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26. Sitzung
Inhalt:
Eintritt des Abg. Geldner in den Bundestag 1117 A Frage des Abg. Dr. Enders:
Erhöhung der den Familienangehörigen
Amtliche Mitteilungen 1117 A einberufener Wehrpflichtigen zur Un-
terhaltssicherung zustehenden Beträge
Fragestunde (Drucksachen VI/273, VI/282) Berkhan, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . . . . . . 1120 B
Fragen des Abg. Krammig:
Haltung der deutschen Delegation bei
Frage des Abg. Leicht:
den Brüsseler Verhandlungen über das
sog. Tabakpaket — Unterrichtung und Verluste der Bundeswehr an Flugzeu-
Stellungnahme des Bundestages . . . 1117 C gen vom Typ Starfighter
Berkhan, Parlamentarischer
Frage des Abg. Dr. Häfele: Staatssekretär . . . . . . . 1120 B, C
Gewährung von Hilfe für Betriebe des Leicht (CDU/CSU) 1120 C
biologischen Landbaues
Logemann, Parlamentarischer Frage des Abg. Flämig:
Staatssekretär 1118 A, C, D
Einberufung der Wehrpflichtigen nach
Dr. Häfele (CDU/CSU) 1118 C Absolvierung des Technischen Gymna-
siums
Fragen des Abg. Dr. Gölter: Berkhan, Parlamentarischer
EWG-Weinmarktordnung Staatssekretär . . . . 1120 D, 1121 A
Logemann, Parlamentarischer Flämig (SPD) . . . . . . . . . 1121 A
Staatssekretär . 1118 D, 1119 A, B, C, D,
1120 A Frage des Abg. Dr. Jobst:
Dr. Gölter (CDU/CSU) 1119 A, D Auflösung von Standortverwaltungen
Strohmayr (SPD) 1119 B Berkhan, Parlamentarischer
Dr. Klepsch (CDU/CSU) 1119 C Staatssekretär . . . . . , 1121 A, B, C
Dröscher (SPD) 1119 C Dr. Jobst (CDU/CSU) 1121 B
von Hassel, Präsident 1119 C Stahlberg (CDU/CSU) 1121 C
II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Frage des Abg. Dr. Jobst: Fragen des Abg. Mursch (Soltau-Harburg) :
Beantwortung der Anfragen von Ab- Zahl der nicht eingezogenen Wehr-
geordneten an einen Minister pflichtigen
Berkhan, Parlamentarischer Berkhan, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . . . . . 1121 D Staatssekretär . • . • 1126 C, 1127 A
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) 1127 A
Fragen des Abg. Buchstaller:
Human-Zentrifuge im Flugmedizini- Frage des Abg. Dr. de With:
schen Institut der Luftwaffe in Fürsten- Mindestalter des Vorsitzenden und der
feldbruck Beisitzer von Prüfungsausschüssen für
Berkhan, Parlamentarischer Kriegsdienstverweigerer
Staatssekretär 1122 A, B, C Berkhan, Parlamentarischer
Buchstaller (SPD) . . . . . . 1122 B, C Staatssekretär 1127 B, C
Dr. de With (SPD) 1123 B, C
Frage des Abg. Dr. Schmude:
Beurlaubung von Wehrpflichtigen zur Fragen der Abg. Stahlberg und Zink:
Aufnahme eines Ingenieurschulstu- Vorfälle in Dienststellen des zivilen
diums Ersatzdienstes — Gestaltung des zivi-
Berkhan, Parlamentarischer len Ersatzdienstes
Staatssekretär . 1122 D, 1123 A, B, C, D Dr. Auerbach, Staatssekretär . . . 1127 D,
Dr. Schmude (SPD) . . . . . 1123 A, B 1128 B, C, D, 1129 A
Stahlberg (CDU/CSU) 1123 C Stahlberg (CDU/CSU) . . . . . 1128 B, C
Damm (CDU/CSU) 1123 C Zink (CDU/CSU) . . . . . . . 1128 C, D
Jung (FDP) 1123 D Strohmayr (SPD) . . . . . . . 1128 D
Fragen der Abg. Frau Dr. Orth: Frage des Abg. Zebisch:
Lehrgänge für Soldaten auf Zeit zum Vertrieb von Waren durch Zivilver-
Erwerb der Fachhochschulreife sehrte 1129 A
Berkhan, Parlamentarischer
Staatssekretär . . . . . . 1124 A, B Frage des Abg. Folger:
Dr. Huys (CDU/CSU) 1124 B Ausgewiesene Gastarbeiter
Dr. Auerbach, Staatssekretär . . 1129 B, C
Fragen der Abg. Frau von Bothmer:
Folger (SPD) 1129 C
Versehrtenrente des bei dem Überfall
von Lebach verletzten ehemaligen Ge-
Frage der Abg. Frau Funcke:
freiten Schulz — Versicherung der
Soldaten Wegeunfalischutz der berufstätigen
Berkhan, Parlamentarischer Mütter
Staatssekretär . 1124 C, 1125 A, B, C, D, Dr. Auerbach, Staatssekretär . . 1129 D,
1126 A 1130 A, B
Frau von Bothmer (SPD) 1125 A Frau Funcke (FDP) 1130 A
Maucher (CDU/CSU) . . . . 1125 B, C
Josten (CDU/CSU) . 1125 C Frage des Abg. Dr. Haack:
Jung (FDP) .........1125 D Zuschüsse zur Beschaffung eines Fahr-
rads für Beschädigte
Fragen des Abg. Maucher: Dr. Auerbach, Staatssekretär . . . 1130 B
Härten bei der Einberufung der Söhne
von Schwerbeschädigten und Krieger- Frage des Abg. Wolf:
witwen
Bundesausschuß für Berufsbildung
Berkhan, Parlamentarischer
Staatssekretär 1126 B, C Dr. Auerbach, Staatssekretär . . 1130 C, D
Maucher (CDU/CSU) . . . 1126 C Wolf (SPD) 1130 D
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 III
Frage des Abg. Bay: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Einweisung von Ersatzdienstleistenden Bewertungsgesetzes (Abg. Stücklen, Eh-
in das Lager Schwarmstedt nes, Dr. Zimmermann, Strauß, Dr. Probst,
Dr. Auerbach, Staatssekretär . . 1131 A, C Gierenstein, Rainer, Kiechle u. Gen.)
(Drucksache VI/244) — Erste Beratung —
Bay (SPD) . . . . . . . . . . 1131 B
Ehnes (CDU/CSU) . . . . . . . 1162 D
Würtz (SPD) . . . . . . . . . 1131 C
Entwurf eines Gesetzes über die Zulassung
Abwicklung der Tagesordnung . . . . . 1131 D von nach § 19 des Zahnheilkundegeset-
zes berechtigten Personen zur Behand-
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des lung der Versicherten in der gesetzlichen
Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Abg. Dr. Krankenversicherung (Drucksache VI/276)
Czaja, Erpenbeck, Mick, Ott und Fraktion — Erste Beratung — . . . . . . . 1162 D
der CDU/CSU) (Drucksache VI/142) —
Erste Beratung — Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag
Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . . . 1132 A vom 21. Januar 1969 zwischen der Bun-
desrepublik Deutschland und dem König-
Frau Meermann (SPD) . . . . . 1135 A reich der Niederlande über die Einbezie-
Wurbs (FDP) . . . . . . . . . 1138 C hung und Beitreibung von Beiträgen der
Sozialen Sicherheit (Drucksache VI/277)
Dr. Lauritzen, Bundesminister . . . 1139 C
—ErsteBeratung— 1162 D
Erpenbeck (CDU/CSU) . . . . . 1143 D
-
Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung miet der Grundrentenabfindung in der Kriegs-
preisrechtlicher und wohnungsrechtlicher opferversorgung (Rentenkapitalisierungs-
Vorschriften (SPD, FDP) (Drucksache gesetz) (Drucksache VI/274) — Erste Be-
V1/159) — Erste Beratung — ratung —
Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 1145 D Rohde, Parlamentarischer
Geisenhofer (CDU/CSU) . . . . . 1146 D Staatssekretär . . . . . . . . 1163 B
Kirst (FDP) . . . . . . . . . 1148 D Burger (CDU/CSU) . . . . . . . 1164 A
Schmidt (München) (SPD) . . . . 1149 B Glombig (SPD) . . . . . . . . 1164 B
Orgaß (CDU/CSU) . . . . . . . 1151 B
Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzver-
Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 1152 C trag vom 7. Februar 1969 zur Durchfüh-
rung und Ergänzung des Vertrages vom
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung 7. Mai 1963 zwischen der Bundesrepublik
des Bundesbesoldungsgesetzes (Druck- Deutschland und der Republik Österreich
sache VI/279) — Erste Beratung — . . . 1153 B über Kriegsopferversorgung und Beschäf-
tigung Schwerbeschädigter (Drucksache
VI/275) — Erste Beratung — 1165 B
dÜesbRchrtaui 1üde
dem Bundestag zugeleiteten Streitsachen
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag
vor dem Bundesverfassungsgericht
vom 27. August 1968 zwischen der Bun-
(Drucksache VI/ 189)
desrepublik Deutschland und dem Spani-
Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . 1 153 C schen Staat über die Schiffahrt (Druck-
Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 1154 C sache VI/80) ; Schriftlicher Bericht des
Ausschusses für Verkehr und für das
Benda (CDU/CSU) . . . . . . . 1156 D Post- und Fernmeldewesen (Drucksache
Kleinert (FDP) . . . . . . . . 1157 D VI/264) — Zweite Beratung und Schluß-
abstimmung — 1165 C
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Aus-
(Abg. Stücklen, Strauß, Wagner [Günz- schusses über den Antrag der Fraktion
burg], Dr. Riedl [München], Dr. Kreile, der CDU/CSU betr. europäischer Agrar-
Geisenhofer, Dr. Schneider [Nürnberg], markt (Drucksachen VI/63, VI/255) . . . 1165 D
IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für vorteile durch Inanspruchnahme der Ver-
Wirtschaft über die Verordnung zur Ä n- günstigungen des Berlinhilfegesetzes für
derung des Deutschen Teil-Zolltarifs Investitionen in Berlin . . . . . . . 1167 D
(Nr. 22/69 — Erhöhung des Zollkontin-
gents für feste Brennstoffe) (Drucksachen
Anlage 4
VI/153, VI/267) 1165 D
Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) betr.
Wirtschaft über die Vorschläge der EG- European Exchange System 1168 B
Kommission für
eine Richtlinie des Rates über die Ver- Anlage 5
wirklichung der Niederlassungsfreiheit Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
und des freien Dienstleistungsverkehrs Fragen des Abg. Dr. Abelein betr. gegen-
für selbständige Tätigkeit des Kohlen- seitige Behandlung der beiden Teile
großhandels und für Vermittlertätigkei- Deutschlands als Ausland bzw. Inland 1169 A
ten in Handel und Industrie auf demsel-
ben Gebiet
Anlage 6
eine Richtlinie des Rates über die Ein-
zelheiten der Übergangsmaßnahmen auf Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
dem Gebiet der selbständigen Tätigkei- Fragen des Abg. Jung betr. Zulassung
ten des Kohlengroßhandels und der Ver- von Bewerbern zum Medizinstudium . . 1169 C
mittlertätigkeiten in Handel und Indu-
strie auf demselben Gebiet Anlage 7
Richtlinien des Rates zur Festsetzung der Schriftliche Antwort auf die Mündlichen
Einzelheiten der Verwirklichung der Fragen des Abg. Wende betr. Verlet-
Niederlassungsfreiheit und des freien zung der Pflanzenschutzmittelverordnung
Dienstleistungsverkehrs für die selbstän- durch ausländische Importe . . . . . 1170 A
digen Tätigkeiten des Augenoptikers
-
(Drucksachen VI/17, VI/97, VI/268) . . 1166 A
26. Sitzung
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage
der Abgeordnete Dr. Gölter. der Abgeordnete Dr. Klepsch.
Dr. Gölter (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, bei
stimmt mir die Bundesregierung angesichts der Tat- welchen Punkten glauben Sie, Kompromisse machen
sache, daß wir das modernste und weitreichendste zu müssen?
Weingesetz innerhalb der EWG haben, zu, daß ver-
sucht werden sollte, dieses Weingesetz soweit nur Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
irgend möglich in die EWG-Weinmarktordnung ein- beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
zubringen? und Forsten: Ich bin nicht bereit, hier über Kompro-
misse zu sprechen, weil ich dann in Einzelheiten
gehen müßte. Ich glaube, das würde auch unsere
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär
Verhandlungsposition in Brüssel nicht stärken.
beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten: Das gibt die Bundesregierung durch-
aus zu. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage
der Abgeordnete Dröscher.
Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, daß
heute morgen ein Gespräch zwischen Mitgliedern
Dröscher (SPD) : Herr Staatssekretär, würden Sie
des Ernährungsausschusses und des Ausschusses für
mir zustimmen, wenn ich sage, die Schwierigkeiten,
Familie, Jugend und Gesundheitswesen stattgefun-
die sich durch die Interventionsmaßnahmen ergeben,
den hat, das dem Ziel diente, die Probleme für die
und insbesondere die Befürchtung über die durch die
EWG-Verhandlungen in der nächsten Woche einer
Intervention entstehenden Kosten sind deshalb ge-
Vorklärung zuzuführen. Es ist ja bekannt, daß die
geben, weil die Italiener glauben, daß eine Markt-
Bundesregierung bei gewissen Positionen durch die
regelung, wie sie die nord- und mitteleuropäischen
deutsche Delegation in Brüssel Vorbehalte ange-
Gebiete auf dem Getreide- und Milchsektor haben,
meldet hat.
auch für Wein kommen müsse?
Dr. Gölter
EWG-Weinproduktion, stimmt mir die Bundesregie- Leicht (CDU/CSU) : Herr Parlamentarischer
rung zu, wenn ich sage, es muß versucht werden, Staatssekretär, handelt es sich bei diesen Zahlen,
insbesondere im Bereich des Qualitätsweins Inter- die Sie nannten, um Abstürze oder um Verluste
ventionsregelungen nach Möglichkeit zu vermeiden? insgesamt?
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 127 Präsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage des
des Abgeordneten Wende auf. Ist der Abgeordnete Abgeordneten Leicht.
im Saal? — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird
schriftlich beantwortet. — Das gleiche gilt für die Leicht (CDU/CSU) : Sind also Pressemeldungen
Frage 128. nicht richtig, wonach die alte Bundesregierung fal-
Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Par- sche Zahlen über die Verluste an Starfightern ge-
lamentarischer Staatssekretär Logemann. nannt habe?
Ich komme zu dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministers der Verteidigung. Die Frage 17 des Abge- Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
ordneten Lemmrich ist zurückgezogen. Bundesminister der Verteidigung: Die alte Bundes-
regierung hat auf Befragen die Antworten jeweils
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Enders so erteilt, wie die Fragen gestellt wurden. Wenn
auf: nach Abstürzen gefragt wurde, wurden die Absturz-
Hält es die Bundesregierung für notwendig, die 1965 fest-
gesetzten Beträge im Hinweis 13 c zu § 4 des Unterhaltssiche- zahlen genannt. Ich kann mich nicht erinnern, Herr
rungsgesetzes zu erhöhen, um den Familienangehörigen der zur Leicht — ich müßte das nachprüfen lassen —, ob
Bundeswehr einberufenen Wehrpflichtigen, entsprechend den
gestiegenen Miet- und Lebenshaltungskosten, ein angemessenes auch nach Verlusten am Boden gefragt wurde.
Einkommen zu sichern?
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Stahlberg (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, weiß
Herrn Abgeordneten Flämig. die Bundesregierung, daß die Beunruhigung weit
über die genannten Standortverwaltungen hinaus-
Flämig (SPD) : Herr Staatssekretär, Ihre Antwort geht, im Grunde in allen Wehrbereichen besteht,
ist also so zu verstehen, daß der normale Bildungs- und ist die Bundesregierung bereit, über die Wehr-
weg und der zweite Bildungsweg hier gleichberech- bereiche nun endlich bekanntzugeben, wo Ände-
tigt behandelt werden? rungen möglich sind und wo vor allem die Stand-
ortverwaltungen, die erst kürzlich bezogen worden
sind, erhalten bleiben?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister der Verteidigung: Ja, durchaus.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 21 Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege
des Abgeordneten Dr. Jobst auf: Stahlberg, ob eine Standortverwaltung oder eine
Trifft es zu, daß mehrere Standortverwaltungen aufgelöst
Außenstelle eine geeignete Organisationsform ist,
werden sollen, und befindet sich darunter auch die Standort- bestimmt sich nach den Aufgaben. Diese Aufgaben
verwaltung Oberviechtach?
sind Verwaltungs- und Fürsorgeaufgaben für die
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwor- Truppe. Wenn sich die Standorte der Truppe än-
tung der Parlamentarische Staatssekretär. dern, ändern sich auch die Aufgaben der Verwal-
tung. Daher kann ich Ihnen aus Gründen, die ich
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Ihnen hier sicher nicht zu erläutern brauche, nicht
Bundesminister der Verteidigung: Ich beantworte verbindlich zusagen, daß wir in jedem Fall vorsorg-
die Frage folgendermaßen: Nein, dies trifft nicht zu. lich so früh mit allen Beteiligten verhandeln können,
Zur Zeit laufen lediglich Untersuchungen zur Um- daß keine Unruhe entsteht. Ich verspreche Ihnen
wandlung von anderen Standortverwaltungen in jedoch, daß in dem gebotenen Maße alles geschieht,
Außenstellen. Die Auflösung oder Umwandlung der um die Unruhe in Grenzen zu halten.
Standortverwaltung Oberviechtach, nach der aus-
drücklich gefragt wurde, ist nicht vorgesehen. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 22
des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Hält es die Bundesregierung im Interesse einer guten Zusam-
Abgeordneten Dr. Jobst. menarbeit zwischen Parlament und Regierung für förderlich,
wenn Anfragen von Abgeordneten an einen Minister nur mit
einem Durchschlag von Schreiben beantwortet werden, die
gleichzeitig an andere Fragesteller außerhalb des Parlaments
Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wenn erteilt werden, wie es zum Beispiel bei meiner Eingabe an den
Bundesminister der Verteidigung wegen unzureichender Unter-
solche Überlegungen angestellt werden sollten, bringung der Standortverwaltung Oberviechtach geschehen ist?
würde die Bundesregierung bei derartigen Maßnah-
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische
men dann auch die Überlegung mit einbeziehen, daß
Staatssekretär.
es sich hier um Standorte im Zonenrandgebiet han-
delt?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Sehr geehrter
Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, Herr Kollege Dr. Jobst, lassen Sie mich zuerst mit
diese Überlegungen werden immer einbezogen. Ich einer Entschuldigung wegen der entstandenen Ver-
habe aber — das wird Ihnen aufgefallen sein — die stimmung zwischen Ihnen und mir beginnen. Es lag
Standorte nicht genannt, da die Verhandlungen noch mir fern, durch die Art des geführten Schriftwechsels
nicht abgeschlossen sind und ich keinesfalls wün- die gute Zusammenarbeit zwischen Parlament und
sche, daß vorzeitig Unruhe entsteht, wenn am Ende Regierung bzw. Parlamentariern einerseits und der
gar herauskommt, daß diese Standortverwaltungen Regierung andererseits zu stören. Meine Mitarbeiter
nur in Außenstellen umgewandelt werden. haben diesen Weg gewählt und ihn mir vorgeschla-
gen, weil sie die Absicht hatten, Ihre Fragen schnell
und korrekt zu beantworten.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage
des Abgeordneten Dr. Jobst. Der Sachverhalt war seit dem 17. November 1969
dem Bundesminister der Verteidigung bekannt und
wurde bearbeitet. Darüber hinaus wurden die glei-
Dr. Jobst (CDU/CSU): Ist die Standortverwal-
tung Neunburg vorm Wald zur Auflösung im Ge- chen Klagen, die Sie vorgetragen haben, am 21. No-
spräch? vember nochmals durch ein Schreiben des Haupt-
personalrates vorgetragen. Danach erst ging Ihr
Schreiben am 8. Dezember ein.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister der Verteidigung: Nein. Die Antworten für die drei Briefe wurden gemein-
sam vorgelegt. Zwei Petenten wurden mittels Durch-
schrift des Briefes, der an den ersten Briefschreiber
Präsident von Hassel: Danach wurde übrigens — den Personalratsvorsitzenden der Standortver-
in der Hauptfrage nicht gefragt; Sie weichen also waltung Oberviechtach — gerichtet war, mit gleicher
etwas vom Wege ab. Post informiert. Einer davon war an Sie gerichtet.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Stahlberg. Der an Sie gerichtete Durchschlag wurde allerdings
1122 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Zur Beantwortung, bitte schön, der Herr Parla-
Abgeordneten Buchstaller. mentarische Staatssekretär.
Buchstaller (SPD): Herr Staatssekretär, ist Ihnen Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
bekannt, daß diese Zentrifuge damals mit der Be- Bundesminister der Verteidigung: Herr Dr. Schmude,
gründung angeschafft wurde, sie sei für die Jet- die Bundesregierung, stets bemüht, die Lasten, die
Piloten-Untersuchungen und -Ausbildung dringend dem jungen Mann bei Ableistung des Grundwehr-
erforderlich? Wie erklären Sie sich dann die Tat- dienstes entstehen, zu mildern, kann aus Gründen
sache, daß von der Lieferung dieser Zentrifuge bis unserer Bündnisverpflichtungen und unserer Sicher-
zur Inbetriebnahme ein derartig großer Zeitraum heit leider nicht vorzeitig Soldaten aus dem Grund-
verstreichen mußte? wehrdienst entlassen, die ein Ingenieurstudium an
einer Ingenieurakademie aufnehmen wollen. Auch
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim eine Beurlaubung nach § 8 Abs. 3 der Soldaten-
Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, der urlaubsverordnung ist aus gleichen Gründen leider
Planungsauftrag für das Gebäude erfolgte 1961. Die nicht mehr möglich.
Beschaffung der Zentrifuge wurde 1963 eingeleitet. In den vergangenen Jahren sind sowohl im Be-
1964 wurde an der Zentrifuge eine Verlängerung reich der allgemeinen Schulen als auch der Fach-
des Schleuderarmes vorgesehen. Die Gerätebeschaf- hochschulen, Ingenieurakademien, Universitäten
lung wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Aber die usw. erhebliche Veränderungen von Semesterbeginn
dadurch bedingte Vergrößerung der Zentrifugen- und -abschlußtermin eingetreten. Diese Veränderun-
grube machte eine Umplanung in der Infrastruktur gen geschehen in der Regel ohne Konsultation des
notwendig. Bundesverteidigungsministers. Diese Situation
Bei der Lieferung der Zentrifuge wurde in einer brachte es mit sich, daß entlassene Soldaten Warte-
Besprechung mit der Oberfinanzdirektion München zeiten bis zum Studienbeginn von maximal zehn
festgestellt, daß für 1966 nunmehr — Sie werden Monaten hinnehmen mußten.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1123
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
Aus Fürsorgegründen hat der Bundesminister der wenn Kompromißbereitschaft und Einsicht auf den
Verteidigung bisher zwei Sonderregelungen von anderen Seiten zu spüren sind.
sich aus getroffen. Zu einer dritten Sonderregelung
haben die Universitäten beigetragen. Jede dieser Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der
Sonderregelungen hatte nach bisheriger Erfahrung Abgeordnete Stahlberg.
Forderungen nach gleicher Behandlung anderer
Gruppen zur Folge. Es sei hier daran erinnert, daß Stahlberg (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ist
jeder Wehrpflichtige durch Ableistung des Grund- die Bundesregierung, solange eine Übereinkunft mit
wehrdienstes Nachteile entweder für seine Berufs- der Kultusministerkonferenz nicht erreicht werden
ausbildung oder für seine Berufsausübung in Kauf kann, bereit, denjenigen, der einen freien Studien-
nehmen muß. platz nachweisen kann, vorzeitig zu beurlauben und
Der Bundesminister der Verteidigung ist durchaus ihn unter dem Gesichtspunkt einer Wehrdienstzeit
zu einer Lösung bereit, die die Lasten gleichermaßen von 18 Monaten die fehlende Zeit in den Semester-
verteilt. Allerdings trägt er die Verantwortung da- ferien als Wehrübungen nachholen zu lassen?
für, daß erstens die Bereitschaft der Bundeswehr er-
halten bleibt und daß zweitens der Grundsatz der Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Gleichbehandlung gegenüber jedem Wehrpflichti- Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege
gen gleichermaßen zum Tragen kommt. Stahlberg, wir haben das sehr sorgfältig geprüft;
auch dieser Ausweg ist nicht gangbar, jedenfalls
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr nur sehr beschränkt gangbar, weil ja dabei die ein-
Abgeordneter Dr. Schmude. zelnen Einheiten Spezialisten verlieren, die insbe-
sondere für die Einsatzbereitschaft der Truppe not-
Dr. Schmude (SPD) : Herr Staatssekretär, beab wendig sind.
sichtigt die Bundesregierung, diesem unerfreulichen
Zustand für die Zukunft durch eine generelle Rege- Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatz-
lung abzuhelfen, etwa dahin, daß der Wehrdienst- frage, der Abgeordnete Damm.
beginn verschoben wird, um ihn auf den Studien-
beginn abzustimmen? Damm (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, bietet
nach Meinung der Bundesregierung das Hochschul-
-
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim rahmengesetz eine Möglichkeit, direkt auf die Lö-
Bundesminister der Verteidigung: Herr Dr. Schmude, sung des hier in Frage stehenden Problems Einfluß
wir stehen in Verhandlungen mit den Kultusmini- zu nehmen?
stern. Ich muß Sie leider darauf hinweisen, daß die
Ingenieurakademien in den einzelnen Ländern unter- Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim
schiedlichen Beginn haben, so daß es nicht allein in Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege
unsere Hand gegeben ist, sondern wir auf die gute Damm, ich bin überfragt. Ich bin gerne bereit, diese
Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz Frage im Verteidigungsministerium prüfen zu las-
bzw. mit den einzelnen Kultusministern angewiesen sen und sie durch einen Brief zu beantworten.
sind. Die Bundesregierung wird von sich aus alles
tun, was im Bereich der Möglichkeiten liegt, die
erstens die Einsatzbereitschaft gewährleisten und Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr
zweitens die Gleichheit der Wehrpflichtigen garan- Jung. — Letzte Zusatzfrage. Bitte schön!
tieren.
Jung (FDP): Herr Staatssekretär, da ja beabsich-
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatz- tigt ist, die Ingenieurakademien in die Gesamt-
frage, der Abgeordnete Dr. Schmude. hochschulen zu integrieren: Sehen Sie hier nicht den
Grundsatz der Gleichbehandlung durchbrochen,
Dr. Schmude (SPD) : Herr Staatssekretär, zeich- wenn für die Studenten der Ingenieurschulen andere
net sich eine Übereinkunft mit den Kultusministern Regelungen erfolgen als für Abiturienten, die an der
ab? Universität studieren wollen?
Präsident von Hassel: Ihre Zusatzfrage, Frau Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Ich
Kollegin, hob ab auf diese Frage 29. Sind Sie also rufe dann auch die Frage 33 des Abgeordneten
einverstanden, daß wir weitergehen? Mursch (Soltau-Harburg) auf:
(Abg. Frau von Bothmer: Ja!) Wie hoch wird diese Zahl für das Jahr 1970 geschätzt?
Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini- Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der
steriums für Arbeit und Sozialordnung: Es gibt Mei- Abgeordnete Folger.
nungsverschiedenheiten darüber, ob durch dezen-
tralisierte Beschäftigung wieder Ruhe einkehren
würde oder nicht. Aber es wird versucht werden. Folger (SPD) : Herr Staatssekretär, darf ich unter-
stellen, daß organisatorisch Vorsorge dafür getroffen
Der Fall, den Sie mutmaßlich im Auge haben und ist, daß solche Pannen nicht wieder passieren, und
den ich schon erwähnte, nämlich Schwarmstedt, ist daß es sich dort, wo sie tatsächlich passiert sind, um
dadurch zustande gekommen, daß hier die Möglich- vereinzeltes menschliches Versagen gehandelt hat,
keit bestand, 400 Ersatzdienstler im großen neuen indem die zuständigen Beamten nicht aufgepaßt
Klinikum der Medizinischen Hochschule zu beschäf- haben?
tigen. Aber es gab dort kein Quartier. — Man wird
Massenunterkünfte keinesfalls einrichten. Man hat
dabei nämlich außerordentliche Versorgungsschwie- Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
rigkeiten, und das Problem der Übernachtung zu steriums für Arbeit und Sozialordnung: Ich fürchte,
daß ich Ihnen das nicht garantieren kann; die Bun-
Hause wird, wenn die Eltern in der Nähe wohnen,
nur noch größer. desanstalt kann das noch weniger. Von insgesamt
600 000 ausländischen Arbeitnehmern sind über die
Auslandsdienststellen im vorigen Jahr nur 280 000
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 10 gekommen. Die anderen haben irgendeinen anderen
des Abgeordneten Zebisch auf: Weg gefunden, um in die Bundesrepublik zu kom-
Wird die Bundesregierung dem Zentralverband der Zivil- men. Da liegt die Schwierigkeit. Wir sind auch in
versehrten, Invaliden und Rentner e. V. die Berechtigung er- Beratung mit den Ländern noch nicht zu einem Er-
teilen, auf den Waren, die für ihn von Zivilversehrten ver-
trieben werden und deren Teilerlös ihm zufließt, den Hinweis gebnis gekommen.
anzubringen „Die Ware wird im Auftrag des Zentralverbandes
der Zivilversehrten vertrieben'' ?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant- Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 12
wortung einverstanden erklärt. Die Antwort des der Abgeordneten Frau Funcke auf:
Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 28. Januar 1970 Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, den Weg einer
berufstätigen Mutter zum und vom Kindergarten zur Unterbrin-
lautet: gung ihres Kindes in den Wegeunfallschutz der Berufsgenossen-
Die Bundesregierung ist zur Erteilung einer derartigen Ge- schaften einzubeziehen, weil die Betreuung des Kindes während
nehmigung nicht befugt. der Arbeitszeit der Mutter normalerweise eine unabweisbare
Voraussetzung für die Berufsausübung der Mutter ist?
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (letztes
Urteil aus dem Jahre 1967) ist es unzulässig, beim Vertrieb von
Waren auf die Herstellung durch Versehrte oder Schwerbe- Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär Auerbach,
schädigte hinzuweisen. Dieses Verbot gilt auch für anerkannte
Schwerbeschädigten-Betriebe. Eine Ausnahme hiervon macht
bitte!
lediglich das Blinden-Warenvertriehsgesetz, das zugunsten von
anerkannten Blindenwerkstätten hei der Werbung den Hinweis
auf die Herkunft der Ware zuläßt.
Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten steriums für Arbeit und Sozialordnung: Mit Ihrer
Folger auf: Frage, Frau Abgeordnete, haben Sie ein sehr ernstes
Wird die Bundesregierung in Zukunft dafür sorgen, daß wegen
Problem angesprochen, das gleichzeitig sehr aktuell
krimineller Vergehen ausgewiesene Gastarbeiter durch die zu- ist. Nach geltendem Recht untersteht eine berufs-
ständigen deutschen Vermittlungsstellen im Ausland nicht wieder
Einreisepapiere und Arbeitsverträge erhalten, wie das bisher tätige Mutter, die zur Unterbringung ihres Kindes
wiederholt vorgekommen ist? im Kindergarten von ihrem unmittelbaren Weg zur
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär Auerbach. Arbeitsstätte abweicht, für die Dauer dieses Um-
wegs nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallver-
sicherung.
Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini- Auf der anderen Seite läßt es sich nicht leugnen,
steriums für Arbeit und Sozialordnung: Es mag in daß zwischen der Berufstätigkeit der Mutter und der
Einzelfällen vorgekommen sein, Herr Abgeordneter, Unterbringung des Kindes während ihrer Arbeitszeit
daß ausgewiesene ausländische Arbeitnehmer in die ein Zusammenhang besteht. Das ist die wichtigste
Bundesrepublik wieder vermittelt worden sind. Das Voraussetzung für die Leistung der Unfallversiche-
kann angesichts der ungewöhnlich starken Belastung rung. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der
der Auslandsdienststellen der Bundesanstalt für Arbeitgeber einen Zuschuß zu den Kosten des Kin-
Arbeit vorgekommen sein. Grundsätzlich haben je-
dergartens leistet.
doch diese Dienststellen W e i s ung , keine ausgewie-
senen Ausländer in die Bundesrepublik zu ver- Die Bundesregierung erwägt daher bereits, in
mitteln. welcher Weise ein Unfallversicherungsschutz für
diesen Tatbestand geschaffen werden kann. Diese
In der Praxis soll das dadurch sichergestellt wer- Frage bedarf allerdings noch einer sehr sorgfältigen
den, daß die zuständigen Ausländerbehörden die Prüfung, und zwar vor allem deswegen, weil einige
Ausweisungsverfügungen der Bundesanstalt mit- grundsätzliche Urteile zu dieser Frage vom Bundes-
teilen. Diese Mitteilungen werden dann an die Aus- sozialgericht zu 'erwarten sind, die betreffenden
landsdienststelle im Herkunftsland des Ausgewiese- Fälle aber noch nicht verhandelt wurden.
nen weitergeleitet. Ein zwar erheblicher Teil, aber
keineswegs alle Ausländer kommen in die Bundes-
republik auf dem Umweg über die Auslandsdienst- Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, die
stellen. Abgeordnete Frau Funcke.
1130 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Frau Funcke (FDP) : Herr Staatssekretär, deutet schädigte gezählt worden, denen dieser Zuschuß
nicht die Tatsache, daß z. B. der Einkauf von Berufs- gewährt werden mußte. Dabei handelt es sich über-
kleidung als mit der Berufstätigkeit unmittelbar zu- wiegend um Beschädigte, die in ländlicher Gegend
sammenhängend angesehen wird, darauf hin, daß wohnen.
auch die Unterbringung eines Kindes in einem ähn- Sollten Sie aber, Herr Abgeordneter Dr. Haack,
lich engen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit einen besonderen Härtefall im Auge haben, so bitte
der Mutter steht? ich, mich das wissen zu lassen, damit ich den Fall
überprüfen lassen kann.
Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
steriums für Arbeit und Sozialordnung: Ich stimme
Ihnen in der Sache voll und ganz zu, Frau Abgeord- Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
nete. Nur, die gesetzliche Lage ist anders. Kosten- Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Wolf auf:
träger sind bei der Unfallversicherung die Unter- Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um
nehmen, und diese wollen den ganzen Katalog so den nach § 50 des Berufsbildungsgesetzes erforderlichen Bundes-
ausschuß für Berufsbildung einzurichten?
eng wie möglich halten. Man wird an eine Novellie-
rung herangehen müssen, sobald die grundsätzlichen Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist im Saal.
Urteile des Bundessozialgerichts vorliegen. Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Auer-
Aber die Andeutung, daß auch der Arbeitgeber b ach.
diesen Umweg zu einem Kindergarten durch Zahlung
eines Zuschusses als mit der Arbeit in Zusammen- Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
hang stehend betrachten kann, mag reichen, um den steriums für Arbeit und Sozialordnung: Ich habe
Weg aufzuzeigen, in welcher Richtung man nun versucht, Herr Abgeordneter Wolf, Sie vor Beant-
wahrscheinlich weiterentwickeln kann. wortung Ihrer Frage telefonisch zu erreichen, um
Ihnen mitzuteilen, daß der Bundesausschuß für Be-
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatz- rufsbildung am 23. Januar 1970 konstituiert wurde.
frage der Abgeordneten Frau Funcke. Die Mitglieder und Stellvertreter des Bundesaus-
schusses wurden am 22. Dezember 1969 durch
meinen Minister im Einvernehmen mit dem Bundes-
Frau Funcke (FDP) : Herr Staatssekretär, bedeu-
wirtschaftsminister berufen.
tet das, daß die Bundesregierung dann, wenn die -
Urteile negativ ausfallen, eine Novellierung des
Gesetzes vorsehen wird? Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des
Abgeordneten Wolf.
Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
steriums für Arbeit und Sozialordnung: Unter Um- Wolf (SPD) : Herr Staatssekretär, sind Sie in der
ständen, ja. Ich möchte aber weder meinen Herrn Lage, mir mitzuteilen, wie weit nach § 60 desselben
Minister noch die Bundesregierung darauf festlegen, Gesetzes das Institut für Berufsbildungsforschung
daß das in der Unfallversicherung zu geschehen hat. in Vorbereitung ist?
Es sind noch andere Konstruktionen möglich, durch
die die Hilfe gewährt werden kann, ohne daß die Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
Unfallversicherung berührt wird. steriums für Arbeit und Sozialordnung: Die Vorbe-
reitungen sind nahezu abgeschlossen. Jetzt muß
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 13 noch der Ausschuß sein Votum abgeben; er hat es
des Abgeordneten Dr. Haack auf: aber vorläufig noch nicht abschließend formuliert.
Ich nehme an, daß in spätestens zwei Monaten die
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Verordnung zur Durch-
führung des § 11 Abs. 3 und der §§ 13 und 15 des Bundesver- Gründung abgeschlossen sein kann.
sorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1967 dahin gehend zu er-
weitern, daß die Voraussetzungen für Ersatzleistungen nach
§ 5 dieser Verordnung — vor allem bezüglich der Zuschüsse
zur Beschaffung eines Fahrrads — erweitert werden?
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 15
des Abgeordneten Weigl auf:
Ist der Abgeordnete im Saal? — Zur Beantwor-
tung Herr Staatssekretär Dr. Auerbach. Welche finanziellen Auswirkungen hat das Urteil des Bundes-
sozialgerichts, wonach bei der Gewährung von Berufsunfähig-
keits- und Erwerbsunfähigkeitsrenten zu beachten ist, ob genü-
gend Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Rentenantragsteller
Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini- mit der ihm verbleibenden Leistungsfähigkeit noch ausfüllen
kann?
steriums für Arbeit und Sozialordnung: Gegenwär-
tig sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit, Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung,
§ 5 der von Ihnen genannten Verordnung zu än- Herr Staatssekretär!
dern. Die Bundesregierung ist vielmehr der Mei-
nung, daß die geltenden Bestimmungen den Bedürf- Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
nissen der Beschädigten ausreichend gerecht wer- steriums für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abge-
den. ordneter, Ihre Frage deckt sich inhaltlich mit einer
Dies gilt auch für den von Ihnen angesprochenen Frage des Herrn Abgeordneten Müller (Remscheid),
Zuschuß zur Beschaffung eines Fahrrads. Dieser Zu- die der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rohde
schuß hat — wohl im Hinblick auf die heutigen aus dem Arbeitsministerium am 15. Januar beant-
Verkehrsverhältnisse — nur noch ganz geringe Be- wortet hat. Ich verweise wegen der Einzelheiten
deutung. Im Jahre 1968 waren nur noch 49 Be daher auf die Sitzungsprotokolle.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1131
Staatssekretär Dr. Auerbach
Neue Gesichtspunkte haben sich seitdem nicht er- Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
geben. Die Begründung des Urteils liegt uns noch steriums für Arbeit und Sozialordnung: Darin kann
immer nicht vor. ich Ihnen voll und ganz zustimmen. Auch der Ober-
bürgermeister der Landeshauptstadt Hannover teilt
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. diese Auffassung. Ich habe gestern abend noch mit
ihm gesprochen. Er sieht keinerlei Möglichkeit, auch
Ich rufe dann die Frage 16 des Abgeordneten Bay nur die 17 Ersatzdienstleistenden, die jetzt dort sind,
auf: unterzubringen. Der Plan, 400 Ersatzdienstleistende
Was beabsichtigt das Bundesverwaltungsamt damit, daß es
eine Gruppe von etwa 15 Ersatzdienstleistenden in das mit unterzubringen, entstand vor dem Amtsantritt von
Stacheldraht umzäunte Lager Schwarmstedt eingewiesen hat?
Herrn Minister Arendt. Ich kann nicht genau sagen,
Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist im Saal. aus welchen Motiven man eigentlich auf diesen
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär! Ausweg verfallen ist.
Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini- Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des
steriums für Arbeit und Sozialordnung: Die Ange- Abgeordneten Würtz.
legenheit in Schwarmstedt hat, wie ich, Herr Präsi-
dent, bereits erwähnen konnte, viel Wirbel erregt. Würtz (SPD) : Herr Staatssekretär, stimmen Sie
Der Wirbel kam dadurch auf, daß vermutet wurde, mir zu, daß die Errichtung dieses Lagers für Ersatz-
daß in diesem Gelände eines ehemaligen städtischen dienstpflichtige im Heideort Schwarmstedt keine
Ausweichkrankenhauses irgendwie ein zentrales glückliche Lösung darstellt, und wird die Bundes-
Lager für das Bundesgebiet errichtet werden sollte. regierung nach dem Eklat von Schwarmstedt von
Das ist ein Irrtum. Ich erwähnte bereits die vor- ihrem Plan Abstand nehmen, das dortige Ersatz
läufige Anforderung einer großen Anzahl von Kräf- dienstlager für 150 Ersatzdienstpflichtige auszu-
ten durch das Klinikum der Medizinischen Akade- bauen?
mie. Insgesamt handelt es sich im Endstadium um
400 Ersatzdienstplätze. Man hat sich in Hannover Dr. Auerbach, Staatssekretär des Bundesmini-
darum bemüht, Unterkünfte zu finden. Es ist nicht steriums für Arbeit und Sozialordnung: Ich kann
einmal möglich, für zehn Ersatzdienstleistende Ihnen nur sagen, daß beim gegenwärtigen Stand
Unterkünfte zu beschaffen. Arbeitsplätze wären in nicht mehr geplant ist, weitere Mittel für die Flach-
-
Hannover genügend vorhanden. bauten in Schwarmstedt zu Verfügung zu stellen.
Das eigentliche Problem ist die psychologische Be-
Voraussetzung ist in diesem Fall, daß das Bun-
lastung auf Grund der Entfernung von der Groß-
desverwaltungsamt für die Unterbringung der
stadt. Dieses Problem können wir in Schwarmstedt
Dienstleistenden sorgt. Das geschieht in jedem Fall,
auch mit den besten Einrichtungen nicht aus der
wenn die Ersatzdienstleistenden nicht in der Kran-
Welt schaffen. Die 17 Ersatzdienstleistenden, von
kenanstalt oder im Altersheim usw. untergebracht
denen zwei gar nicht im Lager in Schwarmstedt, son-
werden können.
dern bei ihren Eltern in Hannover schlafen, werden
Die Unterkunft selbst besteht aus Holzflachbauten in andere Städte versetzt werden, in denen sie eine
mit Ziegeldächern. Bei dem von Ihnen, Herr Abge- Unterkunft an der Arbeitsstätte erhalten können.
ordneter, erwähnten Zaun handelt es sich um eine
Maschendrahtanlage mit Stacheldrahtabschluß. Die- Präsident von Hassel: Meine Damen und Her-
ser Zaun soll die Gesamtanlage schützen, in der sich ren, wir stehen am Ende der Fragestunde. Herr
auch noch ein Sanitätsdepot des Zivilen Bevölke- Staatssekretär Dr. Auerbach, ich danke Ihnen für
rungsschutzes befindet. Das dort lagernde Sanitäts- die Beantwortung der Fragen.
material soll nach den uns vorliegenden Berichten
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Zur Ge-
einen Wert von etwa 20 Millionen DM besitzen.
schäftslage mache ich auf folgendes aufmerksam. Die
Die Krankenhausanlage wurde später von Sani- drei Fraktionen des Hauses haben sich dahin ver-
tätskompanien der Bundeswehr benutzt. Lassen Sie ständigt, daß Punkt 14 der Tagesordnung — Bera-
mich in dem Zusammenhang eindeutig noch eines tung der Ubersicht 1 des Rechtsausschusses über die
sagen: Schwarmstedt sollte für eine ganz normale dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen
Ersatzdienstgruppe, nicht aber als ein zentrales vor dem Bundesverfassungsgericht — bereits nach
Sammellager für schwierige Ersatzdienstleistende Punkt 4 der Tagesordnung, also noch im Laufe des
oder gar als ein Straflager eingerichtet werden. heutigen Nachmittags behandelt werden soll ; sofern
die Debatten nicht allzulange dauern.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Die Tagesordnung ist aber sehr umfangreich. Ich
Abgeordneten Bay. möchte für alle die Bitte aussprechen, den Versuch
zu unternehmen, heute abend gegen 19.30 Uhr zum
Bay (SPD) : Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir Abschluß zu kommen und am Freitagmittag mit der
der Meinung, daß die Unterbringung von Ersatz Beratung aller Tagesordnungspunkte fertig zu sein.
dienstleistenden, die einen Pflege- und Sozialdienst Ich sage das mit der Blickrichtung darauf, daß be-
leisten sollen und bei diesem Dienst täglich in be- reits eine Reihe von Wortmeldungen für die Debatte
sondere Konfliktsituationen kommen, in einer Mas- vorliegt.
senunterkunft für 400 Personen nur eine Notlösung Die Tagesordnungspunkte 11 und 12 — Änderung
darstellen kann? des Rechtspflegergesetzes und Zehntes Strafrechts-
1132 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Dr. Czaja
Zum dritten wenden wir unseren Blick auf die und das möchte ich mit großem Nachdruck sagen -
durch Demonstrationsvorhaben angelaufenen Sanie- muß der Bundesminister für Wohnungswesen end-
rungen, die an Bedeutung zunehmen werden. Dort lich beim Haushalt und bei der Abstimmung mit den
und bei den großen Entwicklungsvorhaben sollen Länderprogrammen seine Versprechungen wahr ma-
Förderungsmittel auch für die begleitenden Maß- chen, aktuelle Schwerpunkte aus allgemeinen Dek-
nahmeneinsetzbar sein das ist eine alte Forde- kungsmitteln zu fördern. Dazu rechnen wir aber ins-
rung der städtebaulichen Praxis — und auch für besondere auch die Altenwohnungen, die Studenten-
sonstige Wohnungen, um in variablen Formen ein wohnungen und Schwesternheime; dafür müssen
rationelles und zügiges Bauen in solchen Sanie- von Ihnen trotz der gestiegenen Haushalte Ansatz-
rungsgebieten zu ermöglichen und ein uferloses An- mittel aus allgemeinen Deckungsmitteln herausge-
steigen von Mieten oder Lasten zu verhindern. holt werden. Wir erhoffen das. Deswegen haben wir
Auch hier ist notwendig und vorgeschrieben, daß dazu im Sinne des Stillhalteabkommens keine Initia-
die Vorteile weitergegeben werden. In der Praxis tive ergriffen. Wir hoffen auch, daß Sie hier
läuft dies also schon auf die künftigen Aufgaben selbst durch den Raum, der Ihrer Initiative verblie-
der Sanierung und Entwicklung hinaus. ben ist, das Notwendige veranlassen werden. Die
Regelungen im § 19 a des Zweiten Wohnungsbauge-
Damit, Herr Minister, sind wir bei den Rückflüs- setzes, die Sie diesbezüglich vielleicht vorschlagen
sen. Sie werden es der Opposition nicht verübeln, werden oder müßten, werden unsere sorgfältige Prü-
daß sie hier einen Dispositionsfonds von über einer fung und, wenn sie irgendwie erfüllbar sind, unsere
Viertelmilliarde, der Ihnen zur Verfügung steht, Unterstützung erfahren.
anspricht und diesen, weil er inzwischen so hoch
geworden ist, auch ein wenig gesetzlich kanalisie- Meine Damen und Herren, unsere Betonung des
ren möchte. Herr Minister, wir haben Verständnis Eigentums, auch in den Formen des Stockwerkeigen-
dafür, daß Sie Schwerpunkte setzen wollen und daß tums, spielt auch bei der Zweckbestimmung der
Sie einen Dispositionsfonds brauchen. Deswegen Rückflüsse eine Rolle. Wir würden es wünschen, daß
haben wir ihn auch vorgesehen. Aber eine Viertel- auch hier einer der von Ihnen angekündigten
milliarde und mehr als dies — ist ein bißchen Schwerpunkte liegt. Wir sind nach wie vor gegen
zu viel. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir die eine Kollektivierung des Gutes Wohnung in den
Rückflüsse durch Umschuldung anreichern wollen; Händen allein von großen Unternehmen. Wir sind
dann wächst er noch mehr an. für eine Verbesserung der Wohnverhältnisse in
Stadt und Land, wobei sich Standort und Rechtsform
Ich habe Verständnis, daß das schmerzlich ist. nach dem vertretbaren Willensentscheid der Betrof-
Wir werden natürlich eine angemessene Form des fenen richten sollen.
Dispositionsfonds nicht verneinen. Ich darf aber
nicht verschweigen, daß nicht zuletzt Sie selber uns Unsere Initiative ist nicht das, was hier in der
auf diese Bindung der Rückflüsse gebracht haben, Aussprache zur Lage der Nation als radikaler Um-
weil Sie einigermaßen selbstherrlich in den letzten bruch bezeichnet worden ist. Das ist es nicht. Wenn
Tagen plötzlich die Einstellung der Aktion „Junge die Kollektivierung auch im Wohnungswesen käme,
Familie" verfügt haben, ohne vorherige Ankündi- wäre das allerdings ein radikaler Umbruch. Unsere
gung; wir hätten es nicht erfahren, wenn es nicht Novelle bewegt sich im Bereich der konstanten, der
durch eine Frage in der Fragestunde des Bundes- zeitgemäßen, der notwendigen Reformen. Dem
tages geklärt worden wäre. diente in der Vergangenheit weithin die CDU/CSU.
Mit dieser und ihrer Novelle zum Wohngeldgesetz
Bei diesen Rückflüssen und ihrer Verwendung
steht sie damit in ihrer bisherigen Linie, die Initia-
hat sich zuviel Mischverwaltung eingebürgert. Es
tive im Wohnungswesen zu behalten. Sie erfüllt die
hilft auch nichts, wenn Sie uns auf diese Mischver-
Pflicht der Opposition, dort, wo eine gewisse sterile
waltung, die Sie für das Städtebauförderungsgesetz
Untätigkeit herrscht, vorwärtstreibende Kraft zu
möchten, verweisen. Wir werden diese Mischver-
sein und Hinweise für notwendige Verpflichtungen
waltung auch verfassungsrechtlich sehr genau
zu geben.
durchleuchten. Das Durchlaufen dier Anträge im ein-
zelnen über Landratsamt, Regierungspräsidium, Neben den Aufgaben der Zukunft, der Städtebau-
Land, Bundesministerium und zurück erforderte in förderung, darf man die augenblicklichen Alltags-
der Vergangenheit oft einen großen Zeitverlust. fragen im Wohnungswesen weder übersehen noch
Vieles war nicht koordiniert. Die Rückflüsse, die dabei handlungsunfähig und steril sein, denn sie
durch unsere Anträge in der Zukunft vermehrt betreffen in der gegenwärtigen Zeit Hunderttau-
werden, sollen vorrangig in Sanierungs- und Ent- sende von Haushaltungen. Unzulänglich ist in die-
wicklungsgebieten zur Instandsetzung, zur Moder- sem Bereich bisher die Initiative der Regierung ge-
nisierung und zur Eigentumsbildung eingesetzt wer- wesen, unzulänglich bei dem Eintreten für die Ver-
den. besserung der Einkommensgrenzen, unzulänglich vor
allem auch die Initiative, durch Umschuldung ohne
Eigentumsbildung und Sanierung bildeten aber
Belastung des Haushalts mehr Mittel flüssig zu ma-
auch bisher in dem Verwendungsplan der Rück-
chen.
flüsse einen erheblichen Teil. Herr Bundesminister,
dort, wo noch andere Maßnahmen teilweise aus Wir erwarten und bitten die Regierung und die
Rückflüssen gespeist wurden, kann teils in Sanie- anderen Fraktionen, diese Initiative durch eine sy-
rungs- und Entwicklungsgebieten die Aufgabe er- stematische, aber zügige Behandlung der Anträge
füllt werden, auch in der Eigentumsbildung, teils — ohne Verzögerung im federführenden Ausschuß für
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1135
Dr. Czaja
Wohnungswesen und im mitberatenden Haushalts- in der Begründung dazu. Lesen Sie sich das einmal
ausschuß zu unterstützen. durch. Mit Ihrer Begründung bin ich einverstanden;
mit dem, was im Text des Entwurfs steht, kann ich
(Beifall bei der CDU/CSU.)
nicht einverstanden sein.
(Abg. Dr. Czaja: Zitieren Sie!)
Präsident von Hassel: Das Wort hat die Abge-
ordnete Frau Meermann. Dei SPD-Fraktion hat — Ich sage es Ihnen gleich, ich habe es nicht mit
25 Minuten Redezeit erbeten. Bitte schön, Frau Kol- heraufgenommen. Aber, Herr Dr. Czaja, wenn ich
legin Meermann! mich recht erinnere, steht in der Begründung Ihres
Gesetzentwurfs, daß der mitverdienende Ehegatte
Frau Meermann (SPD) : Herr Präsident! Meine erheblich zum Lebensunterhalt beitragen muß, wäh-
Damen und Herren! Die Opposition hat diesem rend das im Text des Entwurfs nicht zum Ausdruck
Hause einen offenbar mit der heißen Nadel genäh- kommt. Nach dem Gesetzestext kann z. B. auch ein
ten Entwurf zur Novellierung des Zweiten Woh- Mann mit hohem Einkommen, dessen Frau nur etwa
nungsbaugesetzes vorgelegt. Die Widersprüche, die 100 DM hinzuverdient, in den Besitz einer Sozial-
er enthält, sind auch durch Ihre Einführung, Herr Dr. wohnung kommen und im nächsten Jahr schon über
Czaja, nicht aufgelöst worden. die Einkommensgrenze hinausgewachsen sein. Das
wollen wir nicht. Das müssen Sie einmal durchsehen.
Ich möchte zunächst Ihren Vorschlag aufgreifen, Das kann natürlich passieren, wenn man es so eilig
die Einkommensgrenze im sozialen Wohnungsbau hat.
zu erhöhen. Darüber, daß die Einkommensgrenze er-
höhungsbedürftig ist, gibt es keine Meinungsver- Daß Sie den wichtigsten Punkt, nämlich die Finan-
schiedenheiten in diesem Hause. Sie waren so zierung, so völlig bagatellisierten, hätte aber wirk-
liebenswürdig, Herr Dr. Czaja, die Beschlüsse un- lich nicht passieren dürfen. Hier kann ich Ihnen den
seres Parteitages zu zitieren. Ich freue mich sehr, Vorwurf nicht ersparen, daß Sie in der Opposition
daß Sie sie so gewissenhaft befolgen wollen. Tun mit verteilten Rollen spielen. Erst kommt der Herr
Sie es auf anderen Gebieten auch! Barzel und macht Schlagzeilen mit dem Angebot,
ausgabewirksame Beschlüsse in zweiter und dritter
(Beifall bei der SPD. — Abg. Baier: Wir Lesung erst zusammen mit dem Haushalt 1970 und
deklamieren nicht nur, wir handeln! — Abg. mit der mittelfristigen Finanzplanung zu fassen,
Dr. Czaja: Handeln, nicht nur deklamieren!)
(Abg. Baier: Gilt auch heute!)
— Ich komme noch dazu, Herr Dr. Czaja. — Ich
finde es jedenfalls nett, daß Sie sich unsere Be- und mit der Erklärung, seine Fraktion sei bereit, in
Schlüsse nicht nur durchlesen, sondern auch helfen diesem Sinne auch hinsichtlich ihrer Anträge zu han-
wollen, sie durchzusetzen. Aber Sie hätten die Be- deln. Dann treten der Herr Müller-Hermann und der
schlüsse unseres Parteitags und die Ausführungen Herr Pohle im Duett auf sozusagen als Trouba-
des Bundeswohnungsbauministers auf dem Mieter- doure der Stabilität —
tag gar nicht zu bemühen brauchen. Wir selbst als (Abg. Jacobi [Köln/Iserlohn] : Sehr gut!)
