge von Unternehmungen
nalkredit gekannt hat, wegen der Gesamtzusam- und Betrieben. In diesem Zusammenhang müßte
menhänge der Währungs- und Wirtschaftspolitik man — das wäre eine gemeinsame Aufgabe — sehr
heute einfach nicht mehr verwirklichen kann. Diese sorgfältig überlegen, ob nicht den verschiedenen
Form der Kredithergabe kann man in dem früheren Funktionen und Aufgaben der Betriebsgrößenklas-
1400 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Lange (Essen)
sen in der Volkswirtschaft angemessene Begriffs- gen in einem größer werdenden Markt zu unser
bestimmungen gefunden werden können. Auch von aller Nutzen sichern und gewährleisten.
hier aus wäre dann die Gleichbehandlung gewähr- Was den Antrag selbst betrifft, so bin ich geneigt,
leistet, und entsprechend dem Grundgesetz würde an Sie, meine Damen und Herren von der Regie-
dann Ungleiches auch ungleich behandelt. Möglicher- rungskoalition, noch einmal die Bitte zu richten,
weise wären wir dann — dafür kann ich im Augen- über den Punkt 1, weil er nur eine Ergänzung des
blick noch kein Patentrezept geben; aber das ist bisher vorgelegten Berichts darstellt, sofort zu be-
sicherlich der Überlegung aller in diesem Hause an schließen und den Punkt 2 den Ausschüssen zu
diesen Fragen Interessierten wert — aus einer Posi- überweisen, und zwar dem Ausschuß für Mittel-
tion heraus, durch die die kleinen und mittleren Un- standsfragen, dem Wirtschaftsausschuß, dem Aus-
ternehmungen und Betriebe bei allgemeinen Maß- schuß für Arbeit und auch dem Ausschuß für Sozial-
nahmen gesetzgeberischer oder politischer Art politik, weil hier auch sozialpolitische Fragen ange-
immer wieder in die Klemme geraten, während die rührt worden sind. Ich wäre also dankbar, meine
Großen, Kapitalstarken davon gar nicht berührt wer- Damen und Herren, wenn Sie sich zu einer solchen
den, ihnen im Gegenteil sogar noch ein entsprechen- Behandlung dieses Antrages bequemen könnten.
der Vorsprung gesichert wird. Ansonsten müßte der Antrag in der Gänze an die
Darüber hinaus sei noch der Hinweis gestattet, genannten Ausschüsse überwiesen werden. Es wäre
daß über das Mittelstandsinstitut an der Kölner und aber nützlich, meine Damen und Herren, wenn wir
Bonner Universität hinaus für die Selbständigen uns auf der Grundlage dieses Antrags zu einem
etwas den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft Gespräch finden könnten, auf der Grundlage dieses
Vergleichbares im Rahmen der Großwirtschaft, auch Antrags, von dem wir sagen: er kann das Ergebnis
durch öffentliche Mittel gefördert, geschaffen wer- haben, daß morgen und übermorgen solche Debat-
den sollte. Es sollte also ein Institut für die Mittel- ten, die aus der Sorge um die Selbständigen in unse-
schichten errichtet werden, um deren Unternehmun- rer Wirtschaft, auf der anderen Seite auch aus der
gen und Betrieben die Erkenntnisse von Wissen- Sorge um die sich ständig verstärkenden Konzen-
schaft und Technik zu vermitteln. trationstendenzen geboren sind, nicht mehr geführt
zu werden brauchen.
Des weiteren sollte die Aufgabe wieder ange- (Beifall bei der SPD.)
packt werden, die Alterssicherung der Selbständigen
auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Man sollte Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort zur
es also nicht nur bei der gesetzlichen Grundlage Begründung des Antrages Drucksache- 384 —
einer Altersversorgung für das Handwerk oder für Punkt 24 c der Tagesordnung — hat Herr Abgeord-
bestimmte Gruppen sogenannter lizensierter Berufe neter Wieninger.
belassen. Mit solchen, auf gesetzgeberischen Maß-
nahmen beruhenden wirtschafts-, finanz- und steuer-
politischen Wirkungen könnten wir auch den Druck Wieninger (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
vom Arbeitsmarkt nehmen, der auf diese kleinen sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag
und mittleren Betriebe ausgeübt wird. Drucksache 384 vom 9. Mai dieses Jahres zielt auf
eine stärkere Berücksichtigung der freien Berufe bei
Wir haben hier also den Versuch gemacht, ein der Vergabe staatlicher Aufträge hin. Wir wollen
Gesetz zu erwirken, das unter ganz bestimmten Vor- die Bundesregierung veranlassen, freiberuflich
aussetzungen Maßnahmen veranlassen kann, die die Tätige bei der Planung, Leitung und Durchführung
Wettbewerbsgleichheit der Selbständigen in Hand- von wirtschaftlichen Maßnahmen der öffentlichen
werk, Handel, Gewerbe, kleinerer und mittlerer In- Hand — vor allem auf dem Bausektor — mehr, als
dustrie und bei den freien Berufen mit der Groß- dies bisher der Fall war, zu fördern. Nach unserer
wirtschaft gewährleisten sollen. Die Wirkung dieser Meinung sollten die Behörden sich keiner Arbeiten
Maßnahmen muß ständig überprüft werden, damit annehmen, die ohne Schwierigkeiten auch von der
es nicht durch einmal eingeleitete oder von selbst freien Wirtschaft bzw. von den freien Berufen erfüllt
sich ergebende Wirkungen solcher Maßnahmen wie- werden können. Das gilt beispielsweise von der
der zu Wettbewerbsverzerrungen kommt; denn die Tätigkeit der Architekten, der Statiker, von Ent-
Wirtschaft ist ein lebendiges Ganzes. Die Wirtschaft wicklungsfachleuten und Technikern. Die zuneh-
ist aber nicht um ihrer selbst willen da, sondern um mende Übernahme solcher Aufgaben durch die
der Existenz der in ihr tätigen Menschen und der öffentliche Hand darf heute als übertrieben bezeich-
Existenz unseres Volkes willen da. net werden. Wir glauben, daß es auch im Interesse
der Verwaltungsvereinfachung liegt, wenn bei den
Wir alle miteinander betonen immer wieder die Behörden Kompetenzen abgebaut werden und sich
gesellschaftspolitische Bedeutung der Selbständigen nicht etwa ausweiten und wie Jahresringe an Bäu-
und ihre Förderungswürdigkeit. Ich meine, eine Re- men wachsen. Zudem halten wir auch dafür, daß
gierung, die diese Auffassung in der 4. Legislatur- die Betrauung von Angehörigen der freien Berufe
periode wiederum kundgetan hat, sollte endlich vom schöpferisch befruchtend wirken würde, so daß z. B.
Wort zur Tat schreiten und in Übereinstimmung mit in der Planung durch die Zuführung neuen Blutes
dem Parlament unter Auswertung aller Erfahrungen und neuer Ideen nur ein Gewinn erzielt werden
in vergleichbaren Industriegesellschaften und -staa- könnte.
ten in der Bundesrepublik gesetzgeberische Grund- Wir haben die Hoffnung, daß die Bundesregierung
lagen schaffen, die die Existenz der Selbständigen in unsere Absicht fördern und daß das Vorgehen des
der Wirtschaft von morgen und auch von übermor Bundes auch bei den Verwaltungen der Länder und
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1401
Wieninger
Gemeinden Schule machen wird. Ich darf Sie bitten, welche Hintergedanken usw. Im übrigen bin
den Antrag an den Ausschuß für Mittelstandsfragen ich der Meinung, daß die Feststellung, eine ge-
— federführend — und an den Ausschuß für Wirt- wisse sozialitische Tendenz könne da sein, doch
schaft — mitberatend — zu überweisen. keine Verdächtigung ist; ich finde im Sozialismus
(Beifall bei den Regierungsparteien.) nichts Unanständiges. Wenn er überholt ist, müs-
sen Sie das hier ganz offen sagen. Wenn man sich
zur gemeinsamen Arbeit bereit erklärt, darf man
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Wir haben dem anderen nicht immer so vieles unterschieben.
eine verbundene Debatte über den Punkt 24 Buch- Herr Kollege Lange, ich mache Ihnen folgenden
staben a, b und c der Tagesordnung vorgesehen. Vorschlag: ich werde Ihr Referat durchsehen und
Wortmeldungen habe ich bis jetzt allerdings nur zu werde Ihnen alle diese behutsamen Kraftausdrücke
Punkt 24 b; das ist der Antrag der Fraktion der SPD. gesammelt zur Verfügung stellen. Dann wollen wir
Herr Abgeordneter Schmücker! uns — wir sind ja nicht nur parlamentarische, son-
(Abg. Schmücken: Insgesamt, Herr Präsident!) dern auch Berufskollegen — darüber einmal unter-
halten.
— Ich habe nichts dagegen. Sie wollen also zu allen
drei Punkten sprechen. Bitte sehr. Das Wort hat der Nun zu den wenigen grundsätzlichen Dingen. Ich
Abgeordnete Schmücker. finde, es ist schon ein sehr wesentlicher Fortschritt,
daß wir uns hier in diesem Hause — eine andere
Schmücker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Meinung wird wenigstens nicht laut — darin einig
Damen und Herren! Es ist trotz vieler Schönheits- sind, daß eine Wirtschaft ohne Klein- und Mittel-
fehler gut, daß dieses Haus hin und wieder eine betriebe nicht existieren kann. Das war keineswegs
Mittelstandsdebatte führt. Nun haben die Debatten immer so. Gerade die deutsche Arbeitnehmerschaft
von Experten es an sich, daß die Beteiligung so- muß ein großes Interesse daran haben, daß vor allen
wohl rechts — links ja immer — als auch sonst hier Dingen die kleinen beruflichen selbständigen Exi-
im Haus ziemlich schwach ist. Aber bei der Mittel- stenzen eine Lebensmöglichkeit haben; die Arbeit-
standspolitik handelt es sich eigentlich gar nicht um nehmer sind doch diejenigen, die dort hineinwach-
eine Sache eines Ressorts. Wie die hier gehaltenen sen können; sie brauchen das nicht zu tun, aber
Reden bewiesen haben, geht die Mittelstandspolitik die Tatsache, daß sie es können, macht sie frei.
quer durch die ganze Politik. Sie bleibt nicht ein-
Der Streit um die Abgrenzung — er wurde hier
mal innerhalb der Wirtschaftspolitik stehen. Es ist
ganz kurz erwähnt — ist auch nach meiner Meinung
wohl gut, wenn wir uns dieser Tatsache immer wie-
müßig, wenngleich ich Ihnen, Herr Lange, recht
der bewußt werden.
gebe, daß man für konkrete Maßnahmen auch Merk-
Ich will nur ganz wenige allgemeine Erklärungen male nötig hat. Wir können hier, wie auch bei an-
abgeben und dann sehr konkret auf die vorliegen- deren Punkten, einiges von den sehr praktischen
den Anträge eingehen. Amerikanern lernen, die bekanntlich fünf Merkmale
aufgestellt haben, von denen zwei erfüllt sein müs-
Herr Kollege Lange, Sie haben uns viele Rat- sen, wenn man in den Genuß der Small-business
schläge gegeben. Sie haben das leidlich nett und Vorschriften kommen will.
freundlich gemacht. Ich habe Ihnen schon vorher ge-
sagt: etwas mehr Feuer, vielleicht 'bekommen wir Herr Kollege Lange, es reizt mich, noch einen
etwas mehr Zuzug von draußen, dann ist es nicht Satz zu sagen zu unserer alten Kontroverse: Stand
so leer hier im Saal. — In einem möchte ich Ihnen oder Schicht? Ich möchte nämlich die Behauptungen
klar und deutlich widersprechen. Ich bin zwar der ausräumen, wir hingen, wenn wir „Mittelstand"
Meinung, daß es nicht erlaubt ist, irgendwelche sagen, veralteten berufsständischen Vorstellungen
weltanschaulichen oder, wie Sie sagen, ideologi- in Schuschnigg- oder Dollfuß-Art an. Es ist gut,
schen Vorwände zu benutzen, um sich aus einer daß die Auseinandersetzung darüber nicht mehr so
sachlichen Kalamität herauszuwinden. Aber ich bin stark wie früher ist; aber die Behauptung ist nicht
nicht der Auffassung, daß die Wirtschaft ohne Zu- ganz ausgeräumt. Ich möchte daher für uns noch
sammenhang mit einer weltanschaulichen Grund- einmal sagen: wir haben den herkömmlichen Be-
haltung betrachtet werden kann. griff Stand genommen, weil er für die Menschen
(Beifall bei der CDU/CSU.) etwas bedeutet und weil er sich dem Wandel der
Zeit angepaßt hat. Sie von der SPD haben sich nach
Ich gestehe Ihnen ohne weiteres zu, daß Sie z. B. Ihrem neuen Programm doch auch nicht umgetauft,
in Ihren Reihen den Sozialismus weithin aufgege- Herr Kollege Lange. Das Wort „Stand" bedeutet,
ben haben. Aber wir können Ihnen nicht so weit daß der eine neben dem anderen steht, daß sie
entgegenkommen, daß wir die unsererseits festge- nebeneinander stehen. Bei dem Wort „Schicht" habe
legte weltanschauliche Bindung nunmehr auch auf- ich immer den Eindruck, daß hier „von oben nach
geben. unten" die Rede ist.
(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)
Dort also sind gewisse Wertvorstellungen. Sie
Sie halben weiter auf die gemeinsame Arbeit an- meinen das nicht so, daß weiß ich wohl. Aber ich
gespielt. Sie ist notwendig, und wir sind dazu be- möchte ausdrücklich sagen, daß es nach meiner Mei-
reit. Ich würde keineswegs bei den von Ihnen an- nung unfair wäre, wenn man uns weiterhin unter-
geführten Punkten sagen: Ach Gott, ihr kommt stellen wollte, daß wir mit dem bewußten Festhalten
spät; das macht ihr anders, hier habt ihr irgend- an dem Wort „Mittelstand" irgendwelche veralteten
1402 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Schmücker
Vorstellungen verknüpften. Nein, meine Freunde, haben, habe ich vor einigen Jahren im Finanz- und
wir sind von der Einheit der Wirtschaft fest über Steuerausschuß verfochten, aber ich habe mich
zeugt und haben das hier immer wieder betont. gegen Ihre Kollegin — ich glaube, es war Frau
Beyer — nicht durchsetzen können. Ich hoffe, daß
Ich möchte auch hier sagen: alle Sorgen des wir nun noch einiges erreichen. Wir haben ferner
Mittelstandes sind irgendwie gleichzeitig auch Sor- die Gewerbeordnung novelliert, und es war eine
gen der Gesamtwirtschaft. Wir sprechen im Mittel- umfangreiche Novelle. Es kamen die Neufassungen
stand über die Belastung der lohnintensiven Be- des Arznei- und des Apothekengesetzes, die Berufs-
triebe. Ach, es gibt in der Großwirtschaft sehr viele gesetze; ich will sie gar nicht alle einzeln aufzäh-
Bereiche, die die gleichen Sorgen haben. Ich brauche len. Besonders möchte ich an die Einrichtung des
nur an den Bergbau zu erinnern. Wir sprechen über Mittelstandsinstituts bei den Universitäten Köln
Umsatzsteuerfragen. Diese Fragen gehen die Groß- und Bonn erinnern. Das ist doch nicht etwa wenig,
wirtschaft oder die mittlere Wirtschaft — wie Sie sondern man muß feststellen, daß dieses Parlament
wollen — in gleicher Weise an. Ja, es ist nicht ein- in Rede und Gegenrede und zusammen mit der Re-
mal möglich, zwischen den mittelständischen Grup- gierung eine umfangreiche Arbeit geleistet hat.
pen eine Abgrenzung zu finden. Handwerk, Handel,
Gewerbe, Industrie, selbst die freien Berufe, — das Darüber hinaus: es muß doch auch als Erfolg ge-
geht ineinander über. Es ist gar nicht möglich, da wertet werden, daß die absolute Zahl der beruflich
eine klare Abgrenzung zu finden. Es ist auch gar Selbständigen seit 1956 wieder im Steigen begriffen
nicht notwendig. Wir müssen nur dafür sorgen, daß ist. Leider sind in einzelnen Bereichen zwar auch
die Berücksichtigung des selbständigen Unterneh- Abgänge zu verzeichnen, aber ich halte das mehr
mertums, ich möchte sagen, der Unternehmen aller für eine Folge des Organisationsrechts als für einen
Betriebsgrößen überall erfolgt: bei den Steuern, Schwund innerhalb dieses Bereiches. Wir können
Finanzen, in der Sozialpolitik, Wirtschaft, bis hinein feststellen, daß z. B. die Zahl der selbständigen
in das Unternehmensrecht. Handwerker zurückgegangen ist, daß aber bei der
Gesamtstatistik der Dienstleistungen ein Zugang
Ich würde es richtiger finden, daß man, statt ein vorhanden ist. Das liegt eben daran, daß ein Teil
Gesetz zur Förderung der Mittelschichten zu machen der neuen Existenzen nicht mehr zum Handwerk
— ich komme gleich im einzelnen darauf —, die gehört. Daraus ergeben sich sehr wichtige Fragen.
Regierung auffordert, bei jedem Gesetz, das sie ein- Aber die wesentliche Feststellung ist doch die, daß
bringt, sich wenigstens in einem kurzen Passus da- die Zahl der Selbständigen seit 1956, zwar nicht in
zu zu äußern, wie sich das Gesetz auf die mittlere sehr bedeutenden Größenordnungen, aber
und kleinere Wirtschaft auswirkt. Ich glaube nicht, - doch
ständig im Wachsen begriffen ist.
daß es möglich ist, in einem Spezialgesetz die
breiten Fächer anzusprechen. Mittelstandspolitik Ich komme zu dem Antrag der SPD. Herr Lange,
geht in alle Bereiche. Es gibt überhaupt kein Ressort Sie haben den Wunsch geäußert, den ersten Absatz
— nicht einmal das Außenministerium —, das dabei hier sofort zu verabschieden. Wenn es uns gelingt,
ausgeschlossen sein könnte. So hat die CDU/CSU in der Zwischenzeit eine Kürzung durchzuführen,
es gehalten, und wir sind froh darüber, daß sich würden wir einverstanden sein. Aber vielleicht ist
viele unserer Vorstellungen auch in anderen Be- es richtiger, daß sich der Mittelstandsausschuß mor-
reichen durchgesetzt haben. Wir bestreiten gar nicht, gen oder jedenfalls so schnell wie möglich zusam-
daß wir auch Anregungen von anderen Seiten be- mensetzt; denn wir sehen ein, daß der erste Absatz
kommen haben. nur dann Sinn hat, wenn er sofort verabschiedet
wird.
