Sie sind auf Seite 1von 183

AUSSENPOL I T IK GESELLSCHAFT WISSENSCHAFT WIRTSCHAFT K U LT U R  AUSG ABE 2023

über
Tatsachen

Deutschland
Inhalt
Tatsachen über
Deutschland

AU
 F E I N E N B L IC K4 B
 ILDUNG UND FORSCHUNG96
Föderale Republik  7 Starker Wissensstandort  99
Wahlen in Deutschland 8 Ambitionierte Spitzenforschung 102
Politisches Sytem 10 Dynamische Hochschullandschaft  105
Bundesregierung11 Engagierte Wissenschaftsdiplomatie  108
Parlament und Parteien 12 Zahlen und Fakten 110
Bundespräsidenten und Bundeskanzler 14 Duale Ausbildung  112
Grundgesetz, Wappen und Symbole 16 Attraktives Schulsystem 114
Bevölkerung18
Geografie und Klima  20 V I E L FÄ LT IG E
GESELL SCHAF T116
S
 TA AT U N D P O L I T I K 2 2 Bereichernde Vielfalt  119
Die Politik der Bundesregierung 25 Zuwanderung und Integration  122
Föderaler Staatsaufbau 28 Plurale Lebensformen  126
Zahlen und Fakten 32 Zahlen und Fakten  128
Vielfältige Teilhabe  35 Freie Religionsausübung  130
Lebendige Erinnerungskultur 36 Starker Sozialstaat  132
Familien und Gleichberechtigung  134
PA R T N E R I N E U R O PA Engagierte Zivilgesellschaft 136
U
 N D I N D E R W E LT 3 8
Gemeinsame Verantwortung 41
K U LT U R U N D M E DI E N  1 3 8
Anwalt europäischer Integration 44 Lebendige Kulturnation  141
Engagement für Frieden und Sicherheit 48 Kultureller Dialog  144
Zahlen und Fakten 52 Freiheit von Kunst und Kultur  146
Einsatz für Menschenrechte  54 Garantierte Medienfreiheit  148
Nachhaltige Entwicklung fördern 58 Zahlen und Fakten  150
Attraktive Sprache  152
K
 L I M A U N D U M W E LT 6 0
Vorreiter in der Klimapolitik  63
L E B E N I N D E U T S C H L A N D 1 5 4
Generationenprojekt Energiewende 67 Land der Vielfalt 157
Zahlen und Fakten 70 Entspanntes Genießen  160
Internationale Klimakooperationen  72 Urbane Lebensqualität  163
Mobilität der Zukunft  74 Sportliche Herausforderungen  164
Lebenswichtige Vielfalt 76 Beliebtes Reiseziel 166
Zahlen und Fakten 168
WIRTSCHAFT UND
DIG
 I TA L I S I E R U N G 7 8 DEU TS CHLA ND
IM NETZ E NTD ECKEN170
Innovative Wirtschaft  81
BIL D NACHW E IS E 172
Globaler Akteur  84
Zahlen und Fakten 88 R EG IS TER173
Mittelstand und Industrie 4.0  91 IMP RES S UM 176
Attraktiver Arbeitsmarkt  94
Vorwort
Was sollte man wissen über Deutschland und seine 16 Länder? Welche
politischen Schwerpunkte setzt die Bundesregierung national und international
vom Klimaschutz bis zur Sicherheitspolitik? Wie agiert die deutsche Wirtschaft
auf dem Weltmarkt? Was macht den Forschungsstandort Deutschland attraktiv?
Was bietet die deutsche Kultur- und Medienlandschaft? Und wie leben die Men-
schen zwischen Nordsee und Alpen? Diese und viele andere Fragen beantworten
die „Tatsachen über Deutschland“.

Das Buch lädt besonders internationale Leserinnen und Leser ein, das moderne
und weltoffene Land in der Mitte Europas kennenzulernen. Es bietet profundes
Basiswissen und Orientierungshilfe. In neun Kapiteln vermitteln die „Tatsachen“,
was Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur in Deutschland
ausmacht. Die 2022 aktualisierte Ausgabe zeigt zudem in zahlreichen Texten und
Grafiken auf, welche Modelle und Lösungen in einer Zeit der weltweiten Umbrü-
che diskutiert oder schon umgesetzt werden.

Zur Printausgabe „Tatsachen über Deutschland“ gehört ein umfangreiches digita-


les Angebot, das die Themen weiter vertieft und regelmäßig aktualisiert wird.
Auf einen Blick
FÖDER ALE REPUBLIK
Die Bundesrepublik Deutschland liegt im Herzen Europas und ist ein
weltoffenes, demokratisches Land. Der Föderalismus prägt Deutsch­
land. Über den Bundesrat, die zweite Kammer, wirken die 16 Länder
an der Gesetzgebung mit.

POLITISCHES SYSTEM
Die Bundesrepublik ist eine parlamentarische Demokratie. Rang­­
höchster Repräsentant des Landes ist der Bundespräsident oder die
Bundespräsidentin, die größte politische Gestaltungsmacht hat aber
der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin.

PA R L A M E N T & PA R T E I E N
Der Deutsche Bundestag wird alle vier Jahre gewählt. Im Parlament
sind seit der Bundestagswahl 2021 sieben Parteien vertreten.

GRUNDGESETZ
Die 146 Artikel der deutschen Verfassung stehen über allen anderen
deutschen Rechtsnormen.

I N D E R M I T T E E U R O PA S
Deutschland teilt seine Grenzen mit neun Staaten. Kein anderes
­europäisches Land hat mehr Nachbarn.
Im
Deutschen
Seit ihrer Gründung Bundestag
1949 sitzen aktuell
hatte die Bundesrepublik
eine Bundeskanzlerin und
acht Bundeskanzler. 736
ABGEORDNETE.

Mit

DEUTSCHL AND AUF EINEN BLICK 357.588 km2

7 Tatsachen ist Deutschland


das viertgrößte
Land der EU.

83 MILLIONEN
HAUPTSTADT
MENSCHEN
leben in Deutschland.
IST
BERLIN
mit fast

3,8 MIO.
Einwohnerinnen Deutschland
und Einwohnern. besteht aus

16
MIT 9 STAATEN
teilt Deutschland
in der Mitte Europas
seine Grenzen.

Bundesländern.
AUF EINEN BL ICK 6|7

FÖ D E R A L E R E PU B L IK

DI E 1 6 L Ä N D E R S TA R K E R O L L E D E R L Ä N D E R
Der Föderalismus in Deutschland
ist mehr als ein staatliches System,
er bildet die dezentrale kulturelle
Kiel und wirtschaftliche Struktur des
SCHLESWIG- Lan­des ab und wurzelt tief in der
HOLSTEIN
MECKLENBURG- Tradition. Jenseits ihrer politischen
VORPOMMERN

HAMBURG Schwerin Funktion sind die Länder auch


BREMEN
Abbild ausgeprägter regionaler
BRANDENBURG
NIEDERSACHSEN Identitäten. Ihre starke Stellung
BERLIN

Magdeburg
wurde 1949 im Grundgesetz fest­
Hannover Potsdam
geschrieben.
SACHSEN-
NORDRHEIN- A N H A LT
WESTFALEN

Dresden
Mit der Wiedervereinigung wurden
Düsseldorf Erfurt
1990 fünf neue Länder gegründet:
THÜRINGEN SACHSEN
HESSEN Brandenburg, Mecklenburg-Vor­
Wiesbaden pommern, Sachsen, Sachsen-An­
RHEINLAND-
PFALZ Mainz halt und Thüringen. Mit 17,9
SAARLAND
Millionen Einwohnerinnen und
Saarbrücken
Einwohnern ist Nordrhein-West­
B AY E R N
Stuttgart falen das bevölkerungsreichste
Land, Bayern mit 70.540 Quadrat­
BADEN- München
WÜRTTEMBERG kilometern das von der Fläche her
größte; mit rund 4.100 Einwohnern
je Quadratkilometer hat Berlin,
die Hauptstadt, die höchste Be­
Landeshauptstadt
völkerungsdichte. Eine Besonder­
heit sind die drei Stadtstaaten. Ihr
Staatsgebiet beschränkt sich jeweils
auf die Großstädte Berlin, Bremen/
Deutschland ist ein föderaler Bundesstaat. Bremerhaven und Hamburg. Das
Sowohl der Bund als auch die 16 Länder verfügen über kleinste Land ist Bremen mit 420
jeweils eigene Kompetenzen. Die Zuständigkeit für die Quadratkilometern und 680.000
Bereiche der Inneren Sicherheit, Schule, Hochschule, Einwohnerinnen und Einwohnern.
Kultur sowie der kommunalen Verwaltung liegt bei Das Saarland war nach dem Zweiten
den Ländern. Gleichzeitig setzen die Verwaltungen Weltkrieg ein teilsouveränes Land
der Länder nicht nur ihre eigenen Gesetze um, son­ unter dem Protektorat Frankreichs
dern auch die des Bundes. Die Regierungen der Länder und wurde erst am 1. Januar 1957 als
sind über ihre Vertretung im Bundesrat direkt an der zehntes Bundesland in das damali­
Gesetzgebung des Bundes beteiligt. ge Bundesgebiet eingegliedert.
WA H L E N IN D EU T S CH L A N D

Freie und faire Wahlen sind Grundvorausset­


zung für jede Demokratie. Im deutschen Grundgesetz
ist festgeschrieben, dass die Abgeordneten in allge­
wählt
meiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer VOLK
Wahl gewählt werden. Das bedeutet unter anderem,
dass alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig etwa Wahlberechtigt sind alle deutschen
Staatsbürger und Staatsbürgerinnen ab
von ihrem Geschlecht oder ihrem Einkommen ein
18 Jahre. Sie wählen die Abgeordneten in
Stimmrecht haben, ihre Wahlentscheidung nicht be­ allgemeiner, unmittelbarer, freier,
einflusst werden darf – und jede Stimme gleich viel gleicher und geheimer Wahl.
zählt. Sichergestellt werden muss zudem, dass jede
wählt
Wählerin und jeder Wähler unbeobachtet allein ab­
stimmen kann.

Der Deutsche Bundestag wird alle vier Jahre gewählt.


In den 16 Bundesländern finden in der Regel alle fünf
Jahre Wahlen statt. Dazu kommen Kommunalwahlen,
zum Beispiel für die Stadtparlamente. Der Bundesprä­
sident wird nicht direkt vom Volk gewählt, sondern
durch die Bundesversammlung, die aus den Abgeord­
neten des Bundestags sowie Vertreterinnen und Ver­ L ANDESPARL AMENTE
tretern der Landesparlamente besteht.
Die Wahlperiode der Landes­
parlamente beträgt in der Regel stellen
fünf Jahre. Ihre Befugnisse und Mitglieder
Organisation regeln
die Landesverfassungen.

wählen

L ANDESREGIERUNGEN

Die Landesregierungen werden


von den jeweiligen Landesparla­
stellen
menten in geheimer Abstim­
Mitglieder
mung gewählt und können von
Wahlbriefe mit Stimmzetteln diesen auch gestürzt werden.
AUF EINEN BL ICK 8|9

wählt BUNDESKANZLER/ schlägt vor


BUNDESTAG BUNDESKANZLERIN BUNDESREGIERUNG

Das Parlament ist auf vier Jahre Der Kanzler oder die Kanzlerin Die Regierung besteht aus
gewählt und hat 598 Abgeord­ wird in geheimer Wahl vom dem Bundeskanzler oder der
nete. Hinzu kommen Überhang­ Bundestag gewählt. Er/Sie Bundeskanzlerin sowie den
mandate und Ausgleichsmandate. bestimmt die Richtlinien Bundesministern und
Dem Bundestag obliegen die der Politik und steht dem Bundesministerinnen. Jeder Minister
Gesetzgebung und die Kabinett vor. und jede Ministerin leitet sein/ihr
Kontrolle der Regierung. Ressort eigenverantwortlich.
wählt
stellt Mitglieder

ernennt ernennt

BUNDESPRÄSIDENT/
BUNDESVERSAMMLUNG
BUNDESPRÄSIDENTIN
Die Bundesversammlung tritt Das Staatsoberhaupt hat in erster Linie
allein zur Wahl des Bundes­ wählt repräsentative Auf­gaben und vertritt die
präsidenten oder der Bundes­ Bundes­republik Deutschland nach außen.
präsidentin zusammen und Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin
wählt diesen oder diese in ernennt den Kanzler oder die Kanzlerin sowie die
geheimer Wahl für eine Bundesminister und Bundesministerinnen
Amtszeit von fünf Jahren. und fertigt die Gesetze aus.

ernennt

wählt

BUNDESR AT BUNDESVERFA SSUNGSGER ICHT

Die Länderkammer besteht aus Das Gericht besteht aus


69 von den Landesregierungen wählt
16 Richtern und Richterinnen.
entsandten Mitgliedern. In vielen Sie werden je zur Hälfte mit
Bereichen bedürfen Gesetze der Zwei­drittelmehrheit von Bundestag
Zustimmung des Bundesrates. und Bundesrat gewählt.
P O L I T I S CH E S S YS T E M

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein


Bundesstaat und als parlamentarische Demokra­
tie organisiert. Das Grundgesetz legt fest, dass alle
Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Diese Macht über­
trägt das Volk für die Dauer einer Wahlperiode den
Parlamenten (Bundestag und Landtage).

Die Staatsgewalt ist auf die gesetzgebende Gewalt


Dr. Frank-Walter Steinmeier,
(Legislative), die ausführende (Exekutive) und die für
Bundespräsident seit März 2017
die Rechtsprechung zuständige Gewalt (Judikative)
verteilt. Diese Gewaltenteilung ist fester Bestandteil
jeder Demokratie und in Deutschland im Grundge­
setz, der Verfassung, verankert. Zur Legislative zäh­
len die Parlamente, zur Exekutive die Regierungen.
Eine zentrale Rolle kommt der Judikative zu, weil
die Richterinnen und Richter an den Gerichten der
Länder und der Bundesgerichte unabhängig sind und
allein auf Grundlage der Gesetze entscheiden. Das
Olaf Scholz, SPD, Bundeskanzler
höchste deutsche Gericht ist das Bundesverfassungs­
seit Dezember 2021
gericht, das über die Einhaltung des Grundgesetzes
wacht. An die Rechtsprechung der 16 Verfassungs­
richterinnen und -richter sind alle übrigen Staats­
organe gebunden.

Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin


ist der protokollarisch ranghöchste Repräsentant
bzw. die protokollarisch ranghöchste Repräsentantin
Deutschlands. Protokollarisch an zweiter Stelle steht
Bärbel Bas, SPD, Bundestagspräsidentin
der Bundestagspräsident oder die Bundestagspräsi­ seit Oktober 2021
dentin. Vertreten wird der Bundespräsident oder die
Bundespräsidentin durch den Bundesratspräsiden­
ten oder die Bundesratspräsidentin – ein Amt, das im
jährlichen Turnus eine Ministerpräsidentin oder ein
Ministerpräsident der 16 Länder innehat. Das Amt
mit der größten politischen Gestaltungsmacht ist das
des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin, der
oder die auch die Richtlinien der Politik bestimmt.
Der Präsident oder die Präsidentin des Bundesver­
Prof. Dr. Stephan Harbarth,
fassungsgerichts, des höchsten deutschen Gerichts, Präsident des Bundesverfassungsgerichts
gehört ebenfalls zu den hohen Repräsentanten.
AUF EINEN BL ICK 10 | 11

B U N D E S R EG IE RU N G

Das Bundeskanzleramt in Berlin wurde 2001 bezogen.

Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin den in den Ressorts. Der Bundes­
steht an der Spitze der Bundesregierung. Zusammen kanzler bestimmt die Richtlinien
mit den Bundesministerinnen und -ministern bildet er der Politik und trägt dafür die Ver­
oder sie die Bundesregierung , das Kabinett. Neben der antwortung.
Richtlinienkompetenz des Kanzlers bzw. der Kanzle­
rin gilt das Ressortprinzip, nach dem die Minister und Regierungssitz ist die Bundes-
Ministerinnen ihren Bereich im Rahmen der Richt­ hauptstadt Berlin. Vor der deut­
linien eigenständig leiten, sowie das Kollegialprinzip, schen Wiedervereinigung 1990
wonach die Bundesregierung mit Mehrheitsbeschluss war Bonn die Hauptstadt. Im
über Streitfragen entscheidet. Die Anzahl der Ministe­ Juni 1991 entschied der Bundes­
rinnen und Minister ist im Grundgesetz nicht festge­ tag, dass Berlin Parlaments- und
legt. Es kann während einer Amtszeit auch zu Neube­ Regierungssitz wird. Sechs Bun­
setzungen von Ministerämtern kommen. desministerien behielten jedoch
ihren Hauptsitz in Bonn, alle Mi­
Das Bundeskabinett besteht seit Ende 2021 neben dem nisterien haben Dienststellen in
Kanzler Olaf Scholz aus 15 Fachministern und -minis­ beiden Städten. Bonn trägt zudem
terinnen und dem Chef des Bundeskanzleramtes. Die als zweites politisches Zentrum die
Bundesministerien sind die höchsten Bundesbehör­ Bezeichnung Bundesstadt.
PA R L A M E N T U N D PA RT E IE N
PA R T E I E N

Der Deutsche Bundestag wird alle vier Jahre


von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern
ab dem 18. Lebensjahr in freier, geheimer und direk­ Sozialdemokratische Partei
ter Wahl gewählt. Der Bundestag ist das Parlament. Deutschlands (SPD)
Wahlergebnis 2021: 25,7  %
Die Hälfte der mindestens 598 Bundestagsmandate
wird durch die Wahl von Landeslisten der Parteien
(Zweitstimmen) zugeteilt, die andere durch die Wahl
von Personen in 299 Wahlkreisen (Erststimmen). Das
Wahlsystem macht es für eine einzelne Partei schwer, Christlich-Demokratische Union
Deutschlands (CDU)
allein die Regierung zu bilden – das Parteienbündnis
Wahlergebnis 2021: 18,9  %
ist die Regel. Um die Mehrheitsbilder nicht durch die
Präsenz kleiner Parteien zu komplizieren, schließt sie
eine Sperrklausel, die Fünf-Prozent-Hürde, von der
Vertretung im Bundestag aus.
Bündnis 90/Die Grünen
Den Parteien kommt in Deutschland eine herausra­ Wahlergebnis 2021: 14,8  %
gende Position zu. Sie wirken bei der politischen Wil­
lensbildung mit und sind unerlässlich für demokrati­
sche Wahlen. Das Grundgesetz räumt ihnen deshalb
in Deutschland auch einen verfassungsrechtlichen
Status ein. Will eine Partei die freiheitliche demokra­ Freie Demokratische Partei (FDP)
tische Grundordnung der Bundesrepublik beseitigen, Wahlergebnis 2021: 11,5  %
kann sie durch das Bundesverfassungsgericht verbo­
ten werden. Die Hürden dafür sind aber sehr hoch.

Im 20. Deutschen Bundestag sind sieben Parteien mit


736 Abgeordneten vertreten: SPD, CDU, CSU, Bündnis Alternative für Deutschland (AfD)
90/Die Grünen, FDP, AfD und Die Linke. Im Bundes­ Wahlergebnis 2021: 10,3  %
tag bilden CDU und ihre nur in Bayern antretende
Schwesterpartei CSU seit der ersten Bundestagswahl
1949 eine gemeinsame Fraktion.

Die derzeitige Bundesregierung wird getragen von Christlich-Soziale Union (CSU)


einer Koalition aus SPD, Grünen und FDP, mit Olaf Wahlergebnis 2021: 5,2  %

Scholz (SPD) als Bundeskanzler, Robert Habeck (Grü­


ne) als Vizekanzler und Annalena Baerbock (Grüne) als
Bundesaußenministerin. Der FDP-Vorsitzende Chris­
tian Lindner ist Bundesfinanzminister. CDU, CSU, Die Linke
Linke und AfD bilden die Opposition im Parlament. Wahlergebnis 2021: 4,9  %
AUF EINEN BL ICK 12 | 13

B U N D E S TAG

Der Bundestag hat mindestens 598 Mitglieder. Hinzu kommen


in der Regel sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate.
Der 2021 gewählte 20. Bundestag umfasst 736 Abgeordnete.

Fraktionslos
5 Sitze
736 Sitze
AfD Die Linke
79 Sitze 39 Sitze

FDP SPDSPD
92 Sitze 206206
Sitze

CDU Bündnis 90/Die Grünen


152 Sitze CSU 118 Sitze
45 Sitze

B U N D E S R AT

Der Bundesrat ist eines von fünf ständigen Verfassungs­organen.


Er ist die Vertretung der Länder. Dem Bundesrat gehören 69 Vertreterinnen
und Vertreter der Landesregierungen an. Jedes Land hat mindestens drei,
die einwohnerstärkeren Länder haben bis zu sechs Stimmen.

Baden-Württemberg 6 4 Thüringen

Bayern 6 4 Schleswig-Holstein

Berlin 4 4 Sachsen-Anhalt

Brandenburg 4 4 Sachsen

Bremen 3 3 Saarland

Hamburg 3 4 Rheinland-Pfalz

Hessen 5 6 Nordrhein-Westfalen
3 6
Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen
B U N D E S PR Ä S ID E N T E N U N D B U N D E S K A NZL E R

Ludwig Erhard Willy Brandt


(CDU) 1963–1966 (SPD) 1969–1974
BUNDESK ANZLER

Kurt Georg
Konrad Adenauer Kiesinger Helmut Schmidt
(CDU) 1949–1963 (CDU) 1966–1969 (SPD) 1974–1982
1949
1950

1955

1960

1965

1970

1975

1980

Theodor Heuss 1985


(FDP) 1949–1959
BUNDESPR ÄSIDENTEN

Heinrich Lübke Walter Scheel


(CDU) 1959–1969 (FDP) 1974–1979

Gustav Heinemann Karl Carstens


(SPD) 1969–1974 (CDU) 1979–1984
AUF EINEN BL ICK 14 | 15

Olaf Scholz
(SPD) seit 2021

Helmut Kohl Gerhard Schröder


(CDU) 1982–1998 (SPD) 1998–2005

Angela Merkel
(CDU) 2005–2021
1990

1995

2000

2005

2010

2015

2020

Richard von Weizsäcker Johannes Rau Christian Wulff Frank-Walter


(CDU) 1984–1994 (SPD) 1999–2004 (CDU) 2010–2012 Steinmeier
(SPD) seit 2017

Roman Herzog Horst Köhler Joachim Gauck


(CDU) 1994–1999 (CDU) 2004–2010 (parteilos) 2012–2017
BUNDESADLER GRUNDGESETZ

Das traditionsreichste deutsche Staatssymbol ist Das 1949 in Bonn verabschiedete Grundgesetz war
der Bundesadler. Bundespräsidentin oder Bun­ zunächst als Provisorium gedacht. Nach der Wie­
despräsident, Bundesrat, Bundesverfassungsge­ dervereinigung 1990 wurde es als dauerhafte Ver­
richt und Bundestag führen unterschiedlich ge­ fassung übernommen. Die 146 Artikel des Grund­
staltete Adler. Auch auf Münzen und National­ gesetzes stehen über allen anderen deutschen
trikots deutscher Sportverbände finden sich Rechtsnormen und legen die grundlegenden
jeweils anders abgebildete Adler. staatlichen System-­und Wertentscheidungen fest.

F L AG G E N AT IO N A L F E I E R TAG

3
O K TO BER

Das Grundgesetz legt die Farben Schwarz-Rot- Der 3. Oktober wurde als Tag der Deutschen
Gold für die Bundesflagge fest. Damit knüpfte Einheit im Einigungsvertrag 1990 zum gesetz­
man 1949 an die Fahne der ersten deutschen lichen Feiertag in Deutschland bestimmt. Der
Republik von 1919 an. Die Nationalsozialisten Tag der Deutschen Einheit ist im Übrigen der
hatten sie abgeschafft und durch das Haken­ einzige gesetzliche Feiertag, der durch Bundes­
kreuz ersetzt. recht festgelegt ist.

WÄ H R U N G DOMAIN

€ + 49
.de

Seit dem 1. Januar 2002 ist der Euro in Deutsch­ Die Domain .de ist die am weitesten verbreitete in
land das alleinige Zahlungsmittel. Er löste die Deutschland und die weltweit beliebteste länder­
seit 1948 genutzte D-Mark ab. Die Europäische spezifische Domain. Über die internationale Vor­
Zentralbank (EZB) hat ihren Sitz in der deut­ wahl +49 sind 99,9 Prozent der Haushalte über
schen Finanzmetropole Frankfurt am Main. Festnetz oder Mobiltelefon erreichbar.
AUF EINEN BL ICK 16 | 17

N AT IO N A L H Y M N E

Die deutsche Nationalhymne besteht ausschließlich aus der dritten Strophe


des „Deutschlandliedes“ von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
(1841). Die Melodie der Hymne komponierte Joseph Haydn 1796/1797.

Ei – nig – keit und Recht und Frei – heit


Da – nach lasst uns al – le stre – ben

für das deut – sche Va – ter – land!


brü  –   der – lich mit Herz und Hand!

Ei – nig – keit und Recht und Frei – heit

sind des Glü – ckes Un – ter – pfand.

Blüh im Glan – ze die – ses Glü – ckes,

blü – he, deut – sches Va – ter – land!


B E VÖ L K E RU N G

Für die demografische Entwicklung sind drei zialsysteme wird abgeschwächt


Trends kennzeichnend: eine niedrige Geburtenrate, durch die Einwanderung. Knapp
die steigende Lebenserwartung und die Alterung der über 27  P rozent der in Deutsch­
Gesellschaft. Die höchste Geburtenrate verzeichnete land lebenden Menschen (22,3
Deutschland 1964 mit 1,36 Millionen Neugeborenen; Millionen) haben einen Migra­
seitdem befindet sich das Land in einem Geburtentief. tionshintergrund. Von ihnen be­
Nach einem kurzen Anstieg zwischen 2014 und 2016 sitzen mehr als die Hälfte einen
sank die Geburtenrate 2020 das vierte Jahr in Folge, deutschen Pass. Die Angehörigen
mit einer Geburtenziffer von 1,53 Kindern je Frau von vier nationalen Minder­
liegt Deutschland im EU-Durchschnitt. Dennoch ist heiten sind als „alteingesessen“
die Kindergeneration seit 35 Jahren um etwa ein Drit­ anerkannt und werden beson­
tel kleiner als die Elterngeneration – die Gruppe der ders geschützt und gefördert:
50-Jährigen ist heute doppelt so groß wie die der Neu­ die dänische Minderheit (50.000)
geborenen. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung. und die friesische Volksgruppe
Sie beträgt bei Männern durchschnittlich 79 Jahre, bei (60.000) in Norddeutschland,
Frauen 83 Jahre. die Lausitzer Sorben (60.000)
entlang der deutsch-polnischen
Der demografische Wandel mit gravierenden Fol­ Grenze sowie die deutschen Sinti
gen für die wirtschaftliche Entwicklung und die So­ und Roma (70.000).

In Deutschland leben mehr als 83 Millionen Menschen.


AUF EINEN BL ICK

GESCHLECHTERVERTEILUNG L E B E N S E R WA R T U N G

42 Mio. 41 Mio. 83 Jahre 79 Jahre


Frauen Männer
Frauen Männer

H A U S H A LT E

40,7 Mio.
A LT E R S A U F B A U

100

95

90

85

80

75

70

65

60

55

50

45

40

35

30

25

20
Quelle: Statistisches Bundesamt

15

10

0
700 600 500 400 300 200 100 0 0 100 200 300 400 500 600 700
Tsd. Personen Frauen Alter in Jahren Männer Tsd. Personen
G EO G R A F I E U N D K L IM A

Deutschland liegt in der Mitte Europas. Es L AGE

teilt seine Grenzen mit neun Staaten. Kein anderes


Mitteleuropa
europäisches Land hat mehr Nachbarn. Im Norden
hat Deutschland Zugang zur Ostsee und zur Nord­
see. Im Süden grenzt es an die Alpen. Die höchste Er­
hebung bildet die in Bayern gelegene Zugspitze mit
2.962 Höhenmetern. Der tiefste Punkt an Land liegt
mit 3,54 Metern unter Normalhöhennull bei dem Ort
Neuendorf-Sachsenbande im Bundesland Schleswig-
Holstein. Mit 357.588 Quadratkilometern ist Deutsch­
land nach Frankreich, Spanien und Schweden das
viertgrößte Land der Europäischen Union (EU). Knapp
ein Drittel seiner Gesamtfläche ist mit Wald bedeckt.
Seen, Flüsse und andere Gewässer machen mehr als
FL ÄCHE
zwei Prozent seiner Fläche aus. Der längste Fluss ist
der Rhein. Im Südwesten bildet er die Grenze zwischen 357.588 km2
Deutschland und Frankreich, weiter nördlich liegen
Bonn, Köln und Düsseldorf an seinem Ufer. Die Elbe,
der zweitlängste Strom, verbindet Dresden, Magde­
burg und Hamburg und mündet in die Nordsee.

HÖCHSTER BERG H A U P T S TA D T

Zugspitze Berlin
2.962 m 891,70 km2
AUF EINEN BL ICK

SONNENSTUNDEN REGEN
2021 2021

1.650 805 l/m2

KÜSTE L ÄNGSTER FLUSS

2.442 km Rhein

865 km in Deutschland

WA L D F L Ä C H E In Deutschland herrscht ein gemäßigtes


Klima. Die durchschnittliche Temperatur lag
106.699 km2 im Juli 2021 bei 18,3 Grad Celsius, im Januar
2021 bei 0,6 Grad. Die jüngsten Winter fielen
in Deutschland besonders mild, die Sommer
besonders heiß aus. Mit einer Mitteltempe­
ratur von 10,5 Grad war das Jahr 2018 das
wärmste seit Beginn regelmäßiger Aufzeich­
nungen im Jahr 1881. Das Jahr 2020 war das
zweitwärmste. Die höchsten gemessenen
Temperaturen lagen bei über 40 Grad. 
Staat und Politik
DI E P O L I T I K D E R B U N D E S R E G I E R U N G
Seit Ende 2021 ist Olaf Scholz Bundeskanzler. Die von ihm ge­
führte Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und
FDP will Deutschland unter anderem zu einem klimaneutralen In­
dustrieland umbauen. Ein Überblick.

F Ö D E R A L E R S TA AT S AU F B AU
Der Föderalismus prägt Deutschland. Die 16 Länder zeichnet eine
hohe Eigenständigkeit aus, zudem wirken sie an wichtigen bun­
despolitischen Entscheidungen mit. Eine zentrale Rolle im Staats­
aufbau spielt das Bundesverfassungsgericht als „Hüter des Grund­
gesetzes“.

V I E L FÄ LT IG E T E I L H A B E
Den politischen Parteien kommt eine zentrale Bedeutung bei der
Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger zu. Zugleich bestehen zahl­
reiche weitere Mitwirkungsmöglichkeiten, etwa bei Volksbegehren
oder bei Bürgerräten.

L E B E N DIG E E R I N N E R U N G S K U LT U R
Die Erinnerung an die Gräuel und Verbrechen des Nationalsozialis­
mus wird in Deutschland unter anderem in zahlreichen Gedenk­
stätten wachgehalten. Auch an das Unrecht des DDR-Systems wird
erinnert.
9.
Olaf Scholz ist der
Das Grundgesetz besteht aus
146 Artikeln.

Die in den Artikeln 1 bis 19 festgeschriebenen BUNDESKANZLER
Grundrechte dürfen nicht verletzt werden. der Bundesrepublik
Deutschland.

Der
Deutsche Bundestag
S TA AT U N D P O L I T I K wird in der Regel alle

7 Tatsachen 4 Jahre
neu gewählt.

Bei der Bundestagswahl


im September 2021 lag die

WAHLBETEILIGUNG
Im 20. Deutschen
Bundestag gibt es
BEI 76,6 PROZENT.
SECHS
FRAKTIONEN.

Die Bundesregierung

12.
bilden SPD, Bündnis 90/ Der Bundesrat als
Die Grünen und FDP. „Parlament der
Landesregierungen“ hat
Bundespräsident 69
ist Frank-Walter
Steinmeier.
Mitglieder.
S TA AT U N D P O L I T I K 24 | 25

Die Politik der


Bundesregierung

Seit Ende 2021 regiert in Deutschland eine gesamt aus 15 Fachministerinnen


Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und -ministern sowie dem Chef
mit Bundeskanzler Olaf Scholz an der Spitze. Die des Bundeskanzleramts.
nächste Bundestagswahl steht 2025 an.
Die drei Regierungsparteien ver­
Am 8. Dezember 2021 wählte der Deutsche Bundestag fügen seit der Bundestagswahl
den SPD-Politiker Olaf Scholz zum neunten Kanzler vom 26. September 2021 im Deut­
der Bundesrepublik Deutschland. Er löste die CDU- schen Bundestag über 416 der
Politikerin Angela Merkel ab, die Deutschland 16 Jahre insgesamt 736 Sitze. Die Opposi­
regiert hatte. Die seither amtierende Bundesregierung tion bilden die im Bundestag als
bilden drei Parteien: die Sozialdemokratische Partei Union zusammengeschlossene
Deutschlands (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und die Christlich Demokratische Union
Freie Demokratische Partei (FDP). Vizekanzler sowie (CDU) und die Christlich Soziale
Wirtschafts- und Klimaschutzminister ist Robert Ha­ Union (CSU) aus Bayern, die Linke
beck, Außenministerin ist Annalena Baerbock. Beide sowie die Alternative für Deutsch­
gehören der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grü­ land (AfD). Eine Koalition aus den
nen an. Bundesfinanzminister ist der FDP-Politiker drei Parteien SPD, Bündnis 90/Die
Christian Lindner. Das Bundeskabinett besteht ins­ Grünen und FDP ist ein Novum
für Deutschland, zuvor regierten
fast nur Bündnisse aus zwei poli­
tischen Partnern. Vor dem Regie­
rungswechsel 2021 bildeten Union
und SPD die Regierung.

KOALITIONSVERTR AG LEGT
SCHWERPUNKTE FEST
Grundlage für die Zusammen­
arbeit der amtierenden Regie­
rung ist der Koalitionsvertrag, auf
den sich SPD, Bündnis 90/Die
Grünen und FDP vor der Wahl
von Scholz zum Bundeskanzler
Bundeskanzler Olaf Scholz einigten. Unter der Überschrift
Außenministerin Baerbock, Wirtschaftsminister Habeck, Bundeskanzler Scholz, Finanzminister Lindner

„Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Ge­ tens 100 Jahren“. Konkret hat sich
rechtigkeit und Nachhaltigkeit“ skizziert der Vertrag die Regierung unter anderem eine
die zentralen Vorhaben der Bundesregierung in der rasche und umfassende Energie­
vier Jahre umfassenden Legislaturperiode des Parla­ wende vorgenommen. Der Ko­
ments. Die nächste Bundestagswahl findet voraus­ alitionsvertrag sieht vor, dass bis
sichtlich im Herbst 2025 statt. 2030 in Deutschland 80 Prozent
des Stroms aus erneuerbaren
KLIMANEUTR ALES INDUSTRIEL AND BIS 2045 Energien stammen.
Einen inhaltlichen Schwerpunkt legt die Bundes­
regierung auf den Umbau von Industrie und Wirt­ Auch angesichts der Herausfor­
schaft, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral derungen durch Globalisierung
wird. Bundeskanzler Scholz sprach in seiner ersten und Digitalisierung sieht die
Regierungserklärung von der „größten Transforma­ Regierung großen Handlungs­
tion unserer Industrie und Ökonomie seit mindes­ bedarf. Kanzler Scholz versprach
S TA AT U N D P O L I T I K 26 | 27

zugleich: „Wir werden neue Sicherheit durch Wan­


del schaffen und werden für Sicherheit im Wandel
sorgen.“ Die Bundesregierung beschloss unter ande­
rem, den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland
auf 12 Euro zu erhöhen. Darüber hinaus sicherte sie
eine Ausbildungsplatzgarantie für junge Menschen
sowie stabile Renten zu. Um die Innovationsstärke
Deutschlands zu sichern, fließen jedes Jahr mehr
als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in For­
schung und Entwicklung. Bis 2025 soll der Anteil
der gesamtstaatlichen Ausgaben auf mindestens 3,5
Prozent steigen. Deutschland will zugleich noch at­
traktiver für Fachkräfte aus dem Ausland werden.
Dazu trägt unter anderem ein modernes Einwande­
rungsrecht bei.

Die Bundesregierung will zudem erstmals eine um­


fassende „Nationale Sicherheitsstrategie“ erarbeiten.
Zu den Schwerpunkten gehören unter anderem die
Sicherheit vor Gewalt und Krieg sowie die Resilienz
der Demokratie. Zur Umsetzung hat das Auswärtige
Amt einen Dialogprozess mit der Zivilgesellschaft
angestoßen.

„Bis 2045 muss WELT WEIT VERL ÄSSLICHER PARTNER


Deutschland klima- Die Bundesregierung setzt außenpolitisch auf
neutral sein. Damit die Tradition einer engen Zusammenarbeit mit
liegt vor uns die größ- Deutschlands Partnern in der ganzen Welt. „Die
te Transformation großen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich
unserer Industrie und nur in internationaler Kooperation und gemein­
Ökonomie seit min- sam in einer starken Europäischen Union bewäl­
destens 100 Jahren.“ tigen“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Der Einsatz
Bundeskanzler Olaf Scholz für Frieden, Freiheit, Menschenrechte, Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Nachhaltigkeit ist für uns
unverzichtbarer Teil einer erfolgreichen und glaub­
würdigen Außenpolitik.“ 
Faktisch entscheiden jedoch die
an der Regierung beteiligten Par­

Föderaler teien, welche Personen die ihnen


in den Koalitionsverhandlungen

Staatsaufbau zugesprochenen Ressorts be­


setzen. Zerbricht eine Koalition,
kann auch der Kanzler oder die
Kanzlerin vor Ablauf der vierjäh­
Deutschland ist eine parlamentarische und föderale rigen Wahlperiode stürzen, denn
Demokratie. Das in der öffentlichen Wahrnehmung der Bundestag hat das Recht, das
präsenteste Verfassungsorgan, der Deutsche Bun­ Regierungsoberhaupt jederzeit
destag, wird von den wahlberechtigten Bürgern und abzuwählen. Allerdings muss das
Bürgerinnen alle vier Jahre direkt gewählt. Die wich­ Parlament gleichzeitig durch ein
tigsten Aufgaben des Bundestags sind die Gesetzge­ sogenanntes „konstruktives Miss­
bung und die Kontrolle der Regierungsarbeit. Für die trauensvotum“ einen Nachfolger
Dauer der Legislaturperiode wählt der Bundestag in oder eine Nachfolgerin bestimmen.
geheimer Wahl den Bundeskanzler oder die Bundes­ Eine Zeit ohne gewählte Regierung
kanzlerin. Er oder sie hat innerhalb der Bundesregie­ im Amt kann es also nicht geben.
rung die Richtlinienkompetenz, legt also verbindlich
die Grundzüge der Politik fest. Der Bundeskanzler KOALITIONSREGIERUNGEN SIND
oder die Bundeskanzlerin bestimmt die Bundesmi­ IN DEUTSCHL AND DIE REGEL
nister und -ministerinnen und aus deren Reihe einen Entscheidend für den Charakter
Vizekanzler oder eine Vizekanzlerin. des Parlaments ist das System der
S TA AT U N D P O L I T I K 28 | 29

Das Reichtstagsgebäude in Berlin ist der Sitz


des Deutschen Bundestags.

Damit eine Zersplitterung im Parlament verhindert


Im September 2021 und eine Regierungsbildung vereinfacht wird, müs­
haben die wahlberech­ sen Parteien mindestens fünf Prozent der abgegebe­
tigten Bürgerinnen nen Wählerstimmen (oder drei Direktmandate) auf
und Bürger den sich vereinen, um im Bundestag vertreten zu sein
20. Deutschen Bundestag (Fünf-Prozent-Hürde). Im 20. Deutschen Bundestag
gewählt. Die Bundes­ gibt es sechs Fraktionen, dabei bilden die Christlich
tagswahlen finden Demokratische Union (CDU) und die nur in Bayern
in der Regel alle vier antretende Christlich-Soziale Union (CSU) eine ge­
Jahre statt. meinsame Fraktion.

