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2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9.

April 1954 945

Dr. Gülich (SPD) 955 A


Frau Meyer-Laule (SPD) 960 B
Dr. Wahl (CDU/CSU) 962 C
Beschlußfassung 963 B
Entschießungsantrag der Fraktion der
SPD zum Einzelplan 09 — Haushalt für
den Geschäftsbereich des Bundes-
ministers für Wirtschaft (Umdruck 31):
Dr. Bleiß (SPD) 956 D
Naegel (CDU/CSU) 958 A
Dr. Atzenroth (FDP) 958 C
Dr. Wellhausen (FDP) 958 D
Dr. Gülich (SPD) 959 B, 962 C

25. Sitzung Einzelplan 11 — Haushalt für den Ge-


schäftsbereich des Bundesministers für
Arbeit (Drucksache 361; Umdruck 41)
Bonn, Freitag, den 9. April 1954.
963 B, 1026
Arndgen (CDU/CSU), Bericht
erstatter 963 C
Geschäftliche Mitteilungen 947 A, 991 D Dr. Preller (SPD) . . . 964 B, 975 D, 977 B
Glückwunsch zum Geburtstag des Schäffer, Bundesminister der
Abg. Eberhard 950 D Finanzen 967 C
Mitteilung über Empfehlung des Ältesten- Traub (SPD) 967 D
rats betr. Zeiteinteilung und Verlauf der Dr. Atzenroth (FDP) 971 C
Haushaltsdebatte: Storch, Bundesminister für
Präsident D. Dr. Ehlers 947 A Arbeit 972 B, 977 A
Horn (CDU/CSU) 974 A
Zur Geschäftsordnung:
- 1018 A Abstimmungen 977 C
Schoettle (SPD)
Präsident D. Dr. Ehlers . . . . 1018 C, 1025 C Einzelplan 45 — Haushalt Finanzielle
Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Hilfe für Berlin (Drucksache 376; Um-
Anfrage 36 betr. öffentliche Fürsorge für drucke 19 [neu], 42, 46, 58) 977 D, 1027, 1028
ausländische Staatsangehörige (Druck- Traub (SPD), Berichterstatter . . . 977 D
sachen 320, 447) 947 B Neumann (SPD) 978 D
Vorlage eines Zwischenbescheids des Schäffer, Bundesminister der
Bundesministers für Ernährung, Land- Finanzen 982 B
wirtschaft und Forsten betr. Reorgani- Dr. Bucerius (CDU/CSU) 983 C, 984 D, 991 A
sation des Agrarrechts und der Agrar- Frau Wolff (Berlin) (SPD) 984 D
wirtschaft (Drucksache 449) 947 B Dr. Will (FDP) 986 D
Fortsetzung der zweiten Beratung des Ent- Seiboth (GB/BHE) 987 D
wurfs eines Gesetzes über die Feststel- Brandt (Berlin) (SPD) 988 D
lung des Bundeshaushaltsplans für das Abstimmungen 991 C, 994 D
Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz Überweisung des Entschließungsantrags
1954) (Drucksache 200); Mündlicher Be- Umdruck 42 an den Haushaltsaus-
richt des Haushaltsausschusses (Druck- schuß und an den Ausschuß für Ge-
sache 350); dazu Mündliche Berichte des samtdeutsche und Berliner Fragen . 991 C
Haushaltsausschusses (Drucksachen 351
bis 379): Namentliche Abstimmung über den
Fortsetzung der Beratung des Einzel- Änderungsantrag der Fraktion der
plans 06 — Haushalt für den Geschäfts- SPD zu Kap. 4502 Tit. 600, Umdruck
46 991 A, C, 992 D, 993 B, 1037
bereich des Bundesministers des Innern
(Drucksache 356; Umdrucke 36, 37, 38, Namentliche Abstimmung . über den
39, 48, 61) 947 B Änderungsantrag der Fraktion des
Dr. Schröder, Bundesminister des GB/BHE zu Kap. 4502 Tit. 600, Um-
Innern 947 C, 949 D, 953 C druck 58 993 C, 994 C, D, 1037
Maier (Freiburg) (SPD) 949 D Einzelplan 19 — Haushalt des Bundes
Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . 950 D verfassungsgerichts (Drucksache 364;
Seiboth (GB/BHE) 954 B Umdruck 21) 991 D, 1029
Abstimmungen 954 A Frau Dr. Hubert (SPD), Bericht
erstatterin 992 A
Einzelplan 08 — Haushalt für den Ge-
schäftsbereich des Bundesministers der Hoogen (CDU/CSU) 992 C, 994 A
Finanzen (Drucksache 358) 954 C Krammig (CDU/CSU) . . . 993 A, 994 B
Krammig (CDU/CSU), Bericht Dr. Greve (SPD) 993 C
erstatter 954 C Abstimmungen 994 B
946 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Einzelplan 20 — Haushalt des Bundes- Frau Dr. Hubert (SPD) 1022 C I


rechnungshofes (Drucksachen 365, zu Frau Dr. Rehling (CDU/CSU) . . . 1024 A
365) 994 C, 1034 Abstimmungen 1025 C
Dr. Conring (CDU/CSU), Bericht Weiterberatung vertagt 1025 C
erstatter (Schriftlicher Bericht) . 1034 Nächste Sitzung 1025 D
Beschlußfassung 994 C Anlage 1: Änderungsantrag der Fraktion
Einzelplan 25 — Haushalt für den Ge- der SPD zum Einzelplan 11 — Haushalt
schäftsbereich des Bundesministers für für den Geschäftsbereich des Bundes-
Wohnungsbau (Drucksache 367; Um- ministers für Arbeit (Umdruck 41) . . . 1026
drucke 23, 40) 994 D, 1030, 1031 Anlage 2: Entschließungsantrag der Frak-
Dr. Lindrath (CDU/CSU), Bericht tion der SPD zum Einzelplan 45 — Haus-
erstatter 994 D halt Finanzielle Hilfe für Berlin (Um-
druck 42) 1027
Stierle (SPD) 995 C, 1002 D
Anlage 3: Ä nderungsantrag der Fraktion
Frau Strobel (SPD) 999 A der SPD zum Einzelplan 45 — Haushalt
Lücke (CDU/CSU) 999 B, 1003 B Finanzielle Hilfe für Berlin (Umdruck 46) 1028 A
Hauffe (SPD) 1000 C Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion
Dr. Preusker, Bundesminister des GB/BHE zum Einzelplan 45 — Haus-
für Wohnungsbau 1000 D halt Finanzielle Hilfe für Berlin (Um-
Abstimmungen 1003 B druck 58) 1028 B
Anlage 5: Änderungsantrag der Abg. Hoo-
Einzelplan 26 — Haushalt für den Ge- gen, Dr. Greve, Dr. Schneider (Lollar)
schäftsbereich des Bundesministers für u. Gen. zum Einzelplan 19 — Haushalt
Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegs- des Bundesverfassungsgerichts (Umdruck
geschädigte (Drucksache 368) 1003 C 21) 1029
Dr. Keller (GB/BHE), Bericht Anlage 6: Entschließungsantrag der Abg.
erstatter 1003 C Dr. Schild (Düsseldorf), Lücke u. Gen.
Reitzner (SPD) 1004 D zum Einzelplan 25 — Haushalt für den
Frau Korspeter (SPD) 1007 D Geschäftsbereich des Bundesministers für
Kuntscher (CDU/CSU) 1010 A Wohnungsbau (Umdruck 23) 1030
Rehs (SPD) 1011 D Anlage 7: Änderungsantrag der Fraktion
- der SPD zum Einzelplan 25 — Haushalt
Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) . 1013 C für den Geschäftsbereich des Bundes-
Dr. Oberländer, Bundesminister für ministers für Wohnungsbau (Umdruck 40) 1031 A
Vertriebene, Flüchtlinge und Anlage 8: Änderungsantrag der Fraktion
Kriegsgeschädigte 1014 B der SPD zum Einzelplan 27 — Haushalt
Beschlußfassung 1018 A für den Geschäftsbereich des Bundes-
Einzelplan 27 — Haushalt für den Ge- ministers für gesamtdeutsche Fragen
schäftsbereich des Bundesministers für (Umdruck 57) 1031 B
gesamtdeutsche Fragen (Drucksache Anlage 9: Ä nderungsantrag der Fraktion
369; Umdrucke 53, 57) 1018 C, 1031 B, 1032 A des GB/BHE zum Einzelplan 27 — Haus-
Heiland (SPD), Berichterstatter . . 1018 D halt für den Geschäftsbereich des Bun-
Abstimmungen 1018 D desministers für gesamtdeutsche Fragen
(Umdruck 53) 1032 A
Einzelplan 28 — Haushalt für den Ge-
schäftsbereich des Bundesministers für Anlage 10: Änderungsantrag der Fraktion
Angelegenheiten des Bundesrates der SPD zum Einzelplan 28 — Haushalt
(Drucksache 370; Umdruck 63) . 1019 A, 1032 B für den Geschäftsbereich des Bundes-
ministers für Angelegenheiten des Bun-
Frühwald (FDP), Berichterstatter . . 1019 B
desrates (Umdruck 63) 1032 B
Schoettle (SPD) 1019 D Anlage 11: Änderungsantrag der Fraktion
Hellwege, Bundesminister für Ange der SPD zum Einzelplan 29 — Haushalt
legenheiten des Bundesrates . . 1020 C für den Geschäftsbereich des Bundes-
Walter (DP) 1021 B ministers für Familienfragen (Umdruck
Abstimmungen 1021 D 64) 1033 A
Einzelplan 30 — Haushalt der Bundes- Anlage 12: Ä nderungsantrag der Fraktion
minister für besondere Aufgaben der SPD zum Einzelplan 30 — Haushalt
(Drucksache 372; Umdruck 65) . 1021 D, 1033 B der Bundesminister für besondere Auf
Dr. Gleissner (München) (CDU/CSU), gaben (Umdruck 65) 1033 B
Berichterstatter (Schriftlicher Be- Anlage 13: Schriftlicher Bericht des Haus-
richt) 1036 haltsausschusses zum Einzelplan 20 —
Haushalt des Bundesrechnungshofes (zu
Dr. Vogel (CDU/CSU) 1022 A Drucksache 365) 1034
Beschlußfassung 1022 B Anlage 14: Schriftlicher Bericht des Haus-
Einzelplan 29 — Haushalt für den Ge- haltsausschusses zum Einzelplan 29 —
schäftsbereich des Bundesministers für Haushalt für den Geschäftsbereich des
Familienfragen (Drucksache 371; Um- Bundesministers für Familienfragen . . 1035
druck 64) 1022 C, 1033 A Anlage 15: Schriftlicher Bericht des Haus-
Dr. Gleissner (München) (CDU/CSU), haltsauschusses zum Einzelplan 30 —
Berichterstatter (Schriftlicher Be- Haushalt der Bundesminister für beson
richt) 1035 dere Aufgaben 1036
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Zusammenstellung der namentlichen Ab- Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses


stimmungen (18. Ausschuß) (Drucksache 350)
1. über den Änderungsantrag der Frak- (Erste Beratung: 11., 12. und 13. Sitzung;
tion der SPD zum Kap. 4502 Tit. 600 zweite Beratung: 23. und 24. Sitzung),
des Einzelplans 45 — Haushalt Finan- und zwar in der Beratung des
zielle Hilfe für Berlin (Umdruck 46) . . 1037
2. über den Änderungsantrag der Frak- Einzelplanes 06 — Haushalt für den Ge-
tion des GB/BHE zum Kap. 4502 Tit. schäftsbereich des Bundesministers des
600 des Einzelplans 45 — Haushalt Innern — (Drucksache 356).
Finanzielle Hilfe für Berlin (Umdruck Das Wort hat der Herr Bundesminister des
58) 1037 Innern.
Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe,
Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den das Hohe Haus schenkt mir das Vertrauen, daß ich
Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet. zu den kürzeren und nicht zu den längeren Red-
nern gehöre. Ich werde mich bemühen, ein solches
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren! Vertrauen zu rechtfertigen.
Ich eröffne die 25. Sitzung des Bundestages und Ich beantworte das, was gestern hier ausgeführt
bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldig- worden ist, in der Reihenfolge, in der es gesagt
ten Abgeordneten. worden ist. Nur auf das Problem des Luftschutzes,
Frau Geisendörfer, Schriftführerin: Der Präsi- dem ich einige Worte mehr widmen muß, komme
dent hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den ich zum Schluß zu sprechen. Ich darf vorweg
Abgeordneten Struve, Seuffert, Miller (Ingolstadt), sagen, daß ich all den Damen und Herren, die ge-
Schill (Freiburg), Mensing, Dr. Jentzsch, Hansen stern gesprochen haben, für viele wertvolle Anre-
(Köln), Dr. Gille, Dr. Hoffmann, Dr. von Brentano, gungen, die sie mir gegeben haben, sehr dankbar
Wehking und Dr. von Merkatz. bin. Wenn ich nach dem gehen sollte, was hier ge-
sagt worden ist, hätte ich es bis auf einen Punkt
Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke vielmals. ganz leicht. Ich sollte nämlich für die Aufgaben
meines Ministeriums sehr viel mehr Geld bekom-
Meine Damen und Herren, ich habe einen Hin- men, als mir etwa an einer einzigen Stelle gestri-
weis zu geben. Der Ä ltestenrat hat sich nach chen worden ist. Leider hat unser Haushalt so enge
Schluß der gestrigen Sitzung mit der Zeiteinteilung Grenzen, daß sich viele gute Absichten, die wir
und dem Verlauf der Haushaltsdebatte in der zwei- gemeinsam haben, nicht verwirklichen lassen.
ten Beratung und eventuell in der dritten Beratung
befaßt. Ich bin gebeten worden, zu Beginn der heu- Ich beginne mit der Bemerkung, die Herr Kol-
tigen Sitzung einen Appell an den — ich zitiere lege Maier über das Technische Hilfswerk und die
wörtlich — guten Willen des Hauses zu richten Beteiligung der Gewerkschaften am Technischen
Hilfswerk gemacht hat. Ich wiederhole hier, daß
(Abg. Mellies: Hört! Hört!) mir außerordentlich viel daran liegt, die Mitarbeit
und zu bitten, sich nach Möglichkeit so zu kon- der Gewerkschaften bzw. des Deutschen Gewerk-
zentrieren, daß sich ein Abschluß der Haushalts- schaftsbundes an den Aufgaben des Technischen
beratungen noch am Freitag ermöglichen läßt, of- Hilfswerks zu gewinnen. Ich habe vor wenigen
fenbar auch deswegen, weil Einmütigkeit darüber Tagen erneut an den Herrn Vorsitzenden des Deut-
bestand, daß es nicht sehr zweckmäßig erscheine, schen Gewerkschaftsbundes in diesem Sinne ge-
die Beratungen morgen noch fortsetzen zu müssen. schrieben und hoffe, daß die noch bestehenden
Ich darf also bei aller Erkenntnis der Notwendig- Meinungsverschiedenheiten über die Möglichkeit
keit der Ausführungen, die gemacht werden, bit- einer richtigen Abgrenzung des Begriffs „Notver-
ten, sie doch so zu konzentrieren. Wir nehmen, sorgung der Bevölkerung" recht bald im, wie ich
glaube ich, gemeinsam die Erklärung jedes Abge- glaube, gemeinsamen Interesse von uns allen ge-
ordneten, daß er sich kurz fassen werde, von vorn- klärt werden können.
herein entgegen. Dann haben wir immerhin schon Die Fraktion der SPD hat einen Antrag gestellt,
einige Minuten gespart. wonach die Mittel, die für den Verfassungsschutz
(Heiterkeit.) aufgewendet werden sollen, nicht nur durch den
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Präsidenten des Bundesrechnungshofes, sondern
Verlesung in den Stenographischen Bericht aufge- durch ein Dreiergremium geprüft werden sollen.
nommen: Ich bitte diesem Antrag nicht zuzustimmen. Ich
glaube, wir können uns darin einig sein, daß die
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 6. April Mittel, die für den Verfassungsschutz ausgegeben
1954 die Kleine Anfrage 36 der Abgeordneten Strauß, Stücklen,
Unertl und Genossen betreffend öffentliche Fürsorge für aus- werden, nur 'dann richtig verwendet werden kön-
ländische Staatsangehörige (Drucksache 320) beantwortet. Sein nen, wenn ein umfassender Geheimnisschutz ge-
Schreiben wird als Drucksache 447 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und währleistet ist. Ich brauche darüber wohl schon
Forsten hat unter dem 5. April 1954 über die Maßnahmen zur deswegen nicht mehr zu sagen, weil in allen deut-
Ausführung des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner
19. Sitzung betreffend Reorganisation des Agrarrechts und der
schen Ländern, die eine ähnliche Institution haben,
Agrarwirtschaft einen Zwischenbescheid gegeben, der als Druck- dieselbe Regelung besteht, wie sie hier vorgeschla-
sache 449 vervielfältigt wird. gen und auch gehandhabt worden ist. Die Tätig-
Wir fahren fort in der keit des Bundesamtes für Verfassungsschutz kann
nur dann richtig ausgeübt werden, wenn in per-
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Geset- sönlicher wie sachlicher Hinsicht die Gewähr für
zes über die Feststellung des Bundeshaus- größtmöglichen Schutz gegeben ist. Das ist aber
haltsplans für das Rechnungsjahr 1954 (Haus- nur dann der Fall, wenn das Wissen um Staatsge-
haltsgesetz 1954); (Drucksache 200) heimnisse auf die Personen beschränkt bleibt, die
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(Bundesminister Dr. Schröder)
notwendigerweise dienstlich mit ihnen befaßt sind. dieses Thema sehr am Herzen liegt. Erst vor-
Es ist dann beantragt worden, der Bundeszentrale gestern ist ja der Bundesausschuß für gesundheit-
für Heimatdienst größere Mittel als hier vorgese- liche Volksbelehrung gebildet worden. Ich glaube,
hen zur Verfügung zu stellen. Ich würde das sehr er wird in der Koordinierung aller Bestrebun-
begrüßen, das brauche ich wohl nicht erst zu sagen. gen auf dem Gebiet der gesundheitlichen Volksbe-
Aber ich fürchte, daß für 1954 keine Möglichkeit lehrung eine gute Arbeit leisten können. Leider
besteht, einen geeigneten Vorschlag zur Deckung sind die Mittel, die uns für die Aufgaben der Ge-
dieser Mehrforderung zu machen. sundheit zur Verfügung stehen, so begrenzt, daß
wir vielen der Anregungen, die die Frau Kollegin
Sodann ist von dem Büro für Aufenthaltsgeneh- gegeben hat, zur Zeit noch nicht folgen können. Ich
migungen beim Bundesministerium des Innern ge- muß dabei allerdings auch darauf hinweisen, daß
sprochen worden. Dabei ist der Antrag gestellt die Aufgabenverteilung nach dem Grundgesetz uns
worden, die Mittel auf 40 000 DM herabzusetzen. nicht selten entgegengehalten wird und daß in-
Voraussetzung für die Durchführung dieses An- folgedessen auch da, wo der Bund, wenn ich so
trags, der sich in seinem Endziel durchaus mit dem sagen darf, zusätzlich einen besonders guten Wil-
deckt, was der Bundesregierung vorschwebt, wäre, len und eine besondere Förderung für eine be-
daß die Reisenden-Kartei tatsächlich auf Staatenlose stimmte Aufgabe zeigen möchte, die Möglichkeiten
und auf die Angehörigen von Satellitenstaaten be- so begrenzt sind, daß wir es nicht ganz leicht ha-
schränkt wird. Zu dieser Maßnahme, die an sich ben. Jedenfalls hat es der Herr Bundesfinanzmini-
beabsichtigt ist, ist die Zustimmung der Alliierten ster — ich sehe den Kollegen Schäffer nicht hier
Hohen Kommission erforderlich, weil diese Zähl- — bei der notwendigen Auseinandersetzung im-
kartei für ein-, aus- und durchreisende Ausländer mer sehr, sehr leicht, auf die Grenzen, die durch
und Staatenlose durch eine Vereinbarung mit der das Grundgesetz gegeben sind, hinzuweisen und
Alliierten Hohen Kommission vom 29. August 1952 alles von vornherein beseite zu schieben, was —
eingeführt worden ist. Die Verhandlungen mit der ich will mich einmal vorsichtig ausdrücken — zu
Alliierten Hohen Kommission bezüglich der Ein- sehr außerhalb dieser Grenzen zu stehen scheint.
schränkung der Reisendenkartei sind noch nicht ab- Ich habe aber die Hoffnung, daß es für dieses
geschlossen. Deshalb läßt sich zur Zeit auch noch außerordentlich wichtige Anliegen der Volksge-
nicht übersehen, ob Ausgaben eingespart werden sundheit doch möglich sein wird, im nächsten
können. Sobald aber die Zustimmung vorliegt, kön- Haushalt zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stel-
nen die sich dann ergebenden Einsparungsmöglich- len.
keiten voll wahrgenommen werden. Ich möchte wegen der Knappheit der Zeit nicht
Herr Kollege Ritzel hat besonders auf - die ausführlicher über diese Fragen sprechen. Ich darf
Förderung der Ultraschall-Forschung hingewiesen. nur noch darauf hinweisen, daß der Versehrten-
Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung der sport, der besonders angesprochen worden ist, uns
Ultraschall-Forschung, insbesondere auch durch ein am Herzen liegt und auch tatsächlich gefördert
Votum der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung wird, wenn auch zur Zeit leider nur in einer
der angewandten Forschung, bewußt. Ich bin gern Größenordnung von 35 000 DM. Aber immerhin ist
bereit, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft das ja wenigstens schon eine Hilfe, mit der Wesent-
anzuregen, daß sie bei der durch sie erfolgenden liches geleistet werden kann.
Vergabung der Schwerpunktmittel ihre Aufmerk- Herr Kollege Seiboth hat das Auswanderungs-
samkeit auch auf die Notwendigkeit der Ultra- wesen angesprochen. Der Antrag, den er gestellt
schall-Forschung richtet. Ich bin ferner bereit, zu hat, geht, wie ich glaube, über das hinaus, was
prüfen, ob im Rahmen der dem Bundesministerium er als Gegenstand dieses Antrags vorgetragen hat.
des Innern zur Verfügung stehenden Forschungs- Er hat sich speziell mit dem Siedlungsfall La
mittel etwaige Einzelanträge, die die Ultraschall Serena beschäftigt. Nach den Aufzeichnungen, die
Forschung betreffen, unter Beachtung der für die ich über diesen Siedlungsfall habe, ist es ganz
Ausschüttung dieser Mittel geltenden Richtlinien offenbar, daß dabei Fehler gemacht worden sind,
gefördert werden können. Fehler, aus denen man lernen sollte. Ich darf ihm
Als weiteres Anliegen ist das des Neubaus der aber auch sagen, daß alle aufgegebenen Siedlerstel-
Deutschen Bibliothek in Frankfurt angesprochen len inzwischen tatsächlich wieder besetzt sind, und
worden. Ich möchte vorweg sagen, daß ich diesem zwar sehr stark von Angehörigen benachbarter
Anliegen — wenn ich das als eine persönliche Mei- deutscher oder deutschstämmiger Siedler, die von
nung sagen darf — sehr sympathisch gegenüber- den Siedlern zu diesem Zweck nachgeholt wor-
stehe. Die Notwendigkeit eines Neubaus in Frank- den sind. Es scheint also doch mehr so zu sein,
furt ist nicht zu bestreiten, jedoch ist es hier, wie Herr Kollege, daß man bei der Auswahl der Sied-
bei vielen Stellen, fraglich, ob die Kosten vom ler vielleicht nicht ganz zweckmäßig verfahren ist.
Bund mitzufinanzieren sind. Außerdem liegen noch Wollte man die Sperrung, die Sie und Ihre Freunde
keine baulich und finanziell geprüften Unterlagen beantragt haben, vornehmen, würde man, glaube
vor, und eine Deckung der Mehrausgabe ist in die- ich, über das von Ihnen angestrebte Ziel hinaus-
schießen. Von diesen 207 000 DM entfallen auf die
sem Bundeshaushalt 1954 nicht möglich. Die Kon-
Gesellschaft, deren Praxis Sie angegriffen haben,
ferenz der Kultusminister hat sich gerade mit die- rund 60 000 DM. Die Zuschüsse, die die anderen
ser Frage beschäftigt, aber auch kein sonderlich Gesellschaften mit betreffen, werden für den lau-
positives Ergebnis dabei erzielt, so daß ich fürchte, fenden Betrieb dieser gemeinnützigen Organisatio-
wir müssen diesen Antrag zurückstellen und die nen gebraucht, die jeden Auswanderer beraten, bis
Möglichkeiten einer teilweisen Finanzierung durch zur Ausreise betreuen und unterstützen, und auch
den Bund bei den Haushaltsvorbereitungen für für solche Fälle, die tatsächlich in der Durchfüh-
1955 überprüfen. rung begriffen sind. Ich würde Sie daher doch bit-
Frau Kollegin Hubert hat dann etwas aus- ten, Ihre Stellungnahme zu überprüfen, soweit es
führlicher über die Fragen der Gesundheit gespro- sich um den Umdruck 61 handelt. Ich bin gern
chen. Die verehrte Frau Kollegin weiß, daß mir bereit — das ist auch schon vorgesehen —, auf der
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 949
(Bundesminister Dr. Schröder)
Basis einer umfassenden Denkschrift das Thema Nach anderen Pressenachrichten hält Großbritan-
demnächst hier oder im Ausschuß zu erörtern. nien es für nötig, seine gesamte zivile Verteidi-
Damit habe ich die Punkte behandelt, die ich gung und insbesondere auch das Problem des zivi-
nur kurz ansprechen wollte. Erlauben Sie mir nun, len Luftschutzes zu überprüfen.
einige Worte zu der Frage des Luftschutzes zu Ich darf ferner darauf hinweisen, daß ein Aus-
sagen. Ich möchte vorweg ein Wort des Dankes schuß der NATO die Bundesrepublik zur Teil-
an den Herrn Kollegen Maier richten, der sich nahme an den Beratungen über Luftschutz einge-
dieser Frage mit großem Interesse und mit gro- laden hat.
ßem Nachdruck angenommen hat. Ich richte die- (Hört! Hört! rechts.)
ses Wort des Dankes an ihn um so lieber, als sich Dabei handelt es sich um die Vorbereitung gemein-
hier die für mein Gefühl richtige Behandlung des samer Luftschutzmaßnahmen einschließlich des
Themas anzubahnen scheint, nämlich eine Behand- Luftwarndienstes.
lung, die nicht zwischen den Parteien dieses Hau-
ses irgendwie kontrovers ist, sondern eine Be- Der Luftwarndienst ist auch für uns eines der
handlung im Sinne der gemeinsamen Verantwort- vordringlichsten Luftschutzprobleme. Bei den un-
lichkeit ohne Rücksicht auf diese oder jene ab- gemein kurzen Anflugzeiten der modernen Flug-
weichende politische Meinung. zeuge und der Fernraketen kommt alles darauf
(Sehr gut! in der Mitte.) an, eine enge Verbindung zwischen dem militäri-
schen Fernmeldedienst und dem zivilen Luftwarn-
Sie werden mit mir darin einig sein, daß das dienst herzustellen und den letzteren nach modern-
Luftschutzproblem wohl das schwierigste und ver- sten Grundsätzen aufzubauen. Die Einrichtung und
antwortungsvollste Aufgabengebiet ist, das dem die Unterhaltung des örtlichen Alarmdienstes muß
Bundesminister des Innern anvertraut ist. Daß es wohl den Gemeinden auferlegt werden. Der nach
nicht ganz leicht fällt, in diesen Tagen zum Luft- lufttaktischen Gesichtspunkten zu gliedernde
schutzproblem zu sprechen, versteht sich von selbst, überörtliche Luftwarndienst kann nur vom Bunde
jedenfalls für alle diejenigen, die eifrige Leser der her entwickelt und in bundeseigener Verwaltung
Zeitungen und der Weltnachrichten sind. Wir fin- durchgeführt werden. Wir haben die Beträge, die
den dabei Überschriften wie die Frage, ob Luft- uns bereits in den Haushaltsjahren 1952 und 1953
schutz nicht überhaupt sinnlos, ob Luftschutz nicht zur Verfügung standen, dazu benutzt, technische
überhaupt Luxus ist. Wenn Sie z. B. heute „Die Einrichtungen zu entwickeln, die, soweit sich das
Welt" lesen, die ich gerade vor mir habe, und auf bisher überblicken läßt, auch den heute zu stel-
den beiden rechten Spalten die Überschrift finden lenden Anforderungen gewachsen sein werden. Die
„Kobaltbombe löscht alles Leben aus — Versuche-
5 Millionen DM, die im Haushalt 1954 vorgesehen
wegen der damit verbundenen Gefahr nicht mög- sind, werden wir dazu verwenden, den Aufbau der
lich", dann zeigt das, daß dieses Thema in der Luftwarnämter voranzutreiben.
ganzen Welt — denn es sind ja keine deutschen
Erörterungen, sondern es sind Berichte, die dort Maler (Freiburg) (SPD): Herr Minister, darf ich
angesprochen werden — derzeit eine besondere Ihnen eine Frage stellen? Ich bitte, die Unter-
Aufmerksamkeit findet. Dabei ergibt sich eine brechung zu entschuldigen.
Situation, in der sich die Menschheit, wir mir Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Bitte
scheint, nicht sehr oft befunden hat, eine Situation, sehr!
in der sie wirklich unter dem Eindruck steht, daß
es Massenvernichtungsmittel gibt, die überhaupt Maier (Freiburg) (SPD): Ich habe gestern anläß-
das Ende allen Lebens bedeuten könnten. Ich habe lich der Begründung unseres Antrags gesagt, daß
gerade „Die Welt" zitiert, in der Hans Zehrer heute demnächst neue Verhandlungen über den EVG-
in der ersten Spalte einen Leitartikel zu dieser Beitrag beginnen müssen, da ja im Frühsommer
Frage geschrieben hat und in dem angeregt wird, die Festlegung des alten abläuft. Sind Sie bereit,
daß dieses Thema doch einmal in aller Ausführlich- mit Ihrem Herrn Kollegen Finanzminister dar-
keit im Bundestag erörtert werden sollte. Diese über zu sprechen, daß er bei diesen Verhandlun-
ausführliche Erörterung werden wir sicherlich in gen die besondere Lage, in der wir stehen, be-
Kürze haben. Ich möchte aber schon jetzt sagen, rücksichtigt und versucht, diese Milliarde, die als
daß es ganz falsch wäre — und ich sage das in Jahresbetrag für nötig angesehen wird, bei den
voller Kenntnis aller dieser Meldungen —, wenn Verhandlungen für die deutsche Bundesrepublik
sich hier ein unnatürlicher Defaitismus breit herauszuholen?
machte. Es ist sicher richtig, daß die Luftangriffs-
mittel in der letzten Zeit eine wahrhaft beäng- Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Herr
stigende Entwicklung genommen haben. Das stellt Kollege Maier, Sie werden verstehen, daß ich diese
die für die Schaffung einer einigermaßen wirk- Frage mit Verpflichtung für die Bundesregierung
samen Abwehr verantwortlichen Instanzen vor hier nicht abschließend behandeln kann. Ich bin
eine Aufgabe, deren Schwierigkeit kaum noch zu aber durchaus der Meinung, daß sich die exzeptio-
überbieten ist. Diese Feststellung gilt in gleichem nelle Lage der Bundesrepublik, die überhaupt un-
Maße für die militärische Luftabwehr und für ter dem speziellen Aspekt des Luftschutzes nichts
den zivilen Luftschutz. Vor allem die Entwicklung weiter als ein einziger großer Grenzstreifen ist,
der Atom- und der Wasserstoffbombe sowie der in den von Ihnen angeschnittenen Verhandlungen
Kobaltbombe, die ich gerade erwähnt habe, hat auswirken sollte. Ich glaube, weiter kann ich nicht
auch auf dem Gebiete des zivilen Luftschutzes die gehen, um nicht in diesem Stadium die Bundes-
ganze Welt in Unruhe gesetzt. So darf ich auf Zei- regierung, bevor sie Gelegenheit gehabt hat, dazu
tungsnachrichten hinweisen, wonach der Leiter des Stellung zu nehmen, unnötig zu verpflichten.
New Yorker Luftschutzes vor wenigen Tagen er-
klärt hat, daß bei einem Wasserstoffbombenan- (Abg. Maier [Freiburg] : Ich danke!)
griff New York völlig geräumt werden solle und Ich darf fortfahren und sagen, daß der moderne
daß die Luftschutzkeller zwecklos geworden seien. Luftschutz weithin ein technisch-wissenschaftliches
950 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Bundesminister Dr. Schröder)
Problem ist. Sobald die Behandlung von Luft- griffen mit Spreng- oder Brandbomben, mit denen
schutzfragen uns durch die alliierte Kommission im wir in Deutschland auch in Zukunft im Ernstfall zu
Herbst 1951 freigegeben wurde, haben wir in eng- rechnen hätten, ein entsprechend gestalteter Luft-
stem Zusammenwirken mit dem Deutschen For- schutzraum auch heute noch sinnvoll ist. Nach der
schungsrat eine Schutzkommission gebildet, der übereinstimmenden Auffassung der Wissenschaft-
eine große Anzahl namhafter Wissenschaftler ange- ler und Techniker vermag ein Schutzraum geeig-
hört. Die Kommission bearbeitet aus der Grund- neter Konstruktion in einer gewissen Entfernung
lagenforschung heraus die für den Luftschutz auf vom Detonationszentrum einer Atombombe noch
dem Gebiet der Kernphysik, der Chemie, der Bio- wirksamen Schutz zu gewähren. Die durch die
logie und der Medizin sich ergebenden Probleme. Wasserstoffbombe geschaffene neue Lage bedarf
Aus erfahrenen Luftschutzsachverständigen haben noch der wissenschaftlichen und technischen Über-
wir zur Vorbereitung der technischen Fragen auf prüfung. Die meisten Erfahrungen auf diesem Ge-
dem Gebiet des baulichen Luftschutzes, des Brand- biete haben die USA aufzuweisen. Ich begrüße
schutzes, des Sanitäts- und Entgiftungsdienstes eine es daher besonders, daß ich bereits in der nächsten
Reihe von technischen Ausschüssen gebildet. Zeit auf Grund einer amerikanischen Einladung
Wir haben ferner inzwischen die Bundesanstalt eine Studienkommission in die Vereinigten Staa-
für Luftschutz errichtet, die Mitte Mai vorläufig ten entsenden kann. Sobald die Erfahrungen dieser
in Bad Godesberg ihre Tätigkeit aufnehmen wird. Studienkommission ausgewertet sind, werde ich
Die Anstalt hat zwei wichtige Aufgaben zu er- ein bereits vorbereitetes umfassendes Luftschutz-
füllen. Die erste besteht darin, die Erkenntnisse programm dem Kabinett zur Beschlußfassung vor-
der wissenschaftlichen Forschung für die Praxis legen. Dann wird auch die Zeit gekommen sein,
des Luftschutzes auszuwerten. Die zweite nicht sich über die Deckung der für einen umfassenden
minder wichtige Aufgabe besteht darin, die füh- Luftschutz erforderlichen Kosten schlüssig zu wer-
renden Persönlichkeiten auf dem Gebiete des den. Dieses Luftschutzprogramm wird die Beträge
praktischen Luftschutzes, insbesondere die Luft- aufweisen, die für die Durchführung der in ihm
vorgeschlagenen Maßnahmen erforderlich sind. Es
schutzleiter unserer Großstädte mit den Aufgaben
vertraut zu machen, vor die ein moderner Luft- wird auch die Frage behandeln, ob die Kosten für
krieg sie stellen würde. den Luftschutz grundsätzlich vom Bunde zu tragen
sind oder ob auch die Länder und die Gemeinden
Wir wissen, meine Damen und Herren, welch an diesen Kosten beteiligt werden müssen. Ich habe
große Bedeutung der Aufgabe zukommt, unserer eben schon auf eine Zwischenbemerkung des Herrn
Bevölkerung die Notwendigkeit und Möglichkeit Kollegen Maier gesagt, daß das dann auch der
des Luftschutzes wieder nahezubringen.- In uns Augenblick sein wird, abschließend zu der Kosten-
allen wirkt der Schrecken der Bombennächte bis frage Stellung zu nehmen. Ich freue mich, aus dem
zum heutigen Tage nach. Wir haben den Bundes- Verhalten gerade unserer Kollegen von der SPD-
luftschutzverband errichtet, damit er Hand in Hand Fraktion entnehmen zu können, daß wir die sehr,
mit der Presse und den großen berufsständischen sehr schwierige Aufgabe der Finanzierung hoffent-
und sonstigen Organisationen unseres Volkes die lich in einem allgemeinen Einverständnis werden
gesamte Bevölkerung des Bundesgebiets über die lösen können.
Notwendigkeit von Luftschutzmaßnahmen und
über die Luftschutzselbsthilfe aufklärt, ohne die Meine Damen und Herren! Ich glaube dargelegt
wir in einem Ernstfall nicht auskommen würden. zu haben — so gut das in diesen wenigen Minuten
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß sich trotz möglich ist —, welche riesengroße Verantwortung
der großen psychologischen Schwierigkeiten, die das Problem des zivilen Luftschutzes nicht nur dem
das Luftschutzproblem bietet, bereits Tausende von Bundesminister des Innern, sondern der Bundes-
freiwilligen Helfern zur Verfügung gestellt haben. regierung und zu gegebener Zeit, wenn es nämlich
Die 3,5 Millionen DM, die im Haushalt 1954 für gilt, die zur Durchführung des zivilen Luftschutzes
den Bundesluftschutzverband ausgeworfen sind, erforderlichen Gesetze zu beschließen, auch diesem
werden uns helfen, die Organisation dieses Ver- Hohen Hause auferlegt. Wir werden, wie ich glaube,
bandes weiter auszubauen. alle einträchtig zusammenarbeiten müssen, um die
überaus schwere Aufgabe, die uns hier gestellt ist,
Auch das Technische Hilfswerk mit seinen 28 000 zum Besten unseres Volkes gemeinsam zu meistern.
fest verpflichteten Helfern wird als technischer
Arm des Luftschutzes wichtige Aufgaben zu erfül- (Beifall bei den Regierungsparteien.)
len haben. Die Planung für die Aufstellung eines Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren!
Luftschutzhilfsdienstes ist abgeschlossen. Er wird Ich habe übersehen, auch heute wieder einem Ge-
einen Brandschutzdienst, Bergungs- und Instand- burtstagskinde zu gratulieren, soweit man noch von
setzungsdienst, Sanitätsdienst, Entgiftungsdienst „Kind" sprechen kann. Der Abgeordnete Eberhard
und einen sozialen Betreuungsdienst umfassen. Der wird heute 62 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!
Luftschutzhilfsdienst soll zunächst in den besonders
gefährdeten Orten des Bundesgebiets, und zwar (Beifall und Heiterkeit.)
zunächst auf freiwilliger Grundlage, organisiert, Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
ausgebildet und ausgestattet, aber erst im Ernst-
fall zur Dienstleistung einberufen werden. (Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders begibt sich
zum Platz des Präsidenten. — Heiterkeit.)
Das schwierigste Problem des gesamten Luft-
schutzes bildet bei der Entwicklung der modernen Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP): Wer sich selbst
Luftangriffsmittel die Errichtung von Schutzräu- erhöht, der wird erniedrigt werden!
men. Die sehr pessimistische Erklärung des Luft- (Erneute Heiterkeit.)
schutzleiters von New York zu dem Problem der
Schutzräume geht von den amerikanischen städte- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor
baulichen Verhältnissen aus, die für uns in wenigen Tagen hat der Herr Bundeskanzler in
Deutschland nicht zutreffend sind. Es kann kein einer sehr beachtenswerten Rede in Düsseldorf auf
Zweifel daran bestehen, daß gegenüber Luftan dem Kongreß für die freien Berufe sein lebhaftes
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(Frau Dr. Dr. h. c. Lüders)
Mißfallen der Tatsache gegenüber ausgesprochen, setz behandelt werden, zu Leibe zu rücken. Dieses
daß die geistige Arbeit so ungeheuer unterbewer- Gesetz von 1953 verbietet klipp und klar und ganz
tet wird. Wir werden dem alle zustimmen, einerlei, unzweideutig die Einrichtung und die Unterhaltung
wo wir politisch oder sonst stehen. Aber, meine von Bordellen. Man fällt aber täglich mehr in die
Damen und Herren, ich möchte doch darauf hin- Methoden der Nazi zurück, die 1940 gegen das erste
weisen — es gab in Düsseldorf natürlich keine Dis- Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankhei-
kussion —, daß ganz besonders niedrig die gei- ten von 1927 einen schweren Stoß unternommen
stige Arbeit von Frauen bewertet wird. Sie werden und dem System der „Reglementierung" mit allem,
höchstwahrscheinlich alle mit mir der Meinung was dazu gehört, wieder den Weg gebahnt haben.
sein, daß die vor vielen Jahrzehnten gemachten Wollen wir Nazi-Systeme nachahmen oder nicht?
Ausführungen eines bekannten Arztes — ich Darüber müssen wir uns klar sein, und dann müs-
glaube, er lebte in München — über den „physio- sen wir ehrlich genug sein, j a oder nein zu sagen;
logischen Schwachsinn des Weibes" dazwischen gibt es hier nichts.
(Heiterkeit) (Sehr richtig! bei der SPD.)
heute nicht mehr unbedingt zutreffen, sondern daß Aber wie denken wir denn eigentlich über die
der physiologische Schwachsinn gleichmäßig auf Verwendung öffentlicher Mittel zum Ankauf von
beide Geschlechter verteilt ist. Gelände zur Errichtung von Bordellen sowie zur
(Große Heiterkeit.) Ausstattung der Gebäude für dieses schmutzige
Handwerk oder Gewerbe — man darf ja beide
Es ist überaus bemerkenswert, in welcher Weise Worte eigentlich gar nicht gebrauchen; es ist eine
man sich, um die Benachteiligung der geistig arbei- Beleidigung für das Handwerk und eine Beleidi-
tenden Frauen zu erreichen, über vorhandene Bun- gung für das Gewerbe —, wie denkt man eigentlich
desgesetze einfach hinwegsetzt, z. B. Frauen, Aka- über die Verwendung öffentlicher Mittel für solche
demikerinnen, die einen 131er-Schein besitzen, schmutzigen Zwecke?
unter ganz fadenscheinigen Begründungen immer
wieder abweist und ihnen das nicht zugute kom- (Zuruf von der Mitte: Pfui!)
men läßt, was man bei den Männern auf Grund des — Jawohl, pfui! Und wer genehmigt denn diese
Art. 131 absolut selbstverständlich findet. Auch die Mittel, und wer weiß um die Verwendung dieser
Juristinnen, die in der Nazizeit aus ihren Ämtern Mittel, und wer rührt keinen Finger dagegen?
entfernt oder z. B. an der Ausübung der Anwalts-
praxis gehindert worden sind, werden heute bei (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Aber nicht
der Einstufung immer noch zurückgestellt. Wozu der Bund!)
haben wir eigentlich allgemein gültige Bundes- Meine Damen und Herren, das sind die amtlichen
gesetze, wenn jedes Land oder jede Organisation Kuppler; einen anderen Ausdruck gibt es für Ober-
— auch die Universitäten und diese nicht zuletzt — bürgermeister und Bürgermeister, die so etwas
glaubt, es sich herausnehmen zu können, gegen dulden, überhaupt nicht.
diese Gesetze zu verstoßen?
(Hört! Hört! in der Mitte. — Abg. Frau Dr.
(Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Frau Weber [Aachen]: Aber nicht der Bund!)
Dr. Weber [Aachen]: Ich bin noch eine
Stufe höher gekommen! — Heiterkeit.) Und wer bringt diese amtlichen Kuppler, die nicht
besser sind als die, die in die Häuser hineingesteckt
— Es gibt ja ganz exzeptionelle Verdienste, und ich werden, vor den Strafrichter — mir ist nichts be-
freue mich, daß ich immer schon Gelegenheit hatte, kannt! —, so wie das Gesetz zur Bekämpfung der
bei Ihnen diese Verdienste beobachten zu können; Geschlechtskrankheiten es verlangt? Nichts derglei-
(große Heiterkeit und Beifall im ganzen chen geschieht! Kennt man vielleicht in den Ver-
Hause) waltungsbehörden den § 180 des Strafgesetzbuches
nicht, oder will man ihn eigentlich nicht kennen?
und weil ich das, verehrte Frau Kollegin Weber, Ich behalte mir vor, dem Strafrechtsausschuß ent-
aus jahrzehntelanger Erfahrung weiß, darf ich an- sprechende Vorschläge zur Ergänzung von § 180
nehmen, daß Sie für meine folgenden Ausführun- Abs. 2 zu machen. Kennt man auch nicht die Ent-
gen großes Verständnis besitzen und mir und uns schließung der Vereinten Nationen zu diesen Fra-
allen helfen werden. gen? Man scheint immer dann ein Analphabet zu
(Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Sehr gern!) sein, wenn es einem gerade paßt.
— Ich weiß nicht, ob alle „sehr gern" sagen wer- Und was tut die Staatsanwaltschaft? Sie ver-
den; Sie sicher. schanzt sich zur Begründung für ihr Nichteingrei-
(Erneute Heiterkeit.) fen dahinter, daß in diesen Lokalitäten angeblich
„keine Ausbeutung" und „kein Anhalten" zur Un-
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, daß zucht stattfinde. Dann möchte ich doch einmal fra-
ich einige weitere, aber sehr ernste Worte zu dem gen: sind 15 bis 25 DM und mehr tägliche Miete
Tatbestand der völligen Mißachtung von Bundes- keine Ausbeutung, und ist das kein Anhalten zur
gesetzen und damit der völligen Mißachtung der Unzucht? Denn es muß ja erst einmal das Geld
Autorität der Bundesregierung an Sie richte. Seit verdient werden, um diese Mieten bezahlen zu
Jahr und Tag beobachten wir täglich immer schwe- können.
rere Verstöße beinahe in allen Großstädten, wahr- (Sehr richtig! bei der SPD.)
scheinlich auch in mittleren — ich habe sie sogar
auf dem Lande beobachtet —, gegen das „Gesetz Mit uns deutschen Frauen kämpfen seit Jahr-
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten". zehnten die Deutsche Dermatologische Gesellschaft,
Meine Damen und Herren, erschrecken Sie nicht die Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts-
über das, was ich jetzt sagen werde. Sie werden krankheiten, der Internationale Verband zur Be-
es verstehen von jemandem, der vierzig Jahre lang kämpfung des Mädchenhandels — der Mädchenhan-
gekämpft hat, um den Dingen, die in diesem Ge- del besitzt j a bekanntlich in den Bordellen Zutrei-
952 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Frau Dr. Dr. h. c. Lüders)
ber für sein schmutziges Geschäft —, und mit uns dort dem Verbrechertum zu Leibe rücken. Nun, da
kämpfen seit Jahrzehnten die Kirchen aller Kon- züchtet man Verbrecher en gros, und da zieht man
fessionen, — alles vergebens! die Jugend auf einen verbrecherischen Weg! Aber
wenn man alles das, was das Gesetz vorschreibt,
Wie denkt man sich denn eigentlich die Möglich- mißachtet, dann, so bitte ich, bekenne man sich
keit, die Methode gewisser Besatzungsstellen zu ganz offen und ehrlich zum „Grundsatz der dop-
bekämpfen, die innerhalb von Kasernen deutsche pelten Moral!" Will man ihn, oder will man ihn
Mädchen in Bordellen halten? Will die Besatzungs- nicht?
behörde solche Unternehmungen in ihren Kasernen
haben, dann mag sie es tun; aber dann mag sie Man leugnet, daß wir schon wieder bei der im
es bitte tun unter ihrer nationalen Flagge, die soll- alten Gesetz verbotenen Kasernierung angekom-
ten sie dann dort hochhängen, men sind. Nun, wenn ein Häuserbesitzer oder meh-
rere Mädchen als Häuserbesitzer in einer größeren
(Sehr richtig! bei der SPD) Anzahl nebeneinander liegender Häuser in der
und dann mag sie es bitte tun auf ihre Kosten, gleichen Straße wohnen — sie sind zwar nicht qua
aber nicht über Besatzungskosten auf unsere Gesetz, wie früher, kaserniert —, sagen Sie, ist das
Kosten. Dann mag sie es auch tun mit Frauen ihrer keine, nun, meinetwegen sagen Sie: freiwillige
Nation, aber nicht mit deutschen Frauen. Kasernierung? Verstößt die nicht genau so gut ge-
gen das Gesetz wie das, was ich vorher gesagt
(Beifall.) habe? Je länger man das duldet, desto lückenloser
Meine Damen und Herren, Kollegin Weber ist wird dieses System.
Zeuge, Kollegin Teusch aus dem Reichstag ist Was ich hier sage, kann ich Ihnen alles an Hand
Zeuge, und die Kollegin Schroeder ist Zeuge: wir einer Fülle von Material beweisen. Wer wird denn
haben seinerzeit nach 1918 nicht ohne Erfolg gegen in diese Wohnungen ziehen? Die Herren der Obrig-
diese Methoden der damaligen Besatzungsbehör- keit, die es dulden, daß das alles gemacht wird,
den gekämpft. werden sich dort ganz bestimmt keine Villen
(Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Sehr bauen, aber die Stiegen kehrt man bekanntlich
richtig!) von oben.
(Sehr richtig! bei der SPD.)
Sollten Sie uns nicht alle unterstützen, wieder den
Kampf durchzuführen und mit Erfolg durchzu- Da fängt man an. Man sagt ja immer, wir Alten
führen? hätten alles hinter uns, wir könnten schlau reden.
(Beifall.)
- (Heiterkeit.)
Aber, meine Damen und Herren, es wird unge-
heuer schwer sein, wenn ich rufe: „Haltet den Ganz so ist es ja nun doch nicht. Man höre aber
Dieb!" und meine Hände selber in der Tasche des auf mit Moralpredigten! Die stehen mir sämtlich
Nachbarn habe. Wie will eine deutsche Obrigkeit h i er, wenn ich das immer alles anhören muß,
sich dagegen auflehnen, wenn man ihr Material was den Jungen nahegelegt wird und was uns an-
über Material nachweisen kann, daß sie genau das geblich so am Herzen liegt. Auf der anderen Seite
gleiche tut! Aber wollen die deutschen Behörden stört es niemanden, wenn alle diese Dinge vor-
das selber tun, — dann bitte unter vollkommen kommen.
gleichen Voraussetzungen für die Behandlung der (Abg. Putzig: Das wäre eine dankbare Auf
Besucher wie für die Behandlung der Insassen die- gabe für Herrn Wuermeling! — Abg. Dr.
ser Häuser. Die Besucher sind nicht einen Deut Greve: Wenn der da auch die Volkszensur
besser als die anderen. einführt!)
(Sehr richtig!) — Ja, das wäre eine ausgezeichnete Aufgabe. Aber
Es gibt ein altes Wort: „Der Hehler ist so gut wie ich möchte ihn nicht zitieren, weil ich fest über-
der Stehler." Wenn man die deutschen Gesetze zeugt bin: er weiß selber ganz genau, was er auf
und wenn man die Autorität der Bundesregierung dem Gebiet tun könnte, wenn er wollte.
derart mißachten will, dann höre man endlich (Heiterkeit bei der SPD.)
auf mit dem heuchlerischen Gejammer vom Ver- Ich darf Ihnen aber ganz zum Schluß nur einmal
fall von Sitte und Moral bei der Jugend. einige Beispiele geben. Es hat vor gar nicht sehr
(Beifall bei der FDP, bei der SPD und langen Jahren — es war zur Nazizeit — in Düssel-
beim GB/BHE.) dorf einen Stadtobermedizinalrat gegeben, der für
den damaligen Herrn Oberbürgermeister — er war
„Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen", später Bundesminister — einen sehr ausführlichen
das wissen wir sehr genau. Man höre endlich ein- Plan ausarbeitete unter dem Titel „Sexualverkehrs-
mal auf, volltönende Reden über den Schutz von gewerbeordnung".
Ehe und Familie zu halten, wenn man nicht den
Mut hat, hier offen einzugreifen und den Bundes- (Große Heiterkeit.)
gesetzen Geltung zu verschaffen; denn Bundesrecht — Meine Herren und Damen, das ist gar nicht
geht vor Landesrecht. lächerlich!
Man hat sich früher bezüglich dieser Einrichtun- (Zuruf von der SPD: Da ist Seebohm
gen darauf berufen, sie wären aus gesundheitlichen zuständig! — Lachen.)
Gründen notwendig. Wer will das heute noch be- Ist das vielleicht ein Gewerbe? Ich nehme jedes
haupten? Wenn uns jeden Tag erzählt wird, welche anständige Gewerbe dagegen in Schutz, daß man
Wirkungen das Penicillin — die einen sagen: Gott die Bezeichnung für anständige Gewerbe hierauf
sei Dank, die anderen sagen: leider — hat, dann überträgt. Und vor allem: zahlen denn die Bewoh-
ist kein Anlaß mehr vorhanden, diese Einrichtun- nerinnen dieser Häuser Gewerbesteuer, Herr
gen aus gesundheitlichen Gründen aufrechtzuer- Finanzminister?
halten. Man hat sich darauf berufen, man wolle (Heiterkeit.)
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 953
(Frau Dr. Dr. h. c. Lüders)
— Ach, Sie sind nicht hier. — Mir ist nichts davon allein mir fehlt der Glaube." Will man also „dop-
bekannt. — Ah, da sind Sie ja. Verehrter Herr pelte Moral", dann sage man es offen. Will man
Minister, ich will Ihnen nur zu Einnahmen ver- christliche Ethik oder nicht, dann sage man es offen.
helfen. Will man Ausnahmegesetze nur für Frauen, dann
(Anhaltende Heiterkeit.) sage man es ebenfalls offen, und dann werden wir
Zahlen die Insassinnen dieser Häuser Einkommen- uns darüber weiter unterhalten.
steuer, Herr Minister? Ich glaube nicht. (Lebhafter Beifall bei der FDP, bei der SPD
(Abg. Dr. Greve: Sie werden geschätzt! — und bei Abgeordneten des GB/BHE.)
Heiterkeit.)
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Bun-
Der Herr Arbeitsminister ist auch nicht hier. Haben desminister des Innern.
diese Frauen ein Recht, wenn sie arbeitslos sind,
sich bei den Arbeitsnachweisen einzutragen und Dr. Schröder, Bundesminister des Innern: Herr
vermitteln zu lassen? Präsident! Mein Damen und Herren! Ich möchte
(Große Heiterkeit.) mich der Äußerung meiner Auffassung dazu ent-
halten, ob es richtig ist, die Fragen, die Frau Kol-
— Nein, meine Herren, das ist gar nicht lächerlich! legin Lüders angeschnitten hat, gerade anläßlich
Sie verkennen ganz den Ernst dessen, was ich der Behandlung des Haushalts des Bundesministers
sage. — Herr Arbeitsminister, sind sie versiche- des Innern aufzuwerfen.
rungspflichtig? Mir ist nichts davon bekannt.
(Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD.)
Aber noch etwas, was in dieser schönen „Sexual-
verkehrsordnung" angeraten war. Das ist gar nicht Da die Frau Kollegin — —
gleichgültig im Hinblick auf die vielen Messen und (Zuruf des Abg. Schoettle.)
Ausstellungen, die wir haben. Es wurde dort von — Bitte, hören Sie doch eben weiter an, was ich
jenem Stadtobermedizinalrat empfohlen, den Poli- jetzt sagen werde. — Da die Frau Kollegin das
zisten Lagepläne dieser Häuser in die Hand zu getan hat, darf ich wenigstens kurz darauf erwi-
geben, damit sie die ortsfremden Besucher davor dern. Die Frau Kollegin war so freundlich, mir
behüteten, wie es in dem Entwurf heißt, in der kürzlich anzukündigen, daß sie diese Frage im
falschen Richtung zu gehen, sich zu verlaufen. Mir Bundestag zur Sprache bringen wolle. Ich habe sie
scheint, sie verlaufen sich unter allen Umständen, gleich darauf hingewiesen, daß dieses Thema nach
mit und ohne polizeiliche Anweisung. meiner Überzeugung eher in den Landtagen zu
(Heiterkeit.) behandeln wäre
Kann man vielleicht von diesen Einnahmen, die (Zustimmung in der Mitte)
man in den Häusern hat, etwas bei der Steuer ab- als hier im Bundestag.
setzen oder nicht? Und können die Besucher auch
etwas von der Steuer absetzen für die Ausgaben, (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Und in den
die in diesen Häusern bekanntlich sehr hoch sind? Stadtverordnetenversammlungen!)
(Heiterkeit.) Ich bin nämlich der Auffassung,
(Zuruf von der SPD)
Sehr hoch. Ich will weiter niemanden fragen.
— vielleicht erlauben Sie mir, das zu sagen, Herr
(Große Unruhe und lebhafte Schlußrufe Kollege —, daß die gesetzgeberischen Handhaben
von der Mitte.) — und das ist doch das Thema, für das wir hier
— Meine Herren, regen Sie sich ja nicht auf! eine Zuständigkeit haben — durchaus ausreichen,
um mit diesem Problem in einem angemessenen
(Abg. Dr. Seffrin: Pfui!) Rahmen fertig zu werden. Ich bin der Auffassung,
Ich verzichte darauf, Ihnen das Material hier vor- daß alles das, was die Frau Kollegin ausgeführt
zulesen, das ich besitze. hat, eine Aufgabe der Justizverwaltung und der
Polizei ist, also zweier Instrumente, die sich in den
(Erneute Schlußrufe von der Mitte.)
Händen der Länder befinden.
Es ist wohl besser, wir betrachten die Dinge einmal (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Der inneren
ohne diese Begleitmusik; die könnte sonst anders Verwaltung!)
ausfallen.
Daß wir an diesen Fragen, soweit sie zur Zustän-
Wie denkt man darüber, daß diese Frauen einen digkeit des Bundes gehören, ein besonderes In-
bevorzugten Zuzug in Städten bekommen? Wie teresse, auch aus der Perspektive des Jugend-
denkt man darüber, daß sie bevorzugt Wohnung schutzes nehmen, ist sicher. Kürzlich haben darüber
bekommen? Wie denkt man darüber, daß in mit sogar interministerielle Besprechungen stattgefun-
Mitteln des sozialen Wohnungsbaus erbauten Woh- den, in denen dieses Problem erörtert worden ist
nungen die Untervermietung an diese Frauen zu- mit dem Ziel, vielleicht zu irgendwelchen besseren
gelassen ist? Wie denkt man darüber, daß eine Handhaben zu kommen. Ich kann nur sagen: Ich
nahegelegene Stadt in ihrem Aufbauplan eine bin überzeugt, daß die Bestimmungen sowohl im
riesig hohe Mauer in der Planung vorgesehen hatte, Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrank-
lie erst von einer mutigen Stadtverordneten ent heiten wie die Bestimmungen im Strafgesetzbuch
eckt und dann wegrasiert wurde? Wie denkt-d man ausreichen, mit diesen Tatbeständen fertig zu
darüber, daß man alles mögliche beschlagnahmt; werden.
aber z. B. ist mir gar nichts von der Beschlagnah-
mung der Zeitschrift „Quick" bekanntgeworden, die (Zuruf der Abg. Frau Dr. Weber [Aachen].)
n Hamburg vier Seiten umfassende Abbildungen Ich glaube, daß alles, was darüber gesagt worden
Tiber die Hamburger Bordelle, ihre Eigentümer und ist, an die Adresse der für die Handhabung dieser
ihreInsa bct.Udwoleias Bestimmungen Verantwortlichen zu richten ist.
Bewahrungstz?„Diochaför'wl, (Beifall in der Mitte und beim GB/BHE.)
954 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Präsident D. Dr. Ehlers: Es liegen keine weiteren Damit sind sämtliche Änderungsanträge erledigt.
Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung des Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag
Einzelplans 06. des Ausschusses — Drucksache 356 — betreffend
Wir kommen zur Abstimmung über die Ände- Einzelplan 06 zuzustimmen wünschen, eine Hand
rungsanträge, zunächst den der Fraktion der SPD zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
auf Umdruck 36 *) betreffend Kap. 0602 Tit. 640. Dieser Einzelplan ist mit Mehrheit angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag Damit, meine Damen und Herren, kommen wir
zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — zu
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Einzelplan 08 — Haushalt für den Geschäfts-
Mehrheit. Dieser Antrag ist abgelehnt. bereich des Bundesministers der Finanzen
Wir kommen zum Umdruck 48**), Änderungs- (Drucksache 358).
antrag der Fraktion der SPD betreffend Kap. 0609 Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Krammig.
Tit. 300. Ich bitte die Damen und Herren, die Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand
zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Krammig (CDU/CSU), Berichterstatter: Herr Prä-
zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. sident! Meine Damen und Herren! Der Einzel-
plan 08 — Haushalt für den Geschäftsbereich des
Änderungsantrag der SPD Umdruck 37***). Meine Bundesministers der Finanzen — schließt mit
Damen und Herren, ich darf hier eine Frage stellen. einem Zuschußbedarf von 647,6 Millionen DM ab.
Ihre Meinung ist ja, daß über die beiden Teile (Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)
dieses Antrages zu Einzelplan 06 und Einzelplan 35
gemeinsam abgestimmt werden soll. Das ist gegenüber dem Rechnungsjahr 1953 ein
(Zustimmung.) Mehr von etwa 48 Millionen DM. Ich komme noch
darauf zurück, warum dieses Mehr entstanden ist.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag
zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. — Ich Im Geschäftsbereich des Bundesministers der
bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Finanzen sind 45 088 Personen tätig. Neben der
Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt. Damit er- Bundespost und der Bundesbahn umfaßt dieser
übrigt sich auch die Abstimmung zu Einzelplan 35. Geschäftsbereich den größten Personalhaushalt des
Bundes. Auf die Bundeszollverwaltung entfallen
Umdruck 38****), Antrag der Fraktion der SPD allein 39 332 Personen. Ich darf bemerken, daß
zu Einzelplan 06. Ich bitte die Damen und Herren, gegenüber dem Rechnungsjahr 1953 im gesamten
die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
- — Geschäftsbereich ein Weniger von 5 Arbeitskräften
Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist zu verzeichnen ist. Der Herr Bundesminister der
abgelehnt. Finanzen hat also sein Wort, das er bei der Ein-
Umdruck 39*****), Antrag der Fraktion der SPD bringung dieses Haushalts gesprochen hat, wahr
betreffend Bundeszentrale für Heimatdienst. Ich gemacht, indem er in seinem eigenen Haushalt auf
bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen unbedingte Sparsamkeit geachtet hat.
wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Der Haushaltsausschuß hat den Einzelplan 08
Gegenprobe. — Das zweite war die Mehrheit. Der in der 17. und in der 30. Sitzung beraten. Ich darf
Antrag ist abgelehnt. das Ergebnis der 30. Sitzung vorwegnehmen.
Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE, (Anhaltende Unruhe. — Glocke des Präsi
Umdruck 61******), betreffend Kap. 0602! denten.)
Seiboth (GB/BHE): Wir beschränken diesen In ihr wurde dem Antrag des Finanz- und Steuer-
Antrag auf die Sperrung der Mittel in Höhe von ausschusses, bei der Bundesfinanzverwaltung —
60 000 DM für die Degesa. Steuer den Betriebsprüfungsdienst „Steuer" um
einige Kräfte zu vermehren, entsprochen.
Präsident D. Dr. Ehlers: Also der Antrag wird Wegen der Kürze der Zeit will ich mich auf zwei
in der Form gestellt, daß Sie einen Sperrvermerk Probleme dieses Haushalts beschränken. Die
für 60 000 DM, Mittel für die Degesa, haben wollen? Steuerverwaltungskostenbeiträge des Bundes an
die Länder, die mit 220 Millionen DM veranschlagt
(Abg. Seiboth: Jawohl!) sind, nahmen in den Erörterungen des Ausschusses
Meine Damen und Herren, ist das klar? — Ich bitte einen breiten Raum ein. Der Vertreter des Bundes-
die Damen und Herren, die dem Antrag in dieser rats beantragte eine Erhöhung auf 450 Millionen
geänderten Form zuzustimmen wünschen, um ein DM. Wenn diesem Antrag entsprochen worden
Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — wäre, hätte der Bund damit 66 2/3°A der Steuerver-
Das zweite war die Mehrheit. Dieser Antrag ist waltungskosten der Länder übernommen. Der An-
abgelehnt. satz macht ein Drittel der Steuerverwaltungskosten
der Länder aus. Der Ausschuß billigte mit Mehr-
heit diesen Ansatz.
*) Siehe Anlage 16 zum Stenographischen Bericht
der 24. Sitzung Seite 941 A Die Erhöhung des Zuschußbedarfs ist im wesent-
SS) Siehe Anlage 20 zum Stenographischen Bericht lichen auf das Kap. 0806 — Bundesvermögens- und
der 24. Sitzung Seite 943 A Bundesbauverwaltung — zurückzuführen. Dort
***) Siehe Anlage 17 zum Stenographischen Bericht zeigt sich gegenüber dem Rechnungsjahr 1953 ein
der 24. Sitzung Seite 941 B Mehr von '72 Millionen DM. Dieses Mehr ist im
****) Siehe Anlage 18 zum Stenographischen Bericht wesentlichen in den Sachausgaben, die auf Grund
der 24. Sitzung Seite 942 A gesetzlicher Bestimmungen auf uns zugekommen
*****) Siehe Anlage 19 zum Stenographischen Bericht sind, zu suchen. Ich darf erwähnen, daß das Bun
der 24. Sitzung Seite 942 B desfinanzministerium einer Reihe besonderer Anlie-
******) Siehe Anlage 21 zum Stenographischen Bericht gen des Bundestages aus der verflossenen Legisla-
der 24. Sitzung Seite 943 B turperiode hierbei Rechnung getragen hat.
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 955
(Dr. Krammig)
Beim Kap. 07 hat der Ausschuß mit Befriedigung ten wir die ausdrückliche Unterstützung der sozial-
von der Übersicht über das Sondervermögen demokratischen Fraktion zusagen.
(Lastenausgleichsfonds) Kenntnis genommen. Eine weitere Bemerkung, die ich machen möchte,
Im außerordentlichen Haushalt sind bei der betrifft die Finanzpolitischen Mitteilungen des
Bundesfinanzverwaltung Zoll keine Neubauten, bei Bundesministers der Finanzen, die dem Bulletin
der Bundesvermögens- und Bundesbauverwaltung des Presse- und Informationsamtes beigegeben
zwei Neubauten und ein Umbau vorgesehen. Da- sind. Im allgemeinen kann man mit diesen Finanz-
mit wäre im großen und ganzen der Gang durch politischen Mitteilungen zufrieden sein.
den Einzelplan 08 beendet. (Abg. Dr. Dresbach: Sehr richtig!)
(Beifall.) Sie enthalten sehr viel gutes Material. Hier und
Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke dem Herrn da wird in den Finanzpolitischen Mitteilungen
Berichterstatter. auch, wie mir scheint, nicht zulässige Propaganda
gemacht, oder es wird mal eine ministerielle Dar-
Ich eröffne die Aussprache. — Änderungsanträge stellung gegeben, um — das habe ich im vorigen
liegen nicht vor. Bitte, Herr Abgeordneter Profes- Jahre einmal gerügt — damit in eine Auseinander-
sor Gülich! setzung einzugreifen, die nur im Plenum des Bun-
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hin- destages möglich ist.
weisen, daß sich der Herr Bundesfinanzminister (Abg. Dr. Dresbach: Es sollen doch nicht
nicht demonstrativ entfernt hat, sondern daß er in Übungen für erste Semester sein!)
diesem Augenblick in den Bundesrat, der gleich-
zeitig die Finanz- und Steuerreform berät, gerufen — Nein, Herr Dresbach, es soll nur darin alles so
worden ist. Er hat den Wunsch ausgesprochen, daß dargestellt werden, wie es nun einmal dem Anse-
wir, wenn seine Anwesenheit erwünscht und not- hen des Finanzministeriums entspricht.
wendig ist, die Beratung etwas vertagen. Ich mache (Abg. Dr. Willeke: Darüber kann man geteil
Ihnen diesen Vorschlag für den Fall, daß es ge- ter Meinung sein!)
wünscht wird. — Man kann darüber geteilter Meinung sein. Aber,
Bitte, Herr Professor! Herr Willeke, ich glaube, wenn wir beide die Dinge
konkret betrachten, werden wir feststellen, daß die
Dr. Gülich (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Dinge, die ich beanstande, auch von Ihnen bean-
und Herren! Im Auftrage meiner Fraktion habe
standet werden; davon bin ich überzeugt. Wenn
ich zunächst noch eine Bemerkung zum soeben ab-
- wir schon ein Organ brauchen, das die Bevölkerung
geschlossenen Einzelplan 06 Kap. 20 — Bundesamt
über finanz- und steuerpolitische Tatsachen und
für Landbeschaffung — zu machen, das der Aus-
Maßnahmen und über Haushaltsfragen unter-
schuß mit Mehrheit gestrichen hat und zu dem ich richtet, dann sollte man auch ein paar Mark mehr
infolgedessen gestern nicht sprechen konnte. Ich
ausgeben — Mittel für Propaganda stehen im Etat
möchte dazu bemerken, daß die sozialdemokrati-
ja genug zur Verfügung — und die Finanzpoliti-
sche Fraktion nicht wünscht, daß die Landbeschaf- schen Mitteilungen verselbständigen.
fung der Dienststelle Blank unterstellt wird, und
daß sie auch nicht wünscht — das hat sie bei den Dann muß ich eine weitere Bemerkung machen
Beratungen des Haushalts des Bundesinnenmini- zum Herrn Bundesfinanzminister selber, der nun
steriums zum Ausdruck gebracht —, daß eine sol- leider nicht da ist. Wir wissen, daß ein Finanz-
che Bundesanstalt für Landbeschaffung geschaffen minister ein sehr schweres Amt hat, und wir er-
wird. Sie ist vielmehr der Meinung, daß die Land- kennen an, daß die Beamten des Finanzministe-
beschaffung im Bundesministerium der Finanzen riums in allen Ausschußsitzungen eine außerordent-
bestens aufgehoben ist. lich gute, treffliche und sachliche Arbeit leisten.
(Abg. Dr. Willeke: Richtig!) (Beifall.)
Wir haben im Bundesministerium der Finanzen Wir haben — auch eine Feststellung, die ich tref-
eine Vermögens- und Bauabteilung. fen möchte — lange beobachten können, daß der
Bundesfinanzminister selbst von politischen Geg-
(Abg. Dr. Dresbach: Jawohl!)
nern so weit geschätzt wurde, wie es seine Persön-
Diese Abteilung verwaltet die gesamten Liegen- lichkeit, sein Fachwissen und sein Dienstwissen be-
schaften des Bundes, sie stößt Liegenschaften ab, trifft. Daß dieser Bundesfinanzminister nun als
sie gibt Liegenschaften für Zwecke der Dienststelle Bayer und als Föderalist eine besonders schwere
Blank ab, sie erwirbt neue Liegenschaften, wenn Stellung im System des Grundgesetzes hat, ist
es nötig ist, oder gibt alte Liegenschaften in Tausch. eine bekannte Tatsache. Man könnte lediglich wün-
Das ist also bestens eingerichtet, und es ist nicht schen — damit spreche ich etwas aus, was ich schon
einzusehen, warum man hier eine Neuerung ein- oft gesagt habe —, daß der Bundesfinanzminister
führen sollte. endlich über den bayerischen Föderalisten siegen
In Verfolg dieser Dinge möchte ich an den Bun- möge.
desfinanzminister die Bitte richten, nun doch einen Aber ich muß nun doch eine sehr ernsthafte An-
Teil seiner Kraft darauf zu konzentrieren, daß im merkung machen zu den gestrigen Ausführungen,
2. Deutschen Bundestag die Auseinandersetzung die der Herr Finanzminister hier, ich kann nur
über Bundes- und Ländervermögen endlich abge- sagen, sich erlaubt hat. Das war ein Stil, mit dem
schlossen wird. Wir haben es im 1. Bundestag nicht Bundestag, ein Stil, mit der Opposition umzu-
geschafft, das nach Art. 134 Abs. 4 des Grundge- gehen, den wir in aller Form und in aller Entschie-
setzes notwendige Ausführungsgesetz zu machen. denheit zurückweisen müssen.
Wegen der schwierigen Verhandlungen mit den (Zustimmung bei der SPD.)
Ländern ist es nur zu dem sogenannten Vorschalte-
gesetz gekommen. Aber es ist nun an der Zeit, daß Er möge damit vergleichen die sympathische und
wir das Problem endgültig lösen, und dazu möch verbindliche Art, mit der sein um Jahrzehnte jün-
956 2. Deutscher Bundestag - 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Gülich)
gerer Innenminister-Kollege heute mit der Oppo- nämlich nicht um der Sparsamkeit willen, sondern
sition gesprochen hat. So kann man es ja auch das geschieht, damit man entsprechend in die Zei-
machen, man braucht nicht derartige Schärfen tung kommt und dann in den Zeitungen gesagt
herauszuholen. wird: Was ist doch dieser arme Bundesfinanzmini-
ster, der es so schwer hat — er hat es schwer! —
Wenn ich eben sagte, daß selbst politische Gegner für ein sparsamer Mann! Wenn das zutreffen soll,
ihn geschätzt haben, so nimmt das in einem für die dann soll er zunächst einmal seinen Frühstücks-
Stellung des Finanzministers bedrohlichen Ausmaß fonds streichen; dann könnten wir darüber reden.
ab. Wir erleben immer wieder, daß der Herr Bun-
desfinanzminister in den Ausschüssen Ausführun- (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der
gen macht, mit denen er nicht bestehen kann. So Mitte. — Abg. Arndgen: Das war aber bil
hat er beispielsweise jetzt, als wir über Berlin lig! — Abg. Dr. Vogel: Herr Professor,
sprachen, alle möglichen Leistungen des Bundes verfallen nicht die Ausführungen, die Sie
aufgezählt, um dadurch begreiflich zu machen, daß soeben gemacht haben, in den gleichen
die Forderungen Berlins nicht erfüllt zu werden Fehler, den Sie dem Herrn Bundesfinanz
brauchten. Damit hat er Dinge aufgezählt, die er minister vorgeworfen haben?)
auch in bezug auf Nordrhein-Westfalen oder — Ich denke nicht, Herr Vogel, denn ich antworte
Schleswig-Holstein oder jedes andere deutsche ja nur dem Bundesfinanzminister auf eine Maß-
Land aufzählen könnte. So — das möchte ich dem nahme, die ich, wenn Sie wollen, als ein Mätz-
Herrn Bundesfinanzminister sagen — geht es nicht. chen bezeichnen muß.
So bringt er sich um seine Glaubwürdigkeit, so (Erneuter Beifall bei der SPD.)
mindert er sein Ansehen.
Denn das ist keine ernsthafte Art, Sparsamkeit
(Beifall bei der SPD. — Abg. Pelster: So zu treiben. Und ich sage diese Dinge nur — ich
schlimm ist es nicht!) wiederhole es —, weil der Herr Bundesfinanz-
Wenn er gestern nicht so zur Opposition gespro- minister in seinen gestrigen Ausführungen jeden
chen hätte, würde ich das heute nicht mit solcher Sinn für Maß und Wert hat vermissen lassen.
Schärfe sagen. (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Dres
In den letzten Tagen — so liest man — ist das bach: Er hat doch einen schweren Tag vor
großartige Gebäude der Bundesmonopolverwaltung sich!)
für Branntwein in Frankfurt eingeweiht worden.
Dazu waren zahlreiche Gäste erschienen, und dann Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
wurde den Gästen mitgeteilt, sie hätten auf -Wunsch beim Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums
des Bundesfinanzministers ihr Frühstück selber zu ist der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD
bezahlen. Daraufhin wurden von jedem 5 Mark Umdruck 31 nicht zur Abstimmung gekommen und,
kassiert. ich glaube, auch nicht erörtert worden. Herr Ab-
geordneter Dr. Bleiß wollte diesen Entschließungs-
(Abg. Sabel: Das waren doch keine Minder antrag begründen. Er kommt ja erst in der drit-
bemittelten!)
ten Beratung zur Debatte. Wollen Sie ihn jetzt be-
— Es traf natürlich keine Minderbemittelten; aber gründen, Herr Abgeordneter Dr. Bleiß?
das ist ja nicht das Problem. (Abg. Dr. Bleiß: Es ist besser, wenn ich ihn
(Abg. Dr. Dresbach: Auf diese Art und Weise jetzt begründe.)
wird die blödsinnige Frühstückerei mal ein — Sie können ihn jetzt begründen, dann stim-
geschränkt!) men wir in der dritten Beratung darüber ab.
— Ach, Herr Dresbach, wenn auf diese Art die (Abg. Dr. Gülich: Er gehört in die Einzel
blödsinnige Frühstückerei eingeschränkt würde, beratung!)
dann würde ich Ihnen voll zustimmen, denn ich
bin auch der Meinung, daß zu viel gefrühstückt — Das ist richtig; es dreht sich nur um die Frage
wird. des Entschließungsantrags. Er wird jetzt begründet,
(Zustimmung bei der SPD, in der Mitte und in der dritten Beratung stimmen wir dann
und rechts.) darüber ab. Bitte, Herr Abgeordneter!
Wir haben immerhin in den Einzelplänen, die wir Dr. Bleiß (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
jetzt verabschieden, eine runde halbe Million als und Herren! Ich habe den Entschließungsantrag
Frühstücksfonds für die Herren Minister stehen, meiner Fraktion auf Umdruck 31*) zu begründen.
auch für den Herrn Bundesfinanzminister neben Vor einiger Zeit ist — in Zusammenhang mit der
der Aufwandsentschädigung. Aber im Haushalts- Regelung von Anleihen des Deutschen Reiches und
ausschuß haben wir diese Sonderposition für die des Landes Preußen — von Mitgliedern der Koali-
vier Sonderminister von je 20 000 DM — ich tionsparteien der Vorschlag gemacht worden, er-
glaube, wir waren im Haushaltsausschuß einmütig hebliche Teile des Bundesvermögens zu privatisie-
— auf je 10 000 DM gekürzt und haben die da- ren respektive zu reprivatisieren.
durch eingesparten 40 000 DM einem guten wis-
senschaftlichen und demokratischen Zweck zuge- Über diesen Vorschlag läßt sich vielleicht reden.
führt, nämlich als Zuschuß an die Gesellschaft für Auch wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß
die Geschichte des Parlamentarismus und der poli- eine Beteiligung der öffentlichen Hand nicht eine
tischen Parteien. Hortung von Sachwerten aller Art bedeuten muß.
Das gilt besonders für die Grundstücke, die bei-
(Beifall bei der SPD.) spielsweise während der Naziherrschaft durch Um-
Im übrigen lädt jedes Dorf, wenn es eine Schule siedlung für die Reichswerke und das Volkswagen-
einweiht, Gäste ein und bewirtet sie. Wenn man
schon einlädt, dann soll man den Gästen nicht hin- *) Siehe Anlage 5 des Stenographischen Berichts der
terher sagen, sie sollten bezahlen. Das geschieht 24. Sitzung, Seite 932 A.
2. Deutscher Bundestag - 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 957
(Dr. Bleiß)
werk enteignet wurden und die heute für den un- Wenn wir im Prinzip die Beteiligung des Bundes
mittelbaren Zweck dieser Werke nicht gebraucht an der Wirtschaft bejahen, scheint es uns aller-
werden. Das gilt auch für eine Reihe von kleine- dings notwendig zu sein, sobald wie möglich eine
ren Beteiligungen, deren wirtschaftlicher Nutz- Neuordnung des Bundesvermögens herbeizuführen.
effekt unbedeutend ist und die nur aus einer ge- Zum Bundesvermögen gehören neben den Reichs-
wissen Hausmachtpolitik heraus von den beherr- werken und dem Volkswagenwerk, dessen Vermö-
schenden Gesellschaften festgehalten werden. gensverhältnisse, wie ich Ihnen zugebe, noch nicht
ganz geklärt sind,
Anders aber liegen die Dinge, wenn die wirt-
schaftliche Beteiligung des Bundes im Allgemein- (Zuruf von der Mitte: Aha! — Abg. Naegel:
interesse liegt. Das gilt besonders in den Fällen, Überhaupt noch nicht!)
in denen Bundesunternehmen preissenkend und insbesondere der in der Viag zusammengefaßte
preisregulierend wirken können. Diese preissen- frühere Reichsbesitz und der in der Veba zusam-
kende Tendenz der Einschaltung der öffentlichen mengefaßte frühere Besitz des Landes Preußen.
Hand war über einen langen Zeitraum hinweg Von diesen drei großen Dachgesellschaften wer-
manchmal recht deutlich zu spüren. In den ver- den zahlreiche Interessen im Bergbau und an der
gangenen Jahrzehnten hat die öffentliche Hand auf Energiewirtschaft kontrolliert, die nebeneinander
den Gebieten des Verkehrs, des Bergbaus und der herlaufen und die zweckmäßigerweise umzugrup-
Energiewirtschaft über ihre öffentlichen Unterneh- pieren sind.
mungen einen gesunden Einfluß auf die Produk-
tion, auf den Absatz und auf die Preisbildung aus- Wir wünschen, daß diese Aufgaben endlich in
geübt und sicherlich manche übertriebene Preis- Angriff genommen werden, und halten deshalb die
politik verhindern können. Deshalb darf der Bun- Einsetzung eines 21er Ausschusses des Bundestages
desbesitz wegen dieser Regulierungsmöglichkeiten für erforderlich. In diesen Ausschuß sollten je sie-
im Verkehr, in der Grundstoffindustrie und in der ben Mitglieder des Haushaltsausschusses, des Aus-
Energiewirtschaft aus gesamtwirtschaftlichen Grün- schusses für Finanz- und Steuerfragen und des Aus-
den nicht angetastet werden. schusses für Wirtschaftspolitik entsandt werden.
Ein ähnlicher Ausschuß, allerdings in verkleiner-
An dieser Auffassung halten wir fest, wenn wir tem Maßstab, hat schon während der ersten Legis-
auch einigen Grund zu der Feststellung haben, daß laturperiode bestanden, ohne daß uns aber seine
nach 1945 die alten guten Grundsätze der wirt- Arbeit voll befriedigt hätte; denn die von uns
schaftlichen Einflußnahme noch nicht wieder voll seit jeher geforderte Neuordnung der Vermögens-
zum Durchbruch gekommen sind. Darüber ließe sich verhältnisse ist nicht einmal in Angriff genommen
manches aus dem Bergbau sagen; dafür scheint mir worden. Wir haben auch eine straffere Kontrolle
aber vor allem das Volkswagenwerk ein sehr tref- der Vermögensobjekte vermißt.
fendes Beispiel zu sein.
Es scheint uns notwendig zu sein, daß der neu
Herr Staatssekretär Westrick hat gestern von zu bildende Ausschuß künftig etwas gründlicher
dieser Stelle aus mit etwas überschwenglichem Lob als bisher über wirtschaftliche Vorgänge und finan-
von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister behaup- zielle Transaktionen innerhalb der Bundesbeteili-
tet, daß sich — wie er wörtlich sagte — „wohl kaum gungen informiert wird. Es ist unmöglich, daß der
jemand finde, der sich mit solcher Liebe um die Bundestag von den Beteiligungen nur dann etwas
Verbraucher sorgt wie Herr Professor Erhard". erfährt, wenn Verkaufs- oder Liquidationserlöse
Ich möchte dringend empfehlen, daß sich der Herr oder vielleicht später einmal Dividendenzahlungen
Bundeswirtschaftsminister unter diesen Gesichts- als Einnahmen im Haushalt verbucht werden. Es
punkten einmal um das Volkswagenwerk küm- scheint uns viel wichtiger zu sein, daß finanzielle
mert. Vielleicht kommt er dann zu der Feststel- Transaktionen dem Ausschuß rechtzeitig und ord-
lung, daß gerade dieser Betrieb ein Instrument nungsgemäß zur Kenntnis gebracht werden und
aktiver Wirtschaftspolitik des Bundes werden und daß man nicht versucht — diese Mahnung möchte
durch wirklich kostennahe Verkaufspreise zu einer ich besonders an Herrn Staatssekretär Dr. Westrick
Ausweitung der Verbraucherwirtschaft wesentlich richten —, durch unübersichtliche Zwischenschal-
beitragen könnte. Wenn das Volkswagenwerk unter tung von Dachgesellschaften wirtschaftlich nütz-
dem leichten Druck des Bundeswirtschaftsministe- liche Arrondierungen des Bundesvermögens zu er-
riums sich zu einer solchen Politik entschlösse, schweren oder gar zu verhindern.
dann ließe sich wahrscheinlich eine preissenkende Besonderen Wert sollten die Unternehmungen
Tendenz auf dem gesamt en Markt für Per- des Bundes auf eine gute Sozialpolitik und eine
sonenkraftfahrzeuge erzielen und eine nicht un- vernünftige Berücksichtigung der Vertreter der Ar-
wesentliche Ausweitung der Produktion herbeifüh- beitnehmer in den Kontrollorganen legen. Wir ha-
ren. An diese Möglichkeiten — praktisch im eige- ben wiederholt Anlaß zu der Feststellung, daß
nen Hause - hat anscheinend der Herr Bundes- das Bundeswirtschaftsministerium von dieser Pra-
wirtschaftsminister noch nicht gedacht oder will xis anscheinend nicht viel hält und daß es nur
er vielleicht auch nicht denken. das tut, was nach dem Gesetz unbedingt erfor-
(Abg. Dr. Atzenroth: Sehen Sie sich doch derlich ist. Ich würde es für richtiger halten, wenn
einmal den Aufsichtsrat an!) der Bund in seinen Wirtschaftsunternehmungen
der Entwicklung nicht zögernd folgen, sondern in
— Ich kenne den Aufsichtsrat nicht, aber ich werde
der Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmerver-
Ihrem Wunsch gern nachkommen. — Ich bin der
tretern einmal einen kräftigen Schritt nach vorn
Meinung, daß, insbesondere weil es ein quasi bun-
deseigener Besitz ist, tun würde.
Das Bundesvermögen ohne die Bundesbahn, ohne
(Abg. Naegel: Ist es ja nicht!) die Bundespost, ohne das ERP-Sondervermögen
der Bundeswirtschaftsminister in der Lage wäre, und den Ausgleichfonds umfaßt einen Wert von
auf die Geschäftsführung im Sinne einer Ver- rund 13 Milliarden DM. Die Kapitalbeteiligungen
braucherwirtschaft einzuwirken. stehen mit etwa 1,2 Milliarden DM zu Buch. Ein-
958 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Bleiß)
schließlich der stillen Reserven ist der Wert auf Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat Herr Ab-
mehr als 2 Milliarden DM zu veranschlagen. Wir geordneter Dr. Atzenroth.
erklären uns bereit, an einer vernünftigen Neu-
ordnung des Komplexes mitzuarbeiten. Wir haben Dr. Atzenroth (FDP): Meine Damen und Herren! Das
nichts dagegen, wenn sich der Bund von wirtschaft- Anliegen, das Herr Kollege Dr. Bleiß hier vorgetra-
lich unbedeutenden Betrieben oder von Zufalls- gen hat, wird von uns seit Jahren energisch vertre-
beteiligungen trennt. Wir werden uns aber jeder ten. Auch wir sind der Meinung, daß es nicht die
Regelung widersetzen, die es gestattet, daß inter- Aufgabe des Bundes ist, sich in gewerblichen Be-
essierte Wirtschaftskreise sich die lohnenden und trieben zu betätigen. Wir sind in einigen Punkten
rentablen Beteiligungen des Bundes heraussuchen anderer Ansicht als der Vertreter der Sozialde-
und reprivatisieren und die unrentablen Projekte mokratie. Wir glauben auch nicht, daß Unterneh-
getrost beim Bund belassen. men gewerblicher Art in der Hand des Bundes
Wir bitten schließlich den Herrn Bundeswirt- verbleiben müssen mit der Aufgabe, preisregulie-
schaftsminister, die Bundesgesellschaften wirklich rend oder in ähnlicher Form zu wirken. Das ist
als Instrumente einer aktiven Wirtschaftspolitik nicht die Aufgabe der öffentlichen Hand. Wir wol-
zugunsten der Ausdehnung der Verbraucherwirt- len aber — das möchte ich im Hinblick auf ein
schaft einzusetzen. gestriges Vorkommnis in aller Deutlichkeit noch
Diesem Zweck soll unser Entschließungsantrag einmal betonen — unter keinen Umständen uns
dienen, den wir Ihnen auf Umdruck 31 vorlegen. dem Vorwurf aussetzen, daß wir eine Verschleu-
Wir bitten Sie um Zustimmung zu diesem An- derung des Vermögens der öffentlichen Hand be-
treiben.
trag.
(Beifall bei der SPD.) (Abg. Samwer: Sehr richtig!)
Präsident D. Dr. Ehlers: Zu diesem Entschlie- Dieser Vorwurf kam gestern in einem Zuruf von
ßungsantrag Herr Abgeordneter Naegel. der anderen Seite zum Ausdruck, und dem möchte
ich mit aller Entschiedenheit entgegentreten.
Naegel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Herr Dr. Bleiß hat, glaube ich, Wir erstreben auch nicht, das Vermögen der
klar genug herausgestellt, daß das oberste Ziel die öffentlichen Hand in die Hände irgendeiner großen
Unterstellung des Bundesvermögens unter die Kapitalgruppe oder Kapitalmacht zu führen. Unser
wirtschaftspolitischen Grundsätze ist. Das zeigt be- Bestreben ist hier mit aller Deutlichkeit wieder-
reits deutlich an, daß wir hier zwischen werben- holt zum Ausdruck gebracht worden: wir wollen
dem Vermögen und verwaltetem Vermögen unter- dieses Vermögen der öffentlichen Hand einer gro-
scheiden müssen. ßen Zahl kleiner Kapitalbesitzer zugänglich machen,
(Abg. Dr. Dresbach: Sehr richtig!) (Beifall bei der FDP)
Dementsprechend wäre wohl zu trennen zwischen und wir wollen bei dieser Gelegenheit auch dem
den Beteiligungen des Bundes und den Liegen- Bund eine Erleichterung in der Weise bringen, daß
schaften, die in der Hand des Bundes sind. Wir wir ihn von Lasten befreien, die er sonst aus dem
sind deshalb in einigen Besprechungen der Auf- öffentlichen Haushalt bezahlen müßte,
fassung gewesen, man sollte doch hier lieber ein- Pelster: Es ist aber der gerechte
mal klar die Linie zwischen diesen beiden Polen Preis zu bezahlen!)
ziehen. Auch in dem von Herrn Dr. Bleiß erwähn- die in der nächsten Zeit erst auf ihn zukommen,
ten Unterausschuß des ersten Bundestages für ehe- noch nicht im Haushalt enthalten sind, Herr Pelster,
maliges Reichs- und Preußenvermögen hat diese die aber unseren Haushalt und den Steuerzahler
Konzeption bereits vorgeherrscht. Aber wir muß- belasten würden. Diese Lasten sollen auf diese
ten leider feststellen, daß wir dabei in der Be- Weise von uns abgewendet werden. In diesem Be-
handlung der eigentlichen Bundesbeteiligungen streben kann keine Diffamierung liegen, kann
sehr kurz gekommen sind und uns sehr häufig nur nichts Unrechtes liegen, wie das leider von den
über die Liegenschaften informieren lassen konn- Kreisen behauptet wird, die erklären, wir wollten
ten. Das aber ist nicht das Ziel und der Zweck das öffentliche Vermögen verschleudern. Im Gegen-
einer solchen Institution. teil; als letztes Ergebnis soll für den Bund etwas
Wir glauben deshalb, man sollte davon absehen, Positives herauskommen.
einen eigenen Hauptausschuß für die Wahrneh-