Aber eines möchte ich mit Bezug auf die viel
geschmähte „absolute Mehrheit" sagen: die „Un- Aber, Herr Kollege Lange, in diesen Antrag ist
tätigkeit" — Sie sagten wörtlich: „diese Bequem- doch einiges hineingepackt, das etwas mehr besagt
lichkeit" — kann doch wohl nicht allzu groß als das, was Sie hier ausgedrückt haben. Sie haben
gewesen sein. Darf ich einmal im Telegrammtempo gesagt, es sei lediglich die Fortsetzung der bisheri-
nur die wesentlichen Gesetze aufzählen, die in der gen Berichte angestrebt. Insoweit einverstanden.
letzten Legislaturperiode gemacht worden sind. Es Aber beim Durchlesen des umfangreichen Textes
begann mit der Verbesserung der Einkommens- kommt doch etwas zum Vorschein, was Sie als, ich
besteuerung. Dann kam die Senkung durch Erhö- will einmal sagen, „ärgerlich" bezeichnet haben,
hung der Freibeträge, es kamen die 10. und 11. Um- nämlich unsere Befürchtung, hier werde so eine Art
satzsteuernovelle, es kam die Erhöhung der Frei- Grauer oder Grüner Bericht angestrebt. Wir meinen,
beträge bei der Vermögensteuer, die Erhöhung des daß es nicht genügt, das Verhältnis der Selbstän-
Freibetrages bei der Gewerbesteuer. Wir haben die digen zu den übrigen Bevölkerungsgruppen festzu-
Konzentrations-Enquete veranlaßt. Wir haben hier stellen, sondern daß es innerhalb der Gruppen der
die schwierige Altersversorgung des Handwerks
Selbständigen sehr viel zu untersuchen gibt. Vor
durchgefochten. Wenn auch viele Gesetze mit Zu-
allen Dingen müssen wir immer wieder den Gesamt-
zusammenhang herstellen. Vielleicht liegen wir da
stimmung des gesamten Hauses verabschiedet wor-
auch gar nicht weit auseinander. Dann dürfte es um
den sind, so war es doch in weiten Kreisen eine
so einfacher sein, in einer knappen Formulierung
widerstrebende Zustimmung; wenigstens die Aus-
das durchzusetzen, was Sie hier als „Fortsetzung"
schußberatungen haben sich als außerordentlich
der bisherigen Berichte vorgeschlagen haben.
schwierig erwiesen. Herr Kollege Lange, was Sie
vorhin an Grundsätzen für die besondere Betrach- Sie haben dann gesagt, daß man auch sehr viel
tung der verschiedenen Umsatzgrößen dargelegt vom Ausland lernen könne. Sie haben hier den
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1403
Schmücker
Small Business Act angeführt. Nun, auch wir sind lichungen zu verweisen. Aber wir müssen uns dann
ja mit einigen Kollegen drüben gewesen und haben bekennen.
die Lage untersucht. Wir müssen feststellen, daß Aber nun darf ich Ihnen, da Sie Ihrerseits uns
eine Übernahme für unsere Verhältnisse nicht mög- so wohlmeinende Ratschläge gegeben haben, ein-
lich ist. mal einen Rat geben. Ich meine das ernstlich und
Aber eine Konsequenz sollten wir ziehen. Das kollegial. Ich vertrete nicht den Standpunkt, daß
besagt vor allem unser Antrag, der vom Kollegen ein Abgeordneter in der Lage ist — ich denke da an
Wieninger zum Schluß noch begründet worden ist. die Anrede, die Herrn Kollegen Leber hier wider-
Wir sollten die Konsequenz ziehen, daß eine viel fuhr, als er als Gewerkschaftsführer angesprochen
stärkere Beteiligung der Selbständigen, der Frei- wurde —, exakt zwischen 'den einzelnen Funktionen
beruflichen und der kleinen Unternehmen an der zu trennen, in denen er gerade tätig ist; er muß
Vergabe von öffentlichen Aufträgen durchgesetzt vielmehr seine politische Glaubwürdigkeit an allen
wird. Das ist die wesentliche Aufgabe der Small Plätzen unter Beweis stellen. Wir bemühen uns 'da-
Business Administration. Dabei muß die Finanzie- her, auch in unseren Gesprächen mit der Groß-
rung sichergestellt werden. Drüben gibt es nicht das wirtschaft und mit den gewerkschaftlichen Freun-
Kreditsystem, wie wir es haben. Wenn wir etwas den darauf hinzuweisen, daß man auch in der Ar-
übernehmen, können wir das nur mit unserem beit, die nichts mit dem Parlament zu tun hat, die
System tun. man als vorparlamentarisch bezeichnet, 'die politi-
Zum zweiten haben Sie einen Gesetzentwurf zur sche Gesinnung deutlich machen muß.
Förderung der Mittelschichten vorgeschlagen. Dieser Da haben auch Sie doch etliche Möglichkeiten. Ich
Gesetzentwurf, Kollege Lange, soll all das enthalten,
weiß, daß es für Sie nicht leicht ist. Vielleicht haben
was Sie hier aufgezählt haben. Das geht doch gar
Sie in Ihrer Fraktion schon einmal darauf hingewie-
nicht. Es ist doch erforderlich, bei den entsprechen-
sen. Aber wenn zum Beispiel in Bremen — da
den Gesetzen jeweils das oder ein Teil von dem zu
haben wir leider nichts zu sagen — eine große
tun, was Sie hier vorgeschlagen haben. Man kann
Siedlung gebaut wird — Sie kennen die Herren, die
doch nicht einen Gesamtgesetzentwurf zur Förde-
die Geschäfte dort führen — und es den selbständi-
rung der Mittelschichten ausarbeiten und dabei
gen Einzelhändlern gegen die Verfassung zugemu-
etwa die Frage des Wettbewerbs anschneiden. Das
tet wird, ein begrenztes Sortiment zu führen, wäh-
gehört doch ins Kartellrecht. Ich habe mich über
rend die Konsumgenossenschaften machen können,
diese Formulierung sehr gewundert. Aus Ihren Aus-
was sie wollen, haben Sie in der Tat, so meine ich,
führungen ging aber hervor, daß Sie in der Tat -
einen einheitlichen Gesetzentwurf zur Förderung Möglichkeiten, dort, wo Sie Verantwortung haben
der Mittelschichten wollen und in diesem Gesetz- — ich sage nicht: parlamentarische Verantwor-
entwurf alles das behandelt, ja sogar geregelt wer- tung —, einmal zu beweisen, daß es Ihnen ernst
den soll, was natürlicherweise in Spezialgesetze ge- damit ist, das selbständige Unternehmertum als mit
hört und bei der Beratung solcher Gesetze diskutiert allen anderen gleichberechtigt anzusehen. Wir kön-
werden muß. nen nicht sagen, daß marktbeherrschende Unterneh-
men etwa nur gewisse große Kapitalgesellschaften
Ich will einmal davon absehen, daß dieser Ge- seien. Ich finde, daß man da auch an andere Be-
samtgesetzentwurf natürlich nicht unsere Zustim- reiche zu denken hat.
mung finden kann, weil wir meinen, daß es nicht
zweckdienlich ist, so zu verfahren. Wenn Sie Ihren Ich habe noch eine andere unschöne Nachricht aus
Antrag so auffassen, daß hier vordringliche oder der Nähe von Bremen. Bei Verabschiedung unseres
wichtige Maßnahmen aufgezählt worden sind, kön- Baugesetzes hat man noch schnell eine Sondersit-
nen wir uns im Ausschuß darüber verständigen. Es zung gemacht und dann einem großen Kaufhaus
wäre eine gute Sache, wenn man einen solchen eine Baugenehmigung erteilt. Die Stadt hat eine ab-
Katalog im Mittelstandsausschuß erarbeiten könnte. solute sozialdemokratische Mehrheit! Herr Lange,
Aber bitte: dann sich bei den jeweiligen Gesetzen Sie müssen sich solche Hinweise schon gefallen las-
bemühen, die Maßnahmen zu treffen, die nötig sind! sen und sollen sich auch einmal bemühen, daß so
etwas nicht passiert. Gechieht das, so geben wir
Ich darf nun zu einigen Einzelheiten kommen. Da Ihnen gern das Recht, mit uns darüber zu streiten.
heißt es: „die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit
der Selbständigen, ihrer Betriebe und Unternehmen Sie haben einiges zu den Wettbewerbsnachteilen
stärken". Einverstanden! Weiter: „deren Wettbe- aus Steuer und Sozialgesetzgebung gesagt. Darüber
-
werbsmöglichkeiten gegenüber marktbeherrschen- wird noch einer meiner Kollegen sprechen. Wir sind
den Unternehmen sichern". Wir werden im Herbst, nach den Debatten der letzten Jahre zu der Über-
wenn die Kartellnovelle kommt, Gelegenheit haben, zeugung gekommen, daß in der Tat — wie soll ich
nicht nur zu der Frage der marktbeherrschenden mich ausdrücken? — der unterschiedliche Kapital-
Unternehmungen, sondern dann auch zur Frage der druck, also die unterschiedliche Belastung des Ka-
Preisbindung zu sprechen. Dann werden wir rufen: pitals, einer der Hauptgründe für die Benachteiligung
Hic Rhodos, hic salta! Aber ich wollte nicht auf den der kleinen und mittleren Unternehmen ist. Wir
Bundeswirtschaftsminister anspielen; er ist zur Zeit werden dieses Problem sicherlich über eine bessere
auf Rhodos. Aber wir werden dann genötigt sein, Kreditversorgung, auch über eine unmittelbare Ver-
endgültig zu sagen, wie wir zu den Problemen ste- besserung der Steuergesetzgebung mildern können.
hen. Ich selber habe nie einen Hehl aus meinem Sie erwähnten den „Mittelstandsbauch". Ich erin-
Standpunkt gemacht; ich brauche nur auf Veröffent nere daran, daß wir hier in der dritten Lesung des
1404 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Schmücker
Haushalts schon einige konkrete Vorschläge zu sei- kampf dieser Programmpunkt eine große Rolle ge
ner Beseitigung gemacht haben. spielt hat. Wir meinen, daß mit dem Universitäts-
Ich bin mit Ihnen einverstanden, daß hier viel ge- institut Köln-Bonn von uns ein Anfang gemacht
tan werden kann. Aber dem Kern kommen wir so worden ist. Es wäre sicherlich nützlich, wenn an-
noch nicht bei. Wir müssen dafür sorgen, daß ins- dere Universitäten etwas Ähnliches machten oder
gesamt das Kapital unter einen gleichen Druck ge- wenn es zu einer Zusammenarbeit der vielen be-
stellt wird, gleichgültig, ob der Inhaber dieses Kapi- stehenden Institute käme. Aber Sie schlagen hier
tals ein Großaktionär oder ein kleiner Unternehmer vor, Kollege Lange, daß eine Art Max-Planck-Insti-
oder gar die öffentliche Hand ist. tut für die mittlere Wirtschaft geschaffen wird. Das
halte ich für unmöglich, denn die Wirtschaft ist eine
Aber mit Sondermaßnahmen ist es so eine Sache. Einheit. Man kann nicht Erkenntnisse nur für eine
Ich darf daran erinnern, daß wir lange Zeit über Größenordnung vermitteln. Sie können das Fach-
eine Berücksichtigung der mitarbeitenden Ehefrau schulwesen und viele andere Einrichtungen fördern.
bei der Einkommensteuer diskutiert haben. Dann Aber angesichts der Vielfältigkeit der gesamten
kam das Splitting, und das Thema war vom Tisch, mittelständischen Wirtschaft, in der sich alles, nur
d. h. also, alle bekamen diesen Vorteil. in kleineren Abmessungen wiederholt, was in der
Nun möchte ich Sie einmal fragen: Wie stellen Gesamtwirtschaft vorgeht, halte ich es für sinnlos,
Sie sich das mit dem Arbeitnehmerfreibetrag vor, ein spezielles Institut der von Ihnen bezeichneten
den Sie bei jeder Debatte vorschlagen? Wenn er Art zu errichten. Sie können wohl die bestehenden
käme, wäre es doch ungerechtfertigt, wenn die an- Institute auffordern, ihr Augenmerk auf die Bedürf-
deren nicht auch einen solchen Freibetrag bekämen. nisse und Belange auch der mittleren Wirtschafts-
Wenn die anderen ihn aber auch bekommen, brau- kreise zu richten; aber ein neues Institut? Wie
chen wir ihn nicht einzuführen, sondern dann kön- sollte es mit den anderen Instituten zusammenar-
nen wir dasselbe über den Tarif erreichen. Sie wol- beiten? Wie gesagt, wir sind gern bereit, uns mit
len doch nicht sagen — Herr Seuffert vertritt die- Ihnen im Ausschuß darüber zu unterhalten. Ich
sen Standpunkt immer wieder —, daß der Arbeit- meine, wenn es nur gelingt, die vielen bestehenden
nehmer keine Möglichkeit habe, während der Selb- Institute zur Zusammenarbeit zu bringen, haben
ständige z. B. zu irgendwelchen Kongressen fahren wir schon etwas Gutes fertiggebracht,
und dabei so nebenbei einiges an Steuerbegünsti-
gungen für private Zwecke in die Tasche stecken Der Gesetzentwurf soll weiter „die Alterssiche-
könne. Die Chancen haben sich bei der heutigen rung der Selbständigen auf gesetzliche Grundlagen
Arbeitsmarktlage weitgehend geändert. Ich habe stellen". Hoffentlich wird es nicht ganz so - schwer
nicht gesagt, daß ich gegen einen Arbeitnehmerfrei- wie bei der Altersversorgung des Handwerks.
betrag bin; ich habe nur gesagt: wenn man jeweils Darum haben wir uns acht Jahre mühen müssen.
einzelnen Gruppen etwas gibt, einmal den Arbeit- Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß
nehmern, einmal diesen und jenen, dann soll man „insoweit" — das ist der Standardausdruck von
alles gleichschalten und eine einheitliche Regelung Herrn Lange — die Mittelstandsgruppe innerhalb
über den Tarif treffen. der CDU/CSU sich klar durchgesetzt hat. Wir haben
auf dem Parteitag in Dortmund einen Beschluß ge-
Es bleibt eine Aufgabe, die Investitionen im Mit- faßt, der die Möglichkeit eröffnen soll, daß die
telstand zu fördern. Das ist nicht mit kleinen Frei- Selbständigen an der Sozialversicherung teilneh-
beträgen und ähnlichen Dingen zu machen. Dazu ist men. Ich habe immer diesen Standpunkt vertreten;
vielmehr eine Gleichstellung des Sparens im eige- ob er richtig ist, war in unseren Reihen strittig.
nen Betrieb — das ist doch die Investition im Mittel-
stand — mit anderen Sparformen notwendig. Sie Eine Umfrage, die wir organisiert hatten, hat er-
entsinnen sich, daß wir, zwar nicht als Gesamtfrak- geben, daß die meisten — vor allen Dingen die
tion, aber in einer kleinen Gruppe, immer wieder kleineren — Selbständigen die Hauptfrage haben:
einen dahin gehenden Versuch gemacht haben. Lei- Wann kann ich aufhören, wann kann ich mit An-
der haben wir beim Finanzministerium bisher keine stand aufhören? Ich verweise auf die erhöhte
Gegenliebe gefunden. Auf die Dauer ist es unmög- Lebenserwartung, auf die Schwierigkeiten beim
lich, daß die Sparvorgänge je nach ihrer Art unter- Erbübergang. Es ist dringend notwendig, daß wir
schiedlich begünstigt werden. Ich bleibe dabei: was als Mittelständler nicht nur die ohnehin schwache
man früher nichtentnommenen Gewinn nannte, ist Rolle eines Arbeitgebers übernehmen, sondern daß
nichts anderes als Sparen im eigenen Betrieb. Dieses wir sozialpolitisch vor allen Dingen auch die Frei-
Sparen muß begünstigt werden. beruflichen und die kleinen Selbständigen, die kein
Betriebsvermögen bilden können, in unsere Betreu-
(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)
ung nehmen. Wir sollten das Bundesarbeitsministe-
Mit den beiden nächsten Punkten in Ihrem An- rium bitten, uns baldmöglichst Vorschläge hierfür
trag sind wir einverstanden. zu machen. Aber auch in unseren eigenen Reihen,
d. h. in den zuständigen Ausschüssen, sollten wir
Nun wieder eine Frage, auf die wir gern eine
uns bemühen, in einer eingehenden Aussprache
Antwort hätten. Sie verlangen, der Gesetzentwurf
einen gangbaren Weg ausfindig zu machen.
solle „Voraussetzungen für ein leistungsfähiges In-
stitut der Mittelschichten schaffen, und den Selb- Meine Damen und Herren, die Sache ist außer-
ständigen, ihren Betrieben und Unternehmen die ordentlich schwierig; darüber sind wir uns alle klar.
Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik zu ver- Denken wir nur an die ersten begeisterten Vor-
mitteln". Ich entsinne mich, daß auch im Wahl schläge, das alles in Selbstverwaltung zu machen!