Der föderale Charakter Deutschlands zeigt sich


durch die große Eigenständigkeit der 16 Länder, ins­
besondere in Angelegenheiten der Polizei, des Ka­
tastrophenschutzes, der Justiz, der Bildung und der
personalisierten Verhältniswahl. Kultur. Die Städte Berlin, Hamburg und Bremen sind
Auch kleinere Parteien sind da­ aus historischen Gründen auch gleichzeitig Bundes­
durch im Deutschen Bundestag länder. Einzigartig ist die enge Verzahnung zwischen
proportional zu ihren Wahler­ den Ländern und dem Zentralstaat, woraus sich für
gebnissen vertreten. Bis auf eine die Landesregierungen vielfältige Möglichkeiten der
Ausnahme wurde die Bundes­ bundespolitischen Mitwirkung ergeben.
regierung deshalb jeweils durch
Bündnisse mehrerer bei der Wahl G R O S S E V I E L FA LT A N
konkurrierender Parteien gebil­ KO A L I T I O N E N I M B U N D E S R AT
det, in den meisten Fällen kam Dies geschieht vor allem über den Bundesrat, der
es dabei zu Koalitionen aus zwei zweiten Kammer, die sich aus Mitgliedern der Lan­
Fraktionen. desregierungen zusammensetzt, ebenfalls mit Sitz in
Berlin. Bevölkerungsreiche Länder sind im Bundes­
Seit Ende 2021 bilden die drei Par­ rat stärker repräsentiert als kleinere Länder. Auch
teien SPD, Bündnis 90/Die Grünen Parteien, die auf Bundesebene die Opposition stellen
und FDP die Regierung. An der oder gar nicht im Bundestag vertreten sind, können
Spitze steht der Sozialdemokrat über die Beteiligung an Landesregierungen Einfluss
Olaf Scholz als neunter Bundes­ auf die Bundespolitik ausüben, denn zahlreiche Bun­
kanzler der Bundesrepublik seit desgesetze und Verordnungen bedürfen der Zustim­
1949. Er löste Kanzlerin Angela mung durch den Bundesrat.
Merkel von der CDU ab. Auch alle
vorherigen Kanzler gehörten ent­ Da es keinen einheitlichen Wahltermin für die Land­
weder der SPD oder der CDU an. tage gibt und die Legislaturperioden variieren, kann
es parallel zur Legislaturperiode im Bundestag zu fünf Jahre aus, eine Wiederwahl
mehrfach wechselnden Kräfteverhältnissen im Bun­ ist einmal möglich. Seit 2017 ist
desrat kommen. Klar abgrenzbare politische Blöcke Frank-Walter Steinmeier Bundes­
mit einheitlichem Abstimmungsverhalten gibt es in präsident. Nach Ende seiner ers­
der Länderkammer immer weniger, da in den 16 Bun­ ten Amtszeit wurde er 2022 mit
desländern seit einigen Jahren eine große Vielfalt an einer großen Mehrheit wieder­
Koalitionen besteht. Von den im 20. Deutschen Bun­ gewählt. Er war als SPD-Politiker
destag vertretenen Parteien waren im Jahr 2022 außer von 2005 bis 2009 und von 2013
der AfD alle in mindestens einem Bundesland an einer bis 2017 Bundesaußenminister.
Landesregierung beteiligt. In Baden-Württemberg Steinmeier ist der zwölfte Bun­
stellten die Grünen den Ministerpräsidenten, in Thü­ despräsident seit 1949.
ringen die Linkspartei.
Obwohl der Bundespräsident oder
DER BUNDESPR ÄSIDENT die Bundespräsidentin in erster
I S T D E R E R S T E B Ü R G E R I M S TA AT Linie repräsentative Aufgaben
Das protokollarisch höchste Amt bekleidet der Bun­ hat, kann er bzw. sie auch seine
despräsident oder die Bundespräsidentin. Er oder sie bzw. ihre Unterschrift unter Ge­
wird nicht vom Volk, sondern von einer eigens dafür setze verweigern, wenn er bzw. sie
einberufenen Bundesversammlung gewählt. Sie be­ Zweifel an deren Verfassungsmä­
steht zur Hälfte aus den Abgeordneten des Bundes­ ßigkeit hat. Den größten Einfluss
tages, zur anderen Hälfte aus Mitgliedern, die von können die Präsidenten aber über
den Landesparlamenten proportional zu der dorti­ öffentliche Reden ausüben, denen
gen Sitzverteilung gewählt werden. Der Bundesprä­ hohe Aufmerksamkeit geschenkt
sident oder die Bundespräsidentin übt das Amt über wird. Die Bundespräsidenten hal­

WEGMARKEN

1949 1961 1989/1990


Am 23. Mai verabschie- Die Führung der DDR In der DDR führen friedli-
det der Parlamentarische riegelt in Berlin mit Mauer che Proteste zum Sturz des
Rat, den Vertreter der und Stacheldraht die Regimes. Am 9. November
Länder aus den west- Übergänge von Ost nach wird die Grenze zum
lichen Besatzungszonen West ab. Auf Flüchtlinge Westen geöffnet. Nach
bilden, in Bonn das wird geschossen. Die den ersten freien Wahlen
Grundgesetz. Am staatliche Einheit Deutsch- am 18. März tritt die DDR
14. August wird der erste lands scheint auf abseh- am 3. Oktober 1990 der
Bundestag gewählt. bare Zeit unerreichbar. Bundesrepublik bei.
S TA AT U N D P O L I T I K 30 | 31

ten sich parteipolitisch zurück, Es gilt als „Hüter des Grundgesetzes“ und liefert
greifen dennoch aktuelle Themen durch seine maßgeblichen Entscheidungen eine ver­
auf und mahnen zuweilen Regie­ bindliche Auslegung des Verfassungstextes. In zwei
rung, Parlament oder Bevölke­ Senaten richtet es über Kompetenzstreitigkeiten
rung zum Handeln. Manche Re­ zwischen Verfassungsorganen und kann Gesetze für
den wurden später als historisch unvereinbar mit dem Grundgesetz erklären. Jedem
eingestuft, etwa im Jahr 1985 die Bundesbürger und jeder Bundesbürgerin steht der
Rede des damaligen Bundesprä­ Weg zum Verfassungsgericht offen, wenn er oder sie
sidenten Richard von Weizsäcker sich durch ein Gesetz in den Grundrechten verletzt
zum Jahrestag des Weltkriegsen­ sieht.
des, in der er den 8. Mai 1945 einen
„Tag der Befreiung“ nannte. Auch
der amtierende Bundespräsident
Steinmeier wandte sich in Reden
oder Fernsehansprachen etwa zur
Corona-Pandemie direkt an die
Bevölkerung.

DA S B U N D E S V E R FA S S U N G S ­
GER ICHT IN K ARL SRUHE
Über viel Einfluss verfügt
das Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe, das in der Öffentlich­
keit sehr hohes Ansehen genießt.
Das Bundesverfassungsgericht tagt in Karlsruhe.

1999 2005 2021


Bundestag und Bundes- Am 22. November wird die Erstmals bilden SPD,
regierung ziehen nach CDU-Politikerin Angela Bündnis 90/Die
Berlin. Die Parlaments- Merkel erste Bundes- Grünen und die FDP die
gebäude stehen auf beiden kanzlerin Deutschlands. ­Bundesregierung. An
Seiten des ehemaligen Sie ist außerdem die erste der Spitze der Regie-
Mauerstreifens. Bonn Ostdeutsche in diesem rung steht als neunter
bleibt der Standort einiger Amt, das sie 16 Jahre bis Kanzler Deutschlands
Ministerien und Bundes- zum Regierungswechsel der Sozialdemokrat
behörden. 2021 innehat. Olaf Scholz.
Zahlen und Fakten zu
Wahlen und Parlamenten
A LT E R S S T R U K T U R D E R W A H L B E R E C H T I G T E N
Der demografische Wandel zeigt sich auch in der Wählerschaft: Der Anteil der
älteren Wahlberechtigten ist innerhalb von 50 Jahren deutlich angewachsen.

1972 2021

18–29 Jahre 18–29 Jahre


20  % 14  %

30–59 Jahre
60+ Jahre
28  %
30–59 Jahre 60+ Jahre 47  %
52  % 39  %

Quelle: Bundeswahlleiter

F R A U E N I M B U N D E S TA G

256
Frauen wurden 2021 in den Bundestag gewählt –
38 mehr als nach der Wahl 2017.
S TA AT U N D P O L I T I K 32 | 33

47,3 Jahre 11 Prozent 23 Jahre


Durchschnittsalter der der Abgeordneten alt war 2021
Bundestagsabgeordneten haben einen die jüngste Bundestags­
nach der Wahl 2021 Migrationshintergrund. abgeordnete.

„Demokratie lebt vom Einmischen und Mitmachen.


Wer mitmacht, wird gehört. Wer nicht wählt, lässt
andere für sich entscheiden.“
BUNDESPR ÄSIDENT
F R A N K- W A LT E R S T E I N M E I E R V O R D E R B U N D E S TA G S W A H L 2 0 2 1

B E T E I L I G U N G A N B U N D E S TA G S W A H L E N
Die Wahlbeteiligung an Bundestagswahlen ist in den vergangenen Jahren wieder
leicht gestiegen. Den höchsten Wert gab es bei den Wahlen 1972.

91,1  %
78,5  % 77,8  % 76,2  % 76,6  %
71,5  %

1949 1972 1990 2013 2017 2021

Quelle: Bundeswahlleiter
WA H L B E R ECHT IG T E

61,2 Millionen
Bürgerinnen und Bürger waren bei der Bun-
destagswahl am 26. September 2021 wahlbe-
rechtigt. Rund 46,9 Millionen Menschen gaben
ihre Stimme für eine Partei ab, dies entspricht
einer Wahlbeteiligung von 76,6 Prozent.
S TA AT U N D P O L I T I K 34 | 35

Vielfältige Teilhabe

Den politischen Parteien wird eine zentrale und pri­ Nichtregierungsorganisationen


vilegierte Stellung im politischen System der Bun­ aber oft eine höhere Attraktivi­
desrepublik Deutschland eingeräumt. „Die Parteien tät. Zunehmend gewinnen die so­
wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes zialen Medien als Plattformen für
mit“, heißt es in Artikel 21 des Grundgesetzes. Damit politische Artikulations- und Ak­
einher geht die Verpflichtung zur innerparteilichen tionsformen an Bedeutung. Auch
Demokratie: Vorsitzende, Gremien sowie Kandida­ über direktdemokratische Ver­
tinnen und Kandidaten werden auf Parteitagen von fahren wie Referenden beteiligen
Delegierten der Parteibasis in geheimer Abstimmung sich Bürgerinnen und Bürger am
gewählt. Zur Stärkung der innerparteilichen Demo­ politischen Prozess. In Ländern
kratie haben die Parteien in jüngster Zeit bei relevan­ und Kommunen sind die Möglich­
ten Entscheidungen ihre Mitglieder direkt befragt. keiten zur direkten Demokratie in
den vergangenen Jahren vermehrt
Die Parteien bleiben im Kern Ausdrucksformen der praktiziert und genutzt worden.
Gesellschaft, gleichwohl verlieren sie an Kohäsions­
kraft. Hinter CDU/CSU und SPD stehen rund eine Auch sogenannte Bürgerräte ge­
Million Parteimitglieder – bezogen auf die gut 61 Mil­ winnen an Bedeutung, um die
lionen Wahlberechtigten entspricht das einem Anteil Bürgerinnen und Bürger an Ent­
von 1,6 Prozent. Auch die Wahlbeteiligung ist tenden­ scheidungsfindungen zu beteili­
ziell rückläufig. Während die Wahlentscheidungen gen. Diese Räte befassen sich in
der 1970er- und 1980er-Jahre durchgängig hohe und der Regel mit konkreten Frage­
höchste Wahlbeteiligungen erzielten (91,1 Prozent stellungen und erarbeiten Hand­
1972), erreichten die Bundestagswahlen 2017 und 2021 lungsempfehlungen für die Poli­
nur 76,2 beziehungsweise 76,6 Prozent. tik. Regierungen und Parteien su­
chen zudem das Gespräch mit den
Den mit Abstand höchsten Anstieg bei der Wahlbetei­ Menschen. So initiierte Außenmi­
ligung im Jahr 2021 gab es mit einem Plus von 3,9  Pro­ nisterin Annalena Baerbock für
zentpunkten in der Gruppe der 21- bis 29-Jährigen. die Erarbeitung einer ersten
Für junge Menschen besitzen Partizipationsmöglich­ „Nationalen Sicherheitsstrategie“
keiten in zivilgesellschaftlichen Initiativgruppen oder auch Bürgerdialoge.

Außenministerin Baerbock tauscht sich mit Bürgerinnen und Bürgern aus.


ten in ganz Deutschland. Mitten
in Berlin etwa erinnert das Denk­
Lebendige mal für die ermordeten Juden Eu­
ropas an die bis zu sechs Millionen
Erinnerungskultur jüdischen Opfer des Holocausts.

Das Gedenken an Diktatur und


Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalso­ Krieg, aber auch an Wiederaufbau
zialismus wird in Deutschland in vielfältiger Weise und Deutsche Einheit sind oft eng
wachgehalten. Die Auseinandersetzung mit Krieg miteinander verbunden. So ge­
und Gewaltherrschaft, mit ideologisch motivierten dachte Deutschland im Mai 2020
Verbrechen und politischem Unrecht im 20. Jahrhun­ dem Ende des Zweiten Weltkriegs
dert und das Gedenken an die Opfer der Verfolgung und damit dem Ende der Nazi­
spielen in der Erinnerungskultur eine wichtige Rolle. diktatur vor 75 Jahren, im Okto­
Insbesondere der Erhalt der Berichte von Zeitzeugin­ ber 2020 feierte das Land dann
nen und Zeitzeugen soll dazu beitragen, die Verbre­ 30 Jahre Deutsche Einheit. Ein
chen des Nationalsozialismus auch im Bewusstsein knappes Jahr später, im August
kommender Generationen zu halten. 2021, gedachte Deutschland des
Mauerbaus 60 Jahre zuvor.
ZENTR ALE ORTE DER ERINNERUNG
Ein wichtiger Teil der lebendigen Erinnerungskultur Bereits in den großen Jubiläums­
sind die zahlreichen Gedenk- und Erinnerungsstät­ jahren 2014 und 2015, in denen sich
der Beginn des Ersten Weltkriegs
zum 100. Mal und der Fall der Mau­
er zum 25. Mal jährte, war das Ge­
denken vor allem von Dankbarkeit
STOLPERSTEINE
geprägt. Sie galt den Alliierten der
Anti-Hitler-Koalition für die Be­
In vielen deutschen und anderen europäi-
freiung 1945, aber auch der Chance
schen Städten erinnern in den Boden einge-
zum Wiederaufbau und zur Wie­
lassene sogenannte Stolpersteine daran, dass
dervereinigung 1990. Die Dank­
an dieser Stelle Bürgerinnen und Bürger ge-
wohnt haben, die unter den Nationalsozialis- barkeit galt ebenso jenen, die als
ten verfolgt, deportiert oder vertrieben wur- überlebende Opfer des Holocausts
den. Die etwa 10 mal 10 Zentimeter großen Zeugnis ablegten über die Verbre­
würfelförmigen Betonblöcke sind an ihrer chen – und dem demokratischen
Oberseite mit Messing beschlagen und mit Deutschland nach dem Zweiten
einer Inschrift mit Namen und Lebensdaten Weltkrieg die Hand reichten.
zum Gedenken an das Opfer versehen. Die
Stolpersteine liegen in mehr als 1.200 Kom- Dem Widerstand gegen die Nazi­
munen in Deutschland.
diktatur gewidmet ist die Gedenk­
stätte Deutscher Widerstand im
S TA AT U N D P O L I T I K 36 | 37

Sichtbare Erinnerung an die von den Nationalsozialisten ermordeten Juden: ein Stolperstein

Bendlerblock im Berliner Bezirk wäh­ rend der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ,


Mitte. Sie befindet sich am his­ 1945–1949) und der DDR (1949–1990) für jene Gene­
torischen Ort des gescheiterten rationen lebendig gehalten werden, die die Teilung
Umsturzversuches der Gruppe Deutschlands und das DDR-System nicht erlebt ha­
um Graf Stauffenberg vom 20. Juli ben. Beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen
1944. Die Gedenkstätte dokumen­ der Staatssicherheit der DDR wurden ab Herbst 1990
tiert, wie sich Einzelne und Grup­ Akten gesichtet, sortiert und Betroffenen sowie For­
pen 1933 bis 1945 gegen die natio­ schenden zugänglich gemacht. Mitte 2021 ging die
nalsozialistische Diktatur gewehrt Zuständigkeit für die Unterlagen an das Bundesar­
und ihre Handlungsspielräume chiv über. In einer Dauerausstellung in dem Gebäu­
genutzt haben. de der ehemaligen Zentrale der Staatssicherheit der
DDR (Stasi) im Berliner Bezirk Lichtenberg werden
DAS UNRECHT DES DDR-SYSTEMS Mittel und Arbeitsweise der Stasi zur Bespitzelung,
Auch soll die Erinnerung an Kontrolle und Einschüchterung der Bevölkerung an­
die kommunistische Diktatur schaulich dargestellt. 
Partner in Europa
und in der Welt
GEMEINSAME VER ANT WORTUNG
Multilaterale Zusammenarbeit kennzeichnet deutsche Außenpolitik.
Das gemeinsame Handeln in der Europäischen Union, aber auch das
transatlantische Bündnis mit den USA prägen die Politik. Deutschland
ist aber auch darüber hinaus eng vernetzt. Ein Überblick.

A N WA LT E U R O PÄ I S C H E R I N T E G R AT IO N
Deutschland gehört zu den sechs Gründerstaaten der Europäischen
Union. Als Motor des europäischen Integrationsprozesses gilt die
deutsch-französische Freundschaft.

E N G AG E M E N T F Ü R F R I E D E N U N D S IC H E R H E I T
Bei UN- oder NATO-Einsätzen übernimmt Deutschland weltweit Ver-
antwortung. Zivile Instrumente haben dabei stets Vorrang. Die Bundes-
regierung engagiert sich auch für Abrüstung und Rüstungskontrolle.

E I N S AT Z F Ü R M E N S C H E N R E C H T E
Im Rahmen der Vereinten Nationen oder auch im Europarat setzt sich
Deutschland weltweit aktiv für den Schutz und die Fortentwicklung der
Menschenrechte ein.

N AC H H A LT IG E E N T W IC K L U N G F Ö R D E R N
Die deutsche Entwicklungspolitik orientiert sich an den 17 Nachhaltig-
keitszielen der Vereinten Nationen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf
der globalen Ernährungssicherung.
101 Freiwillige
erhalten am 12. November 1955
ihre Ernennungsurkunden als Soldaten.
96
ABGEORDNETE
– im 705 Sitze umfas­
Der Tag gilt als senden Europäischen
Gründungstag der Bundeswehr. Parlament kommen aus
Deutschland.

Weltweit
unterhält
P A R T N E R I N E U R O P A U N D I N D E R W E LT Deutschland

7 Tatsachen 226
Auslands­­
vertretungen.

Der
ÉLYSÉE-VERTRAG
aus dem Jahr 1963 markiert einen
Die

17
Meilenstein für die deutsch-französische
Freundschaft und den europäischen
Integrationsprozess.

ZIELE
für nachhaltige
Entwicklung
der Agenda 2030 Rund

30
sind Leitfaden für Deutschland
die deutsche ist weltweit der
Entwicklungspolitik. zweitgrößte
Geberstaat UN-ORGANISATIONEN
für humanitäre
Hilfe. haben ihren Sitz in
Deutschland.
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 40 | 41

land als Gründungsmitglied ak-


tiv mitgestaltet. Eine historisch
Gemeinsame enge Partnerschaft verbindet

Verantwortung
Deutschland dabei mit Frank-
reich, die deutsch-französische
Freundschaft und Zusammen-
arbeit gilt als ein Motor der
Deutschland baut auf internationale Europäischen Union. Das soge-
Zusammenarbeit und tritt gemeinsam mit seinen nannte Weimarer Dreieck bietet
Partnern in Europa und in der Welt für Freiheit, ein wichtiges Forum für die Zu-
Demokratie und Menschenrechte ein. sammenarbeit von Deutschland
mit Frankreich und Polen. Dazu
Deutschland ist sich als viertgrößte Volkswirtschaft kommt die feste Verankerung
der Welt und größter Mitgliedsstaat der Europäi- Deutschlands in der Wertege-
schen Union (EU) seiner internationalen Verantwor- meinschaft des transatlantischen
tung bewusst. In der Außen-, Sicherheits- und Ver- Bündnisses mit den USA.
teidigungspolitik sucht die Bundesregierung dabei
die enge Zusammenarbeit mit ihren demokratischen Deutschland ist in der internatio-
Partnern, um gemeinsame Werte zu verteidigen so- nalen Politik auch darüber hinaus
wie globalen Herausforderungen wie dem Klima- intensiv und vielfältig vernetzt.
wandel und der Corona-Pandemie zu begegnen. Das Land unterhält diplomatische
Zentraler Ankerpunkt ist dabei das Friedens- und Beziehungen zu fast 200 Staaten
Freiheitsprojekt der EU, dessen Zukunft Deutsch- und ist Mitglied in vielen ver-

Außenministerin Annalena Baerbock bei einem EU-Treffen in Brüssel


Bundeskanzler Olaf Scholz mit US-Präsident Joe Biden beim G7-Gipel 2022 in Deutschland

schiedenen multilateralen Organisationen und in- Integration in die Strukturen der


formellen internationalen Koordinierungsgruppen multilateralen Zusammenarbeit.
wie der „Gruppe der Sieben“ (G7). Außenministerin Konkret bedeutet dies: kon­
ist seit Dezember 2021 Annalena Baerbock (Bünd- struktive Partnerschaften mit den
nis 90/Die Grünen). Im Auswärtigen Dienst, dessen Mitgliedsstaaten der EU und den
Zentrale sich in Berlin befindet, arbeiten rund 12.000 transatlantischen Partnern, das
Beschäftigte. Insgesamt unterhält Deutschland 226 Eintreten für das Existenzrecht
Auslandsvertretungen. Israels, die aktive und engagier-
te Mitwirkung in den Vereinten
Das vorrangige Ziel der deutschen Außenpolitik ist Nationen (VN) und im Europarat
der Erhalt von Frieden und Sicherheit in der Welt. sowie die Stärkung der europäi-
Zu den Grundkoordinaten gehört die umfassende schen Sicherheitsarchitektur im
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 42 | 43

Rahmen der Organisation für Si- von Frauen und marginalisierter Gruppen sowie der
cherheit und Zusammenarbeit in Förderung von Diversität zielt.
Europa (OSZE).
Multilateral eingebettet hat Deutschland auch die
E I N S AT Z F Ü R gewachsene Verantwortung, die dem Land nach der
MENSCHENRECHTE Wiedervereinigung 1990 zugefallen ist, angenommen:
Fundament deutscher Außen- Deutschland trägt durch vielfache und kontinuierlich
politik sind die Menschenrech- gesteigerte Anstrengungen zur Stabilisierung in Kri-
te. „Die Würde des Menschen ist senregionen und zur politischen Lösung von Konflik-
unantastbar“, heißt es in Artikel 1 ten bei. Zudem beteiligt es sich am Erhalt von friedens-
des Grundgesetzes. Dafür setzt sichernden Strukturen und leistet mit der Entsendung
sich Deutschland auch weltweit von Personal in VN-mandatierte Friedensmissionen
gemeinsam mit seinen Partnern einen Beitrag zur Krisenbewältigung.
ein. Dies ist nicht nur eine mo-
ralische Verpflichtung, sondern Deutschland leistet zudem humanitäre Hilfe bei
liegt auch im außenpolitischen Krisen, Konflikten oder Naturkatastrophen, um
Interesse, weil die Wahrung Menschen in einer akuten Notlage zu helfen. Dabei
von Menschenrechten zu Frie- arbeitet Deutschland mit Organisationen der VN, der
den und stabiler Entwicklung Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung sowie Nicht-
beiträgt. regierungsorganisationen zusammen. In der Ent-
wicklungszusammenarbeit orientiert sich Deutsch-
Der von Deutschland vertrete- land an den Nachhaltigkeitszielen, die in der Agenda
ne erweiterte Sicherheitsbegriff 2030 der Vereinten Nationen festgeschrieben sind. Zu
umfasst neben Fragen der Kri- den 17 Zielen zählen der Kampf gegen Hunger und
senprävention, Abrüstung und Armut, Klimaschutz oder die Gleichberechtigung der
Rüstungskontrolle nachhaltige Geschlechter.
wirtschaftliche, ökologische und
soziale Aspekte. Dazu gehören D E U T S C H E G 7- P R Ä S I D E N T S C H A F T 2 0 2 2
eine Globalisierung mit Chancen Im Jahr 2022 stand die Bundesrepublik zum sieb-
für alle, grenzüberschreitender ten Mal an der Spitze der G7, der Gruppe der sieben
Umwelt- und Klimaschutz, der führenden Industrienationen und Demokratien.
Dialog zwischen den Kulturen Zusammen mit seinen Partnern Frankreich, Italien,
sowie Offenheit gegenüber Gäs- Großbritannien, Japan, Kanada und den USA stellte
ten und Einwanderern. Dieses sich Deutschland seiner Verantwortung während
umfassende Verständnis schließt dieser G7-Präsidentschaft, für die sich die Bundes-
das Bekenntnis der Bundesregie- regierung in ihrem Programm als Ziel „Fortschritt
rung zur Verwirklichung einer für eine gerechte Welt“ gesetzt hatte. Schwerpunkte
feministischen Außenpolitik ein, waren unter anderem die künftige Weltordnung, der
die auf die Stärkung der Rechte, Klimaschutz, globale Gesundheit sowie soziale Ge-
Ressourcen und Repräsentanz rechtigkeit und Gleichstellung. 
lionen Unionsbürgerinnen und
-bürger in 27 Mitgliedsstaaten.
Die deutsche Europapolitik hat
Anwalt europäischer sich in allen Etappen der euro-
päischen Einigung als treiben-
Integration de Kraft etabliert und das Zu-
sammenwachsen Europas aktiv
mitgestaltet. Mit Ursula von der
Kein Land in Europa hat mehr Nachbarn als Deutsch­ Leyen als Präsidentin der EU-
land. Mit neun Staaten teilt Deutschland seine Gren- Kommission rückte im Dezember
ze, acht davon gehören zur Europäischen Union (EU). 2019 eine Deutsche an die Spitze
Die europäische Integration bildet für Deutschland der Gemeinschaft.
die Grundlage für Frieden, Sicherheit und Wohl-
stand. Trotz des EU-Austritts Großbritanniens Ende Deutschland gehörte zusammen
Januar 2020 bleibt die weitere Entwicklung und Stär- mit Frankreich, Italien, Belgien,
kung der Union, zumal unter komplexen und viel- den Niederlanden und Luxem-
fach krisenhaften Bedingungen, eine zentrale Auf- burg zu den sechs Gründerstaa-
gabe deutscher Außenpolitik. ten der EU, die am 25. März 1957
die Römischen Verträge schlos-
Das historische Projekt der EU, begonnen in den sen. Diese Vertragsunterzeich-
­f rühen 1950er-Jahren, umfasst heute rund 450 Mil- nung gilt als Geburtsstunde der
Europäischen Union. Offiziell
gegründet wurden damals die
Europäische Wirtschaftsgemein-
schaft (EWG) und die Europäische
E U R O PA PA R L A M E N T
Atomgemeinschaft (Euratom).

Das Europäische Parlament hat im Jahr 2022


GEMEINSAMER
seinen 70. Geburtstag gefeiert. Am 10. Sep­
E U R O PÄ I S C H E R M A R K T
tember 1952 fand im französischen Straß­
burg die erste Sitzung der „Gemeinsamen Im Rahmen der europäischen
Versammlung“ der Europäischen Gemein­ Integration wurde der größte
schaft für Kohle und Stahl statt – dies gilt gemeinsame Markt der Welt ge-
als Geburtsstunde des Parlaments. Seit 1979 schaffen, charakterisiert durch
finden alle fünf Jahre Europawahlen statt. Die die in den Römischen Verträgen
rund 450 Millionen Europäerinnen und Euro­ formulierten vier Grundfreihei­
päer aus 27 EU-Staaten entscheiden dann di­ ten: den freien Warenverkehr un­
rekt über die Sitzverteilung im Europaparla­ ter den EU-Staaten, die Freiheit
ment. Von den insgesamt 705 Abgeordneten
des Personenverkehrs, die Dienst-
kommen 96 aus Deutschland.
leistungsfreiheit im EU-Gebiet so-
wie den freien Kapitalverkehr. Die
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 44 | 45

Breite Unterstützung für Europa: Die Europäische Union genießt auch starken Rückhalt in der Bevölkerung.

Größe und die Wirtschaftsleistung Dies zeigte sich schon während der Finanz- und
des gemeinsamen europäischen Schuldenkrise. Die Euro-Staaten richteten einen
Marktes machen die EU zu einem Rettungsfonds ein, den Europäischen Stabilitäts-
zentralen Akteur der Weltwirt- mechanismus (ESM). Auch in der Corona-Pandemie
schaft. Für die deutsche Wirt- standen die EU-Staaten zusammen und einigten sich
schaft ist der europäische Binnen- auf ein milliardenschweres Wiederaufbaupaket. Der
markt von zentraler Bedeutung, Plan „NextGenerationEU“ ging auf eine deutsch-
weil die europäischen Länder zu französische Initiative zurück.
den wichtigsten Handelspartnern
Deutschlands gehören. DEUTSCH-FR ANZÖSISCHE
FREUNDSCHAF T ALS MOTOR
Als stärkste Volkswirtschaft Frankreich ist Deutschlands wichtigster Partner in
der EU trägt Deutschland nicht Europa. Parallel zur europäischen Integration bauten
zuletzt in Phasen wirtschaftli- die beiden Länder nach dem Zweiten Weltkrieg eine
cher und sozialer Veränderun- enge Zusammenarbeit auf, die heute oft als Modell für
gen besondere Verantwortung. die Aussöhnung zweier Völker betrachtet wird. Beide
Länder gehörten 1957 zu den sechs Gründungsmit- Leben gerufen. Der Name geht da-
gliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft rauf zurück, dass sie sich damals
(EWG), dem Kern der heutigen EU. Die deutsch-fran- an Goethes Geburtstag in Wei-
zösische Freundschaft, 1963 besiegelt mit dem Élysée- mar trafen. In einer gemeinsamen
Vertrag, wird von engen Beziehungen zwischen den Erklärung hoben die Minister
Zivilgesellschaften und von vielen deutsch-französi- die maßgebliche Verantwortung
schen Institutionen getragen. Deutschlands, Frankreichs und
Polens für den europäischen In-
Der im Januar 2019 unterzeichnete „Vertrag von tegrationsprozess hervor. Im Jahr
Aachen“ knüpft an den Élysée-Vertrag an und richtet 2004 wurde Polen zusammen mit
die deutsch-französischen Beziehungen für zukünf- neun anderen mittel- und ost-
tige Herausforderungen neu aus. Deutschland und europäischen Staaten in die Euro-
Frankreich vereinbarten darin unter anderem eine päische Union aufgenommen.
starke gemeinsame Arbeit an der Fortentwicklung
der Europäischen Union, zusammen mit den ande- PA R T N E R B E I
ren EU-Mitgliedsstaaten, und einer noch weiterge- EU-ERWEITERUNGEN
henden Förderung der gelebten Gemeinsamkeiten Deutschland unterstützt die In-
der Deutschen, Französinnen und Franzosen. tegration weiterer Mitglieder in
die EU. Die Union wurde in den
ENGE ZUSAMMENARBEIT vergangenen Jahrzehnten mehr-
IM WEIMARER DREIECK fach vergrößert. Von besonderer
Zusammen mit Polen bilden Deutschland und Bedeutung auch für Deutschland
Frankreich das Weimarer Dreieck. Es wurde 1991 von war die EU-Osterweiterung im
den damaligen Außenministern der drei Länder ins Jahr 2004. Mit Großbritannien

WEGMARKEN

1957 1979 1993


Der europäische Eini­ Die Bürgerinnen und Europas Einigung wird an
gungsprozess beginnt. Mit Bürger sind zur Europa­ den Grenzen sichtbar: Im
den Römischen Verträgen wahl aufgerufen: Erstmals luxemburgischen Schengen
gründen Belgien, Deutsch­ werden die Abgeordneten vereinbaren Deutschland,
land, Frankreich, Italien, des Europaparlaments Frankreich und die Benelux-
Luxemburg und die Nie­ direkt gewählt. Zuvor wa­ Staaten das Ende der
derlande die Europäische ren sie von den nationalen Grenzkontrollen zwischen
Wirtschaftsgemeinschaft Parlamenten entsandt den Ländern. Weitere
(EWG). worden. Staaten folgen.
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 46 | 47

ist Ende Januar 2020 zum ersten dieses Ziels aktiv voranbringen und selbst schon
Mal ein Mitgliedsstaat aus der EU 2045 Klimaneutralität erreichen.
ausgetreten. Deutschland setzt
dennoch weiterhin auf enge Be- Die Bundesregierung setzt sich auch für eine Wei-
ziehungen zu Großbritannien terentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und
und sieht sich in besonderer Ver- Verteidigungspolitik (GSVP) der EU ein. Das Aufga-
antwortung für die Gestaltung benspektrum reicht dabei von der Krisenprävention
des künftigen Verhältnisses des über die Konfliktbewältigung bis zur Stabilisierung
Landes zur EU. nach einem Konflikt. Deutschland initiierte schon
während seiner EU-Ratspräsidentschaft 2020 den so-
E I N S AT Z F Ü R G E M E I N S A M E S genannten Strategischen Kompass, der der gemein-
E U R O PÄ I S C H E S H A N D E L N samen Politik eine klare Richtung geben soll.
In allen zentralen Politikberei-
chen arbeitet Deutschland eng Die deutsche Europapolitik wird getragen von dem
mit seinen europäischen Part- Wissen über die historische Bedeutung der Europäi-
nern zusammen. Gemeinsame schen Union als Friedensprojekt. Im Jahr 2012 wurde
Antworten auf die Klimakrise die Union mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Das
zu finden gehört dabei zu den Nobelkomitee erklärte damals, die EU habe aus einem
zentralen Aufgaben der EU. Ende „Kontinent der Kriege“ einen „Kontinent des Friedens“
2019 stellte die EU-Kommission gemacht. Für die Bundesregierung bleibt diese Auf-
den „European Green Deal“ vor. gabe zentral, wie auch Bundeskanzler Olaf Scholz im
Ziel ist es, bis 2050 als erster Kon- Jahr 2022 betonte: „Diese zentrale Mission der Euro-
tinent klimaneutral zu werden. päischen Union, die Wahrung des inneren Friedens
Deutschland will die Umsetzung Europas, hat nichts an ihrer Aktualität verloren.“ 

2002 2019 2020


Europa gibt sich eine Die Europäische Kommis­ Als Reaktion auf die
Währung. In zunächst zwölf sion legt den europäischen Corona-Pandemie bringt
Ländern der EU wird der Green Deal vor. Europa die EU ein beispielloses
Euro als Bargeld eingeführt; soll bis 2050 zum ersten milliardenschweres Wie­
als Buchgeld gibt es ihn klimaneutralen Kontinent deraufbaupaket auf den
schon seit 1999. Sitz der neu werden. Deutschland treibt Weg. Die Initiative für den
etablierten Europäischen den Prozess voran und Plan „NextGenerationEU“
Zentralbank (EZB) will selbst schon 2045 kam aus Deutschland und
ist Frankfurt am Main. Klimaneutralität erreichen. Frankreich.
Seit 2017 bilden die unter Feder-
führung des Auswärtigen Amts
Engagement erarbeiteten Leitlinien „Krisen
verhindern, Konflikte bewälti-
für Frieden gen, Frieden fördern“ die Richt-
schnur beim Einsatz für Frieden,
und Sicherheit Sicherheit und Entwicklung. Eine
zentrale Aufgabe sieht die Bundes-
regierung darin, die Zusammen-
Der weltweite Einsatz für Frieden und Sicherheit, für hänge zwischen der Klimakrise
Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten und Fragen von Frieden, Sicherheit
sind Grundkonstanten der deutschen Außenpolitik und nachhaltiger Entwicklung
und ergeben sich aus dem Grundgesetz. Deutschland noch stärker zu beachten, um kli-
stellt sich der Aufgabe einerseits aus historischer Ver- mabedingte Konflikte frühzei-
antwortung, andererseits liegen Krisenprävention tig zu erkennen. Zunehmend im
und Konfliktbewältigung auch deshalb im deutschen Fokus stehen neue Bedrohungen
Interesse, weil die Auswirkungen von Krisen weltweit für die weltweite Sicherheit im
und damit auch in Deutschland zu spüren sind. Der Cyberraum. Die Bundesregierung
völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die begegnet diesen vielfältigen Her-
Ukraine untergräbt dabei die internationale Sicher- ausforderungen mit einer neuen
heit und Stabilität in Europa schwerwiegend. „Nationalen Sicherheitsstrategie“,
die im Jahr 2022 unter anderem
Basis für das außenpolitische Handeln Deutschlands im Rahmen eines breiten gesell-
ist seine multilaterale Einbindung. So finden Einsät- schaftlichen Dialogs erarbeitet
ze der Bundeswehr immer im Rahmen von Systemen wird. Dabei wird der Strategie ein
kollektiver Sicherheit oder Verteidigung statt, dies umfassender Sicherheitsbegriff
sind zuvorderst internationale Organisationen wie zugrunde gelegt, der alle Aspekte
die Vereinten Nationen (VN), die Europäische Union der menschlichen Sicherheit in
(EU) oder die Nordatlantische Allianz (NATO). Zu- den Blick nimmt.
dem bedürfen Stationierungen der Bundeswehr im
Ausland der Zustimmung des Deutschen Bundestags. VER ANT WORTUNG IN DER NATO
Die Bundeswehr wird deshalb auch als Parlaments- In der NATO (North Atlantic Trea-
armee bezeichnet. ty Organization) ist Deutschland
seit der Gründung der Bundes-
Für die Bundesregierung haben zivile Instrumente wehr 1955 politisch wie militä-
dabei stets Vorrang. Wichtigstes Ziel ist, Krisen und risch integriert. Die feste Veran-
Konflikte frühzeitig zu erkennen und möglichst zu kerung in das nordatlantische
entschärfen, bevor sie eskalieren. Abrüstung und Rüs- Verteidigungsbündnis gehört zur
tungskontrolle sind zentrale Bestandteile deutscher „DNA“ der deutschen Außenpoli-
Außenpolitik. tik. Die Bundeswehr ist einer der
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 48 | 49

wesentlichen Truppensteller der Im Kontext des russischen Angriffskriegs brachte die


NATO. Deutschland beteiligt sich deutsche Regierung 2022 das Sondervermögen Bun-
beispielsweise seit 1999 an der deswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro auf den Weg.
NATO-Sicherheitstruppe KFOR im Damit modernisiert Deutschland die Ausrüstung der
Kosovo. In Litauen trägt die Bun- Bundeswehr und stärkt die Landes- und Bündnisver-
deswehr darüber hinaus führend teidigung. Somit kommt Deutschland auch seinen
als sogenannte Rahmennation zur Verpflichtungen vom NATO-Gipfel in Wales 2014 so-
Sicherung der NATO-Ostflanke wie zuletzt im Juni 2022 in Madrid nach und investiert
bei. Dies geschieht im Rahmen der langfristig in notwendige militärische Fähigkeiten.
Mission enhanced Forward Pre-
sence (eFP), die der Sicherung der V E R L Ä S S L I C H E S U N D G E S C H ÄT Z T E S M I T G L I E D
osteuropäischen Staaten dient. D E R V E R E I N T E N N AT I O N E N
Deutschland unterstützt die enge Seit ihrer Aufnahme in die VN 1973 ist die Bundesre-
Kooperation von NATO und Eu- publik ein engagiertes, verlässliches und geschätztes
ropäischer Union und setzt sich Mitglied der Weltorganisation. Deutschland ist der
konsequent dafür ein, die Folgen viertgrößte Beitragszahler für den regulären Haushalt
des Klimawandels für die Sicher- der VN. Im Jahr 2021 lag der Anteil Deutschlands am
heitspolitik noch stärker zu be- Etat mit rund 176 Millionen US-Dollar bei 6,1 Prozent.
rücksichtigen. Dazu kamen für den Zeitraum Juli 2021 bis Juni 2022

Außenministerin Baerbock spricht mit an einer VN-Mission beteiligten


Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in Mali.
Die Bundeswehr
beteiligt sich unter
anderem an der
friedenssichernden
UNIFIL-Mission vor
der libanesischen
Küste.

Die Korvette „Erfurt“ bricht zum UNIFIL-Einsatz auf.

rund 400 Millionen US-Dollar für die Haushalte der gels zu unterstützen. Deutsche
einzelnen Friedensmissionen. Deutschland unter- Soldatinnen und Soldaten enga-
stützt die Missionen unter anderem in Form von Sta- gieren sich zudem in der Ausbil-
bilisierungsmaßnahmen, diplomatischen Vermitt- dung der Marine des Landes.
lungsbemühungen und Krisennachsorge, beteiligt
sich aber auch mit Soldatinnen und Soldaten, Polizis- Darüber hinaus sind die VN in
tinnen und Polizisten sowie qualifiziertem Personal. Deutschland mit Niederlassungen
Die Bundeswehr ist beispielsweise Teil einer der ältes- sehr präsent. Schon 1951 eröffnete
ten friedenserhaltenden Einsätze der VN, der UNIFIL- ein Außenbüro des Flüchtlings-
Mission, die den Frieden zwischen Libanon und Israel kommissariats UNHCR in Bonn.
sichern soll. Der Einsatz hilft konkret etwa dabei, die Inzwischen gibt es rund 30 VN-
libanesische Regierung bei der Sicherung der See- Organisationen in Deutschland,
grenzen und der Verhinderung des Waffenschmug- insbesondere auf dem VN-Campus
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 50 | 51

OSZE ist die 1975 unterzeichnete Schlussakte von Hel-


sinki, in der die Unverletzlichkeit der Grenzen und die
friedliche Lösung von Streitigkeiten als Prinzipien der
europäischen Sicherheitsordnung vereinbart wurden.
Die Organisation umfasst heute 57 Teilnehmerstaaten
aus Europa, Nordamerika sowie Zentralasien und ist
damit die weltweit größte regionale Sicherheitsorga-
nisation. Zur Prävention von Konflikten und zur För-
derung der Demokratisierung unterhält die OSZE in
vielen Ländern ständige Missionen und schickt zum
Beispiel, auch von Deutschland unterstützt, regelmä-
ßig Wahlbeobachter in ihre Teilnehmerstaaten.

Zur zivilen Krisenprävention und weltweiten Frie-


denskonsolidierung trägt auch das 2002 von Bun-
desregierung und Bundestag gegründete Zentrum
für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) bei. Das im
Auftrag des Auswärtigen Amts agierende ZIF trainiert
zivile Expertinnen und Experten oder vermittelt Per-
sonal für Friedens- und Wahlbeobachtungseinsätze.
Innerhalb von 20 Jahren wurden so rund 6.000 Wahl-
beobachterinnen und -beobachter entsandt.

