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D eutscher Bundestag

25. Sitzung

Bonn, den 10. April 1962

Inhalt:

Glückwünsche zu den Geburtstagen der Dr. Conring (CDU/CSU) . 978 A, 984 B


Abg. Niederalt und Ritzel 973 C Rehs (SPD) 978 D
Entwurf eines Gesetzes über die Feststel- Dr. Starke, Bundesminister . . . 981 A
lung des Bundeshaushaltsplans für das Ritzel (SPD) . . . . . . . . 981 B
Rechnungsjahr 1962 (Haushaltsgesetz
1962) (Drucksache IV/200); Berichte des Saxowski (SPD) . . . . . . . 982 A
Haushaltsausschusses — Fortsetzung der Struve (CDU/CSU) 982 D
zweiten Beratung —
Seither (SPD) . . . . . . . . 983 C
Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bun-
Bading (SPD) . . . . . . . . 984 A
deskanzlers und des Bundeskanzleramtes
(Drucksache IV/303)
Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bun-
Ollenhauer (SPD) 957 B desministers für Verkehr (Drucksachen
Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 961 C IV/311, zu IV/311)
Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 966 A Ritzel (SPD) . . . . . 985 C, 1011 B
Dr. Bucher (FDP) 968 D Dr. Bleiß (SPD) . . . . 987 B, 1016 A
Schoettle (SPD) 970 D, 973 C Eisenmann (FDP) 992 C
Dr. Vogel (CDU/CSU) 971 B Ramms (FDP) 996 A
Hermsdorf (SPD) 971 D Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 997 D
Niederalt (CDU/CSU) 972 C Dr.-Ing. Seebohm,
Ritzel (SPD) 973 A Bundesminister . . . 1001 A, 1017 D
Seibert (SPD) 1009 B
Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Aus- Dr. Vogel (CDU/CSU) 1014 A
wärtigen Amts (Drucksachen IV/304, zu
Iven (Düren) (SPD) 1016 C
IV/304) 974 A

Einzelplan 10, Geschäftsbereich des Bun- Einzelplan 23, Geschäftsbereich des Bun-
desministers für Ernährung, Landwirt- desministers für wirtschaftliche Zusam-
schaft und Forsten (Drucksachen IV/309, menarbeit (Drucksachen IV/317, zu IV/
zu IV/309) 317)
Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . . 974 B Gewandt (CDU/CSU) . . 1019 A, 1025 D
Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . . 975 C Kalbitzer (SPD) 1020 A
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Margulies (FDP) . . . . . . . . 1023 D Einzelplan 31, Geschäftsbereich des Bun-


Wischnewski (SPD) . . . . . . . 1026 C desministers für Atomkernenergie (Druck-
sachen IV/325, zu IV/325)
Scheel, Bundesminister . 1027 B, 1030 B
Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . . 1041 D
Hermsdorf (SPD) . . . . . . . . 1029 D
Hermsdorf (SPD) . . . . 1042 B, 1046 C
Einzelplan 25, Geschäftsbereich des Bun-
Dr. Bechert (SPD) . . . 1043 D, 1048 D
desministers für Wohnungswesen, Städte-
bau und Raumordnung (Drucksache IV/ Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) • . . 1044 C
319)
Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . . . 1045 D
Jacobi (Köln) (SPD) . . . 1030 D
Dr. Balke, Bundesminister . . . . 1047 B
Baier (Mosbach) (CDU/CSU) . . . 1034 A

Einzelplan 26, Geschäftsbereich des Bun- Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwal-


desministers für Vertriebene, Flüchtlinge tung (Drucksache IV/330)
und Kriegsgeschädigte (Drucksache IV/
320) Niederalt (CDU/CSU) . . 1049 D, 1051 A
Rehs (SPD) . . . . . . . . . . 1036 D Frau Krappe (SPD) 1050 C
Mischnick, Bundesminister . . . . 1038 C Dr. Schäfer (SPD) 1050 D
Windelen (CDU/CSU) . . . . . . 1039 A
Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . . 1039 B Haushaltsgesetz 1962 (Drucksache IV/331)
Schoettle (SPD) . 1051 D, 1052 D, 1055 B
Einzelplan 28, Geschäftsbereich des Bun-
desministers für Angelegenheiten des Schmücker (CDU/CSU) . . 1052 B, 1055 C
Bundesrates und der Länder (Drucksache
Dr. Starke, Bundesminister . . . . 1053 C
IV/332)
Schröder (Osterode) (SPD) . . . 1040 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 1056 A
Schmücker (CDU/CSU) 1040 D Dr. Vogel (CDU/CSU) 1056 B
Jacobi (Köln) (SPD) . . . . . . 1056 D
Einzelplan 30, Geschäftsbereich des Bun-
desministers für besondere Aufgaben
(Drucksache IV/324) Nächste Sitzung 1058 C
Dr. Rinderspacher (SPD) 1041 A
Schmücker (CDU/CSU) . . . . . 1041 B Anlagen 1059
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25. Sitzung

Bonn, den 10. April 1962

Stenographischer Bericht mene Koalition einen guten Start gehabt hat, einen
Start, der zu der Hoffnung berechtigt, daß sie fähig
Beginn: 9.01 Uhr sein wird, mit den schwierigen innen- und außen-
politischen Aufgaben in einer Weise fertig zu wer-
den, die den Interessen unseres Volkes entspricht.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Sitzung ist er- Wir Sozialdemokraten müssen diese Frage ver-
öffnet. neinen. In der schwierigsten Periode der kurzen
Meine Damen und Herren, wir kommen zum zwei- Geschichte unserer Bundesrepublik haben wir die
ten Punkt der gemeinsamen Tagesordnung für die schwächste Regierung. Ihre Politik ist verworren
Sitzungen dieser Woche, nämlich zur und unklar. Sie weicht Entscheidungen aus. Sie
Fortsetzung der zweiten Beratung des von läßt es an Initiativen fehlen, und der Herr Bundes-
der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs kanzler läßt die Dinge in einer bei ihm bisher un-
eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- gewohnten Weise schleifen,
deshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1962 (Lachen bei der CDU/CSU — Sehr wahr!
(Haushaltsgesetz 1962) (Drucksache IV/200), bei der SPD)
Berichte des Haushaltsausschusses (13. Aus-
oder er trägt durch seine Äußerungen noch selber
schuß).
zur Unsicherheit und Unklarheit über den Kurs der
Ich rufe auf den Regierung bei.
Einzelplan 04 -- Geschäftsbereich des Bun- Meine Damen und Herren, ich möchte das hier an
deskanzlers und des Bundeskanzleramtes einer Reihe von Beispielen beweisen, die wir alle
(Drucksache IV/303) . miterlebt haben und die jeder auf ihre Richtigkeit
- hin nachprüfen kann. Ich muß mich dabei beschrän-
Dais Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel als
ken, denn die Gesamtzahl der Beispiele ist zu groß.
Berichterstatter.
(Abg. Rasner: Er verzichtetl) Beginnen wir mit der Außenpolitik! Ich darf hier
erinnern an meine Bemerkungen am Schluß der
— Herr Dr. Vogel hält einen Bericht nicht mehr für Debatte über die Regierungserklärung am 6. Dezem-
notwendig. Das Haus verzichtet auf einen mündlichen ber 1961. Damals habe ich erklärt, daß wir den
Bericht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Wunsch der Regierung respektieren, vor allem im
der Abgeordnete Ollenhauer. Zusammenhang mit den Verhandlungen über Berlin
schwierige Verhandlungen nicht durch öffentliche
Ollenhauer (SPD): Herr Präsident! Meine Da Parlamentsdiskussionen zu belasten. Aber diese un-
men und Herren! Es ist die Aufgabe des Parlaments sere Erklärung, an die wir uns halten, ist kein Frei-
bei der Beratung dies Haushalts des Bundeskanzlers, brief für eine vom Parlament völlig unkontrollierte
nicht nur die Einzelheiten seines Haushalts zu prü- Außenpolitik der Regierung. Ich will hinzufügen,
fen, sondern auch die Frage zu stellen, ob die poli- daß der Bundesaußenminister in der Zwischenzeit
tische Führung der Bundesrepublik, für die der Bun- bemüht war, die Fraktionen, auch die sozialdemo-
deskanzler verantwortlich ist, den innen- und außen- kratische Fraktion, über wichtige internationale Be-
politischen Aufgaben unserer Tage gerecht wird. sprechungen und Verhandlungen zu informieren.
Dennoch ist der gegenwärtige Zustand unbefriedi-
Ich möchte zunächst dem Herrn Bundeskanzler gend, weil wir keine volle Übersicht haben und weil
danken, daß er seinen Urlaub unterbrochen hat, um vor allem eine weitgehende Unklarheit über die
an den Beratungen seines Haushalts teilzunehmen. außenpolitischen Vorstellungen und Ansichten der
Ich möchte den Wunsch hinzufügen, daß der jetzt Regierung besteht. Wir behalten uns deshalb aus-
unterbrochene Urlaub ihm die verdiente Erholung drücklich vor, zu gegebener Zeit eine außenpoli-
und Stärkung seiner Gesundheit bringen möge. tische Debatte im Bundestag zu fordern, um die Re-
Wenn der Bundestag im Juli in die Sommerferien gierung zu einer Darstellung ihrer Politik zu veran-
geht, wird das erste Jahr seiner Legislaturperiode lassen und ihre Ansichten im einzelnen kritisch zu
beritszuEnd.Whabesldi untersuchen.
Pflicht, die Frage zu stellen, ob die nach so qual- Die Unsicherheit und die Unentschlossenheit der
vollen Bemühungen schließlich zustande gekom Regierung ist auf allen Gebieten der Außenpolitik
958 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Ollenhauer
s i chtbar. Was ist z. B. heute die Europapolitik der spruch zu wiederholten Äußerungen des Herrn Bun-
Regierung? Wir wissen bis heute noch nicht, wel- deskanzlers. Ich frage: ist die von Herrn Strauß in
chen Inhalt das Gespräch des Bundeskanzlers mit der vorigen Woche hier entwickelte Auffassung
dem französischen Staatspräsidenten de Gaulle in jetzt die verbindliche Auffassung der Bundesregie-
Baden-Baden am 15. Februar 1962 gehabt hat. Die rung, und kann sie als Richtlinie der Politik auf
Vorstellungen des Generals de Gaulle über die diesem Gebiete angesprochen werden? Wir sind
Schaffung einer politischen Union, eines „Europa skeptisch und haben Zweifel angesichts der großen
der Vaterländer", sind unvereinbar mit einer Wei- Neigung der Koalition, diese Frage immer wieder
terentwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zum Streitgegenstand in innenpolitischen Auseinan-
Europas im Zusammenhang mit den bestehenden dersetzungen zu machen. Käme die Bundesregierung
europäischen Institutionen. Realisiert man die Pläne zu einer klaren Entscheidung im Sinne der vom
des französischen Staatspräsidenten, dann wird ein Bundesverteidigungsminister vertretenen Auffas-
Stillstand in der Fortentwicklung der europäischen sung, dann hätte das eine große, vor allem außen-
Integration auf wirtschaftlichem Gebiet, vielleicht politische Bedeutung; denn dann könnte sie die
sogar eine Gefährdung des bisher Erreichten unver- Bundesregierung veranlassesn, durch die Entwick-
meidlich sein. lung und Vertiefung dieses Standpunktes einen
Was will der Herr Bundeskanzler? Was will die positiven Beitrag zu den schwierigen Genfer Ab-
Bundesregierung? Gibt es hier eine Übereinstim- rüstungsverhandlungen zu leisten.
mung zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Der Herr Bundeskanzler hat sich zu den Genfer
Bundeswirtschaftsminister? Alles Fragen, auf die wir Verhandlungen unterschiedlich geäußert. Er hat ein-
bisher keine klare Antwort erhalten haben. mal erklärt, man könne von Genf nichts erwarten,
Weiter: Wie steht der Herr Bundeskanzler zu der und ein anderes Mal behauptet, Genf habe bis jetzt
Erweiterung der EWG durch den Beitritt von Groß- nichts verdorben. Soweit wir sehen können, sind
britannien und anderen europäischen Ländern? Die diese Randbemerkungen der einzige Beitrag — so-
Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers in seinem wohl in bezug auf die Abrüstung als auch in bezug
Interview mit der französischen Zeitung „Le Monde" auf die Gespräche über Berlin — der Bundesregie-
vom 10. März 1962 haben ausgerechnet jene Kreise rung zu den für uns alle lebenswichtigen Beratungen
in Großbritannien gestärkt, die gegen die Mitglied- in Genf. Das ist wiederum ein unbefriedigender Zu-
schaft Großbritanniens in der EWG sind, und sie stand.
haben den britischen Europaminister Heath zu einer Sicher wird die Bundesregierung erklären, daß
bemerkenswert scharfen Distanzierung von den auch sie zu den Möglichkeiten der Genfer Verhand-
Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers veranlaßt. lungen Stellung genommen habe. Aber wir fürchten,
Es gibt auch keine Information und keine eindeutige daß diese Stellungnahme dahin geht, alles zu ver-
Erklärung der Bundesregierung zu einer Frage, die werfen, was in irgendeiner Weise die Stellung der
für die Weiterentwicklung der europäischen Zusam- Bundesrepublik in der gegenwärtigen militärischen
menarbeit von entscheidender Bedeutung ist. Konstellation in Europa und in der Welt verändern
könnte. Niemand will eine Gefährdung unserer
Die Unklarheiten gehen noch weiter. Am- 27. No- Sicherheit oder eine einseitige Verschiebung des
vember 1961 hat der Verteidigungsminister Strauß Kräfteverhältnisses zuungunsten des Westens. Aber
in einem Vortrag in der Georgetown University in wenn sich unsere Verbündeten in Genf bemühen,
Washington die Schaffung einer Atlantischen Union Wege in der Richtung einer kontrollierten Ab-
auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet ge- rüstung und der Entspannung der internationalen
fordert, weil nach seiner Meinung die Einigung Lage zu finden, dann kann sich unsere Politik nicht
Europas durch den Gang der Entwicklung bereits in .einer reinen Negation oder in einer völligen In-
überholt sei. Der Herr Bundeskanzler hat demgegen- aktivität bei der Untersuchung und Prüfung von
über in einem Interview vom 3. April mit Herrn möglichen positiven Schritten erschöpfen.
Sulzberger für die „New York Times" erklärt, eine (Beifall bei der SPD.)
Atlantische Union sei unmöglich, weil sie das Ende
der europäischen Idee bedeuten würde. Welches ist In diesem Zusammenhang warten wir noch immer
hier die Auffassung der Bundesregierung? Ange- auf eine verbindliche Erklärung der Bundesregie-
sichts der Bedeutung der zukünftigen Zusammen- rung, wie es mit der Behauptung von Herrn Dr.
arbeit zwischen den europäischen Gemeinschaften Dehler in seinem umstrittenen Fernsehgespräch steht,
und den Vereinigten Staaten handelt es sich hier daß die von ihm dort vertretenen Ansichten über
um einen zentralen Punkt unseres zukünftigen Ver- die deutsche Außenpolitik den Koalitionsverein-
hältnisses — vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet barungen entsprechen. Wir stehen auch hier vor
— zu den Vereinigten Staaten. Es ist unerträglich, einem großen Fragezeichen. Es scheint, als hätten
daß hier jede eindeutige und klare Feststellung über wir unsere Außenpolitik suspendiert; mindestens
die Politik der Bundesregierung fehlt. heben wir ihre Wirkungsmöglichkeiten durch wider-
sprechende Äußerungen des Bundeskanzlers oder
Wir haben in der vorigen Woche in diesem seiner Minister weitgehend auf.
Hohen Hause eine Debatte über die atomare
Rüstung gehabt, in der der Herr Verteidigungs- Meine Damen und Herren, nehmen wir das Kapitel
minister eine Reihe von Feststellungen getroffen der Innenpolitik. Wir haben in der vorigen Woche
hat, die wesentlich von seinen bisherigen Aussagen den Fernseh- und Rundfunkaufschrei d es Bundes-
zur Frage der atomaren Ausrüstung der Bundes- wirtschaftsministers , diskutiert. Ich will diese Aus-
wehr und des Ausbaues der NATO zur vierten einandersetzung jetzt hier nicht fortsetzen.
Atommacht abweichen; sie stehen auch in Wider (Zuruf von der CDU/CSU: Gut s o!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 959
Ollenhauer
— Ob das gut ist, werden wir erst noch sehen. — vorlegen müssen. Aber diese Regierung ist ja in
Ich will sie nur aufnehmen ,als einen weiteren Beweis ihrer Finanz- und Steuerpolitik keine von ihren
für die Führungslosigkeit der Bundesregierung. Vorgängerinnen so unterschiedliche Regierung. Man
(Lachen bei der CDU/CSU.) wußte z. B., daß der Haushalt für Verteidigung auf
15 Milliarden DM ansteigen würde. Man wußte, daß
Herr Professor Erhard hat Alarm gegeben; nicht vor die früheren feierlichen Erklärungen, es würden nie
dem Parlament, sondern ohne Fühlungnahme mit mehr als 9 Milliarden DM sein, längst überholt sind.
den entscheidenden Faktoren unserer Wirtschaft und Warum dann nicht rechtzeitige Verhandlungen mit
der Politik außerhalb des Parlaments, den Ländern? Warum die flucht in die globale
(Zuruf von der CDU/CSU: Wer sind das?) 12%ige Kürzung, die ungerechteste, aber für die
Koalition bequemste Form, sachlichen Entscheidun-
ohne mit diesem Alarmruf auch nur die Andeutung gen aus .dem Wege zu gehen und wesentliche Teile
von konkreten Maßnahmen zu verbinden, die die der Ausgabengestaltung der Bürokratie in den ein-
Regirunz fdekt.schlißw zelnen Ministerien zu überlassen?
doch jeder im Volk, daß fiat die Wirtschaftspolitik, (Abg. Dr. Vogel: Herr Ollenhauer, wir ha
die jetzt zu der angeblich so bedrohten Lage ge- ben doch sofort abgelehnt, das weiter zu
führt hat, die Regierung und vor 'allem der Wirt- tun! Das wissen Sie doch!)
schaftsminister in erster Linie die Verantwortung
trägt — Meine Damen und Herren, ich sage weiter: es
(Beifall bei der .SPD) ist ein Verdienst des Haushaltsausschusses und
und daß es daher nicht genügt, das Volk zu alarmie- nicht der Regierung,
ren, sondern immer auch zu sagen, was die Regie- (Sehr richtig! bed der SPD)
rung selbst zu tun gedenkt.
wenn er diese schlechteste Lösung durch seine Strei-
(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Merken Sie chung abgewehrt hat.
immer noch nicht, daß Sie auf dem falschen
(Beifall bei der SPD.)
Gleise 'sind?)
Als Herr Erhard dann schließlich vor dem Parlament Aber, meine Damen und Herren, wie wird es
selbst sprach, wollte er es nicht so schlimm gemeint weitergehen, wenn sich im kommenden Haushalts-
haben; er sei kein Pessimist, die 'augenblickliche jahr der Ausgleich des Haushalts noch schwieriger
Lage sei nicht so beunruhigend, aber die Zukunft gestaltet? Welche Vorstellungen hat die Regierung
mache ihm Sorgen. Dann kamen seine Vorschläge, für eine Neuordnung der Finanzen und Steuern
reichlich dünn und nicht verpflichtend. und für die Herbeiführung eines gerechten Aus-
gleichs, eines gerechten Ausgleichs der Ausgaben
(Zuruf von der CDU/CSU: Wie sind Ihre für die militärische und die soziale Sicherheit? Das
Vorschläge?) ist eine Lebensfrage; denn die Stabilität der inneren
Denn als er hier im Bundestag sprach, war sich
- nicht Ordnung kann nur aufrechterhalten bleiben, wenn
einmal die 'Koalition über Umfang und Inhalt des es nicht zu einer einseitigen Beeinträchtigung der
geplanten Baustopps einig; jedenfalls kamen die sozialen und kulturellen Leistungen kommt. Die Er-
beiden Fraktionen der Koalition mit getrennten An- haltung des sozialen Friedens und die Erreichung
trägen. Vielleicht schafft man'sbis zur dritten Le- eines Höchstmaßes von sozialer Gerechtigkeit und
sung! Aber da greift man Verbraucher, Arbeitneh- Sicherheit ist in unserer Zeit von der gleichen ent-
mer und Gewerkschaftler an und fordert sie zum scheidenden Bedeutung wie die Erhaltung und Star-
Maßhalten auf. Und dann steht man mit fast leeren kung unserer militärischen Sicherheit.
Händen da, wenn das Parlament wissen will, was Auf der sozialen Seite stehen wir vor einem ein-
geschehen wird. deutigen Offenbarungseid.
Her Erhard hat davon gesprochen, man werde mit (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP.)
fester Hand führen. Bis jetzt drückt sich diese feste
Hand nur in der Dramatik und in der Pathetik aus, Herr Blank hat die Große Anfrage der Sozialdemo-
mit der er seinen Auftritt im Fernsehen und im kratie, die nichts anderes wollte als eine Erklärung
Rundfunk vollzogen that. der Bundesregierung über ihre Absichten auf drei
wichtigen Gebieten der Sozialpolitik, mit dem offe-
(Beifall bei der SPD.) nen Eingeständnis beantwortet, daß er nicht in der
Meine Damen und Herren! Was ist die Wirt- Lage sei, eine sachliche Antwort zu geben.
schaftspolitik der Bundesregierung? Und wenn die (Sehr richtig! bei der SPD. — Lachen bei der
Lage tatsächlich so ernst ist — warum nicht am An- CDU/CSU.)
fang sachliche Gespräche mit allen Beteiligten und
Wir warten noch heute auf sie, obwohl Herr Blank
einen 'ernsten Versuch, für alle .tragbare Schritte zu
unmittelbar nach den Wahlen erklärt hat, er wolle
überlegen?
die wichtigsten und am meisten umstrittenen Ge-
Dann, meine Damen und Herren, nehmen wir den setzentwürfe im ersten Jahr und nicht erst in der
Haushalt selbst, den wir jetzt beraten und der mit zweiten Hälfte der Legislaturperiode einbringen.
einem Defizit von 1,7 Milliarden DM eingebracht Meine Damen und Herren, es gibt wieder Termin-
wurde. Herr Starke hat sicher unter besonders schwierigkeiten! Man will die Wahlen in Nordrhein-
schwierigen sachlichen und zeitlichen Umständen das Westfalen abwarten, um dann erst die Karten auf
Finanzministerium übernehmen und .den Haushalt den Tisch zu legen. Die Regierung glaubt, die Posi-
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Ollenhauer
tion der CDU .in Nordrhein-Westfalen zu verbessern, Zweifel darüber entsteht: wir sind der Meinung,
wenn sie nicht sagt, was sie im Schilde führt. Es daß ein Botschafter sich bei der Ausübung seines
vst schlecht um eine Regierung bestellt, die das Feh- Amtes an die Richtlinien der Politik der Regierung
len einer klaren Aussage über ihre Absichten für zu halten hat, vor allem, wenn er in einer so
eine Verbesserung ihrer Position hält. schwierigen Position steht wie Herr Dr. Kroll in
Ich möchte es mit den Beispielen genug sein las- Moskau. Keine Regierung kann auf diese selbstver-
sen. Es ist eine bedrückende Zwischenbilanz. Und ständliche Loyalität ihrer diplomatischen Vertreter
das Traurige ist, meine Damen und Herren, daß verzichten. Offensichtlich hat Herr Kroll aber auch
nun dieser Raum der Unsicherheit und der Unent- nicht anders gehandelt; denn sonst wäre die jetzige
schlossenheit ausgefüllt wild mit Affären, Affären Vereinbarung mit ihm nicht zu verstehen.
aller Art. Sie machen sich breit in der öffentlichen Die Frage ist, meine Damen und Herren, ist da-
Meinung, als seien sie Politik oder als könne man mit die Angelegenheit erledigt. Wir sind der Mei-
mit ihnen Politik machen. Ich denke hier nur daran nung: nein! Denn in dieser für das Ansehen der
— wir haben darüber gesprochen —, wie heute Bundesrepublik so schädlichen Affäre fehlt die Be-
z. B. Presseoffiziere Politik machen können. Wenn antwortung der Frage: wer hat eigentlich dieses
dann 'die Angelegenheit hier im Parlament zur Kesseltreiben gegen Herrn Kroll in Gang gesetzt,
Sprache kommt, verteidigt der Herr Verteidigungs- und, wenn es sich um Angehörige des Amtes oder
minister mit allen „Waffengattungen" seiner red- der Botschaft handelt, was geschieht mit ihnen? Hier
nerischen Begabung müssen im Interesse des Ansehens des Amtes die
(Heiterkeit) Karten auf den Tisch gelegt und die Schuldigen zur
Verantwortung -gezogen werden.
die Meinungsfreiheit und die Schreib- und Rede-
freiheit des Soldaten, als ob es dar um ginge! Der (Beifall bei der SPD.)
verantwortliche Pressereferent eines Ministers hat Meine Damen und Herren, wenn es Differenzen
nicht eigene Politik zu machen, sondern die Politik zwischen dem Amt und einem Botschafter gibt, dann
seines Min iste r s zu interpretieren und zu erläutern. müssen sie direkt sachlich und offen zwischen den
(Beifall bei der SPD.) Beteiligten geklärt werden. Es darf aber nicht der
Eindruck entstehen, daß man bei uns in der Bundes-
Ich gebe zu, daß das nicht immer einfach ist.
republik hohe Repräsentanten der Bundesrepublik
(Heiterkeit bei der SPD.) in Heckenschützenmanier abschießen kann.
Aber wenn sich der Presseoffizier dadurch in den (Beifall bei der SPD.)
Möglichkeiten, seine eigenen Ansichten zu vertre-
ten, beengt fühlt, dann muß er seine Position auf- Herr Bundeskanzler, hier hätten Sie nicht pingelig
geben. Die Demokratie kennt nicht nur die Freiheit sein dürfen,
der Meinungsäußerung, die Freiheit in Wort und (Heiterkeit 'bei der SPD)
Schrift, sie kennt auch die Verantwortung gegen- sondern hätten mit klaren Worten und gegebenen-
über dem Amt. falls mit einem Machtwort 'eingreifen müssen; denn
(Beifall bei der SPD.) das ist keine Ressortangelegenheit, sondern das war
Ich möchte übrigens einmal erleben, was Herr und ist eine Frage der Sachlichkeit und der Sauber-
Strauß tun würde, wenn ein aktiver Offizier öffent- keit in unserer Verwaltung. Die Angelegenheit Kroll
lich Meinungen in Verteidigungs- und Militärfragen war leider nicht der erste Fall dieser Art, und sie
vertreten würde, die seinen Auffassungen wider- sollte eine deutliche Warnung für diejenigen sein,
sprechen. die glauben, daß man mit Intrigen Politik machen
(Sehr wahr! bei der SPD.) kann. Eine solche Einstellung kann der Politik und
dem Ansehen der Bundesrepublik nur schaden.
Meine Damen und Herren, wir haben dann die
Angelegenheit des Botschafters Dr. Kroll. In der Es gibt noch einen Punkt im Falle des Botschafters
Öffentlichkeit wurden ihm Äußerungen unterstellt, Kroll, der einen besonderen politischen Aspekt hat.
die im Widerspruch zu der außenpolitischen Hal- Die Bundesrepublik hat mit Zustimmung aller drei
tung der Bundesregierung stehen. Es wurde ein Fraktionen das sowjetische Memorandum vorn
Kesseltreiben gegen ihn veranstaltet, und schließ- 27. Dezember 1961 mit einer sachlich abgewogenen
lich wurde er durch ein ungewöhnlich scharfes Tele- Gegendarstellung beantwortet. Niemand hat von
gramm des Bundeskanzlers nach Bonn zurückbe- dieser Beantwortung in 'bezug auf unsere Beziehun-
rufen. Dann folgten lange Besprechungen. Der gen und in bezug auf eine Annäherung der beider-
Außenminister bemühte sich, auf den Kern der seitigen Standpunkte Wunder erwartet, aber man
Sache zu kommen und festzustellen, ob die erhobe- konnte die Hoffnung haben, daß sie zu einer all-
nen Vorwürfe stimmten. Der Kanzler — entgegen mählichen Normalisierung und Besserung der Atmo-
seiner sonstigen Gewohnheit, Herrn Kroll zu sehen sphäre hätte führen können. Meine Damen und Her-
— empfing den Botschafter nicht. Die Sache endete ren, das ist nun erst einmal durch die Auseinander-
für die Öffentlichkeit damit, daß der Botschafter in setzungen um Dr. Kroll überdeckt worden, und ich
Urlaub geht, dann noch einmal nach Moskau auf frage mich, ob die Angriffe gegen Dr. Kroll nicht
seinen Posten zurückkehren und später im Auswär- auch diesen Zweck mitverfolgten.
tigen Amt als Berater in Ostfragen ein Amt über- Meine Damen und Herren, es ist uns kein Ver-
nehmen soll. Das ist jedenfalls die offizielle Dar- gnügen, diese kritische Aufzählung machen zu müs-
stellung über die Beilegung des Falles. Damit kein sen. Es geht hier nicht um die Aufzählung von Grün-
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Ollenhauer
den, die die Opposition veranlassen, auch in diesem Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
Jahr gegen den Haushalt des: Bundeskanzlers zu Herr Bundeskanzler.
stimmen. Wir haben in der Aussprache über die (Zurufe und Unruhe bei der SPD.)
Regierungserklärung im Dezember vorigen Jahres
Zweifel und Besorgnisse über die Fähigkeit der
Regierung zum Ausdruck gebracht, die vor uns Dr. Adenauer, Bundeskanzler (von den Regie-
liegenden schwierigen außen- und innenpolitischen rungsparteien mit Beifall begrüßt) : Herr Präsident!
Aufgaben zu lösen. Diese Befürchtungen sind in der Meine Damen und meine Herren! Lassen Sie mich
kurzen Zeit seit Dezember bestätigt worden. Eine zunächst Herrn Kollegen Ollenhauer danken für die
Koalition, deren Partner sich ständig über Inhalt und Eingangsworte, die er gesprochen hat. In der Tat,
Bedeutung des Koalitionsabkommens streiten, es ist ein ziemlicher Wechsel seit gestern auf heute,
(Zurufe von den Regierungsparteien) wenn ich mir diesen Saal betrachte und wenn ich an
den Comer-See denke.
eine Koalition, die letzten Endes nur auf der ge- (Heiterkeit.)
meinsamen egoistischen und parteipolitischen Über-
legung beruht, die Sozialdemokratie auf jeden Fall Ich danke Ihnen aber für die guten Wünsche, Herr
aus der Mitverantwortung im Bund herauszuhalten, Ollenhauer, und ich hoffe bestimmt, daß ich nach
eine solche Koalition ist unfähig, eine überzeugende Ostern doch Ihren Ratschlägen, die ich eigentlich in
und klare Regierungspolitik zustande zu bringen. den Satz „Landgraf, werde hart" zusammenfassen
möchte, folgen werde.
(Beifall bei der SPD. — Zurufe von den
Regierungsparteien.) (Heiterkeit. — Beifall bei den Regierungs
parteien. — Zuruf von der SPD: Mehr Ord
Wir haben — es mag bitter sein — zur Zeit keine nung ins Haus!)
Regierung.
(Lachen bei den Regierungsparteien.) Meine Damen und Herren, Herr KollegeOllen-
hauer hat gesagt, die politische Führung, und zwar
Wir haben eine Anzahl von Ministern, die mit mehr sowohl die innen- und außenpolitische, und der
oder weniger Geschick die Aufgaben ihrer Ressorts Start der Koalition habe gezeigt, daß sie unfähig
vertreten und verwalten. - sei. Ich kann Herrn Ollenhauer in keiner Weise
darin beipflichten.
(Sehr wahr! bei der SPD.)
(Lachen bei der SPD.)
Es ist 'ein völlig andere Lage als in 'den früheren
3) Jahren. Damals haben wir oft hart und zäh gerungen — Daß Sie lachen würden und dem nicht zustim-
um sachliche Positionen in der Führung der Innen- men, war ja klar, meine Damen und Herren.
und Außenpolitik. Heute gibt es da, wo die Regie- (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)
rung führen sollte und ihre Politik vertreten sollte,
ein Vakuum, einen Leerlauf, in einer Zeit, in der die Aber wenn es Herrn Ollenhauer gestattet ist, nun
- zu allem nein zu sagen, dann darf ich doch zu eini-
Entwicklung mehr denn je eine wache, aktive und an
Initiativen reiche Bundesregierung erfordert. gem wenigstens ja sagen.
(Gegenrufe von der Mitte.) (Erneuter Beifall und Heiterkeit bei den
Regierungsparteien.)
Herr Bundeskanzler, Sie bestimmen nach unserem
Grundgesetz die Richtlinien der Politik. Sie haben Ich sage aus Überzeugung zu recht vielen Dingen
diese besondere Verantwortung in .den vergangenen ja, nicht zu allen, das werden Sie noch hören, meine
Jahren immer ohne Furcht und ohne Scheu auf sich verehrten Damen und Herren.
genommen. Wenn aber gesagt wird, daß eine Koalition, wie
(Abg. Rasner: Ohne Tadel! — Heiterkeit bei sie jetzt geschaffen worden sei, unfähig sei, dann
den Regierungsparteien. — Weitere leb bestreite ich das entschieden, und ich will Ihnen so-
hafte Zurufe von der Mitte: Ohne Tadel!) fort dazu zwei Beispiele aus der letzten Vergangen-
heit anführen. Bitte, denken Sie an die Rede des
— Ohne Furcht und ahne Scheu. — Heute fehlt diese Finanzministers Starke, als er den Haushaltsplan
Führung. Ich 'treffe diese Feststellung ohne eine Spur einbrachte. Ich glaube, das ganze Haus hat unter
von Genugtuung. Ich treffe sie mit Sorge; denn in dem Eindruck dieser Rede gestanden; denn er sprach
diesem Augenblick geht es mir nicht um einen tak- doch davon, und zwar in sehr ernsten Worten, daß
tischen Vorteil für Opposition oder Koalition in dem man nicht alles auf einmal haben könne und daß
Kampf um die Ausübung der Regierungsgewalt. Es gespart werden müsse.
geht um das Schicksal unseres Volkes, und, Herr (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Bundeskanzler, es ist Ihre Verantwortung und die
Verantwortung Ihrer politischen Freunde, aus die Meine Damen und Herren, während ich manchmal
usnhaltebr'mZd,inwjetzsh — ich will sehr vorsichtig sein — von Freunden, die
die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. man im Ausland hat, höre, daß man von sozial-
demokratischen Herren, wenn sie ins Ausland
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sieht
kämen, dort andere Worte höre, als sie hier im
sich nicht in der Lage, dem Haushalt des 'Bundes- Bundestag gesprochen würden — was mich sehr
kanzlers zuzustimmen. wundert —, kann ich Ihnen sagen, daß z. B. die
(Beifall bei der SPD.) Reise, die Herr Mende in die Vereinigten Staaten
962 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. Ap ri l 1962
Bundeskanzler Dr. Adenauer
gemacht hat, dort einen sehr großen Eindruck hin- Nun hat mir Kollege Ollenhauer weiter Unklar-
terlassen hat. heit in der Europa-Politik vorgeworfen. Er hat von
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten meiner Zusammenkunft mit dem französischen
der CDU/CSU.) Staatspräsidenten gesprochen und dazu gesagt, daß
Herr de Gaulle doch das Europa der Vaterländer
Herr Ollenhauer hat mir dann vorgeworfen, die und den Stillstand der wirtschaftlichen Integration
Politik sei verworren und ich ließe die Zügel schlei- Europas haben wolle. Meine Damen und Herren,
fen. Ich folge ihm in der Gestaltung dessen, was ich das ist völlig falsch. Lassen Sie mich zunächst doch
zu sagen habe, und möchte auch zunächst über die einmal diesen Worten „Europa - der Vaterländer"
Außenpolitik sprechen. und auf 'der anderen Seite „europäische Integra-
Meine Damen und Herren, ich spreche jetzt zu- tion", wenn ich kann, den Hals herumdrehen!
nächst einmal von Berlin. Ich kann hier nur erklären Meine Damen und Herren, keiner in diesem Saale
— und möchte das nicht nur vor der deutschen ist der Auffassung, daß wir, auch wenn die Politi-
Öffentlichkeit, sondern vor der gesamten Welt- sche Europäische 'Union vollzogen ist, kein deut-
Öffentlichkeit sagen —, daß unser Standpunkt be- sches Vaterland mehr haben. Das wollen wir doch
züglich Berlin derselbe geblieben ist und bleiben behalten,
wird. (Beifall bei den Regierungsparteien)
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Ichglaube, dieser Standpunkt ist sehr klar. Wir und ebenso wollen die Franzosen ihr Vaterland be-
müssen doch, um Berlin zu retten, dafür sorgen, daß halten, und ebenso wollen die Italiener ihr Vater-
die drei früheren alliierten Mächte, die Vereinigten land behalten.
Staaten an der Spitze und dann England und Frank- (Unruhe bei der SPD.)
reich, ,als Vorkämpfer für die Sache Berlin in der Woraus besteht denn nach Ihrer Auffassung das
Welt dastehen, nicht wir — wir stehen dahinter —, Vaterland? Das Vaterland, meine Damen und Her-
und wir müssen alles tun, damit Berlin Hoffnung ren, äußert sich in der Zugehörigkeit zu einem be-
behält und Leben behält. Aber die außenpolitischen stimmten Land, nicht in erster Linie in militärischen
Auseinandersetzungen müssen die Drei 'f ihren. Was Rüstungen, sondern in 'der Gemeinsamkeit der Kul-
Herr Präsident Kennedy darüber gesagt hat, das tur, in der 'Gemeinsamkeit der Sprache, in all dem,
wissen wir doch alle, und das Bekenntnis, das er zu was den Menschen mit einem Land, in dem er auf-
Berlin und zur Freiheit Berlins abgelegt hat, wax so gewachsen ist, verbindet,
klar und deutlich wie nur j e . Wenn wir jetzt da-
(Beifall bei der CDU/CSU)
zwischenredeten, würden, glaube ich, Mißtöne her-
auskommen. Aber daß wir mit den Vereinigten und deswegen habe ich, auch wenn 'die politische
Staaten — Integration, wie ich 'hoffe, im Juni dieses Jahres
(Lachen bei der SPD.) beginnt, nach wie vor ein deutsches Vaterland, und
Sie haben es auch.
— Meine Damen und Herren, Sie wissen - genau,
daß sich dann Sowjetrußland gegen uns wenden (Unruhe und Zurufe bei der SPD.)
würde, und zwar in ganz anderer Weise als gegen Deswegen ist die 'Gegenüberstellung: Europa der
die Vereinigten Staaten. Vaterländer oder integriertes Europa, falsch. Ich
(Zustimmung bei den Regierungsparteien.) werfe Ihnen das gar nicht vor, Herr Ollenhauer,
sondern ich benutze die 'Gelegenheit, in aller Öffent-
Seien wir doch gerade in der Sache Berlin, meine
lichkeit einmal klarzustellen, 'daß man so gar nicht
Damen und Herren, einsmal weg von aller Partei-
sprechen soll,
politik, gegeneinander ehrlich und vertrauensvoll!
(Zuruf von der SPD: Wie denn?)
(Lebhafter Beifall bei den Regierungs
parteien.) wie es die Öffentlichkeit in der Regel tut. — Ich
komme gleich darauf zurück, meine Herren, was in
Ich betone namentlich, meine Damen und Herren,
Baden-Baden, in Turin und in Cadenabbia gespro-
daß wir in dieser Sache zusammenstehen müssen,
chen worden ist.
die Opposition und die Regierungskoalition;
(Sehr richtig! bei der SPD) Nun hat der Kollege Ollenhauer von meinem
Interview mit dem Chefredakteur von „Le Monde"
denn wenn wir nicht zusammenstehen, wenn man und davon gesprochen, daß die Kreise Großbritan-
uns hier vorwirft, daß wir, die Bundesregierung, niens, die nicht für den Eintritt in die EWG seien,
(Abg. Dr. Kohut: Seit 12 Jahren haben Sie dadurch Sukkurs von mir bekommen hätten. Ich
nichts für Berlin getan!) weiß nicht, Herr Kollege Ollenhauer, ob Sie gehört
haben, was Herr Macmillan erklärt hat. Herr
und die Koalition, die hinter ihr steht, in der Frage Macmillan hat doch, und zwar im 'britischen Parla-
Berlin unklar und verworren seien, dann, meine ment, erklärt, alle diese Behauptungen seien völlig
Damen und Herren, schaden wir Berlin. falsch und er habe an meinen Erklärungen nichts
(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. KOhut.) auszusetzen. Das ist auch richtig, meine Damen und
Darüber sollte 'man sich doch wirklich klar sein. Herren. Das, was ich „Le Monde" gesagt halbe, ist
(Zuruf von der SPD: Das ist aber ganz neu! drüben in Großbritannien von gewissen Kreisen
— Abg. Hermsdorf: Das ist wielder sehr einfach entstellt worden.
typisch für Sie, was Sie da sagen!) (Zuruf von der SPD: Wieder mal!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 963
Bundeskanzler Dr. Adenauer
Nun, meine Damen und Herren, Baden-Baden! Union gesprochen habe, während ich in dem Inter-
Hier müssen Sie die Nichtanwesenheit von Herrn view, das ich in den letzten zehn Tagen mit Herrn
Schröder entschuldigen; er muß an der Ministerrats- Sulzberger, dem Vertreter der New York Times
besprechung der WEU in London, die heute statt- gehabt,nicvoerAlatshnUio,
findet, teilnehmen. Zunächst haben wir in Baden- sondern von einer Partnerschaft gesprochen habe.
Baden die Stunden des Vormittags damit verbracht, Das isst richtig. Ich erinnere mich auch, daß Herr
daß wir über die Weltprobleme gesprochen haben, Strauß, der im übrigen Verteidigungsminister und
und nachmittags haben wir, Staatspräsident de nicht Wirtschaftsminister ist, von der Atlantischen
Gaulle und ich, über die europäische politische Inte- Union gesprochen hat. Es ist auch richtig, daß Herr
gration verhandelt. Bei der Gelegenheit hat Herr de Kennedy von der atlantischen Partnerschaft gespro-
Gaulle mir ausdrücklich darin zugestimmt, daß die chen hat. Ich spreche auch von der atlantischen Part-
jetzt bestehenden europäischen Institutionen ihre nerschaft; denn jetzt, in diesem Stadium der Ent-
Aufgabe ausgezeichnet erfüllt haben und daß sie wicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,
völlig unangetastet bleiben müssen. Das war die müssen wir, glaube ich, doch sehr sorgfältig darauf
Feststellung, die wir getroffen haben. Dann haben achten, daß nicht das politische Ziel in den Hinter-
wir uns noch über andere Fragen der politischen grund tritt oder unmöglich gemacht wird. Wenn man
Union, der europäischen Union unterhalten; wir in einer Wirtschaftsgemeinschaft, die doch Beschlüsse
waren auch da derselben Meinung. fassen kann, 'die für alle Länder Gesetzeskraft
haben, zu weit geht, ich meine, den Rahmen zu weit
Dann hat sich innerhalb des Kreises der Sechs
spannt, platzt nachher die ganze Geschichte, und das
Widerstand erhoben, der namentlich von Angehö-
müssen wir vermeiden.
rigen von Benelux herkommt. Herr d e Gaull e hat
sich nun, wie Sie wissen, in Turin mit Herrn F a n - (Zustimmung bei der CDU/CSU.)
fani getroffen. Herr Fanfani hat mir über diese
Unterredung, die er in Turin gehabt hat, jetzt in Bei 'der Weltlage, in der wir uns heute befinden und
Cadenabbia sehr ausführlich berichtet. Es zeichnet die wahrscheinlich noch sehr lange andauern wird,
sich da eine Lösung ab, die in einer gewissen Va- ist nach wie vor das Ziel die Politische Gemein
riante, die nicht von Bedeutung ist, von dem, was schaft, ist das dasjenige, was zum Weiterbestehen
wir in Caddenabbia besprochen haben, abweicht, — sicher Westeuropas, hoffentlich eines Tages ganz
nicht in der Frage der weiteren Funktion der beste- Europas absolut notwendig ist.
henden europäischen Gemeinschaften. Es ist nun zu (Beifall bei der CDU/CSU und bei einigen
hoffen, daß wir in der Sitzung des Ministerrates der Abgeordneten der FDP.)
EWG, die in der nächsten Woche stattfindet, mit
allen Sechs, auch mit den Beneluxländern, einig Diese eindeutige Erklärung der Bundesregierung zu
werden und daß in der ersten Hälfte des Monats Europa, die Herr Kollege Ollenhauer vermißt, ist
Juni eine Zusammenkunft der Regierungschefs in also mehrfach abgegeben worden. Mit meinen Wor-
Rom stattfindet, in der dann der erste Schritt zur ten habe ich sie hier noch einmal abgegeben.
Politischen Union getan wird. - Nun, meine Damen und Herren, ist auch von der
Nun, meine Damen und Herren, bitte ich noch NATO gesprochen worden. Sie werden aus der Presse
einmal an die EWG zurückzudenken. Auch bei der entnommen haben, daß ich noch am Sonntag mit dem
EWG sind wir davon ausgegangen, daß sie Schritt Generalsekretär der NATO eine lange Aussprache
für Schritt und in verschiedenen Stadien hergestellt gehabt habe. Da Herr Stikker und ich von den er-
werden muß. Ganz dasselbe müssen wir auch hin- sten Anfängen unserer Außenpolitik an immer ein
sichtlich der Politischen Union machen. Wir müssen sehr gutes persönliches Verhältnis gehabt haben,
auch hier Schritt für Schritt vorgehen, aber, meine war ein solches politisches Gespräch im Hause des
Damen und Herren, beharrlich vorgehen und kon- Herrn Stikker am Corner See sehr viel ungezwun-
sequent vorgehen. Darum handelt es sich jetzt. gener und sehr viel ergiebiger, als wenn man in ir-
Verehrter Herr Ollenhauer, Sie haben eindeutige gendeinem Büro zusammengekommen wäre.
Erklärungen der Bundesregierung zu Europa ver- Nun möchte ich Sie bitten, doch einmal abzuwar-
mißt. Ich glaube, der Vorwurf ist ungerechtfertigt. ten, was der NATO-Rat bei seiner nächsten Zusam-
Wir, die Bundesregierung und insbesondere ich, menkunft in Athen für Beschlüsse fassen wird. Er
haben immer und konsequent als letztes Ziel der wird dort Beschlüsse fassen über die Frage der
Politik der Herstellung der verschiedenen Organi- atomaren Waffen, das Verhältnis zu den Vereinig-
sationen von der Montanunion über die EWG die ten Staaten, kurz und gut, über alle diese Themen,
Politische Union bezeichnet. Ich glaube, dabei sind die — das gebe ich ohne weiteres zu — besonders
wir geblieben. Man braucht das nicht alle 14 Tage für uns Deutsche von lebenswichtiger Bedeutung
zu erklären. Man muß nur die Politik geradlinig sind. Warten Sie doch diese fünf Wochen noch ab!
weiterverfolgen. Ich kann Ihnen nur sagen, ich bin aus dieser Unter-
(Beifall bei der CDU/CSU.) redung mit Herrn Stikker sehr befriedigt herausge-
gangen. Ich war sehr zufrieden und zum Teil sogar
Ich bin fest überzeugt, daß wir zum Ziele kommen, überrascht über die Fortschritte, die Herr Stikker
wenn wir einig und geschlossen, geduldig und be- mir schildern konnte. In wenigen Wochen wird die
harrlich weiter dem Ziele zustreben. NATO-Ratssitzung vorbei sein, und ich nehme an,
Herr Kollege Ollenhauer hat dann davon gespro- daß dann wirklich der Zeitpunkt gekommen sein
chen, daß Herr Strauß in einem Vortrag vor der wird, um in diesem Saale in breiter Öffentlichkeit
AtlantischenGeorgtwn-Uivsäer über die Entwicklung der NATO zu sprechen.
964 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Bundeskanzler Dr. Adenauer


Herr Ollenhauer hat die Ansicht geäußert, wir Dies hat mich seit langem veranlaßt, mich mit der
hätten unsere Linie in der Außenpolitik verändert; ganzen Materie eingehend zu befassen. Denn ich
Ursache dafür seien die Koalitionsverhandlungen halte es für ein ganz schweres Unrecht
über die Außenpolitik gewesen. Nun, meine Damen (Zurufe von der SPD)
und Herren, diese Verhandlungen über die Außen-
politik hat Herr von Brentano, als er noch Außen- — verzeihen Sie! —, wenn eine Regierung nicht
minister war — ich bedaure,. daß er es nicht mehr versucht, wenigstens das Vertrauen der Bausparer
ist — lebendig zu halten.
(Lachen bei der SPD) (Beifall bei der SPD und bei einzelnen
— ja, meine Damen und Herren, soll ich denn Abgeordneten der Regierungsparteien. —
sagen: Gott sei Dank, daß er es nicht mehr ist? —, Zuruf von der SPD: Späte Erkenntnis!)
Aber wir sind nicht das einzige Land, das unter
(Heiterkeit)
den Gefahren der Überbeschäftigung leidet. Manche
schriftlich niedergelegt und in meiner Gegenwart von Ihnen werden genauso wie ich regelmäßig die
Herrn Kollegen Mende übergeben. Herr Mende hat „Neue Zürcher Zeitung" verfolgen. Gerade in der
dann mit seinen Leuten gesprochen und diese von „Neuen Zürcher Zeitung" hat vor wenigen Tagen
Herrn von Brentano niedergelegten Richtlinien un- ein ausführlicher Bericht über den Überschwang der
serer Außenpolitik akzeptiert. Konjunktur gestanden.
(Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Schäfer: (Zuruf von der SPD: Kein Trost!)
Und daraufhin mußte Brentano abtreten!!) — Ich bin ja noch nicht fertig! Ich kann doch nicht
— Meine Herren, wenn Sie einmal Koalitionsver- immer trösten!
handlungen führen sollten, (Heiterkeit in der Mitte.)
(Heiterkeit bei den Regierungsparteien — Danach haben sich in der Schweiz sowohl die
Zuruf von der CDU/CSU: In zwölf Jahren!) Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber zu einem sehr
vernünftigen Standpunkt des gemeinsamen Han-
werden Sie diese wohl nicht auf offenem Markt delns bekannt.
führen. Ich glaube, daß Sie sie in möglichst kleinem
Kreis führen würden, und ich bin fest überzeugt, (Beifall bei den Regierungsparteien.)
daß dann auch allerhand gemunkelt, geredet und ge- Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß es ge-
schwätzt würde, was gar nicht zutrifft. Das ist doch lingt, daß auch in der Bundesrepublik die Arbeit-
immer so, meine verehrten Herren. nehmer und die Arbeitgeber sich in der Frage der
(Abg. Dr. Kohut: Das war eine ganz Konjunktur finden. Denn es ist sowohl das Inter-
reizende Darstellung der Koalitions esse der Arbeitgeber wie das der Arbeitnehmer wie
verhandlungen, Herr Kanzler!) das der Konsumenten — von denen überhaupt kei-
- ner spricht —
Nun zur Innenpolitik. Die wirtschaftliche Lage ist (Unruhe bei der SPD)
ein sehr ernstes und sehr umfangreiches Problem.
wie das der Sparer, das gewahrt werden muß. Ich
Das ist sie meiner Meinung nach von jeher ge-
habe auch das sehr offen in der „Welt am Sonntag"
wesen. Sie werden wohl aus der Presse ersehen
gesagt.
haben, daß meine Sorgen um die wirtschaftliche Ent-
wicklung nicht von gestern oder vorgestern sind. Ja, meine Damen und Herren, die Bundesregie-
Ich stimme Ihren Ausführungen bei. Sie werden das rung — damit ich damit anfange — ist schuldig, der
vielleicht den Bemerkungen entnommen haben, die Bundestag ist auch schuldig,
ich in der „Welt am Sonntag" in ihrer letzten Num- (Beifall bei Abgeordneten der Regierungs
mer gemacht habe. Man kann nicht etwa nur die parteien — Lachen bei der SPD)
Gewerkschaften dafür verantwortlich machen. Ich
denke nicht daran. Ich sage Ihnen auch in aller es sind schuldig die Länder, und es sind schuldig die
Offenheit: Ich habe mich in den vergangenen Jah- Kommunen.
ren, sogar häufig, auch über die Unternehmer ge- (Zurufe von der SPD.)
ärgert, weil diese — solange sie das Bestellbuch Es sind auch schuldig eine ganze Anzahl von Leu-
voll hatten — geneigt waren, alles zu bewilligen, ten, die zuviel verdient haben.
was gefordert wurde. Sie wollten lieber fortarbeiten
und die Preise lin die Höhe setzen, als bestreikt zu (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeord
werden. Das ist doch die Situation. neten der FDP und der SPD.)

Was mich immer so besorgt gemacht hat, das war Halten Sie mich denn für so töricht und blind, daß
die sprungweise Erhöhung der Baupreise, seit nun- ich das nicht auch sehe und meine Meinung darüber
mehr drei Jahren jedes Jahr, dreimal um 8 %, und habe, wie gering manche Leute den Wert des Gel-
jetzt um noch mehr als 8 %. Was mir dabei am des einschätzen und es einfach für nichts ausgeben?!
meisten Kummer gemacht hat, ist, daß die Bau- (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeord
sparer durch diese sprungweise Erhöhung gerade neten der FDP und der SPD.)
der Baukosten so tief getroffen worden sind. Die ganze Angelegenheit, um die es sich handelt,
(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeord die Überführung unserer Wirtschaft in ein neues
neten der FDP.) Stadium, wo die Bestellungen, das Geld nicht mehr
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 965
Bundeskanzler Dr. Adenauer
in dieser Weise nach Deutschland hereinfließen, ist dent Kennedy und mir sind so gut, wie sie nur
in hohem Maße auch eine Aufgabe des moralischen je gewesen sind, einschließlich der Administration
und politischen Denkens. Da müssen wir miteinan- Eisenhower/Dulles, und das ist doch das Wichtigste
der, auch alle Parteien, nach dem Rechten sehen. von allem.
Wir müssen unseren Leuten — die hinter Ihnen Sie wissen auch, meine Damen und Herren, daß
stehen, die hinter der Koalition stehen — und der die Beziehungen zu Frankreich ausgezeichnet sind
gesamten Öffentlichkeit klarzumachen versuchen, und sich immer wieder, auch in diesen Zeiten be-
daß wir alle in einem Boot sitzen. Dazu brauchen währt haben.
wir Zeit. Das kann man nicht von heute auf morgen (Beifall bei der CDU/CSU.)
machen. Es ist manches Vertrauen zerstört worden, Wir sind uns doch wohl darin einig, daß ohne gute
das wieder begründet werden muß. Man muß auch und freundschaftliche Beziehungen zwischen Frank-
versuchen, dem ganzen deutschen Volke klarzu- reich und Deutschland ein Europa von Dauer sich
machen, daß nun eine andere Epoche in der Ent- nicht schaffen läßt.
wicklung angebrochen ist, sowohl auf sozialem Ge-
Was nun unsere Beziehungen zu Großbritannien
biete wie auf wirtschaftlichem Gebiete, mit der man
angeht, meine Damen und Herren, so habe ich den
sich auseinandersetzen muß und die man zum Wohl ernsten und wohlüberlegten Wunsch, daß Groß-
des allgemeinen Besten führen sollte. britannien in die EWG als vollwertiges Mitglied
Nun, meine Damen und Herren, der Herr Kollege eintreten möge.
Ollenhauer hat auch Sätze gesprochen, die mich, (Beifall bei den Regierungsparteien.)
wenn ich an die Vergangenheit denke, sehr wohl-
tuend berührt haben. Er hat so, kurz gesagt, aus- Ich hoffe ;sehr, daß die Verhandlungen, die begon-
gesprochen, früher wäre ich ein Mann von Tatkraft nen haben, zu dem von uns allen zu wünschenden
gewesen, der gewußt hätte, was er gewollt hätte, und speziell von mir gewünschten Erfolg führen
und jetzt ließe er die Zügel einfach schleifen. Nun, werden, so daß ich glaube, meine Damen und Her-
ich muß Ihnen, glaube ich, eine Enttäuschung berei- ren, daß ich nichts weiter hinzuzufügen brauche.
ten, Herr Ollenhauer. Ich glaube, ich bin noch ganz In der Außenpolitik wird Europa werden. Wir
derselbe, der ich früher auch gewesen bin. hoffen alle, daß Großbritannien abs vollwertiges
(Lachen bei der SPD. — Heiterkeit bei der Mitglied mit uns zusammenarbeitet. Die NATO
CDU/CSU. — Zuruf links: Eben!) macht eine Entwicklung zum Guten durch. Warten
Sie die Sitzung des NATO-Rates in Athen ab!
Aber, meine Damen und Herren, in der Außenpoli
tik ist es wirklich nicht das Wichtigste, alle acht In der Frage der Innenpolitik möchte ich ein
Tage oder alle vierzehn Tage mit einem neuen Ge Wort zu den Angriffen von Herrn Ollenhauer auf
danken zu kommen. Herrn Blank sagen. Ein Minister kann nicht das
wollen Sie bitte verstehen — einem Abgeordneten,
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
gleichgültig welcher Fraktion, seine Gedanken über
Die Situaton ist doch genau dieselbe, meine
- Damen größere Probleme sagen, ehe er nicht weiß, ob das
und Herren. Das Wichtigste ist, das Vertrauen, das Kabinett diese Gedanken teilt. Daher halte ich es
wir erworben haben, zu behalten. für durchaus richtig, wenn man auf eine solche Frage
(Beifall bei der CDU/CSU.) höflich antwortet: — Entschuldigen Sie, aber ich
hoffe, daß ich in kurzer Zeit in der Lage sein werde,
Glauben Sie mir, wenn die Deutschen alle Monate Ihre Frage zu beantworten.
oder alle vierzehn Tage oder alle zwei Monate mit
einer neuen Ansicht die Welt überraschten, dann Wir sind uns wohl alle darüber einig, daß wir auf
würde man draußen an uns zweifeln und würde sa- sozialem Gebiet große Aufgaben vor uns haben.
gen: Es sind doch immer dieselben unruhigen und Auch die beiden Koalitionspartner sind sich darin
nicht zuverlässigen Deutschen. einig.
(Zurufe von der SPD.)
(Beifall in der Mitte.)
Deswegen glaube ich: die Opposition sollte weiter
Wenn irgendwo, dann muß man in der Außen- fortfahren — das ist aber ein Wunsch; ich kann
politik an einer klaren Richtung festhalten und darf Ihnen keinen Rat geben — in einer konstruktiven
nicht verlangen, man solle immer etwas Neues Opposition; denn die braucht man.
sagen.
(Zuruf von der SPD: Mende!) (Bravo! bei der SPD).
Sehen Sie, meine Freunde, meine Damen und Her- — Ja, das ist meine ehrliche Überzeugung;
ren, — — (Lachen und Zurufe von der SPD)
(Lachen bei der SPD. — Allgemeine Heiter denn es ist doch kein Mensch allwissend. Jeder
keit.) weiß doch, daß er auch nur ein Mensch ist und daß
— Ich glaube, ich brauche mich nicht zu entschul- es da sehr gut ist, wenn einer auf ihn aufpaßt und
digen. ihn auf Mängel hinweist. Das ist doch ganz selbst-
(Erneute Heiterkeit.) verständlich.
(Beifall bei der SPD.)
Meine Damen und Herren, das möchte ich Ihnen
hier sagen — und jedes Wort davon ist überlegt —: Ich habe gesagt: Eine konstruktive Opposition ist
Die Beziehungen zwischen uns und den Vereinigten nur erwünscht und kann vom Standpunkt der par
Staaten und auch die Beziehungen zwischen Präsi lamentarischen Demokratie aus nur erwünscht sein.
966 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Bundeskanzler Dr. Adenauer


Ich bitte Sie, wenn Sie diesen Haushaltsplan ver- verehrten Damen und Herren, es Ihnen recht zu
abschiedet haben, daran zu denken, daß es eine machen.
sehr schwere Aufgabe war, in einer solchen Situa- (Abg. Hermsdorf: Auch Ihnen nicht!)
tion, in der wir uns augenblicklich befinden, einen
— Ihm schon gar nicht, Idas 'wissen wir.
Haushaltsplan aufzustellen. Sie haben ganz recht,
Herr Kollege Ollenhauer: Der Haushaltsplan 1963 (Heiterkeit.)
wird sehr schwierig werden, wird noch schwieriger Ich glaube, daß wir mit dieser Kritik ganz ein-
werden, und man wird sich sehr überlegen müssen, verstanden sein können. Sie zeigt uns, wie ich meine,
wie man ihn zum Ausgleich bringt. Aber verzeihen daß wir uns auf der richtigen Mittellinie bewegt
Sie, wenn ich Ihnen darauf nur sage: über den Haus- haben. Daran ändern auch nichts die einzelnen
haltsplan 1963 sprechen wir zu gegebener Zeit; Punkte, die von Ihnen genannt worden sind, Herr
heute handelt es sich um den Haushaltsplan 1962. Kollege, und auf die ich wenigstens kurz antworten
(Beifall bei den Regierungsparteien.) will.
Sie haben sich hier geäußert, daß die Europa-
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der politik nicht mehr klar sei. Sie wollten Informationen
Abgeordnete Dr. von Brentano. über die Gespräche, .die .inzwischen von dem Herrn
Bundeskanzler mit dem französischen Staatspräsi-
denten und dem italienischen Ministerpräsidenten
Dr. von Brentano (CDU/CSU) : Herr Präsident! , der Hand, daß man geführtwodnsi.Elgauf
Meine Damen und Herren! Nach den Wahlen vom über Einzelheiten hier im Plenum nicht sprechen
17. September, mit denen meine politischen Freunde kann. Die Diskussion werden wir, wie ich hoffe, in
durchaus nicht ganz zufrieden waren, blieben drei Kürze im Auswärtigen Ausschuß fortführen. Ich bin
Alternativen übrig: Entweder hätte der sehr ver- überzeugt, daß ich für meine Freunde hier spreche
ehrte Herr Kollege Mende hier gestanden und die — ebenso bin ich überzeugt, daß es keinen Unter-
Koalition zwischen CDU und SPD angegriffen, oder schied zwischen dem Willen 'der Regierung und dem
ich hätte hier gestanden und die Koalition zwischen Willen meiner Freunde gibt —, wenn ich sage: wir
FDP und SPD kritisiert, oder es kam so wie heute, wollen diese Europapolitik fortsetzen, von der wir
daß Sie eben die Koalition zwischen uns kritisieren überzeugt sind, daß sie die wichtigste Voraussetzung
mußten. Es gab dann noch eine vierte Möglichkeit,
.der Außenpolitik schlechthin ist und bleiben wird.
daß keiner kritisiert hätte, nämlich bei einer All-
parteienregierung, aber das wäre langweilig und (Beifall bei der CDU/CSU.)
undemokratisch.
Wir haben die Verträge über 'die Montanunion
(Beifall bei den Regierungsparteien.) und die Verträge von Rom abgeschlossen, um auf
dem Wege über die wirtschaftliche Einigung zur
Nun haben Sie uns zunächst einmal den Vorwurf
politischen Einigung Europas zu kommen. Wir haben
gemacht, daß diese Koalition ja beschlossen worden
1 die Resolution von Bad Godesberg begrüßt, weil sie
sei, um Sie herauszuhalten. Ich weiß nicht, wie die
den Weg für eine politische Einigung frei machen
Sozialdemokratische Partei in anderen Bereichen
sollte. Wir wissen, daß Meinungsverschiedenheiten
denkt. Vor einigen Jahren ist in Düsseldorf eine
in der Diskussion des Fouchet-Ausschusses entstan-
Regierung umgebildet worden. Doch wohl auch zu
den sind. Ich selber habe zu denjenigen gehört, die
dem Zweck, die CDU aus der Koalition herauszu-
vor einer falschen Entwicklung gewarnt haben, und
halten! In Hamburg, in Hessen oder in Nieder-
sachsen werden die auch herausgehalten. Das ent- ich würde diese Warnung auch wiederholen, wenn
spricht einer Übung. es notwendig wäre. Aber es soll kein Zweifel an
folgendem bestehen: :auch für meine Freunde und
(Abg. Niederalt: Das scheint überhaupt der für mich ist eine Voraussetzung der , europäischen
Sinn einer Koalition zu sein!) Politik die enge freundschaftliche und vertrauens-
— Es ist überhaupt eine Übung, daß eben eine Min- volle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und
Frankreich.
derheit in der Opposition steht und eine Mehrheit
die Verantwortung trägt. (Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Kritik, ,die dann kam, hat mich überrascht, Zum zweiten nenne ich hier eine volle Überein-
stimmung mit den übrigen Partnern der Gemein-
Herr Kollege, und ich muß sagen: sie hat mich auch
schaft der Sechs, die gemeinsam über den Weg nach
sehr befriedigt. Der Herr Bundeskanzler hat schon
vorne zu entscheiden haben. Ich würde es :aufrichtig
davon gesprochen, und ich möchte es noch einmal
aufgreifen. Wir hörten von Ihnen: diese politische begrüßen, wenn die bevorstehende Ministerkon-
Führung sei schwach, sie sei verworren und unklar; ferenz oder dis Konferenz der Regierungschefs, die
für Juni geplant ist, uns auf dem Wege zur poli-
der Herr Bundeskanzler lasse die Zügel schleifen;
tischen Integration — wie der Bundeskanzler es ge-
früher habe er ohne Furcht und Scheu die Verant-
wortung übernommen; jetzt sei es an ihm, ein rade sagte — voranführen würde.
Machtwort zu sprechen. — Ich habe mich bei dieser Ebenso gibt es keine Meinungsverschiedenheit —
Rede daran erinnert, wie oft der gleiche Bundes- insbesondere in bezug auf die Europäische Wirt-
kanzler kritisiert worden ist als , der Mann der ein- schaftsgemeinschaft — über das Verhältnis zwischen
samen Entschlüsse, als der autoritäre Kanzler; diese Deutschland ,und Großbritannien. Ich habe hier schon
Regierung wurde damals als Kanzlerdemokratie be- einmal gesagt und wiederhole es: wir sind der Über-
zeichnet. Es scheint nicht ganz leicht zu sein, meine zeugung, daß der Beitritt Großbritanniens 'einen ent-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 967
Dr. von Brentano
scheidenden Schritt nach vorne bedeutet. Wir haben Sie haben dann, Herr Kollege Ollenhauer, von
diese politische Entscheidung begrüßt. Ich habe an Genf gesprochen, und Sie sagten, Sie sähen einen
die Bundesregierung nur die Bitte zu richten, alles Widerspruch in den Erklärungen des Bundeskanz-
zu tun, was in ihrer Macht steht, damit die Ver- lers, der zu Beginn der Konferenz einmal sagte, man
handlungen zwischen der EWG und Großbritannien, könne nicht viel davon erwarten, und der vor kur-
die sicherlich nicht leicht sein werden, sobald wie zem sagte, sie habe immerhin nichts verdorben. Ja,
möglich erfolgreich abgeschlossen werden. meine Damen und Herren, ich glaube, diese Formu-
lierung war vollkommen richtig. Auch ich war der
Dann ist auch nach der atlantischen Union oder Meinung, als die Konferenz anfing, man solle nicht
der atlantischen Partnerschaft gefragt worden. Ich zu viel davon erwarten; und leider hat sich diese
glaube, es kommt hier nicht so sehr darauf an, etwas pessimistische Betrachtung bestätigt; und
welche Formulierungen man gebraucht, als vielmehr jetzt ist die Konferenz zu Ende, und da können wir
darauf, was man politisch will. Für meine politischen mit einer gewissen Befriedigung feststellen: Es ist
Freunde und für mich gibt es eigentlich eine sehr wenigstens kein Unheil geschehen. Meine Damen
klare Antwort: Wir wollen ein möglichst starkes und Herren, können Sie eigentlich sehr viel mehr
einiges Europa als Partner starker Vereinigter Staa- über den Ablauf der Konferenz sagen?
ten in einer atlantischen Gemeinschaft.
Dann sagen Sie, wir hätten keinen Beitrag zu der
(Beifall bei der CDU/CSU.) Konferenz geleistet, und der Beitrag dürfe doch
Diejenigen, die vor wenigen Tagen hier in Bonn die nicht in der reinen Negation bestehen. Meine sehr
Rede des amerikanischen Unterstaatssekretärs Ball verehrten Damen und Herren, ich glaube, daß auch
hören konnten, werden mir zustimmen, daß zwi- dieser Vorwurf so unbegründet ist, wie er es auch
schen der Auffassung, die er vertreten hat, und der früher war, wenn er in gleichem Zusammenhang er-
Auffassung, die hier vertreten wird, kein Unter- hoben wurde. Wissen Sie nicht, daß diese Konferenz
schied besteht. Ich habe das aufrichtig begrüßt; denn wie auch die vorangegangenen vorbereitet wurde
es gab Zeiten, in denen die amerikanische Politik zwischen den Verbündeten mit der Bundesrepublik,
gerade in dieser Frage vielleicht in einer Nuance und ist nicht der wichtigste Beitrag, den die Bundes-
verschieden war von der, die ich eben vertreten republik in einer solchen Konferenz leisten kann,
habe. der, zu einer Einigkeit der freien Welt beizutragen?
Und das ist gelungen.
Sie haben dann noch kritisiert, Herr Kollege
Ollenhauer, daß man über die Frage der atomaren (Beifall bei der CDU/CSU.)
Rüstung so verschiedene Formulierungen höre, und
Ich weiß nicht, ob allzu viele Beiträge, die auf allzu
dann haben Sie — und das habe ich doch notiert, viel Phantasie beruhen, sehr glücklich sind. Ich
weil es mich besonders interessiert hat — festge- sehe in dieser Situation, ich sage es ganz offen, die
stellt, daß die Koalition geneigt sei, diese Frage zum
erneute Äußerung des Regierenden Bürgermeisters
Streitgegenstand in der inneren Politik zu machen.
von Berlin, der sich wieder einmal für eine Konfe-
Herr Kollege Ollenhauer, ist das nicht eine Erinne-
renz der 52 Siegerstaaten über den Inhalt eines
rungslücke? Wenn ich mich recht erinnere — aber
Friedensvertrages ausgesprochen hat, nicht als einen
ich mag mich täuschen —, dann war es doch die
sehr sinnvollen Beitrag zu den Genfer Beratungen
Sozialdemokratische Partei, die einmal die Frage
an.
der atomaren Bewaffnung zum Streitgegenstand der
inneren Politik gemacht hat. (Beifall bei den Regierungsparteien.)