Bundesfraktion der SPD haben hier in diesem Hohen
Hause erklärt, und fordern die beispielhafte antizyklische Haus-
(Abg. Dr. Czaja: Erklärt!) haltspolitik des Bundes, und im gleichen Augenblick
ist Ihre Fraktion mit Bieneneifer an der Arbeit, einen
daß die Einkommen- und Mietentwicklung einen Teil
ausgabewirksamen Antrag nach dem anderen zu
des Personenkreises, für den das Gesetz ursprüng-
stellen.
lich gedacht war, nun nicht mehr erfassen läßt. Wir
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
wissen auch, daß es soziale Härten gibt, obwohl die
Landesbehörden die Einkommensgrenzen großzügig Und das, meine Damen und Herren von der Opposi-
auslegen; Erhöhungen bis zu 10 und 20 % sind zu- tion, summiert sich ganz schön.
lässig und bei der Förderung im sogenannten zwei- Sie können natürlich sagen — und Sie haben das
ten Förderungsweg können die im Gesetz vorge- gesagt, Herr Dr. Czaja -: Die Erhöhung der Ein-
sehenen Einkommensgrenzen sogar zu einem Drittel kommensgrenze braucht überhaupt nichts zu kosten.
überschritten werden. Aber das ist — das wissen Sie doch genau so gut
Aber Schwierigkeiten zeigen sich in der Tat ins- wie ich — die schiere Augenauswischerei. Wenn Sie
besondere bei der Belegung von neuen Wohnvier- einen größeren Kreis von Anspruchsberechtigten
teln, weil sich da die gewünschte soziale Streuung schaffen, die Haushaltsmittel aber die gleichen blei-
nicht immer erreichen läßt. Ohne daß ich mich zu ben,
der von Ihnen vorgeschlagenen Höhe der Anhebung (Abg. Dr. Czaja: Ja, warum die gleichen?)
hier im einzelnen äußern will, möchte ich sagen, daß dann steht dem erhöhten Bedarf ein gleichbleibendes
wir sie durchaus für überlegenswert halten ebenso Angebot gegenüber, und Sie erwecken Hoffnungen,
wie die wahlweise Zugrundelegung des Familien- die Sie enttäuschen müssen, und das ist unsolide.
einkommens, wodurch insbesondere jungen Ehe-
(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Czaja:
paaren, bei denen beide Partner berufstätig sind,
Das stimmt doch nicht!)
eher die Möglichkeit gegeben wird, in eine Sozial-
wohnung zu ziehen. — Ich erläutere es noch.
Nur steht zu diesem letzten Punkt, Herr Dr. Czaja, (Zuruf von der CDU/CSU: Der Kreis ist
in dem Text Ihres Gesetzentwurfs etwas anderes als doch kleiner geworden!)
1136 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwi- — Jawohl, das ist zitiert! „Städtebauförderungsge-
schenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja? setz" steht in Ihrem Text drin, Herr Dr. Czaja.
Schauen Sie mal nach.
Frau Meermann (SPD) : Bitte! (Abg. Dr. Czaja: Für später, aber noch
nicht für jetzt!)
Aber vielleicht darf ich darin, daß Sie dieses Gesetz
Dr. Czaja (CDU/CSU) : Frau Kollegin, würden hier als bestehend zitieren, einen Ausdruck tätiger
Sie zur Kenntnis nehmen, daß in der uns gestern
Reue sehen.
überreichten Zusammenstellung des Ausgabenbe-
darfs des Bundes bis 1973 unter „Finanzplanung des (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten
Bundes" die Ausgaben im Wohnungswesen für 1970 der SPD.)
um 300 Millionen DM erhöht worden sind? Ich könnte mir vorstellen, daß es Ihnen jetzt, wo
(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.) Ihnen das Städtebauförderungsgesetz hier so schön
passen würde, vielleicht doch leid tut, das Sie seine
Verabschiedung in der letzten Legislaturperiode
Frau Meermann (SPD): Ja. Ist Ihnen aber auch blockiert haben.
klar, Herr Dr. Czaja, daß die Erhöhungen im Haus-
(Beifall bei der SPD. — Abg. Baier: Wie
haltsplan des Bundeswohnungsbauministers im we-
lange wollen Sie eigentlich noch von der
sentlichen bei den Wohnungsbauprämien und beim
Vergangenheit leben, Frau Meermann? —
Wohngeld zu finden sind? Schauen Sie sich das ein-
Lachen bei der SPD.)
mal genau an, dann werden Sie feststellen, wo die
dicken Erhöhungen stecken, nämlich in den beiden — Ich habe die ganze Zeit von Ihrer Vorlage und
Posten. vom Haushaltsplan 1970 geredet.
(Abg. Dr. Czaja: Das dient aber doch auch (Abg. Dr. Czaja: Das ist zu heiß, über die
dem Wohnungsbau!) Vorlage zu sprechen! Über die Vergangen
heit ist es leichter!)
— Gut, aber nicht hier.
— Ich habe über Ihre Vorlage geredet.
Nach Auffassung der sozialdemokratischen Bun-
destagsfraktion muß mit der Erhöhung der Einkom- Präsident von Hassel: Gestatten Sie -eine Zwi-
mensgrenze auch eine Erhöhung der für den sozia- schenfrage des Herr Abgeordneten Dr. Czaja?
len Wohnungsbau zur Verfügung stehenden Mittel
Hand in Hand gehen. Im Haushaltsplan 1970 ist das
nicht möglich, und zwar aus den Gründen, die ich Frau Meermann (SPD) : Bitte sehr!
eben genannt habe. Beides wird aber Teil des lang-
fristigen Wohnungsbauprogramms sein, das, worauf Dr. Czaja (CDU/CSU) : Frau Kollegin, fällt Ihnen
Sie mit Recht verweisen, der Bundeskanzler in sei- nicht die Diskrepanz auf zwischen Ihrem Wunsch,
ner Regierungserklärung angekündigt hat und das daß der Bundestag in der vorigen Legislaturperiode
der Bundeswohnungsbauminister diesem Hause in ein Jahrhundertgesetz, das 250 Milliarden DM be-
Bälde vorlegen wird. Warum das heute noch nicht trifft, in vier Monaten hätte verabschieden sollen,
geht, das wissen Sie genauso gut wie wir: weil die
Auswertung der Wohnungszählung 1968 noch nicht (Zuruf von der SPD: Ach du lieber Gott!)
vorliegt. Wir alle haben doch dieses Gesetz damals und der Tatsache, daß es der Bundesregierung der
in der erklärten Absicht beschlossen, daß es eine inneren Reformen in vier Monaten nicht gelungen
wesentliche Grundlage für die künftige Wohnungs- ist, einige entscheidende Paragraphen für das
politik sein soll. Dieses Hohe Haus würde ja seinen Zweite Wohnungsbaugesetz, die Sie bejahen, hier
eigenen Beschlüssen zuwiderhandeln, wenn es nun einzubringen?
die Regierung drängen wollte, ihr Programm ohne (Beifall bei der CDU/CSU.)
Rücksicht auf die Ergebnisse der Wohnungszählung
jetzt schon vorzulegen. Wir müssen mit unserer ei-
genen Politik ja auch schließlich glaubwürdig blei-
Frau Meermann (SPD) : Herr Dr. Czaja, ich habe
hier die Ehre, mich zu einem Gesetzesänderungs-
ben.
entwurf zu äußern, den Sie als Ganzes vorgelegt
Sie bitten, Herr Dr. Czaja, um rasche Behandlung haben. Ich muß aber auch die Zusammenhänge
Ihres Gesetzentwurfes. Ob Sie Ihren Initiativentwurf sehen und kann nicht sagen: wir picken dies und das
für eilig halten und für wie eilig Sie ihn halten, das und jenes heraus, und das hätten wir schon vor-
werden die Beratungen der nächsten Zeit auf einem gestern machen sollen, das andere machen wir in
anderen Gebiet zeigen. Sie haben in Ihrem Ent- sechs Jahren. Sie haben einen Gesamtentwurf vor-
wurf mit Recht eine enge Verbindung zwischen dem gelegt; infolgedessen muß ja wohl auch die Termi-
Städtebauförderungsgesetz und dem Zweiten Woh- nierung aufeinander abgestimmt sein.
nungsbaugesetz hergestellt, was im übrigen auch
(Sehr gut! bei der FDP. — Zuruf von der
den Ausschußberatungen der letzten Legislatur-
CDU/CSU: Sehr schwach!)
periode entspricht. Ja, Ihr Text geht davon aus, daß
das Städtebauförderungsgesetz bereits verabschie- In der Beurteilung der Bedeutung Ihres Entwurfs,
det ist. Herr Dr. Czaja, fand ich Sie — das muß ich schon
(Abg. Dr. Czaja: Nein!) sagen — beachtlich bescheiden. Ich finde, daß dieser
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1137
Frau Meermann
Entwurf eine Erweiterung der Aufgabenstellung des Außerdem, meinen wir, kann man es sich nicht so
ursprünglichen Gesetzes bedeutet, ja, daß Sie zum einfach machen, daß einer so weitgehenden Ver-
Teil sogar eine völlige Umwidmung des Gesetzes pflichtung des Staates, wie Sie sie hier postulieren,
vorschlagen. Das Zweite Wohnungsbaugesetz hat keine Verpflichtung des Eigentümers gegenüber-
den Neubau von Wohnungen für die breiten Schich- gestellt wird außer der, daß er sich bei der Miet-
ten des Volkes zum Ziel. Sie legen nun, nach mei- erhöhung nach der Instandsetzung oder Moderni-
ner Auffassung berechtigt, Nachdruck auf den Bau sierung in Grenzen halten und einen Mindeststan-
von Wohnungen in förmlich festgelegten Sanie- dard anstreben muß. Nirgendwo aber steht etwas
rungs- und Entwicklungsgebieten, wobei Sie auch darüber, daß auch der Eigentümer dazu beitragen
den Wohnungsbau für die höheren Einkommens- soll, gesunde Wohnverhältnisse zu schaffen und zu
gruppen einbeziehen. Aber Sie wollen doch auch erhalten. Man muß doch davon ausgehen, daß zum
den überhaupt nicht an Einkommensgrenzen gebun- mindesten die Instandsetzung weitgehend vom
denen Wohnungsbau fördern und entfernen sich Eigentümer zu tragen ist, es sei denn, daß er das
damit weit von den ursprünglichen Zielen. Außer- wirtschaftlich nicht schaffen kann. Nach Ihrem Ge-
dem wollen Sie nach Ihrer Begründung auch noch setzentwurf — ich kann mich jetzt nur nach dem
Wohnungsbaumittel für städtebauliche Maßnahmen, Text richten — wollen Sie aber die staatliche Hilfe
die mit den Wohnungen in Verbindung stehen, ab- für Instandsetzung, Modernisierung und Sanierung
zweigen. Und schließlich kommt noch neu hinzu über jeden ausgießen, der ein Haus besitzt, das vor
das ganze Gebiet der Objektinstandsetzung und 1953 gebaut worden ist, völlig unabhängig von Ein-
-modernisierung, also von Wohngebäuden und Woh- kommen und Vermögen.
nungen außerhalb der festgelegten Sanierungs- und (Abg. Dr. Czaja: Wo steht das?)
Entwicklungsgebiete. Das ist doch eine ganz be-
— Jawohl, Sie haben keinerlei Einkommens- und
merkenswerte Weiterentwicklung, und sie ist ins-
Vermögensgrenzen in Ihrem Entwurf, Herr Dr.
besondere dann b emer k enswert , wenn man einmal
an die Entstehung des Gesetzes zurückdenkt; der Czaja.
damalige Bundeswohnungsbauminister glaubte, daß
es noch während seiner Amtszeit überflüssig werden Dr. Czaja (CDU/CSU) : Frau Kollegin Meer-
würde. mann, — —
Frau Meermann
werden. Vielleicht erzählen Sie das gelegentlich ein- daß kaum mehr Sondermittel für den Bau von Alten-
mal den Steuerzahlern. wohnungen, von Wohnungen für junge und kinder-
(Abg. Jacobi [Köln/Iserlohn] : Sehr gut!) reiche Familien, also für alle diese Gruppen, die
uns gemeinsam am Herzen liegen, da wären. Es
Ist es denn wirklich ausschließlich damit getan, daß würde schließlich bedeuten, daß statt mehr wesent-
der Staat hier Geld gibt? Gehört dazu nicht auch, lich weniger Eigenheime als bisher gebaut werden
daß die Wohnungsaufsicht, die in den einzelnen könnten.
Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt wird, zu (Abg. Jacobi [Köln/Iserlohn]: Hört! Hört!)
einem Recht auf Wohnungsverbesserung erweitert
wird? Ich bin mir darüber im klaren, daß der Bund Bei allem Bemühen, die diskussionswürdigen Punkte
im Einvernehmen mit den Ländern hier nur eine in Ihrem Novellierungsvorschlag zu sehen, muß ich
Rahmengesetzgebung verabschieden könnte. Aber ihn daher insgesamt doch als unsolide und in der
diese Frage muß doch gestellt werden in einem finanziellen Auswirkung als nicht durchdacht be-
Augenblick, in dem Sie einen so großen Kreis von zeichnen.
Berechtigten schaffen wollen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion
Eine Eingrenzung sehen Sie nur durch die Höhe stimmt der Ausschußüberweisung zu. Sie wird den
der zur Verfügung gestellten Mittel vor. Antrag sorgfältig beraten, obwohl er uns als Grund-
lage für die künftige wohnungspolitische Gesetz-
Sie haben in Ihrer mündlichen Erläuterung eini- gebung wenig brauchbar erscheint.
ges über mögliche finanzielle Umdispositionen ge-
sagt. Das müßte aber im Gesetz stehen. In Ihrem (Beifall bei der SPD.)
Entwurf ist davon nicht die Rede. Da ist immer nur
die Rede von den Rückflußmitteln des sozialen Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr
Wohnungsbaues. Und Sie wollen, daß von den Abgeordneter Wurbs für 15 Minuten. Es isst keine
Rückflußmitteln des sozialen Wohnungsbaues drei Redezeit beantragt worden.
Fünftel für das Städtebauförderungsgesetz, ein Fünf-
tel für die Instandsetzung und Modernisierung, ein
Fünftel für die Bildung von Einzeleigentum, insbe- Wurbs (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ver-
sondere von Familienheimen, verwandt werden. ehrten Damen und Herren! Herr Dr. Czaja, Sie
Dabei schwebt Ihnen offenbar vor, daß die zu er- haben eben zum Schluß Ihrer Rede ausgeführt, daß
Ihr Gesetzentwurf keinen radikalen Umbruch- dar-
wartenden Rückflußmittel frei verfügbar sind. Aber
ich schätze, daß Herr Baier, der neben Ihnen sitzt, stelle. Ich muß aber sagen: Ihr Antrag stellt auch
diesen Gesetzentwurf als Haushaltsexperte auch ge- nichts radikal Neues dar. Wir haben uns in den
lesen hat. Er müßte wissen, daß die Rückflußmittel Beratungen über dieses Problem unterhalten, und
nicht frei verfügbar sind, sondern daß sie in die Sie haben sehr richtig gesagt, es sei das Anliegen
mittelfristige Finanzplanung eingeschlossen sind aller Fraktionen, das Zweite Wohnungsbaugesetz
und für die Fortführung des bisherigen Wohnungs- den Gegebenheiten anzupassen.
baus gebraucht werden. Ich halte es nicht für fair, hier an dieser Stelle
Ich habe vorhin bereits gesagt, wohin die Mehr- zu sagen, daß die neue Bundesregierung keine Ini-
zuweisungen aus den allgemeinen Steuermitteln tiative ergriffen habe, um etwas zu tun. Sie haben
gehen. unter Führung Ihres Bundeskanzlers drei Jahre
(Abg. Dr. Czaja: Die Rückflußmittel sind Zeit gehabt, in dieser Richtung etwas zu unter-
auch für diese Zwecke zweckgebunden, nehmen.
Eigentumsbildung usw.!) (Abg. Baier: Dazu hat der Ressortmini
Genau! Die Einsetzung der 'Rückflußmittel in die ster auch etwas zu sagen!)
mittelfristige Finanzplanung ist in einer Zeit be- Selbstverständlich!
schlossen worden, in der Sie den Finanzminister
(Abg. Baier: Er sitzt heute ebenso da wie
gestellt haben. Sie können Ihre Anforderungen an
gestern!)
den Haushalt aber nicht gut jeweils davon abhängig
machen, ob Sie den Finanzminister stellen oder wir. — Das ist richtig. Aber Ihr Bundeskanzler hatte
Eine gewisse Kontinuität muß da ja wohl sein. die Richtlinien der Politik zu bestimmen. Das ist
doch wohl nicht zu bestreiten.
(Zustimmung bei der SPD. — Abg. Dr.
Czaja: So haben Sie es aber gemacht!) (Lachen und Zurufe von der CDU CSU.)
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Oppo- Sie, Herr Czaja, haben gesagt, diese Maßnahme
sition, die Aufteilung der Rückflußmittel so haben sei nicht an das Stillhalteabkommen gebunden. Das
wollen, wie das Ihr Gesetzentwurf vorsieht, bedeu- möchte ich bestreiten. Sie sagten, in dem Katalog,
tet das, daß es außerhalb der Sanierungsgebiete so der bis zum 10. Dezember vorgelegt worden sei,
gut wie keinen sozialen Wohnungsbau mehr gibt. seien diese Forderungen nicht enthalten. Ich meine
aber, die Tatsache, daß sie noch nicht darin enthal-
(Abg. Dr. Czaja: Aber aus § 19 a, aus den ten waren, ist gerade ein Argument dafür, daß die
allgemeinen Mitteln!) Forderung, die jetzt auf uns zukommt, zu einer
— Aber bitte, Herr Dr. Czaja, die Rückflußmittel weiteren Ausweitung des Haushalts mit beitragen
sind ja in § 19 a mit enthalten; die sind ja nicht wird. Im einzelnen sind wir über die Auswirkun-
sonstwo, die sind mit eingebaut. Es bedeutet also, gen noch gar nicht informiert. Wir werden in den
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1139
Wurbs
Ausschußberatungen feststellen müssen, in welchen schuß für Städtebau und Wohnungswesen zu über-
Größenordnungen sich die Mehrbelastungen bewe- weisen.
gen. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Die Regierung ist überfordert, wenn man schon
nach hundert Tagen von ihr verlangt, ein umfassen- Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr
des Konzept zum Wohnungsbau vorzulegen. Ich Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen,
darf in Erinnerung rufen, daß die Bundesregierung Herr Bundesminister Dr. Lauritzen.
in der Regierungserklärung vom 28. Oktober aus-
drücklich angekündigt hat, sie werde ,ein langfristi-
ges Wohnungsbaukonzept vorlegen. Dr. Lauritzen, Bundesminister für Städtebau
und Wohnungswesen: Herr Präsident! Meine Da-
Wenn Sie, Herr Dr. Czaja, sagen, Ihr Antrag men und Herren! In der Begründung zu dem Antrag
habe keine finanziellen Auswirkungen, so ist das der CDU/CSU-Fraktion durch Herrn Kollegen Czaja
nicht ganz richtig. Ich glaube, die Rückflüsse, die hat das Wort „Unzulänglichkeiten" eine sehr große
bisher für wohnungswirtschaftliche Zwecke einge- Rolle gespielt. Ich glaube aber, es ist dabei verges-
setzt und verplant worden sind, müßten, wenn sie sen worden, einmal darüber nachzudenken, worauf
für die Sanierung der Städte oder für Entwicklungs- denn die Unzulänglichkeiten zurückzuführen sind,
maßnahmen abgezweigt würden, abgeschrieben die wir im Wohnungswesen heute immer noch fest-
werden, d. h. andere Maßnahmen müßten zurück- stellen müssen. Sie sind doch offensichtlich auf Ver-
treten. säumnisse früherer Zeit zurückzuführen.
(Abg. Dorn: Sehr wahr! — Abg. Dr. Czaja:
Für den Wohnungsbau!) (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg.
Dr. Czaja: Drei Jahre Lauritzen! — Weitere
Ich weiß im Augenblick nicht, welchen Deckungsvor Zurufe von der CDU/CSU.)
schlag Sie machen wollen, um di e M a ßn a h me n die
dann zurückgestellt werden müßten, zu finanzieren. — Ich komme noch zu den drei Jahren.
Sie haben dem Wohnungsbauminister hier in der Diese Unzulänglichkeiten, mit denen ich mich jetzt
Debatte vorgehalten, die Zinsen seien erheblich ge- herumzuschlagen habe, abzubauen, erfordert natür-
stiegen, und damit sei auch zwangsläufig eine Ver- lich einige Zeit.
teuerung der Hypotheken verbunden. Dann muß (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)
-
man aber doch einmal sagen, wodurch die Zinsan-
Als ich vor drei Jahren mein Konzept dafür vorge-
hebungen, das veränderte Zinsgefüge, verursacht
legt habe, wie man die Unzulänglichkeiten beseiti-
worden sind. Man kann nicht der Bundesbank die
gen kann, bekam ich einen Brief des Herrn Bundes-
Steuerung oder Dämpfung der Konjunktur allein
kanzlers, ich möge etwas kürzertreten. Das haben
durch monetäre Maßnahmen überlassen, sondern
Sie leider vergessen.
hätte auch andere Dinge tun müssen. Ich bin in die-
ser Situation wirklich ganz unbefangen. Wir haben (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der
uns seinerzeit in der Opposition befunden. Deshalb CDU/CSU.)
kann ich sagen, daß in der Vergangenheit hier ge- Das war die Bremse in den drei Jahren, die mich
wisse Versäumnisse zu verzeichnen waren. gehindert hat, das zu tun, was notwendig ist.
(Beifall bei der FDP.) (Abg. Dr. Czaja: Dann hätten Sie zurück
Ich komme jetzt zu den Einzelpunkten. Die Ab- treten sollen! — Zuruf des Abg. Wehner.)
sicht, die Modernisierung und Instandsetzung mit in — Das hätte Ihnen so gepaßt.
die Förderung einzubeziehen, ist durchaus zu be-
(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt ist ja
grüßen. Auch wir haben eine solche Forderung
Möller dran! Jetzt geht es besser!)
schon erhoben. Denn es muß natürlich neben dem
Wohnungsneubau auch daran gedacht werden, die Das zweite ist folgendes. Es ist etwas einfach, nach
Substanz alter und älterer Wohnungen zu erhalten. so kurzer Zeit von Untätigkeit zu sprechen. Der
Über die finanziellen Belastungen, die sich auf Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen ist ja
Grund der Anhebung der Einkommensgrenzen er- heute abend bei uns im Ministerium zu Gast; wir
geben werden — über die Größenordnung werden werden Gelegenheit haben, dort die Diskussion noch
wir uns im Ausschuß noch zu unterhalten haben —, etwas fortzuführen.
können wir im Augenblick noch nichts aussagen.
(Erneute Zurufe von der CDU/CSU.)
Wir werden uns im Ausschuß mit den Problemen im
einzelnen auseinandersetzen. Ich hoffe, daß auch de- -- Ich gehe nicht weg; ich bleibe ja hier.
taillierte Zahlen vorgelegt werden. Wir werden sei-
Ich möchte Ihnen folgendes deutlich machen, meine
tens der Bundesregierung noch im Laufe dieser Le-
Damen und Herren. Wenn ich einmal zusammen-
gislaturperiode ein langfristiges Konzept über un- nehme, woran im Augenblick im Bundesministerium
sere wohnungswirtschaftlichen Vorstellungen vorle-
für Städtebau und Wohnungswesen gearbeitet wird,
gen, in dem auch die Vorstellungen, die Sie jetzt
dann muß ich mich vor meine Mitarbeiter stellen
hier in die Form eines Antrages gekleidet haben, be-
und Ihnen sagen: ich kann ihnen nicht zumuten,
rücksichtigt und beraten werden.
noch mehr zu übernehmen. Wir haben unseren Ent-
Wir empfehlen, Ihre Vorlage und Ihren Antrag wurf zum Städtebauförderungsgesetz vorgelegt. Es
zu einer intensiven Ausschußberatung dem Aus scheint eine sehr schwierige Materie zu sein. Der
1140 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Bundesminister Dr. Lauritzen
CDU-Entwurf liegt noch immer nicht vor; wie es arbeiter meines Hauses anwesend, um einmal über
mit dem CSU-Entwurf aussieht, weiß ich auch nicht. die internen Dinge des Hauses zu sprechen.
(Abg. Dr. Czaja: Abwarten! — Abg. Mick: (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Sie haben
Mit Ihrem Apparat läge der schon drei das doch angefangen!)
Monate vor, Herr Minister!)
Anscheinend sind Sie sich untereinander noch nicht Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwi-
ganz einig darüber, welchen Entwurf Sie vorlegen schenfrage des Abgeordneten Dr. Czaja?
wollen.
Dr. Lauritzen, Bundesminister für Städtebau Dr. Lauritzen, Bundesminister für Städtebau
und Wohnungswesen: Das klingt alles sehr groß- und Wohnungswesen: Bitte schön!
artig, was Sie eben gesagt haben, liegt aber leider
völlig neben der Sache. Hier wird diskutiert; heute Ott (CDU/CSU) : Herr Minister, Sie sprechen
abend treffen wir uns, wie andere Ausschüsse auch, gerade von den notwendigen Mitteln. Würden Sie
im Ministerium, um dort zu einem persönlichen Ge- mir widersprechen, wenn ich sage, daß es Ihre Auf-
spräch miteinander zusammenzukommen. Das hat gabe gewesen wäre, bei der Abfassung der Regie-
nichts mit der Debatte zu tun, die wir hier heute rungserklärung der beabsichtigten Senkung der Er-
führen. Bei dieser Gelegenheit sind auch die Mit- gänzungsabgabe — sie macht eine Milliarde D-Mark
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1141
Ott
aus — zu widersprechen und diese Mittel für die Sie gestellt haben, in Drucksache VI/216, zum wie-
Erhöhung des Wohngeldes einzuplanen? derholten Male darauf hingewiesen, daß die Rück-
flußmittel — insbesondere die aus dem Gesetz zur
(Abg. Wehner: Für wie viele Zwecke woll
Förderung des sozialen Wohnungsbaus — sowohl
ten Sie die schon verwenden!)
von den Ländern als auch vom Bund in der mittel-
fristigen Finanzplanung voll und ganz eingeplant
Dr. Lauritzen, Bundesminister für Städtebau sind, daß es hier also keine Dispositionsmittel gibt.
und Wohnungswesen: Ich finde es etwas zu einfach,
wenn man bei Finanzberatungen gegen Ausgaben Noch etwas, Herr Czaja. Wir sind leider so weit
in anderen Haushalten votiert, um die Mittel für gekommen, daß, vom Flüchtlingswohnungsbau abge-
sich selber in Anspruch zu nehmen. So kann man sehen, der ganze öffentlich geförderte Wohnungs-
keine Finanzpolitik betreiben. bau aus Rückflußmitteln finanziert wird und daß
jede neue Disposition über Rückflußmittel — das gilt
(Abg. Dr. Czaja: Man muß Prioritäten setzen!) auch für die von Ihnen beabsichtigte Quotierung —
Ich komme gleich auf die Finanzierung eines lang- zu Lasten bisheriger Verwendungszwecke geht. Das
fristigen Wohnungsbauprogramms zu sprechen. wollen Sie dabei bitte nicht vergessen.
Herr Kollege Czaja, ich bin auch der Meinung,
daß wir die Einkommensgrenzen ändern müssen. Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Bundesmini-
Wir müssen dann aber auch die notwendigen Mittel ster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abge-
dafür zur Verfügung stellen. Darauf komme ich ordneten Dr. Czaja?
gleich.
(Abg. Dr. Czaja: Dafür sind Sie zuständig!) Dr. Czaja (CDU/CSU): Herr Bundesminister,
Sie haben vorgesehen, die Städtebauförderung würden Sie mir bezüglich der Rückflüsse zugestehen,
d a ß ber e its i m Haushaltsgesetz 1969 fast 950 Millio-
mit einzubeziehen. Meine Damen und Herren, sehen
Sie sich bitte den Entwurf der Bundesregierung an. nen DM Zinsen und Tilgungen enthalten sind, deren
Er sieht ausdrücklich vor, daß der Bindungsrahmen Verteilung nicht durch gesetzliche Bindung ver-
für den Städtebau in dem Gesetz selbst festgesetzt ankert ist, sondern die nur im Rahmen eines Ver-
wird. In unserer mittelfristigen Finanzplanung wird wendungsplans, den Sie dem Bundestag informativ
der Bindungsrahmen für die Jahre 1971 bis 1973 zuleiten und in den Sie erst vor wenigen Tagen
-
450 Millionen DM betragen. Das scheint mir nun ein wieder eingegriffen haben, verteilt werden? Würden
wesentliches Ergebnis zu sein. Damit kann man Sie endlich einmal aus der Begründung entnehmen,
wirklich die Stadtsanierung beginnen. Nach meiner daß es uns nicht um die Zinsen, sondern um die frei-
willige Umschuldung des Restkapitals älterer Bau-
Meinung sind diese Dinge in jenem Rahmen zu
darlehen geht?
regeln.