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1405
Schmücker
Die versicherungsmathematischen Voraussetzungen in diesem Antrag angeschnitten sind, nicht durch
sind ja gar nicht gegeben. Man weiß nie, wie sich einen Gesetzentwurf lösen lassen. Es ist schon
dieser Kreis entwickelt. Bei den breiten Schichten schwer, überhaupt den Begriff „Mittelstand" oder
der Arbeitnehmerschaft weiß man, daß immer ein „Mittelschichten" zu umreißen; denken wir doch nur
natürlicher Zugang da sein wird. Man kann aber an den Einzelhandel, an den Großhandel, an das
nie sagen, ob die Zahl der Selbständigen in 10 Jah- Handwerk und an die Landwirtschaft; denken wir
ren nicht etwa doppelt so groß ist; sie kann auch an die freien Berufe, an große Teile der Unselbstän-
um eine Million abgenommen haben. Das kann kein digen, Beamte, Angestellte und Facharbeiter. Man
Mensch voraussagen. Darum ist eine Lösung in könnte fast von einem selbständigen bzw. unselb-
Selbstverwaltung, oder wie man es ausdrücken ständigen Mittelstand sprechen.
mag, nach meiner Meinung ausgeschlossen. Man All diese Probleme durch einen Gesetzentwurf zu
muß eine andere Form in Anlehnung an die be- lösen, scheint uns einfach unmöglich zu sein. Wir
stehenden Institute finden. sind der Meinung, daß nur spezifische gezielte Maß-
Der Schlußsatz des Antrages, meine Damen und nahmen die Situation des Mittelstandes verbessern
Herren, steht etwas in Widerspruch zu einigen Aus- können. Ich hoffe, daß wir uns alle darüber einig
führungen des Kollegen Lange; denn er hat Wert sind, daß eine Verbesserung eintreten muß. Ich
darauf gelegt, daß im Mittelstand durchaus gesunde, glaube allerdings, daß in der Vergangenheit Bund
solide Unternehmen sind. Ich finde das sehr richtig. und Länder oft den Mittelstand benachteiligt haben,
Hier heißt es, daß den Arbeitnehmern gleiche so- beginnend mit der unsozialen Entwertung der Le-
ziale Bedingungen ermöglicht werden sollen wie in bensversicherungen, in deren Folge gerade viele
der Großwirtschaft. Nun, in weiten Bereichen des Mittelständler, ihrer Altersversorgung beraubt, im
Mittelstandes sind diese gleichen Bedingungen vor- höchsten Alter gezwungen wurden, die Arbeit wie-
handen. Wir sollten uns bei der gesamten Sozial- deraufzunehmen. Wer durch Schaffung von Haus-
politik immer wieder darum bemühen, daß wir das besitz Eigenvorsorge getroffen hatte, durfte, falls
kleine Unternehmertum sozial wettbewerbsfähig sein Haus stehenblieb, durch Lastenausgleichszah-
halten. Das ist das Richtige und nicht der andere lungen wiederum einen Teil seiner Altersversor-
Weg, auf dem immer wieder alles zurückgeschoben gung für die Allgemeinheit opfern. In der schwer-
wird, weil man glaubt, man habe es mit Sonder- sten Zeit des Wiederaufbaus mußte dann der Mittel-
belastungen zu tun, die so oder so in der gesamten stand aus Dankbarkeit noch Investitionshilfe für die
Kalkulation nicht aufgehen, aber doch in Zusam- Großindustrie zahlen. Wir sind der Meinung, daß
menhang mit ihr gesehen werden müssen. gewiß nach der völligen Demontage der Wirtschaft
dieser Weg richtig war, um die Wirtschaft zunächst
Zu Einzelfragen werden noch Kollegen von mir
einmal wieder anzukurbeln. Es war richtig, dieser
sprechen. Großwirtschaft auch Starthilfe durch Abschreibungs-
Ich möchte vorschlagen, daß wir uns bemühen, möglichkeiten zu geben. Mittlerweile ist aber dieser
heute oder aber im Mittelstandsausschuß eine kür- Start geglückt, und es wäre nun endlich einmal an
zere Formulierung für den ersten Absatz zu finden; der Zeit, ernsthaft zu überprüfen, ob die Abschrei-
dann würden wir zustimmen. Im übrigen beantra- bungsmöglichkeiten in dieser Form zur Zeit noch
gen wir Überweisung an den Mittelstandsausschuß, angebracht sind.
der eine dankbare und wichtige Aufgabe erfüllt,
wenn er diesen Antrag und die übrigen Anregun- Ich möchte fast sagen: Der Mittelstand hat in der
Vergangenheit, wie man so sagt, immer stillgehal-
gen berät.
ten; aber gedankt hat man dem Mittelstand das ge-
(Beifall bei der CDU/CSU.) duldige Stillhalten schlecht. Wie ich schon sagte,
sind in der Vergangenheit allzuoft Behelfs- und
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat Verlegenheitslösungen insbesondere auf dem Wege
der Abgeordnete Opitz. der Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik zu Lasten des
Mittelstands gefunden worden. Darum ist es auch
Aufgabe dieses Hauses, sich Gedanken darüber zu
Opitz (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und machen und Maßnahmen zu ergreifen, um die un-
Herren! Nach den Ausführungen meiner Herren gerechtfertigte und einseitige Belastung vom Mittel-
Vorredner kann ich mich wohl entschieden kürzer stand zu nehmen.
fassen. Wir glauben nicht, daß der Antrag der Frak-
Der Mittelstand will allerdings keine staatlichen
tion der SPD zur Förderung der Mittelschichten in
Subventionen, und er will auch keine Sonderrechte.
dieser Form im Moment eine wirkliche Hilfe für
Er will nur eine gleiche Startmöglichkeit, er will
den Mittelstand darstellt. Wir sind nicht der Mei-
nur gleich behandelt werden wie andere Wirt-
nung, daß ein jährlich neu zu erstellender Bericht
schaftszweige.
diesem Mittelstand einen wirklichen Gewinn brin-
gen würde; dafür sind ein oder zwei Jahre, wie wir Die Koalitionsparteien haben den Antrag zur
glauben, zu kurz. Wir wissen, daß sich die Situation Kreditversorgung des Mittelstandes eingebracht,
des Mittelstandes in den letzten zwei Jahren nicht weil infolge der geschilderten Verhältnisse eine
verbessert hat. Wir haben die Befürchtung, daß die Eigenkapitalbildung beim Mittelstand in den selten-
Ministerien durch die enorme Arbeit, die solche Be- sten Fällen möglich war und weil die Bankguthaben
richte mit sich bringen, gar nicht mehr zu ihrer des Mittelstands durch die Währungsreform auf
eigentlichen Aufgabe kommen. Vor allen Dingen 10 % reduziert wurden. Wir denken vor allen Din-
glauben wir, daß sich die vielfältigen Probleme, die gen an Darlehen zur Umschuldung überhöhter kurz-
1406 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Opitz
fristiger Verbindlichkeiten des Mittelstandes, und den Mittelstand herauskommen zu einer Verwirk-
wir glauben, daß ERP-Mittel nicht nur für Investi- lichung, zu einer Aktivierung einer gesunden Mittel-
tionen, sondern auch für eine gewisse Lagerhaltung standspolitik.
gewährt werden sollten. Vor allen Dingen aber Das Kindergeld muß selbstverständlich Zug um
geht es uns darum, eine Verbesserung der Kredit- Zug auf allgemeine Steuermittel übernommen wer-
möglichkeiten bei der Existenzgründung junger den. Es ist dem Mittelstand nicht mehr zuzumuten,
mittelständischer Unternehmungen zu erreichen. Die die Belastung durch das Kindergeld allein für die
Schwierigkeiten der Kreditversorgung des Mittel- ganze Bundesrepublik zu tragen. Maßnahmen gegen
standes liegen meiner Meinung nach nicht nur an eine zu starke und nicht notwendige Konzentration
den fehlenden Mitteln, sondern vor allen Dingen müssen ergriffen werden, um den Mittelstand über-
auch bei der Schwierigkeit des Antrags- und Zutei- haupt zwischen den Betrieben der Großwirtschaft
lungsverfahrens und bei der Absicherung. konkurrenzfähig zu erhalten. Sie müssen ergriffen
Entschuldigen Sie, aber es wundert mich eigent- werden, bevor dieser Mittelstand zwischen den
lich, daß es noch nicht den Beruf des Zuschuß-, Machtgebilden der Wirtschaft zerrieben wird. Ich
Kredit- oder Bürgschaftsberaters für geplagte mittel- will die Probleme jetzt nicht im einzelnen ausdisku-
ständische Betriebe gibt. Die Finanzierungshilfe ist tieren. Dazu ist in den Ausschüssen ausgiebig Ge-
nach unserer Meinung viel zu sehr zersplittert. legenheit gegeben.
Wenn wir daran denken, daß 1961 die Mittel allein Ich will nur noch einmal an die Probleme der
zur Produktivitätssteigerung im Mittelstand aus Steuer- und Finanzreform erinnern, insbesondere an
sechs verschiedenen Programmen stammten, muß die Umsatz- und Gewerbesteuer und an die Wett-
uns klar werden, daß hier eine Koordinierung, eine bewerbsnachteile, die durch die Sozialgesetzgebung
Vereinfachung erfolgen muß. Mittel und Wege müs- bei den lohnintensiven Betrieben entstanden sind.
sen gefunden werden, die es dem Normalverbrau- Jede dieser Fragen bietet Stoff und ist Grundlage für
cher, dem gewöhnlichen Sterblichen ermöglichen, in Diskussionen über Stunden. Wir werden uns in Zu-
den Genuß dieser Mittel zu gelangen. Dazu müßten kunft damit zu befassen haben.
die Kreditgemeinschaften durch Übernahme von
Wenn Sie mit mir den Standpunkt vertreten, daß
Bundesbürgschaften weiter gefördert sowie gege-
benenfalls durch ERP-Kredite für den Haftungsfonds ein gesunder, wettbewerbsfähiger Mittelstand mit
die Grundlage einer freiheitlichen demokratischen
weiter unterstützt werden.
Entwicklung ist — und wenn wir über den Eisernen
Wir hoffen des weiteren, daß dieses Hohe Haus Vorhang schauen, dann bestätigt sich doch die Rich-
mit uns bereit sein wird — es ist heute schon ange- tigkeit dieser These —, dann ergeben sich aus dieser
klungen —, im nächsten Jahr den Mittelstands- Feststellung auch für Sie gesellschaftspolitische Richt-
bogen bei der Lohn- und bei der Einkommensteuer sätze, die auf keinem Gebiet der Politik zugunsten
zu beseitigen, und daß damit dann eine erhebliche anderer gesellschaftspolitischer Zielsetzungen ver-
Entlastung für die mittelständischen Betriebe, für die nachlässigt werden dürfen.
mittelständischen Einkommen schlechthin eintritt.
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Dieses Haus wird noch Gelegenheit genug
haben, seine Mittelstandsfreudigkeit unter Beweis Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
zu stellen, nämlich dann, wenn es darum geht, bei der Herr Abgeordnete Porten.
kommenden Gesetzen und Änderungen zu verhin-
dern, daß weitere starke Belastungen für den Mittel-
stand auftreten, Belastungen, die im voraus die ge- Porten (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da-
m en und Herren! Gestatten Sie mir, in Ergänzung
planten Erleichterungen nichtig machen würden. Ich
denke dabei vor allen Dingen an das Problem der dessen, was Herr Kollege Schmücker zu der im SPD-
Antrag enthaltenen Forderung, die Alterssicherung
Lohnfortzahlung. Ich denke an die Gefahren, die
sich aus einer arbeitsrechtlichen Lösung ohne Aus- der Selbständigen auf eine gesetzliche Grundlage
gleich für die Betriebe ergeben. Hier könnte sich zu stellen, dargelegt hat, folgende zusätzliche Be-
merkungen.
etwas entwickeln, was meiner Meinung nach zu
einer Existenzfrage für viele mittelständische Be- Für Handwerk und Landwirtschaft sind bereits
triebe werden könnte. Mein Wunsch geht dahin, gesetzliche Regelungen getroffen. Sie entsprechen
daß auch bei den sozialpolitischen Entscheidungen den besonderen Verhältnissen dieser Gruppe. Für
die Mittelstandsfreudigkeit dieses Hauses anhält die übrigen Kreise besteht hier zweifellos ein
und daß wir auch dann die Förderung des Mittel- ernstes Problem. Besonders brennend ist dabei die
standes im Auge haben wie heute. Frage der nicht mehr versicherungsfähigen älteren
Selbständigen, die durch zwei Inflationen das für
Wenn wir all das, was wir heute planen und ver-
die Alterssicherung bestimmte Vermögen ganz oder
sprechen, in die Tat umsetzen wollen, scheint mir
weitgehend verloren haben. Ich möchte aber auf
des weiteren entscheidend zu sein, daß wir der Re-
diesen weiten, sehr wichtigen Fragenkreis heute
gierung die Möglichkeit dazu lassen. Wir dürfen
nicht im einzelnen eingehen; denn der Antrag der
nicht weiterhin neue Belastungen auf diesen Etat
SPD zielt offenbar auf eine dauerhafte gesetzliche
packen. Wir dürfen nicht selber durch Augenblicks-
Regelung zugunsten der noch versicherungsfähigen
lösungen unsere Finanzdecke sprengen und uns da-
Generation und der künftigen Selbständigen ab.
mit selbst den Weg zu entscheidenden Maßnahmen
verbauen. Wir müssen dafür sorgen, daß wir end- Der CDU/CSU-Fraktion liegt auch eine Lösung
lich aus diesem Zeitraum der Versprechungen für für die ältere Generation am Herzen. Ich denke da-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1407
Porten
bei insbesondere — Herr Kollege Lange und auch freiwillige Weiterversicherung bzw. für eine Alters-
der FDP-Vertreter haben schon darauf hingewiesen rente sind. Darum sollten wir gemeinsam Überle-
— an die Aufwertung der auf gesetzlicher Basis ab- gungen anstellen, wie man Selbständigen in ange-
geschlossenen Lebensversicherung. Die SPD-Frak- messener Weise den Weg zur freiwilligen Weiter-
tion hat hierzu in Drucksache IV/405 bereits einen versicherung und zur Altersrente öffnen kann.
Antrag gestellt, und ich hoffe, daß in diesem Wett-
rennen eine gute und für die Beteiligten zufrieden- Ich komme zum nächsten Punkt des SPD-Antrages,
stellende Lösung gefunden wird. nämlich zu dem Antrag, Maßnahmen zu gewährlei-
sten, welche „für die bei diesen Gruppen beschäf-
(Beifall bei der CDU/CSU.) tigten Arbeitnehmer Lebens und Arbeitsbedingun-
-
Diebäcker
Umkreise sind, darf ihre Einplanung nicht der je- siedlungen beginnt nun einmal die Mittelstandspoli-
weiligen Gemeinde überlassen bleiben. Hier sollten tik. Es hat keinen Sinn, sich über den Druck der
überregionale Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Großbetriebe gegenüber den mittelständischen Un-
Hier erwächst den Planungsgemeinschaften eine ternehmen zu erregen, wenn man nicht bestrebt ist,
große Aufgabe. Die richtige Lösung dieser Aufgabe an dieser Stelle, d. h. bei der Ansiedlung neuer Be-
ist für den mittelständischen Handel in den betrof- triebe, geeignete Startbedingungen für die mittleren
fenen Gebieten von ganz besonderer Bedeutung. und kleineren Betriebe zu schaffen.
Der Förderung der Ansiedlung von mittelstän- (Beifall bei der CDU/CSU.)
dischen Unternehmen wäre es auch dienlich, wenn
bei der Vergabe von Grundstücken aus dem Eigen Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
tum des Bundes die Auflage gemacht würde, daß die Herr Abgeordneter Dr. Artzinger.
diese Grundstücke übernehmende Gemeindeverwal-
tung mit der Wirtschaft über die Ansiedlung mittel- Dr. Artzinger (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
ständischer Betriebe verhandeln muß, wenn die An- Damen und Herren! Die Fraktion der SPD fordert
siedlung solcher Unternehmen im Zuge der Ver- in ihrem Antrag u. a., „Wettbewerbsnachteile für
wendung des Geländes für Wohnsiedlungszwecke den Mittelstand aus der Steuergesetzgebung zu be-
angezeigt erscheint. Ernste, allerdings sehr schüch- seitigen". Derartige Nachteile gibt es in der Tat. Ich
terne Versuche auf diesem Gebiet sind gemacht hoffe, daß wir im Mittelstandsausschuß reichlich Ge-
worden. Sie sollten dazu ermutigen, grundsätzlich legenheit haben werden, uns darüber zu unterhal-
bei Vergabe von bundeseigenen Grundstücken die ten. Wir werden diese Nachteile heute nicht ausdis-
erwähnte Auflage zu machen. kutieren können. Ich möchte mich daher auf einen
Abschließend sei noch auf einen Gesichtspunkt einzigen Punkt beschränken: die Gewerbesteuer.
hingewiesen, der meines Erachtens von ausschlag- Die Organisationen des gewerblichen Mittelstan-
gebender Bedeutung für die Ansiedlung mittelstän- des stimmen darin überein — aber z. B. auch der
discher Unternehmen in neuen Wohnsiedlungen ist. Bund der Steuerzahler ist der Auffassung —, daß
Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bewerbung die Gewerbesteuer gänzlich beseitigt oder doch er-
um Läden in neuen Wohnsiedlungen vor allen Din- heblich eingeschränkt werden sollte. So der Zentral-
gen aus der Tatsache, daß den mittelständischen verband des deutschen Handwerks und die Länder
Unternehmen vielfach nicht die notwendigen Kapi- Handwerkstage, der Deutsche Gewerbeverband usw.
talien zur Verfügung stehen. Herr Kollege Wienin- Selbst der Deutsche Städtetag ist der Meinung, daß
ger hat dies in anderem Zusammenhang schon ge- -
die Gewerbesteuer bei weitem nicht die starke Säule
streift. Diese Tatsache ist für manche Bauträger ge des Gemeindefinanzsystems bleiben dürfe, die sie
radezu Veranlassung, den zahlungskräftig erschei- heute ist.
nenden Großbetrieben bei der Ansiedlung den Vor-
Wo sich so viele gewichtige Stimmen vereinigen,
zug zu geben. Es ist erfreulich, festzustellen, daß für
sollten wir unser Ohr nicht versagen. Warum wird
das Rechnungsjahr 1962 im ERP-Wirtschaftsplan
denn die Gewerbesteuer heute im Mittelstand als
immerhin gewisse Mittel für die Errichtung von
eine so leidige Steuer empfunden, die viel böses
mittelständischen Betrieben in neuen Wohnsied-
lungen sowie zur Förderung der Existenzgründung Blut macht?
im Bereich des gewerblichen Mittelstandes ganz all- Zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer wird heute
gemein zur Verfügung gestellt werden. Auch die immer noch gesagt, sie sei eine Ergänzungssteuer
erleichterte Gewährung von Zinsverbilligungsmit- zur allgemeinen Einkommensteuer, ihre Berech-
teln für Darlehen zur Finanzierung von gewerb- tigung liege in der Vorbelastung des fundierten Ein-
lichen Räumen des Mittelstandes bei Maßnahmen kommens. Nun, der Fundus des Betriebes ist dem
des sozialen Wohnungsbaus ist hier zu nennen. gewerblichen Mittelstand in zwei Inflationen weit-
gehend verloren gegangen. Man kann diese Begrün-
Diese Programme werden uns sicherlich dem er-
dung zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer heute
strebten Ziel einer gesunden Mischung von Klein-,
im Ernst nicht mehr heranziehen.