(Beifall bei der CDU/CSU.) Daß im übrigen in der Nuance auch einmal Unter-
schiede innerhalb der Koalition über außenpoliti-
Heute geht es darum — und ich glaube, es ist sche Fragen bestehen — sollte das so arg erschei-
auch nicht so schwer, das richtig zu formulieren —, nen? Ich habe den Eindruck, daß auch in Ihrer
daß wir den Wunsch haben, daß die atlantische Ge- eigenen Partei manchmal Meinungsverschiedenhei-
meinschaft in ihrer Abwehrkraft genauso stark ist ten über einzelne außenpolitische Probleme be-
wie der potentielle Gegner, daß also auch die atlan- stehen. Das sollte man nicht so tragisch nehmen.
tische Gemeinschaft wissen muß, daß sie in der
Lage ist, über die gleichen Waffen zu verfügen, die Dann nannten Sie Herrn Kollegen Dehler und
der mögliche Angreifer besitzen kann und besitzen sagten, Sie stünden nach seinen Erklärungen vor
wird. Über die andere Frage, wie das nun gemacht einem großen Fragezeichen. Nun, meine Damen
wird, haben wir uns schon oft unterhalten. Ich und Herren, auch wir stehen manchmal vor großen
glaube, noch niemand hat den Stein der Weisen ge- Fragezeichen.
funden und gesagt: „So und nicht anders muß es (Beifall in der Mitte. — Zurufe von der
sein." Aber ich glaube, auch die, die die Erklärung SPD.)
des amerikanischen Präsidenten in Ottawa gehört
haben, und auch die, die die Bemerkungen gehört Dann nahmen Sie zu den innenpolitischen Vor-
haben, die der amerikanische Staatssekretär Ball zu gängen Stellung und sprachen von einem Aufschrei,
diesem Thema gemacht hat, werden mir zustimmen, der die Führungslosigkeit zeige. Meine sehr verehr-
wenn ich sage: Wir sind, wie ich glaube, auf dem ten Damen und Herren, ich wiederhole es auch hier
richtigen Weg, ohne einen falschen Perfektionismus noch einmal: wir waren unserem Wirtschaftsmini-
auch diese Frage in einer befriedigenden Weise zu ster Professor Erhard aufrichtig dankbar, daß er
beantworten. Und nur darum geht es und um nichts einmal das Kind beim Namen genannt hat.
anderes. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
968 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. von Brentano
Ich glaube, es war höchste Zeit, daß hier von ver- Ich möchte auf die Personalien, die angeschnitten
antwortlicher Stelle ein mahnendes Wort an die ge- worden sind, nicht .eingehen. Ich glaube nicht, Herr
samte deutsche Öffentlichkeit gesprochen worden Kollege Ollenhauer, daß es der richtige Ort ist, hier
ist, und ich glaube, daß auch die Aussprache, die über die Frage zu sprechen, wie etwa die Sache mit
wir hier im Parlament hatten, dazu beigetragen hat. dem Botschafter Kroll erledigt werden sollte. Ich
halte es nicht für glücklich — erlauben Sie mir, das
Gewiß, man mag über die eine oder andere For- zu sagen —, wenn Sie hier als Sprecher der Oppo-
mulierung streiten und mag die Ursachenkette bei sition von „Heckenschützenmanieren" sprechen,
Ihnen oder bei uns etwas anders sehen; aber alles sondern da sollte man erst — —
in allem empfinden wir doch sicherlich genauso wie
(Abg. Hermsdorf: Was ist es denn? Dann
jeder unserer Wähler draußen auf der Straße, daß
sagen Sie doch, was es ist!)
eine gewisse Unordnung entstanden ist, mit der wir
uns beschäftigen müssen. — Ich glaube nicht, daß man solche Dinge hier im
Plenum besprechen sollte.
Wenn Sie dann sagen, die CDU oder die Bundes- (Abg. Hermsdorf: Aber in den Zeitungen?)
regierung und Herr Erhard trügen ja die Verant- — Meine Damen und Herren, wollen Sie, daß wir
wortung für die Wirtschaftspolitik und seien des- die Meinungsfreiheit beschränken?
wegen auch verantwortlich für das, was Sie heute
kritisierten, dann muß ich Ihnen widersprechen. (Abg. Hermsdorf: Das haben wir nicht
Wir tragen gern die Verantwortung für das, was in gesagt! Wir wollen ja Ihre auch nicht be
den vergangenen Jahren geschehen ist. Herr Kol- schränken!)
lege Erhard hat ja darüber einen kurzen Überblick — Ich glaube nicht, daß man der politischen Situa-
gegeben, als er hier von dieser Stelle sprach. Es tion und den 'beteiligten Menschen einen Dienst
wird doch niemand ernstlich bestreiten, daß sich seit erweist, wenn man hier in der Öffentlichkeit Dinge
1949, als wir erstmals hier zusammenkamen, im diskutiert, die, wie ich meine, in einem kleinen
Wirtschaftsbereich der Bundesrepublik erstaunliche Kreis besser, zumindest vorbereitend, diskutiert
Dinge ereignet haben. werden sollten. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie
die Gelegenheit benutzen würden, diese Frage viel-
(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von leicht einmal im Auswärtigen Ausschuß zu bespre-
der SPD.) chen. Ich meine aber doch, Herr Kollege Ollenhauer,
Sie können es sich doch nicht so einfach machen, zu wenn Sie die Befürchtung äußern, daß etwa die
sagen: weil nun Herr Erhard oder die Bundesregie- Abberufung eines Botschafters den Prozeß der Nor-
rung die Verantwortung für die wirtschaftspolitische malisierung zwischen der Bundesrepublik und der
Entwicklung trage, trage er auch die Verantwortung Sowjetunion erschweren könnte, dann überschätzen
Sie wohl das Gewicht eines Botschafters, oder Sie
für die Fehler, die von einzelnen im Wirtschafts-
leben begangen werden. Nein, meine Damen und unterschätzen die Schwierigkeiten auf dem Wege
zur Normalisierung.
Herren, dafür trägt man nicht die Verantwortung,
- (Lebhafter Beifall bei den Regierungspar
es sei denn, daß man dazu schweigt. Herr Erhard
und die Bundesregierung haben sich entschlossen, teien. — Zuruf von der SPD: Wer hat 'das
dazu nicht mehr zu schweigen, sondern mit dazu gesagt?)
beizutragen, daß fehlerhafte Entwicklungen aufge- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
fangen werden. Herr Abgeordnete Dr. Bucher.
(Beifall in ,der Mitte.)
Dr. Bucher ,(FDP) : Herr Präsident! Meine Damen
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, und Herren! Der Herr Kollege Ollenhauer hat fest-
können davon überzeugt sein, daß wir uns mit der gestellt, daß wir zur Zeit die schlechteste Regierung
Bundesregierung sehr ernsthaft darum bemühen, hätten, die wir bis jetzt 'hatten. Ich möchte vorsich-
hier Fehler, (die entstanden sind, zu korrigieren und tig sein und mit )einem understatement sagen, ich
eine Entwicklung abzufangen, von der auch der Bun- könnte mir eine noch schlechtere vorstellen.
deskanzler soeben mit ernster und berechtigter (Abg. Dr. Deist: Das ist aber kein Trost!)
Sorge sprach.
Ich meine, wir hatten auch schon schlechtere, und,
Meine Damen und Herren, 'lassen 'Sie mich hier meine Kollegen von der SPD, die Art und Weise,
auch noch einmal sagen: es geht nicht darum, daß in der Sie z. B. gegen die letzte Bundesregierung
wir lediglich davon sprechen, daß die Tarifauto- reagierten, scheint mir doch bei einem Vergleich
nomie der Sozialpartner nun einmal die beherr- mit dem, wie Sie heute reagieren, darauf hinzudeu-
schende Vorstellung im wirtschaftspolitischen Be- ten, daß Sie jene für weniger gut gehalten haben
reich sein müsse. Es gibt neben den Sozialpartnern als die jetzige. Wenn ich an 'die Debatte über den
Millionen und Millionen Konsumenten, die auch Einzelplan 14 denke — ich bezeichne das als eine
berücksichtigt werden müssen. Wenn die Tarifauto- durchaus positive Entwicklung —, so verstehen Sie,
nomie in gewissen Dingen versagt, dann haben wir was ich meine. Jedenfalls werden Sie es nicht be-
doch wohl das Recht, die Partner daran zu erinnern, dauern, daß es keine absolute Mehrheit mehr gibt,
daß sie nicht nur 'für den Inhalt des Tarifvertrages, sondern daß die Notwendigkeit zu einer Koalitions-
sondern auch für die Auswirkungen, die dieser regierung vorhanden Ist. Sie werden auch ohne wei-
Tarifvertrag 'für 'die gesamte Wirtschaftspolitik der teres einsehen, daß mit einer Koalitionsregierung
Bundesrepublik hat, eine Verantwortung tragen. unweigerlich Schwierigkeiten verbunden sind, die es
(Beifall bei den Regierungsparteien.) bei einer Regierung, 'die nur von einer Partei, sei
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 969
Dr. Bucher
es welche auch immer, getragen wird, nicht gibt. selbstverständlich mit Billigung und nach Unterrich-
Jedenfalls dürfen Sie an der FDP keine Kritik üben, tung unserer westlichen Alliierten — Gespräche mit
weil wir das getan haben, was zu tun auch Sie be- der Sowjetunion führen, da war es Herr Brandt, der
reit waren, nämlich eine Koalition mit der CDU ein- ganz energisch dagegen war, während dann die
zugehen. Bundesregierung in ihrer Antwortnote auf besagtes
Memorandum auch die Notwendigkeit solcher Ge-
(Beifall bei der FDP. — Abg. Hermsdorf:
spräche anerkannte.
Wer hat denn das gesagt?)
Über die Verbesserung der Situation in der Not-
— Herr Kollege Hermsdorf, ich bestreite nicht, daß standsgesetzgebung hatten wir schon Gelegenheit
Sie immer nur von einer Allparteienregierung ge- beim Einzelplan des Bundesinnenministeriums zu
sprochen haben. Das macht aber keinen wesent- sprechen. Ich will es nur noch andeuten.
lichen Unterschied aus; denn in einer Allparteien-
regierung wäre außer Ihnen sehr bestimmend die Nun die Kritik an der Europapolitik. Sicher ist
CDU gewesen und sehr wenig bestimmend die diese Europapolitik mehr oder weniger unklar. Das
darin auch vertretene FDP. Wir wollen uns aber will ich nicht bestreiten. Aber die Bundesrepublik
nicht länger mit dieser Koalitionsbildung aufhalten. ist doch hier in derselben Lage wie die anderen
europäischen Staaten auch. Wenn das heute etwas
,Sie haben heute konkrete Vorwürfe erhoben und ironisch gebrauchte Wort von der flexiblen Politik
haben gesagt, die Politik der Bundesregierung sei angebracht ist, so doch hier. Das gilt für jeden euro-
verworren, man lasse die Zügelschleifen. Das ist — päischen Staat, der sich immer wieder auf die sich
es ist schon gesagt worden — ein Vorwurf, der im wandelnden Situationen der anderen, die Einstel-
Gegensatz zu dem Vorwurf steht, der früher erho- lung der anderen Partner, seinerseits einrichten
ben wurde, auch von uns, dem Vorwurf einer Kanz- muß. Wenn wir an den geschichtlichen Vorgang der
lerdemokratie. Die Wahrheit gebietet, zu sagen, die Einigung Deutschlands denken: er war doch wesent-
Schwierigkeiten, die in dieser Koalition aufgetreten lich unproblematischer als eine europäische Einigung,
sind, sind bis jetzt jedenfalls nicht durch den Herrn sollte man meinen. Er hat ja auch von mindestens
Bundeskanzler hervorgerufen worden. 1815 bis 1871 gedauert, und heute sind wir uns in
Sie halben anerkannt, der Herr Bundeskanzler sei allen Parteien noch nicht so völlig einig, wie nun
eigens aus dem Urlaub zu dieser Debatte zurückge- dieses Deutschland, jetzt in Form der Bundesrepu-
kommen. Ich finde auch, das ist eine Tatsache, die blik, aufgebaut sein soll, mehr föderalistisch oder
man anerkennen muß und die anzuerkennen wir weniger föderalistisch. Das sind doch Schwierig-
vielleicht früher keine Gelegenheit hatten. Das keiten, aus denen heraus man keinen Vorwurf
Klima hat sich sicher wesentlich verbessert. Ich bin machen kann, wenn hier kein ganz klares Bild ent-
nicht so anmaßend, zu sagen, das komme daher, daß steht.
nun das strahlende FDP-Hoch über das schwarze Die Kritik der SPD richtete sich dann gegen den
CDU-Tief hergezogen sei. Es ist eben wie beim Finanzminister. Ich finde es nicht gerade schön, daß
Wetterbericht oft, man kann nicht klar erkennen, Sie hier den Punkt „zwölfprozentige Kürzung" her-
welche verschiedenen Strömungen zu dem schönen ausgegriffen haben, der ja sicher durch die ausge-
oder schlechten Wetter beitragen. Jedenfalls ist es zeichnete Arbeit des Haushaltsausschusses erledigt
doch auch beachtenswert — und sind wir dankbar ist. Aber diese zwölfprozentige Kürzung war doch
dafür —, daß der Herr Bundeskanzler sich dafür ein- ein Notbehelf, zu dem Herr Starke aus Zeitmangel
gesetzt hat, daß unser Parteivorsitzender nach den greifen mußte, weil er mehr oder weniger einen
USA reisen konnte und — ich meine, das müßte Haushalt übernehmen mußte, für den er zwar äußer-
doch in unser aller Interesse sein — daß dort der lich verantwortlich ist, für den er aber die innere
Vorsitzende einer Partei gegen die Vorurteile Stel- Verantwortung doch nicht voll und ganz überneh-
lung nehmen konnte, die doch sicher von niemand men konnte.
in diesem Hause geteilt werden, wir seien eine Wir müssen doch neben diesem kleinen Schön-
revanchistische und neutralistische Partei usw., Ge- heitsfehler anerkennen, daß die Finanzpolitik, wie
danken, die in Amerika verbreitet waren. Wir müs- sie Herr Starke jetzt eingeleitet hat, sehr dazu bei-
sen uns doch alle freuen, daß es Herrn Mende ge- tragen kann, eine Umkehr von dem verhängnisvol-
lungen ist, das auszuräumen. Das ist doch, wenn len politischen Weg zu finden, den wir eingeschla-
auch nicht im wesentlichen, so doch ru. a. ein Erfolg gen hatten. Es ist zwar noch nicht so weit, daß
dieser Koalition. Herr Starke die Richtlinien der Politik bestimmt;
Sie haben selbst erwähnt, Herr Ollenhauer, daß aber wir wollen uns darüber gar nicht täuschen,
man über Außenpolitik doch jetzt besser als früher daß er einen sehr kräftigen Einfluß auf diese Dinge
informiert wird. Nun lassen Sie mich zur Außen- nimmt und kraft seiner Position als Finanzminister,
politik etwas sagen. Ich finde, daß gerade in der die auch das Grundgesetz anerkennt, auch nehmen
Außenpolitik durchaus gesagt werden darf, der Ein- kann.
fluß der FDP mache sich bemerkbar. Wir waren z. B. Wenn er diese Umkehr bei der Frage der Ge-
die ersten, die auf das Memorandum der Sowjet- hälter im öffentlichen Dienst sehr deutlich hat wer-
union vom 27. Dezember den Standpunkt ver- den lassen, so soll das nicht bedeuten, daß man
traten, dieses Memorandum verdiene eine Ant- ausgerechnet auf diesem Gebiet nur ablehnend sei
wort, während Sie von der SPD — und auch zu- gegen eine Gehaltserhöhung, sondern daß hier ein-
nächst die CDU sicher — in diesem Punkt zumin- mal mit dieser Umkehr begonnen werden soll. Das
dest wesentlich zurückhaltender waren. Als dann ist doch nun nicht sozialreaktionär. Dies ist ja der
Herr Mende sagte, die Bundesregierung müßte — wesentlichste Vorwurf, der dieser Bundesregierung
970 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. Bucher
gemacht wird, und er wird ihr gemacht, weil die bleiben sollte er als Aufsichtsrat meiner Ansicht
FDP dabei sei. Das sei jetzt ein sozialreaktionärer nach nicht. Man müßte wirklich prüfen, ob ein sol-
Kurs. Ist es denn „sozialreaktionär", wenn man, wie cher Aufsichtsrat nicht abgelöst werden muß.
der Herr Bundeskanzler mit Recht gesagt hat, dafür
(Zustimmung bei der FDP.)
sorgt, daß der Bausparer von seinem jahrelang an-
gesparten Geld, wenn er es zugeteilt bekommt, Sie sehen also, daß wir uns nicht nur gegen Lohn-
wirklich etwas hat, daß er nicht von Jahr zu Jahr erhöhungen wenden und hier einen sturen Kurs
feststellen muß: es ist wieder weniger geworden, verfolgen, der die Bezeichnung „sozialreaktionär"
und es reicht jetzt nicht einmal mehr zum ersten verdienen könnte, sondern daß wir das Ganze in
Stock, es reicht nur noch zum Keller, was ich hier der Wirtschaft sehen. Das ist ja genauso das Anlie-
herausbekomme? gen der Bundesregierung.
Wenn Sie die versicherungstechnische Bilanz an-
Deshalb bin ich überzeugt, daß trotz vieler Schwie-
sehen, die schon vorliegen soll — und hoffentlich rigkeiten, die sich b is jetzt ergeben haben, das Wir-
recht bald veröffentlicht wird —, und dabei feststel-
ken 'der Bundesregierung per Saldo positiv war. Wir
len, daß die großen Segnungen, die uns die dyna-
sind überzeugt, daß die Schwierigkeiten mit der Zeit
mische Rente bringen sollte, die Ihnen von der SPD
noch geringer werden und sich (die Koalition noch
ja noch nicht weit genug ging, dazu führen, daß
mehr bestätigen wird. Wir sind deshalb bereit, dem
die Anpassung der Bestandsrenten wahrscheinlich
Einzelplan 04 unsere Zustimmung zu ,geben.
ein weiteres Jahr gar nicht mehr möglich sein wird,
ohne die Beiträge oder die Staatszuschüsse zu er- (Beifall bei den Regierungsparteien.)
höhen, dann werden Sie sich auch wieder überlegen
müssen, was nun sozialreaktionär ist und was an-
dererseits nur 'eine scheinbare Sozialpolitik ist. Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
Herren, wird noch das Wort in der allgemeinen Aus-
Schließlich darf ich auch noch darauf hinweisen, sprache zum Einzelplan 04 gewünscht? — Das ist
daß unser Sprecher in der Rundfunkauseinander- nicht der Fall. Dann kann ich (die allgemeine Aus-
setzung zu diesen Fragen, mein Kollege von sprache schließen.
Kühlmann-Stumm, sich betont nicht nur gegen die
erneuten Lohnforderungen gewandt hat — nicht Ich rufe den Antrag der Fraktion 'der SPD Um-
arbeitnehmerfeindlich war —, sondern sich auch ge- druck 47 auf. Soll er begründet werden? — Herr
gen jenes Protzentums ausgesprochen hat, das heute Abgeordneter Schoettle!
schon erwähnt worden ist, gegen jene ungebildeten
Banausen, die glauben, sie müßten in Luxuslokalen
abends drei- und vierstellige Zechen machen. Das Schoettle (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
ist genauso ein Anliegen von uns. und Herren! Die sozialdemokratische Bundestags-
fraktion legt auf Unidruck 47 einen Antrag zum
Ich meine, wenn ich es recht im Kopf habe, es Tit. 300 im Kap. 04 03 vor. Dieser Titel trägt die
gibt doch einen Paragraphen im Einkommensteuer- unverfängliche Bezeichnung „Zur Verfügung des
gesetz, der auch eine Besteuerung nach dem Lebens- Bundeskanzlers für Förderung des Informations-
aufwand 'ermöglicht. Wenn es ihn nicht gibt, müßte wesens". Jeder weiß, was sich hinter diesem unver-
man ihn nach meiner Ansicht schaffen. Hier muß fänglichen Titel verbirgt. Es ist das, was man ge-
auch 'einmal eingegriffen werden. Das ist durchaus meinhin als Reptilienfonds bezeichnet, ein Geheim-
unsere Ansicht. titel, der nur der Kontrolle des Präsidenten des
(Beifall bei der FDP und der SPD.) Bundesrechnungshofes unterworfen ist.
Sie können heute in der Presse lesen, daß sich Man kann sagen: Alle Jahre wieder kommt unser
Herr Bundesschatzminister Lenz sehr energisch ge- Antrag zu diesem Titel. Trotzdem handelt es sich
gen d'en Tiefschlag ausgesprochen hat, den die hier nicht nur um eine routinemäßige Wiederholung
Preiserhöhungen beim Volkswagenwerk unserer eines Antrags, sondern, wie wir meinen, um eine
ganzen Wirtschaftspolitik versetzt haben. Sehen wir ernste staatspolitische Frage, nämlich die Frage, in-
uns einmal die Mitglieder dieses Aufsichtsrates an! wieweit Mittel in der Höhe von 13 Millionen DM
Da haben wir einen Staatssekretär a. D. Busch und — wir beantragen gleichzeitig die Senkung des
Herrn Brenner, der, glaube ich, vom Deutschen Ge- Ansatzes um 3 Millionen auf 10 Millionen — ver-
werkschaftsbund ist. Nun, zusammen gibt das noch wendet werden sollen, ohne daß sie einer wesent-
keinen „brennenden Busch", aus dem die Stimme lichen parlamentarischen Kontrolle unterworfen
Gottes zu vernehmen wäre. Nebenbei wundere ich sind. Wir glauben, daß dieser Titel nicht selten zu
mich auch, daß ausgerechnet immer emeritierte Zwecken verwendet werden kann — ich sage aus-
Staatssekretäre offenbar das Reservat auf derartige drücklich: kann —, die nicht unbedingt im Interesse
Posten haben. „Emeritiert" bezieht sich hier offen- des Staates, im Interesse der Gesamtpolitik unserer
bar weniger auf d e n Verdienst als auf d a s Ver- Bundesrepublik liegen, daß mit diesem Titel gele-
dienst. Diese Sache sollte man sich auch einmal an- gentlich auch Dinge gemacht werden können, die
sehen. außerhalb dessen liegen, was man der parlamen-
Wir sollten uns wirklich überlegen, ob man so tarischen Kontrolle unterwerfen könnte, Dinge, die
Weiterwirtschaften kann, wie sich der Aufsichtsrat einer Kontrolle zu unterwerfen man sich 'scheuen
in diesem Fall überfahren läßt. Wie unstandes- würde. Deshalb sind wir der Meinung, daß dieses
gemäß, vom Volkswagen überfahren! Nun, deshalb Parlament ein Recht hat, sich an der Kontrolle die-
ist auch er am Leben geblieben. Aber am Leben ser Mittel und ihrer Verwendung zu 'beteiligen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 971
Schoettle
Wir haben Beispiele dafür, daß das möglich ist, Sie wollen, politischen Machtbereich zu erweitern,
ohne daß die Verwendungsfähigkeit der Mittel ein- indem sie versucht hat, der Mehrheit und der Re-
geschränkt wird. gierung bestimmte Zügel anzulegen oder deren
(Abg. Dr. Schäfer: Sehr wahr!) Wirkungsbereich einzuengen. Das ist ein politisch
durchaus verständliches Anliegen. Umgekehrt wer-
Wir haben Beispiele dafür. Auch bei einem so wich- den Sie es uns zugute halten müssen, daß wir als
tigen Kapitel im Etat des Bundeskanzlers wie dem Mehrheit für uns das Recht in Anspruch nehmen
Kap. 04, nämlich dem Bundesnachrichtendienst, ist müssen, zusammen mit der Regierung bestimmte
es sehr wohl möglich — obwohl jeder von uns an- Dinge so zu machen, wie wir es für richtig halten,
erkennt, daß hier ein besonders hohes Maß von und daß wir es ablehnen, uns den Willen der Min-
Vertraulichkeit notwendig ist —, daß eine parla- derheit aufzwingen zu lassen. Das ist wohl ein
mentarische Kontrolle besteht; sie hat sich erfolg- ebenso berechtigtes politisches Anliegen.
reich betätigt. Wir sehen nicht ein, warum das ge-
rade bei diesem Tit. 300 nicht möglich sein soll. Ich möchte infolgedessen auch keine Unklarheit
darüber lassen, daß es uns hier weniger um die
Wir beantragen also wie gesagt die Kürzung die- Höhe der Summe geht. Sie beantragen eine Kürzung
ses Titels um 3 Millionen DM und die Einfügung um 3 Millionen DM. Sie wissen aber ziemlich genau,
eines Haushaltsvermerks, der die Prüfung der daß eine solche Kürzung auch Dinge treffen würde,
Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben deren Streichung auch Ihnen politisch nicht
dieses Titels einem Unterausschuß des Haushalts- erwünscht sein könnte.
ausschusses des Deutschen Bundestages und dem
Ich möchte diese Debatte nicht lange auswalzen;
Präsidenten des Bundesrechnungshofes überträgt,
deren Erklärungen dann für die Entlastung der Bun- ich fürchte auch, daß wir uns in diesem Punkte nie-
mals werden einigen können. Wir glauben, daß es
desregierung ausreichen sollen. Wir meinen, daß
einbrchtgsAldeBunrgist,
das ein guter Schritt zur Schaffung einer parlamen-
einen solchen Titel zu haben. Es gibt gewisse Vor-
tarischen Vertrauensebene auch für diesen Teil des
stellungen, die darauf hinauslaufen, man könne das
Haushalts wäre, und bitten Sie, diesen Antrag an-
gesamte politische Leben der Nation sich wie in
zunehmen, wenngleich ich sagen muß, daß ich wenig
modernen Bauten abspielen lassen, in denen es
Hoffnung habe, daß Sie dieser wiederholten Bitte
keine Vorhänge, sondern nur noch Glasfenster gibt,
nachkommen werden.
die sozusagen Tag und Nacht unter Scheinwerfer-
(Beifall bei der SPD.) beleuchtung stehen. Wir haben mit ,der modernen
Architektur die Erfahrung gemacht, Herr Kollege
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Schoettle, daß 'die Leute auch froh sind, wenn ein-
Abgeordnete Dr. Vogel. mal Vorhänge da sind bzw. wenn überhaupt be-
stimmte Vorgänge — auch der Politik, ich glaube,
jede Bundesregierung hätte einen Anspruch darauf,
Dr. Vogel (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
daß sie das tun könnte — sich etwas intimer
sehr verehrten Damen und Herren! Mein sehr ver-
abspielen. Ich glaube, das muß nicht unbedingt
ehrter Herr Vorredner hat richtig vorausgesehen,
was kommen wird. Wir werden in der Tat Ihrem ein staatspolitischer Schaden für das Ganze sein.
In dieser Beziehung unterscheiden sich unsere
Antrag nicht zustimmen.
Ansichten. Vielleicht werden mit dem Wandel
(Abg. Dr. Schäfer: Was machen Sie, wenn der modernen Architektur auch Sie einmal zu
wir erst in der Bundesregierung sind?) der Erkenntnis kommen, daß 'der Standpunkt, den
Obwohl wir uns alle Jahre über den gleichen Punkt wir all die Jahre hindurch mit Konsequenz, und
unterhalten, muß ich sagen, daß ich die Zähigkeit zwar mit der gleichen Konsequenz wie Sie Ihren
und Hartnäckigkeit der SPD, mit der um diesen Standpunkt vertreten haben, zu keinem Schaden für
Punkt gekämpft wird, anerkenne. Es ist in der Tat das deutsche Volk geführt hat.
ein rein politischer Punkt, und wir sollten uns kei- (Beifall 'bei der CDU/CSU.)
nen Augenblick darüber im unklaren sein, daß es
n u r ein politischer Punkt ist. Denn daß auch die- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
ser Titel der Kontrolle des Präsidenten des Bundes- Abgeordnete Hermsdorf.
rechnungshofes unterliegt, wird auch von Ihnen
nicht bestritten; und daß in den vergangenen 13 Hermsdorf (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
Jahren im Rechnungsprüfungsausschuß gerade hin- und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Vogel
sichtlich dieses Titels Beanstandungen des Herrn veranlassen mich, noch einige Bemerkungen zu ma-
Präsidenten noch niemals vorgelegen haben, darf chen. Zunächst einmal, Herr Kollege Vogel, ist es
ich als bekannt voraussetzen. nicht richtig, daß es zu diesem Titel noch niemals zu
(Abg. Hermsdorf: Das ist falsch!) einer Beanstandung des Bundesrechnungshofes ge-
kommen sei. Sie erinnern sich alle der Vorgänge im
Nun, meine Damen und Herren, wie mir scheint, Bundespresseamt im Zusammenhang mit dem
kommt es hier auf etwas anderes an. Wir unter- Selbstmord. Sie erinnern sich des Antrags der
scheiden uns hier vielleicht ein wenig in unseren sozialdemokratischen Fraktion, daß darüber ein Be-
Vorstellungen. Die SPD hat — das ist von ihrem richt erstattet werden solle. Sie kennen den Bericht
Standpunkt aus begreiflich — in den letzten 12 Jah- des Bundesrechnungshofes. Sie wissen, daß es dabei
ren danach getrachtet, den Status der Minderheit im einige Schwierigkeiten gibt. Ich spreche jetzt nicht
Parlament in etwa auszugleichen und ihren, wenn von der Höhe des Ansatzes und von der Streichung,
972 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Hermsdorf
ich möchte mich bei diesem Titel ausschließlich auf Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
die Kontrolle beziehen. Herren, trotz der Heftigkeit bei diesem Punkt habe
Der Antrag ist durchaus nicht deshalb schlechter, ich den Eindruck, daß das innenpolitische Klima
weil er hier bei jeder Haushaltsberatung vertreten doch sehr freundlich geworden ist, da die eine Seite
wird, eher im 'Gegenteil. Wenn Sie offen sind, müs- die andere mit „Genossen", die andere wiederum
sen Sie zugeben, daß wir Parallelfälle haben, wo es die Gegenseite mit „Freunde" anredet.
genauso um Politik geht wie im .Bundespresseamt (Heiterkeit.)
und wo ein Unterausschuß die Verwendung der Mit- Herr Abgeordneter Niederalt!
tel dieses 'Geheimtitels untersucht. Es hat niemals
darüber irgendeinen Vorwurf in der Öffentlichkeit
gegeben. Niederalt ,(CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Zu den Ausführungen des
Sie sagen, die 'Dinge, die sich hinter dem Vorhang Herrn Kollegen Hermsdorf möchte ich doch noch
abspielten, seien mitunter notwendig. Ich will Ihnen mindestens einen grundsätzlichen Gedanken in die-
etwas sagen: die Dunkelkammer ist in der Politik ser Debatte, die uns alle Jahre beschäftigt, bei-
eine sehr schlechte Sache. steuern.
(Abg. Dr. Vogel: Ich spreche nicht von der Der Antrag, der alljährlich von der Opposition
Dunkelkammer!) gestellt wird, wird damit begründet, daß man sagt,
— Aber es ist eine Dunkelkammer, weil niemand hier müsse ein kleiner Unterausschuß — bestehend
die Möglichkeit hat, die Sache zu durchleuchten. Ich aus drei, vier oder fünf Mitgliedern — eingesetzt
führe den Einzelplan 27 an, Herr Kollege Vogel. In werden, damit auch bei diesen Titeln das Recht
diesem Einzelplan haben Sie Kapitel, wo mit we- der parlamentarischen Kontrolle ausgeübt werden
sentlich höheren Beträgen Geheimtitel veranschlagt könne. Ich gebe zu," das ist für jemanden, der sich
sind. Die Verwendung dieser Mittel wird durch näher mit den Dingen befaßt, ein Argument, das auf
einen Fünferausschuß kontrolliert. Es hat noch nie- den ersten Blick einleuchtet. Wenn man aber etwas
mals eine öffentliche Diskussion darüber gegeben. nachdenkt, dann werden Sie zugeben müssen —
Wenn es diese oder jene Meinungsverschiedenheit und das können Sie, meine Damen und Herren von
gegeben hat, sind sie in diesem Ausschuß in aller der Opposition, nicht leugnen —, daß das Drei-
Sachlichkeit und Kollegialität besprochen worden. Mann-Gremium — so möchte ich es einmal nennen
Man hat wenigstens dann in diesem Hause das Ge- — ein ganz schlechter Ausweg ist; denn es stellt in
fühl, daß eben nichts in der Dunkelkammer ge- keiner Weise eine parlamentarische Kontrolle dar.
schieht, sondern daß hier auch die Opposition die Es ist nur eine Scheinkontrolle; das müssen Sie
Möglichkeit hat, die Dinge zu untersuchen. Nur dar- alle, meine Damen und Herren in diesem Hohen
auf kommt es uns an. Es kommt uns nicht darauf an, Hause, wissen, damit Sie sich innerlich mit diesem
hier über diesen Titel ein Riesengeschrei zu machen ständigen Antrag auseinandersetzen können. Es ist
und zu sagen, da und dort und jenes, sondern es deshalb nur eine Scheinkontrolle, weil die drei
kommt uns einfach darauf an, festzustellen, daß hier Männer, die in diesem Unterausschuß wären, nie-
ein Titel von 13 Millionen DM vorhanden ist, der mandem, weder der Fraktionsführung, noch der
von keiner Seite dieses Hauses außer von der Re- Fraktion, noch dem Bundestagsplenum etwas sagen
gierung einmal durchleuchtet werden kann, und das dürften.
halten wir für eine schlechte Sache.
(Sehr richtig! in der Mitte.)
Ich möchte Ihnen folgendes sagen, Genosse — —
Was ist denn das für eine Kontrolle?
(Heiterkeit)
— verzeihen Sie —, Herr Vogel. Wir können ganz Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter
gut sagen: Genosse; denn im Haushaltsausschuß Niederalt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ab-
stellen wir beide manchmal Anträge, in denen es geordneten Hermsdorf?
dann heißt: Vogel und Genossen. In diesem Falle
wären wir also gar nicht so weit voneinander weg.
Warum sollen wir uns darüber streiten? Niederalt (CDU/CSU) : Bitte schön!
Ich möchte Ihnen, Herr Vogel, noch folgendes
sagen. Wenn Sie bei diesem Titel die Möglichkeit Hermsdorf (SPD): Herr Kollege Niederalt, sind
geben, daß ein kleines Gremium des Parlaments — Sie der Auffassung, daß alle Unterausschüsse oder
und sei es nur von jeder Fraktion einer— die Dinge Kontrollausschüsse, die wir bei den übrigen Ge-
untersucht, sparen wir uns erstens die ewigen De- heimtiteln haben, eine schlechte Sache sind?
batten, die wir zu jedem Haushalt darüber führen,
und sparen Sie sich einen Antrag, den Sie einmal Niederalt (CDU/CSU) : Sie steuern genau auf das
stellen werden, wenn hier oben eine sozialdemo- Ziel hin, auf das ich hinaus will.
kratische Regierung steht.
(Abg. Dr. Schäfer: Aha!)
(Abg. Dr. Vogel: Werden wir nicht stellen!)
— Ich bin der Auffassung — und daraus habe ich
— Diesen Antrag werden Sie als ersten stellen, und noch nie ein Hehl gemacht, Herr Kollege Schäfer —,
ich kann nur erklären, wir würden dem zustimmen daß diese Institutionen auch bei den anderen Titeln
und würden die Kontrolle von uns aus auf jeden — es ist noch ein Titel — genauso wenig gut sind,
Fall verankern. wie sie gut wären, wenn wir sie hier 'einführen
(Beifall bei der SPD.) würden. Das ist und bleibt eine Scheinkontrolle. Ich
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 973
Niederalt
wiederhole, es ist nichts anderes als Augenwischerei, Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
wenn ich mich mal ganz deutlich ausdrücken darf. Herren, ich darf feststellen, daß die beiden Kollegen,
Da ist es mir schon lieber, wenn ein Beamter wie der die soeben miteinander die Klingen gekreuzt haben,
Präsident des Bundesrechnungshofs, der völlig frei Geburtagskinder sind. Wir können ihnen gratulie-
und nicht weisunggebunden ist, die Kontrolle aus- ren.
übt. Ich meine also, wir sollten diesen Gedanken (Beifall.)
bei den Anträgen, die alljährlich von der Opposition
Herr Kollege Schoettle!
gestellt werden, etwas mehr in den. Vordergrund
rücken.
Schoettle (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
Ich glaube, man kann den Antrag der SPD mit und Herren! Zunächst eine Bemerkung gegenüber
gutem Gewissen ablehnen. Herrn Kollegen Niederalt: Ich nehme an, daß Sie
(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Schäfer: bewußt über das Wesentliche dieser kleinen Kon-
Das war sehr interessant! — Abg. Herms trollausschüsse hinweggesehen haben, nämlich dar-
dorf: Sie waren ja selber einmal dafür! — über — das ist vermutlich das, was Ihnen in die
Abg. Dr. Mommer: Ein tolles Stück! — Nase sticht, Herr Kollege Niederalt, wenn ich es
Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist ein einmal populär ausdrücken darf —, daß bei solchen
Parlamentarier!) Ausschüssen auch die Opposition wenigstens ein
bißchen die Nase in die Geschichte hineinstecken
kann. Ich nehme an, daß Ihnen das nicht paßt und
Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter daß das der entscheidende Grund ist, warum Sie
Ritzel! eine solche Art von parlamentarischer Kontrolle ab-
lehnen.
Ritzel (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Nun stelle ich Ihnen noch eine Frage: Wollen Sie
Herren! Ich bin über die Ausführungen des Herrn auch die sehr, sehr bescheidene parlamentarische
Kollegen Niederalt einigermaßen erschüttert. Kontrolle z. B. beim Bundesnachrichtendienst in die
Kategorie der überflüssigen Kontrollen und Kon-
(Zustimmung bei der SPD.) trollausschüsse einbeziehen?
Denn die Abwertung der Tätigkeit der vom Bundes- Nun zu dem Antrag selber! Ich bitte den Herrn
tag bestellten Kontrollkommission und auch der des Präsidenten, eine getrennte Abstimmung vorzuneh-
Bundesbeauftragten bzw. des Bundesrechnungshofes, men, einmal über den Streichungsantrag der sozial-
die darin liegt, gibt doch sehr zu denken. demokratischen Fraktion und zum andern über den
Haushaltsvermerk, der das Problem der parlamenta-
Aber Sie haben heute Geburtstag. Der Herr Bun-
rischen Kontrolle beinhaltet. Wir haben diesen
deskanzler hat einen Wunsch geäußert. Er hat vor-
Haushaltsvermerk genau der Formulierung ent-
hin gemeint, es sei gut, daß eine konstruktive Oppo-
nommen, die die FDP-Fraktion im Jahre 1959 bei
sition vorhanden sei. Wollen Sie nicht mit- uns dem
der Beratung dieses selben Titels beantragt hat.
Wunsch des Herrn Bundeskanzlers entsprechen?
Wollen Sie nicht dafür sorgen, daß diese konstruk- (Beifall bei der SPD.)
tive Opposition Gelegenheit bekommt, zunächst
eine kleine Flurbereinigung bei diesem Geheimtitel Ich nehme an, daß wenigstens die FDP sich noch
vorzunehmen, eine Flurbereinigung, die gestatten daran erinnert.
würde, Herr Bundeskanzler, schätzungsweise etwa
40 % des Geheimfonds öffentlich auszuweisen, rich- Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und
tig zu etatisieren? Vielleicht lassen Sie sich einmal Herren, das Wort wird nicht mehr !begehrt. Ich
von Ihren verantwortlichen Herren darüber Bericht schließe die Aussprache.
erstatten, daß aus diesem Geheimfonds eine ganze
Fülle von Ausgaben bestritten wird, die das Licht Wir kommen zur Abstimmung. Die Antragsteller
der Öffentlichkeit weder aus politischen noch aus haben gewünscht, getrennt abstimmen zu lassen. Ich
anderen Gründen zu scheuen haben. Dann würde lasse also zunächst über den Tail des Änderungs-
zunächst einmal eine Möglichkeit der Legalisierung antrags der Fraktion der 'SPD auf Umdruck 47 ab-
und Reduzierung des Geheimfonds an diesem Teil stimmen, mit dem eine Kürzung um 3 Millionen DM
entstehen. verlangt wird. Wer dem zuzustimmen wünscht, den
bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die
Zweitens aber mache ich Ihnen den Vorschlag — Gegenprobe. — Das zweite ist eindeutig die Mehr-
wir würden uns sofort einigen —: Gehen wir von heit; abgelehnt.
diesem Unterausschuß ab, setzen wir den für diese
Dinge geschaffenen Rechnungsprüfungsausschuß als Ich komme nunmehr zur Abstimmung über die
Unterausschuß des Haushaltsausschusses ein, um Einfügung des Haushaltsvermerks, über die der
die parlamentarische Kontrolle des dann noch ver- Herr Abgeordnete Schoettle soeben gesprochen hat.
bleibenden Restes dieses Geheimfonds unter dem Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das
Siegel der absoluten Verschwiegenheit auszuüben. Handzeichen.
Dann wären wird endlich diese alljährliche Erörte-
rung los, und dem Kontrollrecht des Parlaments (Zurufe von SPD zur FDP: Mende! — Wei-
wäre endlich Rechnung getragen. tere Zurufe. — Abg. Schmitt-Vockenhausen:
Genau organisiert, wie viele zustimmen
(Beifall bei der SPD.) dürfen! — Lachen und Unruhe bei der SPD.)
974 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war die Wir von der Sozialdemokratischen Partei haben
Mehrheit. nie ein Hehl daraus gemacht, daß für uns die Ver-
(Abg. Dr. Mende: Enthaltungen!) besserung der Agrarstruktur eine besonders wich-
tige Voraussetzung zur Steigerung der Wettbe-
— Enthaltungen? werbsfähigkeit im Europäischen Markt ist. Gerade
(Lachen und Zurufe von der SPD.) weil wir im Wettkauf mit der Zeit sind und e s aller
Anstrengungen bedarf, diesen zu gewinnen, haben
Ich stelle fest: zahlreiche Enthaltungen rechts. meine Freunde und ich die Erhöhung der Ansätze in
(Unruhe bei der SPD. — Glocke des Präsi den Tit. 572, 573, 574 und 578 um 185 Millionen DM
denten.) beantragt. Dieser Betrag soll mit 30 Millionen DM
— Meine Damen und Herren, beruhigen Sie sich der Flurbereinigung, 105 Millionen DM der Aus-
wieder, damit wir weiter abstimmen können! siedlung, Aufstockung und Althofsanierung, 20 Mil-
lionen DM den regionalen Strukturmaßnahmen,
Ich lasse nunmehr über den Einzelplan 04 abstim- 20 Millionen DM dem Wirtschaftswegebau und mit
men. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um 10 Millionen DM der gemeinschaftlichen Anwendung
das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! von Maschinen zugute 'kommen.
— Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit;
Ich. brauche nicht erst zu betonen, daß alle diese
angenommen.
Maßnahmen lebensnotwendig sind. Selbst bei der
Würdigung der gegenüber dem Jahre 1961 erhöhten
Wir kommen nunmehr zum
Ansätze im neuen Etat ist es einfach erforderlich,
Einzelplan 05 — Geschäftsbereich des Aus- einmal eine besondere Anstrengung zu machen.
wärtigen Amts (Drucksachen IV/304, zu Diese würde auf dem Gebiete der Flurbereinigung
IV/304) . z. B. durch Vollvorfinanzirung für die Betroffenen
Anreiz und gleichzeitig Entlastung für die Dauer
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Conring.
des Verfahrens sein. Sie würde bei der Aussiedlung
Wünscht er das Wort? und der Aufstockung die bereits durch Bindungs-
(Abg. Dr. Conring: Ich verzichte!) ermächtigung in Anspruch genommenen 95 Mil-
lionen DM mehr als ausgleichen und dem immer
— Er wünscht es nicht. Das Haus verzichtet auf Be-
stärker werdenden Bedürfnis Rechnung tragen.
richterstattung.
Die Ablehnung unseres Antrags dm Fachausschuß,
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird der dann erfolgte Beschluß über eine Bindungser-
nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. mächtigung von 150 Millionen DM und deren Kür-
Wer dem Einzelplan 05 zuzustimmen wünscht, zung durch den Haushaltsausschuß tauf 95 Mil-
den b itte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um lionen DM haben sowieso schon zu Unsicherheit und
die Gegenprobe. — Das erste war 'die Mehrheit; Unruhe in unseren bäuerlichen Gebieten geführt.
angenommen. - Dazu hat besonders auch die vor wenigen Tagen
bei den zuständigen Bankinstituten und bei den
Ich rufe auf den Landwirtschaftsministerien der Bundesländer einge-
gangene Verfügung über idle Außerkraftsetzung der
Einzelplan 10 — Geschäftsbereich des Bun Richtlinien für die Althofsanierung geführt. Diese
desministers für Ernährung, Landwirtschaft so außerordentlich erfolgreich angelaufene Maß-
und Forsten (Drucksachen IV/309, zu IV/309). nahme wird zum Erliegen kommen, da der jetzige
Berichterstatter sind die Abgeordneten Brese und Haushaltsansatz bei weitem nicht dazu ausreicht,
Dr. Gleissner. Herr Abgeordneter Brese, ist es not- die zur Zeit vorliegenden Anträge ,auf Aussiedlung
wendig, daß Sie das Wort ergreifen? — Herr Abge- überhaupt zu befriedigen.
ordneter Dr. Gleissner? — Das Haus verzichtet auf Für den Wirtschaftswegebau sind durch Beschluß
Berichterstattung. des Ausschusses die Richtlinien für 1962 insofern
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wer geändert worden, als unter bestimmten Vorausset-
wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Schmidt! zungen, etwa der Steuerschwachheit der Gemeinden
oder Benachteiligung der Gemeinden, 60% Zuschuß
gewährt werden. Natürlich werden jetzt sehr viele
Schmidt (Würgendorf) (SPD) : Herr Präsident! bisher nicht zum Zuge gekommene Gemeinden und
Meine verehrten Damen und Herren! Der Haushalts- Gmeinschaften den Wunsch haben, Wirtschaftswege
ausschuß hat mit Drucksache IV/309 idem Hohen zu bauen. Deswegen wird auch die Summe, die wir
Hause empfohlen, die von der sozialdemokratischen im Etat angesetzt haben, nicht ausreichen. Wir brau-
Bundestagsfraktion zum Einzelplan 10 Tit. 572, 573, chen eine Aufstockung, wie ,wir sie in unserem An-
574, 578 und 608 eingebrachten und bei Beratung trag vorgesehen hatten.
des Grünen Plans begründeten Erhöhungsanträge —
Für diese Erhöhungen, von denen ich nur einige
entsprechend Umdruck 29 *) — abzulehnen und sie
herausgehoben habe, haben wir angeboten, die
damit für erledigt zu erklären. Ich darf Sie, meine
Düngemittelsubvention zu streichen. Wir haben die-
verehrten Damen und Herren, bitten, dieser Emp-
sen Vorschlag nicht leichten Herzens gemacht. Aber
fehlung nicht beizutreten.
bei Würdigung der Notwendigkeiten 'muß doch wohl
die Verbesserung der Agrarstruktur der Düngemit-
*) siehe 16. Sitzung Anlage 13 telsubvention vorgezogen werden.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 975

Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und Der Herr Minister hat mir seinerzeit schon gesagt,
Herren, ich darf doch um etwas mehr Ruhe und Auf- daß die Zahl der Betriebe, die wir in unserem Antrag
merksamkeit für den Redner bitten. Privatgespräche bei der Erhöhung ausschließen wollten, recht groß sei.
bitte ich in die Wandelgänge zu verlegen. Von den jetzt für Subventionierungszwecke zur Ver-
fügung stehenden 115 Millionen DM werden 600 000
Schmidt (Würgendorf) (SPD) : Der Vollständig- Betriebe 80 000 DM bekommen und nur 75 000 Be-
keit halber darf ich noch erwähnen, daß wir unter triebe 35 Millionen DM. Ich sage das nur, um ein-
Ziffer 2 b des Umdrucks 29 beantragt hatten, den mal die Größenordnung darzustellen. Es ist — daran
besteht kein Zweifel —, weil in der Frage der Er-
Ansatz für die Altershilfe in Höhe von 100 Millio-
höhung der Subventionierung nur wenig geschehen
nen DM in den Einzelplan 11 — Geschäftsbereich
ist, draußen auf dem Lande ein absolutes Unbe-
des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
hagen vorhanden. Die Bauern wissen natürlich, daß
— überzuführen. Dieser Antrag sollte der Bereini-
es angesichts der Festlegung, die der Herr Bundes-
gung des Grünen Plans dienen und den Einzel- wirtschaftsminister hier hinsichtlich der Erhöhung
plan 10 auf seine eigentlichen Aufgaben zurückfüh- von Preisen getroffen hat, ausgeschlossen ist, in ab-
ren. Wir freuen uns, daß wir mit diesem Verlangen sehbarer Zeit mit e iner Erhöhung des Milchpreises
mit dem Bundesrechnungshof und auch mit den und mit auch einer Verbesserung des Einkommens
Bauernverbänden einer Meinung sind. auf dem Lande — vor allen Dingen in den milch-
Die Sorge um die Zukunft der in unserer Land- liefernden Betrieben — zu rechnen. Ich darf das nur
wirtschaft tätigen Menschen bewegt uns alle. Wir am Rande erwähnen. Wir haben bei der Beratung
sind alle gemeinsam aufgerufen, nach Wegen zu des Grünen Planes schon darauf hingewiesen, daß
suchen, die in die Zukunft weisen. Die Beratung im die Landwirte in den betroffenen Betrieben für den
Fachausschuß konnte uns diese Notwendigkeit lei- Beschluß, nur die Werkmilch mit 1 Pf zu subventio-
der — ich sage ausdrücklich: leider — nicht immer nieren, absolut kein Verständnis haben.
bestätigen. Alle unsere Anträge verfielen der Ab- (Beifall bei der SPD.)
lehnung.
Wir wissen ganz genau, daß die Einnahmen des Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der
Bundes nur einmal ausgegeben werden können. Aus Abgeordnete Peters.
diesem Grunde haben wir auch im eigenen Haus-
halt den entsprechenden Deckungsvorschlag gesucht.
Das ist in diesem Jahr aus vielerlei Gründen, die Peters (Poppenbüll) ,(FDP) : Herr Präsident! Meine
hier schon genügend erörtert worden sind, notwen- Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesmini-
dig; zur Regel darf es aber nicht werden. Die Regie- sters für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten —
rung legt nur einen Vorschlag für den Haushalt einschließlich des Grünen Planes — weist mit 3,786
vor. Der Bundestag allein muß über die Priori- Milliarden DM ein Mehr gegenüber dem Vorjahr
täten entscheiden. In unserem Fall glauben wir, daß von 518 Millionen DM aus. Wir sehen in der Er-
unsere Vorschläge die Interessen der deutschen höhung des Agrarhaushalts den Willen der Bundes-
regierung und des Parlaments, der Landwirtschaft in
Landwirtschaft auf dem Wege in die Europäische
ihrer schwierigen Lage zu helfen. Wir erkennen das
Wirtschaftsgemeinschaft besonders fördern. Ich darf
um so mehr an, als die Bundesregierung und das
Sie daher entgegen den Empfehlungen des Haus- Parlament sich bei dem Ausgleich des Haushalts
haltsausschusses bitten, unseren Anträgen auf Um- 1962 nicht gerade in einer leichten Lage befinden.
druck 29 Ihre Zustimmung zu geben.
Leider ist die Landwirtschaft auf eine verstärkte
Gestatten Sie mir, daß ich diese Beratungen nicht Hilfe angewiesen. Der Wirtschaftspolitik ist es näm-
vorbeigehen lasse, ohne noch einmal auf einen An- lich nicht gelungen, diesen Zweig unserer Volks-
trag einzugehen, den wir bei der Beratung des Grü- wirtschaft gleichermaßen an der allgemeinen Wirt-
nen Plans eingebracht hatten: den Antrag auf Er- schaftsentwicklung teilnehmen zu lassen. Für die
höhung der Milchsubvention um 2 Pf. Wir hatten Landwirtschaft wird es darum immer entscheidend
damals — um es kurz in Ihre Erinnerung zurückzu- sein, welche Preise sie für ihre Erlöse erzielt. Man
rufen — festgelegt, daß die Auszahlung modifiziert muß hier die Verkaufserlöse den Hilfen gegenüber-
werden sollte. Futterbaubetriebe sollten bei einer stellen, die mittelbar und unmittelbar gewährt wer-
Milchleistung bis 24 000 kg 3 Pf zusätzlich, die den. Zu den unmittelbaren Hilfen rechne ich die
übrigen Betriebe 2 Pf haben. Darüber ist hier schon Förderungsbeiträge für die Milch mit 585 Millionen
gesprochen worden. DM, die Handelsdüngerverbilligung mit 185 Millio-
(Abg. Dr. Conring: Wir sind jetzt nicht in nen DM, die Treibstoffverbilligung mit 294 Millio-
der Grünen Debatte!) nen DM, die Ausgleichsbeträge für Eier und Geflü-
gel bis zum 30. Juni mit 90 Millionen DM und die
— Ich möchte die Beratungen nicht vorbeigehen las- Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeug-
sen, ohne noch einmal darauf hinzuweisen; es ist ja nisse — einschließlich Tabak — mit 43 Millionen
eine allgemeine Beratung. DM. Das ergibt zusammen 1,2 Milliarden DM als
Dieser Antrag ist seinerzeit abgelehnt worden. unmittelbare Preisverbesserung für landwirtschaft-
Wir haben uns dann im Ausschuß geeinigt: 1 Pf liche Erzeugnisse; das sind 240 Millionen DM mehr
Subventionierung für alle abgelieferte Milch. Im als im Vorjahr. Diese beachtliche Summe 'stellt aber
Haushaltsausschuß ist dieser Antrag dann auf die nur 6 % der Verkaufserlöse dar.
Festlegung zurückgeführt worden, daß nur für die Daneben hat die Bundesregierung ebenfalls
Werkmilch 1 Pf gegeben wird. höhere Beträge zur strukturellen Verbesserung
976 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Peters (Poppenbüll)
ländlicher Bereiche, landwirtschaftlicher Betriebe abhängen. Die politische Verantwortung kann nach
und der Verarbeitung und Verwertung agrarischer unserer Auffassung nur von den gewählten Ver-
Erzeugnisse bereitgestellt. Diese Hilfen zur struk- tretern im Parlament getragen werden.
turellen Verbesserung können nur mittelbar und
langfristig wirken. Sie erfordern zudem eine nicht Nur wenn es der Bundesregierung gelingt, wei-
unerhebliche Eigenbeteiligung und vermögen die tere Preisbelastungen durch die Agrarpolitik im Ge-
Bilanz landwirtschaftlicher Betriebe nicht kurzfristig meinsamen Markt von der eigenen Landwirtschaft
zu verbessern. Einschließlich der Bundesbeteiligung abzuhalten, werden deren Anliegen sich in Maßen
an der ländlichen Siedlung wurden folgende mittel- halten. Diese Ansprüche beruhen immerhin auf Ge-
bare Hilfen gewährt: 1 Milliarde DM Bundeszu- setz. Die Bundesregierung ist nach dem Landwirt-
schüsse, 500 Millionen DM Bundesdarlehen und ca. schaftsgesetz gehalten, eine Wirtschafts- und Agrar-
400 Millionen DM vom Bund verbilligter Kapital- politik zu treiben, die Aufwand und Ertrag in der
marktmittel. Landwirtschaft ins Gleichgewicht bringt.
Bei voller Würdigung dieser Bundeshilfen darf Die Hilfen ides Bundes bedürfen immer wieder,
nicht vergessen werden, daß immer der landwirt- meine Damen und Herren, einer kritischen Über-
schaftliche Erzeugerpreis von größerer Bedeutung prüfung durch das Parlament. Neben der großräu-
ist. Schon wenn die Erzeugerpreise um 10 % niedri- migen Agrarpolitik liegen hier die Hebel, Einfluß
ger lägen, 'würde dadurch die landwirtschaftliche zu nehmen. Ich habe den Eindruck, 'daß wegen der
Gesamtbilanz mit über 2 Milliarden DM belastet. Kürze der Zeit für die Etatberatung und gewisser
festeingefahrener Gewohnheiten dies nicht hinrei-
Aus diesem Grunde begrüßen wir es, daß die
chend möglich war.
Bundesregierung die Vorschläge der EWG-Kommis-
sion vom 25. November 1961 für eine gemeinsame Über die Notwendigkeit der Erhöhung des Aus-
Agrarpolitik nicht annahm, sondern bis zum 14. Ja- zahlungspreises für Qualitätsmilch dürften 'in die-
nuar 1962 verhandelte, um ein günstigeres Ergeb- sem Hohen Hause nur ,geringfügig unterschiedliche
nis für die eigene Landwirtschaft und die Bundes- Meinungen bestehen. Der Haushaltsausschuß hat
republik zu erreichen. den 4. Milchpfennig — allerdings nur für Werkmilch
(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.) — nach vorjähriger Jahresmenge bewilligt. Die
hierfür erforderlichen 115 Millionen DM finden mit
In der beschlossenen Abschöpfungsregelung mag 63 Millionen DM ihre Deckung aus der nach dem
noch manches Unberechenbare liegen; dennoch glau- 1. Juli überflüssig werdenden Eierprämie, wenn die
ben wir, daß durch diese Regelung ein Schutz des EWG-Abschöpfungsregelung in Kraft tritt. Wegen
deutschen Erzeugerpreisniveaus möglich ist. Erreich- der unerfreulichen Betrugsaffären, die im Zusam-
bar ist das allerdings auf weite Sicht nur, wenn die menhang mit 'der Auszahlung 'der Eierprämie vor-
Bundesregierung bei künftigen Verhandlungen jede gekommen sind, sollte schon vor dem 1. Juli eine
rechtliche Möglichkeit nutzt, 'das derzeitige deutsche Neuregelung angestrebt werden.
Preisniveau zu halten, gegebenenfalls zu verbes-
Es erscheint uns dringend notwendig, ein Gesetz
sern. Das gilt für den Getreidepreis wie für die
zu verabschieden zur Anwendung von Ausgleichs-
Preise der Veredelungsprodukte.
beträgen für Eier auf der Basis eines angemessenen
Es stimmt uns allerdings sehr nachdenklich, daß Einschleusungspreises. Wir wollen damit verhin-
jetzt, Monate nach Abschluß der Verhandlungen in dern, daß die deutschen Eierpreise weit unter die
Brüssel, Meinungsverschiedenheiten aufgetreten Gestehungskosten gedrückt werden.
sind über die Auslegung der Beschlüsse, über die
Im Zusammenhang mit ,der umstrittenen Handels-
Schutzklausel, über die Höhe der Richtpreise für
düngerverbilligung erscheint eine Ü berprüfung der
Getreide und auch über die Aufbringung des Ge-
Kartellpreise angebracht. Vor einer echten Preis-
meinsamen Agrarfonds. Eine weitere Aufweichung
senkung für Handelsdünger kann die Landwirtschaft
der Schutzklausel gibt nach unserer Meinung der
keine mittelbare Verteuerung dieses wichtigen Be-
Bundesregierung Idas Recht, von der Verzichterklä-
triebsmittels in Kauf nehmen. Die Hochsee-, Logger-
rung über die Mindestpreise nach Artikel 44 des
und Küstenfischerei erhält neben erheblich aufge-
EWG-Vertrages zurückzutreten. Diese Verpflichtung
stockten Mitteln zur Modernisierung und Abwrack-
hat die Bundesregierung sogar der eigenen Land-
wirtschaft gegenüber. hilfe erstmalig eine Fangprämie von 20 Millionen
DM. Das entspricht im Durchschnitt einer Prämie
Wir hätten bei dieser Gelegenheit gern von Herrn von 7% des Fangwerts gegenüber einer Durch-
Minister Schwarz gehört, was nun bei den letzten schnittsprämie von 9%, die die ausländische kon-
Verhandlungen in Brüssel endgültig 'beschlossen kurrierende 'Fischerei bekommt.
worden ist, nachdem man da anscheinend zu einem
Bei den strukturellen Maßnahmen der Flurbe-
weiteren Kompromiß, jedenfalls zu einer klaren Be-
schlußfassung gekommen ist. reinigung, Aufstockung und Aussiedlung sind die
Haushaltsansätze von zusammen 425 Millionen DM
In diesem Zusammenhang erscheint es besonders im Vorjahr auf 600 Millionen DM in 'diesem Jahr
bedenklich, wenn nur nach wochenlangen Verhand- aufgestockt, wozu für 1962 noch 95 Millionen DM
lungen Preiszusammenbrüche verhindert werden zinsverbilligte Kapitalmarktmittel treten. Nach dem
können. Grundsätzlich darf das Schicksal der deut- Beschluß ides Haushaltsausschusses ist die von der
schen Landwirtschaft im Zuge der Verwirklichung Bundesregierung vorgesehene Bindungsermächti-
des gemeinsamen Agrarmarktes nicht nur von den gung von 50 Millionen DM auf 95 Millionen DM auf-
Beschlüssen und Maßnahmen der EWG-Bürokratie gestockt worden und damit 'der vorherigen Bin-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 977
Peters (Poppenbüll)
dungsermächtigung gleichgestellt. Um so unver- weiterte Zinsverbilligung nur knapp 3 Milliarden
ständlicher erscheint es uns, daß das Bundesmini- zinsverbilligt. Diese Tatsache sollte uns sehr zu
sterium bei den Ländern die Althofsanierung, für denken geben und uns veranlassen, den Hofkredit für
die im vorigen Jahr 27 Millionen DM ausgegeben betriebswirtschaftlich gerechtfertigte und auch schon
worden sind, angeblich wegen Geldmangels ge- durchgeführte Maßnahmen einer befriedigenden
stoppt hat. Dafür hätten wir gern eine Erklärung. Lösung zuzuführen. Für den von Herrn Minister
Meine Fraktion hat außerdem schon eine Kleine Schwarz angekündigten Hofkredit sind in diesem
Anfrage eingebracht. Wir wünschen jedenfalls, daß Haushaltsplan leider nur 27 Millionen als Zinsver-
die Althofsanierung fortgeführt wird. billigungsmittel vorgesehen. Die erweiterte Zins-
verbilligung auf 3 % sollte nicht für alle bisher
Die Summen zur Förderung der Landwirtschaft,
meine sehr verehrten Damen und Herren, mögen verbilligten Kredite gegeben werden, sondern spe-
ziell nur für landwirtschaftliche Betriebe. Man sollte
hoch erscheinen. Leider ist es bisher nicht gelungen,
sie nicht geben für Einrichtungen der Verarbeitung
damit den Abstand der Arbeitseinkommen in der
und Vorratshaltung usw., ob im genossenschaftlichen
Agrarwirtschaft zur industriell-gewerblichen Wirt-
oder privaten Bereich. Diese weitere Verbilligung
schaft nach dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes
sollte beschränkt bleiben auf landwirtschaftliche Be-
aufzuholen.
triebe; dadurch würden wir weitere Mittel freibe-
Der Übergang zum Gemeinsamen Markt wird uns kommen. Wir ersuchen die Bundesregierung, die
vor weitere Schwierigkeiten stellen. So wie wir mit Richtlinien so zu gestalten, daß ein umfassender
vollem Recht von unseren Partnern in der EWG Hofkredit verwirklicht wird, für den in Zukunft
fordern, daß sie ihre Wettbewerbsverzerrungen ab- die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt wer-
bauen — bei den Januarbeschlüssen isst das bekannt- den. Der unabweisbare Mehrbedarf dieses Jahres
lich kaum gelungen —, sollten wir zeitig damit be- müßte aus Wenigerausgaben des diesjährigen Grü-
ginnen, zusätzliche Belastungen — innere Verzerrun- nen Plans bei anderen Titeln gedeckt werden.
gen — in unserer Volkswirtschaft abzubauen. Als
größtes Positivum erscheint uns deshalb, daß die In dem Gesamtvolumen des Etats sind noch ent-
Bundesregierung der Landwirtschaft für den Diesel- halten 416 Millionen für die Vorratshaltung,
verbrauch von 1961 31,5 Pf je Liter zurückvergütet, 100 Millionen für die Deiche, 100 Millionen für die
wofür 294 Millionen DM vorgesehen sind. Damit ist Altershilfe der Landwirte und beträchtliche Beträge
in diesem Bereich die Wettbewerbsgleichheit in etwa für die Wirtschaftsberatung, für die Verbraucher-
hergestellt. Leider ist das auf anderen Gebieten beratung, für Ausbildung und Fortbildung der Land-
nicht der Fall. Ich denke dabei insbesondere an die jugend und für die landwirtschaftliche Forschung.
Höhe des Agrarzinses und an die Höhe der deut- Wegen der Kürze der Zeit ist es mir nicht möglich,
schen Frachten. auf jede einzelne Position näher einzugehen. Trotz-
dem möchte ich auf die Bedeutung dieser Maß-
Durch das Richtpreissystem für Getreide ab 1. Juli nahmen hinweisen.
wird die Landwirtschaft, vor allem in marktfernen
Gebieten, die große Belastung durch die Zusammenfassend darf ich für die Freien Demo-
- hohen
Frachten in der Bundesrepublik zu spüren bekom- kraten erklären, daß wir dem Einzelplan 10 zu-
men. Wir glauben nicht, daß die 25%ige Senkung stimmen. Trotz schwieriger Haushaltslage des Bun-
der Getreidefrachten bei der Bundesbahn eine aus- des sind 328 Millionen mehr im ordentlichen Haus-
reichende Hilfe sein wird. Wir glauben das im be- halt, 190 Millionen mehr im außerordentlichen und
sonderen deshalb nicht, weil diese Tarifsenkung 270 Millionen mehr an verbilligten Kapitalmarkt-
nur für Getreide und nur für die Bundesbahn gilt. mitteln für die Belange der Landwirtschaft eingesetzt
Eine Senkung der Transportkosten auf das EWG- als im Vorjahr. Wir sehen darin den Willen der
Niveau muß auf dem Wege über eine Neuregelung Bundesregierung, der Landwirtschaft in ihrer schwie-
und vermutlich durch Hilfen das private Transport- rigen Lage zu helfen. Ich verhehle aber nicht, daß
gewerbe der Binnenschiffahrt und des Straßenver- wir in Zukunft manche Position im Haushalt um-
kehrsgewerbes umfassen und für alle landwirtschaft- disponieren möchten, um zu einer besseren Wirkung
lichen Güter gelten. der eingesetzten Mittel zu kommen.
Eine ähnliche Wettbewerbsverzerrung wie im Darüber hinaus habe ich ein besonderes und
Verkehr haben wir im Bereich des Agrarkredits. altes Anliegen meiner Fraktion vorzubringen. Wir
Seit vielen Jahren erhält die konkurrierende Land- sind der Auffassung, daß der Aufbau des Grünen
wirtschaft des Auslandes, vor allem in den EWG- Planes ein anderes Gesicht bekommen muß. Im
Ländern, den Agrarkredit zu bedeutend günstigeren Grünen Plan sollten nur solche Maßnahmen ent-
Konditionen als in der Bundesrepublik. halten sein, die sich unter Bezugnahme auf das
Landwirtschaftsgesetz unmittelbar auf die Ertrags-
Ich nehme an, daß mir entgegengehalten wird, der . lage der Landwirtschaft auswirken. Alle Ansätze
Titel Zinsverbilligung sei bedeutend erhöht und für mittelbare Hilfen, die der strukturellen Verbes-
mache heute fast 230 Millionen DM aus. Meine sehr serung ländlicher Bereiche dienen, gehören nach
verehrten Damen und Herren, in dieser Position unserer Auffassung in den ordentlichen Haushalt.
sind aber fast alle Zinsverbilligungen -- auch die
für allgemeine strukturelle Maßnahmen voriger Lassen Sie mich abschließend kurz etwas sagen zu
Jahre — enthalten. Von dem im Grünen Bericht den Anträgen der SPD. Ich beziehe mich nur auf die
ausgewiesenen Fremdkapital der deutschen Land- Umdrucke, die uns schriftlich vorgelegen haben.
wirtschaft in Höhe von 13 bis 14 Milliarden DM Umdruck 46 betrifft die Bundesanstalt für Natur-
sind durch die bisherige und die nun auf 3 % er schutz, Landschaftspflege und Vegetationskunde;
978 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Peters (Poppenbüll)
ihm stimmen wir zu, weil wir der Meinung sind, daß Im übrigen meine ich, sollten wir auch deshalb hier
dieser Umzug nicht so eilig ist, daß er vielmehr nicht die grüne Debatte erneuern, weil der Einzel-
erst in einigen Jahren erfolgen könnte. plan 10 derjenige Einzelplan ist, der im großen und
Den Anträgen Umdruck 50, 51 und 58 können wir ganzen keine Kürzungen erfahren hat, während alle
nicht zustimmen. Zum Umdruck 58, dem bedeutend- anderen Etats 'im Haushaltsausschuß Auseinander-
sten von den dreien, bei Tit. 571, Förderung der setzungen ausgesetzt waren, die immer das Ziel hat-
ländlichen Siedlung, eine Bindungsermächtigung von ten, ,die Ansätze zu kürzen. Es ist uns doch im Haus-
65 Millionen auszuwerfen, sind wir der Meinung, haltsausschuß gelungen, den Einzelplan 10 ohne Kür-
daß bei einem Gesamtvolumen von 650 Millionen zungen zu verabschieden, und zwar bei einem gegen-
DM für das Siedlungsprogramm 1962 eine Länder- über dem Vorjahr erhöhten Volumen. Ja, der Haus-
beteiligung von 200 Millionen absolut angemessen haltsausschuß hat, wie Sie wissen, noch 115 Mil-
ist. Bei der Haushaltslage des Bundes ist es nicht lionen DM hinzugelegt, damit der vierte Milchpfen-
zu rechtfertigen, die Länder um 65 Millionen zu nig ausgezahlt werden kann.
entlasten.
Das sind Tatsachen, die man neben der Althof-
(Beifall bei den Regierungsparteien.) sanierung in den agrarischen Kreisen auch einmal
hervorheben sollte: daß es dem Haushaltsausschuß
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat gelungen ist, die zwölfprozentige Kürzung bei die-
der Herr Abgeordnete Conring. sem Haushalt zu vermeiden, diesen Haushalt in sei-
nem alten Volumen zu 'belassen und ihm im Gegen-
Dr. Conring (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine satz zu allen anderen Haushalten noch um über 100
Damen und Herren! Ich glaube, es ist eigentlich Millionen aufzustocken. Ich meine, das wäre wohl
nicht der geeignete Zeitpunkt, ,um hier heute eine der Erwähnung wert.
grüne Debatte mit europäischem 'Einschlag zu wie- Im übrigen kann sich eigentlich die SPD, deren
derholen. Wir haben uns vor ganz kurzer Zeit dar- Redner hier die alten Anträge zum Grünen Plan
über 'hier in aller Breite ausgesprochen, und ich wieder zur Sprache gebracht haben, nicht darüber
meine nicht, daß wir nach so kurzer Zeit bei der beschweren, daß die Koalition und insbesondere die
allgemeinen Aussprache über den Haushalt des Bun- CDU ihre eigenen Vorstellungen über Agrarpolitik
desernährungsministeriums all das wiederholen soll- hat. Wenn Sie meinen, daß die 185 Millionen, die
ten, ohne daß eigentlich wesentlich neue Gesichts-
für die Düngemittelverbilligung im Etat ausgesetzt
punkte dabei vorgetragen werden könnten. sind, besser anderweit verteilt werden sollten, so
Ich habe den Eindruck, daß in der Zwischenzeit nur ist das Ihr gutes Recht, derartige Auffassungen zu
eine Frage die Beteiligten draußen im Lande be- haben. Sie werden aber der Regierungskoalition
wegt: das ist die Althof-Sanierung, von der hier und insbesondere auch der CDU zugestehen müssen,
auch gesprochen wurde. Bezüglich der Althof-Sanie- daß sie darüber eben andere Auffassungen hat und
rung ist zu sagen, daß in der Tat diese -von der daß sie infolgedessen, weil sie die Düngemittelver-
Bundesregierung vorgeschlagene Maßnahme viel billigung beibehalten will — in diesem Jahr wenig-
Widerhall findet, auf viel Zustimmung stößt und daß stens beibehalten will; man kann nicht für alle Zu-
infolgedessen ,die Anträge sich häufen. Die Bundes- kunft reden —, die Anträge der SPD ablehnen muß,
regierung hat bei der Aufstellung des Etats dafür weil für sie keine Deckung da wäre.
gesorgt, daß dem Rechnung getragen ist. Im Jahre
(Beifall in der Mitte.)
1961 hatten wit 27 Millionen DM für diese Zwecke
zur Verfügung. Im Jahre 1962 werden wir 40 Mil-
lionen DM zur Verfügung 'haben. Die große Zahl Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
der Anträge hat uns Veranlassung gegeben, zu der Herr Abgeordnete Rehs zur Begründung des
überlegen, ob wir nicht auch in diesem Jahr noch Antrags Umdruck 58.
weitergehen können. Erfreulicherweise bietet ja der
Grüne Plan dazu die Möglichkeit; denn die Titel
innerhalb des Grünen Plans sind untereinander ver- Rehs (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und
schiebbar, und wir haben die Hoffnung, ,daß die Mit- Herren! Ich habe in der Frage der Eingliederung des
tel, die für die Altdorf-Sanierung zur Verfügung ge- vertriebenen und verdrängten Landvolks schon so
stellt werden, in diesem Jahr , auf etwa 60 Millionen oft hier oben gestanden, daß ich heute gerne einem
DM erhöht werden. 'Das ist dann gegenüber dem Kollegen von der CDU/CSU den Vortritt überlassen
Vorjahr mehr als eine Verdopplung. Ich freue mich, hätte. Ich hätte mich besonders gefreut, wenn es ein
daß wir ,auf diesem Gebiet gute Fortschritte machen Mitglied der Grünen Front gewesen wäre, schon um
können. Persönlich bin ich der Auffassung, daß wir die berufliche Solidarität mit den schwer geprüften,
im Jahre 1963 versuchen sollten, für die Althof von jenseits des Eisernen Vorhanges stammenden
Sanierung noch etwas mehr zu tun. Ich glaube in- Menschen zu bekunden. Leider hat gerade diese
folgedessen, daß die Feststellung, die in verschie- Kategorie der Kollegen in diesen Fragen bisher fast
denen Zeitungen, auch in Agrarzeitungen, erschien, immer geschwiegen und, wenn sie das Wort genom-
nicht ganz zutrifft, daß diese Seite der Agrarpolitik men hat, negativ dazu gesprochen.
vernachlässigt würde. Sie wird nicht vernachlässigt,
sondern sie wird mehr gefördert als im Vorjahr und (Zuruf des Abg. Struve.)
hoffentlich auch in diesem Jahr noch weiter gefördert — Kollege Struve, wir brauchen uns darüber ja,
werden. glaube ich, nicht zu streiten; es sind Tatsachen, die
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 979
Rehs
Sie nicht in Abrede stellen können. Ich könnte Ihnen ansehen? Der Bauernverband der Vertriebenen
an Hand der Protokolle sonst alles mögliche nach- schnieb hierzu bereits am 15. Februar 1962 mit Recht:
weisen. — Infolgedessen bleibt mir nichts anderes Zauberei? Siedlungsetat 1962 erhöht und trotz-
übrig, als daß ich als Nichtlandwirt wieder einmal dem weniger Mittel.
für meine Schicksalsgefährten das Wort nehme.
650 Millionen DM stehen im Etat. Das sind zunächst
Ich möchte Sie nur daran erinnern, meine Damen 12 Millionen DM weniger als im Vorjahr. Die Bun-
und Herren von der CDU, daß der Bundeskanzler desmittel sind hiervon mit rund 367 Millionen DM
im Oktober 1958 in Bad Godesberg auf dem 1. Ost- angesetzt, 200 Millionen DM sollen von den Län-
preußischen Bauerntag erklärte: dern kommen. Aber von den Bundesmitteln sind 290
Millionen DM verbraucht, müssen also vorweg ab-
Gerade das Ausmaß und die Intensität der Ein- gezogen werden. Dann bleiben von den Bundesmit-
gliederung des ostdeutschen Bauerntums ist der teln effektiv nur 77,4 Millionen DM übrig. Um den
Maßstab für den Willen zur Wiederherstellung Ansatz nur einigermaßen wieder hinzukriegen, muß
Gesamtdeutschlands.. . . Die Eingliederung des man wieder zu demselben komplizierten Verfahren
ostdeutschen Bauerntums als politischer Auftrag greifen und neue Bindungsermächtigungen in Höhe
ist im weitesten Sinne des Wortes allen verant- von 290 Millionen DM schaffen. Aber auch diese
wortlichen Kräften Deutschlands klarzumachen, Summe reicht nicht aus, um den Ausgleich herbeizu-
zunächst um der von diesem harten Schicksal führen, weil ja davon noch die Nebenkosten mit
betroffenen Menschen willen, dann aber unse- über 38 Millionen DM fortgehen usw.
res ganzen Volkes willen.
Ich will auf diese Einzelheiten nicht eingehen,
Das war ein Wort! Was ist von diesem Wort übrig- ebensowenig wie auf 'die immer wiederholten und
geblieben? immer wieder unberücksichtigt gebliebenen Forde-
Im Jahre 1955 wurden noch 13 700 Stellen geför- rungen auf Veränderung der Finanzierungsricht-
dert. Jahr für Jahr ist die Stellenzahl um zirka 1000 linien, Vereinfachung des Finanzierungsverfahrens
bis auf rund 8700 im Jahre 1960 zurückgegangen. usw. Die Fachleute kennen alle diese Dinge, die
Von den rund 400 000 heimatvertriebenen und ver- anderen interessiert das sowieso nicht. Jedenfalls
drängten Bauernfamilen — das ist schon eine sehr möchte ich feststellen, daß die Länder zur Durchfüh-
reduzierte Zahl — sind nur rund 4 % auf Voll- rung des diesjährigen Siedlungsprogramms 710 Mil-
bauernstellen wirklich eingegliedert. lionen DM angefordert hatten und daß diese Summe
im Haushalt um 60 Millionen auf 650 Millionen DM
Der seinerzeit mit großer Selbstzufriedenheit ver- gekürzt worden ist. Sie ist also um diese 60 Millio-
kündete Fünfjahresplan wird nicht erfüllt werden. nen DM geringer als im Vorjahre, in dem schließlich
Das Bundesernährungsministerium hat damals er- 425 Millionen DM Haushaltsmittel zur Verfügung
klärt: standen.
die ostdeutschen Bauern würden nunmehr die Der neue Vertriebenenminister hat am 19. Dezem-
Gewißheit haben, daß etwa jede zweite Familie ber 1961 geäußert, selbstverständlich würde bei den
. . . in diesen fünf Jahren mit einer Eingliede- weiteren Planungen auf die inzwischen eingetre-
rung rechnen könne. tenen Änderungen im Kosten- und Preisgefüge
Rücksicht genommen werden. Von dieser Erklärung
Dieses Ziel wird nicht erreicht werden. Der Plan hat sich ebensowenig wie von den vorher schon von
hatte ja als einzigen positiven Kern überhaupt mir zitierten Äußerungen des Bundeskanzlers auch
nur die Zusage, daß wenigstens für fünf Jahre nur das geringste in diesem Haushalt niederge-
mit einer bestimmten Mindestsumme gerechnet schlagen.
werden könne. Alles andere war Selbsttäuschung.
Wenn die Mittel im Haushalt jetzt nicht erhöht,
Ich habe vorausgesagt, daß bei den Betroffenen,
sondern gegenüber dem Vorjahr noch um 60 Mil-
wenn der erste Enthusiasmus verflogen sein würde,
lionen DM reduziert werden, erweisen sich alle
eine große Enttäuschung eintreten würde. Alles,
jene Äußerungen, mit denen man die heimatvertrie-
was damals von mir vorausgesagt worden ist, ist
benen und verdrängten Bauern bisher beschwichtigt
eingetreten.
hat, als leere Redensarten.
Im Juni vorigen Jahres hat der Bundeskanzler
Die Kluft zwischen der wirklichen Lage, d. h. den
abermals die Eingliederung der ost- und mitteldeut-
gestiegenen Bau- und Bodenpreisen, und dem Mit-
schen Bauern als „eine der wichtigsten innerdeut-
telansatz wird immer größer. Schon in den Jahren
schen Entwicklundsaufgaben" erklärt und festge-
1954 bis 1960 — lassen Sie mich auf diese eine Zahl
stellt — ich zitiere — daß
,
hinweisen — waren die Kosten der Eingliederung
gemessen an den vom Bundesgesetzgeber fest- um rund 115 % gestiegen, während die bundesseitig
gelegten Grundsätzen der weitaus größere Teil zur Verfügung gestellten Mittel nur um 55 % er-
der Aufgabe noch vor uns liegt. höht worden waren. Seitdem hat sich das Bild noch
rapide verschlechtert. Wir haben unlängst im Ver-
Noch vor wenigen Wochen hat der Bundeskanzler triebenenausschuß einen Bericht des Ernährungs-
den Präsidenten des Bauernverbandes der Vertrie- ministeriums erhalten, in dem darauf hingewiesen
benen empfangen und ihm zugesichert, daß er für worden ist, daß der Anstieg der Baukosten allein in
eine verstärkte Förderung der Eingliederungsmaß- . den letzten Jahren auf ca. 31 bis 35 % zu beziffern
nahmesrgwd. ist.
Meine Damen und Herren, was ist daraus gewor- Aber das ist noch nicht alles. Ich sagte bereits, daß
den, so fragen wir, wenn wir uns diesen Haushalt bei dem Ansatz von 650 Millionen DM im Haushalt
980 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Rehs
noch eine Länderbeteiligung von 200 Millionen DM Ich möchte hervorheben, daß sich die zuständigen
einkalkuliert ist. Die Länder haben aber bereits er- Vertreter des Bundesvertriebenenministeriums und
klärt, daß sie hiervon nur 135 Millionen DM aufbrin- des Bundesernährungsministeriums bei den Bemü-
gen können. Es fehlen also weitere rund 65 Millio- hungen im Vertriebenenausschuß des Bundestages
nen DM, um wenigstens den ohnehin unzulänglichen positiv beteiligt haben. Aber das reicht natürlich
Ansatz mit 650 Millionen DM .erfüllen zu können. nicht aus. Vor allem muß wahrgemacht werden, was
ich vorhin aus der Erklärung des Bundeskanzlers
Was der Kollege von der FDP hier vorhin erklärt im Jahre 1958 in Bad Godesberg zitierte, nämlich
hat, daß man bei der augenblicklichen Situation den allen verantwortlichen Kräften Deutschlands klar-
Ländern das zumuten müsse, ändert an der Sachlage zumachen, daß die Eingliederung des ostdeutschen
nichts. Vor allem übersieht man bei dieser Auffas- Bauerntums ein politischer Auftrag ist, damit auch
sung völlig, daß nach dem Bundesvertriebenengesetz besonders in diesem Hohen Hause ein besseres
die Bereitstellung der Mittel in vollem Umfange Verständnis hierfür entsteht. Gerade daran hat es
Aufgabe des Bundes ist, daß also der Bund diese bisher bei der Bundesregierung und auch bei den
Aufgabe nicht einfach von sich schieben kann. Mehrheitsparteien gefehlt, und auch in diesem Haus-
halt sind wieder keine Konsequenzen gezogen wor-
Der Agrarausschuß des Bundesrates hat deshalb den. Ich möchte das mit allem Nachdruck sagen.
bereits im Februar dieses Jahres einen Beschluß
gefaßt, durch den der Bund aufgefordert wird, in Vor allem wird auch der neue Bundesvertriebe-
Höhe des Länderausfalles bei diesen 200 Millionen nenminister zeigen müssen, ob er dem politischen
DM einzutreten. Das ist in der Tat das Mindeste, Kernproblem seiner ministeriellen Aufgabe gewach-
was vom Bund gefordert werden muß. sen ist und daß er auch dort zu reden und sich
durchzusetzen versteht, wo es wirklich notwendig
Mit unserem Antrag Umdruck 58 wollen wir diese ist. Ich möchte ihn daran erinnern, daß er im Ver-
Verpflichtung des Bundes hinsichtlich des Länder- triebenenausschuß auf meine ausdrückliche Frage,
ausfalles bei den 200 Millionen DM dadurch ab- ob denn wenigstens der Betrag von 65 Millionen
sichern, daß eine entsprechende weitere Bindungs- DM, der bei den Ländern ausfalle, durch den Bund
ermächtigung bis zusätzlich 65 Millionen DM im gesichert sei, sich ausdrücklich hierfür stark gemacht
Haushalt verankert wird. hat. Herr Minister, dieses Wort von Ihnen hängt
Meine Damen und Herren, wir bedauern, daß bei bis zu diesem Augenblick noch in der Luft. Nach
der mangelnden Entschlußkraft der Bundesregierung dem, was ich vorhin von dem Kollegen von der FDP
und der Mehrheitsparteien hinsichtlich dieses Ge- gehört habe, der das abgelehnt hat, soll es also
samtproblems in den vergangenen Jahren jetzt offenbar auch weiter in der Luft hängenbleiben. Ihr
nichts anderes übrig bleibt, als zunächst den Weg eigenes Wort steht damit auf dem Spiel, Herr
dieser weiteren Bindungsermächtigung zu gehen. Minister!
Die bisherige Handhabung des Systems der Bin- Meine sehr verehrten Damen und Herren, die
dungsermächtigung ist ein eklatantes Zeichen dafür, vertriebenen und verdrängten ostdeutschen Bauern
wie man sich bei den Mehrheitsparteien und bei der haben, wie die ostdeutschen Menschen überhaupt,
Bundesregierung immer wieder um klare Entschlüsse bisher eine große Geduld gezeigt. Ich möchte nicht
in dieser Frage herumgedrückt und die Konsequen- zuviel sagen, aber doch feststellen, daß die Gedulds-
zen immer wieder vor sich hergeschoben hat. fähigkeit in dieser Frage nahezu ausgeschöpft ist.
Wenn man nicht das Notwendige tun will, dann
Wir haben im Vertriebenenausschuß des Bun-
sollen die 'Bundesregierung und die Regierungs-
destages zu unserem Teil mit den uns notwendig
koaliton es sagen. Dann soll man keine Ansprachen
erscheinenden Arbeiten zur Herbeiführung einer
auf Kundgebungen halten •und keine tönenden
Änderung bei der Behandlung dieses Fragenkreises
Worte im Munde führen. Diese ohnehin schwerge-
begonnen. Ich erinnere daran, daß wir unlängst
prüften Menschenhaben es nicht verdient, daß man
eine Besichtigungsfahrt zu verschiedenen Siedlungs- sie an der Nase herumführt.
stellen in Nordrhein-Westfalen unternommen haben.
Dabei haben wir uns nicht nur davon überzeugen (Zuruf von der CDU/CSU: Sie wissen, daß
können, welch wesentlicher Beitrag zur Verbesserung das nicht geschieht!
der Agrarstruktur gerade durch die bäuerlichen
Siedlungen der Vertriebenen erzielt worden ist, son- Die Bundesregierung und die Regierungsmehrheit
dern auch davon, welch große Bedeutung die dort haben in dieser Sache bisher geschwiegen und keine
errichteten Nebenerwerbssiedlungen haben und Initiative gezeigt, die für das Länderprogramm
weiter haben werden. Wir haben uns von dem Ver- von 710 Millionen DM fehlenden 60 Millionen DM
treter des Düsseldorfer Landwirtschaftsministeriums aufzustocken. Wir haben es deshalb für aussichtslos
mitteilen lassen, daß allein in Nordrhein-Westfalen gehalten, von uns aus noch einen entsprechenden
20 000 Siedler-Eignungsscheine ausgegeben worden Antrag einzubringen. Wir hoffen aber, daß Sie sich
sind. Hierbei handelt es sich also um Menschen, bei wenigstens den vor mir angeführten Gründen hin-
denen alle Voraussetzungen für die Übernahme von sichtlich der Notwendigkeit, den Ansatz von
Höfen und die Errichtung von Siedlungen geprüft 650 Millionen DM durch diese •zusätzliche Bindungs-
worden sind. Der zuständige Ministerialdirigent hat ermächtigung zu sichern, nicht verschließen werden.
uns dazu erklärt, daß allein in Nordrhein-Westfalen Wir bitten daher, unserem Antrag zuzustimmen.
noch für die nächsten 10 bis 15 Jahre jährlich min-
destens 2000 Stellen eingerichtet werden können. (Beifall bei der SPD.)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 981