ENGAGEMENT FÜR ABRÜSTUNG UND


R Ü S T U N G S KO N T R O L L E
Einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Sicherheit leis-
tet Deutschland mit seinem Engagement im Bereich
in Bonn, wo mehr als 20 Einrich- der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Die Bundesre-
tungen ihren Sitz haben. publik verfolgt das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen,
das Fundament bildet dabei der nukleare Nichtver-
Eine weitere zentrale Säule für breitungsvertrag (NVV). Deutschland setzt sich dar-
Frieden und Sicherheit ist die Or- über hinaus für die Universalität und Durchsetzung
ganisation für Sicherheit und Zu- relevanter internationaler Verträge und Abkommen
sammenarbeit in Europa (OSZE), ein, etwa für das Chemiewaffenübereinkommen, das
die Deutschland intensiv und in die Norm des Nicht-Einsatzes von Chemiewaffen ko-
vielfältiger Form unterstützt. Die difiziert. Deutschland engagiert sich zudem intensiv
OSZE ist 1995 aus der Konferenz für die weltweite Ächtung von Minen und Streumuni-
über Sicherheit und Zusammen- tion. Konkret unterstützt die Bundesregierung Maß-
arbeit in Europa (KSZE) hervorge- nahmen des humanitären Minen- und Kampfmittel-
gangen. Grundlagendokument der räumens und der Opferfürsorge.
Zahlen und Fakten zur deutschen
Außen- und Entwicklungspolitik
D E U T S C H L A N D I S T E I N W E LT W E I T V E R L Ä S S L I C H E R PA R T N E R

Viertgrößter
Gründungsstaat Seit 1955 Internationale
Beitragszahler
der Europäischen Mitglied der Zusammenarbeit
der Vereinten
Union NATO in G7 und G20
Nationen

D I E 2 7 E U - M I T G L I E D S S TA AT E N

D e u t s c h l a n d ge h ö r t e zu s a m m e n m i t Fr a n k r e i c h ,
Italien, Belgien, den Niederlanden und
L u xe m b u r g z u d e n s e c h s G r ü n d e r s t a a t e n d e r E U.
Finnland
I m J a h r 2 0 2 2 z ä h l t d i e U n i o n 27 L ä n d e r, w e i t e r e
Staaten hof fen auf eine baldige
EU-Mitgliedschaf t.

Schweden
Estland

Lettland
Irland Dänemark

Niederlande Litauen

Belgien
Deutschland Polen

Ts c h e c h i e n
Luxemburg
Slowakei

Österreich
Ungarn
Frankreich Rumänien
Slowenien
Portugal Kroatien
Spanien Bulgarien

Italien

Griechenland

Malta Zypern
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 52 | 53

GLOBALE ERNÄHRUNGSSICHERHEI T

„Wir befinden
uns nicht in
einem Sprint,
sondern in einem
Rund

2
Langstreckenlauf.
Wir müssen die
globale Ernährungs-
sicherheit auf der
Agenda behalten – MILLIARDEN
für die Männer,
Kinder und Frauen,
EURO
die weltweit jährlich investiert das deutsche
Bundesministerium für wirtschaftliche
Not leiden.“
Zusammenarbeit und Entwicklung
AUSSENMINISTER IN in die weltweite Ernährungssicherung
ANNALENA BAERBOCK
und ländliche Entwicklung.

B U N D E S R E G I E R U N G B AU T H U M A N I TÄ R E H I L F E AU S
Deutschland ist weltweit der zweitgrößte Geberstaat
(in Milliarden Euro)
2,57
2,5

2,14
2,0
1,78
1,53 1,63
1,5
1,31

1,0

0,44 0,51
0,5
0,27 0,36

0,0
2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021

Quelle: Auswärtiges Amt


Einsatz für
Menschenrechte
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu ENGAGEMENT IN DEN
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staat- V E R E I N T E N N AT I O N E N
lichen Gewalt.“ Dies ist der klare Auftrag des Arti- Deutschland ist Vertragsstaat al-
kels 1 des Grundgesetzes, in dem sich Deutschland ler bedeutenden Menschenrechts-
zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Men- übereinkommen der Vereinten
schenrechten“ als „Grundlage jeder menschlichen Nationen und ihrer Zusatzproto-
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit kolle. Die Staaten schufen damit
in der Welt“ bekennt. Diese Verpflichtung wird von auf Grundlage der VN-Charta
Deutschland auch in seinen auswärtigen Beziehun- und der Allgemeinen Erklärung
gen ernst genommen. Schutz und Stärkung von Men- der Menschenrechte von 1948 ein
schenrechten spielen im außenpolitischen und inter- umfassendes Vertragssystem zum
nationalen Kontext eine besondere Rolle, denn häufig Schutz der Menschenrechte. Zu
sind systematische Menschenrechtsverletzungen der den von Deutschland ratifizierten
erste Schritt in Konflikte und Krisen. Als Mitglied des rechtsverbindlichen Abkommen
Europarats und gemeinsam mit den Partnern in der gehören der Zivilpakt, der Sozial-
Europäischen Union und in Zusammenarbeit mit pakt, die Anti-Rassismus-Kon-
den Vereinten Nationen (VN) setzt sich Deutschland vention, die Frauenrechtskonven-
weltweit dafür ein, die Menschenrechtsstandards zu tion, die Anti-Folter-Konvention,
schützen und fortzuentwickeln. die Kinderrechtskonvention, die
Behinder tenrechtskonvention
sowie die Konvention gegen Ver-
schwindenlassen.
V E R E I N T E N AT I O N E N
Die in den Verträgen festgeschrie-

198 Millionen benen Rechte und Verpflichtun-


gen des Staates sind geltendes
US-Dollar trägt Deutschland im Jahr 2022 Recht in Deutschland. Die Bun-
zum regulären Haushalt der Vereinten Na­ desregierung unterstützt zugleich
tionen bei. Damit ist die Bundesrepublik mit weltweit etwa den Schutz vor
einem Anteil von rund sechs Prozent am Diskriminierung und Rassismus,
Budget der viertgrößte Beitragszahler nach engagiert sich gegen die Todes-
den USA, China und Japan. strafe, für politische Teilhabe und
Rechtsschutz, verteidigt die Reli-
gions- und Weltanschauungsfrei-
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 54 | 55

Sitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen in Genf

heit, kämpft gegen den Menschen- für eine weitere Stärkung des Hochkommissariats für
handel und drängt zum Beispiel Menschenrechte.
auch auf die Durchsetzung des
Rechts auf Wohnen und des Rechts E N G A G E M E N T I M E U R O PA R AT
auf sauberes Trinkwasser und Sa- Deutschland ist eines der aktivsten Länder im Euro-
nitärversorgung. Die Regierung parat, der sich für den Schutz und die Förderung von
setzt sich zudem für eine VN-Kon- Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokra-
vention für LSBTI-Rechte ein. Ein tie in ganz Europa einsetzt. Der Rat hat 46 Mitglieds-
weiterer aktueller Schwerpunkt staaten, darunter die 27 Staaten der Europäischen
der deutschen Menschenrechts- Union. Mit wegweisenden Übereinkommen, wie vor
politik ist der Schutz der Men- allem der Europäischen Menschenrechtskonvention,
schenrechte im digitalen Zeitalter. trägt der Europarat zur Entwicklung eines gemein-
Innerhalb der Vereinten Nationen samen europäischen Rechtsraums bei und überwacht
unterstützt die Bundesregierung die Einhaltung von verbindlichen gemeinsamen
aktiv die Arbeit des VN-Men- Standards und Werten auf dem europäischen Kon-
schenrechtsrats und engagiert sich tinent. Eine zentrale Institution des Europarats zur
Durchsetzung dieser Rechte in Europa ist der Euro- des Europarats oder der Vereinten
päische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Nationen, nehmen aber auch eine
französischen Straßburg. Alle Bürgerinnen und Bür- wichtige Position bei der Einbe-
ger der Mitgliedsstaaten können sich bei Verletzungen ziehung der Zivilgesellschaft in
ihrer durch die Menschenrechtskonvention geschütz- die Menschenrechtspolitik ein.
ten Rechte an den EGMR wenden. Deutschland tritt Sie fungieren intern als unabhän-
nachdrücklich dafür ein, dass alle Vertragsstaaten gige Berater und Beraterinnen
die Entscheidungen des Gerichtshofs umsetzen. Der und begleiten relevante Prozesse
Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag innerhalb der gesamten Bundes-
in den Niederlanden ist zuständig für die völkerstraf- regierung.
rechtliche Ahndung schwerer internationaler Ver-
brechen, wie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen Parlamentarisch begleitet und
die Menschlichkeit oder Völkermord. Deutschland kontrolliert wird die deutsche
spricht sich für eine universelle Anerkennung des Menschenrechtspolitik ebenfalls
IStGH aus. seit 1998 durch den Ausschuss
für Menschenrechte und hu-
MENSCHENRECHTSPOLITIK UND manitäre Hilfe des Deutschen
H U M A N I TÄ R E H I L F E Bundestags. Als staatlich finan-
Im Auswärtigen Amt besteht seit 1998 das Amt des zierte, aber unabhängige Instanz
oder der Beauftragten der Bundesregierung für Men- wurde 2001 zudem das Deutsche
schenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe. Die Be- Institut für Menschenrechte in
auftragten sind zentrale Ansprechpartner für den Berlin gegründet. Es soll als na-
Menschenrechtsschutz, engagieren sich auf inter- tionale Menschenrechtsinstitu-
nationaler Ebene in den Gremien der EU, der OSZE, tion im Sinne der Pariser Prinzi-
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 56 | 57

Lebensmittelversorgung in Mosambik:
Hilfsorganisationen engagieren sich weltweit.

Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit.


Deutschland übernimmt weltweit Verantwortung für
Menschen in Not und setzt sich aktiv für die Stärkung
„Die Menschen welt- und Weiterentwicklung des internationalen huma-
weit zählen in ihrer nitären Systems ein. Konkret zeigt sich dies auch im
größten Not auf unse- finanziellen Engagement Deutschlands: Die Bun-
re Hilfe – und es ist desrepublik ist weltweit der zweitgrößte Geberstaat
unsere Verantwortung für humanitäre Hilfe. Von 2018 bis 2021 erhöhte die
als Weltgemeinschaft, Bundesregierung die Mittel um rund 70 Prozent auf
sie nicht im Stich zu 2,57 Milliarden Euro. Sie reagierte damit auf einen
lassen.“ weltweit steigenden Bedarf. Gründe dafür waren be-
Außenministerin Annalena Baerbock waffnete Konflikte, der Klimawandel und vor allem
im Jahr 2020 die Corona-Pandemie. Die Bundesregie-
rung macht sich auch international für mehr Engage-
ment der Weltgemeinschaft stark.

pien der VN zur Förderung und Grundlage der humanitären Hilfe bildet die im April
zum Schutz der Menschenrechte 2019 veröffentlichte „Strategie des Auswärtigen Amts
durch Deutschland im In- und zur humanitären Hilfe im Ausland“. Wichtige Partner
Ausland beitragen. sind die VN-Organisationen, die Internationale Rot-
kreuz- und Rothalbmond-Bewegung sowie weitere
H U M A N I TÄ R E H I L F E F Ü R Nichtregierungsorganisationen.
MENSCHEN IN AKUTER NOT
Die Bundesregierung unter-
stützt mit ihrer humanitären
Hilfe weltweit Menschen, die
durch Naturkatastrophen, krie-
gerische Auseinandersetzungen
oder andere Krisen und Konflik-
te in akute Not geraten sind oder
bei denen ein entsprechendes
konkretes Risiko besteht. Dabei
kommt es nicht auf die Ursachen
der Notlage an. Humanitäre Hilfe
ist Ausdruck ethischer Verant-
wortung und der Solidarität mit
Menschen in Not. Sie orientiert
sich am Bedarf der Notleidenden
und basiert auf den humanitären
Prinzipien der Menschlichkeit, Wasserversorgung ist zentral für humanitäre Hilfe.
Beratung auf einem Baumwollfeld in Indien

17 Ziele für nachhaltige Entwick-


lung (Sustainable Development
Nachhaltige Goals/SDGs) für eine sozial, wirt-
schaftlich und ökologisch nach-
Entwicklung fördern haltige Entwicklung. Die SDGs
reichen von der Beseitigung des
Hungers über gleichberechtigten
Die deutsche Entwicklungspolitik als Baustein einer Bildungszugang für alle über Ge-
globalen Struktur- und Friedenspolitik trägt dazu schlechtergleichheit bis zu Maß-
bei, die Lebensbedingungen in den Partnerländern nahmen für den Klimaschutz und
zu verbessern. Ziel ist es, den Hunger und die Armut zur Friedensförderung.
weltweit zu überwinden und Demokratie und Rechts-
staatlichkeit zu stärken. Richtschnur der Entwick- Die Bundesregierung ist bei der
lungspolitik ist die Agenda 2030 für nachhaltige Ent- Umsetzung der Entwicklungs-
wicklung, die 2015 von der Generalversammlung der agenda ein starker und verläss-
Vereinten Nationen beschlossen wurde. Kern sind die licher Partner. Als zweitgrößter
PA R T N E R I N E U R O PA U N D I N D E R W E LT 58 | 59

E R S T E S L A N D E U R O PA S M I T E I N E M
ENT W ICKLUNGSMINISTER IUM
Deutschland, das nach dem Zweiten Weltkrieg selbst
durch den Marshall-Plan der USA Unterstützung in
Milliardenhöhe erhielt, setzt schon seit Jahrzehnten
auf eine aktive Entwicklungspolitik und richtete
1961 als erstes Land Europas ein Entwicklungsmi-
nisterium ein. Die deutsche Politik setzt auf Förde-
rung der Selbsthilfe und eine breite Zusammenarbeit
nicht nur mit Regierungen, sondern auch mit Bür-
gerinnen und Bürgern, der Privatwirtschaft sowie
staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisatio-
nen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (BMZ) versteht sich
als Transformationsministerium, das weltweit den
Umbau hin zu einer nachhaltigen, klima- und natur-
verträglichen Wirtschaftsweise voranbringt und zu-
gleich Frieden, Freiheit und Menschenrechte stärkt.
Wichtige Aufgaben der deutschen Entwicklungspoli-
tik sind die Bekämpfung von Hunger und Armut, der
Schutz des Klimas und der Artenvielfalt, Gesundheit
und Bildung, Geschlechtergleichstellung, faire Lie-
Geber für öffentliche Entwick- ferketten, die Nutzung der Digitalisierung und des
lungszusammenarbeit übernimmt Technologietransfers sowie die Stärkung von Privat-
Deutschland Verantwortung als investitionen zur Förderung einer nachhaltigen Ent-
aktiver Gestalter globaler Partner- wicklung weltweit.
schaften. Deutschland erreichte
wiederholt das Ziel der Vereinten W E LT W E I T E R E I N S AT Z F Ü R
Nationen, mindestens 0,7 Prozent ERNÄHRUNGSSICHERUNG
des Bruttonationaleinkommens Eine zentrale Herausforderung bleibt der weltweite
(BNE) in die Entwicklungszusam- Kampf gegen den Hunger. Das BMZ investiert jähr-
menarbeit zu investieren. Projekte lich rund zwei Milliarden Euro in die weltweite Er-
in den Partnerländern werden von nährungssicherung und ländliche Entwicklung.
der Deutschen Gesellschaft für Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Förderung der
Internationale Zusammenarbeit kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Afrika. Deutsch-
(GIZ) GmbH sowie der KfW Ban- land ist zudem das zweitgrößte Geberland des Welt-
kengruppe und von anderen Orga- ernährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP,
nisationen betreut. World Food Programme).
Klima und Umwelt
VO R R E I T E R I N D E R K L I M A P O L I T I K
Deutschland will im Klimaschutz auf nationaler und internationaler
Ebene Zeichen setzen. Umwelt- und Naturschutz nehmen bereits seit
Jahren einen hohen Stellenwert ein. Ein Überblick.

G E N E R AT IO N E N P R O J E K T E N E RG I E W E N D E
Der komplette Abschied von Öl, Gas und Kohle gehört zu den zentra-
len Vorhaben der deutschen Politik. Dafür werden die erneuerbaren
Energien massiv ausgebaut.

I N T E R N AT IO N A L E K L I M A KO O P E R AT IO N E N
Ob auf Weltklimakonferenzen oder in bilateralen Abkommen:
Deutschland engagiert sich auf internationaler Ebene für den Klima-
schutz und steht dabei besonders zu seiner Verantwortung gegenüber
Entwicklungs- und Schwellenländern.

M O B I L I TÄT D E R Z U K U N F T
Vom Ausbau der Elektromobilität bis zur Stärkung des Bahnverkehrs:
Deutschland setzt auf nachhaltige und innovative Mobilitätsangebote.

L E B E N S W IC H T IG E V I E L FA LT
Deutschland setzt sich im eigenen Land und weltweit für den Schutz
der biologischen Vielfalt ein.
Aus erneuerbaren Energien RUND
sollen bis 2030 rund
48.000
80  % TIERARTEN
des Strombedarfs stammen. leben in
Deutschland.

Mindestens

K L I M A U N D U M W E LT
15 MIO.
ELEKTRO-
7 Tatsachen AUTOS
soll es bis 2030 in
Deutschland geben.

Die Natur kann sich in

16 NATIONALPARKS
Umweltschutz ungestört entwickeln.
ist seit

1994als Staatsziel im Deutschland


Grundgesetz trägt mit mehr als DAS
verankert.
5 1,5-GRAD-ZIEL
MILLIARDEN des Pariser
Klimaschutz­
EURO abkommens hat
pro Jahr zur oberste Priorität
internationalen für die deutsche
Klimafinanzierung bei. Klimaschutzpolitik.
K L I M A U N D U M W E LT 62 | 63

und der Grundsatz der Klimage-


rechtigkeit. Mit dem Übereinkom-
Vorreiter in der men von Paris setzte sich die Staa-
tengemeinschaft das Ziel, die Erd-
Klimapolitik erwärmung auf deutlich unter zwei
Grad Celsius und möglichst unter
1,5 Grad zu beschränken. Die Bun-
Deutschland räumt dem Klimaschutz oberste desregierung schreibt diesem Kli-
Priorität ein. National und international ist dabei der maschutzziel „oberste Priorität“ zu.
Ausbau der erneuerbaren Energien ein zentrales Ziel. Dafür will sie die soziale Markt-
wirtschaft zur sozial-ökologischen
Deutschland will bis 2045 ein klimaneutrales Marktwirtschaft um­ bauen. Darü-
Industrieland sein. Damit gehört die Bundesrepublik ber hinaus nimmt der Umwelt- und
international zu den Vorreitern im Kampf gegen die Naturschutz in Deutschland schon
Klimakrise. Der Schlüssel für einen Erfolg ist die ange- seit Jahrzehnten einen hohen Stel-
strebte Energiewende, also der schnelle Umstieg von lenwert ein. Insbesondere der
fossilen auf erneuerbare Energien. Bereits beschlossen Kampf gegen das Artensterben
hat Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie steht ganz oben auf der Agenda der
und aus der Kohleverstromung. Anfang 2022 inten- Regierung.
sivierte die Bundesregierung die Maßnahmen für die
Energiewende weiter, um auch möglichst schnell un- KL ARE ZIELE IM DEUTSCHEN
abhängig von fossilen Energieimporten zu werden. KLIMASCHUTZGESETZ
Seit Mai 2021 sind eindeutige Vor-
Richtschnur für die deutsche Klimaschutzpolitik sind gaben zum Klimaschutz in einem
die Klimarahmenkonvention UNFCCC, das Überein- Gesetz verankert. Dieses sieht vor,
kommen von Paris aus 2015, aber auch die Agenda 2030 dass Deutschland den Ausstoß von
Treibhausgasen bis 2030 um min-
destens 65 Prozent gegenüber 1990
senkt. Bis 2040 sollen es 88 Prozent
sein, 2045 soll Deutschland schließ-
lich Treibhausgasneutralität errei-
chen. Das bedeutet: Es besteht ein
Gleichgewicht zwischen Treibhaus-
gasemissionen und deren Abbau.

Seit 1990 konnten die Treib-


hausgasemissionen in Deutsch-
land schon deutlich verringert
werden. Die Emissionen sanken
Landwirtschaft und Natur im Einklang bis 2021 um fast 40 Prozent auf
762 Millionen Tonnen. Bis 2030 muss der Wert min- schnellere Planungs- und Geneh-
destens auf 438 Millionen Tonnen fallen. migungsverfahren etwa für Wind-
kraft- oder Solarenergie­ anlagen
W E I C H E N F Ü R E N E R G I E W E N D E G E S T E L LT unterstützen. Deutschland inves-
Die Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt, das die tiert zugleich bis 2026 insgesamt
Bundesregierung in den 2020er-Jahren entscheidend mehr als 200 Milliarden Euro in
voranbringen will. Bis 2030 sollen 80 Prozent des den Klimaschutz.
Strombedarfs aus erneuerbaren Energien wie Wind-
oder Solarenergie stammen. Der ursprünglich bis V E R L Ä S S L I C H E R PA R T N E R I N
2038 vorgesehene Kohleausstieg soll ebenfalls bereits D E R ­K L I M A P O L I T I K
in diesem Jahrzehnt gelingen. Die Kohleverstromung Deutschland setzt stark auf welt-
gilt als einer der größten Verursacher klimaschäd- weite Zusammenarbeit beim
licher CO2-Emissionen. Schon Ende 2011 beschloss Klimaschutz. Denn die ange-
Deutschland, schrittweise aus der Atomenergie auszu- strebte Begrenzung des Tempe-
steigen. Die letzten Atomkraftwerke sollen spätestens raturanstiegs kann die Staaten-
2023 endgültig vom Netz gehen. gemeinschaft nur mit vereinten
Kräften erreichen. Ein zentraler
Auch aus sicherheits- und wirtschaftspolitischen Baustein ist dabei der „Green Deal“
Gründen soll die Energiewende so rasch wie mög- der Europäischen Union. Damit
lich umgesetzt werden. Die Bundesregierung will den will Europa bis 2050 der erste kli-
Umbau der Energieversorgung unter anderem durch maneutrale Kontinent werden.
Deutschland unterstützt dafür
unter anderem eine Reform des
EU-Emissionshandels und einen
steigenden CO2-Preis, der Anreize
INSEKTENSCHUTZ
für mehr Klimaschutz geben soll.

Fast drei Viertel aller Tierarten in Deutsch­


Die Bundesregierung will zugleich
land sind Insekten. Sie sind für das Öko­
über Europa hinaus weitere Kli-
system unverzichtbar. Sie sorgen für die Be­
mapartnerschaften mit anderen
stäubung und Vermehrung von Pflanzen, für
Nährstoffkreisläufe, den Abbau organischer
Ländern schließen, insbesondere
Masse, biologische Schädlingskontrolle, Ge­ mit wichtigen Schwellenländern.
wässerreinigung und den Erhalt fruchtbarer Diese dienen beispielsweise dazu,
Böden. Es gibt aber immer weniger Insekten, andere Staaten beim Ausstieg aus
das sogenannte Insektensterben betrifft so­ der Kohleverstromung zu unter-
wohl die Gesamtmenge wie auch die Arten­ stützen. Im Auswärtigen Amt wur-
vielfalt. Das „Aktionsprogramm Insekten­ de nach der Bundestagswahl 2021
schutz“ des Bundesumweltministeriums soll die Klima­außenpolitik neu veran-
diese Entwicklung stoppen.
kert. Außenministerin Annalena
Baerbock beschreibt deren grund-
K L I M A U N D U M W E LT 64 | 65

sätzliches Ziel so: „Alle Werkzeuge ein. Der Naturschutz ist schon seit 1994 als Staatsziel
in die Hand zu nehmen für mehr im Grundgesetz, der deutschen Verfassung, verankert.
Klimaschutz und eine nachhaltige Den Erhalt der Biodiversität – also die Vielfalt an Ge-
Entwicklung für alle Länder auf nen, Arten und Lebensräumen – will die Bundesre-
dieser Erde.“ In der Klimakrise sieht gierung beispielsweise mit einem „Aktionsprogramm
sie zudem die „sicherheitspolitische Natürlicher Klimaschutz“ stärken. Für das Programm,
Frage unserer Zeit“. Klimaaußen- mit dessen Hilfe natürliche Ökosysteme wie Wälder,
politik sei deshalb integraler Be- Auen oder Moore geschützt oder wiederhergestellt
standteil einer Sicherheitsstrategie: werden sollen, stehen bis 2026 insgesamt vier Milliar-
„Jede Tonne weniger CO2, jedes den Euro zur Verfügung.
Zehntelgrad weniger an Erderwär-
mung ist ein Beitrag zur menschli- Aktiv setzt sich Deutschland auch für den Arten-
chen Sicherheit.“ schutz ein, etwa im Rahmen des Washingtoner
­A rtenschutzabkommens. Dieses Übereinkommen
U M W E LT S C H U T Z A L S schützt gefährdete Tier- und Pflanzenarten vor über-
­S TA AT S Z I E L mäßiger Ausbeutung durch internationalen Handel.
Deutschland setzt sich zudem na- Weltweit sind mehr als eine Million Arten vom Aus-
tional und international für Na- sterben bedroht, viele davon bereits in den kommen-
turschutz und biologische Vielfalt den Jahrzehnten.

Das UNESCO-Biosphärenreservat Spreewald bei Berlin hilft der Natur und erholungssuchenden Menschen.
P H O T O V O LTA I K

2,2 Millionen
Solaranlagen gab es im März 2022 in
Deutschland. Die große Mehrzahl steht auf
den Dächern von Privathäusern. Jedes zehnte
Haus in Deutschland hatte eine eigene Pho­
tovoltaikanlage. Sie lieferten fast 10 Prozent
des in Deutschland produzierten Stroms.
K L I M A U N D U M W E LT 66 | 67

ABSCHIED VON KOHLE- UND


ATOMENERGIE BESCHLOSSEN
Generationenprojekt Deutschland hat früh den Aus-
stieg sowohl aus der Atomkraft als
Energiewende auch aus der Kohleverstromung
eingeleitet. Schon im Jahr 2000
vereinbarte die damalige Bundes-
Die Energiewende wird in Deutschland mit hoher regierung mit den deutschen Ener-
Priorität vorangetrieben. Im Zentrum stehen dabei gieunternehmen einen Atomaus-
die Steigerung der Energieeffizienz und der möglichst stieg. Nach der Atomkatastrophe
schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien. im japanischen Fukushima 2011
wurde das reguläre Ende der Atom-
Statt aus Öl, Kohle, Gas oder Atomkraft soll der Strom kraft für Ende 2022 festgelegt. Die
in Deutschland künftig vorwiegend aus Wind, Sonne, letzten Kraftwerke sollen nun spä-
Wasser oder Biomasse stammen. Schon im Jahr 2030 testens 2023 vom Netz gehen.
sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Stromver-
brauchs aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Ein im Jahr 2020 beschlosse-
Diese grundlegende Umstellung der Energieversor- nes Gesetz legt zudem fest, dass
gung ist zentrale Voraussetzung dafür, Deutschland bis Deutschland spätestens 2038 aus
2045 zu einem klimaneutralen Industrieland zu ent- der Kohleverstromung aussteigt.
wickeln. Eine zusätzliche Herausforderung liegt dabei Die betroffenen Kohleregionen in
darin, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien auch Deutschland erhalten Hilfen für
den erwarteten Anstieg des Strombedarfs, etwa durch den notwendigen Strukturwan-
eine höhere Elektromobilität, abdecken muss. del. Die seit Ende 2021 amtierende
Bundesregierung strebt an, den
Zugleich will Deutschland aus sicherheits- und wirt- Kohleausstieg idealerweise schon
schaftspolitischen Gründen möglichst schnell unab- bis 2030 abzuschließen.
hängig von Erdöl- und Erdgasimporten werden. Als
rohstoffarmes Land musste die Bundesrepublik fossile FRÜHE WEICHENSTELLUNGEN
Energieträger zu großen Teilen aus anderen Ländern BEI ERNEUERBAREN ENERGIEN
importieren. Der rasche Umstieg auf erneuerbare Die Förderung der regenerativen
Energien dient deshalb auch dazu, die damit einher- Energien begann in Deutschland
gehenden Abhängigkeiten zu verringern und letztlich schon in den 1990er-Jahren; im
komplett abzubauen. Das Generationenprojekt Ener- Jahr 2000 wurde sie dann mit dem
giewende soll künftig eine saubere, bezahlbare und Erneuerba re-Energ ien-Geset z
sichere Energieversorgung garantieren. (EEG) fest verankert. Bestandteil

Solarenergie – die Größe der Anlagen macht sie so flexibel.


war auch die sogenannte EEG-Umlage, mit der die er- Deutschland setzt bei seiner Was-
höhten Kosten des Ökostromausbaus anteilig auf die serstoffstrategie stark auf inter-
Verbraucherinnen und Verbraucher umgelegt wurden. nationale Zusammenarbeit, weil
Die Bundesregierung schaffte die Umlage 2022 ab, um signifikante Mengen importiert
die Stromkunden bei den stark steigenden Energiekos- werden müssen. Denn grüner
ten zu entlasten. Wasserstoff wird am besten dort
produziert, wo für die Herstellung
Auch dank staatlicher Förderung stammt heute genügend erneuerbare Energie
schon ein großer Teil des Stroms aus erneuerbaren aus Sonne oder Wind zur Ver-
Energien. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil bei fügung steht. Die Bundesregie-
rund 49 Prozent. Die Bundesregierung will den Aus- rung baut deshalb beispielsweise
bau in den 2020er-Jahren massiv beschleunigen. Das auf strategische Partnerschaften,
bedeutet konkret: Es entstehen neue Windkraftanla- etwa mit Ländern Nordafrikas
gen an Land und vor allem auch auf See. Alle geeigne- und des Nahen Ostens (MENA-
ten Dachflächen sollen für die Solarenergie genutzt Region), in Süd- und Westafrika
werden, geplant sind zudem mehr Photovoltaikanla- sowie mit Australien. Zugleich för-
gen auf landwirtschaftlichen Flächen. dert Deutschland die Forschung
und Entwicklung im Bereich grü-
Die Energiewende erfordert jedoch nicht nur neue ner Wasserstoff, um mit modernen
Anlagen, sondern auch ein passendes Stromnetz. und zukunftsweisenden Klima-
So sind mehrere hundert Kilometer lange Strom- schutztechnologien zum interna-
trassen notwendig, um den vor allem im Norden tionalen Vorreiter zu werden.
gewonnenen Strom aus Windkraft in den Süden
Deutschlands zu transportieren, wo große Indus- E N E RG I E E F F I Z I E N T E R N U T Z E N
triebetriebe angesiedelt sind. Das Bundesminis- Deutschlands Energie soll aber
terium für Wirtschaft- und Klimaschutz schreibt nicht nur grüner produziert, son-
dem Ausbau der überregionalen Netze und auch der dern auch effizienter und sparsa-
lokalen Verteilernetze eine „zentrale Bedeutung für mer genutzt werden. Denn es gilt
eine erfolgreiche Energiewende“ zu. das Motto: „Die sauberste und
günstigste Energie ist die, die
GRÜNER WASSERSTOFF ALS ZENTR ALER gar nicht erst verbraucht wird.“
BESTANDTEIL DER ENERGIEWENDE Der Primärenergieverbrauch ging
Als unverzichtbar für eine erfolgreiche Energiewende schon deutlich zurück: Im Jahr
gilt der Einsatz von grünem Wasserstoff, der mithil- 2020 lag der Rückgang im Ver-
fe von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt gleich zum Jahr 2008 bei gut
wird. Wichtig ist dies vor allem für eine nachhaltige 17 Prozent, bis 2050 soll der Ver-
Industrie: So kann grüner Wasserstoff in Bereichen brauch um 50 Prozent sinken.
eingesetzt werden, in denen eine Elektrifizierung ab-
sehbar nicht möglich oder schwierig ist, beispielswei- Deutliches Einsparpotenzial be-
se in der Stahl- und in der Chemieindustrie, außer- steht im Gebäudebereich. Denn
dem im Flug- oder Schiffsverkehr. dort werden rund 35 Prozent der
K L I M A U N D U M W E LT 68 | 69

Die größten Windparks in Deutschland stehen in der Nordsee.

gesamten Endenergie verbraucht, bei, etwa durch die Einführung von intelligenten
etwa durch Heizungen und Messsystemen. Sogenannte Smart Meter lösen zu-
Warmwasser. Deutschland unter- nehmend die analogen Stromzähler ab. Ein Vorteil:
stützt Bürgerinnen und Bürger Der Zähler zeigt den tatsächlichen Stromverbrauch
mit staatlicher Förderung bei der und auch die tatsächliche Nutzungszeit an. So kön-
energetischen Gebäudesanierung. nen Verbraucherinnen und Verbraucher zum Bei-
Seit dem Jahr 2000 nahmen be- spiel besser erkennen, wie sie am besten Strom ein-
reits mehr als fünf Millionen Ei- sparen können.
gentümerinnen und Eigentümer
eine solche Sanierung vor, indem Intelligente Messsysteme helfen zudem dabei, im
sie etwa eine alte Heizungsanlage Netz Erzeugung und Verbrauch von Strom richtig
austauschten oder energiesparen- aufeinander abzustimmen. Sie tragen zum Beispiel
de Fenster einbauten. mit dazu bei, dass genügend Strom fließt, wenn künf-
tig immer mehr Bürgerinnen und Bürger am Abend
Auch die Digitalisierung trägt zu und in der Nacht ihre Elektroautos gleichzeitig an der
einer erfolgreichen Energiewende Steckdose laden.
Zahlen und Fakten zur Energiewende
S T R O M AU S S O N N E , W I N D U N D WA S S E R
Große Mengen der Bruttostromerzeugung stammen aus
Photovoltaik, Windenergie oder auch Wasserkraft.

Windenergie auf See Photovoltaik

24,4 TWh 50,0 TWh


21 ,
,4  % 4  %
10

21 ,6  
,3  %

Biomasse
%
38

Windenergie an Land 8,2 50,4 TWh


  %
89,5 TWh

Wasserkraft
2021, Quelle: Umweltbundesamt
Stromerzeugung aus Geothermie aufgrund geringer Mengen nicht dargestellt (0,2 TWh)
19,1 TWh

SOL ARENERGIE

WINDENERGIE

28.000
Onshore-Windenergieanlagen
4,7 Millionen
Anlagen für Solarstrom
und Solarwärme
standen 2021 in Deutschland. gab es 2021 in Deutschland.
K L I M A U N D U M W E LT 70 | 71

KL ARE KLIMASCHUTZZIELE
Deutschland will bis 2045 ein klimaneutrales
Industrieland werden.
„Wir haben uns
verpflichtet: 1.400

Treibhausgasemissionen in Deutschland
in Mio. Tonnen CO2 -Äquivalenten
Bis 2045 muss 1.200
1.249
1.000
-35,1  %
Deutschland
800
klimaneutral sein. 600
810 -65  %
Damit liegt vor 400
438
uns die größte 200

Transformation 0
1990 2019 2030
unserer Industrie
und Ökonomie
Bis 2030 Bis 2040
seit mindestens will Deutschland sind mindestens
100 Jahren.“ seinen Ausstoß 88 Prozent Reduktion
von Treibhausgasen angestrebt, bis 2045
BUNDESK ANZLER um 65 Prozent soll Treibhausgas­
OLAF SCHOLZ gegenüber 1990 neutralität erreicht
senken. werden.

AU S B AU E R N E U E R B A R E R E N E R G I E N
Seit dem Jahr 2000 ist der Anteil am Bruttostromverbrauch deutlich gestiegen.

50  %

41,1  %
40  %

31,4  %
30  %

20  % 17,1  %
10,3  %
10  % 6,3  %

0  %
2000 2005 2010 2015 2021

Quelle: Umweltbundesamt
abkommen 2015, in dem sich erst-
mals alle Staaten völkerrechtlich
Internationale dazu verpflichteten, nationale
Klimaschutzbeiträge (Nationally
Klimakooperationen Determined Contribution, NDC)
zu erarbeiten und umzusetzen. Die
Weltgemeinschaft setzte sich au-
Die Klimakrise erfordert weltweite Zusammen- ßerdem zum Ziel, den Anstieg der
arbeit, weil kein Staat und keine Region dieser globalen Durchschnittstempera-
globalen Herausforderung allein begegnen kann. tur auf deutlich unter 2 Grad Cel-
Deutschland engagiert sich schon seit Jahrzehn- sius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius
ten auch auf internationaler Ebene für den Klima- zu begrenzen.
schutz. Um die Anstrengungen zu verstärken, hat
das Auswärtige Amt die Zuständigkeit für die inter- Deutschland will mit einer aktiven
nationale Politik übernommen und sich zum Ziel Klimaaußenpolitik dazu beitra-
gesetzt, die internationale Klimakooperation als gen, die Ziele des Abkommens um-
Querschnittsaufgabe zu verankern. zusetzen. Dafür setzt sich die Bun-
desregierung etwa im Rahmen des
I M P U L S G E B E R B E I W E LT K L I M A KO N F E R E N Z E N Petersberger Klimadialogs ein, zu
Ein zentraler Hebel in der internationalen Klima- dem jährlich hochrangige Staaten-
politik sind die Weltklimakonferenzen (COP) unter vertreter und -vertreterinnen aus
der Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Deutsch- aller Welt in Deutschland zusam-
land war bereits Impulsgeber beim Erdgipfel 1992 in menkommen, um die Weichen
Rio de Janeiro und für das Kyoto-Protokoll 1997. Ein für erfolgreiche Verhandlungen
großer Durchbruch gelang mit dem Pariser Klima­ bei den Weltklimakonferenzen

WEGMARKEN

1971 1994 1995


Umweltpolitik rückt in Umweltschutz wird als Drei Jahre nach dem
den Fokus. Die Bundes­ Staatsziel im Grundgesetz wegweisenden Erdgipfel
regierung verabschiedet verankert. In Artikel 20a in Rio de Janeiro findet
das erste Umweltpro­ heißt es: „Der Staat schützt die erste UN-Klimakon­
gramm. 1986 wird das auch in Verantwortung ferenz (COP1) in Berlin
Bundesministerium für für die künftigen Gene­ statt. Deutschland gehört
Umwelt, Naturschutz rationen die natürlichen seit den Anfängen zu den
und Reaktorsicherheit Lebensgrundlagen und Impulsgebern bei den
gegründet. die Tiere.“ Weltklimakonferenzen.
K L I M A U N D U M W E LT 72 | 73

zu stellen. Die Bundesregierung summierten sich die öffentlichen Beiträge, miteinge-


unterstützt auch aktiv die Arbeit rechnet zum Beispiel Entwicklungs- und Förderkredi-
des Weltklimarates (IPCC), dessen te, 2020 sogar auf knapp acht Milliarden Euro.
Berichte den weltweit aktuellen
Stand der Klimaforschung zusam- Deutschland treibt zudem aktiv Klimakooperatio-
menfassen sowie bewerten und nen mit anderen Ländern voran und unterstützt zum
somit eine wichtige Basis für eine Beispiel Staaten im Rahmen der 2016 gegründeten
wissenschaftsbasierte Klimapoli- NDC-Partnerschaft dabei, ihre nationalen Klima-
tik darstellen. schutzziele zu erreichen.

UNTERSTÜT ZUNG VON Deutschland nutzte auch seine G7-Präsidentschaft


ENT W ICKLUNGSL ÄNDERN im Jahr 2022 dafür, sich für internationale Zusam-
Deutschland steht zu seiner Ver- menarbeit beim Klimaschutz einzusetzen. Auf deut-
antwortung, Entwicklungsländer sche Initiative verständigten sich die G7-Staaten auf
bei der Umsetzung von Klima- die Gründung eines Klimaclubs, der grundsätzlich
schutz- und Anpassungsmaßnah- allen Ländern offenstehen soll. Darüber hinaus be-
men zu unterstützen. Die Indus­ kannten sich die G7 dazu, mit Indien, Indonesien,
triestaaten haben sich verpflichtet, Vietnam und dem Senegal Energiewendepartner-
dafür insgesamt jährlich 100 Mil- schaften voranzutreiben, die sogenannten Just Ener-
liarden Dollar ab 2020 zu mobili- gy Transition Partnerships (JETP). Diese Partner-
sieren. Deutschland steuerte 2020 schaften mit klimapolitischen Schlüsselländern im
etwa fünf Milliarden Euro aus globalen Süden stellen einen wichtigen Hebel zur
Haushaltsmitteln bei, bis spätes- Umsetzung des Pariser Klimaabkommens dar. Eine
tens 2025 soll der Beitrag auf sechs solche Partnerschaft hat Deutschland zusammen
Milliarden Euro steigen. Insgesamt mit anderen Staaten bereits mit Südafrika.

2000 2011 2021


Das Erneuerbare-Ener­ Nach dem Reaktorunfall In einem neuen Klima­
gien-Gesetz tritt in Kraft. von Fukushima in Japan schutzgesetz schreibt die
Darin wird unter anderem wird ein beschleunigter Bundesregierung fest, dass
der Vorrang für Strom aus Atomausstieg beschlossen. Deutschland bis 2045 kli­
erneuerbaren Energien Das reguläre Ende aller maneutral werden soll. Mit
bei Einspeisung und Atomkraftwerke wird für ambitionierten Vorgaben
Netzanschluss gesetzlich Ende 2022 festgeschrieben. bis 2030 will die Bundes­
verankert. Das EEG wird Spätestens 2023 sollen die republik auch international
zum Meilenstein. letzten Kraftwerke vom ein Zeichen setzen.
Netz gehen.
hen. Die Bundesregierung fördert
dazu auch mit einem Umweltbo-
nus den Kauf von batteriebetrie-
Mobilität benen Elek­t roautos. Parallel dazu
wird die Ladesäuleninfrastruk-
der Zukunft tur ausgebaut. Auch die deutsche
Autoindustrie treibt den Wandel
voran. Bis 2025 werden die im
Der Umbau des Mobilitätsystems gehört zu den Verband der Automobilindustrie
zentralen Voraussetzungen, um die Klimaschutz- (VDA) organisierten Hersteller
ziele in Deutschland und weltweit zu erreichen. Die und Zulieferer nach Verbands-
klimaschädlichen Emissionen im Verkehrssektor angaben 150 Milliarden Euro in
müssen dafür noch in den 2020er-Jahren deutlich Elektromobilität, neue Antriebe
sinken. Die Bundesregierung will Deutschland des- und Digitalisierung investieren.
halb zum Leitmarkt für Elektromobilität machen, Die deutschen Hersteller bieten
aber auch die Arbeit an alternativen Kraftstoffen schon mehr als 80 verschiedene
fördern sowie Bahn- und Radverkehr massiv aus- E-Modelle an.
bauen. Das langfristige Ziel ist die vollständige De-
karbonisierung des Mobilitätsbereiches. FÖRDERUNG DER
B AT T E R I E Z E L L F E R T I G U N G
Die deutsche Regierung hat sich dafür unter ande- Als Schlüsselindustrie für die
rem vorgenommen, die Zahl der vollelektrischen Elektromobilität gilt die Batterie-
Autos bis 2030 auf mindestens 15 Millionen zu erhö- zellfertigung, weil nur leistungs-
K L I M A U N D U M W E LT 74 | 75

Wasserstoffbetriebene Züge lösen Diesel­


lokomotiven ab.