Mittel- und Großbetrieben näherbringen. Es ist drin-
gend zu wünschen, daß diese Programme nicht ein- Weiter wird gesagt, die Gewerbesteuer habe ihren
malige Maßnahmen darstellen, sondern in den näch- Grund darin, daß sie das Entgelt darstelle für den
sten Jahren weiter fortgeführt werden. Dabei muß besonderen Vorzug, den der Gewerbebetrieb durch
die Frage geprüft werden, ob gegebenenfalls noch das kommunale Zusammenleben genieße. Ich glaube,
erhöhte Beträge im Rahmen des ERP-Wirtschafts- man kann auch da nur sagen, daß die Vorteile der
planes eingesetzt werden können, da die zur Ver- Gemeinde allen Bürgern gleichermaßen zugute kom-
fügung stehenden 142 Millionen DM nur „unter an- men und keineswegs etwa nur den Gewerbetreiben-
derem" für die Errichtung von neuen Betrieben in den. Auch diese Entgelt-Theorie läßt sich ernsthaft
Wohnsiedlungen — und im übrigen für eine Reihe nicht länger aufrechterhalten.
sonstiger Maßnahmen — gedacht sind. Mit derarti- Schließlich hat man gesagt, die Gewerbesteuer
gen Krediten kann jedenfalls ganz konkrete Mittel- könne doch auf die Allgemeinheit überwälzt wer-
standspolitik betrieben werden. den, und aus diesem Grunde treffe sie ja gar nicht
Alle diese Überlegungen sollten, so meine ich, den Gewerbetreibenden; vielmehr werde sie schließ-
Veranlassung zu gezielten Maßnahmen auf dem hier lich von den Verbrauchern gezahlt. Das trifft gerade
in Rede stehenden Gebiete sein. Bei der Ansiedlung für den kleinen und mittleren Gewerbebetrieb
von mittelständischen Unternehmen in neuen Wohn sicherlich nicht überall und zu allen Zeiten zu; denn
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, • den 13. Juni 1962 1411
Dr. Artzinger
wir haben hier noch den sonst sehr selten gewor- nersteuer, gerade auch über die soziale Ausgestal-
denen Markt der vollständigen Konkurrenz, der tung, muß selbstverständlich noch gesprochen wer-
sehr häufig die Abwälzung der Gewerbesteuer nicht den. Wir bitten aber dringend, unseren ernsthaften
zulassen wird. Wir müssen bei unseren weiteren Vorschlag nicht von vornherein abzuweisen unter
Erörterungen schon davon ausgehen, daß diese Berufung auf Argumente, die heute einfach keine
Steuer von dem getragen wird, der sie zahlen muß, Gültigkeit mehr haben. Ihre Aufnahme eines sol-
nämlich von dem Gewerbetreibenden. chen Vorschlages wird ein untrüglicher Test dafür
Die Gewerbesteuer ist eine tragende Säule unse- sein, wieweit es Ihnen mit einer iBerücksichtigung
der Belange des 'gewerblichen Mittelstandes wirk-
res Gemeindefinanzsystems. Man kann über ihre
lich ernst ist.
Einschränkung nur dann ernsthaft sprechen, wenn
man sagt, wie man den Gemeinden den Ausfall er- (Beifall bei der CDU/CSU.)
setzen will. Die Gewerbesteuer stellt heute 78 %
der steuerlichen Einkünfte der Gemeinden. Das ist,
wie wir glauben, erheblich zuviel. Wir meinen, daß Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
Abgeordnete Gewandt.
die Gewerbesteuer mindestens auf einen Anteil von
maximal 2/3, also von rund 80 % auf rund 65 %
zurückgedrückt werden müßte. Gewandt (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Ein Rückgang des Gewerbesteueraufkommens bei sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen
einer Debatte über den Mittelstand läßt es sich nicht
nachlassender Konjunktur — wenn man den Ge-
danken einmal aussprechen darf — wäre heute bei vermeiden, einige Bemerkungen zur derzeitigen
Einkommensbesteuerung zu machen. Der Kollege
dem starken Anteil der 'Gewerbesteuer für unsere
Kommunen ein Unglück. Derjenige, dem die Selbst- Schmücker hat dieses Gebiet bereits gestreift, und
verwaltung am Herzen liegt, muß dafür eintreten, auch Kollege Lange hat die Mehrheit des Hauses
zu Taten auf diesem Gebiet aufgerufen.
daß die Gewerbesteuer zurückgeführt wird. Wird
aber idas Aufkommen an Gewerbesteuer einge- Deshalb möchte ich nun in aller Kürze in Ihre Er-
schränkt, so muß den Gemeinden dafür ein Ersatz innerung zurückrufen, daß die Regierungskoalition
gegeben werden. bei der Verabschiedung des Haushaltsplans diesem
Man könnte daran denken, den Gemeinden über Haus eine Entschließung vorgelegt hat. Darin ist
den Steuerverbund zwischen Ländern und Gemein- die Bundesregierung aufgefordert worden, dem
den einen höheren Anteil zu gewähren. Aber das Bundestag Vorschläge, wie es wörtlich heißt,
- „zur
würde bedeuten, daß die Selbstverwaltung in eben Verbesserung des Tarifs bei der Einkommen- und
dem Maße abgebaut würde. Es kommt darauf an, Lohnsteuer" vorzulegen. Zweitens ist gefordert wor-
den Gemeinden eine autonome Geldquelle zu er- den, daß dem Bundestag Vorschläge zur Verbesse-
schließen, über die sie in einem gewissen Rahmen rung der Grundsätze über die steuerliche Gewinn-
selbst entscheiden können. ermittlung unterbreitet werden.
Dem derzeitigen Gemeindesteuersystem fehlt eine Ich glaube, wir wissen alle, daß die derzeitige
Steuer zu Lasten derjenigen Bürger, die, ohne ein Haushaltslage eine lineare Steuersenkung nicht zu-
Gewerbe zu betreiben oder ohne Grundbesitz zu läßt. Eine lineare Steuersenkung wäre sicherlich
haben, doch dort Einkünfte erzielen und der Ge- die beste Möglichkeit einer Entlastung aller Steuer-
meinde auch Lasten auferlegen, nämlich eine Ein- pflichtigen. Aber wir dürfen deshalb nicht das der-
wohnersteuer. Durch eine solche Steuer, die auch zeitige Steuersystem und die derzeitigen Tarife ze-
die bisher steuerfreien Gemeindeglieder erfaßt, mentieren. Es scheint nötig zu sein, zu einer Ver-
würde das Interesse am kommunalen Leben gewiß besserung des Tarifs zu kommen. Ich möchte hier
verstärkt werden. nicht den unschönen Ausdruck vom „Mittelstands-
bauch" gebrauchen. Wir wissen wohl alle, daß bei
Die Sozialdemokratische Partei hat sich bisher
den mittleren Einkommen eine wesentliche Verbes-
einer solchen Steuer widersetzt. Wir möchten Sie, serung eintreten muß, einmal, damit die Bezieher
meine Damen und Herren von der Opposition, an-
mittlerer Einkommen in der Lage sind, die nötigen
läßlich dieser Debatte bitten, Ihren 'Standpunkt noch Rücklagen zu schaffen, und zum anderen, weil sich
einmal zu überprüfen
eine selbständige Tätigkeit wieder lohnen muß.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler) Der Diskussionskreis „Mittelstand" der CDU/
CSU-Fraktion hat vor einiger Zeit Vorschläge ver-
und nach Möglichkeit mit uns gemeinsam einen öffentlicht, wie man die Tarife, die im Augenblick
Weg zu gehen, auf dem zwei auch von Ihnen ge- gelten, umgestalten kann. Wir sind sehr froh dar-
billigte Ziele verwirklicht werden können, nämlich über, daß diese Vorschläge in der mittelständischen
eine spürbare steuerliche Entlastung des kleinen Wirtschaft eine so günstige Resonanz gefunden
und mittleren Gewerbe- und Handelsbetriebes und haben.
eine Entzerrung des Gemeindefinanzsystems, ver-
bunden mit einer Stärkung der gemeindlichen Wir sind davon ausgegangen, daß der derzeitige
Selbstverwaltung. Wenden Sie jetzt bitte nicht ein: Proportionalsatz von 20 % auf 18 % zu reduzieren
Negersteuer, Kopfsteuer! Um eine Kopfsteuer, d. h. sei. Weiter sind wir davon ausgegangen, daß die
um eine urgestaffelte Einwohnersteuer kann und Proportionalzone, die jetzt bis 8000 DM bzw. für
darf es sich auch nach unserer Meinung nicht han- Verheiratete bis 16 000 DM reicht, auf 10 000 bzw.
deln. Über die Ausgestaltung einer solchen Einwoh 20 000 DM ausgedehnt wird.
1412 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Gewandt
In diesem Zusammenhang wird man allerdings schafft, Material erstellt und alsdann ein geschlos-
nicht nur von einer Entlastung sprechen können; senes Programm erarbeitet. Wir als einzelne Abge-
denn eine Entlastung der mittleren Einkommen be- ordnete sind dazu einfach nicht in der Lage. Das
deutet eine Verminderung des Steueraufkommens, ist kein Bekenntnis einer Unwissenheit; es ist ein-
und das ist angesichts der augenblicklichen Haus- fach nicht möglich. Wir wissen, vor welchen schwie-
haltslage schwer zu vertreten. Es ist also die Frage rigen Aufgaben selbst der eigens gebildete inter-
gestellt, ob man nicht die größeren Einkommen in ministerielle Ausschuß steht. Die Lösung dieser Auf-
der Bundesrepublik etwas stärker in Anspruch neh- gabe ist nun einmal notwendig, um zu einem ge-
men kann. Ich bin der Meinung, daß das möglich schlossenen Programm zu kommen. Der intermini-
ist. Nirgendwo steht geschrieben, daß 53 % Maxi- sterielle Ausschuß ist nach wie vor tätig. Aber wo
malbelastung wirtschaftlich allein vertretbar sind. bleibt letzten Endes die Nutzanwendung? Wenn be-
Ich möchte hier nicht die Beispiele der angel- reits etwas herausgekommen wäre, hätten wir un-
sächsischen Länder anführen, die bis zu 90 % gehen. seren Antrag nicht zu erneuern brauchen.
Dieser Vergleich hinkt, weil dort noch andere Fak-
(Abg. Schmücker: Sie haben ja einen An
toren eine Rolle spielen. Es müßte aber in der Bun-
trag gestellt! Sie haben ja dabei eine ganze
desrepublik möglich sein, die höheren Einkommen
Menge dazugelernt!)
bis zu 58 oder 59 % zu besteuern.
— Ja, wir haben ihn gestellt. Wir haben auch sei-
Das ist natürlich nur ein Diskussionsvorschlag.
nerzeit schon zu diesem Punkt gesagt: es reicht nicht
Es wird Aufgabe der Regierung sein, diesem Haus
aus. Wir haben gesagt: es wird weiter gearbeitet
möglichst bald konkrete Vorschläge vorzulegen.
werden müssen, damit uns ein geschlossenes Pro-
Wir haben dieses Ersuchen im Zusammenhang mit
gramm vorgelegt wird. Das ist bisher nicht ge-
der Etatberatung an die Regierung gerichtet. Wir schehen. Deshalb fühlten wir uns veranlaßt, erneut
hoffen, daß die Regierung zusammen mit dem Etat, diesen Antrag zu stellen. Wir hoffen Ihre Zustim-
der im Oktober eingebracht werden muß, ein
mung dazu zu bekommen.
Steueränderungsgesetz vorlegt, das uns eine Ver-
besserung des Einkommensteuertarifs bringt, der Es genügen aber nicht nur der gute Wille und
zu einer gerechteren Belastung der Einkommen in das Reden. Es genügt auch nicht, daß wir zwar
der Bundesrepublik führt. keinen „Staatssekretär des Handwerks", aber einen
(Beifall bei der CDU/CSU.) Wirtschaftsminister haben, der sich selber gern als
solchen bezeichnet. Man muß sich allseits darum be-
-
mühen, daß aus all diesen jahrelangen Vorarbeiten
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der endlich etwas Positives herauskommt.
Abgeordnete Regling.
Ich möchte noch auf zwei Dinge zu sprechen kom-
men; zunächst auf das Institut für Mittelstandsfor-
Regling (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
schung. Wir wissen — ich habe es hier schon ein-
und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Worte,
insbesondere als Entgegnung auf die Ausführungen mal gesagt —, daß dieses Institut Köln-Bonn bisher
des Herrn Kollegen Schmücker. Er glaubte aufzählen schon einige sehr gute Arbeiten vorgelegt hat. Wo
zu müssen, was alles im letzten Bundestag gesche- haben diese aber ihren Niederschlag gefunden? Es
hen sei, und daraus die Folgerung ableiten zu kön- gibt da eine sehr gute Ausarbeitung über den „ver-
nen, es sei gar nicht gerechtfertigt, wenn wir sagten, steckten öffentlichen Bedarf" und eine andere Aus-
die Bundesregierung tue nicht genug; das sei alles arbeitung, die sich darüber verbreitet, daß der Mit-
übertrieben. Herr Kollege Schmücker, ich darf daran telstand steuerlich weit mehr belastet ist als die
anderen Wirtschaftsgruppen. Das sind doch Arbei-
erinnern, daß auch von anderer Seite erst vor weni-
ten, die auf wissenschaftlicher Grundlage erstellt
gen Tagen folgendes gesagt worden ist:
sind. Aber wir sehen nicht den Erfolg, wir sehen
Mit gutem Willen allein, ohne festen Fahrplan, nicht die Auswertung, und gerade darauf kommt es
kann keine Regierung eine konsequente Mittel- letzten Endes an.
standspolitik zustande bringen.
Wir haben weitere Institute. Das wissen wir,
Sie wissen schon, welche Zeitschrift ich zitiere: das Herr Schmücker. Unser Antrag will ja auch nicht
„Deutsche Handwerksblatt". Darin wird weiter dar- etwas ganz Neues schaffen. Wenn wir all das, was
auf Bezug genommen, das schon 1958 der Herr besteht, zusammenfassen und dann vielleicht, wenn
Präsident des Deutschen Handwerks der Regierung hier und da etwas fehlt, das ergänzen und alles zu
zugerufen hat, die Regierung solle sich zu einer einem einheitlichen Ganzen machen, dann kann
konstruktiven, umfassenden Strukturpolitik aufraf- etwas daraus werden. Denn es ist nun einmal nicht
fen und schleunigst dafür ein praktisches Arbeitspro- möglich, Forschung auf technischem Gebiet in jedem
gramm entwickeln und dieses Programm auch ver- Handwerksbetrieb durchzuführen. Die Großwirt-
wirklichen. Ferner wird Beschwerde darüber ge- schaft kann das tun; sie kann es sich finanziell
führt, daß immer nur im letzten Jahr einer Legis- erlauben, hat die Leute dazu usw. Wir brauchen
laturperiode einiges geschehen ist, aber nichts Zu- hier also eine Forschungsmöglichkeit, deren Ergeb-
sammenhängendes und nichts Endgültiges. nisse den einzelnen Betrieben weitergegeben wer-
Es ist also schon richtig, daß wir unseren Antrag den. Das ist das, was wir meinen und anregen wol-
erneuert und eine Reihe von Forderungen aufge- len, daß man Überlegungen anstellt, wie man auf
stellt haben. Damit soll der Anstoß dazu gegeben diesem Gebiet weiterkommt, und zwar auch zum
werden, daß die Regierung sich Unterlagen be- Nutzen des letzten kleinen Betriebs. Das gilt nicht
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1413
Regling
nur für das Handwerk, sondern auch für den Einzel- Hier muß etwas getan werden, man muß sich
handel und alle anderen gewerblichen Betriebe. veränderten Gegebenheiten anpassen. Werfen wir
wieder einen Blick nach draußen, nach Übersee! In
Herr Opitz führte mit Recht an, daß es fast noch Amerika hat Präsident Kennedy jetzt in den beiden
eine neue Berufsmöglichkeit gebe, nämlich den Häusern des Kongresses ein Förderungsprogramm
Beruf eines Beraters für Darlehenszuschüsse und beschließen lassen, das eine Summe von 600 Mil-
Förderungsmaßnahmen im gewerblichen Mittel- lionen Dollar — also 2,4 Milliarden DM — für ei-
stand. Er sagte, wenn ich recht gehört habe, daß es nen Arbeitsplan vorsieht, der über vier Jahre
sechs verschiedene Programme gebe. In einer Sit- reicht und der vorsieht, aus der Vielzahl der
zung des Mittelstandsausschusses im vorigen Bun- 4 1/2 Millionen ungelernten Arbeitslosen herauszu-
destag haben wir von Sachverständigen gehört, daß holen, was herauszuholen geht. Mit großem Geld-
man auf Bundesebene auf diesem Gebiet rund 100 aufwand versucht man also Umschulungsmaßnah-
verschiedene Programme kenne und daß die Länder men durchzuführen. Sicher, wir haben hier. ein
zusammen nochmals 120 verschiedene Programme anderes Ausbildungssystem; aber wir haben zu
hätten. Insgesamt gibt es im Bundesgebiet also 220 überlegen, was man tun könnte, um nach der abge-
Programme für Kreditmaßnahmen des Mittelstandes schlossenen Lehrzeit einen wirklich gut und in allen
Es ist tatsächlich so, daß man einen Berater, einen Lagen versierten Facharbeiter heranzubilden, um
Fremdenführer, einen Lotsen, oder wie wir es immer den guten Ruf, den der deutsche Facharbeiter heute
nennen wollen, braucht, um da durchzusteigen. Der noch in der Welt genießt, auch in der Zukunft zu
Formularkrieg für den einzelnen Antragsteller ist erhalten.
ungeheuerlich. Hier sollte wirklich etwas getan wer-
den. Genau das meinen wir, wenn wir in unserem Es gibt also noch eine ganze Menge Probleme
Antrag von einer Bundeskredit- und Garantiekasse mehr, als in unserem Antrag genannt worden sind,
sprechen. All das sollte zusammengefaßt werden, obwohl unser Antrag manchmal schon als viel zu
um an einer Stelle Auskunft über alle Möglichkeiten umfassend bezeichnet worden ist. Es ist gesagt wor-
zu erhalten. Vielleicht kommen wir dann von selbst den, damit solle alles nur zerredet werden. Das ist
dazu, eine große Anzahl dieser Programme zusam- nicht unsere Absicht. Wir möchten nur dazu bei-
menzulegen oder die Maßnahmen zu straffen, so tragen, zu einer Gesamtkonzeption zu kommen, die
daß sie auch für den einzelnen überschaubar wer- erforderlich ist. Lassen Sie uns mit dem einen An-
den. trag heute den Anfang machen! Hinsichtlich der Zif-
fer 2 unseres Antrags wollen wir im Ausschuß ge-
Nun als Letztes zu den Gewerbeförderungsmit- meinsam versuchen, zu dieser Gesamtkonzeption
teln. Meine Damen und Herren, wir haben seit 1955, zu kommen, die ja auch die Regierung immer wie-
glaube ich, beim Bundeswirtschaftsminister einen der anstrebt. Vielleicht können wir es gemeinsam
Gewerbeförderungsmittelfonds für das Handwerk in schneller schaffen.