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat haltsausschuß ist leider im Rahmen der sehr gering-
der Herr Bundesminister der Finanzen. fügigen Beeinflussung des Einzelplans 10 eine
Summe von 200 000 DM ausgerechnet bei diesem
Dr. Starke, Bundesminister der Finanzen: Herr Sammel-Titel gestrichen worden.
Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im übrigen trifft auf das, was zum Ernährungs-
In der Debatte ist mehrfach die Frage aufgeworfen haushalt zu sagen ist, die Feststellung des Herrn
worden, ob der Haushaltsansatz für die Verbesse- Kollegen Dr. Conring vollkommen zu — ich habe
rung der Agrarstruktur ausreicht, vor allem ob auch sie mir vorhin notiert —, daß bei Einzelplan 10 im
die Althofsanierung weitergeführt wird, die durch großen und ganzen keine Kürzungen vorgenommen
einen Erlaß des Herrn Bundesministers für Ernäh- worden sind. Aber ausgerechnet da, wo es gilt, dem
rung, Landwirtschaft und Forsten zu meinem Be- Tierschutz einigermaßen zu helfen, ausgerechnet da
dauern vorübergehend gestoppt worden ist. Hierzu wird in dem Gesamtkapitel, in dem die 40 000 DM
darf ich in Übereinstimmung mit dem Herrn Bun- nach (dem Regierungsvoranschlag untergebracht wa-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und For- ren, der Gesamtansatz um 200 000 DM gekürzt. Es
sten folgendes bemerken. war im Haushaltsausschuß schon beantragt, den
Es ist zwar nicht zu bestreiten, daß der Eingang Titel für Tierschutz — für einen deutschen Tier-
von Anträgen auf Gewährung von Krediten für die schutzverband — um 20 000 DM zu reduzieren. Das
Althofsanierung in einem Ausmaße zugenommen wäre etwa dem früheren Anschlag entgegengekom-
hat, wie es bei Aufstellung des Haushaltsplans nicht men, , der 18 000 DM vorsah. Es besteht die Gefahr,
vorausgesehen wenden konnte. Aus den inzwischen daß dem deutschen Tierschutz bei Aufrechterhaltung
mit den Ländern angestellten Ermittlungen ergibt dieser Kürzung von insgesamt 200 000 DM vielleicht
sich jedoch, daß ein erheblicher Teil der vorliegen- wirklich nur 20 000 DM zugute kommen.
den und noch zu erwartenden Anträge mit Mitteln Ohne große Worte machen zu wollen, möchte ich
des im Wege der Zinsverbilligung auf 3 % verbil- meinen, daß (das Problem des Tierschutzes in der
ligten Hofkredits durchgeführt werden kann. Mit Bundesrepublik von dem Hohen Hause ernster ge-
den Ländern ist vereinbart, daß die 'hierzu erforder- nommen werden müßte, als es tatsächlich genommen
lichen Feststellungen bis Anfang Mai getroffen wer- wird. Ich stelle fest, daß der einstimmig gefaßte Be-
den. Sobald das Ergebnis vorliegt, werde ich mit schluß des Deutschen Bundestages auf Erlaß eines
meinem Kollegen Schwanz prüfen, wie wir den sich Ausfuhrverbots für Schlachtpferde in der nieder-
dann ergebenden Bedarf an Mitteln für die Althof- trächtigsten Weise umgangen wird. Aus Schlacht-
sanierung bis Ende 1962 decken können. Möglich- pferden sind plötzlich Nutzpferde geworden. Von
keiten hierzu ergeben sich 'bereits aus der Vorbe- Bahnhöfen, von denen früher keine Nutzpferde aus-
merkung zu Kap. 10 02 — Allgemeine Bewilligun- geführt wurden, werden heute Nutzpferde — keine
gen —, wo es heißt: Schlachtpferde mehr — nach Italien verfrachtet.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirt- (Lebhafte Zurufe: Hört! Hört!)
schaft und Forsten kann mit Zustimmung
- des
Bundesministers der Finanzen bestimmen, daß Ich stelle fest, daß der Initiativentwurf über das
ein unabweisbarer Mehrbedarf bei einem An- Tierschutzwesen, der dem Hohen Hause interfrak-
satz des Grünen Plans aus Wenigerausgaben tionell zugeleitet worden ist, zu einer Flut von
bei einem anderen Ansatz 'des Grünen Plans Äußerungen aus der Öffentlichkeit führt und daß es
geleistet wird. eine zwingende Notwendigkeit ist, im Interesse
eines echten Tierschutzes mit den in Frage kommen-
Danach besteht kein Anlaß zu der Befürchtung, daß
den Verbänden zusammenzuarbeiten, ihnen die
die im Rahmen der Agrarstrukturverbesserung
Möglichkeit zu (geben, im Interesse eines wirklichen
zweifellos notwendige Maßnahme der Althofsanie- und wirkungsvollen Tierschutzes mit dem Bundes-
rung — eine sehr notwendige Maßnahme — nicht tag, mit den einzelnen Fraktionen, in Hearings, in
in dem gebotenen Umfang weitergeführt werden den Ausschüssen zusammenzuarbeiten, kurzum, eine
kann. Entwicklung herbeizuführen, die endlich einen echten
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Tierschutz garantiert. Das (geht nicht ganz ohne
Geld.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort zur Wir sind nicht .der Auffassung, daß diese ur-
Begründung des Antrags Umdruck 50 hat Herr Ab- sprünglich vorgesehenen 40 000 DM dem Deutschen
geordneter Ritzel. Tierschutzbund allein zukommen sollen. Es gibt
mehrere Tierschutzverbände, die in langen Jahren
sehr nützliche und wirkungsvolle Arbeit geleistet
Ritzel (SPD) : Herr Präsident! Meine Dannen. und
haben. Es dient auch der Erfüllung der Aufgaben
Herren! Von einem Haushalt von 53 000 Millionen
dieses Hohen Hauses, mit diesen Verbänden in eng-
DM entfallen auf' den Haushalt des Bundesministe-
riums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ster Verbindung zu stehen.
rund 3800 Millionen DM. Von diesen 3800 Millionen Aus diesem Grunde wäre ich Ihnen dankbar,
DM sah die Bundesregierung für den Tierschatz wenn Sie dem Antrag auf Umdruck 50 ihre Zustim-
40 000 DM vor. Der Ansatz befindet sich in einem mung gäben, den Ansatz von 18 000 DM, um den es
zusammenfassenden Titel, in dem Zuschüsse an An- sich bei diesem Etat von 53 Milliarden DM im gan-
stalten — wie es heißt — außerhalb der Bundes- zen und 3,8 Milliarden DM ,für Ernährung, Land-
verwaltung vorgesehen und verplant sind. Im Haus wirtschaft und Forsten handelt, auf 40 000 DM zu
982 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Ritzel
erhöhen; das macht den Kohl wirklich nicht fett. Es vorhandenen wichtigen Arbeitskräfte gehalten wer-
ist eine Geste des Verständnisses gegenüber der den und ihnen das Landleben genau wie ihren bäuer-
leidenden Kreatur, hier 22 000 DM mehr einzusetzen lichen Arbeitgebern attraktiver und lebenswerter
und die entsprechende Bewilligung auszusprechen. gestaltet wind.
(Beifall bei der SPD.) Darüber hinaus vergessen !Sie bitte nicht, ,daß en
den Landarbeiter von heute ;hohe Anforderungen in
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine wei- fachlierundtsHichgeltwnd
teren Wortmeldungen dazu? und .auch gestellt werden müssen. Er ist ohne Frage
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck in den Status eines Facharbeiters hineingewachsen.
51 hat der Abgeordnete Saxowski. Dies dürfte allen hier im Hause bekannt sein.
(Abg. Dr. Conring: Sehr richtig, aber das hat
Saxowski .(SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ver- mit dem Haushalt wenig zu tun!)
ehrten Damen und Herren! Mit Umdruck 51 hat die Es geht hier um echte Sozialpartnerschaft, die die
sozialdemokratische Fraktion einen Änderungs- überholten Formen überwinden muß. Auch echte
antrag zu Kap. 10 02 Tit. 610 des Haushaltsplanent- Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirt-
wurfs 1962 eingebracht. Er verlangt keine Erhöhun- schaft ist neben der wirklichen Vorsorge für den
gen, sieht aber auch keine Verminderungen vor, son- Landarbeiter für unseren Antrag bestimmend. Eine
dern es wird um eine nach unserer Ansicht bessere Nichteinbeziehung der Landarbeiterhaushalte würde
und zweckmäßigere, aus der Natur der Mittel resul- ahne Frage als erneute Diskriminierung empfunden
tierende Verteilung , gebeten. wenden und muß unbedingt verdrießen, was zur
In Tit. 610 sind 50 Millionen DM Zuschüsse zur Folge haben wird, daß weitere Kräfte aus dem land-
Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft einge- wirtschaftlichen Sektor abwandern. Nehmen Sie bitte
setzt. Die Mittel dürfen ausschließlich für fest mit auch zur Kenntnis, daß nur 10% aller in der Land-
dem Gebäude verbundene technische Einrichtungen wirtschaft tätigen Personen Landarbeiter sind. Wie
verwendet werden. Die Zweckbestimmung ist damit aus dem Prozentsatz zu entnehmen ist, wird nur eine
präzise umrissen. Über die unbedingte Notwendig- geringe Anzahl von Landarbeiterfamilien die Mittel
keit ist nicht zu streiten, da gerade die Landfrau in Anspruch nehmen, ,die gegenüber 1961 um 20 Mil-
einer Erleichterung ihrer schweren Arbeit bedarf, da lionen DM erhöht worden sind. Ihre Einbeziehung
sie in vielen Fällen stärker in !den täglichen Arbeits- hat daher weniger tatsächliche, als vielmehr optische
rhythmus eingespannt ist als ,der Mann. Außerdem und 'moralische Bedeutung, und dem müssen wir un-
ist 'das Gefälle zum Stadtbewohner auszugleichen, bedingt Rechnung tragen.
um die grassierende Landflucht zu stoppen. Ich Sie werden nicht bestreiten können, daß bei den
glaube, daß man sich in diesem Hause weitere Aus- niedrigen Landarbeiterlöhnen die Ehefrauen mitar-
führungen ersparen kann, da uns allen die ange- beiten müssen. Auch sie sind in !ihrer Arbeitskraft
sprochene Situation hinlänglich bekannt ist. überfordert. Auch sie 'haben eine Erleichterung ihrer
Aber nicht nur die Bäuerin, sondern auch die Frau Hausarbeit verdient. Ich glaube daher, alle haben
des dauernd in der Landwirtschaft beschäftigten Ar- das Gefühl, daß diesem Antrag im Interesse der
beiters ist den überaus großen Arbeitsbelastungen Landarbeiterfrau zugestimmt werden muß. Der An-
unterworfen, so daß auch ihr Haushalt die Recht- trag Umdruck 51 liegt Ihnen im Wortlaut vor. Ich
fertigung abgibt, an diesen Mitteln zu partizipieren. darf Sie bitten, ihm zuzustimmen.
Ich will Sie nicht mit Zahlen und Statistiken lang-
Noch eine kleine Schlußbemerkung zu unserem
weilen und 'aufhalten, aber einiges muß 'gesagt wer-
Anliegen, das wir im Haushaltsausschuß und im
den, da hierdurch schlagartig !die Situation auf dem
Ernährungsausschuß vorgebracht haben, den Ver-
landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt und in der Fluktu-
braucherzentralen 165 000 DM für die Aufklärung
ation der Arbeitskräfte beleuchtet wird: Bis 1960
der Verbraucher zukommen zu lassen. Von den Her-
hatten wir in diesem Sektor eine Verminderung 'der
ren der Regierungsparteien und Regierungsvertre-
ZahlderAbitskäfvonüerMilzu
tern ist uns fest zugesagt worden, daß man unseren
verzeichnen. Laut Betriebszählung 1960 ist nur noch
Wunsch mit Wohlwollen berücksichtigen wird. Wir
in jedem sechsten Betrieb von 10 bis 20 ha und in
sprechen die Erwartung aus, daß es nicht bei der
je zwei von drei Betrieben in !der Größenklasse von
wohlwollenden 'Berücksichtigung bleibt, sondern
25 bis 50 ha ein Landarbeiter beschäftigt. Von der
daß das Wohlwollen in tatsächliche Maßnahmen
Lohnsituation will ich schweigen, da wir das ohne umgemünzt wird.
Bedenken dem staatsbürgerlichen und wirtschafts-
politischen Verantwortungsbewußtsein der Tarif- (Beifall bei der SPD.)
partner überlassen können, sollen und auch müssen.
Sie sehen, daß diese knappen Zahlen alarmierend Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
sind, selbst wenn man berücksichtigt, daß die Ab- der Herr Abgeordnete Struve.
wanderung zu einem gewissen Teil .durch die fort-
schreitende Rationalisierung und Technisierung auf- Struve (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da-
gefangen worden ist oder in Zukunft aufgefangen men und Herren! Mein Herr Vorredner hat schon
wird. Die Grenze ides Möglichen ist jedoch erreicht darauf hingewiesen, daß diese Frage uns im Ernäh-
bzw. schon weit überschritten, so daß wir alle die rungsausschuß mehrfach beschäftigt hat. Es ist un-
Verpflichtung haben, dazu beizutragen, daß die noch bestritten, daß die !Bundesregierung und die CDU-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 983
Struve
Fraktion in der zurückliegenden Zeit, in der 3. Le- — Wenn Sie bei der Althofsanierung von einem
gislaturperiode, jedes Jahr 25 Millionen DM für den 3- oder 4%igen Kredit einschließlich Tilgung um-
Landarbeiterwohnungsbau eingesetzt haben. Das schalten auf einen mit 3% zu verzinsenden Kredit,
Hohe Haus als Ganzes dürfte sich einig darin sein, der einschließlich Tilgung dann etwa 10 % bean-
daß dies eine richtige und auch auf weite Sicht gute sprucht, so ist das nach meiner Überzeugung kein
Maßnahme ist, um den Landarbeiterwohnungsbau geeigneter Weg; wir sollten bei der schwierigen
in Form von Eigenheimen weiter zu fördern. Lage der Landwirtschaft nicht noch die alten Gebäude
mit großen Bauhypotheken belasten. Täuschen wir
Hier wird aber eine Förderung beantragt, die in uns nicht — die Grünen Berichte sprechen hier eine
keiner Weise geeignet ist, unseren Landarbeitern deutliche Sprache —: die Verzinsung des in der
zu helfen. Ich darf daran erinnern, daß die Bundes- Landwirtschaft eingesetzten Kapitals ist so bela-
regierung für diesen Zweck, die Arbeit der Bauers- stend und die Tilgungsmöglichkeiten sind so gering,
frau zu erleichtern, im vergangenen Jahr 30 Mil- daß nur ein sehr bescheidener Teil heute Baukre-
lionen DM, in diesem Jahr 50 Millionen DM zur dite mit solchen Tilgungsraten verkraften kann.
Verfügung gestellt hat, um ,auf dem Wege einer
25%igen Beihilfe dafür zu sorgen, die Arbeit der Meine politischen Freunde werden deshalb für die
Bauersfrau und damit ihr Los zu erleichtern, ihr, die dritte Lesung dem Hohen Haus einen Entschließungs-
zugleich Mutter und Erzieherin der Kinder, aber antrag vorlegen, der in eine etwas andere Richtung
auch mitarbeitende Kraft ides Bauern im Stall und zielt, in Richtung des von meinem Kollegen Dr.
auf dem Felde ist. Conring angedeuteten Weges.
Vergessen wir aber nicht, daß für diese Hilfe (Beifall bei der CDU/CSU.)
auch ein 75%iger Kredit notwendig ist. Wollen Sie,
meine Damen und Herren von der SPD, etwa dem
Landarbeiter raten, wenn er 900 DM Zuschuß be- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abge-
kommen kann, 2700 DM Schulden zu machen, in ein ordneter Seither zum Antrag Umdruck 51!
Landarbeiterwohnhaus eine Einrichtung hineinzu-
bauen, die er gar nicht gebrauchen kann? Seither (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Es ist bezeichnend, daß gerade Herr
(Lachen bei der SPD.)
Kollege Struve, der selbst Landwirt ist, die Ab-
Denn eine derartige kombinierte Warmwasser- und lehnung der Hilfe für die Landarbeiter empfiehlt.
Heizungsanlage, die mit den Mitteln aus diesem Er hat sicher nicht gelesen, daß seine anderen Kolle-
Titel gefördert werden soll, ist für den Landarbeiter gen im Haushaltsausschuß, so Herr Dr. Stoltenberg,
nicht geeignet. prinzipiell das Anliegen anerkannt und der Bundes-
regierung empfohlen haben, für 1963 auch die Land-
(Zurufe bei der SPD.)
arbeiter in diese Maßnahme mit einzubeziehen.
Nach unserer Überzeugung müssen wir den Ich glaube nicht, daß es richtig ist, wenn man sagt,
Eigenheimbau des •Landarbeiters weiter wie - bisher die Landarbeiterfrau sei heute nicht so wesentlich
fördern. Wir verschließen uns aber auch nicht För- belastet. Es ist sicher auch nicht richtig, wenn man
derungsmaßnahmen für alte Wohnungen — einerlei glaubt, daß die Landarbeiter die Zuschüsse nicht
ob es Werkswohnungen, also Wohnungen im Eigen genausogut in Anspruch nehmen könnten wie die
tum (der Hofbesitzer, sind oder ob es sich um Eigen- Bauern selbst. Ich bin sehr erstaunt darüber, daß
heime handelt — und können hier zusätzliche Maß- gerade ein Landwirt meint, die Landarbeiter müßten
nahmen erörtern. So war auch das Ergebnis der ausgeschlossen bleiben. Denn eines steht sicher fest:
Aussprache im Ernährungsausschuß. Die meisten Landarbeiterfrauen leisten zusätzlich
Der Herr Wohnungsbauminister Lücke hat bereits Arbeit auf dem Lande; teilweise sind sie durch das
in der Regierungserklärung unter der Überschrift Einkommen des Mannes dazu gezwungen, teilweise
„Dorfsanierung" dieses Problem angesprochen. Ich tun sie es freiwillig. Da aber die Landwirtschaft
bedaure sehr, daß er im Augenblick krank ist. Ich sicher in Zukunft Frauen für die Arbeit brauchen
zweifle aber nicht daran, daß die Bundesregierung, wird, wäre es ganz gut, wenn auch für die Land-
besonders unser Wohnungsbauminister Lücke, im arbeiterfrau Erleichterungen geschaffen würden.
kommenden Jahr geeignete Vorschläge zur Ver- Man kann nicht ausweichen, indem man sagt: Wir
besserung der ganzen Wohnung unserer Landarbei- wollen den Landarbeiterwohnungsbau fördern.
ter — ich betone: der ganzen Wohnung; einerlei Natürlich wollen wir ihn weiter fördern. Man kann
ob die Landarbeiter in Werkwohnungen oder in nicht ausweichen, indem man sagt: Wir wollen die
Eigenheimen wohnen — machen wird. Denn zum ganze Wohnung in Ordnung bringen und mit dem
Teil handelt es sich um sehr alte Häuser mit feuch- Minister darüber sprechen. Es ist zwar sehr gut,
ten und ungesunden Räumen. Wir müssen deshalb wenn man das tut, aber wir als Landwirte sollten
die Gesamtwohnung sehen und nicht, wie bei die- nicht eine Gruppe diskriminieren, die praktisch
sem Programm, nur die Einzeleinrichtung und die doch unser Sozialpartner ist.
gemeinsame Wärmequelle.
(Abg. Struve: Umkehrung der Tatsachen!
Noch ein Wort zu der Erklärung, die der Herr — Weitere Zurufe von der Mitte.)
Bundesfinanzminister abgegeben hat. Ich möchte
davor warnen, den 3%igen Kredit zu überschätzen. Ich bitte deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
(Abg. Dr. Conring: Bei der Althofsanierung!) (Beifall bei der SPD.)
984 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Zur Begrün- sammenzulegen oder ihre Aufgaben anderen Bun-
dung des Änderungsantrags auf Umdruck 46 hat desanstalten zu übertragen. Das ist mit aller Gründ-
der Herr Abgeordnete Bading das Wort. lichkeit geschehen; hier ist nichts überstürzt gemacht
worden. Man ist mit Sachverstand an die Dinge her-
Bading (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und angegangen und hat mit allen Stellen Fühlung ge-
Herren! Es hat einen gewissen Seltenheitswert, halten. Das hat sich etwa im Jahre 1960/61 abge-
wenn ein Mitglied des Ernährungsausschusses sich spielt.
dafür einsetzt, daß im Einzelplan 10 etwas gekürzt Dann ist einige Zeit vergangen. Schließlich hat
wird; ich bitte, das auch entsprechend zu würdigen. sich die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft,
Es handelt sich um folgendes. Wir hatten bisher der der Herr Vorredner als stellvertretender Vor-
zwei Bundesanstalten gehabt: die Bundesanstalt für sitzender angehört, und die sich aus Mitgliedern
Naturschutz und Landschaftspflege und die Bundes- von Fraktionen des Bundestages und der Länder-
anstalt für Vegetationskartierung. Diese beiden parlamente zusammensetzt, mit dieser Frage be-
Bundesanstalten sollen zusammengelegt werden; der schäftigt. Gerade diese Interparlamentarische Ar-
künftige Sitz soll Bad Godesberg sein. Nun ist be- beitsgemeinschaft hat den Vorschlag gemacht, die
reits schon im vergangenen Jahr mit dem Ministe- beiden Anstalten zusammenzulegen.
rium vereinbart worden, daß der Umzug der Bun- (Abg. Bading: Es besteht gar keine
desanstalt für Vegetationskartierung, die bisher in Meinungsverschiedenheit!)
Stolzenau in Niedersachsen domizilierte, langsam
vor sich gehen soll. Es handelt sich hier nicht um Nachdem zwischen den Beteiligten auf Grund
die Verlegung eines Postamtes oder einer Behörde, sorgfältiger und langwieriger Prüfungen Einver-
sondern um die Verlegung einer wissenschaftlichen ständnis darüber besteht, diese Anstalten aus Grün-
Anstalt. Da es sich um eine naturwissenschaftliche den der Wirtschaftlichkeit zusammenzulegen, sollte
Anstalt handelt, laufen bei ihr auch sehr viele Feld- man nun nicht plötzlich zum Rückzug blasen. Man
versuche und Naturversuche. Man kann also den sollte nicht den Eindruck erwecken, daß man — aus
Umzug nicht plötzlich vornehmen, wenn man die welchen Gründen auch immer — nach so langer
wissenschaftliche Arbeit nicht stören will. Zeit jetzt die Durchführung dieser Maßnahme nicht
mehr ins Auge fassen möchte. — Wollen Sie eine
Meine politischen Freunde und ich sind der Auf- Frage stellen? Bitte.
fassung, daß wir Gelegenheit haben, in diesem Jahre
die Umzugskosten für die Stolzenauer Anstalt noch
einzusparen. Wir gewinnen damit zwar keine sehr Bading (SPD) : Herr Kollege Conring, sind Sie
große Summe; aber es handelt sich immerhin um sich darüber klar, daß hier gar keine Meinungs-
132 000 DM. Der Umzug ist auch gar nicht in der verschiedenheiten bestehen, sondern daß es sich
Weise, wie es im Etat vorgesehen ist, möglich. Das lediglich darum handelt, den Umzug langsam durch-
Haus, in dem die Bundesanstalt untergebracht wer- zuführen und in diesem Jahr noch nicht zu be-
den soll, steht noch nicht ganz zur Verfügung;
- es ginnen?
sind dort noch andere Behörden untergebracht.
Daher bitte ich das Hohe Haus, unserem Antrag Dr. Conring (CDU/CSU) : Ich bin mir darüber
zuzustimmen. klar, daß gewisse Kräfte am Werk sind, die die Zu-
sammenlegung nicht schätzen und die ihrerseits gern
(Beifall bei der SPD.)
dazu beitragen würden, daß dieser Zusammenschluß,
der gewollt und beabsichtigt ist, praktisch nicht zu-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat stande kommt. Ich spreche das deshalb aus, weil
der Herr Abgeordnete Conring. ich in niedersächsischen Dingen hoffe einigermaßen
zu Hause zu sein. Es erweckt den Eindruck, daß man
hier di e Sache abbremsen will, um sie allmählich
Dr. Conring (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Die Anstalt, die hier soeben wieder in ein anderes Fahrwasser zu leiten. Denn
von dem Herrn Vorredner angesprochen worden ist, das ist ja sicher — deshalb bedarf es gar keines An-
hat uns schon häufiger beschäftigt. Sie wissen, daß trages von Ihrer Seite; nehmen Sie es mir nicht übel,
das Mahlow-Gutachten erstattet worden ist. Dies daß ich 'das sage —, daß jede nur mögliche Rück-
Gutachten hat sich kritisch zu der Anstalt in Stolze- sicht auf die umziehenden Beamten, Angestellten
nau, aber auch zu der anderen Bundesanstalt — für und Arbeiter genommen wird. Das ersehen Sie ja
Naturschutz- und Landschaftspflege — geäußert. Sie schon daraus, mit welcher Behutsamkeit und welcher
wissen ferner, daß unser Kollege Dr. Gleissner mit Sorgfalt die Sache über Jahre hinaus geprüft worden
Zustimmung des Haushaltsausschusses in gründ- ist. Und daß das jetzt plötzlich überstürzt werden
müßte zum Nachteil der in Frage kommenden Be-
licher Arbeit, die Monate gedauert hat, mit allen
in Frage kommenden Stellen Fühlung genommen amten und Angestellten, die umziehen müßten, da-
von ist keine Rede.
hat. Er hat sich auch mit dieser Anstalt beschäftigt.
Wir sind seinerzeit im Haushaltsausschuß dazu ge- Ich möchte Sie deshalb bitten, daß wir diese Mei-
kommen, der Bundesregierung zu empfehlen, sowohl nungsverschiedenheit nicht weiter vertiefen, sondern
die Bundesanstalt für Vegetationskartierung in daß wir gemeinsam nach \dieser Aussprache hier in
Stolzenau als auch die Bundesanstalt für Natur- diesem Hohen Hause der Bundesregierung noch ein-
schutz und Landschaftspflege aufzulösen und den mal in die Erinnerung rufen: Bitte, nimm die Rück-
Versuch zu machen, beide Anstalten entweder zu sicht, die nötig und möglich ist — davon geht sie
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 985
Dr. Conring
sowieso aus —. Nehmen Sie aber ebenso viel 2 d! Wer zustimmen will, gebe ein Handzeichen.
Rücksicht auf uns, .die wir diesen Antrag aus sach- — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit;
licher Überzeugung abzulehnen beabsichtigen. angenommen.
(Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Schäfer: 2 e! Wer zustimmen will, gebe bitte ein Hand-
Das li st doch eine Logik!) zeichen. — Gegenprobe! — 2 e ist angenommen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine weite- Damit sind sämtliche Ziffern des Antrages des
ren Wortmeldungen. Ausschusses zum Einzelplan 10 und der Einzelplan 10
in zweiter Lesung angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu den
Abstimmungen. Ich rufe auf:
Zunächst Änderungsantrag der Fraktion der SPD Einzelplan 12 — Geschäftsbereich des Bun-
Umdruck 58. Wer diesem Änderungsantrag zustim- desministers für Verkehr (Drucksachen IV/311,
men will, den bitte ich um ein Handzeichen. — zu IV/311).
Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag
ist abgelehnt. Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel als Bericht-
erstatter.
Umdruck 50, Änderungsantrag der SPD. Wer die-
sem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich
um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Ritzel ( SDP) : Herr Präsident! Meine Damen und
Mehrheit; der Änderungsantrag 50 ist abgelehnt. Herren! Es ist notwendig, zu dem gedruckt vorlie-
genden Bericht auf dem Gebiete der Bewilligung
Änderungsantrag der Fraktion der SPD Um- von Bundesmitteln für die Deutsche Bundesbahn und
druck 51. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen zu dem Problem der Flugsicherung einige ergän-
will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegen- zende Bemerkungen zu machen.
probe! Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag
Umdruck 51 ist abgelehnt. Die Mehrheit im Haushaltsausschuß hat bei der
Behandlung der Etatansätze für die Deutsche Bun-
Änderungsantrag Umdruck 46 der Abgeordneten desbahn eine Kürzung um 280 Millionen DM in
Bading, Dr. Schmidt (Gellersen), Seither, Dr Mommer einem bestimmten Falle vorgenommen. Die Kürzung
und Genossen. Wer diesem Änderungsantrag zu- bezieht sich auf jenen Betrag, der als freiwillige Zu-
stimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — wendung des Bundes unter Abschnitt B verzeichnet
Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, ich bitte ist: Beitrag zu den strukturell bedingten überhöhten
um Wiederholung! Wer dem Änderungsantrag zu- Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn. Vor-
stimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — gesehen waren 555 Millionen DM. Gestrichen wur-
Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Ände- den nach einer Kampfabstimmung durch Mehrheits-
rungsantrag Umdruck 46 ist abgelehnt. beschluß 280 Millionen DM. Verblieben sind im
Zu dem Antrag des Ausschusses zum Einzelplan 10 Haushaltsplanentwurf, wie er vom Haushaltsaus-
ist Einzelabstimmung beantragt. Ich gebe diesem schuß dem Hohen Hause vorgelegt wurde, 275 Mil-
Antrage statt. lionen DM.
Ich lasse über den Ausschußantrag in Drucksache Ich muß auf diese Dinge besonders um deswillen
IV/309 abstimmen. aufmerksam machen, weil es wegen der Entwicklung
in diesem Jahre und wegen der Entwicklung in den
Zunächst Ziffer 1! Wer diesem Antrag des Aus- folgenden Jahren erforderlich ist, auf die Tatsachen
schusses zustimmen will, den bitte ich um ein Hand- zu verweisen: Die Deutsche Bundesbahn hat die
zeichen. — Gegenprobe! — Altersversorgung ihrer Beamten allein zu tragen. In
(Zuruf von der CDU/CSU: Was ist denn anderen Fällen wird die Alterssicherung dadurch
das?) finanziert, daß der Bund zu den Rentenversicherun-
gen der Arbeiter und der Angestellten namhafte Zu-
— Das wäre abgelehnt!
schüsse leistet. Aus diesen Erwägungen hielt es die
(Zurufe.) Ausschußminderheit für geboten, alle Zuwendungen
Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer der für die Bundesbahn ungekürzt zu bewilligen, zumal
Ziffer 1 des Antrages des Ausschusses zu Einzel- der strittige Ansatz von 555 Millionen DM einen Be-
plan 10 — Drucksache IV/309 — zustimmen will, trag von 85 Millionen DM enthält, der der Bundes-
den bitte ich um ein Handzeichen. bahn de facto schon im Dezember 1961 über eine
vorübergehende, zweckgebundene Einlage bei der
(Heiterkeit und Zurufe bei der SPD.) Deutschen Verkehrs- und Kreditbank AG zur kas-
senmäßigen Abwicklung ihres Defizits im Geschäfts-
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
jahr 1961 zugeflossen ist.
Ziffer 2 a) des Antrages des Ausschusses! Wer Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, meine
zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Damen und Herren, daß in der Sitzung des Haus-
— Gegenprobe! — Angenommen! haltsausschusses in Anwesenheit des Präsidenten
Ziffer 2 b) ! Wer zustimmen will, gebe bitte ein der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn
Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen! eine Reihe von Fragen gestellt worden sind, die nur
zum Teil beantwortet werden konnten. Diese Fragen
2 el Wer zustimmen will, gebe bitte ein Hand- spielen in die Erörterung, um die es sich hier han-
zeichen. — Angenommen! delt, entscheidend hinein. Ich habe in der Zwischen-
986 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Ritzel
zeit die schriftliche Antwort erhalten, die also im Stellung des Bundes als Eigentümer. Ich wollte den
Bericht des Ausschusses nicht mehr wiedergegeben schriftlich vorliegenden Bericht in dieser Hinsicht
werden konnte, und zitiere wenige Teile daraus. um diese Feststellungen ergänzen.
Ich habe damals gefragt, wie es zu erklären sei, Dann noch wenige Bemerkungen zu dem Problem
daß für die Bundesbahn im Bundeshaushalt 1962 der Verbeamtung von nahezu 2000 Angestellten des
rund 400 Millionen DM mehr vorgesehen seien als Flugsicherungsdienstes. Dem Haushaltsausschuß lag
im Vorjahr. Die mir vorliegende Antwort geht da- unter anderem ein Bericht vor, der schon dem
hin, daß 100 Millionen DM Liquiditätsdarlehen Verkehrsausschuß vorgelegen hatte. Der Bericht
seien; ihr Ursprung seien allgemeine wirtschafts- stammte vom Bundesverkehrsministerium. In die-
politische Wünsche der Bundesregierung; zweitens, sem Bericht ist gesagt, daß die Bundesanstalt für
der Rest resultiere sich aus Erhöhungen des Ansat- Flugsicherung bisher fast ausschließlich mit Ange-
zes für Versorgungsbezüge. Ein zweiter Schritt zur stellten besetzt sei. Es sei in Aussicht genommen,
Annäherung an die Vorschläge des Brand-Gutach- heißt es weiter, ihren personalrechtlichen Aufbau
tens zum Problem der Versorgungslasten sei mit grundlegend zu ändern. Hierfür sind rechtliche, fach-
diesem Ansatz von seinerzeit 555 Millionen DM ge- liche und personalwirtschaftliche Überlegungen
tan, es sei aber nicht in voller Höhe das eingesetzt,
maßgebend. Die rechtlichen Überlegungen gründen
was das Brand-Gutachten gefordert habe; es seien
sich auf den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4
nicht 937 Millionen oder 700 Millionen DM einge-
des Grundgesetzes, wonach die Ausübung hoheits-
setzt, sondern eben nur 555 Millionen DM. Diese
555 Millionen DM sind nun durch Mehrheitsbeschluß rechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der
des Haushaltsausschusses um 280 Millionen DM ge- Regel Beamten zu übertragen ist, und auf § 4 des
kürzt worden. Bundesbeamtengesetzes, wonach Berufung in das
Beamtenverhältnis auch für solche Tätigkeiten zu-
Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen, lässig ist, die aus Gründen der Sicherung des Staates
ob diese Kürzung um 280 Millionen DM durch den oder des öffentlichen Lebens nicht ausschließlich
Haushaltsausschuß, der ja für seine „Scharfrichter Personen übertragen werden dürfen, die in einem
tätigkeit" gegenüber dem Bundeshaushalt allseitiges privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen. Die fach-
Lob erhalten hat — man kann dem mit gemischten lichen und personalwirtschaftlichen Gesichtspunkte
Gefühlen zustimmen —, eine echte Kürzung ist. Das sind in erster Linie in der Notwendigkeit begründet,
fragt sich allen Ernstes. Ich bestreite es, und zwar durch eine weitere Ausbildung eine vielseitige Ver-
aus folgendem Grunde. Es ist in meinen Augen prak- wendung zu sichern. Die vielschichtigen Probleme
tisch nichts anderes — und ich möchte als Bericht- können nur dann zufriedenstellend gelöst werden,
erstatter doch darauf hinweisen, damit sich das Hohe wenn für das gesamte im Flugsicherungskontroll
Haus keine Illusionen macht — als eine Verschie- dienst und im flugsicherungstechnischen Dienst be-
bung des Etatansatzes auf die Rechnung. schäftigte Personal Planstellen ausgebracht werden,
Die Regierung hat durch Kabinettsbeschluß vom um die Übernahme dieser Kräfte in das Beamten-
- verhältnis zu ermöglichen.
30. Januar 1957 die Summe für die Versorgungs-
lasten wie eine eigene Verpflichtung übernommen. Bei der Vorberatung und Vorbereitung der Be-
Es handelt sich um einen der heutigen Bundes-
richterstattung im Haushaltsausschuß wurde an den
bahn wesensfremden Personenkreis, um verdrängte
Vertreter der 'Regierung die Frage gerichtet, aus
Reichsbahnbedienstete, volksdeutsche Bedienstete
welchen Gründen diese das, was in der Zwischen-
fremder Staatsbahnen, Westberliner Eisenbahner,
zeit laut wurde, verlangte, nämlich nicht abzuwarten
Kriegsversehrte und Kriegshinterbliebene des ersten
mit der Genehmigung dieser nahezu 2000 Stellen
und zweiten Weltkrieges. Es sind erhebliche Mehr-
für den Flugsicherungsdienst als Beamtenstellen,
aufwendungen aus diesem Anlaß in den Etat, in die
bis der Haushaltsausschuß, wie 'dem Hohen Hause
Wirtschaftsrechnung der Deutschen Bundesbahn hin-
bekanntgeworden ist, im Monat Mai, nach den
eingebracht worden, die nicht ureigene Aufgaben
Osterferien, zu einer gründlichen Erörterung dieser
der Deutschen Bundesbahn darstellen, die bekannt-
Stellenplanwünsche kommen könne. Man hat in den
lich erst im Jahre 1950 erstanden ist. Es sind im
Besprechungen erklärt, daß eine beschleunigte Ver-
ganzen 310 plus 555 Millionen DM nach dem Regie-
abschiedung auch um deswillen notwendig sei —
rungsentwurf. die Gründe lagen ja im übrigen schon schriftlich
Die Deutsche Bundesbahn hat auf die im Haus- vor —, weil für einen Teil des Personals mindestens
haltsausschuß gestellte Frage geantwortet, daß nach die Gefahr der Abwerbung bestehe. Das hat dann
ihrer Auffassung in den Einzelplan 12 gehören die dazu geführt, daß sich Berichterstatter und Mitbe-
Jahresrate aus dem Verkehrsfinanzgesetz, der Zu- richterstatter in den Beratungen des Haushaltsaus-
schuß zur Rheinbrücke Kehl, der Beitrag aus dem schusses stark dafür gemacht haben, diesem Wunsch
Straßenbauplan, und daß man verschiedener Mei- des 'Bundesverkehrsministeriums zu entsprechen.
nung sein könne in bezug auf die Anpassungsbei-
hilfe von 170 Millionen und das Liquiditätsdarlehen Das geschah zu einem Zeitpunkt, in dem der
von 100 Millionen. Sämtliche Abgeltungsleistungen Haushalt 'dem Haushaltsausschuß offiziell noch nicht
des Bundes beruhen nach Auffassung der Deutschen überwiesen worden war, so daß also nur vorge-
Bundesbahn auf einer rechtlichen Zahlungspflicht sehen werden 'konnte, diesen Beschluß dann zu
des Bundes auf Grund Gesetzes, eines Kabinett- fassen, wenn der Herr Bundesfinanzminister seine
beschlusses, Verpflichtung zu gleichen Startbedin- Etatrede gehalten habe und der Haushaltsentwurf
gungen und Wettbewerbsgrundlagen und auf der dem Haushaltsausschuß überwiesen worden sei.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 987
Ritzel
Als das vorbei war, habe ich dort auf Grund von ber des vergangenen Jahres hat die Bundesregie-
Erfahrungen, die ich in der Zwischenzeit machen rung diese Linie ausdrücklich bestätigt. Es heißt in
mußte, dem Haushaltsausschuß den. Antrag vorge- der Erklärung, daß die Bundesregierung einen ver-
legt, man möge 'diese sogenannte Verbeamtung auf stärkten Leistungswettbewerb wünscht, daß sie eine
den Monat Mai verschieben, um damit dem Bundes- Angleichung der Wettbewerbsbedingungen bewir-
tag, vor allem dem .Haushaltsausschuß Gelegenheit ken will, daß die Verkehrsträger Kraftverkehr und
zu einer gründlichen Besprechung der doch sehr Binnenschiffahrt gesund und leistungsfähig bleiben
umfangreichen Vorschläge in bezug auf Verbeam- sollen, daß die Aufgaben volkswirtschaftlich sinn-
tung zu geben. Ohne Debatte hat der Haushalts- voll unter den Verkehrsträgern verteilt werden sol-
ausschuß diesen Antrag mit Mehrheit abgelehnt, len. Es 'heißt weiter, daß dieBundesbahn gesunden
und so steht nun heute das Plenum vor der Frage, und daß an den gemeinwirtschaftlichen Aufgaben
ob es diese weitgehende Verbeamtung im Rahmen der Bundesbahn auch in Zukunft festgehalten wer-
des Flugsicherungsdienstes vornehmen soll oder den sollte.
nicht.
Meine 'Damen und Herren, gemeinwirtschaftliche
Meine Damen und Herren, ich würde pflichtwidrig Verkehrsbedienung und gleichzeitig marktwirt-
handeln, wenn ich Ihnen nicht sagen würde, daß in schaftliches Verhalten scheinen mir zwei Paar Stie-
der Zwischenzeit Angestellte des Flugsicherungsdien- fel zu sein. Aber abgesehen von diesem Schönheits-
stes, Gewerkschaftsvertreter und andere Personen fehler sind die verkündeten Programmpunkte der
bei mir und wohl auch bei anderen Mitgliedern des Bundesregierung durchaus diskutabel. Sie decken
Hohen Hauses vorstellig geworden sind mit dem sich im Prinzip auch mit unseren Vorstellungen.
Hinweis darauf, daß das ein verfrühter Beschluß sei Wir Sozialdemokraten wünschen in der Verkehrs-
und daß man selbst einer gründlichen Beratung im politik einen echten Leistungswettbewerb.
Haushaltsausschuß des Bundestages das Wort rede.
Wenn wir uns insoweit, meine Damen und Her-
Das ist das, was auf diesem Gebiet im Rahmen der ren, in der Zielsetzung einig sind, dann scheint es
Etatberatung zu Einzelplan 12 ebenfalls zur Ent- mir an der Zeit zu sein, etwas präziser als bisher
scheidung des Hauses steht. über das procedere der Heranführung an die Markt-
wirtschaft zu sprechen, über die Maßnahmen also,
die notwendig sind, um die Bruchlinien zwischen
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Ich danke
marktwirtschaftlichem Verhalten und gemeinwirt-
dem Herrn Berichterstatter. Das Wort 'hat der Herr
schaftlicher Verkehrsbedienung zu überwinden. Die
Abgeordnete Dr. Bleiß.
Zusicherung allein, daß die Heranführung vor-
sichtig und behutsam erfolgen soll, reicht noch nicht
Dr. Bleiß (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ge- aus. Sie scheint mir nur ein Trostpflaster für alle
ehrten Damen und Herren! Die kurze für die Be- diejenigen gewesen zu sein, die damals zunächst
ratungen des Einzelplans 12 zur Verfügung stehende um ihre Existenz gebangt haben.
Zeit erlaubt es leider nicht, die gesamte Verkehrs-
- Zur Sache selbst ist damit aber noch keine Aus-
politik der Bundesregierung einer kritischen Ana-
sage gemacht. Wir müssen von der Bundesregie-
lyse zu unterziehen. Ich habe die Hoffnung, daß wir
rung verlangen, daß sie zu Beginn einer Legislatur-
bei der Beratung des nächsten Haushalts mehr Zeit
periode darlegt — nachdem der Gaul der Margen
und eine bessere Gelegenheit dazu finden.
tarife etwas lahm geworden ist —, welche konkre-
(Abg. Dr. Schäfer: Das ist in jedem Jahr ten Maßnahmen sie beabsichtigt, um eine Heranfüh-
die gleiche Hoffnung!) rung an die Marktwirtschaft durchzuführen.
Das ist leider immer die gleiche Hoffnung ; viel- Der Preiswettbewerb, der dabei im Vordergrund
leicht erfüllt sie sich im Herbst dieses Jahres. steht, tendiert zur Zeit in der Verkehrswirtschaft
eher nach oben als nach unten. Eine eindeutige
Meine Damen und Herren, wenn wir heute auf Klarstellung, an welche konkreten Maßnahmen ge-
eine generelle Diskussion der gesamten Verkehrs- dacht ist, scheint mir auch deswegen notwendig zu
politik verzichten, dann wollen wir aber die Haus- sein, 'um dem Herrn Bundesverkehrsminister den
haltsberatungen nicht vorübergehen lassen, ohne Vorwurf der ,Doppelzüngigkeit zu ersparen, wenn
einige vordringliche Fragen herauszugreifen, die z. B. die Bundesregierung in ihrer Regierungserklä-
hier behandelt werden müssen. Es handelt sich um rung ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft ablegt, vor
die Wettbewerbs'be dingungen in der Verkehrswirt-
'
dem Bundesverfassungsgericht aber die Aufrecht-
schaft, um die Situation bei (der Bundesbahn und um erhaltung von Ordnungsprinzipien zum Schutz der
den Straßenbau. Bundesbahn für notwendig hält. Das verträgt sich
In vielen Reden, die seit der Verabschiedung der auf die Dauer nicht miteinander.
Verkehrsnovellen gehalten worden sind, und in Meine Damen und Herren, je früher Sie eine
vielen Artikeln, die geschrieben worden sind, sind solche Klarstellung darüber herbeiführen, ob und
die Verkehrsnovellen als eine Wende in der Ver- in welcher Weise Sie die Ordnungsgesetze der 1.
kehrspolitik bezeichnet worden. Die neue verkehrs- und 2. Legislaturperiode zu lockern 'beabsichtigen,
politische Linie der Bundesregierung bedeutet eine desto besser werden wir gegen Überraschungen
Abkehr von dem 'bisherigen Wettbewerbsordnungs- geschützt sein; denn die beim Bundesverfassungs-
prinzip und eine Heranführung an die Marktwirt- gericht anhängigen Klagen werden sich nicht auf
schaft. In der Regierungserklärung vom 29. Novem eine unbestimmte Zeit vertagen lassen.
988 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Dr. Bleiß
Lassen Sie mich zu den anhängigen Klagen hier Herr Bundesverkehrsminister, wie lange soll das
einFstlugrf.WiedEntschug noch so weitergehen? Wir schätzen die Meinungs-
Bundesverfassungsgerichts auch immer ausfallen freiheit der Referenten; aber sollte es nicht mög-
möge, — wir hoffen mit Ihnen wenigstens darin lich sein, Herr Minister, den (Streit über die Kosten-
einig zu sein, daß die Heranführung an die freie theorien auf dem Verkehrssektor endlich zu ent-
Marktwirtschaft nicht auf Kosten der mittelschich- scheiden? Uns interessieren weniger die divergie-
tigen Betriebe erfolgen darf. Wir sind davon über- renden Auffassungen der Referenten. Wir wünschen
zeugt, daß bei der von Ort zu Ort stark differenzier- den Standort des Bundesverkehrsministeriums,
ten Verkehrslage die kleinen und mittleren B e- Ihren Standpunkt, Herr Bundesverkehrsminister,
triebe wegen ihrer Leistungs- und Anpassungsfähig- kennenzulernen. Deswegen darf ich Sie noch ein-
keit in der Verkehrswirtschaft unentbehrlich sind. mal sehr nachdrücklich darum bitten, den über-
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten fälligen Bericht ohne weiteren Zeitverzug dem Bun-
haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß wir es destag zuzuleiten.
für richtiger gehalten hätten, zunächst die Flur zu
Meine Damen und Herren, manchmal habe ich den
bereinigen und dann die Ordnungsprinzipien abzu-
Eindruck, daß die Verkehrspolitik zu einem Tum-
bauen, also zunächst Angleichung der Wettbewerbs-
melplatz für Kommissionen und Gutachter zu wer-
bedingungen, Gesundung der Bundesbahn und eine
den droht. Ich gebe zu: sachverständige Beratung
Tarifreform und dann erst die Marktwirtschaft zu muß sein. Man kann sie aber auch übertreiben.
verwirklichen. Sie sind im Herbst vergangenen Jah-
res den anderen Weg gegangen. Sie haben erst die Nach dem Bulletin vom 8. März ist nunmehr die
Marktwirtschaft proklamiert und müssen nun die 24köpfige Kommission für Straßenbau und Raum-
Flurbereinigung nachholen. Meine Damen und Her- ordnung gebildet worden. Lassen Sie mich zur Bil-
ren, die Konsequenzen daraus sind jetzt zu ziehen. dung von Kommissionen ein allgemeines Wort
sagen. Es ist merkwürdig, daß in der Verkehrswirt-
Bis heute sind wir in der Flurbereinigung noch schaft die Kommissionen immer von der CDU ge-
nicht einen Schritt weitergekommen. Im Jahre 1959 fordert werden. In der Regel wird die Einsetzung
hat der Bundestag ein Gesetz über die Selbstkosten- von Kommissionen von der Opposition beantragt,
statistik verabschiedet. Der Kostenvergleich sollte gewöhnlich dann, wenn sie Tatbestände zu klären
— das war der Zweck des Gesetzes — eine brauch- wünscht, von denen sie annimmt, daß das zustän-
bare Grundlage für die Ermittlung angenäherter dige Fachministerium die Dinge nicht richtig sieht.
Wettbewerbsbedingungen liefern. Erhebungszeit- Auf dem Gebiet, das ich zu überschauen vermag —
raum war das Kalenderjahr 1959. in der Verkehrswirtschaft also — ist die CDU der
Inzwischen sind zweieinviertel Jahre vergangen. Spiritus rector in der Bestellung von Kommissionen.
Herr Bundesverkehrsminister, ich will keinem Be- Meine Damen und Herren und Herr Kollege Mül-
amten Ihrer Abteilung Statistik den Vorwurf einer ler-Hermann, ich bin mir über Ihre Movite nicht
Pflichtvernachlässigung machen. Aber, Herr Mini- ganz im klaren. Lassen Sie mich aber eines feststel-
ster, wir leben i n. einem Zeitalter der modernen len: an der Stelle von Herrn Seebohm würde ich in
Technik mit schnell und sicher arbeitenden Rechen- der wiederholten Einsetzung von Kommissionen
maschinen, und ich frage Sie, woran liegt es eigent- durch meine eigene Fraktion ein tiefes Mißtrauen
lich, daß die Untersuchungsergebnisse dem Bundes- gegen den Sachverstand des Ministeriums empfin-
tag immer noch nicht +zugeleitet worden sind. Wenn den und würde mich ganz energisch dagegen zur
das Tempo der Bearbeitung nicht ganz wesentlich Wehr setzen.
beschleunigt wird, werden in unserer schnellebigen
Zeit die Zahlen nur noch historischen Wert haben. Nun zu der Arbeit der Kommission selbst. Wir
Der Bundestag hätte dann im Jahre 1958 ein über- haben 1957 die Brand Kommission eingesetzt. Sie
-

flüssiges Gesetzbeschlossen. hat eine sehr umfangreiche Arbeit vorgelegt, wir


haben sie eingehend studiert. Was hat aber die
Herr Minister, woran liegt der große Zeitverzug? enorme Arbeit eigentlich für einen Sinn gehabt,
Ist es etwa richtig, daß man sich in Ihrem Hause wenn die finanziellen Ergebnisse zwar im Prinzip
auch heute noch nicht über die Methodik der Regel- anerkannt, aber nachher doch nicht realisiert wer-
kostenerfassung geeinigt hat? Darf ich fragen, wie den? Wenn ich den Brand-Bericht richtig gelesen
lange der Streit noch andauern soll? Wir kennen und verstanden habe, verlangt die Brand-Kommis-
die verschiedenen Standpunkte seit einiger Zeit 'aus sion zweierlei, Rentabilität und Modernisierung der
einem Streit, der sich auf der Referentenebene in Bundesbahn, d. h. Verlustausgleich und Kapitalzu-
aller Öffentlichkeit abspielt. Auch 'das ist zweifellos fuhr. Und was tut die CDU?
ein Novum in unserer Demokratie. Da referiert ein
Referent des Bundesverkehrsministeriums vor (Abg. Dr. Conring: Ohne Rücksicht auf den
einem Interessentenausschuß über die Wegekosten (Bundeshaushalt!)
der 'Binnenschiffahrt. Sein Manuskript wird ge- — Nein, nicht ohne Rücksicht .auf den Bundeshaus-
druckt. Ein Referent der Bundesbahn liest das und halt. Ich werde es gleich darlegen, Herr Conring.
entwickelt eine geharnischte Antithese. Sie wird Was tut also die CDU? Sie kürzt die Haushaltsan-
in Broschürenform veröffentlicht. Ein dritter Refe- sätze um 280 Millionen DM.
rent des Bundesverkehrsministeriums schließlich
attackiert wieder die Bundesbahn. Und so geht das Jedermann weiß, daß das für die Bundesbahn Ver-
seit 1959 munter weiter. lust bedeutet, den der Bund eines Tages doch nach
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 989
Dr. Bleiß
dem Bundesbahngesetz ausgleichen muß. Sie ver- ausgleichen kann und daß sie sich in der tariflichen
schieben damit nur eine Last auf künftige Jahre. Bindung weitgehend nach ihren Wettbewerbern
(Abg. Dr. Conring: Richtig!) orientieren muß.

Ist das richtig, wenn Sie der Meinung sind, daß die Ihnen ist so gut wie mir bekannt, daß diese Ent-
wicklung zur Kostenorientierung einzelner für die
Haushaltslage künftig nicht besser, sondern schwie-
Wirtschaft bedeutsamer Tarife drängt. Mit der Sen-
riger wird?
kung der Kohlen , Heizöl und der Getreidetarife
- -

(Abg. Niederalt: Vergessen Sie nicht, daß haben wir einen ersten und — wie mir scheint —
es 120 Millionen DM mehr sind als im ver richtigen Schritt auf diesem Wege getan. Wir So-
gangenen Jahr!) zialdemokraten begrüßen die Senkung der Kohlen-
— Ja, aber auch nur zum teilweisen Verlustaus- tarife. Wir haben sie seit langem gefordert, weil
gleich, also keine Kapitalzufuhr. Meine Damen und wir in den überhöhten Kohlentarifen eine unzu-
Herren von der CDU und FDP, ist durch Ihr Ver- mutbare Benachteiligung des Bergbaus im Wett-
halten im Haushaltsausschuß die Erklärung der Bun- bewerb mit dem Heizöl sahen. Hätten Sie nur zei-
desregierung, eine Gesundung der Bundesbahn an- tiger damit begonnen! Dann hätte man die Wett-
zustreben, nicht unglaubwürdig und sinnlos ge- bewerbsverzerrungen auf diesem Gebiet schon früher
worden? etwas bereinigen können.
(Abg. Dr. Conring: Davon ist ja keine Das Angebot des Mehrmengentarifs durch die
Rede!) Bundesbahn läßt erkennen, welche Möglichkeiten für
weitere Senkungen auch heute noch vorhanden sind.
So muß man das zweifellos werten, wenn man diese
Beschlüsse zur Kenntnis genommen hat. Es waren Die Bundesbahn hat — wenn ich recht unterrichtet
Beschlüsse gegen die Stimmen der Opposition. Ich bin — die Senkung des Kohlentarifs von einer
möchte ausdrücklich feststellen, daß wir uns auch im jährlichen Mindestabnahme von 3000 t abhängig ge-
Haushaltsausschuß gegen diesen Streichungsantrag macht. Wenn das nichtig ist, könnte ich ein solches
erklärt haben. Meine Damen und Herren, ist Ihnen Verhalten nicht billigen, weil eine solche Maßnahme
denn bisher nicht klargeworden — ich wiederhole sich erstens gegen 95% der Kohlenhändler richtet,
das noch einmal —, daß jede Mark, die Sie von dem die eine solche Jahresmindestmenge von 3000 t ein-
ursprünglichen Ansatz abgestrichen haben, für die fach nicht erreichen und die sich von der Bundesbahn
Bundesbahn einen Verlust bedeutet? Ich möchte gegenüber ihren Wettbewerbern ganz offensichtlich
Ihnen raten, Herr Niederalt, wenn Sie an meiner benachteiligt fühlen, und weil zweitens solche Maß-
These irgendwelche Zweifel haben, bei der Bundes- nahmen geeignet sind, typische Massengüter von
bahn anzurufen. Sie wird Ihnen die Richtigkeit der Schiene auf die Straße über lange Strecken
meiner Ausführungen gern bestätigen. zurückzuverlagern. Ich empfehle daher dringend,
Herr Bundesverkehrsminister, zu prüfen, ob eine
Wir wollen den Weg einer erneuten Defizitwirt- solche Einschränkung nicht beseitigt werden kann.
schaft bei der Bundesbahn nicht gehen. Wir
- haben Sonst muß in den betroffenen Kreisen der Eindruck
deswegen eine — — entstehen, daß die Bundesbahn eine mittelschicht-
(Abg. Dr. Conring: Was wäre gekommen, feindliche Tarifpolitik betreibt.
wenn die 12%ige Kürzung gekommen wäre?
Herr Kollege Müller Hermann, ich muß mich jetzt
-

Noch weniger!) an Sie wenden. Sie haben in der Presse angekün-


— Auf die 12%ige Kürzung kommen wir noch zu- digt, in der dritten Lesung des Haushalts einen Ent-
rück. Den Antrag wird nachher mein Freund Seibert schließungsantrag im Sinne Ihres Bundesbahn Me- -

begründen. morandums einbringen zu wollen. Wir werden über


einen solchen Antrag, wenn er kommt, in der drit-
(Zuruf des Abg. Dr. Conring.)
ten Lesung ausführlich reden. Eines aber möchte ich
— Nein, das ist eine völlig irrige Auffassung. Sie heute schon vorwegnehmen, weil es zu den Grund-
haben bei der Bundesbahn durch die Kürzung um satzfragen der Verkehrspolitik gehört. Sie schreiben
280 Millionen DM den Ansatz nicht um 12 %, son- in Ihrem Memorandum, daß es dringend erforderlich
dern um 28 % gekürzt. Sie sind also gerade beim sei, die „finanziellen Beziehungen zwischen Bund
Bundesvermögen weit über die allgemeine Kürzung und Bundesbahn aus einem völlig willkürlichen und
hinausgegangen. Sie treiben damit wieder eine Fi- undurchschaubaren Spiel mit Zahlen zu lösen und
nanz- und Haushaltspolitik, die das Bundesvermögen auf eine wirtschaftlich sinnvolle und haushaltsrecht-
aushöhlt. Das halte ich für außerordentlich ge- lich vertretbare Basis zu stellen". Als ich das im Me-
fährlich. morandum las, hatte ich zunächst den Eindruck, als
ob Sie mit dem „undurchschaubaren Spiel mit Zah-
(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!) len" zunächst eine Attacke gegen die Bundesbahn
Wir sollten uns klar darüber sein, daß die Betriebs- reiten wollten. Ich hatte mir vorgenommen, Sie vor
verluste der Bundesbahn in den vergangenen Jah- aller Öffentlichkeit hier zu fragen, auf Grund wel-
ren unecht waren und nicht mit der Leistungskraft cher Tatsachen Sie so schwerwiegende Vorwürfe er-
der Bundesbahn im Zusammenhang stehen. Diese heben.
Verluste wurden dadurch verursacht, daß die Bun- Nun hatten wir gestern erfreulicherweise ein Ge-
desbahn das relative Verkehrsmonopol praktisch spräch, und dieses Gespräch hat mich eines anderen
eingebüßt hat, daß sie betriebsfremde und unge- belehrt. Sie sind — wenn ich das recht verstanden
wöhnliche Belastungen im Tarifgebäude nicht mehr habe — über die zweifelhafte Haltung entrüstet, die
990 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. Bleiß
das Bundesfinanzministerium gegenüber der Bun- Moselkanalisierung werden sich eine Reihe von
desbahn eingenommen hat. Der Herr Bundesfinanz- strukturellen Umlagerungen ergeben. Schließlich
minister ist leider nicht anwesend. Ich möchte in sei- noch ein Drittes. In den nächsten Jahren schließt
ner Abwesenheit fragen — wir schließen uns hier sich auch das Netz der Rohrleitungen. Damit ver-
der Frage von Herrn Müller-Hermann an —, warum schärft sich die Wettbewerbslage in der Energie-
ein „völlig willkürliches Spiel mit Zahlen getrieben versorgung des süddeutschen Raumes.
wird" und was der Herr Bundesfinanzminister zu tun Wir Sozialdemokraten wünschen, nicht zuletzt im
gedenkt, um die Beziehungen zwischen Bund und Hinblick auf den zunehmenden Wettbewerb auf dem
Bundesbahn — ich zitiere Herrn Müller-Hermann — europäischen Markt, einen leistungsfähigen Schie-
„auf eine wirtschaftlich sinnvolle und haushalts- nenverkehr. Deshalb fordern wir
rechtlich vertretbare Basis zu stellen".
I., daß die Bundesregierung uns endlich sagt,
Ich frage weiter, inwieweit die Haushaltsexperten wann sie die erheblichen Verlustvorträge in den
die berechtigten Klagen von Herrn Müller-Hermann Bilanzen der Bundesbahn durch Forderungsverzicht
unterstützen. Sind auch sie der Meinung, daß hier ausgleichen wird. Dann wäre die Bilanz zunächst
vom Finanzministerium ein undurchsichtiges Spiel bereinigt.
mit Zahlen getrieben wird? II. fordern wir, daß die Bundesregierung unter
(Abg. Dr. Vogel: Für uns ist das keines Verzicht auf alle per dato bestehenden Forderungen
wegs ein undurchsichtiges Spiel!) an die Bundesbahn eine Aufstockung des Eigen-
— Sie finden es nicht? Dann habe ich erhebliche kapitals bewirkt. Damit würde die Kapitalstruktur
Meinungsverschiedenheiten innerhalb der CDU fest- der Bundesbahn verbessert werden.
zustellen, und wir sind gespannt, wie dieser Streit III. Wir fragen; ob die Bundesregierung bereit ist,
ausgehen wird. Wir vermerken jedenfalls zunächst sich der Bundesbahn gegenüber fest zu verpflichten,
einmal diese Unterschiedlichkeit der Auffassung. den Kapitaldienst für die 500-Millionen-DM-Anleihe
(Abg. Niederalt: Gibt es in Ihrer Fraktion bis zur völligen Tilgung zu übernehmen. Nur dann
keine Meinungsverschiedenheiten?) wäre eine stufenweise Eigenkapitalaufstockung aus
— Sicher, aber wir wollen gerade diese für die Bun- diesem Titel sichergestellt.
desbahn entscheidende Meinungsverschiedenheit IV. Wir wünschen, daß die Bundesregierung klipp
klären. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie und klar erklärt, ob sie bereit ist, betriebsunge-
dazu beitrügen. Wir erwarten von Ihnen eine Er- wöhnliche Lasten auf den Bund zu übernehmen und
klärung, wie Sie sich insbesondere zu diesem Passus einen angemessenen Abgeltungsbetrag für den
im Memorandum von Herrn Müller-Hermann stellen. Sozialverkehr zu leisten. Herr Kollege Müller-
Wenn seitens des Bundesfinanzministeriums Miß- Hermann, wir wollen diese Entscheidungen nicht in
trauen gegen die Bundesbahn gehegt und gepflegt die 5. Legislaturperiode vertagen.
werden sollte, dann würde ich den Herrn Bundes- Diese vier Fragen sind für uns entscheidend. Wir
finanzminister um eine Auskunft bitten, -was von wünschen eine leistungsfähige Bundesbahn. Aber
ihm oder in seinem Hause für Bedenken gegen die wir erwarten auch, daß die Bundesbahn einen fairen
Bundesbahn geltend gemacht werden und warum er Leistungswettbewerb treibt und nicht durch spezielle
bisher nichts unternommen hat, um Mißverständ- oder gezielte Tarifaktionen mehr Verkehr an sich
nisse in den Zahlen der Betriebsrechnung, die ja zu ziehen versucht. Derartige Tarifaktionen würden
auch der Öffentlichkeit zugänglich sind, aufzuklären. automatisch Gegenmaßnahmen der anderen Ver-
Mit den übrigen Punkten des Memorandums zur kehrsträger auslösen mit dem Ergebnis, daß das
Bundesbahn werden wir uns kritisch auseinander- Tarifgestrüpp nicht lichter, sondern dichter würde.
setzen, falls in der dritten Lesung ein entsprechen- Wenn man im Zusammenhang mit dem Schienen-
der Antrag eingebracht werden sollte. verkehr von Undurchsichtigkeit sprechen will, dann
scheinen mir nicht die Bilanzen, sondern die Tarife
Heute darf ich zur Bundesbahn folgendes ab- das geeignete Gesprächsthema zu sein. So weit zur
schließend feststellen. Pläne und Gutachten über Bundesbahn!
die Bundesbahn haben wir genügend bekommen. Jetzt noch einige Sätze zum Straßenbau. Im Rah-
Die Bundesbahn braucht keine neuen Pläne, sondern men dieser Haushaltsdebatte ist es nicht möglich,
Kapital. Was haben Pläne für einen Sinn, wenn sie den gesamten Straßenbau zu behandeln. Wir wer-
von den Haushaltsexperten der CDU nicht honoriert den hoffentlich noch im Laufe dieses Jahres eine
werden? Seit mehr als einem Jahrzehnt reden wir Debatte über die Steuer- und Finanzreform haben.
über die Lasten der Bundesbahn. Es ist wirklich an Im Rahmen einer solchen Aussprache wird auch die
der Zeit, daß dieses Kapitel endlich einmal abge- Problematik des gesamten Straßenbaues zur Sprache
schlossen wird. kommen müssen.
Wir fordern, daß dem Bundestag so schnell wie Lassen Sie mich heute nur kurz herausstellen, daß
möglich der modifizierte Brand-Bericht vorgelegt die Straßennot — das ist an dieser Stelle wiederholt
wird, damit wir in politischer Entscheidung die zum Ausdruck gekommen — in den Städten und
Frage der Übernahme der Lasten auf den Bund, Gemeinden am größten ist und daß wir uns auf die
einer angemessenen Abgeltung nichtkostengedeck- Dauer nicht mit der Kompetenzverteilung, wie sie
ter Sozialtarife definitiv entscheiden können. Diese im Grundgesetz vorgenommen worden ist, heraus-
Entscheidung drängt, weil bestimmte Veränderun- reden können. Es muß erreicht werden, daß durch
gen im Montanbereich zu erwarten sind, 1963 wird ein Übereinkommen zwischen Bund und Ländern
die Moselkanalisierung abgeschlossen sein. Aus der einheitliche Schwerpunkte in der Straßenbaupolitik
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 991
Dr. Bleiß
geschaffen und die finanziellen Probleme gemeistert gen, und wir hoffen zuversichtlich, daß wir dann
werden. bei derDiskussion und Abstimmung über diesen
Der Haushaltsplan für 1962 läßt leider erkennen, Antrag auch die Unterstützung unserer Herren Kol-
daß der erste Vierjahresplan für dein Bundesfern- legen von der FDP-Fraktion finden werden.
straßenbau nicht erfüllt wurde. Er bleibt mit einigen Lassen Sie mich zu dem Straßenbau noch ein
hundert Millionen hinter dem Soll zurück. Das ist Wort sagen. Im Zusammenhang mit der Ankündi-
eine betrübliche Tatsache. Wir hatten gemeint, daß gung der Baustoppmaßnahmen hat der Herr Bun-
man bei dem steigenden Aufkommen an Mineralöl- desverkehrsminister, wenn ich recht unterrichtet
steuer zumindest den ersten Vierjahresplan voll bin, kürzlich Bedenken geäußert, ob die Terminie-
hätte bedienen können. rung beim Straßenbau eingehalten werden kann.
Als Gründe für die Nichterfüllung sind die Um- Warum die Skepsis? Der Straßenbau ist stark kapi-
stellung des Haushaltsjahres auf das Kalenderjahr talintensiv. Der Anteil der Lohnkosten liegt zwi-
und die verspätete Verabschiedung des Straßenbau- schen 9 und 11% . Wenn unsere Informationen rich-
finanzierungsgesetzes angegeben worden. tig sind, kann von einer Überhitzung der Konjunk-
tur im Straßenbau gar keine Rede sein. Wenn wie-
(Abg. Dr. Vogel: Wir haben es voraus-
gesagt!) derum unsere Informationen richtig sind, werden
sich aus dem Straßenbau auch keinerlei Rückwir-
— Nun, diese beiden Gründe sind immer wieder, kungen auf das allgemeine Preisniveau ergeben.
auch von Herrn Minister Seebohm angeführt worden; Deswegen sind wir erstaunt gewesen über die
nachzulesen insbesondere in den Verhandlungs- Skepsis des Herrn Bundesverkehrsministers. Ich
protokollen des Verkehrsausschusses. Ich unter- möchte Sie fragen, Herr 'Bundesverkehrsminister:
stelle, daß beide Gründe richtig sind. Aber der dritte Rührt Ihre Skepsis etwa von Kabinettsbeschlüssen
und wesentlichste Grund in der Argumentation wird her? Wenn das der Fall sein sollte, möchten wir
verschwiegen: nämlich die Zweckentfremdung von heute schon gegen eine Verzögerung des Straßen-
mindestens 400 Millionen DM Mineralölsteuer jähr- baus schwere Bedenken erheben und unseren Pro-
lich! test anmelden.
Meine Damen und Herren, zu dem Sockelabbau Insbesondere werden wir uns — das möchte ich
wird mein Fraktionsfreund Ritzel im Verlaufe der hier mit aller Deutlichkeit sagen — scharf gegen
weiteren Haushaltsberatung noch Stellung nehmen. jeden Versuch einer Aufhebung der Zweckbindung
von Mineralölsteuern wenden. Alle diejenigen von
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie Ihnen, meine Damen und Herren, die den Debatten
eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. in den letzten Jahren beigewohnt haben, sind wohl
Vogel? mit mir der Auffassung, daß der Straßenbau die
Crux ides letzten Jahrzehnts ist. Deswegen haben
Dr. Vogel (CDU/CSU) : Glauben Sie nicht, daß wir im Straßenbau keine Überhitzung zu befürchten,
die Dinge einander ausschließen? Sie sagen- auf der die man 'dämpfen müßte, sondern einen wachsenden
einen Seite: es sind Hunderte von Millionen Reste Notstand zu beklagen, den wir mit allen Mitteln
entstanden, und auf der anderen Seite begründen beiseitigen sollten.
Sie das damit, daß 400 Millionen zusätzlich nicht Es wäre deshalb grotesk und gefährlich, etwa den
noch dazugekommen sind. Wir glauben, umgekehrt, Straßenbau in die Baustoppmaßnahmen einzubezie-
daß die Reste dadurch entstanden sind, daß die hen. Wir haben nicht die Sorge, daß hier Maß ge-
Straßenbauämter der Länder in dieser Sache gar halten werden muß. Wir haben alle Anstrengungen
nicht nachkommen konnten, und wir haben Ihnen
zu machen, endlich einmal die Größenordnung zu
das vorausgesagt.
finden, die notwendig ist, um ein weiteres Offnen
der Schere zwischen Motorisierung und Straßenbau
Dr. Bleiß (SPD) : Herr Kollege Vogel, ich rede zu verhindern. Wir lehnen eine Kürzung der Mittel
im Moment nicht von den Ist-Ausgaben, ich rede ab. Wir werden uns dafür einsetzen, daß im Gegen-
von der Finanzierungsgrundlage, und die Finanzie- teil die Zweckentfremdung gelockert wird; denn wir
rungsgrundlage des Vierjahresplans bleibt eben meinen, daß gerade die Gemeinden einen ständig
hinter dem Erfordernis um einige hundert Millionen stark wachsenden Mittelbedarf haben.
zurück. Es hätte zweifellos mehr getan werden kön-
nen, wenn die Mittel rechtzeitig zur Verfügung ge- Die Hilfe für die Gemeinden aus dem Einzelplan 12
standen hätten. Damit ist wohl Ihre Frage beant- ist völlig unzureichend. Ich will das heute nicht ver-
wortet. tiefen. Darauf werden wir noch in der dritten Le-
sung zurückkommen.
Meine Damen und Herren von der Regierungs-
koalition, wir werden zu der Straßenbaufinanzie- Aber eine Grundsatzfrage muß auch hier behan-
rung in der dritten Lesung noch Stellung nehmen. delt werden, das Problem der Mittelvergabe, die
Lassen Sie mich heute nur folgendes sagen: Wir Richtlinien als o, die vom Bundesverkehrsministe-
werden in der zweiten Lesung keinen Antrag auf rium erlassen worden sind. Wir haben uns im Ver-
Sockelabbau stellen; denn selbst wenn die Begrün- kehrsausschuß schon sehr intensiv über die Richt-
dung noch so überzeugend wäre, würden Sie nach linien und ihre Anwendung unterhalten. Ich halte
Lage der Dinge unseren Antrag ablehnen. Wir wer- es aber für dringend notwendig, daß die Richtlinien
den aber in der dritten Lesung einen Entschlie- auch vor dem Hohen Hause noch einmal zur Sprache
ßungsantrag hinsichtlich des Sockelabbaus einbrin gebracht werden. Es ist einfach unverständlich, daß
992 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Dr. Bleiß
bei ihrem Erlaß der Wille des Gesetzgebers nicht die mir in unserer heutigen Zeit geboten erscheint.
respektiert wurde. Sie stehen teilweise in einem Die unbefriedigende Behandlung des Straßenbaues
diametralen Gegensatz zudem Willen des Gesetz- in seiner Gesamtheit, die mangelnde Kapitalhilfe
gebers. für die Bundesbahn, das Fehlen einer vernünftigen
Lassen Sie mich hierfür zwei Beispiele anführen. verkehrspolitischen Konzeption der Bundesregierung
Wir haben im Ausschuß ausdrücklich beschlossen — veranlassen uns zu unserem Bedauern, den Einzel-
darüber gibt es einen Schriftlichen Bericht —, daß plan 12 abzulehnen.
nach § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes auch Zu- (Beifall bei der SPD.)
wendungen für die Verlegung von Straßenbahnen
im Zuge von Ortsdurchfahrten gegeben werden sol- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Meine Damen
len. In den Richtlinien, die veröffentlicht worden und Herren, da wir beim Verkehr sind: ich muß den
sind, wird diese Möglichkeit ausgeschlossen. Ich darf Fahrplan einhalten. Infolgedessen unterbreche ich
Sie, Herr Bundesverkehrsminister, fragen, warum jetzt bis 14.30 Uhr und nicht länger. Wir fahren um
in Ihrem Hause von dem ausdrücklichen Willen des 14.30 Uhr fort.
Gesetzgebers abgewichen wurde? Weiter darf ich
fragen, wer bei der Ausarbeitung der Richtlinien Die Sitzung ist unterbrochen.
federführend war? Wenn das Bundesfinanzministe- (Unterbrechung der Sitzung von 13.16
rium die Federführung hatte, dann müssen wir bis 14.33 Uhr.)
unser Befremden darüber zum Ausdruck bringen,
daß von der Bürokratie versucht wird, den klaren Vizepräsident Schoettle: Die Sitzung wird
Willen eines Gesetzes durch Richtlinien zu ver- wieder aufgenommen. Wir fahren in der Debatte
eiteln. zum Einzelplan 12 fort. Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Eisenmann.
Lassen Sie mich noch ein zweites Beispiel nennen.
Im Ausschuß bestand Einmütigkeit darüber, daß auch
die Kosten des Grunderwerbs beim Straßenbau er- Eisenmann (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr
stattet werden sollten. Die Kosten des Grunder- verehrten Damen und meine Herren! Der 3. deutsche
werbs spielen gerade beim Straßenbau der Gemein- Bundestag hat in seiner Legislaturperiode eine ganze
den eine erhebliche Rolle. Viele notwendige Bauten Reihe von Gesetzesmaßnahmen beschlossen, die
sind in der Vergangenheit einfach deshalb nicht zur ohne Zweifel von großer Bedeutung für die Weiter-
Ausführung gekommen, weil es den Gemeinden entwicklung der Verkehrspolitik und der Verkehrs-
nicht möglich war, den erforderlichen 'Grunderwerb wirtschaft gewesen sind. Ich erinnere daran, daß wir
zu finanzieren. Dieser offensichtliche Mangel, der noch im August — kurz vor Schluß der Legislatur-
bisher in der Straßenbaufinanzierung bestand, sollte periode — die vier Verkehrsnovellen verabschiedet
durch das Gesetz behoben werden. und damit die Voraussetzung für einen gewissen
verkehrspolitischen Kurswechsel geschaffen haben,
Was steht nun in den Richtlinien? Dort heißt es, nämlich einen Kurswechsel von den bis dato doch
daß bei Grunderwerb ein Zuschuß von 40% ge- sehr stark dirigistischen verkehrspolitischen Über-
leistet werden kann, wenn die Kosten des Grund- legungen zu mehr kostenorientierten, marktwirt-
erwerbs 10 % der zuschußfähigen Baukosten nicht schaftlichen verkehrspolitischen Überlegungen.
übersteigen. Lassen Sie mich das einmal in Zahlen
ausdrücken. Wenn bei einem Bauprojekt mit reinen Ich sagte 'damals — und ich glaube, alle Vertreter
Baukosten in Höhe von 1 Million DM ein Gelände- dieses Hauses, die zu diesen Verkehrsnovellen spra-
erwerb in Höhe von 500 000 DM erforderlich ist, dann chen, haben etwa die gleiche Auffassung vertre-
würde der Bund zu der Baugrundbeschaffung in ten —, daß das ein Anfang dazu sein ,solle, die
Höhe von 500 000 DM einen Zuschuß von sage und Verkehrspolitik mehr nach marktwirtschaftlichen
schreibe 40 000 DM geben. Das würde also bedeuten, und an Iden Kosten sich orientierenden Gesichts-
daß der Bund ganze 8% aufbrächte, während die punkten weiterzuentwickeln.
Gemeinde 92 % der Kosten des Grund und Bodens Wir gingen davon aus, daß die Verkehrspolitik
bezahlen müßte. nach optimal volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten
Nun, Sie werden mir zugeben, daß die meisten zu betrachten ist und daß wir die Verkehrseinrich-
Gemeinden einen solchen Zuschuß überhaupt nicht tungen und Verkehrsanlagen entsprechend den je-
aufbringen können. Und was noch schlimmer ist: weiligen Bedürfnissen und technischen Möglichkei-
auch in diesem Falle werden wieder die ärmsten ten erhalten .und ausbauen müssen. Deswegen müs-
Gemeinden am härtesten getroffen. Das war nicht sen wir, glaube ich, unter Beachtung der Verkehrs-
der Wille des Gesetzgebers. Wir wollten gerade novellen, die letztes Jahr verabschiedet wurden,
den armen, den kleinen Gemeinden wirksam helfen. auch in der 4. Legislaturperiode daran denken, die
Voraussetzung dafür zu schaffen, daß die privaten
Deswegen scheinen uns die Richtlinien nicht trag- und die öffentlichen Verkehrsträger Chancengleich-
bar zu sein. Wir sind der Meinung, daß sie so heit im Wettbewerb haben und damit gleichrangig
schnell wie möglich korrigiert werden müssen. werdn.DasgiltvomfürdeEsnbah,i
Binnenschifffahrt und den Straßenverkehr.
Meine Damen und Herren, das sind einige wenige
Grundfragen, die ich hier zur Sprache gebracht habe. Ich glaube, man muß das auch im Hinblick auf die
Wir sind aber der Meinung, daß es nicht allein Vorbereitung einer organischen Überleitung der
diese Mängel sind, sondern daß die Gesamtheit der deutschen Verkehrsträger auf Idle EWG-Ebene sa-
Verkehrspolitik eben nicht die Zügigkeit aufweist, gen. Wir sind gut beraten, wenn wir diese Dinge
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 993
Eisenmann
in den nächsten Wochen in diesem Hohen Hause nimmt. Vielleicht könnte man sich eines Tages dar-
sehr sorgfältig behandeln und diskutieren, damit über unterhalten, ob es nicht gut wäre, einmal nicht
wir nicht ähnliche Überraschungen erleben, wie sie den bundesbahneigenen Rechnungshof, sondern
die Landwirtschaft im vergangenen Jahr aus der einen Rechnungshof, der sonst für die anderen öf-
EWG-Ebene heraus erfahren hat. fentlichen Haushalte seine Aufgaben erfüllt, einzu-
setzen, um einen objektiven Einblick zu bekommen
Wenn man die Dinge so sieht und erkennt, daß in die tatsächliche Situation des Kostengefüges, der
die Verkehrspolitik und die Verkehrswirtschaft betriebsfremden Lasten und der eigenen Lasten bei
eine stark integrierende Bedeutung haben, dann der Bundesbahn unter Beachtung des Zieles, daß wir
müssen wir, glaube ich, aber auch gemeinsam Über- zu einer Eigenwirtschaftlichkeit unter Zug um Zug
legungen anstellen, um die Voraussetzungen für erfolgender Abnahme der betriebsfremden Lasten
eine konstruktive europäische Verkehrspolitik im kommen und das Gemeinwirtschaftliche zurückdrän-
Binnenverkehr, d. h. bei der Eisenbahn, der Binnen- gen. Ich glaube, wenn wir in die europäische Ver-
schiffahrt und dem Straßenverkehr, zu schaffen, und kehrspolitik überleiten wollen, wenn wir in Deutsch-
zwar immer unter dem Gesichtspunkt, daß die land zu einer Harmonisierung und Koordinierung
Chancengleichheit für die privaten und die öffent- der verkehrspolitischen Maßnahmen kommen wol-
lichen Verkehrsträger und zwischen den einzelnen len, muß der bedeutendste Verkehrsträger, die Bun-
Verkehrsträgern hergestellt werden muß. desbahn, ohne Zweifel eine bestimmte Weichenstel-
lung erhalten.
Wir Freien Demokraten haben hier, meine ver-
ehrten Damen und meine Herren, noch einige Sor- Ich will damit sagen, daß man prüfen soll, wie
gen hinsichtlich der 'Situation, wie wir sie zur Zeit man hier zu einer größeren Eigenwirtschaftlichkeit
noch beim grenzüberschreitenden Verkehr vorfin- kommen kann, um daraus die Folgerungen zu zie-
den. Ich glaube, daß wir gut beraten sind, wenn wir hen im Sinne eines echten Leistungswettbewerbs,
demnächst Vergleichskataloge aufstellen über die der sich eigentlich in den Verkehrsnovellen abge-
zeichnet hat. Wir werden jedenfalls diese Entwick-
Fixkosten für unsere Verkehrsträger einschließlich
lung sehr aufmerksam verfolgen und sind bereit,
der fiskalischen Lasten und zweitens Vergleichs-
den Gedanken — ich möchte ihn einmal so nen-
kataloge hinsichtlich 'der direkten und indirekten
nen — weiter fortzuentwickeln, daß wir von einer
Lasten der binnenländischen Verkehrsträger und der
reinen Verwaltungsbahn zu einer Kaufmannsbahn
ausländischen Verkehrsträger aufstellen. Ich glaube,
kommen, eben im Sinne der echten Eigenwirtschaft-
daß wir zwangsläufig zu gemeinsamen Regeln und
lichkeit.
Vorschriften im Interesse einer organischen Ent-
wicklung der europäischen Verkehrswirtschaft kom- Ein Wort zur Seeschiffahrt! Wir verfolgen mit
men müssen. Diese Dinge werden sicher von un- größter Aufmerksamkeit auch die Entwicklung bei
seren Freunden, die im EWG-Parlament die Ver- der deutschen Seeschiffahrt. Wir wissen, daß eine
kehrsfragen vertreten, sehr sorgfältig beachtet wer- hochentwickelte Exportwirtschaft ohne Zweifel eine
den. Ich meine aber auch, daß der Verkehrsausschuß leistungsfähige Seeschiffahrt benötigt. Es kann kein
und dieses Hohe Haus diese Fragen vorbereitend Zweifel darüber sein, daß hier aber auch technische
behandeln müssen, um gute, dem Verkehr, der Wirt- und wirtschaftliche Fragen an uns herantreten, und
schaft und dem Verbraucher dienliche Lösungen zu wenn ich recht informiert bin, haben ja die Fragen
erreichen. der Darlehenshergabe und Zinsverbilligung und
diese Dinge den Haushaltsausschuß sehr, sehr ein-
Zur Bundesbahn! Herr Kollege Dr. Bleiß hat heute gehend beschäftigt. Man ist dort zu Lösungen ge-
morgen über die Situation der Deutschen Bundes- kommen, die der Problematik, eine leistungsfähige
bahn eingehende Bemerkungen gemacht. Mein Gott, Seeschiffahrt zu schaffen, weitgehend Rechnung tra-
wer in diesem Hohen Hause wäre nicht bereit, wenn gen.
die Kapitalmarktlage und die ganzen wirtschaft- Ich glaube, es muß dies auch in Verbindung mit
lichen Umstände es zuließen, Ihrem Gedanken zu der Tatsache gesagt werden, daß zur Zeit nur rund
folgen! Aber, Herr Kollege Dr. Bleiß, in der Situa- 35 % der Exportgüter durch die deutschen Seeschiffe
tion, in der wir sind, können wir leider Ihren Anlie- durchgeführt werden. Ich will also damit sagen auf
gen nicht folgen. Wir sind durchaus der Meinung, der einen Seite, daß wir durchaus bereit sind, den
daß man sich die Erfahrungen, die im Brand-Bericht Neubau von großen, leistungsfähigen Seeschiffen
niedergelegt sind, zu eigen machen sollte. Es fragt durch geeignete Darlehen zu fördern, um damit zu
sich nur, inwieweit man sich diese Erfahrungen in einer Umstrukturierung der Seeschiffahrt zu kom-
allen Punkten in der derzeitigen Situation zu eigen men. Wir müssen aber auf der anderen Seite größten
machen kann. Wir sind der Meinung, und auch der Wert darauf legen — und ich glaube, das ist ein
Herr Bundesfinanzminister hat das in seiner Haus- echtes Anliegen des ganzen Hohen Hauses —, daß
haltsrede sehr ausführlich gesagt, daß die Bundes- die zur Zeit für die deutsche Seeschiffahrt noch be-
bahn durch eine verstärkte Rationalisierung und stehende Flaggendiskriminierung abgebaut wird.
Modernisierung zu einer Eigenwirtschaftlichkeit
kommen müßte. Ich gebe selbstverständlich zu, daß Ein weiteres Problem, das hier bei der Seeschiff-
die derzeitige Kapitalausstattung vielleicht noch fahrt vorhanden ist, ist die Frage, daß wir nach wie
nicht ausreichend sein mag; aber es erhebt sich, Herr vor eine latente Depression auf den Frachtenmärk-
Kollege Dr. Bleiß, die Frage, ob es nicht gut wäre, ten haben. Sie wissen es vermutlich, daß die Tanker
einmal zu erfahren, nach welchem Modus die Bun- sehr stark in die Trockenfracht eingebrochen sind
desbahn zum Beispiel ihre Abschreibungen für das und daß hier ein sehr scharfer Wettbewerb vorhan-
bewegliche und das feste Anlagevermögen vor- den ist.
994 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Eisenmann
Ich will mich nicht noch einmal darüber aus- chungen der Kapazitäten von 10 oder 20 obo käme,
sprechen; ich habe im letzten Jahr darüber gespro- dann wäre das, glaube ich, für die Küstenstädte und
chen, inwieweit die D-Mark-Aufwertung für die Seehäfen eine entscheidende Benachteiligung. Ich
Seeschiffahrt und die Reedereien glücklich gewesen kann Ihnen sagen, daß die Naßbaggerei in keiner
ist. Ich glaube, darüber gibt es heute in diesem Weise voll ausgelastet ist. Im Gegenteil, sie wartet
Hohen Hause nur eine Auffassung: sie war eine sehr dringend auf Aufträge. Ich könnte mir vorstellen,
unglückliche Maßnahme für die ausschließlich im daß hier von ,den ministeriellen Ausnahmen speziell
Export tätigen Reedereien mid die im Export tätige auf diesem Sektor des Tiefbaus dringend Gebrauch
Seeschiffahrt. .gemacht werden müßte, wenn es im Tiefbau über-
Um aber zu einem Abbau der Flaggendiskriminie- haupt zu Streichungen kommen sollte.
rung zu kommen, könnte ich mir vorstellen, daß Ein Wort zur Luftfahrt. Ich kann sagen und mit
man bei Außenhandelsgesetzen diese Frage sehr Freude feststellen, daß sich die Deutsche Lufthansa
eingehend betrachtet, und ich könnte mir vorstellen, auf Grund der vorzüglichen ,Sicherheit im Luftver-
daß man bestimmte Leistungen von Entwicklungs- kehr und auf Grund ihres guten Service einen aus-
hilfen und die Lieferung von Entwicklungsgütern gezeichneten Namen innerhalb 'der Luftverkehrsge-
zum Teil mehr als bisher mit der deutschen Seeflotte sellschaften in der Welt wieder erworben hat. Es
durchführen könnte. kann kein Zweifel sein, daß die Deutsche Lufthansa
Ein Wort in diesem Zusammenhang auch zur wirklich eine ausgezeichnete Werbung für Deutsch-
deutschen Binnenschiffahrt! Herr Kollege Ramms land durchführt. Wir wissen sehr wohl um den har-
wird allerdings darauf noch näher eingehen. Ich ten Wettbewerb auf den einzelnen Flugstrecken,
kann es mir nicht ersparen, darauf hinzuweisen, wie und wir wissen, daß man daran denken muß, im
notwendig der Ausbau eines zusammenhängenden Laufe der Zeit zu einer Kapitalerhöhung zu kom-
Binnenwasserstraßennetzes ist. Als Bewohner des men, um die Lufthansa einer Eigenwirtschaftlichkeit
norddeutschen Küstenraums sehen wir mit großer zuzuführen. Wir würden es auch sehr begrüßen,
Sorge die Entwicklung hinsichtlich der Konzentra- wenn 'die Bemühungen, die das Verkehrsministe-
tion verschiedener mit der Schiffahrt zusammen- rium eingeleitet hat, verstärkt fortgesetzt werden,
hängender Dinge im Rheinmündungsraum. Wir sind daß man zum Zusammenschluß der europäischen
der Meinung, daß das nasse Dreieck des Großhafens Luftverkehrsgesellschaften in der Airunion käme,
Hamburg mit den Häfen Kiel und Lübeck durch den um damit zu einer besseren Ausgewogenheit auf
Bau eines Nord-Süd-Kanals in eine Verbindung ge- den verschiedenen Flugstrecken zu gelangen.
bracht werden muß, um über den Nord-Süd-Kanal Unsere besondere Sorge gilt auch der Flugsiche-
und einen leistungsfähigen Mittellandkanal die rung und dem Flugsicherungsdienst im oberen Luft-
Wirtschaftsverbindung zum Industrierevier an Rhein
bereich. Herr Kollege Dr. Bleiß hat über diese Fra-
und Ruhr und zu dem übrigen westeuropäischen
gen auch vom Personellen her gesprochen. Auch
Raum zu gewinnen. Die Umstrukturierung der Han-
wir sind der Meinung, daß man die Stellenbewer-
dels- und Verkehrsströme für den norddeutschen
- tung und die Eingruppierung der im Flugsicherungs-
Küstenraum und die Küstenstädte ist in der Tat eine
dienst tätigen Angestellten und Beamten sehr sorg-
ernste Sorge, die nicht zuletzt auch aus der EWG-
fältig prüfen muß, weil sie 'mit der Sicherung der
Sicht heraus neu bedacht werden muß.
Passagiere und 'des Fluggeräts eine hohe Aufgabe
Ich würde sehr dankbar sein, wenn das Hohe erfüllen.
Haus und speziell auch der Verkehrsausschuß und Ich bin allerdings der Meinung, daß man auch in
dann in der Folge auch der Haushaltsausschuß sich der Zusammenarbeit zwischen )der Lufthansa und
mit dieser speziellen Frage recht bald beschäftigen den Nahfluggesellschaften zu einer 'besseren Har-
würden, um das Problem in Angriff zu nehmen, monisierung und Koordinierung gleicher und fast
nämlich den Bau eines Nord-Süd-Kanals, um damit gleicher Aufgaben kommen könnte, nämlich dahin-
die Verschlechterung der Wettbewerbssituation im gehend, daß die Nahverkehrsfluggesellschaften
norddeutschen Küstenraum zu beheben. mehr zur Aussprache mit der Deutschen Lufthansa
In diesem Zusammenhang aber auch ein Wort zum herangezogen werden. Denn sie sind doch eigentlich
Ausbau der seewärtigen Verbindungen zu unseren zum großen Teil die Zubringer zu den zentralen
Seehäfen. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß Flughäfen. Hier ist keine Konkurrenz vorhanden,
mit der zunehmenden Schiffsgröße die seewärtigen weder in der Personenbeförderung noch auf dem
Verbindungen durch die eingesetzten Naßbagger Frachtenmarkt, sondern beide, die Deutsche Luft-
vertieft werden müssen. Dabei müssen aber auch hansa und die binnenländischen Nahverkehrsflug
die Landverbindungen zu den Seehäfen und Küsten- gesellschaften, sind aufeinander zugeordnet. Hier zu
städten intakt bleiben oder besser ausgebaut wer- einer Synthese beizutragen ist ein echter Auftrag,
den. der erfüllt werden kann.
In diesem Augenblick möchte ich Ihnen ganz deut- Ein abschließendes Wort zum Straßenbau. Zum
lich sagen: ich persönlich bin der Auffassung, daß Straßenbau möchte ich auch vorweg eine persönliche
man nicht gut beraten wäre, wenn man gerade in Bemerkung machen. Ich bin der Auffassung, daß
diesem Sektor des Tiefbaus, in der Naßbaggerei, wir nicht gut beraten wären, wenn wir auch im
hinsichtlich der Bauvorhaben entscheidende Strei- Straßenbau zu einem generellen Baustopp kämen.
chungen vornähme. In diesem Sektor kann man so- Aus der Situation des Landes, in dem ich wohne,
wieso nur im Frühjahr, im Sommer und im Früh- Schleswig-Holstein, kann ich sagen, daß wir drüben
herbst arbeiten. Wenn m an dann auch noch zu Strei im norddeutschen Raum, in den Zonenrandgebieten
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 995
Eisenmann
überhaupt keine Auslastung der Straßenbaufirmen zivilen Bevölkerungsschutzes. Die Sachverständigen-
haben. Viele kleinere und mittlere Straßenbau- kommission hat hier ohne Zweifel eine verant-
firmen warten dringend auf Bauaufträge. Wir haben wortungsvolle Aufgabe erhalten.
hier den Tatbestand, daß die Preise seit zwei bis
In diesem Zusammenhang möchte ich es mir nicht
drei Jahren im Grunde etwa gleichgeblieben sind.
versagen, noch ein Wort zur schematischen Führer-
Bezüglich der Bundesfernstraßen und Bundesauto-
scheinentziehung zu sagen. Ich persönlich bin der
bahnen können wir feststellen, daß auf einen Kilo-
Auffassung, daß man in einem Rechtsstaat schlecht
meter Autobahnbau nur rund 15 Beschäftigte kom-
beraten ist, wenn man zu einer schematischen
men. Da wir beim Bund, bei den Ländern und bei
Führerscheinentziehung schreitet. Wenn ich höre,
den Kommunen nur rund 125 000 Beschäftigte im
daß einem in drei deutschen Ländern der Führer-
Tiefbau für alle Straßenbauvorhaben haben, glaube
schein auf Grund einer Punktwertung schematisch
ich nicht, daß wir gut beraten wären, wenn wir hier
entzogen werden kann, dann muß ich sagen, daß
Maßnahmen durchführen wollten, die zu entschei-
mir das nach meiner Auffassung vom Recht nicht
denden Verzögerungen beim Ausbau unseres
mehr erträglich erscheint. Ich bin darüber hinaus
Straßennetzes führen und nicht die Voraussetzung
der Meinung, daß es schon ein Unterschied ist, ob
für die bestmögliche wirtschaftliche und verkehrliche
man pro Jahr 100 000 km oder nur 10 000 km am
Bedienung unserer 'Wirtschaft schaffen würden. Ich
Steuer sitzt. Ich fürchte, es gibt hier vom Rechtlichen
könnte mir vorstellen, daß wir hier unter Umstän-
her und auch von den Tatbeständen her keinen ab-
den am falschen Platz sparen würden. Ich bin also
soluten Maßstab. Um so vorsichtiger sollte man
der Auffassung, daß man diese Dinge im Gegen-
damit sein, diese Dinge in ein Schema zu pressen
satz zum Hochbau sehr sorgfältig überprüfen müßte.
und eines Tages dann dem einzelnen zu sagen: Nun
Mit meinen Freunden von den Freien Demokraten
ist es so weit, — weg mit dem Führerschein!
bin ich der Meinung, daß wir gerade im Straßenbau
alle Voraussetzungen schaffen müssen, damit wir Ein Zweites in diesem Zusammenhang. Eine
eine kontinuierliche Investitionspolitik für alle Bau- Frage, die ich persönlich ansprechen möchte, weil
vorhaben auf diesem Gebiet durchführen können. sie mir aufs äußerste zuwider ist, ist die Promille-
Das heißt, wir müssen eine vorausschauende Pla- grenze. Der Mensch hat nun einmal keinen Eich-
nung bei langfristig gesicherter Finanzierung er- strich in seinem Körper, und solange wir hier kein
reichen, um gleichzeitig auch zu einer gerechten einheitliches wissenschaftliches Ergebnis besitzen,
Verteilung der Mittel auf der Einnahmenseite und kann man, glaube ich, auch nicht zu einer Schema-
auf der Ausgabenseite zu kommen. tisierung auf diesem Gebiet kommen.
Wir wollen ein leistungsfähiges Straßennetz. Wer (Sehr richtig! bei der SPD.)
will es nicht? Wir haben darüber in diesem Hause
schon wiederholt gesprochen. Ich bin aber der Mei- Ich bin persönlich der Auffassung, daß bei Trunken-
heit am Steuer ohne Zweifel die härteste Strafe an-
nung — und ich glaube, Sie alle sind es mit mir —,
gebracht ist. Wir alle sind durch die Fahrer, die
daß das Straßennetz und seine Funktion genauso
trotz Trunkenheit am Steuer sitzen, gefährdet. Man
gut und stark ist, wie das schwächste Glied es zu-
muß aber auch hier sehr, sehr vorsichtig vorgehen,
läßt. Wir haben hier ohne Zweifel zwei Schwer-
um , die Maßnahmen nicht allzusehr in ein Schema
punkte, die sich klar abzeichnen und denen wir
hineinzupressen. Es ist mir bekannt, daß das Ergeb-
unsere Sorge zuwenden müssen. Das sind die
nis der gleichen Blutproben in verschiedenen Insti-
Ballungszentren des Verkehrs in unseren Groß-
tuten zwischen 0,9 und 0,4 pro mille geschwankt
städten einerseits und die peripheren Räume ande-
hat. Solange so etwas vorkommt, kann man nicht
rerseits. In den peripheren Räumen, in den Rand-
schematisieren. So lange sollte man sehr, sehr vor-
gebieten, den wirtschaftlich schwachen und ver-
sichtig sein mit der Festsetzung einer Promille-
kehrsungünstig gelegenen Gebieten müssen wir
grenze von 0,8, 1,2 oder 1,5, da hier keine Klarheit
vom Verkehrlichen her alle Voraussetzungen schaf-
über ein absolutes Ergebnis erzielt ist. Man weiß
fen, damit wir dort über die Verkehrserschließung nun einmal, daß wir keinen Eichstrich im Körper
zu einer Raumordnung auf der einen Seite und zu haben.
einer besseren wirtschaftlichen Untermauerung und
damit zu einer besseren Wettbewerbsfähigkeit auf Schließlich ein Wort zu dem Zonenrandraum. Ich
der anderen Seite kommen. habe schon angedeutet, ich wäre dem Herrn Bun-
desverkehrsminister sehr dankbar, wenn er mir in
Mit großer Spannung sieht die Fraktion der etwa sagen könnte, welche Verzögerungen die Flut-
Freien Demokraten auch dem Bericht entgegen, den katastrophe im norddeutschen Raum für die Fertig-
die Sachverständigenkommission, die in diesen stellung der Südumgehung Hamburg und damit für
Wochen eingesetzt worden ist, uns hinsichtlich der den Bau der weiteren Brücken im Hamburger Raum
Lösung der Verkehrsprobleme in den Großstädten gebracht hat. Weiter ist in diesem Zusammenhang
hoffentlich bis zum nächsten Frühjahr vorlegen wird. zu fragen, ob man bereit ist, entsprechend unseren
Es kommt in den Großstädten ja darauf an, eine Vorstellungen die Nord-Süd-Straßen nach Schles-
Synthese zwischen dem Individualverkehr und dem wig-Holstein und nach Nordeuropa, also die Bun-
Massenverkehr der öffentlichen Verkehrsmittel zu desstraßen 5 und 4, die die größten Frequenzen von
finden. Gleichzeitig sehen wir mit Interesse den allen Bundesstraßen im norddeutschen Raum haben,
Vorschlägen entgegen, wie man dort die Verkehrs- vierspurig auszubauen. Wann ist mit dem Ausbau
anlagen koordinieren oder aber in eine Synthese dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindungen zu rech-
bringen kann mit der Lösung der Aufgaben des nen? Herr Bundesverkehrsminister, Sie dürfen über-
996 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 ,
Eisenmann
zeugt sein, daß es gerade im norddeutschen Raum zität für rund 4 Millionen t — befördert 'heute rund
keine Überhitzung auf dem Verkehrssektor gibt. In- 12 Millionen t. Die Schleusen können den Betrieb
soweit könnte ich mir vorstellen, daß dort keine nicht mehr 'bewältigen. Liegezeiten von rund 24
Maßnahmen zum Tragen kommen dürfen, die Stunden — manchmal auch bis zu 48 Stunden — sind
irgendwie zur Eindämmung der Straßenbauvor- für die Schiffe erforderlich, um 'zu 'Berg zu kommen.
haben führen könnten. Wenn Sie aber nur eine einzige Staustufe, nämlich
Abschließend möchte ich sagen: die Fraktion der die Schleuse Friedrichsfeld in den Ausbau hinein-
FreinDmokatwdVerhsault1962 nehmen, dann schieben Sie 'das 'Problem langsam,
zustimmen. Wir sind froh darüber, daß insgesamt aber sicher vor sich her. Das heißt, die Mittei, die
doch erheblich mehr Mittel zur Lösung der Ver- im Augenblick angesetzt sind, sind nicht so ange-
kehrsaufgaben in diesem Haushalt eingesetzt sind setzt, daß sie sehr schnell für die Verkürzung der
als in den Vorjahren. Wir hoffen, daß diese Mittel Umlaufzeit in der Binnenschiffahrt wirksam werden.
dazu benutzt werden, ein zusammenhängendes Stra- Wir müssen uns überlegen, ob wir nicht alle fünf
ßennetz, ein Binnenwasserstraßennetz und andere Staustufen, zumindest die nächsten zwei großen
Verkehrsanlagen und -einrichtungen zu schaffen, Staustufen mit hineinnehmen sollten, um hier die
die damit einerseits der Wirtschaft und andererseits Umlaufzeiten zu verkürzen.
der Verkehrssicherheit dienen. Etwas Ähnliches gilt für den Ausbau der zweiten
(Beifall bei der FDP.) Schleuse Oldenburg, damit nicht noch einmal Warte-
zeiten entstehen, wenn diese Schleuse ausfällt,
Wartezeiten von rund drei Wochen, wie es vor an-
Vizepräsident Schoettle: Ich erteile das Wort derthalb Jahren in Oldenburg der Fall gewesen ist.
dem Herrn Abgeordneten Ramms.
Kollege Eisenmann hat die Frage des Neubaus von
Ramms (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und Kanälen, besonders des Nord-Süd-Kanals, angeschnit-
Herren! Gestatten Sie mir einige Worte zum Thema ten. Dazu darf ich sagen, daß nicht nur der Nord-
Wasserbau. Wir sollten von dieser Stelle aus dem Süd-Kanal ein Problem für den nächsten Vierjahres-
Finanzminister und auch dem Verkehrsminister un- plan ist, sondern daß man auch andere Kanäle ein-
seren Dank dafür aussprechen, daß die Ansätze für beziehen muß. Nicht nur die Schiffahrt hat von dem
den Wasserbau wieder in den ordentlichen Haus- Neubau von Kanälen ihre Vorteile, sondern auch
halt gekommen sind. Damit werden wenigstens die die gesamte übrige Wirtschaft, die sich an den
Gelder garantiert, die eine kontinuierliche Arbeit neuen Wasserstraßen ansiedelt. Sie brauchen sich
gewährleisten. nur einmal den Ausbau der Mittelweser anzusehen
'und Sie werden erkennen, daß die Industrien in die-
Wir wissen, daß ,die Auseinandersetzung im Ver- sem Gebiet ein Vielfaches von dem in ihre Werke
kehrswesen selbst zwischen 'der Bundesbahn, dem investiert haben, was die Ausbaukosten der Mittel-
Güterkraftverkehr und der Binnenschiffahrt sich zu- weser betragen haben. Hier zeigt sich, daß sich an
gespitzt hat. Sie wissen vielleicht auch 'zum
- Teil, den Wasserstraßen neue Industriezentren ansiedeln
woran das liegt. Wir wollten die gleichen Voraus- und damit auch die Auflockerung anderer Industrie-
setzungen, die gleichen Startbedingungen für alle gebiete erfolgt.
drei Verkehrsträger. Wir haben seinerzeit bei der
Verabschiedung der Verkehrsgesetze hier im Hause Herr Dr. Bleiß, Sie haben von dem Mißtrauen
beschlossen, daß die Bundesregierung bis Ende 1962 gesprochen und gefragt, warum in Ihrem Ministe-
dafür sorgen sollte, daß die gleichen Startbedingun- rium, Herr Finanzminister, ein Mißtrauen gegen die
gen erreicht oder daß zumindest die Startbedingun- Deutsche Bundesbahn vorhanden ist. Ich möchte
gen angeglichen werden. Bis 'heute lassen sich diese Ihnen die Frage entgegenhalten: Ist die Deutsche
gleichen Startbedingungen auch nicht annähernd er- Bundesbahn unter Umständen 'durch ihr Verhalten
kennen. nicht selber schuld 'daran, daß hier ein Mißtrauen
aufkommt? Als wir 1958 'das Kostenermittlungs-
Im ordentlichen Verkehrshaushalt sind hauptsäch- gesetz verabschiedeten, haben wir für die Kosten-
lich Mittel zur Beseitigung vieler Engpässe, zum Bau ermittlung, für 'die Leistung und für die Gewinne
zweiter Schleusen an den Kanälen, auch zur Beseiti- das Geschäftsjahr 1959 zugrunde gelegt. Während
gung einiger Hindernisse, wie zu geringe Fahrwasser die Binnenschiffahrt und der Güterkraftverkehr der
tiefen, eingesetzt. Manche Wasserstraßen sind heute Aufforderung des Gesetzes und der Aufforderung
noch nicht genügend ausgebaut, so daß sie nur mit des Statistischen Amtes in Wiesbaden nachgekom-
zwei Meter Tiefgang befahren werden können. Wir men sind, hat die Deutsche Bundesbahn lediglich die
müssen uns im Verkehrsausschuß überlegen, ob wir Unterlagen aus dem Spitzenmonat ihres Herbstver-
diese Maßnahmen 'bei .der Aufstellung des nächsten kehrs, vom November 1960, zugrunde gelegt, so
Vierjahresplanes nicht noch forcieren könnten, um daß sich die Dinge in etwa verschoben haben.
damit die Umlaufzeiten der Schiffe zu verkürzen
und auch zu 'besseren Erträgen in der Binnenschiff- Wie ist es bei den Verkehrsgesetzen gewesen?
fahrt und sogar zu ganz 'erheblichen Frachtsenkun- Als wir 1961 die Verkehrsgesetze verabschiedeten,
gen zu kommen, wie sie sich nach dem Ausbau des haben — daran erinnere ich mich noch sehr gut —
Dortmund-Ems-Kanals ergeben haben. Im Augen- der Herr Verkehrsminister und auch unser Kollege
blick sind für den Bau zweiter Schleusen am Weser- Müller-Hermann gesagt, wir müßten den Verkehr
Datteln-Kanal die Mittel für den Ausbau der behutsam an 'die Marktwirtschaft heranführen. Der
SchleusFridfvoane.DrWs-t Herr Minister hat weiter gesagt, unsere Aufmerk-
teln-Kanal — gebaut 1926 bis 1928 mit einer Kapa samkeit habe auch den Partikulieren zu gelten, die
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 997
Ramms
) bei einer zu schnellen Heranführung der Verkehrs- worden. Aber dieser Antrag auf M ehrmengen und -