N AT I O N A L E WA S S E R S T O F F S T R AT E G I E
Bei der Energiewende und damit auch als wichtiger
Baustein für eine nachhaltige Mobilität spielt Was-
Die Bundesregierung serstoff eine Schlüsselrolle. Grüner Wasserstoff ist
will Deutschland ein vielfältig einsetzbarer Energieträger und wird
zum Leitmarkt für als „Erdöl von morgen“ bezeichnet. Er kann etwa im
Elektromobilität ma- Schwerlast-, Luft- und Seeschiffverkehr genutzt wer-
chen. Das langfristige den, weil in diesen Bereichen ein batterieelektrischer
Ziel ist die vollständige Antrieb oft nicht geeignet ist. Die Bundesregierung
Dekarbonisierung verabschiedete schon 2020 eine nationale Wasserstoff-
des gesamten strategie, um unter anderem die Forschung in diesem
Mobilitätsbereiches. Bereich zu unterstützen. Zudem baut Deutschland
strategische Wasserstoff-Partnerschaften in Europa
und weltweit auf.

AU S B AU D E S R A D - U N D B A H N V E R K E H R S
Einen wichtigen Beitrag zur Mobilität von morgen soll
fähige Batterien lange Reich- auch die Bahn leisten. Die Bundesregierung hat sich
weiten und schnelles Aufladen unter anderem vorgenommen, den Schienengüter-
von E-Autos ermöglichen. Die verkehr bis 2030 auf 25 Prozent zu steigern und die
Bundesregierung will Deutsch- Verkehrsleistung im Personenverkehr zu verdoppeln.
land zu einem „Zentrum für For- Auch der Radverkehr wird gestärkt, dazu soll unter
schung, Fertigung und Recycling anderem das Radwegenetz ausgebaut und moderni-
von Batteriezellen“ machen. Bei siert werden. 
der Förderung der Batteriezell-
fertigung arbeitet Deutschland
eng mit anderen EU-Staaten im
Rahmen von sogenannten „Wich-
tigen Vorhaben von gemeinsamem
europäischem Interesse“ (IPCEI)
zusammen, an denen auch zahl-
reiche deutsche Unternehmen be-
teiligt sind. Allein durch die IPCEI-
Projekte werden bis 2030 mehr als
13 Milliarden Euro in Deutschland
investiert, rund drei Milliarden
Euro sind im Bundesministerium
für Wirtschaft und Klimaschutz
für den Aufbau der Batteriezell-
produktion bis 2031 eingeplant. Immer mehr Fahrzeuge tanken Strom.
zahlreichen zwischenstaatlichen
Abkommen und Programmen
Lebenswichtige beteiligt, die Naturschutz zum
Ziel haben. Mit der Ratifikation
Vielfalt der Biodiversitätskonvention der
Vereinten Nationen haben sich
die Regierungen von 196 Län-
Deutschland ist ein Land mit großer biologischer dern verpflichtet, die Vielfalt des
Vielfalt. Rund 48.000 Tierarten sowie 9.500 Pflanzen- Lebens auf der Erde zu schützen.
und mehr als 14.000 Pilzarten sind hier heimisch. Deutschland beschloss erstmals
Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein 2007 eine „Nationale Strate-
offizielles Staatsziel, es wurde 1994 im Grundgesetz gie zur biologischen Vielfalt“.
verankert. Jeweils 16 Nationalparks und UNESCO- Die Bundesregierung betrachtet
Biosphärenreservate mit ganz unterschiedlichem den Erhalt der Artenvielfalt als
Charakter zwischen Nordsee und Alpen schützen „eine Menschheitsaufgabe und
Umwelt und Natur. Dazu kommen Tausende Natur- eine ethische Verpflichtung“ und
schutzgebiete. unterstützt aktiv die Ziele der EU-
Biodiversitätsstrategie, die unter
Deutschland ist auch Vertragsstaat der wichtigsten anderem den gesetzlichen Schutz
internationalen Abkommen zur Biodiversität und an von mindestens 30 Prozent der
Landfläche und 30 Prozent der
Meeresgebiete der EU vorsieht.

L E B E N S R ÄU M E F Ü R N AT U R
U N D T I E R E B E WA H R E N
N AT I O N A L PA R K WAT T E N M E E R
Von den einheimischen Tierarten
in Deutschland sind 35 Prozent
Die deutsche, dänische und niederländische
bestandsgefährdet, von den Pflan-
Nordseeküste ist ein einzigartiges Biotop,
zenarten sind es 26 Prozent. Zu den
Wattenmeer genannt. Bei Ebbe bilden sich
Gegenmaßnahmen zählt etwa,
hier riesige Schlickflächen, die Hundert­
tausenden Zugvögeln Nahrung bieten. Das
die Zerstörung von Lebensräumen
UNESCO-Welterbe der Menschheit beher­ durch Siedlungs- und Straßenbau
bergt allein auf deutschem Gebiet drei Natio­ und Schadstoffeinträge unter an-
nalparks und drei Biosphärenreservate. Hinzu derem aus der Intensivlandwirt-
kommen ein dänischer und ein niederländi­ schaft und Überdüngung zu ver-
scher Nationalpark. So werden die drei Län­ mindern. Der Flächenverbrauch
der gemeinsam ihrer Aufgabe gerecht, diese für Siedlungsbau und neue Ver-
einzigartige Naturlandschaft zwischen Meer kehrswege soll bis 2030 auf weni-
und Land für alle Menschen zu erhalten.
ger als 30 Hektar pro Tag sinken.
Angestrebt wird zudem, auf zwei
K L I M A U N D U M W E LT 76 | 77

Prozent des Bundesgebietes „Wild- sonders geschützt werden. Als großen Erfolg wertete
nis“ zuzulassen und fünf Prozent die deutsche Regierung 2022 auch den Beschluss der
der Wälder einer natürlichen Ent- UN-Umweltversammlung UNEA, bis 2024 ein recht-
wicklung zu überlassen. lich bindendes Abkommen zu schließen, das den
umweltgerechten Umgang mit Plastik von der Her-
SCHUTZ DER MEERE stellung über den Gebrauch bis hin zu Wiederver-
VERBESSERN wertung oder Entsorgung im Müll regelt.
Mit einer „Nationalen Meeres-
strategie“ will die Bundesregie- Unverzichtbar für die Ökosysteme sind Insekten, al-
rung den Meeresschutz stärken. lerdings sind deren Zahl und auch die Vielfalt jahre-
Meere sind reich an biologischer lang dramatisch zurückgegangen. Im Kampf gegen
Vielfalt, liefern Rohstoffe, Energie das Insektensterben wurde 2021 ein umfassendes
und Nahrungsmittel, doch durch Maßnahmenpaket beschlossen. Dadurch werden
Verschmutzung und Plastikmüll unter anderem Biotope wie Streuobstwiesen als Le-
sind sie weltweit gefährdet. Für bensraum für Insekten besser geschützt. Zudem soll
einen effektiven Meeresschutz der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft verringert
sollen bestimmte Zonen in der werden, das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat
deutschen Nord- und Ostsee be- soll ab Ende 2023 verboten werden.

Forschung gestaltet Zukunft: Wie kommen Wälder mit zunehmender Trockenheit zurecht?
Wirtschaft und Digitalisierung
I N N OVAT I V E W I R T S C H A F T
Deutschland gehört weltweit zu den stärksten Wirtschafts­nationen.
Diese Stärke fußt insbesondere auf Innovationsfreude, Exportorientie-
rung und einem starken Mittelstand. Die Bundesregierung setzt auf das
Leitbild einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Ein Überblick.

GLOBALER AK TEUR
Deutschland ist besonders stark im Export. Durch zahlreiche Abkom-
men sichert das Land die stabilen Handelsbeziehungen mit seinen Part-
nern. Gleichzeitig achtet es auf Einhaltung der Menschenrechte und
fördert die Demokratie weltweit.

M I T T E L S TA N D U N D I N D U S T R I E 4 . 0
Der Mittelstand mit zahlreichen „Hidden Champions“ bildet das Herz-
stück der deutschen Wirtschaft. Aber auch große Konzerne mit welt-
weitem Ruf bestimmen das Bild. Der starke industrielle Sektor ist auf
dem Weg in die Zukunft.

AT T R A K T I V E R A R B E I T S M A R K T
Der deutsche Arbeitsmarkt ist stabil und bietet internationalen Fach-
kräften sehr gute Karrierechancen. Jobsuche, Einreise und Aufenthalt
in Deutschland werden durch viele neue Gesetze und Maßnahmen im-
mer attraktiver.
Das Bruttoinlandsprodukt
in Deutschland betrug 2021 rund
3,6 BILLIONEN
324
AUSBILDUNGS-
EURO. BERUFE
stehen zur Auswahl.

Rund

W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G

7 Tatsachen
99  %
der deutschen
Unternehmen gehören
dem Mittelstand an.

Deutschland ist die

VIERTGRÖSSTE
VOLKSWIRTSCHAFT
der Welt nach den
Mit rund USA, China und Japan.
26.000
ANGEMELDETEN
PATENTEN
war Deutschland
2021 Europameister
Rund

45
im Erfinden. Deutschland
gehört zu den

MIO. TOP DREI


der Exportnationen
MENSCHEN weltweit.
sind erwerbstätig.
W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G 80 | 81

besonders erfolgreichen Branchen


gehören die Automobilindustrie,
Innovative der Maschinen- und Anlagen-

Wirtschaft bau sowie die Chemieindustrie.


Deutschland verfügt zugleich über
eine vielfältige und aktive Start-up-
Szene. Das Rückgrat der deutschen
Deutschland ist die viertgrößte Volkswirt- Wirtschaft bildet der Mittelstand,
schaft der Welt, sie zeichnet sich durch Innova- zu dem viele weltweit erfolgreiche
tionsstärke, Exportorientierung und einen starken Hidden Champions aus allen Re-
Mittelstand aus. Die Bundesregierung will eine sozial- gionen Deutschlands zählen.
ökologische Marktwirtschaft etablieren.
Als Motor der wirtschaftlichen
Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der Euro- Entwicklung gilt die Innovations-
päischen Union (EU) und nach den USA, China und stärke deutscher Unternehmen.
Japan die viertgrößte der Welt. Die Bundesrepublik ist Um diese zu sichern und zu stär-
dabei in der weltweiten Wirtschaft eng vernetzt: Sie ge- ken, investiert Deutschland mehr
hört regelmäßig zu den drei größten Export-, aber auch als drei Prozent seines Brutto­
Importnationen der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt inlandsprodukts in Forschung und
lag im Jahr 2021 bei rund 3,6 Billionen Euro. Deutsch- Entwicklung. Von den mehr als
land exportierte in dem Jahr Waren im Wert von rund 100 Milliarden Euro Gesamtausga-
1.375 Milliarden Euro und importierte zugleich Waren ben pro Jahr entfallen dabei mehr
im Wert von mehr als 1.200 Milliarden Euro. Die wich- als zwei Drittel auf die Wirtschaft.
tigsten Handelspartner Deutschlands sind die Länder Deutschland fördert zudem gezielt
der EU, die USA und China. Zu den auf dem Weltmarkt neue und disruptive Technologien,

Frankfurt am Main – eine der großen Finanzmetropolen der Welt


Innovationen und Geschäftsmodelle. Dafür wurden in Darüber hinaus prägen den Wirt-
den letzten Jahren unter anderem die Bundesagentur schaftsstandort auch international
für Sprunginnovation (SprinD GmbH, 2019) und die erfolgreiche Großkonzerne. Viele
Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI, von ihnen sind im deutschen Bör-
2021) geschaffen. Bereits 2018 hat die Bundesregierung senindex DAX an der Frankfurter
ihre KI-Strategie verabschiedet, im Sommer 2022 be- Börse gelistet, dem wichtigsten
schloss sie eine entsprechende Start-up-Strategie. Finanzplatz in Kontinentaleuro-
pa. In Frankfurt am Main hat auch
V O N D E R S OZ I A L E N M A R K T W I R T S C H A F T Z U R die Europäische Zentralbank (EZB)
S OZ I A L- Ö KO L O G I S C H E N M A R K T W I R T S C H A F T ihren Sitz, die als EU-Institution
Seit 1949 bildet das Modell der sozialen Marktwirt- unter anderem über die Preisstabi-
schaft die Basis der deutschen Wirtschaftspolitik. Die- lität des Euro wacht.
ses in der Nachkriegszeit vom späteren Bundeskanzler
Ludwig Erhard entwickelte Konzept hat Deutschland S TA B I L E R U N D AT T R A K T I V E R
auf einen erfolgreichen Entwicklungspfad geführt. Es ARBEITSMARKT
garantiert freies unternehmerisches Handeln und be- Der deutsche Arbeitsmarkt hat
müht sich gleichzeitig um sozialen Ausgleich. sich in der Vergangenheit auch in
Krisenzeiten wie etwa während
Die Bundesregierung will die bewährte soziale Markt- der Corona-Pandemie als robust
wirtschaft zu einer sozial-ökologischen Marktwirt- erwiesen. Deutschland zählt in
schaft weiterentwickeln. Klimaschutz wird als zentra- der Europäischen Union zu den
ler Bestandteil der Wirtschaftspolitik angesehen – dies Ländern mit der höchsten Be-
zeigt sich schon daran, dass es seit der Bundestagswahl schäftigungsquote und der nied-
im Jahr 2021 erstmals ein Bundesministerium für rigsten Arbeitslosigkeit. Auch die
Wirtschaft und Klimaschutz gibt. An dessen Spitze Jugendarbeitslosigkeit ist sehr
rückte Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen). gering. Trotz der Einschränkun-
gen durch Maßnahmen gegen
E R F O L G S M O D E L L M I T T E L S TA N D U N D die Corona-Pandemie lag die
E U R O PA S W I C H T I G S T E R F I N A N Z P L AT Z Arbeitslosenquote im Jahr 2021
Geprägt wird die deutsche Wirtschaft von einem im Durchschnitt bei nur 5,7 Pro-
starken Mittelstand. Mehr als 99 Prozent aller Un- zent. Als hilfreiches Instrument
ternehmen in Deutschland sind mittelständische erwies sich dabei das Kurzarbei-
Firmen. Sie stellen auch mehr als die Hälfte der Ar- tergeld. Dabei kommt der Staat
beitsplätze bereit und beschäftigen rund 80 Prozent vorübergehend für einen großen
der Auszubildenden. Sie sichern damit die duale Teil des Gehaltsausfalls auf, wenn
Berufsausbildung, die theoretisches Wissen an Be- Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
rufsschulen und praktische Ausbildung in Betrie- nehmer aufgrund der wirtschaft-
ben miteinander verbindet. Dieses Modell genießt lichen Lage eines Unternehmens
weltweit einen exzellenten Ruf und wird von vielen in Kurzarbeit gehen. Dies ermög-
Ländern übernommen. licht es, dass Beschäftigte trotz
W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G 82 | 83

einer Krise ihren Job behalten und D I G I TA L I S I E R U N G D E R W I R T S C H A F T


Unternehmen ihr Personal nicht Deutschland steht wie fast jeder Staat weltweit vor der
verlieren. Herausforderung, die Digitalisierung des Wirtschafts-
standorts voranzutreiben und zugleich den digitalen
Gut ausgebildete Fachkräfte sind Wandel in der Arbeitswelt zu gestalten. Dazu wird
Voraussetzung für die Wettbe- unter anderem durch Breitband und 5G-Mobilfunk
werbsfähigkeit der deutschen Wirt- die digitale Infrastruktur ausgebaut. Deutschland för-
schaft. Deutschland setzt deshalb dert mit der Technologieentwicklung des Internet of
zum einen darauf, die Rahmenbe- Things (IoT) gezielt den Wandel zur Industrie 4.0, in
dingungen etwa durch den Ausbau der sich Produktionsprozesse eng mit den Kommu-
der Ganztagsbetreuung für Kinder nikationsmöglichkeiten des Internets verzahnen. Zu-
weiter zu verbessern. Zum anderen dem will die Bundesregierung im Zuge der Start-up-
helfen gesetzliche Regelungen wie Strategie Deutschland zu einem führenden Standort
ein Fachkräfteeinwanderungsge- in Europa machen. Viele Maßnahmen und Initiativen
setz dabei, auch vor dem Hinter- etwa in den Bereichen Innovation, Digitalisierung
grund des demografischen Wan- und Nachhaltigkeit sollen die Rahmenbedingungen
dels Fachkräfte aus dem Ausland zur Gründung verbessern und die Finanzierung von
zu gewinnen. Start-ups vereinfachen.

Eine hochwertige Ausbildung und eine stetige Weiterbildung qualifizieren Fachkräfte für gute Jobs.
Der Nord-Ostsee-Kanal (Kiel
Canal) ist eine der großen
Verkehrsadern Europas.

Globaler Akteur
Deutschland ist eine starke, weltweit eng vernetzte Sie unterstützen mittelständische
Exportnation. Die Bundesregierung setzt sich für of- Unternehmen gezielt dabei, Aus-
fene Märkte sowie einen fairen und freien Handel auf landsmärkte zu erschließen.
der Grundlage klarer und verlässlicher Regeln ein. Ne-
ben der multilateralen Handelsliberalisierung stehen S TA R K E E X P O RTO R IENT IERU NG
dabei die Freihandelsabkommen der Europäischen Deutschland ist mit der Weltwirt-
Union im Vordergrund. Die deutsche Wirtschafts- schaft stark verflochten. Jeder
diplomatie ruht wesentlich auf drei Säulen: den 226 zweite Euro wird mit dem Export
deutschen Auslandsvertretungen, den Büros der 140 verdient. In den jährlichen Ran-
Auslandshandelskammern (AHK), Delegationen und kings der Welthandelsorganisa-
Repräsentanzen der deutschen Wirtschaft in 92 Län- tion (WTO) gehört Deutschland
dern sowie der Gesellschaft für Außenwirtschaft und nach China und den USA regel-
Standortmarketing Germany Trade and Invest (GTAI). mäßig zu den drei größten Export-
W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G 84 | 85

nationen weltweit. Die wichtigsten Ausfuhrgüter


sind Kraftwagen und -teile mit einem Volumen von
210 Milliarden Dollar im Jahr 2021 sowie Maschinen
(196 Milliarden Dollar) und chemische Erzeugnisse
(137 Milliarden Dollar). Auf diese drei Gruppen sowie
auf Produkte der Datenverarbeitung/Optik entfallen
knapp die Hälfte des deutschen Exports. Die Partner-
länder in der EU sind der wichtigste Zielmarkt, es fol-
gen die USA und die Volksrepublik China. Die meisten
Einfuhren kamen 2021 aus China, den Niederlanden
und den USA. Kontinuierlich nimmt die Bedeutung
von Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu den
asiatischen Staaten zu. Fast die Hälfte aller deutschen
Unternehmen hat im Ausland investiert, mehr als
sieben Millionen Menschen sind im Ausland bei deut-
schen Firmen angestellt.

VERFECHTER DES FREIHANDELS


Bei der Gestaltung der Regeln für den internationa-
len Handel ist Deutschland stark engagiert. Neben
der multilateralen Handelsliberalisierung unter dem
Dach der Welthandelsorganisation WTO liegt ein
Hauptaugenmerk auf bilateralen Freihandelsabkom-
men (FTA) der Europäischen Union. Mit rund einem
Dutzend Partnerstaaten hat die EU bereits Abkom-
men geschlossen; mit zahlreichen weiteren Ländern
sollen FTAs folgen. So hat das 2019 in Kraft getretene
Abkommen der EU mit Japan den weltweit größten
Wirtschaftsraum geschaffen. Weitere Beispiele sind
das europäisch-kanadische Wirtschafts- und Han-
In den jährlichen delsabkommen Comprehensive Economic and Trade
Rankings der WTO Agreement (CETA) oder das Freihandelsabkommen
gehört Deutschland mit Vietnam. Angestrebt wird auch ein Freihandels-
regelmäßig zu den abkommen zwischen der EU und der Vereinigung
drei größten Export- südostasiatischer Länder (Association of Southeast
nationen hinter den Asian Nations, ASEAN).
USA und China.
E U R O PÄ I S C H E L O G I S T I K- D R E H S C H E I B E
Deutschland ist Umschlagplatz für europäische und
weltweite Güterströme. Durch kein anderes Land der
EU werden mehr Güter transportiert. In der Logistik VN-Leitprinzipien erarbeitet ha-
sind drei Millionen Menschen beschäftigt. Ein Tor zur ben, oder das Textilbündnis, in
Welt ist der Hamburger Hafen, in dem jedes Jahr rund dem neben der Bundesregierung
neun Millionen Standardcontainer umgeschlagen Nichtregierungsorganisationen,
werden. Der Frankfurter Flughafen lag 2021 mit rund Unternehmen und Wirtschafts-
2,2 Millionen Tonnen Luftfracht mit Abstand auf Platz verbände gemeinsam Standards
eins der europäischen Airports. für eine soziale, ökologische und
korruptionsfreie Textil- und Be-
MENSCHENRECHTE UND WIRTSCHAFT kleidungsbranche entwickeln.
In der deutschen Handelspolitik spielt die Achtung
und Förderung der Menschrechte weltweit eine zen- E I N S AT Z F Ü R N A C H H A LT I G E
trale Rolle. Ende 2016 beschloss die deutsche Regie- LIEFERKET TEN
rung den „Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft Gemeinsam mit internationalen
und Menschenrechte der Bundesregierung“ (NAP). Er Organisationen wie der Euro-
basiert auf den 2011 verabschiedeten „Leitprinzipien päischen Union, den Vereinten
für Wirtschaft und Menschenrechte“ der Vereinten Nationen, der internationalen Ar-
Nationen. Der NAP verankert die Verantwortung beitsorganisation ILO, der OECD
deutscher Unternehmen für die Wahrung der Men- und auch in multilateralen Foren
schenrechte in ihren weltweiten Lieferketten, indem wie den G7, G20 und beim Asien-
er einheitliche und überprüfbare Standards festlegt. Europa-Treffen (ASEM) setzt sich
Zur Umsetzung des NAP haben sich Branchendia- die Bundesregierung für gleiche
loge und -initiativen entwickelt, wie der Branchen- Wettbewerbsbedingungen und
dialog der Automobilindustrie, die unter Beteiligung nachhaltige Lieferketten ein. Ein
von Unternehmen, Verbänden und Zivilgesellschaft besonderes Augenmerk liegt dabei
umfangreiche Empfehlungen zur Umsetzung der auf der Verantwortung deutscher

WEGMARKEN

1950 1964 1990


Nach dem Ende des Zwei- Der Industrie fehlten bald Nach der Wiedervereini-
ten Weltkriegs wurde das Arbeitskräfte. 14 Millionen gung bekam die eigens ge-
zerstörte Land zügig „Gastarbeiter“ wurden im gründete Treuhandanstalt
wieder aufgebaut. Die Ausland angeworben, der die Aufgabe, die Betriebe
Wirtschaft entwickelte Millionste kam 1964. Drei aus der DDR-Planwirt-
sich in den 1950er- und Millionen blieben. Heute schaft an die soziale
1960er-Jahren so rasant, hat ein Viertel der mehr als Marktwirtschaft heran-
dass vom Wirtschaftswun- 83 Millionen Einwohner zuführen. Genannt wurde
der gesprochen wurde. einen Migrationshinter- dies Aufbau Ost.
grund.
W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G 86 | 87

Unternehmen für ihre Lieferket- in Kraft. Dabei tragen die Unternehmen eine Verant-
ten. Eine Überprüfung der Um- wortung für die Sicherheit am Arbeitsplatz, angemes-
setzungen der Empfehlungen des sene Löhne, das Recht auf Gewerkschaftsfreiheit, das
NAP 2018/2019 ergab, dass frei- Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, den Schutz der
willige Maßnahmen allein für eine Rechte indigener Völker und den Schutz der Umwelt
flächendeckende Anwendung von entlang ihrer Lieferketten.
Sorgfaltspflichten nicht ausrei-
chend sind. Die Bundesregierung Die Bundesregierung engagiert sich außerdem für
brachte daher das Lieferketten- eine europäische Regelung für Sorgfaltspflichten. Die-
sorgfaltspflichtengesetz (LkSG) auf se soll neben menschenrechtlichen auch Umwelt- und
den Weg, das Unternehmen dazu Klimaschutzpflichten enthalten. 
verpflichtet, menschenrechtliche
Risiken in ihren Lieferketten zu
identifizieren und zu bekämpfen
sowie Betroffenen von Rechts-
verletzungen den Weg zu Wie-
dergutmachung zu öffnen. Das
Gesetz betrifft Firmen mit Sitz in
Deutschland sowie Niederlassun-
gen ausländischer Unternehmen
mit mindestens 1.000 Beschäf-
tigten. Es tritt Anfang 2023 für
Unternehmen mit mehr als 3.000
Beschäftigten, 2024 für Unter-
nehmen ab 1.000 Beschäftigten
Ziel deutscher Politik: faire Arbeitsbedingungen

2016 2020 2021


Im Dezember wird ein Die deutsche Greentech- Die neu gewählte Koali-
„Nationaler Aktionsplan für Branche wächst rasant. tionsregierung kündigt
Wirtschaft und Menschen- Das Marktvolumen liegt die Transformation der
rechte“ verabschiedet. Das laut GreenTech-Atlas deutschen Wirtschaft
2021 von der Regierung bereits bei 392 Milliarden in ein klimaneutrales
auf den Weg gebrachte Euro, bis 2030 soll es sich Industrieland an. Das Ziel
Lieferkettengesetz soll den demnach mehr als ver- ist eine sozial-ökologische
Schutz von Menschenrech- doppeln. Marktwirtschaft.
ten in globalen Lieferketten
sichern.
Zahlen und Fakten zu Deutschlands
Rolle in der Weltwirtschaft

D I E F Ü N F G R Ö S S T E N H A N D E L S N AT I O N E N
(Anteil am weltweiten Export)

USA Deutschland

8,1  % 7,8  %

Niederlande

3,8  %

Japan
China

14,7  % 3,6  %

2020, Quelle: UNCTAD

FRE IER UND FA IRER H A NDEL

1,4
BILLIONEN
EURO 140 Standorte
beträgt der Wert der von Auslandshandelskammern in
deutschen Exporte 92 Ländern zeigen: Deutschland setzt sich
2021. für offene Märkte und einen freien und
fairen Handel ein.
W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G 88 | 89

DIE V IER W ICHT IGSTEN


E XPORTBR ANCHEN 2021
„Um es ganz klar (in Mrd. Euro)
zu sagen: Die De-
Globalisierung ist ein Kraftwagen und Fahrzeugteile

Holzweg. Natürlich 210

müssen wir manch Maschinen


196
strategische Abhän-
Chemische Erzeugnisse
gigkeit reduzieren.
137
Zugleich müssen wir
Geräte für Daten­verarbeitung / Optik
achtgeben, dass aus 102
notwendiger Diversifi-
zierung kein Vorwand
wird für Abschottung,
Zollschranken und
Protektionismus.“ 97 % 43 %
aller deutschen
der Exporteure sind
BUNDESK ANZLER Unternehmen
mittelständische
OLAF SCHOLZ investieren im
Unternehmen.
Ausland.

DIE FÜNF GRÖSSTEN DEUTSCHEN UNTERNEHMEN

Volkswagen (Automobil)
672.800
Deutsche Post / DHL (Logistik)
592.300
Schwarz Gruppe (Einzelhandel)
550.000
Edeka (Einzelhandel)
404.900
Robert Bosch (Elektronik)
402.600
2021, Quelle: F.A.Z., Statistisches Bundesamt
MEDIZIN UND PFLEGE

5,8 Millionen
Menschen arbeiten im deutschen Gesund-
heitswesen. Die Pharmaindustrie unterstrich
ihre internationale Bedeutung während der
Pandemie. Ob in Kliniken, Forschung, Pfle-
ge oder Medizintechnik – überall werden
Arbeitskräfte gesucht.
W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G 90 | 91

vationen. 2020 gab es rund 259.000


Unternehmen im Bereich Krea-
tivwirtschaft. Ein internationaler
Hotspot der „Creative Industries“
und Start-ups ist die Region Berlin-
Mittelstand und Brandenburg.

Industrie 4.0 L E I S T U N G S S TA R K E
INDUSTRIEUNTERNEHMEN
Die wirtschaftliche Stärke
Das Herzstück der deutschen Wirtschaft bildet der Deutschlands beruht neben dem
Mittelstand. Trotz zahlreicher Global Player und welt- Mittelstand entscheidend auf der
weit bekannter Großkonzerne sind die 3,5 Millionen Leistungskraft seiner Industrie
kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie und ihrer Innovationsfähigkeit.
Selbstständige und Freiberufler charakteristisch für Vor allem die Automobilindus­
die Struktur der deutschen Wirtschaft. Mehr als trie mit rund 800.000 Beschäftig-
99 Prozent der deutschen Unternehmen gehören dem ten gilt als eine Paradedisziplin
Mittelstand an. Als mittelständisch gelten Firmen mit des „Made in Germany“. Mit den
einem Jahresumsatz unter 50 Millionen Euro und mit sechs großen Marken Volkswa-
weniger als 500 Beschäftigten. Im Mittelstand sind gen, BMW, Mercedes-Benz, den
auch zahlreiche Zuwanderinnen und Zuwanderer ak- VW-Marken Audi und Porsche
tiv: Mehr als 800.000 Menschen mit Migrationshinter- sowie Opel (Stellantis) gehört sie
grund besitzen ein Unternehmen. Migrantinnen und auch zu den weltweiten Vorrei-
Migranten in Deutschland bilden damit einen wichti- tern beim Umstieg auf eine nach-
gen Wirtschaftsfaktor. haltige Mobilität.

Der „German Mittelstand“ spielt auch international Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu


eine wichtige Rolle. Weltweit gibt es 2.700 „Hidden sichern, investieren die deutschen
Champions“ – fast die Hälfte gehört zum deutschen Unternehmen Milliardenbeträge
Mittelstand. Europa- oder Weltmarktführer in ihren in Forschung und Entwicklung
Bereichen sind sie dank hochinnovativer Produk- (FuE). Elektroantrieb, digitale
te und Problemlösungen, einer großen Kundennä- Vernetzung und assistiertes oder
he und kurzer Entscheidungswege. Fest etabliert im autonomes Fahren sind die Mega-
Wirtschaftsgefüge hat sich die überwiegend mittel- trends der automobilen Fortbe-
ständische Kreativwirtschaft. Sie spielt eine Vorreiter- wegung. Etwa zwei von drei Autos
rolle auf dem Weg in eine digitale und wissensbasierte deutscher Hersteller werden in
Ökonomie und ist eine signifikante Quelle für Inno- Fabriken im Ausland produziert.

Forschung sichert Zukunft: Virtual Reality in der Medizintechnik


Zu den traditionell starken Branchen der deutschen gebildet, vor allem die „Leucht-
Wirtschaft gehören auch die Weltkonzerne der Che- turm-Regionen“ Dresden, Jena,
mieindustrie sowie des Anlagen- und Maschinen- Leipzig, Leuna und Berlin-Bran-
baus. Die 1865 gegründete BASF mit Hauptsitz in denburg.
Ludwigshafen ist mit rund 118.000 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern an 366 Produktionsstandorten Die Liste der größten deutschen
in mehr als 90 Ländern der größte Chemiekonzern Unternehmen – gemessen am Um-
der Welt. Das führende deutsche Unternehmen im satz – wurde im Jahr 2021 ange-
Anlagen- und Maschinenbau ist weltweit auch in führt von Automobilkonzernen:
der Schlüsselbranche der Elektrotechnik- und Elek- Volkswagen lag auf Platz 1, die
tronikindustrie führend: Siemens ist ein in mehr als Mercedes-Benz Group und die
200 Ländern aktiver Global Player mit hochinnovati- BMW Group belegten Rang 3
ven Anwendungslösungen – von der Mobilität bis zu und 5.
erneuerbaren Energien.
Der Industriestandort Deutsch-
WIRTSCHAFTSZENTREN IN DEUTSCHL AND land ist jedoch auch stark geprägt
Die wichtigsten Wirtschaftszentren in Deutschland durch die Dienstleistungswirt-
sind die großen Metropolregionen wie das Ruhrge- schaft. Gut 80 Prozent aller Unter-
biet, die Großräume München und Stuttgart (High- nehmen sind in diesem Sektor
tech, Automobilbau), Rhein-Neckar (Chemie, IT), tätig, sie erwirtschaften nahezu
­
Frankfurt am Main (Finanzen), Nürnberg (Indus­ 70 Prozent des Bruttoinlandspro-
trie, Dienstleistungen), Köln und Hamburg (Hafen, dukts und stellen drei Viertel der
Flugzeugbau, Medien). Im Osten Deutschlands ha- Arbeitsplätze – das entspricht rund
ben sich leistungsfähige Hochtechnologiezentren 30 Millionen Beschäftigten.
W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G 92 | 93

Digitalisierte Produktion ermöglicht


maximale Flexibilität.

für FuE aufgewendet, das entspricht einem Anteil von


mehr als drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP)
und liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt von
Aufgeschlossen und 2,4 Prozent.
innovationsfreudig:
Vernetzung, Aus- E U R O PA M E I S T E R I M E R F I N D E N
tausch und Know-how Deutschland gilt als Europameister im Erfinden.
machen die deutsche 2021 reichten deutsche Unternehmen beim Euro-
Wirtschaft zukunfts- päischen Patentamt in München rund 26.000 An-
sicher. träge auf Patentschutz ein. Beim Deutschen Patent-
und Markenamt (DPMA) wurden in demselben Jahr
58.600 Erfindungen angemeldet. Am aktivsten wa-
ren der Automobilzulieferer Bosch mit knapp 4.000
Anmeldungen vor BMW (1.860) und der ebenfalls
im Automobilbereich tätigen Schaeffler-Gruppe
AU F D E M W E G Z U R (1.800). Im Jahr 2021 waren exakt 134.715 deutsche
INDUSTRIE 4.0 Patente in Kraft.
Deutschland ist eine der wich-
tigsten Industrienationen welt- D I G I TA L E T R A N S F O R M AT I O N D E R I N D U S T R I E
weit. Die Unternehmen sind spe- Die Wirtschaft erlebt die vierte industrielle Revo-
zialisiert auf die Entwicklung und lution. Durch das Internet getrieben, wachsen rea-
Herstellung komplexer Güter, vor le und virtuelle Welt zu einem „Internet der Dinge“
allem Investitionsgüter und inno- zusammen. Ziel der Bundesregierung ist die Unter-
vative Produktionstechnologien. stützung von Wirtschaft und Wissenschaft bei der
Als Triebfeder der wirtschaftlichen Entwicklung und Umsetzung einer Industrie 4.0, um
Stärke gilt die Innovationsfähig- Deutschland als einen Leitanbieter für diese Techno-
keit der Wirtschaft. Hier zeigen logien zu positionieren. Industrie 4.0 ist gekennzeich-
intensive Anstrengungen im Be- net durch eine starke Individualisierung der Produkte
reich Forschung und Entwicklung in einer hochflexiblen, digitalisierten Produktion. In
(FuE) sehr positive Ergebnisse. Die vielen Fabrikhallen ist sie längst angekommen: In-
Hightech-Strategie der Bundes- telligente Monitoring- und Entscheidungsprozesse
regierung setzt dabei entschei- steuern und optimieren Unternehmen und ganze
dende Impulse. So wurden die Wertschöpfungsnetzwerke nahezu in Echtzeit. Die-
Bundesagentur für Sprunginno- ser grundlegende Wandel von Produktionsabläufen
vation (SprinD GmbH, 2019) und und Arbeitsprozessen erfordert hoch qualifizierte,
die Deutsche Agentur für Transfer eigenverantwortlich und teilautonom handelnde An-
und Innovation (DATI, 2021) ge- gestellte. Die einzigartige duale Berufsausbildung in
gründet. Insgesamt 106 Milliarden Deutschland und eine konsequente Weiterbildungs-
Euro wurden 2020 in Deutschland strategie in den Betrieben legen hierfür die Basis.
durch die Ortsunabhängigkeit
vieler Tätigkeiten und die Mög-
Attraktiver lichkeit, zumindest teilweise im
Homeoffice zu arbeiten. Durch die
Arbeitsmarkt Corona-Pandemie hat das mobile
Arbeiten einen massiven Schub er-
lebt. Seither arbeiten bis zu einem
Der deutsche Arbeitsmarkt ist stabil und bietet inter- Drittel der Beschäftigten zumin-
nationalen Fachkräften attraktive Karrierechancen. dest teilweise von zu Hause aus.
Anfang 2020 stand er sogar kurz vor der Vollbeschäf- Die Bundesregierung sorgt dafür,
tigung, 45 Millionen Menschen in Deutschland waren dass ihre Rechte und ihr Schutz
erwerbstätig. Basis dafür ist die starke Wirtschaft, auch beim mobilen Arbeiten ge-
aber auch erprobte Mittel der Regierung zur Krisenbe- währleistet sind. Viele Beschäftig-
kämpfung stützen den Arbeitsmarkt. So wurden mit te in Deutschland haben auf die
dem Instrument der „Kurzarbeit“, das sich bereits in Gestaltung ihrer Arbeitszeit mehr
der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 bewährt Einfluss als noch vor einigen Jah-
hatte, entscheidend die Folgen der Corona-Pandemie ren. Neben der Arbeit in Teilzeit
auf dem Arbeitsmarkt abgemildert. Es ermöglicht können sie mit „Gleitzeit“ in einem
Unternehmen bei einem krisenbedingten erheblichen gewissen Rahmen selbst entschei-
Arbeitsausfall, die Arbeitnehmenden vorübergehend den, wann ihr Arbeitstag beginnt
in staatlich unterstützte Kurzarbeit zu schicken. So und endet. Darüber hinaus haben
werden Kündigungen vermieden und der Neustart Beschäftigte das Recht, für die
nach der Krise erleichtert. Pflege von Angehörigen ihre Ar-
beitszeit bis zu sechs Monate lang
Zur Schaffung eines modernen, gerechten und trans- zu reduzieren.
parenten Arbeitsmarktes hat die Bundesregierung
zahlreiche wegweisende arbeitsmarktpolitische C H A N C E N F Ü R I N T E R N AT I O -
Vorhaben realisiert. Seit 2015 gilt ein gesetzlicher N A L E FA C H K R Ä F T E
Mindestlohn, der regelmäßig angepasst wird. Eine Ein wichtiger Trend ist die ver-
Frauenquote führt zu mehr Gleichberechtigung in stärkte Mobilität auf dem europäi-
Führungspositionen. Börsennotierte und voll mitbe- schen Arbeitsmarkt. Freizügigkeit
stimmungspflichtige Unternehmen müssen seit 2016 ist eines der Grundprinzipien der
für alle Aufsichtsratsposten eine Frauenquote von EU. Für Fachkräfte spielt Migra-
30 Prozent einhalten. Das „Tarifeinheitsgesetz“ ga- tion innerhalb Europas deshalb
rantiert, dass in einem Betrieb für gleiche Tätigkeiten eine große Rolle – Deutschland ist
nicht unterschiedliche Tarifverträge gelten. dabei ein wichtiges Zielland.

V I E L F L E X I B I L I TÄT F Ü R B E S C H Ä F T I G T E In Deutschland fehlen Fachkräfte.


Deutschlands Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Angesichts des demografischen
Dieser ist geprägt durch die Digitalisierung, aber auch Wandels ist die Sicherung der
W I R T S C H A F T U N D D I G I TA L I S I E R U N G 94 | 95

Fachkräfte aus aller Welt: Neue Regeln und Gesetze erleichtern ihnen die Jobsuche.

Fachkräftebasis für die deutsche Arbeitskräften eingestellt. Ein erster wichtiger Bau-
Wirtschaft eine der vordring- stein dabei ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz,
lichsten Aufgaben der Bundesre- das seit dem 1. März 2020 in Kraft ist. Es ermöglicht
gierung. Laut dem Deutschen In- Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern einen einfache-
dustrie- und Handelskammertag ren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Zuvor
(DIHK) konnten 2021 mehr als die hatten diesen nur Fachkräfte mit akademischer
Hälfte der Unternehmen Stellen Ausbildung. Seit 2020 gilt das auch für Fachkräf-
nicht besetzen, weil es keine ge- te mit einer im Ausland erworbenen beruflichen
eigneten Bewerberinnen oder Be- Qualifikation. Weil das duale Ausbildungssystem
werber gab – das gilt vor allem für in Deutschland Besonderheiten aufweist und hohe
Pflege und Handwerk, aber auch Standards setzt, verbessert die Bundesregierung
für Ingenieurwesen und techni- mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch die
sche Berufe. Möglichkeiten, für Qualifizierungsmaßnahmen
nach Deutschland zu kommen. Nun können auch
Deutschland ist auch auf lange Ausbildungsinteressierte eine Aufenthaltsgenehmi-
Sicht auf die Zuwanderung von gung bekommen. 
Bildung und Forschung
S TA R K E R W I S S E N S S TA N D O R T
Das deutsche Bildungs- und Wissenschaftssystem genießt international
einen herausragenden Ruf. Die deutsche Forschung setzt neue Impulse,
das Ausbildungssystem gilt vielen Staaten als Vorbild. Ein Überblick.