Genauso ist es im Grunde genommen mit der
Althaussanierung. Sie haben leider eines vergessen. Dr. Lauritzen, Bundesminister für Städtebau
Ich habe mich jahrelang bemüht, für die Althaus- und Wohnungswesen: In diesem Punkt bin ich mit
sanierung zusätzliche Haushaltsmittel zu bekom- Ihnen durchaus einer Meinung. Ich darf gleich dar-
men. Im Rahmen der Konjunkturprogramme der auf zurückkommen.
Bundesregierung ist das auch gelungen. Ich habe Nur, wenn Sie dazu übergehen wollen, die Rück-
mir aber wiederholt den Einwand des früheren flußmittel zu drei Fünfteln für den Städtebau einzu-
Finanzministers anhören müssen: Ist denn Althaus- setzen — was nach meiner Erklärung von vorhin
sanierung überhaupt eine Bundesaufgabe. Als Sie wohl nicht mehr notwendig ist; wenn wir einen
diesen Antrag stellten, ist dieser Einwand anschei- gesetzlichen Bindungsrahmen von 450 Millionen DM
nend vergessen worden. Hier gilt genau dasselbe für die ersten drei Jahre haben, ist das nicht mehr
wie vorhin. Wenn Sie neue Verwendungsmöglich- notwendig; dann gehört die Regelung dorthin —,
keiten für öffentliche Mittel im Rahmen des Woh- wenn Sie ein Fünftel für Altbausanierung und ein
nungsbaues eröffnen, ohne zusätzliche Mittel dafür Fünftel für Eigentumsbildung einsetzen wollen, feh-
zur Verfügung zu stellen, geht das auf Kosten der len für eine ganze Reihe von Verwendungszwecken
bisherigen Verwendungszwecke. Es muß also etwas — Altenheimbau, Studentenwohnungsbau, junge
geschehen, um die Frage der Finanzierung zu lösen. Familien — einfach die öffentlichen Mittel.
Herr Czaja, ich würde es sehr begrüßen, wenn (Abg. Baier: Die Mittel für junge Familien
Sie mit Ihrer Behauptung recht hätten, es gebe einen haben Sie ja gestrichen!)
Dispositionsfonds des Bundesministers für Städte- — Ja, ich komme gleich darauf.
bau und Wohnungswesen in Höhe von 250 Millio-
nen DM für den Wohnungsbau. Wenn Sie nur ein Fünftel für Eigentumsbildung
einsetzen wollen, sind das 20 % .
(Abg. Dr. Czaja: Die Rückflüsse!)
(Abg. Dr. Czaja: Aus den Rückflußmitteln!)
Ich finde ihn nicht! Ich will gern einmal eine Lupe
nehmen, um im Haushaltsplan nachzusehen. Sie Wir haben bisher aber Eigentumsbildung in Höhe
können ihn mir auch nicht zeigen. von 30 % gehabt.
Lassen Sie mich Ihnen eines sagen. Ich habe in (Abg. Dr. Czaja: Nicht aus den Rückfluß
der Beantwortung der letzten Kleinen Anfrage, die mitteln, Herr Minister!)
1142 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Erpenbeck
Frau Kollegin Meermann begann ihre Ausfüh- eine Wohnung frei zu wählen, eine Wohnung,
rungen mit einem Beispiel aus dem hausfraulichen die der Größe seiner Familie angemessen, mo-
Bereich. Sie sprach von der „heißen Nadel", mit dern ausgestattet und deren Kosten auch für
der hier gestrickt worden sei. Ich erinnere mich gut ihn tragbar sind ...
Dr. Apel
Initiative nur für München gelten soll. Wir Sozial- wird, in Zukunft bei einer mißbräuchlichen Benut-
demokraten kommen zu dem Ergebnis, daß hier zung dieses Gesetzes zu höheren Mieten zu kom-
eben doch wieder einmal mit der heißen Nadel ge- men. Wir haben natürlich auch in Hamburg Fälle ge-
näht worden ist, wie es Frau Meermann genannt habt, in denen bei Luxuswohnungen, die unter die
hat. Aber sie werden dazu sicherlich noch etwas zu Definition der bisherigen Mietpreisbindung fallen,
sagen haben. von den Mietern dieser Wohnungen Mieten nur im
Rahmen dieses Gesetzes bezahlt werden. Das führt
Ich möchte in diesem Zusammenhang unterstrei-
dazu, daß dort der Mietzins zu niedrig ist und die
chen, daß es sich bei dem Gesetzentwurf der Koali-
Wohnungs- und Grundeigentümer sich zu Recht
tionsfraktionen eben nicht um einen Gruppenantrag
darüber beschweren, daß hier Mißbrauch getrieben
handelt, sondern daß hinter dem Antrag VI/159 so-
wird. Wir begrüßen es also, daß in diesem Gesetz
wohl die Sozialdemokraten als auch die FDP stehen.
eine Klausel enthalten ist, die es möglich macht, in
Für uns ist das ein ganz besonders gutes Zeichen,
diesem Falle die Mieten auf die Kostenmiete anzu-
daß diese Koalition in der Lage ist, wohnungspoliti-
heben.
sche Fehlentscheidungen vergangener Regierungen
auszubügeln und zu verändern und an das anzupas- Wir möchten aber den zuständigen Ausschuß, an
sen, was heutzutage notwendig ist. Ich unterstreiche den dieser Gesetzentwurf verwiesen wird, auch dar-
in diesem Zusammenhang, daß den Kollegen von um bitten, zu überprüfen, ob es nicht notwendig ist,
der FDP hier unser Dank gebührt, insbesondere dem in dieses Gesetz eine Definition aufzunehmen, was
Hamburger Abgeordneten der FDP, Herrn Kirst. ein Wohnraum im Sine dieses Gesetzes ist. Sie er-
innern sich daran, daß wir bei der Verlängerung
(Lachen bei der CDU/CSU.)
der Mietpreisbindung bis zum Ende dieses Jahres
Sie werden vielleicht fragen, wieso die Koali- nicht klar definiert haben, was ein Wohnraum ist.
tionsfraktionen der Meinung sind, daß für Hamburg Das hat in Hamburg doch zu einigen Schwierigkeiten
und für München eine Verlängerung der Mietpreis- geführt, indem Räume, die eigentlich nicht für Wohn-
bindung notwendig ist. Nun, wir haben uns endlich zwecke geeignet sind, mitgezählt worden sind, um
von den Berechnungen des Lücke-Plans gelöst, und mit der jeweiligen Zahl von Wohnräumen in den
wir sind zu effektiven Zahlen gekommen. Bereich der Großraumwohnung hinein und damit
aus der Mietpreisbindung herauszukommen.
(Abg. Mick: Sie sind nicht im Bilde, Herr
Apel, Sie werfen sogar die Begriffe durch (Abg. Mick: Dafür ist Hamburg verantwort
-
einander! Sie müssen sich um die Materie lich!)
kümmern!) — Nein, Herr Mick, dafür sind wir verantwortlich,
1 — Herr Mick, Sie können hier nicht „Mick" reden, weil wir alle zusammen damals bei diesem Ge-
auch nicht mitreden, sondern Sie müssen sich schon setz etwas unvorsichtig gearbeitet haben. Wir bitten
zu Wort melden, wenn Sie mich etwas fragen wol- also den Ausschuß, zu prüfen, ob -es heute und jetzt
len. noch notwendig ist, eine Veränderung, eine Präzi-
(Abg. Mick: Keine Ahnung haben Sie!) sierung, was Wohnraum ist, vorzunehmen. Es
könnte sein, daß der Sachstand uns sagt, das ist gar
Wir haben einmal für Hamburg sehr genau nach- nicht mehr notwendig; die strittigen Fälle sind ge-
gerechnet, und wir kommen zu dem Ergebnis, daß in regelt.
Hamburg immer noch ein Wohnungsfehlbestand von
7,6 % ist und daher in Hamburg Verhältnisse ge- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ab-
geben sind, die es nicht zulassen, daß wir jetzt die schließen. Die Koalitionsfraktionen haben Ihnen die-
Mietpreisbindung aufheben. Uns fehlen noch weit sen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir wissen, daß zu-
über 50 000 Wohnungen; das ist weitgehend unbe- mindest ein Teil der Fraktion der CDU/CSU diese
stritten. Deswegen sind wir froh, daß wir diesen Ge- Initiative unterstützt, weil es ja einen entsprechen-
setzentwurf vorlegen konnten. Dieser Gesetzentwurf den Gruppenantrag gibt. Wir sind froh darüber,
bedeutet für die Hansestadt, daß der Altbauwoh- denn auf diese Art und Weise werden wir es fertig-
nungsbestand, der gut 40 % ausmacht, weitgehend kriegen, sehr bald eine Regelung zu finden, die uns
von übertriebenen Mietpreisbindungen verschont in Hamburg für weitere zwei Jahre aus den Schwie-
bleibt. Nach unserem Gesetzentwurf wird lediglich rigkeiten herausbringt und uns die Möglichkeit gibt,
eine Mietpreiserhöhung um 10 % zum 1. 1. 1971 in Hamburg in den verbleibenden 2 3/4 Jahren bis
möglich sein. Dieser Gesetzentwurf führt auch dazu, Ende 1972 den Wohnungsbau so voranzubringen,
daß öffentlich begünstigte Neubauten aus ungerecht- daß wir es hoffentlich nicht nötig haben werden,
fertigten Mietpreissteigerungen herausbleiben, weil Ende 1971 erneut vor dieses Haus zu treten und um
es für den gleichen Zeitraum für sie bei der Kosten- eine zusätzliche Verlängerung zu bitten.
miete bleibt. Da wir sowieso davon ausgehen kön- (Beifall bei der SPD.)
nen, daß bei den sozial geförderten Wohnungen un-
gerechtfertigte Mietpreissteigerungen nicht zu er- Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
warten sind, können wir damit sicherstellen, daß für Herren! Der Antrag ist begründet. Wir treten in die
die nächsten Jahre bis Ende 1972 in Hamburg die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeord-
Mieter vor ungerechtfertigten Mietpreissteigerungen nete Geisenhofer.
verschont bleiben.
Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch den Geisenhofer (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Art. 2 § 2, der es auch für Hamburg möglich machen Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Regie-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1147
Geisenhofer
rungskoalition - Drucksache VI/159 , den Herr des sozialen Wohnungsbaus, aber auch raumordne-
Dr. Apel soeben begründet hat, beinhaltet im we- rische Maßnahmen, Maßnahmen zur organischen
sentlichen und im Grundsätzlichen die gleichen Pro- Stadtentwicklung beispielsweise in München — und
bleme und die gleichen Anliegen wie der Gruppen- nicht Maßnahmen zu einer überhitzten Stadtent-
antrag der CDU/CSU auf Drucksache VI/14. Der Un- wicklung, bei der man die Nachfolgelasten im Woh-
terschied liegt im Zeitlichen begründet, nämlich dar- nungsbau, im Schulhausbau und all den anderen
in, daß wir diesen Antrag drei Monate früher ein- Bereichen einfach nicht mehr in den Griff bekommen
gereicht haben, während Sie, meine Kollegen von kann.
der SPD und FDP, nun erst nachziehen. Ein schwieriges Problem, Herr Bundesminister,
Herr Dr. Riedl und ich haben bei der ersten Le- sind die fehlbelegten Wohnungen, ein Problem, das
sung am 12. November vergangenen Jahres unseren mit allem Ernst in diesem Hohen Hause angegangen
Antrag damit begründet, daß in München wohnungs- werden muß. Kleine und mittlere Einkommensbe-
politisch eine Sondersituation herrscht und daß des- zieher sind in freifinanzierte teure Wohnungen ab-
wegen die Verlängerung der Mietpreisbindung vom gedrängt, wo sie 30 bis 40 % ihres Einkommens für
1. Januar 1971 bis 31. Dezember 1972, also über die Miete zahlen müssen, Mieten von 400 und 500 DM
Zeit der Olympiade Münchens hinaus, dringend not- bei einem Monatseinkommen von 1000 DM. Das ist
wendig ist. Die Begründung liegt auch noch darin, untragbar, während auf der anderen Seite — das
daß in München ca. 17 000 Wohnungen fehlen, daß muß in diesem Hause auch einmal angesprochen
ein jährlicher Zuzug von 30 000 bis 40 000 Menschen werden — Großverdiener in staatlich subventionier-
zu verzeichnen ist und daß die Olympiade, die zwei- ten Sozialwohnungen leben. Jeder soll in seiner
fellos den Wohnungsmarkt belasten wird, nun auf liebgewordenen Wohnung bleiben, niemand soll sie
München zukommt. verlassen müssen; aber hier müssen Lösungen ge-
schaffen werden.
Der Herr Kollege Schmidt hat anläßlich der ersten
Lesu ng unseres Gesetzentwurfs im November zu Sch u ld a n die s
e
bdrärngen ist auch die viel zu
m A
unseren Gesetzentwürfen Stellung genommen, und eng gezogene Einkommensgrenze im sozialen Woh-
Sie, Herr Kollege Schmidt, haben gesagt: Wir wer- nungsbau. Die CDU/CSU-Fraktion hat soeben — und
den bessere Vorlagen bringen, die auch zeitlich wei- Herr Dr. Czaja hat diesen Antrag begründet —
tere Fristen enthalten, und wir werden alles tun, eine Initiative ergriffen, diese Einkommensgrenzen
daß in diesem Hohen Hause bessere Anträge ver- zu erhöhen.
abschiedet werden. Darf ich Sie, Herr Kollege Ein ganz wichtiges Problem, Herr Bundesminister,
Schmidt, und die Münchner SPD-Kollegen fragen: das ich noch ansprechen möchte, ist die Erhöhung des
Wo sind die besseren Anträge, wo sind jene fünf Wohngeldes. Wir von der CDU/CSU haben am
Anträge, die man uns Abgeordneten der CSU am 12. November des vergangenen Jahres einen dies-
16. Oktober 1969 in München mit der Bitte, sie zu bezüglichen Antrag eingereicht, der dem Anliegen
unterstützen, vorgelegt hat und die man dann in der einkommensschwachen Mieter weitestgehend
einer großangelegten Pressekonferenz der Bevölke- entgegenkommt. Ich bitte herzlich und dringend, daß
rung Münchens dargelegt hat? Wo sind diese An- im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen
träge? Wo ist der Antrag über die Erhöhung des endlich mit der Beratung dieser Materie begonnen
Wohngeldes? Wo ist der Antrag über die Rückkehr wird. Sie, Herr Bundesminister, haben in diesem
zum Schwarzen Kreis und zum qualifizierten Mieter- Hohen Hause anläßlich der ersten Beratung unse-
schutz? Wo ist der Antrag zur Verbesserung des res Gesetzes feierlich erklärt, daß Sie noch im De-
Mieterschutzes bei Umwandung von Altbau- in Eigen- zember 1969 den Wohngeldbericht vorlegen und
tumswohnungen? Wo ist der Antrag: Verbot der auch selbst eine Novelle zum Wohngeldgesetz ein-
Zweckentfremdung von Altbauwohnungen zu ge- bringen würden. Einen Monat später, im Dezember,
werbsmäßigen Massenquartieren und Gastarbeiter- haben Sie im Ausschuß für Städtebau und Woh-
schlafstellen, die in München so viel Ärgernis in der nungswesen durch Ihnen Staatssekretär erklären
Bevölkerung, bei Mietern und auch bei den Gast- lassen, daß der Wohngeldbericht zwar fertig sei, daß
arbeitern selbst, erregt? er aber bis zur Verabschiedung des Bundeshaushalts
Wir haben, meine Herren Kollegen von der SPD, zurückgestellt werde. Darf ich einmal fragen, was
unsere fünf Gesetzentwürfe eingereicht, und sie lie- hat die Vorlage des Wohngeldberichts mit der Ver-
gen dem Ausschuß vor. Sie haben billige Verspre- abschiedung des Bundeshaushalts zu tun? Auch wir
chungen gemacht, die Sie jetzt, wie es scheint, nicht waren und sind der Meinung, daß ausgabewirksame
erfüllen können. Ich fühle mit Ihnen, wie schwer Gesetze bis zur Verabschiedung des Bundeshaus-
es Ihnen fallen muß, daß Sie diesmal nicht sagen halts zurückgestellt werden müssen. Aber das be-
können: Die unsoziale CSU ist schuld, sie hat uns rechtigt doch nicht, dem Parlament und der Oppo-
unsere Anträge kaputt gemacht. sition wichtige Beratungsunterlagen vorzuenthalten.
Ich bitte also dringend, Herr Bundesminister, daß
Meine Damen und Herren, die jetzt vorliegenden
der Wohngeldbericht umgehend vorgelegt wird. Sie
Anträge sollen Härten beseitigen oder Härten mil-
haben nun in ihrer heutigen Rede zugesagt, ihn in
dern, zum mindesten neue Härten nicht aufkommen
cien nächsten acht oder vierzehn Tagen vorzulegen.
lassen; aber das Wohnungsproblem, die Wohnungs-
not, der Wohnungsfehlbestand wird mit diesen
Anträgen nicht gelöst. Hierzu sind weitere Maßnah- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
men dringend notwendig, Herr Bundesminister. Ich Geisenhofer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
meine, notwendig ist die permanente Fortsetzung Abgeordneten Frau Meermann?
1148 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Frau Meermann (SPD) : Herr Kollege Geisen- Wohnung bekommt als derjenige, der in Arbeit
hofer, sollte Ihnen entgangen sein, daß dieses steht. Das bedeutet, daß die soziale Dringlichkeit,
Hohe Haus ausdrücklich gewünscht hat, daß der die Vormerkzeit, nicht mehr genügend berücksich-
Wohngeldbericht nicht nur ein Bericht über die zu- tigt wird. Ihr § 5 a, in dem Sie vorsehen, daß auf
rückliegende Zeit sein soll, sondern daß in ihm Grund einer Rechtsverordnung das Amt für Woh-
außerdem Vorschläge zur Änderung der Gesetz- nungsfragen in Bereichen mit erhöhten Wohnungs-
gebung gemacht werden sollen? Insofern hängt das bedarf entscheiden kann, ob die Wohnbescheini-
selbstverständlich mit dem Haushaltsplan zusammen. gung erteilt oder abgelehnt werden muß, bringt
zwar eine Verbesserung, löst aber das Problem
nicht.
Geisenhofer (CDU/CSU) : Frau Kollegin Meer-
mann, ich meine aber, daß der Abschlußbericht Ich bin mit diesem Vorschlag einverstanden,
— ,es ist richtig, was Sie gesagt haben, daß er auch wenn durch eine Rechtsverordnung die Anliegen,
Gesetzesvorschläge beinhalten sollte — früher die in unserem Gesetzentwurf beinhaltet sind, mit
hätte in Bearbeitung genommen werden müssen, berücksichtigt werden.
so daß er dem Hohen Hause rechtzeitiger hätte vor- (Unruhe.)
gelegt werden können.
Das Wohngeldgesetz ist für uns eine ganz wich- Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
tige Sache, und ich bin tief enttäuscht — ich sage Herren, ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksam-
es noch einmal — daß man so lange gebraucht hat,
,
keit für den Redner.
bis der Wohngeldbericht vorgelegt werden kann.
Wir nehmen das mit einer tiefen Enttäuschung zur
Geisenhofer (CDU/CSU) : Unsere Anliegen in
Kenntnis und wir fordern, daß in Zukunft rechtzei-
der Gesetzesvorlage Drucksache VI/3 sind folgende.
tiger gehandelt wird.
Erstens. Die Wohnrechtsbescheinigung muß wie
Ich darf zum Schluß noch auf den Art. 3 Ihres bisher weiter erstellt werden.
Antrages auf Drucksache VI/159 eingehen, mit dem
Sie die Novellierung des Wohnungsbindungsgeset- Zweitens. Die Wohnrechtsbescheinigung muß da-
zes — §§ 4 und 5 dieses Gesetzes — ansprechen. zu dienen, daß der sozial Schwächste vor allen an-
Ich bin mit Ihnen völlig einig, daß Verwaltungsver- deren eine Sozialwohnung erhält. Das heißt, das
einfachungen immer dort durchgeführt werden müs- Amt für Wohnungsfragen muß wieder das Recht
sen, wo es dringend notwendig und möglich ist. erhalten, aus mehreren Wohnrechtsscheininhabern
Aber Verwaltungsvereinfachungen müssen dem den Bedürftigsten auszuwählen. Damit ist ein wich-
Menschen dienen; zumindest dürfen sie ihm nicht tiges soziales Problem auf diesem Gebiet leichter zu
schaden. So wie Sie das Problem lösen wollen, ist lösen.
es meiner Meinung nach nicht möglich. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
Sie sehen in § 5 vor, daß die Ausstellung von stimme der Überweisung Ihres Vorschlags zu, hoffe
Wohnrechtsbescheinigungen im Gegensatz zur bis- aber, daß wir im Ausschuß eine gemeinsame Lö-
herigen Regelung, nach der sie jeder bekommt, der sung finden werden.
einkommensmäßig im Bereich des sozialen Woh- (Beifall bei der CDU/CSU.)
nungsbaus liegt, in Zukunft nur dann erfolgen soll,
wenn der Antragssteller vorher eine Wohnung
nachweist. Die Wohnrechtsbescheinigung wird dann Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
auf diese Wohnung ausgestellt. Abgeordnete Kirst.
Was bedeutet das für München? Ich bitte meine
Münchener Kollegen in der SPD, hier gut aufzu- Kirst (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr geehr-
passen. Wir haben in München zirka 17 000 Woh- ten Damen und Herren! Ich möchte mich ausschließ-
nungsuchende im sozialen Wohnungsbau, die alle lich auf die jetzt zur Behandlung anstehende Vor-
Inhaber dieser Wohnrechtsbescheinigung sind. Wir lage beschränken und nicht auf vorangegangene
haben aber denen gegenüber jährlich nur zirka Tagesordnungspunkte zurückgreifen, wie es soeben
4000 Sozialwohnungen zu vergeben. Das bedeutet, geschehen ist. Dabei kann ich mich auf die Pro-
daß nach Ihrer Regelung zwar für 13 000 Personen bleme Hamburgs beschränken. Denn es dürfte fest-
die Wohnrechtsbescheinigung wegfallen kann, aber stehen, daß der Gesetzentwurf, soweit er sich auf
die 17 000 Wohnungssuchenden bleiben trotzdem. München erstreckt, absolut unumstritten ist.
Das bedeutet ferner, daß Sie auf eine zentrale Soweit diese Vorlage Hamburg betrifft, möchte
Statistik über Sozialwohnungsuchende in München ich sagen, daß wir uns mit der gemeinsamen Ein-
verzichten. Das bedeutet ferner, daß die Wohnung- bringung des vorhin von dem Kollegen Apel be-
suchenden im Unterschied zu bisher dann in Mün- gründeten Antrages dem Problem, das sich hier
chen bei zirka 20 Wohnungsbaugesellschaften per- zweifellos für Hamburg auftut und das wir klar
sönlich vorsprechen müssen, um bei diesen Gesell- sehen, stellen. Das Ziel dieses Antrages ist es,
schaften vielleicht eine Wohnung zu erhalten. Das rechtzeitig, ohne jeden Zeitdruck und unter Prü-
bedeutet, daß der Einkommensstärkere im Rahmen fung aller Umstände und Möglichkeiten, zu einer
des sozialen Wohnungsbaus gegenüber dem Schwä- Entscheidung zu kommen. Es kann kein Zweifel
cheren bevorzugt werden wird. Das bedeutet, daß darüber bestehen — das wird auch Ihnen, Herr Dr.
derjenige, der zum Vorsprechen Zeit hat, eher eine Apel, bekannt sein —, daß die Entscheidung unserer
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1149
Kirst
beiden Fraktionen, diese Frage auf die Hörner zu schaft schneller dazusein, als wenn man eine ganze
nehmen, ein unterschiedliches Echo bei den betrof- Division bewegen muß.
fenen Kreisen in Hamburg hervorgerufen hat. (Heiterkeit. — Zuruf von der CDU/CSU:
Damit haben wir keine Erfahrungen!)
Ich meine, daß in den Ausschußberatungen die
Wohnungssituation in Hamburg berücksichtigt wer- Wir haben uns nicht darauf beschränkt, einen
den muß. Sie ist im Gegensatz zu der in München Gruppenantrag einzureichen, sondern wir haben
z. B. dadurch gekennzeichnet, daß wir seit 1964 versucht, für diesen Antrag von vornherein eine
einen Bevölkerungsverlust von 40 000 Einwohnern breite Unterstützung in diesem Hause zu finden.
und eine imponierende Wohnungsbauleistung von Das hat sich dann in einem Koalitionsantrag nieder-
im Jahresdurchschnitt 15 000 Wohnungen zu ver- geschlagen.
zeichnen haben. Ich meine ferner, daß sich der Aus-
schuß, um zu einer klaren Entscheidung kommen zu
können, zu der wir dann auch stehen, das voraus- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
sichtliche Defizit für Hamburg zum 31. Dezember Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ab-
dieses Jahres, dem bisherigen Termin des Auslau- geordneten Dr. Riedl?
fens der Mietpreisbindung, vorlegen lassen müßte,
und zwar berechnet auf Grund des Ergebnisses der Schmidt (München) (SPD) : Im Augenblick nicht.
Zählung vom 25. Oktober 1968. Vielleicht würde
sich im Ausschuß noch die Frage stellen, ob man (Zuruf von der CDU/CSU: Angsthase!)
die Zeit wirklich um zwei Jahre verlängern muß — Wissen Sie, solche Zwischenbemerkungen wie
oder ob man nicht, wenn dies die Zahlen ergeben, „Angsthase" können mich gar nicht abhalten. Ich
mit einem Jahr auskommt. werde Herrn Dr. Riedel noch Gelegenheit geben,
Fragen an mich zu stellen ; weil ich nichts so gern
Hinsichtlich des § 2, der hier nach dem Vorbild
habe, wie wenn Herr Dr. Riedl an mich Fragen
des Berliner § 4 a eingebaut werden soll, ist es
stellt.
sicherlich erforderlich, daß man sich auch einmal
die Berliner Erfahrungen mit der Praktikabilität Nun haben Sie mich gefragt: Wo sind denn die
dieses gewiß sehr lobenswerten Vorsatzes zunutze besseren Anträge, die Ihr angekündigt habt? Herr
macht. Schließlich meine ich, daß im Ausschuß auch Kollege Geisenhofer, ich meine, abgesehen von
noch einmal die genaue Abgrenzung geprüft wer- Einzelheiten, auf die ich noch kommen werde, liegt
den muß. Denn es ist nicht sicher, daß von dieser der erhebliche Vorteil bereits darin, daß es sich eben
Regelung nur die Altbauwohnungen erfaßt werden. um einen Gruppenantrag handelt.
Meine Damen und Herren, wir wünschen uns, daß Zu der Frage, wie lange die Mietpreisbindung in
wir durch diesen Antrag rechtzeitig zu einer sach- München dauern soll, möchte ich hier klar und ein-
gerechten Entscheidung auf der Grundlage hand- deutig erklären — das war auch innerhalb der
fester Zahlen kommen. Koalition so abgesprochen —, daß der Termin, der
heute genannt ist, nämlich Ende 1972, nicht darauf
(Beifall bei der FDP.) angelegt ist, fix zu bleiben. Ganz im Gegenteil, wir
wollen auch Ihnen, die Sie sich auf diesen Termin
Vizepräsident Dr. Jaeger: Der Herr Kollege festgelegt haben, Gelegenheit geben, mit uns zusam-
hat soeben seine Jungfernrede gehalten, zu der ich men über diesen Termin hinauszugehen. Wir wer-
ihn beglückwünschen darf. den im Ausschuß für Städtebau und Wohnungs-
wesen noch Material vorlegen, das vielleicht auch
(Beifall.) Ihre Kollegen überzeugt, daß dieser Termin viel-
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Mün- leicht doch nicht der richtige ist. Wir meinen, daß
chen). eine Verlängerung um zwei Jahre das mindeste sein
muß; wir wollen aber, daß nach Möglichkeit — wenn
sich das im Ausschuß ergibt — für München eine
Schmidt (München) (SPD) : Herr Präsident! Meine längere Zeit festgelegt wird.
Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Geisen-
hofer hat die erste Lesung des Antrags auf Druck- Wir haben also keine billigen Versprechen ab-
sache VI/159 dazu benutzt, einen umfassenden Kata- gegeben. Ich möchte Ihnen eines sagen: Gruppen-
log v on Vorschlägen und Anregungen vorzulegen. anträge einzureichen, von denen niemand weiß, ob
Ich glaube aber nicht — man möge mich korrigieren, sie überhaupt einen Schimmer von Aussicht haben,
ich bin noch neu in diesem Hause —, daß das der angenommen zu werden, ist verhältnismäßig leicht;
Sinn der ersten Lesung eines bestimmten Gesetz- das hätten wir auch schnell gekonnt. Wir haben uns
entwurfs ist. Ich werde mich daher darauf beschrän- bemüht, bei den Münchner Mietern keine Hoffnun-
ken, auf das einzugehen, was speziell zu diesem gen zu wecken, die wir von vornherein nicht er-
Antrag zu sagen ist. füllen können. Aus diesem Grunde haben wir uns
hier in dieser Form zurückgehalten. Ich kann Ihnen
Herr Kollege Geisenhofer hat zunächst einmal heute schon sagen, das, was bisher vorliegt, wird
gerühmt, daß die CDU drei Monate früher gekom- nicht das Ende, nicht der Abschluß sein; es werden
men sei. Dazu muß ich sagen, Herr Kollege Geisen- weitere Anträge kommen. Ich würde mich freuen,
hofer: es ist natürlich erheblich leichter, mit ein wenn man hier auch mit Ihnen zu einer guten Zu-
paar Hanseln, sozusagen einer kleinen Wachmann- sammenarbeit kommen könnte.
1150 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Schmidt (München)
Ich glaube, zum Gesetzentwurf selbst muß auch tern in der Regel ein Jahr betragen - in München
noch einiges gesagt werden. Es ist immer schwierig, mit einer verständlichen Verspätung eine Prozeß-
wenn man Entwürfe zu begründen hat, die für eine welle anläuft, die dazu geführt hat, daß bereits die
ganz bestimmte abgegrenzte Region gelten sollen. Planstellen für Mietrichter vermehrt werden muß-
Ich weiß genau — ich habe diese Erfahrungen ge- ten, weil die vorhandenen Mietrichter mit der an-
macht —, daß gerade dann, wenn man hier als fallenden Arbeit nicht mehr fertig wurden. Diese
Münchner Abgeordneter Forderungen erhebt oder Welle wird noch weiter anwachsen. Daraus können
Vorschläge macht, die München betreffen, eine ge- Sie ersehen, wie die Lage in München ist.
wisse emotionale Sperre zu registrieren ist, die viel-
Ich stimme dem Kollegen Geisenhofer darin zu,
leicht daher kommt, daß im Zusammenhang mit den
daß die Wohnungsnot in München nicht durch die
Olympischen Spielen eine ganze Menge von Mitteln
von uns vorgelegten Anträge und auch nicht durch
nach München fließen. Dazu muß aber folgendes
Ihre Anträge beseitigt werden kann. Die Anträge
gesagt werden. Diese Olympischen Spiele führt nicht
können allenfalls dazu dienen, wie man einmal ge-
nur München durch, und wir führen sie nicht für
sagt hat, die Not, die dort herrscht, etwas besser zu
München durch, sondern sie finden deshalb statt,
verwalten. Abhilfe kann nur durch eine erhebliche
weil wir, die Bundesrepublik, die Gelegenheit be-
Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus geschaffen
nutzen wollen, der Weltöffentlichkeit auch ein Bild
werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang dem
des demokratischen Nachkriegsdeutschland vorzu-
Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen
führen, abgesehen von dem sportlichen Wert dieser
für die Sonderförderung, die München erfahren hat,
Spiele. Daher ist es auch gerechtfertigt, zusätzliche
meinen ausdrücklichen Dank aussprechen und ihn
Mittel von auswärts nach München zu pumpen.
bitten, München auch weiter in gleicher Weise zu
Im übrigen hat das nicht nur Vorteile für die unterstützen.
Landeshauptstadt München. Ganz im Gegenteil, da- Im übrigen ist im Hinblick auf die Verstärkung
durch wird die Anziehungskraft Münchens mit ihren des Wohnungsbaus, die wir alle wünschen, noch
schädlichen Folgen noch weiter verstärkt. Das hat eines zu bemerken, was heute schon des öfteren eine
bereits dazu geführt, daß wir eine erhebliche Zu- Rolle gespielt hat. Wir wären schon weiter, wenn
nahme der Bevölkerung zu verzeichnen haben, die Sie damals dem Städtebauförderungsgesetz zuge-
über das, wis wir im Jahre 1969 zu verzeichnen stimmt hätten und wir wenigstens in Ansätzen Mög-
hatten, hinausging. lichkeiten gehabt hätten, der Bodenspekulation zu
-
begegnen und dadurch preisgünstigeren Wohnraum
Unter diesem Gesichtspunkt — und diese Entwick-
lung war abzusehen — war es ein kapitaler Fehler in München anzubieten.
des früheren Wohnungsbauministers Lücke und der Im Zusammenhang mit dem Stdtebauförderungs-
damaligen Mehrheit dieses Hauses, daß man das gesetz haben wir heute feststellen können, daß die
Zweite Gesetz zur Änderung des Schlußtermins für CDU/CSU offensichtlich dabei ist, einen Katalog von
den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft auch da- Versäumnissen der letzten 20 Jahre aufzustellen.
mals schon für München hat in Kraft treten lassen und Diese Versäumnisse spiegeln sich in den hier im
damit den Mieterschutz beseitigt hat. Der Kompro- Deutschen Bundestag gestellten Anträgen wider.
miß, der dann gefunden wurde, ist auch nicht mit der Sie hat auch auf dem Parteitag in Mainz eine Ab-
großen Mehrheit der CDU/CSU gefaßt worden, son- kehr von früheren Vorstellungen erkennen lassen.
dern war darauf zurückzuführen, daß die Sozial- Das soll hier ausdrücklich begrüßt werden.
demokraten zusammen mit einigen Abgeordneten
der CSU dafür gestimmt haben. Die Folge dieser Ich möchte noch ganz kurz zu den Entwürfen im
damaligen Fehlentscheidung ist, daß wir in München Detail Stellung nehmen. Die Verlängerung der Miet-
heute ungeheure Mieterhöhungen zu verzeichnen preisbindung soll für Altbauwohnungen, d. h. für
haben. Ein Beispiel, das ich Ihnen nicht vorenthalten Wohnungen, die bis zum 20. 6. 1968 fertiggestellt
will, betrifft ein Mitglied Ihrer Fraktion, das heute wurden, gelten. Der Zeitraum von zwei Jahren soll
allerdings nicht anwesend ist. Nach unwidersproche- nur eine Mindestgrenze sein. Wir würden uns über
nen Pressemeldungen sind in dem Mietshaus, dessen jede Hinausschiebung dieses Termins freuen. Wir
Miteigentümer Franz Josef Strauß ist, in München werden uns im Ausschuß für eine Hinausschiebung
die Mieten um 70 bis 80 % erhöht worden. einsetzen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wider Herr Kollege Geisenhofer, was Sie zur Änderung
rufen! - Er liest keine Zeitung!) des Wohnungsbindungsgesetzes gesagt haben, ist
nicht richtig. Was wir damit wollen, ist, daß endlich
— Von einem Widerruf war keine Rede. Es war die Inflation von Berechtigungsscheinen für Sozial-
davon die Rede, daß Strauß dagegen protestiert hat, wohnungen aufhört. Heute kann jeder diesen Be-
allerdings vergeblich, und daß er, der sonst so gern rechtigungsschein wohlfeil erwerben. Er hat dann
den starken Mann markiert, im eigenen Hause, wenn Hoffnung auf eine Wohnung, die sich meistens nicht
es darum geht, Entscheidungen zu revidieren, nichts realisieren läßt. Wir wollen, daß es aufhört, daß
zu sagen hat. die Behörden Papier verteilen, das im Grunde ge-
(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ nommen nichts wert ist. Das ist einer der Gründe.
CSU: Rückständig!) Ein weiterer Grund, warum wir diese Änderung
Eine weitere Folge dieser Fehlentscheidung, die vorschlagen, ist folgender. Die Landesregierungen
auf das Konto der CDU/CSU geht, ist, daß heute — sollen ermächtigt werden, den Wohnungsämtern die
weil die Kündigungsfristen gerade bei älteren Mie- Möglichkeit zu geben, in den Ballungsgebieten auch
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1151
Schmidt (München)
Wohngenehmigungen zu versagen. Im übrigen sol- lage noch in seinen Privatakten. Aber das ist ja
len künftig diese Berechtigungsscheine nur noch von nicht so schlimm, Herr Apel.
der Zuzugsgemeinde und nicht von irgendeiner be-
liebigen Gemeinde ausgestellt werden. Dadurch soll Nur, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Stei-
vermieden werden, daß von überall her Leute kom- nen werfen. Haben Sie, Herr Apel, in Ihrer Arro-
men, die einen Berechtigungsschein vorweisen, was ganz denn Ihren Antrag Drucksache VI/159 gar nicht
dann zur Folge hat, daß die Münchener — das gilt so deutlich gesehen? Darin ist nämlich just genau
für die Hamburger und die Bewohner anderer Groß- der gleiche Fehler. Vorne in Art. 1 steht unter § 18,
städte in gleicher Weise —, die sich schon lange um daß für Hamburg und für München eine Frist von
eine Sozialwohnung bewerben, keine Aussicht zwei Jahren gewährt werden soll, Aber hinten in
haben, auch tatsächlich eine Sozialwohnung zu be- der Begründung schreiben Sie ganz neckisch: in
kommen. Hamburg für weitere zwei Jahre und in München
(Abg. Dr. Czaja: Kirchturmspolitik!) für weitere drei Jahre. Wenn Sie also schon mit
Spitzen kommen, Herr Apel, dann überzeugen Sie
Daß wir noch mehr getan haben, als jetzt diese sich zunächst von der Richtigkeit Ihrer eigenen
Anträge einzureichen und weitere Anträge vorzu- Dinge!
bereiten, mögen Sie daraus ersehen, daß wir vor
allem den Herrn Justizminister gebeten haben, ein- Die Äußerungen, die Herr Kirst von der FDP
mal nach München zu kommen und mit uns zusam- hier gemacht hat, kann ich überhaupt nicht ver-
men und an Hand von Anhörungen und Prüfungen stehen. Wenn ich sie auf ihren sachlichen Kern zu-
zu überlegen, inwieweit man über das, was jetzt rückführe, ist es im Ergebnis so, daß die FDP sich
vorgelegt wurde, hinaus auf rechtlichem Gebiete bei dieser Sache mit aller Gewalt ins Koalitionsbett
den Mietern helfen kann. Ich bedanke mich sehr gedrängt hat; denn sie hat qua Fraktion unterschrie-
bei Herrn Minister Jahn, daß er sich dazu bereit ben. Aber Herr Kirst stellt sich dann hier hin und
erklärt hat. sagt mit verschämtem Stimmchen dem Sinne nach:
Im übrigen, glaube ich, ist es notwendig, daß wir Eigentlich wollten wir aber unschuldig bleiben! Das
uns noch eine Reihe von Gedanken machen, wie man ist eine Kunst, von der die FDP sehen muß, wie sie
dem Wohnungsproblem steuern kann. Wir werden in der Zukunft damit fertig wird.
es auf diese Art und Weise durch rechtliche Ver- Meine verehrten Damen und Herren, wir haben
besserungen nicht lösen. Aber wir werden immer- uns das Vorgehen für unseren Gruppenantrag nicht
hin zu Erleichterungen kommen, und das ist auch leichtgemacht. Ich muß ihnen erklären, es ist mir
schon viel, wenn man die Situation in München be- peinlich, als Hamburger Bundestagsabgeordneter
trachtet. Aus diesem Grunde wäre ich froh, wenn wir nunmehr zum drittenmal vor diesem Hohen Haus
im Ausschuß und später wieder im Plenum auf eine zu stehen und die Kollegen um Verständnis zu bitten,
breite Zustimmung zu unseren Anträgen rechnen daß wir für Hamburg eine weitere Sonderregelung
könnten. brauchen. Das ist für mich um so peinlicher, als wir
(Beifall bei der SPD.) jetzt erkennen müssen, daß 25 Jahre nach Kriegs-
ende der Wohnungsmarkt in Hamburg noch einen
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der erschreckenden Zustand widerspiegelt. Nach dem
Abgeordnete Orgaß. Ergebnis der Gebäude- und Wohnungszählung hatte
Hamburg am Stichtag, dem 1. Juli 1969, einen Fehl-
bestand von 54 580 Wohnungen. Das ist mehr, als
Orgaß (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine ver-
ehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte nicht noch viele Großstädte an Wohnungen zählen.
lange Grund für Ihren Unmut sein, sondern ver- Dieses Bedauern, Sie jetzt dennoch bitten zu
spreche Ihnen, mich sehr kurz zu fassen, müssen, ist für mich als CDU-Abgeordneten um so
(Beifall) schwerwiegender, als ich feststellen muß, daß dies
auf eine mangelnde Leistung des Hamburger SPD-
und vieles von dein zu verschlucken, was ich gerne Senats zurückgeht, der 12 Jahre ununterbrochen
ausgeführt hätte. die absolute Herrschaft hatte, und, wenn es nach
Der Antrag der Koalition auf Drucksache VI/159 seinen Versprechungen gegangen wäre, mit der
entspricht in der Zielsetzung in etwa dem der Oppo- Situation in Hamburg längst fertig geworden wäre.
sitionsgruppe auf Drucksache VI/14. Das ist bereits Der damalige Bürgermeister Nevermann hat bereits
ausgeführt worden; ich brauche es nicht zu wieder- 1962 in einer Regierungserklärung der Hamburger
holen. Nun hat aber Herr Apel mit Akribie ver- Bevölkerung versprochen, die Wohnungsnot in
sucht, uns, den Antragstellern, nachzuweisen, wie Hamburg binnen vier Jahren zu beseitigen.
sehr wir diese Sache mit heißer Nadel gemacht ha-
Im Ergebnis aber müssen wir feststellen, daß die
ben. Er hat uns in der Tat einen Lapsus vorhalten
Zeit, in der in Hamburg am allermeisten an der
können, für den ich um Verzeihung bitten muß;
Beseitigung der Wohnungsnot getan wurde, die
denn ich persönlich bin zu einem guten Teil mit
Zeit war, in der die SPD nicht an der Regierung
schuld daran, daß er unterlaufen ist. In der Tat muß
war. In der Zeit des Hamburg-Blocks nämlich wur-
es vorne für Hamburg nicht 1970, sondern 1972
den innerhalb von vier .Jahren 96 000 Wohnungen
heißen. Hamburg ist auch in der Begründung her-
gebaut, eine Zahl, die auch später von der SPD nie
ausgefallen. In der ursprünglichen Vorlage, die
mehr - auch nicht annähernd - erreicht wurde.
Grundlage unserer Beratung war, steht die Jahres-
zahl 1972. Der Kollege Geisenhofer hat diese Vor- (Abg. Wehner: Halten Sie mal die Luft an!)
1152 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Orgaß
- Ja, Herr Wehner, die müssen wir schon seit lan- — Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen,
gem anhalten. den Bayernkurier auch morgen zu lesen; dann wird
(Abg. Wehner: Natürlich!) er noch interessanter. Aber anscheinend meiden Sie
Aber Sie kommen doch ebenfalls aus Hamburg. Sie sehr die Quellen, die Ihnen die Wahrheit sagen,
weil Sie so nicht vorbelastet sind.
wissen doch, wie die Situation dort ist.
Also vor acht Tagen stand im Bayernkurier eine
(Abg. Wehner: Wir werden zum Unter
schied von Ihnen noch gewählt!) Nachricht zu dem, was Sie, Herr Kollege Schmidt,
gesagt haben. Ein Mieter des Hauses Strauß schreibt
Sie können doch genauso die Regierungserklärung in einem Brief an den Bayernkurier seine wirkliche
von Bürgermeister Nevermann nachlesen. Da kön- Meinung darüber, was der „Spiegel" und andere
nen wir ruhig die Luft anhalten. Zeitungen behauptet haben, und die Schlagzeile
Meine Damen und Herren, ich meine, daß wir die darüber lautet: „Der ‚Spiegel' lügt". Ich empfehle
Bevölkerung dennoch nicht darunter leiden lassen Ihnen also, Ihre Nachrichtenquellen etwas zu ver-
dürfen. Hamburg ist nach diesen Ergebnissen die bessern.
einzige Stadt in der Bundesrepublik, in der heute Nun zur Sache.
noch Baukostenzuschüsse und für Altwohnungsbau
ten auch Renovierungszuschüsse von beachtlicher Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeord-
Höhe gefordert werden. neter Ott, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Wir sind uns über die Problematik durchaus im Herrn Abgeordneten Jacobi? — Bitte!
klaren, was ès heißt, das letzte Stückchen der Rück-
führung in die Marktwirtschaft noch hinauszuzö- Jacobi (Köln/Iserlohn) (SPD) : Herr Kollege, darf
gern. Wir wissen auch, daß wir damit der Gerechtig- ich aus Ihren Bemerkungen entnehmen, daß es hier
keit nicht in jedem Falle Rechnung tragen können. im Hause doch den einen oder anderen gibt, der
Wir sehen aber auf der anderen Seite auch, daß eine bereit ist, für Veröffentlichungen des Bayernkuriers
Reihe von Grundeigentümern diese Mangellage in die Verantwortung zu übernehmen?
einer Weise ausnutzt, die wir der Bevölkerung nicht
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Zu
zumuten können, obwohl auch gesagt werden muß,
rufe von der CDU/CSU.)
daß sich ein Großteil der Vermieter seiner sozialen
Verpflichtung in dieser Situation durchaus bewußt
ist. Wir sollten deshalb im Ausschuß sehr vorurteils- Ott (CDU/CSU) : Herr Kollege Jacobi, -ich habe
frei überlegen. Wir sollten vor allem die Vertreter nur auf Nachrichtenquellen hingewiesen, die Ihnen
des Senats einmal heranholen, damit sie uns nun zur Verfügung stehen, und wir sind durchaus so,
endlich Klarheit geben über das, was ist, und über daß wir auch anderer Leute Meinung vertragen
das, was sie vorhaben. Wir sollten dabei dann auch können, was Sie anscheinend nicht können.
überlegen, ob die zehnprozentige schematische Er- (Hört! Hört! bei der SPD. — Beifall bei der
höhung, die beiden Anträgen zugrunde liegt, der CDU/CSU.)
Weisheit letzter Schluß ist. Vielleicht — ich deute es
Nun darf ich noch eine Bemerkung zu Ihnen
nur an — ist eine Differenzierung auf Grund unter-
machen, Herr Kollege Schmidt, als einem, der die
schiedlicher Kriterien angemessener. Aber darüber
Münchener Kommunalpolitik der letzten 20 Jahre
sollten wir im Ausschuß reden. Ich bitte deshalb,
so vorbildlich verteidigt hat. Ich wohne 45 Schnell-
dieser Überweisung zuzustimmen.
zugsminuten von München entfernt und habe in
(Beifall bei der CDU/CSU.) meiner 14jährigen kommunalpolitischen Tätigkeit
Gelegenheit gehabt, die Kommunalpolitik der Lan-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der deshauptstadt München unter sozialdemokratischen
Abgeordnete Ott. Oberbürgermeistern mit der Kommunalpolitik an-
derer bayerischer Großstädte zu vergleichen.
Ott (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen (Zurufe von der SPD.)
und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, jetzt etwas
zu sagen. Ich darf sagen, daß man außerhalb Münchens das
(Beifall.) von Ihrem SPD-Oberbürgermeister und Ihren Ge-
nossen in München gewünschte hemmungslose
Aber die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt Wachstum Münchens mit sehr großer Sorge ver-
(München) veranlassen mich, doch einige Bemerkun- folgt, weil allmählich der Eindruck entsteht, daß
gen zu machen. Herr Kollege Schmidt (München),
Bayern nur noch aus München bestehe.
Sie müssen Ihre Nachrichtenquellen etwas verbes-
sern. Sie müssen bessere Zeitungen lesen. Dann (Beifall bei der CDU/CSU.)
könnten Sie nicht solche Vorwürfe erheben. Die Sorgen, die Sie in München haben, kommen
(Zurufe von der SPD: Bayernkurier!) nicht von unserer zwanzigjährigen Politik; sie kom-
men daher, daß Sie vor 24 Jahren keine ganze Hose
— Sie müssen bessere Nachrichtenquellen haben, und auch keine Wohnung gehabt haben. Unserer
dann könnten Sie nicht solche Vorwürfe erheben, Politik war es immerhin möglich, daß Sie in Mün-
wie Sie es vorhin getan haben. Wenn Sie beispiels- chen in den letzten 20 Jahren einen Einwohnerzu-
weise den Bayernkurier von heute vor acht Tagen
wachs von mehr als 300 000 Menschen
lesen —
(Große Heiterkeit.) (Zuruf von der CDU, CSU: Und eine Hose!)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1153
Ott
haben konnten. Daß Sie es nicht gerne hören, daß Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem
dieses überschnelle Wachstum bei der Arbeitszeit- Bundesverfassungsgericht
begrenzung, bei einer übermäßigen Verschuldung — Drucksache VI/189 —
und bei den Hebesätzen in München auf Kosten
des übrigen Landes in Bayern geht, glaube ich Wird das Wort zur ergänzenden Berichterstattung
Ihnen durchaus. Wenn Sie so gern von Selbstver- gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
waltung sprechen Dann rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion
(Zurufe von der SPD) der CDU/CSU auf Umdruck 7 auf und erteile zur
Begründung dem Abgeordneten Vogel das Wort.
— ja, ich glaube, daß es Ihnen unangenehm ist,
wenn Sie einmal den Spiegel vorgehalten bekom-
men —, dann darf ich. Sie doch darauf hinweisen, Vogel (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen
daß derjenige, der soviel von Selbstverwaltung und Herren! Bei dem Antrag auf Umdruck 7 geht es
spricht, wie das Ihre Genossen in München tun, auch um das Schweigen Bonns in einer Sache, die augen-
die Verpflichtung hat, selbst die Verantwortung auf scheinlich eine Angelegenheit Bonns ist. In der
sich zu nehmen. Keine Stadt im Bundesgebiet, die in Presse ist schon die Frage aufgeworfen worden, ob
einer Situation wie die Stadt München gewesen ist, Bonn zu der Klage aus Wiebaden schweigen will.
hätte den Mut gehabt — man könnte auch sagen: Gegenstand der Klage ist einmal die mit verfas-
die Verantwortungslosigkeit —, sungsändernder Mehrheit dieses Hauses beschlos-
sene Ergänzung zu Art. 10 des Grundgesetzes. Die
(Zuruf von der SPD: Unerhört!)
Klage beinhaltet den Vorwurf, daß hier eine Ver-
in einer Situation, in der Sie nicht in der Lage fassungsnorm verfassungswidrig sei, die von die-
waren, Ihre eigenen Probleme zu lösen, das ganze sem Hause mit verfassungsändernder Mehrheit be-
Land und den ganzen Bund dafür heranzuziehen, schlossen worden ist.
um über die Olympiade Ihre schlechte Kommunal- Zum zweiten geht es um die Frage der Verfas-
politik sanieren zu wollen. sungsmäßigkeit des § 9 des Gesetzes zum Art. 10 ,-
das Ganze unter dem Komplex „Abhörregelung".
(Beifall bei der CDU/CSU. - Oho- und
Pfui-Rufe von der SPD.) Die Bundesregierung hat sich bereits entschlossen,
zu dieser Sache zu schweigen.
— Ja, das ist Ihnen unangenehm. Ich wollte Ihnen -
das nur gesagt haben. Ich habe versprochen, nicht (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)
lange zu reden. Aber das, was ich Ihnen gesagt habe, Die SPD und die FDP haben im Ausschuß mit einer
das nehmen Sie einmal mit nach Hause! Fragen Sie Mehrheit von 13 Stimmen gegen die 12 Stimmen der
einmal in München und halten Sie Gewissenserfor- CDU/CSU beschlossen, dem Plenum nicht zu emp-
schung, wer die Schuld für die Münchener Situation fehlen, sich in dieser Sache vor dem Bundesverfas-
trägt! sungsgericht zu äußern. In diesem Hause ist heute
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von die Frage zu stellen, ob auch das Plenum des Deut-
der SPD.) schen Bundestages bereit ist, in dieser Angelegen-
heit zu schweigen,
(Abg. Mischnick: Ja!)
Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird weiter das
Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich oder ob das Plenum bereit ist, sich in dieser Ange-
schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für legenheit vor dem Bundesverfassungsgericht zu
Städtebau und Wohnungswesen zu überweisen. — äußern.
Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Diese Frage ist in erster Linie eine Frage an die
Sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel:
Erste Beratung des von der Bundesregierung Gesetze mit beschließen und dann kneifen!)
eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Es ist die Frage, ob für das Schweigen in dieser
Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
Sache die neue Koalition und die Rücksicht auf den
(... BesÄndG) Koalitionspartner FDP ein hinreichender Grund ist.
— Drucksache VI/279 —
Daran kann man die Frage knüpfen, was eigent-
Soweit ich unterrichtet bin, wird auf Begründung lich alles zur Rechtfertigung herangezogen werden
und Aussprache verzichtet. — Niemand wünscht das soll aus Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner
Wort. Dann schlage ich Ihnen Überweisung an den FDP, auf einen, wie wir wissen, recht empfindlichen
Innenausschuß sowie an den Haushaltsausschuß Koalitionspartner. Es ist sicherlich nicht das Gebot
gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Wider- der Fairneß, das Ihnen hier gebietet, in dieser Sache
spruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. zu schweigen.
Es gibt eine zweite Frage. Die zweite Frage ist, ob
Nach interfraktioneller Vereinbarung rufe ich nun- die SPD anerkennt, daß sie eine fortwirkende Ver-
mehr Punkt 14 auf: antwortung für ihre Entscheidungen von gestern
Beratung der Übersicht 1 des Rechtsausschus hat, in diesem Falle für ihre Entscheidung, die sie
ses (5. Ausschuß) über die dem Deutschen mit uns in diesem Hause getroffen hat.
1154 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Vogel
Die Antwort, die wir zu geben haben, ist ganz dung für ein Nein zu einer Äußerung des Bundes-
schlicht und einfach die, daß selbstverständlich auch tages in dieser Sache vor dem Bundesverfassungs-
eine Sorgepflicht für Kinder aus geschiedenen Ehen gericht geben kann und dal3 der offensichtlich ge-
besteht. Es handelt sich hier im übrigen nicht um schlossene „Kompromiß der Schweigsamkeit" der
ein untergeschobenes Kind, sondern — aus der Koalitionsfraktionen in dieser Sache mehr als ein
damaligen Situation — um ein Wunschkind auch fauler Kompromiß ist.
Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der
SPD. Das zweite, was ich sagen möchte, ist, daß ein
rein verbales Stehen zu der Entscheidung, die Sie
Zum Inhalt der Klage vor dem Bundesverfas- gestern hier im Hause mitgetragen haben, uns nicht
sungsgericht selbst. Es ist notwendig, einige Punkte ausreichend erscheint. Ich kann mich hier nur auf
zu zitieren, die zeigen, wie massiv die Vorwürfe den Kollegen Hirsch beziehen, der in anderer Ange-
sind, die gegen den Grundgesetzgeher, gegen den legenheit gesagt hat, daß der Bundestag in dem
Verfassungsgesetzgeber erhoben werden. Dort ist anstehenden Verfahren vor dem Bundesverfassungs-
die Rede von der Versetzung des Bürgers in einen gericht seine Entscheidung zu verteidigen habe.