wirtschaft an die Marktwirtschaft die zunächst Leid- Treuerabatte ist ausschließlich als ein Versuch an-
tragenden sind. Wie steht .es heute? Die Tarifbil- zusehen, echten Verdrängungswettbewerb zu betrei-
dung der Deutschen Bundesbahn hat in der letzten ben. Denn diese Tarifnachlässe kämen hauptsächlich
Zeit versucht, sich der freien Marktwirtschaft den Großabnehmern, .den Abnehmern, die am Was-
sprunghaft anzugleichen. Ob hierbei die Tarife noch serumschlagsnetz liegen, zugute.
kostendeckend gewesen sind oder kostendeckend
sind, wage ich zu bezweifeln. Ich darf' Ihnen zwei Heute ist es so weit, daß ,die Großreedereien, die
Beispiele nennen. Die Deutsche Bundesbahn hat Konzernreedereien, (die bei der Tarifermäßigung für
beim Heizöltarif eine Ermäßigung von 60% bean- für Heizöl und bei der Tarifermäßigung für
tragt. Früher hat die deutsche Binnenschiffahrt ge- Kohle Gewehr bei Fuß gestanden haben, die Mit-
genüber der Bundesbahn von Gelsenkirchen nach beschäftigungsverträge in der Binnenschiffahrt mit
Mainz mit 6,10 DM im Vorteil gelegen. Heute liegt Partikulieren einfach mit der Bemerkung kündigen,
die Binnenschiffahrt einschließlich Ausladen mit man wisse noch nicht, wohin die Tarifpolitik der
rund 5,90 DM im Nachteil. Wenn .ich Ihnen sage, Deutschen Bundesbahn führe.
daß der Frachtsatz der Deutschen Bundesbahn bei Wenn es noch eines Beweises bedarf, daß die
10,20 DM je t liegt, können Sie sich selber ausrech- Deutsche Bundesbahn auf einen Verdrängungswett-
nen, ob hier tatsächlich noch eine echte Kostendek- bewerb hinarbeitet, so liefert ihn ein Paragraph aus
kung gegeben ist. dem Vertrag, , der zwischen der Stadt Ludwigshafen
Im Eisenbahnverkehrsgesetz ist auch die Vor- und der Deutschen Bundesbahn geschlossen worden
schrift enthalten, daß die Deutsche Bundesbahn bei ist. Ich glaube nicht, daß das der geeignete Weg ist,
Nichtgenehmigung der von ihr geforderten Tarife um Vertrauen zwischen der Verkehrsträgern auf-
die Ausfälle bezahlt bekommt. Ich muß fragen: wer kommen zu lassen. Mit Genehmigung dies Herrn
bezahlt den anderen Verkehrsträgern ihren Ausfall? Präsidenten darf ich den § 12 dieses Vertrages ver-
lesen. Er lautet:
Der Verkehrsminister hat, wie ich vorhin bereits
Die Stadt wird, um die Deutsche Bundesbahn
angedeutet habe, am 29. Juni 1961 gesagt, daß un-
gegen Verkehrsverluste aus der Bahnhofsver-
sere Aufmerksamkeit den Partikulieren zu gelten legung zu bewahren, keine Maßnahmen treffen,
hat. Daß die deutsche Binnenschiffahrt leistungs-
die den Verkehrsbesitz der Deutschen Bundes-
fähig ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Der An-
bahn mit Rücksicht auf den neuen Standort des
teil der deutschen Binnenschiffahrt am gesamten
neuen Hauptbahnhofes beeinträchtigen könn-
Transportaufkommen hat von 1932 bis heute bei
ten. Sie wird sich ferner — unbeschadet ihrer
rund 30% gelegen, das Aufkommen der Bundes
Verpflichtungen, die sich für die Stadt aus dem I
bahn 1936 bei 68 %, das Aufkommen des Güter-
Straßenbahngemeinschaftsvertrag mit der Stadt
kraftverkehrs, ebenfalls 1936, bei 2%. 1961 betrug
Mannheim oder einer an seine Stelle tretenden
das Aufkommen der Bundesbahn aber nur noch Abmachung ergeben — bei Konzessionsver-
51 %, während der Güterkraftverkehr heute- 19 %
gaben im Rahmen des Anhörungsverfahrens da-
aller Güter befördert. Sie sehen also, von wo und
für einsetzen, daß an Kraftfahrzeugunternehmer
wohin die Güter abgewandert sind: von der Bun-
keine Konzessionen erteilt werden ... ; sie wird
desbahn zum Kraftwagen, nicht von der Bundes-
ferner ihren Einfluß auf die Hafenbetriebs-
bahn zur Binnenschiffahrt.
gesellschaft dahingehend 'geltend machen, daß
Man kann zwar behaupten, daß prozentual der auch diese alle Maßnahmen unterläßt, die den
Anteil der Binnenschiffahrt zwar gleich geblieben Verkehrsbesitz der Deutschen Bundesbahn be-
ist, von ,dem absoluten Zuwachs des Güterverkehrs einträchtigen könnten.
aber sie mehr mitbekommen hat als die Deutsche
Bundesbahn. Darüber läßt sich streiten. Ich glaube, bier ist es an der Zeit, daß der Ver-
kehrsminister einmal versucht, die drei Verkehrs-
Bedenken Sie auch, daß die deutsche Binnenschiff- träger zusammenzubringen, um eine Koordinierung
fahrt diese 30 % des gesamten Güterverkehrsvolu- des Verkehrs auf allen drei Gebieten anzustreben,
mens mit 60 000 Menschen bewältigt hat! Sie hat damit ,die Streitereien, die im Augenblick im Gange
im Jahre 1961 rund 175 Millionen t bei einer Kilo- sind, endlich aufhören.
meterleistung von 40,2 Milliarden befördert. Die (Beifall bei der FDP.)
Deutsche Bundesbahn hat für 51 % des Gesamtauf-
kommens rund 475 000 Menschen eingesetzt.
Vizepräsident Schoettle: Ich erteile dem Herrn
Nachdem die Bundesbahn die Genehmigung für Abgeordneten Müller-Hermann das Wort.
die Ermäßigung der Heizöltarife erhalten hat, sagt
sie nun: Um der Kohle den Marktanteil zu erhalten,
sind wir gezwungen, die Kohletarife zu ermäßigen.
Müller-Hermann (CDU/CSU) : Herr Präsident!
Sie hat zunächst versucht, 15 %Ermäßigung durch- Meine Damen und Herren! Der von der Bundes-
zubekommen. 11 bis 13 °/o auf langen Strecken und regierung vorgesehene Gesamthaushalt des Einzel-
6% im Nahverkehrsbereich rind genehmigt worden. plans 12 sieht Ausgaben für den Bereich des Ver-
kehrs in einer Größenordnung von 4,6 Milliarden DM
Ich brauche hier nicht mehr von den sogenannten vor. Das sind etwa 1 Milliarde DM mehr als im
Mehrmengenrabatten zu sprechen, auch nicht von Haushaltsplan 1961. Selbst wenn die Streichungen
den Treuerabatten; denn diese Rabatte sind Gott des Haushaltsausschusses mit berücksichtigt werden,
sei Dank vom Verkehrsministerium nicht genehmigt bleibt immer noch eine Position von über 600 Mil-
998 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Müller-Hermann
I ken Belastungen der Bundesrepublik im Vergleich
honen DM als Mehr gegenüber dem Vorjahr im Ver-
kehrshaushalt. Ich glaube, daß sich schon aus diesen zu den übrigen EWG-Staaten 'der deutsche Anteil
Zahlen ergibt, welche Bedeutung die Bundesregie- ständig absinkt. Wir haben uns aber doch entschlos-
rung und wahrscheinlich alle Fraktionen dieses Hau- sen, den Schritt in den Wettbewerb zu tun, ohne ab-
ses dem Verkehrshaushalt zumessen. Es ist unsere zuwarten, bis nun in letzter Perfektion die Anglei-
Aufgabe, 'dafür zu sorgen, daß mit diesen großen chung der Startbedingungen vollzogen ist.
Aufwendungen auch der größtmögliche volkswirt- Ich erinnere aber daran, daß wir der Bundesregie-
schaftliche Effekt erreicht wird. rung einen sehr klar umrissenen Auftrag gegeben
Ich will diese Frage in vier Punkten untersuchen. haben, nämlich bis zum Ende dieses Jahres 'dem Par-
Dabei möchte ich das Thema Luftfahrt und Seeschiff- lament einen Bericht darüber vorzulegen, wo im
fahrt ausklammern, ohne dabei außer acht zu lassen, nationalen Bereich zwischen den binnenländischen
daß gerade diesen beiden Verkehrsbereichen unsere Verkehrsträgern Wettbewerbsverzerrungen vorhan-
besondere Aufmerksamkeit und Sorge gilt. den sind und wie sie ausgeglichen werden können.
Wenn wir einen Wettbewerb im Bereich des Ver-
Vorweg darf ich noch eine Bemerkung zu den
kehrs wünschen, so heißt das nicht Wettbewerb auf
Ausführungen des Herrn Kollegen Eisenmann bezüg-
Leben und Tod. Vielmehr wollen wir gerade zugleich
lich der Promille-Grenze machen. Diese Frage wird
auch den Gedanken der Zusammenarbeit und der
uns in den nächsten Monaten sehr stark zu beschäf-
gegenseitigen Ergänzung der Verkehrsträger sehr
tigen haben, wenn die ,entsprechenden Gesetzes-
stark in den Vordergrund gerückt wissen. Jetzt sollte
vorschläge der Bundesregierung vorliegen. Wir ha-
dem Herrn Bundesminister für Verkehr die Auf-
ben runs in unserer Fraktion bisher 'auf eine Meinung
gabe zufallen, bei dem offensichtlich sehr ungünsti-
nicht festgelegt, aber 'ich glaube ,doch den allge-
gen Klima, das sich in den letzten Monaten zwischen
meinen Eindruck wiederzugeben, wenn ich sage, daß
den Verkehrsträgern herausgebildet hat, einmal die
sehr starke Bedenken auch bei meinen Freunden ge-
Spitzen der Verkehrsverbände an einen runden
gen eine schematische Festsetzung der Promille
Tisch zu bringen, damit wieder etwas mehr Gewicht
Grenze auf einen niedrigen Status herauszuspüren
auf den Gedanken der Zusammenarbeit und einer
sind. Das ist eine Frage, die zweifellos außerordent-
gewissen gegenseitigen Abstimmung gelegt wird.
liche Komplikationen auch hinsichtlich der Grund-
rechte, die im Grundgesetz verankert sind, auslösen Hier ist vor allem vom Kollegen Ramms, aber auch
müßte. von anderer Seite auf die Wettbewerbsmaßnahmen
hingewiesen worden, die die Bundesbahn gegen die
Nun die Frage des größtmöglichen volkswirt Binnenschiffahrt eingeleitet hat. Nun, wir müssen
schaftlichen Effekts der im Bundeshaushalt vorgese uns natürlich als Parlament darüber im klaren sein,
e h uen Mittel in den Ausgabenbereichen des Ver- daß, wenn wir einen Leistungswettbewerb im Bereich I
kehrs. Zunächst eine Bemerkung zum Thema Wett- des Verkehrs wollen und dafür 'die gesetzlichen Vor-
bewerb im Verkehr! Die von uns in der vorigen aussetzungen schaffen, dann auch die Verkehrsträger
-
Legislaturperiode verabschiedeten Verkehrsgesetze von den ihnen 'gebotenen Möglichkeiten Gebrauch
haben zum Ziel, durch die Heranführung der Ver- machen. Bisher liegen jedenfalls keinerlei Beweise
kehrswirtschaft an die Soziale Marktwirtschaft dafür dafür vor, daß die Tarifmaßnahmen der Bundesbahn
zu sorgen, daß auch im Verkehr Produktionskosten etwa nicht in Einklang mit ihrer Kostenrechnung ste-
im Rahmen des Möglichen eingespart werden. Wir hen. Zumindest müßte ein solcher Beweis erst ein-
sind zu dieser Entwicklung, wenn wir sie nicht aus mal angetreten werden. Wir können unter keinen
eigner Einsicht einleiten, ohnehin gezwungen durch Umständen jede Verlagerung des Verkehrsaufkom-
die Entwicklung, die von der Europäischen Wirt- mens, die sich durch einen stärkeren Wettbewerb
schaftsgemeinschaft auf uns zukommt und die für unter den Verkehrsträgern ergibt, bereits als einen
alle Bereiche unserer Wirtschaft fordert, daß wir unbilligen oder ruinösen Wettbewerb ansehen.
so rationell wie möglich, unter Einsparung von Pro-
duktionskosten in den Wettbewerb eintreten. Wir Auf der 'anderen Seite ist es sicherlich nötig, daß
wissen alle, daß gerade im Güterverkehr das Tarif- die im Gesetz 'selbst formulierten Begriffe wie „un-
niveau in der Bundesrepublik wesentlich höher ist lauterer Wettbewerb", „unbilliger Wettbewerb"
als in Iden übrigen Ländern der Europäischen Wirt- oder „Mißbrauch 'der Marktmacht" eine klarere Ge-
schaftsgemeinschaft. Das hat sicherlich verschiedene stalt erhalten; denn keiner von uns kann wünschen,
Gründe, nicht zuletzt den der ungleichen Belastung daß nun etwa die Bundesbahn aus ihrer starken
steuerlicher Natur in den verschiedenen Mitglied- Stellung heraus einen Verdrängungswettbewerb aus-
staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. löst, der sich gegen die Substanz der konkurrieren-
den Verkehrsträger richtet. Ich weise — nicht zuletzt
Wir waren uns auch bei der Verabschiedung der im Interesse der Deutschen Bundesbahn — darauf
Verkehrsgesetze darüber einig, daß Hand in Hand hin, daß eine solche Tendenz, wenn sie auch in der
mit dem Vordringen des Leistungswettbewerbs im TarifgebundBsahPltzgrife,w-
Bereich des Verkehrs eine Angleichung der Start- los dahin führen würde, daß alle Gebiete der Bundes-
bedingungen gehen müsse. Dieses Problem besteht republik, die nicht über Wasserstraßenanschlüsse
aber nicht nur auf der nationalen deutschen Ebene, verfügen, im Interesse einer Tarifsenkung ihrerseits
sondern in einem noch viel stärkeren Maße auf der den Trend zu zusätzlichen Kanalbauten verstärken
europäischen Ebene. Wir erleben das ständig im würden. Das ist jedenfalls eine Überlegung, die ge-
grenzüberschreitenden Verkehr, wo vor allem beim rade auch die Bundesbahn 'bei ihrer Tarifpolitik sehr
Güterkraftverkehr infolge ,der außerordentlich star- sorgfältig in Rechnung stellen sollte.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 999
Mü ller-Hermann
Herr Kollege Ramms hat die Situation der Parti- zweifellos im Rückstand. Wir haben uns über dieses
kuliere der Binnenschiffahrt angesprochen. Das ist Thema lange unterhalten. Ich glaube nicht, daß man
ein durchaus ernst zu nehmendes Problem. Bei der hier von einem schuldhaften Verhalten irgendeiner
den Begriff ;des „Miß- Biteandusrg, Stelle sprechen kann. Es waren eben andere Pro-
brauchs der Marktmacht"genauer zu definieren, jekte in den ersten Jahren des Aufbaus vordring-
denkichtura;Vongsel,di licher.
Bundesbahn gegenüber den anderen Verkehrsträ- Verfehlt wäre es jedoch, heute von einer Kon-
gern einnimmt, sondern auch und gerade an die Stel- junkturüberhitzung oder auch von überhöhten Prei-
lung der Konzernreedereien, die diese im Verhältnis sen im Tiefbau zu sprechen. Das trifft zweifellos
zu Iden Partikulieren im Rahmen der Binnenschiff- nicht zu. Mit Ausnahme ;der Brückenbauten 'haben
fahrt einnehmen; denn es fragt sich, ob nicht die sich im Tiefbau die Preise im allgemeinen konstant
Kündigung ;der Mitbeschäftigungsverträge Anlaß zu gehalten. Wir müssen genau überlegen, wie weit
ernsthaften Bedenken geben könnte, gerade wenn neben allen anderen Maßnahmen zur Dämpfung der
man weiß, daß die Konzernreedereien gern das Baukonjunktur auch im Bereich ides Straßenbaus
Schicksal der Partikuliere ständig als 'symbolisch und noch Maßnahmen tatsächlich notwendig sind.
typisch für die Situation der Binnenschiffahrt heraus-
stellen. Auf jeden Fall wollen wir vermieden wissen Unsere besondere Sorge muß der Verkehrs-
— das haben wir ausdrücklich in den Verkehrsgeset- situation in den Städten und Gemeinden gelten. Ich
zen verankert —, daß eine neue Tarifpolitik letzten weiß, daß das einer 'großen Zahl von Kollegen in
Endes dazu führt, daß der Konzentrationsprozeß im diesem Hause nicht sehr angenehm in den Ohren
Bereich unserer Wirtschaft weiter gefördert wird klingt. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, 'daß
und ;die Randgebiete und wirtschaftlich schwachen leider auch sehr viele Mängel in ;den Städten und
Gebiete dabei zu kurz kommen. Deshalb haben wir Gemeinden selber begründet sind. Wir haben fest-
der Bundesregierung bzw. dem Herrn Bundesver- stellen müssen, daß die als Gemeindepfennig im
kehrsminister ausdrücklich Spielraum 'für Interven- Jahre 1961 für die Gemeinden zur Verfügung stehen-
tionen eingeräumt. den Mittel fast nur zur Hälfte abgerufen worden
sind, weil bei den Gemeinden keine baureifen Pläne
Der zweite Punkt, auf den ich kurz eingehen will,
vorliegen. Es ist völlig falsch, hier nur immer wieder
ist 'die Frage ;der Investitionen im Verkehr. Hier
mit erhobenem Zeigefinger auf den Bund zu weisen;
darf vor allem ,der Gedanke der Wirtschaftlichkeit der
er hat im Rahmen ;der bisherigen Möglichkeiten die
Investitionen nicht außer acht gelassen werden. Wir
nötige Hilfestellung für die Gemeinden gegeben.
werden j a im Laufe der nächsten Monate von der Bun-
Jetzt müssen ;die Gemeinden einmal ;daran gehen
desregierung den zweiten Vierjahresplan für Was-
ünd mit ihren Bauplanungen so weit kommen, daß
serstraßenbauten vorgelegt 'bekommen. Ich glaube,
sie finanziell unterstützungswürdig werden.
durchaus im Namen meiner Fraktion sprechen zu
können, wenn ich ausdrücklich feststelle, daß wir (Sehr richtig! in 'der Mitte.)
nicht im Prinzip gegen irgendeinen im Augenblick
zur Diskussion stehenden Kanalbau sind. -Wir sind Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß bezüg-
aber der Auffassung, daß alle diese Projekte sorg- lich der Verkehrsnotstände in den Städten zweifel-
fältig daraufhin geprüft werden müssen, wie weit sie los eine Mitverantwortung 'des Bundes vorliegt. Der
mit der Verkehrsentwicklung auf lange Sicht in Ein- Bund hat hier eine Art Führungsaufgabe. Sie be-
klang zu bringen sind, und wie weit sie — auch steht darin, bei den Aufgaben zwischen Bund, Län-
regional gesehen — wirklich der Wirtschaftsaus- dern und Gemeinden zu koordinieren. Dieser Ver-
weitung und der besseren und billigeren Verkehrs- antwortung kann sich auch der Bund nicht entzie-
bedienung dienen. Wir können jedenfalls nicht den hen, und ich glaube, wir, gerade auch auf Seiten der
Weg einer Diskriminierung in ;der Tarifpolitik ver- Koalitionsparteien, haben das bereits dadurch unter-
bauen und gleichzeitig neue Diskriminierungsmaß- strichen, daß wir im letzten Bundestag die Enquete-
nahmen auf dem Wege über die Investitionen ein- Kommission eingesetzt haben, mit einem sehr kon-
leiten. kreten Auftrag, uns dementsprechende Ratschläge
zu geben.
(Abg. Berkhan: Von welchem Projekt spre
chen Sie?) Nun haben Sie, Herr Dr. Bleiß, Bedenken gegen
die Einsetzung solcher Sachverständigenkommissio-
— Das gilt für alle Projekte, sehr geehrter Herr Kol- nen angemeldet und ihre Einsetzung als eine Art
lege Berkhan. Ich möchte damit ausdrücklich unter- Mißtrauensvotum gegen die zuständigen Minister,
streichen, daß in unserer Fraktion und auch bei mir sei das nun der Finanzminister oder der Verkehrs-
selber keinerlei Voreingenommenheit gegen den minister, auszulegen versucht. Ich habe eine ganz
Nord Süd Kanal besteht. Aber auch dieses Wasser-
- -
andere Vorstellung von solchen Sachverständigen-
straßenprojekt wird wie jedes andere unter den er- gremien. Wir, das Parlament, stehen heute vor so
wähnten Gesichtspunkten, natürlich auch unter dem komplexen Materien, zu denen wir Entscheidungen
Gesichtspunkt der regionalen Bedeutung, sorgfältig treffen müssen, daß wir uns dabei, glaube ich, nicht
geprüft werden müssen. Wir würden unserer Pflicht allein auf die Ratschläge der Ministerien und der
gegenüber dem Steuerzahler nicht gerecht werden, Ministerialbürokratie verlassen können, sondern,
wenn wir dies nicht täten. gerade um richtige und wirksame Entscheidungen
Ich komme zu dem dritten Fragenkomplex, dem treffen zu können, uns dieser Art von Royal Com-
Straßenbau. Hier ist uns 'als Parlament eine ernste missions in einem begrenzten Umfange ruhig bedie-
Verpflichtung auferlegt. Der Straßenbau ist bei uns nen sollten. Das war der Zweck auch der Enquete-
1000 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Müller-Hermann
Kommission für die Gemeinden, die, dessen bin ich rigsten, das ist klar —, ist das Thema Bundesbahn.
sicher, uns eine Fülle von Anregungen und von Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle
Material erarbeiten und uns die Entscheidung auf 'sind uns darüber im klaren, daß, wenn wir in den
diesem Gebiet erleichtern wird. Das gleiche gilt Wettbewerb im Verkehr hineingehen und ihn vor
für die Brand-Kommission der Deutschen Bundes- allem im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsge-
bahn. Wir, das Parlament, sind nicht verpflichtet, meinschaft bestehen wollen, auch die Bundesbahn
die Ergebnisse solcher Kommissionen unbesehen als einer der drei binnenländischen Verkehrsträger
und ohne Prüfung zu übernehmen. Aber auch bei so gestellt sein muß, daß sie sich in diesem Wettbe-
dem Brand-Bericht kann man, glaube ich, davon werb behaupten kann. Das bedeutet, meine Damen
ausgehen, daß er uns eine Fülle von Material vor- und Herren, daß die Bundesbahn auf der einen Seite
gelegt hat, das uns die parlamentarischen Entschei- eine ganz klare Verpflichtung hat, ihren Aufwand
dungen zweifellos erleichtert. selbst zu erwirtschaften, und daß sie auf der anderen
Seite von unzumutbaren politischen und sonstigen
Was die Enquete Kommission bezüglich der Ver-
-
Belastungen befreit sein muß, so daß sie sich in
kehrsnotstände in den Städten angeht, so 'haben einer Situation befindet, die derjenigen der übrigen
wir selber einen Termin gesetzt, und zwar den Wettbewerber vergleichbar ist. Das bedeutet auch,
31. März 1963. Nun ist diese Enquete-Kommission daß die Bundesbahn ihre innerbetrieblichen Ra-
erst nach sieben Monaten Geburtswehen zur Welt tionalisierungsmaßnahmen wird wesentlich intensi-
gekommen, und ich würde meinen, wir sollten uns vieren müssen. Aber wir sind uns 'auch darüber im
jetzt im Hinblick auf die Auswertbarkeit der Ar- klaren, daß die völlige Freistellung von politischen
beitsergebnisse nicht unbedingt an diesen Termin und „unzumutbaren" Belastungen nicht von heute
vom 31. März klammern. Mir wäre es jedenfalls auf morgen realisiert werden kann; das geht einfach
lieber, die Kommission würde noch ein weiteres über das Vermögen des Bundes. Ich glaube, daß
Vierteljahr auf diese Arbeiten verwenden, um uns auch Sie, meine Damen und Herren in den Reihen
dann eine wirklich fundierte Arbeit, auch als Zwi- der Opposition, das einsehen müssen.
schenbericht vorzulegen, als ,daß die Kommission Ich habe etwas den Eindruck, daß das Verständnis
am 31. März 1963 unter allen Umständen ihre Be- für die besonderen Probleme der Bundesbahn auch
ratung abschließt und uns einen Zwischenbericht in diesem Hause nicht immer ganz ausgereift ist.
vorlegt, mit dem wir praktisch nichts anfangen kön- Mir scheint, das liegt nicht nur am Bundestag, son-
nen. Worauf es uns ankommt, ist, daß wir noch in dern auch etwas daran, daß die Bundesbahn den
dieser Legislaturperiode in der Lage sind, die not- Kontakt zum Parlament leider nur dann sucht, wenn
wendigen gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen. es um die Bewilligung von Mitteln geht.
(Abg. Dr. Vogel: Genau das!)
Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter,
gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Meine Damen und Herren, ich bitte doch, wirklich
Abgeordneter Dr. Bleiß. einmal sehr reiflich zu überlegen, ob man nicht die-
- ses engere Verhältnis zwischen Bund und Bundes-
Dr. Bleiß (SPD) : Kollege Müller-Hermann, ist bahn dadurch etwas fördern könnte, daß man in dem
Ihnen nicht bekannt, daß der Vorsitzende der Korn- Aufsichtsorgan der Bundesbahn wie in allen anderen
mission sich bereiterklärt hat, den Zwischenbericht Bundesunternehmen auch das Parlament berück-
bis zum 31. März nächsten Jahres vorzulegen? sichtigt. Ich würde jedenfalls empfehlen, daß man
Warum wollen wir also jetzt schon einen Termin sich sowohl bei der Bundesbahn als auch bei der
verlängern, den der Vorsitzende einhalten will? Bundesregierung als auch im Bundestag Gedanken
darüber macht, ob es nicht zweckmäßig ist, im Ver-
waltungsrat der Deutschen Bundesbahn auch Ange-
Müller-Hermann (CDU/CSU) : Ich habe nicht die hörige des Bundestages vertreten zu sehen, die —
Absicht, den Termin zu verlängern; aber ich könnte als Vertreter des Bundestages in diesem Gremium
mir vorstellen, daß es bei der Fülle von Problemen, — mitarbeiten an der Sanierung der Bundesbahn
die diese Kommission zu untersuchen haben wird, und einen Überblick über die Situation der Bundes-
sicherlich sehr schwierig sein wird, im Laufe eines bahn haben.
Jahres bereits zu konkreten Arbeitsergebnissen zu
kommen. Ich habe das lediglich als Hypothese auf- Was ich gleichfalls bedauern würde, ,wäre, wenn
gestellt. Mir ist es lieber, die Kommission arbeitet in der Öffentlichkeit und auch bei den Bediensteten
noch ein Vierteljahr länger und legt uns einen ver- der Bundesbahn etwa der Eindruck entstehen würde,
wertbaren Zwischenbericht vor, als sie hält sich an daß sich das Parlament oder auch manche Herren
den Termin, so daß wir dann Unterlagen bekom- im Bundesfinanzministerium ein Vergnügen daraus
men, mit denen wir, wie schon gesagt, als Parlament machten oder ein schönes Spielchen darin sähen, die
nichts anfangen können. Ich lege nur Wert darauf, Bundesbahn ständig am Gängelband zu haben. Wenn
daß wir so rechtzeitig — 'sagen wir, bis zur Beendi- wir eine Eigenverantwortlichkeit der Bundesbahn
gung der Sommerpause im nächsten Jahr — die Un- wünschen — und sie ist notwendig —, dann sind
terlagen haben, daß es uns möglich ist, noch in die- wir, auf die Dauer gesehen, auch gezwungen, dar-
ser Legislaturperiode die vom Parlament zu erwar- aus gewisse Konsequenzen zu ziehen und die Vor-
tenden Maßnahmen vorzubereiten und in Gesetzes- aussetzungen dafür zu schaffen, daß die Bundesbahn
form zu gießen. ihren Betrieb eigenverantwortlich führen kann.
Ein letzter Punkt, zu dem ich Stellung nehmen Darum geht es meinen Freunden und mir: daß wir
muß — und das wird natürlich für mich am schwie in dem Verhältnis zwischen Bund und Bundesbahn
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1001
Müller-Hermann
auf lange Sicht die Verantwortlichkeiten klären und Herr Kollege Bleiß hat auf verschiedene, damit
aus diesem, ich muß schon sagen, sich jährlich wie- zusammenhängende Probleme hingewiesen und dazu
derholenden, traurigen Schauspiel herauskommen, Fragen gestellt. Er hat sich zunächst einmal mit den
Abstriche vorzunehmen oder Zuwendungen zu Wegekosten beschäftigt, hat aber auch die anderen
machen, je nachdem es die Haushaltslage erlaubt. Probleme angesprochen. Wir verstehen unter diesen
Wir müssen allmählich — ich wiederhole noch ein- Wettbewerbsverzerrungen zunächst einmal im we-
mal: das ist nicht von heute auf morgen realisier- sentlichen die von den Staaten selbst durch ihre Maß-
bar, aber auf lange Sicht — zu einer klaren Abgren- nahmen hervorgerufenen Verhältnisse, durch die
zung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und gegenseitige Diskriminierungen entstanden sind. Wir
Bundesbahn kommen. sind, wie Sie wissen, der Auffassung, daß jeder
Verkehrsträger die ihm anzulastenden Wegekosten
(Abg. Faller: Wann wollen Sie damit
selbst tragen soll, wissen aber, daß schon im Inland,
beginnen?)
hier besonders bei der Binnenschiffahrt, sich bei der
— Wir haben bereits damit begonnen. Wir wollen Durchsetzung dieses Prinzips dadurch Schwierigkei-
nur, daß dieses Programm in einem festumrissenen ten ergeben, daß wir im Land einen internationalen
Zeitraum realisiert wird. Ich könnte mir vorstellen, Verkehr auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen
daß das in einem Zeitraum von vier Jahren ge- haben, einen Verkehr, der gesichert ist in seiner
schehen kann. Diesem Zweck wird eine Entschlie- Unbelastbarkeit gegenüber Steuern und Abgaben
ßung dienen, die meine Freunde von der CDU/CSU- durch völkerrechtliche Normen, die seit dem Wiener
Fraktion gemeinsam mit dem Koalitionspartner zur Kongreß bestehen und über die Mainzer und Mann-
dritten Lesung einbringen werden. heimer Akte im vorigen Jahrhundert gefestigt wur-
(Beifall bei der CDU/CSU.) den, aber auch noch ihren Niederschlag fanden in
den Friedensverträgen nach 1918. Daher standen wir
immer auf dem Standpunkt, daß dieses Wegekosten
Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der problem sich nur europäisch und nicht etwa allein
Herr Bundesminiister für Verkehr. innerhalb unseres Landes wird lösen lassen, und
wir sind dankbar, daß diese Problematik innerhalb
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr: der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und bei
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und der Entwicklung einer gemeinsamen Verkehrspolitik
Herren! In der Debatte über die Verkehrsfragen einer Lösung entgegengeführt werden kann. Natür-
sind sehr viele Probleme angesprochen worden. Die lich werden, solange diese Lösungen sich nicht ab-
entscheidende, grundsätzliche Tatsache ist, daß wir zeichnen, die Interessenten, das heißt die Verkehrs-
durch die Verkehrsgesetze, die der letzte Bundestag träger, sich bemühen; ihren Standpunkt mit äußer-
verabschiedet hat und die am 1. August 1961 in ster Energie herauszustellen, und werden dabei mich
Kraft getreten sind, eine Wendung in der bisher vor Übertreibungen und Schwarz-weiß-Malerei nicht
mehr nach Ordnungsprinzipien geführten Verkehrs- zurückschrecken.
politik zur Marktwirtschaft hin vorgenommen- ha-
Sehr verehrter Herr Kollege Bleiß, Äußerungen
ben. Das war notwendig, einmal, um die Prinzipien
der Bundesbahn und insbesondere von Bundesbahn-
unserer Wirtschaftspolitik auch im Verkehr anzu-
beamten sind nicht Äußerungen des Bundesministers
wenden, zum anderen, weil es erforderlich ist, im
für Verkehr oder 'des Bundesministeriums für Ver-
Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
kehr, das wissen Sie so gut wie ich. Was von meinem
die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um
Ministerium und von meinen Mitarbeitern heraus-
eine gemeinsame Verkehrspolitik in Europa auf-
kommt, sind Äußerungen des Ministeriums, aber ich
bauen zu können. Die Gesetze, die damals von der
würde es zurückweisen, Äußerungen der Bundes-
Bundesregierung eingebracht wurden, sind, wie Sie
bahn, 'ihrer Beamten, ja sogar ihres Vorstands als
wissen, durch dieses Hohe Haus im Sinne der Markt-
Äußerungen des Ministeriums anzusehen. Das hat
wirtschaft wesentlich verstärkt worden über das
nicht nur etwas mit der von Ihnen mit Recht ange-
hinaus, was die Bundesregierung seinerzeit vorge-
sprochenen Meinungsfreiheit zu tun, sondern damit,
schlagen hatte.
daß die Bundesbahn ein Verkehrsträger ist, der das
Marktwirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Recht haben muß, sich seiner Haut genauso zu weh-
Herren, bedeutet nicht nur Leistungswettbewerb, ren wie die Binnenschiffahrt oder der Güterverkehr
sie bedeutet auch Preiswettbewerb, und in einem auf der Straße, die Luftfahrt oder die Seeschiffahrt.
solchen Preiswettbewerb ergeben sich sehr viel un- Man wird ihr nicht in den Arm fallen dürfen mit der
angenehmere Verhältnisse für alle Beteiligten, als sie Begründung, daß sie 'der Träger ides Basisverkehrs
bisher in einem geordneten Leistungswettbewerb in unserem Land ist, und sich vor allem wegen ihrer
geherrscht haben. Deshalb sind wir von Anfang an besonderen Beziehungen zum Staat, also zur öffent-
der Auffassung gewesen, daß eine Marktwirtschaft lichen Hand, völlig zurückzuhalten habe. Ich würde
im Verkehr, die den Preiswettbewerb herbeiführt, das unbillig finden, obwohl ich ihr manches Mal mehr
den Ausgleich der Wettbewerbsverzerrungen, also Takt wünschte. Diesem Streit der Referenten, den
die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen vor- Sie beklagen, sehe ich mit Gelassenheit zu, und ich
aussetzt, und zwar sowohl im Inland, also innerhalb finde, daß die Argumente, die dabei 'herauskommen,
der Bundesrepublik, wie auch im Raum der Euro- uns alle nur Möglichkeiten geben, die Probleme ent-
päischen Wirtschaftsgemeinschaft. Das aber ist eine sprechend klar zu beurteilen und uns eine überge-
Aufgabe, die keineswegs leicht und einfach ist und ordnete Meinung zu diesen Auseinandersetzungen
die nicht innerhalb kurzer Zeit gelöst werden kann. zu bilden.
1002 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
Nun zu den Problemen, die sich bei der Anglei- „Statistik der Kosten und Leistungen im Güterver-
chung der Wettbewerbsbedingungen stellen. Das kehr". Wir haben dieses Gesetz Ende 1958 beschlos-
wichtigste Problem ist, wie ich schon eben gesagt sen und im Jahr 1959 die Erhebungen durchgeführt.
habe, das Problem der Wegekosten. Um nun die Alle Unterlagen der Erhebungen des Jahres 1959
Heranziehung der einzelnen Binnenverkehrsträger stehen uns zur Verfügung, Herr Kollege Ramms,
zu den Kosten ihrer Verkehrswege zu prüfen, haben auchleUntrgdBusbahüeri
wir eine vergleichende Wegekostenrechnung der Kasten und Leistungen über das ganze Jahr 1959.
Eisenbahn, des Straßenverkehrs und der Binnen- Ich habe mich extra auf Grund Ihrer kürzlichen Be-
schiffahrt schon in der vergangenen Legislatur- merkung darüber vergewissert. Auch die Umlaufzah-
periode in einem besonderen Arbeitskreis im Bun- len sind für das ganze Jahr 1959 erarbeitet. Viel-
desverkehrsministerium bearbeitet und dabei me- leicht kommt eine Verwechslung bei Ihnen dadurch
thodische Grundlagen erarbeitet. zustande, daß die Bundesbahn im November 1960,
also unabhängig vom Jahre 1959, noch eine beson-
Die Ergebnisse sind dann bereits Anfang des vori- dere Umlaufsermittlung für Güterwagen von sich
gen Jahres der Deutschen Bundesbahn und den Ver- aus durchgeführt hat und diese Ermittlung zusätz-
bänden der Verkehrsträger, aber auch der verladen- lich zur Verfügung stellt; das hat aber für die Er-
den Wirtschaft zur Stellungnahme zugeleitet worden. mittlungen, die das Jahr 1959 betreffen, keine Be-
Zu diesen Stellungnahmen hat sich anschließend deutung. Wir haben also für das Jahr 1959 alle
der Arbeitskreis noch einmal schriftlich geäußert. Ermittlungen zusammengestellt, die natürlich erst
Das Einholen dieser Stellungnahmen hat sehr viel im Laufe des Jahres 1960, z. T. erst gegen Ende des
Zeit erfordert. Jahres angefallen sind.
Nun haben wir das gesamte Material schon vor Beauftragt mit der Fertigstellung dieser Arbeit
einiger Zeit einem Gutachtergremium, das sich aus ist das Statistische Bundesamt. Das Statistische Bun-
den Professoren Dr. Seidenfuß, Gießen, als geschäfts- desamt kann man, wie Sie wissen, ähnlich wie den
führendem Vorsitzenden, Dr. Dr. Böttcher, Köln, Dr. Bundesrchgof,itjaenrud wi
Napp-Zinn, Frankfurt, Dr. Riedel, Frankfurt-Mann- Menschen, die im Verkehr tätig sind, sollten uns
heim, und Dr.-Ing. habil. Wehner, Berlin, zusammen- freuen, daß es in Deutschland noch Leute gibt, die
setzt, übergeben. Die Gutachter sollen sich zunächst Zeit haben oder sich Zeit lassen.
mit der Methodik beschäftigen, damit wir auch
gleichzeitig Ergebnisse gewinnen, die uns bei unse- (Heiterkeit.)
rer Arbeit zur Grundlegung einer gemeinsamen Ver- Ich bemerke das mit aller Bescheidenheit. Trotzdem
kehrspolitik in Europa dienen und die Lösung des möchte ich mich bemühen, Ihnen anzugeben, zu wel-
Wegekostenproblems auf europäischer, nicht nur auf chen Terminen das Statistische Bundesamt uns
deutscher Ebene ermöglichen können. Das sind doch Unterlagen übermitteln wird. Es hat uns mitgeteilt,
sehr umfangreiche Arbeiten, die sich nicht von heute daß wir mit dem Beginn der Lieferung über die
auf morgen durchführen lassen. Wir sind seit Jah- Fahrzeugerhebung für den Güterkraftverkehr ab
ren dabei, und nur wer sich in diese Arbeiten inten- April 1962, für die Binnenschiffahrt ab Mai 1962, für
siv vertieft hat, kennt die Stricke und Fallen, die die Eisenbahn ab Juni 1962 rechnen können, und
darin liegen, und die Schwierigkeiten, mit denen daß mit der Unternehmenserhebung für den Güter-
wir zu rechnen haben. kraftverkehr ab Juli 1962, für die Binnenschiffahrt
wahrscheinlich schon im Juni 1962 und für die
Das zweite Problem, das sich bei 'der Angleichung
Eisenbahnen schon ab April 1962 gerechnet werden
der Wettbewerbsbedingungen stellt, ist das Pro-
kann. Die vollständigen Ergebnisse werden dann
blem der Unterschiede in der Besteuerung der drei gegen Ende dieses Jahres vorliegen. Die Erhebun-
Binnenverkehrsträger. Hier ergeben sich Differen-
gen werden, wie Sie wissen, erstmals gesichertes
zierungen, die auf den Wettbewerb einwirken kön-
repräsentatives statistisches Material liefern und
nen und die deshalb auf ihre Vertretbarkeit über-
eine Analyse der wechselseitigen Zusammenhänge
prüft werden müssen. Auch diese Prüfungen sind
zwischen Kosten und Leistungen ermöglichen. Da-
schwierig, weil es nicht nur auf die rechtlichen Tat-
mit haben wir, auch wenn sich die Grundlagen auf
bestände, sondern vor allen Dingen auf deren wirt-
das Jahr 1959 beziehen, glaube ich, doch die Grund-
schaftliche Auswirkung ankommt. Wir haben des-
lage, um uns über die Selbstkostenstruktur des Ver-
halb mit dem Bundesfinanzministerium eine Gruppe
kehrs auch in den kommenden Jahren rascher ein
gebildet, die einen quantifizierten Steuerrechtsnor-
Bild zu verschaffen.
menvergleich durchführt. An 'diesen Untersuchungen
beteiligen wir ebenso die Vertreter der Praxis und Die vierte Gruppe von Problemen, die insbeson-
der Wissenschaft. Wir wollen versuchen, mit Hilfe dere international eine Rolle spielen, ist die der
dieses angestrebten Untersuchungsergebnisses dann Harmonisierung der verschiedenen sozialen Bedin-
im Interesse eines fairen Wettbewerbs einen Aus- gungen bei den einzelnen Verkehrsträgern im In-
gleich herbeizuführen, aber auch hierbei wiederum und Ausland. Hier geht es vor allem um Fragen der
schon Grundlagen gewinnen für die Angleichung Arbeitszeit, der Arbeitsbedingungen und um ähn-
der Wettbewerbsbedingungen im europäischen liche Probleme, die im Rahmen der Europäischen
Raum. Wirtschaftsgemeinschaft geklärt werden müssen,
wenn wir zu einer gemeinsamen europäischen Ver-
Nun kommt das wichtige dritte Problem, das be-
kehrspolitik kommen wollen.
arbeitet werden muß: die Klärung der außerordent-
lich verwickelten Selbstkostenstruktur im Verkehrs- Neben diesen Fragen spielt noch der von Ihnen
wesen und das dazu erlassene Gesetz über die erwähnte modifizierte sogenannte Brand-Bericht
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1003
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
eine Rolle. Herr Kollege Dr. Bleiß, wir haben diesen hier durchaus im Rahmen dessen geblieben, was er
modifizierten Brand-Bericht bis auf einige Tabellen, im vorigen Sommer zu diesen Fragen gesagt hat.
die uns die Bundesbahn erst im Mai glaubt liefern Diese Mehrmengentarife fördern nach unserer Auf-
zu können, fertig. Wir hoffen, daß wir dann die fassung einen Verdrängungswettbewerb, der gerade
Unterlagen werden unterbreiten können. Es ist ja mit Rücksicht auf die Partikuliere als unbillig ange-
auch schon mit Ihnen verabredet worden, in welcher sehen werden kann.
Form und in welcher Weise sie dem Hohen Hause
Im übrigen bemühen wir uns, die durch die Ge-
zugehen sollen. Wir werden uns also sicherlich noch
setze neu eingeführten Begriffe einer Klärung ent-
vor den großen Ferien, wenn nicht, dann jedenfalls
gegenzuführen. Auch hier bedienen wir uns ent-
im Herbst mit dem modifizierten Brand-Bericht auch
sprechender Gutachter. Zur Zeit wird ein Gutachten
im Verkehrsausschuß eingehend beschäftigen kön-
erstellt, das diese Begriffe sowohl von der juristi-
nen.
schen wie von der verkehrswirtschaftlichen Seite
Eine Frage, die heute weiter eine große Rolle in erläutern wird, und wenn ich dem verehrten Herrn
der Diskussion gespielt hat, ist, wie sich diese neuen Kollegen Ramms, den ich leider nicht mehr sehe,
Verkehrsgesetze bisher ausgewirkt haben; denn wir sage, daß einer der Gutachter Herr Professor Dr. Dr.
können natürlich nicht stehenbleiben; das Leben Most ist, wird er mir zugeben, daß das ein Mann
geht laufend weiter. Hier geht es vor allen Dingen ist, der die Verhältnisse in der Binnenschiffahrt
um die wesentlich eingeschränkte Tarifgenehmi- kennt; er wird gerade aus seiner Kenntnis sowohl
gungsmöglichkeit des Bundesministers für Verkehr. der Eisenbahn wie der Binnenschiffahrt heraus in
Sie wissen, daß wir heute bei Behandlung der Tarif- der Lage sein, aus verkehrswirtschaftlichen und
,

anträge praktisch keine Koordinierung zwischen den verkehrswissenschaftlichen Gründen uns gut zu be-
einzelnen Verkehrsträgern und mit der verladenden raten. Ich glaube sagen zu können, daß wir, wenn
Wirtschaft mehr haben. Wir haben nur zu prüfen, wir in absehbarer Zeit Richtlinien zu der Geneh-
ob die beantragten Tarife unbillig sind, ob sie ein migung ,der Tarife herausbringen, uns mit diesen
verkehrsgerechtes Entgelt darstellen und ob sie Richtlinien auf ein gut fundiertes Material stützen
etwa das allgemeine Wohl schädigen. Ein verkehrs- werden, mit dem wir dann auch wirklich arbeiten
gerechtes Entgelt dürfte dann gegeben sein, wenn können.
die Selbstkosten gedeckt sind.
Als weiterer großer Fragenkomplex im Verkehr
Herr Kollege Ramms, bei der Prüfung der Anträge ist in allen Reden natürlich die Bundesbahn ange-
der Bundesbahn, insbesondere auch bezüglich der sprochen worden. Ich muß sagen, daß das, was ich
von Ihnen angesprochenen Tarife für Mineralöl- jetzt ausführen werde, unter dem Eindruck des
produkte, sind diese Untersuchungen über die Selbst- Änderungsantrages steht, den ,die Fraktionen der
kosten vom Ministerium sehr exakt durchgeführt CDU/CSU und der FDP zur zweiten Beratung des
worden. Ich kann feststellen, daß die Selbstkosten Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1962 hinsichtlich der
bei all diesen Tarifanträgen der Bundesbahn ge- Einfügung eines neuen § 8 gestellt haben. Nach die-
deckt waren und sind. sem Antrag sollen die Mittel für die Fortführung
Selbstverständlich endet die Prüfung der Tarif- begonnener und ,die Inangriffnahme neuer Baumaß-
anträge zur Frage des unbilligen Wettbewerbs nicht nahmen ,des Bundes sowie die Ausgabeansätze zur
erst dann mit einer Versagung, wenn ein ruinöser Förderung von Baumaßnahmen anderer Stellen in
Wettbewerb festgestellt wird. Hier spielt vielmehr Höhe von 20 % , des Jahresansatzes gesperrt werden,
schon die Frage, ob ein Verdrängungswettbewerb soweit nicht eine rechtliche Verpflichtung zu ihrer
vorliegt ein neuer Begriff, der im Gesetz nicht Leistung besteht. Es handelt sich hier um eine kon-
festgelegt ist — eine entscheidende Rolle. Nach der junkturpolitische Maßnahme, die in die Verkehrs-
Auffassung des für alle Kartell- und Wettbewerbs- politik eingreift. Für .die Bundesbahn, die natürlich
fragen sehr sachverständigen Mitgliedes der Euro- als ein zum Bund gehörendes Unternehmen auch
päischen Kommission, unseres Freundes von der unter diesen Aspekt fällt, bringt diese Bestimmung
Groebn,istdVäguwebrschonim sicherlich gewisse, mindestens moralisch bindende
allgemeinen als unbillig anzusehen, aber insbeson- Verpflichtungen in bezug auf ihr Investitionspro-
dere dann, wenn er in die Substanz eines anderen gramm.
eingreift, nicht nur bei einem Verkehrsträger, son-
Ich darf sagen, daß bei der Bundesbahn durch den
dern ganz allgemein. Er wirkt dann diskriminierend.
Bund die in den letzten Jahren entstandenen Be-
Deswegen muß man die Grenze des Verdrängungs-
triebsverluste bis einschließlich 1960 — das Jahr
wettbewerbs und die von ihm ausgehenden Folgen
1961 war ja ausgeglichen — verrechnet worden sind
sehr scharf erkennen.
gegen die der Bundesbahn früher gewährten Dar-
Gerade mit Rücksicht auf .den besonderen Schutz, lehen und ähnliche ihr gewährten Mittel, so daß
den die Bundesregierung ,den Einzelunternehmen des praktisch der Bund die ganzen Betriebsverluste
Mittelstandes im Güterverkehr und in der Binnen- übernommen hat, die der Bundesbahn bisher er-
schiffahrt, also hier den Partikulieren, angedeihen wachsen sind. Auf der anderen Seite hat der Bund
lassen will, gerade um zu erreichen, ,daß sich nicht Wert darauf gelegt, daß das Investitionsprogramm
durch den Eintritt des Verkehrs in die Marktwirt- der Bundesbahn keine Einschränkungen erfährt. Ge-
schaft bei diesen Verkehrsträgern Konzentrationen rade das hat ja wahrscheinlich den Haushaltsaus-
in großem Maße ergeben, hat der Bundesminister schuß auch zu der Art bestimmt, in der er an dem
für Verkehr den Antrag der Bundesbahn auf den „erratischen Block", wie er genannt wurde, der Bun-
Mehrmengentarif für Kohle abgelehnt. Er ist also desbahnzuschüsse einen für ,den Bundesminister für
1004 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
Verkehr ungemein schmerzlichen Abstrich vorge- Kredite aufgezehrt, die in diesem Jahr abgedeckt
nommen hat. Sie können sich vorstellen, daß der werden müssen. Die Kapitalaufstockung bildet also
Bundesminister für Verkehr sehr froh war, daß es keinen Bestandteil etwa der Kapitalrechnung, der
ihm endlich gelungen war, beim Bundesministerium sich in vermehrten Ausgaben niederschlagen kann.
der Finanzen bezüglich der Bundesbahn jene Unter- Praktisch ist also über diese 500 Millionen DM da-
stützung des Bundes zu erhalten, die es der Bundes- durch bereits disponiert, daß die von der Bundes-
bahn auch in diesem Jahre ermöglichen würde, eine bahn bisher laufend aufgenommenen sonstigen Kre-
abgeglichene Gewinn- und Verlustrechnung vorzu- dite aus der Vergangenheit in einer Größenordnung
legen. von über 400 Millionen DM daraus abgedeckt wer-
den.
Nun ist bei diesen Fragen sehr oft ein gewisser
Irrtum in der Betrachtung der Probleme entstanden, Für die Kapitalrechnung der Bundesbahn kommt
weil ja bekanntlich der Durchblick durch die Finanz- aber nun in Frage, was in § 8 im Zusammenhang
gebarung der Bundesbahn nicht ganz einfach ist, mit einem angekündigten Gesetz vorgesehen ist,
wenn man sich nicht schon lange Zeit damit be- wonach Behördenbauten, also auch Bauten, die die
schäftigt. Die Rechnung der Bundesbahn gliedert Bundesbahn im Hochbausektor ausführt, gesperrt
sich einmal in die Betriebsrechnung; in dieser Be- werden sollen. Von dem Anteil der Bauwünsche der
triebsrechnung sind den Erträgen die Aufwendun- Bundesbahn entfallen für das kommende Jahr un-
gen 'gegenübergestellt. Aus dieser Betriebsrechnung gefähr 150 Millionen DM auf Hochbauten. Dies ent-
erfolgt dann die Entwicklung der Gewinn und -
spricht praktisch ungefähr 20 % des Gesamtbetra-
Verlustrechnung, in der die Erträge den Aufwen- ges, der von der Bundesbahn für Ingenieur- und
dungen gegenübergestellt sind und in der sich na- Tiefbauten sowie Hochbauten eingesetzt ist, Wenn
türlich auch die Ergebnisse der dritten Rechnungs- die Hochbauten aus konjunkturpolitischen Gründen
gruppe, der Kapitalrechnung, niederschlagen. Aber nicht mehr durchgeführt werden können, wird also
die Kapitalrechnung einerseits und die Betriebsrech- die Bundesbahn in der Lage sein, diese 150 Millio-
nung mit der Gewinn- und Verlustrechnung an- nen DM in der Kapitalrechnung zu ersparen. Sie er-
dererseits sind eben absolut 'zwei Paar Stiefel, und spart sie aber nicht etwa in der Form, daß sie diese
wenn man nun bei der Kürzung in die Betriebsrech- 150 Millionen DM für andere Zwecke zur Verfügung
nung eingreift, kann man natürlich nicht erwarten, hat, sondern eben dadurch, daß sie für diese 150 Mil-
lionen DM in diesem Jahr keine zusätzlichen kurz-
daß ein Ausgleich der entstandenen Löcher in der
fristigen Kredite aufnimmt. Das ergibt sich aus der
Betriebsrechnung über die Kapitalrechnung erfol-
Situation und dem dabei zu beachtenden Rahmen.
gen kann. Die Kapitalrechnung hat ganz andere
Quellen als die Betriebsrechnung, und infolgedessen Dadurch gewinnt man also nichts für den Aus-
kann man nichts aus der Kapitalrechnung, bei der gleich der Betriebsrechnung. In der Betriebsrechnung
ja Kapitalbeträge — Eigenkapital und Fremdkapital ausschließlich Gewinn- und Verlustrechnung ist es,
— aufgenommen werden, etwa in die Betriebsrech- wie Sie wissen, so, daß der Betrag der Kürzung von
nung hinübernehmen. 280 Millionen DM natürlich bei den Erträgen in Fort-
fall kommt. Ich hätte gewünscht, daß man, wenn man
Es ist deswegen z. B. nicht gerechtfertigt, wenn eine solche Kürzung durchführt, wenigstens dem
zum Ausgleich der Kürzung darauf hingewiesen zuständigen Bundesminister in Verbindung mit dem
wird, 'daß der Bundesbahn erstmalig, und zwar in Finanzminister die Möglichkeit der Aufteilung über-
Verfolg der Vorschläge, die das Brand-Gutachten lassen hätte und diese Aufteilung nicht von vorn-
gebracht hat, vom Bund eine echte Eigenkapitalver- herein im Haushaltsausschuß festgelegt hätte. Ich
stärkung zur Verfügung gestellt wird. Sie wird habe diese Gedanken dort auch vorgetragen. Die
allerdings in der Form gewährt, daß der Bundes- Bundesbahn muß nun also versuchen, alles zu ver-
bahn die Aufnahme einer Anleihe von 500 Mil- anlassen, was sie tun kann, um dieser Kürzung mit
lionen D M gestattet wurde, für die der Bund den Ersparnissen zu begegnen. Die Personalausgaben
Zinsendienst und die Amortisation übernimmt, na- lassen sich nicht weiter einsparen, denn hier ist
türlich, Herr Kollege Bleiß, nicht nur für ein Jahr. schon eingerechnet, daß gewisse Minderausgaben
Das wäre natürlich keine Maßnahme zur Eigen- für Besoldung durch eine Ersparnis an Arbeitskräf-
kapitalverstärkung, sondern eine Zinsunterstützung ten, wie sie für das Betriebsjahr veranschlagt ist,
für eine vorübergehende Zeit, die ohne Bedeutung eintreten. Auch an Kohle und den laufenden Be-
wäre. Ich kann diese Zusage des Bundesfinanzmini- triebsstoffen kann nicht gespart werden.
steriums eben nur so auffassen, daß an Stelle der
von dem Brand-Gutachten gewünschten echten Zu- Die Bundesbahn kann ihrerseits nur sparen, indem
führung von Eigenkapital durch den Besitzer, näm- sie auf ihre Lagerbestände zurückgreift und ein Jahr
lich den Bund, an die Bundesbahn in Höhe von etwa lang versucht, weitgehend aus den Lagerbeständen
200 Millionen DM jährlich der Bundesbahn nunmehr zu leben, um damit maximal einen Betrag von etwa
für 1961 und 1962 ein Betrag von 500 Millionen DM 110 Millionen DM ersparen zu können. Das bedeutet
über eine Anleihe zugeführt wird, die sich nicht als natürlich, daß entsprechende Aufträge storniert
Fremdkapital, sondern als Eigenkapital niederschla- werden, die hier bei der Betriebsrechnung der Bun-
gen soll. desbahn unter den Sachausgaben mit ihren insge-
samt 495 Millionen DM ausgewiesen sind und die
Nun ist man vielleicht der Meinung, daß diese also um etwa 110 Millionen DM gekürzt werden
Kapitalaufstockung dazu dient, der Bundesbahn ein können. Selbstverständlich wirkt sich das insbeson-
echtes, neues Kapital zuzuführen. Das stimmt nicht; dere auf jenes Material aus, das lagerbeständig ist,
denn diese Kapitalaufstockung wird zum größten wie z. B. Schienen. Es ist meines Erachtens durchaus
Teil durch die sonstigen kurz- und mittelfristigen gerechtfertigt, daß die Bundesbahn hier versucht,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1005
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
alle nur möglichen Ersparnisse zu machen. Es würde Jahr die Autobahn von Wuppertal nach Kamen ein-
sich, wenn ihr dies gelingt, ergeben, daß bei der weihten, darauf hinweisen, daß die im Jahre 1956
Gewinn- und Verlustrechnung, wie sie jetzt vorliegt, dafür veranschlagte Bausumme beim Abschluß der
am Ende des Jahres nicht eine ausgeglichene Rech- Bauarbeiten um 0,2 %o unterschritten worden ist.
nung vorliegt, sondern — wenn diese Ersparnisse
(Zurufe aus der Mitte: Bravo!)
möglich sind — ein Unterschuß von etwa 170 Mil-
lionen DM verbleibt. Dabei muß ich allerdings be- Das ist vielleicht auch ein Zeichen dafür, daß man
merken, daß die Erträge, die gegenüber dem Vor- auf diesem Gebiet noch einen genügenden Wett-
jahr etwas höher veranschlagt wurden, sowohl im bewerb hat und daß immer noch freie Kapazitäten
Personenverkehr wie im Güterverkehr, in den zur Verfügung standen.
ersten drei Monaten 1962 nicht das gehalten haben, Nun gibt es natürlich beim Tiefbau — darauf hat
was wir erwarteten; denn wir haben in den ersten
der Kollege Eisenmann schon hingewiesen — noch
drei Monaten dieses Jahres eine um 3 % geringere
bestimmte Einrichtungen, für die ein Ausweichen
Wagengestellung gehabt. Es ist aber noch nicht aller
überhaupt nicht möglich ist; ich erinnere hier nur
Tage Abend, und vielleicht besteht die Möglichkeit,
an die Naßbaggereibetriebe. Die Naßbaggerei ist
daß einiges davon wieder aufgeholt wird.
z. B. einer der Zweige der Bauwirtschaft, bei denen
Sie wissen, daß die Bundesbahn sich auf der an- eine Überhitzung noch nie vorhanden gewesen, son-
deren Seite aus verkehrserhaltenden Gründen ge- dern stets eine Unterbeschäftigung vorhanden ist.
nötigt gesehen hat, ihre Massenguttarife an das Es sind Spezialfirmen mit Spezialgeräten, bei denen
Tarifniveau im Ausland, insbesondere in den EWG- man natürlich gar keine Möglichkeit hat, sie bei
Ländern, anzupassen, und daß infolgedessen auch anderen Aufgaben einzusetzen, die auf der anderen
hier noch Mindereinnahmen erwartet werden müs- Seite aber natürlich auch sehr daran interessiert
sen. So wird der aus dem Bundeshaushalt zu sind, ihr zu geringes Arbeitsvolumen zu halten. Das
deckende Verlust wohl noch höher werden. sind natürlich Fragen, die uns besondere Sorge
machen.
Herr Kollege Eisenmann hat ferner von der See-
schiffahrt gesprochen. Ich kann diese Frage verhält- Da wir — mit Zustimmung des Hohen Hauses —
nismäßig schnell mit dem Hinweis darauf beant- seit Jahren danach gestrebt haben, einen möglichst
worten, daß wir alle unter dem Eindruck der außer- kontinuierlichen Baufortschritt zu haben und nach
ordentlich großen Sorge stehen, die uns die wach- Möglichkeit auch die ungünstige Jahreszeit für
sende Flaggendiskriminierung in der Welt bereitet. unsere Bauten mit heranzuziehen, sind wir dazu
Praktisch kann man sagen: das Prinzip der Freiheit übergegangen, die Aufträge so frühzeitig zu ver-
der Meere und der Gedanke der Freiheit des Luft- geben, daß praktisch das Hauptbauvolumen schon in
verkehrs wird allmählich durch eine vollendete Dis- den Wintermonaten vergeben ist, damit die guten
kriminierung in allen Erdteilen abgelöst. Ob es Baumonate, die Sommer- und Herbstmonate, voll
gelingt, diese großen internationalen Verkehrsträ- für die Ausführung dieser Aufträge ausgenutzt
ger aus diesen diskriminierenden Bindungen her- werden können. Denn es ist ganz klar: die Auswir-
auszulösen, die sich vor allen Dingen auch dadurch kungen einer Sperrung von Mitteln für Investitionen
ergeben, daß neu entstehende und weiter sich ent- im Tiefbau, die man zu Beginn der Sommermonate
wickelnde Länder den Wunsch haben, sich auf dem ausbringt, kann man auch im Herbst und Winter
Gebiet der Seeschiffahrt oder der Luftfahrt autark nicht wieder aufholen, wenn man dann hinterher
zu machen, bleibt natürlich der Zukunft vorbehalten. die Mittel noch glaubt freigeben zu können; das ist
Ich kann nur dringend empfehlen, daß das Außen- dann endgültig vorbei und diese Zeit ist verloren!
handelswirtschaftsgesetz in verstärktem Maße zur Deswegen stimmt es durchaus, Herr Kollege Bleiß,
Anwendung kommt, daß die darin gegebenen, vom daß ich festgestellt habe: Nach einer 20 %igen Sper-
Bundestag bewilligten Möglichkeiten zum Schutz rung der Mittel für den Tiefbau insgesamt, Wasser-
gegen Flaggendiskriminierungen wirklich eingesetzt straßenbau und Straßenbau, können die bisher ins
werden. Man kann immer wieder nur hoffen, daß es Auge gefaßten Ziele der Fertigstellung oder des
gelingt, bei den internationalen Verhandlungen zu Beginns einzelner Bauvorhaben natürlich nicht mehr
erfreulichen Ergebnissen zu kommen. eingehalten werden, sondern sie werden sich um
Ich darf weiter auf das eingehen, was Herr Kol- eine entsprechende Zeit verschieben. Es ist in der
lege Eisenmann über die Projekte in der Investition, lezten Zeit in der Öffentlichkeit oft Kritik daran
also im Straßenbau und im Wasserbau, gesagt hat. geübt worden, daß die angesagten Termine nicht
Wir müssen unter dem Eindruck des vorgeschla- pünktlich eingehalten werden. Allerdings kann man
genen § 8 des Haushaltsgesetzes wohl folgendes bei so großen Bauvorhaben solche Termine ohnehin
festhalten: immer nur für einen gewissen Zeitraum angeben.
Ich war also genötigt, von vornherein auf diese
Ich bin mit den Vorrednern aus meiner Kenntnis der
Konsequenz hinzuweisen.
Verhältnisse durchaus darüber einig, daß wir im Tief-
bau keine Überhitzung haben. Die Preise, die wir im Wir haben also schon in erheblichem Maße im
Tiefbau — sowohl im Wasserstraßenbau wie im Stra- Winter Aufträge für den Straßenbau vergeben. Wir
ßenbau — bezahlen, sind durchaus angemessen und haben bis jetzt praktisch 1550 Millionen DM in die-
verhalten sich im Verhältnis zu den Preisen der sem Jahr vertraglich gebunden. Ich halbe somit zur
Jahre 1958 bis 1960 fast unverändert. Nur bei den Zeit überhaupt nur noch 300 Millionen DM zur Ver-
Brücken ist eine geringe Preissteigerung zu ver- fügung, so daß eine Kürzung der bauwirksamen
zeichnen. Immerhin konnte ich, als wir im vorigen Mittel um 20%, die 360 Millionen DM erfordern
1006 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm


würde, nicht mehr möglich ist, sondern nur noch eine bis 1964 verschieben. Aber wir brauchen auch ge-
solche um 17 %. Das hat mich veranlaßt, sofort sämt- nügend Entscheidungsfrist, um derartige Objekte an-
liche Vergaben zu stoppen. Als erstes habe ich zufassen und für sie die gesetzliche Grundlage zu
— charity begins at home — die Vergabe der jetzt erlangen.
zur Vergabe anstehenden Arbeiten für die Beendi- Ich bin angegriffen worden, weil ich darauf hin-
gung der sogenannten Drei Städtestraße
- — von gewiesen habe, daß der Nord-Süd-Kanal allein nicht
Braunschweig über Salzgitter zur Nord-Süd-Auto- existieren kann. Sie wissen, daß ich früher dargelegt
bahn — im Raume der Stadt Salzgitter, Stadtteil habe, daß es das Wasserstraßen-Programm der Bun-
Lebenstedt, gestoppt. Es ist ganz klar, daß man bei desregierung sei, die deutschen Nordseehäfen und
diesen Kürzungen nicht etwa danach verfahren auch Lübeck — gerade wegen ihrer Konkurrenzlage
kann, ob und welche guten und freundschaftlichen im Gesamtraume der EWG-verkehrlich nicht nur
Beziehungen bestehen, sondern daß man gerecht gut mit der See zu verbinden durch Vertiefung der see-
verfahren muß und daß alle Beteiligten betroffen wärtigen Zufahrten, soweit es technisch möglich und
werden. wirtschaftlich vertretbar ist, sondern auch ihre rück-
Bei der Südumgehung Hamburgs wirken sich na- wärtigen Verbindungen neben Straße und Schiene
türlich nicht nur die Flutkatastrophe, sondern auch auch auf den Wasserstraßen auszubauen. Sie wissen,
diese Kürzungen aus. Wir hoffen trotzdem bis zur daß dabei Autobahnbauten, Elektrifizierung der
Fertigstellung der Vogelfluglinie die Südumgehung Bundesbahn, Kanalbauten und Flußausbauten in
Hamburgs in Betrieb nehmen zu können. Es wird großem Maße in den letzten Jahren ausgeführt sind.
eine Verzögerung um einige Monate geben. Immer- In dieses Programm gehört selbstverständlich auch
hin ist der gesperrte Betrag nicht unerheblich, und der Wasserstraßenanschluß Hamburgs, das jetzt nur
Sie werden verstehen, daß ich, wenn ich mich hier über die Elbe erreicht werden kann.
unterwerfen muß, die weitere Vergabe von An- Dabei ist es selbstverständlich, wenn wir eine
schlußaufträgen zu unterlassen habe; denn wir ha- Wasserstraße neu oder ausbauen, daß wir sie natür-
ben ja die uns verbleibenden Mittel schon weit- lich nach den europäischen Richtlinien ausbauen: für
gehend, sogar über das uns gesetzte Maß hinaus, 2,50 m Abladetiefe und für 1350 t tragende Kähne.
gebunden. Der Mittellandkanal dagegen ist seinerzeit nur für
Ähnlich liegt es beim Wasserstraßenbau. Auch hier eine Abladetiefe von 2 m und für 700 t tragende
sind die Mittel so weit gebunden, daß Anschluß- Kähne nach den Abmessungen der Elbe ausgebaut
aufträge nun nicht mehr vergeben werden können. worden. Wenn ich also den Nord-Süd-Kanal b is
Wir brauchen beim Wasserstraßenhaushalt nicht un- Fallersleben ausbaue, dann kann ich natürlich mit
erhebliche Mittel — das wissen die Herren des Haus- den 1350-t-Schiffen nicht weiterfahren, wenn ich
haltsausschusses sehr gut — zur Abdeckung von nicht auch den Mittellandkanal vorher ausgebaut
Vorfinanzierungen, so z. B. für schon ausgeführte habe. Deshalb ist es durchaus richtig, wenn der Bun-
Arbeiten im Bereich des Neckars, der Mittelweser, desminister für Verkehr sagt: es handelt sich um ein
der Elbe und des Dortmund-Ems-Kanals. Wir haben Gesamtprojekt, das den Nord-Süd-Kanal und den
natürlich in diesem Jahr auch schon zahlreiche Auf- Ausbau des Mittellandkanals umfaßt, von über 1 1/2
träge vergeben, z. B. die Aufträge für die Mosel- Milliarden DM. Wenn ich allein nur die Kanal-
kanalisierung, zu der wir nach internationalen Ver- strecke rechne, die den niedersächsischen Industrie-
trägen verpflichtet sind, denn dort sollen die Ar- raum umfaßt, also etwa bis zur Schleuse Anderten,
beiten nach Möglichkeit bis Ende des nächsten Jah- oder auch mit Umbau der Schleuse Anderten, um
res so gefördert sein, daß die Schiffahrt aufgenom- auch die hannoverschen Häfen noch zu erreichen, so
men werden kann. Wir haben auch eine Reihe son- ist das immerhin ein Gesamtprojekt von über 1 Mil-
stiger Arbeiten vergeben. Die Kürzungen müssen liarde DM. Man soll sich also nicht einbilden, man
also dort vorgenommen werden, wo wir Aufträge könne den Nord-Süd-Kanal als eine isolierte Ange-
bisher noch nicht vergeben konnten. legenheit auffassen und bauen. Dazu muß ich noch
Selbstverständlich wirkt sich das auch auf be- bemerken, daß bei solchen Bauten, was doch dabei
stimmte Bauvorhaben aus, die uns sehr em Herzen ja immer wieder eine erhebliche Rolle spielt, ein
liegen, z. B. auf den Nord Ostsee Kanal. Auch dort
- -
Verkehrswert erst entsteht, wenn das Ganze fertig
tritt 'infolge der Kürzung natürlich eine gewisse Ver- ist, und nicht vorher. Teilverkehrswerte entstehen
zögerung der geplanten Baumaßnahmen ein. Auch dabei nicht, wie z. B. bei der Elektrifizierung der
bei solchen neuen Großobjekten, wie z. B. bei dem Bundesbahn oder beim Bau von Autobahnen. Das
Nord Süd Kanal, ergibt sich aus dieser Lage selbst-
- -
macht die Aufgabe natürlich besonders schwierig.
verständlich, daß wir diese Projekte zurückstellen. Denn die Ausführung solcher Arbeiten erfordert bei
Sie können also nicht damit rechnen, daß wir Ihnen einem Objekt wie dem Nord-Süd-Kanal, sagen wir,
bei der Kürzung der Mittel in diesem Jahr und bei mindestbachJre;sltwnma
den so entstehenden Überhängen, die in das näch- sich alle Mühe gibt und alle Mittel zur Verfügung
ste Jahr hineinragen, irgendwelche großen Pro- hat, dann ist es technisch einfach nicht schneller
möglich.
jekte vorschlagen und sie im nächsten Jahr begin-
nen können. Ich glaube, das wäre für den Nord- Nun komme ich noch einmal zum Straßenbau zu-
Süd-Kanal auch nicht möglich, weil dafür in diesem rück, denn der Herr Kollege Bleiß hat hier auch vom
Jahr noch Vorarbeiten durchgeführt werden müssen, Straßenbau innerhalb der Gemeinden gesprochen.
die Hamburg finanzieren (will, so daß wir sowieso Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß die beiden
im nächsten Jahr kaum hätten mit dem Bau anfangen Vierjahrespläne sowohl der für den Wasser-

können. Der Beginn wird sich also sicher mindestens straßenbau wie der für den Straßenbau — fertig
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1007
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
sind. Ich habe sie natürlich nicht unter dem Eindruck deln können und da schon schneller zu Ergebnissen
der Kürzungen und irgendeiner Konjunkturbeein- kommen.
flussung aufgestellt, sondern ich habe sie so auf-
Seien Sie versichert, daß wir einen engen Kontakt
gestellt, wie es die Ziele erfordern, die wir erreichen
mit dieser Kommission, die sich aus ausgezeich-
zu müssen glauben. Es hieße Eulen nach Athen tra-
neten Fachleuten zusammensetzt, haben und daß
gen, würde ich über die Notwendigkeit des Straßen-
wir natürlich in der Zwischenzeit nicht müßig sein
baues und die Notwendigkeit der Erweiterung des
werden, unsere Gemeinden nach Möglichkeit zu
Straßenraumes bei wachsender Kraftfahrzeugzahl
unterstützen.
und über die Bedeutung des Straßenbaus für die
Verkehrssicherheit ein Wa rt verlieren. Ich würde Sie, Herr Kollege Dr. Bleiß, haben auf die Richt-
Sie damit nur unnütz aufhalten. Aber Sie werden linien angespielt. Da handelt es sich wiederum nur
mir zugeben, daß uns gerade im zweiten Vierjahres- um vorläufige Richtlinien. Wir haben sie heraus-
plan neben der Aufgabe der Fortsetzung des Aus- gegeben, um überhaupt, nachdem wir im Vorjahr
baues des Autobahnnetzes, dass gleichzeitig das die neuen Gesetze erhalten haben, eine Sicherung
Europa-Straßennetz ist — wir bauen unser Straßen- dafür zu haben, daß die Angelegenheit in diesem
netz ja nicht nur für die Bundesrepublik, sondern dm Jahr auch rollen kann. Die vorläufigen Richtlinien
Hinblick auf Gesamteuropa aus —, gleichzeitig das bedürfen selbstverständlich der Zustimmung des
Vorfeld der großen Städte besonders beschäftigen Herrn Bundesministers der Finanzen, denn der Bun-
wird, besonders mit dem Ausbau von vier- bis sechs- desverkehrsminister hat, auch wenn er federführend
spurigen autobahnähnlichen Ausfallstraßen. Dafür ist, nicht die Möglichkeit, allein zu verfügen, wenn
habe wir erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt es sich um Ausgaben handelt. Das weiß .eigentlich
und eingeplant, und die Vorarbeiten sind schon ge- jeder. Diese Zusammenarbeit ist also notwendig.
troffen. Denn dieses Vorfeld der Städte bereitet uns Das Veto des Herrn Bundesministers der Finanzen
ebensosehr Sorge wie der Verkehr in den Städten. ist natürlich auch in den Richtlinien an verschiede-
Nun zu dem Verkehr in den Städten. Der Bund nen Stellen zum Ausdruck gekommen.
hat nach dem Grundgesetz nur eine gewisse Zustän- Zwei Punkte haben Sie mit Recht besonders ange-
digkeit für die Durchfahrt von Bundesfernstraßen sprochen; sie machen auch mir erhebliche Sorgen.
durch die Großstädte. Hier kann er Zuschüsse lei- Sie wissen, daß ich persönlich der Meinung bin, daß
sten. Zur Leistung dieser Zuschüsse ist er auch der Grunderwerb durchaus zu den zu bezuschussen-
immer gern bereit gewesen. Er hat sie von Jahr den Teilen der Bauvorhaben gehört, und zwar in
zu Jahr gesteigert, und sie sind von Jahr zu Jahr einem viel größeren Maße, als mir das bisher er-
in einem immer höheren Ausmaß nicht abgerufen laubt worden ist. In den Richtlinien steht jetzt drin
worden. Das muß man immer wieder feststellen. — früher haben wir das gar nicht gehabt —, daß
Man kann sich doch nicht hinstellen und sagen: Die die Zuwendungen 40 %der Grunderwerbskosten
Gemeinden müssen dringend unterstützt werden, betragen, die 10 % der zuschußfähigen Baukosten
die Gemeinden, die im Vorjahr z. B. nur 50 % der überschreiten. Übersteigt das Bauvorhaben wegen
Mittel, die ich dafür zur Verfügung gestellt - habe, der Höhe der Baukosten die Leistungsfähigkeit des
abgerufen haben. Ich hätte die nicht abgerufenen Trägers der Straßenbaulast, so können für den hier-
Mittel gern anders verbaut. Aber ich hatte sie für nach nicht bezuschußten Teil der Grunderwerbs-
die Gemeinden vorgesehen. Wir haben uns gesagt: kosten in der Höhe Zuwendungen gewährt werden,
Wir können uns, solange unsere Enquete Kommis-
- in der das Land hierfür auch Zuwendungen gibt. Es
sion noch nicht zu Ergebnissen gekommen ist, nur ist also durchaus ein im Interesse der Gemeinden
daran halten, daß wir jene Städte berücksichtigen, dehnbarer Begriff. Die Zuwendungen können hier
die Generalverkehrspläne aufgestellt haben, d. h. erweitert werden. Das entspricht aber nicht voll mei-
Verkehrspläne, die auch von ihren Beschlußkörper- nen Wünschen; denn ich weiß, welche Bedeutung in
schaften genehmigt sind, weil ich nämlich sonst bestimmten Großstädten die Grunderwerbskosten
immer überall mit der Stange im Nebel herumfahre, und die Freimachungskosten, die dazu gehören, ha-
während die Beschlußkörperschaften ihre Auffas- ben. Daß ich hier gern eine andere Regelung haben
sungen immer wieder ändern. Wir haben eine Groß- möchte, ist Ihnen bekannt. Wie gesagt: Es handelt
stadt in Bayern — es ist nicht Nürnberg —, die in sich um vorläufige Richtlinien. Ich hoffe, wir können
ihrem Bereich so verfährt. Es ist dann natürlich prak- sie gemeinsam erörtern. Dann werden wir weiter-
tisch gar nicht möglich, mit solchen Gemeinden kommen.
wirklich fruchtbringend zusammenzuarbeiten, ob- Etwas anderes ist die Frage nach der Verlegung
wohl man sich die größte Mühe gibt. Wir verlangen der öffentlichen Verkehrsmittel. Damit ist das Pro-
also diese Generalverkehrspläne, bis wir einmal blem der zwei Ebenen angesprochen: Unterflurbahn
von der Enquete-Kommission einen Bericht erhalten oder Hängebahn oder Allweg-Bahn oder was Sie
werden. Die Enquete-Kommission wird gut und wollen. Diese Dinge scheinen mir doch zuwenig ge-
schnell arbeiten. Ich halbe sie gebeten, jeweils, wenn klärt zu sein, als daß man auf Grund von sehr vagen
sie mit einem bestimmten Arbeitskreis oder -gebiet Plänen, die in den Gemeinden geistern, Zuschüsse
fertig ist, einen Zwischenbericht zu erstatten, ganz gewähren könnte. Die Sache ist auch deshalb noch
unabhängig vom Termin; denn es ist ja durchaus nicht reif, weil die Mittel, die hier benötigt werden,
möglich, daß wir z. B. das Problem der Garagen- ungemein hoch sind. Sie wissen, daß es sich bei Un-
ordnung — das ja meinen verehrten Herrn Kollegen terflur-Straßenbahnen in einer Stadt im allgemeinen
Lücke betrifft und nicht mich —, gegebenenfalls zu- um ein Projekt handelt, das nicht Millionen, son-
sammen mit der Frage der Schaffung von Schutz- dern Hunderte von Millionen kostet. Ergo muß man
räumen, schon vorher in einer neuen Weise behan sich die Sache sehr genau überlegen. Hier möchte
1008 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm


ich doch gern das Ergebnis der Enquete-Kommission Ich habe seinerzeit ein Gutachten des Bundes-
abwarten, die sich mit diesem Problem beschäftigt; gesundheitsamtes angefordert. Das Bundesgesund-
ich glaube, daß das auch im Interesse der Mitglieder heitsamt sollte feststellen, bei welchem Wert des
des Bundestages wäre, die uns dieses Mittel bewil- Alkohols im Blut eine absolute Fahruntüchtigkeit
ligen sollen. Sie könnten uns die Mittel, die wir in für alle Menschen gegeben ist; d. h. also, bei wel-
unseren Voranschlägen anfordern werden, guten chem absoluten Wert eine Fahrtüchtigkeit unter
Gewissens bewilligen, wenn Sie die. Ergebnisse der keinen Umständen mehr besteht. Ferner sollte in
Untersuchung vorliegen haben. Sehen Sie also bitte diesem Gutachten der 'Grenzwert festgestellt werden,
in dieser Angelegenheit nicht eine absolute Absage. bei dem bei einer überwiegenden Mehrzahl von
Das Problem läßt sich eben nicht so schnell, wie man Menschen 'Fahruntüchtigkeit angenommen werden
sich das im Ausschuß gedacht hat, lösen; wir können muß. Das Gutachten wird von einer Reihe von Pro-
es nur von Fall zu Fall anfassen. Das soll nicht be- fessoren erstellt werden; dabei werden natürlich die
deuten — es bedeutet es auch nicht, wie Sie an ein- wissenschaftlichen Methoden der Untersuchung ge-
zelnen Teilen des Ruhrschnellweges sehen —, daß nau geprüft werden. Das Gutachten liegt bisher noch
wir uns solchen Fällen vollkommen verschließen. nicht vor. Auch das erste Teilgutachten ist noch
Wenn es möglich ist, haben wir geholfen. immer nicht eingereicht worden. Es sollte Aussagen
Nun haben verschiedene Herren noch das Punkt- über den soeben erwähnten Grenzwert bringen. Ich
system und die Promillegrenze angesprochen. Es will gerne darauf noch warten und die Sache erst
würde mir vielleicht verargt, wenn ich darauf nicht dann endgültig zu einer Entscheidung vorlegen,
eingehen würde. 'Herr Kollege Eisenmann, ich habe wenn wir auch über den absoluten Wert Bescheid
neulich schon in der Fragestunde gesagt, daß das wissen. Ich für mein Teil kann Ihnen nicht sagen,
Punktsystem eine Empfehlung der Länderkonferenz, wann dieser Wert erreicht ist; aber ich weiß, daß
die gemeinsam mit uns tagt, 'an die Länder gewesen er bei den einzelnen Menschen verschieden erreicht
ist. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß irgend- wird, und daß die Gefahr eben dann sehr groß ist.
eine Richtlinie hier gegeben werden sollte. Das Es ist jetzt in München ein Fall gewesen, wo ein
Ganze ist keine zwingende Vorschrift für die Ent- junges Mädchen, das mit ihrem Begleiter in einer
scheidungen, sondern nur eine Richtlinie für die Ver- Wirtschaft gesessen hat, nachts zurückgefahren ist
waltungsbehörden, wie sie bei den Mehrfachtätern, und beim Fahren über den Sendlinger Torplatz
die innerhalb von zwei Jahren wiederholt rechtskräf- einen Fußgänger überfahren und tödlich verletzt hat.
tig verurteilt sind, verfahren sollen. Sie sollen nach Das Interessante war, daß das Mädchen und ihr
drei rechtskräftigen Verurteilungen pro Jahr 'die Begleiter bei der polizeilichen Vernehmung aus-
Leute einmal vorladen, mit ihnen sprechen und ihnen sagten, die Ampel habe auf Grün gestanden, und
I) ins Gewissen reden. Nach sechs oder sieben rechts- der Fußgänger hätte deshalb die Straßenkreuzung
kräftigen Verurteilungen innerhalb von ein oder nicht überschreiten dürfen; in Wirklichkeit war die
zwei Jahren sollen sie die Leute einmal zum Ver- Ampelabrsit10Uhndlgecat,u
kehrsunterricht laden; das scheint mir nicht ganz un- der Unfall ereignete sich nachts um 1/21 Uhr. Wenn
angebracht zu sein. Wenn der Betreffende - neun da vielleicht einer sagt, dieses 'Mädchen oder der
oder zehnmal innerhalb von zwei Jahren rechts- Begleiter — sie hatten, wie sie sagten, kaum etwas
kräftig verurteilt ist, sollen sie prüfen, ob der Füh- getrunken — seien noch fahrtüchtig gewesen, dann
rerschein entzogen werden soll. Dabei wird der kann ich es nicht ändern. Hier scheint mir denn doch
Führerschein nicht von Laien entzogen. Sie werden die Sache wirklich so zu sein, daß man diese Pro-
ja Verwaltungs- und Polizeidienststellen nicht als bleme nicht nach irgendeiner propagandistisch-poli-
Laien dm Verkehr betrachten; die verstehen — ver- tischen Seite ausspielen durfte; und vor allem,
zeihen Sie den harten Ausdruck — manchmal mehr meine sehr verehrten Damen und Herren: halten wir
als die Richter vom Verkehr. Ich will dabei gar uns in solchen Fällen bitte nicht an das, was eben
kein Werturteil abgeben. Aber auch die Taten der auch die großen Automobilclubs mit Rücksicht auf
als „Laien" gekennzeichneten Herrschaften können ihre Mitglieder und ihre Mitgliedsbeiträge der
wiederum gerichtlich überprüft werden. Wem der Öffentlichkeit laufend unterbreiten müssen, sondern
Führerschein entzogen ist, der kann dagegen beim arbeiten wir danach, was wir nach unserem Gewis-
Gericht Einspruch erheben. Die Rechtstaatlichkeit ist sen für notwendig halten.
also bei uns zu einer solchen Perfektion entwickelt,
daß man nicht sagen kann, es würde bei uns jemand Zum Schluß darf ich noch ein Wort über das Klima
unrecht geschehen. Er muß sich allerdings wehren. im Verkehr sagen. Herr Kollege Müller-Hermann,
Wenn er das nicht tut, dann ist er selber schuld, Sie wissen genauso gut wie ich, daß wir im Ver-
wenn er etwas hinnehmen muß, das ihm nicht paßt. waltungsrat der Deutschen Bundesbahn, im Verwal-
tungsrat 'der Bundesanstalt für Güterfernverkehr
Nun zu der Frage der Promillegrenze. Es hieße Herren dieses Hauses begrüßen.
Wasser in den Rhein tragen, jetzt von dem Alkohol (Abg. Müller-Hermann: Aber nicht als Mit
als einer Gefahr — besonders im Verkehr, aber glieder dieses Hauses!)
auch sonst — zu sprechen. Sie kennen alle die gro-
ßen Bedenken, 'die hinsichtlich des Einflusses be- — Verzeihung — wir haben im Verwaltungsrat der
stehen, den der Alkohol auf die Volksgesundheit Bundesbahn von jeder Fraktion ein Mitglied, näm-
ausübt. Sie wissen auch, in welchem Maße 'das lich 'die Herren Rademacher, Günther und Seibert;
heimliche Trinken — wie man es früher nannte — vielleicht habe ich sogar noch einen vergessen, und
schädigend auf die Volksgesundheit wirkt. Davon wir haben noch einen mehr. Aber jede Fraktion ist
will ich hier jetzt nicht sprechen. im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn durch
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1009
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
e i n Mitglied unseres Verkehrsausschusses vertreten; in seiner Haushaltsrede am 13. März zu diesen
und es wäre ja verhältnismäßig einfach, wenn die Maßnahmen bekannt hat.
Herren, die — wenn auch aus anderen Gründen — (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)
dem Verwaltungsrat angehören, in ihren Fraktionen
jeweils gebeten würden, Über die Angelegenheiten Mit Bedauern mußten wir hingegen verzeichnen,
der Bundesbahn zu berichten, um ein besseres Ver daß die Mehrheit ides Haushaltsausschusses am
hältnis zwischen diesem Hohen Hause und der Bun- 28. Februar eine Kürzung des Ansatzes im Regie-
desbahn herbeizuführen. Ich würde es sehr dankbar rungsentwurf um 280 Millionen DM beantragt hat.
begrüßen. Dabei muß festgestellt werden, daß der vorgeschla-
gene Kürzungsbetrag von 280 Millionen DM nicht,
Darüber hinaus möchte ich aber bemerken, daß wie allgemein vom Herrn Bundesminister der Finan-
die Frage des Klimas innerhalb ides Verkehrssektors zen empfohlen, 12 %, sondern 24% ausmacht. Eine
tatsächlich nur durch den Wettbewerb, den Preis- 12%ige Kürzung hätte einen Betrag von 140 Mil-
wettbewerb .beeinträchtigt ist. In einer geordneten lionen DM ergeben.
gemeinsamen Zusammenarbeit ist die Geschichte
mit dem Klima nicht so schlimm, da kann man sich Diese Kürzung ist .ein Rückschritt auf dem Weg
schon vertragen. Wenn aber die Dinge so hart auf der -finanziellen Neuordnung zwischen Bund und
hart gehen und wenn die Preise so knapp sind, wird Bundesbahn und bedeutet praktisch die Aufrecht-
die Sache mit dem Klima sehr schwierig. Man sollte erhaltung der seit Jahren bestehenden Diskriminie-
nicht meinen, daß man bei dem Anstreben einer rung der Deutschen 'Bundesbahn gegenüber den
möglichst für die verladende Wirtschaft guten Ver- Bahnen anderer europäischer Staaten.
teilung des Ladeaufkommens auf die Verkehrsträ- Die Deutsche Bundesbahn schloß in den Nach-
ger durch scharfen Preiswettbewerb erwarten kann, kriegsjahren — mit Ausnahme des Jahres 1951 —
daß zwischen den Verkehrsträgern ein besonders mit einem finanziellen Defizit, und zwar, wie man
gutes Klima herrscht. Das soll nicht heißen, daß ich hinzufügen muß, mit einem künstlichen, mit einem
nicht schon wiederholt öffentlich idem größten Ver- unechten Defizit ab. Das ist vor allem auf folgende
kehrsträger dringend nahegelegt habe, als der Gründe zurückzuführen. Die heute großenteils be-
größte und als der älteste der Brüder für ein solches hobenen Kriegsschäden der Deutschen Bundesbahn
gutes Klima besonders Sorge zu tragen und mehr, mußten von ihr aus eigener Kraft beseitigt werden.
als es bisher geschehen ist. Ich wäre Ihnen dankbar, Demgegenüber erhielten z. B. die Bahnen in Belgien
wenn Sie mich bei diesem ,Bemühen unterstützen 1,6 Milliarden, in Frankreich 3,8 Milliarden, in Ita-
würden. lien 3 Milliarden D-Mark. Die Deutsche Bundesbahn
(Beifall bei den Regierungsparteien.) erhielt keine Unterstützung. Stattdessen wurde ein
Jahrzehnt lang Gutachten auf Gutachten über die
Bundesbahn erstellt. Das letzte Gutachten ist das
Vizepräsident Schoettle: Damit ist die allge- 1958 von diesem Hause in Auftrag gegebene soge-
meine Aussprache zum Einzelplan 12 geschlossen.
- nannte Brand-Gutachten. Leider wurden bis zu dem
Wir kommen nun zur Behandlung der vorliegenden Haushaltsvoranschlag 1962 aus den wertvollen An-
Anträge. Es sind zwei Anträge, 'auf Umdruck 54 zu regungen dieser Gutachten .keine entscheidenden
Kap. 1202 und auf Umdruck 53 zu Kap. 1215. Wer- Konsequenzen gezogen. Der überwiegende Teil der
den die Anträge begründet? — Das Wort zur Be- Bahninvestitionen für die Beseitigung der Kriegs-
gründung des Antrags 54 hat , der Abgeordnete schäden und des in den Kriegsjahren entstandenen
Seibert. Nachholbedarfs mußte mit Fremdmitteln finanziert
werden.
Lassen Sie mich neben dieser Feststellung drei
Seibert (SPD) : Der Deutsche Bundestag hatte am sehr aufschlußreiche Zahlen nennen. Im Jahresab-
12. Februar 1958 die Einsetzung einer unabhängigen
schluß der Deutschen Bundesbahn von 1961 ist die
Prüfungskommission für die Bundesbahn gefordert.
Summe von 8 Milliarden DM Kreditverbindlichkeit
Der Bericht dieser Prüfungskommission wurde dem ausgewiesen. Dafür müssen im Jahr 1962 allein 850
Hohen Hause am 10. Februar 1960 vorgelegt. Der Millionen DM Zinsen und Tilgungsraten aus der
Bericht schlägt vor, die finanziellen Beziehungen laufenden Betriebsabrechnung entrichtet werden.
zwischen Bund und Bundesbahn zu bereinigen. Ein Diese 850 Millionen DM machen rund 11 % der lau-
gleicher Vorschlag wurde bereits im Jahre 1957 fenden Einnahmen der Deutschen Bundesbahn aus.
durch die europäische Verkehrsministerkonferenz
Kein Betrieb der übrigen Wirtschaft kennt derartige
unter dem Stichwort „Normalisierung der Konten"
Belastungen, um so weniger, als es den übrigen
allen europäischen Parlamenten vorgelegt. Andere
Betrieben der Wirtschaft ermöglicht wurde, in rei-
europäische Staaten sind diesem Vorschlag 'bereits
chem Umfang von der weit kostengünstigeren
weitgehend gefolgt. So hatten beispielsweise Bel- Selbstfinanzierung bzw. Eigenfinanzierung Gebrauch
gien 74% und Frankreich 71% der betriebsfremden zu machen. Allein bei einer derartigen, der Bundes-
Lasten einschließlich der Wegekosten übernommen, bahn von ihrem Eigentümer selbst auferlegten
die Bundesrepublik demgegenüber — nach dem Finanzierungspolitik mußte zwangsläufig ein soge-
Stand von 1959 — nur 16 %. Es ist daher zu begrü- nanntes Defizit auftreten.
ßen, daß die Bundesregierung endlich in ihrem Ent-
wurf zum Bundeshaushalt 1962 einen ersten ent- Der zweite entscheidende Punkt betrifft die hohen
scheidenden Schritt in dieser Richtung vollzogen Versorgungslasten der Deutschen Bundesbahn.
und daß sich .der Herr Bundesminister der Finanzen Selbst nach Abnahme der politischen Pensionsver-
1010 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Seibert
pflichtungen der Bundesbahn durch den Bund dm gestiegen sind und allgemein die Arbeitszeit sowie
Jahre1957btgndiVsorulate die höchst zulässige Dienstzeit bei der Bahn 'herab-
Deutschen Bundesbahn heute noch 56% der an das gesetzt werden konnten. Letztere beträgt aber im-
aktive Personal gezahlten Gehälter. Diese weit mer noch 56 Stunden wöchentlich. Weitere inner-
überhöhte Belastung ist darauf zurückzuführen, daß betriebliche Rationalisierungen ohne Kapitalzufuhr
sich die Personalvermehrung bei der Deutschen sind bei der Deutschen Bundesbahn nicht möglich.
Bundesbahn bzw. früher Reichsbahn während des Das Eisenbahnpersonal kann nicht noch mehr be-
Krieges jetzt mehr und mehr in den Versorgungs- lastet werden. Es muß mit einem gerechten Teil an
lasten der Deutschen Bundesbahn auszuwirken be- dem Rationalisierungsergebnis beteiligt sein. Auch
ginnt. Den übrigen Bereichen der Wirtschaft sind die da und dort wiederholt, sicher unüberlegt ge-
derartige Versorgungslasten fremd. Während bei stellte Forderung, die Deutsche Bundesbahn solle
der Deutschen Bundesbahn die Versorgungslasten sich gesundschrumpfen, ist kein geeigneter Weg. Er
56 % der Gehälter der aktiven Beamten ausmachen, führt zu Schließungen von Nebenstrecken und son-
hat die Wirtschaft durchschnittlich nur mit 'einer stigen Bahnanlagen zum Nachteil der Bevölkerung
22%igen Belastung zu rechnen. Das Scheindefizit und 'der Wirtschaft. Die 'finanziellen Einsparungen
der Deutschen Bundesbahn muß auch damit zwangs sind dabei unibedeutend und stehen in gar keinem
läufig größer werden. Andere Länder innerhalb der Verhältnis zu den Nachteilen, die dadurch 'den be-
EWG haben ihren Bahnen die Pensionslasten abge- troffenen Gebieten entstehen. Daß dieser Weg abso-
nommen. Die oft herausgestellte Wirtschaftlichkeit lut falsch ist, haben auch besonders in letzter Zeit
der niederländischen Bahn z. B. beruht letzten Endes die wiederholten Anfragen verschiedener Kollegen
mit darauf, daß ihr die Pensionsverpflichtungen vom aus lallen Fraktionen, aus den verschiedenen Gebie-
niederländischen Staat abgenommen wurden. ten 'unserer Bundesrepublik an den Herrn Bundes-
Ein letzter Punkt betrifft die Tarifauflagen der verkehrsminister eindeutig gezeigt.
Deutschen Bundesbahn. Dem Brand-Gutachten, das Meine Damen und Herren, die 'Bundesregierung
allen Kollegien dieses Hauses vorliegt, ist zu ent- hat 'endlich in Anlehnung an 'die Empfehlung der
nehmen, daß allein beim Berufs- und Schülerverkehr europäischen Verkehrsministerkonferenz sowie an
ein Defizit von jährlich über 600 Millionen DM ent- das Brand-Gutachten versucht, die finanzielle Be-
steht. Auch früher war der Berufs- und Schülerver- ziehung zischen Bund und Bundesbahn zu bereini-
kehr unwirtschaftlich, jedoch konnte über die dama- gen. Das allein ist der Weg, der zu geordneten
ligen Einnahmen im Güterverkehr ein innerbetrieb- finanziellen Verhältnissen der Deutschen Bundes-
licher Ausgleich gefunden werden. Bei der heutigen, bahn führt 'und zugleich den Erfordernissen einer
stark geänderten Verkehrslage ist dies hingegen .europäischen Verkehrspolitik im Sinne des Euro-
1) nicht mehr möglich. Deshalb ist es notwendig, der päischen Wirtschaftsvertrages Rechnung trägt.
Deutschen Bundesbahn für diese Auflagen im Be-
rufsverkehr gemäß § '28 des Bundesbahngesetzes Der Haushaltsausschuß hat sich trotz dieser Er-
den Verlust zu erstatten. kenntnis, nur auf Grund fiskalischer Überlegungen
Aus diesen drei Punkten, die die größten - Be- dafür entschieden, eine 24%ige Kürzung vorzuschla-
lastungen darstellen, die der Deutschen Bundesbahn gen. Wer aber glaubt, mit dieser Kürzung Mittel
auferlegt sind — Fremdfinanzierung, Versorgungs- für den 'Bundeshaushalt einzusparen, unterliegt
zahlung und Berufsverkehrsleistungen — einerseits einem Trugschluß.
und der fehlenden Erstattung durch den Bund an- (Zurufe von der Mitte.)
dererseits ergeben sich zwangsläufig die Verlust-
abschlüsse der Bundesbahn. Er übersieht, daß die gleichen Beträge am Ende des
Haushaltsjahres nur unter einer anderen Bezeich-
Dieses nicht auf betrieblichen Entscheidungen der nung auf den Bund 'zukommen, und der Bund kann
Deutschen Bundesbahn beruhende Defizit — man sich seinen Verpflichtungen als Eigentümer der
muß dies mit Nachdruck betonen — 'kann nur da- Bundesbahn dann nicht entziehen.
durch 'beseitigt werden, daß der Bund als Eigen-
tümer der Deutschen Bundesbahn die finanziellen (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig! — Abg. Dr.
Beziehungen zur Deutschen Bundesbahn auf eine Stoltenberg: Wir leben doch in einem par
neue Basis stellt, d. h. erstens die notwendige Kapi- lamentarischen Staat, nicht in einem
talaufstockung vornimmt, zweitens die überhöhten Ständestaat! — Abg. Dr. Schäfer: Aber
Versorgungslasten abdeckt und drittens entspre- zahlen müssen wir!)
chende Ausgleichszahlungen für die tariflichen Auf-
— Herr Stoltenberg, so ist es, wie ich sage, da
lagen leistet. Die Diskussion über diese entschei-
denden und allein wirksamen Maßnahmen darf auch beißt keine Maus einen Faden ab. Die SPD-Fraktion
ist mit dem Kürzungsvorschlag des Haushaltsaus-
nicht abgetan werden mit dem Hinweis, die Deutsche
Bundesbahn solle sich selbst durch innerbetrieb- schusses nicht einverstanden. Ich weiß auch, Herr
Stoltenberg, daß eine Anzahl von Kollegen aus der
liche Maßnahmen helfen — eine Meinung, die auch
Koalition mit dieser Kürzung nicht einverstanden
vorhin wieder 'zum Ausdruck gebracht wurde. Meine
Damen und Herren, die Deutsche 'Bundesbahn hat sind. So hat mir zum Beispiel der Herr 'Kollege Rade-
macher von der Freien Demokratischen Partei noch
seit eh und je rationalisiert. Dies verlangt schon
vor einigen Tagen erklärt 'und mich ermächtigt, hier
allein 'der technische Fortschritt. Allein in den letz-
für ihn zu erklären, daß er den Antrag der Sozial-
ten vier Jahren der Rationalisierung wurde das
Eisenbahnpersonal um 52 000 Beschäftigte verrin- demokratischen Partei unterstützt.
gert, obgleich in dieser Zeit die Verkehrsleistungen (Zuruf von 'der Mitte: Dann soll er hier sein!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1011
Seibert
— Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren auch den Ausgleich oder, wenn Sie wollen, die
von der CDU/CSU, daß Herr Rademacher heute Deckung dafür zu zeigen.
nicht hier sein kann, wissen Sie genauso gut wie ich, Zunächst eine Bemerkung zu den Ausführungen
und auch, warum er nicht da sein kann. des Herrn Kollegen Müller-Hermann. Er sagte: Die
Ich komme zum Schluß. — Ja, bitte, Herr Eisen- Bundesbahn soll ihren Aufwand selbst erwirtschaf-
mann. ten und verdienen. Einverstanden. Er sagte weiter,
sie soll von betniebsfremden politischen Lasten frei-
Eisenmann (FDP) : Ich wollte nur klarstellen, gestellt werden. Einverstanden. Nur, Herr Kollege
Herr Kollege Seibert, daß Herr Kollege Rademacher Müller-Hermann, die Konsequenz scheint auch in
heute nicht anwesend ist, da er an einer in Hamburg Ihren Überlegungen in diesem Jahre offensichtlich
stattfindenden Verkehrstagung teilnehmen muß. nicht gezogen zu werden; sonst hätten Sie hier
schon erklären müssen, daß Sie bereit sind, der Bun-
desbahn zu geben, was ihr auf Grund eines mehrfach
Seibert (SPD) : Vielen Dank für diese Definition. gefaßten Kabinettsbeschlusses gehört, nämlich eine
Ich hatte ja gesagt, daß er leider nicht hier sein Entlastung dm Bereich der 555 Millionen DM, von
kann und , daß er mich deshalb ermächtigt hat, für
denen 280 Millionen DM der Bundesbahn erneut
ihn hier diese Erklärung abzugeben. angelastet worden sind. Ich habe als Berichterstatter
(Abg. Dr. Bleiß: Seine Einstellung hat sich heute morgen bereits auf den Charakter dieser
aber nicht geändert!) Dinge hingewiesen.
Mir geht es nur darum, die 'Stimmung der Kollegen
hier zu demonstrieren. Ich weiß nämlich, daß sehr Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Kollege Ritzel,
viele so denken, wie ich es gesagt habe. Ich weiß gestatten Sie eine Zwischenfrage?
aber auch, daß sehr viele nicht so stimmen können,
wie sie denken. Ritzel (SPD) : Bitte sehr.
(Lachen und Zustimmung bei der SPD. —
Abg. Dr. Conring: Lassen Sie doch diese Müller-Hermann (CDU/CSU) : Herr Kollege
alten Kamellen!) Ritzel, sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, daß
die Trennung der Verantwortlichkeiten, die Sie hier
Die SPD-Fraktion hat einen Antrag eingebracht soeben aufgezeigt haben, einfach nicht in einem
mit dem Ziel, den vom Haushaltsausschuß gekürzten Jahr realisiert werden kann?
Zuschuß für die kriegsbedingten überhöhten Versor-
gungslasten wieder auf den im Haushaltsentwurf (Abg. Dr. Bleiß: Das ist aber doch schon
stehenden Betrag zu bringen. Dieser Antrag sollte geschehen!)
allgemein unterstützt werden. Deshalb bitte ich Sie,
meine Damen und Herren, diesem Antrag zuzu- Ritzel (SPD) : Ich werde Ihnen nachher zeigen,
stimmen. daß die Hohe Bundesregierung im Jahre 1957 einen
(Beifall 'bei der SPD.) Kabinettsbeschluß gefaßt hat, der nicht von heute,
sondern von 1957 ausging und der endlich einmal
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der eine entsprechende Entlastung der Deutschen Bun-
Abgeordnete Ritzel. desbahn von betriebsfremden Lasten einleitete. Sie
haben ein großes Mitverdienst auf diesem Gebiete.
Nur unterbrechen Sie jetzt den Gang und überlassen
Ritzel (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und
uns, der Opposition, der Minderheit, die Verfech-
Herren! Der Herr Kollege Seibert hat , am Schluß
tung von Überlegungen, die Ihre eigene Regierung
seiner Ausführungen gemeint, daß viele Mitglieder seit mehreren, nämlich seit vier Jahren hatte. Aber
des Hauses nicht so stimmen würden, wie sie den- Sie sind nicht bereit — ich befürchte, daß das End-
ken. Ich befürchte, er hat recht. Es wirft sich in die- ergebnis so sein wird —, die Konsequenzen aus den
sem Zusammenhang, meine Herren von der CDU, Möglichkeiten zu ziehen, die eine solche Maßnahme
wirklich ein sehr ernstes Problem 'auf. Das Problem zum Nachteil der Deutschen Bundesbahn vermeiden
lautet: Ist dieses Parlament fähig, sich von Argu- ließen.
menten überzeugen zu lassen? Ich habe den Ein-
druck, daß Sie nicht in der Lage sind, 'die Entwick- Als wir in der Sitzung des Haushaltsausschusses
lung, die Sie durch Ihre Fraktionsbeschlüsse ange- über die Frage berieten, wie denn die Bundesbahn
bahnt haben, irgendwie nach den Gründen ,der Ver- diesen Ausfall von 280 Millionen DM entgegen dem
nunft zu ändern. Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie Haushalt des Regierungsentwurfs verdauen soll, hat
in der Lage sind, Argumente und Tatsachen so zu ein geschätztes Mitglied des Haushaltsausschusses
würdigen, daß Sie von dem einmal gefaßten Frak- —sein Vertreter der CDU — gesagt: Dann soll man
tionsbeschluß abgehen könnten und abzugehen be- weniger investieren. Nicht wahr, Herr Kollege
reit wären. Das ist bei einer Haushaltsberatung eine Conring? Sie übersehen dabei — und hier beziehe
sehr ernste Sache. Ich habe keine Hoffnung, Sie zu ich mich nun auf den Herrn Bundesverkehrsmini-
überzeugen. ster —, daß es sich um zwei völlig verschiedene
Arten von Stiefeln handelt. Investitionen, meine
(Zuruf von der CDU/CSU: Bewilligen ist sehr verehrten Damen und Herren, in der Wirt-
immer einfacher als Streichen!) schaftlichkeitsrechnung der Bundesbahn gehören in
— Ich bitte Sie, mir zu glauben, daß ich nicht vor- die Kapitalrechnung; das hat der Herr Bundesver-
schlagen werde, Geld zu bewilligen, ohne Ihnen kehrsminister vorhin klipp- und klargestellt. Aber
1012 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Ritzel
Aufwendungen, die der Bundesbahn nunmehr neu republik Deutschland zu erscheinen haben. Darüber
aufgelastet werden, gehören zu den laufenden Auf- werden wir uns in der nächsten Zeit noch näher
wendungen und haben mit den Investitionen nichts unterhalten müssen.
zu tun. Wenn Sie glauben, daß es möglich sei, eine
Nun hat mein Kollege Seibert bei der Begrün-
Deckung im Rahmen der Bundesbahnwirtschaft zu
dung des Änderungsantrags Umdruck 54 den Vor-
Lasten von Investitionen zu linden, dann werden
schlag gemacht, der Bundesbahn hier entsprechend
Sie sich von Sachverständigen darüber belehren las-
entgegenzukommen. Wir haben folgenden Aus-
sen müssen, daß das ein Trugschluß ist, daß diese
gleich vorgeschlagen. Wir haben vorgeschlagen, in
Möglichkeit nur dazu führen kann, daß entspre-
Kap. 60 02 Tit. 999 einen entsprechenden Betrag
chende Minderbegebungen auf dem Anleihemarkt
einzusetzen. Meine Damen und Herren, vielleicht
zugunsten der Finanzierung von Investitionen ein-
bedeutet es für Ihre Entscheidung eine nicht un-
treten.
wesentliche Erleichterung, wenn ich Ihnen sage, wie
meine Fraktion sich diesen Vorgang vorstellt. Ich
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter greife damit schon auf 'den Änderungsantrag Um-
Ritzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn druck 62 voraus, der an sich erst bei dem Einzel-
Abgeordneten Dr. Stoltenberg? plan 60 aufzurufen ist; aber es erscheint mir zweck-
mäßig, darauf jetzt schon hinzuweisen. Wir wollen
Ritzel (SPD) : Bitte sehr, Herr Kollege. also bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer
eine Mehreinnahme im Betrage von 168 Millionen
Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Wie verträgt sich, DM verzeichnet wissen.
Herr Kollege Ritzel, diese Darstellung der Rechts- Ich möchte das kurz begründen. Nach dem Ansatz
lage, die wir auch schon von der Bundesbahn ken- im Einzelplan 60 bzw. im Finanzplan 1962, Seiten
nen, mit der Tatsache, daß kurz nach Beschluß des
48/49, errechnet sich das Aufkommen an Einkom-
Haushaltsausschusses Investitionsaufträge für einige men- und Körperschaftsteuer für den Bund wie
hundert Millionen Mark gestoppt worden sind? folgt: 1. Soll-Aufkommen an Lohnsteuer 12 Milliar-
den, 2. Soll-Aufkommen an veranlagter Einkom-
Ritzel (SPD) : Das ist ganz klar: weil die Bundes- mensteuer 12,7 Milliarden, 3. Soll-Aufkommen an
bahn in dem Augenblick noch gar nicht wußte, wie Körperschaftsteuer 8,4 Milliarden, 4. Soll-Aufkom-
die neue Anleihe aufkommen würde. men an Kapitalertragsteuer 1,07 Milliarden. Das
(Widerspruch bei der CDU/CSU.) Soll-Gesamtaufkommen beträgt also nach den An-
sätzen im Bundeshaushalt 34,17 Milliarden. Dem-
Sie ist zum Glück wesentlich überzeichnet worden. gegenüber 'beträgt das Gesamtaufkommen der eben
Die Bundesbahn hat recht, wenn sie sich im Rah- genannten Steuern in sämtlichen Länderhaushalten
men des Möglichen nach verschiedenen Seiten hin zusammen 35 Milliarden. Das Soll-Aufkommen der
den Rücken 'deckt. Herr Kollege Stoltenberg, die Länder übersteigt das Soll-Aufkommen des Bundes
Rechnung zahlt aber die deutsche Volkswirtschaft
- demnach um 830 Millionen. Der Anteil des Bundes
und insbesondere die deutsche Stahlindustrie, die hieran beträgt laut Schätzung der Länder 35 %
nicht zuletzt durch derartige Dinge veranlaßt wor- gleich 291 Millionen.
den ist, nach Leipzig zu gehen, um sich in der So-
wjetzone Aufträge zu holen. In der Sitzung des Finanzausschusses des Bundes-
tages am 22. März erklärte sich der Bundesfinanz-
(Unruhe und Zurufe bei der CDU/CSU.) minister bereit, folgende Höherschätzungen vorzu-
Wenn aber der Standpunkt vertreten werden sollte, nehmen: Soll Lohnsteuer für 1962 250 Millionen DM,
man solle weniger investieren, dann darf ich Sie Soll veranlagte Einkommensteuer 100 Millionen DM,
an die geschichtlichen Tatsachen erinnern. Beschäf- zusammen 350 Millionen DM. Davon ein Bundes-
tigen Sie sich doch einmal mit dem Brand-Gutachten anteil von 35 %, macht 123 Millionen DM aus, die
und stellen Sie einmal fest, daß beispielsweise im auch inzwischen in den Einzelplan 60 eingestellt
Jahre 1959 die 'Bundesrepublik nur 11,2 % aller worden sind.
Strecken elektrifiziert hatte, Frankreich dagegen Da der Finanzausschuß des Bundestages bei seiner
16,7 %, Belgien 18,8 %, Luxemburg 22,4%, Italien Schätzung des Aufkommens an Einkommen- und
44 %, die Niederlande 50 %, von der Schweiz ganz Körperschaftsteuer geblieben ist, ergibt sich jetzt
zu schweigen! Inzwischen hat sich die Elektrifizie- nach dieser Bundesratsschätzung also ein Mehr-
rung der Deutschen Bundesbahn der Situation in aufkommen von 291 Millionen DM, abzüglich der
Belgien und in Frankreich in etwa angenähert. Aber bereits eingesetzten 123 Millionen DM somit ein
noch immer bleibt sehr viel zu tun übrig. Betrag von 168 Millionen DM, der nicht in Einzel-
Meine Damen und Herren, es muß mit aller Deut plan 60 erwartet wird. Das ist eine kaum wegzu-
lichkeit gesagt werden, daß schon die auf dem Ka radierende Tatsache. Der Finanzausschuß hat eine
binettsbeschluß vom 30. Januar 1957 beruhende Höherschätzung von 291 Millionen DM vorgenom-
Zuweisung aus dem Verkehrshaushalt an die Bun men, deren Einzelbeträge aber zum Teil aus anderen
desbahn eine Art von Falschbuchung gewesen ist — Quellen kommen, einmal, wie schon erwähnt,
nicht von Fälschung, sondern von falscher Buchung 250 Millionen DM aus der Lohnsteuer, dann 100 Mil-
weil die Dinge, die hieraus bezahlt werden, lionen DM aus der veranlagten Einkommensteuer.
überhaupt nicht in den Haushalt der Bundesbahn Davon ein Anteil von 35% für den Bund, macht
gehören. Das ,sind für sie betriebsfremde Lasten, die 123 Millionen DM. Dann werden folgende Beträge
an sich im entsprechenden Haushalt der Bundes hinzugesetzt: 10 Millionen DM aus der Umsatz-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1013
Ritzel
ausgleichsteuer, 100 Millionen DM aus den Zöllen, licher gezeigt. Während der Wahlmonate dann
60 Millionen DM aus der Tabaksteuer. Das ergab hörte man selbstredend alle Kandidaten beken-
eine Summe von 293 Millionen DM. In typisch deut- nen, es sei süß und ehrenvoll, sein Leben der
scher Gründlichkeit hat man dann eine Einnahme- Verbesserung des Straßenbaus zu weihen. Und
möglichkeit von 2 Millionen DM, die in dieser Rech- nun haben wir den 'Salat: Kaum sind , die Volks-
nung noch enthalten war, gestrichen, damit man vertreter in Amt und Würden, schon hat man
auch auf den vom Bundesrat errechneten Betrag von den Verkehrsetat um runde 750 Millionen ge-
291 Millionen DM kam, nur auf einem etwas an- kürzt. Eine verkehrspolitische Rekordleistung!
deren Wege. Man behält also noch eine Reserve Die Sperre eines Fünftels 'der Straßenbaumittel
von 168 Millionen DM für das Rechnungsjahr 1962 des Bundes hat schon Ausschreibungsstopps und
frei. Auftragsstornierungen nach sich gezogen, sogar
Vorhin ist schon darauf hingewiesen worden, daß bei Autobahnstrecken. Nebenher ist zu befürch-
diese Dinge auch mit dem Antrag zusammenhängen, ten, daß auf diese Weise die Zweckbindung des
den die Regierungsparteien auf Umdruck 70 einge- Mineralölsteueraufkommens für den Straßenbau
bracht haben. Ich darf — der Herr Bundesverkehrs- durchlöchert wird. Ganz zu schweigen von dem
minister hat schon davon gesprochen — auf den nicht minder traurigen Kapitel, daß die Bundes-
Text hinweisen: bahn 280 Millionen nachweint.
Die Mittel für die Fortführung begonnener und Noch im vorigen Bundestag waren Regierung
für neue Baumaßnahmen des Bundes sowie die und Abgeordnete 'darin einig, die nicht gebauten
Ausgabenansätze zur Förderung von Baumaß- Straßen seien die teuersten; Bund, Länder wie
nahmen anderer Stellen sind in Höhe von Gemeinden müßten endlich aile finanzielle Kraft
20 vom Hundert des Jahresansatzes gesperrt, .. . zusammennehmen, das Straßennetz dem Ver-
kehr anzupassen. Freilich, Vater Staat muß
Wir können im Augenblick nicht sagen, was das bei
sparen. Aber sparen bedeutet nicht einfach strei-
der Bundesbahn ausmacht, welche Auswirkungen
chen, dort, wo vielleicht der geringste Wider-
sich auf die deutsche Volkswirtschaft aus diesem
stand zu erwarten ist, ganz bestimmt aber die
sehr raschen, wenn auch nach Überwindung mancher
späte Einsicht, daß die falsche Sparsamkeit teuer
Schwierigkeiten und Beiseitelegung vieler anderer
zu stehen kommt. Die Öffentlichkeit, Wahl-
Entwürfe entstandenen Antrag der Regierungs-
parolen noch im Ohr, hätte so gern erlebt, wenn
parteien ergeben werden.
das Parlament für den Verkehr auf die Barri-
Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und kaden gestiegen wäre.
Herren: zuerst haben wir in heißem Bemühen im
Gibt es doch vernünftige wirtschaftliche Gründe,
Haushaltsausschuß an Stelle der ursprünglich vor-
daß 400 Kilometer Bundesstraße geopfert wer-
gesehenen Generalkürzung um 12 % Einzelausglei-
den sollen, die man noch in diesem Jahr bauen
chungen in dem Ihnen bekannten Ausmaß vorge-
wollte? Bei mangelnder Kapazität der Straßen-
nommen, um den Etat auszugleichen. Nun - kommt bauer können sie nicht liegen, ebenso wenig
dieser Antrag und nimmt keine Rücksicht auf die
bei ihrer Preisdisziplin. Da die Verteuerung der
Bundesbahn, auf den Straßenbau, will 20 % kürzen,
AutombiledSraßnchtlem-
um der Überhitzung zu begegnen. Vorhin hat der
chen wird, sucht man den Sinn 'des Beschlusses
Herr Bundesverkehrsminister glaubwürdig nachge-
wohl vergeblich. Denn mit dem „überhitzten"
wiesen, was uns bei meiner Fraktion seit geraumer
Hochbau hat der Straßenbau nur eins gemein-
Zeit bekannt ist, was Ihnen ebenso bekannt sein
sam: die letzten drei Buchstaben.
dürfte, daß es im Bereich des Straßenbaus überhaupt
keine Überhitzung gibt. Meine Damen und Herren, ich 'komme damit zum
Meine Damen und Herren, wenn Sie nunmehr Schluß.
diesen Antrag auf Umdruck 70 ohne Rücksicht auf
die Konsequenzen im Straßenbau ebenfalls zum Ge- Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie eine
genstand eines Mehrheitsbeschlusses in diesem Zwischenfrage 'des Herrn Abgeordneten Dr. Dres-
Hohen Hause machen, dann übernehmen Sie eine bach?
Verantwortung, um die Sie niemand beneiden wird.
Nicht nur, daß Sie das Wort der Bundesregierung Ritzel ,(SPD) : Bitte, Herr Kollege Dresbach!
vom Herbst vorigen Jahres bei Abgabe der Regie-
rungserklärung nicht beachten, Sie schädigen den Dr. Dr. h. c. Dresbach (CDU/CSU) : Herr Kollege
deutschen Straßenbau. Ein kluger Mann hat einmal Ritzel, haben Sie soeben eine Verlautbarung der
gesagt, daß schlechte oder überhaupt keine Straßen Deutschen Straßenliga vorgelesen?
die teuersten Straßen seien, die es gebe. Ich habe
heute morgen eine Notiz in einer sehr bekannten Ritzel (SPD) : Nein. Ich bedaure, daß Sie es nicht
Zeitung gefunden, die ich doch Ihrer Aufmerksam- gehört haben. Es war eine Mitteilung der „Welt"
keit empfehlen möchte. Es ist die heutige Nummer in der Nummer von heute, dem 10. April, unter der
der „Welt", in der von einem „Fehlstart" gesprochen Überschift„Fla",HKoegDrsbch.A
wird: sei dem, wie ihm wolle, Sie übernehmen mit einem
Es wäre zu schön gewesen. Der dritte Bundes auf den Straßenbau ausgedehnten Antrag, 20 % nicht
tag hatte den Anlauf genommen und sich, je auszugeben, sondern sie zu blockieren, eine Ver-
näher sein Ende war, um so verkehrsfreund antwortung, die — ich wiederhole es — das deutsche
1014 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Ritzel
Volk, den deutschen Verkehr und alle Verantwort- Grunde genommen dem Ermessen der Bundesregie-
lichen teuer 71.1 stehen kommen wird. Wir stehen in rung anheimgestellt, hier so zu verfahren, wie
diesem Jahre am Ende des ersten Vierjahresplans vernünftigerweise wirtschaftlich verfahren werden
für den Straßenbau. Es sind nur 3 3/4 Jahre, ich habe sollte. Und darum geht es! Es hat doch keinen
die Zahlen hier; die Zeit erlaubt es leider nicht, Zweck, hier Dinge, die das gar nicht verdienen,
Ihnen nachzuweisen, was aus dem ersten Vierjahres- unnütz aufzublasen und sie hochzuspielen!
plan noch auszuführen wäre und was nun — Sie
Überhaupt möchte ich hier einmal eines fragen:
haben die Erklärungen des Herrn Bundesverkehrs-
Hat e s einen Sinn, die Deutsche Bundesbahn, die
ministers gehört — nicht ausgeführt werden wird.
immerhin das größte Bundesvermögen darstellt und
Mindestens 360 Millionen DM aus den Mitteln für
von der wir von der Regierungskoalition behaupten,
den Straßenbau werden gesperrt, blockiert, torpe-
daß sie uns genauso wertvoll ist und genauso am
diert.
Herzen liegt wie Ihnen von der Opposition, zu einer
Mein Wunsch ist, daß Sie doch lieber noch eine Angelegenheit der Parteipolitik zu machen? Es hat
Fraktionssitzung abhalten sollten, um sich zu über- doch keinen Sinn, derart zu argumentieren. Wir sind
legen, ob ,Sie bei dem urspünglich gefaßten Beschluß, weder „bundesbahnfeindlich" noch sind wir auf der
alle Anträge der Opposition kurzerhand niederzu- anderen Seite Bundesunternehmen gegenüber be-
walzen, wirklich aus guten Gründen und mit gutem sonders „freundlich", sondern wir sind gehalten —
Gewissen verbleiben können. und das gilt auch für Sie —, als Parlament so objek-
(Beifall bei der SPD. — Zuruf von ,der CDU/ tiv und sachlich wie möglich auch das Bundesver-
CSU: Nur Erhöhungsanträge!) mögen zu betrachten. Das ist doch die einzig ver-
nünftige Haltung.
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr.
Abgeordnete Dr. Vogel. Schäfer: Tun Sie das mal!)
Dabei möchte ich mich in aller Form dagegen ver-
Dr. Vogel (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine wahren, daß hier so getan wird, als stünden Mit-
sehr verehrten Damen und Herren! Mein verehrter glieder meiner Fraktion — ich kann hier wohl auch
Herr Vorredner feiert heute seinen Geburtstag. für die Koalition sprechen — unter einem Stimm-
(Beifall.) zwang. Herr Kollege Ritzel, wir haben Ihnen in der
Vergangenheit oft genug unter Beweis gestellt, wo
Er hat sich eben so strapaziert, daß es mir angesichts
der stärkere, sagen wir, wenn Sie schon so wollen,
dieses Tages für ihn besonders leid tut; denn er hat
Überredungszwang angewandt wird, bei Ihnen oder
durch die Emphase, mit der er hier Dinge hoch-
bei uns. Wir möchten uns auch in jeder Beziehung
spielte, die gar nicht hochgespielt zu werden brau-
gegen das andere Argument verwahrt haben. Wenn
chen, seiner eigenen Gesundheit einen schlechten
wir auf Grund sehr reiflicher Überlegungen und
Dienst erwiesen. Er ist vor allen Dingen auch in
nach sehr ausführlichen Debatten im Haushaltsaus-
einer Art und Weise mit Dingen ins Zeug gegangen,
-
schuß zu einem Beschluß gekommen sind, der von
die erstens in keinem direkten Zusammenhang mit
der Regierungsvorlage abweicht — wir sind uns
der Sache stehen und die zweitens in aller Ruhe und
dessen genau bewußt —, dann haben wir unsere
mit aller Sachlichkeit behandelt werden sollten.
guten Gründe dafür gehabt. Ich möchte hier einige
Verehrter Herr Kollege, ich habe vor mir den Um- davon vortragen, möchte das Hohe Haus allerdings
druck 70 liegen, in dem steht, daß die Mittel für die nicht zu lange damit behelligen, nachdem diese
Fortführung begonnener Baumaßnahmen gesperrt Debatte meiner Ansicht nach schon über Gebühr ge-
werden sollen. Herr Kollege Ritzel, wieviel Titel dauert hat.
sperren wir im Laufe eines Jahres?
Sind es sogenannte „fiskalische Bedenken" allein,
(Abg. Dr. Schäfer: Lesen Sie den nächsten die dazu geführt haben? Ich verwahre mich auch da-
Absatz!) gegen, .daß fiskalisches Denken in diesem Hohen
— Ich kann ihn auch bis zu Ende lesen; nur möchte Hause schon zu einem Vergehen abgestempelt
ich das Hohe Haus, nachdem ihm so lange Vor- wird, wie es anscheinend der Fall ist. Dieses Hohe
lesungen zugemutet worden sind, nicht noch mit Haus hat die Verpflichtung, in einem sehr hohen
weiteren Vorlesungen behelligen. Maße „fiskalisch" zu denken, nämlich staatspoli-
tisch zu denken. Ich möchte sagen, fiskalisch ist hier
(Abg. Dr. Schäfer: Das nächste ist ent in unserem vorliegenden Falle auch staatspolitisch.
scheidend!)
(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Schäfer:
Außerdem steht darin: Das ist ein großer Unterschied!)
Der Bundesminister der Finanzen kann im Ein — Nein, meiner Überzeugung nach ist das untrenn-
vernehmen mit dem Bundesminister für Wirt bar miteinander verbunden, Herr Kollege Dr.
schaft Befreiungen von dieser Sperre zulassen. Schäfer.
(Abg. Dr. Schäfer: Jetzt haben Sie den (Abg. Dr. Schäfer: Ganz und gar nicht!)
wichtigsten Satz, den Zwischensatz, weg Welche Gründe waren es? Es ist Ihnen aus dem
gelassen!) Gang ,der Verhandlungen bekanntgeworden, daß
— Wer das lesen kann, Herr Kollege Schäfer, weiß, die finanzielle Manipuliermasse, die .das Haus über-
was das zu bedeuten hat. Es heißt mit anderen haupt noch zur Verfügung hat, auf ein Minimum
Worten, es ist eine Kannvorschrift, und es ist im zusammengeschrumpft ist. Sie beträgt gegenwärtig
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1015
Dr. Vogel
nur noch rund 7 Milliarden DM. Überlegen Sie bitte, sagen, daß hier etwa die Bundesbahn schlecht weg-
daß auf Grund unserer Kürzungen im Haushalts- gekommen wäre, sondern sie ist, gemessen an der
ausschuß, die Sie ja allgemein gebilligt 'haben und gesamten Situation des Bundes, gut weggekommen.
die Sie, Herr Kollege Ritzel, und andere sich als Wenn sie nicht alles bekommen hat, was sie
eine gemeinsames Verdienst an den Hut gesteckt wünschte, was auch wir ihr gern gegeben hätten,
haben, dann kann man dabei nicht an der gesamten Lage
(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! — der Bundesfinanzen vorbeisehen.
Siehe den Beitrag des „Vorwärts"!)
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Dr. Vogel, ge-
diese Manipuliermasse sich jetzt schon um über
statten Sie ein Zwischenfrage des Abgeordneten
eine Milliarde DM verringert hat. Nach dem Vor-
Seibert?
schlag der SPD würde sie sich in Zukunft noch
weiter verringern. Wohin soll die Reise gehen? Das
ist die Frage, die Sie sich stellen müssen. Ich sehe Seibert (SPD) : Herr Dr. Vogel, Sie haben vorhin
mit Kummer voraus, daß das Hohe Haus sich sein gesagt, daß die Zahl der Beamten sich von Jahr zu
ureigenstes Recht, nämlich den Etat selber zu mani- Jahr vergrößere. Wenn Sie den Haushaltsplan der
pulieren, Jahr für Jahr einengt und daß Sie in Bundesbahn genau kennen und den Wirtschaftsplan,
wenigen Jahren an einer noch ganz anderen Marke dann muß Ihnen auch bekannt sein, daß der Wirt-
stehen werden als in diesem Jahr. schaftsplan der Deutschen Bundesbahn allein für
dieses Jahr eine Kürzung der Beamtenplanstellen
(Beifall bei der CDU/CSU.) um 2400 Stellen vorsieht.
Dafür ist gerade der Haushalt des Bundesver-
kehrsministeriums ein besonders markantes Bei- Dr. Vogel (CDU/CSU) : Das ist keine Wider-
spiel. Wovon sind wir denn ausgegangen? Von legung dessen, was ich gesagt habe. Ich habe die
einem Haushaltsjahr zum anderen ist der zweite Statistik leider nicht hier. Ich bin aber gern bereit,
Block der Pensions-Lasten der Bundesbahn von 175 sie Ihnen sofort zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie
auf 555 Millionen DM erhöht worden. Gleichzeitig die Zahlen von 1951 mit denen von 1961 vergleichen,
ist in Aussicht genommen worden, daß wir uns in können Sie eine deutliche Steigerung des Prozent-
der Zukunft mit einem ziemlich gleichbleibenden satzes der Zahl der Beamten innerhalb der Beschäf-
Plafond von rund 30 % der Pensionsausgaben zu tigtenzahl bei der Bundesbahn feststellen, Ich bin
Lasten des Bundeshaushalts abfinden sollten. Man jederzeit bereit, das nachzuweisen.
muß bedenken, daß der Prozentsatz der Verbeam- (Zuruf von der SPD: Das beweist aber gar
tungen bei der Bundesbahn ständig wächst. Das nichts!)
geschieht aus wohlerwogenen Gründen; ich will das
gar nicht kritisieren. — Doch, das beweist eine ganze Menge. Es beweist
nämlich den Trend, die Richtung, in die es geht.
(Abg. Scheuren: Das stimmt nicht!)
Ein zweites darf bei dieser Überlegung nicht
— Bitte, das kann ich Ihnen mit Prozentzahlen nach- außer acht bleiben. Hier sind in einer, ich glaube,
weisen. Der Prozentsatz der Beamtenstellen an der übertriebenen Weise die wirtschaftlichen Folgen
Beschäftigtenzahl ist in den letzten Jahren trotz dargestellt worden, die eintreten würden, wenn das
der Abnahme der Beschäftigtenzahl weiter gestie- Hohe Haus unserem Vorschlag folgte. Nun, die
gen; das ist gar nicht zu leugnen. Wenn das der Bundesbahn hat für das Jahr 1'962 eine Investitions-
Fall ist, dann bedeutet das, daß bei einem gleich- masse von 2,7 Milliarden DM vorgesehen. Es wird
bleibenden Plafond von 30 % die Pensionslasten niemand behaupten können, daß diese Einschrän-
weiter wachsen werden. Das heißt, das Hohe Haus kung, die wir vornehmen, angesichts einer solchen
verpflichtet sich, Jahr für Jahr höhere fixe Kosten Investitionsmasse zu solchen Folgen führen würde,
auf sich zu nehmen. Über diesen Gang der Dinge wie sie der Herr Kollege Ritzel an die Wand ge-
müssen Sie sich völlig im klaren sein, wenn Sie dem malt hat. Wir wissen aber umgekehrt, daß die
Vorschlag der SPD folgen wollen. Taktik, die hier angewandt wird, ich möchte einmal
Die Ihnen auch zugängliche Aufstellung über die sagen, höchst durchsichtig und, ich glaube, gegen-
Finanzhilfen des Bundes für die Bundesbahn weist über diesem Hohen Hause sehr fragwürdig ist.
aus, daß der Bund bis zum Jahre 1961 — einschließ- (Abg. Leicht: Sehr gut!)
lich des Jahres 1961 — nicht weniger als 8,3 Mil-
liarden DM bis jetzt an die Bundesbahn geleistet Es sind Kündigungen ausgesprochen worden, ehe
das Hohe Haus entschieden hatte. Auf die bloße
hat. Selbst wenn Sie unserem Kürzungsvorschlag
Ankündigung hin, daß leine solche Kürzung vorge-
folgen, wird die Deutsche Bundesbahn immer noch
sehen se i, sind Streichungen an Aufträgen vorge-
mehr — selbst in diesem finanziellen Notjahr des
nommen worden, die noch gar nicht vergeben wer-
Bundes! ich möchte es ein „Notjahr" ausdrücklich
den durften, da man noch gar nicht das Verfügungs-
nennen —, nämlich immer noch 120 Millionen DM
recht darüber hatte. Wir kennen diese Formen,
mehr behalten als in dem bezüglich seines Haushalt
Pressionen auf das Hohe Haus auszuüben, aus
ohnedies schon sehr hohen Rekordjahr 1961.
vielen anderen, leider sehr beklagenswerten Vor-
(Abg. Leicht: Plus 500 Millionen!) gängen.
— Plus die 500 Millionen Garantie für die Anleihen (Beifall bei der CDU/CSU.)
der Bundesbahn! Man kann, weiß Gott, in einer Ich möchte Sie nicht allzu lange aufhalten. Ich
solchen finanziellen Situation des Bundes nicht fühlte mich verpflichtet, Ihnen die Gründe darzu-
1016 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Dr. Vogel
legen, aus denen wir nach reiflicher Überlegung Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie eine
Ihnen diesen Vorschlag unterbreitet haben. Daß bei Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niederalt?
einem Unternehmen von dieser Größe und bei sol-
chen Zuwendungen es naturgemäß für den Haus- Dr. Bleiß (SPD) : Bitte.
haltsausschuß nahelag, hier auch eine Streichung
vorzunehmen, war, glaube ich, nichts Außergewöhn-
liches. Niederalt (CDU/CSU) : Herr Kollege Bleiß, ist
Aber wogegen wir uns verwahren möchten, ist, Ihnen auch bekannt, daß der Entwurf des Haushalts
daß man auf der einen Seite den Haushaltsausschuß nicht nur die von Ihnen genannte Summe für die
für die Streichungen, die er vorgenommen hat, lobt, Bundesbahn, sondern auch einen Länderbeitrag von
auf der anderen Seite aber sich weigert, auch dann 1740 Millionen DM enthielt, der nicht einzubringen
war?
die nötigen Konsequenzen zu ziehen, wenn es ein-
mal unbequem sein mag. Wir nehmen für uns in
Anspruch, genauso gegenüber der Bundesbahn eine Dr. Bleiß (SPD) : Aber, Herr Kollege Niederalt,
wohlwollende, wenn Sie wollen, entgegenkom- gerade weil wir das wissen, hat Herr Kollege Ritzel
mende Haltung einzunehmen wie Sie. Die Art und Ihnen einen sehr ausführlichen Deckungsvorschlag
Weise aber, wie man jetzt versucht, draußen dar- gemacht.
aus politisches Kapital zu schlagen, weisen wir auf (Zuruf von der CDU/CSU: Das war doch
das entschiedenste zurück. kein Deckungsvorschlag!)
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Dr. Bleiß! Iven zur Begründung des Antrags Umdruck 53!

Dr. Bleiß (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ver- Iven (Düren) (SPD) : Herr Präsident! Meine Da-
ehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch ein- men und Herren! Mit Umdruck 53 beantragen wir,
mal zum Wort gemeldet, weil ich die Ausführungen die in Einzelplan 12 Kap. 12 15 Tit. 101 vorgesehene
von Herrn Vogel hier nicht unwidersprochen lassen Verbeamtung der meisten Dienstkräfte des Flug-
möchte. Herr Kollege Vogel, uns geht es darum, sicherungsdienstes nicht durchzuführen.
für die Bundesbahn eine gesunde Grundlage zu
schaffen. Es geht hier nicht um Prestigefragen. Die Bundesregierung wollte mit der beabsichtig-
ten Verbeamtung wahrscheinlich die personellen
Ich will nicht zurückblättern in dem Buch der Ver- Voraussetzungen im Bereich der Flugsicherung ver
handlungen, die stattgefunden haben, sondern Ihnen bessern. Genau das Gegenteil ist eingetreten. Bei
nur folgendes sagen: Sie wissen doch wahrscheinlich den im Haushaltsplan eingesetzten Stellen ergeben
selbst, daß der Herr Bundesfinanzminister früher bei sich für fast alle Betroffenen in bezug auf die Ein-
seinen Haushaltsansätzen davon überzeugt- war, daß gruppierung Verschlechterungen. Zum Beispiel wer-
mit dem ursprünglichen Ansatz von 275 Millionen den Angestellte, die bisher ein Gehalt bezogen
DM nicht auszukommen sei. Auf sein besonderes haben, das mit den Bezügen eines Oberinspektors
Petitum hin wurde der Haushaltsansatz auf 555 Mil- vergleichbar ist, in der Vorlage der Bundesregierung
lionen DM heraufgesetzt. Nachher ist man dann nach Obersekretär eingestuft.
wieder — ich möchte meinen: etwas unterschwellig
— an die Haushaltsexperten der CDU herangetreten Die Bundesregierung gewährt zwar eine Aus-
und hat sie darum gebeten, den Haushaltsansatz auf gleichszahlung in der Höhe des Differenzbetrages.
275 Millionen zu reduzieren. Diese Ausgleichszahlung schließt die Betroffenen
aber so lange von der Tarifentwicklung im öffent-
(Zuruf des Abg. Dr. Vogel.) lichen Dienst aus, bis der Ausgleichsbetrag durch
— Herr Kollege Vogel, uns geht es darum, daß die Besoldungserhöhungen aufgezehrt ist. Neben diese
Bundesbahn endlich einmal aus der Verlustwirt- materielle Schlechterstellung tritt die psychologische,
schaft herauskommt, und wenn Sie diese 280 Millio- indem die Tätigkeiten geringer bewertet werden,
nen DM abstreichen, die ursprünglich einmal auf als es bisher der Fall war. Auch ergeben sich we-
Wunsch und mit Willen des Finanzministers in den sentliche negative Wirkungen im Hinblick auf die
Haushalt hineingekommen sind — es war ja eine Beförderungsmöglichkeiten.
Regierungsvorlage und nicht eine Vorlage der Unter diesen Gesichtspunkten haben 250 Delegierte
Opposition —, von allen deutschen Flughäfen am 12. März auf einer
(Abg. Dr. Conring: Das wissen wir ja Tagung in Frankfurt sich gegen die beabsichtigte
alles!) Verbeamtung ausgesprochen. Der Herr Minister hat
dann bedeutet das einen Verlust. Damit würden Sie am vergangenen Freitag im Verlaufe der Frage-
erneut die Bundesbahn in eine Defizitwirtschaft hin- stunde auf eine Anfrage des Herrn Kollegen Zogl-
einzwingen. Sire zwingen die Bundesbahn zu Ver- mann wörtlich erklärt, er habe „schon viele ein-
lusten, die Sie ohnehin später nach dem Bundes- stimmige Beschlüsse erlebt, bei denen diejenigen,
bahngesetz ausgleichen müssen. Darum geht es. Uns die abgestimmt haben, nicht der Meinung waren,
geht es darum, daß das große Bundesbahnvermögen, die sie durch ihre Abstimmung zum Ausdruck ge-
das größte Sondervermögen des Bundes, nicht mehr bracht hatten."
fiskalisch ausgehöhlt, sondern daß mit dieser fiska- (Abg. Börner [SPD]: Der stammt ja auch
lischen Aushöhlung endlich Schluß gemacht wird. aus der DP!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1017
Iven (Düren)
Da die Betroffenen sich an dieser Stelle nicht zu nicht wieder vorkommen, daß Radarpräzisionsan-
der Haltung des Ministers äußern können, möchte lagen, die an den Flughäfen Hamburg, Hannover,
ich hier sagen, daß ein Bundesminister unser demo- Düsseldorf und München seit bereits fünf Jahren
kratisches Zusammenleben völlig verkennt, vorhanden sind, mangels Personal auch heute noch
(Lachen bei der CDU/CSU) nicht eingesetzt werden können. Dieser unbegreif-
liche Zustand wurde von meinem Freund Helmut
wenn er eine demokratische Entscheidung einzelner Schmidt in diesem Hause schon einige Male bean-
Gruppen in unserer Bevölkerung auf diese Weise standet.
abqualifiziert. 4. Ein ausreichender Bestand an wirklich qualifi-
Herr Minister, Sie sind gut beraten, wenn Sie die ziertem Personal ist auch aus dem Grunde dringend
Aussage vom Freitag hier fan dieser Stelle korri- erforderlich, um die allgemeine Leistungsfähigkeit
gieren. der Flugsicherung zu steigern und die Möglichkeit
von „Beinahe-Zusammenstößen" in der Luft auszu-
In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom schließen. Über der Bundesrepublik werden jährlich
23. März kann man eine Anzeige lesen, in der sich
noch immer 200 bis 300 solcher „Beinahe-Zusam-
mehrere Flugleiter, die sich in ungekündigter Stel- menstöße" registriert.
lung im Bundesdienst befinden, um andere Stellen
im Ausland oder bei in- und ausländischen Privat- Wir glauben, daß diese Flugsicherungsprobleme
firmen bemühen. Dabei handelt es sich um einen nur gelöst werden können, wenn die Personalsitu-
Teil der hier Betroffenen. ation in den zuständigen Fachausschüssen dieses
Hauses zuvor sorgfältig geprüft und analysiert ist
Damit wird also durch die beabsichtigte Maß- und bessere Vorschläge für die Einrichtung einer
nahme die Personallage in unserer Flugsicherung leistungsgerechten Laufbahn für Flugsicherungsbe-
erschwert. E s ist allgemein bekannt, daß die amte erarbeitet worden sind.
deutsche Flugsicherung seit Jahren unter erheb-
lichem Personalmangel leidet. 15-20 % der Dienst- Eine überstürzte Verbeamtung fast des gesamten
posten in der Flugverkehrskontrolle und im tech- Flugsicherungspersonals zu Bedingungen, die für
nischen Flugsicherungsdienst sind unbesetzt. Des- die Mehrzahl der Angestellten erhebliche Nachteile
halb können u. a. , die vorgeschriebenen Wartungs- mit isich bringen, dürfte daher kaum zu verantwor-
zeiten für technische Anlagen, die der Sicherung des t en sein.
Luftverkehrs dienen, seit geraumer Zeit nicht mehr (Abg. Dr. Vogel: Niemand kann gegen
eingehalten werden. An der jetzt schon kritischen seinen Willen verbeamtet werden!)
Personalsituation scheiterten bisher auch einige be-
sonders wichtige Anliegen der Luftverkehrslenkung, Aus diesen Gründen bitten wir, unserem Antrag 1
die dringend einer Lösung bedürfen. zuzustimmen, vor allem, weil er keine finanziellen
Konsequenzen mit sich bringt.
1. Die Ausdehnung der Flugverkehrskontrolle
auf den Luftraum oberhalb 8000 m Höhe, damit auch (Beifall bei der SPD.)
der bisher unkontrollierte zivile und militärische
Düsenluftverkehr, der in sprunghaftem Wachsen Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
begriffen ist, durch lückenlose Überwachung von Herr Bundesminister für Verkehr.
den ,Bodenstellen gesichert werden kann. Es kann
nicht mehr wie bisher geduldet werden, daß die Dr. - Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
Vermeidung von Zusammenstößen im oberen Luft- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
raum nach dem Prinzip „Sehen und gesehen wer- Herren Kollegen! Ich bin etwas überrascht, daß
den" allein dem Piloten zugemutet wird. Bei den unser verehrter Kollege Iven, der hier soeben ge-
hohen Geschwindigkeiten der Düsenflugzeuge sind sprochen hat, sich mit den Debatten der letzten
die Flugzeugführer nicht mehr in der Lage, andere Jahre offenbar nur soweit 'beschäftigt hat, als Ver-
Flugzeuge rechtzeitig zu erkennen und ihnen aus- treter seiner Fraktion etwas gesagt haben, dagegen
zuweichen. nicht all das zur Kenntnis genommen hat, was der
2. Eine bessere Koordinierung der zivilen und Bundesminister für Verkehr auf die Ausführungen
militärischen Flugsicherungsstellen, vor allem im des Herrn Kollegen Schmidt — des jetzigen Sena-
Bereich des oberen Luftraumes ähnlich der auf die- tors Schmidt — mündlich und schriftlich geantwortet
sem Gebiet vorbildlichen Regelung in den Vereinig- hat. Das müßte Ihnen alles bekannt sein, und ich
ten Staaten, wo die amerikanische Bundesluftfahrt- will das Hohe Haus nicht aufhalten, indem ich diese
behörde sowohl für die Flugsicherung des zivilen ganzen Geschichten noch einmal vorlese. Ich stelle
wie des militärischen Verkehrs zuständig ist. nur fest, daß ein großer Teil der von Ihnen vor-
getragenen Momente so nicht zutreffen, wie Sie sie
3. Erstellung einer langfristigen Planung zur Aus-
dargestellt haben.
rüstung der deutschen 'Flugsicherung mit besseren
technischen Anlagen und Geräten, wie sie die ein- Ich greife nur einen Punkt heraus. Sie haben sich
schlägige Fachindustrie heute schon anbietet. Ein sehr ausführlich mit den oberen Luftwegen beschäf-
solches Entwicklungsprogramm zum Ausbau der tigt. Sie wissen, sehr geehrter Herr Kollege, und
Flugsicherung, das in England und in den USA Ihre Fraktion weiß es genauso, daß darüber der
schon längere Zeit vorliegt, kann nur dann sinnvoll Vertrag über die Schaffung der Organisation „Euro-
erarbeitet werden, wenn vorher die personellen control" vorliegt. Das Hohe Haus hat dieses Gesetz
Voraussetzungen geschaffen worden sind. Es darf vorliegen. Es ist noch nicht verabschiedet. Ich frage
1018 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
deswegen umgekehrt: Warum ist es noch nicht ver- ÖTV auf mich, um diese Fragen mit uns zu be-
abschiedet? Ich sehe gar keine Schwierigkeiten, sprechen.
warum es nicht verabschiedet ist und warum wir (Zurufe von der SPD.)
den großen Plan, der hier auf internationaler Ebene — Aber, Lieber Herr Kollege, Sie werden glau-
in Paris schon ausgearbeitet wird, — ben, — —
(Abg. Dr. Schäfer: Bestehen auch gar keine (Abg. Dr. Vogel: Genug des grausamen
Bedenken?) Spiels! Lassen Sie die Herren der OTV
— Deswegen meine Frage! Aber ich wollte nur dar- nicht warten!)
auf hinweisen, Herr Kollege Dr. Schäfer, daß wir
diese Luftsicherung über 7000 m Höhe einer inter- Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie eine
nationalen Organisation übertragen werden. Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Iven?

(Abg. Iven [Düren]: Zunächst nur eine Iven (Dünen) ,(SPD) : Herr Minister, Sie verhan-
technische Frage!) deln heute mit den Herren der ÖTV. Warum haben
— Nein, nicht nur eine technische Frage. Es ist Sie nicht vor der Aufstellung des Haushaltsplans mit
auch eine Organisationsfrage; und natürlich auch den Herren der ÖTV verhandelt? Das ist ja das
eine technische Frage, denn international werden Thema, worüber wir jetzt reden.
nun , die Einrichtungen geprüft und ausgewählt, die
zur Lösung der Probleme 'am zweckmäßigsten und Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr:
richtigsten sind, schon damit wir nicht Fehlinvesti- Lieber Freund, meine Mitarbeiter haben wiederholt
tionen betreiben. Das ist doch der Sinn dieses gan- und eingehend mit ihnen verhandelt. Der Minister
zen Eurocontrol-Vertrages. Aber das wissen Sie, muß doch nicht immer alle Verhandlungen, die von
Herr Kollege Iven, doch genauso wie ich, und des- seinem Ministerium geführt werden, auch persönlich
wegen brauchten Sie uns das nicht vorzutragen. führen; das könnte er ja gar nicht schaffen. Ich habe
die Herren heute hierher gebeten, um bestimmte
Sehen Sie: daß man bei den heutigen Geschwin- Spannungen und Unstimmigkeiten in einer Unter-
digkeiten unserer Flugzeuge nicht mehr nach Sicht haltung — nicht einer Verhandlung; denn dazu
fliegen kann, ist doch klar — das kann man allen- müßte ich die Herren des Finanz- und Innenministe-
falls noch, solange man mit einem Sportflugzeug riums hinzuziehen — einmal aufzuklären. Deswegen
unten herumkutschiert —; das konnte man auch ist das ganz nett, wenn man solche Gespräche führt,
schon nicht mehr bei 400 oder 500 km Stunden- und zwar in einem freundschaftlichen Geist.
geschwindigkeit. Deswegen haben wir ja die Flug-
sicherung eingeführt. (Abg. Dr. Schäfer: Nicht nur nett, sondern
notwendig!)
Ich bin mit Ihnen durchaus der Meinung, daß es
sehr schwierig ist, die Flugsicherung personalmäßig — Ja, sicher, ich habe die Herren ja auch deswegen
richtig einzustellen. Aber das ist ja gerade der Sinn hierher gebeten. Nett ist es, daß das Zusammen-
unserer langjährigen Bemühungen. Jetzt sind wir treffen nicht im Sinne einer Verhandlung, sondern
glücklich und endlich .soweit, daß wir im Vergleich als Unterhaltung veranstaltet wird. Darauf bezog
mit anderen Laufbahnen — ich habe es neulich sich das Wort „nett". Ich darf nur bemerken, Herr
schon gesagt: eine Verbeamtung setzt natürlich eine Kollege Iven: ich meine, im allgemeinen berät der
Eingliederung in eine der Laufbahnen voraus, und Ältere den Jüngeren, ja?
wir können nicht für jede Sparte eine gesonderte (Beifall bei der CDU/CSU.)
Laufbahn erstellen — mit der Eingliederung in die
Laufbahn den Herren, die dort arbeiten, vor allen Vizepräsident Dr. Dehler: Wir kommen zu
Dingen eine Sicherung für die Zukunft geben
den Abstimmungen, zunächst über den Änderungs-
wollen. antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 54 zu
Man kann sicher über diese oder jene Einzel- Kap. 12 02. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. —
frage noch Überlegungen anstellen. Ich würde aber Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist ab-
trotzdem der Meinung sein: Gerade wenn wir eine gelehnt.
Sicherung dieses Personalkörpers wollen, sollten Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Um-
wir doch die Möglichkeit haben, diese Beamtenstel- druck 53 zu Kap. 12 15! Wer zustimmen will, gebe
len jetzt und endgültig zu bewilligen. Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der
(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.) Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
— Wir werden, Herr Kollege Dr. Schäfer, darüber im plan 12 in der Fassung der Beschlüsse des Haus-
Mai ja noch eingehend beraten. Besetzt werden die haltsausschusses. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen.
Stellen jetzt nicht. Es soll uns nur die Möglichkeit — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan
gegeben werden, den Herren zu sagen, daß diese ist angenommen.
Stellen vorhanden sind, und wir wollen mit ihnen
darüber sprechen, ,wie jeder einzelne Fall behan- Ich rufe auf:
delt werden soll.
Einzelplan 23 — Geschäftsbereich des Bundes-
Zu der Bemerkung, die Sie einleitend machten: ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Seit anderthalb Stunden warten die Herren der (Drucksachen IV/317, zu IV/317).
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1019
Vizepräsident Dr. Dehler
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Gewandt. voranschläge vorliegen, aus denen die Art der
Ich erteile ihm das Wort. Durchführung, die Höhe der Kosten und die gege-
benenfalls vom Empfängerland zu erbringenden
Gewandt ( CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Leistungen ersichtlich sind. Der Herr Minister hat
sehr geehrten Damen und Herren! Es liegen Ihnen bei den Beratungen im Haushaltsausschuß sehr deut-
sowohl der Mündliche als auch der Schriftliche Be- lich darauf hingewiesen, daß ihm und seinem Hause
richt zum Einzelplan 23 vor. Da es sich bei dem es ein besonderes Bedürfnis ist, das Parlament lau-
Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit je- fend zu informieren und auch der Offentlichkeit in
doch um ein neues Ministerium mit neuen Auf- höchstem Maße Informationen zuteil werden zu
gaben handelt, scheint es tunlich, einige Bemerkun- lassen.
gen zu diesem Bericht zu machen. Diese Frage der Mitwirkung des Parlaments stand
naturgemäß auch bei Tit. 570 im Vordergrund der
Ich möchte die Aufmerksamkeit des Hohen Hau-
Erörterungen. Hierbei handelt es sich um ,die Ka-
ses auf zwei Probleme lenken, die bei den Bera-
pitalmittel. Man hat, wie ich glaube, eine sehr weit-
tungen des Haushalts eine besondere Rolle gespielt
gehende parlamentarische Mitwirkung sichergestellt.
haben. Es handelt sich dabei einmal um die Frage
Auf Antrag der Koalitionsparteien ist vom Haus-
der parlamentarischen Mitwirkung bei der Vergabe
haltsausschuß nämlich eine Einfügung angenommen
der Mittel an die Entwicklungsländer, zum anderen
um das Problem, inwieweit eine Kontrolle der Pro- worden, 'die folgenden Wortlaut hat: „Die Bundes-
jekte im Ausland möglich ist. regierung unterrichtet den Haushaltsausschuß und
den Ausschuß für Entwicklungshilfe des Deutschen
Sie wissen alle, meine sehr verehrten Damen Bundestages in regelmäßigen Zeitabständen über
und Herren, daß ein besonderes Interesse der Öffent- den Stand der Zusagen, den Verhandlungsstand bei
lichkeit an der Frage besteht, inwieweit Mittel, die wichtigen Projekten und über die Auszahlung .auf
der Steuerzahler aufbringt, sinnvoll verwandt wer- dem Gebiete der Kapitalien." Das heißt, daß die
den. Es ist nicht zu verkennen, daß an die Stelle beiden genannten Ausschüsse vor dem Abschluß
der anfänglichen Schwärmerei in der Frage der Ent- mit fremden Ländern untertchtet werden. Weiter
wicklungspolitik in der letzten Zeit eine etwas heißt es: „Die Bundesregierung unterrichtet recht-
nüchternere Betrachtungsweise getreten ist. Ich zeitig die beiden Ausschüsse, falls wegen eines Ein-
glaube, das ist gut so; denn dadurch werden wir zelfalles § 45 b der Reichshaushaltsordnung zur An-
an Fehlurteilen gehindert. wendung gebracht werden soll." Ich meine, daß
Angesichts des ständig wachsenden Volumens der hierdurch eine sinnvolle Mitwirkung des Parlaments
Entwicklungshilfe ist es nur zu natürlich, daß die gewährleistet ist. Wir nehmen der Regierung jedoch
deutsche Öffentlichkeit eine umfassendere Unter- nicht die nötige Beweglichkeit. Wir haben es wieder-
richtung wünscht, und es ist weiter nur natürlich, holt erlebt, daß uns die Entwicklungsländer vor-
daß das Parlament seine Mitwirkungsmöglichkeiten gehalten haben, daß eine schnelle Hilfe häufig sehr
bei der Mittelvergabe ernsthaft überprüft. viel wirksamer ist als eine vielleicht umfangreichere
Wir haben es im Haushaltsausschuß sehr - lebhaft Hilfe, die zu spät gegeben wird. Durch die Einfügung
begrüßt, daß es das Ministerium Scheel als eine be- dieser beiden Sicherungsklauseln ist die parlamen-
sondere, neue Aufgabe ansieht, die Ausführung der tarische Mitwirkung in ausreichendem Maße ge-
mit deutschen Mitteln finanzierten Projekte im Aus- sichert und andererseits der Bundesregierung die er-
land zu kontrollieren, und zwar nicht nur rechnerisch, forderliche Elastizität ermöglicht.
sondern auch in bezug auf die Auswirkung auf die Im übrigen möchte ich in diesem Zusammenhang
wirtschaftliche und auf die gesellschaftliche Struktur abschließend noch darauf hinweisen, daß man sich
in den Entwicklungsländern. Ich glaube, der Steuer- naturgemäß davor hüten muß, die Aufgaben der
zahler hat ein Recht darauf, Gewißheit zu erhalten, Exekutive und der Legislative zu vermengen. Sicher
daß die Mittel, die aus seiner Tasche für die För- ist, daß uns als Bundestag nach Art. 110 Abs. 2 des
derung von Projekten in den Entwicklungsländern Grundgesetzes die Feststellung des Hauhalts ob-
aufgebracht werden, für sinnvolle wirtschaftliche liegt; aber man kann sicher hieraus nur in einem be-
Vorhaben ausgegeben werden. grenzten Umfang ein Mitwirkungsrecht für einzelne
Für das Parlament ergibt sich nun die Frage, in- Ausführungsmaßnahmen ableiten. Ich meine also,
wieweit wir an der Mittelvergabe in angemessener daß der Haushaltsausschuß durch seine Beschlüsse
Weise beteiligt werden können. Dem Haushalts- die Gewähr gegeben hat, daß das Parlament ent-
ausschuß lag eine Reihe von Vorschlägen vor. Der sprechend unterrichtet wird und daß es in gewissem
Haushaltsausschuß hat allerdings bezüglich der Ver- Umfange mitzuwirken vermag, weil es rechtzeitig
gabe der technischen Mittel mit Mehrheit beschlos- über den Stand der Verhandlungen unterrichtet
sen, so zu verfahren, wie man früher bei vergleich- wird. Ich glaube, daß hiermit eine gesunde Kompro-
baren Titeln im Auswärtigen Amt verfahren ist. mißlösung gefunden worden ist und daß wir damit
Man hat da nämlich vom Ministerium die Aufstel- auch vor .der Kritik der Öffentlichkeit bestehen kön-
lung eines Wirtschaftsplanes gefordert, der vom nen, die sich ja gelegentlich entzündet an dem Kauf
Parlament zu genehmigen ist und in allen Einzel- vergoldeter Betten für Ministerdamen in irgend-
heiten darlegt, in welcher Form von den Mitteln einem afrikanischen Land. Wir erleben je wiederholt
nach Tit. 300 Gebrauch gemacht werden soll. In den in illustrierten Zeitungen eine etwas überzeichnete
Erläuterungen heißt es, daß Verpflichtungen erst Kritik.
dann eingegangen werden dürfen, wenn für die Ich meine, daß der Haushaltsausschuß mit seinen
einzelnen Maßnahmen Erläuterungen und Kosten Beschlüssen die Gewähr dafür gegeben hat, daß wir
1020 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Gewandt
uns auf dem laufenden halten und daß die Gelder den und ob es wirklich gelingt, hier eines Tages
in sinnvoller Weise mit unserer Mitwirkung aus- eine einheitliche Verantwortung festzustellen.
gegeben werden. Ich bitte deshalb, den Empfehlun-
gen des Haushaltsausschusses gemäß unserem Be- Ich sagte schon und wiederhole, daß wir bereit
richt die Zustimmung zu erteilen. sind, diese gewaltigen Summen zu bewilligen. Aber
wir sind nicht bereit, die Verantwortung für die
(Beifall in der Mitte.) Vergabe, für die Kontrolle dieser gewaltigen Sum-
men der Ministerialbürokratie allein zu überlassen.
Vizepräsident Dr. Dehler: Ich danke dem Wir sind der Meinung, daß das Parlament bei der
Herrn Berichterstatter. Vergabe dieser Beträge wesentlich mitwirken muß.
Die Aussprache wird eröffnet. Das Wort hat Herr (Beifall bei der SPD.)
Abgeordneter Kalbitzer. Es genügt keinesfalls — so wie es der Herr Bericht-
erstatter vor mir sagte —, daß sich das Haus infor-
Kalbitzer (SPD) : Meine sehr verehrten Damen miert hält. Es muß mehr geschehen, es muß eine
und Herren! Der Umfang der Entwicklungshilfe, Mitwirkung erfolgen, und zwar ehe die Dinge ab-
über die wir hier im Laufe der Plenarberatungen zu geschlossen sind, ehe die Zusagen perfekt gemacht
entscheiden haben, umfaßt alles zusammen etwa worden sind.
7 Milliarden DM. Daraus ergibt sich die Notwendig-
Nun zu einigen Einzelheiten. Ich muß sagen, es
keit, hierüber noch etwas mehr zu sagen, als der
ist für das Haus wie für mich irritierend, festzustel-
Herr Berichterstatter freundlicherweise schon er-
len, daß bei dem im Augenblick zur Debatte stehen-
wähnt hat.
den Einzelplan 23 nur etwa 406 Millionen DM für
Unter der Verantwortung des Ministeriums für Entwicklungshilfe — alles zusammen — ausgezeich-
wirtschaftliche Zusammenarbeit, dessen Einzel- net sind, während ein gewaltiger Betrag von
plan 23 hier vorliegt, werden, wenn Sie das Haus- 1,85 Milliarden DM Zusagen und ein weiterer Betrag
haltsgesetz genehmigen, 1962 nicht so sehr im Ein- von 1,25 Milliarden DM Vorausplanungen in § 22
zelplan 23 als vielmehr im Haushaltsgesetz selber des Haushaltsgesetzes festgelegt sind und noch ein
diese etwa 7 Milliarden von Ihnen bewilligt werden. weiterer Betrag von im ganzen 4 Milliarden DM im
Ich will Ihnen gleich sagen, meine Damen und nächsten Paragraphen, in § 23 des Haushaltsgeset-
Herren, daß wir Sozialdemokraten bereit sind, diese zes, für die Bürgschaften für Entwicklungshilfe fest-
astronomischen Summen mit zu bewilligen; aber gelegt ist.
vor dieser Bewilligung muß eine Diskussion statt-
Auf diese beiden §§ 22 und 23 des Haushalts-
finden und muß über etliche Punkte Klarheit ge-
gesetzes beziehen sich dann auch schließlich die von
schaffen werden.
unserer Fraktion zu stellenden Anträge, weil wir es
Wir brauchen für das Ausgeben dieser Summen für sinnvoller halten, unsere Anträge auf Mitwir-
eine sorgfältigste Planung. Es ist kein Vorwurf
- kung des Parlaments bei Verteilung und Kontrolle
gegen irgend jemanden, wenn ich feststelle, daß dieser Summen bei dem Etat zu stellen, in dem die
bisher auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe so gut Summen wirklich stehen, und nicht nur dort, wo
wie alles improvisiert ist. Wir wissen zur Zeit nicht, kleine Teilbeträge im Einzelplan 23 ausgewiesen
wie die Finanzierungen für diese gewaltigen Sum- sind.
men aufzubringen sind. Wir sind uns keineswegs
klar, wie die Verteilung zu organisieren ist, und Die Anomalität dieser merkwürdigen Unterbrin-
es ist durchaus noch umstritten, wie die zweck- gung der hohen Summen ist die Folge der bis heute
mäßige Verteilung vorzunehmen ist und wie der ungeklärten Finanzierung der Entwicklungspolitik.
Erfolg — oder Mißerfolg — auch wirklich kontrol- Im Ausschuß für Entwicklungspolitik ist es bis zur
liert und festgestellt werden kann. Zeit nicht gelungen — auch das verdient hier heute
festgestellt zu werden —, alle — ich sage: alle! —
Einigkeit besteht nur über einen Teil, nämlich zur Entwicklungpolitik zählenden Haushaltspositio-
darüber, daß man diese Kontrolle durchführen sollte, nen ausfindig zu machen.
so daß man sich also im Grundsatz schon einig ist,
aber keineswegs über das Wie. Die Entwicklungshilfe wurde im vorigen Jahr,
1961, zuerst in dieser Milliarden-Größenordnung
Vor allen Dingen ist doch überhaupt nicht ge- bewilligt. Dann kamen die Bundestagswahlen, die
klärt — man hat etliche Besprechungen gehabt, ohne zögerliche Regierungsbildung, auch die zögerliche
bisher zum Ziel zu kommen —, welches politische Behandlung des Themas Entwicklungspolitik im
Konzept für die Verwendung vorliegt, und wir wis- Parlament selber. Diese Umstände haben es bis
sen bis jetzt auch nicht, wie innerhalb der Bundes- heute verhindert, daß uns alle letzte Klarheit, so-
regierung die Kompetenzen eigentlich verteilt sind. weit sie in diesem Etat liegt, gegeben werden kann.
Wir wissen, daß sich das neue Ministerium viel
Mühe gibt und daß, wie ich gerne zugebe, es auch Aber, meine Damen und Herren, täuschen wir uns
etlichen Erfolg gehabt hat, die bundesdeutsche Ent- nicht: die Öffentlichkeit und die Presse aller Quali-
wicklungspolitik zu koordinieren und zu konzen- täten haben sich trotz unserer zögerlichen Haltung
trieren. Aber wir haben bis jetzt leider keine Klar- — ich sage: mit Recht — dauernd um diese Dinge
heit darüber, wie eigentlich noch die Eigensüchte- gekümmert. Die Öffentlichkeit hat den Eindruck er-
leien beim Bundeswirtschaftsministerium und im halten, daß die Entwicklungshilfe zur Korruption
Auswärtigen Amt in diesen Fragen ausgehen wer führe oder — um dasselbe vornehmer und zurück-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1021
Kalbitzer
haltender und von Kennern formuliert zu sagen — nisse darüber, was Entwicklungshilfe eigentlich ist.
daß die bisherige Geldhergabe der Entwicklungs- Nicht alle diejenigen, die die Entwicklungshilfe for-
hilfe im wesentlichen nutzlos, falsch und sinnlos dern, wollen damit die Armut bekämpfen; viele
gewesen sei. Ich will dieses fundierte Urteil eines wollen sich vielmehr selbst nur entwickeln. Dieses
Kenners der Materie nicht ohne weiteres genera- gilt für Europäer genausogut wie für die Menschen
lisieren. Aber ich kann auch nicht sagen, daß diese in den Entwicklungsländern. Viele sehen darin nur
Vorwürfe unbegründet seien. das eigene Geschäft und den eigenen Vorteil, nicht
die Notwendigkeit, die Völker allmählich aus der
Aus unserem Hause hat sich die Kritik erhoben, Armut zu befreien.
die ganze Entwicklungshilfe sei Vergeudung, wir
hätten selbst auch Armut im eigenen Lande. Von Außenpolitiker insbesondere halten die Entwick-
einem Kollegen in diesem Haus, der sich besonders lungspolitik gelegentlich für ein Waffenarsenal, in
als Juniorpartner der Bundesregierung fühlt, wurde dem goldene Kugeln lagern, die es zu verschießen
die Frage der Entwicklungshilfe so dargestellt, als gilt. Sie halten die Entwicklungshilfe für einen ge-
ob wir sie mal geben oder mal ebensogut für uns waltigen internationalen Reptilienfonds. Meine Da-
behalten könnten. Ich muß Ihnen sagen, daß die men und Herren, wer die Entwicklungshilfe so an-
Entwicklungshilfe eine ernstere Sache ist. sieht, kann nicht erwarten, daß sie zweckmäßig ein-
gesetzt wird.
Die Entwicklungshilfe ist langfristig ebenso wich- Geschäftsleute dagegen halten die Entwicklungs-
tig wie die Verteidigungspolitik. Soll uns die Ver- hilfe oftmals für einen großen Subventionstopf für
teidigungspolitik im augenblicklichen Ost-West- ihre eigenen Geschäfte. Hier kommt ein kompliziertes
Konflikt schützen, so soll die Entwicklungshilfe den Mißverständnis auf. Natürlich ist die Entwicklungs-
Konflikt zwischen der Armut, in der die Mehrheit hilfe nicht von kommerziellen Geschäften zu tren-
der Erdbevölkerung lebt, und dem Reichtum, in dem nen; denn selbstverständlich sollen sich ja die Emp-
die Minderheit der Erdbevölkerung lebt, für die fänger eines Tages wirtschaftlich unabhängig
Zukunft überwinden. Wenn unsere Kinder im Jahre machen; sie sollen selbständig werden. Aber hier ist
2000 nicht den Kampf auf Leben und Tod zwischen festzustellen, daß nicht jedes Geschäft mit den Ent-
dem Norden, dem industrialisierten Teil unseres wicklungsländern auch Entwicklungshilfe ist. Das ist
Erdballs, und dem Süden, den tropischen, den Hun- nur allzuoft eine Tarnung. Es kann nur ein einziges
gergebieten, führen sollen, dann ist es unsere Auf- zulässiges Kriterium für die Entwicklungshilfe geben,
gabe, jetzt zu versuchen, die Weltarmut zu bekämp- nämlich dies, ob sie der wirtschaftlichen und sozia-
fen. Hier sage ich Ihnen, ich bin Optimist. Die tech- len Entwicklung der Empfänger dient. Es gibt doch
nischen Mittel für diesen friedlichen Sieg haben wir. nur zu oft die Praxis, die versucht, die Gelder, die
Es gilt — und das ist die Frage der Entwicklungs- wir zu bewilligen haben, für sich selbst loszumachen.
politik, —, diese Waffen richtig einzusetzen. Das Ich spreche hier von den Entwicklungsprojekte-
Ziel meines politischen Lebens, meine Damen und suchern. Da geht in irgendeinem Lande — nennen
Herren, ist es, das Elend der Menschen im eigenen wir es euphemistisch Fleuretanien — einer umher,
Lande und in der Welt zu bekämpfen. Ich halte- die der die Gebiete kennt, und sucht nach einem Projekt
Hilfe für eine moralische Pflicht. Wem aber alle im Interesse seines eigenen Geschäfts. Nun, das sei
diese Notwendigkeiten und die ethischen Begrün- ihm natürlich nicht verwehrt. Das ist eine selbstver-
dungen nichts Igelten, dem muß ich sagen, daß, wenn ständliche Geschäftspraxis. Die Frage ist nur, ob
die Bundesrepublik zur freien Welt gehören will, diese seine Praxis wirklich auch dem Empfänger
wir gar keine andere Möglichkeit haben, als diesen dient. Wenn er' sich bei solchen Geschäften in ge-
Grundsatz der Entwicklungspolitik für die Freiheit wissen Ländern auch der Bestechung bedient, ist es
mit einzusetzen. unsere Aufgabe, wenn wir von solchen Dingen wis-
Nun muß man auf einen Punkt näher eingehen, sen — und wir wissen davon —, solchen Mißbräu-
nämlich darauf, daß der Entwicklungspolitik, nach- chen den Riegel vorzuschieben.
dem sie gerade ins Leben gerufen worden ist, schon Die zentrale Frage der deutschen Hilfe ist also die
der Geruch der Korruption anhaftet. Es ist unsere der wirksamen Kontrolle, damit unsere Leistungen
Aufgabe, nicht etwa darin herumzuwühlen, sondern zweckmäßig und erfolgreich eingesetzt werden. Die-
klarzumachen, was dagegen getan werden kann ses zentrale Problem ist durch die Vorschläge, die
und welche Verantwortung das Parlament selber der Haushaltsausschuß gemacht und der Bericht-
hier hat. Wir hören von Palästen der neuen Poten- erstatter vorgetragen hat, keineswegs geklärt.
taten i n den Elendsgebieten, und alle unter uns
Nun lassen Sie mich noch kurz einige Punkte zu
sträuben sich dagegen, für derartige Dinge unsere
dem neuen Ministerium Scheel, wie es vorhin ge-
Steuergroschen hinzugeben. Aber in Wirklichkeit
nannt wurde, sagen. Der neue Minister und seine
sind die Seidenfäden der Korruption viel feiner ge-
Mitarbeiter kennen das Problem zweifellos. Wir
sponnen, als derartige Illustriertengeschichten ahnen
haben den Eindruck, daß sie gewillt sind, ihr Bestes
lassen. Diese Präsidentenpaläste oder sonstige pom- zu tun. Ich sage das heute, konnte es aber vor we-
pöse Bauten in den Entwicklungsgebieten sind zwar nigen Wochen noch nicht sagen. Wir waren vor
Zeichen des aufreizenden Luxus; aber sie sind nur einiger Zeit durchaus noch der Meinung, daß das
allzuoft Abschiedsgeschenke der scheidenden Kolo- neue Ministerium das allgemeine Durcheinander
nialmacht, und es ist also zu fragen, wo eigentlich zwischen den Kompetenzen der verschiedenen Re-
die Ursache hierfür liegt. gierungsinstanzen nur noch verstärken würde. Wir
Es bestehen unter den Beteiligten und auch in haben inzwischen den Eindruck gewonnen, daß sich
unserer Öffentlichkeit weitgehende Mißverständ dieses Ministerium bemüht, die Aufgaben für die
1022 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Kalbitzer
Entwicklungshilfe zu konzentrieren und die Verant- Der Haushaltsausschuß hat 190 Millionen DM für
wortlichkeiten zu koordinieren. Das heißt nicht, daß die technische Hilfe vorgesehen und mit einer Klau-
nicht andere Ministerien im Rahmen ihrer Aufgaben sel versehen, durch die ein Plan herauszustellen ist,
durchaus Überlegungen für die Entwicklungspolitik der durch den Bundestag genehmigt werden muß.
mit beizusteuern haben. Niemand wird verkennen, Ich glaube, daß für diesen — finanziell gesehen —
daß sich natürlich das Auswärtige Amt mit seinen kleinen, wenn auch politisch außerordentlich wichti-
außenpolitischen Erwägungen hierzu Gedanken gen Teil der Entwicklungspolitik diese von Ihnen vor-
macht, ebenso wie natürlich das Wirtschaftsministe- geschlagene Klausel, wonach ein Plan vom Parla-
rium seine Perspektiven für die deutsche Wirtschaft ment oder vom Ausschuß des Parlaments zu geneh-
dazu liefern muß. Nach unserer Meinung muß nur migen sei, genügt.
schnellstens der Zustand überwunden werden, daß Anders ist es, wie gesagt, bei dein finanziell un-
die genannten Ministerien weiterhin eigene Auf- gleich größeren Etat für die Kredite und Bürgschaf-
gaben der Entwicklungspolitik für sich sehen. Wir
ten. Im Einzelplan 23 sind nur etwa 150 Millionen
würden so etwas für eine nicht zu verantwortende DM ausgeworfen. In den Erläuterungen heißt es, die
Doppelarbeit halten.
Regierung unterrichte das Parlament oder seine
Der Herr Berichterstatter hat erklärt, daß wir nicht Ausschüsse in regelmäßigen Zeitabständen. Das ist
die Rechte von Legislative und Exekutive zu ver- zu begrüßen.; es ist mehr als gar nichts. Aber es
mischen hätten. Dieses Argument scheint mir zu trifft nicht den Kern der politischen Notwendigkeit,
traditionell und der heutigen Situation und dem weil nämlich — ich möchte es nur allgemein sagen,
Umfang der hier in Frage stehenden Mittel nicht weil ich heute hier nicht das Letzte sagen kann und
gerecht zu werden. Natürlich kannte man bei Erlaß I will — nicht die Mitwirkung des Parlaments in aus-
der Reichshaushaltsordnung keine Entwicklungs- reichendem Maße vorgesehen ist. Warum bringt
hilfe. Infolgedessen sind die politischen Tatbestände man eigentlich diese freundliche Klausel gerade in
von heute nicht mit in die Reichshaushaltsordnung diese Position des Einzelplans 23 mit seinen 150 Mil-
einkalkuliert und eingeschlossen worden. Weil es lionen DM? Diese 150 Millionen DM sind längst
aber zur Zeit des Erlasses der Reichshaushaltsord- den Bach herunter, wie man so sagt. Wir können
nung das ganze Problem noch nicht gegeben hat, also diese 150 Millionen DM nur noch von hinten
darf man nicht schließen, daß die Vergabe der Mittel fotografieren; wir können uns nur noch im Nach
eine bloße Verwaltungsaufgabe sei. Das halten wir herein erzählen lassen, was man eigentlich damit
für absurd. Die Folge dieser These, Herr Berichter- gemacht hat. Im Haushaltsgesetz selbst ist dagegen
statter, ist, daß wir als Parlament über den Ver- in § 22 ein Betrag von 1,85 Milliarden DM ausge-
brauch an Schreibpapier und über den Kauf von wiesen worden. Man hat uns im Ausschuß erzählt,
Autos für das neue Ministerium beschließen. Wir daß auch diese 1,85 Milliarden DM bereits zugesagt
beschließen aber nicht darüber, wie schließlich diese worden seien. Auch darüber könne also nicht mehr
Milliardenbeträge vergeben werden. Das Parlament frei entschieden werden, wobei ich anmerken darf,
würde, wenn wir uns Ihrer Meinung anschlössen, daß ich bezweifle, daß den Empfängern dieser
in die Rolle eines Beckmessers der Politik -verfallen. 1,85 Milliarden DM gegenüber auch der Vorbehalt
Das halte ich für eines Parlaments unwürdig. gemacht worden ist, daß die Parlamentsbewilligung
(Beifall bei der SPD.) noch aussteht. Aber das ist nur ein Schönheitsfehler,
Wir würden uns die Köpfe über die Nebensächlich- den man hier nicht breitzutreten braucht.
keiten heiß reden und die entscheidenden politi- In diesem § 22 des Haushaltsgesetzes steht noch
schen Aktionen im wesentlichen dem Ministerium, die Ermächtigung für weitere 1,25 Milliarden DM,
also der Bürokratie, überlassen. Dafür genügt es die erst in nächster Zeit zugesagt werden sollen.
eben auch nicht, daß wir uns auf dem laufenden Für diese 1 1/4 Milliarde DM sollte die Klausel gel-
halten, wie das hier so schön heißt, sondern dazu ten, daß das Parlament mitwirken muß. Ich möchte
ist notwendig, daß sich das Parlament an der Ent- Sie, Herr Präsident, bitten, bei der Abstimmung
scheidung beteiligt. Ich glaube, nicht zuviel zu sa- über das Haushaltsgesetz über den von uns vor-
gen, wenn ich vermute, daß wir in absehbarer Zeit gelegten Umdruck 63 abstimmen zu lassen.
so etwas wie ein Gesetz zur Bewirtschaftung der
Entwicklungsfinanzierungen haben müssen, eine Diese 1 1/4 Milliarden D-Mark werden aller Vor-
Ergänzung der bisherigen Grundlage der Bewirt- aussicht nach nicht den vollen Umfang der Ermächti-
schaftung, also der Reichshaushaltsordnung. gung darstellen, die wir in diesem Jahr zu bewilli-
Inzwischen — das ist die Lage der Dinge — müs- gen haben. Auch hier müssen wir damit rechnen,
sen wir mit Provisorien auskommen. Sowohl der daß noch ein Nachtrag vorgelegt werden muß. Nun,
Vorschlag des Haushaltsausschusses als auch der darüber kann man sprechen, wenn die Vorlage
etwas weitergehende Vorschlag meiner Fraktion, wirklich kommt. Aber es wäre vielleicht gut, das
nämlich in den Haushalt selber Klauseln einzu- Parlament und die Öffentlichkeit schon jetzt auf das
bauen, die die Mitwirkung oder mindestens die In- vorzubereiten, was noch auf uns zukommt.
formation des Parlaments sicherstellen, sind natür- Die Klausel, die eine vorherige Unterrichtung des
lich Provisorien; denn die Finanzierung der Entwick- Ausschusses vorsieht, muß verpflichtend festlegen,
lungspolitik ist ja keine Aufgabe für ein oder zwei daß das Parlament schon vor der Erteilung von Zu-
oder drei Jahre, sondern sie wird langfristig und sagen eingeschaltet wird. Wir sind uns dabei durch-
mit steigender Heftigkeit auf uns zukommen. Es aus der politischen Problematik bewußt, daß man
muß also geklärt werden, wie die Bewirtschaftung eine Finanzzusage an ein fremdes Land natürlich
gesetzlich vorgenommen werden soll. nicht auf offenem Markt vorher in allen Einzelhei-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1023
Kalbitzer
ten diskutieren kann. Wir sind gern bereit, auf ver- Fall, wird es bei der Muschelei und bei dem Halb-
nünftige Vorschläge der Regierung, wie man die dunkel bleiben, in dem die Sache bisher gewesen
Vertraulichkeit — nicht für immer, aber bis die Zu- ist, und es werden allen Mißgünstigen und allen
sage gemacht ist — wahren kann, einzugehen, wenn Sensationshungrigen übermäßige Chancen gegeben,
sie nur praktikabel sind. Skandale zu wittern, und es werden auch echte Skan-
§ 23 des Haushaltsgesetzes sieht eine Erhöhung dale heraufziehen. Wir möchten uns und wir möch-
des Bürgschaftsvolumens um je 2 Milliarden DM für ten Sie — das ganze Parlament — davor bewahren.
Entwicklungshilfekredite Privater und für Entwick- Wir bitten Sie also, das echte Mitspracherecht des
lungsimporte vor. Wir haben die Methode der Bun- Parlaments zu verankern und die Kontrollen für die
desbürgschaften ja schon seit Anfang der 50er Jahre. Entwicklungshilfe zu verstärken. Wenn Sie dazu
Nur die Zweckbestimmung der Milliardenbürgschaf- nicht in der Lage sein sollten, müssen wir unserer-
ten hat jetzt gegenüber früher radikal gewechselt, seits in der dritten Lesung den Einzelplan 23 ab-
und weil der Zweck gewechselt hat, muß natürlich lehnen.
auch die Methode der Bewilligung und der Kon- (Beifall bei der SPD.)
trollen wechseln. Denn es ist eine Selbstverständlich-
keit, daß wir bei Bürgschaften für deutsche Expor- Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter
teure zur Förderung des deutschen Exports ein viel Kalbitzer, einen Augenblick! Sie haben beantragt,
geringeres Risiko eingegangen sind, als wir jetzt daß wir jetzt im Rahmen der Beratungen des Einzel-
eingehen, wenn wir künftig den Großteil dieser haushalts 23 über den Änderungsantrag auf Um-
Bürgschaften für Finanzierungen der Entwicklungs- druck 63 abstimmen. Ihr Antrag betrifft eine Än-
politik vorsehen. Die Regierung selber rechnet, wenn derung des Haushaltsgesetzes. Der Antrag kann
ich richtig informiert bin, mit einem Verlustrisiko also erst bei Beratung des Haushaltsgesetzes im
von etwa 20%. Auch die bisherigen Erfahrungen mit Laufe des heutigen Abends aufgerufen werden. Darf
den Bürgschaften machten ja schon klar, daß sie, ich Ihr Einverständnis annehmen?
wenn sie an Entwicklungsländer gegeben wurden,
eines Tages umgeschuldet werden mußten. Wir wis-
sen also, daß diese Bürgschaften außerordentlich Kalbitzer (SPD) : Herr Präsident, genau dasselbe
risikobelastet sind, daß ihr Zweck gewechselt hat hatte ich Ihnen auch vorgeschlagen.
und daß sie demzufolge auch anders bewirtschaftet
und kontrolliert werden müssen, als es in der Ver- Vizepräsident Dr. Dehler: Dann ,sind wir uns
gangenheit geschehen ist. einig. Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Das berechtigte öffentliche Mißtrauen gegen die
bisherige Entwicklungshilfe ist nur zu überwinden, Margulies (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen
wenn wir von jetzt an klaren Wein einschenken. und Herren! Ich möchte zunächst einmal auf die Ein-
Herr Berichterstatter, ich verkenne keineswegs, daß gangsworte meines Herrn Vorredners zurückkom-
Sie Ihren Hinweis, man sei jetzt bereit, zu informie- men, in denen er bestätigt hat, daß die Sozialdemo-
ren, mit guter Absicht gegeben haben. Aber Sie kratie die Aufgabe und die Verpflichtung zur Ent-
müssen auch verstehen, daß sich das Parlament um wicklungshilfe als gemeinsame Aufgabe ansieht und
seiner eigenen politischen Bedeutung willen mit auch bereit ist, die Beträge zu billigen, die im Haus-
einem solchen Zugeständnis nicht abfinden kann. halt dafür ausgeworfen sind, daß wir also die ganze
Wir Sozialdemokraten werden uns in der zweiten Entwicklungshilfe als eine gemeinsame Aufgabe
Lesung bei der Abstimmung über \den Einzelplan 23 aller Teile dieses Hauses betrachten und betreiben
der Stimme enthalten, wollen.
(Abg. Dr. Vogel: Nanu!) Das scheint mir deshalb so besonders bedeutsam,
— ich erkläre das noch, Herr Dr. Vogel —, um den weil sich damit von selbst die Verpflichtung der Bun-
Regierungsparteien die Möglichkeit zu geben, in das desregierung zu einer engen Zusammenarbeit mit
Haushaltsgesetz selber die Klauseln einzufügen, die dem Haus und mit dem Ausschuß, der besonders mit
notwendig sind, um das Mitwirkungsrecht des Par- der Behandlung der Fragen der Entwicklungshilfe be-
laments zu garantieren. Wenn Sie allerdings — und auftragt ist, ergibt. Ich glaube, nach den bisherigen
jetzt komme ich auf Ihr „Nanu" — in der zweiten Beratungen sagen zu dürfen, daß der Vertreter der
Lesung die wirksamen Kontrollen für 'die Vergabe der Bundesregierung sich bereit erklärt hat, in jedem
Entwicklungsmittel ablehnen, sind wir nicht in der Falle die entsprechenden Auskünfte zu geben, daß
Lage, diesem Haushalt in der dritten Lesung zuzu- er zugesagt hat, die Kontrolle, die sich als technisch
stimmen. Sie wissen, wir Sozialdemokraten haben und praktisch möglich erweist, dem Hause zu über-
für die Entwicklungshilfe gekämpft, als die Regie- lassen, d. h. ihm dabei behilflich zu sein. Das aller-
rung sie ablehnte. Wir haben dieses Haus 1960 er- dings würde ich als Voraussetzung für die Zusam-
mahnt, in größere Entwicklungshilfeverpflichtungen menarbeit des ganzen Parlaments mit der Regierung
einzutreten, zu einer Zeit also, als das Parlament in der Frage der Entwicklungshilfe ansehen.
noch außerordentlich zögernd war. Wir sind keines- Natürlich gibt es zeitliche Verschiebungen. Fan-
falls heute auf dem Wege, uns vor der Verantwor- gen wir einmal mit der Kompetenzfrage an! Der
tung klamm heimlich zu drücken. Aber wir sagen Herr Minister hat das begreifliche Bedürfnis, zu-
Ihnen: diese Verantwortung mit Ihnen zu teilen, nächst einmal sein Ministerium zu entwickeln. Er
sind wir nur bereit und nur in der Lage, wenn wir kann damit eigentlich erst am Ende dieser Woche
das Recht der Mitwirkung haben. Ist das nicht der beginnen, wenn der Haushalt verabschiedet ist und
1024 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Margulies
ihm die Positionen und die Mittel zur Verfügung Auffassung von Entwicklungshilfe ist, die dieses
stehen, die notwendig sind. Haus hat.
(Abg. Dr. Vogel: Erst wenn auch noch der (Abg. Hermsdorf: Sehr wahr!)
Bundesrat ja gesagt hat! Das dauert einen Ich möchte gleich hinzufügen: ich habe gar keine
Monat länger!) Lust, wieder die Prügel für das Ergebnis hinzuneh-
— Ich lasse mich gerne belehren: es dauert also men, wie im Januar in Abidjan. Wie Sie wissen, ge-
noch einen Monat länger. Aber in weiser Voraus- höre ich dem Europäischen Parlament an und auch
ahnung, daß der Bundesrat keine Einsprüche da- der Commission permanente paritaire, in der so-
gegen erheben wird, wird der Minister am Samstag wohl die europäischen Abgeordneten als auch die
— ausnahmsweise am Samstagmorgen — mit der Abgeordneten der 16 assoziierten Staaten sitzen.
Entwicklung seines Ministeriums beginnen. Wir als Diese 16 Abgesandten der 16 assoziierten Staaten
Parlament haben ein ebenso legitimes Interesse dar- waren ausgesprochen ungehalten über das Ergebnis
an, daß das Ministerium, welches wir schon vor ge- der Pariser Konferenz vom Dezember. Sie waren vor
raumer Zeit ins Leben gerufen haben, endlich seine allen Dingen über einige psychologische Ungeschick-
Funktionen übernimmt, so wie wir sie uns vorge- lichkeiten verärgert. Man kann schließlich nicht er-
stellt haben. warten, daß die afrikanischen Minister .die Bedeu-
tung eines deutschen Staatssekretärs so genau ken-
Wir haben dieses Ministerium ja nicht aus koali- nen wie wir,
tionsarithmetischen oder sonstigen Gründen ver- (Heiterkeit)
langt und nachher geschaffen, sondern deshalb, weil
wir ganz schlicht der Auffassung waren, daß Sum- wo wir doch manchmal auch nicht genau wissen, wer
men, wie sie hier zur Debatte stehen, einer beson- eigentlich regiert,
deren eindeutigen Kontrolle bedürfen und daß eine (Hört! Hört! bei der SPD)
klare Verantwortlichkeit gegeben sein muß. Wir ob der Minister oder der Staatssekretär.
wünschen also eine Zusammenfassung aller Auf-
gaben der Entwicklungshilfe in dem neugeschaffe- (Abg. Niederalt: Wissen wir das genau,
nen Bundesministerium für die wirtschaftliche Zu- Herr Kollege?)
sammenarbeit. Im Augenblick kann das noch nicht — Ich sagte gerade: wo man das selbst manchmal
der Fall sein. Das ergibt sich eben daraus, daß das nicht genau wissen kann, darf man nicht erwarten,
Ministerium noch nicht voll arbeitsfähig ist. Aber daß das die afrikanischen Minister wissen und sie
die Notwendigkeit wird eigentlich von keiner Seite den Staatssekretär, der ihnen da den Vortrag über
bestritten, vom Minister vielleicht noch am ehesten. die soziale Marktwirtschaft gehalten hat, entspre-
Aber so, wie die Dinge bisher gelaufen sind — sie chend bewerten konnten.
haben sich mehr oder weniger pragmatisch ent-
wickelt; Anregungen von außen haben eine verhält- Wenn die Bundesregierung erwartet, daß wir, die
nismäßig große Rolle gespielt —, meinen wir, daß Abgeordneten, die aus dieser oder jener Funktion
mit der Bildung des Ministeriums, mit dem Tag, an heraus die Meinung der Bundesregierung draußen
dem es arbeitsfähig wird, eben ein neuer Ausgangs- vertreten müssen, und zwar sowohl die Abgeord-
punkt dafür geschaffen ist, wie die Entwicklungs- neten der Opposition wie die der Koalition — denn
hilfe betrachtet und behandelt werden soll. wir können ja den Partnern gegenüber keine ver-
schiedenen Meinungen vertreten —, wenn die Bun-
Ich sagte schon: alle Aufgaben der Entwicklungs- desregierung also erwartet, daß wir dort ihre Hal-
hilfe müssen in diesem Ministerium zusammenge- tung vertreten und verteidigen, dann kann das na-
faßt werden. Strittig ist eigentlich zwischen uns nur türlich nur ein Ergebnis der Zusammenarbeit sein.
der Termin, die Frage, wann das geschehen kann.
Gut, darüber müssen wir natürlich in erster Linie Wir werden im Mai die nächste gemeinsame Sit-
dem Minister das Wort lassen. zung in Straßburg haben, und ich weiß jetzt schon
— ich bin darüber informiert worden —, daß unter
Ich sehe es aber ausgesprochen ungern, daß das den Assoziierten eine ganz beträchtliche Erregung
Auswärtige Amt zur Zeit die Verhandlungen über herrscht über die Art und Weise der Verhandlung,
die Assoziierung im Rahmen des EWG-Vertrages nicht so sehr über den Inhalt. Aber ich glaube, es
führt an Stelle des Ministers, den wir doch gerade ist auch ungeschickt, wenn die Bundesregierung in
für diese Aufgaben berufen haben. Brüssel den Anschein erweckt, als ob sie einen be-
(Abg. Hermsdorf: Hört! Hört!) stimmten Teil des EWG-Vertrages in Zweifel zöge.
Das sollte man eigentlich immer vermeiden. Es ist
Er wäre auch rein persönlich der geeignetste Mann
doch ganz klar, daß der Abschnitt IV, den selbstver-
für diese Aufgabe, weil er die Herren alle persön-
ständlich niemand gelesen hat, zum Vertrag gehört,
lich kennt. Ich muß schon sagen: Ich sehe es als
daß er mit die Unterschrift der deutschen Regierung
einen besonderen Knüller bundesrepublikanischer
trägt und daß er, coûte que coûte, erfüllt werden
Regierungsweisheit an, einer Weisheit, die ein
muß und daß es immer gut ist, gleich zu zeigen, daß
schlichter Abgeordneter nie begreifen wird, daß der
man das tun will; vielleicht kommt man dann sogar
Herr Bundeswirtschaftsminister zu der gleichen Zeit,
in den Verhandlungen etwas billiger weg. Aber ich
während der das Auswärtige Amt in Brüssel die
glaubte doch auf diese Umstände hier aufmerksam
Verhandlungen führt, die Botschafter der assoziier-
machen zu müssen.
ten Staaten aus Brüssel nach Bonn einlädt und hier
durch seinen Staatssekretär über die speziellen Auf- Wenn wir also in der Kompetenzfrage jetzt im
fassungen unterrichten läßt. Es bedarf wohl keiner Augenblick nicht drängen wollen, so möchte ich
besonderen Begründung, daß das natürlich nicht die doch noch eine Anmerkung dazu machen. Ich möchte
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1025