A M B I T IO N I E R T E S P I T Z E N F O R S C H U N G
Deutschland ist ein Innovationsland. Das Rückgrat der Forschungs­
landschaft bilden neben den Hochschulen vor allem vier große außer-
universitäre Forschungsorganisationen.

DY N A M I S C H E H O C H S C H U L L A N D S C H A F T
Universitäten und Hochschulen in Deutschland sind das Herz des
­Wissenschaftssystems. Sie zeichnen sich durch ein vielfältiges Angebot,
eine internationale Ausrichtung und exzellente Lehre aus.

E N G A G I E R T E W I S S E N S C H A F T S D I P L O M AT I E
Ein zentrales Anliegen deutscher Außenpolitik sind Förderung und
Schutz wissenschaftlicher Freiheit. Deutschland setzt dabei auf Aus-
tausch und Vernetzung.

D UA L E AU S B I L D U N G
Die duale Ausbildung bringt Theorie und Praxis zusammen und ist eine
tragende Säule des deutschen Bildungssystems.

AT T R A K T I V E S S C H U L S Y S T E M
Eine gute Schulausbildung soll allen Menschen in Deutschland gleiche
Chancen ermöglichen. Die Zuständigkeit für die Schulen liegt vor allem
bei den Bundesländern.
Deutschland gehört
Für Bildung, Forschung zu den

10
und Wissenschaft gab
Deutschland im Jahr 2020
241 Milliarden innovativsten Ländern
Euro aus.
der Welt.

An Schulen
in Deutschland
BILDUNG UND FORSCHUNG werden rund

7 Tatsachen 10.800.000
Schülerinnen und
Schüler unterrichtet.

Das Vakzin des deutschen Unternehmens


Biontech und seines US-Partners Pfizer hat als

1. CORONA-IMPFSTOFF
Die Ausgaben je in den USA und der Europäischen Union
Schülerin bzw. eine Zulassung erhalten.
Schüler liegen in
Deutschland mit

14.200
US-DOLLAR

420
über dem OECD- Die älteste deutsche
Durchschnitt von Hochschule ist die
11.800 US-Dollar. Universität Heidelberg.

HOCHSCHULEN Sie wurde im Jahr
stehen Studierenden
in Deutschland zur
Auswahl.
1386
gegründet.
BILDUNG UND FORSCHUNG 98 | 99

und weiter zu stärken. Die Bun-


desrepublik gehört deshalb zur
Starker Spitzengruppe der Länder, die
jährlich rund drei Prozent ihres
Wissensstandort Bruttoinlandsprodukts in For-
schung und Entwicklung inves-
tieren. Bis 2025 soll der Anteil der
Der Wissenschaftsstandort Deutschland gesamtstaatlichen Ausgaben auf
zeichnet sich durch eine breite Ausbildungs- und Hoch- mindestens 3,5 Prozent steigen.
schullandschaft und exzellente Spitzenforschung aus.
V O N D UA L E R AU S B I L D U N G B I S
Deutschland genießt weltweit den Ruf eines innova- ZUR SPITZENFORSCHUNG
tionsstarken Landes mit einer breiten Wissenschafts- Das deutsche Bildungssystem
und Forschungslandschaft. Die Basis dafür bilden die ist im internationalen Vergleich
420 Hochschulen. Eine weitere wichtige Säule des Wis- auch außerhalb der Spitzenfor-
sensstandorts stellt die Industrieforschung dar. Deren schung gut an die Bedürfnisse des
Stärke zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Deutschland Arbeitsmarktes angepasst. Mehr
bei den Patentanmeldungen zu den weltweit führen- als 80 Prozent der Erwachsenen
den Nationen gehört. Eine Schlüsselrolle nehmen haben das Abitur oder eine ab-
zudem die vier großen, international renommierten geschlossene Berufsausbildung,
außeruniversitären Forschungseinrichtungen Fraun- damit liegt Deutschland über dem
hofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leib- Durchschnitt der Länder der Or-
niz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft ein. ganisation für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung
Deutschland investiert stark in Forschung und Wis- (OECD). Eine traditionell starke
senschaft, um diese Innovationskraft zu sichern Rolle spielt dabei die duale beruf-
liche Bildung, die international
hohes Ansehen genießt.

In den vergangenen Jahren stieg


die Zahl der Studierenden stark an.
Darauf reagierten Bund und Län-
der mit dem Hochschulpakt 2020,
der zusätzliche Studienplätze fi-
nanziert. Auf diesen Pakt baut der
„Zukunftsvertrag Studium und
Lehre stärken“ auf, der dauerhaft
Studienbedingungen und Lehr-
Die duale Ausbildung verbindet Theorie und Praxis. qualität stärkt.
Die universitäre Spitzenfor-
schung wiederum wird durch
die Exzellenzstrategie unter-
stützt. Gefördert werden Ex-
zellenzcluster zu bestimmten
Forschungsfeldern sowie Exzel-
lenzuniversitäten, die als heraus-
ragende Universitätsstandorte
international als Leuchttürme
wahrgenommen werden. Für das
Gesamtprogramm stehen jähr-
lich mehr als 500 Millionen Euro
zur Verfügung.

Die Bundesregierung will mit


einer „Zukunftsstrategie For-
schung“ ihre Ressourcen effektiv
bündeln. Dafür hat sie zentrale
Zukunftsfelder definiert, unter
anderem moderne Technologien
für eine wettbewerbsfähige und
klimaneutrale Industrie, ein
nachhaltiges Landwirtschafts-
und Ernährungssystem, techno-
logische Souveränität sowie ein
Forschende in Deutschland arbeiten international und vernetzt.
modernes, krisenfestes Gesund-
heitssystem, das die Chancen
biotechnologischer und medi-
zinischer Verfahren nutzt. Als
Musterbeispiel für erfolgreiche
Elf Prozent aller Studie- staatliche Förderung gilt die
renden in Deutschland Entwicklung des ersten mRNA-
kommen aus dem Ausland. Impfstoffs gegen das Coronavirus
Die meisten stammen aus durch das Mainzer Unternehmen
Asien und Pazifik, gefolgt Biontech, deren Gründer Özlem
von Nordafrika, Nahost Türeci und Uğur Şahin auch an
und Westeuropa. der Universität Mainz lehren.
Der Staat förderte die Impfstoff-
entwicklung dort und in anderen
Fällen umfassend.
BILDUNG UND FORSCHUNG 100 | 101

INTERNATIONALE AUSRICHTUNG Die Vernetzung mit internationalen Partnern spielt


Die deutschen Hochschulen und für deutsche Hochschulen ebenfalls eine zentrale Rol-
Forschungseinrichtungen legen le. Sie bauen deshalb ihre weltweiten Kooperationen
großen Wert darauf, sich interna- kontinuierlich aus. Deutschland unterstützt sie dabei
tional auszurichten. Im Zuge des zum Beispiel über den Deutschen Akademischen Aus-
sogenannten Bologna-Prozesses, tauschdienst (DAAD) und die Alexander von Hum-
der europäischen Studienreform, boldt-Stiftung aus Mitteln des Auswärtigen Amts.
wurden in Deutschland die Stu- Zentral für die auswärtige Wissenschafts- und Hoch-
dienangebote weitgehend auf die schulpolitik sind Stipendienprogramme, die Aufent-
international etablierten Bache- halte ausländischer Studierender sowie von Wissen-
lor- und Masterabschlüsse umge- schaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstützen.
stellt. Viele Studiengänge, insbe- Darüber hinaus fördert Deutschland weltweite Hoch-
sondere im Masterbereich, werden schulpartnerschaften. Es bestehen mehr als 37.000
in einer Fremdsprache angeboten, Vereinbarungen zwischen deutschen Hochschulen
vor allem auf Englisch. und Partnereinrichtungen in mehr als 150 Ländern.

Deutschland gilt schon seit Län-


gerem als das beliebteste nicht
englischsprachige Gastland für
internationale Studierende. Ins-
gesamt kommt etwa jeder zehn- Die Universität Leipzig steht für Tradition und Innovation.

te der rund drei Millionen Stu-


dierenden aus dem Ausland. Im
Unterschied zu vielen anderen
Ländern fallen für das Studium an
den öffentlichen Hochschulen in
Deutschland mit Ausnahme ein-
zelner Bundesländer wie etwa Ba-
den-Württemberg keine oder nur
geringe Studiengebühren an. Die
deutschen Hochschulen und For-
schungseinrichtungen sind auch
für internationale Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter sehr attraktiv:
So liegt etwa an den vier größten
außeruniversitären Forschungs-
einrichtungen der Anteil der Wis-
senschaftlerinnen und Wissen-
schaftler, die aus dem Ausland
stammen, bei mehr als 25 Prozent.
deten Hightech-Strategie 2025
sind sieben Themenfelder in den
Ambitionierte Vordergrund gerückt: Gesundheit
und Pflege, Nachhaltigkeit, Kli-
Spitzenforschung maschutz und Energie, Mobilität,
Stadt und Land, Sicherheit sowie
Wirtschaft und Arbeit 4.0. Zu den
Wissenschaft und Forschung genießen in Deutschland Zielen der Hightech-Strategie 2025
einen hohen Stellenwert. Wirtschaft und Politik steiger- zählen die Bekämpfung von Krebs,
ten in den vergangenen Jahren kontinuierlich die Bud- die Reduzierung von Plastik und
gets für Wissensarbeit. eine weitgehend treibhausgasneu-
trale Industrie.
2020 betrug der Anteil der Forschungsausgaben am
Bruttoinlandsprodukt (BIP) 3,13 Prozent; bis 2025 soll AU S S E R U N I V E R S I TÄ R E
der Anteil auf 3,5 Prozent steigen. Damit liegt Deutsch- FORSCHUNGSORGANISAT IONEN
land international in der Spitzengruppe der Länder, In Deutschland arbeiten rund
die mehr als drei Prozent ihres BIP für Forschung 1.000 öffentlich finanzierte For-
und Entwicklung (FuE) ausgeben. Die Bundesrepublik schungseinrichtungen. Das Rück-
liegt zudem auf Platz vier der forschungsintensivsten grat der Forschungslandschaft bil-
Volkswirtschaften der Welt. Insgesamt wurden in den neben den Hochschulen vor
Deutschland im Jahr 2020 knapp 107 Milliarden Euro allem vier große außeruniversitä-
für FuE aufgewendet. Davon entfielen 71 Milliarden re Forschungsorganisationen. Die
Euro auf den Wirtschaftssektor, 19,3 Milliarden auf 1948 gegründete Max-Planck-­
die Hochschulen und 15,6 Milliarden Euro auf außer- Gesellschaft (MPG) ist das wich-
universitäre Forschungseinrichtungen. tigste Zentrum der Grundlagen-
forschung für Natur-, Bio-, Geis-
Die Stärke der deutschen Spitzenforschung spiegelt tes- und Sozialwissenschaften au-
sich auch in Publikationszahlen von Forschenden ßerhalb der Universitäten. Rund
wider: Im „Nature Index“ des Jahres 2022, der die na- 7.000 Wissenschaftlerinnen und
turwissenschaftliche Publikationsleistung von For- Wissenschaftler, 3.400 Promovie-
schungseinrichtungen und Hochschulen auswertet, rende und 2.200 Gastforschende
erreicht Deutschland die beste Wertung in Europa. Im arbeiten an den 86 Max-Planck-In-
weltweiten Vergleich kommt Deutschland auf Platz stituten und Forschungseinrich-
drei nach den Spitzenreitern USA und China. tungen, auch außerhalb Deutsch-
lands. 54,6 Prozent der Wissen-
HIG HTECH -S TR ATEGIE FÖ R DERT INN OVAT IO NEN schaftlerinnen und Wissenschaft-
Mit der Hightech-Strategie hat Deutschland seit 2006 ler haben eine ausländische Staats-
ein besonderes Innovationsinstrument entwickelt. angehörigkeit. Seit ihrer Grün-
Seitdem sind viele Neuentwicklungen entstanden dung wurden mehr als 20 Nobel-
– von energiesparenden LED-Leuchten bis zur mit- preise an Forschende der Max-
wachsenden Herzklappe. Mit der 2018 verabschie- Planck-Gesellschaft vergeben.
BILDUNG UND FORSCHUNG 102 | 103

Die Helmholtz-Gemeinschaft be- schafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den


treibt Spitzenforschung in den Geisteswissenschaften reicht. Ein übergreifender
sechs Forschungsbereichen Ener- Schwerpunkt der rund 11.700 Forschenden liegt im
gie, Erde und Umwelt, Gesund- Wissenstransfer in Richtung Politik, Wirtschaft und
heit, Information, Materie sowie Öffentlichkeit.
Luftfahrt, Raumfahrt und Ver-
kehr. Mit mehr als 43.000 Mitar- Für die Förderung von Wissenschaft und Forschung
beitenden an den 19 Helmholtz- ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zu-
Zentren, darunter das Deutsche ständig, Europas größte Organisation dieser Art. Die
Zentrum für Luft- und Raumfahrt DFG unterhält neben ihrer Zentrale in Bonn Büros in
(DLR), ist die Gemeinschaft Indien, Japan, Lateinamerika und Nordamerika sowie
Deutschlands größte Forschungs- das Chinesisch-Deutsche Zentrum für Wissenschafts-
organisation. In Zukunft soll ein förderung (CDZ). Sie fördert die Kooperation von For-
neues Forschungszentrum für Al- schenden in Deutschland mit Kolleginnen und Kolle-
ternsforschung entstehen. gen im Ausland – besonders, aber keinesfalls nur im
Europäischen Forschungsraum.
Die Fraunhofer-Gesellschaft mit
ihren 76 Instituten und For-
schungseinrichtungen an Stand-
orten in ganz Deutschland gilt als
die größte Einrichtung anwen-
dungsorientierter Entwicklung in In Deutschland entstehen viele wegweisende Innovationen.

Europa. Zu ihren zentralen For-


schungsfeldern zählen etwa Ge-
sundheit und Umwelt, Mobilität
und Transport sowie Energie und
Rohstoffe. Mit ihren acht selbst-
ständigen Auslandsgesellschaften
in Europa, Nord- und Südamerika
sowie Asien, zahlreichen Repre-
sentative Offices und den Senior
Advisors ist die Fraunhofer-Ge-
sellschaft in vielen Ländern welt-
weit aktiv.

Unter dem Dach der Leibniz-Ge-


meinschaft versammeln sich 96
selbstständige Forschungseinrich-
tungen, deren Ausrichtung von den
Natur-, Ingenieur- und Umwelt-
wissenschaften über die Wirt-
SPITZENFORSCHUNG

148 Millionen
Euro bekommen zehn Exzellenzuniversi-
täten und ein Exzellenzverbund Berliner
Universitäten pro Jahr. Sie wurden 2019 für
eine siebenjährige Förderung im Rahmen der
Exzellenzstrategie ausgewählt, mit der Bund
und Länder die universitäre Spitzenforschung
unterstützen.
BILDUNG UND FORSCHUNG 104 | 105

scheiden sich in ihrem Aufbau


und ihren Aufgaben.
Dynamische
Während die klassischen Uni-
Hochschullandschaft versitäten ein breites Fächerspek­
trum anbieten, konzentrieren sich
die Technischen Universitäten
Die deutsche Hochschullandschaft ist außer- (TU) auf die Grundlagenforschung
ordentlich vielfältig: Sie bietet Universitäten mit in den ingenieurtechnischen und
großen Namen in Metropolen wie Berlin oder Mün- naturwissenschaftlichen Diszi-
chen. Doch auch in Aachen, Heidelberg oder Karls- plinen. Die neun führenden TU
ruhe gibt es exzellente Hochschulen. Forschungs- haben sich 2006 zur TU9-Initiati-
starke mittelgroße Universitäten und kleinere ve zusammengeschlossen.
Hochschulen mit erstaunlicher Strahlkraft bilden
den Kern der akademischen Welt. In internationa- Die Universitäten verstehen sich
len Ranglisten sind deutsche Hochschulen zahlreich nicht nur als Lehranstalten, son-
vertreten: Unter den Top 200 im Shanghai-Ranking dern gleichermaßen als Orte der
finden sich neun deutsche Universitäten, im QS Forschung und verkörpern inso-
World University Ranking elf und im Times Higher fern bis heute das humboldtsche
Education World University Ranking 22. Besonders Bildungsideal von der Einheit
gut schneiden die Universitäten in München und von Forschung und Lehre. Die
die Universität Heidelberg ab. Universitäten haben das vorran-
gige Ziel, den wissenschaftlichen
2021 konnten Studierende in Deutschland nach An- Nachwuchs zu fördern, fundierte
gaben der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zwi- Fachkenntnisse zu vermitteln
schen 420 Hochschulen wählen (120 Universitäten, und selbstständig arbeitende und
243 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften/ forschende Wissenschaftlerin-
Fachhochschulen, 57 Kunst- und Musikhochschu- nen und Wissenschaftler auszu-
len). Zusammen bieten sie 20.593 Studiengänge an. bilden.
272 Hochschulen werden vom Staat, 38 kirchlich und
110 privat finanziert. Die 243 HAW/FH mit einer stark
praxisorientierten Ausrichtung sind
ANSPRUCHSVOLL UND PR A X ISNAH eine deutsche Besonderheit und
Grundsätzlich gibt es drei Typen von Hochschu- tragen häufig die im angelsäch-
len: Universität, Hochschule für Angewandte sischen Sprachraum übliche Be-
Wissenschaften (HAW)/Fachhochschule (FH) so- zeichnung „University of Applied
wie Kunst-, Film- und Musikhochschule. Sie unter- Sciences“ als Beiname. An HAW

Deutsche Hochschulen zeichnen sich unter anderem durch eine


hohe Qualität in der Lehre und ein breites Fächerspektrum aus.
sowie an kleineren und mittleren Universitäten ent- keiten zu finanzieren. Über die
stehen zum Teil beachtliche soziale und technologi- Gesamtlaufzeit des Hochschul-
sche Innovationen. Ihren Transfer in die Wirtschaft pakts von 2007 bis 2023 stellen
fördert die Bundesregierung gezielt mit der Gründung der Bund 20,2  Milliarden Euro
der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation und die Länder 18,3  Milliarden
(DATI), für deren Start zunächst 15 Millionen Euro Euro bereit.
zur Verfügung standen. Die Start-up-Kultur deutscher
Hochschulen soll insgesamt weiter gestärkt werden. EXZELLENZ UND
I N T E R N A­T I O N A L I S I E R U N G
STEIGENDE Z AHL AN STUDIERENDEN Mit der Exzellenzstrategie stär-
Die Akademisierung nimmt in Deutschland zu: Lag ken Bund und Länder die univer-
die Studienanfängerquote 2005 noch bei 37 Prozent, sitäre Spitzenforschung. Geför-
nahmen 2021 rund 52 Prozent der jungen Menschen dert werden Exzellenzcluster zu
in Deutschland ein Studium auf. Das Bundesausbil- bestimmten Forschungsfeldern
dungsförderungsgesetz (BAföG) ermöglicht ihnen, sowie Exzellenzuniversitäten.
unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Fa- Die Strategie knüpft an die vor-
milie ein Studium zu absolvieren. Im Wintersemes- hergehende Exzellenzinitiative
ter 2021/2022 waren insgesamt rund 2,9 Millionen an, die zwischen 2005 und 2017
Studierende an den Hochschulen eingeschrieben. herausragende Forschungspro-
Auf die steigende Zahl der Studierenden reagierten jekte und -einrichtungen an den
Bund und Länder mit einer gemeinsamen Kraftan- Hochschulen mit einem Gesamt-
strengung. Im Rahmen des Hochschulpakts 2020 volumen von 4,6  M illiarden Euro
beschlossen sie schon Ende 2014, in den folgenden förderte. Die Exzellenzstrategie
Jahren bis zu 760.000 zusätzliche Studienmöglich- besteht aus zwei Teilen. Mit den

WEGMARKEN

1995 2005 2008


Ein Team um den Die Exzellenzinitiative Neun Jahre nach der
Elektrotechniker und wird unter den Uni- Entdeckung des Riesen­
Mathematiker Karlheinz versitäten ausgelobt. Der magnetowiderstandseffekts,
Brandenburg entwickelt „Pakt für Forschung und der den Durchbruch zu
am Fraunhofer-Institut Innova­tion“ fördert die Gigabyte-Festplatten
in Erlangen das MP3- außeruniversitären For- ermöglichte, erhalten der
Verfahren zur Audio­ schungsorganisationen. Deutsche Peter Grünberg
datenkompression, 2007 schließen Bund und und der Franzose Albert Fert
das heute weltweit Länder zudem den ersten den Physik-Nobelpreis.
Standard ist. Hochschulpakt.
BILDUNG UND FORSCHUNG 106 | 107

Exzellenzclustern werden inter- Universitätsklinik Charité für zunächst sieben Jahre


national wettbewerbsfähige For- mit insgesamt rund 148 Millionen Euro jährlich ge-
schungsfelder an Universitäten fördert.
projektbezogen gefördert. In den
Exzellenzclustern arbeiten Wis- W E LT W E I T E V E R N E T Z U N G
senschaftlerinnen und Wissen- U N D E R FA H R U N G E N I M AU S L A N D
schaftler interdisziplinär an Die deutschen Hochschulen sind stark internatio-
einem Forschungsvorhaben zu- nal ausgerichtet. Die Hochschulrektorenkonferenz
sammen. Für eine erste, sieben- zählt mehr als 37.000 Vereinbarungen deutscher
jährige Förderrunde ab 2019 Hochschulen mit Partnereinrichtungen in über 150
wurden 57 Exzellenzcluster aus- ausländischen Staaten. Dazu zählen vielfach auch
gewählt. Das jährliche Fördervo- Programme, die zu Doppelabschlüssen führen. Vie-
lumen für die Exzellenzcluster le Hochschulen beteiligen sich an der Entwicklung
beträgt 385 Millionen Euro. transnationaler Studienangebote und der Grün-
dung von Hochschulen nach deutschem Modell, die
Universitäten mit mindestens es in Ägypten, China, Jordanien, Kasachstan, der
zwei Exzellenzclustern konnten Mongolei, Oman, Singapur, Ungarn, Vietnam und
sich um den Titel Exzellenzuni- in der Türkei gibt.
versität bewerben. Seit Ende 2019
werden deutschlandweit zehn Ex- Die Auslandsmobilität deutscher Studierender wird
zellenzuniversitäten und der Ber- ebenfalls gefördert. Rund 134.000 von ihnen absol-
liner Exzellenzverbund aus Freier vierten 2021 einen Auslandsaufenthalt. Stipendien-
Universität, Humboldt-Universi- angebote wie das Programm Erasmus+ unterstützen
tät, Technischer Universität und die wertvollen Studienaufenthalte im Ausland. 

2014 2015 2020


Stefan Hell, Direktor am Die Umstellung auf die Ein knappes Jahr nach Beginn
Max-Planck-Institut für gestuften Bachelor- und der weltweiten Corona-
biophysikalische Chemie, Masterstudiengänge ist Pandemie erteilen die USA
erhält zusammen mit mit knapp 90 Prozent wei- und die EU die erste Zulassung
zwei US-Forschern den testgehend abgeschlos- für einen Impfstoff gegen das
Chemie-Nobelpreis für sen. Eine Ausnahme bilden Virus. Entwickelt wurde er von
die Entwicklung der die staatlich geregelten dem deutschen Unternehmen
hochauflösenden Fluores- Studiengänge Medizin und Biontech in Zusammenarbeit
zenz-Mikroskopie. Rechtswissenschaften. mit Pfizer. Das Vakzin rettete
Millionen Menschenleben.
Engagierte
Wissenschaftsdiplomatie
Akademische Mobilität und wissenschaftliche Ko- me. Dabei arbeiten sie eng mit
operationen spielen eine immer größere Rolle – auch den deutschen Auslandsver-
für eine nachhaltige deutsche Außenpolitik. Deutsch- tretungen zusammen und ent-
lands Wissenschaftsdiplomatie gestaltet diese Vernet- wickeln Förderprojekte wie das
zung aktiv mit und setzt sich weltweit für die Freiheit Stipendienprogramm „Leadership
von Wissenschaft und Forschung ein. Denn globale for Africa“, das jungen Talenten aus
Herausforderungen wie Frieden, Klimawandel und Aufnahmeländern mit hohen Ge-
Pandemien können nur gemeinsam mit internationa- flüchtetenzahlen ein Masterstu-
len Partnern gelöst werden. dium in Deutschland ermöglicht.

ST IPENDIENPROGR AMME UND Über die Stipendienprogramme


W I S S E N S C H A F T S KO O P E R AT I O N E N hinaus fördert Deutschland welt-
Eine zentrale Säule der auswärtigen Wissenschafts- weite Hochschulpartnerschaften.
und Hochschulpolitik bilden Stipendienprogram- Der Hochschulkompass wies im
me, die Aufenthalte ausländischer Studierender Jahr 2021 rund 37.000 Kooperatio-
und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in nen mit über 5.400 Partnerhoch-
Deutschland fördern. So vergeben zum Beispiel der schulen in über 150 Ländern auf.
Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) Im Zuge dieser Kooperationen sind
und die Alexander von Humboldt-Stiftung Sti- auch Doppelstudiengänge und bi-
pendien oder fördern wissenschaftliche Program- nationale Hochschulen im Aus-
land entstanden, wie die Deutsch-
Kasachische Universität in Almaty,
die Deutsche Universität in Kairo
oder die Türkisch-Deutsche Uni-
W E LT O F F E N E W I S S E N S C H A F T versität in Istanbul.

55.176
Leuchttürme der deutschen Wis-
senschaftskooperation mit Part-
nerländern sind auch Globale Zen-
internationale Forschende arbeiteten im Jahr
tren des DAAD für Gesundheit und
2020 an deutschen Hochschulen. Die meisten
Klima sowie DAAD-Fachzentren
– 34,5 Prozent – stammten aus Westeuropa,
und Humboldt-Forschungshubs in
20 Prozent aus Asien und dem Pazifik. Mit
diversen Programmen fördert die Bundes-
Afrika. Sie bieten Plattformen für
regierung die Mobilität deutscher und inter- wissenschaftlichen Austausch zu
nationaler Forschender. globalen Herausforderungen zwi-
schen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern aus Deutschland
BILDUNG UND FORSCHUNG 108 | 109

und anderen Staaten, insbesonde- schen zu schaffen. Durch Angebote für Geflüchtete
re im sogenannten globalen Süden. vor Ort werden Erstaufnahmeländer entlastet, Pers-
pektiven im Arbeitsmarkt geschaffen und Sekundär-
WISSENSCHAFTSFREIHEIT migration verhindert. In Zusammenarbeit mit dem
S TÄ R K E N UNHCR ermöglicht die vom Auswärtigen Amt ge-
Einen besonderen Schwerpunkt förderte Deutsche Akademische Flüchtlingsinitiative
legt die deutsche Wissenschaftsdi- Albert Einstein seit 30 Jahren Geflüchteten ein Hoch-
plomatie auf akademische Schutz- schulstudium in ihrem jeweiligen Aufnahmeland.
programme. Die Humboldt-Stif-
tung setzt etwa seit 2015 die F O R S C H U N G S - U N D I N N O VAT I O N S S TA N D O R T
Philipp Schwartz-Initiative um, DEUTSCHL AND
ein Sonderprogramm für die Auf- Die Förderung der internationalen Zusammenarbeit
nahme und Integration gefähr- ist für ein Hochtechnologieland wie Deutschland
deter Wissenschaftlerinnen und ein essenzielles Element jeder Zukunftsstrategie. Als
Wissenschaftler in Deutschland. „Schaufenster“ und dauerhafter gemeinsamer Auftritt
Ebenso ist es ein zentrales Anlie- deutscher Wissenschaftsorganisationen bewerben
gen der Bundesregierung, in Kri- und vernetzen die Deutschen Wissenschafts- und In-
senzeiten und Konfliktregionen novationshäuser (DWIH) unter anderem in New York,
wissenschaftliche und akademi- Tokio, São Paulo und Neu-Delhi den Innovations-
sche Perspektiven für junge Men- standort Deutschland international.

Voneinander lernen, miteinander arbeiten: Deutschland setzt sich für internationale


und interdisziplinäre Kooperationen auf allen wissenschaftlichen Gebieten ein.
Zahlen und Fakten zu
Bildung und Forschung

750
MILLIONEN EURO
gab das Bundesministerium für
Bildung und Forschung für ein Sonder-
programm zur Impfstoffentwicklung Bis 2025 sollen die Investitionen
und-produktion in Deutschland im in Forschung und Entwicklung auf

3,5  %
Zuge der Covid-19-Pandemie aus.
Außerdem flossen 350 Millionen Euro
zusätzlich in die internationale
Impfstoffinitiative CEPI. des Bruttoinlandsprodukts steigen.

W E LT M A R K T R E L E VA N T E PAT E N T E :
D E U T S C H L A N D, E U R O PÄ I S C H E U N I O N , J A PA N U N D V E R E I N I G T E S TA AT E N

Weltmarktpatente 1
pro Mio. Einwohner/-innen

450
Deutschland

400
Europäische Union

350
Japan

300
Vereinigte Staaten

250

200

150

1) Erfindungen, die am Europäischen


100 Patentamt oder bei der World Intel-
lectual Property Organization (WIPO)
angemeldet worden sind.
50
Quelle: Fraunhofer-Institut für System-
0 und Innovationsforschung
1995 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018
BILDUNG UND FORSCHUNG 110 | 111

S T U D I E R E N D E A N D E U T S C H E N U N I V E R S I TÄT E N

Rechts-, Wirtschafts- und Mathematik,


Sozialwissenschaften Naturwissenschaften
38,7  % 10,7 %

Humanmedizin/
Gesundheitswissenschaften
6,7  %
FÄCHERGRUPPEN
Agrar-, Forst- und
Ernährungswissenschaften,
Veterinärmedizin Sport
2,2  % 1,1  %

Ingenieurwissenschaften

Geisteswissenschaften
26,4  %
10,8 % Kunst,
Kunstwissenschaften
3,4  %

Wintersemester 2021/2022, Quelle: Statistisches Bundesamt

„Unser Land ist arm E X A S C A L E -S U P E R C O M P U T E R


an Rohstoffen, aber
reich an Ideen, und in
der Wissenschaft liegt
unsere Zukunft. Vom
Klimawandel über die
Digitalisierung bis zu Eine Rechenleistung von mehr als

gesellschaftlichen und
philosophischen
5 Millionen
modernen Notebooks wird der erste
Fragen.“ europäische Exascale-Supercomputer
haben, der im Forschungszentrum Jülich
F R A N K- W A LT E R S T E I N M E I E R , stehen wird.
BUNDESPR ÄSIDENT
Weltweites Vorbild: Die duale Ausbildung nach deutschem Muster ist in vielen Ländern gefragt und beliebt.

Wochentagen im Betrieb gelernt;


Duale an ein bis zwei Tagen erfolgt die
fachtheoretische Ausbildung in
Ausbildung der Berufsschule. Die duale Be-
rufsausbildung dauert in der Regel
zwischen zwei und dreieinhalb
Die Kombination aus Theorie und Praxis kenn- Jahren und wird vergütet.
zeichnet das international gefragte Erfolgsmodell der
deutschen dualen Ausbildung. Die im europäischen Gut eine Million Jugendliche in
Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit verdankt Deutschland erlernen einen staat-
Deutschland auch diesem System. lich anerkannten Ausbildungs-
beruf, im Jahr 2022 standen dabei
Die duale Berufsausbildung unterscheidet sich von 324 Berufe zur Auswahl. 2021
der rein schulischen Ausbildung, die in den meisten schlossen rund 467.000 Menschen
Ländern den Einstieg in das Berufsleben darstellt. Der einen neuen Ausbildungsvertrag
praktische Teil eines Berufs wird dabei an drei bis vier im dualen System ab.
BILDUNG UND FORSCHUNG 112 | 113

Mehrere Akteure in Deutschland fördern die duale


Berufsausbildung und sichern ihre Qualität: So be-
raten die Handelskammern die Ausbildungsbetrie-
be und überprüfen die betriebliche Ausstattung, sie
organisieren zudem die Prüfungen. Gewerkschaften
und Arbeitgeberverbände verhandeln die Höhe der
Ausbildungsvergütung und wirken bei der Gestal-
tung der Standards für die betriebliche Ausbildung
mit. Der Staat finanziert und beaufsichtigt das öf-
fentliche Berufsschulsystem und unterstützt auch
arbeitslose oder benachteiligte Jugendliche bei der
Ausbildungssuche.

I N T E R N AT I O N A L G R O S S E S
INTERESSE AM DEUTSCHEN MODELL
Die Verbindung aus theoretischem Wissen und prak-
tischer Berufserfahrung ist bei vielen Firmen in
Deutschland sehr gefragt. Auch international besteht
ein großes Interesse an dem System: Viele Länder
adaptieren zurzeit das System der dualen Berufsaus-
bildung. Wegen der hohen Nachfrage hat die Bundes-
regierung am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
eine Zentralstelle für internationale Berufsbildungs-
kooperation (German Office for International Co-
Für eine duale Aus- operation in Vocational Education and Training, kurz:
bildung gibt es keine GOVET) eingerichtet.
formalen Beschrän-
kungen. Die Betriebe Bei GOVET laufen alle Anfragen zum deutschen Be-
entscheiden über die rufsbildungssystem zusammen – viele davon aus dem
erforderliche schuli- Ausland. Im Rahmen der internationalen Zusammen-
sche Vorbildung ihrer arbeit unterstützt die deutsche Bundesregierung Part-
Bewerberinnen und nerländer bei der Entwicklung ihrer Berufsbildungs-
Bewerber. systeme und erhöht so die Chancen junger Menschen,
einen qualifizierten Beruf zu erlernen. Den Rahmen
dafür setzte die „Strategie der Bundesregierung zur
internationalen Berufsbildungszusammenarbeit“, die
2013 beschlossen und 2019 fortgeschrieben wurde.
Bildung für alle Kinder: Der
Besuch einer öffentlichen Schule
ist in Deutschland kostenfrei.

Attraktives
Schulsystem
In Deutschland liegt die Zuständigkeit für das Schul- Generell gilt für alle Kinder ab
wesen vor allem bei den 16 Ländern. Daher gibt es un- sechs Jahren eine neunjährige
terschiedliche Bildungssysteme, -pläne und Schulfor- Schulpflicht. Zugleich wird aber
men. Die Ständige Konferenz der Kultusminister der auch die frühkindliche Bildung im
Länder (KMK) sichert die Übereinstimmung oder Ver- Vorschulalter und ihre Verzahnung
gleichbarkeit der Bildungsgänge und ihrer Abschlüsse. mit dem Primarschulbereich stark
gefördert. Rund 20.000 Ganztags-
Im Schuljahr 2021/2022 besuchten elf Millionen Schü- schulen sind mittlerweile fest in
lerinnen und Schüler die 40.000 allgemeinbildenden der Bildungslandschaft verankert.
und beruflichen Schulen, an denen 798.000 Lehrkräfte Der Unterricht an diesen Schulen
unterrichten. Darüber hinaus lernen gut eine Million soll auch für mehr Chancengleich-
Schülerinnen und Schüler an den rund 5.800 allge- heit sorgen, vor allem für Kinder
meinbildenden und beruflichen Privatschulen. aus bildungsfernen Schichten.
BILDUNG UND FORSCHUNG 114 | 115

gänge: den Hauptschulbildungsgang (Klassen 5 bis


9 bzw. 10), den Realschulbildungsgang (Klassen 5 bis
10, Abschluss Mittlere Reife) und den gymnasialen
Bildungsgang (Klassen 5 bis 12 oder 13, Abschluss:
Allgemeine Hochschulreife/Abitur). Sie werden in
getrennten Schularten angeboten oder in Schulen,
die zwei oder – wie die Gesamtschulen – drei der
Bildungsgänge vereinen und Wechsel zwischen den
einzelnen Schularten erleichtern. Die Bezeichnung
für die Schularten unterscheidet sich je nach Land,
nur das Gymnasium wird einheitlich unter diesem
Namen geführt. 2021 erwarben rund 395.000 Schü-
lerinnen und Schüler die Hochschul- oder Fach-
hochschulreife.

Für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbe-


darf gibt es entsprechend ihrer Einschränkungen
Sonder- oder Förderschulen. Allerdings soll das ge-
meinsame Lernen von Kindern mit und ohne Be-
hinderung entsprechend der Behindertenrechts-
konvention zur Regel werden. Ein besonderes
Augenmerk richtet die Bundesregierung darauf,
Kindern und Jugendlichen unabhängig von der so-
zialen Lage ihrer Eltern bessere Bildungschancen zu
ermöglichen.

D E U T S C H E S C H U L E N I M AU S L A N D
Die 137 Deutschen Auslandsschulen stehen in 70 Län­
KO S T E N F R E I E R S C H U L B E S U C H dern für eine exzellente Ausbildung. Rund 84.000
Der Besuch öffentlicher Schulen Schülerinnen und Schüler lernen hier gemeinsam,
ist in Deutschland kostenfrei. Das 23.000 von ihnen mit Deutsch als Muttersprache. Die
Schulsystem gliedert sich verti- Schulen werden meist in privater Trägerschaft ge-
kal in drei Stufen: den Primarbe- führt, aber über die Zentralstelle für das Auslands-
reich sowie die Sekundarstufen schulwesen (ZfA) personell und finanziell gefördert.
I und II. In der Regel besuchen Seit 2008 arbeitet die vom Auswärtigen Amt koor-
alle Kinder im Primarbereich dinierte Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“
eine gemeinsame Grundschu- (PASCH) zusammen mit der ZfA und dem Goethe-In-
le, die von Jahrgangsstufe 1 bis 4 stitut an einem noch größeren Netzwerk der Deutsch-
reicht (Berlin und Brandenburg: lernenden. Sie verbindet weltweit fast 2.000 Schulen,
1 bis 6). Danach gibt es drei wei- an denen mehr als 600.000 Schülerinnen und Schüler
terführende Standard-Bildungs- Deutschunterricht erhalten.
Vielfältige Gesellschaft
B E R E IC H E R N D E V I E L FA LT
Die Menschen in Deutschland können ihr Leben frei gestalten, un­
abhängig von ihrer Herkunft und ihren Lebensentwürfen. Ein Überblick.

PLUR ALE LEBENSFORMEN


Viele verschiedene Formen des Zusammenlebens prägen die deutsche
­Gesellschaft. Die Bundesregierung fördert gezielt die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie genauso wie die Rechte queerer Menschen.

F R E I E R E L IG IO N S AU S Ü B U N G
Das Grundgesetz garantiert in Deutschland die Religionsfreiheit. Die
­religiöse Landschaft ist vielfältig, die Gesellschaft zugleich zunehmend
­säkularisiert.

S TA R K E R S OZ I A L S TA AT
Deutschland schützt die Bürgerinnen und Bürger vor existenziellen
­R isiken. Wichtiger Bestandteil ist ein enges soziales Netz aus gesetz­
lichen Versicherungen.

FA M I L I E N U N D G L E IC H B E R E C H T IG U N G
Die Bundesregierung stärkt die Rolle von Frauen in allen Bereichen des
öffentlichen und privaten Lebens und macht sich für Familien stark.

E N G AG I E R T E Z I V I L G E S E L L S C H A F T
Millionen Menschen in Deutschland sind in ihrer Freizeit ehrenamtlich
aktiv. Die B
­ edeutung von Stiftungen für die Zivilgesellschaft wächst.
Die öffentlichen
Etwa
Sozialausgaben
5,3 bis 5,6 Mio. belaufen sich auf
Musliminnen und Muslime MEHR ALS
leben in Deutschland.
1 BIO. EURO.

V I E L F Ä LT I G E G E S E L L S C H A F T
52  %
7 Tatsachen der Studienanfänger
und -anfängerinnen
sind Frauen.

100
Die rund

JÜDISCHEN GEMEINDEN

51  %
werden vom 1950 gegründeten Zentralrat
der Juden in Deutschland vertreten.

der deutschen
Bevölkerung bekennen
sich zu einer der beiden
großen christlichen
22,3 MIO.
Rund
Konfessionen.
65.000
MENSCHEN gleichgeschlechtliche
mit Migrations­ Ehepaare gibt es
hintergrund leben in Ende 2021 in
Deutschland. Deutschland.
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 118 | 119

Bereichernde
Vielfalt
In Deutschland leben Menschen aus aller MODERNES
Welt und mit den unterschiedlichsten Lebensent- E I N WA N D E R U N G S L A N D
würfen zusammen. Die Gleichberechtigung aller Deutschland ist ein modernes
Bürgerinnen und Bürger ist dabei ein zentrales An- Einwanderungsland mit einer
liegen der Bundesregierung. aktiven und ordnenden Politik.
Migration soll vorausschauend
Die Lebensentwürfe der mehr als 83 Millionen Ein­ und realistisch gestaltet werden.
wohnerinnen und Einwohner in Deutschland sind Irreguläre Migration soll redu­
sehr unterschiedlich: Sie wohnen in Familien, Le­ ziert, reguläre Migration ermög­
bens- und Wohngemeinschaften oder alleine, haben licht werden. Für Geflüchtete
verschiedene Religionen, politische Ansichten, sozia­ und Schutzsuchende, die etwa
le Voraussetzungen. Viele von ihnen haben einen Mi­ aus Krisen- und Konfliktregionen
grationshintergrund. Hunderttausende Menschen fliehen, übernimmt Deutschland
kommen jedes Jahr für Studium oder Arbeit nach humanitäre Verantwortung. Das
Deutschland, auch Geflüchtete finden hier eine neue Bundesamt für Migration und
Heimat. Sie alle eint, dass sie in Freiheit leben und Flüchtlinge (BAMF) nahm 2021
ihre Vorstellung von einem erfüllten Leben umsetzen knapp 200.000 Asylanträge ent­
können. Für ein freiheitliches und selbstbestimmtes gegen. Ein zentrales Ziel der Bun­
Leben aller Menschen in Deutschland setzt sich die desregierung ist es, die Lebens­
Bundesregierung auf unterschiedlichen Ebenen ein. bedingungen der Menschen so zu
verbessern, dass sie ihre Heimat
nicht verlassen müssen. Deutsch­
land hat dafür zahlreiche Initiati­
ven gegründet, die die politische,
wirtschaftliche und soziale Stabi­
lität in den Ländern fördern und
Sicherheit schaffen.