Höhe von 6 Millionen und für den Einzelhandel und
Fremdenverkehr in Höhe von 2 Millionen DM. Fast (Beifall bei der SPD.)
alle Ansätze haben sich seit 1955 im Laufe der Zeit
verändert, nach oben natürlich, nur hier nicht. Das Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
liegt leider an folgendem. Ich will dabei keineswegs Abgeordnete Soetebier.
dem einzelnen Beamten einen Vorwurf machen;
aber die Antragstellung, die Kontrolle und die Ab-
grenzung werden derart schwierig gemacht, — von Soetebier (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen
Jahr zu Jahr werden die Schwierigkeiten größer — ,
und Herren! Ich möchte nur eine kurze Feststellung
daß es kaum noch eine Organisation wagt, mit treffen, weil ich glaube, daß der Mittelstand heute
irgendwelchen neuen Gedanken zu kommen. Man seinen seit langer Zeit besten Tag hat. Es ist er-
muß eben damit rechnen, daß sie nicht in den ein- freulich, daß alle Parteien dem Mittelstand helfen
geengten Rahmen passen. Da beruft sich dann das wollen. Für mich als Angehörigen des gewerblichen
Wirtschaftsministerium auf das Finanzministerium Mittelstandes ist das wirklich eine erfreuliche Fest-
oder auf den Bundesrechnungshof usw. Dabei gibt stellung. Wenn wir alle der Meinung sind, daß es
es so viele notwendige Dinge, so viele Aufgaben, eine dringende Notwendigkeit ist, die Betriebe auf
die mit öffentlichen Mitteln getan werden müßten. diesem Sektor nicht nur zu erhalten, sondern auch
Ich denke da, um nur ein Stichwort zu nennen, an zu fördern, dann tun wir nicht nur etwas, was für
die überbetriebliche Ausbildung unserer Lehrlinge. die Erhaltung unseres Staatswesens in dieser Form
Wir wissen, daß heute in den einzelnen Berufen notwendig ist, sondern wir dienen auch allen Be-
täglich neue Werkstoffe auftauchen und daß es ein- völkerungsschichten, gleich welcher Art. Wir haben
fach nicht möglich ist, die werkgerechte Verarbei- uns heute hier bereit erklärt, zu versuchen, ver-
tung dem Lehrling in der kurzen Lehrzeit beizubrin- schiedene Gesetze in der Wirtschafts-, Steuer- und
gen. Ich denke nicht an einen zweiten Schultag, auch Sozialpolitik zu novellieren. Wenn es uns gelingt,
nicht an eine Lehrwerkstatt statt Meisterlehre; aber einen gemeinsamen und gangbaren Weg zu finden,
es gibt da Möglichkeiten. Es würde zu weit führen, wäre das ein Vorhaben, das sich ebenfalls sehr
sie im einzelnen darzulegen. In der Praxis haben segensreich für die Gesamtheit auswirken würde.
sich Möglichkeiten herausgeschält, wie man z. B. Ich will es mir versagen, jetzt auf Einzelheiten
gerade den Anfang der Lehrzeit straffen kann. Hier einzugehen. Ich möchte nur die Feststellung unter-
sagt wieder das Wirtschaftsministerium: Fördern mauern, daß es dringend notwendige Novellierun-
wollen wir im zweiten und dritten Lehrjahr, aber zu gen gibt, die vielleicht seit Jahren notwendig ge-
Anfang, — das widerspricht unseren Vorschriften. wesen sind, aber im Laufe der Sturm- und Drang-
1414 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Soetebier
zeit unserer Bundesrepublik nicht zum Zug gekom- Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
men sind. So ist manches noch nicht geschehen, was Abgeordnete Dr. Schwörer.
vielleicht hätte schon getan werden können. Ich
denke an den Belegschafts- und Behördenhandel. Dr. Schwörer (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Sie wissen, daß das Gesetz, das diese Materie be- sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege
trifft, noch beim Bundespräsidenten liegt. Ich glaube, Lange hat in seinen Ausführungen auch zu Proble-
eine gemeinsame Arbeit gerade für dieses Gesetz men des Wettbewerbsrechts Stellung genommen
wäre fruchtbringend und könnte gut sein. Wir und hat dabei den Herrn Bundeswirtschaftsminister
könnten auch hier versuchen, einmal die Haupt- als Zeugen dafür angeführt, daß wir die Absicht
themen, die uns ja draußen immer wieder vorge- haben, in dieser Legislaturperiode oder wenigstens
worfen werden, zu behandeln. bis zum Eingang des Berichts zur Konzentrations-
Genauso geht es beim grauen Markt. Mir liegt enquete nichts mehr auf diesem Gebiet zu tun. Ich
ein Schreiben einer Ihnen allen bekannten Firma weiß nun nicht, welche Rede er mit der Rede vom
vor, das Sie selber, meine Damen und Herren, viel- 16. Juni 1961 gemeint hat. Wahrscheinlich hat er
leicht auch bekommen haben. Es wird mir mitge- die Regierungserklärung von November 1961 ge-
teilt, daß ich zum Kreis der Personen gehöre, die meint. Dort heißt es ja:
sich in einem großen Geschäft des grauen Marktes
Die Ergebnisse der bereits eingeleiteten En-
Radioapparate, alle möglichen Elektroapparate mit
quete über Entstehen und Vorhandensein wirt-
einem Rabattsatz von 25 bis 35 Vo kaufen können.
Das sind doch die Auswüchse, die wir alle kennen schaftlicher Macht werden die Grundlagen für
und die wir alle sehen. Das sind die Dinge, die uns Vorschläge und Maßnahmen der neuen Regie-
rung bilden.
draußen im weiten Lande immer wieder mit Recht
vorgeworfen werden und bei denen wir gefragt Herr Kollege Lange, wir fassen das nicht so auf,
werden, ob wir denn nicht die Möglichkeit haben, daß in der Zwischenzeit nichts gegen die Konzen-
hier Änderungen einzuführen. tration unternommen werden sollte. Im Gegenteil,
wir meinen, daß alle Materien, die in der Zwischen-
Herr Professor Jürgensen, der ja ein bekannter zeit gesetzlich geregelt werden, auch auf ihre Wir-
Volkswirtschaftler an der Universität Hamburg ist, kung in Richtung einer Konzentration untersucht
hat kürzlich in mehreren Vorträgen im norddeut- werden sollten. Wir hoffen nur, daß Sie sich in Ihrer
schen Raum erzählt, wie es in Amerika zugeht. Er Fraktion durchsetzen, wenn es vor allem bei sozia-
hat dabei festgestellt, daß der Mittelstand in Ame- len Maßnahmen darum geht, konzentrationsför-
rika durch die Verzahnung aller Betriebe mit der dernde Wirkungen bei den lohnintensiven Betrie-
mittleren Großindustrie nicht nur nicht geringer ge- ben des Mittelstandes nicht zur Auswirkung kom-
worden ist, sondern sich seit dem Jahre 1900 noch men zu lassen.
vermehrt hat. Dieser Weg, der in Amerika vorge-
zeichnet ist und der auch in anderen Ländern gang- Wir sind der Ansicht, daß der Bericht zur Kon-
bar ist, sollte uns zu Überlegungen veranlassen, um zentrationsenquete möglichst bald fertiggestellt wer-
vielleicht auch hier in gemeinsamer Arbeit etwas den und daß dann das Problem im ganzen ange-
Vernünftiges zu erstellen. packt werden sollte.
Sie haben schon von unserem stellvertretenden
Es ist hier angeklungen, daß der Mittelstand
Fraktionsvorsitzenden Kollegen Schmücker gehört,
nichts Besonderes will. Handel, Handwerk und freie
daß wir nicht darauf verzichten, auf dem Sektor des
Berufe wollen gar nichts Besonderes, sie wollen Wettbewerbsrechts initiativ zu werden, und daß im
auch keine Subventionen oder sonst etwas. Aber
Herbst eine Kartellnovelle im Bundestag einge-
sie wollen eine echte Steuerpolitik, sie wollen eine bracht werden soll.
echte Politik in allen Sparten. Vor allen Dingen
wollen sie in der Sozialpolitik nicht schwerere Op- Wir wissen, daß das Kartellrecht unzulänglich
fer bringen, als sie notwendig und zu verkraften ist. In seiner jetzigen Form erschwert es nur die
sind. Konzentration durch Verträge, während es Konzen-
trationsprozesse in anderer Form nur unzulänglich
Ich will nicht mehr von einem Staatssekretär für erfaßt. Die Regeln gegen den Mißbrauch von markt-
den Mittelstand sprechen, wie es eben anklang. Wir beherrschenden Positionen reichen nicht aus.
wissen, daß es auch in Europa, auch in der EWG
Länder gibt, in denen ein Staatssekretär für Mittel- Aber neben dem Mißbrauch der Marktmacht muß
standsfragen amtiert. Wir wissen, daß bei uns in bereits das Entstehen übermäßiger wirtschaftlicher
der Bundesregierung Fragen des Mittelstandes von Machtzusammenballung verhindert werden. Die bis-
verschiedenen Ressorts bearbeitet werden. Man herigen Bestimmungen sind völlig unzulänglich, da
könnte vielleicht daran denken, diese Arbeiten eines sie für Zusammenschlüsse nur eine Meldepflicht
guten Tages zu koordinieren, vielleicht sogar in vorsehen, die vom Kartellamt nicht einmal erzwun-
einem interministeriellen Ausschuß zusammenzu- gen werden kann. Eine Genehmigungspflicht, wie
fassen. sie die Regierungsvorlage 1957 vorgesehen und
auch der Bundesrat gebilligt hatte, ist unserer An-
Ich bin der Meinung, wir sollten froh sein, daß sicht nach unerläßlich. Erst mit der Genehmigung
wir heute wieder einmal zu dieser Debatte gekom- sollten Zusammenschlüsse rechtswirksam werden
men sind. Der Worte sind genug gewechselt; der können.
Mittelstand möchte jetzt endlich Taten sehen! (Könen [Düsseldorf]: Das müssen Sie alles
(Beifall bei der FDP.) Dr. Hellwig sagen, Herr Kollege!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1415
Dr. Schwörer
Darüber hinaus sind wir der Ansicht, daß wir in zelnen und beseitigen damit die Voraussetzung für
der Durchführung des Wettbewerbsrechts auf die echtes und gesundes wirtschaftliches Wachstum.
Dauer nicht darum herumkommen, eine der ameri- Dieses durch einen gesunden Wettbewerb mit glei-
kanischen Antitrustgesetzgebung ähnliche Regelung chen Chancen für alle aufrechtzuerhalten, war
zu finden. Der Vorschlag, das Gesetz gegen den immer das Anliegen der mittelständischen Abge-
unlauteren Wettbewerb im Sinne dieses Anliegens ordneten der CDU/CSU.
zu verändern und zu verschärfen, ist nicht prakti-
kabel. Gerade für den wirtschaftlich Schwachen ist (Beifall bei der CDU/CSU.)
es fast unmöglich, sein Recht gegen den stärkeren
Wettbewerber in einem jahrelangen Zivilprozeß Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat Frau
durchzusetzen. Bei einem Einsatz übergroßer wirt- Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
schaftlicher Macht gegen einen Mitbewerber, der
dadurch in seiner Existenz und Selbständigkeit ge-
fährdet wird, muß unserer Ansicht nach das Kartell- Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) : Herr Präsi-
amt auf Antrag Oder kraft eigener Initiative ein- dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
greifen können, um diesen Wettbewerber zu einem Wenn man nach so vielen Rednern, nach einer der-
der sozialen Marktwirtschaft entsprechenden Ver- art langen, vielseitigen Debatte noch zum Wort
halten zu veranlassen. kommt, hat man es nicht ganz einfach. Man hat es
schon auf Grund des Antrages, der von der SPD
Wir wissen, daß eine derartige Neuregelung bei
gestellt worden ist, nicht einfach, heute in dieser
uns auf Schwierigkeiten stoßen wird, weil wir zu
Diskussion zu sprechen. Dieser Antrag der SPD ist
einer perfektionistischen Gesetzgebung neigen. Wir
besonders in seinem Punkt 2 so allumfassend, hier
sollten hier mehr nach dem Opportunitätsprinzip
wird die Regelung so vieler Fragen in einem ein-
statt nach einem starren Legalitätsprinzip vorgehen,
zigen Gesetz verlangt, daß ich mich eigentlich wun-
und eine Generalklausel sollte die Grundlage bil-
dern würde, wenn wir heute bereits zum Abschluß
den, die dann durch die wirtschaftliche Praxis aus-
dieser Diskussion kämen. Hier könnten doch tat-
gefüllt werden könnte.
sächlich die gesamte Wirtschaftspolitik, die ge-
Auch im Verfahren müßten wir unserer Ansicht samte Sozialpolitik, das Kartellrecht — das vom
nach neue Wege gehen. Es bietet sich hier das in Herrn Kollegen Schwörer durchaus mit Recht ange-
den angelsächsischen Ländern und in Schweden mit führt wurde —, die gesamten Steuergesetze ange-
Erfolg praktizierte Hearing-Verfahren an. Wir den- sprochen werden. Durchaus mit Recht ist ja in die-
ken, daß die öffentliche Austragung von Streitig- -
sem Zusammenhang auch von der Gewerbesteuer,
keiten des Wettbewerbsrechts sicherlich ihre Wir- von der Reformierung der Einkommen- und Körper-
kung an sich schon tun würde. Die Unternehmen schaftsteuer und der Lohnsteuer gesprochen worden.
mit einer starken Wirtschafts- und Finanzmacht Sehen Sie sich den Schluß des Antrages an! Dann
würden sehr viel weniger geneigt sein, ihre Stel- wissen Sie, daß wir eigentlich erst am Anfang der
lung mißbräuchlich auszunutzen, wenn ein öffent- Debatte stehen, wenn wir wirklich all die Probleme,
liches Austragen drohen würde. Schon die Existenz deren Regelung Sie in einem Gesetz verlangen,
einer solchen Möglichkeit würde unserer Ansicht ausdiskutieren wollten.
nach manche der kritisierten Erscheinungen im Ent- Ich sage das, um Ihnen einmal ganz klar vor
stehen verhindern. Augen zu führen, daß es einfach unmöglich ist, ein
In diesem Zusammenhang möchten wir noch an- derartiges Gesetz zu machen. So geht es doch wirk-
deuten, daß eine Fortführung und Neuauflage des lich nicht. Als Juristin wundere ich mich immer
Konzentrationsberichts über 1963 hinaus zu erwä- wieder über die Gesetzesgläubigkeit bei uns Deut-
gen wäre. Die Bekämpfung der Konzentration wird schen, darüber, daß die Deutschen glauben, man
auf jeden Fall auch nach Eingang dieses Berichts auf brauche nur ein Gesetz zu machen, und dann habe
der Tagesordnung, vor allem auch unserer Fraktion man schon die gewünschten Verhältnisse geschaffen.
und des Diskussionskreises „Mittelstand", bleiben. So geht es einfach nicht!
Wir wissen, daß das Weitergehen des Konzen- (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
trationsprozesses zu wirtschaftlichen Machtblöcken
führen muß, die direkt oder indirekt Regierung und Politik können wir durchaus ohne die Schaffung
Parlament beeinflussen und damit die Staatsautori- eines derartigen Gesetzes machen. Die entsprechen-
tät bedrohen können. Für uns als mittelständische den mittelstandsfreundlichen Maßnahmen können
Wirtschaft ist die weitergehende Konzentration wir ergreifen, ohne ein derartiges Rahmengesetz —
deshalb so tödlich gefährlich, weil wirtschaftliche etwas anderes könnte es ja nicht sein — zu ver-
und soziale Maßnahmen zunehmend nach den abschieden.
Großbetrieben ausgerichtet werden. Die Freude und In der Diskussion wurde in vielen Fällen die
das Interesse an der Selbständigkeit wird dadurch Einigkeit zum Ausdruck gebracht. Herr Kollege
im Nerv getroffen und die Jugend von der Bereit- Lange hat in seiner Begründung gesagt: Wir wollen
schaft zur Übernahme ihrer väterlichen Betriebe ab- doch alle helfen. Das ist richtig. Alle Parteien hier
gehalten. im Bundestag sind sich durchaus darin einig, daß es
Wirtschaftliche Machtzusammenballungen bei gesellschaftspolitisch und wirtschaftspolitisch eine
Privaten, gesellschaftlichen Gruppen oder beim wichtige Forderung ist, daß wir möglichst viele
Staat fördern die Anonymität und zerstören das selbständge Existenzen, viele selbständige Unter-
Interesse und Verantwortungsbewußtsein des Ein nehmen haben.
1416 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der sich erst nach und nach ergeben und damit die
Abgeordnete Burgemeister. Arbeit für die Regierung sehr erschweren.
Insoweit begrüßen wir es, daß auch die SPD-Frak-
Burgemeister (CDU/CSU) : Herr Präsident! tion sich jetzt darum bemüht, die von der CDU/CSU-
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich Fraktion in Gang gesetzten Reformen unserer Ge-
glaube, ich kann Ihnen die tröstliche Zusicherung setze zu unterstützen und die Bundesregierung zu
geben, daß ich der letzte Sprecher meiner Fraktion bitten, notwendige Grundlagen zu erarbeiten und
bin. dem Parlament vorzulegen.
(Zurufe: Bravo!)
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)
Seit Bestehen des Deutschen Bundestages hat die Der in der letzten Legislaturperiode von der Bun-
CDU/CSU-Fraktion in ihren Reihen über zahlreiche desregierung erarbeitete und vorgelegte Bericht
Kollegen verfügen können, die sich tatkräftig mit über die Lage im mittelständischen Bereich hat be-
der Lösung mittelständischer Probleme beschäftigt reits einen sehr guten Einblick geben können. Die
haben. Diese Kollegen taten dies schon zu einem Bundesregierung konnte darauf verweisen, daß
Zeitpunkt, als es noch nicht zum guten Ton gehörte, schon eine ganze Reihe von Maßnahmen zur För-
sich mittelstandspolitischen Sorgen anzunehmen. derung des Mittelstandes, die sich aus diesem Be-
Schon von Anfang an hat sich die CDU/CSU - Frak- richt ergeben, durch sie bzw. durch die Initiative
tion in diesem Bereich bemüht, Breitenarbeit zu der CDU/CSU-Fraktion verwirklicht sind. Dennoch
leisten, und sie hat organisationsmäßig Vorausset- bleibt festzustellen, daß die bisher schon getroffe-
zungen dafür geschaffen, daß sie die notwendigen nen Maßnahmen noch nicht alle Verzerrungen und
Klarheiten gewinnen und sich das benötigte Mate- Behinderungen beseitigen konnten. Soweit diese
rial erarbeiten konnte, um darauf aufbauend Vor- Verzerrungen erkannt sind oder noch erkannt wer-
schläge für die Anpassung der Gesetzgebung an völ- den, werden selbstverständlich die entsprechenden
lig veränderte Verhältnisse im mittelständischen Vorlagen zu ihrer Beseitigung zu erarbeiten sein.