Zustand wehrlosen Ausgeliefertseins an eine ano- Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie
nyme, im geheimen tätige Staatsgewalt, einen Zu- namens der Fraktion der CDU/CSU, dem Antrag auf
stand, der mit der Würde eines freien Menschen Umdruck 7 zuzustimmen.
nicht vereinbar ist. Das ist der Vorwurf, der gegen
uns hier erhoben wird. (Beifall bei der CDU/CSU.)
Zweitens ist davon die Rede, erstmals werde für
einen Teilbereich staatlichen Handelns das vom
Grundgesetz geforderte Fortschreiten auf dem Wege Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
zu einer wirksamen Verwirklichung des Rechtsstaa- Abgeordnete Dr. Arndt (Hamburg).
tes unterbrochen und bewußt ein Schritt zurück
getan.
Drittens ist die Rede von der Umgestaltung der Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Herr Präsident!
Überwachung der staatlichen Eingriffe, um zugun- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die so-
sten wirksamerer Machtausübung den Schutz der zialdemokratische Fraktion des 5. Deutschen Bun-
Bürger einzuschränken. destages hat mit großer Mehrheit der Änderung des
Meine Damen und Herren, das sind recht massive Grundgesetzes zugestimmt, mit der auch Art. 10 des
Vorwürfe in einer Sache, die diesem Hause genug Grundgesetzes seine heute geltende Fassung erhal-
Kopfzerbrechen bereitet hat und zu sehr langwieri- ten hat. Die Sozialdemokratische Partei hielt damals
gen Diskussionen in diesem Hause geführt hat, bei — und das war dieselbstverständliche Vorausset-
denen man sich insbesondere um eine grundgesetz- zung für ihre Zustimmung zu diesem Gesetz — diese
konforme Regelung dieser Materie bemüht hat. Regelung für verfassungsrechtlich zulässig. Selten
hat ein Gesetz in der jungen Verfassungsgeschichte
Man kann nun darüber streiten, ob der Bundestag Nachkriegsdeutschlands eine so eingehende Diskus-
nicht häufiger als bisher von der Möglichkeit nach sion erfahren wie dieses Siebzehnte Gesetz zur Än-
§ 77 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Ge- derung des Grundgesetzes, die sogenannte Not-
brauch machen sollte, sich in Verfahren vor dem standsverfassung. Gerade wir Sozialdemokraten ha-
Bundesverfassungsgericht selbst zu äußern. Mit ben uns die Frage nicht leicht gemacht, ob wir das,
guten und beachtlichen Gründen wird die Auffas- was wir hier in diesem Hause dann verbschiedet
sung vertreten, daß sich der Bundestag bisher in haben, auch verfassungsrechtlich würden verantwor-
Karlsruhe zuwenig engagiert habe. Es gibt aber ten können. Ich spreche da durchaus nicht wie ein
keinen Fall, der so evident eine Angelegenheit Blinder von der Farbe; denn gerade unter meiner
wäre, in der sich der Bundestag äußern müßte, wie persönlichen Verantwortung ist ja schließlich in
dieser Fall, keinen Fall in der Vergangenheit. einer Arbeitsgruppe der Hamburger Behörde für
Erstens wird in diesem Falle unmittelbar ein Recht Inneres jener Entwurf entstanden, den die Bundes-
dieses Hauses selbst betroffen, dieses Hauses, das regierung am 10. März 1967 als Entwurf der Bundes-
das Fünfergremium stellt, welches die Dreierkom- regierung der Großen Koalition zu diesem Thema
mission wählt, die zur Kontrolle berufen ist: erst- verabschiedet hat.
mals also ein unmittelbares Betroffensein von Rech-
Wir Sozialdemokraten lassen uns von nieman-
ten dieses Hauses.
dem in der Treue zur Verfassung übertreffen.
Zum zweiten haben wir erstmals den Fall vor uns,
(Beifall bei der SPD. — Oho-Rufe bei der
wo dem Grundgesetzgeber, dem Verfassungsgesetz-
CDU/CSU.)
geber, der Vorwurf gemacht wird, eine verfassungs-
widrige Verfassungsänderung vorgenommen zu ha- Dieser Grundsatz — —
ben. Es ist die Rede von einer „verfassungsfernen"
(Zuruf des Abg. Rollmann.)
Regelung, die der Gesetzgeber hier getroffen habe.
— Herr Rollmann, dieser Grundsatz war auch für
Meine Damen und Herren, ich möchte meine Ant-
uns bestimmend, als wir dieses Gesetz hier verab-
wort auf die Frage, die ich an die Fraktion der
schiedet haben.
SPD hier in diesem Hause gerichtet habe, geben. Ich
bin der Auffassung, daß es keine plausible Begrün- (Weiterer Zuruf des Abg. Rollmann.)
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1155
Dr. Arndt (Hamburg)
- Ich konnte Sie leider akustisch nicht verstehen, einer Äußerung nach dem Bundesverfassungs-
Herr Rollmann. gerichtsgesetz vorzunehmen.
(Zuruf von der SPD: Es lohnt sich auch (Beifall bei den Regierungsparteien. — Oh
nicht! — Abg. Rollmann: Hoffentlich halten Rufe bei der CDU/CSU.)
Sie sich auch an die Präambel des Grund Das Bundesverfassungsgericht ist nicht der Adressat
gesetzes!) für eine solche Demonstration. Dieses Wort ist im
Rechtsausschuß gefallen.
— Auch die sehen wir heute selbstverständlich als
geltendes Recht an und halten uns daran. Das ist für (Abg. Wehner: Hört! Hört!)
uns völlig selbstverständlich, Herr Rollmann. Nie- Ich möchte das im Protokoll festgehalten wissen.
mand kann daran zweifeln. Wir haben dort zum Rechtsgespräch beizutragen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Gilt das auch für
Herrn Wehner?) Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
Dr. Arndt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
— Selbstverständlich müssen wir das mit allem Abgeordneten Vogel?
Nachdruck auch für unseren Fraktionsvorsitzenden
in Anspruch nehmen. Er hat als Bundesminister den Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Ja.
Eid auf diese Verfassung geschworen, und niemand
von Ihnen hat das Recht, seine Verfassungstreue
hier anzuzweifeln. Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr, Herr
Abgeordneter.
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Die sozialdemokratische Fraktion des 6. Deut- Vogel (CDU/CSU) : Herr Kollege Arndt, wollen
Sie hier im Ernst die Behauptung aufstellen, daß
schen Bundestages — und das ist gleich ein Teil der
der Antrag der CDU/CSU gestellt worden sei, um
Antwort an den Herrn Kollegen Dr. Vogel — steht
eine politische Demonstration zu vollziehen?
auch heute noch zu ihrer Entscheidung im 5. Deut-
schen Bundestag. Sie hält nach wie vor die damals (Zurufe von den Regierungsparteien: Ja!)
getroffene Regelung für verfassungsrechtlich zuläs-
sig. Wir haben das im Rechtsausschuß mit eingehen- Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Herr Kollege
- Dr.
der Begründung dargelegt und haben gleichzeitig Vogel, erstens habe ich persönlich wenig Zweifel
beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht in daran, daß das Ihr Ziel war. Zweitens ist dieser
Karlsruhe das Wortprotokoll dieser Sitzung des Ausdruck im Rechtsausschuß gefallen; Sie können
Rechtsausschusses zuzuleiten. es im Wortprotokoll nachlesen. Ich habe eben nur
zitiert. Aber wenn Sie mich nach meiner persön-
Meine Damen und Herren! Wenn ich dennoch an
lichen Meinung fragen: ich bin zudem der Meinung,
dieser Stelle jetzt gegen den Antrag auf dem Um-
daß das Ihr Ziel ist.
druck spreche und dafür plädiere, dem Antrag des
Rechtsausschusses zu folgen, nämlich dem Bundes- (Zustimmung bei den Regierungsparteien.
tag nicht zu empfehlen, sich vor dem Bundesverfas- — Abg. Rasner: Angst vor Hessen!)
sungsgericht entsprechend der Vorschrift des Bun- Ich komme darauf zurück, welchen Sinn die
desverfassungsgerichtsgesetzes zu äußern, so hat Äußerung vor dem Bundesverfassungsgericht hat,
dies folgende Gründe. nämlich das Rechtsgespräch vor diesem höchsten
(Abg. Leicht: Wir wissen die wahren Forum zu fördern. Weil das aber so ist, meinen wir
Gründe! — Zuruf des Abg. Rasner.) Sozialdemokraten, daß wir uns nicht mehr äußern
sollten. Die Bundesregierung hat sich nämlich be-
— Ich habe leider nicht verstanden. — reits am 25. März 1969 eingehend zu diesem Ver-
fahren geäußert. Wenn Sie sich diesen Schriftsatz,
(Abg. Wehner: Sie müssen auch nicht auf
der sehr umfangreich ist, einmal zur Hand nehmen
jeden Unflat antworten!)
und ihn juristisch durcharbeiten, werden Sie sehen,
daß Sie selbst bei aller Anspannung ihrer juri-
Dieses Haus hat damals nach langer, reiflicher Über- stischen Willenskräfte kein neues Argument mehr
legung in das Bundesverfassungsgerichtsgesetz das finden werden, das dieser Stellungnahme noch hin-
Außerungsrecht für die obersten Verfassungsorgane zuzufügen wäre. Auch aus dieser Tatsache ergibt
diesLan lVrfsugteikna- sich, daß alle Argumente, die wir sehen konnten —
genommen. Dieses Äußerungsrecht hatte einen ganz wir haben auch im Rechtsausschuß aus Ihren Kolle-
tief begründeten verfassungsrechtlichen Sinn. Es gen keine weiteren herauslocken können, die man
hatte den Sinn, daß alle obersten Verfassungsorgane eventuell hätte vortragen können —, bereits zum
durch ihre Beteiligung am Rechtsgespräch vor dem Ausdruck gebracht worden sind. Deshalb kann eine
Bundesverfassungsgericht zur Rechtsfindung beitra- Äußerung dieses Hauses nur noch demonstrativen
gen sollten. Charakter haben, weil eben keine Argumente mehr
(Bravo! bei der CDU/CSU.) zur Verfügung stehen, die dort zusätzlich in das
Rechtsgespräch eingeführt werden könnten.
Das bedeutet zugleich, daß diese Vorschrift, richtig
angewandt, ausschließt, politische Demonstrationen (Abg. Dr. Stoltenberg meldet sich
Zwischenfrag.)
zu einer
eines obersten Verfassungsorgans im Gewande
1156 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Dr. Arndt (Hamburg)
— Wenn das nicht von meiner Redezeit abgeht, bin einen Rechtsweg eröffnet, der besser ist als der
ich mit der Zwischenfrage einverstanden. Weg an die Gerichte, als der Gerichtsweg. Wir mei-
nen sogar, daß wir heute die beste Kontrolle der
Welt zugunsten der Bürger haben, die von einem
Vizepräsident Dr. Jaeger: Es wird schon von
derartigen Eingriff in das Grundrecht der Informa-
Ihrer Redezeit abgezogen. Sie können also län-
tions- und Kommunikationsfreiheit betroffen sind.
ger reden, wenn Sie Zwischenfragen zulassen. Trotz-
Auch hier darf ich auf das verweisen, was die Bun-
dem sind Sie in der Entscheidung frei, ob Sie eine
desregierung bereits im März des Jahres 1969 her-
Zwischenfrage zulassen wollen.
vorragend vorgetragen hat, insbesondere auf das
Problem, daß dem Bürger, wollte man ihn an die
Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Ich möchte sie zu- ordentlichen oder Verwaltungsgerichte verweisen,
lassen. nur Steine statt Brot gegeben würden.
Wir halten also, um das zusammenzufassen, den
Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr, Herr jetzt gegebenen Rechtsweg für ausreichend — und
Abgeordneter Stoltenberg. auch da spreche ich nicht als Blinder von der Farbe,
sondern als einer, den dieses Haus ja schließlich
mit der sehr schweren Bürde der Mitkontrolle beauf-
Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Dürfen wir aus tragt hat. Hier können wir dem Bürger durch den
dieser Äußerung folgern, Herr Kollege Arndt, daß Rechtsweg an die Gerichte nur weniger geben, als
Sie einem Änderungsantrag unserer Fraktion zu- wir ihm heute bereits mit der so konstruierten Art
stimmen würden, in dem der Bundestag feststellt, des Rechtschutzes geben. Darum, meine Damen und
daß er zu dem schwebenden Verfahren die Rechts- Herren, liegt es nicht nur im Interesse dieses Hauses,
auffassung der Bundesregierung vom März 1969 sondern liegt es auch im Interesse des Verfahrens
übernimmt. vor dem Bundesverfassungsgericht, wenn wir dem
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe.) Antrag des Rechtsausschusses zustimmen, nicht aber
dem Antrag, der hier auf dem Umdruck gestellt
Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Erstens erfolgt hier ist, und in diesem Sinne appelliere ich an Sie.
gerade der Zwischenruf: Also doch Demonstration! (Beifall bei den Regierungsparteien.)
(Widerspruch bei der CDU/CSU.)
- hat der
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort
— Ich habe Ihnen hier diesen Zwischenruf zitiert.
Abgeordnete Benda.
Im übrigen, Herr Dr. Stoltenberg, steht es mir an
dieser Stelle nicht zu, mich hier für meine Fraktion
Benda (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
schon jetzt dahin gehend zu äußern. Mögen Sie die
Damen und Herren! Ich entnehme den Ausführungen
Antrag stellen. Die sozialdemokratische Fraktion
des Kollegen Dr. Arndt, daß er für seine Fraktion
wird auch darüber entscheiden, und Sie werden
versichert, in der Sache, nämlich der Rechtsfrage,
dann sehen, wie wir stimmen.
mit uns nach wie vor einig zu sein, daß er im übri-
(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.) gen von politischen Demonstrationen, wie er es
Meine Damen und Herren, auf eines möchte ich genannt hat, nichts halte. Ich will dazu nur drei
jedoch an dieser Stelle noch ausdrücklich hingewie- Dinge sagen.
sen haben. Erstens. Sicher bin ich der letzte, der es nicht
(Abg. Rasner: Das stand doch in der „Frank begrüßen würde, wenn auf die in der Tat sehr gute,
furter Rundschau"! — Abg. Dr. Barzel: „Ich unter meiner Federführung im Bundesinnenministe-
habe aber Angst vor Herrn Wehner!") rium erarbeitete Stellungnahme zu der Sache zurück-
gegriffen wird. Ich glaube, daß das in der Tat nach
— Herr Barzel, leider ist auch Ihre Stimme nicht wie vor gilt. Mir würde es leichter fallen, diesem
ganz zu mir durchgedrungen. Argument ein gewisses Gewicht abzugewinnen,
Zu Argumenten, die ich von dieser Stelle aus noch wenn ich nicht bei der Diskussion vor wenigen
einmal ausdrücklich unterstreichen möchte, gehört Wochen in diesem Hause über eine vor einem
insbesondere, daß von verschiedenen Seiten gesagt guten Jahr einstimmig verabschiedete Entschließung
wird, daß der Rechtsweg der, durch die Änderung des Deutschen Bundestages zur Deutschlandfrage
des Art. 10 des Grundgesetzes ausgeschlossen werde, von dem gegenwärtigen Chef der Bundesregierung
das Entscheidende sei und wiederhergestellt wer- auf die Frage, ob sie dazu noch stünde, den Hinweis
den müsse. Hier liegt der entscheidende Irrtum all bekommen hätte, daß ja inzwischen Wahlen ge-
jener, die vortragen, daß das Grundgesetz, wenn es wesen seien.
vom Rechtsweg spreche, immer den Rechtsweg an (Beifall bei der CDU/CSU.)
die Gerichte oder auch den Gerichtsweg meine. Ab- Dies scheint, Herr Kollege Dr. Arndt, doch wohl bei
gesehen davon, daß Art. 19 Abs. 4 des Grundge- Ihren Freunden ein Argument zu sein, das den Wert
setzes nach Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes ja von früher eingenommenen Auffassungen relati-
gar nicht verfassungsfest wäre! Aber das kann man viert. Inzwischen waren ja Wahlen, inzwischen hat
hier noch dahingestellt sein lassen. sich auch in der Regierung etwas verändert, und es
Der Art. 10 des Grundgesetzes und das Ausfüh- gibt eine neue Konstellation, bei der eine Form des
rungsgesetz, das dieses Haus in der 5. Legislatur- beredten Schweigens dem Bundesverfassungsgericht
periode beschlossen hat, hat nach unserer Meinung gegenüber praktiziert wird, in einer Frage, in der es
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1157
Benda
übrigens auch — und darauf komme ich noch in rung gegenüber dem höchsten deutschen Gericht. —
meinem letzten Punkt — um die Frage des Umgangs Bitte schön, Herr Dr. Arndt!
mit dem höchsten deutschen Gericht geht. (Abg. Wehner: Nicht so ungehörig, wie um-
(Beifall bei der CDU/CSU.) gekehrt die mutige Praxis, daß man sagt,
man wisse vorweg, was der Präsident des
Ich sage zweitens, Herr Kollege Dr. Arndt: Daß Bundesverfassungsgerichts in einem be-
die SPD erklärt: nun ja, in der Sache stimmt ja stimmten Punkte meinen und urteilen
alles, was ihr sagt, aber wir wollen es nicht so deut- werde! — Gegenrufe von der CDU/CSU.)
lich dem Gericht gegenüber sagen, und daß die FDP
— sie hat sich ja noch nicht geäußert, vielleicht Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zu einer
äußert sie sich noch — möglicherweise erklären Zwischenfrage hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
wird, sie habe ihre Auffassung auch nicht geändert,
das ist ja wohl auch eine Art politischer Demonstra-
tion.
Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Herr Kollege Benda,
ist Ihnen bekannt, daß an dieser von ihnen so
(Abg. Rasner: Mit Augenzwinkern!)
apostrophierten Haltung auch Ihre Kollegen im
Und nun sage ich Ihnen drittens — und das ist Rechtsausschuß mitgewirkt haben, weil wir einstim-
eigentlich der wichtigste Punkt —: Wenn Sie sich in mig beschlossen haben, dieses Protokoll nach Karls-
dieser Frage, in der doch nicht von irgend jemand, ruhe zu leiten?
sondern von einem Bundesland dem Deutschen Bun- (Widerspruch bei der CDU/CSU.)
destag gegenüber der Vorwurf verfassungswidriger
Verfassungsgesetzgebung erhoben wird, nicht äu-
ßern wollen, wann eigentlich, meinen Sie, soll sich Benda (CDU/CSU) : Herr Kollege Dr. Arndt, in
den zwölf Jahren, in denen ich im Rechtsausschuß
der Deutsche Bundestag in der Zukunft dem Bundes-
gewesen bin — und das werden auch Sie mir viel-
verfassungsgericht gegenüber noch äußern?
leicht bestätigen können —, ist es immer üblich
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) gewesen — ich halte das auch für einen guten
Brauch —, daß man die Protokolle des Rechtsaus-
Ich wiederhole das Angebot, das mein Kollege Dr. schusses dem Bundesverfassungsgericht und übri-
Stoltenberg hier unterbreitet hat. Sie können dem gens einer zwar begrenzten, aber nicht sehr kleinen
Rechnung tragen, indem Sie unseren Antrag anneh- -
Zahl legitimierter Empfänger übersendet. Selbstver-
men. In ihm steht — Sie haben ihn ja vor sich —, ständlich werden Ausführungen, die im Rechtsaus-
daß wir uns dem Bundesverfassungsgericht gegen- schuß zu Rechtsfragen gemacht werden, das Bundes-
über dahin gehend äußern, „daß der Antrag des verfassungsgericht auch interessieren. Davon gehe
Landes Hessen abgelehnt wird". Für meine Freunde ich aus. Ich habe nichts gegen die Übersendung. Ich
erkläre ich die Bereitschaft — über eventuelle For- wende mich — ich muß das wiederholen — gegen
mulierungen wäre dann ja im Rechtsausschuß wohl den Einwurf des Herrn Kollegen Wehner, den ich
noch zu sprechen —, daß diese Äußerung vielleicht im übrigen nicht ganz verstanden habe, der sich aber
nur in dem einen Satz besteht: Wir halten die möglicherweise auf diesen Punkt bezog. Herr Kol-
Stellungnahme der Bundesregierung vom März 1969 lege Dr. Arndt, es ist unzulässig und — ich wieder-
in der Sache nach wie vor für zutreffend, wir hole das — es ist ungehörig, dem Gericht gegen-
schließen uns diesen Rechtsargumenten an, und der über nicht in der Form der Meinungsäußerung, die
Deutsche Bundestag beantragt zusammen mit der da- durch Beschlußfassung hier zu erfolgen hat, son-
maligen Bundesregierung, den Antrag des Landes dern durch den Hinweis; „Ihr habt ja ein Protokoll
Hessen abzulehnen. Dann haben Sie das, was der zu einer Frage erhalten" Stellung zu nehmen. Diese
Kollege Stoltenberg in der Sache angeregt hat, und Art des Umgangs mit dem Bundesverfassungsgericht
dann braucht man möglicherweise in der Sache, weil machen wir nicht mit. Daher stellen wir den von
dort in der Tat rechtlich genug gesagt ist, nicht mehr uns hier eingebrachten Antrag.
zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU.)
(Abg. Dr. Arndt [Hamburg] : Aha!)
Aber, Herr Kollege Dr. Arndt, ich halte es für einen Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
ganz schlechten Stil gegenüber dem Bundesverfas- Abgeordnete Kleinert.
sungsgericht, im Rechtsausschuß und vor dem
Plenum des Deutschen Bundestages darauf hinzu-
Kleinert (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen
weisen, daß man dem Bundesverfassungsgericht
und Herren! Herr Benda hat die Frage gestellt,
das Protokoll einer Ausschußsitzung übersandt hat.
wann wir denn überhaupt gedenken, Stellung zu
Dem Bundesverfassungsgericht gegenüber äußert
nehmen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht.
sich der Deutsche Bundestag in der Form der Be-
Das ist wirklich die entscheidende Frage. Sie ist
schlußfassung in diesem Hause und nicht in anderer
heute von zwei Seiten hier ganz verschieden be-
Weise.
antwortet worden. Sie ist einmal von Herrn Kolle-
(Beifall bei der CDU/CSU.)
gen Arndt mit der Frage beantwortet worden, was
Ich halte eine Stellungnahme gegenüber dem Bun- wir sachlich noch hilfreich zu dem schwebenden
desverfassungsgericht, die in einer Äußerung eines Verfahren beitragen können. Das aber ist nach der
Kollegen besteht: „Wir haben euch ein Protokoll gewiß vorzüglichen Stellungnahme, die noch unter
übersandt", für eine in der Form ungehörige Auße Leitung von Herrn Benda erarbeitet und dann ge-
1158 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Kleinert
genüber dem Bundesverfassungsgericht abgegeben Diese Gründe — um abschließend noch einmal die
worden ist, offenbar nach Auffassung aller hier Frage zu beantworten, die Herr Benda gestellt hat —
Anwesenden nicht mehr möglich. veranlassen uns, den Änderungsantrag nicht anzu-
Wir konnten noch gewisse Zweifel über den Ver- nehmen, sondern dem Antrag des Rechtsausschusses
lauf der heutigen Diskussion nach den Verhand- zuzustimmen. Wir sind jederzeit bereit, in den
lungen im Rechtsausschuß haben, wo es uns nicht außerordentlich wenigen Verfahren, in denen das
gelungen ist zu erfahren, in welcher Hinsicht hier noch sachdienlich sein kann — deshalb hat es in der
Vergangenheit prozentual so wenig Stellungnahmen
noch Tatsachenmaterial oder wichtige Rechtserkennt-
nisse dem Bundesverfassungsgericht mitzuteilen gegeben —, eine Stellungnahme abzugeben, wenn
noch etwas hinzuzufügen ist, das nützlich sein
wären. Nun aber haben wir keine Zweifel mehr
nach den insofern allerdings besonders hilfreichen könnte. Wir lehnen es aber ab, wenn es sich nur um
eine Demonstration handelt. Denn gerade das halten
Ausführungen der Opposition — nämlich zunächst
wir gegenüber dem höchsten Gericht für überaus
aus dem Munde von Herrn Stoltenberg und anschlie-
mißlich, um mich, gemessen an den insofern sehr an-
ßend noch einmal nachhaltig unterstrichen von
spruchsvollen Worten, mit denen Sie Ihre gegen-
Herrn Benda —, dahin gehend, daß es genüge und
teilige Meinung zum Ausdruck gebracht haben, ein-
den Vorstellungen der Opposition vollkommen ent-
mal ganz vorsichtig auszudrücken.
spräche, hier lediglich zu beschließen, daß der An-
trag des Landes Hessen abgelehnt werden sollte, Wir werden also dem Antrag des Ausschusses zu-
ohne daß dafür auch nur ein Wort einer zusätzlichen stimmen.
Begründung geliefert werden sollte. (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu
(Zurufe von der CDU/CSU: Sie haben nicht rufe von der CDU/CSU.)
gehört, was Benda gesagt hat! Gott segne
Ihren Schlaf!) Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
Herren, wird zur Sache des weiteren das Wort ge-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Erlauben Sie eine wünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die
Zwischenfrage? Aussprache.
Wir kommen damit zunächst zur Abstimmung
Dr. Althammer (CDU/CSU) : Darf ich Sie, nach- über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
dem Sie ausgeführt haben, daß das ganze Haus die- CSU auf Umdruck 7 *). Wer diesem Änderungsantrag -
ser Stellungnahme zustimme, fragen, ob auch die zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand-
FDP inhaltlich zustimmt? zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Er-
gebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir müssen
auszählen. —
Kleinert (FDP) : Oh nein, mitnichten!
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt.
(Zurufe von der CDU/CSU.)
Für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
Falls ich mich falsch ausgedrückt haben sollte, CSU sind 197 Stimmen abgegeben worden. 216 Ab-
möchte ich die Gelegenheit dieser Zwischenfrage be- geordnete haben dagegengestimmt. Der Stimme
nutzen, Ihnen ganz deutlich zu sagen, daß die FDP enthalten hat sich niemand. Der Antrag ist abge-
allem, was sie zu dieser Frage hier — und zwar mit lehnt.
sehr viel Liebe und Gründlichkeit und sehr viel
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur
verfassungsmäßigem Eifer — vorgetragen hat, zu-
Abstimmung über den Antrag des Rechtsausschus-
letzt in den Beratungen am 29. und 30. Mai 1968,
ses. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den
nichts hinzuzufügen hat, daß sie vielmehr weiterhin
bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die
dieser Meinung ist. Meine Bemerkung, daß sich das
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit an-
Haus einig sei, bezog sich lediglich darauf, daß ein
genommen.
Schriftsatz, der unter Leitung von Herrn Benda er-
arbeitet worden ist, ganz bestimmt vorzüglich sein Wir kommen nunmehr zu Punkt 5 der Tagesord-
müsse, soweit es die Rechts- und Sachlage erlaubt. nung:
Das ist bei Schriftsätzen immer so. Erste Beratung des von den Abgeordneten
(Beifall bei der FDP. — Heiterkeit.) Stücklen, Strauß, Wagner (Günzburg), Dr.
Riedl (München), Dr. Kreile, Geisenhofer, Dr.
Weil ich gerade bei den Schriftsätzen bin: Hier fällt
Schneider (Nürnberg), Wohlrabe und Genos-
mir aus der Praxis eines Anwalts ein, daß man
sen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
keinem Gericht, und zwar dem höheren Gericht doch
zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
gewiß noch weniger als einem etwas weiter unten
(Mehrwertsteuer)
angesiedelten Gericht, unnütze Schriftsätze
— Drucksache VI/253 —
(Heiterkeit und Zurufe von der CDU/CSU)
Zur Begründung hat der Abgeordnete Stücklen
oder übermäßiglange Schriftsätze schicken sollte,
das Wort.
weil alle Richter genug zu lesen haben. Genau das
(Unruhe.)
ist es, was die Opposition heute von uns verlangt,
und zwar aus Gründen, die nach den erfolgten Klar- — Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, soweit
stellungen tatsächlich rein demonstrativer Art sind. Sie an den Beratungen nicht teilzunehmen wün-
(Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) *) Siehe Anlage 2
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1 159
Vizepräsident Dr. Jaeger
schen, hinauszugehen und die Besprechungen drau- Die Lizenzspieler der Bundesligavereine stehen
ßen zu führen. Im Saale bitte ich um Ruhe. Ich bitte zwar im Mittelpunkt des Interesses der jeweiligen
alle Damen und Herren, die im Saale bleiben, Platz Fußballabteilung, machen aber rein zahlenmäßig nur
zu nehmen, damit man den Beratungen auch folgen einen Bruchteil derjenigen aus, die in dem Verein
kann. Fußball spielen. Die Fußballabteilung des Bundes-
ligisten 1860 München hat einschließlich der Jugend-
Stücklen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine spieler rund 2500 Mitglieder, denen 21 Lizenzspie-
sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier um ler, zwei hauptamtliche Trainer sowie ein Arzt und
ein fußballerisches Problem, und darin weiß ich den ein Masseur gegenüberstehen.