Margulies
m i ch zwar in den Dschungelkrieg der Bürokratie der Margulies (FDP) : Bitte!
einzelnen Ressorts nicht einmengen; aber ich sehe
doch auch mit einigen Bedenken, daß dieser Krieg Kalbitzer (SPD) : Herr Kollege Margulies, ist
neuerdings damit geführt wird, daß einzelne Abge- Ihnen nicht aufgefallen, daß in unserem Antrag gar
ordnete unter dem Titel „Entsendung von Sachver- keine speziellen Forderungen gestellt sind, wie
ständigen" in die an sich munter blühende Entwick- häufig Sie zusammenzutreten haben und wie detail-
lungstouristik unserer Bürokratie eingeschaltet wer- liert Sie jedes Projekt zu prüfen haben? Könnten
den. Das halte ich doch für einigermaßen bedenk- Sie nicht erwägen, daß es ausreichte, wenn das Par-
lich, und es wird Sache der Haushaltskontrolle sein, lament kontrollierte, ob wenigstens die Bürokratie
zu prüfen, wie die einzelnen Titel und wie die Mit- kontrolliert, oder ob sie nur blind zusagt? Das wäre
tel daraus verwandt worden sind. Als intermini- doch die Frage.
sterielle Kampfmaßnahme sehe ich das jedenfalls
ausgesprochen ungern, und ich hoffe, daß es nur der
Erwähnung dieses Umstandes bedurfte, um diesen Margulies , (FDP) : Herr Kalbitzer, in Ihrem An-
Mißstand abzustellen. trag lese ich: „ ...bedürfen der vorherigen Unter-
richtung des Ausschusses." Also nur gegen diese
Wenn ich mich bis jetzt mehr mit der Kompetenz- Formulierung habe ich soeben gesprochen, weil ich
frage beschäftigt habe, die sich sicherlich in abseh- das einfach für nicht durchführbar halte. Ich bin mit
barer Zeit dank der wirksamen Tätigkeit des Haus- Ihnen der Meinung, und ich glaube, alle Beteiligten
haltsausschusses, der ja im Mai wieder daran gehen sind der Meinung, daß wir Prinzipien für die Ver-
will, lösen wird, so darf ich jetzt zunächst einmal gabe von Entwicklungshilfe entwickeln sollten und
einige Worte zu der Frage der Kontrolle sagen. dann prüfen müssen, ob die Bürokratie entspre-
Selbstverständlich hat Herr Kalbitzer recht, wenn er chend diesen Richtlinien jeden Einzelfall prüft. Wir
die strikte Kontrolle aller Ausgaben der Entwick- haben die Zusage der Regierung, daß die von uns
lungshilfe durch das Parlament fordert. Das ist an bilateral vergebene Kapitalhilfe eine eindeutige
sich so selbstverständlich, daß man darüber gar Projekthilfe sein muß, also gebunden an ein speziel-
nicht zu sprechen braucht. Auch die Regierung ist ja les, durchaus im einzelnen prüfbares Objekt. Aber
bereit, dieser Kontrolle die entsprechenden Möglich- der Teil an Kapitalhilfe, den wir bilateral vergeben,
keiten zu liefern. Aber ich glaube, wir sollten auch ist ja doch nur ein kleiner Teil der Gesamtsumme,
nichts Unmögliches verlangen. Ich habe mir mal und es wird unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen,
ausgerechnet, wieviel Zeit uns zur Verfügung steht. daß wir auch bei den multilateral vergebenen Mit-
Wir können damit rechnen, daß am 1. Oktober, je- teln eine ausreichende Einsicht bekommen, ob diese
denfalls in der ersten Woche nach der Sommer- Mittel entsprechend dem von uns vorgeschriebenen
die Beratungen über den nächsten Haushalts- Zweck verwendet werden, das heißt also, in einer
plan beginnen werden; dann sind wir also schon Weise verwendet werden, die der Stärkung der
wieder mittendrin. Wir haben damit jetzt noch Wirtschaftskraft der Länder dient, in die diese Ent-
ganze drei Monate Zeit, zu beraten. Wenn Sie nun wicklungshilfe fließt.
mal die Summen ansehen und in etwa überschlagen, Ich wollte also nur die Bitte an die Opposition
um wieviele Einzelpositionen es sich dabei handeln aussprechen, es nun hier nicht an einer Haarspal-
kann, dann kommen Sie auf einige hundert. Diese terei aufzuhängen; der Ausdruck gefällt mir selber
in der Zeit, die uns noch bis zur Sommerpause zur nicht, aber es fiel im Moment kein anderer ein. Sie
Verfügung steht, kontrollieren zu wollen, halte ich wissen es selbst, und, Herr Kalbitzer, wir haben es
für unmöglich; das ist technisch nicht möglich, das mehrfach besprochen, daß es einen bestimmten
ist nicht praktikabel. Punkt gibt, bis zu dem die Dinge vertraulich behan-
delt werden müssen. Erst von diesem Punkt an kann
Deshalb bin ich der Meinung, daß die sozialdemo-
die Kontrolle des Parlaments einsetzen. Diese Kon-
kratische Fraktion doch noch einmal überprüfen
,

trolle ist uns zugesagt. Lassen wir doch die Ge-


möge, ob ihr nicht die Zusicherungen, die ihr in be-
schichte nun mal ein halbes Jahr laufen, sehen wir
zug auf Information, auf rechtzeitige Unterrichtung
einmal zu, wie sich die Zusammenarbeit entwickelt.
gegeben worden sind, genügen können, um dem
Sollte sie nicht den Vorstellungen dieses Hauses
Einzelplan 23 zuzustimmen, nachdem sie ihn doch
entsprechen, dann haben wir ab 1. Oktober bei
im Prinzip anzunehmen bereit ist. Der Änderungs- Beratung des neuen Haushalts sofort die Gelegen-
antrag zum Haushaltsgesetz — über den freilich erst
heit, unseren Willen durchzusetzen.
heute nacht abgestimmt werden wird — ist, ich be-
dauere, das noch einmal sagen zu müssen, einfach (Beifall bei der FDP.)
nicht durchführbar. Wir würden damit für das Par-
lament eine Kontrolle fordern, eventuell, wenn der Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
Antrag angenommen wird, bekommen, die durchzu- Abgeordnete Gewandt.
führen wir gar nicht in der Lage sind. Aus rein zeit-
lichen Gründen schaffen wir das nicht. Da hätte ich Gewandt (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Bedenken, eine Verantwortung zu fordern, die wir sehr geehrten Damen und Herren! Die Darlegungen
nachher nicht ausüben können. des Kollegen Kalbitzer veranlassen mich zu einer
kurzen Replik. Herr Kalbitzer, ich möchte zunächst
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter, einmal sagen: Es hat mich sehr verwundert, daß Sie
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten in Aussicht gestellt haben, dem Haushalt des Mini-
Kalbitzer? steriums Scheel nicht Ihre Zustimmung zu geben. In
1026 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Gewandt
den Ausschüssen haben Sie uns von der Regie- lament die ausreichende Möglichkeit, mitzuwirken,
rungskoalition immer zu größeren Taten in bezug ohne dabei die nötige Bewegungsfreiheit der Bun-
auf die Bewilligung von Beamtenstellen und Mitteln desregierung einzuengen. Ich glaube, das ist ,der
veranlassen wollen; und hier versagen Sie nun Ihre richtige Weg. Wir haben später, wenn wir mehr
Zustimmung. Aber ich möchte eigentlich nur auf die Erfahrungen gesammelt haben, immer noch Gelegen-
sachlichen Bemerkungen eingehen, die Sie gemacht heit, uns zu überlegen, ob andere Formen der Mit-
haben, weil ich meine, daß Sie von falschen Voraus- wirkung möglich sind.
setzungen ausgehen. Zu den prinzipiellen Darlegun- Sie haben eingewandt, Herr Kollege Kalbitzer,
gen, Herr Kollege Kalbitzer, will ich deshalb nichts daß meine Darlegungen von einer etwas zu tradi-
sagen, weil ich glaube, daß wir im Prinzip über Sinn tionellen Betrachtungsweise ausgingen. Herr Kol-
und Ziel der Entwicklungshilfe einer Meinung sind. lege Kalbitzer, ich habe mich hier im Rahmen des
Heute kommt es doch nur darauf an, zu prüfen, geltenden Haushaltsrechts geäußert. Wenn Ihnen
in welcher Weise wir eine mißbräuchliche Verwen- dieses Haushaltsrecht nicht konveniert, dann muß
dung von Entwicklungshilfegeldern verhindern man sich vielleicht einmal überlegen, ob man .es im
können und inwieweit das Parlament mitwirken Hinblick auf diesen besonderen Tatbestand ändert.
kann. Es ist schon wiederholt festgestellt worden, Aber im Augenblick können wir eben nichts anderes
daß es eine Hauptaufgabe des neuen Hauses ist, die tun, als im Rahmen des geltenden Rechts unsere
Auswirkung unserer Entwnicklungshilfe im Ausland Bestimmung zutreffen. Ich glaube, wir haben da
zu kontrollieren, und zwar nicht nur eine rechne- dem Hause die beste Lösung vorgeschlagen, die
rische Kontrolle bezüglich der Projekte durchzufüh- unter den derzeitigen Verhältnissen möglich ist.
ren, sondern auch die Auswirkung auf die Wirt- (Beifall bei der CDU/CSU.)
schafts- und Sozialstruktur in den einzelnen Län-
dern zu beobachten.
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß der Herr Abgeordnete Wischnewski.
Rechnungsprüfungsausschuß bereits im letzten Bun-
destag die Bundesregierung darauf hingewiesen hat,
Wischnewski (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr
daß es vielleicht zweckmäßig sei, beim Abschluß
internationaler Verträge, in denen Deutschland verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit zwei,
finanziell verpflichtet wird, darauf zu drängen, daß drei Sätzen auf das antworten, was der Kollege Ge-
unsere Art der Rechnungskontrolle zugelassen wird. wandt gesagt hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit,
Wieweit das international durchführbar ist, ist eine daß die Sozialdemokraten sich im Haushaltsaus-
zweite Frage. schuß um die Arbeitsfähigkeit dieses neuen Ministe-
riums bemüht haben. Wenn man ein neues Ministe-
Aber nun lassen Sie mich noch eines sagen zu rium will — das war der Wille der Koalition und
der Mitwirkung des Parlaments. Es heißt nach dem entspricht im übrigen auch einer alten sozialdemo-
Beschluß des Haushaltsausschusses ausdrücklich, kratischen Vorstellung, und wir haben von vorn-
daß die Unterrichtung der Ausschüsse regelmäßig herein erklärt, es handle sich nicht um ein Koali-
erfolgen muß, und zwar über den Verhandlungs- tionsministeriums —, dann muß man auch bereit sein,
stand. Das bedeutet, daß sie — nämlich Haushalts- einem solchen Ministerium entsprechende Arbeits-
ausschuß und Ausschuß für die Entwicklungshilfe — möglichkeiten zu geben. Dafür haben wir uns einge-
noch während der Verhandlungen in der Lage sind, setzt.
zu debattieren und ihre Meinung kundzutun und
dann natürlich auch die Weichen zu stellen. Das ist Und nun zu dem, was über die parlamentarische
eine sehr weitgehende Mitwirkung der Ausschüsse, Kontrolle gesagt wurde! Meine Damen und Herren,
wie sie bei anderen, vergleichbaren finanziellen Zu- wenn die Opposition überaus mißtrauisch ist in die-
wendungen nicht besteht. ser Frage, dann trägt die Schuld daran die vorige
Bundesregierung. Lassen Sie mich das mit aller
Im übrigen wird ausdrücklich festgestellt, daß Eindeutigkeit sagen! Im vergangenen Jahr hat die
dann, wenn eine Inanspruchnahme nach § 45 b der Bundesregierung 1 850 000 000 DM mehr an Ent-
Reichshaushaltsordnung, d. h. eine Verpflichtung wicklungshilfe zugesagt, als das Parlament beschlos-
über ein Haushaltsjahr hinaus, angestrebt wird, sen hatte.
sogar eine Zustimmung der Ausschüsse erforderlich (Hört! Hört! bei der SPD.)
ist.
Es ist kein Ausschuß gefragt worden, kein Mensch
Ich glaube also, daß wir mit diesen Beschlüssen ist überhaupt gefragt worden. Wir haben im ver-
ein Maximum an Kontrolle gewährleisten. Es kann gangenen Jahr einen Unterausschuß für Entwick-
also nicht mehr vorkommen, daß — nehmen wir lungshilfe gehabt; Herr Kollege Majonica war Vor-
einmal das schlechte Beispiel — sich irgendwo ein sitzender. Es ist nicht einmal der Versuch unternom-
Potentat auf Kosten der deutschen Steuerzahler men worden, diesem Ausschuß zu sagen, daß man
einen Palast baut. Die Auswirkungen der Entwick- mit den zur Verfügung gestellten Mitteln nicht aus-
lungshilfe werden kontrolliert, es wird die Durch- kommt. Man hat 1 850 000 000 DM mehr zugesagt
führung der Projekte kontrolliert. Sie wissen ge- und versucht, das +in diesem Jahr so mit der linken
nauso wie wir, daß die Gelder nur projektgebunden Hand im Haushaltsgesetz zu regeln. Mit einer sol-
gegeben werden, so daß ein Mißbrauch nicht mög- chen Regelung können wir nicht einverstanden
lich ist. sein. Das aber ist der Beweis, daß die parlamentari-
Im übrigen haben wir nach dieser Bestimmung, sche Kontrolle im vergangenen Jahr überhaupt nicht
die der Haushaltsausschuß vorgesehen hat, im Par- funktioniert hat, und da sind wir nun mißtrauisch.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1027
Wischnewski
Wenn Sie nicht eine vernünftige Regelung herbei- Entwicklungshilfe ist eine verhältnismäßig schwie-
führen, können Sie für diese Milliarden unsere rige Angelegenheit. Sie wissen, daß vor nicht allzu
Stimme nicht haben. langer Zeit die Vereinigten Staaten eine neue Or-
Bitte schön, Herr Kollege Gewandt! ganisationsform entwickelt haben, eine zentrale
Behörde, Agency for International Development
genannt. Das war, glaube ich, die siebte oder achte
Gewandt (CDU/CSU) : Gestatten Sie eine Zwi- Organisationsänderung in dem Gesamtbereich der
schenfrage: Ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, Entwicklungspolitik. Da die Amerikaner am ehesten
daß wir gerade auf Grund gewisser Erfahrungen begonnen haben, diese Aufgabe praktisch anzufas-
jetzt im Haushaltsgesetz die Mitwirkung des Parla- sen, haben sie auf diesem Sektor auch die längste
ments vorgesehen haben, Erfahrung, und es zeigt sich, daß sie bis in die
(Abg. Dr. Schäfer: Wo denn?) jüngste Zeit hinein noch nicht die beste Form gefun-
den haben. Ich vermute, die gegenwärtige wird
und zwar eine sehr weitgehende? möglicherweise auch nicht die letzte sein.
(Abg. Dr. Vogel: Ein Drittel beschäftigt sich
Wischnewski (SPD) : Das ist nur eine Informa- immer mit ihren eigenen Umzugskosten,
tion und keine Mitwirkung, eine Information, die Herr Minister!)
sich jeweils erst hinterher auswirken wird.
— Das gilt für die AID, was Sie jetzt sagen; Herr
(Abg. Gewandt: Falsch!) Kollege. Ich vermute also, daß wir, da wir erst
— Ihre Formulierung, Herr Kollege Gewandt, ist Lehrlinge sind, noch einiges Lehrgeld zahlen. Aber
sicher, das gebe ich zu, eine Verbesserung gegen- wir bemühen uns, die beste Form zu finden, und in
über der bisherigen Situation. Nach der jetzigen diesem Zusammenhang darf ich sagen, daß, noch
Formulierung werden Zusagen von 1 850 000 000 DM, nicht einmal von allen erwartet, diese erste Art der
ohne daß ein Mensch im Parlament gefragt wird, Abgrenzung der Aufgaben sich bis heute sehr posi-
sicher nicht mehr möglich sein, aber eine rechtzeitige tiv ausgewirkt hat.
Einschaltung des Parlaments sichert diese Formulie- Herr Kollege Kalbitzer hat davon gesprochen,
rung auch nicht. daß die Öffentlichkeit jetzt mit viel mehr Kritik an
Dann noch ein Wort zu dem, was Herr Kollege das Problem der Entwicklungspolitik herangeht als
Margulies gesagt hat. Er meinte, der Ausschuß habe früher. Das ist schon richtig. Aber ich glaube, man
nicht die notwendige Zeit, eine Kontrolle vorzuneh- kann nicht deutlich genug sagen, daß die Richtung,
men. Herr Kollege Margulies, der Bund hat bis Ende die die Kritik in gewissen Zeitungen nimmt — näm-
des vergangenen Jahres für Entwicklungshilfe Zu- lich immer wieder den Eindruck zu erwecken, als
sagen in Höhe von etwa 6 Milliarden gemacht. Diese würde die Bundesregierung Dinge finanzieren, die
6 Milliarden sind zusammengefaßt in 32 Positionen, sie dann in illustrierten Zeitungen wiederfindet —,
und ich bin der Meinung, daß wir sehr wohl Zeit nicht weitergegangen werden sollte, weil sie falsch
haben, in unserem Ausschuß die Notwendigkeit und ist.
Richtigkeit dieser 32 Positionen im Rahmen von (Beifall bei den Regierungsparteien.)
6 Milliarden zu prüfen. Deshalb müssen wir auf der Es muß nun einmal festgestellt werden, daß die
Regelung bestehen, die wir vorgeschlagen haben. Bundesregierung jetzt und auch in der Vergangen-
Andernfalls ist eine Zustimmung zu diesem Haus- heit bei der Finanzierung der Entwicklungshilfe in
halt von unserer Seite nicht möglich. allen Fällen ohne Ausnahme nur Projekte finanziert
(Beifall bei der SPD.) hat, die sie kannte, und Projekte, von denen sie der
Meinung war, daß sie dem Wohle und der Verbes-
serung des Lebensstandards der Völker dienten.
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammen- Das muß nun endlich einmal festgestellt werden.
arbeit. Weder der Palast, der immer wieder durch die Zei-
tungen geistert, noch das goldene Bett, das durch
die Zeitungen geht, noch goldene Bestecke oder
Scheel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusam- kostbare Porzellanservice sind von der Bundes-
menarbeit: Herr Präsident! Meine Damen und Her- regierung finanziert worden. Das sind ganz andere
ren! Ich darf feststellen, daß die Diskussion, von Quellen gewesen, wobei man nebenbei bemerkt ein-
einzelnen abweichenden Meinungen über bestimmte mal unterstellen darf, daß auch die Sitten in ande-
Komplexe abgesehen, doch eine recht erfreuliche ren Kontinenten andere sind als bei uns.
Einheitlichkeit zeigte. Ich freue mich vor allem dar-
über, daß Herr Kollege Kalbitzer als Sprecher der (Zuruf von der CDU/CSU: Und die Unsitten!)
Sozialdemokratischen Partei sich hinter die Anfor- — Und die Unsitten.
derung der Summen, .die zur Diskussion stehen, ge-
Ich habe mich über die nüchterne Art gefreut, in
stellt hat.
der Herr Kollege Kalbitzer die Entwicklungspolitik
Er hat in seiner Rede auch zu Organisationsfragen insgesamt definiert hat: als eine langfristige eigen-
Stellung genommen und die Frage gestellt, wie der ständige Aufgabe, deren Phasen manchmal einen
organisatorische Aufbau des Ministeriums und wie anderen Verlauf nehmen als diejenigen, die unse-
die Zusammenarbeit der verschiedenen mit den Fra- rem außenpolitischen Interesse und der jeweiligen
gen der Entwicklungspolitik befaßten Häuser sich Interessenlage unserer Volkswirtschaft entsprechen.
in der Zukunft gestalten wird. Die Organisation der Die Kunst ist es eben, diese Gebiete möglichst im-
1028 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundesminister Scheel
mer in Übereinstimmung zu bringen, und da geben mal davon ausgehen, daß im Bereich des Tit. 300
wir uns die allergrößte Mühe. alles zur Zufriedenheit des ganzen Hauses geregelt
Ich darf Herrn Kollegen Kalbitzer sagen, daß sein worden ist —, kommt, glaube ich, den Wünschen
Verdacht nicht berechtigt ist, die ganze Entwick- des Parlaments in einem überaus großen Umfang
lungspolitik und das ganze Finanzierungsgeschäft entgegen. Denn eines muß ja festgehalten werden:
würden von der Bürokratie gemacht, ohne daß nach dem Grundgesetz besteht nun einmal eine Ge-
irgend jemand darauf Einfluß nehmen könnte. Es waltenteilung zwischen Legislative und Exekutive,
wird Ihnen nicht entgangen sein, daß bei den poli- die — schon um der Kontrolle willen — berechtigt
tisch wichtigen Entscheidungen das Kabinett die ent- ist; denn wenn sie nicht bestünde, gäbe es keine
scheidende Stelle ist und daß in fast allen diesen Kontrolle. Deswegen, glaube ich, kann die Mitwir-
Fällen Kabinettsdiskussionen vor der Entscheidung kung des Parlaments nur einen beschränkten Um-
stattgefunden haben. fang annehmen. Wenn ich für jedes einzelne Pro-
jekt, für jeden einzelnen Vorgang eine Bestätigung
des Parlaments hätte — und sei es nur durch die
Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie eine Information —, wäre ja eine Kontrolle nachher ein-
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer? fach ausgeschlossen, wir wären sozusagen zu Ver-
bündeten geworden, das Parlament hätte gar keine
Scheel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusam- I Grundlage mehr, die Regierung zu kontrollieren.
menarbeit: Bitte sehr. Deswegen haben wir versucht, einen anderen Weg
zu gehen.
Dr. Schäfer (SPD) : Herr Minister, wenn das so
Meine Damen und Herren, wie sieht denn diese
ist, welche Hemmungen haben Sie dann, dem Parla-
Art der Kontrolle aus? Hier ist noch nicht deutlich
ment oder einem entsprechenden Ausschuß es zu
zum Ausdruck gekommen, daß wir nicht nur im
gleicher Zeit vorzulegen?
nachhinein die beiden Ausschüsse über das infor-
(Zurufe von der Mitte.) mieren wollen, was die Regierung getan hat, son-
dern — ich darf hier zitieren —:
Scheel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusam-
Die Bundesregierung unterrichtet den Haus-
menarbeit: Das will ich ja, das ist ja vorgesehen.
haltsausschuß und den Ausschuß für Entwick-
Ich komme jetzt im einzelnen darauf.
lungshilfe des Deutschen Bundestages in regel-
Die Anregung von Herrn Kalbitzer, eine gesetz- mäßigen Zeitabständen über den Stand der Zu-
liche Grundlage für die Entwicklungspolitik insge- sagen,
samt zu schaffen, halte ich für erwägenswert. Ich
glaube, wir müssen uns in Kürze mit dieser Frage — das ist eine vollzogene Sache —
im Parlament befassen. Ich darf aber sagen, Herr den Verhandlungsstand bei wichtigen Projek-
Kollege Kalbitzer, daß die Bürokratie ja doch nicht ten und über die Auszahlungen auf dem Gebiet
so ganz wertlos ist; denn Ihre Vermutung, daß die der Kapitalhilfe.
berühmten 1,85 Milliarden DM auf Grund des § 45 b
der Haushaltsordnung im vergangenen Jahr zusätz- Meine sehr geehrten Damen und Herren, was
lich bewilligt worden sind, ohne daß der Empfänger heißt das denn, daß wir die beiden Ausschüsse über
der Gelder eine Vorbehaltsklausel zur Kenntnis be- den Verhandlungsstand unterrichten? Das heißt
kommen hätte, trifft nicht zu. Die Bürokratie hat doch, daß wir bereit sind, die wichtigen Projekte —
— ich habe mich davon überzeugt — stets sehr ge- und zwar bevor eine Zusage gegeben worden ist —
nau und präzise dafür gesorgt, daß alle die Bewil- in regelmäßigen Abständen mit den beiden Aus-
ligungen, die ohne parlamentarische Zustimmung schüssen zu diskutieren. Was heißt „Abstände", und
gegeben worden sind, einen Vermerk tragen, daß wo sind die Möglichkeiten? Meine verehrten Kol-
die parlamentarische Bewilligung noch nachgeholt legen, ich darf doch darauf hinweisen: Der Ausschuß
werden muß und daß insoweit abgeschlossene Ver- hat es in der Hand, seine Termine festzulegen und
träge naturgemäß nicht wirksam werden können. seine Tagesordnung aufzustellen, eine Tagesord-
Das darf ich hier, auch um Mißverständnissen vor- nung, die die Verpflichtung enthält, Bericht zu er-
zubeugen, feststellen. statten. Das ist doch Sache des Ausschusses.
(Abg. Wischnewski: Aus außenpolitischen
Gründen kommt man von einer Zusage Vizepräsident Dr. Dehler: Zu einer Zwischen-
nicht mehr herunter, Herr Minister!) frage Herr Abgeordneter Kalbitzer.
— Wir bekommen ja auch die nachträgliche Bewil-
ligung des Parlaments für diese Zusage, Herr Kol-
lege Wischnewski. Kalbitzer (SPD) : Herr Minister, könnten Sie mir
sagen, wo in der Klausel, für die Sie sich so Warm
(Abg. Wischnewski: Das ist ein schlechter einstzudafSe18sMündlichB-
Stil, Herr Minister!) richts steht, das Wörtchen „bevor" steht, auf das
Nun komme ich zu den Bemerkungen des Herrn Sie immer so drängen und das ich leider nicht fin-
Berichterstatters, der wie die Herren Kollegen von den kann? Ich sehe nur, daß Sie hinterher Bericht
der SPD das Hauptgewicht auf die Kontrolle und erstatten wollen und ,daß 'Sie freistellen, es vorher
auf die Beobachtung der Wirkung der Entwick- zu tun, aber daß Sie es nicht hineinschreiben. Warum
lungshilfe gelegt hat. Meine Damen und Herren, der schreiben Sie es nicht hinein, wenn Sie davon spre-
Vorschlag, den Sie .in Tit. 570 finden — ich darf ein- chen?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1029

Scheel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusam- werden sollte. Pro Quartal gibt es hier im Durch-
menarbeit: Das muß wohl ein Mißverständnis sein. schnitt 5000 Geschäftsvorgänge. Ich glaube, es hieße
Es heißt doch hier: „den Verhandlungsstand bei das Parlament überfordern, wenn man es hier ein-
wichtigen Projekten". Wenn das Projekt erledigt schaltete. Das würde die Kontrolle des Parlaments
ist, gibt es keinen Verhandlungsstand mehr; dann geradezu aus den Angeln heben. Das könnte eine
gehört das zu den Zusagen oder zu den Auszahlun- Methode sein, das Parlament von der wirklichen
gen. Ich glaube, das ist eindeutig, daß wir hier die Kontrolle abzuhalten, indem es mit Papier über-
Bereitschaft erkennen lassen, über die eingeleiteten schwemmt würde. Das ist der Grund, warum ich
Verhandlungen mit dem Ausschuß zu diskutieren, darum bitten möchte, von diesem Antrag abzusehen
bevor eine Zusage gegeben wird. Nehmen Sie es und einmal abzuwarten, wie ernst es der Bundes-
mir doch ab, daß das nicht etwa eine Methode sein regierung mit ihrer Entschlossenheit ist, mit dem
soll, das Parlament zu düpieren, sondern daß wir Parlament zusammenzuarbeiten.
die Absicht haben, mit dem Parlament zusammen- Meine Damen und Herren! Ich habe in der Dis-
zuarbeiten. Das geht doch, meine verehrten Kol- kussion festgestellt, ,daß erfreulicherweise — was
legen, schon aus folgendem hervor. Lesen Sie doch ,der Fall ist —nichtaleposBrichn
einmal den nächsten Satz! Was hier beanstandet in allen Fraktionen völlige Einigkeit über die
worden ist, nämlich das Parlament habe zu den Grundlagen der Entwicklungspolitik und ihre Not-
1,58 Milliarden nichts sagen können, wird doch in wendigkeit besteht. Hier brauchen wir nicht mehr
der Zukunft dadurch ausgeschlossen sein, daß wir zu erklären, warum wir Entwicklungspolitik trei-
bei Anwendung des § 45 b der Reichshaushaltsord- ben. Es besteht Einigkeit über die Höhe der Mittel,
nung in jedem Falle den Ausschuß vorher befragen die wir zur Verfügung stellen müssen, aber auch
wollen. Hier steht j a : über die Leistungsgrenzen, denen wir selbst unter-
Die Bundesregierung unterrichtet rechtzeitig die liegen.
beiden Ausschüsse, falls wegen eines Einzel- Die Bundesregierung wird sich bemühen, die Zu-
falles § 45 b RHO zur Anwendung gebracht wer- sammenarbeit mit dem Parlament so zu gestalten,
den soll. daß das Parlament zufrieden sein wird. Niemand
Das „rechtzeitig" bedeutet selbstverständlich „vor- ist mehr an einer Kontrolle auf diesem Gebiete
her". interessiert, einer Kontrolle, 'die tatsächlich den
(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.) Steuerzahler zufriedenstellt, wie ihm gegenüber
notwendig ist, als die Bundesregierung und das zu-
— Das ist der letzte Satz des zweiten Absatzes der ständige Ministerium.
Erläuterungen zu Tit. 570 auf Seite 18. Das heißt
doch, meine verehrten Kollegen, daß wir die nicht (Beifall bei den Regierungsparteien.)
abgeschlossenen Verträge diskutieren wollen. Dar-
über, daß wir, falls tatsächlich die Ermächtigung in Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
Anspruch genommen werden soll, die der Herr Bun- Abgeordnete Hermsdorf.
desfinanzminister auf Grund des § 45 b hat, -den Aus-
schuß vorher zu unterrichten gedenken, kann, glaube
Hermsdorf (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
ich, eine Regierung gar nicht hinausgehen. Das ist
und Herren! Die Bemerkungen sowohl des Herrn
wirklich das weitestgehende Entgegenkommen, das
Ministers wie auch der Herren Gewandt und Mar-
wir hier zeigen konnten.
gulies veranlassen mich, noch einige kurze Aus-
(Zuruf von der SPD.) führungen zu diesem Kapitel zu machen.
— Das steht hier auf Seite 18! Erstens. Es besteht gar kein Zweifel, daß die
Ich möchte annehmen, daß wir mit dieser Regelung sozialdemokratische Fraktion im Haushaltsausschuß
in der Tat zu einer vernünftigen Zusammenarbeit alle Versuche unternommen hat, um dieses Ministe-
kommen. Ich darf Sie, meine sehr geehrten Damen rium arbeitsfähig zu machen.
und Herren, daran erinnern, ,daß dieses Verfahren (Zuruf von der CDU/CSU: Um es später
nicht neu ist. Es hat sich gerade in der Zusammen- abzudrehen!)
arbeit zwischen dem Bundesfinanzminister und dem
Zu diesem Beschluß steht die sozialdemokratische
Haushaltsausschuß bei Anwendung des § 33 der
Fraktion heute noch genau wie damals.
Reichshaushaltsordnung in der Vergangenheit hun-
dertfach bewährt. Kein Mitglied des Haushaltsaus- (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)
schusses hat sich bisher über dieses Verfahren be- Ich will nicht auf das Verhalten der Koalition in
schweren können. Genauso ist es bei der Zusam- dieser Frage zurückkommen. Ich möchte nur sagen:
menarbeit der Bunderegierung mit dem Handels- wir, die sozialdemokratische Fraktion, haben alle
politischen Beirat gewesen, bei der sich dieses Ver- Anstrengungen unternommen, um dieses Ministe-
fahren ebenfalls bewährt hat, ein Verfahren, .das wir rium arbeitsfähig zu machen.
jetzt als Verbesserung hier einführen wollen.
(Abg. Dr. Conring: Wir sind etwas spar
Der Antrag der SPD-Fraktion bringt natürlich — samer als Sie!)
darauf hat Herr Kollege Margulies mit Recht hin-
gewiesen — auch technische Schwierigkeiten mit Zweitens. Wir haben hier Kritik geübt und haben
sich. Ich habe einmal festgestellt, was beispielsweise Kontrolle verlangt aus dem ganz einfachen Grund,
der Punkt 2 dieses Antrags bedeuten würde, wenn (Abg. Dr. Conring: Auch in der Berichter
nämlich dem § 23 ein dritter Absatz hinzugefügt erstattung!)
1030 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Hermsdorf
weil wir in der bisherigen Entwicklungspolitik, die Scheel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusam
von der vorhergehenden Regierung betrieben wor- menarbeit: Bitte sehr.
den ist, nicht im mindesten mit der Vergabe der
Mittel einverstanden waren, weil wir immer erst Kalbitzer (SPD) : Herr Minister, darf ich unter-
hinterher gefragt worden sind, wenn wir auf die stellen, daß Sie also auch bereit sind, zuzustimmen,
Nase gefallen waren. daß §§ 22 und 23 des Haushaltsgesetzes um einen
(Abg. Dr. Conring: Das war das Anfangs- entsprechenden Passus ergänzt werden?
stadium!) (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann man
Drittens. Wir haben im Haushaltsausschuß vor- nicht!)
geschlagen — das ist auch hier wieder durch meinen
Kollegen Kalbitzer geschehen —, einen qualifizier- Scheel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusam-
ten Sperrvermerk anzubringen. Das ist im Haus- menarbeit: Ich glaube, mit dieser meiner Erklärung
haltsausschuß abgelehnt worden. Dafür haben sie ist Ihrem Anliegen in vollem Umfange Rechnung
einen Vermittlungsvorschlag gemacht, aber — jetzt getragen.
kommt der entscheidende Punkt — nur zum Titel (Beifall bei den Regierungsparteien.)
570 und nur zum Einzelplan 23. Aber, Herr Minister,
der entscheidende Punkt ist doch, daß diese Kon-
trolle, die im Einzelplan 23 festgelegt ist, sich auf Vizepräsident Dr. Dehler: Wir kommen zur
ganze 150 Millionen DM bezieht, während in § 22 Abstimmung über den Einzelplan 23 in der Fassung
des Haushaltsgesetzes, wo von Beträgen über des Haushaltsausschusses. Wer zustimmen will, gebe
1,5 Milliarden DM die Rede ist, nicht ein einziges Zeichen! — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? —
Wort über die Kontrolle gesagt worden ist. Nur dar- Bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen.
auf kommt es an, daß Sie bereit sind, dieselbe Zu-
sage, die bei den 150 Millionen DM gegeben wor- Ich rufe auf:
den ist, auch bei den 1,75 Milliarden DM zu geben. Einzelplan 25 - Geschäftsbereich des Bundes-
(Bundesminister Scheel: Die kann ich Ihnen ministers für Wohnungswesen, Städtebau und
geben!) Raumordnung (Drucksache IV/319) .
— Wenn Sie uns diese Zusage geben, sind wir Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Heiland.
schon ein ganz wesentliches Stück weitergekommen. Wünscht er das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich möchte ganz offen sagen, unsere ablehnende Wir beginnen mit der allgemeinen Aussprache.
Haltung war ausschließlich von der Frage der Kon- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jacobi.
trolle diktiert. Wir stellen nochmals fest, das hat
nichts mit dem Minister und dem Ministerium zu
tun. Im Gegenteil, wir sind der Auffassung, daß Jacobi (Köln) ,(SPD) : Herr Präsident! Meine sehr
sich der Minister alle Mühe gibt, Ordnung verehrten Damen und Herren! Ich möchte der Ver-
- in das
Gehäuse zu bringen. Es hat des weiteren auch nichts suchung widerstehen, eine größere wohnungspoli-
mit unserer Einstellung zur Entwicklungshilfe als tische Debatte auszulösen, obwohl es an sich Anlässe
ganzer zu tun. Wir sind für diese Entwicklungs- genug hierfür gibt. Aber wir befinden uns wieder
hilfe. Sie haben gegen unseren Willen sogar noch einmal — wie jedes Jahr, wenn der Haushalt beraten
Streichungen vorgenommen. Wir werden uns des- wird — in Zeitnot, und ich möchte Rücksicht auf
wegen jetzt bei der zweiten Lesung der Stimme ent- dieses Haus nehmen, das heute noch eine ganze
halten. Wenn wir eine verbindliche Erklärung des Reihe von Einzelplänen in zweiter Lesung zu ver-
Herrn Ministers hinsichtlich der Kontrolle des Be- abschieden hat.
trages von mehr als 1,5 Milliarden DM bekommen, Hinzukommt, daß der verantwortliche Ressortchef,
werden wir uns noch einmal über diese Frage unter- Herr Bundeswohnungsbauminister Lücke, durch
halten. seinen bedauerlichen Unfall, der ihn immer noch an
(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der seine Wohnung fesselt, verhindert ist, heute und
CDU/CSU: Die Zusage ist ja gegeben!) hier Rede und Antwort zu stehen. Wir hätten ihn
vieles zu fragen und ihm manches ausführlich zu
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der sagen. Das muß nun zu einem anderen Zeitpunkt
Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammen- geschehen. Wir möchten um der Sache willen, um
arbeit. die es dabei geht, aber auch aus kollegial-mensch-
lichen Gründen hoffen, daß nicht noch Monate dar-
Scheel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusam- über vergehen müssen. 'Wir möchten in dieser
menarbeit: Ich darf auf die Frage des Herrn Kolle- Stunde unser Bedauern über das Mißgeschick zum
gen Hermsdorf hier erklären, daß sich unsere Be- Ausdruck bringen, das den Herrn Minister von
reitschaft selbstverständlich auch auf die Bindungs- seinen Amtsgeschäften fernhält, und ihm eine bal-
ermächtigung bezieht. Selbstverständlich! dige Genesung wünschen.
(Abg. Kalbitzer: Ich möchte noch eine Frage (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)
an Sie stellen!) Wir haben mit dem Bundesminister Lücke oft die
Klingen gekreuzt, und das wird sicherlich auch in
Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie noch Zukunft gelegentlich geschehen, wenn er einen Kurs
eine Frage des Herrn Abgeordneten Kalbitzer? steuert, den wir nicht für richtig halten. Aber das
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1031
Jacobi (Köln)
kann uns nicht davon abhalten, einen wirklich ehr- Es ist heute wiederholt, so aus dem Munde des
lich gemeinten Wunsch auszusprechen. Wir können Herrn Bundeskanzlers, betont von der Notwendig-
Gegner sein, wir müssen uns nicht als Feinde ge- keit einer konstruktiven Opposition die Rede ge-
genüberstehen. wesen. Nun, dazu gehört, daß diese Opposition nicht
nur negative Kritik übt, sondern daß sie Anregun-
Ich beschränke mich nach dem Gesagten namens gen unterbreitet. Mit einigen Fragen, die ich nun
der SPD-Fraktion auf einige allgemeine Bemerkun- stelle, will ich solche Anregungen verbinden und
gen und verbinde mit ihnen zugleich die Begründung möchte Sie bitten, darüber nachzudenken.
unserer Änderungsanträge, die Ihnen auf Um-
druck 60 seit einigen Tagen vorliegen. Wir möchten wissen, wie es mit dem Ansatz der
restlichen Mittel auf die dringlichsten Aufgaben be-
Aus dem schlichten Bundeswohnungsbauminister stellt ist, d. h. welche Vorarbeiten geleistet sind und
ist mit der neuen Regierungsbildung ein Bundes- welche Gedanken über einen konzentrierten Einsatz
minister für Wohnungswesen, Städtebau und Raum- dieser Mittel bestehen, ob man bereit ist, sie zur
ordnung geworden. Das ist zunächst nur ein Firmen- Überwindung der noch bestehenden wirklichen Not-
schild. Wir und mit uns die mit Recht wißbegierige stände einzusetzen, ohne sie nach der bisherigen
Öffentlichkeit sind auf Vermutungen angewiesen, Praxis zu verzetteln, etwa unter dem Leitmotiv all-
was denn da eigentlich an neuen Aufgaben ange- gemeiner gesellschaftspolitischer Detailziele.
packt werden soll, welche Zielvorstellungen beste- Wir möchten wissen, was man zu tun gedenkt hin-
hen und wie sie verwirklicht werden sollen. Wenn sichtlich der stärkeren Förderung der Wohnungsver-
man den Haushalt betrachtet, so ist bis auf neue sorgung der wirklich Minderbemittelten, die sich
Stellenanforderungen kaum etwas von einer neuen sonst nicht helfen können. Wir wissen, daß zumindest
Linie oder gar von einer neuen Konzeption zu ent- bei denen unter Ihnen, die im Ausschuß mit uns zu-
decken. Zwar wird überall verkündet, die Woh- sammenarbeiten, aber wohl auch bei allen anderen.
nungsbauförderung könne allmählich zu Ende ge- die die Praxis und den Alltag kennen, kein Zweifel
hen, da der Wohnungsnot im wesentlichen der darüber besteht, daß hier noch sehr viel mehr zu tun
Garaus gemacht sei, und nun beginne die große ist, als gemeinhin zugegeben wird.
Aufgabe des Städtebaus und der Raumordnung. Der
Haushalt vermittelt hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Uns scheint es ebenso vordringlich — und darauf
zielen zum Teil unsere Änderungsanträge —, eine
(Abg. Dr. Conring: Lesen Sie doch mal den bessere Wohnungsversorgung der jungen Familien
Tit. 571 von 02!) und alter Leute zu verwirklichen und dies ebenfalls
nach den sachlichen Erfordernissen, entsprechend
— Den kenne ich, aber ich weiß auch, was dahinter-
dem effektiven Bedarf, zu tun.
steckt und was damit gemacht werden kann. Ich
komme noch auf einige Punkte in diesem Zusam- Wir meinen, 'daß die Forderung der Eigentums-
menhang zu sprechen. Unterstellen Sie mir bitte maßnahmen in Zukunft mehr und mehr, wenn nicht
nicht, daß ich den Haushalt nicht genau studiert sogar ausschließlich, durch Bürgschaften und zeit-
hätte. weilige Zinszuschüsse erfolgen sollte. Wir glauben,
(Abg. Dr. Conring: Ich erinnere Sie nur!) daß Kapitalsubventionen, die ja nach der eigenen
Politik der Regierung immer mehr in Fortfall kom-
Es sind eine Reihe neuer Gesetze angekündigt men sollen, hier in der Tat allmählich entbehrt wer-
worden, und das sogar in verschiedenen Lesarten, den können.
kann man sagen. Über diese können wir heute noch Wir erwarten, daß die Modernisierung des Alt-
nicht sprechen; sie liegen noch nicht vor. Wir wer- wohnungsbestandes in Zukunft nach dem Bedarf
den also sehen müssen, wie wir sie beurteilen kön- durch Bürgschaften und zeitweilige Zinszuschüsse
nen. Wir haben aber dennoch einige Fragen, näm- für Fremdkapital erfolgt, ohne Rücksicht auf den
lich folgende: Wie steht es, wenn von Städtebau Rechtsträger.
und Raumordnung so viel gesprochen wird, eigent-
lich hinsichtlich der Abstimmung mit den Ländern? Wir regen an, die städtebauliche Sanierung mit
Wie weit ist man da? Was hat man einzuleiten be- zahlreichen anderen, jetzt zersplitterten Maßnahmen,
gonnen? Wie steht es hinsichtlich der Abstimmung wie z. B. den Demonstrativbauten, zu koppeln und
mit den Städten, bei denen die Städteplanung und zu verbinden.
die Sanierung eine Rolle spielt? Was hat man getan, Wir mahnen, den nicht mehr begreifbaren Per-
um Bund, Länder und Städte an die Aufgaben her- fektionismus im Wohnungsbau für Zuwanderer und
anzuführen und zu einer Kooperation zu bringen? ähnliche Kategorien zu beseitigen. Auch sind wir
Was ist das Leitbild der raumordnungspolitischen der Meinung, daß die Zersplitterung in der Verwen-
Vorstellungen der Bundesregierung, die ja vorlie- dung der gesetzlich gebundenen Rückflüsse endlich
gen müssen, wenn man das Aufgabengebiet der aufgegeben werden und an ihre Stelle ein konzen-
Raumordnung mit mehr als Worten anpacken will? trierter Einsatz treten sollte. Es handelt sich ja
Schließlich meinen wir, daß in der Wohnungsbau- immerhin um 160 Millionen DM.
förderung die Erkenntnis ersichtlich sein muß, wie
man sich bei einem weiteren Auslaufen der bundes- Schließlich erscheint uns auch die Aufspaltung nach
seitigen Wohnungsbauförderung eine Konzentration Zinszuschüssen und , Aufwendungsbeihilfen bei jeder
auf die dringlichsten Aufgaben denkt, was man tun Einzelmaßnahme entbehrlich. Wir sollten uns alle
will, um keine weiteren Zersplitterungen entstehen gemeinsam Gedanken darüber machen, ob man bei
zu lassen. Insofern ist ein Blick in den Haushalt nur diesen Punkten, die ich erwähnte — weitere will
nach der negativen Seite hin aufschlußreich. ich hier nicht vortragen —, nicht doch in gemein-
1032 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 104 April 1962
Jacobi (Köln)
saurer Arbeit weiter kommen könnte, als das bisher wieder Gefahr laufen, in eine Art Galoppberatung
der Fall war. Jeder weiß, daß der Anteil der Miet- hineinzugeraten, die Gesetzen niemals zuträglich
beihilfen mehr und mehr steigen wird, da sie jetzt war. Wir haben darüber leidvolle Erfahrungen in
— und demnächst wird es in noch viel stärkerem der Vergangenheit genug sammeln können. Wir
Umfang der Fall sein — eine Art Finanzierungs- -erwarten also das Gesetz über ein 'soziales Miet
element geworden sind. und Wohnrecht, das Gesetz gegen Mietwucher, von
dem so oft die Rede ist, aber leider nicht in einem
Wir sind über das fortgesetzte Ansteigen der beruhigenden Sinne, weil man sich zwischen den
Mieten, auch im sozialen Wohnungsbau, sehr be- Ressorts offenbar nicht darüber klar ist, wie man
sorgt. In fast allen Ländern liegen die Sätze, wenn diesen Skandal, der zum Himmel schreit, anpacken
demnächst die Aufwendungsbeihilfen auslaufen, auf will. Wir erwarten die oft angekündigte Novelle
einer Höhe, die bedenklich ist. Wir haben ausgerech- zum Zweiten Wohnungsbaugesetz. Wir hoffen auf
net, daß wir. im 'Schnitt mit 2,50 oder 2,60 oder konkrete Vorstellungen der Regierung zum Gedan-
2,80 DM pro Quadratmeter, wenn nicht noch mehr, ken der Raumordnung, eventuell sogar auf ein ei-
rechnen müssen. Das sind Beträge, die erhebliche genes Gesetz der Regierung. Wir erwarten das Ge-
Sorgen auslösen. Wir sollten uns nicht einfach damit setz zur städtebaulichen Neugestaltung einschließlich
abfinden, zu sagen, dafür seien die Mietbeihilfen der Sanierung und ein entsprechendes Finanzierungs-
da. Das wäre justament eine Entwicklung, die sicher- gesetz, um nur einige wiederholt angekündigte Vor-
lich 'bedauerlich wäre. Wir behalten uns vor, mit lagen zu 'erwähnen.
Rücksicht auf die Abwesenheit des Ministers auf
diesen sozial, aber auch gerade jetzt ebenso lohn- Nun zu unseren Anträgen. Wir haben zunächst
politisch-konjunkturell sehr bedeutsamen Fragen- einen Antrag auf Streichung des Ansatzes für die
Veröffentlichungen des Ministeriums in Tit. 310
komplex zurückzukommen.
gestellt. Wir sind der Meinung, daß genügend Mög-
Wir könnten zur Wohnungspolitik noch vieles lichkeiten anderer Art als etwa durch die Heraus-
sagen. Aber wir werden demnächst dazu ausführlich gabe von teuren Drucksachen und Broschüren beste-
Gelegenheit haben, wenn die Große Anfrage der hen, dem Ministerium Gehör zu verschaffen und der
SPD über die Baulandpreise, wie wir annehmen, Öffentlichkeit klarzumachen, was das Ministerium
Mitte Mai beraten wird und wenn der von Ihnen plant und tut. Die Tatsachen und Erfolge sprechen
in der Öffentlichkeit vielfach angekündigte Gesetz- dann doch gegebenenfalls von sich aus 'ausreichend
entwurf über Maßnahmen zur Beeinflussung der genug. Aber wir können nicht zugeben, daß — wie
Baupreise erörtert wird. es heißt — ,,die Unterrichtung der Öffentlichkeit
über die Tätigkeit des Ministeriums, 'insbesondere
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß es zur Förderung des Eigentumsgedankens, des Städte-
diesem Jahre noch keine Besorgnis über die Woh- baus und über die Ergebnisse der Bauforschung .. .
nungsbauergebnisse geben muß. Ende 1961 hatten im dringenden Bundesinteresse" liegt. Wir haben
wir bereits 555 000 neue Wohnungen im Bau: Über- nach gewissen Erfahrungen, auch mit anderen Res-
hangsbauten, die sich in diesem Jahre auswirken, sorts, ein wenig Sorge, daß hier das Bundesinter-
und weitere 182 000 bereits genehmigte, aber noch esse mit dem Regierungsinteresse sehr stark ver-
nicht begonnene Bauten. Diese Produktion reicht bis wechselt wird. Deshalb schlagen wir vor, den An-
weit nach 1963 hinein. Wir werden also 1962 dank satz um 100 000 DM zu kürzen.
der fortgesetzten gemeinsamen Anstrengungen
sicherlich wieder ein Wohnungsbauergebnis um (Abg. Baier [Mosbach] : Dann bleibt nichts
550 000 herum haben. mehr übrig!)
Aber es gibt Schatten und Bedrohungen für den — Doch, dann bleiben immer noch 50 000 DM übrig.
Wohnungsbau im Jahre 1963, die sich heute bereits (Abg. Baier [Mosbach] Leider nicht! —
deutlich abzeichnen. Ich brauche nur die Bauland- Zuruf links: Schon gestrichen!)
preise, die Baupreise und die jetzt angekündigten
— Nun ja, das ist eine Situation, die auch nicht be-
Beschränkungen zu erwähnen. Wir haben die
Sorge, daß von ihnen auf weitere Sicht auch der drohlich ist; denn es gibt andere Bundesmittel, mit
Wohnungsbau erfaßt wird, sowohl im ganzen, als denen Regierungspropaganda und Unterrichtung
auch was von den öffentlich geförderten Wohnungs- betrieben werden kann. Das kann der Herr Bundes-
bau betrifft. wohnungsbauminister in anderer Weise bewerkstel-
ligen. Wir haben jedenfalls diesen Antrag gestellt;
Hierzu werden wir nachher, wenn wir Ihren An- Sie können ihn ja ablehnen.
trag auf Neufassung des § 8 des Haushaltsgesetzes
diskutieren, mit einem eigenen Antrag und durch (Zuruf von der Mitte: Werden wir tun!)
Fragen klarstellen, ob und inwieweit der öffentlich Im übrigen wird die Praxis erweisen, ob unser Miß-
geförderte Wohnungsbau von dieser Maßnahme trauen berechtigt war oder ob wir durch Sie ins
ebenfalls betroffen wird. Vielleicht stellt 'sich her- Unrecht gesetzt werden, wenn wir diesen Strei-
aus, daß unsere Sorgen unbegründet sind. Aber wir chungsantrag vertreten.
möchten das durch reine exakte Erklärung der Regie- Wichtiger erscheinen uns die beiden anderen An-
rung abgesichert wissen. träge. Da ist zunächst einmal der Tit. 545. Nach den
Wir erwarten im übrigen seit langer Zeit eine Erläuterungen, die Sie auf' Seite 19 finden, kann der
Reihe von angekündigten Gesetzen, deren beschleu- Betrag als Ersatz für fehlendes Eigenkapital im
nigte Vorlage unerläßlich ist, weil wir Zeit brau- Familienheimbau verwendet werden. Wir halten das
chen, sie 'sorgfältig zu beraten. Wir dürfen nicht für 'bedenklich, weil wir auf Grund der Praxis des
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1033
Jacobi (Köln)
Ministeriums besorgt sind. Es ist nämlich zu be- nung — statt Miet- und Genossenschaftswohnung.
fürchten, daß auch dieser Titel überwiegend dem Das „und" ist also durch ein „oder" zu ersetzen.
Familienheimbau zugute kommt. Für diesen Fami-
lienheimbau gibt es aber den Tit. 606 mit einem Zweitens bitte ich für den Fall einer Ablehnung
Ansatz von 25 Millionen DM. Ich will in Ihre Erin- des eigentlichen Antrages, also der Titelerhöhung,
um getrennte Abstimmung zu unserem Textände-
nerung zurückrufen, daß der Tit. 545 damals auf
Grund einer Bundestagsentschließung geschaffen rungsantrag zu den Erläuterungen; denn diese Er-
läuterungen haben ihre Bedeutung auch für den
worden ist, um .die Wohnungsversorgung junger
Fall, daß es bei der von der Bundesregierung vor-
Familien, die nicht in der Form von Familienheimen
gesehenen Summe von 20 Millionen DM bleibt. Ich
zu Wohnungen gelangen, zu ermöglichen. Dazu lag
habe die Gründe hierfür angeführt.
ursprünglich ein SPD-Gesetzentwurf vor. Er ist nicht
mehr beraten worden. Später hat die CDU den. Ge- Was nun hinsichtlich der wohnlichen Unterver-
danken aufgegriffen anläßlich der letztjährigen sorgung der jungen Familien zu beklagen ist, was
Haushaltsberatung und eine entsprechende Ermäch- hinsichtlich unzähliger junger Menschen, ihrer Woh-
tigung gebracht, d ie jetzt mit einem Teilansatz von nungsnot und ihrer Verzweiflung zu sagen ist, das
20 Millionen DM verwirklicht werden soll. Dabei gilt in ähnlicher Weise auch für viele unserer alten
muß aber dieser Betrag entsprechend der Vorge- Menschen. Wir kennen hier besonders erschütternde
schichte auch tatsächlich der Förderung des Miet- Notstände. Wir beantragen deshalb, einen neuen
wohnungsbaus für junge Familien vorbehalten blei- Haushaltstitel 607 einzuführen und vorerst einen
ben. Betrag von 20 Millionen DM dabei auszuwerfen für
(Abg. Baier [Mosbach] : Das wird er doch!) die Förderung von Alterswohnheimen und Alters-
heimen. Wir meinen, daß die Bundesregierung und
— Nein, wir haben Anhaltspunkte dafür, daß das der Bundestag sich nicht länger mehr der besonde-
in keiner Weise sicher ist. Bitte, sehen Sie sich ein- ren Aufgabe entziehen können, auch für den Bau
mal freundlicherweise die Erläuterungen dazu an. von Alterswohnheimen und Altersheimen etwas zu
Wer will, kann damit auch etwas anderes treiben. tun, wie dies längst in allen anderen europäischen
(Abg. Baier [Mosbach]: Ist das so schlimm?) Ländern in großem Umfange geschieht. Wir haben
Wir haben die Pflicht, der besonderen Not der jun- bis jetzt einen solchen Sonderantrag nicht gestellt
in der Hoffnung, daß endlich einmal die verschiede-
gen Familien Rechnung zu tragen, die eben doch
zum großen Teil leider nicht in der Lage sind, in nen Sonderförderungen beendet und in eine För-
derungsmaßnahme zusammengefaßt werden. Das ist
absehbarer Zeit an einen Familienheimbau zu den-
nicht geschehen. Vielmehr hat das Ministerium die
ken. Wir wollen doch, verehrte Damen und Herren,
Aufsplitterung geradezu weiter ausgebaut. Nachdem
uns nicht mehr in solchen optimistischen Hoffnun-
dies aber so ist, kann jetzt die Förderung von Al-
gen wiegen, wie es sie eine Zeitlang gab, als Herr
terswohnheimen nicht mehr vernachlässigt werden.
Lücke — damals war er noch nicht Minister — sinn-
Durch die Schaffung solcher besonderer Wohnanla-
gemäß erklärte, sein Ziel sei, daß der Bräutigam
gen oder entsprechender Kleinwohnungen im Rah-
der Braut am Tage der Hochzeit den Schlüssel- zum
men anderer Wohn- und Siedlungsanlagen wird
Eigenheim übergebe. Das ist wunderschön, aber es
auch erreicht, daß die Auflockerung in den vorhan-
hat sich doch infolge der Verhältnisse als eine uto-
denen Wohnungsbeständen mit ihrer beklagenswer-
pische Hoffnung herausgestellt. Das ist also ein Kon-
ten Doppelbelegung gefördert wird und daß ent-
zept, das sich leider Gottes nicht verwirklichen läßt.
sprechend größere Wohnungen für die nachwach-
Es ist eine wohnliche Unterversorgung der jungen
sende Bevölkerung frei gemacht werden.
Familien vorhanden. Wir beantragen, den Betrag,
von dem hier die Rede ist, auf 50 Millionen DM zu Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir bit-
erhöhen mit der klaren Erläuterung, daß daraus ten Sie, sich mit unseren Erwägungen und Argu-
Darlehen an junge Familien zur Erlangung einer menten auseinanderzusetzen.
Miet- oder Genossenschaftswohnung gegeben wer- (Abg. Dr. Conring: Haben Sie auch Deckungs
den sollen. Die Erhöhung ist eben damit begründet, vorschläge?)
daß es wesentlich mehr junge Familien gibt, die
wohnlich noch nicht versorgt sind und eine Miet- Wir würden es um der Betroffenen willen bedau-
wohnung anstreben und ohne diese Erhöhung gar ern, wenn Sie unsere Anträge ablehnen würden.
nicht untergebracht werden können, mehr jedenfalls Sollten Sie es tun, so kommen Sie bitte nicht mit
als solche, die sich ein Familienheim bereits leisten Gründen ideologischer Art. Wir wissen, daß Sie be-
können. sonders in der Wohnungsbaupolitik leicht geneigt
Nachdem aber für die Wohnungsförderung junger sind, ihren Entscheidungen eine Art gesellschafts-
Familien in Form von Familienheimen in Tit. 606 politisches Leitbild zugrunde zu legen.
die erwähnten 25 Millionen angesetzt sind, muß für (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch
Mietwohnungen mindestens ein Betrag von 50 Mil- wichtig!)
lionen DM gegeben werden. Dieser Betrag ist, wie Das ist Ihr gutes Recht, und wir wollen Ihnen dieses
Sie zugeben werden, gegenüber den tatsächlichen Recht nicht verwehren. Ihre Pflicht aber ist, daß im
Erfordernissen noch äußerst gering veranschlagt. rosigen Licht, das aus der Sicht einer programma-
Hinsichtlich der Erläuterungen zu diesem Titel ge- tischen Grundhaltung die Wirklichkeit oft verklärt
mäß unserem Umdruck 60 bitte ich erstens um Be- und verzaubert, die harten Realitäten und Erforder-
richtigung eines Schreibfehlers. Es muß heißen: Zur nisse des Alltags nicht übersehen werden. Helfen
Erlangung einer Miet- oder Genossenschaftswoh Sie den jungen Familien, helfen Sie auch unseren
1034 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Jacobi (Köln)
alten Menschen. Stimmen Sie unseren Anträgen zu. Mittel bereitgestellt werden. Es wird schon viel er-
Stimmen Sie sie jedenfalls nicht einfach nieder und reicht, wenn es dem Raumordnungsminister — ich
bagatellisieren Sie die von uns hier erwähnten Not- darf diesen Ausdruck einmal benützen — möglich
stände nicht, die Anlaß zu unseren Anträgen sind. ist, die bereits vom Bund ausgeworfenen Mittel, die
(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Conring: raumwirksam sind, nämlich 8,1 Milliarden DM, in
Aber Deckungsvorschläge fehlen!) diesem Sinne besser einzusetzen als bisher, so daß
sie der Raumordnung dienen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat (Abg. Jacobi [Köln] : Das wäre ein bißchen
der Abgeordnete Baier. wenig für das neue Firmenschild! Wir hof
fen, daß mehr geschieht!)
Baier (Mosbach) (CDU/CSU) : Herr Präsident! — Sicherlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kol- (Abg. Jacobi [Köln]: Wir stören ja die Ab
lege Jacobi, wir haben uns sehr gefreut und sind sichten nicht, wir möchten nur die Absich
Ihnen dankbar für die menschliche Geste, die Sie ten kennenlernen!)
gegenüber dem Bundeswohnungsbauminister Paul
Lücke mit den Genesungswünschen zum Ausdruck — Ja, ich glaube, zum Teil kennen Sie sie, und das
brachten. Wir können uns nur aus vollem Herzen andere werden wir gemeinsam erarbeiten.
anschließen. (Abg. Jacobi [Köln]: Das werden wir ja
Ich habe aber dann im weiteren Verlauf Ihres sehen!)
Diskussionsbeitrages, fast möchte ich sagen, einen Worüber ich enttäuscht bin, Herr Kollege Jacobi,
Schrecken bekommen, und ich habe den Eindruck, ist die Tatsache, daß Sie heute bei Ihren Ausführun-
daß Sie mit Ihrer Konzeption der Wohnungsbaupoli- gen über den Einzelplan des Wohnungsbauministe-
tik plötzlich wieder um einige Jahre zurückgefallen riums so stark von der vorrangigen Förderung des
sind. Ich will darauf nachher mit einigen Worten Familienheimbaues abgerückt sind.
eingehen.
(Abg. Jacobi [Köln] : Das 'bin ich. keineswegs!)
(Abg. Jacobi [Köln] : Darauf bin ich auch
sehr gespannt, Herr Kollege!) Sie hatten es sich in den letzten Jahren — zumin-
dest in der Öffentlichkeit — ,angewöhnt, auch auf
— Aber gern! die Wichtigkeit, und auf den Vorrang der Familien-
Sie haben auf die neue Aufgabe des Ministeriums heimpolitik hinzuweisen. Heute haben Sie bei eini-
für Wohnungswesen, Städtebau und Raumord gen Titeln das Mißtrauen zum Ausdruck gebracht,
nung hingewiesen, auf das Firmenschild, wie Sie die Mittel könnten für Familienheime, für Eigen-
es nannten. Sie fragen nach der Aufgabe, die das heime eingesetzt werden. Ich muß Ihnen ehrlich ge-
Ministerium haben soll. Ich glaube, Herr Kollege stehen, daß es mich enttäuscht hat, daß Sie heute
Jacobi — ohne jetzt in eine große Diskussion ein- diese Haltung eingenommen haben.
zutreten —, Sie wissen genauso gut wie-wir, um (Abg. Jacobi [Köln] : Herr Präsident!)
welche Bemühungen es in der Raumordnung geht:
daß wir vom Bund her das Bemühen haben, ein Leit-
bild aufzustellen — mit dem wir uns in der nächsten Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Bitte sehr.
Zeit auch im Ausschuß zu befassen haben werden — ,
und daß es letztlich um die notwendige Erneuerung Jacobi (Köln) (SPD) : Herr Kollege Baier, ist
der Städte und Dörfer geht. Das ist auch für Sie als Ihnen entgangen, daß ich lediglich hinsichtlich der
altes Mitglied des Wohnungsbauausschusses kein Förderung von Wohnungen für junge Familien dar-
neues Problem; ich habe deshalb Ihre Frage nicht auf hingewiesen habe, es bestehe hier ein besonde-
ganz verstanden; ich glaube, sie war mehr dekla- derer Bedarf, es bestünden hier auch besondere
matorisch; Schwierigkeiten in der überwiegenden Anzahl der
(Abg. Jacobi [Köln] : Oh nein!) Fälle, mit Familienheimen zu helfen, so daß hier
vor allem, wenn ich auch an unsere Tagung in Ber- gesichert sein ,müsse, daß auch Mietwohnungen ge-
lin denke, wo wir uns zusammen mit dem Bundes- fördert werden, und daß das nichts mit grundsätz-
rat kürzlich doch eine ganze Woche lang über diese licher Zustimmung oder Ablehnung des Familien-
neuen Aufgaben des Ministeriums Lücke unterhalten heimgedankens zu tun hat?
haben. Ich meine, im Einzelplan 25 ist im Ansatz des
Titels 571 auch ein Betrag — sicherlich ein sehr be- Baier (Mosbach) (CDU/CSU) : Herr Kollege
scheidener Betrag; ich persönlich bedaure das sehr Jagobi, wenn Sie das gesagt hätten, wäre es in Ord-
— ausgebracht, um Studien und Modelle für diese nung;
neuen Aufgaben zu entwickeln. Ich bin sicher, wir (Abg. Jacobi [Köln] : Lesen Sie es nach!)
werden damit in diesem Jahr beginnen können und
werden in den nächsten Monaten die Verpflichtung aber Sie haben gesagt, es könnte möglich sein, daß
haben, gemeinsam — und das ist unser Anliegen solche Mittel auch für Familienheime und Eigen-
auch hier — diese neue, meiner Meinung nach sehr heime eingesetzt werden.
wichtige Aufgabe auch vom Bund her zu bewältigen. (Abg. Jacobi [Köln]: Aus diesem Titel!)
Ich möchte noch ein Wort zu den Bemühungen — Aus diesem Titel, jawohl, dieses Mißtrauen
zur Raumordnung sagen. Im Augenblick ist vielleicht haben haben Sie zum Ausdruck gebracht, und nichts
nicht einmal das Entscheidende, daß erhebliche neue anderes habe ich hier gesagt.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1035
Baier (Mosbach)
Sie haben im übrigen vorhin von diesem Platz aus Städte und Dörfer der Titel in dieser Höhe gehalten
gesagt, der Familienheimbau sollte in Zukunft stär- werden muß. Wir wissen aus der Erfahrung der
ker vom Kapitalmarkt her bedient und die Dar- vergangenen Jahre, daß hier nicht etwa partei-
lehensförderung durch den Bund mehr oder weni- politische Arbeit, wie Sie unterstellt haben, geleistet
ger abgelöst werden. wird, sondern daß eine sehr gute Aufklärungsarbeit
(Zuruf des Abg. Jacobi [Köln].) durch das Ministerium erfolgte, indem nämlich Ma-
t erial, Broschüren über den Familienheimbau und
Das ist für uns ein Anzeichen dafür, zumal Sie näm- seine Förderung, etc. bereitgestellt wurden, die für
lich g leichzeit ig andere Förderungsmaßnahmen auf die Menschen draußen, gerade für den kleinen
anderen Gebieten vorschlagen, daß Sie von der vor- Mann, sehr nützlich waren, wenn er sich einmal
rangigen und wichtigen Förderung des Familien- mit dem Problem des Bauens befaßt hat. Auch im
heimbaues heute ganz wesentlich und entschieden Hinblick auf die neuen Aufgaben sind wir der Mei-
wieder abgerückt sind. Das ist es, was mich ent- nung, daß diese 100 000 DM sehr gut angelegt sind
täuscht. und daß wir keinen Anlaß haben, diesen Titel zu
streichen.
Dr. Brecht (SPD) : Herr Baier, haben Sie nicht Zu Ihrer weiteren Forderung, Tit. 545, Darlehen
den Eindruck gehabt, daß es bei den Vorschlägen für junge Ehepaare, aufzustocken und die Erläute-
von Herrn Jacobi darauf ankam, auf die Finanzie- rungen zu ändern, darf ich feststellen, daß es be-
rung aus Kapitalmarktmitteln deshalb hinzuweisen, kanntlich im vergangenen Jahr ein Antrag der CDU
weil ja die Mittel für den öffentlich geförderten war, für 30 Millionen eine Bindungsermächtigung
sozialen Wohnungsbau von Jahr zu Jahr geringer einzusetzen, um speziell den jungen Ehepaaren bes-
werden, so daß dieser Rückgang infolge der Degres- sere Möglichkeiten in der Versorgung mit Wohnun-
sion durch den Umweg über die Kapitalmarktmittel gen zu geben. Wir erkennen diese Notwendigkeit
aufgehoben wird? genauso an, wie Sie von der SPD sie anerkennen.
Es zeigt sich aber, wenn Sie den Etat betrachten,
Baier (Mosbach) (CDU/CSU) : Diesen Eindruck daß von diesen 30 Millionen DM Bindungsermäch-
habe ich leider nicht gehabt. tigungen fast noch keine Mittel abgeflossen sind.
Ich darf zu allem, was Sie, Herr Kollege Jacobi, (Abg. Dr. Brecht: Zu spät!)
zur Wohnungsbaupolitik gesagt haben, feststellen,
daß Sie so kreuz und quer auf dem Gebiet der Woh- — Das bedauern wir genauso wie Sie, aber das ist
nicht die Schuld des Wohnungsbauministeriums ge-
nungsbaupolitik da und dort eine Blume ,gepflückt
wesen, Herr Kollege Dr. Brecht.
und kritische Anmerkungen angebracht haben. Es ist
nicht möglich, hier auf [die Einzelheiten einzugehen. Ich darf feststellen: Mitte April wurde im letzten
Ich glaube, wir wollen es uns aufheben, bis der Jahr der Haushalt verabschiedet, der Richtlinien-
Minister da ist und wir, wie auch Sie richtig sagten, entwurf ist bereits am 28. April den Ländern zuge-
hier eine eigene Debatte über dieses Thema führen gangen — das ist für ein Ministerium eine unge-
können. Aber ich glaube, eines muß ich für meine heure Geschwindigkeit, gewissermaßen ein Rekord,
Fraktion feststellen: daß wir uns bereits bei diesem den es erreicht hat —, und am 17. Juli 1961 sind
Etat, und zwar speziell im Haushaltsausschuß, die Richtlinien erlassen worden. Lediglich die
darum bemüht haben, daß bei verschiedenen Auf- Länder-Durchführungsbestimmungen sind erst Ende
gaben, die zweifellos auslaufen, eine gewisse Berei- 1961, vielfach erst Anfang 1962 erlassen worden, und
nigung erfolgt und auf der anderen Seite Platz für das ist 'der Grund, weshalb die Mittel nicht abge-
die neuen, notwendigen Aufgaben geschaffen wird. flossen sind.
An einem werden wir auch in Zukunft festhalten, Die Mittel werden also in diesem Jahre ausrei-
nämlich mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß das chen, und 'ich glaube, bei der schlechten Finanzlage
Wohnungsbaudefizit so bald als möglich beseitigt des Bundes ist es deshalb nicht notwendig, diese Mit-
und damit der Weg frei wird für die Marktwirt- tel aufzustocken. Im übrigen möchte ich auch b e-
schaft auch auf dem Wohnungsbausektor. Und zum kennen, daß , es im Vorjahr bei der Antragstellung
zweiten werden wir an der eigentumspolitischen unsere Absicht war, hier mit einer Initialzündung zu
Zielsetzung im Wohnungsbau so wie bisher unein- wirken, 'daß also die Länder sich beteiligen, und
geschränkt festhalten. einige Länder wie zum Beispiel Baden-Württemberg
machen es auch bereits.
Meine Damen und Herren! Zu den einzelnen An-
trägen, die von der SPD-Fraktion in dem Um- Zu Tit. 607, Zuschüsse zur Förderung des Baues
druck 60 gestellt wurden, darf ich folgendes sagen. von Alterswohnheimen, möchte ich feststellen —
Der Veröffentlichungs-Titel, der nun auf Vorschlag nicht ironisch, Herr Kollege Jacobi —: Ihre viel
der Sozialdemokratie ganz gestrichen werden soll, kritisierte Töpfchenwirtschaft würden wir um ein
war im Haushaltsvoranschlag mit 150 000 DM ein- weiteres Töpfchen erweitern, wenn wir diesem An-
gesetzt. Wir haben während der Haushaltsberatun- trag stattgeben würden. Darüber sind wir uns doch
gen auch hier geprüft, ob eine Einsparung möglich sicherlich einig. Es gilt für Alterswohnheime das glei-
ist, und haben gemeinsam mit den Kollegen von che wie 'bei der wohnungsmäßigen Unterbringung
der SPD im Haushaltsausschuß diesen Titel auf unserer jungen Ehepaare: es ist eine Aufgabe, deren
100 000 DM gekürzt. Wir glauben, daß eine weitere Wichtigkeit und Notwendigkeit wir alle voll aner-
Kürzung dieses Titels keineswegs vertretbar ist, daß kennen. Ich bin allerdings der Meinung, daß unsere
vielmehr auch in puncto Veröffentlichungen für die alten Menschen immer noch am besten aufgehoben
neuen Aufgaben wie Raumordnung, Erneuerung der sind, wenn es ihnen möglich ist, im Familienver-
1036 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Baier (Mosbach)
band mit ihren Kindern zu wohnen. Das ist natürlich Gegenprobe! — Es tut mir leid, Herr Kollege Jacobi,
nicht immer möglich; aber wir kennen auch die ge- das ist auch abgelehnt.
sellschaftliche Entwicklung, die dahin geht, daß es Ziffer 3 des Umdrucks 60. Wer zustimmen will,
auch in Fällen, wo es möglich wäre, nicht geschieht. den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
Das aber nur , als Anmerkung. Das ist die Mehrheit; abgelehnt. Damit ist der Um-
(Abg. Dr. Brecht: Nur 20 Millionen!) druck 60 im ganzen abgelehnt.
Ich darf darauf hinweisen, daß wir im Wohnungs- Ich rufe den Einzelplan 25 nach dem Antrag des
bauetat 'bereits im vergangenen Jahr und auch in Ausschusses auf. Wer zustimmen will, den bitte ich
diesem Jahr Mittel, wenn auch weit weniger, als um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltun-
Sie gefordert haben, für diese Zwecke eingesetzt gen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
haben. Das wird im Rahmen des Nötigsten, wo
Härtefälle auftauchen, sicherlich ausreichen. Ich darf Ich rufe auf:
weiter darauf hinweisen, daß im Etat des Bundes- — Einzelplan 26 — Geschäftsbereich des Bun-
ministeriums des Innern in Kap. A 06 02 Tit. 570 desministers für Vertriebene, Flüchtlinge und
ein Betrag von 12 Millionen eingesetzt ist, wovon Kriegsgeschädigte (Drucksache IV/320).
rund ein Drittel für den Ausbau von Altersheimen
der Wohlfahrtsverbände Verwendung findet. Also Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort
auch hier wird etwas für die Alterswohnheime wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.
getan. Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache ge-
Zum Schluß darf ich noch feststellen: das Entschei- wünscht? — Das ist nicht der Fall.
dende ,dabei ist, daß es sich beim Bau von Alters- Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 61 auf. —
heimen nach dem Grundgesetz zweifelsfrei um eine Herr Abgeordneter Rehs!
Aufgabe der Länder und der Gemeinden handelt
(Abg. Rehs: Ich bitte, mit dem Antrag die
(Sehr richtig! in der Mitte) Aussprache verbinden zu dürfen!)
und daß wir es uns bei unserer Finanzlage einfach — Wollen Sie begründen?
nicht erlauben können, in diese Aufgabe der Länder
und der Gemeinden mit einer weiteren Finanzierung (Abg. Rehs: Ja!)
einzusteigen. — Bitte begründen Sie den Antrag Umdruck 61.
Wir haben uns gemeinsam mit Ihnen im Haus-
haltsausschuß bemüht, den Etat auszugleichen, ihn Rehs (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und
wiederum ins Gleichgewicht zu bringen. Sie, meine Herren! In § 56 des Bundesvertriebenengesetzes ist
Damen und Herren von der SPD, wollen diesen Etat als Verpflichtung des Bundes und der Länder be-
um weitere 50 Millionen erhöhen und belasten ihn stimmt, das Kulturgut der Vertreibungsgebiete im
mit Aufgaben, die teilweise oder ganz in die Kompe- Bewußtsein der Vertriebenen, des gesamten deut-
tenz der Länder gehören. Wir sehen uns deshalb schen Volkes und des Auslandes zu erhalten. Das
nicht in der Lage, Ihrem Antrag zuzustimmen. bedeutet, wie das Vertriebenenministerium in sei-
(Beifall in der Mitte.) nem Jahresbericht richtig festgestellt hat, daß die
Kultursubstanz des deutschen Ostens nicht als mu-
sealer Wert betrachtet und behandelt werden darf,
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine weite- sondern daß es hierbei um die Sicherung des Be-
ren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung standes des gesamtdeutschen Kulturgutes und damit
über Umdruck 60, Änderungsantrag der Fraktion auch um einen Beitrag zur Selbstverwirklichung des
der SPD. Es ist getrennte Abstimmung beantragt. deutschen Volkes geht.
Zunächst Ziffer 1. Wer der Ziffer 1 dieses Ände- Der Bund ist dieser Aufgabe bisher aber immer
rungsantrags Umdruck 60 zustimmen will, den bitte nur in sehr bescheidenem Umfang nachgekommen.
ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthal- Im Haushalt hat für die Erfüllung der damit verbun-
tungen? — Das zweite war die Mehrheit; Ziffer 1 nen umfangreichen Verpflichtungen jährlich immer
ist abgelehnt. nur etwa 1 Million zur Verfügung gestanden. Das
Ziffer 2. Wir stimmen zunächst über die erste ist, wenn man den Betrag in Relation zu den 10 Mil-
Hälfte der Ziffer 2 ab, von „In Tit. 545" bis „erhöht". lionen Vertriebenen bringt, pro Person eine Kultur-
Habe ich Sie recht verstanden, Herr Kollege Jacobi? förderung von jährlich 10 Pf.
(Abg. Jacobi [Köln] : Jawohl!) Die Länder haben diese Verpflichtung — das muß
Wer dieser Bestimmung zustimmen will, den bitte anerkannt werden — zum Teil wesentlich ernster
ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das genommen. Der Bundesrat hat bereits zum Etat 1960
letzte ist die Mehrheit; das ist abgelehnt. darauf hingewiesen, daß die Maßnahmen, um die es
sich hier handelt, vom Bund leider immer wieder
Jetzt kommen die Sätze 2 und 3, von „In den zurückgestellt worden seien, daß sie nicht in dem
Erläuterungen" bis „gewährt werden". Wer diesem anerkannt notwendigen Umfang in Angriff genom-
Passus zustimmen will, den bitte ich um ein Hand- men und nicht mit der für diese Aufgabe unerläß-
zeichen. — lichen Sorgfalt und Vertiefung durchgeführt worden
(Abg. Jacobi [Köln] : Das können Sie doch seien. Der Antrag des Bundesrats auf Erhöhung der
mitmachen, meine Herren! — Gegenruf des Mittel ist aber leider sowohl damals wie im Haus-
Abg. Baier [Mosbach]). halt 1961 und auch in diesem Jahr wieder, in dem
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1037
Rehs
vom Bundesrat eine Anhebung der Kulturmittel auf rechnet Ihr eigener Parteivorsitzender vor der Wahl
2 Millionen DM gefordert war, abgelehnt worden. das von Ihnen übernommene Ministerium für über-
flüssig erklärt hatte? Ich muß weiter fragen: Konn-
Wir werden selbstverständlich im Vertriebenen ten Sie es als völlig fernliegend ansehen, daß die
ausschuß — darüber ist bereits gesprochen wor- Vertriebenen sich fragten, ob sie damit etwa poli-
den —, wenn der jährlich gemäß § 96 des Bundes- tisch an den Rand gedrückt werden sollten? Deshalb
vertriebenengesetzes zu erstattende Bericht der wäre meines Erachtens ein bißchen mehr Einfüh-
Bundesregierung vorliegt, im einzelnen darüber lungsvermögen von Ihrer Seite gut gewesen, und
zu sprechen haben. Wir werden dann die Vertei- ich möchte sagen, es liegt bei Ihnen, durch Verhal-
lung dieser Mittel, ihren richtigen schwerpunktmä- ten und Ton die richtige Temperatur herbeizuführen.
ßigen Ansatz usw. miteinander erörtern. Wir wollen Das ist gerade deshalb nötig — insofern sind wir
bei diesen Dingen weder einen Kulturdirigismus derselben Überzeugung —, weil diese Dinge von
noch eine einseitige Verzettelung. Aber der Grad uns allen, glaube ich, nur so gesehen werden kön-
der Zugehörigkeit, das Bekenntnis zu den Vertriebe- nen, daß eine richtige Zusammenarbeit mit den Ge-
nen und Flüchtlingen, die Deklaration des gesamt- schädigtenverbänden und der Geschädigtenverbände
deutschen Bewußtseins müssen glaubwürdig ge- untereinander in der gegenwärtigen Situation nicht
macht werden, auch durch die Bereitschaft, die Kul- nur eine Selbstverständlichkeit, sondern eine poli-
turgüter dieses Personenkreises noch besser zu be- tische Verpflichtung ist.
wahren und die schöpferischen, wissenschaftlichen
und künstlerischen Kräfte der Vertriebenen und Ich meine, Sie sollten sich immer vor Augen 'hal-
Flüchtlinge wesentlich mehr zu fördern. ten, daß 'die Menschen, die Sie in Ihrem Ministerium
zu betreuen haben, zum Teil 17 Jahre auf Maßnah-
Wir haben es aus diesem Grunde begrüßt, daß men warten, die auch ihnen das Gefühl vermitteln,
eine geringfügige Anhebung des Ansatzes in die- daß sie von dem wirtschaftlichen Aufstieg und dem
sem Haushalt zu Tit. 601 erfolgt ist. Angesichts der kulturellen Dasein in der Bundesrepublik nicht völ-
großen Bedeutung dieser Aufgabe halten wir aber lig ausgeschlossen sind. Wenn man diesen Men-
die Anhebung um mindestens weitere 400 000 DM schen zuruft, man solle den Bogen nicht überspan-
für geboten. Wir bleiben damit noch mit 500 000 DM nen, muß das, wie auch immer diese Äußerung dort
unter der vom Bundesrat beantragten Erhöhung und in Unna im einzelnen gelautet haben mag, zu einer
haben, glaube ich, damit auch weitgehend auf die heftigen Abwehrreaktion führen. Ich kann auch Ihre
Zwangssituation bei diesem Haushalt Rücksicht Äußerung, es sei nichts gefährlicher, als wenn die
genommen. Wir halten es aber für nötig, meine Vertriebenen ihre Forderungen in der falschen
Damen und Herren, daß der Bundestag sich mit der Form, zum falschen Zeitpunkt und in der falschen
Annahme unseres Antrags zu dieser Aufgabe be- Art vorbrächten, nur als ein peinliches Ausweichen
kennt und zum Ausdruck bringt, daß auf diesem ansehen. Was kann man denn nach 17 Jahren des
Gebiet künftig mehr geschehen muß. Wartens diesen Menschen insoweit überhaupt noch
vorhalten? Welcher Zeitpunkt kann denn nach Ihrer
Es wäre angezeigt, bei dieser Haushaltslesung
- Meinung für diese Menschen überhaupt der richtige
auch die übrigen mit dem Einzelplan 26 zusammen- sein, ihr Anliegen vorzubringen? Und welche der
hängenden Probleme der Heimatvertriebenen, Forderungen, die sie stellen, sind denn ernstlich der
Sowjetzonenflüchtlinge und Kriegssachgeschädigten Sache nach und auch dem Umfang nach als unge-
zu erörtern. Dies um so mehr, als sich das erste Jahr rechtfertigt anzusehen? Denken Sie doch bitte nur
der Legislaturperiode faktisch bereits seinem Ende an die Hunderttausend, die noch in den Durchgangs-
nähert und außer Ankündigungen, Reden und Inter- lagern sitzen, und , die Hunderttausend, die sich in
views aus dem Ministerium jedenfalls bis zur den Altvertriebenenlagern befinden, oder die
Stunde, mit Ausnahme neuer Richtlinien für die 340 000 Vertriebenen, die allein von der Unterhalts-
Möbeleinrichtung — 'darüber wird an gegebener hilfe mit 155 DM im Monat leben müssen, oder an
Stelle näher zu sprechen sein —, seitens der Regie- die Heimatvertriebenen, ,die seit vielen Jahren kei-
rung noch nicht das geringste auf den Tisch gelegt nen C-Ausweis haben und in der Bundesrepublik
worden ist. Gleichwohl will ich mir mit Rücksicht von den Ansprüchen aus dem Lastenausgleich aus-
auf die besonders „starke" Besetzung dieses Hauses geschlossen sind! Oder denken Sie an die 1,3 Mil-
und die vorgeschrittene Zeit hier eine umfassende lionen Vertriebenen, 'die, ohne die Hauptentschädi-
Auseinandersetzung ersparen und mich auf einige, gung aus dem Lastenausgleich erhalten zu haben,
allerdings kritische Bemerkungen beschränken. verstorben sind!
Diese Bemekungen muß ich vor allem an die Ihr Fraktionsfreund, der Finanzminister Starke,
Adresse ,des Herrn Bundesvertriebenenministers hat angekündigt, daß der nächste Etat noch schwie-
richten. Herr Minister Mischnick, Sie haben mit riger sein wird. Mit welchen Aussichten haben dann
einigen Erklärungen bei Ihrer Amtsübernahme kei- diese Menschen zu rechnen, wenn Sie sie jetzt schon
neu sehr glücklichen Start gehabt. Das ist in der darauf hinweisen wollen, daß der Zeitpunkt nicht
Presse, insbesondere in ,der Vertriebenenpresse, günstig sei? Halten Sie in vier Jahren diesen Zeit-
zum Ausdruck gekommen. Da ist von einer Unter- punkt für gekommen? Ich kann Ihnen also, Herr
kühlung des Verhältnisses zu Iden Vertriebenen Minister — das gilt für Ihr ganzes Haus —, nur zu-
usw. die Rede gewesen. Ich will diese Dinge hier rufen: Ihre Aufgabe als Vertriebenenminister ist es
nicht im einzelnen untersuchen. Konnten Sie schließ- nicht, zu beschönigen, sondern der Bundesregierung,
lich von der Skepsis der Heimatvertriebenen über- dem Bundestag und der Öffentlichkeit zu sagen, was
rascht werden angesichts der Tatsache, daß ausge ist.
1038 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Rehs
Ich darf daran erinnern, meine Herren aus dem Herr Minister, ich bitte Sie also, ein anderes
Vertriebenenministerium, daß meine Freunde und Tempo i n Ihrem Hause durchzusetzen, und Sie wer-
ich — Wenzel Jaksch, Richard Reitzner, der leider den es tun müssen, wenn Sie angesichts der von
immer noch krank ist — seit Jahren, im Jahre 1960, Ihren Kollegen Erhard und Starke angekündigten
1961 usw., immer wieder gefordert haben, daß das finanziellen Entwicklung der Bundesrepublik mit den
öffentliche Bewußtsein in der Bundesrepublik nicht künftigen Maßnahmen nicht immer noch mehr in
durch die Selbstbelobigung mit natürlicherweise Bedrängnis geraten wollen und wenn die Menschen,
großen Zahlen für die schon getätigten Aufwendun- um die es dabei geht, nicht weiter zu kurz kommen
gen irregeführt wird, sondern daß in aller Eindeu- sollen.
tigkeit und Dringlichkeit auch dargestellt wird, was Ich will mich auf diese Mahnung beschränken.
noch fehlt. Wir haben immer wieder darauf hin- Ich bitte Sie, dafür zu sorgen, daß sie in der Bun-
gewiesen: Wer hier retuschiert, verletzt nicht nur desregierung gehört und von Ihren Koalitions-
die Wahrheit, das Gerechtigkeitsgefühl der Betrof- freunden beherzigt wird.
fenen, sondern der verhindert oder behindert zu-
mindest auch die Möglichkeit, zu den erforderlichen (Beifall bei der SPD.)
Entschlüssen und Maßnahmen zu kommen, indem er
in der Öffentlichkeit und im Parlament falsche Vor- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
stellungen nährt. der Herr Bundesminister für Vertriebene.
Herr Minister Mischnick, Sie haben in Wiesbaden
davon gesprochen, daß man versuchen müsse, von Mischnick, Bundesminister für Vertriebene,
Novelle zu Novelle mit den Dingen weiterzukom- Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: Herr Präsident!
men. Ich möchte Sie sehr dringlich und herzlich da- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin
vor warnen, sich von diesem subalternen Novellen- Ihnen, Herr Kollege Rehs, außerordentlich dankbar
denken in Ihrem Hause infizieren zu lassen. Sie für die Unterstützung, die aus Ihren Worten spricht,
haben als Abgeordneter in diesen Fragen seinerzeit bei den schweren Aufgaben, die vor meinem Hause
eine andere Sprache geführt. Ich erinnere Sie nur an liegen. Nun ist es natürlich so, daß auch mein Haus
Ihre Äußerung bei der Beratung der 14. Novelle im Rahmen des Gesamtetats gesehen werden muß
zum Lastenausgleich im Bundestag. Sie erklärten und daß manche Vorstellungen, die man vielleicht
damals in Übereinstimmung mit mir zum Stichtag, sehr schnell verwirklicht haben möchte, in diesen
man solle den Mut haben, eine endgültige Lösung Rahmen eingebaut werden müssen. Eine Sache muß
zu finden, damit wir nicht von Jahr zu Jahr oder ich allerdings mit aller Deutlichkeit klarstellen. Sie
alle drei Jahre mit den Stichtagen nachziehen müß- haben schon erwähnt, daß das Wort vom „Bogen
ten. Sie wissen genau wie ich — und das weiß Ihr überspannen" sehr unterschiedlich kommentiert wor-
ganzes Haus —, daß der große soziale Deklassie- den ist. Ich darf hier wiederholen: Wenn mir in
rungsvorgang, der mit den Vertreibungen verbun- einer Kundgebung zugerufen wird, in der Bundes-
den ist, noch lange nicht behoben ist. Warum
- lassen republik gebe e s keine Gerechtigkeit, dann ist die
Sie den Mut, den Sie damals bei der 14. Novelle einzige Antwort darauf, daß das den Bogen über-
vom Bundestag und der Regierung gefordert hatten, spannen heißt.
jetzt vermissen, indem Sie als Minister selber diese (Beifall bei den Regierungsparteien.)
überfälligen Lösungen faktisch weiter verschleppen
Zu behaupten, hier in der Bundesrepublik gebe es
lassen?
keine Gerechtigkeit, heißt — und ich wiederhole
Im Vertriebenenausschuß, um nur noch das eine wörtlich, was ich gesagt habe — die Axt an die
zu erwähnen, und auch anderwärts haben Sie ange- Wurzel unserer Demokratie legen. Ich habe hin-
kündigt, daß bis zum 31. Mai 1962 eine Regelung zugefügt, ich verschwiege nicht, daß es noch viele
erfolgen würde, um die durch die Rentenanpassung Punkte gebe, die noch nicht gerecht gelöst seien, und
eingetretene Rentensteigerung auch für die vertrie- daß wir uns um gerechte Lösungen bemühen würden.
benen Bezieher von Unterhaltshilfe usw. wirksam Zu dem, was ich da gesagt habe, stehe ich nach wie
werden zu lassen. Nun ist bis heute auch insoweit vor.
nichts auf dem Tisch.
Herr Kollege Rehs, ich bin mit Ihnen der Mei-
(Zuruf.)
nung, daß es natürlich notwendig sein wird, die
— Mir ist nichts davon bekannt. Jedenfalls zeichnet Punkte, die noch keine befriedigende Regelung ge-
sich nichts ab, was in dieser Richtung das Ziel funden haben, wie sie sich das ganze Haus vorstellt,
sichern kann. Herr Minister Mischnick, damit steht sobald wie möglich in Ordnung zu bringen. Meine
zum zweitenmal Ihr Wort auf dem Spiel. Wir ver- Ankündigung, daß die 16. Novelle mit Wirkung vom
kennen Ihre Lage keineswegs. Sicher hängt vieles 1. Juni in Kraft treten soll, bleibt bestehen, und ich
bei Ihnen und Ihrem Hause auf den gesetzgeberi- bin sicher, 'das ganze Haus wird zu der einmütigen
schen Ebenen, die Sie zu betreuen haben, aus den Überzeugung kommen, daß sie mit Wirkung vom
Unterlassungen der vergangenen Jahre herüber. 1. Juni in Kraft tritt; denn es geht darum, den An-
Aber man kann den Menschen, die so lange auf schluß an die durch das Vierte Rentenanpassungs-
diese Regelungen gewartet haben und die in den gesetz geschaffenen Tatbestände zu finden, also
fetten Jahren der Bundesrepublik auch mager genug für die Unterhaltshilfe bei den Freibeträgen den
gehalten worden sind, jetzt nicht mit Maßhalte Übergang zu finden. Die entsprechende Vorlage
Parolen kommen. Sie kann man damit nicht über- wird in den nächsten Tagen im Kabinett behandelt
zeugen. werden. Ich bin sicher, daß wir dann gemeinsam zu
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1039
Bundesminister Mischnick
dem Ergebnis kommen, diese Bestimmungen zum in einen sehr väterlichen Ton verpackt hatten. Aber
1. Juni dieses Jahres in Kraft zu setzen. sie waren deshalb doch nicht richtig. Ich muß sagen,
Noch ein letztes. Sie haben mit Recht gesagt, Herr ich finde diese Art der Kritik an dem Bundesver-
triebenenminister unberechtigt. Sie tun gerade so,
Kollege Rehs, man dürfe nichts beschönigen. Genau
als ob der Bundesvertriebenenminister schon seit
das habe ich in mehreren meiner Reden getan. Es
Jahren in dieser Verantwortung stünde,
darf auf der einen Seite nicht beschönigt werden, was
an Schwierigkeiten noch auszuräumen ist. Ich bin (Abg. Rehs: Ich habe doch das Gegenteil
,daß man aufdernSitbMenug, gesagt!)
als zuständiger Minister auch den Mut haben muß, und nehmen nicht zur Kenntnis, daß der Bundesver-
zu sagen, was im Augenblick nicht möglich ist, son- triebenenminister erst fünf Monate im Amt ist und
dern was erst morgen oder übermorgen gelöst wer- er deshalb gar nicht in der Lage sein konnte, solche
den kann. Dazu stehe ich auch nach wie vor. ausgereiften Gesetzentwürfe vorzulegen, wie Sie sie
(Beifall bei den Regierungsparteien.) verlangt haben.
(Abg. Dr. Schäfer: Aber Herr Rutschke!)
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat — Aber Herr Kollege Schäfer, das war doch der
der Herr Abgeordnete Windelen. Tenor der ganzen Rede des Herrn Kollegen Rehs.
Ich halte es nicht für sehr redlich, wenn man das tut.
Windelen (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Sie gehen nun auf genau dieselben Anwürfe ein,
sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir die in einer bestimmten Presse erschienen sind und
einige wenige Worte zum Antrag der Fraktion der von denen Sie genau wissen, Herr Rehs, daß sie
SPD auf Umdruck 61. Es wird hier wie im Vorjahr nicht stimmen. Wenn Sie sie in diesem Hause wie-
eine Erhöhung des Ansatzes beantragt. Dies ge- derholen, machen Sie sich diese Vorwürfe zu eigen.
schieht — wie im Vorjahr — ohne entsprechenden Ich bin erstaunt darüber. Ich hätte erwartet, daß Sie
Antrag des Fachausschusses. in dieser Beziehung etwas anders reagieren.
Der Haushaltsausschuß hat sich mit dem Antrag
des Bundesrates auf Erhöhung beschäftigt. Er hat Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie
dabei untersucht, ob — wie Sie, Herr Rehs, unter- eine Zwischenfrage?
stellt haben — die Länder sich tatsächlich in ent-
sprechendem Maße an dieser Aufgabe beteiligt
haben. Der Haushaltsausschuß hat feststellen müs
Dr. Rutschke (FDP) : Bitte!
sen, daß das in der Vergangenheit nicht der Fall ge-
wesen ist. Bis zum Jahre 1960 haben die Länder nur Rehs (SPD) Herr Kollege Rutschke, haben Sie
einen Bruchteil der Mittel aufgebracht, die für diese überhört, daß ich ausdrücklich erklärt habe, wir
Maßnahmen von Bund und Ländern aufgebracht sähen die Schwierigkeiten, die für den Minister in-
werden sollten. Im Jahre 1961 betrug der - Länder- folge der bisherigen jahrelangen Unterlassungen in
anteil schließlich ca. zwei Drittel der Mittel des seinem Hause bestehen, wir hielten es aber gerade
Bundes, ein sehr erfreulicher Ansatz in Anbetracht im Hinblick auf den 17 Jahre dauernden Zustand für
der Höhe der Mittel, die die Länder vorher für diese nötig, daß mehr Tempo aufgedreht wird?
Aufgabe aufgebracht hatten. Das Vertriebenenmini-
sterium hat uns versichert, daß auf Druck des Haus- Dr. Rutschke (FDP) : Ich darf die Gegenfrage
haltsausschusses in dieser Sache die Länder im stellen: Sind Sie der Meinung, Herr Kollege Rehs,
Jahre 1962 bereit sein werden, etwa in gleichem daß in dieser kurzen Zeit von fünf Monaten all das
Maße wie der Bund einzusteigen. nach Ihrer Meinung Versäumte hätte nachgeholt
Der Haushaltsausschuß sah sich genötigt, alle An- werden können?
sätze sehr eingehend zu prüfen und Kürzungen vor- (Abg. Rehs: Hat das Haus denn nichts ge
zunehmen. Die Regierung hatte ja bekanntlich eine tan? Das sind doch alles alte, ausgereifte
pauschale ,Kürzung aller dieser Ansätze von 12 °/o Probleme!)
vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat darauf ver-
zichtet, diesen Ansatz zu kürzen, ja, er hat eine Er- — Herr Kollege Rehs, es ist für Sie natürlich ein-
höhung um 100 000 DM passieren lassen. fach, jemanden für etwas verantwortlich zu machen,
für das er an sich keine Verantwortung trägt. Was
Aus den genannten Gründen sehe ich mich nicht ich Ihnen am meisten übelgenommen habe, ist, daß
in der Lage, Ihren Antrag zu unterstützen. Sie diese Beschuldigungen, von denen Sie genau
(Beifall in der Mitte.) wissen, daß sie nicht stimmen, hier wiederholt ha-
ben. Das scheint mir nicht redlich zu sein.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat Im übrigen darf ich Ihnen noch einmal sagen —
der Herr Abgeordnete Rutschke. das habe ich neulich in Zusammenhang mit der
Kriegsopferversorgung schon einmal gesagt —: Be-
mühen Sie sich doch bitte darum, daß von Ihrer
Dr. Rutschke (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr Seite zumindest dort, wo Sie es beeinflussen kön-
verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rehs, nen, Bremsen angelegt werden, daß der Preisverfall
Sie haben hier im Tonfall mahnender Beschwörung nicht so schnell vor sich geht. Wenn Sie das tun
an den Bundesvertriebenenminister Worte gerich- wollten, würden Sie den Vertriebenen einen größe-
tet, die eigentlich recht hart waren, obwohl Sie sie ren Gefallen tun als mit solchen Reden, in denen
1040 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Dr. Rutschke
Sie etwas fordern, das in so kurzer Zeit einfach nicht regierung, dem Antrag der sozialdemokratischen
gemacht werden konnte. Fraktion entsprechend, einem wirklichen Zuviel an
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Ministerialbürokratie entsagten.
Rehs: Herr Kollege Rutschke, Sie waren im (Abg. Dr. Vogel: Machen Sie es ganz kurz:
vorigen Bundestag anderer Auffassung!) Merkatz esse delendam!)