Alle Eingewanderten und ihre


Nachkommen, die dauerhaft und
rechtmäßig in Deutschland leben,
werden aktiv in die deutsche Ge­
Deutschland setzt sich für Akzeptanz und Vielfalt ein. sellschaft einbezogen und haben
Anspruch auf Integrationsleis­
tungen des Bundes. Dazu zählen
zum Beispiel Sprach- und Inte­
grationskurse, die es erleichtern
sollen, in der Gesellschaft anzu­
kommen. Zuwanderinnen und
Zuwanderer, die voraussichtlich
länger in Deutschland bleiben,
sollen zeitnah Zugang zum deut­
schen Arbeitsmarkt erhalten. Die
Bundesregierung setzt zudem auf
eine zukunftsorientierte und be­
darfsgerechte Zuwanderung von
Fachkräften aus aller Welt.

Die mehr als 22 Millionen Men­


schen mit Migrationshintergrund
leisten einen bedeutenden Beitrag
zur sozialen und wirtschaftlichen
Entwicklung des Landes und ma­
chen Deutschland zu einem Land
der Vielfalt.

„BUNTE REPUBLIK
Viele Programme fördern die Rahmenbedingungen für Familien.
DEUTSCHL AND“
In Deutschland spielt die Gleich­
berechtigung aller Bürgerinnen
und Bürger auf vielen gesell­
schaftlichen Ebenen eine wich­
„Eine der dringendsten tige Rolle. Deutschland setzt sich
Aufgaben für uns als uneingeschränkt für die Akzep­
Regierung ist es, ent- tanz von Diversität ein. Die Bun­
schieden für mehr soziale desregierung unterstützt deshalb
Gerechtigkeit zu sorgen.“ LSBTIQ*(lesbisch, schwul, bi­
Bundesfamilienministerin Lisa Paus sexuell, transsexuell, intersexu­
ell, queer)-Rechte sowie den Ab­
bau von Diskriminierungen. Die
Regierung hat dafür auch das
Amt eines oder einer Beauftrag­
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 120 | 121

ten für die Akzeptanz sexueller unterschiedliche Gesetze erlassen, die Gehälter
und geschlechtlicher Vielfalt ein­ transparenter machen oder auf mehr Frauen in
geführt. Führungspositionen zielen, auch mithilfe von Quo­
ten. Auch Allein- und Getrennterziehende erhalten
G E Z I E LT E F Ö R D E R U N G zusätzlich gezielte Unterstützung wie einen steuer­
F Ü R FA M I L I E N lichen Entlastungsbetrag oder bei Bedarf einen Un­
Viele Menschen in Deutschland terhaltsvorschuss.
leben in einer Familie, insge­
samt gab es 2021 rund 11,6 Mil­ S OZ I A L S TA AT F Ü R A L L E M E N S C H E N
lionen Familien. Sie zu unter­ Deutschland ist ein Sozialstaat und setzt sich für
stützen und zu fördern ist ein wirtschaftliche Sicherheit und soziale Gerechtigkeit
wesentliches Ziel der deutschen aller Bürgerinnen und Bürger ein. Im Jahr 2021 gab
Familienpolitik. Die Bundesre­ Deutschland 1,16 Billionen Euro – das entspricht
gierung setzt sich gezielt für die 32,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – für
gute Vereinbarkeit von Beruf und Sozialleistungen aus.
Familie, finanzielle Stabilität
und gute Kinderbetreuung ein: Ein wesentlicher Bestandteil des Sozialstaats ist eine
So kann jeder Elternteil bis zu Kombination verschiedener Versicherungen: Die
drei Jahre Elternzeit nehmen, um gesetzliche Kranken-, Renten-, Unfall-, Pflege- und
den Nachwuchs zu betreuen und Arbeitslosenversicherung schützt die Bürgerinnen
zu erziehen. und Bürger vor existenziellen Gefahren. Rentnerin­
nen und Rentner, Mütter, Familien und dauerhaft
Der Staat zahlt zudem ein Eltern­ Erwerbsunfähige werden in besonderem Maße mit
geld, das fehlendes Einkommen Grundsicherungen oder etwa steuerlichen Leistun­
ausgleicht, wenn Eltern ihr Kind gen gefördert. Das System der Grundsicherung wird
nach der Geburt betreuen. Wei­ die Bundesregierung zudem durch ein neues Bür­
tere finanzielle Hilfen erhalten gergeld weiterentwickeln.
Familien zum Beispiel über das
Kindergeld, den Kinderzuschlag ENGAGIERTE BÜRGER INNEN UND BÜRGER
oder das Mutterschaftsgeld. Eine wichtige Säule des sozialen Miteinanders in
Deutschland ist die lebendige Zivilgesellschaft. Ihr
Familiengründung bedeutet häu­ Engagement ist hoch: Rund 29 Millionen Menschen
fig insbesondere für Mütter im­ in Deutschland, das entspricht knapp 40 Prozent der
mer noch einen Einschnitt im Bevölkerung, engagieren sich in ihrer Freizeit eh­
Berufsleben. Insgesamt sind renamtlich in Bereichen wie Sport, Kultur, Musik,
Frauen noch öfter als Män­ Umwelt- und Naturschutz, Soziales oder Bildung.
ner von Benachteiligungen am Sie leisten mit ihrem freiwilligen Engagement einen
Arbeitsmarkt betroffen. Für die wichtigen Beitrag für Vielfalt, Gerechtigkeit und
Arbeitswelt wurden deshalb Freiheit in Deutschland. 
Die deutsche Gesellschaft ist bunt und offen. 22,3 Millionen Menschen haben einen Migrationshintergrund.

lifizierte Zuwanderung von Fach­


Zuwanderung kräften aus aller Welt. Zugleich
steht Deutschland zu seiner hu­
und Integration manitären Verantwortung für
Geflüchtete und Schutzsuchende,
die etwa aus Krisen- und Kon­
Deutschland hat sich zu einem beliebten Einwan­ fliktregionen fliehen.
derungsland entwickelt. 22,3 Millionen Menschen
mit Migrationshintergrund leben hier. Deutschland VIELE MENSCHEN MIT
ist dabei das beliebteste Zielland für Zuwanderinnen M I G R AT I O N S H I N T E R G R U N D
und Zuwanderer in der EU und auch international in Insgesamt lebten im Jahr 2021
die Weltspitze aufgerückt. In keinem der 38 Länder rund 10,9 Millionen Menschen
der Organisation für wirtschaftliche Zusammen­ mit ausländischem Pass in
arbeit und Entwicklung (OECD) ist die Zuwanderung Deutschland. 22,3 Millionen Per­
in den vergangenen Jahren so stark gestiegen wie in sonen hatten einen Migrations­
Deutschland. Die Bundesregierung baut auf die qua­ hintergrund. Zu ihnen zählen
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 122 | 123

übrigen Menschen mit Migrationshintergrund sind


eingebürgert. Allein 2021 wurden rund 131.600 Aus­
länderinnen und Ausländer eingebürgert.

SCHUTZ FÜR GEFLÜCHTETE –


FLUCHTURSACHEN REDUZIEREN
Deutschland steht zu seinen internationalen Ver­
pflichtungen zum Schutz von Geflüchteten und setzt
sich dafür ein, weltweit Fluchtursachen zu bekämp­
fen. Im Jahr 2015 war die Zahl der zugezogenen Aus­
länderinnen und Ausländer mit zwei Millionen so
hoch wie nie zuvor. Viele der Menschen kamen als
Schutzsuchende, sie flohen vor Kriegen und Konflik­
ten, zum Beispiel in Syrien und in Irak. Im Jahr 2021
gab es 190.800 Anträge auf Asyl.

Die Bundesregierung setzt sich für die Reduzierung


der Ursachen von Flucht und irregulärer Migra­
tion sowie für die aktive Gestaltung und Steuerung
von Migrationsprozessen ein. Hierzu gehören die
Rückkehr von Menschen ohne Bleibeperspektive
in Deutschland, die Förderung der Reintegration in
den Herkunftsländern sowie die Unterstützung von
Transit- und Aufnahmestaaten. Um Migration akti­
Zuwandererinnen und Zuwan­ ver zu gestalten, strebt Deutschland auch partner­
derer, in Deutschland geborene schaftliche Vereinbarungen mit Herkunftsländern
Ausländerinnen und Ausländer an. Darüber hinaus engagiert sich die Bundesrepu­
sowie Menschen mit einem zu­ blik für eine grundlegende Reform des EU-Asylsys­
gewanderten oder ausländi­ tems mit dem Ziel einer gerechten Verteilung und
schen Elternteil. Diese Gruppe fairen Standards in den Abläufen.
entspricht etwa einem Viertel
der Gesamtbevölkerung. Rund Gleichzeitig will Deutschland neue Chancen eröff­
11,8 Millionen Personen mit Mig­ nen: Gut integrierte Jugendliche sollen nach drei
rationshintergrund hatten einen Jahren die Möglichkeit erhalten, ein Bleiberecht
deutschen Pass. Mehr als die Hälf­ zu bekommen. Menschen, die seit fünf Jahren in
te von ihnen besaß die deutsche Deutschland leben und bestimmte Voraussetzun­
Staatsangehörigkeit seit ihrer gen erfüllen, erhalten eine einjährige Aufenthalts­
Geburt. Ein weiterer großer Teil erlaubnis auf Probe, um in dieser Zeit die weiteren
kam als (Spät-)Aussiedlerin oder Bedingungen für ein dauerhaftes Bleiberecht zu
Aussiedler nach Deutschland. Die erreichen.
FA C H K R Ä F T E Z U WA N D E R U N G Angebot, aber auch eine Ver­
AU S D R I T T S TA AT E N pflichtung zu eigener Anstren­
Migrantinnen und Migranten leisten einen bedeu­ gung. Sie kann nur als wechsel­
tenden Beitrag zur gesellschaftlichen und wirtschaft­ seitiger Prozess gelingen. Nach
lichen Entwicklung in Deutschland. Der wachsende dem Aufenthaltsgesetz haben
Bedarf an Fachkräften zieht zunehmend gut qualifi­ diejenigen Ausländerinnen und
zierte Menschen aus dem Ausland an. Die Bundesre­ Ausländer, die rechtmäßig und
gierung möchte weitere Zuwanderung ermöglichen, auf Dauer im Bundesgebiet le­
auch um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ben, Anspruch auf Integrations­
der sich aus dem demografischen Wandel ergibt. leistungen des Bundes. Diese
Leistungen dienen der Sprach­
Ergänzend zur verstärkten Aktivierung des inlän­ vermittlung, der Integration in
dischen Potenzials von Erwerbspersonen und zur Ausbildung, Arbeit und Bildung
Zuwanderung aus EU-Staaten sieht die Bundesre­ sowie der gesellschaftlichen In­
gierung auch in der Fachkräftezuwanderung aus tegration. Ziel ist, die Menschen
Drittstaaten einen Weg, um der demografischen in die Gesellschaft einzubeziehen
Entwicklung entgegenzusteuern und einen Bei­ und ihnen Teilhabe zu ermög­
trag zur Fachkräftesicherung zu leisten. Zudem will lichen. Als zentrale Maßnahme
Deutschland die Visavergabe beschleunigen und wird der Integrationskurs ange­
verstärkt digitalisieren. boten, der aus einem Sprachkurs
und einem Orientierungskurs
E R F O L G R E I C H E I N T E G R AT I O N besteht. Die Bundesregierung
Die Integrationspolitik ist ein zentrales Politikfeld will zudem Berufssprachkur­
in Deutschland und wird als eine gesamtgesell­ se stärker fördern. Ein weiteres
schaftliche Aufgabe angesehen. Integration ist ein Ziel der Bundesregierung be­

WEGMARKEN

1955 1964 1990


Starkes Wirtschafts- Der millionste Arbeitsmi- Mit dem Fall des Eisernen
wachstum führt Mitte der grant, „Gastarbeiter“ ge- ­Vorhangs sowie den Kriegen
1950er-Jahre zu Arbeits- nannt, wird willkommen im damaligen Jugoslawien
kräftemangel in Deutsch- geheißen. Mit der Ölkrise nimmt die ­Zuwanderung 1990
land. Anwerbeverträge mit im Jahr 1973 setzt ein An- rasant zu. Zudem ziehen
­Italien, Spanien, Griechen- werbestopp ein. Etwa vier 400.000 Deutschstämmige aus
land, der Türkei, Marokko, Millionen ausländische Mittel- und Ost­europa nach
Portugal, ­Tunesien, Jugo- Menschen leben nun in Deutschland.
slawien folgen. Deutschland.
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 124 | 125

steht darin, die Bildungsbetei­ schnell eine Ausbildung beginnen oder in den Beruf
ligung gerade junger Auslände­ einsteigen können. Daher hat die Bundesregierung
rinnen und Ausländer weiter zu 2019 das Gesetz zur Ausbildungs- und Beschäfti­
erhöhen. Etwa ein Drittel der gungsförderung von Ausländern eingeführt. Wer
20- bis 34-jährigen ausländi­ eine gute Bleibeperspektive hat, kann nun zügiger
schen Erwachsenen bleibt ohne einen Job beginnen. Die Vermittlung in Sprachkurse
Berufsabschluss. und andere Integrationsangebote verbessert das Ge­
setz ebenfalls.
Mit der Reform des Staatsbür­
gerschaftsrechts 2014 wurde die Auch die Regelungen zu Asylbewerberleistungen
doppelte Staatsbürgerschaft ein­ hat die Bundesregierung 2019 geändert. Die An­
geführt. Für in Deutschland nach passungen sollen verhindern, dass Geflüchtete Aus­
1990 geborene und aufgewachse­ bildung oder Studium aus finanziellen Gründen
ne Kinder ausländischer Eltern abbrechen müssen. Die Regierung will zudem den
wurde die „Optionspflicht“ ab­ Zugang zur Gesundheitsversorgung unbürokrati­
geschafft: Zuvor mussten sie sich scher gestalten.
bis zum vollendeten 23. Lebens­
jahr für eine Staatsangehörigkeit Auch das Ehrenamt spielt bei der Integration eine
entscheiden. wichtige Rolle – sowohl durch zahlreiche Freiwillige,
die sich mit Kursen und Alltagshilfen für Geflüch­
FINANZIELLE SICHERHEI T IN tete oder Migrantinnen und Migranten engagieren
AU S B I L D U N G O D E R S T U D I U M als auch durch Zugewanderte, die selbst Ehrenäm­
Zuwanderinnen und Zuwande­ ter übernehmen. Die Übernahme von Ehrenämtern
rer, die voraussichtlich länger wird im Rahmen des angepassten Asylbewerberleis­
in Deutschland bleiben, sollen tungsgesetzes ebenfalls gefördert.

1997 2014 2020


Seit Mitte der 1980er-Jahre Die doppelte Staatsbürger- Im März tritt das Fach-
­kommen zunehmend auch schaft wird eingeführt. In kräfteeinwanderungs-
Asylsuchende nach Deutsch- Deutschland aufgewach- gesetz in Kraft. Es soll die
land. Das Dubliner Überein- sene Kinder ausländischer qualifizierte Zuwanderung
kommen regelt von 1997 Eltern müssen sich unter aus dem Ausland nach
an die Zuständigkeit der bestimmten Vorausset- Deutschland stärken. Die
europäischen Staaten bei zungen nicht mehr für Bundesregierung will
Asylverfahren. eine Staatsangehörigkeit das Einwanderungsrecht
entscheiden. weiterentwickeln.
Nur knapp die Hälfte der Men­
schen in Deutschland lebt noch
Plurale in einer Familie. Trotz der rück­
läufigen Entwicklung traditio­
Lebensformen neller Familienstrukturen waren
Ehepaare mit minderjährigen
Kindern 2021 mit rund 70 Pro­
Neue Formen des Zusammenlebens prägen die zent die häufigste Familienform.
deutsche Gesellschaft. Doch auch in der individua­ Die Zahl der Eheschließungen lag
lisierten und hochmobilen Welt des 21. Jahrhun­ 2021 bei 357.800. Etwas mehr als
derts kommt der Familie eine zentrale Bedeutung jede dritte Ehe wird wieder ge­
zu. Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie schieden. Etwa 42.000 Ehen wur­
Allensbach weisen mehr als drei Viertel der Bevöl­ den 2021 zwischen Deutschen
kerung (77 Prozent) der Familie den ersten Rang in und Ausländerinnen oder Aus­
ihrem Leben zu. Gleichzeitig verändert sich zuneh­ ländern geschlossen.
mend die Vorstellung darüber, wie eine Familie ty­
pischerweise aussieht. Deutlich steigt die Zahl der
Paare mit Kindern in nicht ehe­
lichen Lebensgemeinschaften.
Zwischen 1999 und 2019 verdop­
pelte sich ihr Anteil an den heute
8,2 Millionen Familien mit min­
derjährigen Kindern; mehr als je­
des zehnte Paar mit Kind ist un­
verheiratet. Dazu kommen rund
EHE FÜR ALLE
2,6 Millionen Alleinerziehende,
meist sind dies Frauen. Allein­
Es war ein Meilenstein der Gleichberechti-
erziehende sind häufig Armutsri­
gung: Im Jahr 2017 trat in Deutschland ein
siken ausgesetzt, rund 38 Prozent
Gesetz in Kraft, das die Ehe für homosexuelle
von ihnen beziehen staatliche
Paare ermöglicht. Zuvor konnten gleichge-
schlechtliche Paare nur eine Lebenspart- Unterstützungsleistungen.
nerschaft eintragen, ein eheähnliches Kon-
zept. Die „Ehe für alle“ öffnet die Heirat in M E H R G L E I C H G E S C H L E C H T­
Deutschland seitdem auch für homosexuelle L I C H E PA R T N E R S C H A F T E N
Paare und bedeutet für Schwule und Lesben In Deutschland wohnten 2019
ein großes Stück gesellschaftliche Gleichbe- rund 142.000 homosexuelle Paa­
rechtigung. Seit Einführung der „Ehe für alle“ re zusammen – über die Hälfte
wurden bis Ende 2021 in Deutschland 65.600 mehr als zehn Jahre zuvor. Rund
gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen.
34.000 von ihnen lebten in einer
eingetragenen Partnerschaft, die
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 126 | 127

Freiheit und Gleichheit: Die Menschen in Deutschland entscheiden selbst darüber, wie und mit wem sie zusammenleben.

seit 2001 gleichgeschlechtlichen meinschaft einführen. Dabei soll es zwei oder mehr
Paaren eine rechtliche Absiche­ Personen ermöglicht werden, rechtlich füreinander
rung ihrer Beziehung ermög­ Verantwortung zu übernehmen.
licht. 2017 beschloss der Bundes­
tag die sogenannte „Ehe für alle“. Während einerseits neue Formen des Zusammenle­
Homosexuelle Paare haben jetzt bens entstehen, wächst die Zahl der Ein-Personen-
das Recht auf eine vollwertige Haushalte. Mehr als 40 Prozent aller Privathaushalte
Eheschließung und damit bei­ sind Single-Haushalte. Diese Entwicklung ist einer­
spielsweise auch auf die Adop­ seits Folge des demografischen Wandels, durch den
tion von Kindern. Ende 2019 gab sich die Zahl der alleinlebenden älteren Menschen
es rund 52.000 gleichgeschlecht­ erhöht, andererseits leben jedoch auch mehr junge
liche Ehepaare. Die Bundesre­ Menschen als Single. Laut einer Vorausberechnung
gierung will darüber hinaus das des Statistischen Bundesamts wird 2040 jeder vierte
Prinzip der Verantwortungsge­ Mensch in Deutschland alleine wohnen. 
Zahlen und Fakten zu
Zuwanderung und Integration
Z U WA N D E R U N G N A C H D E U T S C H L A N D
Mehrere Hunderttausend Menschen kommen jedes Jahr nach Deutschland.
Eine Rekordzahl an Zuwanderinnen und Zuwanderern verzeichnete Deutschland im Jahr 2015.

2,1 Mio.
2 MIO.

1,5 MIO.

1,2 Mio.
1 MIO. 0,8 Mio. 0,7 Mio. 0,8 Mio.

0
2000 2005 2010 2015 2020
Quelle: Statistisches Bundesamt

MENSCHEN MIT
M I G R AT I O N S H I N T E R G R U N D
MEHRSPR ACHIGKEI T

53  % 47  %
deutsche ausländische
Staatsangehörigkeit Staatsangehörigkeit

49 %
Knapp die Hälfte aller Im Jahr 2021 hatten
Personen mit Migrationshintergrund
ist mehrsprachig und spricht 22,3 Millionen Menschen
zu Hause sowohl Deutsch als auch in Deutschland einen
(mindestens) eine weitere Sprache.  Migrationshintergrund. 
Quelle: Statistisches Bundesamt
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 128 | 129

ASYL

„Heute ist
Deutschland ein
vielfältiges und starkes
Land in der Mitte
Europas. Wir sind
dankbar für den
Beitrag, den viele 2021 wurden in Deutschland rund

190.800
Menschen dafür
geleistet haben, auch
Einwanderinnen,
Einwanderer, ihre ANTRÄGE AUF ASYL
Kinder und Enkel.“ gestellt. Die drei häufigsten
R E E M A L A B A L I - R A D O VA N , Herkunftsländer der Schutzsuchenden
BE AUF TR AGTE DER waren Syrien, Irak und Iran.
BUNDESREGIERUNG FÜR
M I G R AT I O N , F L Ü C H T L I N G E Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
U N D I N T E G R AT I O N

Z AHL DER EINBÜRGERUNGEN


Jedes Jahr werden in Deutschland mehr als 100.000 Menschen eingebürgert.

150.000
131.600
128.900

140.000

130.000
112.300
112.400
112.300

112.200

109.900
110.400
108.400

107.300

120.000

110.000

100.000
2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
Quelle: Statistisches Bundesamt
und der Evangelischen Kirche in
Deutschland als Dachverband.
Die katholische Kirche mit mehr
Freie als 21 Millionen Mitgliedern in
9.900 Gemeinden gehört der
Religionsausübung Weltkirche mit dem Papst als
Oberhaupt der römisch-katholi­
schen Kirche an. Die Evangelische
Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist in Kirche in Deutschland (EKD) ist
Deutschland durch das Grundgesetz garantiert. „Die die Gemeinschaft der 20 selbst­
Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit ständigen evangelischen Landes­
des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses kirchen lutherischen, reformier­
sind unverletzlich“, heißt es in Artikel 4 der Verfas­ ten und unierten Bekenntnisses.
sung. Dies umfasst die Freiheit, seine Religion zu be­ Mit rund 20 Millionen Mitglie­
kunden und auszuüben, oder auch zu entscheiden, dern umfasst sie den größten Teil
keine Religion zu haben. der evangelischen Christen. Rund
41 Prozent der Bevölkerung gehö­
Wachsende Pluralität und zunehmende Säkulari­ ren keiner Konfession an.
sierung kennzeichnen die religiöse Landschaft in
Deutschland. Rund 51 Prozent der deutschen Be­ WA C H S E N D E B E D E U T U N G
völkerung bekennen sich zu einer der beiden großen DES ISLAM
christlichen Konfessionen, organisiert in den 27 ka­ Der Islam gewinnt durch Migrati­
tholischen Diözesen und der Deutschen Bischofs­ on an Bedeutung für das religiöse
konferenz sowie den evangelischen Landeskirchen Leben. Die Zahl der aus 50 Natio­
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 130 | 131

Fünf Millionen Musliminnen und Muslime


leben in Deutschland.

nen sind in rund 100 jüdischen Gemeinden organi­


siert, die ein weites religiöses Spektrum aufweisen
und vom 1950 gegründeten Zentralrat der Juden in
Deutschland vertreten werden.

„Die Musliminnen und


PA R T N E R S C H A F T E N Z W I S C H E N S TA AT
Muslime in Deutschland
UND REL IGIONSGEMEINSCHAF TEN
und ihre Religion sind ein
Deutschland hat keine Staatskirche. Staat und Religi­
selbstverständlicher Teil
onsgemeinschaften kooperieren auf partnerschaft­
unserer Gesellschaft.“
licher Basis. Der Staat beteiligt sich an der Finanzie­
Bundesinnenministerin Nancy Faeser
rung von Kindergärten und Schulen in Trägerschaft
der Religionsgemeinschaften. Die Kirchen erheben
eine Kirchensteuer, die vom Staat eingezogen wird,
um soziale Dienste zu finanzieren. Schulen müssen
Religion als reguläres Unterrichtsfach anbieten, in
Berlin und Bremen gilt dies eingeschränkt.
nen stammenden Musliminnen
und Muslime in Deutschland wird Der islamische Religionsunterricht wird ausgebaut.
mit etwa 5,3 bis 5,6 Millionen be­ Um muslimischen Kindern und Jugendlichen, die in
ziffert, eine zentrale Ermittlung Deutschland zur Schule gehen, Religionsunterricht
findet jedoch nicht statt. In vielen anbieten zu können, werden zusätzliche Pädagogin­
Städten haben sich größere mus­ nen und Pädagogen ausgebildet. 
limische Gemeinden gebildet. Mit
der Deutschen Islam Konferenz
(DIK) existiert seit 2006 ein offi­
zieller Rahmen für den Austausch
zwischen Staat und Muslimin­
nen sowie Muslimen. Zudem gibt
es etwa Ausbildungsprogramme
für Imaminnen und Imame an
deutschen Universitäten, die die
Bundesregierung weiter ausbauen
will.

Das jüdische Leben, das nach dem


Holocaust völlig zerstört war, ist
in Deutschland wieder fest veran­
kert. Heute leben in Deutschland
wieder rund 225.000 Jüdinnen
und Juden. Rund 92.000 von ih­ Jüdisches Leben in Deutschland: die Synagoge in Speyer
und Arbeiter eingeführt. Mit der
Sozialgesetzgebung, die in den da­
rauffolgenden Jahren ausgebaut
wurde, entstand die Basis einer
Starker sozialstaatlichen Orientierung.
Im Grundgesetz der Bundesre­
Sozialstaat publik Deutschland wurde das
Sozialstaatsprinzip ebenfalls ver­
ankert. Wie es ausgestaltet wird,
Deutschland verfügt weltweit über eines der umfas­ müssen Politik und Gesellschaft
sendsten Sozialsysteme. Wie auch in anderen entwi­ jeweils neu verhandeln; vor allem
ckelten Demokratien stellen die Sozialausgaben den der demografische Wandel macht
größten Einzelposten der Staatsausgaben dar. Rund Anpassungen notwendig.
1,19 Billionen Euro wurden 2020 für öffentliche Sozial­
ausgaben aufgewendet, was einem Anteil von 33,6  Pro­ U M FA S S E N D E R S C H U T Z
zent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. DURCH VERSICHERUNGEN
Heute schützt ein eng gewebtes
Die wohlfahrtsstaatlichen Sozialsysteme haben eine Netz aus gesetzlicher Kranken-,
Tradition, die bis in die Zeit der Industrialisierung Renten-, Unfall-, Pflege- und Ar­
Deutschlands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­ beitslosenversicherung die Bürge­
derts zurückreicht und mit dem damaligen Reichs­ rinnen und Bürger vor den Folgen
kanzler Otto von Bismarck in Verbindung gebracht existenzieller Risiken und Be­
wird. Unter Bismarck wurde 1883 zunächst die ver­ drohungen. Daneben umfasst das
pflichtende Krankenversicherung für Arbeiterinnen soziale Netz die Grundsicherung
für Rentnerinnen und Rentner
und dauerhaft Erwerbsunfähige
oder steuerliche Leistungen wie
den Familienleistungsausgleich.
S O Z I A L S TA AT I M G R U N D G E S E T Z Familien erhalten monatlich ein
Kindergeld. Zudem sieht der Ko­
In den Artikeln 20 und 28 bezeichnet das alitionsvertrag der Bundesregie­
Grundgesetz den deutschen Staat als einen rung vor, Kinderrechte im Grund­
demokratischen und sozialen Bundes- und gesetz zu verankern.
Rechtsstaat. Die Gesetzgebung muss sich
also um soziale Gerechtigkeit und die soziale
Das 2014 in Kraft getretene Ren­
Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger küm-
tenpaket verbesserte vor allem die
mern. Wichtige Bereiche sind unter anderen
die Arbeitsgesetzgebung und die Steuer­
Situation älterer Menschen. Mit
gesetzgebung sowie die Sozialversicherung. der Reform wurden unter ande­
rem die abschlagsfreie Rente ab
63 Jahren und die sogenannte
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 132 | 133

Selbstbestimmtes Leben, gesellschaftliche Teilhabe: Seniorinnen und Senioren werden in Deutschland gezielt unterstützt.

Mütterrente eingeführt. Sie gilt wiederum können seit dem 1. Juli 2014 mit 63 Jahren
als eine Anerkennung für die ohne Abschläge in Altersrente gehen.
erbrachte Erziehungsleistung.
Frauen, die vor 1992 geborene A B S I C H E R U N G F Ü R Ä LT E R E M E N S C H E N
Kinder erzogen haben, hatten Anfang 2021 wurde eine Grundrente eingeführt.
nicht die Betreuungsmöglichkei­ Wer mindestens 33 Jahre in die Rentenversicherung
ten, wie Eltern sie heute haben, eingezahlt und wenig verdient hat, soll künftig
und damit auch weniger Chan­ einen Zuschlag erhalten. Die Grundrente kommt
cen in der Arbeitswelt. Diese Er­ rund 1,3 Millionen Menschen zugute, viele davon
ziehungsleistung wird mit der sind Frauen.
Mütterrente gewürdigt. Rund
9,5 Millionen Frauen und weni­ In Deutschland ist eine Krankenversicherung ge­
ge Männer erhalten seit Juli 2014 setzliche Pflicht. Die medizinische Versorgung der
pro Kind und Jahr über 300 Euro Menschen wird durch ein breites Angebot an Kran­
mehr Rente. Langjährig Renten­ kenhäusern, Arztpraxen und Reha-Einrichtungen
versicherte mit 45 Beitragsjahren gewährleistet. 
Neue Rollenverteilung:
Immer mehr Väter in Deutsch-
land nehmen Elternzeit.

Familien und
­Gleichberechtigung
Durch Elternzeit, Elterngeld und gute Betreuungs­ Partnern, die Arbeit für bis zu drei
angebote unterstützt Deutschland Familien und stärkt Jahre ruhen zu lassen. Es besteht
die gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben. Damit in dieser Zeit auch ein besonde­
trägt die Politik auch gesellschaftlichen Veränderun­ rer Kündigungsschutz. Fehlendes
gen Rechnung. So ist der Anteil erwerbstätiger Mütter Einkommen durch die Betreuung
innerhalb von zehn Jahren um gut fünf Prozentpunkte der Kinder soll durch das Eltern­
auf rund 75 Prozent im Jahr 2020 gestiegen. Mehr als geld ausgeglichen werden. Je nach
zwei Drittel der erwerbstätigen Frauen mit Kindern vorherigem Einkommen liegt es
arbeiten auf Teilzeitbasis. zwischen 300 und 1.800 Euro. Ge­
meinsam steht die Unterstützung
Die 2007 eingeführte Elternzeit macht die Fami­ beiden Eltern 14 Monate zu. Betei­
liengründung und die berufliche Weiterentwicklung ligen sich beide an der Betreuung
leichter miteinander vereinbar. Sie erlaubt es beiden der Kinder, kann jedes Elternteil
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 134 | 135

Elterngeld Plus lohnt sich der frühe Wiedereinstieg in


den Beruf für sie nun mehr. Eltern, die in Teilzeit arbei­
ten, bekommen dadurch bis zu 28 Monate lang finan­
zielle Unterstützung.

Seit dem 1. August 2013 haben Kinder nach dem ersten


Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreu­
ungsplatz. Insgesamt besuchen mehr als 2,6 Millionen
Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt
eine Kindertagesbetreuung. Die Betreuungsquote
der Kinder unter drei Jahren betrug am 1. März 2021
34,4 Prozent.

GLEICHBERECHT IGUNG DER GESCHLECHTER


Elternzeit, Elterngeld und verbesserte Rahmenbedin­
gungen für die Betreuung schaffen weitere Voraus­
setzungen für die im Grundgesetz festgeschriebene
Gleichberechtigung von Frauen. Im Bildungsbereich
haben junge Frauen die jungen Männer zum Teil schon
überholt. So lag im Wintersemester 2021/2022 der
Frauenanteil unter den Studienanfängern bei 52 Pro­
zent. Allerdings bestehen zwischen den Geschlechtern
nach wie vor Unterschiede bei Verdienstchancen und
mindestens zwei und höchstens Karrierewegen: Selbst bei gleicher formaler Qualifi­
zwölf Monate Elterngeld bekom­ kation und gleichen Merkmalen verdienen Frauen im
men. Auch immer mehr Väter neh­ Durchschnitt etwa sechs Prozent weniger als Männer.
men dieses Angebot an und lassen In Leitungspositionen sind sie weiterhin unterreprä­
ihren Job für ein paar Wochen oder sentiert. Die Bundesregierung setzt sich aber aktiv da­
Monate ruhen. für ein, Unterschiede zu beseitigen. Neben der direkten
Unterstützung etwa durch das Elterngeld sollen Rege­
FRÜHER WIEDEREINSTIEG lungen wie das Gesetz zur Förderung der Entgelttrans­
IN DEN BERUF LOHNT SICH parenz helfen, die Lohnlücke zwischen Frauen und
Es sind aber weiterhin vor allem Männern zu schließen. Zudem sorgen Quotenregelun­
die Mütter, die nach der Geburt gen dafür, dass Frauen mehr Führungspositionen be­
des Kindes längere Zeit zu Hause kleiden. Auch international engagiert sich die Bundes­
bleiben. Mit dem 2015 ergänzten regierung für die Gleichstellung der Geschlechter. 
gagement ist vielfältig und kommt
verschiedenen Gruppen zugute.
Die meisten Freiwilligen sind im
Engagierte Bereich Sport und Bewegung ak­
tiv, es folgen die Bereiche Kultur
Zivilgesellschaft und Musik, Soziales sowie Schule
und Kindergarten.

Rund 29 Millionen Menschen in Deutschland enga­ Zivilgesellschaft kennzeichnet je­


gieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich und über­ nen Bereich der Gesellschaft, der
nehmen Verantwortung für die Gesellschaft. Das nicht staatlich oder parteipolitisch
bedeutet einen Anteil von knapp 40 Prozent an der ist, sondern sich freiwillig und
Gesamtbevölkerung. Dieser Wert ist in den vergan­ öffentlich in gesellschaftlichen
genen 20 Jahren deutlich gestiegen, 1999 lag er noch und politischen Fragen engagiert.
bei rund 31 Prozent. Eine Mehrheit von 60 Prozent der Vereine spielen beim freiwilli­
Befragten des 2021 erschienenen Fünften Deutschen gen Engagement eine wichtige
Freiwilligensurveys investiert wöchentlich bis zu zwei Rolle. Gemeinsam mit Wohl­
Stunden in das Ehrenamt, 17 Prozent wenden sogar fahrtsverbänden, Kirchen, Genos­
sechs und mehr Stunden für die freiwillige Tätigkeit senschaften, Hilfsorganisationen,
auf. Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie: Das En­ gemeinnützigen Unternehmen
und Privatinitiativen bilden die
Mitglieder der 620.000 Vereine das
Rückgrat des „dritten Sektors“.

E I N S AT Z I N
BÜRGERSTIF TUNGEN
GRENZENLOS ENGAGIERT
Vor allem Stiftungen gewinnen
kontinuierlich an Bedeutung.
In Deutschland gibt es viele Möglichkei-
Deutschland ist mit fast 25.000
ten für ehrenamtliches Engagement. Ob im
rechtsfähigen Stiftungen bürger­
Kindergarten oder Seniorenheim, in der Be-
lichen Rechts, der klassischen
hindertenhilfe oder beim Umweltschutz, bei
Integrationsinitiativen oder im Sportverein
Rechtsform einer Stiftung, eines
– Freiwilligendienste sind vielfältig und rich- der stiftungsreichsten Länder
ten sich an jedes Alter. Die Bundesregierung Europas. Allein im Jahr 2021 wur­
fördert diese Form des freiwilligen Engage- den mehr als 800 neue Stiftungen
ments mit zahlreichen Angeboten. Beim In- errichtet. Im Bundesdurchschnitt
ternationalen Jugendfreiwilligendienst etwa kommen auf 100.000 Einwohner
engagieren sich Teilnehmende weltweit im 29 Stiftungen. Alle Stiftungen
sozialen oder ökologischen Bereich sowie in sämtlicher Rechtsformen verfü­
der Friedens- und Versöhnungsarbeit.
gen zusammen über ein Vermö­
gen von etwa 110 Milliarden Euro.
V I E L FÄ LT I G E G E S E L L S C H A F T 136 | 137

Mehr als die Hälfte der Stiftungen gemeinsam als Stifter auftreten, um lokale oder regio­
(51,8 Prozent) verfolgt vor allem nale Vorhaben zu fördern. Erste Stiftungen dieser Art
gesellschaftliche Zwecke. Auch entstanden 1996. Es gibt inzwischen mehr als 250 Bür­
die Bereiche Bildung und Erzie­ gerstiftungen, die das Gütesiegel des Bundesverbands
hung (34,5 Prozent) sowie Kunst Deutscher Stiftungen tragen.
und Kultur (31,6 Prozent) werden
häufig unterstützt. Die fünf größ­ Das bürgerschaftliche Engagement hat in den ver­
ten privatrechtlichen Stiftungen, gangenen Jahren leicht zugenommen, es verlagert sich
gemessen an ihren Ausgaben, sind aber von den größeren Verbänden stärker hin zu klei­
die SRH Holding, die RAG-Stif­ nen, selbstorganisierten Gruppen und wechselnden
tung, die Evangelische Stiftung Projekten. Insbesondere während des starken Zuzugs
Alsterdorf, die VolkswagenStif­ von Flüchtlingen in den Jahren 2015 und 2016 enga­
tung und die Deutsche Bundesstif­ gierten sich viele Menschen in Deutschland ehren­
tung Umwelt. amtlich in lokalen Initiativen zur Unterstützung der
Schutzsuchenden. Die Corona-Pandemie hat neue
Stark im Kommen sind Bürger­ Aufgaben und Formen des ehrenamtlichen Engage­
stiftungen, bei denen Bürgerinnen ments hervorgebracht, etwa Einkaufshilfen für Men­
und Bürger sowie Unternehmen schen aus Risikogruppen.

Aktiv in der Freizeit: Viele Menschen in Deutschland unterstützen ehrenamtlich Projekte und Vereine.
Kultur und Medien
L E B E N DIG E K U LT U R N AT IO N
Deutschlands Kultur- und Medienlandschaft ist vielfältig, vom
Föderalismus der Bundesrepublik geprägt und offen für neue
Wege und Einflüsse aus aller Welt. Ein Überblick.

K U LT U R E L L E R DI A L O G
Internationale Zusammenarbeit und der Austausch zwischen
Gesellschaften in Kultur und Bildung ist auch ein zentrales An-
liegen deutscher Außenpolitik.

F R E I H E I T VO N K U N S T U N D K U LT U R
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Kultur in ih-
rer Vielfalt als Staatsziel zu verankern. Ihre Unabhängigkeit ist
durch das Grundgesetz geschützt.

G A R A N T I E R T E M E DI E N F R E I H E I T
Eine freie Presse zählt zu den wichtigsten Voraussetzungen
für eine Demokratie. Die Digitalisierung verändert die Medien-
branche.

AT T R A K T I V E S P R AC H E
Deutsch zu lernen liegt im Trend. Grund dafür sind attraktive
Arbeitsmöglichkeiten und eine hohe Lebensqualität in
Deutschland.
Rund 1998
130 MIO. wurde das Amt der
oder des Beauftragten
MENSCHEN der Bundesregierung
sprechen Deutsch als Muttersprache für Kultur und Medien
oder regelmäßig benutzte Zweitsprache. geschaffen.

Weltweit schafft
das Goethe-Institut an
K U LT U R U N D M E D I E N 158 INSTITUTEN
IN 98 LÄNDERN
7 Tatsachen einen Zugang zur
deutschen Sprache
und Kultur.