Bundestag ohnedies in der Mehrheit vereint. Um den Anforderungen der höchsten deutschen
(Abg. Rösing: Viele Tore schießen!) Spielklasse im Fußball zu entsprechen, muß der
Spielbetrieb bei den Bundesligavereinen nach den
Das Mehrwertsteuergesetz vom 29. Mai 1967 hat Grundsätzen des Leistungsspitzensports — tägliches
eine unterschiedliche mehrwertsteuerliche Belastung Training der Spieler unter Leitung eines hauptamt-
für die Sportvereine, insbesondere zu Lasten der lichen Trainers — ablaufen. Dies führt zwangsläufig
Fußballbundesligavereine gebracht. zur Bezahlung der am Spielbetrieb Beteiligten.
(Anhaltende Unruhe.) Die im deutschen Lizenzfußball gezahlten Spieler-
und Trainergehälter entsprechen, von wenigen
Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und Spitzengehältern abgesehen, durchaus international
Herren, ich bitte urn Aufmerksamkeit für den Red üblichen Sätzen. Die Bezahlung von Spitzenfußball-
ner. spielern und Spitzentrainern über die Regelsätze
hinaus wird durch die Tatsache bestimmt, daß
Stücklen (CDU/CSU): Es gibt verschiedene Kate- finanzkräftige ausländische Klubs an diesen Leuten
gorien, einmal die Vereine mit einem Umsatz bis ständig interessiert sind. Ein Abwandern dieser
60 000 DM jährlich, die die Wahlmöglichkeit zwi- Kräfte kann aber im Interesse des Leistungsstan-
schen der alten Umsatzsteuer und der neuen Mehr- dards unseres Fußballs auch im internationalen Ver-
wertsteuer mit dem halbierten Satz von 5,5 % ha- gleich nicht erwünscht sein.
ben, und zum anderen die Fußball-Bundesligaver- (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Schmid.)
eine, die seit der Einführung der Mehrwertsteuer -
11 % Mehrwertsteuer zu zahlen haben. Bei der sei- Diese Tatsache und die auf Grund des von keiner
nerzeit getroffenen Regelung ist man davon aus- Sportart übertroffenen großen Publikumsinteresses
gegangen, daß Bundesligavereine Leistungen im vermeintlich hohen Einnahmen haben seinerzeit zur
Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes Anerkennung des Fußballspielbetriebs in der Bun-
erbringen und deshalb den vollen Steuersatz zu desliga als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb geführt.
zahlen haben. Diese Annahme ist auch deshalb nicht zu halten,
Dieser Auffassung sind die Antragsteller nicht. weil ein Verein, der Woche für Woche Zehntau-
Wir meinen vielmehr, daß hinsichtlich der Besteue- sende von Besuchern anlockt, naturgemäß ganz
rung nach dem Mehrwertsteuergesetz alle Sportver- andere organisatorische Vorkehrungen zu treffen
eine gleichbehandelt werden müssen und daß, wie und auch einen wesentlich größeren finanziellen
Aufwand zu treiben hat als andere Vereine. Die
noch zu begründen sein wird, die Sportvereine mit
einer Fußball-Bundesligaabteilung ebensowenig Lei- Tatsache, daß eine Sportart beliebt ist und die ent-
stungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäfts- sprechenden Vereine deshalb mehr Zuschauer an-
betriebes erbringen wie die übrigen Sportvereine. ziehen als andere Sportarten, darf im Sinne der
Steuergerechtigkeit nach unserer Auffassung nicht
Wir plädieren für die Heranziehung aller Sport- zu einer steuerlichen Diskriminierung der in dieser
vereine zum ermäßigten Steuersatz. Selbstverständ- Sportart tätigen Spitzenvereine führen.
lich wollen wir die Wahlfreiheit dabei aufrechterhal-
Im übrigen ist die Vorstellung falsch, alle Bun-
ten.
desligavereine seien wirtschaftliche Großvereine,
Ich möchte das in vier Punkten zusammenfassen. die aus dem vollen schöpfen könnten.
Erstens: Die Fußballbundesligavereine sind in (Beifall bei der CDU/CSU.)
ihrem Wesen Amateurvereine, deren Fußballabtei-
lungen auf G und besonderer Leistungen der ersten Der DFB wird sicher bereit sein, den zuständigen
Mannschaften zur höchsten deutschen Spielklasse Ausschüssen des Bundestages die Bilanzen der Ver-
gehören. Sie sind darin unterscheiden sie sich von eine zur Verfügung zu stellen, wodurch es möglich
den Fußballspitzenvereinen in anderen Ländern, sein wird, manche Fehleinschätzungen zu korrigie-
wie z. B. in England, in Brasilien oder in Argenti- ren.
nien — keine reinen Fußballvereine, sondern wie Zweitens möchte ich anführen, daß die Bundes-
die Masse aller anderen Sportvereine in Deutsch- ligavereine — und das wird häufig übersehen —
land Mehrzwerkvereine mit zum Teil sehr .vielfäl- über ihre Aufgabe hinaus einen wichtigen Beitrag
tiger Sportausübung. Ich möchte ein Beispiel her- für den Sport im allgemeinen leisten. Die Einnah-
ausgreifen: den TSV 1860 München. Der TSV 1860 men der Bundesligavereine dienen zu einem ganz
München hat neben der Fußballabteilung 14 weitere wesentlichen Teil dem Amateur- und Breitensport,
Abteilungen, in denen 60 % der Mitglieder des was sich in drei Komplexe aufgliedern läßt: a) di-
Gesamtvereins tätig sind. rekte Zuwendungen der Bundesligavereine an ihre
1160 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Stücklen
Amateurabteilungen einschließlich der anteiligen Be- Im Juli 1969 hat der Parlamentarische Staats-
triebskosten für diese Amateurabteilungen, die der sekretär Leicht auf eine Frage der Abgeordneten
Berechnung des körperschaftsteuerlichen Gewinns Dr. Müller und Stücklen im Zusammenhang mit der
zugrunde gelegt sind, b) Verbandsaufgaben der Ver- Umsatzsteuerbelastung der Vereine folgendes ge-
eine für den Amateursport und c) Verzicht auf Ein- antwortet:
nahmen aus Toto-Mitteln zur Förderung des Ama-
Die Bundesregierung wird im Rahmen einer
teursports. Im Kalenderjahr 1968 haben die Vereine
Novellierung des Umsatzsteuergesetzes, aller-
der Bundesliga einen Umsatz von 29,7 Millionen DM dings erst in der nächsten Legislaturperiode,
erzielt. Davon entfielen auf die Positionen Zuwen-
dungen 2,9 Millionen DM, Verbandsaufgaben — das ist jetzt diese —
1,6 Millionen DM und Verzicht auf Toto-Mittel diese Frage prüfen.
6,7 Millionen DM, also insgesamt ein Betrag von
11,2 Millionen DM. Das bedeutet, daß die Vereine Das ist damals von Herrn Leicht bestimmt in Über-
der Bundesliga im Jahre 1968 fast 38 % ihrer Ein- einstimmung mit dem damaligen Bundesminister
nahmen dem Amateur- bzw. Breitensport direkt der Finanzen, Herrn Strauß, gesagt worden. Ich
oder indirekt zugeführt haben. Keine andere Sport- weiß nicht, ob Herr Strauß — er hat den Antrag,
art erbringt eine ähnliche Leistung zur Förderung den Sie begründet haben, mitunterzeichnet — mit
und Weiterbildung des Amateur- und Breitensports dem Wechsel von der Regierung in die Opposition
wie gerade der Bundesligafußball. seine Meinung in dieser Hinsicht geändert hat.
Drittens glauben wir, daß der Bundesligafußball (Abg. Stücklen: Nein, er hat nur die Prü
sport unter Berücksichtigung seiner Bedeutung für fung abgeschlossen!)
den Breitensport einem Vergleich mit Leistungen Darin läge zwar eine Konsequenz; sachlich begrün-
von Zirkussen, Theatern und Schaustellern — dabei det wäre es nicht.
klammere ich Varieté und Striptease aus, die eben-
falls mit dem halben Steuersatz bedacht sind — Übrigens hat der damalige Finanzminister Strauß
standhält und daß auch ein Blick in die Rand- meinem Kollegen Koenen gegenüber geäußert, daß
bereiche sportlicher Betätigung unsere Forderungen ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für die Bundes-
rechtfertigt. So werden beispielsweise sportähnliche liga-Vereine nur mit großen Schwierigkeiten durch-
Veranstaltungen wie die Veranstaltung von Eis- zusetzen sein werde, weil es eben wirklich ernst zu
revuen nur mit dem ermäßigten Steuersatz zur nehmende Bedenken dagegen gibt. Denn nach - den
Mehrwertsteuer herangezogen, weil man sie als Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes muß, wenn
Theateraufführungen im Sinne des Mehrwertsteuer- die Steuerermäßigung gewährt werden soll, die Ge-
gesetzes ansieht. meinnützigkeit als Voraussetzung bestehen. — Herr
Stücklen, lassen Sie mich das noch sagen.
Viertens und letztens möchte ich folgendes sagen.
Mit der Heranziehung der Bundesligavereine zum (Abg. Stücklen: Ich wollte nur zur Frage
vollen Steuersatz ist seit dem Inkrafttreten des Ge- Eisrevue und Gemeinnützigkeit etwas sa
setzes eine echte Mehrbelastung der Vereine von gen!)
durchschnittlich mindestens 5 % eingetreten, und — Ja, es ist sehr kompliziert, und wir werden uns
das halten wir für ungerechtfertigt. Die vom Gesetz- im Finanzausschuß damit beschäftigen.
geber und der Exekutive hinsichtlich der Mehrwert-
besteuerung gezogene Trennungslinie zwischen Eine Sonderbehandlung der Bundesliga-Fußball-
Amateur- bzw. Vertragsligasport sowie dem Lizenz- vereine würde, wie der damalige Minister Strauß
spielbetrieb in der Bundesliga ist deshalb nach den sagte, bedeuten, daß man von der Voraussetzung der
sportlichen Realitäten nicht zu rechtfertigen. Gemeinnützigkeit abweicht. Uns hier im Bundestag
würde dann die Frage gestellt werden, warum das
Ich bitte Sie, diesen Antrag entsprechend dem
nur für den Berufsfußball, für den Lizenzfußball
Vorschlag des Ältestenrates den Ausschüssen zu
gelten solle. Wenn die Steuererleichterung für die
überweisen.
Bundesliga-Mannschaften eingeführt wird, müßte es
(Beifall bei der CDU/CSU.)
selbstverständlich für alle Berufssportarten, für die
Radfahrer, für die Motorsportler und für andere,
Vizepräsident Dr. Schmidt: Das Wort hat der gemacht werden. Diesen Argumenten wäre nicht
Abgeordnete Porzner. auszuweichen.
Hinzu kommt, daß ein Abweichen von der Vor-
Porzner (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ver- aussetzung der Gemeinnützigkeit Auswirkungen
ehrten Damen und Herren! Herr Stücklen, wir sehen über den Sport hinaus auf andere Bereiche hätte.
durchaus die Problematik, die darin besteht, daß die Wir würden eine Flut von Anträgen auf Gesetzes-
Bundesliga-Fußballvereine für die Einnahmen, die änderung bekommen, und wir hätten es schwer, da-
sie aus den Bundesligaspielen erzielen, die volle gegen zu argumentieren. Insofern, Herr Stücklen
Mehrwertsteuer bezahlen müssen, und das bei all — soviel Verständnis ich persönlich dafür habe —,
den Verpflichtungen, die solche Vereine für ihre ist mit Ihrem Antrag eine ganz grundsätzliche Frage
zum Teil — nicht immer — großen Amateurabtei- der Mehrwertsteuer aufgeworfen. Das wird jeder
lungen mit haben. begreifen.
(Abg. Stücklen: In der Regel!) Ich bitte Sie, den Mitgliedern des Finanzausschus-
— Ja, in der Regel. ses nicht Sportfeindlichkeit zu unterstellen — mir
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1161
Porzner
kann man das gar nicht unterstellen —, sondern Herr Stücklen, ein prominenter Fußballanhänger
zu berücksichtigen, daß wir das auch unter anderen wie Sie hat solche Wünsche. Wer Fraktionsvor-
Aspekten zu prüfen haben, die sehr viel weiter standsmitglied und stellvertretender Fraktionsvor-
gehen als das, was Sie hier ausgeführt haben. sitzender und Vorsitzender der Landesgruppe ist,
hat große Verpflichtungen. Die Wünsche, die Sie
Dem Bundestag liegen schon jetzt, wie Sie wis-
als Fußballanhänger haben — und die ich teile —,
sen, sehr viele Änderungswünsche zum Umsatz-
und die Verpflichtungen, die Sie als Vorstandsmit-
steuergesetz vor. Wir müssen a 11 e sorgfältig prü-
glied und als Landesgruppenvorsitzender haben,
fen. Die Umsatzsteuernovelle muß das Ergebnis
müssen Sie miteinander in Einklang bringen. Wenn
einer intensiven und sorgfältigen parlamentarischen
Ihnen das in diesem Punkt gelingt, dann ist das fast
Beratung aller Änderungsanträge sein. Würde ein
eine sportliche Leistung.
Antrag vorweggenommen, so würden wir uns die
ArbeitwgndsPäzfalehrcwn. (Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktio
So populär die Initiative ist und so gerechtfertigt nen.)
sie in vielen Fällen sein mag, so sehr müssen wir Wenn Sie dazu fähig sein sollten, würde ich Sie jetzt
doch achtgeben, daß wir mit der Mehrwertsteuer schon beglückwünschen.
nicht ins Rutschen kommen, daß wir nicht Berufungs-
fälle provozieren und daß wir die Mehrwertsteuer (Abg. Stücklen: Fußballer aller Fraktionen,
nicht aushöhlen. Nur außergewöhnliche Umstände vereinigt Euch! — Heiterkeit.)
— wie Herr Strauß gegenüber Herrn Koenen da-
mals sagte — lassen eine Steuersenkung rechtfer- Vizepräsident Dr. Schmid: Bisher sah es so
tigen, ohne daß sich andere darauf berufen können. aus, als stünde hier Handball gegen Fußball.
Solche außergewöhnlichen Umstände sind eventuell (Heiterkeit.)
gegeben, wenn von den Einnahmen aus den Bundes-
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
ligaspielen ein großer Teil für die Amateurabtei-
lungen verwendet wird. Das müssen wir prüfen.
Mischnick (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr
(Abg. Stücklen: Nach Abzug der Kosten!) verehrten Damen und Herren! Das, was hier vom
Auch die Zahlen, die Sie genannt haben, müssen Kollegen Stücklen als Begründung gebracht worden
sorgfältig untersucht werden. ist, ist nach meiner Auffassung in allen Punkten zu-
Ich möchte mich nur noch gegen ein Argument treffend. Es unterstreicht die Notwendigkeit, sich
-
wenden, Herr Stücklen: Sie kommen im Finanzaus- Gedanken zu machen, um eine sinnvolle Lösung zu
schuß und im Bundestag nicht damit durch, daß finden. Wir bedauern nur, daß wir bei der Debatte
wegen der Einführung der Mehrwertsteuer ver- über das Mehrwertsteuergesetz, als wir zu diesen
schiedene Branchen, Unternehmungen, Vereine einer Dingen einen generellen Antrag stellten, nicht zum
größeren Umsatzsteuerbelastung unterliegen als Zuge kamen, sondern damals erleben mußten, daß
vorher. Andere haben eine geringere Belastung. Im das alles abgelehnt wurde.
Finanzausschuß ist damals lange darüber diskutiert Mit Recht hat der Kollege Porzner darauf hinge-
worden, daß es eben eine notwendige Folge des wiesen, daß das Problem der Berufungsfälle eine
Systemwechsels ist, daß manche einen geringen große Rolle spielen wird. Allerdings müssen wir
Vorteil, manche einen geringen Nachteil haben. Im dabei natürlich auch daran denken, daß die Beru-
großen und ganzen hat sich an der Umsatzsteuerbe- fungsfälle, die z. B. aus dem Berufssport, wie Boxen,
lastung der einzelnen Umsatzsteuerzahler nichts ge- Sechstagerennen usw., kommen, von anderen Vor-
ändert. aussetzungen ausgehen. Denn da ist meistens ein
Wir werden von der SPD-Fraktion aus versuchen, Unternehmer tätig, der die Veranstaltung durch-
eine Lösung zu finden, die einerseits den Interessen führt.
des Sports gerecht wird und durch die andererseits (Abg. Stücklen: Sehr richtig!)
die Umsatzsteuer nicht ausgehöhlt wird. Dies ist Demgegenüber werden die Bundesligaveranstaltun-
nicht ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, sondern gen von Vereinen durchgeführt. Und wenn ich —
nur ein Antrag von Abgeordneten der CDU/CSU- Kollege Schwabe hat es mir schon zugerufen — an
Fraktion; darin drückt sich aus, daß nicht die Eintracht Frankfurt denke, kann ich feststellen, daß
ganze CDU/CSU-Fraktion und vor allem nicht die da fast 400 000 DM in einem Jahr in den Amateur-
Steuerfachleute einverstanden sein können. Wir sport geflossen sind, während ungefähr der gleiche
wollen also versuchen, eine Lösung zu finden, die die Betrag an Steuern. nämlich Vergnügungssteuer und
Umsatzsteuer nicht aushöhlt. Soweit Sie dazu beitra- Mehrwertsteuer, abgeführt werden mußte. Dazu
gen können und mir — ich sage das, auch wenn ich kommt noch die Abgabe für die Stadionmiete. Dabei
für die Fraktion spreche — dabei helfen können, bin stellen sich ja manche Städte sogar auf den komi-
ich Ihnen dankbar. Wenn das nicht gelingen sollte, schen Standpunkt, wenn sie in den Stadien Reklame
müssen wir andere Wege finden, um Vereinen, die zuließen, seien die Einnahmen nur für die Stadt,
in Schwierigkeiten kommen, finanzielle Unterstüt- obwohl die Reklame nur in diesem Stadion ist, weil
zung zu gewähren. Das können wir selbstverständ- gespielt wird; sonst hätte sie ja daraus keinerlei
lich in dieser Stunde nicht versprechen, aber küm- Einnahme.
mern können wir uns darum.
Den Gedanken, den Kollege Porzner brachte, man
(Beifall bei der SPD.) müsse prüfen, inwieweit der Amateursport dabei
Das zu diesem Punkt! einen Vorteil habe, halte ich für richtig.
1162 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Mischnick
Ich darf hier vielleicht einfügen, daß ich in Hessen Satz verlangt wird, mag vielleicht daran liegen, daß
einen Vorschlag gemacht habe, die Vergnügung- die Bundesligaspieler mehr anhaben als Sriptease-
steuersenkung mit der Bedingung zu koppeln, daß Tänzerinnen.
Bundesligavereine eine bestimmte Anzahl von (Heiterkeit.)
Amateurabteilungen oder -mannschaften haben Das alles sollte mit in die Prüfung einbezogen
müssen, 20 Amateurmannschaften oder fünf Ama- werden, um hier möglichst bald zu einem Ergebnis
teurabteilungen. Man sollte bei dem vorliegenden zu kommen. Wir sind bereit, sämtliche Argumente
Antrag prüfen, ob man eine solche Bedingung mit dafür und dagegen ganz nüchtern zu behandeln,
einbauen kann, um damit die Bundesligavereine den gehen aber davon aus, daß das Bekenntnis, den
anderen Amateurvereinen gleichzustellen, sie also Sport fördern zu wollen, bei der Frage der steuer-
nicht schlechter zu behandeln und damit zu vermei- lichen Belastung nicht aushaken sollte. Es ist immer
den, daß eine Ausnahmeregelung nach dem Steuer- noch besser, die steuerliche Belastung abzubauen,
recht zustande kommt ; die vorgeschlagene Lösung als Direktmittel subventionierend zur Verfügung
würde dann nur bedeuten: Gleichstellung mit den stellen zu müssen. Unter diesem Gesichtspunkt
anderen Amateurvereinen und nicht Sonderrege- würden wir es begrüßen, wenn eine Lösung gefun-
lung für bestimmte berufliche Leistungen im Sport. den werden könnte, die uns alle gemeinsam zu einem
Mit Recht ist vom Kollegen Porzner darauf hin- sinnvollen Ergebnis führt.
gewiesen worden, daß der damalige Finanzminister (Beifall.)
Strauß die genannte Antwort auf damalige Fragen
gegeben hat. Das muß aber vor der Erringung der
deutschen Meisterschaft durch Bayern-München ge- Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Wortmel-
legen haben; dungen mehr.
(Abg. Stücklen: Ja!) Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den
denn als Bayern-München deutscher Meister wurde, Finanzausschuß — federführend —, den Sonder-
hat er, wenn ich mich recht entsinne, auf dem Emp- ausschuß für Sport und Olympische Spiele — mit-
fang davon gesprochen, man müsse die Mehrwert- beratend — und den Haushaltsausschuß gemäß § 96
steuer für die Bundesligavereine von 11 auf 5 1 /2 % der Geschäftsordnung zu überweisen. — Es ist so be-
herabsetzen. Offensichtlich ist ihm in der Zwischen- schlossen.
zeit das eingefallen, was er damals bei einem Ge-
Dann rufe ich nach einer Vereinbarung- im Älte-
spräch mit dem Kollegen Koenen von der SPD noch
stenrat die Punkte 6, 8 und 9 der Tagesordnung auf
nicht parat hatte, was man nämlich machen könne.
— Punkt 7 wird danach aufgerufen —:
(Abg. Stücklen: Da war er noch in der
Prüfung! — Heiterkeit.) 6. Erste Beratung des von den Abgeordneten
Stücklen, Ehnes, Dr. Zimmermann, Strauß,
— Ausgezeichnet! Wenn diese Prüfung nun positiv
Dr. Probst, Gierenstein, Rainer, Kiechle und
abgeschlossen ist, Herr Kollege Stücklen, wäre es
Genossen eingebrachten Entwurfs eines Ge-
natürlich gut, wenn man die Argumente, die bei
setzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes
dem früheren Finanzminister zu dem Sinneswandel
— Drucksache VI/244 —
geführt haben, bei der Ausschußberatung mit hören
könnte, um sie mit heranzuziehen und um diese 8.ErsteBaungdvo esriung
Entwicklung deutlich zu machen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
(Abg. Schwabe: Tagesform wie beim Fuß die Zulassung von nach § 19 des Zahnheil-
ball!) kundegesetzes berechtigten Personen zur Be-
— Richtig! — handlung der Versicherten in der gesetzlichen
Krankenversicherung
Noch eine letzte Bemerkung dazu! Es ist mit Recht
gesagt worden, daß die Novellierung des Mehrwert- — Drucksache VI/276 —
steuergesetzes aus vielen anderen Gründen notwen-
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung
dig ist. Das bedeutet aber, wenn man all diese Dinge
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
betrachtet, daß die Entscheidung dann auf ein, zwei
Vertrag vom 21. Januar 1969 zwischen der
Jahre vertagt würde, obwohl dies doch sehr drin-
Bundesrepublik Deutschland und dem König-
gend ist. Deshalb wäre ich dankbar, wenn alle Fach-
reich der Niederlande über die Einziehung
leute aus dem Finanz- und Steuerbereich bereit
und Beitreibung von Beiträgen der Sozialen
wären, sich zu überlegen, ob nicht auf der Basis der
Sicherheit
verschiedenen Argumente, die hier genannt worden
sind und die eben diese Sonderstellung deutlich — Drucksache VI/277 —
machen, eine Vorweglösung gefunden werden kann. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? —
Denn der Hinweis, daß man für Eisrevuen usw. diese Bitte schön, Herr Abgeordneter Ehnes!
Möglichkeit geschaffen hat — wo man beim besten
Willen nicht sagen kann, daß deren Auftreten mit
einem Amateurverein zusammenhängt —, ist doch Ehnes (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr
ebenso beachtenswert wie der Hinweis — das wurde geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum
hier ja noch nicht gesagt —, daß z. B. Spriptease- Problem und zu den Kosten des Gesetzentwurfs, den
Veranstaltungen mit 5,5 % besteuert werden, Bun- meine politischen Freunde und ich eingereicht haben,
desligafußball aber mit 11 %. Daß hier der doppelte ein paar Ausführungen.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1163
Ehnes
Zu dem Problem muß gesagt werden, daß sich der sache VI/274 legt die Bundesregierung diesem Hohen
deutsche Hopfenbau von allen anderen Produktions- Hause den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstel-
arten in der deutschen Landwirtschaft dadurch unter- lung der Grundrentenabfindung in der Kriegsopfer-
scheidet, daß für Hopfen bis zum heutigen Tag noch versorgung vor. Mit diesem Gesetzentwurf will
keine europäische Marktordnung verabschiedet wor- die Bundesregierung einen Weg vorschlagen, die
den ist und daß sich die Ertragslage im Hopfenbau Kapitalisierungsmöglichkeiten der Grundrenten zu
seit dem Jahre 1964, dem Zeitpunkt der Hauptfest- erweitern. Er stellt ein Instrument dar, das dazu
stellung, nachweisbar und von den Oberfinanzdirek- beitragen soll, den für diesen Zweck erforderlichen
tionen anerkannt jedes Jahr verschlechtert, und zwar Finanzbedarf, den wir für das Jahr 1970 auf rund
auf Grund der Wettbewerbslage der Staaten, mit 170 Millionen DM schätzen, zu decken. Diese Mittel
denen wir im Handel stehen. sollen dem Wohnungsbau und der Wohnraumbe-
Zu den Auswirkungen des Bewertungsgesetzes schaffung für die Kriegsopfer dienen.
auf den Bundeshaushalt ist noch keine klare Aus- Es wird Ihnen bekannt sein, meine Damen und
sage gemacht. Bekanntlich ist der Beginn der An- Herren, daß es in den vergangenen Jahren wieder-
wendung des Bewertungsgesetzes, das im Dezember holt Schwierigkeiten gegeben hat, die notwendigen
1965 verabschiedet worden ist, einem besonderen Mittel für die Kapitalabfindung im Rahmen des
Gesetz überlassen; und daß dieses Gesetz bis zum Bundeshaushalts zu sichern. Aus diesem Grunde war
heutigen Tage nicht erlassen ist, ist diesem Hause es nur möglich, den dringendsten Bedarf an Kapital-
ebenfalls bekannt. Aus diesem Grunde haben die mitteln zur Verfügung zu stellen. Um diese sozial-
Einheitswerte, die nach dem Gesetz vom 10. Dezem- politisch so unbefriedigende Situation zu beseitigen,
ber 1965 für die Hauptfeststellung des Jahres 1964 soll nunmehr durch den Ihnen vorliegenden Gesetz-
zugrunde gelegt sind, weder für die Einnahmen des entwurf erreicht werden, auch außerhalb des Haus-
Bundes noch für die Einnahmen der Gemeinden halts Mittel für die Kapitalabfindung zu erlangen
Wirkung. Daher ist auf dem Vorblatt der Vorlage u nd sie den Kriegsopfern zum Zwecke der Beschaf-
angegeben, daß für den Bund Kosten nicht entstehen. fung eines Eigenheimes zur Verfügung zu stellen.
Die Antragsteller bitten also, das Gesetz so aufzu- Dieser Entwurf hat also sowohl eine sozialpolitische
fassen, daß es bei der Hauptfeststellung des Jahres als auch eine eigentumspolitische Seite.