— Nein, ein Zuviel in der Ministerialbürokratie, zu-


Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine weite- mindest in der Spitze, dürfte bei dem Ministerium
ren Wortmeldungen. für Angelegenheiten des Bundesrates und der Län-
Ich komme zur Abstimmung, zunächst über den der offensichtlich vorhanden sein.
Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Um-
Wenn wir von einem Zuviel an Ministerialbüro-
druck 61. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein
kratie sprechen, so soll damit — diese Feststellung
Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehr-
möchte ich ganz besonders hervorheben — auch
heit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
nicht die geringste Abwertung der in diesem Mini-
Es folgt die Abstimmung über den Einzelplan 26, sterium zur Dienstleistung eingesetzten Beamten
Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertrie- zum Ausdruck gebracht werden. Wir sind vielmehr
bene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Wer dem davon überzeugt, daß sich gewiß alle in diesem
Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte Ministerium festgehaltenen Beamten eine produkti-
ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe? — Enthal- vere Tätigkeit wünschen.
tungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenom-
men. Der Herr Finanzminister hat wohlwollend ver-
merkt, daß das Parlament endlich wieder zu einer
Ich rufe auf: seiner legitimen Aufgaben zurückgefunden habe,
Einzelplan 28 — Geschäftsbereich des Bundes- nämlich zu der, bei der Haushaltsberatung unnötige
ministers für Angelegenheiten des Bundes- Ausgaben zu streichen. Die sozialdemokratische
rates und der Länder (Drucksache IV/322). Bundestagsfraktion ist aber auch entschlossen, hier-
bei nicht auf halbem Wege stehenzubleiben. Sie ist
Ich frage den Berichterstatter, den Herrn Abge- gewillt, nicht nur die Streichung aller unnötigen
ordneten Peters, ob er das Wort wünscht. — Der Ausgaben herbeizuführen, sondern dann auch die
Berichterstatter verzichtet. verfügbaren Mittel auf solche Maßnahmen zu kon-
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. zentrieren, die wichtig und dringend sind, aber bis-
lang nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Zur Begründung des Änderungsantrages auf Um-
druck 56 der Fraktion der SPD hat das Wort Herr Zunächst aber sollte man dort sparen, wo ohne
Abgeordneter Schröder. Schaden gespart werden kann. Das ist unseres Er-
achtens beim Einzelplan 28 möglich. Darum darf ich
- das Hohe Haus bitten, dem Antrag Umdruck 56 zu-
Schröder (Osterode) (SPD) : Herr Präsident! Meine zustimmen.
Damen und Herren! Im Auftrage der sozialdemokra-
tischen Bundestagsfraktion habe ich die Erklärung (Beifall bei der SPD.)
abzugeben, daß sie die Notwendigkeit des Bundes-
ministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine Wort-
und der Länder nicht anzuerkennen vermag. Sie be- meldungen? — Herr Abgeordneter Schmücker!
antragt deshalb auf Umdruck 56 die Streichung des
Einzelplans 28.
Schmücker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
(Abg. Dr. Vogel: Seien Sie doch nicht
Damen und Herren! Wir legen Wert auf die Fest-
so roh!)
stellung, daß sich das Ministerium und der leitende
In den letzten Wochen haben wir sehr viel vom Minister bewährt haben. Wir werden darum dem
Maßhalten gehört. Der Herr Finanzminister hat ge- Streichungsantrag nicht zustimmen.
rade am letzten Wochenende wieder darauf hinge-
wiesen, daß Erschütterungen im Wirtschaftsleben (Beifall bei der CDU/CSU.)
nur durch Maßhalten und vor allem durch Sparsam-
keit, besonders bei der öffentlichen Hand, abgefan- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine weite-
gen werden können. Nun sollte man nach den vie- ren Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den
len Reden, sosehr sie auch gerechtfertigt sein Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 56.
mögen, wirklich zu Konsequenzen kommen. Nach Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Hand-
den ersten Versuchen der Ausgabenbeschränkung in zeichen. — Gegenprobe! — Das letzte war die Mehr-
dem zur Beratung stehenden Haushaltsplan sollte heit; der Änderungsantrag Umdruck 56 zum Einzel-
man ein gutes Beispiel geben, wo immer sich Ge- plan 28 ist abgelehnt.
legenheit dazu bietet, und damit beweisen, daß diese
Mahnungen ernst gemeint sind und vor allem auch Wer dem Antrag des Ausschusses, den Entwurf
von Ihnen selber ernst genommen werden. Es wäre des Einzelplans 28 unverändert nach der Vorlage
doch gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber dem anzunehmen, zustimmen will, den bitte ich um ein
Staatsbürger als Steuerzahler ein treffliches Bei- Handzeichen? — Gegenprobe! — Gegen zahlreiche
spiel, wenn die Koalitionsparteien und die Bundes Gegenstimmen angenommen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1041
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich rufe auf: — Doch. Für Ihre Ungläubigkeit bin ich nicht ver-
Einzelplan 30 — Geschäftsbereich des Bundes- antwortlich.
ministers für besondere Aufgaben (Druck- (Beifall bei ,der CDU/CSU.)
sache IV/324). Aber wenn Sie einmal darüber nachdenken, daß es
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das völlig unmöglich ist, politische Aufgaben exakt mit
Wort wünscht? — Herr Dr. Vogel verzichtet. Ressorts zu decken, werden Sie vielleicht sogar fest-
stellen, daß das auch für Ihre Fraktion zutrifft. Dar-
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das über hinaus möchte ich ,feststellen, daß der Minister
Wort wird nicht gewünscht. das volle Vertrauen unserer Fraktion genießt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion (Beifall bei der CDU/CSU.)
der SPD Umdruck 66. Soll er begründet werden? —
Wir werden gegen den SPD-Antrag stimmen, wir
Bitte!
werden den Einzelplan 'bejahen.

Dr. Rinderspacher (SPD) : Herr Präsident! Meine


Damen und Herren! Beim Einzelplan 30 handelt es Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine weite-
ren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung
sich nach der Meinung der Sozialdemokratischen
über den Änderungsantrag 66, die gleichbedeutend
Partei um ein Ministerium, das gegen Ende der
Wirren der Koalitionsverhandlungen geschaffen ist mit der eigentlichen Abstimmung über den Ein-
zelplan selbst. Ich verfahre nach unserer berge-
worden ist, um einem Gebäude den Halt zu geben,
brachten Form nur, damit niemand aus der Gewohn-
dessen es offenbar bedurfte. Vielleicht war es auch
heit kommt.
nur eine Koalitionsarithmetik, die einen weiteren
Minister verlangte. Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den bitte
ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen-
Für die Sozialdemokratische Partei steht auf jeden
probe. — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Fall fest, daß man Herrn Krone, dem wir unsere
persönliche Hochachtung durchaus bekunden können Der Einzelplan 30 in der Fassung des Ausschus-
— ich bedaure, daß er 'das nicht gehört hat —, ses! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Hand-
zeichen. — Gegenprobe! — Der Einzelplan 30 ist
(Beifall der CDU/CSU) angenommen.
einen Sessel geschaffen hat, nach dem er sich ver-
mutlich nicht einmal gedrängt hat und für den Ich rufe auf
keinerlei sachliche Notwendigkeit zu ersehen ist. Einzelplan 31 — Geschäftsbereich des Bun-
Wir meinen, daß die „besonderen Aufgaben", für desministers für Atomkernenergie (Druck-
die dieses Ministerium angeblich errichtet wurde, sachen IV/325, zu IV/325).
von seinem jetzigen Inhaber auch erledigt werden
könnten, ohne daß man einen Apparat aufbaut, der Ich frage den Herrn Berichterstatter Abg. Dr.
immerhin für , das erste Jahr 600 000 DM kostet und Gleissner, ob er das Wort wünscht. — Der Herr
der Positionen und Institutionen schafft, die noch Berichterstatter hat das Wort.
lange existieren werden und bezahlt werden müssen,
wenn der Herr Minister längst nicht mehr in seinem Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Herr Präsident!
jetzigen Amt sein wird und wenn die „besonderen Meine Damen und Herren! Ich darf dem schriftlich
Aufgaben" längst nicht mehr für so wichtig erachtet abgegebenen Bericht kurz einige Bemerkungen an-
werden, daß dafür ein Ministerium konserviert wer- fügen, und zwar vor allein hinsichtlich der Kürzun-
den müßte. gen. Wenn Sie den Bericht des Haushaltsausschus-
(Zuruf von der Mitte: Wer weiß?) ses ansehen, dann finden Sie fast bei allen Titeln
Kürzungen, und Sie werden fragen, ob diese Kür-
— Die Propheten! zungen schematisch entstanden sind. Ich 'darf darauf
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält hinweisen, daß diese Kürzungen etwa im Umfang
das gesamte Ministerium für eine reine koalitions- von 20 Millionen DM uns vom Ministerium selbst
politische Institution und 'beantragt deshalb die als Vorleistung angeboten worden sind. Der Haus-
Streichung des gesamten Einzelplans 30. haltsausschuß hat darüber hinaus nur wenige Mil-
lionen an Kürzungen hinzugefügt, und zwar bei den
(Beifall bei der SPD.)
Titeln, wo Auseinandersetzungen mit den Ländern
bestehen, wo das Verhältnis Land—Bund in Frage
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abge- steht. Wir haben beispielsweise bei den Tit. 620,
ordneter Schmücker! 630, 631 — den Strahlentiteln — keine Kürzung aus-
gebracht. Es liegt jetzt ein Antrag vor zu Tit. 620,
Schmücker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine obwohl dieser Titel jedes Jahr erhöht worden ist,
Damen und Herren! Meine politischen Freunde be- auch in diesem Jahre wieder, und zwar von 3,5 Mil-
jahen die Aufgabe dieses Ministeriums. lionen auf 4,5 Millionen, und obwohl uns weder im
Ausschuß noch bei anderer Gelegenheit eine Mehr-
(Zuruf von der SPD.) anforderung im Sinne 'dieses Antrages bekanntge-
— Was sagten Sie? worden ist.
(Zurufe von der SPD: Das glauben Sie doch Bei Tit. 950 haben wir eine erhebliche Kürzung
selber nicht!) angebracht, weil das einer der Titel ist, der ganz
1042 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Dr. Gleissner
besonders in der Auseinandersetzung stand, um hier entschlossen sind, jeden Antrag, den wir hier stel-
— ich darf mich mal vorsichtig ausdrücken — den len, abzulehnen.
Titel bis zu einem gewissen Teil abzubauen. Hier (Zuruf von der CDU/CSU: Wieso denn? —
geht es um Aufgaben, die bisher vorn Bundesatom- Abg. Dr. Stoltenberg: Denken Sie an Herrn
ministerium aus seinem Auftrag heraus großzügiger Schwabe, Herr Hermsdorf!)
weise übernommen worden waren, die aber künftig
in stärkerem Umfange den Ländern delegiert wer- — Aber, Herr Stoltenberg, Herrn Schwabe haben
den können. Das Atomministerium hat an anderer Sie auch nur zugestimmt, weil es nichts kostet und
Stelle, vor allem bei der Entwicklung der Atom- weil es Sie populär macht. Das ist doch gar keine
technik, vermehrte Aufgaben, ansteigende Kosten Frage, nicht wahr? Damit will ich keinesfalls die,
und Ausgaben. Aus 'diesem Grunde haben wir ge- möchte ich sagen, glänzende Rede meines Freundes
glaubt, hier ist der Weg, den wir mit diesen Kür- Schwabe abwerten; ganz im Gegenteil. — Aber ich
zungen gegangen sind, angebracht. möchte sagen, es fällt uns außerordentlich schwer,
hier immer wieder zu argumentieren und dabei ein
Ich möchte zu Kap. 04 von mir aus keine Bemer- wenig den Eindruck zu haben, daß Sie eigentlich
kungen mehr machen und mich auf den einen Satz sagen: „Na schön, man könnte darüber reden; aber
beschränken: Bei Kap. 04 — Raumfahrtforschung — wir sind nicht bereit, darüber zu reden, weil wir der
haben wir eine Gesamtkürzung von 25 Millionen Auffassung sind, daß die Haushaltslage erfordert,
DM angebracht und eine qualifizierte Sperrung vor- daß wir den Antrag niederstimmen." Das ist sehr
genommen, vor allem mit der Begründung, daß das schwer.
Parlament mit der Materie noch nicht genügend be-
Ich möchte Ihnen auch sagen, daß wir es uns bei
schäftigt war.
allen unseren Anträgen gar nicht so einfach ge-
Im übrigen sind die gesamten Kürzungen in macht haben; Sie werden festgestellt haben, daß wir
einem Umfange von 52 Millionen DM, vor allem bei für die Mehrzahl unserer Anträge Deckungsvor-
Kap. 02 — Atom — etwa analog den Grundsätzen schläge gemacht haben.
und den Erfahrungen, die wir bei der Behandlung (Abg. Leicht: Aber schlechte!)
des Einzelplans 06 zugrunde gelegt haben, vorge-
nommen worden. — Gestatten Sie, Herr Leicht: dabei dürften wohl
die Meinungen ein wenig auseinandergehen.
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Ich wollte nur sagen: was Sie uns immer vorwer-
fen, haben Sie heute in dieser Haushaltsberatung
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Ich danke von Anfang bis Ende praktiziert: „Wir stimmen nie-
1 dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort ge- , der, wir werden als Fraktion geschlossen stimmen,
wünscht? — Herr Abgeordneter Hermsdorf. und die sollen ruhig da oben stehen und sich den
Mund fusselig reden, wir werden da gar nicht mehr
zuhören." Das ist heute absolut praktiziert worden.
Hermsdorf (SPD) : Herr Präsident! -
Meine Da-
men und Herren! Ich bedauere, daß Herr Kollege (Abg. Niederalt: Wir haben einem Antrag
Dr. Gleissner in seine Berichterstattung bereits un- zugestimmt!)
seren Antrag einbezogen hat. Nun lassen Sie mich zu dem Kap. 31 04 kommen.
(Abg. Niederalt: Das war heute bei Herrn Mein Kollege Kalbitzer hat heute abend hier beim
Kollegen Ritzel ebenso!) Bundesminsiterium für Entwicklungshilfe oder beim
Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die
Sie wissen, Herr Kollege Niederalt, daß ich nicht Frage der Kontrolle der Regierung angeschnitten.
bereit bin, bösartige Bemerkungen zu machen. Ich Wir haben in Kap. 31 04 Verpflichtungen von über
wollte nur feststellen, daß das nicht ganz korrekt 40 Millionen DM für dieses Jahr. Aus diesen Titeln
war. geht klar hervor, daß die Regierung Verträge ein-
Ich bitte den Herrn Präsidenten, zu gestatten, daß gegangen ist, die jedes Jahr in der nächsten Zeit
ich nicht nur den Tit. 620, sondern gleichzeitig das Verpflichtungen von 30 Millionen DM auf uns zu-
Kap. 31 04 Tit. 677 behandle, weil es in unmittel- bringen. Ich möchte hier als Sprecher der sozial-
barem Zusammenhang steht. demokratischen Fraktion ganz deutlich machen: Na-
türlich hat die Regierung, das wird ihr niemand
Herr Dr. Gleissner hat hier ausgeführt, daß der bestreiten, die Möglichkeit, in internationalen Ver-
Haushalt dieses Ministeriums um mehr als 12 % ge- handlungen alle Vorstellungen, die sie hat, auszu-
kürzt worden ist und daß das Ministerium von sich handeln. Aber wenn dann Verpflichtungen auf die-
aus diese Kürzung angeboten hat. Wir haben uns ses Haus zukommen, soll die Regierung, bevor sie
als Berichterstatter bis auf das Kap. 04 in dieser einen solchen Vertrag abschließt, uns auch sagen,
Frage geeinigt. Beim Kap. 04 war — vielleicht darf was das kostet, und soll zumindest einmal den Fach
ich das einmal sagen — Herr Gleissner als Haupt- ausschuß hören, bevor sie einen solchen Vertrag
berichterstatter doch nicht ganz so sicher, wie er es abschließt.
eigentlich bei Behandlung dieses Titels hätte sein (Beifall bei der SPD.)
sollen.
Denn ist doch einfach eine Praxis: Von dieser Regie-
Meine Damen und Herren, es ist für einen sozial- rung und einem Teil der Presse wird behauptet,
demokratischen Sprecher bei dieser Haushaltsbera- dieses Parlament sei ausgabefreudig. Das ist ein-
tung wirklich schwierig, zu argumentieren, weil Sie fach gar nicht wahr. Hier werden von der Regierung
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1043
Hermsdorf
Verträge eingegangen, die wir nur noch zu akzep- nen, ohne gewaltig einzupumpen, daß wir in der
tieren und für die wir dann die Ausgaben zu bewil- Industrie nicht einen Riesenbetrag von Mitteln brau-
ligen haben. Das ist auf die Dauer unerträglich. Da chen, sondern nur einen kleineren, um die Arbeit
muß die Regierung, bevor sie einen solchen Vertrag fortzusetzen, die das Ministerium in dieser Frage
abschließt, in diesem Hause einmal sagen, was das bisher geleistet hat.
für finanzielle Verpflichtungen sind.
Was ist geschehen? Das Ministerium hat, nach-
(Zuruf von der CDU/CSU: Das beschließen dem in der Bundesrepublik, bei der Industrie und
wir doch!) teilweise auch bei verschiedenen Instituten zunächst
— Verzeihung, wo beschließt man es denn? kein so großes Interesse bestand, sozusagen eine
Reise quer durch die Bundesrepublik unternommen,
(Zuruf von der CDU/CSU.) hat die Industrie darauf aufmerksam gemacht, um
— Aber entschuldigen Sie, ich rede jetzt nicht mehr welchen wichtigen Faktor es sich handelt und welche
vom Entwicklungshaushalt, sondern vom Atomhaus- Bedeutung er für die Zukunft haben kann. In zwei-
halt, und da beschließt man das überhaupt nicht, jähriger Arbeit hat das Ministerium erreicht, daß
sondern da haben wir nur das zu übernehmen, was jetzt endlich ein Teil der Industrie und ein Teil der
die Regierung inzwischen beschlossen hat. Ich habe Institute diese Aufgabe auf die Hörner genommen,
den Entwicklungshaushalt nur als Beispiel ange- bestimmte Pläne entwickelt hat und nun mit be-
führt, um zu sagen, wie nötig eine Kontrolle ist; wo- stimmenden Forderungen an das Ministerium -her-
bei ich ganz freimütig hinzufüge, daß mir die Er- antritt.
klärung, die Herr Minister Scheel hier abgegeben
hat, absolut ausreicht. Aber hier steht fest, daß die Was ist der Tatbestand? Der Tatbestand ist, daß
Regierung Verträge abgeschlossen hat, obwohl das Ministerium auf Grund seiner Vorarbeit bereits
selbst zwischen dem Verteidigungsminister und an- im Haushalt 1962 bei diesem Titel von 4,5 Mil-
deren Ressorts hinsichtlich der Wirksamkeit dieser lionen DM eine Ausgabe von 2,9 Millionen DM hat
Verträge sehr unterschiedliche Meinungen bestan- und die Ansprüche, die auf Grund seiner Arbeit
den. Trotzdem ist abgeschlossen worden, und jetzt gestellt worden sind, überhaupt nicht mehr befrie-
haben wir zu zahlen. Das wollen wir nicht. Weil wir digen kann. Entweder müssen Sie eine Erhöhung
der Auffasusng sind, daß diese Mittel im Kap. 31 04 vornehmen oder Sie müssen sagen: Zurück; alles,
Tit. 677 in diesem Jahr nicht notwendig sind, möch- was wir in den letzten zwei Jahren gesagt haben,
ten wir über die bereits gestrichenen 10 Millionen gilt nicht mehr, wir haben jetzt hier keine Mittel
hinaus noch weitere 10 Millionen streichen, um der mehr, wir müssen jetzt alles zurückdrehen. Deshalb
Regierung völlig klarzumachen, daß es auf die beantragen wir eine Erhöhung des Titelansatzes um
Dauer ein unmöglicher Zustand ist, finanzielle Be- 2,5 Millionen DM.
lastungen auf das Parlament zu wälzen und das nur Nun möchte ich Ihnen noch etwas sagen, meine
noch beschließen zu lassen. Wir möchten, daß der Damen und Herren. Wir behandeln hier einen Haus-
Fachausschuß zumindest vorher darüber unterrichtet halt von 53 Milliarden DM, und bei diesem Titel
wird. beantragen wir Sozialdemokraten eine Erhöhung
-
(Abg. Niederalt: Dafür haben wir ja den von 2,5 Millionen DM. Ich bitte Sie, mir doch zu
Sperrvermerk angebracht!) glauben, daß wir mit diesen 2,5 Millionen DM, die
die Kernphysik betreffen, doch nicht etwa eine par-
Nun komme ich zu Tit. 620. Ich möchte Sie doch teipolitische Propaganda oder sonst etwas machen
sehr bitten, daß wir uns über diese Frage in aller
können, sondern daß es sich hier um ein rein sach-
Kollegialität unterhalten. Ich gebe offen zu, daß die
liches Anliegen der deutschen Industrie und des
sozialdemokratische Fraktion im Haushaltsausschuß
Ministeriums handelt und daß das auch im Interesse
zu diesem Titel keinen Änderungsantrag gestellt
der deutschen Volkswirtschaft liegt. Da meine ich,
und nicht zu erreichen versucht hat, die Mittel zu
erhöhen. daß Sie aus diesen Vernunftsgründen diesem An-
trag auf Erhöhung der Mittel um 2,5 Millionen DM
(Abg. Dr. Stoltenberg: Das ist ganz unge für diesen Zweck, der so wichtig für die Entwick-
wöhnlich!) lung der deutschen Industrie ist, im Interesse unserer
— Herr Stoltenberg, ein klein wenig sachlicher Volkswirtschaft zustimmen sollten.
wäre mir auch lieb. So sollten wir beide uns hier (Beifall bei der SPD.)
nicht unterhalten. Wir machen es ja sonst vernünf-
tiger, nicht wahr.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier:. Jetzt hat
(Abg. Dr. 'Stoltenberg: Sie verstehen doch Herr Abgeordneter Dr. Bechert das Wort zu dem
Spaß!) Änderungsantrag Umdruck 64.
— Natürlich verstehe ich das.
Ich habe dann als Mitberichterstatter erfahren, Dr. Bechert (SPD) : Herr Präsident! Meine Da-
worum es sich handelt. Es geht hier insbesondere men und Herren! Die Fraktion der SPD stellt auf
um die Entwicklung der Kernchemie. Dabei muß ich Umdruck 64 zu Kap. 31 02 Tit. 950 den Antrag,
Ihnen folgendes sagen. Es ist gar kein Zweifel, daß den Ansatz von 37,7 Millionen DM um 4 Millionen
die Kernchemie in unserem Lande für die Industrie DM auf 41,7 Millionen DM zu erhöhen. Zur Begrün-
ein sehr entscheidender Faktor ist, daß wir hier dung führen wir an, dieser Tit. 950 ist der Schwer-
erstens zwar nicht den Anschluß haben, aber zwei- punkt des Forschungsförderungsprogramms des
tens mit den anderen absolut noch gleichziehen kön Bundesministeriums für Atomkernenergie. Der Haus-
1044 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Dr. Bechert
haltsausschuß hat den Regierungsentwurf mit 46,7 Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Herr Präsident!
Millionen DM um 9 Millionen DM auf 37,7 Millio- Meine Damen und Herren! Von den Vertretern der
nen DM gekürzt. Das hat zur Folge, daß im Rahmen Opposition ist hier Kritik an einigen Kürzungsvor-
des Forschungsförderungsprogramms vom Bundes- schlägen des Haushaltsausschusses geübt worden.
ministerium für Atomkernenergie keine neuen For- Es ist auch in der Öffentlichkeit von diesem oder
schungsvorhaben im Haushaltsjahr 1962 gefördert jenem Beirat und von diesem oder jenem Verband
werden können; denn die nach der Kürzung durch eine ähnliche Kritik laut geworden, zum Teil in
den Haushaltsausschuß übriggebliebenen 37,7 Mil- einrschäfudanlicheForm,
lionen DM reichen gerade aus, die bereits früher Gegensatz zu den sachlichen Ausführungen meiner
bewilligten Forschungsvorhaben in diesem Ge- Vorredner.
schäftsjahr weiter zu fördern. Nur ein Spielraum Ich möchte deshalb doch gern einige Sätze zu die-
von 500 000 DM bleibt dem Ministerium für die For sen Beschlüssen Ides Haushaltsausschusses sagen.
schungsförderung aus Titel 950. Kein Mensch wird Ich möchte zunächst einmal betonen, damit das Zah-
im Ernst behaupten wollen, daß damit Forschungs- lenbild hier in den richtigen Größenordnungen
förderung in nennenswertem Umfang betrieben erscheint, , daß dieser Einzelplan gegenüber dem
werden kann. Die Mitglieder des Ausschusses für Vorjahr eine ganz ungewöhnliche Ausdehnung
Atomkernenergie und Wasserwirtschaft waren in erfahren hat, nämlich mehr als eine Verdoppelung,
der Sitzung am 22. März dieses Jahres übereinstim- eine Erhöhung des Volumens von 170 auf 359 Mil-
mend der Meinung, die vom Haushaltsausschuß bei lionen DM. Selbst wenn wir die Erweiterung der
Tit. 950 vorgenommene Kürzung sei zu bedauern Aufgaben dabei nicht berücksichtigen — die Mittel
und nicht zu vertreten, und es sollte daher eine für die Raumforschung —, so ist nach der Regie-
Möglichkeit gefunden werden, so sagte damals der rungsvorlage allein auf .dem Sektor des Atom-
Ausschuß, daß der Titel nicht oder zumindest nicht wesens, der Kernphysik eine Erweiterung immerhin
um 9 Millionen DM gekürzt werde. von 170 auf rund 300 Millionen vorgesehen.
Am Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung in Ihre Kritik der Beschlüsse des Haushaltsausschus-
Berlin ist die Abteilung Kernphysik noch nicht auf- ses hat bei den Titeln des Atombereichs angesetzt.
gebaut. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion Bei der Weltraumforschung gehen Ihre Streichungs-
schlägt vor, für den Aufbau der Abteilung Kernphy- vorschläge über unsere Vorstellungen hinaus. Die
sik an diesem Institut in Berlin einen Betrag von Beschlüsse des Haushaltsausschusses auf' dem Sektor
4 Millionen DM im Haushaltsjahr 1962 zu bewilli- des Atomwesens halten sich durchaus — das möchte
gen. Damit kann ein modernes Hochbeschleuni- ich einmal sehr deutlich sagen — im Rahmen der
gungsgerät, ein van-de-Graaf-Beschleuniger von 5,5 12 %-Grenze, und sie erreichen nicht einmal ganz
Millionen Volt Beschleunigungsspannung ange- die 12 %. Von 300 Millionen sind hier durch die
schafft werden. Mit der von meiner Fraktion vorge- Beschlüsse des Haushaltsausschusses insgesamt
schlagenen Bewilligung von 4 Millionen DM kann 22 Millionen gekürzt worden.
der Bundestag einen Beitrag leisten zum - Ausbau Nun darf ich ganz kurz zu den einzelnen Titeln
Berlins als Kultur- und Wissenschaftszentrum Stellung nehmen, die ang esproch en wurden.
Deutschlands, einen Beitrag, der dem Ansehen Ber-
lins und dem Ansehen unseres Volkes dient. Mein
Fraktionskollege Hermsdorf hat bereits einen Dek- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie
kungsvorschlag gemacht: bei Kap. 31 04, Weltraum- eine Zwischenfrage?
forschung, soll Tit. 677 um 10 Millionen DM ge-
kürzt werden. Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Bitte!
Die Änderungsanträge der Fraktion der SPD zu
Einzelplan 31, die Herr Kollege Hermsdorf und ich Hermsdorf (SPD) : Herr Dr. Stoltenberg, sind Sie
begründet haben, bedeuten, daß von den bei Kap. nicht der Auffassung, daß wenigstens hinsichtlich
31 04 eingesparten 10 Millionen DM, wenn Sie un- der Kontrolle unsere Meinung, daß hier die Regie-
serem Vorschlag zustimmen, für die friedliche rung Verträge eingeht, ohne den Fachausschuß vor-
Atomkernforschung 6,5 Millionen DM bei Kap. 31 02 her zu informieren, richtig. ist?
ausgegeben werden. Dann bleibt nach unserem
Vorschlag immer noch eine Einsparung von 3,5 Mil- Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Herr Hermsdorf,
lionen DM sogar gegenüber dem Vorschlag des zu dieser Frage habe ich noch nicht Stellung genom-
Haushaltsausschusses. Die Kürzung um 12 % gegen- men; ich werde gleich darauf eingehen.
über der Regierungsvorlage wird durch unsere Än-
derungsanträge in keiner Weise berührt. Ich möchte zunächst etwas zum Allgemeinen
sagen. Bei den hier von Ihnen angesprochenen
Ich bitte Sie, unserem Antrag auf Umdruck 64 zu- Titeln haben Sie uns dringend und auch mit beacht-
zustimmen. Sie erweisen damit der deutschen For- lichen Argumenten nahegelegt, den Tit. 620 zu erhö-
schung und dem Ansehen Deutschlands einen we- hen. Ich muß Sie aber darauf verweisen, daß wir
sentlichen Dienst. hier bei der Regierungsvorlage geblieben sind. Wir
sind nicht etwa von ,der Regierungsvorlage abge-
(Beifall bei der SPD.)
wichen. Es ist für uns wirklich etwas schwer, jetzt,
wo wir diesen Vorschlag am Abend vorgelegt be-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort kommen, ganz abgesehen von den Grundsatz-
hat der Herr Abgeordnete Stoltenberg. beschlüssen, die auch ihre Bedeutung haben, einen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1045
Dr. Stoltenberg
solchen Antrag zuzustimmen. Ich darf aber auf die lionen DM. Wir haben im Haushaltsausschuß be-
Möglichkeit hinweisen, daß unbestritten der Finanz- schlossen, daß +die Ansätze in einem gewissen Um-
minister selbst intern die Möglichkeit hat, gegen fang gekürzt und qualifiziert gesperrt werden. Das
Einsparungen un anderer Stelle hier einer solchen heißt, daß die Regierung erst nach der parlamen-
sachlichen Notwendigkeit zu entsprechen, wenn sie tarischen Entscheidung über die zur Zeit noch in den
sich in den Beratungen der Ressorts als unabweis- Verhandlungen befindlichen 'Staatsverträge in der
bar herausstellt. Ich bitte also um Verständnis, daß Lage ist, auf Grund eines besonderen Beschlusses
wir auch aus diesem Grunde diesem Antrag nicht des Haushaltsausschusses Verpflichtungen einzu-
zustimmen. gehen. Das ist auch eine Selbstverständlichkeit.
Nun komme ich zu Tit. 950. Er ist im Grunde der Ich habe mich sehr 'darüber gewundert, daß die
einzige Titel gewesen, bei dessen Beratung es im Vertreter interessierter Verbände der Luftfahrt-
Haushaltsausschuß Differenzen gab. Bei einem an- industrie und der Raumforschung eine 'heftige Kritik
deren Titel — Karlsruhe — haben Sie sogar weiter- an diesen Beschlüssen geübt haben, eine Kritik, die
gehende Einsparungsvorschläge gemacht, die erst auch in der Presse ihren Niederschlag gefunden hat.
nach langer Diskussion fallengelassen wurden. Nur Diese Kritik zeugt allerdings von einer völligen
bei Tit. 950 sind ernsthafte Auffassungsunterschiede Unkenntnis der rechtlichen, politischen und vor
auf dem Atomsektor zwischen den Fraktionen im allem der haushaltsrechtlichen 'Seite dieser Ange-
Haushaltsausschuß sichtbar geworden. Ich möchte legenheit. Es ist völlig unmöglich, daß das Parla-
aber hier gegenüber einer anderen Darstellung be- ment .in einem Stadium, in dem über internationale
tonen, die zum Teil auch in der Öffentlichkeit gege- Staatsverträge verhandelt wird, die 'dem Parlament
ben wurde, daß immerhin der Geldansatz dieses überhaupt noch nicht zugegangen sind und die auch
Titels nach unseren Beschlüssen höher ist als im
vom Kabinett noch nicht verabschiedet worden sind,
Vorjahr. Denn hier sind die Mittel für Garching und
große Summen bewilligt und ohne Sperrvermerke
für Jülich, die im Vorjahr in diesem Titel waren,
der Exekutive übergibt.
ausgegliedert und in besondere Titel genommen.
Wenn Sie diese Beträge zusammenrechnen, ist eine Über diese Fragen hat es zwischen den Fraktionen
Steigerung des Geldansatzes gegenüber dem Vor- des Bundestages und im Grunde, wie ich glaube,
jahr festzustellen. wenn ich einmal von gelegentlichen Diskussionen
absehe, auch mit 'der Bundesregierung niemals eine
Es ist aber nicht zu bestreiten — da ist ihre Dar-
Meinungsverschiedenheit •gegeben. Wir haben mit
stellung durchaus richtig —, daß die Verfügungs-
der Ausbringung erster Ansätze unsere Auffassung
möglichkeit des Ministeriums in diesem Jahr sehr
begrenzt ist, sehr eng ist. Aber, meine Damen und vertreten, , daß wir die Argumente, die für eine
Beteiligung der Bundesrepublik an diesen Vor-
Herren, das hängt nun einmal mit dem System der
haben sprechen, ernst nehmen. Aber es ist völlig
Bindungsermächtigungen zusammen. Wenn eben in
den Vorjahren große Bindungsermächtigungen ge- klar, daß die endgültige Entscheidung 'darüber erst
geben und große Verpflichtungen eingegangen sind, fallen kann, wenn uns 'die Ratifizierungsverträge
die sich in diesem Jahr auswirken, dann führt- das vorliegen.
bedauerlicherweise dazu, daß in diesem Jahr die Ich darf meine Ausführungen zusammenfassen.
Möglichkeit zu neuen Verpflichtungen begrenzt ist. Entgegen manchen Behauptungen, die von interes-
Ich darf aber immerhin darauf verweisen, daß auch sierter Seite und auch in der Öffentlichkeit erhoben
in diesem Jahr eine kleinere Bindungsermächtigung wurden und 'die auch etwas in den Reden der Oppo-
von 6 Millionen in den Empfehlungen des Haus- sitionsvertreter anklangen, sind wir der Auffas-
haltsausschusses vorgesehen ist. Die Tatsache also, sung, daß wir mit der Steigerung dieses Etats von
daß in diesem Jahr infolge der Bindungsermächti- 170 Millionen DM nach der Empfehlung des Haus-
gungen der Vorjahre nur in geringem Umfang neue haltsausschusses auf über 300 Millionen DM der
Verpflichtungen eingegangen werden können, be- Bedeutung dieses 'Sektors, insbesondere des Sektors
deutet in keiner Weise, daß die Mehrheit des Haus- des Atomwesens, der Arbeit auch des Ministeriums
haltsausschusses und die Koalitionsfraktionen die und des Herrn Ministers Balke in vollem Maße
Bedeutung dieser Arbeit und die Notwendigkeit Rechnung tragen, einer Arbeit, +deren Dringlichkeit
verkennen, auch auf diesem Gebiet nach gewissen wir auch heute abend unterstreichen möchten.
Richtlinien, über die wir uns im Ausschuß unter-
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
halten haben, in Zukunft tatkräftig zu wirken und
bestimmte Vorhaben zu finanzieren.
Ich komme nun als letztes zu der Frage der Welt- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
raumforschung. Ich muß Ihnen offen sagen, Herr Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Kollege Hermsdorf, hier ist Ihr Antrag wenig über-
zeugend. Entweder Sie beantragen die völlige Frau Geisendörfer (CDU/CSU) : Herr Präsident!
Streichung , der Titel, wie Sie es im Ausschuß getan Meine Damen und Herren! Die Kollegen von der
haben, oder Sie müssen mindestens die schon vom SPD haben vorhin an die Kollegialität der Mitglie-
Haushaltsausschuß reduzierten Positionen jetzt so der des Fachausschusses appelliert. Es ist in diesem
stehenlassen. Er scheint uns aber, offen gesagt, völ- Haus ein offenes Geheimnis, daß die Meinungen
lig sinnwidrig zu sein, zu sagen: Weil hier noch der Mitglieder eines Fachausschusses nicht immer
keine Vorstellungen vorliegen, weil uns .die Ver- ganz mit den Auffassungen der Mitglieder des
träge noch nicht zugeleitet sind, kürzen wir einen Haushaltsausschusses übereinstimmen. Die Mitglie-
Ansatz von ursprünglich 30 Millionen auf 10 Mil der des Fachausschusses aus der CDU/CSU und der
1046 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Frau Geisendörfer
FDP möchten ganz klar und deutlich zum Ausdruck Mitgliedern des Haushaltsausschusses einige wert
bringen, daß wir durch die Zustimmung zu dem volle Hinweise und Ratschläge zu geben, von denen
Vorschlag des Haushaltsausschusses, d. h. zu der wir hoffen, daß sie im Haushalt 1963 ihren Nieder-
Ablehnung Ihrer Vorschläge nicht irgendwie eine schlag finden.
Verständnislosigkeit oder eine Unterbewertung der (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von
Arbeit und der Aufgaben des Atomministeriums be- der SPD: Ein österlicher Eiertanz!)
kunden wollen.
Wir sind ebenso überzeugt wie Sie, daß auf dem Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
Atomgebiet dank der Förderung der Forschung Herr Abgeordneter Hermsdorf.
jetzt ein Stadium erreicht worden ist, in dem die
Erkenntnisse aus dem Bereich der Forschung in das Hermsdorf (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
Gebiet der technischen Nutzung und praktischen und Herren! Zunächst stelle ich fest, daß Sie ent-
Anwendung eindringen. Einerseits müssen also Mit- schlossen sind, auch in diesem Falle unsere Anträge
tel für die Förderung der technischen Entwicklung abzulehnen, aber auch zugegeben haben, und zwar
bereitgestellt werden, andererseits besteht weiter- sowohl Frau Geisendörfer wie Herr Dr. Stoltenberg,
hin die Notwendigkeit, die Atomforschung weiter daß es sich bei beiden Anträgen der sozialdemokra-
zu fördern. Denn die Atomforschung geht in der tischen Fraktion um ein absolut berechtigtes Anlie-
ganzen Welt weiter, und die technische Nutzanwen- gen handelt, um das Sie nicht ohne weiteres herum-
dung — davon sind wir alle mit Ihnen zusammen kommen.
überzeugt — muß ständig von der intensiven Grund- Verehrte Frau Kollegin Geisendörfer, ich bedanke
lagenforschung ergänzt, begleitet und vorbereitet mich für Ihre charmante Zusage, und ich hoffe, daß
werden. Wir wissen ebenso wie Sie, daß die natur- Sie den Versuch machen werden, Ihre Haushalts-
wissenschaftlichen Möglichkeiten auf diesem Gebiet kollegen von der Berechtigung dieses Anliegens zu
noch lange nicht ausgeschöpft sind und daß wir in überzeugen.
sehr viel größerem Maße, als das Ihre Anträge aus- (Zuruf der Abg. Frau Geisendörfer.)
drücken, noch Mittel zur Verfügung stellen könn-
ten, um wirklich dringend notwendige und auch — Das haben Sie schon. Dann können Sie ja zustim-
begründete Anliegen auf diesem Gebiet zu erfüllen. men; dann sind wir fertig!
Wir wissen aber ebensosehr, daß wir alle mitein- Frau Kollegin Geisendörfer, hier hat niemand —
ander verpflichtet sind, für eine Deckung und einen wenigstens ich nicht — an die Kollegialität des
Ausgleich des Haushalts zu sorgen. Deswegen sehen Fachausschuses appelliert, sondern es ist der Regie-
wir uns nicht in der Lage, Ihren Anträgen zuzu rung nur hinsichtlich der Verträge gesagt worden,
stimmen. daß man zumindest den Fachausschuß einmal hätte
hören sollen. Ich meine, das ist etwas ganz anderes
Wir haben allerdings noch einige Anregungen als den Fachausschuß und den Haushaltsausschuß in
und Hoffnungen. Das eine ist, daß entsprechend dem dieser Frage gleichzusetzen. Ich muß Ihnen ehrlich
-
Anliegen, das Sie, Herr Kollege Bechert, vorhin aus- sagen: auch wenn wir in der Opposition sind, in die-
gesprochen haben, die Mittel für das Hahn-Meitner- sem Fall sind wir hart. Aber uns kam es nur darauf
Institut auf irgendeine andere Weise noch beschafft an, daß bei diesen Verträgen der Fachausschuß vor-
werden können. Hier zeichnet sich eine Möglichkeit her gehört wird, damit wir wenigstens wissen, was
ab. Ich möchte heute noch nicht näher davon spre- dahintersteckt.
chen; denn man soll eine Sache erst dann in die
Welt hinausposaunen, wenn sie ganz perfekt ist. Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben gesagt, wir
seien insofern inkonsequent, als wir im Haushalts-
Das zweite ist die Bitte an den Haushaltsaus- ausschuß die völlige Streichung und jetzt nur diese
schuß, wenn die Mittel aus Kap. 31 04 nicht aus- 10 Millionen beantragt hätten. Herr Stoltenberg, da
reichen sollten, sie nicht aus dem übrigen Haushalt muß ich Ihnen sagen, daß Sie die Anständigkeit und
des Atomministeriums zu decken, sondern überplan- die Kompromißfreudigkeit der Sozialdemokratischen
mäßige Mittel in Anspruch zu nehmen. Partei noch nicht begriffen haben;
Das dritte ist die Hoffnung und die Erwartung, (Heiterkeit)
daß bei der Aufstellung des Haushaltsplans 1963 in sonst hätten Sie eine solche These nicht vertreten.
Zusammenarbeit mit dem Fachausschuß Gedanken Ich habe im Haushaltsausschuß im Namen meiner
und Erwägungen angestellt werden, damit vielleicht Fraktion die völlige Streichung beantragt. Nur über
eine bessere Ausgewogenheit der Kürzungen und eine Tatsache kommen wir auch nicht hinweg, und
der Zurverfügungstellung der Mittel erreicht wird. da sind wir viel zu nüchtern, um sie nicht zu sehen.
Denn wir sind allerdings auch der Meinung, daß die Wir möchten hier nicht eine Position beziehen, in
Kürzungen nicht in sehr glücklicher Weise erfolgt der uns eventuell, wenn wir die völlige Streichung
sind und daß man die Mittel im Rahmen des Ge- des betreffenden Titels beantragen, ein gewisser
samthaushalts anders und vielleicht besser vertei- Anschluß in der wirtschaftlichen und technischen
len könnte. Gerade auf dem Gebiet der Atomkern- Entwicklung fehlt. Diesem Vorwurf möchten wir uns
energie, der Raumfahrt und der Raumforschung, keinesfalls aussetzen. Aus diesem Grunde haben wir
einem Gebiet, auf dem es in diesem Hause sehr uns bereit erklärt, über die Verträge zu reden, aber
wenige Sachverständige gibt, sind, glaube ich, die im ersten Jahr nicht in diesem Ausmaß Mittel be-
Mitglieder des Fachausschusses dadurch, daß sie sich reitzustellen, ohne daß das Parlament gefragt wor-
mehr als andere bemüht haben, in diese Materie den ist, sondern wir wollen 10 Millionen DM dafür
einzudringen, in besonderer Weise befähigt, den einsetzen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1047
Hermsdorf
Jetzt habe ich aber noch eine ganz konkrete Ausführungen zu einigen speziellen Punkten be-
Frage. Ich habe weder von Ihnen, Herr Dr. Stolten- schränken.
berg, noch von Frau Kollegin Geisendörfer gehört,
daß Sie die Berechtigung des dem Antrage zu Zunächst ist ganz allgemein die Wachstumsrate
Tit. 620 zugrunde liegenden Anliegens verneinen. für das Arbeitsgebiet, das ich zu vertreten habe,
Sie haben nur gesagt, hier handelte es sich um eine natürlich von Jahr zu Jahr steigend. Wir haben
Regierungsvorlage. nahezu beim Punkt Null angefangen. Es ist gar kein
Wunder, daß der Haushaltsansatz der Regierung
Nun muß ich ganz offen sagen: wir haben im für dieses Ministerium in jedem Jahr erheblich an-
Haushaltsausschuß mit der Vertretung dieses Pe- steigen wird. Darin kommt zum Ausdruck, daß wir
titums einen Kollegen 'beauftragt, der in dem allmählich das Fundament für diese Arbeit geschaf-
Augenblick, als dieses Petitum auf der Tagesord- fen haben und daß jetzt natürlich die Forschungs-
nung stand, nicht da war. Das kann Ihnen genauso aufgaben in drängender Fülle auf uns zukommen.
passieren, wie es uns passiert ist. Ich bin sogar Zum Vergleich möchte ich dem Hohen Hause eine
sicher, daß wir, wenn wir die Sache im Haushalts- Zahl nennen. Wir haben in \den sechs Jahren, in
ausschuß aufgebracht hätten, darüber wahrschein- denen das Atomministerium der 'Bundesrepublik
lich viel vernünftiger und mit einem ganz anderen besteht, im ganzen soviel an Bundesmitteln ausge-
Ergebnis hätten reden können als heute abend. geben, wie Frankreich in einem Jahr für die fried-
Es ist also nicht so, daß wir das nicht wollten. Wir liche Anwendung der Kernenergie ausgibt. Sie
haben das einfach durch das Fehlen eines Kollegen sehen also, welche Größenordnungen hier doch, wie
versäumt. man heute sagt, auf uns zukommen werden. Es ist
Jetzt habe ich eine Frage an den Herrn Minister; leider so, daß man, 'wenn man bei diesen Gebieten
er hat sich ja zu Wort gemeldet. Ich wäre ihm sehr der neuen Technik A gesagt hat, sich durch das
dankbar, wenn er diese Frage beantworten würde. Alphabet bis Z hindurchbuchstabieren muß.
Herr Dr. Stoltenberg hat gesagt, daß man, falls zum Wir haben uns bei der Regierungsvorlage be-
Tit. 620 Anforderungen auf die Regierung zukom-
müht, nur solche Zahlen zu nennen und Ansätze zu
men, den Versuch machen sollte, diese Anforderun- beantragen, deren Erfüllung im Laufe des Haus-
gen aus anderen Titeln, aus außerplanmäßigen Mit- haltsjahres möglich erscheint. Das ist in unserem
teln oder irgendwie sonst zu decken. Ursprünglich Fall sehr schwierig, weil sich gewisse Forschungs-
war der Tit. 620 voll ausgelastet, es ging sogar so vorhaben auf mehrere Jahre erstrecken und sehr
weit, daß aus Tit. 620 nicht alle Anforderungen be- genau bedacht werden- müssen. Das Angebot des
stritten werden konnten und man den Tit. 950 mit Ministeriums, eine Kürzung vorzuschlagen, erfolgte
heranziehen mußte. Nachdem aber bei Tit. 950 heute zu einer Zeit, als die 12%ige Kürzung des Haus-
eine solche Streichung vorgenommen worden ist, ist halts zur Debatte stand ; und wir haben es für
die Möglichkeit gegenseitiger Deckung zwischen den zweckmäßig gehalten, selber dazu sachkundige Vor-
Tit. 620 und 950 nicht mehr gegeben. Aus diesem schläge zu machen. Ich möchte aber dem Hohen
Grunde sind wir sehr daran interessiert, vom Herrn Hause offen sagen: wir werden, wenn , die Bundes-
Minister eine Erklärung zu 'hören, ob er, falls zu republik Deutschland nicht eine Politik des Als-ob
Tit. 620 bestimmte Forderungen auf uns zukommen, betreiben will und wirklich eine Rolle im internatio-
bereit ist, diese aus anderen Titeln zu decken und nalen Wettbewerb, der für unsere Wirtschaft so
aus welchen. Eines möchten wir nicht, und auch da
wichtig ist, spielen will, in jedem Jahr mit höheren
haben wir eine klare Frage an den Minister: Wir Haushaltsansätzen kommen müssen. Es wird dar-
möchten keinesfalls, daß die Mittel — da bin ich
über zu streiten sein, wie das am 'besten auf die
völlig mit der Frau Kollegin Geisendörfer einig —
einzelnen Titel zu verteilen ist.
aus den Kapiteln 3102 und 3104 gegenseitig
deckungsfähig sind. Das möchten wir unter gar kei- Ich möchte hier auf eine immer wiederkehrende
nen Umständen. Das sind zwei völlig verschiedene falsche Vorstellung von unserer haushaltsmäßigen
Paar Schuhe. Hier hätten wir gern eine verbindliche Berechtigung zu sprechen kommen. Wir können
Erklärung des Ministers. haushaltsmäßig nicht mit 'dem Einzelplan 04 — mit
(Beifall bei der SPD.) dem Innenministerium — verglichen werden. Das
Innenministerium treibt Forschungsförderung durch
pauschale Förderung. Es ist kein Wissenschafts-
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Der Herr
ministerium in unserem Sinne. Es gibt aber ein
Bundesminister für Atomkernenergie.
Atomwissenschaftsministerium; das ist das Bundes-
ministerium für Atomkernenergie; denn es hat
Dr. Balke, Bundesminister für Atomkernenergie: durch die Ergänzung des Grundgesetzes diese Eigen-
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und schaft bekommen. Meiner Ansicht nach wäre es auch
Herren! Es ist eine merkwürdige Situation für einen gefährlich, davon zu sprechen, 'daß man die For-
Minister, wenn er sich dem konzentrierten Wohl- schung z. B. in Tit. 950 allmählich abbauen könnte,
wollen des Parlaments ausgesetzt sieht. Ich bedanke weil diese Aufgaben von den Ländern übernommen
mich sehr, werden könnten. Ich kann aus meiner nunmehr
(Beifall) sechsjährigen Erfahrung feststellen, daß die Länder
insbesondere da die Debatte in der Form einer diese Aufgaben einfach nicht wahrnehmen. Viel-.
praxis elegantissima abläuft. Ich möchte, weil wir leicht können sie es nicht, vielleicht wollen sie es
mit der Platzziffer 31 im Rennen um den Haushalt nicht. Jedenfalls dürfen wir die Forschungsauf-
liegen, mich auf einige allgemeine Bemerkungen und gaben, die in diesem wichtigen Titel betreut wer-
1048 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Bundesminister Dr. Balke