mung dieser Aufgaben zu bilden; man sollte lieber Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab-
— nach dem Schwergewicht von Beteiligungen geordnete Wellhausen.
und Liegenschaften — zwei Unterausschüsse bil-
den, Dr. Wellhausen (FDP): Herr Präsident! Meine
(Abg. Dr. Vogel: Oder auch nur einen!) Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß
wobei dann selbstverständlich das Schwergewicht in der Presse und in der Öffentlichkeit allmählich
in dem einen Unterausschuß bei der Behandlung genug über die Notwendigkeit geredet worden ist,
der Beteiligungen und in dem anderen bei der die wirtschaftliche Betätigung des Staates einzu-
Behandlung der Liegenschaften liegen müßte. Ich schränken oder jedenfalls unter gar keinen Um-
glaube, daß ich beauftragt bin, im Namen unserer ständen auszudehnen. Ich spreche — das sage ich
Freunde von der Koalition zu sprechen, wenn ich ausdrücklich — als Abgeordneter.. Ich habe von
sage: wir wollen den Antrag, den die SPD ge- dem Zwischenfall gehört, daß der Herr Bundesfi-
stellt hat, in der Form, wie er vorliegt, ablehnen, nanzminister gestern gesagt hat: Schicken Sie mir
wir wollen uns aber wohl dazu bekennen, daß doch einen Käufer für die Bundesbahn! Herr Bun-
eine Neuordnung des Bundesvermögens durchge- desfinanzminister, das scheint mir, sagen wir ein-
führt werden muß und daß man zur Vorbereitung mal: eine Verniedlichung des Problems zu sein.
die beiden Unterausschüsse, wie ich sie eben an- So einfach liegen die Dinge in der Tat nicht, und
deutete, in Erwägung ziehen sollte. Ich bitte Sie, ich bin auch nicht der Meinung, daß, wenn wir uns
so zu entscheiden. entschließen, einen Ausschuß einzusetzen, dieser
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 959
(Dr. Wellhausen)
damit anfangen sollte, einen Käufer für die Bun- Liegenschaften sein oder Beteiligungen des Bundes
desbahn zu suchen. Ich stelle aber anheim; viel- an Gesellschaften des privaten Rechts; mit den Be-
leicht findet irgend jemand einen. teiligungen sind ja zumeist auch Grund und Boden
(Abg. Dr. Vogel: Sie können völlig frei von verbunden. Ich glaube, wir müssen unter allen
Furcht sein! — Heiterkeit. — Zuruf des Umständen daran festhalten, daß die Frage des
Abg. Pelster.) gesamten Bundesvermögens uneingeschränkt beim
Bundesfinanzminister ressortiert. Dorthin gehört
— Ich reiße es gar nicht aus dem Zusammenhang, sie, auch nach der Reichshaushaltsordnung; der
Herr Pelster, sondern Herr Bender hat nach meinen Finanzminister ist eben der Haushalter des Bundes.
Informationen gesagt: Verkaufen Sie einige Bun- Würde man aber zwei Ausschüsse einsetzen und
desbetriebe! Das war eine durchaus zweckmäßige den Vorsitz des einen Ausschusses federführend
Bemerkung, mit dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß verbin-
(Abg. Samwer: Sehr richtig!) den, wie es gedacht ist, und einen zweiten Aus-
und ich bin der Meinung, meine Damen und schuß für die Liegenschaften schaffen, der feder-
Herren, daß wir uns nun eigentlich nicht weiter führend beim Ausschuß für Finanzen und Steuern
mit den Präliminarien aufhalten sollten. wäre, dann wäre die Einheit gelöst und die einheit-
liche Diskussion unmöglich gemacht. Es liegt in der
(Abg. Naegel: Sehr richtig!) Natur der Sache, daß die Kollegen vom Wirtschafts-
Wir haben im ersten Bundestag einen Unter- politischen Ausschuß anders an die Probleme
ausschuß eingesetzt, der nichts, gar nichts zustande herangehen als die vom Finanz- und Steueraus-
gebracht hat. Das sage ich ganz offen, obwohl es schuß, wie ja auch der Herr Finanzminister die
ein Unterausschuß des von mir geführten Finanz- Dinge anders betrachtet als sein Kollege Wirt-
ausschusses war. schaftsminister. Aber die Gefahr, daß der Finanz-
minister das gesamte Bundesvermögen einschließ-
(Abg. Dr. Vogel: Hört! Hört!)
lich der Beteiligungen nur unter fiskalischen Ge-
Ich möchte hier aber nicht auf persönliche Dinge sichtspunkten sieht, ist nicht gegeben. Wenn man
eingehen. Jedenfalls hat der Unterausschuß gar den Wirtschaftspolitikern — das will ich ganz offen
nichts zustande gebracht, sagen — hier die Behandlung der Beteiligungen
(Abg. Naegel: Doch!) einräumt, dann will ich zwar nicht den Verdacht
aussprechen, daß die Herren die Absicht hätten,
und ich halte es für dringend nötig — wenn Sie Bundesvermögen zu verschleudern, aber es liegt
glauben, Herr Naegel, daß der Weg, auf dem Sie doch die Gefahr darin, daß Betriebe des Bundes-
vorgehen wollen, der bessere ist, dann bin ich vermögens, die nicht gut gehen, beim Bund ver-
natürlich damit einverstanden — —
bleiben, während mit Gewinnen arbeitende Betriebe
(Abg. Schoettle: Darüber ist das letzte Wort gern von der Privatwirtschaft übernommen wer-
noch nicht gesprochen!) den. Ich erinnere Sie an die Verhandlungen, die
— Darüber kann man streiten, Herr Schoettle; aber darüber z. B. wegen der Howaldtwerke geführt
wenn man auf dem Standpunkt steht, daß bis jetzt worden sind. Ich möchte Sie also dringend bitten,
noch gar nichts geschehen ist — und es ist noch sich doch noch einmal zu überlegen, ob sie un-
nichts geschehen —, dann ist beinahe jeder Weg serem Antrag zustimmen können, damit diese Ein-
richtig, um zu Ergebnissen zu kommen, sowohl der heit in der Behandlung des gesamten Gegenstands
Ihrige als auch der von Herrn Naegel. Das ist gewahrt bleibt.
meines Erachtens durchaus keine Grundsatzfrage, Nun muß ich auch noch etwas sagen zu den Aus-
über die wir uns hier noch unterhalten müßten. führungen von Herrn Wellhausen, der ja
Was ich aber in den Vordergrund rücken möchte, geradezu schonungslos, wie es sonst nicht seine Art
ist, daß wir unbedingt — und ich halte dafür ein ist, die Tätigkeit des Unterausschusses „Ehemaliges
Gesetz für erforderlich — dazu kommen müssen, Reichsvermögen" im 1. Deutschen Bundestag kriti-
daß die wirtschaftliche Betätigung des Staates nicht siert hat. Er hat wörtlich gesagt, dieser Unteraus-
immer weitere Fortschritte macht, schuß habe gar nichts zustande gebracht. Ich darf
(Abg. Samwer: Richtig!) dazu erwidern: Der Gedanke zu diesem Unter-
ausschuß kam mir vor über drei Jahren bei der
daß wenigstens ein Stopp in der wirtschaftlichen Behandlung des FDP-Antrags, den der verstorbene
Betätigung eintritt; denn auch davon sind wir in verehrte Herr Kollege Höpker-Aschoff hier begrün-
dem von mir so geschätzten Land Baye rn noch det hatte. Ich habe damals gesagt, wir müssen die
sehr weit entfernt. Wenn wir also dazu mithelfen ganze Frage des Bundesvermögens, seien es Liegen-
— ich wiederhole: gleich auf welchem Wege —, schaften, seien es Beteiligungen, in Parlamentsnähe
dann ist mir das recht. bringen, und deswegen habe ich im Januar 1951
(Beifall bei den Regierungsparteien.) den Vorschlag gemacht, einen Ausschuß einzurich-
ten, dem jeweils die gleiche Anzahl von Mitgliedern
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Dr. aus dem Haushaltsausschuß, dem Finanz- und
Gülich! Steuerausschuß und dem Wirtschaftspolitischen
Ausschuß angehören sollte. Wie Sie daran sehen,
Dr. Gülich (SPD): Herr Präsident! Meine Damen war mir also völlig klar, daß die Wirtschaftspoliti-
und Herren! Herr Wellhausen, ich stimme Ihnen zu, ker mit beteiligt sein müßten, um deren Gesichts-
daß es sich nicht um eine Grundsatzfrage handelt; punkte bei der Behandlung zur Geltung kommen
es handelt sich um eine Frage der Zweckmäßigkeit, zu lassen. Herr Kollege Scharnberg hat mich
und von diesem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit gestern gefragt, ob ich es nicht für gut hielte, wenn
möchte ich etwas zu den Ausführungen des Herrn man dann wenigstens auch Mitglieder des Aus-
Kollegen Naegel sagen. Ich halte es nicht für schusses für Geld und Kredit hineinnähme. Nun,
zweckmäßig, zwei Ausschüsse zu machen, denn wir dagegen würde ich gar keine Bedenken haben; dann
haben es mit einem Komplex zu tun, nämlich mit würde das wirtschaftspolitische Element in dem
dem gesamten Bundesvermögen, mögen es nun Ausschuß noch etwas stärker sein.
960 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Gülich)
Zu dem Vorwurf, daß der erste Ausschuß gar an, und ich will doch annehmen, daß der Statistiker
nichts zustande gebracht habe, muß ich sagen: die- des Herrn Bundesfinanzministers ein exakter Mathe-
ser erste Unterausschuß, für den ich ja nicht ver- matiker war. Ein Restbestand von 43 000 Wohnein-
antwortlich bin heiten, die erst auf Jahrzehnte verteilt zurückgege-
ben werden können, das ist einfach nicht tragbar.
(Abg. Naegel: Es macht Sie ja auch niemand
dafür verantwortlich!) Wir müssen endlich dahin kommen, daß bei Frei-
gabe die Vorschläge der Verbände und vor allen
— ich habe ihn nur angeregt, und der Bundestag Dingen der Gemeinden berücksichtigt werden. Ich
hat ihn beschlossen —, hat sich um die Frage der habe mir aus einem großen Postanfall nur eine
Klärung des Liegenschaftsvermögens eingehend Karte herausgezogen. Da schreibt ein 82jähriger
bemüht. Er hat dafür gesorgt, daß die säumigen Mann:
Länder ihre Vermögensnachweisungen einreichten.
Das war sehr schwierig, weil gewisse Länder eben Ich bitte Sie nochmals dringend, auch die Not
gar nicht wollten. Der Unterausschuß hat es also der ganz alten 80- bis 90jährigen und von die-
zustande gebracht, und durch diese Tätigkeit ist sen doch wenigstens die schwersten Fälle bei
ja dann die Bundesvermögensverwaltung in die Freigabe zu berücksichtigen.
Lage versetzt worden, den Vermögensnachweis im Ich glaube, da ist jeder Kommentar überflüssig.
Haushaltsplan 1954 zu veröffentlichen. Das ist ja (Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)
schon ein gewisser Erfolg.
Aber die Zustände müßten nicht so sein und
(Abg. Naegel: Sehr richtig!) müssen nicht so bleiben. Man beruft sich doch bei
Wir sollten diesen Erfolg jetzt nicht dadurch uns und auch vom Finanzministerium aus bei Be-
schmälern, daß wir in etwas grober Übertreibung ratungen immer wieder auf Notwendigkeiten, denen
sagen, der Ausschuß habe gar nichts getan. man nicht begegnen könne. Ich möchte Ihnen sagen,
(Zuruf von der CDU/CSU: Er ist ja die daß die Alliierten unter sich einen Weg gefunden
Grundlage für die kommende Arbeit!) haben, wie man ihnen begegnen kann. Die NATO-
Staaten haben einen Vertrag geschlossen, in dem
— Er ist die Grundlage für die kommende Arbeit, sie die wechselseitigen Quartierleistungsverpflich-
das ist der Fall. Und wie gesagt, es läßt sich dar- tungen geregelt haben. Danach müssen sich fremde
über reden, daß man ihn um einige Mitglieder des Truppen — und es sind nicht wenige auch in Eng-
Ausschusses für Geld und Kredit erweitert. Aber land, in Belgien und Frankreich — auf dem nor-
wenn es nicht dazu kommt, steht es den Fraktionen malen Wege nach Quartier umsehen, niemand kann
ja frei, die für diesen Zweck sachkundigsten - Mit- gezwungen werden, seine Wohnung aufzugeben; es
glieder in den Ausschuß zu delegieren. Der Aus- müssen Mietverträge abgeschlossen werden, und
schuß sollte eigentlich nicht größer sein als ein 21er es ist merkwürdig: auf diesem Wege kommen Miet-
Ausschuß. Ich wäre den Herren Kollegen Naegel verträge zustande. Warum macht man das bei uns
und Atzenroth für eine nochmalige Überlegung nicht auch so? Ist die Wohnung eines Deutschen
dankbar, und ich hoffe, daß wir dann einen Weg weniger heilig als die Wohnung eines Franzosen
finden, gemeinsam an der Lösung dieser Frage oder eines Engländers? Ist das Privateigentum
weiterzuarbeiten. eines Deutschen weniger Schutz wert als das eines
Präsident D. Dr. Ehlers: Frau Abgeordnete Meyer Engländers, Franzosen oder Amerikaners? Wie mir
Laule, bitte! bei Unterredungen im amerikanischen Hauptquar-
tier gesagt wurde, warten noch einige tausend ame-
Frau Meyer-Laule (SPD): Herr Präsident! Meine rikanische Familien auf die Überfahrt nach
Damen und Herren! Bei der Beratung des Haus- Deutschland. Wie der Herr Bundesfinanzminister
halts des Bundesfinanzministeriums bin ich ge- diese Wohnungen alle finanzieren will, ist mir ein-
zwungen, zu den Ausgaben Stellung zu nehmen, die fach ein Rätsel. Auch wenn die Wohnungen aus
der Herr Bundesfinanzminister für die Requisi- dem Etat der Alliierten selbst bezahlt werden,
tionen auszuschütten gedenkt. Wir sind mit dem fällt doch allein durch die Baulandbeschaffung für
Ansatz nicht einverstanden. Wir wissen, daß die diese Wohnungen und für diese ganzen Viertel eine
Besatzungsschäden nur ein Teil aus dem großen Unsumme an Kosten an.
Zusammenhang der Kriegsschäden sind, und wir Wir haben von dieser Stelle aus schon sehr oft
sind der Meinung, daß mit dem, was der Herr Bun- Kritik an den Besatzungsmächten in puncto Woh-
desfinanzminister als Gesamtsumme angesetzt hat, nungsansprüche geübt. Es ist festzustellen, daß das
einfach nichts anzufangen ist. Vor allen Dingen Finanzministerium es erreicht hat, daß die Wohn-
sehen wir in dem Besatzungsschäden- und Besat- einheit, die über das Finanzministerium gebaut
zungsfolgenproblem nicht nur ein finanztechnisches wird, nicht mehr auf 40- bis 60 000 DM kommt,
Problem, sondern ein Politikum, das man nicht sondern daß man heute z. B. im amerikanischen
ernst genug nehmen kann. In der politischen Frage Sektor für 30 000 DM eine Wohneinheit bauen kann
stecken eine Fülle ungelöster juristischer Fragen, und daß diese 30 000 DM von den Amerikanern
auch Fragen völkerrechtlicher Natur. auch gebilligt werden. Die Bundesregierung führt
Der Bundesminister der Finanzen hat durch die solchen Erwägungen gegenüber oft ins Feld, die
Ersatzwohnungsbauprogramme für Besatzungsver- Verhältnisse bei uns in Deutschland lägen ganz an-
drängte Erleichterungen geschaffen. In der Gesamt- ders wegen der großen Zahl der Soldaten und ihrer
wirkung für alle drei Zonen sind sie nicht aus- Familien, die hier untergebracht werden müssen.
reichend; denn die Mittel werden nicht planmäßig Meine Damen und Herren, als ob die Quantität ein
verteilt. Die Gelder dürfen nicht, wie es praktiziert Argument gegen das Recht wäre!
wurde, schematisch verteilt, sondern sie müssen (Beifall bei der SPD.)
nach dem Bedarf ausgegeben werden, wie dieser
gerade anfällt. Die Lösung des gesamten Besatzungskosten- und
Verdrängtenproblems liegt in der Freimachung
Das Statistische Bundesamt gibt die Zahl der be- aller beschlagnahmten Objekte. Schließlich kann
schlagnahmten Wohnungseinheiten mit rund 53 000 man von den Besatzungsmächten verlangen, daß sie
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 96
(Frau Meyer-Laule)
sich auch innerhalb des Besatzungsregimes an die Das Bundesfinanzministerium glaubt, durch das
elementaren Grundsätze eines jeden Rechtsstaates Besatzungsstatut gehandicapt zu sein, und ver-
halten, als da sind: Eingriffe in die Rechtssphäre schanzt sich hinter das Gesetz Nr. 47. Nun, meine
eines Individuums nur auf Grund rechtmäßig zu- Herren und Damen, der US-Hochkommissar ist an-
stande gekommener Gesetze; derer Meinung. Hier sind Zwiespältigkeiten auf-
(Zuruf von der SPD: Das steht auch im gekommen, und wir möchten gern wissen, an wen
Grundgesetz!) wir uns eigentlich zu halten haben. Der US-Hoch-
kommissar schreibt unter dem 24. Juli 1953, das
Respekt vor der Verfassung des Landes und ihren Gesetz Nr. 47 setze nur das Ausmaß der Schadens-
Schutzvorschriften, auch im Verhältnis der Besat- abgeltung fest, soweit sie auf Rechnung der Be-
zungstruppen zu den Landeseinwohnern; Schutz satzungsstreitkräfte aus dem Bundesbesatzungs-
des Privateigentums; keine Entziehung von Eigen kosten- und Auftragsausgabenhaushalt zu bezah-
tum ohne angemessene Entschädigung. Wir haben len ist. Das Gesetz Nr. 47 hindere die Bundes-
durchaus Verständnis dafür, daß es in den ersten behörden oder den Bundestag nicht daran, zusätz-
Zeiten der Besatzung — in den sogenannten wilden liche Entschädigungen auf Rechnung der Bundes-
Zeiten — nicht ausschließlich rechtsstaatlich zu- republik aus anderen Etatmitteln zu gewähren.
gehen konnte; aber da war noch Krieg, und das
Besetzen will schließlich auch gelernt sein. Ich gebe Das klingt doch wesentlich anders als das, was
zu, daß in der Zwischenzeit einiges getan worden wir vom Herrn Bundesfinanzminister hören. Die
ist, um das Verhältnis von Besatzung und Einwoh- Bundesregierung hat es meiner Meinung nach nicht
nern mehr im Sinne einer rechtsstaatlichen Ord- nötig, Genehmigungen abzuwarten. Wer hätte es
nung zu gestalten. ihr denn verwehren können, dem Bundestag ein
Gesetz vorzulegen, das ihr die Möglichkeit gab,
Weitere Anliegen sind für uns die Mindestscha- dort zu handeln, sich den Besatzungsmächten zu
densvergütung, Benutzungsentschädigung, Scha- substituieren, wenn sie glaubte, daß es nicht mit
densbehebung bei Freigabe, Entschädigung bei Recht und Billigkeit zuginge und sie sich nicht ent-
Möbelverlust und gewerblichen Schäden. Für die sprechend verhielten. Keine Macht hätte es wagen
Zwischenzeit verlangen wir die Aufhebung des können, gegen ein vom Bundestag beschlossenes
Verbots des Zusammenwohnens von Deutschen mit Gesetz ein Veto einzulegen. Das hätte aber voraus-
Besatzungsangehörigen und Reduzierung der An- gesetzt, daß die Bundesregierung die sachliche Er-
sprüche der Besatzungsangehörigen auf ihren hei- ledigung eines brennenden Problems vor die Be-
mischen Standard. Dann wäre vieles leichter, sogar, strebungen der örtlichen Organe gestellt hätte, daß
glaube ich, auch für den Herrn Bundesfinanz- sie also bereit gewesen wäre, alle freundschaft-
minister. Entschuldigen Sie, wenn ich jetzt ein- viel- lichen Überlegungen zurückzudrängen und zuerst
leicht etwas hartes Wort sage. Aber ich bin über- einmal für die Durchsetzung des Rechts zu sorgen,
zeugt, wenn wir dahin kämen, fänden die Bestim- das die deutschen Staatsbürger beanspruchen.
mungen für den deutschen sozialen Wohnungsbau Weiteres Unrecht ist an den etwa 10 000 entlas-
auch auf einen Großteil der Angehörigen der Be- senen Arbeitnehmern der IG-Farben wiedergut-
satzungsmächte Anwendung. zumachen. Diese Entlassenen entbehrten jeglichen
(Sehr wahr! bei der SPD.) Rechtsschutzes, auch des arbeitsrechtlichen. Ich
Es hört sich doch seltsam an — wenigstens für weiß nicht, was sich die Gewerkschaften bei den
mich —, wenn gesagt wird, daß wir alle gemeinsam Beratungen im Entflechtungsausschuß gedacht ha-
in einem Schiff untergebracht sind und mit diesem ben, als sie dieses Unrecht zuließen.
Schiff gemeinsam fahren sollen; wir haben jedoch Das traurigste Kapitel aber dürfte doch wohl
das Gefühl, daß wir allein das Zwischendeck be- das der Personenschäden sein. In der britischen
wohnen dürfen, und französischen Zone werden auch deutsche
(Beifall bei der SPD) Richter zur Mitentscheidung herangezogen. In der
und die anderen dürfen die Luxuskabinen für sich amerikanischen Zone liegt die Entscheidung allein
in Anspruch nehmen. bei den zuständigen Heeresdienststellen. Beim
Claims Office, das in München gastiert, werden
Wir verlangen weiter, daß Häuser, bei denen nach unserem Rechtsempfinden oft unverständliche
Umbauten durchgeführt und die von oben nach Urteile gefällt. Bis Auszahlungen von Entschädi-
unten umgekehrt wurden, ihrer Zweckbestimmung gungen genehmigt werden, entstehen oft solche
zugeführt werden, wenn dies der Eigentümer bei zeitlichen Spannen, daß man nicht mehr von einer
Übernahme seines Eigentums verlangt. Denn Ein- fairen und sauberen Regelung sprechen kann. Wir
bauten, die das Haus so verändern, bringen doch fordern genau die gleiche Regelung wie in der
für den Eigentümer eine Belastung mit sich und britischen und französischen Zone.
verursachen Mehrkosten für die Bewirtschaftung,
und man kann nicht verlangen, daß sie der Eigen- Die Schreiben, die vorn Bundesfinanzminister an
tümer trägt. den Fünfer-Ausschuß gehen, sind nicht immer ob-
jektiv. Wir haben ein Schreiben unter dem 26. Ja-
Hotels sind freizugeben mit Ausnahme derer, die nuar bekommen, worin sich der Herr Finanz-
dauernd voll belegt sind. Es ist ein Skandal, das minister auf ein Urteil des Bundesverfassungs-
Hotels beschlagnahmt sind — wir können Ihnen gerichts in Karlsruhe versteift. Ich möchte dazu sagen,
das bei Hunderten von Hotels nachweisen —, in daß sich der Herr Finanzminister in seiner Annahme
denen höchstens einige Zimmer besetzt sind. Damit irrt. Der sogenannte Aufopferungsanspruch und
wird nicht nur notwendiger Hotelraum entzogen, damit auch der Anspruch gegenüber der Bundes-
sondern es entstehen der öffentlichen Hand Quar- republik wird als Moralgesetz in allen Kultur-
tierleistungskosten, die vermeidbar wären. staaten anerkannt. Wir können hier das Gutachten
Dieser ganze Fragenkomplex hätte über ein Bun- von Professor Grewe, der für Sie kein unbekann-
desleistungsgesetz geregelt werden können. Darin ter Mann sein dürfte, und viele andere Gutachten
wäre ein rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ent- hervorheben, um Ihnen klarzumachen, daß in die-
sprechendes Verfahren festzulegen, kurzer Rechts- ser Angelegenheit genau unsere Meinung vertre-
weg, volle Entschädigung, rasche Erledigung. ten wird. Sobald ein Schadensanspruch angemeldet
962 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Frau Meyer-Laule)
wird, wird er in den Staaten, die sich Rechtsstaat Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
nennen, auch geprüft. Das ist bei uns nicht der der Herr Abgeordnete Gülich wollte noch einmal
Fall. kurz das Wort haben zu dem Entschließungsantrag
Im dritten Abschnitt Ihres Schreibens, Herr Umdruck 31.
Bundesminister, befinden Sie sich, wie ich glaube, Dr. Gülich (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
auch mit der Auffassung eines Teils Ihrer Frak- und Herren! Der Umdruck 31, der unsern Antrag
tionsmitglieder in Widerspruch. Sie schreiben dort: begründet, den 21er-Ausschuß einzusetzen, ist viel-
Ein Anspruch könnte auch nicht auf die von leicht nicht ganz klar. Aus der Formulierung, daß
der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze es ein 21er-Ausschuß sein soll mit der Bindung,
über den Aufopferungsanspruch gestützt wer- je 7 Mitglieder aus den angeführten drei Aus-
den, da ein solcher Anspruch dann nicht ge- schüssen zu nehmen, geht an sich schon hervor,
geben ist, wenn das Opfer nicht von dem eige- daß das kein selbständiger Ausschuß ist, da die
nen Staat gefordert und nicht zu dessen Gun- Bildung eines solchen nicht an eine derartige Be-
sten erbracht wird, sondern von der Besat- dingung geknüpft sein könnte. Ich schlage vor, in
zungsmacht verlangt wird und ihren Interessen der vierten Zeile hinter den Worten „des öffent-
dient. lichen Rechts wird" einzufügen: „unter Federfüh-
rung des Ausschusses für Finanz- und Steuer-
Der Herr Bundesfinanzminister verweist auf das fragen" und dann fortzufahren: „ein 21er-Aus-
Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Lassen Sie schuß ...". Damit dürfte alles ganz klar und den
mich dazu folgendes sagen. Die Opfer sind zwar Bedenken gegen die Einsetzung eines Sonder-
nicht vom eigenen Staat gefordert, aber doch ganz ausschusses als Hauptausschuß Rechnung getragen
zweifelsfrei zu seinen Gunsten erbracht. Der Staat sein.
hat die Aufgabe, die Besatzungsstreitkräfte unter-
zubringen und zu versorgen. Wegen seines Unver- (Abg. Dr. Horlacher: Trotzdem geschäfts
mögens, diese Aufgabe zu erfüllen, muß ein be- ordnungswidrig!)
stimmter Kreis betroffener Bürger aus ihrem Pri- Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
vateigentum Vorleistungen erbringen für diese Sie haben davon Kenntnis genommen. Ich glaube
Staatsaufgabe, eine Aufgabe der Allgemeinheit.
nicht, daß im Augenblick eine Debatte darüber
Deshalb hat der Staat die Pflicht, diese Vorleistun- stattfinden soll. Es wird ja erst in der dritten Be-
gen zu ersetzen.
ratung darüber abgestimmt.
Noch handgreiflicher wird diese Tatsache durch
die schriftliche Erklärung wiederum der Amerika- Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Wahl.
ner von 1951, „daß die Inanspruchnahme -von Pri-
vateigentum zum Zwecke der Unterbringung und Dr. Wahl (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Versorgung der von der Bundesregierung aus- Damen und Herren! Mit dem Einerseits-Anderer-
drücklich gewünschten verstärkten Verteidigungs- seits, das aus den Ausführungen der Frau Kollegin
streitkräfte des Bundes, also für die Landesvertei- Meyer-Laule trotz aller Schärfe, mit der sie das
digung geschehe". Wie kommt der Herr Bundes- Einerseits betonte, herauszulesen war, bin ich im
finanzminister da zu der Behauptung, die Opfer wesentlichen einverstanden. Es liegt im Wesen
der Betroffenen würden nicht zugunsten des eige- jeder Besatzung, daß sie für das besetzte Land und
nen Staates erbracht? — Wir würden gern noch seine Einwohner Opfer, Belästigungen, Nachteile
einige Fragen zu diesem Schreiben des Herrn und Schäden mit sich bringt, die für die Betroffe-
Bundesfinanzministers stellen; aber wir werden nen um so bitterer sind, als sie ihnen im Interesse
das im Fünfer-Ausschuß tun. und von Instanzen eines fremden Staates zuge-
Ich möchte zum Schluß nur sagen: Wir wissen, mutet werden, gegenüber dessen Maßnahmen die
daß es der Herr Bundesfinanzminister schwer hat; demokratischen Einrichtungen des besetzten Ge-
denn die von mir aufgeworfenen Fragen sind doch biets zur Kontrolle der landeseigenen Verwaltung
zum großen Teil Fragen, die nur sein Kollege, der naturgemäß weitgehend versagen. Dabei ist die
Herr Außenminister, behandeln und erledigen Zahl der Besatzungsbetroffenen sehr erheblich. Es
kann. bedarf der größten Behutsamkeit auf beiden Seiten
(Abg. Dr. Mommer: Sehr wahr!) und nach beiden Seiten hin, um vermeidbare Här-
ten und Verhärtungen auszuschließen und wirk-
Es mag für den Herrn Bundesminister der Finan- liche Fortschritte im Sinne einer echten Befriedung
zen schwer sein, mit einem Ministerkollegen zu dieses Sektors unseres öffentlichen Lebens zu er-
rechten, wenn dieser gleichzeitig der Chef des reichen. Aber andererseits hat sich in der Besat-
Ganzen ist. Die Fragen dürften nicht zuletzt auch zungspraxis der Alliierten auch schon manches zum
schon deshalb den deutschen Außenminister an- Besseren gewendet. Der Bedeutungswandel, den
gehen, weil es darauf ankommt, wie er das Ver- die Anwesenheit der alliierten Truppen in Deutsch-
hältnis zu unseren Mitintegrierten gestaltet und land durchgemacht hat, ist nicht ohne Rückwir-
wie er unsere Integrierer von der anderen Seite kungen auf die Praxis der Besatzungsmächte ge-
des großen Teiches davon zu überzeugen vermag, blieben. Aber es ist doch auch bei manchem geblie-
daß Grundrechte nicht verletzt werden dürfen, ben, was auf die Dauer unerträglich ist.
auch wenn sie unbequem sind.
Bisher war die Initiative der Alliierten freilich
(Sehr richtig! bei der SPD.) gelähmt, weil man mit dem früheren Inkrafttreten
Wir nehmen für alle Bürger die Charta der Men- der Bonner Verträge gerechnet hat, durch die sich
schenrechte in Anspruch und verlangen für alle manches von selbst erledigt hätte. Aber so wie bei
Bürger die Rechtssicherheit, die das Grundgesetz den Kriegsverurteilten die jetzigen Gnadeninstan-
garantiert. zen unter deutscher Beteiligung, die die in dem
(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Vogel: Vertragswerk vorgesehenen gemischten Kommis-
Dann müßten Sie eben den Deutschland sionen vorwegnehmen, ins Leben gerufen worden
vertrag rechtzeitig unter Dach und Fach sind, ist zu fordern, daß auch schon heute die
bringen helfen!) Rechtsgarantien vor allem durch Gewährung eines
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 963
(Dr. Wahl)
echten Rechtszuges in Schadensfällen, besonders Arndgen (CDU/CSU), Berichterstatter: Herr Prä-
bei Personenschäden, gerade in der amerikanischen sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Zone verstärkt werden Im Einzelplan 11 — Haushalt für den Geschäfts-
(Zuruf von der SPD: Da ist es am übelsten!) bereich des Bundesministers für Arbeit — ist
gegenüber dem Vorjahr nicht viel geändert wor-
und daß vielleicht ein gemischter Ausschuß gebil- den. Ich kann mich daher verhältnismäßig kurz
det wird, der eine Nachprüfung der alten Ableh- fassen.
nungsbescheide des Claims Office vorzunehmen
hätte. Ich darf dabei erwähnen, daß wir in direk- Bei den Personalstellen wurden lediglich die
ten Verhandlungen mit amerikanischen Dienststel- Beamtenstellen von 238 um 6 auf 244 erhöht. Da-
len den Eindruck gewonnen haben, daß man dort bei ist zu bemerken, daß eine B 4-Stelle, die Stelle
die große politische Bedeutung dieser Frage er- eines Ministerialdirektors, neu geschaffen wurde.
kannt hat. Es darf die Erwartung ausgesprochen Diese Neuschaffung ist notwendig, weil die bishe-
werden, daß diese Erkenntnis auch in nicht allzu rige Abteilung IV — Sozialversicherung und
ferner Zeit ihre Früchte trägt. Kriegsopferversorgung — aus organisatorischen
Gründen in zwei Hauptabteilungen umgewandelt
Was nun die Gesetzgebung des Bundes betrifft, werden muß.
von der die Betroffenen erwarten, daß sie einfach Bei den sachlichen Ausgaben ist lediglich auf die
alle die Schäden auf den Bund übernimmt, die die Tit. 221, 602 und auf einen neuen Tit. 603 zu ver-
Besatzungsmächte nicht ausgeglichen haben, so ist weisen. In Tit. 221 wurde der Ansatz von 80 000
hier eine praktisch durchführbare Lösung vielleicht auf 150 000 DM erhöht. Es handelt sich dabei um
in der Weise denkbar, daß eine Verschmelzung der die Kosten für die Beiräte, die beim Bundesarbeits-
alliierten und der deutschen Entschädigungen in ministerium tätig sind. Diese Beiräte sind um
einem einheitlichen Verfahren und aus einer ein- einige vermehrt worden. Ich bitte dazu auf die Er-
heitlichen Kasse ins Auge gefaßt wird, was sich läuterung dieses Titels verweisen zu dürfen.
vielleicht im Zusammenhang mit der Einrichtung
eines Rechtszugs unter Beteiligung deutscher Ge- In Tit. 602 ist der Ansatz von 150 000 auf
richtsstellen erreichen läßt. Aber hierüber wird es 250 000 DM erhöht worden. Hier handelt es sich
noch mancher Verhandlungen und Erwägungen be- um die Kosten für Forschungsaufträge. Diese For-
dürfen. schungsaufträge müssen vermehrt werden.
Ich möchte diese wenigen Bemerkungen nicht Der neue Tit. 603 wurde mit 200 000 DM ausge-
beenden, ohne auch der Abteilung des Bundes- stattet, und zwar für Zuschüsse an die Träger der
-
finanzministeriums, die seit Jahren die Verhand- Krankenversicherung zu den Kosten der Statistik
lungen mit den Alliierten geführt und die Be- über Krankheitsarten und Todesursachen. Diese
treuung der sogenannten Härtefälle übernommen Statistik wurde bisher ausschließlich von den Ver-
hat, für ihre zähe und erfolgreiche Arbeit zu dan- sicherungsträgern finanziert.
ken. Zu dem Geschäftsbereich des Bundesarbeitsmini-
(Beifall in der Mitte.) sters gehören die Bundesbehörde für Unfallver-
sicherung in Wilhelmshaven, das Bundesinstitut für
Die beteiligten Herren arbeiten in ihrer schwach Arbeitsschutz in Soest, das Bundesarbeitsgericht in
besetzten Abteilung bis an die Grenze ihrer Lei- Kassel, ein noch zu schaffendes Bundesversiche-
stungsfähigkeit. Leider ließ sich die Anregung des rungsamt und schließlich das Bundessozialgericht
5. Ausschusses, die Planstellen zu vermehren, bei in Kassel.
den Budgetberatungen nicht durchsetzen. Aber es
ist zu hoffen, daß sich wenigstens innerhalb des Für die Bundesausführungsbehörde für Unfall-
Finanzministeriums gewisse Verschiebungen er- versicherung mußte die Anzahl der Stellen für An-
möglichen lassen, die eine Entlastung herbeiführen. gestellte um 19 und für Arbeiter um 1 vermehrt
In vielen Fällen richtet sich die Hauptbeschwerde werden. Verursacht wurden diese Mehranforderun-
der Betroffenen gegen die Langsamkeit der Regu- gen durch vermehrten Arbeitsanfall, der durch die
lierung, insbesondere bei beschlagnahmtem Bau- Schaffung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-
land. Die Beschleunigung der Verwaltungsarbeit gesetzes entstanden ist, das im vergangenen Jahr
könnte somit eine fühlbare Erleichterung bringen. in diesem Hause verabschiedet wurde.
(Beifall in der Mitte.) Im Bundesinstitut für Arbeitsschutz ist lediglich
eine Angestellten- in eine Regierungsmedizinal-
Präsident D. Dr. Ehlers: Es liegen keine weiteren
ratsstelle umgewandelt worden.
Wortmeldungen vor; ich schließe die Aussprache Das Bundesarbeitsgericht in Kassel hat vor kur-
zum Einzelplan 08. zem seine Tätigkeit aufgenommen. Für das Bun-
desarbeitsgericht sind 27 Beamtenstellen einschließ-
Ich komme zur Abstimmung über die Druck- lich eines Präsidenten, eines Vizepräsidenten und
sache 358. Ich bitte die Damen und Herren, die die- acht Richter sowie 17 Angestellten- und sieben
ser Drucksache und damit dem Haushalt für den Arbeiterstellen vorgesehen.
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finan-
zen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. (Vizepräsident D r. Schneider über
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Haus- nimmt den Vorsitz.)
halt ist mit Mehrheit angenommen.
Das Bundesversicherungsamt wird wahrschein-
Ich rufe auf lich noch in diesem Jahre durch ein Gesetz, über
das dieses Haus noch zu befinden hat, errichtet
Einzelplan 11 — Haushalt für den Geschäfts- werden. Der Haushaltsplan sieht für das Bundes-
bereich des Bundesministers für Arbeit versicherungsamt 49 Beamten-, 34 Angestellten-
(Drucksache 361; Umdruck 41). und 16 Arbeiterstellen vor. Da dieses Amt erst in
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Arndgen. einem späteren Zeitraum des Haushaltsjahres er-
964 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Arndgen)
richtet wird, hat der Haushaltsausschuß die An- betroffen werden. Diese Millionenzahlen von Men-
sätze für das Bundesversicherungsamt um 25 % ge- schen und ihre Angehörigen müssen wir hinter die-
kürzt. sen Zahlen sehen. Die Not und die Sorgen, die
dahinterstehen, liegen auf den Schultern eines
Dabei darf ich auf einen Druckfehler in der Bundesarbeitsministers. Das ist die große und be-
Drucksache 361 aufmerksam machen. Es heißt auf sondere Verantwortung, die ein Bundesarbeitsmi-
Seite 4 bei Tit. 298: „Zuschuß zur Gemeinschafts- nister zu tragen hat.
verpflegung 9500 DM". Es muß heißen: 7100 DM.
Auf diese Berichtigung möchte ich ausdrücklich Ich darf in diesem Zusammenhang eine Bemer-
hinweisen. kung machen, von der ich hoffe, daß auch die So-
zialpolitiker der anderen Parteien ihr dem Grund-
Für das Bundessozialgericht, das zur Zeit in zug nach zustimmen. Bei einem so bedeutungs-
Kassel errichtet wird, sind 27 Beamtenstellen ein- vollen Haushalt hätte es vielleicht nahegelegen,
schließlich der Richter, 31 Angestelltenstellen und ihn etwas mehr in den Vordergrund zu rücken
20 Arbeiterstellen vorgesehen. und ihn nicht am letzten Tage, der leider das Haus
Bei Kap. 1111, Arbeitslosenhilfe, sind zunächst schon etwas ermüdet zeigt, zu behandeln. Wenn
die Einnahmen um 152 000 DM auf 2 152 000 DM das Bundesarbeitsministerium und der Bundes-
im Anschlag erhöht worden. Auf der Ausgaben- arbeitsminister auch nicht so im Vordergrund und
seite wurde bei Tit. 300 der Ansatz, der im Vor- im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stehen, wie
anschlag mit 388 Millionen DM ausgewiesen war, das beim Bundeswirtschaftsminister oder beim
um 250 Millionen DM auf 638 Millionen DM er- Bundesfinanzminister der Fall ist, so wissen doch
höht. Insgesamt ist für die Arbeitslosenhilfe im diese Arbeitnehmer, diese Alten und Gebrechlichen
Kap. 1111 ein Zuschuß von 729 558 000 DM veran- sehr genau, daß ihr Schicksal zum großen Teil
schlagt. von der Fähigkeit des Arbeitsministers, von seiner
politischen Kraft abhängt. Dieses Wissen haben
Bei Kap. 1112, Betriebliche Altersfürsorge, ist alle die Betroffenen aus der Weimarer Zeit —
der Ansatz auf 10 Millionen DM verringert wor- denn es handelt sich meistens um Altere
den. Während im vergangenen Jahr 15 Millio- — mit übernommen, aus einer Zeit, wo
nen DM veranschlagt waren, sind jetzt nur 10 Mil- Persönlichkeiten wie Dr. Heinrich Brauns, Rudolf
lionen DM veranschlagt, weil der Ist-Betrag für Wissell und Adam Stegerwald an der Spitze des
dieses Kapitel die 10-Millionen-Grenze bisher nicht Reichsarbeitsministeriums standen, große Männer,
überschritten hat. die damals die Sozialpolitik in wahrhaftem Sinne
In Kap. 1113, Sozialversicherung, sind die Aus- vorangetrieben haben.
gaben für Zuschüsse an Rentenleistungen mit Ich glaube, wir sind berechtigt und auch ver-
2 575 370 000 DM gegenüber einem Ansatz von pflichtet, an solchen Vorbildern den Mann zu mes-
1 958 Millionen DM im Jahre 1953 in Ansatz ge- sen, der seit fünf Jahren an der Spitze des sozial-
bracht. Das Mehr von etwa 600 Millionen DM wird politischen Ressorts steht. Angesichts der Größe der
auf Grund der Gesetze, die in diesem Hause im Aufgabe und angesichts des Gewichts der sozialen
vergangenen Jahr verabschiedet worden sind, die Fragen, die an diesem Ministerium hängen, müssen
Mehrleistungen im Gefolge hatten, benötigt. wir gestehen: wir sind enttäuscht. Ich glaube,
diese Enttäuschung ist nicht nur in den Reihen
Im außerordentlichen Haushalt sind 262 Millio- der SPD zu finden. Wer vielmehr die Literatur
nen DM ausgewiesen, die an die Versicherungs-
und die Zeitungspresse der letzten Wochen ge-
träger an Stelle von Barleistungen in Form von lesen hat, weiß, daß diese Enttäuschung bis in
Schuldverschreibungen gewährt werden. die Reihen der Koalitionsparteien hineingeht. Wir
Ich habe den Auftrag, Sie im Namen des Haus- sind nicht etwa enttäuscht, das möchte ich aus-
haltsausschusses zu bitten, der Drucksache 361 Ihre drücklich sagen, von dem guten Willen des Mini-
Zustimmung zu geben. sters Storch; der ist ohne Zweifel vorhanden. Aber
enttäuscht sind wir von einem Denken, das prag-
(Beifall in der Mitte.) matisch von einem Fall zum andern Fall geht,
Vizepräsident Dr. Schneider: Ich danke dem einem Denken, das nicht von großen leitenden
Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aus- Ideen getragen ist, die besonders notwendig ge-
sprache ein. wesen wären angesichts der Aufgabe, in der Zeit
nach der Kapitulation eine einheitliche und der be-
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preller. sonderen Situation angepaßte Nachkriegssozialpoli-
Dr. Preller (SPD): Herr Präsident! Meine Damen tik zu konzipieren. Ich darf dahin zusammenfas-
und Herren! Der Soziale Haushalt verdient zwei- sen: es ist die Konzeptionslosigkeit, die nicht nur
fellos im Bundestag eine besondere Aufmerksam- wir, sondern auch die Öffentlichkeit hinter dieser
keit; denn der Haushalt des Arbeitsministeriums Sozialpolitik spürt, die dieses Unbehagen hervor-
umfaßt zusammen mit dem hierhin gehörigen und gerufen hat.
später zu behandelnden Haushalt Soziale Kriegs- Schon im 1. Bundestag haben wir darüber ge-
folgelasten rund ein Drittel des gesamten Bundes- sprochen und es beklagt, daß die Sozialpolitik sich
haushalts. An diesen Milliardensummen hängt das im Grunde nur aus Flickwerk zusammengesetzt
Wohl und das Wehe großer Bevölkerungsschich- hat. Herr Minister Storch hat damals — ich denke
ten. Bei dem Haushalt des Arbeitsministeriums an die letzte Haushaltsdebatte vor rund einem
sprechen wir praktisch von dem Los der Alten und Dreivierteljahr — mit einem gewissen Recht ge-
Invaliden, der Witwen und Waisen, dem Los der sagt, er habe zunächst Aufbauarbeit zu leisten
Kriegsopfer, der Unfallgeschädigten, der Kranken, gehabt.
der Gebrechlichen. Es sind, wie wir alle wissen, Jetzt stehen wir am Beginn des 2. Bundestages,
zusammen rund 12 Millionen Menschen, Rentner und am Anfang dieses Bundestages steht das Wort
und Unterstützte, die an diesem Haushalt hängen. des Bundeskanzlers von der umfassenden Sozial-
Dazu kommen über 16 Millionen Arbeitnehmer, reform.
die durch den Haushalt des Bundesarbeitsministers (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 965
(Dr. Preller)
Unterdessen ist nun ein halbes Jahr verstrichen, auftraten, Theodor Lohmann zwar nicht entlassen,
und ich muß wiederum sagen: es sind nicht nur aber zur Seite gestellt hat. Das war das Schick-
die Sozialdemokraten, sondern weite Kreise inner- sal damals. Wir fragen: Wie liegen diese Dinge
halb der deutschen sozialpolitischen Öffentlichkeit, heute?
die danach fragen, wo denn nun wenigstens die Zu diesen eigenartigen Auffassungen gehört nun
Vorarbeiten seien, die erkennen ließen, wohin diese auch die Darstellung, die aus dem Bundesfinanz-
umfassende Sozialreform ziele. ministerium zum Bundessozialhaushalt kommt.
Ich möchte ausdrücklich bemerken, daß es mir Zweifellos ist für diese Dinge der Bundesfinanz-
heute nicht am Platze erscheint, hier eine Diskus- minister zuständig. Aber dem Bundesarbeitsmini-
sion über die Sozialreform im einzelnen zu ent- ster kann doch diese Darstellung nicht gleichgül-
fachen; jedenfalls haben wir nicht die Absicht. tig sein. Denn nach der Höhe, in der der Sozial-
Sie wissen, daß wir eine Große Anfrage einge- aufwand berechnet wird, ergibt sich für den Ar-
bracht haben, bei deren Besprechung die Gelegen- beitsminister der Spielraum, innerhalb dessen er
heit sein wird, sich mit diesen Fragen im einzelnen Bewegungsfreiheit besitzt.
auseinanderzusetzen. Ich nehme an, daß das nach Die Tendenz, die aus dem Bundesfinanzministe-
Ostern der Fall sein wird, und ich hoffe nur, daß rium zum Sozialhaushalt kommt, ist aber nun völ-
diese Aussprache nicht allzu lange hinausgezögert lig eindeutig. Sie geht dahin, den Sozialhaushalt
wird, etwa weil die Unterlagen im Ministerium so hoch wie nur möglich anzusetzen. Es ist vom
noch nicht ganz zusammengestellt sein sollten. Finanzministerium bereits erreicht worden, daß
in der Öffentlichkeit ganz allgemein von Sozial-
Wenn ich von einer Konzeptionslosigkeit gespro- ausgaben in der Höhe von insgesamt über 20 Mil-
chen habe, so haben diese nicht nur die Sozial- liarden DM gesprochen wird. Ich möchte auch an
demokraten empfunden, sondern ich denke z. B. dieser Stelle die Gelegenheit benutzen, um mit
an den Artikel, der Anfang dieses Monats in der Nachdruck festzustellen, daß diese Zahl außer-
bekannten Zeitschrift „Der Arbeitgeber" erschienen ordentlich irreführend ist. Sie entsteht nämlich
ist, in dem dasselbe zum Ausdruck gebracht wor- nur dadurch, daß Leistungen zum Sozialhaushalt
den ist. Wir haben den Eindruck, daß die Füh- gerechnet werden, die schlechterdings gar nicht hin-
rung der Sozialpolitik in einem gewissen, aber be- eingehören, z. B. die Leistungen an die 131er, seien
dauerlichen Umfang vom Arbeitsministerium an es die Beamten oder die ehemaligen Wehrmacht
das Finanzministerium übergegangen zu sein angehörigen. Die echten Sozialleistungen, die so-
scheint. Ich hatte schon im vorigen Jahr Herrn genannten klassischen Sozialleistungen aus Sozial-
Bundesfinanzminister Schäffer gefragt, ob- er am versicherung und Arbeitslosenversicherung, betra-
Rechtsanspruch auf die Sozialleistungen festhalte. gen, gemessen an dem Gesamtsozialprodukt, für
Herr Minister Schäffer hatte von dieser Stelle aus 1954 zusammen 12 Milliarden DM. Davon tragen
geantwortet: jawohl, für die Sozialversicherung die Versicherten, die Arbeitnehmer und die Arbeit-
halte er an dem Rechtsanspruch fest. Herr Bun- geber, 9 Milliarden DM bei; der Bund steuert 3,2
desarbeitsminister Storch — das erkennen wir Milliarden DM zu diesen echten Sozialleistungen
hoch an — hat auch noch andere Gelegenheiten bei. Dann kommen die Kriegsfolgeleistungen mit
benutzt, dieses zu bekräftigen. zusammen 3,8 Milliarden DM, die vom Steuerzah-
Meine Damen und Herren, Sie haben aber eben- ler, also vom Bund getragen werden. Das ergibt
so wie wir im November vorigen Jahres in der zusammen 15,8 Milliarden DM an Mitteln, die aus
„Welt" den Aufsatz eines führenden Referenten im Steuern und Versichertenbeiträgen für echte soziale
Bundesfinanzministerium gelesen, der für die kom- Leistungen und Kriegsfolgeleistungen gegeben
mende Sozialpolitik die weitgehende Anwendung werden. Meine Damen und Herren, das sind drei
des Fürsorgegrundsatzes befürwortet; nicht etwa Viertel der Summe von 20 Milliarden DM, die das
nur das allgemeine Ermessen, sondern den Für- Bundesfinanzministerium immer und immer wie-
sorgegrundsatz! Dieser Artikel ist nicht nur von der in die Öffentlichkeit hinausgibt. Das möchte
der Sozialdemokratie als eine authentische Auslas- ich hier noch einmal gesagt haben.
sung aus dem Bundesfinanzministerium angesehen Ein Gleiches beobachten wir, wenn vom Bun-
worden, und von dorther ist eine gewisse Beun- deshaushalt gesprochen wird. Der Bundesfinanz-
ruhigung zu verstehen, die in soziapolitischen minister hat in seiner ersten Rede zum Haushalt
Kreisen über diese Auslassung entstanden ist. Auch einmal, das gebe ich zu, den Sozialhaushalt mit
hier möchte ich betonen, daß ich im Augenblick 8,75 Milliarden DM beziffert, nämlich nach Abzug
keine Debatte über Fürsorge- oder andere Prin- der Leistungen aus dem Lastenausgleich. Aber im
zipien entfachen will. Ich gehe in diesem Zusam- übrigen hat er stets von Leistungen von über
menhang nur auf diese Dinge ein, um daran deut- 10 Milliarden DM gesprochen, und damit ist er über
lich zu machen, daß wir der Auffassung sind — den sogenannten Verteidigungshaushalt hinausge-
und ich hoffe, Sie mit uns zusammen —, daß der kommen. Diese Summe von über 10 Milliarden
sozialpolitische Kurs einer Bundesregierung vom DM ist nur dadurch zustande gekommen, daß vom
Bundesarbeitsministerium zu vertreten ist und Bundesfinanzministerium die Leistungen aus dem
nicht vom Bundesfinanzministerium. Lastenausgleich und an die sogenannten 131er mit
(Sehr richtig! bei der SPD.) einbezogen worden sind. Ich habe schon an ande-
rer Stelle nachgewiesen, wie unrichtig und wie
Der Bundesarbeitsminister sollte es sich energisch gefährlich eine solche Rechnung ist; denn die Lei-
verbitten, daß ein Referent — und wenn auch im stungen an die 131er sind reine Arbeitgeberleistun-
Ministeralratsrang — aus einem anderen Ministe- gen des Staatshaushalts. Wer diese Leistungen in
rium eine so eigenwillige und eigenartige Politik die sogenannten Sozialleistungen einrechnet, muß
eigener Prägung verfolgt. Wenn wir an histori- doch erwarten und muß es sich gefallen lassen, daß
sche Vorbilder denken, etwa an das Verhältnis die Rentner einen Vergleich ihrer Rente mit den
Bismarcks zu seinem damaligen, wie wir heute Pensionen vornehmen; daß sie eine Invalidenrente,
sagen würden, Ministerialrat Theodor Lohmann, die, wie wir wissen, im Durchschnitt bei etwa
so wissen wir, daß Bismarck, als hier Differenzen 78 DM im Monat liegt, oder eine Angestelltenrente,
966 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Preller)
die mit etwas über 120 DM im Monat auch nicht hat in seiner Eröffnungsrede im März ausgeführt,
viel höher liegt, mit Pensionen vergleichen, die der Haushaltsplan 1954 solle den Ausgangspunkt
für die 131er-Beamten im Durchschnitt 575 DM für die erwartete Sozialreform abgeben. Äußerun-
im Monat und für die ehemaligen Wehrmachtan- gen in der damaligen Debatte sowie Veröffent-
gehörigen 461 DM betragen, von den Ruhegehäl- lichungen aus dem Bundesfinanzministerium lassen
tern der Beamten ganz zu schweigen. Wir möch- aber befürchten, daß unter einer solchen Sozial-
ten nachdrücklich davor warnen, einen solchen reform, auf die ich hier sonst nicht weiter eingehen
Weg zu gehen. will, lediglich eine Verlagerung von Sozialleistun-
Ich habe vorhin einen Referenten des Bundes- gen der einen Art auf einen Posten anderer Art
finanzministeriums kritisiert. Aber derselbe Refe- verstanden wird. Wenn man aber von einem Hau-
fen auf den andern verlagern will, dann muß ein
rent hat — und das begrüße ich — im Bulletin
Haufen kleiner werden. In diesem Sinne möchte
Nr. 9 von 1954 von sich aus ausdrücklich die Lei-
ich auch fragen: Wo gedenkt denn die Bundes-
stungen an die 131er mit der Bemerkung vom
regierung etwa, wenn von Verlagerungen die Rede
gesamten Sozialhaushalt abgesetzt, es handle sich
ist, soziale Leistungen zu kürzen, wenn sie für
weitgehend um beamtenrechtliche Ansprüche. Ich Mehrleistungen in ihrem Etat jetzt keinen einzigen
freue mich, hier die Übereinstimmung des Finanz- Pfennig eingesetzt hat? Wir werden uns erlauben,
ministeriums mit den Auffassungen, die ich eben zu diesen Dingen im Nachtrag zu der Großen An-
vorgetragen habe, feststellen zu können. Aber dann frage weitere Anträge zu stellen.
sollte man in gleicher Weise auch bei den Leistun-
gen im Rahmen des Lastenausgleichs verfahren. Aber gerade in diesem Zusammenhang muß ich
(Abg. Dr. Atzenroth: Des Lastenausgleichs?) nun endlich noch eingehen auf die Zwangsanleihe,
die der Bundesfinanzminister in der bekannten
— Jawohl, Herr Atzenroth, des Lastenausgleichs. Höhe von 512 Millionen DM der Arbeitslosenver-
In den Allgemeinen Vorbemerkungen auf Seite 169 sicherung und der Rentenversicherung auferlegen
sind die Leistungen des Lastenausgleichs nicht un- will. Es hat den Anschein, als ob die Verhand-
ter den sozialen Kriegsfolgeleistungen aufgeführt, lungen mit beiden Institutionen unterdessen so
und ich halte es für richtig, daß sie nicht dort weit gediehen sind, daß die Arbeitslosenversiche-
erscheinen, sondern unter den durchlaufenden Mit- rung 262 und die Rentenversicherungsträger 250
teln. Dahin gehören sie, und die dort verwirklichte Millionen DM in Bundesschuldverschreibungen er-
Einsicht sollte systematisch realisiert werden. halten sollen. Soweit diese Institutionen sich damit
Meine Damen und Herren! Sie könnten sagen: durch ihre Selbstverwaltungskörperschaften ein-
Das sind theoretische Erwägungen, die ein Pro- verstanden erklärt haben, mögen sie das mit den
fessor hier vorbringt, weil er eben einmal die Versicherten selber ausmachen. Ich weise nur
Gelegenheit hat. Aber ich möchte Ihnen sagen, daß darauf hin, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund
hinter diesen angeblich theoretischen Erwägungen in einer Verlautbarung, die gestern herausgekom-
außerordentlich einschneidende Folgen für die men ist, sich hinsichtlich der Bundesanstalt mit
Volkswirtschaft und auch für die hohe Politik Nachdruck gegen eine solche Entwicklung gewehrt
stehen; denn mit den klassischen Sozialleistungen und verwahrt hat.
aus dem Bundeshaushalt von, wie ich sagte, 3,2
Aber hier möchte ich einmal auf die rechtliche
Milliarden und den Kriegsfolgeleistungen von
3,8 Milliarden, zusammen also 7 Milliarden, kommt und politische Seite dieses Vorganges hinweisen.
Wie steht es denn rechtlich? Rechtlich ist der Bun-
das Bundesfinanzministerium nicht wie mit seinen desfinanzminister nach § 13 Abs. 3 des Haushalts-
10 Milliarden, die sonst immer angegeben werden, gesetzes, wenn dieser Absatz angenommen ist —
über den fälschlich Verteidigungshaushalt genann- erst dann! —, in der Lage, Verhandlungen über
ten Posten von 9,3 Milliarden hinaus. Ich sage: diese Aktionen zu führen. Dieser Paragraph ist
fälschlich Verteidigungshaushalt genannt, weil in noch nicht angenommen. Politisch ist es aber nun
diesem Posten zunächst noch Besatzungskosten ungemein interessant, daß der Bundesfinanz-
enthalten sind. Wir sollten uns, meine Damen und minister nicht nur bereits verhandelt hat, bevor er
Herren, aber endlich einmal darüber einig wer- vom Parlament überhaupt erst ermächtigt worden
den, daß der soziale und der sogenannte Verteidi- wäre, sondern daß er diesen Abzug bereits dik-
gungshaushalt zusammen gesehen werden müssen tieren wollte, ehe das Parlament gesprochen hat.
und daß der soziale Haushalt an politischem Ge- Mir liegt hier ein Schreiben des Bundesfinanz-
wicht immer schwerer wiegen muß als jeder so- ministers vom 5. März vor — da war von dieser
genannte Verteidigungshaushalt; denn was etwa Haushaltsdebatte keine Rede —; dort hat das Bun-
an sozialer Sicherung durch den sozialen Haushalt desfinanzministerium von Forderungen der Bun-
gewonnen wird, das ist mindestens im Kalten desanstalt und der Rentenversicherungsträger an
Kriege ebenso wirksam wie irgendein militärisches die Bundesregierung gesprochen. Das stimmt ja gar
Kontingent. nicht! Es handelt sich bei weitem nicht um Forde-
In diesem Sinne vermissen wir in diesem sozia- rungen, sondern es handelt sich um Verpflichtun-
len Haushalt aber jeden Ansatzpunkt für eine gen des Bundesfinanzministers für die Vorleistun-
Verbesserung der Sozialrenten oder der Kriegs- gen, die aus der Bundesanstalt für die Arbeits-
opferrenten oder etwa zugunsten der Neurentner, losenfürsorgeunterstützung gegeben worden sind,
die unter der Geldentwertung bzw. der Teuerung und es handelt sich um gesetzliche, nach dem Ren-
zweifellos auch leiden. Wir vermissen Ansätze für tenzulagengesetz vom Bund zu tragende Leistungen,
die älteren Witwen, die bekanntlich immer noch die dieses Parlament beschlossen hat. Der Bundes-
darauf warten, mit den sogenannten jüngeren Wit- finanzminister verfügte aber am 5. März, daß der
wen gleichgestellt zu werden, und für den Aus- Bundesanstalt monatlich 21 Millionen DM und den
gleich von vielen anderen Ungerechtigkeiten, die, Rentenversicherungsträgern monatlich 22 Millio-
wie wir alle wissen, noch in der gegenwärtigen nen DM nicht in bar, sondern in Schuldverschrei-
Versicherung und Versorgung stecken. bungen — Anfang März, bereits vor diesen Ver-
Der Komplex der Sozialleistungen muß eben zu- handlungen gegeben werden sollten,
sammen gesehen werden. Der Bundesfinanzminister (Hört! Hört! bei der SPD)
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 967
(Dr. Preller)
ohne daß irgendwie darüber verhandelt worden Wir sind zu dem Entschluß gekommen, uns wie im
wäre. Das war selbst dem Bundesarbeitsministe- Vorjahre der Stimme zu enthalten, und zwar des-
rium zu bunt, halb
(erneuter Zuruf von der SPD: Hört! Hört!) (Abg. Arndgen: Aha!)
und das Bundesarbeitsministerium hat am 6. März' — nicht aha, Herr Arndgen! —, weil wir Rücksicht
dem Bundesfinanzminister geschrieben, daß für ein nehmen auf die Leistungen, die aus diesem Haus-
solches Verfahren jegliche Rechtsgrundlage fehle, halt an die Rentner, an die Arbeitslosen und an
ja daß sogar, so schreibt das Bundesarbeitsministe- zahlreiche sozialpolitische Institutionen gehen.
rium, der Verband der Rentenversicherungsträger
nicht einmal davon unterrichtet worden sei, was (Abg. Winkelheide: Dann müssen Sie ja
ihm hier angedroht wird. sagen!)
Wir haben hier schon im Verlauf oder Zusam- Unsere Haltung entspringt dem Gefühl der Ver-
menhang mit der gestrigen Debatte von demokra- bundenheit mit jenen Menschen, die in Not sind.
tischen Methoden sprechen müssen, — zu unserem Aber gleichzeitig — da gibt es nichts zu lachen,
Bedauern. Ich frage: Ist es eine demokratische Herr Winkelheide —
Methode, wenn ein Bundesfinanzministerium in (Abg. Winkelheide: Nein; j a müssen Sie
dieser Weise verfährt, ohne vom Parlament dazu sagen!)
berechtigt worden zu sein, so zu verfahren? kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Sozial-
(Beifall bei der SPD.) demokratie die Politik des Bundesarbeitsministers
Storch als solche ablehnt.
Das Arbeitsministerium hat im übrigen in dem
gleichen Schreiben darauf hingewiesen, daß damit (Beifall bei der SPD. — Hört! Hört! in der
— ich zitiere wörtlich —„die Sicherstellung der Mitte.)
für die Rentenzahlungen unerläßlichen Betriebs- Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
mittelbereitstellungen ernsthaft in Frage gestellt" Herr Bundesfinanzminister.
sei. Ich und mit mir die Sozialdemokratie kann das
nur unterstreichen. Aber wir fragen, warum der Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Herr
Bundesarbeitsminister, der Herr Kollege Storch, Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf
nicht die gleichen Bedenken, die hier in seinem die Ausführungen des Herrn Vorredners nur fol-
Ministerium geäußert worden sind, schon gegen- gendes feststellen: Erstens: Im Vorjahre wurde
über jener Zwangsanleihe von 512 Millionen DM ausdrücklich beschlossen, daß im Haushaltsjahr
mit Erfolg im Kabinett durchgesetzt hat, warum er 1954 möglichst nicht der Weg des Gesetzes, sondern
sich im Kabinett mit diesen Dingen einverstanden der Weg der Vereinbarung mit der Bundesanstalt
erklärt hat? Und warum der Arbeitsminister diese für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversiche-
Gefahren nicht sieht, wenn er jetzt für die zweifel- rung gegangen werden soll, und allenfalls mit den
los erforderliche Altrentenerhöhung zwischen 700 Rentenversicherungsanstalten. Ich freue mich, dem
und 800 Millionen DM aus eben jenen Betriebs- Hohen Hause mitteilen zu können, daß dieser Weg
mitteln entnehmen will, die eine Abteilung seines der Vereinbarung entsprechend dem Beschluß des
Hauses als nicht antastbar erklärt hat? Hier haben Bundestags im Vorjahr nun mit Erfolg eingeschla-
wir eben den Bundesarbeitsminister in jener gen worden ist und daß ich bereits die Mitteilung
Schwäche im Faktischen, die wir an ihm beklagen. in der Hand habe, daß die Bundesanstalt für Ar-
Deshalb fühlen wir als Sozialdemokraten von uns beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
aus die Verpflichtung, die Versicherung von eben dem Vorschlag des Bundesfinanzministeriums auf
jener Zwangsanleihe zu befreien. Das ist der In- Übernahme von 262 Millionen DM Schuldverschrei-
halt unseres Antrags, der als Umdruck 41 verteilt bungen zugestimmt hat.
worden ist und in dem gefordert wird, daß in ver- Zweitens darf ich mitteilen, daß es ein Irrtum
schiedenen Positionen insgesamt diese 512 Millio- ist, anzunehmen, daß 22 Millionen DM bei der
nen DM gestrichen werden. Rentenversicherungsanstalt gestrichen werden. Die
Wir haben dies aber nicht nur aus den eben ge- werden ausbezahlt.
nannten grundsätzlichen Erwägungen beantragt,
sondern auch deshalb, weil wir glauben, daß Gel- Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
der aus der Bundesanstalt besser verwendet wür- Abgeordnete Traub.
den, wenn sie für die Beschaffung dauernder Ar- Traub (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
beitsplätze oder für eine Verbesserung der Arbeits- Herren! Es wurde in diesem Hohen Hause heute
losenunterstützung ausgegeben würden. Wir wer- bereits zum Ausdruck gebracht, daß von den im
den solche Anträge stellen, und man darf uns dann Etat des Bundesarbeitsministeriums enthaltenen
nicht antworten, man habe kein Geld für diese Zahlen das Wohl und Wehe großer Volksschichten
Dinge. Denn wenn man zunächst 512 Millionen und abhängt. Millionen von Rentnern, von Sozialver-
jetzt 262 Millionen DM aus der Bundesanstalt her- sicherten, von Kriegsopfern usw. warten seit
ausziehen will, dann darf man nicht hinterher sagen, Monaten und Jahren auf die von der Bundesregie-
man habe kein Geld für die Erhöhung der Arbeits- rung und die von dem Herrn Bundesarbeits-
losenunterstützung. Ich erwähne das deshalb, weil minister immer wieder angekündigte große Sozial-
zweifellos zur Arbeitslosenunterstützung dann die reform. Leider habe ich von den Etatberatungen
Arbeitslosenfürsorgeunterstützung hinzukommt. im Haushaltsausschuß nicht den Eindruck mitge-
Wir wollen ankündigen, daß wir zum geeigneten nommen, als ob Sie, Herr Bundesarbeitsminister,
Zeitpunkt entsprechende Anträge stellen werden. oder Ihr Ministerium überhaupt schon klar umris-
Angesichts dieser starken Bedenken, die wir gegen sene Vorstellungen von der Sozialreform hätten.
die Politik des Bundesarbeitsministers, besser noch: Wäre dies der Fall, so hätten Sie uns sicher, Herr
gegen seine Politik der vagen Versprechungen und Minister, mit einigen interessanten Zahlen in
mangelnden sozialpolitischen Konzeption haben, Ihrem Haushalt überrascht..
haben wir erneut geprüft, ob wir den Haushalt des Tief bedauerlich ist die Tatsache, daß die Sozial-
Bundesarbeitsministeriums nicht ablehnen sollten. reform in erster Linie von fiskalischen Gesichts-
968 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Traub)
punkten aus betrachtet wird. Alle Erklärungen Reform der Sozialgesetzgebung beschäftigen, wäh-
der Bundesregierung — man kann das nicht oft rend wir aber für die ständigen sozialen Umschich-
genug betonen —, daß sie dem Bundestag Maß- tungen in unserem Volke laufend neue Überlegun-
nahmen vorschlagen wolle, die zu einer wirtschaft- gen auf dem Gebiet der Sozialversicherung und
lichen Verbesserung der Lage der Rentner, der der Sozialgesetzgebung anstellen müßten.
Invaliden, der Waisen, der Hinterbliebenen führen Vielleicht, Herr Minister, können Sie bei dieser
würden, sind allmählich so abgedroschen und bald Gelegenheit uns auch einmal sagen, wer die unter
so unglaubwürdig, daß sie draußen in der Öffent- den laufenden Nummern 36 bis 40 im Verzeichnis
lichkeit niemand mehr ernst nimmt. aufgeführten Beiräte und Arbeitsstäbe geschaffen
(Sehr richtig! bei der SPD.) hat, wo die Rechtsgrundlage dafür besteht, wer die
Mitglieder berufen hat und nach welchen Gesichts-
Wenn es Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, nicht punkten sie berufen wurden. Bei dieser Liste habe
bald gelingt, dieses Problem wirklich einmal zu ich festgestellt — Sie haben da beispielsweise
lösen, und wenn die Bundesregierung nicht endlich einen Arbeitsstab für die Neuordnung der
einmal statt des Geldes nun auch den Menschen Krankenversicherung der Rentner, einen Arbeits-
in den Mittelpunkt der Betrachtungen über eine stab zur Neuordnung des Kassenarztrechts, des
Sozialreform stellt, dann werden Sie erleben, daß Verbänderechts usw. —, daß in all diesen Beiräten
Hunderttausende und Millionen von Menschen den und Arbeitsstäben entweder Sie, Herr Minister,
Glauben an die Gerechtigkeit und an die gerechte persönlich oder einer Ihrer leitenden Beamten den
Sache unseres neuen demokratischen Staates ver- Vorsitz führen.
lieren. (Zuruf von der SPD.)
(Abg. Winkelheide: Das hat der 6. September Ich glaube, hier haben wir einmal einen An-
aber nicht gezeigt!) satzpunkt dafür, warum heute in Ihrem Ministe-
— Vor dem 6. September haben Sie sehr viel ver- rium noch nichts Positives an gesetzgeberischer
sprochen, und nach dem 6. September haben Sie Arbeit herausgekommen ist, nämlich deshalb, weil
bis jetzt noch gar nichts gehalten. Sie sich in diesen Dingen zersplittern und sich nicht
(Beifall bei der SPD.) auf Ihre Hauptaufgabe konzentrieren. Ich darf
sagen, daß die Beamten und Angestellten Ihres
Meine Damen und Herren, ich sage nochmals: Ministeriums wohl sehr fleißige Leute sind, aber
Herr Bundesarbeitsminister, wir sind von der wir müssen doch feststellen, daß diese Beamten
Arbeit Ihres Ministeriums bitter enttäuscht, zu- und Angestellten im Kleinkram, in der reinen Ver-
mal wir bei den Haushaltsberatungen doch fest-
waltungstätigkeit ersticken.
stellen durften, daß der Aufbau Ihres Ministeriums
-
personell und sachlich vollzogen ist, so daß dort Nun frage ich Sie, Herr Minister: Warum sto-
eigentlich volle Arbeitsfähigkeit besteht. Der ßen Sie nicht endlich einmal einen Teil dieser
Haushaltsausschuß hat Ihnen die erforderlichen Kleinarbeit aus Ihrem Ministerium ab? Warum
Mehrstellen sowohl in Ihrem Ministerium als auch schalten Sie nicht endlich die Selbstverwaltungs -
in den übrigen Behörden und Verwaltungen an- organe und ihre Verbände ein, und warum geben
standslos genehmigt. Er hat Ihnen sogar die Sie den Selbstverwaltungsorganen und damit ihren
Stellen für eine neue Abteilung V, d. h. für eine Verbänden nicht echte Aufgaben und echte Verant-
Abteilung „Kriegsopferversorgung", bewilligt. wortung? Ich möchte überhaupt einmal wissen,
Nun fragen wir uns: Warum, Herr Minister, kom- welche Aufgaben der Herr Bundesarbeitsminister
men Sie trotzdem mit Ihrer Sozialgesetzgebung den Spitzenverbänden in der Selbstverwaltung
und mit Ihrer Sozialreform zu keinem Ergebnis? übertragen will. — Herr Kollege Horn, Sie schüt-
Ich glaube, wir kommen den Gründen dafür teln den Kopf, aber es ist doch tatsächlich so, daß
vielleicht etwas näher, wenn wir einmal das dem heute noch nicht klar feststeht, welche Aufgaben
Haushaltsausschuß zur Verfügung gestellte Ver- diese Spitzenverbände überhaupt haben.
zeichnis der Beiräte und Ausschüsse Ihres Mini- (Abg. Arndgen: Sie sind von jeder Sach
steriums betrachten. Dort sind 42 Positionen auf- kenntnis ungetrübt!)
geführt. Leider handelt es sich zum großen Teil Nun, Herr Minister, es hat sehr lange gedauert --
nur um die sogenannten Heimarbeiterausschüsse, (Abg. Winkelheide: Sie müssen das Selbst
die wohl auch wichtig sind, aber nicht mit der gro- verwaltungsgesetz lesen!)
ßen Reform der Sozialversicherung und der Sozial-
— Ich kenne das Selbstverwaltungsgesetz sehr
gesetzgebung in Zusammenhang stehen. Als eine
genau. Ich habe es mindestens so genau studiert,
der wenigen Positionen dieses Verzeichnisses wäre
der im Auftrag des Bundestages gebildete bera- wie Sie es getan haben!
tende Beirat für die Neuordnung der sozialen Lei- (Abg. Winkelheide: Dann dürfen Sie nicht
stungen zu erwähnen. Was haben wir uns von so reden!)
diesem Beirat versprochen? Was haben wir bisher Es hat sehr lange gedauert, Herr Minister, bis in
überhaupt von der Arbeit dieses Beirates gehört? Ihrem Ministerium die Voraussetzungen für das
Nun, Herr Minister, ich möchte Sie heute fragen: Wirksamwerden der Selbstverwaltung in der
Was hat dieser Beirat bisher getan, um auf diesem Sozialversicherung geschaffen wurden.
Gebiet wirklich einen Schritt vorwärtszukommen? (Zuruf rechts.)
(Beifall bei der SPD.) Ich meine, Sie werden wohl nicht bestreiten, daß
Es ist außerordentlich bedauerlich, daß das Bun- eine sehr lange Zeit verstrich, bis man endlich im
desarbeitsministerium bis heute noch keinen wis- Bundesarbeitsministerium dazu kam, die Verord-
senschaftlichen Beirat geschaffen hat, ähnlich wie nungen und Durchführungsbestimmungen zu die-
wir ihn beim Finanz- und Wirtschaftsministerium sem Gesetz zu erlassen. Die Selbstverwaltungs-
haben. Dieser Beirat zur Neuordnung der sozialen gesetze sehen nicht immer so aus, wie wir sie für
Leistungen, darüber sind wir uns doch im klaren, richtig gehalten hätten.
meine Damen und Herren, kann nur eine Teil- (Abg. Winkelheide: Sie sind aber demo
aufgabe lösen, d. h. er kann sich wirklich mit der kratisch gemacht!)
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 969
(Traub)
Die Selbstverwaltungsorgane haben — das dürfen körpern besteht. In der kommunalen Selbstverwal-
wir heute zunächst einmal feststellen — ihren Auf- tung gibt es zahlreiche Fälle, in denen die Ge-
bau im Jahre 1953 vollzogen, und zwar auf Kreis- schäftsführer der Körperschaften des öffentlichen
und Länderebene. Die Selbstverwaltung ist dort Rechts den Vorsitz in den Organen führen. Wenn
Wirklichkeit geworden. Wenn ich recht informiert schon in der Sozialversicherung die Geschäftsführer
bin, gibt es 60 000 ehrenamtliche Mitarbeiter in der von den Organen gewählt werden, müßte dafür ge-
Sozialversicherung, die sich Mühe geben, die sorgt werden, daß sie auch stärker in den Organen
Selbstverwaltung draußen durchzuführen. Ich der Sozialversicherung verzahnt, daß sie in diesen
glaube, diesen Frauen und Männern gebührt heute Organen stärker verankert werden.
von dieser Stelle auch einmal ein Wort des Dankes (Zurufe von der Mitte.)
für ihre Arbeit. — Damit Sie beruhigt sind, will ich Ihnen gleich
(Beifall bei der SPD.) einige konkrete Beispiele sagen, wo das Bundes-
Wir sind vorhin bei der Behandlung der Spitzen- arbeitsministerium nicht vorankommt. Ich denke
verbände stehengeblieben. Ich weiß, daß die an das Fremdrentengesetz, das rückwirkend mit
Spitzenverbände erst in letzter Zeit von den Selbst- dem 1. April 1952 in Kraft treten soll. Aber zu
verwaltungsorganen übernommen wurden. Sie kön- diesem wichtigen Gesetz hat das Bundesarbeits-
nen deshalb nicht sagen, daß sie auch schon wirk- ministerium bis heute noch keine Durchführungs-
lich tätig gewesen wären. Ich bin der Auffassung, verordnung schaffen können.
daß die Aufgaben der Spitzenverbände noch nicht (Sehr richtig! bei der SPD.)
abschließend geregelt sind. Es wäre wirklich an der Ich denke weiter an das Mutterschutzgesetz.
Zeit, Herr Minister, daß Sie diese Aufgaben rich-
(Erneute Zustimmung bei der SPD.)
tig verteilen und dafür sorgen, daß dort wirklich
Verantwortung getragen wird. Auch dazu fehlen Verwaltungsvorschriften und
Durchführungsbestimmungen. Und der Herr Bun-
(Zurufe von der Mitte.) desarbeitsminister enthält den Ortskrankenkassen
Ich sagte vorhin schon, daß beim Arbeitsministe- bis heute noch Millionenbeträge vor. Die Kranken-
rium so viel Kleinkram gemacht wird, daß man kassen können für die verausgabten Beträge kei-
sich dort mit Aus- und Durchführungsbestimmun- nen Ersatz bekommen, weil das Ministerium in
gen beschäftigt, was man doch zum großen Teil den seiner Arbeit nicht weiter kommt.
Selbstverwaltungsorganen übertragen kann, damit
Ein ganz trübes Kapitel ist auch die Frage der
das Ministerium entsprechend entlastet wird. Rentnerkrankenversicherung. Man hat den Orts-
(Zuruf von der Mitte: Lesen Sie doch die krankenkassen Aufgaben zugewiesen, die sie durch-
Gesetze durch!) -
führen müssen. Man sorgt von Ihrer Seite, Herr
Das Ministerium brütet monate- und jahrelang Bundesarbeitsminister, aber nicht dafür, daß die
über den Durch- und Ausführungsbestimmungen Kosten, die dadurch entstehen, den Kassen wieder
zu den Gesetzen und kommt nicht weiter. Die ersetzt werden. Das hat dazu geführt, daß die
Durchführungsbestimmungen gehen vom Ministe- Ortskrankenkassen im letzten Halbjahr zum gro-
rium zum Spitzenverband, von diesem zum Lan- ßen Teil ihre Beiträge erhöhen mußten, weil der
desverband, von dort zu den Organisationen und Herr Bundesarbeitsminister entweder nicht den
auf dem gleichen Wege zurück, dann sind fünf Be- Mut gehabt oder nicht das Verantwortungsgefühl
sprechungen im Arbeitsministerium unter dem besessen hat, hier einmal zu fragen: Wer ersetzt
Vorsitz des Herrn Ministers oder eines leitenden den Ortskrankenkassen ihre Ausgaben?
Beamten. Und was kommt dabei in der Regel her- (Beifall bei der SPD.)
aus? Wenn es zu einer Einigung kommt, ist es Der Herr Bundesfinanzminister sitzt eben hier
nicht eine solche nach sachlichen und fachlichen vorne. Ich muß sagen, es ist eine bedauerliche Tat-
Gesichtspunkten, sondern eine Einigung auf Grund sache, daß der Herr Bundesarbeitsminister es nicht
der Autorität des Ministeriums, wobei dann drau- fertiggebracht hat, dem Herrn Bundesfinanzmini-
ßen die Ausführung des Gesetzes immer wieder ster zu sagen: Statt daß Sie nun im Wege der An-
auf Schwierigkeiten stößt. leihe den Rentenversicherungsträgern 250 Millio-
(Widerspruch in der Mitte.) nen wegnehmen, geben Sie mal erst den Ortskran-
— Ich werde Ihnen nachher einige Beispiele da- kenkassen das, was die Rentenversicherungsträger
für sagen, Herr Kollege Horn; dann werden Sie den Ortskrankenkassen schuldig sind.
zugeben, daß ich doch nicht ganz Unrecht habe. Ich will auf die Vertröstung der Rentner im Zuge
Ich meine, die Fragen der Selbstverwaltung und der großen Sozialreform heute gar nicht besonders
der Übertragung der Aufgaben sind nicht so zu sprechen kommen. Das werden wir bei unserer
schwierig, wie man das ansieht. Wir haben heute Großen Anfrage nach Ostern tun. Was hier mit
andere Verhältnisse als vor fünfzig und sechzig diesen armen und kleinen Leuten seit Monaten und
Jahren. Im Selbstverwaltungsgesetz ist die Bestim- Jahren geschieht, daß sie vertröstet werden, ist
mung verankert, daß in vielen Fällen die Durch- einfach nicht mehr zu verantworten.
führung der Selbstverwaltung bei den Verbänden Herr Bundesarbeitsminister, wir werden Ihnen
und Organisationen liegt. Das ist doch etwas in den nächsten Tagen auch noch Material vor-
Neues. Ich will damit sagen, daß auf Kreis-, Län- legen, aus dem hervorgeht, daß in der Arbeits-
der- und Bundesebene immer dieselben Organisa- losenversicherung und in der Arbeitslosenfürsorge
tionen oder Verbände einander gegenüberstehen, heute noch zum Teil Sätze bezahlt werden, die
nämlich die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerver- wesentlich unter den Fürsorgerichtsätzen liegen.
bände. Auch das ist keine Art. Auch hier hätte das Bun-
Bei dieser Gelegenheit, Herr Minister, möchte desarbeitsministerium längst dafür sorgen können,
ich sagen, daß Sie sich auch einmal darüber Gedanken daß diese Dinge geändert werden.
machen sollten, wie man den Dualismus beseitigen Dann noch ein kritisches Wort, Herr Bundes-
könnte, der heute erneut zwischen den Organen arbeitsminister. Sie haben der gesetzlichen Kran-
und der Verwaltung in den Selbstverwaltungs kenversicherung in den letzten Jahren eine Reihe
970 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Traub)
von Auftragsangelegenheiten übertragen. Diese Auf- — Es stimmt, Herr Minister! Wir werden nachher
tragsangelegenheiten — das darf man wohl sagen — noch dazu Stellung nehmen.