51
NATUR- UND KULTURERBESTÄTTEN
60 MIO. in Deutschland stehen auf der

MENSCHEN UNESCO-Welterbeliste. In Europa hat nur


Italien mehr Welterbestätten.
in Deutschland lesen
regelmäßig eine
gedruckte Zeitung oder
nutzen mindestens
einmal in der Woche
Von 1981 bis 2021
ein digitales
Zeitungsangebot.
hat Deutschland
den Erhalt von mehr als
Artikel 5
des Grundgesetzes

3.600
Kulturgütern in
garantiert die Meinungs-
und Pressefreiheit sowie
die Freiheit der Kunst.
144 Ländern gefördert.
K U LT U R U N D M E D I E N 140 | 141

ter in Berlin, dessen Intendantin


Shermin Langhoff den Begriff
des „postmigrantischen Theaters“
Lebendige prägte. Auch in der Literatur gibt
es eine starke postmigrantische
Kulturnation Strömung, vertreten etwa durch
Nino Haratischwili, Abbas Khider
oder Saša Stanišić.
Das Kulturangebot in Deutschland ist viel-
fältig, sowohl von Traditionen geprägt als auch offen FÖDER ALE TR ADI T ION
für neue Perspektiven. Die Kunstfreiheit wird genau- Zur Vielfalt der kulturellen Land-
so wie die Pressefreiheit vom Grundgesetz garantiert. schaft trägt auch der Föderalis-
mus in Deutschland bei. Die 1949
Große Namen wie Goethe, Schiller und Thomas Mann gegründete Bundesrepublik, aber
in der Literatur oder Bach, Beethoven und Brahms in auch das seit 1990 wiedervereinte
der Musik haben Deutschlands Ruf als bedeutende Deutschland haben bewusst an
Kulturnation begründet. Doch auch mit zeitgenössi- föderale Traditionen angeknüpft
schen Autorinnen und Autoren wie Juli Zeh, Carolin und die Kulturhoheit den Län-
Emcke und Navid Kermani oder Musiktalenten wie dern überantwortet. Ergebnis der
Robin Schulz, Zoe Wees und Milky Chance findet die aus vielen ehemaligen Klein- und
deutsche Kulturbranche weltweit Beachtung. Mittelstaaten sowie freien Städ-
ten bestehenden Struktur sind
In den vergangenen Jahren haben insbesondere jun- unter anderem rund 140 Stadt-
ge Kunstschaffende mit Migrationshintergrund mit und Landestheater, rund 200 Pri-
ihren Werken neue Perspektiven eröffnet und so die vattheater sowie 130 zum Teil an
Kulturlandschaft bereichert. Stellvertretend dafür die öffentlich-rechtlichen Rund-
steht zum Beispiel die Arbeit am Maxim Gorki Thea- funkanstalten gekoppelte Berufs-
orchester. Mehr als 7.200 Museen
und Ausstellungshäuser bilden
eine beispiellose Museumsland-
schaft. Dazu kommen weltweit
beachtete Kulturveranstaltungen
in ganz Deutschland wie die Ber-
linale – die Internationalen Film-
festspiele Berlin –, die Frankfurter
Buchmesse, die Bayreuther Fest-
spiele oder Rock am Ring.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft


Raum für internationale Kunst bietet die Kunsthalle Düsseldorf. gehört zudem zu den innovativsten
„Die Pressefreiheit und
die Freiheit der Bericht-
erstattung durch Rund-
funk und Film werden
gewährleistet. (...) Eine
Zensur findet nicht
statt.“
Grundgesetz, Artikel 5

Sängerin Zoe Wees mit dem Musikkorps der Bundeswehr in der Elbphilharmonie

Wirtschaftszweigen in Deutschland. Im Jahr 2020 lag schaft ermöglicht sie einen Aus-
ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt bei knapp drei tausch in sogenannten vorpoliti-
Prozent. Die Bundesregierung will die Kultur- und schen Räumen. Damit eröffnet sie
Kreativwirtschaft stärken und hat dazu Förderungen Chancen für ein besseres gegensei-
und Finanzierungsmöglichkeiten weiterentwickelt. tiges Verständnis. Krisen und Kon-
flikte können entschärft werden,
D I A L O G I N V O R P O L I T I S C H E N R ÄU M E N eine Gesprächsbasis bleibt auch in
Der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik kommt unruhigen politischen Zeiten er-
in Deutschland große Bedeutung zu. Sie ist neben der halten. Zu dieser Gesprächsbasis
klassischen Diplomatie und der Außenwirtschafts- trägt etwa bei, dass über Schutzpro-
politik zentraler Baustein des Außenpolitikspektrums. gramme des Auswärtigen Amtes
Über den Dialog zwischen Menschen und Zivilgesell- in ihren Heimatstaaten gefährdete
K U LT U R U N D M E D I E N 142 | 143

zungen setzt sich das Auswärtige Amt zudem dafür ein,


dass Deutschlands kulturelle Vielfalt auch einem inter-
nationalen Publikum offensteht.

IM GRUNDGESETZ VER ANKERTE FREIHEITEN


Die Kunstfreiheit ist in Artikel 5 des Grundgesetzes
verankert. Die Bundesregierung hat sich zudem vor-
genommen, die Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel
zu verankern. Bereits 1998 wurde das Amt der oder
des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien geschaffen. Das Grundgesetz garantiert auch
die Meinungs- und Pressefreiheit. Denn freie Medien
zählen zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine
Demokratie. „Eine Zensur findet nicht statt“, heißt es in
der Verfassung.

In der Rangliste der Pressefreiheit der Nichtregierungs-


organisation Reporter ohne Grenzen lag Deutschland
im Jahr 2021 auf dem 16. Platz von 180 Ländern. Die
Presse befindet sich nicht in der Hand von Regierungen
oder Parteien, sondern wird von privatwirtschaftlich
geführten Medienunternehmen getragen. Deutschland
ist nach China, Indien, Japan und den USA der fünft-
größte Zeitungsmarkt weltweit. Dazu kommt als wei-
tere tragende Säule der unabhängige öffentlich-recht-
liche Rundfunk, der aus allen Regionen Deutschlands
frei von wirtschaftlichen und politischen Interessen
Kunst- und Kulturschaffende Zu- objektiv und neutral berichtet.
flucht in Deutschland oder einem
Drittstaat finden und ihrer Arbeit V I E L FÄ LT I G E Z U G Ä N G E Z U R
im Rahmen von Stipendien weiter DEUTSCHEN SPR ACHE
nachgehen können. Die Restau- Knapp 15,5 Millionen Menschen lernen aktuell welt-
rierung und der Erhalt bedeuten- weit Deutsch als Fremdsprache – vor allem in Europa,
der Bauwerke und Kulturschätze aber zunehmend auch in Afrika und Asien. Deutsch-
der Welt sowie die Förderung der lands starke Wirtschaft und die Nachfrage nach Fach-
deutschen Sprache im Ausland sind kräften sowie das leistungsfähige Hochschulsystem
ebenfalls Aufgaben der Auswärti- verleihen der deutschen Sprache eine große Attraktivi-
gen Kultur- und Bildungspolitik. tät. Zugänge zur deutschen Sprache und Kultur schaf-
Mit der Förderung von Überset- fen weltweit auch 158 Goethe-Institute in 98 Ländern.
will Deutschland als Land einer
reichhaltigen und vielfältigen
Kultureller Kulturszene bekannt machen. Zu
den konkreten Initiativen gehö-
Dialog ren zum Beispiel die Förderung
verschiedener Kulturprogram-
me wie Ausstellungen, Koopera-
Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist zen- tionsprojekte deutscher Theater,
traler Baustein einer umfassenden Außenpolitik. Der Literatur- oder Filmförderung,
internationale Austausch und die Zusammenarbeit dazu kommen Bildungsprogram-
in Kultur und Bildung, Wissenschaft und Forschung me wie die Partnerschulinitiative
schaffen vorpolitische Räume und die Basis für eine „Schulen: Partner der Zukunft“
nachhaltige Außenpolitik der Gesellschaften. Über (PASCH) – einem Netzwerk von
den Dialog zwischen Menschen und Zivilgesellschaf- fast 2.000 Schulen, die Deutsch
ten eröffnen sich so Wege zu gemeinsamen Perspek- als Fremdsprache anbieten. Zu
tiven. Dies schafft auch die Grundlage dafür, Krisen den Aufgaben der Auswärtigen
und Konflikte frühzeitig zu entschärfen oder sogar Kultur- und Bildungspolitik ge-
zu verhindern. hören auch Projekte im Dialog
mit der islamischen Welt oder
K U LT U R- U N D B I L D U N G S P R O G R A M M E das Angebot „kulturweit“, das
F Ö R D E R N D E N AU S TAU S C H jungen Menschen aus Deutsch-
Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik fördert land einen Freiwilligendienst im
darüber hinaus die deutsche Sprache in der Welt und Ausland ermöglicht.
K U LT U R U N D M E D I E N 144 | 145

Restaurierung und Katalogisierung der


Handschriften von Timbuktu in Mali

Das Auswärtige Amt betraut mit Weltkulturerbes in Angkor Wat. Von 1981 bis 2021
der Umsetzung vor allem pri- wurden mehr als 3.600 Projekte in 146 Ländern mit
vatrechtlich organisierte Mitt- insgesamt fast 90 Millionen Euro gefördert.
lerorganisationen mit unter-
schiedlichen Schwerpunkten wie W E G W E I S E N D E R Ü C KG A B E V O N
das Goethe-Institut, das Institut BRONZEN AN NIGER I A
für Auslandsbeziehungen (ifa), Im Juli 2022 verständigten Deutschland und Nigeria
den Deutschen Akademischen sich auf die historische Rückgabe der sogenannten
Austauschdienst (DAAD), die Benin-Bronzen aus Westafrika, die in Folge von Plün-
Deutsche UNESCO-Kommission derungen in der Kolonialzeit in deutsche Museen ge-
(DUK), die Deutsche Auslandsge- langt waren. Damit wurde eine neue Phase der kul-
sellschaft (DAG) oder die Alexan- turellen Partnerschaft eingeleitet. Sie verstärkt die
der von Humboldt-Stiftung. Auch Zusammenarbeit zwischen den Museen und inten-
politische Stiftungen, private und siviert gemeinsame archäologische Projekte, damit
unternehmensnahe Stiftungen, mehr Menschen Zugang zu den Kunstwerken erhal-
zivilgesellschaftliche Organisa- ten. Die Vereinbarung, die von der Bundesregierung,
tionen und nachgeordnete Behör- den Ländern und Museen in Deutschland getragen
den sind Partner. wird, ist ein klares Zeichen dafür, dass Deutschland
sich verstärkt mit der Verantwortung auseinander-
In allen Projekten legt die Auswär- setzt, die aus dem Kolonialismus resultiert.
tige Kulturpolitik Wert auf einen
umfassenden Kulturbegriff, der
die außen- und gesellschaftspoliti-
sche Wirkung von Kultur im Blick
hat. Dazu gehört zum Beispiel auch
die Bedeutung des kulturellen Er-
bes für Gesellschaften: Das „Kul-
turerhalt-Programm“ unterstützt
die Bewahrung bedeutender Kul-
turgüter in der ganzen Welt und
trägt damit zu kultureller Iden-
tität bei. Dabei geht es etwa um
den Erhalt der Handschriften von
Timbuktu in Mali, die Digitalisie-
rung traditioneller Musik aus Af-
ghanistan oder die Restaurierung
und Konservierung des UNESCO- Einigung zu den Benin-Bronzen: Außenministerin Annalena
Baerbock und Nigerias Kulturminister Lai Mohammed
Künstler in finanzielle Schwie-
rigkeiten gebracht. Die Bundes-
regierung hat deshalb eine Reihe
von Programmen aufgelegt, um
Freiheit von sie zu unterstützen. Sogenannte
Solo-Selbstständige und kleine
Kunst und Kultur Unternehmen konnten beispiels-
weise Corona-Soforthilfen be-
antragen. Insgesamt wurden bis
Die Unabhängigkeit von Kunst und Kultur ist im Ende Juni 2022 fast fünf Millionen
deutschen Grundgesetz garantiert – in Artikel 5 heißt Anträge auf Zuschüsse sowie rund
es: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre 170.000 Anträge auf Kredite ge-
sind frei.“ Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass stellt. 130  Milliarden Euro wurden
Impulse aus Kunst und Kultur für eine moderne de- als Wirtschaftshilfen ausgezahlt.
mokratische Gesellschaft von großer Bedeutung sind.
Dementsprechend fördert der Staat Kulturschaffende MANIFEST FÜR DIE FREIHEI T
und -institutionen, um ihre Unabhängigkeit vom frei- DER KÜNSTE
en Markt zu sichern. Das spezielle Programm „Neu-
start Kultur“ umfasst Subven-
Zugleich werden Kunst und Kultur in Deutschland tionen von rund zwei Milliarden
auch privat gefördert, etwa von Unternehmen und Euro und ist bis vorerst 2023 ver-
Stiftungen. Häufig greifen öffentliche und private För- längert worden. Es richtet sich
derung ineinander. Der Staat unterstützt das Engage- vor allem an Kultureinrichtun-
ment dieser Geber etwa durch Steuervergünstigungen gen, die überwiegend privat fi-
und sorgt so über die eigentlichen Haushaltsmittel hi- nanziert werden. Im Sonderfonds
naus für eine mittelbare öffentliche Förderung. Darü- des Bundes für Kulturveranstal-
ber hinaus gibt es weitere Ansätze zur Subvention von tungen stehen bis zu 2,5  M illiar-
Kunst und Kultur. Die vom Bund eingerichtete Künst- den Euro zur Verfügung, um die
lersozialkasse etwa sorgt dafür, dass selbstständige Wiederaufnahme und Planbar-
Kreativschaffende in der Sozialversicherung ähnlich keit von Kulturveranstaltungen
gestellt sind wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- zu ermöglichen. Auch das Modell
mer. Sie müssen nur die Hälfte der Versicherungs- der Kurzarbeit kommt im Kul-
kosten selbst tragen, die andere Hälfte ergibt sich aus turbereich zum Einsatz.
Zuschüssen des Bundes und den Sozialabgaben von
Unternehmen der Branche. Die Freiheit von Kunst und Kultur
bleibt auch in der Corona-Pande-
P R O G R A M M „ N E U S TA R T mie ein hohes und damit schüt-
K U LT U R “ I N D E R C O R O N A - PA N D E M I E zenswertes Gut. Das gilt umso
Die Corona-Pandemie hat insbesondere kleine Kultur- mehr, als diese Autonomie seit
einrichtungen und freischaffende Künstlerinnen und einigen Jahren durch rechtsna-
K U LT U R U N D M E D I E N 146 | 147

Sorgenfrei kreativ arbeiten: Der deutsche Staat unterstützt selbstständige Kreativschaffende.

tionale Parteien in Deutschland setzung unserer kulturellen, gesellschaftlichen und


und anderen europäischen Län- politischen Lebensform“.
dern vermehrt infrage gestellt
wird. Diese fordern, Kultursub- N E U E S K U N S T N A R R AT I V
ventionen abhängig von den In- In der künstlerischen Produktion ist in den vergange-
halten zu machen. Um dem etwas nen Jahrzehnten ein neues Narrativ entstanden, das
entgegenzusetzen, haben sich auf von Einflüssen von außen, Migrationsbiografien und
Initiative der Berliner Akademie neuen Perspektiven geprägt ist. Vor allem junge Kunst-
der Künste rund 60 Institutionen schaffende haben Artikulationsformen gefunden,
zur Allianz der Akademien in auf das Aufeinandertreffen und Verschmelzen unter-
Europa zusammengetan und im schiedlicher Herkunftskulturen zu reagieren. Stellver-
Oktober 2020 in Berlin ein Ma- tretend für postmigrantische Kunst steht beispielswei-
nifest veröffentlicht. Demnach se die Arbeit am Maxim Gorki Theater in Berlin, aber
setzt sich die Allianz ein für „die auch ein Großteil der zeitgenössischen Musikkultur
Freiheit der Künste als Voraus- und Literaturproduktion. 
Deutschland ist nach China, In-
dien, Japan und den USA der
Garantierte fünftgrößte Zeitungsmarkt welt-
weit und der größte Europas.
Medienfreiheit Zur Medienlandschaft zählen
aktuell rund 320 zumeist re-
gional verbreitete Tageszeitun-
Eine freie Presse zählt zu den wichtigsten Vorausset- gen, 16 Wochenzeitungen sowie
zungen für eine Demokratie. In Deutschland ist sie 1.300 Publikumszeitschriften.
durch das Grundgesetz geschützt. In Artikel 5 heißt In der Rangliste der Pressefrei-
es zur Meinungs- und Pressefreiheit: „Jeder hat das heit der Nichtregierungsorgani-
Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu sation Reporter ohne Grenzen lag
äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zu- Deutschland im Jahr 2021 auf dem
gänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (. . .) 16. Platz von 180 Ländern.
Eine Zensur findet nicht statt.“
K A M P F G E G E N FA K E N E W S
Die Pressefreiheit wird von einer vielfältigen Me- U N D D E S I N F O R M AT I O N
dienlandschaft mit Leben gefüllt. In Deutschland Das Angebot verändert sich auch
können sich die Menschen aus den unterschied- in Deutschland stark durch die
lichsten Quellen informieren und sich so ihre eige- Digitalisierung. So wurden im
ne Meinung bilden. Die Presse liegt dabei nicht in Jahr 2021 rund 260 Titel mit ei-
der Hand von Regierungen oder Parteien, sondern ner Auflage von 2,2 Millionen als
wird von privatwirtschaftlich geführten Medien- E-Paper täglich digital vertrie-
unternehmen verantwortet. ben. Auch das Mediennutzungs-

WEGMARKEN

1945 1950 1984


Nach der Nazi-Herrschaft In Bremen treffen die sechs In Ludwigshafen am Rhein
erscheinen in Deutschland westdeutschen Rundfunk- nimmt die Programmgesell-
zunächst nur sogenannte anstalten eine „Vereinbarung schaft für Kabel- und Satelliten-
Lizenzzeitungen. In der über die Errichtung einer rundfunk, abgekürzt PKS, den
amerikanischen Besat- Arbeits­gemeinschaft der Sendebetrieb auf. Es ist die
zungszone wird die erste öffentlich-rechtlichen Rund- Geburtsstunde des Privatfern-
Lizenz am 1. August 1945 funkanstalten der Bundes- sehens in Deutschland – nach
an die „Frankfurter Rund- republik Deutschland“. einer 20 Jahre dauernden
schau“ vergeben. Debatte.
K U LT U R U N D M E D I E N 148 | 149

verhalten ändert sich signifi- lichst viele Menschen mit Information, Bildung,
kant: 78 Millionen Menschen in Beratung und Unterhaltung zu erreichen, haben
Deutschland (93 Prozent) waren in Deutschland die öffentlich-rechtlichen Rund-
im ersten Quartal 2022 regel- funkanstalten. Sie sind nach britischem Vorbild als
mäßig im Netz unterwegs, 73 gebührenfinanzierte Körperschaften beziehungs-
Millionen sind auf Social Media weise Anstalten des öffentlichen Rechts aufgebaut
aktiv. Die digitale Revolution und bilden die zweite Säule eines dualen Systems,
hat auch in Deutschland einen das auf private und öffentlich-rechtliche Angebote
neuen Begriff von Öffentlichkeit setzt. Das Prinzip besteht im Kern unverändert seit
hervorgebracht, denn über die der Gründung der Bundesrepublik 1949.
sozialen Medien und Blogs kann
jeder meinungsbildend am Dis- FERNSEHANGEBOT IN 30 SPR ACHEN
kurs teilnehmen. Zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
gehören die Sender des Verbunds der ARD (Arbeits-
Den Medien kommt dennoch gemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rund-
weiter eine zentrale Rolle zu, funkanstalten der Bundesrepublik Deutschland),
etwa im Kampf gegen Fake News das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) und das
und Desinformation. Journalis- Deutschlandradio. Die Deutsche Welle (DW) ist der
tinnen und Journalisten haben Auslandsrundfunk Deutschlands und Mitglied der
die Aufgabe, durch sorgfältige ARD. Die DW sendet in 30 Sprachen. Sie bietet Fern-
Recherche und wahrheitsgetreue sehen, Radio, Internet sowie Medienentwicklung
Berichterstattung die Bürgerin- im Rahmen der DW Akademie. Kostenfreie Nach-
nen und Bürger zu informieren. richten in neun Sprachen bietet der German News
Den gesetzlichen Auftrag, mög- Service für Interessierte und Medien.

1995 2001 2022


Sechs Jahre nach der Ge- Die rheinland-pfälzische 93 Prozent der Menschen
burt des World Wide Web „Rhein-Zeitung“ ist die in Deutschland sind online
gehen mit der linkslibera- weltweit erste Tageszeitung, (78 Millionen). 87 Prozent
len „taz“, der „Schweriner die ein täglich erschei- nutzen Social Media
Volkszeitung“ und der nendes E-Paper-Angebot (73 Millionen) mit durch-
„Rhein-Zeitung“ die ersten bereitstellt. 2021 werden schnittlich fünf Accounts.
Tageszeitungen online. Ihre täglich rund 2,2 Millionen Auf 83,2 Millionen
Communitys entwickeln sich E-Paper von 261 Zeitungs- Menschen kommen 118
sprunghaft. titeln verkauft. Millionen Mobiltelefone.
Zahlen und Fakten
zur deutschen Medienlandschaft
G R Ö S S T E R Z E I T U N G S M A R K T E U R O PA S
Deutschland hat ein großes und vielfältiges Angebot an Zeitungen und Zeitschriften.

339 ZEITUNGEN 7.000 ZEITSCHRIFTEN


318 Tageszeitungen, 1.300 Publikumszeitschriften,
16 Wochenzeitungen, 5.600 Fachzeitschriften
5 Sonntagszeitungen
Auflage rund 15 Mio.
2. Quartal 2022, Quelle: BDZV

E - PA P E R
Mehr als zwei Millionen E-Paper verkaufen
STEIGENDE
die Zeitungen pro Erscheinungstag – die
MEDIENNUT ZUNG IM INTERNET meisten davon im regelmäßigen Abonnement.
Nutzungsdauer mediales
Internet pro Tag in Minuten

2.207.995 Exemplare
2019 99
1.500.000 St.
40  %
2020 120
1.000.000 St. 30  %

Verkaufte 20  %
2021 136 500.000 St. Auflage
10  %
0 50 100 150

2010 2013 2015 2017 2019 2021


Quelle: ARD/ZDF Online-Studie 2021
Quelle: Auflagenstatistiken der ZMG, Basis: IVW-Quartalsauflagenlisten
K U LT U R U N D M E D I E N 150 | 151

G A R A N T F Ü R V I E L FA LT U N D
U N A B H Ä N G I G E B E R I C H T E R S TAT T U N G :
DEUTSCHL ANDS ÖFFENTL ICH-
„Freie, demokratische
RECHTL ICHER RUNDFUNK
Gesellschaften kann
es ohne freie und
vielfältige Presse nicht
geben. Sie ist nicht nur
HAMBURG
das Herzstück einer
BREMEN
jeden Demokratie, BERLIN

sondern bildet auch


KÖ L N
wenn nötig ein LEIPZIG
BONN
lautstarkes Bollwerk
FR ANKFURT
MAINZ
zur Wahrung der
SA ARBRÜCKEN
Menschenrechte.“
STR ASSBURG
MÜNCHEN
AUSSENMINISTER IN STUT TGART
ANNALENA BAERBOCK

HOHE MEDIENNUT ZUNG


Fast alle Menschen nutzen täglich Medien.
Die Nutzungsdauer liegt bei mehr als sieben Stunden pro Tag.

Tagesreichweite in Prozent Nutzungsdauer in Minuten

Medien gesamt 99
t
Tex2 Medien-
5 nutzung
Bewegtbild 89 gesamt
Be
we g t b il d

netto:
222

451
Audio 85
Au 7 7
d io
1

Text 45 MINUTEN

0 20 40 60 80 100

Tagesreichweite: Anteil der Personen, die im Verlauf eines Tages ein Medium genutzt haben.
Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikationstrends 2021
Deutschlernende vergrößern durch gute Sprachkenntnisse ihre Chancen auf dem internationalen Arbeitsmarkt.

Deutsch gehört wie Englisch, Nie-


derländisch und Schwedisch zu
den etwa 15 germanischen Spra-
Attraktive chen, einem Zweig der indoger-
manischen Sprachfamilie.
Sprache
W E LT W E I T B E L I E B T E
FREMDSPR ACHE
Deutsch ist die am weitesten verbreitete Mutter- Deutschlands starke Wirtschaft
sprache in der Europäischen Union und belegt den und die Nachfrage nach Fach-
elften Platz der am häufigsten gesprochenen Spra- kräften verleihen der deutschen
chen weltweit. Knapp 130 Millionen Menschen in Sprache eine hohe Attraktivi-
Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, tät. Die 2020 veröffentlichte Stu-
Belgien, Liechtenstein und Südtirol (Italien) spre- die „Deutsch als Fremdsprache
chen Deutsch als Muttersprache oder als regelmäßig weltweit“ spricht von knapp 15,5
benutzte Zweitsprache. Millionen Menschen, die aktuell
K U LT U R U N D M E D I E N 152 | 153

Deutschland unterstützt Sprachlehreinrichtungen


im In- und Ausland, stellt Stipendien bereit und bietet
Studienangebote für international mobile Studierende
an. Über gezielte Programme der Mittlerorganisatio-
nen wie „Dhoch3“ des Deutschen Akademischen Aus-
tauschdienstes (DAAD) oder „Deutsch Lehren Lernen“
des Goethe-Instituts fördert das Auswärtige Amt die
Qualifizierung von Deutschlehrerinnen und -lehrern.

Wichtige Institutionen des Deutschlernens sind die


rund 140 Deutschen Auslandsschulen und fast 2.000
Schulen mit verstärktem Deutschunterricht, die in die
Partnerschulinitiative des Auswärtigen Amts „Schu-
len: Partner der Zukunft“ (PASCH) einbezogen sind. An
den Sprachkursen des Goethe-Instituts, das in fast 100
Ländern Deutsch als Fremdsprache und Sprachprü-
fungen anbietet, nahmen im Jahr 2020 rund 309.000
Menschen teil – etwa 73.000 mehr als fünf Jahre zuvor.

Auch die Nachfrage nach digitalen Sprachlernange-


boten hat zugenommen, verstärkt zuletzt durch die
Corona-Pandemie. Die Lernplattform des Goethe-
Instituts etwa verzeichnete im Mai 2020 rund 1,2 Milli-
Deutsch als Fremdsprache lernen. onen Zugriffe. Im gleichen Monat des Vorjahres waren
Nach wie vor leben die meisten es lediglich 326.000. Die Nutzung der Online-Kurse
Deutschlernenden in Europa, aber der Deutschen Welle hat sich im gleichen Zeitraum auf
vor allem in Afrika und Asien ge- 4,2 Millionen Zugriffe verdoppelt.
winnt Deutsch an Bedeutung. Auf
dem afrikanischen Kontinent gab DEUTSCH IN DER WISSENSCHAFT
es seit 2015 eine Zunahme bei den Die Relevanz der deutschen Sprache als interna-
Deutschlernenden um fast 50 Pro- tionale Wissenschaftssprache lässt tendenziell nach.
zent. Grund dafür ist auch, dass Nicht deutschsprachige Forschende publizieren nur
die sprachliche Qualifizierung von noch ausnahmsweise auf Deutsch. Dagegen veröffent-
Fachkräften zunehmend wichtiger lichen deutschsprachige Wissenschaftlerinnen und
wird. Das 2020 in Kraft getretene Wissenschaftler intensiv auf Englisch, besonders in
Fachkräfteeinwanderungsgesetz den Naturwissenschaften. Über eine größere und tra-
erleichtert die Zuwanderung von ditionelle Bedeutung als Wissenschaftssprache verfügt
Qualifizierten aus Nicht-EU-Län- Deutsch in den geistes- und sozialwissenschaftlichen
dern und verstärkt diesen Trend. Disziplinen. 
Leben in Deutschland
L A N D D E R V I E L FA LT
Deutschland ist ein buntes, weltoffenes Land mit einer hohen Lebens­
qualität – ob in der Stadt oder auf dem Land. Ein Überblick.

E N T S PA N N T E S G E N I E S S E N
Gesund und lecker – die kulinarische Szene in Deutschland setzt auf
regional angebaute Lebensmittel, innovative Küche
und traditionsreiche Rezepte.

U R B A N E L E B E N S Q UA L I TÄT
Viele Menschen in Deutschland wohnen in Städten. Deren Lebens­
qualität wird auch international geschätzt. Die Bundesregierung för­
dert gerade in Städten den sozialen Wohnungsbau.

S P O R T L IC H E H E R AU S F O R D E R U N G E N
Internationale Erfolge in den unterschiedlichsten Sportarten und Mil­
lionen Menschen, die in ihrer Freizeit selbst Sport treiben: Deutschland
ist eine Sportnation. Der Sport übernimmt zudem eine wichtige inte­
grative Funktion.

BELIEBTES REISEZIEL
Urlaub in den Bergen oder am See, Städtetrips mit kulturellen
­Highlights – Deutschland ist ein Reiseland mit vielen Möglichkeiten.
Umweltfreundliche Angebote werden immer beliebter.
Knapp
Der Lebensstandard in Deutschland ist hoch.
Im Human Development Index (HDI) 2021 der 1 Stunde am Tag
Vereinten Nationen nimmt die Bundesrepublik nutzen Menschen
in Deutschland im
Platz 9 Durchschnitt für Sport,
von 191 Ländern ein.
Hobbys und Spiele.

LEBEN IN DEUTSCHL AND 316


7 Tatsachen
VEGANE
Gastronomiebetriebe
gibt es in
Deutschland.

Durchschnittlich leben in Deutschland


auf einer Fläche von einem Quadratkilometer

233 MENSCHEN.
In Deutschland Am dichtesten besiedelt sind die Stadtstaaten
gibt es Berlin (4.090 Personen je Quadratkilometer),
Hamburg (2.446) und Bremen (1.624).

80
Großstädte.

327
Die meisten
Bewohnerinnen und
Bewohner hat die

9  %
Hauptstadt Berlin mit
3,8 Mio.
RESTAURANTS aller Erwerbstätigen
in Deutschland tragen in Deutschland arbeiten
einen oder mehrere im Tourismus.
Sterne des Guide
Michelin.
LEBEN IN DEUTSCHLAND 156 | 157

Deutschland gehört zu den Län­


dern mit dem höchsten Lebens­
standard der Welt. Der Human
Development Index (HDI) 2021
Land der Vielfalt der Vereinten Nationen platziert
Deutschland auf Platz 9 von 191
Ländern. Mit mehr als 83 Millionen
Deutschland ist ein lebenswertes und sehr Einwohnerinnen und Einwohnern
vielseitiges Land. Es lockt mit faszinierenden Groß- ist es das bevölkerungsreichste
städten wie Berlin, Hamburg oder München, aber auch Land der EU und eines der am dich­
mit abwechslungsreichen Landschaften von der Nord- testen besiedelten Länder; rund
see bis zu den Alpen. 77 Prozent der Menschen leben in
dicht und mittelstark besiedelten
Deutschland ist mit rund 358.000 Quadratkilometern Gebieten. Rund 30 Prozent der Be­
nach Frankreich, Spanien und Schweden das viert­ völkerung wohnen in Großstädten
größte Land der Europäischen Union (EU). Von der mit mehr als 100.000 Einwohnern,
Nord- und Ostsee bis zu den Alpen im Süden gliedert von denen es in Deutschland 80
sich Deutschland geografisch abwechslungsreich in gibt. Auch für Reisende haben die
das Norddeutsche Tiefland, die Mittelgebirgsschwel­ Städte große Anziehungskraft –
le, das Südwestdeutsche Mittelgebirgsstufenland, das gerade Berlin lockt viele Menschen
Süddeutsche Alpenvorland und die Bayerischen Alpen. an und erzielt immer neue Be­
Von Norden nach Süden beträgt die längste Distanz sucherrekorde. Im europäischen
876 Kilometer, von Ost nach West 640 Kilometer. Vergleich liegt die 3,8-Millionen-
Metropole bei den absoluten Über­
nachtungszahlen auf Platz drei
nach London und Paris.

GLEICHWERT IGE LEBENS­


V E R H Ä LT N I S S E S C H A F F E N
Gute Lebensbedingungen für
Menschen aller Nationalitäten in
ganz Deutschland, in der Stadt
und auf dem Land – dafür setzt
sich die Bundesregierung ein. Seit
der Deutschen Einheit im Jahr
1990 sind die Unterschiede insbe­
sondere zwischen Ost- und West­
deutschland geringer geworden,
die Lebensverhältnisse gleichen
Schönes Reiseziel: Deutschlands Strände sind beliebt. sich immer stärker einander an.
Malerische Städte: Die Welterbestadt Quedlinburg in Sachsen-Anhalt lädt zum Flanieren ein.

Ein neues „Zukunftszentrum für Europäische Trans­ H O H E L E B E N S Q UA L I TÄT


formation und Deutsche Einheit“ soll den gesellschaft­ I N S TA D T U N D L A N D
lichen Zusammenhalt weiter fördern und den engen Die Digitalisierung, die Energie­
Zusammenhang von Deutschlands Einheit und der wende und neue Formen der Mobi­
Demokratie in Europa aufzeigen. lität sorgen für tiefgreifende Verän­
derungen im Leben der Menschen
Der demografische Wandel wiederum macht sich vor und schaffen zugleich neue Mög­
allem in strukturschwachen und ländlichen Regionen lichkeiten – zum Beispiel, wenn es
bemerkbar – hier wandern überdurchschnittlich viele um eine bessere Vereinbarkeit von
Menschen in Städte ab. Die Bundesregierung fördert Beruf und Familie geht. Deutsch­
die betroffenen Regionen gezielt mit Maßnahmen­ land investiert deshalb in moderne
paketen, bei denen Arbeitsplätze, Mobilität und Infra­ Standards wie flächendeckende,
struktur im Fokus stehen. vernetzte, alltagstaugliche, bezahl­
LEBEN IN DEUTSCHLAND 158 | 159

bare und klimafreundliche Mobili­ Mehr als 35.000 Biohöfe in Deutschland – jeder achte
tät, schnelle Mobilfunk- und Breit­ Betrieb gehört damit in diese Kategorie – bewirtschaf­
bandverbindungen, den Ausbau ten 10,8 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
erneuerbarer Energien und eine Über 64 Prozent davon werden nach den Richtlinien
moderne Gesundheitsversorgung. der Bio-Anbauverbände bewirtschaftet – fast zwei
Mehr als die Hälfte der Menschen Drittel der gesamten deutschen Biofläche. Die Biopro­
in Deutschland wohnt in ländli­ dukte werden gestützt von Zertifizierungen, knapp
chen Regionen, in kleineren Städ­ 100.000 Produkte wurden bislang in der Bio-Siegel-
ten oder Gemeinden. Das Land Datenbank registriert. Etwa acht Millionen Menschen
bietet attraktive Möglichkeiten in Deutschland bezeichnen sich als Vegetarier; 1,6 Mil­
für Leben, Arbeit und Erholung. lionen leben nach eigener Aussage vegan. Genuss ist
Knapp die Hälfte der deutschen weiterhin gefragt: Dafür stehen die 327 Restaurants in
Wirtschaftsleistung wird in ländli­ Deutschland, die im Guide Michelin 2022 einen oder
chen Regionen erbracht. Aber auch mehrere Sterne tragen – so viele wie nie zuvor. 
die deutschen Städte ziehen viele
Menschen an: Es gibt viele Arbeits­
möglichkeiten, zahlreiche Kultur-
und Freizeitangebote, zugleich
bieten viele deutsche Städte auch
im internationalen Vergleich große Direkt vom Bauern:
Grünflächen wie Parks. Ob Stadt Märkte setzen auf regionales Angebot.

oder Land – Deutschland setzt sich


dafür ein, dass die Menschen unab­
hängig von ihren Einkünften dort
leben können, wo es ihnen gefällt.
Dafür stehen beispielsweise Initia­
tiven wie die Mietpreisbremse oder
die Wohnraumoffensive.

N A C H H A LT I G E E R N Ä H R U N G
Der Sehnsucht nach Stadtleben
steht zugleich ein Bedürfnis nach
Regionalität gegenüber – vor allem
bei der Ernährung. Die ökologi­
sche Lebensmittelwirtschaft hat
einen festen Platz in der deutschen
Agrarwirtschaft. Im Jahr 2021 ga­
ben die Verbraucher in Deutsch­
land 15,87 Milliarden Euro für
Biolebensmittel und -getränke aus.
Vegetarisch, vegan, crossover oder traditionell: Die deutsche Gastronomieszene ist dynamisch und vielseitig.

dem Begriff „Rieslingwunder“


Entspanntes verknüpft ist und weitgehend von
einer jungen Winzergeneration
Genießen verkörpert wird, die vor allem
auf hohe Qualität statt große Er­
träge setzt. Die klimatischen Be­
Deutsche Küche, deutsche Weine und deutsches Bier dingungen machen die Weine aus
sind international beliebt und gefragt. Regionale Deutschland filigran und nicht zu
und gesunde Angebote liegen besonders im Trend. alkoholreich.
Ungeachtet vieler internationaler Einflüsse greifen
Hobby- und Profiköche zunehmend auf heimische L E B E N D I G E U N D WA N D L U N G S ­
Zutaten zurück. Zudem steigt der Anteil an Bio­ FÄ H I G E W E I N K U LT U R
lebensmitteln kontinuierlich an. Deutsche Weine wachsen in 13
An­baugebieten, in denen auf
Seit Anfang des Jahrtausends erlebt der deutsche rund 103.000 Hektar eine große
Wein eine internationale Renaissance, die eng mit Vielfalt regionaltypischer Weine
LEBEN IN DEUTSCHLAND 160 | 161

Rheinhessen, Pfalz und Baden. Mehr als 100 Reb­


sorten werden in Deutschland angebaut, größere
Marktbedeutung haben rund 20, allen voran die
Weißweine Riesling und Müller-Thurgau. Deutsch­
land erzeugt zu rund 68 Prozent Weißwein und zu
32 Prozent Rotwein; Spätburgunder und Dornfelder
sind hier die wichtigsten Rebsorten. Seit 2021 gehört
die Weinkultur in Deutschland zum „Immateriellen
Kulturerbe Deutschlands“ der Deutschen UNESCO-
Kommission.

TR ADI T IONEN UND NEUE GEWOHNHEI TEN


Deutschland ist auch ein Land des Bieres. Dabei
wird deutsches Bier vor allem für seine teils jahr­
hundertealte Brautradition der vielen kleinen
Familien- und Klosterbrauereien geschätzt. Für
deutsche Biere gilt bis auf wenige Ausnahmen das
Reinheitsgebot, die älteste lebensmittelrechtliche
Vorschrift der Welt aus dem Jahr 1516. Sie besagt,
dass außer Wasser, Hopfen und Malz keine anderen
Zutaten verwendet werden dürfen. 5.000 bis 6.000
Biersorten werden in Deutschland hergestellt, die
meisten in der Pilsener Brauart; insgesamt ist der
ausgebaut wird. Im internatio­ Bierkonsum jedoch rückläufig. Im Trend liegen seit
nalen Vergleich gehört Deutsch­ einigen Jahren sogenannte Craftbiere von kleinen,
land mit seiner Rebfläche und unabhängigen Brauereien, die auf ungewöhnliche
rund 15.000 Weingütern eher zu Geschmacksrichtungen setzen.
den mittleren Weinanbaulän­
dern; 2021 lag die Produktion bei Die deutsche Gastronomie gilt als dynamisch und
8,45 Millionen Hektolitern. Auf vielseitig – und sie zählt zu den besten in Europa.
etwa zehn Prozent der gesamten Neben der Topgastronomie, dem Crossover-Stil
deutschen Rebfläche werden Bio­ und einer zunehmend vegetarisch und vegan aus­
weine angebaut. Die deutschen gerichteten Küche erleben alte Gemüsesorten wie
Weinanbaugebiete gehören zu Pastinaken, Butterrüben und Topinambur eine
den nördlichsten der Welt. Au­ Renaissance. Sie sind Säulen des aktuellen Booms
ßer Sachsen und Saale-Unstrut des Gesunden, Saisonalen, Regionalen und des Ge­
liegen sie vor allem im Südwes­ schmacks von Heimat. Dabei werden die Klassiker
ten und Süden des Landes. Die von einer jungen Kochszene interpretiert und mit
drei größten Anbaugebiete sind globalen Einflüssen aufgewertet. 
D I E S TA D T A L S S TA D I O N

Es sind spektakuläre Szenen, die sich Zu-


schauerinnen und Zuschauern bei manchen
sportlichen Events bieten – und das mit-
ten in deutschen Großstädten. Ob Surfen in
München, Extremklettern an der Frank-
furter Skyline oder Kitelandboarding, ein
Trendsport mit Skateboard und Lenkmatte,
in Berlin: Deutsche Städte sind ein Stadion für
Sportbegeisterte.
LEBEN IN DEUTSCHLAND 162 | 163

mietungen sowie der Immobi­


lienpreise geführt. Deutschland
liegt bei der Wohneigentumsquote
Urbane innerhalb der OECD-Staaten an
vorletzter Stelle. 47 Prozent der
Lebensqualität Haushalte wohnen in den eigenen
vier Wänden. Die Mehrheit zahlt
dagegen Miete. 27 Prozent der Ein­
Deutsche Großstädte schneiden in Rankings zur künfte entfallen im Durchschnitt
Lebensqualität sehr gut ab. Immer mehr Menschen auf Ausgaben fürs Wohnen. Die
möchten in Deutschland urban wohnen. Gute Ar­ Bundesregierung hat daher eine
beitsplätze, saubere Umwelt, geringe Kriminalität, Mietpreisbremse auf den Weg ge­
viele Freizeit- und Kulturangebote, gute Verkehrsver­ bracht, die in Gegenden mit an­
bindungen: Diese Eigenschaften werden deutschen gespanntem Wohnungsmarkt die
Städten häufig bescheinigt. In einer 2022 veröffent­ soziale Vielfalt bewahren soll. Mit
lichten Rangliste des britischen „Economist“ zur Be­ der Mietpreisbremse können die
wertung der Lebensqualität in Metropolen auf aller Bundesländer Gebiete bestimmen,
Welt landeten drei deutsche Städte in den Top 25: in denen die Miete bei Wiederver­
Frankfurt am Main belegt Platz 7, Hamburg Platz 16, mietung bestehender Wohnungen
Düsseldorf Platz 22. nur noch um höchstens zehn Pro­
zent teurer ist als eine vergleichba­
In Deutschland gibt es 80 Großstädte mit mehr als re Wohnung.
100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie 618
Mittelstädte zwischen 20.000 und 99.999 Einwohnern; Der Bedarf an Wohnungen ist in
rund drei Viertel der Menschen leben bereits in Städ­ vielen Regionen hoch. Dem wird
ten. Fachleute diskutieren allerdings, ob der starke die Bundesregierung mit dem Vor­
Trend zum Leben in der Stadt durch die Corona-Pan­ haben gerecht, jährlich 400.000
demie zumindest zeitweise gebremst werden könn­ neue Wohnungen zu bauen, da­
te. Vielen Menschen dürfte es angesichts der neuen von 100.000 öffentlich geförderte
flexiblen Arbeitsmöglichkeiten – zum Beispiel im Wohnungen. Bis 2026 möchte die
Homeoffice – zunehmend weniger wichtig sein, mög­ Bundesregierung 14,5 Milliarden
lichst nah an ihrer Arbeitsstelle zu wohnen. Euro für den sozialen Wohnungs­
bau ausgeben. Auch Wohneigen­
S OZ I A L E V I E L FA LT AU F D E M tum soll auf verschiedene Weise
W O H N U N G S M A R K T B E WA H R E N gefördert werden, etwa durch
Die Nachfrage nach urbanem Wohnraum hat zu eigenkapitalersetzende Darlehen
einem starken Anstieg der Mietpreise bei Neuver­ oder Zinsverbilligungen.