den, nicht dem Wohlwollen .der Länder aussetzen, ein Fachausschuß damit betraut. Diese Verträge sind
solange nicht , durch Gesetze feststeht, daß die Finan- aber ratifikationsbedürftig, d. h. die ganze Diskus-
zierung dieses Titels dann eben nicht mehr von uns sion über die Finanzierung muß noch in diesem
übernommen zu werden braucht. Hohen Hause stattfinden, wenn die Staatsverträge
dem Parlament zur Ratifikation vorgelegt werden.
Die Manipulationssumme von 500 000 DM und die Man sollte das also abwarten. Ich kann hierin auch
Bindungsermächtigungen von 6 Millionen DM sind kein Versäumnis gegenüber dem Parlament sehen.
natürlich schmerzlich wenig. Es wird nichts anderes
übrigbleiben — und das möchte ich hier doch offen Die Finanzierung dieser Arbeiten, die uns vor
sagen, weil es an die Öffentlichkeit dringt —, als dieselben Probleme stellt wie die Finanzierung der
die betroffenen Forschungsinstitute und insbeson- Atomkernenergie, werden wir mit sehr bescheide-
dere die Forscher davon zu verständigen, daß wir nen Beträgen beginnen müssen. Sie werden sehr
die Anträge nicht mehr in dem bisherigen Umfang rasch ansteigen; die Gründe dafür brauche ich nicht
erfüllen können. Schmerzlich ist das hauptsächlich auszuführen. Genauso wie die Kernphysik dient die
im Falle Berlins. Die 4 Millionen DM, die wir für Raumfahrtforschung und Raumfahrttechnik vor
das Hahn-Meitner-Institut brauchen, müssen nu n allem der Niveausicherung unserer industriellen
irgendwasufbchterdn.Di Produktion und damit der Stärkung der Wettbe-
kommt ein merkwürdiger Zufall hinzu. Wir haben werbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Unsere Absicht
die ganzen Jahre mit dem Antrag für das Berliner ist weder, Menschen auf den Mond zu schießen,
Institut gezögert, weil der Lehrstuhl für Kernphysik noch, eine paramilitärische Organisation aufzuzie-
nicht zu 'besetzen war. Es hat sich kein Forscher ge- hen. Sie kennen die Arbeit des Ministeriums seit
funden. Ausgerechnet vor wenigen Wochen ist der Jahren und wissen, daß wir uns auf friedliche
junge Forscher gefunden, ,der als Professor für Zwecke beschränken.
Kernphysik an das Institut gehen will. Nun fehlen Die Summen, die beantragt worden sind, um-
uns die Mittel für die Aussteuer. schließen zum größten Teil die internationalen Ver-
(Zurufe von der SPD: Hört! Hört!) pflichtungen, die auf uns zukommen, deren Wirk-
Vielleicht läßt sich, wie Frau Kollegin Geisendörfer samkeit, wie gesagt, von der Ratifikation abhängt.
andeutete, doch noch ein Weg finden, um diesen Die 10 Millionen DM, die wir im Haushaltsansatz
Wunsch zu erfüllen. für die eigenen Arbeiten behalten haben, werden
für das Anlaufjahr 1962 vielleicht reichen. Der Sperr-
Zu Tit. 620, Kernchemie: Da ich selbst Chemiker vermerk ist natürlich hinderlich. Ich erkenne aber
bin, bin ich an diesem Arbeitsgebiet besonders eine gewisse Berechtigung des Parlaments an, zu
interessiert. Hier kommt aber ein Gesichtspunkt verlangen, daß ein Programm vorgelegt wird. Wir
zum Vorschein, , der zuerst auch für die Physik ge- sind zur Zeit mit seiner Erarbeitung beschäftigt.
golten hat. Wir sind auf dem Gebiet der Kern-
Ich möchte mich der Bitte der Frau' Kollegin Gei-
chemie, also der Erforschung der chemischen Eigen-
sendörfer anschließen, daß das, was in diesem Haus-
schaften radioaktiver Materie, rückständig. Das
haltsjahr 1962 an Wünschen offen bleibt, für das
hängt mit Fragen zusammen, .die wir hier nicht zu
Haushaltsjahr 1963 mit doppelter Begeisterung ge-
erörtern brauchen, zum Teil auch 'mit Nachkriegs-
nehmigt wird.
erscheinungen. Wir haben nun angefangen, ein
Kernchemie-Programm durchzuführen, ebenso wie (Beifall bei den Regierungsparteien.)
bisher das Kernphysik-Programm. Auch hier wird
am Anfang etwas weniger gebraucht als später. Der
Regierungsansatz von 4,5 Millionen DM ist dahin zu Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine wei-
verstehen, daß das eine Summe ist, die wir in die- teren Wortmeldungen.
sem Jahr vernünftig unterbringen müssen. Aber ich Abstimmung über den Änderungsantrag der Frak-
darf insbesondere die Kollegen von der verehrten tion der SPD auf Umdruck 64. Wer zustimmen will,
Opposition darauf hinweisen, daß der Tit. 620 eine den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
Wachstumsrate haben 'wird, was' sich wahrscheinlich Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag
schon im nächsten Haushalt zeigen wird. ist abgelehnt.
Nun zur Frage der Weltraumforschung! Dieses Einzelplan 31, Geschäftsbereich des Bundesmini-
Gebiet ist ein Erbstück, das wir von der dritten Bun- steriums für Atomkernenergie (Drucksache IV/325).
desregierung übernommen haben. Sie wissen, daß Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzei-
das Bundesministerium für Atomkernenergie für chen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahl-
diese Aufgaben zunächst nicht prädestiniert war. In reichen Enthaltungen angenommen.
der dritten Bundesregierung wurde seinerzeit aus
den bekannten Gründen — das Angebot Großbri- Herr Abgeordneter Dr. Bechert!
tanniens zur Beteiligung an der Blue-Streake-Rakete
— das Innenministerium beauftragt, die internatio- Dr. Bechert (SPD) : Herr Präsident! Meine Da-
nalen Verhandlungen zu führen. Das hat dann zu
men und Herren! Da ich Vorsitzender des Bundes-
den von Ihnen, Herr Kollege Hermsdorf, beanstan-
tagsausschusses für Atomkernenergie und Wasser-
deten Vertragsabschlüssen geführt. Ich möchte dar-
wirtschaft bin,
auf hinweisen, daß damals kein Fachausschuß unter-
richtet werden konnte, weil dieser Fachausschuß gar (Abg. Dr. Vogel: Seit wann werden von
nicht bestand. Erst in der vierten Wahlperiode wurde Vorsitzenden Erklärungen abgegeben?!)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1049
Dr. Bechert
fühle ich mich verpflichtet, festzustellen, daß die energie für 'friedliche Zwecke ein unterentwickeltes
Kürzung des Kap. 31 02 — — Land zu bleiben.
(Abg. Dr. Vogel: Haben ,Sie dazu eine Er (Abg. Dr. Vogel: Herr Präsident!)
mächtigung des Ausschusses, Herr Profes
sor Bechert?)
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Also, jetzt
— Das ist eine Erklärung für mich persönlich. muß ich aber doch etwas sagen, Herr Abgeordne-
(Abg. Dr. Vogel: Für Sie, aber nicht als ter Dr. Bechert! Was Sie jetzt gesagt haben, hätten
Vorsitzender des Ausschusses!) Sie sagen können; ich hätte keinen Anstoß an Ihrer
Formulierung genommen: „Weil ich Vorsitzender
-- Ich sage: Da ich Vorsitzender bin, fühle ich mich
des Ausschusses bin, fühle ich mich verpflichtet."
verpflichtet. Ich habe nicht gesagt, daß ich namens
Das kann man sagen. Aber das, was Sie jetzt gesagt
des Ausschusses spreche, sondern in meiner Eigen-
schaft als Vorsitzender fühle ich mich verpflichtet, haben, würde eigentlich unter die Bestimmungen
eine Erklärung abzugeben. der §§ 35 und 36 der Geschäftsordnung fallen, „Per-
sönliche Bemerkungen" und „Abgabe von Erklä-
(Abg. Dr. Stoltenberg: In einer Eigenschaft!!) rungen", die vorher dem Präsidenten gemeldet wer-
— — ,daß die Kürzung des Kap. 31 02 des Einzel- den müssen, damit er seine Zustimmung geben
planes 31 die Förderung der Forschung auf das kann. Aber der Präsident kann ja nicht wissen, was
empfindlichste trifft, die eine der wesentlichsten in der Haushaltsberatung jeweils gesagt wird. —
Aufgaben des Bundesministeriums für Atomkern- Herr Abgeordneter Dr. Vogel?
energie ist. (Abg. Dr. Vogel: Damit ist die Sache
(Abg. Dr. Vogel: Eine Unmöglichkeit, solche erledigt!)
Erklärungen nachträglich zu einem Haus-
— Sie wollten mich darauf aufmerksam machen, daß
halt abzugeben!)
es die beiden Bestimmungen der Geschäftsordnung
gibt?
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Einen Augen- (Abg. Dr. Vogel: Genau das!)
blick! Herr Abgeordneter Vogel, es ist eine sehr
interessante Frage, die Sie aufwerfen. Aber vor — Ich bedanke mich sehr. — Herr Abgeordneter
allem steht in diesem Hause die Redefreiheit. Der Niederalt?
Präsident schützt zunächst die Redefreiheit. Er hört (Abg. Niederalt: Er hat seinen Zweck er
sich an, was gesagt wird. Wenn Sie dann anderer reicht, wenn auch in geschäftsordnungs
Meinung sind, können Sie das Wort nehmen, wenn widriger Weise!)
ein
(Abg. Dr. Vogel: Herr Präsident, haben Sie — Vielleicht hätte der Präsident, wenn er gewußt
den Einzelplan — —) hätte, was der Herr Abgeordnete sagen wollte,
von den Möglichkeiten der §§ 35 und 36 in diesem
— lassen Sie mich erst aussprechen! — Verstoß Falle Gebrauch gemacht. Dann hätte der Abgeord-
gegen die Geschäftsordnung vorkommt, werde - ich nete doch sagen können, was er jetzt gesagt hat. Im
das so, wie es die Geschäftsordnung befiehlt, ahn- Zweifelsfalle, Herr Kollege Niederalt, empfehle ich
den, oder, wenn es noch schwieriger ist, den Älte- Großzügigkeit.
stenrat mit ,der Sache befassen. Aber jetzt würde ich
empfehlen, diese — zugegeben schwierige — Va- (Zurufe und Unruhe bei der CDU/CSU.)
riante: „weil ich Vorsitzender ides Ausschusses bin,
fühle ich mich verpflichtet" passieren zu lassen. — Jetzt geht es weiter! Ich rufe auf den
Meine Damen und Herren, so etwas muß in diesem Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwal-
Hause und in diesem Saale erlaubt sein! tung (Drucksache IV/330).
(Beifall 'bei der SPD und Abgeordneten der Das Wort als Berichterstatter hat zunächst der
FDP.) Herr Abgeordnete Niederalt.
Bitte, fahren Sie fort!
Niederalt (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine
Dr. Bechert (SPD) : Die Kürzung entspricht nicht Damen und Herren. Der Einzelplan 60 war der letzte
dem Ersuchen des Deutschen Bundestages vom Einzelplan, den der Haushaltsausschuß an jenem
29. Juni 1961 an die Bundesregierung, unverzüglich denkwürdigen Freitag behandelt hat. Es war mir
alle Maßnahmen zu ergreifen, die den Anschluß an daher leider nicht möglich, einen Schriftlichen Be-
die internationale Entwicklung sicherstellen. Dieses richt zu geben. Ich wäre deshalb eigentlich gehal-
Ersuchen an die Bundesregierung ist vor einem ten, Ihnen hier und jetzt einen längeren Bericht zu
Dreivierteljahr vom Bundestag einstimmig beschlos- erstatten, weil die Materie, die in Einzelplan 60 be-
sen worden, nachdem ,der Ausschuß für Atomkern- handelt ist, doch sehr wichtig ist. Auf der anderen
energie und Wasserwirtschaft seinen Bericht über Seite weiß ich, unter welchem Zeitdruck die Ver-
die Förderung der Atomforschung in Drucksache handlungen hier stehen. Ich möchte deshalb das
2867 des 3. Deutschen Bundestages vorgelegt hatte. Hohe Haus bitten, damit einverstanden zu sein, daß
Frau Kollegin Geisendörfer war damals die Bericht- ich den Bericht zu Protokoll gebe *).
erstatterin.
Die Bundesrepublik gerät in die Gefahr, auf dem (Zustimmung.)
Gebiet der Erforschung und Nutzung der Atomkern *) Siehe Anlage 2
1050 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Niederalt
Hier und jetzt müssen Sie mir nur ein paar Be- liarde praktisch das Haushaltsvolumen nur um
merkungen gestatten, die auf einige wichtige 135 Millionen DM niedriger ist, als es im Entwurf
Punkte hinweisen, die dann im einzelnen im Bericht vorgesehen war.
ausgeführt sind. Ich darf mich auf diese Bemerkungen beschränken
Die erste Bemerkung möchte ich zum Ziel der und bitte das Hohe Haus, den Einzelplan 60 mit
diesjährigen Haushaltsberatungen machen. Das Ziel den Beschlüssen des Haushaltsausschusses anzu-
der diesjährigen Haushaltsberatungen war ein nehmen.
zweifaches. Einmal war der Haushaltsausschuß ge- (Beifall bei der CDU/CSU.)
halten, die globalen Kürzungen durch gezielte Spar-
maßnahmen zu ersetzen. Sie wissen, die Summe der Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort
globalen Kürzungen war in Höhe von 620 Millio- hat die Mitberichterstatterin Abg. Frau Krappe.
nen DM angesetzt. Das zweite Ziel bestand darin,
den Länderbeitrag, der im Haushaltsentwurf mit
1740 Millionen DM angegeben war, so herabzu- Frau Krappe ,(SPD) : Herr Präsident! Meine Her-
drücken, daß der Bundesrat moralisch keine Mög- ren und Damen! Wegen der sehr späten Stunde
lichkeit mehr hat, so will ich mich einmal ausdrük- möchte Ach nur zwei kurze Bemerkungen zum
ken, den Vermittlungsausschuß im zweiten Durch- Kap. 60 05 und A 60 05 — Bundeshilfe für Berlin —
gang anzurufen. als Berichterstatterin machen.
Ich glaube, Ihnen sagen zu dürfen, daß diese bei- Zunächst möchte ich mich im Namen Berlins dafür
den Ziele durch die Beratungen des Haushaltsaus- bedanken, daß der Berliner Senat für seine Vor-
schusses, die ja einen Kürzungsbetrag per saldo von stellungen volles Verständnis gefunden hat, was
1132 Millionen DM ergeben haben, erreicht worden sich i n den 'eingesetzten Summen bei den beiden
sind. Kapiteln niederschlägt. Der Senat wird dadurch in
die Lage versetzt, die finanziellen Schwierigkeiten
Eine zweite Bemerkung zu den Steuerschätzungen. nach dem 13. August überwinden zu können.
Sie erinnern sich vielleicht daran, daß der Bundes-
rat im ersten Durchgang vorgeschlagen hat, den Zum anderen möchte ich der Hoffnung Ausdruck
Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaft- geben — wiederum im Namen Berlins —, daß das
steuer um 291 Millionen DM zu erhöhen. Der Haus- gleiche Verständnis vorherrschen wird, wenn die
haltsausschuß ist dieser Empfehlung des Bundesrats neueren Hilfsmaßnahmen, die im Wirtschaftskabi-
materiell — wenn ich mich so ausdrücken darf — nett mit dem Berliner Senat beraten worden sind
gefolgt, aber nicht formell. Er hat sich nämlich, dem und noch beraten werden, hier im Bundestag in den
Vorschlag des Finanzausschusses dieses Hohen Gesetzen ihren Niederschlag finden werden. Für
Hauses folgend, dazu entschlossen, eine Erhöhung diesen Fall möchte ich mich schon heute bedanken.
der Steuerschätzungen um insgesamt 291 Millionen
(Allseitiger Beifall.)
DM vorzunehmen. Der Haushaltsausschuß hat aber
diese Steuerhöherschätzung nicht allein- auf den
Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaft- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Wird das
steuer verlagert, sondern sie auf verschiedene an- Wort gewünscht zur Begründung des Änderungs-
dere Positionen verteilt. Der Bundesanteil an der antrags auf Umdruck 62? — Herr Abgeordneter Dr.
Einkommen- und Körperschaftsteuer wurde nur um Schäfer!
123 Millionen DM erhöht. Die restlichen Höherschät-
zungen von zusammen 168 Millionen DM verteilen
Dr. Schäfer (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr
sich auf andere Steuern.
geehrten Damen und Herren! Ich darf den Umdruck
Eine letzte Bemerkung. In der Öffentlichkeit wird 62 begründen. Ich will es sehr kurz machen. Ich darf
häufig die Frage gestellt: Wie kommt es, daß das anknüpfen an ,die Ausführungen des Berichterstat-
Haushaltsvolumen nur um 135 Millionen DM ge- ters Herrn Niederalt.
ringer wurde, obwohl doch rund eine Milliarde ein-
Wir sind den Anregungen des Bundesrates ge-
gespart wurde? Das hat zwei Ursachen. Einmal
folgt mit Ziffer 1 unseres Antrages, nämlich die
mußte die Globalkürzung von 620 Millionen DM
Steuerschätzungen für den Anteil des Bundes an der
— Stichwort: 12 °/o — durch unsere gezielten Ein-
Einkommen- und Körperschaftsteuer um insgesamt
sparungen ersetzt werden. Das bedeutet daß von
291 Millionen zu erhöhen. Wir kennen selbstver-
der runden Milliarde, die wir eingespart haben,
ständlich genauso gut wie Sie, meine Damen und
schon 620 Millionen durch die im Haushaltsentwurf
Herren, die Stellungnahme des Finanzpolitischen
als Minderausgabe vorgesehene globale Kürzung
Ausschusses dieses Hauses. Wir sind aber der Auf-
automatisch konsumiert worden sind.
fassung, daß wir, wenn wir die finanzielle Unter-
Zum anderen mußten wir bei der Lastenaus- stützung der Länder brauchen, bei den Steuerschät-
gleichsabgabe auf Grund neuerer Schätzungen eine zungen mindestens auch die gleichen Maßstäbe an-
wesentliche Erhöhung vornehmen. Diese Maßnahme legen müssen, wie sie die Länder für ihre eigenen
wirft keine Deckungsprobleme auf; denn es handelt Steuerschätzungen angelegt haben, und daß wir
sich um einen durchlaufenden Posten. Aber dieser nicht davon abweichen können. Deshalb halten wir
durchlaufende Posten beeinflußt wesentlich die Op- es nur für eine Zwangsläufigkeit aus der Situation
tik; denn das Haushaltsvolumen wird dadurch er- heraus, daß hier zu den 123 Millionen, die schon an-
höht. So kommt es, daß trotz der vom Haushaltsaus- gesetzt waren, weitere 168 Millionen hinzukom-
schuß beschlossenen Kürzung um rund eine Mil men, so daß es 291 Millionen im ganzen sind.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1051
Dr. Schäfer
Zu Ziffer 2: Auch hier folgen wir der Anregung bleme, die Deckungsprobleme im Haushaltsjahr
des Bundesrates. Nach § 75 der Reichshaushaltsord- 1963 bestimmt nicht leichter sein werden. Nun frage
nung muß das Defizit des letzten Jahres mit rund ich Sie: hat es unter diesen Umständen einen Sinn,
161 Millionen nicht in diesem Jahr eingesetzt wer- das Defizit aus dem Haushaltsjahr 1961 auf das
den, sondern kann genauso gut im nächsten Jahr Jahr 1963 zu verschieben, gewissermaßen die Schuld
eingesetzt werden. Dieser Haushalt ist so überstürzt vor sich herzuschieben? Ich glaube, nein. Ich glaube,
aufgestellt, so überstürzt beraten worden — der wir sind gut beraten, wenn wir dieses Defizit im
Herr Finanzminister hat bei anderer Gelegenheit Haushalt 1962 belassen.
gesagt, daß er den Haushalt 1963 gewissenhaft vor-
Ich bitte deshalb, den Antrag auch insoweit ab-
bereiten werde —, gut, dann soll in einem so über-
zulehnen.
stürzt zustande gekommenen Haushalt auch nicht
ein Defizit übernommen, sondern die Möglichkeit, (Abg. Dr. Vogel: Sehr richtig! — Beifall bei
es im nächsten Jahr zu übernehmen, ausgenützt der CDU/CSU.)
werden. Wir glauben, daß es recht nützlich sein
wird, wenn man dem Bundeshaushalt diesen kleinen Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Abstimmung
Spielraum von rund 161 Millionen auf diese Weise über Umdruck 62, Änderungsantrag der Fraktion der
verschafft. Ich darf Sie deshalb bitten, zu 1 und 2 SPD! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein
zuzustimmen. Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die
(Beifall bei der SPD.) Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 62 ist ab-
gelehnt.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abge-
Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung —!
ordneter Niederalt!
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will,
den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
Niederalt (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine — Der Einzelplan 60 ist angenommen.
Damen und Herren! Namens der Koalitionsparteien
darf ich bitten, den soeben von Herrn Kollegen Dr. Ich rufe auf
Schäfer begründeten Antrag abzulehnen.
Haushaltsgesetz 1962 (Drucksache IV/331).
Der erste Antrag befaßt sich mit den 168 Millio-
nen, von denen ich als Berichterstatter hier soeben Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das
dargelegt habe, daß sie den Differenzbetrag darstel- Wort wünscht. — Herr Abgeordneter Schoettle als
len zwischen der Schätzung durch den Bundesrat Berichterstatter!
und den Schätzungen, die der Finanzausschuß und
der Haushaltsausschuß beim Bundesanteil an der Schoettle (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
Einkommen- und Körperschaftsteuer vorgenommen und Herren! Ich habe nur einige Anmerkungen zu
haben. Ich darf dazu bemerken, daß sowohl der dem Mündlichen Bericht zu machen, von dem ich
Finanzausschuß als auch der Haushaltsausschuß übrigens noch nicht begriffen habe, warum er
-
nicht von ungefähr von der Bundesratsauffassung „mündlicher Bericht" genannt wird, obwohl er
abgewichen sind. Der Herr Bundesfinanzminister schriftlich vorliegt; aber das ist eine Sache, die wir
hatte, wie er in seiner Etatrede bei der ersten Le- schon seit dem Anfang dieses Parlaments mit uns
sung schon dargetan hat, noch einmal eine Sachver- schleppen, ohne jemals hinter das Geheimnis dieser
ständigenkommission einberufen. Diese Kommis- Sprachregelung gekommen zu sein.
sion, der Vertreter der Bundesbank, des Statisti-
schen Bundesamtes und der verschiedenen wissen- Ich habe dem Hause vorzuschlagen, einen Antrag
schaftlichen Institute angehörten, kam einhellig zu anzunehmen, der von mir und von dem Herrn Kol-
der Auffassung, daß nach den derzeitigen Ergeb- legen Dr. Vogel unterschrieben ist. Er betrifft im
nissen der Steuereingänge überhaupt keine Veran- Grunde genommen lediglich eine Korrektur. Bei der
lassung zu Steuerhöherschätzungen bestehe. Ob- Eile der Beratungen und vor allem bei der Eile der
wohl diese Kommission zu diesem Ergebnis gekom- redaktionellen Bearbeitung des Beratungsergebnis-
men war, haben wir sowohl im Finanzausschuß als ses im Haushaltsausschuß ist vergessen worden, im
auch im Haushaltsausschuß die Einkommen- und § 9 Abs. 6, der sich mit der einseitigen Deckungs-
Körperschaftsteuer und Lohnsteuer um 123 Millio- fähigkeit einer Reihe von Haushaltstiteln beschäf-
nen höher eingeschätzt. Es kann also ein weiteres tigt, einen Punkt einzufügen — der zunächst als
Hinaufgehen nach meiner Meinung kaum verant- 14 a) und später in der Korrektur mit einer neuen
wortet werden. Nummer versehen einzufügen wäre — des Inhalts:
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Einsparung bei Kap. 23 02 Tit. 300 — Zur Ver-
Das ist der erste Teil Ihres Antrages. stärkung der in Kap. 23 02 Tit. 332 und Tit. 600
veranschlagten Mittel —
Der zweite Teil betrifft das Defizit des Haushalts
1961. Es ist richtig, daß das Defizit des Haushalts Das ist also im Grunde genommen eine redaktio-
1961 — rund 160 Millionen DM, wenn ich es recht nelle Sache.
im Kopf habe — erst im Haushalt 1963 eingesetzt Dann möchte ich 'das Haus auf den neuen § 12
werden müßte; das heißt, die Haushaltsordnung be- nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses auf-
stimmt, daß spätestens im zweiten Jahr dieses merksam machen. Ich mache deshalb darauf auf-
Defizit eingesetzt werden muß. Wie ist nun aber merksam, weil hier eine Ermächtigung erteilt wird,
die Situation? Wir wissen, daß die Haushaltspro die nicht ganz gewöhnlich ist. Bekanntlich hat der
1052 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Schoettle
Haushaltsausschuß die Beratung des Haushalts 1962 dort ansetzen. Wir schlagen Ihnen vor, daß 20 %
in der Zeit, die ihm quasi vorgeschrieben war, nur der Mittel gesperrt werden, nicht gekürzt, Herr Kol-
dadurch durchführen können, ,daß er die Personal- lege Ritzel. Der Unterschied hat sich ja inzwischen
titel insgesamt ausklammerte und die Beratung die- bei Ihnen in der SPD herumgesprochen; denn ein
ser Personalien auf eine Zeit nach der Beratung des ähnlich lautender Antrag liegt von Herrn Dr. Schä-
Haushaltsgesetzes verschob. Das war eine der ent- fer vor.
scheidenden Voraussetzungen für die einigermaßen Die Sperrung soll nur so weit reichen, als nicht
rechtzeitige — wenn man so will — Verabschiedung rechtliche Zahlungsverpflichtungen 'bestehen, die
des Haushalts in diesem Hause. Der § 12 zieht die vor allen Dingen den Wohnungsbau betreffen. Wir
Konsequenz aus diesem Tatbestand, indem er dem sind der Meinung, daß die Entsperrung vom Bundes-
Haushaltsausschuß die Aufgabe stellt, nach der Ver- finanzminister in Übereinstimmung mit 'dem Bundes-
abschiedung des Gesetzes über die Personaltitel zu wirtschaftsminister vorgenommen werden soll, weil
beraten. wir diesen § 8 nicht aus Etatsgründen, sondern aus
In § 12 Abs. 1 wird gesagt, daß Ausgaben bei den volkswirtschaftlichen Gründen vorschlagen.
Tit. 101 und 102 nur nach Maßgabe der für das In Abs. 2 bitten wir, zu beschließen, daß dem Woh-
Rechnungsjahr 1962 durch den Haushaltsplan und nungsbauminister die Einhaltung 'des Termins für
durch den Haushaltsausschuß des Bundestages nach die Auszahlung erlassen wird.
den Abs. 2 und 3 bewilligten Planstellen geleistet
werden, Die darüber hinausgehenden Beträge sowie Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß
die davon abhängigen Sachausgaben sind gesperrt. nur ganz kurz noch einmal sagen: es handelt sich
Das ist eine 'der Klauseln, die es möglich machen, bei unserem Antrag um eine konjunkturpolitische
nach dem Abschluß der Beratungen hier im Plenum Maßnahme; wir möchten, daß die Gelder nicht die
weiter zu beraten. Der Abs. 2 ermächtigt den Haus- Kapazität übersteigen, weil das ja zu den bekannten
haltsausschuß, die Konsequenzen aus dem Abs. 1 zu Überhitzungserscheinungen 'führt. Man soll uns
ziehen, indem er ihm die Möglichkeit gibt, Planstel- nicht damit kommen, daß wir vorhandene Kapazi-
len zu streichen, umzuwandeln oder zu übertragen täten nicht ausnutzen wollten. So töricht sind wir
sowie im Rahmen des Regierungsentwurfs des Bun- nicht; im Gegenteil, wir haben das Vertrauen, daß
deshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1962 um- von der Bundesregierung alle Anstrengungen ge-
zuwandeln oder zusätzlich zu schaffen. Abs. 4 be- macht werden — und wir sind 'der Meinung, daß
zieht die Regelungen der Abs. 1 und 2 auf die das unbedingt notwendig ist — , um die Konjunktur
beamteten Hilfskräfte und nichtbeamteten Kräfte. in den Griff zu bekommen, gerade auf dem Bausek-
tor. Wir sind davon überzeugt, daß 'die beiden
Ich glaube, daß es unter den obwaltenden Um- betroffenen Herren, Herr Starke und Herr Erhard,
ständen keine andere Möglichkeit gab, den Haus- ihre Vollmachten so auslegen werden, daß sie die
haltsausschuß in die Lage zu versetzen, die Perso- vorhandene Kapazität ausnützen, aber auch dafür
naltitel 'doch noch zu beraten und Bedürfnisse der sorgen, daß das geschickt geschieht und daß nicht
Verwaltung je nachdem zu realisieren oder aber in Geldmittel auf den Markt geworfen werden, die
bestimmtem Umfange auch Ansprüche zu verwei- dieser nicht verkraften kann.
gern, als eben diesen § 12, der 'in dieser Form sicher
Ich bitte Sie, den Antrag auf Umdruck 70 anzu-
eine einmalige Erscheinung in der Haushaltsgesetz-
nehmen.
gebung sein wird.
(Beifall bei .den Regierungsparteien.)
Ich bitte das Haus, diesen Vorschlägen und nach-
träglichen Änderungen zuzustimmen.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Zu dem Än-
(Beifall.) derungsantrag auf Umdruck 70 liegt auf Umdruck 71
der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Schäfer,
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Ich danke Jacobi (Köln), Ritzel, Dr. Brecht vor. Zur Begrün-
dem Herrn Berichterstatter. dung Herr Abgeordneter Schoettle!
Hierzu liegen einige Änderungsanträge vor. Zu-
nächst rufe ich den Änderungsantrag auf Umdruck Schoettle (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
70 der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf. — und Herren! Es ist das vermutlich der letzte Antrag,
Zur Begründung Herr Abgeordneter Schmücker! der bei dieser Haushaltsberatung in der zweiten
Lesung zu behandeln ist.
Schmücker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine (Abg. Dr. Schäfer: §§ 22 und 23!)
Damen und Herren! Zur Begründung des Ände- — Ich sagte „vermutlich", Herr Kollege Schäfer! —
rungsantrags auf Umdruck 70 beziehe ich mich auf Da reizt es mich, eine Bemerkung zu machen zu der
die Ausführungen der Koalitionssprecher während Art der Behandlung der sozialdemokratischen An-
der Beratungen des Einzelplans des Bundesministers träge in dieser zweiten Lesung. Ich will es in einer
für Wirtschaft. Die Koalitionsfraktionen sind der Form machen, die Ihnen vielleicht sympathischer ist
Meinung, daß über die Streichung von 1 Milliarde als eine scharfe Polemik. Im alten schwäbischen
hinaus, die der Haushaltsausschuß in Übereinstim- Landtag in der Zeit vor 1933 — ich muß das schwä-
mung mit der Regierung vorgenommen hat, weitere bisch sagen, vielleicht brauchen Sie dazu keinen
konjunkturelle Maßnahmen notwendig sind. Übersetzer — gab es eine sozialdemokratische Frak-
Besondere Schwierigkeiten herrschen auf dem tion, die zeitweise sogar 'die stärkste Fraktion in
Baumarkt. Nun müssen wir wohl oder übel auch diesem Parlament war, trotzdem aber nicht an der
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1053
Schoettle
Regierung beteiligt war, weil es Leute gab, 'die Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
der Meinung waren, daß die Stimmen nicht ge- der Herr Bundesfinanzminister.
zählt, sondern gewogen werden müßten.
(Heiterkeit.) Dr. Starke, Bundesminister der Finanzen: Herr
Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Außerdem gab es eine andere Fraktion, das war Herr Kollege Schoettle, Sie haben soeben den An-
die des Bauernbundes, eine rechtskonservative An- trag begründet, der auf eine Änderung des Koali-
gelegenheit. Bei einer Beratung — ich weiß nicht, tionsantrags abzielt, und Sie haben gesagt, daß Sie
ob es eine Haushaltsberatung war oder etwas an- „im Prinzip" dem Antrag der Koalition zustimmen.
deres — redeten die Sozialdemokraten wie heute
hier in diesem Hause zu ihren Anträgen, und ein Ich möchte ganz kurz etwas sagen zu dem, wie
gemütlicher schwäbischer Bauernbündler meinte: Sie das dargelegt haben. Der Antrag der Koalition
„Schwätzet Ihr nur, Ihr Sozialdemokraten, wir stim- ist natürlich sehr, sehr sorgsam überlegt. Er soll den
men ab!" Sinn haben, die Erscheinungen auf dem Baumarkt
(Große Heiterkeit.) gar nicht zu beseitigen, sondern einzudämmen, von
denen Sie, wenn Ihre Worte „im Prinzip" einen
Nach diesem Verfahren ist es heute in diesem Sinn haben sollen, genauso denken wie wir, nämlich
Haus auch zugegangen. daß sie ausgesprochen schädlich sind.
(Zuruf des Abg. Niederalt.) (Abg. Schoettle: Meinen Sie damit den
— Das bißchen, was Sie sich abgebrochen haben, Straßenbau?)
Herr Kollege Niederalt, zählt eigentlich nicht. — Den Baumarkt. Sie sind schädlich.
Nun aber zu dem Abänderungsantrag, wobei ich (Abg. Jacobi [Köln] : Also auch den Woh
diese Einleitung zu entschuldigen bitte. Man muß nungsbau?)
ja in dieser späten Stunde auch etwas zur Auf- — Ich darf mir erlauben, zunächst einmal bei dem
lockerung der Atmosphäre tun. Wort Baumarkt zu bleiben. Diese Erscheinungen
Wir stimmen im Prinzip mit dem Vorschlag über- sind, wenn das Wort „im Prinzip" einen Sinn haben
ein, den die Koalitionsfraktionen in der neuen Fas- soll, auch nach Ihrer Ansicht nicht dem angemessen,
sung des § 8 des Haushaltsgesetzes zum Ausdruck was sein sollte. Wenn Sie mir nun einmal sagen
bringen, nur sind wir der Meinung, daß die For- wollten, was Sie eigentlich im Auge haben mit den
mulierungen dieses Antrags nicht ganz genau den Kürzungen, dann wäre ich außerordentlich dankbar.
Punkt treffen, auf den es ankommt, und daß zum Ich glaube, es würde für die Koalition sehr wissens-
Beispiel ein Punkt fehlt. Wir glauben, daß, nachdem wert sein, wenn Sie sagten, was Ihres Erachtens mm
heute in diesem Hause allgemeine Übereinstim- der § 8 des Haushaltsgesetzes, wie ihn die Sozial-
mung darüber herrscht, daß zum Beispiel beim demokratische Partei sieht, bedeutet.
Straßenbau ' keine Überhitzung vorliege und -,daß hier (Abg. Dr. Schäfer: Ja, geht es denn noch
nicht Mittel gespart werden dürften, das ausdrück- deutlicher?)
lich in diesem § 8 gesagt werden müßte. Deshalb
schlagen wir vor, daß ein Halbsatz eingefügt wird. Das würde ich gern einmal von Ihnen hören, damit
An der Stelle, wo es bei Ihnen heißt: „von Bau- wir uns noch darüber unterhalten können. Ich will
maßnahmen anderer Stellen", wollen wir sagen: also nicht wissen, was Sie hier ausnehmen wollen,
„mit Ausnahme der für \den Straßenbau vorgesehe- sondern ich möchte wissen, was drinbleibt.
nen öffentlichen Mittel". Wir glauben, daß das eine (Abg. Schoettle: Alles übrige! — Zuruf von
notwendige Ergänzung des Antrages der Koalitions- der SPD: Können Sie denn nicht lesen? —
parteien ist. Abg. Dr. Schäfer: Dann begründen Sie ein-
Außerdem sind wir der Meinung, daß Abs. 2 mal Ihren § 8!)
der von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen — Sie haben ja die Begründung von Herrn
Fassung eigentlich die Tatbestände nicht trifft; denn Schmücker schon gehört.
die Mittel für das Wohnungsbaujahr 1962 sind im
wesentlichen verteilt; deshalb hat Abs. 2 in der Ich möchte noch einmal sagen: dieser Antrag der
Fassung dieses Antrages eigentlich keinen Sinn. Koalition ist sehr, sehr sorgsam überlegt.
Wir sind der Überzeugung, man muß aus vielen (Zurufe von der SPD.)
guten Gründen klipp und klar sagen, daß die Be-
stimmungen des § 8 Abs. 1 auf den öffentlich geför- Wir wollen heran an die Erscheinungen auf dem
derten Wohnungsbau keine Anwendung finden sol- Baumarkt, von denen ich sprach. Wir sind der Mei-
len, weil in diesem Bereich unter keinen Umständen nung, daß mit dem § 8, wie ihn die Koalition for-
irgendeine Hemmung des Baugeschehens eintreten muliert hat, nichts, aber auch gar nichts passiert,
darf. was schädlich ist, weder beim Wohnungsbau noch
beim Straßenbau.
Wir schlagen deshalb eine andere Fassung des
Abs. 2 in diesem Paragraphen vor und bitten den (Zuruf von der SPD: Das steht aber nicht
Herrn Präsidenten, die Abstimmung über diese Vor- drin!)
schläge nach Abschnitten getrennt vorzunehmen. Wir sind der Meinung — wir haben ja alle Aus
(Beifall bei der SPD.) nahmemöglichkeiten in diesem Paragraphen vor-
1054 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962
Bundesfinanzminister Dr. Starke
gesehen —, daß man das einmal untersuchen muß, Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie
und zwar praxisnah. einZwschfragdAbeontSchäfr?—
(Abg. Dr. Schäfer: Und dann gleich Voll Bitte.
machten?)
— Na ja, Sie sagen jetzt „Vollmachten"; wenn Sie Dr. Schäfer (SPD) : Herr Finanzminister, habe
jetzt gleich noch „Ermächtigungsgesetz" sagen, über- ich Sie nun richtig verstanden, wenn ich Ihren Wor-
treiben Sie noch mehr, Herr Kollege Schäfer. ten entnehme, daß Sie eigentlich in erster Linie auf
(Abg. Dr. Schäfer: Wer hat „Ermächtigung" dem Gebiet des Wohnungsbaus und des Straßen-
gesagt? Sie, doch nicht ich! Sie haben das baus ansetzen wollen?
das gesagt, aber nicht ich!)
— Warum ich „Vollmachten" sage? Sie haben das Dr. Starke, Bundesminister der Finanzen: Ob Sie
Wort „Vollmachten" so betont; es klang schon so mich richtig verstanden haben? — So wie Sie das
ähnlich. sagen, habe ich es weder gesagt noch gemeint; son-
dern wir haben gesagt, wir wollen, um die Dinge
Wenn Sie mir einmal sagen wollten, wie Sie an
überhaupt einmal in den Griff zu bekommen, eine
die Geschichte in anderer Weise herankommen wol-
generelle Maßnahme treffen. Wir werden uns dann
len, als daß Sie eine generelle Kürzung machen, um
überlegen, wo man die Ausnahmen ansetzen muß.
überhaupt etwas in den Griff zu bekommen, und
dann eine Ausnahmemöglichkeit geben, die der (Zurufe von der SPD: Aha!)
Finanzminister und der Wirtschaftsminister regeln,
mit der man alles regeln kann, was passieren Im übrigen wissen Sie doch wie wir — wenn ich
könnte, dann wäre ich Ihnen dankbar. Ihnen das einmal sagen darf —, daß die Wohnungs-
baumittel für das Jahr 1962 verteilt sind, und zwar
Aber nun zu sagen — von Ihnen aus gesehen —, in einem Sinne, daß sie rechtliche Verpflichtungen
der Abs. 2 in der Fassung der Koalition sei nicht darstellen. Wenn Sie also den Satz lesen: „soweit
richtig oder überflüssig, und Sie bringen dann einen nicht eine rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung
anderen, — ich finde, daß Sie eben nicht ganz zum besteht", sind wir uns doch völlig einig, was das
Ausdruck bringen, was Sie eigentlich mit Ihrem An- bedeutet. Warum wollen Sie dann den Absatz än-
trag wollen. Wir haben uns darauf geeinigt, daß dern?
man in dieser Form einmal versuchen soll, an die
Erscheinungen auf dem Baumarkt, die wir alle nicht (Abg. Jacobi [Köln] : Warum dann Ihr
gern wollen, heranzugehen. Wir haben mit den Aus Abs. 2, Herr Minister?)
nahmemöglichkeiten zugleich jede Möglichkeit ge- — Der Abs. 2 betrifft doch etwas ganz anderes. Abs. 2
schaffen, um unerwünschten Dingen entgegenzu- betrifft das, was sich im Jahre 1962 abspielen wird,
treten. und über das Jahr 1963 werden wir uns im Herbst
(Abg. Dr. Schäfer: Genau das meinen - wir unterhalten, wenn wir sehen, wie die ganze Lage
auch! — Zuruf von der SPD: Und für uner ist.
wünscht halten wir den sozialen Woh
nungsbau nicht!) Aber das, was Sie meinen, der Wohnungsbau im
Jahre 1962, — der hat doch sein Geld. Wie Sie
— Wir halten den sozialen Wohnungsbau natürlich wissen, ist es im Herbst 1961 verteilt worden. Des-
auch nicht für unerwünscht, halb ist ausdrücklich hineingeschrieben worden, da-
(Zuruf von der SPD: Er ist auch nicht mit kein Irrtum entsteht: „soweit nicht eine recht-
schädlich!) liche Verpflichtung zu einer Leistung besteht". Eine
rechtliche Verpflichtung entsteht, wenn Sie das Geld
aber ich wäre dankbar, wenn Sie doch einmal für verteilt haben. Aber das ist, glaube ich, zur Genüge
uns ausführten, was Sie mit Ihrem Antrag hier bekannt.
wollen.
Was den Straßenbau anbelangt, so lassen Sie uns
(Zurufe von der SPD: Genau dasselbe, was
das einmal genau überlegen, was wir da machen.
Sie wollen! — Nur exakter!)
Zunächst einmal ist die Koalition davon ausgegan-
gen, daß unter die 20%ige Kürzung, um es mit
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie einem Wort zu sagen, der gesamte Hochbau und
eine Zwischenfrage?
der gesamte Tiefbau fallen müssen. Mit der Aus-
nahmebestimmung hat die Regierung jede Möglich-
Börner (SPD) : Herr Bundesfinanzminister, darf keit, das so zu steuern, wie wir wollen. Wenn Sie
ich Ihren Darlegungen entnehmen, daß mit dem An- aber glauben, daß man sich gewisse Lieblingskinder
trag der Koalitionsparteien gemeint ist, daß man aussuchen kann und dann, indem man sie erwähnt,
Konjunktur dämpfen will in einem Gebiet, wo gar sagen kann: „Die Regierung ist gegen das oder je-
keine Überhitzung besteht, nämlich im Tiefbau? nes", dann muß ich sagen: nein, das sind wir nicht.
Wir sind einfach gegen diese generellen Überhit-
Dr. Starke, Bundesminister der Finanzen: Ich zungserscheinungen auf dem Baumarkt, und denen
muß Ihnen ehrlich sagen: Da ich die Frage nicht wollen wir, wie Sie wissen, mit weiteren Gesetzen,
verstanden habe, kann ich darauf keine Antwort die wir Ihnen noch vorlegen und die der Bundeswirt-
geben. Ich weiß nicht, was Sie damit meinen. schaftsminister bereits angekündigt hat, gleichfalls
(Zurufe von der SPD.) zu Leibe rücken.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1055

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Bundes- Straßenbau, die Ermächtigung der Bundesregierung
minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? nicht gelten soll. Das ist unsere Meinung.
(Beifall bei der SPD.)
Börner (SPD) : Herr Bundesminister, hat an der
Formulierung, die Sie hier vorgetragen haben bzw. Wir sind der Meinung, daß die Ermächtigung auch
hier schriftlich vorliegt, auch der Bundesverkehrs- auf den sozialen Wohnungsbau nicht Anwendung
minister mitgewirkt, und sind seine Bedenken, die finden soll, den wir ausdrücklich ausgenommen wis-
heute nachmittag in seinen Darlegungen hier zum sen wollen. Das ist der Sinn unserer Anträge und
Ausdruck kamen, in der Formulierung mit berück- nichts anderes. Wenn ich sage, daß wir im Grund-
sichtigt worden? satz der gleichen Auffassung sind wie die Koalition,
so heißt das nicht mehr und nicht weniger, als daß
Dr. Starke, Bundesminister der Finanzen: Ich wir die Dinge nicht einbezogen wissen wollen, von
bin davon überzeugt; denn Sie haben den Bundes- denen wir der Überzeugung sind, daß sie nicht un-
verkehrsminister gehört. Im allgemeinen werden ter das Kapitel „Überhitzung der Baukonjunktur"
solche Paragraphen nicht vorgelegt, ohne daß sie fallen. Wenn Sie das nicht begreifen, kann ich Ihnen
abgestimmt sind. auch nicht helfen.

(Abg. Dr. Schäfer: Genau das Gegenteil hat (Beifall bei der SPD.)
er gesagt! — Abg. Dr. Bleiß: Herr Bundes
finanzminister, billigen Sie die Ausführun Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abge-
gen, die der Bundesverkehrsminister heute geordneter Schmücker!
nachmittag in bezug auf den Straßenbau
gemacht hat?)
Schmücker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
— Ich glaube, ich habe bisher nicht festgestellt, daß
Damen und Herren! Es ist ganz hübsch, daß wir zum
ich mit dem Bundesverkehrsminister verschiedene Schluß noch ein kleines Feuerwerk erleben. Aber,
Meinungen über diese Probleme habe.
Herr Schoettle, nicht immer soll man die Schuld
(Abg. Dr. Bleiß: Das ist interessant! — bei dem anderen suchen.
Weitere Zurufe von der SPD.)
(Zurufe von der SPD.)
Ich möchte also, meine sehr geehrten Herren von
der Opposition, sagen: was Sie mit diesen Ände- Sicherlich machen auch wir Fehler. Aber überlegen
rungsanträgen machen, ist nichts anderes als ein Sie sich bitte auch einmal, was ich in ganz kurzen
Appell dahin, daß Sie draußen sagen wollen: Die Ausführungen darzulegen versuche.
Leute sind gegen Straßenbau, die sind gegen Woh- Wir schlagen Ihnen vor, daß die Bundesregierung,
nungsbau. — Ich sage Ihnen noch einmal: Wir sind d. h. der Bundesfinanzminister in Übereinstimmung
das in gar keiner Weise, sondern wir sind alle ge- mit dem Bundeswirtschaftsminister, das Recht er-
schlossen wie Sie — denn sonst hat der Satz „im hält, eine Entsperrung vorzunehmen. Das bedeutet
-
Prinzip" gar keinen Zweck — gegen die Überhit- nichts anderes, als daß der Herr Bundesfinanzmini-
zungserscheinungen auf dem Baumarkt. Bitte, äu- ster versuchen soll, die Geldmittel mit der vorhan-
ßern Sie, nachdem unser Paragraph angenommen ist denen Kapazität in Übereinstimmung zu bringen.
und wir mit ihm arbeiten, dann Ihre Kritik an den Sie sagen ganz generell: Es ist keine Überhitzung
Ergebnissen dessen, was wir jetzt tun wollen und im Tiefbau festzustellen. Wie wollen Sie Hoch und
-

was wir auch tun werden. Tiefbau heute noch exakt trennen?
(Beifall bei den Regierungsparteien.) (Beifall bei der CDU/CSU.)

Präsident . D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abge- Natürlich können Sie das nicht, meine Damen und
geordneter Schoettle! Herren; denn Hoch- und Tiefbau stehen miteinander
in Zusammenhang.
Schoettle (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen Außerdem ist es so: es mag unter dem Strich so
und Herren! Ich weiß nicht, aus welchem Grunde aussehen, wie Sie sagen, Herr Schoettle. Aber die
die Koalition dem Herrn Bundesfinanzminister Bei- Verhältnisse sind doch regional völlig unterschied-
fall gespendet hat. lich, und darum können wir uns doch nicht von
(Sehr richtig! bei der SPD.) Gesetzes wegen festlegen. Da müssen wir doch je-
manden haben, der die Verantwortung übernimmt
Ich hatte den Eindruck, er wollte einfach nicht ver-
stehen, was die sozialdemokratischen Änderungs- und sich konjunkturpolitisch vernünftig verhält, da-
anträge bezwecken. mit wir die Verhältnisse endlich in den Griff be-
kommen und keine weiteren Preissteigerungen
(Beifall bei der SPD. — Zurufe von den Re stattfinden. Dabei könnten Sie uns übrigens auf an-
gierungsparteien.) deren Gebieten noch sehr gut helfen.
Ich will es Ihnen ganz klar sagen. Sie beabsichtigen (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von
offenkundig, das gesamte Volumen, das man als ' der SPD.)
Bauvolumen bezeichnen kann, wie Sie sagen, in den
Griff zu bekommen. Wir sind der Meinung, daß dort,
wo keine Überhitzung besteht, aber die Notwendig- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
keit besteht, die Aktivität fortzusetzen, z. B. im der Abgeordnete Ritzel.
1056 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Ritzel (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und — Moment einmal, das ist auch einer der wich-
Herren! Es handelt sich hier nicht, Herr Kollege tigen Punkte. Damit fängt es an. Das können Sie
Schmücker, um ein Schlußfeuerwerk, sondern um mit einem Gelächter nicht abtun, das ist eine ernst-
das, was der Herr Bundesfinanzminister vorhin ge- hafte Frage.
meint, aber nicht getan hat, als er davon sprach, daß
man sehr sorgfältig überlegen müsse. Da hier offen- Dazu will ich noch etwas weiteres sagen. Bereits
sichtlich noch Unklarheiten bestehen, möchte ich im November vergangenen Jahres sollte gerade im
noch einen kleinen Beitrag zur Aufklärung leisten. Lande Baden-Württemberg die Autobahn Karls-
ruhe—Basel fertig sein. Sie ist noch nicht fertig, sie
Wir haben, wenn die 20% gesperrt werden, im wird erst im Julifertig werden. Glauben Sie, daß
Straßenbau zunächst einmal eine Sperre hinsichtlich das an den fehlenden Mitteln gelegen hat, Herr
360 Millionen DM. Kollege Ritzel? Das hat an ganz anderen Faktoren
(Hört! Hört! bei der SPD.) gelegen, die Sie hier nicht aufgezählt haben. Aber
eines ist sicher: beides ist heute eng miteinander
Wir haben die Tatsache, die nicht bestritten werden
verquickt.
kann, daß das Bundesverkehrsministerium auf
Grund des drohenden Antrags Umdruck 71 bereits Ich will Ihnen einen anderen Fall anführen. Bei-
Arbeitsaufträge eingestellt hat. Wir haben die Tat- spielsweise konnten die Rheindämme nicht erhöht
sache, daß der 1. Vierjahresplan auf dem Gebiet des werden, weil überhaupt keine Firmen mehr Ange-
Straßenbaues, der am 31. Dezember dieses Jahres bote einreichten. Wollen Sie da noch sagen, daß im
endet, in einem erschütternden Umfange nicht aus- Oberrheintal keine Überhitzung da war?! Wie kön-
geführt werden kann. nen Sie das sagen?!
(Sehr richtig! bei der SPD.) (Beifall bei der CDU/CSU.)
Wir haben heute aus .dem Munde des Herrn Bun-
Die Lage ist heute regional so verschieden, Herr
desverkehrsministers gehört, daß e s auf dem Gebiet
Kollege Ritzel, daß Sie das alles nicht einfach in
des Straßenbaues eine durchaus ausreichende Kapa-
einen Topf werfen können.
zität und in keiner Weise eine Überhitzung gibt.
Warum also eine solche Maßnahme in einer derar- Sie verwechseln konstant Sperre und Kürzung —
tigen Verkehrssituation? Wir haben doch alle mit- ich muß Ihnen sagen, Sie wissen es ganz genau,
einander, die Bundesregierung ebenso wie die ein- Herr Kollege Ritzel; bei vielen anderen Kollegen
zelnen Fraktionen des Hohen Hauses, der Öffent- würde ich sagen, sie wußten es im Augenblick
lichkeit fortgesetzt erklärt, daß e s der Wille des nicht —, Sie wissen genau, was eine Sperre heißt
Bundestages sei, dem Verkehrswesen durch Stra- und was eine Entsperrung bewirken kann. Da jeder-
ßenbau, wo immer möglich, zu Hilfe zu kommen. zeit die Möglichkeit einer Entsperrung gegeben ist,
Nun stehen ,die Mittel im Haushalt, und nun wollen braucht keineswegs das einzutreten, was Sie jetzt
Sie den ganzen Apparat in Verwirrung bringen. Die mit Flammenschrift an 'die Wand malen. Das ist
Mittel sind im Einzelplan 12 bewilligt worden.
- Die wohl bei diesem Antrag das entscheidende. Die Bun-
Maßnahmen, über die der Herr Bundeswirtschafts- desregierung soll einerseits die Möglichkeit der
minister hier und draußen gesprochen hat und über Dämpfung behalten, andererseits die Möglichkeit
die die Presse geschrieben hat, bezogen sich niemals erhalten, überall dort die Schleusen zu ziehen, wo
auf den Straßenbau, sondern immer nur auf den die Kapazität dafür gegeben ist.
Hochbau.VmStrßen bisdahmn
(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schwabe:
zu sprechen gewagt, weil es einfach nicht zu ver-
Die Freigaben erfolgen dann in den Län
antworten gewesen wäre, den Straßenbau in dieser
dern, wo Wahlen sind!)
schlimmen Weise zu treffen. Das ist der Grund für
unseren Änderungsantrag. Wenn Sie, um noch ein-
mal mit den Worten des Herrn Bundesfinanzmini- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat
sters zu sprechen, so sorgsam überlegen, wie es der Herr Abgeordnete Jacobi.
die Lage erfordert, sollte es nicht schwer sein, den
vonusgetlÄdrangzuehm.
(Beifall bei der SPD.) Jacobi (Köln) (SPD): Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Nur wenige Bemerkungen. Es geht
uns nicht darum, mit Flammenschrift etwas an die
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Herr Abge- Wand zu werfen,
ordneter Dr. Vogel.
(Abg. Dr. Vogel: Das war doch aber so!)
Dr. Vogel (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! So einfach liegen die Dinge sondern Licht in das Dunkel zu bringen.
leider nicht, wie Sie, Herr Kollege Ritzel, es soeben (Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/
dargestellt haben.
CSU.)
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)
Herr Kollege Ritzel, wollen Sie bitte einmal die Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Einen Augen-
Preisrätselfrage lösen: Ist eine Straßenbrücke ein blick, Herr Abgeordneter! Sie wollten sicher nicht
Hoch- oder Tiefbauobjekt? sagen, Herr Kollege Jacobi, daß wir schon Mitter-
(Zurufe und Lachen bei der SPD.) nacht haben und ich der Nebukadnezar bin.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1057

Jacobi (Köln) (SPD) : Nein, keinesfalls Herr politik, daß diese Frage mit 'der Frage .des Haus-
Präsident. haltsausgleichs überhaupt nichts zu tun hat?
(Abg. Niederalt: Das haben wir schon ein
mal in Bayern. gehört! Das ist nicht gelun Jacobi (Köln) (SPD) : Moment, Herr Kollege Stol-
gen!) tenberg, das mag sein, wie es will, und Sie können
das theoretisch so oder so rubrizieren. In dem
— Bei Ihnen ist es sowieso schwer, Herr Niederalt.
Augenblick aber, wo Sie dem Finanzminister prak-
Das weiß ich.
tisch die Sachentscheidung in die Hand geben —
(Zustimmung bei der SPD.) etwa bei Vorhaben 'des sozialen Wohnungsbaus —,
Während der Debatten um den Haushalt des Wirt- haben Sie eine Entscheidung getroffen, die verderb-
schaftsministers gab es, soweit ich mich der Aus- lich ist.
einandersetzungen in diesem Hause entsinne — Sie Jedenfalls müssen wir offen 'bekennen, daß wir
können das im Protokoll nachlesen —, volle Über- nicht davon überzeugt sind, daß zwischen den Res-
einstimmung darüber, daß der soziale Wohnungs- sorts eine Übereinstimmung erzielt ist. Ich wäre
bau von sogenannten dämpfenden Maßnahmen aus- dankbar, wenn der hier anwesende Vertreter des
geschlossen bleiben sollte. , Das ist das eine. HernBudswohgbaminter,dchwä-
Das andere. Soeben hat einer Ihrer Sprecher eine rend der Ausführung des Herrn Finanzministers be-
Erklärung abgegeben, ,der soziale Wohnungsbau obachtet habe, einmal freimütig sagen würde, wie
werde ja insoweit nicht betroffen, als Mittel bereits sein Haus über diesen Antrag im Zusammenhang
bewilligt würden. Mit anderen Kollegen der CDU, mit dem öffentlich geförderten Wohnungsbau denkt.
mit denen ich heute im Laufe des Nachmittags (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Conring:
sprach, ergab sich eine Übereinstimmung darüber, Sie haben ja gar nicht verstanden, um was
daß der soziale Wohnungsbau nicht gedrosselt wer- es uns geht!)
den dürfe. Ich habe Anhaltspunkte dafür, daß man
auch im Bundeswohnungsbauministerium über das,
was hier offenbar doch beabsichtigt ist, nicht sehr Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Keine wei-
glücklich ist. Ich weiß nicht, ob zwischen den ver- teren Wortmeldungen, wir kommen zu dien Abstim-
schiedenen Ressorts eine Übereinstimmung der Auf- mungen.
fassungen herbeigeführt worden ist. Ich lasse in folgender Form abstimmen. Herr Ab-
Förmlich erschütternd war der mangelnde Sach- geordneter Schoettle hat getrennte Abstimmung
verstand — entschuldigen Sie, Herr Bundesminister nach Absätzen beantragt. Nun kommt etwas, was
I) Dr. Starke —; den Sie hier zum Ausdruck gebracht für die Freunde von Geschäftsordnungsfinessen
haben. Ich habe volles Verständnis dafür, daß Sie interessant ist. Den Änderungsantrag Umdruck 71
ein Mann sind, der sich in Not befindet und zu- zu § 8 Abs. 1 betrachte ich als einen Änderungs-
sehen muß, wie er mit seinem Etat durchkommt. antrag zum Antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 1 und
- lasse über ihn deshalb zuerst abstimmen, obwohl
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine der Antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 1 der weiter-
Frage des Haushaltsausgleichs!) gehende
Aber Sie sollten sich doch bei Erwägungen, die be- Über den Antrag Umdruck 71 zu § 8 Abs. 2 lasse
stimmte Fachsparten betreffen, darüber im klaren ich vor dem Antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 2 ab-
sein, daß man mit fiskalischen Maßnahmen allein stimmen, weil der Antrag Umdruck 71 zu § 8 Abs. 2
solche Dinge nicht treffen kann und daß es sowieso nach der übereinstimmenden Meinung der Sachver-
ein Problem für sich ist, vom Haushalt her Kon- ständigen der sachlich weitergehende ist. Über den
junkturpolitik zu betreiben. Sie haben in der Antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 2 wird also an
Öffentlichkeit seit Wochen angekündigt, daß Sie ge- vierter Stelle abgestimmt. Alles klar?
setzliche Maßnahmen zur Dämpfung der Baukon-
Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag
junktur beantragen wollten. Das scheint mir der rich-
Umdruck 71 zu § 8 Abs. 1 ab. Wer dem Antrag zu-
tige Weg zu sein, und da sollte man sich im ein-
stimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. —
zelnen über Maßnahmen unterhalten. Aber dem
Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Ände-
Finanzminister, und just dem Finanzminister, der so
rungsantrag ist abgelehnt.
mangelhafte Sachkunde in der Frage der Woh-
nungsbaupolitik an den Tag legte, die Entscheidung Wir kommen zu dem Änderungsantrag Um-
darüber zu überlassen, was gesperrt und wie lange druck 70 zu § 8 Abs. 1. Wer zustimmen will, den
gesperrt werden sollte, dazu können wir uns nach bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das
dem, was wir hier gehört haben, nicht entschließen. erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist
angenommen.
(Beifall bei der SPD.)
— Bitte! Wir stimmen nun ab über den Änderungsantrag
Umdruck 71 zu § 8 Abs. 2. Wer zustimmen will, den
Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Herr Kollege bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
Jacobi, zeugt es, wenn Sie den Vorwurf mangelnder Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist ab-
Sachkunde erheben, nicht von mangelnder Sach- gelehnt.
kunde, wenn Sie immer noch nicht erkennen, daß Schließlich stimmen wir ab über den Änderungs-
es sich hier nicht um eine fiskalische Maßnahme antrag Umdruck 70 zu § 8 Abs. 2. Wer zustimmen
handelt, sondern um eine Frage der Konjunktur will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegen-
1058 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Präsident D. Dr. Gerstenmaier


probe! — Das erste war die Mehrheit; der Ände- Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag
rungsantrag isst angenommen, damit § 8 des Haus- ist abgelehnt.
haltsgesetzes in der so geänderten_ Fassung. Wir kommen zur Abstimmung über das Haus-
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 68. haltsgesetz im ganzen. Wer dem Haushaltsgesetz
Er betrifft eine redaktionelle Änderung in § 9 mit den in der Einzelberatung der zweiten Lesung
Abs. 6, die der Herr Abgeordnete Schoettle als Be- beschlossenen Änderungen, im übrigen in der Fas-
richterstatter schon begründet hat. — Das Wort sung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich
dazu wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungs- um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltun-
antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Hand- gen? — Bei zahlreichen Gegenstimmen ist das Haus-
zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ein- haltsgesetz 1962 angenommen.
stimmig angenommen. Ich lasse noch abstimmen über die Ziffer 2 des
Antrags des Ausschusses Drucksache IV/200, den
Wir kommen zu dem Änderungsantrag der Frak-
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf
tion der SPD auf Umdruck 63 betreffend § 22 und 23
Drucksache IV/184 für erledigt zu erklären. Wer zu-
des Haushaltsgesetzes. Wird dazu das Wort ge-
stimmen will, den bitte ich um , ein Handzeichen. —
wünscht?
Gegenprobe! — Angenommen.
(Abg. Dr. Schäfer: Ist bereits durch Herrn Damit ist die zweite Lesung des Bundeshaushalts
Kalbitzer begründet!) 1962 beendet.
— Der Antrag ist bereits begründet. Wird sonst Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
dazu das Wort gewünscht? — Keine Wortmel- destages auf Donnerstag, den 12. April 1962, 9 Uhr.
dungen.
Ich lasse über den Änderungsantrag Umdruck 63 Die Sitzung ist geschlossen.
im ganzen abstimmen. Wer zustimmen will, den
bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — (Schluß der Sitzung: 22.07 Uhr.)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1059

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich

Liste der beurlaubten Abgeordneten Storch 13.4.


Dr. Tamblé 10.4.
Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 14. 4.
Wehner 10. 4.
a) Beurlaubungen Weigl 14.4.
Dr. Arndt (Berlin) 10.4. b) Urlaubsanträge
Dr. Aschoff 27.4.
Dr. Dr. h. c. Baade 13. 4. Erler 10.5.
Behrendt 5. 5. Heide 10. 5.
Frau Beyer (Frankfurt) 10. 4. Frau Korspeter 5. 5.
Blachstein 13.4.
Braun 13.4.
Dr. Burgbacher 10.4. Anlage 2
Busse 21.4.
Cramer 12.4. Schriftlicher Bericht
Drachsler 30.4.
Frau Dr. Elsner 13.4. des Abgeordneten Niederalt zum Haushaltsgesetz
Ertl 13.4. 1962, hier: Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzver-
Eschmann 18. 5. waltung (Drucksachen IV/200, IV/330).
Frehsee 13.4.
Der Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwal-
Gaßmann 10.4.
Giencke tung - ist einer der wenigen Pläne, der nicht nach
15. 5.
Glombig dem institutionellen, sondern nach dem Realprinzip
14.4.
Dr. h. c. Güde aufgestellt ist, das heißt, dieser Plan enthält nicht
30.4.
nur Einnahmen und Ausgaben, die von einem Fach-
Hahn (Bielefeld) 27.4.
Hamacher ressort bewirtschaftet werden, sondern betrifft die
18.4.
Gesamtheit \der Bundesfinanzen. Demzufolge liegt
Hammersen 30. 4.
Dr. Hesberg auch die parlamentarische Verantwortung beim
30.4.
Höfler Bundesfinanzminister in seiner Eigenschaft als
28.4.
Frau Dr. Hubert Budgetminister. Der Einzeplan 60 enthält .die gesam-
13. 4.
Dr. Klein (Berlin) ten Steuereinnahmen des Bundes, die über 90 v. H.
14. 4.
Frau Dr. Kuchtner der gesamten Einnahmen ausmachen.
14.4.
Kühn (Hildesheim) 1. 5. Die Beratung des Einzelpfans 60 setzt den Schluß-
Dr. Löbe 14.4. punkt hinter die gesamte Haushaltsberatung und
Dr. Löhr 14. 4. gibt Veranlassung, über das Ergebnis der Arbeit
Dr. Mälzig 20.4. des Haushaltsausschusses zu berichten, der den
Dr. Martin 14. 4. Haushaltsentwurf in 16 ganztägigen Sitzungen bera-
Frau Meermann 14.4. ten hat.
Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 10.4.
Das Hauptziel der diesjährigen Arbeit des Haus-
Dr. Menzel 31. 5.
haltsausschusses konzentrierte sich einerseits dar-
Metter 14. 4. auf, die von der Bundesregierung bei der Einbrin-
Mick 14.4.
gung des Haushalts vorgeschlagene Globalkürzung
Dr. Miessner 10. 4. von 12 v. H. aller nicht ,auf rechtlichen Verpflichtun-
Nellen 11. 4.
gen beruhenden Ausgaben zu beseitigen und durch
Neumann (Allensbach) 14.4. gezielte Einzelkürzungen in den verschiedenen Ein-
Oetzel 14.4. zelplänen zu ersetzen. Andererseits galt e s, den im
Paul 30.4. Haushaltsentwurf vorgesehenen Länderbeitrag in
Rademacher 10. 4. Höhe von 1740 Millionen DM durch Kürzungen der
Dr. Ramminger 14.4. Haushaltsansätze so weit zu ermäßigen, daß der
Ramms 10. 4. Bundesrat billigerweise keine Veranlassung mehr
Frau Dr. Rehling 14.4. haben kann, im sogenannten zweiten Durchgang den
Reitz 29.4. Vermittlungsausschuß wegen der Höhe des vorge-
Reitzner 30.4.
sehenen Länderbeitrages anzurufen.
Ruland 14.4.
Frau Schanzenbach 21.4. Dieses Ziel dürfte der Ausschuß erreicht haben,
Schlick 14.4. Es konnte die als Einsparungsposten aus der Kür-
Dr. Schmid (Frankfurt) 13.4. zungsvorschrift des Haushaltsgesetzes im Einzel-
Dr. Schneider (Saarbrücken) 13.4. plan 60 vorgesehene Minderausgabe von 620 Mil-
Dr. Siemer 13. 4. lionen nach den Kürzungen /in den Ressortplänen
Spitzmüller 15.5. gestrichen und 'der vorgesehene Länderbeitrag auf
Steinhoff 14.4. 1050 Millionen herabgesetzt werden.
1060 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Der Haushaltsausschuß hat Ausgabekürzungen Bremen 6 500 000 DM, davon 0,5 Millio
vorgenommen, die sich ,auf ins- nen DM für land-
gesamt 1 132 000 000 DM wirtschaftliche
belaufen. Wenn hiervon die ver Betriebe,
schiedenen Ausgabeerhöhungen 81 300 000 DM, davon 31,3 Mil
Niedersachsen
von 203 000 000 DM lionen DM für
(der größte Posten betrifft den landwirtschaft-
bekannten 4. Milchpfennig für
liche Betriebe,
Werkmilch mit 115 Millionen
DM) abgezogen werden, ergeben Schleswig- 41 300 000 DM, davon 6,3 Millio
sich immerhin Netto-Einsparun- Holstein nen DM für land-
gen wirtschaftliche
von 929 000 000 DM. Betriebe.
Ein weiterer wichtiger Beschluß betrifft den
Der Haushaltsausschuß hat aber Tit. 957 bei Kap. 60 02. Dieser Titel, der in der
auch die Einnahmeansätze 'der Regierungsvorlage mit 104 Mio DM ausgestattet
Ressorts kritisch geprüft und in war, wurde unterteilt nach
einigen Fällen Einnahmetitel um
zusammen 86 000 000 DM a) Frachthilfe für die Beförderung der Steinkohle
erhöhen können, so daß durch die mit 94 Millionen DM und
Arbeit des Haushaltsausschusses b) energiepolitische Maßnahmen, die dem Kohle-
eine Netto-Verbesserung des absatz dienen, mit 10 Millionen DM.
Haushalts 1962
Mit Hilfe dieser Mittel, die für gegenseitig dek-
um 1 015 000 000 DM kungsfähig erklärt wurden, sollen Investitionen,
eingetreten ist. u. a. Ferngasleitungen in revierferne Gebiete, ge-
In diesem Zusammenhang muß ich darauf hin- fördert werden, die zur Steigerung der regionalen
weisen, daß der Haushaltsausschuß, obgleich er Wirtschaftskraft und des Kohleabsatzes dienen
grundsätzlich alle nachträglichen Änderungsvor- sollen.
schläge und Nachschiebelisten der Bundesregierung Von den übrigen Veränderungen auf der Aus-
abgelehnt hat, in zwei Fällen dem Wunsche der gabeseite ist zu erwähnen, daß der Haushaltsaus-
Regierung Rechnung tragen und nachträglich neue schuß die Mittel zur Förderung des Luftreisever-
Ausgaben in den Haushaltsplan einstellen mußte. kehrs zwischen Berlin und dem übrigen Bundes-
Es handelt sich insgesamt um einen Betrag von 58,4 gebiet in Höhe von 21 Millionen DM in den Ein-
Millionen DM. Auf Wunsch der Regierung wurde zelplan 60 übertragen hat. Diese Mittel waren von
eine Beteiligung des Bundes an der Sanierungsan- der Regierung ursprünglich in den Verkehrshaus-
leihe der Vereinten Nationen in Höhe von- 40 Mil- halt eingestellt worden. Der Haushaltsausschuß war
lionen DM bei Kap. A 60 06 Tit. 530 in dem diesjäh- aber der Auffassung, daß sie besser im Einzelplan
rigen Haushalt veranschlagt. Außerdem hat der der Allgemeinen Finanzverwaltung ausgewiesen
Haushaltsausschuß die Übernahme des Zinsendien- werden sollten, in dem neben der Berlin-Hilfe auch
stes auf den Bundeshaushalt gebilligt für Darlehen, die anderen, mit den sonstigen Hilfsmaßnahmen für
die von Kreditinstituten an kleinere und mittlere Berlin erforderlichen Ausgaben veranschlagt sind.
Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, an land-
Schließlich muß ich erwähnen, daß die den Bun-
wirtschaftliche Betriebe sowie an Angehörige der
deshaushalt in Einnahme und Ausgabe durchlau-
freien Berufe aus Anlaß der Flutkatastrophe im
fenden Lastenausgleichsabgaben um 170 Millionen
deutschen Küstengebiet am 17. Februar 1962 gege-
DM erhöht worden sind. Diese Änderung beruht
ben werden sollen. Für Investitions- und Betriebs-
auf neueren Schätzungen. Sie ist aber notwendig,
mittelkredite, soweit 'diese zur Wiederherstellung
damit die Haushaltszahlen mit dem Wirtschaftsplan
und Fortführung der Betriebe oder der Berufstätig-
keit erforderlich sind, übernimmt der Bund außer- des Ausgleichsfonds übereinstimmen. Die Änderung
dem Bürgschaften. Für den Zinsendienst ist vorge- ist noch insofern von Bedeutung, als dadurch das
sehen, daß der Bund die Zinsen 'für zwei Jahre bis Haushaltsvolumen sich um 170 Millionen DM er-
höht oder, genauer gesagt, verhindert, daß das
zur Höhe von 2 3/4 v. H. über den Lombardsatz über-
Haushaltsvolumen nicht in gleichem Umfang sinkt,
nimmt, soweit die Darlehnsnehmer nach der Ertrags-
oder Einkommenslage zur Zinszahlung nicht in der wie es nach den Ausgabekürzungen des Haushalts-
Lage sind. Hierfür wurden rund 18,4 Millionen DM ausschusses zu erwarten war. Ich komme noch ein-
bei einem neuen Tit. 958 des Kap. 60 02 veran- mal darauf zurück, wenn ich über den Ausgleich
schlagt. berichte.
Mit diesen Mitteln kann in diesem Jahr der Ich komme nunmehr zu den Einnahmeschätzun-
Zinsendienst für insgesamt 329,1 Millionen DM Dar- gen. Wie Sie wissen, hatte der Bundesrat in seiner
lehen übernommen werden, die sich wie folgt auf Stellungnahme zum Haushalt gefordert, daß der
die Länder verteilen: Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaft-
steuer um 291 Millionen DM erhöht werden sollte.
Hamburg 200 000 000 DM einschließlich der Der Bundesfinanzminister hat daraufhin, wie er in
landwirtschaft- seiner Etatrede bereits ankündigte, die gesamte
lichen Betriebe, Steuerschätzung unter Beteiligung von unabhängi-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1061

gen Sachverständigen noch einmal überprüfen las- zweiten Durchgang auch die Höhe des Beitrags ak-
sen. Die Sachverständigenkommission, der Vertre- zeptiert.
ter der Bundesbank, des Statistischen Bundesamts
Wie kommt es nun, daß trotz der durch den Haus-
und maßgebender wirtschaftswissenschaftlicher In-
haltsausschuß vorgenommenen Verbesserungen auf
stitute angehören, hat geglaubt, diese Erhöhung
der Einnahme- und Ausgabeseite um eine runde
nicht befürworten zu können. Es trifft auch zu, daß Milliarde DM das Haushaltsvolumen nahezu unver-
die Steuereinnahmen der ersten beiden Monate des ändert geblieben und nur um 135 Millionen DM ge-
Rechnungsjahres 1962 keineswegs befriedigend aus- ringer ist als nach der Regierungsvorlage? Diese
gefallen sind und mindestens die Auffassung be- zunächst unverständlich erscheinende Tatsache hat
stätigt haben, daß die Zeit der überschäumenden zwei Ursachen.
Steuereinnahmen — jedenfalls vorläufig— vorbei
ist. Andererseits können aus den Ergebnissen der 1. Die erhoffte Einsparung aus der von der Re-
ersten beiden Monate noch keine sicheren Schlüsse gierung vorgesehenen 12 v. H.-Globalkürzung war
für das ganze Jahr gezogen werden. In der Schät- im Einzelplan 60 auf der Ausgabeseite mit einer
zung ganz verschiedenartiger Steuern mit einer Minder- oder Minusausgabe in Höhe von 620 Mil-
Größenordnung von rund 45 Milliarden DM liegen lionen DM veranschlagt. Die vom Haushaltsausschuß
stets Fehlerquellen, die es bei einigem Optimismus vorgenommenen Einzelkürzungen haben lediglich
und auch unter Würdigung der Möglichkeiten der diese Globalkürzungen ersetzt und wirken sich auf
Finanzverwaltung vertretbar erscheinen lassen, eine die Gesamthöhe der Ausgaben daher nicht aus.
Höherschätzung von 291 Millionen DM vorzuneh- Oder anders gesagt, nur wenn die globale Minder-
men. Der mitberatende Finanzausschuß und der ausgabe für die 12%ige Globalkürzung von der
Haushaltsausschuß haben sich bei ihren Beratungen Regierung als Einnahmeposition veranschlagt wor-
nur unter Zurückstellung von Bedenken dazu ent- den wäre, hätte die Beseitigung der globalen Kür-
schließen können, die Erhöhung der Einnahmeschät- zung eine entsprechende Verringerung des Haus-
zung zu empfehlen. Allerdings wurde die Höher- haltsvolumens zur Folge gehabt.
schätzung nicht bei der Einkommen- und Körper- 2. Ein zweiter Grund, weshalb sich die übrigen
schaftsteuer allein vorgenommen. Der Bundesanteil Ausgabekürzungen nicht auf die Höhe der Gesamt-
wurde nur um 123 Millionen DM erhöht. Die rest- ausgaben ausgewirkt haben, ist die vom Haushalts-
lichen Höherschätzungen von zusammen 168 Mil- ausschuß vorgenommene Erhöhung der den Haus-
lionen DM wurden auf einige Bundessteuern ver- halt in Einnahme und Ausgabe durchlaufenden
teilt, bei denen sich eine Erhöhung noch am ehe- Lastenausgleichsabgabe. Diese Maßnahme wirft
sten vertreten ließ. zwar keine Deckungsprobleme auf, verhindert aber,
Abgesehen von dieser Erhöhung der Steuerein- daß sich die vom Haushaltsausschuß vorgenomme-
nahmen um 291 Millionen DM mußten aber die An- nen Kürzungen in einer entsprechenden Minderung
sätze bei den Zöllen und bei der Mineralölsteuer des Gesamtvolumens des Haushalts auswirken.
aus anderem Grunde um 30 Millionen DM gesenkt Zum Schluß meines Berichts möchte ich — um
werden. Es handelt sich hierbei urn eine zwangs-
Mißverständnisse zu vermeiden — noch einmal dar-
läufige Folge gesetzlicher Maßnahmen. Auf Grund auf hinweisen, daß die Minderausgabe im Einzel-
von § 72 der Allgemeinen Zollordnung vom 29. No-
plan 60 Kap. 60 02 Tit. 300 durch die vom Haushalts-
vember 1961 wurde durch die 9. Verordnung zur ausschuß vorgenommenen Ausgleichsmaßnahmen
Änderung der Mineralölsteuerdurchführungsverord- nicht völlig beseitigt worden ist. Ich darf daran er-
nung bestimmt, daß die bisher Beihilfeberechtigten innern, daß sich die Minderausgabe aus zwei völlig
der Schiffahrt ab 1. Januar 1962 das zum Betrieb
verschiedenartigen Positionen zusammensetzt. So-
ihrer Schiffe benötigte Gasöl abgabefrei beziehen weit die Minderausgabe den Einsparungsposten für
und verwenden können. Daher kommen keine ent-
die 12 v. H.-Kürzung betraf, ist der entsprechende
sprechenden Abgaben mehr auf, und es entfallen
Haushaltsansatz gestrichen worden. Dagegen bleibt
auch die bisher gewährten Betriebsbeihilfen für
die Wenigerausgabe für die im Vorjahr bereits ge-
versteuertes Gasöl.
leisteten Vorauszahlungen aus Haushaltsansätzen
Ich komme jetzt zu dem schwierigsten Punkt der des Jahres 1962 in Höhe von 562 Millionen DM be-
diesjährigen Haushaltsberatung, und das ist der stehen und führt in diesem Jahr zwangsläufig zu
Länderbeitrag zur Deckung des Bundeshaushalts, einer entsprechenden Entlastung des Bundeshaus-
der im Regierungsentwurf mit 1740 Millionen DM halts. Der Betrag selbst konnte im Zuge des Haus-
vorgesehen war. Auf die zahlreichen Diskussionen haltsausgleichs noch um 59,1 Millionen DM erhöht
hierüber möchte ich nicht eingehen, sondern mich werden. Einmal ergab der endgültige Abschluß des
mit der Feststellung begnügen, daß durch die vom Haushalts 1961, daß die Vorauszahlungen um rund
Haushaltsausschuß vorgenommenen Kürzungen der 43,6 Millionen DM höher waren als ursprünglich
Ausgaben und durch die noch für vertretbar gehal- angenommen. Außerdem konnte die Minderausgabe
tenen Einnahmeerhöhungen der Länderbeitrag von um einen weiteren Betrag von 15,5 Millionen DM
1740 um 690 auf 1050 Millionen DM herabgesetzt aufgestockt werden, weil die Haushaltsansätze für
werden konnte. Damit ist der Beitrag der Länder, das von der Bundesregierung geforderte neue Per-
dem der Bundesrat im ersten Durchgang als Über- sonal durch eine Vorschrift im Haushaltsgesetz ge-
gangsmaßnahme grundsätzlich nicht widersprochen sperrt wurden. Der Haushaltsausschuß wird über die
hat, so weit reduziert worden, daß nach den bis- Bewilligung 'der neuen Planstellen und der Stellen-
herigen Äußerungen der Ländervertreter berech- hebungen erst nach Verabschiedung des Haushalts
tigte Hoffnungen bestehen, daß der Bundesrat im im Mai und Juni entscheiden. Die Mittel für die
1062 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10.. April 1962

neuen Stellen können daher nur für einen Teil des die endgültige Fassung der Baunutzungsverordnung
Rechnungsjahres in Anspruch genommen werden. feststeht. Denn die Planzeichen beziehen sich auch
Daraus ergeben sich Einsparungen, die auf 15,5 Mil- auf die in der Baunutzungsverordnung verwendeten
lionen DM geschätzt worden sind. Begriffe. Die Vorarbeiten für die Planzeichenverord-
nung sind soweit gediehen, daß mit der endgültigen
Schließlich darf ich noch darauf hinweisen, daß
Abstimmung zwischen Bund und Ländern unmittel-
das im Vorjahr erst neu eingerichtete Kap. A 60 07
bar nach der Verkündung der Baunutzungsverord-
Entwicklungshilfe in diesem Jahr wieder weg-
nung begonnen werden kann. Es ist damit zu rech-
— —

gefallen ist, da die Ansätze dieses Kapitels in den


nen, daß die Planzeichenverordnung im Herbst d. J.
neuen Einzelplan des Bundesministers für wirt-
erlassen werden kann.
schaftliche Zusammenarbeit übernommen worden
sind.
Im Namen des Haushaltsausschusses darf ich Sie
bitten, dem Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzver- Umdruck 46
Anlage 5
waltung — mit den vom Ausschuß beschlossenen
Änderungen Ihre Zustimmung zu geben.
Änderungsantrag der Abgeordneten Bading,
Dr. Schmidt (Gellersen), Seither, Dr. Mommer und
Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs des
Anlage 3 Haushaltsgesetzes 1962, hier: Einzelplan 10 — Ge-
Erklärung schäftsbereich des Bundesministers für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen IV/200
des Abgeordneten Haase (Kassel) zur Abstimmung Anlage, IV/309).
gemäß § 59 der Geschäftsordnung.
Bei der Abstimmung über den Einzelplan 60 „All- Der Bundestag wolle beschließen:
gemeine Finanzverwaltung" habe ich mich der
In Kap. 10 21 — Bundesanstalt für Naturschutz,
Stimme enthalten. Grund der Stimmenthaltung ist
Landschaftspflege und Vegetationskunde in Bad Go-
die Tatsache, daß ich die Beteiligung der Bundes-
desberg — werden
republ ik Deutschland an der Sanierungsanleihe der
Vereinten Nationen (Kap. A 60 04 Tit. 530) nicht 1. in Tit. 108 — Beschäftigungsvergütungen, Tren-
billige. nungsentschädigungen, Fahrkostenersatz und
Da ich aber den Einzelplan 60 im übrigen in der Verpflegungszuschüsse sowie Fahrkosten für
zurAbstimngelForbfüwt,hae auswärtigen Familienbesuch für Beamte, Ange-
ich mich der Stimme .enthalten. stellte und Arbeiter — der Ansatz um 55 500 DM
gekürzt,
2. in Tit. 110 — Abfindungen und Übergangsgelder
Anlage 4 — der Ansatz um 9000 DM gekürzt,
Schriftliche Antwort 3. in Tit. 200 — Geschäftsbedürfnisse — der An-
satz um 9200 DM gekürzt,
des Herrn Staatssekretärs Dr. Ernst auf die Münd-
lichen Anfragen des Abgeordneten Schmitt Vocken- - 4. in Tit. 204 — Unterhaltung der Gebäude — der
hausen (Fragestunde der 24. Sitzung vom 6. April Ansatz um 19 800 DM gekürzt,
1962, Drucksache IV/288, Fragen XI/1 und XI/2) : 5. in Tit. 205 — Kleinere Neu-, Um- und Erweite-
Bis wann ist mit dem Erlaß einer Rechtsverordnung über die rungsbauten sowie Erwerb von Haus- und Bau-
bauliche Nutzung der Grundstücke, die im Entwurf bereits vor-
liegt, durch den Herrn Bundeswohnungsbauminister zu rechnen? grundstücken — der Ansatz von 10 000 DM ge-
Bis wann st mit dem Erlaß einer Rechtsverordnung über die strichen,
Planzeichenfestsetzung zu rechnen?
6. in Tit. 206 — Bewirtschaftung von Dienstgrund-
Zu XI/1: Die Rechtsverordnung über die bauliche stücken und Diensträumen — der Ansatz um
Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung) 8100 DM gekürzt,
ist dem Bundesrat am 15. Februar 1962 zur Zustim-
mung zugeleitet worden. Der Bundesrat ist bei der 7. in Tit. 217 — Umzugskostenvergütungen und
Erteilung der Zustimmung an keine Frist gebunden. Umzugskostenbeihilfen — der Ansatz von 20 500
Die Behandlung der Rechtsverordnung im Bundesrat DM gestrichen.
hat sich verzögert. Es haben sich außer dem feder-
führenden Ausschuß für Wiederaufbau und Woh- Bonn, den 4. April 1962
nungswesen auch der Ausschuß für Inneres, der
Wirtschaftsausschuß, der Agrarausschuß und jetzt Bading Dr. Nissen
auch der Rechtsausschuß für beteiligt erklärt. In- Dr. Schmidt (Gellersen) Ravens
folgedessen mußte die in Aussicht genommene Be- Seither Hermsdorf
handlung der Verordnung im Plenum des Bundes- Dr. Mommer Weltner (Rinteln)
rates am 13. April 1962 entfallen. Es ist zu hoffen, Höhmann Schmidt (Braunschweig)
daß die Verordnung im Bundesrat am 11. Mai 1962 Frau Dr. Hubert Marquardt
abschließend beraten wird. Junghans Frau Korspeter
Zu XI/2: Die Planzeichenverordnung nach § 2 Gerlach Lücke (Osnabrück)
Abs. 10 BBauG kann erst erlassen werden, nachdem Müller (Nordenham) Welslau
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1063

Anlage 6 Umdruck 47 Der Bundestag wolle beschließen:


Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Zu Kap. 10 02 — Allgemeine Bewilligungen —
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsge- a) Die Zweckbestimmung zu Tit. 610 (Drucksache
setzes 1962, hier: Einzelplan 04 — Geschäftsbereich IV/200 Anlage S. 53) erhält folgende neue Fas-
des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes sung:
(Drucksachen IV/200 Anlage, IV/303).
„Zuschüsse zur Förderung der Hauswirtschaft in
Der Bundestag wolle beschließen: bäuerlichen und Landarbeiterhaushalten („Grü-
ner Plan 1962")
Zu Kap. 04 03 — Presse- und Informationsamt der
b) In den Erläuterungen zu Tit. 610 wird in Ab-
Bundesregierung —
satz 1 folgender Satz angefügt:
In Tit. 30 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers
für Förderung des Informationswesens — (Druck- „Darüber hinaus können die Mittel auch für
sache IV/200 Anlage S. 22) wird der Ansatz von Maßnahmen zur Verbesserung der Hauswirt-
schaft von dauernd in der Landwirtschaft be-
13 000 000 DM um 3 000 000 DM auf 10 000 000 DM
gesenkt. schäftigten Landarbeitern verwandt werden."

Der Haushaltsvermerk wird wie folgt neu gefaßt: Bonn, den 4. April 1962
„Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Aus-
gaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Ollenhauer und Fraktion
Unterausschusses des Haushaltsausschusses des
Deutschen Bundestages und des Präsidenten des
Bundesrechnungshofes ; die Erklärungen des Unter-
ausschusses und des Präsidenten des Bundesrech- Anlage 9 Umdruck 53
nungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
der Bundesregierung."
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 12 — Geschäftsbereich
Bonn, den 4. April 1962 des Bundesminister für Verkehr (Drucksachen IV/200
Ollenhauer und Fraktion Anlage, IV/311).

Der Bundestag wolle beschließen:


Zu Kap. 12 15 — Bundesanstalt für Flugsicherung in
Anlage 7 Umdruck 50 Frankfurt (Main) —
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur Die in Tit. 101 — Dienstbezüge, Zulagen und Zu-
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts- wendungen für planmäßige Beamte — (Drucksache
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 10 — Geschäftsbereich IV/311 S. 7, 8) vorgesehene Übernahme von Bedien-
des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft steten des Flugsicherungskontrolldienstes und des
und Forsten (Drucksachen IV/200, IV/309). flugsicherungstechnischen Dienstes in das Beamten-
verhältnis wird jetzt nicht vorgenommen.
Der Bundestag wolle beschließen: Die Erläuterungen sind entsprechend zu ändern.
Zu Kap. 10 02 — Allgemeine Bewilligungen — Bonn, den 4. April 1962
a) In Tit. 601 — Zuschüsse an Anstalten außer-
Ollenhauer und Fraktion
halb der Bundesverwaltung— (Drucksache IV/309
S. 5) wird der Ansatz von 8 169 600 DM um
22 000 DM auf 8 191 600 DM erhöht.
b) Die Erläuterungen zu Tit. 601 (Drucksache IV/200 Anlage 10 Umdruck 54
Anlage S. 42) werden bei Buchstabe B. Nr. 5 wie
folgt gefaßt: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
„Deutsche Tierschutzbünde 40 000 DM". gesetzes 1962, hier: Einzelplan 12 — Geschäftsbereich
des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen
Bonn, den 4. April 1962
IV/200 Anlage, IV/311).
Ollenhauer und Fraktion
Der Bundestag wolle beschließen:
Zu Kap. 12 02 — Allgemeine Bewilligungen —
Anlage 8 Umdruck 51 In Tit. 510 a) — Zuwendungen an die Deutsche Bun-
desbahn — (Drucksache IV/311 S. 3) wird der An-
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
satz von 1 047 000 000 DM um 180 000 000 DM auf
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
1 227 000 000 DM erhöht.
gesetzes 1962, hier Einzelplan 10 — Geschäftsbereich
des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft Die Erläuterungen zu Tit. 510 a) Nr. 2 (Drucksache
und Forsten (Drucksachen IV/200, IV/309). IV/200 Anlage S. 21) erhalten folgende Fassung:
1064 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

„2. Freiwillige Zuwendungen gesetzes 1962, hier: Einzelplan 10 — Geschäftsbe


reich ides Bundesministers für Ernährung, Landwirt-
a) Ausgleich von betriebsfrem
schaft und Forsten (Drucksachen IV/200 Anlage,
den Lasten
IV/309) .
aa) Versorgungslasten 310 000 000 DM
bb) Verzinsung von Aus- Der Bundestag wolle beschließen:
gleichsforderungen der Zu Kap. 10 02 — Allgemeine Bewilligungen —
Deutschen Bundesbank 34 000 000 DM In den Erläuterungen zu Tit. 571 — Förderung der
(1961 Kap. 12 02 Tit. 512) ländlichen Siedlung — (Drucksache IV/200 Anlage
b) Beitrag zu den strukturell S. 31) wird dem zweiten Absatz folgender Satz 'an-
bedingten überhöhten Ver- gefügt:
sorgungslasten der Deut- „Die Bindungsermächtigung erhöht sich um zusätz-
schen Bundesbahn 555 000 000 DM liche 65 000 000 DM für den Fall, daß die Finanzie-
c) Zuschuß für den Wiederauf- rung des Siedlungsprogrammes 1962 nicht gewähr-
bau der Eisenbahnbrücke leistet ist, wenn die Länder nicht in der Lage sind,
Kehl-Straßburg und für die den vorgesehenen Anteil an Landesmitteln aufzu-
Höherlegung des Bahnhofs bringen."
Kehl, 3. Teilbetrag 3 000 000 DM
Bonn, den 5. April 1962
(1961 Kap. 12 02 Tit. 514)
d) Zuschuß und Darlehen für den Ollenhauer und Fraktion
Wiederaufbau der Eisenbahn-
brücke Neuenburg-Chalampé —
(1961 Kap. 12 02 Tit. 515) Anlage 13 Umdruck 60
e) Anpassunghilfe zur Erleichte-
rung der Rationalisierung im
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
170 000 000 DM zweiten Beratung des Entwurfs dies Haushalts-
Personenzugverkehr
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 25 — Geschäftsbe-
(1961 Kap. 12 02 Tit. 516) reich des Bundesministers für Wohnungswesen,
f) Übernahme des Kapitaldien- Städtebau und Raumordnung (Drucksachen IV/200
stes für Anleihen im Gesamt- Anlage, IV/319).
betrag von 500 000 000 DM
als Beitrag des Bundes zur Der Bundestag wolle beschließen:
Verbesserung der Kapital- Zu Kap. 25 01 — Allgemeine Ausgaben
struktur der Deutschen Bun-
10 000 1. In Tit. 310 — Veröffentlichungen des Ministe-
desbahn - 000 DM riums — (Drucksache IV/319 S. 4) wird 'der An-
g) Verstärkungsmittel des Kap. satz in Höhe von 100 000 DM gestrichen.
60 02 Tit. 199 im Rechnungs- Zu Kap. 25 02 — Allgemeine Bewilligungen
jahr 1961"
2. In Tit. 545 — Darlehen an die Länder zur För-
Bonn, den 4. April 1962 derung der Wohnungsbeschaffung für junge
Ehepaare — (Drucksache IV/200 Anlage S. 19)
Ollenhauer und Fraktion wird der Ansatz von 20 000 000 DM um
30 000 000 DM auf 50 000 000 DM erhöht.
In 'den Erläuterungen zu Tit. 545 wird in Abs. 1
Anlage 11 Umdruck 56 nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur „Die Mittel sollen insbesondere 'der Förderung
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts- des Baues von Mietwohnungen für junge Fami-
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 28 — Geschäfts- lien vorbehalten 'bleiben und ihnen zur Erlan-
bereich des Bundesministers für Angelegenheiten gung einer Miet- und Genossenschaftswohnung
des Bundesrates und der Länder (Drucksachen IV/200 gewährt werden."
Anlage, IV/322).
3. Es wird ein neuer Tit. 607 eingefügt:
Der Bundestag wolle beschließen: „Titel 607 — Zuschüsse zur Förderung des Baues
Die Ansätze in Einzelplan 28 werden gestrichen. von Alterswohnheimen
20 000 000 DM"
Bonn, den 4. April 1962 „Zu Tit. 607 Die Erläuterungen lauten:
Ollenhauer und Fraktion Diese Zuschüsse sollen zur Schaffung besonderer
Wohnanlagen oder entsprechender Kleinwoh-
nungen. als Altersheime und Alterswohnheime
Umdruck 58 im Rahmen anderer Wohn- und Siedlungsanla-
Anlage 12
gen gewährt und dadurch auch eine Auflocke-
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur rung in den vorhandenen Wohnungsbeständen
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts- durch Doppelbelegungen und die Freimachung
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962 1065

entsprechend großer Wohnungen für junge Fa- Anlage 16 Umdruck 63


milien erreicht werden."
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
Bonn, den 5. April 1962 zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
gesetzes 1962, hier: Haushaltsgesetz 1962 (Druck-

Ollenhauer und Fraktion sachen IV/200, IV/331).

Der Bundestag wolle beschließen:


1. Dem § 22 wird folgender Absatz 3 angefügt:
Anlage 14 Umdruck 61 „ (3) Zahlungszusagen aus Absatz 1 in Höhe
von 1 850 000 000 DM und aus Absatz 2 in Höhe
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur von 1 250 000 000 DM für die Förderung von Ent-
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts- wicklungsländern bedürfen der vorherigen Un-
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 26 — Geschäftsbe- terrichtung des Ausschusses für Entwicklungs-
reich des Bundesministers für Vertriebene, Flücht- hilfe des Deutschen Bundestages. Soweit Zusagen
linge und Kriegsgeschädigte (Drucksachen IV/200 bereits vor Verabschiedung dieses Gesetzes ge-
Anlage, IV/320). macht wurden, ist eine unverzügliche Unter-
richtung des Ausschusses vorzusehen."
Der Bundestag wolle beschließen:
2. Dem § 23 wird folgender Absatz 3 angefügt:
Zu Kap. 26 02 — Allgemeine Bewilligungen — „(3) Gewährleistungen aus Absatz 1, die für
In Tit. 601 — Zuschüsse zur Erhaltung und Auswer- die Förderung der Wirtschaft von Entwicklungs-
tung des kulturellen Heimaterbes der Heimatver- ländern gegeben werden, bedürfen der vorheri-
triebenen und zur Förderung der kulturellen Bestre- gen Unterrichtung des Ausschusses für Entwick-
bungen der Flüchtlinge — (Drucksache IV/200 An- lungshilfe des Deutschen Bundestages."
lage S. 16) wird der Ansatz von 1 100 000 DM um
Bonn, den 5. April 1962
400 000 DM auf 1 500 000 DM erhöht.
Ollenhauer und Fraktion
Bonn, den 5. April 1962
Ollenhauer und Fraktion
Anlage 17 Umdruck 64
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
Anlage 15 Umdruck 62 gesetzes 1962, hier: Einzelplan 31 — Geschäfts-
bereich des Bundesministers für Atomkernenergie
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur (Drucksachen IV/200 Anlage, IV/325).
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 60 — Allgemeine Der Bundestag wolle beschließen:
Finanzverwaltung (Drucksachen IV/200 Anlage, Zu Kap. 31 02 — Allgemeine Bewilligungen für
IV/330) . Atomkernenergieforschung und
-nutzung —
Der Bundestag wolle beschließen:
1. In Tit. 620 — Förderung der Strahlennutzung
Zu Kap. 60 01 — Steuern und Abgaben und der Entwicklung der Isotopentechnik und
1. In Tit. .St 9 — Anteil des Bundes an der Ein- Kernchemie — (Drucksache IV/200 Anlage S. 23)
kommen- und Körperschaftsteuer — (Drucksache wird der Ansatz von 4 500 000 DM um 2 500 000
IV/330 S. 2) wird der Ansatz von 12 082 000 000 DM auf 7 000 000 DM erhöht.
DM um 168 000 000 DM auf 12 250 000 000 DM 2. In Tit. 950 — Förderung der Atomforschung
erhöht. durch Zuwendungen für die Modernisierung und
Erweiterung wissenschaftlicher Institute und Ein-
Zu Kap. 60 02 — Allgemeine Bewilligungen richtungen — (Drucksache IV/325 S. 5) wird der
2. In Tit. 999 (Drucksache 200 Anlage S. 25) wird Ansatz von 37 700 000 DM um 4 000 000 DM auf
41 700 000 DM erhöht.
a) die Zweckbestimmung wie folgt neu gefaßt:
„Zur Deckung der kassenmäßigen Mehraus- Zu Kap. 31 04 — Allgemeine Bewilligungen für
gaben ,aus dem Rechnungsjahr 1960", die Weltraumforschung —
b) der Ansatz von 206 890 700 DM um 160 837 900 3. In Tit. 677 — Beitrag an die Europäische Organi-
DM auf 46 052 800 DM gekürzt, sation für die Entwicklung und den Bau von
Satellitenträgern (ELDO) — (Drucksache IV/325
c) in den Erläuterungen zu Tit. 999 wird Nr. 2 S. 6) wird der Ansatz von 20 000 000 DM um
gestrichen. 10 000 000 DM auf 10 000 000 DM gekürzt.
Bonn, den 5. April 1962 Bonn, den 5. April 1962

Ollenhauer und Fraktion Ollenhauer und Fraktion


1066 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1962

Anlage 18 Umdruck 66 und Ausgabenansätze zur Förderung von Baumaß-


nahmen anderer Stellen, die aus gesetzlich zweckge-
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur bundenen Einnahmen durchzuführen sind. Der Bun-
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts- desminister der Finanzen kann im Einvernehmen mit
gesetzes 1962, hier: Einzelplan 30 — Geschäfts- dem Bundesminister für Wirtschaft Befreiungen von
bereich des Bundesministers für besondere Auf- dieser Sperre zulassen.
gaben (Drucksachen IV/200 Anlage, IV/324).
(2) § 19 Abs. 2 Satz 2 des Zweiten Wohnungsbau-
Der Bundestag wolle beschließen: gesetzes in der Fassung vom 1. Agust 1961 (Bundes-
gesetzbl. I S. 1121) findet im Rechnungsjahr 1962
Einzelplan 30 wird gestrichen. keine Anwendung."
Bonn, 5. April 1962
Bonn, den 10. April 1962
Ollenhauer und Fraktion
Schmücker und Fraktion
Dr. Mende und Fraktion
Anlage 19 Umdruck 68
Änderungsantrag der Abgeordneten Schoettle Anlage 21 Umdruck 71
und Dr. Vogel zur zweiten Beratung des Entwurfs
des Haushaltsgesetzes 1962, hier: Haushaltsgesetz Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Schäfer,
1962 —(Drucksachen IV/200, IV/331). Jacobi (Köln), Ritzel, Dr. Brecht zum Änderungs-
antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP (Um-
Der Bundestag wolle beschließen: druck 70) zur zweiten Beratung des Entwurfs des
In § 9 Abs. 6 ist eine Nummer 14 a mit folgendem Haushaltsgesetzes 1962, hier: Haushaltsgesetz 1962
Text einzufügen: — (Drucksachen IV/200, IV/331).
„14 a. Einsparung bei Kapitel 23 02 Titel 300 zur Der Bundestag wolle beschließen:
Verstärkung der bei Kapitel 23 02 Titel 332
und Titel 600 veranschlagten Mitteln;" § 8 erhält folgende neue Fassung:
㤠8
Bonn, den 5. April 1962
(1) Die Mittel für die Fortführung begonnener
Schoettle und für neue Baumaßnahmen des Bundes sowie die
Dr. Vogel Ausgabenansätze zur Förderung von Baumaßnah-
men anderer Stellen sind, mit Ausnahme der für
den Straßenbau vorgesehenen öffentlichen Mittel, in
Anlage 20 Umdruck 70 Höhe von 20 vom Hundert des Jahresansatzes ge-
sperrt, soweit nicht eine rechtliche Verpflichtung zu
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, ihrer Leistung besteht. Das gilt auch für solche Bau-
FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haus- maßnahmen des Bundes und Ausgabenansätze zur
haltsgesetzes 1962, hier: Haushaltsgesetz 1962 Förderung von Baumaßnahmen anderer Stellen, die
(Drucksachen IV/200, IV/331). aus gesetzlich zweckgebundenen Einnahmen durch-
zuführen sind. Der Bundesminister der Finanzen
Der Bundestag wolle beschließen: kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für
§ 8 erhält folgende neue Fassung: Wirtschaft Befreiungen von dieser Sperre zulassen.
„§ 8 (2) Diese Bestimmungen finden auf den öffent-
lich geförderten Wohnungsbau keine Anwendung."
(1) Die Mittel für die Fortführung begonnener
und für neue Baumaßnahmen des Bundes sowie die Bonn, den 10. April 1962
Ausgabenansätze zur Förderung von Baumaßnah-
men anderer Stellen sind in Höhe von 20 vom Hun- Dr. Schäfer
dert des Jahresansatzes gesperrt, soweit nicht eine Jacobi
rechtliche Verpflichtung zu ihrer Leistung besteht. Ritzel
Das gilt auch für solche Baumaßnahmen des Bundes Dr. Brecht

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