machen heute vielleicht 40 % der Gesamtaufgaben Ich wollte damit sagen: nachdem der Herr
der Versicherungsträger aus. Diese Entwicklung ist Minister hier Gelder abgezogen hat, haben wir eben
nicht ungefährlich. Aber es ist tief bedauerlich, daß die Befürchtung, daß, wenn eine stärkere organi-
Sie, Herr Minister, bisher immer versucht haben, satorische Zusammenfassung kommt, auch hier ge-
die Durchführung der Auftragsangelegenheiten den wisse fiskalische Gesichtspunkte eine Rolle spielen.
Sozialversicherungsträgern dadurch zu erschweren, Das möchten wir natürlich bei der Kriegsopferver-
daß Sie, statt das Pauschalierungssystem einzufüh- sorgung vermieden haben.
ren, in steigendem Maße zu Einzelabrechnungen Ich darf noch eines zum Bundesinstitut für
übergehen und Einzelverbuchungen von den Ver- Arbeitsschutz in Soest sagen. Die sozialdemokra-
sicherungsträgern verlangen. Das gibt eine der- tische Fraktion begrüßt alle Maßnahmen, die einer
artige Verwaltungsarbeit, daß langsam überhaupt praktischen Unfallverhütung dienen.
kein Mensch mehr diese ganzen Dinge überblickt.
Ich erinnere Sie nur daran, was Sie bei der Durch- (Abg. Lücke: Und lehnt den Etat ab!)
führung der Krankenversicherung der Arbeitslosen — Nein, das tun wir nicht, wir lehnen diesen Etat
jetzt gemacht haben. Da verlangen Sie die Einzel- nicht ab.
abrechnungen und die Einzelbuchungen, ein Zu-
stand, der unerträglich ist. Ich verstehe überhaupt (Zuruf von der Mitte: Das habt ihr gesagt! —
nicht, wie man dazu kommt, ein solches Gesetz Zuruf rechts: Dann sagt doch ja!)
vorzulegen und so etwas von den Sozialversiche- Ich wollte Ihnen dazu nur folgendes sagen. Wenn
rungsträgern zu verlangen. Hier möchte ich Ihnen, Sie schon einmal etwas mit dem Gewerbeaufsichts-
Herr Minister, empfehlen, einmal den Entwurf des amt zu tun hatten, werden Sie mir recht geben,
Finanzanpassungsgesetzes zu studieren, den uns der wenn ich sage, daß man mit den in diesem Institut
Herr Bundesfinanzminister vorgelegt hat. Dort wird beschäftigten 5 Beamten, ich glaube, 18 Angestell-
z. B. in der Frage der Kriegsfolgelasten ein Loblied ten und 3 Arbeitern, also 26 Menschen, ein ordent-
auf das Pauschalierungsverfahren gesungen, dort liches Gewerbeaufsichtsamt in einem Land auf-
wird den Selbstverwaltungskörperschaften der bauen kann, das wirklich einen praktischen Zweck
Kommunen eine Anerkennung ausgesprochen, und hat. Wir haben gewisse Bedenken, ob das Institut
dort sagt man, das Einzelabrechnungsverfahren sei in Soest noch wirklichkeitsnah ist, ob die Zeitung,
viel zu kostspielig und viel zu umständlich. Aber die es beispielsweise herausgibt, noch betriebsnah
Sie, Herr Minister, gehen gerade den entgegen- ist. Wir werden jedenfalls diese Dinge mit Auf-
gesetzten Weg. Dort heißt es, daß man die Pau- merksamkeit verfolgen und darauf achten, daß sich
schalierungsbeträge im Vertrauen auf die Selbst- hier kein Wasserkopf bildet und daß kein Neben-
verwaltungskörperschaften sogar noch höher ange- einander entsteht, sondern daß hier wirklich posi-
setzt hat, als der tatsächliche Aufwand im letzten tive Arbeit geleistet wird.
Jahr war. Wenn Sie, Herr Minister, den Selbst- Nun noch ein Wort zum Bundesversicherungsamt.
verwaltungsorganen in der Sozialversicherung Der Haushaltsausschuß hat 75 % der angeforderten
nicht mindestens so viel Vertrauen entgegenbrin- personellen und sächlichen Kosten genehmigt, ob-
gen, wie es der Herr Bundesfinanzminister den wohl das Gesetz zur Schaffung des Bundesversiche-
Selbstverwaltungsorganen der Kommunen ent- rungsamtes bis heute noch nicht erlassen ist. Sie
gegenbringt, dann ist das ein außerordentlich wissen, daß uns ein Gesetzentwurf vorliegt und
bedauerlicher Zustand. daß sich erst noch die Ausschüsse mit ihm beschäf-
(Sehr richtig! bei der SPD.) tigen müssen.
Ich möchte auch noch ein Wort zu der Abtei- Meine Damen und Herren, wir haben bei den
lung V sagen, die Sie in Ihrem Ministerium Sozialversicherungsträgern die Selbstverwaltung
geschaffen haben. Ich habe bei der Etatberatung durchgeführt, wir haben in den letzten Monaten die
zum Ausdruck gebracht, wir begrüßten es, daß end- Sozialgerichtsbarkeit in den Ländern durchgeführt,
lich einmal auch der Bedeutung der Kriegsopfer- und wir haben vorhin gehört, daß nun auch das
versorgung in Ihrem Ministerium stärker Rechnung Bundessozialgericht seine Tätigkeit aufgenommen
getragen werde. Wir haben den Wunsch und die habe. Ich bin allerdings noch nicht davon über-
Hoffnung, daß diese Abteilung auch wirklich zu zeugt, denn ich habe heute gerade in der Presse
einer Beschleunigung der Durchführung der Ge- gelesen, daß der Präsident seine Arbeit erst Ende
setze, Ausführungsbestimmungen usw. beiträgt. dieses oder Anfang nächsten Monats aufnehmen
Wir haben aber auch gewisse Besorgnisse und Be- wird. Wir wünschen jedenfalls nicht, daß man
denken. Denn nachdem wir jetzt im Haushaltsaus- dieser Selbstverwaltung am Ende, an der obersten
schuß erlebt haben, daß der Herr Bundesfinanz- Spitze, eine Zwangsjacke anlegt.
minister 255 Millionen von der Kriegsopferversor- Sie wissen, daß das Bundesversicherungsamt
gung gestrichen hat nicht mehr all die Aufgaben hat, die das frühere
(Hört! Hört! bei der SPD) Reichsversicherungsamt gehabt hat. Das frühere
und dazu übergegangen ist, bei der Kriegsopfer- Reichsversicherungsamt hatte bekanntlich die
versorgung Personal einzusparen, muß ich schon Rechtsprechung, die nun auf das Bundessozial-
sagen, Herr Minister, sind wir auch — — gericht übergegangen ist. Die Verwaltungsaufgaben
sind zum großen Teil auf die Länder übergegangen.
(Bundesfinanzminister Schäffer: Beides un- Dem Bundesversicherungsamt wird in erster Linie
richtig! — Abg. Arndgen: Das stimmt ja nur noch die Aufsicht über die bundesunmittel-
beides nicht! Das müßten Sie als Mitglied baren Versicherungsträger, also über die Berufs-
des Haushaltsausschusses wissen!) genossenschaften übertragen. Auch hier haben wir
— Wir werden nachher darauf zurückkommen. Das — ich muß wieder auf die fiskalischen Gesichts-
stimmt schon, Sie werden noch überzeugt werden! punkte zurückkommen — das Bedenken, Herr
(Bundesfinanzminister Schäffer: Das stimmt Bundesfinanzminister, ob man nachher nicht ver-
beides nicht!) suchen wird, nicht nur bei der Bundesanstalt und
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 971
(Traub)
bei den Rentenversicherungsträgern, sondern auch Dr. Atzenroth (FDP): Meine Damen und Herren!
bei den Berufsgenossenschaften die Zusammen- Herr Professor Preller, Sie haben mit Recht be-
fassung dazu zu benutzen, sich in die finanziellen klagt, die Öffentlichkeit — aber auch dieses Haus
Dinge, d. h. in die Rücklagen dieser Versicherungs- — interessiere sich eigentlich zu wenig für die
träger, einzumischen. großen Fragen, die in dem Komplex Sozialetat
(Bundesfinanzminister Schäffer: Wenn ihr zusammenzufassen sind. Ich stimme Ihnen insofern
sonst keine Sorgen habt, könnt ihr ruhig absolut zu. Aber glauben Sie nicht auch, daß eine
schlafen! — Heiterkeit.) Rede, wie sie eben mein Vorredner gelesen hat,
dazu beiträgt, das Interesse in diesem Haus außer-
— Herr Bundesfinanzminister, ich darf Ihnen fol-
ordentlich zu verringern?
gendes sagen. Es gibt wohl in jedem Ministerium
schwarze Stellen. Aber ich glaube, wenn man spä- (Zustimmung in der Mitte und rechts.)
ter einmal diese schwarzen Stellen nachsieht, wird Ich hoffe, diese Rede war nicht dazu bestimmt,
man erkennen, daß eine der schwärzesten Stellen die Lücke auszufüllen, die — zu unserer allge-
bei Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, beim Bundes- meinen Befriedigung — in diesem Hause entstan-
arbeitsminister und beim Herrn Bundeskanzler der den ist.
Tag war, an dem Sie die Gelder, die Rücklagen der (Zurufe von der SPD. — Abg. Frau Kors
Sozialversicherungsträger, dazu verwandt haben, peter: Herr Dr. Atzenroth, das ist aber un
Ihren Haushalt auszugleichen. erhört!)
(Beifall bei der SPD. — Bundesfinanzminister Herr Professor, sie hatte eine starke Tendenz in
Schäffer: Bei Ihnen gibt's keine schwarzen der Richtung, wie wir sie hier in vier Jahren
Stellen, aber leere! — Abg. Winkelheide: wiederholt, in vielleicht schärferer Form, vernom-
Gut, gut! Wir haben doch alle die Selbst men haben.
verwaltung beschlossen! — Gegenruf von (Abg. Frau Korspeter: Herr Atzenroth, Sie
der SPD: Das wollen sie nicht hören!) sollten so etwas nicht sagen! — Weitere
Das Bundesarbeitsministerium ist das Ministe- Zurufe von der SPD. — Unruhe.)
rium, mit dessen Etat das Schicksal Millionen Be- Herr Professor Preller, ich bin mit Ihnen ferner
rufstätiger, Rentner, Körperbeschädigter und Hinter- in dem Bedauern einig, daß zu dem Haushaltsplan,
bliebener aufs engste verbunden ist. Seien Sie, der nun vorgelegt worden ist, so wenig zu sagen
Herr Bundesarbeitsminister, sich immer bewußt, ist. Denn das Wichtigste fehlt auch nach unserer
daß auch das Schicksal unseres demokratischen Auffassung darin: für die große Sozialreform, die
Staates zu einem großen Teil von der politischen uns immer angekündigt worden ist und die wir
-
Haltung und Einstellung dieses Personenkreises alle erwartet haben, sind keine Anzeichen in die-
abhängig sein wird. sem Haushaltsplan zu erblicken.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ist (Zurufe von der SPD: Na, also! — Wenn
) der Auffassung, daß Sie, Herr Bundesarbeits- w i r das nun gesagt hätten!)
minister, die Ihnen zukommenden großen Auf-
gaben auf dem Gebiet der Sozialpolitik und der Jetzt aber trennen sich unsere Auffassungen —
Sozialgesetzgebung in den letzten Jahren nicht er- wenn Sie noch ein bißchen gewartet hätten, wäre
füllt und nicht mit Ihrer ganzen Persönlichkeit kein Grund zu dieser Unruhe vorhanden —: wir
gefördert haben. Sie haben Ihr Ministerium nach kommen mit positiven Vorschlägen. Ich darf an die
unserer Auffassung zum Anhängsel des Bundes- Ausführungen erinnern, die mein Kollege Dr.
finanzministeriums gemacht Dehler von diesem Pult aus vor einiger Zeit
gemacht hat und die in der Öffentlichkeit ein über-
(Abg. Horn: Das haben wir eben schon raschend starkes Echo gefunden haben.
gehört!)
(Fortgesetzte Zurufe von der SPD.)
und nicht zu einem Rufer für die sozial Schwachen,
In den Ausführungen von Herrn Professor Preller
(Beifall bei der SPD) taucht aber immer nur der eine Gedanke auf:
von denen der Herr Bundeskanzler auch in seiner Warum gebt ihr in den Sozialetat nicht weitere
Regierungserklärung gesagt hat, sie hätten an den zusätzliche Mittel hinein? Diese Mittel wären doch
Segnungen der sozialen Marktwirtschaft nicht teil- letzten Endes nur vom Steuerzahler aufzubringen.
genommen. Die einzige Hoffnung dieser Menschen Wir müssen zu anderen Methoden kommen, wir
Ist nach einem arbeitsreichen Leben, bei Unfall, bei müssen zu konstruktiven Methoden kommen!
Arbeitslosigkeit und in der Not eine soziale Sicher- Sie wissen ganz genau, Herr Professor Preller,
heit, für die Sie, Herr Bundesarbeitsminister, als daß ich mit Ihnen hinsichtlich der Unterstützung
der zuständige Minister in erster Linie die Verant- und der Aufrechterhaltung des Versicherungsprin-
wortung zu tragen haben. zips völlig einig bin. Das wollen wir fördern, wo
Wir haben bei der Etatberatung unsererseits dazu es nur zu fördern geht. Aber darüber hinaus wer-
beigetragen, daß Ihr Ministerium arbeitsfähig wird. den Sie an Fürsorgeleistungen nicht vorbeikom-
Wir haben Ihnen das Personal dazu genehmigt. Das men. Wir müssen eine grundsätzliche Änderung
ist unser positiver Beitrag zu Ihrem Ministerium. des gesamten Rentensystems vornehmen. Das ist
Sorgen nun Sie dafür, daß mit diesem Apparat der Sinn der Ausführungen, die Herr Dehler hier
eine positive und vorbildliche Sozialgesetzgebung gemacht hat. Wir können es uns nicht erlauben,
geschaffen wird, damit wir bei der Etatberatung daß wir grundsätzlich die Rente als das erstrebens-
im kommenden Jahr eine positivere Haltung zu werte Ziel in diesem Staate betrachten. Wir müs-
Ihrem Ministerium einnehmen können. sen in unserem Volke wieder das Gefühl für Selbst-
(Beifall bei der SPD. — Abg. Winkelheide: verantwortung wecken. Das Gefühl dafür muß grö-
Wieder nein sagen!) ßer werden, daß der einzelne Mensch für sich sel-
ber zu sorgen hat. Erst dann können wir den wirk-
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der lich Bedürftigen in stärkerem Maße helfen.
Abgeordnete Atzenroth. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
972 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Atzenroth)
Das ist der Grundtenor dessen, was Herr Dr. Deh- stellt, als wenn man im Bundesarbeitsministerium
ler hier ausgeführt hat. Ich hätte es sehr be- die wirklich notwendigen Arbeiten vernachlässigt
grüßt, wenn auf dieser Grundlage — es waren hätte und der Bundesarbeitsminister so etwas wie
keine Einzelheiten, die da vorgetragen wurden — ein Anhängsel des Herrn Bundesfinanzministers
von dem Arbeitsministerium schon die ersten Vor- geworden wäre. Es gibt Sozialpolitiker — und vor
schläge zu einer großen Sozialreform gemacht wor- allem Sie, Herr Professor Preller, haben doch sehr
den wären, es sei denn, daß von seiner Seite bes- gute Beziehungen zu diesen Leuten —, die darüber
sere Vorschläge gekommen wären. ganz anderer Meinung sind als Sie.
Herr Professor Preller, ich bin mit Ihnen auch (Abg. Arndgen: Sehr richtig!)
darin einig, daß es nicht der richtige Weg ist, Mit- Wie ich weiß, waren gerade die verantwortlichen
tel der Sozialversicherung auf dem Wege über Leute in unseren Sozialversicherungsträgern, als
Vereinbarungen oder, wie im vergangenen Jahr, wir nach dem Kriege in Frankfurt unsere Arbeit
über Gesetze in den Haushalt hineinzubringen. begannen, der Meinung, daß es vielleicht Jahr-
Aber jetzt kommt wieder die Differenz zwischen zehnte dauern werde, bis man der ganzen Sozial-
uns: bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung versicherung und damit der sozialen Sicherstellung
und Arbeitslosenversicherung fallen zu viele Mit- der arbeitenden Menschen wieder einen festen
tel an. Warum ziehen wir nicht sofort die klare Grund geben könne. Als wir hier in Bonn den
Konsequenz und senken nicht die Beiträge, nicht ersten Etat des Bundes aufstellten, waren wir in
etwa, um irgend jemanden, den Arbeitgeber oder der Lage, einen Betrag von 700 Millionen DM
den Arbeitnehmer, zu erleichtern, sondern um diese in den Etat einzusetzen und die sozialen Verpflich-
Beiträge für einen Zweck zu verwenden, für den tungen aus der Rentenversicherung so zu unter-
sie zur Zeit viel notwendiger sind? Es war, glaube mauern, daß sie gesichert waren. Vor drei Jahren
ich, der Herr Bundesarbeitsminister, der von dieser habe ich einmal auf dem Verbandstag der Orts-
Stelle aus auf die drohende Gefahr hingewiesen krankenkassenverbände vor 2000 Delegierten ge-
hat, die vor unserer Rentenversicherung in einigen sagt, eine wirkliche Sicherung der sozialen Rechts-
Jahren steht. Er hat einen bestimmten Zeitpunkt stellung der arbeitenden Menschen werde nur
genannt. Wenn ich mich recht erinnere, hat er ge- möglich sein, wenn wir aus dem Bundeshaushalt
sagt, daß 10 Arbeitnehmer mit ihren Arbeitgebern einen Betrag von jährlich eineinhalb Milliarden
die Beiträge für 17 Rentner aufzubringen hätten. DM bekommen, um so zumindest in etwa die
Das ist eine erschreckende Tatsache, die vor uns Schwierigkeiten zu überwinden, die uns durch den
steht. Wir sollten jetzt schon für Mittel sorgen, Verlust der Deckungskapitalien bei den Rentenver-
um gegen diese Gefahr gewappnet zu sein. Als sicherungen entstanden seien. Damals hat mir ein
eines dieser Mittel sehe ich es an, daß wir einen Freund von Ihnen im persönlichen Gespräch ge-
Teil der in der Arbeitslosenversicherung aufkom- sagt: „Kollege Storch, das erlebst du nicht und
menden und dort nicht benötigten Mittel abzwei- das erlebe ich nicht, daß wir anderthalb Milliar-
gen und in die Rentenversicherung überführen, wo den zusätzlich aus Steuermitteln für unsere Zwecke
sie jetzt und vor allem in den nächsten Jahren so bekommen!" — Und was haben wir denn heute?
dringend gebraucht werden. In dem Ihnen vorliegenden Etat sind diese Beträge
(Abg. Frau Korspeter: Dann beschlagnahmt nicht um 1,5, sondern um 1,9 Milliarden DM er-
sie der Herr Bundesfinanzminister!) höht!
— Der Herr Bundesfinanzminister beschlagnahmt (Beifall bei der CDU/CSU.)
sie nicht, denn diese Mittel stehen der Rentenver- Es kommt doch praktisch nicht darauf an, daß man
sicherung als Rechtsanspruch zur Verfügung, jeden Tag draußen im Volke große Reden hält
wenn sie benötigt werden. Im Augenblick ist es über das, was man tut, sondern daß man in Wirk-
bei der Rentenversicherung so, daß die Mittel nicht lichkeit für diese Menschen etwas erreicht.
direkt in bar gebraucht werden; denn die aufkom- (Beifall bei der CDU/CSU.)
menden Beiträge zur Rentenversicherung decken Herr Professor Preller, ich kann Ihnen nur einen
die derzeitigen Ausgaben. Aber das sich verän- guten Rat geben: legen Sie das, was Sie heute ge-
dernde Verhältnis zwischen Beitragsaufkommen sagt haben, morgen Ihrem Parteifreund, dem jetzi-
und Rentenzahlungen steht drohend vor uns. Da- gen Vorsitzenden des Verbandes der Rentenver-
für brauchen wir in einigen Jahren die Mittel und sicherungsträger, dem ehemaligen Ministerpräsi-
dafür sollten wir sie rechtzeitig aufstocken. Wir
denten Christian Stock, vor, und er wird sagen:
sollten uns z. B. davor hüten, allzu viele Mittel Meine Zustimmung bekommen Sie für derartige
der Rentenversicherung so langfristig anzulegen, Ausführungen nicht!
wie es von den Versicherungsträgern selbst ge-
schieht. (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
Ich konnte hier nur einige Gedanken zum Aus- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn
druck bringen. Alle diejenigen Menschen, die sich man aus einem völligen Zusammenbruch heraus-
mit der Sozialpolitik ehrlich beschäftigen, müssen kommt und die Verpflichtung hat, gerade für die
sich darüber Gedanken machen, wie wir schnell Ärmsten der Armen und für die Schwächsten in
— möglichst noch in diesem Jahre — zu der großen der Bevölkerung Sicherungen zu schaffen, dann
Sozialreform kommen. Dafür hätten die ersten An- muß man allerdings manchmal das, was man viel-
sätze in diesem Haushaltsplan erscheinen müssen. leicht gern tun würde, zurückstellen, bis man die
wirtschaftlichen und die finanziellen Grundlagen
(Beifall bei der FDP.) geschaffen hat. Unsere ganze Arbeit, angefangen
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der mit dem Wirtschaftsrat in Frankfurt und fortge-
Herr Bundesarbeitsminister Storch. setzt in diesem Hause, in der Regierung der Bun-
desrepublik, war ein allmähliches Anpassen der
Storch, Bundesminister für Arbeit: Herr Präsi- sozialen Verpflichtungen an die wirtschaftlichen
dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Möglichkeiten. M an kann doch keine Sozialpolitik
Sowohl Herr Professor Preller als auch der zweite in einem luftleeren Raum machen,
Redner der Opposition haben die Dinge so darge- (Abg. Lücke: Sehr gut!)
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 973
(Bundesminister Storch)
wenn man nicht sofort in eine Inflation steuern roth hat vorhin auf die Schwierigkeiten hingewie-
will. Das wollen Sie nicht, und das wollen wir sen, welche die Sozialversicherung in gewissen Zei-
nicht; wir sind auf diesem Gebiet in Wirklichkeit ten haben wird. Ja, wenn diese Dinge unabwend-
einig. bar wären, Herr Kollege Atzenroth, dann könnte
Ich habe bestimmt nicht erwartet, daß ich hier uns vor der Zukunft angst und bange werden. Aber
heute bei den Etatberatungen ein besonderes Lob- tatsächlich ist es doch so, daß wir ungefähr 40 %
lied bekommen würde. Das erwarte ich gar nicht; unserer Renten aus der Invalidenversicherung an
denn ich weiß selbst gut genug, daß wir in der Leute bezahlen, die unter 65 Jahre alt sind. Wir
Entwicklung stehen und daß diese Entwicklung müssen deshalb bei der ganzen Reform unserer
noch nicht abgeschlossen ist. Ich weiß ebenso gut Sozialversicherung vor allem die Frage prüfen, wie
wie die Damen und Herren von der Opposition, der Gesundheitsdienst sein muß, um gerade die
daß es vor allen Dingen bei unseren Rentenver- vorzeitige Invalidität in Zukunft zu verhindern,
sicherungsträgern noch Menschen zu betreuen gibt, damit wir, wenn wir einen größeren Kreis von
die in bitterer Not sind. Deshalb habe ich ja be- alten Menschen haben, wenigstens nicht auch noch
reits öffentlich gesagt, welche Verbesserungen wir verpflichtet sind, an jüngere Menschen in größe-
gerade für die Ärmsten der Armen, nämlich für die rem Umfang Renten zu zahlen.
Altrentner, durchzuführen gedenken. Wenn da ge- (Abg. Dr. Atzenroth: Sehr richtig!)
sagt wird: Nun ja, das ist zwar alles versprochen Nur über diese Konzeption kann man in Wirklich-
worden, und die Wahlresultate vom 6. September keit zu einer Gesundung und dauernden Sicherheit
waren nichts anderes, als daß das Volk Verspre- kommen.
chungen geglaubt hat, so dürfen Sie mir eines glau- Nun sagt man, daß diese Dinge ja seit einem hal-
ben: ich habe es beim Wahlkampf zum Bundestag ben Jahre im Gange seien. Ich bin mit dem Herrn
strikt vermieden, irgendwelche Versprechungen zu Kollegen Traub darüber einig, daß wir die Pro-
machen, bleme, die wir bei der Besprechung der Großen
(Sehr gut! bei der CDU/CSU — Zuruf Anfrage in Kürze zu erörtern haben werden, nicht
von der SPD: Na, na, Herr Minister!) heute vorweg behandeln; denn das wäre eine völlig
aber, Herr Professor Preller, ich bin hingegangen überflüssige Arbeit. Entweder hätte man die Be-
und habe einen Rechenschaftsbericht vor den Wäh- sprechung dieser Großen Anfrage mit der Etatbe-
lern gegeben, ratung verbinden oder man hätte diese Fragen
(Beifall bei der CDU/CSU) heute einmal ausschalten und auch nicht am Rande
erörtern sollen, weil gewisse Behauptungen einer
und das haben die Leute verstanden. Nicht Ver- Antwort des zuständigen Ministers bedürfen. Aber
sprechungen für die Zukunft, sondern das, - was ich möchte Ihnen eins sagen. Allein die Neuord-
man bisher im Rahmen des Möglichen getan hat. nung unserer Sozialversicherung ist eine Aufgabe
Ich könnte Ihnen Unterlagen zeigen, daß die brei- von eminenter Bedeutung. Früher hat man für der-
ten Volksschichten, die hier betroffen werden, dar- artige Arbeiten Jahre gebraucht; heute jedoch ver-
auf auch so reagiert haben, wie ich es bei dem langen Sie, daß diese verworrene Situation in Mo-
gesunden Menschenverstand unserer Menschen er- naten gelöst wird.
wartet habe.
Herr Professor Preller, Sie kennen doch ganz be-
Nun haben Sie heute wieder einmal gefragt: Wo stimmt durch Ihre Verbindungen nach England und
bleibt die große Sozialreform? Sie ist lange ange- wahrscheinlich auch durch eine persönliche Be-
sagt. Ich glaubte allerdings auch bei Ihnen, Herr kanntschaft mit Lord Beveridge den Gang der Ent-
Professor Preller, eine unterschiedliche Beurteilung wicklung in England. Als ich das letzte Mal mit
einer Sozialreform, das heißt, einer Zusammenf as Lord Beveridge zusammen war, hat er mir gesagt:
sung all der Maßnahmen, die sich aus der Sozial- „Der ganze Beveridge-Plan und damit die Grund-
versicherung, aus der Versorgungsverpflichtung des lage der sozialen Sicherheit in England ist im An-
Staates, wie beispielsweise für Kriegsbeschädigte, fang durch einen Parlamentsausschuß behandelt
Flüchtlinge und Vertriebene, und aus den Wohl- worden. Nachdem dieser Ausschuß zwei Jahre ge-
fahrtsverpflichtungen der Länder ergeben, und arbeitet hatte, hat der Ausschuß Lord Beveridge
einer Reform der Sozialversicherung voraussetzen persönlich beauftragt, die Dinge fertigzustellen, und
zu dürfen. Das zusammenzufassen in eine ein- er hat für seine Arbeit noch einmal ein Jahr ge-
heitliche Schau, ist selbstverständlich eine Notwen- braucht." Daß wir derartige Zeitspannen nicht zur
digkeit. Ich gebe Ihnen, Herr Professor, recht, wenn Verfügung haben, weiß ich am allerbesten. Ich
Sie sagen, daß die Zahlen, die da von einem Beam- kann dem Hohen Hause sagen, zur Vorbereitung
ten des Finanzministeriums in einem Artikel ge- der Gesetzesvorlage über die Erhöhung der Ren-
nannt worden sind, nicht als Gesamtsoziallasten ten für die Alten ist in meinem Hause in der dafür
angegeben werden können. Ich gehe auf diesem zuständigen Abteilung Sperre für jede andere Ar-
Gebiet völlig mit Ihnen einig, und ich habe das beit gegeben. Ich nehme an, daß ich noch im Laufe
meinem Kollegen Schäffer auch gesagt. dieses Monats von meiner versicherungsmathema-
(Abg. Dr. Preller: Hoffentlich mit Erfolg!) tischen Abteilung die Grundlagen dafür bekomme,
Aber auf der anderen Seite, Herr Professor Prel- daß dann der Referentenentwurf so schnell wie
ler haben wir, die wir sozialpolitisch j a nicht erst möglich fertiggestellt werden kann.
von gestern und von heute sind, Wie schwer die Dinge sind, meine sehr verehr-
ten Damen und Herren, sehen Sie aus einer Rede,
(Sehr gut! bei der CDU/CSU) die vor kurzem Lord Beveridge im englischen Ober-
doch eine große Aufgabe. Es ist die Reform der haus gehalten hat. Dort hat er, obwohl er für
Sozialversicherung. Das ist etwas ganz anderes als seinen Plan so viel Zeit hatte, festgestellt, daß doch
eine Sozialreform. Wir müssen doch die Versiche- vieles unvollkommen geblieben ist und daß man
rungsträger, die Rechtsansprüche vermitteln, so ge- heute daran gehen muß, diese Dinge neu zu über-
stalten, daß sie miteinander und nebeneinander prüfen. Ich garantiere Ihnen, daß die Engländer den
laufen, ohne sich gegenseitig zu stoßen. Hier stehen verantwortlichen Leuten auch die Zeit lassen, um
wir vor ungeheuren Aufgaben. Herr Kollege Atzen über die Dinge hinwegzukommen. Wenn ich im
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(Bundesminister Storch)
Kabinett und bei Besprechungen mit meinem Kol- von dem aus die weiteren Arbeiten und Über-
legen Schäffer gesagt habe, die dringendste Not legungen zu entwickeln sind, gelegt. Dabei kann
müsse vorweg beseitigt werden, dann habe ich es und muß natürlich über dieses und über jenes, ja
getan, weil ich weiß, daß man wirkliche Reformen über vieles noch gründlich gesprochen werden.
nicht durchführen kann, wenn ein Teil der Be- Die Dinge müssen gründlich durchleuchtet werden.
troffenen in bitterster Not leben muß. Zuerst muß Aber ich möchte mich mit Bezug auf diesen dama-
ich versuchen, die größten Notstände zu beseitigen. ligen Beschluß dagegen wehren, daß man in diesem
Erst dann kann ich an die grundsätzlichen Fragen Zusammenhang von absoluter Konzeptionslosigkeit
herangehen und dafür sorgen, daß das Problem bei spricht.
uns so durchgearbeitet wird, daß die dann neu ge-
gebene Ordnung auch einmal für einige Jahrzehnte Verehrter Herr Professor P r e 11 er, von Ihnen
Bestand haben kann. stammt ein Zeitungsartikel, der vor einiger Zeit
durch eine Reihe von Blättern gegangen ist und der
(Lebhafter Beifall bei den Regierungs die Überschrift trug „Der hilflose Storch". Ich weiß
parteien.) nicht, ob, wenn ein anderer, etwa Sie selber, ver-
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
ehrter Herr Professor, auf dem Stuhl des Herrn
Abgeordnete Horn. Bundesarbeitsministers säße, dieser, so wie die
Dinge find die Zusammenhänge liegen, vielleicht
Horn (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen auch Artikel zu gewärtigen hätte, die eine ähnliche
und Herren! Ich möchte mich nach den Ausführun- Überschrift trügen.
gen des Herrn Bundesarbeitsministers auf einige (Sehr gut! in der Mitte.)
wenige Bemerkungen beschränken. Es ist selbst- Man sollte mit diesen Dingen doch etwas vorsichtig
verständlich das gute Recht jeder Fraktion dieses umgehen!
Hauses und im besonderen der Opposition, bei der
Etatberatung auch dieses Ministeriums Kritik an- Tatsache ist, daß für alle grundlegenden Erwä-
zubringen. Aber ich weiß nicht, ob es nun auch un- gungen in dieser Frage echte versicherungsmathe-
bedingt zum Charakter der Opposition und ihrer matische Bilanzzahlen erforderlich sind. Diese las-
Aufgabe gehört, dabei die tatsächlichen Leistun- sen sich nun einmal nicht von heute auf morgen
gen zu übersehen, die in diesen Jahren für die mit der notwendigen Schlüssigkeit hinstellen. Sie
Armen, für die Rentner und für alle im sozialen wissen genau so gut wie wir, daß man eine Sozial-
Bereich Anspruchsberechtigten erbracht worden enquete eingeleitet hat, wenn auch nur mit einem
sind. Das sind in der Tat Leistungen, die auch die Buchstaben des Alphabets, daß aber diese Ergeb-
Opposition vor dem Hause und draußen vor dem nisse auch erst gründlich erarbeitet werden müs-
-
Volk ruhig deutlich und klar anerkennen sollte. sen, damit wir Schlußfolgerungen daraus ziehen
können, die auch von Ihnen als unerläßliche Vor-
(Sehr richtig! in der Mitte.) aussetzung angesehen werden. Ich habe mir noch
Wenn sie das tut, dann gewinnt ihre Kritik, die sie vor wenigen Tagen vom Bundesarbeitsministerium
ansonsten zu üben hat, wahrscheinlich eine erheb- sagen lassen, daß die Ergebniszahlen dieser
lich bessere Resonanz, als wenn sie sich nur in der Enquete auch beim allerbesten Willen und bei aller
Kritik ergeht. Insofern ist sich die Opposition auch Kraftanstrengung, die man darauf verwendet,
in diesem Jahr bei der Beratung treu geblieben immerhin noch einige Monate auf sich warten las-
und hat die Linie eingehalten, die sie in den ver- sen werden. Ich weiß aus gelegentlichen Unterhal-
gangenen Jahren hier bezogen hat. Ich halte das tungen mit Herrn Professor Preller, daß er auch
für eine, wenn Sie wollen, bedauerliche Tatsache. selber der Meinung ist, daß so gründliche Durch-
Nun ist von Herrn Professor Preller von der forschungen — ich wiederhole damit nur etwas,
„Konzeptionslosigkeit" des Bundesarbeitsministers was der Herr Minister eben schon gesagt hat —
gesprochen worden. Auch ich möchte mich nicht wirklich einer geraumen Zeit bedürfen und daß
näher mit dem befassen, was Gegenstand der De- man das nicht einfach so im Handumdrehen hin-
batte im Zusammenhang mit der Großen Anfrage stellen kann.
der SPD sein wird. Aber ich möchte doch darauf (Zuruf von der Mitte: Warum sagt er das
hinweisen dürfen, daß die Konzeption, die bei der nicht?)
sogenannten Reform der Sozialversicherung zu be-
folgen ist, seinerzeit vom 1. Deutschen Bundestag Vollständig einig bin ich mit Herrn Professor
demGrun achsonfetglwordenist,al Preller, wenn er in seinen Ausführungen bezüglich
hier der Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Zu- der hier behandelten Fragen auf die notwendige
sammenhang mit der Schaffung des sogenannten Selbständigkeit des Bundesarbeitsministers hinge-
Beirats angenommen wurde. An der Spitze des An- wiesen hat. Auch wir sind der Auffassung, daß hier
trags stand das Bekenntnis, daß wir im Grundsatz keine irgendwie gearteten ressortmäßigen Ver-
an der gegliederten Sozialversicherung festhalten, schiebungen Platz greifen dürfen. Der Bundes-
um nicht das Adjektiv „klassischen" wieder ein- arbeitsminister ist für uns nun einmal der Verant-
mal zu gebrauchen. Damit ist der Grund eigentlich wortliche für diese Dinge.
festgelegt. (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
Wir haben damals auch gesagt, daß alle Prüfun- Aber in dem Augenblick — und diese Tatsache
gen und Überlegungen über die Reform der Sozial- liegt ja vor —, wo auch für die sozialen Leistungen
versicherung auf eine klare Trennung von Ver- so erhebliche Mittel des Bundeshaushalts bean-
sicherung, Versorgung und Fürsorge Bedacht zu sprucht werden, wird doch niemand hier im Hause
nehmen haben. Ich weiß sehr wohl, daß mit einer etwa bestreiten wollen, daß der Herr Bundes-
derartigen Festlegung der sehr schwierige, tief finanzminister notwendigerweise sein Wort bei
gehende und umfassende Komplex dieses Problems der Angelegenheit mitzureden hat.
nicht erschöpft ist. Die Probleme gehen darüber
hinaus und liegen noch tiefer. Jedenfalls hat aber (Sehr richtig! in der Mitte.)
der 1. Bundestag in seiner Mehrheit diesen Antrag So wie es bei allen anderen Ressorts ist, wird es
damals gebilligt, und damit ist das Fundament, auch beim Bundesarbeitsministerium in dieser und
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 975
(Horn)
jener Beziehung notwendigerweise, möchte ich fast Vermögensteilen, die dann im Bundeshaushalt
sagen, zu gewissen Meinungsunterschieden und irgendwie verarbeitet werden.
Auseinandersetzungen zwischen dem Ressortmini- (Abg. Richter: Natürlich!)
ster und dem Bundesfinanzminister kommen und — Nein, das ist nicht der Fall.
kommen müssen, wenn Sie so wollen. Ich möchte
deshalb unsere Auffassung nachdrücklich unter- (Abg. Richter: Was denn sonst?)
streichen, daß auch wir den Herrn Bundesarbeits- Wir müssen auch hier wieder darauf verweisen,
minister als den in erster Linie verantwortlichen daß es sich eben, wenn so verfahren wird, um eine
Mann für diese Aufgaben und für dieses Ressort durchaus mögliche und nach den Vorschriften der
ansehen. Reichsversicherungsordnung zugelassene Vermö-
Nun ist hier wiederum — wie schon so oft — gensanlage dieser Versicherungsträger handelt und
um sonst gar nichts. Hier wird verzinst und hier
davon gesprochen worden, daß der Herr Bundes-
finanzminister Mittel der Sozialversicherungsträger wird amortisiert. Die Art und Weise, wie sich das
im einzelnen regelt, muß eben auch wiederum mit
oder auch der Bundesarbeitsverwaltung in An- den Selbstverwaltungsorganen vereinbart werden.
spruch nehme, diesen Trägern wegnehme, um da-
mit seinen Bundeshaushalt auszugleichen. Ich (Abg. Richter: Genau wie bei den Reichs
glaube, ich habe es bei einer früheren Debatte schatzanweisungen, Herr Kollege!)
schon einmal gesagt und möchte es heute sehr Die Dinge sind also, so gesehen, durchaus in Ord-
deutlich wiederholen: auch wenn man diese For- nung.
mulierung noch so oft gebraucht, sie wird deshalb Zum Schluß möchte ich noch mein Bedauern aus-
doch nicht richtig. drücken, daß sich die Opposition trotz der tatsäch-
(Zuruf von der SPD: Auch Ihre nicht!) lichen großen Leistungen, die hier erbracht worden
— Meine sehr wohl; vielleicht kapieren Sie das nur sind, in der zweiten Lesung nicht entschließen
nicht. kann, diesem Haushalt zuzustimmen. Wir möchten
(Heiterkeit in der Mitte.) aber unsererseits an dieser Stelle dem Herrn Bun-
desarbeitsminister für seine Arbeit und seine Lei-
Die Dinge sind so: Im vorigen Jahr, als wir die stungen gerade im Interesse der bedürftigen Men-
Sache erstmalig durch Gesetz für ein Jahr gemacht schen in unserer Bundesrepublik unseren ausdrück-
haben, haben wir auch von unserer Seite erklärt: lichen Dank aussprechen.
Wir tun das nur für dieses eine Mal. Im nächsten (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU,
Jahr sind die Selbstverwaltungsorgane in Funk- FDP und DP.)
tion, und dann gehört das zu deren Zuständigkeit.
-
— Wenn nun ein Selbstverwaltungsorgan — also Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat Herr
die Bundesanstalt — schon zu einer Verständigung Abgeordneter Preller.
in diesem Sinne mit dem Herrn Bundesfinanz-
minister gekommen ist, ist dazu nur zu sagen, daß Dr. Preller (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
das dann einzig und allein in der Aufgabe und und Herren! Einige der Äußerungen, die im An-
Verantwortung dieses Selbstverwaltungsorgans schluß an unsere Darlegungen erfolgt sind, bedür-
liegt. fen doch einer gewissen Erwiderung. Zunächst ein-
(Sehr richtig! in der Mitte.) mal darf ich Herrn Bundesfinanzminister Schaf-
In diesem Organ sind ja die Sozialpartner und die f er darauf aufmerksam machen, daß in dem
Gebietskörperschaften vertreten. Ich halte es für Rundschreiben seines Ministeriums vom 5. März
eine etwas komische Angelegenheit — ich will das ausdrücklich gesagt worden ist:
einmal sehr deutlich sagen —, wenn, nachdem nun Vorläufig wird in der Weise verfahren, daß
ein solches Selbstverwaltungsorgan in einer sol- wir die Zuweisung an die Bundesanstalt mit
chen Angelegenheit gesprochen hat, nachher noch einem Zwölftel, d. h. monatlich 21 Millionen DM
eine Organisation der an dieser Selbstverwaltung kürzen und bei den Betriebsmittelzuweisungen
Beteiligten glaubt, durch ihren Einspruch diese an die Rentenversicherungsträger ebenfalls
Dinge etwa wieder revidieren zu können. 22 Millionen DM monatlich in Abzug bringen.
(Sehr gut! in der Mitte.) (Hört! Hört! bei der SPD.)
Dieses Verfahren halte ich weder für zweckmäßig Das war die Absicht am 5. März 1954, und das ist
noch für richtig. dann offensichtlich nicht geschehen, weil auch der
Bundesarbeitsminister — wie er sagte — eine ge-
(Abg. Winkelheide: Keine schöne Sache! setzliche Grundlage für dieses Vorhaben des Fi-
— Gegenruf des Abg. Birkelbach.) nanzministers nicht zu sehen vermochte. Ich glaube
Zu den Sozialversicherungsträgern! Wenn ich also, daß unsere Darstellung durchaus richtig war.
den Haushalt richtig gelesen habe, dann habe ich Zweitens zu Herrn Atzenroth. Wenn Herr
den Eindruck, daß sich Verhandlungen mit den Atzenroth davon spricht, daß die Beitragssenkung
Sozialversicherungsträgern über eine nochmalige
für eine Rentenerhöhung verwendet werden sollte,
Hergabe von Millionenbeträgen inzwischen er-
so darf ich doch wohl darauf hinweisen, daß die
übrigt haben, daß sie gar nicht mehr zu führen
Mittel der Bundesanstalt, wenn sie schon ander-
sind, nachdem im außerordentlichen Haushalt weit verwendet werden sollen, jedenfalls für
250 Millionen DM eingesetzt worden sind, die der Dinge verwendet werden müssen, die den Arbeits-
Bund wahrscheinlich den Sozialversicherungsträ- losen zugute kommen, d. h. für die Beschaffung
gern in der Weise auszuzahlen gedenkt, daß er ihnen von Dauerarbeitsplätzen. Das scheint uns durchaus
halt für diese 250 Millionen DM wieder Eintragun- im Vordergrund zu stehen.
gen in das Bundesschuldbuch gibt.
(Sehr richtig! bei der SPD.)
(Abg. Richter: Das ist es!) Nun zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister
So, glaube ich, ist das zu sehen. Das ist aber doch S t o r c h gesagt hat. Mir scheint, er ist einer Ver-
— und das ist der Knalleffekt bei dieser Ange wechslung unterlegen. Er sprach davon, daß er sich
legenheit — kein Entzug und keine Entnahme von vor etwa fünf Jahren, am Anfang seiner Tätigkeit,
976 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Preller)
dahingehend geäußert habe, daß es notwendig sein — Sicher, noch einiges mehr. Aber, darf ich Ihnen
würde, für die später altwerdenden Menschen sagen, daß das, was im 1. Bundestag für die Rent-
anderthalb Milliarden jährlich zurückzulegen, um ner geleistet worden ist, überhaupt erst mit den
die Mittel, die durch die beiden Kriege und In- Anträgen der Sozialdemokratie herausgelockt wer-
flationen verlorengegangen sind, wieder d. h. im den mußte.
Wege des Kapitaldeckungsverfahrens aufzustocken. (Beifall bei der SPD. — Lebhafter Wider
Jetzt sagen Sie, Herr Minister, 1,9 Milliarden DM spruch in der Mitte.)
würden ja gegeben. Das sind aber keine Kapital Das gilt für die Rentenzulagen, das gilt für die
deckungsmittel, Herr Minister, sondern Zuschüsse; Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung,
diese Mittel sind erforderlich, wie schon in der
Weimarer Zeit, als die Zuschüsse, die damals in (fortgesetzte Zurufe von der Mitte)
Betracht kamen, zum Teil prozentual noch höher das gilt für die Erhöhung des Grundbetrags.
waren. Infolgedessen können Sie die 1,9 Milliar- (Anhaltende Zurufe von der Mitte.)
den DM, von denen Sie sprachen, nicht zur Kapital- — Sie haben dann natürlich mitgemacht.
deckung rechnen, und deshalb können diese Mittel (Erneute lebhafte Zurufe von der Mitte.)
jetzt auch nicht für die alten Leute zur Verfügung
stehen. Wir wehren uns gerade dagegen, daß die — Ach Gott, so liegen doch nun einmal die Dinge.
wenigen Betriebsmittel — etwa reichlich 1 Mil- Sehen Sie sich doch den Gang der Sache an! Es gilt
liarde DM —, die überhaupt in der Rentenver- für die Höherversicherung in der Sozialversiche-
sicherung vorhanden sind und lediglich für zwei rung, für die Änderung der Ruhensvorschriften,
Monate ausreichen, angetastet werden. Wir möch- und wir könnten diese Liste noch und noch ver-
ten sagen: Hände weg von dieser Milliarde der längern.
Rentenversicherung, weil sie gebraucht wird! (Zurufe von der Mitte.)
(Beifall bei der SPD.) Sie haben gesagt, Herr Horn, die Sozialdemokra-
Wir sind uns darüber einig, daß wir jetzt nicht tie übe nur Kritik, sie befinde sich nicht im Recht,
über die Frage der Sozialreform sprechen können, wenn sie den Vorwurf der Konzeptionslosigkeit
aber wenn Sie wiederum Beveridge zitiert haben erhebe. Nun, Herr Horn, Sie haben auf den Be-
wie schon einige Male zuvor, hier oder an anderer schluß der Bundestagsmehrheit vom Februar vor
Stelle, dann darf ich Sie auf folgendes aufmerksam zwei Jahren hingewiesen. Sie halten es also für
machen: daß dieser Bericht den Namen Beveridges eine Konzeption, wenn damals scharfe Trennung
trägt, entspricht einer Übung des englischen Par- von Versicherung, Versorgung und Fürsorge ver-
laments. Zweifellos hat der Beveridge-Ausschuß langt worden ist?
-
zwei Jahre gearbeitet, und dann hat Beveridge (Lebhafte Zurufe von der Mitte.)
noch ein weiteres Jahr darauf verwendet. Aber, Ich darf Ihnen sagen, Herr Horn, daß die sozial-
Herr Minister, vor zwei Jahren hat Ihre Koalition politische Wissenschaft unterdessen längst erkannt
unseren Antrag, einen solchen Ausschuß einzuset- hat, daß das ein falscher Weg ist. Wir werden
zen, zerschlagen.
Ihnen das noch beweisen bei der Behandlung un-
(Beifall bei der SPD.) serer Großen Anfrage.
Sie hätten jetzt schon nach zwei Jahren das hin- (Abg. Lenz [Brühl]: Hoffentlich!)
stellen können, was Beveridge mit seinem Aus-
schuß nach zwei Jahren hingestellt hat. Aber das Schließlich ist davon gesprochen worden, daß das
haben Sie versäumt. Bundesfinanzministerium mitreden müsse. Selbst-
(Sehr gut! bei der SPD.) verständlich hat der, der das Geld gibt, auch immer
etwas mitzureden. Darüber habe ich nichts gesagt,
Und genau so wie Sie damals, ein Jahr nach jenem sondern ich habe erklärt, daß, über die Hergabe
Beschluß, den Herrn Horn angeführt hat — zu- der Geldmittel von seiten des Bundesfinanzmini-
fällig kurz bevor wir unsere SPD-Tagung in Han-
steriums hinaus, dieses Ministerium eigene sozial-
nover hatten —, den Ausschuß überhaupt erst ein- politische Vorstellungen entwickelt. Und da bin ich
berufen haben, genau so haben Sie jetzt das halbe mit Ihnen der Auffassung: Das geht nicht an.
Jahr, das Sie seit der Ankündigung von Herrn
Dr. Adenauer hatten, nicht benutzt. Gerade heute Es ist auch nicht, wie sie sagen, Herr Horn, eine
morgen schreibt die Frankfurter Allgemeine Zei- komische Sache, daß sich, wenn auch die Selbstver-
tung davon, daß man nun langsam wenigstens An- waltungskörperschaften hinsichtlich der 262 Millio-
sätze zu einer Änderung des Systems sehen möchte. nen DM einen Beschluß gefaßt haben, der DGB
Sie werden ja nicht behaupten, daß das ein sozial- trotzdem erlaubt, eine eigene Meinung zu haben.
demokratisches Blatt ist. Aber auch der „Arbeit- (Zurufe von der Mitte.)
geber" — und Sie werden nicht sagen, daß die
Zeitschrift der Arbeitgeberverbände ein sozial- Einer so großen Organisation, wie sie der Deutsche
demokratisches Blatt ist — schreibt, daß das zu- Gewerkschaftsbund ist, müssen Sie immerhin zu-
ständige Bundesressort nicht ausreichend zu er- billigen, daß er auch eine eigene Meinung hat.
kennen gebe, daß es mit den Vorbereitungen für (Erneute Zurufe von der Mitte.)
eine solche Reform nachdrücklich beschäftigt sei. Selbst wenn er überstimmt worden ist, kann er
Nur das möchte ich heute zu diesen Dingen sagen, hinterher wohl auch noch seine Meinung äußern.
damit wir nicht schon bei der Etatberatung ein Das Recht dazu hat der Kollege Horn dem DGB
falsches Bild bekommen. bestritten. Das wiederum bestreite nun allerdings
Herr Horn, Sie haben angeführt, man dürfe ich dem Kollegen Horn gegenüber.
nicht nur Kritik üben, sondern müsse auch Leistun-
gen vollbringen. Nun haben Sie noch gesagt, daß der Bundesfi-
nanzminister bei den Rentenversicherungsträgern
(Abg. Horn: Anerkennen!) den Zugriff auf die 250 Millionen DM im ordent-
— Anerkennen? Gern! Soweit etwas geschehen ist! lichen Haushalt gestrichen, aber dafür im außer-
Beim Versorgungsgesetz und ähnlichem gern! ordentlichen Haushalt 250 Millionen DM Schuld-
(Zuruf von der Mitte: Noch etwas mehr!) buchverschreibungen vorgesehen habe. Herr Horn,
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 977
(Dr. Preller)
glauben Sie wirklich, daß das eine Vermögensan- herangetreten, und wir mußten drei Monate auf
lage der Rentenversicherungsträger ist? eine Antwort warten, um überhaupt festzustellen,
(Zuruf von der Mitte: Was denn sonst?) wie viele Mitglieder die Sozialdemokratische Par-
tei in diesen Beirat berufen durfte.
— Formal ja! In der Sache handelt es sich aber
nicht um Vermögen, das der Bundesfinanzminister (Hört! Hört! bei der SPD. — Zurufe von
mit Beschlag legt, sondern es handelt sich, wie auch der Mitte: Das kostete nur ein Telefonge
der Bundesarbeitsminister ganz richtig gesagt hat, spräch. — Es sollte ja auch ein wissen
um laufende Betriebsmittel, und die darf man schaftlicher Beirat sein!)
nicht in Vermögenswerten anlegen. Das sollten Sie
doch eigentlich wissen. Vizepräsident Dr. Schneider: Da weitere Wort-
meldungen nicht vorliegen, schließe ich die Be-
(Beifall bei der SPD.) ratung.
Ich darf mit dem Hinweis schließen, daß die Ich komme zur Abstimmung. Zu diesem Antrag
Opposition zwar kritisiert hat, aber, Herr Horn, liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD
nur aus der Sorge heraus, daß bessere Leistungen auf Umdruck 41*) vor. Über Ziffer 1 dieses Um-
notwendig sind. drucks kann jetzt nicht abgestimmt werden; denn
(Beifall bei der SPD.) sie gehört zu der Beratung des Haushaltsgesetzes
Vizepräsident Dr. Schneider Ich erteile das Wort selbst. Ich stelle sie also zurück.
dem Herrn Bundesarbeitsminister Storch. Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2 des
Umdrucks 41, des Antrages der sozialdemokrati-
Storch, Bundesminister für Arbeit: Herr Präsi- schen Fraktion, daß verschiedene Änderungen im
dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Etat vorgenommen werden. Wer diesem Ände-
Die letzten Ausführungen des Herrn Professor rungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein
Preller zwingen mich noch einmal hier an das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
Pult. Er hat gesagt, die Leistungen, die wir jetzt Mit Mehrheit abgelehnt.
aus dem Bundeshaushalt bekommen, seien zum Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den
größten Teil bereits in der Weimarer Republik Einzelplan 11 — Haushalt für den Geschäftsbe-
gewährt worden. Jawohl, in der Weimarer Repu- reich des Bundesministers für Arbeit —, Druck-
blik waren sie da, aber nicht im Jahre 1948, als sache 361. Wer diesem Einzelplan zustimmen will,
wir nach einem verlorenen Krieg den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
(Zuruf des Abg. Dr. Preller) — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen
und nach einem restlosen Zusammenbruch- etwas mit Mehrheit angenommen.
Neues auf die Beine stellen mußten. Erst durch Einer interfraktionellen Vereinbarung entspre-
das Sozialversicherungsanpassungsgesetz — das chend ziehe ich vor und rufe auf:
wird mir der Kollege Richter, Ihr Parteifreund, Einzelplan 45 — Haushalt Finanzielle Hilfe
bestätigen — haben wir erstmals wieder festge- für Berlin (Drucksache 376; Umdrucke 19
legt, daß die Länder — einen Bund gab es ja da- [neu], 42, 46, 58).
mals noch nicht — die Grundbeträge für die Inva-
lidenrenten zu zahlen haben. Nichts haben wir ge- Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter,
habt, und heute steht doch etwas da, was auch von Abgeordneten Traub.
den wirklich Beteiligten anerkannt wird. Traub (SPD),. Berichterstatter: Herr Präsident!
Dann wird gesagt: Ihr könntet ja viel weiter Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 45 be-
sein, wenn ihr diesen Wissenschaftlichen Beirat, faßt sich in Kap. 4502 Tit. 600 mit dem Zuschuß
den wir vorgeschlagen haben, berufen hättet. Ich zum Landeshaushalt für Berlin. Nach § 16 des Drit-
glaube, Herr Professor Preller, wir wären deshalb ten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 soll
keinen Schritt weiter vorangekommen, weil wir der Bundeszuschuß so bemessen sein, daß das Land
vor zwei Jahren gar nicht die wirtschaftlichen und Berlin die durch seine besondere Lage bedingten
die finanziellen Grundlagen dafür hatten, das zu Aufgaben erfüllen kann. Mit anderen Worten: der
tun, was wir heute tun können. Bundeszuschuß soll zur Deckung des Fehlbetrages
(Beifall bei den Regierungsparteien.) des Haushalts des Landes Berlin dienen.
Das müssen wir doch letzten Endes sehen. Und, Bei Tit. 601 handelt es sich lediglich um eine
Herr Professor, prüfen Sie einmal bei Ihrer Partei, Rücküberweisung des im Lande Berlin selbst er-
und lassen Sie sich auch von den Gewerkschaften zielten Aufkommens aus dem Notopfer Berlin.
sagen, wann das Ersuchen an sie herangetragen Wie Sie aus dem Ihnen zugegangenen Münd-
worden ist, lichen Bericht auf Drucksache 376 ersehen wol-
(Zuruf des Abg. Dr. Preller) len, wurde der in der ursprünglichen Regierungs-
die Mitglieder des Beirats zu benennen, und sagen vorlage, Drucksache 200, angesetzte Betrag bei Tit.
Sie mir dann, wann die Benennung erfolgt ist. 600 von bisher 650 Millionen auf 710 Millionen DM
Dann werden Sie finden: nach zwei oder drei Mo- erhöht, so daß die Summe der Allgemeinen Aus-
naten. gaben im Kap. 4502 insgesamt 750 Millionen DM
(Hört! Hört! und Beifall bei den Regie gegenüber 685 Millionen DM im Jahre 1953 be-
rungsparteien. — Gegenrufe von der SPD. trägt.
—Abg. Dr. Preller: Diese unrichtigen An Bei den Verhandlungen im Ausschuß wurde dar-
gaben haben Sie schon einmal gemacht! auf hingewiesen, daß das ursprüngliche Haushalts-
Das ist falsch!) defizit des Landes Berlin für das Rechnungsjahr
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der 1954 insgesamt 941 Millionen DM betragen habe.
Abgeordnete Preller. Durch verschiedene Streichungen, Umgruppierun-
gen und Darlehensgewährungen wurde der end-
Dr. Preller (SPD): Herr Präsident! Meine Damen gültige Fehlbetrag im Einvernehmen zwischen dem
und Herren! Ich habe nur noch eines zu sagen. Der
Herr Bundesarbeitsminister ist im Mai 1952 an uns *) Siehe Anlage 1 Seite 1026.
978 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Traub)
Land Berlin und dem Bundesfinanzministerium lionen DM aus dem Bundesgebiet und mit 40 Mil-
auf 800 Millionen DM festgesetzt. Von diesen 800 lionen aus dem Land Berlin angesetzt ist. Beide
Millionen DM sollen 710 Millionen DM in bar auf- Posten sind jeweils in die Zeiträume vom 1. April
gebracht werden, wobei hinsichtlich der vierpro- bis 31. Dezember 1954 und vom 1. Januar bis
zentigen Kürzung der Abs. 2 des § 4 des Haushalts- 31. März 1955 aufgeteilt, da bekanntlich das zur
gesetzes Anwendung finden soll. Zeit geltende Gesetz über die Erhebung des Not-
Die Finanzierung der restlichen 90 Millionen DM opfers Berlin vom 28. April 1953 am 31. Dezem-
soll wie folgt vorgenommen werden: 75 Millionen ber 1954 abläuft. Nachdem der Herr Bundesfinanz-
DM sollen durch eine Anleihe des Landes Berlin minister aber bei anderer Gelegenheit wiederholt
aufgebracht werden. Für diese Anleihe wird eine erklärt hat, daß er auf das Notopfer Berlin auch
Bundesbürgschaft geleistet, wobei der Bund so- über den 31. Dezember 1954 hinaus nicht verzich-
wohl hinsichtlich des Aufkommens als auch hin- ten könne, wurde auch das Aufkommen für das
sichtlich des Zinsen- und Tilgungsdienstes die Ga- erste Quartal 1955 eingesetzt.
rantie übernimmt. Mit diesen 75 Millionen DM soll Während der Ausschußberatungen wurde die
das Land Berlin in die Lage versetzt werden, seine Auffassung vertreten, auch das in der Bundes-
Bauvorhaben im außerordentlichen Haushalt zu republik erhobene Notopfer Berlin mit 925 Mil-
finanzieren. Um hinsichtlich des Baubeginns keine lionen DM dürfe nicht als allgemeines Deckungs
Verzögerung eintreten zu lassen, hat der Herr Bun- mittel für den Haushalt herangezogen werden.
desfinanzminister zugesichert, bis zur Auflage der Dieser Posten gehöre aus politischen und steuer-
Anleihe aus Kassenmitteln des Bundes eine Vor- systematischen Gründen als Einnahmeposten in den
finanzierung vorzunehmen. Dabei wurde noch be- Einzelplan 45.
sonders darauf hingewiesen, daß es sich bei der
Das Bundesfinanzministerium legte dem Aus-
Übernahme der Bundesbürgschaft um eine Sicher-
schuß noch eine Aufstellung über sämtliche Lei-
heitsleistung des Bundes handelt, für welche nach
stungen des Bundes an das Land Berlin vor. Nach
Art. 115 des Grundgesetzes ein Bundesgesetz er- dieser Aufstellung verursacht der gesamte Zuschuß
forderlich ist, das dem Hohen Hause raschestens des Bundes an das Land Berlin im Rechnungsjahr
vorgelegt werden soll. 1954 voraussichtlich einen Mehrbetrag von 254 Mil-
Für weitere 15 Millionen DM sollen im Lande lionen DM gegenüber dem gesamten Aufkommen
Berlin kriegszerstörte bundeseigene Gebäude im aus dem Notopfer Berlin. Diese Aufstellung wurde
Haushaltsjahr 1954 wiederaufgebaut werden. Es von der Berliner Finanzverwaltung nicht aner-
ist daran gedacht, mit diesem Betrag in erster Linie kannt. Im übrigen — so erklärte der Vertreter des
-
ehemalige Verwaltungsgebäude wiederherzustel- Landes Berlin — erwarte das Land Berlin nach
len, die alsdann vom Lande Berlin belegt werden wie vor Steuererleichterungen und als ersten
können, was somit auch eine Entlastung des Ber- Schritt auf diesem Wege die Nichterhebung des
liner Haushalts bedeuten würde. Der Betrag von Notopfers in Berlin.
15 Millionen DM war ursprünglich zum Wieder-
aufbau zerstörter Gebäude im ganzen Bundesgebiet Ich darf noch kurz erwähnen, daß bei der Bera-
vorgesehen. tung sowohl des Einzelplans 60 als auch des Einzel-
plans 45 bedauert wurde, daß zwischen dem Bun-
Mit diesen 90 Millionen, mit weiteren 20 Mil- despostministerium und dem Bundesfinanzministe-
lionen der Bundesanstalt und mit sogenannten rium keine Einigung über die Abschaffung oder
amerikanischen GARIOA-Mitteln sollen alsdann Vereinfachung der 2-Pfennig-Briefmarke „Not-
sowohl das Notstandsprogramm des Landes Berlin opfer Berlin" erzielt wurde. Das Aufkommen aus
mit 170 Millionen DM als auch das Wohnungsbau- dieser Briefmarkensteuer betrage jährlich zirka
programm mit 231 Millionen DM finanziert wer- 30 Millionen DM.
den können.
Der bei Tit. 600 eingesetzte Mehrbetrag von (Abg. Dr. Bucerius: Fünfzig!)
60 Millionen DM wurde durch Streichungen von — Dreißig, wurde uns bei den Beratungen ge-
50 Millionen DM bei Kap. 3205 Tit. 681 — der Herr sagt!
Bundesfinanzminister hat gestern schon darauf Meine Damen und Herren, trotz der von der
hingewiesen — und von 10 Millionen DM bei Kap. Berliner Finanzverwaltung im Ausschuß vorge-
1002 Tit. 620 gedeckt. brachten Bedenken hat der Haushaltsausschuß fest-
Die Berliner Finanzverwaltung brachte während gestellt, daß zwischen dem Land Berlin und dem
der Beratungen im Ausschuß Bedenken gegen die Bundesfinanzministerium eine Vereinbarung zu-
Art und Weise der Bedarfsdeckung hinsichtlich der stande gekommen ist, in der das Haushaltsdefizit
'75 Millionen DM aus Anleihemitteln und 15 Mil- des Landes Berlin für das Rechnungsjahr 1954 auf
lionen DM für zusätzliche Bauten vor und erklärte, 800 Millionen DM festgesetzt worden ist.
es müsse sichergestellt sein, daß die zusätzlichen Ich darf Sie daher bitten, dem Antrag des Aus-
20 Millionen DM von der Bundesanstalt auch tat- schusses auf Drucksache 376 und damit einer Er-
sächlich eingingen. Bei den Verhandlungen sei wei- höhung des Zuschusses bei Kap. 4502 Tit. 600 von
ter vereinbart worden, daß der Bund auf die Er- 650 Millionen DM auf 710 Millionen DM Ihre Zu-
füllung der Schuldverpflichtungen Berlins aus der stimmung zu geben.
Verwaltungsvereinbarung von 1950 endgültig ver-
zichte. Weiterhin sollten die bereits angelaufenen
und noch entstehenden Kosten der gesamten Vor- Vizepräsident Dr. Schneider: Ich danke dem
ratshaltung in Berlin ohne Anrechnung auf den Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
Bundeszuschuß übernommen werden. Das Aufkom- Das Wort hat der Abgeordnete Neumann.
men aus dem Notopfer Berlin sei außerdem höher
anzusetzen. Neumann (SPD): Meine sehr verehrten Damen
Hierzu ist zu sagen, daß in Einzelplan 60 Kap. und Herren! Ich habe die Aufgabe, im Auftrage der
6001 Titeln 35 und 36 das Aufkommen aus dem sozialdemokratischen Fraktion einige Ausführun-
Notopfer Berlin mit einem Betrag von 925 Mil gen zu Umdruck 42 und zu Umdruck 46 zu machen.
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 979
(Neumann)
Bei dem Umdruck 42*) handelt es sich um einen unseres Erachtens schlechte Entwicklung zu er-
grundsätzlichen Beschluß für das kommende Jahr: kennen. Von der Präambel sieht man nichts mehr.
Das Aufkommen aus der Abgabe Notopfer Der § 1 des Gesetzentwurfs des Herrn Bundes-
Berlin dient — gemäß § 16 des Dritten Über finanzministers lautet:
leitungsgesetzes — in erster Linie der Deckung Zugunsten des Bundes wird eine Abgabe „Not-
des Fehlbedarfs des Berliner Landeshaushaltes. opfer Berlin" erhoben.
Der nach Leistung des Bundeszuschusses ver Wir Sozialdemokraten hoffen, daß dieses Haus hier
bleibende Ertrag des Notopfers sollte aus eine Änderung vornehmen wird und daß diese für
schließlich verwendet werden, um die wirt uns unmöglich scheinende Formulierung durch eine
schaftliche und soziale Position Berlins zu bessere ersetzt wird.
sichern.
(Sehr gut! bei der SPD.)
Im zweiten Teil wünschen wir für das kommende
Jahr den grundsätzlichen Beschluß: Das Dritte Überleitungsgesetz schuf dann end
gültig Klarheit. Es sagte in seinem § 16 Abs. 3:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Ge- Solange die Abgabe „Notopfer Berlin" erhoben
staltung des kommenden Bundeshaushaltes wird, dient ihr Aufkommen der Deckung des
dafür zu sorgen, daß die Einnahme aus der Bundeszuschusses. Übersteigt das Aufkommen
Abgabe Notopfer Berlin in den Einzelplan 45 den festgesetzten Bundeszuschuß, so verbleibt
— Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin — der Mehrbetrag dem Bund.
aufgenommen wird.
Das Überleitungsgesetz vom 4. Januar 1952 regelt
Mit Umdruck 46**) soll die finanzielle Unterstützung die finanziellen Beziehungen zwischen dem Bund
für den Haushalt 1954 von Berlin gesichert werden. und Berlin mit Wirkung vom 1. April 1951.
Unser Antrag soll den Haushalt für das notleidende Für Berlin gilt nun das gleiche Recht, das nach
Berlin sichern, für das Berlin, das unverschuldet, dem Grundgesetz und den Bundesgesetzen für die
auf Grund der politischen Ereignisse in Not geraten finanziellen Beziehungen des Bundes zu den übrigen
ist. Es muß daran erinnert werden, daß Berlin Ländern gilt. Für Berlin ergeben sich damit alle
jahrzehntelang Steuerüberschüsse hatte, daß erst Licht-, aber auch alle Schattenseiten, wie sie bei
die Veränderung der politischen Situation nach den übrigen Ländern des Bundes gegeben sind. Der
1945 hier zu den Schwierigkeiten geführt hat, die Bund bekommt die ihm nach den Gesetzen zuste-
nun seit Jahr und Tag beim Haushalt immer wie- henden Einnahmen des Landes Berlin, und wir in
der sichtbar werden. Die Vermehrung der Schwie- Berlin erfüllen die gleichen Pflichten wie jedes
rigkeiten durch die Blockade Berlins brauche - ich andere Land. Das Land Berlin hat aber auch die
nicht zu schildern, ich brauche auch Ihnen hier gleichen Ansprüche wie jedes andere Land auf
nichts von den erneuten Schwierigkeiten zu sagen, Ersatz der Kosten für Ausführung von Bundes-
die durch die Spaltung unserer Stadt entstanden gesetzen. Berlin will keine Extrawurst; Berlin will
sind. keine Extrabestimmungen. Berlin übernahm die
(Präsident D. D r. Ehlers übernimmt gleichen Pflichten wie jedes andere Land. Berlin
wieder den Vorsitz.) will aber auch die gleichen Rechte wie jedes andere
Land haben. Zur Forderung auf gleiches Recht
In dieser Situation, in der es um das Leben und gehört auch die Forderung Berlins, als eines
das Sterben unserer Stadt ging, des am weitesten der unterschiedslos gleichberechtigten zehn Län-
vorgeschobenen Postens der demokratischen Welt, der behandelt zu werden. Leistungen des Bundes
haben wir dann die Hilfe vom Westen erhalten. — Besatzungskosten, Kriegsfolgenhilfe, Kriegs-
Ich will für die Kolleginnen und Kollegen, die neu opferversorgung, Erfüllung der Aufgaben nach
in unserem Hause sind, kurz etwas Geschichtliches Art. 133 des Grundgesetzes usw. — bekommt Ber-
sagen. Das Gesetz zur Erhebung einer Abgabe lin nach gleichen Gesetzen und Grundsätzen wie
Notopfer Berlin ist schon am 8. November 1948 im jedes andere Land der Bundesrepublik Deutsch-
Wirtschaftsrat beschlossen worden. Die Präambel land; es sollte sie bekommen, denn hier ist der
dieses Gesetzes lautet: Beginn der Differenzen bei Aufrechnung der Lei-
Als sichtbares Zeichen der Verbundenheit mit stungen des Bundes.
Berlin wird im Vereinigten Wirtschaftsgebiet Meine Damen und Herren! Das Aufkommen
ein „Notopfer Berlin" nach Maßgabe der fol- aus dem Notopfer Berlin ist vom Herrn Bundes-
genden Bestimmung erhoben:.. . finanzminister immer sehr vorsichtig geschätzt
Dann folgt das Gesetz. Diese Präambel hebt hervor, worden. Als Beispiel nenne ich die letzten drei
aus welchen Gründen diese Sondersteuer einge- Jahre. 1952 hatte das Notopfer ein Soll von 730
führt werden mußte. Auch bei dem Gesetz zur Er- Millionen, ein Ist von 814 Millionen, und Berlin
hebung einer Abgabe Notopfer Berlin vom 29. De- bekam in diesem Jahr als Zuschuß „Notopfer Ber-
zember 1949, das vom 1. Januar 1950 ab wirksam lin" 600 Millionen DM; im Jahre 1953 ein Soll von
war, ist die gleiche Präambel als Richtschnur des 800 Millionen, ein Ist von 965 Millionen, und Ber-
Gesetzes zu bezeichnen. Es hieß in § 1: lin bekam 650 Millionen DM.
Der Bund erhebt als „Notopfer Berlin" eine (Hört! Hört! bei der SPD.)
Abgabe. In diesem Jahr ist das Soll mit 925 Millionen an-
Im April 1950 wurde dann die Verwaltungs- gesetzt worden, obwohl sämtliche Experten im
vereinbarung getroffen, die man als ein Überlei- Bund ohne weiteres zugeben, daß die Einnahme
tungsgesetz bezeichnen muß. Es wurde erstmalig über 1000 Millionen btragen wird — man rechnet
eine Angleichung der Verhältnisse zwischen Bund zwischen 1025 und 1035 Millionen —, während Ber-
und Ländern festgelegt. In dem neuen Gesetz- lin nur 710 Millionen DM erhalten soll.
entwurf, der Ihnen allen ja zugegangen ist, ist die Der Senat von Berlin hatte einen Haushaltsfehl-
betrag von 941 Millionen DM ausgerechnet. An-
*) Siehe Anlage 2 Seite 1027. erkannt von dem Herrn Bundesfinanzminister und
**) Siehe Anlage 3 Seite 1028 A. — wir Sozialdemokraten machen dem Senat von
980 2. Deutscher Bundestag - 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Neumann)
Berlin hier einen Vorwurf — leider auch vom Herren, Herr Bundesfinanzminister, um diese
Senat von Berlin wurde nur ein Fehlbetrag von Wahrhaftigkeit geht es. Der Steuerzahler zahlt
800 Millionen DM. Wir müssen bedauern, daß hier Notopfer Berlin. Er zahlt es nicht immer gern; das
Streichungen vorgenommen worden sind, die aus- Notopfer ist ja nun einmal, das bestreiten wir gar
schließlich auf Kosten der kleinsten Angestellten nicht, eine Belastung für den einzelnen Menschen.
der Stadt Berlin erfolgen sollen. — Ich weiß nicht, Aber die Menschen bringen dieses persönliche
warum Sie mit dem Kopf schütteln, Herr Abge- Opfer, weil sie wissen, daß sie damit die Not in
ordneter Tillmanns. Berlin lindern können. Eine Reihe von Presse-
(Abg. Dr. Bucerius: Vielleicht ist es falsch, stimmen der letzten Zeit, Herr Bundesfinanz-
Herr Neumann!) minister, weisen auf dieses wichtige Faktum hin.
— Die Schulmänner und die Polizisten, insbeson- Die „Frankfurter Allgemeine" hat zu diesem
dere die Polizisten, haben doch in Berlin einen so Thema am 2. April gesagt:
schweren Dienst, daß man hier weder bei den Im Ministerium
Eingruppierungen noch bei der Berechnung des — im Bundesfinanzministerium —
Dienstalters vom Bund aus Vorbehalte machen wird also offenbar nicht verstanden, was
sollte, sondern man sollte die Berliner Regelung nicht nur den Berlinern, sondern auch vielen
anerkennen, die einmütig von allen Parteien ge- Westdeutschen einen Anstoß bedeutet: daß
tragen wird. man erst für einen ganz bestimmten Zweck,
(Bundesminister Dr. Tillmanns: Nur das den jedermann versteht, eine Steuer erhebt,
Wort „ausschließlich" nicht!) eben weil man sicher sein kann, daß gerade
800 Millionen DM sind also anerkannt worden. diese Steuer keinen psychologischen Wider-
Diese Summe soll wie folgt aufgegliedert werden: stand findet, daß man dann aber die Erträg-
710 Millionen DM direkter Bundeszuschuß, der in nisse dieser Steuer nur zu einem Teil ihrem
12 Monatsraten an Berlin gegeben werden soll. ursprünglichen Zweck zuführt. Hier fühlt sich
Dann kommen wir in diesem Jahre erstmals zu jeder Staatsbürger enttäuscht und eigentlich
einer ganz neuen Form der Bezuschussung, die ja getäuscht.
eigentlich gar keine Bezuschussung ist: einer An- (Sehr richtig! links.)
leihe von 75 Millionen DM mit der Bundesgarantie. An anderer Stelle heißt es:
Dann sollen wir noch 15 Millionen DM Bundes Der Staatsbürger hat nur deshalb damals dem
baumittel erhalten, über die ich gleich noch einiges Notopfer zugestimmt, weil er sicher war, daß
sagen will. jeder Pfennig von ihm der bedrängten Stadt
§ 16 des Überleitungsgesetzes sagt klar, -daß das Berlin zugute komme.
Aufkommen des Notopfers Berlin der Deckung des Und am Schluß heißt es:
Bundeszuschusses dient und der Überschuß dem Wenn der Staatsbürger aber jetzt den Abzug
Bund verbleibt. Diese Formulierung verführt den in seiner Lohn- oder Gehaltstüte prüft, so wird
Herrn Bundesfinanzminister unserer Anschauung er wissen, daß ein Fünftel bis ein Viertel der
nach dazu, den Zuschuß für Berlin zu drücken. Ich abgezogenen Summe nicht nach Berlin geht.
nannte vorhin schon das Beispiel aus dem Jahre Das ist kein gutes Gefühl, und mit ein wenig
1952. Das Notopferaufkommen betrug 814 Millio- mehr Empfinden für Psychologie hätte das
nen DM. Berlin erhielt 600 Millionen DM, ver- Finanzministerium diese Wirkung vermeiden
brauchte aber 655 Millionen DM und schleppt diese können.
Mehrausgaben neben anderen nun von Jahr zu
Jahr immer in den neuen Haushalt mit. Berlin soll ein nicht gerade üppiges Leben er-
möglicht werden, ein Leben, von dem der Herr
In diesem Jahr nun 800 Millionen DM Aner- Bundeskanzler bei seinem letzten Besuch am Funk-
kenntnis. Warum aber nur 710 Millionen DM in turm sagte: „Das Herz krampft sich zusammen,
bar, warum 75 Millionen DM Anleihe? Hier ist wenn ich an unsere heutige Rundfahrt denke". Ja-
unseres Erachtens ein Verstoß gegen § 16 des wohl, trotz aller Opfer der Bewohner der Bundes-
Überleitungsgesetzes festzustellen. Denn der not- republik leben wir in unserer Stadt immer noch
wendige Bedarf des Berliner Haushalts soll ja ge- in den schwierigsten Verhältnissen. So groß und so
deckt werden. Die Deckung des notwendigen Be- schwer das Opfer des einzelnen hier im Westen in
darfs aus dem Notopferaufkommen ist vorgesehen den vergangenen Jahren aber auch war, das eine
und nicht eine Anleihe, die Berlin neue Sorgen wollen wir von dieser Stelle aus auch wieder ein-
und neue Lasten auferlegen müßte. mal sagen: Wenn die Berliner nicht ihre politische
Die sozialdemokratische Fraktion ist gegen eine Pflicht getan hätten, wenn der Wall nicht gehalten
Anleihe, so lange das Aufkommen des Notopfers hätte, — ein Tag „Uri! Uri!" in der Bundesrepublik
nicht ausgeschöpft ist. Die Forderung, die wir stel- wäre viel, viel teurer gewesen als die jahrelange
len, ist die einer echten Bezuschussung mit 75 Mil- Zahlung eines Notopfers.
lionen DM. (Beifall bei der SPD.)
Was sollen die 15 Millionen DM, die der Bund Ohne die Hilfe aller hätte Berlin den Kampf um
in Berlin auf eigenen Grundstücken verbauen will? seine Existenz nicht bestehen können. Wenn der
Wir begrüßen die 15 Millionen DM als eine zusätz- Senat von Berlin den Kampf um ausreichende
liche Maßnahme des Bundes. Diese 15 Millionen DM Haushaltshilfe aufgibt, -- wir Sozialdemokraten
wirken arbeitsmarktentlastend, sie wirken wirt- fordern den Bundestag auf, seine nationale Pflicht
schaftsfördernd. Aber mit dem Haushalt Berlins zu tun!
haben sie doch nun weiß Gott nichts zu tun. (Erneuter Beifall bei der SPD.)
(Sehr richtig! bei der SPD.) Es geht nicht um Lippenbekenntnisse in Sonn- und
Der Herr Finanzminister hat gestern in einer Feiertagsreden. Eben haben wir das aus dem
Rede aus Anlaß eines anderen Einzelplans erklärt: Munde des Herrn Bundesministers Storch gehört.
Wir müssen die Pflicht zur Wahrhaftigkeit haben In Berlin geht der Kampf um die Existenz alle
gegenüber der Öffentlichkeit. Meine Damen und Tage. Es gilt, unsere armen Menschen, die Opfer
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 981
(Neumann)
der politischen Not sind, in diesem Existenzkampf fiskalisches Denken brauchen, sondern wir brauchen
zu unterstützen. Denken Sie immer daran, daß Ber- echtes politisches Wollen. Es geht nicht um den
lin trotz aller Hilfe viermal mehr Arbeitslose hat mehr oder minder großen Wohlstand Berlins, es
als der Bund. Denken Sie an die große Überalte- geht um das nationale Wollen der Bundesrepublik.
rung in unserer Stadt. Herr Dr. Schreiber hat in (Beifall bei der SPD.)
diesen Tagen einmal ein Beispiel für den Unter-
schied der wirtschaftlichen Lage zwischen dem Eben hier sind unsere Sorgen sehr groß, daß die
Bund und Berlin gebracht. Das Durchschnittssteuer- Mittel für Berlin nicht so zur Verfügung gestellt
aufkommen im Jahre 1952 beträgt nach seinen An- werden, wie es notwendig ist.
gaben in Hamburg 1426 DM, in Berlin aber nur Eine der größten Wirtschaftszeitungen schrieb in
383 DM. diesen Tagen:
(Abg. Mellies: Hört! Hört!) Wir wollen uns, was Berlin betrifft, von irgend-
Der Stromverbrauch pro Kopf beträgt — ebenfalls einer der Besatzungsmächte doch nicht be-
nach Herrn Dr. Schreiber — nur knapp 45 % des schämen lassen?
Durchschnittsverbrauchs in der Bundesrepublik, Dann wird weiter ausgeführt, draußen in der Welt
(Hört! Hört! bei der SPD) sei Berlin eines der stärksten Aktiva Deutschlands.
und er liegt noch unter dem Durchschnittsver- Es sei die Menge der kleinen Leute mit bescheide-
brauch in der Sowjetzone. nem Lebenszuschnitt aus dem Mittelstand und der
(Erneute Rufe links: Hört! Hört!) Arbeiterschaft, die in diesen Jahren den guten und
anständigen Namen ihrer Stadt gemacht haben. —
Überlegen Sie bitte, wie groß unsere Schwierig- Und wieder wörtlich:
keiten sind. Vielleicht können Sie dann verstehen,
wenn wir Sozialdemokraten, die wir in Berlin in Von diesem Namen haben auch wir in West-
der Opposition sind, uns bemühen, daß der Regie- deutschland profitiert und tun es noch. Wir
rung vom Bundestag die Mittel bewilligt werden, hätten einen schlechten Geschmack im Munde,
die notwendig sind, damit der Not gesteuert wer- wollten wir den Berlinern Dank für ihre
den kann. Wir müssen aber gegenüber dem Bun- Tapferkeit sagen und ansonsten mit Zuspruch
desfinanzminister, der nicht alles Notopfer nach nicht sparen. Sie dürfen anderes erwarten; sie
Berlin gibt, unser Bedauern aussprechen. dürfen verlangen, die Bundesrepublik möge die
eigentliche Hauptstadt Deutschlands so aus-
Eine Berliner Zeitung brachte in diesen Tagen statten, daß ihre Lebenskraft sich nicht all-
eine hübsche Anekdote aus dem alten Frankfurt. mählich verschleißt, sondern sich trotz aller
Ein verarmter Jude schrieb einen Bittbrief-an den Atemnot stetig erneuern kann.
lieben Gott, sich seiner Not zu erbarmen und ihm
100 Louisdor zu schicken. Der bekannte günstige Meine Damen und Herren, das ist die Aufgabe,
Wind weht den Brief in Baron Rothschilds Garten, und wir glauben, es ist richtig, daß gerade nach
der dem Armen durch einen Diener 50 Louisdor der Viermächtekonferenz die gefährdete Bastion
überreichen läßt. Dankbar kniet der Beschenkte Berlin unter allen Umständen materiell so ausge-
nieder, bittet aber den lieben Gott, ihm das nächste stattet wird, daß sie auch die Hoffnung und das
Mal doch das Geld direkt zu schicken, denn Schäf- Vertrauen der 18 Millionen Landsleute in der Zone
fer, Verzeihung, Rothschild habe die Hälfte für sich nicht enttäuscht. Noch sind die Hoffnungen da, noch
behalten. hat man zu uns das Vertrauen. Aber wir sollen die
(Heiterkeit.) Hoffnungen auch nicht zerstören. Berlin ist das
Schaufenster nicht nur Deutschlands. Berlin ist