Bereich zu entwickeln.
Ich glaube, man soll und muß in diesem Zusam-
Ich brauche hier wohl nicht daran zu erinnern, menhang auch einmal davon sprechen, daß durch-
daß in diesem Kreis sehr bald die Erkenntnis dafür schlagende Erfolge nicht nur durch eine Änderung
gewonnen wurde, daß im mittelständischen Bereich und Anpassung der Gesetze an die neue, veränderte
das angestrebte Ziel nicht mit Schutzgesetzen er- Zeit zu erreichen sind. So, wie die Gesetze noch in
reicht werden könne. So hat sich auch in den Krei- einer völlig anderen Zeit verwurzelt sind und erst
sen der beteiligten Bevölkerungsgruppen sehr bald an die Wettbewerbssituation der heutigen Markt-
die Erkenntnis durchgesetzt, daß diese von der wirtschaft angepaßt werden müssen, so wurzeln
CDU/CSU-Fraktion befolgte Konzeption richtig war. auch noch zu einem großen Teil die Vorstellungen
Wir waren und sind daher der Meinung, auch heute der Menschen des Mittelstandes in der Vergangen-
noch, daß die beste Voraussetzung für das Gedeihen heit. Dankenswerterweise haben viele Berufsver-
der mittelständischen Kreise in unserer Bevölkerung bände des Mittelstandes dies klar erkannt; sie rich-
die soziale Marktwirtschaft und ein gut funktionie- ten einen nicht geringen Teil ihrer Kraft gerade auf
render Wettbewerb sind. Wenn heute dennoch Kla- die Aufgabe, die Menschen auf die neue Zeit aus-
gen in den Bereichen der mittelständischen Wirt- zurichten. In Kursen für Betriebsberatung, Betriebs-
schaft lautwerden, so deswegen, weil sich immer förderung usw. werden diese Aufgaben mit Fleiß
wieder neue Symptome offenbaren, die wirtschaft- und Energie angepackt. Diese Bemühungen werden
liche Schwierigkeiten anzeigen, vor allem in jenen von der Bundesregierung finanziell unterstützt; das
Bereichen, in denen der Wettbewerb noch nicht voll wird auch in Zukunft der Fall sein.
wirksam ist. So klagen wir nicht über zuviel, eher
über noch nicht voll ausreichenden Wettbewerb. Die SPD will mit ihrem Antrag auf Drucksache 246
die Bundesregierung anregen, die Verhältnisse in
Wenn trotz dauernder Bemühungen um laufende der mittelständischen Wirtschaft auch weiterhin auf-
Verbesserungen im mittelständischen Bereich immer merksam zu beobachten und über die Entwicklung
wieder neue Schwierigkeiten auftreten, so sind diese dem Parlament zu berichten. Dieses Bemühen wird
zu einem nicht geringen Teil mit darauf zurückzufüh- auch von uns begrüßt. Wenn aber — was wir lei-
ren, daß gerade im Bereich der mittelständischen Wirt- der aus manchen Formulierungen herauslesen müs-
schaft, vor allem beim Handwerk und beim Handel, sen — der Antrag der SPD dazu führen soll, für den
sich in den letzten zwölf Jahren tiefgreifende Wand- Mittelstand eine ständige Berichterstattung nach
lungen vollzogen haben, die niemand gefordert und dem Muster des Grünen Planes einzuführen, dann
niemand gewollt hat, die sich aber durch den techni- müssen wir uns auch heute wieder gegen solche
schen Fortschritt und die damit verbundene Auto- Absichten wehren. Im Gegensatz zu dem geschlos-
mation in der Industrie zwangsläufig auch im mittel- senen Bereich der Agrarwirtschaft ist der Bereich der
ständischen Bereich ergeben haben. Unsere Gesetze mittelständischen Wirtschaft sehr uneinheitlich und
aber, vor allem auf dem Gebiete der Steuern und differenziert und läßt deswegen eine Berichterstat-
im Gewerberecht, die zum Teil schon vor Jahrzehn- tung im Sinne des Grünen Berichtes und Maßnah-
ten entstanden sind und noch auf den damaligen men, wie sie im Landwirtschaftsgesetz vorgesehen
Verhältnissen beruhen, bewirken, weil sie noch sind, nicht zu. Wir stellen seit Jahren immer wie-
nicht voll auf den Wettbewerb der heutigen Zeit der fest, daß es gerade für den Mittelstand keinen
eingestellt sind, Verzerrungen und Verkrampfun- „Grauen Plan" und keine generellen Hilfsmaßnah-
gen, die nicht immer sofort erkennbar sind, sondern men geben kann. Wir stellen auch heute wieder
1418 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Burgemeister
fest, daß wegen der Vielschichtigkeit und Differen- Maßnahmen für die Reform der Gemeindefinanzen
ziertheit in diesem Bereich nur gezielte punktuelle durchzuführen. Diese Aufforderung richtet sich mit
Maßnahmen wirksam sein können. Nach unserer allem Nachdruck auch an die Länderregierungen.
Ansicht darf der von der SPD geforderte Bericht Bei den verschiedenen Lösungsvorschlägen sollte
keine derartigen Tendenzen zeigen. vor allem darauf geachtet werden, daß damit auch
Es muß noch viel mehr als bisher auf eine konse- regional die Auflockerung der Ballungsgebiete er-
quente Verwirklichung der sozialen Marktwirtschaft reicht wird.
gedrängt werden. In einer gut funktionierenden Das Problem der Gewerbesteuer ist bereits an-
Marktwirtschaft, im Wettbewerb liegen die besten geschnitten worden, so daß ich dazu nicht Stellung
Chancen auch für die Entfaltung und Entwicklung zu nehmen brauche. Zu den Vorschlägen an die
des Einzelnen im Mittelstand. In der CDU/CSU- Bundesregierung gehört auch die früher schon er-
Fraktion ist die Mittelstandspolitik immer als eine hobene Forderung nach der Bereinigung der Ein-
gesellschaftspolitische Aufgabe verstanden worden. heitswerte. Damit soll keineswegs das Ziel verbun-
Sie wird es auch in dieser Legislaturperiode für uns den sein, höhere Grundsteuern als bisher zu erhe-
bleiben. Insoweit betrachten wir es als eine beson- ben. Es muß vielmehr eine den tatsächlichen Wert-
dere Aufgabe, die von der Bundesregierung fest- verhältnissen entsprechende Verteilung der Lasten
gelegten mittelstandspolitischen Zielsetzungen durch auch auf diesem Gebiet herbeigeführt werden.
eigene Vorschläge voranzutreiben und immer wie-
der neue Grundlagen zu erarbeiten. Der Diskus- Ferner sollte in diesem Zusammenhang gerade
sionskreis „Mittelstand" der CDU/CSU-Fraktion hat auch zur Eindämmung der Konzentration eine No-
sehr konkrete Vorschläge entwickelt und diese in- velle zur Vermögensteuer erarbeitet werden. Ziel
zwischen der Fraktion vorgelegt. einer solchen Änderung wäre vor allem eine wei-
tere Anhebung der Freibeträge und eventuell eine
Der Hauptpunkt dieser Vorschläge betrifft die zusätzliche Belastung aller derjenigen Vermögen,
Steuer- und Finanzpolitik. Gerade durch die Steuer- die nicht dem Lastenausgleich unterliegen und etwa
und Finanzpolitik werden die ärgsten Verzerrungen über 10 Millionen DM hinausgehen. Dabei könnte
hervorgerufen, die sich auch heute noch für die mit- auch die Frage der Abzugsfähigkeit der Vermögen-
telständische Wirtschaft besonders nachteilig aus- steuer von der Einkommensteuer mit bereinigt wer-
wirken. Dies kann und muß immer wieder vor allem den.
von dem derzeitigen Umsatzsteuersystem gesagt
Über das Schachtel- und Organprivileg, falls wir
werden. So werden wir nicht müde werden, immer
in der Umsatzsteuerfrage nicht zu einem -System-
wieder auch darauf zu drängen, daß in der Frage
wechsel kommen, ist in diesem Zusammenhang er-
der Umsatzsteuerreform die Kräfte nicht erlahmen
neut gesprochen worden. Dieses Privileg gibt es
und erkennbare Ansätze für eine Reform weiterent-
aber nicht nur im Bereich der Umsatzsteuer; die
wickelt und vervollkommnet werden.
Problematik des sogenannten Schachtelprivilegs
Mit meinen mittelständischen Freunden bin ich stellt sich auch in der Einkommen- und Körper-
der Meinung, daß für uns nur eine Mehrwertsteuer schaftsteuer sowie im Bewertungsgesetz für die
mit Vorsteuerabzug oder Vorumsatzabzug in Frage Vermögen- und Gewerbesteuer.
kommt. Wenn verfassungsrechtliche Bedenken da- Von meinen Freunden im Diskussionskreis „Mit-
gegen bestehen und wenn vor allem im Finanz- telstand" der CDU/CSU sind auch Vorschläge für
ministerium der Einwand erhoben wird, daß Aus- eine Reform der Körperschaftsteuer erarbeitet wor-
nahmen in diesem System einer Mehrwertsteuer den, die vor allem das Ziel haben, konzentrations-
nicht zugelassen werden könnten, weil dadurch die begünstigte Elemente dieser Steuer zu beseitigen.
Übersichtlichkeit und Anwendbarkeit einer solchen Im Rahmen der heutigen Ausführungen würde es
Steuer eingeschränkt würde, so sind wir der Mei- jedoch zu weit führen, hierzu schon jetzt eingehende
nung, daß darüber diskutiert werden sollte und daß Angaben zu machen. Wir werden uns mit der Re-
darüber diskutiert werden muß, um festzustellen, gierung über diese Vorschläge sehr intensiv unter-
wie solche Schwierigkeiten vermieden oder sie halten. Es geht dabei vor allem um die Besteuerung
ausgeschaltet werden können. Uns erscheint es des ausgeschütteten und nicht ausgeschütteten Ge-
wichtiger, überhaupt einmal eine mögliche Reform winns.
zu diskutieren und Wege zu suchen, als von vorn-
herein alle Vorschläge als undurchführbar abzu Im Zusammenhang mit der Doppelbesteuerung
lehnen. ausländischer Unternehmen und aus den mit der
(Sehr richtig in der Mitte.) Steuerflucht zusammenhängenden Problemen erge-
ben sich entscheidende Wettbewerbsverzerrungen
Es sollte möglichst bald in diesem Hohen Hause in unserer Wirtschaft. Wenn auch die Bundesregie-
eine Entscheidung darüber fallen, ob vom bisheri- rung, wie wir wissen, in diesen Fragen bei ihren
gen System abgegangen werden soll oder nicht. Vertragspartnern nicht immer das rechte Verhält-
Ohne eine solche Vorentscheidung noch in diesem nis findet, sollte jedoch keine Mühe gescheut wer-
Jahre wird sonst wohl kaum damit zu rechnen sein, den, Lösungen zu finden, die inländischen Betrieben
daß in dieser Legislaturperiode eine Reform der eine Gleichstellung mit ausländischen Betrieben auf
Umsatzsteuer zu ermöglichen ist. dieser Ebene ermöglichen.
Zu den Vorschlägen, die wir der Bundesregierung Zu dem Strauß der Steuerfragen gehört auch die
zu einer aktiven Mittelstandspolitik zu unterbreiten Beseitigung von Steuerpivilegien der öffentlichen
haben, gehört auch die Forderung, beschleunigte Hand. Wenn Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1419
Burgemeister
Hand im Wettbewerb mit Privatunternehmen stehen, können, wird von einer guten Ausbildung beein-
muß die steuerliche Behandlung dieser Wettbewer- flußt. Daher ist die Berufsausbildung ein wichtiges
ber gleich sein. Element unserer mittelständischen Wirtschaftspoli-
tik. Die gesetzliche Regelung dieser Berufsausbil-
Weiter soll die Bundesregierung aufgefordert wer-
dung, die bisher noch nicht genügt, sollte daher
den, zu überprüfen, inwieweit durch die Erbschaft-
möglichst bald erfolgen. Wir werden hier in Kürze
steuer die Konzentration begünstigt oder gefördert
Gelegenheit haben, uns darüber zu unterhalten.
wird. Sie sollte, wenn sich das ergibt, dem Bundes-
tage entsprechende Novellierungvorschläge unter- Abgerundet werden unsere Vorstellungen über
breiten. eine gute und geschlossene Mittelstandspolitik
durch entsprechende sozialpolitische Vorstellungen,
Die CDU/CSU-Fraktion ist der Meinung, daß die
über die hier zum Teil schon der Kollege Porten ge-
Bundesregierung alle Mühe darauf verwenden
sprochen hat und über die wir uns in Kürze eben-
sollte, daß die Konzentrationsenquete, so wie ge-
plant, im Jahre 1963 dem Bundestag vorgelegt wird. falls werden unterhalten können.
Käme der Bericht erst später in den Bundestag, so Wenn wir so umfassende Vorstellungen über
könnte man in dieser Legislaturperiode damit sicher strukturelle Maßnahmen entwickeln können, so ist
nicht mehr viel anfangen. Auch ohne daß dieser dies vor allem deswegen möglich, weil die Bundes-
Bericht dem Bundestag vorliegt, sollen und müssen regierung in der letzten Legislaturperiode des Bun-
wir jedoch schon jetzt Maßnahmen in den Bereichen destages mit ihrem interministeriellen Ausschuß für
erwägen und treffen, in denen konzentrationsför- Mittelstandsfragen und mit dem in diesem Aus-
dernde Elemente bekannt sind. schuß erstellten Bericht über die Mittelstandsschich-
ten eine gute Arbeit geleistet hat. Diese gute Vor-
Wir begrüßen es daher, daß die Beratungen über
arbeit muß nun aber — da sind wir der gleichen
die Aktienrechtsreform bereits aufgenommen wer- Meinung wie die SPD —durch entsprechende Maß-
den konnten. Damit wird deutlich unterstrichen, daß
nahmen in dieser Legislaturperiode ausgebaut und
die Bundesregierung ernsthaft daran interessiert ist,
erweitert werden. Dazu können die mit dem Antrag
die Konzentration in unserer Wirtschaft zu beschrän-
der SPD geforderte Vorlage ergänzender Berichte
ken. Auch die Reform des Genossenschaftsrechts und die vorgeschlagenen Maßnahmen nur dienlich
wird aus diesem Grunde von uns begrüßt. Auch hier
sein.
sind die Vorbereitungen bereits weit gediehen. Den-
noch muß ich darauf hinweisen, daß im Anschluß an Wir haben uns inzwischen interfraktionell dar-
die Aktienrechtsreform unverzüglich eine Reform über unterhalten, inwieweit wir dem Antrag der
des GmbH-Rechts, möglichst noch in dieser Legis- SPD-Fraktion zustimmen können, den ersten Teil
laturperiode, erfolgen sollte. Beide gesellschafts- des Antrags Drucksache IV/246 schon heute zu ver-
rechtlichen Formen sind einander zu sehr verwandt, abschieden. Ich glaube, ich kann sagen, daß in-
als daß man zwei verschiedene Konzeptionen neben- zwischen eine Fassung gefunden worden ist, die die
einander bestehen lassen könnte. Im Gegensatz zu vom Kollegen Schmücker vorgetragenen Bedenken
den vor kurzem abgegebenen Erklärungen der Re- ausräumt, so daß wir uns damit in die Lage ver-
gierung möchte ich daher den Wunsch äußern, daß setzt sehen, den ersten Teil dieses Antrags heute zu
dennoch an eine Erarbeitung eines entsprechenden verabschieden und den zweiten Teil im Ausschuß
Reformvorschlages für das GmbH-Recht baldmög- weiter zu behandeln.
lichts herangegangen wird. Gegen diesen zweiten Teil des Antrags jedoch
Die in der Regierungserklärung vom 29. Novem- muß ich heute schon erhebliche Bedenken anmelden,
ber 1961 angekündigte Förderung wirtschaftlich weil er gerade die Dinge beinhaltet, in denen wir
schwach strukturierter Gebiete wird von uns sehr eben das sehen, Herr Kollege Lange, was wir, wie
unterstützt. Die Bundesregierung wird von uns auf- ich vorhin schon ausführte, nicht wollen, nämlich
gefordert werden, dem Bundestag weitere Vor- eine Art Grauen Plan nach dem Muster des Grü-
schläge für die Privatisierung von Betrieben des nen Plans auch für den Bereich der mittelständi-
Bundesbesitzes zu unterbreiten. Ich denke dabei schen Wirtschaft. Das wollen wir nicht, und des-
z. B. auch an eine Überführung der Handelsbetriebe, wegen wenden wir uns gegen die Fassung, die in
die im Bereich von Salzgitter von den damaligen dem zweiten Teil Ihres Antrags enthalten ist.
Reichswerken unter der Firmenbezeichnung „Verso"
Wir werden deswegen in den Ausschußberatun-
aufgebaut wurden und die, gerade weil es sich hier
gen vorschlagen, daß sich die Bundesregierung zu-
um typisch mittelständische Betriebe handelt, für
gleich mit der Vorlage des Berichts, wie er in
eine Privatisierung besonders geeignet erscheinen.