Wellenreiten in der City: Die Eisbachwelle in München begeistert Surfer.


sation des deutschen Sports und
versteht sich als die größte Bürger­
Sportliche bewegung Deutschlands. Er för­
dert den Spitzen- und den Breiten­
Herausforderungen sport. Dem DOSB gehört auch der
Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit
rund 7,2 Millionen Mitgliedern an.
Deutschland ist ein sportbegeistertes Land und eine
erfolgreiche Sportnation. Im ewigen Medaillenspie­ EHRENAMTL ICHE ARBEI T
gel der Olympischen Spiele lag Deutschland 2022 mit MIT GEFLÜCHTETEN
mehr als 1.800 Medaillen auf Platz zwei hinter den Gemeinsam mit dem DFB und
USA. Rund 27 Millionen Menschen in Deutschland der DFB-Stiftung Egidius Braun
sind Mitglied in einem der knapp 90.000 Sportverei­ hat die deutsche Bundesregierung
ne. Die Vereine übernehmen neben den sportlichen eine weitere Integrationsinitiati­
Aufgaben vor allem in der Jugendarbeit und der In­ ve gestartet. Unterstützt werden
tegration wichtige gesellschaftliche und partizipative etwa Projekte zur Integration von
Funktionen. Praktisch alle Vereine haben Mitglieder Flüchtlingen im Sport. Das von
mit Migrationshintergrund in ihren Teams. der deutschen Fußballnational­
mannschaft unterstützte Projekt
Das Programm „Integration durch Sport“, das das „1:0 für ein Willkommen“ und die
Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Weiterführung „2:0 für ein Will­
Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem kommen“ hat seit 2015 mehr als
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fördert, be­ 3.700 Vereine bei ihrer ehrenamt­
trachtet Zuwanderung als Bereicherung für die deut­ lichen Arbeit mit Geflüchteten fi­
sche Sportlandschaft. Der DOSB ist eine Dachorgani­ nanziell gefördert.

WEGMARKEN

1954 1972 1988


Deutschland wird in der Die Olympischen Som- Steffi Graf erreicht als
Schweiz zum ersten Mal merspiele in München erste Tennisspielerin den
Fußball-Weltmeister werden überschattet sogenannten Golden Slam,
(3:2 im Finale gegen von der Geiselnahme den Gewinn aller vier
Ungarn). Das „Wunder und Ermordung Grand-Slam-Turniere plus
von Bern“ wird für das israelischer Athleten der olympischen Gold­­
Nachkriegsdeutschland durch palästinensische medaille innerhalb eines
zum dauerhaften Symbol. Terroristen. Kalenderjahres.
LEBEN IN DEUTSCHLAND 164 | 165

Die größte Strahlkraft des deut­ SPORT ALS MIT TEL DER
schen Sports geht von der Fuß­ V Ö L K E R V E R S TÄ N D I G U N G
ball-Bundesliga aus. Sie gilt in­ Über die Internationale Sportförderung setzen sich
ternational als eine der stärksten deutsche Sportorganisationen für die Entwicklung
Ligen. Die Nationalmannschaf­ des Sports in verschiedenen Ländern des globalen Sü­
ten der Frauen und Männer ge­ dens ein. Partner der Internationalen Sportförderung
hören zu den erfolgreichsten der ist das Auswärtige Amt. Seit Beginn der 1960er-Jahre
Welt. Neben Fußball sind zum wurden mehr als 1.500 Kurz- und Langzeitprojekte in
Beispiel Turnen, Leichtathletik über 130 Ländern umgesetzt. 
und Handball Sportarten mit ho­
hem Zuspruch.

Großen Anteil an den sportli­


chen Erfolgen hat auch die Stif­
tung Deutsche Sporthilfe, die im
Jahr rund 4.000 Athletinnen und
Athleten unterstützt. Die Förde­
rung von Aktiven mit Handicap
gehört ebenfalls zu den wich­
tigen Aufgaben. Auch hier sind
Sportlerinnen und Sportler aus
Deutschland bei internationalen
Wettbewerben und Paralympi­
schen Spielen überdurchschnitt­
lich erfolgreich. Königin des Weitsprungs: Malaika Mihambo

2006 2014 2022


Die FIFA-Fußballwelt­ Die deutsche Fußball- Die Weitspringerin
meisterschaft unter dem nationalmannschaft der Malaika Mihambo
Motto „Die Welt zu Gast Männer wird nach einem wird zum zweiten Mal
bei Freunden“ wird zum starken Turnier in Brasilien Weltmeisterin. Die in
unvergesslichen „Sommer- erneut Weltmeister (1:0 im Heidelberg geborene
märchen“, das Deutschland Finale gegen Argentinien). Leichtathletin ist auch
international viele Sympa- Es ist Deutschlands vierter Olympiasiegerin und
thien einbringt. WM-Titel seit 1954. Europameisterin.
Auch die Messebranche zieht vie­
le Menschen nach Deutschland.
Beliebtes Vor Beginn der Pandemie war
Deutschland Tagungs- und Kon­
Reiseziel gressstandort Nummer eins in
Europa und belegte im interna­
tionalen Ranking der Kongress­
Die Deutschen verreisen gern – auch und gerade standorte Platz zwei hinter den
im eigenen Land. Alpen, Küste, Seenplatte, Natur­ USA, rund 253.000 internationale
parks, Flusstäler stehen schon seit Jahren auf Platz Aussteller kamen zu Messen in
eins der Reiseziele. Eine Leidenschaft für die Vielfalt Deutschland.
der Landschaften, für die Sightseeing-, Sport- und Er­
holungsoptionen, die man längst mit Gästen aus dem V O M K U LT U R- B I S Z U M
Ausland teilt. Schon unmittelbar mit der deutschen A K T I V U R L AU B
Wiedervereinigung 1990 hat der positive Trend zum Zu den touristischen Publikums­
Deutschland-Tourismus eingesetzt und bis zur Coro­ magneten in Deutschland zählen
na-Pandemie zu einem kontinuierlichen Anstieg der weltberühmte Bauwerke wie das
Übernachtungszahlen von ausländischen Gästen um Brandenburger Tor, das Schloss
rund 88 Prozent geführt. Die Zahl der Übernachtun­ Neuschwanstein und der Kölner
gen lag im Jahr 2021 bei 310,3 Millionen; 31 Millionen Dom. Beliebt sind auch die zahl­
entfielen auf Übernachtungen von Gästen aus dem reichen UNESCO-Welterbestätten,
Ausland. Die meisten internationalen Gäste kom­ darunter das Schloss Sanssouci in
men aus Europa, vor allem aus den Niederlanden, der Potsdam, der Naumburger Dom
Schweiz, Polen und Österreich. oder die Klassikerstadt Weimar.
LEBEN IN DEUTSCHLAND 166 | 167

Spaß für die ganze Familie: Paddeln auf dem


Staffelsee in Bayern

Große Anziehungskraft hat W O H L F Ü H L U R L AU B U N D


Deutschland zugleich durch die U M W E LT F R E U N D L I C H E S R E I S E N
vielfältigen Möglichkeiten für Wellness ist ein großes Thema im Reiseland Deutsch­
einen Aktivurlaub. Da gibt es zum land. Dazu gehören so ungewöhnliche Angebote wie
Beispiel das rund 200.000 Kilo­ die Flusssauna in der Emser Therme, aber auch die
meter lange markierte Wander­ zahlreichen Wohlfühllandschaften der Kurorte und
wegenetz mit vielen herrlichen Heilbäder wie Bad Wörishofen oder Bad Oeynhausen
Aussichten, etwa in den Natio­ mit seiner Gründerzeitarchitektur. Insgesamt gibt es
nalparks vom Wattenmeer bis in Deutschland über 350 Heilbäder und Kurorte, die
zum Bayerischen Wald oder vor ein vom Deutschen Heilbäderverband anerkanntes
dem Alpenpanorama. Dazu kom­ Prädikat führen. Auch die Qualität der medizini­
men mehr als 200 gut ausgebaute schen Behandlung und Rehabilitation führt zahlrei­
Radfernwege über Zehntausende che Gäste nach Deutschland.
Kilometer, wie etwa der Europa­
radweg Eiserner Vorhang (1.131 In Deutschland wächst auch die Nachfrage nach
Kilometer) oder der 818 Kilometer Ökotourismus und nachhaltigem Reisen. Einer Stu­
lange Deutsche Limes-Radweg. die aus dem Jahr 2021 zufolge halten drei Viertel der
Wer preisgünstig übernachten deutschen Reisenden nachhaltiges Reisen für wich­
möchte, findet zum Beispiel in tig. Immer mehr Anbieter kennzeichnen sich und
einer der mehr als 400 Jugendher­ ihre Leistungen mit verbindlichen Umwelt- und
bergen oder auf einem der knapp Sozialstandards und tragen entsprechende Zertifi­
3.000 Campingplätze ausreichend kate und Labels. Dies betrifft etwa den schonenden
Gelegenheiten. Umgang mit natürlichen Ressourcen wie Wasser,
klimafreundliche Transporte, die Reduzierung des
Die fünf ostdeutschen Länder Abfallaufkommens oder das Engagement in Arten­
spielen beim Tourismus eine star­ schutzprojekten. Biohöfe bieten Urlaubszimmer
ke Rolle. Landschaften wie der sowie regionale und saisonale Speisen an, Ecocam­
Spreewald, traditionsreiche Kul­ ping-Unterkünfte setzen sich für mehr Umwelt-
turstädte wie Dresden oder Wei­ und Naturschutz ein.
mar und Ostseebäder wie Binz
auf Rügen ziehen Touristen aus Reisende in Deutschland verbringen ihre Zeit gerne
Deutschland und dem Ausland an. in der abwechslungsreichen Natur. Vielfältige Mög­
Die Zahl der Übernachtungen in lichkeiten dafür bieten unter anderem 103 Natur­
Sachsen, Thüringen, Sachsen-An­ parke und 16 UNESCO-Biosphärenreservate. Damit
halt, Mecklenburg-Vorpommern jeder sich im Reiseland Deutschland gut bewegen
und Brandenburg hat sich seit kann, sorgen viele Initiativen dafür, das Reisen un­
1993 bis zum Beginn der Corona- eingeschränkt auch für Menschen mit Handicap
Pandemie mehr als verdoppelt. barrierefrei zu ermöglichen.
Zahlen und Fakten zum Tourismus
WO HIN R E I S T D EU T S CH L A N D?
Die beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen im In- und Ausland

55,1 Mio. 20,2 Mio.


URLAUBSREISEN URLAUBSREISEN
insgesamt im Inland

Top 5 weltweit Top 5 in Deutschland


Deutschland Bayern
37  % 18,7  %
Spanien Mecklenburg-Vorpommern
11,4  % 17,2  %
Italien Schleswig-Holstein
8  % 15,7  %
Türkei Niedersachsen
6,2  % 11,8  %
Kroatien Baden-Württemberg
4,4  % 9,4  %

2021, Quelle: Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V.

In Deutschland
gibt es rund

51
UNESCO-Welterbestätten

7.000
Museen und Ausstellungshäuser.
gibt es in Deutschland. 48 davon sind
Kultur- , drei sind Naturstätten. Zehn der
Welterbestätten sind transnational oder
grenzüberschreitend, sie liegen zum Teil
in weiteren Staaten.
LEBEN IN DEUTSCHLAND 168 | 169

D I E B E L I E B T E S T E N S TÄ D T E I M I N L A N D
Anteile an allen Kurzurlaubsreisen, Reisedauer zwei bis vier Tage

Berlin Hamburg München Dresden Köln Bremen


8,8  % 6,9  % 3,2  % 2,5  % 2,1  % 1,5  %

2021, Quelle: Deutscher Reiseverband

„Deutschland ist zunehmend ein Land, in dem man erleben


kann, dass Erlebnis und Schutz der natürlichen Ressourcen gut
miteinander verbunden werden können.“
ROBERT HABECK,
BUNDESMINISTER FÜR WIRTSCHAFT UND KLIMASCHUTZ

ÜBERNACHTUNGEN VON GÄ STEN AUS DEM AUSL AND IN DEUTSCHL AND


nach häufigsten Herkunftsländern, in Tausend

Niederlande 4.711

Schweiz 2.661

Polen 2.568

Österreich 1.930

Vereinigte Staaten 1.806

Dänemark 1.507

Frankreich 1.454

Belgien 1.404

Italien 1.231

Spanien 946
2021, Quelle: Statistisches Bundesamt
D EU T S CH L A N D IM N E T Z E N T D ECK E N
Wer mehr über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur in Deutschland erfahren will,
findet spannende und nützliche Informationen unter www.tatsachen-ueber-deutschland.de und
www.deutschland.de. Viel Hintergrund zu einzelnen Themen gibt es auch auf den folgenden Seiten:

Staat und Politik


Wichtige Vorhaben der Regierung – Zusammen-
setzung des Parlaments – Die 16 Bundesländer –
Aufgaben des Bundespräsidenten – Entscheidun-
gen des höchsten deutschen Gerichts

Bundespräsident:
→ www.bundespraesident.de
Bundesrat (die Länderkammer): Partner in Europa
→ www.bundesrat.de und in der Welt
Bundesregierung:
→ www.bundesregierung.de Die deutsche Außenpolitik –
Deutscher Bundestag: Weltweite Förderung nachhal-
tiger Entwicklung – Einsätze
→ www.bundestag.de
der Bundeswehr – Engage-
Bundesverfassungsgericht: ment in internationalen
→ www.bundesverfassungsgericht.de Organisationen

Wirtschaft und Digitalisierung


Arbeiten in Deutschland – Informationen für Fachkräfte –
Internationale Handelsbeziehungen – Finanzstandort

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: → www.bmas.de


Bundesministerium für Digitales und Verkehr: → www.bmvi.de
Bundesministerium der Finanzen: → www.bundesfinanzministerium.de
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: → www.bmwk.de
Bundesagentur für Arbeit: → www.arbeitsagentur.de
Deutsche Auslandshandelskammern: → www.ahk.de

Klima und Umwelt Bundesministerium für Ernährung und


Landwirtschaft: → www.bmel.de
Klimaschutz- und Umwelt­ Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
politik der Bundesregierung – nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: → www.bmuv.de
Umsetzung der Energiewende – Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung
Einsatz für Naturschutz – und Bauwesen: → www.bmwsb.bund.de
Ökologische Landwirtschaft – Deutsche Energie-Agentur: → www.dena.de
Nachhaltiges Bauen Umweltbundesamt: → www.umweltbundesamt.de
DEUTSCHL AND IM NETZ ENTDECKEN 170 | 171

Bildung und Forschung


Forschungsstandort Deutschland – Universitäten und Forschungseinrichtungen –
Weltweite Vernetzung in der Wissenschaft

Bundesministerium für Bildung und Forschung: → www.bmbf.de


Alexander von Humboldt-Stiftung: → www.humboldt-foundation.de
Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen: → www.mpg.de,
www.fraunhofer.de, www.helmholtz.de, www.leibniz-gemeinschaft.de
Deutscher Akademischer Austauschdienst: → www.daad.de
Deutsche Forschungsgemeinschaft: → www.dfg.de
Wissenschaftsrat: → www.wissenschaftsrat.de

Auswärtiges Amt: → www.auswaertiges-amt.de Vielfältige Gesellschaft


Bundesministerium der Verteidigung: → www.bmvg.de
Bundesministerium für wirtschaftliche Sozialstaat Deutschland – Zuwanderung
Zusammenarbeit und Entwicklung: → www.bmz.de und Integration – Gleiche Rechte –
Ehrenamtliches Engagement von
Bundeswehr: → www.bundeswehr.de Bürgerinnen und Bürgern
Deutsche Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit: → www.giz.de Bundesministerium für Familie,
Europäische Union: → www.europa.eu Senioren, Frauen und Jugend:
→ www.bmfsfj.de
Bundesministerium für Gesundheit:
→ www.gesundheitsministerium.de
Kultur und Medien Bundesministerium des Inneren
und für Heimat: → www.bmi.de
Internationale Kultur- und Kunstszene – UNESCO-
Welterbestätten – Sprachkurse in Deutschland und Bundesministerium der Justiz:
im Ausland – Vielfältige Medienlandschaft → www.bmj.de
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
Deutsche UNESCO-Kommission: → www.unesco.de
→ www.bamf.de
Deutsche Welle: → www.dw.com
Goethe-Institut: → www.goethe.de Bundesverband Deutscher Stiftungen:
Institut für Auslandsbeziehungen: → www.ifa.de → www.stiftungen.org

Leben in Deutschland
Reiseziele von der Nordsee bis zu den Alpen – Breiten- und Spitzensport –
Zahlen und Fakten zur Bundesrepublik Deutschland

Deutscher Fußball-Bund: → www.dfb.de


Deutscher Olympischer Sportbund: → www.dosb.de
Deutsche Zentrale für Tourismus: → www.germany.travel
Statistisches Bundesamt: → www.destatis.de
BIL D N ACH W E I S E

Titel Nikada/IStock; FrancescoZivoli/Unsplash S. 116-117 Rawpixel Ltd./IStock


S. 3 TimHufner/Unsplash S. 119 picture alliance/Panama Pictures
S. 4-5 Joe Daniel Price/GettyImages S. 120 gpointstudio/IStock
S.  8 dpa/picture alliance S. 122 shironosov/IStock
S. 10 dpa/picture alliance S. 127 JLco - Julia Amaral/IStock
S. 11 Daniel Kalker/picture alliance S. 130 picture alliance/dpa
S. 14-15 dpa/picture alliance S. 131 picture alliance/dpa
S. 18 manfredxy/shutterstock S. 133 bbernard/Shutterstock
S. 22-23 ClaudioSchwarz/Unsplash S. 134 picture alliance/photothek
S. 25 picture alliance/dpa/dpa Pool S. 137 picture alliance/dpa
S. 26 picture alliance/dpa S. 138-139 DrewDizzyGraham/Unsplash
S. 28 andersphoto/Shutterstock S. 141 picture-alliance/dpa/dpaweb
S. 30 picture alliance/dpa S. 142 picture alliance/dpa
S. 34 picture alliance/photothek S. 144 ThomasImo/GettyImages
S. 37 picture alliance/photothek S. 145 picture alliance/dpa
S. 39-40 urbazon/IStock S. 147 UniversitätderKünsteBerlin/MatthiasHeyde
S. 41 picture alliance/photothek S. 152 picture alliance/dpa
S. 42 picture alliance/dpa S. 154-155 alvarez/GettyImages
S. 45 picture alliance/dpa S. 157 pkazmierczak/AdobeStock
S. 49 picture alliance/dpa S. 158 picture alliance/imageBROKER
S. 50 picture alliance/dpa S.  159 Maskot/GettyImages
S.55 https://www.flickr.com/photos/unisgene S. 160 Maskot/GettyImages
va/52350934622/ S. 162 LuisFernandoFelipeAlves/Unsplash
S. 56 AktionDeutschlandHilft/ThorstenThor S. 165 picture alliance/dpa
S. 57 arche noVa/AxelFassio S. 166 Ted Levine/GettyImages
S. 58 PRASANNAPIX/Shutterstock
S. 60-61 kamisoka/IStock
S. 63 JulianHochgesang/Unsplash
S. 65 PhilippeOursel/Unsplash
S. 66 AndresSiimon/Unsplash
S. 69 picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
S. 74 picture alliance/dpa
S. 75 picture alliance/SvenSimon
S. 77 picture alliance/photothek
S. 78-79 Westend61/Getty Images
S. 81 JanPhilippThiele/Unsplash
S. 83 picture alliance/dpa
S. 84 picture alliance/Zoonar
S. 87 picture alliance/photothek
S. 90 picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
S.  92 UniversitätStuttgartIFF/Fraunhofer IPA/
RainerBez/HeikeQuosdorf
S. 95 CecilieArcurs/IStock
S. 96-97 Westend61/GettyImages
S. 99 picture alliance/photothek
S. 100 picture alliance/RupertOberhäuser
S. 101 picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
S. 103 Fraunhofer IGCV mit Airbus
S. 104 TomWerner/GettyImages
S. 109 Kosamtu/IStock
S. 112 HinterhausProductions/GettyImages
S. 114 skynesher/IStock
TAT S A C H E N Ü B E R D E U T S C H L A N D 172 | 173

R EG I S T E R

A Bier 160–161 C
Abgeordnete  Bildung 29, 59, 96, Chemieindustrie 
8–9, 12–13, 30, 32, 98–99, 110, 114, 121, 68, 81, 92
33, 40, 44, 46 124, 137, 138, 144, 149 Christlich Demokratische Union
Alleinerziehende 126 Biodiversität 64, 76 (CDU) 12–13, 25
Alpen 20, 76, 156, 166 Biosphärenreservate 76, 167 Christlich-Soziale Union
Alternative für Deutschland Bologna-Prozess 101 (CSU) 12–13, 29
(AfD) 12–13, 25 Brahms, Johannes 141
Arbeitslose 113, 120–133 Brandenburg 7, 13, 91,
Arbeitsmarkt 78, 82, 94–95, 106, 115, 167 D
99, 109, 120–121, 152 Bremen 7, 13, 29, 131, Deutsche Demokratische
Atomkraft 64, 67, 73 148, 151, 156, 169 Republik (DDR) 22, 30, 37, 86
Auslandshandelskammer  84, 88 Bronzen 145 Deutsche
Auslandsschulen 115, 153 Bruttoinlandsprodukt (BIP)  Forschungsgemeinschaft
Auslandsvertretungen  26, 80–81, 92–93, 99, 102, (DFG) 103
40, 42, 84, 108 110, 121, 142 Deutsche Gesellschaft für
Außenpolitik 27, 38, Bundesadler 16 Internationale Zusammenarbeit
42–48, 108, 144 Bundesamt für Migration (GIZ) 171
Außenwirtschaftspolitik 142 und Flüchtlinge 118, 164 Deutsche Sprache 144
Auswärtige Kultur- und Bundesausbildungsförderungs- Deutsche Welle 149, 171
Bildungspolitik 144 gesetz (BAföG) 106 Deutsche Zentrale für
Auswärtiges Amt 170 Bundeskanzler 4, 6, 9–12, Tourismus (DZT) 171
Automobilindustrie  14, 22, 24–29, 42, 47, 71, Deutscher Akademischer
74, 81, 86, 91 82, 89 Austauschdienst (DAAD) 171
Bundesliga 165 Deutscher Fußball-Bund (DFB) 
Bundesministerien 11 171
B Bundespräsident 4, 8–10 , 14, Die Linke 12–13, 25
Bach, Johann Sebastian 141 16, 24, 30–31, 33, 111, 170 Diplomatie 142
Bachelor 100, 107 Bundesrat 4, 7, 9, 13, 16, 24, Dresden 7, 20, 92, 167, 169
Baden-Württemberg  29–30, 170 Duale Ausbildung 96, 99, 112–113
13, 30, 101, 168 Bundesregierung 11–12, Düsseldorf 7, 20, 141, 162
Baerbock, Annalena 12, 25–26, 22, 25–29, 31, 38, 41, 43,
35, 41–42, 49, 53, 57, 64, 145, 47–48, 51, 53–58, 63–65,
151 67–68, 72–78, 81–84, E
Bayern 7, 12–13,20, 86–87, 93–95, 100, 106, 109, Ehrenamt 125, 136
25, 29, 167–168 113, 115–116, 119–136, 138, Einwanderer 43, 129
Beethoven, Ludwig van 141 140, 142–143, 145–146, Einwohner 6–7
Berlin 6–7, 11, 13, 20, 29, 154, 157–158, 163–164, 170 Elektromobilität 60, 67, 74–75
30–31, 36–37, 42, 56, 65, 72, Bundestag 4, 6, 8–13, 16, Elektrotechnik- und
104–105, 107, 115, 131, 141, 24–32, 48, 51, 56, 170 Elektronikindustrie 92
147, 151, 156–157, 162, 169 Bundesverfassungsgericht  Elterngeld 121, 134–135,
Berlinale 141 9–10, 12, 16, 22, 31, 170 Elternzeit 122–125
Berufsausbildung  Bundesversammlung 8–9, 30 Elysée-Vertrag 40, 46
82, 93, 99, 112–113 Bundeswehr 40, 48–50, 142 Energieeffizienz 66
Bevölkerung 18, 31, 37, Bündnis 90/Die Grünen 12–13, Energiewende 26, 59, 63–64,
45, 118, 121, 126, 130, 157 22, 24, 31, 42, 82 66, 68–69, 70, 75, 158
Entwicklungszusammenarbeit Goethe, Johann Wolfgang von 141 Kinder 18, 52, 83, 114–115,
43, 95 Goethe-Institut (GI)  125–127, 129, 131, 133–135
Erfurt 7, 50 115, 140, 143, 145, 153 Kirchensteuer 131
Erinnerungskultur 22, 36 Greentech 87 Klima 20–21, 59, 108
Ernährung 159 Grundgesetz 4, 7–8, 10–12, 16, Klimaaußenpolitik 64–65, 72
Ernährungssicherung 53, 59 24, 31, 35, 43, 48, 54, 62, 65, 72, Klimaschutz 42, 58-59, 63,
Erneuerbare Energien 63, 67 76, 116, 130, 132, 135, 138, 64– 65, 72–73, 75, 82, 102, 169
Erneuerbare-Energien-Gesetz 140–143, 146, 148 Kreativwirtschaft 91, 141–142
(EEG) 67, 73 Grundschule 115 Küche 154, 160–161
Europäische Union (EU)  Grundsicherung 121, 132 Küste 21, 50, 166
45–46, 48, 110 Gymnasium 115 Kultur 136–137, 138,
Evangelische Kirche 130 140–147, 159, 166, 168
Export 78, 81, 84, 88 H Kulturerhalt-Programm 145
Exzellenzinitiative 106 Habeck, Robert 12, 25–26, 82, 169
Hamburg 7, 13, 20, 29, 92,
151, 156-157, 163, 169 L
F Hannover 7 Länder 6
Fachhochschulen 104 Hauptstadt 6–7, 11, 20, 156 Lebenserwartung 18–19
Fachkräfte 27, 78, 83, 94–95, Helmholtz-Gemeinschaft 99, 103 Lebensqualität 138, 154, 158,
120, 122, 124, 143, 152–153 Hessen 7, 13 163
Familie 106, 117, 119, Hidden Champions 78, 81, 91 Lebensstandard 156–157
120–121, 126, 132, 134, Hightech-Strategie 93, 102 Leibniz-Gemeinschaft 99, 103
158, 161, 167 Hochschulen 96, 98–102, 104–108 Lindner, Christian 12, 25–26
Fernsehen 148–149 Hochschulrektorenkonferenz (HRK)  Literatur 141, 144
Fläche 20–21 105, 107
Flagge 16 Humboldt-Stiftung 101, 108 – 109, 145
Föderalismus 4, 7, 22, 138, 141 M
Forschung 77, 81, 90, 96, 98–111 Magdeburg 6, 20
Forschung und Entwicklung (FuE)  I Mainz 7, 100, 151
27, 68, 81, 91, 93, 99, 102, 110 Import 81 Mann, Thomas 141
Frauenquote 94 Industrie 4.0 78, 83, 91, 93 Maschinen- und Anlagenbau 81
Fraunhofer-Gesellschaft 99, 103 Infrastruktur 83, 158 Master 108
Freie Demokratische Partei (FDP) Innovation 27, 81–83, 93, 103, 106 Max-Planck-Gesellschaft
12–13, 25 Institut für Auslandsbeziehungen (MPG) 98, 102 
Freihandelsabkommen 84–85 (ifa) 145 Mecklenburg-Vorpommern 
Friedensmissionen 43, 50 Integration 38, 42, 44–46, 109, 122, 7, 13, 167–168
Fußball 164–165 124–125, 128, 164 Medien 35, 92, 138, 140,
Internet 83, 93, 149–150 143, 149, 151
Islam 130–131 Menschenrechte 27, 38, 41, 43,
G 48, 54, 56, 59, 78, 86–87, 151
Gastronomie 161 Merkel, Angela 15, 25, 29, 31
Geburtenrate 18 J Messen 166
Geografie 20 Judentum 36–37, 118, 131 Migration 94, 119, 123,
Germany Trade and Invest (GTAI)  Jugendliche 112–113, 115, 123, 131 129-130, 164
84 Mindestlohn 26, 94
Gesamtschule 115 Mittelstand 78, 80–82, 91
Gesetzgebung 4, 6, 9, 28, 132 K München 7, 92–93, 105, 151,
Gewerkschaften 112 Katholische Kirche 130 157, 162–164, 169
Global Player 91–92 Kiel 7, 84 Musikhochschulen 105
TAT S A C H E N Ü B E R D E U T S C H L A N D 174 | 175

N Schwerin 7 Wirtschaft 26, 44, 78, 81–84,


Nachhaltigkeit 26–27, 83, 102 Solarstrom 70 86–87, 91–95, 102–103, 106,
Nationalfeiertag 16 Sozialdemokratische Partei 143, 152, 169
Nationalhymne 17 Deutschlands (SPD) 12–13, 25 Wissenschaft 93, 98–99,
Nationalparks 62, 76, 167 Soziale Marktwirtschaft  102–103, 108, 111, 114,
Nationalsozialismus 22, 36 63, 82, 86 146, 153
Niedersachsen 7, 13, 168 Sozialstaat 116, 121, 132 Wohnen 55, 119, 127, 154,
Nordrhein-Westfalen  7, 13 Sport 111, 121, 136, 154, 156, 157, 163
164, 166
Sportförderung 165
O Staatsbürgerschaftsrecht 125 Z
Organisation für Sicherheit und Städte  Zentralstelle für das
Zusammenarbeit in Europa (OSZE)  29, 156, 158–159, 162–163, 169 Auslands­schulwesen 115
43, 51 Steinmeier, Frank-Walter  Zentrum für Internationale
10, 15, 24, 30–31, 33, 111 Friedenseinsätze (ZIF) 51
Stiftungen  Zivilgesellschaft 26, 56, 86,
P 116, 136–137, 145–146 116, 121, 136
Parlament 4, 9, 12, 24, Stuttgart 7, 92, 151 Zugspitze 20
28–29, 31, 40, 44, Zuwanderung 
Parteien 4, 12, 25, 28–30, 35 95, 120, 122, 124–125,
Partnerschaften 42, 58, 68, T 128, 153, 164
72, 126, 131 Theater 140, 144, 147
Patente 93, 110 Thüringen 7, 13, 30, 167
Potsdam 7, 166 Tourismus 156, 166–168
Presse 138, 143, 148, 151
Pressefreiheit 140–143, 148
U
Umwelt 60, 62, 72, 76, 87,
R 102, 136, 163
Radfernwege 166 Umweltbundesamt 170
Religion 130–131 Umweltschutz 62, 64, 72, 136
Religionsfreiheit 116 Universität 98, 100–101, 104,
Rente 132–133 107–108
Rhein 20–21
Rheinland-Pfalz 7, 13
Riesling 161 V
Rundfunk 142–143, 151 Vereinte Nationen (VN) 54

S W
Saarbrücken 7, 151 Wahlen 8, 12, 30, 32–33
Saarland 7, 13 Wahlsystem 12
Sachsen 7, 13, 161, 167 Währung 16, 47
Sachsen-Anhalt 7, 13, 158, 167 Wanderwegnetz 167
Schiller, Friedrich von 141 Wein 160
Schleswig-Holstein 13, 20, 168 Wellness 167
Scholz, Olaf 10–12, 15, 22, Welterbestätten 140, 166, 168
24–27, 29, 31, 42, 47, 71, 89 Wiesbaden 7
Schulsystem 96, 114–115 Windkraft 68
TAT S A C H E N Ü B E R D E U T S C H L A N D 176

IM PR E SSU M

Herausgeber © Fazit Communication GmbH


Fazit Communication GmbH, Frankfurt am Main, Alle Rechte an Text und Bild vorbehalten.
in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, Berlin Nachdruck mit Genehmigung und Quellenangabe möglich.

Konzeption und redaktionelle Leitung „Tatsachen über Deutschland“


Carsten Hauptmeier, Janet Schayan erscheint in folgenden Sprachfassungen
Redaktion Arabisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Französisch,
Arnd Festerling, Clara Krug, Dr. Helen Sibum, Indonesisch, Italienisch, Japanisch, Koreanisch,
Sarah Kanning Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch,
Art-Direktion Türkisch und Ukrainisch
Stefanie Schwary
Produktion „Tatsachen über Deutschland“ im Internet
Stefan Reichart, Viktoria Vieweg www.tatsachen-ueber-deutschland.de

Fazit Communication GmbH Die Herausgeber legen Wert auf eine Sprache, die
Pariser Straße 1 Frauen und Männer gleichermaßen berücksichtigt.
60486 Frankfurt am Main, Deutschland In dieser Publikation finden sich allerdings nicht
Internet: www.fazit.de durchgängig geschlechtergerechte Formulierungen,
E-Mail: kontakt@fazit.de da die explizite Nennung beider Formen in manchen
Texten die Lesbarkeit erschwert.
Auswärtiges Amt
Abteilung für Kultur und Gesellschaft
Werderscher Markt 1
10117 Berlin, Deutschland
Internet: www.auswaertiges-amt.de
E-Mail: 608-R@auswaertiges-amt.de

Druck
Krüger Druck+Verlag GmbH & Co. KG
66663 Merzig, Deutschland
Printed in Germany 2022

Redaktionsschluss
Oktober 2022
ISBN
978-3-96251-156-2
IN DEUTSCHL AND UNTERWEGS
Vom Visum bis zur Stromspannung: Nützliche Informationen und
wichtige Telefonnummern für Reisende in Deutschland

Ausweise und Visa: Ausländer Mit dem Bus: Auch mit Linienfern­ Unterkunft: Unterkünfte gibt es in
brauchen bei der Einreise einen bussen lässt sich Deutschland gut jeder Kategorie: vom Privatzim­
gültigen Reisepass oder ein Pass­ bereisen: Es gibt mehrere Hundert mer über die Ferienwohnung bis
ersatzpapier. Für Angehörige der Fernbuslinien. Besonders groß ist hin zum Luxushotel. Auch in den
meisten westeuropäischen Staaten das Angebot zwischen Städten: Jede unteren Preisklassen werden
genügt ein gültiger Personalaus­ deutsche Metropole, aber auch viele Standards gesetzt und kontrolliert.
weis. Kinder brauchen in den kleinere Städte werden von Fern­ Tourismusverbände und Fremden­
meisten Fällen ein eigenes Reise­ linienbussen angesteuert. Auskünf­ verkehrsämter bieten spezielle
dokument. Für Staatsangehörige te über ­Verbindungen: Gastgeberverzeichnisse an.
bestimmter Länder ist zur Einreise →busliniensuche.de → germany.travel
ein Visum erforderlich. Für Infor­ → fernbusse.de
mationen sind die deutschen Jugendherbergen: Mehr als 400
Auslandsvertretungen (Botschaften Mit dem Auto: Deutschland hat ein Jugendherbergen in Deutschland
­
und Konsulate) Ansprechpartner. hochmodernes Straßennetz. Hun­ nehmen Mitglieder jedes Jugend­
→ auswaertiges-amt.de derte Raststätten und Tankstellen herbergsverbandes auf, der der
sind an dem rund 13.000 Kilometer International Youth Hostel Fede­
Mit dem Flugzeug: Deutschland wird langen Autobahnnetz Tag und ration angeschlossen ist. Gegen
von allen großen internationalen Nacht geöffnet. Tanken kann man Gebühr gibt es auch einen inter­
Luftverkehrsgesellschaften angeflo­ folgende bleifreie Benzinsorten: nationalen Ausweis.
gen. Das globale Streckennetz ver­ Super (95 Oktan), Super Plus (98 Deutsches Jugendherbergswerk
bindet 22 Verkehrsflughäfen in Oktan), außerdem Diesel. Dazu → jugendherberge.de
Deutschland mit allen Regionen der kommt ein kontinuierlich wachsen­
Welt. Die größten Airports befinden des Netz an Ladestationen für Geld und Währung: Gesetzliches
sich in Frankfurt am Main, München, Elektroautos. Zahlungsmittel ist der Euro
Berlin und Düsseldorf. Alle Flughä­ Auf den Bundesautobahnen gibt (1 Euro = 100 Cent). Bargeld kann
fen sind gut an das je­weilige Ver­ es – sofern keine Geschwindigkeits­ man rund um die Uhr an Geld­
kehrsnetz angebunden. begrenzungen ausgeschildert sind – automaten mit EC-Karte oder in­
→ frankfurt-airport.de kein Tempolimit, empfohlen ist ternationalen Kreditkarten abhe­
→ munich-airport.de eine Richtgeschwindigkeit von ben, alle gängigen Kreditkarten
→ berlin-airport.de 130  km/h. In geschlossenen Ort­ werden akzeptiert. Preise sind In­
→ dus.com schaften gilt eine Höchstgeschwin­ klusivpreise.
digkeit von 50 km/h, außerhalb von
Mit der Bahn: Deutschland hat 100 km/h. Autobahngebühren wer­ Notfall-Rufnummern:
ein flächendeckendes Bahnnetz den nicht ­erhoben. Das Anlegen von Tel.: 110 für Notruf, Polizei
von rund 38.000 Schienenkilome­ Sicherheitsgurten ist vorgeschrie­ Tel.: 112 für Feuerwehr und Unfall
tern. Fern- und Nahverkehr sind auf­ ben. Kinder bis zu einer Körpergröße
einander abgestimmt und bieten von 150 cm brauchen einen Kinder­ Zeitzone: In Deutschland gilt die
gute Anschlüsse. Von Deutschland sitz. Rettungsdienste oder eine Pan­ mitteleuropäische Zeit (MEZ).
aus führen täglich rund 250 grenz­ nenhilfe können über Notrufsäulen Zwischen Ende März und Ende
­
überschreitende Verbindungen der herbeigerufen w ­ erden. Die großen Oktober werden die Uhren eine
Deutschen Bahn zu mehr als 80 eu­ Automobilclubs (ADAC, AvD) halten Stunde vorgestellt (Sommerzeit).
ropäischen Städten. Informationen für Autotouristen Die Zeitumstellung erfolgt am
Hotline der Deutschen Bahn AG: bereit. letzten Sonntag im März und am
Tel.: +49 30 2970 Pannendienst des ADAC letzten Sonntag im Oktober.
→ bahn.de Tel.: +49 89 20 20 4000,
→ adac.de Strom:
Notruf des AvD Die Stromspannung beträgt 230 Volt
Tel.: +49 80 09 90 99 09,
→ avd.de
0 50 100 km

Entfernungstabelle Deutschland In Deutschland werden größere Entfernungen in Kilometern


(in Kilometer) gemessen. Ein Kilometer entspricht 0,62137 Meilen — eine
Meile sind 1,60934 Kilometer.
Frankfurt/M.

Saarbrücken
Magdeburg
Düsseldorf
Dortmund

Würzburg
Hannover

Karlsruhe

Nürnberg
München
Hamburg

Stuttgart
Dresden

Rostock
Aachen

Leipzig
Berlin

Köln

Aachen • 638 154 651 80 256 482 354 346 73 569 494 631 475 663 263 518 370
Berlin 638 • 492 193 556 545 286 285 673 575 184 153 585 438 223 723 632 495
Dortmund 154 492 • 507 68 224 349 210 358 95 428 350 617 428 520 321 420 338
Dresden 651 193 507 • 581 492 495 382 581 591 140 225 491 325 444 671 525 382
Düsseldorf 80 556 68 581 • 220 392 278 341 42 500 417 611 438 562 277 401 338
Frankfurt/M. 256 545 224 492 220 • 512 361 132 191 405 444 412 228 680 190 201 128
Hamburg 482 286 349 495 392 512 • 152 631 370 391 270 781 612 133 688 658 507
Hannover 354 285 210 382 278 361 152 • 489 294 247 136 661 488 320 551 534 377
Karlsruhe 346 673 358 581 341 132 631 489 • 303 521 558 271 261 809 188 80 199
Köln 73 575 95 591 42 191 370 294 303 • 481 422 577 422 567 282 373 289
Leipzig 569 184 428 140 500 405 391 247 521 481 • 88 418 260 371 588 466 408
Magdeburg 494 153 350 225 417 444 270 136 558 422 88 • 511 349 321 606 559 449
München 631 585 617 491 611 412 781 661 271 577 418 511 • 159 781 421 212 291
Nürnberg 475 438 428 325 438 228 612 488 261 422 260 349 159 • 601 362 218 109
Rostock 663 223 520 444 562 680 133 320 809 567 371 321 781 601 • 851 812 694
Saarbrücken 263 723 321 671 277 190 688 551 188 282 588 606 421 362 851 • 213 314
Stuttgart 518 632 420 525 401 201 658 534 80 373 466 559 212 218 812 213 • 149
Würzburg 370 495 338 382 338 128 507 377 199 289 408 449 291 109 694 314 149 •
Angaben ohne Gewähr
Alles, was Sie über das Deutschland von heute wissen wollen, steht in
„Tatsachen über Deutschland“. Wie das politische System funktioniert.
Welche Leitlinien die Außenpolitik prägen. Was die Wirtschaft auszeichnet.
Welche Diskurse die Gesellschaft beschäftigen. Was neu ist in Kunst und
Kultur – und viele Themen mehr.

Aktuell, zuverlässig und kompakt, mit vielen Zahlen, Fakten und


Schaubildern bietet das praktische Handbuch profundes Basiswissen
und Einblick in alle Bereiche des modernen Lebens in Deutschland.

tatsachen-ueber-deutschland.de

978-3-96251-156-2

Das könnte Ihnen auch gefallen