Das kann man wohl auch in diesem Beispiel ein- das Schaufenster der freien Welt. Wie sollen wir
mal scherzhaft sagen.
den Glauben an das bessere Deutschland erhalten,
Herr Bundesfinanzminister, unser Bedauern, daß wenn wir bei Berlin versagten?
wir nicht alles Notopfer bekommen, ist um so Wir haben den Versuch gemacht, in echter flei
größer, weil wir wissen, daß Sie um den Ernst der ßiger Arbeit einen Lebensstandard für die Berliner
Lage in Berlin genau unterrichtet sind. Unverges- zu schaffen, der dem der Bundesrepublik ent
sen sind Ihre Worte vom 12. Juni 1952 im Berliner spricht. Der Herr Bundeskanzler war in Berlin,
Abgeordnetenhaus: und noch klingen seine Worte in unseren Ohren:
Ich sage: eine deutsche Mark, die ich an Hilfe
Ich bitte Sie, meine Freunde: Halten Sie aus!
für Berlin verwende, kann für die Erhaltung
des Friedens, für die Erhaltung der geistigen Ich weiß, wir verlangen viel von Ihnen. Wir
wollen Ihnen helfen nach besten Kräften.
Widerstandskraft, für die Abwehr eines An-
Darum ist eine so große Zahl von Bundesmini-
griffs — und jeder Angriff auf Berlin ist nach
stern mit mir nach Berlin gekommen, um zu
den bestehenden Verträgen ein Angriff auf die
gesamte freie Welt —, jede deutsche Mark, die überlegen, wie wir Berlin, dieser so hart ge-
ich nach Berlin für soziale und kulturelle troffenen Stadt — das Herz krampft sich zu-
Zwecke gebe, kann den zehnfachen Wert haben sammen, wenn ich an unsere heutige Rund-
von dem, was irgendwo für militärische fahrt denke —, dieser vorgeschobenen Bastion
Zwecke aufgewendet wird. der Freiheit, am besten helfen können. Wenn
wir Berlin helfen, stärken wir damit auch die
(Hört! Hört! bei der SPD.) Widerstandskraft der Menschen in der Zone,
Daran wollen wir Sie erinnern und dann feststellen, denn die Zone schaut auf das Schicksal Ber-
daß es in § 16 Abs. 2 heißt: lins.
Der Bundeszuschuß soll so bemessen sein, daß Und nun lassen Sie mich das Ergebnis der heu-
das Land Berlin die durch seine besondere tigen Beratungen vorlesen,
Lage bedingten Aufgaben erfüllen kann. — sagte der Herr Bundeskanzler am 24. Februar
Herr Bundesfinanzminister, nicht kalt mit dem weiter —
Rechenstift soll man an diese Aufgaben für Berlin die dem Bundeskabinett voraussichtlich schon
herangehen, sondern mit menschlich-warmen Ar- morgen nachmittag vorgelegt werden. Es ist
gumenten. Wir können in der Frage Berlin kein Einigkeit dabei erzielt worden, daß der not-
982 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Neumann)
wendige Bedarf des Berliner Haushalts ge- Ich nehme doch an, er will nicht etwa damit sagen,
sichert werden muß. Die Sachverständigen Ber- daß die große Hilfe, die die deutsche Bevölkerung
lins und des Bundes werden sofort zusam- aus deutscher Überzeugung für eine in der Not be-
mentreten, um die nötigen Feststellungen zu findliche deutsche Stadt leistet, etwa von dem
treffen. Empfänger so verkleinert wird, wie der gute Wille,
Von diesen nötigen Feststellungen hörten wir den ein Baron Rothschild als Mensch dem notlei-
dann am 22. März, also vier Wochen später, über denden Mitmenschen bewiesen hat, in dieser Anek-
den RIAS. Wir hörten eine Rede des geschäfts dote verkleinert worden ist. Ich weiß also nicht
führenden Vorsitzenden der CDU, in der es hieß: recht, was eigentlich der Sinn und Zusammenhang
dieser Anekdote mit dieser deutschen Frage ge-
Zunächst: Der Haushalt Berlins weist für 1954
wesen ist.
ein Defizit von 941 Millionen auf, das der Bund
ausgleichen soll und will. Dies ist bei den (Zurufe von der SPD.)
ersten Besprechungen zwischen den Bundesmi- Meine Damen und Herren, ich habe schon in
nistern Schäffer, Erhard, Kaiser, Dr. Till- manchen Fällen, auch mit dem Herrn Kollegen
manns und dem Senat eindeutig festgelegt Neumann, in früheren Jahren über die Hilfsbereit-
worden. schaft des deutschen Volkes gegenüber der Stadt
(Hört! Hört! bei der SPD.) Berlin gesprochen, und ich glaube, wir sind uns
einig gewesen. Ich meine, mich aber auch erinnern
Meine Damen und Herren, diese Rede des Herrn zu können, daß ich damals auch davon gesprochen
geschäftsführenden Vorsitzenden der CDU Berlins habe, daß diese Hilfsbereitschaft aus einem gemein-
steht Ihnen zur Verfügung. Sie kennen sie. samen deutschen Denken erfolgen muß und daß
Nun, Herr Bundesfinanzminister, denken Sie an diese Hilfsbereitschaft gesteigert wird, wenn man
die letzten Worte des Herrn Bundeskanzlers in sieht, daß auch der Empfänger seinen Teil dazu
der großen Kundgebung am Funkturm, in der Sie beiträgt, um die Hilfsbereitschaft des andern durch
anwesend waren. Sie waren genau so wie die an- Anerkennung und stillen Dank und Pflichterfül-
deren Herren Bundesminister äußerlich befriedigt lung weiter zu steigern.
von dieser Rede. Die letzten Worte dieser Rede (Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Schröter
lauten: [Wilmersdorf]: Haben wir nie verweigert!)
Und nun, meine Freunde, unseren Brüdern Ich möchte infolgedessen jetzt nur auf Tatsachen
und Schwestern in der Ostzone können wir eingehen. Was ich über Berlin denke, habe ich
nicht in gleicher Weise helfen. Aber ich möchte früher gesagt, und ich bleibe bei jedem Wort, das
ihnen doch folgendes zurufen: Wir werden- sie ich gesagt habe. Ich möchte aber eines feststellen:
niemals im Stiche lassen! Wir werden alles über die neue Fassung, über die Zweckbestimmung
daransetzen, die Verbindungen persönlicher des Berliner Notopfergesetzes bräuchten wir uns
Natur leichter und besser zu gestalten, unser nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Ich habe ja
Kontakt kann nicht eng genug sein. Auch gei- bereits bekanntgegeben, daß diese neue Fassung
stig wollen wir euch helfen, euch und euren des § 1 des neuen Berliner Notopfergesetzes vor
Kindern. In diesem Kampfe wird der Geist kurzem im Finanzausschuß des Bundesrates ein-
siegen, der Geist der Freiheit, der Geist der stimmig — einschließlich Berlins, einschließlich des
Liebe zum Volke. Diesseits und jenseits des Bundesfinanzministeriums — festgelegt worden ist.
Eisernen Vorhanges soll dieser Geist wehen, Es heißt jetzt dort, daß dieses Berliner Notopfer
ihn kann nichts aufhalten, er wird siegen und eine Abgabe ist, die dem Bund zufließt, um die
uns wieder zusammenfügen. Bundesleistungen schlechthin an die Stadt Berlin
Herr Bundesfinanzminister, in diesem Geist soll- geben zu können.
ten auch Sie an die Fragen Berlins herangehen. (Anhaltende Zurufe von der SPD.)
Lassen Sie uns nicht im Stich! Geben Sie uns das Ich will in diesem Sinne einmal sagen, welche
Notopfer, das die Menschen in der Bundesrepublik Leistungen denn die Bevölkerung des Bundesge-
Ihnen ja treuhänderisch gegeben haben, nach Ber- biets für Berlin in den letzten Jahren vollbracht
lin, geben Sie es uns voll und ganz nach Berlin, hat und welche Leistungen sie im kommenden Jahr
damit wir in Berlin unsere großen Aufgaben für vollbringen will. Im Jahre 1953 hat sie Ausgaben
ganz Deutschland erfüllen können. des Bundes für Berlin in Höhe von 1676 Millionen
(Beifall bei der SPD.) DM geleistet.
(Abg. Neumann: Äpfel und Birnen!)
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Bun- Der Bund erhält an Bundessteuern in Berlin
desminister der Finanzen. 548 Millionen DM. Der Überschuß der Ausgaben
betrug also im Jahre 1953 1127 Millionen DM.
Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Herr Im Jahre 1954 sind die Leistungen des Bundes in
Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berlin mit 1830 Millionen angesetzt, wenn ich den
Vorredner hat eine Anekdote von dem alten Juden Bundeszuschuß von 710 Millionen anrechne, aber
erzählt, der seine Hundert-Louisdor-Bitte an den die 75 Millionen, für die der Bund Bürgschaft
lieben Gott richtet. Dieser Brief geht dem Baron gibt, und die 15 Millionen, für die er auf Kosten
Rothschild zu. Baron Rothschild schickt ihm des Bundeshaushalts Bauten in Berlin vornimmt,
50 Louisdor, und die Reaktion des anderen also diese zusammen 90 Millionen überhaupt nicht
ist, daß er dem lieben Gott sagt: Rothschild in Rechnung stelle. Dem würden die Bundessteuern
hat mir 50 Louisdor unterschlagen. Warum in Berlin und der Anteil an der Einkommen- und
eigentlich der Herr Vorredner diese Anekdote bei Körperschaftsteuer mit 647 Millionen gegenüber-
der Besprechung des Verhältnisses Bonn-Berlin er- stehen. Es bleibt also ein Überschuß der Ausgaben
zählt hat, ist mir offen gestanden nicht ganz ver- von 1182 Millionen. Das Berliner Notopfer — ich
ständlich. muß den Anteil, der in Berlin eingeht, ausscheiden,
(Abg. Wehner: Der Prozentsatz stimmt da dieser Anteil sofort wieder an die Stadt Ber
nicht! — Heiterkeit.) lin zurücküberwiesen wird, also nicht in der Bun-
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 983
(Bundesminister Schiffer)
deskasse bleibt — hat in diesem Rechnungsjahr und dem Bund bestanden hat, zu verringern. In
in den ersten elf Monaten genau 837 Millionen Frieden und in freundschaftlicher Zusammenarbeit,
betragen. Die Märzzahl ist mir noch nicht bekannt. in Hilfsbereitschaft und im Dank für eine Hilfs-
Man wird sie mit ungefähr 50 Millionen, vielleicht bereitschaft wollen wir das, was begonnen ist, zu
60 Millionen ansetzen können. Die Zahl wird da- einem guten Ende führen.
mit ungefähr an 900 Millionen herangehen. Wenn (Beifall bei den Regierungsparteien.)
wir hiervon ausgehen, so ergibt sich, daß letzten
Endes die deutsche Bevölkerung im Bundesgebiet Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab-
in den Jahren 1953 bis 1954 nicht nur den gesam- geordnete Dr. Bucerius.
ten Betrag des Berliner Notopfers für Bundeslei- Dr. Bucerius (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
stungen an Berlin aufbringt, sondern darüber hin- Damen und Herren! Ich bedauere außerordentlich,
aus noch einige hundert Millionen mehr. daß mit einer, wie ich annehme, unbedachten und
(Abg. Dr. Vogel: Hört! Hört!) vom Urheber sicherlich schon bedauerten Äuße-
Ich möchte das feststellen, damit nicht etwa der rung eine gewisse Schärfe in diese für uns alle so
Berliner Bevölkerung gesagt wird, der Bund habe nützliche Unterhaltung gekommen ist.
— wie der Baron Rothschild — die Hälfte von dem (Abg. Heiland: Sie sind so gnädig heute!)
Berliner Notopfer unterschlagen und nur die an- Ich habe mir aus diesem Anlaß die Akten des Ber-
dere Hälfte nach Berlin gegeben. lin-Ausschusses zum Dritten Überleitungsgesetz
(Abg. Wehner: Humor haben Sie offen vorgenommen. Darin finde ich einen Brief, den ein
bar nur beim Weißwurstessen! — Zurufe Berliner am 31. Oktober 1951 an den Herrn Bun-
von der Mitte: Das ist ja unglaublich!) desfinanzminister Schäffer geschrieben hat. Er
— Wir wollen über den Geschmack der Weißwürste lautet:
nicht streiten, aber über die Geschmacklosigkeit im Ich habe Ihr Schreiben vom 26. Oktober erhal-
politischen Disput brauche ich auch nichts zu sagen. ten und es den Mitgliedern des Senats, dem
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Herrn Präsidenten des Abgeordnetenhauses
Abg: Mellies: Das haben wir gestern bei und den Vorsitzenden der Fraktionen zugäng-
Ihren Ausführungen erlebt!) lich gemacht. Ich freue mich feststellen zu
können, daß wir in den für die Gesundung
Fahren wir also fort! Ich möchte nur betonen: Das, Berlins wichtigen, grundsätzlichen Fragen nun
worauf es mir ankommt, ist, daß die Wahrheit nach langem beiderseitigem Bemühen, wie ich
(Unruhe) aus Ihrem Schreiben entnehmen kann, zu
und die sachliche Richtigkeit über die Leistungen
- einer vollen Übereinstimmung gekommen sind,
der Bevölkerung des Bundesgebiets und ich hoffe, daß diese Übereinstimmung, für
(Zurufe von der SPD und von der Mitte) deren Zustandekommen ich Ihnen persönlich
für die Einwohner der Stadt Berlin auch bekannt aufrichtig dankbar bin, sich bewähren wird
wird. Die gesamten Bundesleistungen betragen und Ihnen und uns die Arbeit in der Zukunft
mehr als das Aufkommen des Berliner Notopfers. erleichtern wird.
Das ist eine Tatsache, (Zurufe von der SPD: Na, und?)
(Sehr richtig! in der Mitte) — Meine Damen und Herren, der Absender dieses
und ich sage es deshalb, weil ich Berlin liebe. Ich Schreibens ist der frühere Regierende Bürgermei-
sage es deswegen, weil ich will, daß Berlin das Ge- ster von Berlin, Herr Reuter.
fühl hat, daß die deutsche Bevölkerung für diese (Zuruf von der SPD: Was wollen Sie denn
Stadt alles tut, was sie tun kann. damit? — Schröter (Wilmersdorf): Was soll
(Beifall bei den Regierungsparteien.) das? — Weitere Zurufe von der SPD: Das
war 1951! — Gegenrufe von der Mitte: Re
Ich bin der Meinung, daß wir mit den Hilfen, die
gen Sie sich doch nicht auf!)
die Bevölkerung Berlin gibt, dem Zusammenhalt
zwischen Berlin und dem deutschen Bunde und — Meine Damen und Herren, die Übereinstim-
dem deutschen Volke dienen. Ich möchte in dem mung, die seinerzeit erzielt worden ist, hat genau
Zusammenhang sagen: Das deutsche Volk kümmert den Inhalt, den der Herr Bundesfinanzminister
sich darum, was wirklich nach Berlin fließt. Ob das heute über die Bedeutung und Zweckbestimmung
in Form des Bundeszuschusses oder in Form von des Notopfers Berlin bekanntgegeben hat.
anderen Leistungen fließt, ob das speziell soziale (Erneute Zurufe von der SPD.)
Hilfe heißt oder für die Postbeamten oder was Sie weicht, Herr Neumann — das müssen wir, die
sonst geschieht, ist gleichgültig. Was die Bevölke- wir die Entwicklungsgeschichte dieses Gesetzes
rung will, ist, daß Berlin eine materielle Hilfe be- kennen, objektiv feststellen —, von dem ab, was
kommt. Das andere mag Sache der Bürokratie und Sie hier vorgetragen haben.
des Rechenstifts sein. Das Herz will, daß eine
materielle Hilfe gegeben wird. (Sehr richtig! in der Mitte.)
Schließlich darf ich doch auch darauf verweisen, Dadurch, daß es glücklicherweise möglich wurde,
Berlin praktisch zum zwölften Land der Bundes-
daß die Jahre, seit denen diese Berlin-Hilfe be- republik zu machen, erwuchsen dem Bund eine
steht, nicht ungenutzt für Berlin gelassen worden
sind. Wir haben in Berlin eine Steigerung des Reihe zusätzlicher Ausgaben, weil bei einer Reihe
Bruttosozialprodukts im Jahre 1951 gegenüber 1950 bisher landeseigener Institutionen in Berlin erheb-
liche Defizite entstanden, die der Bund überneh-
um 18 %, im Jahre 1952 gegenüber 1951 um weitere
8 %, im Jahre 1953 gegenüber 1952 um 10 %. men mußte. Zur Deckung aller dieser Ausgaben,
insbesondere der Defizite der landeseigenen und in
Meine Damen und Herren, wir freuen uns, fest- Zukunft bundeseigenen Institutionen der Stadt
stellen zu können, daß es durch den Gemeinschafts- Berlin u n d des Defizits des Landeshaushalts, sollte
geist des deutschen Volkes gelungen ist, die Lage das Notopfer Berlin dienen. Es ist nicht richtig, zu
Berlins zu bessern und den großen Abstand in der sagen, das Notopfer Berlin habe die Zweckbestim-
Lebenshaltung, der im Jahre 1950 zwischen Berlin mung, ausschließlich zur Deckung des Berliner
984 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Bucerius)
Landeshaushalts zu dienen. Eine solche Zweckbe anerkannt worden ist, hat in den vergangenen
stimmung ist mit Recht im Gesetz nicht enthalten. Jahren bei der Ausbalancierung des Bundeshaus-
§ 16 des Dritten Überleitungsgesetzes bestimmt, halts manches nicht unerhebliches Risiko in Kauf
daß der Überschuß über den zur Deckung des Lan- nehmen müssen. Die sogenannte Kleine Steuer-
deshaushalts erforderlichen Betrag der Bundes- reform war nur möglich, weil der Herr Bundes-
kasse zufließt. Wir haben diese Bestimmung ja finanzminister nicht weniger als 1 Milliarde Defi-
nicht willkürlich geschaffen. Wir haben ja nicht zit in Gestalt möglicherweise aufzunehmender An
vorgehabt, mit Hilfe des Notopfers zugunsten des leihen in Aussicht nahm. Die bevorstehende größere
Bundes ein Geschäft zu machen. Wir wußten, als Steuerreform ist ebenfalls nur möglich, wenn sich
wir diese Bestimmung aufnahmen, daß der Betrag der Herr Bundesfinanzminister in einem noch grö-
des Notopfers insgesamt niemals ausreichen werde, ßeren Umfang Anleihen auf dem Geldmarkt be-
um das Defizit des Landeshaushalts und die große schafft.
Zahl der anderen Ausgaben aus dem Notopfer zu (Abg. Dr. Königswarter: Das stimmt
bestreiten, so daß unter allen Umständen der ja nicht!)
Bundeshaushalt noch weitere Leistungen werde Meine Damen und Herren, es ist nach meiner
erbringen müssen. festen Überzeugung unter diesen Umständen keine
(Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig!) unbillige, sondern eine verständliche Zumutung,
Das muß an dieser Stelle einmal mit Deutlichkeit wenn der Herr Bundesfinanzminister auch dem
und Nachdruck gesagt werden. Lande Berlin sagt, es müsse im Rahmen seiner
bescheidenen Kräfte den Geldmarkt für die Dek
Nachdem dem Haushaltsausschuß dieses Hauses
vorgetragen worden war, daß zwischen den Ver- kung seines Haushalts in Anspruch nehmen, so
wie dies auch andere Länder der Bundesrepublik
tretern des Landes Berlin und dem Herrn Bundes-
tun. Der Herr Kollege Neumann hat mit Recht
finanzminister ein Einverständnis über die Fest- gesagt, Berlin habe nach dem Dritten Überleitungs-
stellung des Defizits des Berliner Landeshaushalts
erzielt worden sei, und die Höhe und Art des vom gesetz, dem Berlin-Gesetz, alle Vorteile, aber auch
Bundeshaushalt zu gewährenden Zuschusses fest- alle Lasten eines Landes. Ja, es gehört nun einmal
stand, hat der Haushaltsausschuß erklärt, daß mit zu den Aufgaben eines Landes, gewisse Teile seines
Haushalts, nämlich alle Teile, die den außer-
dieser Einigung die Sache für ihn erledigt sei. Herr
ordentlichen Haushalt angehen, über den Geld-
Abgeordneter Neumann hat von dieser Stelle
markt und durch Aufnahme von Anleihen zu
aus dem Berliner Senat Vorwürfe darüber gemacht,
daß er sich voreilig und ohne zwingenden Grund decken. Wenn in diesem Falle der Herr Bundes-
- finanzminister ein übriges tut und seine Unter-
zu Konzessionen an den Herrn Bundesfinanzmi-
schrift für diese Anleihe zur Verfügung stellt,
nister bereitgefunden habe. Meine Damen und
Herren, ich finde, es ist nicht die Aufgabe dieses dann können wir, glaube ich, mit dieser Regelung
sehr wohl zufrieden sein.
Hauses, diesen Streit auszutragen. Der mag in Ber-
lin ausgetragen werden. Ein klein wenig, meine Damen und Herren,
(Zustimmung in der Mitte.) müssen wir auch auf die psychologischen Bezie-
Der Herr Abgeordnete Neumann hat gefordert hungen zwischen der Stadt Berlin und dem Bun-
— und das ist nun in der Tat eine Sache, die uns desfinanzminister, der in diesem Fall den west-
angeht —, daß der Betrag, den Berlin bekommen deutschen Steuerzahler vertritt, Rücksicht nehmen.
soll und der nach der gemeinsamen Feststellung Ich schäme mich gelegentlich ein ganz klein wenig,
Berlins und des Herrn Bundesfinanzministers wenn das Konto unverhältnismäßig überzogen
800 Millionen DM beträgt, nicht in der Form ge- wird. Ich habe den Eindruck, daß dies manchmal
geben wird, wie sie der Haushaltsausschuß fest- aus diesem Anlaß der Fall ist.
gesetzt hat, nämlich 710 Millionen DM in bar,
15 Millionen DM als Aufwand für bundeseigene Frau Wolff (Berlin) (SPD): Gestatten Sie eine
Bauten und 75 Millionen DM in Form einer — das Zwischenfrage. Betrachten Sie etwa das, was Sie
ist bisher nicht genügend deutlich erwähnt worden Berlin geben, als eine Wohltätigkeit, ein Almosen
— von dem Bundesfinanzminister zu garantieren- oder als Kriegslasten, die der Bund zu Berlins be-
den Anleihe. sonderer Frontstellung mit beizutragen hat?
Zunächst die Frage der bundeseigenen Bauten.
Die Frage war naheliegend, was eigentlich die Dr. Bucerius (CDU/CSU): Gnädige Frau, ich weiß
bundeseigenen Bauten in Berlin mit dem Berliner nicht, welche Teile meiner Ausführungen zu
Landeshaushalt zu tun haben. Der Sachverhalt dieser Zwischenfrage Anlaß gegeben haben. Selbst-
wird sehr schnell verständlich, wenn man hört, verständlich sind wir, so wie es der Herr Bundes-
daß im Berliner Landeshaushalt ursprünglich ein finanzminister gerade in diesem Hause ausgespro-
Betrag von 15 Millionen DM für die Wiederher- chen hat, der Meinung, daß Berlin eine große ge-
stellung von Bauten und die Errichtung von Woh- meinsame nationale Aufgabe ist. Aber ich bin auch
nungen eingesetzt war. Dieser Betrag konnte ge- der Meinung, daß der Finanzminister damit recht
strichen werden, nachdem der Herr Bundesfinanz- hat, wenn er sagt, daß Berlin zu seinem beschei-
minister erklärt hat, daß er für denselben Betrag denen Teil zu dieser Aufgabe beizutragen hat.
in Berlin Wohnungen erstellen und an bundes-
eigenen Gebäuden Bauten vornehmen lassen werde, (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Das haben
so daß diese Summe in vollem Umfang dem wir immer getan! Das ist unerhört! — Un
Berliner Arbeitsmarkt zugute kommt. Da diese ruhe in der Mitte und rechts.)
Position des Landeshaushalts arbeitsmarkt- und — Meine Damen und Herren, hier wurde eben in
wohnungspolitische Gründe hatte, konnte sie ge- einem Zwischenruf das, was ich gesagt habe, als
strichen werden. „unerhört" bezeichrret. Der Herr Zwischenrufer
Es bleibt die 75-Millionen-DM-Anleihe. Der Herr hat gesagt, man habe in Berlin bereits Notopfer
Bundesfinanzminister, dessen nicht immer sehr ein- gezahlt, als im Bundesgebiet noch keines gezahlt
faches Dasein in diesem Hause von allen Seiten worden sei.
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 985
(Dr. Bucerius)
Meine Damen und Herren, alles das, was ich hier opfer in Berlin in Zukunft nicht mehr zu erheben.
sage, gilt nicht dem Berliner Bürger,, mit dem Sehen Sie, Herr Kollege, der Sie vorhin den Zwi-
ich aus vielen Besuchen in Berlin — auch ich tue schenruf gemacht haben, man habe in der Ver-
ja für meinen bescheidenen Teil manches für die gangenheit in Berlin bereits Notopfer gezahlt, als
Stadt Berlin — einen ausgezeichneten Kontakt es hier noch nicht gezahlt wurde, nun wird dieser
habe und dessen Einstellung und Stimmung ge- in der Tat wenig angenehme Zustand geändert!
genüber dem Bund, dem Bundesfinanzminister (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Da müssen
und dem Bundeskanzler ich zu kennen glaube. Sie sich mit dem Herrn Finanzminister
Aber ich habe den Eindruck, daß in den letzten unterhalten!)
Wochen in Berlin Politiker der verschie-
densten Couleur die Nerven verloren haben. Die Bürger der Bundesrepublik werden in Zukunft
das Notopfer bezahlen, und ab 1. Juli dieses Jah-
(Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. res wird von den Bürgern der Bundesrepublik in
Neumann: Unfug!) Berlin — nach diesem Vorschlag — das Notopfer
Wenn wir also glauben, daß den berechtigten An- nicht mehr erhoben werden.
forderungen Berlins im Rahmen des Vernünftigen, (Abg. Neumann: Sagen Sie das dem Herrn
Tragbaren und Sinnvollen durch die Regelung, die Finanzminister! — Das ist ja nicht wahr!)
Berlin und der Bundesfinanzminister miteinander — „Nicht wahr" sollten Sie nicht sagen! Ich sage
vereinbart haben, Rechnung getragen worden ist, doch nicht wissentlich die Unwahrheit!
dann kann dieses Kapitel damit abgeschlossen sein.
(Abg. Brandt [Berlin] : Herr Neumann
Der Herr Kollege Neumann hat für die so- meinte, Sie sollten das dem Herrn Finanz
zialdemokratische Fraktion — abgesehen von der minister sagen!)
Erhöhung des Landeshaushalts, die wir aus
diesem Grunde ablehnen — einen weiteren Antrag - Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen den
vorgetragen, der sich mit der äußeren Gestaltung Sachverhalt vorgetragen, daß auf Grund eines Ein-
des Gesetzes über das Notopfer Berlin befaßt. Ich verständnisses zwischen dem Bundeskanzler und
kann im Augenblick nicht feststellen, ob diese Pe- dem Herrn Regierenden Bürgermeister von Ber-
tita sich in die Technik der Haushaltsgesetzgebung lin das als eine Tatsache anzunehmen ist. Es ist
einfügen lassen. Ich bin der Auffassung, daß alles in der Tat ein wenig angenehmer Zustand, daß
das, was in seinem Antrag steht, sachlich richtig die Berliner Bürger zu der Hilfe, die der Bund
ist. Das Notopfer Berlin dient in erster Linie — so an Berlin zu leisten hat, beitragen sollen. Es ist
steht es bereits jetzt im Gesetz, und so wird es im Grunde nur historisch zu erklären, daß das
auch in Zukunft im Gesetz stehen — der Deckung Notopfer Berlin in den vergangenen Jahren —
- früher waren es ja andere Leistungen — als Not-
des Fehlbetrags des Berliner Haushalts. Es dient
in zweiter Linie zur Erbringung der übrigen sehr opfer in Berlin erhoben worden ist. Auch ich bin
beträchtlichen Leistungen, welche der Bundeshaus- der Meinung, daß dieses Notopfer in Zukunft in
halt mittelbar und unmittelbar für das Land Ber- Berlin nicht mehr erhoben werden soll.
lin aufzubringen hat. Wir werden deshalb bei der Das ist aber nur ein erster Schritt auf dem
Abstimmung über diesen Antrag unsererseits den Wege, der nach unserer Überzeugung gegangen
Antrag stellen, diesen Antrag dem Haushaltsaus- werden muß. Ich befinde mich dabei in Überein-
schuß und federführend dem Ausschuß für Gesamt- stimmung mit der gesamten Berliner Öffentlich-
deutsche und Berliner Fragen zu überweisen. keit. Ich habe einen Auszug aus dem „Telegraf"
Bei dieser Gelegenheit mag über die Fassung vom 3. April vor mir liegen, in dem der „Tele-
dieses Antrages entschieden werden. graf" ausdrücklich schreibt, der Wegfall des Not-
opfers reiche allein nicht aus, um die nötigen Prä-
Meine Damen und Herren, ich habe dem Hause ferenzen auf steuerlichem Gebiet, nämlich bei der
und der deutschen Öffentlichkeit mitzuteilen, daß Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer, zu er-
die CDU/CSU- Fraktion und die FDP-Fraktion setzen. Beides, meint der „Telegraf", kann Berlin
entschlossen sind, in Erfüllung des vom Kanzler in nicht haben. Deshalb verlangt der „Telegraf" eine
Berlin gegebenen Wortes demnächst weitere generelle Steuersenkung für die Bürger in Berlin.
steuerliche Maßnahmen für Berlin zu beschließen. Dieser Vorgang ist Gegenstand langwieriger Ver-
Ich kann sie in den Grundrissen bereits andeuten. handlungen über einen Vorschlag gewesen, den
Der von uns gestellte Antrag lautet: der Berliner Senat der Bundesregierung unter-
Durch die bisherigen Maßnahmen zur Stär- breitet hat.
kung der Berliner Wirtschaft sind erhebliche Der Sinn des Antrags der FDP-Fraktion und
Erfolge erzielt. Die gegenwärtige Lage Ber- der CDU/CSU-Fraktion ist, diesen Vorschlag der
lins verlangt trotzdem weitere wirksame Stadt Berlin bei der Beratung der Steuerreform
Hilfen, vor allem auch auf steuerlichem Ge- in dieser oder jener Weise zu berücksichtigen. Für
biet, zur Hebung der Beschäftigung und zur die Bürger der Bundesrepublik ein kurzes Wort
Angleichung der Berliner Wirtschaft an die der Erläuterung. Der Herr Bundesfinanzminister
der Bundesrepublik. hat mit Recht auf die, wie ich glaube, stolzen
Die FDP-Fraktion und die CDU/CSU-Fraktion Zahlen hingewiesen, die die Entwicklung Berlins
haben mit diesen Sätzen wörtlich das übernommen, in den letzten Jahren kennzeichnen. Ein vom Ber-
was der Herr Bundeskanzler als einen der von ihm liner Standpunkt aus gewiß unverdächtiger Zeuge,
verkündeten Programmpunkte in Berlin ausge- die Berliner Zentralbank, hat in einem Schreiben
sprochen hat. In diesen Tagen haben bereits — vom 26. Februar 1954 einen umfangreichen Bericht,
wie vor allem den Berliner Herren, aber auch der den sie über diese Dinge gemacht hat, in kurze
westdeutschen Öffentlichkeit bekannt — hier Ge- Worte gekleidet, die ich Ihnen mit Genehmigung
spräche zwischen dem Herrn Regierenden Bür- des Herrn Präsidenten wiedergeben darf. Es heißt
germeister des Landes Berlin und dem Herrn Bun- hier:
deskanzler stattgefunden. Das erste Ergebnis dieser Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, daß die
Unterhaltungen ist, daß auf seiten des Bundes- Westberliner Wirtschaft 1953 gute Fortschritte
kanzlers die Bereitschaft besteht, das Berliner Not gemacht hat und daß die in den letzten Jah-
986 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Bucerius)
ren vom Bund und von den USA geleistete gesetzes demnächst erfolgen wird. Wir werden uns
Hilfe Früchte zu tragen beginnt. in den zuständigen Ausschüssen vor dem 1. Juli
(Abg. Neumann: Na und?) mit dieser Frage befassen müssen, um rechtzeitig
Wenn es gelänge, das Auftragsvolumen Ber- die Ausnahmebestimmungen für Berlin in Kraft
lins weiter in dem Tempo wie 1953 zu stei- treten zu lassen. Der Ausfall von 30 Millionen DM
gern, also jährlich 1/2 Milliarde Mark Aufträge — jawohl, Herr Senator Haas, der Ausfall von
mehr hereinzubekommen, könnte der Passiv- 30 Millionen DM — kann selbstverständlich nicht
saldo im Waren- und Dienstleistungsverkehr vom Lande Berlin getragen werden. Denn, wie
Westberlins in drei bis vier Jahren beseitigt wir wissen, fließt das Notopfer, soweit es in Ber-
werden. lin erhoben wird, nicht in die Kassen des Bundes,
sondern in die Kasse des Finanzsenators des Lan-
Als wir in der kleinen Dienststelle, die auf Be- des Berlin. Dieser Ausfall kann nicht von Berlin
schluß dieses Hauses vor etwa fünf Vierteljahren getragen werden, sondern muß, wenn das Haus
errichtet wurde, einen ersten Überschlag machten, dies beschlossen hat, unter nachträglicher Ände-
sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß das rung des Haushaltsgesetzes vom Bund aufgebracht
Leistungsdefizit Berlins 2 Milliarden DM beträgt. werden. Ich habe keinen Zweifel, daß dieses Haus
Wir haben uns damals vorgenommen, mit unseren zu dem Opfer in Höhe von etwa 30 Mil-
bescheidenen Kräften, die uns zur Verfügung lionen DM — für die nächsten Jahre wird der
stehen, dafür Sorge zu tragen, daß dieses Defizit Betrag höher sein, nämlich mindestens 40 Mil-
jährlich um 500 Millionen DM vermindert wird. lionen DM betragen —, das dann erforderlich sein
Der Bericht der Berliner Zentralbank bestätigt, wird, bereit sein wird. Im übrigen werden die
daß es den vereinigten Anstrengungen aller, vor Steuerpräferenzen Gegenstand der eingehenden
allem dem Fleiß der Berliner Bürger, gelungen ist, Beratungen aus Anlaß der Steuerreform sein.
für das erste Jahr dieses nicht gering gesteckte
Ziel voll zu erreichen. Es wäre ein Wunder, wenn ein Problem wie das
Daß dieses Ziel erreicht werden konnte — der Berlins ohne Sorge und ohne Diskussion glatt
Bericht bestätigt dies ausdrücklich —, ist in ent- erledigt werden könnte. Über die finanziellen Sor-
scheidendem Maße der im Bundesfinanzministe- gen hinaus, welche den Berliner Landeshaushalt,
rium erfundenen Methode zuzuschreiben, Berlin den Berliner Finanzsenator und jeden einzelnen
steuerlich zu begünstigen. Der Verzicht auf Um- Bürger Berlins bedrücken, geht es um die großen
satzsteuer für Lieferung von Waren von Berlin in politischen Befürchtungen, die man in Berlin hat
das Bundesgebiet und die spätere Bereitschaft, für und verständlicherweise haben muß. Immer noch
alle aus Berlin bezogenen Waren eine Umsatz- wiegen sich viele Bürger der Bundesrepublik in
steuerrückvergütung von 4 % zu gewähren, ist dem Wahn, daß der Aufenthalt westlich der Zonen-
ein Gedanke des Ministerialdirektors Dr. Fischer- grenze etwas besser sei als der Aufenthalt in Ber-
Menzhausen, dem der Herr Bundesfinanzminister, lin. Der Berliner weiß, daß Berlin nichts anderes
der ja sein Vorgesetzter ist, bereitwilligst gefolgt ist als ein Seismograph für das, was sich in den
ist. Ich möchte überhaupt an dieser Stelle betonen fernsten Winkeln der westlichen Welt abspielt.
und habe allen Anlaß, immer wieder und jeder- Meine Damen und Herren, es ist kein angeneh-
mann zu bestätigen, daß der Herr Bundesfinanz- mes Dasein, Zeiger eines Seismographen zu sein.
minister, so hart er im Geben und Nehmen sonst Das zu erleichtern und dem Berliner so das Leben
sein kann, in der Frage Berlin den berechtigten leicht zu machen, daß er weiterhin diese wichtige
Wünschen, die wir an ihn gerichtet haben, immer Funktion in der ganzen westlichen Welt für uns
mit weitem Herzen entgegengekommen ist. alle erfüllen kann — dieser Aufgabe dienen die
Gesetze und dieser Antrag, den wir zu diesem Teil
(Bravo!-Rufe bei den Regierungsparteien.) des Haushalts dem Hause heute vorgelegt haben.
Diese Methode der steuerlichen Bevorzugung
Berlins soll nach der Meinung aller Berliner Bür- (Beifall bei der CDU/CSU und rechts.)
ger ohne Ausnahme und nach der Meinung der
FDP-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion, der Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
sich gewiß viele Freunde in diesem Hause anschlie- Abgeordnete Dr. Will.
ßen werden, fortgesetzt werden. Wir glauben, daß Dr. Will (FDP): Herr Präsident! Meine Damen
es zur Überwindung des immerhin noch erheb-
lichen Restbestandes an Not, Elend, Sorge und und Herren! Die bisherige Aussprache über das
Hunger in Berlin nötig ist, noch einen weiteren außerordentlich wichtige Problem des Haushalts
Berlin hat gezeigt, daß die Motive auf allen Seiten
Schritt zu tun. Wie dieser Schritt im einzelnen
aussehen soll, muß bei der Beratung der Steuer- des Hauses im wesentlichen die gleichen sind: die
reform festgelegt werden. Daß etwas geschieht, ist Sorge, der kämpfenden und immer noch leidenden
sicher. Für die Steuerreform wird ein bestimmter Stadt Berlin zu helfen. Ich möchte dazu ausdrücklich
Topf zur Verfügung stehen. Wenn wir Berlin zu- mit Genugtuung feststellen, daß es in diesem Punkt
sätzlich begünstigen, bedeutet das, daß wir im wesentliche Unterschiede in den Auffassungen
übrigen für die Bundesrepublik etwas weniger tun nicht gibt. Vieles von dem, was Herr Kollege Neu-
können. Das muß und wird in Kauf genommen mann hier vorgebracht hat, wird von uns durchaus
werden; denn es geht hier um eine Aufgabe, die zu billigen sein. Ich will aber zugeben, daß es na-
dem einzelnen Bürger der Bundesrepublik wichti- türlich Unterschiede in der Methode gibt, die da
ger ist oder jedenfalls wichtiger sein sollte als das und dort zur Anwendung kommen soll.
Ausmaß der Steuerrechnung, die ihm am Ende Ich möchte eines vorausschicken. Wir haben es
eines Jahres vorgelegt wird. hier mit zwei Problemen zu tun, die sich vonein-
(Beifall bei den Regierungsparteien.) ander unterscheiden. Der Deutsche Bundestag be-
schäftigt sich heute mit dem Bundeshaushalt.
Wie soll im übrigen die technische Abwicklung Etwas anderes ist es, wenn in naher Zukunft —
geschehen? Die Frage der Erhebung des Notopfers wie ich hoffe, in wenigen Wochen — hier die
in Berlin wird Gegenstand der Beratung sein, Steuervorlagen zu besprechen sein werden, bei
welche aus Anlaß der Neufassung des Notopfer- denen dann viel von dem nachgeholt werden muß,
2. Deutscher Bundestag -- 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 987
(Dr. Will)
was heute besser noch nicht gesagt wird, da es nur die Demontage und die Zerstörungen in Berlin
dazu beitragen dürfte, die Dinge zu verwirren. ungefähr 85 % der Substanz verbraucht haben,
Der Berliner Haushalt ist durch Vereinbarung während der Prozentsatz im Bundesgebiet nur 10
zwischen dem Senat von Berlin und dem Herrn oder 15 beträgt. Jeder von uns weiß, daß die Ar-
Bundesfinanzminister in etwa ausgeglichen. beitslosensituation in Berlin immer noch unendlich
viel trostloser ist, als sie im Bundesgebiet jemals
(Zuruf von der SPD: In etwa!) war. Jeder von uns weiß, daß die schlechte Trans-
Die Form, in der das geschehen ist, mag Anlaß zu portlage die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirt-
Diskussionen sein. Als meine persönliche Auff as schaft außerordentlich beeinträchtigt.
sung bekenne ich, daß ich nicht absolut glücklich Diese Dinge außerhalb des Etats einigermaßen
bin über die Lösung, die dabei gefunden ist, über auszugleichen, wird Aufgabe des Bundestages in
die Lösung nämlich, die den Zuschuß, den der Bund den nächsten Wochen und Monaten sein, bei der
der Stadt Berlin zu geben hat, nun in Form einer Beratung des Gesetzes über das Notopfer Berlin,
Anleihe gewährt, die ihrerseits ja nicht vom Bunde, dann aber auch bei den übrigen zur Beratung vor-
sondern von der Privatwirtschaft bzw. von den liegenden Steuergesetzen, insbesondere der Ein-
Kapitalgebern aufzubringen ist. Wenn wir das kommen- und Lohnsteuer und der Körperschaft-
aber zunächst einmal außer acht lassen — es ist steuer.
eine Frage, die mehr in Berlin zu behandeln sein
wird als hier —, bleibt übrig, daß zwischen der Es ist insbesondere von Herrn Neumann mit
Regierung im Bunde und dem Senat in Berlin ein Recht darauf hingewiesen worden, daß der oft
Einvernehmen besteht, das auch durch den Haus- 16 des Dritten Überleitungsgesetzes zuziter§
haltsausschuß des Bundestages einmütig bestätigt Meinungsverschiedenheiten Veranlassung gegeben
worden ist. hat. Diese sind allerdings niemals so deutlich ge-
worden wie jetzt. Man wird ohne weiteres zugeben
Wenn wir, wenn auch mit Bedauern, hier von müssen, daß in der Tat die Fassung des § 1 dieses
einer vollendeten Tatsache auszugehen haben, so Gesetzes außerordentlich unglücklich gewählt ist,
heißt das in gar keiner Weise, daß wir etwa über insofern als sie nämlich in der breiten Öffentlich-
diesen Ausgang beglückt wären. Ich bin in der Tat keit den Eindruck erweckt, daß in der Tat den
der Meinung, daß hier mehr hätte geschehen Berlinern etwas vorenthalten wird, was ihnen
können, als im Augenblick durch den Bund ge- eigentlich zusteht.
geben worden ist. Ich bin aber weit davon ent-
fernt, zu glauben, daß es der Sache Berlins irgend- (Abg. Dr. Bucerius: Ist ja schon geändert!)
wie nützen könnte, wenn wir nun zu einer Schärfe Man wird es den Berlinern nicht klarmachen kön-
in der Diskussion kämen und es darauf anlegten,
- nen, daß das Aufkommen einer Abgabe, die „Not-
etwa nun, wie das anscheinend in Berlin von opfer Berlin" heißt, nicht Berlin, sondern dem
manchen Kreisen gewünscht wird, hier mit der Bund zufließt. Diese bedauerliche Situation hat mit
Faust auf den Tisch zu schlagen, und versuchten, Recht zu den Meinungsverschiedenheiten geführt,
mit Gewalt etwas zu erreichen, was doch nur auf und wir werden unsere Aufgabe darin sehen müs-
dem Wege der Verhandlung und des guten Willens sen, dies Mißverständnis auszuräumen.
zu erreichen ist.
Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Lei-
Tatsache ist, daß Berlin nicht einmal die Hälfte stungen des Bundes an Berlin keineswegs nur in
seines Bedarfs aus eigenen Kräften zu decken ver- diesem Zuschuß bestehen, sondern auch in anderen
mag und daß es daher immer wieder der Bund sein Zuwendungen; wir wissen aber auch, daß diese
wird, an den wir uns jetzt und noch auf Jahre Leistungen allen Ländern und nicht nur Ber-
hinaus zu wenden haben werden, nicht nur um lin durch den Bund gegeben werden müssen.
unseren Haushalt auszugleichen, sondern auch um
das Leben unserer Mitbürger und vor allem die Bei dieser Situation möchte ich glauben, daß wir
Existenz unserer Wirtschaft in Berlin zu sichern. an den Herrn Bundesfinanzminister — der zwar
Wenn wir davon ausgehen, daß diese freund- augenblicklich nicht mehr da ist — in dem Sinne zu
schaftliche Haltung, dieses Gefühl der Zusammen- appellieren haben, daß auch bei den weiteren Ver-
gehörigkeit unter keinen Umständen verloren- handlungen, die jetzt anstehen, erreicht wird, daß
gehen darf, dann allerdings bin ich der Meinung, unser Land, unsere Stadt besser gestellt wird, als
daß wir in Zukunft auch zu einer Regelung kom- es im ersten Anlauf möglich gewesen ist, vor allem
men können, die noch günstiger ist, als sie bisher aber, daß es uns ermöglicht wird, unsere Berliner
im ersten Anlauf erreicht werden konnte. Denn es Wirtschaft, die durch den bisherigen Gang der Ver-
ist doch nicht etwa so, als ob mit dieser Verein- handlungen aufs äußerste beunruhigt ist, die
barung weitere Unterhaltungen zwischen dem Sicherheit zu geben, daß ihre Interessen, auch im
Land Berlin und dem Bundesfinanzministerium deutschen Bunde nachdrücklich gewahrt werden.
überflüssig wären. Wir werden uns also in Zu- Ich habe bei dieser Situation zu erklären, daß wir
kunft noch öfters über diese Dinge zu unterhalten entsprechend dem Antrag, den wir gleichzeitig mit
haben. der CDU/CSU gestellt haben, erwarten, daß in
naher Zukunft diese Förderung der Berliner Wirt-
Die andere Frage, die ich hier anschneiden schaft vor sich gehen wird. Im übrigen bin ich der
möchte, bezieht sich auf das, was mein Vorredner, Meinung, daß wir den Antrag der SPD, wie das
Herr Dr. Bucerius, schon gesagt hat, nämlich die bereits von meinem Herrn Vorredner vorgeschla-
absolute Notwendigkeit, über den Berliner Haus- gen worden ist, dem Haushaltsausschuß überweisen
halt hinaus zu einer Erleichterung der wirtschaft- sollten.
lichen Lage Berlins, das heißt zu gewissen Vor-
rechten zu kommen, die die Stadt Berlin in ihrer (Beifall in der Mitte und rechts.)
isolierten Situation und in der Lage, in die sie Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab-
durch den Kriegsausgang gebracht ist, unbedingt
braucht. geordnete Seiboth.
Ich möchte nicht Tatsachen wiederholen, die Ihnen Seiboth (GB/BHE): Herr Präsident! Meine Damen
doch allen bekannt sind. Jeder von Ihnen weiß, daß und Herren! Ich bin von meiner Fraktion beauf-
988 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Seiboth)
tragt, den Änderungsantrag Umdruck 58*) namens Es handelt sich hierbei nach unserem Dafürhalten
des Gesamtdeutschen Blocks/BHE zu begründen. um eine gesamtdeutsche Frage, für die sich neben
Ich darf dazu bemerken, daß die Überlegungen, dem Berliner Senat auch der Bundestag für zu-
auf denen dieser Änderungsantrag basiert, von uns ständig halten sollte.
im Gesamtdeutschen Ausschuß vorgetragen wurden Im einzelnen haben wir kurz folgendes zu
und ihnen von keiner Seite widersprochen wurde, sagen. Die Überführung der 75 Millionen DM in
daß diese Überlegungen vielmehr in einer Empfeh- den außerordentlichen Haushalt läßt sich dann
lung des genannten Ausschusses an den Haushalts- haushaltsrechtlich vertreten, wenn es sich um
ausschuß Verwendung fanden. echten Investitionsbedarf für werbende Anlagen
Nach den geltenden gesetzlichen Regelungen, über handelt. Das ist aber Sache des Berliner Senats
die hier zur Genüge gesprochen worden ist, hat und nicht unsere, weswegen wir dagegen nichts
das Land Berlin einen gesetzlich festgelegten An- einwenden. Die mangelnde Deckung des Fehl-
spruch auf einen Bundeszuschuß. Die Höhe dieses bedarfs für 1952 widerspricht dagegen der zwingen-
Zuschusses soll den durch die besondere Lage Ber- den gesetzlichen Vorschrift des § 75 der Reichshaus-
lins bedingten Aufgaben gerecht werden, und der haltsordnung. Dieser Fehlbetrag gehört zweifellos
Bundeszuschuß soll zur Deckung des verbleibenden zum notwendigen Bedarf des Haushaltsjahres 1954.
Fehlbedarfs des Landeshaushalts ausreichend sein. Er muß deshalb in den Fehlbetrag hineingerechnet
Der Maßstab für die Höhe des Bundeszuschusses ist werden, der durch Bundeszuschuß zu decken ist.
mithin der im Landeshaushalt Berlin ausgewiesene Die Bundesbauten in Höhe von 15 Millionen DM
Fehlbedarf, soweit er unter Berücksichtigung der stellen nach dem, was hier vom Kollegen Dr. Bu-
besonderen Lage und der besonderen Aufgaben cerius erwähnt wurde, unserer Meinung nach keine
Berlins als notwendig anerkannt wird. Hier liegt Entlastung des Berliner Haushalts dar. So be-
eine Ermessensfrage vor, über deren Beantwortung grüßenswert die Tatsache der Bundesbauten ist
man sich wohl niemals auf Heller und Pfennig — auch darüber wurde gesprochen —, so meinen
wird einigen können. wir doch, daß die fehlenden 15 Millionen DM im
Bundeszuschuß direkt enthalten sein müssen.
Der Berliner Senat hat in seinem Haushaltsent-
wurf ursprünglich einen Fehlbetrag von 94'1 Mil- Es ergibt sich somit die Rechnung, daß zu den
lionen DM ausgewiesen. In diesem Fehlbetrag war 710 Millionen DM, die veranschlagt sind, jene
— darauf möchte ich besonders hinweisen — ein 55 Millionen DM Fehlbetrag des Jahres 1952 und
rechnerischer Unterschuß für das Haushaltsjahr die 15 Millionen, die für Bundesbauten veran-
1952 in Höhe von 55 Millionen DM enthalten. In schlagt sind, hinzukommen müssen, so daß ent-
den Verhandlungen zwischen dem Senat und dem sprechend unserem Änderungsantrag in Kap. 4502
Bundesfinanzminister einigte man sich auf - einen Tit. 600 der Betrag von 710 Millionen DM auf
Fehlbetrag von 800 Millionen DM, wobei der rech- 780 Millionen DM zu erhöhen wäre. Wir bitten
nerische Fehlbetrag aus dem Jahre 1952 zwar im das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Haushalt ausgewiesen, aber ungedeckt bleiben Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab
sollte. Von dem Betrag von 800 Millionen DM wur- geordnete Brandt.
den zwei weitere Beträge in Abzug gebracht, näm-
lich, wie bereits erwähnt, die 75 Millionen DM, die Brandt (Berlin) (SPD): Herr Präsident! Meine
als echter Investitionsbedarf für werbende An- Damen und Herren! Ich möchte hier zunächst zwei
lagen in den außerordentlichen Hauhaltsplan über- Mißverständnisse ausräumen. Einmal: es gibt in
stellt werden sollen, und ein Betrag von 15 Millio- diesem Hause wohl niemanden — jedenfalls gibt
nen DM, an dessen Stelle der Bund sich verpflich- es ihn nicht in den Reihen der Opposition und
tete, Bundesbauten in Berlin durchzuführen. Herr nicht in den Reihen der Vertreter, die aus Berlin
Kollege Bucerius hat hier erwähnt, daß diese kommen —, der nicht wüßte, was die Leistung des
15 Millionen DM, für die der Bund in Berlin Bun- Bundes, der westdeutschen Steuerzahler für Berlin
desbauten errichten will, sozusagen zur Deckung bedeutet hat und bedeutet.
des Haushaltsdefizits herangezogen werden können, (Sehr wahr! bei der SPD.)
weil im Haushalt der Stadt Berlin ursprünglich Wir bekennen uns stolz zu diesem Beitrag, diesem
15 Millionen für Bauten des Senats von Berlin Friedensbeitrag, wenn ich so sagen darf, einer der
eingesetzt waren. Ich glaube aber, daß es doch so großen Leistungen unseres Volkes nach dem Zu-
gewesen ist, daß diese 15 Millionen zwar im ur- sammenbruch.
sprünglichen Haushaltsplan der Stadt Berlin ge- Ein anderes: wir zollen der Arbeit des Herrn
steckt haben, als es sich noch um 941 Millionen Bundesfinanzministers den schuldigen Respekt.
handelte, jedoch nicht mehr, als es um die 800 Mil- (Beifall in der Mitte und rechts. — Sehr
lionen ging. richtig! bei der SPD.)
Die Auffassung meiner Fraktion geht dahin, daß
gerade in der gegenwärtigen politischen Situation, Wir verstehen seine Sorgen um den Ausgleich des
nach dem Scheitern der Berliner Konferenz, dem Bundeshaushalts. Es liegt mir daran, zu sagen
Land Berlin mindestens das gegeben werden muß, — ich hätte es ihm gerne selber gesagt —, daß
was ihm bereits in der Vergangenheit gesetzlich zu- ich etwas Rührendes darin sehe und vielleicht auch
stand. Bei dieser politischen Betrachtungsweise ist bei aller gelegentlicher Gegensätzlichkeit etwas
die vom Herrn Bundesfinanzminister beabsichtigte Zukunftversprechendes, wie nahe sie doch trotz
Regelung für uns nicht befriedigend. Dabei kann allem im Laufe dieser Jahre einander gekommen
es keine Rolle spielen, ob sich der Berliner Senat sind, der rauh-freundliche bayrische Schatzmeister
aus Gründen, die uns nicht erkennbar sind und die des Bundes und die schnoddrig-freundlichen Men-
er vor der Bevölkerung Berlins vertreten muß, schen im ehemals preußischen Berlin, in der deut-
schen Hauptstadt Berlin.
(Abg. Neumann: Sehr wahr!)
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und
damit einverstanden erklärt. bei Abgeordneten in der Mitte.)
(Zustimmung bei der SPD.)
Der Herr Bundesfinanzminister ist, daß hat er
') Siehe Anlage 4 Seite 1028 B. vorhin deutlich genug zu erkennen gegeben, un-
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 989
(Brandt [Berlin])
zufrieden mit den Antragstellern, für die noch Aber was können wir und was sollen wir tun?
einmal zu sprechen ich die Ehre habe. Es ist sein Uns mag angesichts solcher Fragen manchmal ein
gutes Recht, mit uns unzufrieden zu sein. Aber er Gefühl nicht nur der Sorge, sondern auch der
möge dabei nicht vergessen, daß nicht wir es Ohnmacht überkommen, wenn wir an einen viel-
waren, sondern Zeitungsorgane aus der Gefolg- leicht längeren Weg zur Wiedervereinigung dessen
schaft des Herrn Bundeskanzlers, die kürzlich im denken, was zusammengehört. Aber hier haben
Zusammenhang mit dem Herrn Bundesfinanz- wir es doch nun heute mit einer Aufgabe zu tun,
minister von einem Tiefschlag gegen Berlin ge- die zu lösen uns in jedem Falle aufgegeben ist.
sprochen haben. Berlin muß gesichert bleiben, es muß krisenfest
(Abg. Dr. Bucerius: Das sind die ver gemacht werden, koste es, was es wolle!
lorenen Nerven, Herr Brandt!) (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)
— Nicht hier, sondern dort, Herr Bucerius, ist Den Kampf des Herrn Bundesfinanzministers um
dem Herrn Bundesfinanzminister die Mißachtung die Stabilität der Währung in allen Ehren, — dem
eines Kanzlerwortes vorgeworfen worden, an Kampf um die Stabilität des Staates und um seine
dessen Formulierung er selbst mitgearbeitet hatte. freiheitlichen Grundlagen gebührt mindestens die
Ich will auch nicht mehr, jedenfalls nicht länger, gleiche Aufmerksamkeit und Entschlossenheit.
auf die törichte Propaganda gewisser Kreise ein- (Beifall bei der SPD.)
gehen, die den Berlinern einreden wollten, die Der Berliner Haushalt ist nicht weniger wichtig
Vertreter einer Kleinen Koalition würden in Bonn als ein Haushalt der Verteidigung.
nur die offene Hand aufzuhalten brauchen, eine
Propaganda, deren Rückzug neuerdings mit dem (Erneuter Beifall bei der SPD.)
Vorwurf gedeckt werden soll, der verstorbene Der Herr Bundesfinanzminister ist in seiner Etat-
Ernst Reuter trage die Verantwortung dafür, daß freiheit gegenüber Berlin nicht mehr beschränkt
sein Nachfolger in Bonn nicht mehr erreicht habe. als bei den wichtigsten internationalen Verhand-
(Zurufe von der SPD: Unerhört!) lungen. Gerade weil uns in so vieler Hinsicht die
Was Ihre Bemerkung angeht, Herr Kollege Hände gebunden sind, müssen wir am Berliner
Bucerius, so stimme ich ihr völlig zu. Es ist Beispiel und in dieser Situation im April 1954
eine geschichtliche Tatsache, daß der verstorbene zeigen, wie wir auf die durch die Maßnahmen der
damalige Regierende Bürgermeister seiner eigenen östlichen Machthaber heraufbeschworene ver-
und unserer gemeinsamen Überzeugung Ausdruck schärfte Spaltung Deutschlands zu reagieren ge-
gegeben hat, als er bei Abschluß dieser schwieri- denken.
gen Verhandlungen um das Dritte Überleitungs- (Beifall bei der SPD.)
-
gesetz den Herrn Bundesfinanzminister und allen Hier ist uns die Möglichkeit des zeitentsprechenden
daran Beteiligten ausdrücklich seinen und unseren Handelns gegeben, und hier müssen wir beweisen,
Dank ausgesprochen hat. Dieses Dritte Über- daß wir die Zeichen der Zeit verstanden haben.
leitungsgesetz war ein gewaltiger Fortschritt. Aber,
Herr Kollege Bucerius, wir schreiben jetzt das Nun zum Einzelplan 45 selbst. Ich habe drei
Jahr 1954. Wir schrieben damals 1951. Nichts in Feststellungen dazu zu treffen. Erstens: Nach dem
dieser Welt steht still, und die Zahlen verändern Dritten Überleitungsgesetz soll der Bundeszuschuß
sich. Sehen Sie, verehrter Herr Bucerius, damals, so bemessen sein, daß Berlin die durch seine be-
als wir gemeinsam über das Dritte Überleitungs- sondere Lage bedingten Aufgaben erfüllen kann.
gesetz berieten, hatten wir es beim Notopfer mit Zweitens: Der Herr Finanzminister und der Ber-
einem Einnahme-Soll von 395 Millionen und einem liner Senat haben den Fehlbetrag, den Fehlbetrag
Einnahme-Ist von 389 Millionen im Jahr zu tun. des Berliner Haushalts auf 800 Millionen DM her
Berlin erhielt damals 1950 494 Millionen DM, also untergerechnet. Von diesem Betrag haben wir aus-
mehr als das Aufkommen aus dem Notopfer. zugehen, so bedenklich es erscheinen mag — und
(Abg. Dr. Bucerius: Aber nicht nur für da stimme ich mit dem Herrn Vorredner des BHE
den Landeshaushalt!) überein —, das Defizit aus dem Jahre 1952 noch
1951, als ab 1. April das Dritte Überleitungsgesetz einmal vor sich herzuschieben.
in Kraft getreten war, hatten wir es beim Not- Drittens: Der Herr Bundesfinanzminister sagt,
opfer mit einem Einnahme-Soll von 625 Millionen, Berlin kommt auch mit 710 Millionen DM als Bar-
mit einem Einnahme-Ist von 644 Millionen und zuschuß zu Rande, den 15 Millionen DM für Bau-
mit einem Bundeszuschuß von 550 Millionen zu vorhaben, die aber, wie schon betont wurde, den
tun. Also auch hier bestand zum Einnahme-Soll Haushalt nicht unmittelbar entlasten, und außer-
nur eine Differenz von 75 Millionen, aber nicht dem der vom Bund garantierten Anleihe in Höhe
eine Differenz in der Höhe, wie sie sich seitdem von 75 Millionen DM. Gerade dieser Anleiheweg
ergeben hat. . ist aber, wie wir glauben, im Berliner Fall ein
Aber ich möchte zunächst noch eine politische unsicherer und gefahrvoller Weg.
Bemerkung machen. Es geht mir und es geht uns (Sehr richtig! bei der SPD.)
hier wirklich nicht um Koalition oder Opposition.
Es geht uns um Berlin und um ein gemeinsames Verehrter Herr Kollege Bucerius, hier lasse ich
deutsches Anliegen. den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht
gelten.
(Beifall bei der SPD. — Abg. Frau Dr. Weber
[Aachen] : Uns auch!) (Erneute Zustimmung bei der SPD.)
— Um so besser, verehrte Frau Kollegin Weber! Nach dem, was in der letzten Zeit, in den letzten
Als wir vorgestern die gemeinsame Erklärung paar Wochen passiert ist, fürchte ich, daß wir die
Kräfte der Freiheit in Berlin neu zu mobilisieren
angenommen hatten, in der wir sagten, daß wir haben, und, Herr Kollege Bucerius, auf Anleihe-
uns niemals mit dem Zustand der willkürlichen
krücken werden wir nicht vor das Brandenburger
Spaltung unseres Landes abfinden wollten, haben Tor treten dürfen!
sich manche von uns — nicht nur auf unserer,
sondern genau so gut auf Ihrer Seite — gefragt: (Beifall bei der SPD.)
990 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Brandt [Berlin])
Nun zu dem Einwand, dieser Haushalt vertrage ten wir uns nicht im Interesse künftiger Aus-
nicht die Belastung mit weiteren 90 Millionen DM, einandersetzungen zu diesem Thema auf eine
wie sie sich aus der Annahme unseres Antrags er- säuberliche Trennung zweier unterschiedlicher
geben würde. Lassen Sie mich dazu zweierlei fest- Probleme verständigen?
stellen: Die Einnahmen aus dem Notopfer sind (Sehr gut! bei der SPD.)
auch diesmal vom Bundesfinanzministerium recht
Auf der einen Seite stehen die finanziellen
. niedrig angesetzt. Im vorigen Jahr hat der Bund
Leistungen des Bundes in Berlin, wie sie sich aus
nach meinen Zahlen 165 Millionen DM, nach den der Gleichstellung des Landes Berlin mit den
Zahlen, die Herr Schäffer vorhin genannt hat, anderen Bundesländern ergeben.
100 Millionen DM mehr, und im Jahr zuvor
85 Millionen DM mehr eingenommen, als es dem (Sehr richtig! rechts.)
Soll im Haushaltsplan entsprach. In diesem Jahr Diesen Leistungen stehen die Einnahmen des Bun-
wird der Bund nicht nur 925 Millionen DM, sondern des in Berlin gegenüber. Solche Aufrechnungen
wahrscheinlich 100 Millionen DM darüber hinaus pflegt man übrigens für andere Länder nicht zu
einnehmen. Darum erscheint es uns unbedenklich, machen, auch für den Freistaat Bayern nicht. Wenn
90 Millionen DM bei den Einnahmen aus der Ab- man aber eine solche Aufrechnung macht und vom
gabe Notopfer Berlin mehr einzusetzen, falls der Soll ausgeht, ergibt sich für 1953 eine Mehr-
Herr Bundesfinanzminister diese Deckung für er- leistung des Bundes von 401,5 Millionen. Das
forderlich hält. wahrscheinliche Ist für 1953 beträgt 328,8 Mil-
Zum anderen: Das Bundesfinanzministerium, lionen. Für 1954 würde die entsprechende Summe
die Mitarbeiter des Herrn Bundesfinanzministers 312 Millionen betragen, wenn meine Bemerkung
haben die Tendenz, nicht nur die Einnahmen aus über die zu hoch angesetzten 70 Millionen zutrifft.
dem Notopfer zu unterschätzen, sondern auch die Auf der anderen Seite haben wir den Bundes-
Ausgaben des Bundes in Berlin zu überschätzen. zuschuß zum Landeshaushalt in Höhe von 710 Mil-
lionen oder, wie wir möchten, 800 Millionen. Hin-
Wenn ich eine solche Behauptung aufstelle, muß zu käme nun noch die Umsatzsteuer-Rückvergütung
ich auch versuchen, sie zu beweisen. in Höhe von 75 Millionen im laufenden Rechnungs-
(Abg. Dr. Bucerius: Nicht nur versuchen, jahr. Dem stehen die Einnahmen aus dem Notopfer
Herr Brandt!) in Höhe von 925 Millionen DM oder, wie ich
glaube, von 1025 Millionen DM gegenüber. Bei
In der Übersicht mit Datum vom 29. März, die der dieser Gegenüberstellung, die wir in Zukunft aus
Herr Bundesfinanzminister den Mitgliedern des politischen und haushaltssystematischen Gründen
Haushaltsausschusses am 31. März übergeben hat, auch im Einzelplan 45 zum Ausdruck gebracht
hat das Ministerium bei der Kriegsopferversorgung
- sehen möchten, ergibt sich ein Überschuß von
in Berlin für 1953 ein Soll von 161,9 Millionen, 240 Millionen DM oder, wenn Sie unseren Antrag
für 1954 ein solches Soll von 180,2 Millionen ein- annehmen, von 150 Millionen DM.
gesetzt. Das Ist für 1953 betrug aber nicht
161,9 Millionen, sondern 133 Millionen. Noch ein Wort zum Notopfer. Wir haben früher
betont — auch in der Rede unseres Fraktionsvor-
(Abg. Schoettle: Hört! Hört!) sitzenden Ende Februar ist das geschehen —, daß
Das Bundesfinanzministerium hatte für das ver- der Mehrertrag des Notopfers Berlin über den
gangene Jahr fast 30 Millionen und es hat für das Bundeszuschuß hinaus in Zukunft allein dazu
neue Haushaltsjahr wahrscheinlich 40 Millionen verwendet werden sol te, die wirtschaftliche und
zuviel eingesetzt. soziale Position Berlins zu stärken. Diesen Grund-
(Zuruf von der SPD: Unerhört!) satz wollten wir mit unserer Entschließung unter-
Bei der Arbeitslosenhilfe in Berlin registrierte streichen, um dann bei kommenden Beratungen
die Übersicht des Bundesfinanzministeriums vom Folgerungen daraus zu ziehen.
29. März für 1953 ein Ausgabesoll von 174,2 Mil- Wir haben — das ist wahr — mit Hilfe der west-
lionen, für 1954 ein solches von 170,0 Millionen. deutschen Steuerzahler und mit Hilfe der Ver-
Das Ist für 1953 betrug jedoch nicht 174,2 Millionen, einigten Staaten von Amerika beträchtliche Erfolge
sondern 155 Millionen. Das Finanzministerium in Berlin erzielt.
hatte demnach im vorigen Jahr 20 Millionen und (Bravo-Rufe in der Mitte.)
es hat im neuen Jahr wahrscheinlich 30 Millionen
zuviel eingesetzt. 40 plus 30 macht 70 plus 100 Wir können uns aber mit dem Erreichten nicht
macht 170. Aber ich will nicht mehr beweisen, als zufrieden geben. Berlin ist noch heute ein Paria,
für die Begründung unseres Antrages zu beweisen verglichen mit dem deutschen Westen. Wir
erforderlich ist. brauchen nicht kleine steuerliche Trostpflästerchen,
Nur noch eins. Bei aller Wertschätzung der (Abg. Mellies: Sehr richtig!)
Arbeit des Herrn Bundesfinanzministers und seines wir brauchen keine Maßnahmen, die mit der Ge-
gewachsenen echten Interesses für die Ausein- fahr verbunden sind, daß die Mittel zerrinnen,
andersetzung in und um Berlin: Die Aufstellungen anstatt auf das Wesentliche konzentriert zu werden.
seines Ministeriums über die Leistungen für Berlin Wir brauchen eine Konzentration zusätzlicher
fordern unseren Widerspruch heraus. Er hat auch Mittel auf das A und O dessen, worauf es in
heute wieder gesagt: Wenn ich alles zusammen- Berlin ankommt, nämlich: neue Arbeitsplätze zu
rechne, dann gebe ich — oder der westdeutsche schaffen.
Steuerzahler oder der Bund, vertreten durch den (Sehr wahr! bei der SPD.)
Bundesfinanzminister — einige hundert Millionen
im Jahre mehr aus, als ich durch das Notopfer Das ist allein der Weg, um das ganze Wirtschafts-
hereinbekomme. Schade, daß der Herr Bundesfi- leben zu fördern. Keine kleinen, verzettelten Maß-
nanzminister nicht mehr da ist, sonst hätte ich ihm nahmen sollten uns von dieser einen großen Pflicht
gesagt: Manche Ihrer Herren, die Ihnen diese Auf- ablenken.
rechnungen machen, bedienen sich auch heute noch Meine Damen und Herren, ich bedaure außer-
der Methode, Appel und Beern zu addieren. Könn ordentlich, daß ich mit diesen Ausführungen in
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 991
(Brandt [Berlin])
der Aussprache Ihre Geduld auf eine so harte Die Bürger der Bundesrepublik und die der Zone,
Probe stellen mußte. Ich hoffe, Sie überzeugt zu dann befreit, werden in beiden Fällen gleich dank-
haben, daß es uns um etwas ganz anderes geht bar sein.
als um ein Sonderanliegen der Opposition. Keiner (Erneuter Beifall bei den Regierungspar
der Vertreter aus Berlin, aus welcher Fraktion er teien. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] :
auch kommen mag, kann sich hierher stellen und Wieder mal an den Dingen vorbeigeredet,
behaupten, ich hätte in der Sache nicht ein gemein- Herr Bucerius! Sie wissen doch, was die
sames Anliegen vorgetragen. Lassen Sie uns den Anträge bedeuten!)
Antrag gemeinsam in der Erwartung annehmen,
daß sich auch der Herr Bundesfinanzminister mal Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
vergewaltigen läßt! weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich
(Abg. Frau Dr. Weber [Aachen] : O, das schließe die Besprechung.
wäre das erste Mal!) Es liegen vor die Anträge Umdrucke 46 und 58
und die Entschließungsanträge Umdrucke 19 (neu)
— Einmal muß das anfangen, gnädige Frau. und 42. Wenn ich recht unterrichtet bin, ist bean-
(Heiterkeit.) tragt worden, den Entschließungsantrag Umdruck
Sorgen wir gemeinsam dafür, daß das Wort von 42 dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Trifft
Berlin als der freiheitlichen Klammer des ge-
das zu?
spaltenen Deutschland immer wieder bekräftigt (Zustimmung.)
wird! Geben wir diesem Wort seine Bestätigung Vielleicht darf ich diese Abstimmung vorweg
hier und heute! nehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die der
Überweisung des Antrags Umdruck 42 an den
Ich beantrage namens der sozialdemokratischen Haushaltsausschuß zuzustimmen wünschen, eine
Fraktion namentliche Abstimmung über unseren Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; die
Antrag. Überweisung ist erfolgt.
(Beifall bei der SPD.)
(Abg. Neumann: Und Gesamtdeutscher
Ausschuß, Herr Präsident!)
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab- — Also zusätzlich Ausschuß für Gesamtdeutsche
geordnete Dr. Bucerius. und Berliner Fragen?
Dr. Bucerius (CDU/CSU) : Herr Kollege Brandt, (Zurufe von der Mitte: Einverstanden!)
- SiemachnusdVorwf,aßiÄpelund — Die Fraktionen sind einverstanden. Die Über-
Birnen zusammenzählen. In der Berliner Sprache weisung erfolgt.
sagten Sie: „Äppel und Birnen", was ja wohl das- Zum Umdruck 46 ist von der Fraktion der SPD
selbe ist. Herr Brandt, wir verfahren und der Herr namentliche Abstimmung beantragt worden. Die
Bundesfinanzminister verfährt bei seiner Aufstel- namentliche Abstimmung findet statt. Ich bitte die
lung nach dem Dritten Überleitungsgesetz. Dieses Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusam-
zwingt uns, bei den Ausgaben, die wir aus dem meln. Damit es keinen Irrtum gibt, weise ich
Notopfer zu bestreiten haben, zwei ganz ver- darauf hin, daß alle Abgeordneten, die dem An-
schiedene Dinge zusammenzuzählen: einmal alles trag Umdruck 46 zuzustimmen wünschen, eine Ja
das, was dem Bundeshaushalt an zusätzlichen Aus- Karte abgeben müssen, die ihn ablehnen wollen,
gaben dadurch erwächst, daß Berlin nunmehr im eine Nein-Karte, und die sich enthalten wollen,
Gegensatz zu dem vorherigen Zustand finanzpoli- eine weiße Karte.
tisch als Teil des Bundesgebietes anzusehen ist, (Einsammeln der Stimmkarten.)
und zweitens das Defizit des Berliner Haushalts.
Wenn es Ihnen gefällt, das mit „Äppel und Bir- Meine Damen und Herren, die Einsammlung der
nen" zu bezeichnen, dann haben Sie freilich recht. Stimmkarten ist im wesentlichen beendet. Die Ab
Wir sind der Meinung, daß hier Dinge vom Gesetz stimmung über den Antrag Umdruck 58 hängt ja
gleichgeordnet sind und gleicherweise behandelt von dem Ergebnis der Abstimmung über den An-
werden müssen. trag Umdruck 46 ab. Ich schlage Ihnen vor, daß
wir zunächst die Beratung dieses Einzelplans einen
Herr Kollege Brandt, im Grunde ist doch nur Augenblick suspendieren und im Interesse der Be-
noch eine einzige Streitfrage übriggeblieben: schleunigung zum nächsten Einzelplan, Einzelplan
Sollen wir es Berlin zumuten, einen Teil des Defi- 19, übergehen.
zits durch eine Anleihe, die es sich am Markt auf- Ich weise darauf hin, daß der Ältestenrat sich
zunehmen bemüht, zu decken? Wenn wir bei der darüber verständigt hat, es solle versucht werden,
Gelegenheit Berlin auf sich selbst zurückwürfen, die zweite Beratung heute zu Ende zu bringen.
wären wir mit Ihnen einer Auffassung. Aber da Ich appelliere also noch einmal an die Abgeord-
der Herr Bundesfinanzminister seinen Namen hier- neten, nach Möglichkeit durch die Kürze und
für hergeben muß, also praktisch doch die Auf- Schlagkraft ihrer Reden dazu beizutragen. Die
nahme der Anleihe zunächst einmal auf sein Konto dritte Beratung soll dann am 30. April stattfinden.
geht und er dafür geradestehen muß, wenn der
Betrag eines Tages nicht gezahlt wird, finde ich, Um einer historischen Pflicht gerecht zu werden,
Herr Brandt, es ist beinahe nicht mehr lohnend, weise ich darauf hin, daß vor 80 Jahren zum
hierüber zu streiten. Wenn wir eines Tages — wir erstenmal im Deutschen Reichstag ein Hammel-
hoffen mit Ihnen, daß dieser Tag sehr nahe sein sprung stattfand. Das ist vielleicht ein Hinweis auf
wird — vor das Brandenburger Tor treten, um eine fortwirkende Tradition.
die Einheit Deutschlands wiederherzustellen, dann Ich rufe auf
fragt niemand danach, ob der Bundesfinanzmi- Einzelplan 19 - Haushalt des Bundesver-
nister sich selbst diese Anleihe beschafft hat oder fassungsgerichts (Drucksache 364; Um-
ob sie mit seiner Bürgschaft von Berlin beschafft druck 21).
worden ist. Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Hu-
(Beifall bei den Regierungsparteien.) bert. Bitte schön!
992 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Frau Dr. Hubert (SPD), Berichterstatterin: Herr gleichzustellen, und zwar einschließlich aller diesen
Präsident! Meine Herren und Damen! Der Haus- gewährten Zulagen. Diese Stellungnahme des
halt des Bundesverfassungsgerichts weist gegen- Rechtsausschusses ging dem Haushaltsausschuß aus
über dem Jahr 1953 nur geringfügige Änderungen terminbedingten Gründen aber erst zu, nachdem
auf. Die Personaltitel haben nur eine geringe Er- der Haushaltsausschuß den Einzelplan 19 verab-
höhung erfahren infolge der Erhöhung der Ge- schiedet hatte. Sie konnte daher auf die Entschei-
hälter und Löhne, und in den Sachausgaben findet dung des Haushaltsausschusses keinen Einfluß
sich eine geringfügige Herabsetzung. Im Tit. 101 mehr haben.
sind 2 Stellenhebungen vorgenommen worden, ein
Oberinspektor zum Amtmann, ein Regierungsrat Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke der Frau Be-
zum Oberregierungsrat. Im Tit. 103 (beamtete richterstatterin.
Hilfskräfte) sind an Stelle von 11 A 2 c-Stellen Ihnen liegt der Änderungsantrag von Abgeord-
nur 7 vorgesehen, dafür vier A 2 b-Stellen neu ge- neten aller Fraktionen Umdruck 21*) vor. Soll er
schaffen, um hier als juristische Hilfskräfte Richter begründet werden? — Herr Abgeordneter Hoogen!
einstellen zu können, die von den Ländern abge-
ordnet werden können. Der Ausschuß stimmte Hoogen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da-
diesen Änderungen zu. men und Herren! Angesichts der Ausführungen der
Frau Berichterstatterin zu der Frage der Gewäh-
Strittig war im Ausschuß die Frage der Dienst-
aufwandsentschädigung für die Richter, die soge- rung einer Dienstaufwandsentschädigung an die
Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts kann ich
nannte verfassungsgerichtliche Zulage, die der Mi- mich sehr kurz fassen. Aus dem Umdruck 21 er-
nisterialzulage entspricht. Diese Zulage erhalten sehen Sie unser Anliegen. Die Antragsteller sind
nicht nur alle Beamten und Angestellten der Mi- Mitglieder des Rechtsauschusses aus allen Frak-
nisterien, sondern auch alle Angehörigen der tionen. Sie haben sich, natürlich nicht als Rechts-
obersten Verfassungsorgane wie des Bundespräsi- ausschuß, sondern als Mitglieder dieses Rechtsaus-
dialamtes, des Bundestages und des Bundesrates. schusses, nochmals mit der Frage befaßt, — „noch-
Eine der Ministerialzulage entsprechende soge- mals" deshalb, weil diese Frage seinerzeit, als das
nannte oberstgerichtliche Zulage erhalten auch die Gesetz über das Amtsgehalt der Mitglieder des
Beamten und Angestellten der oberen Bundesge- Bundesverfassungsgerichts beraten wurde, erörtert
richte bis einschließlich Gehaltsgruppe A 1 a, nicht worden ist. Diese Beratungen haben die Einhellig-
aber die Richter dieser Gerichte. Die Bundesregie- keit der Auffassungen der Antragsteller ergeben,
rung stand auf dem Standpunkt, daß die Richter daß bereits die jetzt geltenden Vorschriften, näm-
des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der lich das Gesetz über das Amtsgehalt der Richter des
Aufwandsentschädigung den Richtern der anderen Bundesverfassungsgerichts in Verbindung mit den
obersten Gerichte gleichzustellen seien und daß allgemeinen Vorschriften des Besoldungsrechts, da-
eine Sonderstellung der Richter des Bundesverfas- hin auszulegen sind, daß auch den Bundesverf as-
sungsgerichts Rückwirkungen auf die Senatspräsi- sungsrichtern die ihrem Rang entsprechende Auf-
denten und Richter an den anderen oberen Gerich- wandsentschädigung zusteht und daß es lediglich
ten haben könnte. Infolgedessen enthält Tit. 101 der Bewilligung der nötigen Mittel bedarf, um
des Einzelplans 19 unter „Dienstaufwandsent- dieses Vorhaben zu verwirklichen. Darum haben
schädigung" in Höhe von 32 940 DM nur die durch wir unseren Antrag gestellt.
das Gesetz über die Besoldung der Richter des Bun- Ich darf aber noch hinzufügen, daß eine solche
desverfassungsgerichts festgelegte Aufwandsent- Auslegung und Ausführung der Gesetzesbestim-
schädigung für den Präsidenten und die verfas- mungen auch dem tatsächlichen Willen des Gesetz-
sungsgerichtlichen Zulagen für die Beamten und gebers entspricht, wie es Frau Kollegin Dr. Hubert
Angestellten bis einschließlich Gehaltsgruppe A 1 a. soeben bereits dargelegt hat. Das läßt sich aus den
Im Haushaltsausschuß wurde der Antrag gestellt, Protokollen der Beratungen dieses Hohen Hauses
diese Position um etwa 42 000 DM für die Dienst- ohne weiteres nachweisen. Damals bestand der ein-
aufwandsentschädigung der Richter des Bundesver- deutige Wille, die Richter unseres höchsten Gerich-
fassungsgerichts zu erhöhen. Die Antragsteller be- tes, weil es auch gleichzeitig Verfassungsorgan ist,
gründeten ihren Antrag damit, das Bundesverfas- so zu stellen, daß sie mit einer ihrer Stellung ent-
sungsgericht sei ein Verfassungsorgan und könne sprechenden Besoldung ausgestattet sind.
mit den anderen oberen Gerichten nicht verglichen Ich habe infolgedessen die Ehre, Sie auch namens
werden, weshalb die Gewährung der Dienstauf- der anderen Antragsteller zu bitten, dem Antrag
wandsentschädigung für die Richter des Bundes- Umdruck 21 Ihre Zustimmung zu geben.
verfassungsgerichts auch keine Rückwirkungen auf
die Senatspräsidenten und Richter der oberen Bun- Präsident D. Dr. Ehlers: Ich darf zunächst fragen,
desgerichte haben könne. Die Besoldungsgruppen ob noch Abgeordnete vorhanden sind, die ihre
B 3 und B 4 seien bewußt gewählt worden, um die Stimme zur namentlichen Abstimmung abzugeben
Richter dieses hohen Gerichts herauszuheben und wünschen. Da es vor allem Volk geschehen ist, wird
den Ministerialdirektoren gleichzustellen. Auch lege gegen die Abgabe der Stimme des Herrn Abgeord-
§ 1 Abs. 4 des Gesetzes über das Amtsgehalt der neten Raestrup durch Boten nichts einzuwenden
Richter fest, daß im übrigen die allgemeinen be- sein. Ich nehme an, daß es nur ein verlängerter
soldungsrechtlichen Vorschriften gelten sollten. Arm war, der sich dorthin bewegt hat.
Dieser Antrag wurde im Haushaltsausschuß abge-
lehnt. (Heiterkeit.)
Auch der Rechtsausschuß hat sich mit dieser Es sind keine Abgeordneten mehr vorhanden, die
Frage beschäftigt und dem Haushaltsausschuß seine ihre Stimme abzugeben wünschen; dann schließe
Stellungnahme übermittelt. Diese ging einmütig ich die namentliche Abstimmung.
dahin, es sei die Absicht des Gesetzgebers des Bun- Ich fahre in der Beratung des Einzelplans 19 fort.
desgesetzes gewesen, die Richter des Bundesverfas- Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
sungsgerichts in jeder Hinsicht den Ministerial-
direktoren und den Präsidenten dem Staatssekretär *) Siehe Anlage 5 Seite 1029.
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 993