Punkt 1 des Antrags gefordert wird, darüber äußert,
Wenn es um die Eindämmung der Konzentration welche Absichten sie in diesem Bereich selber hat
geht, muß zwangsläufig auch an die Privatisierung und in welcher zeitlichen Reihenfolge bzw. zu wel-
des gemeinnützigen Wohnungsbaubesitzes gedacht chen Zeitpunkten sie dem Bundestag entsprechende
werden. Wir werden nicht müde werden, die Bundes- Vorlagen unterbreiten wird.
regierung zu mahnen, entsprechende Vorlagen zu Die Bundesregierung muß selbstverständlich Vor-
erarbeiten. stellungen darüber entwickeln, wie die Dinge ver-
Die Leistungsfähigkeit einer Volkskwirtschaft ist wirklicht werden können. Dazu ist die Erstellung
in hohem Maße vom beruflichen Können und Wissen eines Arbeits- und Zeitplans erforderlich. Gerade
der in dieser Wirtschaft Beschäftigten abhängig. Die weil sich die Bundesregierung laufend mit Augen-
Möglichkeit, einen Beruf selbständig ausüben zu blicksproblemen 'beschäftigen muß, kann sie sehr
1420 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Burgemeister
leicht abgelenkt werden, und es könnten wichtige erklärlich, daß wir heute eine so erfreulich große
Probleme durch andere, ebenso wichtige Probleme Zahl sachverständiger Kolleginnen und Kollegen zu
beiseitegedrängt werden. Um eine solche unge- diesem Problem gehört haben.
wollte Zurückstellung zu verhindern, sollte der (Abg. Schmücker: Wer hat, der hat!)
interministerielle Ausschuß wieder in Funktion tre-
ten. Ihm sollte wieder die Erarbeitung entspre- — Sehr schön, Herr Schmücker!
chender Vorlagen übertragen werden. Dabei muß Ich möchte mich darauf beschränken, unsere For-
nach unserer Meinung die Federführung selbstver- derung zu erläutern, daß die Bundesregierung Maß-
ständlich wieder beim Bundesminister für Wirt- nahmen einleitet, durch die Wettbewerbsnachteile
schaft liegen, der sich ja selbst einmal als Staats- aus der Steuergesetzgebung beseitigt werden.
sekretär des Mittelstandes bezeichnet hat.
Jemand, der der heutigen Diskussion unvorein-
Herr Kollege Lange, ich wollte nicht zu sehr pole- genommen zugehört hat, könnte der Meinung sein,
misch werden und bin es hoffentlich auch nicht ge- dies seien alles Probleme, die völlig neu auf uns
worden. Aber auf einen Punkt wollte ich noch zu zugekommen seien, und wir alle in diesem Hohen
sprechen kommen, nämlich auf den letzten Punkt Hause seien nun freudig bereit, für Abhilfe zu sor-
Ihres Antrags, in dem Sie sagen: gen und uns gemeinsam um die Lösung dieser Pro-
für die bei diesen Gruppen beschäftigten bleme zu bemühen. Tatsächlich handelt es sich aber
Arbeitnehmer Lebens- und Arbeitsbedingungen um Probleme, mit denen wir uns schon seit Jahren
ermöglichen, die denjenigen der Arbeitnehmer herumschlagen. Meine Fraktion ist nicht dafür ver-
in der Großwirtschaft vergleichbar sind. antwortlich, daß diese Probleme bisher nicht gelöst
worden sind. Man sollte also nicht den Eindruck
Es hätte mich und, ich glaube, alle meine Freunde erwecken, daß es sich hier um Dinge handle, die
und auch alle besonders in Familienbetrieben der nun plötzlich neu auf uns zukämen.
mittelständischen Wirtschaft Beschäftigten gefreut,
wenn Sie sich darüber hinaus auch Gedanken dar- Erfreulich ist immerhin, daß wir einig sind in dem
über gemacht oder Vorstellungen entwickelt hätten, Willen, zu versuchen, die Übelstände, die wir er-
wie man denjenigen helfen kann, die in diesen Fa- kannt haben, durch geeignete gesetzgeberische
milienbetrieben bei geringerem Einkommen als frü- Maßnahmen zu beseitigen.
her heute mehr Arbeit leisten müssen als umge- Ich bin mit Ihnen der Meinung, Herr Schmücker,
kehrt die Arbeitnehmer, die bei weniger Arbeit daß sich der Ausdruck „Mittelstand" als Arbeitstitel
mehr verdienen. Das ist das Problem, über das be- eingebürgert hat und daß man ihn als solchen ruhig
sonders gesprochen werden muß. verwenden kann. Man muß sich aber darüber im
(Beifall bei der CDU/CSU.) klaren sein, daß wir es hier natürlich nicht mehr
mit einem „Stand" zu tun haben. Insofern ist der
Es war davon die Rede, daß man nicht immer Ausdruck nicht ganz exakt, und ich würde eher von
überzeugt ist, daß das, was in Ihren Anträgen an- „Mittelschichten" sprechen. Aber darüber wollen
klingt, Wirklichkeit wird. Auch hierfür ein Beispiel, wir uns nicht streiten.
das manchen Zweifel aufkommen läßt. Ich höre ge-
rade, daß im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen Herr Kollege Opitz, Sie meinten, von dem Bericht
eine Illustrierte verbreitet wird, in der ein Kollege hätte der Mittelstand nichts. Nun, Sie glauben ja
Ihrer Fraktion, der gleichzeitig Bürgermeister ist, wohl nicht, daß wir diesen Bericht dann vervielfäl-
dafür gerühmt wird, daß er eine Straßendampfwalze tigen lassen, ihn dem selbständigen Mittelstand
und andere Straßenbaugeräte angeschafft hat, um übersenden und dann sagen wollten: Da hast du
die Gemeinde von Straßenbaufirmen unabhängig zu eine Hilfe! — Davon kann doch keine Rede sein.
machen. Gerade das wollen wir nicht, und das wol- Aus dem weiteren Verlauf der Diskussion ist wohl
len Sie eigentlich auch nicht. Es sind dies öffentliche eindeutig hervorgegangen, daß die Berechtigung
Arbeiten, die durchaus auch von Betrieben des mit- dieses Verlangens nach einem Bericht vom ganzen
telständischen Bereichs geleistet werden können und Hause anerkannt wird.
die nicht unbedingt von der öffentlichen Hand selbst Um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eines
ausgeführt werden müssen. der Grundprobleme des modernen Steuerrechts
Herr Kollege Lange, ich möchte damit meine Aus- schlechthin, ist es, wie wir wissen, schlecht bestellt.
führungen schließen. Ich hoffe, daß wir im Ausschuß Das zeigt sich, wenn man einen Blick auf die ver-
genügend Gelegenheit haben, zu all den aufgewor- schiedenen Schichten in unserer Gesellschaft wirft.
fenen Problemen sehr eingehend Stellung zu neh- Wir alle wissen, daß gleiches Recht sich ungleich
men. auswirkt, und das möchten wir in Zukunft vermie-
(Beifall bei der CDU/CSU.) den wissen. Darunter leiden gerade die Selbständi-
gen in Handel, Handwerk und Gewerbe, die freien
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der Berufe und die kleinen und mittleren Industrie-
Abgeordnete Corterier. unternehmer.
Es beginnt schon bei der sogenannten Ordnungs-
Corterier (SPD): Herr Präsident! Meine sehr mäßigkeit der Buchführung. Ich habe einige Erfah-
verehrten Damen und Herren! Ich darf mit Freude rung auf diesem Gebiet. Vor einigen Jahren habe
feststellen, daß unser Antrag Drucksache 246 offen- ich schon einmal einem Finanzamtsvorsteher in
sichtlich ein sehr starkes Echo bei den Koalitions- Süddeutschland klargemacht, daß es gewisse Berufs-
fraktionen gefunden hat; sonst wäre es wohl nicht zweige gibt, denen man eine ordnungsmäßige Buch-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1421
Corterier
führung im formalen Sinne gar nicht zumuten kann, Ich sagte schon, ein unvoreingenommener Zu-
weil sie dazu einfach nicht in der Lage sind. Auf der hörer könnte glauben, diese Dinge seien neu. Sie
anderen Seite können sie auch niemanden mit der sind nicht neu. Leider ist (in der Vergangenheit je-
Buchführung beauftragen, weil diese Kreise zu doch manches auf diesem Gebiet versäumt worden,
denen gehören, die am unteren Ende der Freien, das nachzuholen dringend erforderlich ist.
wenn ich so sagen darf, stehen. Infolgedessen wer- Nun noch zu einer Spezialfrage! Herr Kollege
den sie, wenn die Ordnungsmäßigkeit ihrer Buch- Dr. Artzinger hat hier ein Problem angeschnitten,
führung einmal bemängelt wird, zweimal bestraft. das zwar draußen schon häufig diskutiert, aber hier
Bei diesen Dingen beginnt es schon, und dort soll- in diesem Hause zum erstenmal in dieser Form
ten wir ansetzen. Dieses Problem sollten wir neu angesprochen worden ist, und zwar die Abschaffung
regeln, so daß die Selbständigen in den Mittel- der Gewerbesteuer. Er hat das nicht nur etwa als
schichten einen Vorteil davon haben. Forderung ausgesprochen, sondern hat auch weitere
Auch wir Sozialdemokraten sind der Meinung, positive Ausführungen insofern gemacht, als er
daß man keine Sondergesetze für den Mittelstand einen Weg aufzeigte, wie man den Einnahmeausfall
schaffen sollte, auch keine Sondersteuergesetze. Das decken kann.
haben wir hier und draußen oft genug verkündet. Nun, Herr Kollege Dr. Artzinger, ich bin persön-
Was wir aber verlangen müssen, ist, daß gleiches lich mit Ihnen durchaus einer Meinung darüber, daß
Recht auch gleichbleibt und daß sich gleiches Recht die Gewerbesteuer, die bekanntlich aus dem Jahre
nicht, wie es heute in der Praxis leider oft der Fall 1896 stammt und ihre Begründung auch noch aus
ist, ungleich auswirkt. dieser Zeit ableitet, heute absolut antiquiert ist. Ich
Es gibt auf der anderen Seite eine Reihe von spreche das hier in aller Form sehr deutlich aus, wie
Dingen, die wir hier in diesem Hause im Verlaufe ich das früher schon häufig getan habe. Aber wir
der letzten Jahre zunächst in der Absicht beschlos- dürfen eines . nicht vergessen: daß bisher leider
sen hatten, einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen. immer noch die große Finanzreform fehlt. Sie haben
Ich darf meine sehr verehrte Kollegin Frau Diemer- mit Recht darauf hingewiesen, daß heute die größte
Nicolaus daran erinnern, daß wir einmal Sonder- Einkommensquelle der Kommunen die Gewerbe-
ausgaben, erhöhte Sonderausgaben, doppelte Son- steuer ist. Wir würden verantwortungslos handeln,
derausgaben für die Angehörigen der freien Berufe, wenn wir den Kommunen durch eine Gesetzesände-
die über fünfzig Jahre alt waren, geschaffen hatten. rung diese Einkommensquelle einfach nähmen. Ich
Das war damals — aus den bekannten Gründen — darf daran erinnern, daß die letzte Änderung, näm-
eine Notwendigkeit. Hinterher wurde dann aber bei lich die Erhöhung der Freibeträge auf 7200 DM, der
einer weiteren Änderung des Einkommensteuer- wir selbstverständlich im Interesse der mittelständi-
gesetzes diese Erhöhung der Sonderausgaben für schen Politik auch zugestimmt haben, Einnahmeaus-
alle genehmigt. Damit war der ursprünglich ge- fälle zur Folge gehabt hat, die bei einigen Gemein-
wollte Effekt natürlich wieder dahin. den bereits Schwierigkeiten heraufbeschworen ha-
ben.
Ich bin mit Herrn Kollegen Schmücker durchaus
Wir können also so lange nicht an eine wirkliche
einig, der sagte, der § 26 des Einkommensteuer-
Reform der Gewerbesteuer oder aber an eine Ab-
gesetzes, nämlich die Zusammenveranlagung oder
schaffung überhaupt herangehen, solange die Frage
die Getrenntveranlagung, habe damals sehr viel
der Finanzreform nicht geklärt ist. Diese beiden
Staub aufgewirbelt. Mit Recht hat das Bundesver-
Dinge können wir leider nicht voneinander trennen.
fassungsgericht gesagt: Der § 26 alter Fassung ist
nicht verfassungsgemäß, er muß geändert werden. Nun zu Ihrem positiven Vorschlag, Herr Kollege
Was geschah dann? Wir haben das sogenannte Dr. Artzinger. Ich persönlich bin nicht der Meinung,
Splitting geschaffen. Die Frau des Metzgers — das daß, wie Sie es sehr nett ausdrückten, eine steuer-
ist einer der typischen Berufe, in dem auf die Mit- liche Beteiligung aller an den Aufgaben der Ge-
arbeit der Frau einfach nicht verzichtet werden meinden wünschenswert ist. Sicher nehmen heute
kann; es gibt auch noch eine ganze Reihe anderer alle genau wie die Gewerbetreibenden fast gleich-
— muß heute zu den gleichen steuerlichen Bedin- mäßig die Einrichtungen der Gemeinde in An-
gungen arbeiten, wie das vorher der Fall war; denn spruch. Darüber besteht kein Zweifel. Aber eine
das Splitting gilt für alle Steuerpflichtigen, nicht nur Beteiligung aller in steuerlicher Art an den Auf-
für die mithelfende Ehefrau im Handwerksbetrieb, gaben der Gemeinden vorzusehen, halte ich nicht
auf die damals unsere Bemühungen ja ausschließlich für zweckmäßig.
ausgerichtet waren und für die wir eine Gleich-
mäßigkeit in echtem Sinne 'erreichen wollten. Den Ausdruck, den Sie nicht hören wollten, will
ich auch nicht sagen; aber ich möchte nicht einer
Ähnlich ist es uns mit einer Reihe von anderen neuen Bürgersteuer das Wort reden, aus einer gan-
Dingen ergangen. Ich muß schon sagen, meine sehr zen Reihe von Gründen nicht. Es beginnt schon bei
verehrten Damen und Herren, wir sollten unsere der Erhebung. Wir würden eine neue große Ver-
Bemühungen wirklich verdoppeln und heute nicht waltung aufbauen müssen, um diese Steuer zu erhe-
nur mit Erkenntnissen diskutieren, sondern ver- ben, und es würden neue Schwierigkeiten entstehen.
suchen, diese Erkenntnisse auch in die Tat umzu-
setzen. Ich glaube, wir sind uns im zuständigen Ich glaube, man kann diese Frage nur dadurch
Ausschuß sowohl auf der einen wie auf der anderen regeln, daß man im Rahmen der großen Finanz-
Seite über die Notwendigkeiten durchaus einig. Es reform den Gemeinden die nötigen Mittel zuweist
muß nur etwas getan werden. oder ihnen Anteile an anderen Steuer verschafft,
1422 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Corterier
wie es z. B. in Osterreich der Fall ist, daß die Ge- Zum letzten möchte ich sagen: wenn Sie sich das
meinden an zwei großen Bundessteuern partizipie- Godesberger Programm ansehen, dann stellen Sie
ren. Ich glaube nicht, daß das ein sehr schlechter fest, daß in der Sozialdemokratischen Partei
Weg wäre. Wir hätten damit zwei Fliegen mit einer Deutschlands Menschen verschiedener Weltanschau-
Klappe geschlagen und hättten damit wohl diese ungen zusammengeschlossen sind, die aber für den
schwierige Frage aus der Welt geschafft. gesellschaftspolitischen, den staatspolitischen Be-
reich in all seinen Einzelheiten zu ganz bestimmten
Wie gesagt, eine neue Steuer nur deswegen zu gemeinsamen Überzeugungen gekommen sind.
schaffen, damit alle an der Gemeinde interessiert Dann werden Sie gleichzeitig erkennen, daß hier
werden und ihr Interesse dafür zeigen, — ich glaube nicht eine Weltanschauung Ausschließlichkeitsrechte
kaum, daß das der richtige Weg ist, und kann mich genießt. Genau das ist der Punkt, um den es vorhin
dafür im Augenblick nicht erwärmen. Eines aber bei unserer Auseinandersetzung ging.
sollten wir festhalten, meine sehr verehrten Damen
und Herren: Gerade auf dem Gebiet der Steuer- Selbstverständlich hat jeder von uns — damit ist
gesetzgebung ist eine Reihe von Änderungen erfor- jetzt das ganze Haus gemeint — seine Weltanschau-
derlich, damit auch für die Selbständigen im Mittel- ung, von der aus er zu ganz bestimmten Schluß-
stand gleiches Recht gleiches Recht bleibt. Das sollte folgerungen kommt. Welcher Art dann diese Schluß-
unser Anliegen sein. folgerungen sind, das ist seine ureigenste Ange-
(Beifall bei der SPD.) legenheit. Wir sollten uns nur davor hüten, die
Weltanschauung des einzelnen unter allen Umstän-
den für den Mitmenschen allgemein verbindlich
Vizepräsident Dr. Dehler: Zur Ausschußüber- machen zu wollen. Wir sollten insoweit den anderen
weisung hat Herr Abgeordneter Lange das Wort. mit seiner Weltanschauung vielmehr neben uns gel-
ten lassen und sollten uns mit seinen gesellschafts-
Lange (Essen) (SPD) : Herr Präsident! Meine Da- politischen Vorstellungen auseinandersetzen. Nur
men und Herren! Ich möchte den Kollegen, die hier das dazu, ohne jetzt weitere vertiefte Betrachtun-
einige Bemerkungen im Hinblick auf Wandlungen gen über diese Fragen anzustellen.
von Vorstellungen der Sozialdemokratie gemacht
haben, raten — wieder einmal Ratschläge, Herr (Zuruf von der CDU/CSU: So sehr vertieft
Kollege Schmücker —, sich erstens einmal das Ak- war es nicht!)
tionsprogramm der Sozialdemokratischen Partei von — Seien Sie einmal friedlich! -
1952 und 1954 anzuschauen, zweitens sich die Be-
schlösse des Parteitages von 1958 in Stuttgart an- Herr Burgemeister, Ihnen kann geholfen werden,
zusehen und drittens die Beschlüsse des außeror- was die Betriebe und die in den Betrieben Beschäf-
dentlichen Parteitages 1959 in Bad Godesberg — tigten angeht. Eine der Voraussetzungen muß aller-
Ergebnis: Godesberger Programm — durchzulesen. dings sein, daß die augenblickliche soziale Schwäche,
Dann wissen Sie sehr genau, was die deutsche So- die bei einem wesentlichen Teil dieser Betriebe,
zialdemokratie unter Sozialismus versteht. Das ist verglichen mit stärkeren, vor allen Dingen mit
genau nicht das, was Sie uns in der Regel unter- Großbetrieben, vorhanden ist, nicht Anlaß sein darf
stellen, nämlich zentralwirtschaftliche Verwaltungs- — und damit deckt sich die Aussage des Kollegen
tendenzen. Viertens würde ich Ihnen raten, sich Schmücker mit dem, was ich hier feststelle —, weite
auch die Beschlüsse von Hannover und Köln anzu- Teile der Arbeitnehmerschaft sozialpolitisch ungün-
schauen. stiger zu stellen als andere. Ich glaube, da sind wir
uns einig.