1964 bleiben soll und daß der § 40 Abs. 2 wie im
Entwurf vorgesehen geändert werden soll. Mit dem Gesetzentwurf soll ferner sichergestellt
werden, daß alle Rechte und Vorteile, die die Kriegs-
Namens meiner politischen Freunde bitte ich um
opfer im herkömmlichen Rentenkapitalisierungsver-
Überweisung an die vom Ältestenrat vorgeschlage-
fahren hatten, auch für die Zukunft erhalten bleiben
nen Ausschüsse.
und auch die verfahrensmäßige Abwicklung nicht er-
(Beifall bei der CDU/CSU.) schwert wird.
Der Entwurf sieht im einzelnen vor, daß ein
Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmel- Kreditinstitut — in Aussicht genommen ist die
dungen liegen nicht vor. Lastenausgleichsbank — die erforderlichen Abfin-
Meine Damen und Herren, die Überweisungsvor- dungsmittel auf dem Kapitalmarkt beschafft und für
schläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tages- den Bund gleichsam die Vorfinanzierung übernimmt.
ordnung, nämlich die Vorlage unter Punkt 6 der Damit soll erreicht werden, daß der Haushalt zu-
Tagesordnung an den Finanzausschuß — federfüh- nächst von der hohen Anfangsbelastung bei den
rend — sowie an den Ausschuß für Ernährung, Land- Kapitalabfindungen befreit wird. Er hat dann nur
wirtschaft und Forsten; die Vorlagen unter den die Zinsen und die Verwaltungskosten der Bank
Punkten 8 und 9 jeweils an den Ausschuß für Arbeit zu übernehmen. Die Tilgung des aufgenommenen
und Sozialordnung, die Vorlage unter Punkt 8 Kapitals geschieht über die abgefundenen Grund-
außerdem zur Mitberatung an den Ausschuß für renten, welche die Abfindungsempfänger an die
Jugend, Familie und Gesundheit. Ist das Haus mit Bank gegen Auszahlung der Abfindungssumme ver-
diesen Vorschlägen einverstanden? — Ich höre kei- traglich abtreten.
nen Widerspruch; es ist so beschlossen. Dieses neue Verfahren — darauf möchte ich hin-
weisen — bedeutet jedoch nicht, daß die Kapitalab-
Nun rufe ich Punkt 7 der Tagesordnung auf: findungen in der herkömmlichen Art völlig besei-
Erste Beratung des von der Bundesregierung tigt werden sollen. Vielmehr sollen die einschlägi-
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur gen Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes
Sicherstellung der Grundrentenabfindung in erhalten bleiben, so daß immer wieder die Möglich-
der Kriegsopferversorgung (Rentenkapitali- keit besteht, falls es die Lage als tunlich erschei-
sierungsgesetz — KOV) nen läßt, auf das alte Verfahren zurückzugreifen.
— Drucksache VI/274 — Die Bundesregierung wird dabei, das darf ich Ihnen
versichern, unter gewissenhafter Beachtung der ge-
Das Wort zur Begründung hat Herr Staatssekretär samtwirtschaftlichen Belange, der finanziellen Not-
Rohde. wendigkeiten und der berechtigten Interessen der
Kriegsopferversorgung ihre jeweilige Entscheidung
treffen.
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Ich wäre dem Hohen Hause dankbar, wenn die für
Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Druck- die Beratung dieses Gesetzes zuständigen Aus-
1164 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Berichtigung
Es ist zu lesen:
13. Sitzung, Seite 461 D, Zeile 1 statt „14. Novem-
ber 1969" : „21. November 1969"
Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1167
Steuervergünstigungen für private Investoren oder eine direkte tionierten amerikanischen Streitkräfte, schließt im
Unterstützung durch die öffentliche Hand in höhe der jetzt er-
littenen Steuermindereinnahmen? Interesse der Versorgung der amerikanischen Streit-
Das Ausmaß der Steuervorteile, die durch Inan- kräfte und ihrer Mitglieder mit privaten Unterneh-
spruchnahme der Vergünstigungen des Berlinhilfe- mern sog. Konzessionärsverträge ab, z. B. über
gesetzes für Investitionen in Berlin erzielt werden den Betrieb von Friseurläden, den Vertrieb von Zei-
können, ist wiederholt vom Finanzausschuß dieses tungen oder die Aufstellung von Waschautomaten.
Hohen Hauses erörtert worden. Der Finanzausschuß Die einzelnen Verträge sind der Bundesregierung
ist dabei stets zu dem Ergebnis gekommen, daß die nicht bekannt. Sie kann deshalb auch nicht zu der
Notwendigkeit, zur Sicherung der Lebensfähigkeit Frage Stellung nehmen, ob diese Verträge in allen
von Berlin eine rege Investitionstätigkeit in dieser Punkten mit dem deutschen Recht vereinbar sind
Stadt aufrechtzuerhalten, die im Berlinhilfegesetz oder nicht.
vorgesehenen Steuervergünstigungen rechtfertigt. Nach Artikel 2 des in Ihren Fragen erwähnten
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Sie deutsch=amerikanischen Direktbeschaffungsabkom-
glaubt, daß die teilweise nicht unbedenklichen ver- mens stellen die deutschen Behörden den Behörden
mögenspolitischen Auswirkungen insbesondere der der amerikanischen Streitkräfte ihre guten Dienste
75%igen Abschreibungsvergünstigung des § 14 BHG zur Beilegung von Streitigkeiten aus Direktbeschaf-
durch die am 1. Januar 1970 wirksam gewordene fungsverträgen zur Verfügung. Auf dieser Grund-
Einschränkung der Vergünstigung auf Gebäude, die lage sind die zuständigen Behörden bereit, bei Strei-
zu mehr als 80 v. H. der Fabrikation, der Forschung tigkeiten aus Konzessionärsverträgen zu vermitteln
und Entwicklung oder Wohnzwecken eigener Arbeit- und gutachtlich tätig zu werden. Anregungen hierzu
nehmer dienen, auf ein vertretbares Maß zurückge- können dem Bundesministerium der Finanzen über-
führt worden sind. mittelt werden.
Im Rahmen der Vorarbeiten für die Steuerreform Das EES ist als Bestandteil der amerikanischen
werden sämtliche steuerlichen Vergünstigungen ein- Streitkräfte der deutschen Gerichtsbarkeit nicht
schließlich der Vergünstigungen des Berlinhilfege- unterworfen. Das deutsch-amerikanische Direkt-
setzes auf ihre Berechtigung und Angemessenheit beschaffungsabkommen sieht aber vor, daß — falls
überprüft werden. Ich habe veranlaßt, daß im Rah- nicht besondere vertragliche Bestimmungen zwi-
men dieser Überprüfung auch untersucht wird, ob es schen den Vertragspartnern über eine Beilegung
möglich und zweckmäßig ist, die Investitionstätigkeit von Streitigkeiten getroffen worden sind — die
in Berlin in Zukunft statt durch steuerliche Vergün- Bundesrepublik in Prozeßstandschaft für -die Ver-
stigungen durch entsprechende offene Subventionen einigten Staaten vor deutschen Gerichten verklagt
zu fördern. werden kann. In einem solchen Rechtsstreit wird
Insbesondere soll überprüft werden, welche Maß- der Bund durch den Bundesminister der Finanzen
nahmen zu treffen sind, um den in der vorigen vertreten, der seinerseits die Prozeßführungsbefug-
Fragebeantwortung genannten Effekt zu erhalten, nis auf die zuständigen Behörden der Verteidigungs-
falls ein Teil der Steuerpräferenzen fortfällt. lastenverwaltung delegiert hat. Diese Delegierung
Es ist selbstverständlich, daß diese Probleme — ist im Ministerialblatt des Bundesministers der
wie bisher — zu gegebener Zeit im engen Einver- Finanzen 1966, S. 118 veröffentlicht.
nehmen mit dem Berliner Senat zu erörtern sein Enthält ein Vertrag besondere Bestimmungen
werden. über die Beilegung von Streitigkeiten, so kann
jeder Vertragspartner beantragen, daß die Streitig-
keit einem Schlichtungsverfahren unterworfen wird.
Das ist in Artikel 4 des deutsch-amerikanischen
Direktbeschaffungsabkommens geregelt. Bisher
Anlage 4 haben Schlichtungsverfahren dieser Art nicht statt-
gefunden. Der Bundesregierung ist auch kein Fall
Schriftliche Antwort bekanntgeworden, in dem ein solches Schlichtungs-
verfahren beantragt worden wäre. Da sich bislang
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl
kein Bedürfnis für ein Schlichtungsverfahren erge-
vom 28. Januar 1970 auf die Mündlichen Fragen
ben hat, ist auch der in Ihrer Frage erwähnte Ver-
des Abgeordneten Schmidt (Kempten) (Drucksache
tragsschlichtungsausschuß nicht errichtet worden.
VI/245 Fragen A 55 und 56) :
Hält die Bundesregierung die Dienstleistungsverträge, die zwi- Im Bundesministerium der Finanzen ist ein Fall
schen dem European Exchange System (EES) als Behörde der
Streitkräfte der Vereinigten Staaten und den deutschen Vertrags-
bekannt, in dem sich Streitigkeiten aus einem Ver-
partnern (Konzessionären) abgeschlossen werden, in allen Punk- trage zwischen dem EES und einer deutschen Firma
ten mit dem deutschen Recht für vereinbar oder ist sie bereit,
bei den Behörden der amerikanischen Streitkräfte auf eine Ände ergeben haben. In diesem Fall ist aber weder ein
rung der beanstandeten Dienstleistungsverträge hinzuarbeiten? Schlichtungsverfahren beantragt noch eine Klage
Ist der Bundesregierung bekannt, wieviel Schlichtungsverfah- nach Artikel 3 des deutsch-amerikanischen Direkt-
ren nach Artikel 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundes-
republik Deutschland und den USA über die Beilegung von beschaffungsabkommens erhoben worden. Vielmehr
Streitigkeiten bei Direktbeschaffung stattgefunden haben, und hat die deutsche Firma ihre erhobenen Ansprüche
wer sind die Vertreter der Bundesregierung in dem Vertrags
schlichtungsausschuß gemäß Artikel 4 Abs. 2 Buchstabe a des aus Besitzrecht und auf Schadenersatz zum Gegen-
Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den
USA über die Beilegung von Streitigkeiten bei Direktbeschaf- stand eines Rechtsstreits wegen Entschädigung
lung? nach Artikel VIII Abs. (5) des NATO-Truppensta-
Das European Exchange System (EES), ein inte- tuts gemacht. In diesem Rechtsstreit, in dem die
grierender Bestandteil der im Bundesgebiet sta- Bundesrepublik in Prozeßstandschaft für die Ver-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1169
einigten Staaten nach Artikel 12 des Gesetzes zum darum, die weiteren Aspekte dieser Fragen im ver-
NATO-Truppenstatut (Bundesgesetzbl. II, 1961, traulichen Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen
S. 1183) auftritt, ist ein für die Firma ungünstiges zu erörtern, um keine Argumentation der erhofften
Urteil ergangen, das jedoch noch nicht rechtskräftig Verhandlungen zu präjudizieren.
ist.
Anlage 6
Anlage 5 Schriftliche Antwort
Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von
Dohnanyi vom 28. Januar 1970 auf die Mündlichen
des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom
28. Januar 1970 auf die Mündlichen Fragen des Ab- Fragen des Abgeordneten Jung (Drucksache VI/273
Fragen A 4 und 5) :
geordneten Dr. Abelein (Drucksache VI/273 Fragen
Ist der Bundesregierung bekannt, daß von 8580 registrierten
A 2 und 3) : Bewerbern zum Medizinstudium zu Beginn des Wintersemesters
Hat die Bundesregierung schon einmal in einem umfassenden 1969/70 lediglich 2666 zugelassen wurden?
Bericht feststellen lassen, in welchen Beziehungen sich die Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, dieses krasse
beiden Teile Deutschlands als Ausland bzw. als Inland be- Mißverhältnis zwischen der Studienmöglichkeit für zukünftige
handeln? Arzte einerseits und der sich vergrößernden Zahl vakanter Kas-
Wenn nein, ist die Bundesregierung bereit, einen solchen senarztstellen andererseits zu beseitigen?
umfassenden Bericht erarbeiten zu lassen?
Die Zahl der Bewerber und der zugelassenen Stu-
Die Bundesregierung besitzt bereits umfangrei- denten im Fach Medizin sind der Bundesregierung
ches Material zu den von Ihnen angeschnittenen bekannt. Sie wurden im Zusammenhang mit der
Themen. Diese Unterlagen werden z. Z. im Hinblick Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der
auf mögliche Verhandlungen mit der DDR über- CDU/CSU zum Numerus clausus am 21. 1. 1970 und
arbeitet. auf eine entsprechende Frage des Abgeordneten
Dr. Dichgans am 5. November 1969 bereits dem
Zur Sache selbst darf ich jetzt schon mitteilen: Bundestag mitgeteilt.
Die Bundesregierung ist in Übereinstimmung mit
Die ungewöhnlich hohe Zahl von Bewerbern in
diesem Hohen Haus der Auffassung, daß der andere
dem Fach Medizin läßt es in Anbetracht der vor-
Teil Deutschlands für uns kein Ausland ist. Die DDR
handenen Ausbildungskapazität der Hochschulen
ist auch kein Teil der Bundesrepublik Deutschland;
nicht zu, daß alle Bewerber zugelassen werden kön-
wir maßen uns keine Hoheitsbefugnisse über die
nen. Eine Zulassung aller Bewerber hätte die Funk-
dort lebenden Menschen an. Die in der DDR ergan-
tionsunfähigkeit der medizinischen Ausbildungsstät-
genen Gesetze, Gerichtsurteile und Verwaltungsakte
ten zur Folge. Der Wissenschaftsrat hat in seinen
werden im Bundesgebiet anerkannt, sofern sie nicht
Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau der
den guten Sitten oder dem Zweck eines im Bundes-
medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten
gebiet geltenden Gesetzes widersprechen.
;im Jahre 1968 einen starken Ausbau der medizini-
Nach Auffassung der Bundesregierung paßt das schen Ausbildungsstätten auch im Hinblick auf die
Begriffspaar Inland — Ausland nicht auf das beson- zukünftige erforderliche Zahl der Absolventen
dere Verhältnis zwischen BRD und DDR. Wenn in empfohlen.
Deutschland auch zwei unterschiedliche staatliche
und gesellschaftliche Ordnungen existieren, so er- Die Empfehlungen schlagen die 5-Jahres-Pläne für
geben sich doch für die Angehörigen des einen den Ausbau der bestehenden und die Errichtung
deutschen Volkes andere Beziehungen der beiden neuer medizinischer Ausbildungsstätten vor. Die
Rechtsordnungen zueinander als sie zwischen ande- angestrebte Aufnahme-Kapazität beträgt 5000 Stu-
ren Völkern und Staaten bestehen. Vieles in dem dienanfänger pro Jahr. Die Bundesregierung bemüht
besonderen Verhältnis zwischen den beiden Teilen sich, die Länder beim Ausbau der medizinischen
Deutschlands folgt aus der Verantwortung der Sie- Ausbildungsstätten entsprechend diesen Empfeh-
germächte für Deutschland als Ganzes. Für die Bun- lungen zu unterstützen und sicherzustellen, daß
desregierung besitz neben menschlichen Erleichte- diese zunächst angestrebte Zahl der Absolventen
rungen Vorrangigkeit, auf dem Weg von Verhand- möglichst bald erreicht wird. Die Bundesregierung
lungen mit der Regierung der DDR gemeinsam recht- wird zum Beispiel unverzüglich im Rahmen ihres
lich zu Formendes zu finden, das im Interesse bei- Sofortprogramms für die Hochschulen versuchen,
der Seiten liegt. Engpässe in der Medizin durch gezielte Maßnahmen
zu beheben und die Ausbildungskapazität zu erwei-
Ihre Fragen können dahin beantwortet werden, tern. Solche Engpässe bestehen besonders in den
daß die Untersuchung der Rechtslage in den ver- vorklinischen Fächern, während sich für den klini-
schiedensten Bereichen ebenso wie der im Bericht schen Teil der Ausbildung die verstärkte Beteili-
zur Lage der Nation angekündigte Versuch ver- gung sog. Akademischer Krankenhäuser anbietet.
gleichender Darstellungen zu den Arbeiten gehört,
die die Bundesregierung in Verfolgung der von ihr Nach den Vorausberechnungen des Wissenschafts-
erklärten Politik für nötig hält. Sie wird hierüber rates besteht in der allgemeinen Medizin zur Zeit
berichten, wenn es der Stand der Verhandlungen kein krasses Mißverhältnis zwischen der angestreb-
erlaubt. Die Bundesregierung schlägt vor und bittet ten Zahl an Studienanfängern und dem Bedarf an
1170 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Hochschulabsolventen. Das Ergebnis der Berechnun- nisse. Die Bundesregierung ist aber entschlossen, bei
gen des Wissenschaftsrates wurde durch eine im nachweislichen Verstößen gegen die geltenden Ge-
Auftrag des BMJFG angefertigte Studie über den meinschaftsbestimmungen in Brüssel mit allem Nach-
Nachwuchsbedarf an Ärzten bestätigt. druck auf Abstellung zu bestehen.
Bei den kassenärztlichen Vakanzen handelt es sich Nach § 2 der Höchstmengenverordnung — Pflan-
um ein Problem besonderer Art, zu dem sich die zenschutz vom 30. November 1966, die mit Wirkung
Bundesregierung bereits im Zusammenhang mit vom 1. Januar 1968 in Kraft getreten ist, ist die
einer von Ihnen gestellten Frage am 21. 1. 1970 unmittelbare oder mittelbare Behandlung von Pflan-
geäußert hat. Das BMBW wird aber auch die Frage zen und Pflanzenschutzerzeugnissen u. a. mit arsen-
der kassenärztlichen Versorgung im Rahmen seiner haltigen Präparaten verboten, wenn solche Lebens-
Zielvorstellungen über den Ausbau der medizini- mittel in den Verkehr gebracht werden sollen. Die
schen Ausbildungsstätten berücksichtigen. Die Be- festgesetzte O-Toleranz gilt auch für Einfuhren.
rechnungen des Wissenschaftsrates und des BMJFG
Mit diesen Vorschriften sind jedoch natürlich vor-
bedürfen einer ständigen Überprüfung im Hinblick
kommende Arsengehalte über den Boden zur
auf alle Umstände, die für den Bedarf an Absolven-
Pflanze nicht auszuschließen. Diese können z. B. bei
ten wichtig sind. Dabei wird die Bundesregierung
Äpfel bis zu 0,1 ppm betragen; auch Getreide und
auf die Präventivmedizin, die Altenversorgung und
Gemüse enthalten ähnliche natürliche vorkommende
die Arbeitsmedizin besonderen Wert legen. Auch die
Rückstandgehalte. Bekannt ist, daß sich in Garnelen
sich verändernde Arbeitszeit und Belastbarkeit der
oder Muscheln bis zu 90 ppm natürlich vorkommen-
Ärzte wird zu berücksichtigen sein.
des Arsen nachweisen läßt.
Begründet auf diese Feststellungen konnte des-
halb in Brüssel zu der in Vorbereitung befindlichen
Höchstmengen-Richtlinie keine Einigkeit über die
von der deutschen Delegation vorgeschlagene O -To-
Anlage 7 leranz für Arsen erzielt werden. Die Beneluxländer
Schriftliche Antwort wünschen eine Berücksichtigung des natürlich vor-
kommenden Arsengehaltes bei Obst und Gemüse
des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann von 0,1 ppm, während Italien und Frankreich sich
vom 28. Januar 1970 auf die Mündlichen Fragen des nach wie vor für die Anwendung dieser Präparate
-
Abgeordneten Wende (Drucksache VI/273 Fragen einsetzen.
A 127 und 128) :
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die im Bereich der
Bundesrepublik Deutschland für die deutsche Obsterzeugung
geltende Pflanzenschutzmittelverordnung, welche aus gesundheit-
lichen Erwägungen die Verwendung arsenhaltiger Spritzmittel
unter Verbot stellt, durch ausländische Importe, insbesondere Anlage 8
aus den EWG-Partnerländern Frankreich und Italien, ständig
verletzt wird?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Jahre 1969 Obst, Schriftliche Antwort
das bereits durch die Intervention vernichtet sein sollte, in
Kisten gefüllt und auf dem Markt teilweise sogar als zweite
Qualität verkauft wurde?
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl
vom 20. Januar 1970 auf die Schriftlichen Fragen
Vor Inkraftreten der Vorschriften über erlaubte des Abgeordneten Faller (Drucksache VI/245 Fragen
Rückstandsgehalte nach der deutschen Höchstmen- B 3 und 4) :
genverordnung — Pflanzenschutz am 1. Januar 1968
Wie haben sich die amtlichen deutsch-französischen Kontakte
wurde wiederholt über Arsengehalte an Obstsen- wegen der Zahlung von Gewerbesteuer durch die französische
dungen bei Einfuhren berichtet. Neuerliche reprä- Elektrizitätsgesellschaft „Electricité de France" an die Gemeinde
Märkt (Kreis Lörrach) seit meiner letzten Anfrage im April 1961
sentative Ermittlungen bei mehreren Lebensmittel entwickelt?
Untersuchungsämtern in den Ländern (Hamburg, Ist die Bundesregierung bereit, sich im Hinblick auf die bald
40jährigen erfolglosen Bemühungen der vom 2. Weltkrieg
Münster, Stuttgart, Augsburg), die z. B. für solche schwer betroffenen Gemeinde Märkt für eine einmalige, groß-
Rückstandsuntersuchungen zuständig sind, haben zügige Sonderregelung — unabhängig von der Rechtslage —
einzusetzen, nachdem die Steuerschuld der „Electricité de
jedoch keine nennenswerten Beanstandungen, auch France" sich schon 1936 auf rund 40 000 Reichsmark belaufen
nicht im Jahre 1969, ergeben. hatte?
In der Bundesrepublik wurden 1969 keine Inter- In den vergangenen Jahren hat die Bundesregie-
ventionen bei Obst vorgenommen. Eine mißbräuch- rung wiederholt in verschiedensten Gremien ver-
liche Verwendung der betreffenden Erzeugnisse sucht, die Angelegenheit mit der französischen Seite
scheidet deshalb in der Bundesrepublik aus. Kon- zu erörtern. Die französische Seite hat aber bislang
krete Anhaltspunkte, daß in anderen Mitgliedstaa- eine Sachdiskussion stets abgelehnt, weil das
Stauwehr Märkt durch internationale Verträge (Ver-
ten der EWG Verstöße gegen die Bestimmungen der
Verordnung Nr. 165/67/EWG der Kommission über sailler Vertrag, Vertrag vom 27. Oktober 1956 über
die Verwendung der Erzeugnisse, deren Ankauf die den Ausbau des Oberrheins) der deutschen Steuer-
Mitgliedstaaten im Rahmen der Interventionen auf hoheit entzogen sei. Erst neuerdings zeichnet sich die
dem Obst- und Gemüsemarkt getätigt haben, vorge- französische Bereitschaft ab, ungeachtet der abwei-
kommen sind, liegen nicht vor. Nach Artikel 2 der chenden Rechtspositionen in Sachgespräche einzu-
genannten Verordnung treffen allein die Mitglied- treten.
staaten die erforderlichen Maßnahmen zur vorge- Die Bundesregierung bemüht sich, in diesen Ge-
schriebenen Verwendung der intervenierten Erzeug- sprächen zu einer pragmatischen Lösung zugunsten
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1171
der Gemeinde Märkt zu gelangen. Die evtl. Ge- Eine gesetzliche Regelung dieser Schäden ist
werbesteuereinnahme darf indessen nicht über- durch das mit Wirkung vom 1. Januar 1969 in Kraft
schätzt werden; denn nach den französischen An- getretene Gesetz zur Abgeltung der Reparations-,
gaben ist die französische Elektrizitätsgesellschaft Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungs-
als öffentliches Unternehmen grundsätzlich gehal- schäden (Reparationsschädengesetz) vom 12. Fe-
ten, keine Gewinne zu erzielen. bruar 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 105) getroffen wor-
den.
Zu der von Ihnen angesprochenen „einmaligen
Sonderregelung" ist darauf hinzuweisen, daß es Das Reparationsschädengesetz sieht jedoch keine
Sache des kommunalen Finanzausgleichs der Länder Entschädigung für den Verlust von Zahlungsmitteln
ist, den finanzschwachen Gemeinden zu helfen. Nach vor, da auch die Vertriebenen, Kriegssachgeschädig-
Mitteilung des Finanzministeriums von Baden-Würt- ten und Ostgeschädigten für derartige Verluste
temberg kam die Gemeinde Märkt aufgrund des nach dem Lastenausgleichsgesetz keine Entschädi-
Landesfinanzausgleichsgesetzes in den vergangenen gung erhalten. Auf Tz. 112 der Begründung zum
Jahren in den Genuß der sog. „Sockelgarantie". Das Reparationsschädengesetzentwurf der Bundesregie-
hat zur Folge, daß der Steuerausfall bezüglich des rung vom 23. Dezember 1967 (BT-Drucksache
Stauwehrs der Gemeinde über die Ausgleichsbeträge V/2432) darf ich verweisen, die hierzu nähere Aus-
im wesentlichen ersetzt worden ist. führungen enthält.
Die Bundesregierung sieht im Hinblick auf den
Grundsatz der Gleichbehandlung keine Möglichkeit
für eine andere Regelung dieser Verluste. Sie kann
Anlage 9 auch nicht durch einen Vergleich mit den Wehr-
machtsangehörigen begründet werden, ,die ihren
Schriftliche Antwort Wehrsold in deutscher Währung bekommen und
desh a lb keinen Verlust erlitten hahen .
des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl
vom 21. Januar 1970 auf die Schriftlichen Fragen
des Abgeordneten Barche (Drucksache VI/245 Fra-
gen B 5 und 6):
Anlage 10
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Angehörigen der
Wehrmacht, die während des Krieges in einem besetzten Land -
waren und ihren Wehrsold in der Währung dieses Landes er- Schriftliche Antwort
halten haben, nach der Kapitulation des Deutschen Reichs, teil-
weise noch im besetzten Land oder später bei der Deutschen
Reichsbank, das in ihrem Besitz befindliche ausländische Geld des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl
gegen eine Abgabebescheinigung abgeben mußten, ohne daß sie
dafür entsprechend dem Umrechnungskurs deutsches Geld erhal- vom 21. Januar 1970 auf die Schriftliche Frage des Ab
ten haben? geordneten Dröscher (Drucksache VI/245 Frage B 7) :
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, diesen davon be-
troffenen ehemaligen Wehrmachtsangehörigen nachträglich zu Trifft es zu, daß in Traben-Trarbach drei große Wohnblocks,
ihrem Recht zu verhelfen, zumal die immer auf deutschem Ge- die in den 50er Jahren für französische Besatzungsfamilien gebaut
biet stehenden Wehrmachtsangehörigen ihren Wehrsold in deut- worden sind, seit zwei Jahren leerstehen und 40 zum Teil
scher Währung bekommen und dadurch keinen Verlust erlitten große Wohnungen darin an einheimische Wohnungsbewerber
haben? nicht vergeben werden können, weil nach Angaben der Bundes-
vermögensverwaltung die Kosten für die Reparaturen dieser
Der unter Ihrer 1. Frage wiedergegebene Tatbe- Häuser nicht aufgebracht werden können?
stand ist der Bundesregierung bekannt. Es trifft nicht zu, daß die in Traben-Trarbach von
Die ausländischen Zahlungsmittel, welche den den französischen Stationierungsstreitkräften von
deutschen Soldaten bei ihrer Gefangennahme abge- März bis September 1969 übergebenen Wohnungen
nommen wurden, sind ebenso wie die aufgrund der deswegen leerstehen, weil die Instandsetzungs-
Militärregierungsgesetze Nr. 53 abgelieferten aus- kosten nicht aufgebracht werden könnten. Die In-
ländischen Zahlungsmittel von den Alliierten zum standsetzung der Wohnungen wurde lediglich zu-
Zwecke der Reparation weggenommen worden. Es rückgestellt, bis feststeht, ob die Wohnungen auf die
handeltsicoumRpranshäde. Dauer für Zwecke des Bundes benötigt werden.