Krammig (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Ich komme zu Umdruck 58. Herr Abgeordneter Dr.
Damen und Herren! Zu dem soeben begründeten Keller hat mir mitgeteilt, daß der GB/BHE auch
Antrag habe ich namens meiner Fraktion folgendes für diesen Antrag namentliche Abstimmung be-
zu sagen. Das Gesetz über das Amtsgehalt der antragt. Dieser Antrag ist bisher nicht hinreichend
Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts vom unterstützt. — Er wird unterstützt.
14. April 1951 sieht lediglich für den Präsidenten (Zurufe von der CDU/CSU: Was ist das
neben dem Amtsgehalt nach B 2 eine Dienstauf- für ein Antrag?)
wandsentschädigung vor. Diese Entschädigung ist — Es ist der Antrag auf Umdruck 58. Er unter-
höher als die der Staatssekretäre. Im übrigen hat scheidet sich, wenn ich recht sehe, von dem Antrag
das Gesetz den Vizepräsidenten in B 3 a und die auf Umdruck 46 um 20 Millionen DM. Dieses Mal
Bundesverfassungsrichter in B 4 ohne eine nicht wird beantragt, die Summe des Tit. 600 in Kap.
ruhe gehaltsfähige Zulage eingestuft. Das entspricht 4502 auf 780 Millionen DM zu erhöhen.
der °bung, wie sie bei den obersten Gerichten des
ehemaligen Deutschen Reiches bestand. Mit Rück- (Abg. Kunze [Bethel]: Es waren keine
sicht auf die Unabhängigkeit der Richter sollte 50 Stimmen!)
diesen keine Zulage gewährt werden, die nicht auf — Ich nehme an, es wird von der Fraktion unter-
einer gesetzlichen Grundlage beruht. Das trifft aber stützt, Herr Abgeordneter. — Das ist der Fall; ich
auf die Ministerialzulage zu. Die Gehaltsregelung hatte es richtig verstanden, Herr Abgeordneter
des Gesetzes vom 14. April 1951 ist abschließend Kunze.
und erschöpfend. Die Gleichstellung mit den Mini- Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten ein-
sterialdirektoren ist weder vom Gesetz beabsichtigt zusammeln. —
noch geschehen. Damit ist ein Vergleich der Verfas- (Einsammeln der Stimmkarten.)
sungsrichter mit diesen nicht möglich.
Meine Damen und Herren! Das Einsammeln der
Die Verweisung auf besoldungsrechtliche Vor- Stimmkarten ist im wesentlichen beendet, ich darf
schriften in § 1 Abs. 4 des Gesetzes vom 14. April Sie bitten, Platz zu nehmen.
1951 hat nur den Sinn, daß die sonst für Richter
und Beamte allgemein gültigen Bestimmungen des Wir kehren zunächst zurück zum Haushalt des
Besoldungsrechts und der Besoldungsvorschriften Bundesverfassungsgerichts. Das Wort hat der Ab-
Anwendung finden, z. B. die über die 40 %ige geordnete Dr. Greve.
Grundgehaltserhöhung, den Wohnungsgeldzuschuß, (Anhaltende Unruhe. — Glocke des
die Kinderzulagen usw., jedoch nicht besondere Präsidenten.)
Erlasse wie z. B. der über die Ministerialzulage.
- — Meine Damen und Herren, wenn Sie dringende
Bei den Richtern besteht überdies kein laufender Gespräche haben, bitte ich, doch — zum Teil
besonderer Aufwand. Der Präsident des Gerichts wenigstens — die Wandelhalle zu benutzen.
hat neben seiner persönlichen Dienstaufwandsent-
schädigung noch einen Verfügungsfonds von Dr. Greve (SPD): Meine Damen und Herren!
2500 DM, aus dem den Mitgliedern des Gerichts Lassen Sie mich noch einige Worte zu den Aus-
u. a. auch der entstehende besondere Dienstauf- führungen des Herrn Kollegen Krammig sagen,
wand gegen Beleg erstattet werden kann. Darüber der im Gegensatz zu seinem Fraktionskollegen,
hinaus kann der Herr Bundesminister der Finanzen dem Vorsitzenden des Ausschusses für Rechts-
aus im Einzelplan 60 bereitgestellten Mitteln für wesen und Verfassungsrecht, dessen Name als
Bestreitung des Aufwandes deutscher Delegationen erster unter dem Änderungsantrag Hoogen und
oder Dienststellen im Verkehr mit dem Ausland Genossen — Umdruck 21 — steht, die Ansicht ver-
auf Anforderung im Einzelfall aushelfen. Es bedarf treten hat, daß den Bundesverfassungsrichtern eine
nur der Beantragung und Zuweisung der Mittel Dienstaufwandsentschädigung deswegen nicht zu-
und danach der Rechnungslegung. gesprochen werden sollte, weil darunter ihre rich-
Die Einstufung in B 4 sollte Anreiz genug für das terliche Unabhängigkeit litte.
hohe Richteramt bieten. Man soll und kann die Be- Meine Damen und Herren, eine derartige Be-
rufung in ein solches Amt nicht nur unter mate- gründung kommt meines Erachtens einer Beleidi-
riellen Gesichtspunkten sehen. Eine solche Stellung gung der Richter am Bundesverfassungsgericht
setzt ein hohes Berufsethos voraus. nahe.
(Abg. Albers: Wie kann man so etwas (Beifall bei der SPD.)
sagen? — Zurufe von der CDU: Unerhört!) Das bedeutet nämlich nichts anderes, als daß die
Richter am Bundesverfassungsgericht ihr Amt nur
Wir behalten uns vor, auf das Thema der Ministe aus materiellen Gründen angetreten hätten und
rialzulage in Kürze grundsätzlich zurückzukommen. daß sie, nachdem sie Richter am Bundesverfas-
Der Antrag wird von unserer Fraktion abgelehnt. sungsgericht geworden seien, nicht mehr in der
Lage sind, unabhängig Recht zu sprechen, weil
Präsident D. Dr. Ehlers: Darf ich die Beratung ihnen eine Dienstaufwandsentschädigung vorent-
dieses Einzelplans einen Augenblick unterbrechen halten wird, und daß sie nur dann noch in der
und zum Einzelplan 45 -- Finanzielle Hilfe für Lage sein werden, unabhängig Recht zu sprechen,
Berlin — zurückkehren. Ich gebe das Ergebnis der wenn ihnen der Bundestag diese Dienstaufwands-
namentlichen Abstimmung*) über den Umdruck 46 entschädigung bewilligt. Ich glaube, die Überlegun-
bekannt. Von stimmberechtigten Abgeordneten gen, die Herrn Kollegen Krammig veranlaßt haben,
sind 355 Stimmen, von Berliner Abgeordneten derartige Ausführungen zu machen, wie es hier ge-
16 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja haben ge- schehen ist, wären besser in anderer Richtung ge-
stimmt 151, mit Nein 202, bei 2 Enthaltungen. Von gangen, nämlich in der Richtung, daß man den
den Berliner Abgeordneten haben 15 mit Ja, 1 mit Richtern am Bundesverfassungsgericht diese
Nein gestimmt. Der Antrag Umdruck 46 ist abge- Dienstaufwandsentschädigung deswegen geben
lehnt. muß, weil sie nicht anders gestellt werden können
als die Angehörigen der übrigen Verfassungsorgane
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 1041. der Bundesrepublik. Ich lehne es jedenfalls für
994 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Greve)
meine Person ab — und ich darf erklären, daß ich Appell, die Hand zu heben; ich bitte, es nicht miß-
in diesem Zusammenhang zugleich die Auffassung zuverstehen!
meines Kollegen Hoogen, des Vorsitzenden des (Heiterkeit.)
Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungs- Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmenthaltung?
recht, wiedergebe —, einer derartigen Argumenta- — Bei einer Reihe von Enthaltungen mit Mehrheit
tion zu folgen. Ich bitte denjenigen Kolleginnen angenommen.
und Kollegen aus diesem Hause bei der Abstim-
mung zu folgen, die ihren Namen unter den Ände- Ich bitte die Damen und Herren, die dem Einzel-
rungsantrag gesetzt haben. Diese Kolleginnen und plan 19 gemäß Drucksache 364 unter Berücksichti-
Kollegen stammen aus allen Fraktionen dieses gung dieser Änderung zuzustimmen wünschen, um
Hauses, und sie sind gewillt, jenseits solcher Er- ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
wägungen, wie Herr Kollege Krammig sie hier — Enthaltungen? — Dieser Haushalt ist mit Mehr-
vorgetragen hat, die Richter am Bundesverfassungs- heit angenommen.
gericht so zu sehen, wie sie sind: Richter, die un- Meine Damen und Herren! Ich frage: sind noch
abhängig Recht sprechen, sich an das Gesetz halten Abgeordnete vorhanden, die in der zweiten na-
und sich nicht von materiellen Erwägungen in ihrer mentlichen Abstimmung zum Einzelplan 45 ihre
Tätigkeit leiten lassen. Stimme abzugeben wünschen? — Das ist nicht der
(Beifall bei der SPD.) Fall; dann schließe ich diese namentliche Ab-
stimmung.
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Meine Damen und Herren! Zur Vorbereitung der
Hoogen! Beratung des Einzelplans 20 — Haushalt des Bun-
desrechnungshofes — weise ich darauf hin, daß
Hoogen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Ihnen ein Schriftlicher Bericht des Berichterstat-
Damen und Herren! Von einem Fraktionsfreunde, ters, Herrn Abgeordneten Dr. Conring, auf dem
einem Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion, ist Umdruck zu Drucksache 365 vorliegt. Sie nehmen
eben erklärt worden, daß er namens der CDU/CSU- diesen Bericht zur Kenntnis; er wird ins Protokoll
Fraktion bitte, dem Antrag auf Umdruck 21 nicht eingefügt*).
stattzugeben. Meine Damen und Herren, ich bin
selbst Mitglied der CDU/CSU-Fraktion. Mir ist von Wird zu dem Haushalt Einzelplan 20 das Wort
einem solchen Beschluß und, was mir noch wich- gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann gestat-
tiger zu sein scheint, von einem Beschluß mit einer ten Sie mir, daß ich über diesen Einzelplan ab-
solch unzutreffenden Begründung nichts bekannt. stimmen lasse. Ich bitte die Damen und Herren, die
- dem Einzelplan 20 gemäß Drucksache 365 zuzu-
(Beifall in der Mitte. — Hört! Hört! links.) stimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Gegen-
Meine Damen und Herren, ich will die Gründe probe! — Enthaltungen? — Dieser Einzelplan ist
nicht noch einmal wiederholen, die hier eben vor- einstimmig angenommen worden.
getragen worden sind. Diese drei Gründe treffen Ich kehre zurück zum Einzelplan 45. Das vor-
in keinem Punkte zu. Ich bitte infolgedessen, läufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung
ohne meine Ausführungen noch einmal zu wieder- über den Antrag auf Umdruck 58 ist folgendes:
holen, darum, dem Antrag auf Umdruck 21 zuzu- Abgegebene Stimmen: 356 und 13 Berliner Stim-
stimmen. men. Mit Ja haben gestimmt 150, mit Nein 205
(Beifall.) bei einer Enthaltung; von den Berliner Abgeord-
neten mit Ja 12, mit Nein einer. Damit ist der
Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Antrag Umdruck 58 abgelehnt worden.
Krammig!
Über den Umdruck 19 (neu) und den dem Haus-
Krammig (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine haltsausschuß überwiesenen Umdruck 42 wird in
Damen und Herren! Dem Herrn Kollegen Dr. der dritten Beratung abzustimmen sein.
Greve darf ich wiederholen, was ich mit Bezug auf Ich komme zur Abstimmung über den Einzel-
die Dienstaufwandsentschädigung gesagt habe. Mit plan 45 gemäß Drucksache 376. Ich bitte die Damen
Rücksicht auf die Unabhängigkeit der Richter sollte und Herren, die dem Antrag des Haushaltsaus-
diesen keine Zulage gewährt werden, die nicht auf schusses Drucksache 376 zuzustimmen wünschen,
einer gesetzlichen Grundlage beruht. Wenn Sie um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthal-
darin eine Beleidigung der Richter sehen, dann tungen? — Ich stelle fest, daß der Einzelplan 45
überlasse ich das Ihnen; ich sehe darin keine. vom Bundestag einstimmig angenommen wor-
Auf das, was Herr Kollege Hoogen gesagt hat, den ist.
muß ich folgendes erwidern. Es besteht ein Frak- Ich rufe auf
tionsbeschluß, dem Beschluß des Haushaltsaus-
schusses beizutreten. Einzelplan 25 — Haushalt für den Geschäfts
bereich des Bundesministers für Wohnungs
(Zuruf in der Mitte: Jawohl! - Abg. Dr. bau — (Drucksache 367; Umdrucke 23, 40).
Weber [Koblenz]: Aber sonst nichts, nicht
eine Erklärung abzugeben!) Berichterstatter ist in Vertretung für Herrn Ab-
geordneten Hilbert Herr Abgeordnete Lindrath.
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren! Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Dr. Lindrath (CDU/CSU): Berichterstatter: Herr
der Abgeordneten Hoogen, Dr. Greve, Dr. Schnei- Präsident! Meine Damen und Herren! In Ver-
der und Genossen auf Umdruck 21. Ich bitte die tretung des Herrn Abgeordneten Hilbert habe ich
Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustim- Ihnen über den Einzelplan 25, Haushalt für den
men wünschen, um ein Handzeichen. — Ich wäre Geschäftsbereich des Bundesministers für Woh-
dankbar, wenn alle Damen und Herren, die zu-
stimmen, ihre Hand hochheben wollten; das er- *) Siehe Anlage 13 Seite 1034.
leichtert uns die Übersicht. Das ist aber kein **) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 1041.
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 995
(Dr. Lindrath)
nungsbau, gemäß Anlage zu Drucksache 200 bzw. wirtschaftlichen Unternehmen des privaten Rechts,
gemäß Drucksache 367 zu berichten. ausgelöst. Nachdem die Regierung eine Aufstellung
(Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt über die Beteiligung des Bundes an derartigen
den Vorsitz.) Unternehmungen vorgelegt hatte, wurde dieser
Der ordentliche Haushalt schließt in Einnahme Titel um 1 Million DM, nämlich von 10 Mil-
mit 42 462 100 DM und in Ausgabe mit 282 904 100 DM. lionen DM auf 9 Millionen DM, gekürzt und so-
Im außerordentlichen Haushalt sind Ausgaben in dann genehmigt.
Höhe von 581 Millionen DM festgestellt. Die zahlen- Ebenso wurde nachträglich der Tit. 600, Grund-
mäßigen Verschiebungen gegenüber dem ordent- steuerbeihilfen gemäß § 29 des Grundsteuergesetzes,
lichen Haushalt des Jahres 1953 sind auf die Aus- von 20 Millionen auf 18,9 Millionen ermäßigt.
bringung von 500 Millionen DM Darlehensmittel Ein Tit. 831 wurde durch Beschluß des Haushalts-
für den sozialen Wohnungsbau, die 1954 im außer- ausschusses zur Bereitstellung von Darlehen zur
ordentlichen Haushalt erscheinen, zurückzuführen. Schaffung von Wohnraum für Abgeordnete des
Bei den grundsätzlichen Beratungen des Haushalts- Deutschen Bundestages und für Angehörige der in-
ausschusses wurde mit Befriedigung von der be- ländischen Presse neu aufgenommen und mit einem
stimmten Erklärung des Herrn Bundesfinanz- Betrag in Höhe von 2,1 Millionen DM ausgewiesen.
ministers in seiner Haushaltsrede Kenntnis ge-
nommen, daß die Aufbringung dieser Mittel auf Entsprechend einem Antrag des Bundesfinanz-
ministeriums ist im außerordentlichen Haushalt der
dem Kapitalmarkt als gesichert angesehen werden Tit. 830 um 5 Millionen DM, nämlich von 59 Mil-
könne.
lionen DM auf 64 Millionen DM, erhöht worden.
Bei der Beratung im einzelnen wurde von einem Diese Erhöhung wurde notwendig, um die wohn-
Mitglied des Haushaltsausschusses die Frage auf- liche Unterbringung der zweiten Welle des Bundes-
geworfen, ob nicht die im Tit. 101 ausgebrachten grenzschutzes zu gewährleisten.
Beamtenstellen mit einem kw-Vermerk versehen
Zusammenfassend darf ich das Hohe Haus
werden könnten. Der Abgeordnete begründete seine
namens des Haushaltsausschusses bitten, den Aus-
Anregung mit der Erklärung des Herrn Bundes-
ministers für Wohnungsbau, wonach sein Mini schußantrag, wie Sie ihn auf der Drucksache 367
formuliert vorfinden, mit den dort aufgeführten
sterium in spätestens vier Jahren überflüssig sein Anträgen anzunehmen.
soll. Diese seinerzeit in der Presse verbreitete
Meldung wurde nunmehr vom Herrn Staatssekretär Vizepräsident Dr. Schneider: Ich danke dem
authentisch dahingehend interpretiert, daß die Auf- Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
-
gaben des Wohnungsbauministeriums in absehbarer Das Wort hat der Abgeordnete Stierle.
Zeit nicht geringer würden; es könne sein, daß das
Ministerium als solches zwar nicht mehr selbständig Stierle (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
benötigt werde, doch werde die Verwaltung des und Herren! Ohne Zweifel liegt im Wohnungsbau
Wohnungsbaus auf lange Sicht bestehenbleiben eine sehr beachtliche Leistung vor. Im Jahre 1953
müssen. Nach längerer Debatte beschloß der Aus- sind rund 475 000 Wohnungen erstellt worden. Von
schuß, sich nach Verabschiedung des Haushaltsplans 1949 bis Ende 1953 sind damit 1,7 Millionen Woh-
nochmals eingehend mit dieser Frage zu be- nungen für zirka 6 1/2 bis 7 Millionen Menschen
schäftigen. erstellt worden. Es fehlen aber noch Millionen
Die Tit. 1 bis 510 wurden unverändert ge- Wohnungen. Man rechnet damit, daß diese Zahl
nehmigt. Tit. 532, Darlehen an Länder zur Unter- etwa 4 Millionen beträgt.
bringung von Flüchtlingen aus der Sowjetzone in Die Erfolge, die wir feststellen, wären nicht er-
Höhe von 70 Millionen DM: Diese Mittel sollten reichbar gewesen, wenn nicht vorher oder während
nach einem Haushaltsvermerk nur in dem Umfang dieser Zeit eine umfangreiche Gesetzgebungsarbeit
bereitgestellt werden, als Einnahmen aus einem geleistet worden wäre. Ich darf an das Erste Woh-
höheren Bundesanteil an der Einkommen- und nungsbaugesetz erinnern, an das Wohnungs-
Körperschaftsteuer — über 40% - aufkommen. eigentumgesetz, an das Bergarbeiterwohnungsbau-
Dieser Haushaltsvermerk wurde beanstandet und gesetz, das Wohnungsprämiengesetz, das Bauland-
dem Titel nur unter dem Vorbehalt zugestimmt, beschaffungsgesetz und die Novelle zum Ersten
daß der Vermerk in Wegfall kommt, wenn die Wohnungsbaugesetz. So beachtlich die Leistung ist,
Verhandlungen zwischen Bund und Ländern ab- die vorliegt, sie kann weiter gesteigert werden.
geschlossen sind. Unser Bundeswohnungsbauminister Preusker hat
Tit. 534, Darlehen zur Förderung von Versuchs- sich selbst als Ziel gesetzt, in den nächsten Jahren
und Vergleichsbauten und zur Entwicklung neuer in jedem Jahr 550 000 Wohnungen zu erstellen.
Bauarten, Bauverfahren und Baugeräte für den Uns geht es dabei aber darum, daß der soziale
Wohnungsbau und für den baulichen Luftschutz, Wohnungsbau nicht absinkt. Unserer Meinung nach
wurde um 550 000 DM auf 10 550 000 DM erhöht. müssen mindestens 350- bis 400 000 Wohnungen im
Gleichzeitig wurden die Erläuterungen entsprechend sozialen Wohnungsbau errichtet werden. Wir
geändert. Tit. 602, Zuschüsse, Beihilfen und andere glauben zu dieser Forderung nicht nur im Hinblick
Zuweisungen zur Förderung der Bauausführung auf die echt vorhandene große Notlage berechtigt
von Versuchs- und Vergleichsbauten für den Woh- zu sein, sondern wir berufen uns dabei auch auf
nungsbau und für den baulichen Luftschutz sowie die Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953, in
für die Entwicklung neuer Baustoffe, Baugeräte, der es wiederum hieß, daß die Wohnungsbauförde-
Bauarten und Bauverfahren einschließlich der an rung als Aufgabe von besonderer Bedeutung und
Versuchs- und Vergleichsbauten durchzuführenden Dringlichkeit anzusehen sei.
Untersuchungen, erfährt durch einen Beschluß des So erfolgreich die Arbeit auch war, das Loch,
Ausschusses eine Herabsetzung von 2 400 000 DM welches der Krieg gerissen hat, ist noch groß.
auf 1 850 000 DM. Darum soll auch mehr Privatkapital als bisher in
Eine längere Debatte wurde durch Tit. 895, Er- den Wohnungsbau fließen. Um einen Anreiz dafür
werb von Beteiligungen des Bundes an wohnungs- zu schaffen, erstrebt man die schrittweise Wieder-
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herstellung der Wirtschaftlichkeit im Wohnungs- Einsturzgefährdeter oder Bunker- oder Lager-
bau. Wir werden daran mitarbeiten, die Wege zu bewohner, oder was es da sonst noch alles gibt und
ebnen, daß mehr Wohnungen gebaut werden, daß Vorzug genießt? Wer kein Geld hat oder wer es
bessere Wohnungen gebaut werden, daß ins- nicht beschaffen kann, wer nicht zu den Bevor-
besondere die Finanzierung dieser Wohnungen zugten gehört, etwa die Normalverbraucher oder
sichergestellt ist und daß die Bevölkerungskreise die Jungvermählten oder diejenigen, die es werden
nicht vergessen werden, die Hilfe brauchen. wollen, vor allem aber die armen Leute, die
Rentner und die wenig verdienenden Gruppen
Wie groß dieser Kreis ist, läßt sich schwer sagen. wohnungsuchender Menschen, müssen mit wach-
Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen hat sender Erbitterung zusehen und warten. Nun kann
anläßlich der Etatberatungen des dortigen Land- man vielleicht sagen, der Normalverbraucher oder
tags für das Jahr 1954 gesagt, daß seiner Meinung die Jungvermählten oder diejenigen, die es dem-
nach etwa 10 Jahre vergehen würden, bis in Nord- nächst werden wollen, können ansparen. Das mag
rhein-Westfalen etwa normale Verhältnisse ge- sein. Man kann aber diesen Gruppen auch nicht zu-
schaffen seien. Für die anderen Länder schätzt er muten, auf Jahre hinaus in einer unbestimmten
diese Zeit auf 3 bis 5 Jahre. Der Bevölkerungsteil Erwartung leben zu müssen. Insbesondere kann
also, der wirklich echte Hilfe braucht, muß noch man den Armen, den Rentnern und den wenig
sehr groß sein. Die Deutsche Pfandbriefanstalt in verdienenden Gruppen in dieser Weise nicht mehr
Wiesbaden hat sich zu diesem Punkte dahin ver- gegenüberstehen. Sie müssen in viel stärkerer
nehmen lassen, daß trotz der überraschend Weise als bisher echte Hilfe erfahren.
günstigen Ergebnisse der letzten Jahre bei einem
jährlichen Neuzugang von 400 000 bis 450 000 Woh- Das Geld für den Wohnungsbau wurde also aus
nungen noch etwa 10 Jahre vergehen würden, bis allen möglichen Ecken und Töpfen zusammen-
die noch vorhandene Lücke ausgefüllt sei. Unter gekratzt und zusammengescharrt. Aber wer
„normalen Verhältnissen" stellt man sich doch vor, das Geld gibt, versucht natürlich auch,
daß Zeiten kommen, in denen man wieder eine seine Wünsche durchzusetzen. Die Folge dieser
Wohnung bekommen kann, ohne daß man wesent- Wirtschaft war, daß wir zu einer Töpfchen-
liche Finanzierungsbeiträge oder Baukosten- wirtschaft kamen, die alle allgemein beklagen.
zuschüsse in irgendeiner Form erbringen muß: Warum? Weil jeder, der Geld gab, auch versuchte,
Wenn die Wohnungen künftig größer und besser durch Auflagen an denjenigen, der das Geld be-
ausgestattet sein und mehr oder weniger ohne kam, seine Wünsche durchzusetzen. Weiterhin be-
Finanzierungsbeitrag abgegeben werden sollen, ist stand eben bei diesem Verfahren die Härte gegen-
- über den Benachteiligten, also denjenigen, die nicht
Voraussetzung, daß entsprechend höhere öffentliche
Förderungsmittel pro Wohneinheit gegeben werden das Geld aufbringen können bzw. nicht zu einer
oder daß ein sehr leistungsfähiger Kapitalmarkt bevorzugten Gruppe gehören.
mit tragbaren Hypothekenbedingungen vor- Darum ist unser Antrag, den nachher meine
handen ist. Kollegin Strobel begründen wird, durchaus be-
Voraussetzung dafür, daß höhere Mieten verlangt rechtigt, der verlangt, daß man ernsthaft daran
werden können, ist für uns, daß ein Ausgleich bei geht, zumindest eine Gruppe dieser Wohnung-
den geringeren Einkommen und bei den Renten- suchenden stärker als bisher zu berücksichtigen,
beziehern geschaffen wird. nämlich die Evakuierten, die endlich wieder in ihre
Die gesetzgeberische Arbeit läuft weiter. Der alte Heimat zurückwollen.
Entwurf der CDU/CSU über das Familienheim- Wir freuten uns über den „großen Fortschritt"
gesetz liegt vor. Im Bundesministerium für den — großer Fortschritt hier in Gänsefüßchen! —,
Wohnungsbau befaßt man sich mit dem Plan, ein daß wir es erreicht haben, daß endlich 500 Mil-
neues Bundesbaugesetz zu schaffen, in dem Bau-, lionen DM für den Wohnungsbau in den Haushalt
Boden- und Planungsrecht einheitlich zusammen- kamen. Jetzt sind sie in den außerordentlichen
gefaßt werden sollen. Wir sind der Auffassung, daß Haushalt abgerutscht. Bundeswohnungsbauminister
man auch die guten Gedanken, die über die ver- Preusker hat versichert, daß der soziale Wohnungs-
stärkte Schaffung von Eigentum geäußert worden bau bei den neuen Plänen nicht zu kurz kommen
sind, in ein solches Gesetz hineinbringen soll, um soll. Wir sind mißtrauisch, wir wollen ihm aber
nicht eine Vielzahl von Gesetzen zu bekommen. Auch dabei helfen. Wir wollen hoffen und dafür
würde die Bearbeitung der Materie dann zu arbeiten, daß mehr als 500 Millionen DM für diese
schwierig werden. vordringliche Aufgabe zur Verfügung stehen. Wir
Der Kampf um die Finanzierung geht weiter. Seit wollen mit dafür wirken, daß diese Gelder in aller-
Jahren streiten wir uns mit dem Finanzminister erster Linie für diejenigen Kreise verwandt
darüber, daß er mehr Mittel für den sozialen Woh- werden, die Hilfe brauchen und sich die Mittel
nungsbau geben soll. Etwa 75 % aller vergebenen nicht selbst besorgen können. Wir sind der
Wohnungen erhielten Bewerber, die auf irgendeine Meinung, daß diese Mittel in den ordentlichen
Art zur Finanzierung beitragen konnten. Sie Haushalt gehören und nicht in den außer-
konnten entweder auf eigene Ersparnisse zurück- ordentlichen,
greifen, sie konnten Arbeitgeberdarlehen be-
schaffen, oder es stand ihnen Wohnraumhilfe zur (Sehr richtig! bei der SPD)
Verfügung, oder sie konnten aus 7 c-Mitteln oder weil — ich habe das vorhin schon einmal gesagt —
anderen Quellen etwas flüssig machen. Es ist eine auch in der Regierungserklärung schon zum Aus-
durchaus üble Sache, wenn man den Wohnungs- druck kam, daß der Wohnungsbau eine Sache von
bewerber bei Beginn eines Gesprächs zunächst besonderer Bedeutung und besonderer Dringlich-
fragen muß: Haben Sie Geld, oder können Sie keit ist.
welches beschaffen, oder gehören Sie einer bevor-
zugten Personengruppe an? Sind Sie Flüchtling, In einem Aufsatz des Informationsdienstes des
Kriegssachgeschädigter, Besatzungsverdrängter, Volksheimstättenwerkes wird das Thema „Die
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Wohnungswirtschaft in der Steuerreform" be- Andere Befragte — der Abgeordnete Eckhardt und
handelt. Dabei wird festgestellt: ein Architekt Denninger — haben sich im gleichen
Sinne geäußert: Es wäre sehr viel einfacher und
Kein Zweifel, der Bundesfinanzminister hat
wirkungsvoller, wenn die 7 c-Regelung beibehalten
sich im Kabinett in allen wesentlichen Punkten worden wäre. An anderer Stelle sagt Herr Mi-
durchgesetzt. nister Preusker, daß bisher etwa 20 % des sozialen
In der Ausgabe des „Baublattes" Anfang März Wohnungsbaus mit 7 c-Mitteln finanziert worden
stand: sind, und drückt auch dabei sein Bedauern darüber
Es ist das Anliegen des Bundesministers für aus, daß diese Regelung wegfällt.
Wohnungsbau, daß durch die Große Steuer- Es geht bei der bevorstehenden Regelung noch
reform der vielzitierte § 7 c des Einkommen- um mehr. Bei uns steht im Vordergrund das
steuergesetzes, der nach der jetzigen Rechts- Mietenproblem. „Das A und O aller Maßnahmen
lage am 31. Dezember 1954 abläuft, in ein- mit dem Ziel, den Wohnungsbau mehr und mehr
geschränkter Form beibehalten bzw. wieder von öffentlichen Subventionen unabhängig zu
eingeführt wird. machen und die Zwangsbewirtschaftung des Woh-
In dem zitierten Aufsatz heißt es dann weiter: nungsbestandes mit den Stoppmieten aufzulockern
und später ganz zu beseitigen, bildet die Entzer-
Auch mit dieser begrenzten Forderung ist je- rung des Mietpreisgefüges", heißt es in einem Auf-
doch der Minister und mit ihm die gesamte satz. Die Art und Weise, wie man jetzt dieses Pro-
Wohnungswirtschaft, die in diesem Fall ge- blem angegangen ist, hat unsere große Sorge und
schlossen hinter ihm stand, unterlegen. Unruhe hervorgerufen. Wir sind gegen die allge-
Die Konzessionen, die man dem Herrn Bundes- meine 10 %ige Erhöhung, wenn nicht gleichzeitig
wohnungsbauminister gemacht hat als Ausgleich der entsprechende Ausgleich bei den Renten und
für den Verlust, den er hier erleidet, sind unserer bei den kleinen Einkommensbeziehern erfolgt.
Meinung nach unzureichend. Daß man die Steuer- Wir vertreten die Auffassung, daß bei einer
freiheit des Sozialpfandbriefes noch für längere Mieterhöhung — auch bei einer 10 %igen bereits
Zeit beibehalten will, nehmen wir befriedigt zur — mit in Rechnung gestellt werden muß, wie die
Kenntnis. Aber nach dem Urteil aller Sachverstän- Wohnung aussieht, welchen Wert sie hat, die den
digen ist das bei weitem kein Ausgleich für den höheren Mietpreis erbringen soll.
großen Verlust, der durch den Wegfall der 7 c- (Abg. Heiland: Sehr gut!)
Mittel entsteht.
Wie es damit aussieht, geht auch aus einer Ver-
Zweitens wird das Wohnungsprämiengesetz in lautbarung des Volksheimstättenwerks hervor.
der Weise ergänzt, daß die Leistungen des Bundes- Darin wird festgestellt, daß man allenfalls beim
haushalts um etwa 60 Millionen DM erhöht wer- elektrischen Licht davon sprechen kann, daß es sich
den. Die steuerlichen Vergünstigungen für Bei- in fast allen Wohnungen durchgesetzt hat. Von
träge an Bausparkassen bleiben in voller Höhe er- etwa 11,3 Millionen Wohnungen gibt es in
halten. Die Vergünstigungen des § 7 b des Einkom- 11,2 Millionen elektrisches Licht. Das sind über
mensteuergesetzes erfahren auch keine Einschrän- 99 %. Aber wie sieht es z. B. mit den Bädern aus?
kung. Die Bausparkassen haben sich bereit erklärt, Da ist es so, daß von den 11,3 Millionen Wohnun-
statt wie bisher 50 % künftig 60 % ihrer lang- gen nur 2,2 Millionen Badeeinrichtungen haben,
fristigen Mittel im sozialen Wohnungsbau anzu- daß also die Bewohner dieser Wohnungen nicht
legen. darauf angewiesen sind, öffentliche Badeeinrich-
Der Bundesfinanzminister glaubt, die Bundesre- tungen zu benutzen. Wir sind der Auffassung:
gierung habe damit die Voraussetzungen geschaf- wenn schon die Miete erhöht werden soll, viel-
fen, trotz Wegfalls des § 7 c den Wohnungsbau in leicht sogar erhöht werden muß, muß auch der
dem notwendigen und geplanten Umfang fort- Wohnwert der betreffenden Wohnung mit in Rech-
führen zu können. Diesen Optimismus dürfte die nung gestellt werden.
Wohnungswirtschaft allerdings kaum teilen; denn Wir halten es überhaupt für falsch, diese 10 %ige
1952 flossen über § 7 c mehr als eine Milliarde D- Mieterhöhung als eine Sonderregelung anzustreben.
Mark in den Wohnungsbau. Im Jahre 1953 waren Wir hielten es für besser, wenn das in einer Ge-
es unter den einschränkenden Bestimmungen der samtregelung vorgenommen würde. Wir sind
Novelle zum Einkommensteuergesetz immerhin darüber hinaus der Meinung, daß keine Regelung
noch 600 bis 800 Millionen DM. Der erwähnte Ar- dieses Problemes Sache der Verwaltung sein kann,
tikel schließt mit der Feststellung: ohne daß das Parlament damit befaßt wird. Die
An diesen betrüblichen Dingen kann auch Frage ist für uns von solcher Wichtigkeit, daß wir
die Erhöhung der Haushaltsanteile am Prä- verlangen, daß das Parlament dazu gehört wird.
miengesetz auf 60 Millionen DM nichts We- Besonders beschäftigt uns die Frage, in welcher
sentliches ändern. Form denn künftig die Minderbemittelten zu dem
Ich glaube, mit vielen von uns ist der Bundes- Zuschuß kommen sollen, der nun einmal not-
wohnungsbauminister der Auffassung, daß es sehr wendig ist, damit sie durch diese Schwierigkeiten
viel wünschenswerter gewesen wäre, wir hätten überhaupt hindurchkommen. Der Deutsche Mieter-
die 7 c-Regelung beibehalten. Er hat in einem Auf- bund hat ermittelt, daß rund 4 Millionen Rentner
satz, der jetzt im „Generalanzeiger" in Bonn er- der Invaliden- und Angestelltenversicherung von
schienen ist, zu diesem Thema gesagt: Renten leben, die unter dem Existenzminimum
Das Volumen des sozialen Wohnungsbaus liegen, und daß eine Mark Mieterhöhung im Monat
wird nach der Regierungserklärung des gleichbedeutend mit der Aufbringung von 50 Mil-
Finanzministers keineswegs schrumpfen. Al- lionen DM Zuschußmitteln des Bundes oder
lerdings: den Sozial-Pfandbrief oder den anderer Stellen ist.
§ 7 c muß ich behalten, damit ab 1955 die Bei den Plänen, dieses Gebiet neu zu ordnen,
Mieten des sozialen Wohnungsbaus nicht geht es u. a. auch darum, das Wohnungsgemein-
steigen. nützigkeitsgesetz zu reformieren. Nach unserer
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Auffassung gehört in dieses Wohnungsgemein- tistik der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft
nützigkeitsrecht eine Bestimmung hinein, daß rund 221 000 Eigentumswohnungen errichtet wor-
überall da, wo öffentliche Mittel verwandt wer- den. Diese Zahl wird sogar noch steigen; denn die
den, auch die entsprechenden sozialen Bindungen Leistung in 1953 hängt zum Teil davon ab, daß
Platz greifen müssen. Das gilt insbesondere beim die Planung und der Beginn dieser Bauvorhaben
Eigentumswechsel, das gilt bei den Mieten, bei den bereits im Jahre 1952 lagen. Lassen Sie nicht solche
Nutzungsgebühren und bei den Pachten. Wir Gedanken bei sich Raum gewinnen! Kein Zwang,
wollen nicht, daß öffentliche Mittel dazu verwandt sondern der echte Bedarf soll entscheiden. Lassen
werden, irgendwelche Wertobjekte zu schaffen, die Sie uns insbesondere gemeinsam unsere Anstren-
nachher Gegenstand von Spekulation oder von gungen darauf richten, daß diejenigen Wohnungs-
Geschäften sind, die nicht unsere Zustimmung unternehmungen entsprechende finanzielle Hilfe
finden können. Nach unserer Meinung gehört in bekommen, die bereit sind, käuflich zu erwerbende
dieses Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht weiter die Eigenheime sozusagen auf Vorrat hinzustellen und
Anbietungspflicht bei Eigentumswechsel hinein. den Bewerbern unter tragbaren Bedingungen als
Wo öffentliche Mittel verwandt werden, soll ein Eigentum zu überlassen.
solches Recht Platz greifen, und zwar nicht nur, Bei allen diesen Plänen ist für uns Sozialdemo-
wie gelegentlich geäußert worden ist, für die ge- kraten der soziale Wohnungsbau für die Leistungs-
meinnützigen Wohnungsunternehmen, sondern schwachen das Hauptanliegen. Wenn es so ist —
gleichmäßig für alle. und ich glaube, daß diese Zahlen stimmen —, daß
(Abg. Lücke: Sehr richtig!) drei Viertel aller vergebenen Wohnungen an Be-
Ob das Wohnungsunternehmen gemeinnütziger werber mit Geld vergeben worden sind, dann zeigt
oder privater Art sind oder ob es sich um eine Ein- das, wie notwendig hier eine Umstellung ist und
zelperson handelt, spielt überhaupt keine Rolle. eine Bereitstellung von Hilfe für diejenigen, die
Wer öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, muß sich die Hilfe nicht selbst irgendwie beschaffen
auch bereit sein, sich solchen Bindungen zu unter- können. Da hilft auch kein Hinweis auf Paragra-
werfen. phen oder Verordnungen. In einem Gesetz heißt
(Abg. Lücke: Sehr gut!) es: Von den erstellten Wohnungen muß ein ent-
Wir werden uns aber sehr energisch gegen die sprechender Teil für diejenigen bereitgehalten
Versuche wehren, in das Wohnungsgemeinnützig- werden, die nicht in der Lage sind, zur Finanzie-
keitsrecht auflagenähnliche Bindungen zugunsten rung beizutragen. Das steht auf dem Papier und
einer bevorzugten Richtung einzubauen, z. B. gegen bleibt leider auch auf dem Papier stehen. Denn die
die Absicht, nur noch die Wohnungsunternehmen Wohnungsunternehmen sind durchweg nicht in der
als gemeinnützig anzuerkennen, die Eigentum Lage, in die eigene Tasche oder in den eigenen
schaffen wollen. Auf diesem Wege wird nichts von Kassenschrank zu greifen und das zu ersetzen, was
all dem Guten und Erstrebenswerten, was es auf der betreffende Wohnungsbewerber nicht auf-
diesem Gebiete geben mag, erreicht werden. Aus bringt. Hier kommt dann also nichts anderes in
diesem Grunde muß ich — ich glaube, auch für alle Frage als ein erhöhtes öffentliches Darlehen.
meine Freunde — erklären, daß wir einer Ent- Wir wollen uns auch gemeinsam dafür ein-
schließung, die Sie auf Umdruck 23 finden, unsere setzen, daß das Genehmigungsverfahren sehr viel
Zustimmung nicht geben können. In ihr heißt es: einfacher gestaltet, abgekürzt und rascher wirksam
Die Bundesregierung wird ersucht, wird. Heute ist es doch so, daß ein privater Bau-
herr ohne die entsprechende Rechtshilfe überhaupt
in Kap. 2501 die Erläuterungen zu Tit. 895 nicht mehr durchkommt, daß er irgendeinen Ar-
dahin zu ergänzen, daß sich der Bund nur chitekten oder ein Wohnungsunternehmen braucht,
an solchen wohnungswirtschaftlichen Unter- die ihm durch diesen Wirrwarr hindurchhelfen.
nehmen, Heimstätten und Betreuungsgesell- Noch etwas anderes möchte ich Ihnen ans Herz
schaften beteiligt, bei denen die Gewähr ge- legen. Es darf nicht sein, daß aus den Mitteln, die
geben ist, daß sie ausschließlich Bauvorhaben für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung ge-
durchführen bzw. betreuen, durch welche die stellt werden, besondere Mittel abgezweigt wer-
Eigentumsbildung im Wohnungsbau geför- den, die die Gemeinden in die Lage versetzen
dert wird. sollen, das erforderliche Bauland zu erschließen.
Es muß bei den Unternehmen, an denen Wenn die Gemeinden solche Mittel brauchen, um
sich der Bund beteiligt, ebenfalls gewähr- das Bauland überhaupt erst erschließen zu können,
leistet sein, daß sich die Tochtergesell- muß dieses Geld aus anderen Töpfen kommen,
schaften dieser Unternehmen im gleichen nicht aber aus den so knappen Geldern, die für
Sinne betätigen. den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen.
Ich halte diesen Standpunkt für zu eng und zu ein- Wir wollen hoffen, daß Herr Minister Preusker
seitig. Wir sollten uns bemühen, auf diesem Ge- sich mit seiner Absicht durchsetzt, das Gefüge der
biet nicht Barrikaden zu errichten, Vorschriften sozialen Mieten in den nächsten Jahren nicht ver-
zu erlassen oder Verbotstafeln aufzustellen. Wir ändern zu lassen. Bei den Angriffen, die wir in
sollten uns gemeinsam darum bemühen, daß dort, der letzten Zeit erlebt haben, sind wir jedoch skep-
wo gebaut wird, jeweils das errichtet wird, was tisch.
sich aus der Situation ergibt. Das kann Eigentum Wir stehen der Wohnungsbaupolitik der Bun-
sein, das soll sogar nach Möglichkeit, in der Haupt- desregierung und den von ihr angestrebten Formen
sache, Eigentum sein. Aber die Situation kann auch der Wohnungswirtschaft mit großen Vorbehalten,
so sein, daß es Mietwohnungen sein müssen. Man teilweise mit Mißtrauen gegenüber. Wir sind in
darf eine an sich gute Sache nicht mit solcher Aus- Sorge, daß die Rentenempfänger der Invaliden-
schließlichkeit verfolgen, weil man ihr dann nicht und Angestelltenversicherung mit ihren knappen
nutzt, sondern nur schadet. Bezügen, daß die Arbeiter, die Angestellten, die
Die Eigentumsförderung, um die es ja auch hier kleinen Beamten mit ihren geringen Einkommen
geht, schreitet nach dem Urteil der Sachverstän- bei den Absichten der Regierung, den Wohnungs-
digen gut voran. Im Jahre 1953 sind nach der Sta- bau und die Wohnungswirtschaft in marktwirt-
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schaftliche Verhältnisse zu überführen, nicht so Zweitens fordern wir, daß die Kapazität im
berücksichtigt werden, wie es ihrer geminderten Wohnungsbau gesteigert wird. Es muß mehr ge-
Leistungsfähigkeit entsprechend notwendig ist. baut werden. Wir begrüßen es sehr, daß höhere
Wir fürchten um den Fortbestand und den Aus- Zahlen genannt wurden, und werden alles tun, um
bau des sozialen Wohnungsbaus und der gemein- dieses Mehr im Wohnungsbau durchzusetzen.
nützigen Wohnungswirtschaft. Darum können wir Das dritte wesentliche Anliegen ist, daß so ge-
dem Einzelplan 25 nicht zustimmen; wir werden baut wird, daß die Familien in den Wohnungen
uns der Stimme enthalten. Platz haben, daß Schluß gemacht wird mit der
(Beifall bei der SPD.) Überfülle an Klein- und Kleinstwohnungen, in
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat die
denen unsere Familien keinen Platz haben. Wir
wünschen, daß Wohnungen für kinderreiche Fami-
Abgeordnete Frau Strobel.
lien und auch für junge Familien gebaut werden.
Frau Strobel (SPD): Meine Damen und Herren! Diese Anliegen sind so brennend, daß sie endlich
In den letzten Tagen ging durch die Presse die erfüllt werden sollten.
Mitteilung, daß von der Hypothekengewinnabgabe
des Lastenausgleichsgesetzes 110 Millionen DM für Weiter fordern wir, daß die Qualität im Woh-
nungsbau wo irgend möglich verbessert wird. Ich
die Heimführung der Evakuierten zur Verfügung brauche die Formularschlange hier nicht zu ent-
gestellt werden sollen. Ich bin überzeugt, diese
Mitteilung weckt in den Kreisen der Evakuierten falten. Ich rufe sie, Herr Kollege Stierle, auch
neue Hoffnung, daß das im vorigen Jahr verab- meinerseits in die Erinnerung zurück und richte
schiedete Evakuiertengesetz nicht mehr nur auf den dringenden Appell an das Wohnungsbaumini-
dem Papier steht, sondern sie tatsächlich in ihre sterium, endlich durchgreifende Vorschläge vor-
Heimatstädte zurückbringt. Leider ist aber — an- zulegen, um die Formularschlange der Genehmi-
scheinend sogar bei den Stellen, denen diese Auf- gungsverfahren zu vereinfachen.
gabe eigentlich zufällt — zu wenig bekannt, daß (Beifall in der Mitte.)
von diesen Mitteln jene Evakuierten nichts be- Herr Kollege Stierle hat im Zusammenhang mit
kommen, die nicht kriegssachgeschädigt sind, also der Großen Steuerreform die Frage des § 7 c an-
nicht unter das Lastenausgleichsgesetz fallen. geschnitten. Die Beratung dieses Gesetzentwurfs
Dabei handelt es sich um eine Personengruppe, in den Ausschüssen und Fraktionen findet in den
die im sozialen Gefüge zu den besonders nächsten Wochen und Monaten statt. Auch meinen
Schwachen gehört. Es handelt sich in erster Linie Freunden ist bisher keine befriedigende Ersatz-
um alte Leute, die schon zu Kriegsbeginn ihre lösung bekanntgegeben worden; wir hoffen aber,
-
Heimatstädte verlassen haben. Ihre Wohnungen daß sie bis zum Schluß der Beratungen gefunden
wurden anderweitig belegt. Sie sitzen nun draußen wird. Wir können dem Wegfall des § 7 c nicht zu-
in den Dörfern und können sich nicht selber hel- stimmen, auch dann nicht, wenn ein teilweiser
fen, um in ihre Heimat zurückzukehren. Ersatz geboten wird.
Wir sind der Auffassung, daß man, wenn schon (Sehr richtig! beim GB/BHE.)
die Wohnungsbaumittel und die Lastenausgleichs Ich darf dann die Meinung meiner Freunde zu
mittel in diesem hohen Maße auf verschiedene dem Mietenproblem bekanntgeben. Die schritt-
Gruppen verteilt werden müssen, diese schwächste
Gruppe unter den Kriegsfolgegeschädigten nicht weise Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit im
Hausbesitz ist eine Forderung, der sich in Deutsch-
vergessen sollte. Wir bitten Sie, unserem Antrag
Umdruck 40 zuzustimmen, der 20 Millionen DM land erfreulicherweise kein vernünftiger Mensch
mehr verschließt. Aber wir werden einer Korrek-
für den Wohnungsbau für diese Menschen vor- tur, einer Entzerrung — oder wie Sie es nennen
sieht. Dieser Betrag kann natürlich nur einen
Anfang darstellen, aber er gibt die Möglichkeit, wollen — der Mieten nur zustimmen, wenn gleich-
zeitig in wirkungsvoller Form ein Verfahren ein-
auch diesen Menschen nicht nur einen Anspruch,
gebaut wird, ein System der Lasten- und Miet-
sondern in der Praxis die Heimat wiederzugeben. subventionen — ähnlich wie es das Land Nord-
(Beifall bei der SPD.) rhein-Westfalen für kinderreiche Familien durch-
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der geführt hat —, das sozial schwachen Kreisen
Abgeordnete Lücke. unseres Volkes, vor allem kinderreichen Familien
(Abg. Albers: Und den Invaliden!)
Lücke (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wir sollen uns kurz fassen, um heute — und vor allem den Invaliden den Unterhalt
noch mit der zweiten Lesung fertig zu werden. solcher Wohnungen ermöglicht. Wir wünschen
Ich will diesem Wunsch entsprechen und unsere nicht, daß in der öffentlichen Diskussion künftig-
Wünsche an den Wohnungsbau in Stichworten hin die notwendige Anhebung der Renten immer
bekanntgeben. Wir wünschen, daß die einmalige in Zusammenhang mit der Entzerrung des Miet-
Gelegenheit mehr als bisher genutzt wird, eigen- gefüges genannt wird. Wir glauben nicht, daß eine
tumslosen Menschen über den Wohnungsbau zu Anhebung der Renten für die untersten Einkom-
einem persönlichen Eigentum zu verhelfen. Wir mensschichten zur Deckung der Mieterhöhung ver-
kritisieren, daß das bisher nicht in dem möglichen wendet werden soll. Hier muß ein sinnvolles
Umfange geschehen ist. Der Anteil der Eigentums- System gefunden werden. Daran werden wir
maßnahmen ist zu gering. Die Beratungen des mitarbeiten.
Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen im Der Herr Kollege Stierle hat die Ä nderung des
Ausschuß sind im Gange. In dem Gesetzentwurf Gemeinnützigkeitsgesetzes angedeutet. Wir halten
sind unsere Grundforderungen festgelegt. Wir diese für dringend erforderlich. Ich freue mich,
hoffen, daß dieser Gesetzentwurf bis zum Herbst daß Sie und Ihre Freunde, Herr Kollege Stierle,
fertiggestellt werden kann, mit den entsprechenden mit unserer alten Forderung einverstanden sind,
Maßnahmen, die das Bundeswohnungsbauministe- die wir seit Jahren durch Deutschland tragen und
rium und die Regierung hierzu ergänzend vor- die lautet, daß derjenige, der öffentliche Mittel für
geschlagen werden. Wohnungen verbaut, veranlaßt werden sollte,
1000 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Lücke)
solche Wohnungen und Heime an eigentumswillige Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der 1
Bevölkerungskreise aufzulassen, wenn eigentums- Abgeordnete Hauffe.
willige Bevölkerungskreise, die anspruchsberech-
tigt sind, dies wünschen. Also die Anbietungs- Hauffe (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
pflicht in bezug auf alle mit öffentlichen Geldern und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen
geförderten Wohnungen, gleichgültig, ob es ge- Lücke zwingen mich, zu der vorgelegten Entschlie-
meinnützige oder freie Wohnungsunternehmen ßung einige Worte zu sagen. Ich gehe voll und
sind, ist nach wie vor unsere Meinung. Wir sind ganz mit Herrn Abgeordneten Lücke einig, wenn
der Meinung, daß die gemeinnützige Wohnungs- er sagt, es sei unser Ziel, eigentumslosen Menschen
wirtschaft neben der großen Leistung, die sie voll- zu Eigentum zu verhelfen. Aber die Entschließung,
bracht hat, in besonderem Maße dem staatspoliti- die z. B. den Bund veranlassen will, sich nur an
schen Anliegen entsprechen sollte, Eigentum im solchen Gesellschaften zu beteiligen, die ausschließ-
Wohnungsbau zu schaffen. Wir hoffen, daß über lich Eigentum schaffen, verlangt doch eine Diffe-
eine Anbietungspflicht die Erreichung dieses Ziels renzierung, weil nämlich diese Gesellschaften und
erleichtert wird. besonders die Heimstätten in der Vergangenheit
Sie haben den Anteil der gemeinnützigen Woh- gezwungen waren, auch Mietwohnungen und grö-
nungswirtschaft am Eigentum erwähnt. Wir freuen ßere Wohneinheiten zu erstellen, die, wenn sie ins
Eigentum übergeführt werden sollen, nicht immer
uns darüber. Ich kenne im Bundesgebiet gemein-
nur den eigentumslosen Menschen zum Eigentum
nützige Wohnungsunternehmen und Wohnungs-
gesellschaften, insbesondere die Siedlungsdienste verhelfen. Ich finde also, daß diese Entschließung
der Kirchen und Heimstätten, die über 80 oder in ihrer Auswirkung nicht genügend durchdacht ist.
90 % ihrer im sozialen Wohnungsbau errichteten Nehmen Sie es mir bitte nicht übel: Da hier als
Wohnungen als Eigenheime oder als Wohnungs- erster Antragsteller Herr Kollege Dr. Schild
eigentum erstellt haben. Es war also bisher schon steht, scheint mir diese Sache charakterlich sehr
möglich. Wir wünschen, daß das künftighin in verwandt zu sein mit einem der ersten Anträge,
größerem Umfange geschieht. Wir haben in Um- die Herr Kollege Schild hier einmal gestellt hat.
druck 23 *) entsprechende Gedanken geäußert (Sehr gut! bei der SPD.)
— insofern stehe ich etwas in Widerspruch zu Deshalb möchte ich davor warnen, diese wenig
Ihnen, Herr Kollege Stierle —, die ich hier ver- durchdachte Entschließung in der hier vorliegenden
treten darf. Meine Freunde sind der Meinung, Form anzunehmen. Ich marschiere immer mit Ihnen
wenn der Bund aus Haushaltsmitteln sich an in einer Front — gestatten Sie diesen militaristi-
Wohnungsgesellschaften usw. beteiligt, soll er schen Ausdruck! -,
auch fordern, daß diese Wohnungsunternehmen so (Heiterkeit)
bauen, wie es notwendig ist. Diese Beteiligung ist
bisher vorwiegend bei den Heimstätten erfolgt wenn es darum geht, das Ein- und Zweifamilien-
und soll weiterhin dort erfolgen. Es war die ur- haus, das Eigentum für den mittellosen Menschen
sprüngliche Aufgabe der Heimstätten, den Anwär- zu fördern. Aber ich gehe nicht mit, wenn irgend-
ter auf ein Eigenheim zu betreuen. Diese Be- wie Gefahr besteht, daß das Mietshaus in privatem
treuungsfunktion wird auch heute noch wahrge- Eigentum mit öffentlichen Mitteln gefördert wer-
nommen. Wir haben diesen Antrag unterschrieben, den soll. Ich habe immer den Verdacht, daß, wenn
weil aus der mir vorliegenden Statistik zu er- der Name des Kollegen Dr. Schild auftritt, hier an
sehen ist, daß die Naussauische Heimstätte GmbH. einen versteckten Kampf gegen den gemeinnützi-
Frankfurt am Main neben 3919 Mietwohnungen gen Wohnungsbau schlechthin gedacht ist; ich habe
lediglich 451 Eigenheime gebaut hat. Das sind seinen ersten Antrag hier sehr genau in Erinne-
rund 10 N. Dagegen hat z. B. die Niedersächsische rung.
Heimstätte GmbH. Hannover neben 3246 Miet- Wenn heute viele Menschen bereit sind, sich um
wohnungen zur gleichen Zeit 5511 Eigentumsmaß- die Verbesserung der Wohnung schlechthin, um
nahmen durchgeführt. Wir meinen, wenn der den gemeinnützigen Wohnungsbau und die Förde-
Bund Beteiligungen vornimmt, sollen sie mit der rung des Wohnungsbaus zu kümmern, dann doch
besonderen Auflage verknüpft sein, daß solche nur deshalb, weil seit mehr als einem halben Jahr-
Gesellschaften sich der schwierigen Aufgabe der hundert diejenigen, die in der gemeinnützigen
Eigenheimförderung, der Betreuung der Siedler Wohnungswirtschaft tätig sind, der Bevölkerung
usw. widmen. unseres Landes beigebracht haben, daß jeder in un-
Dem Etat stimmen wir zu. Ich bitte Sie, dieser serem Vaterlande das Recht hat, Anspruch auf eine
Entschließung ebenfalls Ihre Zustimmung zu geben. gute Wohnung zu erheben. Das ist das große ge-
Ich hoffe, daß wir nach den negativen Erfahrun- schichtliche Werk des gemeinnützigen Wohnungs-
gen, die wir leider auch machen mußten, endlich baus und wird es auch für die Zukunft bleiben,
im Herbst die Maßnahmen vorlegen können, die gleichgültig, in welche Richtung die Entwicklung
den Wohnungsbau so gestalten, wie wir es uns geht. Deshalb bitte ich, von der Entschließung in
vorstellen. der vorliegenden Form Abstand zu nehmen, und
sehe mich auf keinen Fall in der Lage, ihr in dieser
Zum Schluß bleibt mir die Aufgabe, namens Form zuzustimmen.
meiner Freunde allen denen in Deutschland zu (Beifall bei der SPD.)
danken, die an diesem großen Werk mitgewirkt
haben, denen, die draußen sparen und arbeiten, Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
und allen Stellen, die geholfen haben, dieser Volks- Herr Bundesminister für Wohnungsbau, Dr.
not Herr zu werden. Ich hoffe, daß auch im kom- Preusker.
menden Jahr dieses Haus weiter in großer Ein-
mütigkeit die vornehmste Aufgabe darin sieht, Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau:
endlich mit der Wohnungsnot fertig zu werden. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach-
(Beifall bei der CDU/CSU.) dem die Aufgabe Nr. 1 der Bundesregierung, der
Wohnungsbau, nun leider in der Tagesordnung des
*) Siehe Anlage 6 Seite 1030 A Bundestages an einen viel späteren Punkt gerückt
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1001
(Bundesminister Dr. Preusker)
ist und die Zeit sehr vorgeschritten ist, möchte ich Länder für den Bau von Wohnungen für rückkehr-
mich auf ein paar kurze Bemerkungen beschrän- willige Evakuierte, die unter das Evakuiertengesetz
ken. Ich werde später noch Gelegenheit haben, zu fallen, in den Einzelplan 25 einzustellen. Herr Kol-
den grundsätzlichen Fragen mehr zu sagen. lege Stierle sagte, er wünschte eigentlich, die 500
Herr Kollege Stierle, Sie sprachen davon, daß Millionen für den sozialen Wohnungsbau stünden
Sie der Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung im ordentlichen statt im außerordentlichen Haus-
in der zweiten Legislaturperiode mit dem gleichen halt. Herr Kollege Stierle, ich glaube, das ist nicht
Mißtrauen gegenüberständen wie in der ersten. das Entscheidende; das Entscheidende ist, daß die
Das ist Ihr gutes Recht. Wir hoffen, Sie ebenso 500 Millionen tatsächlich da sind,
wie in der ersten Legislaturperiode auch in der (Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig!)
zweiten durch die Taten und durch die Erfolge daß sie dem Wohnungsbau tatsächlich zur Ver-
überzeugen zu können. fügung gestellt werden können. Die Bundesregie-
(Sehr gut! bei der FDP.) rung kann doch darauf hinweisen, daß sie die
Ich darf damit anfangen, Ihnen schon bezüglich Mittel für das Baujahr 1954 so früh wie bisher in
der Ergebnisse des Jahres 1953 eine Korrektur keinem andern Jahr, nämlich bereits Mitte Ok-
Ihrer bisherigen Zahlen bekanntzugeben. Wir haben tober 1953, verteilt hat, so daß sie in den Ländern
im Jahre 1953 nicht 475 000, sondern, wie jetzt die verplant werden konnten und die Bautätigkeit zu
endgültigen Feststellungen des Statistischen Bun- Beginn dieses Jahres, in vollem Umfange gesichert,
desamts beweisen, 515 000 Wohnungen bauen und beginnen konnte.
fertigstellen können. Wir haben ferner im Rahmen der Steuervorlagen,
(Beifall bei den Regierungsparteien.) die den Bundestag in Kürze beschäftigen werden,
Ich will zunächst keine Prophezeiungen für dieses dafür gesorgt, daß bis zu 60 Millionen DM, die
Jahr machen, mindestens heute nicht. Aber lassen bisher aus den 500 Millionen DM entnommen wer-
Sie mich das eine sagen: ich begrüße es außer- den mußten, um die Prämien nach dem Wohnungs-
ordentlich, daß Sie daran mitarbeiten wollen, daß bau-Prämiengesetz zahlen zu können, aus beson-
mehr und bessere Wohnungen gebaut werden, daß deren Mitteln des Bundeshaushalts entnommen
die Finanzierung gesichert werden soll und daß werden, so daß hier zusätzlich 60 Millionen für
insbesondere auch mehr Wohnungen für die ärme- den sozialen Wohnungsbau unmittelbar zur Ver-
ren Bevölkerungskreise zur Verfügung gestellt fügung stehen werden. Ich glaube, daß damit auch
werden. der Wunsch, der in dem Änderungsantrag Um-
druck .40 zum Ausdruck kommt, etwas stärker be-
Hierzu muß ich einmal eines mit aller Deutlich rücksichtigt werden kann.
keit aussprechen. Es war eine der ersten Handlun
-
gen nach Übernahme meines Amtes, daß ich die Ich darf ferner darauf hinweisen, daß es durch
Länder, die ja für die Durchführung des Woh eine Absprache mit dem Herrn Bundesfinanz-
nungsbaugesetzes zuständig sind, gebeten habe, zu minister gelungen ist, noch aus dem Jahre 1953
prüfen, ob sie nicht den Anteil der Wohnungen, stammende Mittel in der Größenordnung, die
die sie den ärmeren Bevölkerungskreisen zur Ver dieser Antrag Umdruck 40 vorsieht, zusätzlich für
fügung stellen, ohne daß diese Finanzierungsbei die Förderung des Wiederaufbaus in den zerstör-
träge in irgendeiner Form zu leisten vermögen, ten Städten verfügbar zu machen. Das sind ja ge-
stärker heraufsetzen könnten. Ich habe leider in rade diejenigen Städte, in die die Evakuierten zu-
dieser Hinsicht keine positive Antwort in der Art rückkehren möchten. Auch dadurch wird Ihrem
bekommen, daß ich hier sagen könnte, das würde Anliegen entsprochen.
nun als selbstverständlich erwartet werden können. Zum dritten ist es uns gelungen, aus zusätzlichen
(Hört! Hört! rechts.) Mitteln, die der Lastenausgleichsfonds zur Ver-
In die Novelle zum Bundeswohnungsbaugesetz, fügung stellen konnte, in Übereinstimmung mit
die wir unmittelbar nach Ostern im Bundestag den Gremien, die für die Zuteilung dieser Mittel
einzubringen hoffen und die, zusammen mit der zuständig sind, 20 Millionen speziell für den Woh-
Vorlage der CDU, dann den endgültigen Rahmen nungsbau für Evakuierte im Jahre 1954 bereitzu-
für die Wohnungsbaupolitik abgeben soll, haben stellen und in diesen Tagen weitere 90 Millionen
wir deshalb eine Bestimmung hineingebracht und zur Durchführung von Umsiedlungsmaßnahmen
Änderungen im System vorgesehen, wonach in den innerhalb der einzelnen Länder, d. h. wiederum
kommenden Jahren sichergestellt werden kann, zum erheblichen Teil Rückführungsmaßnahmen für
daß gerade der Wohnungsbau für die ärmere Be- Evakuierte, zu verteilen. Ich glaube daher, daß ich
völkerung, die keine eigenen Finanzierungsbei- es im Augenblick nicht verantworten kann, diesen
träge zu leisten vermag, von sich aus wesentlich Antrag zu befürworten, weil es einfach nicht mehr
verstärkt wird, auch ohne daß die Länder dann in möglich ist, weitere Quellen auszuschöpfen oder
irgendeiner Weise besonders angesprochen werden noch mehr Geld aus dem Haushalt „zusammenzu-
müssen. Obendrein soll dies zu Bedingungen ge- kratzen".
schehen, bei denen sich die Mieten hoffentlich noch Im übrigen darf ich Ihnen sagen, daß auch
unter die derzeitigen Richtsätze herunterbringen weiterhin ein „Zusammenkratzen" des Geldes für
lassen werden. den Wohnungsbau an allen Ecken und Enden nötig
Das steht neben der starken Förderung der ist; denn wir wollen ja nicht nur die Leistung von
Eigentumsbildung, der Eigenheime und des Wieder- zuletzt 515 000 Wohnungen halten, sondern diese
aufbaues in unseren zerstörten Stadtkernen. Dabei Leistung noch erheblich steigern. Das ist zum Teil
kann ich nur wieder das eine sagen: es denkt nie- auch nur möglich, wenn derjenige, der sein Geld
mand daran, jemanden zum Eigentum zu zwingen, im Wohnungsbau anlegen soll, weiß, daß dieses
sondern wir werden alle diejenigen, die bereit Geld dort genau so wertbeständig und sicher an-
sind, Eigentum zu erwerben, dabei zusätzlich för- gelegt sein wird, wie wenn er es für irgendeine
dern und unterstützen. andere wirtschaftliche Betätigung gibt. Das be-
Es ist hier ein Antrag eingebracht worden, deutet zwangsläufig, daß die Selbsterhaltungsfähig-
20 Millionen DM zusätzlich als Darlehen an die keit, die Eigenwirtschaftlichkeit des Hausbesitzes
1002 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Bundesminister Dr. Preusker)
Schritt um Schritt wiederhergesellt werden muß. einmal nach dem Gesetz auf dem Gebiet des Woh-
Wir werden uns über die Einzelheiten dieser nungsbau zu erfüllen haben. Diesem Ziel sollen ja
Maßnahmen hier unterhalten; denn ich darf aus- auch die Mittel aus der inzwischen auf 9 Millio-
drücklich darauf hinweisen, daß die Bundesregie- nen DM herabgesetzten Haushaltsposition dienen.
rung nicht daran denkt, eine Mieterhöhung im Nun ist allerdings eines zu bemerken. Die Heim-
Verwaltungswege durchzuführen, sondern daß sie stätten haben im Augenblick ebenso wie woh-
dazu den Entwurf eines ersten Bundesmieten- nungswirtschaftliche Unternehmen, an denen der
gesetzes vorbereitet hat. Bund beteiligt ist, noch eine Reihe von Sonderauf-
Ich darf auch ausdrücklich darauf hinweisen, gaben durchzuführen. Dazu gehört einmal der Bau
daß niemand daran gedacht hat, den Wohnwert von Wohnungen für Bundesbedienstete und die
überhaupt nicht zu berücksichtigen. Vielmehr ist Verwaltung dieser Wohnungen, soweit diese nicht
in dem Gesetzentwurf von vornherein vorgesehen, aus ganz bestimmten Gründen an zivile Träger
daß diejenigen Wohnungen, die in ihrem Wohn- gegeben werden konnten — denken Sie etwa an
wert wirklich berechtigten Anforderungen nicht Bundesgrenzschutz und ähnliches —, oder aber es
entsprechen, außerhalb der Mieterhöhung bleiben sind im Rahmen des Sowjetzonenflüchtlingspro-
müssen. Ferner ist eine absolute Grenze nach oben grammes auf Grund gesetzlicher oder sonstiger
insoweit gezogen, als die sozialen Richtsatzmieten sonstiger Verpflichtungen bestimmte Sonderpro-
mit den jeweiligen Zuschlägen nicht überschritten gramme mit größter Beschleunigung durchzufüh-
werden dürfen. ren. Ich möchte deshalb anregen — und ich würde
mich freuen, wenn die Antragsteller damit über-
Innerhalb dieses Rahmens ist ohnehin daran ge- einstimmten —, daß die Entschließung auf Um-
dacht, das alles in eine Gesamtkonzeption zu druck 23 in folgender Fassung angenommen wird:
stellen, wie Sie vorhin sagten, Herr Stierle, näm- Die Bundesregierung wird ersucht,
lich mit der Steuerreform und mit den Maßnahmen
zu verknüpfen, die auf dem sozialen Gebiet sonst in Kap. 2501 die Erläuterungen zu Tit. 895 da-
vorgesehen sind — Familienausgleichskassen — hin zu ergänzen, daß sich der Bund nur an
und hier noch beraten werden. Wir haben schließ- solchen wohnungswirtschaftlichen Unterneh-
lich auch eine Vorlage — sie wird zur Zeit in den men, Heimstätten und Betreuungsgesellschaf-
Ressorts besprochen — über die Erstattung von ten beteiligt, bei denen die Gewähr gegeben
Mietbeihilfen vorbereitet. Dabei hoffen wir aller- ist, daß sie mit Ausnahme der Betreuung von
dings darauf, daß es uns durch möglichst viele Sonderprogrammen des Bundes oder der Woh-
generelle soziale Maßnahmen möglich sein wird, nungsfürsorge für Bundesbedienstete zukünf-
den Kreis derjenigen, die hierauf zurückgreifen tig ausschließlich Bauvorhaben durchführen
müssen, auf ein Minimum zu beschränken. bzw. betreuen, durch welche die Eigentumsbil-
dung im Wohnungsbau gefördert wird.
Ich glaube, man wird insgesamt sagen müssen,
daß es eine schlechte Politik wäre, wollte die Bun- Im zweiten Absatz würden dann auch hinter „dieser
desregierung auf der einen Seite mit jährlich Unternehmen" die Worte „zukünftig ebenfalls"
2,5 Milliarden DM an öffentlichen Förderungsmit- eingesetzt, so daß es in diesem Absatz heißt:
teln Neubauten fördern, und gleichzeitig die glei- ..., daß sich die Tochtergesellschaften dieser
chen Werte infolge der mangelnden Fähigkeit, den Unternehmen zukünftig ebenfalls im gleichen
Altbestand zu erhalten, verlorengehen lassen. Wir Sinne betätigen.
kämen dann niemals zur Abdeckung des Fehlstands. Wenn es so gemacht wird, würde ich von mir aus
Wir würden für ewige Zeiten unsere Bevölkerung keine Bedenken haben. Ihr Anliegen wird dadurch
mit der Aufbringung der zusätzlichen öffentlichen in keiner Weise berührt. Die öffentlichen Dar-
Mittel belasten müssen. Hier muß also etwas ge- lehen zur Förderung des Wohnungsbaus werden
schehen. Aber die Bundesregierung hat von Anbe- den Trägern nach wie vor zur Verfügung stehen,
ginn an bei ihren Plänen einer Wiederherstellung auch ohne daß andere Auflagen gemacht werden
der Wirtschaftlichkeit des Altbesitzes und für die als solche, die nach der Prüfung des effektiven
weitere Durchführung des sozialen Wohnungsbaus Bedarfs oder im Hinblick auf den tatsächlichen
erklärt, daß sie die Spekulation im sozialen Woh- Willen zum Eigentum, vom Leistungswillen her,
nungsbau ebensowenig zulassen wird wie die Spe- gerechtfertigt sind.
kulation mit dem täglichen Brot. (Abg. Lücke: Herr Minister, das kann sich
Jetzt noch kurz ein paar Bemerkungen zu dem ja nur um Sonderprogramme des Bundes
Antrag Umdruck 23, der von Herrn Kollegen Lücke handeln!)
begründet worden ist. Ich darf eines grundsätz- — Des Bundes, jawohl.
lich bemerken. Die Bundesregierung im ganzen Ich glaube, daß ich damit zu den Anträgen das
und ich im besonderen sind der Meinung, daß es Notwendige gesagt habe. Das Weitere hinsichtlich
nicht Aufgabe des Bundes ist, sich an erwerbswirt- der grundsätzlichen wohnungspolitischen Fragen,
schaftlichen Unternehmen zu beteiligen oder Ver- das hier noch zu sagen ist, hoffe ich unmittelbar
mögen anzuhäufen, wenn dies nicht aus irgend- nach Ostern bei der Einbringung der Regierungs-
welchen Gründen im Gesamtinteresse unabdingbar vorlage des Wohnungsbaugesetzes sagen zu können.
geboten ist. Diese Auffassung ist ja in einem An-
trag Ihrer Fraktion, Herr Stierle, in der letzten (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Legislaturperiode des Bundestages ebenfalls zum Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der
Ausdruck gekommen und hinsichtlich des Bundes- Abgeordnete Stierle.
vermögens wiederholt vertreten worden.
Es ist aber etwas völlig anderes, wenn der Bund Stierle (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
eine Beteiligung an Unternehmen erwirbt, die Herren! Nur noch ein paar Worte. Der Herr Mini-
weder Vermögen anhäufen sollen noch eine er- ster ist jetzt noch einmal auf den Antrag Um-
werbswirtschaftliche Aufgabe haben, sondern der druck 23 eingegangen. Herr Lücke hat vorhin zu
Wahrnehmung von reinen Betreuungsaufgaben seiner Begründung etwa gesagt: Der Bund soll sich
dienen, wie sie die Heimstättengesellschaften nun an Wohnungsunternehmen beteiligen, die dann das
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1003
(Stierle)
bauen sollen, was notwendig ist. Dem habe ich voll probe! - Enthaltungen, bitte!—Das zweite war die
zugestimmt. Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
(Abg. Lücke: Nein, was staatspolitisch er Über den Antrag Umdruck 23 — auch in der
wünscht ist! Eigentumsbetreuung!) neuen Fassung — brauche ich jetzt nicht abstim-
— Aha, das fügen Sie jetzt hinzu. men zu lassen; das gehört in die dritte Lesung.
(Abg. Lücke: Nein, das habe ich gesagt!) Ich komme damit zur Abstimmung über den Ein-
— Wenn Sie jetzt sagen, es soll dort gebaut werden, zelplan 25 in der Fassung des Berichts, der auf
wo es notwendig ist, stimme ich Ihnen zu. Man darf Drucksache 367 vorliegt. Wer von den Damen und
sich aber nicht auf den engen Standpunkt stellen, Herren zustimmen will, den bitte ich um ein Hand-
es dürfe nur Eigentum gebaut werden. Lassen Sie zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
doch das Unternehmen so beweglich, daß es sich (Zuruf von der Mitte: Ihr kriegt keine
nach allen Seiten hin betätigen kann! Häuser! — Abg. Schoettle: Schafskopf,
Was der Herr Minister zu dem Antrag meiner kann man da nur sagen! — Lachen in der
Kollegin Strobel gesagt hat, 20 Millionen für rück Mitte.)
kehrwillige Evakuierte bereitzustellen, hat, glaube Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit ange-
ich, den Kern der Sache nicht getroffen. Er sagt, es nommen.
würden im Prämiengesetz zusätzlich 60 Millio- Ich rufe Einzelplan 26 auf:
nen DM gegeben oder es würden Mittel gegeben, Einzelplan 26 — Haushalt für den Geschäfts-
um die Stadtkerne bevorzugt wiederaufzubauen. bereich des Bundesministers für Vertrie-
Das betrifft doch nicht den Personenkreis, den wir bene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte —
dabei im Auge haben, nämlich die rückkehrwilligen (Drucksache 368).
Evakuierten.
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Keller. Ich
(Zuruf von der Mitte: Selbstverständlich!) erteile ihm das Wort.
Die werden nur dann berücksichtigt, wenn sie
irgendeiner bevorzugten Personengruppe ange- Dr. Keller (GB/BHE), Berichterstatter: Herr Prä-
hören, die bereits in irgendeinem Programm ge- sident! Meine Damen und Herren! Zu den Etats
nannt ist. Wir sind der Auffassung, daß man auch einiger Ressorts sind im Laufe der Debatte Grund-
den Mut aufbringen soll, ein besonderes Programm satzausführungen gemacht worden. Ich glaube
für diese Evakuierten aufzustellen. nicht, daß die Zeit ausreicht, dies auch bei dem
Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß der vorliegenden Einzelplan zu tun, obwohl die Er-
Antrag Umdruck 23 zu eng ist, zuwenig klärungen des Herrn Bundeskanzlers in der Re-
- Be- gierungserklärung und die Eingliederungspläne
wegungsmöglichkeit gibt, so daß Sie ihn nicht an-
nehmen sollten. des Herrn Ministers Oberländer hier sehr positive
Anhaltspunkte geben würden.
Vizepräsident Dr. Schneider: Herr Abgeordneter Der Einzelplan bringt in diesem Jahr in den
Lücke hat das Wort. Hoffentlich auch nur kurz, Herr eigentlichen Verwaltungsausgaben keine wesent-
Lücke. lichen Änderungen. Allgemein wird ein Bestreben
Lücke (CDU/CSU): Dieser Mahnung, die Sie an
sichtbar, wenn möglich — im Rahmen der ge-
stellten Aufgaben — einzusparen.
mich gerichtet haben, Herr Präsident, werde ich
folgen. Ich hoffe, daß es auch die anderen Herren Bei den Personalstellen erscheint zusätzlich bei
tun werden. Kap. 2601 die Stelle eines Oberregierungsrats, für
Wir sind einverstanden, daß die von dem Herrn welche gleichzeitig eine Stelle nach TO.A I ent-
Minister gewünschten Ergänzungen eingefügt wer- fällt. Überdies ist auf Wunsch des Finanzministe-
den. Sie sind ja im Text des Protokolls festgehal- riums im Zusammenhang mit der Abrundung der
ten: Sonderprogramm des Bundes und die Für- Kompetenzen eine Oberregierungsratsstelle hier
sorge für die Bundes bediensteten, und dann soll neu eingefügt worden. In der Besoldungsgruppe
die ganze Entschließung auf die zukünftigen Maß- A 4 c 2 ist zusätzlich eine Stelle für die Vorprüfung
nahmen bezogen werden. Damit sind wir einver- geschaffen worden.
standen. Die in Tit. 103 vorgesehenen Dienstbezüge für
beamtete Hilfskräfte sind entfallen, nachdem die
Kollege Stierle, nur zur Richtigstellung: Die Aufgaben, für die sie vorgesehen waren, nunmehr
Heimstätten haben schon nach dem Gesetz, durch
durch die zuständigen Finanzämter wahrgenommen
das sie geschaffen wurden, nur die Möglichkeit der
werden sollen.
Betreuung, und zwar im Hinblick auf Maßnahmen
zur Förderung des Eigentums. Die Beteiligung bei Bei den Angestelltenstellen nach TO.A erscheinen
solchen Heimstätten soll nur dann erfolgen, wenn in diesem Haushaltsjahr zusätzlich zwei IV-Stellen
die betreffende Heimstätte das auch macht. Ich durch eine Neuorganisation der Registratur, eine
glaube also, daß das damit geklärt ist. Nach dem V-Stelle für Planung und Statistik im Zusammen-
Gesetz betreuen die Heimstätten Maßnahmen zur hang mit der Umsiedlung und der Lagerauflösung,
Förderung des Eigentums. Das ist ihr ursprüng- eine VI b-Stelle im Referat für Arbeits- und Sozial-
licher Zweck, und den wollen wir mit dieser Ent- recht und eine VIII-Stelle für den Drucker und
schließung wieder fördern. Photokopisten.
Bei den Arbeitern ist ein Abgang von 18 Stellen
Vizepräsident Dr. Schneider: Weitere Wort- dadurch zu verzeichnen, daß das Vertriebenen-
meldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Be- und Kriegsgeschädigtenministerium als eines der
ratung zu Einzelplan 25. ersten Ressorts die Aufgaben der Hausreinigung
Ich komme zur Abstimmung, zunächst über den einem Unternehmen übertragen hat. Dadurch sind
Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 40: „In — abgesehen von Erleichterungen in der Hand-
Kap. 2501 werden ,20 000 000 DM eingesetzt" usw. habung — sehr erhebliche Einsparungen in Höhe
Der Antrag liegt Ihnen vor. Wer ihm zustimmen von rund 30 000 DM erzielt worden, und die Maß-
will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegen nahme hat sich durchaus bewährt.
1004 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Dr. Keller)
Weiter wäre zu sagen, daß bei den „Allgemeinen Das zweite Kapitel des Haushaltsplanes,
Ausgaben" eine Empfehlung des Vertriebenen- Kap. 2603, verzeichnet die Ausgaben, die für das
ausschusses dieses Hohen Hauses zur Debatte stand, Notaufnahmeverfahren, das im wesentlichen in
nämlich den sogenannten Organisationszuschuß für den Lagern Berlin, Uelzen und Gießen durch-
Organisationen, die mit der Betreuung und Ein- geführt wird, notwendig sind. Die Ansätze be-
gliederung von Vertriebenen befaßt sind, um wegen sich im allgemeinen über denen des Haus-
100 000 DM zu erhöhen. Begründet hat der Ver- haltsjahres 1953, weil der Flüchtlingszustrom aus
triebenenausschuß diese Empfehlung damit, daß der Sowjetzone in der Zwischenzeit, wie wir alle
im Bereich der sowjetzonalen Flüchtlinge nunmehr wissen, durch die Entwicklung zeitweise stark an-
doch die Organisation ein Stadium erreicht habe, gewachsen ist. Im Hinblick darauf aber, daß die
das so etwas wünschenswert erscheinen lasse. Ein künftige Entwicklung nicht sicher vorausgesehen
aus dem Ausschuß heraus gestellter Antrag hat werden kann, sind Mittel im Haushaltsplan 1954
diesen Gedanken mit einem Betrag von 60 000 DM nur für einen Teil der Bedürfnisse und nur für
aufgenommen. Der Haushaltsausschuß hat sich einen Teil des Jahres veranschlagt worden. So gibt
jedoch nicht in der Lage gesehen, diesem Antrag eigentlich der Vergleich zwischen den Spalten des
zu folgen. Jahres 1953 und 1954 kein echtes Bild, denn im
Im übrigen hat in diesem Zusammenhang der abgelaufenen Haushaltsjahr hat die erwähnte Zu-
Herr Vertreter des Ministeriums, Herr Staats- nahme des Flüchtlingszustromes dazu geführt, daß
sekretär Dr. Nahm, eine Erklärung abgegeben, 350 Aushilfsangestellte überplanmäßig beschäftigt
wonach die Verteilung der Zuschüsse, die nach wie werden mußten, um den Aufgaben gerecht werden
vor in einem Gesamtbetrag von 250 000 DM je zu können. Auch heute noch liegt der effektive
Jahr erscheinen, nicht mehr wie früher mehr oder Personalbestand der Notaufnahmestellen, obwohl
weniger schematisch, sondern im Zusammenhang bereits erste Kündigungen eingetreten sind, er-
mit Arbeitsplänen erfolgen solle, die die betreffen- heblich über den Zahlen dieses Haushaltsvor-
den Organisationen, welche Zuschüsse erbitten, anschlages. Sollte die Entwicklung ungünstig ver-
vorzulegen hätten. laufen, d. h. der Flüchtlingsstrom weiter stark
bleiben oder zunehmen, dann wären eventuelle
Bei der Beratung des Tit. 301 b hat der Ausschuß Mehrausgaben überplanmäßig zu leisten.
die Auffassung vertreten, daß die dort gestellten
Aufgaben, nämlich die Erhaltung und Auswertung Ein außerordentlicher Haushalt für den Einzel-
des kulturellen Heimaterbes der Heimatvertriebe- plan 26 besteht in diesem Jahre nicht. Ich darf im
nen und die Förderung ihrer kulturellen Be- übrigen auf die Drucksache 368, also auf die Be-
strebungen volle Unterstützung verdienten. Er schlüsse des Haushaltsausschusses und die danach
hat in ziemlicher Einmütigkeit ins Auge gefaßt, veranlaßten Berichtigungen der Gesamtzahlen ver-
bei seinen Sommerberatungen nochmals zu über- weisen und Sie bitten, entsprechend dem Vorschlag
prüfen, inwieweit hier nicht auf weite Sicht sogar des Haushaltsausschusses diesem Einzelplan Ihre
noch weitergehende Maßnahmen zu veranlassen Zustimmung zu erteilen.
wären. (Beifall beim GB/BHE.)
Der Tit. 305 des Kap. 2601 soll die Erfüllung der
Suchdienstaufgaben und die dokumentarische Er- Vizepräsident Dr. Schneider: Ich danke dem
fassung der deutschen Kriegsgefangenen, der Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Wehrmachtvermißten, der Zivilverschleppten, der Das Wort hat der Abgeordnete Reitzner.
Zivilgefangenen und der vermißten Heimatver-
triebenen durch entsprechende Zuschüsse ermög-
lichen. Diese Arbeiten werden von den amtlich Reitzner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
beauftragten Suchdienststellen des Deutschen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des
Roten Kreuzes, des kirchlichen Suchdienstes und Deutschen Bundestages wird zu dem Einzelplan 26
des Bundes der Verfolgten des NS-Regimes durch- selbst keine Anträge stellen. Aber wir glauben,
geführt. Nach den Darlegungen dieser Organi- daß es in diesem Zusammenhang notwendig ist,
sationen, vor allem des Deutschen Roten Kreuzes, einige allgemeine grundsätzliche Bemerkungen zu
sind deswegen erhebliche Rückstände und Be- machen. Es könnte auch nützlich sein, den Auf-
arbeitungsverzögerungen eingetreten, weil es an gabenkreis des Hauses und seine innere Organi-
den erforderlichen Zuschußmitteln gefehlt hat. Der sation zu besprechen.
Haushaltsausschuß war sich in der Beurteilung der Das Problem der Vertriebenen, Flüchtlinge und
Bedeutung dieser Frage einig. Er hat einstimmig Kriegsgeschädigten ist nämlich immer noch sehr
den bereits vom Finanzministerium vom ursprüng- ernst.
lichen Ansatz von 3 555 500 DM auf 3 950 000 DM (Sehr richtig! beim GB/BHE.)
berichtigten Ansatz entsprechend einem Antrag
der Abgeordneten Merten, Dr. Vogel und Dr. Blank Es ist sozial und wirtschaftlich sehr schwierig; es
auf insgesamt 4 505 500 DM erhöht. Hiervon sind ist auch politisch heikel und psychologisch diffizil.
allerdings nach dem Vorschlag des Ausschusses Die Sorgen sind etwas geringer geworden, aber
500 000 DM mit einem Sperrvermerk zu versehen, noch lange nicht ausgeräumt. Langsam ist das
um dem erwarteten Bericht des Bundesbeauftragten deutsche Schiff ja voll. Man braucht nur daran zu
für Wirtschaftlichkeit, der hier Überprüfungen denken, daß wir täglich den Zustrom neuer Flücht-
durchzuführen beabsichtigt, nicht vorzugreifen. Es linge haben. Die Spannungen werden damit nicht
muß noch vorgetragen werden, daß aus dem Aus- geringer. Ohne daß wir es wollen, entsteht eine
schuß hierbei die Erwartung ausgesprochen worden Kluft oder ein Wettbewerb zwischen sogenannten
ist, daß auch der Suchdienst der kirchlichen Stel- Altvertriebenen und neuen Flüchtlingen.
len einerseits eine entsprechende Bezuschussung Eben weil das Problem noch sehr schwierig ist
erfährt, andererseits — soweit Bundesmittel hier- und meine Freunde ernstlich bereit sind, für eine
bei Verwendung finden — ebenfalls der Über- Linderung -Lind Milderung einzutreten, soweit wir
prüfung durch den Bundesbeauftragten für Wirt- es können, meinen wir, daß man alle zusätzlichen
schaftlichkeit unterliegen soll. Schwierigkeiten, die entstehen oder gemacht wer-
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1 005
(Reitzner)
den, beseitigen sollte. Ja, man sollte sie gar nicht bedeutend ist, bezweifle ich nicht. Nun, das liegt
aufkommen lassen. im Zuge der Zeit. Jeder macht sich bemerkbar, wie
In diesem Hause und in den Kreisen der Ver- er kann. Warum denn nicht?
triebenen ist in den letzten Tagen Unruhe ent- (Heiterkeit bei der SPD.)
standen — und soweit ich unterrichtet bin, ist Aber das wäre nicht das Schlimmste. Er spricht
auch in den Reihen der Koalitionsparteien das Un- selbst sehr viel, und dem, was ich gelesen habe
behagen nicht gering — über einige Erscheinungen. und was mir vorgelegt wurde, würde ich in der
Diese sollten heute klargestellt werden. Ich kann Sache sogar zustimmen.
es so sagen: Da ist ein Stein ins Wasser geplumst
und schlägt Wellen. Ich bin weit davon entfernt, (Abg. Samwer: Na also!)
beispielsweise dem Herrn Sefton Delmer zu folgen, — Ich komme schon noch auf die Lücke. Mit Pro-
dessen Selbstgerechtigkeit, nicht wahr, schon wäh- grammen und theoretischen Anerkennungen sind
rend des Krieges unerträglich war. wir ja sowieso in den letzten Jahren versorgt ge-
(Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig! — Zuruf wesen. Ich möchte das Gebiet, das mich sehr
vom GB/ BHE.) interessiert, heute mit Rücksicht auf die Zeitnot,
in der wir stehen, nicht ausweiten. Aber, Herr Mi-
Ich will mich hier auch nicht auf eine unnütze nister Oberländer, wir wollen uns über die sach-
Skalpjägerei begeben. Ich glaube aber, daß, was so lichen Nöte der Vertriebenen, der Sowjetzonen-
hinter den Kulissen gesprochen wurde, wegen der flüchtlinge und der Kriegsgeschädigten, über das
Bedeutung des ganzen Problems auch einmal in Thema der Eingliederung und alle die Sorgen, die
aller Offenheit vor dem Hohen Hause geklärt sich heute noch darum auftürmen, doch nach Ostern
werden müßte. einmal klar hier aussprechen. Meine Freunde
(Sehr richtig! bei der SPD.) und ich sind dann auch neugierig, inwieweit sich
das Vier-Punkte-Programm des Herrn Ministers
Aus diesem einzigen Grunde, aus dieser Sorge,
daß wir uns auf diesem Sektor nicht zusätzliche vom Oktober vorigen Jahres — dieses Vier-Punkte-
Programm unterschreibe ich vom ersten bis zum
Schwierigkeiten bereiten, sondern sie rechtzeitig letzten Punkt —
bereinigen, möchte ich einiges sagen. Es liegt mir
fern, den Herrn Bundesvertriebenenminister unter (Abg. Seiboth: Hier ist der Bleistift!)
die Lupe der Seelenforschung zu nehmen. Wenn im Zuge der Realisierung befindet. Das heißt
jetzt in den Reihen der CDU/CSU einige Kollegen kurz und gut, Herr Minister, ich möchte auch hier
darüber erstaunt sind, daß der Platz des Bundes- einmal gerne die Duplizität der Seelen aufdecken
vertriebenenministers von einem Angehörigen- des und sehen, wieweit der BHE-Vorsitzende von
BHE eingenommen wird, so möchte ich dazu er- Bayern mit dem Bundesvertriebenenminister iden-
klären: für uns waren weder der BHE noch der tisch ist. Darüber müssen wir also in aller Offen-
Herr Minister Oberländer ein ganz unbeschriebenes heit nach Ostern reden, weil wir jetzt in dieser
Blatt. Warum wundert man sich heute? Ich weiß, Sache gedrängt werden: schnell, schnell! hurry up!
daß heute viele nicht glücklich sind, ja, nicht ein- Wir wissen ja, wenn man von Vertriebenen spricht,
mal die Kollegen, die noch vor Jahr und Tag jeden dann geht es oft im Lande so wie mit der „Stimme
Sonntag auf Kundgebungen nicht laut genug die Amerikas", dann wird abgeschaltet. Das möchte ich
Abberufung seines Vorgängers Dr. Lukaschek for- nicht.
derten. Auch sie sind heute nicht glücklich. Der
starke Mann ist da, nach dem man gerufen hat. (Abg. Albers: Das kann man aber wohl
Jetzt entsteht ein Unbehagen. Warum denn? Wis- nicht sagen!)
sen wir denn nicht alle, warum der BHE, warum — Es ist aber vielfach so. Ich kann das auch ver-
die Herren Minister Oberländer und Kraft in die stehen. Es liegt an einer gewissen optischen Er-
Regierung berufen wurden? Der Herr Professor scheinung. Weil die Vertriebenen oft fordern, oft
Oberländer ist doch nicht allein aus dem Wunsch demonstrieren und oft reden, werden sie als die
oder der Sorge berufen worden, den „milden Bet- ewig Unzufriedenen hingestellt.
telmann" Dr. Lukaschek durch einen starken Ver- Nun zu dieser besonders heiklen Sache. Ich
treter der Interessen der Vertriebenen zu ersetzen, glaube, der Herr Minister wird mir sogar dank-
sondern da haben, wie wir, glaube ich, alle wissen, bar dafür sein, daß ich das aus den Kulissenge-
andere Maßstäbe eine Rolle gespielt. sprächen der Koalitionsparteien herausnehme und
Der Herr Professor Oberländer ist berufen es auf den Tisch des Hauses lege, damit er Gele-
worden, weil der Herr Bundeskanzler den BHE genheit hat, sich dazu zu äußern.
für seine außenpolitische Konzeption gebraucht Ich möchte nicht alle Zeitungen, die ich in den
hatte. letzten Tagen gelesen habe, alle Zuschriften, die
(Sehr gut! bei der SPD.) mir zugeschickt worden sind, und alle Zettelchen,
die man mir in die Tasche gesteckt hat, zitieren.
Das war die einfache Erklärung. Diese Berufung Kurz und gut, es läuft auf das hinaus, was im
der beiden Minister aus den Reihen des BHE hat „Münchner Merkur" vom 2. April unter der Über-
gar nichts mit den Sorgen der Vertriebenen zu tun. schrift „Unbehagen über Personalpolitik Ober-
(Abg. Samwer: Was soll das heißen?) länders" steht. Sie gestatten, Herr Präsident, daß
Jetzt tut man, als wäre es eine große Überraschung, ich einige Zeilen lese:
daß die Herren da sind. Nein, für mich ist das In Bonner politischen Kreisen macht sich ein
keine Überraschung. immer stärkeres Unbehagen gegenüber der
Personalpolitik des Bundesvertriebenen
(Zurufe von der Mitte.) ministers bemerkbar. Oberländer wird vor-
— Es ist nun einmal so, daß man auch von dieser geworfen, er stelle systematisch eine Reihe von
Sache sprechen muß. Daß der Herr Minister Ober- bewährten Beamten seines Ministeriums durch
länder eine gute Presse hat, daß seine Publizität Beurlaubungen kalt, um an ihre Stelle bzw.
wächst und daß seine rhetorische Leistung sehr auf neuen von ihm geforderten Planstellen
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(Reitzner)
Leute mit eindeutig nationalsozialistischer Ver- und es wird gebaut. Aber ich kenne auch den Miet-
gangenheit unterzubringen. zins der Wohnungen, und ich kenne die Ein-
(Hört! Hört! bei der SPD.) kommensverhältnisse der einkommenschwachen
Weiter wird behauptet, Oberländer betreibe Vertriebenen, die, zumindest in den meisten Fällen,
die Verbeamtung einiger Persönlichkeiten, die gar nicht in der Lage sind, sich eine so schöne Woh-
erst vor kurzem eingebürgert werden konnten, nung zu erstellen. Ich will damit nur sagen: das
nachdem früheren Einbürgerungsanträgen ist es, worüber wir uns mit dem Herrn Minister
wegen der zwielichtigen Vergangenheit der und mit der Regierung unterhalten wollen und
Antragsteller nicht stattgegeben wurde. Die werden. Wie groß ist die Kluft zwischen diesem
Erbitterung über die Personalpolitik Ober- Vierpunkteprogramm und seiner Verwirklichung
länders soll dem Vernehmen nach in seinem in zwei Jahren?! Ich möchte gern 40 000 Bauern in
Ministerium durch Zirkularschreiben und zwei Jahren angesiedelt sehen, aber ich halte das
anonyme Briefe zum Ausdruck kommen. Die für unmöglich. Nicht einmal der liebe Herrgott
CDU/CSU-Fraktion befaßte sich vor kurzem würde das können, wenn er zu uns herunterkäme.
ebenfalls mit diesen Vorgängen. (Abg. Samwer: Der könnte es schon!)
— Das ist richtig, nicht wahr? Das ist einfach nicht möglich! Aber bitte, man soll
es vorwärtstreiben. Aus diesem Grunde habe ich
(Abg. Albers: Ja, es stimmt!) gestern auch dem Antrag des Kollegen Seiboth zu-
In einer außerordentlich erregten Sitzung gestimmt und heute dafür gestimmt, daß man sich
— wieweit die Erregung Wellen schlug, weiß ich einmal überlegt, ob es nicht zweckmäßig ist,
nicht; aber das ist auch eine Sache des Gefühls, 100 Millionen DM in vier Jahren für die An-
ob man das so oder so beurteilt — siedlung von 3000 Bauernfamilien zu verwenden.
wurde der Beschluß gefaßt, den Kanzler um Mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit möchte ich
Abhilfe zu bitten. dieses sehr wichtige Thema jetzt aber nicht ver-
tiefen.
Nun, meine Damen und Herren, wie dem auch
sei, wenn es richtig ist, — — Natürlich, die sozialen und wirtschaftlichen
Probleme der Vertriebenen, Flüchtlinge und
(Abg. Samwer: „Wenn"!) Kriegsgeschädigten, die Eingliederung ohne Auf-
— Bitte, der Herr Minister hat die Möglichkeit, schub und alle Maßnahmen, die hier angedeutet
darauf zu antworten. Warum nicht? wurden, sind unerhört wichtig und notwendig.
(Abg. Samwer: Er wird das tun, verlassen Aber im Zusammenhang mit dem Einzelplan 26
Sie sich darauf!) möchte ich in diesem Hause ausnahmsweise nicht
Ich frage in aller Offenheit, und ich sage noch das übliche Vertriebenenproblem diskutieren, wie
mehr: Wenn es richtig ist, daß der Herr Bundes- es meist im Blickfeld der Deutschen liegt. Das
vertriebenenminister ehemaligen führenden Vertriebenenproblem wird etwas vereinfacht, man
Nationalsozialisten, wie ich also höre, ein einfluß- sieht nur das Organisatorische. Ohne Zweifel ge-
reiches Tätigkeitsgebiet zuweist, dann glauben ich hört die Eingliederung, die wirtschaftliche Be-
und meine Freunde, daß der Herr Bundeskanzler friedigung, die Frage der Arbeitsstätten und der
und Außenminister mit Rücksicht auf die Wir- Wohnungen usw. zum Problem Nummer eins. Aber
kungen im Ausland einmal nach dem Rechten man sollte auch der kulturellen Frage Beachtung
schauen sollte. Das ist unsere ernste Auffassung, schenken. Daher begrüße ich es, daß der Einzel-
wenn dem so ist. plan 26 in zwei Titeln die Förderung der
(Sehr richtig! bei der SPD.) kulturellen Bedürfnisse der Vertriebenen mit einer
Summe von 750 000 DM vorsieht. Diese Summe er-
Es tut mir leid, daß der Herr Außenminister nicht scheint sehr groß, ist aber, gemessen an der großen
hier ist. Aber ich würde ihm das sagen, und er Aufgabe, gering. Wir sollten uns auch einmal ein
wird es ja wahrscheinlich auch lesen. bißchen mit der Frage beschäftigen, ob es nicht
Nun, treiben wir jetzt keine weitere Seelen- möglich ist, die schwachen Kulturfundamente der
forschung! Sprechen wir zur Sache selber, wie es Vertriebenen zu stärken. Man wird mir sagen: Es
die Absicht meiner Freunde ist! Ich meine die Sache gibt keine ostdeutsche Kulturbewegung, keine ost-
der Vertriebenen, wirtschaftlich, sozial, politisch deutschen Kulturwerte; wir sehen es im ganzen
und auch kulturell gesehen, soweit man davon deutschen oder abendländischen Rahmen, — alles
reden kann. Herr Minister Oberländer, im Oktober richtig! Ich weiß auch, über das Wort Kultur
des Jahres 1953 hat „Welt" einen Artikel über Ihr werden wir uns heute gar nicht unterhalten, weil
Vierpunkteprogramm, das in zwei Jahren verwirk- wir uns darüber gar nicht einigen könnten; es ist
licht werden soll, veröffentlicht. Das ist über alle ein schillerndes Wort und führt zu immer neuen
Wellen des Äthers gegangen. Ich habe dann der Mißverständnissen.
„Welt" einen Brief geschrieben — der nur teil- Aber gerade zu den Heimatvertriebenen und
weise veröffentlicht wurde — und darin meine auch zur Kenntnis unserer übrigen Landsleute
Zweifel ausgedrückt, daß es möglich sei, dieses möchte ich sagen: Kultur ist eben nicht allein eine
Vierpunkteprogramm allein schon mit Rücksicht Sammlung von, was weiß ich, künstlerischen
auf die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister aus- Werken oder sachlichen Stoffen; meiner Auffassung
gehende verstärkte Tendenz einer Liberalisierung nach und gerade auch von den Vertriebenen sollte
der Wirtschaft zu verwirklichen. Natürlich, Herr Kultur aufgefaßt werden als geistige und schöpfe-
Minister Oberländer: Lagerauflösung! Ja, aber was rische Kraft, und Kulturbestrebungen der Ver-
heißt denn das? Lagerauflösung heißt Neubau von triebenen sollten mit den großen anerkannten
Wohnungen und Schaffung von Arbeitsplätzen. moralischen, sittlichen und ethischen Werten in
(Abg. Samwer: Klar!) Einklang stehen.
— Ich bezweifle das gar nicht, ich habe mir sehr Unlängst hat in Aachen eine Kopernikus-Feier
genau angehört, was die Vorredner und was Herr stattgefunden. Sie war sehr interessant und, ich
Minister Preusker gesagt haben: es wurde gebaut glaube, auch sehr würdevoll. Auf dieser Koper-
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1007
(Reitzner)
nikus-Feier hat ein Mitglied der Regierung, der Das ist eine Aufgabe, die auch im Zusammenhang
Herr Staatssekretär Thedieck, gesprochen. Er mit der Heimat zu sehen ist. Für mich liegt die
hat dort einen Gedanken entwickelt, den man zum Heimat nicht nur zurück, für mich liegt die Heimat
Allgemeingut aller Vertriebenen machen sollte. mehr in der Zukunft. Daher begrüße ich es, daß
Der Herr Staatssekretär hat nämlich die Warnung man den seelischen, psychologischen, kulturellen
vor der Möglichkeit der Selbstüberschätzung aus- Problemen Aufmerksamkeit zuwendet.
gesprochen — wörtlich hat er gesagt: „vor der Die Kulturarbeit sollte erstens Lehre und For-
Mentalität der kulturellen Überlegenheit den sla- schung, zweitens Kunst und drittens Heimat- und
wischen Völkern gegenüber" —, weil das wieder Volkstumspflege umfassen. Wir sollten bei den
als ein neuer geistiger und dann natürlich auch Dingen, die aus dem gleichen Raum, aus dem
sachlicher Imperialismus aufgefaßt werden könnte. gleichen Boden und aus dem gleichen früheren
Das, was der Herr Staatssekretär dort gesagt hat, Klima kommen, ordnen und werten. Wir sollten
ist vollkommen richtig. Seine Rede sollte man auch, Herr Minister, die Arbeit der vielen Ver-
jedem Vertriebenen zu lesen geben. Denn gerade bände ordnen und werten, nicht nach Zahl
für uns Vertriebene aus dem Osten bedeutet Nach- und Geschäftigkeit usw., sondern nach den
barschaft zu den slawischen Völkern eine Ver- Aufgaben und dem sachlichen Inhalt. Daher wun-
pflichtung. Diese Verpflichtung, Rache und Ver- dere ich mich manchmal — ich kenne mich da
geltung abzuschwören und zu einer positiven Ein- vielleicht nicht genau aus —, daß es einen Ost-
stellung zu kommen, ist schon 1950 in Cannstatt deutschen Kulturrat und ein Kulturwerk vertrie-
in der Charta der Vertriebenen ausgesprochen bener Deutscher gibt. Warum kann man das nicht
worden. koordinieren, warum kann man das nicht verein-
Ich glaube daher, man kann aus dem Schicksal fachen? Ich bin gegen jede Regelung und Regle-
und aus der Zertrümmerung und Zerstörung doch mentierung. Kultur kann man nicht anordnen.
positive Werte herausschälen. Ich möchte nur zwei Ich wäre sehr dagegen, wenn der Herr Minister
Beispiele nennen, die zeigen sollen, wie Heimat- oder das Ministerium sich jetzt unterfangen woll-
treue und Heimatbewußtsein mit der Arbeits- ten, Kultur anzuordnen. Das wäre natürlich Wahn-
kollegialität und, sagen wir, mit dem schöpfe- sinn. Aber man kann schon ein bißchen mit ord-
rischen Willen, Kulturwerte zu schaffen, in einer nender Hand seine Meinung sagen. Ich glaube, auf
einheitlichen Synthese zusammenfällt. Ich meine diesem Gebiet ist manches zu machen. Es gibt
die Bamberger Symphoniker. manchmal, verehrte Kollegen aus dem Kreis der
(Sehr gut! in der Mitte.) Heimatvertriebenen, eine Geschäftigkeit unter uns,
Die Bamberger Symphoniker sind vertriebene die gar nicht gut tut. Eine Musikkapelle, die vor
Deutsche aus dem Sudetenland und bildeten - früher Heimatvertriebenen vorbeimarschiert, muß noch
das Prager Symphonie-Orchester. Sie haben unter keine kulturelle Arbeit leisten. Das muß man doch
den erbärmlichsten Lebensbedingungen angefan- auch sehen. Aber alles in allem glaube ich, daß
gen, diesen wundervollen Klangkörper wieder man diese Dinge weiter fördern muß.
aufzubauen. Der Unterstützung der Verbände stehen meine
(Beifall im ganzen Hause.) Freunde positiv gegenüber, soweit die Verbände
Sie arbeiten heute noch unter schwierigeren Ver- eine überparteiliche Haltung einnehmen, sich ihren
hältnissen als ein normaler Klangkörper in echten Aufgaben zuwenden und sich nicht Auf-
Deutschland. Ich kenne genau die Einkommens- gaben zulegen, die ihnen gar nicht zustehen.
stufen des Oboisten in Bamberg und des in Mün-
chen. Aber sie sind beisammengeblieben. Ich möchte schließen. Ich weiß, mancher ist schon
ungeduldig, und andere wollen auch noch reden.
Ich will damit sagen: manchmal macht man sich Mein lieber Freund Bucerius, ich habe noch ein
über die Heimatpflege und über das Heimat- paar Seiten. Seien Sie froh, daß die Zeit so weit
bewußtsein lustig, und wenn man Trachten aus fortgeschritten ist. Man soll hier den Menschen
dem Osten sieht, dann lächelt man. Das sind keine sehen, auch den vertriebenen Menschen als Men
Faschingsscherze von uns. Wir sind der Überzeu- schen und nicht als Ostdeutschen, Sudetenländer
gung, daß aus der Tiefe der Heimat echte Kräfte, oder Batschka-Deutschen, als Menschen, der das
wenn Sie so wollen, abendländische Kräfte ge- Maß der Dinge ist. Wir sollten diesen Menschen
wachsen sind. Die geistigen Quellen der Heimat- beistehen, wo immer wir können, auch in den
vertriebenen sind nicht allein aus dem Ökonomi- Bereichen der Kulturpflege und der Anteilnahme
schen abzuleiten, sondern aus der Erlebnisgemein- an den Kulturwerken. Denn wenn wir diesen
schaft und aus der Tatsache der Vertreibung und Menschen kulturell so beistehen, wie wir es uns
des Verlustes der Heimat. vorstellen, dann machen wir ihn lebenstüchtiger,
(Beifall bei der SPD und bei den und wenn er lebenstüchtiger wird, dann kann er
Regierungsparteien.) seine Aufgabe erfüllen, der ganzen deutschen und
Es kommt darauf an, daß wir diese Kräfte in posi- abendländischen Gemeinschaft und auch seiner
tive Kanäle leiten. Wenn ich meinen Landsmann sozialen Gemeinschaft zu dienen. Ich glaube, das
Josef Mühlberger nehme und seinen „Galgen im ist eine Aufgabe, die wert ist, daß man sie anpackt.
Weinberg" lese, dann sehe ich, daß trotz dieser
furchtbaren Geschehnisse ein Geist der Toleranz (Beifall bei der SPD, dem GB/BHE und
und der wahren Humanität erwächst. Ich glaube, Abgeordneten der CDU/CSU.)
das ist förderungswürdig. Daher sind die
750 000 DM berechtigt. Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat die
Gleichzeitig möchte ich sagen: Die Vertriebenen Abgeordnete Frau Korspeter.
dürfen nicht nur fordern, noch eine Million mehr
und noch eine Million mehr. Die Vertriebenenver- Frau Korspeter (SPD): Herr Präsident! Meine
bände selber und insbesondere die Landsmann- Herren und Damen! Wenn ich im Auftrage meiner
schaften, denen eine große Aufgabe zufällt, müssen Fraktion im Rahmen der Haushaltsdebatte zu dem
selber fördern, nicht nur fordern. Problem der Sowjetzonenflüchtlinge einige Aus-
(Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.) führungen mache, so bin ich mir durchaus bewußt,
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(Frau Korspeter)
wie schwierig und wie kompliziert dieser Fragen- der ganzen Frage hat zu den größten Schwierig-
komplex ist. Es muß aber anerkannt werden, daß keiten bei der Unterbringung der Flüchtlinge ge-
das Problem zwar nicht der Größenordnung nach, führt. Schon seit längerer Zeit konnte nur noch mit
aber wohl in seiner Bedeutung dem Vertriebenen- größter Sorge beobachtet werden, daß die Sowjet-
problem gleichzustellen ist und daß es neben der zonenflüchtlinge in den als Durchgangs- und Ver-
menschlichen und sozialen Seite größte politische teilungsstationen vorgesehenen Lagern oft monate-
Wichtigkeit hat. lang, in manchen Fällen sogar ein Jahr lang haben
Die besonderen Schwierigkeiten gegenüber dem zubringen und auf ihre Verteilung in die Länder
Problem der Heimatvertriebenen liegen darin, daß und in die Gemeinden warten müssen, insbesondere
die Flucht aus der Sowjetzone sich ohne zeitlich er- deshalb, meine Herren und Damen, weil die Bun-
kennbares Ende vollzieht, während die Vertreibung desregierung die versprochenen finanziellen Vor-
und die Flucht der Heimatvertriebenen eine zeit- aussetzungen der wohnraummäßigen Versorgung
lich begrenzte Aktion war. Das erschwert selbst- nicht geschaffen hat. Erschwerend kommt hinzu,
verständlich alle Überlegungen und alle Maßnah- daß diese Durchgangslager, weil sie eben nur dazu
men, die zur Einfügung der Sowjetzonenflüchtlinge vorgesehen waren, die Flüchtlinge kurze Zeit auf-
in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zunehmen, in sehr vielen Fällen als völlig unzu-
in der Bundesrepublik getroffen werden. Wir haben reichend sowohl in baulicher als auch in hygie-
uns aber zu fragen, ob wirklich alles getan wurde, nischer Beziehung bezeichnet werden müssen und
der Lage der Sowjetzonenflüchtlinge immer gerecht daß leider — das haben wir des öfteren feststellen
zu werden. müssen — sehr oft die Lagerleitung es an dem not-
wendigen Verständnis für die Sowjetzonenflücht-
Zur Klarstellung unserer Haltung zu diesem Pro- linge hat fehlen lassen.
blem möchte ich vorweg sagen, daß auch wir eine
Entvölkerung der Zone nicht wünschen und auch Sie werden mir zugeben müssen, meine Damen
nicht gutheißen würden, daß auch wir fragen, ob und Herren, daß es kaum möglich ist, Menschen von
das Verlassen der Zone und damit des Heimat- und der Demokratie zu überzeugen, wenn man sie
Wohnortes auf jeden Fall eine zwingende Notwen- monatelang in einem früheren Konzentrationslager,
digkeit war. Bei der Beurteilung der Fluchtgründe weitab von jeder Verkehrsmöglichkeit, wo sich auf
darf aber von uns niemals vergessen werden, daß den Mauern noch die Stacheldrähte und die Isola-
bereits jeder, der mit dem Ziel des Systems drüben toren aus der früheren Zweckbestimmung des
nicht einverstanden ist, allein schon durch diese Lagers her befinden,
Tatsache in eine bedenkliche Lage gerät und daß es (Hört! Hört! bei der SPD)
bei den Flüchtlingen um die Folgen und Opfer unterbringt und auf ihre Eingliederung monate-
außerhalb unseres Einflusses liegender politischer lang warten läßt.
Entwicklungen geht. (Hört! Hört! bei der SPD.)
Hinzu kommt auch noch, daß es, von uns aus ge- Da ist es nur zu natürlich, daß sich aus der Un-
sehen, und zwar vom sicheren Hafen des Rechts- sicherheit ihrer Existenz und aus dem monatelan-
staates her, sehr schwer ist, den Unterschied gen Wartenmüssen Spannungen ergeben, die man-
zwischen berechtigter und unberechtigter Flucht chem Flüchtling die Wertung des Menschen auch
eindeutig zu klären. bei uns hier im Westen als sehr fraglich erscheinen
(Sehr gut! bei der SPD.) läßt.
Alle diejenigen, die sich mit diesen Fragen beschäf- Ich finde es auch beschämend, dem Hohen Hause
tigt haben, wissen, welches Maß an Verbitterung sagen zu müssen, daß in solchen Lagern der west-
sich bei vielen Flüchtlingen angesammelt hat, weil deutschen Bundesrepublik Kämpfer des 17. Juni
sie bei der Beurteilung der Fluchtgründe im Not- monatelang auf ihre Eingliederung warten müssen,
aufnahmeverfahren das erwartete Verständnis für (Hört! Hört! bei der SPD)
ihre Lage in vielen Fällen nicht spüren konnten.
und ich gestatte mir die Frage, Herr Minister Ober-
Wir müssen zugeben, daß die Merkmale, nach länder: Was haben Sie getan, welche Anregung
denen der Tatbestand einer Flucht überprüft wird, haben Sie an die Länder gegeben, um den Men-
im Einzelfall immer problematisch sein werden, schen, die für die Freiheit ihr Leben aufs Spiel ge-
weil das Schwergewicht auf der Ermessensbeur- setzt haben, hier bei uns im Westen eine Heimat in
teilung liegt. Gewiß, es geht über menschliches Ver- Freiheit zu schaffen und zu sichern?
mögen, der großen Zahl der Flüchtlinge in allen
Punkten gerecht zu werden. Wir dürfen aber nie- (Beifall bei der SPD.)
mals vergessen, daß sie als Opfer des Regimes An- Im Vordergrund aller Überlegungen muß der
spruch auf unsere Hilfe haben, Wille stehen, den Lageraufenhalt so weit wie mög-
(Sehr richtig! bei der SPD) lich und für so viele wie möglich zu verkürzen.
Diese Überlegungen müssen aus der besonderen
daß sie Flüchtlinge sind im eigenen Lande und daß Aufgabe heraus — selbstverständlich ohne die Prio-
wir alle zum gleichen Deutschland gehören. ritätsrechte der Vertriebenen und Evakuierten zu
(Beifall bei der SPD.) verletzen — dahin gehen, daß das weitere Anwach-
Das Bundesvertriebenengesetz, auf das die Sowjet- sen der Flüchtlingslager samt ihren seelischen,
zonenflüchtlinge so große Hoffnungen setzten, hat moralischen und wirtschaftlichen Folgen möglichst
in vielen Teilen enttäuscht, wenn auch anerkannt verhindert wird.
werden muß — darum haben wir uns in diesem Es würde sich unserer Meinung nach auch von
Hause ja alle bemüht —, daß im Hinblick auf die seiten des Bundeshaushalts lohnen, hierbei voraus-
besondere Zwangslage nunmehr auch der Begriff schauender zu handeln. Man denke an die ständig
„Sowjetzonenflüchtling" ausgeweitet wurde. wachsenden Kosten für die Verwaltung der Lager,
(Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt für die Errichtung neuer Lager, für die Verpfle-
wieder den Vorsitz.) gung und Betreuung der Lagerinsassen und für die
Das Anwachsen der Flüchtlingszahlen im vergan- Zahlung von Arbeitslosenunterstützung.
genen Jahr und die dadurch zunehmende Schwere (Sehr gut! bei der SPD.)
2. Deutscher Bundestag - 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1009
(Frau Korspeter)
Es ist außerdem tief bedauerlich, daß sich erneut Noch eine andere Frage bedarf unserer Ansicht
die größten Schwierigkeiten für die Unterbringung nach einer neuen Regelung. Die mit dem Flücht-
der Flüchtlinge ergeben haben, weil der Bund lingsausweis C ausgestatteten, also politisch aner-
seinen Versprechungen im Hinblick auf die weitere kannten Flüchtlinge bedürfen bei der Inanspruch-
Zurverfügungstellung von Wohnungsbaumitteln nahme des Härtefonds aus dem Lastenausgleich der
nicht nachgekommen ist, Prüfung der Hilfsbedürftigkeit. Auch hier handelt
(Hört! Hört! bei der SPD) es sich erneut um Ermessensfragen. Wir sind der
Meinung, daß Ermessensfragen so weit wie möglich
und daß sich daraus sogar für das Land Nordrhein eingeschränkt werden sollen, um das Schicksal
Westfalen, das nach dem Verteilungsschlüssel auf eines einzelnen nicht vom bürokratischen Ermes-
Grund seiner wirtschaftlichen Kapazität die größte sen, das — wir wissen es alle — oft engherzig ge-
Zahl der Flüchtlinge aufnehmen muß, die Hand- handhabt wird, abhängig zu machen. Viele Flücht-
habe zur Ablehnung weiterer Flüchtlinge ergeben linge haben die Erfahrung gemacht, daß die Be-
hat.
hörden sehr gern bereit sind, die Bestimmungen
(Erneute Hört! Hört!-Rufe bei der SPD.) bei Ermessensfragen zuungunsten der Flüchtlinge
Wir haben in dieser Situation, Herr Minister auszulegen, um fiskalischen Interessen den Vorrang
Oberländer, Ihre Aktivität vermißt. zu geben. Das ist eine sehr schlechte Praxis, wenn
(Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!) es sich um anerkannte politische Flüchtlinge handelt.
Das zuständige Ministerium sollte sich daher ein-
Wir meinen, Sie hätten Ihr Verständnis für die mal überlegen, welche Möglichkeiten für eine
Sowjetzonenflüchtlinge unter Beweis stellen kön- bessere Lösung dieses Problems vorgeschlagen wer-
nen, wenn Sie sich mit der größten Energie für die den könnten, um den Belangen der Flüchtlinge ge-
Weiterzahlung der Wohnungsbaumittel eingesetzt
hätten. recht zu werden.
(Abg. Samwer: Noch ein bißchen Wahlspeck!) Wir haben bei der Verabschiedung des Lasten-