(Zuruf von der Mitte: Das sind ja die Sta
tionen!) Was die mithelfenden Familienangehörigen be-
trifft, Herr Burgemeister, verfolgen Sie Ausschuß-
— Reden Sie doch nicht, nein, nein. Sie müssen sich protokolle und auch Plenarprotokolle! Dann werden
darüber hinaus auch noch einmal die Mühe machen, Sie feststellen, daß wir recht bald, wahrscheinlich
verehrte Kollegen, sehr genau und sehr sorgfältig sogar ohne Meinungsverschiedenheiten, zu brauch-
das zu lesen, was hier in diesem Hause im Laufe baren Ergebnissen kommen. Insoweit kann Ihnen
d er Jahre über die Auffassung der Sozialdemokra also durchaus geholfen werden.
tie zu den verschiedensten wirtschaftspolitischen,
gesellschaftspolitischen, sozialpolitischen Problemen Jemand würde ich aber gerne warnen wollen: die
gesagt worden ist. Wenn Sie das einmal ganz Kollegin Frau Dr. Diemer-Nicolaus. Mir scheint, es
genau verfolgen, dann werden Sie feststellen, daß ist völlig verfehlt — und deshalb möchte ich davor
das Godesberger Programm der Abschluß einer warnen —, einem Teil des Hauses — das ist wech-
ganz bestimmten Entwicklung ist, die dem Grunde selseitig verschieden — immer Gesetzesgläubig-
nach schon beginnend in den Jahren 1949/50 hier keit zu unterstellen. Gewisse Bereiche sind nun ein-
ihren Ausdruck gefunden hat. mal durch Gesetze geregelt, Gesetze, die wir schließ-
lich zu gegebener Zeit nur wieder durch andere
(Zurufe von der Mitte.) Gesetze, Novellierungen, ändern können. Insoweit
muß sich auch Frau Kollegin Diemer-Nicolaus damit
— Da nützt auch kein Zweifel, meine Damen und abfinden, daß gewisse Dinge ohne gesetzgeberische
Herren, sondern man muß einmal unvoreingenom- Maßnahmen einfach nicht zu machen sind.
men und vorurteilsfrei an die Prüfung solcher Sach-
verhalte herangehen. (Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht alles!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1423
Lange (Essen)
—DashtdockeinMbaupt!LsenSi Der Bundestag wolle beschließen:
einmal sehr sorgfältig, was da steht. Wenn wir noch Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bun-
ein und dieselbe Muttersprache sprechen, meine destag in Fortsetzung des am 13. Juli 1960
Damen und Herren, dann, meine ich, sollte es auch übermittelten Berichtes über die Lage der Mit-
möglich sein, daß wir uns über die Begriffe, die hier telschichten — Drucksache 2012 der 3. Wahl-
verwendet werden, verständigen. Sie versuchen, periode — einen Ergänzungsbericht vorzulegen.
hier wieder etwas hineinzugeheimnissen. Wir wer- Dieser Ergänzungsbericht soll den ersten Be-
den uns also darüber unterhalten, was von unserer richt vervollständigen. Der Ergänzungsbericht
Seite jetzt im einzelnen beantragt ist. Dieser Ge- soll dem Bundestag bis zum 31. Dezember 1962
setzentwurf soll Maßnahmen gewährleisten und erstattet werden.
dann lesen Sie weiter! Das ist etwas ganz anderes,
als was heute durch die Diskussion gegeistert ist. Darüber hinaus wird die Bundesregierung er-
Aber ich würde sagen, wir sollten diesen Punkt sucht, sobald wie möglich dem Bundestag zu
jetzt nicht hier in der Plenardebatte zu klären ver- diesen Berichten vergleichbares Zahlenmaterial
suchen, sondern wir sollten uns darüber im Aus- und vergleichbare Tatbestände in vergleichen-
schuß unterhalten. Das scheint mir nämlich wesent- der Darstellung zu übermitteln.
lich nützlicher zu sein, well sich in der Diskussion Das wäre also, wenn Sie so wollen, die neue For-
herausgestellt hat, daß hinsichtlich der einzelnen mulierung, über die wir uns ja wohl verständigt
Fragenkreise weitgehend Berührungspunkte vor- haben, über die zu entscheiden ich hier bitte, und
handen sind. Ich würde also ernsthaft vorschlagen, zwar in dieser Lesung.
den zweiten Teil einmal sehr sorgfältig im Aus-
Den Punkt 2 würde ich dann der Ausschußüber-
schuß zu überprüfen.
weisung anheimgeben.
(Abg. Schmücker: „Maßnahmen gewähr
leisten", das ist keine Muttersprache, das Nun lassen Sie mich zum Abschluß dieser Debatte
noch eine letzte Feststellung treffen in Ergänzung
ist Stiefmuttersprache!)
zu dem, was Herr Kollege Schmücker in seinem Dis-
Ich bin dann gar nicht mehr so sicher, Herr Kollege kussionsbeitrag zu Beginn schon festgestellt hat. Ich
Burgemeister, ob Sie bei dem hier vorhin so tapfer bin der Meinung, daß ein solches Thema wie das
ausgesprochenen Nein bleiben werden. hier jetzt abgehandelte nicht nur Angelegenheit des
Bundeswirtschaftsministers, sondern Angelegenheit
(Abg. Schmücker: Als Gesetz ja!) weiterer Ressorts und insoweit der ganzen Bundes-
- Regie-
regierung ist. Ich glaube, es würde auch der
— Wir werden ja sehen, Herr Kollege Schmücker, rungserklärung vom 29. November 1961 dienlicher
wohin wir kommen. Es ist überhaupt interessant, sein, wenn sich bei der Auseinandersetzung über
festzustellen, was seitens der Regierungsparteien diese Frage heute neben dem tapfer ausharrenden
heute auf Grund unseres Antrages nun alles als der Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirt-
letzte und ausschließliche Wille dieser Regierungs- schaft auch die übrigen beteiligten Ressorts auf der
parteien dargelegt worden ist. Da kann man eine Regierungsbank präsentiert hätten.
ganze Menge durchaus unterschreiben. Auf der an-
deren Seite würde ich allerdings mit der Kollegin (Abg. Schmücker: Blank ist auch da!)
Diemer-Nicolaus sagen: Da wir hier im Hause drei — Blank war eine Zeitlang da, nachdem er nämlich
verschiedene Fraktionen sind, gibt es sicherlich auch von uns zitiert. wurde; von da nach da gekommen;
noch in verschiedenen und zuletzt wesentlichen völlig klar! Aber meine Damen und Herren, ich
Punkten Meinungsverschiedenheiten. Völlig klar! glaube, wir sollten alle miteinander als Parlament
Aber ob die sich hier oder auf welchen Sachgebie- auch von der Regierung erwarten dürfen, daß sie
ten sie sich äußern müssen, das ist die nächste den Verhandlungen dieses Parlaments mit mehr
Frage, die wir dann in der, wie ich hoffe, vertieften Achtung und mit mehr Aufmerksamkeit begegnet,
sachlichen Ausschlußberatung klären können. als aus solcher Verhaltensweise erkennbar wird.
Ich würde auch Herrn Burgemeister bitten, in be- (Beifall bei der SPD.)
zug auf die Entwicklung der eigenen Partei ge-
nauso sorgfältig Ausschußprotokolle und Plenar- Vizepräsident Dr. Dehler: Damit ist die Aus-
protokolle und auch Parteitagsbeschlüsse zu stu- sprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung,
dieren, um nicht zu Formulierungen zu kommen zunächst über den Antrag der Fraktionen der CDU/
wie: „Von Anfang an hat die CDU . . .", so als ob CSU, FDP betreffend Kreditversorgung des Mittel-
sie nie etwas anderes als heute vertreten hätte. standes, Drucksache IV/192. Vorgesehen ist Über-
Sie haben gelernt, wir haben gelernt, wir haben alle weisung an den Ausschuß für Mittelstandsfragen —
miteinander gelernt. Wieweit wir voneinander ge- federführend — und den Wirtschaftsausschuß —
lernt haben, steht dann noch auf einem anderen mitberatend —. — Das Haus ist einverstanden.
Blatt.
Dann zum Antrag der Fraktion der SPD, Druck-
Nun zu dem Antrag selbst. sache IV/246, betreffend Förderung der Mittelschich-
ten. Ziffer 1 soll in der von Herrn Abgeordneten
Zu Punkt 1 würden wir also folgendes vorschla- Lange verlesenen Fassung, also verkürzt, zur Ab-
gen — ich bitte, Herr Präsident, das verlesen zu stimmung gestellt werden. Es besteht Klarheit über
dürfen —: den Wortlaut? — Wer zustimmt, gebe bitte Zei-
1424 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
Vizepräsident Dr. Dehler
chen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstim- nung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs
mig angenommen. 1962 (Frühkartoffeln—Außen-Zollsatz) (Druck-
Ziffer 2 dieses Antrages soll ebenso wie der An- sachen IV/424, IV/444).
trag unter Punkt 24 c), Drucksache IV/384, dem Aus- Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Müller
schuß für Mittelstandsfragen — federführend —, (Erbendorf). Wünscht er das Wort?
dem Wirtschaftsausschuß und dem Ausschuß für
Arbeit überwiesen werden. Darf ich Einverständnis (Zuruf: Verzichtet!)
feststellen? — Kein Widerspruch. — Ohne Berichterstattung. Wir kommen zur Be-
schlußfassung über den Antrag des Ausschusses,
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: dem Verordnungsentwurf unverändert zuzustim-
men. Wer so beschließen will, gebe bitte ein Zei-
Beratung des von der Bundesregierung ein- chen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist
gebrachten Entwurfs einer Sechzehnten Ver- einstimmig so beschlossen.
ordnung zur Änderung des Deutschen Zoll-
tarifs 1962 (Holzhäuser) (Drucksache IV/455). Tagesordnungspunkt 30:
Keine Aussprache! Vorgesehen ist Überweisung
Beratung des Schriftlichen Berichts des
an den Außenhandelsausschuß als federführenden
Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über
Ausschuß und an den Wirtschaftsausschuß zur Mit-
den von der Bundesregierung eingebrachten
beratung. — Kein Widerspruch; es ist so beschlos-
Entwurf einer Dreiundzwanzigsten Verord-
sen.
nung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs
1962 (Frühkartoffeln — Juni) (Drucksachen
Ich rufe auf den Tagungsordnungspunkt 26: IV/429, IV/445).
Beratung des von der Bundesregierung ein- Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Glüsing
gebrachten Entwurfs einer Siebzehnten Ver- (Dithmarschen). Wünscht er den Bericht zu erstat-
ordnung zur Änderung des Deutschen Zoll- ten? — Das ist nicht der Fall.
tarifs 1962 (Sardinen usw.) (Drucksache Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag
IV/456). des Ausschusses, dem Verordnungsentwurf unver-
Keine Aussprache! Vorgesehen ist Überweisung ändert zuzustimmen. Wer zustimmt, gebe bitte ein
an den Außenhandelsausschuß als federführenden Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?- — Ein-
Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, stimmig angenommen.
Landwirtschaft und Forsten. — Kein Widerspruch;
es ist so beschlossen. Tagesordnungspunkt 31:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus-
Tagesordnungspunkt 27: schusses für Arbeit (21. Ausschuß) über den
von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme
Beratung des von der Bundesregierung ein-
vorgelegten Entwurf einer Verordnung zur
gebrachten Entwurfs einer Achtzehnten Ver-
Durchführung einer Erhebung über die Löhne
ordnung zur Änderung des Deutschen Zoll-
in gewissen Industriezweigen in der Euro-
tarifs 1962 (Salz, Naturkork usw.) (Drucksache
päischen Wirtschaftsgemeinschaft (Jahr 1961)
IV/457).
(Drucksachen IV/398, IV/425).
Vorgesehen ist lediglich Überweisung an den Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schneider
Außenhandelsausschuß. — Ohne Widerspruch; es (Hamburg). Wünscht er das Wort? — Das ist nicht
ist so beschlossen. der Fall.
-
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962 1427
Anlage 1
Drachsler 30. 6.
Liste der beurlaubten Abgeordneten Eichelbaum 21.6.
Kühn (Bonn) 30.6.
Abgeordnete(r) beurlaubt ibis einschließlich Lohmar 21.6.
a) Beurlaubungen Matthöfer 30.6.
Dr. Menzel 30.6.
Dr. Achenbach 13. 6. Unertl 30.6.
Adorno 30. 6. Dr. Vogel 30.6.
Busch 15. 6.
Büttner 13. 6. Anlage 2
Dr. Dichgans 13. 6.
Dorn 13. 6. Erklärung
Engelbrecht-Greve 16. 6. des Abgeordneten Dr. Bleiß für die Fraktion der
Dr. Dr. h. c. Friedensburg 15. 6. SPD zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
Dr. Furler 15.6. des Haushaltsgesetzes 1962 (Drucksache IV/436).
Dr. Gleissner 13. 6.
Hahn (Bielefeld) Bei der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes
13.6.
Dr. Hauser 1962 hatte die SPD-Fraktion den Antrag gestellt,
13. 6.
Hermsdorf den Straßenbau aus der für alle öffentlichen Bauten
13. 6.
Herold verhängten 20%igen Sperre der Etatmittel des Bun-
17. 6.
Dr. Hesberg des herauszunehmen. Der Antrag wurde von der
15. 6.
Höfler Mehrheit des Bundestages abgelehnt, obwohl bei
16. 6.
Illerhaus der Beratung des Haushaltsplanes für 1962 fest-
15. 6.
Kalbitzer stand, daß von einer überhitzten Konjunktur im
13. 6.
Dr. Klein (Berlin) 1. 7. Straßenbau keine Rede sein kann.
Dr. Kreyssig 13. 6. Die Sperre der Haushaltsmittel und der vom Bun-
Kriedemann 15. 6. desverkehrsminister am 2. Mai 1962 auf Grund der
Kubitza 13.6. Sperre verkündete Vergabestopp im Straßenbau
-
Kühn (Köln) 13. 6. dienen nicht der Konjunkturdämpfung, sondern
Dr. Löhr 14. 6. müssen zu einem Leerlauf im Straßenbau und zur
Dr. Mälzig 13.6. Abwanderung von Arbeitskräften führen. Anstatt
Margulies 13. 6. mehr und bessere Straßen zu bauen, ist durch die
Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 15. 6. 20%ige Sperre der Haushaltsmittel unter dem irre-
Metzger 13. 6. führenden Vorwand der Konjunkturdämpfung auf
Michels 14. 6. rückwärts geschaltet worden. Der von der Mehrheit
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Mailer 14.6. des Hohen Hauses erzwungene Beschluß hat in der
Dr. Nissen 15. 6. Öffentlichkeit eine nahezu einhellige Ablehnung
Oetzel 15. 6. gefunden. Die Verkehrsminister der Länder, der
Ollenhauer 13. 6. Deutsche Straßentag, das Kuratorium „Wir und die
Frau Dr. Pannhoff 14. 6. Straße", die gesamte fachkundige Presse haben mit
Pöhler 13. 6. Befremden und Erstaunen von dem Straßenbaustopp
Priebe 13. 6. Kenntnis genommen und gegen Sperre und Stopp
Frau Dr. Probst 15.6. im Straßenbau energisch protestiert.
Ramms 13. 6. Völlig unverständlich wird die Mittelsperre aber
Richarts 15. 6. den Millionen von Autofahrern gewesen sein, die
Ruland 15. 6. während der Pfingsttage in langen Kolonnen auf
Sänger 13. 6. den Autobahnen einherschlichen und durch Transpa-
Schlick 15.6. rente aufgefordert wurden, die Autobahnen zu
Dr. Schneider (Saarbrücken) . 13.6. verlassen, um auf Umwegen und durch viele Ort-
Schütz 15. 6. schaften schneller ihr Reiseziel zu erreichen. 123
Seidl (München) 15.6. Tote und 1800 Unfälle mit Personenschaden zu
Stiller 16.6. Pfingsten trotz Großeinsatzes von Verkehrspolizei
Storch 15.6. und aller sonstigen Hilfseinrichtungen sind eine
Urban 29.6. traurige Bilanz, die wir zu ziehen haben.
Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 15. 6.
Weinkamm 14.6. Die ausgesprochene 20%ige Sperre macht den
Wilhelm 15.6. Rückstand im I. Straßenbauvierjahresplan noch grö-
Dr. Zimmermann (München) 15.6. ßer und stellt die finanzielle Grundlage des II. Vier
jahresplanes völlig in Frage.
b) Urlaubsanträge Der Bundesverkehrsminister hat den Beschluß der
Dr. Brecht 30. 6. Mehrheit dieses Hauses als „einen schweren, auch
Brünen 25.6. in Zukunft kaum auszugleichenden Schlag" gegen
1428 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1962
den Straßenbau bezeichnet. Er erblickt darin einen kehrssicherheit, daß über unseren Antrag, der klar
„klar sich abzeichnenden Angriff auf die Zweck- und deutlich ist, noch vor den Parlamentsferien ent-
bindung der Mineralölsteuer". Der stellvertretende schieden wird. Nur wenn die Auftragsvergabe un-
Vorsitzende der CSU-Fraktion, Herr Kollege Dol- verzüglich erfolgt, können die Bauvorhaben vor
linger, hat an den Bundeskanzler telegrafisch um Eintritt der Frostperiode durchgeführt werden. Die
Rückgängigmachung des Straßenbaustopps gebeten. Motorisierung in der Bundesrepublik zeigt weiter-
hin einen positiven Trend. Wir begrüßen ihn. Er
Hätten der Bundesverkehrsminister und wenig- verpflichtet uns dazu, mehr und bessere Straßen zu
stens ein Teil seiner Fraktion und hätte Herr Kol- bauen. Die Mehrheit dieses Hauses hat die nach
lege Dollinger und die CSU-Fraktion am 10. 4. 1962 unserer Auffassung völlig ungenügenden Straßen-
mit uns gestimmt, dann wäre der verkehrswirt- baumittel mit einer 20%igen Sperre belegt. Das war
schaftlich unsinnige und die Verkehrssicherheit ge- ein verhängnisvoller Irrtum. Die Folgen einer sol-
fährdende Beschluß überhaupt nicht zustande ge- chen verkehrspolitischen Neuorientierung sind un-
kommen. Wenn Sie uns, meine Damen und Herren absehbar. Sie müssen zu verkehrschaotischen Zu-
von der CDU/CSU-Fraktion, diesmal unterstützen, ständen führen. Die SPD-Fraktion wird sich gegen
dann wird es mit vereinten Kräften möglich sein, eine solche drohende Entwicklung mit ganzer Kraft
diese unhaltbare Maßnahme rückgängig zu machen. zur Wehr setzen. Wir sind uns dabei der Unterstüt-
zung durch die Öffentlichkeit sicher. Wir haben
Mit unserem Gesetzentwurf beantragen wir er- auch die Hoffnung, daß die Realisierung unseres
neut, den Straßenbau aus dem Baustopp herauszu- Antrages ein erster Schritt auf dem Wege zur Bes-
nehmen, und wir wünschen im Interesse der Ver serung ist.