Wir haben — ich muß es sagen — in der Öffent- ausgleichsgesetzes schon einmal eine Entschließung
lichkeit nichts davon gehört. Aber vielleicht können eingebracht, die vom Hohen Hause einstimmig an-
wir von Ihnen, Herr Minister Oberländer, erfahren, genommen wurde und die an die Bundesregierung
welche Anstrengungen Sie im Kabinett in dieser die Forderung richtete, einen Gesetzentwurf vor-
Frage unternommen haben. Jedenfalls scheint es zulegen, nach dem den politischen Flüchtlingen aus
uns unerläßlich zu sein, daß den Ländern diese der Sowjetzone Leistungen zu gewähren sind, die
Mittel sofort wieder zur Verfügung gestellt wer- unter Berücksichtigung der besonderen Lage dieser
den, damit sich auch für Berlin nicht noch -einmal Flüchtlinge den Leistungen des Lastenausgleichs-
dieselben Schwierigkeiten ergeben, wie wir sie im gesetzes entsprechen sollen. Diesem Ersuchen ist
vergangenen Jahr erlebt haben. die Bundesregierung niemals nachgekommen. Aus
diesem Grunde erwarten wir nun von Ihnen, Herr
Wir beobachten auch mit größter Sorge die Minister Oberländer, Vorschläge, die dem Verlan-
augenblicklichen Überlegungen, die im Hinblick auf gen nach einer besseren Regelung Rechnung tragen.
die Betreuung der Sowjetzonenflüchtlinge von den Dabei möchte ich noch einmal betonen, daß wir
Bundesministerien und den Ländern angestellt selbstverständlich alles vermeiden müssen, um
werden. Selbstverständlich sind auch wir der etwa Fronten hie Sowjetzonenflüchtlinge, hie Ver
Meinung, daß solchen Flüchtlingen, die einer poli- triebene, hie Einheimische aufzureißen. Das würde
tischen Gefährdung ausgesetzt waren, ein erhöhtes der Sache nicht dienen. Aber wir sollten nicht ver-
Maß an Fürsorge und sozialer Betreuung zuge- gessen, daß wir alle zusammen Deutsche sind, die
sichert werden muß. Aber wir können aus dieser gegenseitiger Hilfe und Solidarität bedürfen. Auch
Bejahung einer verstärkten Fürsorge für einen Teil wir, meine Herren und Damen, sind der Meinung,
der Flüchtlinge nicht schlußfolgern, daß man dem daß wir nur schwer in der Lage sind, dieses Pro-
andern Teil nur eine unzulängliche oder überhaupt blem allein zu lösen, und daß wir auch die Hilfe
gar keine Fürsorge zuteil werden läßt, ja daß des Auslands erwarten könnten, da es sich nicht
man unter Umständen die soziale Belastung auf die nur um ein deutsches Problem, sondern um ein all-
Gemeinden abzuschieben versucht. Wir haben noch gemein politisches, weit über die Grenzen Deutsch-
in schlechter Erinnerung, daß Herr Bundesfinanz- lands hinausgehendes Problem handelt. Aber ehe
minister Schäffer im ersten Bundestag schon ein- wir an die Hilfe des Auslands appellieren, muß
mal den Versuch unternehmen wollte, die Beteili- von uns alles, was wir aus eigener Kraft tun kön-
gung des Bundes an dieser Kriegsfolgelast von 85 % nen, getan sein.
auf 50 % zu beschränken.
(Hört! Hört! bei der SPD.) Zum Schluß lassen Sie mich noch folgendes sagen.
Wir sollen und dürfen in der Beurteilung dieses
Eine weitere Beunruhigung in den Kreisen der Problems uns niemals davon leiten lassen, daß die
Sowjetzonenflüchtlinge liegt an der verzögerten Menschen, die zu uns herüberkommen, als ein so-
Ausstellung des Flüchtlingsausweises C, der für die zialer Ballast betrachtet werden. Wir müssen
Inanspruchnahme des Härtefonds unerläßlich und immer daran denken, daß sie Deutsche sind, die
damit für eine Existenzeingliederung notwendigste nach 1945, als wir uns hier schon wieder einrichten
Voraussetzung ist. konnten, noch einer zusätzlichen starken politischen
(Abg. Samwer: Wenden Sie sich an die Belastung ausgesetzt waren, und daß sie deshalb
SPD-Stadtväter!) unserer Hilfe und unserer Solidarität bedürfen.
Wir wissen zwar, daß die Länder in erster Linie Deshalb müssen alle Maßnahmen, die zur Lösung
für die Ausstellung der Ausweise zuständig sind. dieses Problems ergriffen werden, von diesem
Wir wissen auch, daß es sehr schwer ist, Einfluß Gesichtspunkt her getroffen werden.
auf die Praxis der Länder zu nehmen. Trotzdem
aber sind wir der Meinung, daß Sie, Herr Minister (Beifall bei der SPD.)
Oberländer, sich im Interesse der Sowjetzonen-
flüchtlinge früher und stärker für ein beschleunig- Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab-
tes Verfahren hätten einsetzen sollen. geordnete Kuntscher.
1010 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Kuntscher (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine ich hinweisen: wie groß eigentlich das aus dem
Damen und Herren! Zu den Ausführungen meiner Osten herübergekommene Kulturgut ist. Ich weise
beiden Vorredner will ich nicht grundsätzlich auf die Bamberger Symphoniker, die Sudeten-
Stellung nehmen, denn ich glaube, der Herr Mi- deutschen Symphoniker hin, die vorige Woche aus
nister, der hier angesprochen wurde, wird zu den den USA zurückgekommen sind und die unerhörte
einzelnen Punkten selber etwas zu sagen haben. Erfolge in Mexiko, in New York, in Washington,
Nur eine Antwort möchte ich dem Kollegen auf Kuba usw. erzielt haben. Die Förderung dieser
Reitzner geben: Selbstverständlich wurde in der Menschen, die hier in den bescheidensten Verhält-
CDU-Fraktion über Personalangelegenheiten im nissen leben, ist eine Kulturaufgabe, die wir dem
Vertriebenenministerium gesprochen, die uns Sorge deutschen Osten schuldig sind.
bereiten. Aber ich glaube, das wird auch in den (Zustimmung in der Mitte.)
anderen Fraktionen so sein. Das ist ja nur eine Unser echtes Ansuchen an den Herrn Bundes-
Handhabung nach demokratischen Spielregeln. minister ist, daß aus diesen beiden Positionen,
Nun einige Worte zum Einzelplan 26! Der Herr also aus den zur Förderung den Organisationen
Berichterstatter hat in seinen Ausführungen das und Verbänden, die der Eingliederung dienen,
zahlenmäßige Bild des Haushaltsplans 26 ein- bereitgestellten Mitteln sowie aus den Mitteln, die
gehend erörtert. Aber in der Zeit zwischen der der Erhaltung des kulturellen Heimatgutes dienen
Aufstellung des Haushaltsplans für das Rechnungs- sollen, auch alle Vertriebenenorganisationen be-
jahr 1954, der ersten Beratung, den abschließen- dacht werden, die sich ernsthaft mit diesen Auf-
den Ausschußberatungen und nun den Beratungen gaben beschäftigen. Denn alle diese Organisationen
in zweiter und dritter Lesung hat sich durch die haben auch Verbandsverpflichtungen zu erfüllen.
Ausweitung des Bundesvertriebenenministeriums Sie haben daher nach meiner Auffassung auch aus
eine wesentliche Änderung ergeben, die bedau- der ersten Position einen bestimmten Betrag zu
erlicherweise haushaltsmäßig im vorliegenden erhalten.
Einzelplan 26 nicht zum Ausdruck kommt. Erfreulich ist weiter die Bereitstellung von
Im wesentlichen gliedert sich der Haushalts- 3 555 000 DM im Einzelplan 26 und, einem Nach-
plan 26 in zwei Aufgabengebiete: 1. in die Be- tragsbeschluß entsprechend, von weiteren 950 000
treuung der Vertriebenen mit den entstehenden DM in Tit. 305 für die Erfüllung von Such-
Personal- und Sachkosten und den Sonderaufgaben dienstaufgaben und für die dokumentarische Er-
und 2. in die Aufgaben, die sich aus dem Auf- fassung der deutschen Kriegsgefangenen, der
nahmeverfahren für unsere Schicksalgenossen aus Wehrmachtvermißten, der Zivilverschleppten, der
der Sowjetzone, die dem dortigen politischen Druck Zivilgefangenen und der vermißten Heimatver-
weichen müssen, ergeben. Beim Vergleich der ein- triebenen. Bei Gelegenheit der Besprechung dieser
zelnen Ansätze im Haushaltsplan finden wir eine Position ersuchen wir den Herrn Bundesminister,
Reihe von Etatposten, die in diesem Jahr wesent- er möge den immer mehr und immer wieder auf-
liche und beachtliche Erhöhungen ausweisen, was tauchenden Bestrebungen, die eine Verlagerung
wir gern anerkennen. der Aufgaben dieser karitativen Suchdienste an-
Wir können aber nicht umhin, zu einigen Posi- streben, widerstehen. Es gibt nämlich — um es
tionen doch unsere Anliegen und unsere Sorgen ganz klar auszusprechen — eine ganze Reihe von
vorzutragen. Wir begrüßen es z. B., daß die An- Verbänden, die heute, nachdem dieser Suchdienst
sätze in Kap. 2601 Tit. 301 erstens zur Betreuung von diesen Stellen in jahrelanger, mühseliger
von Organisationen und Verbänden, die der Ein- Arbeit aufgebaut worden ist, das gesamte Material,
gliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge die gesamte Suchkartei für sich beanspruchen, um
dienen, sowie zweitens zur Erhaltung und Aus- selbst die Arbeit weiterzuführen. Ein Nachgeben
wertung des kulturellen Heimaterbes der Heimat- auf diesem Gebiet wäre ein unverzeihliches Un-
vertriebenen und zur Förderung der kulturellen recht; denn diese Suchdienste nahmen ihre müh-
Bestrebungen der Flüchtlinge erhöht wurden. Diese selige Arbeit auf, als noch keine staatlichen Stellen
Erhöhung kommt erst richtig zum Ausdruck, wenn vorhanden waren, als noch keine Verbände sich um
man sich einmal die Zahlengrößen für diese beiden diese mühevolle Arbeit bemühten, als auch noch
Zwecke aus den vergangenen Jahren ansieht. Im nichts aus öffentlichen Mitteln gegeben wurde und
Jahre 1951 betrugen die Leistungen im Rahmen keine Zuschüsse zur Durchführung dieser müh-
dieser beiden Titel 600 000 DM. 1952 sind diese samen und schwierigen Arbeit zu erhalten waren.
Leistungen auf 750 000 DM gestiegen, im Haus- Die Menschen, die sich bereits in der zweiten Hälfte
haltsplan 1953 waren 900 000 DM vorgesehen, und des Jahres 1945 aus reinem Idealismus und aus
für das Jahr 1954 weist der Haushaltsplan 1 Mil- wahrer Nächstenliebe für diesen Dienst zur Ver-
lion DM an Mitteln aus. Von dieser 1 Million DM fügung gestellt haben, wurden zu echten Ver-
sind 250 000 DM für die Betreuung von Organi- mittlern und sind es bis heute geblieben, da sie
sationen und Verbänden und 750 000 DM für die Hunderttausende von Familien zusammenführten
Erhaltung des kulturellen Heimatgutes vorgesehen. und Hunderttausenden ihre Hand reichten, um
Die Steigerung innerhalb dieser vier Jahre für ihnen zu helfen, ihre Bekannten und Verwandten
diese beiden Positionen ist beachtlich. Aber ich zu finden. Leider Gottes sind die Aufgaben, die
glaube, wir können in Anbetracht der Wichtigkeit diese Suchdienststellen zu erfüllen haben, noch
der Erhaltung des kulturellen Heimatgutes doch lange nicht restlos gelöst.
noch nicht sagen, daß die bereitgestellten Beträge Nun ein ernstes Wort zu dem zweiten Aufgaben-
ausreichend sind. gebiet, das im Einzelplan 26 angesprochen wird.
Sie haben aus den Ausführungen des Kollegen Ich meine die Notaufnahmelager, das Aufnahme-
Reitzner unsere kulturellen Anliegen, die für verfahren und die Arbeitsbedingungen des Per-
die Heimatvertriebenen in der Gesamtheit die sonals in den Notaufnahmelagern und im Not-
gleichen sind, gehört und sicher auch zur Kennt- aufnahmeverfahren. Laut Einzelplan 26 des Haus-
nis genommen. Ich will zu diesem Punkt keine haltsplans sind 515 Angestellte und 7 Arbeiter in
allzu langen Ausführungen machen; denn wir diesen Aufnahmelägern im Aufnahmeverfahren
stehen ja unter Zeitdruck. Nur auf eines möchte beschäftigt. Infolge des verstärkten Zustroms von
2. Deutscher Bundestag - 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1011
(Kuntscher)
Flüchtlingen mußten die Stellen wesentlich ver- schädigten noch sehr vieles zu ordnen, noch sehr
mehrt werden. vieles in der Gesetzgebung zu verbessern. Auch da
Bedauerlicherweise ist im Haushaltsplan keine wollen wir unsere Mitarbeit nicht versagen. Doch
Aufschlüsselung des Personalstandes auf die ein- eines bedrückt uns, wenn wir die Entwicklung in
zelnen Läger enthalten. Diese Aufschlüsselung der letzten Zeit verfolgen. Wir befürchten, Herr
wäre auch für uns sehr wünschenswert, die wir ja Minister, daß zu große Änderungen in der Refe-
Woche für Woche mit einzelnen dieser Läger, ihren ratsverteilung Ihres Hauses der gemeinsamen, von
Aufgaben und ihren Anliegen in Berührung uns angestrebten Sache nicht dienen.
kommen. (Aha-Rufe beim GB/BHE.)
Alle im Aufnahmeverfahren Beschäftigten stehen Es erfüllt uns mit Besorgnis, wenn hierbei Beamte,
im Angestelltenverhältnis. Ein großer Teil dieser die sich bisher auf einzelnen Sachgebieten bewährt
Angestellten ist nur auf Zeit ohne besondere Kün- haben, die wir bei der Erarbeitung und Beratung
digungsfrist oder mit nur ganz kurzer Laufzeit der einzelnen grundlegenden Gesetze auf dem Ver-
eingestellt. Jedem Kenner der Verhältnisse ist triebenensektor in der ersten Legislaturperiode als
ohne weiteres klar, daß der Arbeitsanfall im Auf- Fachleute schätzen gelernt haben, heute von ihren
nahmeverfahren Schwankungen unterworfen ist, Fachreferaten abgelöst werden.
die im engsten Zusammenhang mit dem jeweiligen (Hört! Hört! in der Mitte.)
politischen Kurs in der Sowjetzone stehen. Der
Ausgang der Berliner Konferenz wird aber be- Der Herr Bundeskanzler hat vorgestern hier ge-
dauerlicherweise den Fortbestand des Aufnahme- sagt, man solle während des Rennens nicht die
verfahrens und das Weiterbestehen dieser Dienst- Pferde wechseln. Ich glaube, daß man auch bei der
stellen auf unabsehbare Zeit notwendig machen. Durchführung der Eingliederung der Heimatver-
triebenen und bei der nunmehr intensiver anlau-
Wir erachten es daher als dringendst geboten, fenden Arbeit bewährte Fachkräfte nicht beiseite
daß diesen auf Zeitarbeitsvertrag Angestellten auch stellen sollte,
Kündigungsfristen zugestanden werden, damit die
bestehende Unsicherheit behoben wird, die auch (Sehr richtig! in der Mitte)
auf die Arbeitsmoral nicht ohne Einfluß bleibt. sondern, daß man die Arbeit dieser Fachkräfte
Beim heutigen Zustand ist es bedauerlicherweise weiter ausnützen müßte.
vielfach so, daß die Betroffenen am 28. oder 29. (Beifall bei der CDU/CSU.)
eines ablaufenden Monats nicht wissen, ob sie am Zum Schluß der Wunsch meiner Freunde, der
1. des kommenden Monats weiterbeschäftigt wer- auch der meine ist
den. Es ist auf die Dauer gesehen ein untragbarer
-
Zustand, daß Dienststellen der öffentlichen Hand (Abg. Albers: Und der Fraktion!)
eine solche unsoziale Haltung einnehmen. und der der Fraktion ist: Herr Minister, wir wün-
Und noch ein letztes Anliegen. Herr Bundesmi- schen sehnlichst, daß der menschliche Kontakt und
nister, Sie haben in den letzten Wochen sehr oft, das gute persönliche Verhältnis, die zwischen
sehr eindringlich und sehr klar in der Öffentlich- Ihrem Vorgänger im Vertriebenenministerium, den
keit Ihre Pläne entwickelt, und Sie haben gewiß Vertriebenenabgeordneten und der Gefolgschaft
bei sehr vielen Schicksalsgenossen starke Hoffnun- Ihres Hauses
gen erweckt. Wir werden Sie bei Ihren Bemühun- (Zuruf von der SPD: Belegschaft!)
gen um die Eingliederung und um die soziale Be- bestariden haben, erhalten bleiben. Die Entschei-
friedung bestimmt unterstützen. Wir nehmen mit dung liegt bei Ihnen.
Genugtuung zur Kenntnis, daß diese Pläne, die Sie (Beifall in der Mitte und rechts.)
entwickelt haben, aufgestellt werden können. Daß
die Aufstellung dieser Pläne möglich ist, beweist, Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
daß in der ersten Legislaturperiode dieses Bundes- ich habe den Eindruck, daß nach 9 Stunden die
tages die gesetzlichen Maßnahmen geschaffen wur- Aufnahmefähigkeit gelegentlich zu leiden beginnt
den, die die Grundlage und die Voraussetzung für Wenn ein Abgeordneter den Wunsch haben sollte,
diese Planungen sind. seine Rede, um sie der Geschichte zu erhalten,
(Beifall bei der CDU/CSU.) nicht zu halten, sondern zu Protokoll zu geben, bin
Die gesetzgeberische Arbeit, die auf diesem Gebiet ich bereit, sie anzunehmen.
geleistet wurde, war doch nicht so schlecht, wie (Heiterkeit und Beifall. — Zurufe.)
man sie oft in der Öffentlichkeit hingestellt hat. Das Wort hat der Abgeordnete Rehs. — Das wird
(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.) natürlich ohne jede Nötigung für die nach-
folgenden Redner gesagt.
Wäre bei dieser Arbeit und bei diesen gesetzge- (Abg. Dr. Keller: Das scheint für die vor
berischen Maßnahmen nur Unkraut gesät worden, hergegangenen bestimmt gewesen zu
dann wäre heute kein Mensch in der Lage, aus sein! — Abg. Schoettle: Kommt diese An
dieser Saat irgendwelche Früchte zu ernten. Wir regung nicht post festum?)
kommen vorwärts auf dem Gebiet der gewerb-
lichen, der industriellen und der landwirtschaft-
lichen Eingliederung, auf dem der Arbeitsplatz- und Rehs (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Wohnraumbeschaffung. Die Mittel aus dem Lasten- Herren! Es kommt mir nicht darauf an, daß meine
ausgleich fließen in verstärktem Maße. Die Außen- Worte der Geschichte erhalten werden, sondern
politik, soweit sie auch unsere alte Heimat be- daß sie heute an dieses Haus gelangen.
trifft, wollen wir aber vertrauensvoll unserem Der Einzelplan 26 ist nicht nur wegen seiner
Außenminister und Bundeskanzler überlassen. Größenordnung im Hinblick auf die Haushaltspläne
der eigentlichen Fachressorts bemerkenswert. In
(Beifall bei der CDU/CSU.) dieser Hinsicht könnte sich, wer Zitate liebt, an das
Es ist sicher im Rahmen des gesamten Ver- Gedicht Goethes über seinen Großherzog erinnert
triebenenproblems, des Problems unserer Sowjet- fühlen — man braucht ja die Assoziation nicht
zonenflüchtlinge und auch der Kriegssachge gleich auf den Herrn Vertriebenenminister persön-
I 012 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Rehs)
lich auszudehnen —: „Klein ist unter den Fürsten Änderung der Überschrift des Ministeriums und
Germaniens freilich der meine". dieses Einzelplans geflissentlich dazu benutzt wird,
Das entscheidende Charakteristikum dieses Ein- den Eindruck zu erzeugen, als ob das schon eine
zelplans ist die Diskrepanz zwischen den Vorstel- Änderung der Regierungspolitik bedeutete. Wir
lungen der Bevölkerung, der betroffenen Perso- wollen uns auch nicht mitschuldig machen an den
nengruppen von dem hinter diesem Plan stehen- erneuten falschen Vorstellungen, Herr Minister
den Ministerium und seiner sachlichen und ma- Oberländer, die aus der eifrigen Verkündung aller
teriellen Reichweite. möglichen Zwei- oder Mehrjahrespläne entstehen
müssen, wenn Sie nicht gleichzeitig verbindlich,
Seit dem 1. April darf sich das Ministerium laut namens und im Auftrage der für die Mittel zustän-
Kabinettsbeschluß ,,Bundesministerium für Vertrie- digen Ressortminister, beim Wohnungsbau des
bene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte" nennen. Herrn Wohnungsbauministers, bei der Arbeitsplatz-
Damit ist der Eindruck geschaffen, als ob eine beschaffung des Herrn Arbeitsministers und in-
Kompetenzerweiterung eingetreten sei. Die Presse sonderheit des Herrn Finanzministers, erklären
und die Korrespondenzen haben diesen Ausdruck können, daß und wie die finanzielle Durchführung
verwandt. Erweiterung welcher Kompetenzen? effektiv garantiert ist.
Der Kompetenz wozu? Die schwer getroffenen Menschen, . die hinter
An der mit geringen Ausnahmen auf inspirative allen diesen Problemen stehen, verdienen es nicht,
Aufgaben beschränkten Natur dieses Ministeriums daß durch das Publikationsfeuer bloßer Pläne, Ver-
hat sich nach dem bisher Ersichtlichen nichts ge- lautbarungen und Reden erneut Hoffnungen ent-
ändert. Aus dem vorliegenden Haushaltsplan ist zündet werden, die von Ihnen, Herr Minister, mit
jedenfalls nicht zu ersehen, daß über diese Struk- Ihrem eigenen Haushalt nicht erfüllt werden kön-
tur hinaus die mit soviel Aufwand betriebene und nen und die eitel Papier sind, solange die finan-
publizierte Kompetenzerweiterung eine echte, ziellen Mittel von den tatsächlich dafür Zuständi-
effektive Zuständigkeitserweiterung bedeutet, wenn gen nicht bewilligt sind und nicht bereitstehen.
man darunter auch die Möglichkeit zur Durchführung Es geht hierbei um den Wahrheitsgehalt politi-
der damit verbundenen sachlichen Aufgaben ver- scher Erklärungen. Auf ihm beruht die Demokratie.
steht, d. h. die tatsächliche Verfügungsberechtigung Gewisse Methoden der Spekulation auf die Ver-
über die zur Durchführung erforderlichen Aus- geßlichkeit sind schon in Wahlzeiten schlecht.
gaben. Bis auf die Tit. 304 und 305 — Unter- Ministerworte oder -reden sollten sich nicht dem
stützung der Kriegsgefangenen- und Suchdienst- Verdacht preisgeben, mehr scheinen zu wollen oder
aufgaben — enthält nämlich der Einzelplan 26 geben zu können, als der Realität entspricht.
-
nach wie vor keine Mittel zur materiellen Behand-
lung der nach der anspruchsvollen Überschrift Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die
dieses Ministeriums nun erweitert aufgerufenen Situation in wenigen Sätzen nur an zwei Dingen
Probleme. deutlich machen. Nach den Ankündigungen des
Herrn Bundesvertriebenenministers soll noch in
Das gilt sowohl für die Problemgruppe der Ver- diesem Jahre der sogenannte zweite Abschnitt des
triebenen als auch der Flüchtlinge und der Kriegs- dritten Umsiedlungsprogramms und damit die Um-
geschädigten. Das gilt für die von meinem Frak- siedlung weiterer 150 000 Vertriebener und Flücht-
tionsfreund Reitzner bereits gestreifte Frage der linge und die Rückführung von 15 000 Evakuierten
ländlichen Siedlung wie die von Frau Kollegin aus den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen
Korspeter bereits eingehend behandelte Frage des und Bayern in die übrigen Bundesländer durch-
Wohnungsbaues für die Sowjetzonenflüchtlinge. geführt werden. Die Durchführung dieses Pro-
Das gilt ebenso für die Frage der Umsiedlung und grammteiles erfordert aber nicht nur die Bereit-
der Lagerräumung wie für die Rückführung der stellung von 350 Millionen DM durch den Bund,
Evakuierten. Es gilt insbesondere für die Frage sondern zugleich die Fertigstellung der mit diesen
der Voraussetzungen zur Lösung dieser den deut- Mitteln zu bauenden und für die Unterbringung der
schen Westen sachlich auf das schwerste bedrük- Umsiedler benötigten rund 43 000 Wohnungen.
kenden, aber auch moralisch belastenden Kom- Vom Zeitpunkt der Mittelbewilligung an gerechnet,
plexe. Fast in allen diesen Fragen werden ebenso werden mindestens sechs bis neun Monate für die
wie früher die Mittel in anderen Ministerien ver- Verplanung der Mittel, die Erteilung der Bau-
waltet. bewilligungen und die Komplementierung der
Meine Damen und Herren, der persönlich ehren- Mittel und mindestens weitere sechs bis neun
werte frühere Bundesvertriebenenminister ist Monate für die reine Bauzeit gebraucht werden.
durch diesen Tatbestand, der seinen guten Willen Das bedeutet, daß die besagten 350 Millionen DM
zum Gefangenen fremder Entscheidungen machte spätestens im Herbst 1953 zur Verplanung durch
— ein symptomatischer Ausdruck der Regierungs- die Länder hätten verfügbar sein müssen, wenn die
politik —, zu einer tragischen Figur geworden. Ankündigung des Herrn Bundesvertriebenen
Dieser Vorgang ist aber auch das Symbol für die ministers eine reale Grundlage hätte haben sollen.
Tragik, die sich bei diesen deutschen Schicksals- Nichts von alledem! Nicht nur, daß die aus
und Nachkriegsproblemen aus der Diskrepanz Wohnraumhilfemitteln 1954 und aus Bundeshaus-
zwischen Vorstellung und Realität ergeben hat, der haltsmitteln 1954 und 1955 für dieses Programm
Vorstellungen nämlich, die durch die Hoffnungen verfügbaren bzw. in Aussicht genommenen
erweckende Einrichtung und den Namen dieses 150 Millionen DM den Aufnahmeländern bis heute
Ministeriums bei den betroffenen Menschen her- noch nicht zugeteilt sind, ist über die Bereitstellung
vorgerufen worden sind, und der Realität der Zu- der restlichen 200 Millionen DM bis heute über-
ständigkeiten für die Mittel und ihre Verwendung. haupt noch nicht entschieden. Zumindest ist weder
Das offizielle Schweigen, das sich hierüber bereitet, über die Auflegung der mit Beschluß des Bundes-
ändert an diesem Tatbestand nichts. tages schon vom 16. Mai 1952 in dieser Höhe ver-
Wir wollen daher nicht, daß sich das traurige langten Umsiedlungsanleihe noch über eine ander-
Spiel von Hoffnung und Enttäuschung wiederholt. weitige Bereitstellung dieser Mittel etwas bekannt-
Wir wollen nicht, daß die praktisch substanzlose geworden.
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1013
(Rehs)
Mit dieser Tatsache mag auch in Zusammenhang Schneider (Hamburg) (CDU/CSU): Herr Präsi-
stehen, daß die für den zweiten Abschnitt des dent! Meine Damen und Herren! Eingangs der De-
dritten Umsiedlungsprogramms erforderliche Ver- batte sind zu dem Thema, über das jetzt gesprochen
ordnung bis heute noch nicht erlassen ist. Dabei wird, einige Zahlen genannt worden, oder wenn
scheint es weder die Bundesregierung noch den nicht, dann hat man die Entwicklung so darge-
Herrn Bundesvertriebenenminister zu stören, daß stellt, als nähme der Flüchtlingsstrom aus der so-
§ 31 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes die wjetischen Zone dauernd zu. Das ist nun Gott sei
Bundesregierung zum Erlaß einer entsprechenden Dank nicht der Fall. Dieses Tröstliche zu sagen,
Umsiedlungsverordnung bis zum 30. September wollte ich Gelegenheit genommen haben. Es ist
1953 verpflichtete. Aber selbst dann, wenn die für nur eine Verlagerung des Notaufnahmeverfahrens
die Durchführung dieses Programms erforderlichen von den Ländern auf den Bund zu verzeichnen.
rund 350 Millionen DM heute für die Länder ver- Wenn Sie die Zahlen von 1949 bis heute ver-
fügbar sein würden, würde bei dem angegebenen gleichen — ich will Sie mit diesen Zahlen nicht
Zeitbedarf mit der vom Herrn Bundesvertriebenen langweilen —, werden Sie finden, daß eine gewisse
minister laut Bulletin vom 6. März 1954 — wört- Konstante eingetreten ist, mit der Einschränkung,
lich — „für dieses Jahr vorgesehenen Umsiedlung" daß im vergangenen Jahr ein Auf zu verzeichnen
der insgesamt 165 000 im Laufe dieses Jahres noch war. Nach dem bisherigen Verlauf dieses Jahres
nicht einmal begonnen werden können. kann man aber sagen, daß zu einer Katastrophen-
Wie bei einer solchen Sachlage der Wahrheits- stimmung durchaus kein Anlaß vorliegt.
gehalt der im Zweijahresplan des Herrn Bundes- (Zuruf von der SPD.)
vertriebenenministers enthaltenen Ankündigung - Ja, das sind die Zahlen, die sprechen; wir
einer Umsiedlung von weiteren 300 000 Ver- wissen natürlich alle nicht, was in späterer Zu-
triebenen und Flüchtlingen gesehen werden soll, kunft noch geschehen wird!
ist bei den dazu insgesamt erforderlichen Mitteln (Zuruf von der SPD: Eben, eben!)
in Höhe von rund 650 Millionen DM allein an nach- Ich möchte aber den Bestrebungen, die zu be-
rangigen Wohnungsbaumitteln schlechterdings un- obachten sind, entgegentreten, das Notaufnahme-
erfindlich. verfahren vom Bund wieder weg und jetzt sogar
Ähnliche Betrachtungen wären anzustellen für hundertprozentig auf die Länder zu verlagern und
das Problem der Rückführung der Evakuierten dieses Verfahren mit dem Verfahren über die Aus-
und hier insbesondere der Rückführung innerhalb stellung der C-Ausweise zu verbinden. Das würde
der Länder. Frau Kollegin Strobel hat bereits auf der Einheitlichkeit beim Verfahren über die Bun-
den Kern dieses Problems hingewiesen. Sie - hat desnotaufnahme nicht zuträglich sein.
darauf aufmerksam gemacht, daß es sich hierbei, (Sehr richtig! in der Mitte.)
insbesondere soweit die Evakuierten nicht kriegs- Es ist schon viel richtiger, wenn die Bundesnotauf-
sachgeschädigt sind, um Menschen handelt, die nahme heute nur an drei Stellen, in Berlin, Uelzen
meistens alt, einsam und hilflos in den Dörfern und Gießen, durchgeführt wird. Wir sehen es ja
sitzen. Diese hatten ihre Hoffnungen auf das auch an den Prozentzahlen über die Aufnahme der
Evakuiertengesetz gestützt, das ihnen theoretisch Flüchtlinge, daß sich das Verfahren inzwischen
den Anspruch auf Rückführung gibt. Auch hier ziemlich einheitlich eingespielt hat.
wird dadurch, daß das Bundesvertriebenen- Ich sagte, es ist eine Konstante in der Aufnahme
ministerium anders firmiert, der Eindruck erweckt, der Flüchtlinge festzustellen. Deswegen ist das, was
als sei damit schon eine intensivere Verwirk- mein Kollege Kuntscher vorhin wegen der Ange
lichung des Gesetzes gewährleistet. stellten gesagt hat, zu unterstreichen. Ich verstehe
Wir haben heute von dem Herrn Wohnungsbau- auch nicht, warum man einen Teil der Angestell-
minister selber hören müssen, daß für eine zu- ten nur befristet — auf vier Wochen oder sechs
sätzliche Förderung des Wohnungsbaus für die Monate — einstellt und dann ganz stereotyp von
Evakuierten nur 20 Millionen DM aus dem Lasten- Monat zu Monat die Beschäftigungsverhältnisse
ausgleich genommen werden können. Auch in immer wieder verlängert. Das ist erstens ungesetz-
diesem Fall wird also Hilfe in einem vertretbaren lich, darf also nicht geschehen. Ich möchte es nicht
Zeitraum nur wirksam werden, wenn der Bann haben, daß das Ministerium etwa durch Gerichts-
durch die anderen Minister gebrochen wird und urteile belehrt werden muß, daß es etwas tut, was
wenn die Voraussetzungen bei den Ministerien ge- gegen die Gesetze verstößt. Zweitens ist es auch
schaffen werden, die für die Mittel zuständig sind. unsozial. Aber ich will auf die Dinge nicht näher
Herr Bundesvertriebenenminister, Sie werden eingehen. Ich nehme auch an, daß der Herr Mini-
uns immer bereit finden, jede vernünftige Initiative ster über das Verfahren nicht unterrichtet gewesen
und jede tragbare Maßnahme zu unterstützen, die ist und daß er für Abhilfe sorgen wird.
geeignet ist, das Los der hinter all diesen Neuerdings wird auch aus manchen Ländern
Problemen stehenden Menschen zu erleichtern und Klage darüber geführt, beim Bundesnotaufnahme-
zu verbessern. Denn wir haben immer das Schicksal verfahren würden zu viele Flüchtlinge positiv
und das Anliegen dieser Menschen als unser eigenes durchgeschleust. Nun, die Zahl, soweit ich sie im
angesehen. Aber Popularisierung oder, wie die Kopf habe, liegt bei 80%; und die Zahl derjenigen,
Amerikaner sagen, public relation eines Ministers, die dann einen C-Ausweis erhalten, beträgt etwa
bedeutet noch nicht eine Lösung des sachlichen 25 %. Ich glaube, diese Zahlen entsprechen der
Problems. Wenden Sie Ihre Kraft nach innen, Herr Wirklichkeit und brauchen keinen Anlaß zu Be-
Minister! Popularisieren Sie die Probleme beim sorgnis zu geben. Es ist allerdings zu beobachten,
Herrn Finanzminister und im Kabinett! Lassen Sie daß die Länder, die ich im Auge habe, Bedenken
Ihre Ergebnisse und Leistungen sprechen, nicht hinsichtlich des Prozentsatzes der aufgenommenen
Worte! Flüchtlinge erst tragen, seitdem allgemein über den
(Beifall bei der SPD.) Gesetzentwurf betreffend das Kriegsfolgelasten-
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab- Schlußgesetz gesprochen wird. Man scheint eine
geordnete Schneider. starke Belastung für die Zukunft zu befürchten,
1014 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Schneider [Hamburg])
wenn allzu viele Flüchtlinge aufgenommen wer- stören wollte. Es wird nicht leicht sein, diese Zer
den. Meiner Meinung nach darf das kein Gesichts- störung heute hintanzuhalten. Man kann in sechs
punkt sein. Jahren eine Wirtschaft aufbauen, aber nicht in
Ich möchte noch auf eine bedenkliche Erschei- sechs Jahren ein soziales Gefüge gesunden lassen.
nung hinweisen, auf die ich aufmerksam gemacht Dazu wird man vielmehr wahrscheinlich 30 bis 40
worden bin. Man versucht, Flüchtlinge, die seiner- Jahre brauchen. Wenn ich heute behauptet habe,
zeit durch das Notaufnahmeverfahren der Länder daß erst ein Drittel der Aufgaben gelöst ist, so be-
nach der Bundesrepublik eingeschleust worden gründe ich das damit, daß die Faktoren, die uns
sind, nachträglich durch die Bundesnotaufnahme- bisher die Eingliederung erleichtert haben, künftig
lager zu schleusen. Ich hoffe, daß das nicht etwa wegfallen. Wir können heute die Kriegsverluste
mit den Bestrebungen zusammenhängt, möglichst nicht noch einmal ersetzen. Wir können nicht noch
viel Kopfbeträge, 1500 DM je Kopf vom Bund für einmal eine Kapazitätsausweitung um 20 % vorneh-
den Wohnungsbau zu erhalten. Ich möchte mei- men, weil die Bevölkerung um 20 % gestiegen ist.
nen, daß es sich um ein illegales Verfahren han- Die aktivsten Kräfte haben sich selbst geholfen,
deln würde, einem Personenkreis, der schon den und was heute übriggeblieben ist, das sind Men-
Status eines Flüchtlings erhalten hat, nachträg- schen, mit denen es sehr viel schwerer sein wird,
lich nochmals den „Segen" des Bundesnotauf- eine echte Eingliederung durchzuführen, d. h. die
nahmeverfahren zuteil werden zu lassen. Aufwendungen werden sehr viel größer sein müs-
sen, damit wir gleiche Erfolge wie bisher bekom-
Zum Schluß — es sollte keine Rede sein, es soll- men. Im übrigen hatten wir sechs Jahre Konjunk-
ten nur einige Anmerkungen sein — möchte ich tur, und wir wollen hoffen, daß diese Konjunktur-
eine Bitte an Sie richten. Fallen Sie nicht auf die jahre bleiben.
gelegentlich oder auch öfters erscheinenden Mit- Sie wissen genau, daß heute die soziale Unruhe
teilungen oder Redensarten hinein, daß der Pro- dadurch wächst, daß das Problem der Reihenfolge
zentsatz der kriminellen und asozialen Elemente, nicht zu lösen ist. Es ist doch klar, daß wir heute im
überhaupt der charakterschwachen Elemente bei allgemeinen den Sowjetzonenflüchtlingen in sechs
den Sowjetzonenflüchtlingen ein übergroßes Aus- bis acht Monaten Arbeit, Brot und Wohnung be-
maß habe. Die Schichtung der Menschen, die aus sorgen, während die Masse der Alt-Heimatvertrie-
der Sowjetzone kommen, ist gewiß nicht besser benen, die in den Lagern sitzt, und die Masse der
als die Schichtung der Menschen in der Bundes- Evakuierten heute sagt: „Wir haben acht Jahre ge-
republik. Es mag aber sein, daß diese Personen- wartet! Warum müssen wir nochmal Jahre warten?
gruppe der Kritik mehr unterworfen ist als irgend- Warum kommen wir nicht auch nach sechs bis acht
welche Gruppen in der Bundesrepublik. Bisher ist Monaten dran?" Das führt heute zu der großen Ver-
noch nicht der Beweis geführt worden, daß - der bitterung, die wir alle erleben. Wir sind in einem
Prozentsatz der weniger erwünschten Elemente un- Wettlauf mit der Zeit, und wir werden uns be-
ter den Sowjetzonenflüchtlingen größer ist als bei mühen müssen, diesen Wettlauf zu gewinnen; denn
anderen Personengruppen. Deswegen haben wir der Wille zur Selbsthilfe nimmt natürlich ab.
keinen Anlaß, einen Sowjetzonenflüchtling von
Nun wirft mir Kollege Reitzner vor, ich hätte ge-
vornherein sozusagen mit einem Brandmal zu ver-
sehen. sagt, in zwei Jahren müßten 40 000 Bauern ange-
siedelt werden.
(Beifall in der Mitte.)
(Abg. Reitzner: Das habe ich nicht gesagt!
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Ab- Ich habe gesagt, daß es in der „Welt"
geordnete Dr. Keller. — Er verzichtet. Weitere stand!)
Wortmeldungen liegen nicht vor. -- Sie haben gesagt, es habe in der Zeitung gestan-
Das Wort hat der Herr Bundesminister. den. Nun gut, ich habe es ja auch gesagt! Ich be-
(Abg. Seiboth: Darf ich noch zu drei Sätzen streite gar nicht, daß ich das gesagt habe. Und
das Wort haben?) warum? Es ist doch kein Zweifel, daß es heute
- Ich habe soeben dem Herrn Bundesminister unter den Vertriebenen den Bauern am schlech-
das Wort gegeben. testen geht, daß sie am wenigsten eingegliedert
sind und daß noch 162 000 dasind, die eingegliedert
Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene, werden wollen. Wenn wir ihnen überhaupt helfen
Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: Herr Präsident! wollen, so habe ich mir gesagt, müssen wir ein Vier-
Meine Damen und Herren! So sehr die Zeit drängt, tel von ihnen nehmen. Alle, die sich ein bißchen
fühle ich mich doch gezwungen, auf die verschie- mit der Landwirtschaft beschäftigen, wissen doch,
dene Kritik, die hier vorgebracht worden ist, zu daß es heute immerhin 289 000 Betriebe gibt, die in
antworten. weiblicher Hand sind, wobei von diesen 289 000
Zunächst freue ich mich, daß alle Redner die Be- Eigentümerinnen 51 500 über 65 Jahre alt sind.
reitschaft ausgesprochen haben, bei der Lösung Also kann man trotz der Schwierigkeit, die
dieser schwierigen Aufgabe mitzuarbeiten. Wenn Agrarstruktur zu verbessern, was die erste Auf-
der Kollege Reitzner sagt, daß die Sorgen etwas gabe des Bundeswirtschaftsministers ist, in der
geringer geworden seien, so möchte ich das be- ich ihn in jeder Weise unterstützen will, heimatver-
zweifeln. Heute ist vielleicht das bedauerlichste, triebene Bauern eingliedern. Die Überalterung un-
daß war im allgemeinen der großen Täuschung serer Bauernschaft ist also leider so groß, daß ich
unterliegen, es löse sich alles von selbst. Gewiß, ein gewisses Recht habe, zu sagen, daß wir, wenn
es kann sich von selbst lösen. Die Frage ist nur, wir uns bemühen und wenn wir die auslaufenden
w i e es sich löst. Es löst sich nämlich nicht in un- Höfe nicht zerschlagen, trotz einer Verbesserung
serem Sinne, nicht im Sinne der Regierungserklä- der Agrarstruktur diesen unglücklichen Menschen,
rung, wenn wir uns nicht erheblich bemühen, dieses die nicht wieder zu Boden gekommen sind, den
Problem von uns aus zu lösen. Wenn man eine Ge- Boden besorgen können.
fahr nicht sieht, kann man sie nicht bekämpfen. Wir (Sehr gut! beim GB/BHE.)
wissen genau, daß der Osten durch die Vertrei- Ich habe mir das nicht aus den Fingern gesogen,
bung das soziale Gefüge der Bundesrepublik zer sondern ich habe mir ausgerechnet, wieviel gebur-
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1015
(Bundesminister Dr. Oberländer)
tenstarke Jahrgänge wir von 1885 bis 1914 gehabt Zahl im Jahresdurchschnitt nicht wächst. Es sind
haben und wieviel Jahr für Jahr, wenn sie jetzt — 300 000 im Jahr, und wir haben sieben Jahre lang
1885 geboren — 69 Jahre alt sind, allmählich aus jährlich 300 000 aufgenommen. Es ist immerhin so,
dem Produktionsprozeß heraustreten. Da bin ich zu daß der letzte Monat im Laufe dieses Jahres wieder
ganz klaren Zahlen gekommen, die mir erlauben, die höchsten Zahlen aufzuweisen hatte. Daß das
heute zu sagen, daß es geht. Übrigens haben doch auf die Umsiedlung wirkt, daß das auf die Fami-
die Länder 18 000 für das Jahr 1954 zugestanden. lienzusammenführung wirkt, daß diese Aufgaben
Nun nehmen Sie einmal den gar nicht so absurden gerade wegen der Sowjetzonenflüchtlinge unend-
Fall, die Länder würden für das nächste Jahr 22 000 lich schwierig sind, das wissen Sie selbst.
zugestehen, dann haben wir 40 000! Man sollte an dieser Stelle vielleicht auch ein-
Ich habe mich ganz genau an das gehalten, was mal aussprechen, daß man doch heute von Deutsch-
der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklä- land kaum erwarten kann, daß es dieses Problem
rung gesagt hat, und ich werde alles versuchen, um auf die Dauer allein und aus eigener Kraft löst.
die Linie durchzuhalten, auch gegen gewisse Wider- Man müßte einmal die Frage aufwerfen: Welches
stände, die ich nur zu gut kenne. Volk schafft es, jedes Jahr 300 000 Menschen zusätz-
(Zuruf von der SPD: Widerstände im lich zu seinem Geburtenjahrgang aufzunehmen und
Kabinett?) einzugliedern!
— Die Widerstände liegen meistens draußen in der (Sehr richtig! in der Mitte.)
Landwirtschaft, die lieber die Höfe zerschlägt und Die Eingliederung von 300 000 Menschen kostet
in einzelne Parzellen zerteilt, um damit große Gel- doch, wenn Sie sie echt durchführen, fast das Auf-
der zu verdienen, statt ein organisch Gewachsenes kommen des Lastenausgleichs. Das können Sie sich
zu erhalten. Das ist die Situation, vor der ich mich ganz einfach ausrechnen. Ich bin jederzeit bereit,
heute befinde. Ihnen diese Berechnungen vorzulegen.
Ich habe vor den Landwirtschaftsministern der Ich behaupte, daß wir im Jahre 1953 einen ge-
Länder gesprochen und habe mit aller Deutlichkeit wissen Stillstand erlebt haben. Wir haben 300 000
gesagt, worum es geht und daß eben diese Minister Menschen eingegliedert, aber wir haben 300 000
eines Tages mit dafür verantwortlich sind, wenn im Menschen wieder dazubekommen. Wir treten auf
Ernstfall Menschen bei uns verhungern müssen, der Stelle, wir gewinnen nicht den Wettlauf mit der
weil heute unsere Landwirtschaft extensiviert wird, Zeit. Das ist das Problem, das wir hier einmal ganz
weil die alten Bauern sie überhaupt nicht mehr offen aussprechen müssen. Daraus entstehen die
intensiv betreiben können und auch keine Arbeits- großen Schwierigkeiten, die wir heute erleben.
kräfte bekommen. Es liegt also ein ganz klarer- Tat- Die Aufgabe ist eine politische und keine kari-
bestand zugrunde, warum ich das Problem der Er- tative Aufgabe. Sie kann nur gelöst werden, wenn
nährungssicherheit angeschnitten habe. Heute ist wir allmählich die Gelder bekommen, die hier mit
tatsächlich die Überalterung bei der Eingliederung Recht erwähnt wurden. Woher sie kommen, ist
unser Verbündeter. Bei der Industrie ist es genau gleichgültig. Sicher ist, daß, eben weil der Zeit-
so. Wenn wir das Eigenkapital nicht verstärken faktor so wichtig ist, ein gewisser Vorgriff notwen-
und einmal eine Krise kommt, dann wissen wir dig ist. Um diesen Vorgriff habe ich auch dauernd
alle, wie es aussieht. Deshalb muß eben von uns gekämpft. Anders sind auch die Sorgen der Kolle-
heute der Wettlauf mit der Zeit begonnen werden. gin Korspeter nicht zu beheben. Denn das Problem
Nun zur Lagerauflösung. Wenn heute der Bund pro der Sowjetzonenflüchtlinge ist ein Problem des
Person 1000 DM gibt — wir müssen doch auch an Wohnungsbaues und der Arbeitsbeschaffung.
die Menschen in den Lagern denken —, dann ist Mit der Arbeitsbeschaffung für die Sowjetzonen-
das ein Anfang. Wir wissen, wie schwer es ist, nach flüchtlinge haben wir bisher noch einigermaßen
acht oder neun Jahren Menschen aus den Lagern Glück gehabt. Mit dem Wohnungsbau ist es so, daß
herauszuholen. Ich versuche heute alles, um die allerdings diese ganze Frage im wesentlichen auch
Lager aufzulösen. Natürlich ist der Wohnungsbau zur Verantwortung der Länder gehört und nicht
dabei das Hauptproblem. Glauben Sie, daß es heute nur zu der des Bundes.
überhaupt irgendein Gebiet gibt, auf dem ich mich Wenn Sie sagen, ich hätte nicht genug getan und
durchsetzen könnte — weil das Ministerium, wie sei nicht aktiv genug gewesen, so können Sie die
Herr Kollege Rehs gesagt hat, in einem umge- Länder fragen. Die werden Ihnen sagen, daß ich
kehrten Verhältnis zur Größe seiner Aufgaben vielleicht etwas zu aktiv war. Bestimmt! Nur war
steht —, wenn ich nicht mit meinen Kollegen eng das nicht ganz von der Wirkung, die ich gern gehabt
stens zusammenarbeite und sage: „Bitte, helfen Sie hätte. Ich habe immer die These vertreten, daß
mir auf diesem oder jenem Gebiet!"? Anders ist Föderalismus Selbstlosigkeit und Verantwortung
doch das Problem überhaupt nicht zu lösen. dem Ganzen gegenüber ist. Von diesem Gesichts-
(Abg. Reitzner: Warum sagen Sie das alles punkt aus habe ich mit den Ländern keine leichte
so unfreundlich?) Arbeit gehabt, das Sowjetzonenflüchtlings-Problem
— Gut, ich will es Ihnen auch gerne freundlich auf Länderbasis im Sinne einer echten Eingliede-
sagen. Ich bin überzeugt, daß die Probleme gelöst rung zu lösen. Sie wissen, daß die Geldprobleme
werden müssen; das ist der Grund. Ich bin ja heute allerdings eine entscheidende Rolle spielen.
heute auch kritisch behandelt worden, und ich Deswegen habe ich mich immer dafür eingesetzt,
werde Ihnen meine Antwort nachher noch geben. daß diese Dinge heute vorweggenommen werden.
(Abg. Tenhagen: Wir sind im Parlament Ich habe den Kulturverband der vertriebenen
und nicht auf dem Kasernenhof!) Deutschen nicht begründet, sondern bin immer für
eine Organisation gewesen.
— Ach, davon bin ich weit entfernt! (Abg. Reitzner: Ich habe auch nicht gesagt,
Zur Frage der Sowjetzonenflüchtlinge muß ich daß Sie ihn gegründet haben!)
zunächst einmal sagen, daß diese doch für die Ein- — Ich habe auch gar nicht behauptet, daß Sie es
gliederung eine sehr starke Bremse sind. Es ist von gesagt hätten. Sie haben sich für die Einheit der
dem letzten Redner richtig gesagt worden, daß die Verbände eingesetzt; für die gleiche Einheit habe
1016 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Bundesminister Dr. Oberländer)
ich mich fünfeinhalb Monate auch eingesetzt. Ich — Es fehlt aber noch etwas; ich habe es heute vor
habe immer gepredigt, daß alle Verbände zusam- einer Stunde erfahren. Herr Kollege Schütz, viel-
menhalten müssen. Es ist kein gutes Bild, daß leicht können wir diese Lücke auch noch stopfen.
gerade die Geschädigtenverbände, gerade die Ver- Es wäre doch recht erfreulich, wenn das gelänge.
bände mit den Menschen, die alles verloren haben, (Abg. Dr. Vogel: Bundesministerium des
nicht einig waren, sondern sich dauernd gegenseitig Innern! — Zuruf rechts: Flüchtlingsmini
bekämpft haben. sterium auch!)
Man soll sich ruhig darüber aufregen, daß ich — Gut.
draußen in Versammlungen geredet habe. Aber was Eine andere Frage. Ich bin von Herrn Kollegen
habe ich in den Versammlungen gesagt? In den Reitzner auf das Ministerium angesprochen wor-
Versammlungen von Geschädigten habe ich keine den, und ich sehe mich verpflichtet, einige Worte
falschen Hoffnungen erweckt, sondern ich habe vor dazu zu sagen.
den Geschädigten immer wieder die Frage auf ge- (Zuruf von der Mitte: Es wird auch Zeit!)
stellt: Wie groß muß ein Unglück sein, damit das Es ist klar, daß ich mich vor das Ministerium stelle.
deutsche Volk einig wird? Ich habe das Ministerium übernommen, wie es war,
(Beifall beim GB/BHE.) und ich habe 7 Angestellte — Angestellte, nicht
Ich habe die Sorge, daß das Unglück vom 8. Mai Beamte, ohne eine neue Stelle! — angestellt. Das
1945 nicht ausgereicht hat, uns einig zu machen. sind 0,9 % der Angestellten, die mit Notaufnahme
Diese Dinge habe ich den Verbänden allerdings dau- verfahren im Ministerium arbeiten. 7 Angestellte!
ernd vorgehalten. Ich war ein Kritiker der Ver- Ich habe ferner zwei Referatsteilungen vorge-
bände. Ich bin häufig nicht gern gehört worden. nommen. Ich habe einmal das Referat Wohnung
Aber ich habe auf eine Frage, die mir wohl auch und Siedlung geteilt; denn wenn ich schon 40 000
der Bundestagsausschuß einmal vorgelegt hat, auch Bauern ansiedeln will, ist die Siedlung so wichtig,
erklärt, daß man ohne die Mitarbeit der Verbände daß sie ein eigenes Referat verdient und von der
die Sache nicht schaffen kann. Es muß von unten Wohnung getrennt werden muß. Ich glaube, dieses
mitgearbeitet werden. Der Staat kann doch nicht Recht muß ein Minister haben. Zweitens habe ich
alles tun. Es muß gemeinsam gemacht werden. das Referat Frauen und Jugend geteilt. Da fast
50 % der im Augenblick aus der Sowjetzone Kom-
Ich darf also zu der Frage der Sowjetzonen- menden unter 25 Jahre alt sind, hielt ich diese
flüchtlinge nur sagen: Ich war vor kurzem in Wen- Maßnahme für notwendig.
torf und in Blankensee. Ich habe Lager besucht. Sie
wissen doch, daß aus den Lagern alle Menschen, die Im übrigen wird mir vorgeworfen, daß ich Men-
- schen eingestellt hätte, die früher irgendwie füh-
einen Beruf haben, der gut geht, sofort herausgeholt
werden. In Wentorf habe ich hauptsächlich Bauern rend in der NSDAP gewesen seien. Das steht in
getroffen, die dort schon lange, seit sechs oder acht dem Artikel, und da Sie den Artikel erwähnt
Monaten im Lager waren, während man die Dreher haben, fühle ich mich verpflichtet, darauf zu ant-
und Schlosser kurzfristig weggezogen hatte. Das worten. Von diesen 7 Angestellten sind 6 früher
sind Dinge, die auch eine große Rolle spielen. einmal in der Partei gewesen, einer nicht.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das reicht!)
Im übrigen, Frau Kollegin Korspeter, muß man
nicht alles in der Öffentlichkeit behandeln. Es gibt Führend waren sie nicht. Ich darf nur drei Beispiele
gerade auf diesem Gebiet sehr viele Dinge, die ich nehmen. Von einem wurde gesagt, daß er NS-Füh-
nicht gern in der Öffentlichkeit behandle. Wenn Sie rungsoffizier gewesen sei. Er ist als Wachtmeister
daraus schließen, daß ich passiv bin, so ist das Ihr mit einem Arm entlassen worden. Von einem wurde
gutes Recht; aber es ist mein gutes Recht, zu sagen, gesagt, er sei mit 30 Jahren Ministerialrat beim
daß ich glaube, in dieser Sache nicht passiv gewesen Reichskommissar für die Festigung deutschen
zu sein. Ich bestreite nicht, daß hier allerdings Volkstums gewesen oder geworden. Er war elf
wichtige Dinge wohl beim Herrn Bundesfinanz- Jahre im Reichsinnenministerium und ist mit
minister liegen. Vielleicht will er sich selbst noch 41 Jahren nach elfjähriger Dienstzeit Ministerialrat
zu diesen Dingen äußern; ich weiß es nicht. Ich geworden. Von dem dritten wurde gesagt, er sei
habe von mir aus dauernd gekämpft, weil ich nur stellvertretender Landesleiter der NSDAP gewesen.
zu gut weiß, daß man in Berlin nicht die Lager Er ist nie Mitglied dieser Partei gewesen. Ich muß
vollaufen lassen kann. Ich habe dafür gesorgt, daß diese drei Fälle nennen. Ich bin jederzeit bereit, da-
die Menschen verteilt werden, und ich will auch für einzustehen. Ich glaube, es ist notwendig, daß
alles tun, daß sie so kurze Zeit wie möglich in den wir in diesen Dingen absolut sauber und klar sind.
Lagern sind. Allerdings, die Menschen, die seit acht Ich habe junge und tüchtige, auch fachlich tüchtige
Jahren in den Lagern leben und heute nur mit Kräfte ins Ministerium gezogen. Das war mein
Mühe herauszuholen sind, haben eine gewisse Prio- Recht, und ich stelle mich vor jeden einzelnen. Dazu
rität. Ich glaube, hierin dürften wir absolut einig bin ich verpflichtet, genau so, wie ich mich vor
sein. jeden im Ministerium stelle, auch wenn er irgendwo
war. Es waren soundso viele da und dort. Danach
Was die Bamberger Symphoniker angeht, so frage ich heute nicht mehr. Vor die stelle ich mich
möchte ich sagen, daß ich etwas erstaunt bin, wenn ganz genau so, weil es meine Pflicht ist. Ich habe
man hier nur gesagt hat, daß sie Unerhörtes gelei- im übrigen keine Kritik an den Dingen geübt, die
stet haben. Ich hätte viel lieber einen Antrag ge- früher waren, sondern ich habe versucht, aus den
sehen, ihnen 100 000 DM zu bewilligen. Ich glaube, Dingen das Beste zu machen. Sie werden angesichts
dann hätte man ihnen weit mehr gegeben als die der Schwere der Aufgabe, die ich habe, mir wohl
schönen Worte der Anerkennung, die man auf allen auch das Recht geben müssen, daß ich ein Haus
Seiten gefunden hat. Sie brauchen nach allem, was zusammenstelle, das voll arbeitsfähig ist und alles
mir bekannt ist, noch eine ganz reale Hilfe. tut, um die Regierungserklärung in die Tat umzu-
(Abg. Dr. Vogel: Es ist ja ein Titel für sie setzen.
. da! — Zuruf des Abg. Schütz. — Weitere (Beifall bei GB/BHE.)
Zurufe.) Das ist nicht immer ganz einfach.
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1017
(Bundesminister Dr. Oberländer)
Wenn ich einen höheren Beamten gebeten habe, — Ich habe es oft genug erlebt — ich habe drei
seinen Urlaub anzutreten, so muß ich sagen: es ist Jahre mit der Umsiedlung zu tun gehabt —, daß
nun einmal in der Demokratie so, daß Minister die Länder mit ihrer ganzen Verplanung weit hin-
wechseln und diese Minister auch manchmal ver- ter den Mitteln, die der Bund hatte, zurückgeblie-
schiedenen Parteien angehören; das kommt vor. ben waren. Wenn Sie heute von mir erwarten, daß
Ich glaube, bei mir ist es in der ganzen Koalition ich Ihnen jetzt schon ein vollständiges Programm
der einzige Fall, daß es geschehen ist, soweit ich für die Rückführung der Evakuierten vorlege, dann
weiß. Da muß ich erwarten, daß jeder Beamte loyal ist das doch nach sieben Tagen — denn vor sieben
ist; das ist eine Voraussetzung. Auch ein Minister Tagen habe ich dieses Gebiet übernommen — ein
hat das Recht, einen Beamten zu bitten, seinen Jah- bißchen zu früh. Ich freue mich, daß Sie mir Wun-
resurlaub anzutreten, bis eine Frage geklärt ist. der zutrauen, aber ich bin nicht in der Lage, ohne
Denn ich habe Interesse, in einem Hause zu arbei- weiteres Wunder zu vollbringen. Also das geht ein
ten, in dem Vertrauen herrscht. Ich kann vor allen bißchen zu weit.
Dingen eines nicht vertragen, das ist Illoyalität. Aus
diesem Grunde habe ich das getan, und dazu stehe (Zurufe und Heiterkeit.)
ich. — Bitte, ich erlaube mir, darauf zu antworten und
(Zuruf von der SPD: Rührt euch! — Große, Ihnen zu sagen, daß ich das noch nicht kann. Sie
andauernde Heiterkeit.) wissen genau, daß ich mich sehr ernsthaft bemühe,
— Waren Sie NS-Führungsoffizier? Ich weiß es das Evakuiertenproblem auch mit anderen Dingen
nicht. zu koppeln. Wir haben 22 500 Evakuierte in die
(Andauernde große Heiterkeit.) Umsiedlung hineingenommen. Wir haben mit den
Ich war nicht NS-Führungsoffizier; wenn Sie es Abgabeländern bereits die Quoten ermittelt, die zu
waren, haben Sie es vielleicht noch im Blut, kann verteilen waren. Sie wissen, Schlüsseldebatten
geben immer etwas Anlaß zu Schwierigkeiten.
sein.
(Fortgesetzte Heiterkeit. — Glocke des Aber die Sache ist zwischen den drei Ländern in
Präsidenten.) Ordnung. Sie können mir nicht sagen, daß ich auf
dem Gebiet nicht alles versucht hätte, um die Sache
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren, weiterzubringen.
vielleicht hören wir den Herrn Minister weiter. (Abg. Samwer: Mit gutem Gewissen: nein!)
Das Kommando war ja auch gekonnt.
(Erneute große Heiterkeit.) Zu den Gesetzen darf ich eines sagen. Ich habe
nie bestritten, daß diese Gesetze im alten Bundes-
Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene, tag gemacht worden sind. Ich habe gesagt, daß ich
Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: Ich darf zur aus ihnen das Beste machen werde. Ich glaube, wir
Frage der Umsiedlung noch kurz antworten, daß sind einig, daß auch diese Gesetze, je länger sie be-
die Dinge doch nicht so weit zurückliegen, wie hier stehen, mancher Verbesserungen bedürfen. Ich bin
gesagt wurde. Es stehen 150 Millionen DM zur Ver- überall bereit, das zu tun, weil ich das eine sehe
fügung, und es ist auch die Zusage des Finanzmini- — und das möchte ich zum Abschluß sagen —: ich
sters da, daß 200 Millionen DM verteilt werden weiß, wie die Zeit drängt, daß der Zeitfaktor ent-
können, so daß sie, wenn sie benötigt werden, den scheidend ist. Um weiterzukommen und um ent-
Ländern zur Verfügung gestellt werden können. sprechende Erfolge zu haben, ist entscheidend, daß
Die Sicherheit wird also gegeben. die Mittel zur Verfügung stehen und daß alle mit-
(Zuruf von der SPD: Seit wann denn?) arbeiten. Ich habe von mir aus alles versucht, um
— Bitte, ich bin ja mit den Ländern dauernd in gemeinsam mit allen die Dinge zu lösen — denn
Verbindung. Was glauben Sie, wie oft wir mit den ich weiß, daß ich sie allein gar nicht lösen kann —
Länderflüchtlingsverwaltungen zusammensitzen! und um auch alle Reibungen auszuschalten, die ich
Ich muß Ihnen sagen, daß auch der Wohnungsbau für absolut unnötig halte. Wir können uns heute
nicht immer so schnell vorangekommen ist, wie wir nicht Dinge vorwerfen, die nicht stimmen. Von
es gern gehabt hätten. Und das bitte ich auch ein- diesem Gesichtspunkt aus kann ich nur sagen: ich
mal sagen zu dürfen: die ganze Frage der Umsied- tue absolut, was ich kann. Aber wenn man mir
lung liegt doch so, daß wir heute dauernd auf die heute Vorwürfe wegen 0,9% Angestellten macht,
Länder drücken und daß es im ganzen gesehen so darf ich sagen: wir sind doch nun alle einig dar-
nicht immer schnell genug geht. Aber da ist die über, — —
Frage der Finanzierung. Auch die Möglichkeit, (Zuruf von der Mitte: Nein, das sind wir
diese Anleihe aufzunehmen, ist mit dem Finanz- nicht!)
minister besprochen worden. Es ist klar, wenn die
Länder es heute anfordern, stellen wir Ihnen die — Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen will,
Mittel zur Verfügung. Da besteht gar kein Zweifel. meine Herren; ich will doch eben etwas sagen,
worin Sie wahrscheinlich mit mir einig sind. Ich
(Zuruf von der SPD.) nehme an, daß wir in folgendem einig sind. Wenn
— Darf ich Sie fragen: Haben die Länder die jemand durch die Entnazifizierung wieder in den
200 Millionen DM angefordert? Benötigen sie das Besitz seiner vollen Rechte eingetreten ist und
Geld im Augenblick? Das ist die Grundfrage, und sonst nichts gegen das Gesetz der Menschlichkeit
diese Frage ist mir von den Ländern dahin beant- getan hat, so bin ich absolut dafür, daß er heute
wortet, daß sie es sofort nicht benötigen. nicht schlechter gestellt werden darf, sondern daß
(Zuruf von der SPD: Viele haben doch gar ihm dann die gleichen Rechte zustehen. Da sind
nicht planen können, weil sie das Geld wir doch einig?
nicht hatten!)
(Zuruf von der Mitte: Aber nicht besser
— Sie haben die 150 Millionen DM noch gar nicht als einer, der schon seinen Dienst macht!)
verplant, die im Haushalt sind.
(Zuruf von der SPD: Weil sie es jetzt erst — Dann beweisen Sie mir den Fall! Ich habe Sie
kriegen!) öfters darum gebeten. Bisher sind die Unterlagen,
1018 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Bundesminister Dr. Oberländer)
die mir gegeben worden sind, jedenfalls nicht ent- zweiten Lesung übriggebliebenen Einzelpläne auch
sprechend. noch drei Stunden haben, und das, meine ich, müßte
(Erneute Zurufe von der Mitte.) genügen.
(Beifall.)
— Die Angaben, die ich bisher habe, entsprechen
in wesentlichen Dingen nicht der Wahrheit. Da Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter
habe ich das Recht, mich zu wehren. Im übrigen Schoettle, die dritte Beratung mit drei Stunden, —
freue ich mich, daß wir im Grundsatz in den Din- Ihr Wort in Gottes Ohr! Aber ich glaube, meine
gen einig sind. Damen und Herren, daß wir ohne Debatte über
(Beifall beim GB/BHE. - Zuruf von der diese Frage praktisch zum gleichen Ergebnis kom-
Mitte: Nein, sind wir nicht!) men. Es wäre gewiß falsch, heute abend Debatten
über die Einzelpläne 35 und 40 zu beginnen, bei
Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren, denen zweifellos längere Aussprachen erforderlich
weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe wären. Aber da wir uns verständigt haben, daß wir
die Besprechung zum Einzelplan 26. bis 19 Uhr 30 tagen, glaube ich, sollten wir das tun,
Abänderungsanträge sind nicht gestellt. Ich bitte und ich hoffe auch, daß wir, selbst wenn zu ein-
die Damen und Herren, die dem Antrag des Haus- zelnen Positionen Streichungsanträge vorliegen —
haltsausschusses auf Drucksache 368 zuzustimmen ich beurteile sie im Ergebnis genau so wie Herr
wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um Kollege Schoettle —,
die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahl- (Heiterkeit)
reichen Enthaltungen ist dieser Haushaltsplan an- sehr schnell weiterkommen. Im übrigen ist das
genommen. Haus erstaunlich gut besetzt, was ich ausdrücklich
(Abg. Schoettle: Herr Präsident, zur Ge feststellen möchte. Ich glaube, wir können das, was
schäftsordnung!) gesagt worden ist, geschäftsordnungsmäßig zur
— Herr Abgeordneter Schoettle, bitte, zur Ge- Kenntnis nehmen.
schäftsordnung! Ich rufe nun den Einzelplan 27 auf:
Einzelplan 27 — Haushalt für den Geschäfts-
Schoettle (SPD): Herr Präsident! Meine Damen bereich des Bundesministers für gesamt-
und Herren! Ich weiß nicht, ob das Haus mir zu- deutsche Fragen — (Drucksache 369; Um-
stimmt, wenn ich sage, daß wohl die große Mehr- drucke 53, 57).
heit der noch Anwesenden unter dem Eindruck
steht, daß wir die zweite Lesung heute nicht rest- Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Heiland.
los zu Ende führen können. - Bitte!
(Zustimmung.) Heiland (SPD), Berichterstatter: Meine sehr ge-
Ich glaube auch nicht, daß es im Interesse des Hau- ehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß ich mit-
ses der Beratungen liegt, die wir hier führen, wenn helfen kann, das Tempo der Verhandlungen zu be-
wir etwas erzwingen wollten, was rein zeitlich gar schleunigen. Im Haushaltseinzelplan 27 — Druck-
nicht erzwungen werden muß. Heute morgen ist sache 369 — hat sich in diesem Jahr relativ wenig
uns im Ältestenrat gesagt worden, daß der Bun- verändert. Wir haben lediglich bei den Personal-
ausgaben 464 000 DM Mehrausgaben, hauptsächlich
desrat erst am 7. Mai mit der Beratung im zweiten verursacht durch die 20%ige Gehaltserhöhung. Es
Durchgang beginnen will. Es scheint mir also mög-
lich zu sein, daß wir heute etwas nach der Ratio ist eine Vermehrung der Beamten- und Angestell-
tenstellen um je 5, der Arbeiterstellen um 11 zu
verfahren, die sich schließlich aus der Tatsache er- verzeichnen.
gibt, daß die meisten Mitglieder dieses Hauses jetzt
durch die Haushaltsberatungen reichlich erschöpft Die Sachausgaben sind um 70 000 DM vermin-
sind. dert worden, die allgemeinen Ausgaben um
Ich würde folgenden Vorschlag machen: Wir be- 380 000 DM. Am Schluß der Rechnung zeichnet sich
raten die Einzelpläne 27, 28, 29, 30, 32 und schließ- eine Differenz zum vergangenen Jahr in Höhe von
lich 49 und 50. Da wird es kaum irgendwelche nur einigen tausend DM ab.
Schwierigkeiten geben. Wir werden Anträge stel- Die wichtigste Position des Haushalts ist der
len, die Sie bestimmt ablehnen werden; Tit. 300, der mit 20 Millionen DM auch die größte
(Heiterkeit) Summe des Gesamthaushalts von 28 Millionen
das kann vorher schon gesagt werden. Wir brau- DM darstellt. Die Verausgabung der Mittel aus
chen uns also nicht durch eine lange Debatte auf- diesem Titel ist im vergangenen Bundestag durch
halten zu lassen. Ich sage das, damit nicht nachher einen kleinen Ausschuß kontrolliert worden. In der
einer von Ihnen aufs hohe Seil geht und noch eine letzten Zeit hat diese Sache nicht mehr funktio-
lange Rede zur Widerlegung unserer Argumente niert. Der Haushaltsausschuß war einstimmig der
Auffassung, daß ein kleiner Fünfer-Ausschuß zur
bringt; das ist nicht notwendig. Wir lassen uns ja Kontrolle der Verausgabung der Mittel aus diesem
doch nicht überzeugen und Sie sich auch nicht.
Titel durch interfraktionelle Besprechung wieder
(Heiterkeit und Zurufe.) eingesetzt werden kann. Die Mehrheit des Aus-
— Darf ich weiterreden? — Wir verschieben dann schusses schlägt Ihnen die Annahme des Haus-
die Beratung der etwas schwierigeren Einzelpläne haltseinzelplans 27 vor.
— 35: Verteidigungslasten, 40: soziale Kriegsfolge-
leistungen und 60: Allgemeine Finanzverwaltung — Präsident D. Dr. Ehlers: Ich danke dem Herrn
zusammen mit dem Haushaltsgesetz auf den 30. April. Berichterstatter für den kurzen Bericht.
Da haben wir, wenn wir von morgens 9 Uhr bis Der Änderungsantrag Umdruck 57*) der Frak-
nachmittags 15 Uhr tagen, nach Adam Riese sechs tion der SPD — es handelt sich um das Thema,
Stunden zur Verfügung. Für die dritte Lesung das Herr Abgeordneter Heiland bereits erörtert
brauchen wir bestimmt nicht mehr als drei Stun-
den, so daß wir für die Erledigung der aus der *) Siehe Anlage 8 Seite 1031 B
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1019
(Präsident D. Dr. Ehlers)
hat, die Hinzuziehung eines Vermerks zur Zweck die Stelle B 2 — Staatssekretär — auszuklammern.
estimmung — und ein Antrag der Fraktion des Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. In
GB/BHE Umdruck 53, der sich mit den kulturellen einer der letzten Sitzungen stellte Dr. Vogel den
Hilfsmaßnahmen im Zonengrenzgebiet befaßt, Antrag, die Stelle mit einem kw-Vermerk zu ver-
liegen Ihnen vor. Sollen die Anträge begründet sehen und sie zu genehmigen. Der Beschluß er-
werden? — Offenbar nicht. Wird das Wort zu dem folgte einstimmig.
Einzelplan gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Zum Stellenplan wünschte Herr Staatssekretär
Der Herr Minister wünscht ebenfalls nicht das Dr. Ripken, bei Streichung einer A 2 c 2- Stelle eine
Wort? — Nein. Dann schließe ich die Besprechung Stelle nach A 1 b zu heben. Bei den wenigen Beam-
zum Einzelplan 27. tenstellen des Ministeriums sei eine Vorrückung
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den sehr schwierig. Abgeordneter Arndgen stellte den
Antrag Umdruck 57 der Fraktion der SPD. Ich Antrag, eine Stelle der Besoldungsgruppe A 2 c 2
bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen zu streichen. Dieser Antrag wurde mit 16 Stimmen
wünschen, um ein Handzeichen. — Meine Damen bei 4 Stimmenthaltungen angenommen. Im übri-
und Herren, es spricht sich langsam herum, wie gen wurde der Einzelplan 28 nach der Regierungs-
abgestimmt wird. Ich warte noch etwas. vorlage angenommen. Die Einnahmen in diesem
(Heiterkeit. — Abg. Heiland: Herr Schoettle Haushalt sind durch eine einmalige Einnahme von
hat sich geirrt!) 3000 DM um 3000 DM höher als im Vorjahr. Diese
Ich bitte um die Gegenprobe. — Die überwiegende Mehreinnahme entsteht durch den Verkauf von
Mehrheit ist für den Antrag. Er ist angenommen. zwei alten Autos. Die gesamten Einnahmen haben
Umdruck 53 *), Antrag der Fraktion des GB/BHE. sich damit gegenüber dem Vorjahr vervierfacht.
Die Ausgabenmehrung beträgt rund 100 000 DM.
Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen
wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Davon entfallen auf die Neubeschaffung von zwei
Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; die- Kraftwagen 26 000 DM; für erhöhten Sachbedarf
wurden 4 700 DM notwendig. Der Rest von 73 500
ser Antrag ist abgelehnt. DM ist auf Lohn- und Gehaltserhöhungen für Be-
Ich bitte die Damen und Herren, die dem An- amte und das sonstige Personal zurückzuführen.
trag des Haushaltsausschusses Drucksache 369 zu-
zustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich Im Auftrag des Haushaltsausschusses bitte ich das
bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Hohe Haus, seinem Antrag auf Drucksache 370 zu-
zustimmen.
zahlreichen Enthaltungen angenommen.
(Beifall in der Mitte und rechts.)
Ich rufe auf:
--b
Einzelplan 28 — Haushalt für den Geschäfts Präsident D. Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Früh-
bereich des Bundesministers für Angelegen wald, das Haus hat Ihnen bereits den Dank für
heiten des Bundesrates — (Drucksache 370). den instruktiven Bericht ausgesprochen.
Dazu liegt auf Umdruck 63 **) ein Streichungsan- (Heiterkeit.)
trag der Fraktion der SPD vor. Auf Begründung Herr Abgeordneter Schoettle, bitte!
wird wahrscheinlich verzichtet? Schoettle (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
(Abg. Schoettle: Fünf Sätze!) und Herren! Ich habe Ihnen schon vorhin, sozusa-
— Fünf Sätze! Nun, die kennen wir doch schon seit gen geschäftsordnungsmäßig, angekündigt, daß wir
fünf Jahren, Herr Kollege Schoettle. Aber bitte einige Streichungsanträge vorzutragen haben.
schön! Wenn der Herr Präsident nicht widerspricht, möchte
(Große Heiterkeit. — Zurufe: Bericht ich nicht nur den Streichungsantrag der sozialde-
erstattung!) mokratischen Fraktion zum Einzelplan 28, sondern
gleichzeitig den zum Einzelplan 30 begründen, so
— Ich bitte um Entschuldigung; es geht bei mir daß ich nicht ein zweites Mal hier herauf muß.
offenbar etwas zu schnell. — Bitte, Herr Bericht-
erstatter! Präsident D. Dr. Ehlers: Bitte sehr. — Zu Einzel-
plan 29 nicht?
Frühwald (FDP), Berichterstatter: In der 18.
Sitzung des Haushaltsausschusses am 8. März die- Schoettle (SPD): Nein, das möchte ich meiner
ses Jahres wurde der Einzelplan 28 beraten. Im Kollegin Frau Hubert überlassen, die dafür zu-
Mittelpunkt der Beratungen stand die Frage, ob ständigkeitshalber von der Fraktion benannt ist.
das Ministerium für Angelegenheiten des Bundes- Meine Damen und Herren! Wir beantragen die
rates überhaupt notwendig sei. Die Debatte wurde Streichung des ganzen Einzelplans 28 — Haushalt
durch Herrn Abgeordneten Ritzel mit dieser Fra- für den Geschäftsbereich des Bundesministers für
gestellung ausgelöst. Im Verlauf der Diskussion Angelegenheiten des Bundesrates —. Wir begrün-
beantragte er, den gesamten Einzelplan abzuleh- den diesen Streichungsantrag wie folgt. Die Tätig-
nen. In der Abstimmung wurde dieser Antrag mit keit dieses Ministeriums in den vier Jahren, wäh-
12 gegen 7 Stimmen bei einer Stimmenthaltung rend deren es besteht, hat uns nicht zu überzeugen
abgelehnt. Abgeordneter Dr. Vogel erklärte im vermocht, daß es eine nützliche Aufgabe erfüllt. In
Namen seiner Fraktion, daß in Anbetracht der den vier Jahren ist die Notwendigkeit, ein solches
Schaffung von vier neuen Sonderministerien auch Ministerium zu haben, vom Standpunkt der Koali-
die Position des Staatssekretärs — Besoldungs- tionsarithmetik sicher immer gegeben gewesen,
gruppe B 2 — unter einem anderen Gesichtspunkt und man kann sagen, daß die Gründe für das Fort-
gesehen werden muß. Er stellte auch die Frage, in bestehen des Ministeriums in der zweiten Bundes-
welcher Form die Aufgaben der neugeschaffenen regierung dieselben sind wie die für seine Schaf-
Ministerien mit der Tätigkeit des Ministeriums für fung zu Beginn des 1. Deutschen Bundestages.
Angelegenheiten des Bundesrats abzustimmen Im Ausschuß hat man sich über die Tätigkeit des
seien. Abgeordneter Dr. Schild stellte den Antrag, Ministeriums unterhalten, und der Herr Staatsse-
*) Siehe Anlage 9 Seite 1032 A kretär hat sich große Mühe gegeben, dem Haus-
**) Siehe Anlage 10 Seite 1032 B haltsausschuß nachzuweisen, wie unentbehrlich das
1020 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Schoettle)
Ministerium für das Funktionieren der Verbindun- Bitt, unsereiner hat ja auch Augen im Kopf und
gen zwischen der Bundesregierung und dem Bun- Ohren, um zu merken und zu hören, was los ist.
desrat ist. Nun, unser Hohes Nachbarhaus hat sel- Ich finde also, die vier Minister, so sehr ich die
ber eine ganze Menge qualifizierter Kräfte. Die Herren im einzelnen schätze, sind im ganzen in
Länder haben zum Teil Verbindungsminister zum ihrer Funktion überflüssig. Niemand wird uns
Bundesrat. Ich glaube, daß es bei den Möglichkeiten, klarmachen können, daß darin mehr als Koalitions-
die sich für den Verkehr zwischen dem Bund und arithmetik liegt. Jeder von Ihnen, der die Dinge
den Ländern, zwischen dem Bundesrat und der nüchtern betrachtet und die Methoden — das ist
Bundesregierung ergeben, nicht erst eines Mini- ein falscher Ausdruck —, die Vorgänge um die
steriums bedarf, das den Kontakt herstellt, das sich Regierungsbildung einmal objektiv und nicht vom
sozusagen zum Briefträger macht. Es geht auch Standpunkt des äußeren Effekts ansieht, wird mir
ohne dieses Ministerium und ohne den damit ver- zustimmen. Da ist die Notwendigkeit aber bös ver-
bundenen Aufwand. gewaltigt worden!
Wie skeptisch man auch in den Reihen der Koa- Da ich überzeugt davon bin, daß ich gerade in
lition diesen Dingen gegenüber ist, zeigt die Hal- diesem Punkt viele Freunde in der Regierungs-
tung einer großen Koalitionspartei hinsichtlich des koalition habe, bitte ich wenigstens die, die den
im Vorjahr gegen die Stimmen der Opposition ge- Mut dazu haben, diesem Streichungsantrag zuzu-
schaffenen Postens eines Staatssekretärs während stimmen.
der Haushaltsberatungen in diesem Jahr. Plötzlich (Beifall bei der SPD. — Lachen in der
hatte diese Koalitionspartei alle möglichen Beden- Mitte.)
ken und verlangte die Ausklammerung dieses Po-
stens, obwohl inzwischen der Inhaber gefunden Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
war und — ich muß es offen gestehen — fachlich wir bleiben also zunächst bei dem Haushalt Einzel-
und sachlich gar keinen schlechten Eindruck macht. plan 28. — Das Wort hat der Herr Bundesminister
Man kann ja auch einen sachlich qualifizierten für Angelegenheiten des Bundesrates.
Mann auf einen überflüssigen Posten setzen. Der
Wunsch nach Ausklammerung dieser Position Hellwege, Bundesminister für Angelegenheiten
spricht nicht gerade dafür, daß man die Entwick- des Bundesrates: Herr Präsident! Meine Damen
lung dieses Ministeriums von allen Seiten inner- und Herren! Ich weiß nicht, ob ich unseren verehr-
halb der Koalition mit absoluter Genugtuung be- ten Herrn Kollegen Schoettle richtig verstanden
trachtet. Wir sind der Meinung, daß dieses Mini- habe. Er hat, glaube ich, ausgeführt, daß meinem
sterium beseitigt . werden könnte und die Mittel, Ministerium seit einem Jahr ein Staatssekretär be-
die dafür verwendet werden, besseren Zwecken - zu- willigt wurde. Hier liegt ein Irrtum vor. Die Stelle
geführt werden sollten. Solche besseren Zwecke, des Staatssekretärs war seit Bildung der ersten
für die nicht genügend Mittel angesetzt werden Bundesregierung im Jahre 1949 ohne kw-Vermerk
können, gibt es im Tätigkeitsbereich der Bundes- unbestrittener Besitz meines Hauses.
regierung in großer Zahl. Meine Damen und Herren, ich habe meine poli-
Wir bitten deshalb, unserem Streichungsantrag tischen Freunde — Herr Schoettle, vielleicht darf
zuzustimmen. Ich weiß, daß meine Bitte in diesem ich das zu Ihrer Beruhigung sagen — nicht gebeten,
Punkte auf taube Ohren stoßen wird. Aber wir einen Antrag auf Wiederherstellung der Regie-
wollen uns das ja vorher freundschaftlich versi- rungsvorlage zu stellen, weil dadurch an den tat-
chern. sächlichen Verhältnissen in meinem Ministerium
im gegenwärtigen Zeitpunkt nichts geändert würde.
Was nun den Einzelplan 30, den Haushalt der Der Antrag auf Streichung einer Regierungsrats
Bundesminister für besondere Aufgab en betrifft, stelle ist von mir gestellt worden. Allerdings hat
so möchte ich folgendes erklären. Kürzlich hat ein der Haushaltsausschuß mir das dafür erbetene
böser Mann diese Minister als Bundesminister ohne Äquivalent, nämlich Hebung einer anderen Stelle,
Arbeitsbereich bezeichnet. Das ist sicher eine Ver- leider versagt.
leumdung; denn im Laufe der letzten Monate ha-
ben wir ja überall die Versuche gespürt, den Her- Der Antrag der SPD auf Streichung meines Haus-
ren Bundesministern für besondere Aufgaben einen haltes hat in jedem Jahre seit Bestehen der Bun-
Arbeitsbereich zu schaffen. Das fing mit der Über- desregierung vorgelegen.
legung an, ob man alle Wasserfragen einem be- (Abg. Heiland: Seitdem sind Sie schon
stimmten Bundesminister übertragen sollte, überflüssig!)
(Heiterkeit) Ich weiß, daß dieser Antrag von der SPD auf
Grund ihrer zentralistischen Einstellung
woraus dann also das „Wasserkraftministerium" (Lachen bei der SPD)
entstanden ist.
immer wieder gestellt werden wird. Ich habe ihn
(Erneute Heiterkeit.) selbstverständlich auch für dieses Jahr wieder von
Das schönste Beispiel dafür, wie sehr man sich be- Ihnen erwartet.
mühen muß, einen Arbeitsbereich für sie zu schaf- (Abg. Schoettle: Das war sehr freundlich! —
fen, haben wir bei der ersten Lesung des Bundes- Weitere Zurufe von der SPD.)
haushalts erlebt, als von dieser Stelle aus die Schaf- Wer aber die Verhandlungen des Parlamentarischen
fung des Ministeriums, das mein verehrter Kollege Rates verfolgt hat und wer wie der größte Teil
Tillmanns innehat, damit begründet wurde, daß unter uns Gelegenheit gehabt hat, in den vergan-
dieses Ministerium angesichts der Zustände in der genen Jahren den Beratungen hier beizuwohnen,
Zone und in Ost-Berlin notwendig sei, denn es der weiß, wie sehr das Grundgesetz in entscheiden-
solle die sich daraus ergebenden Aufgaben über- den Artikeln ein Kompromiß zwischen entgegen-
nehmen. Ich erinnere mich noch, wie Herr Bundes- gesetzten Auffassungen ist. Schon bei der ersten
minister Kaiser hier unten saß und zu dieser Mit- Regierungsbildung 1949 war sich der Herr Bundes-
teilung nicht gerade freundlich in die Welt schaute. kanzler — er hat es ja damals ausgeführt — mit
(Lachen in der Mitte.) mir darin einig, daß es darauf ankommen müsse,
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1021
(Bundesminister Hellwege)
aus dem Grundgesetz eine Verfassungswirklichkeit vorhin erklärt, das Ansehen unserer Bundesrepu
zu schaffen, die auch dem bundesstaatlichen Cha- blik im Ausland sei verschiedentlich geschädigt
rakter des Grundgesetzes in der praktischen Hand- worden. Das ist nur zu wahr. Aber diese Schädi
habung verstärkt Geltung verschaffen würde. gung ist sehr häufig von einer Seite gekommen,
(Abg. Dr. Greve: Dazu genügt allein Herr (Zurufe von der SPD: Vorsicht!)
Schäffer!) von der auch Herr Reitzner gesprochen hat.
Der Herr Bundeskanzler hielt diese Aufgabe für Gerade der Minister für Angelegenheiten des Bun-
so wichtig, daß er damals ein Ressort dafür ge desrates hat in dieser Richtung schon sehr viel
schaffen hat, um eine wirkungsvolle Koordinie- Gutes tun können,
rung zwischen Bundesregierung und Bundesrat, (Abg. Dr. Greve: Ist das seine Aufgabe?)
zwischen Bund und Ländern überhaupt zu errei- nämlich das Ansehen unserer Bundesrepublik im
chen. Wenn in den vergangenen viereinhalb Ausland, das von einer gewissen Seite sehr häu-
Jahren Bundestag und Bundesrat in allen ent- fig geschädigt worden ist, wiederherzustellen.
scheidenden Fragen zu einer echten Übereinstim-
mung gekommen sind, ist — das wird mir, glaube (Abg. Dr. Greve: Ist er denn plötzlich
ich, auch die Opposition doch wohl zugestehen Außenminister geworden?)
müssen — auch die Arbeit meines Hauses hierbei Die Opposition gegen dieses Ministerium sieht
nicht ganz ohne Erfolg beteiligt gewesen. Das kann fast so aus, als ob wir Walter Scott zitieren könn-
ich doch wohl für mich in Anspruch nehmen. ten, der da sagt: „Revenge is the sweetest meal
(Abg. Heiland: Der 1. April ist doch vorbei! to the mouth that ever was cooked in hell". So
— Zuruf des Abg. Dr. Greve.) ähnlich sieht es bei Ihnen aus.
Die mir gestellte Aufgabe, Herr Greve, trägt es (Heiterkeit. — Zurufe von der SPD.)
allerdings in sich, daß ich nicht mit eigenen Ge- Sie werden sich daran gewöhnen müssen, meine
setzesvorlagen vor das Haus treten kann. ich habe, Herren, daß das Ministerium für Angelegenheiten
wie Sie ja aus dem Haushalt wissen, millionen- des Bundesrates weiterbestehen und weiter arbei-
schwere Haushalttitel nicht zu verwalten. Meine ten wird,
Aufgabe hat sich, wenn sie erfolgreich sein soll, (Abg. Dr. Greve: „Bestehen" schon, aber
im stillen zu vollziehen, in der Arbeit der Bun- nicht „arbeiten"!)
desregierung mit den Ländern, in Besprechungen um zwischen dem Kabinett und den Vertretern
von Minister zu Minister. Ich sehe meine Aufgabe der Länder im Bundesrat die Harmonie herzustel-
darin, Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund len, die im Interesse unserer gesamten Arbeit, un-
und Ländern so frühzeitig im beiderseitigen - Inter- seres Volkes und unserer Wirtschaft notwendig
esse zu klären, daß unser öffentliches Leben da- ist.
durch möglichst nicht belastet wird. (Beifall bei den Regierungsparteien. —
Ich bediene mich dabei eines, das darf ich Abg. Heiland: Das ist doch nur, weil ihr
wohl sagen, wirklich sehr kleinen Arbeitsstabes. selber keinen Parteisekretär bezahlen könnt!
Es sind gegenwärtig sechs Beamte des höheren — Weitere Zurufe links.)
Dienstes, die wohl das Mindestmaß dessen sind,
was man braucht, um für meinen Aufgabenbereich Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
politisch Wesentliches aus der gesamten Gesetz- die Aussprache ist beendet. Sie haben den Strei-
gebungsarbeit herauszuarbeiten. Ich kann mit aller chungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 63,
Bescheidenheit sagen, daß ich in den vergangenen gehört. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem
Jahren innerhalb der Bundesregierung als Spre- Antrag auf Streichung des Einzelplans 28 zuzu-
cher der Länder und im Bundesrat als Sprecher stimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich
der Bundesregierung eine Aufgabe habe erfüllen bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —
können, die auch dem Gesamtwohl des Volkes (Zurufe von der SPD: Na ja, die Koalition!
durchaus gedient hat. — Das können Sie noch!)
(Beifall rechts.) Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist ab-
Sie hat dazu geführt, meine Herren von der Oppo- gelehnt.
sition, daß der Bundesrat, jenes Organ, dem zu Darf ich fragen, meine Damen und Herren, ob
dienen ich in erster Linie berufen bin, meinen die Ablehnung des Streichungsantrages zugleich
Haushalt seit 1949 regelmäßig einstimmig bewil- als Billigung des Einzelplans 28 verstanden werden
ligt hat. Ich bitte auch dieses Haus, ihm seine Zu- kann?
stimmung nicht zu verweigern. (Abg. Ritzel: Nein, nein!)
(Beifall bei den Regierungsparteien.) — Also, Herr Kollege Ritzel als Sachverständiger
für die Geschäftsordnung sagt nein. Dann bitte,
Präsident D. Dr. Ehlers: Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Walter. meine Damen und Herren, noch einmal abstim-
men! Ich bitte die Damen und Herren, die dem An-
Walter (DP): Herr Präsident! Meine Damen! trag Drucksache 370, d. h. dem Einzelplan 28, zu-
Meine Herren! Das Bundesministerium für Ange- zustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —
legenheiten des Bundesrates ist geschaffen worden, Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist das um-
um dem Art. 53 des Grundgesetzes die richtige gekehrte Verhältnis; dieser Antrag ist ange-
Auslegung zu geben. Die Tätigkeit dieses Bundes- nommen!
ministeriums hat sich auch in diesen Bahnen be- (Heiterkeit.)
wegt. Vom Bundesrat selbst ist niemals eine Be- Ich rufe nun zunächst auf:
anstandung erfolgt. Die Beanstandung ist immer
nur von seiten der Opposition gekommen. In jedem Einzelplan 30 - Haushalt der Bundesmini-
Jahr hat sich ein anderer Vertreter der Opposition ster für besondere Aufgaben (Druck-
bemüht, dem Parlament klarzumachen, daß das sache 372)*).
Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrates
überflüssig sei. Herr Abgeordneter Reitzner hat *) Schriftlicher Bericht: Anlage 15 Seite 1036
1022 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Präsident D. Dr. Ehlers)
Sie haben den Streichungsantrag Umdruck 65 *), den Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag
Herr Kollege Schoettle begründet hat, gehört. Wird des Haushaltsausschusses Drucksache 372 zuzustim-
das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter men wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte
Dr. Vogel. um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehr-
Dr. Vogel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine heit; Einzelplan 30 ist angenommen.
Damen und Herren! Da der Haushaltsausschuß den Ich rufe auf:
Haushaltstitel für die Erforschung der Geschichte
des Parlamentarismus um einige 10 000 DM er- Einzelplan 29 — Haushalt für den Geschäfts-
höht hat, glaube ich einen nützlichen Beitrag dazu bereich des Bundesministers für Familien-
zu leisten, wenn ich bei der Behandlung des anste- fragen (Drucksache 371; Umdruck 64) *).
henden Haushalts ein wenig in die parlamenta- Hierzu liegt ein Streichungsantrag vor, den nach
rische Geschichte der Jahre 1919 und 1928 zurück- der Ankündigung des Herrn Kollegen Schoettle
gehe. Ich möchte einen Kabinettserlaß vom Frau Dr. Hubert begründen wird.
21. März 1919 zitieren, in dem es wörtlich heißt: (Abg. Frau Dr. Hubert: Nur begründen!)
Die Geschäfte des Reiches werden durch das — Nicht das Ministerium verantworten, nein!
Reichsministerium geführt. Das Reichsministe (Heiterkeit.)
rium besteht aus Reichsministern, die ein Res
sort leiten, und Reichsministern ohne Porte Aber ich bitte um Entschuldigung: zunächst muß
überhaupt der Bericht erstattet werden. Ich hatte
feuille.
unterstellt, daß man vielleicht darauf verzichten
Der Stellvertreter des Reichskanzlers Bauer — könnte. Ist das etwa Ihre Meinung?
eines Mannes aus Ihren Reihen (zur SPD) —, der
Reichsjustizminister Schiffer, hat 1919 im Reichstag (Zustimmung und Beifall in der Mitte und
folgendes ausgeführt — ich glaube, Sie dürfen es, rechts.)
wenn ich es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — Herr Abgeordneter Dr. Gleissner hat natürlich
jetzt hier zitiere, durchaus als ein aktuelles Zitat als Berichterstatter die Möglichkeit — und ich bitte
auffassen —: darum —, den Bericht schriftlich zu Protokoll zu
Rein objektiv liegt die Sache so, daß die Schaf- geben **).
fung dieser neuen Stellen durchaus zu verant- Bitte, Frau Abgeordnete Hubert!
worten ist ... Das Ministerium ohne Ressort,
das für gewöhnliche Zeiten allerdings nach Frau Dr. Hubert (SPD): Herr Präsident! Meine
Möglichkeit zu vermeiden wäre, ist in dieser Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat
Zeit unumgänglich notwendig, weil in jedem- in seiner Regierungserklärung im Oktober vorigen
Augenblick so viele neue ... Aufgaben eintre- Jahres von der Überalterung des deutschen Volkes
ten, daß sie im Rahmen der gewöhnlichen Res- gesprochen und darauf hingewiesen, daß der An-
sorts nicht zu lösen sind. teil der im produktiven Lebensalter Stehenden
Der erste Minister ohne Portefeuille in Deutschland 67% und der Anteil der Alten und Jugendlichen
war der Sozialdemokrat Dr. David, aus Ihren Rei- 9 % bzw. 24 % ausmache. Er hat ferner erklärt, daß
hen (zur SPD). — Pech! sich diese Zusammensetzung ständig zuungunsten
(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs der im produktiven Lebensalter Stehenden ändere,
parteien. — Zurufe von der SPD.) weil die Langlebigkeit zunehme und die Geburten
Noch im Jahre 1928 haben wir in der amtlichen abnähmen, und daß hier nur durch eine zielbe-
Begründung der Reichstagsdrucksache Nr. 1466 der wußte Familienpolitik und durch die Stärkung des
IV. Wahlperiode aus dem Jahre 1928 zu einem Willens zum Kinde Abhilfe geschaffen werden
Gesetzentwurf, der damals eingebracht worden ist, könne. Dieser Vorstellung des Herrn Bundeskanz-
folgenden Satz: lers verdankt wohl das Ministerium für Familien-
angelegenheiten seine Entstehung.
Satz 2 des § 6 soll die Möglichkeit geben, be-
sonderen politischen oder parlamentarischen (Abg. Lücke: Nicht allein!)
Verhältnissen durch die Ernennung von Mini- Liegen denn die Dinge wirklich so einfach? Der
stern ohne Portefeuille Rechnung zu tragen. Herr Bundeskanzler hat anscheinend übersehen,
(Fortgesetze Zurufe von der SPD.) daß der Anteil der im produktiven Lebensalter
Meine Herren, Sie sehen, die Geschichte wiederholt Stehenden im Jahre 1910 61,2% war, daß er also
sich ständig, wie schon Ben Akiba gesagt hat. Ich heute weit höher ist. Und was bedeutet die hohe
stelle Ihnen anheim, gegen den Herrn Bundeskanz- Geburtenanzahl des Jahres 1900, wenn wir dabei
ler ein Strafverfahren wegen Plagiats einzuleiten; in Betracht ziehen, daß von 10 Neugeborenen 3
das ist die einzige Möglichkeit, die Sie haben. nicht das erste Lebensjahr erreicht haben und daß
(Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei jedes vierte vor dem 15. Lebensjahr gestorben ist,
den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Gü also niemals das produktive Lebensalter erreicht
lich: Sagen Sie doch, was die Herren Mini hat? Die breite Basis des Lebensbaumes ist keines-
ster bisher geleistet haben! — Abg. wegs immer ein Zeichen eines gesunden Volks-
Schoettle: Warum haben Sie sich so viel aufbaus.
Mühe gemacht?) Auch der Herr Bundesfamilienminister hat uns in
Präsident D. Dr. Ehlers: Aber weiter wird dazu der ersten Lesung des Haushalts mit einigen Zah-
das Wort nicht gewünscht?! — Das ist nicht der len aufgewartet. Er hat die Geburtenziffer des
Fall. Ich schließe die Besprechung. Jahres 1900 von 36,5 pro tausend der heutigen Ge-
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Strei- burtenziffer von 15,7 pro tausend gegenüberge-
chungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 65 stellt. Er hat weiter den Geburtenüberschuß des
zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Jahres 1900 von 13,6 pro tausend dem heutigen von
Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist 5,2 pro tausend gegenübergestellt. Der Herr Bun-
abgelehnt. *) Siehe Anlage 11 Seite 1034 A
*) Siehe Anlage 12 Seite 1033 B **) Siehe Anlage 14 Seite 1035
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1023
(Frau Dr. Hubert)
desminister für Familienangelegenheiten ist etwas das gern und aus besonderer Freude —, noch zu
eilig über die Jahrzehnte hinweggesprungen. Ich arbeiten, um den Lebensunterhalt zu sichern.
bitte, mir zu gestatten, seine Zahlen ein wenig zu (Abg. Lücke: Wir müssen das doch Schritt
ergänzen. Die Zahl der Geburten im Jahre 1917 für Schritt tun!)
war bereits 13,9, 1930 17,6, 1932 15,1. Der Gebur- Völlig vermisse ich, daß der Herr Bundesminister
tenüberschuß war 1929 5,4, 1933 3,5, 1942 2,9. Er für Familienangelegenheiten jemals etwa der
hat also heute mit 5,2 bereits wieder aufgeholt. Ein Halbfamilie gedacht hat, wo der Vater fehlt und
Blick auf das Ausland zeigt, daß England mit 3,3 wo die Frau — dazu gehört auch die uneheliche
noch unter uns liegt, Frankreich mit 6,1 zwar über Mutter mit ihrem Kind, die ebenfalls eine kleine
uns, die Schweiz mit 4,5 wieder unter uns. Familie darstellt — allein Vater und Mutter
zugleich sein muß und hier besonderen Verantwor-
Verzeihen Sie, daß ich Ihnen hier soviel Zahlen tungen und Belastungen ausgesetzt ist. Denken Sie
nenne. Aber ich glaube, sie illustrieren und ver- an die vielen Kriegerwitwen, an die vielen Kriegs-
vollständigen das Bild. Man kann, glaube ich, waisen, denen der Staat den Vater genommen hat!
wirklich nicht davon sprechen, daß „ein unser gan- Hier ist eine besondere Fürsorge und Aufmerk-
zes Volk in wenigen Generationen vernichtender samkeit des Staates notwendig.
Prozeß" vorliegt. Wir sind kein sterbendes Volk. (Abg. Lücke: Jetzt überfordern Sie den Familien
Es dürfte eine Übertreibung sein, wenn das gesagt minister, und sonst lehnen Sie ihn ab!)
wird. Selbstverständlich haben wir eine Zunahme Wenn der Herr Familienminister die Zuschriften,
der Langlebigkeit, weil die Lebenserwartung höher die er bekommt, für eine Zustimmung der Bevöl-
ist. Sie war 1900 42 Jahre und liegt jetzt zwischen kerung zu seinem Ministerium hält, so ist dazu zu
60 und 65 Jahren. Hier liegen Erfolge der Medizin sagen: er selbst teilt mit, diese Zuschriften gingen
vor, die wir doch hoffentlich nicht bedauern wol- meistens dahin, daß eine kinderreiche Familie ihn
len. Wir werden dieser Tatsache bei unserer Wirt- um eine Wohnung bittet oder eine Ehefrau ihn auf-
schafts- und Sozialpolitik Rechnung tragen müssen. fordert, den ungetreuen Ehegatten zur Ordnung zu
Aber ich glaube, man löst dieses Problem nicht rufen. So ist doch diese vermeintliche Zustimmung
durch die Errichtung eines Familienministeriums. auf einer völlig falschen Voraussetzung begründet,
und sie geht von einer völligen Verkennung der
Der Herr Familienminister hat sein besonderes Möglichkeiten Ihres Ministeriums aus. Das kann
Augenmerk auf die Ehescheidungen gerichtet. Aber man doch nicht als eine Zustimmung auffassen!
die von ihm selber gegebenen Zahlen zeigen, daß
die im Jahre 1948 ohne Zweifel sehr hohe Zahl der (Abg. Lücke: Das ist in keinem Ministerium
-
Ehescheidungen von 187 heute bereits wieder bei zu verhindern!)
105 angelangt ist und sich so der Zahl von 1939 Nun möchte ich mich noch kurz Ihrem Ministerium
mit 85 nähert. und seinem Aufbau zuwenden. Sie sagen, Sie hät-
ten das Ministerium sehr klein gehalten. Sie haben
Liegt denn wirklich überhaupt eine Gefährdung es in vier Abteilungen eingeteilt; darunter finden
der Familie vor? Wir müssen doch sagen, daß ge- wir eine Grundsatzabteilung, eine Abteilung für
rade die Familie die Probe der Kriegs- und Nach- Sozialpolitik, für Wirtschafts- und für Steuer-
kriegszeit gut überstanden hat. Diese Erfahrung politik, sowie für das Familienrecht. Ich überlege
haben wir nicht nur alle selber gemacht. Vielmehr mir, in welcher dieser Abteilungen Ihre Herren
hat Schelsky in seinen Untersuchungen festgestellt, sich so langweilen, daß sie durch die Städte ziehen
daß gerade die Belastungen, denen die Familie und dort die Schaufensterdekorationen zu Ostern
durch Kriegs- und Nachkriegszeit ausgesetzt war, kontrollieren.
(Heiterkeit bei der SPD.)
zu einer erhöhten Stabilität und zu einem wieder-
gewonnenen Zusammengehörigkeitsgefühl geführt Wie mir berichtet worden ist, ist in einer rheini-
haben. Hier liegen also, gerade wenn wir die von schen Stadt ein Herr aufgetaucht und hat die
mir vorhin erwähnten Zahlen heranziehen, genau Hasenköpfchen auf den Puppen in einem Fenster
die gleichen Vorgänge und Verhältnisse vor, wie beanstandet. Ich weiß nicht, ob d as ein Aprilscherz
wir sie etwa in der Weimarer Republik erlebt sein sollte oder was man davon halten soll.
haben und wie sie eben nach Kriegen natürlich (Abg. Lücke: Glatter Unfug! — Zuruf von
sind. der CDU/CSU: Geistlos! — Weitere Zurufe
Der Herr Bundesminister für Familienangelegen- von der Mitte und rechts. — Glocke des
heiten weist nun mit besonderem Stolz darauf hin, Präsidenten.)
daß er auf die sogenannte Steuerreform des Herrn — Das ist eine Tatsache.
Finanzministers eingewirkt hat, und wir müssen (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen]: Doch nicht
sagen, daß für die kinderreichen Familien ohne für das Parlament!)
Zweifel erfreuliche Erleichterungen vorgenommen — Ich möchte wissen, warum man solche Dinge von
worden sind. einem Ministerium durchführen läßt; das wirkt ja
doch sehr eigenartig!
(Zurufe: Na also! und Beifall bei der Es wäre uns sehr viel lieber gewesen, wenn sich
CDU/CSU.) die Bundesregierung, statt ein solches Ministerium
zu gründen, da etwas freigebiger gezeigt hätte, wo
Aber, Herr Bundesminister für Familienfragen, die Anträge auf wirkliche materielle, finanzielle Hilfe
Familie fängt ja nicht erst beim dritten Kind an! für die Familie gestellt worden sind. Da haben wir
(Abg. Lücke: Aber die ist besonders gefährdet!) es sehr oft erlebt, daß unsere Anträge abgelehnt
Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade bei den wurden. Es erstaunt etwas, daß man in einem Zeit-
jungen Familien, die das erste Kind erwarten, sehr punkt, in dem man ein 'Familienministerium grün-
viele wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen, det, ein wirklich für die Familie so wichtiges Werk
weil der Mann noch sehr wenig verdient. Ich halte wie das Müttergenesungswerk, das nun tatsächlich
es nicht für einen gesunden Zustand, daß die jun- für die Gesundheit der Mütter etwas tun will, mit
gen Frauen vielfach gezwungen sind — keine tut ganzen 30 000 DM abspeist. Diese Abteilungen in
1024 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954
(Frau Dr. Hubert)
Ihrem Ministerium, die nun auf allen Gebieten der Politiker und Männer der Kirche, Sozialwissen-
Gesetzgebung mitarbeiten sollen, halte ich schon schaftler und Sozialarbeiter und Psychologen in
deshalb für überflüssig, weil ich glaube, daß Arbeitsgemeinschaften und auf Tagungen, in Zeit-
schließlich in jedem Ministerium bei der Gesetz- schriften und Zeitungen sich immer wieder damit
gebung Rücksicht auf die Belange der Familie ge- beschäftigen, wie es um die Familie bestellt ist, und
nommen werden muß. Das ist ja eigentlich eine ihre vordringlichste Aufgabe darin sehen, den Pro-
Selbstverständlichkeit. Im Wohnungsbauministerium blemen, die hier aufgeworfen werden, zu Leibe zu
haben wir sogar ein besonderes Referat für die gehen.
Frauen, und ich kann mir nicht vorstellen, daß, (Beifall bei der CDU/CSU.)
wenn der Wohnungsbau etwa mit den Augen der Und wenn Sie nun etwa sagen, Frau Hubert, es
Frau betrachtet werden soll, man das dann anders liege keine Gefährdung der Familie vor, dann will
als eben vom Gesichtspunkt der Familie aus tun ich gar nicht mit meinen Gegenargumenten kom-
kann. men, sondern Ihnen nur anführen, was Ihr Frak-
Schließlich ist ja auch der Bundestag noch da. Ich tionskollege, Herr Kühn, am Freitag vergangener
glaube, hier auf diesen Bänken, überall in diesen Woche gesagt hat. Er führte aus: „Die Gefährdung
Reihen sitzen Familienmütter und Familienväter, der Familie ist eine soziale Realität."
die in diesen Angelegenheiten keines Mentors be- (Abg. Lücke: Sehr gut!)
dürfen.
(Sehr gut! bei der SPD.) Sie scheinen sich da doch in einem wesentlichen
Gegensatz zu befinden.
Meine Damen und Herren! Die Begründung, die
der Herr Bundeskanzler für die Notwendigkeit der Es wird uns auch immer wieder zum Vorwurf
gemacht — heute ist das nicht geschehen —, wir
Schaffung dieses Ministeriums gegeben hat, ist
nicht stichhaltig. Die Aufgaben, die sich der Herr beabsichtigten, die Familie zu bürokratisieren und
Bundesminister für Familienangelegenheiten ge- in sie hineinzuregieren. Sehen Sie, da haben wir die
stellt hat, können anderswo besser und richtiger Verhältnisse in der nationalsozialistischen Zeit noch
in sehr frischer Erinnerung und sehen nun heute
durchgeführt werden.
in der sowjetisch besetzten Zone unseres Landes,
Wir halten deshalb die Einrichtung dieses wie das ist, wenn der Staat in die Familie hinein
Ministeriums für eine Verschwendung von Steuer- regiert. Wir haben, meine ich, in unserer Politik
mitteln und beantragen seine Streichung. bisher unter Beweis gestellt, daß auf allen politi-
(Beifall bei der SPD. — Abg. Lenz [Brühl]: schen Sachgebieten für uns die Devise gilt: Je weni-
Das sieht euch ähnlich!) ger staatliche Einmischung, um so besser, und dafür
-
Präsident D. Dr. Ehlers: Wird das Wort noch ge- um so mehr persönliche Verantwortungsfreudigkeit.
wünscht? — Frau Abgeordnete Dr. Rehling! (Beifall bei der CDU/CSU und beim
GB/BHE.)
Frau Dr. Rehling (CDU/CSU): Herr Präsident! Ich möchte wünschen, daß Sie für diese unsere Auf-
Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete fassung Verständnis aufbringen, sowohl hier im
Hubert, ich möchte wohl sagen, daß Sie den Hause wie auch in den Auseinandersetzungen mit
Herrn Bundeskanzler doch wohl mißverstanden Ihren Parteifreunden in den Länderparlamenten.
haben, wenn Sie meinen, daß er die Gründung des
Familienministeriums in erster Linie vorgenommen Nun wissen wir ja, daß man vom Staat aus
habe, weil wir eine Bevölkerungspolitik treiben weder kulturschöpferisch noch gemeinschaftsbildend
wollten etwa, wie sie im Dritten Reich betrieben wirken kann. Wir haben aber die Auffassung, daß
worden ist. es bei der unleugbaren Gefährdung der Familie
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) notwendig ist, ihr eine Hilfestellung zu gewähren,
damit sie ihre wichtigen Funktionen ungehindert
Mit Statistiken kann man j a allerlei beweisen. und in vollem Umfange erfüllen kann. Der auch in
Ich glaube, Sie haben bei der Ihren vollkommen Ihren Reihen (zur SPD) sehr geschätzte Sozialwis-
vergessen, daß einige Jahrgänge durch den Krieg senschaftler Professor Mackenrodt — jedenfalls hat
völlig ausgefallen sind. ihn, wie ich dem Protokoll des Haushaltsausschusses
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) entnommen habe, Herr Professor Gülich Herrn
Es ist immerhin — wenn man die Familie als die Minister Wuermeling als Sachverständigen warm
Keimzelle eines gesunden Volks- und Staatslebens empfohlen — hat in aller Deutlichkeit gesagt, daß
ansieht, und ich glaube, darin sind wir uns einig — an Stelle der Arbeiterklasse heute die Familie
besorgniserregend, daß wir heute nur einen Gebur- Objekt der Sozialpolitik werden müsse,
tenüberschuß aufzuweisen haben, wie er in der (Abg. Lücke: Sehr richtig!)
Prozentzahl so niedrig noch gar nicht gelegen hat.
und zwar quer durch alle Klassen und Schichten,
(Abg. Frau Dr. Hubert: Und die Zahl von und daß es hier überhaupt keine Unterschiede mehr
1942! Und die Schweiz: 4,5 %, also 1 % gebe.
weniger. Sie müssen zuhören, Frau Rehling!)
— Ja, ich sagte Ihnen schon: mit Statistiken kann Es erscheint uns immerhin alarmierend, wenn
man keine schlüssigen Beweise führen. wir von erfahrenen Kriminalisten hören, daß zwar
die kriminelle Veranlagung der Jugend nicht zuge-
(Zurufe von der SPD.) nommen habe, daß aber 90 % aller kriminellen
Wir sind mit Ihnen auch darin einig, daß die Jugendlichen aus zerstörten Familien kommen. Sie
deutsche Familie ihre Bewährungsprobe in den haben vorhin selbst auf den Notstand hingewiesen,
chaotischen Kriegs- und Nachkriegsjahren glänzend daß heute so viele Frauen, die gern in der Familie
bestanden hat. bleiben möchten, berufstätig sind. Da scheint es mir
(Zuruf von der SPD: Na also!) allerdings dringend notwendig zu sein, Abhilfe zu
Man kann wohl sagen, daß sie eine ganz besondere schaffen.
Lebenszähigkeit bewiesen hat. Aber auf der ande (Abg. Frau Dr. Hubert: Aber materiell,
ren Seite ist doch nicht abzuleugnen, daß heute Frau Rehling!)
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1025
(Frau Dr. Rehling)
Was nun den Beamtenapparat anlangt, so meine
— Jawohl, materiell! Und nun sagen Sie, man ich doch, daß er klein gehalten ist. Ich möchte
könne ja alle diese Angelegenheiten in den zustän- hoffen und wünschen, es möge von diesem Ministe-
digen Ministerien erledigen. Ich meine aber, es ist rium einmal heißen, daß hier von wenigen für viele
im verflossenen Jahr deutlich geworden, daß wir viel geschaffen worden ist.
da eben nicht genug getan haben;
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und
(Abg. Lücke: Sehr richtig!) beim GB/BHE.)
denn die Fachministerien sind mit Arbeit außer-
ordentlich belastet, und es passiert schon sehr Präsident D. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren,
leicht, daß man die Belange einer Gruppe nicht so der Herr Bundesminister für Familienfragen hat
berücksichtigt, wie das wünschenswert wäre. Wenn mir erklärt, daß er selbstverständlich bereit sei, zu
wir heute so viel von dem Kampf gegen die Ver- den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Ich
massung reden, dann sollten wir doch ernstlich da- habe ihm versichert, daß das Haus es mit Rücksicht
nach trachten, daß wir gerade die Familie, die hier auf die vorgeschrittene Zeit sicher begrüßen würde,
ein starkes Bollwerk bilden kann, vor dem Absin- wenn er darauf heute abend verzichtete. Ist das die
Meinung des Hauses?
ken ins Kollektiv und vor der sozialen Deklassie-
rung bewahren. Ich meine, wenn wir es wirklich (Zustimmung.)
ernst nehmen mit dem Art. 6 unseres Grundgeset- — Danke. Wird das Wort sonst noch gewünscht? —
zes, der dem Staat die besondere Verpflichtung Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
zum Schutz der Familie auferlegt, und wenn wir
der Überzeugung sind, daß sie gefährdet ist, dann Es liegt der Streichungsantrag der Fraktion der
ist die Gründung eines Familienministeriums eine SPD, Umdruck 64, vor. Ich bitte die Damen und
Konsequenz aus diesem Artikel des Grundgesetzes. Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu
Sie haben vorhin j a selbst schon darauf hingewie- erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent-
sen, daß dieses Ministerium bei der wesentlichen haltungen? — Dieser Antrag ist mit Mehrheit bei
Heraufsetzung der Freigrenze für die kinderreichen einigen Enthaltungen abgelehnt.
Familien im Rahmen der Steuerreform einen ersten
Erfolg aufzuweisen hat. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Einzel-
plan 29 gemäß Drucksache 371 zuzustimmen wün-
(Abg. Frau Dr. Hubert: Es ist nicht allein schen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die
die Familie!) Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Ent-
— Immerhin ist das doch wohl schon als ein Erfolg haltungen mit Mehrheit angenommen.
dieses Ministeriums zu buchen. Meine Damen und Herren, die von uns für die
Im übrigen möchte ich Ihnen auch in Erinnerung heutige Beratung vorgesehene Zeit ist überschritten.
rufen, daß wir mit dieser Gründung des Familien- Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Fortsetzung
ministeriums wirklich nicht allein dastehen. Ein der zweiten Beratung sowie die dritte Beratung
solches ist in Luxemburg bereits 1950, in Belgien am 30. April vornehmen.
1951 gegründet worden. Diese Ministerien haben Es bleibt mir, bevor ich die Sitzung schließe, die
sich durchaus bewährt. Pflicht, Ihnen ein gutes und gesegnetes Osterfest
(Abg. Lücke: Sehr richtig!) zu wünschen.
Ich habe gehört, daß in Belgien selbst bei einem Ich berufe die nächste Sitzung auf den 29. April,
Wechsel der Regierungspartei dieses Ministerium 9 Uhr, und schließe die 25. Sitzung des Bundestages.
beibehalten wurde. (Schluß der Sitzung: 19 Uhr 38 Minuten.)
1026 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
(Umdruck 41)

zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die


Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954

(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 11 — Haushalt für den Geschäftsbereich


des Bundesministers für Arbeit

(Drucksachen 200, 350, 361)

Der Bundestag wolle beschließen:

1. § 13 Abs. 3 des Haushaltsgesetzes 1954 wird ge-


strichen.
2. In Einzelplan 11 werden
a) in Kap. 1111 Tit. 300 der Betrag von
638 000 000 DM auf 900 000 000 DM erhöht,
b) in Kap. 1113 Tit. 611 die beiden Zweckbe-
stimmungsvermerke gestrichen,
c) Kap. A 1102 Tit. 300 gestrichen.

Bonn, den 6. April 1954

OlenhaurdFktio
2. Deutscher Bundestag - 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1027

Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
(Umdruck 42)

zur zweiten Beratung des Entwurfseines Gesetzes über die


Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954

(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 45 — Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin

(Drucksachen 200, 350, 376)

Der Bundestag wolle beschließen:


a) Das Aufkommen aus der Abgabe Notopfer Ber-
lin dient — gemäß § 16 des Dritten Überlei-
tungsgesetzes — in erster Linie der Deckung
des Fehlbedarfs des Berliner Landeshaushaltes.
Der nach Leistung des Bundeszuschusses ver-
bleibende Ertrag des Notopfers sollte aus-
schließlich verwendet werden, um die wirtschaft-
liche und soziale Position Berlins zu sichern.
Die Zweckbestimmung des Notopfers Berlin
wird bei der Neufassung des Gesetzes über das
Notopfer und durch eine entsprechende Ände-
rung des Dritten Überleitungsgesetzes festzu-
legen sein.

b) Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Ge-


staltung des kommenden Bundeshaushaltes da-
für zu sorgen, daß die Einnahme aus der Ab-
gabe Notopfer Berlin in den Einzelplan 45 —
Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin — auf-
genommen wird.

Bonn, den 6. April 1954

OlenhaurdFktio
1028 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
(Umdruck 46)
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 45 — Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin


(Drucksachen 200, 350, 376)

Der Bundestag wolle beschließen:


Der in Kap. 4502 Tit. 600 festgesetzte Zuschuß zum
Landeshaushalt Berlin wird über den Betrag von
„710 000 000 DM" auf den anerkannten Zuschuß-
bedarf des Landes Berlin von „800 000 000 DM"
erhöht.

Bonn, den 6. April 1954

undFraktio Olenhaur

Anlage 4 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion des GB/BHE
(Umdruck 58)
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 45 — Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin


(Drucksachen 200, 350, 376)

Der Bundestag wolle beschließen:

in Kap. 4502 die Summe Tit. 600 zu erhöhen auf


780 000 000 DM.

Bonn, den 8. April 1954

Dr. Gille
Seiboth
Dr. Eckhardt und Fraktion
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1029

Anlage 5 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Abgeordneten Hoogen, Dr. Greve, Dr. Schneider
(Lollar) und Genossen
(Umdruck 21)

zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die


Fest lungdesBundeshaushaltspansfürdasRechnugsjahr1954

(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 19 -- Haushalt des Bundesverfassungsgerichts

(Drucksachen 200, 350, 364)


-

Der Bundestag wolle beschließen: gruppen B 2, B 3 und B 4 zustehenden Dienstauf-


wandsentschädigungen (bei dem Präsidenten des
in Kap. 1901 die Summe Tit. 101 um 55 000 DM zu Bundesverfassungsgerichts unter Einrechnung der
erhöhen mit der Maßgabe, daß den Bundesverfas ihm gesetzlich zustehenden Dienstaufwandsent-
sungsrichtern die ihnen nach ihren Besoldungs schädigung) zu gewähren sind.

Bonn, den 2. April 1954

Hoogen Dr. Greve Dr. Schneider (Lollar)


Brück Dr. Arndt Onnen
Dr. von Buchka Metzger Dr. Czermak
Dr. Furler Frau Nadig Dr. von Merkatz
Höcherl Rehs
Frau Dr. Schwarzhaupt Schröter (Wilmersdorf)
Dr. Weber (Koblenz) Wittrock
Dr. Welskop Frau Wolff (Berlin)
1030 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Anlage 6 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Schild (Düsseldorf), Lücke
und Genossen
(Umdruck 23)

zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die


Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954

(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 25 — Haushalt für den Geschäftsbereich


des Bundesministers für Wohnungsbau

(Drucksachen 200, 350, 367)

Der Bundestag wolle beschließen: lich Bauvorhaben durchführen bzw. betreuen,


Die Bundesregierung wird ersucht, durch welche die Eigentumsbildung im Wohnungs-
bau gefördert wird.
in Kap. 2501 die Erläuterungen zu Tit. 895 dahin
zu ergänzen, daß sich der Bund nur an solchen Es muß bei den Unternehmen, an denen sich der
wohnungswirtschaftlichen Unternehmen, Heim- Bund beteiligt, ebenfalls gewährleistet sein, daß
stätten und Betreuungsgesellschaften beteiligt, bei sich die Tochtergesellschaften dieser Unternehmen
denen die Gewähr gegeben ist, daß sie ausschließ im gleichen Sinne betätigen.

Bonn, den 6. April 1954 Kirchhoff


Krammig
Leonhard
Dr. Schild (Düsseldorf) Lücker (München)
Dr. von Merkatz und Fraktion Menke
Lücke Mensing
Bauer (Wasserburg) Mühlenberg
Brand (Remscheid) Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn)
Bock Müller-Hermann
Dr. Brönner Raestrup
Brück Richarts
Dr. Czaja Ruf
Diedrichsen Schmücker
Dr. Dollinger Schrader
Finckh Schuler
Dr. Glasmeyer Schulze-Pellengahr
Griem Dr. Serres
Dr. Hesberg Dr. Siemer
Dr. Höck Stiller
Illerhaus Stücklen
Frau Dr. Jochmus Dr. von Brentano und Fraktion
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1031

Anlage 7 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
(Umdruck 40)
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 25 — Haushalt für den Geschäftsbereich


des Bundesministers für Wohnungsbau
(Drucksachen 200, 350, 367)

Der Bundestag wolle beschließen:


In Kap. 2501 werden
„20 000 000 DM"
eingesetzt als „Darlehen an die Länder für den
Bau von Wohnungen für rückkehrwillige
Evakuierte, die unter das Evakuiertengesetz
fallen".
Bonn, den 6. April 1954
undFraktio Olenhaur

Anlage 8 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
(Umdruck 57)
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 27 — Haushalt für den Geschäftsbereich


des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen
(Ducksachen 200, 350, 369)

Der Bundestag wolle beschließen:


In Kap. 2701 Tit. 300 erhält die Zweckbestimmung
folgenden Vermerk:
„Bei der Disposition über diese Mittel ist eine
nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bun-
destages aus fünf Mitgliedern des Bundestages
zu bildende Kommission zu hören".
Bonn, den 7. April 1954
undFraktio Olenhaur
1032 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Anlage 9 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion des GB/BHE
(Umdruck 53)
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 27 — Haushalt für den Geschäftsbereich


des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen
(Ducksachen 200, 350, 369)

Der Bundestag wolle beschließen,


in Kap. 2701 folgenden neuen Tit. 303 einzusetzen:
„Für kulturelle Hilfsmaßnahmen im Zonen-
grenzgebiet gemäß Beschluß des Deutschen
Bundestages vom 2. Juil 1953 — Drucksache
4467 der 1. Wahlperiode —
25 000 000 DM"
Bonn, den 7. April 1954
Seiboth
Dr. Gille
'Dr. Mocker und Fraktion

Anlage 10 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
(Umdruck 63)
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 28 — Haushalt für den Geschäftsbereich


des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates
(Drucksachen 200, 350, 370)

Der Bundestag wolle beschließen:


Der Einzelplan 28 wird gestrichen.
Bonn, den 9. April 1954
011enhauer und Fraktion
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1033

Anlage 11 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Ä nderungsantrag
der Fraktion der SPD
(Umdruck 64)
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 29 — Haushalt für den Geschäftsbereich


des Bundesministers für Familienfragen
(Drucksachen 200, 350, 371)

Der Bundestag wolle beschließen:


Der Einzelplan 29 wird gestrichen.

Bonn, den 9. April 1954

undFraktio Olenhaur

Anlage 12 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
(Umdruck 65)
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
(Haushaltsgesetz 1954)

Einzelplan 30 - Haushalt der Bundesminister für besondere Aufgaben


(Drucksachen 200, 350, 372)

Der Bundestag wolle beschließen:


Der Einzelplan 30 wird gestrichen.

Bonn, den 9. April 1954

undFraktio Olenhaur
1034 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Anlage 13 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Schriftlicher Bericht
des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß)
(zu Drucksache 365)

zum Entwurf eines Gesetzes über die


Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954

(Haushaltsgesetz 1954)

(Drucksache 200)

Einzelplan 20 — Haushalt des Bundesrechnungshofes


Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Conring.

Die Einnahmen des Einzelplans 20 haben sich nur


unwesentlich verändert.
Dagegen sind die Ausgaben nicht unerheblich
gestiegen. Der Zuschußbedarf dieses Einzelplans
beträgt — nach Abzug des Kürzungsbetrages in
Höhe von 4 v. H. — rund 1,1 Millionen DM mehr
als im Vorjahre. Die Steigerung des Zuschußbe-
darfes beruht, abgesehen von der zwangsläufigen
Erhöhung der Besoldungsausgaben durch die
20 %ige Gehaltserhöhung, ausschließlich auf Per-
sonalvermehrung; die Zahl der Angestellten, Ar-
beiter und Beamten ist von 405 (1953) auf 441
(1954) gestiegen.
Die Vermehrung des Zuschußbedarfs ergibt sich
aus dem Anwachsen des Haushaltsvolumens des
Bundes, welches sich in der Zeit von 1950 bis 1953
von 16,3 Milliarden DM auf 27,8 Milliarden DM
vermehrt hat. Das Anwachsen der Haushaltsaus-
gaben zieht notwendig eine Erweiterung der zu
legenden Rechnungen und damit einen vermehrten
Arbeitsaufwand des Bundesrechnungshofes nach
sich. Der Wirkungsgrad dieser Prüfungen des Bun-
desrechnungshofes wird um so größer sein, je
regelmäßiger und je kurzfristiger die Prüfungen
stattfinden. Es hat sich daher als notwendig er-
wiesen, die bisherigen 4 Prüfungsabteilungen auf
5 und die bisherigen 24 Prüfungsgebiete auf 29
zu erhöhen.
Der Haushaltsausschuß hat sich einstimmig da-
von überzeugt, daß der vorgeschlagene Mehrauf-
wand für 1954 notwendig ist. Er hat demgemäß
die Vorlage der Bundesregierung unverändert an-
genommen. Nur der Zuschuß zur Gemeinschafts-
verpflegung ist bis zu einer Generalregelung dieser
Frage gesperrt.
Im Namen des Haushaltsausschusses habe ich die
Annahme des Einzelplanes 20 zu empfehlen.

Bonn, den 9. April 1954

Dr. Conring
Berichterstatter
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1035

Anlage 14 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Schriftlicher Bericht
des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß)
(zu Drucksache 371)

zum Entwurf eines Gesetzes über die


Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954

(Haushaltsgesetz 1954)

(Drucksache 200)

Einzelplan 29 — Haushalt für den Geschäftsbereich


des Bundesminister für Familienfragen
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gleissner (München)

Das Bundesministerium für Familienfragen, das kostenvergütung (statt 8800 DM 4800 DM), in Tit.
in diesem Haushalt zum erstenmal erscheint, wurde 870 erstmalige Anschaffung von Geräten und Aus-
im Haushaltsausschuß hinsichtlich Aufbau und Ar- stattungsgegenständen (statt 25 000 DM 20 000 DM)
beitsweise einer eingehenden Betrachtung unter- Abstriche vorgenommen.
zogen. - Der bei Tit. 240 ausgebrachte Betrag zur Ver-
Das Ministerium besteht aus dem Ministerbüro fügung des Ministers wurde mit der Begründung,
und der Fachabteilung für Familienfragen. Der daß ein Aufwand nicht in gleicher Höhe wie bei
vorgesehene Gesamtzuschuß ist hierfür den Ressortministern zu erwarten sei, von 20 000
DM auf 15 000 DM gekürzt.
mit 627 700 DM in der Vorlage veranschlagt,
und zwar Alle übrigen Titel wurden entsprechend der Vor-
mit 438 300 DM für Personalausgaben, lage und dem Berichtigungsvorschlag angenommen
mit 172 400 DM für Sachausgaben und und damit die für das Familienministerium vor-
mit 25 000 DM für einmalige Ausgaben. gesehenen Ausgaben gebilligt.
Sämtliche Personaltitel wurden entsprechend Der Haushaltsausschuß empfiehlt Ihnen mit
der Vorlage und dem dem Haushaltsausschuß vor- Mehrheit die Annahme des Einzelplanes 29, für
gelegten Berichtigungsvorschlag mit Mehrheit ge- Familienfragen, mit den Änderungs- und Abschluß
nehmigt. Die Personaltitel enthalten insgesamt Summen, die sich aus der Zusammenstellung
7 höhere Beamtenstellen. Drucksache Nr. 371 ergeben.
Die im Berichtigungsblatt angegebenen Erhö-
hungen der Personalausgaben sind zur Hälfte auf
die 20 % igen Gehalts- und Tariferhöhungen zu- Bonn, den 9. April 1954
rückzuführen. Die eigentliche Erhöhung beträgt
demnach rund 60 000 DM.
Bei den Sachausgaben wurden in Tit. 202, Bü- Dr. Gleissner (München)
cherei (statt 8000 DM 5000 DM), in Tit. 215, Reise Berichterstatter
1036 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Anlage 15 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung

Schriftlicher Bericht
des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß)
(zu Drucksache 372)

zum Entwurf eines Gesetzes über die


Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954

(Haushaltsgesetz 1954)

(Drucksache 200)

Einzelplan 30 — Haushalt der Bundesminister


für besondere Aufgaben
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gleissner (München)

Für die vier Bundesminister für besondere Auf- Bedürfnisse (statt 12 000 DM 8000 DM), für Büche-
gaben ist ein gemeinsamer Einzelplan aufgestellt rei (statt 6 400 DM 4 400 DM), vor allem für Post-
worden. und Fernmeldegebühren (statt 45 600 DM 25 000 DM)
Der Ausschuß hat seine Arbeit darin gesehen, und Reisekostenvergütungen (statt 28 000 DM
auf der einen Seite für die Herren Minister - die 15 000 DM) zum Teil erheblich gekürzt.
notwendigen Arbeitsvoraussetzungen für die ihnen Die zur Verfügung der einzelnen Minister ste-
zugedachten Aufgaben sicherzustellen, aber auf henden Beträge für außergewöhnlichen Aufwand
der anderen Seite alle Ansätze zu verhindern, die aus dienstlichen Veranlassungen in besonderen
zu einer Ausweitung führen könnten. Fällen wurden mit der Begründung, daß die Son-
Der vorgesehene Gesamtzuschuß für die Bundes- derminister nicht denselben Aufwand wie Ressort-
minister für besondere Aufgaben ist mit 803 700 DM minister hätten, um die Hälfte gekürzt.
in der Vorlage veranschlagt, und zwar Im Ausschuß wurde auch die Empfehlung aus-
mit 638 300 DM für Personalausgaben, gesprochen, daß eine räumliche Zusammenlegung
mit 166 200 DM für Sachausgaben. der Verwaltung für Sonderminister unter allen
Umständen erfolgen müsse, weil durch eine Zu-
Daraus ergibt sich gegenüber dem Berichtigungs- sammenlegung Ersparnisse erzielt werden können.
vorschlag, wie er dem Haushaltsausschuß vorge-
legen war, eine zu beachtende Kürzung. Hierbei ist jedoch nicht an einen Neubau oder
an einen Erweiterungsbau gedacht, sondern an be
Bei den Personaltiteln wurde ein Antrag: „die reits vorhandene oder im Bau begriffene Gebäude.
im Stellenplan der Regierungsvorlage und des Be-
richtigungsvorschlages zu Tit. 101 ausgebrachten Der Haushaltsausschuß empfiehlt Ihnen mit Mehr-
Stellen für vier Ministerialräte in Stellen für Re- heit die Annahme des Einzelplanes 30, Haushalt
gierungsdirektoren umzuwandeln", angenommen. der Bundesminister für besondere Aufgaben, mit
den Änderungen, die sich aus der Drucksache
Ferner wurde eine im Berichtigungsvorschlag Nr. 372 ergeben.
vorgesehene Stellenvermehrung des Verwaltungs-
personals um weitere 4 Ministerialregistratoren
abgelehnt. Bonn, den 9. April 1954

Eine besonders eingehende Behandlung fanden


die Sachkosten. Es wurden nach dem Berichti- Dr. Gleissner (München)
gungsvorschlag erhöhte Ansätze für Geschäfts Berichterstatter
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1037

Namentliche Abstimmungen
1. über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Kap. 4502 Tit. 600 des Einzel-
plans 45 - Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin (Umdruck 46)
2. über den Änderungsantrag der Fraktion des GB / BHE zum Kap. 4502 Tit. 600 des
Einzelplans 45 Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin (Umdruck 58)

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. 2. 1. 2.
CDU/CSU
Frau Ackermann . . . . Nein Nein Fuchs Nein Nein
Dr. Adenauer — — Funk Nein krank
Albers Nein Nein Dr. Furler — —
Arndgen Nein Nein Gedat entschuld. entschuld.
Barlage Nein Nein Geiger (München) . . . Nein Nein
Dr. Bartram krank krank Frau Geisendörfer . . . krank krank
Bauer (Wasserburg) . . Nein Nein Gengler . Nein Nein
Bauereisen Nein Nein Gerns entschuld. entschuld.
Bauknecht krank krank D. Dr. Gerstenmaier . . — —
Bausch Nein Nein Gibbert Nein Nein
Becker (Pirmasens) . . . Nein Nein Giencke . Nein Nein
Berendsen - — Dr. Glasmeyer Nein Nein
Dr. Bergmeyer Nein Nein Dr. Gleissner (München) Nein Nein
Fürst von Bismarck . . . Nein — Glüsing — —
Blank (Dortmund) . . . — — Gockeln . — —
Frau Dr. Bleyler Dr. Götz Nein Nein
(Freiburg) Nein Nein Goldhagen Nein Nein
Bock Nein Nein Gontrum Nein Nein
von Bodelschwingh . . . Nein Nein Dr. Graf Nein Nein
Dr. Böhm (Frankfurt) . Nein Nein Griem Nein Nein
Brand (Remscheid) . . . Nein Nein Günther krank krank
Frau Brauksiepe . . Nein Nein Gumrum Nein Nein
Dr. von Brentano . . . entschuld. entschuld. Häussler Nein —
Brese Nein Nein Hahn — —
Frau Dr. Brökelschen . . — — Harnischfeger Nein Nein
Dr. Brönner Nein Nein von Hassel — _.
Brookmann (Kiel) . — — Heix Nein Nein
Brück Nein Nein Dr. Hellwig entschuld. entschuld.
Dr. Bucerius Nein Nein Dr. Graf Henckel . Nein Nein
Dr. von Buchka . . . . Ja Nein Dr. Hesberg Nein Nein
Dr. Bürkel — — Heye — —
Burgemeister Nein Nein Hilbert — —
Caspers — — Höcherl Nein Nein
Cillien entschuld. entschuld. Dr. Höck Nein Nein
Dr. Conring Nein Nein Höfler Nein Nein
Dr. Czaja Nein Nein Holla Nein Nein
Demmelmeier Nein Nein Hoogen Nein Nein
Diedrichsen Nein Nein Dr. Horlacher entschuld. entschuld.
Frau Dietz Nein Nein Horn Nein Nein
Dr. Dittrich entschuld. entschuld. Huth Nein Nein
Dr. Dollinger Nein Nein Illerhaus Nein Nein
Donhauser Nein Nein Dr. Jaeger entschuld. entschuld.
Dr. Dresbach Nein Nein Jahn (Stuttgart) . . Nein Nein
Eckstein Nein Nein Frau Dr. Jochmus . . . Nein Nein
D. Dr. Ehlers Nein Nein Josten Nein Nein
Ehren Nein Nein Kahn Nein Nein
Engelbrecht-Greve . . Nein Nein Kaiser — —
Dr. Dr. h. c. Erhard . . - - Karpf Nein Nein
Etzenbach . Nein Nein Dr. Kather erstschuld. entschuld.
Even Nein Nein Kemmer (Bamberg) Nein Nein
Feldmann . krank krank Kemper (Trier) Nein Nein
Finckh Nein Nein Kiesinger — —
Dr. Franz Nein Nein Dr. Kihn (Würzburg) . . Nein Nein
Franzen Nein Nein Kirchhoff Nein Nein
Friese Nein Nein Klausner entschuld. entschuld.
1038 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. 2. 1. 2.

Dr. Kleindinst Nein Nein Frau Dr. Rehling . . . . Nein Nein


Dr. Kliesing Nein Nein Richarts Nein Nein
Knapp Ja Ja Frhr. Riederer von Paar Ja Ja
Knobloch Nein Nein Dr. Rinke Nein enthalten
Dr. Köhler krank krank Frau RÖsch Nein Nein
Koops Nein Nein Rümmele Nein Nein
Dr. Kopf Nein Nein Ruf Nein Nein
Kortmann Nein Nein Sabaß — Nein
Kramel Nein Nein Sabel Nein Nein
Krammig Nein Nein Schäffer entschuld. Nein
Kroll Nein Nein Scharnberg Nein Nein
Frau Dr. Kuchtner . . entschuld. entschuld. Scheppmann — —
Kühlthau Nein Nein Schill (Freiburg). . krank krank
Kuntscher Nein Nein Schlick krank krank
Kunze (Bethel) Nein Nein Schmidt-Wittmack . . . Nein Nein
Lang (München) . . . Nein Nein Schmücker Nein Nein
Leibfried entschuld. entschuld. Schneider (Hamburg) . . Nein Nein
Dr. Leiske Nein Nein Schrader Nein Nein
Lenz (Brühl) Nein Nein Dr. Schrader (Düsseldorf) — —
Dr. Lenz (Godesberg) . entschuld. entschuld. Dr.-Ing. E. h. Schuberth — Nein
Lenze (Attendorn) — — Schüttler Nein Nein
Leonhard Nein Nein Schütz Nein Nein
Lermer Nein Nein Schuler Nein Nein
Leukert Nein Nein Schulze-Pellengahr . . . Nein Nein
Dr. Leverkuehn. . Nein Nein Schwarz Nein Nein
Dr. Lindenberg . - — Frau Dr. Schwarzhaupt Nein Nein
Dr. Lindrath Nein Nein Dr. Seffrin Nein Nein
Dr. Löhr Nein Nein Seidl (Dorfen) Nein Nein
Dr. h. c. Lübke. . — — Dr. Serres Nein Nein
Lücke Nein Nein Siebel Nein Nein
Lücker (München) Nein Nein Dr. Siemer Nein Nein
Lulay Nein Nein Solke — —
Maier (Mannheim) Nein Nein Spies (Brücken). . Nein Nein
Majonica Nein Nein Spies (Emmenhausen) . Nein Nein
Dr. Baron Manteuffel- Spörl Nein Nein
Szoege Nein Nein Graf von Spreti. . Nein Nein
Massoth Nein Nein Stauch Nein Nein
Maucher . . — — Frau Dr. Steinbiß. . Nein Nein
Mayer (Birkenfeld) Nein Nein Stiller Nein Nein
Menke Nein Nein Storch Nein Nein
Mensing entschuld. entschuld. Dr. Storm Nein Nein
Meyer (Oppertshofen) . Nein Nein Strauß Nein Nein
Miller entschuld. entschuld. Struve entschuld. entschuld.
Dr. Moerchel — Nein Stücklen Nein Nein
Morgenthaler Nein Nein Teriete Nein Nein
Muckermann Nein Nein Unertl Nein Nein
Mühlenberg Nein Nein Varelmann Nein Nein
Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) Nein entschuld. Frau Vietje Nein Nein
Müller-Hermann . . . . Nein Nein Dr. Vogel Nein Nein
Müser Nein Nein Voß Nein Nein
Naegel Nein Nein Wacher (Hof) Nein Nein
Nellen Nein Nein Wacker (Buchen) . . Nein Nein
Neuburger Nein Nein Dr. Wahl Nein Nein
Niederalt Nein Nein Walz Nein Nein
Frau Niggemeyer . . . Nein Nein Frau Dr. Weber (Aachen) Nein Nein
Dr. Oesterle krank krank Dr. Weber (Koblenz) . . Nein Nein
Oetzel Nein Nein Wehking entschuld. entschuld.
Dr. Orth entschuld. entschuld. Dr. Welskop Nein Nein
Pelster Nein — Frau Welter (Aachen) . — —
Dr. Pferdmenges . .. Nein Nein Dr. Werber Nein Nein
Frau Pitz Nein Nein Wiedeck Nein Nein
Platner. . krank krank Wieninger Nein Nein
Dr. Pohle (Düsseldorf) . — — Dr. Willeke Nein Nein
Frau Praetorius .. . Nein Nein Winkelheide Nein Nein
Frau Dr. Probst .. . Nein Nein Wittmann Nein Nein
Dr. Dr. h. c. Pünder . — Nein Wolf (Stuttgart) Nein Nein
Raestrup Nein Nein Dr. Wuermeling . . . . Nein Nein
Rasner Nein — Wullenhaupt Nein Nein
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1039

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. 2. 1. 2.

SPD

Frau Albertz Ja Ja Keuning


Frau Albrecht — — Kinat —
Ja Ja
Altmaier Ja — Frau Kipp-Kaule . . . entschuld. entschuld.
Dr. Arndt — — Könen (Düsseldorf) . Ja Ja
Arnholz Ja Ja Koenen (Lippstadt) . . Ja Ja
Dr. Baade krank krank Frau Korspeter .. Ja Ja
Dr. Bärsch Ja Ja Dr. Kreyssig entschuld. entschuld.
Bals — — Kriedemann Ja Ja
Banse Ja Ja Kühn (Köln) Ja —
Bauer (Würzburg) . . . Ja Ja Kurlbaum Ja Ja
Baur (Augsburg) . . . . Ja Ja Ladebeck Ja Ja
Bazille Ja Ja Lange (Essen) Ja Ja
Behrisch — — Frau Lockmann . . . . Ja —
Frau Bennemann Ja Ja Ludwig Ja Ja
Bergmann Ja Ja Dr. Lütkens Ja Ja
Berlin — — Maier (Freiburg) . . . Ja Ja
Bettgenhäuser Ja Ja Marx Ja Ja
Frau Beyer (Frankfurt) Ja Ja Matzner Ja Ja
Birkelbach Ja Ja Meitmann — —
Blachstein krank krank Mellies Ja Ja
Dr. Bleiß Ja Ja Dr. Menzel Ja Ja
Böhm (Düsseldorf) . . . krank krank Merten krank krank
Bruse Ja Ja Metzger Ja Ja
Corterier Ja Ja Frau Meyer (Dortmund) Ja Ja
Dannebom Ja Ja Meyer (Wanne-Eickel) . Ja Ja
Daum Ja Ja Frau Meyer-Laule . . . Ja Ja
Dr. Deist Ja Ja Moll Ja Ja
Dewald Ja Ja Dr. Mommer Ja Ja
Diekmann Ja Ja Mailer (Erbendorf) . . . Ja Ja
Diel Ja Ja Müller (Worms) Ja Ja
Frau Döhring Ja Ja Frau Nadig Ja Ja
Erler entschuld. entschuld. Odenthal Ja Ja
Eschmann — — Ohlig Ja Ja
Faller Ja Ja Ollenhauer Ja Ja
Franke Ja Ja Op den Orth Ja Ja
Frehsee krank krank Paul ,. . Ja Ja
Freidhof Ja Ja Peters Ja Ja
Frenzel — — Pöhler Ja Ja
Gefeller Ja Ja Pohle (Eckernförde) . . Ja Ja
Geiger (Aalen) entschuld. entschuld. Dr. Preller Ja Ja
Geritzmann Ja Ja Priebe __ Ja Ja
Gleisner (Unna) . . .. Ja Ja Pusch Ja Ja
Dr. Greve Ja Ja Putzig r Ja Ja
Dr. Gülich Ja Ja Rasch Ja Ja
Hansen (Köln) entschuld. entschuld. Regling Ja Ja
Hansing (Bremen) . . . Ja Ja Rehs Ja Ja
Hauffe Ja Ja Reitz Ja Ja
Heide Ja Ja Reitzner Ja Ja
Heiland Ja Ja Frau Renger Ja Ja
Heinrich Ja Ja Richter Ja Ja
Hellenbrock Ja Ja Ritzel Ja Ja
Hermsdorf .. .. Ja Ja Frau Rudoll Ja Ja
Herold Ja Ja Ruhnke — .-
Höcker Ja Ja Runge . ., , . . Ja Ja
Höhne Ja Ja Sassnick Ja Ja
Hörauf Ja Ja Frau Schanzenbach — —
Frau Dr. Hubert . . . . Ja Ja Scheuren Ja Ja
Hufnagel Ja Ja Dr. Schmid (Tübingen) • entschuld. entschuld.
Jacobi entschuld. entschuld. Dr. Schmidt (Gellersen) . Ja Ja
Jacobs Ja Ja Schmidt (Hammburg) . . — —
Jahn (Frankfurt) . .. Ja Ja Schmitt (Vockenhausen) . Ja Ja
Jaksch — — Dr. Schöne , — —
Kahn-Ackermann . . . — — Schoettle . . Ja Ja
Kalbitzer entschuld. entschuld. Seidel (Fürth) Ja Ja
Frau Keilhack - — — Seither Ja Ja
Frau Kettig Ja Ja Seuffert entschuld. entschuld.
1040 2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. 2. 1. 2.

,Stierle Ja Ja Dr. Stammberger . . . Nein Nein


Sträter Ja Ja Dr. Starke — —
Frau Strobel Ja Ja Dr. Wellhausen . . . — Nein
Stümer .... Ja Ja Weyer Ja Ja
Tenhagen Ja Ja Wirths entschuld. entschuld.
Thieme Ja Ja
Traub Ja Ja
Trittelvitz Ja Ja
Wagner (Deggenau) . . Ja Ja
Wagner (Ludwigshafen) — — GB/BHE
Wehner Ja Ja
Wehr Ja Ja Bender Ja Ja
Welke Ja Ja Dr. Czermak Ja Ja
Weltner (Rinteln) Ja Ja Dr. Eckhardt entschuld. entschuld.
Lic. Dr. Wenzel. . Ja Ja Elsner Ja Ja
Wienand entschuld. entschuld. Engell Ja Ja
Wittrock Ja Ja Feller Ja Ja
Ziegler Ja Ja Gräfin Finckenstein . . Ja Ja
Zühlke — — Frau Finselberger . . Ja Ja
Gemein Ja Ja
Dr. Gille entschuld. entschuld.
Haasler entschuld. entschuld.
Dr. Keller Ja Ja
FDP Dr. Klötzer Ja Ja
Körner Ja Ja
Dr. Atzenroth — — Kraft - Ja
Dr. Becker (Hersfeld) . . enthalten Nein Kunz (Schwalbach) . . Ja Ja
Dr. Blank (Oberhausen) . Nein -
Nein Kutschera Ja Ja
Blücher — — Meyer-Ronnenberg . . . Ja Ja
Dr. Bucher — — Dr. Mocker entschuld. entschuld.
Dannemann entschuld. entschuld. Dr. Oberländer. . — Ja
Dr. Dehler entschuld. entschuld. Petersen Ja Ja
Dr.-Ing. Drechsel . Ja Ja Dr. Reichstein Ja Ja
Eberhard — — Samwer — —
Euler entschuld. entschuld. Seiboth Ja Ja
Fassbender Nein Nein Dr. Sornik Ja Ja
Frau Friese-Korn . . . — — Srock Ja Ja
Frühwald Nein Nein Dr. Strosche Ja Ja
Gaul Ja Nein
Dr. Hammer Nein Nein
Hepp Nein Nein
Dr. Hoffmann entschuld. entschuld.
Frau Dr. Ilk krank krank DP
Dr. Jentzsch entschuld. entschuld.
Kühn (Bonn) Ja Ja Becker (Hamburg) . . . Ja Nein
Lahr Nein Nein Dr. Brühler Nein Nein
Lenz (Trossingen) .. . — — Eickhoff — —
D r. Dr. h. c. Prinz zu Lö Dr. Elbrächter entschuld. entschuld.
wenstein entschuld. entschuld. Hellwege — —
Dr. Maier (Stuttgart) . . — — Matthes Ja Ja
von Manteuffel (Neuß) . — — Dr. von Merkatz . . . . entschuld. entschuld.
Margulies entschuld. entschuld. Müller (Wendel). . Nein Nein
Mauk Nein Nein Dr. Schild (Düsseldorf) . Nein Ja
Dr. Mende — — Schneider (Bremerhaven) Ja Ja
Dr. Middelhauve . . . krank krank Dr. Schranz Ja Ja
Dr. Miessner Nein Nein Dr. Seebohm — —
Neumayer Nein Nein Walter Ja Nein
Onnen Nein Nein Wittenburg — —
Dr. Pfleiderer Nein Nein Dr. Zimmermann . . . Nein Nein
Dr. Preiß Nein Nein
Dr. Preusker enthalten Nein
Rademacher — —
Dr. Schäfer — —
Scheel Ja Ja Fraktionslos
Schloß — —
Dr. Schneider (Zollar) . Nein Nein Brockmann (Rinkerode) entschuld. entschuld.
Schwann Nein Nein Rösing Nein Nein
Stahl — — Stegner — —
2. Deutscher Bundestag — 25. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. April 1954 1041

Zusammenstellung der Abstimmung

Abstimmung
1. 2.
Abgegebene Stimmen 354 353
Davon:
Ja 151 147
Nein 201 205
Stimmenthaltung . 2 1
Zusammen wie oben . . 354 353

Berliner Abgeordnete

Name Abstimmung Name Abstimmung


1. 2. 1. 2.

CDU/CSU Mattick Ja Ja
Neubauer Ja Ja
Dr. Friedensburg . . . entschuld. entschuld. Neumann
Dr. Krone Nein Nein Ja entschuld.
Dr. Schellenberg . . entschuld. entschuld.
Lemmer entschuld. entschuld. Frau Schroeder (Berlin) .
entschuld. entschuld. Ja Ja
Frau Dr. Maxsein . . . Schröter (Wilmersdorf) . Ja Ja
Stingl Ja Ja Frau Wolff (Berlin) . . Ja Ja
Dr. Tillmanns — —
FDP
SPD
Dr. Heim Ja Ja
Brandt (Berlin) . Ja — Hübner Ja —
Frau Heise Ja Ja Frau Dr. Dr. h. c. Lüders entschuld. entschuld.
Klingelhöfer Ja Ja Dr. Reif Ja Ja
Dr. Königswarter . . . Ja Ja Dr. Will Ja Ja

Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten

Abstimmung
1. 2.
Abgegebene Stimmen 16 13
Davon :
Ja 15 12
Nein 1 1
Stimmenthaltung . — —
Zusammen wie oben . . 16 13

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